Aus dem Reiche der Pelze
Von
EMIL BRASS
Alle Rechte, auch das der Ubersetzung, vorbehalten
Satz, Druck und Einband von
Imberg&Lefson G.m.b.H., Berlin
Autotypien von Graphische Kunstanstalt ,,Globus", Copyright by Leo Korach, Berlir
Aus dem Reiche der Pelze
Bd. i: Geschichte des Rauchwarenhandels
Bd. ii: Naturgeschichte der Pelztiere
Von
EMIL BRASS
Konsul a. D.
In einem Band mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen
BERLIN
Im Verlage der Neuen Pelzwaren-Zeitung
Vorwort.
Vor 35 Jahren begann ich mil dem Sammeln des Materials zu dem vor-
liegenden Werke und habe dies bis heute fortgesetzt. Einen Teil veroffent-
lichte ich bereits in einer Artikelserie in der Neuen Pelzwaren-Zeitung, doch
wurde von verschiedenen Seiten der Wunsch laut, ich mochte diese Artikel
in einem Buche gesammelt herausgeben, da bisher in Deutschland kein zu-
sammenfassendes Werk der Art existiere.
Auch Zoologen und Volkswirtschaftler nahmen grosses Interesse an der
Herausgabe eines solchen Werks, da diesen das hier veroffentlichte Material
sonst nicht zur Verfiigung steht.
Die Quellen fand ich in der Bibliothek der Hudson's Bay Co., dem British
Museum in London, der Bibliotheque nationale zu Paris, der Kgl. Bibliothek
zu Berlin, der Stadtbibliothek von Montreal, den Bibliotheken der Royal
Geographical Society in London, der Societe de Geographic in Paris, der
Gesellschaft f iir Erdkunde zu Berlin, der Royal Asiatic Society in Shanghai,
des Museums fur Naturkunde zu Berlin etc. Ausserdem stand ich ja von
Jugend auf in der Praxis des Rauchwarenhandels und trieb auch ruhrig,
soweit meine berufliche Tatigkeit es mir gestattete, naturwissenschaftliche
Studien, wobei mir mein langjahriger Aufenthalt im Auslande und meine
Reisen in vier Weltteilen Gelegenheit zu Naturbeobachtungen gaben.
Ich sage an dieser Stelle alien denen, die mir beim Zustandekommen
der Arbeit behilflich waren, meinen Dank. Zunachst der Hudson's Bay
Co., die mir bei Beginn des Material-Sammelns ihre Archive zur Verfiigung
st elite, dann besonders Herrn Harris, dem Sekretar der H. B. C. in London,
der mir auch in der Neuzeit noch Notizen und Photographien iibersandte,
Herrn Kommerzienrat Thorer und Herrn Peter Gloeck, die mich durch zahl-
reiche Photographien unterstiitzten, Herrn Prof. Brauer, dem Direktor des
naturwissenschaftlichen Museums, der mir die Benutzung der Bibliothek
des Instituts gestattete und Herrn Prof. Matschie, der mir beim Bestirnmen
der wissenschaftlichen Namen etc. ^seine wertvolle Unterstutzung lieh.
Indem ich nun das aus dieseni liij&JsshVigen S,tU(imm, sowie meiner dreissig-
jahrigen Praxis und dem aufn^r^simem^Beqbachten im In- und Auslande
hervorgegangene Werk der Ofienife&keit0 li^^l^,: KMfe ich, dass dasselbe,
namentlich von den Angehorigen unserer alt en Branche, als Standard werk
aufgenommen werden wird.
Berlin, im April 1911.
Der Verfasser.
Die in Band II bei den einzelnen Fellarten angegebenen Preise beziehen sich stets auf
rohe Felle in erster Hand.
Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes.
Geschichte des Rauchwarenhandels.
Seite
I. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter .... 3
Prahistorische Zeit, Altertum, Mittelalter in Deutschland, in England,
in Osterreich-Ungarn, in Frankreich.
II. Geschichte des Pelzhandels in Nordamerika.
Kapitel . 15
Skandinavier, Cabot und andere. - - Englische und portugiesische
Entdeckungsfahrten.
Kapitel . . . -,':'. . . . . . . . . . . . . . .- :. . 21
Franzosische Fahrten nach Canada. — Franzosische Niederlassungen
in Canada. — Franzosische Pelzhandelsgesellschaften in Canada. -
Kampfe mit England um Neuschottland. Entwicklung der
Pelzhandelsgesellschaften und des Pelzhandels. - - Englische Ent-
deckungsfahrten.— Muscovy Co. — Eastindia Co. — Hudsons- Fahrten.
New England Co. — Hudsonsbay Co. — Kampf zwischen Eng-
lander und Franzosen um die Hudsonsbay. — Compagnie du Nord.
— John Law. — Entdeckungen und Handelsposten der Fran-
zosen im fernen West en. — Krieg zwischen Frankreich und England.
- Northwest Co. — Kampf zwischen Hudson's Bay Co. und North-
west Co.
Kapitel * . 76
Griindung von New York. — Pelzhandel in den Vereinigten Staaten .
— Mackinaw Co. — Johann Jacob Astor. - - American fur Co. -
Southwest Co. -- Astoria, andere Pelzhandelskompagnien. -
Kapitel . • 96
Geschichte des Pelzhandels an der Westkiiste. Spanier, Osterreicher,
VIII Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes.
Seite
Eastindia Co. — Boston fur Co. — Die Russen. — Streit der Russen
mit der Hudsonsbay Co. — Weitere Fortschritte der Hudson's Bay Co.
- Auf stand am Redriver. • • Aufschwung der Besiedlung von
Winipeg und dem Nordwesten. - - Die Alasca Co. — Die North-
american Commercial Co.
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
1. Kapitel 119
Mittelalter. - - Hansa. - - Muscovy Co.
2. Kapitel 125
Eroberung Sibiriens. - - Expeditionen 1577 — 1711.
3. Kapitel 133
Griindung der sibirischen Stadte. - - Pelzhandelsbetrieb. - - Zu-
sammenstoss mit den Chinesen. - - Vertrage mit China. - - Kara-
wanenbetrieb nach China. - - Pelzhandel in Kiachta.
4. Kapitel 142
Entdeckungen und Pelzfangreisen an der Ostkiiste. — Expeditionen
1715 — 1755. — Betrieb des Pelztierfanges. — Fang- und Entdeckungs-
Expeditionen nach Amerika 1750 — 1777.
5. Kapitel 157
Griindung der russisch-amerikanischen Pelzhandels-Gesellschaft. -
Weitere Expeditionen 1780 — 1825. — Ansiedlung der Gesellschaft in
Calif ornien.
6. Kapitel 183
Zusammenstoss der Russen mit den Amerikanern und Englandern. —
Weitere Entwicklung der russischen Handelsgesellschaft 1825 — 1848
- Zusammenstoss mit den Indianern.
7. Kapitel 193
Russische Pelzhandelsunternehmungen im Nordosten Sibiriens, sowie
Kampfe um den Amur mit China, 1760 — 1858. - - Weitere Ent-
wicklung der russisch-amerikanischen Pelzhandelsgesellschaft, bis zur
Auflosung 1865. - - Messen in Russland. - - Heutiger Handel.
IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter,
in Asien und den iibrigen Weltteilen.
1. Kapitel. Frankreich 223
2. Kapitel. England 226
3. Kapitel. Deutschland 231
4. Kapitel. Osterreich und der Orient 241
Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes. IX
Seite
5. Kapitcl. Skandinavien, Niederlande und iibriges Europa . . . '. . 246
6. Kapitel. Asien -..-/;•• . . . . . . . S- '.- $ . 251
7. Kapitel. Die ubrigen Weltteile . . . . .. ^ . . . .... . . . . 263
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
1. Kapitel . . ". ... ..... 273
Amerika. — a) Handelsbetrieb, Verkehrsmittel, Handelsposten etc.
im Hudson's Bay-Gebiet. Tauschtarife. • b) In Labrador. -
c) In den Vereinigten Staaten.
2. Kapitel. Handelsbetrieb in Asien . . . . . ...... | . . 300
3. Kapitel. Betrieb der Londoner Auktionen 307
4. Kapitel. Abkiirzungen fur die gebrauchlichen amerikanischen Fell-
sorten 311
5. Kapitel. Die Scbonzeiten fur die Pelztiere in Nordamerika . . . .315
6. Kapitel. Silberfuchsfarmen in Amerika 316
VI. Einfuhrstatistik.
Tabellen der Einfuhr, Weltproduktion und Preisbewegung der Rauch-
waren 3r9
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes.
Naturgeschichte der Pelztiere.
I. Affen und Halbaffen.
Seite-
a) Affen 381
Colobus ursinus. — Colobus vellerosus. — • Colobus guereza. -- Wan-
deru Semnopithecus schistanus. - - Roter Briillaffe, Mycetes serii-
cdlus. — Scbwarzer Briillaffe, M}rcetes caraja.
b) Halbaffen 383
Katta, Lemur catta. Bunter Vari, Lemur varius. - - Roter
Vari, Lemur rubrus. - - Lori, Nycticebus cinereus.
II. Katzenarten.
a) Lowen 387
Felis leos. - - Der Kaplowe. - - Senegallowc. - - Ostafrikanischer
Lowe. -- Masai-Lowe. -- Persischer Lowe. - - Lowe von Guzerate.
b) Die Pumaarten 390
Felis couguar. -- Felis hippolestes. - - Felis olympica.
c) Yaguarundi und Eyra 392
Felis yaguarendi tolteca. - - Felis eyra.
d) Tigerarten 392
Bengalischer Tiger. — Tiger von Hinterindien. — Inseltiger. — Amoy-
Tiger. -- Hankowtiger. -- manscburischer Tiger. -- Altai-Tiger. —
Koreanischer Tiger.
e) Jaguare 400
Felis onca. — Felis centralis. — Felis Goldmanii. — Felis hernandezii.
f) Panther und Leoparden . 401
Indische Panter: Felis pardus pantera. - - Felis pardus varie-
gata. — Felis pardus tulliana. — Felis pardus fontanieri. — Felis chi-
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes. XI
Seite
nensis. - Fells sinensis. - • Persischer Panter. - Chinesischer
Panter. — Felis villosa. - - Felis pantera hanensis.
Afrikanische Leoparden: Felis pardus leopardus. — Felis
pardus nimmr. — Felis pardus suahelicus. - - Felis pardus anti-
qorum.
g) Irbis 406
Felis uncia.
h) Serval ' 407
Indien: Felis viverrina. — Serval himalayanus. — Afrika: Felis
serval. — Felis capensis. — Felis senegalensis. — Felis galeopardus.
i) Nebelpanther . . . . . ; . 409
Felis nebulosus. — Felis macrocelis. - - Felis macrourus. - - Felis
brachyurus.
k) Siidamerikanische Tigerkatzen 410
Ocelots: Felis pardalis. — Felis limitis. — Felis costaricensis. -
Felis equatorialis. — Felis chibiguazou. -- Felis maracaya. - - Felis
mitis. - - Felis buffonii. - - Felis mexicana.
Panterkatzen: Felis macroura. — • Felis tigrina. — Felis venusta.
Felis geofryi. — Felis catenata. -- Felis payeros.
1) Asiatische Tigerkatzen /...,.-... 415
Felis viverrina. - - Felis marmorata. - - Felis rubiginosa. • - Felis
pardicolor. - - Felis bengalensis. - - Felis temminucki. — Felis tor-
quatus. — Felis manul. — Felis microtis. — Felis euptilura. —
Felis pallida. — Felis chinensis. -- Felis ricketti. — Felis ingrami.
m) Hauskatzen ... , . . •. .' . . ... ... . . ... . . . . 419
n) Ginsterkatzen . . . . . V . . . . . . . . . . ... . . . . . . 421
Genetta vulgaris. — Genetta genettoides. - - Genetta tigrina.
o) Jagdleoparden . . . .... . . . . . .... - 422
Cynaelurus guttatus. - - Cynaelurus jubatus.
p) Luchse 423
Lynx canadensis. — Lynx gigas. -- Lynx uinta. — Lynx subolanus.
Lynx mollipilosus. — Lynx fasociatus. — Lynx rufus. — Lynx cerva-
ria. -- Lynx virgata. -- Lynx borealis. -- Lynx vulgaris. -- Lynx
pardina. — Lynx isabellinius. — Lynx bengalensis. — Lynx caracal.
- Lynx nubicus. - - Felis chaus. — Chausa ffinis. - - Chaus chryso-
melanotis. - - Chaus furax. - - Chaus bieti.
q) Wildkatzen . . . . . - 1 . . . . 431
Felis catus.
III. Hundearten.
i. Haushunde 435
Chinesischer Hun d. — Mandschurischer Hund. — Kamt schadalenhund.
XII Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes.
Seite
- Mongolischer Hund. - - Sibirischcr Hund. - - Eskimohund. -
Wildhund canis alpinus.
2. Wolfe 439
a)AmerikanischeW61fe 439
Canis occidentalis. - - Canis nubilus. Canis latrans. - Canis
nebranensis. - - Canis lestes. - - Canis frustor. - - Canis mearnsi -
Canis ochropus. - - Canis mexicanus.
b)SiidamcrikanischeW6lfe 441
Canis peninsularis. — Canis microdon. — Canis antarcticus. — Canis
jubatus.
c)Europaisch e Wolfe 442
Canis lupus.
d)OstasiatischcW6lfe. 443
Sibirischer Wolf. - - Chinesiscter Wolf, Canis lupus laniger. •
Tibetanischcr Wolf, Canis filchncri. Canis ater. Canis
caranorensis. — Canis chanco. • Japanischer Wolf, Canis hodo-
phylax. — Indischer Wolf Lupus pallceps.
c) Afrit a nischc Wolfe 445
Canis simensis.
3. Schakale 445
Canis aureus dalmatinus. — Canis aureus graecus. - - Canis aureus
vulgaris. — Canis aureus cruesemanni. -- Canis hadramauticus. -
Canis algeriensis. — Canis tripolitanus. — Canis mesomelas. — Canis
adustus.
4. Fiichse 447
A. Silberfiichse 447
Vulpes argent eus.
B. Kreuzfiichse 449
Canis cruciatus.
C. Rotfiichse 450
a) Amerikanischc : Vulpes virginianus. - Vulpes macrourus.
Vulpes cascadensis. - • Vulpes necator. — Vulpes rubricosus. -
Vulpes pensylvaniae. — Vulpes deletrix. • — Vulpes kenaiensis. — Vul-
pes harrimanii. - - Vulpes regalis. -- Bastardiuchse.
b) Europaische: Vulpes septentrionalis. - Vulpes vulgaris. -
Vulpes hypomelas. - - Vulpes melanogaster. - - Vulpes silaceus. -
Podolischer Fuchs. -
c) Asiatische: Vulpes kamtschadensis. - - Vulpes anadjTensis. -
Vulpes sibirians. - - Vulpes lineiventer. - - Vulpes hoole. - - Vulpes
japonicus. • Vulpes alopex. • Vulpes bengalensis. • Vulpes
carganus. Vulpes syriacus. Vulpes atlanticus. Vulpes
aegyptiacus.
d) Australischer Fuchs.
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes. XIII
Seite
D. Griesfiichse . . . " . . . 460
Urocyon cinereoargentatus. — Urocyon texensis. — Urocyon
borealis. - - Urocyon floridanus. — Urocyon litteralis. - - Urocyon
clement ae.
E. Kitfuchse. . . . . .*. . 461
Amerikanische : Canis velox hebes. — Velox macrotis. — Velox
muticus.
Asiatische: Canis ferrilatus. — Canis corsac. — Canis eckloni. -
Vulpes leucopus. —
F. Wustenfiichse . - . 463
Der Fenek, megalotis zerda. — Canis pallidus.
G. SudamerikanischeFiichse „.. 464
Pampas! iichse : Canis azarae. — Canis cancrivorus. — Patagonische :
Canis griseus. — Chilenische: Canis fulvipes. — Canis parvideus. -
Canis microtis. — Magellansfuchs : Canis magellanicus.
H. Polarfiichse (Weiss- und Blaufiichse) 465
Canis lagopus spitzbergensis. — Canis lagopus ungava. - - Canis
lagopus innuitus. — Canis lagopus kenaiensis. — Canis lagopus
halensis. Canis behringiensis.
IV. Viverrenhund.
Seefiichse oder japanische Fiichse 471
Nyctereutes viverrinus. — Nyctereutes procyonides. — Nyctereutes
ussuriensis. - - Nyctereutes sinensis. — Nyctereutes stegmanni.
V. Die Marderarten.
1. Zobel 477
Mustela zibellina. - - Mustela brachyura.
2. Amerikanische Zobel 4^°
Mustela americana. - - Mustela brumalis. - - Mustela abieticola. -
Mustela caurina. - - Mustela actuosa. - - Mustela kenaiensis. -
Mustela mesophila.
3. Virginische Iltis
Mustela penanti. - - Mustela flavigula. • • Mustela henrici. •
Mustela xanthopila. - - Mustela flavigula borealis.
4. Sudamerikanische Arten des virg. Iltis
Galictis barbara. - - Galactis vittata. - - Galactis allamandii.
5. Baummarder '..,._
Mustela martes.
6. Steinmarder * • '• •.* • • •
Mustela foina. Mustela bosnia. - - Mustela mediterranea.
Mustela toufaea. — Mustela leucolachnea. — Mustela intermedia.
X IV Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes.
Seite
7. Iltis 487
Mustela putorius. - - Putorius eversmanii.
8. Japanische Marder 489
Mustela melampus. — Mustela japonica.
9. Kolinsky 489
Mustela sibirica. — Mustela manchurica.
10. Tigeriltis 490
Perwitzky Putorius sarmaticus.
11. Chinesische und Japanische Nerze 491
Lutreola davidianus. — Lutreola moupinensis. - - Mustela itatsi.
12. Hermelin 492
Europaische: Arctogale ermineas. — Arctogale nivalis. — Arctogale
hibernieus. — Arctogale ibericus. — • Arctogale boccamela.
Asiatische: Arctogale erminea. — Arctogale alpinus. — Arctogale
altaicus. — Arctogale pygmaeus. — Arctogale stoliczkanus. — Arcto-
gale fontanieri. — Arctogale pallidus. - - Arctogale caucasicus. -
Arctogale stridigorsus.
Amerikanische : Arctogale arcticus. • Arctogale richardsonii.
Arctogale rixosus. — Arctogale eskimo. — Arctogale alascensis. -
Arctogale cicognani. — Arctogale steatorix. — Arctogale longi-
caudata. — Arctogale novoboracensis. — Arctogale washingtonii. -
Arctogale saturatus. — Arctogale arizonsensis. — ArctogaleHaida-
rum. - - Arctogale xantonigensis.
13. Vielfrass 498
Gulo luscus.
VI. Die Nerzarten.
DereuropaischeNerz 503
Lutreola vison.
DeramerikanischeNerz 504
Lutreola borealis. — Lutreola lutreocephalus. — Lutreola lutensis.
- Lutreola melampeplus. — Lutreola ingens. — Lutreola nigriscentes.
VII. Die Ottern.
a) Amerikanische 509
Lutra canadensis. — Lutra lataxina. — Lutra pacifica. — Lutra
sonora. — Lutra platensis. — Lutra felnia. — Lutra brasiliensis. —
Lutra paranensis.
b) Europaische Ottern 511
Lutra vulgaris. - - Griechische Otter.
c)AsiatischeOttern 512
Bagdadotter. — Lutra ellioti. — Lutra aureobounea. — Lutra barang.
— Lutra leptonyx. — Lutra sumatraensis. — Lutra cinerea. — Lutra
chinensis. - - Lutra japonica.
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes. XV
Seite
d)Afrikanische Ottern 514
Lutra capensis. — Lutra maculicollis. - - Lutra incuginis.
Der Seeotter.
Enhydra lutris nereus 514
VIII. Die Dachse und Stinkdachse.
a)Amerikanische 521
Taxidea americana. - Taxidea berlandieri. — Taxidea neglecta.
b)Asiatische Dachse. . . .. . . . . . . . > . . •;'. . . . 522
Meles anacuma. — Meles anacuma amurensis. — Meles leucouras. —
Meles leptorynchus. — Meles chinensis. - - Meles tsingtauensis. -
Meles amurensis. — Meles raddei. — Meles hanensis. — Meles
siningensis. — Meles sibirilaris. — Meles altaicus. — Arctonyx leu-
curus. — Arctonyx albogularis. -- Arctonyx oscums. — Arctonyx
assamensis. — Arctonyx taxoides.
c)Europaische Dachse . . . . 524
Meles taxus. — Meles arenarius.
d)Honigdachse >, '. .... ..- . . . . . ... 525
Mellivora capensis. -- Mellivora meliceps.
Die Stinkdachse.
Pah mis 526
Helictis ferrogrisea. — Helictis moschata. — Helictis auriantica. —
Helictis orient alis.
Stinkdachs . . , . ... .r;>. ' • • • 527
My da us meliceps.
IX. Die Skunksarten.
N o r d a m e r i k a nisch e . . v. . . »..«••. • • 531
Mephites hudsonia. — Mephites minnesotae. — Mephites mephitica.
— Mephites dentata. — Mephites scrutrator. — Mephites occidentalis.
— Mephites spissigrada. • — Mephites estor. - - Mephites mulleri. -
Mephites zoia. — Mephites macrura. - - Mephites scrutata.
S ii d a m e r i k a n i s c h e . . . . . . • \ . • • • • • 535
Conepatus suffocans. — Conepatus chinga. -- Conepatus arequipae.
— Conepatus rex. — Conepatus mapurito. — Conepatus quitensis. —
Conepatus amazonensis. Conepatus tropicalis. Conepatus
chorenses. — Conepatus zorrino.
Civetcats (Lyraskunks)
Spilogale putorius.— Spilogale ringens. — Spilogale indianola.— Spilo-
XVI Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes.
Seite
gale leucoparia. — Spilogale gracilis. — Spilogale antigua. — Spilogale
phenax.
Kapskunks 539
Ictomys zorilla.
X. Die Barenarten.
Der Eisbar (Thalassarctos maritimus) 543
A. AmerikanischeBaren 546
1. Grizzly-Bar 546
Ursus horribilis. - - Ursus horriaeus. - - Ursus alascensis.
2. Braune Baren 547
Ursus richardsonii. - - Ursus dalli gyas. Ursus sitkensis. -
Ursus middendorffi. - - Ursus merriani. - - Ursus kidderi. - - Ursus
cinnamomeus.
3. Schwarze Baren 548
Ursus americanus. - - Ursus luteolus. - - Ursus floridanus. - - Ursus
carlotta. - - Ursus emmonsii.
B. Asiatische Baren 551
1. Braune Baren 551
Ursus beringianus. - - Ursus yessoensis. - - Ursus collaris. - - Ursus
rexii. - - Ursus piscator. - - Ursus lasiotis. - - Ursus isabellinus. -
Ursus lagomyrius. - - Ursus meridionalis. — Ursus syriacus.
2. Schwarze Baren 554
Ursus tibetanus. - - Ursus leuconyx. - - Ursus torquatus. - - Ursus
japonicus. - - Ursus formosanus.
C. Europaische Baren 557
Ursus arctos formicarius. - - Ursus arctos cadaverinus.
D. Andere Barenarten 559
Afrikanische : Ursus crowtheri.
Indischer Lippenbar: Melursus ursinus.
Malagenbar: Ursus malayanus.
Sudamerikanische : Tremarctos ornatus. - - Tremarctos frugilegus.
XI. Verwandte der Barenarten.
a) Waschbaren 565
Procyon lotor. Procyon elucus. Procyon hernandezi. -
Procyon psora. — Procyon pallidus. — Procyon pacificus. — Procyon
hudsonicus. — Procyon pygmeus. — Procyon maynardi. — Procyon
cancrivorus.
b) Nasenbaren 566
Nasua rufa. — Nasua nelsoni. — Nasua quichua. - - Nasua olivacea.
— Nasua monticula. — Nasua narica.
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes. XVII
Seite
c) Katzenfrett . . . . 568
Bassaricus astutus. - - Bassaricus flavus.
d) Wickelbar (Kinkajou) . ...V . . . . . . . . . . . . .'•'. . -. ' V . 568
Cercolopte caudi volvulus.
e) Bambusbar . . . . ............... .^ 569
Ailuropus melanoleucus.
f) Panda . . . 7 . ... . . . 570
Ailurus fulgens. — Ailurus styani. Binturong. — Artictis
binturong.
XII. Civetkatzen und Schleichkatzen.
ChinesischegrosseZibetkatze 575
Viverra ashtonii.
ChinesischekleineZibetkatze . . . 576
Viverricula pallida.
I n d i sc h e. 577
Viverra megaspila. — Viverra zibetta. - Viverra civettinas. -
Viverricula malaccensis.
Afrikanische Zibetkatze 578
Viverra civetta.
Schleichkatzen 578
Linsang gracilis.
Palmenroller 579
Paradoxurus hermaphroditus. — Paradoxurus fasciatus.
XIII. Die Nagetiere.
1. Eichhornchen 583
Sciurus vulgaris. — Sciurus calotus. - - Sciurus varius. - - Sciurus
argenteus. Sciurus martensi. - Sciurus borealis. - Sciurus
rupestris. - - Sciurus talahutky.
Amerikanische 586
Sciurus hudsonius. — Seiurus petulans. — Sciurus niger. - - Sciurus
griseus. - - Sciurus carolinensis. — Sciurus ludovicianus. - - Sciurus
douglasii. - - Sciurus aberti.
Siidasiatische
Sciurus maximus. — Sciurus bicolor.
2. Erdhornchen
Amerikanische. '. . . .. • •
Tamias striatus (Chipmunk) . — Tamias borealis. — Tamias dorsalis. -
Tamias quadrivittatus. - - Tamias minimus. - Tamias lysteri.
Asiatische . . . .> . ^ . . . .. ... . ... . .„-.., ... .-.-.•.. . • •
Tamias asiaticus.
II
XVIII Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes.
Seite
3. Flughornchen 588
Pteromys volans. — Pteromys yunanensis. — Pteromys melanopterus
Pteromys leucogenys. -- Pteromys xanthipes. — Pteromys oral. -
Pteromys magnificus. - - Pteromys caniceps.
FliegendeHunde 589
Pteropus edulis. - - Pteropus edwardesii. Pteropus strameus.
4. Murmeltier 589
Orenburger: Arctomys bungei. - Beisky: Arctomys sibirica. -
Mongolische, Manschurische, Chinesische. -- Tarbaganer: Arctomys
tarbaganus. Tibet etc. : Arctomys himalayensis. - - Arctomys
robustus. Arctomys hodgsoni. Kamtschatka: Arctomys
camtschatica. - - Amerikanische Murmel. - - Weenusk oder Wood-
chuck: Arctomys monax. — Arctomys monax ignavus. — Arctomys
canadensis. - - Arctomys pruinosus. - - Arctomys flaviventer.
5. Die Ziesel . . . 594
Suslicki: Spermophilus citillus. — Spermophilus fulvus. — Spermo-
philus leptodactylus. - - Spermophilus rufecscens. — Spermophilus
dauricus. -- Spermophilus mongolicus. -- Leopardenziesel : Ictomys
tridecim lineatus. — Prairiehunde : Cynomis ludovicianus.
6. Biberarten 597
Amerikanische : Castor canadensis. — Castor fondator. — Europaische :
Castor fiber.
7. Bisamarten 603
Fiber zibethicus hudsonius. — Fiber zibethicus aquilonius. — Fiber
zibethicus obscurus. — Fiber zibethicus niger. — Fiber zibethicus palli-
dus. - - Fiber zibethicus ripensis. — Fiber zibethicus spatulus.
Russische Bisam: Myogale moschata.
8. Nutria 610
Myopotamus coypus.
9. Chinchilla und ihre Verwandten 613
Chinchilla brevicaudata. — Chinchilla boliviana. — Chinchilla laniger.
- Lagotis cuvieri.
Viscacha: Vicacia vizcacha.
Pampashase: Dolichotfis patagonica. -- Aguti dasyprocta aguti.
10. Hamster 616
Cricetus vulgaris. - - Cricetus rufescens. - - Cricetus canescens. —
Cricetus nehringii. - - Cricetus accedula. • - Cricetus nigricans. -
Cricetus eversmani. - - Cricetus babylonicus. - - Cricetulus phaeus.
11. Lemming 617
Myodes lemmus. X
12. Siebenschlafer 618
Myoxus glis. — Myoxus italicus. — Myoxus dryas. — Myoxus inter-
medrus. - - Myoxus pictus. — Myoxus elegans.
Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes. XIX
Seite
13. Maulwurf 619
Salpa europaea.
14. Weisse Hasen 620
Europaische und asiatische: Lepus collinus. -- Lepus tsuchktschorum.
— Lepus altaicus. — Lepus gichiganis. — Lepus darlecarlus. — Lepus
hibernicus. — Lepus lutescens. — Lepus varronis. — Lepus breviau-
ritus. -- Lepus ainu.
Amerikanische : Lepus arcticus. Lepus labradoricus. - Lepus
campestris. — Lepus virginianus. — Lepus othus. — Lepus padronus.
- Lepus saliens. — Lepus bishopii. - - Lepus klamathensis. -
Lepus variabilis.
Alpenhase: Lepus variabilis.
15. Hase •> . •'. ........ 623
Lepus timidus.
16. Kaninchen ... .... . . ... 624
Lepus cuniculus. - - Wildkaninchen. — Australisches Kaninchen. -
Silberkaninchen. — Belgische Riesen. - - Franzosische Widder. -
Hasenkaninchen. Blue and tan. Wiener Kaninchen.
Deutsche Kaninchen. — Weisse Kaninchen.
XIV. Die Beuteltiere.
1. Schnabeltiere • * • • • •" • ..*..*.. 631
Ornithorynchus ananus (platypus).
2. Kanguruh . ........ ^ . . . 633
Macropus giganteus. — Macropus rufus. — Macrobus erubescens. -
Macropus robustus. -- Macropus browni. - Macropus brunei.
3. Wallaby / * • 634
Rockwallaby: Petrogale xanthopus. - - Petrogale penicillata. '
Bushwallaby : Macropus benettii. - - Macropus rufficolis.
Sumpf wallaby : Macropus wallabatus.
Andere Wallaby: Macropus agilis. — Dorcopsis luctuosa.
4. Opossum ../... ... *'.'•.• • • » • • • • 635
Phalangista vulpecula. — Phalangista vulpina. — Phalangista fuligi-
nosa. — Phalangista maculatus.
Ringtail: Phalangista cookii. - - Phalangista archeri. - - Phalangista
herbertensis.
Fliegende Oppossum: Petaurus australis. - - Petaurus breviceps. —
Dactylops trivirgata.
Beuteleichhorn : Belideus sciureus.
Kanguruhratte : Aesypognus rufescens. - Phaseogale penicillata.
5. Wombats und Beutelbaren 638
Phascolartos cinereus. — Phasiocolymus wombat. - - Phasiocolymus
latifrons.
II*
Erster Band
:: Geschichte des ::
Rauchwarenhandels
Pelzhandel im Altertum und Mittelalter.
. I.
Pelzhandel im Alterturn und Mittelalter.
Zu den altesten Gewerben gehort unstreitig der Pelzhandel, war doch
in grauester Vorzeit Pelzbekleidung die einzige, die unsere Altvordern kannten.
Wahrend des eolithischen Zeitalters gingen die Menschen hochstwahr-
scheinlich unbekleidet, da damals noch in den bewohnten Gegenden Europas
ein warmes Klima herrschte, wie die gleichzeitigen Reste von Elefanten (nicht
Mammut), Nashorn, Lowen, Affen etc. zeigen. Der archeolithische Mensch
benutzte die Felle, wenn er sie uberhaupt zur Kleidung benutzte, jedenfalls
ungegerbt, da unter den rohen Artefakten.dieser Periode nichts gefunden ist,
was als Schaber, Nadeln etc. gedeutet werden kann. 1m paleolithischen Zeit-
alter treten dann wohl derartige, wenn auch hochst unvollkommene Werk-
zeuge auf, wahrend das neolithische Zeit alter, der Beginn der Kultur, nicht
nur verschiedene Sort en von Feuersteinschabern und Messern zur Gerberei,
sowie Knochennadeln etc. zeigt, sondern es auch hochst wahrscheinlich er-
scheinen lasst, dass zu dieser Zeit bereits ein Pelzhandel existierte. Schon war
<eine Arbeitsteilung eingetreten, besonders existierten schon Handwerker, ja
sogar eine Art Fabriksbetrieb zur Anfertigung von Feuersteingeraten, Waffen
und Tonwaren. Da man aber eine Geldwirtschaft noch nicht kannte, so ist
es hochst wahrscheinlich, dass zur Zahlung Wildbret und Felle verwendet wurden
und dass diese Felle, die ja iiber den eigenen Bedarf des Fabrikanten weit
hinausgingen, weiter veraussert wurden. Spater, im Bronzezeitalter, findet
man Pelzwerk schon als Schmuck verwendet, da ja jetzt schon Wollen- und
Leinenstoffe zur Kleidung verarbeitet wurden.
Bei den alten Agyptern finden wir die Gerber sehr friih erwahnt, und
bildeten sie in Theben bereits eine grosse Gewerkschaft, die einen ganzen
Stadtteil bewohnte. Hier wurden ausser Schaf-, Esel- und Rindshauten auch
Lowen- und Leopardenfelle zugerichtet. Merkwiirdigerweise standen aber
bei den Agyptern, wie noch heute bei den Japanern, die Gerber und Haute-
handler in geringem Ansehen.
In Griechenland gab es auch zahlreiche Gerber, die Rauchwaren zu-
richteten; so werden die Helden haufig als mit Lowen- und Pantherfellen ge-
schmuckt erwahnt. Auch die alten Babylonier wussten Pelzschmuck zu
schatzen, und die Phonicier brachten von ihren Fahrten nach Britannien zum
Herbeischaffen des Zinns und zur Ostseekiiste zum Herbeischaffen des Bern-
steins auch kostbares Pelzwerk mit.
I. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter.
In Rom benutzte man auch viel Pelzwerk, und Casar spricht mehrfach
von Kaufleuten, die mit den Galliern Pelzwerk austauschten.
Zur Zeit des Tacitus war es schon in Rom zur Modesache geworden, aus-
landisches Pelzwerk zu tragen. Romische Kaufleute besorgten edle Felle von
den fellbekleideten Scythen, welche die Steppen des siidlichen Russlands be-
wohnten, von den Parthern Kleinasiens und namentlich auch aus Germanien.
Bei vielen romischen Schriftstellern finden wir Erwahnung romischer Kauf-
leute, die von Koln, Trier und anderen romischen Siedlungen am Limes, dem
romisch-germanischen Grenzwall, Germanien durchstreiften und von dort
Baren-, Wolfs-, Wisent-, Luchsfell etc., sowie auch das lange Blondhaar ger-
manischer Frauen zum Schmuck der romischen Frauen gegen Bronzegerate,
Waffen und gleissendes Gold eintauschten.
Bei den Germanen selbst gait Pelzwerk als vornehmster Schmuck. An-
fanglich geniigten dazu die heimischen Produkte, aber mit dem zunehmenden
Luxus wurden auch Rauchwaren von ausserhalb eingefuhrt, und zwar sowohl
aus dem skandinavischen Norden wie namentlich aus Russland und Polen.
Zwischen den Germanen und ihren slavischen Grenznachbarn fand zwischen
den zahlreichen Waffengangen auch ein reger Pelzhandel statt, und von nun
an gehort neben dem roten Golde auch fremdes Rauchwerk zum Schmuck des
vornehmen Mannes. Mit der zunehmenden Kultur wuchs dies noch, und die
Ritter waren immer damit geschmuckt. Im Nibelungenlied tragt Siegfried
einen Hut von Zobel, den Kocher mit Pantherfell bezogen, und ein Kleid aus
dem Fell eines ,,Ludem", wahrscheinlich Luchs, oder vielleicht Lowe, denn
das ,,lichte Rauchwerk wirft hellen Schein". Krimhild riistet auch die zu
Hofe ziehenden Helden mit viel Hermelin aus, und die Burgunder trugen
Kleider aus Hermelin und Zobel. Noch mehr Pelzwerk wird im ,,Parcival"
Wolfram von Eschenbachs erwahnt, merkwiirdigerweise aber nur Zobel und
Hermelin. Die Schilde tragen Anker aus Zobel- oder Hermelin-Fellen, auch
die Panierfahnen sind von solchen geziert. Die Ruhelager sind mit Decken
aus Zobelfellen bedeckt, Gamuret tragt einen Schild von Hermelin mit ,,Zobel-
fellen weich und mild". Auch Hermelinbettdecken werden erwahnt.
Parcival erhalt einen Rock mit Hermelinfutter, dessen Saume mit grauem
und schwarzem Zobel geziert sind.
Auch der kranke Amfortas ist ganz in Zobel gekleidet:
,,Ein Pelzrock und ein Mantel lang,
der innen und aussen Zobelfell,
verbramt erwarmend ihn umschlang;
kostlich reich erglanzte hell und schwarz
selbst der geringste Pelz.
Von gleichem Pelzwerk, teuer gait,
wollt man es kaufen, ein Barett
sein Haupt bedeckt . . . ."
I. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter.
Ausser diesen vornehmen Fellen wurde aber auch viel Harder, Luchs und
namentlich auch Grauwerk getragen. Ja selbst Katzen- und Siebenschlafer-
felle wurden verwendet.
Eine Kleiderordnung Karls des Grossen aus dem Jahre 808 bestimmt,
dass Mantel mil Marder- oder Otterfell nicht teurer als 30 Sol und mit Katzen-
fell nicht teurer als 10 Sol verkauft werden diirften. Ein frankischer Sol 1st
der spat ere Sou, der zwanzigste Teil eines Livre oder Franken ; und wenn auch
der Geldwert damals unendlich niedriger stand als heute, diirften doch unsere
Kiirschner mit derartigen Vorschriften kaum zufrieden gewesen sein.
Im Jahre 983 wurde dem Stifte zu Meissen der Pelzzehnten als Kaiser-
liche Stiftung iiberwiesen.
Die alteren Urkunden geben nicht an, auf welche Weise diese auslandischen
Fellsorten nach Deutschland gebracht wurden. Erst zur Zeit des deutschen
Ritterordens wird Thorn als ein grosser Umschlagplatz erwahnt, wo die Polen
Grauwerk, Zobel, Hermelin, Fiichse etc., sowie Honig und Wachs gegen deutsche
Tuche und sonstige Fabrikate verhandelten.
Sehr wohl organisiert war der Rauchwarenhandel zur Zeit der Hansa.
Von den Kaufhausern der Hansa in Nowgorod oder Naugard, wie es damals
hiess, in Russland und Bergen in Norwegen kamen grosse Rauchwaren-
sendungen nach Liibek und Hamburg und wurden von hier aus nach
dem Stahlhof in London, sowie nach Brugge, Gent, Genua etc, weiter ver-
frachtet.
Auch horen wir, dass auf dem grossen Heringsmarkt in Schonen, wo die
Hansen von Konig Waldemar das Alleinhandelsrecht erhielten, die Nordlander
auch edle Falken und kostbares Pelzwerk mitbrachten, das von den Liibeckern
gern gekauft wurde. England deckte damals seinen ganzen Bedarf an Rauch-
waren durch die Hansa in London. Erst als Hugh Willoughby zuerst den
direkten Handel mit Nowgorod eroffnet hatte, erhielt die Moskovy-Company
auch russische Pelze direkt. Dies war aber erst, als der Stern der Hansa schon
im Sinken begriffen war.
In England gehorte wie in Deutschland Pelzkleidung schon fruh zum
allgemeinen Schmuck besonders der Wohlhabenden. Die Gilde der Skinner
und Furriers ist eine der altesten bestehenden. Schon Edward der Dritte
erliess im Jahre 1347 eine Verordnung, worin er genannter Gilde verschiedene
Privilegien bestatigte und zugleich Vorschriften fur Pelzhandel gab, welche
Betriigereien verhindern sollten.
Spatere Erlasse bevorzugten diese Innung vor alien andern Gilden. Es
gehorten derselben iibrigens ausser den Kiirschnern, Ranch warenhandlern,
Gerbern und Zurichtern auch merkwiirdigerweise die Advokaten an. Als
Cromwell nach der Eroberung Irlands die dortigen Landereien an den Adel
und die Gilden verteilte, fiel die Stadt Londonderry an die Skinner und
Furriers. Die samtlichen Hauser und Liegenschaften sind noch in deren Besitz
und sind stets auf 99 Jahre in Erbpacht gegeben, sind nunmehr also bald
g i. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter.
zum vierten Male mit alien darauf errichteten Baulichkeiten mit weitaus
erhohtem Wert an die Zunftgenossen zurlickgef alien.
Naheres liber die weitere Entwicklung des englischen Pelzhandels er-
wahne ich in einem spateren Kapitel.
Trotz des Riickgangs der Hansa war aber doch der Pelzhandel mit aus-
landischem Pelzwerk in einzelnen der Hansastadte bedeutend geblieben.
So erliess der Magistral zu L li b e c k im Jahre 1603 eine Verordnung,
wonach :
,,Soll kein Pelzwerk oder andere Ware einzeln gekauft werden. Grauwerk
soil zu 50, 250 bis 1000 Stuck gekauft werden.
Die Marder, von denen 25 Stuck zusammen verkauft werden sollen,
zuerst sortiert, jede Art besonders get an und dann der Handel gemacht werden."
Auch in Hamburg hat sich der Rauchwarenhandel seit den Tagen der
Hansa erhalten, namentlich wurden damals hier die Produkte Skandinaviens
aufgespekhert, wahrend Glogau und Breslau ebenso wie friiher Thorn Stapel-
platze der russischen und polnischen Rauchwaren wurden.
Die Gilden der Klirschner waren in Deutschland sehr alt. Dieselben
fuhrten iibrigens verschiedene Namen. Am gebrauchlichsten war der Name
,,K6rsnar", liber dessen Etymologic die verschiedensten Ansichten herrschen.
Am wahrscheinlichsten kommt derselbe aber von dem mittelhochdeutschen
Wort Kliren, auswahlen oder sortieren, das sich in dieser Bedeutung noch
beim Turnen erhalten hat, ,,Klirturnen", so wie in der Form ,,K6ren" bei der
Viehzucht, ,,Hengstkorschau", bei der die zur Zucht zugelassenen Beschaler
in einem Bezirk gewahlt werden.
Ausser dem Gesamtnamen ,,K6rsnar" finden sich auch die Bezeichnungen
,,Bundmacher und Pelzer", die haufig zwei verschiedene Innungen an dem-
selben Platze bildeten, wobei die Bundmacher sich ausschliesslich mit dem
Zusammenstellen und Anfertigen von Pelzfuttern befassten.
Erhalten sind diese Namen noch heute als ,,Bundtmager" in Danemark,
wahrend sie in Schweden meist als Korsnar bezeichnet werden. In alt en
Urkunden findet man auch die Bezeichnung ,,Skinnarone", welches dem
deutschen ,, Pelzer" entspricht.
Mit dem dreissigjahrigen Kriege, der ja Deutschland aufs ausserste ver-
wlistete und brach legte, ging auch sowohl das Klirschnerhandwerk mit den
anderen Kunsthandwerken zurlick, wie auch der Rauchwarenhandel. Fur
lange Zeit war im verarmten Deutscfiland kein Platz fur Luxusartikel.
Hat doch erst die jlingste Zeit ein Erstarken des Kunsthandwerks auf
demselben Standpunkt gesehen, den es im Jahre 1618 einnahm, ehe die kaiser-
lichen Rate Martinitz und Slawata zu Prag den verhangnisvollen unfreiwilligen
Sprung auf den Misthaufen machen mussten, der die Kriegsfurie entfesselte.
Noch wahrend der Glanzzeit der Hans abildeten die M e s s e n einen wesent-
lichen Stlitzpunkt des Handels. Ursprlinglich kirchliche Feste, die mit be-
stimmten Wallfahrtszeiten zusammenhingen, und bei denen Rosenkranze,
i. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter.
geweihtc Gegenstande, agnus del, Wachskerzen etc! verkauft wurden, boten
die damit verbundenen Menschenansammlungen auch anderen Kaufleuten
willkommene Gelegenheit zum Absatz ihrer Waren, anfanglich nur im Einzel-
verkauf, dann aber auch im Grosstiandel. Besonders drei grosse Messenragten
an Bedeutung liber die anderen hervor, Frankfurt a. M., Frankfurt a. O. und
Leipzig. Die Messe in Frankfurt a. M. existiert nicht mehr, die Messe in Frank-
furt a. O. ist nur noch fur den Verkauf deutscher Landwaren, d. h> Fiichse,
Harder, Iltis, Otter, Katzen, sowie Zickel und Lammfelle, von Bedeutung,
und von Auslandern kommen nur einige polnische und galizische Handler
dorthin. Das ganze Messgeschaft spielt sich in einem, hochstens in zwei Tagen
ab. Noch vor nicht gar zu langer Zeit war dies aber anders. Nicht nur die
Rauchwarenhandler und Kurschner besuchten die Messe, auch Manufaktur-
warenhandler, Mantelfabrikanten etc. nahmen ein reges Interesse daran. Noch
vor 40 Jahren, als die Eisenbahn bereits im Gange war, besuchten Berliner
Kaufleute mit grossen Frachtwagen voll Waren diese Messe, und ich erinnere
mich aus meiner Kindheit, noch solche Frachtwagen mit Plan behangen
von der Spandauer Strasse hochbeladen abfahren gesehen zu haben. Der
Messingbeschlag der Pferdegeschirre, der daneben schreitende Fuhrmann in
blauem Kittel und der nie fehlende bellende Spitz waxen die dazu gehorigen
unentbehrlichen Requisiten.
Von ganz anderer Bedeutung als zu dieser Zeit war die Messe in Frank-
furt a. O. im spaten Mittelalter und im 16. und 17. Jahrhundert. Die Pfeffer-
sacke aus Augsburg und Nurnberg, sowie aus Liineburg, Hamburg und Liibeck
kamen in langen Frachtziigen an und wurden unterwegs oft genug trotz des
teuer erkauf ten Geleits von Reisigen oder Stadtknechten von Stegreif rittern
iiber fallen und ausgeraubt. So mancher Ritter erwarb hier auf billigen Weg
eine neue Pelzschaube oder ein Schmuckstiick fur die Eheliebste. Wahrend
-der Wirren des falschen Waldemars in der Mark spielte der Besitz des reichen
Frankfurt a. O. eine grosse Rolle. Hauptlieferanten des Pelzwarenmarktes
waren auch damals schon besonders die slawischen Bewohner des wilden Oder-
bruches, die Wenden des Spreewaldes, sowie die stammverwandten Obotriten
•des seenreichen Mecklenburg und die wilden Bewohner der Lausitz und
Pommerns. Auch Tetzel, der Ablasskramer, predigte auf der Frankfurter
Messe mit reichem Erfolg, ehe er den verhangnisvollen Zug nach Jiiterbog
antrat, wo ihm in den Waldungen des.hohen Golms der edle Stiilpe von Hake,
•dessen Burgruine noch heute in Kleinmachnow bei Berlin wohlerhalten ist,
den reichen Frankfurter Messerlos abnahm.
Damals war die Bedeutung Frankfurts als Messstadt ungleich grosser als
•die Leipzigs.
Wann eigentlich die Griindung der Leipziger Messe stattfand, habe ich
nicht in Erfahrung bringen konnen; das alteste bekannte Dokument, das sich
mit dem Pelzhandel auf der Leipziger Messe befasst, ist vom i. Januar 1600. Es
werden ubrigens wahrscheinlich noch andere derartige Dokumente vorhanden
JO I. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter.
sein ; denn die Reglementierwut der verschiedenen Magistrate und hohen Rate
damaliger Zeit iibertraf noch den Furor reglementosus eines preussischen
Assessors, der kommissarisch ein Landratsamt oder eine Kolonie verwaltet.
Natiirlich befasst sich das Dokument mit den betriigerischen Manipulationen
gewissenloser Rauchwarenhandler; denn damals war ebenso wie heute die
Ansicht verbreitet, dass Rauchwarenhandler und Kiirschner gern der Natur
ins Handwerk pfuschten und sich nicht immer von unlauterem Wettbetrieb
fernhielten. Enthalt doch auch der Charter der englischen Skinnergilde,
von Edward III. im Jahre 1327 erteilt, das ausdriickliche Verbot, ,,alte Pelz-
waren fur neue zu verkaufen". AuchLiibeck hatte, wie wir im vorigen Artikel
sahen, ein strenges Verbot gegen betrugerische Manipulationen beim Pelz-
handel erlassen.
Das Leipziger Dokument lautet wie folgt: ,,Nachdem von Frembden
und Einheimischen zu offtern und unterschiedlichen malen berichtet und ge-
klaget worden, welcher masen von etzlichen vortheilhafftigen und eigen-
niitzigen Leuten in Verkauffung und Verhandlung des Rauchwerks und Wild-
wahren viel und mancherley Betruch - - Vortheil und Unordnung gmeinen
Nutz zu Nachtheil geiibet und gebraucht werde. -- Derowegen ein Ehrbar
Raht alhier und vorschienen 94 Jahre offentlich man data publiciren und
anschlagen und manniglich zu ernst und bey angesatzter Straff dafiir vor-
warnen lassen -- und aber jetzo widerumb dergleichen von ganz beschwer-
lichen Klagen an gedachten Raht gelangen darneben auch der geubte und
befundene Betrug — in den Rauchwahren augenscheinlich fiirgelegt und fiir-
gezeigt worden. Als in dahero ein Ehrbar Raht aus obligendem Amte zu
erhaltung und beforderung der Commerzien und auff das nach heilsamer
Verordnung der Rechte und des heiligen Reiches Satzungen alle vorsetzliche
bef ortheilung und betrug un Kauf f en und verkauf ften soviel immer zu bestehen
moglich — desfals abgewendet und vorkommen werden moge — bewogen und
verursacht worden angeregtes voriges Mandat widerumbt zu ornewren und
zu publiciren und sollen demnach alle die jenigen welche Rauchwergk und
Wildwahren zu fuhren und darmit zu handels pflegen - - hiermit nochmals
ernstlich erinnert und vermahnet werden — dass sie solches Rauchwergk und
Wildwahren es sei an was Gattung und Art es wolle, ein jedes besonders ge-
bunden — gesondert auf guten Trawen und glauben wie vor Alters als untadel-
haft und onnvorfalscht Kaufmanns-ehrung vorhandeln vorkauffen liefern und
also gewehren — die gering Wahren und Sorten unter die besten und mittel-
guten nicht vorstecken, sortiren — verbunden und in gleicher Wahrung hin-
schlagen und verkauffen — sondern wie oben verhiirt — die Besten — Mittel
und Bracwahren ein jedes in seinen Banden onwruckt gesondert verhandeln — -
auch die halben Stuck wergk oder was schadhaftig — verbrandt faul — durch
Wasser oder sonsten verderbet aus den Banden absondern und in ihrem Warth
verkauffen wollen — damit sich ein jeder Kauffer mit den Einkauffen danach
richten — wir denn auch gleicher Gestalt diejenigen welche mit zugerichteten
I. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter. II
Fellwergke anhero handeln — keine Stiirbling oder andre schadhafte Stiicke
unter dieselben Decher einschieben — und dem guten gleich verkauffen und
verhandeln und verhandeln wollen. wurde aber jemandes wer dis auch sey
dawieder handeln und dessen oberfiihret und iiberwiesen werden — der oder
dieselben sollen nicht allein solche vermengete oder auch ontuchtige Wahren
einem Erbaren Rahte allhier unnachlasslich vorf alien sein -- sondern auch
noch ober das befindung des geubten Betruges in ernste Straff genommen
werden - - welches also zu manniglichs Wissenschaft hiermit nochmahls zu
publiciren befohlen worden — damit ein jeder Kauffer und verkauffer sich
danach zu richten und vor schaden und straff e zu hiiten habe zu verkunden
und der Stadt Seer, besiegelt geschehen den ersten Januarii 1600." —
Es war hier schon davon die Rede, dass neben dem Rauchwarenhandel
die Kiirschnerei in Deutschland ziemlich friih zu hoher Bliite gelangte. So finden
wir z. B. unter den vorhandenen alten Urkunden der Stadt Berlin die
Griindungsurkunde der Berliner Kirschnerzunft vom Jahre 1286. Mit
dem Machtzuwachs der Ziinfte iiberhaupt wuchs auch die Macht der Kiirschner-
zunft, und neben ihnen entwickelte sich auch seit dem 14. Jahrhundert die
Gesellenbruderschaften, die in jeder Stadt unter einem Altgesellen standen
und ebenfalls festgefugte Verbande darstellten, die auch mit den gleichartigen
Gesellenverbindungen anderer Stadte in enger Verbindung standen. Wirt-
schaftliche Fragen gab es damals weniger, da die Gesellen, ebenso wie die
Lehrlinge, Wohnung und Kost mit dem Meister teilten, was erst in neuester
Zeit aufgehort hat. Hauptstreitpunkte bildeten vielmehr die Schwierigkeiten,
die den Gesellen haufig bei dem Versuch der Meisterwerdung gemacht wurden,
da viele Kurschnerinnungen, um der Uberhandnahme der .Konkurrenz zu
begegnen, dem Meisterwerden der Gesellen allerhand Hindernisse bereiteten
und andererseits die Meistersohne vielfach bevorzugt wurden. Zahlreiche
Urkunden und Kiirfurstliche Erlasse bezeugen hinreichend den fortwahrenden
Kampf der Kiirschnerzunft um ihre Privilegien und Monopolstellung ge-
geniiber Aussenstehenden. Es ist hier aber nicht die Stelle ausfuhrlich
iiber die Geschichte des Kiirschnerhandwerks und der Kurschnerinnungen
zu sprechen, wiewohl auch hierfiir reiches Material vorliegt. .
Auch in den Deutschland benachbarten Landern treffen wir friihzeitig
auf eine Bliite der Kiirschnerei, besonders in Osterreich.
Schon aus dem 10. und u. Jahrhundert horen wir von zahlreichen
Kiirschnern, die auch sevcy bily, Weissnaher, benannt werden, in Bohmen,
und bereits 1362 horen wir, dass die Kiirschner Prags gemeinsame Verkaufs-
laden eingerichtet haben, in denen allein der Verkauf fertiger Kiirschnerwaren
stattfinden durfte, und dass die Zunft auch den gemeinsamen Einkauf von
Rohmaterial fur ihre Mitglieder unternahm. Grade Prag gehorte auch zu den
Stapelplatzen des Rauchwarenhandels in slavischen Landern, wohin die
Produkte des Landes zum Verkauf kamen. Ausser Fiichsen, Mardern, Wieseln,
Siebenschlafern, Wolfen und Baren waren es namentlich Biber, die sowohl
i. Pelzhandel im Altertum und Mittelalter.
an den Zufliissen der Donau wie der Elbe und Moldau.recht zahlreich hausten.
Auch Nerze mogen aus den Sumpfwaldungen, Rohr- und Erlenbruchen. haufig
an den Markt gekommen sein. Luchse und Wildkatzen waren zahlreich, und
durch Vermittlung polnischer Handler werden wohl Zobel, Hermelin und Feh
aus Asien zugefuhrt worden sein.
Auch in Wien finden wir bereits Anfang des 13. Jahrhunderts eine
Kiirschnerzunft, oder wie sie damals dort hiess, Wildwerkerzunft.
Ungarn, wo von jeher Pelzwaren zur Nationaltracht gehort haben, nahm
natiirlich eine fuhrende Rolle ein, und gehorten dort die Kiirschner zu den
wenigen einheimischen Handwerken, wahrend die Mehrzahl der anderen Hand-
werke von den eingewanderten Deutschen, den Schwaben und Sachsen, be-
trieben wurden.
Wahrscheinlich lag auch der Handel mil dem Rohmaterial dort vielfach
in magyarischen Handen, denn wir horen nichts davon, dass die weitverbreitete
Hansa auch mit Ungarn Handelsverbindung hatte. Nur von Breslau und
Glogau wird in spaterer Zeit auch von Lieferungen nach Ungarn berichtet.
Stand doch Schlesien von altersher gerade mit Ungarn in enger Geschafts-
verbindung, wie jain Breslau noch heute haufig der Ungarwein dem Rhein-
wein vorgezogen.
Ziinfte wurden hier in Ungarn aber erst verhaltnismassig spat begriindet,
da es eine Weile dauerte, bis die von den eingewanderten Handwerkern ein--
.gefiihrten Organisationen allgemein festen Boden gefunden hatten. Die alteste
bekannte Urkunde, die sich auf Griindung einer ungarischen Kiirschnerzunft
bezieht, stammt aus dem Ende des funfzehnt en Jahrhunderts.
In England lag der Pelzhandel bis zum Erlass der Cromwellschen Navi-
.gationsakte vorzugsweise in den Handen der Hansa, die vom Stahlhof in London
aus iiberhaupt den ganzen englischen Handel beherrschte. Zwar brachten
schon die Expeditionen der Cabots 1496 und 1497, sowie der verschiedenen
englisch-portugiesischen Handelsgesellschaften, die wir in dem Artikel Ge-
schichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika ausfuhrlich behandelt hatten,
direkt Pelzwerk auf den Londoner Markt, doch war dies sehr unbedeutend, bis
endlich Richard Chancellor, der einzig iiberlebende Fuhrer der Expedition des
ungliicklichen Hugh Willoughby, 1553 die Miindung der Dwina und von dort
den Hof des Zaren in Nowgorod erreichte. Nach seiner Riickkehr wurde dann
die Muskowy Compagny in London errichtet, welche der Hansa im russischen
Handel eine gewaltige Konkurrenz bereitete und die vielbegehrten russischen
Felle, ebenso wie Talg, Teer etc. direkt nach England brachte, ohne dass die-
selben wie bisher durch den Zwischengewinn der Hansastadte Lubeck oder
Hamburg verteuert waren.
VonFrankreich, namentlich von St. Malo, LaRochelle und Diinkirchen aus,
waren noch viele amerikanische Felle nach England gelangt, bis die Griindung
der,,Hudsons Bay Company" dem ein Ende machte. Der Geschichte dieses
-amerikanischen Pelzhandel seien somit die nachfolgenden Kapitel gewidmet.
II.
Geschichte des Rauchwarenhandels
in Nordamerika.
II.
Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
1. Kapitel.
Die Geschichte des Rauchwarenhandels ist in Amerika mit der Ent-
deckungsgeschichte identisch, denn die raeisten Fahrten wurden zur Erlangung
des hochgeschatzten Pelzwerks unternommen, gerade wie die Fahrten nach
den siidlicheren Teilen des Kontinents dem Golde gait en.
Die Entdeckungsgeschichte des Landes reicht nun aber bekanntlich weit
vor Columbus zuriick. Zwar die Besetzung Floridas durch die Irlander im
neunten Jahrhundert, von denen die Irlander Are Marson, Biorne Ashbrandson
und Gudlaf Gudlaugson erzahlen, welche das Land sogar als ,,Irland it mikla",
Grossirland, bezeichneten, ist etwas sagenhaft. Dagegen bringen die Sagas
und Landnammas Islands geschichtlich verbiirgte Aufzeichnungen iiber die
Fahrten der Normannen nach dem grossen westlichen Kontinent.
Entdeckt wurde das Land durch den Wikinger Biarne Heriulf-
s o n , der durch Sturm dahin verschlagen wurde, ehe er den Sitz seines
Vaters Heriulfness in Gronland erreichte.
Seine Erzahlung veranlasste auch Leif, den Sohn Eric Raudas, des Ent-
deckers Gronlands, von Brattalid, der Hauptstadt Gronlands aus ein Schiff
auszuriisten und nach dem Westen zu segeln mit 35 tapfern Gefahrten,
darunter auch ein Deutscher namens Tyrker.
Nach schneller Fahrt erreichte das scharfgeschnabelte Drachenschiff das
Land des Biaerne. Eine unwirtliche Kiiste bot sich den Blicken dar. Weite
ode Sumpfflachen wechselten mit zerkliifteten Gletschern und nackten Felsen
(Hella) ab, an deren Fusse sich die Brandung donnernd brach. Die Abenteurer
nannten das Land deshalb Helluland ,,Felsland" (das heutige Labrador) und
setzten die Fahrt nach Siiden fort. Hier wurde die Gegend besser. Feiner
weisser Sand bedeckte den Strand, und machtige blauschimmernde Waldung
dehnte sich bis in unabsehbare Fernen. Das Land wurde Markland (Wald-
land) benannt und gilt als das heutige Neuschottland.
Endlich wurde noch weiter siidlich ein zusagendes Gebiet gefunden. An
einer weit en, von Hiigeln umgebenen Bucht, deren Eingang eine dicht be-
waldete Insel schiitzte (das heutige Rhodeisland) , wurde eine Ansiedlung
,,Leifsbydir" gegriindet.
i6
IT. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
In den Waldern der Umgegend fand der Rheinlander Tyrker reife Trauben,
aus denen er Wein kelterte, so dass sich die edlen Normannen wackere Rausche
antrinken konnten.
Den Winter iiber rastete man in ,,Vinland" und kehrte im Friihjahr nach
Brattalid zuriick, das Schiff reich beladen mit Holz, Wein und den Fellen er-
legter Tiere. Die reiche Beute veranlasste im Jahre 1002 den Bruder Leifs,
den Thorwaldsen Ericson, gleich falls? -mit 50 Mannen auf dem Schiffe Leifs,
das damals das einzige in Gronland gewesen zu sein scheint, nach Vinland zu
.segeln. .1 „.;..
Hier wurde an einem waldbedeckten Vorgebirge ,,Kialarness" das Lager
aufgeschlagen. Hier trafen die Normannen zum ersten Male mit den Einge-
Wickinger Schiff auf der Fahrt nach Amerika.
borenen des Landes zusammen, Drei lederne Kanoes brachten neun kleine
Gestalten, augenscheinlich Eskimos, die von den Normannen Skraelingn
(Zwerge) genannt warden. Ein lebhafter Tauschhandel mit Fellen entspann
sich, aber bei einem Streit erschlugen die Normannen acht der Ankommlinge,
der neunte entkam und verbreitete den Alarm. Von alien Seiten stromten
die kleinen Gesellen in ihren Lederbooten herbei und richteten einen solchen
Pfeilhagel gegen das Schiff, dass die Wikinger schleunigst den Anker lichteten.
Thorwald selbst wurde todlich verletzt und auf seinen Wunsch auf einem
hohen Vorgebirge begraben, das weithin die blaue See beherrscht. Ein grosses
Kreuz ward ihm zu Haupten errichtgt und das Kap ,,Krossanes" genannt, das
heutige Kap Cross.
Die Uberlebenden brachten die Trauerkunde nach Gronland, wo Thorstein
Ericson mit seinem Weib Gudrude beschloss, die Gebeine des Bruders heim-
i. Kapitel.
zuholen. Allein diesmal war das Gliick nicht hold. Den ganzen Sommer wurde
das Schiff auf unbekannten Meeren umhergetrieben, bis es endlich gelang,
Westerbyg auf Westgronland zu erreichen, wo Thorstein starb. Die Vinland-
fahrten ruhten bis 1006.
Da kamen nach langer Pause wieder Fahrzeuge aus dem Auslande nach
Gronland. Das eine gehorte dem reichen Thorfinne, genannt Karlsefne (zu
Gfossem bestimmt) und seinem Freunde, dem Snorre Thorbrandson. Der
andere Meerdrache gehorte dem Biarne Grimalfson von Breidefiord und
Thorhall Gamlason von Austfiodir.
Thorfinne verliebte sich in die Gudride, die Witwe Thorsteins, die ihm
ihre Hand unter der Bedingung reichte, dass die unterbrochene Vinlandfahrt
wieder aufgenommen wurde.
Mil allgemeinem Jubel beschlossen die Nordlandsrecken die Fahrt, der
sich noch ein drittes Schiff anschloss, dem Vater des Gudride Thorfiom gehorig,
unter Befehl des Thorvard, Gemahl der Freidise, Tochter Eric Raudas.
1 60 kiihne Segelbriider bildeten die Besatzung, die mit allem zur An-
siedlung Notwendigen versehen war, selbst Hausvieh. Uber Wester by gd und
Biarney (Disco- Insel) fahrend, wurde die Kiiste Markland erreicht unterhalb
Kiarness.
Zwei schottische Schnellaufer, Hake und Hekla, durcheilten das Land
und brachten Proben wilden Getreides und Trauben an Bord. Doch man fuhr
weiter sudlich und machte an einem breiten Strom, dem heutigen Hudson, Halt.
Hier eilten die Eingeborenen in Scharen herbei und tauschten Felle von
Zobel, Biber und Nerz gegen kleine Stiicke rot en Tuchs.
Wahrend des Winters gebar Gudride den ersten amerikanischen Burger
weissen Blutes, der den Namen Snorre Thorfinnson erhielt. Im Friihjahr
kamen aber wieder Streitigkeiten mit den Eingeborenen. Thorbrandson fiel,
und nur der Tapferkeit Karlsefnes und der an seiner Seite fechtenden Freidise
gelang es, die Normannen auf die Schiffe zu bringen.
Man fuhr nordlich nach einer von briitenden Eidergansen erfullten Bucht
Stromfiords, wo zwei Winter verbracht wurden.
Dann trat man die Heimreise an, wobei aber zwei Schiffe verloren ginger
Nur Karlsefne gelang mit seinem Schiffe nach Eriksfiord in Gronland,.
wohin er zwei Skrellingskinder mitbrachte. Aus dem Erstaunen, mit dem
diese betrachtet wurden, geht hervor, dass die Eskimos damals Gronland
noch nicht erreicht hatten.
Erst ion wurde wieder eine Gronlandfahrt von den Norwegern Helge
und Finboge unternommen. An Bord befand sich auch Freidise mit ihrem
Gemahl, die in Leifsbydir aus Gewinnsucht die beiden Norweger ermordeten,
und dann mit ihrer so reichen Ladung von Fellen, Maserholz und allerlei
soviel anderen Schatzen beladen, wie noch nie ein Vinlandsfahrer vorher,
nach Norwegen fuhren.
Ein liibischer Kaufmann erwarb die ganze Ladung zu hohem Preise.
2
18
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Sebastian Cabot.
Dies ist die letzte, durch Aufzeichnungen verburgte
Reise nach Vinland. Zwar sollen noch spater
regelmassige Fahrten dorthin gemacht und
in Leifsbydir eine feste Ansiedlung ge-
griindet sein, wie auch noch 1127 eine
Reise des Bischofs Erics von Austerbygd
nach Leifsbydir erwahnt wird, aber durch
die Isolierung der gronlandischen An-
siedelungen und ihre Zerstorung durch die
Eskimos im 13. Jahrhundert sind alle
weiteren Aufzeichnungen verloren ge-
gangen.
Die Fahrten der nachstfolgenden Jahr-
hunderte, wie dieReisen der Gebriider Zeno
um das Jahr 1390 und des polnischen Piloten
Johannes Kolno, der 1476 bis zur Hudsonstrasse
vorgedrungen sein soil, sind historisch nicht genau
erweisbar.
Das eigentliche Zeitalter der Entdeckungen fur
Nordamerika beginnt mit der Fahrt des in Bristol lebenden Giovanni Caboto
oder John Cabot, der in Handelsverbindungen mit Island stand und hier wohl
manches liber die Lander im Westen erfahren hatte. Er segelte im Jahre 1494
mit seinem Sohne Sebastian im Schiffe ,,The Mathew" von Bristol aus und
beriihrte am 24. Juli das Festland Amerikas an einem Punkt, den er Prima
Terra Vista nannte und landete dann auf einer Insel St. Juan. Die letztere
wird gewohnlich fur Neufundland gehalten, ist aber, wie aus dem 1540 ver-
offentlichten Planisphere Sebastian Cabots deutlich zu sehen ist, eine der
Prinz Edwards-Inseln und das Festland das heutige Neuschottland, so dass
Cabot die Prioritat der Entdeckung Amerikas vor Columbus gebiihrt.
Cabot erhiclt nun von Konig Heinrich dem Achten von England ein
Patent zur Besitzergreifung der entdeckten Lander und das Handelsmonopol
in denselben. Der Konig beteiligte sich selbst an dem Unternehmen, indem er
ftinf Schiffe dazu hergab und sich den dritten Teil des Gewinns vorbehielt.
Wahrend der Vorbereitungen der Expedition starb John Cabot, und sein
Sohn Sebastian trat an seine Stelle. Im Jahre 1496 pflanztc er in dem neu-
entdeckten Eldorado Englands Banner von St. George zugleich mit dem Lowen
von San Marco auf und kehrte dann zuriick. Im nachsten Jahre ging er mit
einer Flotte von sechs Schiffen von je 200 Tonnen wieder in See. An Bord
befanden sich 300 Kolonisten und eine Menge Handelswaren zum Eintausch
von Pelzwerk. Auf dieser Fahrt wurde er aber in 58 Grad nordlicher Breite vom
Treibeis erfasst und weit nach Siiden getrieben. Als der Proviant auf
die Neige ging, musste er unverrichteter Sache nach England zuriickkehren.
Hier lehnte der Konig, der durch die in Schottland ausgebrochenen Unruhen
i. Kapitel.
geniigend in Anspruch genommen war, eine weitere Teilnahme an dem Unter^
nehmen ab, weshalb Cabot in spanische Dienste trat und fur diese nach Siid-
amerika ging.
Die Entdeckungen hatten aber die Aufmerksamkeit der damals zur See
so riihrigen Portugiesen erregt. Im Auftrage des Konigs Immanuel ging
Caspar Cortoreale, der Sohn eines franzosischen Edelmanns Marquis da Costa,
im Jahre 1500 nach dem hohen Norden, um dort neue Entdeckungen zu
rnachen.
Er entdeckte den San Lorenzstrom, den er Rio Nevado und Labrador,
welches er Tera verde nannte. Auf der Weiterfahrt im nachsten Jahre gelangte
er bis zur spateren Frobisherstrasse. Hier trennte ein Sturm die Schiffe. Eins
der Caravellen gelangte nach Lissabon zuriick, Cortoreale blieb aber verschollen.
Sein Bruder Miguel unternahm es im nachsten Jahre, ihn zu suchen und ge-
langte mit drei Caravellen bis in die spater nach Hudson genannte Strasse,
hier ging er aber mit seinem Schiff unter, wahrend die Begleitschiffe nach dem
Heimatshafen zuriickkehrten.
Bei der Unternehmungslust der damaligen Zeit fanden sich bald Leute,
welche die Entdeckungen kommerziell ausnutzen wollten. So vereinigten sich
im Jahre 1501 in London die portugiesischen Kaufleute Joan Goncalvez,
Joan und Francez Fernandez mit den Bristoler Rhedern Richard Warde>
Thomas Ashehurst und John Thomas zur Ausbeutung der Cabotschen Ent-
deckungen und bildeten wohl die erste englische Gesellschaft fur iiberseeischen
Handel. Verschiedene Reisen wurden unternommen, namentlich zum Betrieb
des Pelzhandels, des Walfischfangs und zum Fang der Kabeljaus (Baccallaos) ,
von deren ungeheuren Schwarmen Cabot berichtet hatte. Im nachsten Jahre
zogen sich Joan Fernandez und Richard Warde zuriick und Hugh Elliot iiber-
nahm ihre Anteile.
Bis zum Jahre 1506 unternahm die Gesellschaft regelmassige Fahrten
nach Amerika, dann loste sich dieselbe aus unbekannten Griinden auf. Die
Portugiesen unternahmen iibrigens noch wahrend der nachsten 50 Jahre Ent-
deckungs- und Handelsreisen an der amerikanischen Kiiste, doch wurden
deren Resultate sehr geheim gehalten; aus den Karten der damaligen Zeit,
von Gerard Mercator, Abraham Ortelius, Hessel Geritz etc., ersieht man aber,
dass man vielfach Kenntniss dieser Kiisten hatte.
Der Ruf von dem gewaltigen Fischreichtum der durch Cabot entdeckten
Neufundlandbanke verbreitete sich schnell und bereits 1504 bedeckten grosse
Flotten baskischer und bretonischer Fischer die reichen Fischgriinde. Bereits
1506 veroffentlichten der Kapitan Jean Denys von Honfleur und der Pilot
Comart nach ihrer Riickkehr eine Karte dieser Teile Amerikas, und der Spanier
Velasco befuhr 1508 den Lorenzstrom auf eine Lange von 200 Leguas. Im
selben Jahre brachte auch Kapitan Aubert von Dieppe in der Bark ,,La Pensee"
eine Anzahl franzosi^cher Auswanderer nach dem San Lorenz, konnte indessen
nicht landen. Ebenso schlug ein 1518 unternommener Versuch des Baron
2*
2o II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
de Lery, diese unwirtlichen Gestade zu kolonisieren, fehl. Eingetretener
Wassermangel zwang ihn, die mitgenommenen Haustiere auf der oden Isle
de Sable auszusetzen und nach Hause zuriickzukehren.
Auch Franz I. wollte sich an den Amerika-Fahrten beteiligen und sandte
den Florentiner Jean Verazzano 1524 mit einer Flotte von vier Schiffen aus,
Dieselben litten aber befeits auf den Desiertas bei Madeira Schiffbruch, und
Verazzano musste die Reise in dem kleinen Fahrzeug ,,Le Dauphin" von
50 Tonnen Gehalt antreten. Er erreichte das amerikanische Festland in 34 Grad
nordlicher Breite und fuhr in nordlicher Richtung die Kiiste entlang. Als Ein-
geborene sichtbar wurden, schwamm ein Matrose hinuber. Durch die Brandung
betaubt, wurde er von den Wilden gerettet, verpflegt und mit Pelzwerk reich
beschenkt an Bord gebracht. Zum Dank raubte Verrazano am nachsten Tage
einen achtjahrigen Knaben und wunderte sich ganz naiv uber das Wehklagen
der Mutter. Weiterhin entdeckte er den Hudsonsriver, Rhode Island und Naran-
gasett. Von dieser Insel, die er mit der Insel Rhodes verglich, lieferte er eine
genaue Beschreibung und hob namentlich die helle Farbe ihrer Bewohner
hervor. (Sono di colore bianchissimi alcuni pendono piu iu bianchizza, ma
altri iu colore flavo.) Wahrscheinlich existierten zu dieser Zeit hier noch Nach-
kommen der Normannen. Bis zum 50. Grad setzte er noch seine Reise fort,
dann kehrte er seiner mangelhaften Ausriistung halber nach Dieppe zuriick.
Verazzano schloss sich iibrigens bald darauf einer Expedition an, welche auf
Anstiften des Bristoler Kaufmanns und Kosmographen Robert Thome unter-
nommen wurde. AnBord der beidenSchiffe,, Sampson und Mary" und,, Dominus
vobiscum" unter dem Kommando Jean Rats befand sich ausser Verazzano^
auch der Kanonikus der St. Paulskirche, ein grosser Mathematiker. Die Ex-
pedition kehrte im Herbst des Jahres, ohne besondere Entdeckungen gemacht
zu haben, zuriick, doch soil Verazzano an der amerikanischen Kiiste von
Indianern getotet worden sein.
II.
Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
2. K api t el.
Zunachst nahmen nun die europaischen Verwicklungen, namentlich die
Kriege mit Karl V., die Aufmerksamkeit der Franzosen in. Anspruch, und
erst 1534 gelang es dem Grossadmiral Philippe Chabot, Comte de Burensais,
•den Konig Franz I. fur weitere uberseeische Unternehmungen zu erwarmen.
Einem kundigen Seemann, Jacques Cartier, wurden zwei kleine Fahrzeuge
von je 60 Tonnen Gehalt und 61 Mann Besatzung anvertraut, mit denen er
am 20. April 1534 San Malp verliess und nach schneller Fahrt Mitte Mai Kap
Bonne Viste auf Neufundland erreichte. Das schneebedeckte Land lud aber
nicht zum Bleiben ein, er kreuzte daher bis zum Eintreten milder Witterung
an der Kuste zwischen Baye de Chaleurs und Port St. Catharin. Hier er-
handelte er eine voile Ladung Pelzwerk, nahm zwei Indianer an Bord und
kehrte dann, nachdem er namens der allerchristlichsten Majestat Besitz vom
Lande ergriffen, nach Frankreich zuriick, wo er Anfang September eintraf.
Die Ladung Felle ergab einen sehr bedeutenden Gewinn.
Den Hauptteil der Ladung bildeten Biber-, Otter- und Z o b e 1 -
f e 1 1 e. Dieser Erfolg ermutigte zu weiteren Unternehmungen. Durch die
machtige Fiirsprache des Vizeadmirals Charles Moux Sieur de la Malleraye
erhielt Cartier weitgehende Privilegien, sowie drei wohlausgeriistete Schiffe.
Es waren dies die ,, Grande Hermine" von 100 Tons unter Kommando Claude
•de Pondbriand, dann die ,, Petit Hermine" von 60 Tons unter Mace Calobert
und drittens ,,L'emerillon" von 40 Tons unter Guilleaume le Breton. Am
19. Mai verliess die Expedition St. Malo und lief, nachdem erst die bekannten
Inseln ,,Du blanc Sablon" und St. Marthe, sowie eine unbekannte, dicht be-
waldete Kuste beriihrt war, am 12. August in den St. Lorenz-Busen ein, wo
es Cartier gelang, dieMiindung des ,,grande fleuve du royaulme de Saguenay"
zu finden. Saguenay wurde das bergige Hochland in der Nahe der Miindung
von den Eingeborenen genannt, wahrend die Provinz Kanada 23 Lieues
(i Lieue ist ca. 2% Kilometer) weiter stromaufwarts begann.
Mit Hilfe der friiher mitgefuhrten beiden Indianer Taiguogay und
Domagaya wurde ein freundschaftlicher Verkehr mit den Eingeborenen er-
offnet, die reichlich Felle zum Tauschhandel herbeibrachten.
Eine Niederlassung wurde in Stadacona am St. Croix-Flusse errichtet.
Hier erhielt Cartier zuerst Nachricht von der weiter oberhalb am grossen Strom
gelegenen grossen Kulturstatte Hochelaga und beschloss, trotz aller dagegen
gerichteten Bemiihungen der Kiistenindianer, diese geheimnisvolle Statte zu
22 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
besuchen. Der Bericht, den uns Cartier iiber diesen Besuch geliefert, beweist,
dass damals hier oben im Norden, an der Statte des heutigen Montreal, wirk-
lich ein ackerbautreibendes Kulturvolk, ahnlich den Natchez, den Azteken
und Tolteken im Siiden, am untern Mississippi, in Mexiko und Arizona, hier
oben im Norden seinen Wohnsitz hatte. Wenige Jahrzehnte spater waren diese
Siedlungen indessen dem Ansturm neu eingewanderter Jagervolker erlegen
und ihre Spuren verschwunden.
Am 19. September fuhr Cartier in der kleinen Gallion ^Emerillon"
mit zwei Barken stromaufwarts, begleitet von samtlichen Edelleuten der
Expedition und 50 Matrosen. Die Ufer des machtigen Stromes waren ab-
wechselnd bedeckt mit blaulich schimmernden Waldern und weiten, frucht-
baren Strecken, auf denen Mais und traubenschwere Reben gepflanzt waren.
Am 19. Oktober erreichte man Hochelaga. Eine weit iiber 1000 Kopfe zahlende
Menschenmenge erwartete die Reisenden und warf ihnen als Begriissung Brot
und Fische in die Boote. Der Weg in die Stadt, den Cartier mit nur wenigen
Begleitern antrat, fuhrte durch gut bestandene Felder von Mais, Erbsen,
Bohnen, Gurken und Sonnenblumen. Die ziemlich umfangreiche, kreisformig
gebaute Stadt war mit einer dreifachen Pallisadenreihe umgeben und besass
nur einen Eingang. Auf einer ringsherum laufenden Galerie lagen machtige Fels-
blocke bereit, um auf etwa anstiirmende Feinde herabgeschleudert zu werden.
Im Innern befanden sich etwa 50 Hauser, jedes ca. 100 Fuss lang und
30 Fuss breit, aus Holz erbaut und mit Rinde gedeckt. Jedes derselben enthielt
eine grosse Zahl Kammern, die sich um eine gemeinsame Halle gruppierten,
in der stets ein Feuer brannte. Vor den Toren wurden die Fremdlinge von
einer grossen Volksmenge erwartet, und im Triumph nach einem grossen,
freien Platze geleitet, wo sie neben dem Konige auf schon gearbeiteten Matt en
Platz nahmen und aufs beste bewirtet wurden. Dann wurden ihnen Quartiere
angewiesen. Alle Kranken der Umgegend stromten herbei, um von den wunder-
baren Weissen Heilung zu erbitten. Auch erzahlte der Konig von den Gegenden
im Siiden, wobei natiirlich die ublichen Reisesagen von Menschen mit Hunde-
k op fen und solchen mit so langen Ohren, dass sie solche als Matratzen benutzten,
unterliefen.
Cartier bestieg auch den neben Hochelaga belegenen hohen Berg, den er
Montroyal benannte, und von dem er einen weiten Rundblick genoss, von den
Katarakten des Stromes (jetzt Lachine) bis zu den fernen Bergketten von
Saguenay, die Gold, Silber und Kupfer in ihrem Schosse bergen sollten. Des
eintretenden Winters halber wurde die Riickreise nach dem Hauptlager schnell
angetreten, und auf der Talfahrt noch Riviere de Fouez (Troisrivieres) entdeckt.
Bald nach dem Beziehen der Winterquartiere brach unter den Franzosen
eine bis dahin unbekannte Krankheit aus (der Skorbut). Samtliche Franzosen
erkrankten, 25 starben, und der Rest wurde nur durch indianische Heilmittel
gerettet. Jm Friihjahr wurden die Schiffe in Stand gesetzt und die Heimreise
angetreten, wobei Domacona und mehrere seiner Leute durch List und Gewalt
2. Kapitel. 23
mitgeschleppt wurden. Dieselben sollten die Heimat me wiedersehen, da sie
1539 bald dem urigewohnten Klima in Europa erlagen. Auch diesmal war die
Ausbeute der Reise an Fellen eine sehr reiche, doch wurde Cartier jetzt infolge
von Intriguen das wohlerworbene Patent entzogen.
Im Jahre 1540 ward dagegen der Seigneur Jean Francois de la Roque,
Sieur de Roberval et Cottonmeal, zum Statthalter der neuentdeckten Lander
,,Kanada, Hochelaga, Saguenay" und der grossenBai von Norrumegue ernannt.
Eine Kolonisation im grossen Stile sollte unternommen werden. Der
Konig steuerte aus seiner Privatschatulle 45 ooo Livres bei und gestattete,
dass 50 Straflinge aus den Gefangnissen fur die Expedition verwendet werden
durften, mit Ausnahme von Majestatsverbrechern und Falschmiinzern. Jaques
Cartier wurde zum Admiral und Piloten der Unternehmung ernannt und mit
5 Schiffen vorausgesandt, um in St. Croix eine Kolonie zu griinden, wahrend
Roberval selbst nachfolgen wollte. Der wieder ausgebrochene Krieg hielt ihn
jedoch bis 1542 in Frankreich zuriick, und bei der Ausreise traf er Cartier
bereits auf der Riickkehr, da Hunger, Krankheiten und Feindseligkeiten der
gereizten Indianer die Auflosung der Kolonie veranlasst hatten. Infolge dieser
Feindseligkeit war die Pelzausbeute auch nur eine verhaltnismassig geringe.
Roberval errichtete ein Fort am Kap Breton und sandte seinen Piloten
Alphons de Xaintonge mit einem Schiff zur weiteren Untersuchung der Kiiste
ab. Dieser besuchte Labrador und Neufundland und kehrte von dort direkt
nach Frankreich zuriick. Roberval fuhr im Friihjahr mit 8 Booten und
70 Mann den Saguenay hinauf und blieb verschollen. Erst mehr als 300 Jahre
spater wurde das Dunkel, das iiber seinem Verschwinden schwebte, gelost.
Im Jahre 1860 fand der Reverend Price in der Wildnis am Mistassini-
See, auf der Grenze zwischen Labrador und East Maine, die Reste eines alten
franzosischen Forts mit zwei kleinen Geschiitzen. Aus den verwitterten In-
schriften der Grabsteine, die noch die Zahl 154 erkennen liessen, ging deutlich
hervor, dass hier die Reste jener Expedition ruhten.
In Frankreich hatte sich besonders auf Colignis Betreiben die Aus-
wanderung und Kolonisation mehr nach dem sonnigen Brasilien und nach
Florida (das sich damals fast bis zur Mississippi-Miindung erstreckte) gewendet.
Der Handel hatte aber Kanada keineswegs aufgegeben. Cartier selbst
hatte noch mehrere Fahrten des Pelzhandels halber dorthin unternommen,
und dann seine Nefferi De la Jaunaye Chaton und Jaques Noel am Geschaft
beteiligt. Diese gaben dem Unternehmen einen grossartigen Aufschwung,
aber auch die Konkurrenz blieb nicht aus, und die Eifersucht der einzelnen
Pelzhandler wurde so stark, dass auf den einsamen Fluten des Lorenzstromes
sich ordentliche Schlachten zwischen den Schiffen der verschiedenen Unter-
nehmungen abspielten, und mehrere Barken mit reicher Ladung verbrannt
wurden.
Um diesem gesetzlosen Zustande ein Ende zu machen, bewarben sich die
Erben der inzwischen verstorbenen Cartier um die Erneuerung des diesem
•24 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
verliehenen Patents, indem sie sich erboten, das Land auf eigne Kosten zu
kolonisieren. Es wurde ihnen gnadigst bewilligt, und 1588 erhielten sie sogar
noch 1638 Livres zuriickvergiitet, welche die Regierung C artier schuldete.
Aber ein konigliches Wort war damals in Frankreich eine sehr unsichere
Sache, um Handelsunternehmungen darauf zu begriinden. Die Kaufleute
von St. Malo wussten das Herz einer geldbediirftigen Rammer frau zu riihren,
und das Cartiersche Monopol wurde nach Jahresfrist wieder aufgehoben.
Es half dies aber den Kaufleuten genannter Hafenstadt nicht auf lange,
denn ein Handel ohne Monopol und Zollschranken erschien damals ganz
unmoglich.
1598 erhielt deshalb der Marquis de la Roche, ein Sohn des verschollenen,
Graf en Roberval, alle Privilegien seines Vaters von neuem bestatigt. Aber
auch er wurde vom Ungliick verfolgt. Er warb eine Anzahl Kolonisten an,
die er einstweilen auf der Isle de Sable zuriickliess, wahrend er mit dem Schiffe
eine Rekognoszierung zur Auffindung eines geeigneten Ansiedlungsplatzes
machte. Hierbei wurde er von heftigen Stiirmen bis nach Frankreich zuriick-
verschlagen, geriet hier auf das Gebiet des Herzogs von Mericourt, der mit
Heinrich IV. in Fehde lag, Roche gefangen setzte und 5 Jahre in enger Haft
hielt. Nach seiner Freilassung bewog er den Monarchen, ein Kriegsschiff abzu-
senden, um die unglucklichen Kolonisten von Isle de Sable abholen zu lassen.
Es wurden indessen nur noch 12 von den 40 lebend vorgefunden, die sich
durch das Erlegen des 80 Jahre friiher vom Graf en Lery hier zuruckgelassenen
Viehs ernahrt hatten, welches, verwildert, sich ziemlich gut gehalten hatte.
Einer der bedeutendsten Kaufleute von St. Malo, der lange selbst Pelz-
handel in Kanada betrieben hatte, Sieur Pontgrave, verband sich mit dem bei
Hofe sehr einflussreichen Marinekapitan Chauvin und erhielt das so oft erteilte
Privilegium zum Alleinhandel in Kanada und Acadie (Neuschottland) . Chauvin
selbst ging mit einer kleinen Expedition nach Tadoussac am Saguenay, das
sich inzwischen zum Hauptemporium des Pelzhandels aufgeschwungen hatte,
wo er indessen bald nach der Ankunft starb. Sein Rechtsnachfolger wurde
der Gouverneur von Dieppe, De Chaste, der in Gemeinschaft mit Pontgrave
den ganzen Handel in neue Bahnen lenkte, indem er die erste Pelzhandels-
Gesellschaft griindete, unter dem Namen ,,Compagnie des Marchands de
Rouen", woran sich die meisten Kaufleute von Rouen und St. Malo, sowie
eine grosse Anzahl Edelleute beteiligten. Eine grosse Expedition, bestehend
aus zahlreichen Barken von 10 bis 18 Tons, ging nach Kanada unter Befehl
eines bewahrten Seemanns, Champlain, und drang den St. Lorenzstrom bis
zum Sault de St. Louis hinauf. De Chaste erlebte die Riickkehr der mit Fellen
reich beladenen Barken nicht, und das Wanderprivilegium wurde an Pierre
de Guast, Sieur de Monts, verliehen.
Mit ihm beginnt die Kolonisation Kanadas grossere Di-
mensionen anzunehmen. Zunachst vergrosserte er dieCompagnie des Marchands
de Rouen durch Hinzutritt der Kaufleute von La Rochelle. Dann fiihrte er
2. Kapitel. 25
selbst eine Flotte von fiinf Schiffen mit zahlreichen Ansiedlern und Edelleuten
nach Acadie, um eine Kolonie zu griinden, wahrend Champlain wieder nach
Tadoussac ging. Er machte auch Ernst mit der Wahrnehmung aller Rechte,
•die ihm das Privilegium verlieh. Er konfiszierte Schiff und Ladung eines
Kapitans Rossignol aus Havre, der an der Kiiste mit den Indianern Pelzhandel
trieb, wahrend ein anderes Schiff der Kompagnie in Port des Champseaux
vier baskische Fahrzeuge wegnahm.
Einer seiner Begleiter, der Baron Poutrincourt, Hess sich den
schonen Hafen Port Royal schenken, wahrend De Monts ein starkes Fort in
Isle St. Croix errichtete; Poutrincourt eilte nach Frankreich zuriick, umLebens-
mittel und Verstarkungen herbeizuholen. Inzwischen brach unter den Zuriick-
.gebliebenen die Pest des Nordens, der Skorbut, aus, dem 36 der Ansiedler
erlagen. Vierzig andere Schwererkrankte genasen erst mit Eintritt des Friih-
lings. Am 15. Juni 1605 traf Pontgrave mit 40 Gefahrten ein, um De Monts
.abzulosen, dem es alsbald in Frankreich gelang, in Gemeinschaft mit Poutrin-
court eine grossere Expedition auszuriisten, die am 26. Juli 1606 im Schiffe ,,Le
Jonas" Port Royal erreichte. An Bord befand sich auch der Pariser Advokat
Lescarbot, dem wir eine eingehende Schilderung und Geschichte von Kanada
und Acadie (Neuschottland) verdanken. Die umsichtige Beihilfe dieses hoch-
.gebildeten Mannes trug viel zum wirtschaftlichen Aufschwunge der jungen
Kolonie bei.
In Frankreich hatte inzwischen wieder das alte Intriguenspiel begonnen.
Den Kaufleuten von St. Malo war es durch den Einfluss einiger Hofdamen
.gelungen, die Aufhebung des De Montschen Privilegiums durchzusetzen.
Hierdurch schon ins Wanken gebracht, brach die Gesellschaft unter einem
neuen unerwarteten Schlage zusammen. Die Hollander hatten sich der ganzen
in Tadoussac zur Einschiffung bereitliegenden Pelzausbeute des Jahres be-
machtigt. Die Niederlassung in Port Royal musste nun aus Geldmangel auf-
:gegeben werden. Der unermudliche De Monts liess aber den Mut nicht sinken.
Er eilte nach Frankreich, wo es ihm gelang, das Patent auf ein Jahr verlangert
zu erhalten und auch drei kleine Schiffe auszusenden, die unter Champlains
Kommando bei dem kleinen Flecken ,,Kebec" am ,, Riviere de Canada" eine
Niederlassung griindeten. Diese nachmals so beriihmte Statte empfing hier
gleich die Bluttaufe. Ein Normanne, Jehan de Val, der eine Verschworung
angezettelt hatte, erlitt nebst drei Gefahrten den Tod durch Henkershand.
Auch diese Ansiedlung blieb von dem Wiirgeengel, dem Skorbut, nicht ver-
schont. 28 Ansiedler erlagen im ersten Winter. Jetzt aber ereignete sich
eine scheinbar geringfugige Sache, die indessen von den weittragendsten
Folgen war.
Die Algonkin-Indianer, welche die Kiiste bewohnten, die Hauptpelz-
lieferanten der Franzosen, lagen seit undenklichen Zeiten mit den weiter im
Innern wohnenden Irokesen im Streit. Diese, zur damaligen Zeit vorwiegend
Ackerbau treibend, waren nichtsdestoweniger eine kriegerische Nation, und
26 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
hatten die Angriffe der Algonkins nicht nur blutig zuriickgewiesen, sondern
waren ihrerseits angriffsweise vorgegangen und hatten die Algonkins stark
bedrangt. Letztere wandten sich mit der Bitte um Hilfe an Champlain, die
bereitwilligst zugestanden wurde. Champlain selbst schloss sich mit zwolf
Franzosen dem in zahlreichen Kanoes unternommenen Rachezuge an. Auf
dem Wasserwege erreichte man den Lac des Iroqois (den Huronensee), an
dessen Ufern sich die Dorfer der Irokesen hinzogen, umgeben von wohl-
bestellten Feldern von Sonnenblumen und Mais. Der Uberfall gelang, und
die Arkebusen der Franzosen richteten furchtbare Verheerungen unter den
Irokesen an, die schliesslich in die Flucht geschlagen wurden. Ihre Dorfer
und Felder gingen in Flammen auf. Champlain kehrte im Triumph nach
Quebec zuriick, nicht ahnend, dass er durch sein Vorgehen einen Jahrhunderte
lang dauernden Rachekrieg entfesselt habe, der seinen Nachfolgern noch viel
zu schaffen machen sollte.
Die Irokesen gaben den Ackerbau auf, wurden ein Krieger- und Jager-
volk und waren bis zur Eroberung des Landes die erbittertsten Feinde der
Franzosen. Jetzt freilich sieht man nur einige wenige herabgekornmene
Epigonen der stolzen roten Krieger in Kanada ihr Leben muhsam durch Korb-
flechten und Kleinhandel mit Kuriositaten fristen.
Durch die ganzliche Freigabe des Handels im Jahre 1610 wurde De Monts,.
dessen ganzer Geschaftsbetrieb sich auf das Monopol stiitzte, gezwungen,.
sich zuriickzuziehen. Champlain indessen, der 1611 auf der Statte des alten
Hochelaga ein Pelzhandelsfort ,,Mont Real" errichtet hatte, mochte seine
Schopfungen nicht dem Verfall aussetzen, brachte mit Hilfe der Kaufleute
von St. Malo und Rouen eine neue Kompagnie zusammen, deren Schutz zu-
gleich mit der Statthalterschaft von Kanada Prinz Charles von Bourbon
iibernahm, wahrend Champlain tatsachlicher Gouverneur war.
Nach dem schon 1612 erfolgten Tode des Prinzen trat Prinz Conde an
seine Stelle, die Gesellschaft aber nahm nun einen grossen Aufschwung.
1616 erhielt sie indessen einen unliebsamen Konkurrenten in einer von dem
Kaufmann Thomas Poree gegriindeten Pelzhandelsgesellschaft. Ein freier,
friedlicher Handelswettkampf war aber auf die Dauer im Zeitalter der Handels-
monopole undenklich.
Getreu der damaligen Volkswirtschaft suchte jeder ein bestimmtes Gebiet
hermetisch abzuschliessen und aufs Griindlichste auszusaugen. Heftige Streitig-
keiten zwischen den Konkurrenten konnten daher nicht ausbleiben. Der
Admiral Montmorenci, der 1620 die Statthalterschaft von Kanada und die
Prasidentschaft der Handelsgesellschaft vom Prinzen Conde fiir no ooo ecus
(a 5 Franks) gekauft hatte, versuchte alles, um die regsame Poreekompagnie
zu unterdriicken und schreckte auch vor Gewalt nicht zuriick.
Er wurde deshalb auch verklagt, doch war sein Einfluss bei Hofe zu
machtig. Er setzte es bereits 1621 durch, dass ein Konigliches Dekret wieder
die Handelsfreiheit aufhob und die Montmorencische Gesellschaft das Allein-
2. Kapitel. 27
handelsrecht erhielt. Es wurde jedoch alien Franzosen das Recht zugestandenf
sich dieser Gesellschaft anzuschliessen, wahrend Poree 10 ooo Livres als
Entschadigung erhielt.
Er ubernahm sofort mit einem Associe fiinf Sechstel aller Anteile der
Montmorenci-Kompagnie.
1625 verkaufte Montmorenci die Statthalterschaft an seinen Neffen,
Henry de Levy, Due de Ventadour. Dieser, ein sehr frommer Herr, dem das
Seelenheil seiner Schutzbefohlenen sehr am Herzen lag, sandte ihnen zahllose
Missionare, dem Orden der Freres Recollets angehorig, bekummerte sich aber
um die materielle Entwicklung der Kolonie gar nicht. Nur die Energie
Champlains vermochte sie vor ganzlichem Verfall zu retten. Endlich wandte
er sich um Hilfe an Richelieu. Dieser grosse Staatsmann, der die Wichtig-
keit der Kolonien fur das Mutterland voll erkannte, durch Hofeinflusse ge-
bunden aber nicht direkt einschreiten durfte, veranlasste die Griindung einer
grossen kapitalkraftigen Gesellschaft, die mit machtigen Privilegien ausge-
stattet wurde. Sie bestand aus 103 Mitgliedern, an deren Spitze Richelieu,
der Marschall d'Effiat, Admiral Bazilli und Champlain standen. Das Ge-
sellschaftskapital belief sich auf 100 ooo ecus (a 6 Livres), fur damalige Zeit
eine gewaltige Summe.
Nach ihrer Mitgliederzahl empfing sie den Namen ,,Compagnie des Cent
associes" und erhielt vom Konig die Besitzrechte von Nouvelle France und
Florida, mit dem Monopol des Pelzhandels in diesen Gebieten ,,auf ewige
Zeit en" und dem sonstigen Alleinhandel zur See und zu Lande auf 15 Jahre
und die Zollfreiheit in Frankreich fiir 7 Jahre.
Die neue Gesellschaft sandte im ersten Jahre 300 Handwerker nach
Kanada und verpflichtete sich, innerhalb 15 Jahre 4000 dort anzusiedeln.
Die Kolonie nahm einen recht erfreulichen Fortgang, bis sie einen Zusammen-
stoss mit England hatte.
Poutrincourt war es namlich 1610 gelungen, sich mit zwei Reedern von
Dieppe, Dujardin und Duquesne, zu verbinden, welche die Mittel zur Anlegung
einer Kolonie in Port Royal hergaben und eine Menge Ansiedler hinuber-
sandten. Poutrincourt, der als Pelzkaufer viele Freunde unter den Indianern
besass, griindete dort eine Mission: pour Teglise de la nouvelle France.
Die Jesuiten, welche hier einen neuen Wirkungskreis erkannten, sandten
sofort zwei Ordensbriider, Pater Biard und Pater Masse, nach Dieppe,
wo ihnen indessen die hugenottischen Reeder Duquesne und Dujardin die
Erlaubnis zum Einschiffen verweigerten.
Der Orden kaufte ihnen daraufhin ihren Anteil an der Unternehmung
mit 40 ooo Livres ab, und eine gleiche Summe lieh die Marquise de Guercheville,
die ganz in der Hand der Jesuiten war, dem Poutrincourt zur Ausdehnung
seiner Handelsunternehmungen. Biard und Masse gingen nach Port Royal,
wo sie bald Zwietracht saten. Im nachsten Jahre kiindigte die Marquise
plotzlich dem Poutrincourt das Darlehen, und da er das Geld, welches in den
28 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Anlagen fest steckte, nicht gleich zahlen konnte, wurde er in Schuldhaft ge-
worfen, aus der er gebrochen an Korper und Geist herauskam.
Die Jesuiten riisteten nun im Namen der Marquise de Guercheville, mil
finanzieller Beteiligung der Konigin und frommer Damen, ein Schiff aus,
unter dem Befehl des Paters Guilbert de Thet, um ganz Acadie in Besitz zu
nehmen und daraus ein zweites Paraguay zu machen. Sie errichteten eine
Ansiedlung St. Sauveur in Pemptegoet, auf evangelischem Gebiete, was
•den Patres in Anbetracht des frommen Z weeks und der giinstigen Lage voll-
kommen gleichgiiltig schien.
Kurze Zeit darauf lief ein englisches Fahrzeug unter Befehl Kapitan
Argyles aus Virginien in den Hafen, und wurde sofort beschossen. Die Eng-
lander waren aber starker und zerstorten die ganze Ansiedlung. Guilbert de
Thet fiel im Kampf e, und die ubriggebliebenen Franzosen wurden gef angen
nach Jamestown in Virginien gebracht und hier als Piraten vor ein Kriegs-
:gericht gestellt. Zum Tode verurteilt, wurden sie begnadigt, als sie sich er-
boten, die Englander zu den iibrigen Ansiedlungen in Acadie zu fiihren. Eine
Expedition unter Fuhrung der Pater Biard und Argal zerstorte darauf Port
Royal von Grund aus, und schleppte die gesamte Pelzausbeute von dannen.
Wenige Jahre spater wurde die Provinz von James I. dem Graf en Stirling
verliehen, der eine Anzahl schottischer Familien dort ansiedelte. Der 1627
zwischen England und Frankreich ausgebrochene Krieg gab ihm eine er-
wiinschte Gelegenheit, sein Gebiet auf Kosten Kanadas auszudehnen. Eine
stattliche Flotte von 18 Schiff en verliess England unter Fuhrung des fran-
zosischen Hugenotten David Kertk. Tadoussac mit seinen reichen Vorraten
wurde erobert, die im Hafen liegenden Schiffe der Cent Associes, sowie
mehrere Transportschiffe unter Admiral Roquemont weggenommen. Quebec
wurde belagert und musste sich, vom Hunger bezwungen, am 29. Juli 1629
ergeben.
Gleichzeitig war auch die Sudhalfte Acadies durch eine englische Ex-
pedition unter Fuhrung des Hugenotten Claude de la Tour erobert worden.
Alles dies geschah schon nach dem Friedensschluss von La Rochelle (28. Juni
1629). Anfanglich war grosse Aufregung in Frankreich, doch trostete man
sich bald iiber den Verlust ,,de quelques arpents de neige". Richelieu fuhlte
sich indessen personlich beleidigt, als besonderer Beschiitzer Kanadas und
Aktionar der Cent Associes. Er sandte eine Flotte unter Admiral Bazilli, um
Quebec mit Gewalt zuriickzunehmen, worauf England im Vertrag von St. Ger-
main en Laye ganz Kanada wieder herausgab.
Louis Kertk, ein Bruder des Admirals, iibergab dem Bevollmachtigten
der Cent Associes, Mr. De Caen, Quebec in Triimmern liegend, und nahm die
dort vorgefundenen 9000 Biberfelle mit nach England.
Das Jahr 1632 war uberhaupt kein sehr giinstiges fur die Kompagnie,
denn am 13. November wurde sie durch Gerichtsbeschluss verurteilt, den Kauf-
leuten Marie und Salomon Langlois, Raymond de la Balde, Nicolas Cann,
2. Kapitel. 2Q>
David Michel und Paul Languillez 40 ooo Livres Entschadigung zu bezahlen,
weil sie drei den Vorbenannten gehorige Fahrzeuge beschlagnahmt hatte,
welche an der Kiiste fischten. Die erste Massregel Champlains nach Wieder-
iibernahme der Regierung in Kanada war iibrigens die Ausweisung der
Franziskaner (Peres Recollets), an deren Stelle die Jesuiten jetzt die alleinige
Seelsorge in der Kolonie ubernahmen. Bald darauf raffle der Tod am 25. De-
zember 1635 plotzlich den tatkraftigen Gouverneur dahin.
Acadie war 1632 in drei Provinzen geteilt worden, die an den Admiral
Bazilli, Etienne Chevalier de la Tour und Monsieur Dennis verliehen wurden.
1635 starb Bazilli und Chevalier de Charmisey folgte ihm in der Statt-
halterschaft.
Dieser wendete hauptsachlich dem Pelzhandel seine Aufmerksamkeit zu,.
was bald zur unliebsamen Konkurrenz mil de la Tour fuhrte, der gleichfalls-
ein eifriger Pelzhandler war. Charmisey wandte das altbewahrte franzosische
Mittel an, sich unangenehme Konkurrenten vom Halse zu schaffen, indem
er ihn bei Hofe verdachtigte und einen Haftbefehl erwirkte, mit dessen Aus-
fiihrung er selbst betraut wurde.
Er belagerte de la Tour in Fort St. Jean, der jedoch entkam und sich
nach Boston wandte, wo er 80 Amerikaner und 150 Hugenotten aus La Rochelle
anwarb, und mit deren Hilfe Charmisey zwang, die Belagerung aufzuheben.
Dieser warb aber seinerseits nun ebenfalls Hilfstruppen unter den Pelzjagern
Bostons, und belagerte St. Jean zum zweiten Male. Das Fort wurde einge-
nommen und die ganze Besatzung gehangt, die Pelzausbeute selbstredend
beschlagnahmt.
De la Tour selbst gelang es indessen rechtzeitig nach Quebec zu ent-
kommen, wo er den Pelzhandel im grossen organisierte, und von wo aus seine
Pelzjager schon 1646 die Hudsonsbay erreichten.
1651 kehrte er nach dem Tode Charmiseys nach Acadie zuriick, heiratete
dessen Witwe und gelangte so in Besitz ganz Acadies, da Denis fruher durch
Hofintriguen ruiniert war. Seine Freude war indessen nicht von langer Dauer.
1654 eroberten die Englander das Land. De La Tour wusste sich indessen
in die Verhaltnisse zu schicken, stellte sich unter den Schutz Cromwells, und-
erlangte gliicklich, dass er Acadie gemeinsam mit Sir Thomas Temple als
Lehen erhielt. Er verkaufte nun seinen Anteil an Temple, der das Land zu
hoher Bliite brachte. 1667 kam es aber im Frieden zu Breda wieder an Frank-
reich, das den Ruin des Landes geradezu systematisch betrieb.
Auch in Kanada gab es teilweise triibe Zeiten.
Die Nachfolger Champlains in der President schaft hatten eine bose Erb-
schaft angetreten. Die Irokesen mit deren 5 Nationen, Mohawks, Oneidas,
Cajugas, Onondagas und Senequas, sich auch noch die Delawaren verbiindet
hatten, fuhrten einen wilden Rachekrieg gegen die Huronen und die mit diesen
verbiindeten Franzosen. Mehrmals drangen die wilden Horden bis unter die
Mauern von Quebec, und die Skalpe vieler Ansiedler zierten die Wigwams der
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
roten Krieger, Mehr als ein Jahrhundert dauerte dieser Kriegszustand, der
erst mit der Vernichtung der Irokesen sein Ende fand.
Dies hinderte aber nicht, dass die Ansiedler unaufhaltsam weiter nach
dem Innern vorriickten. 1642 griindete Clomigny de Marseneuve die Stadt
Montreal neben dem gleichnamigen Fort, die sich bald durch ihre giinstige
Lage zum Hauptemporium des Pelzhandels aufschwang. In jedem Friihjahr
entwickelte sich unter den Mauern dieser Stadt ein grossartiger Markt.
Tausende von Indianern war en auf dem Wasserwege in ihren leichten
Birkenrindenkanoes von den weitesten Entfermmgen her eingetroffen und
tauschten die erbeuteten Felle gegen die Produkte der Zivilisation ein, die
sie dann mit in ihre feme Heimat brachten. Hierhin folgten ihnen bald unter-
nehmende Manner, die Coureur du bois, eine eigenartige Menschenklasse, auf
die ich spater naher zuriickkomme. Die alternde ,,Compagnie des Cent
associes", durch keine Konkurrenz angespornt, hielt es fiir bequemer, in ihren
Kontoren Tadoussac und Trois Rivieres zu bleiben und den Montrealhandel
den dortigen Kaufleuten zu iiberlassen. Allerdings mussten ihnen diese die
gesammelte Pelzausbeute verkaafen, da die Kompagnie das alleinige Verkaufs-
recht hatte.
Gouverneur d'Argenson griindete 1659 eine Gesellschaft fiir den Pelz-
handel mit dem Innern, die aber unter seinem Nachfolger d'Avancour in Streit
mit dem Erzbischof von Kanada geriet.
Avancour, welcher die Rechte der Gesellschaft aufs energischste vertrat,
wurde exkommuniziert und schliesslich abberufen. Die Compagnie des Cent
associes, die durch innere Zwistigkeiten auf 45 Teilnehmer herabgesunken
war, geriet schliesslich durch ihre unfahigen Operationen, bei denen sie stets
auf ihr Monopol pochte, in finanzielle Verlegenheiten und trat 1662 alle ihre
Rechte an die Krone ab. Der Konig verlieh das Privilegium einer neu er-
richteten, machtigen Gesellschaft, der ,, Compagnie des Indes occidentales",
die viel zur Hebung des Landes zu tun versprach. 1665 wurde der Marquis
de Tracey zum Vizekonig von Kanada ernannt und unter ihm, unterstiitzt
von seinem Intendanten Talon, und Colbert, dem grossten Staatsmanne, den
Frankreich je besessen, begann eine neueEpoche der Bliite fiir die armeKolonie,
die unter dem Aussaugungssystem der Monopolwirtschaft schwer gelitten
hatte. Vor allem fehlte es an Handen, um das Land zu bebauen, da fast alle
Einwanderer sich dem weit eintraglicheren Pelzhandel zuwandten. Diesem
Mangel wurde jetzt abgeholfen. Das ganze Regiment Carignan, 22 Kompagnien
a 200 Mann stark, wurde nach Kanada geschickt und dort angesiedelt. Da
es in dem jungen Lande naturgemass an Frauen fehlte, wurden mehrere hundert
jener Damen, die auf den Strassen von Paris dem Kultus der Venus vulgivaga
huldigten, dorthin gesandt, an die Soldaten veriest und die jungen Paare
gleich getraut. Das Land wurde in ,,Seigneuries" und diese wieder in ,,fermes"
von je 90 Morgen eingeteilt. Jeder Offizier erhielt eine Seigneurie und jeder
Soldat eine Ferme als Lehen, wofiir 2 Sou pro Acre und Jahr als Grundrente
2. Kapitel.
zu zahlen war. Ein regelrechtes Feudalsystem wurde emgefiihrt, dessen Reste
sich noch bis zum Jahre 1854 erhielten. Auch die Industrie des Landes.ent-
wickelte sich. Talon legte Schneidemiihlen und Gerbereien an, liess die Eisen-
minen von Gaspe bearbeiten, errichtete Seehunds- und Weisswalfischereien
und sorgte fiir eine regel-
massige Schiffsverbin-
dung mit Madeira und
den Antillen, was den
Export der Landespro-
dukte sehr forderte.
1665 richtete Talon
eine Denkschrift an den
Konig, in welcher er mit
grosser Klarheit die Man-
gel des bisherigen Kolo-
nialsystems nachwies und
um Aufhebung des Mono-
pols bat, aber erst 1668
gelang es seinen und
Colberts Bemiihungen,
diesen fiir die Hebung
Kanadas so wichtigen
Schritt durchzusetzen.
Die Compagnie des
Indes occidentales verier
die Alleinhandelsrechte,
doch blieb ihr der Han-
delspostenTadoussac und
das Recht des Vierten
von alien ausgefuhrten
Biberfellen und des Zehn-
ten von alien Elenn-
hauten (origenals). Alle
iibrigen Rauchwaren wa-
ren frei. Der Handel
nach dem Innern war
langst der schwerfalligen Gesellschaft aus den Handen gewunden.
Viele Abenteurer, teilweise den hochsten Standen angehorig, die nach
Kanada gestromt waren, ergriffen hier den Pelzhandel. Das damit ver-
bundene freie Leben, der Kampf mit den Hindernissen der Natur und der
grosse Gewinn iibten einen unwiderstehlichen Reiz aus. Sie schlossen sich
den Indianern an und drangen, den Wasserlaufen folgend, bis tief in das
geheimnisvolle Innere des Landes ein, .oft an Stellen, die noch nie vor ihnen
Franzosischer Waldlaufer im 17. Jahrhundert.
02 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
der Fuss eines Europaers betreten hatte. Mil reicher Beute beladen kehrten
sie dann nach den Stapelplatzen Montreal und Troisrivieres zuriick, wo der
erzielte Gewinn in kurzer Zeit in den langentbehrten Geniissen der Zivilisation
verjubelt wurde. Vorziigliche Jager, unermiidliche Ruderer und ausgezeichnete
Fallensteller, bildeten diese ,,Coureurs du bois" noch bis zur Mitte des neun-
zehnten Jahrhunderts die charakteristischste Menschenklasse Kanadas.
Die Geistlichkeit, die den bosen Einfluss der lockeren Gesellen auf die
,,unschuldigen Kinder der Natur", die Indianer, furchtete, und die vielleicht
auch annahm, dass der von ihnen selbst auf den Missionen betriebene Pelz-
handel den Bediirfnissen der Indianer geniige, setzte alle Hebel in Bewegung,
damit der Pelzhandel alien Beschrankungen, welche die darin so erfinderische
franzosische Handelspolitik kannte, unterworfen wurde.
Es wurden Erlaubnisscheine zum Handel mil dem Innern ausgegeben,
sogenannte „ Congees", und nur an arme, verdiente Edelleute, alte Offiziere
und deren Witwen erteilt mit dem Recht der Weiterverausserung. Ohne
einen solchen Erlaubnisschein das Indianergebiet zu betreten, war bei Todes-
strafe verboten, Jeder ,, Congee" gait fiir zwei grosse, beladene Kanoes
und zahlten die kanadischen Kaufleute zur Zeit der hochsten Bliite ihres
Handels (1650 — 1700) zirka 3000 Franks fiir einen solchen Schein. Bei dem
hohen Werte des Geldes damals eine sehr hohe Summe, die etwa dem zehn-
fachen Betrage heute entsprechen wiirde. Trotzdem war das Geschaft ein
sehr gewinnbringendes. Der Kaufmann, der einen Congee gekauft hatte,
warb 6 Waldlaufer an, denen er fiir 5000 Franks Waren mitgab. Nach etwa
Jahresfrist kehrten sie gewohnlich zuriick mit durchschnittlich 40 Pack
a 100 Biberfellen, die im Bureau der Kompagnie etwa 40 ooo Franks Wert
hatten. Nach Abzug der Kosten fiir den Congee und die Waren blieben immer
noch 32 ooo Franks Nutzen, von denen der Kaufmann 40 Proz., die Wald-
laufer 60 Proz. erhielten. Der Kaufmann verdiente ausserdem noch erheblich
an der .Differenz der Biberpreise zwischen Montreal und Quebec und am
Wechselkurs auf Frankreich.
Alle Biberfelle mussten im Kontor der jeweilig regierenden Kompagnie
in Kanada abgeliefert werden, die anfanglich den festen Durchschnittspreis
von 414 Franks per Pfund zahlte, spaterhin aber in verschiedene Sorten ein-
teilte, die zu verschiedenen Preisen bezahlt wurden.
Am teuersten waren die ganz weissen, welche damals in Kanada 18 Franks
per Pfund erzielten. (Jetzt sind dieselben noch viel seltener geworden, und
habe ich unter etwa % Million Biberfellen nur zwei weisse gesehen.) Dann
kamen die feinen schwarzen ,, Castor de Moskowie", die schon damals zur
Pelzwerkbereitung nach Russland gingen und 6 Franks per Pfund kosteten.
Alle iibrigen Sorten, bei weitem die Mehrheit, dienten zur Filzhutfabrikation.
Hiervon war die erste Sorte die ,, Castor gras", die von den Indianern
schon so lange getragen waren, dass die Grannenhaare ausgefallen waren und
die Wolle ganz mit Fett getrankt war. Diese brachten 4% bis 5 Franks per
2. Kapitel.
Pfund. (Etwaiger lebender Inhalt wurde nicht extra berechnet !) Dann folgten
die ,, Castor demi gras", die noch nicht so lange getragen waren und 3% Franks
kosteten, und schliesslich die frischen Felle, ,, Castor sec", die mit 2% Franks
bezahlt wurden.
Die Englander in Boston und New York bezahlten weit hohere Preise, als
die Kontore der Gesellschaft in Kanada, die oft auch nicht einmal alle ge-
brachten Felle annahmen und allerhand bureaukratische Scherereien und
Formalitaten verursachten. Es bildete sich daher allmahlich ein streng
verbotener Schleichhandel nach dem englischen Gebiete aus, an dem sich
nicht nur die Kaufleute, sondern auch die Jesuiten und nach Angabe des Pater
Lahontan selbst der Gouverneur des Landes, de Barre, lebhaft beteiligten.
Waldlaufer, Missionare und Kaufleute, die als Kulturtrager in die Wildnis
drangen, breiteten den franzosischen Einfluss immer weiter aus.
Bereits 1656 war ein unternehmender Quebecker Kaufmann, Jean
Bourdon, in einem kleinen Segelfahrzeug von 30 Tonnen die Kiiste Labradors
entlangfahrend, bis zum Grunde der Hudsonsbay vorgedrungen, wo er mit
den herbeigestromten Indianern einen sehr lukrativen Handel trieb, in kurzer
Zeit sein Schiff mit Rauchwaren zu fallen vermochte und mit sehr reichem
Gewinn zuriickkehren konnte. Sein Beispiel fand indessen keine Nachahmer.
Seine Landsleute zogen die Fahrt auf den Binnengewassern dem Kampf mit
den Eisschollen des rauhen Nordens vor.
Die Sache war schon halb vergessen, da erschien eine feierliche Deputation
der Indianer von der Hudsonsbay, die in ihren leichten Kanoes auf dem Fluss-
wege gekommen war, vor Quebec, mit der Bitte, ihnen doch einige Franzosen
zum Ankniipfen von Handelsverbindungen mitzugeben.
Der Gouverneur d' Argenson schickte bereitwilligst den Jesuit enpater Dablo
den Edelmann Sieur de la Vallerie, begleitet von den Waldlaufern Denis
Guyon, Desprez la Couture und Francois Pelletier, zu Lande den Saguenay
hinauf. Allein die Expedition wurde von ihren Fiihrern unterwegs verlassen
und kehrte unverrichteter Sache nach Quebec zuriick.
1663 erschien eine neue Deputation, und auf ihre dringende Bitte ent-
schloss sich der neue Gouverneur d'Avancour, den Waldlaufer La Couture
mit fiinf Gefahrten in ihrer Begleitung mitzusenden. Dieselben gelangten
auch glucklich bis andasllfer der Hudsonsbay und nahmen nach alt be wahrter
Sitte feierlich vom Lande im Namen Frankreichs Besitz, unbekiimmert darum,
dass dies schon verschiedene Male von anderen Nationen geschehen war.
Dann kehrten sie, mit Pelzwerk reich beladen, zuriick.
Es ist nicht ganz festgestellt, ob die hugenottischen Waldlaufer Medard
Chouart de Grosseillier (nach anderer Schreibweise Groiselez) und Pierre Esprit
de Radisson an dieser Expedition teilgenommen, oder ob sie den Pelzreichtum
des Hudsonsbay- Gebietes bereits auf ihren selbst andig unternommenen
Fahrten entdeckt hatten.
3
OA II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Fest steht nur, dass sie kurz darauf den Versuch machten, in Kanada
eine Gesellschaft zur Ausbeute des Hudsonsbay-Gebieteszustande zu bringen.
Allein vergebens. In Kanada war gerade damals ziemlicher Kapital-
mangel, so dass die beiden keinen Erfolg hatten und sich deshalb nach Frank-
reich wendeten. Aber auch hier hatten sie kein Gliick. ,,Les affaires de
Canada" waren nicht mehr Mode, und namentlich in den tonangebenden
Hof- und Adelskreisen hatte man langst Interesse und Verstandnis fur
koloniale Unternehmungen verloren. Die beiden Waldlaufer fanden iiberall
verschlossene Tiiren und Taschen.
Nur der Herzog von Montague horte sie wenigstens an und gab ihnen
den Rat, sich nach England zu wenden, wohin er ihnen Empfehlungsbriefe
an den Prinzen Rupert, den Onkel Charles II., mitgab, der an der Forderung
der maritimen Grosse und kolonialen Ausdehnung seines Vaterlandes hervor-
ragenden Anteil nahm.
Grosseillier und sein Schwager Radisson wurden mit Warme empfangen
und trat man ihren Planen naher.
Doch nun mussen wir etwas zuriickgreifen, um zu sehen, was die Eng-
lander in der Zwischenzeit im Norden Amerikas unternommen hatten. Denn
wahrend die Franzosen ihre Herrschaft in Kanada ausdehnten, waren die
Englander auch nicht miissig geblieben.
Im Jahre 1548 war der alte Seeheld, Sebastian Cabot, der inzwischen
in spanischen Diensten viele Fahrten nach Sud-Amerika gemacht und zum
Grosspiloten von Spanien ernannt war, nach England zuriickgekehrt, wo ihm
Edward VI. ein Gnadengehalt von 166 Lstr. 12 s 4 d bewilligte.
Bis dahin hatte die Hansa den gesamten englischen Aussenhandel be-
herrscht. Jetzt aber war die Macht im Sinken, und Cabot schien die Zeit ge-
kommen, um das verhasste Joch abzuschiitteln. Er griindete eine grosse
Handelsgesellschaft, in welcher Adel und Kaufmannschaft ziemlich gleich-
massig vertreten war, und an deren Spitze William Marquis of Winchester
und Henry Earl of Arundel traten. Am 6. Februar 1554 erhielten sie von
Philipp und Mary einen Charter als „ Merchants aduenturers of Englande for
the Discouery of Lands, territories Islands dominions and Seignories unknown,
Sebastian Cabot gouernor".
1566 erteilte ihnen Elisabeth einen neuen Charter mit weitgehenden
Privilegien als ,, Fellowship of english merchants for the discouery of new
trades".
Im Volksmund hiess die Gesellschaft einfach die Muskoviy Company,
da sie hauptsachlich den Handel nach Russland und von da aus nach Asien
betrieb.
Die erste unter Hugh Willoughby und Richard Chancellor in den drei
kleinen Schiffen Bona Esperanza, Bona ventura und Bona Confidentia von
2. Kapitel.
35
Sir Hugh Willoughby.
Gravesend ausgelaufene Expedition sollte einen neuen Seeweg zu den Schatzen
,,Cathais und Zipangus" (China und Japan) im Nordosten suchen, kam aber
nicht soweit. Bei der Uberwinterung in Lappland erfror Willoughby mit
seiner ganzen Mannschaft, wahrend Chancellor, vom Sturm verschlagen, an
der russischen Kiiste landete, nach Nowgorod (nicht zu verwechseln mit
Nischny Nowgorod) kam und hier mit dem russischen Zaren einen Handels-
vertrag schloss.
3*
o6 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Im nachsten Jahre errichtete die Company dort eine standige Nieder-
lassung, hauptsachlich zum Pelzhandelsbetrieb und machte der alternden
Hansa gewaltige Konkurrenz.
1676 unternahm der Seemann Martin Frobisher einen Versuch, auch im
Nordwesten ahnliche Handelsgebiete zu erschliessen und dabei auch die nord-
westliche Durchfahrt nach China zu suchen. Er verliess Blackwall in der
Barke Michael von 25 Tonnen, Gabriel von 20 Tonnen und einer Pinasse von
10 Tonnen, und entdeckte die Siidspitze Gronlands, fand eine tief einge-
schnittene Strasse, ,,Frobishers Streyte" und ein Land, ,, Queens Elisabeth
Foreland".
Hier trat der kuhne Seefahrer mit den Eskimos in Verbindung, erhielt
von ihnen eine Anzahl schoner Felle und anderes und trat den Riickweg an.
Unter den mitgebrachten Gegenstanden fand man ein schwarzes, kohlen-
artiges Erz, von dem zwar die meisten Goldschmiede erklarten, dass es wertlos
sei, wahrend aber der Italiener Joan Baptista Agnello behauptete, dass es
reichen Goldgehalt habe und 30 Lstr. fur die Tonne bot.
Es wurde eine Gesellschaft, die ,, Cathay Company", unter Fuhrung des
Kaufmanns Locke gebildet, an der sich die Konigin mit 1000 Lstr. und 38 an-
dereTeilnehmer, dem hochsten Adel angehorig, mit Beitragen von 50 — 200 Lstr.
beteiligten. Dem ,, Michael" und ,, Gabriel" wurde diesmal noch das Kriegs-
schiff ,,Ayde" von 180 Tonnen beigegeben.
Am 26. Mai war man von Blackwall aufgebrochen und erreichte am
16. Juli Queen Elisabeth Foreland. Auf einer Anhohe der benachbarten
Halbinsel, dem Mount Warwick, wurde ein hohes Kreuz errichtet und vom
Lande feierlich Besitz ergriffen. Auch wurde noch Jackman Sound und Smith
Island entdeckt, von wo ein Unicorne (Narwalshorn) als grosses Wertobjekt
mitgenommen wurde, das sich noch heute in der Juwelenkammer des Tower
befindet.
Auf alien Inseln wurde reichlich Erz gefunden und mit voller Ladung
der Riickweg angetreten. Am Yorksund wurden noch den Eskimos Felle
und Boote geraubt und in dem darauf sich entspinnenden Kampfe eine
Anzahl derselben getotet und andere gefangen mit nach England gefiihrt.
Das mitgebrachte Erz soil 10 Unzen Gold und 60 Unzen Silber enthalten
haben.
Nunmehr sollte die Ausbeutung des neuentdeckten Landes der ,,Meta
incognita" im grossen ins Werk gesetzt werden. Die Chathay Company
st elite 10 Schiffe, wahrend 6 andere Fahrzeuge von den kaufmannischen
Korporationen von Ipswich, Exeter, Bridgewater und Weymouth gestellt
wurden.
Am 27. Mai verliess diese machtige Flotte Harwich. Zunachst wurde
in Siid-Gronland gelandet und dies als ,, West-England" in Besitz ge-
nommen, dann erreichte man am 2. Juli Frobisher Strasse. Reiche Minen
auf Countess of Sussex Island und auf Winterers Furnace wurden in Angriff
2. Kapitel.
genommen und alle Schiffe mit Erz beladen. Leider stellte sich dasselbe bei
der Riickkehr als ganz wertlos heraus. Die Chathay Company machte Ban-
kerott, Michael Lock und Frobisher sollen im Schuldgefangnis gestorben sein.
1583 erhielt Sir Humphrey Gilbert ein Privilegium zur Besiedelung
Amerikas und riistete mit Beihilfe seines Stiefbruders Sir Walter Raleigh eine
Expedition aus, bestehend aus ,,The Delight", 120 Tons, ,,The Raleigh",
200 Tons, ,,Goldenhinde", 40 Tons, ,, Swallow", 40 Tons und ,, Squirrel",
10 Tons, mit zusammen 260 Mann Besatzung, darunter viele Handwerker.
Der ,, Raleigh" musste bald umkehren, da eine Epidemic an Bord aus-
brach. Der ,, Swallow" wurde verschlagen und beschaftigte sich mit Seeraub.
Der Rest erreichte Neufundland und nahm feierlich vom Lande Besitz. Von
da aus ging die Fahrt nach Suden iiber Kap Breton, Isle Sablon und Kap Ras,
wo der ,, Delight" strandete und iiber 100 Mann ertranken, darunter der
ungarische Gelehrte Budaeus. ,,Goldenhinde" und ,, Squirrel" traten die
Heimreise an, doch wurde kurz vor Erreichen der englischen Kiiste der
,, Squirrel" von den Wogen verschlungen, wobei General Sir Humphrey Gilbert
ertrank. Nur die ,,Goldenhinde" erreichte wohlbehalten Falmouth.
Sir Walter Raleigh liess sich Gilberts Patent iibertragen und besiedelte
dann Virginien. Die verschiedenen Reisen der 1585 gegriindeten ,, Company
of aduenturers for the discouery of North westpassage" kommen hier nicht
in Betracht, doch wurden in den nachsten Jahren eine Reihe von Fahrten
des Pelzhandels halber unternommen. So segelte 1591 die Bark ,,Bonaventura"
nach Neufundland und erlegte dort 1500 Walrosse, 1593 trieb die Bark
,, Marigold" von Falmouth Pelzhandel bei Kap Breton, 1594 befuhr zu gleichem
Zweck die Bark ,, Grace" von Bristol den St. Lorenzstrom, und 1597 gingen
die Schiffe ,,Hopewell" und ,,Chance\ve]l" von Dartmouth nach Kanada und
kehrten mit reicher Pelzladung zuriick.
Nach Charlevoix soil 1591 ein Dane namens Anschield die Hudsonsbay
besucht haben, doch erscheint dies etwas problematisch, da kein anderer
Schriftsteller der damaligen Zeit etwas davon erwahnt. Dass den Portugiesen
die Hudsonsbay genau bekannt war, habe ich schon fruher erwahnt.
1601 beschloss auch die ostindische Kompagnie, wie sie damals hiess,
,,The worshipfull fellowship of the Merchants of London trading unto the
Eastindies", sich an den Fahrten zur Entdeckung der nordwestlichen Durch-
fahrt zu beteiligen und am 2. Mai den Kapitan Georg Weymouth in den
Flyboats ,,Discovery" von 50 Tonnen und ,,Goodspeed" von 40 Tonnen ab-
zusenden. Weymouth erreichte auch die Hudsonstrasse, musste aber infolge
einer von dem Prediger Cartwright angezettelten Meuterei wieder umkehren.
Noch ungliicklicher verlief eine Expedition, welche die Ostindische Kom-
pagnie in Gemeinschaft mit der Company der Merchant aduenturers for the
discovery of new trades unter John Knight 1606 in der Pinasse ,,Hopewell"
von 40 Tonnen aussandte. Der ,,Hopewell" musste, vom Sturm beschadigt,
an der Labradorkiiste vor dem Eisgange Schutz suchen. Knight verliess, be-
og TI. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
gleitet vom Steuermann Gorill und drei Matrosen, das Schiff, urn die Umgegend
zu erforschen und blieb verschollen. Die Eintragung des zweiten Steuer-
manns William Browne im Logbuch lautet einfach: ,,Sie gin gen iiber einen
Hugel und wurden nicht wieder gesehn." Einige Tage darauf wurden die
Zuriickgebliebenen von Indianern iiberfalle. Es gelang ihnen indessen, den
Angriff zuriickzuschlagen und mit dem stark beschadigten Schiffe Neufund-
land zu erreichen.
1607 legte der Seemann Henry Hudson der Muscovy Company den Plan
vor, das von dem in Sevilla wohnenden Bristoler Kaufmann Robert Thorne
bereits 1527 aufgestellte Schema auszufuhren und direkt iiber den Nordpol
nach China zu segeln, und erreichte 1607 auf diesem Wege zwischen Gron-
land und Spitzbergen den 81. Grad nordlicher Breite, wobei er die Insel
Jan Mayen entdeckte, die er Hudson Touches nannte. Spater stiitzte darauf
die Muskovy Company ihren Anspruch auf das Recht der Fischerei etc., das
von den Hollandern ausschliesslich beansprucht wai.
1608 ging er in einem kleinen Fahrzeuge mit n Matrosen wieder in See,
erreichte Nowaja Semlja, wo eine Eisbarriere weiteres Vordringen hinderte.
Er wandte sich dann nach Slid west en und erreichte Lumleys Inlet, das nach
ihm den Namen Hudsonstrasse erhielt. Der vorgeriickten Jahreszeit halber
kehrte er nach England zuriick, wo er aber vorlaufig keine weitere Be-
schaftigung fand und deshalb gezwungen war, sich nach einer anderenStellung
umzusehen, was ihm auch gelang und zu wichtigen Resultaten fuhrte, unter
anderem zur Erreichung des nach ihm benannten Flusses, als dessen Entdecker
er falschlich gilt. Die Cortoreales hatten von Portugal aus bereits im Jahre
1501 den nachmals nach Hudson benannten Fluss befahren, ebenso der
Florentiner Jean Verrazano, im Dienste des Konigs Franz I. von Frankreich,
der den Fluss in seinem Schiffe ,, Dauphin" weit hinauffuhr. Im selben
Jahre befuhr auch der Portugiese Estevan Gomez in einer kleinen Karavelle
von 50 Tonnen fur Rechnung des Konigs von Portugal und mehreren por-
tugiesischen Kaufleuten die Kiisten Nordamerikas und untersuchte die
Gegend am Hudson River aufs eingehendste. Auf einer 1579 von Ribero
gezeichneten Karte steht ein Kiistengebiet, welches die jetzigen Staaten
Maryland, Newyersey, Newyork und Rhode Island als ,,Land des Estevan
Gomez" bezeichnet, auf welchem auch das Hudsons Rives genau aufge-
zeichnet ist.
Die Expedition des Estevan Gomez, die ja hauptsachlich, wie alle da-
maligen Entdeckungsreisen, zur Entdeckung der westlichen Durchfahrt und
zur Erforschung des Seeweges nach Ostindien unternommen worden war,
ist iibrigens durch einen eigenartigen Zwischenfall sehr bekannt ge worden.
Auf dem 40. oder 41. Grad nordlicher Breite wurde ein Fest gegeben, zu dem
alle Eingeborenen geladen waren, die kommen wollten. Sie wurden dann be-
trunken gemacht, und ehe sie von ihrem Rausche erwachten, war das Schiff
auf hoher See, und die Indianer in Ketten unter Deck. Als das Schiff dann
2. Kapitel.
in dem Tajo einlief, wurde es bekannt, dass es eine Ladung ,,esclavoscc an
Bord hatte. Die nach Lissabon gesandten Boote berichteten aber von einer
Ladung ,,clavos" (Gewiirznelken), und so wurde er bei seinem Einlaufen in
den Hafen als Ent decker des neuen Seeweges nach Indien begriisst.
Die Portugiesen hatten iibrigens genaue Kenntnis der nordamerikanischen
Kiiste, sowohl der 1530 veroffentlichten Planisphere von Sebastian, Cabot,
wie die Karten von Abraham Ortelius, Hessel Geritz, Peter Planicius, Gerhard
Mercator und andere zeigen, die Gegend vor der Zeit Hudsons ziemlich genau
bis hinauf zur Hudsonstrasse. Portugiesische Karten des 16. Jahrhunderts
sollen aber noch viel mehr Einzelheiten enthalten. Auch die Spanier besassen
genaue Kenntnis des Flusses. Auf den spanischen Karten und Segelhand-
biichern der damaligen Zeit ist der Hudson River als Rio de Gomar einge-
zeichnet, als eine der Stationen auf dem Wege zwischen Veracruz und den
Neufundlandsbanken, wohin die Fahrzeuge zum Kabeljaufang gingen und
mit Vorliebe langs der Kiiste fuhren. Im iibrigen Europa wusste man aber
wenig von den Entdeckungen, und der grosse englische Geograph Hakluyt,
dem ebenso wie seinem Nachfolger Purchas, Hudson seinen Entdeckungsruhm
verdankt, kannten die Resultate dieser spanischen und portugiesischen Fahrten
gar nicht.
Der Kampf Spaniens gegen die Niederlande, der ja namentlich in den
belgischen Provinzen tobte, hatte zahlreiche Kaufleute und Gelehrte zur
Flucht nach den nordlichen oder hollandischen Provinzen, die ja damals in
allgemeiner Kultur hinter Platzen wie Antwerpen, Brugge, Genf zuriick-
standen, genotigt. Durch diesen Zustrom geistiger und finanzieller Krafte
nahm Amsterdam einen grossen Aufschwung. So hatte sich auch ein Ant-
werpener Kaufmann, Balthasar von Moucheron, der hauptsachlich mit Russ-
land Handel trieb, auf Middelburg in Seeland niedergelassen.
1564 war ein Abenteurer, Oliver Brunell, der, wahrend er in schwedischen
Diensten von den Russen gefangen genommen und dann fur die englische
Muscovy-Company die ganze Kiiste von der Petschora bis zum Ob besucht
hatte, nach der Stadt Enchhuysen in West-Friesland gekommen und
hier die Aufmerksamkeit einflussseicher Leute auf den Handel mit Russland
an der sibirischen Kiiste gelenkt. Namentlich Jacob Valk, der Schatzmeister
der Stadt, Dr. Francis Maelson, der Syndikus, sowie der Indienfahrer Hugh
von Linschoten nahmen grosses Interesse daran. Ein anderer belgischer
Emigrant, Peter Plancius, ein grosser Kosmograph, begriindete gleichzeitig
in Amsterdam eine Seemannsschule, in der auch Willem Barents und Jacob
von Hemskerk, die beriihrnten hollandischen Seefahrer, ausgebildet wurden.
1594 nun nahmen die Plane dieser Manner eine greifbare Gestalt an, eine
Expedition zur Entdeckung der nordostlichen Durchfahrt nach Cathay und
Cipangu (China und Japan) wurde ausgeriistet. Der Moucheron und seine
Freunde rust et en eine Anzahl Fahrzeuge aus. Von Ter Ver in Seeland ging
der ,,Schwan", von Enchhuysen der ,,Mercur". Beide Fahrzeuge wurden
40 II. Geschichte des Ranch warenhandels in Nordamerika.
von Enchhuysen - Leuten bemannt und kommandiert. Den ,,Schwan"
fiihrte Cornelius Nai und Peter Strickbolle, Supercargo war Francios
de la Dale. An Bord des ,,Mercur" war Boiant Tetgales Kapitan, Clas
Cornelizoon Steuermann und Hugh von Linschoten ,,Koopmann" oder Super-
Schiffe der Hollandisch-Ostindischen Matschappy auf der Fahrt
nach Amerika.
cargo. Auf Betreiben von Peter Plancius riisteten die Amsterdamer Kauf-
leute das Schiff ,,Die Hoffnung", sowie eine einfache Fischerschaluppe aus
und stellten sie unter dem Befehl des Willem Barents, um sich dieser Expedition
anzuschliessen. Die Expedition kehrte unverrichteter Sache aus der Karasee
heim, nachdem Barents ganz Nowaja Semlja umschifft hatte. Im nachsten
Jahre gingen zwei Schiffe von Amsterdam, zwei von Seeland, zwei von Ench-
huysen und eins von Rotterdam mit Regierungsunterstiitzung aus, um nach
Nordosten zu gehen, aber vergeblich, sie mussten an der Karasee umkehren.
Moucheron und die Enchhuysen-Leute gaben nun die Sache auf, doch
riistete Amsterdam zwei Schiffe unter Jacob Hemskerk und Willem Barents
aus, wahrend die Regierung der Generalstaaten eine hohe Belohnung fur die
Erreichung der nordostlichen Durchfahrt aussetzte. Diese Reise, die Ent-
deckung Spitzbergens, die Uberwinterung der Mannschaft auf Nowaja Semlja,
Barents Tod und die Riickkehr der Expedition unter Jacob von Hemskerk
ist ja bekannt. Die Nachricht aber iiber den gewaltigen Reichtum dieser
arktischen Gegend an Walen, Walrossen, Seehunden, Eisbaren etc. brachte
nun regelmassig ganze Flo t ten von Fangs chif fen nach dieser Gegend, und
Holland war lange Zeit der Mittelpunkt des Handels mit Tran, Walross-
zahnen, Fellen von Eisbaren, Weissfuchsen und Blaufuchsen etc.
2. Kapitel. 41
Die Fahrten zur Entdeckung der nordostlichen Durchfahrt wurden aber
vorlaufig aufgegeben, da Houtmann mit einer reich beladenen hollandi-
schen Flotte von Ostindien zuriickgekehrt war, und die Niederlander jetzt
den Spaniern zur See gewachsen war en. Wurde doch 1607 bei Gibraltar eine
spanische Flotte von der hollandischen unter Jacob von Hemskerk vollkommen
vernichtet.
1602 wurde die hollandisch-ostindische Matschappy von John Olden-
barn eveld begriindet, welche das Privileg des Handels mit Indien um das
Kap der gut en Hoffnung herum erhielt. Die Niederlande waren damals in
zwei politische Parteien zer fallen. Oldenbarneveld und Hugo Grotius standen
an der Spitze der einen, der sogenannten Friedenspartei oder der Republikaner,
hauptsachlich aus hollandischen Interessenten bestehend, die andere war
die Partei der belgischen Emigranten, auf deren Seite die calvinistische
Geistlichkeit, das niedere Volk und Moritz von Oranien stand, und welche
die Calvinisten oder die Partei Oranien genannt wurde.
Leute, wie Peter Plancius und William Usselinx, gehorten der Calvinisten-
partei an. Diese fasste die Idee, die Spanier auch aus den amerikanischen
Gewassern zu vertreiben, und zu diesem Zwecke eine westindische Kompagnie
zu begriinden, um so mehr, als Oldenbarneveld die samtlichen Direktorstellen
und einflussreichen Post en der Ostindischen Kompagnie mit seinen Leuten
besetzt hatte.
Auf Veranlassung der hollandischen Ostindischen Kompagnie kam Hudson
Ende 1608 nach Holland, um der Gesellschaft einen Plan zu unterbreiten zur
Erforschung einer nordostlichen Durchfahrt nach China. Oldenbarneveld
und die Gesellschafter lehnten aber vorlaufig diese Vorschlage ab und stellten
nur eine 1610 zu unternehmende Expedition in Aussicht. Jetzt setzten aber
die belgischen Interessenten ein, namentlich Peter Plancius interessierte sich
sehr fur die Expedition, ebenso ein reicher Kaufmann, Le Maire, und der fran-
zosische Gesandte Jeannin, der davon Nachricht erhielt, unter breitete Henry IV.
von Frankreich einen Vorschlag, eine von Le Maire und Peter Plancius ge-
griindete Gesellschaft mit Geldmitteln und eventuell auch Mannschaften zu
unterstiitzen und Hudson an die Spitze einer auszusendenden Expedition zu
stellen. Auch Usselinx beteiligte sich an den Verhandlungen. Diese begannen
Januar 1609 eine greifbare Gestalt anzunehmen, da erfuhr die Ostindische
Kompagnie von diesen Massnahmen ihrer Konkurrenten und beschloss nun
so fort Hudson in ihren Dienst zu nehmen. Diese Ostindische Kompagnie war
aber ganz eigenartig zusammengesetzt. Jede der Kiistenprovinzen bildete
eine Kammer mit einigen Direktoren, aus denen dann 17 Direktoren oder
,,Bewind hebbers" fur die Zentralleitung erwahlt wurden. Jede Kammer
handelte aber ziemlich selbstandig. Es kam zu Streitigkeiten, und lehnte
namentlich die Seeland- Kammer ab, sich an dem Unternehmen zu beteiligen.
Die Amsterdamer Kammer beschloss deshalb, auch ohne die Unterstiitzung
der anderen Kammern Hudson die Fiihrung einer Expedition zu iiber-
42
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
tragen, um einen Seeweg, sei es im Nordosten oder Nordwesten, nach China
zu finden.
Es wurden ihm zwei Fahrzeuge anvertraut, der ,, Halve Maan" und die
,,Gute Hoffnung". Das letztere wurde als ein ,,Vlieboot" bezeichnet, eines
jener kleinen hollandischen Yacht en mil flachem Boden und zwei Pfahlmasten,
wie sie namentlich in der Zuyder See gebrauchlich waren. Uber die ,,Gute
Hoffnung" fehlt jede nahere Nachricht, auch scheint das Fahrzeug bereits
von Nowaja Semlja nach Holland zuriickgekehrt zu sein. Die Bemannung
des ,, Halve Maan" bestand aus 20 Mann teils hollandischer, teils englischer
Seeleute. Unter den letzteren werden besonders Robert Juet und John Colman
erwahnt. Am 6. April 1609 (25. Marz alten Stils) verliessen die Fahrzeuge
Amsterdam und segelten zunachst nach Finnmarken, woselbst das Nordkap
am 5. Mai neuen Stils doubliert wurde und dann die Kiiste entlang bis in die
Nahe von Nowaja Semlja. Hier war noch alles mit Eis bedeckt, und infolge
der Kalte und auch durch Streitigkeiten unter den Mannschaften brach eine
Meuterei aus; man weigerte sich, weiterzusegeln.
Hudson schlug nun vor, nach Amerika zu segeln und die Durchfahrt ent-
weder unter dem 40. Grad nordlicher Breite, wo eine solche Durchfahrt vor-
handen sein sollte, oder durch die Davis-Strasse zu versuchen. Am 14. Mai
kehrte man daher um und erreichte am 18. Juli die Kiiste von Nova Francia
unter dem 44. Grad nordlicher Breite, wo sie landeten, um einen neuen Fock-
mast an Stelle des alten (im Sturm uber Bord gegangen) herzurichten. Sie
fingen hier (bei der Pennobscot-Bay) viele Kabeljau und Hummern und
tauschten auch billig Pelzwerk ein, namentlich Biber ,, beaver skinnes" und
,, other fine furres", die die Eingeborenen gegen rote Gewander vertauschten.
Am 25. Juli iiberfiel aber die Mannschaft die Ansiedlung der Indianer und
raubte dieselbe aus, wie der Maat Juet schreibt: ,,and tooke the spoyle of
them as they would have done us."
Sie segelten dann die Kiiste entlang bis zum 16. August, wo 37 Grad
6 Minuten erreicht wurde. Am 17. wurde gewendet und nach Norden ge-
steuert, ohne dass eine Einfahrt gefunden wurde; doch wurde Chesepeak-Bay
und Delaware-Bay besucht. Am 2. September wurde die Einfahrt von Hudson
entdeckt. Am 5. September wurde in 40 Grad 30 Minuten in einer Bucht ge-
landet (in New Jersey oder in Staten Island), und erhielt man von den Indianern
Tabak, Mais und Pelzwerk im Tausch gegen Messer etc. Bei einer weiteren
Rekognoszierungsfahrt wurde die Schaluppe am 6. September von zwei Kanoes
iiberfallen, und da der Regen die Lunten der Musketen verloschte, musste sie
sich zuriickziehen. John Colman wurde durch einen Pfeilschuss getotet, zwei
andere verwundet. Colman soil auf Sandy Hook begraben sein, welches
Hudson Colmans point benannte.
Man segelte nun, vorsichtig lotend, den Fluss hinauf. Am 19. September
wurde die Stelle erreicht, wo heute Albany steht. Die Indianer kamen von
alien Seiten herbeigestromt und brachten Weintrauben, Mais, Tabak, Kiirbisse,
2. Kapitel. 43
Biber- und Otter- Felle, Zobel, Fiichse etc., die fur Messer, Glasperlen und
Beile billig eingetauscht wurden. Das Boot wurde noch welter flussauf warts
gesendet, kam aber mit der Meldung zuriick, dass nur 7 Fuss Wasser vor-
handen sei, weshalb das Schiff nicht welter vordringen konnte. Am 23. Sep-
tember wurde daher die Riickreise angetreten. Man ging langsam und trieb
taglich mit den Indian ern Handel. Am 2. Oktober kam es aber auf der Insel
Manhattan zu einem blutigen Zusammenstoss mit den Indianern, wobei viele
derselben fielen. Am 4. Oktober wurde der Fluss verlassen und die Heimkehr
angetreten, als die Mannschaft wiederum meuterte. Am 7. November wurde
Dartmouth erreicht.
Von hier aus t elite Hudson den ,, Be wind hebbers of Ostindische Ma-
tschappy" seine Ankunft mit, und schlug vor, dass er nun einen weiteren Ver-
such im Nordwesten machen wollte. Ausser der bisherigen Lohnung fur die
Mannschaft sollten ihm 1500 Gulden fur frischen Proviant iibergeben werden.
Er wollte am i. Marz von Dartmouth aufbrechen und den April und die erste
Halfte Mai in der Nahe der Neufundlandbanke (Is los de Arena) mit Fisch-
fang und Walfang zubringen, dann nach Nordwesten segeln und im Herbst
nach Holland zuriickkehren.
Es dauerte infolge widriger Winde sehr lange, bis die Kompagnie Nach-
richt von der Riickkehr des ,, Halve Maan" erhielt, dann befahlen sie die
sofortige Riickkehr von Schiff und Mannschaften. Die englische Regierung
verbot indessen Hudson und den englischen Mitgliedern der Mannschaft, das
Land zu verlassen, ausser im Dienste ihres eigenen Landes. Dies geschah im
Januar 1610. Das Schiff, der ,, Halve Maan" selbst, gelangte erst am 15. Juli
wieder nach Amsterdam. (Er ging dann nach Indien und scheiterte 1615 in
Mauritius.)
Durch Vermittlung des Sir John Wolstenholm und Sir Dudley Diggs
wurde Hudson im Jahre 1610 von der Muscovy Company mit der Bark ,, Disco-
very" von 55 Tons Grosse ausgesendet und erreichte die nach ihm benannte
Bai. Nachdem vorher die Insel Gros merci und Long Island am Eingang
der Bai, die er Holdfast Hope nannte, entdeckt war, und die Einfahrt in die
Bai zwischen zwei Kaps gefunden hat, die er nach den Hauptbeforderer
arktischer Forschung Kap Wolstenholm und Kap Diggs nannte; nach dem
dritten Macen Hudsons, Smith, ist spater der nach Norden fiihrende Smith-
Sund genannt worden. An der Siidostecke, der Jamesbai, wurde die Expedition
gezwungen, einen Winterhafen aufzusuchen, wo das Schiff einfror.
Da man nur fur 6 Monate Proviant mitgenommen hatte, trat bald Mangel
ein, und nur durch Erlegen von Wild konnte sich die Mannschaft den Winter
hindurch halten. Am 19. Juni 1611 verliess man den Winterhafen, doch
best and der ganze Mundvorrat jetzt nur aus i Pfund Brot und 3% Pfund
Kase pro Kopf.
Unter Fiihrung eines gewissen Henry Green und Rob Jvetts brach Meuterei
aus. Hudson wurde im Schlaf iiberfallen und mit den kranken Matrosen
44
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Sydrach Turner, Michael Bute, Arnold Ludloe, Philipp Bute, Adam Moore,
Henry King, John Hudson und dem Student en der Mathematik, Thomas
Wydhouse, in der Schaluppe ausgesetzt. Der Zimmermann King teilte frei-
willig ihr Schicksal. Nie hat man wieder etwas von ihnen vernommen. Die
zuriickgebliebenen zwolf Mann plunderten das Schiff aus und traten die Heim-
reise an, wobei Robert Bylot die Fiihrung des Schiffs, Abacuck Pritchard
dasLogbuch ubernahm. Bei Kap Wolstenholm, am Ausgange der Hudsonsbai,
wurde eine ans Land gesandte Abteilung von den Eskimos iiberfallen, wobei
Henry Green und die Matrosen Thomas, Wilson, Pearce und Moter fielen.
Die wenigen Uberlebenden erhielten sich mittels des Fangs von Seevogeln und
erreichten die Heimat, wobei Robert Ivett noch angesichts der irischen Kiiste
starb.
In England bildete sich jetzt eine Gesellschaft zur Ausbeutung des ,,neu
entdeckten Handelsweges nach Cathay", bestehend aus den Herren: Henry
Earl of Northampton (Grossiegelbewahrer), Charles Earl of Nottingham,
Thomas Earl of Suffolk, Henry Earl of Southampton, William Earl of Salis-
bury, Theophilus Lord Walden, Sir Thomas Smith Mannsell, Sir Walter Hope,
Sir Dudley Diggs, Sir James Lancerote, Rebecca Lady Rowney, Francis Jones,
Alderman, John Wolstenholme, Wilhelm Greenwell, Nicholas Seat, Hovet
Shaper, William Russell, John Merricks, ,, merchants of the city of London",
sowie die gesamte Muscovy-Company und East India Company. Die Gesell-
schaft erhielt 1612 von Jamest einen Charter, wonach ihr das alleinige Handels-
recht zugestanden wurde, damit nicht jeder Abenteurer sich einschleichen
konnte. Ferner erhielten sie Zollfreiheit auf 9 Jahre fur alle ein- und ausge-
fiihrten Waren. Die Kompagnie sandte im Jahre 1612 eine Expedition, be-
stehend aus der ,, Resolution" unter Kapitan Button und der ,, Discovery",
Kapitan John Ingram, zur Aufsuchung des verschollenen Hudsons aus. An
Bord befanden sich auch Abacuck Pricket t und Robert Bylot. Die Expedition
verlief im ganzen resultatlos, nach langerem Kreuzen am Eingange der Bai
uberwinterte Button in 57 Grad 10 Min. in der Mlindung eines Flusses, dem
er den Namen Port Nelson nach seinem Mate beilegte. Auch er verlor viele
Leute durch den Skorbut, dieser Geissel aller friiheren arktischen Fahrten
und erhielt den Rest seiner Mannschaft nur durch den ihnen reichlich gebotenen
Genuss von frischem Gefliigel, von dem im Laufe des Winters 22 ooo Stuck
erbeutet wurden. Das Land wurde wieder einmal fiir England in Besitz
genommen und ,,New Wales" benannt.
Sir Dudley Diggs und Sir John Wolstenholme veranlassten dann noch
eine Reihe von Fahrten unter Gibbons, dann Robert Bylot und schliesslich
Baffin, die zahlreiche wertvolle, geographische Entdeckungen machten, aber
nichts weiter mit unserem Gebiet zu tun haben. 1619 trat Danemark wieder
einmal auf den Schauplatz, das schon friiher einmal durch die Expeditionen
von Hall, Lindesnaes und andere sich an den arktischen Forschungen beteiligt
hatte. Kapitan Monk ging mit zwei Schif fen und 84 Mann nach der Hudsonsbai,
2. Kapitel.
entdeckte mehrere Buchten und Strassen, iiberwinterte in einer Bucht, die
er Christiansee nannte, in der Miindung des nachmaligen Churchillrivers.
Das Land nannte er Neu-Danemark.
Die ganze Mannschaft erlag dem Skorbut bis auf Monk und zwei Ge-
fahrten, denen es mit unsaglichen Miihen gelang, in dem kleineren Fahrzeug
Danemark wieder zu erreichen. Zwar wollte er alsdann eine zweite Expe-
dition dahin ausriisten, aber der Konig verbot es, da er schon gemig Schiffe
verloren hatte. Monk widersprach, worauf ihn der Konig wiitend mit dem
Stock schlug. Monk nahm sich dies derart zu Herzen, dass er wenige Tage
darauf starb.
1631 wurde auf Betreiben des unermiidlichen Wolstenholmes und des
Mathematikers Briggs Kapitan Luke Fox in der koniglichen Pinasse ,, Charles"
von 70 Tons wieder nach der Hudsonsbai gesandt, dem sich die von den
Merchant adventurers von Bristol ausgeriistete Schaluppe ,, Maria" von eben-
falls 70 Tonnen unter Befehl des Kapitans James anschloss, um dort Handel
zu treiben. Luke Fox iiberwinterte in Port Nelson und kreuzte dann wahrend
des folgenden Sommers an der Kiiste, wobei Kapitan James die nach ihm
benannte Bucht entdeckte. Er schiitzte iibrigens sein Schiff vor den Eis-
pressungen dadurch, dass er es im flachen Wasser versenkte und am Lande
ein Haus errichtete. Da die Mannschaft notgedrungen viel in freier Luft
arbeiten musste, war es die erste Expedition, die vom Skorbut befreit blieb.
Luke Fox nahm wiederum feierlich vom gesamten Lande um die Hudsons-
bai herum Besitz, und zwar von der Bai bis westlich nach New Albion (Britisch
Kolumbia) und bis zum 80. Grad nordlicher Breite*).
Beide Fahrzeuge erreichten glucklich Bristol, doch erklarte Luke Fox als
erster, dass die Fahrten ,zur Aufsuchung einer nordwestlichen Durchfahrt
zwecklos seien, da selbst, wenn eine solche gefunden wurde, man doch in siid-
lichen Breiten 1000 Meilen schneller zuriicklege, als hier 100.
Die weiteren Fahrten wurden deshalb auch vorlaufig aufgegeben.
Die 1642 gegriindete New England Company befasste sich nur mit der
Besiedlung der Neu- England- Staaten, und mit dem Betrieb des Pelzhandels
dort, ebenso wie die 1606 gegriindete London and Plymouth Company.
Das Hudsonsbai- Gebiet war fast ganz in Vergessenheit geraten, als 1669,
wie schon oben erwahnt, Radisson und Grosseillier nach England kamen.
Prinz Rupert fasste ihre Idee, eine grosse Handelsgesellschaft zur Aus-
beutung des Pelzreichtums dieser Lander zu griinden, eifrigst auf, und ver-
anlasste zunachst die Bildung eines Komitees. Dasselbe bestand aus folgenden
Herren :
Prinz Rupert, Pfalzgraf vom Rhein, Herzog von Bayern und Cumber-
land, Herzog Christopher von Albemarle, Graf William von Craven, Lord
*) Das Buch des Luke For ist ems der seltensten Biicher, das nur in drei
Exemplaren in der Welt bekannt ist.
•• Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Henry Arlington, Lord Antony Ashley, Baronets Sir John Robinson, Sir
Robert Vyner, Sir Peter Colleton, den Rittern Sir Edward Hungerford, Sir
Paul Neele, Sir John Griffith nnd Sir Philipp Carteret, sowie den Kaufleuten
James Hayes, John Kirk, Francis Millington, William Prettyman, John Fenn
und dem Goldschmiede John Portman.
Auf gemeinschaftliche Kosten riistete man die kleine Galeasse ,, Nonsuch"
von 20 Tonnen Grosse aus, die unter dem Befehl von Zacharias Gillam und
Grosseillier nach der Hudsonsbai abging.
An einem kleinen Flusse der Ostkiiste, dem heutigen Eastmaine, der
Rupertsriver genannt wurde, baute man ein Fort, Fort Charles und verbrachte
dort den Winter.
Das Land empfing nach dem hohen Beschiitzer des Unternehmens den
Namen Rupertsland. Ein reger Tauschhandel entspann sich mit den von alien
Seiten herbeistromenden Indianern. Bis zum Eintreten des Winters wurden
auch Expeditionen zum Erforschen der Umgegend ausgeschickt. Am 9. De-
zember zeigten sich die ersten Anzeichen des ausbrechenden Skorbut, doch
Grosseillier verstand es, durch ein Bier, das er aus den Spitzen der Sprossen-
tanne herstellte, denselben wirksam zu bekampfen.
Am 2. Mai 1670 wurde mittels einer feierlichen Zeremonie das Land
fur die englische Krone in Besitz genommen und dann mit einer vollen Ladung
wertvollen Pelzwerks die Riickreise angetreten.
Hier erteilte Charles II. der neuen Gesellschaft unter dem Namen ,, Com-
pany of adventurers of England trading into Hudsonsbay" einen Charter.
Derselbe enthielt die weitgehendsten Privilegien, die je einer englischen
Handelsgesellschaft ausser der Ostindischen Kompagnie verliehen wurde.
Die Gesellschaft erhielt die Rechte einer juristischen Person, ferner das
alleinige Handels- und Fischereirecht auf alien Seen, Flussen, Strassen usw.,
die innerhalb des Eingangs der Hudsonstrasse liegen, gleichviel in welchem
Breitengrade, ferner das Handclsmonopol, Minenrecht, Verwaltung und
Jurisdiktion in alien Landern, die an diese Seen usw. grenzen, sowie die von
dort aus erreicht werden konnen, sowie sie nicht von einem christlichen Fiirsten
bereits in Besitz genommen seien.
Jedem andern war es verboten, das Gebiet zu betreten oder sich der
Kiiste zu nahern, widrigenfalls Schiff und Ladung konfisziert, sowie ausserdem
eine Strafe von 1000 Pfund verwirkt sei. Die Halfte hiervon, sowie des Er-
loses aus dem beschlagnahmten Eigentum sollte zur Halfte an die Kompagnie,
zur Halfte an die Krone fallen.
Die Gesellschaft, deren Vorstand aus einem Gouverneur, einem stell-
vertretenden Gouverneur (deputy) und sieben Mitgliedern bestehen sollte,
erhielt das Recht, ein W'appen zu fiihren und auch innerhalb ihres Gebietes
selbstandig Krieg zu fiihren und Frieden zu schliessen.
Das Kapital sollte aus 105 Aktien a 100 Pfund bestehen und jeder Inhaber
einer Aktie eine Stimme haben.
2. Kapitel.
Als einzige Gegenleistung ubernahm die Gesellschaft die Verpflichtung,
jedem Mitglied des koniglichen Hauses, das etwa das Gebiet betrete, zwei
Elkfelle und zwei schwarze Biber zu ubergeben.
Prinz Rupert war der erste Gouverneur der Gesellschaft in England,
wahrend Charles Bay ley, der erste Deputy- Gouverneur, seinen Sitz in Ruperts-
land nahrn,. und zwar in dem neu gegriindeten Rupertshouse an der Mundung
des Nemiscau in 51 Grad 20 Min. nordlicher Breite. Im Jahre 1674 griindete
er das Fort Monsebi oder Mooseriverfactory und etwas spater Fort Albanyriver
oder Quitchischouen, die noch heute beide im Betriebe sind.
Im selben Jahre kam William Lyddal in den Schiffen ,, Prince Rupert"
und ,,Shaftesbury" als Befehlshaber nach Rupertshouse, wahrend Bayley in
Mooseriverfactory residierte.
1678 wurde Charleton Island zum Depot gewahlt und Nixon zum Gou-
verneur von Albany ernannt.
Wappen und Siegel der Hudson's Bay Co.
Grosseillier und Radisson hatten noch mehrere Handelsreisen fur die
Hudsonsbay-Company gemacht, wurden aber nun als uberflussig beiseite ge-
schoben und schlecht behandelt, wie wenigstens Radisson in einem Manuskript
vom Jahre 1684 angibt. Schon gleich nach Begriindung der Hudsonsbay
Company waren ihnen von Colbert grosse Anerbietungen gemacht worden,
die sie aber ablehnten. 1674 aber, nach der ihnen zuteil gewordenen Zuriick-
setzung, traten sie wieder mit Frankreich in Verbindung und nahmen nun-
mehr den Vorschlag an, gegen ein Jahresgehalt von 400 Louisdor und Bezah-
lung ihrer gesamten Schulden in franzosische Dienste zu treten. Beide be-
gaben sich nach Canada, wo indessen Gouverneur Frontenac sich urn die in
Frankreich gemachten Versprechungen nicht kummerte. Radisson kehrte
deshalb nach Frankreich zuriick und trat als Offizier in die Marine, wo er
bis zum Jahre 1679 verblieb.
In Kanada war inzwischen eine neue Periode geographischer Forschung
und wirtschaftlicher Ausdehnung eingetreten.
1671 hatte bereits der Voyageur Perrot Chicago ein grosses Dorf der
Miami an der Bay des Puants (Stinktierbucht) des Michigansee erreicht und
eine Niederlassung gegriindet (wo heute Chicago liegt). Im gleichen Jahre
entdeckte der Sieur de St. Lusson den Sault de St. Marie am Obernsee, schloss
Vertrage mit den Indianern und nahm vom ganzen Lande bis zur Hudsonsbai
im Namen Frankreichs Besitz, wahrend gleichzeitig Charles Albanel und
^.8 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Sieur Denis auf dem Landwege die Hudsonsbai erreicht hatten und gleichfalls
Besitz ergriffen.
Im selbenjahrei67i hatte Peter Mar quette eineMissionsstation undNieder-
lassung am Huronensee in Michillimacinaw errichtet, die sich bald infolge
ihrer gunstigen Lage zu einem Hauptemporium des Pelzhandels entwickelte.
1672 wurde Louis Buade Comte de Frontenac Gouverneur von Kanada
und wusste bald das Land an ausserer Machtstellung ebenso zu heben, wie dies
Tracey durch den inneren Ausbau der wirtschaftlichen Hilfsquellen getan.
Als erste Pioniere entdeckten Pater Marquette und der Quebecker Pelzhandler
Jolliet den Mississippi, den Misssouri und den Illinoisriver 1672.
Der Chevalier de la Salle und Pater Hennepin erweiterten diese Ent-
deckungen. 1679 erbauten sie auf dem Eriesee das erste im amerikanischen
Binnenlande konstruierte Schiff, eine Brigantine von 60 Tonnen, mit dem sie
handeltreibend durch die von ihnen entdeckte Eriestrasse in den Huronensee
gelangten und von da in den Michigan oder, wie er damals hiess, Illinoissee.
Hier verliessen sie mit wenigen Begleitern das Fahrzeug und drangen erst
auf dem Landwege und dann in Booten bis an den Mississippi, den sie bis
zur Miindung befuhren, wobei Hennepin langere Zeit in Gefangenschaft der
Indianer geriet.
Die Compagnie des Indes occidentals (1663 gegriindet), welche eigentlich
diese Expeditionen hatte leiten sollen, sah teimahmslos zu, und liess sich auch
eins ihrer Privilegien nach dem andern aus den Handen winden.
Obgleich anfanglich grossartig angelegt und mit den notigen Kapit alien
ausgestattet, so dass sie mit iiber 100 eigenen Schiff en einen lebhaften Handel
nach Afrika und Siidamerika betrieb, geriet sie durch schlechte Leitung all-
mahlich in immer steigende Schulden, die 1674 sich auf 4 820 ooo Franks
bei einem Aktienkapital von i 297 ooo Franks beliefen. In diesem Jahre
nun zahlte der Sonnenkonig Ludwig XIV. die gesamten Schulden, loste die
Gesellschaft auf und erklarte den Handelsbetrieb zum Staatsmonopol, das
an einen gewissen Oudiette verpachtet wurde. Der Preis der Biber wurde
auf 41/, Franks fur das Pfund festgesetzt, und Oudiette forderte die Sache
so, dass die Ausfuhr der Biberfelle allein von 550000 Franks auf 214 Millionen
jahrlich stieg.
1681 tauchten Radisson und Grosseillier wieder in Kanada auf und
assoziierten sich mit einem Quebecker Rauchwarenhandler La Chesnaye, um
Handelsniederlassungen an der Hudsonsbai zu begriinden. La Chesnaye
ubernahm die Beschaffung der Ausriistung usw., den Vertrieb der einge-
tauschten Felle, so wie die ganze kaufmannische Leitung in Quebec, wahrend
Grosseillier und Radisson die zu errichtenden Stationen an der Hudsonsbai
leiteten, wo fur jeder ein Viertel des Reingewinns erhalten sollte.
Zunachst ging Radisson, begleitet von seinen Neffen Jeanbaptiste Chouart
de Grosseillier, Pierre Allemand und Jeanbaptiste Godefroy, im November
von Quebec nach Acadie, wo er iiberwinterte. Im Juli verliess er Acadie in
2. Kapitel. 40,
einer Bark von 50 Tonnen, reich beladen mit Tauschartikeln, aber wenig
Lebensmitteln, mit 12 Mann Besatzung, wahrend sich ihm Grosseillier in
einem kleineren Fahrzeuge von 30 Tonnen und 15 Mann anschloss. Die
Fahrt ging zunachst durch die Hudsonstrasse, wo man von den Eskimos, die
Radisson als sehr gefahrlich, blutdiirstig und gefrassig schildert, einige hundert
Robbenfelle einhandelte. Am 26. August erreichte man die Westkiiste der
Hudsonsbai und lief am 2. Septemper in den Hayesriver ein, der als ,,KaKivoa
Kirnay" bezeichnet wurde. Hier wurde das Fort ,,Groissellier" errichtet,
und von dort aus Handelsziige unternommen und Freundschaftsvertrage mit
den Indianern abgeschlossen.
Auf einer dieser Streiffahrten traf Radisson am Kawarinagawa oder
Nelsonriver ein Fort der Hudsonsbay Company unter Leitung einer Mr. Bridge-
water und im Flusse dabeiliegend ein englisches Schiff unter Kapitan Geillam,
das gerade eine Ladung Felle einnahm.
Radisson erteilte ihnen den Befehl zum sofortigen Abzuge, wurde aber
ausgelacht und zog sich wohlweise zuriick, da er gar keine Macht besass, diesem
Befehle Nachdruck zu geben.
Bei einem spateren Besuche fand er aber alle Englander am Skorbut
erkrankt, pflegte sie bis zum Aufbruch des Eises, packte sie dann auf eine
Barke und schickte sie nach dem Mooseriverfort. Er selbst ging mit Grosseillier
mit reicher Ladung nach Kanada, seinen Neffen Chouart als Kommandant
zuriicklassend.
In Kanada stellte sich nun zunachst heraus, dass sie von La Chesnaye
betrogen worden war en, und dass ausserdem der englische Gesandte in Paris,
Lord Preston, Klage erhoben habe wegen volkerrechtswidriger Behandlung der
oben erwahnten Englander.
Radisson eilte nun nach Frankreich und erlangte eine Audienz beim Konig,
der ihn aber ausserst verachtlich behandelte. Seine dariiber entstandene
Missstimmung benutzte Lord Preston, um ihn durch glanzende Versprechungen
in englische Dienste zu ziehen.
So warf er sich wieder in die Arme der Englander und ging am 24. April
1684 nach London, wo er durch Sir Hayes dem Gouverneur der Hudsonsbay
Company vorgestellt wurde.
Der gewandte Franzose versprach der Gesellschaft, das von seinem Neffen
befehligte Fort mit alien Pelzvorraten zu iibergeben. Am 17. Mai 1684 verliess
er in der Brigg ,,Happy Return", begleitet von zwei anderen Schiffen der
Kompagnie, London und erreichte nach schneller Uberfahrt Fort Nelson.
Hier waren wahrend seiner Abwesenheit zwei englische Schiff e angelangt,
die den Winter iiber Tauschhandel mit den Indianern getrieben hatten, und
nach Radissons Aussage die Eingeborenen zu Mordanfallen auf die Franzosen
angestiftet hatten. Chouart und ein anderer Franzose seien verwundet worden,
worauf vierhundert befreundete Knistineaux und Assinoboins herbeigeeilt
seien und mehrere Englander niedergeschossen hatten.
4
CQ II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Gerade zu dieser Zeit, als die Spannung zwischen den beiden Rivalen
den Hohepunkt erreicht hatte, erschien Radisson als Friedensstifter. Er iiber-
redete seinen Neffen, das Fort mit 12 ooo Biberfellen und vielem andern
Pelzwerk, Vorraten und Tauschartikeln den Englandern zu iibergeben,
und selbst mit seinem Dolmetscher in den Dienst der Hudsonsbay Company
zu tret en.
Kurz darauf schickte aber Gouverneur Geyer, der ein starkes Fort ,, York-
fort" an der Stelle errichtet hatte, wo die Station Bridgars gestanden, samt-
liche Franzosen nach Hause, trotz aller Radisson gemachten Versprechungen,
da er den Uberlaufern nicht traute.
Im Jahre 1683 hatte Henry Serjeant fur die Hudsonsbay Company
Hayesfort am Mooseriver und Eastmainfactory in Eastmame gegriindet, und
die Gesellschaft traf alle Vorkehrungen, um ihre Privilegien aufs beste
auszunutzen, doch konnte sie sich nur kurze Zeit des ungestorten Allein-
h an dels erfreuen.
In Kanada hatte sich der Monopolpachter Oudiette allmahlich immer
weitergehende Bedriickungen und Willkiir zu Schulden kommen lassen, und
so lastige Beschrankungen des Handels eingefiihrt, dass es selbst den daran
gewohnten Franzosen zu viel wurde.
Eine Anzahl der angesehensten Kaufleute Kanada s verbanden sich zu
einer ,, Compagnie du Nord" und setzten beim Minister Pontchartrain die Ab-
berufung Oudiettes durch. An seiner Stelle wurde ein Kanadier, Pacaud,
ernannt, der 70 ooo Franks jahrliche Pacht zahlen und eine Gesellschaft fur
den Pelzhandel bilden musste, die sich jedoch mit der Compagnie du Nord
vereinigte.
Nun begann ein regelmassiger Kampf mit der englischen Rivalin. Zu-
nachst wurde noch 1684 eine Expedition von zwei kleinen Schiffen unter
Kommando des Baron de la Martiniere nach der Hudsonsbai gesandt, die sich
in der Nahe des Fort Bourbon am Marissipi-Flusse (Nelsonriver ?) fetztsetzte.
Martinier machte aber schlechte Geschafte und fuhr wieder ab, kaperte aber
auf dem Riickwege ein vollbeladenes Schiff der Hudsonsbay Company.
Diese hatte noch kaum vom Ausbruch der Feindseligkeiten gehort, als
auch schon eine weitere Expedition der Compagnie du Nord organisiert wurde.
Der Kapitan Chevalier de la Troye und die beiden Leutnants Iberville
le Moine und St. Helene le Moine wurden mit 80 Soldaten im Marz 1686
nach der Hudsonsbai gesendet. Im Juni langten sie vor Fort Monsebi an,
einem starken Posten rnit Erdwerken, 12 Geschiitzen und 16 Mann Besatzung,
die sich aber ergab, ohne einen Schuss abzufeuern. Von dort aus ging St. Helene
mit 50 Mann nach Fort Rupert, das sich gleichfalls ohne Widerstand ergab.
Inzwischen hatte sich Ibervilles zweier englischen Fahrzeuge bemachtigt, auf
welchen er mit einem Teil der Streitmacht nach Fort Quitchichouen fuhr.
Hier stiess er aber auf heftigen Widerstand, und erst nach langerer Be-
lagerung konnte das Fort genommen werden. Die grossen Magazine wurden
2. Kapitel.
gepliindert und fiir 300 ooo Franks Pelzwaren weggeschleppt. Die Besatzung
aller drei Posten wurde nach Fort Nelson geschickt.
Hiermit waren die Franzosen Herren der ganzen Sudhalfte der Hudsonsbai.
Ein Versuch der Hudsonsbay Company, Fort Quitchichouen wieder zu
erobern, schlug fehl.
Gleichzeitig war iibrigens eine Abteilung von 60 Englandern, die des
Pelzhandels halber von Newyork nach Michillimacinaw gegangen waren, von
den Franzosen unter Durantaye zuriickgetrieben.
1689 erklarte Frontenac den Englandern offizlell den Krieg und beschloss
einen Angriff auf Newyork, musste aber auf direkten Befehl des Konigs von
Frankreich davon abstehen. Dagegen griff en die Waldlaufer Hertel, Creveaux
und Gatineau im nachsten Jahre mit einer kleinen Zahl Jager die englischen
Forts an der kanadischen Grenze an und eroberten Fort Casbebe und vier
andere Posten.
Zur gleichen Zeit aber ging eine englische Flotte von 34 Schiffen unter
Admiral Phipps, nach Eroberung Acadies den St. Lorenz hinauf und bom-
bardierte Quebec, ohne es indessen erobern zu konnen.
1691 riistete die Compagnie du Nord 14 Schiffe aus, um Yorkfort ein-
zunehmen, doch hinderte Frontenac, der die Gesellschaft nicht zu machtig
werden lassen wollte, die Abfahrt.
Iberville, der inzwischen mit 3 Schiffen, ,,St. Anne", ,,Les armes de la
Compagnie" und ,,Le Fra^ois", nach Fort Nelson gegangen war, wurde
zuriickgeschlagen, und 1693 gelang es den Englandern unter James Knight,
New Severn, Fort Quitchichouen, welches die Franzosen inzwischen in Fort
St. Anne umgetauft, Rupertshouse und Fort Monsebi wieder in ihren Besitz
zu bringen.
Am 24. November 1694 erschienen die franzosischen Kriegsschiffe ,,Poli"
und ,,Salamandre" unter Kommando Ibervilles vor Fort Nelson, einem sehr
stark befestigten Posten, mit 42 Geschiitzen und 55 Mann Besatzung. Das
Fort ergab sich erst nach langer Belagerung im November. Der Zweck der
Ubung war aber vereitelt, denn die Pelzausbeute war schon vorher wegge-
schafft.
Im nachsten Jahre gelang es der Hudsonsbay Company, sich mit Hilfe
der englischen Kriegsschiffe ,,Bonaventura" und ,,Seaford" wieder in den
Besitz Albanys zu setzen.
Im September verliess auch Iberville Fort Nelson mit den Kriegsschiffen,
um nach La Rochelle zu segeln. Er liess die Leutnants La Foret, Manguay
und den Fahnrich Jeremie mit 70 Mann als Besatzung zuruck, doch raumte
der Skorbut gewaltig auf, wie auch gleichzeitig in Yorkfort Leutnant Tilly
und 15 Mann dieser Geissel des Nordens erlagen.
5 englische Kriegsschiffe eroberten im September 1696 nach hef tiger Be-
schiessung Fort Bourbon.
4*
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Die franzosischen Kriegsschiffe ,,Le Dragon" und ,,Hardi" unter de la
Motte und Serigny eilten zum Entsatz herbei, wurden aber zuriickgeschlagen,
wobei ,,Hardi" strandete und de la Motte mit dem grossten Teil der Mann-
schaft ertrank.
Der Friede von Rijswyk 1896 gab Frankreich alle Lander um die
Hudsonsbai, obgleich sich dieselben zur Zeit tatsiichlich im Besitze der
Englander befanden.
Der unermudliche Iberville, der wahrend des Winters mit einer Schar
von 164 Waldlaufern, unterstiitzt von den Kriegsschiffen ,, Pelican", ,,Comte
de Toulouse Phelipeau", ,,Vendome" und ,,Harcour", die englischen An-
siedlungen auf Neufundland zerstort hatte, brachte anfangs 1697 eine Flotte
von 6 Schiffen zusammen, ,,Le Palmier" mit 40 Geschiitzen, ,,Le Pelican"
mit 50 Kanonen, ,,Le Profond", ,,Le Wesp", ,,Le Violant" und eine Brigantine
,, Esquimau", die indessen vom Eise in der Hudsonstrasse zerdriickt wurde.
Als erster traf der ,, Pelican" mit 150 Mann Besatzung auf der Reede
von Fort Nelson ein, und griff sofort die drei dort liegenden englischen Schiffe,
die „ Hampshire" mit 52 Kanonen und 32 Mann Besatzung, die ,,Hudsonsbay",
32, und die ,, Bering", 36 Geschiitze, an. Nach vierstiindigem Kampfe sank
die ,, Hampshire", und die gesamte Mannschaft fand den Tod in den Fluten.
Die ,,Hudsonsbay" strich die Flagge, und die ,,Dering" entfloh. Wahrend der
Nacht warf ein Sturm den ,, Pelican" und die ,,Hudsonsbay" gemeinschaftlich
an den Strand, und nur ein Teil der Mannschaft wurde gerettet. Die andern
franzosischen Schiffe waren inzwischen auch eingetroffen, und nach mehr-
tagiger Beschiessung kapitulierte der Kommandant Baylay unter der Be-
dingung des freien Abzugs der Besatzung mit ihren Privateffekten und den
Biichern und Papieren der Hudsonsbay Company. Der Sieg war aber teuer
erkauft, da auch der ,, Palmier" auf der Reede gesunken war. Iberville liess
das Fort unter dem Befehl des Sieur de Martiguay und Jeremie und segelte
mit dem ,, Profond" und ,,Wesp" nach Frankreich zuriick.
Fort Bourbon blieb nun bis zum Frieden vonUtrecht,i7i4, in franzosischem
Besitz.
Trotz aller dieser schweren Verluste und der Anfeindungen, welche die
Hudsonsbay Company im eigenen Vaterlande durch die Kurschner und die
New England Company erfuhr, blieb sie dem Wahlsprjch ihres Wappens,
,,Pro pelle cutem" (Fiir ein Fell wage ich die Haut) treu, und es lohnte sich
auch. Der Gewinn war ein ungeheurer, sobald die Ausbeute nicht von den
Franzosen weggeschnappt wurde.
Bei Gnindung der Gesellschaft im Jahre 1670 betrug das Aktienkapital,
wie schon erwahnt, 10 500 Pfund. Die jahrliche Ausfuhr an englischen
Fabrikaten iiberstieg nie 600 bis 800 Pfund, und trotzdem war die Gesellschaft
imstande, 1682, 1688 und 1689 je 50 Proz. Dividende zu zahlen. 1684 bis
1688 verloren sie aber durch die Franzosen 118 014 Pfund, fur damalige
Zeiten eine ungeheure Summe. Nichtsdestoweniger brachten die beiden
2. Kapitel. so
ruhigen Jahre einen so kolossalen Gewinn, dass im Jahre 1690 an Stelle der
Dividende das Kapital verdreifacht wurde, das heisst, jeder Aktionar erhielt
fur eine Aktie drei neue zum gleichen Betrage, ohne dass irgend eine Nach-
zahlung stattfand.
Und auf dieses so vermehrte Aktienkapital konnte doch noch 25 Proz.
Dividende verteilt werden.
Natiirlich schafften ihr diese Erfolge auch viele Neider und Feinde. Man
bezweifelte die Giiltigkeit des Charters, da derselbe nur vom Konige gegeben
und nicht durch Parlamentsakte bestatigt sei. Die Gesellschaft machte
auch von alien ihr verliehenen Rechten rucksichtslos Gebrauch. 1678 hatte
sie ein Schiff des einflussreichen Parlamentsmitgliedes Sir Charles Boon in
der Hudsonstrasse beschlagnahmt, Schiff und Ladung fur sich verwendet, die
Mannschaft mehrere Monate gefangen gehalten und Sir Charles noch obendrein
in der Crownoffice verklagt. Um aber endlich den unaufhorlichen Angriffen
wegen Ungesetzlichkeit ein Ende zu machen, beschloss die Kompagnie, ihren
Charter nachtraglich vom Parlament bestatigen zu lassen.
Dies rief einen neuen Sturm der Entriistung hervor. Namentlich die
New England Company agitierte aufs heftigste dagegen.
In der Bibliotheque nationale zu Paris existiert ein auf einem einzelnen
Blatte gedrucktes Flugblatt, augenscheinlich von dieserKompagnie herruhrend,
welches die argsten Schmahungen enthalt. Es schliesst mit den Worten:
,,Es ist eine Frechheit, sich anzumassen, Rechte auszuiiben, die vom
Konig, ohne das Parlament zu fragen, gewahrt seien, noch grossere Frechheit
ist es aber, nachtraglich die Bestatigung solcher Rechte vom Parlament zu
verlangen."
Allen Anfeindungen zum Trotze gelang es der Hudsonsbay Company
aber, die Bestatigung vom Parlament zu erlangen, allerdings vorlaufig nur
auf 7 Jahre, doch wurde die Frist stillschweigend immer wieder verlangert.
Die fortwahrenden Angriffe der Franzosen, wobei die Englander schliess-
lich auf das eine Fort Albany beschrankt blieben, fugten der Gesellschaft
aber schweren Schaden zu. In den Jahren 1694, 1696 und 1697 betrugen
die Verluste 97 500 Pfund, so dass die Gesellschaft Geld borgen musste, um
weiter existieren zu konnen.
Die Ausdehnung des franzosischen Pelzhandels nach dem West en war
durch eigenes Verschulden ins Stocken geraten. 1685 hatte der franzosische
Gouverneur Kanadas eine Gesandtschaft der Irokesen, die mit Friedens-
anerbietungen zu ihm kamen, naeh Frankreich auf die Galeeren geschickt.
Um mit der verhassten Nation nun ganz aufzuraumen, sandte er eine Anzahl
Truppen im Verein mit den Abenaquis Huronen und einer Abteilung getaufter
Irokesen urter ihrem Hauptling La Plaque, der seinen eignen Vater ermordet
hatte, begleitet von Missionaren, mit der Brandfackel in die Dorfer der Iro-
kesen, die, in blindem Heidentum befangen, ihr Korn bauten. Manner, Weiber
und Kinder wurden hingeschlachtet, und ihre Skalpe zierten die Giirtel der
54
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
roten Bundesgenossen. Die Irokesen fassten diesen Bekehrungseifer der
Jesuiten und Franziskaner aber falsch auf, verbanden sich mit ihren Stammes-
genossen, und drangen nun ihrerseits mordend und brennend bis unter die
Mauer von Montreal. Oft machten sie monatelang jeden Feldbau unmoglich,
da niemand den Schutz der Forts verlassen durfte.
Der Konig von Frankreich verbot jetzt jeden Verkehr mit alien Indianer-
stammen. Nur die Huronen und die Abenaquis erhielten Erlaubnis, mit ihren
Waren nach Montreal zu kommen, doch durfte kein Waldlaufer oder Handler
das Indianergebiet betreten. Vergeblich protestierte Frontenac gegen diese
Massregel, die den gesamten franzosischen Pelzhandel lahmlegte.
Erst 1699, nach seinem Tode, als Friede mit den Irokesen geschlossen,
wurde das Verbot wieder aufgehoben.
Die grossen Weisswal- urid Seehundfischereien, die inzwischen in Mont
Louis gegriindet waren, wurden 1700 aufgegeben, und die Bevolkerung wandte
sich wieder dem eintraglicheren Pelzhandel zu.
In demselben Jahrc erreichte der Handler Sueur mit 20 Begleitern den Riviere
rouge, wo eine Kupfermine entdeckt und eine Ansiedlung gegriindet wurde.
Wahrend aber die Unternehmungen einiger Privatleute gliickten, gingen
die Geschafte der Compagnie du Nord immer mehr zuriick. Die Konkurrenz
der geschaftsgewandten Englander, die hohere Preise zahlten, machte sich
eben sehr fuhlbar.
1704 versuchte man sich durch einen Handstreich in den Besitz des Forts
Albany an der Hudsonsbai zu setzen, doch wurde der Angriff durch den Kom-
mandanten, Kapitan Barlow, blutig zuriickgewiesen.
Zwar von Neu-England aus konnte der franzosischen Gesellschaft
augenblicklich keine Konkurrenz gemacht werden, da dies Gebiet durch die
befreundeten Indianer und die Waldlaufer unter Fiihrung Vaudreuils mit
Feuer und Schwert verwiistet wurde. Die schlechte Verwaltung der Gesell-
schaft aber und vielfache Unterschleife hatten es zuwege gebracht, dass sich
1706 bereits eine Schuldenlast von i 812 ooo Fianks aufgehauft hatte, und
die Compagnie du Nord musste liquidieren.
Die Kaufleute Aubcr, Neret und Gayot ubernahmen die Kontore, zahlten
die Schulden der Gesellschaft, deren gesamtes Aktienkapital verloren ging,
gaben den Handel nach dem Innern ganz frei, und behielten sich nur das
Exportrecht vor.
Die von Iberville in Yorkfort an der Hudsonsbai zuriickgelassenen
Franzosen waren sich ganz selbst iiberlassen geblieben. Im Jahre 1700 hatte
sie zwei lieues siidlich von Fort Bourbon ein kleines Fort, Phelipeaux, gebaut
als Zufluchtsort. Aber dies half nichts gegen die unerbittlichen Verheerungen
des Skorbuts, der die Reihen in bedenklicher Weise lichtete. Schliesslicli
blieben auch die Zufuhren ganzlich aus, indem von 1709 bis 1713 kein Schiff
kam. Dies iiberlieferte zahlreiche Indianer dem Hungertode. Sie hatten den
Gebrauch von Bogen und Pfeil teils verlernt, teils war das Wild infolge der
2. Kapitel.
weitertragenden Schusswaffen zu scheu geworden, um noch mil diesen ver-
alteten Waff en Erfolg zu gestatten. Als nun keine Munition mehr zu be-
kommen, war es den ungliicklichen Rothauten unmoglich, sich das Wild fiir
ihrcn Lebensunterhalt zu schaffen. Sie iiberfielen schliesslich eine Jagd-
expedition der Franzosen und toteten sieben derselben. Die kleine Garnison
war nun auf neun Mann zusammengeschmolzen, die den Schutz der Forts
kaum verlassen durften und im Handel mit den Eingeborenen zur grossten
Vorsicht gezwungen waren. Endlich brachte im Jahre 1713 ein Schiff fiir
8000 Franks Waren, mit denen sie Pelzwerk im Werte von 120 ooo Franks
einhandelten. Als eine Erlosung wurde es von Jeremie und seiner kleinen
Schar betrachtet, als 1714 die Nachricht vom Frieden zu Utrecht und der
Abtretung des gesamten Hudsonsbaigebietes an England eintraf. Die Franzosen
zogen sich nun unangefochten mit der gesammelten Pelzausbeute nach Frank-
reich zuriick. In Kanada war 1710 noch eine Compagnie du Canada ou de
Castor gegriindet, die aber keinerlei Bedeutung gewann. In Frankreich begann
jetzt Louisiana die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. 1712 erhielt der Kauf-
mann Crozat von Louis das Handelsmonopol und die Minenrechte in der
Louisiana, raumte aber bald dem jetzt auftretenden schottischen Abenteurer
John Law das Feld. Mit ihm beginnt eine Griinderperiode, die an Umfang
und Folgen nie wieder erreicht worden ist. Selbst der bald darauf in England
in Szene gesetzte Sudseeschwindel kam ihr nicht gleich. Als bescheidener
Anfang wurde 1716 eine Banque de Louisiana gegriindet mit 1200 Aktien
a i ooo Ecus (a 6 Franks), dieser folgte im nachsten Jahre die Compagnie de
TOccident, die im grossartigsten Massstabe errichtet wurde. Sie erhielt das
ausschliessliche Handels- und Besitzrecht von Louisiana und das alleinige
Recht des Pelzexports von Kanada zugewiesen. Ferner wurden ihr voll-
standige Majestatsrechte in ihrem Gebiet eingeraumt, ihre Schiff e durften
die weisse Staatsflagge mit den goldenen Linien fuhren, die von ihr ange-
stellten Offiziere behielten ihren Rang in der Armee und Marine. Ihre Waren
sendungen von und nach Louisiana waren vollkommen zollfrei, und als einzige
Abgabe hatte sie die Verpflichtung, jedem neuen Konig von Frankreich eine
goldene Krone im Gewicht von 30 Mark zu liefern. Der Konig schenkte der
Gesellschaft alle ihm von Crozat abgetretenen Schiffe, Waren usw. unter der
Bedingung, jahrlich mindestens 6000 Weisse und 3000 Neger nach dem neuen
Lande zu befordern. Das Kapital wurde auf 100 Millionen in 200 ooo Aktien
a 500 Franks festgesetzt, die indessen bald einen Kurswert von 2000 Franks
erreichten. Je 50 Aktien gaben eine Stimme. 1719 wurden durch koniglichen
Erlass die Compagnie du Canada, die Compagnie du St. Domingo, die Com-
pagnie du Senegal et Guinee, die Compagnie de la Chine und die Compagnie
des Indes orientales mit der Compagnie de 1'Occident vereinigt, die nun das
alleinige Handelsrecht ,,nach alien bekannten Landern und Meeren" erhielt-
Sie ubernahm alle Aktiven der obengenannten Gesellschaften mit Verpflich-
tung, auch deren gesamte Verbindlichkeiten einzulosen. Hierfiir wurden
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
weitere 50 ooo Aktien a 500 Franks ausgegeben, die aber zu 550 Franks Gold
(das damals ein sehr hohes Agio hatte) emittiert wurden. Die Kolonisation
war aber nur Nebenzweck der Gesellschaft. Zwar wurden anfanglich zahl-
reiche Kolonisten in die Fiebersiimpfe von Louisiana gesendet, und Law selbst
siedelte auf einem ihm gehorigen 4 Quadratmeilen grossen Landstrich in
Arkansas 1500 Deutsche und Proven9alen an. Alles trat aber bald vor den
riesenhaften Bankgeschaften zuriick, welche die Gesellschaft betrieb. Es
wurden noch im Jahre 1719 weitere 500 ooo Aktien a 500 Franks ausgegeben,
die bereits am nachsten Tage mit 2000 Franks bezahlt wurden (die Listen
mussten gleich nach der Eroffnung geschlossen werden, da bereits gleich
anfangs erne zehnfache Uberzeichnung stattgefunden) . Die Gesellschaft
pachtete die Miinze, die Tabaksregie und samtliche Staatsdomanen und lieh
dem Konige 1250 Millionen Franks zur Ablosung der Staatsschuld, wofiir
sie 3 proz. Obligationen ausgab.
Am 30. Dezember 1720 fand die erste Generalversammlung unter Vorsitz
des Prinz-Regenten mit grossen Geprange statt. Es wohnten derselben der
Herzog von Chartres, sowie eine grosse Anzahl Herzoge, Pairs und Grand
Seigneurs bei, die sich alle nach dem Muster des englischen Hochadels bei den
friiheren Kolonialunternehmungen, mit grossen Summen beteiligten. Alles
neigte sich in ehrfurchtsvoller Huldigung vor Law, als er, umgeben von seinen
32 Direktoren, die Verteilung von 40 Proz. Dividende ankiindigte.
Der Andrang bei der Zeichnung neuer Aktien war so ungeheuer, dass,
trotzdem eine Kompagnie Gardes du Corps Spalier bildeten, doch viele Per-
sonen zu Tode gedriickt wurden. Noch starker aber war der Sturm auf die
Kassen, als bald darauf das riesige Unternehmen zusammenbrach, welches
sehr viel zu der im 18. Jahrhundert in Frankreich eintretenden materiellen
und moralischen Verarmung beitrug und damit die grosse Revolution vor-
bereiten half.
Wahrend aber jetzt die grosse von offizieller Seite betriebene Verpflanzung
der Kultur nach den feuchten Ufern des Mississippi ins Stocken geriet, ging
dagegen in Kanada die naturgemasse Ausdehnung nach Westen ungestort
vor sich. Schon 1717 hatte der Leutnant Robintel de Lanoue das Fort
Kaministoquoia an der Miindung des gleichnamigen Flusses in der Nordwest-
ecke des Lake Superior errichtet, wo heute Fort William steht, und ein en regel-
massigen Handelsverkehr zwischen den Franzosen und den Stammen der
grossen Cree Nation angebahnt.
Audi nach Siidwesten ging die Handelsbewegung. 1727 bildete sich in
Montreal die Compagnie fran9aise des Sioux, um mit diesem weitverbreiteten
Indianerstamm Pelzhandel zu treiben. Zu diesem Zwecke wurde am Lac Pipin
das Fort Beauharnais und am Mississippi, wo heute Prescot City steht, das
Fort Mississippi la Galette errichtet.
Im Jahre 1731 entdeckte der vom Minister Maurepas ausgesendete
Chevalier Varennes de la Verandrye in Begleitung des Jesuitenpaters Messager
2. Kapitel. 57
den Redriver des Nordens und den grossen Winipegsee, iiber dessen Vorhanden-
sein schpn lange Geriichte nach Kanada gekommen waren. Er beschloss, diese
Entdeckungen fur sich auszunutzen und ging mit bewundernswerter Energie
daran, mit beispielloser Schnelligkeit vom Lake Superior aus eine Reihe mit-
einander verbundenen Handelsposten nach Westen vorzuschieben. Bereits
1734 baute er das Fort St. Pierre am Lac la Pluie, 1732 das Fort St. Charles
am Lac du Bois, 1734 Fort Maurepas am Winipegriver. Von dort aus erreichte
er den Lac des Cygnes, beriihrte den Elkriver oder Riviere des Biches und
ging den Saskatschewan, den er nach dem Marquis de Pas Riviere du Pas
benannte, bis zur Gabelung hinauf. Noch heute nennen die franzosischen
Mestizen den Nordarm des Saskatschewan mit diesem Namen, wahrend die
oben erwahnten Seen dieselben Namen, ins Englische iibersetzt, noch heute
tragen. 1755 entstanden unter seiner Leitung das Fort Dauphin am obern
und Fort de la Reine am untern Ende des Manitobasee, Fort Bourbon an der
Miindung des Elkriver in den Winipegsee und Fort Rouge an der Miindung
des Assinoboine in den Redriver. Ferner die Forts Grand Rapid du Pas,
Nippissing und La Corne am Saskatschewan. Ein schwerer Schicksalsschlag
traf ihn im nachsten Jahre. Sein altester Sohn wurde nebst dem Jesuiten
Pater Armand und 20 Waldlaufern auf einer Insel des Lac du Bois von
Indianern iiberfallen und ermordet. Dies hielt aber Verandrye nicht ab, seine
Fahrten zur Ausdehnung des Handels und des franzosischen Einflusses fort-
zusetzen. Er verliess jetzt diePrairien und wendete sich in Begleitung seines
zweiten Sohnes und seines Neffen mit einer grossen Expedition nach Siid-
westen. Langsam vorriickend errichtete er, um den Erfolg zu sichern, eine
Anzahl Handelsposten als Etappen, und erreichte 1738 das Gebiet der Man-
danen, damals einer der zivilisiertesten Indianerstamme, der aber heute aus-
gestorben ist. 1742 wurde der obere Missouri und der Yellowstone iiber-
schritten, und am i. Juni 1743 gelangte die Expedition an den Fuss der Felsen-
gebirge, welche Verandrye als erster Europaer erblickte, um dann am Fusse
der Passe, die in das Wunderland jenseits derselben fiihren sollten, zu sterben.
(Alle diese Entdeckungen waren in weiteren Kreisen unbekannt, und wurden
erst beinahe nach einem Jahrhundert durch die Amerikaner Lewis und Clarke
und andere wieder entdeckt.) Einstweilen iiberlebten ihn seine Schopfungen
noch. Eine kanadische Gesellschaft unter Bibot und dem Gouverneur von
Kanada, La Jonquiere, ubernahm die Handelsposten und liess die Ent-
deckungsreisen fortsetzen, namentlich durch die Offiziere Marin und St. Pierre,
die 1752 das Fort La Jonquiere in den Rocky Mountains errichteten. Der
durch den Pelzhandel erzielte Gewinn war ein sehr bedeutender. Belief sich
doch der Anteil des Gouverneur La Jonquiere auf etwa 300 ooo Franks jahr-
lich. Dieser wachte auch iiber unliebsame und staatsgefahrliche Konkurrenz,
und liess 1752 das Kontpr der Jesuiten in St. Louis schliessen, da sie einen
ziemlich umfangreichen Tauschhandel mit. den Indianern trieben und die
Biberfelle auf Schleichwegen verbotenerweise nach Albany schickten. Die
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Jesuiten machten indessen ihren Einflass in Frankreich geltend, La Jonquiere
erhielt einen heftigen Verweis vom Ministerium, was ihn so argerte, dass er
einem Gallenfieber erlag.
Jetzt traten aber wichtigere Interessen, als es der Pelzhandel war, in
Kanada in den Vordergrund. 1740 war der Krieg zwischen England und
Frankreich wieder ausgebrochen. Zunachst beriihrte er Kanada wenig, da
Frankreich sich um die ,,paar Morgen Schnee" nicht bekiimmerte, und Kanada
mit der Kolonie Newyork eincn geheimen Vertrag geschlossen, sich gegenseitig
nicht zu schadigen. Desto heftiger entbrannte der Kampf in Neuschottland,
das von Franzosen und Englandern gemeinschaftlich bewohnt wurde. 1745
hatte die franzosische Garnison von Louisburg am Kap Breton gegen die
Bedriickungen ihres Kommandanten Bigot gemeutert, welche Gelegenheit die
Englander benutzten, die durch einen vorherigen, zwar missgluckten Angriff
des Admirals Dusquenel auf Annapolis erbittert waren. 4000 Freiwillige
unter Fiihrung des Kaufmanns Peperell griff en, unterstlitzt durch vier Kriegs-
schiffe unter Kommodore Waren, Louisburg an, eroberten es und schickten
die Garnison und samtliche franzosischen Einwohner nach Brest. 1747 drangen
die Kanadier nach Neuengland vor, unterstlitzt von grossen Schwarmen von
Indianern.
Rigaud de Vandreul eroberte mit 700 Kanadicrn und Rothauten Fort
Massachusets, Comte De St. Luc Fort Clinton und du Lery Fort Bridgeman,
wahrend de Villicr die Englander in Acadie bei Grand Pre besiegte. Uberall
wurde das Land total verwiistet, und die siegreichen Kanadier und ihre
wilden Bundesgenossen zogen, mit Beute schwer beladen, zuriick. Doch die
Vergeltung blieb nicht aus. 1755 wurde Kanada der Vernichtungskrieg erklart.
Winslow griff die Franzosen in Acadie an, und bemachtigte sich ihrer letzten
Stiitzpunkte dort, der Forts Beusepoin und Gaspareaux, wahrend General
Braddock, in dessen Heere George Washington Oberst war, mit 3000 Mann
Fort Duquesne eroberte und die Franzosen aus Ohio trieb, selbst aber dabei fiel.
Der Kriegsschauplatz wurde jetzt nach Kanada verlegt, die franzosischen Forts
am Hudson und Ontario wur den erobert. Der franzosische Oberkommandant
fiel, und der jugendliche Montcalm trat an seine Stelle. Ihm gelang es, die
Einwohner Kanadas noch einmal zu heldenmiitigem Widerstande aufzuraffen.
Die alten Seigneurs kamen mit ihren Vasallen, die kampfgewohnten Vojageurs
und Waldlaufer eilten zu den Fahnen. Ausser der regelmassigen Besatzung
sandte Frankreich fast keine Truppen und sah teilnahmslos dem Schicksal
seiner besten Kolonie zu. Beide kriegfiihrenden Parteien riefen iibrigens die
Indianer zu ihrem Beistande herbei. Auf Seiten Englands kampften die alten
Feinde Kanadas, die Irokesen, auf Seiten Kanadas die Huronen, O jib ways usw.
Diese mordlustigen Verbiindeten waren oft schwer im Zaum zu halten. Nach
langerer Belagerung kapitulierten die Forts Oswego, St. George und Ontario,
wobei die Indianer sich auf die Gefangenen stiirzten, alle ermordeten und
auch die Kranken im Hospital skalpierten. Ein gieiches Schicksal erlitt die
2. Kapitel.
Garnison von Fort William Henry, der freier Abzug zugestanden war. Die
Indianer durchbrachen aber die Reihen der Eskorte und metzelten alle nieder.
England bot jetzt alles auf, um diese Niederlagen zu rachen. 80000 Mann,
worunter 22 ooo Regulare und der Rest amerikanische Milizen und Freiwillige,
wurden unter Befehl General Abercrombies nach Kanada geschickt. Kanada
machte die verzweifeltsten Anstrengungen, um dem drohenden Schicksal zu
entgehen. Alle Post en im Innern wurden aufgegeben und verbrannt, die
samtlichen waffenfahigen Einwohner dem Feinde entgegengestellt. Es wiirde
zu weit fiihren, alle Einzelheiten und Wechselfalle des mit der grossten Tapfer-
keit gefiihrten Krieges aufzufuhren. Die Englander drangen in drei Heer-
saulen nach Kanada hinein, General Wolfe, der tiichtigste Fiihrer der Eng-
lander, schlug die Franzosen auf dem Plateau von Abraham mit Hilfe der
englischen Flotte am 13. September 1759, erlitt aber selbst den Tod auf dem
Schlachtfelde. Drei Tage spater wurde Quebec erobert. Lord Amherst
vollendete nun die Eroberung Kanadas, und am 8. September 1760 fiel das
letzte Bollwerk, Montreal. Im Frieden von Paris, 10. Februar 1763, wurde
Kanada endgiiltig an England abgetreten und blieb englische Kolonie. Eine
kleine Anzahl der alt en Seigneurs wanderte aus, die grosse Masse der Be-
volkerung blieb aber. Noch heute ist der grossere Teil des ostlichen Kanadas,
namentlich die Provinz Quebec, von einer franzosisch sprechenden Bevolkerung
bewohnt, und selbst in Montreal hort man ebenso viel Franzosisch, wie Eng-
lisch. Dabei sind aber die ,,frenchcanadians" durchaus loyale Untertanen, die
sich als fester Bestandteil des grossen britischen Reichs fuhlen.
Kaum war iibrigens das Land unterworfen und noch in den letzten
Zuckungen des Widerstandes begriffen, als auch schon von alien Seiten Eng-
lander herbeieilten, um an den ihnen so lange verschlossenen Vorteilen des
Pelzhandels nach dem Innern teilzunehmen. Die ersten waren der Amerikaner
Alexander Henry und die Englander Stanley Goddard und Ezekiel Salomon,
denen bald zahlreiche andere folgten. Bereits 1763 war Michillimacinaw an
der Mtindung des Michigansees der Mittelpunkt des Pelzhandels geworden.
Von alien Seiten kamen die Indianer in ihren leichten Birkenrindenkanoes
herbeigeschwommen und brachten reiche Pelzladungen zum Tausch. Dicht
unter den Mauern des Forts erhoben sich Tausende indianischer Wigwams, den
verschiedensten Stammen angehorig. Michillimacinaw war neutraler Grund,
wie die beriihmten Calumetberge am Missouri, wo der Pfeifenstein geholt
wurde, und wo das Kriegsbeil der Friedenspfeife wich. Am 4. Juni 1763
wurden samtliche Englander eingeladen, einem grossen Ballspiel (Jeu a la
crosse) beizuwohnen, das zwischen zwei Indianerstammen, den Chippeways
und den Sacs, stattfand. Plotzlich fiel der Ball iiber die Mauer des Forts,
und eine Anzahl Indianer eilten ihm im Eifer des Spiels durch die offen-
stehenden Tore nach. Im selben Augenblick ertonte der donnernde Kriegsruf
der Indianer. Tomahawks und Messer blitzten, und ein allgemeines Gemctzel
der Englander begann. 70 Soldaten der Garnison nebst mehreren Offizieren
5o II- Geschichte des Ranch warenhandels in Nordamerika.
wurden ermordet und etwa 20 Kaufleute und Offiziere, darunter Henry,
Ezekiel Salomon und Major Ethrington, die sich vor der ersten Wut ver-
borgen halt en, gefangen weggeschleppt. Der grosser e Teil wurde indessen
unterwegs von den befreundeten Ottowas befreit. Henry wurde von einem
Ottowa-Krieger adoptiert und machte verschiedene Streifziige mit, bis er
nach der Niederlage der Indianer, unter dem Hauptling der Sacs Pontac,
der versucht hatte, alle Indianer gegen die Blassgesichter zu vereinigen, aus-
gewechselt wurde.
Anfanglich befolgten die Englander in Kanada die alte franzosische
Handelspolitik und gestatteten das Betreten des Indianer- Gebiets nur gegen
besondere Erlaubnisscheine. Bald wurde aber eine liber alere Handelspolitik
befolgt, und die Beteiligung am Pelzhandel wurde allgemein freigegeben.
Der erste, der liber den Oberen See hinausdrang, war Thomas Curry,
der 1766 bis zum Fort Bourbon am Cedarlake gelangte und eine so reiche
Ausbeute zuruckbrachte, dass er sich vom Geschaft zuriickziehen konnte. Im
nachsten Jahre gelangte James Findlay bis nach Nepawee, dem letzten franzo-
sischen Handelsposten am Saskatschewan. Weit hinaus drangten jetzt die
Scharen der Nachfolgenden, unter denen sich besonders Josef und Thomas
Frobisher, Peter Pond und Pangman auszeichneten.
1774 griindete Hearne, der beriihmte Ent decker des Copperminerivers,
fur die Hudsonsbay Company Fort Cumberlandhouse am Sturgeonlake. 1775
ging Josef Frobisher bis an den Churchillriver oder, wie er ihn nennt, englisch
river, wo er die Indianer auf ihrem jahrlichen Zuge nach Fort Churchill an
der Hudsonsbai traf. Er uberredete sie, ihm die ganze Pelzausbeute, worunter
allein 12 ooo Biberfelle, zu verkaufen, wodurch der Hudsonsbay Company
die Zufuhren abgeschnitten wurden.
Sein Bruder, Thomas Frobisher, errichtete zu gleicher Zeit ein Fort am
Isle a la Crosse Lake, wahrend James Finlay am obern Saskatschewan das
Fort des Prairies an derselben Stelle erbaute, wo das franzosische Fort aux
Trembles gestanden hatte. Dies wurde bald ein Sammelpunkt der Handler,
ein regelrechter Markt entwickelte sich, und die weiten Grasfluren am Saskat-
schewan, wo bisher der Bliffel ungestort gegrast hatte, zeigte sich ein leb-
haftes Treiber.
1778 legten mehrere Kaufleute am Saskatschewan Waren zusammen und
schickten damit Peter Pond in das Churchillgebiet. Er entdeckte den
Athabascawfluss und tauschte ungeheure Mengen Felle von den Indianern
ein. Im nachsten Jahre begaben sich Peter Pond, Alexander Henry, Josef
und Thomas Frobisher und Patterson vereint nach dem Athabascawgebiet
und tauschten hier unter anderm innerhalb 3 Tagen 15 ooo Biber nebst zahl-
reichen Ottern und Zobeln ein. 1780 entdeckte Peter Pond den grossen
Sklavensee.
Die zahlreichen, hier im fernen Westen zusammengestromten Handler
fuhrten hier, von jeder gesetzlichen Uberwachung frei und mit reichem,
2. Kapitel.
61
miihelos erworbencn Vcrdienst, ein geradezu ziigelloses Leben. Wahrend die
Hudsonsbay Company den Indianern niemals Branntwein gegeben hatte,
wurde dieses Gift fiir Naturvolker von den Handlern in grossen Mengen ein-
gefiihrt und namentlich dazu benutzt, den trunken gemachten Indianern die
Fellausbeute fast umsonst abzunehmen. Das Faustrecht herrschte, Hazard-
spiel, Trunkenheit und Auschweifungen aller Art waren an der Tagesordnung.
Unter den vielfach gemisshandelten Indianern herrschte eine weit verbreitete
Missstimmung.
Der Sturm brach los, als eine Abteilung Handler in den Eaglehills einem
um Branntwein bettelnden Indianer Laudanum gegeben hatten. Der Mord
wurde auf der Stelle von den Gefahrten des Ermordeten durch Niedermetzlung
der Schuldigen geracht, dann brach ein allgemeiner Indianerauf stand aus.
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|
Fort William der H. B. C.,
das alte Hauptquartier der North-West Co.
Zwei Forts am Assinoboine wurden verbrannt, viele Weisse niedergemetzelt.
Schon war allgemeine Flucht beschlossen, da brachen die Pocken unter den
Indianern aus und forderten zahllose Opfer. Der Auf stand war beendigt,
aber mit der beseitigten Gefahr trieben es die Handler arger als zuvor.
Peter Pond schoss einen Schweizer Kaufmann, Mr. Wadin, einfach nieder
als dieser ihm Vorhaltungen liber sein ziigelloses Treiben machte.
Da traten, um diesen Zustanden, die jeden gesetzmassigen Handel zu
vernichten drohten, ein Ende zu machen, 1783 eine Anzahl der angesehensten
Kaufleute Kanadas zusammen und griindeten die Northwest Company.
Sie bestand aus 16 Teilnehmern, die jeder einen Teil der Waren lieferte,
ohne dass ein eigentliches Gesellschaftskapital existierte. Die Oberleitung lag in
den Han den zweier grosser Handelshauser in Montreal, B. & J. Frobisher und
Simon McTavish.
Peter Pangman bildete indessen mit Gregory, Me Leod und Alex Me Kenzie
eine Konkurrenzgesellschaft, die kiihn den Kampf gegen die machtige Ver-
einigung aufnahm und durch ihre rastlose Tatigkeit derselben eine gefahrliche
Konkurrenz auf den Jagdgebieten des Innern machte. Nachdem aber zwei
62
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
der Teilnehmer erschossen waren, mussten sie sich aus Kapitalmangel im
Juli 1787 der grossen Northwest Company anschliessen.
Die Gesellschaft wurde neu organisiert. Es wurden zwanzig Anteilscheine
ausgegeben und die Teilnehmer in zwei Kategorien geschieden. Die eine,
die Kaufleute in Montreal und London, waren die „ Agents". Diese hatten
die Waren von England zu importieren, in Ballen von 90 Pfund zu ver-
packen und bis nach Fort William am Obern See zu schaffen, wohin sich
jahrlich auch zwei der Agent en begaben, um die eingetauschten Felle in
Empfang zu nehmen und iiber Montreal nach London zu schaffen, wo sie von
den Agenten Mac Gillivery & Elli's verauktioniert wurden. Diese bezogen
hierfur eine Extra vergiitigung. Spater wurde iibrigens ein grosser Teil der
Waren von der Westkliste direkt nach China gesendet.
York Fort der H B C.
Die andern Teilnehmer waren die ,, Wintering partners", denen es oblag,
die importierten Waren auf den Stationen des Innern gegen Rauchwaren um-
zusetzen und diese nach Fort William zu schaffen. Es erforderte dies ein
grosses Personal, und beschaftigte die Gesellschaft im Jahre 1798 50 Clerks,
70 Dolmetscher, 1120 Kanoeleute (Voyageurs) und 35 Fiihrer (Guides).
In dem letztgenannten Jahre traten einige Partner aus und bildeten eine
Konkurrenz-Gesellschaft, die XX. Company, wahrend die alte Gesellschaft
die Teilnehmerzahl auf 46 erhohte.
Der Konkurrenzkampf war ein ausserst scharfer. Die Voyageurs der
beiden Gegner suchten sich gegenseitig die Jagdbeute der Indianer, die haufig
von der Gegenpartei schon Vorschiisse erhalten, abzujagen und zogen denselben
oft weit entgegen, unter Bewahrung der grossten Heimlichkeit. Trafen sich
dann zwei solche Parteien unterwegs, so kam es stets zu Raufereien, wobei
nicht selten die Biichse als ultima ratio diente.
2. Kapitel.
Dieser wilde Zustand dauerte bis iSog, da vcreinigten sich, des langen
Haders miide, beide Widersacher zu einer neuen Northwest Company. Ein
festes Kapital von 120 ooo Pfund Sterling wurde aufgebracht und 100 Gewinn-
anteile ausgegeben.
Den streitbaren Nordwestleuten schien aber bald der Handel ohne fort-
wahrende Kampfe sehr eintonig und sie suchten jetzt einen neuen Gegner, um
ihre Kraft zu erproben. Da bot ihnen die Hudsonsbay Company den ge-
wiinschten Anlass, indem diese die Unverschamtheit hatte, am Handel in
ihrem eigenen Gebiet teilnehmen zu wollen.
Lange Zeit hatte die Hudsonsbay Company gebraucht, um sich zu diesem
Entschluss aufzuraffen, doch war ihr dies auch durch innere und aussere Feinde
erschwert worden.
Als 1713 ini Frieden zu Utrecht die Franzosen gezwungen wurden, die
Lander an der Hudsonsbai aufzugeben, schopfte die englische Kompanie neue
Kraft, dehnte ihre Unternehmungen weiter aus und riistete mehrfach Ent-
deckungsexpeditionen aus, um das Gebiet genauer kennen zu lernen. Zwar
hatte sie schon 1690 einen jungen Mann, Henry Kelsey, weit in das Innere
entsendet, doch hinderten die Kriegswirren, den Entdeckungen desselben
praktische Folgen zu geben.
Der Schwerpunkt des Handels wurde jetzt von Eastmaine nach New-
Wales verlegt. Yorkfort wurde das Emporium. 1718 wurde am Churchillriver
das Prince of Wales Fort gegriindet, 1730 Moosefactory am Mooseriver,
Sluderiver Factory in Eastmaine, denen andere folgten.
1719 riistete die Hudsonsbay Company auf ihre Kosten eine Expedition
zur Auffindung der Nordwestlichen Durchfahrt aus.
Dieselbe bestand aus der Fregatte ,, Albany" und der Schaluppe „ Discov-
ery", unter Kommando des achtzigjahrigen Veteranen James Knight. Als
1721 noch keine Nachricht zuriickgekommen war, sandte die Hudsonsbay
Company die Schaluppe ,, Whalebone", unter Kapitan Scroggs, zur Auf-
suchung der Verschollenen aus. Zwei Jahre lang wurde das Inselgewirr
nordlich von der Hudsonsbai vergeblich nach Spuren durchforscht. Erst
50 Jahre spater wurden die Uberreste der Schiffe durch Zufall auf der West-
seite vori Marbleisland aufgefunden
Auf Betreiben des Londoner Geographen Arthur Dobbs sandte die Ge-
sellschaft 1736 die Schaluppen ,, Churchill" und ,, Musquash" und 1742 eine
weit ere Expedition unter Kapitan Middleton mit der Galeasse ,, Furnace"
und der Pinasse ,, Discovery" zur Aufsuchung der Nordwestlichen Durchfahrt.
Nach sorgfaltiger Untersuchung kamen beide Expeditionen unverrichteter
Sache zuriick, und Middleton erklarte, dass seiner Ansicht nach es unmoglich
sei, in diesen Gegenden die gesuchte Durchfahrt zu finden.
Dies erregte den Fanatiker Dobbs so, dass er offentlich erklarte, Middleton
sei von der Hudsonsbay Company bestochen worden, da diese sich ihren Ver-
pflichtungen zu den Entdeckungsfahrten entziehen wolle. Durch seine fort-
64
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
gesetzte Agitation gegen die Gesellschaft setzte er es durch, dass 1749 eine
Parlamentskommission zur Untersuchung eingesetzt wurde, aus welcher die
Hudsonsbay Company indessen gerechtfertigt hervorging. Dobbs Betreiben
war es 1746 gelungen, das Parlament zu bewegen, einen Preis von 20 ooo Pfund
fiir die Entdeckung der Durchfahrt auszusetzen, fiir die damalige Zeit eine
ungeheure Summe. Ausserdem brachte er durch offentliche Sammlungen
weitere 10000 Pfund zusammen, mit welchen Mitteln die beidenSchiffe,, Dobbs
Galley" von 180 Tonnen und ,, California" von 140 Tonnen, ausgeriistet und
unter Kapitan Ellis zur Aufsuchung abgesendet wurden. Auch diese kehrten
unverrichteter Sache zuriick, worauf die Fahrten lange Zeit ruhten. Tat-
sachlich wurde die Durchfahrt mehr als 100 Jahre spater durch Macclure ent-
deckt, und erst 1907 durch Raoul Amundsen mit derGaa wdrklich durchfahren.
: ; : . ..,- ~,
Moose River Factory der H. B. C.
Die fortwahrenden Angriffe gegen die Hudsonsbay Company hatten nur
bewirkt, dass dieselbe erst recht saumselig in der Erfullung ihres Charters wurde.
Die riihrige Konkurrenz sollte sie indessen bald aus ihrem Schlummer wecken.
Kleine Scharen kanadischer Handler verletzten fortwrahrend ihr Gebiet.
1750 drang sogar eine kecke Abteilung franzosischer Waldlaufer bis nach
Moosefactory, pliinderte die Aussenwerke und fiihrte ausser wrertvollen Waren
auch zwei schone Messinggeschiitze nach Michillimacinaw.
1744 wurde an Stelle des alten Prince of Wales-Forts ein neues, mit
grossen Kosten nach europaischem Muster erbautes, Fort errichtet, das lange
Zeit das Wunder der Eingeborenen bildete. 1760 wurden mehr ere Posten
auch im Innern errichtet, wie Fort Nelson, Fort Splitlake, doch ging man
damit sehr langsam voran.
1761 und 1762 wurden Christopher und Nelson nach dem Chesterfield
Inlet gesendet, um dort fiir Rechnung der Kompanie Seehund- und Walfang-
stationen einzurichten.
2. Kapitel.
Alexander Mackenzie,
der erste, der von Osten kommend,
den Stillen Ozean auf dem Landwege
erreichte.
Die vielfachen Geriichte iiber das Vor-
kommen reicher Kupferlager im Innern
veranlassten die Gesellschaft, 1769 den
Chieftrader Samuel Hearne zur Er-
forschung derselben auszusenden. Dieser
entdeckte den kleinen Fischfluss, den
Athabascawsee usw. und endlich im
Juli 1771 den Coppermineriver.
Bei den grossen Fallen desselben
metzelten Hearnes Begleiter eine Ab-
teilung der harmlosen. Copperindianer
mil Frauenund Kinder nieder, wonach
die Stelle den Namen Bloodyfalls er-
hielt, und Hearne die Riickreise an-
treten musste. Hierbei sah er, wie
die Kanadier sich bereits am Atha-
bascaw festzusetzen begannen, und auf seine
Veranlassung erfolgte bald darauf die Griin-
dung von Cumberlandhouse am Sturgeonlake
im Jahre 1774.
Jetzt wurde die Hudsonsbay Company
aber wieder durch kriegerische Ereignisse in
der Entwicklung gestort.
Ein franzosisches Gesch wader von 3 Kriegsschiffen unter Admiral Lapey-
rouse erschien im August 1782 in der Hudsonsbai . Prince of Wales-Fort, das
stark befestigt, 42 Geschiitze, aber nur 39 Mann Besatzung besass, ergab sich
und wurde ausgeplundert, grosse Mengen feiner Pelze weggefiihrt.
Dann erschien die Flotte vor Yorkfort. Auf der Reede lagen zwei Schiffe
der Kompanie, von denen eins entkam, das andere in Brand geschossen wurde.
Der Kommandant des Forts versuchte erst Widerstand, ergab sich aber, als
die Franzosen 300 Mann und mehrere Geschiitze landeten. Alle vorgefundenen
Waren wurden verbrannt und die Besatzung kriegsgefangen nach Frankreich
gebracht.
Nach ziemlich kurzer Zeit waren die Folgen dieses Schlages iiberwunden,
und die Hudsonsbay Company nahm ihre fortschreitende Tatigkeit wieder
auf. In den Jahren 1789 — 1792 hatte der Northwest Partner Alexander
Mackenzie mit dem Clerke Le Roux von Fort Chipewyan am Athabaziaw
aus abfahrend, den grossen Sklavensee, Barensee etc. erforschend, den
nach ihm benannten Mackenzie River entdeckt und bis zur Miindung ins
Eismeer herab befahren und dann die Felsengebirge iiberschreitend als erster
auf dem Landwege von Osten her die Ufer des Stillen Ozeans erreicht.
Er entdeckte den Fraserriver, kehrte iiber das Gebirge und den Peaceriver
wieder nach Chipewyan zuriick. Die Hudson -Bay Company wetteifertc
5
66 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
nun mil der N. W. Co. diese Entdeckung auszunutzen. 1793 reichte ihre
Postenkette bereits bis zum Tal des Saskatchewan und erreichte 1805 den
Assinoboine.
Bis jetzt waren sie von der North west Company unbehelligt geblieben, sobald
aber die beiden feindlichen Northwest Companys sich vereinigt batten, wie oben
geschildert, wandten sie sich, auf das Recht des Besitzes pochend, gegen den
gesetzmassigen Eigentumer des Territoriums und vertrieben die An-
gestellten der Hudsonsbay Company unter Fiihrung des Mr. Fiddler in
den Jahren 1805 bis 1808 mit Gewalt ganzlich aus dem Athabascawgebiet.
Ja, die ritterlichen Pelzjager trugen nun den Krieg direkt in das Gebiet des
Feindes und errichteten an der Kiiste der Hudsonsbai selbst, am Hayesriver
und auf Charletonisland Handelsposten, die bis zum Jahre 1813 in ihrem
Besitz blieben. Dies wurde dem Direktorium der Hudsonsbay Company doch
zu viel, und ernstliche Schritte zur Wahrung ihrer Rechte wurden unter-
nommen.
Zunachst erhielt der Earl of Selkirk, dem ein Drittel des gesamten Aktien-
kapitals gehorte, 1811 einen Landstrich von 4% Millionen Acres (i Acre zirka
i% Morgen) am Redriver zur Anlage einer Kolonie geschenkt.
(Dieser Komplex, auf dem Winipeg steht, besitzt heute einen Wert von
ungefahr 40 — 50 Millionen Pfund.)
Lord Selkirk bezweckte damit, erstens dem Handel der verhassten North-
west Company, deren Hauptlebensmitteldepots sich dort befanden, einen
empfindlichen Schlag zu versetzen, und zweitens seinen armen Landsleuten
von den sterilen Hugeln und Mooren Schottlands eine neue Heimat an den
fruchtbaren Ebenen des Redrivers zu schaffen.
Bereits anfangs 1812 trafen eine Anzahl schottischer und irischer An-
siedler ein und errichteten im Herbst das Fort Daer. Im nachsten Jahre langten
zahlreiche Verstarkungen an, ein zweites Fort, ,,Pembina", wurde erbaut
und die Kolonie organisiert.
Gouverneur wurde Miles Mac Donell, dem der Chieffactor der Hudsonsbai
Company, John Mac Leod, ratend zur Seite stand. Nun brach ein offener
Krieg zwischen den beiden Konkurrenten aus, und es ist schwer zu sagen,
welche Seite das meiste Unrecht veriibte.
Den Reigen eroffnete Miles Mac Donell, indem er in einer Proklamation
vom 21. Oktober 1814 die Ausfuhr und Durchfuhr von Lebensmitteln verbot,
den Ansiedlern untersagte, der Northwest Company irgend etwas zu verkaufen
oder deren Angestellte jagen zu lassen . Die Vertreter dieser Gesellschaft
wurden aufgefordert, innerhalb sechs Monaten das Land zu verlassen. Es blieb
nicht bei der Drohung allein.
Im Fruhjahr 1815 nahm er in Begleitung des Sheriffs Spencer und
40 Bewaffneter die mit Lebensmitteln eintreffenden Barken der Northwest
Company weg und belagerte deren Fort ,, Gibraltar" an der Gabel des Red-
river. Durch Vermittlung einiger Partner der Northwest Company wurde
2. Kapitel. 67
jedoch die Belagerung aufgehoben, und der halbverhungerten Besatzung
200 Sack Pemmican zuriickgegeben.
Dies erbitterte die bisherigen Beherrscher des Westens aufs hochste. Die
Indianer und die zahlreichen, meist im Solde der Northwest Company stehenden
Halbblutindianer wurden aufgewiegelt, wahrend die Nordwestpartner Duncan
Cameron, Alexander Mac Donald und Seraphim Lamar in ihren stattlichen
Uniformen als Offiziere eines Freiwilligenkorps (the Volunteer voyagers
Brigade) unter den Ansiedlern umhergingen und diese sowohl gegen ihre
Fiihrer aufhetzten, als vor den Indianern warnten. Ein Teil der Ansiedler
ging auch wirklich nach dem Fort der Nordwest-Gesellschaft, um sich unter
deren Schutz zu stellen. Gestiitzt auf seine Ubermacht, verhaftete jetzt
Cameron als Friedensrichter den Sheriff John Spencer und den Chieffactor
Mac Leod. Zwei Tage spater erbrachen 50 Halbindianer unter Fiihrung der
Nord wester Cutbert Grant, William Shaw, Georg Campbell, Bostonois und
Pangman die Vorratshauser der Hudsonsbay Company, brannten dieselben
nieder und schleppten die Vorrate, Waff en, Munition usw. weg. Auch das
Vieh der Ansiedler wurde weggetrieben und die zur Verteidigung ihres Eigen-
tums heraneilenden Kolonisten mit Schiissen empfangen.
Auf die Kunde von diesen Vorfallen eilte Miles Mac Donell herbei und
nahm den Partner William Shaw gefangen, wurde aber selbst von starken
Scharen der Nord wester im Fort Pembina belagert. Zwei Sturmangriffe
wurden zuriickgeschlagen, wobei mehrere Ansiedler fielen. Endlich musste
er aber der Ubermacht weichen und ergab sich am 16. Juni 1815 dem Partner
Duncan Cameron und dem Agenten Mac Kenzie. Die Kolonisten und samt-
liche Hudsonsbai-Leute mussten die Ansiedlung raumen, die sofort von
Cutbert Grant und William Shaw niedergebrannt wurde. Etwa 150 Familien
der Ansiedler gingen nach Kanada und 15 Familien nach dem Hudsonsbai-
Fort Norway House am Winipeg-See. Miles Mac Donell wurde nach Fort
William als Gefangener geschleppt. Mac Leod blieb allein bei den rauchenden
Trummern zuriick.
Wahrend so der erste Schlag gegen die Northwest Company missgluckt
war, bereitete sich eine zweite Unternehmung in Montreal vor.
Ein friiherer Teilnehmer der kanadischen Gesellschaft, Colin Robertson,
war vom Earl Selkirk gewonnen und beauftragt worden, in Montreal eine
Expedition nach der Art der Nordwester zu organisieren, direkt in das feind-
liche Gebiet zu fuhren und dort Forts anzulegen.
Robertson unterzog sich seiner Aufgabe mit grossem Geschick. Im
Oktober 1814 in Montreal angelangt, war es sein erstes, Zwietracht unter den
Mitgliedern der Konkurrenz-Gesellschaft zu erregen und mehrere der Unzu-
friedenen fur seine Expedition zu gewinnen, darunter die Partner Fraser,
Logan, Mac Kenzie, Pritchard und Decoigne. Ausserdem gelang es ihm,
einen tiichtigen Amerikaner, Clarke, der fur Astor an der Westkiiste gewesen,
als Unterbefehlshaber, sowie eine Anzahl junger Leute als Offiziere zu enga-
5*
58 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
gieren nebst 400 erfahrenen Bootsleuten. Agent der Hudsonsbay Company
in Montreal wurde die Firma Maitland, Audjo & Garden.
Am 13. Mai 1815 ging die Expedition in 22 grossen Kanoes nach dcm
Redriver, wo man am 14. Juli, also mehrere Wochen nach Zerstorung der An-
siedlung, anlangte. Colin Robertson verteilte nun seine Streitmacht in die
Athabascaw-, Slavelake- und Isle a la Crosse-Distrikte. Er selbst fuhrte den
Rest der Kolonisten von Norway House am Winipeg nach dem Redriver
zuriick. Hier errichtete er ein festes Fort Douglas, dem Nordwest-Fort
Gibraltar gerade gegeniiber.
Die Northwest Company griff sofort wieder zu den Waff en. Der Nord-
wester Black ermordete ungestraft den Faktor Johnson von der Hudsonsbay
Company, wahrend der Partner Alexander Mac Donell sich des Hudsonsbai-
Handelspostens am Qu'appelle River bemachtigte. Robertson nahm nun
kurzerhand Fort Gibraltar weg, worauf ein Waffenstillstand eintrat, und die
gegenseitigen Eroberungen wieder ausgetauscht wurden. Die Ruhe war aber
nur von kurzer Dauer. A. Mac Donell eroberte Brandonhouse, worauf Robert-
son Fort Gibraltar iiberrumpelte und dessen Kommandeur, Duncan Cameron,
zum Gefangenen machte.
In Fort Gibraltar war eben der ,,Winterexpress" eingetroffen, die auf
Hundeschlitten von alien Stationen nach Fort William beforderte Post der
Northwest Company. Colin Robertson erbrach einfach die Briefe und sah
daraus, dass Mac Gillirray und Mac Intosh den Plan gefasst hat ten, die
Kolonie durch die Indianer ausrotten zu lassen. Duncan Cameron wurde ge-
fesselt nach Yorkfort geschafft, von wo aus jetzt ein neuer Gouverneur,
Mr. Semple, eintraf. Dieser geriet bald mit Robertson in Streit, so dass
letzterer sich entschloss, nach England zuriickzukehren.
In Yorkfort ereilten ihn jedoch verschiedene Trauerbotschaften. Seine
Expedition hatte an fangs mit vielem Gliick operiert und zahlreiche Forts am
Athabascaw, Kleinen Sklavensee, Kneelake, Greenlake und Isle a la Cross
gegriindet, und hatte namentlich Clarke in dem neu gegriindeten Fort Wedder-
bourne im Athabascaw-Distrikt der Northwest Company schwere Konkurrenz
bereitet. Leider liess er sich aber verleiten, mit einer nur geringen Macht nach
dem Peaceriver aufzubrechen, und hier ereilte ihn eine Katastrophe.
Die Northwest Company hatte die Indianer uberall mit der Ankiindigung
vertrieben, dass die neuen Ankommlinge die Pocken mitbrachten. Jetzt
wurden nun alle Zufuhren abgeschnitten und selbst die Fischnetze der Hudsons-
bai-Leute zerstort, so dass 16 Mann dem Hungertode erlagen, und der Rest
sich gefangen gab. Samtliche Vorrate und Felle wurden von der siegreichen
Rivalin beschlagnahmt. Noch war Robertson unschliissig, was zu tun, da
traf die Nachricht von einer noch grosseren Katastrophe ein.
Am ii. Juni war Fort Gibraltar geschleift worden. Gouverneur Semple,
der die Nordwester stets als ganz verachtliche Gegner betrachtet hatte, und
eben deshalb auch mit Robertson in Streit geraten war, traf keinerlei Vor-
2. Kapitel. 60
sichtsmassregeln, und wies auch einen Jager, Mustouche, der ihm am 17. Juni
die Nachricht vom Herannahen einer starken, feindlichen Reiterschar brachte,
als unniitzen Schwatzer ab. Er wies auch die Ansiedler, die Schutz im Fort
suchten, unwillig hinaus. Da sprengten am Morgen des 19. plotzlich Hunderte
von Reitern mit geschwungenen Biichsen heran und begannen alle auf den
Feldern arbeitenden Ansiedler nach der Frogplain zusammenzutreiben. Semple
ging mit 20 Begleitern den Feinden entgegen, sandte aber, als er die grosse
Ubermacht gewahrte, nach dem Fort zuriick, um ein Feldgeschutz kommen
zu lassen, wartete indessen dessen Eintreffen nicht ab, sondern eilte vorwarts
nach Frogplain, um die Freilassung der Settler zu erwirken. Im Augenblick
war er von etwa 60 Reitern umzingelt, und Bouche, ein Angestellter der North-
west Company, forderte ihn in frechem Tone zur sofortigen Ubergabe des Forts
auf. In diesem Augenblicke fiel der bekannte zufallige Schuss, der nun das
Signal fur die Nordwester gab, mit dem Feuern zu beginnen. Die meisten
Hudsonsbaileute fielen sofort. Dr. White, Rogers und Me Lean wurden nach
heldenmiitiger Verteidigung mit der blanken Waffe, niedergeschossen. Gou-
verneur Semple, durch Schulter und Knie geschossen, ergab sich an Cuthbert
Grant, wurde jedoch von den Halbindianern sofort niedergemetzelt.
Nur Mr. Pritchard wurde gefangen genommen, Fort Douglas zur Uber-
gabe gezwungen.
Mac Leod, der jetzt mit 30 berittenen Partnern und Clerks, sowie 150
Voyageurs del Northwest Company eintraf, liess Fort Douglas niederbrennen,
entliess aber die Gefangenen. Die Sache der Hudsonsbay Company hatte
einen schweren Schlag erlitten, die ganze mit so grossen Kosten unter-
nommene Expedition war gescheitert, und die alte Pioniergesellschaft schien
ihrer ruhrigen jungen Rivalin zu erliegen.
Robertson wollte sich nach England begeben, wurde aber durch das fruh-
zeitige Einsetzen des Eises schon am 20. August daran verhindert.
Jetzt erschien aber Lord Selkirk selbst auf dem Schauplatze. Er warb
in Montreal die beiden soeben entlassenen Soldnerregimenter De Meuron and
Watteville an, aus Deutschen, Italienern, Franzosen und Norwegern bestehend,
unter Kapitan d'Orsonnais und Mathey und Leutnants Gravenreuth und
Fouche und ging damit nach dem Westen. Am 13. August 1816 erstiirmte er
mit seiner Schar das Hauptemporium der Northwest Company, Fort William,
nahm die dort anwesenden 20 Partner unter dem Fuhrer William Me Gillivray
gefangen und sandte sie nach Montreal. Auf der Fahrt dahin fanden der
Partner Kenneth Me Kenzie mit 8 Gefahrten durch Umschlagen des Bootes
den Tod in den Wogen des Lake Superior.
Die in Fort William vorgefundenen Vorrate und Felle im Werte von
100 ooo Pfund wurden konfisziert.
Am 9. Oktober fiel das Fort am Lac La Pluie in Selkirks Hande, und
am 10. Januar 1810 wurde Fort Douglas zuriickerobert. Auch im Norden war
der Kampf aufs neue entflammt. Die Fuhrer beider Parteien besassen Be-
70 II- Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
stallungen als Friedensrichter und erliessen gegen die Konkurrenten Verhafts-
befehle wegen Landfriedensbruch. Es ging dabei zu wie bei den Fehden des
Mittelalters, ohne jede Riicksichtnahme auf die Landesregierung.
Am 2. Dezember eroberte Alexander Stewart (Northwest Company)
Greenlakefort, nahm Decoigne und Lewis gefangen und zerstorte das
Fort. Am 2. Januar lud Mac Leod, der das Nordwest-Fort Chipewyan am
Athabascaw befehligte, John Clarke und die Offiziere der H. B. C. Forts
Wedderbourne zum Diner ein, nahm sie aber dabei einfach gefangen und be-
machtigte sich des Forts. Fort Pierre au Calumet und Fort Coutonne wurden
ebenfalls uberrumpelt und die Hudsonsbayleute gefangen genommen, wobei
es nicht ohne Blutvergiessen abging.
Am 16. Mai 1817 bemachtigten sich Black und Ogden des H. B. C. Forts
Isle a la Crosse, wobei zwei Mann, L'amoureux und Johnstone, fielen, und der
Chieffactor Me Leod gefangen weggeschleppt wiirde.
Am 2. Januar begaben sich die Northwestclerks Robert Me Robbins
und John Me Bean mit Verhaftsbefehlen des Friedensrichters Mitchell nach
Fort William und erklarten den Lord Selkirk, Kapitan Mathey und Leutnant
Mac Nabb als verhaftet, wurden aber mitsamt den Verhaftsbefehlen durch
Soldaten vom de Meuron-Regiment einfach hinausgeworfen.
Die Fehde war aber doch von der Regierung nicht ganz unbeachtet ge-
lassen. Das Blaubuch vom 12. Juni 1819 teilte dem englischen Parlament
mehrere hundert Depeschen mit, die iiber diese Angelegenheit zwischen der
englischen und der kanadischen Regierung gewechselt waren.
Der kanadische Gouverneur Sir Gordon Drummond und der Leutnant-
General Sherbrook schienen darin mehr auf Seiten der Northwest Company,
die englische Regierung unter dem Kolonialminister Earl Bathurst mehr auf
seiten der Hudson sbay Company zu sein.
Der Prinzregent erliess eine Proklamation, worin er bei schwerer Strafe
die Fortsetzung der Feindseligkeiten verbot. Diese blieb aber ohne Erfolg.
Mit der Proklamation in der Hand veriibte William Shaw als Friedensrichter
am Lac La Pluie eine Reihe der argsten Gewalttatigkeiten, und die Gou-
verneure von Ober- und Unterkanada, Lord Sherbrooke und General Gore,
Nachfolger des Generals Gordon Drummond, wiesen in ihren Berichten immer
wieder auf die Unmoglichkeit des Eingreifens hin.
Earl Selkirk unterwarf sich und gab die eroberten Forts heraus, obgleich
die stolzen Barone der Northwest Company sich weigerten, ein Gleiches zu
tun, und verlangte die Einsetzung einer unparteiischen Kommission.
Earl Bathurst ordnete auch die Entsendung zweier unparteiischen
Gerichtspersonen nach dem Kriegsschauplatze an, worauf Lord Sherbourne er-
widerte, in ganz Kanada gabe es uberhaupt keine zwei unparteiischen Personen.
Endlich wurden doch zwei Herren ermittelt, die diese seltene Eigenschaft
hatten, Major Coltman und Mr. Fletcher, die in Begleitung von 40 Soldaten
des 70. Regiments nach dem Westen abgingen.
2. Kapitel.
Lord Selkirk, Mathey, d'Orsonnais und Allan stellten Biirgschaft fiir ihr
Erscheinen vor Gericht, und Colin Robertson eilte ebenfalls in einem Kanoe
von Norwayhouse nach Montreal, um sich freiwillig zu stellen, wahrend ihn
die Northwest Company in Ketten dahin schleppen wollte. Die Kommission
berichtete ziemlich giinstig iiber die Hudsonsbay Company, deren Vorgehen
zwar auch nicht gesetzlich gewesen sei, die aber durch die Ubergriffe der
Nordwestleute dazu gezwungen sei, auch habe sie kein Blut vergossen, wahrend
die letzteren sogar vorbedachten Mord veriibt hatten.
Einer der argsten Falle war folgender : Mac Leod und Mac Gillivray
waren nach Zerstorung der Redriverkolonie in aller Eile nach Fort William
Fort Norway House der H. B. C. mit Landungsbriicke.
zuriickgekehrt, da sich ein Geriicht verbreitete, der gefurchtete Colin Robertson
sei im Anzuge. Hierbei wurde ein Offizier der Hudsonsbay Company, Owen
Kevenney, in einem Kanoe auf dem Lac Bonnet iiberrascht und in Hand-
schellen mitgefuhrt. Da der Transport desselben bald lastig wurde, gaben
die Partner Mac Lellan und Archibald Mac Donnell der Bedeckungsmannschaft
den Befehl, ihn bei nachster Gelegenheit beiseite zu schaffen. Dieser Auftrag
wurde dann durch den deutschen Korporal Reinhard und den Halbindianer
Menville ausgefiihrt und Owen Kevenney an den ,, Dalles", einer Tragstelle
des Winipegrivers, auf barbarische Weise ermordet. Am Lac Vermillion in-
dessen wurde die ganze Schar vom Kapitan d'Orsonnais gefangen und der
Kommission iibergeben, die Mac Lollan, Lamar, Menville, Bastonois und
Pangman in Ketten nach Kanada schickte.
Hier bereitete sich ein Monstreprozess vor. Auf einer Seite standen 17
der Hauptpartner der Northwest Company und eine grosse Anzahl ihrer Unter-
gebenen, des Mordes, der Aufreizung der Indianer, des schweren Landfriedens-
72 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
bruchs und des Hochverrats angeklagt, auf der andern Scite Lord Selkirk,
die Offiziere der Regimenter de Meuron und Watteville, die auf Grund ihrer
Biirgschaft erschienen, Bourke, Mac Leod, Pritchard, Clarke, Decoigne und
mehrere Offiziere der Hudsonsbay Company, die von den Nordwestern ge-
fangen eingeliefert waren, und Colin Robertson, der sich frciwillig gestellt
hatte, alle des einfachen Landfriedensbruchs bezichtigt.
Der Prozess wurde auf alle mogliche Weise in die Lange gezogen, von
Unter- nach Oberkanada verlegt und mehrfach die Jury gewechselt und
endlich, als dieselbe 8 Tage lang eingeschlossen sass, ohne sich einigen zu
konnen, wurde der Prozess auf Antrag des der Northwest Company giinstig
gesinnten Attorney General auf unbestimmte Zeit vertagt und die Unter-
suchung ganz fallen gelassen.
Nur Lord Selkirk wurde auf dem Wege der Zivilklage zur Zahlung von
500 Pfund Entschadigung an Daniel Mac Kenzie wegen unrechtmassiger Ein-
kerkerung verurteilt.
Nun ging aber der Tanz erst recht los, und im Indianergebiet entspann
sich der Kampf aufs neue.
Colin Robertson und John Clarke fiirirten eine starke, neu gesammelte
Expedition in das Athabascawgebiet, wo sie bald den alten Einfluss auf die
Indianer gewannen. Hier wurde aber Robertson eines Tages vor seinem Fort
Wedderbourne durch eine Streifschar Nordwester unter Simon Me Gillivray
iiberf alien, nach Fort Chipewyan gebracht und dort 8 Monate in enger Haft
gehalten. Im Friihjahr wurde er dann unter starker Bedeckung nach Montreal
geschickt. Bei Cumberland!] ouse befreiteihn indessen eine Schar Hudsonsbay-
Voyageurs und begleitete ihn nach dem Athabasca wriver zuriick.
Der Gouverneur William nahm jetzt am Grand River die Wintering-
partner der Northwest Company, Simon Me Gillivray, Me Intosh, Me Tavish,
\Villiam Shaw, Campbell und Frobisher gefangen und brachte sie nach York-
fort. Frobisher entsprang auf dem Transport, erlitt aber den Hungertod in
den Siimpfen des Hayesriver. Dieser Schlag lahmte die Unternehmungen der
Northwest Company, wahrend die Hudsonsbay Company unter der energischen
Fiihrung von Clarke und Robertson sich immer weiter ausbreitete, den
Peaceriverdistrikt in Angriff nahm, dort zahlreiche Forts errichtete und dann
die Rockymountains iiberschritt und ,,Neukaledonien" (British Columbia)
dem Pelzhandel erschloss. Auch an dem machtigen Mackenzieriver im hohen
unwirtlichen Norden wurden Handelsposten erbaut. Alle Nordwester, die
man antraf, wurden gefangen genommen. Robertson fuhrte dann eine Kanoe-
brigade mit ungemein reicher Pelzausbeute zuriick. Hierbei geriet er selbst
in einen Hinterhalt und wurde durch eine starke Truppe Nordwester auf
weiten Umwegen nach Montreal gebracht. Am Sault de St. Marie am Siid-
ende des Obern Sees, gelang es ihm durch einen kiihnen Sprung sich zu be-
freien und, von Polizisten dicht verfolgt, das Gebiet der Vereinigten Staaten
zu gewinnen. Von hier aus begab er sich nach England, wo gleichzeitig mit
2. Kapitel.
ihm zwei Abgesandte der Northwest Company, Dr. Bethune und Angus Shaw,
eintrafen, urn Friedensvorschlage zu unterbrciten.
Nach langeren Verhandlungen kam auch am 26. Marz 1821 der Friedens-
vertrag zustande. Die stolze Konigin des Westens horte auf zu existieren und
wurde mit der Hudsonsbay Company vereinigt. Das gesamte Geschaft sollte
unter dem alleinigen Namen der H. B. C. gefiihrt werden und zwar vorlaufig
auf 21 Jahre. Die Northwest Company brachte 200 ooo Pfund ein, wahrend
die Hudsonsbay Company ihr Kapital durch Nachzahlungen auf die gleiche
Hohe brachte.
Die Geschafte wurden nach wie vor in London von dem Gouverneur und
Komitee der H. B. C. in ihrem Hause in Fenchurch Street (jetzt in Limestreet)
geleitet, aber in Amerika wurde die Verwaltung ganzlich geandert. Hier fuhrte
ein Gouverneur, dem 25 Chieffactors und 28 Chieftraders zur Seiten standen,
die Geschafte. Alljahrlich fand eine Versammlung dieser statt, denen die
hochste Gewalt im Gebiete zustand.
Vom Reingewinn wurden jahrlich nur 60 Proz. fur die Aktionare be-
stimmt. Die iibrigen 40 Proz. wurden in 85 Teile geteilt. Jeder Chief factor
erhielt hiervon 2, jeder Chieftrader i. Vier Teile sollten fur die nachsten
7 Jahre an alte Diener und 3 Teile an Me Gillivray & Ellice als Ent-
schadigung gezahlt werden. Nach Ablauf der 7 Jahre werden diese 7 Teile
als Pension fur ausgetretene Chief fact or en oder Chieftrader bestimmt.
Jeder Chief factor und Chieftrader hatte nach dreijahriger Uberwinterung
die Berechtigung, beim Austritt einen vollen Jahresanteil und noch 4 Jahre
lang einen halben Anteil zu beanspruchen, nach funfjahriger Uberwinterung
einen vollen Anteil und 6 Jahre lang einen halben Anteil.
Es durften aber jahrlich nicht mehr als 3 Chief factoren oder 2 Chief-
factoren und 2 Chieftraders austreten. Sonst konnten diese Beamten auch,
w7enn sie nicht so lange iiberwintert hatten, nach einjahriger Kiindigung ihren
Abschied nehmen, gingen aber ihres Anteils verlustig.
Die neuen Chieffactoren mussten aus den Chieftraders und diese aus den
Clerks gewahlt werden und zwar durch den oben erwahnten jahrlichen Rat.
Die Wahl musste aber durch den Gouverneur und das Komitee in London
bestatigt werden.
Alle Jahre erhielten auch 3 Chieffactors und 2 Chieftraders ein Jahr
Urlaub nach Europa, und bestimmte der Rat auch die Reihenfolge des Urlaubs.
Diese Versammlung hatte auch das Recht, irgendwelche Beamte der Kompanie
zu bestrafen oder zu entlassen, jedoch nur nach erfolgter Bestatigung von
London. Ein Clerk konnte indessen wegen gewohnheitsmassiger Trunksucht
und wegen Unter schlagung sofort durch den Rat entlassen werden. Zur Be-
strafung oder Entlassung in einer der beiden hoheren Beamtenklassen gehorte
aber die Zustimmung des Gouverneurs und eine Zweidrittelmajoritat der
Versammlung, in der mindestens 12 der Berechtigten anwesend sein mussten.
Rechtskraftig wurde das Urteil erst nach Bestatigung in London. Die Rats-
74 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
versammlung bestimmte auch, wieviel Lebensmittel und Ausriistungsgegen-
stande jeder dieser Beamten zu empfangen habe. Jahrlich habe Abrechnung
zu erfolgen, und am 15. April seien die einzelnen Anteile auszuzahlen. Eine
Anderung der Bestimmungen sei nur durch eine Zweidrittelmajoritat samt-
licher Chieffactoren und Chieftraders zulassig.
Die erst en Chieffactoren wurden zu gleichen Teilen aus den Partners
der Northwest Company und den hoheren Beamten der Hudsonsbay
Company gewahlt. Auch Colin Robertson und Johne Clarke wurden Chief-
factoren.
Das Leben eines solchen Beamten war ein sehr schweres und anstrengendes,
Die zugeteilte Nahrung war zwar sehr reichlich, wurde doch allein pro Kopf
Barke der H. B. C. mit Felladuiig.
8 Pfund Biiffelfleisch oder ein entsprechendes Quantum Fisch pro Tag ge-
liefert, doch irgend welcher Luxus fehlte, und viel Abwechslung in der Nahrung
wurde nicht gewahrt.
Der Gewinnanteil bei vollig freier Station belief sich fur einen Chief-
factor auf wohl 1000 bis 1500 Pfund per Jahr. Zu wirklichem Reichtum ge-
langte meines Wissens nur ein Chieffactor, der Dr. Rae, der fur Auffindung
der Reste der Franklin-Expedition die Parlamentsbelohnung von 50 ooo Pfund
erhielt.
Nach dem Kriege zwischen England und den Vereinigten Staaten, 1812
bis 1814, war im Vertrage zu Gent auch die Grenze der beiden Gebiete fest-
gesetzt worden. Dieselbe wurde gebildet durch eine Linie, die von der Nord-
westecke des Lake of the woods nach den Quellen des Mississippi und von
dort auch langs dem 49. Grad nordlicher Breite lief.
2. Kapitel. 75
1823 wurde diese Grenze durch eine Kommission unter Long imd Say
sorgfaltig vermessen. Eine solche Grenzregulierung war notwendig geworden,
well sowohl die Hudsonsbay Company, als zahlreiche amerikanische Gesell-
schaften Handelsposten auf gegnerischem Gebiete errichtet batten und sich
gegenseitig scharfe Konkurrenz machten.
Es ist nun Zeit, dass wir auch die Entwicklung des Pelzhandels auf dem
Gebiet der Vereinigten Staaten in Betracht ziehen.
II.
Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
3. Kapitel.
Wir batten weiter oben gesehen, wic im Jahre 1609 Henry Hudson im
Dienste der Niederlander den Hudsonsriver entdeckt hatte.
Die hollandische Ostindische Kompanie dachte gar nicht daran, die Vor-
teile, welche ihnen die Entdeckungen Hudsons verschafft hatte, auszunutzen.
Schon der Umstand, dass die Belgier, ihre alten Widersacher, den nordamerika-
nischen Handel befiirworteten, geniigte ibnen, um jeden Gedanken daran
fallen zu lassen.
Dagegen nahmen eine Anzahl anderer niederlandischer Kaufleute die
Sache in die Hand, und errichtete 1612 cinen Handelsposten auf der Siid-
spitze derlnselManhatta, die sie Neu-Amsterdam nannte,sowie das Fort Orange.
Das ganze Land, welches die heutigen Neu-England-Staaten umfasst,
wurde Neu-Niederland genannt. Hauptsachlich wurde Pelzhandel mit den
Indianern getrieben mit solchem Erfolge, dass damals jahrlich etwa 80 ooo
Biberfelle nach Amsterdam gelangten. Da auch die Ausbeute der Polargegenden
an Eisbaren, Weissfuchsen, Blaufiichsen etc. zum grossten Teil nach Holland
gelangt, war Amsterdam damals einer der Hauptsitze des europaischen Pelz-
handels.
Die Niederlassung Neu-Amsterdam erfreute sich aber vom Mutterlande
keiner besonderen Unterstutzung. Die mcisten Ansiedler und Kaufleute ge-
horten zur belgischen oder calvinistischen Partei, die sich von seiten der
Regierung der Generalstaaten keiner besonderen Sympathie erfreute.
Ihre Hauptstiitze, der schon fruher erwahnte John Oldenbarneveld, einer
der hochsten Wurdentrager des Landes, Ratspensionar von Holland, wurde
sogar im Jahre 1619 wegenWiderstandes gegen die Generalstaaten als Religions-
storer enthauptet. Trotzdem entwickelte sich die Kolonie ganz zufrieden-
stellend, namentlich als nach der Niederlage der belgischen Partei auch die
Hollandisch-ostindische Kompanie Kontore in Neu-Amsterdam erofmete,
1630 besass die Ansiedlung etwa 1000 Einwohner, doch gelangte sic bald in
Konflikt mit ihren Nachbarn, den Englandern.
Virginien war schon 1584 Walter Raleigh zugesprochen worden, aber
nach dessen Hinrichtung 1618 wieder an die Krone gef alien, nachdem bis-
herige Versuche zur Kolonisation fehlgeschlagen war en. Jetzt wurde das
Land der 1606 gegriindeten Plymouth Company zuerteilt, die nunmehr am
3. Kapitel.
Jamesriver eine dauernde Niederlassung errichtete, aber auch im Norden von
Neu-Niederland regie es sich bald.
Die aus England wegen religioser Differenzen vertriebenen ,, Pilgrim
fathers" batten auf der ,, Mayflower" Amerika erreicht und 1620 die Stadt
Plymouth gegriindet. Auch hier wurde ebenso wie bei der 1630 durch John
Winstrup begriindeten Stadt Boston hauptsachlich Pelzhandel getrieben.
Die Plymouth Company selbst begriindete wenige feste Stiitzpunkte, sondern
begniigte sich meist mit dem Handel von ihren Schiffen aus; schenkte oder
verkaufte aber verschiedene grossere Landstriche an andere Unternehmen.
So z. B. 1630 Connecticut an den Grafen von Warwick.
Zur selben Zeit, 1630, wurde auch am Delawarefluss eine Niederlassung
von Schweden unter dem Namen Neuschweden begriindet, welche aber 1655
Wappen von Neu-Amsterdam.
von den Niederlandern in Neu-Amsterdam erobert und ihren Territorien einver-
leibt wurde. Wahrenddes langen Biirgerkrieges in England hatten die hollan-
dischen Kolonien einige Ruhe, wenngleich sich die Streifziige der englischen
Jager und Pelzhandler immer weiter ausdehnten. Cromwell legte aber 1651
durch seine Navigations-Akte den Grund zur Bliite der englischen Kolonien,
die nach der Restauration unter Charles II. einen weiteren Aufschwung nahm.
Die Navigations-Akte entfesselte 1652 einen der hatnackigsten Kolonial-
und Seekriege zwischen Holland und England, bei dem sich die hollandische
Flotte unter van Tromp und Michael de Ruyter mit unsterblichem Ruhm be-
deckte, der aber doch mit dem Siege Englands endigte. Der Friede war nicht
von langer Dauer, Karl II. hatte seinem Bruder, dem Duke of York, alle
Besitzungen in Nordamerika, einschliesslich des mm gar nicht gehorenden
Neu-Niederland, zum Geschenk gemacht, und 1664 wurde Neu-Amsterdam
durch eine Flotte erobert und die ganze Kolonie fur englischen Besitz erklart
und aller Besitz der Hollandisch-ostindischen Kompanie eingezogen.
Zwar wurde das Land 1673 durch ein hollandisches Geschwader wieder
erobert, aber nur voriibergehend gehalten und 1674 endgiiltig an England
^8 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
abgetreten. Es blieb Privatbesitz des Duke of York, auch als er bereits
Konig James II. geworden war. Nach der Vertreibung der Stuarts 1689
wurde das Land Kronskolonie, und von diesem Zeitpunkt datiert sein Auf-
schwung. Die Nachkommen der damaligen hollandischen Kolonisten geniessen
aber noch heute das giosste Ansehen in New York, noch mehr als die Nach-
kommen der Pilgrin fathers, die mit der ,, Mayflower" gekommen waren. Die
sogenannten Knickerbocker-Fainilien, die Stuyvesandts, Schuylers, Roose-
velts etc. sind heute, obgleich nicht besonders reich, exklusiver als selbst der
osterreichische Hochadel und betrachten Familien wie die Astors und Vander-
bilts, von den neuen Milliardaren wie Morgan und Rockefeller ganz abgesehen,
als Emporkommlinge, mit denen sie eine Gemeinschaft ablehnen; nur die
Nachkommen der ,,Cavaliere", die alten Familien von Virginien, werden als
gleichberechtigt erachtet.
Wie schon ofters erwahnt, betrieben auch die Kaufleute von Boston und
New York eifrigst Pelzhandel, aber ihre Unternehmungen waren lange nicht
so ausgedehnt, wie die der Franzosen, man beschrankte sich mehr auf den
Handel mit den Indianern der Nachbarschaft. Auch existierten keine grosseren
Gesellschaften, welche dies Geschaft betrieben. Erst nach der Eroberung
Kanadas anderte sich dies. Michillimacinaw an der Miindung des Michigan-
Sees in den Huronen-See, wurde ein grosses Emporium, wo englische Kauf-
leute bereits 1763 zahlreich sich niedergelassen hatten und mit den Montreal-
Firmen stark konkurrierten.
1783 bildete sich hier eine Genossenschaft englischer Kaufleute unter
dem Namen der Michilimakinaw Company oder, wie sie sich abgekiirzt nannte,
die ,, Mackinaw Company".
Mit der Northwest Company wurde ein Abkommen getroffen, dass man
sich gegenseitig nicht ins Gehege kame, und die neue Gesellschaft sandte ihre
Bootsgesch wader durch den Michigan- See, den Fox und Wisconsinriver bis
in den Missouri. Ihre ausgesandten Handler gingen alle Nebenfliisse des
Missouri hinauf und drangen auf dem Mississippi bis nach Louisiana vor.
Obgleich zwar New Yorker und Bostoner Kaufleute an dem Unternehmen
beteiligt waren, blieb es doch vorwiegend englisch und erregte deshalb die
Eifersucht der Regierung der Vereinigten Staaten, die es sehr ungern sah,
dass Fremde solchen Einfluss in ihrem Gebiete erlangten.
1796 errichtete die Regierung deshalb uberall an den Grenzen Handels-
Posten und Agenturen, welche den Indianern alle Bediirmisse gegen Felle
liefern sollten. Wie aber alle derartigen Regierungsunternehmungen hatte
auch dies wenig Erfolg.
Um diese Zeit aber trat ein neues Element im amerikanischen Rauch-
warenhandel auf. Johann Jacob Astor, 1763 als Sohn eines Kurschners in
Waldorf bei Heidelberg geboren, ging 1783 nach den Vereinigten Staaten, um
seinem dort ansassigen Bruder eine Warensendung zu uberbringen.
In der Cheasepeakebai wurde das Schiff mehrere Monate vom Eise ein-
3. Kapitel.
geschlossen, doch war eine Verbindung mil dem Ufer moglich. Hierbei schloss
der junge Astor Freundschaft mil einem amerikanischen Pelzhandler und er-
kannte bald, welche grossen Vorteile dieses Geschaft damals bot.
In Gemeinschaft mit dem neugewonnenen Freunde ging er nach New
York, legte seine gesamten Mittel in Rauchwaren an, mit denen er nach London
zuruckkehrte, um sie dort sehr vorteilhaft zu verkaufen.
1784 kam er dann wieder nach New York, um sich hier endgiiltig nieder-
zulassen. Er dehnte seinen Geschaftsbetrieb bald aus und besuchte auch regel-
massig Kanada, um dort Rauchwaren einzukaufen und direkt nach London
zu schicken, denn das damalige System des Kolonialrechts gestattete es nicht,
Produkte der Kolonien anderswo hinzuschicken als nach dem Mutterlande.
1795 wurde dann ein Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und
England geschlossen, wonach erstens der direkte Handel zwischen den ersteren
und Kanada gestattet wurde, und ferner England die noch auf amerikanischem
Gebiete innehabenden Posten Oswego, Niagara, Detroit und Michillimacinaw
den Vereinigten Staaten abtrat.
Astor dehnte seine Unternehmungen immer weiter aus und erwarb ein
bedeutendes Vermogen, aber er hatte als einzelner schwer gegen die Konkurrenz
der machtigen Macinaw Company anzukampfen. 1809 griindete er deshalb die
American Fur Co. mit einem eingezahlten Kapital von i Million Dollar, die
vom Staate New York Korporationsrechte erhielt und von der Regierung
stark begiinstigt wurde.
Alleiniger Aktionar war Astor, da er das ganze Kapital aus eigenen Mitteln
beschaffte.
Da sich der Wettkampf mit der alteren Macinaw Company verscharfte,
kaufte Astor mit Hilfe einiger Partner der Northwest Company die rivali-
sierende Gesellschaft auf und verschmolz sie mit der seinigen zur Southwest
Company, die nun unumschrankt den Pelzhandel der Vereinigten Staaten
beherrschte. Aber bald geniigte dies dem umfassenden Geiste Astors nicht
mehr, er wollte sich auch des Pelzhandels der Westkiiste mit China bemachtigen.
Von dem lukrativen Pelzhandel, den die Russen in ihren Besitzungen in
Nordwest-Amerika trieben, und worauf ich spater zuriickkomme, war zwar
damals wenig bekannt, desto mehr Aufsehen hatten die Erfolge englischer
Unternehmungen in diesen Gegenden erregt.
Im Jahre 1785 war James Hannan mit einer Brigg von 60 Tonnen mit
20 Mann Besatzung von Canton aus nach dem Nootka-Sund gegangen und
hatte dort eine wertvolle Ladung Seeotter, Silberfiichse etc. nach China
geholt und die Reise mit gutem Erfolge das nachste Jahr in einem grosseren
Schiff wiederholt.
Im gleichen Jahre sandten auch die Kaufleute von Bombay zwei Schiffe
und die Kaufleute von Bengalen zwei weitere Fahrzeuge nach der Westkiiste
Amerikas, um Pelzhandel zu betreiben. Erstere unter dem Kommando von
Kapitan Strange, letztere unter dem beriihmten Entdecker Kapitan Mears.
8o II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Im gleichen Jahre bildeten mehrere Londoner Firmen die King Georges
Sound Company, um Pelzhandel zwischen West-Arnerika und China zu treiben,
wozu sie die Erlaubnis von der Southsea Company und der Eastindia Company
erhielten, die damals das Monopol des Chinahandels batten.
Zwei Schiffe, die ,,King George" zu 320 Tonnen und die ,, Queen Charlotte"
zu 200 Tonnen, wurden unter Kommando von Kapitan Portlok und James
Dixon (einem Gefahrten Cooks) gestellt und verliessen am 31. August 1785
Gravesend. Die Falklandsinseln und Sandwichinseln anlaufend, erreichtc die
Expedition am 19. Juli 1786 den Cooksriver, wo man bereits eine russische
Ansiedlung vorfand. Die Expedition kreuzte handeltreibend an der Kiistc
bis zum Prinz William Sound, uberwinterte dann auf den Sandwichinseln und
vervollstandigte dann im nachsten Jahre ihre Ladung an der Kiiste. Hier
traf man auch die ,,Nootka" und die ,,Seaotter" unter Kapitan Meares, die
jede einige tausend Seeottern an Bord batten, aber sehr vom Skorbut ge-
litten batten.
Die Schiffe der King Georges Sound Company lief en dann unversehrt in
Canton ein mit 2000 prima Seeottern, etwa doppelt so vielen geringeren, sowie
einer grossen Menge Fuchsfellen, Schuppen, Zobeln und Sealskin. Seeotter-
felle kosteten damals in Canton 90 Golddollar das Stuck, abcr durch einen
Fehler in der Lizenz musste die Expedition ihre Ausbeute an die Eastindia
Company verkaufen, die nur 20 Dollar per Stuck gab.
Nun beschaftigten sich viele mit dem lukrativen Handel.
1792 waren bereits 20 Schiffe an der Kiiste, die Mehrzahl amerikanischen
Kaufleuten aus Boston gehorig. Sie blieben gewohnlich zwei Jahre an der
Kiiste, dabei auf den Sandwich-Inseln iiberwinternd, verkauften ihre Ladung
in Canton, nahmen dort Tee, Seide etc. ein und kehrten nach Boston zuriick.
Unter diesen Fahrzeugen befand sich auch die ,, Columbia" von Boston
unter Kapitan Gray, welcher 1792 in 46 Grad 20 Min. die Miindung eines
grossen Flusses entdeckte, den er Columbiariver nannte.
1793 hatte Mac Kenzie im Auftrage der Hudsonsbay Company, wie oben
bereits erzahlt, die Rocky Mountains iiberschritten, den Stillen Ozean erreicht
und die Miindung des Fraseriver entdeckt. Die Hudsonsbay Company sowie
die Northwest Company beeilten sich beide bekanntlich, das neu entdeckte
Gebiet in den Bereich ihrer Handelsoperationen zu ziehen.
Die Regierang der Vereinigten Staaten entsandte nan 1804 eine Expe-
dition unter Lewis und Clarke, um die Pacific-Kiiste auf dem Landwege zu
erreichen und zwar vom Missouri aus, einen Plan, den schon 1773 der Eng-
lander Carver auszufuhren versuchte, der ausgebrochenen amerikanischen
Revolution halber aber aufgeben musste.
Lewis und Clarke lost en ihre Aufgabe aufs glanzendste. Sie zogen den
Missouri aufwarts, iiberstiegen die Rocky Mountains und gingen den Columbia
bis zu seiner Miindung hinab. Hier liberwinterten sie und kehrten im Friih-
jahr ebenfalls auf dem Landwege zuriick.
3. Kapitel. 8l
Dies gab Astor die Idee zu seinem grossartigen Unternehmen. Er wollte
langs des Missouri und des Columbia eine Reihe Handelsposten errichten und
ein Haupt depot an der Mundung des letzteren. Ein Netz kleinerer Handels-
posten sollte sich iiber die Nebenfliisse erstrecken und seine Waren von der
Hauptniederlassung erhalten und die eingehandelten Felle dorthin abliefern.
Kleine Fahrzeuge, die am Columbia erbaut werden sollten, waren zum
Kiistenhandel wahrend des Sommers bestimmt.
Jahrlich sollte ein Schiff von New York die notigen Tausch waren sowie
Nahrungsmittel an den Columbia bringen, die Pelzausbeute in Empfang
nehmen, nach Canton bringen, dort verkaufen, da ja die Amerikaner durch
das Monopol der Ostindischen Kompanie nicht gehindert waren, eine Ladung
chinesischer Waren einzunehmen und damit nach New York zunickzukehren.
Die amerikanische Regierung war dem Plane sehr giinstig gesinnt.
Es kam noch dazu, dass gerade diplomatische Verwicklungen mit Russ-
land drohten. Die amerikanischen Schiffe brachten den russischen Ansied-
lungen Lebensmittel, benutzten aber die Gelegenheit, den Indianern Feuer-
waffen im Tauschhandel zu liefern. Die Regierung beschloss nun, dass Astor
durch das jahrliche Schiff auch die russischen Ansiedlungen mit Lebensmitteln
zu versorgen habe, dagegen sollten andere amerikanische Schiffe fernbleiben.
Die Konkurrenz der Northwest Company, die gleichfalls der Mundung
des Columbia auf dem Landwege von Kanada aus zustrebte, blieb indessen
zu fiirchten, weshalb Astor derserben den Vorschlag machte, sich an seinem
Unternehmen mit einem Drittel zu beteiligen.
Nach langeren Verhandlungen lehnte die kanadische Gesellschaft indessen
die Vorschlage ab. Astor beschloss deshalb, moglichst schnell allein vor-
zugehen und den Rivalen auf alle Falle zuvorzukommen.
Es handelte sich nun um die Gewinnung passender Leute, die an das
Leben in der Wildnis und den Handel mit Indianern gewohnt waren. Er
suchte und fand mehrere unter den Nordwestleuten, welche bei der Befor-
derung iibergangen waren oder sich sonst zur Unzufriedenheit berechtigt
glaubten.
Es waren dies Alexander Mac Kay, der von 1789 bis 1793 Mackenzie
auf seinen kiihnen Fahrten an die Pacific- Kiiste begleitet hatte, ferner Duncan
Mac Dougall und Donald Mac Kenzie.
Hierzu kam Wilson Price Hunt, ein Amerikaner aus New Jersey, der
Leiter der Niederlassung am Columbia sein sollte.
Am 23. Juni 1810 wurde ein Vertrag zwischen diesen 4 Herren und
Astor geschlossen zur Begrundung der Pacific Fur Company. Astor sollte die
Unternehmungen in New York leiten, die Schiffe, Waren und sonstigen Bediirf-
nisse liefern bis zur Hohe von 500 ooo Dollars. Das Kapital der Gesellschaft
wurde. in 100 Aktien geteilt, wovon Astor die Halfte erhielt, die andern
wurden unter die Partner und ihre Associes verteilt.
Astor hatte das Recht, weitere Partner einzufuhren, von denen aber
6
§2 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
mindestens zwei an den Handel mit den Indianern gewohnt sein mussten,
und von denen keiner mehr als 3 Aktien erhalten durfte. Wenn die Geschafte
gut gingen, sollte die Kompanie 20 Jahre bestehen, doch hatte jeder das
Recht, wahrend der ersten 5 Jahre auszutreten, wenn das Unternehmen sich
nicht als lukrativ bewahrte. Fur diese ersten 5 Jahre ubernahm es Astor
alle eventuellen Verluste allein zu tragen. Erst nach dieser Zeit sollten auch
Verluste gemeinschaftlich getragen werden.
Es wurden nun ungesaumt zwei Expeditionen organisiert. Die eine
unter Befehl von Hunt sollte auf dem Landwege vordringen und gleich auf
dem Marsche die besten Platze zur Anlage der Posten bestimmen, die die
Verbindungslinie spater bilden sollten.
Eine zweite Expedition sollte zur See das Personal, Vorrate, Waren und
alles Notige an die Miindung des Columbia bringen und dort mit dem Bau der
Hauptniederlassung beginnen.
Hierzu kaufte Astor das Schiff ,, Tonquin" von 2QQ Tonnen mit 10 Ge-
schiitzen an und stellte es unter Kommando des Marineleutnants Jonathan
Thorn, der dazu Urlaub von der Regierung erhielt.
Ihn begleiteten die 4 Partner Mac Kay, Mac Dougall, David Stuart
und Robert Stuart. Ferner 12 Clerks, die mit einem Gehalt von 40 Dollar
jahrlich und freier Station auf 5 Jahre engagiert waren mit einem Bonus von
500 Dollar am Ende dieses Zeitraums, und denen in Aussicht gestellt wurde,
dass sie spater Teilhaber werden konnten.*
Ausserdem befanden sich noch einige Handwerker und eine Anzahl
kanadischer Voyageurs, bekanntlich die besten Bootsleute der Welt, an Bord.
Der Tonquin nahm auch die Bestandteile eines Schoners mit, der am
Reiseziel zusammengesetzt und zum Kiistenhandel dienen sollte. Ausserdem
waren Handelswaren, Saatgut, landwirtschaftliche Gerate und alles zur Be-
griindung einer Kolonie Notwendige eirtgeschifft worden.
Gleich beim Anfang ergaben sich iibrigens Schwierigkeiten. Zwei der
Teilnehmer, friihere Partner der Northwest Company, verrieten im geheimen
den ganzen Plan dem englischen Gesandten, und ein englisches Kriegsschiff
kreuzte ausserhalb Sandy Hooks, um die an Bord befindlichen kanadischen
Bootsleute zum Marinedienst zu pressen.
Am 10. Oktober 1810 setzte die ,, Tonquin" Segel und gelangte auch un-
gehindert in See. Von vornherein schien aber ein Unstern auf der ganzen
Expedition zu ruhen. Es brachen sofort Zwistigkeiten aus. Der Kapitan Thorn
betrachtete sich immer noch als Kriegsschiffkommandant und wollte auch
unter den Passagieren eine Kriegsschifldisziplin eintiihren. Diese betrachteten
sich anderseits als Eigentumer des Fahrzeugs, und so entstanden fortwahrend
ernste Reibereien. Auf den Sandwichinseln wurde noch ein Dutzend Insulaner
in Dienst, sowie eine Anzahl lebender Schweine i.nd trische Provisionen an
Bord genommen, und am 22. Marz die Miindung des Columbiariver erreicht.
Bei der Untersuchung der Einfahrt gingen zwei Boote und acht Mann ver-
3. Kapitel.
loren. Am Siidufer des Flusses wurdc am Point George das Fort Astoria
errichtet, in schoner Lage und leicht erreichbar von den vier Indianerstammen,
welche die Gegend ziemlich dicht bevolkerten. Es waren dies die Chinooks,
die Klatsops, die Wahkiakums und die Klahmats. Am 5. Juni ging die
,,Tonquin" wieder unter Segel, mit Mac Kay und Lewis an Bord, um eine
Handelsreise nachNorden anzutreten, von wo sie nichtmehrzuriickkchren sollte.
Im Hafen Newetee auf Vancouvers Island hatte man Anker geworfen
und bereits eine grosse Menge Seeotterfelle eingetauscht, als Kapitan Thorne
mit einem Hauptling der Indianer in Streit geriet und ihm das angebotene
Seeotterfell um die Ohren schlug. Die Indianer verliessen darauf das Schiff,
Fort Babine der H. B. C.
und Mac Kay verlangte sofortige Abfahrt, da cr die Rache der Eingeborenen
furchtete. Eigensinnig verweigerte dies der Kapitan und schien Recht zu be-
halten, denn am nachsten Tage erschienen zahlreiche Boote, deren Insassen
anscheinend unbewaffnet an Bord kamen und Mengen von Seeotterfellen zu
den am Tage vorher verweigerten Preisen anbotcn. Als Tauschobjekt wurden
aber ausschliesslich Messer gewahlt. Auf ein Signal bin fielen nun die Wilden
mit diesen und den unter dem Mantel verborgenen Kriegskeulen iiber die
Mannschaft her. Mac Kay und Lewis fielen beim erst en Ansturm. Nach
heldenmutiger Verteidigung fiel der Kapitan Thorne und die Mehrzahl der
Mannschaft. Nur vier gelang es, die Kajiitc zu erreichen, wo die Gewehre
standen und von hier aus durch ein wohlgezieltes, andauerndes Feuern die
Indianer vom Deck in die Kanoes zu treiben. Auf die Fltichtigen wurden dann
noch einige Kanonenschiisse abgegeben, die furchterliche Verheerungen an-
richteten. Wahrend der Nacht verliessen die vier unverletzten Matrosen* -das
Schiff in einem Boot, nur der tot rich verletzte Lewis blieb an Bord.
6*
g^ II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Am nachsten Tage, als auf dem Schiff niemand mehr am Leben schien,
kamen die Indianer wieder, und mehrere Hundert waren an Deck und im
Raum mil Pliindern beschaftigt, als mil donnerndem Krach das Fahrzeug in
die Luft flog. Lewis hatte die Pulverkammer in Brand gesteckt, und iiber
zweihundert der Insulaner fanden dabei den Tod. Die entkommenen Matrosen
wurden iibrigens bald darauf gefunden und unter den iiblichen Martern ge-
totet. Von der ganzen Expedition hatte sich nur der indianische Dolmetscher
gerettet, der die Nachricht nach Astoria brachte. Hier war inzwischen Bericht
eingetroffen, dass die Northwest Company einen Posten am Spokaneriver
errichtet hatte, und David Stuart wollte eben mit einer kleinen Schar a$f-
brechen, um in der Nahe des Spokan gleichfalls einen Posten einzurichten,
als man durch die Ankunft des Nordwestpartners Thompson iiberrascht
wurde, der zu Lande die Rockymountains uberschritten und den Nordarm
des Columbian vers herabgefahren war. Er hatte unter wegs in alien Indianer-
dorfern die englische Flagge verteilt und feierlich vom Lande fur England
Besitz genommen. Nichtsdestoweniger wurde er in Astoria freundlich auf-
genommen und begleitete Stuart auf seiner Expedition, um von da aus nach
Montreal zuriickzukehren. Nach Uberschreiten der Cataracte des Columbia
wurde ein Handelsposten am Einfluss des Okanagan in den Columbia errichtet.
Inzwischen war die Landexpedition unter Wilson Price Hunt und Donald
Mac Kenzie im Juli 1810 von Montreal auf dem Wasserwege aufgebrochen
und hatte am 22. Juli Mackinaw erreicht, wo die Ausriistung verstandigt
und die notige Zahl Voyageurs angeworben werden sollte. Mackinaw oder
rich tiger Michillimackinaw, am Zusammenfluss des Huronen- und Michigan-
sees gelegen, war damals der Mittelpunkt des Pelzhandels. Hier war der Sitz
der Mackinaw Company. Von hier aus gingen Bootsbrigaden nach dem Obern
See, nach dem Mississippi bis nach Louisiana und nach dem Missouri bis nach
dem fern en Westen. Andre Bootsbrigaden brachten die herbeigestromten Pelz-
waren nach Montreal. Die heimgekehrten Voyageurs verjubelten hier in
Mackinaw den Erlos mehrer in schwerer Arbeit vollbrachten Jahre oft in
wenigen Wochen. Von Zeit zu Zeit kamen auch die Canots der Northwest
Company, die grossen ,, Canots du maitre", von Fort William herbei, vorn im
Bug den Sackpfeifer, der die heimischen Hochlandsweisen, die Pibrochs und
Ratspeys, iiber die Wogen des Obern Sees und die kanadischen Urwalder hin
erschallen liess. Stolz traten die Angestellten dieser Kompanie stets als die
Fiirsten des Pelzhandels auf, die auf die Leute der andern Pelzhandels- Gesell-
schaften mit Nichtachtung herabsahen.
Am 12. August endlich konnte die Expedition aufbrechen, nahm ihren
WTeg iiber den Michigansee, den Fox, Wisconsinriver und Mississippi und
erreichte am 3. September St. Louis. Dies war damals ein kleiner Grenz-
posten, der nur Wichtigkeit durch seinen Pelzhandel hatte. Von hier aus
gingen Trapper- und Handlerexpeditonen weit in das Innere. Besonders
bedeutend war die 1808 durch zwolf Partner begriindete Missouri Fur
3. Kapitel. 85
Company, die 250 Angest elite beschaftigte und zahlreiche Handelsposten am
Missouri, seinen Nebenfliissen und im Gebiete der Sioux, Ricarees und
Mandanen besass. Die Bevolkerung war eine ungemein gemischte. Der fran-
zosische Einfluss herrschte besonders unter den Handelshausern vor, neben
den zahlreichen franzosisch-kanadischen Voyageurs zeichneten sich die rauhen
Mississippibootsleute, die schweigenden Hinterwalder von Kentucky, die am
erikanischen Trapper aus dem Indianergebiet aus. Oft begegnete man Trupps
von Indianern mit dem Federschmuck, in buntfarbige Decken gehullt, die die
Wunder der Zivilisation anstaunten.
Hier wurden noch einige Jager und Trapper angeworben, doch hatte
der stille Widerstand der Missouri Fur Company und der Mackinaw
Company so langen Aufenthalt verursacht, dass man erst Ende Oktober
St. Louis verlassen konnte, und etwa 500 Kilometer von der Missouri-
mundung entfernt durch den Frost iiberrascht, Winterquartier aufschlagen
musste. Erst im April konnte die Weiterreise auf dem Wasserwege an-
getreten werden.
Es waren jetzt im ganzen 5 Partner, i Clerk John Reed, 40 Voyageurs
und etwa 20 Jager in 4 Barken mit 2 Geschiitzen. Zwei englische Natur-
forscher, John Bradbury und Nuttall, hatten sich angeschlossen.
Nach kurzem Aufenthalt in Omaha wurde dann der Missouri bei einem
Dorfe der Ricaris verlassen und der Landweg iiber die Prarien im Juli ange-
treten. Damals schwarmte die Gegend von ungeheuren Bison- und Antilopen-
herden, aber auch von den kriegerischen Banden der Sioux. Von den Ricaris
wurden Pferde angekauft und mit 82 Packtieren der Marsch angetreten, da
mehr nicht zu erhalten waren, und erst von den Cheyennes 40 mehr beschafft
wurden. Man iiber schritt die Wasserscheide des Missouri und des Yellowstone-
rivers und erreichte am 30. August 1811 den Fuss der Felsengebirge. Durch
die Krahenindianer, mit denen sie die Friedenspfeife geraucht, wurde ihnen
ein Pass durch das Gebirge gezeigt. Mitte September wurde der Oberlauf
des Colorado erreicht, der von ihnen Spanischriver genannt wurde, da sie
von den hier wohnenden Shoshoneindianern erfuhren, dass am Unterlauf des
Flusses in Kalifornien Spanier sassen.
Bald darauf gelangte die Expedition an einen der Zufliisse des obern
Columbia in einer von Bibern wimmelnden Gegend, weshalb hier 4 Trapper
zum Biberfang zuriickgelassen wurden, die dann, wenn sie eine gehorige
Ladung Felle gesammelt hatten, nach Astoria folgen sollten.
Im Oktober erreichte man Fort Henry, den am weitesten vorgeschobenen
Pelzhandelsposten der Missouri Fur Company. Der Posten war aber gerade
verlassen. Hier iibergab Hunt die Pferde einigen Schlangenindianern zur Auf-
bewahrung und konstruierte eine Anzahl Boote, wahrend mehrere Trapper
unter Fiihrung des Partner Miller in der Umgegend zum Biberfang zuriick-
blieben. Der Rest der Expedition schiffte sich in 15 der erbauten Kanoes auf
dem Henryflusse ein.
36 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Man folgte den Fluss hinab, der bald nach dcr Vereinigung mit dem
River enrage den Namen Snakeriver annimmt und in grosserer Breite dahin-
fliesst, von rnehreren Stromschnellen und Tragstellen unterbrochen, in voll-
kommen menschenleerer, aber wild- und fischreicher Gegend. Nur sehr ver-
einzelt wurden Schoshone-Indianer angetroffen, die noch nie einen Weissen
gesehen hatten.
Am 28. Oktober wurde die Expedition durch eine langgestreckte Kette
von Katarakten und Stromschnellen, in der zwei Kanoes ganzlich verloren
gingen und einer der Bootsleute ertrank, zu einem langeren Stillstand ge-
zwungen. Alle ausgesendeten Expeditionen erwiesen die Unmoglichkeit,
auf dem Wasserwege weiter zu kommen. Die Vorrate wurden an dieser Un-
gliicksstelle ,,The Devils scuttle hole" in Cache getan, und die Weiterreise
am 9. November zu Lande angetreten.
Bald trat Nahrungsmangel ein, die Gesellschaft musste sich von Wurzeln,
gefrorenen Beeren und den getrockneten Biberfellen sparlich ernahren, wobei
mehrere Mann dem Hunger erlagen. Erst am 21. Januar erreichten sie unter
den grossten Entbehrungen und Anstrengungen den Oberlauf des Columbia,
nicht weit von der Einmundung des Walla- Wallaflusses.
Hier empfing man von den dort wohnenden Indianern die ersten Nach-
richten von der Griindung des Forts Astoria, die sich soweit in das Innere ver-
breitet hatte. An den grossen Katarakten des Columbia, der am 31. Januar 1812
erreicht war, wussten die Indianer schon den Tod Mac Kays und das Schicksal
des ,,Tonquin".
Hier gelang es auch der Expedition, Kanoes zu erlangen und am
15. Februar Fort Astoria zu erreichen, nach elfmonatlicher Reise vom Missouri.
Jetzt legt der Eisenbahnzug die Strecke in drei Tagen zuriick.
Im Fruhjahr wurden nun mehrere Expeditionen ausgeriistet. Mr. Stuart
wurde mit Vorraten nach dem Fort Okanagan gesendet. Zwei Clerks, Russel
Farnham und Donald Mac Gilles, gingen mit 8 Mann nach The Devils scuttle
hole, um die zuriickgelassenen Waren der Huntschen Expedition zu holen,
und ein anderer Clerk, Mr. Reed, wurde in Begleitung eines Kentucky-Trappers
und zweier Kanadier mit Briefen auf dem Landwege nach New York an Astor
gesendet. Robert Stuart schloss sich ihm an.
Bei den Katarakten des Columbia erregte die blanke Blechbiichse, in
welcher die Depeschen fur New York waren, die Habgier der Indianer, die
kleine Schar wurde iiberfallen, Reed schwer verwundet und die Biichse mit
den Papieren geraubt. Da die Weiterreise nun zwecklos geworden, begab sich
die Expedition nach dem Fort Okanagan, wo David Stuart wahrend des
Winters grosse Vorrate von Biber- und anderen Fellen eingetauscht hatte.
Astor hatte wahrend dieser Zeit mit Russland einen Vertrag zur Ver-
proviantiernng ihrer Handelsposten an der Nordwestkiiste getroffen und
riistete jetzt die Bark ,, Beaver" von48oTonnen Gehalt aus und sandte diese,
beladen mit Waren, Lebensmitteln usw., nach dem Columbia. An Bord be-
3. Kapitel. 87
fand sich noch eine Verstarkung der Besatzung von Astoria, bestehend aus
einem Agenten, 5 Clerks, 15 Handwerkern, samtlich Amerikaner, und sechs
kanadischen Voyageurs. Am 10. Oktober verliess der ,, Beaver" New York
und gelangte gliicklich am 9. Mai 1812 nach Astoria, nachdem vorher nur die
Sandwich-Inseln angelaufen waren.
Es wurden nun mehrere Expeditionen ausgeriistet. Mac Kenzie und
Clarke fiihrten zwei Abteilungen zur Errichtung von Handelsposten an der
Gabel des oberen Columbia, um dort der Konkurrenz der Northwest Company
zu begegnen. David Stuart fiihrte eine weitere Abteilung mit Vorraten nach
Fort Okanagan und Robert Stuart, begleitet von Mac Lellan, sollte Depeschen
auf dem Landwege zu Astor bringen, der bisher noch ohne jede Nachricht
geblieben war. Am 29. Juni brachen alle Expeditionen unter dem Donner
der Salutgeschutze auf. Bis zur Gabel des Columbia sollten alle zu gegen-
seitigem Schutz beisammenbleiben. Am 31. Juli wurde der Walla- Walla er-
reicht, wo Stuart Pferde zur Weiterreise von den Indianern kaufte. Am
30. April 1813 wurde nach beschwerlicher und gefahrlicher Reise St. Louis
erreicht, und Astor erhielt nun die ersten Nachrichten von der Faktorei.
Astor hatte gerade den Vertrag mit der russischen Regierung abgeschlossen,
wonach sich beide Teile in den Handel der Nordwestkuste teilten, und wonach
die Pacific fur Company nicht nur die russischen Posten mit Proviant ver-
sorgen sollte, sondern auch deren Pelzausbeute in Kommission erhielt, um
sie in Canton zu verkaufen, als der englisch-amerikanische Krieg ausbrach.
Da die Aussendung des jahrlichen Schiffes mit Vorraten von New York
deshalb riskiert schien, beorderte Astor den ,, Beaver" mit Vorraten von Canton
aus nach Astoria, um dort unter Hunts Befehlen zu bleiben. Der ,, Beaver"
segelte auch ab, doch ging er jedenfalls mit Mann und Maus in einem Typhon
zugrunde, denn man hat nie wieder etwas davon gehort.
Die Northwest Company sandte jetzt auch ein Fahrzeug, den ,, Isaac
Todd", mit 20 Geschiitzen nach der Columbiamundung, um dort ein Fort zu
errichten, und es ging das Geriicht, dass auch die englische Regierung ein
Geschwader schicken wiirde, um Astoria wegzunehmen. Astor schrieb an
den Staatssekretar Monroe, dem Vater der famosen Doktrin, und bat um
Schutz der amerikanischen Regierung resp. um Abgabe einer Besatzung von
50 Mann, erhielt aber iiberhaupt keine Antwort. Inzwischen schickte er im
Marz 1813 die ,,Lark", einen bekannten Schnellsegler, nach Astoria unter
Kommando des Leutnant Northtrop und des Partners Nicolas Ogden. Leider
scheiterte dies Schiff auf den Sandwichsinseln, so dass Astoria ohne Vorrate
und Lebensmittel blieb. Auch Reeds Mission zur Herbeischaffung der von
Hunt am Devils Scuttlehole zuriickgelassenen Vorrate, hatte wenig Erfolg,
da die Indianer die Mehrzahl der Caches entdeckt und gepliindert hatten.
Inzwischen hatte Hunt nach dem Aufbruch der verschiedenen Expeditionen
im August 1812 mit dem ,, Beaver" Astoria verlassen, um Neu-Archangel zu
besuchen, Seeotter an der Kiiste einzuhandeln, dann sollte ihn das Schiff
gg II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
wieder am Columbia absetzen und nach den Sandwichsinseln und Canton
weitersegcln.
Die verschiedenen Handelsposten im Innern hatten ganz gute Erfolge
und bereits grossere Mengen Pelzwerk aufgespeichert, als im Januar 1813
George Mac Tavish, der Nordwestpartner, in Astoria eintraf und die Nach-
richt vom Ausbruch des englisch-amerikanischen Krieges brachte, sowie das
bevorstehende Eintreffen des ,, Isaac Todd" anzeigte.
Mac Dougal, der in Abwesenhei^ Hunts das Kommando fuhrte und der
durch das iiberlange Ausbleiben des ,, Beaver" schon sehr beunruhigt war,
verlor alien Mut und beschloss in Ubereinstimmung mit Mac Kenzie, Astoria
aufzugeben und im Fruhjahr auf dem Landwege nach den Vereinigten Staaten
zuruckzugehen. Aller Handel mit den Eingeborenen wurde aufgegeben, da
man schon mehr Felle hatte, als man auf diesem Wege transportieren konnte.
Mac Kenzie sollte die Handelsposten im Innern benachrichtigen, sich zum
Abmarsch bereit zu machen. Im Juni 1813 waren alle Partner mit dem
eingesammelten Pelzwerk in Astoria beisammen. Die Partner Stuart und
Clarke horten mit grosser Uberraschung und unter starkem, aber nutzlosem
Protest Mac Dougals Entschluss, die Ansiedlung aufzugeben.
Allgemein herrschte die Ansicht, dass Mac Dougal als alter Nord west-
Partner den Versuchungen dieser Gesellschaft erlegen sei und die Interessen
Astors verraten habe, und auch Mac Kenzie auf seine Seite gezogen habe. Da
aber Mac Dougal den Oberbefehl hatte, war nichts zu machen, und die definitive
Aufgabe mit Beginn des Friihjahrs beschlossen. Eine Anzahl der Clerks
wurden schon jetzt entlassen und traten in die Dienste der Northwest Company.
Mac Tavish nahm den von alien Partnern unterschriebenen Auflosungs-
beschluss bei seiner Abreise nach Montreal mit, um ihn Astor zukommen zu
lassen. Inzwischen war Astor in New York nicht miissig geblieben.
Er hatte erfahren, dass auf Betreiben der Northwest Company die eng-
lische Regierung die Fregatte ,, Phoebe" zur Begleitung des Fahrzeugs ,, Isaac
Todd" bestimmt habe, um Astoria mit Gewalt aufzuheben, und bestimmte
nun durch sehr energische Vorstellung die amerikanische Regierung, das
Kriegsschiff ,, Adams" zum Schutze der Ansiedlung zu entsenden. Er selbst
riistete die Bark ,, Enterprise" aus, um Warenvorrate usw. unter dem Schutze
der Fregatte nach Astoria zu senden. Aber kurz vor dem Absegeln wurde die
Bemannung der ,, Adams" dringend zu Verstarkungen auf dem Ontariosee
gebraucht und konnte daher nicht nach der Westkiiste absegeln. Astor be-
schloss, die ,, Enterprise" ohne Eskorte segeln zu lassen. Aber im letzten Augen-
blick erschien ein englisches Gesch wader vor New York und blockierte den
Hafen, so dass auch dieses Ersatzschiff nicht auslaufen konnte.
Astor wusste damals allerdings noch nicht, welche Folgen das Ausbleiben
der Verstarkungen and Vorrate in Astoria haben wurde.
pi;- Hier war Ende August 1813 ein Fahrzeug mit Hunt nach fast i^jahriger
Abwesenheit eingetroffen, eine Lange der Zeit, die der jungen Niederlassung
3. Kapitel. 8a
verhangnisvoll geworden war. Der ,, Beaver" war seinerzeit nach schneller,
gliicklicher Fahrt in Neu Archangel eingetroffen. Er wurde hier durch den
alten Gouverneur mehrere Monate hingehalten, bis er seine Ladling verkaufen
konnte. Dann begab sich das Fahrzeug nach St. Paul auf den Pribiloff-Inseln,
wo die Russen bereits damals eine Fangstation fur Pelzseehunde unterhielten,
und wo Hunt solche Seehundfelle a Is Bezahlung fiir die gelieferten Waren
erhalten sollte.
Es verging auch hier eine geraume Zeit, bis das vereinbarte Quantum an
Bord war, und erst Mitte November konnte der ,, Beaver" die Riickreise an-
treten, wahrend er schon Anfang Oktober in Astoria fallig war. Jetzt
weigerte sich aber Kapitan Sowle, der Kommandant, bei der stiirmischen
Jahreszeit die Kiiste des Columbia angelaufen, und es wurde beschlossen, zu-
nachst die Sandwichinseln anzulaufen. Hier wollte Hunt mit dem nachsten
Fahrzeuge nach Astoria gehen, wahrend Kapitan Sowle nach Canton fahren,
dort die Ladung verkaufen und fiir den Erlos Seidenwaren fiir New York,
einladen sollte.
Es geschah dies. Hunt wurde im Januar 1813 auf den Sandwichinseln aus-
geschifft, wahrend der ,, Beaver" gliicklich in Canton einlief. Hier fand der
Kapitan Sowle einen Brief von Astor vor, wie schon oben erwahnt, der den Aus-
bruch des Krieges mitteilte und ihn aufforderte, sich nach Astoria zu begeben.
Sowle weigerte sich aber aus iibel angebrachter Furcht, und schadigte
auch weiterhin durch seinen Eigensinn die Interessen Astors aufs schwerste.
Man bot ihm 150 ooo Dollar Gold fiir die Ladung Sealskin und See-
otter, deren Beschaff ting mit alien Unkosten nur 25 ooo Dollar gekostet hatte.
Fiir diesen Betrag erworbene Nankins batten in New York 300 ooo Dollar
erzielt, also ein recht erheblicher Gewinn, der Astor fiir seine vielen Verluste
reichlich entschadigt hatte. Wenn der Kapitan Angst hatte, sich mit einer
so wertvollen Ladung den Kriegsgefahren auszusetzen, so konnte die Ladung
in Canton bis zum Friedensschluss eingelagert werden, wahrend er mit dem
Schiffe in Ballast nach Astoria ging.
Statt dessen weigerte er sich, die Ware f iir das Gebot von 150 ooo Dollar
abzugeben, und als der Preis noch weiter herunterging, iiberhaupt zu ver-
kaufen. Er lagerte die Ware ein, die dann spater fiir einen ganz geringen
Preis verkauft wurde, borgte Geld auf Rechnung Astors zu 18 Proz. und wartete
dann gemiitlich in Kanton auf den Friedensschluss.
Inzwischen hatte Hunt 6 Monate auf den Sandwichinseln warten miissen,
da kein Schiff einlief. Endlich gelang es dem Kapitan des ,,Albatros", der
von China kam, ihn auf Astoria abzusetzen.
Ware er den Instruktionen Astors gefolgt und von St. Paul direkt
nach Astoria gegangen und ware dann mit dem ,, Beaver" mit den dort ge-
sammelten Pelzvorraten nach Canton gegangen, so hatte das ganze Unter-
nehmen eine andere Wendung erhalten. So kam er zu spat, um noch eine
Anderung in den getroffenen Beschliissen treffen zu konnen.
go II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Es blieb ihm nur iibrig, die Interessen Astors bei dcr Auflosung moglichst
zu wahren. Die angesammelten Felle mussten nach cinem Markt gebracht
werden. Hunt schiffte sich auf dem ,,Albatros", der nach den Marquesas und
den Sandwichinseln bestimmt war, ein, um dort ein Schiff zu chartcrn. Wenn
er bis Januar 1814 nicht zuriick sein solltc, erhielt Mac Dougal Vollmacht, mit
der Northwest Company zu unterhandeln, welche dann die Angestellten dcr
amerikanischen Gesellschaft ubernehmen, deren Gehalter zahlen und dafiir
entsprechende Warenmengen aus den Magazinen in Astoria empfangen sollte.
Auf den Marquesasinseln erfuhr Hunt iibrigens bcreits von der amerika-
nischen Fregatte ,, Essex", die dort mit einer Anzahl Prisen einlief, dass die
englische Fregatte ,, Phoebe" nebst den ,, Sloops", ,,Cherubin" und ,, Racoon",
mit dem ,, Isaac Todd" gemeinsam bereits nach dem Columbia unterwegs
seien, um Astoria aufzuheben.
Es gelang nun Hunt weder in den Marquesas, noch aaf den Sandwich-
inseln, ein Schiff zu chart ern. Der Kommandant des ,, Essex" wollte keine
der Prisen unter 25 ooo Dollar verkaufen und auch kcins derselben leihweise
iiberlassen, wie iiberhaupt die amerikanische Regierung bezw. ihre Beamten
sich sehr kurzsichtig gegeniiber der Astorschen Grtindung bewiesen.
Endlich gelang es Hunt im Januar 1814, eine Brigg, den ,, Pedlar", zum
Preise von 10 ooo Dollar zu kaufen und von den Sandwichinseln nach dem
Columbia zu segeln.
Er kam aber viel zu spat. Am 7. Oktober war eine Abteilung Nord wester
unter Mactavish in Astoria angelangt. Obgleich diese ohne Munition und
Proviant waren und solche erst von der Pacific Fur Company erbitten mussten,
kniipfte Mac Dougal sofort Verhandlungen an liber den Verkauf der gesamten
Ansiedlung, und nahm trotz des energischen Protestes der amerikanischen
Angestellten alle ihm gemachten Vorschlage der Kanadier ohne jeden Wider-
spruch an.
Alle Pelzwaren und Vorrate gingen in den Besitz der Northwest Company
fur weniger als den dritten Teil des Wertes iiber. Sie ubernahm auch eine
freie Passage fur die Angestellten, die nicht in ihre Dienste treten wollten und
zahlte die riickstandigen Gehalter aus, deren Betrag aber von dem Astor zu-
stehenden Anteile abgezogen wurde.
Mac Dougal wurde iibrigens bald nachher eincr der f iihrenden Partner
der Northwest Company und erhielt somit reichliche Bezahlung fur die kaum
noch zweideutig zu nennende Rolle, die er gespielt hatte. Wie unnotig die
Verschleuderung der Pelzwaren gewesen war, zeigt das folgende:
Am 30. November erschien ein Kriegsschiff in der Columbiamiindung.
Da die Nationalitat ungewiss war, zog sich Mac Tavish weiter in den Fluss
hinauf, mit alien in Astoria befindlichen Fellen, um sofort, wenn sich das Fahr-
zeug als amerikanisch herausstellen sollte, mit seiner Beute ins Innere abzu-
riicken. Es ware den Astorleuten das gleiche eben einfach auch moglich ge-
wesen, wenn dies Mac Dougal gepasst hatte. Das Schiff erwies sich iibrigens
3. Kapitel.
als die Kriegssloop ,, Racoon", und war en die Offiziere sehr enttauscht, dass
die Warenvorrate bereits in Besitz einer englischen Kompanie iibergegangen
waren, da man sich schon auf die Beute gefreut hatte. Beim Anblick der eng-
lischen Flagge erschien iibrigens der alte Chinookhauptling Cocomly an der
Spitze einer stattlichen Kriegerschar mit vollem Kriegsschmuck, um an der
Seite seiner amerikanischen Freunde zu fechten, war aber sehr entriistet, als
dies Anerbieten abgelehnt und das Fort ohne Schwertstreich libergeben wurde.
Am 12. Dezember 1813 stieg unter dem Salutfeuer der Geschiitze die englische
Flagge auf den Wallen empor, und Kapitan Black vom ,, Racoon" anderte den
Namen Astoria feierlich in Fort St. George um.
Hunt kam mit der Brigg ,, Pedlar" am 28. Februar 1814 in der Columbia-
miindung an und war schmerzlich bewegt, als er von Mac Douglas' Handlungs-
weise erfuhr. Letzterer hatte iibrigens aach alle Papiere, Brief e usw. Astors
der Northwest Company ausgeliefert, und gelang es Hunt nur mit Miihe,
diese zuriickzuerhalten.
Er segelte dann auf dem ,, Pedlar", begleitet von den Clerks Set on und
Halsey, nach New York.
Clarke, Mackenzie, Stuart und noch einige Astorialeute, die nicht in den
Dienst der Northwest Company getreten waren, begannen nun den beschwer-
lichen Landweg liber die Rockymountains. Am Walla- Walla erfuhren sie
noch, dass John Reid mit seinen Gefahrten dort von den Indianern, den Nez
Percees, ermordet waren. Drei der Anfiihrer derselben wurden iibrigens
spater dafur von den Englandern erschossen.
Im Frieden von Gent wurde allerdings das Columbiagebiet an die Ver-
einigten Staaten zuriickgegeben, und im Winter 1815 erliess der Kongress
der Vereinigten Staaten ein Gesetz, wonach alien englischen Kaufleuten der
Handel in dem fraglichen Gebiet verboten sei und Astor glaubte die Zeit
gekommen, um sein Unternehmen wieder aufzunehmen, aber es war zu spat.
Die Northwest Company hatte am Columbia und seinen Nebenfliissen, ebenso
wie weiter nordlich, ein Netz von Handelsposten errichtet. Zahlreich zogen
von hier aus die Schiffe der Gesellschaft, reich beladen mit der Pelzausbeute
dieser Gestade, nach China.
Alle Angestellte der stolzen Gesellschaft, die ja auch im offenen Kampfe
mit der H. B. C. zu dieser Zeit lag, waren schwer be waff net.
Es ware deshalb nur moglich gewesen, dort festen Fuss zu fassen, wenn
Astor militarische Unterstiitzung von den Vereinigten Staaten erhielt. Er
erbat auch eine Garnison, aber die Sache wurde vom Prasidenten abgelehnt.
Niemand konnte damals ahnen, dass 70 Jahre spater die unwirtlichen Gebiete
hier im Nordwesten einer der reichsten Teile Amerikas werden und zu den
grossten Weizenproduktionsgebieten der Erde zahlen wurde.
Nach der Vereinigung der Northwest Company mit der Hudsonbay
Company wurde iibrigens Fort George aufgegeben und Fort Vancouver, etwas
02
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
weiter oberhalb am rechten Ufer des Columbia, gebaut. (Nicht zu verwechseln
mit Vancouver in British Columbia.)
Astor zog sich iibrigens bald darauf von der Leitung der American Fur
Company zuriick, um sich ganz den Landgeschaften zu widmen, die den Grund-
stock zu dem ungeheuren Familienvermogen der Astors legten. Er stellte
den auch von seinen Sohnen und Enkeln befolgten Grundsatz auf: ,,Buy
the farm and sell the lot", d. h., er kaufte in der Umgebung von New York
und anderen Grossstadten Farmlandereien auf, um solche solange liegen zu
lassen, bis die Stadt soweit herangewachsen war, um das ganze Terrain nur
in einzelnen Baustellen zu verkaufen.
Die Leitung der American Fur Company mit dem Hauptsitze in Michilli-
macinaw ubernahm Ramsay Crooks, einer der Astorialeute. Eine Kette von
Handelsposten dieser Gesellschaft erstreckte sich langs des Mississippi, Missouri
und des Yellowstone hin. Ausser den Kanoes und Boot en beschaftigte die
Gesellschaft auch noch mehrere kleine Dampfer, die auf den Fliissen bis weit
in das Herz des Kontinents eindrangen, um die Felle der Pelztiere einzuhandeln.
Die Hauptkonkurrenten der A. F. Co. im wilden Westen waren die Ashley
Company von St. Louis, die zahlreiche Trapper und Handelsexpeditionen in
das Indianergebiet der grossen Ebenen bis zu den Felsengebirgen entsandte,
wahrend die Bonneville Company, die von 150 Teilnehmern in New York
gegriindet wurde, hauptsacblicb in Arizona, New Mexiko und Kalifornien bis
nach Monterey ihr Arbeitsgebiet suchte. Auch bis nach Yerba Bueno, dem
heutigen San Franzisko, streiften die Trapper der Gesellschaft, hielten den
Platz aber ihrer Aufmerksamkeit fur unwert. Wo heute die Weltstadt Sakra-
mento an den Ufern des gleichnamigen Flusses steht, setzte der einsame
Trapper seine Biberf alien.
Nachdem General Ashley sich 1830 von der Leitung der nach ihm ge-
nannten Gesellschaft in St. Louis zuriickgezogen, wurde die Gesellschaft in
die Rocky Mountain Fur Co. unter Leitung von Kapitan Sublette und Robert
Campbell umgewandelt. Nun trat auch eine energische Rivalitat zwischen
der American Fur Company und der Rocky Mountain Company ein. Das
ganze Gebiet der Rocky Mountains und der Kiistengebiete wurde von Trapper-
expeditionen durchstreift. Eine ganz neue Menschenklasse wuchs adf. Ent-
sprechend den Voyageurs des Hudsonsbaigebietes entstand die Klasse der
,, Mountaineers" in den Felsengebirgen.
Wahrend die Voyageurs des Nordens eine unubertreffliche Geschicklich-
keit in der Handhabung der leichten Kanoes erlangten, mit denen sie selbst
Wasserfalle, wie die Katarakte des St. Lorenz bei la Chine, hinabsausten
ihren Weg durch meilenlange Stromschnellen nahmen, und bis an die aussersten
Auslaufer der grossen Strom- und Seengebiete vordrangen, wurden die Moun-
taineers des Westens unerschrockene Reiter und Pfadfinder, welche sowohl
die weiten Prarien des Westens, wie die Felsengebirge und die jenseits der-
selben gelegenen Ebenen und Waldgebiete durchstreiften und sich eine uner-
3. Kapitel. 93
reichte Kenntnis der Gewohnheiten des Wildes sowohl wie ihrer Feinde, der
Indianer, erwarben. Nur in einem hatten sie sich eine Ahnlichkeit mil den
Voyageurs des Nordens bewahrt: wahrend die letzteren bei der Riickkehr
von der beschwer lichen Fahrt stolz in den Strassen von Montreal umher-
spazierten und nach Seemanns Art den Lohn einer harten Jahresarbeit in
wenigen Wochen verjubelten, taten die Mountaineers dasselbe in den Strassen
von St. Louis und St. Feh.
Der Handelsbetrieb der amerikanischen Pelzkompanien unterschied sich
auch wesentlich von dem der kanadischen Gesellschaften. Sie unterhielten
jenseits der Rocky Mountains keine festen Handelsposten. Die Leitung des
Handels ruiite in den Handenvon ,, resident partners", die im Gebiet jenseits
der Berge sich standig aufhielten, aber ohne festen Wohnsitz. Sie zogen ent-
weder mit bestimmten Indianerstammen umher, oder mit einer Schar Trappern
und Handlern, welche die Felle entweder von den Indianern einhandelten
oder selber ihre Fallen setzten. In den Monaten Juni und Juli, wahrend deren
die Fangsaison zum ganzlichen Stillstande kam, versammelte sich alles an
einem bestimmten Rendezvous, wo die Angelegenheiten der Gesellschaft be-
raten wurden und die Plane fur das nachste Jahr entworfen wurden. Hierher
kamen auch die einzelnen Brigaden der Trapper und Handler, urn die Aus-
beute abzuliefern, hierher kamen dann auch die Reiter und Wagenkarawanen,
welche die Gesellschaft von ihrem Hauptquartier im Osten mit Vorraten und
Lebensmitteln entsendet hatten, unter Fuhrung eines bewahrten Beamten
oder Partners. Von dem richtigen Eintreffen der Vorrate hirg die ganze
Kampagne des nachsten Jahres ab. Nach diesen Rendezvousplatzen kamen
auch die verschiedenen Indianerstamme, um ihre Jagdbeute za verkaufen
und frische Vorrate einzukaufen. Die Stamme der Ebene, wie die Sioux,
namentlich die kriegerischen Blackfeet, die Krahen und Dacotas, im Siiden
auch die Arrapahoes, Apachen und Comanchen, fanden es indessen vorteil-
hafter, sich die Vorrate aus erster Hand zu beschaffen, indem sie sowohl den
Vorratskarawanen, als einzelnen Trapperbrigaden auflauerten, um sie zu be-
rauben und zu ermorden. Aber auch sonst war eine stete Wachsamkeit ge-
boten, denn jede Kompanie suchte die Plane der andern za erraten und als erste
auf dem Rendezvousplatz zu sein, denn wer zuerst seine verfuhrerischen Vor-
rate von Kaffee, Tabak, Munition, Decken, bunten Stoffen, billigen Schmuck-
sachen, Glasperlen usw. auslegen konnte, hatte auch die Chance, die meisten
und besten Felle von den Indianern einzutauschen. Der Aufbruch der Kara-
wanen geschah fast gleichzeitig, sobald im Friihjahr das erste frische Gras auf
den Prarien sprosste. Es wurden alle Kiinste eines gewiegten Diplomaten an-
gewendet, um die Plane der Rivalen kennen zu lernen und zu durchkreuzen.
Dieser fortwahrende Kriegszustand sowohl mit der Konkurrenz, wie mit den
feindlichen Indianern, schuf eben jene Menschenklasse von Trappern und
Handlern, deren Handlungen in den Indianergeschichten das Entzucken
unserer Jugendjahre bildeten. Die besten dieser Mountaineers waren amerika-
Q/j II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
nische Jager und Ansiedler aus den Grenzdistrikten des fernen Westens,
Kentucky, Arkansas, Missouri usw.
An den Flusslaufen des unteren Missouri usw., wo auch Handelsposten
existierten, wurden dagegen hauptsachlich franzosische Kreolen, Halbblut-
indianer usw., verwendet, welche grossere Bequemlichkeit liebten, wie sie die
Nahe von standigen Ansiedlungen gewahrte. Diese zogen Boot und Kanoe
auch den mutigcn Rennern der Prarie vor, von denen jene kiihnen Jager unzer-
trennlich waren.
Einer der kiihnsten Fiihrer in diesem Kampfe urn den Biber war Kapitan
Bonneville, der 1830 eine der starksten Expeditionen, bestehend aus 120
Trappern und Jagern, von Fort Osage am Missouri nach dem Westen fuhrte,
um die Konkurrenz mit dcA American Fur Company und der Rock)' Mountain
Fur Company aufzunehmen. Es wiirde hier zu weit fiihren, die zahlreichen
Abenteuer dieser Expedition anzufiihren, uber welche Kapitan Bonneville
einen ausfuhrhchen Bericht gibt.
Wahrend fiinf Jahre durchstreifte er die gesamten Kiistengebiete des
Pacific bis hinab nach Unterkalifornien und hinauf bis nahe der jetzigen
Grenze von Britisch Columbia. Seine Erlebnisse in teilweise bisher uner-
forschtem Gebiet, seine Kampfe mit Indianern, sein Verkehr mit den Mexi-
kanern Kaliforniens und den Teilnehmern der rivalisierenden Pelzkompanien,
sowie die ausfiihrliche Beschreibung von Land und Leuten, ftillen einen statt-
lichen Band.
Eine interessante Tatsache mochte ich indessen erwahnen. Unterwegs
trafen sie eine Expedition eines gewissen Nathaniel J. Wyeth von Boston,
die ausgezogen ware, um eine Lachsfischerei am Columbiaflusse zu etablieren,
der erste Versuch, um die enormen Fischreichtumer des Gebietes zu verwerten.
Da die Teilnchmer dieser Expedition samtlich regulare Yankees waren, die
mit dem Leben auf den Prarien und im Gebirge total unbekannt waren, so
schlossen sie sich Bonneville an.
Sein Ziel zu erreichen gelang zwar diesmal dem kiihnen Yankee nicht,
aber durcb sein langes Umherziehen im Gebiet wurde er ein ungemein tiichtiger
Pionier. Er trcnnte sich im Herbst 1830 von Bonneville und fuhr in einem
Lederboot mit wenigen Gefahren den Yellowstone und Missouri hinab und
gelangte nach zahlreichen Gefahrten gliicklich wieder in den Bercich der
Zivilisation, bei Fort Leaven worth. Von hier aus ging er nach Boston zuriick
und griindete die Columbia River Fishing & Trading Company. Eine Brigg,
die ,,Mary Dacres", wurde gechartert und mit Vorraten nach der Columbia-
miindung gesendet, wahrend Wyeth selbst mit 60 in St. Louis angeworbenen
Mountaineers zu Lande dorthin aufbrach.
Er (•rdchtctc einen Handelsposten an -den oberen Gewasscrn des Portneuf
und cine Nicderlassung, Fort Williams, auf Wapatoo Island an der Miindung
des Wallamut in Columbia. Hier vereinigte er den Betrieb eincr ausgedehnten
Lachsfischerei mit eincm cbenso ausgedehnten Pelzhandel. Ein Schiff kam
3. Kapitel. 95
alljahrlich um Kap Horn herum, um die Verbindung zur See aufrechtzuerhalten.
Er hatte die Plane Astors aufgenommen und noch erweitert, um das reiche
Kiistengebiet der amerikanischen Flagge zu erschliessen. Es fehlte ihm aber
zur Durcbfubrung dieser Plane das Kapital, welches Astor besessen hatte,
und so musste er schliesslich nach einer Reihe ungliicklicher Zwischenfalle
seine Ansiedlungen an die Hudsonsbay Company verkaufen, welche nunmehr
den ganzen Pelzhandel im Kiistengebiet allein beherrscht.
Sie hatte auch Fort George, das ehemalige Astoria, welches sie 1822
aufgegeben hatte, als Vancouver zur Hauptfaktorei erhoben wurde, 1830
wieder besetzt und als Fort fur den unteren Columbia betrieben.
II.
Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
4. Kapitel.
Die Hudsonsbay Company hatte nach der Beendigung des langjahrigen
Kampfes und der Vereinigung mit der Northwest Kompany wieder erhohten
Aufschwung genommen. 1821 war ihr vom Parlament das alleinige Recht des
Pelzhandels im gesamten britischen Nordamerika auf 21 Jahre verliehen
worden, und wurde dies 3 Jahre vor Ablauf des Privilegs 1838 nochmals bis
1863 verlangert. Wahrend der Kriegsjahre 1808 bis 1821 hatte die Gesellschaft
keine Dividende verteilen konnen. 1821 bis 1824 zahlte sie 4 Proz. jahrlich,
von da ab wieder 10 Proz. Dividende. Nordlich vom 49. Breitengrade, der
im Frieden zu Gent festgesetzten Grenze des englischen Gebietes, war sie in
ungestortem Besitze ihres Monopols, siidlich davon, wo sie 1823 J3 Handels-
posten besass, sowie im eigentlichen Kanada war die Konkurrenz noch immer
eine lebhafte. In den langjahrigen Kampfen hatte die Gesellschaft indessen
Ubung erlangt, missliebige Konkurrenz zu beseitigen. Die kleineren Handler
wurden systematisch ruiniert. Sobald einer derselben irgendwo ein Kontor
eroffnete, errichtete die H. B. C. ein anderes daneben, trieb den Ankaufspreis
der Felle so in die Hohe und verkaufte die Tauschwaren so billig, dass der
Handler bald froh war, sein Geschaft an die machtige Rivalin verkaufen zu
konnen. Nur mit der Konkurrenz der American Fur Company von Astor, sowie
der 1822 von mehreren Nordwestern und Hudsonsbai-Angestellten unter
Fuhrung des Franzosen Renville errichteten Columbia Company, die ihren
Hauptsitz am Petersriver hatte, wurde sie ebensowenig fertig, wie mit den
im amerikanischen Gebiet der Nordwestkiiste tatigen anderen Handelsgesell-
schaften, die wir weiter oben geschildert haben. Sie gab deshalb ihr Geschaft
im Gebiet der Vereinigten Staaten mit Ausnahme der Westkiiste auf, wo sie
nun eine sehr rege Tatigkeit entwickelte, ebenso wie in ihrem eigenen Gebiete.
Es ging dies aber nicht ohne haufige blutige Zusammenstosse mit den
Indianern ab, trotzdem sie es stets verstanden hatte, mit den Indianern in
ihren ausgedehnten Territorien vorziiglich auszukommen. An den ,, Dalles"
des Columbia wurden mehrmals die Brigaden der Kompanie mit bewaf fneter
Hand zur Umkehr gezwungen. Verschiedene Trapper abteilungen waren auch
ermordet worden. Doch die Indianer begniigten sich nicht damit, sondern
griffen die Englander auch in ihren Befestigungen an. So wurde das Fort
St. Johns am Peaceriver von den Beaverindianern niedergebrannt und Chief-
trader Mr. Hughes mit 4 Mann Besatzung ermordet. Doch geschah dies aus
4. Kapitel.
personlichen Motiven, da die Rot haute durch das Benehmen des Komman-
danten Chief traders Black schwer gereizt war en. Dieser Gentleman war
einer der beriichtigsten Mordbrenner der Northwest Company gewesen, und
es gehorte zu seinen Lieblingsgeschaften, den Taten seiner Vorfahren im
schottischen Hochlande, die sich in ,, cattle lifting' und Weiberstehlen vor-
allen anderen Clans ruhmreich ausgezeichnet hatten, in seiner neuen Heimat
nachzueifern. Black selbst entkam zwar dem Gemetzel, doch wurde er
kurze Zeit darauf in Fort Nezpercez in seinem Zimmer von den Rachern, die
ihm nachgefolgt, erschossen.
1828 wurde der erste Seehafen in Britisch Columbia, Fort Langley, in
Besitz genommen, und im selben Jahre Fort Simpson auf Observatory Island
gegrundet, wahrend der Schoner ,,Cadboro" und der Dampfer ,, Beaver", der
erste, der die Fluten des Stillen Ozeans durchfurchte, eine Reihe von Handels-
posten an der Kiiste anlegte. Hier geriet die Hudsonsbay Company nun in
Zusammenstoss mit einem neuen Rivalen, der Russisch-Amerikanischen Pelz-
handelskompanie. Zwar hatten auch andere Nationen schon Beziehungen zur
Nordwestkiiste gehabt, ausser den friiher erwahnten Englandern. Bereits
1542 hatten die Spanier unter Juan Rodriguez de Cabrillo eine Expedition
nach der Westkiiste gesendet, die bis zum 48. Breitengrade vordrang. 1592
gelangte der Venetianer Apostolos Valeriano, genannt Juan de Fuca, bis in
den Pugetsound und verbreitete dann bei seiner Riickkehr die Nachricht, er
ware von dort aus durch die ,,Strasse von Anian" nach Osten gesegelt und
bei Neufundland wieder herausgekommen. Dies bildete, vereint mit den
fabelhaften Erzahlungen des spanischen Admirals Fonte, lange Zeit den
Hauptstiitzpunkt fur die Doktrin der nordwestlichen Durchfahrt. 1774 ent-
deckte der Spanier Juan Perez de Monterey die Queen Charlotte Islands und
1775 Kapitan Bruno Heceto in der Fregatte ,,San Jago" die Miindung des
Columbia, wahrend sein Leutnant, Francisco de Bodega y Quadre, in der
,,Sonora" den Mount Edgecombe entdeckte, den er San Jacinto nannte. Es
folgten dann 1777 die Entdeckung des Nootka- Sound durch Capt. Cook,
und die verschiedenen Expeditionen der Kaufleute von Bombay, Kalkutta
und Canton, sowie die Griindung der King George Sound Company zur Aus-
nutzung des ungeheuren Reichtums der neu entdeckten Gegenden an See-
otterfellen, wie bereits friiher erzahlt. 1787 loste sich die King George Sound
Company trotz sehr giinstiger materieller Erfolge auf. Im gleichen Jahre
erreichte auch ein Schiff der Osterreichisch-ostindischen Kompanie, der
,,Kaiserliche Adler", den Juan de Fuca Sound. Ehe aber die Vorbereitungen
zu einer Pelzhandelsniederlassung fur die Osterreicher beendet war, nahm
Kapitan Meares mit den Schiffen ,,Felice", ,,Iphigenie" und ,,Douglas" die
ganze Kiiste bis zu 49 Grad 37 Min. fur England in Besitz. 1791 errichtete
Kapitan Gray fur die Boston Fur Company, Fort Defiance am Juan de Fuca-
Sound, wahrend Kapitan Henderson im ,,Washington" grosse Landstriche am
Nootka Sound, fur dieselbe Gesellschaft kaufte. 1789 hatten die Spanier die
7
g3 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Kapitane Martinez und Haros nach dem Nootka Sound gesandt, um die
Handler zu vertreiben. Die Expedition konfiszierte die englischen Schiffe
,,Prinzess Royal", ,, Argonaut" und ,,Northwestamerika", sowie den amerika-
nischen Schoner ,,Fair Amerika", wahrend es den amerikanischen Schiffen
,, Columbia", ,, Washington" und ,,Iphigenia" gelang, zu entkommen. Die
Spanier waren indess nicht imstande, die Besitznahme des Nootka Distrikts
aufrechtzuerhalten. Auch die Boston Fur Company scheint den Handel dort
nicht sehr lange betrieben zu haben. Nun traten aber die Russen auf den
Plan. Die Russen hatten bereits im Jahre 1647 den Anadyrfluss und die
Behringstrasse erreicht und hier zwischen den Tschuktschen Pelzhandel ge-
trieben, aber erst im Jahre 1711 brachte der Kosak Peter Popoff die Nachricht
von den Dioniesinseln und dem gegenuberliegenden Festlande Amerikas.
1728 wurden in Ochotsk zwei Schiffe, die ,,Fortuna" und ,, Gabriel", gebaut,
und Behring unternahm mit ihnen seine erste Fahrt durch die nach ihm be-
nannte Strasse. Auf einer spateren Reise 1741 beriihrte er den amerikanischen
Kontinent bei Kap Elias, verweilte aber nur einen Tag. Auf der Riickreise
starb er auf der einsamen Behringinsel, wo er auch begraben liegt inmitten
der zahllosen Scharen der dort lagernden Pelzseehunde. Die Gefahrten
Behrings brachten die ungeheuer reiche Pelzausbeute heim und lenkten da-
durch die Aufmerksamkeit der russischen Handler nach dem neuentdeckten
Pelzhandelseldorado. Zahlreiche kleine Handler (Promischleniks) lief en in
ihren gebrechlichen Fahrzeugen von nur dreissig Tonnen Gehalt aus den
Hafen Kamschadkas nach den Aleuten und kehrten mit reicher Ausbeute an
Fellen heim, die sie den Eingeborenen einfach ohne jede Bezahlung fortge-
nommen hatten. Verschiedene von ihnen wurden auch durch ausgeiibte
Grausamkeiten beriichtigt. 1761 uberwinterten die Kosaken Pushkaroff in
der Schaluppe ,, Gabriel" und Lazarff in der ,, Andrea" zum erst en Male in
Alaska und erschlossen nunmehr auch diese Gegenden dem russischen Pelz-
handel. In spateren Kapiteln (Geschichte des russischen Pelzhandels)
berichte ich ausfuhrlich iiber die Entwicklung des russischen Pelzhandels in
diesen Gebieten.
Um dem Ubelstand abzuhelfen, dass samtliche Lebensmittel fiir die
russische Kompanie in Amerika von den fernen heimatlichen Gestaden der
Ostsee herbeigeschafft werden mussten, wurde 1810 der schon oben erwahnte
Vertrag mit Joh. Jacob Astor abgeschlossen. Dieser verpflichtete sich, samt-
liche erforderlichen Lebensmittel fiir die russischen Niederlassungen zu liefern,
sowie ferner die Pelzausbeute der russischen Handelsposten kommissionsweise
in Canton zu verkaufen.
Beide Kontrahenten verpflichteten sich ausserdem, den Eingeborenen
keinen Branntwein zu verkaufen, die beiderseitigen Jagdgrunde zu respektieren
und gemeinsam Massregeln gegen Schmuggler zu treffen. Mit der Auflosung
der Astorschen Ansiedlungen wurde der Kontrakt natiirlich hinfallig und
die russische Gesellschaft musste sich selbst Ersatz schaffen.
4. Kapitel.
Zu diesem Behuf griindete sie in Kalifornien, bei Bodegas, eine grosse
Farm, die spater ,,Rossfarm" genannt wurde. Diese Farm, welche zuerst die
reichen Ertragnisse des kalifornischen Bodens nutzbar machte durch Anbau
von Zerealien, Gemiisen und Obst, nebst einem rationellern Viehzuchtsbetriebe,
erregte das Erstaunen der spanischen Grundbesitzer, ohne sie indessen irgend-
wie zur Nachahmung anzueifem.
Man begniigte sich nach wie vor, die ungeheuren Herden halbwild auf-
wachsen zu lassen und nur Haute, Talg und Horner zu verwerten.
1821, also fast zu gleicher Zeit wie bei der Hudsonsbay Company, wurde
das Privilegium der russischen Gesellschaft auf 20 Jahre verlangert. Die ge-
samte Westkiiste Amerikas, nodlich vom 51. Grad nordlicher Breite und die
Ostkiiste Ostasiens, nordlich vom 45. Grad 50 Min., wurde fur russisches Terri-
torium erklart und alien Auslandern verboten, sich auf 100 Werft der Kiiste
zu nahern.
1824 wurde aber mit den Vereinigten Staaten ein Vertrag abgeschlossen,
wonach der gesamte Pacific Ozean fur Fischerei und Handel offen erklart
wurde. Nur feste Handelsposten durften in den beiderseitigen Gebieten aus-
schliesslich von den eignen Landesangehorigen errichtet werden. Die siidliche
Grenze des russischen Amerikas wurde auf den 54. Grad 40 Min. nordlicher
Breite verlegt.
1825 schloss auch Grossbritannien einen gleichen Vertrag auf 10 Jahre ab.
1831 trat der benihmte Reisende Baron von Wrangell an die Spitze der
russischen Kolonie, die unter seiner energischen Leitung einen grossen Auf-
schwung nahm. 1833 griindete er das Fort St. Michael am Nortonsund,
und traf gleichzeitig Massregeln, um den Fang der schon damals schnell dem
Aussterben zueilenden Seesaugetiere heilsamen Einschrankungen zu unter-
werfen.
1834 fand der erste Zusammenstoss mit der sich machtig ausdehnenden
Hudsonsbay Company statt. Kurz vor Ablauf des Vertrages sandte diese
Kompanie die Barke ,, Dryad" mit Kolonisten, Vieh usw. an die Miindung
des Steekin river, um hier auf russischem Gebiet eine Niederlage zu griinden.
Wrangell kam diesem Unternehmen aber zuvor. Er sandte schleunigst
die bewaffnete Brigg ,,Chicagoff" und den Schoner ,,Chilcatt" an den Steekin,
die hier das Fort Dyonysios errichteten und die dann eintreffenden Englander
mit Gewalt am Landen verhinderten. Unverrichteter Sache musste die
englische Expedition nach Vancouversisland zuriickkehren.
Auf dem Landwege war en die Hudson sbayleute indessen erfolgreicher.
Macleod erreichte 1835 vom Liardriver aus die Quellwasser des Steekin, und
setzte sich dort fest. Die Jagdpartien beider Gesellschaften begegneten sich
nun haufig und die verhaltene Feindseligkeit, die sich bei jedem solchen Zu-
sammentreffen geltend machte, liess das Ausbrechen offner Kampffe furchten.
Der Gouverneur der Hudsonsbay Company, Sir George Simpson, der die un-
heilvollen Folgen eines derartigen gewalttatigen Konkurrenzkampfes bei den
7*
IOO II- Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
langjahrigen friiher geschilderten Fehden mil der Northwest Company ge-
niigend kennen gelernt hatte, machte dem unleidlichen Zustande ein Ende,
indem auf seine Veranlassung 1837 m Hamburg ein Vertrag zwischen beiden
Pelzhandelsgesellschaften abgeschlossen wurde, wonach die Hudsonsbay Com-
pany das streitige Gebiet gegen eine jamiiche Lieferung von 2000 Seeotter-
fellen von den Russen pachtete. Ausserdem verpflichtete sie sich, ihnen jahr-
lich 280 Tonnen Weizen, 200 Zentner Mehl, 160 Zentner Erbsen, 160 Zentner
Gerste, 360 Zentner Speck und 200 Zentner Rindfleisch, nebst 36 Zentnern
Schinken zu festgesetzten Preisen zu liefern.
Doch auch im Osten war die Hudsonsbay Company nicht miissig gewesen,
unter der geschickten Leitung von George Simpson ihren Einfluss auszu-
breiten, indem sie 1831 die Labradorkiiste in den Bereich ihrer Operationen zog.
Die ganze Kiiste vom Saguenay river bis zum Havre de blanc Sablon
war schon durch die franzosische Regierung von Kanada in drei Distrikte
geteilt worden. Zuerst kamen von Port Neuf bis Kap Cormoran die „ Kings-
posts", bestehend aus den Stationen Tadoussac, Chicoutan, Ashnabmauchuan,
Mistachini, les Isles de Jeremie, Seven Islands und Pont de Monts. Dieser
Bezirk, im Jahre 1731 durch Zusammenlegung der Koniglichen Domanen
entstanden, wurde meist an Kaufleute und Pelzhandler verpachtet. Bis zum
Jahre 1802 lieferte dies der Regierung eine jahrliche Pachtsumme von 4ooPfund
Sterling, wahrend die Pachter aus dem Pelzhandelsbetriebe und der Fischerei
sehr erhebliche Gewinne zogen. 1802 ubernahm die Northwest Company die
Handelsposten fur eine Jahrespacht von 1025 Pfund auf 30 Jahre, und ihre
Rechtsnachfolgerin, die Hudsonsbay Company, trat naturlich in den Kon-
trakt ein.
Nach Ablauf des Kontraktes ubernahm ein Montrealer Pelzhandler die
Posten fur 1200 Pfund jahrlich, musste aber bald der H. B. C. weichen, welche
die Pachtung wieder ubernahm und sie bis heutigentags besitzt.
Der zweite Distrikt wird durch die Seigneurie de Mignon gebildet, die
sich vom Kap Cormoran bis zum Agwamis river erstreckt. 1661 gebildet,
wurde sie 1676 dem Seigneur Louis de Laval zum Erblehn gegeben und ver-
blieb bis 1772 in dessen Familie. Dann wurde sie an Fischer verpachtet. 1807
kaufte eine kanadische Gesellschaft die zur offentlichen Auktion gestellte
Seigneurie an und errichtete eine Seehundsfischerei, die jedoch nach einigen
Jahren einging, worauf die H. B. C. die Seigneurie pachtete.
Die Labradorkiiste, die sich vom Agwamis river bis zum Kap de Blanc
Sablon erstreckt, war vom Jahre 1763 bis 1820 das Arbeitsgebiet der Labrador
Company, die hier das Monopol des Pelzhandels, des Fischfanges und der
Minenutzung hatte.
1831 errichtete auch hier die Hudsonsbay Company 5 Handelsposten,
dadurch den Ring ihrer Niederlassungen fest schliessend. Ausser dem Pelz-
handel betreibt sie hier ausgedehnte Lachsfischerei und Canneries. Der von
der H. B. C. zum Verkauf gebrachte Labradorlachs iibertrifft das Produkt
4. Kapitel. IOi
der Westkiiste bei weitem und 1st iiberhaupt der beste im Handel vorkommende
Biichsenlachs.
An der Westkiiste erwuchsen der Hudsonsbay Company jetzt aber
Schwierigkeiten. 1848 im sogenannten Oregon- Vertrag musste sie den Pelz-
handel siidlich des 49. Breitengrades ganz aufgeben und ihre dort befindlichen
13 Forts (Cape Dissappointement, Fort George, Fort Vancouver, Fort Unisqua,
Fort Walla Walla, Fort Hall, Fort Basil, Fort Okanagan, Fort Colville, Fort
Kootanis, Fort Flatheads, Fort Nisqually, Fort Cowlitz) gegen eine Zahlung
von einer Million Dollars an die Vereinigten Staaten abtreten.
Hierbei war besonders schmerzlich der Verlust von Fort Colville, wo die
Hudsonsbay Company einen ausgedehnten Farmbetrieb mit Viehzucht,Weizen-
und Maisbau trieb. Die Herstellung der Gebaude allein hatte 20 ooo Dollars
gekostet. Auch auf Wappatoo Island im Willametteriver besass die Company
eine grosse Meierei mit mehreren hundert Milchkiihen, und die der Gesellschaft
gehorige Cowlitzfarm hatte iiber 1000 Acres sehr fruchtbaren Landes unter
dem Pfluge, ausserdem ausgedehnte Pferde- und Rindviehzucht, Meierei usw.
Alle diese Farmen wurden mit abgetreten. Nur die Pugetsoundfarm, auf der
zu dieser Zeit iiber 6000 Schafe, 1500 Stuck Hornvieh und beinahe 10 ooo
Pferde und zahlreiche Schweine und Hiihner gehalten wurden, verblieb der
Gesellschaft, da sie bereits 1839 eme besondere Aktiengesellschaft zu deren
Betriebe mit 100 ooo Pfund Kapital gegriindet hatte. Samtliche Aktien
blieben aber im Besitz der H. B. C. Es wird dort noch jetzt sehr ausgedehnte
Landwirtschaft, besonders Weizenbau, getrieben. Spater wurde das Aktien-
kapital noch bedeutend erhoht.
Die Hudsonsbay Company erhielt iibrigens in diesem Vertrage das Recht
der freien Schiffahrt auf dem Columbiariver zugestanden.
1835 wurde der Hauptposten der Russisch-Amerikanischen Kompanie in
Alaska, die Michailowsky-Redoute, von Michael Pobenkoff erbaut, und zwar
aus starken Treibholzstammen mit Wall und Graben und mit Geschiitzen
versehen. Ein solch fester Bau war auch notig, denn die Kiistenindianer
waren nicht so geduldig als die sanften Aleuten, und er wider ten jede Grausam-
keit der Russen, die grosstenteils aus der Hefe der sibirischen Straflinge be-
standen, sofort mit einem blutigen Aufstand. Ein Angriff der Unamaligmuts
(Maligmuts heisst eigentlich Esquimos) auf Fort Michael wurde vom Kom-
mandeur Kurupanoff mit schweren Verlusten zuriickgeschlagen, worauf die
Eingeborenen jetzt die Posten der Englander zum Angriff sob jekt wahlten.
Diese Forts waren weniger fest erbaut, denn die Englander verliessen sich
mehr auf ihren friedlichen Einfluss auf die Indianer. 1837 wurde indessen das
von Robert Campbell, dem grossen Pionier der Hudsonsbay Company, er-
baut e Fort Drews am Liar driver von den Indianern niedergebrannt.
Die Englander und Russen wetteiferten nun darin, soviel als moglich
Terrain zu gewinnen und durch Forts zu sichern. Bis weit hinauf nach dem
unwirtlichen Norden erstreckte sich dieser Wetteifer. Besonders der Yukon-
102
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Xordamerika.
river, dieser machtige Strom, schien dazu geschaffen, eine machtige Verkehrs-
strasse zu werden. In der Xeuzeit 1st er es ja auchdurch die Entdeckung der
Goldfelder von Klondyke bekannt geworden. Bereits 1838 erforschte ein
mssischer Halbindianer den Strom bis Nulato, wo er im 65. Grad nordlicher
Breite und 157 Grad westlicher Lange das Fort Xulato erbaute, das jedoch
bereits im selben Jahre von den Indianern verbrannt wurde. 1840 errichtete
aber Leutnant Derebin dort ein neues starkes Fort, das 1842 von Leutnant
Sagoskin bedeutend vergrossert wurde. 1841 erbaute dagegen Robert Campbell
fur die Hudsonsbay Company Fort Selkirk am obern Yukon, und 1847 gmg
Macmurray vom Mackenzieriver aus den Porcupineriver hinab und begriindete
Fort Yukon.
Bis 1851 herrschte nun volliger Friede, und beide Handelsgesellschaften
glaubten in vollkommener Sicherheit ihren Pelzhandelsgeschaften nachgehen
zu konnen.
St. Michaels Redoubt (Alaska) unter amerikanischer Herrschaft.
In diesem Jahre weilten bekanntlich zahlreiche Expeditionen zur Auf-
suchung der verschollenen Franklin-Expedition an der Kiiste. Von H. M. S.
Enterprise, das zur Expedition des Admirals Collinson gehorte, kam Leutnant
Barnard nach Xulato, um von hier aus das Gebiet nach der Polarkiiste zu
durchforschen, und ausserte gesprachsweise, dass er, um Erkundigungen ein-
zuziehen, den Hauptling der Koyukon-Indianer ,,holen lassen" wollte. Dieser
Ausdruck wurde dem machtigen Hauptling iiberbracht, der dadurch, aufs
tiefste beleidigt, blutige Rache schwor. In der Morgendammerung schlichen
sich die Koyukons ins Fort, ermordeten Leutnant Barnard, den Komman-
danten Derabin, sowie samtlich Insassen, Manner, Frauen und Kinder. Dann
wurde das dabeiliegende Dorf der Xulato-Indianer iiberfallen und iiber hundert
Einwohner im Schlaf hingeschlachtet. Fort und Dorf wurden dann gepliindert
und den Flammen iibergeben. Von hier aus zog die bluttriefende Schar nach
Fort Selkirk. Die Besatzung war aber rechtzeitig gewarnt und konnte sich
nach Fort Yukon zuriickziehen. Das Fort selbst aber wurde gepliindert und
verbrannt.
4. Kapitel.
Die Tinneh- oder Chipewyan-Nation, zu der die Koyukons gehorten,
war iibrigens ausser den Kustenstammen die einzige, die dem milden Einfluss
der Hudsonsbay Company nicht nachgab, sondern haufig gegen sie das Kriegs-
beil ausgrub. Ausser Fort Selkirk wurden noch die Posten Pellybanks, Dease,
Frances, Babine und Peaceriver zerstort. Alle diese Taten blieben ungeracht.
Die Russen waren zu feige und die Hudsonsbay Company teils zu schwach,
teils verzichtete sie im Handelsinteresse auf Vergeltung. Die Indianerpolitik
St. Michaels Redoubt (Alaska) unter russischer Herrschaft.
der Gesellschaft war aber im ganzen eine vorziigliche, besonders im Vergleich
mil der in den Vereinigten Staaten gegen die Indianer geiibten Taktik. So
verblieben auch spater bei den grossen Sioux-Aufstanden in den Vereinigten
Staaten die auf englischem Gebiet sitzenden Stammesteile ganz ruhig. Ebenso
verhielten sich beim grossen Aufstande der Nezperces im Oregon- und
Washingtonterritorium die Nezperces in British Columbia ganz friedlich.
Aus Kalifornien, wo sie seit 1830 eine Farm, ,,Rossfarm", in der Nahe
von Bodegas am Sakramento besass, zog sich die russische Handelsgesellschaft
1841 zuriick, indem sie das Besitztum an Kapitan Sutter verkaufte. Hier
wurde dann 1848 das erste Gold gefonden. So hatten die Russen merkwurdiger-
weise zwei der reichsten Goldfelder der Erde im Besitz (das Sakramento-
Gebiet und Klondyke), ohne es zu ahnen.
1844 gelang es ihr, eine Verlangerung ihres Handelsmomopols auf 20 Jahre
durchzusetzen, und emchtete sie jetzt auch auf der asiatischen Seite mehrere
Pelzhandelsstatten. 1853 wurde Sachalin besetzt und auch hier Handelsposten
begriindet, um den Pelzreichtum der Insel auszubeuten, 1854 feierte sie einen
II- Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
grossen Triumph. Eine grosse englische Flotte war aus Anlass des Krimkrieges
vor Petropawlowsk in Kamtschatka erschienen, urn sich dieser wichtigen
Ansiedlung zu bemachtigen. Ein starkes englisches Landungskorps wurde
indessen in einen Hinterhalt gelockt und durch die gut gezielten Schusse der
verborgenen Jager der Kompanie, unterstiitzt durch Ansiedler und die kleine
Kosakenbesatzung, vollstandig vernichtet. Der Kommandant, Admiral Price,
erschoss sich aus Verzweiflung, und die Flotte segelte wieder ab, ohne etwas
ausgerichtet zu haben.
Die Hudsonsbay Company hatte, wie wir oben gesehen haben, den Ring
ihrer Niederlassungen von Labrador bis zum Stillen Ozean geschlossen, doch
hatte sie bei der Verwaltung des ungeheuren Landgebietes und bei der Aus-
nutzung des Pelzhandelsmonopols mil nicht geringen Schwierigkeiten zu
kampfen.
Schon 1838 war es der Gesellschaft nur mit grossen Anstrengungen ge-
lungen, die Verlangerung ihrer Lizenz zum Alleinhandel im sogenannten
Indianerterritorium gegen ihre zahlreichen Widersacher durchzusetzen. 1849
wurde ihr die Verwaltung von Vancouvers-Island nur gegen den energischsten
Widerspruch der liber alen Partei iibertragen. Die Vorwiirfe gegen die Gesell-
schaft in der Presse, die namentlich durch die Veroffentlichungen einiger ehe-
maliger Angestellter uber stattgehabte Missbrauche geschurt warden, fingen
allmahlich an, die offentliche Meinung zu erregen.
1856 wurde deshalb ein ,, Select committee of Parliament" zur Unter-
suchung eingesetzt, bestehend aus folgenden Herren, von denen spater ver-
schiedene zu Beruhmtheit gelangten. Mr. Labouchere, Lord John Russel,
Lord Stanley, Edward Ellice, Viscount Sandon, Mr. Blackburn, Percy
Herbert, Alexander Matheson, Sir John Packington, Gladstone, Roebuck,
Lowe, Grogan, Gregson, Charles Fitzwilliam, Gurney, Viscount Goderick.
22 Zeugen wurden eidlich vernommen, darunter die Reisenden Sir John
Rae (der Entdecker der Reste der Franklin-Expedition), Sir John Simpson,
Sir John Richardson, Admiral Sir George Black und der alte Northwestpartner
Edward Ellice.
Es stellte sich heraus, dass die angeblichen Ubelstande durch die Presse
masslos iibertrieben waren. Allerdings hatte die Gesellschaft der Besiedlung
wenig Aufmunterung zukommen lassen, sondern ihr Handelsinteresse stets
in den Vordergrund gestellt, war aber dabei immer loyal vorgegangen. Auch
waren die Indianer keineswegs bedriickt worden, wie der Gesellschaft vor-
geworfen, sondern im Gegenteil vielfach beschiitzt worden.
Das Komitee empfahl dem Parlament, der Gesellschaft das Monopol des
Handels zu belassen, dagegen Vancouvers-Island zu einer Kronkolonie zu
machen und es Kanada freizustellen, soviel von dem Indianerterritorium zu
annektieren, als es beliebe.
Letzteres geschah nicht, und blieb deshalb die Hudsonsbay Company in
ungestortem Besitz. Aber nicht fur lange Zeit.
4. Kapitel. 105
1863, bei Ablauf des Charters, wussten Gladstone und Roebuck es durch-
zusetzen, dass das Monopol nicht mehr erneuert wurde.
Hierdurch musste der gesamte Geschaftsbetrieb der Hudsonsbay Company
ein anderer werden. Damals besass sie 136 Handelsposten und beschaftigte
16 Chieffactors, 29 Chieftraders, 152 Clerks, 1200 Servants, 500 Voyageurs
und 150 Matrosen und Offiziere.
Die Aktiven standen mit i 468 301 und die Passiven mit 203 233 Pfund
zu Buch, so dass das Kapital sich auf i 265 068 Pfund belief. Dies setzte sich
wie folgt zusammen:
Aktienkapital 500 ooo Pfund, Wert des Landes und der Gebaude 318 884
Pfund, Forderungen an die englische Regierung fiir Auslagen in Vancouvers-
Island 87 072 Pfund, Wert der Anlagen auf Vancouvers-Island 75 ooo Pfund,
von der Regierung zu ersetzende Auslagen der von Lord Selkirk auf die Red-
river-Kolonie gezahlten 84112 Pfund, Forderung, an die Vereinigten Staaten
200 ooo Pfund.
Fine Gesellschaft, die International financial Company, erwarb die alte
Hudsonsbay Company, indem sie fiir jede Aktie im Nominalwerte von hundert
Pfund (Kurswert 200 Pfund) 300 Pfund zahlte, also i 500 ooo Pfund im
ganzen. Sie gab dann 100 ooo neue Aktien a 20 Pfund aus.
Die Einteilung des Gebietes blieb beim alten, nur wurde die Verwertung
des Grund und Bodens mehr beachtet.
Die Annektionsgeliiste Kanadas nahmen indessen mehr und mehr greif-
bare Gestalt an, und um dem zu entgehen, verkaufte die Hudsonsbay Company
ihr gesamtes Landeigentum fiir 300 ooo Pfund Bargeld der Regierung, sich
dabei 50 ooo Acres Land in der Umgebung ihrer Stationen und ausserdem
die freie Verfugung iiber den zwanzigsten Teil des fruchtbaren Giirtels, der
ca. 200 Millionen Acres umfasst, vorbehaltend.
Auf jede Aktie wurden jetzt 3 Pfund zuriickgezahlt*).
Das gesamte Britisch-Nordamerika, bestehend aus den Kolonien Kanada,
Neu-Schottland, Neu-Braunschweig, Britisch Columbia mit Vancouver Island,
dem Hudsonsbay-Gebiet und den Nordwestterritorien, wurde jetzt zu einer
einzigen Kolonie, dem Dominion of Canada, verschmolzen. Diese Massregel
stiess in der Redriverkolonie auf energischen Widerstand.
Fin gewisser Thomas Mac Dougall war zum Generalgouverneur der
neuen Provinz ,, Manitoba" ernannt worden, ohne dass hiervon oder von der
Abtretung des Gebietes iiberhaupt irgend eine offizielle Anzeige gemacht
worden war. Nicht einmal der Gouverneur der Hudsonsbay Company, Mac
Tavish, hatte eine Mitteilang erhalten.
Die Aufregung, die dem Vernehmen nach noch durch die zahlreiche
katholische Geistlichkeit geschiirt wurde, stieg aufs hochste, als Kolonel
* Seit dieser Zeit sind in verschiedenen Raten noch 17 Pfund auf jede Aktie
aus den Landverkaufen zuriickgezahlt.
jo6 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Dennis die Felder neu vermass, da sich sofort das Geriicht verbreitete, den alien
Ansiedlern sollten die Farmen genommen und an Kanadier gegeben werden.
Ein Trupp von 18 bewaffneten Halfbreds unter Fiihrung von Louis Riel,
dem ,, Napoleon des Redriver", wie ihn seine Anhanger spater nannten, ver-
jagte die Feldmesser und beschloss, den Gouverneur Mac Dougall nicht ins
Land zu lassen.
Etwa 600 franzosische Halbindianer bemachtigten sich des Forts Garry,
wo sie die Kasse der Hudsonsbay Company, sowie Vorrate, Provisionen usw.
im Werte von 50 ooo Pfund mit Beschlag belegten.
Fine Republik Winipeg wurde konstituiert, und erst John Bruce, dann
Louis Riel mit den beiden Mitregenten Lepine und O'Donoghue zum Pra-
sidenten erwahlt.
O'Donoghue, ein entlaufener Laienbruder und spaterer Farmer, kniipfte
auch Verhandlungen mit den Feniern in den Vereinigten Staaten an, um sie
zu einem bewaffneten Einfall zu veranlassen. Dies blieb aber beim Versuch.
Ein Represent antenhaus von 40 Mitgliedern unterstiitzte die Regierung,
die auch ein offizielles Journal, die ,,New Nation", herausgab.
Am 21. Oktober 1869 sandte die Regierung dem Mac Dougall eine Reiter-
schar mit einem Brief entgegen, worin ihm das Betreten des Gebietes unter-
sagt wurde. Mac Dougall blieb einige Zeit in dem amerikanischen Grenz-
stadtchen Pembina, erschien dann am i. Dezember mitten in der Nacht in
Winipeg und erliess zwei Proklamationen, eine, in der er in hochfahrender
Weise die Burger zum Auseinandergehen aufforderte, eine zweite, in welcher
er den Kolonel Dennis ermachtigte, sich mit Waffengewalt Gehorsam zu er-
zwingen und den Belagerungszustand zu verhangen.
Dennis setzte sich auch mit 40 ergebenen Indianern in Stonefort fest,
worauf Mac Dougall, im Gefiihl seine Wiirde gewahrt zu haben, nach Montreal
zuriickreiste.
Eine Anzahl der schottischen und englischen Ansiedler weigerte sich, der
provisorischen Regierung der Mestizen zu gehorchen, und vierzig von ihnen
waren mit dem von Montreal gekommenen Macdonald Smith und dem Obersten
Salaberry zu einer Beratung im Hause des Deutschen Dr. Schulz versammelt,
als eine Streitmacht unter Louis Riel das Haus umzingelte. Nach dreitagiger
Belagerung ergaben sich die Insassen und wurden gefangen ins Fort gebracht.
Hierauf versammelten sich etwa 500 loyale englische Kanadier im be-
nachbarten Stadtchen Kildonan und erzwangen die Freilassung der Gefangenen.
Nachdem der Zweck erreicht war, wurde das Lager wieder abgebrochen und
die Englander zogen in kleinen Trupps wieder nach Hause. Eine solche Ab-
teilung von 43 Mann unter Major Boulton und Thomas Scott passierte Fort
Garry, als plotzlich 300 bewaffnete Reiter heransturmten und sie zu Ge-
fangenen machten.
Diese Heldentat wurde dann im offiziellen Journal als die ,, glorious battle
of Winipeg" verherrlicht. Major Boulton wurde durch ein improvisiertes
4. Kapitel. 107
Kriegsgericht als ,,Rebell" zumTode verurteilt, am 19. Dezember aber, eine
Viertelstunde vor der zur Exekution festgesetzten Zeit, von Kiel begnadigt.
Am 8. Marz 1870 wurde dagegen Thomas Scott plotzlich aus seinem
Gefangnis geholt, zum Tode verurteilt und zwei Stunden darauf im Hofe von
Fort Garry erschossen.
Diese Schusse war en aber zugleich die Totensalve der jungen Republik.
Samtliche anstandigen Einwohner traten zusammen, die benachbarten
Indianer wurden unruhig, und Kiel sah sich allein auf seine treu ergebenen
600 Halbindianer angewiesen. Sobald die Nachricht von der Bluttat nach
Kanada gelangte, war die Aufregung gross. Das Volk verlangte energisch
Massregeln und zwang die Regierung, aus ihrer bisherigen Untatigkeit
herauszugehen.
Ein Expeditionskorps, bestehend aus 800 Mann Milizen von Ontario,
360 Royal Riflemen, 20 Pionieren und 20 Artilleristen mit 4 Feldgeschiitzen,
wurde gebildet. Das Korps wurde unter den Befehl des Obersten Wolseley,
des nachmals so beriihmten Feldmarschalls, gestellt, der hier zum erstenmal
sein grosses Organisationstalent und seine Kunst im Uberwinden von Transport-
schwierigkeiten bewies. An Schwierigkeiten gab dieser kleine Feldzug dem
grossen Aschantikrieg nichts nach. Der Landweg war durch undurchdring-
liche Urwalder, Siimpfe und ein Labyrinth von Seen und Flusslaufen aus-
geschlossen, und nur der Wasserweg, die alte Kanoeroute der Voyageurs
mit ihren unzahligen Tragstellen blieb iibrig. Grosse Dampfer fuhrten die
Expedition iiber den Lake Superior nach Fort Williams, wobei noch diploma-
tische Schwierigkeiten beim Passieren des auf dem Gebiet der Vereinigten
Staaten gelegenen Kanals von Sault St. Marie zu iiber winden waren.
Auf den schaumenden Fluten des Kamenistoquoia River bei Fort William,
das seit den Tagen der Northwest Company kein soldi reges Leben gesehen,
erwarten 200 grosse Boote von je 3 Tonnen Tragfahigkeit mit je 14 geiibten
kanadischen Bootsleuten besetzt, die Expedition. Uber den Shebandowan,
Kashabowan, Lac des mille Lacs, Windigostogan Lake, Rainy Lake, nach
dem Lake of the Woods, wo heute eine der grossten Weizenmuhlen der Welt
steht, ging es iiber den Winipeg-River und -See nach dem Red River.
Auf dieser Route waren 39 Stromschnellen und Katarakte zu umgehen.
Auf alien diesen Ubergangsstellen mussten die Boote ausgeladen und iiber
Land getragen werden. Noch heute liegen neben einer der Eisenbahnstationen
mehrere dieser damals verlassenen Boote, an denen der den dustern Urwald
durchschneidende Expresszug vor iiber fliegt.
Da auch fur 3 Monate Proviant, Munition usw. mitgefuhrt werden musste,
machte das Vorwartsschaffen durch die engen, morastigen Pfade, die an den
Tragstellen den Urwald durchschnitten, die grossten Schwierigkeiten, die
ebenso wie die reissenden Stromschnellen auf der Talfahrt nur durch die Ge-
schicklichkeit der kanadischen Bootsleute iiberwunden werden konnten. Auf
alle diese Hindernisse hatten die Rebellen sicher gerechnet, und als deshalb
jo8 II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
am 8. August die rachende Schar ganz unerwartet vor Fort Garry auftauchte,
ergriffen die tapfern Vaterlandsverteidiger die Flucht.
Louis Kiel suchte sie vergebens zum Halten zu bringen und verliess erst
eine Stunde vor Einrucken der Truppen mit seinen Mitregenten Lepine
und Odonaghu das Fort und entkam gliicklich nach dem kleinen Grenz-
stadtchen St. Joseph in Minnesota.
Die Provinzialverwaltung wurde jetzt ungestort organisiert und alien Be-
teiligten, mit Ausnahme der Radelsfuhrer, Amnestie erteilt.
Jetzt begann eine neue Phase der Entwicklung fur das gesamte Hudsons-
bai-Gebiet. Bereits beim Beitritt von Britisch Columbia und Vancouvers-
Island war als Aquivalent die Anlage einer Bahn zugesichert worden, welche
die Gestade des Stillen Ozeans mit dem Atlantischen verbinden sollte.
Es ist hier nichtder Platz, auf die verschiedenen Phasen des Entstehens dieses
gewaltigen Kulturwerks der Canadian Pacific-Bahn einzugehen. In
von seinen Begriindern ungeahnter Weise hat diese Bahn nicht nur das Land
erschlossen, sondern bildet heute mit den angegliederten der Bahngesellschaft
gehorigen Dampferlinien die schnellste und bequemste Verbindung nach Ost-
asien und Australien. Schon als die Route bekannt wurde, welche die Bahn
nehmen sollte, und ehe noch der erste Spatenstich geschehen, stromten von
alien Seiten Einwanderer in die fruchtbare Prarieprovinz. Russische Menno-
niten, Skandinavier, Islander, Deutsche, verschmolzen mit den Auswanderern
Oldenglands und franzosischen Kanadiern zu einer homogenen, kanadischen
Bevolkerung. Die Landpreise stiegen in ungeahnter Weise, und auch die
Hudsonsbay Company erntete reichlich durch den allmahlichen Verkauf der
ihr vertragsmassig zustehenden 10 Millionen Acker Landes im fertile Belt
und der 50 ooo Acker Stadtland in der Umgebung ihrer Stationen. Um diese
Stationen gruppierten sich jetzt grosse stadtische Gemeinwesen. Besonders
hervorragend war dies in Winnipeg der Fall, das sich zu einer Grossstadt mit
elektrischer Beleuchtung, elektrischer Strassenbahn, grossstadtischen Ge-
schaften und Hotels entwickelte.
Wahrend des Booms wurden hier Preise fur Bauplatze bezahlt, die den
New Yorker Bodenpreisen wenig nachgaben. Zeitweilig herrschte eine wiiste
Spekulation. Aber auch die andern Stationen des Prariedistrikts, wie
Edmonton, Pembina, Alberta und andere entwickelten sich zu grossen Gemein-
wesen. Die Hudsonsbay Company war nun auch gezwungen, den veranderten
Verhaltnissen sich anzupassen und tat dies in sehr geschickter Weise.
In den Grenzdistrikten bis hinauf zum Athabascaw wurde statt des alt-
hergebrachten Tauschhandels die Geldwirtschaft eingefuhrt. Um der Kon-
kurrenz zu begegnen, wurden in den Grenzdistrikten sogar sehr hohe Preise
bewilligt. Man erzahlt iibrigens, dass sich ein bekannter Rauchwarenhandler
Hr. B. aus Chicago, der im ganzen neuerschlossenen Gebiete bis nach Van-
couvers-Island Filialen errichtete, diese Massregel der Hudsonsbay Company
zunutze machte. Er kaufte auf den Londoner Auktionen die Tertia- and
4. Kapitel.
IOQ
Quartanerze, Zobel, Biber usw. der betreffenden Gebiete, liess sie nach Kanada
schaffen und durch Zwischenleute der H. B. C. anbieten, die dann dafiir den
Durchschnittspreis fiir die ortsublichen Sortimente zahlte. Erst als man
dahinter kam, wurde das System geandert. Es gelang der H. B. C. auch nicht,
die Konkurrenz dauernd fernzuhalten, denn die grossen Gcschafte in den
Stadten kauften samtliche Pelzwaren. Namentlich Winnipeg und Edmonton ent-
wickelten sich so zu grossen Pelzhandelsemporien, wo die grossen Rauchwaren-
firmen Amerikas und Kanadas Einkaufer unterhielten. Nur jenseits Atha-
bascaw im Nor den und Nordwesten des zweiten Gebiets behielt die H. B. C.
Geschaftshaus der Hudson's Bay Co. in Montreal.
die Allemherrschaft ziemlich unbestritten, da ihr hier ihr vorziigliches Ver-
kehrs- und Verproviantieiungssystem eine Vorherrschaft sicherten.
Auch das Verkehrswesen wurde organisiert. An Stelle der Brigaden der
leichten Birkenrindenkanoes traten Dampfer und Leichterfahrzeuge, und die
Eisenbahn wurde im weitesten Masse dem Verkehr auch fiir die Beforderung
der Zufuhren fiir die Pelzhandelstationen und die Riickbeforderung der Pelz-
ausbeute nutzbar gemacht*
Aber auch sonst liess sich die alte Herrscherin des Westens und des rauhen
Nordens nicht von der Konkurrenz zuriickdnmgen. Ubersetzte doch derVolks-
witz die drei Buchstaben H. B. C. in der stolzen Flagge der Hudsonsbay
Company nicht umsonst mit dem angeblichen Wahlspruche ,,Here Before
Christ", das heisst ,,wir waren schon vor Christi Geburt hier am Platze."
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
In den grossen Platzen errichtete die Company stattliche Warenhauser
sog. Departmentstores, welche alles an Waren boten, was am Platze und der
Umgebung gebraucht wurde, vom Patentpflug bis zum neuesten Pariser Friih-
jahrshut, und ihre Stores waren stets die grossten und elegantesten am Platze.
Die Aktien der H. B. C. waren demgemass auch stets sehr gesucht. Etwa
die Halfte des Aktienkapitals wurde inzwischen aus den Gewinnen zuruck-
gezahlt und ausserdem durcbschnittlich jahrlich 10 Proz. Dividende verteilt.
So betrug z. B. die Bilanz dieser Gesellschaft 1904 wie folgt: Gewinn durch
den Handel netto 95 954 Pfund, durch Landverkauf 179 047. Davon wurde
eine Dividende von 35 Schilling per Aktie, d. h. 17% Proz., verteilt, was
175 ooo Pfund absorbierte, I Pfund pro Aktie zuriickgezahlt, was weitere
100 ooo Pfund erforderte und 93 ooo Pfund wurden auf neue Rechnung vor-
getragen, was noch wieder beinahe i Pfund pro Aktie (ca. 10 Pfund) ausmacht.
Im Jahre 1905 stellte sich die Bilanz noch giinstiger infolge der hohen erzielten
Pelzpreise, doch fehlen mir augenblicklich die genauen Ziffern. Dabei besitzt
die Gesellschaft noch liber 4 Millionen Acker fruchtbaren Bodens und auf
ihrem Gebiete im Norden befinden sich noch ungeheure Lager von Kupfer,
Eisen, Kohlen, Petroleum, Nickel, Asbest usw., die noch gar nicht in Angriff
genommen sind.
Bekanntlich befinden sich am Obern See und zwar sowohl auf dem Ge-
biete der Vereinigten Staaten, als in Kanada die reichsten Kupferminen und
zugleich auch die besten Asbestminen der Welt. Diese Minen haben ihren
Aktionaren ungeheure Summen eingetragen und beherrschen heute den Welt-
mar kt vollkommen.
Die grossen Goldlager im Nordwesten des Gebiets erwahnen wir spater.
Auch Britisch Columbia nahm mit dem Vorschreiten der Bahn einen riesigen
Aufschwung. Auch hier brach ein Landboom aus, namentlich als der kleine
Flecken Vancouver als Endpunkt der Linie und zum Ausgangspunkt der
Dampferlinien bestimmt wurde, herrschte dort ein wahres Landfieber. Fur
einen kleinen Bauplatz wurden mehr Pfund gezahlt, als eine grosse Farm dort
Dollars gekostet hatte.
Riesige Vermogen wurden dort gewonnen, aller dings teilweise auch wieder
verloren, als der Boom nachliess. Im Jahre 1885, gleich nach der Griindung,
brannte die ganze Stadt nieder, um gleich darauf phonixgleich aus der Asche
zu erstehen. Grosse Rivalitat herrscht zwischen dem neuen Gemeinwesen
und den benachbarten alteren Stadten NewWestminster und Viktoria auf
Vancouvers-Island, die mit dem Hochmut des altgefesteten Patriziertums
auf den Emporkommling Vancouver herabsahen.
Sobald 1867 das gesamte russische Amerika fur 10 Millionen Dollar an
die Vereinigten Staaten verkauft war, reisten die Bevollmachtigten zahlreicher
Firmen dorthin, um sich einen Anteil an dem Sealskinfang zu sichern. Auch
Herr Teichmann, damals von der Firma Schroder & Co. in London, jetzt
Chef der Firma C. M. Lampson & Co., reiste nach Alaska, das damals ganz
4. Kapitel.
Ill
abseits des grossen Weltverkehrs lag und eine mehrmonatliche Reisedauer
erforderte. Aber alles war vergeblich. Die Regierung erklarte die Pelz-Aus-
nutzung auf den Pribiloffinseln und teilweise auch an der Kiiste von Alaska
fur ein Regierungsmonopol und iibertrug dessen Ausnutzung einer amerika-
nischen Gesellschaft, der Alasca Commercial Co., die mil einem Kapital von
2 Millionen Dollar in San Francisco gegriindet wurde. Als Agenten fiir den
Verkauf wurden die Herren C. M. Lampson & Co. in London bestimmt, die
auch mil Kapital an der Gesellschaft beteiligt waren. Damals rasteten die
wertvollen Pelzseehunde noch zu Millionen auf den Inseln, und die Regierung
erliess strenge Gesetze zum Schutz dieser Industrie.
Pelzseehunde auf den Pribyloffinseln.
Es durften auf den Inseln St. Paul und St. George jahrlich 100 ooo
junge Mannchen von 2 bis 4 Jahren getotet werden und durften zum Fange
nur Aleuten als Arbeit er verwendet werden, die fiir jedes Fell l/2 Dollar Arbeits-
lohn erhielten. % Dollar erhielt die Regierung als Abgabe, 100 ooo Dollar,
also auch i Dollar pro Fell, wurde Pacht gezahlt, und die sonstigen Unkosten
(Salz, Fracht usw.) betrugen auch noch etwa i Dollar pro Fell. Da nun diese
Felle in London 10 bis 20 Dollar pro Stuck holten, war das Geschaft gewiss
ein glanzendes.
Die Gesellschaft zahlte denn auch jahrelang jahrlich 50 bis 100 Proz.
Dividende. 1869 erlangte die Firma Hutchinson Kohl & Co. in San Francisco
das alleinige Recht des Seehundsfangs auf den russischen Komodorski-Inseln
Copper und Behring Island, wo jahrlich 60 ooo Seals getotet werden durften,
und iibertrug dies Recht gleichfalls an die Alasca Commercial Co. Der
II- Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Kontrakt lief 20 Jahre und wurde dann an eine Petersburger Gesellschaft
unter Fiihrung des bekannten Pelzhandlers Griinwalt iibertragen. Die
Alasca Co. beschrankte sich natiirlich nicht allein auf den Seehundsfang,
sondern hatte Stationen an der ganzen Kuste von Alaska zum Handel mit
den Eingeborenen. Damals erhielt die Alasca Co. jahrlich 6 — 7000 Seeotter-
felle allein, neben zahlreichen Silber-, Kreuz- und Rotfuchsen, Baren,
Zobel- usw. Fellen, wahrend die Hudsonsbay Company ebenfalls von der
Kiiste Britisch Columbiens und Vancouvers Islands mehrere hundert Stuck
Seeotterfelle erhielt. Jetzt kommen bekanntlich im ganzen nur einige hundert
Felle jahrlich in den Handel.
Die Hudsonsbay Company war iibrigens die erste, welche Dampfer an
der Westkiiste von Nordamerika beschaftigte, und die alten Dampfer ,, Otter"
und „ Beaver" waren lange Jahre die einzigen, deren Dampfpfeife die Stille
der einsamen Sunde unterbrach. Der Verkehr mit der Aussenwelt fand durch
Segler statt, die urns Kap Horn gingen und oft 7 bis 8 Monate zur Reise
brauchten. Mit der Eroffnung der Northern Pacific 1885 und der Canadian
Pacific 1887 anderte sich das Bild an der ganzen Kiiste. Machtige Stadte,
Portland Oregon, Tacoma und Seattle wuchsen mit unheimlicher Schnellig-
keit aus dem Boden. Wo noch vor wenigen Jahren Bar und Wapiti ungestort
gehaust hatten, tont die Klingel der elektrischen Strassenbahn. Von den
grossartigen Kaianlagen laufen riesige Dampfer nach Ostasien und Australien,
zahllose Segelschiffe bringen die Produkte der riesigen Weizenfelder, Dampf-
muhlen, Sagemiihlen usw. nach alien Weltteilen.
An den mit Urwald bestandenen Ufern des Columbia, des Eraser usw.
dampfen die Schlote der Sagemiihlen, welche die Urwaldriesen in Planken
und Balken verwandeln, und der sogenannten Caneries, wo der unglaubliche
Reichtum der Fliisse an Lachsen in Blechbiichsen verpackt, einen grossen
Welthandelsartikel bildet. Auch das stille Britisch Columbia blieb nicht un-
beriihrt. Neben dem alten Newwestminster erstand das riihrige Vancouver,
und auch das ruhige Victoria auf Vancouver Island erstand zu neuem Leben.
Aber mit dem Aufschwunge des Landes begann auch eine schlimme Kon-
kurrenz fur die Pelzhandelsgesellschaften, namentlich aber fur das Seehunds-
fang-Monopol der Alasca Co. Sowohl von Portland, Seattle, Tacoma, als
auch von Vancouver und Victoria liefen zahlreiche kleine Schoner von 20 bis
50 Tonnen Grosse aus, welche den Seehunden auf offner See nachstellten und
bald grosse Verheerungen anrichteten. 600- bis 800 ooo Seehunde wurden
so alljahrlich gefangen, und da dies meistens Weibchen waren, und ausserdem
mindestens die doppelte Zahl verloren ging, so bedeutete dies ein rapides Zu-
sammenschmelzen der Sealherden auf den ,, Rockeries", wie die Lager plat ze
der Seehunde genannt werden. Vergeblich erklarte die amerikanische Re-
gierung die ganze Behringsee fur ein geschlossenes Meer, die englische und
russische Regierung erkannten dies nicht an. Zahlreiche amerikanische Zoll-
kreuzer patrouillierten die See, und zahlreiche kanadische und amerikanische
4. Kapitel.
Fangschoner wurden beschlagnahmt, was zu zahlreichen Prozessen Anlass
gab. 1897 wurde dann eine Ubereinkunft getroffen zwischen England, Amerika
und Russland, wonach Fangschoner den Pribiloffinseln auf 60 Seemeilen
Entfermmg fernbleiben mussten, und das pelagische Seehundsfangen auf die
Monate April bis Oktober beschrankt blieb. Auf den Pribiloffinseln wurde
dann der Fang stark eingeschrankt, anfanglich auf 7000 Stuck jahrlich, welche
Quote dann auf 15 ooo erhoht worden ist.
Ausser den grossen Pelzhandelskompanien beschaftigten sich noch ver-
schiedene Firmen mit dem Pelzhandel, namentlich Boscowitz & Co. und
Aleutische Fangleute auf den Pribyloffinseln.
Hutchinson Kohl & Co., die beide nicht mehr existieren, dann Liebes & Co.,
deren Begr under ein Deutscher ist, Bissinger & Co. und andere, die Firma
Philipaus & Co. in San Francisco beschrankt e ihre Operationen auf die
Kiiste von Kamtschatka und die See von Ochotsk.
Alaska selbst war der Alasca Co. ziemlich allein iiberlassen geblieben,
bis im Jahre 1896 an den Ufern des Klondyke, in der Nahe des machtigen
Yukon, die bekannten reichen Goldlager entdeckt wurden. Vor einigen Jahren
entstand hier in den arktischen Regionen in einer der wiistesten Regionen der
Erde eine dichte Bevolkerung. Dawson City, Circle city Jamen wurden
volkreiche Stadte, in denen sich selbst moderne Kurschner-Geschafte befinden.
8
114
II. Geschichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika.
Sitka, Chilcat Name usw. sind lebhafte Hafenstadte geworden, auf denen statt
eines gelegentlichen Schoners jetzt zahlreiche Dampfer regelmassig einlaufen.
Auch die Alasca Commercial Co. hatte unter diesen Umwandlungen zu leiden.
Ihr Monopol des Seehundsfanges war auf die Northamerican Commercial
Co. iibergegangen, die aber auch ausserdem in Alaska zahlreiche Pelzhandel-
stationen neben denen der Alasca Co. errichtete, vmd schliesslich trat noch ein
dritter machtiger Konkurrent auf den Plan, die North American Trading
& Transportation Co., deren Stammsitz Chicago ist, die aber fast den ganzen
Verkehr zwischen der Kiiste Alaskas und Klondyke monopolisiert hat. An
Stelle des lukrativen Tauschhandels ist die Geldwirtschaft getreten, und auch
die als Jager gebrauchten ,,Siwatches", wie die Kiistenindianer der ver-
schiedensten Stamme im ,, Chinook", der an der Kiiste ublichen Verkehr s-
sprache, genannt werden, erhalten jetzt, infolge der scharfen Konkurrenz der
verschiedenen Unternehmer, Gehalter, wie sie sich in ihren kiihnsten Traumen
friiher nicht vorgestellt hatten. Die Pelzausbeute Alaskas ist iibrigens nicht
zuriickgegangen, nur die der grossen Seesaugetiere, wie Seals und Seeotter,
wahrend zum Schutze der anderen Tierwelt Alaskas sehr strenge Jagdgesetze
erlassen wurden, die zum Teil sogar weit iiber das Ziel hinausschiessen. Anderer-
seits sind auf den kahlen Felseninseln an der Kiiste zahlreiche Tierfarmen zur
Zucht wertvoller Pelztiere entstanden, namentlich Silberfuchse, Blaufuchse,
Zobel usw. werden so geziichtet. Mehrere Gesellschaften beschaftigten sich
mit dieser Zucht, namentlich die Semidi Propagating Co. in Kadiak. -
Im April 1910 wurde das Monopol der Northamerican Commercial Co.
zum Seehundsfang auf dem Pribiloff aufgehoben, und der Fang von der Re-
gierung auf eigene Rechnung betrieben.
Wir haben oben gesehen, wie aus den ,,quelques arpents de neige", den
wenigen Morgen Schnee, wie die Franzosen nach dem Verlust Kanadas das
Land bezeichneten, durch die geschickte Kolonialpolitik der Englander ein
bliihender Staat entstand. Von Halifax und Quebec im Osten bis Vancouver
und Victoria im Westen zieht sich eine Kette von wohlhabenden Stadten
entlang. Die ode Prarie ist heute ein Weizenkulturland ersten Ranges, ebenso
wie die ostlichen Auslaufer der Felsengebirge ein Eldorado fur Viehzucht ge-
worden sind. Die Hudsonsbay Company hat aber auch nicht wenig dazu bei-
getragen, namentlich durch ihre geschickte Indianerpolitik.
Es ist hier nicht der Raum, um auf die Indianerfrage naher einzugehen.
Zwar im Osten sind die Abkommlinge der stolzen Mohawks, Oneidas, Huronen
usw. vollkommen verschwunden oder fristen zigeunerartig ihr Leben mit dem
Verkauf von Strohflechtereien, sogenannter indianischer Kuriositaten, Arbeiten
aus Birkenholz usw. In den ausgedehnten Waldungen des Nordens fuhren
die Indianer, die den grossen Volkerfamilien der Crees und der Chipewas ange-
horig, noch immer ein ungestortes Trapperleben.
Die Hudsonsbay Company sorgt noch heute wie seit Jahrhunderten
vaterlich fur ihre roten Kinder und liefert in Notstandszeiten auch Nahrungs-
4. Kapitel.
mittel. In den Prarien haben sich zahlreiche Indianerstamme angesiedelt,
namentlich die Sioux und Blackfeet. Wahrend nun in den Vereinigten Staaten
durch die verkehrte Indianerpolitik und namentlich durch die Ubergriffe der
Indianeragenten, so lange die Indianer noch zahlreich genug waren, haufig
blutige Aufstande derselben hervorgerufen wurden, blieb es auf der kanadischen
Seite ganz still. Wahrend die Sioux unter Sittingbull in den Vereinigten
Staaten auf dem Kriegspfade waren und u. a. die gegen sie ausgeschickten
Truppen unter General Custer niedermetzelten, beschaftigte sich der auf
kanadischem Gebiet angesiedelte Stammesteil ruhig mit der eintraglichen
Pferdezucht. Ein gleiches war bei dem Aufstande der Nezperces in Oregon
der Fall. 4 I
Noch heute befindet sich ein grosses Siouxlager bei der Station der Canada
Pacific Bahn ,, Medicine", und die roten Sohne der Wildnis kommen ganz
friedlich zu Verkaufszwecken auf die Station, wissen aber den zahlreich auf
sie gerichteten Kodaks der Reisenden geschickt auszuweichen.
Als 1884 Louis Kiel in seinem Grossenwahn einen neuen Auf stand der
Mischlinge anzettelte, blieben die Indianer nicht nur ganz ruhig, sondern
halfen sogar den Truppen bei der Niederwerfung des Aufstandes und dem
Einfangen der Radelsfuhrer. Louis Kiel ereilte dabei das Schicksal, er wurde
als Rebell gehangt.
Die Handelsrouten des Pelzhandels haben sich vielfach geandert. Die
Bahnverbindungen und die zahlreichen Dampferlinien haben die eisstarrende
Hudsonsbay nicht mehr zum alleinigen Ausfuhrwege fur die Pelzausbeute der
Hudsonsbay Company gemacht. Nur die Felle aus den nordlichsten und nord-
ostlichsten Distrikten gehen noch liber Yorkfort und Mooseriver Factory
an der Hudsonsbai, die anderen kommen uber Montreal zum direkten Versand.
In Winipeg und in Edmonton sind Mittelpunkte des Pelzhandels ent-
standen. Fort Edmonton war seinerzeit von der Northwest Company gegriindet
und spater von der Hudsonsbay Company hauptsachlich dazu benutzt worden,
um die notigen Quantitaten Biif f el f iir die Proviantierungszwecke der Kompagnie
zu beschaffen, die teilweise hier in Pemmican, den bekannten Dauerproviant,
umgearbeitet wurden. Betrug doch die Ration der Voyageurs 8 Pfund Biiffel-
fleisch pro Mann und Tag. Jetzt sind hier nicht nur eine ganze Anzahl von
Pelzgeschaften, sondern Revillon freres haben eine eigene Filiale, und zahl-
reiche grosse Pelzhandelshauser, wie Jos. Ullmann, Monjo und andere, haben
Einkaufsagenten hier. In Winipeg bestehen einige zwanzig Pelzgeschafte.
Eine Bahn von Winnipeg aus nach Ft. Churchill an der Hudsonsbay wird
jetzt vermessen, die fur die Weizenmengen des Nordwestens eine schnellste
und billigste Route nach England bilden wird, und auch zur weiteren
wirtschaftlichen Entwicklung des Gebietes beitragen wird.
Uber den alteren Handelsbetrieb der Hudsonsbay Company und uber
ihre verschiedenen Handelsposten ist ausfiihrliches in einem spateren Ab-
schnitt enthalten.
8*
III.
Geschichte
des russischen Rauchwarenhandels.
III.
Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
1. Kapitel.
Wir wenden uns nunmehr wieder nach Europa zuriick.
Von den Handelsbeziehungen der Griechen und Romer mit dem fernen
Scytenlande, von denen uns schon Herodot berichtet, abgesehen, finden wir
die altesten Beziehungen Russlands, welches damals noch aus einer Reihe
einzelner Grossfurstentumer und Chanate bestand, mit Byzanz.
Sowohl Handel als Politik gravitierte nach dem Schwarzen Meere, nament-
lich spielten die ,,Warager" dort eine hervorragende Rolle.
Von den nordlichen Teilen des Landes horen wir zum ersten Male naheres
durch die beriihrnte, im 9. Jahrhundert unternommene Reise des Norwegers
Othere, der ganz Skandinavien umsegelte und bis an die Miindung der Dwina
vordrang.
In dem von Konig Alfred von England' veroffentlichten Reisebericht
interessiert uns noch besonders die Angabe, welche Othere iiber den Tribut
macht, welchen die Finnen den angesiedelten Norwegern bringen mussten.
Derselbe richtete sich nach dem Vermogen des einzelnen und bestand bei den
Reichen aus 15 Harder fellen, 5 Renntierfellen, i Barenfell, 10 Korben Federn,
i Barenfell- oder Otterfell-Jacke und 2 Schiffstauen von 60 Ellen Lange, von
denen das eine aus Walrosshaut, das andere aus Seehundsfell gefertigt sein
musste.
Die ersten Beziehungen Deutschlands zu Russland fanden zur Zeit
Konrads III. und Friedrich Barbarossas statt. Schon urn die Mitte des zwolften
Jahrhunderts hatten die deutschen Kaufleute in Wisby auf Esthland die erste
Stelle eingenommen und beherrschten den ganzen Handel der Ostsee. Sie
unternahmen urn diese Zeit zahlreic.he Handelsziige nach der Diina, um von
dort aus dauernde Beziehungen mit dem Zaren von Nowgorod anzukniipfen,
damals dem machtigsten der russischen Grossfiirsten, dessen Hauptstadt
Nowgorod Jahrhunderte lang das bedeutendste Handelsemporium des Nordens
bildete.
Im heutigen Li viand wurden Handelsniederlassungen errichtet, die bald
als Stiitzpunkte fur die Missionen unter den heidnischen Livlandern, Esthen
und Russen dienten. Im Jahre 1186 griindete der Augustinermonch Meinhard
aus Segeberg, der die Wisbyer Kaufleute begleitet hatte, bei dem Dorfe Yxkiill
I2O HI' Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
das erste Kastell, und 1199 erbaute der Bremer Domherr Albert in Appeldern
an der Diina die Stadt Riga. Er stiftete auch den Orden der Schwertbriider
und eroberte mil Hilfe derselben ganz Livland und Esthland, fand aber bei
den Esthen hartnackigen Widerstand.
1218 erschien der Konig Waldemar II. von Danemark mit einer Flotte
von angeblich 1500 Schiffen, griindete Reval, eroberte Esthland und zwang
den Bischof Albert, sowohl Esthland als Livland von ihm zu Lehen zu nehmen.
Erst durch die Gefangennahme Waldemars durch den Grafen Heinrich von
Schwerin auf der Insel Lyoe bei Fiinen 1223 ficl auch Livland und Esthland
wieder an die Deutschen. 1231 uberschritten die Deutschritter die Weichsel,
griindeten Thorn und Kulm, die als Stadte mit Magdeburger Recht bald eine
bedeutende Handelsstellung errangen.
1237 wurden mit Hilfe einer Liibecker Flotte die Letten, die sich gegen
den Schwertorden erfolgreich emport hatten, unterworfen, der Schwertorden
wurde einverleibt und die Herrschaft des ganzen Ostens in der Hand des
deutschen Ritterordens unter Hermann von Salza vereinigt. 1241 wurde
durch den Vertrag Liibecks mit Hamburg die Hansa begriindet, der sich dann
spater die niedersachsischen und westfalischen Stadte anschlossen. Namentlich
durch Koln wurde der Stahlhof in London in der Upper Thames Street, die
Niederlassung in Antwerpen und Brugge begriindet, durch Lubeck die Nieder-
lassungen auf Schonen, in Norwegen und in Nowgorod. Im Jahre 1282 fand
dann der eigentliche enge Zusammenschluss statt, wonach die Ausnutzung
der auswartigen Niederlassungen alien gemeinsam war.
In Nowgorod erreichte die Hansa bald eine sehr bedeutende Machtstellung.
Ihre Handelsverbindungen reichten bis an die sibirische Grenze. Die Hansen
tauschten Pelzwerk, Talg, Haute, Rauchfleisch, ferner Pottasche, Pech, Harz
und Bauholz gegen deutsche Fabrikate, Wein aus Portugal und Frankreich usw.
um. Auch von Riga aus wurde dauernde Verbindung mit Smolensk unter-
halten und weite Schlittenreisen tief in das Innere Russlands unternommen.
In Thorn stiessen die Handelswege von Danzig und Breslau zusammen
und wurde die Verbindung von hier aus mit Polen, dem mittleren und siid-
lichen Russland unterhalten. Auch hier bildeten Rauchwaren, Wachs, Talg,
Haute usw. den Hauptteil des Handels, was ich schon in einem friiheren
Abschnitt hervorgehoben haben. Besonders in Lubeck waren sehr bedeutende
Kaufleute, die aus dem Rauchwarenhandel eine Spezialitat machten, und die
eingehandelten russischen, norwegischen und polnischen Rauchwaren nach
London, Bordeaux, sowie den verschiedenen deutschen Stadten lieferten.
In ganz Russland waren die deutschen Kaufleute machtig und1 hatten
das Monopol des Handels, wenn die einzelnen auch haufig unter der Roheit
der russischen Grossen zu leiden hatten. Schon damals finden wir haufig
Klagen iiber die iibergrosse Trunksucht der Russen.
Obgleich nun hanseatische Kaufleute Russland bis weit hinein in das
Innere bereisten, und ihre Handelsbeziehungen sich bis an die Grenze Sibiriens
i. Kapitel.
und bis zu den Samojeden erstreckten, finden wir in der Literatur der da-
maligen Zeit wenig Ausfiihrliches iiber das russische Reich. Zwar wird ofters-
der Pelzsendungen, die von dort kommen, sowie der Beschwerden, die beim
Reisen in diesem wilden Lande drohen, Erwahnung getan; auch iiber die
durch die Wildheit und Trunksucht der Bewohner entstehenden Gefahren
am Hofe des Zaren zu Nowgorod wird geklagt, aber eine Beschreibung des
Landes wird nirgends gegeben. Teilweise war es auch wohl Politik der Hansen,
welche die auswartige Konkurrenz von hier fernhalten wollten. Es schien
dies auch Jahrhunderte lang gelungen zu sein. Erst im Jahre 1496 unternahm
der Norweger Gregor Istoma mil dem Gesandten David eine Reise nach
Moskau, und von hier aus zu Lande nach der Miindung der Dwina, von wo
aus sie auf Booten langs der Kiiste des Weissen Meeres am Nordkap vorbei
bis nach Drontheim zuriickkehrten. Der Bericht iiber diese Reise wurde erst
1549 veroffentlicht, und zwar in dem grossen Werke des Osterreichers Siegmund
von Herberstein, dessen grosstes Werk : ,,Rerum moscoviticarum commentarii",
in Wien erschienen, zuerst ausfuhrliche Bericht e iiber dies Riesenreich brachte
und in ganz Europa berechtigtes Interesse erregte.
Gustav Wasa von Schweden beschloss eine Expedition und suchte nun
langs der Nordkiiste des russischen Reiches nach den reichen Landern des
Ostens zu gelangen, fand aber keine geeignete Personlichkeit zur Ausfiihrung
der Reise.
Anders war es in England. Hier veranlasste der greise Sebastian Cabot,
der eigentliche Entdecker des Festlandes von Amerika (siehe oben Geschichte
des Rauchwarenhandels in Nordamerika), der Grosspilot von England, die
Aussendung einer fur die damalige Zeit gewaltigen Expedition.
Dieselbe bestand aus 3 Schiffen, unter dem Oberbefehl des Sir Hugh
Willoughby, und zwar der ,,Bona Esperanza" von 120 Tonnen unter Kapitan
William Gefferson, mit 28 Matrosen und 6 Kaufleuten, der ,, Edward Bona-
ventura" von 160 Tonnen unter Kapitan Richard Chancellor, den Steuer-
leuten Stephan Burrough und Arthur Pet, die sich spaterhin noch einen Namen
in der Polarforschung machten, 2 Kaufleuten und 44 Matrosen, und der ,,Bona
Confidentia" von 90 Tonnen unter Cornelius Dufort, mit 3 Kaufleuten und
25 Mann Besatzung. Die Kosten der Ausriistung, die 6000 Pfund betrug,
wurde von einer Anzahl englischer Kaufleute bestritten, die sich einen reichen
Gewinn von der Reise versprachen. Im Mai 1553 trat die Flotte unter Teil-
nahme einer ungeheuren Volksmenge von Ratcliffe bei London die Fahrt an.
Man fuhr langs der norwegischen Kiiste, wo in der Nahe der Lofoten
Mitte August der ,, Ed ward Bonaventura" unter Richard Chancellor durch
einen heftigen Sturm von seinen Gefahrten getrennt wurde. Nach langerem
Hin- und Hersegeln erreichte Willoughby Ende September, das russische
Lappland, wo man zu iiberwintern beschloss. Wahrend des Winters aber er-
lagen Willoughby und seine samtlichen Begleiter der Geissel der damaligen
Zeit, dem Skorbut.
122 HI. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Gliicklicher war Chancellor, er erreichte nach langerer Irrfahrt die Mun-
dung der Dwina in das Weisse Meer, an der Stelle des heutigen Archangel.
Die Einwohner empfingen ihn sehr freundlich vmd verkauften ihm Pelzwerk,
Vogelfedern, Tran etc., sandten aber zugleich Eilboten zum Zaren Iwan
Wasiljewitsch nach Moskau. Eine feierliche Gesandtschaft des Zaren lud
darauf die Fremdlinge an den Hof nach Moskau, wo sie sehr gut aufgenommen
wurden. Der Zar, dem das Handelsmonopol der Hansa etwas driickend
geworden wrar, sah jedenfalls grossen Vorteil von einer K^nkurrenz voraus
und versprach den Englandern grosse Handelsvorteile.
Die Kosten der Reise Chancellors waren auf Sebastian Cabots Veran-
lassung, wie schon erwahnt, durch eine Anzahl Kaufleute von London und
Bristol getragen worden, die sich zu einer Gesellschaft der ,, Fellowship of the
Merchant aduenturers of England for the dis couerye of Regions Dominions,
Island (and places) unknowen" zusammenschlossen, 1554 erhielten sie einen
koniglichen Charter, der 1566 durch einen Act of Parliament bestatigt wurde.
Ihr Name lautete nun etwas kiirzer: ,, Company of merchant aduenturers of
England for the discovery of new trades". Da dieser Titel aber fur den tag-
lichen Gebrauch immer noch etwas zu lang war, wurde sie nach ihrem Haupt-
handelsgebiet einfach die ,, Muscovy Company" und spater ,, Russia Co."
genannt.
Dieser russische Handel war zwar der eintraglichste und der einzige,
dessen Resultat die Verteilung von Dividenden zuliess, aber es war eigentlich
nur Nebenzweck der eigentlichen Griindung gewesen. Das Hauptobjekt war
die Entdeckung des Seeweges nach China und Japan oder ,, Cathay und
Zipangu", wie sie damals noch vielfach genannt wurden.
Eine grosse Reihe von Expeditionen wurden auch von ihr zu diesem
Zwecke ausgeriistet, zuerst allein, dann spater vielfach in Gemeinsamkeit
mit der East India Co. Gleich 1556 wurde Stephan Burroughs in der ,,Search-
trift", einem kleinen Fahrzeug, ausgesendet. Er erreichte die Miindung der
Petschora, wobei er erwahnt, dass die Bewohner Fischerei, Walfisch- und
Walrossfang betreiben, sowie auch die Jagd auf Pelztiere. Namentlich fangen
sie Hermeline und Weissfuchse in Fallen. Er entdeckte Novoja Semblia, wo
er aber bereits russische Fischer in ihren Lodschen fand. Er versuchte den Ob
zu erreichen, musste aber bei den Weigatsch-Inseln umkehren. Inzwischen
hatte die Muscovy Co. regelmassige Fahrten nach Archangel eingerichtet,
wovon aber viele ungliicklich verliefen. So erlitt das Schiff ,, Edward Bona-
ventura" mit Richard Chancellor, einer grossen russischen Gesandtschaft
unter Ossip Gregorjewitsch Nepeja und einer Ladung Pelzwerk im Werte von
20 ooo Pfund Sterling auf der Heimreise von Archangel 1556 bei Aberdeen
Schiffbruch, Chancellor und der grosste Teil der Besatzung ertrank, und die
Ladung ging verloren. Die ,,Bona Esperanza" ging im selben Jahre in einem
schweren Sturm beiDrontheim unter, ebenso scheiterte die ,,Bona Confidentia"
mit voller Ladung an der norwegischen Kiiste. Nur die ,,Philipp und Marry"
I. Kapitel.
123
erreichte als einzige von 4 Fahrzeugen, die Archangel in diesem Jahre ver-
lassen, im April 1557 gliicklich London. Die Entdeckungsreisen der Kompanie
zur Aufsuchung eines Seeweges nach China in den nachsten Jahren wurden
abwechselnd nach Westen und Osten unternommen.
So 1574 bis 1578 die 4 Reisen Frobishers nach Westen, wobei wertvolle,
wissenschaftliche Entdeckungen gemacht wurden. Eine Schiffsladung von
angeblich Golderz, die ztiriickgebracht wurde, erwies sich aber als vollkommen
wertlos.
Samojeden im 13. Jahrhundert.
1580 wurde Artur Pet in ,,The George" und Charles Jackman in ,,The
William" nach Osten entsendet und drangen als erste in das Karische Meer
ein, wo sie des Eises wegen schliesslich wieder umkehren mussten.
Fast gleichzeitig verungliickte eine Handelsexpedition der Muscovy
Company unter James Bassendine, James Woodcocke und Richard Browne,
die von der Petschora aus langs der Kiiste bis zur Miindung des Ob segelte.
Hier aber strandete das Schiff, und die ganze Besatzung wurde von den
Samojeden niedergemetzelt. Kurz erwahnen will ich noch, dass die spateren
Reisen von Davis 1588, von George Weimouth 1602, von Hudson 1605, 1607,
1608 und 1610, Hall 1608, Knight 1607, Robert Bylot und Baffin 1615, die
alle wertvolle, geographische Entdeckungen lieferten, hauptsachlich von der
Muscovy Company ausgesendet wurden, besonders auf Betreiben ihrer hervor-
124 HI- Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
ragenden Mitglieder Sir John Wolstenholme und Dudley Diggs. Uberhaupt
verdankt die Wissenschaft der Muscovy Company sehr viel. Sie war die erste,
welche die Erfindung Sebastian Cabots, das Logbuch, auf alien ihren Schiffen
einfuhrte, und auch ihre Kapitane anwies, regelmassige Beobachtungen iiber
die Variation der Magnetnadel anzustellen.
Leider habe ich nirgends Notizen iiber die Resultate der Handelstatig-
keit der Muscovy Company auffinden konnen.
Man trifft in der Literatur der damaligen Zeit nur einzelne Bemerkungen,
woraus hervorgeht, dass die Fahrzeuge der Gesellschaft regelmassig alle Jahre
nach Archangel gingen und von dort mit reicher Ladung an Pelzwerk, Hauten,
Talg, Honig, Teer und anderen russischen Produkten zuriickkehrten, dass
ferner die Faktoreien in Archangel, sowohl wie in Moskau, sehr umfangreich
waren und ganz die Stellung einnahmen, die friiher die Hansa in Nowgorod
eingenommen hatte, dass aber nach Erstarkung der politischen Macht Russ-
lands und der Einigung des Landes der politische Einfluss der Englander
gering war.
Bei Griindung der Hudsonsbay Company im Jahre 1670 war von der
grossen Muscovy Company nicht mehr die Rede, doch habe ich nicht ausfindig
machen konnen, in welchem Jahre die tatsachliche Auflosung erfolgte. Es
wurde schon friiher von mir erwahnt, dass ein grosser Teil des Pelzwerks,
welches die Hansa und spater die Russia Co. aus Russland ausfuhrte, aus
Sibirien kam.
Schon im Anfang des 16. Jahrhunderts hatte der reiche Bauer Anica
Stroganoff Handelsverbindungen mit den Stammen des westlichen Sibiriens
angekniipft und dieselben auch bewogen, dem Zaren in Moskau Abgaben in
Gestalt von Zobelfellen zu senden. Zum Dank dafiir erhielt er fur sich und
seine Nachkommen grosse Landstrecken an den Fliissen Kama und Tschuso-
waya geschenkt mit der Berechtigung, daselbst Festungen und Stadte anzu-
legen. Durch die Besiedlung und Bewirtschaftung dieser Landereien, ebenso
durch den Pelzhandel mit Sibirien und den Betrieb der Minen im Ural erwarben
die Stroganoff ein wahrhaft furstliches Vermogen. Im Jahre 1577 wurde ihre
Herrschaft und ihr Vermogen aber auf das ausserste bedroht.
III.
Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
• 2. Kapitel.
Am Don hatte sich unter Fiihrung des Hetman Jermak Timofjew eine
kiihne Rauberschar von Kosaken gebildet, die, bald durch den Zugang von
Abenteurern auf eine Starke von 6000 — 7000 Mann gebracht, die Gegenden
am Kaspischen Meer und an der Wolga brandschatzte. Die fortwahrend ein-
laufenden Klagen veranlassten endlich den Moskauer Zaren I wan IV., eine
grossere Truppenmacht auszusenden, vor denen sich die Freibeuter schleunigst
zuriickzogen und wie ein Heuschreckenschwarm in die Landereien der Stro-
ganoffs einfielen. Maxim Stroganoff war aber ein gewiegter Diplomat. Er-
nahm Jermak mil seinen Kosaken auf das liebenswiirdigste auf und bewirtete
sie freigebig, wusste aber geschickt immer wieder das Gesprach auf die unge-
heuren Schatze an Pelzwerk in Sibirien zu lenken, bis Jermak schliesslich
einen Vertrag mit ihm abschloss, sich verpflichtete, die Tartaren und Samo-
jeden zu unterwerfen und die Beute mit Stroganoff zu teilen, wo fur dieser
die notigen Geldmittel, Proviant usw. hergab.
1579 wurde endlich der fur die Geschichte Russlands so bedeutungsvolle
Zug angetreten, und nach verschiedenen kleinen Gefechten im Beginn 1580
der Ural iiberschritten.
Wie eine Gewitterwolke fiel die Jermaksche Reiterschar unter die dichten
Massen der Tartaren, die trotz der tapfersten Gegenwehr und trotz ihrer grossen
numerischen Uberzahl den uberlegenen Waffen und dem wilden Ungestum
der Eindringlinge unterlagen. Unaufhaltsam drangen diese den Tobol und den
Tura entlang bis nach Tjumen, das in ihre Hande fiel. Hier wurden grosse
Mengen von Zobelfellen, Fiichsen usw. erbeutet, und ein Teil davon nach
Moskau an I wan gesendet, der nunmehr den unbotmassigen Kosaken nicht
nur verzieh, sondern Jermak auch zu seinem Statthalter in den neueroberten
Landern ernannte.
Im nachsten Jahre ging Jermak, das befestigte Tjumen als Stiitzpunkt
im Riicken zuriicklassend, den Tobol und Irtisch entlang, in verschiedenen
Schlachten die Heeresmacht der Magulen vor sich herrollend bis vor die Mauern
der Residenz Kutschum Khans ,,Sibir", in der Nahe des heutigen Tobolsk.
Hier entwickelte sich die Entscheidungsschlacht. Kutschum Khan fiel, wie
die Sage meldet, von Jermaks eigner Hand. Dieser zog mit grossem Geprange
fur die in die damalige Zeit ungemein stark befestigte Stadt ein und nannte
126 HI- Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
sich nun stolz ,,Herr von Sibir", was nachher dem ganzen ungeheuren Reiche
den Namen Sibirien verschaffte. Auch hier war en grosse Mengen von Pelz-
werk, namentlich Zobel, erbeutet worden, und der Ruf der leicht zu ge-
winnenden Reichtiimer liess aus alien Teilen des russischen Reiches Abenteurer
zu den Fahnen Jermaks stossen. Dieser selbst ertrank zwar am 16. August 1584
im Flusse Irtisch, aber die Herrschaft des weissen Zaren war nunmehr fest
begrundet. Nach alien Richtungen breiteten sich die Scharen der Kosaken
und der kuhnen Pelzjager der sogenannten ,,Promyschleni" aus, iiber die ge-
waltigen Urwalder der Taiga, den Einoden der moosbedeckten Tundra, die
Riesenstrome und die gewaltigen Seen.
Es war jetzt weniger der Kampf mit den kriegerischen Eingeborenen,
als mit den Hindernissen, welche die Natur den Eindringlingen in den Weg
legte.
Aber Gold und edles Pelzwerk sind Ziele, welche zur Eroberung der Welt
gefuhrt haben. Wahrend die golddurstigen, spanischen Konquistodores den
Siiden sich unterwarfen, haben die angelsachsischen, franzosischen und russi-
schen Pelzjager den gesamten Norden der Erde erobert. Die Kosaken und
russischen Pelzjager begniigten sich aber nicht nur mit dem fliichtigen Durch-
streifen des Landes, sondern legten an alien wichtigen Punkten Sibiriens
grossere oder kleinere Festungen an, sogenannte Ostrogs. Das unterworfene
Land wurde in Kreise geteilt, eine Organisation geschaffen, ein bestimmter
Tribut, sogenannter ,, Yassak" festgesetzt, in Zobelfellen bestebend, der regel-
massig zu bestimmten Zeiten in den Ostrogs abgeliefert werden musste.
Die Ausbreitung der Russen und die Fahrten der Promyschlenj geschahen
vorzugsweise nach Norden und Nordosten.
Zwar stellte die Natur dem Vordringen der Menschen gewaltige Hinder-
nisse in den Weg, die unwegsame Waldwildnis der Taiga, jenes machtigen
Urwaldgiirtels, der das zentrale Sibirien durchzieht, war fast nur durchdringbar,
wenn man auf dem Wasserwege dem Lauf der Strome folgte. Nordlich davon
zog sich die unermessliche Moossteppe der Tundra hin, deren feuchtigkeits-
getranktem Boden im Sommer unendliche Muckenschwarme entsteigen,
wahrend nur wenige Zoll unter der Oberflache der Boden ewig gefroren bleibt.
Im Herbst und Winter tobt der ,,Burran", der morderische Schneesturm un-
gehindert iiber die ungeheure Flache, alles mit weissemLeichentuche bedeckend.
Die kuhnen Abenteurer wahlten aber diesen Weg, weil es einerseits hier
die edlen Pelztiere, wie Zobel, Fiichse, Hermelin etc. in reichster Fiille gab,
andererseits aber auch die hier wohnenden Volkerstamme weit weniger kriege-
risch waren, als die weiter siidlich wohnenden Kirgisen, Tungusen und die
zahlreichen Stamme tiirkischen Blutes. Bereitwilligst wurde auch der kleinsten
Kosaken- und Pelzjager-Abteilung reicher Tribut gezahlt, wo von doch manches
Fell in den Handen der Einsammler zuriickblieb, ehe der Tribut an die Krone
abgeliefert wurde. Auch wurden die wenigen mitgefuhrten Erzeugnisse der
Zivilisation ungeheuer hoch bezahlt.
2. Kapitel. 127
So war es lange Zeit unbestritten Handelsgebrauch, dass der Kaufer eines
Kupferkessels denselben als Kaufpreis bis zum Rande mit Zobelfellen fullen
musste. Fiir ein Taschenmesser musste z. B. ein wertvolles Silberfuchsfell
gezahlt warden.
Nur oben im hohen Norden, vor der Miindung der Ob und Jenisei, bis an
die Petschora sassen die kriegerischen Samojeden, mit denen man schon friiher
auf dem Seewege in Verbindung getreten war, und von denen Schiffe der
Muscovy Company, der Hollander und Kiistenfahrzeuge der Russen vom
Weissen Meere Pelzwerk, Tran, Fischbein und Vogelfedern einhandelten,
ohne indessen feste Niederlassungen zu begriinden. Jetzt wurde dies anders.
Ende des 16. Jahrhunderts hatten die Zobeljager sich bereits das ganze
Flussgebiet des Irtisch-Ob unterworfen und sich in nordostlicher Richtung
weiter verbreitet bis an den Fluss Tas, wo des ergiebigeren Zobelhandels wegen
die Stadt Massgasej gegrundet, aber bald wieder verlassen wurde.
1610 wurde der Jenissei erreicht, und hier am Turuchan, einem Neben-
flusse desselben, die Stadt Turachansk angelegt. In Booten ruderte man von
hier aus den Fluss hinab, um das Eismeer zu erreichen, doch zwangen die Eis-
massen zur Riickkehr. Die bis dahin so stolzen Samojeden wurden aber
unterworfen und zur Steuerzahlung gezwungen. Man folgte nun den Neben-
stromen der Jenissei nach Osten, bis 1627 die Lena erreicht wurde. Das neu-
entdeckte Flussgebiet wurde sofort nach alien Richtungen durchstreift, um
Pelzwaren einzutauschen und von jeder Eingeborenen-Ansiedlung Jassak ein-
zutreiben.
1637 zog der Kosak Elisej Busa, begleitet von 10 Kosaken und 40 Pelz-
jagern, langs der Eismeerkiiste nach Osten, wobei er die Miindung der Lena,
den Olenek und die Jana entdeckte.
Hierbei fand er bei den an den Flussufern wohnenden Jakuten und
Jukagiren eine ungemein reiche Ausbeute an Zobelfellen, Silberfuchsen, Blau-
und Weissfuchsen, weshalb die Russen sich hier festsetzten.
1639 erreichte eine andere Expedition unter Iwanow Postnik den Indi-
girko und versuchte Steuern bei den benachbarten Jukagiren einzutreiben.
Diese widersetzten sich aber energisch und konnten erst durch die Furcht vor
den ihnen ganzlich unbekannten Kosakenpferden zur Unterwerfung gebracht
werden. Eine kleine Niederlassung, eine sogenannte Simovie, wurde hier an-
gelegt und mit einer standigen Kosaken-Besatzung versehen. Von hier aus
wurde dann die Expeditionen zum Steuereintreiben unternommen, wobei der
Alaseifluss und die Kolyma entdeckt wurden. Besonders die letztere Ent-
deckung erwies sich als sehr wichtig.
1644 errichtete der Kosak Michailo Staduchin eine Simovie, die spater
zu der Stadt Nischnij Kolymsk erweitert wurde, einen Hauptstiitzpunkt nicht
nur des Pelzhandels bis in die neueste Zeit, sondern auch als Ausgangspunkt
fur zahlreiche Expeditionen. Eine der altesten sibirischen Markte oder Messen,
entstand hier namentlich auch fur den Handel mit den ostlich wohnenden
128
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Tschuktschen und den siidlich wohnenden Jakuten. Hier erhielten die Russen
die ersten Nachrichten von den ost warts wohnenden Tschuktschen auf der
gleichnamigen Halbinsel.
Im Jahre 1646 segelte der Kosak Isai Ignatief mit einer Anzahl Pelzjager
in mehreren kleinen Fahrzeugen die Kolyma abwarts, und langs der Kiiste
des Eismeers nach Osten bis in eine Bucht, wo man Ansiedlungen der Tschuk-
tschen traf und von ihnen eine grosse Menge Pelzwerk, Seehundshaute und
Walross-Elfenbein erhielt.
Yakutsk kurz nach der Griindung.
Der Gewinn der Reise war so gross, dass bereits im nachsten Jahre eine
neue Expedition von vier halbgedeckten Fahrzeugen ausgeriistet wurde unter
Fiihrung des Pelzjagers Theodor Alexejew, dem der Kosak Simon Iwanow
Sin Deschnew beigegeben wurde, um die Rechte der Krone zu wahren.
Die Absicht war diesmal, den grossen Fluss Anadyr zu entdecken, von
dem man Kunde erhalten hatte, und zu gleicher Zeit wurde eine Landexpedition
unter Michael Stadukin abgesandt, um einen zweiten unbekannten Fluss, die
Pogitcha, zu erkunden, und zugleich die Tschuktschen zu unterweifen. Beide
Expeditionen mussten aber unverrichteter Sache wieder umkehren, da sie zu
schwach waren, um es mit den kriegerischen und zahlreichen Tschuktschen
aufzunehmen. Im Jahre 1648 wurde deshalb der Versuch mit starkerer Kraft
erneuert.
Am 30. Juni verliessen 7 grosse Fahrzeuge, jedes mit 30 Bewaffneten
bemannt, die Miindung der Kolyma.
2. Kapitcl. 120
Vier der Schiffe kehrten bald urn, wahrend die drei andern unter Kom-
mando der Kosaken Gerasim Ankudinow und Simeon Deschnew, sowie des
Pelzjagers Feodot Alexejeff vorwarts drangen. Man durchfuhr die Behring-
strasse und erreichte gliicklich die Landzunge Gross-Tschukotskoj-nos, drei
Tagereisen von der Anadyr-Mundung entfernt. Hier oder wahrscheinlicher
bei der benachbarten Heiligenspitze oder Serdze Kamen scheiterte das Fahr-
zeug des Ankudinow, die Mannschaft wurde aber samtlich gerettet und auf
die Boote verteilt. Am 30. September kam es zu einem heftigen Gefecht mit
einer starken Schar Tschuktschen. Alexejew wurde verwundet, und die Russen
mussten sich zuriickziehen. Bald darauf wurden beide Fahrzeuge durch einen
heftigen Sturm getrennt, worin die ,,Kotscha" des Alexejew verschlagen
wurde. Erst viele Jahre spater erfuhr man, dass sie nach der Siidwestkuste
von Kamschadka getrieben, hier strandete. Andukinow starb am Skorbut,
den andern wurde aber von den Kamschadalen, die nie Weisse gesehen hatten,
fast gottliche Verehrung zuteil, das sie sich weidlich zunutze machten. Sie
wurden so lange fur unverwundbar gehalten, bis sie sich bei einer Priigelei
selbst untereinander verwundeten, worauf die Kamschadalen die ganze Ge-
sellschaft kurzerhand totschlugen. Fort wahrend mit Sturm und Eis kampfend,
erreichte Deschnew im Oktober endlich die Miindung des Olutorsk, wo auch
das letzte Schiff strandete, in ganzlich menschenleerer Ode. Deschnew zog
nun mit 25 Mann nach dem Anadyr, wo man ebenfalls wider Erwarten keinen
Eingeborenen antraf, wahrend die mitgefuhrten Lebensmittel aufgebraucht
waren. Die kiihnen Promyschleniks liessen sich deshalb aber nicht einschiich-
tern. Man errichtete ein Haus und erlegte genugend Renntiere, Seehunde und
Seevogel, um den arktischen Winter zu iiberstehen. Im nachsten Sommer
traf man endlich Eingeborene, die sich aber weigerten, Tribut zu zahlen.
Heftige Kampfe folgten, denn Deschnew hatte bei der Abfahrt geschworen,
mindestens 300 Zobelfelle als Steuern der Tschuktschen mitzubringen. Die
besseren Waf fen der Russen sicherten ihnen schliesslich den Sieg, und ein
grosser Jassak von Zobelfellen, Weiss- und Blaufuchsen etc. wurde einge-
trieben. Im Herbst des Jahres wurde an der Stelle, wo spater sich Anadyrski
Ostrog erhob, und durch Jahrhunderte ein lebhafter Messverkehr sich ent-
wickeln sollte, ein kleines Fort errichtet. Es schien aber vorlaufig keine Aus-
sicht vorhanden zu sein, nach Kolymsk zuriickzugelangen. Da traf im Mai
1650 plotzlich Ersatz ein.
Staduchin, der 1647 von Jakutsk aus einen Vorstoss nach Norden gemacht
hatte, um die Miindung des Popytscha zu finden und die Inseln des Eismeers
zu untersuchen, hatte zwar keinen Erfolg, hatte aber grosse Mengen Walross-
zahne erbeutet, die nach Jakutsk geschickt wurden, um weitere Fangmanner
anzuwerben. Eine Anzahl kamen auch, und da man inzwischen von den Ein-
geborenen die genauere Lage des Anadyr, der mit der sagenhaften Pogitika
identisch war und eine Beschreibung des Landweges erhalten hatte, so drang
eine grossere Expedition unter Simeon Motora und Staduchin dahin vor und
9
HI- Geschichte des russischen Ranch ware nhandels.
erreichte, wie schon erwahnt, im Mai 1650 die Simovie des Deschnew. Bald
entspannen sich Streitigkeiten zwischen den Fiihrern. Staduchin ging mil
einigen Leuten nach dem Peuschina-Fluss, wo sie wahrscheinlich alle erschlagen
wurden, denn sie blieben verschollen. Deschnew und Motora erbauten sich
Boote, um weitere Entdeckungen zu machen. Motora wurde aber bei dem
Versuch, von einem Eingeborenen-Stamni nochmals Jassak einzutreiben,
den Deschnew bereits rein ausgepliindert hatte, erschlagen.
Deschnew machte von Anadyrsk aus verschiedene Fahrten den Anadyr
hinab und an die Kiiste, wo er namentlich viel Walrosse entdeckte, um deren
Elfenbein zu erbeuten. Erst 1654 gelang es ihm, geniigend grosse Fahrzeuge
zu erbauen, um die erbeuteten Felle, Elfenbein etc. nach Kolymsk und von
dort aus nach Jakutsk zu bringen. Es war dies ubrigens der erste Tribut, den
Russland von den Volkerstammen am Stillen Ozean erhalten hatte.
An den Ufern des nordlichen Eismeeres hatte sich inzwischen ein ganz
lebhafter Handelsverkehr entwickelt.
Andrej Goreloj, der 1650 von Jakutsk aus an die See gesandt wurde,
um die Steuern an Pelzwerk von den Stammen an der Indigirka einzuziehen,
berichtet, dass er, nachdem seine Fahrzeuge an der Miindung des Kromo-
flusses vom Eise zerdriickt waren, sich zu Lande hatte nach der Simovie
Ujandino fliichten miissen, wo aber in diesem Winter Hungersnot herrschte,
da die Schiffe, welche Lebensmittel nach diesem Platze fiihren sollten, in
diesem Jahre durch die Eisverhaltnisse zur 'Umkehr gezwungen waren. Aucli
der Kosak Tinofei Buldakoff, der um diese Zeit zur See von der Samo nach
der Kolyma _reiste, um dort das Kommando .iiber den Distrikt.zu iibernehmen,
erwahnt, dass sie unterwegs 12 Kotschas trafen, die mit Kosaken, Pelzjagern
und Kaufleuten angefiillt, entweder von der Lena ostwarts segelten oder vom
Kolymsk oder von der Indigirka mit voller Ladung nach der Lena zuriick-
kehrten.
Auch mit den neusibirischen Inseln, die spater durch ihren Reichtum an
fossilem Elfenbein den dort lagernden Mammutzahnen, bekannt wurden, trat
man schon um diese Zeit in Verbindung. Wenigstens war den Lotsen, welche
die Expeditionsschiffe der Kaufleute Nikifos Malgin und Andrei Woripajew
von der Lena nach der Kolyma fiihrte, diese Inselgruppe von 1670 genau
bekannt, und der Pelzhandler Jacob Wiatka hatte dieselben sogar betreten.
Die Russen, Regierungsleute sowohl als Pelzhandler, wendeten sich aber
jetzt rnehr dem sudlichen an der Kiiste gelegenen Distrikt zu, namentlich
Kamschadkas, dessen Pelzreichtum anfing bekannt zu werden.
Wilodomir Atlassow, der Kommandant von Anadyrsk, sandte 1696 den
Kosaken Luckas Semenow Sin Morosko mit 16 Mann aus, um bei den siid-
licher wohnenden Volksstammen Steuern zu erheben.
Morosko unterwarf die Korjaken und drang bis an den Kamschadkafluss
vor, von wo aus er in einer fremden Sprache geschriebene Manuskripte mit-
brachte, die, wie sich spater herausstellte, von einem an der Kiiste Kam-
2. Kapitel.
schadkas gestrandeten japanischen Handelsschiffe herriihrten. Von der
Nahe Japans hatten die nur praktische Geographic treibenden Eroberer da-
mals noch keine Ahnung. Im nachsten Jahre ging Atlassow selbst mil einer
.grosseren Abteilung nach Siiden und errichtete am Kamschadkafluss zum
Zeichen der Besitznahme des Landes ein Kreuz mit Inschrift: ,,Im Jahre 7205
(1697) am 13. July wurde dieses Kreuz vom Piatidesatnik Wilodomier Atlassow
und seinen 55 Begleitern errichtet." Am Kamschadkafluss erbaute er ein
Fort. Werotni Kamschatskoj Ostrog, welches sowohl zur Unterwerfung der
.sich kraftig wehrenden Kamschadalen diente, als auch zum Stiitzpunkte der
zahlreich nachstromenden Pelzhandler. 1700 begab sich Atlassow selbst nach
Moskau und uberbrachte den in Kamschadka gesammelten Tribut von 3200
Zobelfellen, 10 Seeottern, 7 Biber, 4 Ottern, 10 Silberfiichsen und 191 Rot-
fuchsfellen, sowie einen an der Kiiste gefangen genommenen Japaner. Ausser
dem erwahnten Tribut soil er noch eine grosse Menge privatim erworbenes
Pelzwerk mit sich gefiihrt haben, doch werden nahere Angaben dariiber nicht
gemacht. Atlassow wurde in Moskau sehr gut empfangen und zum Befehls-
haber der Kosaken in Jakutsk ernannt. Er erhielt auch den Auftrag, Kam-
.schadka ganzlich zu erobern.
Er fiel aber in Ungnade und wurde ins Gefangnis geworfen, weil er auf der
Fahrt von Anadyrsk nach Jakutsk ein russisches Fahrzeug, das mit chinesischen
War en beladen war, auspliinderte. Erst 1706 wurde er in Freiheit gesetzt.
Die Eroberung Kamschadkas wurde iibrigens sowohl seitens Atlassow wie
der Kosaken mit ungewohnlicher Grausamkeit gefiihrt. Man legte den Kam-
schadalen das 10 fache des gesetzlichen Jassak oder Tributs an Fellen auf
und behielt den Uberschuss fur sich. Fortwahrend wurden die ungliicklichen
Einwohner durch die Bedriickungen der Kosaken zum Auf stand gereizt, um
dann durch die iiberlegenen Waffen der Russen niedergestreckt zu werden.
Innerhalb 30 Jahren war die Bevolkerung auf den zwolften Teil der Zahl
reduziert, die sie beim Einriicken der Russen gehabt hatte.
Nicht so griicklich erging es den Russen beim ersten Zusammenstoss mit
•den Tschuktschen. 1701 waren sie von den Inkagiren um Beistand gegen dies
kriegerische Volk gebeten worden. Eine Expedition wurde auch ausgerustet,
die Tschuktschen weigerten sich aber, irgend welchen Tribut zu zahlen oder
die russische Oberherrschaft anzuerkennen und sandten die Russen mit
blutigen Kopfen heim, auch ein 10 Jahre spater unternommener Versuch
die Tschuktschen zu unterwerfen, schlug fehl. Der damit beauftragte Kosak
Peter Tliunsen Popoff konnte diese Aufgabe nicht losen, doch brachte er die
•erste Nachricht von den in der Behringstrasse liegenden Diomedes-Inseln
und von dem naheliegenden grossen Kontinent (Amerika) zuriick.
Im selben Jahre 1711 wurde der durch seine Habsucht und Grausamkeit
verhasste Atlassow mit mehreren andern Fiihrern durch die Kosaken Anzip-
thorow und Iwan Kosirewskoj ermordet. Die Morder unternahmen dann,
um sich Verzeihung zu sichern, die Eroberung des siidlichen Kamschadkas
102 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
und der zwei nordlichsten der Kurilen-Inseln, sowie der Insel Schantar im
Ochotski-Meer. Bisher war man nach dem Kamschadka immer auf dem grossen
Umwege iiber Anadyrsk gelangt, im Jahre 1711 erteilte aber der Wojwode
von Jakutsk, Dorofeij Trauernicht, ein iiberaus eifriger Forderer der sibirischen
Entdeckungsfahrten, dem Befehlshaber in Ochotsk, Sin Bojarski Peter
Guturow Befehl, von Ochotsk aus zur See nach Kamschadka zu reisen. Dies
war aber vorlaufig unausfuhrbar, da weder Schiffe noch Seeleute oder mit
dem Schiffbau einigermassen vertraute Leute vorhanden waren. Nun miissen
wir aber einen Riickblick tun, was inzwischen in dem mittleren und siidlichen
Sibirien geschehen war.
III.
Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
3. K a pit el.
Nach dem Tode des Jermak 1584 im Irtisch im Kampfe gegen Kutchun
Khan hatte die russische Besatzung im ersten Schreck Sibir geraumt. Die
verschiedenen sibirischen Fiirsten machten sich wieder unabhangig. Der Zar
sandte aber von Moskau 300 Mann Soldaten, die den Widerstand der Sibiriaken
bald brachen und zunachst 1586 die Festung Tjumen erbauten. Das russische
Gebiet in Sibirien reichte damals nach Norden bis an die Miindung des Irtisch
in den Ob, im Osten bis an den Irtisch und im Siiden bis an die Flusse Tobol
und Tura.
In 1587 wurde Tobolsk gegriindet und in 1602 Tomsk. Zwar die Unruhen
beim Tode des Boris Gudonow in Moskau liessen auch das Tempo der Er-
oberungen in Sibirien etwas langsamer erscheinen, aber 1614, nach dem ein-
getretenen Friedensschluss, riickte man auch jenseits des Urals unaufhaltsam
vorwarts. Im Norden ging, wie wir friiher gesehen, die Entdeckung und Er-
oberung ziemlich ungehindert vorwarts, im Siiden dagegen hatte man unauf-
horlich mit den kriegerischen Burjaten zu kampfen. Dieser Volksstamm hat
iibrigens seine kriegerischen Eigenschaften bis heute bewahrt, ist aber der
russischen Krone treu ergeben. Besteht doch der grosste Teil der sibirischen
Kosaken- Regiment er aus Burjaten, und ist der Bur j ate stets zur Jagd auf
entflohene Straflinge bereit; auch sind die tiichtigsten sibirischen Pelzjager
noch heute unter den Burjaten zu finden. 1632 wurde Jakutsk gegriindet,
nachdem vorher schon Krasnojask, Seligenskoj, Jeneseiskoj als feste Sttitz-
punkte errichtet and mit standigen Garnisonen belegt waren. 1639 wurde
Ochotsk angelegt, und 1643 erreichte der Kosak Iwanoff von Jakutsk aus den
Baikalsee, den 2 Jahre spater der Hetmann Kolesnikoff von Osten her er-
reichte. Jetzt wurde auch Irkutsk erbaut, das aber erst 1652 zu grosserer
Bedeutung gelangte. Gleich nach der Eroberung wurde iibrigens auch eine
geordnete Verwaltung in Sibirien eingerichtet ; an der Spitze des Ganzen
stand ein Gouverneur, welcher in Tobolsk seinen Wohnsitz hatte, und dem
die verschiedenen Wojwoden und die Kommandanten der verschiedenen
Stadte unterstanden. Uber dem Ganzen aber stand die sibirische Kanzlei in
Moskau. Uber die sibirische Kanzlei fand ich in einem merkwiirdigen, 1720 in
Niirnberg erschienenen Buche folgende Beschreibung :
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
,,Diese sibirische Canzlei / Sibirskoi Pricas genannt / 1st in Moskau / und
wurden daselbst alle Sachen / so zu diesem Lande gehoren / verhoret / und
abgetan; absonderlich wird darinnen die Einnahme und Ausgabe der Pelz-
werck-Rechnung gefiihret. Der vorderste in diesein Collegio ist der Canzler /
welcher keine Besoldung hat / sondern er muss selbst dem Czar jahrlich
tausend Rubeln zahlen. Hergegen dependieren alle Woywoden von Sibirien
bios einzig und alleine von ihme / die er nach seinem Belieben einsetzet / und.
also hierdurch sich schon wieder erholen kann. Zur Zeit als Olearius in Moscau
war / etwa um das Jahr 1636 verwaltete der Bo jar Knes Alexei Nikitewitz
Trubetskoi die Canzlers-Stelle in der Kansanskoi Pricas und Sibirskoi Pricas.
Um das Jahr 1680 und folgendem stunde in dieser Wiirde eine geraume Zeit
Mouch im Pouckhini"/ ein kluger und raffinierter Kopf / als einer seyn mogte /
welcher das ganze Land um den Aby herum vollkommen kennete. Nachmals
wurde er Woiwod von Smolensko. Vor etwa 10 oder 12 Jahren verwaltete
diese Bedienung / Andreas Andreowicz Wignieds / welcher von einem Teut-
schen Vater gezeuget / und von ihme in der Griechischen Religion / zu deren
er sich bekennet hatte auferzogen worden. Er war ein schlauer und verschla-
gener Mann / der die Woywoden sehr in Furchten erhielte / und ihnen das
Rauben und Pliindern scharf abgewohnete. Denn wenn die aus China kom-
mende / und durch Sibirien reisende Kaufleute in Moscau anlangeten / so
erforschte er fleissig von ihnen / was sie denen Woywoden haben mussen Zoll
geben / oder ob ihnen sonst was leides wider fahren. Wenn er nun dahinter
kam / dass man sie in dem Zoll wider die Gebiihr iibersetzet / oder gar be-
stohlen und gepliindert / so stellete er eine harte Exekution an. Jedoch sagte
er nicht / dass er solches von den Kaufleuten erfahren / sondern er gab vor /
dass es ihme von andern zu Ohren gekommen / oder dass seine heimlich aus-
geschickte Kundschafter solche ihme hinterbracht / damit die Woywoden
nicht noch mehr gereitzet wurden / denen Kaufleuten / wenn sie wieder
kommen / aufpassen / und ihnen gar das Leben zu nehmen. Er hat einmal
einen Woywoden an einen Ort hingesetzet / von welchem alle dessen Vor-
fahren niemaln dem Czar jahrlich mehr als 600 Rubeln einbringen wollen.
Alleine als er diesen auf das Harteste bedrohete / dass er sich solte angelegen
seyn lassen / den Nutzen des Czars zu verbessern / so berichtete er / da das
Jahr um war / dass er 1000 Rubeln Einkommens dieses Jahr firr den Czar
erhoben. Eben dieser Wigni hat auch den Vice Re von Sibirien / aus dem
Hause Tzerkassi / dessen eben Meldung geschehen / der Untreu und des
ublen Haushaltens iiberfuhret. Mehreres von diesem Collegio sowol als den
ubrigen hieher gehorigen Affairen zu entdecken / muss ich andern iiberlassen.
7. Das grosste Einkommen aus diesem Lande bestehet in dem Tribut
von allem Pelzwerk / als Zobeln / Martern / rothen und weissen Fiichsen /
Hermelinen / Bibern und was es sonsten fur Pelzwerk daselbsten mehr giebet.
Die Zinse von Zobeln nimmt der Zar nicht / wie viel er will / sondern nach
der Anzahl. Ehedem war ein Jeder von denen unter Sr. Czarischen Majestat
3. Kapitel.
stehenden Heiden / bis in das zehende Jahr frei. In dem zehenden Jahr
musste er zween Zobel; im eilften / drei; im zwolften / vier; und so weiter
bis an das zwanzigste Jahr / jahrlich einen mehr liefern; sodann bliebe es bei
12 Zobeln bis an das funfzigste Jahr; und nahme die Zahl also auch jahrlich
wieder ab. Weiter findet man / dass alle gefangene Zobeln dem Zollner vor-
gelegt werden / welcher den zwanzigsten als des Czars Antheil und Zinse
nimmet. Die Kaufleute miissen gleich falls dem Zaren an statt des Zolles von
zehen Zobeln einen heraus geben. Diese alle miissen in die Canzlei geliefert
werden / und machet der Gros-Schatzmeister den PreiB; welcher auch denen
Offizieren einige an Bezahlungs- Statt uberlasset. Und auf solche Weise /
soil Sibirien jahrlich bei 200000 Rubeln ertragen; welche Summa iedoch
leichtlich konnte vermehrt werden / wenn diB Land nicht gar zu weit von
Moscau entlegen ware. Die einzige Stadt Jenesca allein liefert jahrlich von
dem Zoll bei 24000 Rubeln in den Czarischen Schatz."
In demselben Buche linden wir auch eine eingehende Beschreibung der
damals in Sibirien vorhandenen Waren.
Von Tobolsky schreibt er, dass neben der Stadt viele Tartara und Buitarer
wohnen, /welche mit denen Calunken und gar bis in China hinein grossen Handel
treiben. Diese Stadt Tobolsky ist die Haubtstadt in Sibirien / und die Residenz
des obersten Statthalters des Moskowiter / wohin alle Stadt e jahrlich ihre
Schatzung an Peltzwerk liefern, von der solche ferner nach Moskau gesendet
war. Wie denn allhier auch das hohe Gericht gehalten wird / und miissen alle
Beamten in Samojeden und Sibirien dem Statthalter zu Gebote stehen. Hier-
selbst liegt eine grosse und star eke Besatzung / welche auf jede Ordre des
Czars bei 9000 Mann in das Feld stellen konnen. Ueber diese sind noch einige
tausend Tartaren / welche bei ereignendem Falle Sr. Majestat alle zu Pferde
dienen. Endlich residiert auch allhier der Metropolit / oder Erzbischoff / der
in Kirchensachen die Oberaufsicht / und aiis Moskau dahin gesandt War.
Das Land rund herum ist sehr volckreich / sowol von Russen /die das Feld
bauen / als allerhand Nationen / Tartaren und Heyden / die an S. Czarische
Majestat jahrliche Schatzung bezahlen. Das Korn ist allda so gut zu kauffen /
dass man einen Centner oder 100 Teutsche Pfund Roggen um 16 Cops kaufet /
ingleichen einen Ochsen fur zwey oder dritthalb Thaler / ein ziemlich grosses
Schwein fur 30 bis 35 Stiiber so etliche Creutzer betraget. Der Fluss Irtis ist
so fischreich / dass man einen Stor von 40 bis 50 Pfunden um 5 bis 6 Cops
oder 10 Kreutzer kauft."
Der Verfasser gibt auch eine ziemlich ausfuhrliche Schilderung des in
Sibirien vorkommenden Pelzwerks ,, Zobel, Hermelin / Ilthis, Marder /
schwarze und weisse Baren, wilde Katzen, allerhand schone Fiichse da von
absonderlich die schwarzen und die Creutzfiichse am seltsamsten / sontsrn
aber nirgends als in Chataia zu finden sind / wie denn 100 und mehr Reichs-
thaler fur ein Stuck bezahlt werden. Ingleichen wird das kostliche graue
Pelzwerk / welches des Sommers und des Winters einerlei Farbe behalt / auch
HI- Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
hoch gehalten. Es wird dasselbe bei Turmen gefangen / und ist bei hoher
Strafe verboten zu denen Kaufleuten zu versenden / sondern es muss an die
zarische Kammer geliefert werden." Der unbekannte Verfasser gibt auch
eine ziemlich gute Beschreibung des Jagens resp. des Fanges der Zobel,
wobei er angibt, dass auch Soldaten damit beschaftigt werden, und zwar ist
jedes dazu bestimmte Regiment 7 Jahre lang damit beschaftigt. Was sie
mehr fangen als vorgeschrieben, durften sie mit den Offizieren teilen, da es
leicht geschiehet / dass ein Obrister in diesen 7 Jahren 4000 Thaler ziehet.
Ein gemeiner Soldat wird selten mehr als 6 oder 700 Thaler davon bringen.
Es gab damals in Sibirien sehr viele Biber, von denen es auch ausfiihr-
liche Schilderungen gibt, wobei es aber erheiternd wirkt, denn er schreibt:
,,DieB ist gewiB und unleugbar / daB einige unter den Bibern als Sklaven
dienen miissen / welche vor denen andern daran kentbar sind / daB sie weit
magerer als die andern / und ihre Haare von so vieler Arbeit ganz diinn und
abgeschabt seynd."
Auch beschreibt er die russischen Bisam unter dem Namen ,,Vichochol"
und die Murmeltiere unter dem Namen ,,Zonricks". Jeden Zoologen wird
aber die Beschreibung des folgenden Tieres interessieren :
,,Die Pertooshies / welches Wort einen bedeutet / der etwas auf seinem
Rucken traget / haben ein braun und gelblichtes Fell / mit weis und schwarz
untermenget. Das Pelzwerk, weil es weder groB noch warm ist, wird nicht
hoch geachtet. Die Perioshies sollen / wie berichtet wird / die Hermeline und
Eichhornlen von einem Ufer zu dem andern auf dem Rucken tragen / davon
sie auch den Namen bekommen." *)
Auch das Walross- und Robbenfangen an der Kiiste, sowie der Handel
mit Mammutzahnen, die hauptsachlich von Jeneseisk und den Ortschaften
von Jenesei betrieben worden, waren schon damals recht bedeutend. Tomsk
war der Stiitzpunkt des Handels mit den Bucharen bis und nach China, und
von Krasnojask aus, das eine starke Besatzung hatte, wurde der Handel mit
den Kirgisen betrieben. Im Jahre 1633 war zur Erleichterung des Pelzhandels
die Messe zu Jrbit eingerichtet, die noch heute ihre fuhrende Bedeutung fur
den Rauchwarenhandel bewahrt hat. Im Jahre 1643 entdeckte der Promy-
schelnik Pojarkoff auf einer Pelzhandelsexpedition den Amur, den er bis zur
Miindung befuhr. Den Ruhm der Entdeckung trug aber Khabaroff davon,
nach dem auch die jetzige Hauptstadt des Amur Provinz Khabaroff ka genannt
ist. Er erreichte 1650 von der Lena aus iiber das Stanawoi-Gebirge das
Amurtal, folgte dem Lauf des Flusses und errichtete langs desselben eine
Anzahl Forts und Handelsstationen, Kumar ky, Bambulajew, Atchunsk und
vor allem Albasin. Die mandschurische Bevolkerung vermochte trotz aller
Tapferkeit nur geringen Widerstand zu leisten, gegeniiber den Geschiitzen
*) Anmerkung. Noch heute existiert unter den sibirischen Stammen die
Legende, dass der Perwitzky, der mit diesem Tier gemeint ist, den anderen Tieren
als Fahrmann dient.
3. Kapitcl. 137
tmd uberlegenen Fcuerwaffen der Russen. Immer neue russische Abenteurer
stromten dem Gebiet zu, wahrend sich die russische Regierung auf Ver-
sprechung von Unterstiitzungen, die nie eintrafen, beschrankte und Ehren-
zeichen austeilte. Bald geriet man aber in Zusammenstoss mit den Chinesen,
und 40 Jahre lang wahrten andauernd die erbittertsten Kampfe. China sendete
immer wieder neue Kriegerscharen den Sungari hinab gegen die rothaarigen
Barbaren. Der untere Amur wurde bald aufgegeben, und nur vereinzelte Raub-
ziige zu Schiff dorthin unternommen. Am oberen Amur aberwurdenAlbasin und
Kamarskoi OstrogMittelpunkt bedeutender Unternehmungen. Da aber die fried-
liebende, ackerbauende Bevolkerung durch die ziigellosen Kosaken und Pro-
myschleniks teils vernichtet, teils vertrieben war, mussten die Russen selbst
Ackerbau-Kolonien anlegen' 1680 besass Albasin uber 1000 Dessjatnen mit
Korn bestandenes Land, sowie reiche Kirchen und Kloster. 1658 war Nerschinsk
begriindet worden und diente als Mittelpunkt des Handelsverkehrs zwischen
•dem Amurgebiet und dem Mutterland. Die eingehandelten Pelzwaren und
Seidenstoffe wurden die Schilka hinab zum Baikalsee und von da aus uber
Irkutsk und Tobolsk nach Europa geschafft. 1670 schickten die Chinesen
•erne Gesandtschaft nach Mpskau, um Beschwerde uber die russischen Raub-
ziige am Sungari zu fuhren. Da dies aber nichts half, so belagerten sie 1680
Kamarskoi Ostrog. Zwar wurden sie zuriickgetrieben, aber die vereinzelten
Abteilungen der Russen im Lande wurden niedergemetzelt.
Jetzt schickte der Zar Alexis Michailowitsch von Nertschinsk aus eine
Gesandtschaft nach Peking, die aber aus Ungeschicklichkeit wenig Erfolg
hatte. Die Chinesen belagerten Albasien, zwangen dieses zur Kapitulation,
zerstorten das Fort und fuhrten die Besatzung gefangen nach Peking, wo ihre
Nachkommen, vollkommen zu Chinesen ge worden, noch heute wohnen.
Wenige Monate darauf erschienen 1600 Russen am Amur und bauten Albasien
wieder auf. 1685 belagerte eine chinesische Armee von 10 ooo Man mit 100
Feldgeschiitzen und 40 Belagerungskanonen das Fort aufs neue. Schliesslich
war die Besatzung unter Fiihrung ihres tapferen Obersten, eines Deutschen
namens Beiton, auf 66 Mann zusammengeschmolzen, da zogen 1687 die
Chinesen ab, da Friedensverhandlungen begonnen hatten. Der russische Ge-
standte Golowin war 1685 mit einer starken Bedeckung von Moskau aufge-
brochen, hatte aber erst 1687 Selengunsk erreicht, von wo aus Boten nach
Peking gesandt wurden. Erst im Juni 1689 gingen die chinesischen Friedens-
bevollmachtigten von Peking ab und trafen mit einem so starken Heere in
Nerschinsk ein, dass Golowin keine sehr giinstigen Bedingungen durchsetzen
konnte. Besonders erschwerend wirkte auch fur sie, dass inzwischen die Ming-
Dynastie in China gestiirzt war, und der Mandschu Kiang Si Kaiser geworden war.
Die Russen mussten das Amurgebiet raumen und verloren auch die
Schiffahrt auf dem Amur, was sich bald als ausserst hinderlich fur den Handel
mit Kamschadka und Amerika erweisen sollte, da man nun auf den viel
.umstandlicheren Weg uber Ochotsk allein angewiesen war. Dagegen wurde
HI- Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
nun ein vollkommener Handelsvertrag geschlossen, wonach die beiderseitigen
Kaufleute, sobald sie sich mil Passen ihrer Regierung versehen batten, gegen-
seitige Handelsfreiheit genossen. Die Vorteile waren fur den russiscben Handel
sehr bedeutend, und Peter der Grosse sandte deshalb 1692 den Hollander
Isbrand Ids nach Peking, der noch weitere Vorteile fur Russland durchsetzte,
unter anderen die jahrliche Sendung von Handelsvertretern nach Peking, wo
sie auf Kosten des Kaisers von China ihren Aufenthalt nehmen konnten. Audi
in der Mongolei wurden Jahrmarkte errichtet, auf denen russische und chine-
sische Kaufleute zusammentrafen.
Bald aber begannen Streitigkeiten und Ubergriffe der Russen, auch in
Peking selbst, so class 1722 die Russen aus China und der Mongolei auf kaiser-
lichen Befehl ganzlich vertrieben wurden. 1727 wurde als russischer Gesandter
der Dalmatiner Graf Ragusinski nach Peking gesandt, und es gelang ihm
auch, einen neuen Vertrag abzuschliessen. Die russische Grenze wurde weiter
nach Westen und Suden gelegt, eine russische Karawane sollte alle 3 Jahre
nach Peking kommen diirfen, aber nicht mehr als aus 200 Personen bestehen.
Gleich nach ihrer Ankunft an der Grenze sollte sie von einem chinesischen
Beamten abgeholt und nach der Hauptstadt gebracht werden, wo sie vom Kaiser
von China freigehalten wurde. Dagegen sollte Privatpersonen der Handel in
China und der Mongolei untersagt sein. Hierfur wurden die beiden Grenz-
stadte Maimatchin und Kiachta errichtet. Diese Karawanen hatten auch
das alleinige Recht der Pelzeinfuhr nach China, die fiir Rechnung der Krone
geschah. 1755 horte die Karawane infolge von Streitigkeiten auf, und 1762
hob die Kaiserin Katharina das Monopol des Pelzhandels auf, und seit dieser
Zeit datiert der Aufschwung von Kiachta.
Eine sehr ausfuhrliche Schilderung einer solchen Karawanenreise nach
Peking in den Jahren 1727/28 finden wir in den 1781 vom bekannten Natur-
forscher Pallas herausgegebenen ,, Neuen nordischen Beytraegen". Der Vize-
gouverneur von Irkutsk und Regierungsagent fiir China, Lorenz Lange, be-
schreibt seine in diesem Jahre zum vierten Male unternommene Reise mit
dem Karawanenkommissar Molokoff und 41 Angestellten, sowie 4 Schiilern
zum Erlernen der chinesischen Sprache, 2 Korporalen mit 18 Soldaten und
140 Fuhrknechten. Die Karawane bestand aus 475 Fuhren Waren, 162 Fuhren
Proviant mit 1650 Pferden und 565 Zugochsen. Uber Kiachta durch die
Mongolei und Kalgan wurde nach 3 1/2 monatlicher Reise Peking erreicht.
Die Karawane wurde gut aufgenommen und durch 250 Soldaten be-
schutzt und amtlich wurde bekannt gemacht, dass alle chinesischen Kaufleute
mit den Russen nicht nur Handel treiben diirften, sondernsogarmussten. Trotz-
dem ging der Pelzhandel sehr langsam von statten, die Chinesen liessen sich
alle Waren vorzeigen und gingen dann wieder.
Lange schreibt: am 7. Jan. kamen wieder einige der vorigen Kaufleute
ohne einige Lust zu Geschaften zu zeigen. Ich liess ihnen Tee, Branntwein
und Konfekt vorsetzen und fragte sie, ob sie das Haus etwa zu ihrem Spazier-
3. Kapitcl. 139
gang zu gebrauchen sich gewohnt, oder ob sie in der Absicht so oft kamen,
um in ordentlichen Verkehr mit uns zu treten. Ihre Antwort war, dass sie
zwar willens waren, mit uns zu handeln, das Pelzwerk ware aber jetzt in so
schlechtem Betrieb, dass sie nicht wussten, was sie handeln sollten.
Gleichwohl liessen sie sich beim Karawanenkommissar einige Kamt-
schadkaische Seeotter und Fiichse vorzeigen und gingen, ohne etwas zu sagen,
weg, kamen aber am 8. wieder und behaupteten, die vorgezeigten Pelsereyen
seien verlegene Ware und wenig wert, womit sie ohne um den rechten Preis
zu fragen, wieder weg gingen.
Am 10. Januar kaufte ein Chinese 250 Fuchspfoten gegen Silber und
war also unser erster Kaufer. Sonst pflegten auch der chinesische Hof fur
einige tausend Lahn*) Silber, schwarze Fiichse und gute Zobel der Karawane
abzunehmen, aber diesmal blieb das auch aus.
Auch der 15. Januar verging ohne Kaufer. Ich dachte also mit dem
Karawanenkommissar darauf, wie wir uns ein paar Makler verschaffen
mochten; wir sprachen dariiber mit einem in Peking von russischen Eltern
geborenen Jephim Gusef, der sich zu diesem Geschaft willig finden liess, und
dem es an Bekanntschaft mit den besten Kaufleuten der Stadt nicht fehlte.
Er verlangte fur jeden durch ihn geschlossenen Handel ftinf Prozent Courtage,
worein wir schon willigen und ihm versprechen mussten, niemand etwas von
diesem Kontrakt zu entdecken, damit nicht die Kaufleute Wind bekommen
und ihm durch die Mandarinen den Eingang zu uns zu versperren suchen
mochten. Der Akkord war also bloss mit Zuziehung zweier Faktoren ge-
schlossen. Jephim entdeckte uns, dass einige der Kaufleute, die sich bei uns
gezeigt hatten, schon einiges Silber in Vorrat liegen, aber beschlossen hatten,
Waren aus dem Innern des Reiches abzuwarten, um vermittels derselben,
sonderlich wenn gegen den Friihling das Pelzwerk wegen Feuchtigkeit und
Gefahr vor Ungeziefer uns zur Last zu werden anfinge, desto vorteilhafter
einzutauschen.
Den 16. wurden drey gemeine Fuchsbalge fur Silber verkauft und sonst
ging nichts vor. Den 17. kam gedachter Jephim mit einem reichen Kaufmann
zu uns, den wir noch nicht gesehen hatten, und der auch mit dem Gesandt-
schaftsgefolge des Grafen Sawa Wladislawitsch durch diesen Makler einige
Handlung gepflegt hatte. Dieser trat mit uns auf alle vorratige kamtschat-
kische Seeottern und eine Partie weisser Fiichse in Handel und versiegelte
diese Waren bis zum 5. Februar, an welchem Tage seine Zahlung in Silber
und Atlassen, woven er Muster hinterliess, erfolgen sollte.
Den 25. wurden 15 Fuchsbalge von verschiedener Gute verkauft. Vom
i. bis 4. Februar ging nichts vor, am 5. aber erschien der vorhin erwahnte
Kaufmann und nahm nach Abrede die kamschatkischen Seeottern und Fiichse
*)' Unter Lahn 1st jedenfalls Liang, auch Tael genannt, 371/, Gramm Feinsilber
zu verstehen.
140
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
in Empfang. Dies war also unser erster guter Handel, der in Blocksilber und
Damasten nach dem ordentlichen Preise den Wert von 9415 Lahn Silber
einbrachte und bei unserer bisherigen schlechten Verfassung sehr zu statten
kam. Ich habe die vorherigen kleinen und diesen ersten ansehnlichen Verkauf
auch nur wegen dieser unserer Verfassung hier mil anfuhren wollen. Die
ferneren Handelsangelegenheiten liess ich fortan den Karawanenkommissar
allein in seine Bucher eintragen und will hier nur die anderen wichtigeren
Vorfalle erwahnen."
Kurz vor der Abreise kaufte dann noch ein chinesischer Kaufmann das
gesamte ,,Grauwerk", liber eine Million Felle, doch war leider der Preis nicht
angegeben.
Ein Englander, Coxo, gibt in 1783 veroffentlichte ,,Entdeckungen der
Russen zwischen Asien und Amerika" auch eine Beschreibung des Handels
zwischen Russen und Chinesen in Kiachta.
Er erwahnt, dass der Handel stets Tauschhandel sei, da die Russen kein
Silber ausfuhren diirfen. Die Hauptausfuhr bestande aus Pelzwerken von
Seefischottern, Castors, Fiichsen, Wolfen, Baren, Lammern aus Bucharien,
Lammern aus Astrachan, Mardern, Zobeln, Hermelin und'graue Eichhornchen.
Der grosste Teil dieses Pelzwerkes kommt aus Sibirien und den neu-
entdeckten Inseln, aber sie sind nicht hinreichend, den Markt von Kiachta
damit zu versehen. Man fiihrt also aus fremden Landern, ausser Petersburg
Pelzwerk, so man von da auf die Grenze schicke. England allein lief ere eine
betrachtliche Menge Castorfelle und andere Felle, die es aus der Hudsonsbai
und aus Kanada zieht.
Aus England kamen nach Petersburg in den Jahren
J775 46 460 Castorfelle 7 143 Fischotterfelle
1776 27 700 „ 12 086
1777 27316 „ 10703
Der Mittelpreis der schonsten Castors aus der Hudsonsbai war in Peters-
burg 70 bis 90 Rubel fur 10 Felle, der von geringeren Sorten und die schonsten
Castors aus Kanada 50 bis 75 Rubel fur 10 Felle, die kleinen oder jungen
Castors 20 bis 35 Rubel. Die schonsten Fischotterfelle 90 bis 100 Rubel, die
der geringeren Sorten 60 bis 80 Rubel.
In Kiachta gilt der schonste Castor aus der Hudsonsbai 7 bis 20 Rubel
das Fell. Die schonsten Fischottern 6 bis 35 Rubel. England schickt auch
bisweilen schwarze Fuchse aus Kanada nach Petersburg. Sie gelten in Kiachta
i bis 100 Rubel das Fell.
Die Gesamtausfuhr der russischen Produkte aus Kiachta nach China
betrug 1777 J 3I3 621 Rubel. Die Einfuhr chinesischer Waren: Seide, Tee,
Baumwollstoffe, rohe Baumwolle, Tiger- und Pantherf elle, Koralle ca. 2868333.
Ausser dem findet noch ein sehr starker Schmuggel statt, namentlich in ver-
botener Ware, der wohl auf acht Millionen Rubel bewertet wurde.
3. Kapitel. 141
Pelzwerk zahlt eine Taxe von 23 Proz. des Wertes und ausserdem noch
7 Proz. fur die Unterhaltung der Zollhauser. Silber kostete damals an der
sibirischen Grenze 16 Rubel pro Pfund, als aber durch grosse chinesische
Ankaufe von Pferden, Kamelen etc. in Sibirien wahrend des Kalmucken-
krieges viel Silber ins Land kam, fiel der Preis auf 8 Rubel.
An zweiter SteUe standen die schwarzen Fiichse und Silberfuchse, und
machte man damals bereits einen grossen Unterschied zwischen den Fellen,
die aus dem nordlichen Sibirien zwischen Lena und Kolyma kamen, und
denen von den Inseln zwischen Asien und Amerika. Die letzteren seien zwar
gross und gut in Farbe, das Haar sei aber so grob wie Wolfsfell. Fur diese
Felle zahlten die Chinesen 20 bis 30 Rubel, wahrend fur die sibirischen mehr
als 100 Rubel bezahlt warden. Die Blaufuchse wurden im Kamtschatka zu
i — i y2 Rubel bezahlt, in Kiachta aber zu % bis 3 Rubel. Die roten Fiichse
kosten in Kamtschatka 80 Kopeken bis i Rubel, in Kiacha 80 Kopeken bis
9 Rubel. Wolfe kosteten dort, die gewohnlichen 2 Rubel, die feinen 8 bis
16 Rubel. Die schonsten Zobel kosteten in Kamtschatka 2% bis 10 Rubel.
Ein grosser Handelsartikel fur China waren auch Walrosszahne, die in
Jakutsk 5 bis 10 Rubel per Pud kosteten.
Der beruhmte russische Naturforscher und Reisende Pallas fiihrt auch
die verschiedenen Sorten Pelzwerk an, die aus Kamtschatka und den neu-
entdeckten Inseln (Copper- und Behring-Irland, Aleuten, Kurilen etc.) nach
Ochotsk und von dort nach Kiachta kommen. An die Spitze stellt er die See-
otter, welche die Russen Bobry morsky, Seebiber, nennen. Die Weibchen
wurden Matka genannt und die Jungen, welche noch nicht 5 Monat alt,
,,Mudwicki" oder ,,Barchen" wegen ihres langhaarigen, barenahnlichen Felles.
Nach dem Haarwechsel heissen sie Kochloki.
In Kamtschatka zahlte man damals fur das schonste Fell 30 bis 40 Rubel
und fur mittlere 20 bis 30 Rubel, die schlechtesten 15 bis 25 Rubel. In Kiachta
zahlte man fur die beiden ersten Sorten 80 bis 100, fur die schlechten 30 bis
40 Rubel.
In Europa bezahlte man zur damaligen Zeit nur 30 Rubel, so dass viele
Kaufleute die als Tribut nach Moskau gebrachten Seeottern vom Zollamt
kauften und nach Kiachta fuhrten. Damals war eben China der Hauptmarkt
fur diese Artikel.
III.
Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
4. Kapitel.
Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zu den Fahrten und Ent-
deckungen der Russen an der Ostkiiste Sibiriens zuriick. Ochotsk hatte ange-
fangen, grossere Bedeutung fur den Pelzhandel zu gewinnen und sollte nun
auch zum Ausgangspunkt der verschiedenen See-Expeditionen werden. Wie
wir aber bereits sahen, war vorlaufig in Ochotsk weder ein seetiichtiges Fahr-
zeug, noch seeerfahrene Leute zur Bemannung vorhanden. Der weiterhin
mil der Organisation betraute Iwan Sorokminow kam damit nicht zustande
und geriet in Streitigkeiten mit den Lokalbehorden, die ihn als Gefangenen
nach Tobolsk zuriicksandten. Jetzt befahl Peter der Grosse, der sich sehr fiir
die Entwicklung des sibirischen Handels interessierte, dass geeignete See-
leute aus den in Sibirien befindlichen schwedischen Kriegsgefangenen aus-
gewahlt und nach Ochotsk geschickt werden sollten, was 1715 geschah. Hier
wurde nun von dem schwedischen ehemaligen Schiffszimmermann Henrik
Busch eine Lodje erbaut, 50 Fuss lang, 18 Fuss breit und 3 Fuss Tiefgang.
Hierin segelte der Kosak Sokolow 1716 direkt nach Kamtschatka, wurde
aber hier durch Eis zuriickgehalten und kehrte erst im nachsten Jahre nach
Ochotsk zuriick. Von nun an wurde die Verbindung mit Kamtschatka regel-
massig zur See unterhalten. Anadyrsk sank von seiner Hohe herab, und
Ochotsk wurde das Handelsemporium der Kiiste. Hier wurden zahlreiche
andere neue Fahrzeuge erbaut, und verschiedene Forschungsexpeditionen
unternommen, darunter z. B. die Expeditionen von Tewrinoff und Hustein
nach den Shantar-Inseln. Im Januar 1725 ordnete Peter der Grosse eine
Forschungsexpedition in grossartigem Stile an und betraute Admiral Apraxin
mit der Ausfiihrung. Wenige Tage darauf starb er, aber die Kaiserin beschloss
die Ausfiihrung im Sinne des Verstorbenen. Es handelte sich um eine ganze
Reihe von Expeditionen, die Jahrzehnte lang Sibirien planmassig durch-
forschten, und deren Resultate bis in die neueste Zeit fiir die Kenntnis von
Sibirien massgebend geblieben sind. Die Namen Behring, Miiller, Steller,
Gmelin, Sauer etc. gelten noch heute als leuchtende Sterne der Wissenschaft.
Als erste Expedition nach Kamtschatka brach der Dane Viktor Behring
mit Morten Spangberg und Alexei Tokirikoff im Februar 1725 auf und er-
reichte nach 3 jahriger, miihseliger Reise, da man alien Proviant, Schiffbau-
4. Kapitel. 143
material etc. mitfuhrte, 1728 Nischny Kamtschatka, wo mit dem Bau eines
Fahrzeuges begonnen wurde.
Zwei Fahrzeuge nach Art der russischen Lodjen wurden erbaut, die
,,Fortuna" und der ,, Gabriel". Am 20. Juli 1728 segelte Behring von der
Mundung des Kamtschatkaflusses in nordostlicher Richtung langs der Kiiste
von Kamtschatka und trat auch mit den damals als sehr wild und blut-
diirstig geltenden Tschuktschen in Verbindung. Am 10. August wurde die
St. Lorenz-Insel zwischen Amerika und Asien entdeckt und gleich darauf die
beide Kontinente trennende Strasse durchfahren, die spater ihm zu Ehren
Russische Lodjen in Kamtschatka erbaut.
Behringstrasse genannt wurde, obgleich sie eigentlich schon 80 Jahre friiher
durch Deschnew entdeckt war. Diese Entdeckung war aber entweder ver-
gessen oder in den Kreisen der Geographen iiberhaupt nicht naher bekannt
geworden. Er fuhr langs der Kiiste bis zum Cape Serdze Kamen, von wo er
am 15. August umkehrte, da seine Aufgabe gelost sei, und eine Uberwinterung
an der unwirtlichen Tschuktschenkuste zu gefahrlich sei. Er uberwinterte
in Nischny Kamtschatka und versuchte im nachsten Jahre das Festland von
Amerika, wovon ihm die Tschuktschen erzahlt hatten, zu erreichen, aber
vergeblich. Er kehrte nach Ochotsk zuriick und ging von dort zur Bericht-
erstattung nach Petersburg, wo er im Marz 1730 ankam. Von irgend welchen
wirtschaftlichen Resultaten, besonders fur den Pelzhandel, wird nichts er-
wahnt, waren doch diesmal zum ersten Male die rein-wissenschaftlichen Inter-
essen in den Vordergrund ge tret en.
144
III. Geschichte des russischcn Rauchwarenhandels .
Die Reise Behrings nach Norden sollte zur Unterwerfung der Tschuktschcn
und der Storjaken Anlass geben. Der Hetmann der Jakutsky-Kosaken,
Athanasius Shestakoff, wurde auf dem Seewege dorthin gesandt, wahrcnd
Kapitan Demetrius Pavlusky mil 400 Kosaken auf dem Landwege demselben
Ziele zustrebte. Shestakoff segelte in der ,,Fortuna" bis zur Penjinsky-Bucht;
hier strandete das Schiff, und in einer Schlacht mit den Tschuktschen wurde
er geschlagen und fiel im Kampfe. Sein Leutnant Gwosdeff erreichte mit
dem Reste der Expedition den Anadyr, hier erhielt er Ordres von Pavlusky,
nach dem Tschuktschen-Lande zu gehen. Er ging nach Szerdze, wurde abcr
durch einen Sturm nach Osten getrieben und erreichte als erster von Osten
her den Kontinent von Amerika, den er aber nicht betrat, obgleich er mehrere
Tage lang der Kiiste folgte.
Behring kam jetzt in Begleitung einer Anzahl Gelehrter von Petersburg
zuriick, da der Senat der Akademie der Wissenschaften beschlossen hatte,
eine sehr umfassende Forschungstatigkeit zu beginnen.
Eine ganze Reihe von Expeditionen fanden langs der Eismeerkuste statt.
Zwei Lodschen unter Leutnant Paulow erforschten das Gebiet zwischen
Archangel und Ob. Eine Expedition vom Ob und dem Jenessei, fur welche
Behring in Tobolsk eine Schaluppe bauen liess, unter Leutnant Owzyn, er-
forschte 4 Jahre lang das Gebiet. Von Jakutsk aus wurden zwei Schaluppen
unter Leutnant Prontschusdeff die Lena hinab nach dem Jenissei gesendet.
Pronstischew starb in Olenek, und wenige Tage darauf folgte ihm seine jungc
Frau, die ihn begleitete, in den Tod. Von der Lena nach Osten zu vcr-
suchte Dimitri Lastew vorzudringen. Behring selbst sollte die Kiiste Amerikas
untersuchen. Er musste diese Fahrt aber vorlaufig verschieben durch die
Landung eines japanischen Schiff es in Awatchabay auf Kamtschatka, desscn
Mannschaft auf Befehl von Andreas Schtimikow bis auf einige Japaner niedcr-
gemetzelt, und die Ladung gepliindert wurde. Schtimikow wurde deshalb
spater in Nischny Kamtschatka gehangt und die Japaner nach Petersburg
gesandt. Es war dort nun die Aufmerksamkeit auf die Nahe Japans gelenkt
worden, und Behring sollte zunachst dieses Gebiet erforschen. Er und
Iwan Wubery untersuchten um 1738 die Kurilen-Inseln undmachten 1739 eine
erfolglose Expedition nach Japan. 1740 waren zwei in Ochotsk erbaute kleine
Fahrzeuge, ,,St. Peter" und ,,St. Paul", fertig ge worden; zwei bedeutende
Naturforscher, der Deutsche Wilhelm Steller und der Franzose Louis de Lisle
de la Croyere, schlossen sich der Expedition an. Man iiberwinterte zunachst
in der Avatschabai, wo eine Niederlassung errichtet wurde, die nach den
Schiff en den Namen Petropaulawsk erhielt, die spatere Hauptstadt Kam-
tschatkat. Im Friihjahr 1741 wurde die so beriihmt gewordene Reise ange-
treten. Behring mit Steller im ,,St. Peter" und Chirikoff mit Croyere im
,,St. Paul".
Wahrend eines Sturmes am 20. Juni wurden beide Schiffe getrennt.
Tschirokoff bekam am 26. Juli die amerikanische Kiiste unter dem 56. Breite-
4. Kapitel. 145
grade zu Gesicht. Ein Boot mil 10 Bewaffneten unter dem Steuermann
Abraham Dementiew wurde an Land geschickt, kam aber nicht zuriick, und
ein gleiches Schicksal ereilte ein nachgesandtes zweites Boot. Beide Mann-
schaften waren von den Indianern niedergemetzelt worden. Tschirokoff
segelte nun langs der amerikanischen Kiiste nach Norden, ohne landen zu
konnen, da eben beide Boote fehlten. Es entstand Mangel an Trinkwasser
und Skorbut, die Geissel der Seefahrer der damaligen Zeit, brach aus. Nach
grossen Miihen gelang es endlich, Kamtschatka wieder zu erreichen, wobei noch
21 Mann der Besatzung unter wegs dem Skorbut erlagen. Der Naturforscher
Isle de la Croyere starb am Tage, als er an Land gebracht werden sollte.
Auch das Schiff Behrings wurde vom Ungliick verfolgt. Die Kiiste
Amerikas wurde zwischen dem 38. und 59. Grade erreicht, und Steller ent-
deckte hier den Vulkan Elias, bekanntlich den hochsten Gipfel Nordamerikas.
Beim Pelzhandel mit den Eingeborenen kam es zu Streitigkeiten, da die
Russen ihnen Schnaps gereicht hatten, und die Indianer glaubten, man wolle
sie vergiften. Erst einige blinde Schiisse verschafften den Fremden Luft.
Spater freilich mundete den Amerikanern das ,,Feuerwasser" nur zu gut.
Bald nach der Abfahrt von Amerika brach auch auf dem ,,St. Paul" der
Skorbut aus, von dem auch Behring selbst ergriffen wurde. Monatelang
trieb das Fahrzeug im Behringsmeer umher, bis es am 5. November an der
„ Behring- Insel" durch einen Sturm auf die Felsklippen des Strandes geworfen
wurde. Es gelang zwar, die gesamte Mannschaft und einen Teil des Proviants
zu retten, doch starb Behring selbst kurz darauf an Skorbut. Die Mannschaft
selbst wurde wahrend der Uberwinterung in diesem unbewohnten Lande nur
durch die Kenntnisse des deutschen Naturforschers Steller am Leben erhalten.
Ihm verdanken wir auch eine eingehende Schilderung der Reise und der inter-
essanten Uberwinterung.
Es herrschte ein reiches Tierleben auf der Insel. Zahlreiche Fiichse,
weisse und blaue, hausten in den Kluften. Den Strand belebten unzahlige
Seeottern, von denen die Schiffbruchigen uber 1000 toteten, das Fleisch ver-
zehrten und die Felle sorgfaltig aufhoben. Das Fleisch wurde als wohl-
schmeckend geruhmt, wahrend das der Fiichse nicht gegessen wurde. Diese
letzteren wurden aber trotzdem in grossen Mengen von den Schiffbruchigen
erschlagen, da sie sich ungemein lastig machten. Steller schreibt von ihnen:
,,Sie drangten sich in unsere Wohnungen, sowohl bei Tag, als bei Nacht ein,
und stahlen alles, was sie nur fortbringen konnten, auch Dinge, die ihnen
gar nichts nutzten, als Messer, Stocke, Sacke, Schuhe, Striimpfe etc. Sie
wussten sich so unbegreiflich kiinstlich eine Last von etlichen Pud von unsern
Proviantfassern herabzuwalzen und das Fleisch daraus zu stehlen, dass wir dies
im Anfang kaum ihnen zuschreiben konnten. Wenn wir einem Tier das Fell
abzogen, so geschah es oft, dass wir zwei bis drei Stuck Fiichse dabei mit
Messern erstachen, weil sie uns das Fleisch aus den Handen reissen wollten.
Vergruben wir etwas noch so gut, und beschwerten es mit Steinen, so fanden
10
146 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
sie es nicht allein, sondern schoben wie Menschen mit den Schultern die Steine
weg und halfen, unter denselben liegend, einer dem andern aus alien Kraften,
verwahrten wir etwas auf einer Saule in der Luft, so untergruben sie die Saule,
dass sie umfallen musste, oder einer von ihnen kletterte wie ein Affe hinauf
und warf das darauf Verwahrte mit unglaublicher Geschicklichkeit und List
herunter. Warf die See ein Tier aus, so verzehrten sie es, ehe noch ein Mensch
dazu kam, zu unserem grossten Nachteil, und konnten sie nicht gleich alles
auffressen, so vergruben sie es vor uns unter Steine. Dabei standen andere
auf Posten und beobachteten der Menschen Ankunft. Sahen sie von feme
jemand kommen, vereinigte sich der ganze Haufe und grub gemeinschaftlich
in dem Sand, bis sie einen Biber oder Seebaren so schon unter der Erde hatten,
dass man keine Spur da von erkennen konnte. Zur Nachtzeit, wenn wir auf
dem Felde schliefen, zogen sie uns die Schlafmutzen und Handschuhe unter
den Kopfen und die Biberdecken und die Haute unter dem Leibe weg. Wenn
wir uns auf die frisch geschlagenen Biber legten, so frassen sie unter dem
Menschen ihnen das Fleisch und die Eingeweide aus dem Leibe. Wir schliefen
deshalb allezeit mit Kniitteln in den Handen, damit wir sie abtreiben und schla-
gen konnten. Wo wir uns auf dem Wege niedersetzten, da warteten sie auf uns,
und trieben in unserem Angesicht hunderterlei Possen, wurden immer frecher,
und wenn wir stille sassen, kamen sie so nahe, dass sie die Riemen von unsern
neumodischen, selbstverfertigten Schuhen, ja die Schuhe selbst anfrassen.
Legten wir uns, als ob wir schliefen, so berochen sie uns bei der Nase, ob wir
tot oder lebendig seien; hielt man den Atem an sich, so zupften sie wohl gar
an der Nase und wollten schon anbeissen. Bei unserer ersten Ankunft frassen
sie unseren Toten, wahrend Gruben fur sie gemacht wurden, die Nase,
Finger und Zehen ab; machten sich auch wohl gar iiber die Schwachen und
Kranken her, dass man sie kaum abhalten konnte. Einem Matrosen, der in
der Nacht, auf den Knien sitzend, zur Tiir der Hiitte hinaus harnen wollte,
haschte ein Fuchs an den entblossten Teil und wollte seines Schreiens unge-
achtet nicht loslassen. Niemand konnte ohne einen Stock in der Hand seine
Notdurft verrichten, und die Exkremente frassen sie gleich so begierig wie
die Schweine oder hungrigen Hunde weg. Jeden Morgen sah man diese unver-
schamten Tiere unter den am Strande liegenden Seelowen und Seebaren
herumpatrouillieren und die schlafenden beriechen, ob nicht Totes darunter
sei; fanden sie ein solches, so ging es gleich an ein Zerfleischen, und man sah
sie alle, mit Schleppen bemuht. Weil auch besonders die Seelowen des Nacht s
im Schlaf ofters ihre Jungen erdriicken, so untersuchten sie, dieses Umstandes
gleichsam bewusst, alle Morgen ihre Her den Stuck fur Stuck und schleppten
die toten Jungen wie Schinder davon. Weil sie uns nun weder Tag noch Nacht
ruhen liessen, so wurden wir in der Tat auf sie dergestalt erbittert, dass wir
jung und alt totschlugen, ihnen alles Herzeleid antaten, und wo wir nur
konnten, sie auf die grausamste Art marterten. Wenn wir des Morgens vom
Schlaf erwachten, lagen immer zwei oder drei in derJSFacht Erschlagene vor
4. Kapitel.
unsern Fiissen, und ich kann wohl wiihrend meines Aufenthalts auf der Insel
auf mich allein iiber zweihundert ermordete Tiere rechnen. Den dritten Tag
nach meiner Ankunft erschlug ich binnen drei Stunden iiber siebenzig mit
einem Beil, aus deren Fellen das Dach iiber unsere Hiitte verfertigt ward.
Aufs Fressen waren sie so begierig, dass man ihnen mit der einen Hand ein
Stuck Fleisch vorhalten, und mit der andern die Axt oder den Stock fiihren
konnte, um sie zu erschlagen. Wir legten einen Seehund bin, standen mit
einem Stock nur zwei Schritte davon und machten die Augen zu, als ob wir
sie nicht sahen : bald kamen sie angestiegen, fingen an zu fressen und wurden
erschlagen, ohne dass sich die andern daran hatten spiegeln und entlaufen
sollen. Wir gruben ein Loch oder Grab, und warfen Fleisch oder ihre toten
Kameraden hinein ; ehe man sichs versah, war die ganze Grube voll, da wir
dann mit Kniitteln alles erschlugen. Wohl ein Drittel der Tiere war von der
wertvollen blauen Art." -
Sehr interessant sind auch die Schilderungen, die Steller von den See-
ottern gibt, die bei ihrer Landung in unglaublichen Mengen am Strande lagen.
Anfanglich waren sie ganz zahm und zutraulich. Bei der fortwahrenden Ver-
folgung aber wurden sie bald sehr scheu, und die Russen mussten oft 50 Werst
von ihrer Wohnstatte entfernt auf die Seeotterjagd gehen, um sich den not-
wendigen Proviant zu verschaffen, denn das Fleisch der Seeottern erwies
sich als bedeutend wohlschmeckender, als das Seehundfleisch. Die Seehunde
waren ausserdem viel scheuer und listiger. Die Russen erschlugen in dem
einen Winter iiber 1000 Seeottern, verzehrten das Fleisch und nahmen die
meisten Felle mit nach; Kamtschatka.
Steller gibt ein sehr anziehendes Bild vom Leben und Treiben der See-
otter, doch wiirde es zu weit fiihren, hier naher darauf einzugehen. Ferner
berichtet er iiber die Barenrobben und die Seelowen. Er beobachtete wohl
als erster die periodischen Wanderungen der Seebaren und st elite fest, dass
Ende April die ersten Mannchen auf der Insel ankamen, denen dann spater
die andern und die Weibchen in ungezahlten Herden nachfolgten. Sie be-
deckten den Strand so dicht, dass man einen grossen Umweg iiber die Berge
machen musste, um an ihnen vorbeikommen zu konnen. Doch auch damals
schon bevorzugten sie nur ganz bestimmte Stellen an der Siidseite der Insel,
wo sich auch noch heute die ,,Rookeries" befinden.
Das Fleisch der Barenrobben bezeichnet Steller als sehr iibelschmeckend,
wahrend er das der gleichfalls in grossen Mengen im Mai ankommenden See-
lowen sehr riihmt, doch, wie er hinzusetzt, ,,riiemand wagte sich gern, diese
grimmigen Tiere zu erlegen".
Alle anderen bei Kamtschatka vorkommenden Seehunde traf man auch
hier, doch waren sie sehr scheu und schwer zu erlegen. Am meisten Aufsehen
erregte aber die Entdeckung der nach ihm benanntcn Stellerschen Seekuh
oder des Borkentiers, die auf der ganzen Erde nur in dieser Gegend
vorkam, aber hier auch gleich in ungeheuren Scharen, die die umgebenden
10*
148 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Tangwiesen abweideten. Fleisch und Fett der Seekuh wurden von Steller
ungemein geriihmt. Bald nach Riickkehr der Expedition wurden zahlreiche
Fahrten zum Seekuhfang unternommen, und den harmlosen und gar nicht
scheuen, riesigen Tieren dermassen nachgestellt, dass innerhalb 30 Jahren
auch die letzte verschwunden war. Heute wird das vollstandige Skelett einer
Stellerschen Seekuh gern mil 20 ooo Mark und mehr bezahlt. Auch
fehlte es auf der Insel nicht an Seevogeln, der en Fleisch und Eier gegessen
wurden, und an einem reichen Pflanzenwuchs und Beeren, essbaren Wurzeln
und allerhand Salaten, welche den Skorbut, die Geissel des Nordens, von den
Schiffbrlichigen fernhielten und auch anderen, die krank ans Land gebracht
waren, das Leben retteten. Der Winter wurde in Erdhiitten verbracht.
Im Friihjahr begann man aus den Trummern des Wracks und der an
Land gezogenen beschadigten Barkasse ein neues Fahrzeug zubauen, das 36 Fuss
in der Wasserlinie und 42 Fuss iiber Deck lang. Am n. August war dasselbe
endlich vollendet. Der Proviant, hauptsachlich aus gesalzenem Seekuh- und
Seeotterfleisch und Fett, sowie noch einigen Resten von prbsen und Roggen-
mehl bestehend, wurde an Bord gebracht, und am 14. August verliess man die
Insel. Am 18. August erreichte man dar\n gliicklich unter der geschickten
Fiihrung des Schiffsleutnants Waxel die Kiiste von Kamtschatka und am
27. August den Hafen Petropawlark.
Die Uberlebenden der Expedition hatten iibrigens fur all die ausgestan-
denen Leiden schlechten Lohn. Man hatte sie alle fur tot gehalten und ihre
Habseligkeiten verschwendet. Der Gouverneur von Petropawlask hielt es
nicht einmal der Miihe fur wert, ihre Riickkehr mit dem nachsten Regierungs-
schiffe anzuzeigen. Dagegen machte er eine Anzeige gegen Steller, der den
Winter bei seiner Familie in Baltersk auf Kamtschatka verbracht hatte, bei
der Regierung in Irkutsk, und Steller wurde zur Untersuchung dorthin be-
fohlen. Er wurde zwar freigesprochen und ihm die Erlaubnis erteilt, nach
lyuropa zu reisen, aber in der Nahe des Urals erreichte ihn ein expresser Bote,
der ihn zur Umkehr aufforderte. Kurz vor Irkutsk traf dann ein anderer
Expressbote ein, der den Befehl widerrief und die Erlaubnis zur Riickreise
nach Europa brachte. Er war auch bereits bis in die Nahe von Moskau ge-
kommen, als ihn ein neuer Befehl erreichte, umzukehren und zwar unter Be-
wachung.
Diesen fortwahrenden Schikanen und den unaufhorlichen Beschwerden,.
dem ziellosen Umherreisen in den Einoden Sibiriens, war auch die Kraft
dieses riesenstarken Mannes nicht gewachsen. Er starb in Tjumen am 23. No-
vember 1746, nach der einen Version an einem Fieber, das er sich auf der
Reise zugezogen, nach einer anderen, indem er im Schlitten erfror. Er hatte
nur ein Alter von 37 Jahren erreicht, und bildet sein Tod, nachdem er soviel
fur die Wissenschaft geleistet, und auch ihm allein die Rettang der ganzen
Expedition zu verdanken ist, ein Schandfleck der Entdeckungsgeschichte
mehr fur die daran so reiche russische Bureaukratie.
4. Kapitel.
Die Nachricht von dem ungeheuren Reichtum an Pelztieren auf der
Behringinsel gab neuen Anlass zu zahlreichen Expeditionen nach dem neu-
•entdeckten Eldorado der Pelzjager oder Promyschleniks.
1747 bis 1748 brachte der Pelzjager Chododilew 1481 Blaufuchse imd
400 Seeottern von der Insel mit, und im Jahre darauf wurden von anderen
Promyschleniks 1000 Seeottern und 2000 Blaufuchse gebracht. 1751 bis
1755 fing Ingor dort zirka 800 Seeottern, 6800 blaue und 200 weisse Fuchse,
•sowie 3000 Seebaren.
Die Blaufuchse waren iibrigens bald ausgerottet und nur weisse Fuchse
mehr vorhanden. Auch diese sind he ate viel seltener geworden. Auch die
andere der Kommodore-Inseln, die ,,Kupfer-Insel", wurde bald darauf in
den Kreis der Opera tionen gezogen und erhielt ihren Namen von einem dort
entdeckten Lager gediegenen Kupfers. 1755 wurde der Hiittenverwalter
Peter Tarowief dorthin zur Untersuchung gesendet, erklarte aber die Mine
fur nicht mehr abbauwiirdig und erwahnt auch den Reichtum an Pelztieren,
namentlich Seeottern, Seelowen, Seebaren und Fiichsen, der noch grosser
sei als auf der Behring-Insel.
Er berichtete iibrigens in seinem Tagebuch, dass die Seekiihe schon jetzt
von der Copper-Insel vertrieben seien, da jede Fangexpedition die leicht er-
legbaren Tiere zur Vervollstandigung ihres Proviants jagte. Von den riesigen
Scharen, die zur Zeit der Entdeckung 1741 die Tangwiesen der Behringsee
.abweideten, waren jetzt, 14 Jahre spater, nur wenige Exemplare vorhanden.
Tarowief rnachte sogar den fur jene Zeit ganz ausserordentlichen Versuch, die
Jetzten Reste dieser merkwiirdigen Tiere zu retten, indem er noch im November
1755 ein Gesuch an die Behorden in Kamtschatka richtete, die Seekuhjagd
durch ein Gesetz zu ordnen und ihre Ausrottung zu vermeiden. Aber es war
schon zu spat, 1768 wurde die letzte Seekuh aaf Behrin glsland erlegt.
Ubrigens ist es selbst in unserem aufgeklarten naturwissenschaftlichen Zeit-
•alter nicht moglich gewesen, Massregeln durchzusetzen, welche den fur den
Pelzhandel so wichtigen, wertvollen Seeotter vor dem Untergang bewahren
konnten. In wenigen Jahrzehnten wird der Seeotter das Schicksal der Steller-
schen Seekuh geteilt haben. Gleich nach Riickkehr der Behringschen Ex-
pedition fingen die Promyschleniks und Kaufleute von Ochotsk und von
Kamtschatka an, die neuentdeckten Gegenden fur den Pelzhandel auszu-
nutzen. Kamtschatka selbst lieferte damals noch verhaltnismassig wenig
Pelzwerk. Der jahrliche Jassak oder Tribut war auf 278 Zobel, 464 rote
Fuchse, 50 grosse Seeottern und 30 kleine desgleichen festgesetzt;. Alles aus
Kamtschatka ausgefuhrte Pelzwerk musste ausserdem eine Abgabe von
10 Proz. zahlen.
Auch von den aus den neuentdeckten Inseln gewonnenen Rauchwaren
musste der zehnte Teil an die Zollhauser Kamtschatkas oder Ochotsk abge-
liefert werden. Ubrigens kam jahrlich einmal ein der russiscben Krone ge-
horiges Schiff von Ochotsk nach Petropawlowsk und brachte dorthin Ge-
150 HI- Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
treide, Lebensmittel und russische Industrie-Erzeugnisse und nahm als Riick-
fracht die gesammelten Pelzwaren mit.
Von den Kaufleuten aus Irkutsk, Ochotsk und verschiedenen anderen
Handelsplatzen Sibiriens, ja selbst aus dem fernen Tobolsk beteiligten sich
viele an Fangexpeditionen und Entdeckungsreisen in dem Gebiete zwischen
Sibirien und Amerika, die sich namentlich nach den verschiedenen Inseln
richteten, die man zu entdecken wiinschte, und wo man eine reiche Ausbeute
erhoffte.
Die Kaufleute bildeten kleine Gesellschaften, welche die notigen Schiffe
gemeinschaftlich ausriisteten. Coxe hat uns eine genaue Beschreibung dieser
Expeditionen iiberliefert, und entnehme ich seinem 1780 erschienenen Werke
die folgende Schilderung: ,,Die meisten zu diesen Unternehmungen bestimmten
Schiffe fiihren zwei Mastbaume; sie sind auf die gewohnliche Art ohne Eisen
gebaut und uberhaupt so schlecht, dass man es kaum begreifen kann, wie sie
so sturmischen Meeren Trotz bieten konnen. Man nennt sie in russischer
Sprache Sitiki oder Schiffe, deren Uberzug genaht ist, und wirklich sind alle
Teile mit Riemen von Leder zusammengesetzt. Einige derselben werden an
dem Flusse Kamtschatka, die meisten aber an dem Hafen von Ochotsk gebaut.
Die grossten haben 70 Mann Schiffsvolk und die kleinsten 40, wovon die eine
Halfte Russen und die andere Kamtschatken. Da man den Kamtschatken
weniger gibt, so nimmt man sie aus Sparsamkeitsrucksichten. Ubrigens
widerstehen sie den Unf alien des Scharbocks (Skorbut) ^ichter. Aber die
moskowitischen Matrosen sind verwegener zu gefahrlichen Unternehmungen
und in den Gefahren selbst kann man sich mehr auf sie verlassen. Sie sind
also zu diesen Reisen notwendig. Die Kosten fur den Bau und an Ausriistung
sind sehr betrachtlich, denn Ochotsk liefert nur das Holz; das Tauwerk, das
Segelwerk und den Mundvorrat muss man auf Pferden aus Jakutsk kommen
lassen. Die Teuerung des Kornes und der Getreidearten, welche man aus den
Gegenden am Flusse Lena zu ziehen genotigt ist, erlaubt nicht, so viel davon
einzuschiffen, als zu diesen Reisen, welche zwei bis drei Jahre lang dauern,
erforderlich ware. Man begniigt sich also damit, dass man die Schiffe mit
dem Notwendigsten versieht, damit die russischen Matrosen immer Quas oder
ein anderes gegorenes Getrank haben. An Vieh ist in Ochotsk und Kam-
tschatka Mangel. Auf der ganzen Halbinsel war en 1772 nur 570 Stuck Vieh.
Das Pfund frisches Rindfleisch kostet dort deshalb auch 12 Kopeken, wahrend
man in Moskau nur 3 Kopeken zahlt. Das Schiffsvolk aber macht sich deshalb
einen Vorrat an vierfussigen Seetieren oder Fischen, die auf der Insel Behring,
wo die meisten Schiffe iiberwintern, gefangen und eingesalzen werden. Die
Ausriistungskosten fur ein solches Schiff belaufen sich gewohnlich auf 15 bis
20 ooo Rubel und zuweilen bis auf 30 ooo. Diese Summe wird in Aktien ver-
teilt, bestehend aus 30 bis 50 Aktien, jede zu 300 bis 500 Rubel. Die Gefahren
sind sehr gross, denn es ereignen sich ofter Schiffbriiche in dem sturmischen
und felsenvollen Meere von Kamtschatka; ubrigens wird das Schiffsvolk oft
4. Kapitel.
von den Insulanern iiberfallen und umgebracht, welche noch iiberdies die
Schiffe zugrunde richten. Hingegen 1st der Gewinn solcher Unternehmungen
sehr betrachtlich und gleicht gewissermassen die entstandenen Verluste im
ganzen aus, denn wenn ein Schiff nach einer gliicklichen Fahrt zuruckkommt,
so ist der nach einer mittelmassigen Taxe berechnete Gewinn hundert Prozent
und oft noch einmal so viel; und wenn eine zweite Reise stattfindet, so ver-
mindert solches die Kosten des Einsatzes und folglich der Aktien."
Man kann sich von diesem Gewinn einen Begriff machen, wenn man
nachpriift, was der Verkauf einer reichen Ladung von Pelzwerk gebracht hat.
So kehrte am 2. Juni 1772 ein Schiff, das aus den neuentdeckten Inseln kam
und dem Iwan Pozoff zugehorte, reichbeladen heim und wurde nach Kam-
tschatka gebracht. Nach Abzug des im Zollhause weggenommenen
zehnten Teils des Pelzwerks brachte jede der 55 Aktien 20 Seeottern,
16 schwarze und braune Fiichse, 10 rote Fiichse, 3 Otterschwanze ein; alle
diese Portionen wurden sogleich fur 800 — 1000 Rubel verkauft; also war die
ganze Ladung ungefahr 50 ooo Rubel wert.
Die Landung auf der Behring-Insel war iibrigens damals durchaus nicht
ungefahrlich.
Im Oktober 1748 scheiterte das Schiff des Pelzhandlers Iwan Shilkin
aus Anadyrsk an der felsigen Kiiste dieser Insel. Aus dem Rest der Trummer
des Behringschen Schif fes und angetriebenem Schwemmholz wurde eine kleine
Schaluppe erbaut und ,,Capito" benannt. Im Fruhjahr fuhr die Mannschaft
unter Fuhrung von Simeon Novikoff nach Copper Island und von da nach
Kamtschatka.
Im gleichen Jahre waren zwei Schiffe vom Kamtschatkaflusse mit Er-
laubnis der Regierung auf Seeotterjagd gefahren. Das eine, dem Feodor
Cholodiloff und den Andreas Tolstyk & Co. gehorig, mit 41 Russen und
6 Kosaken besetzt, uberwinterte auf der Behring-Insel und brachte von dort
250 alte, 150 junge Seeottern und 148 Blaufuchse zuriick.
Ein gleichzeitig ausgelaufenes Schiff, dem Andreas Wsewidoff gehorig,
erreichte die Aleut en und erbeutete dort 1040 Seeottern und 2000 blaue Fiichse.
1750 erhielt Almolian Jupoff — ein Kaufmann von Jakutsk — vcm
Petersburger Senat die Erlaubnis, vier Schiffe fur seine und seiner Teilnehmer
Rechnung auszuriisten und wahrend der Zeit dieser Expedition sogar das
Monopol der Seeotterjagd auf der Behrings- und der Kupfer-Insel. Hierfur
sollte er den zehnten Teil alles gewonnenen Pelzwerks an die Krone abliefern
und einige Marineoffiziere an Bord nehmen; er segelte aber ohne diese in der
Schaluppe „ Johann von Bolocharesk" ab, weshalb nach seiner Riickkehr das
Schiff mit seiner Ladung von 785 alten, 35 jungen Seeottern, 447 sealskin,
2000 blauen, 1765 schwarzen und 3300 roten nordischen Fiichsen beschlag-
nahmt wurde. Alle diese Tiere waren auf der Behring- und Kupfer-Insel gefangen,
auf welch letzterer Jupoff gestorben war. Die Kaiserin hob indessen auf Ein-
gabe der geschadigten Aktionare die Konfiskation wieder auf.
152 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Die Aleuten erwiesen sich jetzt als sehr ergiebiger Fundort. Nikiphor
Trapesnikoff erhielt 1750 die Erlaubnis, ein Schiff ,, Boris und Glebb" dorthin
zu senden, wofiir ausser etwaigem Tribut noch 10 Proz. der Pelzausbeute an
das Zollhaus abzuliefern war en.
Der Kosak Sila Shaffyrin segelte ab, um den Tribut einzufordern, der
auch von einer Anzahl Aleuten entrichtet wurde. Der ,, Boris Glebb" brachte
nach dreijahriger Fahrt 1920 Seeottern mit, worunter 320 allererster Sorte.
Auch Andreas Tolstyk ging wieder dort bin, erbeutete auf Behring-
Insel nur 47 Seeottern, aber fing auf einer der Aleuten-Insel 1662 alte und
119 junge Seeottern nebst 720 blauen Fiichsen und 840 jungen Sealskin.
Das Schiff ,, Simeon und Johann" wurde von einem russischen Handler
Ribenskoy ausgeriistet und mit 14 russischen Jagern und 30 Kamtschadalen
unter dem Kosaken Worobieff zu neuen Entdeckungen nach den Aleuten
entsendet. Es wurde aber an einer oden Insel an den Strand geworfen. Man
erbaute aus den Trummern eine Art Prahm und kam mit 820 Seeottern, 1900
Blaufiichsen, 5700 grossen und 1310 kleinen Seebaren nach Kamtschatka zuriick.
1754 wurde von Nikiphor Trapesnikoff das Schiff ,,Der heilige Nicolas"
ausgesendet, welches unter Anfiihrung des Kosaken Kodwin Durneff zu den
bereits bekannten zwei eine dritte aleutisch Insel entdeckte.
Sie fingen 2300 Seeottern und tauschten ausserdem noch 732 andere
von den Eingeborenen ein.
1752 erlitt ein weiteres Fahrzeug unter Fiihrung des Handlers Alexis
Drusmin auf Behring-Insel Schiff bruch, und von den Trummern wurde die
kleine Schaluppe ,, Abraham" gebaut.
Man hatte wahrend des Winters 5 Seeottern, 1222 Blaufuchse und 2500
Seebaren getotet. Von hier aus wollte man nach den Aleuten segeln, da aber
der Wind fur das kleine Schiff zu stark war, schloss sich Drusimin an die
Expedition des ,,Heiligen Nicolas" an und beendigte die Expedition mit
grossem Gewinn. Im Jahre 1753 segelten die drei Schiffe nach den Aleuten,
eins wurde von Cholodileff, ein zweites von Serebrankoff und das dritte von
I wan Krassilinkoff ausgeriistet.
Das erste erbeutete auf den Aleuten 1600 Seeottern, das zweite scheiterte,
und die Mannschaft erreichte nach schwerem Ungemach auf einer kleinen, aus
den Schiffstrummern erbauten Schaluppe ,, Peter und Paul" mit nur 140 Wal-
rosszahnen Kamtschatka.
Auch das Schiff des Krassilnikoff scheiterte auf der Kupfer-Insel. Wahrend
des Uberwinterns erlagen eine Anzahl der Mannschaft verschiedenen Ungliicks-
fallen. Man totete aber noch 153 Seeottern und 1390 Blaufuchse und gelangte
im Fruhjahr in zwei Booten nach der Behring-Insel, von wo aus man mit der
Pelzausbeute auf anderen russischen Schiffen Kamtschatka erreichte.
Im September 1756 segelte das Schiff ,, Andreas Natalie" von Andreas
Tolstyk aus Selenginsk, damals der reichste Pelzhandler der Kiiste, ausge-
riistet, mit 58 Mann Besatzung von Kamtschatka aus.
4. Kapitel.
Man iiberwinterte auf der Behring-Insel, wo aber jetzt iiberhaupt kcine
Seeotter mehr zu finden war. Als Proviant wurden Seekiihe und Seelowen
erlegt.
Im darauffolgenden Sommer wurde die Insel Attaku, ciner der Aleuten,
erreicht. Den Russen gelang es, durch das Geschenk eines Kupferkessels und
eines .Tuchmantels das Oberhaupt der Insel zur Tributzahlung zu veranlassen.
Auch begleiteten drei Weiber und ein Junge die Expedition zuriick, um die
russische Sprache zu erlernen. Man schenkte auch den Eingeborenen Netze
zum Seeotterfang. Dieses Fahrzeug brachte 5030 Seeottern, 1040 Blaufuchse
und 330 ,,Mewedki" oder ganz junge Seeottern mit. Eine Expedition, welche
der Kaufmann Iwan Shilkin mit der kleinen Schaluppe ,,Capito" 1757 aus-
sandte, verlief sehr unglucklich. Die Mannschaft geriet mit den Eingeborenen
vielfach in Kampf, wobei beiderseits mehrere Tote blieben. Ausserdem stran-
dete das Schiff an einer Insel, die Russen mussten sich von Muscheln und
Wurzeln nahren, wobei 17 Mann verhungerten. Der Rest wurde nur durch
das An-Land-treiben eines toten Walfisches gerettet.
Nachdem sie einen zweiten Winter dort zugebracht batten und 630 See-
ottern erlegten, gingen sie in einer von den Trummern erbauten Schaluppe
wieder in See. Aber auch diese strandete, ohne dass etwas von der Ladung
geborgen werden konnte. Die Uberlebenden wurden dann von dem Schiff
des Serebrankoff aufgenommen und 1761 auf Kamtschatka gelandet.
1758 riisteten die Kaufleute Simeon Krassilnikoff und Nikophor Tra-
pesnikoff zwei Schiffe zur Seeotterjagd aus, den ,,Sankt Wladimir" und den
„ Gabriel", welche die Fuchsinseln entdeckten, hier aber in Kampfe mit den
Eingeborenen gerieten, deren Tochter und Weiber sie wegschleppten. Wegen
zahlreicher gegen die Insulaner veriibter Grausamkeiten wurde spater der
Befehlshaber Puschkareff in Kamtschatka angeklagt. Die Ausbeute bestand
bei dem ,, Wladimir" aus 900 Seeottern, 400 roten, grauen und schwarzen
Fiichsen und 12 Pud Walrosszahnen. Auf dem ,,Gabriel" erbeutete man
900 Seeottern und 350 Fiichse. Es folgten jetzt eine Reihe von Expeditionen,
die die Inseln an der amerikanischen Kiiste der russischen Botmassigkeit
unterwarfen, doch kamen auch viel Falle von Zusammenstossen mit den Ein-
geborenen vor. Namentlich auf Unalaschka waren verschiedene soldier
Kampfe, die durchaus nicht immer mit dem .Siege der Russen endigten.
Trotzdem wurden die Fahrten dorthin immer zahlreicher, da auf Copper-
und Behring-Insel die Seeottern immer seltener wurden; so erbeutete 1762
Korowin dort nur 20. Seeottern neben 500 nordischen Fiichsen. Er liefert
iibrigens eine genaue Beschreibung der Inseln siidlich von Unalaschka, wo
er schwere Kampfe .mit den Eingeborenen hatte.
1762 erreichte Stephan Glottoff auf dem Schiff „ Andreas und Natalie"
als erster Kadiak bei Alaska und konnte nach heftigen Kampfen Frieden mit
den Eingeborenen schliessen und einen lebhaften Pelzhandel eroffnen. Glottofl
erwahnt unter den dort vorkommenden Tieren Hermelin, Zobel, Biber, Fisch-
154 m« Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
ottern, Wolfe, Wildschweine (?) und Baren, die auf den Aleuten nicht vor-
kommen. Der auf Kadiak lebende Bar 1st bekanntlich der grosste, den es iiber-
haupt gibt. Das Vorkommen der Wildschweine beruht aber jeden falls auf einem
Irrtum. Er brachte eine sehr reiche Ladung an Pelzwerk nach Kamtschatka
zuriick. Die Fuchsinseln haben ihren Namen von der grossen Anzahl der
schwarzen, grauen und roten Fiichse, die dort vorkommen. Schon Glottoff
beobachtete, dass sie viel grober als die sibirischen sind und viel groberes
Haar haben.
Die Expedition des Iwan Popoff in einer Schaluppe und des Otcheridnikoff
in dem in Ochotsk erbauten Schiffe ,,St. Paul" hatten keinerlei Zusammen-
stosse mit den Insulanern.
Der ,,St. Paul" brachte 630 Seeottern, 656 Schwarzfiichse (soil wohl
heissen Blaufiichse, Anmerk. d. Verf.) I. Qualitat, 100 weisse und 1250 Rot-
fiichse nach Kamtschatka. Popoff s Ausbeute war noch bedeutender. Alle diese
Expeditionen waren nur im Interesse des Pelzhandels von Handlern unter-
nommen. Erst 1768 wurde die Galiote ,,Heilige Katharina" unter Kapitan
Kremitzin, begleitet von dem Leutnant Levasheff in einem kleinen Fahrzeug
,,St. Paul", von der russischen Regierung zu einer Entdeckungsfahrt nach
der amerikanischen Kuste entsandt.
Ebenso war 1766 der Leutnant Syud nach Amerika entsandt. Er ent-
deckte auch drei der Tschuktschen Halbinsel gegeniiberliegende Inseln bei
Alaska und besuchte auch die an der Behringstrasse liegenden kleinen Inseln.
Er stellte auch fest, dass die Tschuktschen in ihren offenen Lederbooten mit
Hilfe dieser Inseln iiber die Meerenge nach dem Festlande von Amerika
rudern und hier Pelzwerk, namentlich zusammengenahte Falle des ameri-
kanischen Zobels, von den dortigen Eingeborenen einhandeln, die sie dann an
die Russen verhandeln.
Im Jahre 1772 sandte der Kaufmann Alexei Cholodiloff von Ochotsk
aus das Schiff ,,St. Michael" unter Fiihrung des Dmitrei Bragin nach den
neuentdeckten Landern in der nordostlichen See, um auf See- und Landtiere
zu jagen. 63 Mann bildeten die Besatzung. Nachdem, wie iiblich, der Proviant
auf der Behring-Insel durch Jagd erganzt war, wurde Unalaschka angelaufen
und von hier aus wurden Jagdpartien nach den benachbarten Inseln aus-
gesendet. Bragin fiihrt an, dass auf alien diesen Inseln zahlreiche Fiichse von
alien Farben vorkommen, sowie Robben, aber keine Seerobben.
Auf Kadjak gab es ausser den Fiichsen noch viele Baren, Fischottern,
Hermelin- und Murmeltiere; dagegen kommen auf den Inseln siidwestlich
von Unalaschaka auch Seeottern haufig vor.
Auf der Reise erhielt man als Tribut 79 grosse und 15 junge Seeottern,
3 Schwarzfiichse, 16 Silberfuchse, 23 Kreuzfiichse (schwarzriickige) und 6 Rot-
fiichse. Durch Jagd und Tausch erbeutete man 180 grosse und 220 junge
Seeottern, 1517 Biber, 319 schwarze und Silberfuchse, 431 graubriistige,
198 Rotfiichse, 901 Blaufiichse und 1430 Sealskin.
4- Kapitel.
Im Jahre 1770 richtete auch der Gewehrfabrikant Asanassei Orechoff
aus Tula mit Wassili Schilkoff von Ustschuk und Iwan Lapin aus Julikamsk
ein Schiff, den ,,St. Paul", in Ochotsk ein unter Kommando von Iwan
Soloiwef aus Tobolsk.
Die Besatzung bestand auf 71 Russen, Kamtschadalen und Jakuten.
Man blieb 4 Jahre lang weg und besuchte die verschiedenen Inseln an der
Kiiste von Alaska und Alaska selbst. Die Besatzung litt viel an Skorbut und
hatte auch Kampfe mit den Eingeborenen, so dass bei der Riickkehr nur noch
39 Mann am Leben waren. Die Regierung erhielt 89 Seeottern, 104 Schwarz-
fucb.se, 56 Kreuzfiichse, 8 Rotfiichse, wahrend die Reeder 1833 Seeottern,
40 Schwarzfiichse, 10 Blaufuchse und 1304 Rotfiichse erhielten.
Der gute Erfolg veranlasste den Orechoff und seinen Associe, im Jahre
1772 eine vierte Expedition auszuriisten. Es war dies das in Ochotsk erbaute
Fahrzeug ,,St. Wladimir" unter Befehl des Steuermanns Saikoff. Neben ihm
waren noch ein Peredofschik oder Anfiihrer der Jager, 57 Russen und 10 Ja-
kuten an Bord.
Uberwintert wurde, wie iiblich, auf der Kupferinsel, wo der Proviant
erganzt wurde und auch eine Anzahl Lederboote nach Eskimoart, sogenannte
Baidaren, angefertigt wurden.
Der Reichtum an Seesaugetieren war hier noch immer ungemein reich.
Schon damals war die Kupferinsel die Heimat der einen grossen Sealherde,
die sich dort vom Mai bis November aufhielt. Die Seelowen verlassen die
Tnsel gleichfalls im November, wahrend die damals noch sehr zahlreichen
Seeottern auf der Insel uberwinterten. Das Fell war im Oktober am besten,
und das Fleich wurde von alien russischen Seefahrern sehr gelobt, bildet ge-
trocknet auch den Hauptteil des Reiseproviants, seitdem die Seekiihe ver-
schwunden waren.
Von hier aus wurde dann 1773 die Reise nach Alaska und den aleutischen
Inseln angetreten.
Von den Eingeborenen wurden Felle gegen Korallen, Glasperlen, Kupfer-
kessel, Tabak und Kleidungsstiicke eingetauscht.
Als neues Tauschmittel fuhrte Saikoff Katzenfelle ein, die von den Aleuten
gern genommen wurden, und gegen Polarftichse und Seeottern umgetauscht
wurden. Heut diirfte das wohl auch in den entlegensten Gegenden etwas
schwer fallen. An verschiedenen Punkten wurden Abteilungen von Jagern
zuriickgelassen, die Seeottern, Seebaren, Wolfe, Fiichse, Fischottern, Viel-
frasse, Baren etc. erbeuteten.
An der Kiiste Alaska bildete auch damals der Lachsfang neben der Jagd
eine der Hauptbeschaftigungen der Eingeborenen.
Erst 1776 kehrte Saikoff nach Ochotsk zuriick, nachdem er auf der Reise
12 Mann verloren hatte, was der Chronist als ein besonders giinstiges Er-
gebnis hervorhebt. Ausser dem Tribut fur die Krone brachte Saikoff fur seine
Reeder zuriick: 3836 Seeottern, 2874 Seeotterschwanze, 583 junge Seeottern,
156 III. Geschichte des russischen Ranch warenhandels.
549 Silberfiichse, 1099 Kreuzfiichse, 1204 Rotfuchse, 1104 Blaufiichse, 92 Fisch-
ottern, i Vielfrass, 3 Wolfe, 1750 Sealskin und 370 Pfund Walrosszahne.
Jetzt begannen ubrigens auch die Spanier den Gegenden nordlich von
ihrer sehr vernachlassigten Kolonie Kalifornien ihre Aufmerksamkeit zuzu-
wenden.
Im Jahre 1775 wurde eine Expedition ausgesandt, um die nordlichen
Gegenden in Besitz zu nehmen. Es waren die Fregatte ,,San Carlo" unter
Eefehl des Don Bruno Heiceto, .das Paketboot ,,Mexicano" unter dem Leutnant
Juan de Ayala und die Kgl. Galiote ,,Sonora" unter Kapitan Don Juan
Francisco de la Bodega y Quadre; als Abgangshafen diente San Bias in Mexiko.
Es wurden eine Reihe von Hafen beruhrt und im Namen des Konigs in
Besitz genommen, und zwar bis zum 58. Grad nordlicher Breite. Krankheiten
aller Art und der schlechte Zustand der Fahrzeuge notigte dann zur Umkehr.
Die Result ate der Reise wurden zwar verofientlicht, doch hat sich in der
Folge niemand um die Besitzergreifung seitens Spaniens bekummert.
III.
Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
5. Kapitel.
Die vielen blutigen Zusammenstosse, welche die russischen Pelzjager-
Expeditionen mit den Eingeborenen auf den Aleuten, Kurilen und Alaska
hatten und die vielen Klagen, die einliefen, veranlasste die russische Krone
1769, das Gebiet offiziell in Besitz zu nehmen, urn dem wiisten Treiben ein
Ende zu machen.
1781 vereinigten sich die beiden grossten Pelzhandler von Ochotsk,
Iwan Golikoff und Gregor Schelikoff, sowie der Tulaer Gewehrfabrikant
Orechof und mehrere andere Handler zu einer Gesellschaft. Schelikoff ging
1783 mit drei in Ochotsk erbauten Gallioten nach Amerika.
Die Schiffe hiessen ,,Die 3 Kirchenlehrer", ,,Simion", ,,Anna und
St. Michael". Schelikoff war dabei von seiner Frau begleitet, die erste weisse
Dame, welche diese wilden Kusten betrat.
Diese Expedition war die starkste, die bis jefzt nach der amerikanischen
Westkiiste aufgebrochen war, denn es waren 192 Mann Besatzung an Bord
der drei Fahrzeuge. Aber sie war auch die folgenschwerste, denn mit Scheli-
koffs Eintritt in die russisch-amerikanischen Handelsbeziehungen begann eine
ganz neue Epoche. Schelikoff war ein Organisator ersten Ranges, von weitem
Blick, der auch an kaufmannischer Begabung weit uber die andern Promy-
schlenik hervorragte. Er erkannte zuerst die Bedeutung fester Stiitzpunkte in
dem neuen Gebiete statt der langen Jagdfahrten und besehloss, 'dort Forts
zu errichten, die erstens den Handel auf eine regelmassige Basis bringen
wiirden und ausserdem den kriegerischen Eingeborenen Respekt einflossen,
ja sie allmahlich unterjochen wiirden.
Seinem Geiste schwebte wohl auch schon die gewaltige Handelsgesellschaft
vor, die unter seiner Leitung dort die Herrschaft ausiiben wiirde. Er hat uns
iiber die erste Reise einen sehr ausfuhrlichen Bericht hinterlassen, dem zu
entnehmen ist, dass um diese Zeit 1783 auf Behring Island bereits die Jagd
voriiber war. Ausser einigen weissen Fiichsen gab es nichts mehr, sowohl
Seekiihe wie Seeottern waren verschwunden, nur Seebaren und Seelowen gab
es dort noch in beschrankter Zahl, und man war gezwungen, sich von See-
fischen, Wildgefliigel und essbaren Wurzeln zu nahren.
158 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Auf den Aleuten kam er mit den Eingeborenen in Konflikt, aber als der
erste, der die Bedeutung der Eingeborenen fur die Kolonie erkannte, suchte
er alle Blutvergiessen zu vermeiden und benutzte seine Artillerie nur, um die
Angreifer zu erschrecken. Auf der Insel Kadiak errichtete er die erste Festung,
nachdem er einen Angriff von 1000 in Booten kommenden ,,Konagern" abge-
wehrt, sie dann unterworfen und beim Fort angesiedelt hatte. Er gewann sie
auch durch vorzugliche Behandlung ganzlich fur seine Interessen. Ein weiteres
Fort errichtete er am Kap M. Elias auf dem Festlande, wo er 5 Russen und
1000 Mann der nun eng befreundeten und unterworfenen Konagern als Be-
satzung zuriickliess. Auch auf den Inseln Afagnek und Schuject errichtete er
feste Platze, die er mit 30 Russen und 70 angeworbenen Aleuten besetzte.
Zwei seiner Fahrzeuge benutzte er zu regelmassigen Erforschugs-
reisen an der Kiiste und nach der Behringstrasse, wahrend er selbst im Herbst
1786 nach Ochotsk zuriickkehrte. In Petropawlowsk traf er iibrigens ein
englisches Schiff der ostindischen Kompanie, das erste, das in diese hohe
Breiten gelangt war. Seine Bemannung bestand aus 70 Arabern, Indiern und
Chinesen und hatte ausser Kapitan Peters, dem Kommandanten, noch drei
englische und einen portugiesischen Offizier an Bord.
Schelikof f kauf te ihnen fiir 6661 Rubel Waren ab und schloss einen Vertrag
ab, dahingehend, dass die Ostindische Kompanie in regelmassigen Zwischen-
raumen ein Schiff senden wollte. Auch wurde gleich verabredet, welche Waren
sie mitbringen und welche Pelze dafur empfangen sollte und zu welchen Preisen.
Er erwahnt iibrigens noch, dass er die erstandenen englischen Waren bereits
gleich in Bolscheresk mit 50 Proz. Nutzen verkauft habe. - - Unter grossen
Beschwerden reiste er dann liber Ochotsk, Jakutsk nach Irkutsk, wobei er
aber auch erwahnt, dass die Russen damals grosse Miihe hatten, zwischen
denKorjaken und Tschuktschen, die beide sehr wild und kriegerisch waren,
Ordnung zu halten, doch war der Pelzhandel um diese Zeit schon in ganz
regelmassigen Bahnen. Es gelang ihm in Irkutsk nun, eine grosse Gesellschaft,
die amerikanische Kompanie, zu begriinden, an deren Spitze Iwan Golikoff
neben Gregor Schelikof f trat. Der Hauptsitz der Gesellschaft wurde nach der
Insel Kadiak verlegt, wo der Grieche Delaref als Bevollmachtigter das Kom-
mando fuhrte, und wo mehrere grosse Forts errichtet wurden.
Schelikoff erhielt von der Kaiserin in den neuentdeckten Gebieten ein
Handelsmonopol und zugleich den Auftrag, moglichst viel neue Inseln zu
entdecken und die Insulaner sowohl unter russische Botmassigkeit zu bringen,
als auch moglichst viel von der amerikanischen Kiiste durch Aufpflanzen des
russischen Wappens fiir das Reich in Besitz zu nehmen. Im Auftrage Schelikof fs
entsandte daher Delaraff 1788 die Galiote ,,Die drei Kirchenlehrer" unter
Kommando der Steuerleute Ismanloff und Botsdorf mit 40 russischen Arbeitern
und zwei eingeborenen Aleuten und vier Konager (von Kadiak) als Dolmetscher
an Bord und gab ihm auch 5 Kupfertafeln und 5 russische Wappen mit, die
der Generalgouverneur von Irkutsk zu diesem Zweck geschickt hatte.
5. Kapitel.
259
Die Galiote verliess am 30. April 1788 den Hafen von Kadiak und segelte
nach dem Tschuktschen Meerbusen. Mil den Tschuktschen auf den Inseln
am Kap St. Elias traten sie zunachst in Verbindung. Man erhielt eine Anzahl
Biber- und Fischotterfelle and bezahlte fiir die ersteren 8 bis 9 Schnuren
Schmelzperlen, fiir ein Otterfell und fiir Biberschwanze je 5 Korallen.
An geeigneter Stelle am Festlande am Nootka-Sund wurde auch durch Auf-
stellen eines Kreuzers und Befestigung einer der mitgenommenen Kupferplatten
mit der Inschrift ,,Russisch Kaiserliches Gebiet" vom Lande Besitz ergriffen.
Tschuktschen und Eskimos auf den Inseln in der Behringstrasse Felle austauschend.
Die Kiiste und Inseln wurden iibrigens genau untersucht, auf ihre Land-
verhaltnisse, Fischreichtum etc. gepriift und mit den Tschuktschen Verhand-
lungen angekniipft. Die Kupferplatten, welche die Besitzergreifung dokumen-
tierten, wurden meist an hervorragende Hauptlinge oder sonstige angesehene
Eingeborene verteilt, daeszuriskanterschien, sieimFreien aufzustellen, denn
bei dem im Lande herrschenden Mangel an Metall rissen die zu Besuch an
Bord kommenden Eingeborenen sogar die Bretter vom Bord los, nur urn die
darin steckenden Nagel zu bekommen.
Es wird auch genau iiber die Fauna des Landes berichtet, und erwahnt
Ismailof zum ersten Male, dass hier zwei Barenarten, braune und schwarze,
vorkommen, ebenso drei Fuchsarten, rote, graue und schwarze. Ausserdem
werden Marder, Fischotter, Vielfrasse, Wiesel, Biber, Eichhornchen, Hermelm
und Hirsche erwahnt. Hier finden wir auch die erste Erwahnung von im
Innern des Landes vorkommenden wilden Schafen mit langem, weissen
Fliesse, woven Felle an Bord gebracht wurden. (Es handelt sich augenschem-
l6o III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
lich um die amerikanische Wollziege ,,Aploceros montana".) In der See
finden sich zahlreiche Seeottern. Seelowen. Seebaren und Seehunde, sowie
Walfische, auf welche die Eingeborenen in ihren aus Leder gefertigten
Baidaren mit Bogen und Pfeilen, sowie Harpunen eifrig Jagd machten.
Auch der Reichtum an Fischen wird erwahnt, in der See hauptsachlich
riesige Heilbutten, in den Fliissen Scharen von drei verschiedenen Lachs-
arten. Ebenso fiel den Beobachtern die Fiille von See-, Sumpf- und Wasser-
vogeln auf.
Mit grosstem Interesse studierte man genau die Sitten und Gebrauche der
Eingeborenen, deren Kleidung vorwiegend aus Biber-, Zobel-, Vielfrass- und
Murmelfellen bestand. Obgleich bisherkein europaisches Schiff hierhergekom-
men war, trafen die Russen bereits europaische Handelsartikel an, namentlich
schienen farbige Baumwollstoffe recht beliebt zu sein. Viele der von der Expe-
dition angegebenen eingeborenen Ortsnamen sind heut nicht mehr zu identifi-
zieren, doch scheinen die Fiihrer ihre Aufgabe, die Gegend genau zu erforschen,
recht ernst genommen zu haben. Am 15. August gelangte das Fahrzeug
wieder nach Kadiak zuriick. Pelareff ubernahm dasselbe wieder und schickte
es im Friihjahr 1789 mit dem gesammelten Pelzwerk der Kompanie beladen,
nach Ochotsk, wo man am 6. Oktober ankam.
Die Tagebiicher, der Reisebericht und die aufgenommenen K art en wurden
dem Leiter der Gesellschaft, Herrn Shelikow, ubergeben, der sie auch der
Regierung mitteilte.
Man hatte iibrigens eine sehr reiche Pelzladung an Bord, darunter allein
3000 Seeottern, die Delareff in Cooks Inlet gesammelt hatte.
In Ochotsk herrschte bei Ankunft der ,,Drei Kirchenlehrer" grosse Auf-
regung. Viele wichtige Nachrichten waren von verschiedenen Seiten dort ein-
getroffen. Die Angestellten der Shelikow-Kompanie, Lebadoff Latoschkin
und Gerasim Pribiloff, hatten die Inseln St. Paul und St. George entdeckt,
mit ihrem ungeheuren Reichtum an Sealskin, Seeottern, Silberfuchsen etc.
Die Inselgruppe wurde zwar von ihrem Entdecker die Suboff-Inseln genannt,
heisst aber noch heutigen Tages nach ihm selbst die Pribiloff-Gruppe.
Von Shelikoff war Nachricht eingetroffen, dass er und Golikoff Me-
daillen sowie das Portrat der Kaiserin Katharina fur ihre Entdeckungen
erhalten hatten, und was ihrem praktischen kaufmannischen Sinne vielleicht
noch lieber war, das Monopol des Pelzhandels fur die Inseln im nordlichen
Pacific. Aber die Freude hieruber war getriibt durch die Nachrichten, dass die
bisher so entlegenen Kiistengegenden des Stillen Ozeans ein Tummelplatz
von Expeditionen der verschiedensten Nationen zu werden schien,
Fast gleichzeitig bewegte sich in diesen nordischen Gewassern die wissen-
schaftliche franzosische Expedition unter La Perouse, eine Handelsexpedition
des Englanders Hanna in Macao nach Nootks-Sund, Schiff e der Ostindischen
Kompanie unter John Meares and unter Kapitan Tipping von Kalkutta,
Kapitan Lovrie und Guise von Bombay, die Schiffe der englischen Pelzhandels-
5. Kapitel.
161
gesellschaft King George Sound Company. ,,King George" und ,, Queen
Charlotte" unter Portlock und Dixon, die portugiesischen Schiffe ,, Felice" und
,,Iphigenie", das amerikanische Schiff ,, Washington" unter Kommando von
Kapitan RobertGray und die ,, Columbia" unter John Kensdrick, einer Bostoner
Pelzhandelsvereinigung gehorig, alles bestrebt, moglichst an der reichen Pelz-
ausbeute teilzunehmen. Auch die Spanier wollten sich ihre Rechte auf die
Festlandskiiste nicht nehmen lassen. Eine Expedition unter Martinez und
Haro besetzte den Nootka-Sund und errichtete ein Fort darauf. Gleich darauf
beschlagnahmte Martinez die englischen Schiffe ,,Prinzess Royal", ,, Argonaut",
,, Northwest America" und ,, Macao" mit reicher Pelzladung und sandte
Eskimo im Else vor Nome, Alaska.
die Priesen nach San Bias in Mexik'o. Wenig spater ereilte dasselbe
Schicksal den amerikanischen Schoner ,,Fair americain" unter Kapitan
Metcalfe. Alles dies bedeutete eine unliebsame Konkurrenz fur den russischen
Pelzhandel.
Das Unangenehmste fur die russischen Pelzwarenhandler wai aber die
Nachricht, dass die Kaiserin entriistet iiber die Grausamkeiten und die Ober-
griffe der Promyschleniks, namentlich iiber die Bedriickung der Aleuten durch
Glottkow und Lobodiew, welche ihr zu Ohren gekommen waren, eine Ex-
pedition zur Untersuchung abgesandt hatte unter Kapitan John Billings.
Dies war aber wohl nur ein Nebenzweck. Hauptsachlich war die Expedition
ausgesandt als Forschungsexpedition auf Betreiben des englischen Geistlichen
Reverend Coxe, der in Petersburg persona gratissima war, durch seine hochst
ii
162
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
russenfreundlicheVeroffentlichungenin England. Er spielte damals die Rolle
wie in unserer Zeit Kennan, ehe sein Buch iiber die sibirischen Gefangnisse
zeigte, dass er aus einem Paulus ein Saulus geworden.
Coxe war auch der erste, der ein Buch iiber die Entdeckungen der Russen
im fernen Osten veroffentlichte, dieses nebst den reichhaltigen ,,Nordischen
Beytragen" von Pallas hat auch mir einen grossen Teil des Materials
geliefert.
Durch die Coxeschen Veroffentlichungen erfuhr die Kaiserin erst, welchen
enormen Gebietszuwachs sie durch die emsige Tatigkeit der einfachen, wenig
beachteten Pelzhandler errungen hatte. Es bildeten die neuen Gebiete, welche
so unbemerkt unter die russische Oberhoheit gekommen waren, das Tages-
Dampfer auf der Eisbarjagd an der Nordkiiste von Alaska.
gesprach bei Hofe, und es gelang Coxe, unterstiitzt durch den grossen deutschen
Gelehrten Dr. Pallas, der bei der Kaiserin ein wohlverdientes Ansehen genoss,
Katharina zu iiberzeugen, dass es notwendig sei, die wissenschaftliche Unter-
suchung der neuen Gebiete durch eine Expedition in die Hand zu nehmen,
und vor alien Dingen auch die geographische Lage der einzelnen Orte durch
astronomische Bestimmungen festzulegen. Der Ukas zur Ausrustung der
Expedition war schon 1784 erlassen, aber, wie gewohnlich, verzogerte sich die
Sache. Erst als dieNachricht kam, dass Ludwig XVI. den Graf en LaPerouse
zu einer Entdeckungsfahrt in dem nordlichen Pacific entsendet habe, wurde
Ernst gemacht. Das Kommando wurde dem Englander John Billings, der
als Leutnant in russische Dienste getreten war, iibertragen, da er als astro-
nomischer Assistent schon mit Cook in diesen Gegenden gewesen war. Als
5. Kapitel.
I63
Naturforscher wurde der Franzose Dr. Patrin erwahlt, und ein Deutscher
Martin Sauer, begleitete die Expedition als Sekretar und Linguist.
Dr. Patrin, der bereits in Sibirien war, konnte iibrigens die Expedition
nicht begleiten und kehrte krankheitshalber bereits in Kasan urn. An seiner
Stelle wahlte Billings den Deutschen Dr. Carl Merck, der als Arzt im Hospital
von Irkutsk tatig war. Es scheint, als ob diese Wahl keine sehr gliickliche
Dampfer Alexander in Nome, Alaska, der die Fellausbeute von den Kiistenplatzen abholt.
gewesen war, wenigstens schreiben englische Zeitgenossen von ihm, dass er eine
hervorragende Intelligenz mit einer fast kindischen Furchtsamkeit verbunden
habe. Auch Billings wird als sehr furchtsam und unwissend geschildert, da
die in ihn gesetzte Erwartung sich nicht erfullte.
Martin Sauer veroffentlichte im Jahre 1802 einen sehr ausfuhrlichen
Bericht iiber die von 1785 bis 1794 dauernde Expedition, der fur lange Zeit
als das beste Werk iiber diese Gegenden und ihre Bewohner gait, da, wie er
selbst sagt, er stets mit offenen Augen gereist sei und das Gesehene wahrheits-
getreu wiedergegeben habe, wenn ihm auch in den verschiedenen Spezial-
wissenschaften eingehende Kenntnisse gefehlt hat ten.
Die an Billings und an den Naturforscher von der Kaiserin erteilten In-
struktionen sind sehr ausfiihrlich und fachgemass, namentlich die Anweisungen
ir
164 HI. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
uber den Verkehr mit den Eingeborenen zeugen von einer in der damaligen
Zeit hochst ungewohnlichen Einsicht.
Mitte Oktober 1785 verliess die Expedition St. Petersburg, urn die in
damaliger Zeit so schwierige Landreise anzutreten. Vom Zustand der Strassen
zeugt schon der Umstand, dass bereits in Kasan die samtlichen Barometer zer-
stort und ein grosser Teil der Medizinalausnistung unbrauchbar geworden war.
Jekaterinenburg war erst am 17. Januar erreicht. Die Nahrungsmittel
waren damals hier sehr billig. Rindfleisch 50 Kopeken per Pud (ca. 3 Pfg.
per Pfund), Roggenmehl 32 Kopeken (2 Pfg. pro Pfund). Uber Tobolsk und
Tomsk wurde Irkutsk am 18. Januar erreicht. Hier wurde die Ausrustung
vervollstandigt und das Personal der Expedition zusammengestellt. Dasselbe
bestand aus dem Kommandeur Joseph Billings, dem Kapitan Robert Holl,
Gabriel Sankeff , Christian Behring, Assaurry, Bokoff , den Steuerleuten Anton
Batahoff und Bronnkoff, 2 Feldscherern 2 Assistenten derselben, i Zeichner,
i Mechaniker, 2 Schiffsbaumeistern, 2 Bootsleuten, 5 Handwerkern, i Leutnant
Poloroff, 6 Unteroffizieren der Navigationsschule, 8 Armee-Unteroffizieren,
7 Soldaten, 50 Kosaken, 2 Trommlern, 2 Buchhaltern, 3 Hof j agern als Ausstopf er ,
und Martin Sauer als Privatsekretar und Journalist. Im ganzen aus 95 Personen.
Alle Mitglieder der Expedition wurden hier einen Grad im Rang erhoht.
Die Stadt Irkutsk war damals schon ein ansehnliches Handelszentrum
mit 2500 Hausern, zahlreichen offentlichen Gebauden, mit etwa 20 ooo Ein-
wohnern. Hier brachten die Burjaten ihre Jagdausbeute an Zobeln, Mardern,
Ottern etc. zum Verkauf. Auch wurden in den Magazinen von Irkutsk die
von Amerika gebrachten Pelz waren sortiert. Die geringen und schlechtfarbigen
Zobel, die Fuchse von den aleutischen Inseln, die Sealskin, Seeottern, Fluss-
ottern etc. wurden fur China bestimmt, denn, wie der Verfasser ausfiihrt, da
die Chinesen alle iibrigen Nationen in der Kunst, Zobel und andere Felle zu
blenden, weit voraus sind, kaufen sie nur geringe Sorten. Die schadhaften,
dunnhaarigen und geringen Sorten kommen auf die Irbiter Messe, die besten
Sorten werden nach Moskau und nach Makariew gesandt, wo sie von Griechen
und Armenierri gern gekauft wurden. (Makariew liegt an der Wolga im Gou-
vernement Nischnij-Nowgorod und hatte wahrend 3 Jahrhunderten eine be-
ruhmte grosse Messe. Erst als im Jahre 1816 die samtlichen Kaufhauser durch
einen grossen Brand zerstort waren, wurde die Messe nach Nischnij-Nowgorod
verlegt.)
Mitte Mai wurde von Irkutsk in einer Anzahl Barken aufgebrochen und
zunachst das Flusssystem der Lena untersucht und auch die Haupt-Neben-
fliisse. Einer der bedeutendsten davon ist die Witima, von 1178 Werft Lange,
an deren Ufer und ihrem Nebenflusse Momo schon damals die besten Zobel
beruhmt waren. Sauer erwahnt noch die Zobel von dem 1200 Werft langen
Pellidui als ebenso gut, diese unterscheiden sich aber heute nicht mehr als
besondere Sorte, sondern jedenfalls werden mit den Witimern vereint. Jakutsk
wurde schliesslich erreicht, und zum weiteren Land transport der Expedition und
Kapitel.
16
aller Vorrate nach Ochotsk waren 2000 Pferde erforderlich, die erst zusammen-
gebracht wurden. Die samtlichen Provisionen etc. fiir die gesamte Expedition
warden iibrigens von dem Kaufmann Sibiriakoff in Irkutsk geliefert, mit
welchem der Generalgouverneur Jacob einen Kontrakt abgeschlossen. Dieser
Sibiriakoff, der Vorfahr des grossen sibirischen Macens und Freundes von
Nordenskiold, war bereits damals ein reicher Mann und Begriinder des marchen-
haften Reichtums des sibirischen Krosus. Ochotsk wurde nach einer schwie-
rigen Landreise erreicht, wo sofort mit dem Ban von zwei Schiffenunter Leitung
Alaska-Trapper.
von Kapitan-Leutnant Holl begonnen wurde. Die Stadt war damals sehr
bedeutend, gait aber als sehr ungesund, sowohl Fieber, wie namentlich
Skorbut, richteten grosse Verheerungen an. Die russische Bevolkerung, vor-
zugsweise aus Matrosen, Kosaken und ihren Familien bestehend, sei meisten-
teils betrunken.
Die Mitglieder der Expedition durchforschten mit Renntieren weiter das
Gebiet der Tungusen und dann das Land der Jakuten, welches sehr reich an
Biiren, Wolfen, Luchsen, Fiichsen, Feh und auch an Zobeln ist. Die Jakuten
hielten auf den ausgedehnten Weidengriinden riesige Herden von Pferden
und Rindern, wahrend die Tungusen Renntiere hielten und meist als Jager
umherstreif ten .
1 66 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Auch die Kolyma wurde besucht, wo Seredny Ostrog ein Handelsemporium
bildete. Sauer gibt die Preise der einzelnen Felle, nebst den russischen
und Jakuten-Namen an ; so kostet ein Barenfell i Rubel. ein Eisbar i Rubel, ein
Vielfrass 2 — 10 Rubel, Wolf 2 — 8 Rubel, Fuchs i — 5 Rubel, Weissfuchs
50 Kopeken, Hermelin (die viel in den Mehlmagazinen gefangen wurden)
5 Kopeken. Luchse 3 — 10 Rubel. Ottern 8 — 10 Rubel, Zobel, die aber selten
dort vorkomruen, 10 Rubel, Schneehase 3 — 5 Kopeken, Murmel (Tarbagan)
waren ebenso wie die Susliki bei den Jakuten sowohl ihres wohlschmeckenden
Fleisches, als der zur Kleidung benutzten Felle halber sehr geschatzt und
brachten 5 — 10 Kopeken pro Stuck . Der russische Name Tarbagan ist iibrigens
eigentlich der Jakuten Name fiir das Tier.
Feh, deren Fleisch auch gern gegessen wurden, brachten 3 — 5 Kopeken,
dagegen waren die haufig vorkommenden fliegenden Eichhornchen wertlos.
Die gestreiften Erdhornchen brachten 2 Kopeken.
Ende Juni 1787 wurde Ochotsk wieder erreicht, da Ende Juli das erste
Schiff, die ,,Slava Rossie" (Ruhm Russlands) vom Stapel lief und einige
Wochen spater das zweite, die ,,Dobroie Namerenie" (Gute Absicht). Das
letztere lief iibrigens gleich nach dem Auslaufen am i. September auf und
wurde dann verbrannt. Mit dem anderen Fahrzeug segelte man nach Kam-
tschatka, um dort dann ein weiteres kleines Fahrzeug zu erbauen. Es war
iibrigens die hochste Zeit, denn die ,,Slava Rossie" war eben unter Segel ge-
gangen, als ein Kurier aus Petersburg eintraf mit der Nachricht, dass der
Krieg mit Schweden ausgebrochen sei, und dass die Expedition nach S. Peters-
burg zuriickkehren sollte, falls nicht alles segelbereitsei, da dort alleSeeleute
notwendig gebraucht wurden. Auf alle Falle aber sollte mit dem Geld sehr
sparsam umgegangen werden, denn Geld sei sehr knapp in Russland.
Trotz des heftigen Schneesturmes lichtete man am 19. September die
Anker und erreichte nach n Tagen Petropawlowsk.
Sauer war ganz erstaunt iiber das angenehme Klima und die landschaft-
liche Schonheit der Gegend. In den Garten der Kosaken gedeihen europaische
Gemuse in iippiger Fiille, und die Einwohner waren gesund, kraftig und zu-
frieden, ein starker Gegensatz zu dem unwirtlichen Norden Sibiriens, der
Siedlung an der Kolyma. Hier wurde wahrend des Winters ein zweites Schiff
gebaut. Im Marz 1790 traf von Petersburg die Nachricht ein, dass ein schwedi-
sches Kriegsschiff mit 16 Geschiitzen nach dem nordlichen Pacific unterwegs
sei, um den russischen Pelzhandel zu storen und ihm moglichst viel Abbruch zu
tun. Die Billings-Expedition sollte dem entgegenwirken, wozu die ,,Slava
Rossie" auch 16 Dreipfunder an Bord bekam. Am i.Mai wurde die Awata-
Bai verlassen und nach der Kiiste von Alaska gesegelt, um diese und die davor-
liegenden Inseln zu kartographieren und das Fahrwasser zu untersuchen. Zu-
nachst wurde Unalaschka angelaufen. Die Eingeborenen hier gingen friiher
ganz in Seeotterfelle gekleidet, seit aber die Russen im Lande waren, lieferten
sie diese Felle ab und begniigten sich mit Seebarfellen.
5- Kapitel.
167
Sauer gibt eine genaue Schilderung der Eingeborenen und ihrer Ge-
brauche und berichtet zugleich auch entriistet iiber den Despotismus, mit
welchem die russischen Pelzjager sie in der tiefsten Sklaverei erhalten. Auch
von den anderen Inselgruppen teilt er ahnliches mit. So hatte z. B. Delareff
fur das Etablissement der Shelikoff Company auf Kadiak allein 600 Doppel-
baidaren, jedes mit 3 Eingeborenen in Dienst, die ohne jedes Entgelt fur die
Russen Seeottern, Seebaren und andere Pelztiere jagen mussten. Je hundert
Boote standen unter dem Befehl eines Peredowshik oder russischen Fiihrers.
Andere Partien mussten Halibut, Lachs etc. fischen. Etwa 300 Tochter der
Das Stadtchen Seward, ein Hauptsitz des Pelzhandels von Alaska.
angesehensten Eingeborenen wurden als Geisseln im Fort zuriickgehalten.
Dabei war bei Delareff die Behandlung der Leute eine humane. Er sorgte
fiir ihr Wohlergehen und zwang sie, auch geniigend Wintervorrate fur sich
selbst zu beschaffen, so dass sie sich nicht gerade unglucklich fuhlten. Fiir
jedes abgelieferte Seeotterfell erhielten sie 4 Strange Glasperlen, die sie gegen
Tabak, Hemden, Kleidungsstiicke u. dgl. eintauschen konnten. Die Robben-
felle wurden ihnen zum eigenen Gebrauch iiberlassen, zur Anfertigung der
Kleidung und zum Ausbessern der Boote. Fertigten sie aber neue daraus an,
so mussten sie solche durch Lieferung von Fuchs-, Otter-, Murmel- und anderen
Fellen erst erwerben. An anderen Platzen wurden die Eingeborenen von den
Russen viel schlechter behandelt, namentlich zeichneten sich die Leute der
Tirepanoff Company besonders durch Grausamkeit aus. Jahrelang mussten
1 68 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
die Horigen fur sie ganz unentgeltlich arbeiten, ohne dass irgendwie fur ihren
Lebensunterhalt gesorgt wurde. Uber ihre Frauen und Tochter wurde ganz
despotisch verfiigt. Auch sonst stellt Sauer dem Delareff ein vorziigliches
Zeugnis aus. Er sagt, dass Delareff einem Gerichtshof prasidiert, der alle Ver-
gehen einem ordentlichen Gerichtsverfahren unterzieht, und dass wohl wenige
Gerichtshofe der Welt mit grosserer Unparteilichkeit verfahren. In Kadiak
lebten damals etwa 50 Russen, alles Angestellte der Kompanie und ein Be-
amter der Krone, Steuermann Ismailoff, der die Sammhmg des Tributs fiir
die Regierung iiberwachen musste. Einige Russen hatten ihre Frauen mit,
batten Kohlgarten, Kartoff elf elder angelegt und hielten Kiihe und Ziegen.
Zwei bewaffnete Schoner von je 80 Tonnen, die hier lagen, dienten zum
Schutze der Siedlung.
Sauer berichtet weiter, dass er in Jakutsk und Ochotsk erstaunt gewesen
sei iiber die Hohe der Lohne, die Shelikoff seinen Angestellten zahle. 1000
Silberrubel jahrlich einem gewohnlichen Matrosen, also mehr als das Fiinf-
fache des sonst ublichen Lohnes. Hier in Kadiak erhielt er die Losung des
Ratsels. Die Angestellten miissen ihren gesamten Bedarf und alle Genussmittel
von der Kompanie kaufen und zwar zu folgendem Tarif : Branntwein i Rubel
per Glas, Tabak 50 Rubel per Pfund, ein grobes, baumwollenes Hemd 10 Rubel,
Schuhe von 15 Rubel an etc., so dass ihre Ausgaben, da sie keinen Handel
treiben konnten, oft ihren Gehalt weit ubersteigen. Alle waren aber ein-
stimmig im Lobe Delareff s, der alles tat, um diese Harten zu mildern und
jedenfalls fiir ihr materielles Wohlergehen soviel wie moglich sorgte.
Der Verfasser behandelt auch ausfiihrlich Fauna und Flora des Gebiets.
Er gibt an, dass die dort vorkommenden Bar en iiber die Meerenge heruber-
geschwommen seien, welche die Insel von Alaska trennt, er wusste augen-
scheinlich nicht, dass diese Kadiakbaren eine ganz besondere Art darstellen.
Murmeltiere seien haufig, dagegen hatten die Polarfiichse bei Ankunft der
Russen sehr abgenommen. Diese beiden Pelztiere seien die einzigen, welche
die Russen selbstandig erbeuten konnten, zum Fang der Seepelztiere seien
sie nicht geschickt genug. Von diesen sind am grossten die Seelowen, 8 Fuss
lange und schwere Riesen, die sich auch dem Menschen gegeniiber mit ihrem
scharfen Gebiss zur Wehr setzen. Das Fleisch wird getrocknet und von den
Eingeborenen gegessen, doch schmecke es schlecht, nur der Kopf schmecke
gekocht gut. Die Seebaren waren damals noch auf alien Inseln in grossen
Herden vorhanden, obgleich der Wert ihres Felles jetzt anfing, bekannt zu
werden. Das Fleisch, namentlich der jungen Tiere, sei wohlschmeckend. Am
wertvollsten sei natiirlich die Seeotter Morskoi Bobre. Die ganz jungen Felle,
Medvedka oder Barenzunge, haben langes, grobes, hellbraunes Haar und
seien wertlos*). Die mittelgrossen, Kostlok, sind dunkel und wertvoll,
*) Anmerkung: Diese ganz jungen Felle kommen jetzt nicht mehr in den
Handel; vor etwa 30 Jahren kamen noch mehrere Hundert jahrlich nach London,,
die, gerupft und sealartig gefarbt, ein sehr schones Pelzwerk abgaben.
5. Kapitel.
169
am teuersten sind die ausgewachsenen, dunklen und silberspitzigen, Matka.
Das Fleisch der jungen Tiere schmecke wie Spanferkel. Sauer bemerkt dazu:
Es gibt keine mehr an der Kiiste von Kamtschatka, sie sind sell en auf den
Aleuten, sie haben kiirzlich die Shumagin-Inseln verlassen und durch die
heftige Verfolgung, verbunden mit der Frage ihres alleinigen Aufenthalts
zwischen 45 und 60 Grad nordlicher Breite, ist vorauszusehen, dass in 15 Jahren
keine mehr existieren werden. (Das war eine viel zu pessimistische Auf-
fassung. D. V.) Seien doch die Seekiihe an der Kiiste von Kamtschatka
und den Aleuten sehr haufig gewesen, und wenige Jahre nach der Entdeckung
sei 1768 die letzte erlegt worden.
Nome, Alaska. Das im Friihjahr zuerst eingetroffene Schiff.
Er erwahnt auch den Reichtum der Gewasser an Walen, die von den
Eingeborenen in ihren Leder-Baidaras gejagt und mit Speeren erlegt werden,
ferner die Menge an Lachsen, Heilbutten, die 3 — 4 Zentner schwer werden etc.
Auch Austern und Muscheln verschiedener Art sind sehr zahlreich, sie bilden
die Hauptnahrung der Seeotter.
Am 20. Juli wurde Kap St. Elias erreicht, und gemass der kaiserlichen
Instruktion avancierte jeder Teilnehmer eine Stufe im Rang.
Auch hier beschwerten sich die Eingeborenen bitter iiber die Bedriickungen
der russischen Pelzjager, namentlich iiber ein Fahrzeug unter Steuermann
Solutoff, welcher ihnen alle Felle einfach ohne jede Bezahlung weggenommen,
ausserdem aus reinem Ubermut eine Anzahl Manner erschossen und mehrere
Frauen gewaltsam mitgeschleppt hatte.
170 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Von Prinz William- Sund kehrte die Expedition nach Kamtschatka zuriick,
hier wurde Steuermann Pribiloff als Kapitan fiir das zu erbauende zweite
Schiff von der Expedition in Dienst genommen.
Im Jahre 1787 war dieser an Bord eines Handelsschiffes sowohl als Kom-
mandeur fiir die Gesellschaft, als auch zum Einsammeln des Tributs von der
Regierung ernannt worden. Er hatte durch die Ankunft vieler junger See-
hunde von Norden schon in Unalaschka die Idee gefasst, dass dort grossere
unbekannte Inseln seien und entdeckte nach nur 24 stiindiger Fahrt zunachst
St. George und wenig spater St. Paul. Der ganze Strand und die umgebenden
Felsen waren mit einer einzigen dichten, lebenden Masse von Pelzseehunden
und Seelowen bedeckt. Mit leichter Miihe konnten sie ihr ganzes Schiff mit
den Fellen beladen. Sie uberwinterten auf St. George und fanden dabei, dass
die Inseln von Fiichsen wimmelten.
Die Inselgruppe wurde nach dem Ent decker die Pribiloff genannt. Noch
heute sind sie bekanntlich die Heimstatte des kummerlichen Restes der un-
geheuren Sealherden. Im nachsten Jahre brach die Expedition von Billings
im Juli 1791 auf und besuchte zunachst St. George und St. Paul.
Hier hatte sich inzwischen die Luchanni Company niedergelassen, die
den Seehundsfang betrieb. Von hier aus ging es nach St. Lawrence-Bai auf
der Tschuktschen Halbinsel. Hier unternahm der Kommandeur eine Land-
reise nach der Kolyma, wahrend die Schiffe nach Unalaschka zum Uber-
wintern gingen. Dort litten alle stark an Skorbut, der Geissel aller Seefahrer
der damaligen Zeit. Man kehrte deshalb sobald wie moglich nach Kamtschatka
zuriick, nachdem die Eingeborenen 12 Seeottern und 500 Fuchsfelle als Tribut
abgeliefert hatten. Sauer beklagt sich bitter iiber die grausamen Bedriickungen,
welche die Eingeborenen von den Pelzjagern erleiden rmissen. Er beschreibt
iibrigens, wie wenig zu solch einer Handels-Expedition gehort. Einige der
Handler tun sich zusammen und erbauen in Ochotsk oder Nishny Kamtschatka
eine Galeote, wobei ihnen noch aller moglicher Beistand von seiten der Re-
gierung geleistet wird. Die Matrosen werden auf Gewinn-Anteil, nicht auf
Ldhnung, angeworben. Die Ladung besteht gewohnlich aus 500 Pfund Tabak,
100 Pfund Glasperlen, ein Dutzend Beilen, einigen Messern geringer Qualitat,
einer ungeheuren Menge Fuchsf alien, als Provision wird nur wenig mitge-
nommen, ein paar Schinken, etwas ranzige Butter, einige Sack Roggen- und
Weizenmehl und ein Quantum getrockneter und gesalzener Lachs. Ein Teil
der Mannschaft wird mit Biichsen be waff net.
Sobald eine der bewohnten aleutischen Inseln erreicht ist, wird das Dorf
einfach in Besitz genommen. Die Fallen werden an die Eingeborenen verteilt,
welche Fiichse damit fangen miissen. Andere Abteilungen miissen Feuerungs-
materialherbeischaffen, Fische fangen, Seetiere jagen, wahrend dieRussen sich
ganz der siissen Ruhe hingeben. Die erwahnten Handelsartikel werden zu ge*
legentlichen Geschenken an die Frauen verwendet, und manchmal erhalten auch
die Manner nach schwerer Tagesarbeit je ein Blatt Tabak als Entschadigung*
5. Kapitel. 171
Seit Shelikoffs Ansiedlung auf Kadiak wurde aber diese Art Raubhandel
mehr und mehr eingeschrankt.
In Kamtschatka trafen sie die ,,Aligon", ein Handelsfahrzeug aus Ben-
galen, mil einer Ladung Eisen, Takelwerk, Schiffsgerate etc., gerade wie es
die Expedition brauchte. Der Gouverneur lehnte aber den Ankauf ab und
zog es vor, die Sachen zum vierfachen Preise auf dem Landwege aus Russland
kommen zu lassen, so dass die Englander mit voller Ladung wieder absegeln
mussten. Die Expedition von Billings selbst war infolge seiner Unfahigkeit
und der Aufsassigkeit der Tschuktschen ein vollkommener Misserfolg, weshalb
er auch nach Jakutsk zuriickkehrt, wahrend die iibrigen Mitglieder der Ex-
pedition auf dem Landwege nach Russland gehen sollten.
Sauer gibt noch eine Preisliste der verschiedenen Artikel in Nishny
Kamtschatka gegen die Kostpreise in Kasan an, z. B.:
in Kasan in N. Kamtschatka
Stiefel p. Paar 3 Rbl. 18 Rbl.
Senf p. Pfund 6 Kop. 100 Kop.
Lichte ,, 8 80 — 100
Zucker ,, 50 3 Rbl.
Tabak „ 5 „ 3 „
Mehl p. Pud 50 „ 5 „
Reis p. Pfund 10 ,, 100 Kop.
Da der Gouverneur nur 600 Rubel Jahresgehalt, der Sekretar 300 Rubel,
der Polizeichef 400 Rubel und einzelne Schreiber nur 24 Rubel beziehen, so
miissen sie naturlich, um leben zu konnen, aus den Eingeborenen heraus-
pressen, was moglich ist.
Auf der Ruckreise besuchte Sauer noch den Amur und beriihrte den
Ussuri und bespricht die grosse Bedeutung, welche diese Gegend einst haben
wird.
Im Marz 1794 war man endlich wieder in Petersburg angelangt. Die
wissenschaftlichen Resultate dieser so kostspieligen Expedition waren aber
nicht sehr bedeutend, da eben Billings in keiner Weise zum Leiter einer solchen
geeignet war.
Im Jahre 1790 hatte inzwischen Shelikoff eine grosse Handelsgesellschaft
mit dem Stammsitz in Irkutsk organisiert. Die Kaiserin Katharina II. erliess
einen Ukas, worin den Aleuten befohlen wurde, jahrlich eineAnzahl Baidackas
zur Jagd zu stellen und alles erbeutete Pelzwerk ausschliesslich an die Shelikoff
Company zu verkaufen, wo fur ihnen der Jassak erlassen werde. Eustachos,
Delareff und Rasow wurden zu Direktoren ernannt.
Die Spanier waren auch nicht mussig gewesen, um die Gegenden des
heutigen Alaska und Britisch Columbia zu erforschen. Wie wir oben gesehen,
hatten sie schon friiher mehrere Expeditionen ausgesendet. Seit 1790 begann
172
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
eine regere Tatigkeit. Leutnant Salvator Hidalgo sollte eine permanent e
spanische Niederlassung am Nootka-Sund errichten, begniigte sich aber mit
Forschungsreisen im Cooks Inlet, wahrend die Expedition unter Leutnant
Quinger die Juan de Fuca-Strasse erforschte.
Der Italiener Alexander Malespina untersuchte 1791 fur die Spanier
in zwei Fahrzeugen die Kuste von Mount Edgecombe. 1792 sandte der Vize-
konig von Mexiko drei Fahrzeuge: die Korvette ,,Aransasu" unter Leutnant
Jacuto Caamano, den Schoner ,,Sutil" unter Leutnant Dionisio Alcalo Galiano
und den Schoner ,,Mexicano" unter Leutnant Copetano Valdes nach Nootka,
Alaska-Rauchwarenhandler mit dem Trapper liber die Fellausbeute verhandelnd.
von wo aus dieselben Untersuchungsreisen langs der Kuste anstellten. Zugleich
wurde der Kapitan Bodega y Quadra nach Nootka gesendet, um dort mit
dem beruhmten englischen Forscbungsreisenden Vancouver wegen der ver-
schiedenen spanisch-englischen Differenzen zu verhandeln. Denn wenn auch
die Spanier sich wenig um den Pelzhandel in den von ihnen beanspruchten
Gebieten bekummerten, taten dies desto mehr amerikanische und englische
Unternehmungen, wie bereits im vorigen Abschnitt naher ausgefuhrt. Es
gelang iibrigens schliesslich Vancouver, die Spanier zu bewegen, sich von
Nootka zuriickzuziehen, wenn sie auch ihf e f ormellen Anspriiche nicht aufgaben.
1792 war der ungemein fahige Grieche Eustrates Ivanowitsch Delareff,.
dem allseitig ein vorziigliches Zeugnis ausgestellt wird, von der Leitung der
5. Kapitel.
173
russischen Pelzhandelsgesellschaft in Alaska zuriickgetreten. An seiner Stelle
wurde Baranoff allein erwahlt, der sogleich eine Ansiedlung in St. Paul-Bai
auf Kadiak errichtete.
Eine weitere russische Gesellschaft unter Stephan Zaikoff und Lebedeff
Lastoschken setzte sich in Cooks Inlet und Bristolbay fest, indem sie be-
hauptete, dass das der Shelikoff-Kompanie verliehene Pelzhandelsmonopol
sich nicht bis hierher erstrecke. Es entstanden bald heftige Konflikte zwischen
beiden Gesellschaften wegen der Pelzausbeute. Erst viel spater i'and eine
Verschmelzung der beiden Gesellschaften statt.
Eingeborene Fellhandler am Yukon (Alaska).
1793 wurden durch Ukas der Kaiserin Missionare nach Alaska gesandt
und zugleich auch Straflinge, die hier eine Ackerbau-Kolonie einrichten sollten.
Mehrere Hundert wurden auf der Halbinsel Kenai und beim Kap St. Elias
angesiedelt. Ihre agrikulturellen Erfolge waren sehr gering, die Sterblichkeit
aber gross. Zugleich sandte Shelikoff 2 Schiffemit igoAuswanderern, 10 Jagern
und ii Popen zur Ansiedlung nach Alaska.
Die zahlreichen Monche und Missionare, die unter dem Archemandrit
loasaph nach Alaska gekommen waren, mussten librigens schwer arbeiten,
um ihren Lebensunterhalt zu erwerben, da die Pelzhandelskompagnie ihnen
nicht nur jede Unterstiitzung verweigerte, sondern auch jeden Handelsbetrieb
der Missionare mit den Eingeborenen strengstens verbot.
174 IH- Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Der Bericht von Billings, der inzwischen in Petersburg eingetroffen war,
iiber die Bedriickung der Eingeborenen durch die Pelzhandler, wurde durch
die Beschwerde von Pater loasaph jetzt noch erganzt, so dass der Kaiser Paul
ernstlich beabsichtigte, die Kompanie aufzuheben und nur durch grosse Be-
muhungen davon abgebracht wurde. Schliesslich geschah gar nichts.
Inzwischen hatte Baranoff eine Expedition nach der Behring-Bay gesandt,
die von dort 2000 Seeotterfelle mitbrachte, worauf eine neue Ansiedlung mit
30 sibirischen Ansiedlern dort geschaffen wurde, ,,Novija Rossia". Im Herbst
1795 starb der Begriinder der Gesellschaft, Gregor Shelikoff. Seine Frau
wurde President der Gesellschaft, doch da sie weder lesen noch schreiben
konnte, zeichnete ihr Sohn Iwan Shelikoff als ihr Vertreter.
1797 wurde eine Konkurrenzgesellschaft unter Mylnikoff organisiert, aber
bereits im nachsten Jahre mit der iilteren Gesellschaft vereinigt. Sofort wurde
durch Ladygin und andere eine neue Gesellschaft, die Atka Company, ge-
griindet, fur welche Latoshkin eine Anzahl Forts an der Kuste errichtete.
Aber 1799 trat ein Umschwung in der Gesinnung des Kaiser Paul ein. Er
wurde Protektor der Pelzhandelsgesellschaft von Shelikoff. Eine Konzession
fur 20 Jahre fur eine neuorganisierte Gesellschaft wurde in Petersburg erlassen.
Er gab den Mitgliedern der alten Gesellschaft unter dem neuen Namen
der ,,Russisch-amerikanischen Kompagnie" die Kontrolle iiber die Kiiste von
Amerika, nodlich des 55. Grades nordlicher Breite, auf 21 Jahre mit der Auf-
gabe, neben dem Pelzhandel noch Kolonisation, Ackerbau, die Erforschung
des Gebietes und die griechisch-katholische Mission zu fordern. Die Aleuten
wurden der Gesellschaft als Horige iiberwiesen, welche auf Befehl der Be-
amten fur sie jagen mussten. Ausserdem musste jeder Erwachsene drei Jahre
lang in den Dienst der Kompagnie treten. Alle erbeuteten Felle mussten an
diese verkauft werden und zwar zu dem Preis, welchen die Gesellschaft aus-
zusetzen fur gut fand.
Die Eingeborenen von Kenai und Chugatsch mussten einen jahrlichen
Tribut von Fellen liefern, brauchten aber nicht in den direkten Dienst der
Gesellschaft treten.
Die Leitung der Geschafte im Territorium wurde einem Chefdirektor
iibertragen, zu dem Baranoff erwahlt wurde. Seine Residenz war in Kadiak
und unter ihm waren in den anderen Distrikten Unteragenten, welche aus
den Promyschleniks oder Pelzhandlern erwahlt wurden und ihm allein verant-
wortlich waren. Die Autoritat des Chefdirektors war ziemlich jnbeschrankt
und unterstand nur dem Direktorium in Irkutsk, welches die Regulationen
erliess nach Genehmigung durch das kaiserliche Handelsministerium in Peters-
burg. Diese Regulationen waren ziemlich human und wahrten auch die In-
teressen der Eingeborenen und Angestellten. S ieblieben aber auf dem Papier
stehen, denn Baranoff regierte als eiserner Autokrat, ohne sich im geringsten
um die Vorschriften und Anordnungen des Direktoriums zu kiimmern. Be-
schwerden konnten dieses Direktorium auch nie erreichen, da die gesamte
5. Kapitel.
175
Korrespondenz durch seine Hand ging und von den Angestellten niemand
wieder nach Russland zuriickkehrte. Sagte doch wenig spater Krusenstern,
der auf seiner Forschungsreise die Kolonie besuchte: ,,Nur Vagabunden und
Abenteurer tret en in denDienst der Kompagnie als Pelzhandler, denn sie miissen
ein uberaus elendes Leben fuhren, und nur sehr wenige haben je die Aussicht,
wieder russischen Boden zu betreten." Das Kapital der Gesellschaft betrug
iibrigens nur 98 ooo Silberrubel.
Bei der Ubersiedlung ging das Schiff ,,Feme" mit dem Bischof loasaph
und 88 Passagieren, den samtlichen Geistlichen der Kolonie, zugrunde. An der
Strasse in Nome (Alaska).
neuen russisch-amerikanischen Gesellschaft waren Iibrigens fast samtliche
Handler des Gebiets beteiligt.
1799 durchforschte Khwostoff mit dem in Amerika gebauten Schiff der
Kompagnie, ,,St. Demetrius", den Alexander- Archipel und erhielt hier eine
sehr grosse Menge feiner Seeotterfelle, ebenso erbeutete eine Partie Aleuten
sehr wert voile Felle in der George- Strasse. Baranoff besuchte deshalb Sitka
personlich, errichtete hier eine befestigte Faktorei, das Fort Erzengel Gabriel
und nahm von dem ganzen Gebiet im Namen Russlands Besitz. Dieses Fort
wurde bald ein Emporium des Pelzhandels. Hier versammelten sich von Zeit
zu Zeit die verschiedenen Handler von ihren einsamen Post en in der Wildnis,
um die Geniisse der Zivilisation auszukosten, wobei ein unbegrenzter Konsum
von Wodka in erster Linie stand.
176 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
1801 wurde das Hauptdirektorium der russisch-amerikanischen Kompagnie
von Irkutsk nach Petersburg verlegt. 7350 neue Aktien von je 500 Silber-
rubelwurden ausgegeben, von denen Kaiser Paul, die Kaiserin und Grossfiirst
Constantin jeder 20 Aktien ubernahmen.
Im gleichen Jahre wurde die Petersburger Bank durch einen Kaiserlichen
Ukas veranlasst, der Gesellschaft 250 ooo Silberrubel zum gesetzlichen Zinsfuss
auf 8 Jahre zu leihen.
1802 wurde der Kompagnie das Monopol fur den gesamten sibirischen
und russisch-amerikanischen Pelzhandel verliehen. Nicht so gut ging es aber
in dem neuen Besitztum Sitka, die dort ansassigen kriegerischen Thlinketts
waren nicht so geduldig wie die Aleuten, sie emporten sich gegen die sie be-
driickenden Russen, zerstorten das Fort und toteten samtliche Offiziere und
30 Mann, das aufgespeicherte Pelzwerk liessen sie unberiihrt, doch eignete
sich das der zwei Tage spater eintreffende englische Kapitan Barlow an, der
auch noch 2 Russen, 2 Aleuten und 18 Farmer rettete, wofiir er aber von der
russisch-amerikanischen Gesellschaft em exorbitantes Losegeld forderte.
Eine Partie von 450 Aleuten unter Fuhrung des Russen Kuskoff wurde
ebenfalls von den Thlinketts uberf alien und 5 Russen dabei getotet. Eine
weitere Expedition von 90 Kajaks unter Urbanoff ging es noch schlimmer.
Nur Urbanoff und 22 Aleuten entkamen den wiitenden Thlinketts. Jetzt
schritt man auch in Petersburg ein. Zunachst erhielt das Kaiserliche Finanz-
bureau Auftrag, dem Direktorium loo ooo Rubel zur Verfiigung zu stellen,
ferner wurden die Regierungsschiffe ,,Nadeshda" und ,,Newa" unter Kapitan
Krusenstern und Lisiansky von der Newa aus nach dem Schauplatz der Un-
ruhen gesandt. Zugleich aber wurde auch der Kaiserliche Kammerherr Graf
Nikolai Petrowitsch Rezanoff als Regierungskommissionar ,,zur Abstellung
von Missstanden und der besseren Verwaltung der Kolonie" hingesandt.
Er ging zunachst mit Krusenstern auf der ,,Nadeshda" nach Kamtschatka
und versuchte von hier aus vergeblich Handels- und diplomatische Beziehung
mit Japan anzukmipfen, doch wurde die Landung in Japan nicht gestattet,
und sie mussten unverrichteter Sache nach Petropowlawsk zuriickkehren.
Lisiansky griff unterdessen mit der ,,Newa", unterstiitzt von Baranoff,
mit 1 20 Russen 4 Kompanie-Fahrzeugen und 800 Aleuten in Kajaks die
Thlinketts an, die nach heftiger Beschiessung und vergeblichem Versuch der
Russen, ihre Position durch Sturm zu nehmen, schliesslich aus Munitions-
mangel zur Unter werfung gezwungen wurden. Auf den Felsen, welche die
Indianer so mannhaft verteidigt hatten, errichtete Baranoff ein neues Fort,
Archangel. Die Ansiedlung erhielt den Namen Neu- Archangel. Ganz waren
die Eingeborenen aber noch nicht unterworfen, und es kam noch haufig zu
blutigen Zusammenstossen mit den russischen Angestellten, von denen jetzt
470 in der Kolonie tatig waren. Zum Herbst 1804 traf der Kaiserliche Kom-
missar, Graf Rezanoff, in Kadiak ein und fuhrte trotz des heftigen Wider-
standes des autokratischen Baranoff zahlreiche Reformen ein. So errichtete
5- Kapitel.
177
cr Schulen in Kadiak, richtete einen Gerichtshof in der Kolonie ein und ordnete
an, dass die Aleuten ihre Bezahlung in Geld, nicht, wie vorher, in Waren er-
halten sollten. Er fiihrte auch Papiergeld, kleine Stiickchen Pergament, mit
dem Stempel der Kompagnie versehen, in der ganzen Kolonie als gesetzliches
Zahlungsmittel ein. Alle Zeitgenossen schildern Rezanoff als eine hervorragend
glanzende Personlichkeit von umfassender Bildung und ungewohnlichem Ver-
waltungstalent, der auf seine ganze Umgebung einen bedeutenden Einfluss
aasiibte. Bald nach seinem Eintreffen brach Hungersnot in der Kolonie aus.
Kurz entschlossen kaufte er das amerikanische Schiff ,,Juno" mit seiner
Renntierschlitten mit Fellen beladen in Alaska.
Ladung Mehl und Provisionen, welche er unter die Ansiedler verteilte. Er
selbst segelte nach Kalifornien, um dort Lebensmittel zu kaufen und einen
Platz zu einer russischen Niederlassung zu erwerben. Er kam nach dem welt-
entlegenen San Franzisko oder, wie es damals hiess, Yerba Buena, wie ein
Wesen aus einer anderen Welt. Anfanglich trat ihm der Gouverneur, Don
Louis de Arquello, ein typischer, alter Hidalgo, sehr kuhl entgegen, aber ein
Liebesidyll entspann sich zwischen seiner schonen Tochter und dem glanzenden
Offizier Rezanoff. Eine offentliche Verlobung fand statt, und der Gouverneur
schloss nun einen Vertrag zur regelmassigen Lieferung von Vieh und sonstigen
Lebensmitteln fur die russische Kolonie ab. Ja, es gelang auch Rezanoff, der
12
178 III. Geschichte des -russischen Ranch warenhandels.
den Wert des Landes sofort erkannte, eine grosse Strecke Landes an der Bai,
wo sich heute die Palaste von San Franzisko erheben, zu erwerben.
Zur Heirat musste er aber den Kaiserlichen Konsens haben, und unge-
duldig, um nicht auf die lange briefliche Erledigung zu warten, kehrte er nach
Sitka zuriick, ging sofort nach Kamtschatka und von hier aus noch im Winter
auf dem Landwege nach Petersburg. Er hatte sich aber zu viel zugemutet
und starb auf der Reise in Krasnojarsk an den Folgen einer Erkaltung am
i. Marz 1807. Es wird iibrigens berichtet, dass seine Braut viele Jahre nichts
von seinem Tode erfuhr und alle Bewerbungen um ihre Hand zariickwies
und bis in ein hohes Alter hinein taglich sich an die Bai begab, um die Riick-
kehr des Verschollenen zu erwarten.
Baranoff war aber sehr erfreut uber den Tod Rezanoffs, und seine erste
Handlung war, samtliche Reformen wieder aufzuheben und weiter mit der
eisernen Hand zu regieren. Es gelangten Klagen iiber Klagen nach Peters-
burg, so dass schliesslich das Direktorium 1808 einen neuen Generaldirektor,
Koch, hinaussandte, um Baranoff abzusetzen. Er starb aber bereits auf der
Reise in Kamtschatka, und Baranoff setzte seine Tatigkeit ungehindert fort.
Baranoff war, wenn er auch als eiserner Autokrat regierte, doch immer
darauf bedacht, die Interessen der Gesellschaft zu fordern und den Pelzhandel
auszudehnen. So entsandte er 1808 zwei Schiffe unter Kuskoff nach Siiden,
nach der Miindung des Columbia, um dort Felle einzuhandeln, die mit reicher
Ausbeute zuriickkehrten. Ebenso charterte er ein amerikanisches Schiff,
,,The Mercury", unter Kapitan Erse zu dem gleichen Zwecke, und auch dieses
war erfolgreich, dagegen gelang es ihm nicht, die kriegerischen und gereizten
Thlinketts zu versohnen und zum Pelzhandel mit den Russen zu veranlassen.
Eine Expedition von 100 Baidarkas unter Schutz zweier bewaffneter Schoner
wurde blutig von den Indianern zuriickgewiesen.
1804 wurde ein neues Fort auf Sitka gebaut, ,, Archangel Michael Redout",
und die Kolonie erhielt jetzt den Namen ,,Novo Archangelsk". 1806 wurde
die Gesellschaft wiederum erweitert, die Petersburg er Bank lieh weitere
300 ooo Silberrubel (damals gait der Rubel noch 3,20 Mark), und die Kompanie
erhielt das Recht, die russische Kriegsflagge zu fiihren, worauf viele Marine-
offiziere in ihre Dienste traten. Um dem grossen Ubelstand abzuhelfen, dass
samtliche Provisionen fur die Kolonie von den fernen heimatlichen Gestaden
der Ostsee herbeigeschafft werden mussten, wurde 1810 der schon friiher er-
wahnte Vertrag mit Joh. Jakob Astor abgeschlossen. Dieser verpfhchtete
sich, samtliche erf or der lichen Lebensmittel fur die russischen Niederlassungen
zu liefern und Pelzwaren dafiir in Zahlung zu nehmen, sowie ferner die Pelz-
ausbeute der russischen Handelsposten kommissionsweise in Kanton zu ver-
kauf en .
Der gewalttatige Druck Baranoffs verursachte 1809 eine Meuterei unter
den Russen, unter Fuhrung von Naplokoff und Popoff. Baranoff sollte ge-
totet werden, und die Verschworer wollten sich eines Schiffes der Kompanie
5- Kapitel.
179
bemachtigen und nach den Siidsee-Inseln segeln. Am Abend vor Ausbruch
der Verschworung verriet indessen ein Teilnehmer, ein gewisser Leschinsky,
das Komplott. Die Radelsfuhrer wurden verhaftet und von Baranoff zum
Tode verurteilt. Auch eine Verschworung der Aleut en zur Befreiung von der
russischen Herrschaft wurde durch ein eingeborenes Weib verraten, die ihren
Geliebten retten wollte!
Die Beschwerde eines angesehenen Halbblut-Eingeborenen, Peter
Shydekin, erreichte zwar diesmal Petersburg, aber ohne Erfolg.
Eskimos, die Felle nach Nome (Alaska) gebracht haben.
Baranoff errichtete jetzt ,eine leistungsfahige Schiffswerft auf Sitka, auf
der Schiffe wie die ,, Disco very" von 306 Tonnen^ der ,,Chirckoff" von 120
Tonnen und eine Reihe von Schonern, Briggs etc. gebaut wurden.
1810 kam es zu einem erbitterten Kampfe zwischen einer Handels-Expe-
dition unter Kuskoff und den bedriickten Insulanern, die von einem amerika-
nischen Handelsfahrzeug unter Kapitan Gale unterstiitzt wurden. Die Russen
mussten sich unter Verlust der ganzen Pelzausbeute zuriickziehen, welche
von den Amerikanern als gute Beute an Bord genommen wurden. Baranoff
hielt es jetzt an der Zeit, die Plane von Rezanoff aufzunehmen. Er wandte
sich an die spanische Regierung mit der Bitte, ihm ein Stuck Land in Kali-
fornien zur Anlage einer landwirtschaft lichen Kolonie zu verkaufen. Das
12 =
I So III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Gesuch wurde prompt abgeschlagen. Aber Spanien war weit und Baranoff
nah. Er sandte eine Expedition unter Kuskoff nach Kalifornien, welch e sich
einfach, ohne zu fragen, an dem kleinen Hafen Bodega in Kalifornien nieder-
liess. Hier wurde ein Fort errichtet und von Kuskoff mit 20 Russen und
50 Kadiak-Insulanern besetzt. Windmuhlen wurden errichtet und grosse
Strecken des fruchtbaren Landes mit Weizen bestellt, Kinder, Pferde und
Schafe geziichtet und regelmassig Lebensmittel von hier nach Sitka gesandt.
Hiermit aber nicht zufrieden, errichtete Kuskoff hier eine grosse Warennieder-
]age und betrieb ganz of fen Schleichhandel mit den spanischen Niederlassungen
und der Kiiste. Trotz aller offiziellen Proteste driickten iibrigens die lokalen
Behorden ein Auge zu, da sie, von Spanien stets aufs schmahlichste im Stich
gelassen, hierbei die einzige Moglichkeit hatten, sich mit War en zu versorgen.
Von Spanien resp. Atapulco oder San Bias in Mexiko kam nur alle paar Jahre
ein Fahrzeug mit den notwendigsten Bedarfsartikeln.
Kuskoff liess auch seine Kadiak-Insulaner langs der ganzen kalifornischen
Kiiste Seeottern fangen. Ja selbst durch das Goldene Thor drangen die flinken
Baidarkas und durchsuchten unter den Augen der Behorden die wundervolle
Bai von San Franzisko, am Strande von ,, Yerba Buena" dem kostbaren
Wilde nachstellend. Etwa 3000 Seeottern wurden damals jahrlich allein
in Kalifornien erbeutet und durch ein Schiff der Kompanie nach Canton
gebracht, wo sie im Durchschnitt mit 60 Dollar bezahlt wurden, und zwar die
geringeren mit 35, die besseren mit 80 Dollar.
Die Spanier protestierten, wie gesagt, bei Kuskoff fortwahrend iiber die
Anlage der Forts und der ,,Ross Colonja", wie die Ansiedelung genannt wurde,
dieser kummerte sich aber um nichts und wies sie einfach an seinen Herrn,
Baranoff. Baranoff sollte 1813 wieder einmal wegen seiner Ubergriffe abge-
setzt und ein gewisser Baron Walokoff von Petersburg hinausgesandt werden,
um ihn abzulosen. Er schiffte sich in Ochotsk auf dem Schiff der Kompanie,
,,Neva", Kapitan Poduschkin in Ochotsk, ein. Ungefahr bei Sitka strandete
das Fahrzeug aber, und Walokoff ertrank mit 37 Gefahrten. Nur 25 Mann
wurden gerettet. Auch die Thlinketts, welche einen allgemeinen Kreuzzug
gegen die Russen planten, wurden jetzt einmal grimdlich geschlagen. Die-
selben wurden nun auch bewogen, den Pelzhandel mit den Russen wieder
aufzunehmen, und wurden ihnen auch hohere Preise fur die Felle bewilligt.
Trotzdem wurde jetzt eine Spezial-Kommission zur Untersuchung der Ange-
legenheit der Russisch-amerikanischen Kompagnie eingesetzt.
Jetzt traf Baranoff ein Schlag nach dem andern. Er kaufte drei amerika-
nische Schiff e fur die Gesellschaft an, den ,, Trevor", den ,,Behring" und den
,,Ilmen". Der ,, Trevor" musste als seeuntiichtig in Sitka kondemniert werden.
Der ,,Behring", den Baranoff nach den Sandwichinseln sandte, um dort
wichtige Beziehungen anzukniipfen, strandete auf Attiua in den Sandwich-
inseln. Der ,,Iljnen", der nach dem Ross Settlement gesandt war, wurde
von einem spanischen Zoll-Kreuzer beim Schmuggeln iiberrascht und der
5. Kapitel. 181
Supercargo, ein Amerikaner John Elliot de Castro, mit einer Anzahl der Mann-
schaft gefangen gesetzt.
In Petersburg hatte 1815 Graf Romanzoff das Kriegsschiff ,,Rurik" auf
seine Kosten zu einer wissenschaftlichen Expedition nach Russisch-Amerika
ausgeriistet, unter Befehl des Kapitans Kotzebue, ein Sohn des bekannten
deutschen Schriftstellers. An Bord befanden sich der deutsche Arzt und
Naturforscher Eschholz, unser Dichter Chamisso als Botaniker und der deutsche
Login Choris als Maler.
Chamisso hat uns eine sehr interessante Schilderung der Reise hinter-
lassen, trotzdem er sich an Bord nicht glucklich fiihlte und gleichzeitig unter
der Seekrankheit und den kleinlichen Tyranneien Kotzebues zu leiden hatte.
Am 19. Juni 1816 wurde Petropawlowsk erreicht, von hier aus die Behring-
strasse, St. Lorenz-Inseln, besucht und der grosse Sund erforscht, welcher
Kotzebues Namen tragt, Letzterer bildet die nordlichste Grenze des Vor-
kommens der Seeotter. Sodann wurde in Unalaschka langerer Aufenthalt ge-
nommen. Einer der Schoner der Russisch-amerikanischen Kompanie, der
zwischen Unalaschka und Sitka Pelzhandel trieb, war iibrigens von einem
Danziger Kapitan Binzemann befehligt.
Zum Herbst wurde Kalifornien aufgesucM, da verschiedene Differenzen
zu ordnen waren und zunachst San Franzisko angelaufen, wo der Kommandant,
Don Luiz Arguella, der Bruder der aus der Romanze mit Rezanoff bekannten
Conita Arguella, sie sehr freundlich empfing.
Der Gouverneur kam von Montery herauf, und Kuskoff kam gleichfalls
von seiner Ansiedlung Bodega herab.
Der Gouverneur Don Parlo Vinciente de Sola lieferte an Kotzebue nicht
nur den gefangenen Supercargo der ,,Ilmen", John Elliot de Castro, aus,
sondern auch noch mehrere Aleut en und Russen, die beim Schmuggeln und
beim Seeotterfang gefangen genommen waren. Die Verhand lung iiber Raumung
von Bodega durch die Russen verlief im Sande. Kuskoff erklart sich zur
sofortigen Raumung bereit, sobald er von Baranoff Auftrag hierzu hatte.
Kotzebue erklart sich zum Einschreiten nicht berechtigt, und so wurde nur
ein Protokoll auf gesetzt und an den Konig von Spanien und den Kaiser von
Russland eingesandt. Hier wurde das Schriftstiick prompt im Archiv be-
graben, der Gouverneur von Kalifornien erhielt einen hohen russischen Orden,
und damit war die Sache vorlaufig erledigt. Um Gewalt zu gebrauchen, waren
die Spanier in dieser Gegend viel zu schwach.
Im Lauf der Weiterreise wurden auch die Pribiloff-Inseln St. Paul und
St. George besucht.
Schon damals machten amerikanische Kapitane von Zeit zu Zeit Lan-
dungen auf den Inseln, um, nachdem sie die Wacher unter Branntwein gesetzt
hatten, eine Ladung Seehundsfelle einzunehmen. Dann wurde infolge Er-
krankung Kotzebues die Heimreise angetreten.
182 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Im Norden hatte Baranoff jetzt mehrfach Ungliick. Das Schiff der Kom-
panie, ,, Maria Magdalena", scheiterte bei Ochotsk, doch gelang es, dieLadung
von wertvollem Pelzwerk zu. retten.
Baranoff resignierte endlich 1818, 80 Jahre alt, und gab seine Stellung als
Direktor der Gesellschaft, die er mit eiserner Autoritat 27 Jahre lang bekleidet
hatte, ab. Auf der Heimreise starb er auf Batavia, ohne die Heimat wieder-
gesehen zu haben. An seine Stelle trat Kapitan Leontius Andrianowitsch
Hagemeister, der aber sehr bald abdankte, nachdem er einige der Rezanoff-
schen Reformvorschlage eingefiihrt hatte, namentlich die Barbezahlung der
Jager an Stelle der Warenlieferungen.
Leutnant Tannoffsky wurde jetzt Direktor, und Kapitan Golofnin wurde
ersucht, einen Bericht an den Kaiser liber die Verhaltnisse in Alaska zu er-
statten. Nach Eintreffen dieses Berichts wurde den Ubergriffen der Handler
und der Selbstherrschaft des Direktors ein Ende gemacht. Er war von jetzt
ab der Krone direkt verantwortlich.
Nun trat ein neuer Aufschwung ein, zahlreiche Expeditionen er-
forschten sowohl das Festland, als die Inseln. Die Russisch-amerikanische
Kompanie besass jetzt fiinf Handelsforts auf den Aleuten, vier an Cooks
Inlet, zwei am Chugart Golf und eins auf der Baranoff-Insel bei Sitka.
Ausserdem hatte die Ansiedlung der Gesellschaft in Kalifornien, dieRoss-
Niederlassung in Bodega, grossen Umfang angenommen. Ein starkes Fort
schiitzte die Felder, in ausgedehnten Garten wurden Friichte und Gemiise,
auf den Feldern Weizen gezogen, sowie viel Vieh geziichtet; alles fur den
Bedarf der Ansiedlungen in Alaska. Es war dies iibrigens der erste Weizenbau
in Kalifornien und ebensowenig, wie man sich damals von dem Goldreichtum
unter den Fiissen traumen Hess, dachte man daran, dass Kalifornien
einst eines der reichsten Weizenproduktionslander werden sollte, und dass
sich an den Ufern der Bay, auf der die Spanier nicht einmal ein Boot besassen,
eine Weltstadt erheben sollte, wo die Handelsflotten der ganzen Welt zu-
sammenstromen wurden. An die Spitze des Ross Settlements trat jetzt ein
Deutscher, Schmidt, an Stelle Koskoffs.
III.
Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
6. Kapitel.
1821 wurde der Freibrief der Russisch-amerikanischen Kompagnie durch
kaiserlichen Ukas auf 20 Jahre verlangert und zugleich die Kompagnie reorgani-
siert. Die gesamte amerikanische Kuste nordlich vom 50. Grad und die ge-
samte Ostkiiste Asiens nordlich vom 45. Breitengrade wurde zum russischen
Gebiet erklart und jedem Fremden die Annaherung bis auf 100 Seemeilen
von der Kiiste verboten. Sowohl England als die Vereinigten Staaten pro-
testierten dagegen, aber russische Kriegsschiffe wurden in die Behringsee
gesandt, um die Durchfiihrung des Ukas zu erzwingen.
Der russische Kreuzer ,, Apollo" beschlagnahmte auch die amerikanische
Brigg ,, Pearl", die des Pelzhandels halber von Boston nach Sitka entsendet
war, was zu einer langdauernden diplomatischen Kontroverse zwischen Russ-
land und den Vereinigten Staaten fuhrte. Gerade bei dieser Gelegenheit er-
klarte der President Monroe seine beruhmte Doktrin, die noch heute so
unliebsame Folgen hat. Endlich 1824 kam es zu einem Vertrage: der Nord-
pacific sollte den Angehorigen beider Nationen zu Fischfang, Handel und
Schiffahrt offenstehen, nur sollten die Handelsstationen der einzelnen Nationen
von Untertanen der anderen Nation und mit Zustimmung des jeweiligen
Kommandanten besucht werden. An die Eingeborenen durften weder Waff en,
Munition, noch Alkohol verkauft werden. Die Russen verpflichteten sich,
keine Ansiedlung siidlich vom 54. Grad und die Amerikaner, keine nordlich
von diesen Breitengraden anzulegen. Nach 10 Jahren konnte Russland die
Erlaubnis zu Schiffahrt in ihren Gewassern zuruckziehen. Die Brigg ,, Pearl"
mit ihrer Pelzladung wurde freigegeben.
1825 wurde eine ahnliche Konvention zwischen Russland und Gross-
britannien abgeschlossen.
In dieser Konvention wurde die siidlichste Grenze des russischen Pelz-
warenhandels auf den 54. Grad 40 Min. nordlicher Breite festgesetzt, sonst
waren die Bestimmungen die gleichen, wie im russisch-amerikanischen Vertrage.
Im Jahre 1826 wurde eine weitere russische Forschungsexpedition
unter Kommando des Kapitans Fr. Liitke in der Korvette ,,Seujanin" nach
dem nordlichen Pacific entsandt.
184
TIT. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Es waren der Expedition auch drei Naturforscher mitgegeben, lauter
Deutsche, Kittlitz, Postels und Mertens. Dem ersteren verdanken wir ein
interessantes Werk iiber diese Reise, mit sehr schonen Zeichnungen von seiner
kundigen Hand. Auch ein Sohn des russischen Admirals Krusenstern nahm
an der Expedition teil. Brasilien und Chile wurden besucht und auch wissen-
schaftliche Beobachtungen dort angestellt. Von Valparaiso ging die Reise
bis Sitka ohne jeden Aufenthalt, fur die damalige Zeit eine gewaltige Leistung,
die etwa 80 Tage in Anspruch nahm. Zunachst wurde am 24. Juni Norton
Sound erreicht und erst in Neu-Archangel Anker geworfen, wo das fur
Eskimos in Alaska
ihr Whaleboot zu Wasser bringend.
die dortigc Gegend grossartige Schloss der Russisch-amerikanischen Ge-
sellschaft, wenn auch aus Holz gebaut, durch seine die Holzhauser der Kolo-
nisten und die Hiitten und Zelte der Indianer weit iiberragende Lage einen
gewaltigen Eindruck auf Kittlitz machten.
Die Indianer gingen damals immer gut bewaffnet, nur waren Feuer-
waffen selten, da die Russisch-amerikanische Kompanie den Eingeborenen
solche nicht liefern durfte, und nur von den amerikanischen Schiffen solche
erhalten werden konnten. Namentlich die Munition war sehr wertvoll. Friiher
war zwischen den Russen und den Eingeborenen immer eine Art lat enter
Kriegszustand gewesen, erst seit der Gouverneur Maraview 1822 die Nieder-
lassung von Indian er-Gemeinden in unmittelbarer Nahe der russischen Ge-
meinden erlaubte, wurde der Zustand ein besserer. Alles lebte librigens von
den Fischen und der Jagd auf Pelztiere, deren Felle aber an die Kompanie
abgeliefert werden mussten. Ubrigens klagt Kittlitz schon damals iiber das
Seltenerwerden der Seeotter und des Bibers, der ja heute ganz von den Kiisten-
distrikten Alaskas verschwunden ist. Die Fischerei wurde damals schon im
6. Kapitel.
grossen ausgebeutet, wenn sich auch noch niemand von der grossen Bedeutung
der Lachsindustrie traumen liess. Die Gesellschaft hatte zu diesem Behufe
das Fort Oserskoi redoute eingerichtet und auch bei den Eingeborenen statt
der althergebrachten, einsitzigen Baidarka (genau wie der gronlandische Kayak)
die dreisitzigen eingefuhrt, eine grosse technische Verbesserung. Auf Sitka
erwahnt auch Kittlitz das Vorkommen von zwei grossen Barenarten, einer
schwarzen und einer grauen, die beide den Menschen sehr gefahrlich seien,
sowie der zwei grossen Marderarten (der amerikanische Zobel und der virgi-
nische Iltis), ferner die Wollziege, die Wildschafe und eine grosse Murmeltier-
Eskimos in Baidarka bei St. Michaels (Alaska).
art, deren Felle viel von den Eingeborenen zu Kleidungsstucken benutzt
wurden.
Die Ansiedlung in Unalaschka war lange nicht so ansehnlich, wie in Neu-
Archangel, da die wenigen Gebaude der Kompanie nur zum Teil aus Holz-
hausern bestanden, die Mehrzahl bestand nach Art der Aleutischen Wohnungen
aus mit Rasen bedeckten Erdhiitten.
Von hier aus wurde Petropawlowsk auf Kamtschatka angelaufen, das
damals von der Regierung sehr vernachlassigt wurde.
Die Regierungsmacht bestand aus einem Flottenkapitan als Gouverneur,
einem Major als Vizegouverneur, zwei Leutnants und einem Stabsarzt. Da-
1 86
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
neben war fur ganz Kamtschatka nur ein Isprawnik oder Gerichtsamtmann
mil einigen Schreibern und einem Postmeister, der aber nur zweimal im Jahre
eine Post abzufertigen hatte, einmal im Sommer zur See nach Ochotsk und
einmal im Winter per Hundeschlitten nach den nordlichen Ansiedlungen.
Es gab ausserdem noch einige Pelzhandler und Angestellte der Kompanie,
sowie Matrosen usw., im ganzen eine Einwohnerzahl von 200 Kopfen. Die
samtlichen Angestellten, die sehr schlecht bezahlt wurden, trieben ausser
Viehzucht und Gartenbau noch im Winter Zobelfang als Nebenerwerb und
erhielten sie damals 15 Rubel pro Fell. Als Merkwurdigkeit erwahnt Kittlitz
auch, dass man in dieser russischen Kolonie gar kein russisches Geld kannte,
sondern nur hollandische Dukaten und spanische Dollars zirkulierten.
Den Winter verbrachte die ,,Seujanin" in den Sudseeinseln und besuchte
auch die Bonin-Insel, die damals noch nicht Japan gehorte und auch noch
Ankunft der Hundepost vom Norden in Nome (Alaska).
nicht jene Kolonie kiihner Seehunds- und Seeotter-Jager besass, welche spater
ihren Namen in alien Fangkreisen beruhmt machte.
In Petropawlawsk trennte sich Kittlitz von der Expedition, um Kam-
tschatka zcologisch zu untersuchen.
Seine Forschungen erganzten die fruheren von Pallas. Er erwahnt
iibrigens das haufige Vorkommen des grossen Tarbagan-Murmeltieres, die auf
den Grashangen der Berge ihre ausgedehntenBauten haben. Merkwiirdigerweise
kommen jetzt gar keine Murmelfelle von Kamtschatka in den Handel. Die
Kittlitzschen Zeichnungen geben iibrigens zum ersten Male eine Idee von der
landschaftlichen Schonheit der waldumrahmten kamtschadalischen Flusse.
Auch die alte Niederlassung Bolscheresk wurde von ihm besucht, die aber
schon damals fiir den Handel sehr wenig Bedeutung hatte.
Noch kurz vor der Abreise gelang es ihm, in Awetscha einer Zobel-
jagd beizuwohnen, die hier mit besonders dazu abgerichteten Hunden betrieben
wurde. Daindiesem Jahre die Zedernusse auf den schwer zuganglichen Berg-
6. Kapitel.
I87
waldern schlecht geraten waren, hatte sich der Zobel in die niedriggelegenen
Birkenwalder gezogen, wo der Fang leichter ist. Die Zobel nahren sich eben
vorwiegend vonVegetabilien, und nur nebenbei werden Mause, junge Vogel usw.
verzehrt.
Wahrend seiner Abwesenheit war die ,,Seujanin" weit an der Kiiste von
Kamtschatka nordlich vorgedrungen bis zur Behringstrasse und wurde nun
die Heimreise iiber die Karolinen angetreten.
1829 wurde eine wichtige Neuerung bei der Russisch-amerikanischen
Kompanie eingefuhrt, indem sie alle Ankaufe fremder Waren und Lebens-
mittel mil Wechseln auf Petersburg statt, wie bisher, mit Pelzwerk bezahlte.
1831 wurde der spater so beriihmte Forscher Baron Wrangell Direktor
der Kolonie.
w *
Eskimos im Weiberboot bei Cap Prince of Wales (Alaska).
Unter ihm wurde 1832 Sitka als Hauptort der Kolonie und zum Sitz
des Direktors und des Haupt-Depots der Russisch-amerikanischen Kompanie
erwahlt. Ausserdem aber nodi der wichtige Handelsposten St. Michaelis
redout e am Norton Sound errichtet, verschiedene andere Handelsposten
angelegt undzahlreiche Handels- und Forschungsexpeditionen ausgesandt.
Es machte sich jetzt auch auf den Prybeloffinseln ein starkes Abnehmen
der wertvollen Seehunde bemerkbar, die bis dahin zu vielen Hunderttausenden
jahrlich von den Russen erschlagen wurden. Die Kompanie verkaufte dieselben
fur 2 — 3 Rubel pro Fell nach Amerika, England und China, wahrend die Leute
10 Kopeken fur jeden erlegten Seehund erhielten.
Da fuhrte der zweite Direktor der Kompanie, Muravieff, Reformen ein,
Hess jahrlich nur eine bestimmte Anzahl junger Tiere schlagen, um die Zahl
der Herde wieder zu heben. Gewissenlose Aufseher auf den Inseln aber
hinderten diese Reformen, indem sie amerikanischen und anderen Schiffen
i88
III. Geschichte des russischen Ranch warenhandels.
gegen Bestechung erlaubten, soviel Seehunde zu nehmen, wie sie wollten.
Im Jahre 1834 hob auch die russische Regierung die freie Schiffahrt, die
im Vertrage von 1824 amerikanischen Handlern zugestanden war, auf, da
vielfach Feuerwaffen und Spirituosen an die Eingeborenen verkauft worden
waren. Der amerikanische Gesandte protestierte vergeblich dagegen, es
blieb bei der Aufhebung.
Jetzt kam es auch zu einem Konflikt mil England durch das Vorgehen
der Hudsonsbay Company, wie ich bereits in einem fruheren Kapitel (Ge-
schichte des Rauchwarenhandels in Nordamerika) erzahlt habe.
Diese hatte beschlossen, auf russisch9m Territorium am unteren Stikeen-
river, wo sich heute die Haupt-Lachskonservierungsanstalten Alaskas be-
Ein grosses Fellgeschaft in Nome (Alaska). [G. T. Schottelsack.]
fin den, ein Fort zu errichten. Zunachst drang einc Landexpedition unter Chief-
factor Macleod auf dem Landwege von Fort Liard am Flusse gleichen Namens
nach dem oberen Lauf der Stikeen vor und erbaute hier den Handelsposten
Stikeenpost.
1835 riistete die H. B. C. im Fort Vancouver am Columbiaflusse den
Schoner ,, Dryad" mit Kolonisten, Vieh, Waff en und Handelsartikeln aus
und schickte ihn nach der Mini dung des Stikeen, um hier eine grosse Nieder-
lassung zu begriinden. Wrangell schickte ihnen aber die bewaffnete Brigg
,,Chichapoff" und den Schoner ,,Chilkatt" unter Kommando des Leutnants
Dionysius Zarcuba entgegen. Er errichtete zunachst das Fort Dionysius an
einem kleinen Hafen bei der Miindung des Stikeen und verhinderte dann die
Landung der englischen Expedition mit Waffengewalt. Der ,, Dryad" musste
6. Kapitel. i8g
mil seiner ganzen Ausriistung nach Vancouver zuriickkehren, worauf die
Hudsonsbay Company Protest erhob und 20 ooo Sterling Schadenersatz fur
die angeblichen Kosten dieser Expedition verlangte. Die englische Regierung
unterstiitzte die Reklamation und verlangte von der russischen Regierung
vollen Ersatz des Schadens, da die Konvention voni825 verletzt sei.
Die Verhandlungen zogen sich in die Lange, und wahrend dieser Zeit
unternahmen die Hudsonsbay leute ruhig ausgedehnte Jagd und Handels-
Expeditionen vom Stikeenpost aus, die bis an die Kiiste vordrangen, was zu
haufigen Zusammenstossen mit russischen Partien fuhrte. 1836 sandte sie
auch die benihmte Expedition von Dease und Simpson aus, welch e den
Zugang zum streitigen Gebiet vom Norden aus erforschen sollte. Von der
Miindung des Mackenzieriver drang sie auch bis zum nordwestlichsten Punkt
der amerikanischen Kiiste, Point Barrow, vor, kehrten aber dann auf dem-
selben Wege wieder zuriick.
Baron Wrangell dehnte inzwischen den Einfluss der Russisch-amerika-
nischen Kompanie nach anderer Seite hin aus. Die Kurilen-Inseln, die ja
heute zu Japan gehoren, wurden formell in Besitz genommen und Pelzhandels-
posten errichtet und der Fang der hier noch zahlreichen Seeottern organisiert,
auch der Yukonfluss wurde eingehend untersucht. Sowohl die Ver-
bindung mit den einzelnen Handelsposten, als auch der Tauschhandel
mit den einzelnen Indianer- und Eskimosiedlungen der Kiiste wurde aus-
gedehnt. 12 Segelschiffe und zwei in Sitka erbaute Dampfer vermittelten
den Verkehr. Auch eine Anzahl kleiner, gedeckter Dampfbarkassen mit
Maschinen von 2 bis 6 Pferdekraften wurden in Sitka gebaut, um dem
Handelsverkehr zu dienen. Baron Wrangell hatte die Werft der Kompanie zu
Sitka in diesem entlegenen Winkel der Erde so eingerichtet, wie es damals in
Europa selbst nur wenige Etablissements war en, und hatte auch schon ver-
haltnismassig fruh die Bedeutung von Dampfern fur die Entwicklung des
Landes erkannt. 1836 wurde der fur die Kolonie so bedeutende Mann durch
Kapitan Kuprianoff als Generaldirektor der Kolonie abgelost und widmete
sich nunmehr mehr der Erforschung Sibiriens und des Polarmeeres.
Kuprianoff, wenn er auch nicht das Organisationstalent seines Vorgangers
hatte, setzte doch die Erforschung des Landes fort. Unter ihm befuhr Glasenoff
den Yukonriver, Kolmekoff den Kuskoquimfluss und Woronkoffsky untersuchte
die Kiisten des siidlichen Alaska. Er trachtete auch danach, den latent en
Kriegsszustand mit der Hudsonsbay-Co. zu beendigen und wurde in diesem
Bestreben von dem weitblickenden Gouverneur der letzteren, Sir George
Simpson, unterstiitzt, der ja die Schaden eines Handelskrieges noch geniigend
aus dem Kampfe mit der Northwest Company kannte. Es kam deshalb 1837
in Hamburg zu einer Konferenz zwischen den Delegierten der beiden rivali-
sierenden Handelsgesellschaften, wobei auch die englische und die russische
Regierung vertreten waren. Bei der friedlichen Stimmung der Leiter der
beiden grossen Pelzhandelsgesellschaften einigte man sich schnell. Die
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Hudsonsbay Company nahm den Kiistenstreifen zwischen der Siidgrenze
von Alaska und Kap Spencer in Pacht, vorlaufig auf 10 Jahre. Sie zahlte
dafiir jahrlich 2000 Seeotterfelle und iibernahm die Lieferung einer grossen
Menge Provisionen, wie Weizen, Erbsen, Mehl, Speck, Schinken, Rindfleisch,
zu festgesetzten Preisen, so dass die Proviantierung der russischen Nieder-
lassung gesichert war. Das war ein sehr wichtiger Grund fur das Zustande-
kommen der Konvention, denn die Ernten des russischen ,,Ross Settlement"
in Kalifornien waren mehrmals hintereinander fehlgeschlagen, und wenngleich
bereits 1835 die Ansiedlung im Gebiet alien russischen Untertanen freigegeben
wurde, war doch sehr wenig Aussicht, dass die fur den Unterhalt der Kolonien
notigen Lebensmittel durch Anbau und Viehzucht in geniigender Zahl be-
schafft werden konnten. Die H. B. C. dagegen erzeugte diese im Uberfluss
in ihren grossen landwirtschaftlichen Betrieben der Pugetsoundfarm und
Cowlitzfarm an der Westkiiste.
Der Handel der Russen mit den Indianern wurde inzwischen sehr durch
die Einschleppung der Pocken gehindert. Tausende von Eingeborenen erlagen
der Seuche, die uberall um sich griff, um so mehr, da sich die Priester der
befohlenen Schutzimpfung widersetzten.
Interessant ist, dass bereits damals die Russisch-amerikanische Kompagnie
die Zuchtung von Blaufiichsen betrieb. Auf Arulia-Insel war eine Anzahl
dieser Tiere ausgesetzt worden, die sich so stark vermehrten, dass zur Be-
wachung und zur Regulierung des Fanges eine Kolonie von Aleuten dort an-
gesiedelt wurde.
Leutnant Molakoff errichtete bei Nulato am mittleren Yukon einen
Handelsposten. Die Besatzung musste sich aber im Herbst aus Mangel an
Proviant nach der Michael redoute zuriickziehen, und wahrend ihrer Abwesen-
heit plunderten die kriegerischen Indianer das Fort und brannten es nieder.
In unparteiischer Weise wurde auch gleichzeitig das Fort Drew der Hudsonsbay
Company am Liard river von den Eingeborenen iiber fallen, gepliindert und
niedergebrannt. Die Besatzung konnte sich aber unter ihrem Kommandanten,
Chief fact or Robert Campbell, nach dem Fort Halkett der H. B. C. am gleichen
Flusse ret ten. 1839 wurde der H. B. C. in einem neuen Vertrage auch das
Recht des Kiistenhandels nordlich von dem gepachteten Streifen zugestanden
und sie errichtete jetzt auch ein neues Fort an der Kuste, am Glacier- Arm
der Stephens Strait, nachdem vorher schon Fort Dionysius an der Stikeen-
river-Miindung in ihren Besitz iibergegangen war. An Stelle Kuporianoffs
wurde 1840 Etolin Generaldirektor der Russisch-amerikanischen Kompagnie.
Er errichtete nach alter russischer Sitte eine Messe in Sitka, wohin jetzt all-
jahrlich die Eingeborenen mit ihrer Pelzausbeute zusammenstromten. Auch
verkaufte er das Ross Settlement 1841 an Kapitan John Sutter fur 30 ooo
Dollar. Die Halfte wurde bei der Ubernahme gezahlt, die anderen 15 ooo
Dollar an den Agenten der russisch-amerikanischen Handelsgesellschaft in
San Franzisko, Mr. Stewart, der einfach mit dem Gelde durchbrannte.
6. Kapitel.
I QI
Bekanntlich wurde iibrigens 1848 das erste Gold auf dieser Suttersfarm ge-
funden. Sutler selbst hatte aber ebensowenig Vorteil davon, wie seine Vor-
ganger.
Im gleichen Jahre 1841 wurde auch Fort Nulato durch Leutnant Derabim
neu erbaut und stark befestigt.
Die Indianer waren auch in diesem Gebiet immer sehr unruhig. 1842
liber Helen 2000 Indianer das Fort Stikeenport der H. B. C. am oberen
Stikeen. Der Kommandant wurde erschossen, die Garnison konnte sich
nicht langer halten, und die Pliinderung sollte eben beginnen, als ein
Pfiff der Dampfpfeife das Plundern innehalten liess. Um die Fluss-
krummung bog ein russischer Dampfer mit dem Gouverneur der Hudsonsbay
Fort Derabin im Yukon- Gebiet.
Company, Sir George Simpson, an Bord, der gerade mit einer In-
spizierung der ganzen Kiiste beschaftigt war und dazu einen russischen
Dampfer zur Verfugung gestellt erhalten hatte. Sir Simpson, der auf dem
Landwege durch das Hudsonsbai- Gebiet gekommen war, besuchte iibrigens
die ganze Westkiiste bis nach Montery in Kalifornien und kehrte dann durch
Sibirien nach England und Kanada zuriick, wohl die erste Reise um die Welt
auf dem Landwege.
Im Jahre 1844 wurde der Freibrief der Russisch-amerikanischen Kompanie
durch Kaiser Nikolaus I. auf weitere 20 Jahre verlangert. Die Kompanie
etablierte sich jetzt auch am Ochotkischen Meere und errichtete eine Handels-
faktorei in Aion, um die Pelzreichtiimer dieses Gebietes auszubeuten. Der
neue Direktor, Etolin, trat auch der Ausbeutung und der schlechten Behand-
lung der Eingeborenen durch die Russen streng entgegen. Es wurde jedem
Angestellten in der scharfsten Weise untersagt, einen Eingeborenen zu schlagen.
1846 fand der Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko statt,
der mit der Abtretung Kaliforniens an die ersteren endete, und gleichzeitig
IQ2 III. Geschichte des russischen Ranch warenhandels.
wurde auch die Grenze zwischen den britischen und amerikanischen Be-
sitzungen am Stillen Ozean auf den 79. Grad nordlicher Breite festgesetzt.
Die Russisch-amerikanische Kompanie machte die durch den Abbruch
ihrer Handelsbeziehungen mit Kalifornien erlittenen Verluste jetzt durch einen
ausgedehnten Handelsverkehr mit den Sandwich-Inseln wett, der sich als sehr
lukrativ erwies. Damals fingen die Sandwich-Inseln an, sich als Depotplatz
fur die Pelzhandler zu entwickeln. Zahlreiche kleine Schoner und Briggs
hatten hier ihr Hauptquartier und segelten im Sommer nach den Kiisten von
Kamtschatka, den Ufern und Inseln der Behringsee etc. und verschifften dann
von Honolulu aus den Ertrag ihrer Handelsreisen nach Europa. Dies erklart,
dass lange Zeit in den statistischen Listen Honolulu als Ursprungsland fur
viele nach Europa eingefuhrten Pelzwaren genannt wird, wahrend die Siidsee-
inseln gar keine Pelztiere produzieren. Auch sonst versuchte die Gesellschaft
jetzt auch ihr Gebiet wirtschaftlich ertragreich zu machen. Sie engagierte
einen Mineningenieur, Doroschin, welcher Alaska nach edlem Metalle durch-
forschte und auch Kalifornien besuchte, ohne etwas zu finden, obgleich sich
hier in beiden Gebiet en die reichsten Goldf elder der Erde befinden. Kalifornien
und Klondyke, die modernen Eldorados.
Mit den Eingeborenen fanden wiederum mehrfache Zusammenstosse statt.
So eroberten die Thlinketts das Fort an der Miindung des Stikeenriver, wahrend
ein gewisser Sebrenikoff nebst 3 Gefahrten am Copper fluss von den Ein-
geborenen ermordet wurde. ,,Cherchez la femme."
Das Jahr 1848 brachte auch hier im fern en, entlegenen Winkel der
Erde eine Revolution, aber friedlicher Art. Zwei Ereignisse waren es,
die den idyllischen Zustand weltentlegener Ruhe hier storten. Die Hafen
Alaskas wurden der Stiitzpunkt zahlreicher englischer Schiffsexpeditionen,
welche den verschollenen Franklin aufsuchen wollten. Ihre zahlreichen
Mannschaften brachten Leben in die einsame russische Kolonie. Im
selben Jahre war auch der erste Walfanger, eine amerikanische Bark
,,Superio", durch die Behringstrasse gegangen, und da in kurzer Zeit
das Schiff eine voile Ladung hatte, verbreitete sich der Ruhm dieser reichen
Fanggriinde so rapid, dass im nachsten Jahre 154 amerikanische Walfanger-
Fahrzeuge an der Kiiste Alaskas und des nordlichen Sibirien dem Fange
oblagen, die auch alle nebenbei, wenn sich die Gelegenheit bot, mit den
Eskimos und den Tschuktschen Tauschhandel trieben und Decken, Gewehre,
Schnaps, Eisengerate, Kupferkessel u. dergl. gegen Felle eintauschten.
III.
Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
7. K api t el.
Diese Gegenden des aussersten Norden Sibiriens waren auch dem Unter-
nehmungsgeist russischer Handler nicht ganz entgangen.
Die in einem fruheren Abschnitte bereits erwahnte grosse nordische Ex-
pedition unter Katharina II., der Pallas und andere bedeutende Polarforscher
angehorten, hatte nicht nur wissenschaftlich sehr bedeutendes Material ge-
liefert, sondern auch iiber die wirtschaftlichen Verhaltnisse und deren Reichtum
an anderen Pelztieren, ausser den Zobeln, Licht verbreitet.
Zahlreiche Pelzhandler waren weit nach Norden vorgedrungen, am
weitesten der Pelzhandler Schalanrov aus Jakutsk, der 1760 von der Lena
aus die Kiiste entlangfuhr, bis zur Kolyma-Mundung, wo er eine Station
errichtete. Er reiste dann zu Lande nach Moskau, wo er sich neue Mittel und
Vorrate holte. 1766 ging er wieder in See, um die Nordostspitze Asiens zu
erreichen, blieb aber verschollen.
1763 wurde Wrangelland im Norden der sibirischen Nordostkiiste durch
den Sergeant en Andrejew zuerst mit Hundeschlitten betreten, doch kann ich
keinen Bericht finden, dass die Entdeckung auch kommerziell ausgebeutet
wurde. Im grossten Massstabe geschah dies aber auf den Neusibirischen Inseln.
Der Handler Liachow hatte dieselben zuerst betreten, und wurde ihm das
Monopol verliehen, mehrere Jahre lang das Sammeln von Mammutzahnen,
sowohl auf der nach ihm benannten Insel, sowie den benachbarten Inseln
Maloy und Kotelnoy auszubeuten. Der Boden ist dort mit einem dichten
Moosteppich bedeckt, der auf einer Unterlage von Sand, und Eis ruht, die,
fest zusammengefroren, auch im Hochsommer nur wenige Zoll tief auftaut,
aber eine kolossale Fiille, sowohl Zahne und Knochen von Mammut, als von
wollhaarigen Rhinozeros und verschiedenen anderen riesigen Saugetieren der
Diluvialzeit enthalten. Aber auch eine grosse Menge Pelztiere fanden sich
dort, namentlich zahlreiche kostbare Weiss- und Blaufiichse, Hermelin, Eisbar,
auch Kreuz- und Silberfiichse werden erwahnt, obgleich ich bezweifle, dass
diese jemals so weit nordlich im eigentlichen Polargebiet gefunden wurden.
Diese neusibirischen Inseln bildeten deshalb auch nun ein begehrens-
wertes Ziel der sibirischen Pelzhandler und Fangleute.
13
IQ4 HI- Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Der Handler Sannikow entdeckte 1805 die Inseln Stolbowoj und
Saddeljew, Sirowatskoj, 1806 Novoja Sebir, und Bjelkow 1808 die nach ihm
benannte Insel. Letzterer crrichtete auf der Kotelnoj-Insel cine Fang- und
Handelsstation, geriet abcr mil anderen Fangleuten und Handlern in Streit
iiber das Fangmonopol.
Zur Untersuchung sandte Kanzler Romanzoff zwei sibirische Verbannte,
die in kartographischen Arbeit en erfahren war en. Matthias Hedenstrom und
Sannikow 1809 zur Untersuchung der neusibirischen Inseln, welche nun auch
zum ersten Male wissenschaftlich untersucht wurden. Der regelmassige
Handelsbetrieb muss aber bald wieder eingeschlafen sein, man horte nichts
wieder davon. Nur ab und zu wurden noch Mammutzahne von dort und den
gegeniiberliegenden Teilen des sibirischen Festlandes auf den Markten von
Nischny Kolymsk und Anadyrsk gebracht. 1823 gelang es Wrangell nicht
mehr, die Inseln zu erreichen, die erst fast ein halbes Jahrhundert spater zuerst
wieder von De Long und dann wieder von der Expedition zur Aufsuchung
der Uberlebenden der dort verungliickten ,, Jeanette" von der Gordon-Bennet-
Expedition betreten wurden. Erst ganz kiirzlich wieder ist die gesamte Ex-
pedition des kiihnen russischen Polarforschers Baron Toll dort zugrunde ge-
gangen. Wenigstens fand man die letzte Spur der Verschollenen auf den neu-
sibirischen Inseln.
In einem friiheren Abschnitt habe ich die Kampfe der russischen Pelz-
jager und Abenteurer unter Pojarkoff und Khabarow um den Besitz des
Amur geschildert und die rohe Art und Weise, wie diese ziigellosen Banden
unter dem Vorwande des Pelzhandels und der Tributerhebung das Land
verwiisteten und die Kampfe mit den Chinesen um den Besitz von Albazin.
Nach Khabarows Riickkehr 1655 nach Russland hatte Stepanoff den Ober-
befehl liber das ganze Amurgebiet erhalten. Er hatte seinen Hauptstiitz-
punkt in Jakutsk, sandte aber Expeditionen von Kosaken und Promyschleniks
an alle Nebenfliisse des Amurs. So wurden z. B. der Sungari und der Argun
durch Bootsexpeditionen befahren.
Eine Expedition unter Theodor Pushchin sammelte am Sungari 120
Zimmer Zobel (Anmerkung: i Zimmer gleich 40 Stuck), 8 Schwarzfiichse und
56 Silberfuchse.
Eine andere Abteilung sammelte 58 Zimmer Zobel von den Gilyaken
an der Amurmundung, verschiedene kleinere Trupps wurden aber von den
gereizten Eingeborenen erschlagen oder erlagen infolge leichtsinnigen Vor-
gehens ohne geniigende Provisionen dem Hungertode.
Stepanoff selber wurde 1658 auf dem Amur mit 500 Mann von einer
chinesischen Streitmacht in 45 grossen Kriegsdschunken mit Geschiitzen an-
gegriffen. 180 der Abenteurer, die nur des Plunderns halber nach Sibirien
gekommen, desertierten bei Beginn des Kampfes. 270 Mann mit Stepanoff
an der Spitze fielen, und nur 47 Mann entkamen. 2000 Zobelfelle wurden dabei
von den Chinesen erbeutet.
7. Kapitel.
195
Die Schilka, der Hauptarm des Amurs, war schon 1653 von den Russen
besetzt worden auf Veranlassung des Woywoden von Jenisseisk, der 100
Kosaken unter Beketoff dorthin entsandt hatte. Diese erbauten ein Ostrog
an der Selenga, einem Nebenfluss der Schilka, von wo aus sie in einem Jahr
25 Zimmer Zobel von den Tungusen einsammelten. Eine weitere Expedition
von Jenisseisk unter Pashkoff mit 566 Mann Kosaken lind Pelzjagern griindete
1658 Nerschinsk, das sich bald zu grosser Bedeutung erhob, namentlich unter
der fahigen Leitung von Tolbusin und Daniel Erschinsky.
Nach der Niederlage Stepanoffs hatten die Russen den Amur verlassen,
doch 1666 erbaute der Fiihrer einer Rauberbande, der Pole Chernigowsky, das
Hauptstrasse in Nome (Alaska).
alte Fort Albasin und liess sich dort mit 84 Mann nieder, nachdem er vorher
•den Woywoden von Ilimsk auf der grossen Rauchwarenmesse von Kirinsk an
•der Lena ermordet hatte. Hierfiir wurde er mit sechs anderen in Moskau 1672
zum Tode verurteilt, wegen der kriegerischen Lage des Amurgebiets aber,
und auch weil das Urteil schwer zu vollstrecken war, wurden sie begnadigt.
Infolge von Unterhandlungen in Peking verbot der russische Spezial-
gesandte Spafarik den Russen in Albazin, den unteren Amur und die Dzeya
zu befahren und Tribut von den Tungusen zu erheben, um Differenzen mit
den Chinesen zu vermeiden, denen sich die russische Regierung damals nicht
gewachsen fiihlte. Chernigowsky, dem inzwischen zahlreiche Abenteurer
zugestromt waren, richtete sich aber nicht danach, sondern sandte verschiedene
13*
ig6 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Expeditionen, die von den Tungusen Zobelfelle einsammelten und die Forts
Ilisko Ostrog an der oberen Dzeya, Selimbanskor Ostrog an der Selienga und
Dolonskoy Ostrog an der Dolonca errichteten.
Der Woywode von Nerschinsk, Fedor Voykoff, entsendete den Bojaren
Milonoff, welcher ein Fort in der Nahe von Aigun griindete und die Nieder-
lassungen an der Dzeya und der Selenga iibernahm. Voykoff ernannte seinen
Sohn Andrei zum Gouverneur von Albazin, welches jetzt eine Garnison von
200 Kosaken hatte. Eine Schar von 61 Mann Kosaken und Pelzjagern unter
Garrilo Frolof ging von Albazin trotz des erhaltenen Gegenbefehls von Voykoff
und erbaute einen Handelsposten am Aigun, wahrend andere Pelzjager
Handelsforts an mehreren kleinen Fliissen, die in die See von Ochotsk miin-
deten, errichteten.
Diese Wiederbesetzung des Amurgebiets und das Aufbliihen von Albazin,
wo sich jetzt 4000 Morgen Land unter Kultur befanden, erregten die Aufmerk-
samkeit der Chinesen. Sie warfen eine starke Garnison nach Aigun und be-
festigten verschiedene Inseln im unteren Amur. 1683 wurde eine Abteilung
von 60 Kosaken unter Gregor Mylnikoff, welche die Garnison am Aigun ver-
starken sollte, von einer chinesischen Streitmacht von 560 Booten aufgehalten
Mylnikoff, der zu Unterhandlungen aufgefordert worden war, wurde zum Ge-
fangenen gemacht, von den Kosaken ergab sich ein Teil, der nach Peking ge-
sandt wurde, der Rest entfloh und warnte die verschiedenen Garnisonen, dass
eine chinesische Armee herannahe. Ein Teil der Forts wurde verlassen und
dann von den Chinesen verbrannt, Zeisk undTugursk indessenvon ihnennach
heftiger Gegenwehr erobert und die Besatzungen gefangen nach Peking gefiihrt.
Albazin wurde 1685 zur Ubergabe aufgefordert, lehnte aber ab. Die
Garnison von Tolbusin best and aus 450 Mann Kosaken, Rauchwarenhandlern,
Pelzjagern und Bauern, wahrend ein preussischer Baron, Alfred Beiton, der
nach Sibirien verbannt war, in Tobolsk ein Regiment von 600 Kosaken anwarb,
mit dem er Albazin zu Hilfe eilen wollte und sein Eintreffen bis Ende des
Jahres versprach. Inzwischen waren 18 ooo Chinesen mit 100 Kriegsbooten
vor Albazin erschienen mit Bogen und Pf eilen, Lanzen und Sabeln bewaffnet
sowie mit 15 Geschiitzen, 150 Wallbiichsen. Nach kurzem Kampfe zeigte sich,
dass die Festung aus Mangel an Munition nicht zu halten war. Man unter-
handelte mit den Chinesen, die der Garnison freien Abzug gewahrte mit
Waffen und Gepack.
Kaum war die abziehende Garnison eine Tagereise von Albazin entfernt,
als man auf die Vorhut der Ersatztruppen stiess, 300 Mann mit 5 Geschiitzen
und einem reichlichen Vorrat von Gewehren und Munition. Die Reiter von
Beiton waren schon in Nertschinsk angelangt. Waren sie 24 Stunden friiher
eingetroffen, so hatte sich Albazin gehalten. So kehrte man gemeinsam nach
Nertschinsk zuriick. Die Chinesen verbrannten Albazin und verlegten Aigun
vom linken auf das rechte Ufer und besetzten dasselbe mit einer Garnison
von 2500. Der neue Woywode von Nertschinsk, Iwan Klassof, war ein sehr
y. Kapitel. 10,7
energischer Mann. Da er nun durch Beiton eine verhaltnismassig starke Macht
zur Verfiigung hatte, beschloss er, Albazin wieder zu besetzen. Beiton mit
200 Mann wurde vorausgeschickt, Tolbusin mit 530 Mann folgte.
Die Hauser und ein starker Wall, 28 Fuss dick und 10 Fuss hoch, wurden
wieder aufgebaut, auch die Felder wurden neu bestellt und gaben grossen
Ertrag. Roggen und Hafer kostete damals in Albazin 9 Kopeken per Pud,
Weizen 12 Kopeken, wahrend zur selben Zeit das Weizenmehl in Nertschinsk
mit 3 Rubel pro Pud bezahlt wurde.
Die Russen wurden aber nicht lange in Frieden gelassen.
Der chinesische Gouverneur von Tsitsikar sandte eine starke Armee.
Eine Schar von 3000 Reitern erschien ganz unvermutet im Juli 1686 vor
Albazin und iiberfiel die russischen Pferdewarter, von denen 22 Mann fielen.
Zugleich kam auf dem Flusse eine Flotte von 150 Dschunken heran mit 6000
Be waff net en, die Felder wurden zerstort und das Fort eng belagert.
Die Chinesen besassen 20 Geschiitze, die angeblich von Europaern in
chinesischen Diensten bedient wurden. Zahlreiche Tungusen aus der Um-
gebung schlossen sich ihnen an. Es wurde mit grosser Energie gekampft. Die
Sturmangriffe der Chinesen wurden blutig zuriickgewiesen und in 5 Ausfallen
den Chinesen grosse Verluste beigebracht. Ende September fiel Tolbusin bei
einem Ausfall, und Beiton ubernahm den Oberbefehl. Im Felde hatten die
Russen nicht viel Leute verloren, aber wahrend des Herbstes brachen Skorbut
und andere Krankheiten aus, so dass Ende November die Garnison nur noch
aus 115 Mann bestand, denen es auch an Munition zu mangeln begann, trotzdem
wies Beiton alle Aufforderungen zur Ubergabe zuriick. Nach vielen Be-
muhungen war es gelungen, Boten nach Nertschinsk zu senden. Doch konnte
man von hier aus keine Hilfe bringen. Ende November machten sich aber
diplomatische Einfliisse in Peking geltend. Die Chinesen zogen sich 3 Werft
von den Wallen Albazins zuriick und schlossen dann im Mai einen Waffen-
stillstand, wahrenddessen die Besatzung Provisionen und Munition aus Nert-
schinsk beziehen konnte. Am 30. August 1687 zog sich die chinesische Armee
ganz zuriick und bezog ihre alten Quartiere in Tsitsikar und Aigun.
Die Russen durften ihre Dorfer neu aufbauen und ihre Felder bestellen,
aber nicht die Jagd ausiiben. Wie schon friiher erwahnt, hatte der Zar den
Kanzler Niefor Venekoff und I wan Fafarof nach Peking gesandt, welcher
von dort aus einen Brief des Kaisers von China mitbrachte, der in chinesisch,
mandschurisch und mongolisch geschrieben war und durch die katholischen
Missionare in Peking ins Lateinische iibersetzt war. Dieser Brief, adressiert
an die ,, grossen weissen Herren, Briider, Zaren und Autokraten", legte dar,
dass seit langerer Zeit von den chinesischen Offizieren, denen die Uberwachung
der Zobeljagd oblag, fort wahrend Beschwerden dariiber einliefen, dass die
friedlichen Zobeljager am Amur von den Russen in Albazin angegriffen seien
und sogar ins Gefangnis geworfen wurden, dass ferner die Stadte am unteren
Amur vielfach von den Russen angegriffen und beschadigt seien. Der Kaiser
198 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
sei daher gezwungen gewesen, mil Waffengewalt dagegen einzuschreiten, abcr
seine Offiziere waren stets mil grosser Milde aufgetreten und hatten etwaige
Gefangene stets sehr gut behandelt. Der Kaiser schlug dann vor, eine Gesandt-
schaft nach Peking zu schicken, um die Grenzfrage zu ordnen. Inzwischen
habe er Kuriere nach Albazin geschickt, um die Feindseligkeiten einzustellen.
Ende Januar 1686 verliess dann die beriihmte Gesandtschaft unter Fedor
Alexwitsch Golovin Moskau.
Er war begleitet von Iwan Ilin Vlasoff und Semon Korwitzky, sowie zahl-
reichen Legations- Attachees; als Eskorte erhielt er ein Regiment von 1500
Strelitzen unter Obers.t Skripizin. Zwei andere Regimenter unter Oberst
Paul Grabof und Anton von Smalenberg sollten in Sibirien ausgehoben werden,
die Provisionen und Munition aus Nertschinsk beziehen konnten. Am 30. August
im Herbst wurde Rybenskoi erreicht, wo Winterquartiere bezogen wurden.
Wahrend die Truppen weit zerstreut in den Dor fern an der Selenga lagen,
wurde das Hauptquartier von 15 ooo Mongolen angegriffen. Der Angriff
wurde aber blutig zuriickgewiesen, und 50 ooo Mongolen-Familien erklarten
sich nun zu russischen Untertanen. Im Sommer 1687 ging Golovin liber
Udinsk nach Seleginsk, von wo er einen seiner Attachees, Stephan Korowin,
nach Peking sandte, um das Nahen der Gesandtschaft anzuzeigen und einen
Platz fur die Konferenz zu verabreden. Korowin kehrte Ende Juni von Peking
zuriick mit der Nachricht, dass Selenginsk fur die Konferenz bestimmt sei
und die chinesischen Bevollmachtigten bereits unterwegs seien.
Die Gesandten warcn begleitet von dem Portugiesen Pereira, dem franzo-
sischen Jesuiten Gerbillon, 1000 Reitern, 8 Geschiitzen und einer grossen
Anzahl Mandarinen, Dienern usw., konnten aber infolge von Kriegen zwischen
den damals noch unabhangigen Mongolen nicht durchkommen und mussten
wieder umkehren. Golovin musste wieder iiberwintern und sandte inzwischen
einen Abgesandten nach Peking, um weit ere Verzogerungen zu verhindern
und einen neuen Konferenzort zu bestimmen. Nertschinsk wurde jetzt gewahlt.
Hier trafen auch am 10. Juli 1689 die chinesischen Gesandten So Fasalan
Ya und Kiu Kiu mit 1400 Soldaten zu Lande ein, wahrend 3000 chinesische
Soldaten auf zahlreichen be waff net en Dschunken auf der Schilka bei Nert-
schinsk ein trafen.
Im gar.zen bestand nun die chinesische Gesandtschaft mit Soldaten,
Dienern usw. aus 10 ooo Personen mit 4000 Kamelen und 15000 Pferden;
am 18. Juli traf auch Golovin ein.
Die Verhandlungen wurden mit grossartigem Zeremoniell geluhrt. Nach
grossen Schwierigkeiten kam dann am 29. August 1689, besonders durch die
Bemuhungen des Jesuiten, der beruhmte Vertrag von Nertschinsk zustande.
Als Grenzen werden der Nebenfluss des Amurs. Kerbecho, und die Bergkette,
welche an der Quelle des Kerbecho bis an das Meer reicht, erwahlt, alle Fliisse
und Landereien nordlich davon gehorten zu Russland und siidlich davon zu
China. Eine weitere Grenze bildeten der Aigun. Alle russischen Ansiedlungen,
7. Kapitel.
welch e sich gegenwartig sudlich davon befanden, sollten auf das Nordufer
iibergefiihrt werden. Albazin sollte geschleift und verlassen werden.
Die Pelzjager beider Machte diirften unter keinen Umstanden die Grenze
iiberschreiten. Wenn nur i oder 2 Personen die Grenze iiberschreiten, um zu
jagen, rauben oder zu pliindern, so sollten sie festgenommen und dem nachsten
Beamten zur Bestrafung ausgeliefert werden. Wenn indessen bewaffnete
Tiupps von 10 bis 15 Mann die Grenze zur Jagd oder Pliinderung iiber-
schreiten wiirden oder jemand dabei getotet wiirde, so solle eine Untersuchung
eingeleitet werden, an beide Kaiser ein Bericht eingesendet und die Schuldigen
mit dem Tode bestraft werden. Keinesfalls aber sollten derartige private
Ubergriffe Grund zum Kriege bilden.
Deserteure beider Machte sollten ausgeliefert werden; die sich gegenwartig
in China befindlichen russischen Untertanen und die Chinesen auf russischem
Fellausbeute in Nome (Alaska) zur Verladung bereit.
Gebiet durften aber bleiben, wo sie sind. Ausserdem konnten die Untertanen
beider Reiche, mit ordentlichen Passen versehen, die Grenzen iiberschreiten,
um Handel zu treiben. Dann wurden reiche Geschenke ausgetauscht und
auf Grenzsteinen der Text des Vertrages in mongolischer, chinesischer, russi-
scher und lateinischer Sprache eingemeisselt. Noch im selben Jahre wurde
Albazin verlassen und geschleift. Beit on mit ,der Garnison und alien Vor-
raten und Eigentum, auch mit decn eingesammelten Pelzwerk, kam nach
Nertschinsk. Die Truppen und Geschiitze Golovins wurden auf Nertschinsk
Selenginsk und Werchne Udinsk verteilt. Er selbst wurde nach seiner Riick-
kehr vom Zaren in den Fiirstenstand erhoben, und auf die Teilnehmer der
Gesandtschaft regnete es Orden und Medaillen.
Anfanglich wurden die Bestimmungen des Vertrages von Nertschinsk
streng innegehalten. So sollen im Jahre 1694 vier Jager in Nertschinsk auf
Verlangen der chinesischen Behorden hingerichtet worden sein, weil sie Zobel
in der Nahe von Albazin auf chinesischem Gebiet gejagt hatten.
Haufig wurden auch Pelzjager von den Eingeborenen erschlagen, wenn
sie heimlich die Grenzen kreuzten, da die Eingeborenen von tiefem Hass gegen
20O III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
die Amurkosaken erfiillt waren wegen ihrer friiheren Bedriickungen und Uber-
griffe. Die russischen Kosaken haben sich eben niemals und nirgends einer
besonderen Beliebtheit zu erfreuen gehabt.
Die Grenzen waren aber in dem Vertrage infolge der mangelhaften geo-
graphischen Kenntnisse sehr ungenau fixiert worden, und mehrten sich des-
halb die Grenzverletzungen fortwahrend. Noch in einem neuen Vertrage, den
1728 Graf Sava Vladislowfsch Bagusinsky mil den Chinesen abschloss, wurde
wiederum festgesetzt, dass Grenzverletzung mit dem Tode gesiihnt werden
sollte, aber allmahlich wurden die Chinesen miide, gegen die fortwahrenden
Grenzverletzungen zu reklamieren, und sie legten den verschiedenen For-
schungs-Expeditionen, die wahrend des 18. Jahrhunderts unternommen
wurden, kein Hindernis in den Weg. Auch Pelzjager kreuzten haufig unge-
hindert hinuber, und die Pelzausbeate der Eingeborenen fand sehr haufig
ihren Weg auf das russische Gebiet, trotzdem noch 1768 wieder vereinbart
wurde, dass jedem, der einen Grenziibertreter festnehmen wurde, das gesamte
Eigentum desselben, also Jagdbeute, Ausriistung usw., zufallen sollte und
auch der Wachtposten, der den Abenteurer durchschliipfen liess, eine hohe
Geldbusse zahlen miisse. Auch russische Straflinge, die iiber die Grenze nach
China flohen, wurden von den Chinesen unterstiitzt und gelangten iiber den
unteren Amur in die Kulturgebiete zuriick.
Die Chinesen sandten jahrlich zwei Expeditionen zur Priifung der Grenze,
die eine in Booten auf den Amur, die andere zu Lande langs des Argun bis
nach Ust Strelka, wo sich beide Expeditionen vereinigten und gemeinsam den
Amur hinabsegelten. Dicht hinter ihnen folgten aber die Kosaken, die von
den Oronitonen und Tungusen Felltribut einsammelten und einen lebhaften
Pelzhandel betrieben. Die russischen Ansiedler kamen dann auch iiber die
Grenzen, um Eichhornchen zu jagen.
Die Chinesen erhoben im Jahre 1700 Tsitsikar zum Gouvernementssitz
in dem Amurdistrikt, der zusammen mit dem Kirindistrikt unter den General-
gouverneur in Mukden gestellt wurde. 1811 betrug die Besatzung des Amur-
gebiets ca. 12 ooo Soldaten mit 240 Offizieren und einer kleinen Flotte Kreuzer-
dschunken mit ca. 2000 Mann auf dem Amur und seinen grossen Nebenfliissen.
Ein Nomadenstamm musste an Tribut, ausser Vieh und Korn, jahrlich
2398 Zobelfelle abliefern. Das Monopol des Pelzhandels auf dem Amur wurde
10 chinesischen Kaufleuten reserviert, die dazu eine ziemlich teure Lizenz in
Peking lossen mussten.
Die Grenzen waren, wie schon vorher angegeben, nicht genau bestimmt
und wurden immer mehr verwischt. Zuerst liessen sich russische Pelzjager
und Handler in dem streitigen Gebiete fest, Nertschinskische Bauern folgten
nach, und russische Tungusen trieben ihre Renntierherden auf die Weiden-
griinde der China tributpflichtigen Dauren, wahrend chinesische Tungusen
ihrerseits ihre Pferdeherden nach dem unteren Amur zum Verkauf an die
Russen sandten.
y. Kapitel.
201
Middendorf fand bei seiner grossen Forschungsreise in den chinesischen
Waldern am Stanovoi-Gebirge Abteilungen sibirischer Kosaken angesiedelt,
weit siidlich vom Scheidegebirge, die ihnen ruhig mitteilten, dass sie auf den
reichen Ertrag des Pelzhandels auf chinesischem Gebiet angewiesen waren.
Von verschiedenen Seiten wurde die freie Schiffahrt auf dem Amur ge-
f order! , da sie eine Lebensfrage sowohl fur Transbaikalien, als fur die An-
siedlung am nordlichen Pacific war. So hatte schon 1741 der Akademiker
Miiller auch ausserdem die Schiffahrt und den freien Handel auf dem Sungari
beantragt. 1806 versuchte Golovin auf seiner Gesandtschaft nach Peking
vergeblich die Forderung durchzusetzen. Auch Gouverneur Shemelin der
Fellladen in Nome (Alaska) mit Thlinkett-Indianer.
russisch-amerikanischen Pelzkompanie stellte 1816 offiziell den Antrag,
Schiffahrt und Handel auf dem Amur freizugeben, ohne damit durchdringen
zu konnen. Er hob besonders hervor, dass dann ca. 150 ooo Packpferde, die
jetzt fur den jahrlichen Transport der Provisionen und Handelsartikel ge-
braucht werden, die fur die Stationen am Pacific erforderlich sind, erspart
werden konnten.
Schon 1830 erwartete man bestimmt eine russische Invasion des Amur.
So erzahlte z. B. ein findiger Pelzhandler aus Udsk, der ein grosses Lager von
Messingkreuzchen iibrigbehalten hatte, dass ein russisches Kriegsschiff den
Amur heraufkommen wiirde und jeden Eingeborenen, der nicht ein solches
Kreuz als Erkennungszeichen hatte, erschlagen wiirde. In kurzer Zeit hatte
er seinen ganzen Vorrat gegen Zobelfelle und anderes wertvolles Pelzwerk
2O2 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
vertauscht. Seit 1830 machte der kiihne russische Polarforscher Hedenstrom
unausgesetzt in der russischen und auslandischen Presse fur die Forderung
Propaganda, der sich 10 Jahre spater auch die Kaiserliche geographische
Gesellschaft anschloss. Diese entsandte auch zahlreiche Expeditionen nach
Ostsibirien zur geographischen Erforschung mit politischem Hintergrund.
So verliess auch 1848 einer ihrer Sendboten, Vaganoff, ein fruherer Gefahrte
Middendorfs, Ust Strelka mit 4 Kosaken, um den Amur hinabzufahren. Er
verschwand aber mit seinen Begleitern spurlos, und alle Nachforschungen
und Aufforderungen an die chinesischen Behorden blieben erfolglos.
Muraview, der 1847 neuernannte Generalgouverneur von Ostsibirien,
beschloss aber nun, das Amurgebiet dem russischen Reich anzugliedern.
Kapitan Nevilskoi wurde in der Fregatte ,, Baikal" von Kronstadt nach
Ochotsk gesendet und ihm eine Anzahl Offiziere der russisch-amerikanischen
Pelzkompanie beigeordnet. So erforschte z. B. Leutnant Orloff von dieser
Gesellschaft die Amur-Miindung, entdeckte die Castriesbai, wo im Jahre 1853
Alexandrowsk Post errichtet wurde.
1850 befuhr Orloff die Amur-Miindung, um einen geeigneten Platz fiir
eine Stadt zu finden, und 1851 griindete dort Kapitan Nevilskoi die Platze
Nicolajewsk und Mariinsk, die der Russisch-amerikanischen Kompanie als
Handelsposten uberwiesen wurden.
1853 wurde durch Major Busse mit 150 Mann Anica Bay besetzt, ein
Fort Muraview angelegt, zu gleicher Zeit wurde auch Dui an der Westkiiste
von Sachalin, das damals den Chinesen gehorte, besetzt.
Auch eine der japanischen Kurilen-Inseln, Urup, wurde von den Russen
okkupiert.
1854 forderte Muraview die chinesischen Behorden auf, die Beforderung
auf dem Amur zu gestatten, da die russischen Kriegsschiffe am Pacific (,, Pallas",
,, Diana" und ,,Aurore") die dortigen russischen Ansiedlungen nur auf diese
Weise geniigend verproviantieren konnten. Sowohl der Gouverneur von
Maimatschin (gegenuber Kiachta), als der Generalgouverneur von Urga lehnten
dies ab, w7orauf Muraview am 27. Mai im Dampfer ,, Argun", mit 50 grossen
Barken und zahlreichen Flossen, die 1000 Mann Linieninfanterie und eine An-
zahl Kosaken trugen, Shilinsk verliess und das ganze Amurgebiet annektierte.
Er war begleitet von einem grossen wissenschaftlichen Stabe, aus Mit-
gliedern der russischen geographischen Gesellschaft und dem Topographen-
korps bestehend, welche das neue Gebiet auch wissenschaftlich untersuchten.
Auf Bitten des chinesischen Gouverneurs, der darauf hinwies, dass es
ihm in Peking den Kopf kosten wurde, wurde Aigun nicht betreten, aber das
ganze Amurgebiet, ein Reich von etwa 600 ooo Quadratkilometern, wurde
annektiert und auch gleich durch befestigte Garnisonen gegen jede Wider-
eroberung durch die Chinesen geschiitzt. Alexandrowsk an der Castriesbai
wurde stark vergrossert und begann hier alsbald ein lebhafter Handelsverkehr
mit amerikanischen Schiffen. 1855 erschien ein Gesandter aus Peking in Nicola-
7. Kapitel.
203
jewsk an der Amur-Mundung und verlangte, die rebellischen Barbaren sollten
sofort den Amur und das ganze chinesische Gebiet verlassen, und wenn sie
dessen noch fahig waren, Reue und Zerknirschung fiihlen iiber ihr schamloses
Raubertum. Er wurde aber nur ausgelacht. Muraview erhielt fiir seine fried-
liche Eroberang einer so grossen Provinz vom Kaiser von Russland den
ehrenden Beinamen ,,Amursky".
Jetzt brach aber der Krimkrieg aus, der naturgemass auch den fernen
Osten in Mitleidenschaft zog. Die Besatzungen vieler Posten wurden einge-
Tschuktschen bringen ihre Tagesbeute zum Verkauf an Bord von Handelsschoonern
in der St. Lawrence-Bucht (Behringstrasse).
zogen, so unter anderen das Fort Muraview an der Aniwabai, das sogleich
wieder von den Japanern in Besitz genommen wurde.
Auch Alexandrowsk wurde geraumt. Nur Nicola jewsk und Mariinsk
am Amur blieben besetzt, aber von kaum 1000 Mann zusammen verteidigt.
Alle verfugbaren Streitkrafte waren nach Petropawlowsk in Kamtschatka
dirigiert, wo sich auch grosse Depots der russisch-amerikanischen Pelzhandels-
gesellschaft befanden. Im ganzen nordlichen Pacific hatte Russland damals
nur die alte Fregatte ,, Pallas" und ,, Diana" und die kleine ,, Aurora" an der
ganzen Kuste zerstreut, wozu noch einige bewaffnete Briggs und Schoner der
Pelzhandelsgesellschaft kamen.
204 m^ Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Am 18. August erschien eine Flotte der Alliierten vor Petropawlowsk,
bestehend aus der englischen Segel-Fregatta ,, President" und ,, Pique", der
Kriegsbrigg ,,Oligado" und dem kleinen Kriegsdampfer ,, Virago" und den
franzosischen Segelfregatten ,, Forte" und ,,Eurydice" mit zusammen 190 Ge-
schiitzen und 2000 Mann Besatzung unter Oberbefehl des Admirals Price.
Die russischen Batterien wurden grosstenteils durch das Geschutzfeuer der
Schiffe zum Schweigen gebracht, und am 2. September wurden 700 Mann
gelandet zum Sturm auf die Stadt unter Befebl des Kapitans Parker. Beim
Uberklettern eines bewaldeten Hiigels gerieten sie aber in einen Hinterhalt
und erhielten durch das wohlgezielte Gewehrfeuer der geiibten Pelzjager der
Kompanie und der schussgewandten Kamtschatkaschen Barenjager schwere
Verluste. Eine verborgene russische Batterie von zwei Geschiitzen trat jetzt
in den Kampf ein, und die Angreifer flohen in wilder Flucht und wurden ver-
nichtet worden sein, wenn nicht die ,, Virago" bis dicht an die Kiiste gedampft
ware und die Einschiffung mit ihrem Geschutzfeuer deckte.
Die Alliierten verloren 9 Offiziere und 102 Mann. Am Abend erschoss
sich der Admiral Price in seiner Kajiite. Er wurde unter dem Schutz der
Schiffsgeschiitze am Ufer begraben, ebenso die im Kampf gefallenen Mann-
schaften. Der franzosische Admiral gab dann den Befehl zum Riickzug. Dicht
an der Kiiste wurden dann noch der Schoner ,, Anadyr" und die Bark ,,Sitka"
der Russisch-amerikanischen Pelzkompanie mit voller Ladung beschlagnahmt.
Die Alliierten trennten sich, die Englander gingen nach Vancouver, die
Franzosen nach Callao, wo auch der franzosische Admiral Febries Despointes
starb.
Admiral Bruce und Fournichon wurden jetzt mit Verstarkungen and
dem strikten Befehl, Petropawlowsk unter alien Umstanden zu nehmen, ent-
sandt. Auch dieser Platz empfing Verstarkungen in den Transport fahrzeugen
,,Cliwutzu" und ,,Kadiak", und die Befestigung der Stadt wurde erneuert.
Am 17. Marz kam aber die Ordre aus Petersburg, Petropawlowsk zu verlassen.
Die Garnison schiffte sich mit alien Geschiitzen und Vorraten ein, eine Fahr-
rinne wurde durch das Eis gebrochen und Castriesbai glucklich erreicht. Die
Einnahme von Petropawlowsk unterblieb.
Zur Besetzung des Amurgebiets entwickelten die Russen im Jahre 1855
lebhafte Tatigkeit, 3 Expeditionen verliessen Shilkinsk mit etwa 3000 Soldaten,
500 Kolonisten, zahlreichemVieh, Pferden undVorraten. Die Chinesen waren un-
fahig, demDurchzuge derTruppen auf dem Amur Widerst and entgegenzusetzen
Nur 4 Mandarinen kamen, um Protest einzulegen, da sie aber keinen geniigend
hohen Rang besassen, liess sie Muraviewr gar nicht vor. Mariinski entwickelte
sich zu einer bedeutenden Ortschaft, mehrere neue Dorfer wurden am Amur an-
gelegt und Nicolajewsk bedeutend vergrossert. Es befanden sich dort jetzt 150
Hauser, darunter mehrere Schulen und offentliche Gebaude. Im Hafen lagen
die aus Petropawlowsk entkommenen Schiffe. Auch Castriesbai war neu besetzt
worden und erhielt eine Garnison von 500 Mann. Jetzt erschien von neuem
y. Kapitel. 205
eine allierte Flotte in den russisch-amerikanischen Gewassern. 5 englische
Kriegsdampfer sowie 8 englische und 4 franzosische Segelfregatten mit zu-
sammen 480 Geschiitzen. Die Fahrzeuge der russisch-amerikanischen Pelz-
handelsgesellschaft fliichteten eiligst nach dem russischen Amerika, das bereits
zu Anfang des Krieges neutral erklart worden war, und die russischen Kriegs-
schiffe, 7 an der Zahl mit zusammen 90 Geschiitzen, versteckten sich so gut es
ging in d?n Hafen an der sibirischen Kiiste.
Die alliierte Flotte teilte sich; 7 Schiffe mit 184 Geschiitzen und 2000
Mann griffen am 31. Mai Petropawlowsk in Kamschatka an. Die gesamte
Garnison und die Bevolkerung hatte sich aber in die Walder des Innern zu-
riickgezogen. Die Batterien wurden zerstort und die offentlichen Gebaude
niedergebrannt. Dann kehrte dieser Teil der Flotte unter Admiral Bruce nach
Kalifornien zuriick, nachdem sie noch Sitka besucht hatte, um zu sehen, dass
keine Befestigungen dort errichtet seien.
3 Kriegsschiffe besuchten Agan, zerstorten dort das Eigentum der
russisch-amerikanischen Gesellschaft, und kaperten dann mehrere russische
Walfischfanger.
Ein anderer Teil der Flotte unter Commodor Elliot drang in Castriesbai
ein, das aber gleichfalls von der Besatzung in aller Eile verlassen war. Hier
fiel den Englandern ein grosser Post en Pelzwerk in die Hande. Die russische
Fregatte ,, Diana" war im Vorjahr nach Japan gegangen und Admiral
Putiatin hatte dort im Januar 1855 einen Handelsvertrag abgeschlossen sowie
die Teilung Sachalins durchgesetzt. Der nordliche Teil fiel an Russland, der
siidliche blieb Japan. Ausserdem wurde die Insel Urup in den Kurilen, wo
die russisch-amerikanische Kompanie bereits eine Handelsniederlassung hatte,
offiziell an Russland abgetreten. Bei der Ausfahrt aus der Bai von Jeddo
strandete aber die ,, Diana" wahrend eines Erdbebens und sank. Die Mann-
schaft wurde gerettet. Ein Teil wurde von dem amerikanischen Schoner
,, Caroline Foote" nach Petropawlowsk gebracht, ein weiterer Teil mit dem
Admiral selbst gelangte in dem selbsterbauten Schoner ,,Heda" nach dem
Amur, der Hauptteil aber, 276 Matrosen und Offiziere, wurden auf der Bremer
Brigg ,,Grete" eingeschifft, die aber am i. August von der Fregatte ,,Barracouta"
gekapert und als gute Prise erklart wurde.
Am 3. September wurde die Ansiedlung auf Urup in den Kurilen von
der englischen Fregatte ,, Pique" und der franzosischen ,,Sybille" beschossen
und genommen. Die Vorratshauser der russisch-amerikanischen Kompanie
wurden gepliindert und verbrannt und eine ganze Ladung Pelzwerk wurde
fortgefiihrt. Auch der Magazin-Ver waiter und sein Gehilfe, ein Jakute, wurden
zu Gefangenen gemacht und die Insel zum Eigentum der Alliierten erklart.
Ein Angriff der ,,Sybille" auf Castriesbai, wo eben eine amerikanische
Bark ,,Behring" fur die Russen Vorrate landete, wurde durch im Buschwald
verborgene russische Schiitzen vereitelt, und die gesamte alliierte Flotte verliess
dann die russischen Gewasser, nachdem sie wenig genug ausgerichtet hatte.
206 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Der Krieg hatte die Ansiedlungstatigkeit im Amurgebiet ziemlich lahm gelegt,
erst als im Juni 1856 der Friede auch hier draussen bekannt wurde, nahm sie
einen neuen Aufschwung. Beim Friedensschluss besass Russland nur die Stadte
Nicolajewsk und Mariinsk am unteren Amur, und eine Ansiedlung inCastriesbai.
Sachalin war verlassen worden, und am ganzen Amur von Ust Strelka bis
nach Mariinsk war keine Niederlassung. Auf dem Flusse befanden sich
3 Dampfer, der ,,Shilka", ,, Argun" und ,,Nadeshuda". Aber wahrend desjahres
waren 697 Barken mit Proviant, Vieh, den Strom herabgeschwommen.
Muraviewging nach Petersburg, um Mittel fiir die Kolonisten fliissig zu machen,
und inzwischen war Generalmajor Korsakoff Generalgouverneur.
Es wurde jetzt Blagowetschuski an der Miindung der Dseya in dem
Amur gegriindet, ferner Khingansk am Burejagebirge, und Sungarski Piket an
der Miindung des Sungari. Ein regelmassiger Postverkehr wurde eingerichtet.
Murawiew war es in Petersburg gelungen, das Interesse fiir den Amur zu er-
wecken und geniigend Mittel fiir die Kolonisation wurden bewilligt. Eine
Brigade Kosaken-Infanterie und ein Regiment Kavallerie wurden langs des
Flusses stationiert.
Zum ersten Male wurde auch der Amur fiir die Verkehrszwecke der
russisch-amerikanischen Kompanie benutzt.
Kapitan Fuornhelm fiihrte 100 Emigranten und 1000 Tons Provision den
Amur hinab. In seiner Begleitung befand sich auch Mr. Collins ,, commercial
agent of the United States for the Amur river".
Auch Graf Putiatin reiste den Amur hinab nach Nicolajewsk, und von dort
mit dem neu angekauften Dampfer ,,Amerika" nach dem Golf von Petchili, um
einen Vertrag mit China abzuschliessen. Auf der Reise erwarb er noch von
den Koreanern das Recht, eine Kohlenstation in Port Hamilton zu errichten,
wo von indes nie Gebrauch gemacht wurde. Die Verhandlungen in Tientsin
zerschlugen sich indessen, und Murawiew eilte nach Petersburg, da er einen
feindlichen Zusammenstoss mit China fiirchtete. Er erhielt die notigen Truppen
sowie 7 Kriegsschiffe, die sich den Operationen der Alliierten gegen China an-
schliessen sollten. Als er nach dem Amur zuriickkehrte, hat ten die Opera-
tionen der Alliierten inzwischen ihren Einfluss ausgeiibt und China weigerte
sich nun nicht mehr, den Vertrag zu schliessen.
Im Mai 1858 wurde ein Freundschaftsvertrag zu Aigun am Amur ge-
schlossen, wonach das linke Ufer des Amur bis zum Ussuri und vom Ussuri bis
zur Miindung beide Ufer an Russland abgetreten wurden, und der Sungari
und Ussuri dem russischen Handel geofmet wurden. Am 31. Oktober 1858
wurde das Amurgebiet von dem Gouvernement Irkutsk abgetrennt, und zu-
sammen mit Kamschatka an der Kiiste vom Ochotskischen Meer als Kusten-
provinz von Ostsibirien eine selbstandige Provinz mit der Hauptstadt
Nicolajewsk konstitutiert. Murawiew griindete jetzt auch die Stadt
Khabarowka an der Ussurimiindung sowie eine neue Stadt Sofyesk am unteren
Amur, i*
y. Kapitel.
207
Im nachsten Jahre wurde die neue Provinz wieder geteilt, in die See-
pro vinz mil der Hauptstadt Nicolajewsk und die Amurprovinz mil der Haupt-
stadt Blagowetschinski. 1858 waren bereits iiber 20 ooo Russen an den Ufern
des Amur angesiedelt mit ca. 8000 Mann Garnison.
Am 23. Januar 1858 erhielt auch ein neues Unternehmen, die Amur-
Kompanie, einen Charter, die mit einem Kapital von i Million Rubel ge-
griindet wurde und das Recht hatte, dies auf 3 Millionen zu erhohen. Sie
brachte vier Dampfer nach dem Amur, und schloss mit der Regierung einen
Vertrag, eine Telegraphenlinie von Moskau bis Nicolajewsk zu legen; die nach-
her iiber die Kurilen und Kamtschatka und iiber die Behringstrasse nach Amerika
fortgesetzt werden sollte.
Eisbaren bei Point Barrow (Alaska).
Die Gesellschaft errichtete mehrere Stationen am Amur und brachte im
nachsten Jahre noch 2 weitere Dampfer dorthin. 1860 betrug der Import in
Nicolajewsk und Castriesbai bereits iiber 4 Millionen Mark, ohne den Wert der
Dampfer und der gefuhrten Schiffsladungen von Regierungsbedarf zu
rechnen.
Sonst entsprach aber die neue Amurprovinz zunachst nicht den Er-
wartungen. Den Chinesen war nach den ersten Erfolgen bei den Takuforts
gegenliber den Alliierten 1859 der Kamm geschwollen, sie ignorierten die Ab-
tretung der Provinz vollkommen, und belastigten die Ansiedler sowie die
Schiffahrt auf dem Flusse fortwahrend. Ein Krieg zwischen Russland und
China schien unvermeidlich, da machte der Sieg der Franzosen und Englander
die Chinesen eilig bereit, einen neuen vorteilhaften Vertrag mit Russland zu
208 III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels
schliessen, der viel umfassender war, als einer der vorhergehenden. Im
November 1860 wurde derselbe vom Grafen Ignatiews und dem Prinzen Kung
in Peking unterzeichnet. 10 ooo Kolonisten aus dem westlichen Sibirien trafen
im Amurgebiet ein, aber da sie ebenso wie die Kosaken die Landwirtschaft nur
oberflachlich und altmodisch betrieben, so bauten sie nicht einmal so viel Ge-
treide, als zu ihrem eigenen Unterhalt notwendig war. Auf Anordnung der
russischen Regierung brachte darauf Kapitan von Vries 40 deutsche Familien
aus Kalifornien und ausserdem wurden 100 deutsche Mennonitenfamilien
aus Siidrussland an den Amur gebracht, um gewissermassen als Lehrer fur die
Kosakendorfer zu dienen. Heute ist das Ussurigebiet eine Kornkammer, ob-
gleich auch jetzt noch der landwirtschaftliche Betrieb dort viel zu wiinschen
iibrig lasst.
Um diese Zeit kam auch der erste deutsche Kaufmann nach dem Amur-
gebiet, der Hamburger Fr. Aug. Liihdorf, der mehrere Dampfer auf dem Amur
laufen hatte. Die Firmen H. W. Dickmann jr., Langeliittge, Kunst & Albers,
die heute den gesamten Handel von Ostsibirien beherrschen, kamen erst
mehrere Jahre spater. Die anderen damals in Nicolajewsk ansassigen Firmen,
Bordmann & Co. aus Boston, H. Pearce aus Boston, O. Esche aus St. Franzisko
und Cohn & Naumann aus St. Franzisko sind langst eingegangen. Die Amur-
Kompanie, die ihr Kapital auf 3 Millionen Rubel gebracht hatte, wurde so
nachlassig und unfahig geleitet, dass sie grosse Verluste hatte. Sie hatte die
Preise so hoch geschraubt und die Warenvorrate so wenig den Verhalt nissen
des Marktes angepasst, dass die Ansiedler ihre Bediirmisse, soweit sie nicht
von den deutschen und amerikanischen Kaufleuten in Nicolajewsk gedeckt
wurden, billiger direkt auf dem teuren Landwege aus Moskau bezogen, als
durch die Verkaufsladen der Kompanie. Durch die direkte Schuld der Bevoll-
machtigten del Gesellschaft waren auch in einem Jahre drei Schiffe mit wert-
vollen Ladungen an der Kiiste verloren gegangen. Nach zwei Jahren betrug der
Verlust bereits I Million Rubel, den dritten Teil des Aktienkapitals.
In einer Schiffsliste aus dem Jahre 1860 in Nicolajewsk finde ich, dass
damals 4 Segelschiffe aus Hamburg, zwei aus Boston, zwei aus St. Franzisko
und eins aus Honolulu im Hafen lagen. Die russisch-amerikanische Kompanie
beschaftigte sich zu dieser Zeit im Amurgebiet nur mit dem Pelzhandel, der
Spedition ihrer Ware nach ihrem amerikanischen Gebiet, und dem Eishandel
nach Schanghai und anderen Platzen. Den Eishandel hatte die russisch-
amerikanische Pelzhandels-Kompanie in Amerika 1852 aufgenommen und in
diesem Jahre mit der neugegriindeten amerikanisch-russischen Handelsgesell-
schaft in St. Franzisko einen Vertrag abgeschlossen, wonach sie von Sitka
jahrlich rund 1000 Tonnen Eis, a 35 Dollars, nach St. Franzisko liefern sollte.
1855 erlangte der President der amerikanisch-russischen Kompanie in
St. Franzisko durch personliche Audienz beim Kaiser in Petersburg einen Ukas,
wonach die Pelzhandelsgesellschaft das Eis zum Kostenpreise in die Kolonie zu
liefern habe, und zwar in geniigender Menge, um Kalifornien, Mexiko und die
y. Kapitel. 2OQ
Sandwichmseln zu versorgen. Sie sollte auch ferner Fische, Kohlen und Holz
liefern und dafiir die Halfte des Kostenpreises erhalten. Es erwies sich aber
bald, dass die neugegrundete Kompanie nicht geniigendes Kapital hatte. Es
konnten nicht geniigendVorratshauser gebaut werden, und die von Sitka ein-
treffenden Ladungen von Fischen, Eis usw. verdarben aus Mangel an geeigneter
Unterkunft. Schliesslich fallierte noch die Bank, in der die Eisgesellschaft ihr
Depot hatte, und der President ging mit allem Geld, das er erfassen konnte,
durch. Die russisch-amerikanische Pelzhandelsgesellschaft hatte eben mit ihren
kalifornischen Unternehmungen seit der Zeit des Grafen Rezanoff wenig Gliick.
Kapitan Furnhelm, derselbe der den ersten direkten Warentransport hinunter-
gebracht hatte, wurde nach St. Franzisko gesandt, und es gelang ihm endlich,
im Jahre 1859 den fatalen Kontrakt ohne Inanspruchnahme des Gerichts zu
losen.
Die Indianer hatten sich noch mehrfach sehr feindlich erwiesen und
sowohl Angriffe auf Sitka gemacht als auch das russische Fort Andreefky
zerstort. Doch gelang es dem Gouverneuer Woiwodky die Thlinkets zur Unter-
werfung und zur Eroffnung eines regelmassigen Handels zu bringen. Ein Platz
am Stikeenriver wurde als neutraler Punkt erklart, wohin die Indianer ihre
Pelzausbeute bringen sollten. 1859 wurde auch der 1840 abgeschlossene und
1849 auf I0 Jahre verlangerte Pachtvertrag mit der Hudsonbay Company
bis zum i. Juni 1862 verlangert. Die Pachtsumme best and noch immer aus
2000 Seotterfellen jahrlich.
Jetzt hatte dieser Vertrag schon einen hoheren Wert, denn die Tiere
fingen an, seltener zu weiden. Man zahlte jetzt schon fur ein sehr gutes Fell
500 Taler und der Durchschnittswert war 200 Taler pro Stuck.
Kapitan Furnhelm wurde jetzt zum Gouverneur der Kolonie ernannt.
Da der Freibrief der russisch-amerikanischen Kompanie, beinahe ab-
gelaufen war, aber viele Klagen iiber Missbrauche laut wurden, so wurde vor
Einleitung von Verhandlungen dei kaiserliche Kammerherr Paul Nicolajewitsch
Golovin nach Alaska gesendet, um die ganzen Verhaltnisse genau zu unter-
suchen.
Sein Bericht wurde 1862 in Petersburg veroffentlicht, und enthalt viele
interessante Einzelheiten. Das ursprungliche Kapital war, wie wir schon fruher
erwahnt 98 ooo Silberrubel gewesen. 1818 wurden die Aktien statt 150 Rubel
auf 500 Rubel pro Stuck umgeschrieben, ohne dass eine Nachzahlung erfolgte.
1844 besass die Gesellschaft bereits ein Reservekapital von 450 ooo Rubel.
1862 zur Zeit als der Bericht veroffentlicht wurde, war das Kapital auf
660 ooo Rubel, die Reserven auf 750 ooo Rubel angewachsen. Die Dividende
schwankte zwischen 6 und 15 Proz. jahrlich.
Wahrend der Jahre 1840 — 1860 war der Bruttogewinn der Gesellschaft
zusammen 20 Million Rubel, daraus empfing die kaiserliche Regierung Abgaben
in Hohe von 4 Millionen Rubel, an Dividende wurden ca. 3 Millionen Rubel
wahrend dieser Zeit verteilt. Um dem Mangel an Umlaufsmitteln abzuhelfen,
14
• 2IO III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
hatte die Kompanie im Jahre 1860 fur 40 ooo Rubel eine Art Papiergeld
ausgegeben, das in gestempelten Lederstiickchen befand. Im Hamburger
Museum befinden sich noch einige soldier Stiicke.
Golovin berichtet noch iiber die Verhaltnisse in den Kolonien. Das
Ganze stand unter einem Generaldirektor, der vom Direktorium in Petersburg
erwahlt wurde. Er hatte die absolute Gewalt in Handen, denn im Territorium
gait das Gesetz nicht, sondern nur die Statuten der Gesellschaft. So musste ein
Auslander, der beim Schmuggeln auf Sitka abgefasst war, freigelassen werden,
da es kein Angestellter der Gesellschaft war und deshalb deren Statuten nicht
bindend fur ihn war en.
Das Territorium war in 6 Distrikte eingeteilt. I. Sitka von Mt. St. Elias
siidwarts. II. Kadiak von St. Elias bis Bristolbay und westlich bis zu den
Shumagin-Inseln. III. St. Michael bestehend aus Norton Sund. Yukon-
Distrikt und dem Kuskoquim-Distrikt. IV. Unalaska von den Shumagin-
Inseln bis zu den Pribyloffs und die Fuchsinseln. V. Atka bestehend aus dem
Rest der Aleuten-Inseln und den Commandorski-Inseln (Copper- und Behring-
Inseln). VI. Die Kurilen.
Golovin berichtet mit Entriistung iiber die Behandlung, welche die
Aleut en von der Kompanie erdulden mussten, namentlich anfangs, wo viele
Tausende von Glottof und Solovief unter den grossten Grausarrikeiten getotet
wurden. Aber auch spater wurden sie mehr wie Tiere als wie Menschen be-
handelt. Sie waren die Sklaven der Kompanie und mussten an alien Jagd-
expeditionen teilnehmen, und auch ihre eigene Beute an die Russen verkaufen,
gegen Waren, deren Preise ganz willkurlich von der Gesellschaft festgesetzt
wurden. Ihre Zahl nahm deshalb auch rapide ab. In 1799 waren es 10 ooo Mann
1808 waren sie nach der Zahlung Rezanoffs auf 4300 zusammengeschmolzen
und 1860 existierten nur noch 1500. Die Verhaltnisse waren also ganz ahnliche
wie heute im Congo- Staat. Auch die Angestellten wurden schlecht bezahlt und
schlecht verpflegt. Die Nahrung bestand vorwiegend aus Fisch, gelegentlich
Wild und Speck. Brot, Mehl, Gemuse musste von der Kompanie zugekauft
werden, die dafur hohe Preise rechnete. »
Auch die Missionare kamen im Bericht Golovins schlecht weg, sie seien
faul, habsiichtig und trunksuchtig. Die von ihnen unterhaltenen Schulen in
denen ausser Religion und etwas Lesen nicht s gelehrt wurde, waren fast
gar nicht von den Eingeborenen besucht. Die Zahl der christlichen Thlinkets
die 1846 noch 531 betragen hatte, war 1859 auf 3^ zuriickgegangen. Die Ge-
sellschaft hatte selbst 1860 eine Schule er off net, in der auch Eingeborene unter-
richtet werden sollten. Sie mussten sich aber als Gegenwert fur den 5 jahrigen
Unterricht verpflichten, 15 Jahre lang der Gesellschaft zu dienen, fur einen
Jahreslohn von 20 bis 70 Rubel.
Golovin berichtet auch iiber die derzeitigen Handelsverhaltnisse, die er
als sehr ungiinstig bezeichnet. Die Gesellschaft durfte weder Waff en und
Munition noch geistige Getranke an die Eingeborenen verkaufen. Nun war
7. Kapitel. 211
aber bereits seit 1850 regelmassig ein Dampfer der Hudsonbay Company
zwischen den Inseln erschienen, der den Eingeborenen mitteilte, dass sie alle
die verbotenen Artikel von ihren Handelsposten erhalten konnten. Der
russische Handel mil den Eingeborenen des Alexander- Archipel horte dadurch
vollkommen auf. Ebenfalls seit 1860 besuchten Handelsschoner und Briggs
von Honolulu aus regelmassig die Niederlassungen der Tschuktschen an der
asiatischen Kuste und tauschten Felle, Wallrosszahne von ihnen gegen die ver-
botenen Artikel ein, die von den Tschuktschen dann weiter an die Eingeborenen
Sibiriens verhandelt wurden. Die Fellausbeute dieser Honoluluhandler fand
ubrigens ihren Weg meist nach Bremen. Im Amurgebiet tut die Konkurrenz
der deutschen und amerikanischen Kaufleute dem Geschaft der Kompanie
ungeheuren Abbruch.
Golovin starb gleich nach seiner Riickkehr aus Petersburg. Sein
Bericht war im ganzen der Kompanie nicht ungiinstig gewesen, aber gleich-
zeitig verof fentlichte ein Halbblut aus Alaska, ein gewisser Kashewarof f , der in
Petersburg wohnte, eine scharfe Kritik der Zustande in den Kolonien, und die
Richtigkeit derselben wurde von dem beruhmten Forscher Baron Wrangell
bestatigt.
Die Regierung beschloss deshalb, den Charter nicht zu erneuern. Die
Kompanie hatte von nun an keirae Rechte, die nicht jedem russischen Untertan
freistanden. Auch das Verbot der direkten Seeottereinfuhr nach Russland
wurde aufgehoben. Es verblieb ihr nur das Eigentumsrecht an ihrem beweg-
lichenVermogen und dem wirklich in Gebrauch genommenen Grund und Boden.
Sie konnte natiirlich fortfahren, Handel zu treiben, hatte aber keinerlei Hoheits-
rechte. Alle Schulen wurden aufgehoben, die Ausgaben stark eingeschrankt
und an Stelle des Direktors trat ein kaiserlicher Beamter, zunachst Gouverneur
Maksutoff. Die Gesellschaft machte noch alle Anstrengungen, ihr Geschaft ge-
winnbringend zu gestalten. Ein neuer Eiskontrakt wurde abgeschlossen, wo-
nach sie jahrHch 3000 Tons Eis a 25 Dollar pro Ton an eine St. Franzisko-
Eis- Gesellschaft liefern sollte.
Einen Lichtblick schien auch die Griindung der Western-Union-Telegraph-
Kompanie zu bringen, welche eine Telegraph enlinie durch Alaska, iiber die
Behringstrasse und das Tschuktschengebiet zum Anschluss an den russischen
Uberlandstelegraphen legen wollte. Es ist hier nicht der Platz, auf dieses Unter-
nehmen einzugehen. Ein grosser Teil der Strecke war schon fertig, als das
Gelingen des ersten neuen atlantischen Kabels die amerikanische Gesellschaft
zur Aufgabe des Unternehmens brachte.
1867 wurde dann der Vertrag zwischen der russischen Regierung und den
Vereinigten Staaten abgeschlossen, wonach ganz Alaska fur 7 Millionen Dollar
in den Besitz der U. St. uberging.
Die Ubergabe musste frei von alien Privilegien, Vorrechten oder sonstigem
Vorbehalt sein, die irgend welch erGesellschaftgehorten, wo fur die amerikanische
Regierung dann noch eine Entschadigungssumme von 200 ooo Dollar an die
212 III". Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
russisch-amerikanische Gesellschaft bewilligte. Nur Privateigentum einzelner
Personen verblieb denselben.
Alle Einwohner batten innerhalb drei Jahre die Wahl, ob sie nach
Russland zuruckkehren, oder amerikanische Burger werden wollten, mit Aus-
nahme natiirlich der eigentliche Eingeborenen, Indianer, Aleuten und Eskimos.
Die russisch-amerikanische Kompagnie erhielt durch besondereVerhandlung
noch einen Aufschub von einem Jahr, in welchem sie ihre Niederlassungen auf-
losen und die Vorrate von Waren, Fellen usw. entfernen durfte. Alle Archive
usw. gingen in den Besitz der U. St. iiber. Die griechische Kirche verblieb in
dem Besitze ihrer Gebaude und des ihnen fest verliehenen Grund und Bodens.
Die Gesellschaft war nunmehr ganz auf den Gang ihres Handels in
Kamtschatka und Ostsibirien angewiesen, sowie auf die Ausbeute der Jagd auf
den Komodorski-Inseln, Copper und Behring-Island, auch den Kurilen-Inseln
die bekanntlich erst 1875 an Japan abgetreten wurden, und die zur damaligen
Zeit noch ein Hauptfundort fur Seeottern bildeten. Noch im Jahre 1880 schickte
die japanische Regierung jahrlich ca. 400 Seeottern nach London in Auktion.
Durch die Monopolwirtschaft aber verwohnt, und auch sonst wohl schlecht
geleitet, konnte sich die russisch-amerikanische Pelzkompanie nicht halten
und loste sich auf. Jetzt wurde auch fur die Einfuhr in Russland das letzte
Pelztier, dessen Einfuhr verboten war, die Seeotter, freigegeben.
Urspriinglich war j a der ganze sibirische Pelzhandel, wie wir friiher ge-
sehen hatten, Monopol, doch wurden allmahlich immer mehr Pelzsorten zur
Einfuhr gegen Zoll freigegeben. Der Pelzhandel im Innern war stets frei, und
fand hauptsachlich auf den grossen Messen statt. Die alteste Messe, die wir er-
wahnt fin den, ist das alte Bolgar unterhalb der Miindung der Kama im
Gouvernement Kasan. Schon im n. Jahrhundert erwahnt der arabische
Schriftsteller Ibu Forslam, dass in Bolgar ein grosser jahrlicher Markt statt-
fande, wohin russische Kaufleute Madchen und Zobelfelle zum Verkauf
brachten, auch Grauwerk und Biberfelle, Fiichse und dergleichen seien dort
zu finden.
Bolgar war die alte Hauptstadt des Bulgarenreiches in Nordrussland,
wurde aber dann durch die Mongolen erobert, durch die Kirgisen besetzt und
. schliesslich gegen Ende des 14. Jahrhunderts durch Tamerlan zerstort.
Fiir das eigentlich russische Pelzgeschaft von Bedeutung wurde aber erst
die Messe von Makariew an der Wolga im Gouvernement Nishnij-Nowgorod,
die um das Jahr 1530 begriindet, bald einen grossen Umfang annahm. 1633
wurde dann die Messe zu Irbit gegriindet, die alljahrlich vom I. Februar bis
i. Marz stattfindet. Erst 1775 erhielt Irbit trotz seiner Bedeutung Stadtrechte,
undzwar als Belohnung fur seinen Widerstand gegen die Scharen des Emporers
Pugatschew, der sich bekanntlich fur den ermordeten Kaiser Peter III. aus-
gegeben, und die sibirischen eingeborenen Stamme um sich geschart hatte. Um
die Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Messen in Charkow eingerichtet,
die jetzt jahrlich zweimal statt finden, im Oktober und Januar, und die fur den
y. Kapitel.
213
Rauchwarenhandel auch von Bedeutung sind. Der Gesamtumsatz auf diesen
beiden Messen an alien zugefiihrten Waren soil 100 Millionen Rubel erreichen.
Nachdem 1869 im Vertrage zu Nertschinsk, wie wir friiher bereits gesehen,
Kiachta zum alleinigen Grenzhandelsplatz fur den Handel zwischen Russland
und China bestimmt war, wurde dort 1727 die beriihmte Messe eingeiichtet,
die alljahrlicb im Dezember stattfindet, wo russische Fabrikate, haupt-
sachlich Rauchwaren gegen Tee und Seide getauscbt wurden. Dieser Handel
war ungemein lukrativ und die russischen Kaufleute, die die Kiachtamesse
regelmassig besuchten, geborten zu den reichsten Russlands. Der Konsum
Bilder aus Nishnij-Nowgorod: Persianer Handler.
von Champagner, zu 25 Rubel per Flasche, war wahrend der Messe ein unge-
heurer. 1860 aber, als der russische Handel langs der Grenze freigegeben wurde
und auch die Vertragshafen dem russischen Handel geoffnet wurden, biisste die
Messe von ihrer Bedeutung stark ein, um no( h mehr durch die Eroffnung der
eibirischen Barm zu verlieren. Wann die Messe in der 1630 gegriindeten Stadt
Ischim in der Kirgisensteppe am gleichnamigenNebenfluss der Irtisch gegriindet
wurde, ist nicht genau bekannt, wahrscheinlic h gegen Ende des 17. Jahrhundert
Der Jahrmarkt findet allj ahrlich vom i. bis 20. Dezember statt, und dient
als Hauptverkehrsstatte fiir den Handel mit den Kirgisen und der ganzen
Umgegend. Sollen doch wahrend der Messe an 20 ooo Fremde herbei-
stromen, nicht nur von Tomsk, Semipalatinsk, Tobolsk usw., sondern auch
von Moskau.
Es werden dort hauptsachlich Kamelwolle, Wolle, Haute, Schaffelle,
214
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Bucharischer Verkaufer von Persianerfellen.
Schmuckfedern und Rauchwaren
umgesetzt im Werte von etwa
10 Millionen Rubel. Namentlich
die Hermelin von Ischim geniessen
einen Weltruf.
Auch das ganz in der Nahe
am Ischinfluss gelegene Petro-
pawlowskhat eine jahrliche Messe,
die aber fur Rauchwaren weniger
Bedeutung hat und hauptsach-
lich die Produkte der kirgisischen
Viehzucht umsetzt. Schlachtvieh,
Kamerwolle, Wolle, Darme, Schaf-
felle, Lammfelle usw. Zirka 200 ooo Steppenrinder werden hier wahrend der
Messe im Spatherbst geschlachtet und im gefrorenen Zustand nach Russland
gesandt. In der letzten Zeit kommen auf diesen Markten auch viel Murmel-
felle usw. zum Verkauf.
Nachdem die Messe zu Makariew 3 Jahrhunderte lang in hoher Bliite
gestanden, brannte 1816 der Ort wahrend eines schweren Sturmes nieder. Die
grossen dort errichteten Kaufhofe wurden bis auf den Grund zerstort. Nach ein-
gehender Beratung der beteiligten Kreise wurde die Messe nicht wieder dort
erofmet, sondern 1817 nach dem aufbluhenden Ort Nishnij Nowgorod verlegt,
aber nicht nach der eigentlichen Stadt selbst, sondern derselben gegenliber auf
einer von der Wolga und der Oka gebildeten Landzunge wurde eine besondere
Messestadt mit mehreren hundert grossen Kaufhofen, uber 6000 Messebuden,
Theater, Hotels etc. erbaut, die liber 10 Monate des Jahres leer steht. Nur
wahrend der Messe, die vom 15. Juli russischen Stils (28. Juli) bis zum 17. Sep-
tember stattfindet, durchflutet eine ungeheure Menschenmenge die Gassen,
durch die sonst nur der Schritt der Wachter widerhallt.
Die Messe zu Nishnij Nowgorod nahm infolge der giinstigen Lage zwischen
Europa und Asien bald den ersten Rang ein und wurde die beruhmteste
Messe der Welt. Kaufleute aus Persien, dem Kaukasus, von der Krigisensteppe
und den Stadten Sibiriens stromten dorthin. Man sah Vertreter aller asiatischen
Volker, selbst die schlitzaugigen Bewohner des fernen Cathay und die renntier-
ziichtenden Samojeden von den Ufern des Eismeeres kamen hin. Aus alien
russischen Stadten stromten die Kaufleute zusammen, namentlich die Rauch-
warenhandler aus Moskau, Petersburg, Sklow, Charkow, Wilnausw., aber auch
Deutsche blieben nicht aus, und scheuten nicht die weite Reise per Post nach
Moskau und von dort, entweder auf dem Landwege auf den riittelnden Telegas,
oder auf dem bequemeren Wasserwege, zuerst auf den schwerfalligen Segel-
booten, den Lotkas. Spater als die Bahn bis Moskau ging, und auf der Wolga
Dampfer verkehrten, die nach Art der Mississippi-Dampfer schwimmenden
Palasten gleichen, nahm naturlich der Besuch nichtrussischer Einkaufer und
y. Kapiteh
215
Von der Nishnij-Messe.
Verkaufer zu. Die Mehrzahl
bildeten allerdings und bilden
noch heute Leipziger Rauch-
warenhandler, aber seit Er-
bauung der Bahn von Moskau
nach Nishnij besuchen auch
Londoner und New Yorker
Kaufleute die Messe zum Ein-
kauf . Zwar hat mit der uberall
einsetzenden Dezentralisation
des Handels die Nishnij-Messe
nicht mehr die Bedeutung von
fruher?wo uberhauptdergrosste
Teil der russischenRauchwaren
hier zusammenstromte, doch
ist sie immerhin noch heute von hervorragendem Einfluss auf den Geschafts-
gang der Rauchwarenbranche. Der Gesamtumsatz betragt auch jetzt noch
mehr ere hundert Millionen Rubel.
Der Hauptsitz des russichen Rauchwarenhandels waren Petersburg und
Moskau. Zwar befanden sich in alien Stadten des Landes grosse und kleine
Rauchwarengeschafte, meist in den Handen polnischer Juden befindlich, die
alljahrlich die Leipziger Messe aufsuchten, um sich mit Waren zu versorgen,
soweit der ihnen eingeraumte Kredit reichte, der eigentliche Grosshandel
ruhte aber in wenigen Handen, z. B. des deutschen Hauses Mertens & Sohne
in Petersburg, der Herren Sorokumowsky und Odnoschewsky, Swaeteschnikoffs
und anderer, die schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ihre Umsatze
und ihr Vermogen nach Millionen bezifferten.
Das eigentumliche war dabei, dass der russische Rauchwarenhandler bei den
emgefiihrten amerikanischen und anderen auslandischen Waren einen Kredit
von 9 bis 12 Monaten bean-
spruchte, die russischen Rauch-
waren aber nur gegen Bar-
zahlung abgegeben wurden. Es
befassten sich deshalb auch ver-
schiedene Bankhauser und Spe-
ditionsgeschafte wie Zenker &Co. ,
Gerhard & Hey, Knoop & Co.
und andere mit der Abwicklung
dieser Geschafte, indem sie die
Waren in Russland ubernahmen
und bezahlten, und dann in
Deutschland nach besonderer
Vereinbarung auslieferten. Es Von der Nishnij-Messe.
2l6
III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Leipziger Rauchwarenhandler an Deck eines
Wolgadampfers auf der Fahrt nach Nishnij.
geschieht dies zum grossen Teil
noch heute.
Friiher wurden in Moskau
alle Rauchwarengeschafte an der
Borse abgewickelt oder eigentlich
richtiger vor der Borse, denn die
wenigsten Kaufleute gingen bin-
em, die meisten standen auf der
Strasse vor der Borse. Viele der
grossten Handler besitzen auch
nicht die Berechtigung zum Be-
such der Borse, die den Kauf-
leuten erster Gilde vorbehalten
war. Heute wickelt sich aber ein
grosser Teil des Geschafts auch
ausserhalb der Borse ab, namentlich die Tartaren in deren Handen ein grosser
Teil des Handels mit sibirischen und mittelasiatischen Produkten liegt, be-
suchen nie die Borse, sondern verlangen, dass man sie in ihren Lagerhofen
aufsucht. Einzelne derselben sind von ganz gewaltigem Umfange und be-
herbergen Warenmengen von vielen Millionen Rubeln, die fast nie ver=
sichert sind.
Die Form dieser vielen Hofe, die von kleinen Lagerschuppen umrahmt
sind, wahrend sich die Kontore im Vorderhaus befinden, erinnert an die grossen
Geschaftshauser, die ich in der Mandschurei getroffen habe. Wie aber auch
die Geschafte betrieben werden, niemals werden sie ohne Zuhilfenahme eines
Maklers abgeschlossen, denen bei der Schwerfalligkeit der meisten russischen
Kupetz eine sehr wichtige Rolle zufallt. Einen sehr grossen Aufschwung nahmen
die russischen Geschafte, als nach dem Aufhoren der russisch-amerikanischen
Gesellschaft, auch die letzten Einfuhrbeschrankungen aufhorten und ausser-
dem gleichzeitig in Leipzig den russischen Kaufleuten der weitgehendste Kredit
eingeraumt wurde, und zwar haufig nicht in gerechtfertigen Massen. Namentlich
in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beliefen sich die
in Russland erlittenen Verluste auf ungeheure Summen, allein bei der durch den
russisch-tiirkischen Krieg verursachten Krisis des Jahres 1878, als der russische
Rubelkurs von 2,60 Mk. auf 1,70 Mk. fiel, verlor der Leipziger Rauchwaren-
handel in Russland gegen 20 Millionen Mark. Gegenwartig werden nicht an-
nahernd so weitgehende Kredite mehr gewahrt als fruher, da heute Leipzig bei
seinen Beziehungen zum Weltmarkt auch nicht mehr auf den russischen Markt
angewiesen ist, wie fruher. Damals erschienen die russischen Einkaufer gleich
nach den Osterfeiertagen und blieben haufig bis zu Beginn der Nishnij -Messe
in Leipzig, was ubrigens vereinzelt noch jetzt geschieht.
Wahrend die Nishnij -Messe ubrigens schon fruhzeitig von auswartigen,
namentlich Leipziger Kaufleuten, besucht wurde, war dies mit der Irbitmesse
7. Kapitel. 217
viel weniger der Fall. Die Fahrt dorthin war auch mitten im Winter eine so
beschwerliche, dass nur verhaltnismassig wenig deutsche Rauchwarenhandler
dorthin reisten, sondern lieber ihre Auftrage Moskauer Kaufleuten mitgaben,
welche nach Irbit reisten. Mehr besucht wurde dieselbe, als die Bahn bis
Kasan und spater bis Perm ging, doch waren es von dort aus immerhin noch
fast 8 Tage im Schlitten.
Als die sibirische Bahn in Angriff genommen wurde, beschloss man auch
eine Zweiglinie nach Irbit zu legen, doch die weisen Leute der Stadt petitio-
nierten, dass doch ja die verderbenbringende Loko motive von der Stadt fern-
gehalten wurde, da der Handel sonst unbedingt vernichtet wurde, eine An-
schauungsweise, die von vielen Stadt verwaltungen Sibiriens geteilt wurde.
Es geschah auch nach den Wiinschen der biederen Irbiter, immerhin wurden
sie aber dem Weltverkehr bedeutend naher geriickt. Von Tscheljabinks, dem
bedeutendsten Eisenbahnknotenpunkt am Ural, zweigt sich eine Seitenlinie
ab, auf der man in einem Tage iiber Jekaterinenburg nach Kamyschlow gelangt.
(Von Moskau bis Tscheljabink braucht man etwa 70 Stunden). In Kamy-
schlow miissen allerdings wieder die Schlitten bestiegen werden, um die letzten
110 Kilometer. zuriickzulegen, was in 10 Stunden geschieht, bei der Kalte des
sibirischen Winters kein Vergniigen,
Der Aufenthalt, in dem jeglichen modernen Komfort entbehrenden iiber-
fiillten Irbit, ist auch gerade keine Annehmlichkeit, namentlich, da man fast
stets auf Privat-Logis angewiesen ist, was schon in den, russischen Provinz-
stadten fur den gebildeten Mitteleuropaer starke Entbehrungen auferlegt.
Trotzdem sind in Irbit zur Messe wohl 20 — 30 000 Fremde aus alien Teilen
Sibiriens, Russlands und Mitteleuropas anwesend, und schon viele Wochen
vorher sind die Strassen mit unendlichen Schlittenziigen bedeckt, die in langer
Reihe die Produkte Sibiriens, wie Rauchwaren, Wolle, Haute, Federn, Kamel-
wolle, Darme, Schmuckfedern usw., die Erzeugnisse der uralischen Eisen-
industrien, die Teekisten des fernen Chinas, den Zucker und die Baumwoll-
waren Russlands usw. herbeifuhren. Die auf der Irbitmesse gezahlten Preise
bilden noch heute einen Wertmesser fur die russischen Produkte. Aber mit der
Ausdehnung des Schienennetzes hat doch die Bedeutung des Marktes nach-
gelassen. Zahlreiche Moskauer Kaufleute, teilweise im Auftrage Leipziger
Firmen, sowie Leipziger Rauchwarenhandler selbst, bereisen mit Beginn der
Saison die Hauptzentren, wie Orenburg, Taschkent, Tobolsk und selbst das
feme Irkutsk um Abschliisse zu machen, Waren zu ubernebmen, so dass nur
noch ein Teil der sibirischen und mittelasiatischen Produkte nach Irbit und
Nishnij Nowgorod gelangt, der andere Teil gelangt aber direkt nach Leipzig.
Durch den dadurch erzielten Wegfall der Zwischengewinne und die verringerten
Unkosten, gewinnt natiirlich auch der Gesamtumsatz, der sich in den letzten
Jahren vervielfacht hat.
Genauere Zahlen werden in Tabellenform am Schluss des Buches
gegeben.
2l8 ITT. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
Wie wir in einem friiheren Artikel gesehen haben, war das MonopoT
des Seehundsfanges auf den bei Russland verbliebenen Commodorski-Inseln
Copper und Behring Island an die St. Franzisko Firma Hutchinson Kohl & Co.
auf 20 Jahre verliehen worden, die dasselbe an die Alasca Commercial Company
verausserte. Der Fang war auf 60 ooo Seehunde jahrlich festgesetzt worden.
Nach dem Erloschen des Vertrages von 1889 bildete sich in Petersburg eine
russische Gesellschaft unter der Leitung des bekannten Kiirschners Griinwald,
der die Ausnutzung des Monopols ubernahm. Die Zahl der jahrlich zu totenden
Tiere wurde aber infolge der unablassigen Verfolgungen auf hoher See erheblich
eingeschrankt und kommen jetzt jahrlich nur ungefahr 8000 Copperisland-
Felle auf den Markt. Der alleinige Verkauf derselben findet in London auf
der Marzauktion von C. M. Lampson & Co. statt.
Der Handel mit Seehundsfellen ist an der ganzen Kiiste von Sibirien und
Kamtschatka verboten. Nur hin und wieder verkauft die russis'che Regierung
in Wladiwostok die Ladung eines beschlagnahmten Schoners. . Als ich in
Wladiwostok war, lagen etwa ein Dutzend Schoner meist amerikanischen und
kanadischen Ursprungs dort im Hafen zum Verkauf.
Jetzt sind aber fast ausschliesslich die Japaner die Wilderer, die auch
ofters Landungsversuche machten, in der letzten Zeit aber durch die ver-
starkten Kiistenwachen auf den Inseln mehr in Schach gehalten werden. Die in
der Nahe der Commodorski-Inseln gelegene kleine „ Rookery" auf Robben-
Island wurde nach dem russisch-japanischen Kriege von Japan behalten, und
wird jetzt von der japanischen Regierung ausgebeutet.
In den sechziger Jahren betrieb auch ein St. Franzisko Kaufmann
Philippaeus ein bedeutendes Pelzgeschaft an der Kiiste des ochotskischen
Meeres und in Kamtschatka. Er sandte alljahrlich einen Dampfer dorthin, um
die Ausbeute der verschiedenen Handelsstationen einzuhandeln. Die gesamte
Ausbeute ging nach London zur Auktion bei Lampson, und stammte z. B. die
Partie rohen Ochotsky Feh, die alljahrlich dort zum Verkauf kam, von diesem
Verlader her. Vor einigen Jahren wurde das Unternehmen in eine Aktiengesell-
schaft, der Kamtschatka Trading Co., umgewandelt und der Betrieb erweitert.
Mehrere Dampfer halten den Verkehr zwischen der Kiiste Ostsibiriens und
St. Franzisko offen. Auch in Petersburg besteht eine Kamtschatka Handels-
gesellschaft, die ausser dem Pelzhandel auch die Ausbeutung des gewaltigen
Lachsreichtums der kamtschatkischen Strome betreibt, und dieselben in Kuhl-
schiffen nach Europa versendet. Schon vor 20 Jahren fasste iibrigens Kapitan
Bollmann, ein geborener Deutschamerikaner in russischen Diensten, den Plan,
eine Gesellschaft zur Verwertung der Lachse des Amurs zu begriinden, doch
wurde die Sache von der russischen bureaukratischen Regierung nicht ge-
nehmigt. Griinde fur dies sinnlose Verbot anzugeben, hielt sic nicht fur notig.
Eine weitere russische Pelzhandelsgesellschaft, die Anadyrsk Company, unter-
halt Pelzhandelsstationen nordlich von Kamtschatka an dem Ufer der
Behringsee, auf der Tschuktschen Halbinsel, und betreibt den Tauschhandel
7- Kapitel. 2IQ
mit den Tschuktschen. Friiher wurde von den Walfischfangern sehr viel Pelz-
werk von den Tschuktschen, Eskimos an der Kiiste der Behringsee und des
Eismeeres eingetauscht, und auch einzelne Schoner trieben dies lukrative Ge-
schaft. Jetzt ist aber ausschliesslich Fahrzeugen unter russischer Flagge ge-
stattet, mit der Kiiste in Verbindung zu treten, und russische Kanonenboote
und Zollkreuzer patrouillieren regelmassig, um jeden Kiistenhandel unter
fremder Flagge zu verhindern. Von. St. Franzisko aus gehen aber alljahrlich
zahlreiche kleine Segler, Motorschoner und Dampfer nach Alaska und den
Inseln nordlich davon, um Pelzhandel zu treiben, und von diesen laufen
viele auch die Kiiste des nordostlichen Sibiriens an, um Rauchwaren ein-
zukaufen. Der Pelzhandel in Kamtschatka war ein sehr lukrativer; ver-
schiedene Geschafte in Petropawlowsk pflegten denselben, worunter auch ein
Amerikaner M. Grey. Die Jager erhielten Gewehre, namentlich amerikanische
Winchestergewehre, Patronen, Decken, Mehl usw. auf Kredit zu sehr hohen
Preisen.
Eine Winchesterbuchse, die sich z. B. franko Petropawlowsk auf etwa
20 Rubel stellte, wurde mit 100 Rubel in Rechnung gestellt usw.
Im Fruhjahr wurden dann die erbeuteten Felle abgeliefert und in
Zahlung genommen. Ein Barenfell z. B. mit 5 Rubel, ein Zobelfell 5 Rubel usw.
Als Endresultat blieb der Jager immer noch etwas schuldig. Jetzt ist das
Geschaft mit der zunehmenden Konkurrenz nicht mehr so eintraglich. Ubrigens
nehmen die verschiedenen Filialen der Wladiwostoker Firmen in Kamtschatka
Sachalin und den Kiistenplatzen stets Felle in Zahlung. Der Hauptplatz fur
den Pelzhandel ist Wladiwostok, von wo aus dann die Waren entweder per
Bahn nach Moskau oder auf dem Seewege nach Hamburg oder London gehen.
Schliesslich kommt die Mehrzahl der Produkte doch nach Leipzig. Trotzdem
Wladiwostok also einen grossen Pelzhandel besitzt, werden die fertigen Pelz-
waren fur den Bedarf der dort ansassigen Europaer doch eingefuhrt, da kein
Kurschner am Platze ist. Solange Ostsibirien Freihafengebiet war, kamen die
meisten Herren- und Damenpelze aus Deutsehland, jetzt aus Moskau.
Russland gilt in Laienkreisen noch immer nicht nur als Handelsproduzent
in Rauchwaren, sondern auch als Emporium der edlen Kiirschnerei. Beides
mit Unrecht. Amerika produziert mehr Rauchwaren als Russland, und als
Kurschner ist der Russe auch gerade nicht sehr hervorragend. Die f einen
Detailgeschafte Moskaus und Petersburgs beschaftigen mit Vorliebe deutsche
und ungarische Arbeiter. Das feine russische Publikum bevorzugt iibrigens
auslandische Rauchwaren, weshalb Russland eben den star ken Import von
Fellen hat, die sich durch die hohen Zolle sehr verteuern, die im Fruhjahr 1906
noch erhoht wurden. So kosten z. B. feine Felle 115 Rubel per Pud, rohe
Schuppen, Iltis usw. 15 Rubel, Bisam roh, Bisam gefarbt, Kanin 25 Rubel, Rot-
fiichse 40 Rubel. Das entspricht haufig einem Zollsatz von 20 Proz. und mehr
vom Wert, bei Rohmaterial ein ungeheurer Zollsatz. Die unteren Klassen, die
bei der niedrigen Wintertemperatur auch Pelzkleidung notig haben, bevorzugen
22O III. Geschichte des russischen Rauchwarenhandels.
deshalb naturgemass die heimische Produktion, besonders aber Pelze aus Schaf-
fellen usw. Die Anfertigung von sogenannten Halbpelzen, kurze Rocke aus
Schaffell mit dem fein gegerbten Leder nach aussen, das noch meist mitStickerei
verziert wird, wird in grossen Fabriken betrieben, die oft 10 ooo solcher Pelze
und mehr vorratig halten. Allerdings betragt der Preis eines solchen Halbzeuges
fur den Muschik nur cinige Rubel. Jedenfalls ist aber das russische Pelzgeschaft
mit dem Leipziger Markt auf engste verkniipft. Seit den Tagen der Hansa
herrscht diese enge Verbindung zwischen dem deutschen und russischen Rauch-
warenmarkt, ohne je. eine Abschwachung erfahren zu haben. Auch der direkte
Export russischer Produkte nach Amerika, England usw., der in den letzten
Jahren grossen Aufschwung genommen, findet meist unter Vermittlung von
Leipzig statt. Die russischen Importhauser, die jetzt in New York bestehen,
haben alle entweder das Stammhaus oder eine bedeutende Zweigniederlassung
in Leipzig.
IV.
Geschichte des Rauchwarenhandels
in Europa seit dem Mittelalter,
in Asien und den tibrigen Weltteilen.
1. Kapitel.
Frankreich.
In einem friiheren Artikel (Pelzhandel im Altertum und Mittelalter)
waren wir bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts vorgedrungen. Fiir die spatere
Zeit bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts fliessen die Quellen nur sehr spar rich.
Frankreich war durch seine Besitzungen in Kanada und durch die grossen
Handelsgesellschaften der Mittelpunkt des Pelzhandels gewesen, und die Zunft
der Kiirschner und Pelzhandler nahm eine hohe Stellung ein, wovon zahlreiche
Verordnungen zeugen. Heinrich III. erliess noch 1586 ein sehr umfangreiches
Statut der Innung. Danach durfte u. a. kein fremder Kaufmann Pelzwaren
in die Stadt bringen, offnen und zum Verkauf stellen, die nicht vorher von den
Meistern und Wachtern des Gewerbes gesehen und untersucht worden waren,
bei Strafe der Konfiskation und 6 ecus (a 6 livres sol). Wenn die Ware nicht
innerhalb 8 Tagen nach der Besichtigung verkauft war, musste sie ein-
gepackt und mit dem Staatssiegel wieder verschlossen werden. Es durften
solche fremden Pelzwaren auch nur an Pelzhandler und Kiirschner verkauft
werden. Ubrigens wurde jede Ware, die gefarbt, verbrannt oder verfalscht war,
beschlagnahmt, auch das Mischen von alter mit frischer Ware war verboten.
Jeder Rauchwarenhandler oder Kiirschner, der eingefuhrtes Pelzwerk ge-
kauft hatte, musste drei Tage lang einen Teil davon der Innung zur Ver-
fiigung stellen, und zwar zum Kostenpreis. Erst wenn davon kein Gebrauch
gemacht wurde, konnte er die Ware fur sich allein verwenden. Die eingefiihrten
Pelzwaren durften nur an Kiirschner oder Rauchwarenhandler der Innung
verkauft werden.
Ebenso durfte kein Kiirschner fur die Handler in den Bazars der Hallen
Muffen aus zugegebenem Material anfertigen.
Auch unter den nachfolgenden Herrschern wurden verschiedene Erlasse
fur das Kiirschnergewerbe erlassen, die sich aber meist auf innereVorschriften,
das Halten von Lehrlingen, Meistertitel, Abgaben etc. erstreckten.
Mit der Griindung der Muscovy Company in England hatte Frankreich
einen starken Konkurrenten auf dem Weltmarkt erhalten, herrschte aber im
Geschaft mit amerikanischen Rauch waren unumschrankt. Erst die Griindung
der Hudsonsbay Company 1670 und die Aufhebung des Handelsmonopols der
Company des Indes occidentales 1668 schuf hierin einen Umschwung. Trotz-
224 FV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter
dem blieb Frankreich noch lange Zeit vom englischen Markt vollkommen unab-
hangig. Eine mir vorliegende Importliste vom Jahre 1743 gibt die folgenden
Felle an, die in diesem Jahre im Hafen von La Rochelle vonKanada eingefiihrt
waren :
15 ooo ,,old coat" Biber*),
112 088 Castor de Parchment (getrocknete Biber),
10 623 grosse Baren,
5 880 kleine Baren,
no ooo Schuppenfelle,
30 325 Zobel,
12 428 Otter und virg. Iltis,
i 700 Nerze,
i 220 feine Katzen,
92 Wolfsfelle,
10 280 Griesfiichse,
451 Rotfiichse.
Es diirfte von Interesse sein, damit die mir gleichfalls vorliegende Liste
der Auktion der Hudsonsbay Company vom 17. November des gleichen Jahres
zu ver gleichen.
5 980 old coat Biber a 4/8 d. per Ib. . £ 2 415,—
780 beschadigte Biber a 4/ ,, 270,—
9520 parchment Biber ,,4165.—
4070 Cub Biber ,, 762,18
4760 beschadigte Parchment Biber. . . ,,1918.17
i 640 ,, Cub Biber ,, 248.9
12370 amerik. Zobel v. 6./g ,,4542.7
2360 ,, ,, beschadigt v. 3./4. ,, 442,10
590 Ottern I4/ ,, 413.—
850 Katzen i8/ ,, 765.—
260 ,, beschadigt 4/ ,, 52.—
320 Fiichse 12/6 ,, 200. —
600 Vielfrasse 6/10 ,, 205.—
170 beschadigte 3/3 ,, 27.12
320 schwarze Biber 23 / ,, 368.—
i 580 Wolfe 20 / ,, i 580.—
270 ,, beschadigt 9/2 ,, 123.15
40 Woodchuks (Murmeltier) . . . . ,, 22.6
10 Nerze a 3/ ,, i.io
5 Schuppen a 3/4 ,, 16. —
120 Eichhornchen 4/ ,, 2.—
*) Die alten Rocke und von den Indianern getragenen Biberfelle, bei denen
das Oberhaar abgerieben war, wurden fur die Zwecke der Hutfilzfabrikation hoher
bezahlt als frische Felle,
I. Kapitel (Frankreich) .
225
ausserdem 130 Elkhirschfelle,
440 Hirschfelle,
3 170 Pfund Bettfedern,
220 Pfund Daunen,
140 Pfund Bibergail,
470 Walfischbarten,
23 Fasser Walfischtran,
und 8 Pfund Wesagnipoka ?
Beinahe das doppelte Quantum wurde ausserdem fur die Marzauktion reserviert.
Mit dem Verlust von Kanada ging auch der Rauchwarenhandel von
Frankreich rapide zuriick. 1776 wurden dann auch durch den Minister Turgot
die samt lichen Innungen aufgehoben, bald darauf finden wir aber Kiirschner,
Rauchwarenhandler und Hutmacher zu einer neuen Korporation vereinigt. In
den Sturmen der Revolution und den nachfolgenden Kriegsjahren ging die
Pelzindustrie sehr zuriick, die alten Geschafte gingen ein, neue wurden wenig
gegriindet, es fehlte an Nachwuchs. Von alten franzosischen Kurschnerfirmen
riihrt wohl nur noch die 1774 begriindete Firma Revillon freres, die lange Zeit
die grosste Pelzwarenfirma der Welt war, her. Unter den Rauchwarenfirmen
ragte lange Zeit die 1806 gegriindete Firma A. Servant hervor, deren Chef ein
personlicher Freund Napoleon III. war, und zur Glanzzeit des Hauses in den
sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die grosste Jagdmeute Frankreichs
unterhielt. Leider ging dieses furstliche Kaufmannshaus gegen Ende des Jahr-
hunderts ruhmlos zugrunde. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts brachte dann
eine deutsche Invasion die franzosische Kiirschner ei wieder zur Bliite. Grosse
Handlungshauser wie z. B. die aus Wurttemberg stammende Firma Grebert
Borgnis wurden gegriindet, und vor alien Dingen stromten die besten Arbeiter
aus Deutschland herbei, um die fehlenden franzosischen Kiirschnergesellen zu
ersetzen, und bald stand die Pariser Pelzindustrie wieder an der Spitze. Neben
dem Hause Revillon freres, das ausser seinen Filialen in London, New York,
Montreal, auch einige Dampfer auf den Stromen und Seen Kanadas besass,
und dessen Jahresumsatz noch iiber 20 Millionen Franks geschatzt wurde (die
Firma wurde vor einigen Jahren in eine Aktiengesellschaft mit 28 Mill. Franks
Kapital umge wandelt) , bestanden zahlreiche andere erstklassige Firmen, und
der Pariser Markt bildete einen sehr erwiinschten Abnehmer fur den gesamten
Rauchwarenhandel, sowohl durch die Hohe des Umsatzes als durch die iiberaus
solide Geschaftsfuhrung.
Im letzten Jahrzehnt hat sich hierin allerdings manches zum Nachteil
geandert, durch eine zweite friedliche Invasion, diesmal russisch-polnischen
Ursprungs. Viele dieser Pelzhandler haben die Handelsgewohnheiten ihres
Heimatlandes mit nach Paris verpflanzt, so dass die unbedingte Kreditwiirdig-
keit jedes franzosischen Kunden nicht mehr von vornherein feststeht. Die
eigentlichen franzosischen Firmen und die seit langerer Zeit in Frankreich an-
sassigen Deutschen haben aber ihren Ruf und ihre Soliditat treu gewahrt.
2. K a p i t e 1.
England.
In einem fruheren Kapitel haben wir gesehen, dass in England die von
Koln dort gegrundete Niederlassung des Stahlhof den Pelzhandel beherrschte,
durch seine Einfuhren von Fellen aus Russland, Umwegen, Deutschland,
Polen, den Uferlandern desWeissen Meeres und auf Norwegen erhandeltes
sibirisches Pelzwerk.
Im Jahre 1501 — 1506 kam dann zuerst amerikanisches Pelzwerk durch die
Portugiesisch-Bristoler Handelsgesellschaft nach England, das freihandig ver-
kauft wurde, doch loste sich diese bald auf, und amerikanische Rauchwaren
kamen noch fur weitere 150 Jahre nur durch franzosische Vermittlung nach
England.
Durch die 1554 von Sebastian Cabot begriindete Muskovy Company
kamen denn auch russische und nordische Pelzwaren regelmassig direkt nach
England, doch ist uns nicht iiberliefert, in welchen Mengen und in welcher
Weise dieselben veraussert wurden. Wahrscheinlich geschah dies freihandig
durch die einzelnen Teilnehmer. Jedenfalls war wahrend der Dauer ihres Be-
stehens England vom Auslande unabhangig in der Besorgung dieser wichtigen
Rohstoffe. Ein Ausfuhrhandel an Fellen fand damals aber nicht von London
aus statt. Auch die Zufuhren von Pelzwerk, welche aus Virginien, Boston und
New York nach England kamen, dienten nur dem eigenen Bedarf. Erst die
1670 begriindete Hudsonsbay Company schuf hierin Wandel. Die zugefuhrten
Pelzmengen waren so grosse, dass auch davon nach dem Kontinent ausgefuhrt
wurde. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass wahrend des ersten Jahrhunderts
ihres Bestehens die Auktionen des Hudsonsbay Company von fremden Ein-
kaufern besucht waren, da diesen die franzosischen Markte bequemer lagen.
Ich werde in einem spateren Abschnitt des Buches eine Reihe von Ein-
fuhrlisten der H. B. C. aus dieser Zeit ver of fent lichen.
Mit dem Verluste Kanadas horte die hervorragende Stellung Frank-
reichs auf dem Rauchwarenmarkte auf und ging an London iiber. Neben
den Erzeugnissen der Hudsonsbay Company kamen auch die Einfuhren der
anderen Pelzhandels-Gesellschaften, wie der Northwest Company, der
2. Kapitel (England).
227
Mackinaw Company, der American fur Company sowie einzelner amerikanischer
Pelzhandler nach London, wo sie im Auktionswege veraussert wurden. Die
Northwest Company hatte ihren eigenen Agenten, die Firma Me. Gillywray
£ Ellice, doch waren jedenfalls damals schon verschiedene Auktionsfirmen
vorhanden. Auch die Firma Row Goad & Row, welche die meisten Rauch-
waren aus den Vereinigten Staaten zu ihren Auktionen konsigniert erhielt,
hat wahrscheinlich schon im 18. Jahrhundert bestanden.
Im Jahre 1786 waren von der Hudsonsbay Company fur etwa 27 ooo L
Pelzwaren direkt nach London gekommen ; wahrend die Ausfuhr von Pelzwerk
aus Queben nach London im genannten Jahre 285 977 L betrug, war die
Gesamtausfuhr aus diesem Hafen nur 343 262 S.
Die Auktionen der Hudsonsbay Company f anden damals im November und
Marz statt. Die Felle der Northwest Company sollen aber nur im Marz oder
April verkauft worden sein.
Im Jahre 1797 brachte diese Gesellschaft die folgenden Waren zum Ver-
kauf :
106 ooo Biberfelle,
21 ooo Barenfelle,
i 500 Fuchsfelle,
4 ooo Kitfiichsc,
4 600 Otter,
17 ooo Bisam,
32 ooo amerikanische Zobel,
i 800 Nerze,
6 ooo Luchse,
600 Vielfrass,
i 650 virg. Iltis,
100 Waschbarfelle,
3 800 Wolfe,
700 Elenhaute,
750 rohe Hirschfelle,
i 200 zubereitete Hirschfelle,
500 Buffelhaute
und einen Post en Bibergeil.
Im gleichen Jahre sandte iibrigens die Gesellschaft 13 364 Biberfelle,
1250 feine Otterfelle und 1724 Kitfuchse direkt nach China zum Verkauf iiber
die Vereinigten Staaten.
Dies war ein erster aber sehr gewinnbringender Versuch des direkt en
Geschaftes. Die 5 vorhergehenden Jahre hatte die Gesellschaft den Export nach
China von London und in Gemeinschaft mit einem grossen Londoner Pelzhause
gemacht und zwar durch Vermittlung der East India Company, die damals
das Monopol des Handels von England mit dem fernen Osten besass. Durch
die vielen Gebiihren, Zolle, Unkosten auf die Waren, die von Canton zuriick-
15*
228 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter
gebracht wurden, und die hohe Kommissionsgebiihr der ostindischen Company
verlor aber jeder der beiden Teilnehmer in den 5 Jahren 40 ooo L an diesem
Geschaft.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen auch bereits Einkaufer aus
Deutschland, Frankreich usw. zu den Londoner Auktionen, trotzdem die Reise
damals eine sehr beschwerliche und langwierige war.
Gewohnlich vereinigten sich mehrere Kaufleute, um gemeinsam im Wagen
nach Hamburg oder einem franzosischenHafen zu reisen und von hier aus mil
einem Segelschiff nach England zu fahren. Die Reise dauerte unter Umstanden
mehrere Wochen und war auch recht kostspielig, so dass jedenfalls damals mehr
an den Pelzwaren verdient werden musste, um die Reise zu lohnen. Von 1806
bis 1814, wahrend der durch Napoleon verfugten Kontinentalsperre, unterblieb
die Reise natiirlich ganzlich.
Es haben auch damals wahrscheinlich schon grossere Kommissionshauser
existiert, die den Einkauf von Auktionen bezw. die Abnahme der gekauften
Waren ubernahmen, doch habe ich deren Namen nicht erfahren konnen. Die
alteste mir bekannte Firma ist die 1771 begriindete Firma P. R. Poland & Sons,
die noch heute eine fiihrende Stellung einnimmt, und vom Urenkel des Be-
griinders geleitet wird. Mit dem Jahre 1826 begann auch im englischen Rauch-
warenhandel die Invasion. Blatspiel, der Begriinder der nachmaligen Welt-
firma Blatspiel, Stamp & Heacock kam 1826 aus Leipzig nach London, um
sich dort zu etablieren, wenig spater auch Moritz Oppenheim aus Altona, dessen
Firma lange Jahre den Markt beherrschte und auch Filialen in Hamburg
und Leipzig besass. Besonders unter seinem Nachfolger Schroder, der als An-
gestellter mit nach London gekommen war, und in den vierziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts Kompagnon und spater allein Chef geworden war, nahm
das Geschaft einen grossen Aufschwung. Bald nach seinem 1868 oder 1869 er-
folgten Tode wurde die Firma aufgelost. Noch kurz vorher hatte er seinen
Schwiegersohn Teichmann, den jetzigen Chef der Firma C. M. Lampson & Co.,
nach Alaska gesandt, um das Erbe der russisch-amerikanischen Kompanie.
das Monopol des Seehundsfanges zu erwerben, was aber missgluckte.
Der Begriinder der Weltfirma C. M. Lampson war Anfang des vorigen
Jahrhunderts mit einem Wagen in den Vereinigten Staaten herumgezogen,
um Felle gegen Blechwaren usw. einzutauschen. Er kam mit Johann Jacob
Astor in Beruhrung, der ihn in sein Geschaft nahm und ihm bald eine grosse
Vertrauensstellung einraumte. 1830 wurde er nach London gesandt, da die
Klagen iiber den Geschaftsbetrieb der Firma Row Goad & Row, an welche
Astor seine Pelzwaren zur Auktion sandte, iiberhand nahmen. Zufolge seiner
Berichte wurde die Vertretung der genannten Firma entzogen und Curtis
Miranda Lampson ubertragen. Das notige Betriebskapital, zu den Vorschussen
usw. lien ihm seinFreund, der amerikanische Millionar und Philantrop Peabody.
Welche Ausdehnung Lampson dem Geschaft e zu geben wusste, das ja noch
heute das grosste Rauchwarenhaus der Welt ist, ist allgemein bekannt. Er be-
2. Kapitel (England). 22Q
tciligte sich iibrigcns an anderen Unternehmungen, lieferte z. B. die Schienen
fur die Pacific-Bahn und war Hauptaktionar des ersten nordatlantischen
Kabcls wofiir cr zum Baronet ernannt wurde. Er war bis an sein Lebens-
ende fiir das Geschaft tatig. So handhabte er noch bis kurz vor seinem, Mitte
der achtziger Jahre erfolgtem Tode selbst den Auktionatorhammer und durch-
\vanderte wahrend der Besichtigungszeit vor den Auktionen die grossen Lager-
riiume seiner Warenhauser in Queen Victoriastreet, mil den alten Kunden
plaudernd, in seiner ganzen Erscheinung ein Typus des grossen englischen*
Kaufherrn. Er hinterliess iibrigens bei seinem Tode ein auch fiir englische
Verhaltnisse riesiges Vermogen. Der von ihm selbst erwahlte Partner und
Leiter des Geschafts, der aus Ulm stammende deutsche Kiirschnersohn Teich-
mann, setzte iibrigens die Tradition des Hauses fort und wusste die Beziehungen
seiner Firma, die jetzt auch australische und chinesische Felle usw. in ihr Ge-
schaftsbereich zog, noch bedeutend zu erweitern. Die Vorganger Row
Goad & Row verkauften, ihr Geschaft an die noch heute florierende
Auktionsfirma Goad Rigg ^ C,Q. Ein Sohn des Begriinders der alten Firma,
Skinner Row, war noch bis vor einigen zwanzig Jahren als Einkaufer in den
Auktionsraumen eine auffallende Personlichkeit, da er stocktaub war. Ergalt
iibrigens als einer der best en Rauchwarenkenner.
Es existieren noch eine ganze Reihe von sehr alten Firmen, die
Auktion betreiben, und zwar neben den Rauchwaren auch noch Rindshaute,
Ziegen- und Schaffelle, Leder und Gerbstoff sowie australische Kaninchenfelle
fiir Hutmacherzwecke zum Verkauf bringen. Es sind das ausser der schon
genannten Goad Rigg & Co. noch die Firmen Flack Chandler, Anning & Cobb,
Culwerwell Brook & Cotton, deren Inhaber Cotton 1876 Lordmajor von
London war. Diese Firmen empfingen fruher fast alle die australischen Felle,
die nach London kamen, sind aber jetzt in diesem Geschaft von Lampson
in den Hintergrund gedrangt. Ferner Nesbitt & Co., die in den letzt en Jahren
namentlich auch sehr viele direkte amerikanische Rauchwaren zur Auktion
bringen, Dyster Nalder, der aber mehr mit Hauten usw. zu tun hat. Ver-
haltnismassig neuen Daturas sind die Firmen Kiver & Co., Barber & Sons
sowie Thorpe & Welby, die vorwiegend chinesische Produkte zum Verkauf
bringen.
Neben den schon fruher erwahnten R. P. Poland & Sons und Blatspiel,
Stamp & Heacock geschieht der kommissionsweise Einkauf und die Uber-
nahme der von den auswartigen Einkaufern gekauften Auktionsware noch
hauptsachlich von der 1872 begriindeten Firma Philipps Politzer & Co. sowie
von Eysoldt & Co., die gewissermassen Nachfolger der alten Firma Markus
& Co. ist.
Markus war 1860 aus Altona nach London gekommen, und war anfanglich
dort Makler fiir die Hamburger Firma Oppenheim & Co. In den siebziger
Jahren veranstaltete er in Gemeinschaft mit Dixon auch selbst Auktionen
namentlich mit den Waren der Chicagoer Firma Joseph Ullmann, die indessen
23O IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter.
nach wenigen Jahren eingestellt wurden. Er war dann als Einkaufer bezw.
Kommissionar an dem oben genannten Platz tatig. Nach seinem Tode
kam ein Teil der Kundschaft an Philipps Politzer & Co., der andere Teil des Ge-
schaftes wurde von Eysold & Co. ubernommen.
Die Kurschnerei hatte in London von jeher eine grosse Stellung, sowohl
der Detail- Verkauf wie die Engros-Fabrikation. Die erstere hatte ihren
Hauptsitz in Westend, die letztere in den Querstrassen von Cheapside und in
Aldersgatestreet .
Die alteste noch existierende Firma ist Geo Smith. Die Firma Waterspoon,
die fast ein Jahrhundert bestanden hatte, wurde in den achtziger Jahren
aufgelost.
Vor einigen dreissig Jahren erstand der Londoner Engros-Kiirschnerei
eine starke Konkurrenz. Zuerst kamen die Erzeugnisse Pariser Fabrikanten auf
den Markt, dann kamen auch Berliner Fabrikanten, nachdem mein Vater 1872
zuerst Feh und Fuchsboas dahin lieferte und ich 1880 mit Manteln und
Capes usw. den dortigen Markt aufsuchte, folgten andere Firmen, und bis vor
etwa 10 Jahren war die deutsche Einfuhr an fertigen Pelzwaren nach England
sehr bedeutend. Mit der stetig wachsenden Einwanderung von Pelzarbeitern
aus Russland nach Whitechapel erhielten aber die Londoner Fabrikanten mit
der Zeit geniigend billige Arbeitskrafte, und jetzt ist der Verkauf dorthin als
unlohnend bei der Erstarkung des heimischen Marktes von den meisten Berliner
Pelzwarenfabrikanten aufgegeben worden. Nur einige wenige Fabrikanten be-
treiben noch den Export nach England.
3. K apit el.
Deutschland.
In Deutschland war mit den Stiirmen des dreissigjahrigen Krieges auch
der Rauchwarenhandel von seiner Hohe herabgestiirzt, nachdem vorher im
Jahre 1497 und 1503 durch Kaiser Maximilian I. die Messrechte von
Leipzig noch ausdrucklich bestatint worden waren. Der internationale
Markt war nach Frankreich und England verlegt, und Leipzig war zur Be-
deutungslosigkeit herabgesunken. Wahrend aber die fruher so bedeutende
Rauchwarenmarkte Liibeck, Hamburg, Glogau, Breslau, Danzig ihre alte Be-
deutung fur diesen Handel nicht wiedergewannen, sehen wir ein Jahrhundert
nach dem westfalischen Frieden die Leipziger Messe wieder in voller Brute.
Um diese Zeit erschienen zum ersten Male russische Kaufleute, welche bis dahin
ihre Geschafte durch Vermittlung von Danzig betrieben hatten, auf der
Leipziger Messe, und bald hatte sich ein lebhafter Handelsverkehr entwickelt.
Sie brachten russisches und sibirisches Pelzwerk dorthin, das dann von den
Leipziger Kaufleuten weiter vertrieben wurde, und kauften dort nicht nur
deutsche Landwaren, sondern auch amerikanische Waren ein, die dann ihren
Weg bis in das Herz von Asien fanden. Die Kontinentalsperre Napoleons fuhrte
in Gemeinschaft mit dem allgemeinen wirtschaft lichen Niedergange infolge
der langen Kriege zu einem vollkommenen Zusammenbruche des Leipziger
Rauchwarenhandels. Nur zwei Firmen sollen damals iibriggeblieben sein.
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hob sich das Geschaft
aber wieder. Zwar der Handel mit Russland war erschwert durch die Einfuhr-
verbote fur viele amerikanische Rauchwaren, die Monopol der russisch-
amerikanischen Handelsgesellschaft waren, aber das hielt den Export dahin
nicht auf. Namentlich in Brody in Galizien hatte sich eine grosse Industrie
etabliert, die sich nur mit dem Einschmuggeln der verbotenen Pelze befasste,
spater geschah dies auch in Sklow in Westrussland ; alle diese Platze versorgten
sich in Leipzig mit Ware.
Das Haus Hotte, welches damals und noch verschiedene Jahre spater den
Markt beherrschte, kniipfte bereits zu dieser Zeit direkte Handelsbeziehungen
mit Nordamerika an. Diese Firma, die ihren Hohepunkt anfangs der sechziger
232 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter
Jahre iiberschritten hatte, starb vor wenigen Jahren fast unbeachtet an Alters-
schwache. Neben ihr waren in den ersten Dezennien des vorigen Jahrhunderts
besonders die Firmen Schacht und Oppenheimer massgebend, zu denen dann
spater die Firmen Heinrich Lomer, Rodiger & Quarch, Gaudig & Blum,
M. Brass, Theodor Wolf, Magnus Soehne, Theod. Thorer, Herpich, Koenigs-
werther und andere hinzutraten.
Der Besuch der Messe war damals durchaus kein einfacher. Ich erinnere
mich noch an die Erzahlungen meines Vaters, wie er in den dreissiger Jahren
mit der Post in zwei Tagen nach Leipzig fuhr, wobei unterwegs iibernachtet
wurde. Die Waren wurden mit den Frachtwagen befordert, was mehrere
Bilder vom Briihl.
Wochen in Anspruch nahm. Als grosse Erleichterung wurde es empfunden, als
schliesslich die Anhalter Bahn gebaut wurde, die aber zunachst nur bis Dessau
ging, von hier musste man bis Leipzig die Post benutzen. Trotzdem wuchs der
Besuch der Messen zusehends. Griechische Kaufleute, welche den bedeutenden
Pelzhandel der ganzen Turkei vermittelten, erschienen in grosser Zahl; auch das
Geschaft mit Norwegen, Schweden, Danemark und Finn land ging jetzt von
Liibeck und Hamburg nach Leipzig iiber. Eine Zeitlang hielt sich noch in
Bremen ein eigener Rauchwarenmarkt, da dorthin die Ware der Handels-
schoner und Briggs von Honolulu gelangte, die Schleichhandel an dem Ufer
des nordlichen stillen Ozeans trieben. Dies horte aber mit dem Ende dieses
Schleichhandels Mitte der sechziger Jahre auch auf. Ihren Hohepunkt hatte
die Leipziger Messe wohl in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen
3. Kapitcl (Deutschland) .
233
Jahrhunderts. Die Ostermesse dauerte damals 6 Wochen, und wahrend dieser
Zeit war der Briihl der Schauplatz eines ungemein regen Treibens. Das Gewiihl
war stellenweise lebensgefahrlich, wenn ein Wagen in der Nahe der Nicolai-
strasse den Briihl passieren wollte, musste oft ein Polizeidiener erst Platz
schaffen. Besonders fielen in der Menge die zahlreichen malerischen Gestalten
der Griechen und der alttestamentarischen Kaftantrager aus Russland auf.
Armenier, Englander, Franzosen usw. waren zahlreich vertreten. Amerikaner
waren seltener; diese kamen erst, nachdem die amerikanischen Firmen
Boskowitz und Jos. Ullmann sich dauernd in Leipzig festgesetzt hatten. Aber
auch damals schon standen verschiedene Firmen mit Amerika in lebhaftem
Bilder vom Briihl.
Handelsverkehr, einzelne von den Firmen, Herpich und andere, hatten sogar
eigene Filialen in New York. Man arbeitete sehr angestrengt, von friih 7 bis
nachts 12 Uhr, wahrend der gesamten 6 Wochen. Bei einzelnen Firmen dauerte
es oft bis noch spater in die Nacht.
Die Michaelismesse dauerte 3 Wochen und war hauptsachlich von den
deutschen Kiirschnern besucht. Auch die Januarmesse nahm allein eine Woche
in Anspruch.
Wahrend der iibrigen Zeit des Jahres lag aber der Briihl ziemlich ein-
sam und in dem Rauchwarengeschaft herrschte Ruhe. Allmahlich anderte sich
das aber. Immer mehr Firmen, die sonst nur zur Messe erschienen waren, liessen
sich dauernd in Leipzig nieder; die Messen nahmen an Bedeutung ab, wahrend
der direkte Versand an die Kunden immer mehr zunahm. Jetzt ist das
234
Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter.
Geschaft liber das ganze Jahr verteilt. Das eigentliche Messgeschaft 1st auf
wenige Tage beschrankt, wahrend man an jedem Tage des Jahres mehrere
grosse Einkaufer von auswarts dort antrifft. Der Umsatz hat machtig zu-
genommen. Wahrend vor 50 Jahren der Umsatz des Leipziger Rauchwaren-
handels jahrlich 6 bis 8 Millionen Taler betragen mochte, belief sich derselbe
laut Handelskammer-Enquete im Jahre 1879 auf 42 Millionen Mark, wovon
etwa 28 Millionen ausgefuhrt wurde.
Jetzt betragt der Umsatz wohl durchschnittlich gegen 200 Millionen Mark.
100 Millionen Mark werden ausgefuhrt, etwa 50 Millionen verbraucht der
deutsche Markt und ebensoviel wird von den Leipziger Rauchwarenhandlern
Bilder vom Briihl.
untereinander gehandelt. Diese Summe ist also eigentlich in den 150 Mil-
lionen Mark, die Leipzig tatsachtich verlassen, mit cinzurechnen.
Eine grosse Rolle spielte fruher in Leipzig der Makler, ohne deren Ver-
mittlung fast kein Geschaft zustande kam. Diese sind jetzt fast verschwunden,
dafiir sind aber zahlreiche Kommissionshauser vorhanden, die als Vertreter aus-
wartiger Hauser den Einkauf fiir diese vermitteln und dafiir i Proz. Courtage
fur alle in Leipzig gemachten Kaufe dieses Hauses beziehen. Meistens bezahlt
das vertretene Haus auch noch i Proz. Provision dafiir. In der letzten Zeit
zahlen aber manche Grosseinkaufer ihren Vertretern nichts.
Viele Kommissionshauser erhalten auch von auswartigen Firmen Waren-
mengen zum Verkauf zugesandt. Der Handelstausch einzelner dieser Kom-
3- Kapitel (Deutschland) .
235
missionsfirmen 1st sehr bedeutend, und soil sich Courtage und Provision manch-
mal bis zu 100 ooo Mark im Jahre steigern.
Die Zahl der Leipziger Rauchwarenhandler betragt gegenwartig iiber 200,
davon sind etwa 30 ersten Ranges, die andern stufen sich bis zu den kleinsten ab,
die nur kleine Lager fur kleinere Kurschner unterhalten und ihren gesamten
Bedarf nur in Leipzig decken.
Es ist auch eine Art Arbeitsteilung eingetreten. Nur verhaltnismassig
wenige Firmen fuhren ein Sortimentsgeschaft, in denen sie alle Art en Rauch-
waren vorratig halten, die meisten haben sich eine oder mehrere Spezialitaten
Bilder vom Briihl.
erwahlt, neben denen sie dann auch andere Waren fuhren. So fuhren die
einen vorragend amerikanische Waren, andere nur russische. Viele bevorzugen
einzelne feine zugerichtete und gefarbte Rauchwaren, andere wieder nur
Persianer, Astrachan und sonstige Lamm f ell waren. Verschiedene Firmen be-
schaftigen sich nur mit Ein- und Verkauf von sogenannten Landwaren (Harder,
Fiichse, Iltis, Landottern, Katzen, Schmaschen und Zickelfelle), deren Verkauf
iibrigens auch heute noch hauptsachlich wahrend der Ostermesse stattfindet.
Eine grosse Veranderimg hat sich auch in den letzten Jahrzehnten im Ge-
schaft mit dem Orient abgespielt. Im Orient, der ein ziemlich grosser Konsument
von Rauchwaren ist, haben die Griechen von jeher den Hauptteil des Handels
in Handen. Friiher kamen zur Ostermesse eine grosse Anzahl Griechen, oft
iiber 100 zum Einkauf nach Leipzig und trugen durch ihre malerische Tracht
236 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter
nicht wenig zur Belebung des Strassenbildes bei. Die Ubernahme der Waren
und Bezahlung mittels Wechselakzepts geschah durch cine Anzahl in Leipzig
ansassiger Kommissionshauser, wie Konstantin Pappa, Navum Dedo, Wulzow,
Skutari, Zygouros, Kyropoulos und andere.
Jetzt kommen nur noch wenige Griechen zum Einkauf, dagegen hat sich
in Leipzig eine starke griechische Kolonie niedergelassen, die aus zwei Schichten
besteht. Die eine, angesehene Kommissionsfirmen und Grosshandlungshauser,
beschaf tigt sich mit dem Einkauf der fur den orientalischen Markt erforderlichen
Felle und dem Verkauf von Wildwaren aus Griechenland, den Balkanlandern,
der europaischen und asiatischen Turkei, wie Harder, Fuchse usw., betreiben
Bilder^vom Briihl.
aber dabei haufig noch ein ausgedehntes Exportgeschaft mit Rauchwaren auch
anderer Provenienz nach Amerika, England, Frankreich usw. Die zweite
Schicht besteht aus griechischen Kiirschnern und Kleinhandlern, die in Leipzig
Fabrikation von billigen Artikeln, namentlich aus Stricken, betreiben. So ist
z. B. die Fabrikation von imitierten Hermelinschweifen, Skunksschweifen und
bestimmter Pelzfutter ganz in ihren Handen.
Die Zahlungsbedingungen beim Leipziger Rauchwarenhandel haben im
Laufe der Zeit verschiedene Anderungen erfahren. Bis zum Jahre 1882 gait
zunachst ein Warenskonto von 2 Proz., dann fur Barzahlung 3 Proz. Daneben
wurden ausgedehnte Kredite gegeben. So wurden z. B. die Waren der russischen
Handler, die bis zum Jahre 1858 stets Kassa kaufen mussten, spater gegen
Wechselakzept von Ostermesse zu Ostermesse verkauft, doch wurden diese
3. Kapitel (Deutschland) .
237
Bilder vom Briihl.
Zahlungstermine allmahlich doch einge-
schrankt. Andererseits war die Usance,
dass in der Messe gekaufte Waren bis
zum Zahltage der Messe in bar oder
Wechseln beglichen werden musste, auch
mit dem Riickgang der Bedeutung der
Messe und ihrer verkurzten Zeitdauer ein-
geschlafen. Jetzt gilt als nominelle
Rendition 3 Proz. bis Schluss des Monats
Zahlung oder 6 Monate netto Ziel.
Wahrend aber ein hoheres Kassaskonto
fast nie gewahrt wird, dehnt sich das
Ziel durch allerhand Manipulationen oft auf 8 — 9 Monate aus.
Durch die Konzentration des Rauchwarenhandels in Leipzig hat auch
eine Ansiedlung von Nebengewerben daselbst stattgefunden. Vor allem die
Rauchwarenzurichterei, die in den Vororten Lindenau, Schkeuditz, Makran-
stadt, Rotha usw. von nahezu 50 Firmen betrieben wird, von denen einzelne
mehrere hundert Arbeiter beschaftigen. Die Pelzzurichtearbeiter haben eine
sehr starke Organisation, die als eine der ersten einen festen Tarifvertrag durch-
zusetzen wusste.
Ihren Weltruf besitzen die Leipziger Zurichtereien aber erst seit etwa
30 Jahren; bis dahin wurde ein grosser Teil der Rauchwaren schon in London
zugerichtet. Ausser in Leipzig bestehen Zurichtereien] grosseren Umfangs
nur in Berlin und Hamburg; in letzterem hat sich t namentlichj die Zu-
richterei von Nutriafellen und Murmeln als besondere Spezialitat heraus-
gebildet. Es bestehen dort 5 oder 6 Fabriken, die zusammen word
1000 Arbeiter beschaftigen.
Einen grossen Aufschwung hat in den letzten 30 Jahren auch die Rauch-
warenfarberei in Leipzig erfahren. Fruher war hier nur sogenannte Schwarz-
farberei fiir Persianer, Astrachan und sonstige Lammfelle in besonderer Blute,
die von verschiedenen alten Farbern. wie Rodiger & Quarch, Handel, Herzog
usw. betrieben wurden, dann kamen aber
die verschiedenen Phantasiefarben auf,
namentlich durch die Farberei Sieglitz ein-
gefiihrt. Die Braunfarberei, die urspriing-
lich nur in London und dann in Paris
auf der Hohe war, wurde zuerst durch
die Firmen Meissner und Steinbeck
nach Leipzig verpflanzt, iibertrifft heute
London und Paris erheblich an Umfang,
und steht technisch vollkommen auf der
Hohe.
Bilder vom Briihl. In Zurichterei und Farberei sind in
238 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter.
Bilder vom Briihl.
der Umgebung Leipzigs etwa
3000 Arbeiter beschaftigt.
Ausser Leipzig besteht nur
noch eine grosse Rauchwaren-
farberei (Gebr. Lohse) in
Chemnitz mil etwa 400 Ar-
beitern und eine grossere nebst
einigen kleineren Farbereien in
Berlin.
Als Spezialitat betreibt die
Stadt Weissenfels noch die Zu-
richterei von Feh, die dann dort
auch zu Futtern verarbeitet
werden. Diese Industrie ist sehr
alt und ohne Konkurrenz, da die
in Russland hergestellten Feh-
warenfutter den Weissenfelsern
in Qualitat bedeutend nach-
stehen.
Von sonstigen Nebenindustrien ist noch die Fabrikation von Fehschweifen
und Fuchsschweifen zu erwahnen, die heute in Leipzig fur den gesamtenWelt-
markt hergestellt werden. In den siebziger und achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts bestand schon in Berlin eine starke Konkurrenz, die aber bis auf
wenige Reste eingegangen ist, wahrend die Fabrikation der Ziegenschweife nach
wie vor besonders in Berlin betrieben wird.
Auch die Kiirschnerei in Deutschland, die fruher eine so grosse Rolle in
den deutschen Stadten gespielt, hatte unter den Nach wehen des dreissigjahrigen
Krieges zu leiden und begann sich erst in der zweiten Halfte des achtzehnten
Jahrhunderts etwas zu erholen. Es war damals noch gebrauchlich, dass die
Kiirschner die Felle fur ihren Bedarf selbst zurichteten, ein Brauch, der erst in
der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts aufhorte. Der Kiirschner damals hielt
aber wenig Ware wie Muffen, Pelzkragen, Miitzen vorratig und begniigte sich
meist mit der besseren Waren-Anfertigung auf Bestellung, mit Reparatur und
der Konservierung von Pelzsachen fur das Privatpublikum. Erst um die dreissiger
Jahre des vorigen Jahrhunderts mit Begriindung der Firmen Brass, Herpich,
Michelet, Zeitz usw. in Berlin wurde es Sitte, auch Herrenpelze, Damenpelze
und uberhaupt feine Gegenstande fertig zu fiihren und das Ladengeschaft aus-
zudehnen. Bald entstanden denn auch in alien grosseren Stadten grosse, modern
geleitete Kurschnergeschafte. Ein Engros-Betrieb trat verhaltnismassig spat
auf. Zwar fertigten in den funfziger Jahren bereits einige Bisammuffen und der-
gleichen fur den Engros-Verkauf an, aber nur in massigem Umfang und in
wenigen Stapelsorten. Erst mit dem Aufschwung der Mantelkonfektion bildete
sich auch eine Pelzengros-Konfektion. Begriindet wurde dieselbe in Berlin 1878
3. Kapitel (Deutschland) .
239
von den Firmen A. B. Citroen und M. Brass, dem dann die Firmen H. Wolff,
A. u. S. Segall, Gebr. Hermann und andere folgten. Neben dem Bedarf fur
den deutschen Markt wurde auch das Exportgeschaft nach England, Skandi-
navien, Sudamerika usw. gepflegt.
Ausser Muffen, Pelerinen, Stolas wurden besonders auch Pelzmantel
fabriziert. Auch Boas vonFeh- undFuchsschweifen werden ingrossemMassstabe
in Berlin angefertigt. Wahrendf abriken Fehboas zuerst vender Firma Seidler und
Gaudig & Blum in Leipzig betrieben wurden, wurden die erst en Fuchsschweif-
boas bereits 1874 von der Firma M. Brass-Berlin und bald darauf von Leopold
Apf el-Leipzig fabriziert. Anfang der neunziger Jahre trat dann, namentlich
Bilder vom Briihl.
mit der Einfiihrung der Stola, ein grosser Umschwung ein. Die Mode be-
giinstigte Pelzwaren und der Bedarf wurde ein ungeheurer. In Berlin sind jetzt
etwa 50 grossere und kleinere Engrosfabrikanten tatig, die durchschnittlich
jahrlich fur liber 40 Millionen Mark umsetzen und mehrere tausend Arbeiter
beschaftigen. Im ganzen sind in Berlin fur Engros- und Detailgeschafte zu-
sammen etwa 2000 mannliche und 3000 weibliche Arbeiter beschaftigt, ohne
das kaufmannische Personal zu rechnen. Ausserhalb Berlins ist noch eine
grosse Pelzwarenfabrik in Hamburg, eine grosse und mehrere kleinere in
Breslau und ein halbes Dutzend Firmen in Rheinland-Westfalen mit der Engros-
fabrikation beschaftigt. Hauptabsatzgebiet ist der deutsche Markt, der Export
nach England hat mit Erstarken der dortigen Fabrikation sehr nachgelassen,
240 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter
doch 1st der Export nach Frankreich, Skandinavien, Belgien, Holland, Siid-
amerika usw. dafiir stark in der Zunahme begriffen. Einzelne Firmen, wie
H. Wolff-Berlin, Wilh. Reinecke-Berlin, Gebr. Breslauer-Breslau usw. unter-
halten eigene Filialen in Paris, London, Amsterdam, Briissel usw. Alle Engros-
firmen beschaftigen zahlreiche Reisende im In- und Auslande.
Die Zahl der Kurschner-Detailgeschafte in Deutschland betragt etwa
6000. Ein grosser Teil derselben kauft aber den Hauptteil seines Bedarfs jetzt
fertig und beschaftigt sich nur mit Reparaturen, Konservierung und der-
gleichen, fiihrt auch daneben Miitzen, Hiite, Schirme und andere Artikel zum
Verkauf . Die Ausbildung eines gemigenden Nachwuchses hat stark darunter ge-
litten. Wahrend fruher deutsche Kiirschnergesellen auch im Auslande eine
Notwendigkeit fur den dortigen Fabrikanten bildeten, geniigen dieselben jetzt
nicht mehr fur den einheimischen Bedarf und zahlreiche Arbeitskrafte aus
Ungarn, Bohmen usw. wanderten ein. Erst im Jahre 1905 wurde durch die Be-
strebungen des Berliner Arbeitgeber-Verbandes und der Neuen Pelzwaren-
Zeitung ein Anfang zur Wandlung gemacht. Zahlreiche Kiirschner und Engros-
firmen wurden veranlasst, Lehrlinge einzustellen ; der Arbeitgeber- Verb and
errichtete zu deren besseren Ausbildung eine Fachschule in Berlin, die mit der
Pflicht-Fortbildungsschule verbunden wurde und gleich im ersten Jahre gegen
loo Lehrlinge unt errichtete.
4. Kapit e 1.
Oesterreich und der Orient.
Auch in Osterreich und Ungarn hatte der dreissigjahrige Krieg viel zum
Riickgang des edlen Kurschnergewerbes beigetragen, namentlich in ersterem
Lande, doch fand in Ungarn das Gewerbe seinen grossen Stiitzpunkt darin, dass
Pelze bis in die neueste Zeit zur Nationaltracht gehorten. Der Hirte auf der
Pussta und der Bauer tragt seine Bunda, den Schafpelz, dessen fein benahte
und bestickte Lederseite im Winter nach aussen, im Sommer nach innen ge-
tragen wird, die magyarischen Magnaten tragen aber kostbare Zobel- und
Marderpelze zur Nationaltracht, die bei alien feierlichen Gelegenheiten angelegt
wird. Naturlich werden daneben auch alle modernen Pelzarten von Damen und
Herren viel gekauft, so dass das Kurschnergewerbe dort in hoher Brute steht.
Der Betrieb ist meist noch ein handwerksmassiger, so dass in Ungarn iiber 7000
Kurschnermeister und 3 — 4000 Gesellen existieren. InBudapest findet man eine
grossere Anzahl feiner Detailgeschafte, doch hat dort die eigentliche Export -
fabrikation noch nicht eingesetzt.
In Osterreich fand die Kiirschnerei ihre Hauptstiitze hauptsachlich in
Bohmen, und stammen noch heute die Mehrzahl der osterreichischen Pelz-
arbeiter aus Bohmen. Bis vor etwa 25 Jahren bestand in Osterreich das Pelz-
geschaft auch ausschliesslich im Detailhandel, und war es die Firma Toch, die
in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Export- Kiirschnerei auf-
nahm. Andere Wiener Firmen folgten und bald nahm dieser neue Industrie-
zweig einen grossen Aufschwung an. Einige Firmen, wie z. B. Tlusty, Knopf 1-
macher & Co. richteten regelrechte Fabriken auf dem Lande ein, um die billigen
Arbeitskrafte nutzbar zu machen, und heute spielen die vorziiglich gearbeiteten
Fabrikate der osterreichischen Pelzwarenfabrikation eine bedeutende Rolle auf
dem Weltmarkte. Der Rauchwarenhandel hat aber in Osterreich mit dieser
Entwicklung nicht ganz Schritt gehalten.
Zwar existieren sehr grosse Firmen, namentlich das sehr alte Wiener
Haus Georg Konig & Bruder, so wie J. Z. Schiitz in Prag und Wien, dessen Vor-
fahren, wie aus vorhandenen Urkunden hervorgeht, schon vor 200 Jahren
16
242 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter.
als Fellhandler tatig waren. Doch begniigten sich diese Hauser hauptsachlich
damit, den Bedarf der osterreichischen und ungarischen Industrie zu decken,
und beteiligen sich am Welthandel vorzugsweise durch ihre Leipziger Filialen.
In Budapest besteht dagegen schon seit langer Zeit cin grosser Markt fur
dortige Produkte, namentlich Schaffelle (Ungarn und Siebenbiirger) und
Schmaschen, sowie Fiichse, Harder und Iltis, die auch stark exportiert werden.
So wird z. B. der durchaus nicht unbedeutende Bedarf Deutschlands an
Schaffellen fur Eisenbahnpelze vorzugsweise von hier aus gedeckt. Auch in
Triest befindet sich ein grosser Markt fiir Schmaschen und Schaffelle.
Bilder vom Briihl.
In Galizien, wo auch Pelze von jeher zur Landestracht gehorten, liegt
auch die Kiirschnerei und der Rauchwarenhandel, wie fast das ganze Gewerbe
und der Handel in Handen der judischen Bevolkerung.
In Lemberg, Krakau und den kleinen Platzen befinden sich zahlreiche
Rauchwarengeschafte, deren Inhaber regelmassig die Leipziger Messe besuchen
und auch standige Einkaufer dort unterhalten. Es wird dort ziemlich vie]
feines amerikanisches und anderes Pelzwerk eingefiihrt, doch lassen die Kredit-
verhaltnisse ofter manches zu wiinschen iibrig. Von galizischen Produkten
spielen zugerichtete weisse Kanin, sowie Fiichse und andere Wildwaren eine
grosse Rolle fiir den Export.
Im Orient stand das Pelzgeschaft von jeher in grosser Blute. Schon im
alten Byzanz wurden vielPelzkleider getragen, und werden haufigZobelfelle er-
4. Kapitel. 243
wahnt, die aus den Landern der Skythen kamen. Mil der Herrschaft der
osmanischen Tiirken wurde die Kiirschnerei noch viel ausgedehnter, denn auch
bei ihnen war der pelzgefutterte Kaftan zur Nationaltracht gehorig und ist erst
in den letzten 30 oder 40 Jahren von dem schwarzen einreihigen Gehrock, dem
,,Stambuli", verdrangt worden, doch findet man ihn auch jetzt noch haufig bei
alten konservativen Herren in der Provinz. Friiher, ehe noch die Ordensaus-
zeichnungen in der Tiirkei Mode wurden, vertrat ihre Stelle ein vom Sultan
verliehener Ehrenpelz, meist mit Zobel gefuttert. Auch die fremden Gesandten
bekamen stets bei ihrem Antritt einen solchen Zobelpelz geschenkt. Sonst
Bilder vom Briihl.
waren als Pelzf utter der Pelze ,,Kuiski" hauptsachlich Fuchs und Luchs sowie
Kolinski beliebt, auch Weissfuchs und weisse Hasen spielten eine Rolle.
Ursprunglich waren die meisten Angehorigen der Kiirschnerei zuerst osma-
nische Tiirken, bald aber wurden sie von den sich immer mehr ausdehnenden
GriechenindenHintergrundgedrangt. DieseGilde war aber stets sehrangesehen.
Lange Zeit standen an der Spitze dieser Kiirschner-Innung die Angehorigen der
alten griechischen Fanariotenfamilie Ypsilanti, in der sich die Wurde des
Grosskiirschners forterbte. Bekanntlich wurde einer dieser Kurschnersohne
Konstantin Ypsilanti 1789 zum Hospodar der Wallachei und zum Fiirsten er-
nannt. Sein alt ester Sohn Alexander Ypsilanti, einer der Fiihrer im griechischen
Unabhangigkeitskampfe ist, bekannter aus den Mullerschen Griechenliedern
,, Alexander Ypsilanti sass auf Munkacz hohen Thonom", wahrend sein Bruder
16*
244
Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dem Mittelalter
Demitrius Ypsilanti der erstc Prasident des griechischen gesetzgebenden
Korpers war. Heute gehoren die Ypsilantis dem rumanischen Hochadel an
und erinnern sich wohl nicht gern mehr ihrer mil Zweckzange und Nadel
hantierenden Vorfahren. Die Konstantinopler Kiirschner haben ihre Laden
hauptsachlich im grossen Bazar und im Kiirkski-Haus in Stambul, die noch
ganz nach orientalischer Art sind, daneben findet man aber im Pera-Gebiete etc.
in den Schaufenstern der eleganten Magazine die feinsten sowie gewohnlichen
Pelzwaren modernen Schnitts. Namentlich die Damen, sowohl die tiirkischen
Haremsdamen als die Griechinnen, tragen moderne Stolen, Muff en und Pelz-
Bilder vom Briihl.
jacketts, die zum grossen Teil aus Wien stammen. Auch auf der ganzen Balkan-
halbinsel liegt das Pelzgeschaft und die Kiirschnerei in griechischen Handen,
doch hat sich in der Art der Einfuhr auch hier vieles geandert.
Fruher kaufte man in Leipzig namentlich Fiichse, aus denen der Riicken
mit den Schwanzen ausgetrennt und die Klauen abgeschnitten und in Leipzig
verkauft wurden, da man im Orient nur vorzugsweise die Fuchsbauche ver-
wendete. Auch Kolinski, chinesische Wiesel, Weissfuchse, Feh ging friiher viel
nach dem Balkan; jetzt hat dies aber stark nachgelassen und wird dort viel
heimisches Pelzwerk verarbeitet. Nach wie vor werden aber dort viel Pelz-
stiicke eingefuhrt, namentlich Zobelstiicke, Luchs, Nerz, Chinchilla, die sorg-
faltig sortiert und zu gut gearbeitetemFutter zusammengestellt sind. Besonders
in Mazed onien betreibt die Landbevolkerung die Anfertigung von Pelz-
4. Kapitel. 245
fuller als Hausindustrie im Winter. Ein Teil dieser Fuller kommt nach Leipzig
zuriick, der grosser e Teil aber wird in der Tiirkei verkauft.
In Kleinasien haben stall der Griechen vorzugsweise Armenier den
Pelzhandel in Handen, doch sollen sie nicht so geschickte Kiirschner sein wie
die Griechen, sondern mehr den Handel mil den rohen Fellen und den fertigen
Erzeugnissen betreiben. Von der Tiirkei und den Balkanlandern wird auch
ein ziemlich bedeutender Export mil Rauchwaren nach Leipzig betrieben,
namentlich Harder, Fiichse, Wildkatzen und Schakale in grossen Mengen,
ferner Schaffelle und Schmaschen. In Polo in Mazedonien existiert ein grosser
Markt fur die schwarzen mazedonischen und tiirkischen Schaffelle, die zur
Anfertigung von Schalpelzen dienen. Die Gesamtausfuhr von Rauchwaren
aus der Tiirkei diirfte mehr als i Million Mark ohne die Schaffelle betragen.
In Rumanien und Serbien werden heute vorzugsweise moderne Pelz-
sachen getragen. Zum Teil kommen dieselben aus Wien, zum Teil werden sie
im Lande von Kurschnern gefertigt. Hier liegt die Kiirschner ei aber nicht mehr
in den Handen der Griechen, sondern wird vorzugsweise von Israeliten
betrieben.
Eigentiimlich fur Rumanien bleibt aber die Pelzmiitze, aus schwarz ge-
farbten Buenos Ayres- Schmaschen, die ausschliesslich in Leipzig fur diesen
Markt ebenso wie fur Ungarn gefarbt werden.
5. K a p i t e 1.
Skandinavien, Niederlande und tibriges Europa.
In Skandinavien war das ganze Pelzgeschaft friiher in Abhangigkeit
von Liibeck.
Das norwegische Geschaft wurde durch den Kaufhof der Hansen an der
deutschen Briicke in Bergen vermittelt, in dem Liibeck den Vorsitz fiihrte, und
auch auf dem Heringsmarkt in Schonen, der dem Pelzhandel mit Danemark
und Schweden als Stapelplatz diente, waren die liibischen Kaufleute die ersten.
Mit dem Niedergang der Hansa kam aber das heimische Gewerbe in die Hohe,
doch deuten die Namen Bundtmager in Danemark und Norwegen, Korsnor in
Schweden auf den deutschen Ursprung. Es existieren verschiedene Gewerbe-
gesetze aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, welche auch Vorschriften liber die
Kurschnerzunfte enthalten.
1846 wurden aber die samtlichen alten Handwerksgesetze aufgehoben, die
Ziinfte aufgelost und 1864 allgemeine Gewerbefreiheit eingefuhrt.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ging der Pelzhandel Liibecks mit
Skandinavien zum grossen Teil in die Hande der Hamburger iiber. Hamburg
ist noch heute der Stapelplatz fiir nordische Land ware, wieFiichse, Harder usw.,
die, namentlich aus Norwegen stammend, recht wertvoll sind.
Die Kiirschnerei in Schweden und Norwegen beschrankt sich grosstenteils
auf Spezialitaten, wie Decken und Garnituren aus Eidergansfellen, Kormoran-
fellen, Weiss- und Blaufiichsen. In den grossen Magazinen von Brandt in Bergen,
Bruhns in Drontheim etc. kaufen die Tourist en auch gern Eisbaren, braune
Baren, Luchse usw. mit naturlichem Kopf . Aber auch moderne Pelzgarnituren
und Mantel werden vielfach von Fremden gekauft, die eigentlich ihren Ursprung
naher der eigenen Heimat haben. Friiher bereisten ausschliesslich Hamburger
Geschafte ganz Skandinavien mit ihren fertigen Pelzwaren, dann, seit Anfang
der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, traten die Reisenden Berliner
Fabrikanten mehr in den Vordergrund.
5- Kapitel.
247
Mil dem Steigen der Einfuhrzolle wurde aber das Importgeschaft fertiger
Ware schwieriger, und Hamburger und Berliner Hauser errichteten Filialen zur
Anfertigung von Pelzwaren im Lande.
Auch die eigene Fabrikation skandinavischer Hauser erstarkte. Friiher
gab es neben den Detailkiirschnern eigentlich nur zwei Firmen, die fur den
Engrosbetrieb fabrizierten, die Firma Forssel in Stockholm und die grosse
Mantelfirma J. Moresco in Kopenhagen, von denen die erstere aber vor etwa
20 Jahren die Zahlungen einst elite, wahrend die andere noch heute ein Welt-
haus ersten Ranges ist. Jetzt betreiben aber verschiedene Firmen die Engros-
fabrikation, von denen ich nur die Firmen Wettergreen in Gothenburg und
Goldstein & Sohn in Kopenhagen und Malmo nennen will. Alle diese Firmen,
Eskimofrauen an Bord Pearys Expeditionsschiffes mit Zubereiten erbeuteter Felle beschaftigt.
ebenso die der grossten Detailgeschafte, haben einen starken Bedarf an
amerikanischen und russischen Rauchwaren, den sie zumeist in Leipzig decken.
InSchweden und im siidlichenNorwegen ziehen zahlreiche Aufkaufer im Lande
umher, die rohe Landware aufkaufen; im nordlichen Norwegen, in Bergen,
Drontheim, Tromso und Hammerfest wird der Einkauf meist von den dort
ansassigen Kiirschnern besorgt. Nach diesen Pelzhandelsplatzen kommen
auch viele Felle von Eisbaren, Polarfuchsen, Seehunden, die von den dort
beheimateten Fangschiffen von ihren Fahrten aus dem Eismeer, Spitzbergen,
Novaja Semlja usw. mitgebracht werden. Fast alle diese Felle kommen zu-
nachst nach Hamburg und von dort zum grossten Teil nach Leipzig. In Kopen-
hagen ist auch der Hauptsitz des Koniglichen gronlandischen Handels. Die
ganze Zivilverwaltung Gronlands steht unter dem Direktorat des Koniglich
gronlandischen Handels, der fur Rechnung der Regierung betrieben wird.
248 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Europa seit dern Mittelalter.
Gronland 1st zu diesem Behufe in zwei Inspekt orate geteilt. Nordgronland mil
den Kolonien Upernavik, Ormenak, Ritenbenk, Jacobshaven, Kristianshaab,
Egedesminde und Godhavn, und Siidgronland mit Holstenborg, Sukkertoppen,
Godthaab, Frederikhaab und Julianshaab. Eigene Schiffe, friiher meist Briggs,
jetzt auch Dampfer, unterhalten den Verkehr mit dieser danischen Kolonie und
bringen die Produkte Gronlands, Seehundsfelle, Tran, Weissfuchs- und Blau-
fuchsfelle, Eidergansfelle und -Decken, Eisbaren, Vogelfedern, Eiderdaunen,
Narwal- und Walrosszahne. Diese Waren werden zweimal im Jahre in Kopen-
hagen zur Auktion gebracht. In der letzten Zeit wurden auch versuchsweise
Automobilkleider versteigert, die von den kunstfertigen Handen der Eskimo-
frauen fur den europaischen Markt angefertigt werden. Der Wert dieser
Ausfuhrwaren betragt jahrlich etwa i Million Kronen, diedurch den gronlandi-
schen Handel dort eingefuhrten Waren, wie Mehl, Zucker, Schiffszwieback,
Kolonialwaren, Manufakturwarenusw. bewerten sich auf etwaeine halbe Million,
und deckt der Gewinn ungefahr die Kosten der Verwaltung der Kolonie.
Auch die Produkte Islands, jener zweiten danischen Kolonie, die jetzt so
eifrig die Losreissung vom Mutterlande betreibt, finden zum grossten Teil
ihren Weg nach Kopenhagen. Es sind dies ausser den Produkten der Fischerei
namentlich Felle vom Weissfuchs und Blaufuchs, Seehundsfelle, Eidergans
und andere Vogelfelle und sehr feine Schmaschen, sowie Eiderdaunen.
Die islandische Wolle und islandischen Ponies werden hauptsachlich nach
England exportiert.
Der Handel mit Rauchwaren ist hier ganz in privaten Handen. Kurschner
gibt es auf Island nicht, doch werden fertige Pelzwaren von Kopenhagen aus
eingefuhrt. Die Verbindung findet durch regelmassige Dampfer statt.
Anfang des 17. Jahrhunderts war Amsterdam ein Hauptsitz des euro-
paischen Pelzhandels geworden. Die Polargegenden bei Spitzbergen waren
infolge der hollandischen Entdeckungen des grossen Reichtums von Tran-
tieren ein Sammelpunkt ganzer internationaler Fangflotten geworden, wie es
schon heute die Neufundlanderbanke fur den Kabeljaufang sind. Hollandische
Fahrzeuge waren aber in der Mehrzahl. An der Schmerenbergbucht und an
anderen Stellen Spitzbergens befanden sich grosse standige hollandische An-
siedlungen, und wurden hier haufig blutige Kampfe zwischen den Angehorigen
der verschiedenen Nationen ausgefochten. Von hier aus gelangten aber nicht
nur Tran und Fischbein, sondern auch die erbeuteten zahlreichen Felle, wie
Weissfuchse, Blaufiichse, Hermelin, Seehundsfelle, Renntierdecken etc. nach
Amsterdam.
Nach der Griindung Manhattans, des heutigen New York im Jahre 1612
kamen dorthin auch die Ertragnisse des Tauschhandels mit den Indianern,
namentlich Biber und Otterfelle, Fuchsfelle etc., so dass nicht nur die gross-
artig entwickelte Industrie der Niederlande mit den notigen Rohstoffen ver-
sorgt wurde, sondern auch nach Deutschland etc. Felle ausgefuhrt wurden.
Erst mit dem Ende des Tranfanges bei Spitzbergen und dem Verlust der nord-
5- Kapitel. 240
amerikanischen Besitzungen horte Holland auf, ein Emporium des Pelzhandels
zu sein. Wie bei dem grossen Reichtum der Niederlande, und der Moderichtung
jener Zeit, die Pelzverbramung bei den Kleidern jedes vornehmen oder auch
nur wohlhabenden Mannes vorschrieb, nicht anders zu erwarten, bluhte da-
mals in Amsterdam, Brugge etc. auch das Kiirschnergewerbe. Die Kurschner-
zunft spielte keine geringe Rolle unter den damals so machtigen Zunften. Mit
dem Niedergang der Moderichtung, Anfang des 18. Jahrhunderts, horte dies
auf. Heute befinden sich in Holland nur wenig grossere Kurschnereibetriebe,
der grosste Teil der dort verbrauchten Pelzwaren wird in fertigem Zustande
eingefuhrt, namentlich aus Deutschland. Als Spezialitat des Landes ist aber die
Zurichtung von Schwanen- und Gansefellen zu betrachten, die gerupft einen
grossen Handelsartikel bilden. Daneben wird die Zucht von Katzen gewerbs-
massig betrieben, und sind namentlich die schwarzen hollandischen Katzen
die besten.
Auch in B e 1 g i e n , dem klassischen Lande der Bliite des Handwerks,
war lange Zeit nach der Auflosung der Gilden wahrend der franzosischen Herr-
schaft das Kurschnerhandwerk ganz verschwunden, und der Bedarf an fertigen
Pelzwaren wurde durch Einfuhr aus Paris und Deutschland gedeckt, erst in den
letzten Jahrzehnten sind eine Anzahl moderner Kurschnergeschafte in Briissel
und Antwerpen entstanden, meist von Auslandern begriindet. Dagegen besteht
schon seit Anfang des vorigen Jahrhunderts eine bedeutende Industrie zum
Verarbeiten von Kaninchenfellen, die in grossen Fabriken in Gent, Alost,
Brugge usw. zugerichtet, gefarbt und geschoren werden. Die belgischen Kanin
sind bedeutend kleiner und minder wer tiger als die franzosischen, doch diirfte
die jahrliche Produktion 10 Millionen Franks iibersteigen. Die Hauptausfuhr
findet nach Amerika statt, an zweiter Stelle steht Deutschland an dritter
England.
In Italien war im Mittelalter und wahrend der Renaissance das
Kurschnerhandwerk in hoher Bliite, da Pelzwerk ein notwendiger Bestandteil
der vornehmen Tracht ausmachte, was wir noch auf vielen Bildern aus der
damaligen Zeit sehen konnen. Ich erinnere nur an den prachtvollen Luchspelz
auf dem Bilde von Tintoretto im Berliner Museum. Spater sank auch hier
die Kiirschnerei. Im vorigen Jahrhundert wurde fast alles, was an Pelzwerk
gebraucht wurde, fertig eingefuhrt; jetzt ist aber seit einem Jahrzehnt auch die
eigene Fabrikation recht erstarkt und namentlich in den letzten Jahren be-
zogen die italienischen Kiirschner recht ansehnliche Posten Felle von Leipzig.
Ubrigens liefert Italien auch nicht unbetrachtliche Posten Wildarten, wie
Fiichse, Marder usw. die aber meist von geringer Qualitat sind, und grosse
Mengen meist guter Schmaschen.
In S p a n i e n decken noch heute die dortigen Kiirschner ,,mang iteros"
(von manga, der Muff) nur einen geringen Teil des nicht unbedeutenden Be-
darfs des Landes, der weitaus iiberwiegende Teil wird aus Frankreich und
25O IV. Geschichte des Ranch warenhandels in Europa seit dem Mittelalter
Deutschland eingefiihrt. Die spanische Landware, Fiichse, Harder und
Schmaschen, findet ihren Weg teils nach Paris, teils nach Leipzig direkt.
Die Schweiz besitzt seit langer Zeit recht gute und umfangreiche
Kurschnergeschafte, fiihrt aber doch jahrlich fiir mehrere Millionen fertige
Pelzwaren ein, wohl mindestens ein Drittel des Konsums. Die neue Zollgesetz-
gebung hat die Einfuhr aber sehr erschwert. Sehr gute Landware, wie Fiichse
Harder, Iltis, Katzen wird von der Schweiz geliefert, namentlich haben die
Schweizerfuchse einen guten Namen. Die ganze Produktion kommt nach
Leipzig.
6. K a pit el.
Asien.
In dem Riesenreiche China war die edle Kiirschnerei schon seit dem
grauen Altertum zu Hause. Das kalte Klima im nordlichen und mittleren
China wahrend des Winters machte Pelzkleider zur Notwendigkeit, und gehorte
feines Pelzwerk ausserdem zur offiziellen Fracht der Mandarinen. Meistens
wurde einheimisches Pelzwerk verarbeitet, die verschiedenen Sorten Lammfelle
und Schaffelle, namentlich die sogenannten Tibetlammfelle und mongolischen
Lammfelle, ferner Kidfelle, Fiichse und Zobel. Verschiedene einheimische Pelz-
sorten, die heute einen bedeutenden Exportartikel bilden, wurden aber zum
eigenen Gebrauch nicht verwendet z. B. die Wieselfelle, Seefuchse und andere.
Da die Form der Tracht stets Jahrhunderte lang dieselbe blieb, war auch
die Gelegenheit zur Massenanfertigung von Pelzf utter giinstig. Namentlich in
Shansi existierten zahlreiche Grosskurschner, welche die verschiedenen Felle zu
Futter, hauptsachlich in 2 Grossen anfertigent, die Maquas oder Kreuze zum
Fiittern der Reitjacken, und die langen Rocke mit verhaltnismassig schmalen,
langen Armeln. Verhaltnismassig selten war eine andere Form, die verlangerten
Kreuzen glich, und im Pelzhandel robes genannt wurde.
Angestellte, Agenten und Kunden dieser Engroskurschner verbreiten die
Fabrikate iiber das ganze Reich bis in den fernen Siiden, und unterhalten
Verkaufsladen in alien chinesischen Stadten, wo man auch die Futter mit
Seidenstoffen bezogen als fertige Kleidungsstiicke kaufen kann. Besonders in
einzelnen Stadten finden sich ganze Strassenreihen nur mit Kiirschnerladen
besetzt, z. B. in Peking, Mukden usw. Daneben gibt es zahlreiche chinesische
Rauchwarenhandler, aber in grosseren Mengen erst seit Aufkommen des
Exporthandels.
Die Chinesen sind sehr geschickte Zurichter, und befinden sich in Kalgan
und anderen Platzen Shansis und Shensis Zurichtereien, die mehrere hundert
Leute beschaftigen. Auch in der Kiirschnerei sind sie sehr geschickt, obgleich
die Werkzeuge vielfach noch sehr primitiv sind. Das Kurschnermesser besteht
aus einem Halbkreis, und ausserdem wird eine gewohnliche Zange benutzt.
Eine ordentliche Zweckzange kennt der chinesische Kiirschner ebensowenig
252
IV. Geschichte des Rauchwarenhandcls in Asien.
wie die dreikantige Kiirschnernadcl. Die Kiirschner bildcn iibrigens uberall
eine starke Gilde, welche die Arbeitsbedingungen reguliert. So diirfen z. B. im
Sommer keine Kurschnergesellen langer als von 10 bis 4 Uhr beschaftigt
werden, wenn auch die Arbeit noch so sehr drangen sollte, damit eben moglichst
viel Leute Beschaftigung finden, die dann in der Saison gebraucht werden.
Von jeher liebte es aber das bessere Publikum auch in China aus-
landisches Pelzwerk zu tragen. Schon zurRomerzeit gab es cinen regelmassigen
Handelsverkehr von China mil Bagdad und den Hafen des arabischcn Meeres.
Seidenstoffe, aus denen die Romer nachher die sogenannten koi'schenGewander
herstellten, wurden gegen Erzeugnisse des Abendlandes ausgetauscht, und
hierbei spielte Pelzwerk aus dem Scythenlande und selbst den fernen Waldern
Germaniens keine unbedeutende Rolle. Spater ging die grosse Handelsroute
Fell-Lager eines chinesischen Spcichers (Godown).
von Byzanz aus langs des kaspischen Meeres und durch Zentralasien liber
Samarkand und Taschkend nach China, der auch spater Marco Polo folgte. Zu
jener Zeit bestand ein lebhafter Handelsverkehr auf dieser Route mit Byzanz
und Europa. Unter den Einfuhrartikeln spielten damals Edelsteine und kost-
bares Pelzwerk, namentlich Zobelfelle, eine Hauptrolle. Auch die Araber, die
im 12. und 13. Jahrhundert einen grossen Handel mit China zur See unter-
hielten, und einige standige Niederlassungen in der heutigen Provinz Fokien
unterhielten, brachten Pelzwerk mit ins Land. Diese eingefiihrten Mengen
waren aber nicht sehr gross, und das Importgeschaft mit Rauchwaren nahm
erst einen grossen Aufschwung nach der Eroberung Sibiriens durch die Russen.
In dem Abschnitt iiber ,, Geschichte des Rauchwarenhandels in Russland"
habe ich die Entwicklung des Handels zwischen Sibirien und China aus-
fiihrlich geschildert, das Monopol der russischen Peking-Karawane fur den
Pelzhandel, und die Griindung von Kiachta. Letzteres war beinahe ein Jahr-
hundert lang die einzige Stelle, wo sich der chinesische Markt mit fremdem Pelz-
6. Kapitel.
253
werk, Seotterfellen, Biber, Landottern, Silberfiichsen, Blau- und Rotfiichsen,
Luchsen usw. versorgen konnte.
Ende des 18. Jahrhunderts begann aber auch die Einfuhr auf dem See-
wege, namentlich nach Canton, wo die ostindische Kompanie Faktoreien be-
griindet hatte. So schickte z. B. die Nordwest-Kompanie schon 1797 13 364
Biber, 1250 feine Ottern und 1724 Kiffiichse direkt nach China. In den Jahren
1797 bis 1807 kamen allein von der Sudkuste von Siidamerika, den Falkland-
Inseln und der Magellanstrasse 3 1/2 Millionen Sealskin nach Canton, die dort
im Durchschnitt fur 15 spanische Taler per Stuck verkauft wurden. Im Jahre
1775 hatte ein englischer Kapitan, James Heines, in einer kleinen Brigg von
60 Tonnen zuerst eine Fahrt von Canton nach Nootka und nach Alaska gemacht
Chinesische Rauchwaren-Zurichterei.
und war mit reicher Beute von Seeotterfellen zuruckgekehrt. Auch von
Bombay und Kalkutta aus wurden mehrere Schiffe ausgeriistet, um an der
amerikanischen Kiiste Felle einzuhandeln und in China zu verkaufen. Im
gleichen Jahre bildeten mehrere englische Kaufleute die King Georgs Sound
Company, mit dem ausgesprochenen Zweck, zwischen Amerika und China
Pelzhandel zu treiben. Sie erhielt die notwendigen Lizenzen von der Ost-
indischen Company und der South Sea Company und riistete die Schiffe
,,King Georg Sound", 320 Tonnen, und ,, Queen Charlotte", 200 Tonnen, unter
Kommando von Portlock und Dixon aus. Die Expedition ging von Gravesrend
iiber die Falkland-Insel um Kap Horn, und die Sandwich-Inseln nach der Kiiste
von Alaska und brachte dann iiber 2000 feine Prima Seeottern, eine bedeutend
grossere Anzahl geringerer, sowie zahlreiche Fiichse, Schuppen, Zobel, Nerze
und Sealskin nach Canton. Seeotterfelle brachten damals in Canton 80 bis 90
254
]V. Geschichte des Rauchwarenhandels in Asieru
Dollar pro Stuck, durch eine Verkettung von Umstanden mussten sie aber
von der East India Company iibernommen werden, die nur 20 Dollar pro Stiick
zahlte, also einen recht hiibschen Gewinn an der Ladung erzielte. Auch die
russisch-amerikanische Kompanie sandte einen grossen Teil ihrer Fellausbeute
teils nach Kiachta, teils aber direkt nach Canton, so dass Anfang des 19. Jahr-
hunderts jahrlich uber 20000 Seeotterfelle nach China kamen.
Wie wir in demAbschnitt ,, Geschichte des Rauchwarenhandels inAmerika"
gesehen haben, hatte auch Astor bei Griindung von Astoria den direkten Pelz-
handel mit China ins Auge gefasst. Durch die torichte Handlungsweise des
Kapitan Sowles, der mit dem ,, Beaver" die erste Pelzladung im Werte von
Fell-Packanstalt in Tientsin.
300 ooo Golddollars fur Astor nach Canton brachte, und durch den englisch-
amerikanischen Krieg musste das Unternehmen aber aufgegeben werden.
Trotzdem fand ein regelmassiger Export in Fellen nach Canton welter statt, bis
nach Eroffnung Shanghais fur den fremden Handel 1840 der Mittelpunkt des
fremden Pelzhandels dorthin verlegt wurde. So schickte z. B. die russisch-
amerikanische Company 1850 2000 Biber nach Kiachta, den Rest ihrer Aus-
beute nach Shanghai, ebenso eine grosse Partie Fuchse, Luchse und ameri-
kanische Zobel. 8000 Sealskin gingen ebenfalls direkt nach China. Spater
wurde der direkte Import von einigen deutschen Hausern betrieben, aber in
massigem Umfange. Es kamen und kommen noch heute Silberkaninfelle aus
Frankreich, Fuchsklauen, Otterfelle etc. aus Deutschland, Luchse, Biberfelle
etc. aus London dorthin. Seeotterfelle sind heute fur den chinesischen Markt
6. Kapitel. 255
viel zu teuer geworden. 10 bis 20 Stuck mogen aber immerhin noch iiber
Kiachta dorthin kommen. Aus Sibirien kommen auch noch grossere Mengen
Eichhornchenfelle dorthin. Im allgcmeinen ist aber die Einfuhr fremden Pelz-
werkes in China sehr zuriickgegangen. Sehr spat begann erst die Ausfuhr
chinesischer Pelzwaren nach Europa. 1785 wurden in der Einfuhrliste von
Kiachta nur Pant erf elle und Tigerfelle aus China erwahnt. Seit Ende der
sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts kam jahrlich ein kleines Quantum
Tigerfelle und chinesische Zobelkreuze in London bei Nesbitt zur Auktion,
und um diese Zeit trafen auch die erst en chinesischen Ziegendecken auf dem
Londoner Markte ein, aber immer noch in massigen Quantitaten; als 1876
20 ooo Ziegendecken angeboten wurden, staunte man iiber das grosse Quantum.
Heute werden etwa V2 Million solcher Decken exportiert. Ende der siebziger
Jahre kamen die erst en Tibet f elle in Form von Rocken nach Nishnij-Nowgorod,
wo sie mit 100 Rubeln pro Rock bezahlt wurden.
Ich war 1887 der erste, der direkt Pelzwaren aus China nach Deutsch-
land brachte, und wurde dieser Handelszweig bald von mehreren Hamburger
Hausern mit grosser Energie in die Hand genommen. Die ersten Wieselfelle
brachte ich 1891 von China in den Handel, 5 Jahre spater wurden bereits
600 ooo Stuck davon eingefiihrt. Heute kommt der grossere Teil der chine-
sischen Ausfuhr nach Deutschland, der Rest nach England zur Auktion. Ein
kleiner Teil wird auch direkt nach Amerika verschifft. Von etwa 100 ooo Mark
vor 25 Jahren ist heute der Wert der Pelzausfuhr von China auf zirka zehn
Millionen jahrlich gestiegen.
Hauptsitz des Exporthandels in chinesischen Fellen ist heute Tientsin und
Shanghai, wohin die Felle aus alien Teilen des Reiches meistens gelangen.
Jedes hat aber nicht nur ein anderes Hinterland und damit verbundene andere
Fellarten, sondern auch der Handelsbetrieb ist ein anderer. Tientsin beherrscht
den ganzen Norden, die Provinzen Chile, Shansi, Shensi, Kansu, die Mongolei
und das feme Turkestan. Die Compradore der grossen europaischen Firmen
besitzen eigene Filialen in Kalgan, Singanfu, Lanschanfuh und anderen Orten
des Innern, und erhalten von dort itamelwolle, Wolle, Ziegenhaute, und an
Pelzfellen namentlich Tibet f elle, und andere Lammfelle und die daraus ge-
fertigten Fabrikate, Ziegenfelle and Decken, Kidkreuze, Zobelfelle und Kreuze,
Murmel, Fiichse, Steinmarder, Hundematten, Fehschweife, Tiger- und
Leopardenfelle. Auch verschiedene chinesische Grosskaufleute beziehen grosse
Warensendungen an Fellen aus dem Innern, die dann an die europaischen
Kaufleute verkauft werden.
Shanghai beherrscht den Handel des ganzen Jangtsetals bis nach dem
fernen Kweichow und Szechuen, sowie die Nachbarprovinzen Shantung und
Chekiang. Die chinesischen Handler des Orts handeln aber nur selten als
Propre-Handler, sondern sind fast stets Kommissionare, welche die Felle
meist in Konsignation erhalten. Sehr haufig kommt der Besitzer der Waren
selbst mit seiner Kollektion angereist, um die Wunder der Fremden zu sehen,.
256
IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Asien.
und die Genusse von Fochow Road usw. wahrzunehmen, denn eine Reise nach
Shanghai ist das Ideal jcdes chinesischen Kuafmanns. Nach Shanghai
kommen vom Jangtsetal namentlich Wieselfelle, Seefiichse (raccoondogs),
Pahmis-Ottern, chinesische Mufflon (aus Chekiang) Civetcats usw.
Auch die Erzeugnisse der Mandschurei, Ziegendecken, Hundef elle,
Murmel, Fehschweife, Tigerfelle, Zobel usw. gehen weniger nach dem naheren
Tientsin sondern nach Shanghai. Es kommt dies daher, dass vor der Errichtung
der Eisenbahn das ganze Geschaft der Mandschurei in den Handen grosser
Bilder aus Buchara: Bucharische Marchenerzahler.
chinesischer Shanghai-Firmen lag, die in Newchwang, Mukden, Kirin usw.
Filialen unterhielten. Die europaischen Export eure kaufen auch meist nur auf
feste Ordre, indem sie die betreffende Sendung von den Chinesen 3 Tage fest
an Hand bekommen, und nun nach Europa oder Amerika telegraphisch an-
stellen. Es ist dies die billigste Art des Geschafts. Der Exporteur kann sich
dabei mit einem Nutzen von 4 bis 5 Proz. begniigen, denn er trassiert sofort
gegen die Verladungsdokumente und erhalt den vollen Betrag seiner Tratte
zum Tageskurse von der Bank ausgezahlt.
Neuerdings betreiben aber verschiedene Firmen, die in Europa eigene
Filialen haben, das Geschaft spekulationsweise, indem sie die Fellsendungen
^ Kapitel.
257
fur ihre eigcne Rechnung nach Hamburg, Bremen oder London an ihre eigenen
Filialen konsignieren, wobei sie von den Banken meist Vorschuss erhalten. Es
stellt sich dieser Modus natiirlich bedeutend teurer, da erstens viel Zinsen ver-
loren gehen, bis dass der Erlos fiir die Waren wieder in China ist, und ferner
kann der Exporteur sein Kapital auch viel seltener umsetzen, muss also
auch einen entsprechenden hoheren Nutzen haben.
Der Chinese erhalt iibrigens in Shanghai in alien Fallen sofort Kasse fiir
seine Waren, wie er auch fiir alle von ihm gekaufte Waren Kasse zahlen muss.
In Tientsin beteiligen sich aber die chinesischen Kaufleute haufig selbst an
solchen Konsignationen nach Europa, indem sie sich mit einem Vorschuss be-
Bilder aus Buchara: Sartische Persianer-Handler beim Mahle.
gniigen. Auch die Compradore beteiligen sich sehr haufig daran. Der Nutzen
dieser Geschafte hangt natiirlich sehr von der jeweiligen Konjunktur in Europa
ab. Die chinesischen Rauchwarenhandler haben selbst verstandlich auch ihre
Gilde, welch e bei ihren taglichen Zusammenkiinf ten nach Angebot und Nachf rage
den Tagespreis bestimmt. In den letzten Jahren sind iibrigens auf dem Markt
in Shanghai die J a p a n e r als starke Einkaufer fiir bestimmte Artikel auf-
getreten. Im allgemeinen 1st der Pelzhandel in Japan von viel geringerer
Bedeutung als in China. Die Japaner selbst verwendeten nicht viel Pelzwerk
zur Kleidung; nur die japanischen Otter felle wurden gerupft zu Mantelkragen
verarbeitet und Fuchsfelle und die Felle des japanischen Seefuchses, denen die
Oberhaare zur Pinselfabrikation ausgerupft sind, werden zu Pelzfutter ver-
wendet. Die Pelzhandler dort gehorten ebenso wie die Hautehandler und die
17
258
IV. Geschichte des Ranchwarenhandels in Asien.
Schlachter zur verachteten Pariakastc dcr Etahs, die noch heute, obgleich sie
seit 1868 vollkommene gesetzliche Gleichberechtigung besitzen, und durch den
Ausfuhrhandel vielfach reich geworden sind, eine sehr geringe soziale Stellimg
einnehmen. Konnten doch vor einigen Jahren die Pelzhandler und Haute-
handler in Tokio keinen Saal zur Abhaltung von Festlichkeiten erhalten.
Bilder aus Buchara: Breitschwanzfelle werden an der Sonne getrocknet.
Der Exporthandel in Fellen ist auch erst jungen Datums. Ich war im Jahre
1887 der erste, der japanische Felle direkt einfiihrte. Jetzt belauft sich die
Ausfuhr an Seefuchsen, japanischen Nerzen, japanischen Mardern, Dachsen etc.
auf mehrere Millionen jahrh'ch, ungerechnet die Resultate des Seehund- und
Seeotterfanges auf offener See.
Bis 1896 war kein einziges japanisches Fahrzeug an dieser Industrie
beteiligt; amerikanische und kanadische Schoner kamen an die japanische
Kiiste zum Fang. Nur ein Schoner von Yocohame, einern Deutschen gehorig,
betrieb den Seeotterfang an der Kiiste von Jesso und der Kurilen.
Infolge des englisch-amerikanischen Abkommens des genannten Jahres in
Paris, zu dem Japan nicht eingeladen wurde, wandten sich aber zahlreiche japa-
nische Schoner dieser Industrie zu, wo sie ihrer Flagge bedeutende Vorteile ver-
6. Kapilcl. 259
danken. Sie schwarmen das ganze Jahr hindurch an der amerikanischen Kiiste,
indem sie den schwimmenden Seehundsscharen folgen, und umlagern wahrend
der Saison die Pribiloffinseln bis dicht an die 3 Seemeilengrenze, die sie auch oft
genug iiberschreiten, wahrend die Fahrzeuge der anderen Nationen 60 See-
meilen entfernt bleiben miissen, und auch sonst durch verschiedene Vor-
schriften gehemmt sind, denen die Japaner nicht unterworfen sind. Der Hoch-
seefang ist deshalb fur Japan sehr lukrativ geworden, und bring! dem Lande
jahrlich jedenfalls mehrere Millionen ein. Wenn aber nicht bald Schritte getan
werden, diirften durch die Schuld Japans die Pelzseehunde ebenso ausgerottet
werden. wie es die Seeotter schon ziemlich ist.
Bilrler aus Buchara: Persianerfelle in der Beize.
In K o r e a war der Pelzhandel von jeher unbedeutend. Gefarbte Wiesel-
felle, die aus China kamen und Streifen Otterfelle wurden zum Schmuck der
Kleidung in geringem Umfang verwendete. Tigerfelle und die sehr schonen
Leopardenfelle wurden fur die Vornehmen, die ,, Yenbans" erworben, um als
Zeichen des Ranges iiber die Stiihle der Empfangshalle gebreitet zu werden.
Bis zur Besitzergreifung des Landes war auch der Ausfuhrhandel an Pelzwerk
kaum nennenswert, jetzt aber betragt der Wert etwa i Million jahrlich, die
teils zur See nach Japan, teils auf dem Landwege nach Mukden und Newchwang
gelangen. Es sind ausser Tiger-, Leoparden- und Barenfellen, hauptsachlich
Kolinsky und Seefiichse.
Zentralasienist fur die Pelzwaren-Industrie von nicht geringer Be-
deutung. Die Kirgisen und die Kalmucken lieben Pelzwerk zum Schmuck ihrer
26o
IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Asien.
Kleider zu verwenden, namentlich Fuchsfelle zum Fiittern der Chalate, jener
langen zur Nationaltracht gehorigen kaftanartigen Rocke, fiir welche die
minder Bemittelten die einheimischen Schaffelle verwenden. Fiir Miitzen,
Kragen, Verzierungen und dergleichen werden Otterfelle gebraucht, und zwar
neben den geringeren deutschen Landottern namentlich die flachen chinesischen
und siidamerikanischen Ottern. Der Pelzhandel in Zentralasien liegt fast aus-
schliesslich in den Handen der Tataren, die auch die verschiedenen Produkte
des Landes, wie Wolle, Kamelwolle, Federn, Pferdehaare, Felle und Haute
Bilder aus Buchara: Bucharische Kanfer von Karakulfellen.
zur Ausfuhr bringen. In den grossen Kaufhofen tatarischer Kaufleute in
Moskau liegen haufig fiir viele Millionen solcher Waren aufgehauft, alles unver-
sichert, da dieses Allah vorgreifen heissen wiirde, denn ,,es kommt doch wie es
vorgeschrieben", wozu also das Geld fiir die Versicherungspramien ausgeben.
Diese tatarischen Kaufleute, die friiher sehr viel Geld verdienten, haben aber
ihr Exportgeschaft, namentlich in Rauchwaren, sehr eingeschrankt gesehen,
seit der Ausdehnung des Bahnnetzes in Zentralasien. Moskauer und Kasaner
Agenten, Leipziger und auslandischer Hauser besuchen die Hauptknotenpunkte
Zentralasiens, wie Orenburg, Taschkent, Samarkand selbst und kaufen dort
6. Kapitel.
26l
Murmel und die anderen Erzeugnisse auf. Namentlich nach der Bucharei
kommen sogar Leipziger Rauchwarenhandler direkt, um die Persianer Lamm-
felle, Breitschwanze etc. direkt von Produzenten oder doch den erstenSammlern
zu kaufen. Das Leipziger Haus Thorer war das erste, welches sich auf diese
Art von dem Zwischenhandel der Tatar en emanzipierte. Nur die afghanischen
Rauchwaren, namentlich Breitschwanze und Persianerlammfelle, kommen
noch durch Karawanen nach den grossen Stapelplatzen an der Bahn, wo sie
dann erst in die Hande europaischer Agenten iibergehen. Besonders geschickt
Bilder aus Buchara: Burg des Emir v. Buchara, des grossten Persianerziichters der Welt.
sind die Kiirschner Zentralasiens nicht, wenngleich das Gewerbe dort bereits
ein uraltes ist.
Auch inPersien exist iert von Alters her die wohllobliche Kurschner-
zunft, die ja auch in der Anfertigung der zur Nationaltracht gehorigen be-
kannten schwarzen Lammfellmutzen reichlich Beschaftigung findet. Friiher
wurden auch sehr viele pelzgefutterte Kaftane getragen, namentlich mitFuchs,
Zobel usw., wie in der Tiirkei. Nachdem aber der schwarze einreihige Gehrock
der ,,Stambuli", den Kaftan immer mehr verdrangt, hat auch die Mode des
Pelzf utters nachgelassen, trotzdem es im Winter in Persien oft recht kalt ist.
262 IV. Geschichte des Rauchwarenhandels in Asicn.
Die Ausfuhr der pcrsischen Rauchwarenproduktion findct iiber die Hafcn des
kaspischen Meeres statt, und gelangt iiber Baku, Astrachan und schliesslich
iiber Nishny in den Welthandel.
Der Pelzhandel in I n d i e n beschrankt sich hauptsachlich darauf, Felle in
ziemlich grober Art zuzurichten und den Touristen in Simla, Darjiling und
den anderen Hiigelstationen zu verkaufen. In den Welthandel gelangt nur
eine verhaltnismassig kleine Zahl von Tiger-, Leoparden- und Barenfallen.
Eine zeitlang kamen recht hiibsche, wenn auch schlecht zugerichtete
Fellchen der gestreiftcn Eichhornchen auf den Markt, die sehr nette Pelz-
futter abgaben, doch habe ich seit langer Zeit keine mehr gesehen. Einen regel-
rechten Pelzhandel gibt es in Indien ebensowenig wie ein Kurschner-Gewerbe.
Die Hindus wiirden dies auch als unrein betrachten, wie sie ja auch moglichst
vermeiden, Tiere zu toten. Die in den einzelnen Dorfgauen als Jager
angestellten Shikarees begniigen sich auch wohl damit, den Raubtieren Fallen
zu stcllen. Die Jagd als Beruf iiben eigentlich hauptsachlich nur die vordra-
vidischen Bergstamme, wie die Ghonds usw. aus, welche denn auch die Felle
ihrer Jagdbeute zum Verkauf bringen.
Der Pelzhandel in T i b e t , das so schonc und seltene Pelztiere birgt, ist
noch gar nicht entwickelt, das wenige, das von da aus in den Welthandel
kommt, gelangt iiber die Grenzstation Ta Tien Liin nach der chinesischen
Provinz Szechuen. Hier ist noch viel fur die Zukunft zu erwarten.
7. K a pit el.
Uebrige Weltteile.
In S ii d a m e r i k a ist das Zentrum des Rauchwarenhandels Buenos
Aires, doch ist auch hier erst in neuerer Zeit ein grosserer Umfang desGeschafts
cingetreten. Die Hauptartikel sind Nutria und Chinchillas.
1864 gibt Lomer die Zahl der nach Leipzig gebrachten Nutriafelle auf
50 ooo Stuck im Werte von 50 ooo Taler an, und Chinchillas 30 ooo im Wert
von 24 ooo Taler, und an anderer Stelle die Gesamtproduktion Sudamerikas
auf 3 Millionen im Werte von 400 ooo Taler, und auf 100 ooo Chinchillas im
Werte von 80 ooo Taler. Die Hauptmenge der Nutria wurde damals zur
Filzfabrikation fur Hutmacherzwecke verwendet, fur die Rauchwaren-
Industrie wurde nur ein kleiner Teil verwendet. Sie wurden teils mit den langen
Grannenhaaren gefarbt, und vom Kurschner als ,,Affenfelle" verwendet, teils
gerupft naturell verarbeitet. Der Umstand aber, dass die Grannenhaare beim
Rupfen stets abbrechen und hasslich aussehende Stumpfen am Fell zuruck-
bleiben, hinderte die grossere Verwendung. Erst als man vor etwa 20 Jahren
anfing, dieFellegleich beim Zurichten durch einen Schwitzprozess zu enthaaren,
wuchs der Konsum ungeheuer. Heute werden etwa i Million Nutriafelle fur
Pelzzwecke und etwa i Million fur Filzzwecke verarbeitet, doch hat die Zufuhr
in den letzten 2 Jahren sehr stark abgenommen. In Chinchillas hat das
Quantum recht stark nachgelassen, so dass heut kaum mehr als 10000 echte und
40000 Bastardfelle in den Handel kommen*), doch ist der Wert enorm gestiegen.
Das kleine Quantum hat heute einen Wert von etwa i%bis 2 Millionen Mark.
In Schmaschen- und Lammfellen ist die Produktion infolge verbesserter Zucht-
methoden erheblich zuriickgegangen, belauft sich aber immerhin noch auf be-
deutende Summen. In Argentinien ist der Rauchwarenhandel schon gut
organisiert. Aufkaufer, meist Griechen, Syrer, Italiener und dergleichen durch-
ziehen das Innere und kaufen Felle und andere Rohprodukte auf, ebenso
*) Augenblicklich ist auch diese Ziffer noch bei weitem zu hoch gegriffen, da
die Zahl der Tiere so stark abgenommen hat, dass Chile ein Fangverbot fur 5 Jahre
erlassen hat.
264
IV. Uebrige Weltteile.
nehmen die Inhaber der Vendas, der primitiven Verkaufsladen und Schnaps-
schenken, Felle, Rosshaare und dergleichen in Zahlung. Die grossen Export-
hauser haben ihre eigenen Baraquas im Innern, wo alle Sorten Landesprodukte
gesammelt, sortiert, oder wie man es dort nennt, ,,klassiert" und verpackt
werden. Die Hauptmenge der Produkte gelangt aber nach Buenos Aires, nicht
nur von Argentinien, sondern auch von Montevideo. Die grossten Provinz-
geschafte senden ihre Kollektionen dahin, und auch viele kleinere Handler
reisen mil ihren Waren nach dem Paris Amerikas, um auch einmal wieder mit
der Kultur in Beriihrung zu kommen. Bekanntlich ist Buenos Aires heute nicht
nur ein Emporium des Welthandels, sondern cine Statte der raffiniertesten
Luxusentfaltung. Der Verkauf der dort auf den Markt gebrachten Erzeugnisse
geschieht auf die verschiedenste Weise, entweder freihandig oder durch
Auktionen.
Zum Teil werden grossere Partien auch im mundlichen und schriftlichen
Lager eines Nutria- Jagers am River Uruguay.
Submissionsverfahren plaziert, ein Verfahren, das sich namentlich grosser Vor-
liebe von seiten der argent inischen Verkauf er erfreut, weniger aller dings der
exportierenden Einkaufer, da hierdurch bei der Rivalitat der letzteren haufiig
ganz ungerechtfertigte Haussen hervorgerufen werden. Nutrias werden hierbei
stets nach Gewicht, die iibrigen Rauchwaren nach Stiickzahl gehandelt.
Ausser den oben genannten Fellen kommen noch Pampafiichse und
patagonische Fiichse, etwas Tigerkatzen (gatos montese und gatos pay eras),
etwas patagonische Ottern, Seehunde usw. an den Markt. Die schonen von den
Indianern angefertigten Guanacodecken fehlen seit der Ausrottung derPampas-
Indianer unter General Rocca ganzlich, statt dessen kommen die Felle der
jungen Guanacos ungegerbt in den Handel.
Der gesamte Export von Rauchwaren von Argentinien diirfte sich
meines Erachtens nach wohl auf 8 bis 10 Millionen Mark jahrlich belaufen. Der
iiberwiegend grossere Teil davon geht durch Hamburger, Antwerpener und
Leipziger Hauser. London spielt eine verhaltnismassig unbedeutende Rolle.
y. Kapitel.
265
(Die gesamte Einfuhr Deutschlands aus Argentinien 1st ca. 450 Millionen Mark
jahrlich.) An der Kiiste von Uruguay sowie an der patagonischen Kiiste wird
Jagd auf Pelzseehunde gemacht, der en Ertragnis nach London geht. Es
exist ier en iibrigens auch einige Kurschnereibetriebe in Argentinien und
Uruguay, die aber ausser Satteldecken, Teppichen meist nur billige Pelzgegen-
stande anfertigen, dagegen wird ein nicht unbedeutender Einfuhrhandel mit
feinen Pelzwarensorten betrieben. Hiervon kommt der grossere Teil aus Paris,
Bilder aus Buchara: Die gebeizten Persianerfelle werden zur Wasche getragen.
ein anderer aus Wien. Die Berliner Pelzkonfektion hat sich noch verhaltnis-
massig wenig daran beteiligt.
Der Fang der Pelzseehunde auf den, gegeniiber Maldonaldo an der
La Plata-Miindung gelegenen, Uruguay gehorigen Lobos-Inseln ist an eine
englische Gesellschaft verpachtet. Seit einigen Jahren kommen kanadische
Seehundschoner aus Halifax regelmassig zum Fang an diese Kiiste und haben
recht gute finanzielle Erfolge gehabt. Die erbeuteten Felle werden gewohnlich
in Montevideo ausgeladen und nach London verschifft.
In Chile, das ebenfalls einen nicht ganz unbetrachtlichen Pelzhandel
hat, ist dieser aber nur sehr wenig organisiert. Aus den nordlichen Teilen des
266
IV. Uebrige Weltteile.
Gebietes kommen Chinchillas, Bastard-Chinchillas etc., die, ebenso wie das in
Peru und Bolivien der Fall ist, meist in Form von Bank-Rimessen nach Europa
verschifft werden, sonst bilden nur Otterfelle aus dem siidlichen Chile sowie die
von chilenischen Fangschonern an der Kiiste der Provinz Chiloe und der
Magellanstrasse erbeuteten Otterfelle und Pelzseehundsfelle einen namhaften
Exportartikel, die aber immer nur gelegentlich nach Hamburg oder London ge-
sendet werden, ohne dass es zu einem gcregelten Handelsbetrieb gekommen ist.
Bilder aus Buchara: Persianerhandler im Karakulbazar.
Noch mehr ist dies der Fall in Brasilien und Venezuela, die sehr schone
Felle liefern konnen, ohne dass es bisher zu irgend einem nennenswerten
Export gekommen ist. Paraguay, das eine grossere Produktion hat, betreibt
darin keinen direkten Export, die Felle, namentlich Nutria, Pantherkatzen,
Jaguarfelle usw. kommen ebenso wie die Erzeugnisse des auf dem anderen Ufer
des Stromes gelegenen argentinischen Gran Chaco-Gebiet auf dem Wasserwege
nach Buenos Aires.
Australian.
Der Pelzhandel Australiens ist verhaltnismassig jungen Daturas. Heinrich
Lomer beziffert in seinem im Jahre 1864 erschienenen Buche die jahrliche
y. Kapitel.
267
Hudson's Bay, Fort in Labrador.
Produktion Australiens an Opos-
sumfellcn auf 30 ooo Taler. Er
schreibt bei dem Artikcl ,, Opos-
sum" an einer anderen Stelle ,,die
Neuhollander verarbeiteten sie oft
zu Dccken und vertauschten sie
an die Ansiedler, auf welche Weise
sie gelegentlich in den Handel
kamen, sie haben indessen keinen
festen Wert". Im Jahre 1876, als
ich zum ersten Male die Londoner
Auktion besuchte, war die Zahl
auf 2 — 300 ooo Stuck gestiegen,
wahrend jetzt etwa 2 Millionen
Stuck jahrlich an den Markt kommen, deren Wert allerdings stark schwankt,
augenblicklich etwa 4 Mark per Stuck durchschnittlich ist, eine Preislage aller-
dings, wie sie seit vielen Jahren nicht mehr eingetreten ist. Wallabys, Kanguruh,
Wombats usw. erwahnt Lomder gar nicht, In den siebziger Jahren kamen etwa 20
bis 30000 Wallabys undKanguruhs, die aber damals sehr billig verkauft wurden,
von 2 — 6 d per Stuck, Wombats, etwa 5 — 10 ooo Stuck brachten 4 — 6 d. Auch
diese Zahl hat sich bedeutend vermehrt, von den verschiedenen Sorten Wallabys
kommen jetzt jshr ich 600 ooo im Durchschnittswerte von ca. 2 bis 3 Mk. per
Stuck, Wombats etwa 200 ooo im gleichenWerte. Auch von Artikeln wie Beutel-
dachsen ,, bandicoots" von denen friiher nur geringe Quantitaten unter den
sundries sich fanden, gibt es heut vielleicht 100000 Stuck jahrlich. Kanguruh-
ratten, ringtails und nativecats kommen inverhaltnismassig kleinenMengen, die
in den letzten 20 Jahren keine Vergrosserung erfahren haben. In Kanguruh fellen
kommen entschieden weniger als noch vor 20 Jahren, da diese grossen Beutel-
tiere durch die zunehmende Besiedelung seltener geworden sind. Em sehr
starker Riickgang hat aber in Tasmanien stattgefunden, welches die feins-ten
Opossums, sowohl grosse graue, als die teueren schwarzen liefert. Von diesen
kommt und der vierte Teil des Quantums, das noch vor 20 Jahren angebracht
wurde. Diese schwarzen Opossum, die einen Wert von 10 — 15 Mk. per Stuck
haben, sind besonders in Russland gesucht. Der Pelzhandel ist nun in
Australien schon ziemlich organisiert. In den Stadten des Innern kaufen
Aufkaufer diese Felle nebst anderen Produkten auf, namentlichKaninchenfelle,
die ja zum Teil zur Pelzfabrikation benutzt werden, aber einen sehr bedeuten-
den Handelsartikel fur die Filzfabrikation bilden. Auch Gerberrinden (wattle
bark und mimosa bark) werden von diesen kleinen Handlern gekauft. Diese
Sammlungen gehen nun nach den grossen Stapelplatzen Sidney, Melbourne,
Adelaide, Brisbane usw. und werden hier zum grossten Teil in Auktioneri,
zum kleinen Teil freihandig verkauft. Hier werden sie teils von den grossen
Exporthausern, teils von Spekulanten angekauft und nach London in die
268
IV. Uebrige Weltteile.
Handelsschooner an der Labrador-Kiiste.
Auktion geschickt. Wahrend nun
friiher das meiste in die Auktions-
speicher von Flack Chandler, Culver-
well Brooks & Cotton, Nesbitt,
Dyster Nalder usw. kam, gelangt
seit iiber einem Jahrzehnt etwa nun
9/io der ganzen Londoner Einfuhr
australischer Felle bei C. M. Lamp-
son & Co, zur Auktion.
Im Verhaltnis zuNordamerika,
wo heute 50 Proz. und zu China,
wo heute etwa 80 Proz. der Ausfuhr
unterUmgehung von London direkt
auf Order nach den Konsumlandern geht, ist der direkte Export von Australien
verhaltnismassig gering. Zwar beziehen Hamburger und Leipziger Handler
bereits nicht unbedeutende Posten direkt, und auch die Ausfuhr nach den Ver-
einigten Staaten ist nicht klein, immerhin diirften doch ca. 80 Proz. der Ausfuhr
ihren Weg zunachst nach London finden, wo aber der bei weitem grosste Teilin
die Hand Leipziger Hauser iibergeht. Besondcrs die weitere Bearbeitung, das
Farben usw. der Wallabys ist Spezialitat Leipziger Hauser. Ganz der Neuzeit
angehorig ist iibrigens der Export von australischen Fuchsfellen. Urspriinglich
zur Vertilgung der Kaninchen eingefuhrt, verfehlten die Tiere diesen Zweck
undheut bereits betragt die Zahl australischer Fuchsfelle die zum Versand
kommen ca. 50 ooo Stuck jahrlich.
Dagegen ist die Zahl der australischen Silberkanin im Riickgange be-
griffen. Zu den Auktionen australischer Felle, zu denen sonst jahrlich 50 bis
100 ooo Stuck kamen, findet man sie seit Jahren nicht mehr. Wohl kommen
noch cine Anzahl Ballen bei den Auktionen australischer Kaninchenfelle vor,
doch sind diese nicht alle zum Rauchwarenzwecke geeignet. Ein grosseres
Quantum von 30 — 40 ooo Stuck wird direkt nach China exportiert. Die
Kurschnerei ist in Australien noch nicht sehr entwickelt. Es gibt zwar eine
Anzahl Kurschnergeschafte, die aber meistens nur heimische Erzeugnisse
verarbeiten und namentlich aus Opossum, Schnabeltier, Kanguruh usw.
hiibsche Wagendecken herstellen, die sehr hoch bezahlt werden. Auch aus
Emufellen, dem australischen Strauss, werden Wagendecken und besonders
Teppiche angefertigt. Da in den australischen Stadten bei der Wohlhabenheit
des Landes, namentlich zur Zeit hoher Wo llpreise grosser Luxus getrieben wird,
so werden nicht unbedeutende Mengen feinenPelzwerkes, wieechte Sealpaletots,
Stolas usw.gekauft, die aber fast alle von London bezogen werden, wenn sie auch
zum Teil deutschen Ursprungs sein mogen. Ein direkter Export fertiger Pelz-
waren aus Deutschland nach Australien findet noch wenig statt . Die australischen
Kurschner sind auch auf Anfertigung von Gegenstanden aus fremdem Pelzwerk
wenig eingerichtet. Hier liegt fur den deutschen Pelzwarenfabrikanten noch ein
7- Kapitel.
269
Fellverladung in Labrador.
gutes Feld der Betatigung. Der
Pelzhandel der Siidsee hatte in
den sechziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts einen guten Klang.
Auch Lomer ziehti863 noch die Pro-
duktion von Siidanierika, Afrika,
Australien und den Siidsee-Inseln
in einer Tabelle zusammen. Es
handelt sich aber bei diesen Rauch-
waren durchaus nicht um Erzeug-
nisse der Siidsee-Inseln, denn ab-
gesehen von einer Kanguruh- und
Opossumart der melanesischen
Inselgruppen und Neu - Guineas,
die aber heute noch nicht in den Handel kommen, produzieren diese Inseln
iiberhaupt keine Felle, die meisten besitzen iiberhaupt keine heimischen Sauge-
tiere. Auf den Sandwich-Inseln befand sich aber damals ein schon mehrfach
erwahnter Stapelplatz, von wo aus zahlreiche kleine Briggs und Schoner aus-
liefen, um Schleichhandel an der Kiiste von Alaska und dem nordlichen
Sibirien zu treiben und dort Felle, Tran, Wallrosszahne usw. einzutauschen,
wobei der verbotene Branntwein eine grosse Rolle spielte. Die erhandelten
Felle gingen von Honolulu meistens nach Bremen, da Bremer Hauser wie
Hackfeld & Co. und andere damals den Handel in Honolulu beherrschten.
Ende der sechziger Jahre horte dieses Geschaft vollkommen auf, wie wir an
anderer Stelle gezeigt haben. Honolulu beschaftigt sich nicht mehr mit dem
Pelzhandel sondern mit Zuckeranbau und Spekulation. Klaus Spreckels wurde
der ungekronte Konig der Sandwichs-Inseln.
Im letzten Erdteil, Afrika, ist von einem Pelzhandel noch garnicht zu
sprechen. Zwar sind eine ganze Reihe Fellarten von dort ganz geeignet fur
den Rauchwarenhandel, aber von einer Organisation oder von einem Pelzhandel
iiberhaupt ist nicht zu sprechen, es kommt alles nur gelegentlich an den Markt,
so Lowenfelle und Leopardenfelle von Ostafrika, Schakalfelle von Siidafrika
usw. Gelegentlich findet man in London sehr schon zubereitete und gut genahte
Kafferndecken, sogenannte Karosse aus Fellen, aber einen bestimmten Wert
kann man nicht bestimmen. Gerade in der letzten Zeit scheint es aber, als ob
die Moglichkeit einer Anderung gegeben sei. Die grossen Firmen, denen fruher
diese Artikel viel zu unbedeutend waren, sind jetzt nicht mehr alleinherrschend,
es sind eine ganze Reihe kleiner Firmen entstanden, so dass eine Arbeit sein-
teilung bereits eingetreten ist und es jedenfalls nur eine Frage der Zeit ist, dass
auch ein Exporthandel mit Pelzfellen eintritt. Antilopenhaute bilden heute
schon einen betrachtlichen Handelsartikel.
Auf den Guano-Inseln,die unseren deutschen Kolonien Siidwestafrika
vorgelagert sind, aber in englischem Besitz sind, wird bereits seit den dreissiger
270
IV. Uebrige Weltteile.
Jahren vorigen Jahrhunderts neben der Guanoausbeute auch der Fang des
Pelzseehundes betrieben. Dicse Felle kommen als Kap-Seehunde nach London
zur Auktion. Jetzt betragt die Zahl einige Tausend pro Jahr, friiher waren es
aber bedeutend mchr.
Schlittenhunde in Labrador.
V.
Handel und Verkehr in Rauchwaren.
1. Kapitel.
Amerika.
a) Hudson's Bay Gebiet.
Die Hudson's Bay Company beschrankte sich urspriinglich darauf, ihren
Handelsbetrieb von den Handelsstationen, den Forts langs der Hudsonsbay,
auszuiiben, namentlich waren York Fort, Fort Churchill oder Prince of
Wales und Mooseriver Factory Zentralpunkte eines grossen Handelsverkehrs.
Hierhin wanderten im Fruhjahr ganze Indianerstamme, um ihre Pelzausbeute
gegen Lebensbediirfnisse umzutauschen. Erst die Konkurrenz der Nordwest
Company, die von Montreal aus das ganze siidliche Hudsonsbay- Gebiet bis zu
den Rocky Montains mit Handelsstationen bedeckte, zwang sie, auch ihrerseits
Stationen im Innern anzulegen. Den Kampf zwischen den beiden Gesellschaften
sehen wir in einem fruheren Kapitel ausfuhrlich geschildert. Nachdem 1822
die Nordwest Company in die altere Hudsonsbay Company aufgegangen war,
war, neben dem alt en York Fort, Montreal, ein neuer Zentralpunkt fur die Ge-
sellschaf t geworden. Der ganze Verkehr zwischen den einzelnen Handelsposten,
von denen die Gesellschaft um die Mitte des vorigen Jahrhunderts 180 besass,
fand auf dem Wasserwege statt, da ein ausgedehntes Flusssystem das ganze
Gebiet durchzieht und die einzelnen Fliisse nur durch kurze Tragstellen,
sogenannte Portages, voneinander geschieden waren. Schon die franzosischen
Waldlaufer hatten sich derBirkenrinde-Kanoes der Indianer bedient, und waren
diese Fahrzeuge schon 1676 von Peter Hennepin beschrieben, durch die Nord-
west Company wurden sie aber sehr verbessert. Sie bestanden aus der sehr
zahen Rinde der Papier-Birke, die in grossen Stiicken abgeschalt und auf
Rippen aus zahen Weidenzweigen mittels Wurzelfasern, sogenanntem
,,Watap" aufgenaht und mit dem Harz der Balsampappel gedichtet wurden;
18
274
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Bug und Heck waren in die Hohe gezogen, der Boden war rund. Natiirlich
waren diese Boote leicht Beschadigungen ausgesetzt, konten aber ebenso leicht
wieder ausgebessert werden, da das Material dazu uberall wuchs. Man unter-
schied Kanoes du Maitre, die eine Lange von 36 Fuss hatten, und Kanoes
du Nord, 24 Fuss lang. Die Mannschaft des letzteren bestand aus 8 bis 9 Mann,
Kanadischer Trapper.
die der ersteren aus 16 bis 18 Mann. Die Ladung war samtlich in Packen von
je 90 Pfund englisch eingeteilt, und nehmen die grossen Boote bis zu 120 solcher
Pakete an Bord und daneben oft noch 8 Passagiere und mehr ; ausserdem gab
es noch leichte Kanoes, die, in eleganter Form gebaut, mit nur 4 Mann Be-
satzung als Expressboote eine sehr schnelle Fahrt machten. Auch die Last-
boote legten bei giinstigen Stromverhaltnissen oft 8 bis 10 Kilometer in der
Stunde zuriick. An der Spitze der Kanoes stand der Bugmann, der den Weg
durch die Stromschnellen, Felsen und Untiefen angab, wahrend der Steuer-
T. Kapitel (Amerika).
275
mann hintcn mit einem langen Paddelsteuerte. Beide erhielten einen hoheren
Lohn als die Middlemen, die kniend auf den Hacken mit zuriickgebogenen
Fiissen sassen und das Fahrzeug mittels kurzer Paddel durch das Wasser
trieben. Spater ersetzte die Hudson's Bay Company auf den Hauptstromlaufen
Ein Pelzjager nach Verkauf seiner Ausbeute in einem kanadischen Prairiestadtchen.
diese Fahrzeuge durch holzerne Barken, die 36 Fuss lang, 8 Fuss breit und
so fest gebaut waren, dass sie auch einen Anprall an die Felsen aushalten
konnten. Die Ladung bestand gewohnlich aus 70 Paketen a 90 Pfund und
die Besatzung von 8 Mann. Die Bootsleute, ,,voyageurs" genannt, rekrutieren
sich aus den franzosischen Kanadiern, namentlich aus der Provinz Quebeck
und zahlreichen Halbindianern, ,, Metis", namentlich aus der Redriver Gegend,
wahrend die Angestellten in den Forts fast ausschliesslich Schotten und
Orkney-Insulaner waren. An den Portages, den Katarakten, wurden die
18*
276
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Fahrzeuge ausgeladen, und die Ladung von den Voyageurs auf dem Riicken bis
ans Ende der Tragstelle getragen, wobei einzelne derselben zwei schwere Packen
auf einmal transportierten. Schliesslich wurden die Kanoes selbst iiber Land
getragen, wahrend die schweren Barken an Seilen iiber die Stromschnellen oder
Wasserfalle gezogen wurden. Stromabwarts wurden die Boote nur sehr selten
ausgeladen, sonderri schossen unter der kundigen Fiihrung des Bugmanns und
Steuermanns, die auch Guides genannt wurden, die Schnellen hinab, wobei
haufig die geringste Unaufmerksamkeit den Verlust des Fahrzeuges und der
Ladung, ja haufig selbst der ganzen Bemannung herbeifiihrte. Die Ver-
pflegung der Voyageurs war eine sehr kraftige, wenn auch sehr einseitige; als
Ration galten acht Pfund Biiffelfleisch pro Tag und Kopf, und wenn solches
Indianische Jager in Manitoba.
knapp war, durfte es durch entsprechendes Quantum Fisch oder Wild ersetzt
werden. Als Reiseproviant wurde Pemmikan verwendet, das aus gleichen
Quanten ausgetrockenetem und gemahlenem Biiffelfleisch und fliissigem Fett
bestand und in Sacken eingestampft wurde. Als Wiirze wurden getrocknete
Beer en oder Rosinen dazwischen gemischt. Von diesem Dauerproviant wurden
3 Pfund auf den Kopf und Tag gerechnet. Das notige Biiffelfleisch wurde da-
mals mit Leichtigkeit von der dazu besonders errichteten Station Fort Edmonton
am siidlichen Saskatchewan geliefert. Die Biiffelfelle, sogenannte Buffalorobes,
wurden nicht etwa nach London mit der iibrigen Fellausbeute gesandt,
sondern kamen nach Montreal auf den Markt. Getrocknete Biiffelzungen, die
iibrigens ganz vorziiglich schmeckten, wie ich auch aus eigener Wissenschaft be-
zeugen kann, kamen aber nach London zur Auktion. Mit der 1876 erfolgten
Kapitel (Amerika).
277
planlosen Vernichtung der Biif felherden in den Vereinigten Staaten horte dies
natiirlich auf . Von den Millionen Biiffeln, die noch am Ende der sechziger Jahre
des 19. Jahrhunderts die Prarie bedeckten, blieben nur wenige hundert Stuck
iibrig. Im Winter fand der Verkehr zwischen den einzelnen Forts und mit den
Zentralen durch Hundeschlitten statt. Die Hudsonsbay-Schlitten, sogenannte
,,Taboggans", bestanden aus zwei dunnenBirkenbrettern, die mit Lederstreif en
zusammengehalten, vorn aufgebogen, mit Querstiick aus Holz verbunden,
9 Fuss lang und 16 Zoll breit waren. Hierauf war ein Korb, wie eine Badewanne
Eine Jagerhiitte in der Rocky mountains.
geformt, befestigt, der die Ladung enthielt, ein Gewicht von 200 bis 4ooPfund;
dieser Korb war mit Leder bedeckt und sorgfaltig verschniirt. DieseTaboggans
waren sehr biegsam und glitten deshalb leicht iiber Unebenheiten des Bodens
hinweg. Meist wurden 4 Hunde vorgespannt, wahrend die Begleitung, ge-
wohnlich 2 Mann, auf Schneeschuhen daneben liefen.
Haufig wurden 50 bis 80 Kilometer pro Tag zuriickgelegt und dies oft
ein Monat lang taglich fortgesetzt. Jeder Hund bekam dabei 2 Pfund Fische
pro Tag. Die Schneeschuhe bestanden aus 2 Stiicken Holz, die, kurven-
formig gebogen, am Feuer getrocknet sind, an der Spitze hochgebogen,
hint en in einen spitzen Winkel zusammenstossen, dazwischen geben andere
Holzstiicke die Form, die Zwischenraume sind mit Lederstreif en ausgefiillt,
besonders dicht am Hacken. Nur die Fersen wurden mittels Lederriemen
278
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
befestigt: die Lange der Schneeschuhc war 4 bis 6 Fuss, die Breite in der
Mitte 1 1/2 Fuss. Der andauernde Gebrauch der Schneeschuhe erzeugte
iibrigens bei weniger Geiibten eine Entziindung der Knochel, das ,,mal de
raquette". Der Anzug der Winterreisenden bestand aus Lederhose, dariiber
mdianische Lederleggins, die an den Knocheln eng anschlossen, Mokassin,
ein Flanellhemd, dariiber ein Rock aus Deckenstoff, der durch einen Giirtel
zusammengehalten wurde, an dem Feuerzeug, Messer und Beil hing. Das
ganze bedeckte ein ,,Capot", ein Kapuzenrock. Nachts wurde stets im Freien
Hudsonsbay-Schlitten.
geschlafen, wenn nicht gerade ein Fort erreicht wurde. Eine Lage Fichten-
zweige auf den Schnee gelegt diente als Untcrlage, zwei wollene Decken
zum Zudecken. Dies geniigte, obgleich die Temperatur oft bis unter 30 Grad
Celsius sank. Waren wurden nie mit Schlitten befordert, sondern nur die Post,
doch legte solcher Postschlitten ofter eine Strecke bis zu 200 Kilometer
zuriick. Es gehortc iibrigens eine besondere Kunst dazu, solche Schlitten
richtig zu beladen. Die Hunde waren eine Art Eskimohund, doch war durch
sorgfaltige Ziichtung eine besonders starke und ausdauernde Rasse heran-
Baidarka in Alaska.
gezogen, die bei der grossen Winterreise taglich 60 bis 70 Kilometer mit
dem beladenen Schlitten zuriicklegten. Die Hunde der Hasen - Indianer,
canis domestims lagopus, die eine besondere Art bilden, sind kleiner und
wurden zum Schlittenziehen weniger, desto haufiger aber zur Jagd ver-
wandt, wie die meisten Indianerhunde iiberhaupt, doch schleppen sie bei
den Umzugen die Zeltstangen, auf die dann noch einzelne Gegenstande
geladen werden.
Die gebrauchlichste Kanoeroute nach dem Norden ging von La Chine bei
Montreal den St. Lorenzstrom hinauf durch den Huronensee, nach dem
Lake Superior, wo in Fort William Halt gemacht wurde, von hier aus ging
es durch den reissenden Kanimistoquoie, den Lake of the Woods, wo heute die
grosste Dampfmuhle Kanadas liegt, Rainylake, Winipegriver, Winipegsee,
i. Kapitel (Amerika).
279
Cedarlake, Saskatshewanriver, Beaver- und Halfmoonlake, Churchill oder
English river, Isle a la Crosse, Buffalo und Methylake zu der langen
Met hy portage, dann Clearwaterlake, den kleinen Athabascariver, den Elkriver,
Athabascasee, Slaved ver und Slavelake, den grossen Barensee und den
Mackenzieriver, eine Route von etwa 7000 Kilometer Lange. Uberall zweigten
Seitenlinien zu den verschiedenen Hudson's Bay-Forts ab.
Von Lake Winipeg aus fuhrt eine Route iiber Norwayhouse, Jackriver,
Saskatshewanriver, Nelsonriver nach Yorkfort und ein anderer iiber Beren-
river und Severnriver nach Severnfort an der Hudsonsbay.
Junger Neufundland-Trapper.
Vom Winipeg see, der eine Oberflache von ca. 25 ooo Quadratkilometer
hat bei einer Lange von iiber 700 Kilometer, gingen auch die Routen nach dem
Peaceriver und dem Rockymontaindistrikte ab, sowie nach dem Redriver und
Assinoboin sowie dem Prariedistrikt.
Bereits 1831 wurden im Norwaykanal 2 grosse Schoner fur den Verkehr
auf den See gebaut, denen mehrere grossere folgten. Jetzt laufen dort ver-
schiedene grosse Dampfer; die Hudsonsbay Company besitzt jetzt auf dem
Athabascafluss den Dampfer ,,Grahame", auf dem Saskatshewanriver den
,,S. S. Saskatshewan", auf dem Peaceriver den ,,S. S. Peaceriver" und auf
dem Mackenzieriver in der arktischen Region den ,,S. S. Mackenzie".
280
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Uberall an dem weitverzweigten Wassernetz erheben sich die Handels-
posten, die ,, Forts" der Hudson's Bay Company, liber denen stolz die Flagge
der Gesellschaft weht mit den Buchstaben H. B. C., das der Volksmund in
Kanada spottisch mit ,,Here Before Christ" iibersetzt.
Augenblicklich sind die folgenden Forts in Betrieb:
Liste der Forts der Hudson's Bay
Arctic Red River
Fort Wrigley
Fort McPherson
Fort Normann
Fort Liard
Fort Rae
Smith Landing
Lac Ste Anne
Chipewyan
Fort Mackay
Dunvegan
Pelican Narrows
Cedar Lake
Montreal Lake
Isle a la Crosse
Manitoba House
Winipegosis
Fort Pelly
Churchill
Weenusk
Cross Lake
God's Lake
Little Grand Rapids
Montizambert
Missanabie
Osnaburgh
District Office
Abitibi
Flying Post
Temagami
Iroquois
New Post
English River
Mistassinny
Fort George
Coocoocache
Manowan
Seven Islands
Fort Nelson
Fort Resolution
Edmonton
Athabasca Landing
Wabasca
Vermilion
St. Johns
Cumberland House
Grand Rapids
Lac la Ronge
Portage le Loche
Shoal River
Pine Creek
Egg Lake
Severn
Norway House
Split Lake
Island Lake
Fort Alexander
Long Lake
Nipigon
Lac Seul
Dinorwic
Barriere
Matachewan
Biscotasing
North Bay
Albany
Fort Hope
Woswonaby
Great Whale River
Weymontachingue
Pointe Bleue
Mingan
Company.
Fort Good Hope
Fort Simpson
Fort Providence
Fort Smith
Lac la Biche
Onion Lake
Fond du Lac
Lesser Slave lake
Lac du Brochet
The Pas
Fort a la Corne
Green Lake
Prince Albert
Fairford
Touchwood
York Factory
Trout Lake
Nelson River
Oxford House
Berens River
Nipigon House
New Brunswick
White Dog
Sturgeon Lake
Grand Lac
Matogami
Long Point
Elk Lake
Moose Factory
Marten's Falls
Rupert's River
Mitchequon
Carlton
Kickendatch
Bersimis
Romaine
i. Kapitel (Amerika).
28l
Rigolet North West River
Nachvach Cartwright
Georges River Wolstenholme
Fort George Fort St. James
Fort Graham Fraser's Lake
Hazelton Babine
Liard Telegraph Creek
Eine Reihe von Forts sind aufgegeben, so namentlich die 7. Posten in
Oregon, dann die fruher so bedeutenden Forts Garry und Redriver Factory in
Winipeg, Fort William, Lake Superior und FortAssinoboine am gleichnamigen
Davis Inlet
Chimo
Quesnel
McLeod's Lake
Port Simpson
Dease Post
McDames Creek.
Das alte Hudson's Bay Fort, Fort Edmonton.
Fluss, Fort Vancouver und die meisten Posten in British Columbia ; dort sind
jetzt uberall bliihende Stadte entstanden, in denen die Company grosse
,, Stores", unsern Warenhausern entsprechend, unterhalt und die einen aus-
gedehnten Umsatz machen. An der Westkiiste kreuzten viele Jahre hindurch
die Dampfer ,, Beaver" und ,, Otter" der H. B. C., lange Zeit die einzigen Be-
forderungsmittel dort. Jetzt, wo zahlreiche Privatdampfer und Postdampfer
jeden Ort an der Kuste besuchen, unterhalt die Gesellschaft keine eigenen
Dampfer mehr, da solche uberfliissig, dagegen besitzt sie auf dem Skeena und
dem Stikine-River die Dampfer ,,Port Simpson" und ,, Hazelton".
Von den Posten an der Hudsonsbay, Yorkfort, Moose Factory und
Ft. Churchill, den Hauptfaktoreien der Distrikte, wurden friiher alljahrlich
282
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
die gesammelten Pelzausbeute durch eigene Segelschiffe abgeholt, die auch die
Handelsartikel, Proviant usw. mitbrachten. Es kam auch haufig vor,dass diese
Schiffe, die London am I. Juni verliessen und Ende August die Riickreise an-
traten, dabei vom Eise liberrascht wurden und einfroren. Ich habe noch die
alien, test gebauten Segelschiffe besucht, meist Barks von 300 bis 400 Tons,
mit grossen geraumigen Kajiiten und am Heck das Wappen der Company
in Holz geschnitzt tragend.
Allmahlich wurde dies aufgegeben. Das letzte dieser Fahrzeuge, die Bark
,, Shark", ging im Vorjahr in der Nahe von St. Charlton auf den Listra-Banken
zugrunde. Jetzt wird dieser Verkehr durch eigene Dampfer der Gesellschaft
besorgt, von denen der Dampfer ,, Pelican" die Niederlassungen in Labrador und
Fellgeschaft in Montreal.
der Westkiiste der Hudson's Bay besucht, wahrend der Dampfer ,, Discovery"
nach der James Bay, der sudlichen Hudsonsbay, geht. Dem Lokalverkehr
dient der Dampfleichter ,,Tulnew". Der Bau der Canada- Pacific-Bahn hat
auch in den Transportverhaltnissen der Hudson's Bay Company einen grossen
Umschwung herbeigefuhrt. Ein sehr grosser Teil der Jahresausbeute wird auf
der Eisenbahn nach Montreal befordert und gelangt so unter Umstanden ein
Jahr eher zur Auktion, als dies in friiheren Jahren der Fall war. Naturlich pragt
sich dies am scharfsten bei den Herkiinften von der Westkiiste aus. Vor Voll-
endung der Bahn gingen die Waren auf Segelschiffen von Victoria nach
Vancouver Irland, um das Kap Horn nach England, eine Reise, die 9 Monate
in Anspruch nahm, und wurden dann im Oktober in einer besonderen Auktion
verkauft. Seit 1880 geschieht das nicht mehr, sondern die Felle werden eben-
falls mit in der Marz- Auktion verkauft.
i. Kapitel (Amerika)
Die Importen der Hudson's Bay Company 1909 sind die folgenden:
YF,&c.
MR&EM,
Canada
EB.&c.
NW.
Total
Total
&c.
1908
Dachse. . . .
144
—
—
—
—
144
125
Bar, schwarz .
2 300
250
498
160
806
4023
3943
braun
305
I
2
491
68
867
387
grau . .
53
—
—
2
30
85
108
weiss . .
34
24
—
I
—
59
89
Biber ....
17786
4413
6 210
2166
5314
35889
33156
Hermelin . .
14498
995
2186
736
i 520
19935
I53I4
Virg. Iltis . .
855
216
651
45
201
i 968
2 671
Blaufuchs . .
3
14
—
—
—
17
14
Kreuzfuchs
637
128
17
118
86
686
1445
Rotfuchs . .
i 410
338
52
355
114
2 269
2987
Silberfuchs . .
121
36
10
17
28
212
344
Weissfuchs
2858
i 104
—
13
—
3975
2058
Luchs ....
1575
258
389
317
332
2871
8856
Zobel ....
14 l62
3748
4452
1294
1740
25 296
21577
Nerz ....
7948
1417
1367
592
744
12068
10 966
Moschusochsen
76
—
—
—
—
76
107
Bisam . . .
489815
17921
25698
2736
6220
542 39°
298 346
Otter, Land .
I 416
1473
867
566
79
4401
5341
Schuppen . .
18
—
I
—
208
227
140
Seal Hair, Dry
—
i 050
—
467
—
1517
1766
Skunk ....
I 244
ii
38
13
4
i 310
1478
Wolf
2550
i
47
13
140
2751
3756
Vielfrass . .
665
3
—
5
64
737
718
Hiervon werden wie stets die Biber, Bisam und Kanin im Januar, der
Rest im Marz verkauft.
Wenn die geplante und genehmigte Bahn von Winipeg nach F. Churchill
in der Hudson's Bay fertig ist, wird auch hier ein weiterer Umschwung entstehen.
Die Getreidemengen des Westens werden von hier nach Europa verschifft und
an den eisigen Kusten der Hudsonsbai werden moderne Grossstadte entstehen.
Urspriinglich herrschte auf den Handelsposten ein reiner Tauschverkehr.
Als Einheitswert wurde das Biberfell zugrunde gelegt. Die Indianer, die mit
ihrer Pelzausbeute nach dem Fort kamen, erhielten nach dem Tarife die Anzahl
Biber felle bestimmt, welche die Felle wert waren, und suchten sich dann im
Warenlager die ihnen gefallenden Waren aus, deren Wert dann ebenfalls fest-
gestellt wurde.
284 V. Handel und Verkehr in Ranch waren.
Die Tarife wechselten im Laufe der Zeit. Ein solcher vom Jahre 1733
lautete :
Glasperlen, weisse ... l/2 Pfund fur i Biber
farbige. . . i/4 ,, ,, I „
Messingkessel i ,, ,, i
Pulver il/2 ,, ,, i
Speck 5 ,, ,, i
Zucker 2 „ ,, I
Tabak, brasil i ,, ,, i
Blatter ....!%„ ,, i ,,
Rollen 1 1/2 ,, „ i „
Zwirn i ,, ,,2 ,,
Zinnober i% Unzen . ,, i
Brandy i Gallone „ 4
Tuch i Yard ,, 2
Wolldecken i Stuck ,, 6
Wollstoff i Yard „ i% ,,
Flanell i ,, ,, il/2 ,,
Strumpfbander .... 2 Stiick „ i
Able 12 ,, ,, i
Knopfe 12 Dutzcnd ,, i
Beinkleider i Paar ,, 3
Kamme 2 Stiick ,, i
Rote Federn 2 ,, i
Angelhaken 20 ,, ,, i
Feuerstahl 4 ,, i
Feuersteine 20 ,, ,, I
Feilen i ,, ,, I
Flinten ......... i ,, ,, 12
Pistolen i ,, » 4
Handschuhe i Paar ,, i
Brillen 2 Stiick ,, i
Taschentiicher . . . . i ,, ,, iy2 ,,
Hiite mit Borte . . . . i ,, ,, 4
Beile 2 ,, ,, I
Falkenglockchen .... 8 ,, ,, i
Eismeissel 2 ,, ,, I
Messer 8 ,, ,, I
Spiegel 2 ,, i
Nahnadeln 12 ,, ,,' I
Fischleim 2 ,, i
Pulverhorn 2 ,, i
Einfache Ringe . . . . 6 ,, i
i. Kapitel (Amerika.)
285
Einfache Ringe mit Stein 3 Stiick
Sabelklingen 2 ,,
Loffel 4 „
Hemden i ,,
Schuhe i Paar
Striimpfe i ,,
Woll. gestrickte Giirtel . 2 Stiick
Fingerhiite 6
Tabaksdosen 2 ,,
Zangen 2 ,,
Koffer i „
Knauel Bindfaden . i
fiir i Biber
Dagegen wurden gerechnet:
3 Zobelf elle fiir i Biber i Vielfrass .... fiir i % Biber
2 Ottern ,, i ,, i Pfd. Bibergeil . . ,, i
i Fuchsfell ,, i ,, i Hirsch ,, i
i Wildkatze ,, 2 i Elentier ,,2
i Wolf ,, i ,, i Pfund Federn . . ,, i
i Bar ,,2 ,, 4 Paar Elenhufe. . ,, i ,,
Im Jahre 1863 war folgender Tarif giiltig:
i Flinte fiir 20 Biberfelle
i Mass Pulver ,, i
18 Bleikugeln ,, i
8 Schrotladungen ... „ i
10 Feuersteine „ i
i Axt ,, 3 ,,
i Kupferkessel .... ,, 16
i Feuerstahl ,, i
i Skalpiermesser . ... ,, i ,,
i Feile ,, 2
i Tabaksbeutel mit
Brennglas ,, 2 ,,
i Hornkamm ,, i ,,
8 Pfrieme ,, i
12 Messingknopfe ... ,, i
25 Messingringe .... ,, i ,,
6 Tonpfeifen ,, i ,,
i kleiner Spiegel ... ,, i
i Pfund Glasperlen . . ,, 6
6 Unzen Tabak .... ,, i ,,
i einfache Wolldecke. . ,, 10
i gestreifte ,, . . ,,12 ,,
286
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
i Matrosenrock . . . .
i Knabenrock . . . .
6 Ellen Band
i Paar Hosen
i baumwollenes Hemd .
i Tuch
i Unze rote Farbe. . .
i Mass Rum
fur 12 Biberfelle
Dagegen wurden gerechnet:
3 Zobelfelle fur i Biber
i Luchsfell i
Otter . .
Silberfuchs
fur i Biber
» 4
Comptoir der Hudson's Bay Company in Montreal.
An einzelnen Sachen war also der Gewinn ein enormer. Bei Zahlung in
Zobeln oder Silberfiichsen brachten verschiedene der ausgehandelten Waren
bei nachherigem Verkauf ebenso viel Pfund Sterling, als sie ungefahr urspriing-
lich Pence gekostet batten.
Da Fellraum und Warenlager meist ein getrennter Raum war, erhielt der
Indianer fur jedes ermittelte Biberfell urspiinglich ein Holztaf elchen . Da sich
aber Schwierigkeiten herausstellten iiber Bescheinigung der Bruchteile, wurden
1854 Metallmarken eingefiihrt, die auf der einen Seite das Wappen der
Hudsonsbay Company und auf der Reversseite die Initialen des Distrikts, also
z. B. Y. F. und die Bezeichnung des Wertes, also V8, %, % oder ein Biber.
Metallwertzeichen hatte schon fruher die Nordwest Company eingefiihrt
and als Geld ausgegeben, die heute als grosse Seltenheit von Miinzsammlern
mit enormen Summen bezahlt werden.
i. Kapitel (Amcrika).
28;
Wappen
der H. B. C.
Mit der Aufhcbung des Pelzhandelsmonopols 1863 anderte
sich allmahlich die Art und Weise des Handelsbetriebes. Lange
Zeit sicherte die grossartige Organsiation, namentlich des
Transportdienstes, und die Schwierigkeit fur einzelne Handler
sich den notigen Proviant usw. im Innern zu beschaffen, der
Hudsonsbay Company einen gewaltigen Vorsprung. Nur an
der Kiiste oder sonst leicht zuganglichen Stellen erhielt sie bald
Konkurrenz und musste hier zum System der Barzahlung iibergehen.
Es wurde aber auch hierbei nach einem bestimmten Tarife verfahren und
nicht nach der Qualitat des einzelnen Felles. Ein Nerz war ein Nerz und er-
hielt denselben Preis, ob es ein Prima dunkel oder ein helles Tertiafell war.
Ein bekannter Rauchwarenhandler, der Niederlassungen an der Kiiste
von British Columbien hatte, machte sich dies zunutze, indem er in London
geringwertige Zobel- usw. Felle auf der Auktion kaufte und dann an die Forts
der H. B. C. als vollwertige Felle des Distrikts verkaufen liess. Das wurde aber
Biberwertzeichen der Nordwest-Co.
Biberwertzeichen der Hudson's Bay-Co.
schliesslich doch entdeckt und nun auch dort die Felle nach den Wert-
abstufungen eingeschatzt und bezahlt.
Mit dem Bau der Canada-Pacific-Bahn trat dann der gewaltige Um-
schwung aller Verhaltnisse im westlichen Canada ein, wodurch die Gesellschaft
zu einer Anderung ihres ganzen Geschaftsbetriebes veranlasst wurde.
Wie schon friiher erwahnt, hatte die Hudson's Bay Co., bei der Abtretung
ihres Hoheitsrechts an das Dominion of Canada das Land in der unmittelbaren
Nahe ihrer Stationen, etwa 50 ooo Acres, die spater Stadtbaugrund in den
verschiedenen neu errichteten Stadten bildeten, sowie den 20. Teil des ge-
samten fruchtbaren Bodens zu Farmlandern erhalten. Mit dem Strom der Ein-
wanderung, der sichMitte der 7oer Jahre des vorigen Jahrhunderts uber Kanada
ergoss, trat nun der Verkauf dieser Landereien in den Vordergrund des Inter-
esses. Anfanglich war der Erlos kein sehr hoher, da die Regierung Farm-
lander rein umsonst abgab; erst als der ,,Boom" in Winipeg einsetzte und Bau-
stellen, die bis dahin 100 Dollar gekostet hatten, fur 5 bis 10 ooo Dollars
verkauft wurden, wurden auch die Ertragnisse aus den Landverkaufen ein
bedeu tender Faktor fur die H. B. C., der sich erheblich steigerte, als mit
dem fortschreitenden Bau der Canada-Pacific die Besiedlung des Landes
zunahm und die gut gelegenen Landereien der Gesellschaft auch fur Farm-
288
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
zwecke gesucht wurden. So betrug am 31. Mai 1907 der Gewinn aus dem
Handel 197688 Pf. St. und aus dem Landverkaufe 258879 Pf. St.; 1908:
141 594 Pf. St. zu 160 428 Pf. St. ; 1909, wo die Resultate infolge der kleinen
Zufuhr fur den Handel keine sehr giinstigen waren, betrug das Verhaltnis
sogar nur 80 391 Pf. St. zu 155 476 Pf. St. Die Preise fur die Farmlander be-
wegen sich andauernd in steigender Richtung, 1889 war der Preis i % Dollar
pro Acre, 1906: 7 Dollar, 1907: 9 Dollar, 1908: 12 Dollar und 1909: 12,60 Doll.
Der Verkauf des Stadt-Terrains hat in den letzten Jahren etwas nach-
gelassen. 1906: 343 317 Doll., 1907: 256 350 Doll., 1908: 124 972 Doll., 1909:
47 074 Doll.
Alle diese Ziffern beziehen sich auf den Jahresabschluss am 31. Mai.
Die Dividenden sind recht gute. Allmahlich wurde der Nominalbetrag der
Ein Store der Hudson's Bay-Company.
Aktien von 30 Pfund Sterling durch Ruckzahlung auf je 10 Pfund reduziert,
die Dividenden der letzten 10 Jahre schwanken zwischen 30 und 40 Proz.
So wurde z. B. 1907 4,5 Pf. St. pro Acre Dividende gezahlt, 1908: 3 Pf. St.,
1909: 2,10 Pf. St.
Augenblicklich steht der Kurs der Aktien, die man 1884 fur 27 Pfund
kaufen konnte (1876 sogar fur 13 Pfund), auf 96 Pfund, eine Steigerung von
960 Proz. Das Aktien-Kapital ist, wie schon erwahnt, inzwischen durch
Ruckzahmngen seit 1863 von 3 Millionen Pfund auf i Million Pfund rekla-
miert worden.
Der unverkaufte Landbesitz der Hudson's Bay Co. belauft sich augen-
blicklich auf 3 676 678 Acres nebst zahlreichen wertvollen Stadtbaustellen,
da ja nunmehr auch Stadte in den Prarieprovinzen und dem Nordwesten
gegriindet werden. Ausser in Winipeg und Victoria sind augenblicklich die
wertvollsten Baustellen in Edmondton und Fort Williams, aber auch in
i. Kapitel (Amerika). 280
Ratportage warden 1908 fiir iiber 5000 Pfund Baustellen verkauft, und
Athabascaws Landverkaufe scheint sich auch in starker Entwicklung zu be-
finden. Dabei sind fast 4 Millionen Dollar-Zahlungen auf verkauftes Land
aussenstehend, da die meisten Verkaufe mit langeren Zahlungsfristen statt-
finden. Der Erlos der Pelzausbeute betrug 1907: 422309 Pf. und andere
Importen 17 281 Pf . ; 1908: 311 326 Pf., andere Importen 8847,14 Pf.; 1909:
262 750 Pf., andere Importen 7900 Pf.
Die sonstigen Aktiva der H. B. C. stehen niedrig zu Buch, so z. B. die
gesamten Dampfer der Gesellschaft nur mit 7752 Pf.
Die starke Einwanderung erwies sich aber auch sonst fiir die Gesell-
schaft von grossem finanziellen Nutzen. In richtiger Erkenntnis der Sachlage
errichtete die H. B. C. an den Hauptplatzen, z. B. in Winnipeg, Edmond-
Fell-Lagerraum der Hudson's Bay in Montreal.
son, Victoria usw., grosse elegant eingerichtete Stores nach Art unserer Waren-
hauser, wo alles vom Dampfpflug bis zum modernen Damenhut zu haben
ist, auch in verschiedenen Handelsposten im Innern werden Waren und
Proviant usw. an die vorhandenen Farmer, Jager usw. verkauft.
Mit dem Bau der Bahn nach Fort Churchill an der Hudsonbay, welche
einen neuen Auslass fiir die riesigen Getreidemengen des westlichen Kanadas
bilden soil, werden die Einkiinfte der H. B. C. noch gewaltig steigen, ebenso
durch die in Bau begriffenen Bahnen nach dem Steekenriver, welche die
reichen Ackerbaugriinde im Peaceriver und dem Smokyriver erst erschliessen.
Ist doch Kanada auf dem besten Wege, das Weizen-Hauptproduktionsgebiet
der Erde zu bilden. In den Prarieprovinzen sind verschiedene Farmen, die
10 ooo Acres (ca. 16 ooo Morgen) in zusammenhangender Flache unter Weizen-
kultur haben. Da diese grossen Flachen mittels Dampfpflug und Maschinen
voll ausgenutzt werden konnen und nur verhaltnismassig wenig Leute ge-
19
290
V. Handel und Verkehr in Ranch waren.
braucht werden, so ist auch der Nutzen bei giinstigen Frachtverhaltnissen
ein sehr grosser. Nur ist manchmal mit Ernteausfallen infolge ungiinstiger
klimatischer Verhaltnisse zu rechnen, sei es fruh eintretender Frost oder
im Sommer die ausdorrenden heissen Winde, die ,,Chinooks".
Jedenfalls ist die H. B. C. fest mit der Entwicklung Canadas verkniipft.
Augenblicklich besteht der Vorstand der Hudson's Bay Company aus den
folgenden Herren: President Lord Strathcona, stellv. Vorsitzender Earl of
Lickfield, die iibrigen Mitglieder: Russell Stephenson, Sir Walter Vaughan
Morgan Baronet, Thomas Skinner, John Coles und Leonard D. Curliffe ; Sekretar
ist W. Ware, welcher die innere Verwaltung unter sich hat; das Sortiment
Fellladungen werden bei einem Handelsposten in Manitoba abgeliefert.
der Felle und der Verkauf untersteht S. H. Harris, dessen Vater, Grossvater
und Urgrossvater schon diese wichtigen Funktionen ausubten.
Mit dem Ausbau der Bahnen und der sonstigen Verkehrsmittel erhielt
die Gesellschaft bald auch im Innern Konkurrenz. Namentlich Fort Edmonton
entwickelte sich bald zu einem Hauptknotenpunkt des Pelzhandels. Die grossen
Rauchwarenhandler von London, New York, Chicago unterhielten hier Filialen.
Zahlreiche Handler siedelten sich in der Nahe der Hudson's Bay-Posten
bis hinauf zum Sklavensee und Mackenzieriver an und durchstreiften das
Land, um mit den Indianern und den Trappern Handel zu treiben.
Alle die verschiedenen kleinen und grosseren Stores im Lande kaufen auch
Felle oder nehmen solche in Tausch und remit tieren solche ihren Lieferanten.
So sah ich z. B. in einem grossen Manufakturwarengeschaft in Winipeg
i. Kapitel (Amerika).
2QI
unter anderem 20 wert voile Silberfiichse, welches dieselben von einem Kunden
am Athabascaw-Flusse soeben er halt en hatten.
b) Labrador.
Auch in Labrador bef inden sich neben den Stationen der Hudson's Bay Co.
die Verkaufsladen einer franzosischen Handelsgesellschaft aus Montreal und
auch die Missionsgesellschaft der mahrischen Briider befasst sich mit Pelz-
handel. Die von ihnen geleitete Gesellschaft, die auch schon iiber ein Jahr-
hundert exist iert, fuhrt den Namen der ,, Harmony Co." und kauft von den
Eskimos Rauchwaren, Seehundsfelle, Renntierfelle, Tran, Vogelfelle, Luchs-
etc. Felle, die bekanntlich von tadelloser Qualitat sind und ungemein sauber
Hundeschlitten in Alaska.
und sorgfaltig behandelt werden. Sie tragen auf der Lederseite die Anfangs-
buchstaben des Distrikts resp. der Ansiedlung, woher sie kommen. Es sind
dies K. (Kebron), O. (Okak), N. (Nain), H. (Hopedale), Z. (Zoar), R. (Rameh).
Die Felle kommen nach London zur Auktion bei Culvervell, Brook & Co.,
meist im Marz zum Verkauf, wahrend die Haarseehunde bereits im No-
vember verkauft werden. Ubrigens beflnden sich im ganzen Hudsonbay-
Gebiet bei alien Indianerstammen Missionsstationen, sowohl katholische als
protest antische, die auch Felle erhalten und in Montreal oder Winipeg etc.
zum Verkauf bringen.
In dem frostgepeitschten Nordatlantic besorgt ein kleiner, ziemlich un-
sauber aussehender Dampf er den ganzen Verkehr an der Kiiste von Labrador,
holt die Fellausbeute ab und bringt die notigen Zufuhren an Lebensmitteln etc.
19*
2Q2
V. Handel tmd Verkehr in Rauchwaren.
Voyageur mit Schlittenhunden
im Hudson's Bay-Gebiet.
Vielfach bef indet sich neben den Posten
der Hudson's Bay Co. der Handels-
posten eines Konkurrenten. So 1st
z. B. am Nordwestriver bei Rigolct an
der einen Seite desFlusses ein H. B. C.-
Fort und gegeniiber auf der anderen
Seite des Flusses der Handelsposten
einer franzosischen Gesellschaft aus
Montreal. Beidemachen sich aber keine
scharfe Konkurrenz, sondern zahlen im-
gefahr dieselben Preise fur die Felle.
Die Trapper sind meistens Halfbreds,
und sind Zobel und Nerze die Haupt-
ausbeute, die inFallen gefangen werden.
Fur Nerze werden die Fallen langs der
Wasserlaufe gelegt und mit einer Fo-
relle oder einem Stuck Schneehuhn ge-
kodert. Die Zobelf alien werden auf
Baumstumpfen aufgestellt, da der Zobel
solche gern besucht. Gelegentlich wird
auch ein Silberfuchs gefangen, fur
welchen die Company 200 bis 300 Dollar
zahlt. In einer Beziehung unterscheiden sich die Trapper Labrador s gewaltig
von den Pelzjagern der Vereinigten Staaten: in ihrer unerschiitterlichen Ehr-
lichkeit. Wahrend in den U. S. eine ganze Menschenklasse existiert, die nur
davon lebt, die Fallen der Trapper zu berauben, sind im hohen Norden die
Fallen im Walde absolut sicher. Nie wiirde es jemandem einf alien, sich Fallen
oder Jagdbeute anzueignen, die ihm nicht gehort. Ja, wenn ein Trapper
in einer jemand anderem gehorigen Falle ein Tier f indet, das vielleicht ver-
loren gehen konnte, so totet er es, richtet es zu und legt es so, dass der recht-
massige Eigentumer es finden muss. Diese Fallen sind der wichtigste Teil
der Ausriistung. Ein Trapper nimmt zumeist etwa 100 Stuck der ge-
wohnlichen Stahlfallen, die 40 Cents pro Stuck kosten, dann einige Dutzend
grosserer Fallen a I Dollar und eine Anzahl mit doppelten Federn, die teurer
sindo Einzelne Trapper besitzen 500 bis 600 Fallen. Die anderen Gegen-
stande, die zur Jagdausriistung notig sind, bestehen aus einem Fass Mehl
im Preise von 7 bis 8 Dollar, einem Viertel Fass gesalzenes Schweinefleisch
(50 Pfd.) 8 Dollar, 12 Pfund Kerzen a 30 Cents per Pfund, 30 Pfund Schmalz
a 20 Cents, 10 Pfund Butter a 40 Cents, 5 bis 6 Blichsen kondensierter Milch,
etwas Tee, Backpulver, Bohnen und einige Kleinigkeiten ; ausserdem ein
Zelt, einen Of en und Schlafsack nebst Wolldecken. Ausserdem natiirlich
Axt und Beil, Nagel und sonstiges Handwerkszeug. Das ganze wird in ein
Boot geladen, und werden solche Boote an der Kiiste billig gebaut. Ein
Kapitel (Amerika).
293
Catboot von 15 Fuss Lange kostet 30 Dollar. Die ganze Ausriistung kostet
wohl 500 bis 600 Dollar, und erhalt ein tuchtiger Jager dieselbe gern auf
Kredit bei der Hudson's Bay Co.
Im Oktober wird nach dcm Fangplatz aufgebrochen, und vereinen sich
gewohnlich 2 oder 3 Mann zu einem Camp. Nach dem ungeschriebenen
Gesetz der Wildnis hat jeder Trapper das Anrecht auf einen Kustenstrich
von 15 bis 25 englische Meilen Lange und Inland 3 bis 4 Tagereisen. Die Fallen
werden nun hier ausgesetzt iiber das ganze Gebiet verstreut, was einen Zeit-
Labrador-Trapper das Kiistenboot der Hudson's Bay Co. erwartend.
raum von mehreren Wochen erfordert. Natiirlich werden ausser den neuen
Fallen auch die alien Fallen in seinem Besitz in Ordnung gebracht und auf-
gestellt. Die Lagerplatze werden so gewahlt, dass jede Falle wenigstens ein-
mal in der Woche besucht werden kann. Ausser dem Zelt werden noch an
verschiedenen Stellen im Revier Hiitten errichtet, in denen der ermiidete
Trapper abends rasten kann, wenn es zu weit bis zum eigentlichen Lagerplatz.
ist. Die gefangenen Tiere werden nach dem Lagerplatz gebracht und hier
abgestreift, was mit grosser Gewandtheit geschieht. Ein geiibter Trapper
streift einen Zobel in 10 Minuten ab und 3 bis 4 Fiichse in einer Stunde. Die
Felle werden dann auf Weidenrahmen gestreift und an der Luft getrocknet.
Neben dem Besuch der Fallen wird auch auf wilde Renntiere, Hasen. Reb-
hiihner etc. Jagd gemacht, um den Fleischbedarf zu decken. Ein erlegter
2Q4
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Bar liefert nicht nur das wert voile Fell, sondern auch gutes Fleisch. Als
Leckerbissen wird das Fleisch des Stachelschweins betrachtet. Im Herbst
wird eifrig nach Forellen, Lachsen etc. gefischt. Wolfe werden auch
haufig geschossen und bringen mindestens 5 Dollar per Fell. Gegen Weih-
nachten wird die Heimreise angetreten und die Pelzausbeute an die Faktorei
verkauft, die den besten Preis bezahlt. Dann wird der Familie, die meist 50 bis
100 Meilen entfernt wohnt, ein Besuch abgestattet. Nach 2 bis 3 Wochen
wird dann wieder der Jagdgrund aufgesucht, wo der Trapper bis zum April
Labrador-Trapper, die ihre Post vom Kustendampfer abholen.
verweilt, um dann den Sommer in der Heimat zu verbringen. Das Leben in
der Wildnis ist ein sehr muhevolles; von morgens friih um 5 Uhr bis in die
sinkende Nacht muss er auf den Beinen sein. Bei den hohen Preisen des
Pelzwerks lohnt es sich aber, und der Trapper bring! bei einigermassen nor-
malem Verlauf immer mehrere hundert Dollar bares Geld von seinen Winter-
strapazen heim.
c) Vereinigte Staaten.
Anfanglich wurde der Pelzhandel in den Vereinigten Staaten in ahn-
licher Weise betrieben wie in Canada und dem Hudson's Bay-Gebiet.
Schon die ersten Ansiedler, die mit der Mayflower gelandet waren, ver-
schafften sich einen Teil ihres Unterhalts durch Tauschhandel mit den
i. Kapitel (Amerika).
295
Labrador-Trapper iiber die Fangverwertung
verhandelnd.
Indianern. Spater ent-
wickelte sich aber eine
besondere Menschenklasse,
die wie in Kanada die
Coureur du bois, die Wald-
laufer und Voyageurs des
Hudson's Bay-Gebiets sich
ausschliesslich dem Fange
der Pelztiere und dem
Pelzhandel widmeten, die
Trapper. Teils arbeiteten
sie fur eigene Rechnung,
teils traten sie in die
Dienste der verschiedenen
grossen Handelsgesell-
schaften, die ich schon
in fruheren Abschnitten geschildert habe. Der Tauschhandel mil den
Indianern wurde teils von feststehenden Handelsposten aus, teils von umher-
ziehenden Handlern besorgt. Mit der zunehmenden Besiedlung des Landes
und dem Zuriickdrangen und Zusammenschmelzen der Indianer - Be-
volkerung losten sich allmahlich auch die grossen Pelzhandelsgesellschaften
auf und der Handelsbetrieb wurde ein anderer. Jeder Gastwirt und Kramer
im Innern nahm von den Jagern und Farmern Felle in Tausch, da Bargeld
damals in den sogenannten Hinterwaldern, den ,, Backwoods", sehr knapp
war. Nahm doch vor 50 oder 60 Jahren in Missouri oder Arkansas sogar
der Postmeister die Zahlung fur Briefporto in Fellen an, wobei ein Schuppen-
fell fur y± Dollar gerechnet wurde. Die so gesammelten Felle wurden dann
teils dem Lieferanten in Zahlung gegeben, teils von Aufkaufern an Ort und
Stelle aufgekauft. Die grosseren Pelzhandelsfirmen sandten Reisende aus,
welche die grosseren Kollektionen besichtigten und darauf versiegelte Gebote
abgaben, die dann an einem bestimmten Terrain geofmet wurden, worauf die
Waren demjenigen zugesprochen wurden, der das hochste Gebot abgegeben.
Allmahlich bildeten sich mehrere grosse Zentralpunkte des Handels heraus,
namentlich New York, Chicago und St. Louis, wahrend andere Knotenpunkte,
wie St. Paul in Minnesota, Detroit, Milwaukee, Omaha, Council Bluffs,
Memphis, Kansas City, St. Feh (einst der Mittelpunkt des ganzen Karawanen-
Verkehrs nach dem Westen), sehr in den Hintergrund traten. Dafiir dehnten
die an diesen Orten wohnenden Handler ihre Operationen sehr aus und be-
schrankten sich nicht nur auf die Produkte ihres Distrikts, sondern be-
suchten auch entlegene Gebiete, so dass heute gar keine Gewahr dafiir ist,
dass z. B. die von Jowa verschifften Kollektionen auch nur Felle aus diesem
Staate enthalten. Das oben geschildert e Submissionswesen hat fast ganz
aufgehort.
296
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Veriadung von Rauchwaren auf den Kiistendampfer
in Labrador.
Die verschiedenen
Rauchwarenhandler iiber-
schwemmen das ganze
Gebiet der Vereinigten
Staaten mil Zirkularen
und Preislisten, die sie
selbst an die einzelnen
Trapper richten, in denen
sie bitten, ihnen ihre
Kollektionen einzusenden.
Sobald solche eingetroffen,
werden sie sortiert und
taxiert und dem Einsender
ein Scheck fiir den Betrag
eingesandt. Die vielen
kleinen Sendungen werden
dann zusammengeworfen und nach Gattung und Qualitat sortiert und ge-
langen nun an eine der oben genannten 3 Zcntren.
In friiheren Jahren war der weitere Verlauf sehr einfach. Die Waren
wurden nach London an C. M. Lampson zum auktionsweisen Verkauf gesandt,
und ergaben nun entweder Gewinn oder Verlust, so dass sich das Geschaft als
ein sehr spekulatives erwies. Anfangs der siebziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts kamen die ersten grosseren regelmassigen Sendungen auch nach
Leipzig.
Seit der Entwicklung des modernen Verkehrs ist man auch in Amerika
bemiiht, das Geschaft soviel wie moglich auf eine weniger spekulative Basis
zu stellen und auch die hohen Auktionsgebiihren in London wenn moglich
zu ersparen. Heute werden die Partien schon gleich im Dezember und Januar
telegraphisch nach Leipzig
angestellt und so nach Be-
schreibung verkauft, ent-
weder Kasse oder 60 Tage
Tratte gegen Dokumente,
so dass nicht nur ein
schneller Umsatz erzielt
wird, der mit kleinem Ka-
pital grossere Einkaufe er-
moglicht,sondern auch dem
amerikanischen Rauch-
warenhandler zeigt, welche
Preise er fiir weitere Ein-
kaufe anlegen kann. Hier
kommen heute wohl ebcn- Fellschuppen der Hudson's Bay-Co, in Labrador.
i. Kapitel (Amerika).
297
soviel Waren von den Vereinigten Staaten nach Leipzig direkt als
nach London. Neben Lampson veranstaltet auch die Firma Nesbitt in
London Auktionen amerikanischer Rauchwaren, und zwar hauptsachlich
im Januar und Marz. Eine weitere Auktion findet im Juni statt, die
aber meist nur Waren enthalt, die nicht rechtzeitig genug nach dem
Markt kamen, um zur Marzauktion nach London oder zur Ostermesse nach
Leipzig zu gelangen. Eine kleine Auktion wird dann noch im Oktober ab-
gehalten. In den letzten Jahren haben auch verschiedene Staaten, um der
riicksichtslosen Wildverwiistung Einhalt zu tun, strenge Wildgesetze einge-
Bilder aus Labrador: Battle harbour mit dem Doctor der Trapper.
fiihrt und dieselben vielfach auch auf die Pelztiere ausgedehnt, um damit
die Erhaltung einer fur den National- Wohlstand wichtigen Industrie zu
fordern. Besondere Beamte, die ,,Game wardens", sind angestellt, um iiber
die Ausfuhrung dieser. Gesetze zu wachen, wenn sie dies auch in Anbetracht
der grossen Ausdehnung ihrer Amtsbezirke nicht immer in vollkommenem
Masse tun konnen. Diese Schutzmassregeln im Verein mit der dichten Be-
siedelung des Landes haben iibrigens die romantische Menschenklasse der
Trapper sehr verringert.
Es sind heute nur verhaltnismassig wenige, die sich das Fallenstellen
und die Jagd als einzigen Berufszweig erwahlt haben. Im Sommer beschaf-
tigen sich diese Leute meist mit Fischfang und dem Sammeln medizinischer
298
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Wurzeln und Krauter, fur die in Amerika, dem Vaterlande der Patentmedi-
zinen, stets ein grosser Markt vorhanden ist. Sehr zahlreich sind aber die
Farmer, welche die erzwungene Mussezeit des Winters benutzen, um Fallen
zu stellen, sei es nun in der Nahe ihres Wohnsitzes oder auf einer Fangexpe-
dition von einem in wildreicher Gegend auf geschlagenenLagerplatze (Camp) aus.
Nicht nur der immerhin nicht unbetrachtliche materielle Nutzen, sondern
auch die Jagdlust ist hierbei massgebend. Daneben gibt es aber in fast jeder
Ansiedlung Individuen, denen die Jagdlust ebenso fremd ist wie die Arbeit
Im Lager der Pelztierjager.
und die doch den finanziellen Nutzen gern mitnehmen. Sie finden es aber
praktischer, die Fallen der andern zu revidieren und die gefangenen Tiere
an sich zu nehmen. Manchmal nehmen sie auch gleich die ganzen Fallen mit.
Diese Leute, die sehr selten gefasst werden, erfreuen sich natiirlich bei
den anstandigen Farmern einer grossen Beliebtheit!
In Alaska ist der Pelzhandel noch etwas anders organisiert. Hier sind
die Trapper nicht so zahlreich, und die Indianer und im nordlichen Teil die
Eskimos sind die Hauptlieferanten der wertvollen Pelztiere. Zum Teil werden
solche nach den Geschaften in den Stadten des Gebiets, wie Nome, Dawson
City, Circle City etc. zum Verkauf gebracht, doch der grossere Teil nach
besonderen Handelsposten, die die verschiedenen Pelzhandler an der Kiiste so-
wohl des nordlichen Eismeers wie des Behringsees errichtet haben. Selbst bei
Point Barrow, dem nordlichsten Punkt Amerikas, und auf der weit draussen
im arktischen Ozean gelegenen Herschel-Insel befinden sich solche Handels-
nieder lassun gen .
I. Kapitel (Amerika).
299
Neben den grossen Handelsgesellschaften, der Alaska Comercial Co., der
Northern Comercial Co. und der Comercial Trading & Transportation Co., welch
letztere auch den Dampferverkehr an der Kiiste und auf den grossen Stromen
betreibt, gehoren die Handelsposten auch einzelnen grossen Rauchwaren-
firmen, wie Liebes & Co. -San Francisco, Bissinger & Co. und einzelnen selb-
standigen Handlern. Zahlreiche Schoner, Motorschoner und auch kleine
Dampfer besuchen diese Kiistenposten bis zur Miindung des Mackenzieriver,
um die Pelzausbeute abzuholen und neue Vorrate zu bringen. Auch treiben
Leutehaus der Hudson's Bay Postens in Rigolet, Labrador.
sie mit den an der Kiiste gelegenen Indianer- und Eskimodorfern einen aus-
gedehnten Pelzhandel, der sich auch auf die grossen Inseln nordlich von
Kanada erstreckt. Auch die Waif anger treiben meist auch Tauschhandel
mit den Eingeborenen vom arktischen Ozean. Die gesammelten Felle kommen
teils mit den genannten Fahrzeugen nach San Francisco, teils mit den regel-
massigen Dampfern nach Seattle und Tacoma, die sich zu Stapelplatzen des
Rauchwarenhandels der Westkiiste heraufgearbeitet haben und wo alle
i bis 2 Monate Auktionen der in Alaska und dem Arktik gewonnenen Felle
stattfinden.
2. K a p i t e 1.
Asien.
In China ist der Exporthandel erst etwas iiber 20 Jahre alt, dagegen
findet seit Jahrtausenden ein ausgedehnter Pelzhandel im Innern statt, da
die Chinesen grosse Konsumenten von Pelz sind und selbst im Siiden des
Riesenreichs, in Kanton, Pelzkleider im Winter tragen. Es sind dies meist
kurze Jacken, sogenannte Maquas, die entweder mit dem Fell nach aussen
getragen werden, oder mit Seidenstoff iiberzogen sind. Die Kiirschner stammen
zum grossen Teil aus Shansi, und sind Mitglieder der Shansi Kiirschnergilde
in ganz China zu finden, aber auch Angehorige anderer Provinzen sind im
edlen Kiirschnergewcrk vertreten. Da in China die Mode in der Kleider-
fasson nur alle paar hundert Jahre einmal wechselt, halten die Kiirschner
die fertigen Pelze ohne Bezug stets in grosseren Mengen vorratig, und zwar
in zwei Langen, die auch bei uns als Kreuze und als Robes bekannt sind.
Weniger gebraucht werden die langen Ro'cke oder Coats. Es wird sowohl
einheimisches als fremdes Pelzwerk dazu verwendet. Die chinesischen
Kiirschner, die meist zugleich auch Zurichter sind, wie es truher ja auch
bei uns ublich war, sind recht geschickt und wissen ihre etwas primitiven
Werkzeuge recht gut zu gebrauchen.
Das chinesische Kurschnermesser weicht in der Form von dem unserigen
sehr ab, es ahnelt mehr einem Kreismesser.
Die Kiirschnergilde ist iibrigens sehr straff organisiert ; so ist es z. B.
keinem Mitgliede erlaubt, im Sommer mehr als von 10 Uhr friih bis 4 Uhr
nachmittags zu arbeiten, damit die Arbeiter das ganze Jahr hindurch Be-
schaftigung haben. Die Kurschnergesellen erhalten fur chinesische Verhalt-
nisse einen hohen Tagelohn, 40 Cents, d. h. ca. 80 Pfg. pro Tag, das wiirde,
nach deutschen Verhaltnissen iibertragen, etwa 30 Mark Wochenlohn ent-
sprechen.
In den Hauptzentren des Handels, in Peking, Tientsin, Mukden, Kirin,
aber nehmen die Buden der Kiirschner ganze Strassen ein. Fast alle sind
nach der Strasse zu often. Ganz anders ist der Handel mit Pelzwaren fur
2. Kapitel (Asien).
3OI
den Export gehandhabt und auch hier
an den beiden Hauptexportplatzen
Shanghai und Tientsin ganz ver-
schieden.
In Tientsin sind die Compr adore der
grossen Exporthauser meist an grossen
chinesischen Handlungshausern, soge-
nannten Hongs, im Innern beteiligt,
welche die Waren dort aufkaufen und
nach Tientsin senden. Besonders
Kalgan, Lauchanfu und Singanfu sind
Oi T -,.., Labrador Seehundjager.
grosse Stapelplatze.
Das Tibetgeschaft ist in Shansi und Shensi in den Handen der grossen
Zurichtereien, welche die rohen Felle aufkaufen, zurechtmachen und sor-
tieren. Die grossen roten Stempel, die sich auf der Riickseite der Felle be-
finden, geben die Namen dieser Zurichtereien an. Auch diese Felle kommen
nach Tientsin. Die Ziegendecken sind in der Heimarbeit gefertigt. Die
Felle werden in grossen Zurichtereien zugerichtet und die Decken dann von
den Bauern wahrend des Winters genaht. In Shanghai ist der Handel mehr
freihandig, die Kompr adore sind nicht daran beteiligt, sondern die Waren
aus dem Innern, namentlich aus dem ganzen Yantsetal bis hinauf nach
Chungking, Szechan und aus Shantung und Chekiang gehen an grosse chine-
sische Kommissionshauser. Von Niuchwang ferner geht ein Teil an die
Shanghai-Filiale der chinesischen Firmen in Newchang und Mukden. In dem
Klubhaus der Fellhandlergilde werden dann an jedem Morgen die Marktpreise
auf Grund der Ankunfte und der bei den europaischen Firmen vorliegenden
K auf orders festgestellt, die den Chinesen durch die Shroffs, den chinesischen
Angestellten der auslandischen Hauser, fast stets genau bekannt sind. Makler
machen nun die Runde bei den einzelnen Firmen, bei denen ein Interesse fiir
die Waren vorliegt, und bieten solche an. Die weitere Behandlung ist nun
verschieden. Die meist en Firmen lassen sich die Offerte wenn moglich fest
fur 3 Tage an Hand geben, wenn sie
nicht schon Kauforders besitzen, und
stellen die Partie drahtlich in Europa
und Amerika an. Andere Firmen
kaufen auf eigene Rechnung undkon-
signieren die Waren dann an ihre euro-
paischen Vertreter. Sobald der Kauf
abgeschlossen wird, werden die Waren
ubernommen und sofort bar netto
Kassa bezahlt und dann gereinigt und
verpackt. Einzelne chinesische Kauf-
Seehundjager in Labrador. leute spekulieren auch und machen
302
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
lange vor Eintreffen der Waren Lieferungskontrakte zu vereinbarten Preisen.
Dabei 1st hervorzuheben, dass sie solche auch strikte innehalten, auch wenn
bei steigender Konjunktur die Transaktion stark verlustbringend fur sie ist,
ganz im Gegensatz zu den Japanern. Der Chinese wiirde es als eine Schande
betrachten, den Kontrakt nicht zu halten, ,,da er sonst sein Gesicht ver-
lieren wiirde" (loose his face).
Dagegen halt er sich fiir ganz berechtigt, einen gewissen Prozentsatz
minderwertiger Felle mitzuliefern, erhebt aber keinen Widerspruch, wenn
das bemerkt und ihm das nicht Lieferungsgemasse zuriickgegeben wird.
Zwei beriihmte Trapper eines Rigolet Labrador.
Grosse Aufmerksamkeit ist daher stets bei der Ubernahme notig. Der Chinese
sagt in Pidgin english : ,,Have got eye, whatfor no see", ,,Duhast doch Augen,
warum siehst du nicht."
Noch vor wenigen Jahren war es iiblich, iiberhaupt keine Tertia- und
nur einen kleinen Prozentsatz Sekunda-Felle mit zu iibernehmen. Seit aber bei
der starkeren Nachfrage einige Firmen lax bei der Ubernahme wurden, be-
stehen die Chinesen darauf , dass auch Sekunda mitgenommen werden miissen,
wodurch das Geschaft viel schwieriger geworden ist. Grosse Schwierigkeit
macht bei der Kalkulation auch der Kurs. Im Innern wird nach Kupfer-
kasch gekauft, deren Kurs gegeniiber den Silbertaels stark schwankt. In den
Hafenstadten wird nach Silbertaels gehandelt, deren Kurs auch taglich
2. Kapitel (Asien).
303
,Der Kaptein" eines Handelsdampfers
an der Labradorkiiste.
schwankt. Die Anstellungen nach
Europa geschehen stets cif , d. h. Kost,
Kommission, Assekuranz und Fracht
bis europaischen Haf en eingeschlossen,
und zwar in Shilling oder Mark. 1st
die Order erteilt, so wird der Kurs bei
den Banken gedeckt, doch wahrend
der drei Tage bis zum Eintreffen der
Drahtantwort tragt der Verschiffer
das Cours Risico, das unter Um-
standen i bis 2 Proz. betragen kann.
Selbst dieser Betrag ist nicht so un-
bedeutend, als er aussieht, denn die
meisten cif-Orders werden mil 3 bis
6 Proz. Nutzen ausgefiihrt. Kon-
signiert Shanghai, so tragt das Haus
natiirlich das Risiko der Konjunktur
und hat eventuell einen bedeutend
hoheren Nutzen, oder aber auch
Verlust.
Wie aber auch das Geschaft ab-
geschlossen ist, stets wird gegen die verschifften Waren trassiert, und zwar
4 Monate Sicht-Tratte gegen die verhangenden Verschiffungs-Dokumente.
Solche Tratten werden von den Banken stets zum Tageswerte genommen
und voll bezahlt. Nach Ubereinkunft werden die Dokumente entweder
gegen das Akzept ausgeliefert oder als D/P (Documents against payment)
behandelt, d. h. der Akzeptant hat das Recht, die Waren bis zum Verfall der
Tratte liegen zu lassen, muss aber bei Herausnahme der Waren Kassa zahlen,
wobei ihm fur die nicht abgelaufene Frist der Bank-Diskont vergiitet wird.
Haufig wird auch sogenannter Bankkredit verlangt, d. h. der hiesige Kaufer
muss, meist durch Vermittlung seiner Bank, einer Bank in China bestatigen,
dass er die Tratte bis zu einer bestimmten Hohe aufnehmen wird. Alle
diese Arrangements ermoglichen es eben, dass die Waren mit einem so
geringen Nutzen verkauft werden konnen, da erstens kein Zinsverlust
entsteht und der Verkaufer sein Kapital viele Male umsetzen kann.
Miisste er bis zum Eintreffen des Erloses warten, was vier bis fiinf Monate
dauert, da miisste der Nutzen natiirlich viel hoher kalkuliert werden.
Ganz anders als in China ist der Pelzhandel in Japan organisiert. Hier
gehorten Pelze nur in sehr beschranktem Masse zur Landestracht. Nur die
japanischen Otter felle werden gerupft zu Mantelkragen und die Fuchsfelle
(Kitsenu) sowie die Felle des japanischen Viverrenhundes oder sogenannten
Seefuchses (Tanuki) ebenfalls gerupft zu Pelzf utter verwendet, wahrend die
Oberhaare zu Pinsel verarbeitet werden. Jetzt sind die japanischen Tanuki
304 V. Handel imd Verkehr in Rauchwaren.
fur diesen Zweck zu teuer geworden und man verwendet dazu eingefiihrte
chinesische Felle. Die Ausfuhr von Fellen beschrankte sich fruher auf die an
der Kiiste und an den Kurila-Inseln gefangenen Seeottern und Seals. Auch
hieran betatigten sich nur wenige japanische Schiffe. Die Mehrzahl der
Fangfahrzeuge gehorte Fremden. Erst vor etwa 25 Jahren fing man
an, auch dem Export von Fellen einige Aufmerksamkeit zuzuwenden, doch
erst seit 20 Jahren hat dieser Teil des japanischen Geschafts eine grossere
Ausdehnung gefunden. Die japanischen Kaufleute erfreuen sich im all-
gemeinen keiner besonderen Wertschatzung, weder bei ihren eigenen Lands-
leuten, noch bei den fremden Kaufleuten, die mit ihnen zu tun haben. Standen
sie doch im alten Feudalstaat auf der niedrigsten Stufe der sozialen Leiter
und rangierten hinter den Bauern. Die Pelzhandler und Hautehandler standen
aber noch niedriger, denn sie gehorten zu der verachteten Paria-Kaste, den
,,Etas". Obgleich sie nun seit 1868 die vollen burger lichen Rechte besitzen
und auch vielfach durch den Pelzhandel reich geworden sind, ist das soziale
Vorurteil in Japan gegen sie doch bestehen geblieben. So konnten z. B.
vor einigen Jahren die vereinigten Pelz- und Hautehandler in Tokio keinen
Saal zur Abhaltung von Festlichkeiten erhalten. Diese Handler bilden nun
ebenso, wie dies die andern japanischen Handler mit Rohprodukten tun,
einen Ring und beschranken den Verkauf von Fellen hauptsachlich auf die
Platze Yokohama und Kobe. Es ist fast unmoglich fur die dortigen Expor-
teure, diesen Ring zu umgehen und direkt im Innern einzukaufen. Das ware
aber nicht so schlimm, denn dem Nachteil der Preisverteuerung steht der
Vorteil einer Organisation gegeniiber, die grossere Mengen von Waren auf
den Markt bringt. Das Schlimme ist oft aber die grosse geschaftliche Un-
zuverlassigkeit der Leute. Sie schliessen bereitwillig Lieferungskontrakte
ab, um dieselben bei steigender Konjunktur einfach nicht zu erfiillen, und
die japanische Rechtsprechung unterstiitzt sie dabei. Sollte aber wirklich
ein Exporteur ein obsiegendes Gerichtserkenntnis gegen einen dieser Nicht-
lieferanten erhalten, so niitzt mm das auch nichts, denn wenn er es auf dem
Zwangswege vollstrecken wollte, wiirde er von den anderen Handlern einfach
boykottiert werden.
Die japanischen Felle kommen von Januar bis Mai an den Markt, auch
ein grosser Teil der Fellausbeute von Korea und von Sachalin findet seinen
Weg nach Japan. Der Wert der jahrlichen Ausfuhr an Fellen mag etwa
3 bis 4 Millionen Mark betragen, ungerechnet der Ausbeute des Seehund-
fanges und der Seeotterjagd, an denen sich die Japaner in immer steigendem
Masse seit 1896 beteiligen. Hieriiber bringen wir an anderer Stelle Ausfuhr-
licheres. Der Seehundsfang auf den russischen Komodorski-Inseln ist von
der russischen Regierung verpachtet worden, und zwar geschah das zunachst
an die Firma Hutchinson & Kohl in San Francisco und Rechtsnachfolger der
Alaska Comercial Co. Nach Ablauf 1887 erhielt die russische Kamschadka
Industrial & Comercial Company in Petersburg, an deren Griindung auch
2. Kapitel (Asien). 305
der bckannte Pariser Pelzhandler Griinwald beteiligt war, den Pachtkontrakt,
den sie noch heute besitzt. Dieselbe Gesellschaft hat auch den Pachtkontrakt
fur das Regierungsmonopol fur den Seeotternfang auf den Komodorski-
Inseln und der Kiiste von Kamschadka. Alle Seeotterfelle miissen dem ersten
Beamten der Krone in dem Orte Nikolsk auf der Behringinsel abgeliefert
werden und werden dann an die Company zu einem mit der russischen
Regierung kontraktlich fiir die Qualitat festgesetzten Preis verkauft. In
Kamschadka, sowie auf der Tschuktschen Halbinsel beherrscht die Gesell-
schaft auch jetzt den grossten Teil des Pelzhandels, doch sind daneben auch
andere Gesellschaften tatig. Die Eingeborenen des gesamten ostlichen
Sibirien, die Kamschadalen, die heute auf einer Kulturstufe stehen, die der
der russischen Bauern wenig nachgibt, die Yakuten, Tschuktschen, Golde
Gilyaken, Tungusen etc. sind alle eifrige Jager und bringen die erbeuteten Felle
teils auf die Messen zu Anadyrsk und Nishny Kolymsk, teils an die Stationen
der verschiedenen Pelzhandelsgesellschaften. Ein Teil dieser Waren findet
dann seinen Weg nach Wladiwostok, ein anderer wird direkt exportiert.
Von Ochotsk, Yakutsk, Blagowetschensk, Irkutsk etc. aus bereisen ubrigens
heute Fellaufkaufer bereits das ganze Gebiet bis an das nordliche Eismeer,
um Felle aufzukaufen. Zum Teil findet auch Tauschhandel statt. Das meiste
wird aber in Rubeln bezahlt. Agenten Moskauer und selbst Leipziger Hauser
bereisen dann die grosseren Orte und kaufen die Felle von den Einkaufern,
was durch die gute Bahnverbindung sehr erleichtert wird, da man jetzt in
7 bis 8 Tagen von Moskau in Irkutsk ist, weniger, als man fruher zum Erreichen
der Messe von Irbit brauchte. Die Zufuhren zu diesem beriihmten Messplatze
sind denn jetzt auch bedeutend geringer als fruher, da eben ein grosser Teil
der Rauchwaren bereits fruher abgeschlossen ist.
Die Bahn ist natiirlich heute das Hauptmedium des Verkehrs, doch
ausserhalb derselben sind die verschiedensten Verkehrsmittel im Gange.
Auf den grossen Stromen und den Seen sind zahlreiche Dampfer und daneben
schwerfallige Barken, sogenannte Lodjas, im Gange. Auf dem Amur und
der Schilka gehoren eine ganze Reihe von Dampfern der deutschen Firma
Dickmann & Co., doch miissen sie alle unter russischer Flagge fahren. Auch
die kleinen Fahrzeuge, Schoner, Motorschoner und kleine Dampfer, die
an der Kiiste sowohl wie nach den Inseln Handel treiben, miissen unter
russischer Flagge fahren, und passen russische Wachtkreuzer auf, dass keine
Fahrzeuge anderer Nationen dort landen oder Handel treiben; nur japanische
Fahrzeuge, die sich angeblich dem Fischfange widmen, benutzen die Gelegen-
heit zum Pelzhandel haufig recht ausgiebig.
Im hohen Norden, wo iiberhaupt keine Bewachung stattfindet, treiben
die amerikanischen Waif anger ausgedehnten Pelzhandel, und verschiedene
Fahrzeuge von San Francisco, welche von den Eingeborenen im Norden
Alaskas und der Hudson's Bay Felle eintauschen, besuchen auch die Inseln
an der Behringstrasse und das Gebiet der Tschuktschen ebenso wie die
20
306 V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Eskimo-Niederlassungen auf den Inseln des hohen Nordens. Im Winter,
wenn die Fliisse gefroren, sowie auch im Sommer in den Gegenden abseits
der Strome und der Bahnlinien, bilden Pferde das Hauptbeforderungsmittel,
und zwar je nach der Beschaffenheit der Strassen als Bespannung von Schlitten
oder der primitiven Telegen, oder als Packtiere, wie z. B. von Jakutsk aus.
In Kamschadka bildet der Hundeschlitten das Beforderungsmittel. Hier
sind die Hunde das wichtigste Haustier, grosse, kraftige Tiere, die auch
auf den verschiedenen Siidpolexpeditionen gute Dienste geleistet haben, da
sie kraf tiger und ausdauernder sind als die Eskimohunde. Sie sind aber
womoglich noch gefrassiger, und ist es deshalb kaum moglich, in Kamschadka
Gefliigel und Klein vieh zu halt en.
An den Kiistengebieten des Nordens werden ebenfalls Hundeschlitten
gebraucht, und sind die ostsibirischen Eskimohunde starker und grosser als
die westsibirischen und gronlandischen. Auf den Tundren, der Moossteppe
des Innern, bilden Renntiere das Verkehr smedium, und zwar sowohl als
Schlittenzugtiere wie als Packtiere. Diese Renntiere sind oft das ein/.ige
Besitztum der eingeborenen Tschuktschen, Samojeden oder Tungusen, aber
ein sehr prekares, da sehr oft der Milzbrand grosse Verheerungen anrichtet
und die Her den ganzer grosser Distrikte vollig dahinrafft.
3. K a pit el.
Der Betrieb der Londoner Auktion.
Von der Hudsonbay Co. und der Firma C. M. Lampson, deren Geschichte
wir ja welter vorn schon geschildert haben, wird die Mehrzahl der nach London
kommenden amerikanischen Rauchwaren zur Auktion gebracht. Daneben
bringen die Firmen Goad Rigg & Co., Culverwell Brooks & Cotton, Flack
Chandler, Nesbitt & Co., Anning & Cobb und Dyster Nalder seit mehr als
50 Jahren und die Firmen Barber & Co., Henry Kiver und Thorpe & Welby
seit neuerer Zeit australische, chinesische, japanische und afrikanische Rauch-
waren zur Versteigerung.
DieseHauser versteigern teilweise auch amerikanische Felle ; aber wahrend
bei Lampson & Co. nur bona fide direkte Importen zur Auktion gelangen,
sind die amerikanischen War en der oben genannten Hauser haufig schon in
dritter oder vierter Hand.
Seit dem Jahre 1905 veranstaltet die Firma Nesbitt & Co. auch Auktionen
direkter amerikanischer Importen. Die Huasonbay Company bringt im
Januar Biber, Bisam und Kanin, im Marz die iibrigen Rauchwaren zur offent-
lichen Versteigerung, wahrend ihre iibrigen Produkte, wie konservierter Lachs,
Renntierzungen, Tran, Daunen, Bibergeil usw., zu anderen Jahreszeiten ver-
kauft werden.
Die anderen Firmen halten die offentlichen Verkaufe im Januar, Marz,
Juni und Oktober. Kleiner e Verkaufe finden auch zwischendurch statt.
Der Betrieb dabei ist folgender:
Nachdem die Kaufer durch Vermittlung ihrer Kommissionare die ge-
druckten Kataloge erhalten haben, geht es an die Besichtigung der War en.
Die Hudsonbay Company hat dieselbe in ihrem eigenen Hause in Lime-
street, die Firma Lampson gleichfalls in ihrem Geschaftshause in Queen-
street zur Schau gestellt, wahrend die anderen War en meistens in den Docks
oder offentlichen Speichern, wie Smith Warehouse usw., lagern.
Jetzt gilt es, jede Minute des Tageslichts auszunutzen, um die Schatze
zu besichtigen, zu klassifizieren und die notigen Bemerkungen nebst den
20*
308
V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
etwa anzulegenden Preisen im Kataloge einzutragen und sich besonders
wiinschenswerte Lose zu bezeichnen.
Endlich ist der grosseTag der Auktionen herangekommen, und in einem ver-
haltnismassig kleinen Raume, fniher in der Kolonialproduktenborse in Mincing
Lane, jetzt in College Hill versammeln sich die Kaufer aus alien Landern, auf
erhohten Banken sitzend, jeder mit dem Katalog und Federhalter vor sich.
Nach der konservativen Art alter englischer Institutionen wurden iibrigens
nur Gansekiele zum Schreiben geliefert.
Auf einem Katheder steht der Auktionator mit zwei Gehilfen, und der
Verkauf beginnt.
Der Verlauf ist meistens ein ruhiger, nur die Stimme des Auktionators
oder seiner Gehilfen wird gehort. Der Auktionator ruft ein Los auf und fragt,
4 Generationen von Brokern der H. B. C.
William Hogall 1813—1838. William Hogall (Sohn) 1848 — 1871.
mit welchem Preise er beginnen soil: 20, 19, 15, 12, 10 Schilling. Eifrig sehen
die Koadjutoren in den Raum, um das geringste Zeichen zu erspahen. Da
nickt einer der Kaufer unmerklich mit dem Kopf und ,,io Schilling ist ge-
boten", hallt es laut vom Katheder zuruck. Nun kommt Leben in die Ver-
sammlung. Von verschiedenen Seiten werden jetzt Zeichen gegeben, die jedes-
mal eine Steigerung um den bei den einzelnen Sorten festgestellten Betrag
bedeuten.
Alles spaht zugleich eifrig umher, um zu sehen, wer geboten, denn dies
ist aus mehreren Griinden wichtig zu wissen. Jede Firma fiihrt namlich
genaue Notizen, wer die einzelnen Lose erstanden, zumal die Personlichkeit
der Bieter haufig den Schliissel gibt fiir die Marktlage des Artikels. Vor
allem aber muss man auch aufpassen, um rechtzeitig einspringen zu konnen.
Der Kaufer des ersten Loses eines ,, Strings", d. h. eine Reihe gleichartiger
Lose hat das Recht, die nachf olgenden desselben Strings zu gleichen Preisen zu
3. Kapitel (Londoner Auktionen).
309
erstehen, bis er iiberboten wird. Sobald er genug hat, gibt er ein Zeichen, und
der nachste, der das Auge des Auktionators erreicht, tritt in seine Rechte,
bis er seinerseits iiberboten wird oder genug hat.
Es gibt hierbei haufig Streitigkeiten, da gewohnlich mehrere gleichzeitig
ausrufen, worauf dann der Versteigerer entscheidet,
Auch wenn es sich um vielumstrittene Lose handelt, ruft auch wohl ein
eifriger Kaufer sein Gebot laut, statt sich mit dem Winken zu begniigen.
Ein einfaches Hinsehen nach der Tribune gilt iibrigens schon als Gebot.
Es soil iibrigens bei hitzigem Bieten vorkommen, dass der Auktionator
flott selbst mitsteigert, ohne Gebote zu haben, um den Preis in die Hohe
zu treiben. Bleibt er dann auf solchem Blankogebot sitzen, so ruft er dann
gewohnlich einem ganzlich Unbeteiligten zu: ,,Das ist Ihr Los, Herr Schultze."
4 Generationen von Brokern der H. B. C.
Edw. Harris (Enkel) 1871—1892. S. H. Harris (Urenkel) seit 1901.
Schultze protestiert natiirlich entriistet und unter allgemeiner Heiter-
keit wird die Sache als Irrtum erklart und das Los wieder von neuem aus-
geboten.
Der Chef der betreffenden Auktionsfirma steht gewohnlich mit auf der
Tribune, wenn er nicht selbst den Hammer fiihrt.
So geht der Verkauf von 10 Uhr friih bis in die spate Abendstunde, mit
einer kurzen Mittagspause. Friiher wurde den Kaufern dann ein opulentes
Fruhstiick auf Rechnung der Hudsonsbay Company und Lampsons serviert,
um sie am Verlassen des Hauses zu verhindern. Dieser schone Brauch aber hat
jetzt aufgehort.
Wohltuend beriihrt iibrigens bei allem Eifer das Fehlen des Konkurrenz-
neides. Eine kollegiale Stimmung herrscht, da man in der Rauchwaren-
branche, lange bevor in den anderen Industriezweigen an Interessengemein-
schaften gedacht wurde, das Bindende der gemeinsamen Handelsinteressen
310 V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
erkannte. Unterstiitzt wird dies auch wohl dadurch, dass man seit Jahren
gewohnt 1st, im selben Hotel zu wohnen (De Keysers Royal Hotel, Black-
friars) und die Mahlzeiten gemeinsam einzunehmen.
Am Schlusse der Auktion iibergibt man seinem Kommissionshause die
Liste der erworbenen Partie und dieses besorgt dann die Abnahme, Be-
zahlung, Verpackung und Versendung der Ware, wofiir meistens 2 Proz.
Kommission gezahlt wird.
Bezahlt werden muss die Ware bis zu einem bestimmten Tage, einige
Wochen nach Schluss der Auktion, dem sogenannten ,, Prompt day", mit
2 1/2 Proz. Skonto, doch hat der Kaufer auch dasRecht, die Waren noch langer
liegen zu lassen, bis zu 6 Monaten, unter Vergiitung von Zinsen und Lagergeld.
Vielfach nehmen auch die Kommissionshauser die Ware fur ihre Kom-
mittenten per Kassa ab und raumen ihnen einen Kredit ein, doch sind dies
private Abmachungen.
Trotzdem die in London umgesetzten Waren jahrlich wohl 80 — 100 Mill.
Mark iibersteigen, kommt wohl mindestens ebenso viel oder mehr aus den
Produktionsgebieten nach Leipzig direkt, doch sind die in London erzielten
Preise massgebend fur den Markt.
liber den Betrieb auf den russischen Messen haben wir schon bei der
Geschichte des Rauchwarenhandels in Russland berichtet.
In den Auktions-Katalogen, sowie auch in den Preislisten der grossen
Rauchwarenhauser ist die Herkunft des betreffenden amerikanischen und
kanadischen Felles durch Abkiirzungen bezeichnet, wahrend bei sibirischen,
chinesischen und australischen Rauchwaren die Herkunftsbezeichnungen
meist voll ausgeschrieben und nicht abgekiirzt sind.
4. Kapitel.
Die gebrauchlichen Abkurzungen
fur amerikanische Fellsorten.
Die Hudson's Bay Company besitzt etwa 200 Handelsposten, die in vier
Departements eingeteilt werden. Die Fellsorten bekamen aber nicht die
Namen nach diesen administrativen Distrikten, sondern entweder nach
einzelnen Forts, die den Mittelpunkt oder das Depot des betreffenden
Distriktes bildeten, oder nach einem geographischen Bezirk.
Die grossten Mengen brachte stets der Yorkfortdistrikt, abgekiirzt Y. F.
Diese Sorten bilden gewissermassen einen Standard. So ist z. B. der Preis
der Y. F.-Nerze als Wertmesser fur die andern Sorten zu betrachten. Es sind
grosse, kraftige Felle mit feinem Haare und mittlerer Farbe. Die Y. F.-
Bisam sind dagegen klein und an der spitzen Form zu erkennen, ahnlich
dem Minnesota-Bisam.
Die besten Felle sind gewohnlich die M. R. aus Mooseriver Factory am
siidlichen Teile der Hudsonbai. Namentlich die Biber von hier sind sehr
dunkel, haufig fast schwarz, was wohl von den dichten dunklen Nadelwaldern
herriihrt, in denen die Tiere leben.
E. M. bedeutet East Maine, der Teil des Gebiets 6'stlich von der Hudsons-
bai. E. B. heisst Esquirnobai und bezeichnet einen Teil von Labrador. Nerze,
Zobel und Ottern dieser beiden Gegenden sind die feinsten in Qualitat und
Farbe und sind in rohem Zustande auch durch die sorgfaltige Behandlung,
die ihnen von den Indianern zuteil geworden ist, zu erkennen. Die Leder-
seite, die stets nach aussen ist, ist fein gewaschen und gereinigt, die Fiisse
sind sorgfaltig in Rosettenform aufgerollt.
F. G. bedeutet Fort George. L. W. R. Little whale river. K. P. steht
fur Kings Posts. Dies ist kein eigentliches Hudsonsbaigebiet, sondern gehort
zum siidlichen Labrador. Es waren dies urspriinglich franzosische Domanen,
die 1731 zu einem besonderen Distrikt vereinigt wurden, und die sich von
Pont Neuf bis Kap Kormoran hinziehen. 1832 wurden die dort befindlichen
neun Handelsposten nebst den Fischereien fur 1200 Pfund jahrlich an einen
312 V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
Pelzhandler aus Montreal verpachtet, wenige Jahre spater iibernahm aber die
Hudsonsbay Company die Pachtung. Jetzt sind nur noch sechs Posten
vorhanden.
Als M. K. R. sind die Felle vom Mackenzie River bezeichnet, wo sich
auch das nordlichste Hudsonsbayfort Fort Goodhope gerade unter dem Polar-
kreise befindet. Die Biber aus dieser Gegend sind stets hellfarbig, was wohl
daher kommt, dass das anstossende Gebiet, die sogenannten Barrengrounds,
sehr of fen ist.
N. W. Northwest werden die Felle aus dem ganzen Gebiet westlich von
den Rocky Mountains bezeichnet. Diese sind teilweise auch an der Art und
Weise der Zubereitung durch die Indianer zu erkennen. Die Biber z. B. sind
in Fischform aufgespannt, wahrend die Bisam ganz abgestreift sind durch
die Mundoffnung und deshalb das Haar schwer zu beurteilen ist. Doch gibt
die Farbe des Leders dem erfahrenen Rauchwarenhandler schon die Qualitat
an. Die beste Ware hat stets eine hellweisse Farbe, die Sekunda oder Sommer-
felle sind griinstreifig usw.
Der sudliche Teil dieser Provenienzen wird auch als Columbiaware
bezeichnet. Dies riihrt von der Zeit her, als die Hudsonsbay Company auch
13 Handelsposten auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten besass und die-
selbe als Columbiadistrikt bezeichnete. 1849 niussten diese Posten und die
dort befindlichen Farmen aber an die Vereinigten Staaten abgetreten werden.
Die Kolumbiazobel sind sehr fein und dunkelfarbig, die Nerze aber grob
und hellfarbig. Friiher wurden diese Kolumbianerze nicht sortiert, ehe sie
zur Auktion kamen, wcshalb sie namentlich bei dem billigen Preise einen
vorteilhaften Kauf abgaben.
Ca. bedeutet Canadawaren, und bezeichnen die Herkiinfte namentlich
aus Oberkanada und einem Teil Unterkanadas. Die Waren aus dem Winipeg-
distrikt gehoren aber schon zu Y. F., ebenso die von der Seenkette zwischen
Lake Superior und dem Redriver. Die Waren nordlich vom St. Lorenz gehen
auch zum Teil als M. R.
Auch fiir die amerikanischen Waren aus den Vereinigten Staaten (U. S.)
sind Abkiirzungen ublich. Friiher konnte man auch diese Waren nach der
Herkunftsbezeichnung kaufen, aber jetzt ist es durchaus nicht ausgemacht,
dass die Felle aus dem Distrikt stammen, in dem sie gekauft sind, und sind
sie schon bei den Sammlern gemischt.
N. Y. bedeutet New York State. Aus den dichten Waldern dieses Staates
kommen sehr viele und gute Felle. Nerze sind gross und kraftig, wenn auch
meist mittelfarbig. Skunks sind gross und gutfarbig. Schuppen gehoren zu
den besten Sorten. Auch die Bisam sind gross und von guter Qualitat. Biber
kommen dort nicht mehr vor. Ottern sind von schoner Qualitat und Farbe.
N. J. New Jersey liefert ahnliche Sorten wie die vorhergehenden, die
Bisam aber sind iiberhaupt die besten. Auch die schwarzen Bisam kommen
fast ausschliesslich aus diesem Gebiet.
4. Kapitel (Abkiirzungen) . 313
Me. Maine liefert ahnliche Ware wie die als Halifax bezeichneten Felle
aus Neuschottland und Neubraunschweig. Besonders die Nerze aus diesen
Distrikten sind die besten, grosse, rauche, blaufarbige Felle. Auch die Ottern
sind von sehr schoner Farbe, und Fiichse gehoren nachst den Alaska zu den
feinsten.
Auch die mittleren Staaten (Centralstates) O. Ohio, Mich. Michigan, Wis.
Wiskonsin, To. Torro, 111. Illinois liefern ebenso wie das den Eastern gehorige
mil Pa. bezeichnete Pennsylvanien gute Ware, besonders Schuppen- und
Skunk von vorziiglicher Qualitat. Ohio-, Wiskonsin- und Minnesota- Skunk
sind die besten.
Nicht so gut sind die Waren aus den siidlichen Staaten: Ky. Kentucky,
Tenn. Tennessee, Del. Delaware, Md. Maryland, Va. Virginia, Miss. Mississippi,
N. C. North Carolina, S. C. South Carolina. Mo. Missouri wird teilweise zu den
siidlichen, teils zu den westlichen Staaten gezahlt.
Eine besondere Stellung nimmt der Distritk N. M. New Madrid in diesem
Staate ein. Infolge des grossen Erdbebens im Anfang des vorigen Jahrhunderts
entstand hier ein fast undurchdringliches Sumpf- und Urwaldgebiet, das einer
grossen Zahl Pelztiere Schutz und Zuflucht bot. Namentlich kommen von
hier viel Schuppen, die in eigenartiger Weise behandelt sind, indem die Felle
fast genau viereckig aufgespannt werden.
Ark. Arkansas liefert viele, aber geringwertige Pelze.
Ind. Indiana, Minn. Minnesota, Ma. Montana, Neb. Nebraska, Id. Idaho,
Ks. Kansas, werden als Western States zusammengefasst. Die aus den nord-
lichen Teilen derselben stammenden Felle sind von guter Mittelqualitat, die
aus den siidlichen Teilen minder wer tiger. Aus Minnesota kommen viele
Waren, die im allgemeinen den Y. F. des Hudsonsbaigebietes ahneln. Mon-
tana ist besonders durch seine Biber ausgezeichnet, die mitteldunkel, rauch,
in eigenartiger Weise sorgfaltig an den Randern beschnitten sind, dass sie
fast rundliche Form haben.
Cal. Kalifornien liefert auch nicht sehr gute Waren. Die Biber aus diesem
Staate, die indessen nur noch wenig an den Markt kommen, sind ganz hell-
farbig, fast gelblich.
Wash. Washington Territory, Ore. Oregon liefern, wie schon oben er-
wahnt, die sogenannten Kolumbiafelle, doch werden dieselben auch haufig
mit den Alaskaprovenienzen als N. W. Northwestern zusammengefasst.
Al. Alaska liefert die besten von alien Fellen der Vereinigten Staaten. Nament-
lich die Fiichse und Zobel sind vorzuglich. Hier an der Kiiste befinden sich
auch viele Blaufuchs- und Silberfuchsfarmen.
Die Silberfuchse von den Pribiloff-Insem usw., die als sogenannte Sitka-
Silberfiichse in den Handel kommen, sind aber ziemlich grob im Haar.
5. Kapitel.
Schonzeiten ftir Pelztiere in Amerika.
Nachdem die Walder und Prairien der Vereinigten Staaten durch die
riicksichtslose Aasjagerei schon fast entvolkert sind, fing man an, strenge
Jagdgesetze einzufiihren. Canada war schon lange mil gutem Beispiel voran-
gegangen, dann erst folgten die verschiedenen Einzelstaaten der U. S. Zu-
nachst wurde das Wild, sowohl Hirsche und Elentiere wie Flugwild ge-
schiitzt, jetzt aber sind seit kurzem auch die seit lange notwendigen Schon-
zeiten fur Pelztiere eingefuhrt.
Die Schonzeiten sind jetzt wie folgt:
Alaska sudlich vom 62. Breitegrade. Braune Baren vom i. Juli bis
i. Oktober.
Jowa. Biber, Nerz, Otter, Bisam vom i. April bis i. November.
Kentucky. Otter, Biber, Nerz, Schuppen vom i. Marz bis 15. November.
Maine. Nerz, Zobel, virg. Iltis vom i. Mai bis 15. Oktober. Bisam
vom i. Mai bis i. Dezember.
Michigan. Otter, virg. Iltis, Zobel vom i. Mai bis 15. November. Nerz,
Schuppen, Skunk und Bisam vom i. September bis i. November. Biber
diirfen bis 31. Dezember 1910 iiberhaupt nicht gefangen werden.
Minnesota. Nerz, Bisam vom 15. April bis 15. November.
Mississippi. Baren vom i. Marz bis 15. November.
Nebraska. Biber diirfen iiberhaupt nicht erlegt werden.
Nevada. Biber und Otter geschiitzt bis i. April 1910.
New Hampshire. Zobel, Otter, virg. Iltis vom 31. Marz bis 15. Oktober.
Neu Mexico. Biber dauernd geschiitzt.
New York. Biber dauernd geschiitzt. Zobel bis 1910. Nerz, Skunk,
Bisam vom 30. April bis 15. Oktober. Es ist aber eine starke Agitation im
Gange, die Schonzeit bis 15. November auszudehnen.
North und South Dacota. Biber und Otter dauernd geschiitzt.
Pennsylvania. Biberfang und Erlegung dauernd verboten. Baren-Schon-
zeit vom i. Marz bis i. Oktober.
5. Kapitel (Schonzeiten). 315
Utah. Otter und Biber dauernd Schonzeit.
Vermont. Dasselbe.
Wiskonsin. Otter vom 15. Februar bis i. November. Virg. Iltis, Zobel,
Nerz vom i. Marz bis i. November. Bisam vom i. Mai bis i. November.
Wie man sieht, fehlen verschiedene Staaten noch ganz und in andern
erstreckt sich der durch Schonzeiten gewahlte Schutz nur auf einzelne Pelz-
arten. Es ist dringend im Interesse des Rauchwarenhandels und der Trapper
zu wiinschen, dass diese Gesetzgebung noch weiter ausgebaut wird und auch
fur die notige Kontrolle gesorgt wird, denn vielfach steht das Gesetz nur auf
dem Papier.
Kanada, das schon seit vielen Jahrzehnten Wildschutz besitzt, hat die
folgenden Bestimmungen zum Schutz der Pelztiere:
British Kolumbia. Otter und Zobel Schonzeit vom i. April bis i. Nov.,
Biber dauernd Schonzeit.
Manitoba. Otter, Biber, virg. Iltis vom 15. Mai bis i. Oktober. Zobel
vom 15. April bis i. November.
Neuschottland. Nerz vom i. Marz bis i. November. Biber dauernd.
Neubraunschweig. Biber Schonzeit bis 1910.
Prinz Edward-Insels. Zobel, Nerz, Bisam, Otter, vom i. April bis i. Nov.,
Bar vom i. November bis i. April.
Quebek. Nerz, Otter, Zobel, Schuppen vom i. April bis i. November,
Bar vom i. Juli bis 20. August.
Neufundland. Biber geschiitzt bis 1910. Otter vom i. April bis i. Ok-
tober. Fiichse vom 15. Marz bis 15. Oktober.
6. Kapitel.
Silberfuchsfarmen in Amerika.
Die kolossal hohen Preise, welche Silberfuchsfelle erzielen, haben schon
seit einigen Jahren eine eigene Industrie ins Leben gerufen. Auf den Inseln
der Kuste von Alaska wird die Zucht von Blaufiichsen und Silberfiichsen
von mehreren Gesellschaften betrieben, doch bleiben hier die Tiere im halb-
wilden Zustande sich selbst uberlassen. Die menschliche Fiirsorge beschrankt
sich darauf, fiir regelmassige Nahrung und ein geschiitztes Obdach zu sorgen,
und bei der jahrlichen Totung im Winter darauf zu achten, dass nur die besten
Exemplare zur Zucht iibrig bleiben. Die Resultate sind gut, aber wahrend
die so gezuchteten Blaufiichse von vorziiglicher Qualitat sind, werden die
Silberfuchsfelle meist etwas grob. In anderer Weise verfahrt man im Osten
des Kontinents, im Staate Maine, sowie in Neubraunschweig, Neuschott-
land und Prinz Edward-Inseln. Auch in Labrador und auf Neufundland
sollen Versuche im Gange sein. Es existieren augenblicklich etwa 20 Silber-
fuchsfarmen im Osten Amerikas, meist von einzelnen Farmern ohne grosse
Mittel betrieben. Die erste Sorge ist, dass die gewahlte Lokalitat den Lebens-
bedingungen der Fiichse entspricht, die zweite, dass sie nicht beunruhigt
werden.
Um Raum fiir etwa 6 Paar Silberfiichse zu haben, geniigt etwa i Morgen
Land, auf dem sich einzelne Baume und Straucher befinden.
Zunachst wird eine aussere Umzaunung angelegt, mit Drahtgeflecht um-
geben, die alle Besucher fern halten soil. In etwa 40 bis 50 Fuss Entfernung
hiervon kommt dann die innere Umzaunung von 10 Fuss hohem Draht-
geflecht. Oben muss dasselbe noch etwa 2 Fuss nach innen eingebogen werden,
dass es iiberhangt und so ein Uberklettern oder Uberspringen unmoglich
macht. Auch muss der Drahtzaun mindestens 2 Fuss in die Erde reichen;
am unteren Ende in der Erde wird ein breiter Streifen Steine gelegt, um ein
Untergraben durch die Fiichse zu verhindern. Der zwischen beinen Um-
zaunungen befin liche Raum wird dicht mit Gestrauch besetzt, um den Tieren
den Anblick voriibergehender Menschen zu entziehen. Auch werden die
6. Kapitel (Fuchsfarmen) . 317
Zugange stets verschlossen gehalten und jede Storung der Tiere sorgfaltig
vermieden. Nur der Pfleger hat Zutritt. Innerhalb der inneren Umzaunung
werden nun eine Anzahl kleinerer Abteilungen durch Zaune hergestellt, jede
etwa 8 — 10 Quadratruten gross, und mit einem Zufluchtsort, entweder in
Form einer Hiitte oder eines grossen Fasses, versehen, fur je ein Paar be-
stimmt, wahrend ausserdem zwei grossere Abteilungen von je 30 — 40 Quadrat-
ruten eingezaunt sind, die eine fur mannliche, die andere fiir weibliche Fiichse.
Die Tiere werden nun zu regelmassigen Zeiten gefiittert, und gerade
hierbei ist die grosste Aufmerksamkeit notig. Uberfuttern ist ebenso schad-
lich wie falsche Fiitterung, und gerade hiergegen ist anfanglich viel verstossen
worden. Zu fett gewordene oder nicht sachgemass ernahrte Fiichse schreiten
nur selten zur Fortpflanzung und werden auch haufig krank. Gerade hieran
sind auch die meisten Zuchtungsversuche von Mardern in Deutschland ge-
scheitert. Die Tiere diirfen durchaus nicht ausschliesslich mit Fleisch ernahrt
werden, sondern erfordern eine gemischte Nahrung. Hochstens ein Viertel-
pfund Fleisch, sei es Pferdefleisch oder Schlachterabfalle, darf taglich jedem
Fuchs verabreicht werden. Daneben erhalten sie etwas Milch, Hausabfalle,
Brot oder Hundekuchen, auch von Zeit zu Zeit etwas Beeren oder sonstige
Friichte, gelegentlich erhalten sie auch lebende Mause oder Ratten, wenn
billig zu haben auch wohl von Zeit zu Zeit einen Fisch. Insekten fangen sie
sich selbst in ihrem Revier. Die Ernahrung ist deshalb billig.
Im Februar und Marz schreiten die Fiichse zur Fortpflanzung und etwa
50 Tage spater wirft die Fiichsin 3 — £ Junge. Gleich nach der Paarungszeit
werden die Geschlechter getrennt, und werden erst wieder im Dezember
paarweise zusammengesperrt, den iibrigen Teil des Jahres diirfen sie in den
grosseren Abteilungen frei herumlaufen, aber die Geschlechter getrennt.
Nach einem Jahre sind die Jungen schon fortpflanzungsfahig. Wenn
die Fiichse sich auch bald an die Gefangenschaft gewohnen, bleiben sie doch
sehr scheu und angstlich. Ob die Ziichtung gelingt, hangt zum grossen Teil
davon ab, ob sie sich an ihren Pfleger gewohnen, den sie taglich sehen.
Namentlich wahrend der Paarungszeit ist es notwendig, dass die Tiere abso-
lut nicht gestort werden, und auch der Warter muss sich sehr in acht nehmen,
dieselben nicht zu erschrecken. Auch wenn die Fiichsin Junge hat, ist grosse
Sorgfalt vonnoten, da sie sonst fort wahrend versucht, die Jungen fortzu-
schleppen und zu verstecken, und geht manchmal der ganze Wurf zugrunde.
Abgesehen von der Fortpflanzung hat sich das Halten der Silberfiichse
in Gefangenschaft sehr einfach erwiesen. Zahm werden die Tiere zwar nie,
auch die in Gefangenschaft geborenen bleiben scheu. Sonst befinden sie
sich aber in den Einzaunungen ganz wohl und spielen, wenn sie sich un-
beobachtet glauben, ganz lustig umher. Schnee und Kalte vertragen sie sehr
gut, nur muss man aufpassen, wenn der Boden abwechselnd taut und friert,
da sie sich dabei leicht die wertvollen Felle beschadigen. Sehr selten kommt
es vor, dass ein gefangener Fuchs ausbricht. Merkwiirdigerweise klettern sie
318 V. Handel und Verkehr in Rauchwaren.
gern auf die in der Umzaunung stehenden Baume, was sie in der Freiheit fast
nie tun. Krankheiten tret en bei gut behandelten Fiichsen sehr selten auf,
nur infolge falscher Fiitterung gehen manchmal Tiere ein, und wenn nicht
in sauberen Raumen gehalten, leiden sie unter Ungeziefer und manchmal
auch unter Raude.
Die Hauptsache ist, dass der Heger sich um seine Pfleglinge unausgesetzt
kummert, ohne sie indessen zu belastigen. Die Tiere lassen sich auch nicht
anfassen, und miissen, wenn sie disloziert werden sollen, durch Tiiren von
einer Abteilung zur anderen getrieben werden.
Die Fehlschlage in der Fortpflanzung haben meistens die folgenden
Ursachen : Entweder sind die Tiere uberfuttert und deshalb so f ett geworden,
dass sie sich nicht fortpflanzen oder sie sind durch Storungen nervos und
erregt geworden. Um gute Result ate zu erzielen ist es notwendig, immer
die besten Exemplare zur Weiterzucht zu verwenden, und auch von Zeit zu
Zeit fur Blutauffrischung zu sorgen.
Lebende Silberfiichse bilden jetzt bereits einen gut en Handelsartikel
und werden hoch bezahlt. Ein Paar lebende Silberfiichse, deren Felle viel-
leicht zusammen 1000 Mark wert sind, diirften unter 3000 Mark nicht zu haben
sein. Tiere mit besonders gutem Fell, die aber fast nie an den Markt kommen,
sind natiirlich viel mehr wert.
Die Industrie steckt noch in den Kinderschuhen, verspricht aber sehr
gute Result ate, da Massenproduktion nicht zu befiirchten steht, und fur
gute Silberfuchsfelle immer mehr Nachfrage als Angebot besteht.
VI.
Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren: 321
Wert der Ausfuhrwaren der Hudson's Bay Company, die zum Eintausch der
Felle benutzt wurden.
1698—99 ...... <£ 943-15 17*7 • ........ <£ 3I91- 2- 9.
1700 ....... ,, 1718 ........ „ 1847.18.
170* . :••;• • • • • » 1658. 9- 5- 17*9- • • ' ..... » 1731-
1702 ....... „ 972 1720 ........ „ 1897. 9. 7.
1703 ....... » 1721 ........ „ 1755- 4- 4-
1704 ....... ,, 2021.10. 1722 ........ ,, 2444.15.11.
1705 . ,. . y .v.. . . „ 1723 ........ „ 2305. 2. 7.
1706 . . ./.'.. - „ 958. 6. 2. 1724 ........ „ 1497.18. 7.
1707 '.->, . . V. v . „ 1725 ........ „ 2410.
1708 . . . . . . . ,, 2025. 3. 6. 1726. .......,, 1599.15.11.
1709 . . .... . „ 1728. . . ..... „ 2571.13. 4.
1710 f ... *' . . „ 1160. 4. 3. 1732. ........ 3350.12. 3.
1711 - - - .-. Si« 76°- 2- T733- - - ..... » 3iio. 9. i.
i7J2 • • . . ..." • » 745-14- i. 1734 ........ » 3930.I9- 4-
1713 • • • • •- • • » 893.14. 3. 1735 ........ „ 2232.
i7M . ... • • : • „ 2329. 7. 7. 1736 ..... . . . „ 4547-16.
i7J5 • • • - • • • M 1402.18. 1737 ........ „ 4024.18.12.
1716 .....,.„ 1259.17. 3. 1738 ........ „ 3879.10.
Einfuhr der Hudson's Bay Company im Jahre 1733 aus den Forts Albany, Moose
River & East Maine.
8663 ganze Parchmentbiber,
3902 halbe Parchmentbiber,
2292 ccat biber,
1060 l/2 coat biber,
93 Quelquehetcher (Vielfrass),
98 Baren,
9 Luchse,
9 Wolfe,
70 Fiichse,
4559 Zobel (gerechnet = 1519 Biber),
272 Otter (gerechnet — 136 Biber),
870 Pf. Federn,
10 Weennek.
Am 20. Dezember 1740 verkaufte die Hundson's Bay Company in London:
5 460 Coatbiber a 5/3 per Pfund,
12 320 Parchmentbiber a 6/2 per Pfund,
21
322
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
3 690 Cubbiber a 6/2 per Pfund,
3640 beschadigte Biber a 5/2 per Pfund,
1 760 beschadigte Biberints a 4/6 per Pfund,
16300 Zobel a 7/10 per Fell,
2 360 beschadigte Zobel a 4 sh. per Fell.
560 Otter a 6/3 per Fell.
50 Katzen a 3/2 per Fell,
730 Katzen a 23 / per Fell,
300 Flichse a 8/4 per Fell,
210 Fiichse a 5/8 per Fell,
630 Vielfrasse a 8/ per Fell,
220 alte Vielfrasse a 3/8 per Fell,
330 Baren a 17/6 per Fell,
720 Wolfe a 15 / per Fell,
40 Wood chuks (Murmel) a 7/ per Fell,
250 Hirsche a 7/ per Fell.
30 Elks a 7/ per Fell.
Gesamtwert 24 800 g, ausserdem noch 2360 Pf . Bettfedern, 160 Pf . Bibergeil
610 Pf. Fischbein 120 Tonncn Tran.
Einfuhr-Liste der Hudson's Bay Company im Jahre 1729.
62 160 Biber a 4/ — 6 d. per Pfund,
12480 Zobel a 5/8 — io/ per Stiick,
340 Ottern a 4/ per Stiick,
560 Luchse a 20 / — 30 / per Stiick,
130 Rotfiichse a 7 — n/ per Stiick,
330 Vielfrasse a io/ — n/ per Stiick,
140 Wolfe a 6/10 per Stiick,
340 Baren a 8 — 15 / per Stiick,
40 virg. Iltis a 9/10 per Stiick.
1723:
1724:
1725--
1726:
1727:
1728:
Biber
Biber
Biber
Biber
Zobel
Biber
Zobel
Biber
Zobel
In den Jahren
Marz 39 614, im November 19 330 a 4/
„ 36240, ,,
,, 21 190, ,,
,, 39 600, „
29 490,
23 130,
5/8 per Pfund.
15320 a 5/6 — 6/6 per Pfund.
17890 a 4/2 — 5/io per Pfund.
19090 a 3/9 — 7/8 per Pfund.
5 680 hochster Preis io/ p. St.
22090 a 3/4 — 7/2 per Pfund.
5 940 hoehster Preis 7/10 p. St.
31 540 a 4/8 — 6/6 per Pfund.
9520 hochster Preis 7/ p. St.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren. 323
Im November 1743.
5980 Coatbiber a 4/8. £ 2415,
780 beschadigte Coatbiber a 4/. £ 270,
9520 Parchmentbiber 4165,
4070 Biber 762,18,
4760 beschadigte Biber 1918,
1640 Cubs 248,
12370 Zobel 4242.7,
2360 beschadigte Zobel 442. 10,
590 Otter i4/. 413,
850 Katzen i8/. 765,
260 beschadigte Katzen 4/. 52,
320 Fiichse 12/6. 200,
600 Vielfrasse 6/10. 205,
170 beschadigte Vielfrasse 3/3. 27/12,
320 Baren 23 /. 368,
1580 Wolfe 20 /. 1580,
270 beschadigte Wolfe 9/2. 123.15.
40 Woodshuks 4/2.
10 Nerze 3/,
5 Schuppen 3/4,
120 Feh 4/,
130 Elk,
440 Deer,
170 Pfund Bettfedern,
140 Pfund Bibergeil,
470 Barten,
23 Fass Tran.
Die Haupt-Auktion folgte aber erst Marz 1744, wobei das doppelte
Quantum verkauft wurde, im Gesamtwert von ca. 40 ooo £.
Im ganzen also ca. 60,000 £ Gegenwert fur die im Jahre 1740 heraus-
gesandten 3800 £ europaische Waren.
21
324
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Einfuhrliste derHudson'sBay Company nach London
Coat-
Biber
Parchment-
Biber
Zobel
Ottern Luchse Fiichse
1752
10,143
33,675 24,639
1,296 4,009
9I3
1753
9,061
29,041
25,725 i,338 7^79
1,015
1754
7,295
22,270
10,787 1,123 4>I98
638
1755
7,44*
27,755
9,671
1,191
i,444
753
1756
7,825
25,042
6,050
1,192
838
1,222
1757
9,846
26,388
5,352
i,339
631
572
1758
8,000
22,886
7,882
1,305
917
352
1759
7,000
20,110
20,295
1,250
1,881
2,445
1760
9,900
23,126
22,465 1,514 3,842 4,755
1761
13,300
30,446
i8,547
2,232 5,338
2,719
1762
13,000
36,265
13,389
2,557 5,820
2,057
1763
9,353
24,88l
17,332
1,478 6,000
2,207
1764
10,500
23,088
11,814
i,553 3,005
2,892
1765
14,450
30,450
7,558
i,935 i,77!
i,536
1766
10,400
28,536
8,066
2,144 1,138
2,445
1767
10,500
23,436
20,768
1,752 i, 088
3,323
1768
6,300
17,950
19,949
1,438 1,128
1,146
1769
6,750
18,761
15,897
1,171 2,508
952
1770
9,5oo
25,273
26,547
1,296 4,012
3o83
1771
9,900
22,427
22,496
1,605 4,225
2,126
1772
8,350
19,851
12,626
1,490
5,463
i,45i
J773
5,700
17,689
9,891
i,579
2,301
i,552
1774
4,600
19,472
16,739
i,958
i,744
609
1775
4,050
16,668
19,742
1,698
705
911
1776
4,900
15,964
18,143
i,773
i,i57
674
1777
5,700
25,597
17,798
2,144
2,823
887
1778
4,300
20,033
16,730
1084
2,478
558
1779
2,900
17,320
17,484
i,343
1,245
988
1780
7,070
26,867
22,060
2,401
3,168
2,188
1781
6,360
35,763
18,277
2,i74
2,966
2,149
1782
2,050
18,752
7,466
2,306
i,553
593
1783
1,500
I3,IOO
13,420
i,75o
960
540
1784
2,500
15,500
13,800
1,400
980
440
1785
3,200
24,350
16,322
1,996
822
5i5
1786
3,950
25,095
23,365
2,145
801
999
1787
3,800
37,ioo
27,960
3,ooo
i, 080
1,620
1788
2,900
38,320
25,070
2,940
2,050
1,440
1789
4>900
41,690
23,901
2,674
i,55o
3,778
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwar^n.
325
in den Jahren 1752 — 1890 (nach Henry Poland, London).
Vielfrasse
Baren
Wolfe
Nerze
Bisam
Schuppen
Virg.
Iltisse
670
350
988
233
553
_
712
375
1,820
88
285
—
—
721
250
1,071
— •
• —
—
—
868
414
1450
—
—
—
—
847
443
1,927
—
—
—
—
75i
333
1,621
—
—
—
—
652
340
2,452
—
—
—
—
934
367
4,008
—
—
—
, —
871
434
3,395
—
—
—
—
952
621
4,718
—
—
—
—
1,221
585
3,212
—
—
—
—
1,322
648
2,731
147
2,789
—
—
843
54i
4,073
—
— •
—
—
755 494 3461
120
1,269
—
—
486 706 4,226
133
! - —
—
—
885
732
5,905
302
5,279
| . —
534
473
409
2,914
307
1,458
—
no
481
442
3,080
174
2,312
—
116
604
373
5,476
160
1,199
—
160
933
401 3,565
129
622
—
I2O
742
275 2,703
94
943
—
97
570
269 4,263
116
2,323
—
67
407
250
583
168
5,9J3
—
13
45i
226
i,955
163
4,909
—
30
337
243
383
192
5,626
—
36
434
309
613
290
4,357
307
99
199
314
375
197
3,700
300
36
193
219
30
263
4,095
416
46
344
309
2,644
221
6,100
289
56
396
310
1,166
218
4,750
300
95
121
406
375
150
2,750
430
85
87
350
i,43°
2OO
5,830
—
59
90
230
480
150
2,500
540
40
218
196
1,820
188
4,040
488
74
234
172
2,393
37i
5,161
401
95
250
170
3,5oo
380
5,7oo
840
80
270
2IO
2,580
366
4,36o
660
30
242
384
2,423
464
5,i97
502
184
326
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Coat-
Biber
Parchment-
Biber
Zobel
Ottern
Luchse
Fiichse
1790
3,600
41,530
18,847
2,822
970
2,290
1791
5,276
49,738
20,954
3,70i
1,603
5,823
1792
3,600
46,930
21,095
2,983
1,400
6,000
!793
4^24
42,242
11,639
3,338
i,546
2,130
1794
4,024
39,517
8,627
3,737
989
1,837
1795
3,664
51,123
15,547
4,667
1,102
2,834
1796
2,516
48,697
25,787
4,364
1,149
2,683
1797
2,901
44,5i6
30,374
4,i5i
1,625
8,780
1798
2,595
43,4i8
18,488
4,006
1,541
n,754
1799
1,728
39,995
22,875
3,997
2,269
7,440
1800
1,668
35,037
30,053
3,694
3,708
10,164
1801
1,406
33,253
22,949
3,486
4,495
32,754
1802
2,150
37,i87
18,265
3,9H
3,658
17^55
1803
1,642
32,127
9,893
3,897
2,083
7,624
1804
1,668
3^737
17,182
4,160
1,091
3,I09
1805
1,862
28,083
22,318
4,548
820
8,322
1806
1,011
20,732
40,182
3,447
1,052
13,284
1807
1,050
29,759
40,476
4,320
i,588
3,052
1808
1,684
32,884
33,706
5,077
2,788
3,74i
1809
i,425
32,025
2,350
866
277
2,700
1810
i,274
28,720
51,807
8,206
7,029
7,H4
1811
i, 060
15,524
n,339
3,044
2,593
2,019
1812
1,525
41,873
24,425
6,492
1,884
5,273
1813
672
18,066
9,990
3,425
167
i,3i9
1814
462
17,356
23,106
3,947
122
2,353
1815
698
10,380
21,787
2,908
131
8,802
1816
—
n,243
16,628
2,297
116
1,923
1817
651
27,815
56,648
5,837
347
3,704
1818
55i
25,493
65,139
7,753
845
2,979
1819
480
17,356
65,851
4,211
i,533
3.8"
1820
281
15,683
62,411
3,747
2,901
2,964
1821
297
20,565
69,995
5,394
4,128
3,847
1822
210
59,847
87,884
7,33i
8,986
8,048
1823
706
46,202
62,861
8,069
7»I73
5,H9
1824
1,309
76,060
61,216
10,528
6,456
3,309
1825
800
66,600
61,520
9,635
5,104
3,730
1826
1,652
61,400
88,839
7,895
5,i6i
IO,OII
1827
472
51,125
105,561
9,051
7,254
2,757
1828
—
57,200
83,417
10,552
n,55o
7,706
1829
—
65,614
73,86o
j n,i92
20,558
4,122
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
327
Vielfrasse
Baren
Wolfe
Nerze
Bisame
Schuppen
Virg.
Iltisse
242
34i
3,038
308
8,801
406
100
202
479-
3,237
567
9,004
604
182
300
450 3450
388
5,250
—
145
295
372
3,007
323
5,147
347
146
296
459
2,619
384
12,776
664
282
344
629
3,74i
876
19,532
i,075
344
312
466
4,734
i,035
10,390
733
242
388
526
7,68i
i,i45
12,708
867
457
410
549
8,264
1,148
9,309
910
465
397
675
11,636
1,240
io,557
2,209
584
495
605
5,693
i,344
15,272
!,979
578
466
672
3,122
1,073
i 15,894
2,329
393
377
683
4,666
923
8,534
1,635
418
365
607
4,035
678
10,757
1,522
762
358
560
3,252
847
16,153
890
228
356
529 3,199
i,399
31,100
1,062
211
3i3
566 4,260 i, 880
21,046
1,500
417
401
759
4,i8i
2,662
14,886
1,013
502
163
i, 060
3,704
3,i85
24,660
i,i73
714
37
162
97
706
21,167
1,152
164
401
1,560
16,330
4,499
32,564
1,071
980
155
425
3,162
660
25,268
IOI
•f" 614
3M
1,036
5,933
398
44,i44
168
570
163
684
1,280
54i
80,381
96
317
116
846
505
1,065
138,772
46
550
166
466
1,520
1,324
99,534
70
338
38
154
20
533
18,983
—
51
182
1,094
2,189
2,475
154,070
22
395
291
1,568
5,077
3,567
63,357
87
962
257
763
2,994
1,638
62,431
— - *
802
247
260
627
1,722
66,236
300
779
18
1,5"
3
2,647
113,9*4
350
879
778
2,700
285
4,667
156,279
290
1,805
579
2,312
384
4,549
217,646
64
1,289
631
2,183
727
5,929
306,891
51
1,688
694
3,139
1,141
5,559
235,000
78
1,820
590
2,118
1,568
6,952
397,597
153
1,440
513
2,600
1,057
11,119
473,298
138
i,325
402
2,999
1,269
13,969
859,093
79 i,32i
454
i,94i
1,261
16,592
1,062,513
107 1,482
3*8
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Coat-
Biber
Parchment-
Biber
Zobel
Ottern
Luchse
Fiichse
1830
25,718
25,524
3,795
24,611
4,534
1831
—
87,000
9645o
18,100
38,200
4,453
1832
Ibs.
70,100
37,954
13,012
i6,347
4,674
1833
264
32,203
I7>732
5,442
870
522
1834
1,074
98,288
64,490
22,303
14,255
9,937
1835
860
78,908
61,005
15,487
6,990
15^94
1836
239
51,788
56,893
10,208
4.440
2,378
1837
304
82,927
156,168
15,934
31,887
25,008
1838
165
61,868
83,709
10,792
45,152
6,726
1839
198
56,288
63,129
9465
66,691
8,626
1840
220
55,431
56,860
8,636
35,834
12,681
1841
322
50,900
57,848
7,*53
45,143
8,407
1842
372
40,305
63,529
5,96o
10,034
7>II5
1843
184
39>o86
70,532
6,820
8,247
9,061
1844
409
38,252
7i,954
6,971
7,173
11,104
1845
484
41,111
103,621
6,398
io,359
16,312
1846
190
65,189
148,670
8,168
21,180
12,597
1847
211
26,892
146,137
6,648
31,062
19,759
1848
*37
40,845
H5,323
9,266
47,065
20,219
Biber
Zobel
Ottern
Luchse
Fiichse
Vielfrasse
1849
32,502
65,558
11,810
43,253
15,977
1,465
1850
49,517
66,069
9,!55
20,604
10,842
i,454
1851
62,130
80,005
8,296
9,203
12,107
i,374
1852
52,430
90,633
9,221
6,722
17,070
1,508
i853
60,691
85,603
12,318 4,850
14,883
1,104
1854
62,914
127,019
n,385
4,907
16,003
1,036
1855
72,425
177,052
10,223
10,764
23,620
1,052
1856
76,825
!75,494
13,992
21,511
25,178
1,065
1857
86,414
132,752
12,433
32,264
25,271
933
1858
94,053
136,451
13,011
33,038
22,882
•1,099
1859
106,797
120,430
12,454
27,460
24,816
1,319
1860
I07,745
77,844
13,664
15,968
20,801
i,394
1861
105,562
74,062
14,205
7,927
16,809
i,574
1862
109,636
78,039
13,659
4,616
17^479
1,295
1863
127,674
105,659
14,527
4,570
2i,774
i,374
VI. Einfuhr- Statist! k von Rauchwaren.
329
Vielfrasse
Bar en
Wolfe
Nerze
Bisam
Schuppen
Virg.
Iltisse
652
i,583
2,196
7,672
396,300
974
1,242
3490
3,140
22,700
728,000
177 3,400
M72
4,158
6,371
9,990
387,000
372 2,970
114
1,500
567
6,506
63,374
2IO
682
1,571
7,45i
8,484
25,100
694,092
713
5,296
1,265
4,127
3,722
17,800
1,111,646
522 2,479
*45
2,191
958
16,049
161,053
1,900
i,435
2,166
7,563
7,03i
27,750
838,549
585
6,115
948
4,161
1,8.75
15,641
188,545
273
3,590
1,328
4,087
6,869
19,141
573,6oo
1,115
4,962
i,998
4,923
8,185
22,190
198,236
1,034
6,401
2,034
5,409
9,550
17,093
100,640
i,i75
5,293
1,647
5,576
8,696
17,780
549,577
1,820
4,040
1,229
6,040
IQ,733
25,382
543,155
1,898
4,302
i, 080
5,70P
13,204
24,855
265,117
1,763
4,504
1,075
4,329
10,191
32,031
. 295,617
1,467
4,678
938
6,339
8,522
53,264
303,172
1,305
5,805
985
5,630
10,725
36,621
248,710
1,140
5,269
1,126
6,003
7,969
37,!23
224,347
2,091 5,894
Baren
Wolfe
Nerze
Bisam
Schuppen
Skunks
Virg.
Iltisse
Seals
6,342
12,045
34,712
179,075
1,289
1,263
7,500 ;
5,876
9,738 24,772
192,261
1,442
—
6,522
6,021
8,087 17,827
291,281
1,712
i,453
5,027
—
8,340
8,558
27,413
488,238
1,633
1,618
6,053
—
6,864
7,228
39,686
527,161
I,48l
4,459 1 5,218
—
0,612
13,830
49,373
319,444
1,052
5,959 4,049
—
9,027
8,5i5
58,628
260,805
1,978
n,3i8 5,333
—
8,814
9,499
54,924
295,847
i,37°
7,728 5,618
7,326
7,45i
65,522
3H,953
1,929
8,124 5,643
8,259
12,834
73,066
243,862
2,140
8,483 6,258
8,539 8,781
55,720
206,156
i,959
9.97° 7,633
7,654
5,98o
32,548
205,471
2,560
3,674 6,415
7,487
3,909
38,306
330,527
2,871
3,204 5,984 |
7,036
3,904
45,534
356,789
3,376
1,908
5,822
7,792
8,204
59,599
429,304
3,98o
2,332
5,036 :
330
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Biber
Zobel
Otter
Luchs
Fiichse
Vielfrass
1864
118,118
115,430
12,606
4,76o
17,670
1,212
1865
155,880
145,889
19,991
17,044
22,344
1,057
1866
150,192
115,560
14,626
34,732
25,829
706
1867
i45,654
96,114
14,609
68,097
42,912
927
1868
158,110
163,088
12,673
70,372
48,836
i,643
1869
129,039
67,072
11,818
39,IJ9
28,542
1,396
1870
I73,i8i
5o,i93
12,623
19,992
17,797
1,824
1871
174,461
54,333
12,778
8,806
15,861
i,747
1872
157,764
64,587
n,43i
5,679
25,400
1,637
1873
105,369
62,488
8,875
4,839
20,501
1,761
1874
i39>393
125,733
11,766
10,045
23,552
1,386
1875
129,976
87,803
12,414
17,849
20,555
1,265
1876
126,959
84,439
n,559
18,868
20,145
1,282
1877
145,706
83,835
12,278
43,575
52,693
1,881
1878
147,263
55,439
13,201
3749°
26,168
2,000
1879
132,099
52,578
9,988
21,291
22,594
1,909
1880
120,836
46,529
10,124
14,767
i8,437
2,322
1881
119,698
54,370
10,317
10,053
14,855
1,621
1882
118,728
66,821
12,292
7,58i
14,545
1,881
1883
104,459
70,802
9,207
8,016
13,333
1,568
1884
H9>549
78,755
12,270
27,119
6,969
1,528
1885
102,589
78,857
10,867
5i>4i4
19,039
1,198
1886
83089
50,842
8,322
73,878
J9,947
1,244
1887
102,745
72,939
no97
78,555
35,157
2,439
1888
33,o6i
64,179
8,748
33,720
27,611
2,020
1889
73,355
72,713
9,280
18,726
18,649
2,243
1890
64,246
64,689
8,180
n,445
22,017
1,388
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
331
Baren
Wolfe
Nerze
Bisam
Schuppen
Skunks
Virg.
Iltisse
Seals
7,349
5,427
63,724
367,302
2,384
2,063
4,715
—
8,249
12,378
49,349
424,875
4,150
2,765
5,320
—
7,687
6,610
53,H3
3J2,543
4,832
2,755
4,432
—
6,360
7,427
73,752
610,280
24,783
6,067
5,95i
—
8,116
9,3i8
81,769
469,775
5,8n
6,115
7,376
—
8,600
5,048
35,o8i
275,963
4,887
7,062
8,917
—
7,778
5,169
28,184
436,509
2,411
3,293
6,349
• — .
7,830
3,7oi
35,66o
590,916
2,967
2,621
6,509
: —
9,357
7,oi6
44,352
711,174
1,630
2,162
4,348
—
6,884
3,470
55,496
659^59
3,582
1,206
3,271
891
7,163
2,565 63,810
474,942
3,H4
1,789
3,272
2,344
6,499
6,499 ; 83,319
626,711
7,*93
2,644
3,274
2,447
7,737 2,071
583,319
79,206
2,147
3,262
2,444
316
8,680 3,128
464,297
90,080
999
5,7o6
6,919
813
7,565 2,575
5n,993
63,318
506
5,750
8,263
i,779
7,557
4,8i3
519,963
36,360
607
5,i55
8,140
1,136
8,336
3,032
830,100
38,828
813
4,987
6,768
3,3o8
7,862
1,486
1,028,187
40,834
534
5,i7i
5,239
3,085
9,i39
2,081
1,081,489
56,882
803
4,977
7,163
5 53
5,5i5
i,555
1,082,999
52,258
354
3,784
6,393
134
10,808
1,820
817,003
110,610
142
4,170
12,628
573
8,386
1,226
347,050
76,393
124
4,029
21,189
6
8,283
1,161
380,022
64,215
325
4,492
10,926
2,071
9,763
4,749
344,818
82,941
239
6,138
16,322
2,025
9,i39
3,330
223,615
43,64i
217
5,387
11,298
2,583
n,643
2,495
322,360
35,400
153
6,530
10,747
482
10,542
4,237
574,742
29,363
172
5,658
12,583
279
332
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Einfuhr amerikanischer Rauchwaren
Biber
Baren
Ottern
Virg.
Iltisse
Zobel
Wolfe
1763
75>040
8,340
8,060
2,800
42,247
608
1764
88,003
5,ooo
7,000
3,000
30,000
200
1765
66,664
4,540
6,126
1,183
22,340
287
1766
92,295
8,902
10,669
3,816
35,o85
324
1767
75,905
6,625
12,383
3,436
57,371
694
1768
55,o64
6,582
7,773
i,895
44,490
646
1769
91,388
i3,982
n,753
2,688
59,050
1,059
1770
97,182
11,201
12,000
4,345
48,028
8i5
1771
95,288
6,872
12,876
3,983
5i,38i
i,234
1772
107,829
9,289
13,410
3,123
45,98o
2,380
1773
94,681
3,429
14,176
2,912
29,841
2,875
1774
98,827
5,912
14,737
2,899
38,263
5,332
1775
97,148
11,222
14,668
3,884
47,840
5,393
1776
92,612
6,169
n,953
3,397
56,787
8,279
1777
120,800
H,530
19,250
3,740
43,320
5,550
1778
109,000
12,100
14,600
3,ooo
45,5oo
6,700
1779
97,000
I4,OOO
13,600
4,100
35,ooo
6,300
1780
101,500
10,000
16,000
4,200
37,000
6,300
1781
91,500
5,500
13,000
2,300
22,000
5,400
1782
116,000
9,550
15,100
3,300
24,000
2,900
1783
105,000
12,500
19,700
3,700
43,300
5,750
1784
126,600
14,200
21,900
4,100
42,300
7,200
1785
121,000
12,400
19,600
4,500
36,000
7,700
1786
Il6,OOO
I7,OOO
22,700
4,000
47,000
13,000
1787
I4O,OOO
18,200
32,800
6,800
73,000
9,700
1788
127,000
I4,OOO
19,300
4,600
52,000
9,500
1789
164,823
16,331
21,303
5,547
32,34i
5,890
1790
l6l,5OO
l6,OOO
21,000
5,5oo
33,ooo
5,800
1791
173,500
14,600
22,500
6,000
37,00°
4,600
1792
165,000
20,000
21,000
6,300
61,000
8,300
1793
172,000
19,700
21,600
5,7oo
25,000
9,700
1794
152,800
I7,2OO
47,20O
4,800
37,000
7,600
1795
144,000
15,000
l8,500
6,200
45,000
5,700
1796
130,000
15,800
l6,7OO
3,7oo
31,000
6,700
1797
56,OOO
8,800
9,500
3,6oo
35,ooo
4,000
1798
IIO,OOO
I7,OOO
14,500
5,5oo
45,000
8,700
1799
114,200
2I,OOO
l6,OOO
5,4oo
34,5oo
5,900
1800
129,200
24,500
l8,OOO
6,000
40,000
2,400
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
333
nach London (nach Henry Poland, London).
Vielfrasse
Luchse
Nerze
Fiichse
Schuppen
Bisam
59
4,J5o
1,030
2,300
39,000
6,080
100
4,000
1,100
6,500
37,000
12,000
57
2,851
i,235
1,840
54,951
32,099
104
4435
1,876
1,723
101,066
47,on
J43
3>9°5
3,904
2,764
56,750
17,644
74
2,160
1,815
1,010
38,316
15,826
211
2,891
3,433
3,345
117,307
25,826
H3
5373
3,524
2,521
52,504
29,769
I72
8,021
2,967
3,386
43,025
30,204
337
7,179
3,934
3,096
5i,503
25,082
3i8
8,147
2,970
3,300
37,468
34,229
358
6,360
3,!2i
3,43i
40,157
52,712
324
11,051
4,855
6,006
14,586
54,451
323
9,588
3,660
4,488
72,538
40,654
360
12,840
6,060
10,480
198,500
44,180
400
12,000
4,800
10,600
173,000
66,800
200
8,500
6,700
12,000
125,000
62,000
200
10,000
8,000
13,000
19,700
64,000
180
5,000
6,800
9,5oo
85,000
73,ooo
220
6,700
4,70°
13,400
80,500
50,400
300
8,300
7,200
5,200
95,000
69,000
300
9,400
9,300
7,800
173,600
87,800
350
9,7oo
9,300
6,000
96,000
133,000
500
5,600
9,000
6,000
105,000
190,000
700
8,700
35,5oo 13,90°
145,000
269,000
450
8,900
11,000 7,000
114,000
31,000
537
8,990
17,714
8,540
161,180
201,840
550
9,000
17,700
8,500
161,000
200,000
650
9400
21,400
11,000
178,000
147,000
750
10,000
16,000
12,000 182,000
138,000
700
10,500
22,700
8,500
187,000
29,OOO
950
9,200
12,800
6,100
130,000
l6,000
950
9,400
8,600
8,600 125,000
82,OOO
950
8,300
9,000
8,000 130,500
93,000
450
5,700
7,000
9,600 109,000
80,000
750
9,500
8,400 11,000 185,000 50,000
780
12,500
8,000
7,800 130,000
6,000
1,000
16,000
8,000
14,000 108,000
'!
12,000
334
VI. Einfuhr- Statist! k von Rauchwaren.
Biber
Baren
Ottern
Virg.
Iltisse
Zobel
Wolfe
1801
116,500
22,600
21,000
5,300
23,000
3,ooo
1802
140,000
17,000
19,000
6,300
20,000
4,600
1803
93,200
23,000
17,000
7,000
32,OOO
5,600
1804
110,000
17,600
20,000
6,000
25,OOO
8,200
1805
91,300
19,300
15,000
4,300
13,800
4,600
1806
106,000
16,000
12,000
7,000
54,000
1,000
1807
114,000
10,500
8,400
5,400
46,000
:
1808
94.200
1,300
7,000
3,900
10,000
—
1809
101,800
550
6,200
3,ooo
300
—
1810
101,100
8,000
3,500
2,600
500
50
1811
80,000
400
2,200
2,500
—
—
1812
93,000
4,5oo
7,8OO
1,100
600
—
1813
70,000
7,000
7,500
2,300
—
5,200
1814
67,000
2,600
7,000
4,600
25,000
20O
1815
57,500
2,500
5,600
2,500
36,000
100
1816
40,600
7,000
9,5oo
3,500
30,000
1,000
1817
55,000
3,4oo
7,200
3,700
67,000
3,100
1818
55,ooo
3,800
9,600
3,900
84,000
2,000
1819
51,000
5,5oo
10,000
4,000
76,000
1, 800
1820
56,000
3,ooo
6,000
2,400
105,000
2,600
1821
58,300
7,000
8,500
4,000
80,000
1,100
1822
65,652
6,572
9.471
3,855
103,098
1,109
1823
10,016
4,063
3,096
3,474
26,254
31
1824
2,616
3,5i9
1,740
5,440
33,898
146
1825
9,677
9,006
2,600
5,824
38,054
521
1826
5,923
9»85i
3,899
5,829
63,812
900
1827
4,906
5,958
2,524
6,847
42,45i
149
1828
12,581
9,640
1,440
5,684
82,257
194
1829
9,388
10,616
4,148
5,5i8
66,738
299
1830
7,332
12,730
7,5io
7,140
82,256
750
1831
12,002
8,789
3,624
8,920
78,800
727
1832
5,753
13,564
4,160
n,i43
57,i5i
829
i833
17,871
20,387
5,645
6,215
53,687
2,400
1834
13*641
13,707
3,920
6,003
59,24°
2,370
1835
3,3i8
7,590
2,922
5,7oo
5i,425
2,041
1836
4,46o
9,974
2,840
4,832
53,8i4
1,720
1837
17,065
4,202
10,848
5,587
55,78o
1,750
1838
io,559
5,080
9,283
5,i30
56,245
1,442
1839
9,024
5,204
1,380
4,350
71,300
1,750
1840
975
4,819
7,359
3,486
58,900
1,112
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
335
Vielfrasse
Luchse
Nerze
Fiichse
Schuppen
Bisam
1,300
18,000
10,500
29,000
95,ooo
—
1,400
17,000
10,000
13,000
145,000
25,000
1,400
14,000
12,000
10,000
150,000
76,000
1,300
15,000
I2,OOO
9,000
180,000
93,000
1,000
8,800
11,200
9,100
124,000
66,100
200
5300
15,000
10,000
125,000
i5,5oo
50
6,200
9,40O
1,500
80,000
1,000
—
5,8oo
9,000
1,000
123,000
5,400
450
5,900
2,000
200
47,000
15,000
550
2,800
2OO
800
39,000
9,000
—
—
—
300
28,000
1,000
1,500
7,800
—
4,800
1,000
21,000
800
4,000
200
1, 800
—
68,000
450
1,700
4,000
1, 800
3,000
29,000
IOO
200
4,610
3,ooo
19,000
16,000
200
2,300
9,000
4,000
45,000
172,000
850
2,700 7»5<>0
3,7oo
15,000
197,000
300
4,000
9,000
3,6oo
15,000
28,000
500
6,000
11,000
6,000
30,000
268,000
4OO
6,200
7,500
6,000
i5,3oo
44,000
400
10,000
11,000
13,000
143,000
—
394
12,230
31,435
15,202
151,622
6,836
33
3,946
24,149
18,072
79,390
41,026
6
5,913
19,837
9,031
42,834
67,661
12
7,148
42,617
22,131
52,643
46,416
43
7,120
55,901
34,703
83,257
178,890
12
5,190
44,963
18,810
76,405
6,749
37
6,108
64,855
39,8i7
79,415
99,661
28
5,968
60,560
15,740
110,340
103,150
16
9,220
90,550
52,990
172,470
16,305
25
9,420
102,882
53,648
209,497
12,160
7
8,318
95,712
67,647
347,552
12,590
v 138
16,940
93,216
69,730
363,288
97,466
557
5,529
96,550
7i,425
219,164
47,279
60
2,486
116,447
61,994
274,651
68,332
25
8,982
104,471
62,699
273,5io
88,264
15
9,350
78,689
68,458
204,106
146,233
ii
6,766
75,823
58,375
177,017
405>77°*
10
8,725
95,700
52,249
250,100
306,515
14
8,982
101,450
41,041
283,088
193,400
336
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Biber
Bar en
Ottern
Virg.
Iltisse
Zobel
Wolfe
Viel-
frasse
1841
6,587
6,360
8,720
6,135
46,150
3,300
15
1842
5,638
6,417
7,136
6,130
39,650
5,46o
34
1843
12,022
5,205
7,550
4,994
37,963
2,090
—
1844
736i
6,152
6,240
5,370
31,299
375
• —
1845
2,433
4,485
7,028
6,197
43,107
i,553
—
1846
4,181
7,3i6
9,943
6,949
41,939
3,690
—
1847
2,692
4471
5,269
6,398
37,697
1,120
—
1848
709
3,269
4,477
5,066
38,822
84
—
1849
416
3,7*9
5,426
3,899
39,894
1,834
—
1850
1,829
3,666
3,031
5,437
27,294
235
—
1851
800
3,528
3,8i5
4,998
18,191
—
• —
1852
850
4,136
4,604
3,396
27,171
207
—
1853
3,211
2,921
3,208
3,584
15,422
— •
—
1854
3,204
3,220
5,166
2,588
9,737
—
—
1855
6,681
3,808
6,263
3,400
15,090
• —
—
1856
12,256
3,46l
5,592
2,677
15,966
• —
—
1857
10,087
3,644
4,787
3,96i
i5,73i
• —
—
1858
12,050
3,596
6,150
3,218
15,338
2,073
—
1859
18,120
4,758
9,184
5,286
13,295
1,835
—
1860
28,040
4,320
12,671
4,943
2i,555
—
—
1861
8,458
2,132
8,586
3,342
17,335
—
—
1862
9,004
2,272
8,202
3,536
22,260
—
—
1863
9,192
3,760
7,359
2,997
21,651
—
—
1864
14,035
4,459
6,566
2,714
2i,437
—
—
1865
6,998
4,140
5,78i
1,560
16,988
—
—
1866
4,779
3,36i
2,427
1,725
8,924
—
—
1867
8,93i
3,630
4,707
3,69°
23,785
—
—
1868
5,292
3,326
4,502
2,513
21,037
• —
• —
1869
8,945
3,387
6,548
4,982
24,258
—
—
1870
52,526
4,024
7,169
3,785
3i,532
38
32
1871
40,891
4,046
5,012
4,335
29,515
2,606
232
1872
55,i34
6,028
5,759
3,632
31,487
1,783
—
1873
63,781
6,198
8,037
3,35i
30,734
2,208
132
1874
60,694
4,907
5,727
3,244
31,672
10,897
21
1875
48,983
5,624
8,248
3,820
34,064
3,351
23
1876
37,670
6,026
6,689
2,810
30,503
6,728
—
1877
44,057
7,043
7,074
3,218
39>589
5,890
—
1878
33,258
7,063
6,039
2,424
21,390
8,384
195
1879
36,861
7,347
12,102
4,009
48,216
3,091
224
1880
52,641
6,815
7,749
2,872
32,548
6,836 |
268
VI. Einfuhr-Statistik von Kaucliwaren.
337
Luchse
Nerze
Fiichse
Schuppen
Bisam
Opossums
Skunks
14,210
116,400
6i,549
357,200
117,922
—
t>
9,580
121,500
63,316
340,200
74,224
—
—
5,077
118,860
67,162
392,474
229,296
—
—
3,852
107,872
59,495
420,759
221,532
—
—
748
156,976
72,663
406,709
701,284
—
—
854
192,224
72,631
486,767
891,674
—
—
830
178,688
54,356
423,757
460,920
— —
627 ; 190,133
48,949
423,519
389,455
— —
3,208 184,847
61,114
434,878
674,740
31,263
3,386 167,675
62,535
507,142
690,635
—
—
5,465
207,422
55,i6o
55i,i4o
1,101,640
—
— '
5,968
181,712
59,985
560,544
1,146,102
14,444
—
728
193,005
68,023
507,061
1,266,811
14,334
—
1,151
153,798
47,030
485,022
1,163,893
—
—
750
141,937
54,oi3
497,347
1,472,319
I3,H9
—
1,207
70,075
61,035
437,038
933,!66
83,807
—
776
79,698
70,394
475,909
894,075
55,303
—
i,997
100,596
95,707
467,522
904,016
17,387
10,131
3,942
. 30,805
77,219
581,025
1,209,744
4i,5o8
76,403
4,067
99,891
75,649
611,018
1,657,438
100,295
138,376
2,059
70,218
62,914
527,054
1,622,972
52,284
112,935
2,668
32,438
43,159
476,317
1,762,742
24,427
27,765
3,241
33,647
62,626
475,637
1,893,898
89,579
92,279
2,293
38,884
52,286
489,021
1,919,666
116,288
133,939
1,776
17,948
44,698
437,763
1,989,297
i34,72i
101,692
4,019
7,056
38,418
383,346
1,265,164
218,144
73,837
19,764
25,304
121,101
526,881
2,470,917
267,570
134,652
9,468
29,429
87,395
285,735
2,478,887
160,133
88,413
10,779
24,900
99,408
384,805
2,679,302 166,752
104,886
11,830
33,935
77,493
418,405
3,361,874
115,181
107,603
9,467
12,201
66,390
406,749
3,439,173
93,417
42,377
982
104,043
117,186
457,686
3,028,649
143,444
203,699
2,441
5i,509
90,726
458,933
2,171,265
250,464
261,542
3,422
48,912
94,415
395,178
1,700,137
149,862
190,774
3,659
37,889
119,506
439,789
2,235,946
239,549
241,704
3,668
72,448
92,215
514,863
2,005,217
251,260
329,270
9,323
H5,943
86,726
525,344
1,873,434
217,306
280,697
4,824
103,152
72,839 382,074
1,940,835
310,538
278,184
10,063
160,481
116,373 546,104
2,717,011
355,589
435,96i
10,587
178,339
97,300 660,269
3,142,445
329,517
509,051
22
338
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Biber
Baren
Ottern
Virg.
Iltisse
Zobel
Wolfe
Viel-
frasse
1881
58,241
8,364
9,019
4,738
36,172
2,248
597
1882
49,995
8,449
10,940
2,958
40,843
2,289
273
1883
33,266
7,574
6,704
2,704
33,724
988
1,562
1884
21,308
7,016
8,144
2,708
34,382
524
778
1885
20,670
8,884
7,139 |
2,148
27,354
273
419
1886
14,611
9,058
10,062
3,297
5i,873
1,826
460
1887
27,272
8,423
6,349
2,700
49,168
6,420
496
1888
21,667
6,604
4,292
2,425
3i,o57
5,727
441
1889
23,963
10,564
8,272
3,387
34,028
6,858
1,131
1890
17,798
9,355
8,595
2.391
29,111
10,258
682
1891 11,693
12,795
7,334
2,955
38,412
10,000
738
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
339
Luchse
Nerze
•
Fiichse
Schuppen
Bisam
Opossums
Skunks
7,374
170,620
99,363
632,270
2,715,486
299,568
343,826
4>769
200,799
104,580
566,269
2,169,922
267,699
438,672
3,452
127,701
104,486
401,536
1,949,394
183,160
417,482
2,926
277,383
124,312
710,929
3,000,879
414,828
589,850
4,116
226,272
97,423
595,ioi
2,368,596
411,636
547,76o
8,090
331,120
74,!43
486,201
2,064,288
223,414
468,284
7,629
314,726
127,510
399,352
2,154,399
230,499
614,876
8,938
239,126
86,337
360,298
1,271,263
285,725
509,941
7,024
166,803
123,373
579,551
1,284,679
265,704
625,566
4,092
366,107
H3,933
705,559
2,257,906
591,174
678,199
6,496
173,389
106,755
549,180
1,396,103
502,133
554.815
22J
340 -VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Einfuhrliste der Hudson's Bay
1891
1892
i893
1894
1895
1896
1897
1898
1890
Dachse
3458
11,561
1,729
225
122
56091
5,070
1
2,656
549
11,119
622
9486
8,266
73,003
41,030
1,946
784,077
9,689
340
21,688
130
409
1,505
548
10,117
108
1,690
1,094
20,039
1,676
703
3,036
61
i,i39
330
1,087'
2,574
9,492
1,270
203
62
52,654
4,765
2,415
305
12,108
611
4,7"
8,259
97,692
57,54i
871
928,686
8,411
356
50,242
195
403
1,369
1,096
9,166
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949
13,925
i,47i
283
2,888
46
819'
25
239
3,234
7,474
1,021
2O2
103
46,054
3,988
2,622
2O3
16,031
611
3,217
12,775
108,915
49,881
1,164
647,379
7,335
52i
57,645
130
88
1,905
1,529
6,834
2,080
874
14,793
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198
2,370
53
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22
799
1,801
8,108
1,044
189
42
42,058
3,509
2,791
128
12,554
693
4,904
19,460
103,133
46,923
748
646,202
7,160
383
66,891
564
1,517
600
8,405
1,400
587
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1,202
I87
1,805
50
436
14
71
2,5l8
8,176
985
209
121
49,131
9,308
4,059
61
4,657
96
20,388
1,017
6,617
36,031
101,902
68,561
477
813,041
8,785
305
60,915
5i4
1,588
666
13,503
2,719
536
13,014
2,100
1,189
59
2,002
46
676
6
405
22
1,808
8,670
921
196
74
48,i57
8,316
4,549
42
6,240
184
24,234
1,364
3,472
53,163
87,771
72,346
314
53i,ioi
9,016
129
81,770
i,344
2,276
258
17,646
3,739
708;
18,664
1,780
1,824
72
i,423
44
327
17
320
J3
1,238
8,597
923
175
132
42,492
5,725
5,092
44
5,838
59
25,628
1,310
3,210
41,660
82,897
68,476
3i5
565,204
9,868
209
98,530
5,95i
2,623
128
16,426
7,274
918
15,656
1,956
1,211
71
1,260
50
556
6
432
24
1,104
8,345
862
155
127
32,908
9,137
4,609
60
4,845
50
20,532
1,042
6,668
26,015
63,046
40,105
450
689,237
9,631
131
5i,788
2,652
2,759
9,610
3,482
860
9,233
1,284
949
103
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1,2'
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I:
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13,4;
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6.
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2,0:
I,5<
<
i,ei
Schwarze Baren .
Braune Baren . .
Grisly-Bar en . . .
Eis-Baren ....
Biber ......
Hermeline ....
Virg. Iltisse . . .
Blau-Fiichse . . .
Kreuz-Fuchse . .
Kitt-Fiichse . . .
Roth-Fiichse . . .
Silber-Fiichse . .
Weiss-Fiichse . .
Luchse . .
Zobel
Nerze
Moschusochsen . .
Bisam ...
Ottern
Porpoise ....
Kanin
Schuppen ....
Seals, fur ges. . .
Seals, Hair trok. .
Seals, Hair, Salted.
Skunks . .
Swan
Wolfe
Vielfrasse ....
Bettfedern ....
Bibergeil ....
Eiderdaunen . . .
Goose £ Swan
Quills M. . . .
Hausenblase . . .
Tran, Tonnen . .
Ges. Lachs, Fasser
Ges. Lachs, Tonnen
Walross-Zahne . .
Forellen . . .
VI. Einfuhr-Statistik von Ranch waren.
341
Company in London.
1900
1901
1902
1903
1904
1905
1906
1907
1908
1909
1910
647
1,142
816
436
288
489
5io
34i
182
129
140
7>293
6,864 6,073
6,080
4,535
4,841
5,041
4,i77
4,100
4,011 3,943
723
723
661
611
418
459
495
435
388
397
387
132
148
222
183
130 79
98
106
i54
122
108
59
168
95
55
5o 104
149
138
60
93 89
40,246
43,367| 47,129
34,305
29,656
48,255
49,402
34,596
29,803
34,217 35,461
11405
16,144 33,144
13,752
6,779
13,342
'21,704
25,633
24,970
26,872 34,194
3>35<5
3,734
3,163
2,600
2,042 2,801
3,010
4,017
4,668
3,581 2,518
23
67
77
43
i7
18
4i
89
64
14 28
i,359
i,255
1,704
1,842
2,i95
3,626
4,998
5,444
3,i73
i,777' i,377
5,9*9
4,722' 4,663
3,816
4,597
7,682
12,140
12,708
7,5o8
3,625 3,382
278
219 396
321
360
599
942
i,o54
653
385 275
2,903
8,502! 10,554
5,586
4,694
2,752
6,536
n,433
6,749
2,061 4,786
4,356
5,635! 6,979
15,312
28,661
48,365
58,97i
61,338
36,201
9,664 8,856
49>673
52,599 70,824
49,659
33,282
4i,245
45,M6
47,354
34,734
23,567
29,015
46,837
45,389; 46,711
35,536
33,526
47,235
59,863
39,129
2i,473
17,804
10,969
569
267
254
329
99
92
92
45
113
107
107
•918,447
1,651,262
1,458,459
924,825
1,057,272
689,611
691,118
407,472
172,318
297,486
541,584
9,078
8,620
9,800
5,729
4,242
9,843
10,570
7,177
4,688
6,35i
5484
82
168
324
132
30
99
—
—
—
—
—
6,588
5,857
16,875
790
4,499
36,637
—
—
—
—
—
9,067
1,820
910
662
397
264
281
602
—
—
140
3,538
3,042
2,503
1,112
759
1,223
3,7o6
1,152
1,522
1,766
1,776
—
—
—
—
146
—
—
—
—
—
—
5,96i
5,755
5,i3o
5,404
6,024
9,032
9,129
11,581
5,205
1,561
—
2,596
i,34i
1,760
i,933
i,i94
i,555
i,673
2,783
4,472
3,836
3,756
710
601
640
625
402
456
504
730
894 760 718
8,870
9>i33
13,193
i,995
3,278
9,573
—
. —
— — —
i>953 1,967
2,158
i,599
1,149
2,647
—
—
— — . —
1,790
2,34i
760
1,600
1,059
—
—
—
— — — -
138
128
151
26
28
67
—
—
— — —
2,090
1,834
i,853
1,502
1,156
1,694
—
—
— — —
52
59
40
50
44
18
—
— — , —
—
610
57i
515
756
—
—
— _ — —
—
—
2
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—
—
— — — —
§191
223
275
394
309
—
—
— — —
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—
—
—
—
—
—
1 -~ ~~~ .: ~~ ;
342
VI. Einfuhr-Statistik von Rauehwaren.
Einfuhr amerikanischer Rauehwaren in London
durch C. M. Lampson & Co. 1891 — 97.
1891
1892 1893
1894
1895
1896
1897
Schuppen . . .
548,074
302,550
543,529
723,927
652,786
384,175
502,702
Bisam ....
1,349.936
1,368,328
2,045,465
2,773,865
2,269,998
2,161,419
1,836,733
Schwarze Bisam
41,873
48,277
68,196
64,869
58,425
61,190
72,320
Skunk ....
554,7*4
642,163
537379
7*4,355
715,717
822,929
861,109
Civetkatzen . .
• —
12,895
18,020
20,269
27,377
32,380
28,449
Amer. Opossum
500,895
219,138
323,734
357,398
393,926
251,800
369,239
Nerz
173,476
244,962
212,203
442,739
359,624
316,189
370,304
Amerik. Zobel .
40,100
56,956
56,870
94,142
105,708
85,539
66,434
Russ. Zobel . .
9,235
15,921
21,518
15,256
27,397
30,217
21,717
Japan. Zobel .
—
—
—
—
6,212
11,506
J4,749
Rotfuchse . .
67,172
63,199
87,867
94,969
109,733
86,436
79,39°
Kreuzfuchse . .
2,95i
2,363
3,788
4,020
8,460
5,106
5,192
Silberfuchse . .
949
747
987
1,127
1,503
i,425
1,235
Griesfiichse . .
25,462
19,979
40,242
20,683
47,393
28,578
57,766
Kittfiichse. . .
998
612
701
2,100
1,112
1,086
386
Weissfuchse . .
5,387
6,803 10,087
12,569
12,524
13,018
7,723
Blaufuchse . .
3,38i
i,9J3 3,866
2,232
4,458
i,749
3,454
Otter
7,004
6,706 6,195
!5,379
10,179
9,5oo
12,422
Wildkatzen . .
6,777
4,903 9,219
12,554
18,889
10,922
19,066
Hauskatzen . .
19,079
26,069 ; 20,620
28,563
35,343
45,733
38,656
Luchse ....
6,5i5
2,114 ! 5,091
13,697
12,528
19,401
24,690
Virg. Iltis . .
2,950
2,011
3,5oo
3,054
3,35i
3,030
2,840
Dachse ....
5,i94
3,357 3,044
8,949
8,109
7,756
6,454
Biber
11,499
11,312 17,885
23,395
18,630
16,155
16,610
Baren. . . .
12,980
18,410 17,432
25,069
26,259
29,744
21,502
Wolfe ....
12,609
6,324 22,860
33,099
43,687
3i,3i6
42,870
Russ. WT61fe . .
—
199 524
559
1,185
679
—
Vielfrass . . .
755
549 1,176
765
i,49J
1,003
885
Hair Seal, Dry
7,99i
9,937 5,6o8
8,542
10,013
12,007
9,467
Fur Seal, Dry
1,251
2,024 1,909
1,039
888
1,780
3,162
Feh
43,205
67,303 146,923
66,000
105,116
130,053
15,948
Kolinsky • . .
—
4,i34 7,88i
22,329
18,568
57,227
20,841
Grebe
2,926
1,476 870
24,799
7,694
55,i62
8,426
Nutria ....
*9>*77
81,539 198,015
76,128
660
887
7,994
Moschusochsen
—
— —
426
170
294
305
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
343
Einfuhr amerikanischer Rauchwaren in London
durch C. M. Lampson & Co. 1898—1902.
1898
1899
1900
1901
1902
Schuppen ....
Bisam
250,100
2 O20 743
331,526
2 17^ 67^
402,242
2 7Q4 ^IO
306,680
2 2OI 121
235,757
2 Q=;8 ^08
Schwarze Bisam .
Skunk . .
61,675
471 840
61,996
40^,1^0
•",/ :TT, JAV
68,465
6O^,I7I
88,208
7OO 041
85,866
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Civetkatzen . . v
Amer. Opossum .
Nerz . . . . . ..
I9>197
205,548
314 64O
34,030
168,062
^O4,827
65,5M
176,530
4 5 1, 406
67,476
215,736
333,448
.^OJ,w/ /
, IP2,955
167,324
2CK 7O2
Amer. Zobel . .
Russ. Zobel . V
Rotfiichse . ^. ^.
Kreuzfiichse . . -.
Silberfuchse .
Griesf iichse . .. -«
Kittfiichse. \r. ...,-',
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Blauf iichse . . •.;
Ottern . . ^. *"
50,o8l
29,903
64,264
3410
1,215
31,852
345
9,096
3,179
q 368
30,666
39,163
58,398
4,521
1,693
59,712
2,451
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4,443
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4,531
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12,533
3,709
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39,630
35,723
109,449
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3-831
877
40,637
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6,829
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20,387
Moschusochsen
60
215
74
13
23
344
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Einfuhr amerikanischer Rauchwaren in London
durch C. M. Lampson & Co. 1903—1906.
1903
1904 1905
1906
Schuppen ....
268,190
2,979,460
117,412
948,447
73,635
168,396
.253,001
55,io6
29,547
62,052
2,957
670
64,43i
2,186
20,341
3,685
14,757
29,934
78,227
5,828
2,535
!3,543
16,504
12,834
47,i39
1,287
9,663
708
142,501
403
323,465
3,547,935
76,877
847,605
60,173
99,474
235,378
62,093
13,830
44,605
2,929
958
36,4*6
4,54i
14,209
3,858
16,111
22,065
55,542
17,657
2,385
8,625
16,668
10,135
44,821
i,i34
6,757
!,949
181,177
326,431
3,428,505
37,924
776,933
64,574
273,677
I45,H2
I4,4i5
19423
63,666
2,878
997
45,340
5,129
23,329
3,533
9,164
13,031
56,329
21,521
2,583
13,207
J7>993
9,3i8
38,118
588
6,773
1,850
20,580
262,951
3,464,326
44,342
937,i9i
120,486
641,223
264,011
4,202
22,147
58,372
5,527
1,588
53,969
4,425
14,850
2,013
5,943
17,660
94,524
25,661
4,026
13,697
16,267
8,347
46,761
i,456
7,840
937
24,758
132,765
Bisam ....
Schwarze Bisam ....
Skunk
Civetkatzen
Amer. Opossum ....
Nerz . . .
Amerik Zobel
Russ. Zobel
Rotfiichse
Kreuzfiichse ... . .
Silberfiichse . . . .
Griesfiich.se .
Kittfuchse
Weissfuchse
Blaufiichse
Ottern
Wildkatzen .
Hauskatzen
Luchse
Virg. Iltis
Dachse
Biber
Baren
Wolfe ....
Vielfrass
Hair Seal, Dry ....
Fur Seal, Dry ....
Feh ....
Moschuscchsen ....
Hermelin . .
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
345
Einfuhrliste amerikanischer Rauchwaren
zu den Londoner Auktionen 1907 — 1910.
1907
1908
1909
1910
Biber . « . . . . . . . .
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22.114
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Bisam
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Amerik. Opossum . . .
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Nerze .... . V . . .
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Russ. Zobel .
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16,1^
12,882
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16,307
Rot-Fiichse
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67.046
Kreuz-Fiichse .
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Silber-Fuchse . . . ....
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1,207
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1,233
•*»/ J:7
986
Gries-Fiichse ... ; » *
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41,8^6
36,860
3Q.7I3
Kitt-Fiichse. ... .
•^J' y^O
^665
3,388
3,8q8
2O IQI
Weiss-Fiichse / *
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1^.^^^
25,818
8,3Qi
12,164
Blau-Fiichse
I 2^O
3.312
3,880
2,8l4
Ottern . .' .- . . ; '•''.. . j: .'-
J->'**Jvy
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14 778
14.^14
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Wildkatzen
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16,865
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22,76O
28,814
46,015
Hauskatzen
71,8^7
6^.Q6O
80,781
82,6l5
Luchse
/ -*-'^j/
22 062
16 6^^
^,^04
2,570
Virg Iltis . .
2 ^06
4 7O^
6,3^
1.^21
Vielfrass
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T"'/ WJ
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1,582
Dachse
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7,871
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248.300
201,800
203,785
346
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Einfuhr zu den Londoner Auktionen
Australische
Oppossum
Kanguruh
Wallaby
Wombats
Austral.
Rot-
fiichse
Chines.
Tibet-
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1871
18 029
.
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.
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1872
41,628
—
—
—
—
—
1873
3J3,343
—
—
• — •
—
1874
150 939
—
• —
—
—
—
1875
274 3ii
—
— , —
—
—
1876
583,050
—
—
—
—
—
1877
734,214
—
• —
—
—
—
1878
456,102
—
—
—
—
1879
465,526
—
—
—
—
1880
993,052
—
—
—
— ' .
1881
1,493,236
—
—
—
—
1882
1,817,372
—
—
—
—
1883
934,944
— — —
—
1884
1,639,547
, — — —
—
1885
1,893,324
— — —
—
1886
1,999,194
— — —
—
1887
1,613,067
—
1888
!, 947,596
—
1899
3,169,571
1890
2,389,896
1891
2,259,316
—
47,893
44,629 2,397
1892
923,410
20,561
65,335
53,o82
5,548
1893
1,024,730
42,538
102,935
209,833
23,884
1894
1,466,654
9,8l8
124,870
130,494
16,551
1895
1,182,970
436
142,001
64,952
65,780
1896
1,043,055
12,715
255,221
80,790
53,057
1897
I,I72,I2O
23,746
235,426
70,500
1898
1,264,293
5,524
177,758
66,739
—
67,849
1899
1,262,774
5,620
222,437
170,697
—
56,959
1900
814,929
19,231
312,287
133,118
— •
32,623
1901
!, 193,650
24,208
478,615
215,707
—
17,269
1902
1,852,082
21,843
433,077
157,497
—
12,511
1903
2,455,765
21,963
520,087
255,332
—
15,507
1904
1,536,306
5,059
300,326
99,900
—
12,867
1905
2,498,564
4,523
347,659
129,611
—
884
1906
4,OO8,O58
12,744
735,621
208,679
16,696
286,930
1907
3,284,301.
16,320
1,801,681
168,512
37,716
641,647
1908
3,II4,9l6
17,415
594,419
67,916
68,019 553,827
1909
2,302,853
9,110
853,396
104,855
59,890 442,041
1910
297,217 15,874 792,304 11,606
59,113 663,936
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
347
von australischen und asiatischen Pelzwaren etc.
Tibet
Rocke u.
Kreuze
Kidkreuze
Japan.
Harder,
Japan, u.
chin. Nerze
u. Wiesel
Japan.
Fiichse
Afri-
kanische
Affen
Chinchilla
und
Bastard-
chinchilla
—
—
—
—
—
19,814
25,734
—
—
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1,581
—
10,781
—
—
52,691
2,319
—
1,527
—
—
87,230
6,390
—
25,039
—
—
138,865
5,665
—
25,457
—
—
148,485
10,503
25,763
25,683
—
—
194,380
456
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2,573
22,095
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50,197
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336,652
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76,450
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13,728
—
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—
136,580
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138,488
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227,645
29,590
—
45.607
29,334
404,365
27,841
641,709
78,950
—
42,341
37,143
3M,429
25,58i
127,875
51,584
6,000
58,244
34,4oi
348,569
5,467
95,939
21,890
8,000
24,185
13,692
234,866
22,918
85,3i8
39,616
17,000
18,767
348 VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Einfuhr von Seeottern und Furseals nach London
zur Auktion.
Seeottern in:
1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882
3824 4307 5095 4920 4964 5059 5420 5253 5176 5583 5647 5680
1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894
5038 7903 4908 4804 4413 3511 2713 2392 2366 1306 1590 1434
1895 1896 1897 1898 1899 I9°° I9°I T902 I9°3 I9°4 I9°5
1221 1059 1212 956 739 584 422 406 468 234 335 505
1907 1908 1909 1910
561 339 269 307
Furseals in:
1850 1851 1852 1853 1854 1855 1856 1857 1858 1859
12,391 13,915 9348 16,193 9714 18,199 29,464 20,641 9423 14,471
1860 1861 1862 1863 1864 ^65 1866 1867
13,231 24,341 31,949 27,986 20,326 17,259 19,844 15,967 83,997
1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876
149,808 153*654 154,959 168,672 170,679 161,291 174,107 167,141
1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884
142,631 169,497 175,119 205,240 210,745 189,694 171,205 157,329
1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892
180,059 217,704 226,370 219,670 214,577 182,653 125,731 109,123
1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901
147,047 112,253 102,759 70,579 5567 61,776 16,836 22,800 64,201
1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910
20,692 70,137 35,636 65,811 68,757 49,104 74,277 49,744 44,608
VI. Einfuhr-Statistik von "Rauchwaren.
349
Einfuhr von Rauchwaren nach London.
1855-
Aus den L
Hudsonsba
Zahl
andern der
y Company
Wert
£
Alaska, Ore£
etc. e
Zahl
jon, Kanada
rtc.
Wert
£
Zobel
136,513
55,740
288
69,376
346,955
11,094
4,9n
480
i,749
8,227
86
4,646
4,646
15,392
1,124
5,633
374
8,961
1,500
5,945
1,200
1,084
83,757
5,800
28,000
122,540
38,540
5,400
25,480
6,540
8,545
6,840
6,840
4,838
3,945
172
485
1,248
4,975
840
3,46o
120
22,480
34
6,743
180
228
1,025
160
5,ooo
12,245
171,083
163
6,078
1,229,536
4,427
3,174
218
920
36,399
5,o86
15,826
5,086
354
180
5i8
6,989
3,206
500
200
482,072
2,095
12,745
34,00°
H,540
12,305
4,280
4,78o
23>054
4,800
2,256
4,58o
2,740
16,240
12,758
1,825
1,025
120
130
23O
2,005
8,425
10
40
65,240
50
1,875
8,OOO
Xerze
Seeottern
Biber
Bisam
Otter
Virg. Iltis ....
Silberfiichse. . . .
Kreuzfiichse . . .
Rotfuchse ....
Blaufiichse ....
Grisfiichse
Kittfiichse ....
Weissfiichse. . . .
Wolfe ......
Vielfrasse ....
Luchse
Luchskatzen . . .
Bar en . .
Hermelin
Skunk
Schuppen . .
Dachse
Kaninchen ....
Silberkaninchen . .
Opossum . .
Eichhornchen . . .
Diverse
Summa
268,060
180,268
350
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
1875.
Felle aus dc
d. Hudson's ]
Zahl
jn Landern
Bay Company
Wert
£
Felle aus Alaska
u. den nordwe
Staaten, von
gekauft tmd in
Zahl
Kanada, Oregon
stl. Vereinigten
Kleinhandlern
London verkauft
Wert
£
Zobel
131, *54
72,400
223
270,903
416,833
i3,58o
3,558
789
786
8,945
169
5,86o
6,026
3,056
1,349
13,242
6,880
3,489
2,789
7,i54
15,005
8,386
60,520
23
180
53,ooo
173,500
73,840
5,48o
293,850
32,542
38,762
n, 200
14,800
3,870
6,325
460
530
2,100
208
1,580
11,480
23,500
80
1,860
1,240
300
3,ooo
5,68o
50
560
18,000
37,712
39,245
3,653
52O
65,941
2,126,465
8,725
1,868
75i
i,45i
75,365
0,215
25,602
9,245
2,072
4,481
1,248
2,504
6,796
44,583
275,943
341,077
12,522
412,741
5
200
165
2,197
16,733
8,146
143,653
86,000
38,563
33,642
102,580
3,280
48,647
145,362
24,460
3,78o
3,120
6,587
28,956
6,084
6,850
1,640
850
2,180
960
1, 800
22,540
1,200
81,540
58,650
4,540
9,872
IO
580
183
2,650
530
IOO
2,253
22,000
Nerze
Seeottern
Seeottern, junge .
Biber
Bisara
Ottern
Virg. Iltis ....
Silberfuchse . . . .
Kreuzfiichse . . .
Rotfiichse ....
Blaufiichse ....
Grisfiichse ....
Kittfuchse ....
Weissfiichse. . . .
Wolfe
Vielfrasse ....
Luchse . . .
Baren . .
Hermelin
Skunk
Schuppen
Hirsche ....
Dachse . . .
Kaninchen ....
Moschusochsen . .
Bison . .
Panther
Luchskatzen . . .
Silberkanin ....
Eichhornchen . . .
Opossum
Diverse
Summa
773,457
— •
1,040,969
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren. 351
Jahrliche Durchschnittsproduktion von Rauchwaren
der Welt in den 3 Jahren 1907—1909.
Der Wert der gesamten Produktion betrug per Jahr ca. 360 Millionen
Mark wo von nach Leipzig fur ca. 160 Millionen Mark pro Jahr kam.
Hierbei sind nicht einbegriffen die von Eingeborenen und Jagern fur eigenen
Bedarf verwendeten Felle. •
I. Alphabetisch nach Arten geordnet.
Baren-Arten.
Eisbaren.
Polargegenden, Asien, Europa ca. 600 Stuck, Amerika ca. 400 Stuck
Grizzlybaren.
Amerika 1200 Stuck .
Braune Baren.
Amerika 2000 Stuck, Asien 6000 Stuck.
Schwarze Baren.
Amerika 20 ooo Stuck, Asien 1000 Stuck.
Gewohnliche braune Baren.
Asien 3000 Stuck, Europa 2000 Stuck.
Biber.
Amerika 80 ooo Stuck, Asien ca. 1000 Stuck, Europa nur wenige Felle
Nutria.
Slid- Amerika ca. i Million Felle.
Bisam.
Amerika ca. 8 Millionen, russisch Bisam 2 — 3000 Stuck.
Chinchilla.
Peru (echte) 600 Stuck.
Chinchillonas.
Peru Bolivien 12 ooo Stuck.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Bastard.
Bolivian 3000 Stuck, Chile 25 ooo Stuck, zusammen ca. 28 ooo Stiick.
Dachse.
Europa 100 ooo Stiick, Amerika 30 ooo Stiick, Asien, Japan, China 30 ooo Stiick.
Feh.
Sibirien ca. 15 Millionen Stuck und zwar Kasaner 8 Millionen, Lensky i Million, Obsky
2 Millionen, Nerzinsky 2 Millionen, Jeneseisky 2 Millionen, China ca. 500 ooo St.
Fehschweife.
Sibirien: Nerzinsky, Sabailkalsky 12 ooo Kilo, Lensky 5000 Kilo, Jeneseisky 10 ooo Kilo,
Obsky 10 ooo Kilo, Kasaner 30 ooo Kilo, China 2000 Kilo.
Fiichse.
Rotfiichse.
Nord-Amerika 200 ooo, Sibirien 60 ooo, Russland 150 ooo, Mongolei, China und
Japan 50 ooo, Australien 30 ooo, westliches und zentrales Asien 50 ooo, Nor-
wegen 25 ooo, Deutschland 250 ooo, iibriges Europa 350 ooo Stiick.
Karganerfiichse.
Sibirien und Zentral- Asien 150 ooo Stiick.
Kreuzfiichse.
Amerika 15 ooo, Sibirien ca. 3000 Stiick.
Griesfiichse.
Nord-Amerika 50 ooo Stiick.
Kittfiichse.
Nord-Amerika 4000 Stiick, Zentral- Asien 60 ooo Stiick.
W e i s s f ii c h s e.
Asien 70 ooo Stiick, Amerika 30 ooo Stiick, Europa 5000 Stiick.
Blaufiichse.
Amerika 6000 Stiick, Sibirien 4000 Stiick, Nord-Europa 1000 Stiick.
Silberfiichse.
Amerika 4000 Stiick, Sibirien ca. 300 Stiick.
Japan-Fiichse ( Viverrenhunde) .
Japan (Tanucki) 80 ooo Stiick, China 150 ooo Stiick, Korea 30 ooo Stiick.
Siidamerikanische Fiichse.
Pampasfiichse und Patagonische Fiichse ca. 15 ooo Stiick.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren. 353
Hamster.
Deutschland 2 Millionen, Osterreich-Ungarn % Million.
Hasen.
Polar-Hasen, Sibirien ca. 5 Millionen, Nord-Amerika 200 ooo Stuck.
Hermelin.
Amerika ca. 400 ooo Stuck, Sibirien 700 ooo Stuck, Europa ca. 10 ooo Stuck.
Iltis.
Europa, Deutschland 60 ooo Stuck, iibriges Europa 80 ooo Stuck, Russland und Sibirien
150 ooo Stuck.
Virg. Iltis.
Amerika 10 ooo Stuck.
Kanin (mir fur Kiirschnerzwecke) .
Frankreich 30 Millionen Stuck, Belgien 20 Millionen, Deutschland */t Million, Galizien
und Russland i Million, Australien 20 Millionen.
Katzen.
Europa, Deutschland 120 ooo Stuck, Holland 200 ooo Stuck, iibriges Europa 150 ooo St.,
Russland 300 ooo Stuck, Asien, China und Japan 150 ooo Stuck, Amerika
ca. 80 ooo Stuck.
Kolinsky.
Sibirische 150 ooo Stuck, Mandschurische ca. 50 ooo Stuck, chinesischeWiesel ca. 500 ooo
Stuck, Japanische Nerze ca. 200 ooo Stuck.
Luchse.
Amerika im regelmassigen 10 jahrigen Turnus von 6000 — 100 ooo, Durchschnitt der
letzten 3 Jahre 50 ooo, Sibirien 10 ooo, Siid- und Ost-Europa 10 ooo Stuck.
Luchskatzen.
Amerika ca. 40 ooo, Asien ca. 20 ooo Stuck.
Wildkatzen.
Siid- Amerika ca. 10 ooo, Asien ca. 40 ooo, Europa und westliches Asien ca. 10 ooo Stuck.
23
254 !VI. Einf uhr- Statisti k von Rauchwaren,
Marder.
Baummarder.
Europa: Norwegen und Schweden 20 ooo, Deutschland 50 ooo, Russlancl
50 ooo, iibriges Europa 60 ooo, Nord-Asien 30 ooo Stuck.
S teinmarder.
Europa: Deutschland 100 ooo, Bosnien, Tiirkei etc. 50000, Russland 50000,
iibriges Europa 150 ooo, Nord-Asien ca. 30 ooo Stuck.
Murmel.
Asien: Orenburger ca. ia/2 Million, Beisky ca. 2 l/z Million, Mongolei, Mandschurei und
China ca. 500 ooo, Tabarganer ca. 5.0 ooo, Amcrika ca. 30 ooo Stuck.
Nerze.
Nord-Amerika ca. 600 ooo, Russland und S-ibirien ca. 40 ooo Stuck, Europa wenige Felle.
Otter.
Amerika 30000, Asien: Sibirien, Kamtschatka etc. 20000, China 30000, Japan 5000,
Siid-Asien ca. 1000, Siid-Amerika ca. 5000, Afrika ca. 500, Europa 30 ooo Stuck.
Opossum.
Australien ca. 4 Millionen, Amerika ca. i Million Stiick.
Persianer und schwarze Lammfelle.
Zentral-Asien : Persianer i1/2 Million Stiick, Breitschwanz 100 ooo Stiick. Russland und
Zentral-Asien : Astrachan ca. i Million, Krimmer 60 ooo Stiick, Schiras und
Salzfelle 200 ooo Stiick,
Schuppen (Waschbar).
Xord -Amerika ca. 600 ooo Stiick.
Seals (Pelzseehunde).
Alaska 15 ooo, N. W. ca. 20 ooo, Copper Island 10 ooo, Cap Horn 5000, Cap d. g. Hoft-
nung 3000, Siidsee ca. 5000, Lobos 10 ooo Stiick.
Seeotter.
Nordl. Pacific ca. 400 Stiick.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
355
Skunks.
Nord-Amerika i1/2 Million, Siid-Amerika 5000 Stuck.
Civetkatzen.
Nord-Amerika ca. 100 ooo Stuck.
Vielfrasse.
Nord-Amerika 3000, Sibirien ca. 4000, Europa 1000 Stuck.
Wolfe.
Amerika: Wald-Wolfe 8000, Prairie 40000, Asien: Sibirien 10 ooo, China ca. 5000,
Zentral-Asien und Russland etc. 6000, iibrige Europa ca. 1000 Stuck.
Zobel.
Amerika 120000, Sibirien ca. 70000, China ca. 20000, Japan (Sachalin) 5000 Stuck.
II. Nach Erdteilen geordnet.
Tiger
Irbis
Leoparden 5 ooo
Nebelpanther 200
Tiger- und Wildkatzen . . 40 ooo
Luchse 10 ooo
Hauskatzen 150 ooo
Zibetkatzen 30 ooo
Hunde 200 ooo
Wolfe 10 ooo
Rotfiichse 150 ooo
Silberfuchse i ooo
Kreuzfiichse 3 ooo
Weissfuchse 20 ooo
Kittfiichse .60 ooo
Blaufiichse 4 ooo
Karganer 150 ooo
Nerze 20 ooo
Schakale 5 ooo
Seefiichse 260 ooo
Zobel 95 ooo
Baummarder 30 ooo
Steinmarder 30 ooo
Iltis 150 ooo
Tigeriltis (Perwitzky) . . 3 ooo
Asien.
500 Stuck Kolinsky : . 200 ooo Stuck
800 „ Chines, u. jap.Wiesel . . . 700 ooo •",/*
Hermelin . ~. . 700000 ,,
Vielfrass 4 ooo „
Dachse . . . 30000
Pahmi 60 ooo
Otter 60 ooo
Baren, braune 6 ooo ,,
Baren, schwarze . , ". . . I ooo . „
Gew. braune Baren ... 3 ooo
Eisbaren 300 ,,
Feh 15 Mill. „
Murmel ' ", . . 4a/2 Mill. „
Suslicki . . . .•.'.. . . VaMill. „
Biber i ooo
Hasen 5 Mill.
Rentier ca. 10 ooo
Tibetlamm 500 ooo
Ziegen 500 ooo
Persianer 1^2 Mill. „
Astrachan i Mill.
Zickel (Kid) 800 ooo
Slink 100 ooo
Fohlen 100 ooo
Gesamtwert ca. no ooo ooo M.
23'
356
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchvraren.
Luchse
(im 10 jahrigen Turnus
von 6 — 100 ooo steigend
und fallend),
Luchskatzen ^-"/' '.' '. . ]
Hauskatzen
Wald- Wolfe
Prairie-Wolfe
Rotfuchse
Silberfiichse
Kreuzfiichse
Weissfiichse
Blaufiichse
Griesfiichse
Kittfiichse
Zobel .
Virg.
Nerz
Iltis
Nord-Amerika.
50000 Stiick Hermelin V\>;XV-;! . . .400000 Stuck
Vielfrass V',.v. . . . . . 3000
Dachs. .i . \i> C 30000
Skunks i1/ 2 Mill. ,t
40 ooo ,, Civetkatzen 100 ooo
80 ooo ,, Otter 30 ooo
8000 ,, Waschbar (Schuppenj^ V- . 600 ooo
40 ooo ,, Eisbaren 400
200 ooo ,, Schwarze Baren 20 ooo
4 ooo „ Braune Baren 3 ooo
15 ooo „ Grizzly-Baren i 200
30 ooo ,, Murmeltier 30 ooo ,,
6000 ,, Biber . . 80000
50 ooo ,, Bisam . ; . . .", 8 Mill.
4 ooo „ Hasen 200 ooo
120 ooo „ Opossum i Mill.
10 ooo ,, Grebes 5 ooo
60 ooo ,, Moschusochsen 500 ,,
Gesarntproduktion ca. 100 Millionen Mark.
(Die Stiickzahl der in den V. St. verarbeiteten Waren ist nicht genau zu schatzen.
Verarbeitet wurden dort fur ca. 100 Millionen Mark, wovon ca. 50 Millionen vom Ausland
eingefiihrte Felle, Ausfuhr V. St. ca. 40 Millionen, Kanada ca. 12 Millionen.)
Jaguar
Tiger- und Wildkatzen . .
Pampas u. Patagon. Fiichse
Hyrare (virg. Iltis) . . .
Skunks 5 ooo
Ottern 5 ooo
Opossum 5 ooo
Siid-Amerika.
200 Stiick Nutria i Mill. Stuck
10 ooo ,, Chinchilla, echt 600
15 ooo ,, Chinchellonas 12 ooo
500 ,, Bastard 28 ooo
,, Guanacos 20 ooc
Schmaschen 1/2 Mill.
Gesamtwert ca. 8 Millionen Mark.
Australian.
Rotfuchse . 50 ooo Stiick
Kanin 20 Mill. ,,
Opossum 4 Mill.
Ringtails 50000
Kanguruh 50 ooo
Wallabv. , . 800 ooo Stiick
Beuteldachse
Wombats 250 ooo
Native Cats 10 ooo
Beutelratten 20 ooo
30 ooo
5(
Wert ca. 25 Millionen Mark.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren. 357
Europa incl. Europ. Russland.
Wildkatzen 10 ooo Stiick Otter 30 ooo Stuck
Katzen 470 ooo ,, Baren 2 ooo
Luchse 10 ooo ,, Eisbaren 300
Rotfiichse ca 800 ooo ,, Biber einige Felle
Blaufiichse i ooo ,, Kanin ca 50 Mill. Stiick
Weissfiichse 5 ooo ,, Hamster 2 Mill.
Wolfe 6 ooo ,, Maulwurf i Mill. ,,
Schakale 5000 ,, Schaffelle 3 Mill. „
Baummarder 180 ooo ,, Schmaschen . . " i Mill.
Steinmarder 350 ooo ,, Lammfelle, Astrachan,
Iltis 150 ooo „ Krimmer J/2 Mill.
Nerz . . 20 ooo „ Moufflon 300000
Hermelin 10 ooo „ Grebes 100 ooo
Vielfrass i ooo „ Ganse 60000
Dachse 100 ooo ,, Schwane 10 ooo
Gesamtwert ca. 100 Millionen Mark.
Afrika.
Affen 10 ooo Stiick Wildkatzen 5 ooo Stuck
Lowen 200 ,, Schakale 10 ooo
Leoparden 5 ooo /, Ottern 500
Oceane.
Seeotter .....*... 400 Stiick Seals 70 ooo Stiick
Haarseehunde 300 ooo Stiick
Gesamtwert ca. 9 Millionen Mark.
Deutschland.
Fiichse 250 ooo Stiick Ottern 10 ooo Stiick
Steinmarder 100 ooo „ Katzen 120 ooo „
Baummarder 50 ooo „ Hamster 2 Mill.
Iltis 60 ooo „ Kanin i Mill.
in obigen Ziffern mir einbegriffen Wert,ca. _LO Millionen Mark.
Osterreich-Ungarn.
Fiichse 100 ooo Stiick Ottern 10 ooo Stiick
Steinmarder 25 ooo „ Katzen 100 ooo ,,
Baummarder 50 ooo „ Hamster Mill. „
Iltis 40 ooo
in obigen Ziffern mit einbegriffen Wert ca. 5 Millionen Mark.
358
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Preisvergleichende Tabelle einiger Stapelartikel
der Hudson's Bay Go. auf der Londoner Auktion.
Jahr
Bisam
YF I
Nerz
YF II
Rotfuchs
YF I dunkel
Luchs
YF I gross
1882
8 d
12/9 20 /-
1883
7%
A l_ .
H/3 25 /-
1884
73/4
4/9
ii/3
30,'-
1885
6
2/5
8/6 18/6
1886
73/4
3/io 10/6 35/10
1887
8% 3/8 io/8
19/4
1888
9% 2/8
10/3 20/9
1889
121/2 6/2
16/8 30/4
1890 ii 4/3
I2/- 23/6
1891
- i2i/2 5/7
i i/7 27/6
1892
7% 7/3
I2/- 36/3
1893
8% I2/-
I2/— 27/6
1894
9 5/io
ii /3 i7/—
:':> ;i895'
9//2
6/6
17/3 i8/-
1896
Il3/4 5/6
io/3 13/8
1897
10%
:6/ — • -
io/3
1 1/9
1898
9 7/9
10 /II
13/3
1899
8
12/3
20/5
2I/—
1900
7% 10/7
37/~
44/3
1901-
7%
I0/-
25/6 30/6 •
1902
6i/2
10/7
34 /- 55/-
1903
10% 1 1 /I
33/~
92 /-
1904
I2.1/2 9/g
28/-
52/6
1905
8l/2
18/4
30/9
54h
1906
i3l/2 18/8
31/6
551-
1907
15% 0r:.7--2.7/-
o o /o
oo/ ^
5i/3
•;-li=i?9.??,
20% 21/6
38 /-
64/-
I9P9..
23/2 ' , '23 /-
61/6
131/6
1910 ;
43*4. -•• 26 /-
68/— 163/9
V.I. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren. 35f)
Preisvergleichungen fur einige Fellarten.
Australische Opossum, Adelaide prima blaue, 1880 : 8 d., 1900 : 14 d., 1908 : 3 sh.,
1909: 4 sh., 1910: 8 sh.
Wallaby, 1880: 3 bis 5 pence, 1900: i bis 3.sh., 19101,2 bis 7 sh.
Kanguruh, 1880: 2 bis 6 d, 1900: 1/6 bis 2/6, 1910: 3 bis 6 sh.
Wombats, 1880: 6 d, 1900: 1/6, 1910: 3 sh. ,
Native coats, 1880: 2 d, 1900: i sh, 1910: 2 sh.
Bastardchinchilla, 1880: 3 sh, 1890: 1/6, 1900: 12 sh, 1905: 18, 1910: 40 sh.
Japannerze, 1900: 50 Pfg., 1905: 80 Pfg., 1910: 2,50 M.
China weasel ohne Schweife, 1900: 28 Pfg., 1905: 70 Pfg., 1910: 1,40 M.
Japanmarder, 1890: 1,50 M., 1900: 6 M., 1905: io.M., 1910: 16 M
Japanfiichse, 1890: 3,50 M., 1900: 6 M., 1910: 17 M.
Skunk, das beste Loos 1900: 8/6, 1908: 13/6, 1909: i8/, 1910: 297,
1911: 2I/.
Rohe Persianer, 1890: 4 Rbl, 1900: 6 RbL, 1905: 8 Rbl., 1908: 9 Rbl.,
1909: 10 Rbl., 1910: 13 RbL
Steinmarder, 1890: 6 M., 1895: 9 M., 1900: 12 M., 1905: 14 M., 1908:
22 M., 1909: 26 M., 1910: 28 M.
Murmel, Orenburger, 1890: 40 PI, 1900: 50 PL, 1904: 80 PL, 1905: 1,80 M.,
1906: i,4oM., 1907: i,6oM., 1908: 1,40 M., 1909: i, 80 M., 1910: 3,75 M.
Schwarzfiichse, bestes Fell, 1880; 130 £, 1890: 180 £, 1900; 580 £, 1905;
220 £, 1906: 320 £, 1907: 440 £, 1908: 460 £, 1909: 310 £, 1910: 540 £.
Seeotter, 1880: 120 £, 1890: 160 £, 1900: 280 £, 1905: 205 £, 1909:
380 £, IQIO: 350 £.
360
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Preisliste der
Januar
Biber
36 907 Stiick
YF
MKR
No i
22 j- -23/-
I3/6-- 13/9
21/6 — 22 /-
13 A - 13/3
20 / 20/6
*3 / — -13/3
17/9
8/9
5/-
21/6
12/9
2I/-
I2/-
15/9
8/-
16/9 — 17/3
8/9
21 /-
12/9
I9/- — 20 /-
n7-
18/6 — ig/-
12/3
13/9 — 14/3
7/6
5/-
19/6
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13/3
i5/-
9/-
i klein
2
2 klein
Pettier gross .
klein
No. 3
,, 3 klein
Cubs
No. i feucht
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,, 2 ,, klein
» 3
,,3 ,, klein ......
Beschadigt, gross.
,, klein
Bisam
892 322 Stiick
YF
MKR
No. i
1/2 1/ I/23/
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1/
„ i klein
-1 / ^ /4 x / z /4
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A3/
Beschadigt
7/4
nV
O /4
v/2
0 7 1
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
36i
Hudson's Bay Co.
1911.
MR u EM
FG
EB
Canada
NW
34/6 — 35 /-
42/6
32/-
28/-
25/6
!8/- — 18/6
18/6
17/9
17/3
I4/-
30/6 — 31 /-
3i/6
26/-— 26/6
21 1 21/6
2I/ 21/6
16/6 - i7/-
18/9
i6/--i6/3
i6/ 16/3
H/---H/6
28/-
—
25/6
22/6
19/6
16/9 — 17 /-
—
17/9
I5/6—I5/9
12/9
18/9 — 19/3
19/9
i8/-
I5/--I5/6
14/9
ii /3
n/-
ii 1-
10/9
9/-
7/-
—
—
6/6
—
—
—
26/6
23/-
—
—
—
16/6
13/3
28/6
—
24/6
20/6
16/6
—
—
15/9
13/6
—
• —
—
17/6
i5/-
i4/6
—
—
10/9
9/6
8/-
19/6
18/9
18/9
i6/- - 16/3
I4/-
12/9
I2/-
9/9
8/9
8/6
MR
FG
Canada
N W
II * 1 / ~r 1 A 1/
2/31/2-2/4
2/21/4 — 2/33/4
i/6i/4
I/I 3/4-1/2
10%
6%
I/- 3/4
i/- %
7A
7%
7A
4%
362
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Preisliste der Auktion
Marz-Auktion
pts
6529 Skins
(1910 5484)
Large
Small
Cub
1911
1910
IQII
1910
1911 1910
Otter
YF ......
i*\-
96/-
62/-
85 /-
& cub
Y F frischc . .
MR
94/-
109 /-
no/-
135 /-
97/6
94 /-
& sml.
54 /-
io8/-
i48/-
146/8
i84/-
I39/-
127/2
&c.&sml.
68/- |
76/-
io8/-
io6/-
142 /-
H4/-
92 /-
io6/-
&c. &c.
i54/- 92 /- i22/-
1587-
&c.
i6o/-
I38/-
EM . . . . .
F G .
EB
Canada ....
N W . .
2061 Skins
(1910 1377)
Ist3 No. i
Medium Pale
Kreuz-Fiichse
YF . . . . . .
YF, &c. . . .
MR
130 /•
YF
1707-
205/-
255A
I.
86 /-
100 /-
T70/-
1707-
150 A
83 /•
YF
IOO/-
IOO/-
94/-
57/-
7o/-
70 /-
&c.
<^ /.
65 /- '49 /"
pt. low
76/-
70 /-
-72/~ &C.44/-
' /i ,1 /-
EB
Canada. . . .
N W.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
363
der Hudson's Bay Co.
1911.
jjnds.
jpds
Large
SmaU
Large
Srrtcill
Cub
1911
1910
1911 1910
1911
1910
IQTI
1910
1911
1910
;
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&c.
687-
86/T
58/-
76 /-
34/-
48/-
26 /- 34 /-
&c.
20 /-
20 /-
7*1-
89/T
6i/-
88 /-
32/-
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46/-
24/- ; 34/-
&c.
&C.
—
9%
130/3
86 /-
126 /-
38/-
56/-
33/-
&c.
20 /-
&C.
—
96/-
128;-
88 j-
128 / -
5o/-
741-
36/-
44/-
44/-.
—
108/6
146/8
H4/-
148 /-
5o/-
56/-
&c.
30/-
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_._
—
100 /-
140/2
..93/-
142 /-
62 /-
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78/-
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- —
5°/-
—
—
\ .
77 h
& sml.
IGO/-
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72 /-
IIO/-
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48/-
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36/-
— -
—
'W H
44 /-
50 /-
—
32 /-
44 /-
24/-
—
—
—
jpds
jjjrds
IVth5
jsts
jpds
jjpds
Bastards
Bastards
Bastards
69/-
YF
46/-
30/-
YF
22 /-
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—
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47/6
21/7
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5.8/-
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—
72/-'
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3i /-
' —
—
•=— '
•
—
—
i
32/-
_
_
_
____
364
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
29 260 Skins
(1910 29015)
U
1911
irge
1910
Small
1911 [ 1910
Pale
1911 | 1910
Amerik. Zobel
YF ...
62 /-
&c.&sml
64/8
42 /-
43/6
5o/-
45/9
Y F Frische . .
56 /- 6i/-
44/-
46 /- 507-
MKR
58 /- 55/4 37/-
41 /-
49/-
45/4
MR ...
56 /- 58 /-
101/6 112/6
i52/- i86/-
102 /- 132 /-
447-
65 /-
& pale
7*1-
84/-
69/-
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n8/-
98 /-
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44/-
56/-
6a/-
52/-
43/6
56/-
687-
527-
EM
FG
EB
Canada
44/~ ! 43A
&sml.
3*1-
36/-
35A
&sml.
36/6
NW
64/-
707-
—
36/-
43/-
4541 Skins
(1910 3382)
Ists Dark
Medium
Pale
Rotfuchs
YF . . .
6i/3
707-
68/-
68/-
777-
80 /-
56-7-
56/-
60 /-
54/-
50/6
63/-
56/8
65 /-
MR . .
EB. . .
Canada ....
NW .
&c.
&*/-
&c.
661-
&c.
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
365
Small Pale
jjnds
jjpds
Damaged
IV-
1911
1910
I9II
1910
1911
1910
1911
1910
I9II
I9IO
&c.
29 /-
&c.
31/4
36/-
41/10
25/9
&C.
281-
25/-
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28/-
71-
26 /-
33/-
36/-
4o/-
23/-
28/-
25/-
327-
—
&c.
29/-
3i/-
35/-
40/-
25/~
28/-
26 /-
30/-
—
8/-
26 /-
3i/-
3i/-
35 /-
22 /-
28/-
3o/-
3<>/-
—
32 /-
357-
&c.
45/4
52/9
31/8
36/-
32/-
37/-
&c.
&c.
— .
38/-
6i/-
79/8
32/-
39/-
40/-
42/-
9/~
I2/-
32/-
36/-
47/9
577-
29A
35/6
39/-
4i/-
—
—
26/-
277-
26/4
29/-
2I/-
24/4
&c.
26j-
&c.
24/-
—
—
—
—
35/-
39/-
27/-
27/-
20 /-
25/-: -
—
Low
Greasy
No. i
Greasy-
No. 2
nnds
nrds
IVth5
52/-
5e/-
60 /-
69/-
&c.
49/-
56/-
34/-
391-
n/4
1
5/-
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58/-
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70 /-
57/-
43/-
46/-
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8A
56/-
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—
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—
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54/-
23/-
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—
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—
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&c.
- "*
6i/-
63 /-
63/-
—
36/-
46/-
20 /-
—
366
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
2305 Skins
Large
Small Large Pal C
(1910 2518)
1911
1910 1911
1910 1911
1910
Virg. Iltis
YF . . . .
7i/-
637-
io6/-
100 /- 54 /-
557-
&c.
YF, frische
1427-
I22/-
i68/-
i;o/- 74 /-
68 /-
&c.
MR ...
I24/-
122 j-
I76/-
170;'- 66/-
—
&c.
Canada . .
86 /-
69 /-
I58/-
1447-
54/-
&c.
&c.
&c.
NW ...
94 7-
78/-
I74/-
*54/-
382 Skins
I. II.
(1910 275)
1911 1910 1911 1910
L st r.
Silber-Fuchs
YF . . . .
24 — 1 60 38 — 200 180 230
YF, frische.
22 — 170 48 — 37 130 90
MR ....
16—225 62—310 175 135
EB . . . .
23 — 220 26 — 215 165 170
Canada . .
48 66
N W . . . .
16 — 279 30 — 140 105 140
113 Skins
(1910 28)
Ists No. i Ists No. 2 IInd3
Blau-Fuchs
EB, &c. .
907- 1057- 85 I35/- l8°7-
14 646Skins
(1910 4786)
Ists No. i
Greas}/
No. 2 ,T
No. i
Weiss-
Fuchs
YF . . .
47/6
797-
37/3
59/- 42/7
66/4
LWR . .
56/6
8i/-
45/6
64/- 497-
68/4
j
&c.
EB . . . 6i/- 94/-
48/-
727- 59 /- 62 /-
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
367
Small Pale IInd3 IIPds
1911 1910 1911 1910 1911 1910
I05/-
&c.
72/-
&c.
76/-
59/- 56 /- 48 /- &IVi4A &c.3o/-
&c.
100 /- 64/T • 74/- 20 /- 22 /-
&c.
64/- 78/- 68/- 44 /-
64/- 58/- 48/- 40/-
&c. &c.
68/- 56/- 48/-
III. IV.
1911 1910 1911 1910
Damaged
1911 1910
Lstr.
9
21
50
90
9
19
32 26/-
30
15
4
4/10
34
16 16
26 40
19 6/10
30
22
4
jpds
nrds
1
50/-.
I30/- n/-
Greasy jjnds IIIrds IYths
No. 2
36/6
38.7-
,44/"
59/- 35 /- 58/9 22 /-
58/8 37/3 59/- 26/~
40 /- 61/4 277-
36 /- ii /- i8/-
43 /- 147- 177-
36/- J3/3
368
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
49 837 Skins
(1910 34194)
1911
1911
Hermelin
Y F . . . .
EB . . . .
MR ...
65 /- 7%
85 /- i25/-
95 /- I00/-
I35/-
Canada . .
NW ...
751-
80 /-
85/-
IIO/-
32 944 Skins
(1910 21666)
Lage Iste
Small
jjnds
Nerz
YF . . . .
27/6
30/6
19/3
25/2
I9/6
Y F, frische
35/7
46/2
28/11
38/9 27/4
MKR. . .
33/9
38/6
26/-
&C.35/- 22/2
MR . . .
30/10
41/6
27/6
37 /- 22/-
EB . . . .
47/6
6o/-
32/6
43 /-
27/10
Canada . .
30/6
38/-
24/-
32 /- 18/10
&c.
N W In Hair
—
27/- -
23 /- 19/6
2368 Skins
(1910 3101)
Large
Small
jjnds
Large
Wolf
YF. . . .
YF, &c. .
NW . . .
25/8
26 /-
25 /-
46/-
&c.
—
—
i8/-
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
369
jpds
IIIrd3
Mixed
Damaged
26 /-
12/6
I4/-
24/6
28/-
10/3
i3/-
35/9
13/5
i8/-
30/6
32 /-
14/6
17/6
27/-
7/-
I0/-
22/3
24/6
I0/-
&C.I2/6
28/9
10/2
I4/- I&C.20/-
—
I2/-
&c.i5/-
36/-
12/6
I4/-
— •
—
12/6
—
&c.
25/6
8/-
13/6
—
—
12/6
12/6
&c.
&c.
22 /- 10/6
I0/-
• —
2I/-
—
IO/-
jjnds
Large
II. in hair
Ists White
Ists Blue
19/6
i8/-
16/6
_
_
72/-
—
13 /-
—
6i/-
—
72/-
—
_
i8/-
&c.
_
..
24
37°
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwareii.
Preisliste der
Marz-Auktion
1290 Skins
(1910 1518)
Large
Mid
Small
Ex. Small
Large Cut
Mid Cut
Small C
Hair Seal
EB
5/4
4/4
4/-
3/-
4/-
3/6
4/-
2/-
1/9
i/6
2/5
i/5
—
—
—
—
—
—
—
-
LWR ....
NW
91 Skins
(1910 76)
pts
Small
nnds
II Small
Damaged
jjpds
jyths
Moschus-Ochsen
YF
280 /-
38o/-
—
—
220 j-
320 /-
—
&dmgd
ii /-
2I5/;
I20/-
& IV
IO/-
& IV
i3/-
_
81 Skins
(1910 175)
pts
jpds
Jjpds
Dachs
YF
IO/-
I9/-
2/9
_
_
4/3
3757 Skins
(1910 3455)
Large
Middling
Small
Large Fine
Luchs
YF
Y F, frische . .
MR
142 /-
142 /-
&c.&mid.
i*6/-
163/9
i68/-
150 /-
T<zl /-
I22/-
131 /-
&c. & sm.
120 /-
&c.&sm.
TQ/1 /-
68 /-
—
&c. & mid.
I54/-
& EB
& mid.
i48/-
&c
165
174
162
EB, &c. ...
Canada ....
NW
3757 Skins
(1910 3455)
Ope
n
Ilnds. ]
^arge
Ilnds.
Mid.
Ilnds.
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130/10
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130 /-
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—
NW
—
—
I30/-
I34/-
& sml.io6/-
—
_._
VJ. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
371
Houdson's Bay Co.
1911.
896 Skins
(1910 807)
Open
Cased
IIndsOpen
IInds Case
Damaged
Vielfrass
Y F
—
39/6
& cin H'r
44 /-
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36 /-
—
20 /-
29/6
32 /-
—
i6/-
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I0/-
27/-
i8/-
EB
NW
1037 Skins
(1910 1642)
Ists Cased
Tts Open
Ftsh.o.
IFds Cased
IInds Ope
Dama-
ged
Skunk
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Small Fine
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Midd. Low
Small Low
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jjrds
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jyths
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M
66 /-
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in Hair
126 /-
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—
—
60 /-
91 /-
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—
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—
88 /-
—
I32/-
I26/-
&c.39/-
72 /-
—
—
&c.i8/-
372
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
4964 Skins
(1910 4579)
I. Rough
I. Low
I. Woolly
II. Rough !
; Low
Baren, schwarz
&c. &c.
&c.
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I23/-
162 /- ii2/- *36/-
MR&c.
88 /-
MR&c.
96 /- 74/4
8 1/6
72 /-
M R & Canada .
NW
128 /-
128 /-
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92 /-
82 /-
I02/-
&c.
80 /-
65/6
7S/-
88 /-
70 1 -
4964 Skins
(1910 4579)
LSmallRough
I. Small Woolly II. Small Rough Small
Baren, schwarz
YF
58/-
MR&c.
74/-
I28/-
i52/-
36/-
MR &c.
42 /-
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M R &c.
84/-
50 /-
M R &c.
36/-
60 /- 26 /-
M R &c.
86 /- 30 /-
60 /- 24 /-
M R & Canada .
NW
384 Skins
(1910 453)
I. Light I. E
>ark I. & II.
I. Low
I. Wily. Lt.
Baren, braun
YF, &c.. .
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!
50 /- 80 /-
384 Skins
(1910 453)
II. Low IIP
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I. Woolly
Sml. II. Rough
Baren, braun
Y F, &c. . .
- ^ ~ i3/-
— —
Small
36 /-
I. Smal I. Smal I. Smal
- 40 /- 28 /- 32 /-
105 Skins
(1910 95)
I. Rough I.
Woolly II. Rough
II. Woolly Damaged
Grizzly-Bar
Y F . . . .
I. I.
62 /- 82 /-
II.
40 /-
II.
48/-
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82 Skins
(1910 71)
1
I. Large
I. Mid. I. Small
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Specimen
L s t r.
Eisbar
F. &c. . . .
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3/15
5A5
8/15
3/io
I 2 6/10
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2/15
2 6
16
12/10
2O
II
197 Skins
(1910 266)
p
ts
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III
rcls
Schuppen
Canada . .
NW, &c. .
8/9
7/-
4/3
6/9
3/6
2/3
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
373
Low
II. Woolly
Damaged
HIrds
jyths
Saren, schwarz
F ...... ;
—
60 /'- 80/3
43/3
49 /-
26/-
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MR&c.
R & Canada .
II2/-
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26/-
2/- 5/-
W
78 /- 66 /-
33/5
33/6
21 /-
26 /-
3/- -
4964 Skins
(1910 4579)
Woolly
Small Damaged
III. Small
IV. Small
Jaren, schwarz
F
43/-
MR&c.
|
28 /-
MR&c.
4/6 10 /-
MR&c.
&c. &c.
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R & Canada .
56/-
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7/- 13 /-
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17 /-
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384 Skins
(1910 453)
I. Wliy.Dk.
II. Rg
'h.Lt.
II.Rgh.Dk.
II. Wily. Lt.
IL Wliy.Dk.
aren, braun
F, &c. . .
90 /-
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88/-
36/-
56/-
54/-
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46/-
46/-
69/-
70 /-
584 Skins
IC)io 453)
Sml. Il.Wlly.
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Sml
jyths
iren, braun
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24/-
M
21- \ 2/-
105 Skins
11910 95)
IIIrd3
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Sml. II & Dgd.
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n/-
8/-
Sml.
I2/-
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8/-
—
—
82 Skins
(1910 71) 1
Eisbar
cSic. . . .
, ,v. . , . • 5jV" •
8/10
10 4
5/io
374
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
Preise der Seal-Auktionen
Marz
Copper
March
1911
average
Island
March
1910
average
Large middlings
Middlings
io8/-
n6/-
Middlings and Smalls . . .
n8/- 120 /- n8M
140 /-
Smalls . . .
I30/- I^4./- I32/-
T-W/
i^6/- i6o/- 1^7/4.
Large Pups
122 /-
I^2/- 14.2 /- I^S/6
Middling Pups
126 /- 128 /- 127 1 ^
14.2 /- 14.4 /- 142 /Q
Small Pups
02 /-
II2/-
Extra Small Pups
y** /
Middlings low . . .
1
80 /-
Middlings and Smalls ,, ...
Smalls ,, ...
64/-
85/'-
88 /- 90 /- 89 /•
I02/-
Large Pups .... ,, ...
Middling Pups ... ,, ...
Small Pups ....
82/-
82/-
76 /-
92/-
92 /-
84 /-
Extra Small Pups . ,, ...
Wigs cut
/ /
W4T/
1
Middlings and Smalls ,, ...
Smalls
I02/-
102 /-
I20/-
I^4/-
Large Pups .
!'
J-OT-/
I20/-
Middling Pups ... ,,
Small Pups ....
Extra Small Pups . ,, ...
100 /-
Il6/-
I04/-
VI. Einfuhr-Statistik von Rauchwaren.
375
in London.
1911.
South Sea
March
1911
December
1910
Cape Horn
March
1911
January
1911
1247-
142 /-
1307- 1327-
IOO/-
747-
90 /-
I20/-
1327- 162 /-
182 /-I
1447- 1567-
122 /- 126 /-
} 20 /- 26 /-
30 /-
68 /- 467-
100 7- 72 /- 767-
94/- 727-
76/-
6o>
50 /-pt. cut
847- pt. cut
68 /- pt. cut
100 /-
78/-
22 /-
22/-
947- «8/-
64/-
Zweiter Band
Naturgeschichte
:: der Pelztiere ::
I.
Die Affen und Halbaffen.
a) Affen.
Von den am hochsten stehenden Saugetieren, den Affen, kommen nur
wenige Art en fur den Pelzhandel in Betracht. In erster Linie stehen die auch
im Pelzhandel einfach als ,, Monkey" bezeichneten schwarzen Colobusfelle von
den Westkiisten Afrikas. Die besten Felle liefert Colobus vellerosus, auch
Scheitelaffe genannt, der hauptsachlich an der Goldkiiste und im deutschen
Togo lebt. Die Korperlange betragt 30 bis 50 cm, wozu noch der ca. 50 cm
lange Schweif kommt, der aber bei den im Handel vorkommenden Fellen fast
nie mehr vorhanden ist. Das Fell ist mit 5 bis 10 cm langen schwarzen seidig-
glanzenden Haaren bedeckt, die von der Mitte aus nach beiden Seiten herab-
fallen. Die Stirn und Wangen sind weiss, auf der Brust ein weisser Fleck,
Beine schwarz, Unterseite und Innenseite der Oberschenkel grauweiss. Unter-
wolle fehlt fast ganzlich. Der Schweif ist diinn behaart, weiss und mit einem
Biischel am Ende. Die Tiere leben nur in dichten Waldungen, und sind jetzt
seltener geworden. Friiher war das Pelzwerk, namentlich in Deutschland und
Amerika, zu Muf fen sehr beliebt, mitunter auch zu breiten Besatzen verarbeitet.
Vor 20 Jahren kamen noch jahrlich 100 ooo Stuck zum Export, dann liese
es nach und in den letzten 10 Jahren kamen nur wenig. Seit 2 Jahren nehmen
die Zufuhren aber wieder zu; es kommen jetzt jahrlich gegen 10 ooo Stuck.
Wahrend der Hauptmodezeit wurde bis zu 20 Mk. per Stuck bezahlt, dann
fiel der Preis allmahlich auf 5 sh, jetzt ist der Preis 1,6 bis 3 sh.
Sehr ahnlich ist Colobus ur sinus von Sierra Leone, der etwas kleiner ist.
Das ca. 10 bis 15 cm lange Haar ist grober und glanzloser, die Farbe
schwarz bis auf die gelblich weissen Schultern, das Gesicht gran, der Schwanz,
der gleichfalls eine Quaste tragt, ist weiss. Der gegen wartige Wert ist etwa
I sh per Stuck. - - Der schonste Affe ist der Colobus guereza aus Abessinien,
wahrend in Deutsch-Ostafrika eine sehr nahe verwandte Art vorkommt. Der
schlanke Affe ist mit f einem, weichem, schwarzem Haar bedeckt, von den
Schultern zieht sich zu beiden Seiten des Korpers eine lange Mahne hin, aus
seidenweichen, ca. 20 cm langen weissen Haaren bestehend, die sich dann auf
den Lenden wieder vereinigen, so eine sattelartige Zeichnung bildend. Der
Schweif ist weiss, auch lang und dicht behaart, am hinteren Teil weiss und braun
geringelt. Die Korperlange ist ca. 80 cm, der Schweif ca. i m lang. Die ost-
afrikanische Art ist dichter behaart, die Schweif haare auch iiber 20 cm lang,
Naturgeschichte der Pelztiere.
Die schonen Felle werden zu Decken und zu Prunkstiickcn in den Schau-
fenstern der Kiirschner verwendet, der Wert ist ca. 20 Mk. pro Stuck. Jahrlich
werden einige hundert Stiick importiert.
Von den iibrigen Affen sind noch sehr schon der amerikanische Briillaffe,
von denen es zwei Arten gibt. Der rote Briillaffe, Mycetus seniculus,
lebt in ganz Brasilien, in den dichten Waldungen, wo er sich in den Baum-
wipfeln aufhalt und nur sehr selten den Erdboden beriihrt. Das 50 cm lange
Fell ist rotlichgelb und mit dichten, prachtvoll seidig glanzenden Haaren be-
deckt. Der Schweif ist ca. 60 cm lang. Die Mannchen haben eine Art
knocherner Schalltrommel im Kehlkopf und stossen ein donnerndes Gebriill
namentlich des Morgens, aus, was ihnen den Namen verschafft hat. Alljahrlich
hat das Weibchen ein Junges, was gegeniiber den zahlreichen Feinden sehr
wenig ist. Die Tigerkatzen, die Hyrare sowohl wie die grossen Raubvogel holen
sich viele Opfer und auch der Mensch stellt den Tieren viel nach, da namentlich
die Indianer das Fleisch sehr gem essen und auch das Fell vielfach verwenden.
Die Affen werden mit besonders dazu abgerichteten Hunden aufgespiirt und
entweder mit der Feuerwaffe oder dem Blasrohr erlegt. Da die Tiere das Wasser
sehr scheuen und ein Fluss ein uniiberwindliches Hindernis fur sic darstellt,
wird eine einmal aufgespiirte Herde sehr schnell vernichtet. Die Tiere sind
denn auch in der letzten Zeit selten geworden. In den Handel kommen jahrlich
einige Hundert Felle, die etwa 3 Mk. per Stiick wert sind und zu sehr schonen
Decken verarbeitet werden. In Paraguay lebt Mycetes caraya, der schwarze
Briillaffe, dessen dunkles Fell nicht so beliebt ist.
Von asiatischen Affen ware noch zu nennen der Wanderu Macacus silenusy
aus Indien mit ziemlich dichtem dunkelbraunem Pelz und weissem Kopf.
Das ca. 50 cm lange Fell kommt gelegentlich in den Handel, doch werden im
allgemeinen in Indien Affen tiberhaupt nicht getotet, so grossen Schaden sie
auch anrichten. So sah ich selbst in Cawnpur haufig Affen mitten in den
Strassen spazieren gehen, sich einfach aus den Verkaufsstanden der Bunians
im Basar Friichte und Getreide nehmend, sich dann gravitatisch auf das
nachste Dach schwingen und dort den Raub ungestort verzehren. Auch im
Park von Delhi konnte ich haufig Scharen von Affen beobachten, die dort
ungestort spielten.
Ein sehr schones Affenfell wird vom Himalaja importiert; es ist dies
Semnopithecus schsitaceus, blaugrau bis gelblichgrau, die Korperlange ca. 80
bis 90 cm., das Haar seidenartig dicht und ca. 8 cm lang. Der Schweif ist ca. 50
bis 60 cm lang, mit einer weissen Quaste am Ende. Die Unterseite ist heller
und ohne Unterwolle. Hauptsachlich lebt das Tier in den Gebirgswaldern von
Nepal undCashmers. Es kommen jahrlich einige Hundert Felle in den Handel,
die Liebhaberwert haben. Ein wunderschones Fell kommt manchmal in China
auf den Markt, doch habe ich die Art nicht feststellen konnen. Die Lange ist
ca. i m bis 1,20 m ohne Schweif, das Haar fein seidig und silbergrau,
ca. 10 cm auf dem Riicken lang. Man verlangte dort ca. 20 Mk. per Stiick.
I. Affen und Halbaffen.
383
b) Halbaffen.
Unter den Halbaffen finden sich viele, deren Fell sehr geeignet als Pelz-
werk ware, doch kommt nur selten einmal ein Postchen an den Markt. Man
unterscheidet die Halbaffen, die bekanntlich eine altere Entwicklungsstufe
darstellen und zu den direkten Vorfahren der Affen geboren, in zwei Haupt-
gruppen, die Makis und die Loris. Die Makis haben einen langgestreckten
Fuchskopf mil grossen behaarten Ohren, langen buschigen Schweif, an den
Hint erf iissen die Zehen meist nicht so lang, an den Vorderfiissen dagegen meist
recht lange bewegliche Finger, die Arme und Beine sind ziemlich gleich lang.
Hire Heimat ist Madagaskar und vereinzelt auch benachbarter Teile Afrikas.
Sie sind sehr gewandt und in ihren Bewegungen durchaus affenartig. Die Loris
sind plumper und langsamer in ihren Bewegungen, der Schwanz ist kiirzer
oder fehlt ganz, die Augen sind auffallig gross, die Hinterbeine langer als die
Vorderbeine. Ihre Heimat ist Indien und die benachbarten Inseln. Unter den
Makis ist der schonste der Lemur catta, dessen Fell fur den Rauch-
warenhandel auch Bedeutung erlangen konnte, wenn grossere Mengen an den
Markt kamen. Das Fell, dessen Lange etwa 50 cm betragt, ist graurotlich,
ahnlich an Farbe dem Kanguruh, sehr dicht und fein, die Schultern sind mehr
aschfarben und die Unterseite, namentlich die Brust, weiss. Der Schweif ist
ca. 35 bis 40 cm lang, buschig und in regelmassigen Abstanden schwarz und
weiss geringelt, und zwar sind 15 Ringe vorhanden. Im Berliner Zoologischen
Garten befinden sich eine ganze Anzahl dieser munteren Tiere, mit zahlreichen
Jungen. Hier 1st das Tier, das in seiner Heimat Madagaskar ein Nachttier ist,
zum Tagtier geworden und er-
freut die Zuschauer durch seine
lustigen Spiele. Besonders wer-
den die im selben grossen Kafig
befindlichen Giirteltiere die Ziel-
scheibe ihres Mutwillens. Sehr
schon ist auch der b u n t e
V a r i , Lemur varius, mit
feinem, dichtem, glanzendem
Pelz, weiss mit grossen, unregel-
massigen braunen Flecken, der
starke, buschige Schweif ist
braun. Das Tier ist etwas grosser
als das vorige. Auch der rote
V a r i von Madagaskar hat ein
schones dichtes rotbraunes Fell
mit langem Schweif. Im Handel
kommen alle diese Felle bisher Gesch. speziaiaufn. d. Neuen photogr.
nicht vor. Von den Loris haben Katta (Lemur catta) .
^84 Naturgeschichte der Pelztiere.
auch verschiedene sehr schone, fur den Pelzhandel geeignete Felle, kommen
aber auch nur selten in den Handel. Gelegentlich kommen Felle des schonen,
grauen Loris Nycticebus cinereus in den Handel. Das ausgewachsene Tier ist
etwa 60 bis 70 cm lang, ohne Schweif, mit vollem, seidenweichem Haar,
dunkelgelbbraun mit einem silbrigen Anflug und einem breiten silberfarbenen
Riickenstreif, wo die Grannenhaare auch etwas langer sind. Die Unterwolle
ist gelblich und seidenweich. Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, einen
Posten von ca. 100 Fellen von jungen Nycticebus zu sehen und zu bestimmen.
Diese Felle, die etwa 15 cm lang waren, ahnelten an Feinheit des Haares den
Chinchilla; der Kaufer hatte ursprunglich ca. 2 Mk. per Stuck bezahlt, was in
Anbetracht der Schonheit des Felles sehr billig zu nennen ist. Das Tier ist in
seiner Heimat Siam und Cochinchina durchaus nicht selten, seiner nachtlichen
Lebensweise halber aber schwer zu fangen.
II.
Die Katzenarten.
a) Lowen.
Die Hauptheimat der Lowen 1st Afrika. Es gehoren durchaus nicht alle
Lowen einer Art an.
Der schonste aller afrikanischen Lowen ist oder war eigentlich Felis leo
barbarus, der Berberlowe, der jetzt fast ganz ausgerottet ist. Diese Lowenart
war es, von der der beruhmte Lowen jager Jules Gerard 600 wahrend seines
Lebens erlegte. Zwar werden heute noch manchmal eifrige Tourist en zur
Lowenjagd in Algier oder Tunis verleitet, aber der Lowe fehlt stets. Die
Farbung des Berberlowen ist rotlich gelb, Kopf, Hals und Brust ist mit einer
sehr dichten langen Marine umgeben, die vorn bis zur Handwurzel und hinten
bis zur Halfte des Riickens reicht. Auch der Unterleib ist dicht behaart. Diese
rotlich gelbe Marine ist dicht mit schwarzen Haaren untermischt, die haufig
sogar iiberwiegen. Der 'Schweif ist gegen das Ende zu dunner, die Schwanz-
quaste nicht sehr stark. Die Tiere gewahren einen prachtvollen Anblick; ihre
Felle sind sehr wertvoll.
Bedeu tend grosser ist Felis leo capensis, der Kaplowe, der auch schon selten
geworden ist. Im eigentlichen Kaplande kommt er iiberhaupt nicht mehr vor,
da er den Orangestrom nach Siiden nicht iiberschreitet, nur in Transvaal,
Rhodesia, Zambesi, auch in Siidwestafrika findet er sich, aber vereinzelt.
Der Kopf ist breit, mit stumpfer Schnauze, Mahne lang und dunkel, aber nicht
so dicht und ausgedehnt wie beim Berberlowen.
Felis leo senegalensis, von Nordwestafrika, ist bedeutend kleiner als der
Berberlowe. Mahne aus glatterem, straff em Haar, weniger dicht und kiirzer,
auch nicht so weit nach hinten reichend, lauft nach hinten in eine Spitze aus.
Die Bauchmahne und Haarbiischel am Ellbogen fehlen. Die Korperfarbe ist
rotlich gelb, die Mahne einfach gelb.
Felis leosomaliensis,d.er ostafrikanischeLowe, ist heute noch am zahlreichsten
von alien Lowenarten, und kommen auch dessen Felle am haufigsten zu uns.
Das Tier ist gross und schlank, die Mahne meist etwas schwach entwickelt.
Im ostlichen Zentralafrika wird er durch den M a s s a i lowen, Felis leo
massaicus, vertreten, ein langgestrecktes Tier mit flachem Riicken, sehr lang-
beinig und stetskenntlichan der nach hinten lagernden wie aus der Stirn ge-
25*
388
Naturgeschichtc der Pelztiere.
Gesch. Spezialaufn. d. Neuen Photogr. Ges.
Somali-Lowe (Felts leo somalensis).
kammten Mahne. Geradc
unter den Masailowcn finden
sich noch sehr zahlreiche
, ,Menschen fresser ' ' .
Im Kamerungcbiet ist
noch cine andcrc Lowenart,
Felis leo Kamptsii, die ich
aber nicht kcnne.
In Asien kommt zuglcich
die kleinste und die grosstc
Lowenart vor, Felis leo per-
sicus^ der persische Lowe, ist
die kleinste. Die Farbe dcs
Korpers ist hell isabellfarbcn.
Die dunkelbraune, mil ein-
zelnen schwarzen Haaren
untermischte Mahne besteht
aus straff en, glatten Haaren,
reicht aber nicht weit iiber die Schulter ruckwarts und auch nicht tief auf
die Brust. Auch der Unterleib ist mit einer langen Mahne versehen. Es ist
dies dieselbe Lowenart, die noch in historischer Zeit Siidosteuropa bewohnte.
Die Lowenbandiger verwenden auch bei ihren Produktionen mit Vorliebe
persische Lowen, da sie den verhaltnismassig sanftesten Charakter haben
sollen. In ihrer Heimat, dem siidlichen Persien, sind sie heute ziemlich selten.
Die grosste Lowenart, die es iiberhaupt heute gibt, lebt in Indien. Es ist
dies der Lowe von Guzzerate, Felis leo goojratensis. Friiher wurde derselbe auch
der ,,Mahnenlose" genannt, und zwar deshalb, weil die ersten Exemplare, die
nach Europa kamen, keine Mahne hatten; es waren dies aber zufallig Aus-
nahmen. Das Tier hat eine kraftig entwickelte Mahne, die aus krausen Haaren
gebildet, Kopf und Hals umgibt, auf dem Scheitel beginnend, sich bis zum
Widerrist hinzieht, wo sie scharf abgegrenzt ist und sich schief nach den Ellen-
bogen zu verlangert. Stirn und Scheitelhaar sind gestraubt. Langs der Mitte
des Oberhalses ist ein 10 cm hoher Kamm aus steilen Haaren, an der Hals-
seite ist das Haar nach vorn gerichtet, an der Unter- und Vorderseite des Halses
biischelartig herabhangend. Die Schwanzquaste ist langer als bei den anderen
Lowenarten, die Farbung ist hellgelb. Die Weibchen sind stets auffallig klein,
wahrend die Mannchen, wie schon erwahnt, ungewohnlich gross sind.
Die Tiere sind sehr selten auch in dem Gebiet, in dem sie ausschliesslich
vorkommen, dem nordwestlichen Teile Indiens. Es gibt nur wenige Europaer
in Indien, die jemals ein Fell eines Guzerratelowen gesehen haben. Die Lebens-
weise der Lowen ist zu allgemein bekannt, um hier ausfiihrlich daruber zu
schreiben, die verschiedenen Arten verhalten sich aber auch in ihren Ge-
wohnheiten verschieden. So lebt der Berberlowe und auch der Senegallowe
II. Die Katzenarten.
stets paarweise und die Jungen trennen sich, sobald sie einigermassen er-
wachsen sind, von den Eltern, wahrend in Ostafrika schon Rudel von 10 und
mehr Lowen beobachtet wurden. Im allgemeinen stellen sie dem Wilde
nachts an der Tranke nach, und wo Viehreichtum ist, bevorzugen sie die Haus-
tierherden zu ihrer Nahrung. An denMenschen gehen meist nur alte Exemplare,
denen die Verfolgung von Wild oder Vieh schon schwer fallt. Solche Exemplare
halten sich dann gewohnlich in der Nahe der Dorfer auf und werden eine
formliche Landplage. Die Masailowen sind aber dafur beriichtigt, dass auch
jiingere kraftige Tiere mil Vorliebe Menschenraub treiben. So holte vor kurzem
ein solcher Lowe einen schlafenden Passagier mitten aus einem haltenden Zuge
der Ugandabahn heraus. Die Nachbarschaft der Station Nairobi ist durch
die Lowenplage beriichtigt.
In Ostafrika sind augenblicklich noch Lowen sehr zahlreich, und kommen
die meisten aus der Wildnis stammenden Lowenfelle daher. Diese sind aber
nicht so gut als die aus Zoologischen Garten und Menagerien stammenden Felle.
Wahrend ein Lowe mit guterMahne, dessen Fell aus einem Zoologischen Garten
stammt, ca. 1000 Mark wert ist, holt ein ostafrikanisches Fell 3 — 400 Mk.
Lowinnenfelle sind etwa 50 Mk. wert und auch dann schwer verkauflich.
Im ganzen kommen jahrlich etwa 100 Lowenfelle in den Handel, da
europaische Jager die Felle der erlegten Tiere fast stets selbst als Trophaen
behalten. Verwendung finden Lowenfelle nur als Teppiche und zu Aus-
stellungsdekorationen. Die Lowin hat gewohnlich 2 bis 3 Junge im Jahr, mit
denen sie etwa 100 Tage tragend geht. Die Jungen sind bei der Geburt etwa so
gross wie eine kleine Hauskatze und wachsen langsam. Mit 3 Jahren erhalten
sie den ersten Ansatz zur Mahne und sind mit 5 bis 6 Jahren ausge wachsen.
Sie konnen sehr alt werden, so war z. B. in Berlin ein Lowe fast 50 Jahre
in der Gefangenschaft.
Er pflanzt sich auch
in der Gefangenschaft
leicht fort. Der Schaden,
den dieTiereinbewohnten
Gegenden anrichten, ist
sehr bedeutend. Die fran-
zosische Regierung bc-
zifferte den Schaden eincs
einzigen Lowen auf
20 ooo Frank jahrlich an
geraubtem Vieh. Im Su-
dan iiberspringt der Lowe
die oft 12 bis 15 Fuss
hohen Dornverhaue der
Seriben, in denen dasVieh Gesch- speziaiaufn. d. Neuen Phot.
des nachts gehalten wird Ostafrikanischer Lowe.
3QO Naturgeschichte der Pelztiere.
und kehrt mil eincr Beute, einem jungen Ochscn und dergleichen auf dcm-
sclben Wege wicder zuriick. Nur Feuer schrecken ihn zuruck, doch umkrcist
or in Siidafrika haufig die Lagerstatten der Karawane, urn di-rch sein Gcbrull
die Zugtiere zu erschrecken und zum Ausbrechen aus dem Feuerkreise zu ver-
anlassen. Ubrigens wird der Lowe von alien grossen Katzenarten am leichtesten
zahm. Am Hofe des Negus von Abessinien werden stets zahme Lowen gehalten,
und auch bei den altcn Romern wurden zahme Lowen haufig bei Hofe gehalten.
Bekannt 1st, in welch grossen Mengen Lowen bei den Kampfspielen des alien
Roms verwendet wurden. Julius Casar Hess auf einmal 600 gatulische Lowen
miteinander kampfen. Diese kamen alle aus Nordafrika.
b) Puma.
In Amerika wird der Lowe durch eine einfarbige Katzenart vertreten,
den Puma oder Cuguar, der die ausgedehnteste Verbreitung von alien amerika-
nischen Saugetieren hat, indem er von der Siidgrenze Kanadas bis zum Feuer-
land vorkommt, und zwar vom Pacific bis an die atlantische Kiiste.
Es ist aber nicht eine geschlossene Art, sondern man unterscheidet Felis
couguar in Kanada und dem Osten der Vereinigten Staaten, Felis hippolestes
in Wyoming und Colorado, Felis olympica in Washington, Britisch Columbia,
Oregon und Kalifornien, Felis brownii in Arizona, Felis corryii in Florida.
Felis aztecica in Mexiko, Felis costaricensis in Zentralamerika, Felis bangsii in
Kolumbien, Felis concolor in Brasilien und .Bolivien, Paraguay und nordliche
La Plata, Felis patagonica im westlichen Patagonien, Felis pearsonii im sud-
lichen Patagonien, Felis puma in Chile. Alle diese Art en weichen voneinander
ab, doch wechselt auch innerhalb der einzelnen Arten und Distrikte die Farbung
stark vom hellen Bleigrau bis zum dunklen Rot.
Im allgemeinen kann man aber annehmen, dass in den nordamerikanischen
Pumas die blaue, in den sudamerikanischen die rotliche Farbe vorwiegt.
Roosevelt erlegte in Colorado zu gleicher Zeit ausgewachseneMannchen, die von
der Schnauzc bis zur Schwanzspitze 8 Fuss massen und 227 Pfund wogen, und
solcho, die nur 6 Fuss lang waren und 105 Pfund wogcn. Auch besitzt der
Berliner Zoologische Garten einen Puma aus Patagonien, der ganz hellfarbig
ist, wahrend ich Felle aus derselben Gegend gesehen habe, die dunkelrot braun
waren. Jodenfalls ist der Puma stets einfarbig, langgestreckt mil nicdrigen
Boinon, kleinem runden Kopf und langem Schweif . Das Haar ist kurz, client und
glatt und aus den siidlichsten und nordlichsten Gegenden naturlich raucher.
1m allgemeinen ist das Fell fur den Rauchwarenhandel nicht viel wert,
hochstens 10 Mk. per Stiick. In Nordamerika wird das Tier meistens falschlich
,, Panther" genannt, im West en ,,Mountainlion"(Bergl6we),in Mexiko undSiid-
amerika einfach ,,Leon", Lowe. Die Lebensweise ist auch verschieden, und zwar
II. Die Katzenarten.
39*
sowohl in den einzelnen Gegenden als unter den Individuen. So beschreibt
Roosevelt dieselben als dem Menschen gegeniiber im allgemeinen harmlos,
berichtet aber doch mehrere Falle, wo der Puma Menschen, namentlich Kinder,
angegriffen habe. Wenn in die Enge getrieben, setzt er sich natiirlich auch dem
Jager gegeniiber zu Wehr. In Siidamerika ist nach Darwin der Puma in
Argentinien dem Menschen niemals gefahrlich, in Chile dagegen, wo er iibrigens
bis zu 10 ooo Fuss Meereshohe in die Cordilleren steigt, soil er dagegen haufig
Menschen angreifen.
Das Tier richtet uberall, wo es vorkommt, grossen Schaden an. In wild-
reichen Gegenden stellt es hauptsachlich dem Wilde nach, in Sudamerika
sind die Guanacos, Hirsche und Strausse und die hohlenbauenden Vizcachas
seine Hauptbeute. Wo es aber Gelegenheit hat, richtet es unter den Herden
grosse Verheerungen an. Namentlich Pferde bilden seine Lieblingsnahrung ;
aber auch Kalber, Schafe und Schweine fallen ihm zahlreich zum Opfer. Das
Tier kommt noch uberall ziemlich zahlreich vor und ist so schlau, dass es
schwer zu vertilgen ist. Der Purschgang mit der Biichse bietet wenig Erfolg,
da es kaum zu Gesicht zu bekommen ist. Fallen meidet es auch sorgfaltig,
doch fallt es oft dem Strychnin zum Opfer.
Ein sehr beliebter Sport besteht darin, den Puma mit besonders dazu
abgerichteten Hunden zu hetzen ; in Nordamerika wird der Panther dann meist
auf einen Baum getrieben, und mit der Kugel heruntergeholt. In Sudamerika
wird er mit Bolas und Lasso erlegt. Vom sudamerikanischen Puma wird be-
richtet, dass er fast nie einen Ruf ausstossen wird, in Nordamerika dagegen
rufen sich die Geschlechter wahrend der Paarungszeit und auch zu anderen
Zeiten soil er auf seinen nachtlichen Schleichwegen einen Ruf ausstossen, der
dem Klagen eines kleinen Kindes gleicht. In Sudamerika erlegt er meist seine
Beute, indem er ihr auf den Nacken springt und mit der Pranke den Kopf ruck-
warts biegt, so das Genick brechend. Nach Roosevelt aber gebraucht er sowohl
seine Vordertatzen zum Schlagen wie eine Katze, als auch sein machtiges Gebiss
zum Beissen. Den Hunden gegeniiber setzt er sich haufig zur Wehr, indem er
sich auf den Riicken wirft und mit den Hintertatzen den Hunden den Bauch
aufschlitzt. Hat er eine Beute erlegt, die er nicht auf einmal verzehren kann,
so bcdeckt er den Rest mit Zweigen und verbirgt sich in der Niihe. Sehr haufig
wird er dann durch die in der Umgebung lauernden Kondore und Aasgeier ver-
raten. Von den Gauchos wird das Fleisch des Puma gegessen, und Darwin, der
dasselbe auch kostete, vergleicht es mit Kalbfleisch.
Die Pumas werden in der Gefangenschaft oft ganz zahm und ahneln dann
in ihrem ganzen Gebaren den Hauskatzen. Im Berliner Zoologischen Garten
sind Pumas erfolgreich mit Leoparden gekreuzt worden. Im ganzen komnu-n
jiihrlich.nur einige hundert Felle in den Handel, trotz der grossen Zahl er-
legter Felle, die aber nur zu Fussdocken und Wagendecken Verwcndung linden.
Die meisten Staaten der U. S. von Amerika geben hohe Pramicn fur crlegte
Pumas, 15 bis 20 Dollar Gold pro Skalp.
392 Naturgeschichte der Pelztiere.
c) Jaguarundi und Eyra.
In Amerika kommen noch zwei wilde Arten einfarbiger Katzen vor. Der
Jaguarundi bewohnt Siidamerika von Paraguay bis Panama und wird nordlich
hiervon durch eine verwandte Art, F. yaguarendi tolteca, vertreten, die Mexiko
bewohnt und bis zum Rio Grande in Texas geht. Der Jaguarundi ist ein lang-
gestrecktes schlankes Tier, von Schnauze bis Schwanzwurzel 55 — 60 cm lang
und 50 bis 60 cm langem Schweif, der mehr an einen Harder als an eine
Katze erinnert. Die Farbung ist dunkelblauschwarz. Die einzelnen Grannen-
haare aber sind schwarz und gelb geringelt, die Spitzen dunkelbraun.
Das Tier lebt hauptsachlich von kleinen Saugetieren, Agutis, Kaninchen,
Mausen, Hirschkalbern, Vogeln usw. Es besucht auch haufig Geflugelhofe,
um Hiihner zu rauben. Dem Menschen geht es aus dem Wege und greift ihn
auch in die Enge getrieben nicht an. Meist lebt es in einem bestimmten
Distrikt paarweise, doch sammeln sich manchmal mehrere Paare in cinem
giinstigen Jagdterrain.
Der mexikanischc Jaguarundi ist hell gefarbt, statt der schwarzgrauen
und rotlichen Farben tritt hier mehr blassgelb hervor. Der Kopf ist grau.
Das Fell kommt fast gar nicht in den Handel und hat auch keinen be-
sonderen Wert.
In denselben Gegenden lebt die Eyra, Felis eyra, auch im Zoologischen
Garten oft falschlich als Fossa-Katze (Felis fossata) bezeichnet, die direkt
einen Ubergang von den Katzen zu den Mardern bildet. Der Korper ist
ungemein langgestreckt, die Beine niedrig, der Kopf klein, die Korperlange
5° — 55 cm> der Schwanz 30 bis 40 cm. Die Tiere werden fast nie zahm und
sind ungemein blutdiirstig, wie unser Marder und Iltis. Das Fell ist graugelb
bis rotlichgelb einfarbig und hat keinen Handelswert. Das Tier geht nordlich
bis Texas, siidlich bis Paraguay, und ist stets an Waldgebiet gebunden.
d) Tiger.
Auch von dieser schonen Katze, deren Heimat ausschliesslich Asien bildet,
gibt es verschiedene scharf unterschiedene Arten. Die am langsten bekannte
Art ist der bengalische Tiger, Felis tigris bengalensis, der Vorderindien be-
wohnt, vom Himalaja bis zur Siidspitze und noch heute, trotz aller Nach-
stellungen, recht haufig ist. Trotzdem kann man viele Jahre in Indien leben,
ohne einen Tiger zu Gesicht zu bekommen. Das schone dunkel rotbraune Fell
mit den schwarzen unregelmassigen Querstreifen, ist der Farbe des Dschungels
und namentlich dem Spiel von Sonnc und Schatten so angepasst, dass er fast
unsichtbar bleibt.
Das ausgewachsene Mannchen besitzt einen starken Backenbart, der auch
als Mahne bezeichnet wird. Das Fell des indischen Tigers ist stets flach, die
II. Die Katzenarten.
393
Haare kurz und die Unterwolle sehr wenig dicht, am Bauch 1st die Behaarung
etwas langer. Seinen Lieblingsaufenthalt bildet der sich am Fuss der Gebirge
hinziehende Waldgiirtel der ,,Terai", aber auch weit vom Walde entfernt
tauchen Tiger auf.
Im allgemeinen gehen sie demMenschen aus dem Wege und stellen mehr
dem Wild und dem weidenden Vieh nach. Auch hierbei werden sie 6ft ers von
den wehrhaften Biiffeln bose zugerichtet. Beim Herannahen eines Tigers
fliichtet sich der Hirt auch personlich unter seine Buffelherde, um ungefahrdet
zu entkommen. Einzelne Tiger aber, meist altere Exemplare, werden zu so-
genannten ,,maneaters", und legen sich nun ausschliesslich auf die Menschen-
Bcngal Tiger (Felts tigris Bengalenzes) .
gez. v. Anna Matschie-Held.
jagd, indem sie in der Nahe der Strasse sich auf die Lauer legen, und nachts
selbst in die Dorfer brechen, um ihre Opfer zu holen. Ganze Dorfer mussten
schon verlassen werden wegen der Nahe eines solchen Maneaters, die iibrigens
auch haufig paarweise auf tret en. Die englische Regierung zahlt hohe Pramien
fur die Erlegung jeden Tigers, die Zahl derselben ist dadurch auch stark
zuriickgegangen. Immerhin sollen noch jetzt jahrlich mehrere Tausend
Menschen den Tigern zum Opfer fallen. In den meist en Dorfern ist ein berufs-
massiger Jager, ,, Shikaree", vorhanden, der hauptsachlich die Gegend von
gefahrlichen Raubtieren freihalten soil. Dies Amt ist in der Familie erblich.
Besonders gute Tiger jager liefern die Angehorigen der vordravidischen Stamme,
z. B. die Ghonds und andere.
Die meisten Tiger werden aber von den englischen Offizieren und Beamten
erlegt, bci denen dies der beliebteste und am hochsten stehende Sport ist.
Auch die indischen Fiirsten betreiben die Tiger jagden im grossen Stil, als
394
Naturgeschichte der Pelztiere.
Treibjagd mittels Elefanten. Beriihmt sind die Tiger jagden des Nabobs von
Kutsch Behar, des Maharadja von Jeypore und des Nizam von Hydarabad.
Diese Treibjagden, wobei der Jager hoch oben in der Howdah des Elefanten
sitzt, sind meist wenig gefahrlich fur den Teilnehmer, aber wegen des grossen
Apparats sehr kostspielig. Die englischen Sportsleute erlegen den Tiger mit
der Biichse auf dem Anstande oder auf dem Purschgange zu Fuss, nachdem
die Nahe eines Tigers gemeldet ist.
Der Tiger ist iibrigens der Todesgottin Kali heilig, der Schutzpatronin
der Thugs. Der indische Tiger halt sehr lange in der Gefangenschaft aus. Im
Berliner Zoologischen Garten lebt ein riesiger bengalischer Tiger schon iiber
20 Jahre. Auch im Zoologischen Garten von Kalkutta sah ich Exemplare, die
dort schon gegen 30 Jahre gefangen gehalten wurden. Den grossten Tiger aber,
der wohl eine Lange von 12 Fuss von der Schnauze bis zur Schwanzspitze hatte,
sah ich im Garten des Maharadja von Jeypore.
Von den bengalischen Tigerfellen gelangen nicht viele in den Grosshandel.
Die von den europaischen Sportsleuten erbeuteten Felle verbleiben natur-
gema'ss in deren Besitz als Trophaen, wahrend die von den eingeborenen
Shikaree erlegten Felle in den Basaren von Kalkutta, Simla, Delhi usw. meist
an die Touristen verkauft werden. Es geht sogar das Geriicht, dass einzelne
solcher Tigerfelle nachher als ,,selbsterlegt" mitgebracht wurden.
Der Handelswert eines guten bengalischen Tigerfelles ist etwa 100 Mk.
Aus den Klauen werden namentlich in Benares sehr schone Broschen und
Ohrringe gefertigt.
Etwas abweichend in derFarbe ist der Tiger, der Hinterindien, Birma, Siam,
Cochinchina und die Malakkahalbinsel bewohnt. Er ist heller in der Grundfarbe
und die dunklen Streifen sehmaler. Vom Festland aus, namentlich vomFursten-
tum Johore aus, durch-
y * , I I I WBHHHBl| schwimmen noch jetzt
Tiger den schmalenMeeres-
raum nach Singapore und
machen die Plantagen die-
ser schonen Insel unsicher.
Friiher geschah dies in sehr
grossem Umfange, aber
auch jetzt noch kommen
jahrlich 3 oder 4 Tiger nach
der Insel. Bei meiner letz-
ten Anwesenheit dort war
ein Tiger von den Sikhpoli-
zisten erlegt worden, der
in ein Chincsenhaus dcr
Vorstadt von Singapore
eingedrungen war.
Indischer Schneeleopard.
II. Die Katzenarten.
395
Eine eigene Rasse bildet der Inseltiger, Felis tigris sondaicus, der auf
Sumatra und Java lebt. Er 1st viel kleiner als der bengalische, die Grundfarbe
ein belles, ins Graue spielende Gelb, die schwarzen Streifen viel schmaler
und in weiteren Zwischenraumen. Das Fell ist glatt, glanzend und kurzhaarig,
der Schweif kiirzer und diinner als beim bengalischen Tiger. Auch dieser Tiger
richtet sehr grossen Schaden an, ist aber auf Java durch die vielen Nach-
stellungen seltener geworden, auch finden sich hier Menschenfresser-Tiger
seltener, da ihm die vielen Wildschweine eine leichte Beute liefern.
In Ostasien findet sich der Tiger, Felts tigris, chinesisch Lao Fu oder Lao
Hu, koreanisch Huran, in alien Gebieten des Kontinents, d. h. vom Siiden
Chinas bis uber den Amur hinaus, und auf Korea ; dagegen fehlt er auf Japan.
Auf der Insel Hainan soil er nicht selten vorkommen. Schrenck behauptet, dass
einzelne Exemplare auch auf Sachalin umherstreifen, doch bezweifle ich dies.
|.;
i
gez. v. Anna Matschie-Held.
Java Tiger (Felis tigris sondaicus).
Es sind mehrere Rassen des Tigers in Ostasien scharf zu unterscheiden.
i. Der sudliche,im Handel Amoy-Tiger genannte. Er kommt
in den Provinzen Kwangsi, Kwantung, Yunnan, Fokien, Anhui, Kiangsee
und vereinzelt auch in Chekiang vor. In Grosse und Habitus ahnelt er dem
bengalischen Tiger, weicht aber in der Farbe stark von ihm ab. Die Grund-
farbe ist viel heller und gelblicher, und die Streifen sind schmaler, zahlreicher
und scharfer gezeichnet. Er gleicht in der Farbe dem Sunda-Tiger, ist aber
erheblich grosser als dieser und steht dem Tiger aus Indochina (Anam, Tonkin,
Cochinchina) wohl ziemlich nahe. Im allgemeinen geht cr dem Mcnschen aus
dem Wege, es finden sich aber doch zahlreiche ,,Maneatcr" dazwischen.
Namentlich in der Nachbarschaft von Swatow und Amoy rauben Tiger jahrlich
zahlreiche Chinesen, und auch in dem von Missionaren viel besuchten Luft-
kurort Kuliang, unweit Foochow, schleppte im Vorjahre ein Tiger eine Frau
fort. Erst kurzlich baten die Einwohner eines ca. 50 km von Foochow gelegenen
Ortes die Missionare, doch sportlustige Europaer zur Tiger jagd zu veranlassen,
396 Naturgeschichte der Pelztiere.
da die Bestien zu dreist geworden und im ganzen Distrikt jahrlich wohl 200
bis 300 Menschen ihnen zum Opfer fie] en. Mehrere Nimrode aus Schanghai
leisteten auch der Einladung Folge.
Auch auf der Hongkong gegenliber liegenden Halbinsel Kowloon haben
sich ofters Tiger gezeigt, ohne indessen grosseren Schaden anzurichten. Im all-
gemeinen aber weicht der Tiger dem Menschen scheu aus und begniigt sich
mil Wild, weidendem Vieh und Haushunden. Auch die wehrhaften Wasser-
buffel sind vor seinen Angriffen sicher, da er im grossen und ganzen feige ist.
Die meisten der sogenannten Maneaters sind altere und schwache Exemplare,
die dem Wilde nicht mehr folgen konnen und, von Hunger getrieben, Menschen
angef alien haben. Haben sic allerdings erst einmal Menschenblut gekostet und
gesehen, eine wic leichte Beute die Krone der Schopfung darbietet, so suchen
sie ihn ausschliesslich zu ihrer Nahrung, bis das Schicksal sie in Gestalt einer
Kugel oder Fanggrube ereilt.
Der allgemeine Glaube, dass ein Tiger, der Menschenfleisch genossen
hat, raudig wird, beruht wohl auf einer Verwechslung von Ursache und Wirkung
denn, wie schon gesagt, die Menschenfresser-Tiger sind eben meist alte und
kranke Tiere.
2. Der nordliche oder Mandschu-Tiger, Felis tigris longri-
pilis, unterscheidet sich sehr wesentlich vom vorigen und bildet eine besondere
Art. Das Haar ist viel langer und dichter, erreicht auf dem Riicken und den
Flanken ca. 5 cm Lange, mit einer dichten Unterwolle, die dem siidlichen Tiger
fehlt. Auf der Brust und am Halse ist das Haar viel langer, aber auch diinner
und lockerer. Hals, Brust und Bauch sind weiss, wahrend sie beim siidlichen
Tiger gelb sind. Die Streifen sind breiter und mehr verlaufend. Der ganze
Korperbau ist viel stammiger und gedrungener, der Schadel breiter und das
Tier auch im Durchschnitt viel grosser. So habe ich mehrere Felle des nord-
lichen Tigers gesehen, die von Schnauze bis Schwanzspitze 13 Fuss engl.
(3,95 m) massen Die Grundfarbe variiert, so sind z. B. die Felle aus der
Mandschurei gelblicher, die aus Sibirien und der Mongolei rotlicher im
Grundton.
In China findet sich der nordliche Tiger in der Mandschurei, der Mongolei
und der Provinz Kansu, auch soil er in einzelnen Exemplaren in Shansi und
Shensi vorkommen. In Ostsibirien ist er bis an den unteren Amur haufig.
Der ostsibirische Tiger wird jetzt als Felis tigris amurensis besonders unter-
schieden, wahrend der mongolische Tiger als Felis tigris mongolicus bezeichnet
wird. Radde gibt an, dass der ostsibirische Tiger vom kaukasischen, der bis
zum Altai streift, stark verschieden ist. Im Nordwesten Chinas ist der nordliche
Tiger in der letzten Zeit selten geworden, und auch in der Mandschurei und Ost-
sibirien ist er nicht mehr so haufig wie friiher.
1892, als ich zum ersten Male nach Wladiwostok kam, waren die Tiger
noch in der nachsten Umgebung nicht selten, und kurz vorher war ein riesiges
Exemplar auf dem Hofe der dortigen Brauerei in einer Falle gefangen, nachdem
II. Die Katzenartcn.
397
es vorhcr schon vcrschiedcne Schweinc aus dor Umzaunung goholt. Audi
lief in den Geschaftsraumen der deutschen Firma Langeliittje ein junger,
zahmer Tiger umher, der in der Nachbarschaft gefangen war. Man zeigte mir
dort auch einen russischen Tiger jager, der in einem Renkontre mit drei Tigern,
die er auf einer Lichtung iiberrascht hatte, schwer verletzt war. Mit scincr
Winchester-Repetierbiichse hatte er zwei getotet und den dritten todlich ver-
wundet, wurde aber von diesem schlimm zugerichtet. Er schlcpptc sich noch
nach seiner Hiitte, wo er nach zwei Tagen von seinen Kameraden gefunden
wurde. Trotz der schweren Verletzungen genas er aber und betrachtete die
600 Rubel, die er fur die drei Felle erhielt, als ausreichendes
v. Anna Matschie-Held.
Amurtiger (Felis tigris amurensis) .
In den Provinzen Kweichau, Hunan, Honan, Szechuen und vereinzelt
in Hupeh kommt ein Tiger vor, im Handel ,, Hankow-Tiger" genannt, der in
seinem Habitus, namentlich auch in Lange und Dichte der Behaarung einen
Ubergang vom nordlichen zum sudlichen Tiger zu bilden scheint, sich aber
mehr dem letzteren nahert. Er ist wahrscheinlich mit dem Hoangho-Tiger
neuerer Forscher identisch. In den Provinzen Chili, Schantung, Kiangsu und
wahrscheinlich auch in Chekiang kommt der Tiger iiberhaupt nicht vor.
Eine besondere Art bildet der koreanische Tiger, den ich Felis tigris
coreensis nennen mochte. Er ist bedeutend kleiner als die vorgenannten, aber
gedrungener und fast so lang und dicht behaart wie der mandschurische. Die
Grundfarbe ist rotlich, die Streifen sind breit, aber sehr deutlich ausgepragt.
Die koreanischen Tiger sind fast alle ,,Maneater", wenn auch ihre Haupt-
nahrungscjuelle die zahlreichen Hunck bilden. An der Westkuste der Halbinsel
398 Naturgeschichte der Pelztiere.
ist er selten, dagegen im Osten und Nordosten noch sehr zahlreich und dabei
ungemein frech. Im Winter kommt er aus den Gebirgsschluchten mitten in die
Dorfer und Stadte, um sich Hunde zu holen, dringt aber auch in die Hauser
ein, um menschliche Opfer herauszuschleppen. So war der Englander Stripling
Zeuge, wie ein Tiger nachts in dem Dorf, in welchem er iibernachtete, eine Frau
aus einer Hiitte, deren Lehmwand er zertrummert hatte, herausriss und mit ihr
verschwand. Auf einer Reise im Keum Gang San (Diamantgebirge) traf ich
im Kloster Mai Ha Yan die Monche in grosser Aufregung, und man zeigte mir
die Spuren, wo in der Nacht vorher ein Monch vom Tiger weggeschleppt war,
wahrend er sich nur auf kurze Zeit vor die Tiir des Klosters begeben hatte.
In den hauptsachlichsten Tigergegenden werden die Reisenden, welche
nach Einbruch der Dunkelheit weiter mussen, von Ort zu Ort durch Fackel-
trager begleitet, zu deren Stellung die Ortschaften gesetzlich verpflichtet sind.
Auch wir wurden von solchen begleitet, und es gewahrte einen prachtigen
Anblick, die Karawane im Scheine der aus wohl 12 Fuss langen und fussdicken
Biindeln trockener Hanfstengel bestehenden Fackeln sich iiber die Felsen
winden zu sehen, wahrend der langgezogene Ruf ,,Pul, Pul" (Feuer, Fackeln),
der die Ablosung im nachsten Orte aufmerksam machen sollte, das Echo der
Walder wachrief. Obwohl zu deren Empfang geriistet, bekamen wir iibrigens
nirgends Tiger zu Gesicht, wohl aber zahlreiche frische Spuren.
In Gensan war vor einigen Jahren ein Tiger sogar in das Gehoft des Zoll-
hauses eingedrungen, und man sah aus den Spuren, dass er eine ganze Weile
unter den offenen Fenstern des im Parterre gelegenen Schlafzimmers des Zoll-
direktors Oisen gestanden hatte. Ob ihm derselbe aber zu mager erschienen,
oder ob der Tiger sonst misstrauisch war, er begniigte sich damit, den Hofhund
als Andenken mitzunehmen. In Korea existiert iibrigens eine besondere Gilde
der Tiger] ager, die namentlich vor der Erschliessung des Landes eine grosse
Rolle in alien Berichten spielen wegen ihrer angeblichen Todesverachtung
und Schiesssicherheit. Bei der grossen Feigheit aller Koreaner und der erbarm-
lichen Beschaffenheit der von ihnen gebrauchten Lunteflinten glaube ich,
dass alle von Koreanern erlegten Tiger die Todeskugel erst erhalten haben,
nachdem sie in einer Fanggrube gefangen waren.
In Korea gehort es iibrigens bei den ,, Yenbans", der herrschenden Klasse,
zumguten Ton, einTigerfell auf dem Ehrensitz gebreitet zu haben, doch ziehen
sie bei dem in Korea allgemein herrschenden Mangel an Kleingeld meistens
vor, sich dasselbe zum Geschenk machen zu lassen.
Im chinesischen Handel spielt der Tiger keine unbedeutende Rolle, und
kein Korperteil bleibt ungenutzt. Die Felle, abgesehen von der Verwendung
fur den Ausfuhrhandel, bilden auch beliebte Geschenke fur die Mandarinen.
Die Krallen sind als Amulette sehr beliebt (man muss, wenn man ein Tigerfell
gekauft hat, sehr genau aufpassen, da sonst die Klauen unter den Handen
weg gestohlen werden) . Das Herz wird als mut- und kraf tverleihend gegessen,
und die Knochen bilden einen wichtigen Bestandteil der Pharmacopoea sinaica.
II. Die Katzenarten.
399
Das Fell des nordlichen Tigers hat im Grosshandel in Europa einen Wert
von 200 bis 800 Mk., nach Grosse und Schonheit, wahrend der Amoy-Tiger
50 — 100 Mk. und der Hankow-Tiger 100 bis 300 Mk. erzielt. Das Fell des
koreanischen Tigers, welches sehr schon, aber klein ist, kostet etwa 150 bis
300 Mk. Fleisch, Krallen und Knochen des Tigers werden schon im Innern mil
25 bis 100 Tael (i Tael ca. 3 Mk.) bezahlt. Der gliickliche Erleger eines Tigers
erhalt also fur chinesische Begriffe ein ziemliches Vermogen. Die Zahl der
zur Ausfuhr gelangenden Tigerfelle hat in den letzten Jahren sehr nach-
gez. v. Anna Matschie-Held.
Tiiran Tiger (Felts tigris virgata) .
gelassen, es diirften jahrlich etwa nur 200 nordliche, ca. 300 siidliche China-
Tiger, etwa 50 bis 100 sibirische und 30 bis 40 koreanische Tigerfelle nach
Europa gelangen. Lebende Exemplare von nordischen und koreanischen
Tigern sind iibrigens erst seit kurzem nach Europa gekommen und in den
Zoologischen Garten grosse Seltenheiten.
Die Javaner haben iibrigens den Aberglauben, dass nach Art des alten
Werwolfglaubens gerade die Menschenfresser-Tiger eigentlich Menschen seien,
die sich nachts in Tiger verwandeln. Gefangen wird er auf Java und Sumatra
von den Eingeborenen meist in Fallgruben, auf den europaischen Plantagen
wendet man aber grosse Stahlfallen mit Erfolg an, von denen die besten aus
Deutschland geliefert werden.
400 Naturgeschichte der Pelztiere.
Audi von diesem Tiger kommen wenig Felle auf den Markt. Auf Borneo
soil der Tiger nicht vorkommen, ebenso fehlt er auf Ceylon. Bei den Fiirsten
von Solo und Djokjokarta auf Java gehorte es zu der regelmassigen Hof-
festlichkeit, gefangene Tiger mil Biiffeln kampfen zu lassen, oder gegen einc
dichte Reihe Lanzentrager loszulassen, wo er beim Versuch, zu entkommen,
sicli an den Lanzcn aufspiesst.
Eine weitere Tiger art ist Fells tigris virgata, dessen Verbreitungsbezirk
am nachsten nach Enropa reicht. Er findet sich am Osthange des Kaukasus,
am Ufer dcs Kaspischen Meeres, in Transkaspien, Turkestan und Ostpersien.
Die Turkmenen nennen ihn Julbars, wie Radde, oder Jollbars, wie Sven Hcdin
schreibt. In den Rohrbruchen und denTamariskendschungeln, am Murgab, dem
Sir Darja, und dem Tarim ist er haufig, stellt aber den Menschen wenig nach,
da er geniigend Nahrung unter den Wildschweinherden findet. Dieser trans-
kaspische Tiger ist sehr gross, die Grundfarbe rotlich, die dunklen Streifen
breit, aber etwas verschwommen, das Haar etwa als mittellang zu bezeichnen.
Es kommen mehrere hundert Felle jahrlich nach Nishny-Nowgorod, die einen
Wert von 200 bis 300 Mk. per Stuck haben, und einige Exemplare werden auch
hoher bezahlt. Nordlich schliesst sich der Verbreitungsbezirk des Altai-Tigers
Felis tigris altaicus an, der bedeutend kleiner und gedrungener ist, ein langes,
dichtes Haar und rotlichbraune Grundfarbe hat.
e) Jaguar.
Man unterscheidet mehrere Art en des Jaguars. Felis one a bewohnt ganz Sud-
amerika, von Kolumbien bis Patagonien, Felis centralis lebt in Mittelamerika,
Felis goldmanii in Yucatan und dem siidostlichen Mexiko, Felis hernandezii
in Mexiko, Texas und bis an den Redriver von Louisiana. Im spanischen
Siidamerika wird er uberall Tiger genannt, in Brasilien Onca oder Unze, und
zwar unterscheiden die Brasilianer zwei Arten, Onca pinado mit der ge-
wohnlichen Zeichnung und Onca canguen mit dicht aneinander gereihten
Flecken, die kleine unvollkommene Kreise bilden. Die Grundfarbe des siid-
amerikanischen Jaguars ist rotgelb, auf dem Riicken dunkler, gegen die Seiten
hin heller; Bauch, Kehle und Brust weiss. Runde, schwarze Flecken bilden
an Hals, Kopf und Beinen, sowie auf der Mitte des Ruckens unregelmassige
Langsreihen von offenen Rauten, an den Seiten und auf den Lenden grosse
Kreise von 2 bis 3 Zoll Durchmesser; an den Beinen befinden sich Halbringe
und am Schweif Querbinden und Ringe. Die Zeichnung ist aber im allgemeinen
sehr unregelmassig, und man findet sehr selten mehrere ubereinstimmend ge-
zeichnete Felle.
Die Lange des sudamerikanischen Jaguars ist 1,50 bis 2 m von der
Schnauze bis zur Schwanzwurzel, und die Schwanzlange 60 bis 75 cm. Ich
II. Die Katzenarten. 401
habe aber Felle gesehen, die eine Lange von 2,50 m ohne Schweif hatten; die
Hohe des Jaguars an der Schulter betragt 80 bis 90 cm. Der nordamerikanische
Jaguar (hernandezii) ist kleiner als die anderen Arten, der Leib langer, aber die
Beine niedriger, die Grundfarbe ist heller und die Rosetteflecke scharfer ab-
gegrenzt. Die Zahl der Jaguare hat stark abgenommen, da sie sich mit der
zunehmenden Kultur zu wenig vertragen. In den Vereinigten Staaten sind sie
fast ganz verschwunden, und auch in Mexiko und Sudamerika sind sie seltener
geworden. Humboldt gibt noch die Zahl der jahrlich nach Europa gebrachten
Tigerfelle auf 2000 an, jetzt mogen es aber vielleicht so viele hundert sein.
Der Wert eines gut en Tigerfelles ist 80 bis 100 Mk.
In Nord-Brasilien kommt eine schwarze Abart vor, der man ebenso falsch-
lich wie dem schwarzen Panthers Javas besondere Wildheit zuschreibt.
Im Berliner Zoologischen Garten bef indet sich ein sehr schones Exemplar dieser
Abart, und man kann deutlich die schwarzen Flecke auf der dunklen Grund-
farbe erkennen, nameiitlich, wenn das Tier von der Sonne beschienen wird.
Die Felle solcher schwarzen Jaguare werden ubrigens in Brasilien selbst sehr
hoch bezahlt. Uberhaupt holen bei der verhaltnismassigen Seltenheit des Vor-
kommens Jaguarfelle in Sudamerika meist bessere Preise als in Europa.
Sie werden teils dort selbst zum Zimmerschmuck verwendet, teils von
Touristen und Schiffskapitanen zum Mitbringen gekauft. Der Jaguar nimmt
seinen Lieblingsaufenthalt in den Galerie -Waldern, am Ufer der Strome,
wo er nachts auf Raub ausgeht. In bezug auf Beute ist er vielseitig; am
meisten fallt ihm das grosse Flusscjiwein oder Capivara zur Beute, aber vom
Hirsch und von dem machtigen Tapir bis herab zur Schildkrote und Eidechse
verschmaht er nichts. Auch den Her den stellt er nach und richtet unter den
Pferden und Maultieren grossen Schaden an, den wehrhaften Stieren geht er
aber gern aus dem Wege. In wildreichen Gegenden weicht er auch den Menschen
gern aus, doch bildet er sich in anderen Gegenden leicht zum Menschenfresser
aus, der sich dann in der Nahe der Dorfer niederlasst. Auf alle Falle aber
ist der Jaguar infolge seiner Kraft und Gewandtheit ein sehr gefahrlicher
Gegner.
Das Weibchen wirft 2 bis 3 Junge, die in 3 Jahren ausgewachsen sind.
Im allgemeinen leben die Jaguare einzeln, und nur wahrend der etwa 6 Wochen
dauernden Begattungszeit paarweise. Gerade wahrend dieser Zeit sollen sie
besonders gefahrlich fur den Menschen sein.
f) Panther und Leoparden.
Es ist eine alte noch unentschiedene Streitfrage, was eigentlich als
Leopard und was als Panther zu bezeichnen ist. Im allgemeinen gilt als Panther
das grossere, kraf tigere Tier mit • ringartigen Flecken, doch ist die Grenze
zwischen beiden Tierarten sehr verwischt.
26
402 Naturgeschichte der Pelztiere.
Die in Asien zahlreichste Art ist Felis pardus pantera, der Ostindien und
Ceylon bewohnt. Er hat mehr ringformige als rosettenformige Flecke, die
aber dicht zusammenstehen, die Grundfarbe ist rotlich gelb, der Bauch weiss-
lich. Riicken, Kopf, Seiten und Beine mit grossen, ringartigen schwarzen
Flecken, die nicht vollig geschlossen sind und deren innerer Teil lebhaft orange-
gelb ist. Diese Ringflecke sind langs des Korpers in 6 bis 8 Querreihen ver-
teilt. Kopf, Hals, Brust und Innenseite der Beine sind mit zahlreichen kleinen,
dicht gedrangt stehenden, vollen schwarzen Flecken besetzt, am Bauch
grossere, weit auseinander stehende, voile schwarze Flecke.
Der auf Ceylon vorkommende Panther ist ebenso gezeichnet, doch ist die
Grundfarbe leuchtender gelbrot und die Grosse des Tieres etwas geringer.
Das Haar ist etwas langer und weicher.
In der Nordost-Gegend Indiens soil iibrigens noch ein kleinerer, hellerer
und dichter gefleckter Leopard vorkommen.
Die Panther Indiens richten grossen Schaden am Vieh an, und deshalb
setzt die Regierung eine hohe Pramie auf ihre Erlegung aus. Trotzdem aber
jahrlich zwischen 4- bis 5000 Panther in Indien getotet werden, scheint ihre
Zahl nicht abzunehmen.
Einzelne alte Exemplare haben sich auch zu Maneatern ausgebildet und
sind dann noch viel gefahrlicher, als ein Menschenfresser-Tiger, da der Panther
noch viel gewandter, schlauer und daneben auch blutgieriger ist, als der Tiger.
Die Lange eines indischen Pantherfelles ist etwa 1,60 bis i,8om ohne den
Schweif.
Es kommen jahrlich etwa 1000 bis 2000 Felle in den Handel, die einen
Wert von etwa 20 Mk. pro Stuck haben.
Die nachste Art ist Felis pardus variegatus, der Siam, das siidliche
Indochina, Java und Sumatra bewohnt. Er ist ein grosses Tier. Grundfarbe
dunkles Gelb mit rotlicher Nuance. Die Flecke bei dern im Berliner Zoolo-
gischen Garten aus Siam stammenden Exemplar bilden offene Ringe, die durch
runde Punkte geschlossen werden. Die auf den Sunda-Inseln lebende Varietat
ist bedeutend kleiner, hat aber einen viel langeren Schweif. Die Oberseite ist
rotlich -ockergelb, Unterseite weiss. Kopf, Hals, Riicken und Unterseite sind mit
kleinen runden, vollen schwarzen Flecken besetzt, Seiten, Schultern und Kreuz
mit zahlreichen kleinen Flecken, die aus 3 — 4 schwarzen Punktflecken gebildet
sind. Auf Java findet man sehr haufig schwarze Panther, die aber keine
eigene Art bilden, sondern nur Schwarzlinge sind, die mit den gefleckten Jungen
in einem Wurf vorkommen. Merkwiirdigerweise ist das Vorkommen aber nur
auf die Inseln beschrankt, auf dem Festlande kommt der schwarze Panther
nie vor. Auch hier gilt dasselbe wie beim schwarzen Jaguar: er ist ganz unver-
dient in den Ruf besonderer Wildheit und Bosartigkeit geraten, namentlich
wohl auch durch den bekannten Roman von Eugen Sue. In Wirklichkeit
ist er nicht mehr und nicht weniger wild und blutdiirstig als der gefleckte
Panther.
II. Die Katzenarten. 403
Ein sehr schoner Leopard ist Felis pardus
tulliana, der persische Leopard. Grundfarbe
helles Graugelb, das stellenweise fast ins
Weissliche iibergeht. Zahlreiche kleine
Ringe, untermischt mit vollen kleinen
schwarzen Flecken. Das Tier ist grosser
und schlanker als der indische Panther, der
Schweif langer und das Haar etwas langer
und dichter, aber ebenso grob. Von Per-
sien aus reicht sein Verbreitungsbezirk
durch Kleinasien, Syrien bis nach dem
Kaukasus. Die meisten Felle davon kommen
liber Russland an den Markt, doch sind es
jahrlich hochstens einige Hundert.
Im siidlichen China lebt ein Leopard, der zu- Gesch. Aufn. d. Neuen phot. Ges.
erst von mir als eigene Art beschrieben wurde, und Persischer Leopard.
Felis pardus sinensis benannt. Er ist dem indischen
Leoparden sehr ahnlich, aber im Durchschnitt kleiner. Die Grundfarbe ist ein
dunkleres Gelb, die Flecken sind auch kleiner. Er kommt in den meisten
Provinzen des siidlichen und mittleren Chinas vor, doch ist er nirgends sehr
haufig. Man erhalt seine Felle indessen oft mit den Fellen des Hunan-Leoparden
zusammen. Der nordliche Leopard Felis' pardus Fontanieri lebt in der
Mandschurei, Mongolei, einzelnen Teilen Chilis, Shansi und Kansu. Er ist im
allgemeinen bedeutend grosser und starker als der indische Panther. Die
Grundfarbe ist ein helles Braunlichgelb mit schwarzen geschlossenen Ringen
und Ringflecken in 6 bis 8 Langsreihen, zwischen denen unregelmassige kleine
und grossere Vollflecke eingestreut sind. Die Behaarung ist lang und dicht
mit einer dichten weichen Unterwolle. Am Bauch und Hals sind die Haare viel
langer und weicher, aber auch loser als an den iibrigen Korperteilen, und von
weisslicher Farbe. Auf der Unterseite befmden sich weitlaufig angeordnet
grosse Vollflecke. Der Schweif ist besonders lang und dick, mit 10 oder 12
vollkommenen Ringen. An den Fiissen und Unterschenkeln kleine Tiipfel-
flecke. Neben diesem grossen, schonen Panther kommt in derselben Gegend
vereinzelt ein kleiner Leopard vor, als Felis pardus Greyi oder Leopardus
Mnensis verschieden beschrieben. Man findet manchmal diese Falle zusammen
mit denen des grossen nordlichen Leoparden. Die Flecke stehen viel dichter und
sind kleiner, das Haar nicht so lang, die Grundfarbung etwas dunkler. In Korea
wird der Panther durch Felis orientalis vertreten, der wohl identisch mit dem
aus Ostsibirien, dem Amur- und Ussuri-Gebiet beschriebenen Felis villosa ist.
Er ist ebenso gross wie Felis fontanteri, aber heller gefarbt und der Schweif
etwas kiirzer. Er ist langhaarig, aber hellweisslich gelb, auf der Unterseite
weiss, schwarze Rosettenflecken auf Riicken und Seite, auf den Gliedern und
Schultern schwarze Vollflecke von etwas unregelmassiger Gestalt.
26*
404 Naturgeschichte der Pelztiere.
Herr Professor Matchie beschreibt noch eine neue Pantherart, die
Lt. Filchner mil aus Hinganfu gebracht hat, und die er Panther a hanensis
nennt. Er ist ebenfalls langhaarig, hell ockerfarbig, die Flecken aber anders ge-
ordnet. Es mogen sich aber solche Felle unbeachtet unter den nordlichen
Leopardenfellen ofters finden.
In Hunan, Honan, Kweichow und Szechuen lebt ein Leopard, der weniger
langund dicht behaart, auch kleiner von Statur, einen Ubergang zum sudliehen
Panther zu bilden scheint, der Hunan-Leopard.
Von nordlichen Leoparden habe ich oft Felle gesehen, welche eine Lange
von 8 Fuss engl. (ca. 2% m) hatten, wovon etwa 3 Fuss auf den Schweif kamen,
wahrend ich unter Hunderten von Fellen siidlicher und Hunan-Leoparden kein
Exemplar iiber 7 Fuss gesehen habe, und auch solche von 7 Fuss nur sehr selten.
Der Leopard lebt meistens in felsigen und bewaldeten Gegenden, stellt dem
Wilde und dem weidenden Kleinvieh nach, kommt auch nachts oft in die Ort-
schaften, um Hunde undZiegen wegzuschleppen. Dagegen ist mir kein Fall be-
kannt, dass er dem Menschen nachstellt, obgleich ein verwundeter oder in die
Enge getriebener Leopard ein sehr gefahrlicher Gegner ist. In Korea sind
Leoparden sehr haufig. In den Kliiften des sich steil im Norden von Soul
erhebenden Gebirgsstockes hausen sie in Mengen und kommen im Winter in
die Stadt, um Hunde zu rauben. Ja selbst in der Umgegend der Hafenstadt
Chemulpo wird von Zeit zu Zeit ein Leopard gespiirt.
Ein eigenartiges Abenteuer erlebte die deutsche Erzieherin im Hause des
Herrn von Waeber, des russischen Gesandten in Soul, vor einigen Jahren.
Sie war eines Wintermorgens noch in der Dammerung in den Hof gegangen, um
die Hiihner zu fiittern. Beim Of men des Stalles fiel ihr auf, dass ein tags vorher
geschlachtetes Schwein nicht am Platze hing, sondern am Boden lag. Als sie
darauf zuging, sprang ein Tier dahinter auf und drangte an ihr vorbei zur Tiir
hinaus. Draussen blieb es einen Augenblick stehen, und die junge Dame er-
kannte zu ihrem Schrecken einen riesigen Leoparden. Sie stiess einen Schrei
aus, worauf der Leopard mit machtigem Satz iiber die Hofmauer in den Garten
eines daneben liegenden alten Palastes sprang. Auf den Alarmruf eilten die
Hausbewohner herbei. Der schon friiher erwahnte Englander Stripling drang,
mit seiner Winchesterbuchse bewaf fnet, begleitet von mehreren Lanzen tragen-
den Koreanern in den Palastgarten, um den unliebsamen Besucher aufzuspiiren.
Plotzlich sprang derselbe drei Schritt von ihm entfernt auf. Stripling hatte
keine Zeit, das Gewehr anzulegen, und schoss von der Hiifte. Gliicklicherweise
stiirzte sich das schwerverwundete Tier nicht auf den Schiitzen, sondern ver-
kroch sich unter der Veranda, wo es gleich darauf verendete. Fell und Schadel
wurden mir noch von dem glucklichen Jager gezeigt.
Ich selbst habe nur einmal in Korea einen Leoparden in der Wildnis
zu Gesicht bekommen, der unter einem uberhangenden Felsen lagerte und
von unseren Tragern aufgescheucht wurde. Er wartete aber eine nahere Be-
kanntschaft nicht ab, sondern verschwand, ehe ich die Biichse an die Backe
II. Die Katzenarten.
405
reissen konnte, im dichten Unterholz, und ich konnte nur noch seinen gelblichen
Korper blitzartig durch die Biische gleiten sehen. Das Fell des Leoparden bildet
in China und Korea einen beliebten Sesselschmuck in den Hausern der Manda-
rinen, und auch die Klauen sind begehrt. Fleisch und Knochen spielen aber
in der chinesischen Medizin nicht annahernd die Rolle der Tigerknochen und
werden nur als billiges Surrogat verwendet. Auch der Wert des Felles ist nicht
so hoch. Das Fell des nordlichen Leoparden hat auf dem Londoner und
Leipziger Markte etwa einen Wert von 30 bis 50 Mk., das des siidlichen 10 bis
25 Mk. Die jahrliche Ausfuhr betragt etwa 300 nordliche, ca. 600 siidliche und
100 koreanische Felle.
Auch in Afrika kommen verschiedene Pantherarten vor, von denen
namentlich die folgenden zu unterscheiden sind. Der westafrikanische Leopard
Felts pardus leopardus ist ein sehr grosses Tier,.mit kleinen Ohren, glatt an-
Afrikanischer Leopard (Felts pardus leopardus).
gez. v. Ann* Matschie-Held.
liegender Behaarung, Schweif zwei Drittel der Korperlange. Die Oberseite des
Korpers hat eine hellgelbliche Grundfarbe, an den Seiten weissgelb, die Unter-
seite ganz weiss. Kopf, Nacken, Beine, Brust und Bauch sind mit kleinen
vollen Flecken besetzt, die am Bauch grosser und weiter von einander entfernt
sind, am Kopf und Hals am kleinsten und dichtesten sind. Uber die Kehle zwei
schwarze Querbinden und langs des Riickens zwei Reihen langlicher voller
schwarzer Flecke. Die Seiten- Schultern und Schenkel mit ziemlich grossen
aus 5 bis 6 schwarzen Punktflecken zusammengesetzten Rosetten. Schwanz
mit ahnlichen Rosetten besetzt, die dann am Ende halbringformig werden.
Der Verbreitungsbezirk dieses Leoparden reicht von Senegambien bis
nach Deutsch-Siidwestafrika. In Abessinien, Somali-Land und dem ostlichen
Sudan lebt Felis pardus Nimmr. Die Ohren sind grosser als bei dem vorigen.
Die Flecken grosser und weiter von einander stehend, an den Seiten mehr ring-
formig und rosettenformig. Die Grundfarbe ist dunkler, hellbraunlich oder
rotlich. Weiter nach Siiden wird dieser Leopard durch den Felis pardus
406 Naturgeschichte der Pelztiere.
suahelicus vertreten, der sehr grosse Flecken zeigt. Daneben soil nach Prof.
Matchie auch noch ein kleiner Leopard mil hellen Flecken auftreten.
Im Norden des Erdteils, in Algier, Tunis usw. lebt ein ungewohnlich grosser
dunkel gefarbter Panther, Felis pardus antiquorum. Derselbe ist aber sehr
selten geworden, da er wegen der Verheerungen, die er unter dem Vieh an-
richtete, stark verfolgt wurde. Erlegte doch der beriihmte franzosische Panther-
jager Bonbonel in Algier allein iiber 600 Panther. Auch im Kaplande, Transval
und Orange-Republik ist der Leopard seltener geworden, doch hat sich heraus-
gestellt, dass die Affenherden, denen der Leopard stark nachstellt, sich in-
folgedessen so vermehrt haben, dass sie an den Feldern vielleicht grosseren
Schaden anrichten, als der Leopard an den Herden. In Deutsch-Ostafrika
ist der Leopard noch sehr haufig und auch inDeutsch-Sudwestafrika durchaus
nicht selten. Er fiirchtet die Nahe des Menschen nicht und hat seine
Hohle haufig dicht neben der Ansiedlung. Er greift Menschen fast nie an,
sondern sucht sich, wenn entdeckt, still zu driicken, nur wenn er verwundet ist
oder in die Enge getrieben wird, ist er ein gefamiicher Gegner, cler mit grosser
Gewandtheit und Kraft seine gefahrlichen Waffen, die scharfen Klauen und
das machtige Gebiss z%brauchen versteht. Er bricht iibrigens haufig nachts in
die Stallungen des Kleinviehs, der Ziegen und Schafe ein, doch wagt er sich
an Grossvieh sehr selten. Die grossen alt en Pavian-Mannchen Ostafrikas
fiirchten sich durchaus nicht vor dem Leoparden und man hat oft
Kampfe beobachtet, in denen der Leopard den kurzeren zog. Der afrikanische
Leopard wird, wenn er Jung gefangen, leicht zahm. So bezeugen z. B. die
Leoparden, die Herzog Friedrich von Mecklenburg von seiner ersten Reise
mitgebracht hat, noch heute grosse Freude, wenn einer der friiheren Pfleger sie
im Zoologischen Garten zu Berlin besucht. Man findet auch nicht selten
schwarze Leoparden, namentlich in Abessinien. Es kommen einige hundert
Felle jahrlich auf den europaischen Markt, die einen Wert von 10 bis 20 Mk.
pro Stuck haben. Die Mehrzahl der Leopardenfelle bleibt aber im Lande und
wird entweder zum Schmuck des Hauses oder zur Kleidung der Eingeborenen
verwendet. Namentlich die verschiedenen Kaffernstamme schatzen Karosse
aus Leopardenf ellen sehr hoch.. Die Felle werden von ihren Frauen sehr gut ge-
gerbt und sind die Karosse oder Decken auch sorgfaltig zusammengestellt und
genaht. Solche Decken werden iibrigens an Ort und Stelle viel zu hoch bezahlt,
um fur den Pelzhandel in Betracht zu kommen.
g) Irbis.
Der Irbis, Felis uncia, engl. Snowleopard, franz. Once, hat ein ungemein
weites Verbreitungsgebiet. Von Cashmere und dem westlichen Himalaya er-
streckt sich dasselbe durch das ganze Hochland Zentralasiens, Turkistan, an
den Amur bis nach China.
II. Die Katzenarten. 407
Hier soil er in Anhui Kiangsee, Szechuen Hunan und Hupeh, haupt-
sachlich aber im Norden, in Teilen von Chili und der Mandschurei vor-
kommen. In Ostsibirien ist er haufig. Nach Schrenck soil er auch auf Sachalin
vorkommen, was ich aber bezweifle. Ebensowenig kommt er auf Korea
vor, wenn auch das Gegenteil behauptet wird. Ebenso beruht die Angabe
von Pallas und Schrenck, dass der Irbis auch in Japan vorkame, auf einem
Irrtum. Der chinesische Name ist La Ong. Das Fell ist hervorragend schon
und scheint in der Mitte zwischen Luchs und Panther zu stehen. Die Grund-
farbe ist ein zartrotlich angehauchtes Weiss, das Haar fast 5 Zentimeter
lang und sehr weich und dicht wollig. Langs des Riickens ziehen sich reihen-
weise geschlossene schwarze Flecke, auf den Seiten unregelmassig verteilte,
halboffene schwarze Ringe. Der ungemein lange, dichtwollig langbehaarte
Schweif ist rotlich-weiss mit schwarzen, regelmassigen, ringformigen Quer-
binden. (Abbildung siehe Seite 410.)
Im allgemeinen ist die Lebensweise ahnlich wie beim Leoparden, doch
soil er mehr auf Baumen leben und von hier aus dem Wilde auf den Nacken
springen. Die Nachrichten iiber sein Freileben sind sehr sparlich. -Nach
Schrenck wird er von den Golden und Gilyaken mehr gefurchtet als der
Tiger, wahrend nach Radde ihn die Eingeborenen Ostsibiriens gar nicht
furchten. Auch in Kashmere und Tibet wird der Irbis weniger als der Leopard
gefurchtet. Wahrscheinlich ist die Lebensweise dem Luchs ahnlich, der ja
auch den Menschen nur angreift, wenn er verwundet ist. Die zwei Schnee-
leoparden des Berliner Zoologischen Gartens sind recht zahm. Irbis und
Leoparden sollen sich ubrigens selten in demselben Revier aufhalten. Die
Gesamtlange ist 7 bis 8 Fuss, wovon 3 bis 4 Fuss auf den Schweif kommen.
Es ist schwer, das Quantum festzustellen, welches jahrlich auf den Markt
kommt. Uber Nishnij und Irbit kommen wohl 5 bis 800 Felle in den Handel,
von China direkt vielleicht hundert. Einige hundert werden auch in den
indischen Hiigelstationen Simla etc. feilgeboten und gehen dort meist in den
Besitz von Touristen oder Angloindiern iiber.
Der Wert eines Felles schwankt zwischen 30 bis 80 Mark.
h) Serval.
Diese graziose Katzenart, die nicht zu verwechseln ist mit der falschlich
im Pelzhandel Serval genannten Zibetkatze, findet sich sowohl in Afrika
als auch in Asien. In Indien leben zwei Arten:
Felis viverrina, durch den langen Schwanz ausgezeichnet, der zwei
Fiinftel der Korperlange einnimmt. Die Lange des Felles von der Schnauze
bis zur Schwanz wurzel betragt etwa 80 cm. Die Farbe ist dunkelgelbgrau,
Unterseite weiss. Uber Schulter und Nacken bis zum Scheitel 5 schmale
Langsbinden, der Riicken mit langgestreckten streifenartigen Flecken be-
408 Naturgeschichte der Pelztiere.
setzt, die 5 unterbrochene Langsbinden bilden. Seite mit rundlichen schwarzen
Flecken und der Schweif dunkelgelbgrau, nur auf der Oberseite mit rund-
lichen schwarzen Flecken. Spitze schwarz.
Die zweite Art, Felis himalayana, ist etwas kleiner, der Schweif auch
verhaltnismassig kiirzer als beim vorigen. Behaarung kurz und dicht, gelbbraun>
Unterseite weiss. Von Stirn bis Schwanzwurzel laufen 4 schmale, tief braun-
schwarze oder dunkelschokoladenfarbige Langsstreifen. An den Seiten
ebenso gefarbte, kurze fleckenartige Streifen. Unterseite mit runden braunen
Flecken. Schweif ist graubraun mit 8 bis 9 undeutlichen braunen Ringen.
Uber das Freileben lauten die Nachrichten sehr verschieden. Fest steht
nur, dass die Eingeborenen das Tier mehr fiirchten, als seine Grosse es recht-
fertigt und es als ein sehr blutgieriges Geschopf schildern. Beide Servalarten
klettern vorziiglich und halten sich mit Vorliebe in Walddistrikten auf.
In Afrika ist der Serval ziemlich verbreitet und werden die folgenden
Arten unterschieden :
Felis serval in Algier und Ostafrika, ein schlankes hochbeiniges Tier, mit
kleinem Kopf und grossen, breiten, zugespitzten Ohren. Der Schwanz nimmt
zwei Fiinftel der Korperlange ein, dicht behaart, dick und walzenformig mit
stumpier Spitze. Die Grundfarbung des Felles ist hell iahlgelb, die Unter-
seite weiss. Auf Kopf und Schultern 4 schmale Langsbinden. Auf dem
Riicken 3 bis 4 Langsbinden. Seiten und Schenkel mit zahl-
•A- reichen, grossen, rundlichen Flecken, auf der Unterseite ahnliche,
?/^ /7 aber weiter verteilte Flecke. Schwanz, auf der Oberseite 4 Halb-
ringe. Schwanzspitze schwarz. Die Korperlange von der Schnauze
Jlfi bis zur Schwanzwurzel etwa 90 — 95 cm.
Felis serval capensis ist etwas
kleiner, der Schweif aber noch langer
und mit 10 schwarzen vollen Ringen,
die Schwanzspitze iahlgelb.
An der Westkiiste findet man
\ :^.;*£-t / ••/v verschiedene Servalarten.
I-' '£$% Felis serval senegalensis. Schweif
^Sl ' * "%<K. se^r kurz , nur ein Viertel der Korper-
,i • lange. Grundfarbe rotgelb. Unter-
seite isabell, Kehle weiss. Uber den
f J Riicken 3 Langsreihen schwarzer
| langgezogener Flecken, die band-
artig aneinander gereiht sind. An
den Seiten zahlreiche runde voile
^
Flecke, Ohren schwarz.
• y> Bei Felis serval galeopardus ist
gez. v. Anna Matschie-Heid. der Schwanz noch kiirzer, nur ein
Afrikanischer Serval (Felis serval capensis) . Fiinftel der Korperlange. Grund-
II. Die Katzenarten. 409
farbe fahlgelb. Langs des Riickens cine dunkel Langsbinde und zahlreiche,
kleine, schmale, langliche Punkte liber den Riicken. Uber Seiten und Schultern
zahlreiche schwarze runde Tiipfelchen.
Felis serval neglecta zeichnet sich durch einen iiberaus langen diinnen
Schweif und fast einfarbigen Rumpf aus. Von der letzten Art, Felis serval
togoensis aus Togo, habe ich bisher kein Fell gesehen. Die Servalfelle bilden
iiberhaupt kein en regelmassigen Handelsartikel, wenn solche an den Markt
kommen, holen sie 2 bis 3 Mk. per Stuck.
Im Berliner Zoologischen Garten befinden sich mehrere lebende Servale,
die auf den Beschauer einen drolligen Eindruck machen, da sie haufig wie
ein Hund aufrecht auf den Hinterbeinen sitzen.
DieTieresind grosseRauber,die unter den jungenAntilopen und sonstigem
Kleinwild stark aufraumen. Auch den Huhnerstallen der Eingeborenen
statten sie gern Besuch ab und wiirgen dort mehr als sie verzehren konnen.
In der Gefangenschaft werden sie leicht zahm. Mein verstorbener Freund
Dr. Otto Kersten hatte langere Zeit ein paar Servale gehalten, die so zu-
tunlich wie Hauskatzen waren. In Ostafrika bilden Servalfelle ein Attribut
der Hauptlingswiirde, weshalb auch von dort aus gar keine Felle in den
Handel kommen. Alt gefangene Servals benehmen sich sehr ungebardig und
werden wohl nie zahm. Bei den Kapburen ist der Serval unter dem Namen
Boschkatte bekannt.
i) Nebelpanther.
Von diesem schonen, aber seltenen Tier gibt es auch mehrere Art en.
Die bekannt este ist Felis nebulosa im nordlichen Indien, dem Himalaya,
Sikkim Assam und im Gebirge von Siam und Birma, wo er bis 7000 Fuss
hoch steigt. Er erreicht die Grosse eines kleinen Leoparden. Der Grundton
der Farbe ist graubraun bis gelbbraun, Unterseite heller, Kopf oben gefleckt,
zwei breite Bander mit schmaleren Bandern aus verlangerten Flecken da-
zwischen. Uber dem Riicken langliche Flecke. Die Seiten mit grossen,
unregelmassigen, dunklen Stellen, die durch schmale, fahle Stellen getrennt
sind. Die Flecke meist schwarz gesaumt. Schweif mit vielen dunklen
Ringen. Das Tier lebt nach Blandford vorzugsweise auf Baumen.
Auf Borneo lebt Felis macrocelis der Rhiman Dau der Malayen, der
grosser als der Sundapanther ist. Die Grundfarbe ist braunlichgrau, Unter-
seite lohfarben. Kopf, Fiisse und Unterleib mit vollen schwarzen Flecken,
am Halse drei unregelmassige Langsbander, zwei ahnliche auf dem Riicken,
auf Schultern, Seiten und Schenkeln unregelmassige, winklig gesaumte
Flecke. Korperlange i m, die Schweiflange 60 cm. Das Tier lebt ebenfalls
meist auf Baumen, nahrt sich von kleinen Saugetieren und Vogeln, holt sich
allerdings auch ofters die Haushuhner der Eingeborenen. Es greift den
410
Naturgeschichte der Pelztiere.
Menschen nie an, ist iiberhaupt ziemlich gutmiitig und wird in der Gefangen-
schaft leicht zahm.
In China lebt eine andere Art, von der es nicht ganz sicher ist, ob es
Felis macrourus ist oder mit Felis brachyurus identisch ist. Mit dem auf den
Sundainseln lebenden Nebelpanther hat er eine gewisse Ahnlichkeit, weicht
aber in Grosse und Farbung stark ab. Ich habe zahlreiche Felle in Schanghai
gesehen, von denen leider keins vollstandig erhalten war. Die Grundfarbe
ist ein dunkles braunlichgelb, viel dunkler als beim Leoparden. Langs des
Riickens lauft eine Doppelreihe geschlossener, langlicher, kleiner Ringe von
etwa 3 bis 4 cm Durchmesser. Auf den Seiten befinden sich grosse geschlossene
Ringe von unregelmassiger, langlicher Form von etwa Handgrosse. Der Schweif
ist gleichfalls mit grossen unregelmassigen Ringen gezeichnet. Die Gesamt-
lange des Felles ist 1,60 bis 2 m, wovon 60 bis 80 cm auf den Schweif kommen.
Angeblich soil das Tier nur in Schantung vorkommen, doch konnte mir
keiner der chinesischen Handler etwas Naheres dariiber mitteilen. Der Chinese
nennt ihn einfach mit demselben Namen wie den Leoparden Pao, von dem
er aber ausserlich ganz verschieden ist.
Gesch. Aufn. d. Neuen Phot. Ges.
Irbis (Felis uncia) .
II. Die Katzenarten. 411
k) Sudamerikanische Tigerkatzen, Ocelot etc.
Die Sudamerikanische Tigerkatze ist wohl die am schonsten gezeichnete
unter alien Katzenarten. Es sind verschiedene Arten hiervon in Amerika
vertreten.
Am nordlichsten geht Felis -pardalis, der von Zentral- Amerika bis Mexiko
stark verbreitet ist. Die Grundfarbe ist gelblichbraun, die Flecken sind lang-
lich gezogene Rauten und Doppelstreifen in regelmassigen Reihen ange-
ordnet, Kopf rund und mittelgross, die Beine verhaltnismassig hoch, das ganze
Tier schlank und grazios.
Uber d,en Nacken laufen vier schwarzgesaumte Streifen, im Innern
lebhaft rotgelb gefarbt. Auf dem Riickgrat eine Reihe schmajer, schwarzer,
langgezogener Flecke. ; Auf den Seiten Langsreihen langgezogene Rauten
mit schwarzem Saum, innen hellrotgelb, darin schwarze Punktflecke. Auf
den Schenkeln kleine offene ringartige Augenflecke. Kopf klein und rund.
Die Korperlange ist ca. 90 cm, d,er Schweif nur ca, 30 cm lang, teilweise
geringelt.
In Louisiana, Arkansas und Texas wird es durch eine andere verwandte
Art vertreten, Felis ludoviciana oder limitis. Das Tier ist etwas kleiner als
das vorige, Grundfarbe mehr rotlichgrau, Unterseite und Kehle weiss. Uber
Nacken und Riicken drei schwarze Langsbinden, auf den Seiten vier schief-
gestellte Langsreihen, vollig voneinander getrennte Augenflecke, der en
Innenseite rotlichbraun, nicht mit schwarzen Punktflecken besetzt ist.
In Siidamerika finden sich Felis pardalis costaricensis, Felis aquatorilis
und schliesslich Felis chibigoiiazou, deren Verbreitungsbezirk von Brasilien
und Paraguay bis nach Patagonien sich erstreckt.
Alle diese Ocelot-Arten sind sich sehr ahnlich und weichen nur in der
Form und Anordnung der Flecken voneinander ab. Das Fell diirfte etwa
5 bis 6 Mk. wert sein und kommen bis jetzt jahrlich kaum mehr als einige
hundert Felis mearusis in den Handel.
Sehr nahe verwandt, und haufig auch mit dem Ocelot verwechselt, sind
die folgenden Arten: Felis maracaya, Brasilien und Paraguay bis zum nord-
lichen Patagonien. Die Korperlange bis zur Schwanzwurzel ist ca. 80 cm
lang, der Schwanz etwa 30 cm lang. Die Grundfarbe ist graugelb, die Flecke
rotlichgelb mit schwarzem Saum, sind voneinander getrennt, nicht vielfach
zusammenhangend wie beim Ocelot, auf Kopf und Riicken lange Reihen
schwarzer voller Tiipfel, auf dem Scheitel 5 schmale Streifen, auf Lenden
und Seiten breite dunkle Flecke, die von einem schwarzen, stellenweise
unterbrochenen Saum eingefasst sind.
Felis mitis in Brasilien und Guajana bis Surinam vorkommend, 1st etwas
kleiner als der Maracaya, der Schwanz zwei Fiinftel der Korperlange, die
Farbe etwas abweichend, daneben lebt Felis brasiliensis, gleich gross wie der
412 Naturgeschichte der Pelztiere.
vorige, aber mil breiteren kurzen Ohren, der Schwanz langer, fast die Halfte
der Korperlange. Die Grundfarbe ist weissgrau, Schultern mit schiefgestellten
schwarzen Streifen, auf den Seiten runde voile Flecke, liber die Vorderbeine
schwarze Querbinden.
In Mexiko kommen noch zwei andere Verwandte vor. Felis bujfoni in
Grosse wie der Maracaya, Grundfarbe rotlichgelb, Unterseite weiss, uber
Nacken und Hals 7 stark in die Lange gezogene, schwarze, streifenartige
Flecke, langs des Riickens eine Reihe voller schwarzer Flecke, auf den Seiten
Langsreihen getrennt stehender, rundlich schwarzgesaumter Augenflecke,
auf den Vorderbeinen eine schwarze Querbinde.
Felis mexicana, gleiche Grosse, Grundfarbe rotgelb, Nacken und Riicken-
streifen fehlen, sind durch langgestreckte schwarzgesaumte Augenflecke
ersetzt. Auf den Seiten bindenartige Langsreihe aus schwarzgesaumten
gez. v. Anna Matschie-Held.
Tiipfelkatze (Felis viverrina) .
Flecken mit schwarzen Punktcn. Auf den Schultern und Schenkeln grosse
schwarze Flecken.
Alle diese Arten werden im Handel einfach als Ocelot zusammen-
gefasst, wie man in Argentinien fast alle gefleckte Katzen als Gatos monteses
bezeichnet. In Brasilien heissen Ocelot und Maracaya ,,Jaguatiriga'.
Die Lebensweise der Ocelot-Arten ist eine ahnliche. Sie leben fast stets
paarweise und ausschliesslich in Waldgegenden, wobei ein Paar einen be-
stimmten Jagdbezirk innehalt. Die eigentlichen Ocelots halten sich aber dem
Menschen fern und stellen kleinen Saugetieren und Vogeln nach, ohne dabei
grosse Grausamkeit, oft aber grosse Gewandtheit zu verraten. Die Jagd iiben
sie iibrigens nicht in Gemeinschaft aus, und auch die Jungen, meistens nur
zwei an der Zahl, werden von der Mutter allein mit Nahrung versorgt. Sie
fliehen die Nahe des Menschen und wagen sich nur sehr selten in die Nahe der
Ansiedlungen. Gefangen werden dieselben in Fallen, in Sudamerika auch
haufig mit Hunden gehetzt. Die Indianer ziehen haufig junge Ocelots auf,
II. Die Katzenarten.
413
die leicht zahm werden. Verwundete Ocelots werden aber auch dem Menschen
gefahrlich, da sie dem Jager mil grosser Energie zu Leibe gehen.
Felts mitts und Felts maracaya sind trotz ihrer geringen Grosse viel blut-
gieriger und wilder und sollen sich. auch an grosse Saugetiere, wie die kleinen
Hirscharten, heranwagen, auch sind sie nicht so scheu und besuchen die
Huhnerhofe der im Walde gelegenen Gehofte regelmassig. Die deutschen An-
siedler Brasiliens, die ja hauptsachlich im Walde, an den Picaden wohnen,
haben viel unter dem Schaden zu leiden, den diese Katzen unter dem Ge-
fliigel anrichten. Gejagt werden sie meistens mittels Hunden, die sie schnell
gez. v. Anna Matschie-Held.
Strohkatze (Felis payeros).
zum Aufbaumen bringen, wobei sie der Jager mit einem Schusse erlegt. Jung
eingefangen werden auch sie leicht zahm.
In Brasilien lebt noch die langgeschwanzte Felis macroura,, die kleiner
als die vorige ist, die Korperlange etwa 60 bis 65 cm, der Schweif aber 45 bis
50 cm lang. Die Grundfarbe rotlichgelbgrau, 6 Langsstreifen iiber den Nacken,
iiber den Riicken 3 Langsstreifen, aus langlich schwarzbraunen Flecken be-
stehend. Das Tier, das auch in Paraguay noch vorkommt, ist verhaltnis-
massig selten, und soil einen sehr blutdurstigen Charakter haben, sie stellen
dem Geflugel stark nach, klettern gut, aber nicht gern, und werden meist mit
Schlagf alien gefangen. Bedeutend kleiner, aber sehr schon gezeichnet ist Felis
tigrina, von der Grosse einer Hauskatze. Der Schwanz hat die halbe Korper-
lange. Grundfarbe ist fahlgelb, Unter seite weiss. tJber den Riicken ziehen
sich Bander, schmale Reihen schwarzer voller Flecken. Auch die Beine sind
mit schwarzen Flecken besetzt. Lebt in Brasilien und Guayana. Sie stellt
hauptsachlich Ratten und Mausen nach, wird Jung gefangen sehr zahm und
414
Naturgeschichte der Pelztiere.
1st dann ein sehr schemes wie niitzliches Haustier. Felis venusta in Paraguay
und Argentinien. Grosse, etwas grosser als die vorige. Der Schweif langer
und diinner. Grundfarbe braungelb, 6 Langsstreifen iiber Nacken und Hals,
unregelmassige Flecke iiber Riicken und Seiten, die hinten in bandartige
Streifen zusammenfliessen. Querstreifen iiber die Brust. Schwanz mil
schmalen Halbringen umgeben.
Eine hiibsche kleine Wildkatze aus Argentinien ist auch Felis geoffryi,
Wildkatze.
deren Vorkommen sich bis nach Patagonien hinein erstreckt. Die Behaarung
ist kurz, glatt anliegend, die Korperlange etwa 50 cm, der Schweif 25 bis
30 cm. Die Grundfarbe ist dunkelgraugelb, Unterseite weisslich, Riicken
und Seiten mit zahlreichen, kleinen, unregelmassigen, schwarzen Flecken.
Schultern und Oberschenkel breite langliche Flecke, Beine Querbinden.
Schwanz graugelb, auf der Vorderhalfte rundliche schwarze Tupfen, End-
halfte mit schwarzen schmalen Ringen, Spitze graugelb.
II. Die Katzenarten. 415
In Mexiko lebt Felis catenata, Grosse einer deutschen Wildkatze, mil
dickem, gedrungenem Kopf und Korper, verhaltnismassig kurzen Beinen,
Grundfarbe rotgelb, Riicken und Seiten mit mehreren Reihen schief gestellter,
kettenartiger Langsbinden, die aus schmalen, langgestreckten, unvoll-
kommenen Augenflecken bestehen, die teils schwarz, teils rotbraun sind.
Auf dem helleren Bauch schwarze Streifen, Schwanz mit unvollstandig
schwarzen Ringen, Schwanzspitze gelb.
Grosse Ahnlichkeit mit unserer Wildkatze hat die in Argentinien und
Patagonien haufig, auf dem Campo von Paraguay und Siidbrasilien seltener
vorkommende Pampaskatze, Felis payeros. Kopf ist kleiner, der Korper ge-
drungen, die Behaarung ziemlich lang und dicht. Die Grundfarbe ist ein
strohiges gelbgrau, weshalb der spanische Name Gato payeros, Strohkatze.
Das einzelne Haar ist an der Wurzel braun, dann gelb, Spitze schwarz. Uber
dem Riicken und den Seiten zahlreiche, unregelmassige, schiefstehende
Langsbinden dunkelbraunlicher Farbe. Korperlange 60 bis 70 cm, Schweif
ca. 30 cm.
Felis neglecta ist ebenso gross wie die vorige, kurz behaart, glatt an-
liegende, aber weiche, rotlichgraue, am Grunde weisse Oberseite mit zahlreichen
vollen, dunkel und rotlichen, runden Flecken, die langs des Riickgrats lang-
lich gezogen sind. Auf der Unterseite unregelmassig grosse rote Flecke. Beine
mit dunkeln Querbinden, Schwanz dunkel, mit helleren Flecken. Korper-
lange ca. 70 cm, Schweif 35 cm. Es gibt in Siidamerika noch zahlreiche
andere Wildkatzen, die aber noch nicht beschrieben sind, namentlich die
Katzen der Westkiiste sind sehr wenig bekannt.
1) Asiatische Tigerkatzen.
Asien beherbergt eine grosse Anzahl Arten dieser kleinen, schon ge-
zeichneten Tiere, die aber erst zum Teil genauer beschrieben sind. In Indien
finden wir namentlich viele Arten.
Felis viverrina, die Tiipfelkatze, ist doppelt so gross als eine Hauskatze;
Kopf breit, ahnlich unserer Wildkatze. Die Grundfarbe ist graugelb mit
zahlreichen, weit voneinander stehenden schwarzen Tupfeln. Auf dem Kopf
und Nacken eine langgestreifte Zeichnung. Das Tier halt sich haupt-
sachlich in Siimpfen und Rohrdickichten an Flussen auf. Die Hauptnahrung
besteht aus Fischen, Muscheln und Schlangen, doch auch von Vogeln und
kleinen Saugetieren. Sie soil sehr wild und unzahmbar sein, und Blandford
erwahnt, dass sie die Pariahunde in der Nahe der Dorfer angreife, auch Kalber
und Schafe tote und gelegentlich auch Sauglinge wegschleppe. Ihr Ver-
breitungsbezirk ist Indien siidlich vom Himalaya und Ceylon. Sie soil auch auf
Formosa vorkommen, doch handelt es sich dort wohl um eine verwandte Art.
416
Naturgeschichte der Pelztiere.
Felis marmorata, etwas grosser als die Hauskatze. Schweif buschig,
aber gleichmassig dick, drei Viertel so lang als Kopf und Rumpf. Dichtes,
weiches Fell. Grundfarbe gelbbraun bis braungrau. Die Seiten durch schmale
helle Streifen in grosse unregelmassig geformte Flecken geteilt, die an der
hinteren Kante schwarz gezeichnet sind. Uber den Riicken unregelmassige
eckige Flecke und unregelmassige Ringe in Liingsbinden angeordnet. Auf
den Beinen und dem Schweif schwarze Flecke. Von den Augenwinkeln
nach dem Nacken ziehen sich zwei schwarze Binden. Dieses schone Tier
kommt im ostlichen Himalaya-Gebiet, in Sikkim Nepal, den Hiigelgebieten
Marmel-Katze (Felis marmorata) .
von Birma, Assam Siam und den Malacca-Halbinseln bis nach den Sunda-
Inseln vor, lebt auf Baumen und ist ein ausgesprochenes Nachtraubtier.
Sehr schon gezeichnet ist ferner Felis bengalensis, die Leopardenkatze.
Die Korperlange ist 30 bis 40 cm, der Schweif ca. 15 cm. Die Grundfarbe
ist fahlgelb mit langlichen Flecken, die sich in Reihen iiber Riicken und Seiten
ziehen. Die Flecken sind schwarz mit braun in der Mitte. Der Schweif
ziemlich buschig mit undeutlichen Ringen. Das Fell schon weich behaart.
Das schone Tier bewohnt ganz Indien, Birma, Siidchina, die Philippinen und
die Sunda-Inseln.
Felis rubiginosa, kleiner als unsere Hauskatze, besitzt ein weiches dichtes,
aber kurzhaariges Fell. Der Schweif ist halb so lang, als der iibrige Korper.
Grundfarbe rotlichgrau, unten weiss, Kopf, Rumpf und Beine mit dunklen
rostroten Flecken; vier dunklere Fleckenbander laufen langs des Riickens.
II. Die Katzenarten.
Das gewandte und graziose Katzchen bewohnt Siidindien und Ceylon, halt
sich meistens in der Nahe der Dorfer auf und wird in der Gefangenschaft
leicht zahm.
Felts pardicolor, Kopf bis Schwanzwurzel 30 bis 40 cm, Schweif gleich
lang. Grundfarbe fahlbraun mit grossen schwarzen Flecken oben, Unterseite
weisslich ohne Flecke. An jeder Seite des Nacken zwei Langsbinden. Zwei
Langsbinden aus grossen runden Flecken ziehen sich liber den Riicken, da-
zwischen eine Reihe kleiner unregelmassiger Flecke. Drei Reihen viereckiger
Flecke langs den Seiten. Beine gefleckt. Schwanz mit 8 bis 10 Ringen, die
durch gleichfarbige, hellfarbige Ringe getrennt sind. Lebt in Nepal und dem
siidostlichen Himalaya, halt sich auf Baumen auf, stellt kleinen Vogeln nach
und wird in der Gefangenschaft leicht zahm.
Felis maculosa, etwas grosser als die vorige. Grundfarbe grau; die
Flecke sind breiter, die Riickenbinden grosser. Der Schweif ist nur zwei
Drittel der Korperlange und zeigt 7 breite schwarze Ringe, die durch schmalere
gelbe Zwischenraume getrennt sind. Kommt nur in Birma vor.
Felis ornata,, die Wiistenkatze, bewohnt, wie schon ihr Name andeutet,
die wiistenartigen Sandflachen Radj put anas, so wie des westlichen Indiens
bis nach Beludschistan, wo sie sich hauptsachlich von Sandmausen nahrt.
Die Korperlange betragt 50 bis 60 cm, der Schweif die Halfte. Die Ohren
sind gross und spitz, der Schweif lauft sehr spitz zu. Die Behaarung ist kurz
und grob, die Grundfarbe sandgrau mit zahlreichen kleinen runden Flecken
auf dem Riicken. Kopf und Nacken mit schwarzen Langsstreifen. Bauch
weisslich. Beine mit schmalen schwarzen Streifen, breite schwarze Backen-
streifen. Hals und Brust weiss ohne Flecke. Schweif mit schwarzen Quer-
streifen, die am unteren Ende Ringe bilden. Spitze schwarz.
Eine ziemlich grosse Katze ist Felis temmincki, die Goldkatze. Kopf und
Rumpf ca. So^cm lang, Schweif 45 cm, Schulterhohe ca 50 cm. Die Farbe
ein dunkles Rotbraun, das im Nacken in dunkles Kastanienbraun iibergeht
und an den Seiten blasser wird. Kinn und Unterseite weisslich. Auf der Brust,
der Kehle und der Innenseite der Beine unregelmassigeMarkierung aus dunklen
Flecken. Lebt in Sikkim Nepal, Malacca, Sumatra und Borneo,
Felis torquatus besitzt die Grosse unserer Hauskatze. Schweif diinn
und spitz zulaufend, etwas mehr als die Halfte der Korperlange. Ohren rund.
Die Farbe aschgrau bis rotlichgrau mit schmalen dunklen Langsbinden iiber
den Riicken und verschiedenen unterbrochenen dunkelbraunen Querbinden
oder Fleckenreihen vertikal an den Seiten und dem vorderen Bauch. Brust
und hinterer Bauch ungefleckt. Schweif-Vorderhalfte mit undeutlichen schwar-
zen Ringen. Spitze schwarz. Diese Katze, die wahrscheinlich eine der
Stammformen unserer Hauskatze ist, bewohnt Nordindien.
Ganz Zentralasien bewohnt die Steppenkatze Felis manul, welche Ldie
Grosse der Hauskatze etwas ubertrifft. Das Fell ist weich, lang und dicht
behaart. Der'dicke^buschige, zylindrische? Schweif bat die halbe Korperlange
27
41 8 Naturgeschichte der Pelztiere.
Die Farbe 1st silbergrau bis gelblichweiss, dunkler auf dem Riicken. Brust
braun, Unterseite weiss. Die langen Grannenhaare sind weiss mil schwarzer
Spitze. Uber die Lenden einige schmale schwarze, undeutliche Streifen.
Das Tier bewohnt die Steppe, wie es sich hauptsachlich zwischen den Felsen
auf halt und Mausen und kleinen Saugetieren nachstellt. Ihr Verbreitungs-
bezirk reicht vom nordlichen Himalaya bis nach Sibirien. Besonders in der
Mongolei ist sie sehr haufig.
In China finden sich verschiedene Wildkatzenarten, die unterschiedslos
von den Chinesen als Teh Mao bezeichnet werden. Ich habe besonders drei
Arten beobachtet. Am haufigsten ist eine gefleckte Wildkatze, wahrschein-
Hch Felis microtis. Die Grundfarbe ist gelblich rotbraun, mit regelmassigen
gez. v. Anna Held-Matschie.
Indische Wildkatze (Felis crythrotir) .
braunlichen runden Flecken. Auf den Seiten ist sie heller, der Bauch weiss-
lich. Die Lange des Felles von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel ist
60 bis 70 cm. Die Schweiflange 15 bis 18 cm. Das Tier kommt hauptsachlich
in den Yangtsee-Provinzen, in der Mandschurei und Korea vor.
In denselben Gegenden findet man Felis euptilura, die etwas grosser als
die vorige ist. Die Grundfarbe ist heller, die Felle sind mehr geschlossen. Sie
kommt auch in der Nahe Shanghais vor, wo sie den Hiihnern und kleinem
Wilde nachstellt.
Eine dritte Wildkatze, Felis pallida, ist viel seltener als die vorigen.
Sie ahnelt mehr den europaischen Wildkatzen, ist aber kleiner und schlanker.
Die Korperlange ist etwa 80 bis 85 cm, der Schweif ca. 30 cm lang. Farbung
ist dunkelgrau mit schwarzlicher Stichelung und unregelmassigen schwarzen
Flecken. Der Schwanz ist dick, aber bedeutend langer als der unserer Wild-
katze.
II. Die Katzenarten. 419
Im westlichen China, Tibet etc. kommt Felts scripta vor. Gelblichgraue
Grundfarbe mit unregelmassigen Flecken, die am Rande dunkel, in der Mitte
hellrotbraun sind. In der Schultergegend und dem Nacken sind die Flecken
langlich gezogen. Es kommen noch vor: Felis chinensis, Felis ricketti, Felis
ingrami und Felis tristis im zentralen und westlichen China, welche ich
nicht selbst bestimmen konnte und woriiber ich auch in der Literatur
keine nahere Beschreibung finden konnte. Ausserdem hat Herr Professor
Matchie unter den von mir eingefiihrten chinesischen Katzen mehrere neue
Arten herausgefunden, sowie die oben erwahnte F. ricketti, F. ingrami und
F. chinensis. Diese chinesischen gefleckten Wildkatzen bilden bereits einen
Handelsartikel, und jahrlich kommen etwa 10- bis 12 ooo Stuck in Shanghai
auf den Markt, die alle bereits sorgfaltig zubereitet sind. Der Wert ist etwa
i Mark bis 1,50 Mark per Stuck augenblicklich. Bei grosserem Bedarf
wiirden auch wohl grossere Quantitaten zu beschaffen sein.
Die schon gezeichneten indischen Arten bilden aber vorlaufig gar keinen
Handelsartikel, da nur einige hundert Stuck jahrlich an den Markt kommen,
doch wiirden sich eventuell, wenn der Handel organisiert wurde, auch hiervon
grossere Mengen beschaffen lassen. Namentlich von den Arten, welche das
obere Birma, die Shanstaaten etc. bewohnen, da gerade die Shans sich sehr
gut auf die Zubereitung von Fellen verstehen.
m) Hauskatzen.
Die oft verachtlich erwahnten Katzenfelle bilden einen grossen Handels-
artikel, obgleich sie nicht, wie von Laienschriftstellern manchmal leichtfertig
behauptet wird, als Zobelfell und sonstige wert voile Pelzfelle verkauft werden.
Im Handel werden sie zunachst nach der Farbe und dann nach der Herkunft
unter schieden. Am wertvollsten sind die schwarzen Katzen, dann kommen
die sogenannten Cyperkatzen, mit dunkelgrauer Grundfarbe, schwarzlicher
Stichelung und regelmassigen schwarzen Flecken und Querbinden, dann die
verschiedenen Farben, die als Scheckenkatzen zusammengef asst sind. Schwarze
Katzen liefert Holland die besten, die in regelmassigen Katzenfarmen ge-
ziichtet werden. Zur Erzielung eines schonen dichten grossen Felles werden
in Holland die Kater haufig verschnitten. Ein schones hollandisches Katzen-
fell wird mit 3 bis 4 Mark bezahlt. Dann kommen nach der Reihe die Katzen
aus Bayern, Holstein, Danemark, der Schweiz und dann aus dem iibrigen
Deutschland. England liefert kleine, aber gute Felle, Frankreich und Siid-
europa geringere Felle. Spanien vorzugsweise rotgelbe Felle. Aus Russland
kommen grosse Mengen Katzen, die aber gering in Qualitat und auch meistens
schlecht zubereitet sind. Viele kommen auch in Form von Sacken gearbeitet
27*
420 Naturgeschichte der Pelztiere.
in den Handel. Amerika liefert viele grosse Katzen von geringer Qualitat.
Aus China kommen ziemlich gute Katzen, doch sind die schwarzen FeJle
aus dieser Gegend wenig wert, da sie eine rotlichbraune Farbe zeigen. Die
Cyperkatzen sind sehr schon in Farbe. Unter den Scheckenkatzen kommen
viele Felle von rotlichgelber Farbe vor, mit dunkleren Querbinden und
Flecken, sowie eine ganz eigenartige Farbe, die sonst nirgends vorkommt:
gelbe Grundfarbe mit schwarzlicher Stichelung, ahnlich wie beim Iltis. Tiere
dieser Art sind stets auch langer behaart und deuten auf eine andere Urform,
vielleicht eine Kreuzung mit der Steppenkatze ; sie kommen aber in demselben
Wurf mit den anderen Katzen vor. In China kommt unsere europaische
Hauskatze, in den Kiistenplatzen eingefiihrt, haufig vor neben den chine-
sischen Katzen. Letztere sind grosser und kraftiger und haben einen be-
sonders breiten und dicken Kopf. Der Preis der chinesischen zugerichteten
Katzenfelle ist augenblicklich etwa 75 Pfg. fur Cyperkatzen, 60 Pfg. fur
Scheckenkatzen.
Japan liefert auch gute Katzenfelle, Nachkommen der eingefiihrten
europaischen Hauskatzen.
Unter den englischen Katzen kommen ausser den schwarzen und den
verschiedenen Scheckenkatzen (mottled cats) besonders die Cyperkatzen
(grey oder tabby), die gelben Cyperkatzen, wie die oben erwahnten chine-
sischen (red tabby) und die sogenannten tortoise shell-Katzen, die aus schwarz-
rot und weissgelb zusammengesetzte Fleckenzeichnung tragen, ahnlich dem
Schildpatt, daher der Name. Am wertvollsten und seltensten sind blaue Katzen.
Australien liefert auch jahrlich eine Anzahl Katzen, die meistens gelb
Cyper (red tabby) sind, flach und gering in Qualitat. Die siidamerikani-
schen Hauskatzen sind reichlich ein Viertel kleiner als die europaischen
Hauskatzen. Unter den europaischen Katzen kommt noch eine dunkle
Cyperkatze vor, wo die Querbinden zu dunklen Flecken verbreitert sind,
die sogenannten Raderkatzen. Diese sind nicht haufig, geben aber ein
schones Futter. Abarten unserer Hauskatze sind die schwanzlose Man-
Katze auf der Insel Man, die Stummelschwanzkatze des malaischen Ar-
schipel und die Knotenschwanzkatze der Insel Kiushiu in Japan, deren ver-
dickter Schweif einen formlichen Knoten bildet. Alle diese Arten sind wohl
Abkommlinge der Fahlkatze, vielleicht mit Kreuzungen der Wildkatze.
Sibirien liefert eine langhaarige Katze mit feinem, seidenartigem Haar,
aber meist schwarzer oder braunlicher Farbe, wohl Abkommlinge der Steppen-
katze. Die bekannte weisse und blaue Angorakatze und die persische Katze,
die namentlich in Frankreich und England viel gehalten wird, mit dem langen,
seidenweichen Haar, sind fur den Pelzhandel wertlos. Die sogenannte chine-
sische Hangeohr-Katze mit angoraartiger Behaarung habe ich in ganz Asien
nicht zu Gesicht bekommen. Auch kannte sie keiner der befragten Chinesen.
Es kommen jahrlich in den Handel ungefahr 200 ooo Katzen aus Holland,
170 ooo aus Deutschland, 150 ooo aus dem ubrigen Europa, 300 ooo aus Russ-
II. Die Katzenarten. 421
land. China und Japan liefern ca. 150 ooo Stuck, Amerika 80 ooo Stuck.
Dass die Katzenfelle aber unter falschen Namen als wertvolles Pelzwerk
von den Kiirschnern verkauft werden, ist eine haltlose Verleumdung; die
meisten werden als Pelzfutter und als Schutzmittel gegen Rheumatismus,
auf der Brust zu tragen, verkauft.
Eine ganz besondere Stammform, wohl eine der Schleichkatzenarten,
hat jedenfalls die siamesische Katze, glatthaarig, einfach hellgraubraun ge-
farbt, der Kopf spitz, die Augen hellblau.
Die afrikanische Kaf f ernkatze ist rotlichgrau, mit gewellten braunen Quer-
binden und rotlichen Flecken. Der Schweif geringelt. Sie ahnelt dem siidafri-
kanischen Caracal und auch dem Sumpfluchs etwas, ist aber naturlich kleiner.
Die Lebensweise der Hauskatze sollte eigentlich geniigend bekannt sein,
doch ist keins unserer Haustiere so vorurteilsvoll beurteilt — wenigstens in
Deutschland. Wahrend in England und Frankreich die Katze zur Familie
gehort, gehegt und gehatschelt wird, gilt sie in Deutschland in den weitesten
Kreisen fur falsch, murrisch und dumm. Dabei ist die Katze, wenn sie im
Hause aufgezogen und gut behandelt wird, so anhanglich und zutraulich
wie ein Hund, springt ihren Bekannten freundlich entgegen und ist fur jede
Liebkosung empfanglich. Dabei ist sie fast auch ebenso intelligent wie der
Hund. Ich besitze eine Katze, die sich selbst die Tiiren offnet, indem sie
auf die Klinke springt, sich mit dem Vorderkorper dort anhangt und mit
den Hinterpfoten gegen den Tlirpfosten stosst, sicher ein Zeichen, dass sie den
Begriff der Kausalitat kennt. Jung gewohnt, ist sie auch durchaus stubenrein.
Eine schnurrende Katze vor dem Herdfeuer ist der Inbegriff der Gemiitlichkeit.
Naturlich darf man das Tier nicht nach den halbwilden, unablassig gehetzten
Geschopfen beurteilen, die man bei uns so haufig sieht. Deutschland und
Russland stehen in dieser schmachvollen Behandlung der Katzen einzig da,
selbst in der Holle der Haustiere, in Italien, werden diese Tiere besser behandelt.
In China ist die Katze, Mao, ein ungemein beliebtes Tier, namentlich
junge Katzen, und diese werden aus den Europaerhausern haufig gestohlen.
Auch in Japan bildet die Katze, Neko, einen beliebten Spielkamerad
der Kinder.
Junge spielende Katzchen sind die liebenswiirdigsten, graziosesten Ge-
schopfe, die man sich denken kann. Neun Tage bleibt die junge Katze blind,
zwei Monate lang saugt sie und ist mit 8 Monaten bereits fortpflanzungs-
fahig. Zweimal im Jahre wirft sie nach 7 wochentlicher Tragzeit 3 bis 6 Junge.
n) Ginsterkatzen.
Reizende Geschopfe sind die Ginsterkatzen oder Genettkatzen. Die bc-
kannteste ist die Genetta vulgaris, die in Frankreich und Sudeuropa vorkommt,
dunkelgelbgrau mit dunklen Flecken, langem Schweif mit schwarzen Ringeln.
422 Naturgeschichte der Pelztiere.
Das Tier 1st wesentlich kleiner als die Hauskatze. Die eigentliche Heimat der
Ginsterkatzen ist Afrika. In Westafrika leben Genetta genettoides, etwas grosser
als die europaische Genette; dieZeichnung besteht aus runden Flecken und
langlichen schwarzen Streifen, die ziemlich weitlaufig stehen auf grauem
Grunde. Genetta pardina lebt gleichfalls in Westafrika; dunkel umbra gelb,
Nacken rotlich gelb getiipfelt, schwarze Fleckenreihen, die in Streifen iiber-
gehen, um die Schultern durch Querriegel verbunden, iiber den Riicken
schwarze Langsstreifen, Schwanz lang behaait, dimkelbraun mil helleren
Ringen, Spitze schwarz.
In Siidafrika Genetta tigrina, hellgelbgrau mit wenigen weit zerstreut
stehenden dunklen Flecken. Der Riicken mit mahnenartig verlangertem Haar.
Der Schweif lang und diinn, mit breiten weissen und schmalen braunen
Ringen.
Im Senegalgebiet lebt noch haufig Genetta senegalensis, hellgelbgrau,
braunlich gefleckt, der hintere Teil des Riickens mit einer Mahne, Schwanz
schwarz und gelb geringelt. Alle diese Arten kommen aber nicht
haufig in den Handel und spielen deshalb auch keine Re lie. Einige
tausend Stiick diirften alles sein. Der Wert ist etwa 1,50 bis 2 Mk. Besonders
auffallig ist der Kopf mit dem scharfen Schnauzchen und den munteren
Augen, sowie der lange, geringelte Schweif. Die Tiere werden leicht zahm
und machen durch ihr munteres Wesen viele Freude. Die verschiedenen
Genettenarten des Berliner Zoologischen Gartens nahern sich in der Abend-
dammerung stets dem Gitter und versuchen, mit dem Beschauer zu spielen.
In der Freiheit besteht die Hauptnahrung aus kleinen Saugetieren, nament-
lich Mausen und Ratten, auch kleinen Vogeln und deren Gelege. Der Schaden,
den sie anrichten, ist gering. Im Handel werden die Felle oft als Buschkatze,
engl. bush cat, bezeichnet.
Von den meisten Forschern werden die Ginsterkatzen nicht zu den
echten Katzen, sondern zu den Schleichkatzen (Viverren) gezahlt.
o) Jagdleoparden.
Einen Ubergang von den Katzen zu den Hunden bildet der G e p a r d
oder Chitah, der Jagdleopard, von dem zwei Arten existieren: Cynaelurus
guttatus in Afrika und Cynaelurus jubatus in Asien. Die letztere Art wird
von altersher zur Jagd abgerichtet und hat die Grosse eines Leoparden, ist
aber viel hochbeiniger und schlanker. Die Ohren sind kurz und rund, das
Haar grob, das Nackenhaar etwas langer, eine Art kurzer Mahne bildend.
Das Bauchhaar ist etwas zottiger. Der Schweif ist mehr als die halbe Korper-
lange lang. Die Farbe ist gelb, unten heller, iiberall mit geschlossenen, runden,
kleinen schwarzen Flecken. Die Heimat des wildlebenden Tieres ist Indien,
II. Die Katzenarten. 423
Persien, bis zum Kaspischen Meer, Turkmenien, wo das Tier nach Radde die
verbreiteste Art der grossen Katzen ist. In Ceylon und den ostlichsten Teilen
fehlt es ganzlich. Es lebt vorzugsweise in niedrig gelegenen Felshiigeln nahe
der Ebene, von wo aus es namentlich den Antilopen nachstellt ; auch die grosse
Nylgau-Antilope wird von ihm uberwaltigt. Dagegen greift der Gepard nie
den Menschen an und lasst auch die Viehherden in Ruhe. Anatomisch steht
er vielfach den Hunden nahe, auch sind die Krallen nicht zuriickziehbar.
In Indien und Teilen Zentralasiens wird der Gepard schon seit alters
zur Jagd abgerichtet, da er auf kurze Strecken selbst dem Windhund weit an
Schnelligkeit iiberlegen ist. Ich selbst hatte Gelegenheit, in der Nahe von
Jeypore in Indien, einer Jagd mit Jagdleoparden beizuwohnen. Das Tier,
welches sich ruhig streicheln Uess, war auf einer Ochsenkarre gelagert und
mit einer Lederhaube und starkem Halsbande versehen. Die Karre fuhr
ins Feld bis in die Nahe einer weidenden Herde Blackbucks (Hirschziegen-
Antilopen). Die Kappe wurde dann gelost, sobald man die Antilopen ge-
sichtet hatte. Der Gepard kroch langsam herunter und schlich sich gegen
den Wind bis auf etwa 300 Schritt an die Tiere heran. Da gewahrten sie
ihn und stoben nach alien Richtungen auseinander. Mit Blitzesschnelle hat
er aber den mit schonen Hornern geschmiickten Bock eingeholt und zu Boden
gerissen. Ehe er ihn aber anschneiden konnte, waren die Wartei herbei-
geeilt und hatten ihn am Halsband zuriickgerissen. Dem Bock wurde als-
dann die Kehle durchschnitten, was eigentlich kaum notig war, da der Gepard
ihm das Genick gebrochen hatte. Als Belohnung erhielt er dann einen Teil
des Aufbruchs. Es kommen nicht haufig Felle in den Handel, der Wert
diirfte etwa 20 Mk. betragen.
p) Luchsarten.
Nordamerika beherbergt verschiedene Luchsarten, engl. Lynx, franz.
Loupcervier. Am grossten und schonsten ist der Silberluchs, Lynx cana-
densis, welcher hauptsachlich das Hudsonsbay-Gebiet, sowie Canada, Maine,
das nordliche Minnesota und Teile von Alaska bis British Columbia bewohnt.
Das Fell ist etwa 1,20 bis 1,40 m lang, der Schweif ist kurz und dick,
ca. 5 bis 6 cm lang mit schwarzer Endspitze. Die Farbung des Felles ist auf
dem Riicken ungefahr 3 cm lang und sehr fein und dicht, die Farbe ist ge-
mischt aus rotlichen und silbergrauen Haaren mit sehr schwach hervortreten-
den rotbraunen Flecken.
Die Unterseite ist mit feinem, wohl 10 cm langem weichem Haar be-
deckt, das rotlichweiss ist, mit vereinzelt stehenden, rotbraunen, runden
Flecken. Die Wangen sind mit einer Art Mahne von teils weissen, teils
schwarzlichen steifen Haaren bedeckt, die sich auch bis unter das Kinn er-
424 Naturgeschichte der Pelztiere.
streckt. Die Hinterbeine sind hoher als die Vorderbeine, die Sohlen mit einer
dichten Pelzschicht bedeckt, so dass er ganz unhorbar daherschleicht. Das
Leder ist recht dunn und fein, aber am Kopf und Nacken dick und schwer,
so dass das Umwenden der getrockneten Felle, die meist mit dem Leder
nach aussen in den Handel kommen, mannigfache Schwierigkeiten bietet.
Abgezogen werden die Felle stets durch einen Querschnitt zwischen den
Hinterbeinen. Felle, die auf dem Bauch anfgeschnitten sind, haben bedeutend
weniger Wert. Riicken und Bauch werden gesondert verarbeitet. Friiher
wurden die Felle stets naturell verarbeitet und waren namentlich in der Turkei
und in China sehr beliebt. Jetzt werden dieselben schwarz gefarbt und sind
besonders in Amerika sehr gesucht. Durch die starke Nachfrage ist der Preis
ungeheuer gestiegen fur prima Felle wurden im Jahre 1910 160 Mk. bezahlt,
wahrend sonst der Wert etwa ein Viertel dieser Summe betrug.
Merkwiirdig ist, dass das mehr oder minder haufige Vorkommen der Tiere
an bestimmte Perioden gebunden ist. Wie Mac Farlane, ein chief trader der
Hudsonsbay Co. berechnet hat, sind solche drei Saisons hintereinander sehr
knapp, in der vierten Saison gibt es dann doppelt so viel Felle, im fiinften,
sechsten und siebenten Jahre stets doppelt so viel wie im Vorjahr, im achten
Jahr bleibt die Zahl konstant, dann fur die nachsten drei Jahre immer je die
Halite des Vorjahrs. Dies scheint mit der periodischen Vermehrung des Haupt-
beutetieres des Luchses zusammenzuhangen, des Kaninchens, was sich ja
auch rapide vermehrt, bis dann durch Ubervolkerung des Gebietes Epi-
demien ausbrechen, welche ihre Zahl sehr reduzieren. Auch treten diese
Kaninchen manchmal grosse Wanderungen nach anderen Distrikten an,
wohin ihnen die Luchse folgen, ebenso wie die amerikanischen Zobel, die
iibrigens auch den Luchsen haufig zur Beute fallen. Sonst ist der Luchs
uberhaupt nicht sehr wahlerisch, er frisst auch Mause, Wildgefliigel und deren
Eier, Fische und Wildkalber. Die Angaben der alteren franzosischen Schrift-
steller, wonach die Luchse auf Baumasten auf die darunter vorbeikommenden
Hirsche lauern, denen sie dann auf den Riicken springen und die Halsader
durchbeissen, sind stark iibertrieben.
Den Menschen greift der Luchs nie an, und selbst verwundet, wendet
er sich nur zur Flucht, ganz im Gegensatz zu seinem europaischen Vetter,
der in solchem Fall den Jager wiitend annimmt. Das Fleisch, welches sehr
weiss und zart sein soil, wird von den Eingeborenen sehi geschatzt. Die besten
Felle kommen vom Yorkfort-Distrikt, sowie aus Alaska.
In Neuschottland ist der L. canadensis durch eine andere Art vertreten,
den Lynx gigas, der bedeutend grosser und dunkler ist, auch die Unterseite
ist ein sehr dunkles Weiss mit schwarzen Flecken.
An der Nordwestkiiste kommen auch zahlreiche Luchse vor, die aber
grober im Haar und rothcher in der Farbung sind. Auch das Leder ist meist
dicker. Es scheint dies auch eine abweichende Art zu sein, vielleicht mit
dem L. uinta aus Wyoming identisch.
II. Die Katzenarten. 425
Elliot erwahnt auch noch Lynx subolanus aus Neufundland und L. molli-
-pilosus aus Alaska als besondere Art.
Viel verbreiteter 1st der sogenannte Rotluchs, die amerikanische
Wildkatze, Cat common, Luchskatze, und von den amerikanischen Jagern
Bobcat auch Catamount genannt.
Im Westen ist dies meist Lynx fasciatus mit den Unterarten L. fasciatus
yallescens in Washington, L. baylei in Arizona, L. californica in Kalifornien.
In Canada und den nordlichen Teilen der Vereinigten Staaten ist L. rufus,
in den Sudstaaten, namentlich Arkansas und Texas, L. rufus texensis, in
Florida, Carolina usw. L. rufus floridanus.
In Nieder-Kalifornien kommt auch noch eine sehr kleine Art,
L. rufus peninsularis, vor, die etwa 60 bis 70 cm lang wird, blassrotlich mit
grauen Haarspitzen, ohne dunklere Abzeichen, Bauch weiss mit schwarzen
Flecken, Gesicht mit schwarzer Markierung. Der Wert der Luchskatzen
aus den verschiedenen Gegenden ist sehr verschieden. Aus Canada, Neu-
schottland, Maine und den andern nordlichen Gegenden der Vereinigten Staaten
kommen Felle, die an Lange des Haares und Dichte desselben, sowohl \vie
in der Farbung einem kleinen Luchse sehr nahe kommen, wahrend andere
nur einer Wildkatze ahnlich sehen. So sind die Felle der Westkiiste meist
hell, die vom Siiden stark gefleckt, aber kurz im Haar, alle zeigen aber die
helle Farbung des Bauches und stark ausgepragte Flecke auf dem Riicken.
Auch die Grosse schwankt von 60 cm bis zu i m Lange. Der Schwanz ist
kurz und dick und abweichend in der Farbe vom Luchs. Wahrend beim
^chten Luchs der Schwanz auf zwei Drittel der Lange dieselbe Farbe wie der
Riicken hat und die Spitze schwarz ist, findet man beim Rotluchs die Riicken-
farbe nur dicht an der Wurzel, der iibrige Teil ist schwarz, die Spitze aber
weiss. Sowohl bei L. rufus wie bei L. faciatus ist die Zeichnung auf den Backen
aus schwarz und weissen Streifen bestehend, besonders auffallend, am starksten
aber bei L. fasciata entwickelt, was ihm ja auch den Namen verschafft hat.
Der Wert schwankt naturlich auch sehr nach der Qualitat. So wurden
1910 die rauchen, zumFarben geeigneten Sorten mit 30 Mk. bezahlt, wahrend
die flacheren, zu Decken geeigneten Felle von 3 bis 8 Mk. brachten. Das
sind aber auch Ausnahmepreise, gewohnlich rangiert der Preis von 2 bis
10 Mark pro Stuck.
Die Zahl des Auftretens ist nicht wie beim Luchs periodisch schwankend.
Es kommen jahrlich etwa 20 — 30 ooo in den Handel. Nordlich von Canada
kommen diese Luchsarten nicht vor.
In den Vereinigten Staaten ist es ejn beliebter Sport, die Luchskatzen
dt Hunden zu hetzen und der Jagd zu Pferde zu folgen, bis die Hunde die
Katze zum Aufbaumen gebracht haben, worauf sie der Jager mit der Kugel
herunterholt.
Auch Roosevelt betrieb eifrigst diesen Sport und erlegte in Kolorado
in einem Tage 5 Bobcats, die von 22 bis 40 Pfund wogen. Die Katzen rennen
426 Naturgeschichte der Pelztiere.
sehr schnell und ausdauernd und dauerte es oft iiber eine Stunde, bis sie, in
die Enge getrieben, sich auf einen Baum fluchteten. Dies ist iibrigens das
einzige, wodurch sich diese Tiere einiger Beliebtheit erfreuen, sonst werden
sie dem Geflugelzuchter sehr schadlich und vergreifen sich auch an Lammern
und jungen Schweinen. Ebenso stellen sie dem Wildgefliigel, selbst dem
wilden Truthahn nach und greifeii auch Hirschkalber an. Ihre Lieblings-
nahrung sind aber die Prairiehunde, denen sie mil grosser Geduld auflauern.
Dem Menschen werden sie nie gefahrlich, setzen sich aber gegen einzelne
Hunde stark zur Wehr und iiberwaltigen sie auch oft.
Wahrend der echte Luchs mit Vorliebe in Waldern haust und auch sein
Lager stets in hohlen Baum en sucht, bevorzugt die Luchskatze Felshohlen
und ist nicht an den Wald gebunden. Der kanadische Luchs bringt jahrlich
nur zwei Junge, der Rotluchs drei bis vier.
Auch in Europa und Nordasien treten verschiedene Arten von Luchsen
auf. Am verbreitetsten ist Lynx cervaria, der Russland, den Ural, den
Kaukasus und Teile des sudwestlichen Sibiriens bewohnt. Er soil nach Radde
sich auch bis nach Ostsibiiien erstrecken, wo er aber eigentlich durch eine
andere Art vertreten wird. Der Kopf ist kurz und dick, der Leib gedrungen,
die Beine hoch und stark, die Haarbiischel an den Ohren kurz, die Wangen
mit mittellangem Bart. Grundfarbe rotlichgrau. Riicken mit drei Langs-
reihen weit auseinander stehender, deutlich begrenzter, langlicher, schwarzer
Flecke besetzt. Die Seiten mit rundlichen, dichter stehenden Flecken.
Oberschenkel dicht gefleckt, Unterseite mit langen, weissen Haaren, ohne
jede Flecke. Schwanz kegelformig, an der Spitze dunn, ein Sechstel der
Korperlange.
Im nordlichen Europa, Nordrussland und dem nordlichen Sibirien tritt
Lynx virgata auf. Die Ohrbiischel sind liinger, der Schwanz vollkommen
walzenformig, Backenbart langer. Auch die sonstigen Korperhaare sind
rauher und langer, namentlich die am Bauch. Farbe ist rostrotlich mit
zwei sehr dicht nebeneinander stehenden Langsstreifen, schmaler, schwarzer,
langlicher Flecke. Die Seiten mit kleinen, undeutlichen, braunen Flecken.
Bauch weiss.
Lynx borealis ahnelt dem kanadischen Luchs am meisten. Der Bau
ist kiirzer und gedrungener als bei den anderen europaischen Luchsen. Die
Ohrbiischel sind lang und spitz, auf den Wangen ein starker Bart, der bis
zum Unterkiefer reicht. Der Schwanz ist sehr kurz, dick und walzenformig.
Das Haar ist weich und dicht, die Grundfarbe graugelb mit kleinen, ver-
loschten, schwarzbraunen Flecken. Unterseite weiss mit zerstreuten, schwar-
zen Flecken. Das nordlichste Europa und das arktische Asien sind die Heimat
dieses schonen Tieres.
In Mitteleuropa war friiher haufig, jetzt aber selten, der Lynx vulgarts,
ebenso gross wie Lynx cervaria, mit langerem Kopf. Korper gedrungen,
Schwanz ein Fiinftel der Korperlange. Ohren lang und spitz mit pinselartig
II. Die Katzenarten. 427
aufrechtstehendem Haarbiischel. Grundfarbe rotlichweiss, Unterseite grau-
weiss. Langs des Riickens undeutlich begrenzte Streifen. Auf der Seite un-
deutliche, braunliche Querlinien, an den Schenkeln kleine, runde, rotbraune
Flecke.
In Sudeuropa, Spanien, Griechenland und der Tiirkei ist Lynx pardina
zu Hause. Etwas kleiner als der gewohnliche Luchs mil viel kiirzeren und
harteren Haaren. Der Schweif ist nur ein Siebentel der Korperlange. Die
Farbe ist hell rostrot, die Unterseite weiss. Der ganze Korper ist mit ziemlich
grossen, zerstreut stehenden, langlich schwarzen Flecken besetzt. Auf den
Wangen und am Halse sind mehrere schwarze Querbinden. Der Schwanz
hat an der Wurzel Flecke, dann kommen 2 bis 3 schwarze Binden, dann ein
helles Stuck und die Spitze ist schwarz.
gesch. Aufn. d. Neuen Phot. Ges.
Altai-Luchs (Lynx isabellinus).
In Zentralasien, Tibet, Turkestan, dem sudlichen und ostlichen Sibirien
lebt Lynx isabellinus, der etwas kleiner ist als die anderen Luchsarten. Die
Farbung variiert in den einzelnen Gegenden und so ist z. B. der Altai-Luchs
fahlrotlich mit sehr undeut lichen Flecken auf der Seite, der weisse Bauch
fast fleckenlos. Die Mahne erstreckt sich bis unter das Kinn. Die Hinterbeine
sind auffallig viel hoher als die Vorderbeine, auf den Schenkeln kleine Flecke.
Bei dem Turkestan-Luchs, der etwas grosser zu sein scheint, sind die Flecke
auf dem fahlrotlichen Grunde viel deutlicher, auch auf dem Bauch sind zahl-
reiche Flecke zu sehen.
Der tibetanische Isabell-Luchs ist sehr hellfarbig und ist auch etwas
kurzer behaart. Auch in Sibirien und auf Sachalin, wo der Isabell-Luchs
haufig vorkommt, tret en die rotlichen Flecke auf der weissrotlichen Grund-
flache deutlich hervor.
428 Naturgeschichte der Pelztiere.
In China kommt kein Luchs vor, doch werden grossere Mengen importiert,
da dieses Fell dort sehr beliebt ist. Auch a us Ostsibirien werden keine Luchs-
felle exportiert, da die dortigen Eingeborenen die Felle sehr schatzen und
selbst benutzen. Die Zahl der aus Europa, Russland und Sibirien an den Markt
kommenden Luchsfelle ist sehr schwer zu schatzen. Ich glaube nicht, dass
mehr als 20 bis 25 ooo Stuck jahrlich in den Handel kommen, wo von etwa
10 ooo aus Siideuropa, Kleinasien etc. Loner gab die Zahl der sibirischen
Luchsfelle auf 15 ooo jahrlich an, der rusisschen Luchsfelle auf 9000. Ich
glaube aber, dass diese Zahl jetzt kleiner ist. Der europaische und sibirische
Luchs bevorzugt geschlossene, dichte Waldungen, wo er aber gewohnlich
ein festes Standrevier inne hat, von wo aus er seine weiten Raubziige unter-
nimmt. Er liegt am Tage im Dickicht versteckt und geht des Nachts auf
Raub aus. Er ist ungemein schnell in seinen Bewegungen und kann sehr
weite Spriinge machen, bis zu 20 Fuss. Er ist in seiner Nahrung durchaus
nicht wahlerisch und verschont nichts, was er bewaltigen kann, vom kleinen
Vogel und der Maus bis herauf zum Hirsch und Elch. Dem grossen Sauge-
tier lauert er im Wechsel, auf einem Aste verborgen, auf und springt ihm
dann von oben her ins Genick. Ein paar Luchse raumen in kurzer Zeit mit
dem starksten Wildstande auf. Dem Menschen weicht er gern aus, wird aber,
verwundet oder in die Enge getrieben, dem Jager leicht gefahrlich. Das feine
Gehdr und das scharfe Auge des Luchses ist sprichwortlich geworden, ebenso
sein gerauschloser Gang. Man spricht von ,,Luchsaugen", ,,Er hort wie ein
Luchs", ,,Er schleicht wie ein Luchs" etc.
In Deutschland ist der Luchs ganz ausgerottet, der letzte wurde im
Jahre 1846 in Wiirttemberg getotet. Doch wechseln ab und zu noch Luchse
von Russland nach Ostpreussen heriiber. In der Schweiz, wo das Tier noch
vor 40 Jahren haufig war, ist es jetzt recht selten geworden. In den Wal-
dungen der Karpathen, in Galizien, Karnten, Krain, in Norwegen und dem
nordlichen Schweden ist es aber noch haufig und in Russland hat sich die
Zahl der Luchse kaum vermindert. Der Pardelluchs, in Spanien und
Siideuropa, ist noch verhaltnismassig haufig. Er bevorzugt auch dort grosse
Waldungen, begniigt sich aber dort auch mit kleinen Waldkomplexen, voraus-
gesetzt, dass sie dichtes Unterholz haben. In Spanien stellt er weniger dem
grossen Wilde nach, dort bilden wilde Kaninchen seine Hauptnahrung. In
Griechenland und den Balkanlandern soil er sich noch haufig seine Opfer
aus den Ziegenherden holen. Das Fleisch des Luchses, das sehr weiss ist und
dem Kalbfleisch ahnlich sieht und schmeckt, wird in Spanien als Delikatesse
betrachtet, aber auch in anderen Landern wird Luchsfeisch gegessen.
Kobell erwahnt, dass 1814 auf dem Fiirsten-Kongress in Wien mehrfach Luchs-
braten auf die Tafel kam. In Ostsibirien wird es nach Radde uberall von den
Eingeborenen hochgeschatzt. In Spanien wird das Fell der erlegten Luchse,
der ,,Lobo cerval", meist lokal verbraucht, besonders von Stierfechtern und
Kutschern, Pferdeknechten, zur Verzierung der Kleidung benutzt. Es sollen
II. Die Katzenarten.
429
dort jahrlich 5 — 600 Felle in den Handel kommen, exportiert werden keine.
Dagegen kommen aus Griechenland, den Balkanlandern und der Tiirkei zahl-
reiche Felle in den Welthandel, wenngleich auch hier die Mehrzahl im Lande
zu Pelzfutter verbraucht wird. Fiihrte doch der Orient friiher grosse Mengen
Luchsfelle aus Leipzig ein, bis die grosse Preissteigerung der letzten Jahre
das Fell fur diesen Markt zu sehr verteuerte.
In Indien leben zwei Luchsarten, der Felis lynx bengalensis, ein hochbeiniges
Tier mit kurzem Schweife, der hochstens ein Fiinftel der Korperlange er-
reicht, spitze Ohren mit schwarzem Pinsel, Backenbart, dichtes weiches Haar,
isabellfarbig bis fahlrot, Unterseite weiss. Im Sommer zeigt das Fell schmale
schwarze Flecke, im Winterfell sind die Flecke nur an der Seite und den
ge?. v. Anna Matschie-Held.
Carakal Luchs (Lynx caracal) .
Beinen undeutlich zu sehen, am Riicken gar nicht. Die Haare sind unten
braunlich, dann weisslich geringelt, Spitze teils weiss, teils schwarzlich,
Schwanzspitze schwarz, Sohlen dicht behaart.
Daneben findet man in Nord- und Zentral-Indien, aber nicht in Bengalen,
auch den echten Carakalluchs, Felis lynx caracal, dessen Verbreitungsbezirk fast
das ganze westliche Asien umfasst. Er ist besonders haufig in Persien, Meso-
potamien und dem Transkaspischen Gebiet. Er ist kleiner als der Lynx isa-
bellinus, erreicht aber die Grosse des amerikanischen Rotluchses — 80 cm — ,
die Farben ist hellrotlich bis rotbraun, der Schweif ist verhaltnismassig lang
und umfasst ein Drittel der Korperlange, die Unterseite ist weisslich mit rot-
lichen Flecken. Auffallig lang sind die spitzen Ohren, die noch einen be-
sonderen schwarzen Pinsel tragen, die Schwanzspitze ist schwarz. Das Tier
halt sich stets in hohem Grase und Buschwerk, nicht im Walde, wie die anderen
Luchse. Er verfolgt Gazellen, kleine Hirsche, Hasen und Vogel und macht
430 Naturgeschichte der Pelztiere.
Spriinge von 5 — 6 Fuss Hohe vom Boden. Jung eingefangen, wird das Tier
leicht zahm und werden solche zahmen Caracals an manchen Hofen Indiens
an Stelle des Gepards zur Jagd benutzt, da sie schneller sind als dieser. Nach
Marco Polo war damals die Benutzung zahmer Luchse neben den Gepards
in ganz Zentral-Asien ublich, namentlich erwahnt er dies bei den Jagden von
Kublai Khan in Kambaluc, dem heutigen Peking. Ein Verwandter dieses
Luchses, Lynx caracal, kommt noch in ganz Afrika vor. Man findet ihn selbst
in der Kalahari und ebenso in Nordafrika. Die Farbung ist einfarbig zimtrot
Der Schweif mil schwarzen Streifen, Ohr und Ohrpinsel schwarz. Das Haar
ist verhaltnismassig lang aber grob. Die Felle aus dem nordlichen Afrika sind
meist dunkler gefarbt. Die Korperlange ist ca. 70 cm, die Schwanzlange
25 cm, die Unterseite ist rotlich-weiss, auf der Schnauze ein schwarzer Fleck,
und ein schmaler Streifen auf den Backen. Alle gefangenen Exemplare, die
ich davon sah, waren hochst murrische und reizbare Gesellen. Daneben findet
man in Afrika noch zwei echte Luchse, Lynx berberorum aus Algier, Tunis,
und den marokkanischen Atlas, Fell etwa i m lang, Schnauze kurz und
dick. Oberseite einfarbig, rotlich-grau, Unterseite hell, gelblich-grau. In
Ostafrika findet sich noch der dem vorigen sehr ahnliche Lynx nubica, alle
diese Felle sind fast gar nicht im Handel.
Der Caracal ist bedeutend schlanker und hochbeiniger als die echten
Luchse. Er bewohnt nur Steppen und Wiistengegenden, meidet aber die
Waldungen. Er stellt den kleinen Saugetieren und Vogeln nach und jagt
auch kleine Antilopen. Die afrikanischen Caracals gelten als ungemein
bosartig, und gefangene Caracals sind stets sehr wiitend und unzahmbar.
Der Caracal des Berliner Zoologischen Gartens fauchte stets grimmig, wenn
man sich seinem Kafig naherte. Das Fell kommt jetzt fast gar nicht in den
Handel, soil aber fruher sehr gesucht gewesen sein, als Mittel gegen Rheuma-
tismus und Gicht, und sollen im Kaplande noch jetzt die Felle dazu ver-
wendet werden.
Sehr nahe verwandt mit den Luchsen sind die Sumpfluchse,
Chaus, die auch ziemlich weit verbreitet sind. So findet sich Felis chaus im
westlichen Asien, Siidrussland, dem Kaukasus, Persien und Turkestan. Felis
chaus af finis bewohnt Indien, vom Himalaya bis Ceylon. In Palastina finden
sich zwei verschiedene Arten, Felis chaus chrysomelanotis und Felis chaus furax,
Auch in Tibet findet sich ein Sumpfluchs, Felis chaus bieti. In ganz Nordost-
afrika findet sich Felis chaus nilotica, Der Sumpfluchs bildet einen Ubergang
von den Luchsen zu den Wildkatzen, und ist nur wenig grosser als die letztere
(etwa 70 bis 75 cm Korperlange). Die Ohren haben keine Pinselbiischel wie
beim Luchs, sondern nur einige langere Haare an der Spitze. Der Schweif
misst etwa ein Drittel der Korperlange. Der indische Sumpfluchs hat einen
sehr dichten weichen Pelz. Grundfarbe ist gelbgrau, der Rucken dunkler,
der Bauch rotlichweiss. Die einzelnen Haare sind rotlichweiss, gegen Ende
weiss, die Spitze schwarz, die Unterwolle ist braunlich, die Beine mit dunkleren
II. Die Katzenarten.
431
Querstreifen, Schwanz ziemlich dick, regelmassig, 1st am Ende schwarz-
geringelt mit schwarzer Spitze. Die Wangen sind mit schwarzen Querstreifen
gezeichnet. Im Gegensatz zum Luchs meidet der Sumpfluchs die dichten
Walder und halt sich in den Dschungeln und hohen Getreidef elder n, sowie mit
Vorliebe im Rohricht an den Fmssufern auf . In den weiten Rohrwildnissen
am Jordan ist der Sumpfluchs haufig, ebenso in den Rohrwaldern an den
Flussufern Transkaspiens. Im Himalaya geht er bis zu 8000 Fuss Hohe, ist
auch in den Gebirgsgegenden Ceylons nicht selten. Sein Charakter ist hochst
unliebenswurdig, auch Jung gefangen, bleibt er unzahmbar und wild. Er
richtet grosse Verheerungen unter den Rebhiihnern, Pfauen, Francolin, Wild-
enten und anderem Gefliigel an, stellt auch Hasen, den kleinen Gazellen und
sonstigen kleinen Saugetieren stark nach. Verwundet oder in die Enge ge-
trieben, greift er den Jager unbedingt an. Nach anderen Mitteilungen aber
soil er Jung gefangen ganz zahm werden, namentlich die afrikanischen Sumpf-
luchse so lien nicht annahernd so wild sein als die indischen, und iiberhaupt
keine grosseren Tiere angreifen. Der agyptische ist auch wenig scheu und
kommt im Niltal von seinem Schlupfwinkel im Rohr oder hohem Grase bis
in die Dorfer, um die Genugelstalle zu pliindern.
Eine verwandte Art, die auch im nordlichen Zentralasien und in den
Rohrwaldern des siidlichen Sibiriens lebt, und die sich auch durch eine luchs-
artige Zeichnung mit verschwommenen Flecken auszeichnet und mit feinen
schwarzen zahlreichen Ringen um den Schwanz, kommt auch in den Pelz-
handel, doch diirften hierfur kaum mehr als 1000 Stuck jahrlich auf den
Weltmarkt kommen, der gegenwartige Wert ist etwa 6 — 8 Mk. per Stuck .
q) Wildkatze.
Sehr verbreitet ist die gewohnliche Wildkatze, Felts catus, die etwa ein
Drittel grosser ist als die Hauskatze (Korperlange 70 bis 80 cm, Schweiflange
ca. 25 cm). Der Schweif ist ziemlich dick und rund mit schwarzen Ringen am
Ende. Das Tier bewohnt den grossten Teil von Europa, Deutschland, Dane-
mark, Frankreich, Osterreich, Schottland, einzelne Teile des nordlichen Eng-
lands, die Balkanlander, Italien, die Tiirkei, Dalmatien und Spanien. Im
Kaukasus soil sie besonders haufig sein und kommt im siidlichen Sibirien vor ;
dagegen fehlt sie in Norwegen, Schweden und dem grossten Teil von Russland.
Es ist hochst wahrscheinlich, dass sich hierbei mehrere Arten feststellen lassen,
da die Farbe sehr abweicht. Das Haar ist sehr dicht und weich, ca. 2 bis 3 cm
lang. Die Grundfarbe ist gelbbraun bis blaugrau, stets mit einer blaulichen
Unter wolle; viele sind gefleckt und leicht gestreift, andere ganz einfarbig.
Namentlich die Wildkatzen aus dem Siidosten sind meist hellfarbig mit stark
markierter Zeichnung. Die Wildkatze, die gewohnlich ihr Lager in alten hohlen
432 Naturgeschichte der Pelztiere.
Baumen aufschlagt und dichte Waldbestande allem anderen vorzieht, richtet
unter dem Wildstande grosse Verheerungen an, da sie sich selbst an grosses Wild
wie Rehe und Hirschkalber wagt ; Hasen, Wildgefliigel, Vogel und deren Eier
bilden die Hauptnahrung, doch verschmaht sie auch Ratten und Mause nicht.
Es wird ihr deshalb auch uberall sehr energisch nachgestellt, doch ist ihre Jagd
durchaus nicht leicht. In die Enge getrieben oder verwundet, greift sie auch den
Jager an, und ist dann ein hochst gefamiicher Gegner. Mit dem Jagdhund wird
sie im Einzelkampf leicht fertig. Es kommen jahrlich etwa 10 ooo Wildkatzen-
Felle in den Handel ; der Wert des Felles schwankt und ist augenblicklich etwa
3 Mk. pro Fell. Die Felle gelten, auf die Brust gelegt, als ein gutes Mittel gegen
Rheumatismus. Jetzt werden sie dafur meist durch die billigen Hauskatzen-
felle ersetzt.
Neben den echten Wildkatzen findet man ofter in den Waldern ver-
wilderte Katzen, eigentumlicherweise sind nach einigen Generationen die
Tiere grosser als die gewohnlichen Hauskatzen und die Farbung vorwiegend
wie die der sogenannten Cyperkatze.
Nahe verwandt ist die Steppenkatze, Felis manul, aber wesentlich kleiner
als die Wildkatze. Beine hoher und starker, Kopf ist dicker, Ohren kurz,
breit und abgerundet; Schweif mehr als die Halfte der Korperlange, walzen-
formig und buschig. Die Sohlen der Hint erf usse sind lang und dicht behaart.
Das Fell ist sehr lang, locker und weich behaart. Grundfarbe ist weissgelb, auf
dem Riicken etwas dunkler, durch eingemischte braune Haare stellenweise
nebelartig schattiert. Die Brust ist braunlich. Uber die Lenden laufen einige
schmale, undeutliche schwarze Streifen. Auf dem Schweif 6 bis 7 schwarze
Ringe, Spitze schwarz. Der Verbreitungsbezirk des Tieres reicht von Siidost-
europa, dem Ural, durch Sudsibirien, ganz Zentralasien, vom nordlichen
Himalaya bis zur Mogolei. Es ist ein ausgesprochenes Steppentier, namenthch
der Hochst eppe, wo es zwischen Felsblocken lebt, nahrt sich hauptsachlich
von Mausen und anderen kleinen Tieren, wird leicht gezahmt und gilt als
Stammutter der Angora-Katze. Als Urform unserer Hauskatze wird allgemein
die in Nordostafrika beheimatete Fahlkatze Felis maniculata angesehen.
Farbe" ist grau braungelb mit heller und dunkler Schattierung, Unterseite
heller. Schlanker Korperbau, dichtes glattes Fell, weiche Behaarung. Seite
und Nacken mit undeutlichen Querbinden und Streifen. Die Korperlange ist
ca. 50 cm, Schweif 25 cm. Der Schweif ist mit 3 schwarzen Ringen versehen.
Die Hauskatzen im Sudan und der Kiiste des Roten Meeres ahneln an Farbe
und Bauart den Fahlkatzen sehr. Bei den Niam Niams und den Monbuttus
werden nach den Mitteilungen Schweinfurths und Junkers jung gefangene
Fahlkatzen gezahmt und als Haustiere zur Mausevertilgung gehalten. Das
Fell kommt fast nie in den Handel.
III.
Die Hundearten.
1. Haushund.
Im grossen Publikum wird mil einer gewissen Verachtlichkeit davon ge-
sprochen, dass von den Kurschnern auch ,,Hundefelle" zu Pelzwerk verarbeitet
wiirden. Das ist nun sehr iibertrieben. Hauptsachlich werden im grossen nur
die chinesischen Hundefelle verwendet und diese hauptsachlich zu Decken.
Der Haushund Canis domesticus, englisch Dog. franzosisch chien, chinesisch
Kju. Fiir den Pelzhandel kommen besonders die Felle des mandschurischen
Hundes in Betracht, die einen bedeutenden Ausfuhrartikel bilden. Der man-
dschurische Haushund ist von der Grosse eines starken Fleischerhundes, mil
langem, dichtem, weichem Haar. Die vorwiegende Farbung ist schwarz, doch
kommen auch zahlreiche grau oder gelb gefarbte Exemplare vor. Die Tiere
sind sehr wild und bosartig und zeigen nichts von der scheuen Feigheit des
chinesischen Dorfkoters, doch sind sie lange nicht so bissig wie die Mongolen-
hunde. In Newchwang und den anderen mandschurischen Stadten liegen sie
zahlreich in der Sonne auf den schmalen, festgetretenen Pfaden vor den
Hausern, und es fallt ihnen gar nicht ein, aus dem Wege zu gehen, so dass der
vorsichtige Fussganger es meistens vorzieht, in den Schmutz zu tret en, der die
Mitte der Strasse ausfullt, als uber das knurrende Hindernis hinwegzusteigen.
Die Felle werden in der Mandschurei gegerbt und zu Decken verarbeitet.
Eine Decke, aus einem Fell gearbeitet, heisst englisch ,,dogmat" und misst
etwa 90 cm bei 40 cm Breite im Werte von ca. 3 Mk. ,,Dogrugs" bestehen aus
2 Fellen, ca. 1,70 cm lang bei 50 cm Breite, im Werte von 6 Mk., und
,,Dogrobes" sind zwei nebeneinander genahte rugs. Die letzteren werden aus-
schliesslich nach Amerika exportiert und brachten in New York zur Zeit,
als die grosse Volkerwanderung nach den Goldfeldern von Klondyke im Gange
war, 25 bis 30 Mk. Die rugs und mats gehen hauptsachlich nach England. In
Deutschland ist dieses Pelzwerk weniger bekannt. Im ganzen kommen jahrlich
etwa 100 ooo mandschurische Hundefelle zur Ausfuhr.
Sortiert werden dieselben meist in ca. 50 Proz. schwarze, 25 Proz. gelbe
und 25 Proz. graue. Zu Decken werden die gelben und grauen bevorzugt, zu
Garnituren eignen sich die Prima-Qualitat, sogenannte ,, Furriers" der
schwarzen recht gut.
28*
436 Naturgeschichte der Pelztiere.
Ausser diesen mandschurischen Hunden oder ,,Newchwang dogskin", wie
sie im Handel genannt sind, kommen in letzter Zeit auch viele Felle des ge-
wohnlichen chinesischen Dorfkoters in den Handel, die bedeutend kurzer im
Haar sind.
Der gewohnliche chinesische Haushund, wonk, ist uberall verbreitet. Jede
Ortschaft beherbergt Scharen desselben, und obgleich die meisten Tiere ihren
Eigentiimer haben, wachsen sie doch ohne Pflege heran und miissen sich
meistens das Futter selbst suchen. Sie werden von Ungeziefer fast verzehrt,
und die Raude herrscht in erschreckender Weise unter ihnen. Es sind mittel-
grosse, kurzhaarige Hunde, haufig dem Pariahunde des Orients ahnlich; viele
lassen deutlich ihren Ursprung von Wolf oder Schakal erkennen. Den Schweif
tragen sie stets nach links oben gekriimmt. Im grossen und ganzen sind sie
feige. Obgleich den Europaer, der durch ein chinesisches Dorf kommt, sofort
Dutzende von Kotern bellend und heulend umringen, geniigt der zum Wurf
erhobene Arm, um sie zur schleunigen Flucht zu veranlassen. Auch mit euro-
paischen Jagdhunden lassen sie sich nur in einen Kampf ein, wenn sie in grosser
Uber-zahl sind. Dem Reiter werden die Klaffer sehr lastig, da sie den Pferden
nach den Beinen schnappen und diese haufig zum Scheuen bringen. Dass die
Tiere irgendeinen Wert haben, bemerkt man erst, wenn man auf der Jagd
eine solche zudringliche Bestie erschossen hat. Das ganze Dorf versammelt
sich mit drohenden Gebarden, und 50 Dollar ist die geringste Summe, die als
Entschadigung verlangt wird. Freilich begniigt sich der Besitzer gern mit
5 Dollar, doch diirfte das Tier mit i Mk. bereits iiber seinen Wert bezahlt sein.
Die Tollwut ist leider sehr verbreitet, weshalb in den Fremdennieder-
lassungen Maulkorbzwang eingefuhrt ist und herrenlose Hunde getotet werden.
Vor einigen Jahren, als in kurzer Zeit etwa 20 Europaer in Schanghai von
tollen Hunden gebissen waren, wurde sogar ein Teil des Freiwilligenkorps auf-
geboten, um maulkorblose, frei herumlaufende chinesische Hunde abzu-
schiessen.
Von armen Chinesen werden Hunde gegessen, und man sieht mitunter
auch die Tiere auf chinesischen Markten ausgeschlachtet hangen, aber vor-
zugsweise in Siidchina. Dass sie aber eine chinesische Delikatesse seien und be-
sonders gemastet werden, wie verschiedene Reiseschriftsteller behaupten, ge-
hort in das Gebiet der Marchen, an denen diese Literatur so reich ist.
Im Siiden kommt besonders der Canton Wonk, auch ,,Chowdog" genannt,
vor, ein langhaariges Tier von wolfsahnlicher Gestalt, gelbroter Farbe und stets
schwarzer Zunge, ahnlich unserem Wolfsspitz. Fur den Pelzhandel sind von
diesen Hundefellen die sogenannten ,,Hsinchee "-Felle die best en. Sie sind nur
wenig kleiner als die Newchwang-Hunde und auch nur etwas kurzer im Haar,
deshalb zu Decken auch recht gut zu verwenden. Dann kommen die ,, Tientsin",
die flach sind, und die Hankows, die noch geringer sind.
Im nordwestlichen China triff t man den Mongolenhund, ein
schonesTier von Wolf sgrosse, mit sehr langer, dichter, meist glanzend schwarzer
III. Die Hundearten.
437
Behaarung. Diese Tiere sind ungemein bissig, und besonders Fremde mussen
sich sehr in acht nehmen, ihnen nahe zu kommen. Die Hunde schiitzen auch
die Herden erfolgreich gegen die Raubereien des Wolfes.
Von diesen Fellen, die ein schones Pelzwerk abgeben wiirden, kamen bis-
her sehr wenig in den Handel.
Sehr gut sind noch die Felle des ostsibirischen Hundes,
der meistens ein ganz wolfsahnliches Aussehen hat. Es sind aber dabei ver-
schiedene Arten vertreten, die teils zur Jagd, teils zum Schlittenziehen ab-
gerichtet werden. Die Eingeborenen wissen die Charaktereigenschaften der
Tiere genau zu beobachten, und haben fur jede Jagdart die sich dafiir
eignenden Hunde dressiert.
Der Kamtschadalenhund ist bedeutend grosser als der sibirische
und wohl grosste Schlittenhund iiberhaupt. Er ist dem Kamtschadalen
Eskimo-Hund.
unentbehrlich so wohl im Winter zum Schlittenziehen, als zur Barenjagd usw.
Trotzdem werden die Tiere schlecht gehalten und gefuttert, so dass sie halb-
wild und bosartig sind. In den Dorfern soil es ganz unmoglich sein, Gefliigel
und Kleinvieh zu halt en, da diese von den Hunden sofort zerrissen werden.
Auf den verschiedenen Siidpolarexpeditionen sind in der letzten Zeit besonders
Kamtschadalenhunde verw^ndet worden, wahrend die Nordpolarexpeditionen,
je nach dem Ausgangspunkt, Eskimo- oder Samojedenhunde verwendet haben.
Letztere sind kleiner als die ostsibirischen Schlittenhunde, auch nicht so aus-
dauernd, sind aber leichter in grosseren Mengen zu beschaffen. Viel schwieriger
sind auch Eskimohunde in geniigender Zahl fur Expeditionen zu bekommen,
da die Eskimos in ihrer Lebensfuhrung geradezu auf die Hunde angewiesen
sind. Auch diese Hunde sind sehr bissig und unvertraglich, so dass sich die
einzelnen erbitterte Schlachten liefern, bis ein besonders starker die Ober-
herrschaft iiber das ganze Gespann errungen hat. Die Handhabung eines
solchen Gespanns bietet grosse Schwierigkeit und erfordert grossere Ubung.
Naturgeschichte der Pelztiere.
Wenn die Tiere gut behandelt werden, wie das bei den europaischen Expe-
ditionen fast stets der Fall ist, sind sie auch anhanglich, und alle Polar-
forscher sprechen nur mit Lob von ihren vierf iissigen Gefahrten. Ihre Ausdauer
und Geniigsamkeit ist geradezu hervorragend. Auch in Alaska bilden die
Schlittenhunde, zu denen meist Eskimohunde verwendet werden, einen sehr
wertvollen Besitz, da namentlich im Norden des Gebietes der ganze Verkehr
im Winter, sowohl Fracht wie Post, mittelst Hundeschlitten stattfindet.
Uber die Hunde im Hudsonsbaygebiet berichte ich an anderer Stelle. Die
Felle aller dieser nordiscben Hundearten kommen fast gar nicht in den
Handel, ein so geeignetes Material sie auch liefern wiirden, denn die
gesamten gewonnenen Felle werden lokal verbraucht, und sie nur des
Felles halber zu ziichten, wie das in der Mandschurei geschieht, sind sie zu
wertvoll.
Von europaischen Haushunden werden nur die russischen Hundefelle
in grosseren Mengen verbraucht, aber auch fast nur lokal zu Bauernpelzen usw.
In den Welthandel gelangen nur wenige. Von den zahlreichen Wildhunden,
die zum Teil nebst den Schakalen und Wolfen die Stammvater mehrerer
Hunderassen bilden, haben nur zwei ein brauchbares Fell, das ist der Canis
alpinus, welcher in der Mandschurei und dem siidlichen Ostsibirien lebt.
Das Tier ist in der Grosse des chinesischen Wolfes, Riicken und Seiten
sind rotlich mit fahlrotlichem Bauch und Hals. Der Schweif ist nicht
so buschig und dicht wie beim Wolf. Die Behaarung ist kurz und grob,
aber dicht.
Nach Radde lebt er in Trupps von vier bis zehn Stuck, wahrend mir von
den Chinesen in der Mandschurei berichtet wurde, dass er nur einzeln oder
paarweise lebe. Sein Hauptschlupfwinkel sind dichte Rohrwaldungen, doch
macht er bei seiner Schnelligkeit oft weite Tagesstreifziige, von denen er aber
stets in seinen Standort zunickkehrt. Er wird von den Eingeborenen sehr ge-
furchtet und niemals gejagt. Nach Radde fluchten sich die Jager, wenn sie
dem Wildhund begegnen, auf Baume. In der Mandschurei glauben die
Chinesen, dass er der argste Feind des Tigers sei, und dass dieser stets ein Gebiet
raume, in welchem ein paar Wildhunde ihren Wohnsitz genommen. Aus diesem
Grunde wird ihm auch in der Mandschurei nicht nachgestellt.
Alle diese Ziige deuten auf einen echten Wildhund und nicht auf den
immerhin feigen Wolf, und man erzahlt ahnliches auch von den indischen
Wildhunden, die allerdings in grosseren Rudeln jagen. Ich habe im ganzen nur
drei Felle gesehen; einen Handelsartikel bilden dieselben nicht. Ob der
japanische Wildhund auf Yesso Canis nippon mit dem erwahnten Wildhund
verwandt ist, kann ich nicht angeben, da ich keine Felle desselben zu Gesicht
erhielt.
Der andere der siidamerikanischen Wildhunde, Canis jubata, ist bei den
Wolfen naher beschrieben, da er von den meisten Forschern zu diesen ge-
rechnet wird.
III. Die Hundearten.
2. Wolfe.
a)Amerikanische Wolfe.
In Amerika sind vorzugsweise zwei grosse Gruppen von Wolfen zu
unterscheiden. Die Prariewolfe und die Waldwolfe (timberwolves) . Die
letzteren, die fruher uberall sehr zahlreich und eine grosse Plage der Vieh-
ziichter war en, .sind infolge der hohen Fangpramien und den star ken
Nachstellungen verhaltnismassig selten geworden. Die zahlreichste Gruppe
ist noch der Cants occidentalis, der in drei Unterarten, C. occ. griseus^ C. occ.
ater und C. occ. albus vorkommt. Die gross! en sind die weissen C. occ.
albus, die den aussersten Norden von Kanada, das arktische Amerika und
Gronland bewohnen. Es sind grosse starke Tiere, die in Trupps jagen und
namentlich den wilden Renntieren, den Caribus nachstellen. Eine ganz be-
sondere Gruppe scheinen die sogenannten Churchill- Wolfe zu sein, die nur
auf den Barrenground, in der Nahe des Hudsonsbay Postens Fort Churchill
vorkommen. Es sind das die grossten Wolfe, die es iiberhaupt gibt, und das
Fell erreicht eine Lange von 7 Fuss. Das Haar ist fast rein weiss, sehr lang,
dicht und feinseidig. Ein solches Fell hatte einen Wert von ca. 60 Schilling,
doch kamen fruher selbst nur einige Hundert in den Handel, jetzt nur etwa
5 bis 10 Stuck, die mit Phantasiepreisen bezahlt werden.
Selten ist der schwarze Wolf, C. occ. ater, wahrend am haufigsten der
graue Wolf, C. occ. griseus, ist. Der Verbreitungsbezirk ist sehr ausgedehnt
und reicht von den Kiisten des Polarmeeres bis nach Texas. Er ist, wie schon
oben gesagt, selten geworden, nur in Maine und einzelnen Staaten des Nord-
westens, Kanada und Alaska, kommt er noch haufiger vor. Er ist wesentlich
grosser und starker als sein europaischer Vetter, greift aber den Menschen fast
niemals an. In Trupps von 6 bis 10 Stuck wandern sie oft weit herum, nur
in besonders giinstigen Umstanden einen festen Standort wahlend. Die
Begattung findet Februar und Marz statt, und 3 bis 6 Junge werden auf ein-
mal geworfen. Es sollen ubrigens haufig Wolfe verschiedener Farbe im selben
Trupp vorkommen. Der Waldwolf ist von geradezu unheimlicher Schlauheit
und weiss alien Fallen geschickt aus dem Wege zu gehen, ist auch sehr selten
in Schussnahe zu bekommen, geht auch fast nur in der Nacht auf Raub aus.
Set on Thompson erzahlt von einem riesigen Wolf, der jahrelang im nordlichen
Neu-Mexiko am Currupaw mit einem halben Dutzend Gefahrten hauste und
den Ansiedlern wahrend dieser Zeit iiber 1000 wert voile Rinder bester Rasse
raubte, nebst ungezahlten Schafen, die sie aus blosser Mordlust toteten.
Trotzdem ganz aussergewohnliche hohe Belohnungen (bis 1000 Dollar) aus-
gesetzt war en, verstand er es, den geschickt gestellten Fallen auszuweichen
und riihrte auch nie, selbst in verschmitztester Weise hergestellte, Giftbrocken
an. Ja er bewahrte auch seine Gefahrten vor alien Listen der erfahrensten
Trapper und Wolfsjager. Erst durch einen Zufall geriet er in die Gewalt seiner
440 Naturgeschichte der Pelztiere.
Feinde. Die Pramie fur Wolf sskalpe 1st in verschiedenen Staaten auf 15 Dollar
erhoht, und das Fell hat auch noch einen Wert von 4 bis 5 Dollar, trotzdem
kommen jahrlich kaum mehr als 5000 Stuck in den Handel. Wie bei den
europaischen Wolfen, kommt auch bei den amerikanischen Wolfen nicht selten
Tollwut vor. Einen grossen Verbreitungsbezirk hat auch der amerikanischc
Waldwolf, Canis nubilus, ein grosser russfarbig brauner Wolf, der vom
Sklavensee bis nach Jowa und Idaho und von Nebraska bis nach Nord-
kalifornien vorkommt. Auch er stellt sowohl dem Wilde als dem weidenden
Grossvieh nach und jagt in kleinen Trupps. Er ist heute aber nirgends haufig.
Gefangene Prarie-Wolfe.
Desto zahlreicher sind uberall noch die Prariewolfe, von denen es zahl-
reiche Arten gibt. Dieselben sind, wie schon der Name andeutet, stets an
das Prariegebiet gebunden und kommen in Walddistrikten nicht vor. Der
grosste ist Canis latrans, der das nordwestliche Prariegebiet vom Mississippi
bis an die Rockymountains bewohnt. Das Tier hat die Grosse eines starken
Schaferhundes, hat langes, dichtes Haar, welches aber nicht so dicht ist, als das
des Waldwolf es, die Farbe ist graugelb, mit schwarzen Spitzen der Riicken-
und Seitenhaare, der Bauch ist weisslich gelb, der kraftige grobhaarige
Schweif hat meist eine schwarze Spitze.
Ostlich von Colorado bis Nebraska und nordlich bis zur Ebene des
Saskatschewan lebt Canis nebracensis, der kleiner als der vorige ist, aber, dem
III. Die Hundearten. 441
Klima cntsprechend, ein dichteres Haar hat, Noch kleiner ist Cants lestes,
der in Nevada, Washington, Oregon und dem siidlichen British Columbia
vorkommt. Diese verschiedenen Prariewolfe werden auch haufig von den
Jagern als Coyote bezeichnet, dieser Name kommt aber eigentlich den weiter
siidlich lebenden Prariewolfen zu. Es sind dies der verhaltnismassig grosse
Canis frustor in Texas, Canis meansi in Arizona und Sonora, der kleine aber
dunkel gefarbte Canis ocbropus in Texas und Mexiko, Canis mexicanus in
Mexiko. Trotz der Pramien hat sich bisher keine nennenswerte Abnahme der
Prariewolfe gezeigt, auch richten sie keinen so grossen Schaden an wie der
Waldwolf. Wenn sie gelegentlich auch Schafe angreifen, so besteht ihre
Hauptnahrung doch aus Mausen, Prariehunden, Gophern, Bisamratten,
Beeren, und namentlich Aas. Sie sind die Strassenreiniger der Steppe, Ausser-
dem suchen sie in der Nahe menschlicher Lagerplatze zu stehlen, was sie
konnen und werden haufig dadurch lastig. Sie schlagen sich haufig in grossere
Rudel zusammen und beginnen die Nahrungssuche meist in der Morgen-
dammerung und jagen bei Tageslicht. Prariewolfe scheuen den Menschen wenig,
wagen es aber nie, inn anzugr.eifen. Ihre Feigheit 1st spruchwortlich und ist
,, -Coyote" ein sehr gebrauchliches Schimpfwort fur einen feigen niedrig-
denkenden Menschen. In den Zentralprariestaaten sind Wolfshetzen ein sehr
beliebter Sport, dem auch Roosevelt mit Leidenschaft nachging. Man halt
.aber dazu keine besonderen Meuten wie in England zur Fuchshetze, sondern
alle moglichen Hunde sind im Pack vereinigt. Die Hunde verfolgen die Prarie-
wolfe mit todtlichem Hass und viele Hunde gehen oft ganz allein auf die
Wolfsjagd. Die Stimme des Prariewolfes ist ein heiseres Bellen, nicht das
langgezogene Heulen des Waldwolfes oder europaischen Wolfes. Es kommen
jahrlich wohl 40 ooo Prariewolffelle in den Handel, die etwa 5 bis 20 Mk.
per Stuck wert sind. Die wertvollsten sind die Felle aus dem Skatschewan-
.gebiet von wo aber nur 2 bis 3000 Stuck jahrlich kommen.
b) Sudamerikanische Wolfe.
Im siidlichen Mexiko und Zentralamerika sind mehrere Wolfsarten,
namentlich die beiden Canis peninsula? und Canis microdon gehen bis an
die Grenze von Siidamerika. Ihre stylisierten Figuren finden sich auf den
uralten Mayaskulpturen Guatemalas. Siidamerika beherbergt zwei Wolfsarten.
Im aussersten Siiden auf den Falklandsinseln und an der Magellansstrasse
;sowie auf Feuerland lebt Canis antarcticus, etwa vonder Grosse eines nord-
amerikanischen Prariewolfes, aber kurzbeiniger, Schwanz ist grob und nicht
so buschig, das Haar des Riickens aber fein und weich. Die dichte Unterwolle
ist blassbraun, das Oberhaar an der Spitze schwarz, dann weissgeringelt, die
AVurzel braun. Die Lange von der Schnauze bis zur Schwanz wurzel betragt
90 cm bis i m, der Schwanz 30 bis 35 cm, doch kommen auch grossere
Exemplare vor. Das Tier nahert sich hauptsachlich von den zahlreichen Strand-
442 Naturgeschichte der Pelztiere.
vogeln sowie den briitenden Wildgansen usw., findet sich auch bei den
Kadavern getoteter Seehunde ein. Haufig ist der antarktische Wolf nirgends
und kommen wohl kaum mehr als 100 Felle jahrlich liber Punta Arenas in
den Handel. Manchmal findet man die Felle unter den patagonischen Fiichsen.
Bedeutend grosser ist der rote Mahnenwolf Canis jubatus, der aber von
vielen Forschern fur einen Wildhund gehalten wird. Er misst durchschnittlich
von Schnauze bis Schwanzwurzel 150 cm, dazu der Schweif mit ca. 40 cm
Lange. Die Farbe ist gelbrot bis rot, das Haar, das ziemlich grob und glanzlos
ist, ist ca. 7 bis 8 cm lang. Auf dem Nacken und bis zur Halfte der Riicken-
lange erhebt sich eine Art Marine von ca. 15 cm langem Haar, der Bauch ist
hellrotlich. Unterwolle ist nur schwach entwickelt. Das Tier ist ziemlich
scheu, weicht dem Menschen weit aus und richtet auch unter dem Vieh keinen
Schaden an, sondern nahrt sich von Wild, kleinen Saugetieren und Vogeln.
Der Verbreitungsbezirk erstreckt sich liber das ganze ostliche Slidamerika,
von Brasilien liber Paraguay bis zum nordlichen Patagonien, doch ist sein
Vorkommen an den Wald gebunden. Auch ist er nirgends haufig. Es kommeiL
nur wenig Felle in den Handel.
c)Europaische Wolfe.
In Europa ist vorlaufig nur eine Wolfsart bekannt, der Canis lupus..
Derselbe ist in Russland noch sehr haufig, ausserdem in Ungarn, den Karpaten-
landern, in Frankreich auch durchaus nicht selten. Werden doch jahrlich
in Frankreich noch ca. 600 bis 800 Wolfe erlegt, fiir die 150 Frank pro Stuck
Pramie gezahlt wird. Es gibt dort auch noch staatlich angestellte besondere
Wolfsjager ,,louvetiers". Auch in den belgischen Ardennen kommen noch
Wolfe vor. In Deutschland ist der Wolf nicht mehr Standwild, doch kommen.
in strengen Wintern aus Russland nicht selten welche nach Ostpreussen, und
auch in den Waldungen Oberschlesiens wird ab und zu ein Wolf gesplirt.
In Lothringen kommen jeden Winter Wolfe zur Strecke, die aus Frankreich
heruberwechsem und auch nach der Eifel kommt ab und zu ein solcher Gast
aus den Ardennen. Der europaische Wolf ist meist rotlich gelb, mit langem
groben Oberhaar, das mit einzelnen schwarzen Haaren untermischt ist, hat
eine dicke blaulichgraue Unterwolle, die Unterseite ist weisslich gelb, der
Schweif dicht und buschig, die Spitze schwarz. Der Wolf hat die Grosse etwa
eines schottischen Schaferhundes, doch sind die russischen etwas grosser. Ob
die spanischen Wolfe, die meist schlanker, dlinner behaart und gelblicher in der
Farbe sind, eine eigene Art bilden, steht noch nicht fest. Es sollen dort auch
verhaltnismassig viel schwarze Wolfe vorkommen, doch habe ich solche nicht
gesehen, da spanische Wolfe sehr wenig in den Handel kommen. Wahrend im
iibrigen Europa der Wolf meist einzeln oder hochstens in kleinen Trupps vor-
kommt, schlagen sich die Tiere in Russland im Winter zu grossen Rudeln
zusammen, die dann auch dem Menschen gefahrlich werden. Unter dem Vieh-
III. Die Hundearten. 443
stande richten die Wolfe natiirlich grosse Verheerungen an. Am meisten fallen
ihnen aber die Dorfkoter zum Opfer, wobei sie ganz planmassig zu Werke gehen.
Ein Wolf erscheint in der Nahe des Dorfes, worauf sofort eine Schar Hunde auf
ihn Jagd machen. Er flieht eiligst, fiihrt aber seine Verfolger auf Umwegen
dahin, wo seine Gefahrten auf der Lauer liegen. . . . Keiner der Hunde er-
reicht das heimische Dorf wieder. Uberhaupt sind die Wolfe ungemein schlau
und vorsichtig, weshalb sie auch alien Nachstellungen zum Trotz sich solange
halten. In Russland werden die Wolfe, namentlich auf den Steppen der Ukraine
zu Pferd gehetzt und auch die Donschen Kosaken betreiben die Wolfshetze
als Sport. Im ganzen werden in Russland etwa 100 ooo Wolfe jahrlich erlegt.
Die Pramie fur jeden erlegten Wolf betragt 10 Rubel. Bei den Wolfen ist die
Tollwut nicht selten, und werden dann oft viele Menschen gebissen.
d) Ostasiatische Wolfe.
Sehr zahlreich sind Wolfe in Sibirien. Es ist dies sieherlich eine vom
europaischen Wolfe abweichende Art. Das Tier ist bedeutend grosser und
starker und kommen Exemplare bis zu 2 Meter Lange vor. Das Haar ist viel
langer und dichter und ahnelt darin dem grossen amerikanischen grauen Wald-
wolf aus dem Hudsonsbay-Gebiet. Die Farbe ist meist hell, im ostlichen Sibirien
aber vorwiegend weisslich. Auf der Tschuktschen-Halbinsel und an der Kiiste
des Eismeeres kommt ein fast weisslicher Wolf vor, der aber mit dem Canis
lupus albus Amerikas keine Ahnlichkeit hat und noch weniger mit dem weissen
Chirr chill wolf . Das Haar ist viel grober, nicht so seidig und auch nicht so rein
in der Farbe.
Im allgemeinen bevorzugt der sibirische Wolf das Waldgebiet, doch folgt
er den Renntierherden der Tschuktschen und Tungusen, Samo jeden usw,
bis weit in die ode Tundra noch iiber den Polarkreis hinaus. Nordenskiold
erhielt wahrend seiner Uberwinterung im nordlichen Eismeer zahlreiche Wolfs-
felle von den Eingeborenen. Auch auf Kamtschatka und auf Sachalin ist der
Wolf haufig. Er stellt mit Vorliebe'den weidenden Herden nach, wird aber
bei den Pferdeherden von den wachsamen Hengsten meistens schleunigst in
die Fluent getrieben, wahrend die Stuten einen Kreis bilden, mit den Kopfen
nach innen und die wehrhaften Hufe nach aussen. Wie der europaische Wolf,
holt sich auch sein sibirischer Vetter gern einen HaushundzurMahlzeit. Dass er
Menschen angreift, habe ich nicht gehort, doch mag dies im Winter, wenn er
durch Hanger dazu gereizt wird, wohl vorkommen.
Im Sommer jagt der Wolf meist einzeln mit einer unermiidlichen Geduld,
indem er hinter einem Murmeltierhiigel oder an der Tranke stundenlang auf
ein Reh oder anderes Wild lauert. Im Winter vereinigt er sich zu kleinen
Trupps von 3 bis 6 Stuck, und hetzt hinter dem Wilde her, indem sich die
einzelnen Wolfe ablosen, und das Tier im Kreise herumjagen, bis es erschopft
ihnen zur Beute fallt. Zu so grossen Rudeln wie in Russland oder Polen
444 Naturgeschichte der Pelztiere.
vereinigt sich der sibirische Wolf me. In Kamtschatka und auch wohl
.am Amur folgt er den Lachsziigen und mastet sich an den aufs
Trockene gedrangten Fischen; er soil in flachen Stellen auch selbst Fischfang
treiben.
Es kommen jahilich etwa 10 bis 20 ooo sibirische Wolfsfelle in den Handel,
die augenblicklich etwa 15 bis 30 Mk. per Stuck Wert haben.
In Nordchina lebt ein anderer Wolf, wahrscheinlich Canis lupus laniger,
von den Chinesen Sa Long genannt.
Er ist viel kleiner a Is der europaische Wolf und ahnelt an Grosse und Ge-
stalt mehr dem amerikanischen Prariewolf, ist aber schlanker und hoch-
beiniger als dieser.
Die Farbe ist helles gelbgrau, die Haare kurz und briichig, die Unter-
wolle nicht sehr dicht. Auf Riicken und Nacken bilden langere starkere Haare
eine Art Mahne. Der Schweif ist buschig wie beim europaischen Wolf. Die
Lange des Felles von Schnauze bis Schwanzwurzel ist etwa 100 bis no cm
Schweif lange ca. 30 cm.
Der chinesische Wolf lebt in den nordlichen Provinzen Chinas und kommt
bis in die Umgegend Pekings, doch ist er nirgends sehr haufig. Er bildet auch
keine Rudel wie in Russland oder Amerika, sondern lebt einzeln oder paarweise.
Hochstens in strengen Wintern bilden sich kleinere Trupps, die aus einer
Familie zu bestehen scheinen.
Den Menschen greift er nie an und geht ihm scheu aus dem Wege, doch
erzahlen die Chinesen, dass er manchmal aus einzeln stehenden Hausern
kleine, ohneAufsicht gebliebene Kinder wegschleppen soil, wie dies auch der
sonst so feige indische Schakal tut. Die Chinesen fiirchten ihn und reissen bei
seinem Anblick aus, wahrend die Mongolen dreist auf den Wolf losgehen und
ihn mit der Peitsche vertreiben. Ich selbst bekam nur einmal in der Mand-
schurei einen Wolf zu Gesicht, doch ergriff er schon in 500 Schritt Ent-
fernung eiligst die Flucht. Felle habe ich aber zu vielen hunderten zu
Gesicht bekommen. Es wird iibrigens nur ein Teil der Felle ausgefiihrt,
vielleicht 1000 Stuck jahrlich, da haufig der Preis in China hoher ist als auf
dem Weltmarkt.
Augenblicklich ist der Wert etwa 8 bis 10 Mk. Der chinesische Wolf
bevorzugt iibrigens keineswegs die Waldungen, sondern findet selbst in den
ganzlich waldlosen Ebenen Chinas genugende Schlupfwinkel. Derselbe Canis
lupus laniger findet sich auch in einem grosseren TeileZentralasiens, namentlich
aber auch in der Mongolei und Tibet. In Tibet aber gibt es noch mehrere
andere Wolfsarten. Zunachst den grossen schwarzen C. laniger niger, schwarz
mit weisser Schnauze, weissen Fiissen und weissem Brustfleck. Ist im Handel
sehr selten.
Ferner beschreibt Herr Professor Mat schie noch mehrere von Lt. Filchner
mitgebrachte Arten. Lupus filcbneri, kleiner als C. laniger, mit kiirzerem
Jiellerem Schweif, mit schwarzer Spitze, und lebhafter gefarbten Ohren. Vom
III. Die Hundearten. 445
Kukunor kommt der von Matschie beschriebene L. caracorensis, bedeutend
grosser als die anderen. Lange des Felles von Nasenspitze bis Schwanzwurzel
140 cm, Schwanz ca. 45 cm lang. Die Farbung chamoisfarbig mil schwarzen
Tonen gemischt, mit rauchfarbiger Unterwolle, Unterseite weiss. Die Beine
mit einer schmalen schwarzen Langsbinde.
Im Siiden Chinas lebt noch ein kleiner Wolf, C. cbanco, von dem ich aber
keine Felle gesehen habe. Dieselben sollen hellgelb sein.
In Indien lebt ziemlich haufig ein Wolf, Lupus pallipes, ein schlankes,.
hochbeiniges Tier, etwas grosser als der Prariewolf , Farbe ist gelb, mit dunklem
Riickenstreifen, Schwanzspitze weiss. Die Unterwolle ist gelbbraun, aber nur
bei Fellen aus den nordlichen Gebirgsgegenden, einigermassen dicht im Siiden
ist das Haar sehr diinn und briichig. Er jagt nur paarweise, nie in Rudeln,
ganz im Gegensatz zu den in derselben Gegend lebenden Wildhunden, er
heult auch nicht, sondern jagd stumm. Er soil haufig Kinder rauben, und er-
halt sich in Indien die Sage, dass Kinder von Wolfen grossgezogen sind,
hartnackig. Bekanntlich hat auch Rudyard Kipling diese Sage in
seinem Junglebook benutzt. Es werden jahrlich nach der indischen
Statistik dort 6 bis 8000 Wolfe getotet. Doch kommen nur wenig Felle
zum Export.
In Japan lebt ein Wolf, Cants hodopbylax, japanisch Jama Jun, der
aber sehr selten ist. Das Fell ahnelt dem chinesischen Wolf, ist aber mehr
blaulich, die Lange des Felles ca. i m, der Schweif 25 cm. Hauptsachlick
lebt er auf der Insel Jesso, kommt aber fast gar nicht in den Handel.
e)Afrikanische Wolfe.
In Nordostafrika lebt ebenfalls ein Wolf, Canis simensis, der ,,Dib" der
Araber, ein grosses kraftiges Tier, mit langer spitzer Schnauze, der stets in.
Rudeln jagt, die Schaf- und Ziegenherden angreift, dem Menschen aber nicht
gefahrlich wird. Sein Fell kommt im Handel nicht vor.
3. Schakale.
Erst in letzter Zeit bilden Schakalfelle einen Gegenstand des Pelzhandels
und werden in grosseren Mengen importiert. Die Felle werden zumeist zu
Decken verwendet, wahrend die raucheren weichhaarigen Exemplare zu
Konfektionszwecken benutzt werden. Die sogenannten sudamerikanischen
Schakale sind falschlich so genannt, da sie, wie in einem spateren Kapitel aus-
gefiihrt wird, zu den Fuchsarten gehoren. Am meisten kommen die griechischen
Schakale in den Handel, doch sind auch hier zwei Arten zu unterscheiden,
der Canis aureus dalmatinus, etwa fuchsgross, wolfsgrau mit roten Beinen und
Kopf, der in Dalmatien lebt, und der ihm sehr ahnliche aber etwas kleinere
446 Naturgeschichte der Pelztiere.
C. aureus graecus im eigentlichen Griechenland. Es kommen hiervon jahrlich
wohl 5 bis 10 ooo Stuck in den Handel, im Durchschnittswert von 2 bis 3 Mk.
pro Stuck.
Wesentlich grosser ist der im Kaukasus verbreitete C. aureus der an
Grosse in der Mitte zwischen Fuchs und Wolf steht. Die Beine sind kiirzer,
das Haar viel grober als beim Fuchs. Auf dem Riicken wird dasselbe
haufig 7 bis 8 cm lang. Die Unterwolle, die etwas sparlich ist, ist grau, die
Grundfarbe des Felles ein schmutziges fahlgelb, auf dem Riicken schwarz
schattiert, unten gelbweiss. Namentlich in Indien, wo eine verwandte
Form C. aureus indicus lebt, sind diese Tiere sehr zahlreich und dabei
ungeheuer frech. In Delhi beobachtete ich dieselben haufig, wie sie
des nachts auf die Veranda meines Schlafzimmers kamen und dort ihren
melodischen Gesang anstimmten, obgleich die Tiir offen stand. Als ich einen
v
<n
%..'.
gez. v. Anna Matschie-Held.
Tunesischer Schakal (Canis aureas tunensis).
Pantoffel nach ihnen schleuderte, schienen sie dies als ein passendes Geschenk
aufzufassen und suchten damit das Weite. Sie kommen auch ofters ganz dreist
in die Gehofte und suchen in augenblicklich offen stehenden Zimmern nach
Nahrung. Die Indier erzahlen, dass sie auch ofters Sauglinge aus der Wiege
stehlen. Vor einem Erwachsenen nehmen sie aber schleunigst Reissaus. Bei den
Angloindiern ist das Schakalhetzen mit Fuchshunden ein sehr beliebter Sport.
Obgleich jahrlich eine sehr grosse Zahl erlegt wird, kommen doch nur
wenige Felle von Indien in den Handel. Von dem in Siam lebenden
Schakal C. crusemanis, uberhaupt keine. Der grosste der asiatischen Schakale
ist der arabische Wolfsschakal, C. badramauticus, von den Arabern ebenso
wie der Wolf ,,Dib" genannt. Er hat ziemlich die Grosse des amerikanischen
Prariewolfes, und ist das einfarbig graugelbe Haar dicht und lang, die
Unterwolle blaulichgrau und dicht. Das Fell ist trotz seiner siidlichen Her-
kunft brauchbar, doch habe ich es im Pelzhandel noch nicht gesehen.
In Afrika gibt es zahlreiche Schakalarten. Im Nordwesten zunachst
in Algier den C. aureus algeriensis, dem griechischen sehr ahnlich, und den
III. Die Hundearten. 447
C. aureus tripolitanus, mehr gelblich und mit grosseren Ohren. Da die
Tiere auf den Gefliigelhofen und auch bei den Lammern vielen Schaden
anrichten, zahlt die franzosische Regierung eine Pramie von 1,50 Frank fur
die Erlegung eines Schakals und werden jahrlich in Algier allein etwa 30 bis
40 ooo getotet. Die Felle werden aber bisher kaum ausgefuhrt. Am Senegal
lebt der C. antbus, blaugelb mit wolfahnlichem Fell, aber ziemlich klein.
In Agypten findet man einen grossen Schakal, der dem arabischen ahnelt
und auch den Sammelnamen ,,Dib" tragt. C. lupaster, grosser als unser Fuchs,
Farbung wolfsartig, rauhes Stichelhaar, an der Wurzel schmutzig-weiss, dann
schwarz und ockerfarbig geringelt, das Wollhar rotbraun, Beine rotbraun,
Schwanz nicht sehr buschig. Die Jagd auf Schakale bildet einen beliebten
Sport bei den Touristen, ist aber des Bakschischs halber bei den arabischen
Fuhrern noch beliebter.
Der schonste Schakal ist der C. mesomelas im Kaplande, der auch in
Deutsch-Sudwestafrika vorkommt. Er ist viel dunkler als die anderen und
herrscht die schwarze Farbe vor. Er hat eine Art Riickenmahne und sehr
grosse Ohren.
Von den Eingeborenen werden sehr schon gearbeitete Decken, ,,Karosse",
daraus gearbeitet, die auch auf den Markt kommen. In der letzten Zeit
kommen auch einige hundert Felle jahrlich in den Handel, doch wiirde auch
ein grosses Quantum schnellen Absatz finden.
Im siidlichen und Zentral-Afrika lebt C. adustus, der Schabrakenschakal,
mit breiten hellen Langsstreifen auf der Seite, die zu Decken verarbeitet werden
und durch ihre hubsche Zeichnung sich sehr gut fur Pelzzwecke eignen. Bis
jetzt bilden sie aber noch keinen Ausfuhrartikel, trotzdem sie auch in unserer
Kolonie nicht selten sind. Den in Siidafrika noch vorkommenden C. holubi
habe ich nie zu Gesicht bekommen.
4. Flichse.
A. Silberfiichse (engl. Silverfox, franz. renard argente).
Es bildet eine grosse Streitfrage unter manchen Zoologen, ob Silberfiichse
und Kreuzfiich.se eigene Art en sind oder Abarten des Rotfuchses. Meiner
Ansicht nach ist der Silberfuchs, Fulpes argenteus, eine vollkommen selb-
standige Art. Es ist noch niemals nachgewiesen worden, dass in einem Wurf
von Rotfuchsen Silber- oder Kreuzfiichse sich neben den roten Jungen gef unden
haben. Im Gegenteil, an der Kiiste von Alaska wird schon seit einer Reihe von
Jahren Silberfuchszucht auf eizelnen felsigen Inseln getrieben und immer be-
st ehen die Wiirfe aus echten Silberfuchsen, was nicht der Fall sein wiirde,
wenn es sich nur um melanotische Formen handeln wiirde. Das gleiche
Resultat ergibt sich bei den Silberfuchsfarmen in Neuschottland, Maine usw.,
448 Naturgeschichte der Pelztiere.
die ganz vorziigliche Felle liefern. Ausserdem ist es auffallend, dass Silber-
fiichse nur im hohen Norden vorkommen, niemals in siidlicheren oder ge-
massigten Gegenden. Wenn es aber Abarten waren oder gar nur Schwarzlinge
des Rotfuchses, miissten sich bei dem zahlreichen Vorkommen des Rot-
fuchses auch in diesen Gegenden einmal ein Schwarz- oder Silberfuchs gezeigt
haben, das ist aber noch nie der Fall gewesen.
Die alteren Forscher nahmen auch die Selbstandigkeit der Art an, und ist
deshalb die jiingere Generation im Unrecht. Auch Trouessant fiihrt diese
Fuchse falschlich nicht als eigene Spezies an. Der Silberfuchs ist ein ziemlich
grosses Tier, bedeutend starker und holier als unser deutscher Fuchs und an
Grosse dem grossen amerikanischen Rotfuchs mindestens gleich. Die Farbe
variiert sehr, der Grund ist stets schwarzlich, die Grannenhaare teils schwarz,
teils an den Spitzen, mehr oder weniger tief hinab, silbrig weiss. Der Nacken
und der Bauch ist stets schwarz, ebenso die Oberseite der Fiisse und Zehen.
An der Seite der Fiisse findet sich auch haufig ein silbriger Streifen. Der
Schweif ist stets schwarz mit weisser, heller Spitze, die nicht silbrig, sondern
rein weiss ist.
Der Wert richtet sich nun ausser der Qualitat, Dichte und Feinheit des
Haares hauptsachlich nach der Art der Verteilung der Silberspitzen. Am
wertvollsten sind die ganz schwarzen, die aber ausserst selten sind. Solche
Schwarzfuchse holen, wenn sie sonst vollkommen erster Qualitat sind, 6 bis
8000 Mk. per Stuck in erster Hand. Dann kommen solche, wo die schwarze
Farbung sich iiber den Riicken erstreckt und nur der Rumpf Silberspitzen hat.
Am wenigsten wert sind solche, bei denen die Silberspitzen eine stark gelbliche
Farbung zeigen. Das Haar auf dem Nacken ist, wie schon gesagt, stets schwarz
und viel langer und feiner als das Riickenhaar. Ein guter Silberfuchs (nicht
Schwarzfuchs) ist 1500 — 3000 Mk. per Stuck wert.
In Amerika findet man den Silberfuchs im ganzen Hudsonsbay-Gebietr
Labrador, Maine, Neubraunschweig und Neuschottland, Alaska bis zum
nordlichen Britisch-Kolumbia. Die feinsten Felle kommen aus Labrador.
An der Westkiiste, namentlich auf den aleutischen Inseln, kommt ein
Silberfuchs vor, der sogenannte Sitka oder Kadiakfuchs, der mir eine eigene Art
zu sein scheint, und den ich V. argenteus sitkaensis nennen mochte. Er ist
grosser und starker als die anderen, das Haar sehr grob und lang, fast wolfs-
artig. Der Wert eines solchen Felles ist hochstens 200 Mk., wahrend die
anderen Silberfuchse von 500 bis 4000 Mk. wert sind, je nach der Zeichnung.
Das Hudsonsbay-Gebiet liefert jamiich etwa 800 bis 1000 Stuck, die Ver-
einigten Staaten nebst Kanada, Neubraunschweig, Labrador usw. etwa 12 bis
1500 Felle, doch sind darunter kaum mehr als 10 bis 12 richtige Schwarz-
fuchse.
Im nordlichen Sibirien kommen auch Silberfuchse vor, die den vorigen
fast gleichen, so dass man keine eigentliche Artunterschiede feststellen kann,
nur ist das Schwarze immer mehr schiefrig oder mit einem bleifarbenen
III. Die Hundearten.
449
Schimmer. Seit einigen Jahren werden, wie schon oben erwahnt, Silber-
fuchse in besonderen Farmen im Nordosten der Vereinigten Staaten und
Kanadas gezuchtet, und kommen jetzt schon jahrlich mehrere hundert sehr
schoner Felle aus diesen Gehegen an den Markt. Die Zucht ist iibrigens
besonders wegen der grossen Scheu der Silberfiichse vor dem Menschen sehr
schwierig, und sind deshalb viele kostspielige Misserfolge zu verzeichnen. Der
Jahres-Kollektion von Silberfiichsen in einem Fort der Hudsons-Bay Co.
Erfolg hangt besonders von der Personlichkeit des Pflegers ab. Siehe auch
Artikel in Teil I.
B. Kreuzfiichse
(engl. crossfox, franz. renard croisse).
Hier liegt die Sache noch weit verwickelter. Es ist hier wirklich zweifel-
haft, ob man es mil einer eigenen Art oder mit Kreuzung von Silber- und
Rotfuchs zu tun hat, oder aber ob nur eine Varietat des gewohnlichen
Fuchses vorliegt. Zwar Macfarlane, der vorziigliche Kenner der Fauna des
Hudsonsbai-Gebietes gibt an, dass in einem Wurf des Kreuzfuchses stets nur
Kreuzfiichse gefunden werden. Gegen die Kreuzungstheorie spricht auch,
29
450 Naturgeschichte der Pelztiere.
dass man Kreuzfiichse vielfach in Gegenden trifft, wo der Silberfuchs nie
vorkommt. Uberhaupt ist sein Verbreitungbezirk viel ausgedehnter als das
des letzteren.
Das charakteristische Kennzeichen des Kreuzfuchises ist stets die
schwarze Zeichnung auf Nacken und Schultern, eine Art Kreuz bildend.
Die Haare sind hier auch langer und feiner. Bauch und Beine sind stets
schwarz, der Schweif schwarz oder schwarzlich mit weisser Spitze. Die Riicken-
und Seitenfarbung variiert nun ungeheuer. Die Grundfarbe ist vorwiegend
fahlgelb mit weissrotlichen Spitzen. Viele sind auch auf dem Riicken schwarz,
mit Silberspitzen und nach dem Grade der Ausdehnung dieser Silber-
Zeichnung richtet sich der Preis. Bei den feinsten Sorten ist es schwer zu sagen,
ob man einen Kreuzfuchs oder Silberfuchs vor sich hat. Der Preis rangiert
von 20 bis 300 Mk. Der Verbreitungsbezirk des Kreuzfuchses reicht viel weiter
nach Siiden. Im Osten bis in die nordlichen Distrikte von Newyorkstate, im
Westen bis Siiddacota, an der Westkiiste bis Kalifornien. Die feinsten Felle
kommen von Labrador, Esquimobai und Eastmaine im Hudsonsbay-Gebiet
(E. B. und E. M.). Die geringsten kommen aus den sudlichen Gegenden.
Auf Kadiak und den aleutischen Inseln kommt eine besonders grosse und
grobe Art vor, die fast Wolfsgrosse erreicht und beinah ebenso grobes Haar
hat wie dieser. Friiher kam diese Art ebenso wie die grobhaarigen Silberfiichse
auch auf den Pribiloff-Inseln vor.
Auch in Asien ist der Kreuzfuchs nicht selten. Sibirien, Kamtschatka,
die Mandschurei liefern Kreuzfiichse und selbst in Nordchina kommen solche
vor, die aber meistens nur wenig Silberzeichnung enthalten und auch auf dem
Riicken weniger schwarz sind. Die Grundfarbe ist meist gelb. Rotfiichse mit
Kreuzzeichnung sind selten, jedenfalls geht bei diesen die schwarze Zeichnung
fast nie liber den Riicken hinaus. Die Hudsonsbay Company bringt etwa
4000 Stuck jahrlich, Lampson und Nesbitt ca. 5000, die meist aus den Ver-
einigten Staaten, Kanada und den Nordwestdistrikten kommen.
C. Rotfiichse
(sog. virginischer Fuchs; englisch redfox, franzosisch renard rouge).
i . Amerikanische Rotfiichse.
Hier sind die Untersuchungen viel weiter gediehen. Die alte Ansicht,
dass man es nur mit einer Abart des europaischen Rotfuchses zu tun habe,
ist langst iiber Bord geworfen. Ein Kennzeichen ist hierfiir schon aus-
schlaggebend, die ,,Klauen", wie das Fell der Pfoten im Handel genannt wird.
Bei amerikanischen Fiichsen ist die Sohle stets dicht behaart mit wolligen
Borsten, die eine Art Filzsohle bilden, was bei europaischen Fiichsen nicht der
Fall ist. Ausserdem ist die Zeichnung eine andere, wie wir bei den einzelnen
Arten sehen werden.
III. Die Hundearten.
451
Im Nordosten der Vereinigten Staaten lebt der virginische Fuchs, Fulpes
virginianus. Er hat etwa die Grosse eines pommerschen oder holsteinischen
Landfuchses, doch ist das Haar viel feiner und weicher. Der Kopf ist spitz, gelb,
mit schwarzen Haar en untermischt, an der Wurzel mil einem schwarzen Fleck,
die Spitze weiss. Die Korperfarbe ist goldgelb, mit einem dunkleren Riicken-
streifen, Kehle und Bauchstreifen weiss. Auf den Pfoten zieht sich ein
.schwarzer Streifen bis beinahe zum Ellenbogen. Das Haar auf der Oberseite
Alaska-Rotfuchs (Vulpus alasciensis) .
der Pfoten ist viel langer und dichter als beim europaischen Fuchs, die Unter-
seite der Sohle, wie schon erwahnt, mit dichtem Filz belegt.
In Utah, Kolorado, Nebraska und Wyoming lebt V. macrourus, ahnlich
wie der vorige aber grosser, das Schwarze auf den Klauen viel weniger aus-
gedehnt, namentlich auf den Hinterklauen kaum uber die Mitte der Zehen
reichend. Der Schweif ist viel grosser, graugelb mit schwarzen Haaren unter-
mischt, weisse Spitze. Korperfarbung fahl rotlich gelb, auf den Flanken viel
heller, Kinn und Hals weissgrau, Bauch weiss. F. necator. Kalifornien, ist
kleiner als der vorige, namentlich ist der Schweif bedeutend kleiner, die Korper-
29*
452 Naturgeschichte der Pelztiere.
farbe ist hellweisslich gelb, sonst dem vorigen ahnlich. Das Schwarze auf den
Pfoten ist aber noch viel weniger ausgedehnt als bei F. macrourus.
V . cascadensis fin del sich hauptsachlich im Kaskadengebirge in Washington
Oregon und Britisch Kolumbia, klein goldgelb, sehr blasser Schweif, auf den
Fiissen bildet das Schwarze nur einen schmalen kurzen Streifen. Sehr vielfach
soil sich hier die Kreuzfuchsform, d. h. der Nacken und Schultern schwarz
gefarbt, finden. Auf den nordlichen Ebenen von Dakota bis Alberta im Nord-
westen Territoriens und ostlich bis Mantitoba und Minnesota lebt V. regalis,.
ein sehr grosser Fuchs, mit breiten und grossen Ohren, Schweif lang aber nicht
sehr breit, hart an der Wurzel einen Ring in der Farbe des Ruckens ohne
schwarze Haare, dann kommen schwarzliche Haare, die gelblichrot mit
schwarzen, langen Haaren untermischt. Farbe schon hellgelb. Die Fiisse sind
rotlich, von der Korperfarbe stark abstechend, das schwarze reicht auf den
Vorderfiissen weit hinauf bis zur Mitte zwischen Handwurzel und Knie, auf
den Hinterfiissen bis zum Knochel. Der Schadel ist breiter als bei den ubrigen
Fiichsen.
In Neuschottland, Maine usw. kommt V '. rubricosus vor, ein grosser
Fuchs von tiefdunkelroter Farbung und sehr feinem Haar, Schweif sehr breit
und buschig, rotgelb mit schwarzen Haaren untermischt. Das Schwarz der
Klauen hoch hinaufreichend, aber nicht so hoch wie bei den vorigen. Be-
schrankt auf Neufundland ist V. deletrix, sehr hell, fast strohgelb, die Fiisse
nur sehr wenig Schwarz zeigend. Schweif graugelb, mit schwarzen Haaren, aber
ohne den schwarzen Fleck an der Wurzel, Schwanzspitze weiss. Die Klauen,.
namentlich der Hint erf iisse, sehr gross.
V '. pensylvaniae reicht von der kanadischen Grenze bis nach Georgia und
westlich bis zur grossen Ebene, hat schones langes, seidiges Haar, die Farbe
variiert von rotlich bis gelblich, die Fiisse mit viel Schwarz. In Nord- Alaska
findet sich V. alascensjs, sehr gross, fein dunkelrotlich, kleine Ohren, Fiisse
sehr wenig Schwarz, Schweif sehr lang und buschig. Das Haar im Nacken
und dem Vorderteil des Ruckens sehr lang und seidig, fast eine Mahne bildend,
der Kopf sehr spitz.
Noch grosser und auch im Korperbau abweichend, ist der auf der Kenai-
Halbinsel in Alaska vorkommende V ' . kenaiensis. Die grosste Fuchsart iiber-
haupt ist F. harrimani, der auf Kadiak und den Inseln an der Kiiste von Alaska
vorkommt, der vordere Teil des Ruckens gelblich, Nacken und Schultern
mit grauen Haaren untermischt, der Schweif sehr gross, spitz zulaufend, gelb-
grau mit weisser Spitze. Die ganze Behaarung ist sehr grob, wolfsartig, wie
das Tier schon durch seine Grosse mehr an einen Wolf als Fuchs erinnert.
Die Fiisse sind gelblich, mit nur einem schwarzen Fleck. Im Hudsonsbay-Ge-
biet kommen jedenfalls auch wohl zwei Art en vor, ein grosser roter, seidenartig
feines Haar, und ein gelblich fahler. Im Prarie-Gebiet undim Saskatchewan-
Gebiet finden wir den hellen F. regalis, in East Maine, Labrador und benach-
barten Distrikten einen grossen, feinhaarigen, dunkelroten Fuchs, wahrschein-
III. Die Hundearten. 453
lich V ' . rubricosus. Aus den anderen Distrikten kommen auch rote Fiichse, aber
nicht so gross als der vorige, vielleicht V. virginianus. Bei den Auktionen der
Hudsonsbay Company sind die Felle ausser ihrer Herkunft nach Y. F.,
M.R.,E.B.,N. W., Kanada auch noch nach Farben sortiert, und zwar unter-
scheidet man erste Rote (dark), ganz tiefrot, zweite Rote (medium), etwas heller
und am unteren Teil des Riickens mit etwas geringelten, weisslichen Spitzen,
und blasse Fiichse (pale).
Ubrigens leben in den Siidstaaten der Vereinigten Staaten noch Fuchsarten
die tief rot gezeichnet sind, kleiner als der nordliche V. virginianus, und mit
schwarzem Bauch, die ich aber nirgends als eigene Art verzeichnet finde,
namentlich in Siidvirginien, Karolina, Tenesse, Arkansas. In Louisiana und
Florida kommen Fiichse nicht mehr vor.
Man findet in den ganzen Vereinigten Staaten uberall sogenannte
Bastardfiichse, d. h. dunkle Fiichse mit dunklerer Nackenzeichnung,
schwarzen Bauchen und Beinen, die aber jedenfalls nur Abweichungen
melanotischer Form sind und bei alien Fuchsarten vorkommen. Zweifelhaftef
ist dies bei einer anderen Art Bastardfiichse, die sich nur in den Gegenden
finden, wo Kreuzfuchse vorkommen. Diese haben auch schwarzen Nacken
und Schulterzeichnung und schwarzen Bauch und Klauen, und stehen im
ganzen Habitus etwa zwischen Kreuzfuchs und Rotfuchs. Hier kann mog-
licherweise wohl ein Kreuzungsprodukt zwischen beiden Rassen vorliegen.
Interessant ist auch, dass so wohl die Kadiakfuchse als auch die grob-
haarigen grossen Kreuzfuchse, die friiher auch auf den Pribiloff-Inseln vor-
kamen, jetzt, wenn sie im Winter auf Eisschollen etwa an diese Inseln getrieben
werden, sofort getotet werden, damit sie die dort betriebene Blaufuchszucht
nicht storen.
Die wertvollsten Felle sind die Labradorfelle und die Alaskafelle, am
billigsten die Kadiak und die hellen Sorten aus den Prarie- Gegenden.
In Amerika sind die Fiichse lange nicht so verbreitet wie in Europa,
dies zeigt sich schon aus der Zahl, die in den Handel kommt. Die Hudsonsbay
Company bringt etwa 30 ooo jahrlich auf den Markt, im letzten Jahre aber nur
ca. 8000, aus den Vereinigten Staaten kommen jahrlich etwa 80 ooo Stuck
nach London und etwa ein gleiches Quantum wird im Lande selbst ver-
arbeitet. Die amerikanischen Fiichse weichen auch in der Lebensweise vielfach
von ihren europaischen Vettern ab, und haben auch nicht den Ruf der Schlau-
heit wie diese. Sie konnen auch nicht so gut rennen und werden auf den
Prarien von einem Reiter oder Hund schnell eingeholt. Gefangen werden sie
meist in Stahlfallen, die mit einer Witterung versehen sind, die meist Geheimnis
•des Trappers ist.
2. Europaische R o t f ii c h s e.
In Europa haben wir verschiedene Art en von Rotfuchsen. Am wert-
vollsten ist der in Norwegen lebende sogenannte nordische Fuchs.
454 Naturgeschichte der Pelztiere.
Es ist dies unstreitig eine eigene Art, wenn sie bisher auch von den Forschern
nicht als solche aufgestellt ist und steht den Amerikanern weit naher als den
Landfiichsen.
Er ist viel hochbeiniger, das Fell fein seidig, dicht und lang, die Farbe ein
schones tiefes Rot, die Klauen sind auf der Oberseite fein und dicht behaart,.
auf der Sohle sind sie ebenfalls dicht behaart, das Haar ist aber weicher als die
filzartige Sohle der amerikanischen Fuchse. Der schwarze Mittelstreifen reicht
bis zum Handgelenk und ist auch auf den Hinterfiissen nicht weiter schwarz
als auf den Vorderfiissen. Der Schweif ist lang und buschig, grosser als beim
Landfuchs. Der Bauch ist weiss, ebenso die Schwanzspitze. Das Fell eines
nordischen Fuchses hat mehr als den doppelten Wert eines Landfuchsfelles,
Anfang 1910 ca. 50 Mk. per Stuck. Ich wiirde vorschlagen, diesen Fuchs als
V. septentrionalis als besondere Art aufzustellen.
Sehr verbreitet ist in Europa der Landfuchs Canis vulpes, unser ehr-
licher Reinecke, dessen Schlauheit ja spruchwortlich geworden ist. Trotz aller
Nachstellungen hat deshalb seine Zahl auch nur wenig, wenn iiberhaupt,
abgenommen. So liefert jetzt Deutschland allein jahrlich % Million Land-
fiichse, die andern Lander Europas ca. 400 ooo, Russland, auch ca. 200 ooo
Stuck, wahrend nach Lomer in 1864 jahrlich 100 ooo Stuck Landfiichse
an den Markt kamen. Die best en Fuchse in Deutschland kommen aus Pommern
Mecklenburg und Hoist ein. Auch die Schweiz liefert grosse kraftige Felle, die
noch besser sind als die deutschen, wahrend das Rheinland, und namentlich
Frankreich, geringere Qualitaten bringt. Die schwedischen Fuchse, die
naturgemass sehr gut in Qualitat sind, gehoren aber ebenfalls dem gewohnlichen
C. vulpes an. Das Haar des Landfuchses ist stets viel grober wie bei den
amerikanischen und nordischen Fiichsen, und nicht einfarbig rot, sondern
stets mit weissgrauen Haaren untermischt, namentlich auf dem unteren Teil
des Riickens. Die Klauen sind nur diinn behaart, an der Unterseite des Unter-
schenkels weiss. Ein weisser Streifen zieht sich an der Seite langs der ganzen
Zehen hin, wahrend sich die schwarze Zeichnung in der Mitte der Oberseite nur
bis iiber die ersten beiden Zehenglieder erstreckt. Die Sohle ist nur mit ganz
diinnen, flachen Haaren besetzt. Der Schweif ist gedrungen, rundlich und mit
schwarzlichen Haaren durchsetzt, die Spitze ist weiss. Der Schweif ist aber
kleiner als bei den amerikanischen, sibirischen und nordischen Fiichsen. Der
augenblickliche Wert eines Landfuchses ist 10 bis 12 Mk., und war anfangs
1910 sogar 18 Mk. wahrend er jahrelang nur 4 Mk. wert war. Uber die Lebens-
weise unseres Fuchses brauche ich wohl nichts Naheres mitzuteilen, denn kein
anderes unserer heimischen Saugetiere ist so popular und infolgedessen auch
so bekannt wie der Fuchs, der ja von jeher auch in der Volkssage eine grosse
Rolle eingenommen hat.
In England ist der Landfuchs recht zahlreich vertreten, da er hier sorg-
faltig zu Sportzwecken geschiitzt wird. Es gilt als ein soziales Verbrechen,
einen Fuchs zu schiessen und wird ein Landwirt, der sich solchen Vergehens
III. Die Hundearten. 455
schuldig macht, von seinen Nachbarn als ,, vulpicide", Fuchsmorder, gesell-
schaftlich boykottiert. Die Fiichse werden hier ausschliesslich mil besonders
dazu geziichteten Hunden, den Foxhounds, gehetzt und ist dies auch tatsachlich
trotz alien dagegen gemachten Einwendungen ein wirklich nationaler Sport,
der an der Spitze aller Sportarten steht. Ja, nach Ansicht mancher eifriger
Fuchsjager ist der Fuchs selbst dafiir eingenommen, doch haben wir daruber
die Ansicht des Fuchses nicht in Erfahrung bringen konnen. Jedenfalls
rennen die englischen Fiichse schneller und ausdauernder als irgend eine andere
Fuchsart, wohl eine Folge von ererbter Anpassung. Ein Galopp von 30 Kilo-
metern in 40 Minuten ist gar nicht so selten, iiber alle moglichen Hindernisse
weg. Die mangelnde Rennfahigkeit soil daran schuld sein, dass das Fuchs-
hetzen sich in anderen Landern nicht. einbiirgern konnte. Es wird aber wohl
auch daran liegen, dass in anderen Landern die Landeigentiimer nicht ruhig
zusehen wiirden, wie eine grosse Reiterschar iiber die gepfliigten Felder und
die Wintersaat weggaloppiert. Der englische Farmer ist aber damit ein-
verstanden und nimmt selbst daran teil. Allerdings werden auch grossere
Schaden von den Klubs, welche die Meuten unterhalten, in liberalster Weise
vergiitet. Dass aber Eisenbahnziige eine Viertelstunde still halt en, weil die
,,Hunt" die Geleise kreutzt, diirfte nur in England vorkommen. In der Um-
gegend von Rom, wo auch Fuchshetzen, allerdings in bescheidenerem Mass-
stabe, stattfinden, bietet die ode Campagna keine Gelegenheit, Schaden an
Kulturen anzurichten. Englische Fuchsfelle kommen deshalb garnicht an den
Markt, obgleich mindestens 200 ooo Stuck jahrlich getotet werden, da der
Fuchs, wenn es ihm nicht gelingt, zu entkommen, von der Meute in Stiicke
gerissen wird und es oft dem ,, Huntsman" Miihe kostet, nur die Lunte ,,The
Brush" zu retten, die dem ersten ankommenden Reiter als sehr hoch ge-
schatztes Siegeszeichen eingehandigt wird. Nur in den Bergen Schottlands
und Wales, wo Fuchshetzen unmogJich sind, werden Fiichse geschossen,
doch ist deren Anzahl nicht bedeutend genug, um im Handel irgendwie eine
Rolle zu spielen. Diese Felle sind aber von guter Qualitat. Die beriihmtesten
Meuten werden in den ,, shires" Yorkshire", Leicestershire und Lancastershire
gehalten.
In Bayern findet man neben dem gewohnlichen Landfuchs, der dort von
recht guter Qualitat ist, noch eine andere Art, den sogenannten Brandfuchs,
V. hypomelas. Es ist ein kraftiger Fuchs von dunkelroter Farbung mit
schwarzem Bauch. Nur die Schwanzspitze ist auch hier weiss.
Auch Italien hat eine eigene Fuchsart, V. melanogaster, ein kleines Tier,
aber mit sehr dickem Kopf. Der Schadel ist, trotz der geringeren Korper-
grosse, grosser als beim V. vulgaris. Die Farbung des Riickens ist dunkelrot-
braun mit weisslichgrauen Haaren untermischt, der Bauch schwarz, Ohren und
Vorderseite der Fiisse ebenfalls schwarz. Das Haar ist kiirzer als beim ge-
wohnlichen Landfuchs.
In Spanien kommt ein Fuchs vor, der bisher nicht als eigene Art auf-
456 Naturgeschichte der Pelztiere.
gestellt, aber entschieden als eine solche anzusehen 1st. Er hat ungefahr die
Grosse des italienischen Fuchses, eher noch kleiner, der Kopf spitz. Die
Farbung ist hellgelblich, der Bauch weiss, die Zehen schwarz und der Schweii
ziemlich klein und diinn. Ein angemessener Name dafiir ware V . hispanicus.
In Galizien und Russland lebt ein Fuchs, der im Handel als podolischcr
Fuchs bekannt ist. Die Grosse ist ungefahr die des Landfuchses, die Farbung
aber hellge]b (im Handel auch als blasse Fiichse bekannt), der Bauch weiss.
Er kommt vielfach in den Steppengegenden der Ukraine vor.
Im Norden Russlands und im Osten des Reiches lebt ein roter Fuchs, der
auch ein viel feineres Haar hat als der Landfuchs, und ein reineres Rot ohne
die weissgrauen Haare zeigt.
Auch in Finnland kommt ein roter Fuchs vor, der dem nordischen und dem
amerikanischen Fuchs sehr ahnlich ist.
C. Asiatische Rotfiichse.
Auf der asiatischen Seite der Behringstrasse leben verschiedene Fuchs-
arten, die den amerikanischen sehr ahnlich sind. Am feinsten ist der in
Kamtschatka und auch auf der Insel Sachalin vorkommende Vulpes kam-
scbadensis, einer der grossten Fiichse uberhaupt, mit sehr langem, feinem,
seidigem Haar und sehr schoner, glanzender, roter Farbe. Sehr ahnlich,
nur wenig heller gefarbt, ist auch der grosse Vulpes anadyrensis im nordlichen
Ostsibirien. Im siidlichen Ostsibirien wird er durch einen grossen, aber
flacheren Fuchs, der aber grober im Haar ist, vertreten. Leider habe ich es
unterlassen, die Farbe der Klauen festzustellen und steht mir augenblicklich
kein Material zur Verfiigung. Die Zahl, die von diesen Arten jahrlich in den
Handel kommt, ist nicht sehr gross und diirfte einige tausend nicht iiber-
steigen. Der augenblickliche Wert eines guten Kamtschatka- oder ostsibiri-
schen Fuchses diirfte etwa 40 bis 45 Mk. sein.
Viel zahlreicher findet man Rotfiichse im zentralen und westlichen Ost-
sibirien, und zwar in zwei Arten, einer hellen gelblichen und einer dunkleren
roten Art. Beide ahneln mehr den amerikanischen als den europaischen
Fiichsen, denen sie bisher zugezahlt wurden. Schon die Grosse und Starke
der Schwanze deutet darauf hin. Auch in der Lange und Feinheit des Haares
ahneln sie weit mehr den Amerikanern als den europaischen Fiichsen. Es
sind mehrere Arten davon im Handel, die meist nach der Gegend, wo sie her-
stammen, unterschieden werden, als Tobolsker etc. Der gegenwartige Wert
ist etwa 30 bis 40 Mk., je nach Qualitat und Farbe.
Der sibirische Fuchs geniesst auch nicht den Ruf der grossen Schlauheit
wie unser Reinecke. Die Zahl, die jahrlich in den Handel kommt, ist schwer
festzustellen, doch schatze ich solche auf ungefahr 60 ooo Stuck jahrlich.
Ob die sibirischen Fiichse mit den schon erwahnten russischen Fiichsen
identisch sind, ist noch nicht festgestellt, und bedarf noch naherer Unter-
suchung. In Nordchina leben auch verschiedene Fuchsarten, die zum Teil
III. Die Hundearten. 457
von Herrn Professor Matchie bearbeitet sind. Ich habe hauptsachlich die
folgenden Arteri beobachtet. Eine grosse Art, die grosser als unser Land-
fuchs, ihm in der Farbung ahnlich ist, aber flacher und diinner im Haar.
Die Farbe im Nacken rotlich, auf dem Riicken rotlich, untermischt mit weiss-
lich geringelten Haaren, der Bauch weiss, Klauen oben weissgelb, ohne schwarz.
Schweif sehr gross und buschig, rotlich mit weisser Spitze, Ohren schwarz.
Wahrscheinlich ist dies Vulpes lineiventer.
In derselben Gegend kommt noch eine andere Fuchsart sehr haufig
vor, die kleiner ist, mehr rotlich am Rumpf , die weissgeringelten Spitzen viel
scharfer ausgepragt, so dass die Farbung hier mehr ins graue spielt. Bauch
schwarz, auf den Schultern ein helleres fahlgelbes Band. Das Haar ist im
ganzen viel langer und weicher, Ohren braunsChwarz. Bei dieser Art findet
man auch haufig die Riickenfarbe statt rotlich mehr gelbrot bis fahlgelb.
Auch hier ist der Schweif sehr gross, aber mehr weisslichgelb und buschig,
Spitze weiss.
Ich sah auch noch eine andere Art, die aus der Provinz Kansu stammen
sollte. Die Felle waren wesentlich kleiner als die vorhergehenden, dunkel-
rotlich, die stellenweise sogar ins braunliche spielten, die Ha are, namentlich
.am Rumpf, mit weisslich geringelten durchsetzt. Der Bauch ist schwarz
'der Schweif kleiner und mehr rundlich gedrungen. Die Haut diinner als bei
den anderen Art en.
In Siidchina lebt eine kleine Fuchsart, Vulpes hoole, dunkelockerfarbig
mit gelbrotlicher Beimischung. Auf dem Nacken ins braunliche spielend,
Bauch weiss. Das Haar ist kurz und etwas grob. Der Chinese nennt iibrigens
alle Fiichse ,,huli" oder ,,vuli", wovon auch wahrscheinlich der Name stammt,
den Swinhoe dieser Fuchsart gegeben hat. Friiher wurden fast keine Fiichse
aus China ausgefiihrt, da sie im Lande verarbeitet wurden, jetzt aber, seit-
•dem die Landfuchse einen so hohen Preisstand haben, kommen jahrlich wohl
auch 15 bis 20 ooo chinesische Fiichse an den Markt. Besonders die mand-
schurischen Fiichse sind von guter Qualitat. Jedenfalls gehort der Fuchs in
•China nicht gerade zu den haufigen Tieren.
In Japan lebt eine ganz besondere Fuchsart, Vulpes japonicus, der
,,Kitsenu". Das Fell ist klein, noch kleiner als der italienische Fuchs. Die
Grundfarbe rot mit gelblichen Haaren untermischt, Bauch weiss, der Schweif
verhaltnismassig kurz und nicht sehr buschig. Die Felle sind fast stets in der
Mitte des Bauches aufgeschnitten und dadurch stark entwertet. Es kommen
jahrlich etwa 30 ooo Stuck in den Handel. Der Wert diirfte jetzt 5 Mk. per
Stuck kaum iiberschreiten. Auf Yesso soil nach Temminck und Siebold
noch eine grosse Fuchsart vorkommen, die dem amerikanischen Fuchs sehr
ahnlich sei. Siebold nennt sie Feuerfuchs.
Es ist sehr wohl moglich, dass diese Fiichse mit dem auch auf Sachalin
vorkommenden Kamtschatkafuchs verwandt sind, da ja die Fauna und Flora
Yesso von dem iibrigen Japan ganz verschieden ist und mehr nach
458 Naturgeschichte der Pelztiere.
Sibirien hinweist. Ich selbst habe aber noch keinen dieser letzteren Fiichse
gesehen. In der japanischen Volkssage spielt der Fuchs eine sehr grosse
Rolle. Er tritt handelnd und redend auf, als eine Art Damon, bald schadigend,
bald gutmiitig hilfreich, wie der Kobold der deutschen Sage, aber immer
ausserst schlau. Auch ist er wie der Wehrwolf der deutschen Sage fahig,
seine Gestalt zu andern und bald die eines schonen Madchens, bald die eines
alten Mannes anzunehmen. Bei den Anhangern der Shintoreligion gibt es
einen besonderen Fuchsgott, der als Beschiitzer des Landbaues gegen Feuers-
brunst und Diebstahl gilt. Die Shintoleute betrachten den Fuchs auch ge-
wissermassen als heiliges Tier und toten ihn nie. Ubrigens scheuen sich
auch die Shantung-Chinesen, einen Fuchs zu toten, da seine Seele sich an
ihnen rachen wiirde. Im nordlichen Indien, wo er im Himalaya bis zur Schnee-
grenze geht und in Zentralasien lebt Vulpes montana, der rote Kreuzfuchs.
Die Farbung ist rotlich, auf dem hinteren Teil des Riickens ins graue spielend.
Vom Hals bis zu den Schultern reicht eine weisse Binde, Kehle, Brust und
innere Seite der Beine schwarz und auf dem Nacken ein dunkelrotes Kreuz,
Bauch fahlgelb, sehr lang und dicht behaart, Schweif sehr dicht und buschig,
Spitze weiss. Die Felle werden fast samtlich lokal verbraucht.
In Indien leben noch andere Fuchsarten, z. B. Vulpes bengalensis, ein
kleines schlankes Tier mit kurzem Schweif, graurot mit weissem Bauch,
grauer Schweif, lebt ausschliesslich von Mausen, Insekten, Eidechsen und
Obst.
Vulpes alopex, gross, mit weichem Fell, im Winter starkem buschigen
Schweif. Alle diese Felle spielen aber im Handel keine Rolle. Desto be-
deutender ist aber der Karganer-Fuchs, Vulpes carganus^ der in Zentral-
asien und den Steppengegenden des siidwestlichen Sibiriens haufig vorkommt.
Er ist hellgelblich, der Bauch weiss, der Schwanz klein, aber weich, fast
weisslich, mit einzelnen schwarzen Haaren durchmischt. Die Klauen gelblich-
grau ohne schwarze Zeichnung. Es kommen davon iiber 150 ooo Felle in den
Handel, doch werden auch viele Felle lokal verbraucht, denn Russland fiihrt
jamiich mehrere hunderttausend dieser Karganer-Schweife aus. Der gegen-
wartige Wert ist ca. 8 Mk. per Stuck.
Auch in den Gebirgen nordlich von Afghanistan soil er sehr haufig seia
und werden nach Radde jahrlich in Murgab allein 15 — 20 ooo Stiick gefangen.
Die Nahrung besteht aus verschiedenen kleinen Nagern, hauptsachlich
Spermophilus-Arten. Er ist wissenschaftlich neuerdings auch als Canis
melanotus bezeichnet worden wegen der schwarzen Ohren, auch die Schwanz-
spitze ist schwarzlich.
In Vorderasien gibt es eine ganze Reihe verschiedener Fuchsarten, die
meist klein sind und dem Karganerfuchs ahneln, aber verschieden in Farbe sind.
So kommt aus Syrien und Palastina Vulpes syriacus, fahlrotlich, mit
weissgrauen Grannen untermischt, der Riicken ist dunkler, die Flanken
sind weiss, der Bauch schwarz. Schwanz ist klein, aber gedrungen und rund,.
III. Die Hundearten.
weissliche Klauen, flach, blassrotlich an der Innenseite des Unterschenkels
weiss ohne jede schwarze Zeichnung.
Der kaukasische Fuchs, der arabische und der persische Fuchs sind eben-
falls klein, aber abweichend gefarbt. Auch in Griechenland und am Balkan
kommen andere Fuchsarten vor. Diese Arten sind aber noch nicht geniigend
untersucht und mir liegt augenblicklich nicht das geniigende Material vor,
ich komme aber spater darauf zuriick. In Bosnien lebt z. B. ein Rotfuchs,
der ganz von den anderen abweicht und jedenfalls eine eigene Art bildet.
Er ist in der Literatur noch nicht beschrieben, weshalb ich ihn V. bosniacus
nennen mochte. Er hat die Grosse eines starken Landfuchses, ist in der Far-
bung dem viel kleineren italienischen Fuchse, V. melanogaster, ahnlich, ist
aber viel raucher. Die Farbung ist dunkelrotlich mit weisslichen Grannen
untermischt, Bauch schwarz. Die Pfoten sind vorn bis zum Knochel schwarz,
hinten nur die ersten beiden Zehenglieder. Der Schwanz ist gross, buschig,
dunkelrotlich mit schwarzen langeren Haaren durchsetzt, die Spitze weiss,
In Marokko, Algier und Tunis lebt ein kleiner Fuchs von rotlicher Farbe,
V. atlanticus, und in Agypten, Abessinien und Nordostafrika ein kleiner, aber
heller gefarbter Fuchs, V . aegyptiacus. Auch der letzte Weltteil Australien
beherbergt eine Fuchsart, die aber dort nicht einheimisch ist, sondern erst
ganz jungen Daturas. Dieser Fuchs liefert ubrigens einen Beweis von der
Anpassung an veranderte Lebensbedingung und des Einflusses von Klima
und Umgebung auf die Artenbildung. Vor etwa 30 Jahren, als die Kaninchen-
plage in Australien so iiberhand nahm, fiihrte man, um derselben Einhalt
zu tun, unter anderen auch Fuchse aus England ein.
Zwar den Kaninchen taten sie verhaltnismassig geringen Abbruch, da
ihnen allmahlich die einformige Kost wohl iiberdriissig geworden. Sie liebten
es wenigstens, sich durch die Hiihnerhofe der Ansiedler Abwechslung in ihrem
Menu zu verschaffen, so dass schliesslich die Schonzeit fur Fuchse aufgehoben
wurde. Sie hat ten sich aber ansehnlich vermehrt. Wahrend in den ersten
Jahren nach der Schusserlaubnis nur einige Tausende ausgefiihrt wurden,
kommen jetzt jahrlich iiber 50 ooo Felle aus Australien und steigt die Zahl
fortwahrend. Wenn man aber ein solches Fell mit einem englischen Fuchs-
fell vergleicht, wurde es niemand fur dieselbe Art halten.
Das Tier ist viel kleiner und schlanker geworden, das Haar kiirzer und
diinner und auch in der Farbung zeigen sich starke Abweichungen. Der
australische Fuchs gleicht heute mehr dem japanischen Fuchs als dem euro-
paischen Landfuchs und hat das Fell auch kaum den halben Wert wie das
letztere.
Friiher wurden die Rotfuchse naturell verwendet und zwar Riicken und
Bauche getrennt zu Pelzfuttern. Die Bauche mit ihrem langen weichen
Haar und der hiibschen Zeichnung waren teurer und beliebter als die Riicken.
Namentlich der Orient kaufte grosse Mengen Rotfuchse in Leipzig, wo vor
der Versendung die Riicken herausgestochen, Schweife und Klauen ab-
460 Naturgeschichte der Pelztiere.
geschnitten und am Platz verkauft wurden. Auch in Russland und Zentral-
asien verwendete man mitVorliebe die Bauche zu Futtern. Die Klauen gingen
nach China, wo sie zu Jacken zusammengesetzt werden, die mil dem Haar
nach aussen getragen werden. Die Schweife wurden zu Boas und spater zu
Schweifchen verwendet. Mein Vater war der erste, der im Jahre 1872 diese
Verwendung einfiihrte. Der Preis betrug damals 3 bis 5 Pfennig pro Schweif ,
obgleich jahrlich iiber eine Million verarbeitet wurden. Erst im Jahre 1886
trat eine Preisteigerung ein bis auf 20 Pfg. pro Stuck, die im nachsten Jahre
auf i Mk. per Stuck stieg. Seit dieser Zeit schwankt der Preis zwischen 50 Pfg.
und 1,50 Mk. per Stuck. Der augenblickliche Preis fiir Karganer diirfte
etwa 80 Pfg., fiir Landschweife ca. 1,20 Mk. und fiir sibirische und amerika-
nische 1,50 Mk. per Stuck sein. Auch aus China kommen infolge der hohen
Preise jetzt grossere Post en Fuchsschweife auf den deutschen Markt.
Jetzt ist die Verwendung im naturellen Zustande verhaltnismassig ge-
ring. In Deutschland werden wohl nur die kleinen Karganer und asiatischen
Fiichse naturell verarbeitet, und die feineren Sorten gehen in Zentralasien
und Russland. Die Hauptverwendung ist in gefarbtem Zustande, und zwar
namentlich in den modernen Farben Alaska und Sitka, die natiirlich nicht
die Herkunft anzeigen, sondern nur die Farbe. Die Hauptabnehmer dafiir
sind Amerika und Frankreich, aber auch Deutschland, Osterreich, England
usw. verarbeiten diese Felle. Man setzt auch vielfach kiinstliche weisse
Spitzen hinein aus Dachshaar, um eine Imitation des Silberfuchses herzu-
stellen. Man nennt solche Fiichse ,,gespitzte". Die modernen Stolas werden
mit Kopfen, Schweif und Klauen verarbeitet, weshalb auch jetzt so wohl
Fuchsklauen als auch Schweife in den besseren Qualitaten nur wenig an den
Markt kommen.
D. Griesfiichse
(engl. greyfox, franz. renard de virginie).
Ganz im Gegensatz zu den Rotfiichsen, deren Verbreitungsbezirk sich
iiber die ganze Welt erstreckt, ist das Vorkommen des Griesfuchses auf die
Yereinigten Staaten von Nordamerika beschrankt. Er weicht bekanntlich
stark von den anderen Fiichsen im Aussern ab. Die bekannteste Art ist
Urocyon cinerensargentatus, der im ostlichen Nordamerika von den Neu-
Englandstaaten bis Georgien vorkommt und im Westen bis an den Mississippi
geht. Die Grundfarbung ist ein rotliches Grau, die Grannenhaare sind schwarz
und weiss geringelt, die Spitzen weiss. Der Riicken ist dunkler gefarbt als
die Seiten, der Bauch rotlich, die Pfoten rotlich, Innsenseite des Unterschenkels
weiss. Die Unterwolle ist weich, die Grannen aber steifer und kiirzer als beim
Rotfuchs. Auch ist die Behaarung uberall gleichmassig lang oder richtiger
kurz, nicht wie beim Rotfuchs in der Nackengegend langer. Der Schweif ist
buschig, aber die Haare ziemlich hart und steif, graumeliert, die Unterseite
rotlich, auf der Oberseite ein dunkler Streifen.
Ill, Die Hundearten. 461
In Texas und den Siidstaaten lebt U. texensis, grosser als der vorige,
heller gefarbt, die Ohren grosser, langerer und diinnerer Schweif. In Kali-
f ornien und Washington Territory lebt U. calif ornuus, der auch bedeutend
heller ist und am Vorderfuss ohne schwarze Zeichnung ist. Er ist ebenfalls
grosser als der nordische Griesfuchs, wahrend der auf der Insel Catalina vor-
kommende U. catalinae sehr klein ist.
Der in Columbia lebende U. aquilus'isi dagegen sehr dunkelfarbig, aber flach
im Haar. Man unterscheidet noch U. borealis in New Hampshire, U. floridanus
in Florida, U. ocythous in Wiskonsin, U. scotti in Arizona, U. parvidens in Yucatan^
die sich alle zoologisch scharf unterscheiden, aber im PeJzhandel nicht als Artea
unterschieden werden. Auf den Inseln der kalifornischen Kiiste leben noch
U. litter alls und V . clementae, die beide ziemlich klein sind. Der Griesfuchs unter-
scheidet sich auch in der Lebensweise vom Rotfuchs. Er besitzt weder die
Schlauheit noch die Frechheit des letzteren, besucht daher auch sehr selten die
Hiihnerhofe, sondern nahrt sich redlich von Kaninchen, Vogeln, Ratten,.
Mausen, Insekten. Gelegentlich frisst er auch junge Maiskolben und andere
Vegetabilien. Sonderbar ist seine Gewohnheit, wenn er gejagt wird, auf
kleine, etwas schragstehende Baume zu klettern, was kein anderer Fuchs tut,
Seine Vermehrung ist nicht sehr stark, er wirft jeden Friihling 3 bis 4 Junge.
Die jahrliche Ausfuhr von Amerika schwankt zwischen 20 bis 40 ooo
Stiick. Das Fell kann zu Futter nicht verwendet werden, sondern nur zn
Stolas und Muffen. Auch Schweif und Klauen konnen zu nichts anderem als
zur Verzierung von Stolas gebraucht werden. Meistens werden sie naturell
verarbeitet. Manchmal wird aber die Unterwolle dunkelblau gefarbt, wahrend
die weissen Spitzen ihre Farbe behalten. Der gegenwartige Durchschnitts-
wert ist etwa 6 Mk. pro Fell.
E. Kitfiichse
(engl. kitfox, franz. renard turc),
Viel verbreitet sind die Kitfuchsarten. In den Prairie-Distrikten des
Hudsonsbay-Gebietes am Saskatchewan lebt Fulpes velox, der typische Ver-
treter der Rasse. Es ist ein ungemein zierliches Tier, klein, ca. 60 cm von der
Schnauze bis Schwanzwurzel, Schwanzlange ca. 30 cm. Das feinwollige,.
dichte, aber kurzhaarige Fell ist auf dem Riicken rotlich gelbgrau mit weiss-
geringelten Grannen durchsetzt, die Seiten sind sehr zart hellrotlich abgetont,
der Bauch weiss. Der Schweif ist rund und dicht graurotlich, unten hellrot-
lich, an der Spitze schwarz. Die hochstehenden Ohren sind aussen rotlich,
innen weiss.
Leider hat die Zahl der schonen Tiere sehr abgenommen. Wahrend
die Hudsonbay Co. noch 1858 jahrlich 10 ooo Stiick exportierte, bringt sie
jetzt wenig mehr als 1000 Stiick. Weiter westlich im Kalgary-Distrikt und
Alberta lebt V . velox hebes, der etwas grosser und heller gefarbt ist. Die in
den Vereinigten Staaten lebenden Kitfiichse weichen etwas ab, so der gross-
462 Naturgeschichte der Pelztiere.
ohrige Kitfuchs in Kalifornien, V. macrotis der schnellfussige Kitfuchs
F. arsipus in Mexiko und Arizona und V '. muticus in Kalifornien sind bedeutend
grosser als die andern und tritt das rotliche in der Farbe mehr hervor, wahrend
die Kitfiichse Kolorados und Nebraskas wieder kleiner sind. Schon der Name
velox, der Flinke, deutet darauf hin, dass das Tier ungemein schnell laufen
kann. Seine Nahrung besteht hauptsachlich aus Mausen, Ratten, Eich-
hornchen und dergleichen. Aus den Vereinigten Staaten kommen jetzt
jahrlich etwa 1500 bis 2000 Stuck . Der augenblickliche Wert 1st etwa 7 bis
8 Mk. per Stuck. In A s i e n wird der Kitfuchs durch einen nahen Verwandten
vertreten, den Korsak-Fuchs, Canis corsac, der auch im Handel als asiatischer
Kitfuchs bezeichnet wird. Es ist ein kleines Tier, von der Schnauze bis zur
Schwanzwurzel 50 bis 60 cm lang, der Schweif 20 bis 25 cm lang. Das Haar
ist kurz und dicht, nicht ganz so weich wie bei dem Amerikaner, auf dem
Rucken rotlich mit weisser Spitze, der Grund blaulichgrau. Die Seiten sind
hellfahlgelb, der Bauch weiss. Der Schweif ist rund und gedrungen, nicht
buschig, oben blaulichgrau mit schwarzen Haar en untermischt, auf der
Unterseite ein zartes rotlichgelb. Er bewohnt das ganze gemassigte Zentral-
asien, von der Wolga und dem Kaukasus bis an den Baikalsee. Radde erwahnt
sein haufiges Vorkommen im osthchen Sibirien, rechnet ihn aber falschlich
zu den Wolf en, womit schon seine ganze Lebensweise in Widerspruch steht.
Er ist sehr scheu, geht nur des Nachts seiner Nahrung nach, schlaft in ver-
lassenen Murmeltierbauten, lebt hauptsachlich von Mausen und kleinen
Saugetieren, verschmaht aber auch Heuschrecken und Insekten nicht. Er
gilt als ganzlich unzahmbar.
Ein anderer Kitfuchs lebt in Tibet, Canis ferrilatus, ockergelb mit weiss
gesprenkelt auf dem Rucken, die Seiten blass rostgelb, Schweif grau, Schwanz-
spitze weiss, Ohren sind kurz. Seiten des Halses eisengrau mit weiss und
schwarz gemischt. Sehr nahe steht diesem Fuchs Canis eckloni. Auf dem
Rucken hellockerfarbig, fein mit grau gestrichelt, mit schwarzen, einzeln
stehenden Haaren untermischt. Unterwolle hellgrau, Hals ockerfarbig,
Seiten und Schultern bleigrau mit schwarzlichen Haaren gemischt, Bauch
weiss, zwischen beiden eine dunklere Binde aus chamois, weissgrau und mit
schwarzen Haare gemischt, Schwanz graublau, oben mit einem dunkleren
Langsstreifen, unten hellockerfarbig.
Das Tier kommt im westlichen China an der tibetanischen Grenze vor
und zwar vom oberen Yangtse bis zum oberen Hoangho. In Belutschistan
und Afghanistan lebt der etwas grossere Canis cana. Auf jeder Seite des
Riickens ist hinter der Schulter ein blassgelber Fleck, von dem ein breiter
schwarzer Querstreifen iiber die Schulter lauft, Rucken braungelb bis rot-
rostrot mit weissen Haaren untermischt. Seiten weissgrau, Unterseite
schiefergrau, Ohren dunkelbraun, Schwanzspitze schwarz. Im ganzen kommen
etwa 60 ooo asiatische Kitfiichse jahrlich in den Handel, im augenblicklichen
Werte von ca. 4 Mk. pro Stuck. Verwandt ist noch der in den Wiistenregionen
III. Die Hundearten. 463
des nordlichen Indiens, sowie Arabien etc. lebende Wiistenfuchs Fulpes
leucopus, mit dunkler Unterseite, grossen schwarzen Ohren, dichtem weichem
Fell, Schwanzspitze weiss. Die Hauptnahrung bilden Springmause.
F. Wiistenfiichse.
In Af r ika lebt eine Anzahl Fiichse , die zu den r eizendsten Geschopf en gehoren.
Zunachst der Fenek, Megalotis zerda oder M. fenec, der kleinste Fuchs
iiberhaupt, der noch nicht einmal die Grosse einer Hauskatze erreicht.
Das sehr feine weiche Fellchen ist hell isabellfarbig. Der runde kitfuchs-
ahnliche Schweif ist ockerfarbig, oben mit einem dreieckigen schwarzen Fleck,
die Schwanzspitze schwarz. Auf dem Riicken treten einige langere schwarze
Haare hervor, die Unterseite ist weiss, die Fiisse strohgelb, die Sohle behaart.
An dem kleinen Kopfchen sitzt eine sehr spitze Schnauze und riesige Ohren,
die dem Tier auch den Namen ,,grossohrig" verschafft haben. Die grossen
dunklen Augen funkeln stets sehr vergniigt, und gewahrt es einen reizenden
Anblick, die zierlichen Tierchen in der Abenddammerung am Rande der Oase
vergniigt spielen zu sehen.
Auch im Berliner zoologischen Garten waren ofter Parchen dieses
schonen Tierchens. Der Fenek lebt in Erdhohlen am Rande der Wiiste und
seine Nahrung besteht hauptsachlich aus Mausen, Springmausen usw., doch
verschmaht er auch Heuschrecken und ahnliches Klein wild nicht.
Felle kommen fast gar nicht in den Handel. In Dongola, Darfur, Kordofan
lebt ein etwas grosserer Fuchs, Canis pallidus, der dem Kitfuchs oder Korsak-
fuchs ahnlich sieht. Er ist ungefahr so gross wie dieser, rotlichgrau bis stroh-
gelb, die Haare abwechselnd graugelb, weiss und schwarz geringelt, mit rot-
lichgelber Spitze. Schweif fahlgelb, oben mit schwarzem Fleck, mit vielen
schwarzspitzigen Haaren durchsetzt, Spitze schwarz. Der Bauch ist weiss,
Fiisse gelblich weiss.
In Siidafrika lebt der Kapfuchs Canis chama, ebenfalls von der Grosse
des Korsakfuchses, das Haar ist wollig, auf Nacken und Riicken graugelb
mit rotlichweissen Spitzen, auf dem Riicken ein Streifen langeres Haar, wie
eine Mahne, schwarz und weiss geringelt, etwas borstenartig. Bauch ist
weiss, die Beine weissgelb, der buschige Schweif mit schwarz und weiss ge-
ringelten Haaren durchsetzt. Spitze schwarz.
Das Tier kommt auch in Deutsch-Sudwestafrika vor. Im Handel trifft
man nur selten Felle, ofters aber die von den Eingeborenen aus den Fellen
dieses Fuchses angefertigten Karosse.
Von viel grosserer Bedeutung fur den Pelzhandel sind
G. Siidamerikanische Fiichse.
Am verbeitetsten ist der sogenannte Pampasfuchs, Canis azarae.
Die Farbe ist vorwiegend silbergrau gelb, auf dem Riicken lange, etwas
steifere Haare. Der Bauch gelblichgrau, der Schwanz nicht sehr buschig,
464 Naturgeschichte der Pelztiere.
dunkelgrau mit schwarzlicher Spitze, Beine vorn grau, auf der Innenseite-
rotlich. Er ist etwas kleiner als der Landfuchs, aber schlanker und hochbeiniger.
Das ganze Tier macht einen schakalartigen Eindruck und wird auch im Pelz-
handel haufig argentinischer Schakal genannt. Sein Verbreitungsbezirk
reicht von Brasilien bis zur Magellanstrasse und ist er nirgends selten. Erst
seit einigen Jahren kommen aber grossere Mengen in den Handel, aus Argen-
tinien etwa 5 bis 6000 Stuck jahrlich, deren augenblicklicher Wert etwa
3 Mk. per Stuck ist.
Im Norden Siidamerikas wird er durch einen andern Fuchs vertreten,
den Canis cancrivorus, ein bedeutend grosseres Tier, der den Landfuchs an.
Grosse iibertrifft. Er sieht mehr schakalartig aus, das ziemlich kurz-
>•
gez. v. Anna Matschie-Held.
Pampasfuchs (Canis azarae) .
haarige Fell ist gelbgrau. Haare gelb und schwarz geringelt. Der Schwanz.
mit vielen schwarzen Haaren durchsetzt, die Spitze schwarz. Auf den Sa-
vannen von Guiana und Venezuela ist das Tier recht haufig und stellt dort
auch dem Hausgeflugel stark nach. Er wird aber vielfach gezahmt und soil
von den Indianern dort auch zur Jagd abgerichtet werden. Das Fell kommt
fast nie in den Handel. Sehr schon ist der in Siidpatagonien bis zur Magellan-
strasse vorkommende patagonische Fuchs Canis griseus. Er ist etwas grosser
als der Azarafuchs, aber nicht so gross als der europaische Rotfuchs. Das
Fell ist sehr fein und weich, die Behaarung eine gleichmassige, ohne die Riicken-
mahne des Pampasfuchses.
Die dichte Unterwolle ist graublau, die Grannen gelblich, weiss und.
schwarz geringelt. Der Nacken rotlich-grau, Bauch rotlichweiss.
Unterschenkel und Pfoten aussen rotlich, innen gelblichweiss. Der
kraftige Schweif auf der Oberseite stark mit schwarzen Haaren durchsetzt,
auf der Unterseite rotlichgelb, Schwanzspitze schwarz. Ohren klein und
spitz, innen weisslich, aussen rotlichbraun. Die Gesamtfarbung des Tieres
III. Die Hundearten. 465
erinnert entfernt an den nordamerikanischen Rotluchs oder Luchskatze. Es
kommen jetzt jahrlich einige tausend Stuck dieses schonen Felles, doch wiirde
dasselbe eine grossere Anwendung finden, wenn regelmassig grossere Mengen
an den Markt kamen. Der gegenwartige Wert 1st etwa 6 Mk. per Stuck im
Durchschnitt.
In Chile kommen mehrere Fuchsarten vor. Cants fulvipes, ist kleiner
als der patagonische Fuchs, dunkel gefarbt, Haar schwarz und weiss ge-
sprenkelt. Der Schweif ist erst diinn, nach dem Ende zu aber stark verdickt.
Im westlichen Laplata und im chilenischen Gebirge soil ein sehr schoner
Fuchs vorkommen, C. gracilis, ich habe aber weder Felle davon zu Gesicht
bekommen noch eine Beschreibung auffinden konnen, ebensowenig wie von
dem in Siidbrasilien vorkommenden C. parvideus. Felle, die ich aus
Siidbrasilien bekommen habe, waren immer dem Pampasfuchs ahnlich, nur
war der Schulterstreifen und der dunkle Riicken noch etwas ausgepragter.
Die Felle des im Amazonental vorkommenden C. microtis sind fur den
Pelzhandel wertlos, da ihr Haar dem Klima entsprechend viel zu kurz ist.
Ein merkwiirdiges Tier ist C. magellanicus. Im Aussern mehr einem
Wolf ahnlich, gehort es doch zoologisch zu den Fiichsen. Er ist viel grosser
als ein europaischer Fuchs und erreicht voll die Grosse des nordamerikanischen
Prariewolfes. Er ist auch viel kraf tiger und gedrungener als irgend ein Fuchs.
Das Haar ist lang, kraf tig, aber weich. Der Schweif gross und sehr buschig.
Die Far bung des Riickens ist schwarz weiss meliert, die Haarwurzeln
sind grau, dann hellbraun mit breitem, weissem Ring, die Spitze schwarz.
Bauch ist gelb weiss. Schwanz oben rostrot mit schwarzen Haarspitzen, unten
weisslich, Schwanzspitze schwarz, Fiisse hellgelb. Das Tier lebt an der
Magellanstrasse und auch auf den benachbarten Inseln. Bis jetzt kommen
jahrlich hochstens einige hundert Stuck in den Handel, deren Wert etwa
6 — 8 Mk. per Stuck betragt. Vielfach werden die Felle auch mit denen des
patagonischen Wolfes, C. antarcticus, verwechselt.
H. Polarfiichse
(engl. white fox und blue fox, franz. renard blanc und renard bleu).
Von vielen Forschern werden Blaufiichse und Weissfuchse als zu einer
Art Fulpes lagopus gehorige angesehen. Es ist dies aber meiner Ansicht nach
ein Irrtum, da sie nicht in derselben Gegend vorkommen. Auch sind ofters in
derselben Gegend zumBeispiel Labrador, die Weissfuchse besonders gross und
die Blaufiichse klein, in an deren wieder umgekehrt und geographisch getrennt.
Der Weissfuchs hat im Sommer eine steingraue Farbung, die aber mit der Blau-
fuchsfarbe nicht s gemein hat, und nimmt im Winter die feine weisse Farbe
an. Das Sommerfell ist meist berieben und sehr unansehnlich. Der Blau-
fuchs hat Sommer und Winter dieselbe Farbe. Ubrigens unterscheiden
30
466 Naturgeschichte der Pelztiere.
neuere Forscher, wie z. B. Barret Hamilton, auch bei den Polarfiichsen ver-
schiedene Arten.
Canis lagopus spitzbergensis lebt auf Spitzbergen, Gronland und Island,
soil auch auf den Faroer-Inseln vorkommen. Er 1st wesentlich kleiner als die
amerikanischen Weissfiichse, das Fell, das etwa eine Lange von 60 cm erreicht,
ist dicht, lang und seidig. Der Schweif ist rund und gedrungen mit dichtem
wolligem Haar.
Die Konigl. Gronlandische Handlung bringt jahrlich 800 bis 1000 Stuck
in Kopenhagen zur Auktion, die sie in 4 Qualitaten einteilt. Von No. i sind
aber stets nur wenig vorhanden, ausserdem kommen durch die norwegischen
Fangschiffe auch wohl ebenso viel nach Drontheim, Bergen, Tromso etc.
Gesch. Spezialaufn. d. Neuen Photogr. Ges.
Polarfuchs (Canis lagopus) .
In Labrador lebt sehr zahlreich C. lagopus ungava, bedeutend grosser als
der Gronlandfuchs, aber auch hier sehr fein im Haar. Die besten kommen
aus dem L. W. R. (Little Whaleriver-Distrikt) .
Auf den Barrengronds, an der Kiiste der Hudsonsbay, der Kiiste des ameri-
kanischen Eismeers und auf den nordlichen Inselgruppen lebt V. lagopus
innuitus, ein grosser Weissfuchs mit etwas groberem Haar. Der Schadel ist
auch bedeutend breiter als bei den andern Arten. Blaufiichse kommen in dieser
Gegend gar nicht vor. An der Westkiiste lebt auf dem Festlande Alaskas
der F . lagopus kenaiensis, ein grosser Fuchs, aber mit grobem Haar und auf
dr elnsel Kadiak, die ja iiberhaupt eine ziemlich eigene Fauna hat, lebt der
C. lagopus halensis, ein grobhaariger grosser Weissfuchs mit kurzem breitem
Schadel. Auf der Behring-Insel lebt eine etwas kleinere Art, V. lagopus
behringiensis. Zu Behrings Zeiten waren hier unglaubliche Mengen sowohl
Blaufiichse als Weissfiichse vorhanden, die durch ihre Zudringlichkeiten
III. Die Hundearten. 467
den Schiffbriichigen das Leben verbitterten und zu vielen Tausenden mit
Kniippeln erschlagen wurden.
Die Hudsonsbay Company bring! jahrlich etwa 6 bis 8000 Weissfiichse
zur Auktion. Von der Harmony Company in Labrador, die von den Herren-
huter Missionaren geleitet wird, kommen etwa 1000 sehr feine Weissfiichse
nach London.
Lampson bringt etwa 8 bis 10 ooo amerikanische Weissfiichse, von
denen die meisten von der Westkiiste stammen. Etwa ebenso viel kommen
aus der Polargegend iiber Seattle und San Francisco, die dann meist in den
Vereinigten Staaten verbraucht werden. Sehr zahlreich sind auch die Weiss-
fiichse von der Kiiste des sibirischen Eismeers, von denen die besten aus
Jeniseisky-Distrikt, dann aus dem Yakutsky-Distrikt und dem Olenek und
der Kolyma kommen.
Diese Art scheint dem C. lagopus innuitus sehr nahe zu stehen, da sie
wesentlich grosser sind als die gronlandischen. Es finden sich darunter
besonders viele, die eine gelbliche Farbung zeigen. Die jahrliche Ausbeute
betragt mindestens 60 ooo Stuck, die meist iiber Irbit und Nishnij-Nowgorod
nach Leipzig gelangen.
Die Polarfuchse sind ganz im Gegensatz zu den anderen Fiichsen sehr
dumm, auch scheuen sie die Nahe des Menschen sehr wenig. Alle Polar-
reisenden klagen dariiber, dass die Fiichse ihnen allerhand Gegenstande aus
dem Lager gestohlen haben. Ubrigens finden die meisten Polarreisenden
das Fleisch des Polarfuchses sehr wohlschmeckend, doch ist ihre Geschmacks-
richtung wohl nicht besonders verwohnt.
Die Weissfiichse werfen im Friihjahr jedesmal 3 bis 5 Junge. Der Wert
schwankt jetzt von 20 Mk. bis 60 Mk. per Stuck. Der Blaufuchs von
Island und Gronland ist ebenfalls viel kleiner als die amerikanischen und
ist die Farbe meist heller und rotlicher, auch mit einzelnen weisslichen, oder
besser, hellgrauen Haaren untermischt. Noch kleiner und auch etwas grober
im Haar, aber feiner blau sind die islandischen Blaufiichse. Diese beiden
Sorten kommen ebenfalls durch die Kgl. Gronlandische Handlung in Kopen-
hagen zur Auktion, und zwar 500 bis 1000 Stuck jahrlich.
In Labrador, wo grosse und feine Weissfiichse vorkommen, finden sich
auch Blaufiichse, dabei wenig zahlreich, kaum mehr als 100 Stuck jahrlich.
Dieselben sind viel kleiner als die Weissfiichse desselben Gebietes, die C. lag.
ungava, die Farbe variiert sehr, von ganz hellem blau bis braun und rotlich-
braun. Dunkle Felle kommen fast nicht vor, dagegen ist die Qualitat eine
ausgezeichnete.
Zahlreicher sind die Blaufiichse an der Westkiiste, namentlich auf dem
Festland von Alaska. Es sind grosse Felle, etwas grob oder wollig im Haar,
aber von prachtvoller dunkelblauer Farbe und deshalb auch sehr geschatzt.
Auch auf den Inseln an der Kiiste leben Blaufiichse, die wie die meisten
dortigen Fiichse grobhaarig sind. Auf den Pribiloff-Inseln St. Paul und
30*
468 Naturgeschichte der Pelztiere.
St. George 1st eine eigene Fuchsart heimisch, C. lagopus pribilofensis, gross
und gut in Farbe. Die Tiere werden dort sachgemass geziichtet und nur die
best en Exemplare zur Zucht zugelassen, die andern vorher getotet. Sie er-
halten auch Hiitten zum Schutz gegen die Winterkalte und werden wahrend
der strengen Jahreszeit gefiittert. Es ist dadurch gelungen, die Rasse
wesentlich zu verbessern, so dass die Felle einen gut en Preis holen. Etwa
500 Stuck jahrlich werden dort jetzt getotet. Auch auf verschiedenen an-
deren Inseln an der Kiiste von Alaska werden Blaufiichse in sogenannten
Fuchsfarmen jetzt geziichtet, wozu das Land von der Regierung zu einem ganz
nominellen Betrage gepachtet wird. Diese Unternehmungen bezahlen sich
sehr gut. Es kommen jahrlich jetzt etwa 3 bis 4000 Blaufiichse von der Kiiste
Alaskas in den Handel nach London, voraussichtlich wird sich diese Zahl aber
bald stark vergrossern. Auch aus dem nordlichen Sibirien kommen Blau-
fiichse von guter Qualitat und Farbe, grosse Felle, die aber etwas matt in
Farbe sind. Die genaue Zahl habe ich nicht feststellen konnen, es diirfen
aber nicht mehr als hochstens einige Tausend Stuck jahrlich sem. Die von
der Polargegend nach Seattle und San Francisco kommenden Felle bleiben
fast alle im Lande.
Der Wert eines Blaufuchses ist je nach Qualitat von 60 bis 200 Mk. per
Stuck.
Bei den Zuchtversuchen zeigt sich ubrigen stets, dass die jungen Tiere
auch Blaufiichse sind, es kommen niemals weisse Tiere im Wurf vor, was
doch sicher der Fall ware, wenn es nur Farbenvarietaten sind.
IV.
Viverrenhunde,
Sehr verbreitet ist im siidlichen Ostasien der Viverrenhund, im deutschen
Pelzhandel, Seefuchs oder Japanfuchs, von den Englandern Racoondog oder
Japanese fox, manchmal auch falschlich Badger genannt, japanischer Name
Tanuki, chinesisch Kju chue oder Hao Tze, Ainoname Munsenah.
Wie ich von japanischen Geschaftsfreunden hore, soil der Name Munsenah
hauptsachlich dem japanischen Dachs ,,Mami" gegeben werden.
Am besten bekannt ist der japanische Nyctereutes viverrinus. Er ist
etwa 75 bis 80 cm lang, wo von 15 bis 20 cm auf den kurzen, buschigen Schweif
kommen. Das Haar ist gelblichbraun und dunkel geringelt, auf dem Nacken
und Oberschenkel schwarz, so dass auf dem Fell eine kreuzartige Zeichnung
sichtbar ist, doch fehlt dieselbe bei vielen Exemplaren. Uberhaupt variiert
die Farbung sehr. Auf dem Bauch sind die Haare dunkler, harter und kiirzer.
Auf den Backen findet sich ein dunkler Langsstreifen. Die Schnurrhaare sind
stark und weissgelb gefarbt. Das Haar ist dicht, sehr weich und glanzend,
und darunter findet sich eine hellgelbe, seidenweiche Unterwolle.
Hauptsachlich findet er sich auf der Insel Hondo, er ist aber auch auf
Kiuschiu haufig.
Er ist ein Nachttier und ahnelt in der Lebensweise vielfach dem Dachs.
Er grabt sich Hohlen, namentlich in der Nahe fliessenden Wassers. In China
benutzt er haufig die uberall zerstreuten Grabhiigel, ist in der Nahe grosserer
Ortschaften vielfach auf den Begrabnisstatten zu finden und halt sich nicht
selten in der Nahe der menschlichen Wohnungen auf. Er schlaft am Tage
und geht mit Einbruch der Dammerung seiner Nahrung nach. Am liebsten
frisst er Fische, Mause und andere kleine Saugetiere und auch Vogel, wenn
er sie erwischen kann. Daneben soil er auch ein grosser Obstfreund sein und
in den Obstgarten grossen Schaden anrichten. Auf Baume klettert er nicht.
In Lebensweise und Habitus steht er dem Dachs viel naher als den
Hunden, und deshalb ist Schrenck, der den Canys procyonides zu den Hunden
stellt, meines Erachtens im Unrecht, und Siebold, der die verschiedenen
Arten zu einer besonderen Gruppe als Viverrenhunde zusammenfasst, im
Recht, denn sie bilden jedenfalls eine Ubergangsform.
Die viverrenartigen Bewegungen, das Schleichen mit gekrummtem
Buckel und die Seitenspriinge, die Radde beobachtet, habe ich nicht wahr-
I
Sehr verbreitet ist im sudlichen Ostasien der Viverrenhund, imdeutschen
Pelzhandel, Seefuchs oder Japanfuchs, von den Englandern Racoondog oder
Japanese fox, manchmal auch falschlich Badger genannt, japanischer Name
Tanuki, chinesisch Kju chue oder Hao Tze, Ainoname Munsenah.
Wie ich von japanischen Geschaftsfreunden hore, soil der Name Munsenah
hauptsachlich dem japanischen Dachs ,,Mami" gegeben werden.
Am besten bekannt ist der japanische Nyctereutes viverrinus. Er ist
etwa 75 bis 80 cm lang, wo von 15 bis 20 cm auf den kurzen, buschigen Schweif
kommen. Das Haar ist gelblichbraun und dunkel geringelt, auf dem Nacken
und Oberschenkel schwarz, so dass auf dem Fell eine kreuzartige Zeichnung
sichtbar ist, doch fehlt dieselbe bei vielen Exemplaren. Uberhaupt variiert
die Farbung sehr. Auf dem Bauch sind die Haare dunkler, harter und kiirzer.
Auf den Backen findet sich ein dunkler Langsstreifen. Die Schnurrhaare sind
stark und weissgelb gefarbt. Das Haar ist dicht, sehr weich und glanzend,
und darunter findet sich eine hellgelbe, seidenweiche Unterwolle.
Hauptsachlich findet er sich auf der Insel Hondo, er ist aber auch auf
Kiuschiu haufig.
Er ist ein Nachttier und ahnelt in der Lebensweise vielfach dem Dachs.
Er grabt sich Hohlen, namentlich in der Nahe fliessenden Wassers. In China
benutzt er haufig die uberall zerstreuten Grabhiigel, ist in der Nahe grosserer
Ortschaften vielfach auf den Begrabnisstatten zu finden und halt sich nicht
selten in der Nahe der menschlichen Wohnungen auf. Er schlaft am Tage
und geht mit Einbruch der Dammerung seiner Nahrung nach. Am liebsten
frisst er Fische, Mause und andere kleine Saugetiere und auch Vogel, wenn
er sie erwischen kann. Daneben soil er auch ein grosser Obstfreund sein und
in den Obstgarten grossen Schaden anrichten. Auf Baume klettert er nicht.
In Lebensweise und Habitus steht er dem Dachs viel naher als den
Hunden, und deshalb ist Schrenck, der den Canys procyonides zu den Hunden
stellt, meines Erachtens im Unrecht, und Siebold, der die verschiedenen
Arten zu einer besonderen Gruppe als Viverrenhunde zusammenfasst, im
Recht, denn sie bilden jedenfalls eine Ubergangsform.
Die viverrenartigen Bewegungen, das Schleichen mit gekrummtem
Buckel und die Seitenspriinge, die Radde beobachtet, habe ich nicht wahr-
474 Naturgeschichte der Pelztiere.
Europa ausgefiihrt und ein Drittel von den Japanern aufgekauft wird. In
Japan werden diese Felle gerupft, die Grannenhaare zu sehr geschatzten
Pinseln verarbeitet und die gerupft en Felle zu hiibschen Pelzfuttern verwendet,
teilweise auch wieder nach China ausgefiihrt. Hin und wieder soil es auch vor-
kommen, dass solche chinesischen Fuchsfelle unter die hochwertigen
japanischen gemischt werden. Auch in China rupft man manchmal die See-
fuchsfelle, um die Haare zu Pinseln und die Felle zu Futtern zu verwenden.
Der Wert der einzelnen Sorten war vor einigen Jahren 3,50 bis 5 Mk. fur
japanische Seefiichse, 2,50 fur koreanische und sibirische und 1,50 bis 2 Mk.
fur die chinesischen Felle. Jetzt ist aber der Wert fur japanische bis auf
das 3 fache, fur die anderen auf das doppelte gestiegen. Von Japan aus
kommen etwa jahrlich ca. 80 — 100 ooo Stuck zur Ausfuhr, darunter 10 ooo
Yessofelle, von Korea etwa 30 ooo und ein etwas kleineres Quantum von
Ostsibirien.
Zuletzt mochte ich noch auf einen Irrtum Temmincks aufmerksam
machen. Er fiihrt in der ,, Fauna japanica" vier Arten Nyctereutes an: i. Canis
procyonides, Hatsimon si, der sehr selten sei, 2. Tanuki, 3. Mami Tanuki und
4. Musina Tanuki. Letzteres sei aber das Sommerfell des N. viverrinus. Nun
ist Munsena einfach der auf Yesso gebrauchliche Ainoname des Tanuki und ent-
spricht jedenfalls dem N. procyonides, Mami Tanuki ist aber iiberhaupt keine
Nyctereutes- Art, sondern der Meles japonica oder Meles anakuma Siebolds.
In der Vorrede zur ,, Fauna japonica" fiihrt Temminck noch an, dass N. viverri-
nus von dem Canis procyonides Chinas stark verschieden sei, der letztere aber
auch in Japan vorkomme.
V.
Die Marderarten.
1. Zobel.
An der Spitze der edlen Pelztiere steht unstreitig der sibirische Zobel,
Mustela zibellina, englisch sable, franzosisch zibelline, dessen Verbreitungs-
bezirk sich vom Ural bis nach dem Stillen Ozean hinzieht, uberall aber an den
Waldgiirtel, die Taiga, gebunden.
Schon im 9. Jahrhundert wird von Byzanz berichtet, dass dorthin edle
Zobelfelle zum Verkauf gebracht werden, und in den Dichtungen des Mittel-
alters, wie z. B. dem Nibelungenlied, dem Parsival und anderen, spielt das
Zobelfell eine grosse Rolle, wie ich schon an anderer Stelle (Pelzhandel im
Altertum und Mittelalter) ausgefiihrt habe.
Die besten Felle liefert das Gebiet am Witimflusse und dem Olenek. Es
sind dies grosse gedrungene Felle, rauch von schwarzer Farbe, viele gut
silbrige Felle dabei, feines weiches Haar, diinnes Leder. Die Felle sind stark
in die Breite gestreckt.
Am nachsten kommen die Bargusiner, die ganz ahnlich sind, nur ist das
Haar nicht so voll und die Felle sind etwas in die Lange gezogen.
Die Jakutzky-Zobel sind voll rauch, etwas klein, nicht so fein schwarz
als die vorigen, sondern etwas braunlich, etwas klein, aber seidiges Haar
und voile grosse Schweife. Die Ochotsky sind noch kleiner und brauner, aber
auch gut im Haar. Kamtschatka sind grosse rauche Felle, aber nicht sehr fein
im Haar, etwas braun, aber meist fein silbrig. Felle sind langgestreckt.
Nerschinsky-Zobel gross, etwas grobes Haar, schweres Leder, gut silbrig, lang
gestreckt.
Yeneseisky sind gross, grobhaarig, meist hellere Farben.
Nicolajewsky sind gross, ziemlich grob im Haar, viele helle Felle, die
sich nur zum Blenden eignen, voll im Haar, Schweif meist kurz. Die Felle
sind stark in die Breite gestreckt.
Amurzobel sind kleine breit gestreckte Felle, meist braun, aber viele
silbrige Felle dabei, rauch ab. Kuschnetzky-Zobel sind rauch, breit gezogen,
grobhaarig, Altainsky lang, diinnhaarig, wenig silber, flach, an den Spiczen
meist hell.
478 Naturgeschichte der Pelztiere.
Alle diese Sorten kommen meist mil dem Haar nach aussen in den Handel
dagegen sind die mandschurischen, im Handel meist als chinesische Zobel
bezeichneten, meist mit dem Leder nach aussen getrocknet. Die Felle sind meist
flach, stark in die Lange gezogen, doch ist das Haar ziemlich weich. Die Farben
variieren, doch finden sich auch gute dunkle und silbrige Felle nicht selten.
Es wird ein grosser Teil davon im Lande selbst verbraucht zu den Maquas oder
Reitjacken der Mandarinen. Die helleren Felle werden von den Chinesen
haufig in sehr primitiver Weise gefarbt oder geblendet, so dass sie fiir den
europaischen Markt ganz unbrauchbar sind. Es kommen jahrlich etwa 20 ooo
Zobelfelle nach London, mindestens ebensoviel kommen nach Leipzig usw.
gez. v. Anna Matschie-Held.
Sibirischer Zobel (Mustela Zibellina) .
direkt, etwa 20 bis 30 ooo mogen in Russland verbraucht werden und etwa
10 ooo in China.
Der Preis schwankt natiirlich nach den Konjunkturen gewaltig. Augen-
blicklich kosten gute Witimer Zobel etwa 1000 Mk., mandschurische etwa
50 bis 60 Mk. per Stuck im Durchschnitt, die anderen Sorten rangieren in ver-
schiedenen Preisabstufungen dazwischen.
Vor etwa 25 Jahren konnte man die besten Witimer Zobel aber fiir 250 Mk.
kaufen.
Trotz der starken Nachstellungen hat der Zobel in den letzten Jahren
zwar verloren, aber es ist doch an eine Ausrottung, die oft befiirchtet wurde,
nicht zu denken, wenn auch die Ziffern friiherer Jahrhunderte nicht annahernd
mehr erreicht werden. Jetzt ist aber eine lebhafte Agitation im Gange, um
eine geregelte Schonzeit einzufuhren resp. ein mehrjahriges Fangverbot zu
erwirken.
Ausgezeichnet sind die Zobel stets durch den orangefarbigen Kehlfleck.
Eine besondere Art ist der sogenannte japanische Zobel M. brachyura,
der aber in Japan gar nicht vorkommt, sondern nur von hier aus in den Handel
V. Die Marderarten. 479
gebracht wird. Hierauf deutet auch sein japanischer Name, Karaite Ten
(karafto ist Sachalin). Er lebt nur auf Sachalin. Siebold und Schrenck be-
haupten zwar, dass auf Yesso ein Zobel lebt, doch ist dies ein Irrtum. Der
sogenannte Hokkeido ten ist eine Abart des M. melampus. Die Felle sind
klein, etwas flach, hell gelblich mit viel Silberspitzen, die aber auch meist
eine gelbliche Tonung haben. Der gegenwartige Wert diirfte etwa 30 Mk. sein.
Der Zobel lebt nur in Waldgebieten und bevorzugt Nadelholzer. Pallas
nimmt an, dass die Farbung und Schonheit des Felles mit dem Bestande der
Waldungen, in denen er lebt, zusammenhangt, und dass die dunkelsten in
Tannenwaldungen, weniger dunkle in Pappel- und Weidengeholzen und die
hellsten in Larchen- und Zedernbestanden vorkommen. Ich kann dem nicht
beistimmen. Wenn die Umgebung allerdings grossen Einfluss ausubt, wirken
Nahrung und Klima mindestens ebensosehr mit.
Als Nahrung zieht der Zobel Pflanzenkost vor, namentlich bilden Zeder-
niisse, Larchen- und Tannenzapfen den Hauptbestandteil derselben. Daneben
soil er den Honig der wildenBienen sehr lieben und verschmaht jedenfallsFische,
kleine Vogel, Mause und dergleichen durchaus nicht. Auch deutet wohl die
Zunahme der Eichhornchen seit Abnahme der Zobel darauf hin, dass er gleich
seinem Vetter, dem europaischen Edelmarder, diesen flinken Nagern eifrig
nachstellt.
Der Zobel ist wesentlich ein Nachtraubtier, nur in Gegenden, wo er wenig
gestort wird, geht er auch bei Tage seiner Nahrung nach. Mit der Feuerwaffe
wird er fast nirgends erlegt, um das wertvolle Fell nicht zu beschadigen. Am
meisten wird er in holzernen Schlagfallen gefangen, ahnlich unseren Harder-
fallen, und durch den herabfallenden Schlagbalken getotet. Eine beliebte Fang-
methode besteht darin, dass ein Baumstamm iiber einen Bach gelegt wird,
um dem Zobel als Briicke zu dienen. In der Mitte wird dann verborgen eine
Schlinge angebracht, dass das Tier gefangen ins Wasser stiirzt und ertrinkt.
Auch Haarschlingen sind in Gebrauch, und in einzelnen Gegenden wird er
durch Hunde aufgestobert und mit stumpfen Pfeilen erlegt. Jedenfalls wird
er uberall, wo er vorkommt, heftig verfolgt und ist deshalb auch seltener als
fruher geworden.
Friiher wurde in Sibirien der Tribut der Eingeborenen, der sogenannte
,,Yashak", in Zobelfellen entrichtet, und noch jetzt sollen in einzelnen
Gegegenden die Steuern in Zobelfellen entrichtet werden. Der Name Kronen-
zobel fur die feinsten Zobelfelle schreibt sich aus dieser Zeit her, da die besten
Felle aus diesen Tributfellen fur die Krone reserviert wurden. Der Name ist
aber falsch gewesen, denn wenn auch die fur die Krone bestimmten Felle ur-
spriinglich die besten des Distrikts waren, so gingen sie doch durch soviel
Hande, dass bei der Ankunft auf der sibirischen Kanzlei in Moskau nur ganz
geringwertige Felle ankamen, und wenn fur die Mitglieder des Kaiserhauses
etwas aus Zobelfellen gefertigt werden sollte, mussten solche beim Hof-
kiirschner gekauft werden.
480 Naturgeschichte der Pelztiere.
Ubrigens wird beim Zobelfell alles vcrarbeitet. Die Kehlen sowohl wie die
Klauen werden zu besonderen Futtern verarbeitet, die sehr schone und leichte
Pelzfutter abgeben. Besonders werden solche auf der Balkanhalbinsel in der
Hausindustrie fertig gestellt.
2. Amerikanische Zobel.
Dies Tier steht eigentlich unserm Baummarder naher als dem sibirischen
Zobel. Es sind mehrere Arten davon in Amerika vorhanden. Die verbreitetste
Art ist Muslela americana, englisch marten, franzosisch martre de Canada, der
vom nordlichen Hudsonsbay-Gebiet bis nach dem New York-Staat vorkommt.
Das Fell ist dunkelbraun, weich und langhaarig, das Unterhaar blaugrau. Die
Kehle und ein schmaler Streifen an den Backen ist weiss, die Ohren klein, der
dicht behaarte Schweif ist ca. 15 bis 20 cm lang, das Fell von Schnauze bis
Schwanzwurzel ca. 40 cm. Manchmal kommen Albinos vor, die aber von den
Indianern sehr hoch geschatzt werden und gleich zwanzig anderen gerechnet
werden.
Im nordlichen Labrador lebt eine Abart, M. brumalis, die iiber Fort
George und East Maine in den Handel kommt und demgemass die Bezeichnung
F. G. und E. M. tragt. Diese sind ganz dunkel, fast schwarz und demgemass
auch recht wertvoll. Im Saskatschewan-Gebiet lebt eine andrse Art, Mustela
abieticola, dunkelgelbbraun, mit sehr kleinem unregelmassig geformten weissen
Kehlfleck, das Fell ist grosser als das vorige. Auf New Fundland lebt M. atrata,
ebenfalls sehr dunkel und fein, aber kleiner.
An der Westkiiste Kaliforniens bis zum Pugetsund kommt M. caurina
vor, der kleinste der amerikanischen Zobel, hell, gelbbraun, mit orange-
farbigem Kehlfleck. In Alaska lebt dagegen ein sehr grosser Zobel, M. actuosa,
grobhaarig, gelblich hellfarbig, die Kehle grauweiss mit braunen Flecken, die
Ohren weiss.
Daneben kommt noch ein dunklerer Zobel, M. kenaiensis vor. Unter den
Fellen von der Westkiiste findet man aber auch mitunter dunkle Felle mit
silbrigen Spitzen, die dann natiirlich bedeutend wertvoller sind.
Auf den Queencharlotte Islands gibt es eine eigene Art, M. mesophila, die
ich aber nicht naher kenne.
Bei der Hudsonsbay Company sind die zur Auktion kommenden prima
Felle sorgfaltig nach der Farbe sortiert, in grosse, dunkle, kleine dunkle, grosse
helle und kleine helle. Bei den Sekunda und Tertia werden die Farben zu-
sammen genommen.
Friiher waren die Felle aus Britisch Kolumbia gar nicht sortiert, sondern
die Qualitaten gingen zusammen, und holten vor etwa 40 Jahrcn 3 sh im Durch-
schnitt. Mein Vater kaufte damals stets die samtlichen Kolumbia-ZobeL
V. Die Marderarten. 481
Die Zobclfclle a us den Vereinigten Staaten sind meist viel geringer in
Qualitat a Is die aus Kanada und dem Hudsonsbai-Gebiet stammenden Felle.
Die Tiere nahren sich meistens von Mausen und anderen kleinen Sauge-
tieren, Rebhiihnern, Vogeln und Eiern. Sie nisten in Erdlochern und hohlen
Baumen, begatten sich im Februar und Marz, wahrend welcher Zeit sie leicht
gefangen werden konnen. Ende April bringen sie 4 bis 6 blinde Junge zur
Welt, die aber sehr bald gewandt den Alien folgen. Jung eingefangen werden
sie leicht zahm. Das Weibchen ist iibrigens stets erheblich kleiner als das
Mannchen.
Der argste Feind des Zobel ausser dem Menschen sind die Luchse, weshalb
es auch in starken Luchsjahren wenig Harder gibt und umgekehrt. Sie
scheinen auch grosse Wanderungen periodisch zu unternehmen, so dass sie zeit-
weise in nordlichen Distrikten haufig, in sudlichen aber selten sind.
Die an den Markt gebrachten Quantitaten schwanken daher auch sehr
haufig. Das grosste Quantum wahrend des vorigen Jahrhunderts brachte das
Jahr 1855 mit 176 ooo Stuck aus dem Hudsonsbai-Gebiet, wahrend im
gleichen Jahre aus Kanada und den U. S. nur 15 ooo kamen.
Das Jahr 1874 brachte noch 125 ooo aus dem Hudsonsbai-Gebiet und
32 ooo aus dem iibrigen Nordamerika.
Das folgende Jahr brachte aber nur 87 ooo resp. 34 ooo und seit dieser
Zeit ist das Hunderttausend nie wieder erreicht worden. Aus dem Hudsonsbay-
Gebiet kommen jetzt jahrlich 30 ooo bis 50 ooo, wahrend C. M. Lampson
20 ooo bis 30 ooo zum Verkauf bringt. Ein Teil bleibt ausserdem noch zum
eigenen Konsum in den Vereinigten Staaten.
England und die Vereinigten Staaten sind die Hauptverbraucher dieses
schonen Pelzwerks, das in Deutschland verhaltnismassig wenig gekauft wircL
Helle Felle gehen viel nach dem Orient, wo unter anderm auch die Ehren-
khalate, die der Sultan verschenkt, damit gefuttert werden. Auch Griechen-
land und die Balkanlander sind Kaufer dafiir. Die Griechen kaufen auch die
Zobelstiicken und Kehlen, die dann zu Futtern zusammengenaht werden,
ebenso wie die Klauen. Jetzt, bei dem hohen Preise des Futters, werden solche
auch in Deutschland angefertigt.
Der gegenwartige Wert der Felle ist je nach Qualitat von 30 bis 80 Mk.
3. Virginische Iltis.
Der virginische Iltis, Muslela pennanti, englisch fisher, franzosisch pecan,
ist der grosste aller Marderarten. Er misst von der Schnauze bis zur Schwanz-
wurzel 70 bis 90 cm und der Schwanz ist 30 bis 50 cm lang. Die Farbe ist
dunkelbraun, mit langeren noch dunkleren Haarcn untermischt, Kopf und
Nacken sind heller und gehen teilweise ins gelbgraue iiber. Der Kopf ist kurz
und breit, die Ohren kurz, der Schweif, der sehr dicht und rauch ist und spitz
31
482 Naturgeschichte der Pelztiere.
zulauft, 1st fast schwa rz. Das Leder ist verhaltnismassig dick, die breiten
kraftigen Fiisse stark behaart, die kraftigen Krallen stark gekriimmt. Man
findet viele Felle, die iiber den grosseren Teil des Korpers hell sind und wiederum
andere, namentlich aus den dichten Urwaldern, die fast schwarz sind. Es
findet sich in Nordamerika, nordlich vom 35. Breitengrade, ist aber uberall
an den Wald gebunden.
Sein deutscher Name ist irrefuhrend, denn er kommt in Virginien gar
merit vor, und ist auch kein Iltis. Der 62. Grad nordlicher Breite bildet die
Nordgrenze des Vorkommens, jenseits der Rocky mountains wird er durch eine
andere Art, M. pennanti pacific a vertreten, deren Vorkommen sich von
Kalifornien bis Alaska erstreckt. Haufig ist das Tier eigentlich nirgends, er
bevorzugt dichte Waldungen in der Nahe von Wasser.
Seine Nahrung besteht hauptsachlich aus Mausen, Kaninchen, und wohl
auch Eichhornchen. Auch soil er den Fischen eifrig nachstellen, woher aucb
wohl sein englischer Name. Die Begattung findet im Februar und Marz statt,
und wird das Lager in hohlen Baumen aufgeschlagen, wo nach etwa 6 Wochen
i bis 5 blinde Junge geboren werden.
Bis 1870 importierte die Hudsonsbay-Company jahrlich 7 bis 8000 Stuck,
wahrend aus den Vereinigten Staaten etwa 4 bis 5000 kamen. Aus letzterem
Gebiet kommt jetzt durchschnittlich noch ebensoviel, aus dem Hudsons-Gebiet
aber selten mehr als 4000.
Friiher wurde das Fell fast ausschliesslich in Russland gekauft, wo es unter
dem Namen liken zu Herrenpelzen verarbeitet wird. Seit einigen Jahren wird
es aber in grosserem Massstabe in Frankreich und teilweise auch in Deutsch-
land zu Stolas und Muff en verwendet. Der augenblickliche Wert ist je
nach Grosse und Schonheit von 40 bis 150 Mk. per Stuck. Die Schweife
werden in Polen zur Verbramung von Miitzen verwendet, in England, Frank-
reich usw. auch zu anderen Pelzzwecken. Der Wert eines Schweifes ist
5 bis 10 Mk.
Nahe dem vorigen verwandt ist der grosste Marder Asiens, M. flavigula, der
dort in mehreren Arten vertreten ist. Am haufigsten ist er in Indien, namentlich
in Nepal, Assam und Kashmir. Von der Schnauze bis zur Schwanzspitze ist
dieLange des Fells 50 bis 60 cm, der dichte, buschige Schweif ist fast ebenso lang.
Kopf , Nacken, Rumpf , Schweif und Beine glanzend dunkelbraun, Riicken und
Schultern hellbraun, Kinn weiss, Kehle und Brust orangefarben, Bauch gelb-
braun. Das Tier lebt in dichten Hiigelwaldungen und an den Hangen des
Himalaya, wo es ein dichtes, kurzes Haar mit wolliger Unterwolle hat. Es lebt
meist paarweise, doch auch manchmal in Trupps von 5 bis 6 Stuck. Es nahrt
sich von Vogeln, kleinen Saugetieren, Eiern, Obst, Insekten und Reptilien
und wird leicht zahm. Das Fell hat einen Wert von 10 bis 20 Mk. kommt aber
wenig in den Handel.
Auf Sumatra, Java, Borneo und der Malakka-Halbinsel wird er durch
M. henrici vertreten, welches heller gefarbt ist, kiirzeres Oberhaar und fast
V. Die Marderarten. 483
keine Unterwolle besitzt. Auf Formosa lebt M. xanthopila und in Siidchina,
in den Provinzen Fokien und Kwantung, M. kuantensis. Felle von diesen habe
ich aber nie zu Gesicht bekommen. Dagegen kommt im hohen Norden in Ost-
sibirien und Korea M. flavigula borealis vor, der fur den Rauchwarenhandel
von Wichtigkeit sein konnte, wenn grossere Mengen an den Markt gebracht
wiirden.
Das Fell ist von der Schnauze bis Schwanzwurzel 70 bis 75 cm, der
Schwanz 50 bis 60 cm lang. Der Hals ist orangegelb, die Schultern und der
vordere Teil des Ruckens gelbgrau, der hint ere Teil des Riickens aber dunkel-
braungelb, der im Becken und den Oberschenkeln fast in schwarz iibergeht.
Das Haar ist fein und ziemlich lang. Auch der schwarzbraune Schweif
ist dicht behaart. Im Pelzhandel kommt das Fell gar nicht vor. Ich
fand in Korea einmal bei einem Handler zehn Exemplare, aber so
von Motten und Wiirmern beschadigt, dass sie wertlos waren. Auch
zwei Felle, die ich in Wladiwostok fand, waren zu stark beschadigt.
Dies waren aber die einzigen, die ich wahrend eines zwolfjahrigen Aufenthaltes
in Ostasien zu Gesicht bekam. Der Koreaner behauptete, dass das Tier im
Gebirge lebe, nach Radde soil es uberhaupt keinen festen Standort haben,
sondern in Trupps von 3 bis 4 Stuck vereinigt bestandig umherschweifen.
Er lauft ausserst schnell und klettert gewandt, nach Radde soil er haupt-
sachlich dem Seefuchs, dem Canis procynoides nachstellen, auch den bissigen
Dachs uberwaltigen, dem fliichtigen Reh und dem Moschustier folgen, und das
Eichhornchen in den Zweigen angreifen. Ich halte das aber fur einen Irrtum,
des sonst so scharf beobachtenden Forschers ; da dies mit den Lebensgewohn-
heiten, sowohl der sudasiatischen nahen, als der iibrigen ferneren Verwandten
in Wider spruch stehen wiirde.
4. Verwandte des virg. Iltis.
Sehr ahnlich sind mehrere in Siidamerika lebende Marderarten. Hier-
von ist Galictis barbara, auch im Ausseren dem virginischen Iltis ungemein
ahnlich. Ein langgestreckter Korper, dunkelbraun, Hals, Nacken und Kopf
gelblich graubraun. Ein kleiner, runder, gelblicher Kehlfleck. Die Lange des
Felles von Schnauze bis zur Schwanzwurzel betragt ca. 60 bis 70 cm. Der
dicke, ca. 40 cm lange Schweif ist aber nur kurz behaart. Das Tier kommt in
;ganz Siidamerika uberall haufiig vor und ist auch in Mexiko und Zentral-
amerika nicht selten.
Das Fell kommt bisher nicht im Pelzhandel vor, konnte aber ein ganz
wertvolles Pelzwerk liefern. Vor Jahren erhielt ich ca. 30 Stuck, habe
aber seither keine mehr erhalten, wenn grossere Quant itat geliefert wiirde,
ware der Wert etwa 10 Mark per Stuck. Seine Lebensweise ahnelt dem euro-
31*
484 Naturgeschichte der Pelztiere.
paischen Baummarder, den er aber an Grosse erheblich iibertrifft. In Brasilicn
wird das Tier Hyrare genannt. Es ist in seinem Benehmen sehr lebhaft, auch
in der Gefangenschaft. Die Exemplare des Berliner Zoologischen Gartens sind
unaufhorlich in Bewcgung, den Raum ihres Kafigs in machtigen Spriingen
durchsausend.
Ebenso lebhaft ist auch sein kleinerer Verwandter, G. vittata, welcher in
Siidamerika mehr die Rolle des europaischen Iltis vertritt, dem er auch an
Grosse ahnelt. Die Farbe ist dunkelgraubraun mit gelbbraunlichen Spitzen.
Auf Backen und Hals zwei helle Streifen, Bauch schwarz. Diese kleinere Art, in
Brasilien Grison genannt, ist viel seltener, geht aber gleichfalls nach Siiden bis
Chile, wo eine besonders kleine Form vorkommt. Eine dritte Art, G. allamandi,
ist auf Brasilien beschrankt, wo sie hauptsachlich in der Provinz Minaes Geraes
vorkommt. Sie steht in der Grosse dem G. barbara nur wenig nach, ahnelt
aber in der Farbung der G. vittata. Die Haare sind kiirzer und steifer, die
gelben Haarspitzen, welche bei G. barbara Nacken und Schultern hell machen,
finden sich hier nur auf dem Bauch.
In Brasilien werden beide Arten haufig gezahmt gehalten.
5. Baummarder.
Dieser typische Vertreter hat der ganzen Familie den Namen gegeben.
Der Baummarder, auch Edelmarder genannt, Mustela martes, engl. pine
marten, franz. martre de Prusse, lebt in ganz Europa, Nord-Asien, Sibirien,
Turkestan bis zur Mandschurei. Die best en Edelmarder liefert Norwegen,
grosse, rauhe, dunkelfarbige Felle, dann kommt Schweden, rauche, grosse
aber hellere Felle, Schottland mit gut farbigen, aber kleinen Fellen, Italien,
mit gut dunkelfarbigen aber flachen, Norddeutschland, die Schweiz, Bayern,
Tiirkei und Ungarn. Russland liefert grosse, aber etwas grobhaarige und hell-
farbige Harder. Die Farbe der Edelmarder ist einfarbig, braunlichgrau mit
orangefarbigem Kehlfleck, das Tier besitzt eine Korperlange von etwa 50 cm
und einen dichten, starken Schweif von etwa 15 — 20 cm Lange. Im Kaukasus
erwahnt schon Satunin das haufige Vorkommen eines besonders grossen
Baummarders, der wohl mit dem kubanischen Harder des Handels identisch
ist, und mir eine besondere Art zu sein scheint. Er ist sehr gross, wohl bis zu
70 cm Korperlange, von fast rotlichbrauner Farbe, auch heller als die euro-
paischen Baummarder, der glanzlose, orange Kehlfleck mit einer Spitze und
nach der Brust zu laufend.
Bei den europaischen Baummardern ist die Form des Kehlfleckes sehr
unregelmassig, auch wechselt die Farbe vom tiefen Orange bis zum hellen
Blassgelb.
Der Edelmarder ist ein ausgesprochenes Waldtier, bevorzugt aber die
Nadelwaldungen, er klettert vorziiglich und ist ein gefiirchteter Rauber; von
V. Die Marderarten. 485
der Maus bis zum Huhn und Rehkalb 1st kein Tier des Waldes vor ihm sicher.
Seine Hauptbeute bilden aber die Eichhornchen. Ausserdem pliindert er die
Vogelnester, uberfallt die schlafenden Waldhiihner, und richtet in seiner
unersattlichen Blutgier grosse Verheerungen an. Die Begattungszeit ist im
Februar, und Anfang April wirft das Weibchen 3 — 4 Junge, in einem sorgfaltig
gepolsterten Lager, das sich meist in einem hohlen Baum befindet. Infolge
des grossen Schadens den die Harder unter dem Wildstande anrichten,
und des hohen Preises des Felles, wird dem Tiere enorm nachgestellt, wo-
durch seine Zahl auch stark nach gelassen hat. Lomer gibt noch 1864
die jahrliche Produktion auf 180 ooo Stuck an, jetzt liefert Deutschland
50 ooo, Schweden 10 ooo, Russland 50 ooo, das iibrige Europa ca. 50 ooo.
Der gegenwartige Wert eines deutschen Edelmarders ist ca. 40 Mk., eines
norwegischen 60 — 80 Mk. per Stuck . Jung eingefangene Harder werden
sehr leicht zahm und gewinnen grosse Anhanglichkeit an ihre Pfleger.
Es sind schon mehrfach Versuche gemacht worden, Marderfarmen einzu-
richten, um die edlen Pelztrager zu ziichten, aber bisher mit wtnig Erfolg,
da die Gefangenen sich weigerten, ihre Pflicht zu tan, und zur Fort-
pflanzung zu schreiten. Es liegt dies aber meines Erachtens nach an der Ein-
richtung der Raume und der Fiitterung. Letztere besteht meist in Pferde-
fleisch oder leicht erhaltlichen Schlachtabgangen. Es ist aber notwendig, um
den natiirlichen Lebensbedingungen zu entsprechen, dass den Tieren lebende
oder mindestens blutreiche Nahrung gereicht wird. Am leichtesten geschieht
dies, wenn gleichzeitig eine Hause- oder Rattenhecke unterhalten wird, welche
das notige Haterial liefert. Als Abwechslung wird dann ab und zu ein getoteter
Vogel gereicht, ferner gelegentlich ein rohes Ei, Obst und dergleicben. Auch
werden die Tiere in der Gefangenschaft meist zuviel gefuttert und deshalb
dick und trage. In jeder Woche musste mindestens ein Fasttag eingelegt
werden.
Auch die Raume miissen Gelegenheit zum Umherlaufen der Harder
bieten und zugleich Schlupfwinkel von Reisighaufen enthalten, in welchen sich
etwaige Liebesparchen zuruckziehen konnen.
Im mehreren zoologischen Garten ist es auch gelungen, fortdauernd
Nachkommenschaft zu erzielen. Eine solche Harderzucht diirfte bei den
jetzigen Preisen sehr lukrativ sein, namentlich fur Forster und kleine Guts-
besitzer eine recht annehmbare Nebeneinnahme bieten.
6. Steinmarder.
Der Steinmarder, Mustela foina, engl. stonemarten, franz. fouine, lebt in
ganz Europa und einem Teile Asiens. Die Farbe ist blaugrau bis blaulich braun,
je dunkler blaulich das Fell ist, desto hoher der Wert. Die Kehle ist stets weiss.
Das Fell hat durchschnittlich eine Lange von 40 bis 50 cm, wozu dann der
486 Naturgeschichte der Pelztiere.
15 bis 20 cm lange buschige Schweif kommt. Das Haar ist seidenglanzend,
aber nicht so weich, wie beim Baummarder. Die Unterwolle ist weisslich. Die
best en Felle kamen aus der Balkan-Halbinsel, wobei man bosnische und
bulgarische Harder unterscheidet. Die letzteren sind die besseren. Wahrschein-
lich gehoren diese Harder einer besonderen Art an, fur die ich bereits friiher
den Namen M. foina bosniaca vorschlug. Die Farbe ist schon dunkel, das Haar
lang und dicht, feinseidig, was gar nicht der siidlichen Gegend entspricht,
der weisse Kehlfleck sehr gross. Auch in Griechenland und der Tiirkei kmmt
ein ahnlicher Harder vor, der aber nicht so gut in der Qualitat ist. In Farbe
und Qualitat zunachst kommen dann die Steinmarder aus Ungarn. Die
deutschen Harder sind gat in Farbe und meist etwas kleiner. Aus Schweden
und Norwegen, wo die besten Baummarder herkommen, sind die Steinmarder
nur massig in Qualitat und Farbe. Einer besonderen Art gehoren die in
Spanien, Italien und einem Teile Frankreichs vorkommenden Steinmarder an,
M. mediterranea. Sie sind flacher im Haar, mittelgross, aber sehr schon dunkel
in Farbe. Die russischen Harder sind sehr gross, aber sehr hell, rotlicher in
Farbe und grob im Haar. Diese Felle werden meist geblendet.
In England kommt der Steinmarder nicht mehr vor, dagegen ist er in
Schottland und Irland nicht gerade selten. Auch im Kaukasus kommt ein
grosser Steinmarder vor, der dort zahlreicher ist als der Baummarder. Wahr-
scheinlich gehort derselbe schon der im westlichen Vorderasien vorkommenden
Art M. foina syriaca an, ein grosser, hellfarbiger Harder. In der Handschurei
und Nordchina kommt der Harder gleichfalls vor, noch grosser als der russische,
diesem an Farbe ahnlich, aber sehr seidig im Haar. In Zentralasien leben zwei
Steinmarder art en. M. toufaea in Cashmere Gilgit Tibet und im ganzen Hima-
laya bis Sikkim. Er hat sehr schones, dunkles, langes Haar, die Unterseite
ist weiss oder hellgrau, die Grosse kleiner als der europaische Steinmarder.
Die zweite Art, M. foina leucolachnea, lebt in Afghanistan, Turkestan und im
nordlichen Indien, hat langes glanzendes, fast schwarzes Oberhaar und sehr
weisses dichtes Unterhaar. Das Fell ist von Schnauze bis Schwanzwurzel nur
ca. 30 bis 35 cm lang, der Schweif aber bis 30 cm.
Der Steinmarder lebt ungescheut in der Nahe des Henschen, mit Vor-
liebe in den Dorfern, wo er seinen Wohnsitz in Scheunen, Stallen sowie grossen
Reisighaufen aufschlagt und von hier aus seine Raubziige gegen das Haus-
gefliigel richtet. Gelingt es ihm, in einen Huhnerstall oder Taubenschlag zu
gelangen, wozu ihm die kleinste Offnung, durch die er den Kopf zwangen kann,
geniigt, so wiirgt er aus reiner Hordlust alles was lebt. Ausserdem stellt er auch
den Ratten nach, denen er in die engen Gange zwischen den Wanden nach-
folgt. Er verschmaht auch Hause, kleine Vogel und dergleichen nicht und frisst
leidenschaftlich Eier und Obst, weshalb diese auch mit Vorliebe zum Koder der
Fallen benutzt werden. Hat er in einem Geflugelstall reichliche Opfer gefunden,
so begniigt er sich mit dem Blut, an dem er sich formlich berauscht, so dass er
mitunter dort schlafend angetroffen wird. Ubrigens lebt der Steinmarder auch
V. Die Marderarten. 487
haufig im Walde, wo er seinen Wohnsitz in hohlen Baumen aufschlagt. Selbst
im Berliner Tiergarten waren noch vor wenigen Jahren Steinmarder nicht
selten. Er klettert und schwimmt ebenso gut wie der Baummarder, mit dem
er sich indessen nur sehr selten kreuzt. Ich habe nur 2 Felle solcher Bastarde
gesehen. Die Paarungszeit beginnt einige Wochen spater als beim Baummarder,
meist gegen Ende Februar und im April wirft er 3 bis 4 Junge. In der Ge-
fangenschaft wird er leicht zahm, und bekundet dann grosse Anhanglichkeit
an den Pfleger. Der Steinmarder ist durchaus nicht leicht zu erlegen, und auch
sein Fang erfordert viel Miihe und Kenntnis seiner Gewohnheiten. Es besteht
auch deshalb noch keine Gefahr seiner Ausrottung. Nach Lomer kamen 1863
jahrlich etwa 400 ooo Steinmarder in den Handel, und hat sich die Zahl
gegen wartig wohl nicht vermindert, aus den Balkanstaaten und der Tiirkei
kommen wohl ca. 60 ooo Stuck jahrlich, aus Russland etwa 70 ooo, ebensoviel
aus Skandinavien ; Frankreich, Spanien und Italien diirften jahrlich wohl
50 ooo liefern und ca. 120 ooo kommen aus Mitteleuropa, wovon der grosste
Teil aus Deutschland, Nordasien liefert auch noch ca. 30 ooo Stuck.
Nach Poland wurden im Jahre 1827 allein 582 ooo Steinmarderfelle nach
England eingefuhrt. Das Fell ist augenblicklich recht modern und betragt
der Wert jetzt 25 bis 35 Mk. per Stuck, auch hierin ware also die Anlage einer
Harder farm recht lohnend. In Zentralasien lebt iibrigens auch eine Marderart,
M. intermedia, der, wie schon sein Name andeutet, zwischen dem Baummarder
und Steinmarder steht. Die Grosse ist die eines gewohnlichen Stein marders,
die Farbe braunlich, rotlich schimmernd wie ein heller Baummarder, der Kehl-
fleck ist gelblich weiss aber klein, und da von aus laufen, nach der Brust zu, zwei
schmale weisse Streifen. Uber die Lebensweise des .verhaltnismassig seltenen
Tieres ist mir naheres nichts bekannt. Auch vom Steinmarder werden die
Klauen zu Futter verarbeitet, die Kehlen aber seltener.
7. Iltis.
Der Iltis, M. putorius, franzosisch putois, englisch im Rauchwarenhandel
fitch, im Volksmund polecat genannt, hat eine ungemein grosse Verbreitung
durch ganz Europa, vom hohen Norden bis nach dem Siiden. In England ist er
selten, in Schottland und Wales aber noch haufig, doch ist er dort kleiner als
auf dem Kontinent. Die Grundfarbung ist ein mehr oder weniger dunkles
gelb, uber welches die langen schwarzen Grannenhaare herausragen, doch so,
dass die Grundfarbe iiberall durchscheint. Der Bauch ist schwarz und das Haar
hier kurz, ebenso wie auch am Nacken die Haare kiirzer sind. Der Schweif,
der eine Lange von 12 bis 20 cm besitzt, ist glanzend schwarz, die Korperlange
ca. 30 cm. Der Kopf ist klein, aber breit und erscheint flach gedriickt. Die
besten Felle kommen aus Holstein und Deutschland. Stets gute aber wenig
488 Naturgeschichte der Pelztiere.
Felle liefert auch Holland. In Bosnien gibt es viele aber sehr hellfarbige
Iltisse. Der Iltis lebt sowohl im Walde, wie auf offenem Felde, im Gebirge in
der Ebene und sehr gern auch in den Bauerngehoften. Er bewohnt mil Vorliebe
alte Kaninchenbauten, Hamsterbauten oder sonstige Erdhohlen, gelegentlich
auch hohle Baume, Felsspalten usw. Im Winter zieht er sich am liebsten in die
Dorfer.
Der Iltis frisst so ziemlich alles, was er bewaltigen kann, Kaninchen,
Hausgefliigel, Rebhiihner, Ratten, Hamster, Mause, Vogel, Schlangen, Frosche
und Fische, die er gewandt fangt. Im grossen und ganzen uberragt sein Nutzen
den Schaden, da er hauptsachlich Mause, Ratten und Hamster frisst, auch die
giftige Kreuzotter totet, so dass er jedenfalls mehr Schonung verdient als er
geniesst. Auch in den Gehoften niitzt er durch Vertilgen der schadlichen Nager
wohl mehr als er durch gelegentliches Toten von Gefliigel schadet, auch mordet
er, wenn er in einen Stall eingedrungen ist, in der Regel nur einige Stuck, die
er dann wegschleppt. Der Bauer kann sich auch durch sorgfaltiges Verschliessen
der Geflugelstalle geniigend schiitzen. Seine Bewegungen sind sehr rasch und
behende, er ist ungemein lebenszahe, so dass er selbst schwere Verletzungen
iiberlebt. Der Iltis entwickelt ebenfalls viel Blutdurst wie der Harder, wird
aber nicht so leicht zahm wie dieser. Sein unangenehmer Geruch ist sehr auf-
fallig und hat ihm auch den lateinischen Namen, der Stanker verschafft.
Sein Mut ist ebenso gross wie der des Wiesels und greift er deshalb auch weit
iiberlegene Feinde riicksichtslos an, wird auch nicht so leicht von einem starken
Hund uberwaltigt. Im Marz ist die Begat tungszeit und wirft das Weibchen
nach zwei Monaten 4 bis 6 Junge, die von der Mutter eifrig verteidigt werden,
auch gegen Menschen. In 6 Wochen folgen sie den Eltern bereits auf die Jagd
und sind in 3 Monaten ganzlich erwachsen. Es kommen jahrlich etwa
200 ooo Iltisfelle in den Handel, die im Durch schnitt etwa 5 Mk. per Stuck
wert sind.
In Sibirien wird unser Iltis durch eine andere Art vertreten, Putorius
eversmanni, im Handel russischer Iltis genannt, dessen Verbreitungsbezirk
sich vom ostlichen Russland, durch ganz Sibirien und Turkestan erstreckt.
Das Tier ist erheblich kleiner als der europaische Iltis, das Haar viel kiirzer
und flacher. Die Grundfarbung ist ein rotliches gelb, und sind die schwarzen
Grannenhaare nicht nur kiirzer, sondern auch viel weiter zerstreut. Der
russische Iltis halt sich hauptsachlich an dem Waldrande und der Steppe auf,
und sind die Murmeltiere seine Lieblingsbeute, doch stellt er auch hier den
Mausen und Ratten stark nach. Er holt auch im Winter die in Winterschlaf
verfallenen Murmeltiere aus ihren Bauten.
Das Fell des russischen Iltis hat jetzt einen Wert von ca. 2 Mk. per Stuck,
und wird hauptsachlich zum Pelzfutter verarbeitet, in letzter Zeit aber auch
vielfach zobelartig gefarbt. Zur Ausfuhr gelangten sonst 50 ooo Stuck im Jahr,
doch werden grosse Mengen in Russland selbst verbraucht, in der letzten Zeit
ist aber die Ausfuhr mindestens verdreifacht. Sehr ahnlich dem vorigen ist P.
V. Die Marderarten. 489
larvatus oder tibetanus, der in Tibet und dem nordlicben Himalaya lebt. Er ist
hellfarbig, fast gclbweiss, mit einem schwarzlichen Anhang auf Schultern und
Rumpf , Unterwolle weiss, aber sehr dicht und wollig, Oberhaar lang, viel Haar
zwischen den Zehen. Er lebt wie der europaische Iltis, stinkt auch ebenso.
Im Handel kamen die Felle bisher nicht vor.
8. Der japanische Marder.
In Japan werden die Marderarten vorzugsweise durch den nur dort vor-
kommenden Mustela melam-pus, japanisch Ten, englisch Japanese marten, im
Pelzhandel japanischer Marder genannt, vertreten. Das Fell ist von rotlich-
gelber bis hellgelberFarbe, doch wiegen die rotlichen Farbentone vor. DieKehle
ist heller gefarbt, die Fiisse schwarz, das Oberhaar ist weich und seidig, die
weiche Unterwolle ein zartes Hellgelb. Er ist wesentlich grosser und starker
gebaut als sein Verwandter vom Festlande, M. sibirica. Die Lange betragt 65
bis 70 cm, wovon ca. 15 cm auf den Schweif kommen. Besonders der Schweif
unterscheidet ihn wesentlich von M. sibirica, da er nicht die glatten Grannen-
haare des letzteren besitzt, sondern wolliger ist, auch kiirzer und dicker.
Das Korperhaar ist auch langer, dicht er und starker als beim M. sibirica und
die Haut viel dicker. Ausserdem bilden die schwarzgezeichneten Fiisse, denen
er seinen wissenschaftlichen Namen verdankt, ein scharfes Unterscheidungs-
merkmal. Er lebt im Gegensatz zu seinem sibirischen Vetter meistens auf
Baumen, halt sich auch in der Nahe von Hausern auf. Seine Nahrung bilden
Vogel, Insekten, kleine Saugetiere. Der Ten kommt meistens auf der japanischen
Hauptinsel Hondo vor und ist hier nicht selten, so dass jahrlich mindestens
30 ooo Felle auf den Markt kommen. Das Fell hat augenblicklich einen Wert
von 14 bis 18 Mk., wahrend es friiher wesentlich billiger war, vor 20 Jahren
sogar nur 1,50 Mk.
Auf Yesso wird er durch einen sehr nahen Verwandten, M. japonica (?)
vertreten, den die Japaner als Hokkaido Ten bezeichnen. Die Farbung ist mehr
graugelb, einzelne Exemplare von ganz grauer steinmarderahnlicher Farbe
kommen vor.
9. Die Kolinsky.
Der Kolinsky Mustela sibiriaca, auch Erdmarder genannt, von den
deutschen Zoologen auch Feuermarder genannt, lebt in ganz Sibirien
und ist in Ostsibirien haufig. Er ist schlanker und wesentlich kleiner als
der vorige. Das Fell ist dicht und fein, aber etwas kurz, die Farbe rotlich
gelb, der Korper etwa 40 cm lang, der regelmassig mit ziemlich
steifen Grannenhaaren besetzte Schweif ist ca. 12 bis 15 cm lang.
490 Naturgeschichte der Pelztiere.
Dieser Schweif ist meist das wertvollere, da cr zu feinen Malerpinseln gebraucht
wird. Vor einigen Jahren kostete der Schweif 4 Mk. das Stuck, jetzt etwa
1,50 bis 2 Mk. Die Felle, welche meist zobelartig gefarbt werden, kosten augen-
blicklich etwa 3 Mk. Die feinsten Felle sind die Kutnetzker, dann die
Jakutsker, die gross, aber etwas grobhaariger sind mit sehr guten Schweif en.
Die Tomsky sind etwas kleiner. Die ostsibirischen oder Amur-Felle sind gross,
aber etwas grob. Das gesamte Quantum, das jahrlich in den Handel kommt,
diirfte etwa 100 bis 150 ooo Stuck betragen. Der wreisse Kehlfleck fehlt und
wird vielfach durch einige kleine Flecken ersetzt. Manchmal ist auch ein tief
orangefarbiger Kehlfleck vorhanden. Das Tier lebt in Waldungen, namentlich
Nadelwaldungen, klettert aber nicht auf Baume, sondern lebt in Erdhohlen und
Felsspalten. Es verschmaht im Gegensatz zum Zobel jede Pflanzennahrung.
Friiher bildeten die Felle einen grossen Handelsartikel nach der Tiirkei, wo sie
in der natiirlichen gelben Farbe zu Pelzfuttern verwendet werden.
Sehr nahe verwandt ist eine in der Mandschurei lebende Kolinsky- Art,
die im Handel als Newchwang-Wiesel vorkommt und welche ich M. manchurica
nennen mochte. Das Haar ist etwas grober und kiirzer, der Schweif bedeutend
langer. Die Farbung spielt mehr ins braunlich gelbe, Besonders auffallig ist,
dass das Weibchen sehr bedeutend kleiner ist als das Mannchen und kaum zwei
Drittel der Korperlange des Mannchens betragt. Der Schweif ist beim Weibchen
etwa 15 cm lang, beim Mannchen 20 bis 25 cm. Im Aussehen steht das Tier
zwischen dem M. sibiriaca und dem M. davidsonii. Vielleicht ist es mit dem
M. alpina Raddes identisch.
Es kommen jahrlich etwa 30 ooo Stuck zum Export. Die Schweif e sind
auch zu Pinseln brauchbar, aber nicht so gut als die Kolinsky. Der gegenwartige
Wert von Fell und Schweif ist etwa 3 Mk. In der letzten Zeit werden die meist en
Kolinsky-Felle zobelartig geblendet.
10. Tigeriltis.
Der Tigeriltis oder Perwitzky Putorius sarmaticus bewohnt den grosseren
Teil Zentralasiens, Westsibirien und das sudostliche Russland. Sein siidlichstes
Vorkommen wird begrenzt durch eine Linie von Kleinasien bis Kandahar
(an der Grenze zwischen Indien und Afganistan). Er ist ein sehr naher Ver-
wandter unseres Iltis, dem er in der Lebensweise ahnelt. Auch stinkt er ebenso
wie dieser. Die Lange von Schnauze bis Schwanzwurzel ist 25 bis 38 cm, der
glanzend schwarze Schweif ist ca. 12 bis 15 cm lang. Das Fell ist glanzend
nerzbraun mit zahlreichen unregelmassigen gelben Flecken, die Unterwolle ist
graubraun. Die ganze Unterseite ist dunkel-schwarzbraun. Das Haar ist kurz,
dicht und glanzend und werden die Felle ausschliesslich zu Futtern verarbeitet.
Trotzdem das Tier in seiner Heimat gar nicht selten ist und namentlich in Slid-
V. Die Marderarten. 40,1
afganistan sogar haufig, kommen doch wenig Felle in den Handel, jetzt kaum
3 bis 4000 Stuck jahrlich. Friiher kamen bedeutend mehr. Der Wert ist etwa
3 bis 4 Mk. pro Fell. Das Tier lebt in Erdhohlen und geht nachts auf Raub aus.
Kleine Vogel, Ratten, Mause, Eidechsen und Schnecken sind seine Haupt-
beute. Das Tier soil blutdiirstig sein, doch ist das im Berliner Zoologischen
Garten lebende Exemplar ist aber ganz zahm.
11. Chinesische und japanische Nerze.
Dem Wiesel sehr nahestehend, aber auch mit dem Nerz nahe verwandt,
sind verschiedene in China und Japan lebende Tiere. In China kommen
verschiedene Arten des sogenannten chinesischen Wiesel, chinesisch Who
Long vor. Das fur den Pelzhandel wertvollste ist das Shantung-Wiesel, das
von Herrn Prof. Matschie als eigene Art aufgestellt worden ist unter dem
Namen Lutreola stegmanii. Die Farbe ist ein helles, etwas rotliches gelb,
die Korperlange des Mannchens ist ca. 40 cm, der Schweif 20 bis 25 cm lang,
das Haar fein und weich, die Unterwolle gelbgrau. Am verbreitetsten ist
Lutreola oder Mustela davidianus. In der Grosse ist es dem vorigen gleich, dock
erreichen bei beiden Arten die Weibchen hochstens zwei Drittel der Korper-
lange des Mannchens. Sein Hauptvorkommen ist im Yangtsetal, die Farbe ist
rotlichbraun, das Haar nicht so fein wie beim vorigen. Das Kinn ist weiss.
Aus Hankow kommen Felle an den Markt, die grosser und dunkler braun ge-
f arbt sind als die vorigen, aber das Haar ist viel diinner und grober ; auch die
Unterwolle ist weniger dicht. Ob es sich hier um eine besondere Art handelt,
weiss ich nicht. Eine weitere Art ist Lutreola oder Mustela moupinensis, die in
den tibetanischen Grenzgebieten vorkommt. Da diese Felle aber zwischen die
anderen im Handel vorkommenden gemischt sind, so habe ich keine Beschrei-
bung da von geben konnen, doch soil sich diese Art durch einen weissen Brust-
fleck auszeichnen. Die chinesischen Wiesel kommen im Norden auch in den
Staaten Honan, Shansi, Shensi usw. vor. Ob in Chili habe ich nicht feststellen
konnen. Die nordlichen Sorten haben naturgemass auch ein wertvolleres Fell.
Im ganzen kommen jahrlieh etwa 600 ooo Felle in den Handel. Bis zum
Jahre 1906 hatten dieselben einen Wert von 30 bis 40 Pf. per Stuck, dann
schnellte der Preis gewaltig in die Hohe und kosten jetzt die Felle im Durch-
schnitt 1,50 Mk. per Stuck mit dem Schweif e. Ein grosser Teil kommt ohne
Schweife in den Handel und ist dann der Preis ca. bis 25 Pf . per Stuck billiger,
wahrend der Schweif, der in China viel zur Herstellung von Pinseln gebraucht
wird, jetzt hier nur etwa 20 Pf. wert ist. Die Ahnlichkeit mit dem Nerz er-
streckt sich ausser auf die Farbe hauptsachlich auf den Schadelbau und die
Form der Ohren, die breit und niedrig wie beim Nerz, nicht hoch und spitz wie
beim Wiesel sind. In der Lebensweise ahneln die Tiere am meisten dem Iltis.
492 Naturgeschichte der Pelztiere.
Sie leben ganz ungescheut in der Nahe der menschlichen Wohnungen. Auch
unter meinem Hause, mitten in dem Geschaftsvietel der Fremdennieder-
lassung von Schanghai, hatte ein solches Wieselparchen sein Heim auf-
geschlagen und stattete von hier aus den Hiihnerhofen seinen Besuch ab.
Wenigstens erklarten meine Leute einstimmig, wenn ein Huhn verschwunden
war, ,, weasel have taken", wenn es mir auch merkwiirdig schien, dass ein so
kleines Tier einen 4 bis 5 Pfund schweren Hahn weggeschleppt haben sollte,
ohne selbst Federn zu hinterlassen. Die Hauptnahrung besteht aus Ratten
und Mausen und klagen die Chinesen, dass diese lastigen Nagetiere iiberhand
nehmen, seit soviel Wiesel weggefangen werden. Trotz der grossen Haufigkeit
des Vorkommens besitzt bis jetzt kein Zoologischer Garten lebende Exemplare
des chinesischen Wiesels. Hauptabsatzgebiet fur diese Felle ist Amerika.
Seit langen Jahren werden auch solche Felle nach Korea ausgefiihrt, wo sie
schwa rz gefarbt namentlich zu Armelaufschlagen verwendet werden. In Nord-
Korea kommt auch ein Wiesel vor, welches aber dem mandschurischen Wiesel
sehr ahnlich ist auch von dort aus durch chinesischeAufkaufer iiberNewchwang
in den Handel gebracht wird.
Nahe verwandt mit dem vorigen ist der in Japan lebende Mustela oder
Lutreola itatsi, von den Japanern Istatsi genannt, im Handel Japan-Nerz
oder Japanese mink, welchen Namen ich dem Fell beilegte, als ich 1886 die
ersten Felle einfiihrte. Die Farbe ist glanzend braun, die haufig in rotbraun
iibergeht; das Haar ist kurz, aber dicht, und viel feiner als beim chinesischen
Wiesel, wie auch die Farbe stets dunkler ist. Das Tier ist kleiner and namentlich
der Schweif viel kiirzer. Das Mannchen hat eine Korperlange von 30 — 35 cm
Lange, zu der der Schweif mit 10 cm kommt. Der Schweif ist mit kurzen,
steifen Haaren bedeckt, die in Japan zu Pinseln verwendet werden, in Europa
aber nicht dazu benutzt werden. Es kommen jahrlich etwa 150 ooo bis 200 ooo
Istatsis in den Handel, die bis 1906 etwa 50 Pf. per Stuck Wert hatten, jetzt
aber iiber 2 Mk. kosten. Hauptabnehmer ist auch hierfiir Amerika. Im Jahre
1890 beziffert Poland das Gesamtquantum chinesischer und japanischer
Wiesel zusammen auf ca. 15 ooo jahrlich. Acht Jahre spater iibersteigt die
jahrliche Ausfuhr schon die halbe Million erheblich. Die Lebensweise des
Istatsis ist ebenfalls dem europaischen Iltis oder Wiesel ahnlich.
12. Hermelin.
Hermelin und Wiesel sind so ahnlich, dass ihre Winterfelle haufig
fur den Rauchwarenhandel gleichmassig benutzt werden. Der Hauptunter-
schied liegt in der Grosse, und in der Farbung und Grosse des Schwanzes.
Immer fehlt dem Wiesel die schwarze Schwanzspitze. In jedem Distrikt iibrigens
wo eine Hermelinart vorkommt, lebt auch eine Wieselart. Bekanntlich sind
V. Die Marderarten. 493
beide Tiere im Sommer braun, wahrend die Bauchfarbung bei den verschiedenen
Arten verschieden 1st, vom reinen Weiss, schwefelgelb bis zum hell- und fahl-
braun. Im Winter nehmen, wenigstens alle in nordlichen Zonen wohnenden
Hermelin und Wiesel eine schone weisse Farbe an.
Im Spatherbst und Friihjahr findet man vielfach noch unrein gefarbte
Felle, die auf dem Riicken in dem fleckenlosen Weiss mehr oder minder zahl-
reiche braune Haare zeigen, die sogenannten ,,Grauspitzen". Bei beiden Tier-
gattungen sind die Weibchen erheblich kleiner, oft nur halb so gross, als die
Mannchen. Im Verhaltnis zu ihrer Grosse sind beide die kiihnsten und
blutgierigsten Rauber der Welt. Die Hauptbeute bilden Mause, Ratten, Ziesel
Hermelin (Arctogale erminen) .
und dergleichen, aber man hat oft beobachtet, dass ein Hermelin einen ihm an
Grosse ungeheuer iiberlegenen Hasen angriff und durch Zerbeissen der Schlag-
ader totete. Auch mit dem wehrhaften griessgramigen Hamster werden ofters
Duelle auf Leben und Tod ausgefochten. Sehr grosse Liebhaber sind beide
Tierchen von Eiern und werden die Nester von Erdbriitern, vom Zaunkonig
bis zum Rebhuhn undFasan, eifrigst gepliindert, wobei sie eine grosseGeschick-
lichkeit bekunden, die geraubten Eier zwischen Kopf und Kehle geklemmt fort-
zuschleppen, um sie dann in ihrem Lager behaglich auszuschliirfen, nachdem sie
mit ihren nadelspitzen Zahnchen ein Loch hineingebissen haben.
Natiirlich werden auch die noch nicht fliiggen Jungen der Vogel durch-
aus nicht verschont, und gelegentlich den Hiihnerhofen Besuche abgestattet,
wobei sich das Wiesel durchaus nicht vor der Nahe des Menschen scheut,
obgleich es seine Jagden meist erst in der Dammerung beginnt.
494 Naturgeschichte der Pelztiere.
Gegen uberlegene Feinde setzt es sich auf s mutigste zur Wehr, und
mancher Uhu oder Habicht hat seinUnterfangen, ein Hermelin wegzuschleppen,
mit dem Tode gebiisst. Die Tiere sind auch sehr klug und ihre Gewandtheit
und Schnelligkeit spriichwortlich : Er lauft wie ein Wiesel. Dabei konnen sie
sich durch die kleinste Offnung zwangen, klettern und schwimmen vortrefflich.
Man hat von verschiedenen Fallen berichtet, wo Hermeline in der Gefangen-
schaft ganz zahm geworden sind und reizende Stubentiere wurden, im allge-
meinen gehen sie aber in der Gefangenschaft sehr schnell zu Grunde, indem sie
alle Nahrung verschmahen und in ihrem ungestumen Freiheitsdrange bald
dem Tode erliegen.
Nur Jung aus dem Nest genommene Tiere gewohnen sich ofters an den
Pfleger. Die Paarungszeit ist meist Februar, Marz, und im Mai bis Juni
werden 4 bis 10 Junge geworfen. Der gesamte Norden der Erde wird von
verschiedenen Art en Hermelin und Wiesel bewohnt.
Das gewohnliche Hermelin (Arctogale oder Jctis ermine a) engl. ermine
granie ermine lebt in Mitteleuropa, wird selten im Winter ganz weiss, nur in
Gebirgsgegenden geschieht dies regelmassig. Sie spielen deshalb im Pelz-
handel keine Rolle. Auch in Schweden, Norwegen, dem nordlichen Schott-
land, werden sie zwar weiss, kommen indessen auch dort nur fur den
lokalen Bedarf in Betracht. Das Wiesel (A. nivalis) bleibt in den meisten
Landern Europas auch im Winter braun. In Island wird es durch
A. hibernicus vertreten, das auch eine schwarze Schwanzspitze zeigt.
In Italien lebt A. italicus, in Spanien A. ibericus, in Rumanien A. dombrowskii,
-die aber fur den Pelzhandel nicht in Betracht kommen, ebenso wenig die
A numidicus in Marokko, A. siculus in Sibirien, africanus in Agypten und
Malta, A. algiricus in Algier, A. subhemachalanus im Indischen Gebirge,
A. canigula, ebendort A. nudipes auf den Sunda-Inseln. Alle diese Arten
zeigen hauptsachlich anatomische Unterschiede, namentlich im Schadelbau,
Grosse usw.
Auch das Hermelin, das im siidlichen Europa heimisch ist (A. boccamela],
mit einer schwarzen Schwanzspitze, wird im Pelzhandel nicht verwertet. Von
grosster Bedeutung fur das Pelzgeschaft sind aber die asiatischen Hermeline,
vor allem die Sibiriens. Fur den Handel werden sie in verschiedene Gruppen
zerlegt, meist nach dem Gebiet oder dem Ort, wro sie zuerst gesammelt, zum
Verkauf gestellt werden.
Die grossten sind die sogenannten Barabinsky, die schonsten, weil am
weissesten und rauhesten, sind die Ischimer. Mittelsorte sind Tomsky,
Perschorsky. Die Schweife sind kraftig gedrungen und nimmt die schwarze
Spitze etwa die Halfte der ganzen Schweiflange ein, die 10 bis 14 cm betragt.
Die Jakutskyfelle sind klein und auch meistens flach, aber weiss, ebenso der
Jeniseisky, unter denen aber auch viel gelbliche vorkommen. Bei diesen Sorten
ist der Schweif diinner, leichter, das Schwarze nimmt etwa 3/? der betragenden
.Lange ein. Die kleinste Sorte, noch nicht halb so gross wie die andern, sind die
V. Die Marderarten. 495
sogenanntcn Lasky, ein echtes Wiesel, dem auch die schwarze Schwanzspitze
fehlt, weshalb sie meistens auch ohne Schweife in den Handel kommen.
Aber auch die Felle aus einer Gegend stammen durchaus nicht von
einer Hermelinart, denn auch in Asien wohnen eben verschiedene Hermelin-
und Wieselarten in demselben Distrikt. Am verbreitesten ist A. ermineus,
dieselbe Art wie in Nordeuropa, daneben aber in Zentralasien und in Sibirien,
vom Altai bis Amur, A. alpinus, das wahrscheinlich die Jakutsky- usw. Arten
liefert.
In Altai lebt A. altaicus. Die Laskyfelle kommen von den A. pygmaeus,
die gleichfalls in Sibirien leben.
In Zentralasien, namentlich in Turkestan und Jarkand lebt dagegen
•das Gegenstuck, A. stoliczkanus, eines der grossten Hermelinarten uber-
haupt, wahrend A. ferghanae kleiner ist. Im nordwestlichen China bis in die
Mongolei werden die Hermeline durch A. fontanieri vertreten, die ein mittel-
grosses, etwas flaches, aber gut weisses Fell liefern.
A. pallidus aus Afghanistan, ebenso A. caucasicus aus dem Kaukasus
liefern zwar brauchbare Felle, sind aber im Pelzhandel noch wenig bekannt,
wahrend der schone A. stridigorsus aus dem Himalaya im Handel bisher iiber-
haupt nicht vorkommt.
Wohl bei wenigen Fellsorten schwankt der Preis und infolgedessen die
Zufuhr so wie beim Hermelin. Preis und Zufuhr stehen aber in direktem
Verhaltnis.
Bei niedrigem Preis werden wenig Hermeline gefangen, wahrend der hohe
Preis lockt. Vor etwa 25 Jahren kostete das Zimmer bestes Ischimer zu-
gerichtet 40 Mk. Ich kaufte damals sogar einen grossen Posten von etwa
700 Zimmer zugerichtete Jakutski fur 7 Mk. per Zimmer. Seit der Kronung
Konig Eduards von England kam Hermelin mit einmal wieder in Mode, und im
Jahre 1906 war der Preis fur Ischimer der hochst je bezahlte und betrug iiber
400 Mk. im Durchschnitt, um im Jahre 1907 etwas zu fallen, augenblicklich
etwa 280 Mk. Die Zahl der zugefiihrten sibirischen Hermeline schwankt
zwischen 20 ooo und 800 ooo im Jahr aus den oben angefuhrten Griinden.
Augenblicklich kommen 6 bis 700 ooo Stuck. Noch viel mannigfaltiger als
in Asien, sind die Hermelinarten in Amerika. Auch hier hat erst die All-
herscherin Mode ungcheure Quantitaten auf den Markt gelockt. Von etwa
10 ooo Stuck ist das zugefiihrte Quantum wohl auf 3 bis 400 ooo Stuck
jahrlich gestiegen.
Wahrend noch 1859 von der Hudsonsbay Company nur 809 Hermeline
exportiert wurden und bis Ende des Jahrhunderts die Zahl sich auf etwa 2 bis
3000 jahrlich erhielt, brachte 1902 16 374, 1903 33 883.
Von den Vereinigten Staaten kamen sonst auch jahrlich etwa 2 bis
3000 Stuck, jetzt belauft sich der Export von dort auf mindestens 300 ooo
Stuck, wozu noch erhebliche Quantitaten kommen, die im Lande selbst
verbraucht werden.
49 6 Naturgeschichte der Pelztiere.
Sowohl Hermelin wie die Wiesel ohne schwarze Schwanzspitze sind nun
in Amerika sowohl an Arten als Individuen ungemein zahlreich vertreten.
doch nennen die Amerikaner alle unterschiedslos ,, White weasel".
Im aussersten Norden, der arktischen Kiiste unddemTundragebiet, haust
A. arcticus, welches die besten Felle liefert. Das Tier ist verhaltnismassig
gross, hat kleine Ohren und an dem kraftigen aber kurzen Schweif ist die
hintere Halite schwarz.
Das Sommerkleid ist oben gelbbraun, Unterseite ockergelb. Etwas kleiner
als das vorige ist A. richardsonii, welches das Hudsonsbay-Gebiet bis Alaska
und das nordliche Britisch Kolumbia bewohnt. Die schwarze Schwanz-
spitze nimmt kaum ein Drittel der Schweiflange ein. In derselben Gegend
wohnt auch A. rixosus, das kleinste der amerikanischen Wieselarten, ohne jede
schwarze Schweifspitze. Im Sommer rostbraun, Unterseite weiss.
Im nordwestlichen Alaska lebt auch noch ein echtes Wiesel ohne Schwanz-
spitze, A. eskimo, welches grosser als das vorige ist, der Schweif ist aber
kiirzer und diinner.
A. alascensis in Alaska ist ein echtes Hermelin, das im Sommer schoko-
ladenfarbig mit weisser Unterseite ist, im Winter aber rcinweiss, bis auf die
schwarze Schwanzspitze, die ein Drittel der Schwanzlange ausmacht. Das
Tier ist aber wesentlich kleiner als A. richardsonii. In den Vereinigten Staaten
ist am verbreitesten A. cicognani, das sich in den Waldungen von Labrador
und Kanada an bis nach dem Siiden von Newyorkstate und westlich bis an die
Rockymountains erstreckt. Es ist ziemlich klein, Korperlange etwa 20 cm
und auch der Schweif ist ziemlich kurz. Auch die schwarze Schwanzspitze
misst knapp ein Drittel der Lange.
Die Winterfarbung ist weiss, aber die Unterseite, der Rumpf und der
obere Teil des Schweif es ist stets gelblich und das Sommerfell dunkelbraun,
Unterseite gelbweiss.
An der Westkiiste wird dasselbe durch A. steatorix vertreten, das nament-
lich im Kiistengebiet, vom Pugetsound bis Oregon. Es ist kleiner, das
Sommerfell bedeutend dunkler und nur ein schmaler Bauchstreifen weiss. Im
Winter wird es nur in den hoheren Gebirgslagen rein weiss, in den Tiefen
bleibt es braunspitzig. Beide Arten bevorzugen die Waldgebiete.
Ein Tier der offenen Ebenen ist das auffalligste aller amerikanischen
Hermeline, A. longicaudata, das langschwanzige Hermelin. Es ist das grosste
aller amerikanischen Hermeline, erreicht eine Korperiange von 40 cm,
wahrend der Schwanz 20 cm misst. Hiervon ist aber nur die ausserste Spitze,
etwa 3 cm, schwarz. Es bewohnt die grossen Ebenen nordlich bis zum
Saskatschewan und ist im Westen von Minnesota bis Arizona auf den Prarien
uberall anzutreffen. Am haufigsten findet es sich in Kansas und am oberen
Missouri.
Das Sommerfell ist ein helles griinlich-braun, die Unterseite mehr lachs-
farbig. Das Winterfell ist auch in siidlichen Gegenden bis nach Utah hinab
V. Die Marderarten.
497
ganz weiss. In Minnesota kommt auch A. spadix vor, etwas kleiner als das
Vorige, auch mil sehr langem Schweif, doch ist die schwarze Spitze beinahe
ein Viertel der Schweif lange.
Das Sommerfell ist schokoladenbraun, mit dunklem Kopf, die Unterseite
gelbweiss.
Im Osten der Vereinigten Staaten findet man von Maine bis Nord-
karolina A. novoboracensis , dessen Verbreitungsbezirk sich westlich bis
Illinois erstreckt. Es wird aber nur in den nordlichen Teilen des Landes im
Winter ganz weiss. Es ist etwas kleiner als A. longicaudata, und steht auch
der Schwanz an Lange zwischen diesem und A. cicognani. Der schwarze Teil
ist iibrigens bei ihm von alien amerikanischen Hermelinarten am langsten
und nimmt mehr als die Halite der Lange ein. Das weisse ist iibrigens meistens
etwas gelblich angehaucht. In den Neu-England-Staaten und Kanada lebt
eine Abart, die bedeutend grosser ist.
Im Washingtonterritory findet man A. washingtonii, das einen langeren
Schweif, aber kiirzere Spitze wie A. noveboracensis besitzt. Es wird im Winter
weiss, aber Rumpf und Bauch sind stets sehr gelblich, wahrend das in Oregon
und Washingtonterritory daneben lebende A. saturatus zwar im Winter schon
weiss wird, sich aber durch seine Sommerfarbung stark unterscheidet. Dieselbe
ist oben umbrabraun, die Unterseite orangegelb, Schweif hell kastanienbraun
mit schwarzer Spitze.
Sehr schon, aber klein, ist das auf den Queen Charlotte-Inseln lebende
A. haidarum. Das Fell ist ca. 18 cm lang, der Schweif ca. 10 cm, wovon 60 Proz.
schwarz ist.
Es ist im Winter weiss, am Rumpf ende und unten mehr gelblich. In
den Gebirgen der Westkiiste und zwar in der Sierra Nevada und den Rocky-
mountains bis Britisch Kolumbia lebt A. arizoniensis , das ahnlich wie
A. longicaudata einen sehr langen Schweif mit kurzer Spitze besitzt, aber im
ganzen bedeutend kleiner ist. Im Winter schon weiss. Dagegen wird
A. oregonensis, ein mittelgrosses Hermelin mit langem Schweif, dessen Spitze
nur ein Fiinftel der Lange schwarz ist, auch im Winter nur auf der Unterseite
gelblichweiss, oben hellbraun. A. xantonigensis in Kalifornien bliebt Sommer
und Winter hellbraun. In Amerika erregen Hermelin und Wiesel durchaus
nicht so den Hass der Jager und Farmer wie in Europa, da sie im Gegenteil
als niitzliche Tiere zu bezeichnen sind. Sie raumen gewaltig unter den Feld-
mausen, den Ratten, sowie auch den Erdhornchen und den wehrhaften
Gophers auf. Wenn sie auch gelegentlich ein junges Kaninchen oder junge
Vogel rauben, so fallt dies nicht ins Gewicht. Den Hiihnerhofen tun sie wenig
Schaden. Vorzugsweise wohnen sie in Erdhohlen. Vom Standpunkt des Pelz-
handlers kann man amerikanische Hermelin von den sibirischen vorzugsweise
an den Schweifen erkennen, die stets dunner sind und bei denen sowohl die
Oberhaare kurzer sind als auch nicht so dicht wie bei den sibirischen. Auch
die Felle sind flacher und das Oberhaar nicht so weich.
32
40,8 Naturgeschichte der Pelztiere.
13. Vielfrass.
Dieses Tier, Gulo luscus, englisch wolverene, franzosisch gloutton, wird
mil zu den Mardern gerechnet. Es lebt im Norden von Europa, Asien und
Amerika bis dicht an die Kiisten des Polarmeeres. Die Farbe ist ein feines
dunkelbraun, auf dem Riicken durch zwei breite hellgelbbraune Streifen ge-
zeichnet, die im Bogen iiber die Seiten verlaufen. Zwischen den Streifen ist
das sattelartige Stuck viel dunkler als der iibrige Korper und dabei etwas
kiirzer im Haar. Der Kopf ist dunkelgraubraun. Die Kehle enthalt gelbe
Flecke. Die Beine sind sehr dunkelbraun, die Unterseite mit kurzem, grobem,
dunklem Haar bedeckt. Die Beine sind etwas gebogen, die machtigen Tatzen
mit langen scharfen Krallen bewehrt. Der Schweif ist kurz, ca. 15 cm lang und
mit langem, starkem, buschigem Haar bedeckt. Das Fell hat eine Lange von
90 bis 120 cm. Die meisten Felle kommen aus dem Yorkfort-Distrikt.
Labrador liefert wenige feinhaarige, aber helle Felle. Alaska, von wo fast
nichts ausgefiihrt wird, dunkle, grosse Felle. Britisch Columbia und Kam-
tschatka sehr grosse, grobhaarige und helle Felle. Die sibirischen Vielfrasse
sind viel dunkler als die amerikanischen, im Durchschnitt etwas kleiner,
das Haar feiner und die helleren Streifen haufig fast garnicht ausgepragt.
Die Sohlen sind dicht behaart und die Spuren barenartig. Das Tier schleicht
meist mit gebogenem Riicken und niedrig gehaltenem Schweif. Trotz seines
grossen Verbreitungsbezirks ist das Tier nirgends haufig und sein Fell ist
von den meisten Eingeborenen sehr geschatzt und so hoch bezahlt, dass der
Export meist nicht lohnt. So zahlen die Indianer Alaskas oft 30 Dollar fur ein
Fell. Auch in Kamtschatka werden Vielfrassfelle hoch bezahlt (Rosomako
wie sie hier genannt werden) besonders die ganz hellen Felle. Schon Steller
fiihrt an, dass die Kamtschadalen fur ein Vielfrassfell auch Seeotterfelle oder
soviel andere Felle geben, dass der Wert 60 Rubel ausmacht. Auch die Jakuten
bezahlen die Vielfrassfelle gut, so dass alle in Ostsibirien erbeuteten Felle im
Lande bleiben.
Es kommen daher aus Amerika jahrlich nur 2 bis 3000 Felle an den Markt,
etwas mehr aus Sibirien. Der augenblickliche Wert ist 30 bis 50 Mk. pro Fell,
doch waren sie sonst erheblich billiger. Das Tier richtet in der Wildbahn
grossen Schaden an, greift Hirsche, Renntiere ebenso Hasen und kleinere
Tiere an und ist ungemein schnell und gewandt. In Ostsibirien stellt es be-
sonders dem Moschustier nach . Den meisten Schaden und Arger verursacht es
den Trappern, da es der Linie der aufgestellten Fallen folgt, die darin gefangenen
Zobel und Fiichse frisst und obenein haufig die Fallen vergrabt, Auch
zerstort es die Depots, die sogenannten Caches, in denen die Jager Felle,
Proviant usw. aufbewahren, und zernagt und zwangt oft ein Fuss im Durch-
messer haltende Stamme auseinander, aus denen diese Caches errichtet sind.
Auch in Lappland bricht er in leerstehende Hiitten und pliindert die Vorrate.
Dabei sind sie sehr schwer zu fangen, ihrer grossen Vorsicht und Schlauheit
V. Die Marderarten. 499
halber. Nur wenn die Falle ahnlich wie die Caches gebaut sind, gelingt der
Fang leichter. Das Tier klettert nicht auf Baume aber bewohnt Erdhohlen
und alte Biberbauten. Es halt keinen Winterschlaf, sondern schweift Beute
suchend we it umher. In Amerika ist der 42. Breitengrad die siidlichste Grenze
seines Vorkommens. In Sibirien geht es nicht soweit nach Siiden. — In
Amerika findet die Begattung im Marz, April statt und 60 Tage spater wirft
das Weibchen 4 bis 6 Junge, die es mit grosser Wildheit verteidigt. In Norwegen
fallt die Begattung schon im Januar. In Amerika wird das Tier vielfach
Carcajou genannt, in Kanada auch Quickhatch. Audi in Sibirien folgt es dem
Jager und frisst die gefangenen Zobel in den Fallen. Urspriinglich glaubte man,
der Name des Tieres stamme von dem norwegischen Wort Fjall (Hochebene)
her, doch scheint der deutsche Name sich wirklich auf die starke Fressbegierde
des Tieres zu beziehen, wenn auch die Erzahlungen der alteren Schriftsteller
als Fabeln zu betrachten sind.
12=
VI.
Die Nerzarten.
Die Nerze.
Nerze, engl. mink, franz. vison, und von deutschen Zoologen
auch Sumpf otter genannt, leben im Nor den beider Hemispharen, doch sind
eine ganze Reihe von Arten zu unterscheiden. Namentlich der russische und
deutsche Nerz gehoren ganz anderen Arten an wie die amerikanischen. Die
Far bung ist stets sehr dunkel, fast schwarzlich, die Unterwolle ist nur diinn
und das Oberhaar haufig etwas grob und steif, so dass sie an Wert den
amerikanischen bedeutend nachstehen. Auch im anatomischen Bau sind sie
verschieden, denn der Schweif des europaischen Nerzes ist kurzer und ge-
drungener und hat nur 19 Schwanzwirbel, wahrend sein amerikanischer Vetter
21 besitzt. Von den Mardern unterscheidet sich der Nerz nicht nur durch seine
Lebensweise, sondern auch durch die Zahnbildung. Er besitzt 34 Zahne wie
dasWiesel, wahrend die Harder 38 haben. Ferner erfreut sich der Nerz wohl
ausgebildeter Schwimmhaute zwischen den Zehen, die schon auf seinen Wasser-
aufenthalt hindeuten. Zwar ein eigentliches Wassertier wie die Fischotter
ist der Nerz nicht. Er lebt zwar vorzugsweise von Fischen, Froschen, Krebsen,
Muscheln, Wasserratten usw., doch stellt er auch Mausen, Ratten und anderen
kleinen Saugetieren nach, besucht auch, in Amerika wenigstens, mitunter die
Hiihnerhofe der Ansiedler, und interessiert sich auch fur kleine Kaninchen.
Der europaische Nerz ist iibrigens viel scheuer als der Amerikaner. Namentlich
in Deutschland, wo er noch an verschiedenen Stellen vorkommt, halt er sich
so zuriickgezogen in unzuganglichen Rohrbriichen, Sumpf en und dergleichen,
dass nur sehr wenige Jager ihn zu Gesicht bekommen haben. Er schwimmt wie
schon oben gesagt, gut und taucht vorziiglich, klettert aber gar nicht und lauft
schlecht. Die Begattungszeit ist Februar und im April, im Mai wirft er 3 bis
4 blindgeborene Junge. Am haufigsten soil er noch in der Liibecker Gegend vor-
kommen, doch wird er auch in Ostpreussen, Holstein, Brandenburg, Schlesien
und anderen Gegenden Norddeutschlands gefunden, aber nirgends haufig. In
Russland findet man ihn von Finnland bis zum schwarzen Meer und von Polen
bis zum Ural. Er ist hier auch nirgends gerade selten, im westlichen Sibirien
ist er sogar verhaltnismassig haufig, doch ist noch nicht festgestellt, ob die
504 Naturgeschichte der Pelztiere.
sibirische Art nicht abweicht. Jeden falls sind die sibirischen Felle von besserer
Qualitat und haben mehr Unterwolle. Es mogen jahrh'ch wohl 30 bis 40 ooo
Felle in den Handel kommen. Aucb in Siideuropa, Galizien, Siebenbiirgen,
Bessarabien usw. findet man Nerze. Ein deutscher Nerz wurde langere Zeit
im Berliner Aquarium lebend gehalten.
In Amerika nun, von wo die wertvollen Nerze kommen, leben eine ganze
Reihe verschiedener Arten, wenngleich der Rauchwarenhandler sie nur nach
dem Distrikt ihrer Herkunft bezeichnet.
ImHudsonsbay-Gebiet geht der Nerz ziemlich weit nachNorden. Die besten
Sorten kommen aus Labrador, ein dunkler, blauschwarzer Nerz, der auch sehr
sauber auf der Lederseite von den Eingeborenen behandelt ist, wie alle Labrador-
felle. Es kommen aber da von nur wenige hundert Felle jahrlich. Ebensolche
dunklen, feinhaarigen und grossen Felle kommen aus den Distrikten an der
Hudsonsbai, die sogenannten E. M. (Eastmaine) und E. B. (Esquimaux Bai).
Auch die sogenannten Halifax-Nerze aus Schottland gehoren wohl derselben
Nerzart an. Ich habe keine besondere Beschreibung dieser Nerzart in zoolo-
gischen Arbeiten gefunden, und wurde deshalb vorschlagen, diese Art Lutreola
vison borealis zu nennen. Viel zahlreicher ist die Nerzart des Hudsonsbay-
Gebietes der Y. F. (Yorkfort) Nerz, ein grosser, feinhaariger kraftiger Nerz, der
gutfarbig ist, aber doch viel brauner als die vorigen. Da diese Nerzsorte stets
gleichmassig seit Jahrhunderten sortiert ist, hat sie sich zu einer Art Wert-
messer herausgebildet, deren Preis den Massstab fur die anderen Nerzsorten
bildet. Diese Preise schwanken mit den Konjunkturen ungemein. Augen-
blicklich kosten Y. F. prima etwa 40 Mk., sekunda etwra 30 Mk., wahrend die
E. M. liber 60 sh wert sind. Ich kann mich aber erinnern, dass Y. F. sekunda
3 sh kosteten.
Die kanadischen Nerze sind ebenfalls feinhaarig seidig, aber kleiner als
die Y. F. In diesem Jahre kamen aus dem gesamten Hudsonsbay-Gebiet 32 ooo
Nerze, 1910 nur ca. 22 ooo Nerze zum Export, im Vorjahr ca. 40 ooo und 1906
und die vorhergegangenen Jahre etwa 60000 jahrlich. Viel zahlreicher leben
die Nerze in den Vereinigten Staaten. Abgesehen von den giinstigeren Lebens-
bedingungen werden sie hier auch in nicht unbedeutendem Masse, in so-
genannten Minkfarms oder Minkeries, auf die ich noch spater zuruckkomme,
gezuchtet. Es gibt auch hier verschiedene Arten, ebenso wie der Pelzhandel
verschiedene Sorten nach der Herkunft unterscheidet. Wie bei anderen ameri-
kanischen Fellsorten ist aber jetzt der Ort, von wo die Felle in erster Hand
bezogen sind, kein Massfetab mehr fur ihre wirkliche Herkunft. Die grossen
Sammler lassen heute hunderte von Meilen weit reisen, um Felle aufzukaufen,
und es ist deshalb, weil der Sammler, von dem die Kollektion stammt, z. B.
in Cleveland Ohio wohnt noch lange nicht gewiss, dass die Felle aus Ohio oder
auch nur aus den Nachbarstaaten stammen. Die verschiedensten Provenienzen
sind auch in der ersten Hand schon zusammengemischt und geben deshalb
kein klares Bild mehr von den in einzelnen Distrikten vorkommenden
VI. Die Nerzarten. 595
Sort en. Auch die Ergebnisse der Ziichtereien sind oft abweichend von den in
der Gegend vorkommenden Arten.
Im Nordosten der Vereinigten Staaten, namentlich im Staate New York,
Pensylvanien und auch in Neu-Braunschweig lebt L. vison, ein kleinerer,
schlanker, feinhaariger und gutfarbiger Nerz, der aber an der Kiiste nicht vor-
kommt. Hier wird er durch einen viel grosseren, aber plumperen und grob-
haarigeren Nerz ersetzt, den L. vison lutreocephalus, der von Maine bis Nord-
karolina geht und der auch in den Zentralstaaten vorkommt, die Farbe ist
meistens ein dunkles bis mittleres Braun.
In Louisiana und einzelnen Teilen von Kentucky usw. kommt ein hell-
farbiger, grobhaariger und dickledriger Nerz vor, L. vison vulgivagus. Auch
in den siidwestlichen Staaten Arkansas, Missouri usw. lebt ein grobhaariges,
hellfarbiges Tier, das einen bedeutend starkeren und plumperen Schweif hat,
als seine nordlichen Verwandten. In den siidatlantischen Staaten Karolina,
Alabama bis Florida lebt L, vison lutensis gelblich braun, grobhaarig mit
unregelmassiger weisser Markierung am Kinn. An der Westkiiste von Nord-
Kalif ornien bis zum siidlichen Alaska kommt der sogenannte Kolumbia-Nerz
vor, L. vison energumenus, ein grosses, gutfarbiges Tier, aber mit grobem,
nicht sehr dichtem Haar, welcher in Alaska durch ein sehr grosses und
dunkelfarbiges Tier, L. vison melampeplus , vertreten wird, dem der weisse
Kehlfleck fehlt. Es ist grosser als irgend eine der anderen Sorten, selbst als die
Y. F. Am Yukon-River lebt ein sehr dunkler Nerz, L. vison ingens, der
dort sowohl, als an den Nebenfliissen des Riesenstromes recht haufig ist.
Daneben kommt im ostlichen Alaska noch L. vison nigriscens vor,
ebenfalls sehr dunkel und gut in Qualitat, aber bedeutend kleiner als die
vorigen.
Im ganzen werden aus den Vereinigten Staaten jahrlich durchschnittlich
etwa 300 ooo Nerze ausgefiihrt, wozu aber noch ein annahernd ebenso grosses
Quantum kommt, welches im Lande selbst verbraucht wird.
Beide Geschlechter haben stark entwickelte Geruchsdriisen, dicht am
After mit einem moschusartigen Duft, der aber nicht so unangenehm ist wie
beim Iltis oder gar beim Skunk.
Diese Driisen sollen iibrigens beim europaischen Nerz gleichfalls fehlen.
Die Nahrung des Mink besteht aus Muscheln, Krebsen und Fischen, von
denen er bis zu 12 Pfund schwere Exemplare bewaltigen soil, ferner stellt er
den Bisamratten stark nach und auch Kaninchen, namentlich dem Sumpfhasen
Lepus palustrus. Er frisst auch Ratten, Mause und dergleichen, stiehlt die Eier
der Erdbriiter, doch kann er Vogel nur schwer erwischen. Manchmal beraubt
er auch die Huhnerhauser der Farmer. Er ist aber nicht so blutgierig wie die
Marderarten und totet nie mehr als er auch fressen kann. Lastig macht er
sich den Trappern haufig da durch, dass er in Fallen gefangene Tiere auf frisst,
ehe sie eingesammelt werden konnen. Er grabt sich keine eigenen Wohnungen,
sondern lebt in verlassenen Bisambauten, hohlen Baumstiimpfen, Murmeltier-
506 Naturgeschichte der Pelztiere.
oder Dachshohlen usw. Die Begattung ist im Marz und wirft das Weibchen
nach 6 wochentlicher Tragzeit 3 bis 6 Junge, doch kann sich deren Zahl in
Jahren reichlicher Nahrung auf 10 bis 12 steigern, so dass, wie bei anderen
amerikanischen Pelztieren die Haufigkeit des Vorkomrnens periodenweis
wechselt. Da der Nerz leicht zahm wird und von einzelnen Farmern deshalb
als Rattenfanger im Hause gehalten wurde, kam man schon friihzeitig auf die
Idee, ihn rationell zu ziichten. Die erste Minkfarm wurde bereits 1873 in
Verona, Oneida county Newjorkstate errichtet.
Heute befinden sich gegen 100 Nerzfarmen in den Vereinigten Staaten.
In einer solchen Farm befindet sich in einem umzaunten Raum, der auch
fliessendes Wasser enthalt, eine Reihe von Boxes mit Drahtzaun umgeben,
der oben iiberhangt, jede von 12 Fuss im Quadrat. Eine alte Kiste mit zwei
Offnungen gibt Schutz gegen das Wetter. Die Tiere werden einzeln gehalten
und mitFarmabfall,Fischen, geschossenen Murmeltieren, lebenden Ratten usw.
gefiittert. Im Dezember gibt man vorwiegend frisches blutiges Fleisch. Im
Februar wird wenig gefiittert und im Marz die Tiere zusammengelassen,
wobei man ein Mannchen auf sechs Weibchen rechnet. Die Laufzeit der
Weibchen dauert nur 4 Tage. Schon wahrend der Tragzeit werden die Tiere
wieder getrennt. Nach 6 Wochen wirft das Weibchen 4 bis 10 Junge, die
5 Wochen lang blind bleiben und nach einem Jahre fortpflanzungsreif sind.
Die Totung der zum Verkauf bestimmten Tiere findet natiirlich wahrend der
kalten Jahreszeit November /Dezember statt.
VII.
Die Ottern.
Die Ottern.
a) Amerikanische Ottern (engl. otter, franz. loutre d'Amerique).
In Nordamerika finden wir verschiedene Otter arten, die aber alle
stark von dem europaischen Otterabweichen. Der grosste 1st der kanadische
Otter, Lutra canadensis, welche das nordlichste Amerika bis weit in die
arktischen Gegenden hinein bewohnt. Er ist bedeutend grosser als der euro-
paische Otter, mit langem, dichten, glanzenden, dunklen Oberhaar und
einer dichten Unterwolle, die Fusse sind mit Schwimmhauten versehen und
die Sohlen behaart.
Die feinsten Felle kommen aus Labrador und Eastmaine, fast schwarz
und ungemein gut behandelt.
Die Felle sind stets mit dem Leder nach aussen getrocknet, das Fell durch
einen Schnitt zwischen den Hint erf ussen abgestreift, das Leder sauber ge-
waschen und die Beinhaut rosettenformig aufgerollt.
Die Felle aus dem Yorkfort-Distrikt sind gross, rauh, dunkelbraun,
ahnlich sind die Felle aus Kanada und Neuschottland, dunkel, aber etwas
grober im Haar. Diese Otterart geht auch an der Ostkiiste der Vereinigten
Staaten bis nach Maryland und Kentucky, doch sind die von hier kommenden
Felle alle brauner und grober im Haar. Auf Neufundland kommt eine eigene
Art vor, L. degener, die teuerste Sorte Ottern, ganz schwarz und sehr fein
im Haar. Solche Felle wurden in der Londoner Auktion mit 300 sh bezahlt,
wahrend die anderen Ottern von 100 bis 150 sh holen.
In den Siidstaaten Nordkarolina, bis Alabama, Louisiana und Missisippi
lebt L. lataxina, etwas kleiner als canadensis, mit dickerem Leder und
groberem Haar, aber dunkler Farbe, die Fiisse nur wenig behaart. In Florida
und dem ostlichen Georgien lebt L. vaga, ein Otter, der grosser ist, als die
kanadische, mit besonders langem Schwanz, grobem Haar und rotlichbrauner
Farbe.
An der Westkiiste von Kalifornien bis Alaska findet man L. pacific a, sehr
gross, aber viel heller als die anderen. Es gibt hier Felle mit einer Lange
von 140 cm, ohne den 60 cm langen Schweif. Namentlich in Alaska ist die
Naturgeschichte der Pelztiere.
Farbe ein ganz hclles braun. In Britisch Columbia lebt L. columbiana, auf
Sa Marta, und welter nordlich L. periclyzomaL
In den westlichen Zentralstaaten von Wyoming bis Mexiko und Sonora
ist der grosste aller amerikanischen Ottern zu finden, L. sonora, der aber
grobhaarig und hell ist.
Im ganzen kommen aus dem Hudsonsbai-Gebiet jahrlich etwa 10 ooo
Ottern, aus den Vereinigten Staaten 12 ooo Stuck jahrlich. Von den deutschen
Kurschnern werden sie samtlich als virginische Ottern bezeichnet.
Der Fang des amerikanischen Otter ist sehr schwierig, da das Tier
ungemein scheu ist. Gewohnlich wird es an seinen regelmassigen Ausstieg-
stellen gefangen, den ,, slides", da der Otter regelmassig an derselben Stelle das
Wasser verlasst. Hier werden unmittelbar unter dem Ufer Stahlfallen unter
dem Wasser gesetzt, die aber sehr sorgfaltig aufgestellt werden mussen. Im
Winter werden auch die Eislocher aufmerksam beobachtet, um festzustellen,
wo das Tier herauskommt, um seine Beute zu verzehren, da es dies niemals
im Wasser tut. Auch hier werden die Fallen unter Wasser gesetzt.
Auf den Koder geht er nicht, doch gelingt es, ihn manchmal in mit be-
sonderer Witterung versehene Fallen zu fangen, die an den Stellen gestellt sind,
wo das Tier regelmassig seine Losung abzusetzen versucht. Da die Ottern
in Amerika selten geworden sind, werden sie in verschiedenen Staaten ge-
schiitzt. So diirfen z. B. in Utah bis 1913 keine Ottern erlegt werden, in
Vermont und Wiskonsin ist ebenfalls der Otter dauernd geschiitzt. In anderen
Staaten haben sie jahrliche Schonzeiten, z. B. in Michigan vom i. April bis
i. November. In Missouri desgleichen, in New-Hampshire vom i. April bis
15. Oktober. Auch in Kanada ist das Tier jetzt geschiitzt. In Manitoba diirfen
sie iiberhaupt nicht gefangen werden, vom i. April bis i. Oktober ist Schon-
zeit in Neufundland, Quebek, Prinz Eduard-Inseln, Ontario, Britisch
Kolumbia. In Alberta ist Schonzeit vom i. Mai bis i. November. In Neu-
Braunschweig vom 15. Marz bis i. November, Neuschottland vom i. Marz
bis i. November.
Die Ottern werfen alljahrlich im April 2 bis 3 Junge. Die Nahrung be-
steht ausschliesslich aus Fischen.
Haufig findet man iibrigens Felle, bei denen die Spitzen der Oberhaare
gekrummt sind, sogenannte versengte Felle, was auf Fehler beim Trocknen
zuriickzufiihren ist.
Die dunklen Felle werden hauptsachlich zu Kragen fiir Herrenpelze
verwendet, gute, aber braune Exemplare werden haufig geblendet, wahrend die
geringeren und versengten Felle gerupft werden und dann entweder naturell
oder sealartig gefarbt zu Damengarnituren, Herrenpelzkragen usw. verwendet
werden.
In Siidamerika leben auch verschiedene Otterarten. Fiir den Pelzhandel
am wichtigsten ist L. platensis, der in Argentinien und einem Teil von Pata-
gonien lebt. Das Fell ist oben dunkelbraun, glanzend, dicht anliegend, mit
VII. Die Ottern. 511
massig langem Oberhaar, die Unterseite ist blassbraun. Die Unterwolle ist
ziemlich dicht. Das Fell ist 70 bis 80 cm lang, der Schweif, der an der Wurzel
dick, dann spitz zulauft, ist etwa 50 cm lang. Es kommen jahrlich ca. 2 bis
3000 Stuck in den Handel, der gegenwartige Wert ist ca. 20 Mk. In Vene-
zuela L. eremila, in Nicaragua L. latidens, in Guatemale annectens, in Peru
L. incarum, in Ostbrasilien L. mitis.
An der Westkiiste von Siidamerika lebt L. felina von Ecuador bis zur
Magellansstrasse. Von Wert sind aber hauptsachlich die aus Chiloe kommen-
den, namentlich aus den Provinzen Puerto Montt und Chiloe, deren grosser
Reichtum an Seen und Wasserlaufen ihnen ein ideales Wohngebiet liefert.
Das Fell ist kleiner als das des argentinischen Otter. Der gegenwartige
Wert ist 10 bis 15 Mk.
Auf den Inseln und in den Fjorden der Magellansstrasse kommen zahl-
reiche Ottern vor, von denen mir nicht bekannt ist, zu welcher Art sie gehoren
wahrscheinlichL. proohax. VerschiedeneSchoner, sowohl chilenischewie argenti-
nische, beschaftigen sich mit dem Fange dieser Ottern und der Pelzseehunde.
Es werden wohl einige tausend Stuck jahrlichgefangen. Eigenartig ist der siid-
amerikanische Riesenotter L. brasiliensis. Ich besitze ein Fell, das von der
Schnauze bis Schwanzwurzel 1,90 m misst, bei 70 cm Breite, der Schweif ist
60 cm lang. Dieser Schweif ist in der Mitte verbreitert und beim lebenden
Tier ganz flach gedriickt. Das Tier ist noch durch die dicht behaarte Nasen-
kuppe gegeniiber den anderen Ottern, die kahle Nasen haben, unterschieden.
Leider ist das Oberhaar, wenngleich dicht, sehr kurz und Unterwolle fehlt
fast ganzlich. Die Farbe ist hellbraun mit weisser Kehle. Die Krallen sind
sehr stark. Schwimmhaute sehr gross. Der Verbreitungsbezirk reicht von
Venezuela bis zur La Plata.
Im Berliner Zoologischen Garten lebte ein Exemplar lange Jahre, das ganz
zahm, aber blind war.
Im zentralen Teile Siidamerikas von Zentralamerika bis zur Magellans-
strasse lebt noch L. paranensis , glanzend dunkelbraun, an der Kehle mit
einem hellen viereckigen Fleck. Die Lange des Felles ist ca. 70 cm. Der
Schweif ist 45 bis 50 cm. Hauptsachlich findet sich das Tier in Paraguay und
dem Gran Chaco . Fur den Pelzhandel h at es bis j etzt wenig Bedeutung erlangt .
b)Europaische Ottern.
Der europaische Otter oder Landotter, franzosisch louvre de pays, Lutra
vulgaris, ist in ganz Europa verbreitet. Die besten kommen aus Norwegen und
Schweden, gute rauche Felle mit einer dichten dunkelgrau-braunen Unter-
wolle und dunkelbraunem Oberhaar, das verhaltnismassig weich, aber doch
viel grober als beim amerikanischen Otter ist. Das Fell erreicht eine Lange
bis zu 1,50 m ohne den Schweif. Es kommen hiervon jahrlich einige tausend
Stuck in den Handel, die augenblicklich etwa 30 bis 40 Mk. per Stuck wert
sind. In Deutschland findet sich die Otter fast uberall, waren doch vor
Naturgeschichte der Pelztiere.
einigen Jahren mehrere Ottern in der Spree mitten in Berlin, und beobachtete
ich selbst, wie in der Burgstrasse ein Otter einen etwa 4 pfiindigen Karpfen
auf einem Fischkasten schleppte und dort verzehrte. Damals batten die Tiere
ihren Unterschlupf in den holzernen Ufereinfassungen. Als diese uberall durch
Steinmauern ersetzt wurden, verschwanden auch die Ottern aus dem Weich-
bilde von Berlin. Die besten deutschen Otterfelle kommen aus Bayern. Die
Lange des Landotter betragt etwa 1,20 bis 1,30 m. Das Oberhaar ist grob
und braun, die Unterwolle fein seidig und gelblich grau. Etwa 10 ooo Stuck
werden jahrlich in Deutschland gefangen. Auch in der Schweiz, Frankreich
und Osterreich kommen viele Ottern vor, Siideuropa liefert Ottern, die aber
keine sebr dichte Unterwolle haben. Der griechische Otter, der auch auf der
Balkanhalbinsel vorkommt, ist wahrscheinlich eine besondere Art. Im ganzen
schatze ich das jahrlich auf den Markt kommende Quantum Landottern auf
etwa 30 ooo Stuck, deren gegenwartiger Wert etwa 30 Mk. per Stuck ist.
Landottern werden meistens in gerumpftem Zustande verarbeitet, teils
naturell, teils sealartig gefarbt. In Zentralasien werden viele Otterfelle mit
dem Oberhaar verwendet, namentlich bei den Kirgisen, doch werden hierzu
meist die geringen sudeuropaischen Landottern, sowie chinesische usw.
verwendet. In Bayern werden die naturellen Landottern zu Frauenmutzen
verarbeitet, die zur Nationaltracht gehoren. Auch die Kalpaks der deutschen
Husarenoffiziere werden aus naturellen Landottern angefertigt. Der Otter ist
ungemein scheu und vorsichtig und geht hauptsachlich des nachts auf Raub
aus, dabei ungeheure Verheerungen unter dem Fischbestande anrichtend.
Am Tage ruhen sie meist in Lochern, die sie in die Uferwand gegraben, oder
im dichtem Rohricht. In Deutschland wird das Tier meist auf dem An-
stande in mondhellen Nachten erlegt oder in Tellereisen gefangen, die auf
dem Ausstiege unter Wasser gesetzt werden.
In England wird der Otter sportsmassig mit besonders dazu abgerichteten
Otterhunden gehetzt. Der englische Otter ist meistens wesentlich kleiner als
der deutsche und selten langer als i m. Das Gebiss ist ausserst scharf, wie
mancher Hund schon zu seinem Schaden erfahren hat. Friiher wurde das
Fleisch in der Fastenzeit gegessen, da.es als Wassertier von der Kirche, die ja
stets mit den Naturwissenschaften auf dem Kriegsfuss stand, zu den Fischen
gerechnet wurde. Es schmeckt iibrigens sehr schlecht und tranig. Ottern
werden leicht zahm, und sind verschiedene Falle bekannt, wo sie ihrem Herrn
wie ein Hund nachfolgten und auch Fische fiir ihn fmgen. In Deutschland
wirft der Otter meist im Mai 3 bis 4 Junge, deren Fell als Milchottern im
Handel vorkommen. Die Tierchen bleiben 9 Tage blind, saugen etwa
6 Wochen lang und sind nach einem Jahre vollkommen ausgewachsen.
c) Asiatische Ottern.
In Asien findet man zunachst den sogenannten Bagdad-Otter, welcher
ganz Vorderasien bewohnt und dem griechischen Otter sehr ahnlich sieht. In
VII. Die Ottern. 513
Indien gibt es verschiedene Otterarten. Zunachst L. ellioti, oben nussbraun,
unten heller mil hellbrauner Unterwolle; vom Kopf bis zur Schwanzwurzel
misst das Fell 18 bis 20 Zoll, der Schweif ist etwa 10 Zoll lang. Im Himalaya
findet man L. aureobrunnea, ein sehr kurzbeiniges, langgestrecktes Tier, aber
schon kastanienbraun, unten goldrotlich mil langem dichten ziemlich feinem
Oberhaar, Nagel und Zehen voll entwickelt. In Indien, Birma und Sumatra lebt
L. barang, Oberseite schmutzig graubraun, Unterseite heller, dichtes wolliges
Oberhaar, ebenfalls sehr langgestreckt, aber kleiner als der Himalaya-Otter.
In Indien seltener, aber haufig auf Java und Sumatra findet man den krallen-
losen Otter, L. leptonyx, einen der kleinsten Otterarten. Die Farbe ist hell-
braun, am Nacken weisslich, das Haar kurz und grob. Die Schwimmhaute
sind sehr wenig entwickelt, die Krallen sehr klein und verkummert. Auf
Malakka und Sumatra lebt noch L. sumatrana und auf den Sunda-Inseln,
Indien bis Siidindien der etwas grossere graue Otter, L. cinerea.
Alle diese Otterarten haben aber wenig Bedeutung fur den Pelzhandel
und kommen auch wenig auf den Markt. Der Wert diirfte etwa 3 Mk. pro
Stuck kaum iibersteigen. Sehr stark kommen aber in den letzten Jahren
die chinesischen Ottern auf den Markt. L. chinensis, chinesischer Name
Tha. Das Tier lebt hauptsachlich im Jangtsekiangtal, namentlich in den
Provinzen Chekiang und Hupeh. Die Mehrzahl kommt in Hankow auf den
Markt, ein kleinerer Teil auch in Ningpo. Die Grannenhaare sind kurz, glatt,
hell graubraun, am Kopf, dem Halse und dem oberen Teil der Brust weisslich,
die Unterwolle ist kurz aber dicht, gelblichgrau. Die Felle werden nach
Grosse sortiert, in grosse, ca. 80 cm ohne Schweif lang, in mittlere, ca. 55 bis
60 cm und in kleine, ca. 40 bis 45 cm lang. Der Schweif ist 30 bis 40 cm lang.
Der augenblickliche Wert ist durchschnittlich 10 Mk. per Stuck. Friiher
kamen dieselben auch vielfach gerupft in den Handel, jetzt aber nur roh und
ungerupft. Jahrlich kommen etwa 25 ooo Stuck zur Ausfuhr. Die Chinesen
verwenden sie wenig, doch ging friiher ein Teil nach Korea, wo Otterfell viel-
fach zu Kragen und Armelaufschlagen benutzt wird, und wird hierzu das
hellere Bauchfell bevorzugt. In Nordchina werden vielfach eingefuhrte
europaische Landotter-Felle verwendet. Professor Matschie beschreibt
auch noch eine andere chinesische Otterart, L. hanensis, die Leutnant Filchner
am oberen Hoangho gefunden. Das Fell ist dunkel schokoladenfarbig, Kinn
und Kehle reinweiss, Hals, Brust und Bauch rauchfarbig, Lange bis zur
Schwanzwurzel ca. 60 cm, Schwanz ca. 30 cm. Swinhoe erwahnt auch noch
einen anderen Otter, L. szvinhoei, der in Siidchina und Formosa vorkommt,
oben dunkelbraun, unten fast weiss.
In Japan lebt eine besondere Otterart, L. japonica, die von den
chinesischen ganz verschieden ist und dem L. vulgaris mehr ahnelt. Sie ist
aber durchschnittlich grosser und auch feiner im Haar. Namentlich die
Unterwolle ist dunkler, dichter und feiner als die europaische. Zur Ausfuhr
gelangen wenig Felle, da die Japaner die Felle in gerupftem Zustande viel
33
Naturgeschichte der Pelztiere.
selbst zu Pelzkragen benutzcn, und deshalb der Preis im Lande meist hoher
1st als in Europa. Es werden jahrlich vielleicht 2000 bis 3000 Stuck erbeutet.
Im Amurgebiet und dem ostlichen Sibirien lebt ein Otter, der wohl mit
L. vulgaris identisch ist. Dagegen lebt auf Kamtschatka eine eigene Art,
L. aterrima, gross, dunkcl, aber nicht sehr dicht im Haar.
d)Afrikanische Otter.
In Afrika finden sich verschiedene sehr hiibsche Otterarten, die auch
haufig sind, bis jetzt aber im Pelzhandel keine Rolle finden. L. capensis in
ganz Siidafrika. Das Tier ist ziemlich klein, hellbraun, mit weisser Kehle und
Backen. In West- und Siidwest- Afrika lebt L. maculicollis , kastanienbraun,
kurze dicht anliegende Haare fast ohne Unterwolle, Hals weiss. Am
Ngami-See und dem sudlichen Zentralafrika findet man L. incunginis, dunkel
kastanienbraun, metallisch glanzend, mit weissen Haarspitzen, besonders am
Nacken, die Unterwolle ist gelbbraun. Lange ca. 55 cm, Schwanz ca. 30 cm.
Ausserdem soil in Westafrika noch ein grosser Otter von 1,20 m Lange vor-
kommen, dunkelfarbig, fast ohne Unterwolle. Auch in Ostafrika soil ein kleiner
schwarzer Otter vorkommen, ebenso sollen Madagaskar und Abessinien schone
Otterfelle liefern, doch habe ich selbst keine Felle von dort zu Gesicht be-
kommen. Im ganzen kommen etwa 2 bis 3000 afrikanische Ottern jahrlich
auf den Markt, doch kann diese Zahl sehr vermehrt werden.
Der Seeotter
(engi. seaotter, franz. loutre oder Castor de Kamtschatka.)
Der Seeotter, Enhydra lutris, im Pelzhandel auch Kamtschatka-Biber
genannt, gehort weder zu den Ottern noch zu den Bibern. sondern steht den
Seehunden am nachsten. Er liefert das wertvcllste Pelzwerk nachst dem
Schwarzfuchs, denn ein gutes Exemplar wird mit 8000 Mk. bezahlt. Sein
Verbreitungsbezirk ist sehr beschrankt, die meisten werden langs der Kiiste
von Alaska und den Aleuten-Insem gefunden, an der Kiiste von Vancouver-
island, wo sie friiher sehr hauiig waren, sind heute sehr wenig vorhanden. Auf
der asiatischen Seite kommen sie noch auf den Kurilen-Inseln vor, einzein
auch an der Kiiste von Yesso sowie einem Teil der Kiiste von Kamtschatka
und den Komodorski-Inseln (Copper- und Behring-Inseln).
An der Kiiste von Kalifornien und Unterkalifornien lebt eine andere Art,
E. lutris nereis, die etwas heller und gelblicher in Farbe ist. Heute gibt es
nur noch wenige Exemplare davon, wahrend es t'riiher da von wimmelte.
Fingen doch die Rassen zar Zeit der spanischen Herrschaft vor etwa 80 Jahren
mehrere tausend in einer Saison allein in der Bai von San Franscisco. Vor
VII. Die Ottern.
5*5
I
CO
33*
Naturgeschichte der Pelztiere.
hundert Jahren wimmelte jede Bucht und jeder geschiitzte Vorsprung, jede
einsame Felseninsel von den mit einander lustig spielenden Seeottern . Jedes
Fahrzeug, das auf den Fang ausging, brachte tausende, entweder selbst erlegte
oder eingehandelte Felle, mit. Die Behringsche Schiffsmannschaft tot etc
bei ihrer beriihmten Uberwinterung allein 900 Seeottern zu Nahrungszwecken
da das Fleisch besser schmeckte als das Seehundsfleisch. China war damals
das Hairptabsatzgebiet fiir Seeotterfelle und wurden anfangs des vorigen
Jahrhunderts in einem Jahre 20 ooo Stuck allein nach Kanton gebracht. Der
Hauptmarkt aber war Kiachta, wohin schon im 17. Jahrhundert der Haupt-
ertrag des Seeottertanges im Stillen Ozean gelangte. Die ausgewachsenen
Felle wurden damals Boboy Marke, die Weibchen Madka, die jungen Felle
Kochlocki und die saugenden Jungen Medwecki genannt. Die Chinesen
nennen das Tier ,,Seedrache", Hai Lung oder Hai Foo.
Die starke Nachstellung verursachte bald eine rapide Abnahme der Tiere.
Wahrend im Jahre 1820 noch gegen 20 ooo Felle nach London und Russland
kamen, war nach Lomer 1863 die Zahl in London nur 1500, da die Ziffern fiir
die direkte Einfuhr nach Russland und China nicht bekannt waren. Im
Jahre 1875, als ich zuerst in das Geschalt kam, gelangten ca. 7000 Stiick
nach London und sicher noch einige Tausend direkt nach China und Sibirien.
1891 kamen im ganzen noch 3000 Stiick in den Handel, doch nun ging es
rapide abwarts, in den letzten 5 Jahren iiberstieg die Zahl nur selten 300 im
Jahr und nur im letzten Jahre wurden etwa iiber 400 Stiick erbeutet. Ein
mir bekannt er Fangschoner aus Japan hatte 1896 noch 35 Stiick an der
japanischen Kiiste gefangen, 1901 nur noch 7 und hat seither den Fang als
unlohnend aufgegeben. In Kamtschatka 1st der Fang ganz verboten, doch
kommen namentlich bei Kap Lopotka noch eine Anzahl Seeottern vor, die
manchmal von Wilddieben erbeutet werden. Auf den Komodorski-Inseln,
wo jahrlich jetzt noch etwa 100 Stiick erbeutet werden, ist der Fang
Regierungsmonopol. Die erbeuteten Felle miissen dem Beamten der Krone
in Nikolsk auf der Behring-Insel abgeliefert werden, und gehen von dort zu
kontraktlich festgesetztem Preise an die Kamtschatka Commercical & In-
dustrial Company iiber, die sie dann anLampson in London zur Auktion sendet.
Jetzt hat auch die amerikanische Regierung den Seeotterfang an der Kiiste
von Alaska verboten.
Das Fell des Seeotter ist sehr dicht und seidenartig fein. Die besten
Felle sind ganz schwarz mit regelmassig verteilten Silberspitzen, dann
kommen glattschwarze, dann braunlich mit Silber, braunlich mit wenig Silber
und schliesslich die grauwolligen Felle ohne Silber, die sogenannten Donkeys.
Die Felle werden nur zu Kragen auf Herrenpelze verwendet, und gibt ein
grosses Fell, welches eine Lange von 7 Fuss erreicht, bis zu 6 Kragen. Die
meisten in den Handel kommenden Felle sind aber 4 bis 5 Fuss lang. Die
Felle junger Tiere, sogenannter Cubs, die aber auch ganz fein und schon
farbig sind, 2 bis 3 Kragen. Die ganz jungen Felle von noch saugenden Tieren
VII. Die Otter n. 517
sind mit langen weichen Haaren bedeckt, sogenannte ,,uberwachsene", die
dann gerupft und sealartig gefarbt werden. 1880 kosteten solche Felle
ca. 6 Mk., heute vielleicht 80 Mk. Das beste Fell kostete damals 1200 Mk.,
1890 4000 Mk., heute etwa 8000 Mk.
Fur China, wo die Mandarinen Seeotter-Pelzjacken tragen, ist der Preis
langst zu teuer geworden, der Hauptabnehmer dafiir ist Russland, in zweiter
Linie Deutschland. Bis zum Jahre 1863 war die Einfuhr von Seeottern in
Russland, ausser durch die Russisch-Amerikanische Company, verboten,
und jetzt noch ist der Zoll ein sehr hoher.
VIII.
Die Dachse und Stinkdachse
Dachse.
a) Amerikanische
(engl. badger, franz. blaireau).
Die Dachse bilden eine sehr weit verbreitete Familie, deren Vertreter sich
aber zum grossten Teil in nordlichen Gegenden finden.
Die wertvollsten kommen aus den Prariedistrikten Kanadas und den
nordwestlichen United States. Es ist dies, Taxidea americana, ein grosser
Dachs mit langem, seidenweichen Haar. Die Oberhaare, die eine Lange
bis zu 10 cm auf dem Riicken erreichen, sind weiss, mit regelmassigen
schmalen braunlichen Ringen. Die Unterwolle ist dicht und weisslich gelb.
Der Kopf ist braungrau, Schnauze und Ohrenflecke schwarz, Scheitellinie
und Wangen weiss, Beine schwarz. Der Korper ist gedrungen, der Schwanz
kurz, die Vorderklauen 6 bis 7 cm lang.
Sein Verbreitungsbezirk reicht im Norden bis zum 58. Grad nordlicher
Breite im Hudsonsbay-Gebiet und geht im Siiden bisWiskonsin und Oklahama,
im Westen bis zu den Rocky mountains. Friiher kamen sie auch im Osten bis
Ohio vor, sind aber dort jetzt vollkommen verschwunden.
Die Cree-Indianer nennen das Tier, das nirgends mehr sehr haufig ist,
,,Mistumisk". Die Nahrung bilden Wurzeln, Beeren, Frosche, sowie Mause,
Prariehunde und Gophers und andere kleine Saugetiere, Insekten, Wurmer,
Schnecken, kleine Vogel. In einer selbstgegrabenen Hohle im hohen Prarie-
grase wirft das Weibchen drei bis funf Junge. Wahrend des Winters, wo der
Grund mit Schnee bedeckt ist, halt das Tier Winterschlaf. Das Fell ist fiir
Muffen und Stolas sehr geschatzt und kosten gute Felle iiber 30 Mk., doch
kommen jahrlich nur etwa 5000 Stuck in den Handel.
Weit weniger wert sind die Felle des weiter siidlich lebenden T. berlandieri,
der in Texas, Oklahama, Arizona und Neu-Mexiko lebt und auch die Prarie-
distrikte vorzieht. Die Grundfarbung ist rotlich grau, mit schwarzbrauner
Zeichnung und weissen Haarspitzen. Uber den ganzen Riicken lauf t ein weisser
Streifen, die Beine sind schwarz, die Unterseite gelbbraun.
522 Naturgeschichte der Pelztiere.
In Kalifornien lebt noch eia Dachs, T. neglecta, der kleiner als die vorigen
1st, ebenfalls mil ziemlich langem Haar, welches auf dem Riicken und den
Seiten ockergelb ist, mit gelbgrauen Ringeln und schwarz und gelbgrauer
Spitze. Der bedeutend langere Schweif ist fahl ockerfarbig mit grauer Spitze.
Die Beine sind braun, Unterseite gelbrotlich. In Unter-Kalifornien T. injusca.
Diese Dachse spielen aber im Handel kcine grosse Rolle, doch ist ihr
Haar zur Fabrikation von Pinseln geeignet, vvozu die Haare von T. americana
als zu weich nicht verwendet werden konnen.
Amerik. Dachs (Taxidea americana) .
b) Asiatische Dachse.
Viei mehr Arten beherbergt Asien.
In Japan lebt eine besondere Art, Meles anacuma, japanisch Ma mi ge-
nannt. Er ist im Durchschnitt grosser als der europaische Dachs, ca. 90 cm
lang, wo von etwa 15 cm auf den Schweif kommen. Das Haar ist kiirzer and
viel weicher, die Haut diinner. Es fehlen die weissen Backenstreifen, und der
Kopf von der Schnauze bis zu den Augen ist gelbbraun gefarbt. Die Haare
am Korper sind nicht weiss und braun geringelt, sondern dunkel. Die
Farbung geht am hinteren Riicken und Becken ins schwarzlicbe iiber. Der
Schweif ist mit langen weich en rotbrauncn Haaren bedeckt, die in der Mitte
dunkelbraun geringelt sind. Die Beine sind schwarz. Die Untervvolle ist sehr
dicht und weich, weshalb das Fell in Europa gern skunksartig gefarbt,
verwendet wird.
Es kamen bis vor kurzem etwa 15 ooo bis 20 ooo jahrlich in den Handel
im Werte von etwa I Mk. per Stiick. Jetzt ist das Tier selten geworden and
kommen jahrlicb nur etwa 3 bis 4000, wahrend der Preis bis auf 3 Mk. ge-
stiegen ist. Die Nahrung besteht aus Wurzeln, Fdichten, Eidechsen,
VIII. Die Dachse und Stinkdachse.
523
Froschen usw. Er lebt am Tage verborgen und geht nachts seiner Nahrung
nach. Im Friihjahr wirft er 3 Junge.
Eine ahnliche Art kommt in Ostsibirien vor, M. anacuma amurensis,
ist aber sehr selten und im Handel gar nicht bekannt.
Die asiatischen Dachse des Festlandes werden in zwei grosse Familien
getrennt, in Meles und Arctonyx. Die letzteren haben eine weisse Kehle und
Brust, wahrend die Gattungen Meles stets schwarze Kehle und Brust zeigen.
In China kommen verschiedene Dachsarten vor.
Jap. Dachs (Meles anacuma).
Alle nennt der Chinese Sze Hue, wortlich ubersetzt Schweinshund, was
wohl damit zusammenhangt, dass das Tier eine sehr dicke FettscHcht besitzt
und auch von den Chinesen gern gegessen vvird.
Verhaltnismassig am haufigsten ist der in Nordchina lebende Meles
leptorynchus . Das Fell ist ziemlich hell, namentlich ist der Scheitel fast ohne
jede dunkle Beimischung, a lie dunkel gefarbten Teile der Oberseite sind braun,
nicht schwarz. Der Riicken erscheint braurilich geringelt auf weissem Grunde.
Der Schwanz hat dieselbe Farbe wie der Riicken, die Spitze ist weiss. Die
Unterwolle ist ziemlich dicht, auch sind die Felle zu Rauchwarenzwecken
nicht zu verwenden. Die Chinesen verarbeiten dieselben zu Decken und
verwenden auch die Grannenhaare zu Pinseln.
In Mittelchina ist der Dachs sehr selten und wegen seiner nachtlichen
Lebensweise auch nur von sehr wenigen europaischen Jagern gesehen. Die
Felle, die ich bekam, waren dunkler gefarbt, als die nordlichen.
In Siidchina, namentlich den Provinzen Fokien und Kwantung, lebt der
M. -chinensis, welcher sehr kurze grobe Ha are hat und ohne jede weisse
Zeichnung am Korper ist.
524 Naturgeschichte der Pelztiere.
In Shantung kommt ein anderer Dachs vor, der sich von dem nord-
chinesischen dadurch unterscheidet, dass die weisse Nasenbinde nicht bis zum
Scheitel reicht, und dass der Scheitel dieselbe Farbe wie der Riicken hat.
Der Schwanz ist grauweiss ohne jede Farbenbeimischung. Professor Matschic
hat diesem Dachs den Namen M. tsingtauensis beigelegt.
In Nordchina kommt noch der A. leucolaemusvor, bei dem Nase, Nackcn,
Schultern, Kehle und Brust reinwsiss sind.
Im westlichen China und Tibet finden sich noch M. leucurus, A. albo-
gularis und A. obscurus, wozu noch zwei neue Arten, die Leutnant Filchner mit-
gebracht hat, kommen, die Professor Matschie M. hanensis und M. siningensis
nennt. Alle diese Arten unterscheiden sich in der Farbung und im Schadelbau.
In Ostsibirien finden sich hauptsachlich M. raddei und M. amurensis, bei
diesen sind die Kopfseiten braunlich und die ganze Farbung eine dunklere.
Diese Dachse sind nicht selten und erwahnt Radde, dass sie auf ziemlich grosse
Saugetiere Jagd machen und sehr bissig seien. In Transbaikalien, namentlich
in Daurien und dem Bureja-Gebirge fallen sie sogar die Kalber der weidenden
Kinder an, und sind sie hier auch nicht ausschliesslich Nachttier, sondern
machen ihre Raubziige haufig am Tage.
Auf Korea kommt auch ein Dachs vor, doch weiss ich die Art nicht zu be-
nennen. Auf Yesso und auf Sachalin fehlen diese Tiere ganzlich. — In West-
sibirien und dem Kaukasus lebt M. sibiricus, am Altai M. altaicus. Im
Himalaya findet man A. collaris und in Assam A. assamensis und A. taxoides.
— Auf Borneo und Sumatra existiert auch ein Dachs, der siidlichste Vertreter
seiner Gattung, A. hoeveni.
Fur den Rauchwarenhandel haben alle diese Dachse keine Bedeutung,
da die Felle nur zur Pinselfabrikation gebraucht werden konnen. Dasselbe
gilt fur den in Persien und Mesopotamien vorkommenden M. canescens. Es
gelangen auch bisher wenige Felle in den Handel.
c) Europaische Dachse.
Der Dachs ist in Europa sehr verbreitet, doch sieht man ihn wegen seiner
ausgesprochenen nachtlichen Tatigkeit, seiner Menschenscheu und seines
allgemein miirrischen Einsiedlerlebens sehr selten. Ganz im Gegensatz zu
dem oben erwahnten ostsibirischen Dachs ist der europaische Dachs ein sehr
niitzliches Tier. Seine Hauptnahrung besteht in Insekten, Engerlingen, Regen-
wurmern, Froschen, Schlangen, Beeren und Wurzeln. Gelegentlich plundert
er die Nester der Bodenbriiter. Den Huhnerhofen bleibt er fern, doch grabt
er gern Mohrruben und andere wohlschmeckende Wurzeln aus.
Der Dachs wird ungemein fett und mastet sich namentlich im Herbst,
wo die Beerennahrung reichlich vorhanden, ein ganz respektables Bauchlein
an. Das Fleisch wird gern gegessen und soil ahnlich wie Schweinefleisch
VIII. Die Dachse und Stinkdachse. 535
schmecken. Dachsschinken bildet in denForsthausern einebeliebteDelikatesse.
Dachsfett ist in alien Apotheken auf dem Lande zu haben.
Die Dachshaare bilden das ausschliessliche Material fiir Rasierpinsel,
da sie sehr fest und dabei weich sind. Die kiirzeren Haare werden zu Zahn-
biirsten verwendet, die langeren Haare bilden auch das beste Material zum
,,Spitzen" der Alaska-Fuchsfelle (siehe diese). Die grossen, dunklen Felle,
namentlich aus Bayern, werden in der Schweiz, in Bayern und anderen
Gegenden als sogenannte Fuhrmannsdachse zur Verzierung der Pf erdegeschirre
verwendet; auch die Tornister der Jager-Bataillone sind mit Dachsfell uber-
zogen. Der Dachs lebt mehr in den lichten Vorholzern, als in dichten Waldern
und grabt sich dort mit seinen scharfen Krallen einen machtigen kunstvollen
Bau, der ausser dem behaglich ausgepolsterten Kessel mehrere oft 30 Fuss
lange Rohren enthalt und peinlich sauber gehalten wird. Die Geschlechter
leben getrennt, nur im Oktober kommen sie auf kurze Zeit zusammen, dann
zieht sich das Weibchen in einen Bau, das Mannchen in einen anderen zuriick.
Im November fallen beide in Winterschlaf und wirft das Weibchen dann im
Vorfriihling 3 bis 4 sehr possierlich Jungen, die bis zum Herbst bei der uberaus
zartlichen Mutter bleiben, dann griinden sie ihre eigene Familie. Der Dachs
hat ein sehr scharfes Gebiss und wird ein einzelner Hund mit ihm nicht
fertig. Dachsgraben ist ein sehr beliebter Sport. In England wurden fruher
Kampfe zwischen Hunden und Dachsen in der Arena veranstaltet, wovon der
Ausdruck ,, badgering" fiir belastigen kommt.
Die verbreiteste Art ist M. taxus, der ganz West- und Mitteleuropa be-
wohnt, sowie den Kaukasus. In Sudeuropa wohnt M. mediterraneus in
Spanien, Italien, den Balkanlandern, Kreta und Kleinasien. M. arenarius
bewohnt Russland und die Kirgisensteppe.
Im ganzen kommen ca. 80 bis 100 ooo Dachsfelle in den Handel, die
augenblicklich durchschnittlich etwa 4 bis 5 Mk. Wert haben.
d) Honig-Dachse.
Hauptsachlich gibt es davon zwei Arten, Mellivora capensis, in Afrika,
und den Mellivora meliceps in Indien. Das Fell ist dunkelschwarzgrau, an der
Seite mit einem breiten weissgrauen Streifen iiber dem ganzen Riicken und
weissem Kopf. Der Korper ist ca. 50 cm lang, der Schweif ca. 25 cm. Das
Haar ist ziemlich lang, aber grob, die Unterwolle nicht sehr dicht. Da das
Leder ungemein dick ist, wird das Fell sich nur zu Decken eignen. Es kommen
aber sehr wenig in den Handel trotz des haufigen Vorkommens. Die Nahrung
besteht aus Mausen, Vogeln, Schnecken, Wurmern sowie Wurzeln und Beeren,
mit Vorliebe aber aus Honig. Er verschlingt die ganzen Bienennester, wobei
die Stiche der gereizten Bienen nicht durch das Fell und die darunter be-
nndliche dicke Speckschicht dringen konnen. Auch den Hiihnerhofen stattet
er haufig einen Besuch ab, um dort grosse Verheerungen anzurichten. Er ist,
526 Naturgeschiclite der Pelztiere.
wie seine Verwandten, ein vorziiglicher Hohlengraber, ist wie der deutsche
Dachs sehr bissig und das Gebiss sehr kraftig entwickelt. Als zweite Waffe
steht ihm dann noch eine Stinkdriise zur Verfiigung, deren Inhalt er weit
spritzen kann. Eingefangen werdcn sie schnell zahm. Im zoologischen Garten
ergotzen sie durch die Unermiidlichkeit, mil der sie immer auf derselben Stellc
auf und niederhiipfcn und sich dann iiberschlagen. Die indische Art weicht
ausser durch ihren anatomischen Bau noch durch einen hellgrauen Langs-
streifen zwischen Riicken und Seiten von der afrikanischen ab.
Stinkdachse.
Die Stinkdachse haben unter dem Namen Pahmi (chinesisch) in der
letzten Zeit eine grosse Rolle gespielt. Unter dem Phantasienamen ,,chincsische
Steinmarder" werden sie speziell von den Berliner Pelzwarenfabriken gern
verarbeitet. Wahrend friiher der Preis etwa 70 Pf. per Stuck betrug, ist er
jetzt bis 2,50 Mk. und mehr gestiegen.
Leider konnen die Zufuhren nicht annahernd der Nachfrage geniigen,
da jahrlich nur etwa 60 bis 80 ooo in China an den Markt kommen.
Fiir den Rauchwarenhandel kommen bis jetzt hauptsachlich nur die Art
Helictis ferrogrisea in Betracht.
Dies Tierchen, von den Shanghai-Chinesen auch falschlich ,,grey
marmot" genannt, hat mit dem Murmeltier nichts weiter gemein, als dass es
auch in Erdhohlen lebt.
Die Unter wolle ist hellgelblich, das Oberhaar dunkelschiefergrau mit
seidigem Glanz, der Bauch gelblich grau. Der Schweif ist kurz, mit hellgrauen
steifen Haaren besetzt und mit weisser Spitze. Die Kcrperlange betragt
ca. 35 bis 40 cm, die Schweiflange 8 bis 10 cm. Auf den Schultern zieht sich
eine schmale weisse Binde hin, von der aus ein schmaler Streifen zu einem
we it en Langsbande zwischen den Ohren fiihrt. Zwischen den Augen ist ein
weiterer weisser Fleck. Die Haut ist sehr dick, im Herbst befindet sich da-
runter eine starke Speckschicht. Die Tiere leben nur in kleinen Siedlungen
und halten keinen Winterschlaf.
Die Chinesen rupften sonst das Oberhaar aus, um es zu Pinseln zu
verwenden und verarbeiteten die gerupften Felle zu Futtern. Seit der starken
Preissteigeruug geschieht dies aber nicht mehr.
Diese Pahmi leben in Mittelchina, hauptsachlich in den Provinzen
Chekiang, Hupeh, Kiangsu und wahrscheinlich auch in Anhui und Kiangsee,
kommen aber meines Wissens nach in Nordchina nicht vor.
Leutnant Filchner brachte aber einige Exemplare vom Oberlauf des
Hoangho mit.
In Sudchina lebt eine andere Art, Helictis moschata, hauptsachlich bei
Amoy und auch bei Kanton.
VIII. Die Dachsc und Stinkdachse.
527
Die Unterseite ist mehr orangegelb, die Riickenfarbung mehr braunlich,
das Haar kiirzer und diinner, auch die Unterwolle nicht so dicht.
Auf Formosa lebt Helictis auriantica, der auf der Unterseite orangerot,
Stinkdachs (Mydaus meliceps).
auf dem Rucken tief purpurbraun ist und eine weisse Linie vom Hinterhaupt
bis zur Riickenmitte hat.
Im Himalaya- Gebiet kommt auch, namentlich in Nepal und Sikkin,
H. orientalis vor, mit dichter Unterwolle, langerem groben Oberhaar, oben
dunkelbraan, fast schokoladenfarbig, Unterwolle blassbraun. Ein schmaler
weisser Streifen vom Scheitel bis Mittelriicken. Backen und Stirnbein rein-
weiss. Endspitze des Schweifes weiss. Unterseite gelblich weiss. Korper-
lange ca. 40 cm, Schweif ca. 20 cm. Bisher sind noch keine Felle dieses Tieres
in den Handel gekommen.
Eine verwandte Art, der echte Stinkdachs, Mydaus meliceps, lebt auf den
Sunda-Inseln und wahrscheinlich auch in Hinterindien. Er ist von ca. 40 m
Naturgeschichte der Pelztiere.
Korperlange, dunkelbraun, mit heller Unterseite. Auf dem Riicken, vom
Scheitel bis zur Sehwanzwurzel, lauft ein weisscr breiter Streifen. Die Unter-
wolle ist dicht und seidenwcich, die Grannenhaare grob, aber glanzend. Da
der Stinkdachs im Gebirge lebt und unter 2000 m Hohe nicht vorkommt,
so ist das Fell fur Rauchwarenzwecke recht brauchbar. Bis jetzt kommen
aber keine in den Handel, obgleich das Tier gar nicht selten ist. Die Nahrung
besteht aus Larven und Wurmern. Die Javanen nennen ihn Segung, in
Indien fiihrt er den Namen Teladu. Er grabt nach Art unseres Dachses
unter Baumwurzeln geraumige kunstvolle Hohlen mit einem Kessel von uber
einem Meter Durcbmesser und mit mehreren langen Rohren. Das Tier recht-
fertigt iibrigens seinen Namen, da es sich oft ahnlich auf fiihrt, wie der
amerikanische Skunk, seinen Stinksaft aber nicht weiter als einen Meter
spritzen kann. Nach Entfernung der Stinkdriise wird das Fleisch von der
Eingeborenen gegessen. Er wird iibrigens leicht zahm. Die gesamte Familie,
auch die Pahmi, bilden naturwissenschaftlich einen Ubergang von den
Dachsen zu den Skunks.
IX.
Die Skunksarten
Die Skunksarten.
Im allgemeinen nimmt der Kiirschner und Rauchwarenhandler an, dass
die Skunksfelle des Handels von einer einzigen Tierart herkommen, und nur
nach den Gegenden ihres Vorkommens verschieden sind. Es 1st dies aber ein
Irrtum. Ganz abgesehen von dem siidamerikanischen Skunk, der im Handel
selten ist, entsprechen die verschiedenen grossen Unterabteilungen des
Handels, eastern, northern, western usw. auch ganz verschiedenen Skunks-
arten, die heute schon sehr sorgfaltig wissensehaftlich bestimmt sind.
Am nordlichsten geht der sogenannte Hudsonsbai- Skunk. Mephitis
budsonica, der von Kanada im Siiden nordlich bis zum Peaceriver, Athabascaw
und dem grossen Sklavensee und von der Hudsonsbai im Osten bis zum
Saskatschewan im Westen vorkommt. Es ist dies die grosste aller Skunks-
arten und wird ohne den Schweif bis i m lang, mit sehr dichtem, langem Haar,
aber heller, braunlicher Farbe. Die Felle sind stets breit gestreift, auf dem
Scheitel ein breiter weisser Fleck, von wo aus ein schmalerer Streif bis zur
Schulter lauft, hier teilt er sich und geht an beiden Seiten iiber die Flanken
nach hinten, um sich dann am Rumpf wieder zu vereinen. Die dunner behaarte
Unterseite ist schwarzbraun. Der Schweif, der stumpf endigt, ist sehr buschig
und besteht aus ziemlich steifen, borstenartigen Haaren, und zwar weiss und
.schwarzgemischten. Gerade wie bei den Luchsen variiert auch hier die Zahl
der jahrlich erlegten Tiere betrachtlich. Jahre mit reichem Ertrage wechseln
mit schwachen Ertragen, ca. 3000 in einem Jahre und 12 ooo im nachsten.
Das Leder dieser Art ist meist recht dunkel rotlichgelb, die secunda oder
Sommerfelle zeigen ein dunkelgriines Leder. Auch bei den geschlossen ab-
gestreiften Skunksfellen kann man die Breite und Form der Streifen auf
der Leder seite genau erkennen, da sie sich gelb bis orangefarben auf der
Innenseite abheben.
Der Wert der Felle schwankt natiirlich mit der Konjunktur, augen-
blicklich ist derselbe 6 bis 8 Mk. per Stuck. In den Waldgebieten von Minne-
sota und den benachbarten Distrikten kommt eine dem Hudsonsbai- Skunk
nahe verwandte Art vor, der Minnesota- Skunk, von Elliot, Coues und
anderen Forschern wird derselbe zwar mit zu der verbreitetsten M . mephitica
34*
Naturgeschichte der Pelztiere.
gezahlt, ist aber meines Erachtens eine eigene Art, fur die ich den Namen
M. minnesotae vorschlagen mochte. Er ist etwas kleiner als der vorige, aber
doch bedeutend grosser als die anderen Skunksarten. Das Haar ist rauh und
dicht, dunkler gefarbt als der M. hudsonia, aber doch brauner als M. mephitica.
Die Felle sind durchgehend gestreift, die Streifen aber, die wie beim M. hud-
sonia von der Schulter bis zum Ende des Rumpfes reichen, sind schmaler,
aber die denselben bildenden weissen Haare sind langer und stehen etwas
liber den dunklen Untergrund hervor. Es ist das eine Fellsorte, die wegen ihrer
ausgiebigen Grosse und leichten Bearbeitungsfahigkeit besonders bei den
Berliner Engrosfabrikanten sehr beliebt ist. Die, wie schon erwahnt, zahl-
reichste Art ist M. mephitica, die von Neuschottland, Quebek, Ontario im
Norden bis nach Virginien im Siiden reicht und westlich bis nach Indiana geht.
Er ist wesentlich kleiner als die vorigen, das Haar aber viel feiner und seidiger
und bedeutend dunkler, haufig glanzend blauschwarz. Die weisse Zeichnung
ist ganz verschieden und sehr unregelmassig, viele Exemplare haben iiberhaupt
nur einen kleinen weissen Fleck auf dem Scheitel und sind sonst glanzend
einfarbig schwarz, dann kommen andere, wo der schmale Streifen bis zur
Schulter reicht, und sich nur ein kleines Stiickchen an jeder Seite weiter er-
streckt, dann gibt es solche, wo ein schmaler Streifen an jeder Seite bis zum
Rumpf reicht, und andere, wo dieser Streifen sehr breit ist. Schliesslich
kommen noch zahlreiche Exemplare vor, wo nur ein schmaler Riickenstreifen
noch dunkel ist und der Bauch, sonst ist alles weiss. Man unterscheidet
iibrigens im Grosshandel amerikanisches und Londoner Sortiment. Bei ersterem
werden die samtlichen Qualitaten, Winter-, Sommer- und Herbstfelle zu-
sammen geworfen und nur nach Zeichnung sortiert. Schwarze, kurzgablige
langstreifige und weisse, die mit I, II, III und IV bezeichnet werden. Im
Londoner Sortiment bedeuten diese Bezeichnungen die Qualitat und man
sortiert dann innerhalb der einzelnen Qualitaten ein schwarz, kurzgablig,
schmalstreifig, breitstreifig und weiss. Der Schweif ist iibrigens bei diesen
Skunksarten pinselartig spitz zulaufend, und der Hacken am Fuss behaart.
Ubrigens unterscheidet man im Rauchwarenhandel diese Art auch noch
je nach der Herkunft. Die feinsten und dunkelsten Felle liefern die Staaten
Michigan und Ohio, dann kommt der Staat New York.
Illinois, Jowa und Newyersey liefern auch gutfarbige Skunks, die aber
etwas grober im Haar sind. In diesem Gebiet kommt noch ein Skunk vor,
im Handel mit als ,, eastern Skunk" bezeichnet, der auch von den meisten
Forschern als zu M. mephitica gerechnet wird, den ich aber als eigene Art
ansehe, den ,,Zackenskunk" der Kurschner. Er ist meist etwas kleiner als die
anderen Skunks derselben Gegend, feinhaarig und dunkel, die weissen Streifen
aber, statt am Rumpf zusammen zu laufen, biegen vorher beinahe im rechten
Winkel ab, und bilden eine Zacke an jeder Seite des Riickens. Haufig findet
sich noch unterhalb des Streifens auf den Flanken ein schmaler langlicher
weisser Fleck. Die Skunkart lebt zwischen den Alleghanies im Westen und
IX. Die Skunksarten. 533
Konnektikut im Osten. Der passende Name dafiir ware vielleicht Mephitis
dentata.
Sudlich von dem Verbreitungsgebiet von M. mephitica lebt M. scrutator
vom Mississippital bis zum Indianerterritorium im Westen und vom nordlichen
Louisiana bis nach Virginia im Osten.
Er ist kleiner als die vorigen, der Schweif ist massig pinselartig, die
Farbe etwas braunlicher, das Haar kiirzer und nicht so dicht, es sind das
die siidwestlichen Skunks des Handels. Die weisse Zeichnung variiert sehr
stark. Die Fiisse sind sehr klein. Im Westen kommen mehrere Skunkarten
vor, M. occidentalis bewohnt Kalifornien, Oregon und Washington, ist
ziemlich gross, der Schweif ist sehr lang und stets schwarz ohne Bei-
mischung weisser Haare, die Farbe ist schwarz, die schmalen Streifen reichen
niemals bis zur Schwanzwurzel.
Sehr grosse ist auch M. spissigrada in Britisch Kolumbia, mit langem
Schweif und dicht behaarten Sohlen.
In Arizona und Kalifornien kommt noch M. estor vor, klein, mit kurzem
Schweif, nackten Sohlen, und ganz weiss, mit Ausnahme eines schmalen,
schwarzen Riickenstreifens und des Bauches.
Daneben auchAf. milleri, ein sehr schlankes Tier, dessen Schweif langer ist
als der Korper mit Kopf . Ausgezeichnet ist diese Art durch eine Art Mahne ist
Nacken, da dort die Haare bedeutend langer sind. Auf den Prarien zwischen
dem Verbreitungsgebiet von M. hudsonica im Norden und M. scrutator im
Osten und Siiden lebt noch M. zoia, ein kleines Tier mit sehr kurzem buschigen
Schweif und haarigen Sohlen. Im Siiden sind auch verschiedene Skunkarten.
In Texas bis zum nordlichen Mexiko ist das Verbreitungsgebiet von M. meso-
leuca, ein grosses Tier mit sehr kurzem buschigen Schweif, viel kiirzer als bei
irgend einer anderen Skunkart, fast dachsartig, ohne jedes weisse Haar.
Auch die Ohren sind sehr klein. Das Tier ist sehr gross, ca. 70 cm lang, ohne
Schweif, grobhaarig, der Riicken ist weiss und beginnt die Zeichnung schon
direkt oben am Scheitelfleck, nicht beim Nacken, wie bei den anderen Skunks.
In Texas, Oklahama und Louisiana kommt M. mesomelas vor, ein grosses Tier,
mit buschigem Schweif, ohne weisse Haare, in Florida und Siidgeorgia lebt
M. elongata, ebenf alls sehr gross, mit sehr langem Schweif und langen Fiissen,
die Farbe ist gut, aber das Haar etwas grob.
Ausserdem kommen in den Siidstaaten noch vor M. macrura, ein lang-
schwanziger Skunk, kleiner als M. mephitica. Der Schweif ist langer als
Korper und Kopf zusammen, aber nicht buschig. Der Riicken ist weiss, und
daneben ist auf jeder Schulter ein weisser, seitlich verlaufender Streifen.
M. scrutata, ein kleiner Skunk mit ziemlich kurzem Haar und schmalen
weissen Seitenstreifen.
Auch in Sudamerika ist der Skunk sehr verbreitet, von den Spaniern
Zorillo (Fiichschen) genannt, doch kommen verhaltnismassig sehr wenige
in den Handel. Nur aus Argentinien kommen jahrlich einige tausend Stuck.
534 Naturgeschichte der Pelztiere.
Es konnten erheblich grossere Mengen kommen, doch erzielen dieselben meist
einen so geringen Preis, von 50 bis 60 Pf. per Stuck, dass der Fang und das
Sammeln nicht lohnt.
Conepatus (Mephitis} suffocant kommt in Siidbrasilien, Paraguay, dem
Gran Chaco und dem Laplata stark vor. Es ist ein ziemlich kleines Tier, das
Haar etwas wollig und flach, die Farbe braunlich, die Streifen sehr regel-
massig iiber die Seite vom Nacken bis zum Rumpf laufend. Es werden sehr
bubsche Decken daraus zusammengestellt.
In Patagonien, an der Magellanstrasse und bis zum Feuerland lebt
C. bumboldn, grosser als die vorigen, das Haar langer und feiner.
Dies Fell ist wertvoller doch kommen nicht viel an den Markt.
In Chile lebte ein Skunk, M. chinga, der sich wohl fur Pelzzwecke eignen
diirfte, das Haar ist ziemlich dunkel und fein. Die weissen Streifen gehen vom
Nacken bis zur Schwanzwurzel.
Sehr brauchbar ware noch das Fell des C. arequipae aus dem Gebirge
des siidlichen Perus, etwas 38 bis 40 cm lang, ohne Schweif, ziemlich rauch
und feinhaarig, die Streifen gehen nur bis zur Halfte der Flanken (kurzgablig) .
Der Schweif ist lang und buschig, die obere Halfte schwarz, die Endhalfte
schwarz und weiss gemischt. Wie bei den meisten sudamerikanischen Skunks
bilden die Haare auf dem Nacken einen Wirbel, indem sie sich mit den Spitzen
nach vorn richten.
C. rex, aus den Gebirgen Boliviens, liefert auch ein gutes Fell. Das Haar
ist lang und dicht, Farbe dunkel schwarzbraun. Uber den Riicken laufen zwei
breite, weisse Bander, vom Nackenwirbel anfangend, erreichen aber den
Rumpf nicht.
Das Fell ist etwa 45 cm lang, der Schweif sehr lang und buschig, langer
als bei den anderen sudamerikanischen Skunks, und rein schwarz.
Eigenartig ist auch C. mapurito aus den Gebirgsgegenden Guatemalas.
Die Nackenhaare sind nach vorwarts gerichtet, die Scheitelhaare aber nach
riickwarts. In der Mitte treffen sie sich und bilden eine Art Kamm, der von
Ohr zu Ohr reicht.
Zwei weisse Riickenstreifen gehen bis zur Halfte des Riickens.
Zu erwahnen ware noch C. quitensis aus Ecnador, C. amazonensis aus
Brasilien, C. feullei aus Uruguay, C. tropicalis aus Mexiko, von Veracruz bis
Ycatan vorkommend, C. hunti und C. chorenses sowie C. zorrino aus Peru,
C. porcinus aus Bolivia, doch wie gesagt, alle diese Arten spielen vorlaufig
im Handel keine Rolle.
Alle Skunksarten sind zierliche, hiibsch aussehende Tiere, die sich auch
sehr gewandt und munter bewegen, dabei aber gefahrliche Rauber. Wenn
sie auch nicht den Blutdurst mancher Marderarten oder des Opossums be-
sitzen, so statten sie doch den Geflugelhofen der Ansiedler manch' uner-
wiinschten Besuch ab. Ihre Hauptnahrung bilden aber Mause, Ratten,.
Maulwlirfe, Insekten, Wiirmer, Nestjunge der Heuschrecken gehoren zu ihrea
IX. Die Skunksarten. 535
Lieblingsgeniissen, Bodenbriiter, und, wenn sie ihn erwischen konnen, so
mancher Vogel. Beeren und Waldfriichte werden nicht verschmaht. Klettern
kann der Skunks aber nur schlecht, wenn er auch hauptsachlich in lichten
Waldern oder Gebiischen lebt, wo er seine Wohnung in hohlen Baumen,
vorzugsweise aber in Erdhohlen aufschlagt. Es ist im wesentlichen ein
Nachttier und kommt erst in der Abenddammerung zum Vorschein. Ge-
furchtet macht ihn seine gefahrliche Waffe. Unter dem Schwanz befinden
Siidanierik. Skunk (Conepatus arequipae) .
sich im After zwei Driisen, aus denen sie einen unglaublich stinkenden Saft
mehrere Meter weit fortspritzen konnen. Und wehe dem, der von einem
solchen Strahl getroffen wird. Die Kleider miissen weggeworfen werden, da
der Geruch nie herausgehen wird, und auch von der Haut ist er selbst durch
anhaltendes Waschen schwer und langsam wegzubringen. Erst ganz kiirzlich
wurde ein gut besetztes Theater in einem Stadtchen Amerikas panikartig
wahrend der Vorstellung geraumt, da sich ein Skunk eingeschlichen hatte.
,, Skunk" ist auch ein sehr beliebter Schimpfname, der in dem rohen Fluch-
und Schimpflexikon der Weststaaten mit obenan steht. Ein Hund, der einmal
von einem Skunk bespritzt wurde, muss erstens gezwungen auf langere Zeit
die Gemeinschaft der Menschen meiden, und ist niemals wieder dazu zu be-
wegen, einen Skunk anzusprechen. Auch die dicke Fettschicht, welche den
fetten Burschen umgibt, hat einen sehr unangenehmen Geruch angenommen,
wenn es auch nicht mit dem Geruch des eigentlichen Driisensekrets zu ver-
gleichen ist. Den rohen Fellen, ehe sie von allem Fett befreit sind, haftet auch
etwas von diesem Duft an, und ein Aufenthalt in dem von der Sonne be-
schienenen Skunksraum bei Lampson vor der Auktion erinnert nicht gerade
Naturgeschichte der Pelztiere.
an die Wohlgeriiche Arabiens. Trotzdem wird aus diesem Fette ein Ol ge-
wonnen, welches in Amerika, dem gelobten Land der Patentmedizinen, einen
grossen Absatz findet. Eine grosse Fabrik beschaftigt sich ausschliesslich mit
seiner Herstellung, und wird das Fett eines ausgewachsenen Skunks durch-
schnittlich etwa mit einem Dollar bezahlt. Sehr beneidenswert diirften die
Arbeiter dieser Fabrik nicht sein.
Den zubereiteten Fellen merkt man iibrigens bekanntlich nichts mehr
da von an. Trotzdem bestand sehr lange ein Vorurteil gegen den Gebrauch.
Bis zum Jahre 1840 wurden dieselben uberhaupt kaum benutzt und 1844
kamen 10 ooo Stuck. Es wurde als eine unerhorte Neuerung aufgefasst,
dass mein Vater um diese Zeit die Hudsonsbay- Skunk, die damals noch
in den Sundries vorkamen, zu Herrenpelzen verarbeitete. Im Jahre
1863 kamen aber breits ca. 100 ooo Stuck jahrlich zur Auktion. Jetzt werden
in den Londoner Auktionen durchschnittlich 800 ooo Stuck jahrlich verkauft
und etwa 600 ooo Stuck werden direkt von Amerika nach Leipzig verschifft.
Man kann also mit den in Kanada und den Vereinigten Staaten verarbeiteten
Fellen die Gesamtzahl der jahrlich erbeuteten Tiere auf etwa il/2 Million
schatzen. Hauptkonsument ist Deutschland, dann Frankreich, Osterreich,
Skandinavien, in geringem Masse auch Russland. In Amerika findet er erst
seit den letzten Jahren Verwendung. Der Skunk hat ausser dem Menschen
und dem grossen Uhu nur wenig Feinde, da er sich alle Raubtiere mittelst
seiner gefahrlichen Waffe vom Leibe halt. Daneben ist er sehr fruchtbar.
Im Februar und Marz ist die Begattungszeit und wirft das Weibchen dann
im Mai 5 bis 10 Junge. In den sudlichen Gegenden soil noch im Herbst ein
zweiter Wurf folgen. In der Gefangenschaft bei geeigneter Pflege sollen sogar
drei Wiirfe im Jahr vorkommen. Das Tier wird in der Gefangenschaft ganz
zahm und soil auch dann von dem Inhalt seiner Stinkdriisen keinen Gebrauch
machen. Die Nahe des Menschen scheut der Skunk durchaus nicht, was auch
seine starke Zunahme trotz der zunehmenden Besiedlung und der starken
Nachstellung mit erklart. Trotzdem konnte das grosse Jahresquantum an
Fellen nicht zusammengebracht werden, wenn man auf das Resultat des Fanges
allein angewiesen ware.
Aber vor etwa 10 Jahren begann man, ermutigt durch die oben erwahnten
giinstigen Eigenschaften des Skunks, das Tier planmassig in grossen so-
genannten Farmen zu ziichten. Augenblicklich bestehen wohl etwa 100 solcher
Farmen in verschiedenen Teilen der Vereinigten Staaten, die zusammen wohl
ein Viertel aller in den Handel kommenden Skunkfelle liefern.
Die Anlage einer solchen Farm ist hochst einfach und bedarf nicht ein-
mal eines besonders grossen Kapitals.
Ein Terrain geringwertigen Bodens mit lichtem Baumbestand von etwa
50 Morgen wird ringsherum sorgfaltig eingezaunt mit fest eingerammten
Pfahlen. Ein etwa i m tiefer Graben wird ausgehoben und mit einem dichten
Draht versehen, der etwa i m unter der Erde sich befindet und 2 m iiber
IX. Die Skunksarten. 537
die Oberflache reicht. Der Graben wird mit festgestampften kleinen Steinen
ausgefiillt und mit Erde zugeschiittet. Oberhalb des Drahtnetzes werden
die Pfahle mit Brettern verschalt. Im Innern des Gebietes werden zahlreiche
feste Kisten in Gruben eingesetzt und mit Holzrohren als Zugang versehen.
Innen sind dieselben mit Abteilungen versehen, die gut mit Heu ausge-
polstert sind und als Nisthohlen dienen. Notwendig ist, dass Wasser das
Terrain durchfliesst, dessen Ein- und Austritt aber sorgfaltig durch Draht-
zaune abgesperrt sein muss. Wilde Obstbaume, Beerenstraucher usw.
werden angepflanzt, mit dem doppelten Zweck, den Skunks Zuflucht und
Nahrung zu gewahren, da sie, wie schon oben gesagt, Beeren und Waldfriichte
sehr lieben. Ausserdem dienen diese Pflanzungen dazu, Insekten, Mause und
dergleichen anzulocken, deren Aufsuchen den Tieren die notwendige Bewegung
schafft und ihnen auch als Zukost zu dem gereichten Futter eine naturgemasse
Lebensweise ermoglicht, denn lebende Nahrung ist ihnen ebenso notwendig
wie den Mardern, damit sie zur Fortpflanzung schreiten sollen. Als Futter
sind taglich einmal Fleischabfalle, Kiichenabfall usw., die leicht und billig zu
haben sind, zu reichen. ferner Fische, Frosche und dergleichen, um fur
Abwechslung zu sorgen.
Zum Anfang geniigen 40 bis 50 lebende Skunks, von denen etwa ein
Viertel Mannchen sein mussen. Da dieselben sich rapide vermehren, kann
man schon nach zwei Jahren anfangen, zum Verkauf zu toten. Uber das Toten
selbst sind nun sehr verschiedene Nachrichten verbreitet, da eben jeder Farm-
besitzer seine Methode moglichst geheim halt. Es kommt naturlich haupt-
sachlich darauf an, die Tiere an dem Ausspritzen des furchtbaren Stinksaftes
zu hindern. Nach Aussage der einen spritzt der Skunk in der Gefangenschaft
iiberhaupt nicht, nach einer anderen Version werden dem jungen Tiere die
Stink driisen operativ entfernt, was ich aber stark bezweifle. Am meisten
wird von der Totung durch Elektrizitat erzahlt. Die Tiere werden entweder
an einen Futterplatz gewohnt, der sich auf einer etwas erhohten grossen Metall-
platte befmdet, die mit einer elektrischen Batterie in Verbindung steht. Zur
bestimmten Zeit im Winter werden sie dann bei der Fiitterung durch eine
starke elektrischeEntladung getotet, oder die Tiere werden truppweise in eine
aus Metallplatten erbaute Hiitte getrieben und ebenfalls durch elektrischen
Starkstrom blitzartig getotet, ehe sie Zeit haben, ihre Waffe zu gebrauchen.
Ubrigens hat der Skunk auch ein recht scharfes Gebiss, und sollen Bisse
schwer heilen.
Bei den freilebenden Skunks soil Tollwut vorkommen, die sich aber
verschieden von der Hydrophobie der Hunde aussert. Der Biss eines tollen
Skunks soil stets totlich wirken. In der Gefangenschaft hat man liber den
tollen Skunks noch nichts gehort.
Auf einer Farm der angegebenen Grosse soil man bis zu 20 ooo Skunks
halten konnen, und naturlich jahrlich eine entsprechende Anzahl Tiere toten,
deren Fell und Ol einen recht betrachtlichen Nutzen gewahrt, so dass die
Naturgeschichte der Pelztiere.
Verzinsung des Anlagekapitals eine glanzende 1st. Wie ein Beobachter er-
zahlt, sollen etwa zwei Drittel der Jungen in jedem Wurf Weibchen sein.
Es sollen aber auch Misserfolge nicht ausgeblieben sein, so dass es, wie bei
alien Pelztierfarmen, hauptsachlich auf die Kenntnisse und Fahigkeiten des
Leiters und des Personals ankommt, ob eine Farm gedeiht oder nicht.
Viel weniger bekannt ist die Lebensweise des auch viel seltener vor-
kommenden Verwandten des Skunks, des Civeticat, auch Lyraskunk genannt.
Das Tier geht nicht so weit nordlich als der Skunk. Der Missouri diirfte die
Nordgrenze bilden. Man unterscheidet zwei grosse Gruppen, die eine bewohnt
die Golfstaaten und das Mississippital, die andere die Siidweststaaten von Neu-
Mexiko bis Kalifornien. Die Art en unterscheiden sich ausser durch ihre
Korpergrosse noch durch die Zahl und Anordnung der weissen Streifen, welche
die bekannte lyraartige Zeichnung bilden. Die Grundfarbe ist stets ein
glanzendes Schwarz, das Haar viel kiirzer und weicher als beim Skunk. Das
Leder ist recht diinn. Das Tier selbst ist stets klein und diirfte eine Korper-
lange von 20 cm ohne Schwanz sehr selten iiberschreiten.
Verwendet wird dasselbe fast ausschliesslich zu Pelzfutter, die sehr hiibsch
aussehen, warm und leicht sind. Die Dauerhaftigkeit lasst indessen manches
zu wiinschen iibrig. Es kommen jetzt jahrlich etwa 50 ooo Stuck in den
Handel. Noch vor 10 Jahren kamen hochstens 10 ooo jahrlich im Durch-
schnitt. Der Wert ist etwa i bis 3 Mk. per Stuck , und manchmal, bei starker
Nachfrage, wird etwas mehr gezahlt.
Uber die einzelnen vorkommenden Arten ist nicht viel zu berichten.
Die kleinste Art ist Spilogale putorius, die im siidlichen Texas, Kalifornien
und den Siidweststaaten vorkommt. Der Schweif dieser Art ist kiirzer als
Kopf und Rumpf zusammen, aber die einzelnen Haare sind lang und weich.
Die Zeichnung variiert in den einzelnen Individuen ungemein, doch sind
3 Kopfflecken und 4 parallele Riickenstreifen fast stets vorhanden.
Von Zentralamerika und Mexiko bis hinauf lebt Sp. interrupta, bedeutend
grosser als die vorige, der dichte, buschige Schweif ist langer als der ganze
iibrige Korper, die weisse Zeichnung ist wenig ausgepragt, die schwarze Hund-
farbe tief und glanzend, an der Stirn ein weisser Fleck, vor den Ohren ein
Halbmond, zwei Streifen vom Nacken bis zum Mittelriicken, ein breiter
Querstreifen von jedem Vorderfuss ausgehend, dahinter ein weisser Fleck.
In Alabama kommt Sp. ringens vor, auch bedeutend grosser als Sp. puto-
rius und ebenfalls mit schwacher ausgepragter Zeichnung, ohne weiss an
den Fiissen und Schenkeln, 4 schmale Streifen vom Ohr und Nacken, bis zur
Mitte des Riickens, Querstreifen auf der Schulter, nach dem Riicken zu
gebogen. 2 kleine Querstreifen auf dem Rumpf.
In Kalifornien lebt Sp. lucasana, ein verhaltnismassig sehr grosses Tier
mit sehr ausgepragter Zeichnung.
Sp. indianola aus dem ostlichen Texas dagegen zeigt nur schmale, weisse
Linien. Die grosste Art ist Sp. saxatilis aus Utah, und auch der Schweif ist
IX. Die Skunksarten. 539
bei dieser Art nicht nur absolut, sondern auch relativ langer als bei irgend
einer anderen Civetcat. Die weissen Querstreifen fehlen fast ganzlich.
Sonst wahren noch zu erwahnen Sp. leucoparia aus Texas, Sp. gracili
aus Arizona, Sp. ambigua aus Nordmexiko, Sp. phenax aus den Kiisten-
distrikten Kaliforniens und Oregons, ebenfalls ein verhaltnismassig grossesTier.
Bei alien Arten ist iibrigens das Mannchen bedeutend grosser als das
Weibchen. Uber die Lebensweise ist leider wenig veroffentlicht worden, doch
soil der Civetcat die Fahigkeit, ihren Stink saft fortzuspritzen vollig fehlen,
ja sie soil iiberhaupt keine Stinkdriisen besitzen. Was ihr den naturwissen-
schaftlich ganz falschen Namen ,,civetcat", der einer ganz anderen Tiergattung
zukommt, verschafft hat, ist mir unbekannt, denn sie liefert natiirlich kein
Zibet. Das zubereitete Fell hat iibrigens einen ganz angenehmen Geruch. In
Siidamerika kommt kein Civetcat vor, und auch in alien anderen Weltteilen
kommt nur ein Verwandter der Skunks und der Civetcat vor, namlich in Afrika.
Es ist das der Kapiltis oder Kap- Skunk, Ictomys zorilla, der haupt-
sachlich im Kaplande vorkommt, verwandte Arten sollen aber iiber ganz
Afrika verbreitet sein bis Suez.
Das Tier hat etwa 35 cm Korperlange und 25 cm Schwanzlange, der Kopf
ist spitz, die Schnauze riisselartig verlangert, das Gebiss scharf und marder-
artig. Der Schweif ist dicht und buschig mit schwarzen und weissen Haaren
gemischt, die Grundfarbe des Felles ist glanzend schwarz, darauf eine weisse
Zeichnung, die sehr variiert. Zwischen den Augen ist ein weisser Fleck,
zwischen den Ohren bis zu den Augen zieht sich ein weisses Band. Uber den
Nacken lauft meistens eine weisse Querbinde, von wo aus 4 weisse Langs-
streifen iiber den Riicken laufen. Die beiden inneren gehen meist nur bis zur
Mitte des Riickens, die beiden ausseren laufen auf dem Rumpf zusammen
und setzen sich als weisser Streifen iiber dem Schweif fort. Es benutzt dieselbe
Waffe, wie der Skunk, und der Gestank des ausgespritzten Sekretes ist in
Afrika ebenso unbeliebt wie in Amerika. Die Nahrung besteht wie beim
Skunk aus Mausen, kleinen Vogeln, Heuschrecken, Reptilien, Froschen und
Insekten. Auch besucht es nicht selten die Hiihnerhofe, wodurch seine Be-
liebtheit nicht erhoht wird. Die Lebensweise ist nachtlich. Das Haar ist
grober als beim Skunk und dem Lyraskunk, immerhin diirfte es ein gutes
Pelzwerk fur Decken und Futter abgeben. Bis jetzt kamen aber nur wenige
Felle in den Handel, bei der verhaltnismassig grossen Verbreitung wiirde aber,
wenn geniigend Nachfrage ware, ein grosseres Quantum zu beschaffen sein.
X.
Die Barenarten.
Baren.
(Engl. bear., franz. ours.)
Ungemein zahlreich sind die verschiedenen Barenarten. Alle Weltteile,
mil Ausnahme Australien, beherbergen solche, doch sind nur die auf der
nordlichen Halbkugel lebenden Arten fiir den Pelzhandel zu verwerten. Die
arktischen Regionen der ganzen Erde bewohnt
\
Der Eisbar.
Thalassarctos maritimus, engl. Polar bear, franz. Ours blanc.
Es bildet jetzt Gegenstand eifriger Untersuchungen der Zoologen, ob die
Eisbaren samtlich einer Art angehoren oder nicht. Ich personlich neige
der Ansicht zu, dass die im Norden Amerikas lebenden von den auf Gronland
Spitzbergen und anderen Gegenden nordlich vom europaisch-asiatischen
Kontinent wohnenden verschieden sind und erfahre, dass bereits Knollnerus-
Meyer sie schon getrennt aufgefiihrt hat, genensis von Ellesmerland, eogroen-
landicus von Ostgronland, labradorensis von Labrador, jenaensisvon der Jena-
Insel, spitzbergensis von Spitzbergen. Jedenfalls sind die Felle, welche die
kgl. Gronlandische Kompanie aus Gronland jahrlich nach Kopenhagen zur
Auktion bringt, ebenso die Felle, welche von den norwegischen Fangfahrzeugen
all jahrlich von den Inseln und Eisschollen des nordlichen Eismeeres nach
Hammerfest, Tromso und Bergen gebracht werden, bedeutend wertvoller
als die Felle, welche die Hudsonsbay Company sowie die von den mahrischen
Briidern in Labrador geleitete Harmony Company nach London bringt. Zum
grossen Teil liegt dies wohl auch an der Behandlung. Die Felle sind sehr
sorgfaltig abgestreift, stets mit alien Klauen, Schnauze usw. versehen, und
gewohnlich ist auch der praparierte Schadel dabei. Es wird auch sorgfaltig
darauf geachtet, dass das Fett nicht in das Haar eindringt, und sollen die
norwegischen Fangschiffe die erbeuteten Eisbarenfelle an ein Tau gebunden
hinten im Wasser nachschleifen lassen, wodurch sie eben fein weiss und sauber
bleiben. Der dadurch beim Segeln verursachte Zeitverlust spielt keine Rolle,
denn Schnellsegler sind diese Fahrzeuge iiberhaupt nicht. In ihrer Korperform
weichen die Eisbaren von den iibrigen Barenarten nicht unerheblich ab. Vor
allem ist der Hals viel langer und beweglicher, der Kopf ist auch schmaler
und langgestreckt, die Schultern sind schmaler und der ganze Korper macht
544 Nasurgeschichte der Pelztiere.
einen viel schlankeren langgestreckten Eindruck. Das Haar ist grob und
verhaltnismassig kurz, das Nackenhaar nicht langer als das Riickenhaar.
Das Leder ist dick und schwer, dabei grobporig. Das Gebiss nahert sich mehr
dem reinen Raubtiergebiss statt dem omnivoren Gebiss der anderen Baren.
Die Molaren haben nicht so breite Kauflachen und Hocker, die Eckzahne sind
langer und die scharfen Schneidezahne passen sehr fest ineinander, um die
Beute festhalten zu konnen. Die Nahrung besteht hauptsachlich aus See-
hunden, denen der Eisbar oft stundenlang mit unermiidlicher Geduld an den
Luftlochern auflauert oder die er auf dem Eise wahrend ihres Schlafes be-
schleicht, wozu sein gerauschloser Gang viel beitragt, zu dem ihn namentlich
die dicht behaarten Sohlen befahigen. Er erbeutet auch Fische und ver-
Eisbarjagd bei Point Barrow (Alaska).
schmaht auch Aas nicht. Ein gestrandeter Wai oder dergleichen bildet oft den
Rendezvousplatz samtlicher Baren der Umgegend. Auch die dummen Weiss-
und Blaufiichse fallen ihm oft zum Opfer. Die im Eise eingefrorenen Schiffe
der Polarfahrer sowie ihre Winterlager werden stets von Eisbaren umschwarmt
auf der Suche nach Kiichenabf alien und sonstiger Beute. Allerdings bildet
er selbst stets eine gesuchte Jagdbeute aller Expeditionen und fallt in grosser
Zahl den modernen Prazisionswaffen zum Opfer. Frisches Barenfleisch ist
stets eine willkommene Bereicherung der Kiiche aller Polarforscher und
wird auch bei dem grossen Fetthunger, der die Menschen in diesen hohen Breiten
bestandig quart, gern gegessen. Nur die Leber soil nach verschiedenen Be-
richten nach dem Genuss Vergiftungserscheinungen nach Art der Fleisch-
vergiftungen hervorrufen. Uber den Charakter des Eisbaren sind die Ansichten
sehr verschieden. Wahrend alt ere Berichte ihn ubereinstimmend als sehr
bosartig schildern und angeben, dass er stets die Offensive ergreift, schildern
die neueren Beobachter ihn meist als feige. Es scheint ubrigens in den ver-
X. Die Barenarten.
545
schiedenen Distrikten auch verschieden damit bestellt zu sein und geniessen
namentlich die Eisbaren Gronlands noch heute den Ruf grosser Wildheit.
Auch hat es wohl viel damit zu tun, dass die Tiere jetzt die Wirkung moderner
Schnellfeuerwaften und Explosionskugeln mehr kennen gelernt haben und des-
halb einem Kampfe mit dem Genus homo moglichst aus dem Wege gehen.
Der Eisbar halt keinen Winterschlaf, nur die trachtigen Weibchen ziehen sich
in tiefe Schneegruben zuriick, aus denen sie erst wieder mit den Jungen,
von denen sie jahrlich ein bis zwei werfen, zum Vorschein kommen. Die
Jungen sind, wie bei alien Barenarten, ungewohnlich klein, bei Geburt kaum
so gross als eine Hauskatze, wahrend die ausgewachsenen Tiere eine Lange
Eisbarjager in der Behringstrasse.
bis zu ii Fuss erreichen. 10 Fuss lange Felle habe ich oft gesehen. Alle
Eisbaren sind vorzugliche Schwimmer und Taucher und ihre starken Klauen
ermoglichen ihnen auch das Aufscharren selbst fest gefrorenen Schnees. Die
Depots, welche von den Polarforschern im Schnee angelegt werden, bediirfen
eines sehr festen zementartigen Verschlusses aus Sand und Eis, da sie sonst
regelmassig von den Baren ausgegraben und zerstort werden. Es kommen
jahrlich etwa 50 bis 100 Felle nach Kopenhagen, die Hudsonsbay Company
bringt 100 bis 150, C. M. Lampson 3 bis 400, wahrend in den verschiedenen
Hafen des nordlichen Norwegens etwa 2 bis 300 an den Markt kommen. Vom
nordlichen Asien sind mir die Ziffern nicht genau bekannt, doch schatze ich
die Zahl auf ebenfalls 100 bis 200 jahrlich. Ein erstklassiges gronlandisches
Fell bringt in der Auktion bereits 400 bis 600 Mk., wahrend die gelben groben
und haufig beschadigten amerikanscihen Felle gewohnlich von 20 bis 150 Mk.
35
546 Naturgeschichte der Pelztiere.
per Stuck bringen. Verwendung finden sie ausschliesslich zu Teppichen als
Zimmerschmuck, wobei der Kopf gewohnlich ausgestopft wird.
Bei den weiteren Barenarten wollen wir zunachst die amerikanischen und
die asiatisch europaischen Arten auseinanderhalten und diese dann wieder
in die grauen, braunen und schwarzen trennen.
A. Amerikanische Bar en.
i. Grizzly-Bar.
Zu den bekanntesten amerikanischen Barenarten gehort der Grizzly-Bar,
,der Schrecken der Felsengebirge", der Held aller Indianerbucher, die das
Gesch. Spezialaufn. d. Neuen Phot. Ges.
Grizzlybar (ursus horribilis) .
Herz des Knaben entziickten. Hier haben iibrigens die neuesten Forschungen
ergeben, dass es sich um eine ganze Reihe von Arten handelt, die aber
samtlich ostlich von den Rocky Mountains und ihren Auslaufern nicht vor-
kommen. Die verbreiteste Art ist der Ursus horribilis, der die Rocky
Mountains nordlich von Utah und Wyoming bewohnt und in Britisch Kolumbia
bis zum siidlichen Alaska vorkommt, braungrau, die Vorderklauen sehr lang
und weisslich. Er erreicht eine Lange bis zu 8 Fuss und hat eine sehr ge-
drungene kraftige Gestalt. Die Farbung ist meist eine dunkelgraubraun
melierte, doch kommen auch hellere Schattierung bis zu hellem gelbgrau vor.
Das Haar ist etwas grob, aber sehr dicht, zwischen den machtigen Schultern
und iiber dem Nacken ist das Haar viel langer und macht fast den Eindruck
einer kurzen dichten Mahne. Im Siiden des obigen Gebietes, namentlich in Siid-
kalifornien, Mexiko, Kolorado, Arizona und Mexiko lebt eine andere Art,
X. Die Barenarten. 547
U. horriaeus, die etwas kleiner und meist heller gefarbt ist. Im Norden lebt die
fgrosste Art, U. alascensis, der iiber 9 Fuss lang wird und dunklere Klauen
hat. Auch sonst weicht er im Korperbau von den anderen Grizzly-Baren ab.
Alle Grizzly-Baren sind vorwiegend Fleischfresser und stellen den verschiedenen
Saugetieren bis zu Hirschgrosse nach, nehmen aber auch mit Insektenlarven
usw., die sie unter Steinen und umgesturzten Baumen suchen, vorlieb, wenn
:sie nichts besseres finden. Auch Beeren und Wurzeln werden gern genommen.
Kein Grizzly-Bar kann Baume ersteigen, doch bewegen sie sich mit grosser
Sicherheit an den steilsten Gebirgshangen und konnen mit einer Geschwindig-
keit traben, die man den plumpen Gesellen nicht zugetraut hatte. Friiher
:galten die Grizzlys als ungemein gefahrliche Tiere, die den Menschen voll-
kommen ungereizt angriffen, jetzt hat sich auch ihr Charakter geandert, sie
weichen, wenn sie nicht verwundet werden, dem Menschen sorgfaltig aus.
President Roosevelt, der zuerst diese Beobachtung veroffentlichte, schreibt
dies der genauen Bekanntschaft zu, welche jetzt nun zahlreiche Generationen
<Ler grauen Baren mit den modernen Hinterladerbiichsen gemacht haben,
und welche sie den Jager als einen weit gefahrlicheren Gegner haben erkennen
lassen, als es friiher der Indianer mit seinem einlaufigen Vorderlader war.
Kampfe mit der blanken Waffe, von denen man ofters liest, laufen auch heute
noch fur den Jager meist ungiinstig aus. Jedenfalls werden aber Jung ge-
fangene Grizzlys leicht zahm. Ich sah selbst in Glacier Haus in den Cascade
Mountains von Britisch Kolumbia eine fast ausgewachsene graue Barin, die
•dort aufgezogen war und die ganz zahm alle Besucher aufs energischste an-
.bettelte.
Von der Hudsonsbay Company kommen jahrlich nur etwa 150 Felle
in den Handel. Lampson usw. bringen etwa 800 bis 1000 Stuck jahrlich. Der
Wert der Felle ist augenblicklich nicht hoch, etwa 50 Mk. per Stuck, doch
wurden dieselben auch schon iiber 150 Mk. bezahlt. Verwendet werden sie zu
Teppichen, Schlittendecken usw.
2. Braune Baren.
Dem Grizzly sehr nahe stehen die verschiedenen braunen Baren, die
ihm auch an Wildheit wenig nachgeben. Am langsten bekannt ist der
Baarenground-Bar, U. richardsonii, der die eisigen Einoden im nordlichsten
Teile des Hudsonsbay- Gebietes bewohnt. Es ist ein sehr grosses Tier von hell-
brauner Farbe, die manchmal ganz hell, fast weisslich ist. Das Haar ist lang
und sehr fein, weshalb die Felle friiher besonders viel zu Fransen sowie zu
Boas und dergleichen verarbeitet wurden.
Nach Mac Farlane wirft das Weibchen nur alle drei Jahre ein bis zwei
Junge, die, wie alle jungen Baren, zuerst sehr klein sind. Das Tier wird als sehr
wild und bosartig geschildert. Die Schadelbildung weicht von den anderen
JBarenarten ab. Der Barenground-Bar ist vorwiegend Fleischfresser, Er lebt
35*
548 Naturgeschichte der Pelztiere.
vorzugsweisc zwischen dcr Hudsonsbay und dem Mackenzie River nordlich
und ostlich vom Grossen Barensee, doch sollen einzelne Exemplare auch bis
zum Quellgebiet des Yukon vorkommen.
In Alaska war fruher eine andere Art, U. dalli gyas, sehr haufig, ist
aber seit Einfiihrung der Hinterlader sehr selten geworden, so dass er auch im
Alaska- Schongesetz Beriicksichtigung gefunden hat. Sein Haupt vorkommen
ist im Kustengebiet zwischen dem Copper River und dem siidlichen Alaska.
Er frisst eigentlich alles was vorkommt, Wurzeln, Gras, Beeren und alles Wild,
das er erreichen kann. Das Ausgraben der Erdeichhornchen aus ihren Bauen
wird vielfach von ihm als eine Art Sport betrieben. Sehr eifrig liegt er dem
Fischfang ob. Namentlich die Barin mit Jungen ist im Sommer eine eifrigo
Fischerin. Sie steht dann bis an die Schultern im Strom und wirft ihren
am Ufer zuriickbleibenden Jungen mit geschicktem Tatzenschlage die Fische
zu. Erst wenn diese geniigend gesattigt, zieht sie sich mit einigen stattlichen
Lachsen fur sich wieder zuriick.
Dem vorigen sehr ahnlich, aber kleiner ist U. sitkensis, der Sitkabaiv
der auf der Insel Sitkalebt. Dagegen ist der Kadiakbar, U. middendorffi , der
grosste aller lebenden Baren. Er kommt nicht nur auf der Insel Kadiak,
sondern auch auf der Alaska-Halbinsel, dem Prinz Williamsund und den
Gebirgen Alaskas vor. Die Farbe des Felles variiert sehr, man findet alle
Schattierungen, von dunkelbraun bis gelbbraun. Auch im Schadelbau weicht
er stark ab, besonders ist die Stirn viel hoher. Die Klauen sind sehr lang und
stark. Das Tier ist sehr bosartig und wird von den Eingeborenen viel mehr
gefurchtet als der Grizzly. Es kommen Felle von uber 3 m Lange vor. Er
ahnelt im iibrigen sehr dem U. beringiani von der anderen Seite des Behrings-
meeres.
Sonst kommen in Alaska noch U. merriani und U. kidderi vor, braune
Baren, die aber viel kleiner sind.
Siidlich von Alaska, in Britisch Kolumbia, Oregon bis Kolorado, kommt
noch ein brauner Bar vor, der Cinnamon oder Zimmtbar, U. cinnamomeus..
Es ist dies ebenfalls ein grosses und ziemlich gefurchtetes Tier. Der Name
diirfte vielfach irrefuhrend sein, denn derselbe wird auch einer braunen Abart
des gewohnlichen schwarzen Baren zugelegt, wahrend der Westkiistenbar
seinem ganzen Charakter nach zu den braunen Baren gehort. Aus dem
Hudsonsbay- Gebiet kommen jetzt jahrlich etwa 500 braune Baren, wahrend
sonst in friiheren Jahren bis 1500 kamen. Von der Westkiiste kommen etwa
1000 bis 1500 Stuck jahrlich. Der Wert diirfte jetzt etwa 60 bis 80 Mk. sein..
Vor 40 Jahren zahlte man aber ca. 500 Mk. fur ein gutes Fell.
3. Schwarze Baren.
Viel verbreitet sind die schwarzen Baren in Amerika. Die verbreitetste
Art ist U. americanus, der Baribal, der bis zur aussersten Waldgrenze irrL
X. Die Barenarten. 540,
Norden vorkommt, nach Osten bis an den Atlantischen Ozean und im Westen
bis zur Pacifickiiste von Alaska rcicht, wo er bis zur Koniferengrenze ins
Gebirge steigt. Im Siiden geht sein Verbreitunsgebiet bis ins sudliche
Arkansas. Das Haar ist fein und weich, der starke mahnenartige Haarbusch
im Nacken fehlt. Die Schnauzc und der untere Teil des Kopfes ist gelbbraun.
Das Leder ist dlinn und geschmeidig. Der Schweif ist kurz, etwa 8 cm lang,
der Hals kurz, die Ohren kurz und spitz und mit dichtem kurzen Haar be-
wachsen. Das Fell ist 5 bis 6 Fuss lang, doch wird letztere Grosse nur selten
erreicht. In Labrador wird er durch eine verwandte Art vertreten, U. sorn-
J?orgeri, der dort in den eingeschnittenen Talern lebt und bis zur Baum-
grenze geht.
Im Siiden der Vereinigten Staaten, von Louisiana bis Texas, lebt Ursus
luteolus, bedeutend grosser als die anderen Arten, haufig bis 7 Fuss lang.
Barenjagd in Alaska.
Das Haar ist tiefschwarz, aber grober und wenig glanzend, auch kiirzer, das
Leder schwer und dick. Es kommen haufig rotlichbraune Exemplare vor,
•die dann auch Zimmtbaren, ,,cinnamonbear", genannt werden. In den immer-
.griinen Waldungen Floridas, den ,, Everglades", lebt U. floridanus, ein kleiner
schwarzer Bar, der verschiedentlich anatomisch von den anderen abweicht.
Auch der in Britisch Kolumbia und auf den Queen Charlotte Islands vor-
kommende U. carlottae ist verhaltnismassig klein. Die schonste aller Baren-
arten ist U. emmonsii, der sich in den Gletschcrregionen Alaskas, namentlich
in der Gegend des Mount Elias auf halt. Es ist ein ziemlich kleines Tier, etwa
5 Fuss lang, das Haar nicht sehr lang aber ungemein fein, mit blauschwarzer
Unterwolle, im Haar verstreut viele einzelne weisse Haare. Eine scharf ab-
gesetzte Linie iiber dem Riicken, die Aussenseite der Beine tiefschwarz,
Seiten und Rumpf schwarz und weisssilbrig vermischt, Bauch weisslich, die
Backen und Schnauze lohfarbig. Klauen klein, aber sehr scharf und stark ge-
krummt, schwarz. Das Tier ist ein vorziiglicher Kletterer. Die ,,Silberbar"
550 Naturgeschichte der Pelztiere.
genannten Felle sind nicht sehr haufig. Im ganzen kommen jahrlich etwa
4000 schwarze Baren von der Hudsonsbay Company und etwa 10 ooo aus den
Vereinigten Staaten an den Markt. Im Pelzhandel werden die Felle des.
schwarzen Baren eingeteilt wie folgt: Armeebaren (Army bears), Pelzbaren
(furriers), Cubbaren (Cubs) und Deckenbaren.
Armee-Baren sind grosse Felle, ganz gleichmassig mittellang und dicht
behaart, die Haare ziemlich grob, das Leder weich. Diese werden zur Her-
stellung der Barenmiitzen fur die englische Garde gebraucht und nnden sich
gewohnlich nur einige hundert Felle in der Auktion. Fiir diese wird meist
ein hoher Preis bezahlt, fruher iiber 200 Mk. per Stuck, jetzt wohl ca. 100 Mk.
Der Preis ist dafiir ziemlich Nebensache, denn die englische Regierung zahlte
fruher 8 Pfund fiir jede Barenmiitze. Ob dieser Preis jetzt noch bezahlt wird,.
habe ich nicht erfahren konnen. Furriers sind meist mittelgrosse Felle mit
langem, dichtem und feinem Haar, die zu Konfektionszwecken verbraucht
werden. Der Durchschnittspreis betrug ca. 100 Mk., augenblicklich aber
weit weniger. Cubbaren sind die Felle junger Baren, hochstens bis i Jahr alt.
Dieselben sincl klein und haben sehr diinnes leichtes Leder und feines weiches
Haar. Sie werden zu Konfektionszwecken verwendet. Sie haben gewohnlich
ungefahr den Preis der Furrier felle, obgleich sie nur etwa ein Drittel so gross
sind. Alle anderen Sort en, namentlich die groben schweren siidlichen Felle
werden zu Teppichzwecken verwendet, die feineren, so wie die grosseren
Furriers auch zu Schlittendecken. Es wird bei Teppichen darauf gesehen, dass.
die Felle komplett sind, d. h. Schnauze und Klauen vorhanden sind. Der Preis
ist 30 bis 60 Mk. Die Lebensweise der schwarzen Baren weicht wesentlich
von der des Grizzly und braunen Baren ab.
Die schwarzen Baren Amerikas sind vorwiegend Vegetarianer. Brom-
beeren, Blaubeeren und andere Beerenarten sowie die in den Siidstaaten so
haufigen wilden Pflaumen, Persimmons, Papaws und andere Friichte sind
ebenso beliebt wie Hickory-Niisse, Eicheln und Samereien. Essbare Wurzeln
bilden gleichfalls einen grossen Teil der Diat. Die Maisf elder der Ansiedler
werden auch nicht verschont. Daneben wird dem kleinsten Wilde, Kafern,.
Larven, Insekten und Wiirmern nachgestellt, wobei alte gefallene Baumstamme
sorgfaltig abgesucht und umgerollt werden. Gelegentlich fuhlt Meist er Petz
auch Appetit auf Schweinefleisch, und holt sich ein feist es Exemplar, was.
ihm um so leichter fallt, als die Farmer der Siidstaaten ihre Schweine frei im
Walde umherlaufen lassen. Aas wird auch angenommen. Wie alle Baren liebt
auch der Baribal leidenschaftlich den Honig der wilden Bienen. Den Menschen
greift er nicht an. Nur wenn eine Barin Junge hat, ist es nicht gefahrlos, ihr
zu nahe auf den Pelz zu riicken. Auch sonst, wenn direkt in die Enge getrieben,.
setzt sich der Bar energisch zur Wehr, und ist dann mit seiner ungeheuren
Kraft, den scharfen Klauen und der Behendigkeit, die man dem anscheinend
plumpen Gesellen nicht zutraut, ein sehr gefahrlicher Gegner. Ein sehr be-
liebter Sport in Amerika ist, den Baren mit Hunden zu hetzen und der Meute
X. Die Barenarten. 551
zu Pferde zu folgen. Die Hunde sind darauf abgerichtet, den Baren nicht von
vorn zu packen, sondern durch fortwahrende Belastigung an der Flucht zu
hindern. Baumt er auf, so wird er wohl von den herbeigeeilten Jagern herab-
geschossen, doch gilt es mehr sport massig, den von den Hunden gedeckten
Baren mit dem Bowiemesser abzufangen. Hierbei ereignen sich nun gar nicht
selten Ungliicksfalle, die meist todlich verlaufen. Von den Hunden miissen
iibrigens fast stets einige Ubereifrige ihre Kuhnheit mit dem Leben bezahlen.
Der Baribal macht iibrigens, auch in die Enge getrieben, sehr selten Gebrauch
von seinem sehr starken Gebiss, auch hort man selten, dass er seinen Gegner
an sich presst und erdriickt, wie dies der europaische Bar tut. Er begniigt
sich, Hiebe mit seinen gewaltigen Pranken auszuteilen. Sobald ein soldier
Hieb trifft, geniigt er auch.
Im Yellowstone-Park, jener riesigen Wildreserve Amerikas, wo kein
Schuss abgefeuert werden darf, leben zahlreiche Baren, die vollkommen
zahm geworden sind. Nicht allein, dass sie sich von den Touristen fiittern
lassen, sie suchen auch abends die Miillhaufen der Hotels auf, um nach
Nahrungsresten zu spiiren, und zwar nicht nur die schwarzen Baren, sondern
auch die echten Grizzly s. Sehr amiisant beschreibt Roosevelt, wie es haufig
dabei vorkommt, dass ein Bar die Tatze in eine alte Konservenbiichse ein-
klemmt und nun sehr beleidigt umherhumpelt, bis er von einem der Park-
wachter mit dem Lasso gefangen wird und die Biichse losgeschnitten wird.
Die Baren beziehen mit dem Eintritt der kalten Jahreszeit ihr Winter-
lager in einem hohlen Baum, um dort ihren Winterschlaf abzuhalten. Im Friih-
jahr verlassen sie dann diesen Zufluchtsort stark abgemagert. In Ermangelung
geeigneter hohler Baume macht sich der Bar auch ein Lager in den undurch-
dringlichen Rohrbriichen. Die Jungen werden im Januar und Februar ge-
boren, ein bis zwei jedesmal, und sind diese, wie bei alien Barenarten, sehr klein
bei der Geburt und wachsen auch anfanglich sehr langsam. Erst nach 3 Jahren
sind sie ausgewachsen. Die Barin liebt ihre Jungen ungemein und bleibt bei
ihnen, bis sie das zweite Lebensjahr vollendet haben. Das Barenfleisch,
namentlich der j linger en Tiere, ist sehr wohlschmeckend, und namentlich
die Schinken und Tatzen bilden einen gesuchten Leckerbissen. Aber auch die
fetten Barenrippen sind in gebratenem Zustande sehr beliebt. In den Nord-
staaten sind mit der zunehmenden Besiedlung die Baren naturlich seltener ge-
worden, doch sind sie immerhin in den Staaten noch geniigend vorhanden.
Ihr Vorhandensein ist fast stets an Wald gebunden und sind sie vorziigliche
Kletterer.
B)Asiatische Baren.
i. Braune Baren.
Im ganzen Norden Asiens kommen Barenarten vor, und zwar finden
sich gewohnlich braune und schwarze Baren in demselben Distrikt.
552 Naturgeschichte der Pelztiere.
Der grosste und zugleich wildeste aller asiatischen braunen Baren 1st
der U. beringianus, der am unteren Amur und auf Kamtschatka lebt und auch
auf Sachalin vorkommt. Er 1st einfarbig rotbraun bis dunkelbraun gefarbt,
mit sehr feinem, dichten und langen Haar, das auf dem Riicken haufig eine
Lange von 10 cm erreicht, wahrend die harten steifen Haare des schwarzen
Baren nie langer als ca. 5 cm werden. Er ahnelt mit seinem ganzen Habitus
dem Kadiak-Baren und wird auch wie dieser von den Jagern und Eingeborenen
sehr gefurchtet, wahrend diese vor den Kragenbaren gar keine Scheu haben.
Das Fell wird bis zu 3 m lang. Ich habe auch mehrfach Exemplare beobachtet.
die ganz wreisse Krallen hatten. Sehr nahe steht ihm der auf Yesso vor-
kommende grosse braune Bar, der U. yessoensis, wenn er nicht idcntisch
Gesch. Spezialaufn. cl. Neuen Phot. Ges.
Kamtschatkabar.
mit ihm ist. Temminck unterscheidet iibrigens zwei Varietaten des Yesso-
baren, den er U. ferox nennt, den Oho Kuma oder grossen Baren und den
Feuerbaren oder Aka Kuma, der besonders seiner Wildheit halber ge-
furchtet sei.
Siebold nennt den Oho Kuma U. collaris und halt ihn fur eine Ubergangs-
form zwischen dem Grizzlybaren U. ferox und dem europaischen braunen
Baren, U. arctos. Es stimmt dies aber nicht, da auch sein naher Verwandter,
der Kadiakbar, U. middendorffi, nicht s mit dem Grizzly zu tun hat, sondern
ein echter brauner Bar ist. U. collaris ist auch eine andere Art, die auf dem
Festland in Sibirien, der west lichen Mongolei usw. vorkommt und wesentlich
kleiner ist. Jedenfalls ist nicht ausgeschlossen, dass auf Yesso zwei braune
Barenarten vorkommen. Ich habe nicht genug Felle gesehen, um mir ein
Urteil bilden zu konnen. In den Gebirgen des eigentlichen Japans, besonders
auf der Insel Hondo, der Hauptinsel, lebt ein kleiner brauner Bar von gleicft-
X. Die Barenarten.
553
massig dunkelbrauner Farbe, der aber hochstens 4 Fuss lang wird und durchaus
nicht bosartig 1st.
Es ist dies U. rexii, der vielfach mil dem U. japonicus verwechselt wird.
Letzterer ist aber schwarz.
Felle kommen wenig in den Handel, doch sind im Berliner Zoologischen
Garten von den verschiedenen Art en lebende Exemplare.
Dort findet sich auch ein riesiges Tier ohne Stammbaum , von dessen
Herkunft kein Lied spricht, denn er ist einem herumziehenden Barenfuhrer
abgekauft. Es ist aber hochstwahrscheinlich U. beringianus oder yessoensis.
gez. v. Anna Matschie-Held.
Japan. Bar (Ursus rexii).
Auf Kamtschatka lebt noch eine andere braune Barenart, die auch eine
recht erhebliche Grosse erreicht, aber deren Far bung nicht so einfarbig,
sondern mehr meliert ist, der U. piscator. Seinen Namen hat er wohl davon,
dass er an flachen Stellen der Flusslaufe dem Fischfang obliegt und die Lachse
mit der Tatze aufs Land wirft. Es ist dies unter anderem auch von Kittlitz
und spater von Radde beobachtet worden.
Im Norden Chinas, in der Mandschurei, Mongolei, in Kansu usw. lebt ein
brauner Bar, der U. lasiotis, der unserm europaischen U. arctos ahnelt, aber
wesentlich heller gefarbt ist, namentlich Nacken und die auffallig langen
Ohren sind sehr hell.
554 Naturgeschichte der Pelztiere.
Das Leder 1st stets sehr dick und schwer, weshalb auch die Felle nicht viel
wert sind. Die Tiere werden haufig in Gefangenschaft gehalten und ziehen
in ganz China Barenfuhrer wie bei uns umher, haufig auch noch in Gesellschaft
einerZiege und eines Affen. Es sind stets U. lasiotus, doch scheint denTieren
das siidliche Klima schlecht zu bekommen. Sie sehen stets sehr herabge-
kommen aus, die Behaarung ganz verfilzt und zerfetzt. Ubrigens sind sie
wesentlich kleiner als U. arctos. Noch heller gefarbt ist der sogenannte
Kuldscha-Bar, U. isabellinus, der haufig einen gelblich-grauen Eindruck macht,
Er kommt hauptsachlich im Himalaya- Gebiet vor, in Afghanistan, Kaschmir,
Tibet, Nepal, Gilgit, Ladak usw. Im Sommer halt er sich zwischen Waldgebiet
und Schneegrenze, im Friihjahr und Herbst im Waldgebiet in der Nahe der
Dorfer und im Winter bis Anfang April halt er in Hohlen seinen Winterschlaf .
Er ist ein ausgesprochener Vegetarianer, der sich von Gras, jungem Getreide,
Wurzeln und Fnichten nahrt. Nur hochst selten nimmt er wohl ein Schaf
oder eine Ziege. Den Menschen greift er nie an und wird er haufig auch zahm in
den Dor fern gehalten.
Grosser ist der hauptsachlich in Tibet und den Gebirgslandern bis zum
Altai vorkommende U. lagomyarius, der auch nicht so sanft ist wie der vorige*
Seine Hauptnahrung sind u. a. Murmeltiere und beschreibt Sven Hedin>
wie er diese Tiere aus ihren Bauen ausgrabt.
Der im siidlichen Sibirien bis zum Kaukasus vorkommende U. meridio-
nalis sieht dem U. arctos ahnlich, ist aber grosser, der Haarwuchs langer und
dichter, und die Farbung etwas dunkler. Der schon vorher erwahnte U. collaris,
der am Ural, Sibirien, der westlichen Mongolei, dem Tengri Nor usw. vor-
kommt, zeichnet sich durch eine halsbandahnliche Zeichnung aus, der er seinen
Namen verdankt.
Fast weisslich sieht der am Libanon, in Syrien usw. vorkommende Ursus
syriacus aus, der auch kleiner ist als die andern asiatischen braunen Baren-
arten und meist sehr gutartig. Es ist dies die Barenart, von denen in der
Bibel erzahlt wird, dass sie die unartigen Knaben, welche den Propheten
Elias verhohnten, auffrassen.
2. Schwarze Baren.
In Asien gibt es auch verschiedene schwarze Barenarten. Die be-
kannteste Art ist der U. tibetanus, der in Zentralasien bis Persien, ferner in
Beludschistan, Kaschmir, Assam usw. vorkommt. Es ist ein mittelgrosses
Tier mit etwa 4 cm langem, steifem, glanzenden Oberhaar und wenig
Unterwolle.
Im Winter ist das Haar auf den Schultern und dem Nacken stark ver-
langert. Am Unterhals und Brust hat er eine weisse, halbmondformige
Zeichnung und einen keilformigen weissen Brustfleck.
X. Die Barenarten. 555
Die Ohren sind lang und dicht behaart, die Klauen kurz und gebogen.
Er wird bis 6 Fuss lang.
Er lebt hauptsachlich im Waldgebiet und geht bis 1200 Fuss Meereshohe*
Nachtlich besucht er haufig die Garten und Getreidefelder der Eingeborenen,
wo er grossen Schaden anrichtet. Er frisst Aas und totet haufig Ziegen,
Kinder, Ponys usw. Auch totet er durchaus nicht selten Eingeborene, da er
viel bosartiger ist als der in gleicher Gegend vorkommende braune Bar. Der
,,Bhalu", wie er in Indien genannt wird, erfreut sich daher auch keiner be-
sonderen Beliebtheit. Er halt nur gelegentlich Winterschlaf.
In Turkestan, Tibet und dem Pamir wird er durch den U. leuconyx
vertreten, der etwas kleiner als der vorige ist und eine abweichende Zeichnung
der weissen Brustmarkierung zeigt. Auch er lebt hauptsachlich zwischen
2000 bis 4000 m Meereshohe. In diesen menschen- und wildarmen Gegenden
musste er oft Not leiden, da die dort lebenden wilden Yaks so wehrhaft und
die wilden Esel zu flink sind, ebenso die Antilopen. Seine Hauptnahrung sind
deshalb die zahlreich vorhandenen Murmeltiere, zu denen sich gelegentlich
ein Schaf oder lahmgewordener Pony aus den Herden der Tibetaner gesellt,
sowie gelegentlich ein gefundener Kadaver.
In Ostsibirien, Kamtschatka, Sachalin, Korea und auf Yesso lebt eine
andere Art Kragenbar, wahrscheinlich U. torquatus. Diese Art ist bedeutend
grosser als der tibetanische Halsbandbar und wird haufig iiber 7 Fuss lang.
Das Haar ist kurz, dicht und grob. Im nordlichen China, in der Mandschurei,
Mongolei, Kansu und Chinesisch Turkestan kommt ebenfalls ein schwarzer
Bar von ansehnlicher Grosse vor, der aber nur das einfache weisse halbmond-
formige Halsband hat, ohne den keilformigen weissen Brustfleck. Die Hals-
haare sind langer und starker, auch dichter, und bilden zu beiden Seiten des
Halses eine Art Mahne. Die Chinesen machen zwischen braunen und schwarzen
Bar en keinen Unterschied und nennen sie beide Jje Jung.
Auf Japan lebt auf der Hauptinsel Hondo sowie auf der Insel Kiushiu
ein mittelgrosser Kragenbar, der U. japonicus, der aber kleiner ist als sein
tibetanischer Verwandter. Noch kleiner und wohl der kleinste der asiatischen
schwarzen Baren ist der auf Formosa vorkommende U. formosanus, der sich
auch in Siidjapan findet. Das Fell ist selten langer als 4 Fuss.
Beide Arten gelten iibrigens als gutmiitig.
Die Lebensweise der ostasiatischen Baren ist sehr verschiedenartig und
richtet sich nach den einzelnen Gegenden und Arten.
So sind z. B. die braunroten Baren Kamtschatkas und Sachalins uws.,
der U. beringianus und der £/. yessoensis auf Yesso, die uberwiegend Fleisch-
fresser sind, ungemein bosartig und von den Eingeborenen sehr gefurchtet.
Andererseits ist U. torquatus gar nicht gefurchtet, wahrend sein naher
Verwandter, der U. tibetanus, im mittleren Asien und dem Himalaya-Gebiet,
ein gefahrlicher Bursche ist. Bei fast alien Baren ist die Nahrung uberwiegend
aus Pflanzenstoffen bestehend, namentlich aus den haufig vorkommenden
Naturgeschichte der Pelztiere.
wilden Beerenfriichten, wilden Apfeln, Niissen, Zederniisschen und andercn
Nadelholzsamer eien .
Fische sind sehr beliebt. Nach dem Laichen bedecken oft grosse Mengen
der erschopften Lachse die Ufer des Amurs und der kamtschadalischen Fltisse,
und dann finden sich stets Baren ein, die dem reich gedeckten Tisch fleissig
zusprechen. Auch sonst liegen die Baren an flachen Stellen des Flusses eifrig
dem Fischfang ob, indem sie die Fische mil der Tatze aufs Land schleudern.
Schon Chamisso und Kittlitz haben dies beobachtet. Der Honig der wilden
Bienen ist wie uberall auch bei den asiatischen Baren ungemein beliebt. Petz
verschmaht aber auch das Kleinwild nicht und untersucht abgestorbene
und umgestiirzte Baume aufs eifrigste nach Kafern, Larven usw. Fleisch-
nahrung wird auch durchaus nicht verschmaht, und wenn die Beeren und
Friichte knapp sind, raumt der Bar unter dem Wild und dem sparlichen Haus-
tierbestand der Eingeborenen und Ansiedler scharf auf. Mit Einbruch des
Winters sucht sich der Bar stets ein Winterquartier, und zwar wenn moglich,
in hohlen Baumen. Sind solche nicht in erforderlicher Grosse vorhanden, so
nimmt er auch mit Hohlen oder Felsspalten vorlieb.
Er bezieht das Quartier meist ungemein fett, um es im Friihling abge-
magert und hungrig zu verlassen.
In den siidlicheren Gegenden wird der Winterschlaf, der dort an und
fur sich kiirzer ist, noch haufig unterbrochen.
Auch in Ostsibirien sollen nach Radde einzelnc Baren keinen Winter-
schlaf halten, sondern umherschweifen, und gerade diese sollen den Menschen
sehr gefahrlich sein und ungereizt angreifen. Die Eingeborenen erzahlen, dass
solche Tiere durch Wiirmer zur Raserei getrieben werden.
Bei den Gilyaken und den Ainos herrscht die Sitte, dass in jedem Dorfe
mindestens ein junger Bar gefangen gehalten und gemastet wird. Wahrend
der Gefangenschaft wird ihm namentlich bei den Ainos hohe Verehrung
zuteil, doch verhindert dies nicht, dass er am Ende des Jahres unter grossen
Zeremonien getotet und verspeist wird. Die Schadel werden auf einem Pfahl
am Eingang des Dorfes aufgepflanzt. Auch die Tungusen begegnen dem
Baren mit grossem Respekt, wahrend die Burjaten, Mongolen und Tibetaner
wenig Umstande mit ihm machen. Die Ainos entwickeln bei der Barenjagd
hervorragenden Mut, trotz ihrer schlechten Waff en. Auch Gilyaken sind
meist schlecht mit Feuerwaffen versehen, wahrend die Kamtschadalen gute
Winchester Repetiergewehre oder Mauserbiichsen haben, die sie hoch bezahlen.
Auch bei den Burjaten findet man gute Hinterlader. Das Barenfleisch wird
uberall gern gegessen und dem Barenfett grosse Heilkraft zugeschrieben.
Namentlich in der Wundbehandlung spielt Barenfett bei alien Eingeborenen
eine grosse Rolle. Bekanntlich schreibt man auch bei uns dem Barenfett
grosse Heilwirkung als Haarwuchsmittel zu.
Ungemein stiirmisch ist das Liebeswerben der Baren, und sprode
Weibchen sollen nicht selten von dem ergrimmten Mannchen getotet werden.
X. Die Barenarten.
Der Bar lebt stets monogam, das Weibchen bringt im Friihjahr, haufig noch
wahrend des Winterlagers, ein bis zwei Junge zur Welt, die sehr klein sind
und auch lange klein bleiben. Sie werden von der Mutter sehr zartlich bewacht
und bleiben auch bei ihr, bis sie ziemlich ausgewachsen sind. Die Europaer
in Wladiwostok und anderen sibirischen Stadten halt en oft junge Baren
die ungemein drollige Tiere sind, zur Kurzweil auf dem Hofe. So sah ich auf
dem Gehoft der deutschen Firma Langeliittje zwei junge schwarze und zwei
braune Baren, die mit einem jungen Tiger spielten. Bei zunehmendem Alter
werden sie aber meist bosartig und werden dann nach Europa gesendet oder
getotet.
Ein zuverlassiger Spielkamerad ist ein ausgewachsener Bar niemals,
und schon deshalb, weil man ihm seine augenblickliche Gemutsstimmung
nie ansieht. Die Tierbandiger betrachten deshalb die Vorfuhrung von Baren
als gefahrlicher wie die von Lowen und Tigern.
Zu meiner Zeit, 1891 'und 1894, waren iibrigens Baren in der nachsten
Umgebung von Wladiwostock nicht selten.
Es ist schwer, festzustellen, wieviel Felle von den asiatischen Barenarten
in den Handel kommen, doch glaube ich nicht, dass aus ganz Ostasien inkl.
Ostsibirien und Kamtschatka mehr als 1000 Felle im Jahre an den Markt
kommen. Der Wert schwankt zwischen 20 und 120 Mk.
Die Felle aus Tibet kommen teils iiber die chinesische Provinz Szechuen
in den Verkehr, teils werden sie in Darjeeling, Simla usw. an Touristen ver-
kauft, doch diirfte die Zahl einige hundert jahrlich nicht iibersteigen. Die
Felle aus dem nordlichen Zentralasien finden ihren Weg nach den sibirischen
Messen. Von U. collaris und meridionalis kommen aus Sibirien aber jahrlich
wohl 5 bis 6000 an den Markt.
C)Europaische Baren.
Von unserem europaischen Baren, dem U. arctos, unterscheidet man zwei
Hauptarten, den U. arctos formicarius und U. arctos cadaverinus. Der erstere
lebt hauptsachlich in Russland, Siebenbiirgen, den Karpaten, Krain, Kroatien,
einzelnen Teilen Galiziens, ferner auf der Balkanhalbinsel, Griechenland,
Italien. Auch in der Schweiz findet sich ab und zu ein Bar. Noch vor 25 Jahren
waren sie im Engadin nicht selten, und kam es wohl vor, dass ein Tourist oder
Badegast auf seinem Abendspaziergang einen Baren treffen konnte. Jetzt
haben sich die letzten in die unzuganglichen Gebirgswaldungen zwischen
Maloja und Italien zuriickgezogen. Auch die in den Pyrenaen und der Sierra
Madre usw. in Spanien noch ziemlich haufigen Baren sollen dieser Art an-
gehoren, doch wird von einigen Forschern angenommen, dass diese dem Atlas-
baren, U. crowtheri naher stehen. Die andere Art, U. arctos cadaverinus, lebt
hauptsachlich in Skandinavien, Finnland und Russland. Die Unterschiede
zwischen beiden Arten sind eigentlich noch nicht recht festgestellt, namentlich
5 58 Naturgeschichte der Pelztiere.
da die Farbung der Baren so sehr variiert. Man nimmt an, dass der U. arctos
formic arius im allgemeinen dunkler gefarbt ist, der cadaverinus heller. Man
findet die reichsten Farbennuancen von schwarzbraun bis dunkelrotbraun
und schwarzgrau meliert bis hell silbergrau. Der skandinavische Bar ist lang-
beiniger und hat einen langer gestreckten Schadel, aber hoher gewolbte Stirn.
Der andere ist kurzbeinig, breitkopfig, flachstirnig und hat auch einen kiirzeren
Schwanz. Die Baren sehen schlecht, wittern aber scharf und haben auch
trotz der kurzen Ohren ein gutes Gehor.
Das Fell erreicht eine Lange von 2 m und wiegt ein ausgewachsener
Bar -liber 5 Zentner. Vorwiegend ist er Pflanzenfresser, aber er stellt auch
den Her den vielfach nach, und wie in Amerika und Asien so sind auch in
Europa die Baren, die viel Fleischnahrung zu sich nehmen, auch die gefahr-
licheren und wilderen. Der Bar halt sich meist in dichten, schwer zuganglichen
Bergwaldungen auf mit moglichst vielen Beerenstrauchern. Sein Lager schlagt
er in Felsspalten oder Hohlen unter Baumwurzeln auf. Von hier aus unter-
nimmt er haufig grosse Wanderungen und richtet grossen Schaden an, teils
an den Haustieren, da er auch eventuell die Stallturen erbricht, teils an dem
reifenden Getreide, den Obstgarten und Bienenstocken, da seine Vorliebe
fur Honig ja spriichwortlich ist. Ziegen und Kiihe auf der Weide werden
iiberfallen und im Ural sollen die Pferdeherden unter den Angriffen der Baren
viel zu leiden haben. Wo deshalb ein Bar gespiirt wird, wird eifrig Jagd auf ihn
gemacht, entweder Treibjagd oder Bursche. Auf seinen Wanderungen gibt
es wenig Hindernisse, die ihn aufhalten konnen. Er iiberkreuzt reissende
Strome, denn er ist ein ebenso vorzuglicher Schwimmer als Kletterer, was
man dem plumpen Gesellen nicht zutrauen diirfte. Das Fleisch, das uberall
sehr gern gegessen wird, und das Fell machen ihn auch zu einer wertvollen
Jagdbeute. Im Winter kommen viele erlegte Baren auf den russischen
Markten zum Verkauf, und auch in Delikatessgeschaften Berlins usw. ist er
im Winter nicht selten. Er halt regelmassig Winterschlaf und sucht die Barin
das schiitzende Obdach schon im November, wahrend der Bar bis Mitte
Dezember umherschweift. Die Paarungszeit ist Mai, Juni; die sehr kleinen
Jungen werden noch in der Winterhohle geboren. Der Bar wird haufig ge-
zahmt und als Tanzbar namentlieh auf dem Lande gezeigt, gilt auch allgemein
als gutmiitiger drolliger Bursche, ist aber durchaus nicht so gutmiitig als er
aussieht,
Im 18. Jahrhundert gehorte es in England und Frankreich zu den Volks-
belustigungen, Baren mit Bullenbeissern kampfen zu lassen ,,bearbaiting",
wahrend in Spanien noch heute gelegentlich Kampfe zwischen Baren und
Stieren veranstaltet werden.
In den Handel diirften jahrlich nicht mehr als 1500 bis 2000 europaische
Barenfelle kommen, da die meisten der glucklichen Schiitzen das Fell als
Trophae behalten. Der augenblickliche Wert eines Felles diirfte 30 bis 40
Mark sein.
X. Die Barenarten.
D) Andere Barenarten.
Auch in A f r i k a lebt eine Barenart, und zwar im Atlas-Gebirge
und seinen Auslaufern. Es ist dies U. crowtkeri, ein ziemlich kleiner
brauner Bar von heller Farbung, der aber sehr selten ist. Ich habe niemals
Felle da von zu Gesicht bekommen, und kommt er auch wohl nirgends im
Handel vor; sein Vorkommen wird jetzt iiberhaupt bezweifelt. Bei den
alten Romern soil diese Gattung aber sehr bekannt gewesen sein, und
wurden die meisten in den Tierkampf en benutzten Baren aus Afrika und dem
Libanon import iert. Im romischen Zirkus mussten sie dann mit Stieren,
Auerochsen, Molosserhunden oder Gladiatoren kampfen, und brachte man
an einem Tage 1000 Baren in die Arena. Es wird aber neuerdings sehr be-
zweifelt, ob das wirklich U. crowtheri gewesen sind. Von sonstigen Barenarten
ware noch zu erwahnen der Lippenbar, Melursus ursinus, englisch Slothbear,
franzosisch ours jongleur. Er findet ich in ganz Indien, vom Fusse des
Himalayas bis nach Ceylon, und ist uberall haufig. Es ist ein ziemlich kleines
Tier, dessen Fell wohl kaum je iiber 5 Fuss lang wird. Das Haar ist lang,
dicht, schwarz und ziemlich seidig. An den Schultern bildet es eine Mahne, auf
dem Riicken 2 grosse, wulstige Haarbiischel, wie ein Hocker. Auf der Brust
ist eine schmale hufeisenartige weisse Zeichnung; die Schnauze ist riisselartig
verlangert. Die langen scharfen Klauen sind weiss. Im ganzen macht er
einen plumpen Eindruck, der ihm wohl auch zusammen mit der langen Be-
haarung den englischen Namen Slothbear, d. h. Faultierbar verschafft hat.
Die Beine sind kurz und dick, der Leib plump und schwerfallig. Er bewegt
sich auch meist langsam und gemachlich, nur wenn erregt, setzt er sich in
in einen schnellen Trab. Er lebt in den Wald-und Hiigelregionen, namentlich
dem sogenannten Terai, und bewohnt Felshohlen oder ein Lager im dichten
Dschungel. Auf Baume klettert er schlecht. Er geht nachtlich auf Raub aus,
in einsamen Gegenden aber auch am Tage. Seine Hauptnahrung bilden
Friichte, Wurzeln, Insekten, unreifes Getreide usw. Bienen und deren Honig
bilden seine Lieblingsnahrung. Auch grabt er die Termitenhiigel und
Ameisenhaufen mit seinen scharfen Klauen auf, und holt die Insassen mit der
Zunge heraus, wobei ihm seine riisselfdrmige Schnauze gute Dienste leistet.
Auch in den Zuckerrohrpflanzungen richtet er grossen Schaden an. Im all-
gemeinen ist er scheu, doch greift er gar nicht selten Menschen an, namentlich
wenn er Junge bei sich hat, oder plotzlich erschreckt wird. Einzelne
Exemplare sollen iibrigens stets von bosar tiger Gemiitsart sein. Jedenfall
verlieren jahrlich eine ganze Menge Menschen ihr Leben durch die Baren. Der
Lippenbar totet iibrigens nicht durch Umarmung wie die meisten Barenarten,
sondern braucht Zahne und Klauen, und schlagt mit den Pranken vorzugsweise
nach dem Gesicht des Gegners. Die Eingeborenen, namentlich die Singhalesen
furchten ihn sehr. Es sollen jahrlich 1000 bis 1500 Lippenbaren in Indien
getotet werden, doch kommen wenig in den Handel, trotzdem das Fell sehr
schon ist. Das meiste bleibt als Trophae in den Handen des gliicklichen
560 Naturgeschichte der Pelztiere.
Shikarees. Das Fleisch wird liberal! gern gegessen, und das Fett als Arznei-
mitt el verwendet.
Als den Clown unter den Baren kann man den Malayenbaren
(U. malayanus) bezeichnen, den ,,Bruan" der Malay en. Es ist ein kleines,
plump gebautes Tier, von dunkelschwarzbrauner Farbung mit breiter, hell-
brauner Schnauze, kleinen Ohren, dickem Kopf, grossen Tatzen mit langen
Krallen. Er bewohnt Malakka, einige Teile von Indochina und die grossen
Sundainseln, halt sich nur in den Waldungen auf und klettert vorzugsweise.
Er ist ausschliesslich Fruchtfresser, der aber gelegentlich den Pflanzungen
unerwiinschte Besuche abstattet und namentlich in den Kakaopflanzungen
grossen Schaden anrichtet, da er das susse Fruchtfleisch der gurkenformigen
Friichte sehr liebt.
In der Gefangenschaft wird er ganz zahm. Die 4 Exemplare des Berliner
Zoologischen Gartens machen einen ungemein drolligen Eindruck. Sie sitzen
meist in einer Reihe aufrecht am Gitter und betteln, dabei den Zuschauern
mit den Tatzen winkend und freundlich mit den Kopf en nickend. Der Gesichts-
ausdruck ist von unwiderstehlicher Komik. Raffles hielt einen Malay enbar in
der Gefangenschaft, der mit Vorliebe Wein und Champagner trank. Das Fell
ist fur den Handel vollkommen wertlos.
In Sudamerika leben auch mehrere kleine Barenarten. So Tremarctos
ornatus im Gebirge Chiles und Boliviens, Tr. majori in den Waldungen Ecuadors
und Columbiens, Tr. jrugilegus in Peru. Sie sind ziemlich selten, so dass ich
auch kein Exemplar da von zu Gesicht bekommen habe. Fur den Pelzhandel
haben die Felle keine Bedeutung.
XI.
Verwandte der Barenarten.
a) Waschbaren.
Am nachsten stehen den Baren die verschiedenen Arten der Waschbaren,
im Pelzhandel Schuppen genannt, engl. racoon, franz. marmotte.
Am verbreitesten 1st die Art Procyon lotor, deren Verbreitungsbezirk
von Kanada bis nach Georgien und westlich bis zu den Rochy Montains reicht.
Der Schweif ist kleiner als der Korper und mit regelmassigen schwarzen
Ringen geziert, zylindrisch buschig wollig, nach der Spitze zu nur wenig
auslaufend.
Die Grundfarbe des Oberhaares ist gelblichgrau schwarzlich geringelt.
Dazwischen sind langere weisse und schwarze Haare. Die Unterwolle ist sehr
dicht und weich, blaulichgrau, auf den Wangen, der Schnauze und hinter den
Backen sind schwarze Flecke, dariiber weisse Streifen. Die Fiisse sind schwarz,
mit diinnen Streifen Haar. Alle Schuppen sind Sohlenganger. Die Lange
variiert von 60 bis 80 cm, wozu der Schwanz mit 15 bis 25 cm Lange kommt.
Die Nase ist scharfspitzig und schwarz.
Die besten Felle kommen aus Wiskonsin und Illinois, gross, rauch, weich
von heller blaulicher Farbe. Dann kommen die von Mischigan, etwas kleiner
aber rauch und dunkler gefarbt. Mittelqualitaten liefert Missouri nament-
lich der zentrale Distrikt von New Madrid, welcher einen Zentralpunkt
fur die Trapper bildet, denn dicht dabei bildet eine mit fast undurchdringlichem
Urwaldbestand und Rohrbriichen erfullte, durch ein Erdbeden verursachte
Erdsenkung ein Eldorado fur die Pelztiere. Die New Madridschuppen sind
sofort an der Bearbeitung kenntlich, denn sie sind stark gestreckt und ganz
regelmassig viereckig aufgespannt. Aus Kentucky, Arkansas usw. kommen
grobe hellfarbige Felle. In den Walddistrikten, namentlich den nordlichen
Gegenden kommen verhaltnismassig haufig sogenannte schwarze Schuppen,
bei denen die weissen und gelben Grannenhaare fast ganzlich fehlen, vor.
Es ist dies aber keine besondere Art, sondern sogenannte melanotische Varie-
taten, die sich haufig auch im Wurf der gewohnlich gefarbten Schuppen
finden. Albinos sind dagegen selten. Diese schwarzen Schuppen werden hoch
bezahlt, namentlich fur den russischen Markt.
In Siidgeorgien und Florida kommt Pr. elucus vor, der bedeutend
36*
564 Naturgeschichte der Pelztiere.
grosser ist als der vorige. Der Schweif 1st langer, die Ohren mehr rund, die
Farbe variiert, auf der Unterseite meist mausgrau, Oberhaar auf dem Riicken
abwechselnd stumpfgelb und schwarz geringelte Grannen. Auf den Schultern
grosse Flecken orangegelb und rostfarbene Wange, Kehle und Schwanzwurzel
ockergelb. Das Haar ist grob und nicht sehr dicht.
Sehr verbreitet ist auch Pr. hernandezi, der von Texas und dem nord-
lichen Mexiko bis zur Pacifickiiste lebt, und dort nordwarts bis zum Puget-
sund geht. Er ist viel grosser als Pr. lotor, der Schweif lauft spitz zu und die
schwarzen Ringe sind nur halb so breit als die rostroten Zwischenraume. Die
Farbe ist sonst ahnlich dem gewohnlichen Waschbar, aber durch die schmalen
Schweif ungen und die grossen dunkelbraunen Fiisse leicht zu unterscheiden.
Das Haar ist grob.
In Kalifornien findet man noch Pr. psora, kleiner als der vorige und hell-
farbig. In der Coloradowiiste lebt ein Waschbar, Pr. pallidus, mittelgross,
hellfarbig blaugrau, ohne irgend welche gelbe Haare. An der Westkiiste von
Pugetsund bis nach Cascade Mountains in Britisch Columbia lebt Pr. proteus,
die grosste Art von alien, der eine Lange von ca. 125 cm erreicht, wovon
etwa 30 cm auf den Schweif kommen. Er ist dunkelgelbgrau mit schwarz
gemischt, unten bleigrau mit weissen Haaren untermischt. Die schwarzen
Ringe auf dem Schweif sind fortlaufend in selben Zwischenraumen mit schwarz
untermischt. Im Hudsonsbay-Gebiet kommen auch noch einige Schuppen vor,
die wohl eine eigene Art bilden, sie sind sehr gross und graubraun, ahneln dem
Pr. pacificus, bilden aber wohl eine eigene Art, die ich vorschlage, Pr. hud-
sonicus (Anmerkung: Dieser Name ist inzwischen in der Literatur als
Pr. hudsonicus brass angewendet) zu nennen. Es kommen aber hochstens
300 bis 400 da von jahrlich in den Handel, wahrend die Zahl der Schuppen aus
den Vereinigten Staaten jahrlich ca. 200 oooo Stuck zum Export nach
Europa, in diesem Jahre aber liber 400 ooo Stuck betragt, daneben werden wohl
eben so viel im Lande selbst verbraucht. Namentlich Kanada und der Westen
der Vereinigten Staaten ist Abnehmer zur Herstellung von Herrenpelzen. Es
werden dazu aber meist die geringeren leichten Sorten verwendet. In Europa
hat die Fabrikation von Schuppenpelzen, die fruher stark zu Reisepelzen
Verwendung fanden, langst aufgehort. Hier werden dieselben meist schwarz
oder skunkartig gefarbt und zu S tolas, Muff en usw. verarbeitet, auch in
naturellem Zustande werden sie zu diesen Zwecken genommen. Fruher, als
Biberfelle sehr modern waren, wurde eine sehr gute Imitation aus Schuppen-
iellen, denen die Grannenhaare ausgerupft waren, hergestellt. Auch wurden
diese gerupften Felle, dunkel geblendet und mit weissen eingesetzten Spitzen
versehen, eine sehr gute Imitation des Seeotter. Ab und zu werden noch
jetzt Herrenpelzkragen derart hergestellt. Der Wert der Felle ist etwa 3 bis
20 Mk pro Stuck, die schwarzen Schuppen werden auch mit 20 Mk. und
mehr pro Stuck bezahlt. (Im Marz 1910 wurde ein Loos Schuppen mit 60 sh
pro Stuck bezahlt, ein Rekord).
XI. Verwandte der Barenarten. 565
Ein kleiner Waschbar, Pr. pygmeus, kommt noch aus Jukatan und auf den
Bahamas-Inseln lebt noch Pr. maynardi. Diese Art en sind aber selten und
haben fur den Pelzhandel gar keine Bedeutung. Auch der in Siidamerika
am Guatemala bis Paraguay haufig vorkommende Pr. cancrivorus spielt im
Pelzhandel gar keine Rolle.
Das Tier ist bedeutend grosser als sein nordamerikanischer Vetter und
erreicht die Grosse eines Fuchses. Der Schwanz ist aber kiirzer. Das Haar ist
dicht, aber kiirzer als bei dem nordamerikanischen Waschbar, das Unterhaar
rotlichgrau, das Grannenhaar heller mit schwarzen Spitzen, auf Riicken und
Kreuz am dunkelsten. Der Bauch gelbgrau, die Beine braun, die Pfoten haar-
los, Schweif gelbgrau mit breiter schwarzer Spitze, und 4 bis 5 dunklen Haar-
bunden. Die Schnauze ist lang und spitz, das Tier macht einen viel schlankeren
Eindruck als sein nordischer Vetter.
Alle Waschbaren sind Sohlenganger, wie die echten Baren, sind aber
viel gewandter als diese und wissen sich sowohl auf ebener Erde wie auf den
schwankenden Baumzweigen mit gleicher Gewandheit zu bewegen. Seine
Pfoten weiss der Schuppen mit affenartiger Geschicklichkeit zu benutzen,
wie er iiberhaupt in seinem ganzen Wesen viel affenartiges hat. Er stellt sich
auch oft auf die Hinterbeine, und nimmt auch seine Nahrung meist aufrecht-
hockend ein, wobei er sie haufig erst ins Wasser taucht und zwischen den
Pfoten reibt, was ihm seinen Namen Waschbar verschafft hat. Seinen Lieblings-
aufenthalt bilden dichte Walder, doch trifft man ihn auch in den Prarie-
provinzen, wo der Baumwuchs sparlich ist. Er ist ein ausgesprochener Alles-
fresser, Obst, Waldfriichte, Beeren, Wurzeln werden gerne genommen, aus
den Feldern holt er sich die noch weichen milchigen Maiskolben, dann pliindert
er die Vogelnester, besucht nachtlich die Hiihnerhofe, grabt auch Kafer-
larven und Insekten, fangt Mause, Ratten und Kaninchen, und fangt selbst
Frosche, Fische, Krebse und dergleichen, auch Schnecken werden nicht ver-
schmaht. Bei der Vielseitigkeit dieser Nahrung setzt er leicht Fett an. Er ist
ein ausgesprochenes Nachttier und liegt am Tage schlafend auf seinem Lager,
das sich meist in einem hohlen Baume befindet.
Seine Jagd bildet einen ausserst beliebten Sport der Ansiedler.
Es gehoren dazu mehrere besonders abgerichtete Hunde, die den Wasch-
bar aufspiiren und zum Aufbaumen bringen. Es sind gewohnlich mehrere
Jager dabei. Einer erklettert den Baum und versucht das Tier auf einen
diinnen Ast zu treiben von wo es dann herabgeschiittelt wird und unter die
unten wartenden Hunde fallt. Meist gelingt es ihm aber, bei dem kletternden
Jager vorbei zu schliipfen und mit Windeseile am Stamm herabzusausen.
Hier kommen eben die geiibten Hunde zur Geltung. Er kommt stets ausserst
kampfbereit zur Erde, teils links und rechts Bisse mit seinen scharfen Zahnen
aus und ist gewohnlich schon im Gebiisch verschwunden, ehe die Hunde sich
von ihrer Uberraschung erholt haben. Der richtige Waschbarhund (coondog)
lasst sich aber nicht verbliiffen, sondern packt schnell zu, und lasst sich auch
566 Naturgeschichte der Pelztiere.
durch die Bisse nicht zuriickschrecken. Im Nu fassen jetzt auch die anderen
zu und der Jager muss schnell zuspringen und dem Kampf durch einen wohl-
gezielten Schlag mit dem Kniippel ein Ende machen, wenn er das Fell
retten will.
Wenn die Jagd nur des Erwerbes halber betrieben wird, schiesst der Jager
das aufgebaumte Tier wohl auch beim Schein der Fackeln herab. Ausserdem
werden sie auch viel in Fallen gefangen. Das Fleisch wird vielfach gegessen
und namentlich die Neger in den Siidstaaten essen leidenschaftlich gern
,,coon"-Braten. An die Gefangenschaft gewohnen sich die Waschbaren sehr
schnell und bereiten durch ihr munteres possierliches Wesen viele Freude.
Auch mit etwaigen Kafiggenossen freundet er sich schnell an.
Die Waschbaren vom Zoologischen Garten zu Berlin, zwei kraftige gut
gefarbte Exemplare, sind fortwahrend in Bewegung und versuchen wie die
Affen mit dem am Rang stehenden Publikum zu spielen. Sie pflanzen sich
auch in der Gefangenschaft fort.
Mein Bruder hielt in der Nahe Leipzigs ein Parchen von Schuppen, die
ganz zahm waren, und Hess Frau Waschbar baldigen Familienzuwachs er-
warten. Durch eine offen gelassene Tiir entwischten sie aber eines Abends
und wurden von den Bauern der Nachbarschaft erschlagen.
In der Freiheit wirft das Weibchen im Mai 4 bis 6 Junge. Die Jungen
wachsen sehr schnell, und sind bereits im Herbst halbwiichsig (small season
skins) und im nachsten Friihjahr erwachsen und fortpflanzungsfahig. Racoon
farms bestehen meines Wissens noch nicht, obgleich dieselben bei dem
guten Preise der Felle in Amerika lohnend sein diirften, vielleicht liegt das
daran, dass das Hauptinteresse bei der Schuppen jagd dort eben der Sport ist.
b) Nasenbaren.
Die nachsten Verwandten des Wraschbaren in Sudamerika sind die Nasen-
baren. Die verbreiteste Art ist Nasua rufa in Brasilien, Peru, Bolivien und
Paraguay, ferner gibt es N. nelsonii in Yukatan, N. quichua in Ekuador,
N. olivacea in Kolumbien und in den Gebirgen Perus den schonen N. monticola.
Am weitesten nach Norden geht N. narica, der von Zentralamerika bis nach
Mexiko, Kalifornien und Texas reicht. N. molaris von Colima in Mexiko
meridensis von Nordwest-Venezuela, Mexiana von der Mexiana-Insel im
Amazonen-Delta, phaeocephala von Venezuela, bullda von Costarica, pana-
mensis von Panama, Yucatanensis von Yokatanpallida von Ost- Venezuela.
Friiher unterschied man zwei Arten von Nasenbaren in Brasilien, den
einsamen und den geselligen ,,Coati", N. solitarius und N. socialis doch hat
man langst festgestellt, dass die einsamen Coati nur vereinzelt lebende alte
Mannchen sind, die sich schon von der Familie abgesondert haben und als
alte Herren etwas murrisch und griesgramig geworden sind. Der brasilianische
XI. Verwandte der Barenarten. 567
Nasenbar hat ca. 70 cm Korperlange und 45 cm Schweif lange. Die Be-
haarung besteht aus einer kurzen rauhen Unterwolle von blaulichgrauer
Farbung, bedeckt von einem langen, straffen, ziemlich glanzreichen Grannen-
haar, das graubraunrotlich geringelt 1st, der Schweif 1st abwechselnd gelb
und schwarz geringelt, an der Wurzel ziemlich dick, lauft nach unten spitz zu
und ist sehr beweglich. Besonders auffallig ist die lange, russelformig ver-
langerte Nase, mit der die Tiere eifrig umherschnuffeln. Die Zehen sind fast
ganz verwachsen und haben lange spitze Krallen. Die Felle kommen wenig in
den Handel, geben aber ein gutes Pelzf utter, namentlich fur Herrenpelze ab.
Der Wert ist etwa i Mk. per Stuck. Es liessen sich grosse Partien auf den
Markt bringen, doch ist der Sudamerikaner im ganzen zu lassig, urn sich mit
dem Fang und der Zubereitung von Fellen abzugeben, fur die er nicht einen
guten Preis bekommt.
Der Coati ist in seiner Heimat ein ausgesprochenes Tagtier, des nachts
wird im Dickicht oder auf Baumzweigen geruht, tagsiiber durchstreift die
ganze Gesellschaft den Wald, eifrigst nach Nahrung suchend. Sie sind dabei
nicht wahlerisch, Wurmer, Insekten, Schnecken, Mause, Ratten, Reptilien,
kleine Vogel und deren Eier werden ebenso eifrig aufgenommen, wie Friichte,
Beeren, Getreide und andere Samereien. Im Friihjahr wirft das Weibchen
3 bis 6 Junge in einer Erd- oder Baumhohle, die etwa 5 bis 6 Wochen unbe-
hilflich bleiben, und dann der Mutter auf ihren Streifziigen folgen.
Die Nasenbaren werden, wie ihr nordamerikanischer Vetter und die
Waschbaren, des Sports wegen viel mit abgerichteten Hunden gejagt, setzen
sich aber dabei kraftig zur Wehr und verletzten die Hunde dabei haufig
erheblich mit ihrem scharfen Gebiss. Das Fleisch soil gut schmecken und wird
in Siidamerika viel gegessen.
In seiner Heimat wird er vielfach in Gefangenschaft gehalten, da ja
bekanntlich die siidamerikanischen Indianer sich gern allerhand gefangene
Tiere zu ihrem Vergniigen halten. Auch in europaischen zoologischen Garten
ist er nicht selten, doch wird iiber ihn hier verschieden berichtet, viele er-
wahnen sein possierliches, lustiges Umherspielen, andere wieder sein miirrisches
Wesen, das sich selbst dem Warter gegeniiber nicht andert. Im Berliner
Zoologischen Garten hielt man Nasenbaren im Affenkafig, wo sie viel von den
Neckereien der lustigen Affen zu leiden hatten. Der Coati trabt tiefsinnig
umher, da fasst ihn ein Affe vom Kletterbalken herab am Schwanz und ver-
sucht ihn hinaufzuziehen. Wiitend beissend fahrt er herum, worauf der Affe
loslasst, um gleich darauf dasselbe Spiel zu beginnen. Entriistet vergrabt sich
der Nasenbar in den Heuhaufen, der ihm als Lager dient. Ein paar Affen
schleichen behutsam naher und entdecken die hervorlugende Schwanzspitze,
an der der Ungliickliche im nachsten Augenblick gepackt und hervorgezogen
wird, um sich dann mit hochgezogenem Riissel und entblosstem Gebiss auf
seine Angreifer zu stiirzen, die aber im Nu loslassen, um sich in die Hohe
zu fluchten.
568 Naturgeschichte der Pelztiere.
c) Andere verwandte Arten.
Weitere Verwandten der Schuppen sind die in Nordamerika lebenden
Katzenfrett, Racoon fox der amerikanischen Zoologie. Man kennt davon
drei Arten, Bassaricus astutus in Kalifornien und Texas, mit langem,
schlanken Korper, spitzer Schnauze und langem buschigen Schweif, der die
Korperlange vollkommen erreicht. Die Farbe ist oben gelbbraun, mit grau
gemischt, ebenso die Beine, wahrend die Unterseite ohne graue oder weisse
Beimischung ist. Der lange Schweif ist mit 6 bis 8 schwarzen Ringen
geschmiickt.
In Kalifornien und im Oregon lebt B. raptor, mit braungelber Oberseite
aber ohne graue Haare, so dass das Fell dunkel aussieht, Unterseite gelbweiss.
gez. v. Anna Matschie-Held.
Katzenfrett (Bassaricus astutus).
Der Schweif ist abwechselnd mit weissen und schwarzen Ringen geziert, die aber
breiter sind wie beim B. astutus.
B. flavus lebt in Texas, Neu-Mexiko und wahrscheinlich Arizona. Er
ist oben schwarzlichgelb, Seiten und Bauch gelb, an den Ohren fahle Flecke.
Das Tier ist kleiner als die beiden anderen Arten und der dicht mit schmalen
schwarzen Ringen umringelte Schweif ist kiirzer als der Korper. B. albipes
in Mexiko, B. saxicola in Untercalifornien sind mir nicht naher bekannt.
Die Katzenfretts, deren Rumpf etwa mardergross ist, ahneln in ihrer
ganzen Lebensweise den Viverren, denen sie auch verwandtschaftlich nahe-
stehen, und sind muntere Tiere. Sie halten sich hauptsachlich in den dichten
Maisfeldern auf, wo sie den Ratten, Mausen, Maulwiirfen usw. nachstellen,
natiirlich aber auch die Gelege der Feldhiihner und sonstigen am Boden
nistenden Vogel nicht verschonen. Auch statten sie gelegentlich den Ge-
flugelhofen der Farmer sehr unerwiinschte Besuche ab.
Merkwlirdigerweise sind die schonen Felle dieser Tiere, die in ihrer Heimat
durchaus nicht selten sind, im Pelzhandel nur wenig bekannt. Ebenso wenig
die Felle der Wickelbaren, der Kinkajou Cercoleptes caudivolvulus, heute Potos
XI. Verwandte der Barenarten.
flavus genannt, ein Tier mil langgestrecktem, aber etwas plumpen Korper
und kurzem dicken Kopf, etwa 45 bis 50 cm lang und einem etwa 50 bis
55 cm langen kraftigen Wickelschwanz.
Der Pelz ist dicht, ziemlich lang und seidenweich, samtglanzend graugelb,
etwas rotlich, mil schwarzbrauner Wellenzeichnung und einem breiten
dunklen Streifen langs des ganzen Ruckens, die Unterseite rotlichbraun mil
einem dunkelbraunen Streifen langs des Bauches, die Beine schwarz. Der
Schwanz ist oben braun, in der unteren Halfte schwarz.
Das Tier ist weit verbreitet und finder sich von Brasilien und Peru an
durch Zentralamerika und Mexiko bis nach Florida, Texas und Louisiana.
Es ist ausgesprochen Nachttier, schlaft am Tage in hohlen Baumen und zieht
des Nachts umher, und zwar wie die Affen in grossen Scharen. Es ahnelt auch
dem Affen, den es an Klettergewandtheit und geschickter Benutzung des
Greifschwanzes fast noch ubertrifft. Die Nahrung ist vorwiegend pflanzlich,
doch werden auch Insekten, kleine Saugetiere und Vogel so wie Eier nicht
verschmaht. Honig liebt es leidenschaftlich und stellt es den wilden Bienen-
stocken eifrig nach. In Gefangenschaft soil es sehr zahm werden und ein sehr
liebenswiirdiger, ungemein anhanglicher Gefahrte werden. In Siidamerika
gehort es deshalb auch zu den beliebtesten Haustieren. Die Kinkajous im
Berliner Zoologischen Garten habe ich stets nur schlafend angetroffen, kann
deshalb aus eigener Beobachtung nicht s sagen.
Felle habe ich im Handel nur einmal einen Posten von einigen hundert
Stuck gesehen, die sehr schonen seidenartigen Glanz hatten. Es wurde
damals 2,50 Mk. per Stuck verlangt, und angegeben, dass grossere Posten
geliefert werden konnten, die aber bisher nicht in Europa eingetroffen sind.
Als ich vor einigen 30 Jahren zum erstenmal das Museum des Jardin
des Plantes in Paris besuchte, machte eine in einem besonderen Saale auf-
gestellte Tiergruppe einen solchen Eindruck auf mich, dass sie mir noch heute
vor Augen steht. Es waren dies eine Anzahl ganz merkwiirdiger Geschopfe,
halb Bar halb Pudel wie es schien, mit grossen schwarzen und weissen Flecken,
von der Grosse eines starken Bernhardiners, die aufrecht in verschiedenen
eigenartigen Stellungen ausgestopft waren. Es waren dies damals die einzigen
in Europa vorhandenen Exemplare des von dem bekannten Zoologen Abbe
David entdeckten und mitgebrachten Bambusbaren, Ailoropus
melanoleucus. ' Jetzt ist das Tier nicht mehr so selten, doch wissen wir immer
noch nicht viel iiber seine Lebensweise. Es kommt im ostlichen Tibet haupt-
sachlich vor und reicht sein Verbreitungsbezirk bis nach Szechuen und dem
Kukunor. Es halt sich vorwiegend in den Bambusdickichten auf, die die
Flusstaler anfiillen und sich auch an den Hiigelhangen entlang ziehen.
Das Fell, welches sehr hubsch ist, hat aber noch einen viel zu hohen Wert als
wissenschaftliches Objekt, um fur den Handel eine Rolle zu spielen.
In den letzten Jahren ist haufiger ein Fell zu uns gekommen, welches zu
den schonsten Pelzarten iiberhaupt gehort, es ist dies der Panda, der in zwei
57°
Naturgeschichte der Pelztiere.
Arten bekannt 1st. Ailurus fulgens, der im ostlichen Himalaya lebt, in Hohen
von 7 bis 12 ooo Fuss iiber dem Meere. Ostrich reicht seine Verbreitung bis
Yunnan, westlich geht er nicht iiber Nepal hinaus. Er haust meist paarweise
oder in kleinen Familien in den dichten Waldern und nahrt sich fast aus-
schliesslich von Pflanzenkost, Obst, Bambussprossen, Eicheln, Wurzeln, ge-
Panda (Ailurus fulgens).
legentlich werden auch Eier und Insekten verzehrt. Das Fell ist etwa 70
bis 80 cm lang, der Schweif 50 cm. Das glanzend feine Fell ist auf dem
Riicken goldig rot, Unterseite schwarz. Weit abstehende Ohren und der
runde Kopf mit weisser Zeichnung. Der hellrotgelbe Schweif ist undeutlich
geringelt. Es sind sehr lebhafte muntere Tiere und spielt der Panda im
Berliner Zoologischen Garten aufs eifrigste bald mit seinem Schweif, bald
mit irgend einem Gegenstand, und hat es augenscheinlich sehr gern, wenn
sich die Zuschauer mit ihm beschaftigen. In China, namentlich den
XI. Verwandte der Barenarten. 571
Provinzen Szechuen und Kweichow lebt eine andere Art, A. styani, etwa
ebenso gross wie der vorige, aber im Schadelbau und Aussern etwas ab-
weichend. Oberseite 1st dunkelrotbraun, Unterseite und Beine schwarz, die
schwarze Zeichnung erstreckt sich auch iiber den Nacken, Lippen und Kinn
sind weiss, die kurzen Ohren mil einer weissen Einfassung und kurzen
weissen Buscheln. Der wollige, dicht behaarte Schweif ist fahl rostrot,
schwach weisslich geringelt. Korperlange ca. 75 cm, Schweiflange ca. 40 cm.
Von beiden Arten kommen jetzt jahrlich einige hundert Stuck in den
Handel, die einen Wert von 10 bis 20 Mk. haben und meist zu wundervoll
aussehenden Schlitten- und Automobildecken verarbeitet werden. Die
deutschen Zoologen nennen inn sehr passend Katzenbar.
Das letzte aus der hierher gehorenden Gruppe ist der Binturong.
Der Binturong, Arctictis binturong, ist ein langgestrecktes Tier, das eine
Mittelform zwischen Bar en und Schleichkatzen darstellt. Die Korperlange
ist 60 bis 70 cm, die Schwanzlange 60 bis 65 cm. Das Fell ist dicht und rauh
mattschwarz, der lange, starke Wickelschwanz ebenf alls schwarz ; die Beine
kurz, stammig, braunlichschwarz, mit starken Krallen. Die kraftigen, langen
Schnurrhaare sind weiss, die Ohren lang, schmal und mit pinselartigemBuschel.
Die Heimat des Tieres reicht von Nepal iiber Hinterindien und Malacca bis
zu den Sundainseln. Seine Nahrung ist ausschliesslich vegetarisch. Im
zoologischen Garten liegt das Tier tagsiiber meist an einen Ast des Kletter-
baumes geschmiegt, ruhig und apathisch da, doch sollen sie sehr zahm und
zutraulich werden. Das Fell kommt im Handel bisher gar nicht vor.
XII.
Die Zibetkatzen und Schleichkatzen.
Zibetkatzen und Schleichkatzen.
Die grosse Zibetkatze, Viverra ashtoni, chinesisch Ya Mao oder Sheng
Tsun, im Pelzhandel falschlich ,,Serval" genannt, lebt im Yangtsetal haupt-
sachlich in Chekiang, Kiangsi, Hupeh, Anhui, Hunan. In Kiangsu kommt sie
seltener vor. In Siidchina wird sie durch eine kleinere Art vertreten, die
wohl mil der indischen Zibetkatze nahe verwandt, wenn nicht identisch ist.
Die Zibetkatze des mittleren Chinas, die hier in Frage kommt, ist jedenfalls
bedeutend grosser und starker als die indische. Die Grundfarbe ist grau, die
Haare an der Spitze weiss geringelt, die dichte weisse Unterwolle gelblichgrau.
Auf dem Riicken zieht sich ein Langsstreifen hin von glanzend tiefschwarzen
Haaren, die doppelt so lang sind wie die iibrigen Haare. Der ganze Korperist
mit undeutlichen, verschwommenen, schwarzen Flecken bedeckt, an den
Wangen befindet sich ein breiter, weisser Streifen, der sich bis zum Halse
herunter erstreckt und von einem schmaleren, schwarzen Streifen eingefasst
ist. Die Kehle ist schwarz. Der Bauch ist diinner und kiirzer behaart und
schwarzbraun. Die Behaarung des Sommerfelles ist viel kiirzer, es treten die
Flecken und Streifen viel scharfer hervor. Die Lange betragt von der Nasen-
spitze bis Schwanzwurzel 70 bis 90 cm, doch kommen einzelne Exemplare
bis I m Lange vor. Der Schwanz erreicht eine Lange von 50 bis 80 cm und einen
Durchmesser (mit dem Haar gemessen) von 8 bis 10 cm. Der Schweif ist sehr
dicht und wollig, schwarzbraun und in regelmassigen Abstanden mit weissen
Querbinden oder Ringen gezeichnet. Das Tier lebt in dichten Gebuschen
und stellt dem Hausgefliigel der Chinesen stark nach. Uber die Lebensweise
habe ich nicht viel in Erfahrung bringen konnen, da es hauptsachlich ein
Nachtraubtier ist. Der Zibet wird von den Chinesen nicht benutzt, auch wird
das Tier nicht wie in anderen Landern der Absonderung der Zibet driisen halber
in Gefangenschaft gehalten, wenn auch hin und wieder lebende Exemplare
zum Kauf angeboten werden. Es kommen jahrlich etwa 20 bis 30 ooo Felle
zum Export, und ca. 10 bis 20 ooo mogen im Lande zu Decken usw. verbraucht
werden, von denen auch einige tausend jahrlich exportiert werden, die 3 bis
6 Felle pro Decke enthalten. Der Wert betragt 2 bis 3 Mk. per Fell.
576
Naturgeschichte der Pelztiere.
In Europa werden die Felle meist zu Wagendecken, sowie gefarbt, zu
Pelzmuffen und Stolas verarbeitet. Eine Zeit lang waren sie sehr gesucht,
indem die skunksfarbig gefarbt en Felle in schmale Streifen geschnitten und
zu Schweifen gedreht wurden, als Ersatz fur die teuren Fuchsschweife.
Es lebt in denselben Distrikten noch eine andere Viverre, Viverricula
pallida, die kleine Zibetkatze, chinesisch Chang Li mao. Dieselbe ist bedeutend
kleiner und schlanker. Die Lange von der Nasenspitze bis zur Schwanzwurzel
Chinchilla (siehe S. 613).
betragt 50 bis 60 cm, das Haar ist- kiirzer und grober, die Grundfarbe ein
schmutziges Gelbbraun, die Unterwolle dunkelgrau. Auf dem Riicken ziehen
sich sechs Langsstreifen von dunkelbrauner Farbe hin, an den Seiten entlang
laufen eine Anzahl aus dunkelbraunen Flecken gebildete Reihen, die indessen
undeutlich auftreten und an Schultern und Hals fast gar nicht zu erkennen
sind. Der Schweif ist ca. 35 cm lang und hat mit dem Haar einen Durchmesser
von 4 bis 5 cm. Die Grundfarbe desselben ist ein helles Gelbbraun und in
regelmassigen ca. 5 cm von einander entfernten Abstanden mit dunkelbraunen
Ringen gezeichnet, ahnlich dem Schweif des Waschbaren. Auch hier treten
Zeichnung und Flecke beim Sommerfell, das der Unterwolle entbehrt, viel
Zibetkatzen und Schleichkatzen.
577
deutlicher hervor. Die Lebensweise 1st ahnlich' der des vorigen. Auch diese
Zibetkatze 1st ein Nachtraubtier, die hauptsachlich dem Geflugel und kleinen
Saugetieren nachstellt. Die Zibetdriisen werden nach Erlegung des Tieres von
Indische Zibetkatze (Viverra zibetta) .
den Chinesen herausgeschnitten und der Zibet, der iibrigens von geringer
Qualitat ist, benutzt. Das Tier ist nicht selten, und jahrlich kommen etwa
10 ooo in Shanghai in den Handel. Da die Felle indessen trotz des billigen
Preises (ca. 80 Pf. per Stuck) im europaischen Pelzhandel wenig begehrt sind,
so wird ihm wenig nachgestellt.
In Hinterindien lebt eine grosse Zibetkatze, Viverra megaspila, mit kurzem
etwas wolligem Haar, schwarzen Riickenstreifen, die Fleckenzeichnung auf
37
578 Naturgeschichte der Pelztiere.
der Seite sehr undeutlich und die Zahl der weissen Schwanzringe, die ebenso
breit sind wie die schwarzen, von der grossen chinesischen Zibektatze, der sie
sonst sehr ahnelt, etwas abweichend. Der Schweif ist auch kiirzer. Am
Nacken 2 bis 3 schwarze Querbinden. In Indien lebt die Stammform, welche
der Gruppe den Namen gegeben hat, V. zibetta, etwa 70 bis 80 cm lang, ohne
den 35 bis 40 cm langen Schweif. Die Farbung ist dunkelgrau, mit braunlichem
Anhauch, Unterwolle braun, die Grannenhaare sind weisslich geringelt mit
schwarzer Spitze. Ein schwarzer Streifen lauft von der Schulter bis zum
Schweif, Seiten ohne Flecke, aber an den Lenden schmale schwarze Quer-
binden. Schweif 6 schwarze breite Ringe, die mit schmalen weissen ab-
wechselnde. Hals mit weissen Langs- und Querbinden. Indien, Birma,
Siam und Siidasien sind die Heimat des Tieres, das einsam lebt, sich am Tage
im Geholz und hohem Grase verbirgt, und nachts oft die Hauser besucht. Die
Nahrung besteht aus solchen kleinen Saugetieren, die das Tier bewaltigen
kann, sonst Vogeln, Eiern, Froschen, Schlangen und Obst. Im Mai oder Juni
wirft das Weibchen 3 bis 4 Junge.
An der Malabarkiiste lebt noch V . civettina, bei der der hintere Teil
des Korpers mit grossen schwarzen Flecken bedeckt ist. und der schwarze
Riickenstreifen iiber den Schweif verlangert ist. Auch ein Vertreter der oben
erwahnten kleinen Zibetkatze, V '. malaccensis, lebt in Indien, grobhaarig,
gelbbraun, mit 5 bis 6 gefleckten dunkelbraunen Halsbinden auf dem Riicken
und mehrerer (4 bis 5) Langsreihen dunkler Flecke auf den Seiten. Schweif,
der drei Viertel der Korperlange misst, ist abwechselnd mit schwarzen und
weissen Ringen geziert, 6 bis 9 von jeder Farbe. Die Unterwolle braungrau,
im grossen mit grauer, schwarzer oder brauner Spitze. Dasselbe Tier kommt
auch in Ceylon, Assam und Birma vor. Es lebt in Erdhohlen, meist im
Walde, obgleich es gut klettern kann. Das Tier wird ganz zahm und von den
Eingeborenen haufig in Gefangenschaft gehalten, um das Zibet zu gewinnen.
Es lebt von kleinen Tieren, Friichten und Wurzeln, raubt gelegentlich auch
Gefliigel. Die Hauptheimat der Zibetkatze ist Afrika, wo sie sowohl im Westen
als Osten vorkommt, und Jung gefangen, vielfach in Gefangenschaft gehalten
wird zur Gewinnung des Zibets, jenes moschusahnlichen Riechstoffes, der
bei den Orient alen ungemein beliebt ist. Das Zibet wird dabei ein bis zweimal
in jeder Woche mit der Hand ausgedriickt, dann gereinigt und bearbeitet.
Das Mannchen soil bessere Qualitat liefern als das Weibchen. Der Preis des
Zibets schwankt von 300 bis 1500 Mk. per Kilo, und soil ein gefangenes Tier
jahrlich ca. 40 bis 50 Gramm liefern konnen.
Die Zeichnung der afrikanischen Zibetkatze ist ahnlich wie bei den
chinesischen und indischen, das Haar aber steifer, borstenartig ; auch sind
auf den Seiten mehr Querstreifen als Flecke. V ' . civetta ist die verbreitetste
Art, doch kommen daneben auch verschiedene andere Arten vor, die mir aber
nicht bekannt sind. Im Pelzhandel spielen alle diese Zibetkatzen ausser der
chinesischen keine Rolle.
XII. Zibetkatzen und Schleichkatzen. 579
Eine prachtvoll gezeichnete Viverre 1st die javanische Linsang gracilis.
Das sehr weiche und feine Fell 1st hellgelblich, ganz mit schwarzbraun,
grosse unregelmassig verteilte Flecke, und 4 iiber den Nacken sich ziehende
Binden, mehr einem Panther als einer Zibetkatze ahnlich sehend. Die Korper-
lange betragt etwa 40 cm, der 30 bis 35 cm lange Schweif hat 7 breite dunkle
Ringe, die Schwanzspitze schwarzbraun. Das Tier ist ausgesprochen Nacht-
raubtier, das schone Fell gelangt bisher nicht in den Handel, ausser auf Java
ist sie auch auf Malakka haufig.
Hiibsch gezeichnet ist auch der Palmenroller Paradoxurus hermaphroditus
aus Indien. Korperlange 40 bis 50 cm, Schwanz ebenso lang. Die dichte
Unterwolle ist gelbbraun, die etwas diinnen Grannenhaare gelblich und schwarz
geringelt. Uber den Riicken laufen 3 Langsstreifen schwarzer Flecke, auch
Schenkel und Schultern sind schwarz gefleckt. Die Beine und hintere Schwanz-
halfte sind schwarz. Das Tier ist in denWaldern Indiens sehr haufig und kommt
nachts haufig in die Dorfer, um die Hiihnerhofe sowie die Pflanzungen zu be-
rauben. Es frisst sehr viel Friichte, namentlich auch die Kaffeekirschen.
Auf den Sundainseln und Hinterindien wird es durch Paradoxurus
fasciatus ersetzt, der aber kleiner ist und groberes Haar hat. Die graue Farbe
ist gelblich, mit schwarzer Grundfarbe, die dunklen Langsstreifen und Flecke
sind sehr verschwommen. Das Tier zieht Friichte aller anderen Nahrung vor
und wird haufig von den Eingeborenen gezahmt gehalten. Die Felle kommen
kaum in den Handel.
37*
XIII.
Die Nag-etiere.
i. Die Eichhornchen.
Die Eichhornchen, im Fellhandel in Deutschland Feh genannt, in
England sqirrel, in Frankreich petit gris, gehoren zu den verbreitetsten Nage-
tieren der nordlichen Halbkugel. Man zahlt wissenschaftlich liber 300 Arten.
Von kommerzieller Bedeutung sind aber nur hauptsachlich Sciurus vulgaris in
Skandinavien, Sc. varius in Russland, Sc. argenteus in West-Sibirien, Sc.
martensi im Jenissei-Becken, Sc. borealis von dem Lena-Becken, sowie Sc.
calotus in Tibet, Sc. rupestris auf Sachalin, Sc. mantchuricus aus der Mongolei
und Mandschurei.
Die meisten Felle liefert Russland und Sibirien. Graurotliche Felle
kommen aus Kasan, kleine Tiere mit weisslichgelbem Bauch und mit leichten
rotlichbraunen melierten Schweifen. Von den Schweifen wiegen 1000 Stuck
etwa 5% Pfund. Wiatka und Kergapol hat Felle, die mehr Grau enthalten,
wahrend dann jenseits des Urals zunachst die Obsky kommen, deren Riicken
hellgrau und deren Bauche schon rein weiss sind. Obsky- Schweife wiegen
per 1000 etwa 7 Pfund. Dann kommen die Yeniseisky, ziemlich grosse Felle,
dunkelgraue Riicken, die aber meistens noch etwas rotliches Haar enthalten.
Die Schweife aus dieser Gegend enthalten stets die Knochen, weshalb sie auch
9 Pfund per 1000 wiegen.
Weiter ostlich an der Lena sind die Felle schon dunkelgrau und meist
rein ohne Rot. Siidlich davon findet man die Tobolsker, sehr schon dunkel-
blaugrau. Die weiter ostlich vorkommenden dunklen Sorten werden auch
unter dem Namen Sakkamina zusammengefasst, die best en davon sind die
Nerschinsky, ganz dunkle, fast schwarze Riicken und scharf abgesetzte
weisse Bauche. Auch die Schweife sind fast rein schwarz und sehr voll im Haar.
Auch die Yakutsky sind dunkel blauschwarz, wahrend die Ochotsky zwar
auch schwarz sind, aber meist einen etwas rotlichen Schimmer haben. Lensky-
Schweife wiegen 8 Pfund per 1000, Sakkamina 9 Pfund. Die meisten der
Ochotsky-Felle werden nach London geschafft durch San Francisco-Hauser.
584 Naturgeschichte der Pelztiere.
Die anderen sibirischen Sorten gelangen auf die Messen in Irbit und
Nishnij-Nowgorod und von da nach Moskau und Leipzig. In letzter Zeit
werden aber die Felle schon durcb lokale Aufkaufer gekauft und gehen direkt,
ohne die erwahnten Messen zu beriihren, nach Europa.
Es kommen im ganzen in den Handel 4 bis 5 Millionen sibirische und
ca. 8 Millionen Kasaner Feh.
Die von Sc. manchuricus stammenden Felle sind stets glanzend dunkelgrau
auf dem Riicken, mit hellem weissem Bauch und dichtem schwarzem Schweif,
der beinahe doppelt so lang ist, als bei den anderen Feh. Das Tausend dieser
Schweif e wiegt 10 Pfund. Bei vielen Fellen findet sich jedoch ein braunlicher
Streifen auf dem Riicken, der den Wert naturlich erheblich beeintrachtigt.
Die Chinesen, die das Tier Kive Tsu nennen, verarbeiten entweder den Riicken
allein oder die ganzen Felle zu sogenannten Maquas, im Pelzhandel Kreuze
genannt. Diese Fehkreuze werden aber nicht ausgefiihrt, sondern samtlich
im Lande verbraucht. Die eigene Produktion Chinas reicht dazu nicht aus,
sondern es werden jahrlich noch aus der Amur-Gegend, Wladiwostok und
Sachalin Felle eingefuhrt. Die Schweif e werden aber samtlich ausgefiihrt und
gelt en die sogenannten Newchwang- Schweif e als die best en.
Die Gesamtzahl der Felle dieser Eichhornart, die jahrlich in den Handel
gelangt, schatze ich auf etwa 600 ooo Stuck. Die Eichhornchen von Sachalin
scheinen aber einer anderen Art anzugehoren. Das Tier ist grosser und
schlanker, die Farbung ein sehr helles Grau, der Schweif ebenso lang wie beim
mandschurischen Fah, aber bedeutend heller. Es kommen jahrlich etwa
50 ooo Stuck davon in den Handel. Die chinesischen Fehschweife kommen fast
alle iiber Hamburg oder Bremen auf den Weltmarkt.
In Europa werden die Riicken und Bauche, die sogenannten Wammen
meist getrennt verarbeitet. Die letzteren nur zu Futtern, wobei aber neben dem
weissen Bauch noch stets an jeder Seite ein Streifen des Riickens resp. der
Flanke mit seiner grauen Farbung stehen bleibt. Das Fell der Wamme ist
stets bedeutend leichter und diinner behaart als der Riicken. Die Riicken
werden teils zu Futtern zusammengesetzt, teils allein zu sogenanntem
Schnurenfah (immer zwanzig Felle auf eine Schnur gereiht), verarbeitet. In
letzter Zeit werden auch die ganzen Felle, Riicken und Wammen zusammen-
hangend, zugerichtet, und dann zu Stolas, Muffen usw. verarbeitet.
Die Zurichtung und Anfertigung von Futtern findet einerseits in Russland,
andererseits nur in Weissenfels bei Halle statt. Die deutsche Zurichtung ist
bedeutend besser, sauberer und haltbarer, die Futter werden hier stets in
Rotundenform gearbeitet, die aus zwei zusammengehefteten fast quadra-
tischen Tafeln bestehen. Die Wammensacke haben stets dieselbe Grosse, die
Riickensacke werden in 6 zeilige, 7 zeilige und 8 zeilige nach der Grosse unter-
schieden, d. h. es befinden sich so und so viel Reihen Fehriicken iibereinander.
Die Futter werden hauptsachlich in Kergapol, in Slopotzkoi im
Gouvernement Wiatka und in Moskau gearbeitet. In Kergapol werden aber
XIII. Nagetiere. 585
nur Kasaner Feh verwendet. Von an den iibrigen Platzen gefertigten Futtern
warden, je nach der Herkunft der Felle, besonders Obsky-, Lensky-,
Tobolker-, Altasiky- und Nerschinsky-Futter unterschieden. Die Kergapoler
Fuller zeichnen sich durch die Eigentiimlichkeit aus, dass auf der Mitte der
Wamme zur Verzierung die Ohren der Tiere aufgenaht sind.
Die Sommerfelle sind viel kurzer und diinner behaart, und werden diese
Futter als Schwarten oder Halbwuchs bezeichnet, auch sind solche natiirlich
viel weniger wert. Da die Felle im ganzen durch die Schnauzenoffnung abge-
streift sind und dann noch haufig hart zusammentrocknen, muss der Kaufer
der Rohware dieselben meist von der Lederseite beurteilen. Die Sommerfelle
sind wie bei den meisten Pelztieren mit mehr oder minder grossen griinen
Flecken versehen, griinledrig, wahrend die Winterfelle rein gelb oder weisslich
sind (weissledrig) . Fur die Farbe des Haares ist meistens schon das Aussehen
des Schweifes massgebend. Die Sommerfelle sind iibrigens vorwiegend dunkel
gefarbt. Die rotlich gefarbten Riicken und Riickenf utter werden meistens
zobelartig gefarbt. Fur die Verwendung der Schweife hat sich eine besondere
Industrie herausgebildet. Friiher wurden da von besonders Boas gefertigt,
wobei man zwei Methoden unterschied. i. Die Berliner, hierbei wurde der
Schweif auf der Lederseite in Langsstreifen zerschnitten, diese aneinander
genaht und mittels Bindfaden spiralig gedreht, worauf sie dort festtrockneten
2. Die Leipziger, hierbei werden die Schweife ganz gelassen, aber von der
Spitze und dem Rumpfe aus nach der Mitte flach zusammengeschoben, und
dann mittels einer Kordel durch die Rohre, wo die Rute gesessen, auf einen
Bindfaden aufgereiht. Beide Verarbeitungsarten erforderten aber sehr ge-
schickte Arbeiter.
Jetzt sind Boas unmodern, ihre Glanzzeit war eine Periode etwa von
1840 bis 1860 und dann von 1870 bis 1890. Jetzt werden statt dessen in be-
sonderen Fabriken die Schweifchen, die den Abschluss der Stolas usw. bilden,
gefertigt, und zwar ausschliesslich in Leipzig, wo etwa 10 Spezialfabriken sich
damit beschaftigen, die etwa 5 bis 10 Millionen Schweife jahrlich konsumieren.
Die geringen Schweife sowie die Abfalle werden zur Anfertigung von Pinseln
benutzt, eine Industrie, die hauptsachlich in Nurnberg und Fiirth in Bayern
ihren Sitz hat.
Die Preise fiir Feh und fur Fehschweife schwanken sehr. Augenblicklich
sind solche sehr hoch. Nerschinskyschweife haben in den verschiedcnen Jahren
von 6 bis zu 60 Mk. per halbes Kilo gekostet, augenblicklich diirfte der Preis
etwa 40 Mk. sein. Kasaner waren von 4 bis 40 Mk., augenblicklich etwa
35 Mk. In ahnlichem Masse schwanken auch die Preise fiir die Roh-Fah, und
die Futter, augenblicklich kosten die rohen Obskyfah etwa 1,20 Mk., die
dunklen etwa 2 Mk. per Stuck, die Obsky-Wammen-Sacke ca. 27 Mk. per Sack.
Fehriicken je nach Farbe von 60 Pf. bis 2 Mk. per Stuck.
Die Eichhornchen bilden eine der Haupterwerbsquellen des sibirischen
Jagers, doch ist bei der Beweglichkeit der Tiere und ihrer Wanderlust nicht
586 Naturgeschichte der Pelztiere.
immer auf einen Erfolg zu rechnen, weshalb auch die Ausfuhrziffern der Felle
aus den einzelnen Distrikten so schwanken. Das Fleisch ist wohlschmeckend
und wird von alien Eingeborenen Sibiriens gern gegessen.
Die Nahrung des Eichhornchens bilden hauptsachlich Nadelholzsamereien ;
es treten die Tiere haufig, wenn die Ernte darin in einem Distrikt schlecht aus-
gef alien ist, weite Wanderungen an. Sie gehen dabei ganz systematisch zu
Werke. Einzelne Tiere und Patrouillen unternehmen weite Streifziige, um
zuriickzukehren, sobald sie reichhaltige Weidegriinde entdeckt haben. Als-
dann wandern die samtlichen Eichhornchen des Distriktes in grossen Ziigen
nach dem neuen Dorado aus, von ihren vier- und zweibeinigen Feinden, den
Marderarten, den Raubvogeln und Jagern, verfolgt. Sie schwimmen dabei
durch breite Fliisse, obgleich sie sonst das Wasser durchaus nicht lieben, unge-
zahlte Mengen gehen aber auf solchen Wanderungen zu Grunde. Die Tiere
werden meistens mit einer kleinen Biichsenkugel oder einem abgebissenen
Stiickchen Bleidraht und schwacher Pulverladung erlegt und fast stets in den
Kopf geschossen. um das Fell nicht zu beschadigen. Der Fang mit Fallen scheint
selten ausgeiibt zu werden, da wahrscheinlich die Tiere Fallen schlau zu ver-
meiden wissen. Doch soil an der Lena von den Bauern auch der Fang in Fallen
im grossen Massstabe ausgeiibt werden.
Eine ganz besondere Art der Eichhornchen bildet das sogenannte
Talahutky-Feh, das aus dem siidlichen Sibirien stammt. Es ist etwa um die
Halfte grosser als das gewohnliche sibirische Eichhorn, ganz hellgrau auf dem
Riicken gefarbt, und der dichte Schweif, der auch die doppelte Lange des ge-
wohnlichen Eichhornschweifes erreicht, ist ganz hellgrau, leicht mit dunkelgrau
meliert gefarbt und erinnert etwas an die Farbung des Dachshaares. Das Tier
ist verhaltnismassig selten, es kommen da von jahrlich hochstens 30 ooo Stuck
in den Handel. Da ich dasselbe in der Literatur noch nirgends beschrieben
vorfand, schlage ich dafiir den Namen Sc. Talahutky vor.
Im ganzen werden iiber 300 Eichhornchenarten wissenschaftlich be-
schrieben, doch ist es unnotig, darauf naher einzugehen, da die meisten fur den
Rauchwarenhandel ganz wertlos sind. Zahlreiche Art en kommen in Amerika
vor, wo die Tiere sehr haufig sind, doch werden auch dort die Felle wenig
verwendet. Es kommen jahrlich vielleicht 30 ooo amerikanische Eichhorn-
felle in den Handel, doch liessen sich leicht Hunderttausende, ja Millionen
liefern, da das Tier, dessen delikates weisses Fleisch an Hiihnerfleisch erinnert,
sehr viel gegessen wird, und die Felle dann weggeworfen werden. Im allgemeinen
sind sie nur zu Futtern verwendbar und ist das Leder etwas dick und schwer.
Am bekanntesten ist das Hudsonsbay Sqirrel, Sc. hudsonius, mit dem
Indianernamen ,,Chicaree" bezeichnet. Es ist im ganzen Norden soweit der
Wald reicht, verbreitet, von Labrador bis Alaska und geht siidlich bis New
York und Michigan. Das Tier hat ca. 12 cm Korperlange und ebenso langen
Schweif, ist rotlich grau, oft ins griinliche schimmernd, der Schweif ist hell-
grau und diinn behaart, so dass er nur fur Pinselzwecke in Betracht kommt.
XIII. Nagetiere. 587
Die Tierchen sind ungemein zahm und furchtlos, ihre Nahrung besteht aus
Samen und Knospen der Sprossentanne. In derselben Gegend kommt
das dunkler gefarbte Sc. petulans vor. Sc. niger lebt siidlich von New York,
hauptsachlich von Virginien bis Florida, ist schwarz bis braunschwarz und hat
einen grau mit schwarz gemischten Schweif , das ziemlich weich behaarte Fell
ist 30 cm lang, der Schweif ebenso lang. Sc. griseus lebt in Nordkalifornien,
Oregon und Washington. Korperlange ca. 28 cm, Schweif lange 30 cm, Riicken
blaugrau, Unterseite reinweiss, Schweif grauschwarz und weiss gemischt.
Sc. aberti von Arizona, Neu Mexiko und Kolorado ist oben grau mit braunen
Riickenstreifen, Unterseite reinweiss. Sc. douglassivon Oregon und Washington,
oben grau mit braunen Riickenstreifen, Unterseite rotlichgrau, Korperlange
ca. 18 cm. Schweif ca. 12 cm. Sc. carolinensis lebt in den Siidstaaten, grau
etwas rotlich meliert, unten hellweisslich grau, der diinne Schweif ist hell-
grau meliert. Es kommen auch melanotische (schwarze) Abarten vor, von
denen ein Exemplar im Berliner Zoologischen Garten ein schones Fell zeigt.
Sc. ludovianus ist auch auf dem Riicken schon schwarz, die Unterseite hell-
rotlich. Das Tier, dessen Korperlange ca. 20 cm und Schweiflange 25 cm be-
tragt, lebt am Mississippi und geht westlich bis Dakota und Montana.
Von dem zahlreichen asiatischen Feh ist ausser den oben erwahnten Arten
wenig fur den Handel brauchbar. Sehr schon ist aber das Fell des Riesen-
eichhorns, Sc. maximum, auch Malabareichhorn genannt. Der Riicken ist
schwarz, die Unterseite goldrotlich, der Kopf dunkelbraun. Das Fell ist dicht,
aber etwas grob, das Haar etwa 2 cm lang. Die Korperlange betragt etwa
35 cm, der 40 cm lange Schweif ist mit steifen schwarzen Haaren besetzt.
Das Tier bewohnt das siidliche Indien.und die Sunda-Inseln und wiirde, wenn
es in grosseren Mengen angebracht wiirde, ein wertvolles Pelzwerk lie fern.
Das gleiche gilt von dem zweifarbigen Eichhorn, Sc. bicolor aus Nepal, welches
ein dichtes, weiches Haarkleid besitzt, ca. 50 cm lang ist, wovon die Halfte
auf den Schweif kommt. Die Farbe ist dunkelbraun mit hellfarbigem Bauch.
2. Die Erdhornchen.
Sehr hiibsche Tiere, die auch fast gar nicht in den Handel kommen,
obgleich sie sehr schone Futter abgeben wiirden. Das Fell ist zwar diinn,
aber prachtvoll gezeichnet. Die Grundfarbe ist gelbrotlich, darauf eine Reihe
von dunkelbraunen Langsstreifen, die bei einzelnen Arten auch schwarz sind,
bei anderen mit hellgelben Streifen abwechseln. Es sind einige 20 Arten
allein in Nordamerika wissenschaftlich beschrieben, wovon ich nur lamias
striatus in Kanada und den Oststaaten von Georgia bis Minnesota, ferner
T. borealis in Kanada, Dakota und Montana, T. dorsalis an der Westkiiste,
T. quadrivitattus von Wiskonsin bis Britisch Kolumbia und im Hudsonsbai-
Gebiet, und T. minimus in den ,, Badlands" von Dakota und Wyoming er-
wahnen will, sowie T. lysteri aus New York, Vermont und Kanada. Die
588 Naturgeschichte der Pelztiere.
munteren, ungemein schlauen Tierchen, in Kanada und dem Norden der Ver-
einigten Staaten ,, Chipmunk" genannt, sind uberall recht haufig und be-
wohnen ganz Nordamerika von Mexiko bis zum Nelson und Churchill Rivr im
Hudsonsbai-Gebiet. Es wird ihnen nur wenig nachgestellt, nur wo sie auf den
Feldern grb'sseren Schaden anrichten, werden sie gefangen. Ungemein zahlreich
ist das Erdhornchen auch in Indien, wo es auch wenig gestort wird. Ich
habe dort tausende in der Umgegend von Delhi und Cawnproe ungescheut
iiber die Landstrasse laufen sehen. Das Fell ist gelbbraun mit drei weissen
Langstreifen, die durch dunklere Zwischenraume getrennt sind. Hin urid
wieder kommen einige tausend Felle an den Markt. So erhielt ich einmal
8000 Stuck, die trotz des diinnen Haares recht hubsche Futter gaben. Das
Fell ist ca. 12 cm lang, der buntfarbige Schweif ist ca. 8 cm lang. - - Auch
im nordlichen und zentralen Asien bis zum Amur kommt ein Erdhorncheh,
T. asiaticus, sehr haufig vor. In China habe ich aber keine gesehen.
Den Eichhornchen nahe verwandt sind
3. Die Flughornchen.
Im ostlichen Sibirien bis zum Amur und dem Ochotskyschen Meere und
auch auf Sachalin lebt das Flugeichhorn, Pteromys volans (?), hauptsachlich
in Birken- und Larchenwaldern, ein Tier von graugelbem Aussehen. Die
Unterwolle ist dunkelmausgrau, oben weisslich und an den Spitzen schwarzlich,
unten sind die Deckhaare in der unteren Halfte dunkelgrau, oben weiss oder
gelblich, der Schweif graugelb mit schwarzlichem Anfluge. Nach Radde er-
reicht das Tier eine Korperlange von 183 mm und eine Schwanzlange von
100 mm. Ich erinnere mich nicht, Felle dieser Art gesehen zu haben, dagegen
haufig die verwandten, in China vorkommenden Arten.
Zunachst Pt. yunanensis ( ?), chinesisch Fi Fu. Das Tier lebt in Kweichou
und dem nordlichen Yunnan und erreicht eine Korperlange von ungefahr
50 cm und eine Schweiflange von etwa 45 cm, ist also bedeutend grosser als
das oben erwahnte Pt. volans. Das Riickendeckhaar des Winterpelzes misst
etwa 25 mm, die Unterwolle ist schwarzgrau, das feine, seidenartige Deckhaar
ist dunkelschwarzbraun mit weissen oder gelblichen Spitzen (Silberspitzen).
Am Bauch und den Seiten sind die Deckhaare dunkelschwarzbraun ohne weisse
Spitzen, die Behaarung ist hier ausserst diinn. Der Schweif ist sehr buschig
und rund, es erreicht hier das Haar eine Lange bis zu 50 mm. Die Farbe ist
einfarbig dunkel, fast schwarz. Die Haut ist sehr diinn und zart, so dass das
wunderschone Pelzwerk, das sonst sicher einen hohen Wert hatte, in Europa
wenig Verwendung findet. Die Chinesen verwenden es zu Verbramungen.
Es kommen jahrlich in Hankow, Shanghai und Tientsin kaum 1000 Stuck
an den Markt, doch sollen in der letzten Zeit grossere Mengen geliefert werden,
die auch in den Welthandel gelangen.
XIII. Nagetiere. 589
Im Norden ist es durch eine andere Art ersetzt, Pt. melanopterus, die noch
etwas grosser ist und oft eine Korperlange von 60 bis 65 cm und eine Schweif-
lange von 50 cm erreicht. Die Deckhaare sind heller braunlich und die Spitzeri
mehr gelblichweiss als bei der vorher erwahnten Art.
Auch in Japan kommen Flughornchen vor, namentlich auf Kiuschiu,
Liu Kiu und den Bonininseln, Pt. leucogenys, die in der Grb'sse den Flug-
hornchen von Yunnan und Kweichau nahekommen. Soweit ich mich erinnere,
ist die Farbung heller, namentlich auf der Unterseite, auch hat das Fell wenig
oder gar keine Silberspitzen. Der Schweif ist dick, vollig fahlgraugelb. Ich habe
nur wenige Felle gesehen, von denen es mir gelang, eins fiir das Berliner
Zoologische Museum zu erwerben.
In Sudwest-China lebt Pt. xanthipes.
In Indien findet sich in alien Bergwaldern siidlich des Ganges bis Birma
und Ceylon Pt. oral, graubraun, langes Oberhaar, teils weiss gesprenkelt,
Riicken dunkelschwarzgrau, Fuss schwarz, Schweif schwarzbraun. Korper-
lange 49 cm, Schweif lange 60 cm.
In Kaschmir kommt Pt. inornatur vor. Korperlange 35 cm, Schweif 40 cm
beinahe einfarbig rotbraun. Steigt im Gebirge bis zu 10 ooo Fuss Meereshohe.
Ostlich von Nepal lebt Pt. magnificus, oben nussbraun, die Grannen-
haare mit weisser Spitze. Fellange 40 cm, Schweif 60 cm.
Pt. caniceps findet sich in Sikkim und Nepal. Farbe rotbraun, Riicken
dunkelbraun, Kopf grau.
Pt. punctatus, oben glanzend gelbbraun, Kopf dunkel, Riicken und
Schenkel mit unregelmassigen weissen Flecken gezeichnet. Das Tier, das in
Malakka lebt, ist kleiner wie die obigen Art en.
Samtliche Flughornchen leben ausschliesslich von Friichten. In der
letzten Zeit sind grossere Mengen von Schweif en unter dem Namen ,,fliegende
Hundeschweife" in den Handel gekommen und zu gedrehten Schweifen ver-
arbeitet worden. Auf regelmassige Zufuhren ist aber nicht zu rechnen.
Der eigentliche fliegende Hund, der fliegende Fuchs, Pteropus edulis und
Pt. edwardaesie, strameusete gehoren zu den Fledermausen. Obgleich sie ein
ganz brauchbares, zwar kurzhaariges aber dichtes, meist gelbbraun bis
rotlichbraun gefarbtes Fell haben, und in grossen Mengen ihres Fleisches
halber erlegt werden, kommen die Felle gar nicht in den Handel. Die
Tiere leben fast in alien Tropenlandern.
4. Die Murmeltiere.
Murmeltierfelle (englisch marmot, franzosisch marmotte, russisch
Bobac) sind jetzt einer der Hauptstapelartikel des Fellhandels geworden.
Noch vor 30 Jahren konnte manjsolche fiir 30 Pfg. das Stuck kaufen, jetzt
jst der Wert mehr als das zehnfache.
Naturgeschichte der Pelztiere.
Am gesuchtesten sind die Orenburger Murmel, die aus der Kirgisensteppe
kommen. Es ist dies entweder Arctomys bungei oder A. baibacina. Das Fell
hat eine Lange von etwa 50 bis 60 cm, die Farbe ist vorwiegend hellrostgelb,
die Spitzen der Grannenhaare leicht dunkelbraunlich gefarbt. Die Unterwolle
ist hellgelb, ziemlich dicht und das Oberhaar glanzreich. Die Tiere leben in der
Kirgisensteppe und kommen hauptsachlich in Orenburg auf den Markt, daher
der Name. Sie bevorzugen leichten sandigen Boden und konnen, wie fast alle
Murmeltiere, das Wasser leicht entbehren, der Nachttau auf den Grasern
geniigt ihnen. Sie sind ungemein gesellig und die hohen Kegel ihrer Bauten
bilden grosse Ansiedlungen wie die Stadte der amerikanischen Prariehunde.
Alte Mannchen halten auf diesen iiber die Umgebung der flachen Steppe
aufragenden Bautenhiigeln Wache und warnen mit schrillem Pfiff die lustig
spielenden jungeren Elemente und die emsig Nahrung sammelnden Haus-
frauen der Siedlung, wenn Gefahr naht. Und Feinde haben die harmlosen
Tiere geniigend. Regungslos harrt der Wolf, oft stundenlang hinter einem Bau
verborgen, bis es ihm gelingt, ein unvorsichtiges Tier zu fangen. Fuchs, Harder
und Dachs holen sich ihre Opfer und in der Luft kreisende Adler und andere
Raubvogel benutzen jede Gelegenheit, um einer Ubervolkerung vorzubeugen.
Der schlimmste Feind ist aber der Mensch, der ihnen sowohl des Felles, als
des von den Kirgisen und Sibiriaken sehr geschatzten fetten Fleisches
halber nachstellt.
Der Bau ist stets sehr geraumig mit grossem Kessel, der warm und behag-
lich mit Heu ausgepolstert ist. Verschiedene lange Rohren sorgen fur die
Sicherheit der Insassen. Im Spatherbst zieht sich die ganze Familie zuruck
und verstopft sorgfaltig alle Ausgange der Rohren mit Steinen, Gras und Lehm.
Dieser zum Verstopfen dienende Propfen soil oft 3 bis 4 Fuss Lange erreichen.
Dann gibt sich alles, dicht aneinander geschmiegt, dem Winterschlaf hin.
Im Fruhjahr lockt die warme Sonne die ganze Bevolkerung wieder aus
den Bauten und gierig wird das junge Gras abgeweidet. Die Nahrung be-
kommt ihnen aber haufig schlecht, es treten Durchfalle ein, die allgemeine
Wachsamkeit erschlafft. Beim Verlassen der Baue sind die Murmel so fett
wie im Herbst, magern aber schon nach einigen Tagen stark ab. Dies ist der
Zeitpunkt, wo der Jager seine Hauptbeute macht.
Die ersten Felle kommen im Juni in Orenburg an den Markt, wo sie bereits
von Aufkaufern meist fur deutsche Rechnung aufgekauft werden. Der Rest
kommt auf die Messe nach Nishnij, wo die Felle aber meist nicht mehr so gut
in Qualitat sind wie die ersten Sendungen.
Die besten Felle kommen aus der Orsker Gegend und erkennt man diese
daran, dass das Fell beim Trocknen sehr in die Lange gezogen und deshalb
lang und schmal gestreckt ist. Die Felle sind stets in Ballen von 500 Stuck
gepackt und enthalten einen bestimmten Prozentsatz Schuss, meist ca. 10 Proz.,
und einen bestimmten Prozentsatz kleiner Felle von jungen Tieren, soge-
nannten Miindeln, die meist zwei fur ein Fell gerechnet werden. Aber wahrend
XIII. Nagetiere.
591
sonst diese kleinen Felle sehr ungern genommen wurden, sind sie jetzt sehr
beliebt und kostet das rohe Fell augenblicklich ca. 2 Mk., wahrend die aus-
gewachsenen Felle ca. 3,75 Mk. bringen. Noch im Jahre 1909 kosteten Oren-
burger Murmel ca. 1,80 Mk., wahrend vor zehn Jahren der Preis etwa 80 Pf.
und vor 20 Jahren ca. 40 Pf. betrug. Es kommen jetzt etwa iy2 Millionen
Orenburger Murmel in den Handel.
Zahlreicher sind die Beisky-Murmel, die ihren Namen davon haben, dass
sie hauptsachlich iiber die Stadt Bijsk in der Nahe von Tomsk in den Handel
kommen. Es ist dies wahrscheinlich Arctomys sibirica. Die Tiere sind grosser
als die vorigen und die Farbung anders. Das Oberhaar ist kiirzer und weniger
dicht und auch die graugelbe Unterwolle nicht so dicht. Man unterscheidet
Orenburger Murmel (Arctomys bungei).
nach der Farbe blaue und gelbe. Die letzteren, die in der Far be den Oren-
burgern ahnlich sind, aber deren Haar harter und weniger glanzreich ist, sind
Fruhjahrfelle, wahrend die blauen, welche auf graugelbem Untergrunde
dunkle Grannen mit schwarzlichen Spitzen zeigen, spater im Herbst gefangen
sind. Die Hauptjagdzeit fur diese Tiere ist nicht das Fruhjahr, wie bei den
Orenburgern, sondern der Herbst und kommen die ersten frischen Sendungen
im Dezember in Moskau an den Markt. Die Hauptmenge dann auf die Messe
zu Irbit. Im ganzen kommen etwa 2% Millionen Felle jahrlich an den Markt,
die stets etwa 10 Proz. billiger sind als Orenburger. Meist werden dieselben so
gehandelt, dass 60 Proz. blaue und 40 Proz. gelbe zusammen genommen werden
miissen, doch wechselt dieser Prozentsatz haufig. Auch in Beiskys sind die
Miindel augenblicklich beliebt er als sonst.
Sehr nahe verwandt sind die aus China kommenden Murmel. Zunachst
kommen aus der Mongolei Murmel, die fast genau so gefarbt sind wie die
Beisky, auch ebenso gross sind, aber flacher im Haar. Der gegenwartige Preis
XI. Verwandte der Barenarten.
ist ca. 2 Mk. Vielfach kommen diese Felle iiber Russland auf den Markt unter
dem Namen Sabaikalski, d. h. von jenseits des Baikalsees.
Sehr schone Felle, die den Beisky in Qualitat nur wenig nachgeben und
auch meist dunkel in der Farbe sind, liefert die Mandschurei unter dem
Namen Newchang-Murmel. Sehr viel geringer sind die chinesischen Murmel,
die aus den Provinzen Kansu, einem Teil des nordlichen Shansi und der
Mongolei vorkommen. Sie sind meist gelblich mit nur schwachen braunlichen
Spitzen und enthalten stets eine grossere Menge sogenannter wirblicher
Felle. Der chinesische Name aller Murmel ist Fukju oder Hoe Fah. Im ganzen
kommen jahrlich etwa eine halbe Million in den Handel, bis vor kurzem
stets iiber Tientsin oder Shanghai, jetzt werden sie aber schon am Ursprungs-
orte zum grossen Teil von russischen Handlern aufgekauft und kommen iiber
Russland auf den Weltmarkt. Es sind ganz bestimmte feste Handelswege,
auf denen die Murmelfelle jetzt auf den Weltmarkt gelangen. Die Felle
aus der Mandschurei teils nach Siiden nach Nerchwang, teils nach Norden
iiber Charbin und Manschurin auf der grossen sibirischen Bahn. Die Felle
aus der ostlichen Mongolei gehen aus dem nordlichen Teile iiber Chailas und
Werschne Udnisk auf der sibirischen Bahn, aus dem siidlichen nach Kalgen.
Aus der centralen Mongolei gehen Murmel iiber Urga nach Maimatchin
Viechto in Sibirien. Die Felle aus dem Teil der Mongolei westlich von Kobdo
kommen als echte Breisky nach Bijsk. Die Orenburger Felle gehen iiber
die Markte von Orenburg, Orsk, Akmolinsk, Petropowlowsk etc. nach
Tscheljabuisk, dem Knotenpunkt der Taschkent und sibirischen Bahn. Auch
die chinesischen Murmeltiere sind ausgesprochene Steppenbewohner.
Ein gleiches gilt von dem grossten Murmeltier, dem sogenannten Tarba-
ganer Murmel, einer eigenen Art. Die Farbe ist ahnlich wie beim Orenburger,
gelb mit ganz leichter braunlicher Farbung der Grannenspitzen. Die Unter-
wolle ist aber viel dichter und die Grannen viel langer und dichter als bei
diesen. Es gibt jahrlich etwa 100 ooo Felle, die aber augenblicklich nicht
so beliebt sind wie die anderen Sorten. Die Tiere leben im Altaigebirge sowie
dem Alan Tan und zeigen schon durch die Lange und Dichte der Haare, dass
sie ein Gebirgstier sind. Ihren Namen haben sie wahrscheinlich nach der Stadt
Tarbacan, doch werden die auf Kamtschatka und dem nordostlichen Serbien
vorkommenden Murmel ebenfalls Tarbagan genannt, ein Wort, das der
tiirkischen Sprache entstammt. In der letzten Zeit hat sich auch gezeigt,
dass die mongolischen und mandschurischen Murmeln ebenso wie die Ratten,
Verbreiter der Pestbacillus sind, der dann auch das Ungeziefer, welches das
tote Tier sofort verlasst nach anderen Murmeln und auch auf den Menschen
iibertragt. Am Fell haftet aber der Bacillus nicht, da er in trocknem Zu-
stande schon nach ganz kurzer Zeit zu Grunde geht.
Alle diese Murmelfelle werden in Deutschland zugerichtet und vorziiglich
nerz- oder zobelartig gefarbt und liefern eine sehr gute und beliebte Imitation.
Es werden daraus sowohl Jacketts und Paletots, als Stolas und Muff en gefertigt.
XIII. Die Nagetiere. 593
Es gibt nun noch eine ganze Reihe von Murmeltieren, die bis jetzt im
Handel fast gar nicht vorkommen. So wimmeln die Hochtaler und Gebirgs-
hange Tibets von Murmeltieren, die dort die Hauptnahrung der zahlreichen
Baren bilden. Meister Petz versteht es, die Tiere auch wahrend des Winters
aus den Bauten auszugraben. A. himalayanus findet sich bis zu 14 ooo Fuss
Meereshohe, ist gelb, auf der Oberseite stark mit schwarz gemischt, Lange
des Felles ca. 50 bis 60 cm, Schwanzlange ca. 15 cm. Auf den Hochplateaus
finden sich noch grosse Kolonien dieser Tiere, deren Fell der hohen Lage
entsprechend, auch recht dick und voll ist. Daneben kommt noch ein anderes
grosses Murmeltier vor.
A. robustus. Es bewohnt vorzugsweise das nordliche und ostliche Tibet
und soil dem Orenburger ahnlich sein.
In Sikkim und Buthan lebt zahlreich ein kleines Murmeltier, A. hod-
gsoni, das nur 30 bis 40 cm Korperlange und einen 12 cm langen Schweif
besitzt. Die Farbung ist ahnlich, der Riicken aber dunkler. In den tieferen
Talern Kashmir s findet man A. caudatus. Orangefarbig bis gelblich mit
schwarzlichem Riicken. Der Schwanz misst 25 cm, das Fell 50 cm. Schweif
ist gelb mit schwarzer Spitze.
In Kamtschatka und dem nordostlichen Sibirien bis zur Tschuktschen
Halbinsel lebt sehr zahlreich ein Murmeltier, A. camtschatica, welches der Be-
schreibung nach dem Tabarganer Murmel ahnlich sieht. Im Handel kommen
solche bisher nicht vor, ebenso wenig, wie die gleichfalls im nordlichen Ost-
sibirien lebenden A. diftoni. In Japan kommt keins der genannten Murmel-
tierchen vor, doch lebt in den Gebirgen Hondos eine Art Alpenmurmeltier,
dessen Felle in den Badeorten und Tourist enplatzen, wie z. B. Nijkko und
Myanoshita zu Pantoffeln und allerhand kleinen Andenken verarbeitet, an-
geboten werden. Fur den Pelzhandel haben sie keine Bedeutung. Ahnlich
ist das europaische Alpenmurmeltier, A. marmotta, das ca. 50 cm Korperlange
und 12 cm Schweiflange hat. Die Farbung ist graugelb bis braungelb, auf dem
Kopf haben die braun und schwarzgeringelten Grannenhaare weisse Spitzen ;
Nacken, Rumpf und Unterleib sind rotlich braun. Das drollige Geschopf be-
wohnt ausschliesslich die Matten und die Steinwiisten unterhalb der Schnee-
grenze. In tiefgegrabenen Hohlen verschlaft es mindestens 8 bis 9 Monate
des Jahres, wahrend es im Somemr lustig umherspielt, dabei aber ausserst
wachsam, auch wahrend des Aesens, und ist daher schwer zu beschleichen.
Die Jagd mit der Flinte bietet daher wenig Erfolg, doch wird ihm erfolgreich
mit Fallen nachgestellt, namentlich im Herbst, wenn die Tiere fett sind.
Murmeltierbraten ist namentlich in der Schweiz sehr beliebt. Das Fell kommt
nicht in den Welthandel, wird aber lokal zu Ranzen, Jagdtaschen, Miitzen usw.
verarbeitet. Das Fett gilt als Medizin. Durch die Nachstellungen ist das Tier
in den Alpen recht selten geworden, wird aber jetzt in verschiedenen Kantonen
geschutzt. Auch auf den Bannbergen, auf denen seit einer Reihe von Jahren
jede Jagdausiibung verboten ist, finden sie noch eine Zuflucht. Haufiger sind
38
594 Naturgeschichte der Pelztiere.
die Murmeltiere noch in den Karpaten und Pyrenaen, auch im Rhonetal.
Friiher wurden die gefangenen Jungen haufig aufgezogen und gezahmt und
dann von herumziehenden Savoy ardenknaben gezeigt. Jetzt hat dieser Er-
werbszweig wohl fast ganz aufgehort.
Sehr stark verbreitet in nordlichsten Teilen von Nordamerika sind ver-
schiedene Murmeltierarten, die sich sehr gut zu Pelzzwecken eignen wurden,
bisher aber im Handel keine Rolle spielen. Am bekanntesten davon ist
A. monax, groundhog oder wie er in Kanada genannt wird, ,,woodschuck", das
in den Auktionen der Hudsonsbay Company unter dem Namen ,,Wheenusk"
bekannt ist, ein Name, der ihm von den Cree-Indianern beigelegt ist. Das Tier
hat eine Korperlange von etwa 40 cm mit ca 10 cm langem Schweif, die Farbe
ist ahnlich dem Griesfuchs, die Grundfarbe ist rostfarben, darin sind schwarze
und weisse Grannenhaare zerstreut. Die ziemlich dichte Unter wolle ist dunkel.
Am Bauch fehlt die Unterwolle fast ganzlich und die diinnen steifen Grannen-
haare sind rotlich. Das Tier lebt im Hudsonsbai-Gebiet bis zum Yorkfort-
distrikt, in Kanada und in den Vereinigten Staaten von New York bis Dakota.
Es bringt jahrlich 8 bis 10 Junge, frisst alle Arten Wurzeln und Pflanzen und
grabt sich Hohlen oder benutzt Wurzelhohlungen zu seinem Lager. Es kommen
jahrlich nur etwa 1000 Felle in den Handel, die augenblicklich vielleicht
i Mk. Wert haben, es ware aber geniigender Absatz vorhanden und konnten
eventuell auch grossere Quantitaten geliefert werden, wenn die Trapper sich
mit dem Fange befassen wurden. In Labrador wird es durch eine Abart
A. monax ignavus ersetzt.
Nordlich vom Polarkreis lebt A.canadensis, einMurmeltier, dessenFell etwa
25 cm lang ist, mit dichtem, langem, dachsahnlichem Oberhaar und heller,
dichter Unterwolle. Es wird auch haufig Pfeifhase oder ,, whistler" genannt.
Exportiert wird das Fell garnicht, doch verwenden es die Indianer haufig zu
Pelzrocken. Auch dies konnte ein nicht unbedeutender Handelsartikel werden.
In Alaska bis Washington-Teritor so wie im Hudsonsbay- Gebiet lebt noch
A. pruinosus, etwas grosser als die anderen Arten, die Farbung des Riickens
und der Unterseite ist grau, der hintere Teil des Riickens gelb und schwarz
meliert. In den Rocky Mountains von Britisch Kolumbia bis Kalifornien und
auch bis nach Texas lebt A. jlaviv enter, ein ziemlich kleines Murmeltier,
gelblich braun mit grau gemischt, Unterseite rotlichgrau, in Sud-Dakota A.
dacota, in British Columbia A. avarus, in den Olympic-Bergen A. olympus.
5. Der Ziesel.
Kommerziell ausgenutzt wird fast nur der gewohnliche europaische
Ziesel oder Suslik, Spermophillus citillus, welcher Russland, Osterreich-Ungarn,
Polen bewohnt und in den letzten Jahren auch nach Ostdeutschland vor-
gedrungen ist, nicht gerade zur Freude der ackerbautreibenden Bevolkerung,
denn das Tierchen richtet, wie der Hamster, grossen Schaden an, weniger am
XIII. Die Nagetiere.
Getreide als durch Fressen der Pflanzenwurzeln und durch seine Wiihlarbeit.
Das Fell des Suslik ist 15 bis 20 cm lang, gelbbraunlich, die Grannenhaare
weisslich geringelt, an den Seiten rotlich. Das Haar ist kurz und nicht sehr
dicht. Die Felle werden in Russland zu Futtern zusammengestellt, Suslik-
oder Kaluga-Sacke genannt, und schwankt der Preis fur einen solchen Sack
zwischen 5 bis 12 Mk. Augenblicklich ist die Ware nicht sehr gesucht. In
Jahren, wo solche Futter gesucht sind, mogen wohl eine Million Zieselfalle
verarbeitet werden.
In Siidrussland kommt noch daneben eine andere Zieselart vor, Sp. fulvus
sowie im Kaspischen Gebiet, die aber viel grosser ist als die anderen. In
Transkaspien kommt Sp. leptodactylus haufig vor. In Sibirien und Zentral-
asien, von Kasan bis Orenburg und nordlich bis zum 60. Breitengrade lebt
Sp. rufescens, der mehr rotlich in der Grundfarbe ist, mit dunklerem Riicken,
Leopardenziesel (Ictomys tridecimus) .
wahrend in der Mongolei, Siidost- Sibirien und Nord-China Sp. dauricus und
Sp. mongolicus haufig sind, im Handel aber bisher nicht vorkommen.
Im siidlichen Russland findet sich der niedliche Perlziesel, Sp. guttatus,
das auf gelblichem Grunde mit zahlreichen kleinen weissen Flecken geziert ist.
Alle Ziesel sind muntereTiere, deren Beobachtung, wie sie beim Bau spielen,
Mannchen machen und sich beschaftigen, viel Vergniigen bereitet. Er wird
in der Gefangenschaft schnell zahm und bildet dann ein liebenswiirdiges an-
hangliches Stubentier. Das Fleisch soil sehr wohlschmeckend sein, ahnlich
wie Huhnerfleisch, wird aber nur in Sibirien viel gegessen. In Europa essen es
ausser Zigeunern nur ganz arme Leute. Die Tiere graben tiefe Baue mit zahl-
reichen Rohren, und speichern im Herbst betrachtliche Vorrate an Wurzeln,
Gemiisen, Beeren, Hulsenfriichten usw. auf, die sie in den Backentaschen
herbeischleppen und halten dann Winterschlaf. Bei anhaltender nasser
Witterung gehen sie aber zu tausenden zugrunde.
Nordamerika beherbergt gleichfalls zahlreiche Spermopbilus-Arten, von
denen ich aber nur Sp. parryi besonders hervorheben will. Das Tier lebt an der
Kiiste der Hudsonsbay bis Fort Churchill im Siiden und den Barrengrounds.
Nacken, Seiten, Brust und Bauch dunkel bleifarben mit hellrotlichen Spitzen.
38*
5Q6
Naturgeschichte der Pelztiere.
Beine und Hals tief rotlich. Der Rumpf schwarz gesprenkelt, der Riicken
gelbbraun mit schwarzen Haaren, die dunkle Flecken bilden. Das Fell wird von
Indianern viel verwendet, kommt aber nicht in den Handel.
Ichtidomys tridecunlineatus, der Leopardenziesel, der irn Mississippitale haufig
ist, wurde mit seinem Mbsch gezeichneten Fell ein gutes Material fiir Pelzfutter
abgeben, kommt aber ebenfalls im Handel nicht vor.
Der Prariehund, Cynomys ludovicianus, ist einer der charakte-
ristischsten Bewohner der nordamerikanischen Prarien. Bisher gelangte das
Tier nirgends in den Handel, aber seit zwei Jahren ist von seiten der ameri-
kanischen Regierung ein Vernichtungskrieg gegen diese Tiere er off net worden,
da sie der intensiveren Bewirtschaftung der Prarien, die ja jetzt in Weizenland
umgewandelt werden, hindernd im Wege stehen. Es sind seit dieser Zeit liber
Gesch. Spezialaufn. d. Neuen Phot. Ges.
Prariehnnde (Cynomis . ludovicianus ) .
3 Millionen dem totlichen Strychnin zum Opfer gef alien. Es ist aber schade,
dass die Felle garnicht benutzt werden und sollte seitens der amerikanischen
Interessenten darauf hingewirkt werden, dass die getoteten Tiere abgestreift
werden und dann die Felle dem Handel zuganglich gemacht werden, wozu
sie gut geeignet sind.
Das Tier ist etwa 35 cm lang, wozu noch der 7 m lange, dicht behaarte
buschige Schweif kommt. Die Oberseite ist hell rotbraun mit grau und
scbwarzlichen Haaren gemischt. Die Unterseite gelblich weiss. Der Kopf
ist sehr breit und kurz, der Korper gedrungen und jeder Reisende, der die
Prarien durchzogen, weiss iiber die Prariehunde zu berichten.
Meilenweit ziehen sich oft die ,,Stadte" dieser Tiere hin und die Hiigel,
XIII. Die Nagetiere. 597
die sich iiber jedem Bau befinden, fassen eine Wagenladung Erde und sind
stets nur einige Meter von einander entfernt.
Die Ansiedelungen befinden sich stets an Stellen, wo ein kurzes feines Gras
(Sesberne dactyloides) wachst, das nebst Wurzeln ihre einzige Nahrung bildet
Wasser bediirfen sie nicht, ebenso wie die asiatischen Murmeltiere, begniigen
sie sich mit dem Nachttau auf den Grasern. Im Spatherbst fallen sie in Winter-
schlaf . Sehr amiisant ist das Treiben in einer solchen Ansiedlung zu beobachten
wenn es gelingt sich unbemerkt heranzuschleichen. Auf jedem Hiigel sitzt eins
der alten Tiere, wahrend andere unterwegs sind um dem Nachbarn Besuch
abzustatten und sich schweifwedelnd neben ihn zu setzen. Andere scheinen
zwecklos gemeinschaftlich spazieren zu gehen, wahrend die j linger e Generation
sich im munteren Spiel tummelt. Den Namen ,, Prairie dog" gaben ihm die
Trapper wegen seiner bellenden Stimme, doch gehoren die Tiere durchaus zu
den Murmeltieren. Ihr Verbreitungsbezirk reicht von den heissen Ebenen Neu-
Mexikos bis zu den Prarien am Saskatchewa, und noch in Alaska sollen Ver-
wandte leben, doch fehlen sie in den mit ,,Sage brush" bestandenen Prarien
ganzlich. Merkwiirdig ist die verbiirgte Tatsache, dass in den Bauten der
Prariehunde stets sehr zahlreiche Erdeulen und Klapperschlangen leben,
die sich nach zuverlassigen Beobachtern sehr gut mit einander vertragen. Das
Fleisch der Prairiehunde soil sehr wohlschmeckend sein, doch sind sie mit dem
Gewehr schwer zu erbeuten, da sie trotz aller anscheinenden Vertrautheit
sehr wachsam sind, und bei geringstem Anschein von Gefahr sofort im Bau
verschwinden. In der Gefangenschaft halten sie sich gut, sind aber nicht haufig
in zoologischen Garten anzutreffen. Die Exemplare des Berliner Zoologischen
Garten bekommt man fast nie zu Gesicht, da sie sich dort tagsliber in ihrer
unterirdischen Hohle aufhalten.
6. Die Biberarten.
Der Biber war f rimer das Hauptobjekt des Pelzhandels in Amerika.
Schon bei der ersten Auktion der Hudsonsbay Company im Jahre 1672 am
24. Januar wurden 3000 Pfund Biberfelle aufgelegt und mit 36 bis 55 sh pro Ib
verkauft. In den spat er en Jahren schwankten die Qualitaten und die Preise
sehr stark. Bei dieser ersten Auktion waren iibrigens der Prince of Wales, der
Duke of York (nachmals Konig James II.), der Dichter Dry den und zahl-
reiche andere hohe Herren anwesend.
Die Biberfelle wurden damals hauptsachlich zu Filzhiiten verarbeitet,
wozu nach englischem Sortiment die Parchment-Beaver verarbeitet wurden;
die anderen waren Coatbiber genannt, eine Einteilung, die nebst dem Verkauf
nach Gewicht, noch bis weit in das 19. Jahrhundert reichte. Erst um 1850
herum wurden die Biberfelle in Europa in grosseren Mengen zu Pelzzwecken
verwendet. Nur in Russland und in China hatte man schon friiher die schonen
Felle zu Pelzwerk verarbeitet. So gingen schon zu Ende des 17. Jahrhunderts
598 Naturgeschichte der Pelztiere.
die schwarzen Biberfelle als Castor de Muscovie von Kanada nach Russland,
wahrend nach China iiber Moskau und Kiachta grosse Quantitaten gingen,
so z. B. kamen in den Jahren 1817 bis 1819 nach Kiachta 19 ooo Biberfelle aus
Amerika, 1841 bis 1843 30 827. Heute kommen fast gar keine mehr dahin.
In Kanada teilte man, wie schon bei der Geschichte des Rauchwarenhandels
erwahnt, die Biberfelle nach folgenden Klassen ein. Am wertvollsten waren
die weissen Biber, die in den Kontoren der franzosichen Kompanie mit 18 Fr.
pro Pfund bezahlt wurden, dann die schwarzen C. de Muscovie, die 6 Fr.
kosteten. Zu Filzzwecken kamen zuerst die C. gras, die schon ganz abgetragen
und mit Fett getrankt waren und 4% Fr. bis 6 Fr. holten, dann die C. semi gras
und zuletzt die frischen Felle C. sec, die nur 2l/2 Fr. brachten. Sowohl die
Quantitaten wie die Preise schwankten sehr stark. So kamen z. B. bei der
Hudsonsbay Company in den Jahren 1720 bis 1730 jahrlich 50 bis 60 ooo
Biber zum Preise von 4 bis 8 sh. pro Ib. ; am 20. Dezember 1740 verkaufte die
Hudsonsbay Company 12 320 Parch ment-Biber a 6/2 pro Ib., 5460 Coatbiber
a 5/3 und 3690 Cubs a 6/2, ausserdem noch 3640 alte und beschadigte Parch-
ment-Biber.
Am 17. November 1743 kamen aber 59 800 Coatbiber a 4/8, 780 be-
schadigte a 4 sh., 9520 Parchment a 5/2 und 4070 Cubs, 4760 beschadigte
Parchment und 1640 beschadigte Cubs. Zu gleicher Zeit waren aber von Kanada
aus nach Rochelle gebracht 15 ooo Coatbiber und 112 080 Parchment-Biber.
1793 brachte die Hudsonsbay Company 4724 Coats und 42 242 Parchment-
Biber nach London, wahrend im gleichen Jahre die Nordwest Company
116 ooo Biber nach London schickte und von den Vereinigten Staaten
ca. 60 ooo Stuck kamen. So holten im Jahre 1814 die 462 Coat- und 17 356
Parchment-Biber der Hudsonsbay Company 58 sh. pro Ib. Von anderer Seite
kamen in diesem Jahre noch 70 ooo Biber nach London. 1824 kamen von der
Hudsonsbai 78 ooo Biber, von den Vereinigten Staaten aber nur 2616 Stuck.
1829: 30 248 Hudsonsbai, von Amerika 9300 Biber im Werte von 10 bis 45 sh.
pro Ib. 1844 kamen von der Hudsonsbay Company 409 Coat und 38 252
Parchment, wahrend bei Lampson nur 151 Stuck und bei anderen ameri-
kanischen Brokern 6000 Stuck kamen. 1863 waren von der Hudsonsbai 113 915
Biber, wovon 18 ooo, die aus den Nordwestgebieten in der Herbstauktion
von Amerika kamen 21 880. Der Preis war von 1/6 bis 16 sh. pro Stuck oder
3/2 bis ii /3 pro Ib. 1875 waren bei der Hudsonsbay Company 270 903 Biber
im Werte von 273 905 Pfund Sterling, bei Lampson 65 941 Stuck im Werte
von 48 647 Pfund.
Diese Quantitaten haben langst stark nachgelassen. So kamen z. B. im
Jahre 1909 bei der Hudsonsbay Company 33 ooo, bei Lampson 27 ooo und
Nesbitt 3000. Der Durchschnittswert fur die grossen Felle war etwa 35 Mk.,
fur die kleinen 16 Mk. pro Stiick. Das Biberfell gait Jahrhunderte lang im
Hudsonsbai- Gebiet als Wertmesser, bis die zunehmende Kultur seit etwa
40 Jahren auch hier die Geldwirtschaft einfiihrte. Wir brachten in eincr
XIII. Die Nagetiere.
599
friiheren Abteilung (Handel und Verkehr) zwei Tarife der Hudsonsbay
Company aus dem Jahre 1733 und 1863.
Nach dem ersten galten im Mooseriver Fort und Tt. Albany V2 Ib. Glas-
perlen i Biberfell, ebenso i1/, Ib. Schiesspulver oder 2 Pfund Zucker oder
5 Pfund Schrot. i Hut fur Manner gait 3 Biberfelle, i Paar Hosen 3 Biber ;
3 Zobelfelle waren gleich i Biber, 2 Ottern oder i Fuchs gleich i Biber.
i Barenfell gait 2 Biber und i Pfund Bibergeil gleich 21 Biberfellen. 1863
wurde eine Flint e gleich 20 Biberfellen gerechnet, i Kupferkessel gleich
1 6 Biber, i Biberfell gait gleich i Mass Pulver oder 18 Kugeln oder 10 Feuer-
Canadische Biber im Urwald.
steinen oder i Feuerstahl, i kleiner Spiegel oder i Tabaksbeutel mit Brennglas
gleich falls i Biberfell, i Paar Hosen 9 Biberfelle.
Der amerikamsche Biber, C. canadensis, bewohnt vorzugsweise die nord-
lichen Gegenden, soweit der Wald reicht. Das Fell ist 60 cm bis i m lang
(der Schwanz ca. 20 cm lang, 10 cm breit und 2 cm dick), mit einer dichten,
blaugrauen Unterwolle, die etwa i bis iV2 cm lang ist, an den Seiten und dem
Bauch hell und dicht, auf dem Riicken dunkler und etwas loser.
Die dichten, harten Grannenhaare, die meist rotlich und 5 bis 6 cm lang
sind, werden mittelst eines scharfen Messers ausgerupft (tiefgeschoren). Die
dunklen Felle, aber die zu Herrenkragen verwendet werden, werden nur zur
Halfte geschoren (hochgeschoren) . Die schonsten und dunkelsten Felle kommen
aus Labrador unter der Bezeichnung L. W. R. (Little whale River) und Fort
George (F. G.), dann E. B. (Eskimo-Bai), E. M. (Eastmaine), ferner aus dem
600 Naturgeschichte der Pelztiere.
Mooseriverdistrikt M R. Die meisten dieser Felle sind dunkel, fast schwarzlich.
Der Yorkfort-Distrikt Y. F. liefert gute, aber mil rotlichem Oberhaar ver-
^sehene Felle. Vom Mackenzie-River (MKR.) kommen helle Felle, die meist
*etwas langlich sind. Aus Kanada kommen auch schone Felle. In den Ver-
einigten Staaten gehoren die aus den ostlichen und zentralen Staaten stammen-
den Felle derselben Biberart an. Im Wseten tritt eine andere Biberart auf,
C. -pacijicus, deren Verbreitungsbezirk von Kalifornien nach Alaska reicht,
grosse, hellgefarbte Felle. In Alaska war sie fruher recht zahlreich, ist
aber jetzt fast ganz verschwunden. Im Gebiete von Britisch Kolumbia und
von Oregon wurden die Felle in ganz eigenartiger Form, fischartig geformt,
aufgespannt, woran diese Provenienz gleich zu erkennen ist.
In Wyoming und Montana lebt C. fondator, ein kleinerer, aber viel
dunklerer Biber; besonders die Felle aus Montana zeichnen sich durch die Art
der Behandlung aus. Die trockenen Felle sind fast kreisrund gespannt. In
Texas kommt C. taxensis vor, in den Siidstaaten lebt ein Biber, C. carolinensis,
der bedeutend grosser ist als C. canadensis, C. canadensis, dessen Unterwolle
aber bedeutend diinner ist und der sehr rotliches Oberhaar hat. Besonders
auffallig ist der Schweif des Bibers der, flach mit Schuppen statt der Haare
bedeckt, einem Fisch gleicht, weshalb auch der Biber in katholischen Landern
als Fastenspeise gestattet war. Das Fleisch des Biberschwanzes gilt als
grosse Delikatesse, auch das Fleisch des Bibers selbst soil recht wohl-
schmeckend sein, so dass es bei den Jagern der Hudsonsbay Company als ein
Leckerbissen gait.
Die Biber begatten sich im Januar und Februar und werfen im April bis
Mai 5 bis 8 Junge, die blind geboren werden. Wahrend des ersten Jahres
bleiben sie bei den Eltern, um dann zur Grundung eines eigenen Haushaltes
zu schreiten; doch bleiben auch diese verwandten Familien meist zusammen,
eine Kolonie bildend.
Diese Kolonien waren fruher haufig recht zahlreich, aus mehreren hundert
Individuen bestehend; jetzt gibt es kaum irgendwo so starke Ansammlungen.
Ansiedlungen von 20 bis 30 miissen schon als grosse bezeichnet werden. Gerade
in diesen Kolonien zeigt sich die hohe Intelligenz der Tiere, nicht nur in den
kunstvollen Bauten, die sie auffuhren, sondern in dem gemeinsamen Arbeiten
nach einem bestimmten Plan. Gewohnlich wird ein Bach oder kleines
Fliisschen mittelst eines aus Baumstammen und Schlamm hergestellten
Dammes abgedammt, so dass eine Wasseraufstauung entsteht und die eben
falls aus Baumstammen und Schlamm errichteten kegelformigen Biber-
wohnungen umgibt, die oft mehr als i m hoch aufragen und unter Wasser-
zwei Ausgange besitzen. Sowohl der Damm wie die Aussenseite der Biber-
bauten sind kunstvoll geglattet, wahrend es wohl als Fabel zu betrachten ist,
dass der Biber zum Glatten seinen Schwanz benutzt. Wahrscheinlich geschieht
dies durch Anpressen des ganzen Korpers. Dagegen benutzt der Biber den
Schwanz als Alarmsignal, indem das gewohnlich als Wache ausgestellte Tier
XIII. Die Nagetiere. 6oi
damit laute Schlage auf den Erdboden gibt, worauf alles in den Bauten ver-
schwindet.
Das Fallen der Baume und das Zerteilen derselben in handliche Stiicke
geschieht mittelst der grossen scharfen gebogenen Schneidezahne, von denen
der Biber je zwei im Ober- und Unterkiefer besitzt. Mittelst derselben werden
Stamme bis zu 6 Zoll Durchmesser gefallt und zwar so glatt durchschnitten,
als wenn eine Sage angewendet wiirde. Die Rinde, welche den Tieren als
Hauptnahrung dient, wird in langen Streifen sorgfaltig abgeschalt. Die
Stamme werden dann von den Tieren schwimmend an Ort und Stelle geflosst.
Eine Biberkolonie richtet haufig grosse Waldverwiistungen an, weshalb sie sich
auch mit der modernen Forstkultur nicht vertragen. Aber nicht allein dies
ist der Grund des allmahlichen Verschwindens der Biber, sondern der grosse
Nutzen, welchen ihr Fang gewahrt. Ausser dem Fell und Fleisch liefern sie
noch einen wertvollen Stoff, das Bibergeil oder Castoreum, ein wachsartiger
dunkelgelber Stoff, der sich in zwei Beuteln nahe den Geschlechtsteilen findet
und der in der Medizin eine grosse Rolle spielt. Die Hudsonsbay Company
bringt in einer besonderen Auktion zusammen mit konserviertem Lachs,
Hirschzungen, Vogelfedern, Walrosszahnen und dergleichen auch jamiich
1000 bis 2000 Pfund Bibergeil zum Verkauf, die einen Wert von
hundert Mark pro Kilo haben. Aus den Vereinigten Staaten kommt kein
Castoreum nach Europa, das geringe dort erbeutete Quantum wird im Lande
selbst verbraucht.
Die rapide Abnahme der Biber hat nun zu Schutzmassregeln gefuhrt.
So hat z. B. in Britisch Kolumbia und in Neuschottland der Biber dauernd
Schonzeit, wodurch er sich dort wieder stark vermehrs hat. In Neu-
Braunschweig und in Neufundland diirfen bis Ende 1910 keine Biber getotet
werden. In Manitoba und Quebec diirfen Biber nur vom i. Oktober bis
15. Mai erlegt werden. In den Vereinigten Staaten haben Biber dauernde
Schonzeit, in den Staaten Nebraska, Neu-Mexiko, New York, Nord- und Siid-
Dakota, Pensylvana, Utah, Vermont, Indiana. Bis 1910 in Nevada, Michigan.
In Jowa haben Biber vom i. April bis i. November und in. Kentucky vom
I. Marz bis 15. November Schonzeit. In Minnesota bedarf es fur nicht im Staate
Ansassige eines besonderen Erlaubnisscheines, um Biber zu fangen. Auf Zu-
widerhandlungen stehen hohe Strafen. Dank dieser Massregeln ist eine Zu-
nahme der Tiere an vielen Stellen wieder zu konstatieren. Alaska, das fruher
einen grossen Reichtum an Bibern besass, die jetzt sehr zusammen-
geschmolzen sind, hat sich trotz seiner sehr strengen Wild-Schongesetze noch
nicht zum ganzlichen Verbot des Biberfanges entschliessen konnen. Der
Biber wird iibrigens leicht zahm, und wurde fruher von den Indianern viel-
fach als Schosstier gehalten. Wohl infolge der starken Verfolgung ist seine
Lebensweise eine vorwiegend nachtliche geworden. Auch das schone dunkle
Exemplar des Berliner Zoologischen Gartens ist meist nur in der Abend-
dammerung zu sehen. Gefangen werden die Biber meist in Stahlfallen, die
602 Naturgeschichte der Pelztiere.
entweder unter Wasser beim Eingang der Bauten gesetzt werden, oder mit
einer besonderen Witterung, die Geheimnis des Jagers ist, gekodert. Ge-
schossen werden sie selten. Die Indianer gingen iibrigens beim Fange stets
schonend zu Werke und liessen stets genug fur die Fortpflanzung iibrig.
Nur die amerikanischen Trapper fangen riicksichtslos stets die ganze Kolonie
weg, wo sie eine solche antreffen.
Fast ausgerottet ist sein Verwandter, der europaische Biber, C. fiber,
der mehrere Abweichungen zeigt, namentlich in der Kopfform. Das Fell ist
meist heller und die Unter wolle weniger dicht. Friiher war derselbe in ganz
Euro pa, auch in England zahlreich, und auf den Speisezetteln der Kloster
bildete Biberbraten an Fasttagen ein stehende Rubrik. Heute ist er iiber-
aus selten und halt sich nur, wo er dauernd geschont wird.
Gesch. Spezialaufn. d. Neuen Phot. Ges.
Elbe-Biber (Castor fiber).
Am zahlreichsten findet er sich heute noch in Deutschland. In der Nahe
der Stadt Barby, in den uberschwemmten, schwer zuganglichen Briichen der
Nuthe in die Elbe ist eine starke Biberkolonie, von wo aus sich einzelne auch
an der Saale und Elbe angesiedelt haben. Die Tiere werden sorgfaltig geschont
und nur selten eines erlegt, doch stellen ihnen Wilddiebe eifrig nach, so dass
ab und zu einige Felle in den Handel gelangen. Es diirften aber in ganz
Deutschland nicht mehr als 20 bis 30 Stuck sein. Auch in Osterreich finden
sie sich an mehreren Stellen, und steht eine Kolonie, wenn ich nicht irre,
unter dem Schutz des Fiirsten Schwarzenberg. In Norwegen soil eine kleine
Siedelung in den Sumpfen in der Nahe von Christiania hausen und in Frank-
reich ist eine Kolonie an den Ufern der Rhone.
XIII. Die Nagetiere. 603
In Russland kommt der Biber auch noch vereinzelt vor, ohne dass man
aber von Schutzmassregeln hort.
In Sibirien war der Biber noch vor nicht zu langer Zeit haufig, so dass
nach Lomer vor 50 Jahren noch jahrlich etwa 10 ooo Stuck in den Handel
gelangten. Jetzt kommen von dort iiberhaupt keinemehr auf den Weltmarkt.
Wenn dort Felle erbeutet werden, werden sie jedenfalls lokal verbraucht.
Jedenfalls sind auch hier die Tage des Bibers gezahlt, der heute in Europa,
wo er noch vorkommt, den Naturdenkmalern zugezahlt werden muss.
Der Biber ist, mit Ausnahme des siidamerikanischen Capyvara oder
Wasserschweins, das grosste noch lebende Nagetier. Das Fell des Wasser-
schweins ist aber ganzlich wertlos. Hervorzuheben ist noch, dass der Biber
nur an den Hint erf iissen Schwimmhaute hat.
7. Die Bisamarten.
Der Bisam, engl. musquash, franz. rat musque, in Amerika mus-
krat oder einfach rat genannt, ist im Nor den Amerikas sehr verbreitet, vom
Mackenzie-River im Norden bis Florida im Siiden. Naturlich sind auch hier
verschiedene Art en zu unterscheiden. Am weitesten nach Norden geht Fiber
zibethicus Hudsonius, der bedeutend kleiner als die anderen Arten, aber gut
in Qualitat und Farbe ist. Er findet sich selbst in der Nahe des Fort Churchill
an der Hudsonsbay, aber am zahlreichsten in den Gebieten am Saskatchewan,
dem Winipegsee, dem Nelson- River, dem ganzen Redriver-Distrikt und auch
dem nordlichen Minnesota. Hierzu gehoren die sogenannten Y. F. und die
Minnesota-Bisam. Diese Felle sind kenntlich ausser an der geringen Grosse,
auch an der spitzen Form des getrockneten Fells, das stets mittelst eines
Schnittes zwischen den Hinterfussen abgestreift und mit dem Leder nach
aussen auf einem Reifen aus Weidenholz getrocknet wird. Am weitesten ver-
breitet ist Fiber zibethicus, welcher den grosseren Teil von Kanada und den
Vereinigten Staaten bewohnt, aber auch wie die anderen Bisamarten, stets
an das Wasser gebunden ist. In Kanada werden vielfach die Felle mittelst eines
Schnittes am Kopf abgestreift und dann flach rundlich getrocknet, am
unteren Ende mehr ausgedehnt, und. bilden dann sogenannte Taschen,
,, pockets". Auch aus den westlichen Staaten kommen die Bisam manchmal
in dieser Form auf den Markt. Die Farbe des langen Grannenhaares ist
dunkelbraun auf Riicken und Flanken, das kiirzere und weichere Grannen-
haar am Bauch ist hellbraun. Die dichte, weiche Unterwolle ist blaulichgrau
auf dem Riicken, auf dem Bauch zart, rotlichgelb bis weiss.
In Labrador lebt eine andere Art, F. aquilonius, und in Neufundland
F. obscurus, die wohl auch in Neuschottland vorkommen und sehr schon
dunkel gefarbt, gross und feinhaarig sind, doch verhaltnismassig wenig zahl-
reich. In NewYersey und Delaware findet man ziemlich zahlreich eine
schwarze Bisamratte, die gross und feinhaarig ist. Das Grannenhaar des
604
Naturgeschichte der Pelztiere.
Riickens ist tiefschwarz, auf dem Bauch schwarzlichgrau, haufig auch mil
helleren Flecken und einem schwarzen Streifen in der Mitte. Die Unterwolle
ist blaulichschwarz. Es kommen jahrlich etwa 60 bis 80 ooo dieser Varietal
in den Handel, und halte ich dieselbe fur eine eigene Art, fur die ich den
Namen F. niger vorschlage. Der Wert dieser Felle, die namentlich in Russland
sehr gesucht sind, ist augenblicklich etwa 4 Mk. pro Stuck, wahrend die
braunen Bisam je nach Qualitat und Gegend, von 60 Pf. bis 3 Mk. pro Stuck
kosten. Ganz abweichend von den iibrigen Bisamarten ist F. spatulus, die im
Norden von Alaska und von dort bis zum Mackenzie-River wohnt. Das Tier
erreicht kaum die halbe Grosse der anderen, das Haar ist kiirzer aber sehr
Bisam (Fiber zibethicus) .
fein und dunkelsilbrig, der Bauch fast weiss. Diese Tiere sind ganz geschlossen
abgestreift, nur durch die Mundoffnung. In Britisch Kolumbia und einem Teil
von Oregon usw. werden die Bisamfelle nach dem Abstreifen so aufgespannt,
dass sie fischformig aussehen. Diese Felle kommen aber wenig nach Europa,
da sie von den Eingeborenen zur Anfertigung von Kleidungsstiicken sehr
beliebt sind.
Es werden noch mehrere andere Bisamarten unterschieden, so z. B.
F. pallidus in Arizona, F. ripensis in Neu-Mexiko, F. macrodon in Virginien,
doch sind diese weniger von wirtschaftlicher Bedeutung.
Allen Bisamarten gemeinsam ist der ca. 15 bis 20 cm lange und an
der Wurzel etwa 2 cm im Durchmesser haltende kahle Rattenschwanz der
dunkel, schuppig nur sehr wenige steife Haare aufweist. Fur Pelzzwecke ist
dieser ganz unbrauchbar und wird auch vor dem Trocknen abgeschnitten und
weggeworfen. Weshalb Russland in seiner Weisheit im Zolltarif einen Zollsatz
XIII. Die Nagetiere. 60,5
von 50 Rubel auf Bisamschwanze angesetzt hat, 1st unerfindlich, eingefiihri;
sind noch nie welche worden. Das Fell riecht ziemlich stark nach Moschus
und wird dies durch zwei Driisen neben dem After verursacht. Diese Driisen
werden vielfach gesammelt. Manche Jager fertigen daraus, ahnlich wie vom
Bibergeil, ,,Witterung" fiir Fallen an. Im kleinen Massstabe werden sie auch
zu Parfumeriezwecken verwendet, doch geschieht dies lange nicht so ausge-
dehnt, als bei dem hohen Preise des echten Moschus zu erwarten ware. Hier
ware noch ein Feld fiir die amreikanischen Rauchwarenhandler, welche die
rohen Felle aufkaufen. Der Gebrauch der Felle ist noch kein sehr alter.
Wahrend des ganzen 19. Jahrhunderts kamen nur einige tausend Stuck
jahrlich. 1750 importierte die H. B. C. 550 Stuck, 1800 war die Zahl auf
15 ooo gestiegen von der H. B. C. und 12 ooo aus den Vereinigten Staaten
und Kanada. Als die Mode fiir Biberhute ihren Hohepunkt erreichte, wurden
auch Bisamfelle mehr gesucht und 1830 fiihrte die H. B. C. schon uber 80 ooo
Stuck ein, wahrend aus den Vereinigten Staaten 15 ooo Stuck kamen. In den
Jahren 1830 bis 1860 sind die Ziffern sehr schwankend. Von 200 ooo Stuck
bis zu mehr als einer Million jahrlich von der H. B. C. und von 12 ooo bis zu
einer Million aus den U. S. Jetzt kommen von der Hudsonsbay Company
jahrlich ca. 5 bis 600 ooo Stuck, von den Vereinigten Staaten durchschnittlich
5 bis 6 Millionen Stuck nach London, mindestens i Million geht direkt nach
Leipzig und etwa 2 Millionen werden in den Vereinigten Staaten und Kanada
selbst verbraucht, so dass die Jahresausbeute mindestens 9 Millionen Stuck
jahrlich betragt. Dabei ist aber, seit man angefangen hat, auch bei diesem
Tiere Schonzeiten einzufuhren, keine Abnahme zu verspiiren. So hat z. B.
Minnesota und Michigan Schonzeit vom 15. April bis 15. November, Jowa
vom i. April bis i. November, New York State vom 30. April bis 15. Oktober,
Wiskonsin vom i. Mai bis i. November, Michigan vom i. September bis
i. November, Indiana vom i. April bis 31. Oktober und ausserdem das Verbot
einen Bisambau zu zerstoren. Pensylvanien vom 20. Marz bis i. Dezember.
In Maryland sind jetzt ganz besonders scharfe Schonzeiten. Im ganzen
Staat ist die Schonzeit vom i. April bis i. Januar, in Arundel county vom
i. April bis 15. Dezember, in Dorchester vom 15. Marz bis i. Januar, in
Somerset county vom 15. Marz bis 15. Dezember, und diirfen sie hier auch nicht
mit der Feuerwaffe erlegt werden. In Talbot county vom 15. Marz bis
i. Dezember. In Wicomico county vom 15. Marz bis 15. Dezember. In Minne-
sota ist Schonzeit vom 15. April bis 15. November; in Newyersey vom I. April
bis i. Dezember; Schonzeiten in Delaware vom 20. Marz bis i. Dezember; in
Illinois vom i. April bis i. November; in Maine vom i. Mai bis 15. Oktober;
in Northcarolina vom i. April bis i. Januar; in New York vom I. Mai bis
15. Oktober; in South dacota vom i. April bis 15. November. Trapper, die
nicht im Staate wohnen, mussen eine Lizenz fiir 10 Dollar losen. Virginia
vom 15. Marz bis i. Januar; Wisconsin vom i. Mai bis i. November, doch
diirfen Bisam nicht mit Flinte oder Speer erlegt werden.
606 Naturgeschichte der Pelztiere.
Es 1st jetzt eine Bewegung im Gange, dass die Schonzeit in den ganzen
Vereinigten Staaten vom 15. Marz bis 15. Dezember eingefiihrt wird. Kanada
halt allgemeine Schonzeit fur Bisam vom i. April bis i. Dezember. Die
Tiere richten auf den Feldern gar keinen Schaden an, ganz unahnlich ihren
deutschen Verwandten, der Schaarmaus oder Wasserratte, dagegen nriissen
Damme oft vor ihnen geschutzt werden, da sie solche unterwiihlen.
Andere Staaten sind im Begriff, solche Schonzeiten einzufiihren. In
Manitoba ist die Schonzeit vom 15. Mai bis i. Oktober, in Neufundland und
den Prinz Eduard-Inseln vom i. April bis i. Oktober.
Die Bisamratte ist ungemein fruchtbar. Sie wirft dreimal im Jahre Junge
und zwar von 5 bis 20 Stuck jedesmal, die nach einem Jahre bereits selbst
zwei Wiirfe haben, spater dann noch drei. Die Kopulation findet stets wahrend
der Sommermonate statt und ist die Tragzeit nur kurz. Die Jungen sind
wahrend der ersten Tage sehr klein, wachsen dann aber rasch, und schreiten
zur Fortpflanzung, noch ehe sie vollkommen ausgewachsen sind. Die Felle
der Jungen werden als Kitten bezeichnet, obgleich Kitten eigentlich junge
Katzen bedeutet.
Ihre Vermehrung hangt aber mit den Wasserverhaltnissen zusammen,
da sie an das Wasser gebunden sind, auch wenn es nur ein flacher Graben ist,
Hochwasser ist fur die Entwicklung sehr giinstig, ein trockener und wasser-
armer Sommer sehr ungiinstig. Viele erfrieren dann auch in den Winter-
hausern. Ist die Vermehrung zu stark, ohne dass durch verniinftigen Fang
derselben Einhalt getan wird, so treten Epidemien auf, namentlich Leber-
krankheiten, die grosse Mengen dahinraffen. Dies erklart auch die grosse
Peridodizitat in den Zufuhren, als das Produktionsgebiet noch ein beschranktes
war. So kamen z. B. im Jahre 1838 von der H. B. C. I in 646, im nachsten
Jahre aber nur 161 ooo an den Markt. Die Tiere nahren sich ausschliesslich
von Pflanzen und Wurzeln und soil deshalb das dunkle Fleisch recht wohl-
schmeckend sein und dem Kaninchenbraten ahnlich schmecken. Nach
New York sollen grosse Mengen abgezogener Bisams in Fassern geschickt
werden und in den kleineren Restaurants und Hotels als ,, swamp rabbit" auf
der Speisekarte figurieren. Nach Richardson soil das Fleisch dem Schweine-
fleisch im Geschmack ahneln. Auch in Baltimore bilden Bisame einen
standigen Marktartikel und einen beliebten Braten.
Sehr viel Sorgfalt verwenden die Tiere auf die Ausfuhrung ihrer Winter-
bauten, namentlich in den nordlichen Gegenden. Zuerst konstruieren sie ein
Floss von Binsen, indem sie 4 bis 5 Fuss lange Stengel abbeissen, und kreuz-
weise iibereinander legen, dann wird das ganze mit zerbissenen Binsenstucken
ausgefiillt, bis es unter die Oberflache sinkt, dann werden neue Binsenlangen
aufgebracht und mit Binsenstucken aufgefullt, und so fortgefahren, bis der
Boden des etwa 4 bis 5 Fuss tiefen Gewassers erreicht ist. Hierauf werden
die umwachsenden Binsen, Schilf und Seerosen mit den Wurzeln ausgerauft,
und daraus, mit Erde vermischt, ein kegelformiges Haus errichtet. Das Dach
XIII. Die Nagetiere. 607
wird aus Seerosenblattern hergestellt und dann das ganze mit Schlamm bedeckt
und trocknen gelassen. Vom Innern aus wird dann durch die ganze Masse
ein Gang gegraben mit zwei Ausgangen, einer unter, der andere iiber Wasser.
In der Mitte wird eine Kammer ausgehohlt und warm ausgekleidet.
Hier sucht dann die ganze Familie eines Jahres, oft 50 bis 60 Kopfe stark,
Zuflucht fur den Winter und halt darin den Winter ab. Im Siiden sparen sich
die Tiere die Miihe und graben einfach Locher in die Uferbank, wie unsere
Wasserratte. Der Hauptfang ist zweimal im Jahre mittelst verschiedener Fang-
apparate, meist Stahlfallen, aber auch Schnellgalgen, Schlingen usw. Im Herbst
werden die sogenannten ,,Fall" (Herbstfelle) erbeutet, unter denen noch haufig
geringwertige Sommerfelle sich befmden. Im Fruhjahr, nach dem Verlassen
des Winter quartiers, werden die ,,springrats" erbeutet, fast alle gute Winter-
felle. Manchmal wird den Tieren auch wahrend des Winters nachgestellt, indem
sie in den Hausern mittelst scharfer Speere erlegt werden. Diese Felle sind aber
nicht so gut als die Fruhjahrsfelle. In vielen Gegenden ist aber jetzt das
Offnen und Zerstoren von Winterhausern gesetzlich verboten.
Im Sommer nimmt das Leder eine grunliche Farbe an, und auch unter
den ,,fallrats" findet man haufig Felle mit griinen Flecken, wahrend die
,,springrats" helles Leder haben. Das Leder ist iibrigens bei den Fellen aus
nordlichen Gegenden ziemlich diinn, wird aber um so dicker, je weiter man
nach dem Siiden vordringt. Manchmal werden die Tiere auch mit Schrot ge-
schossen, doch kommen solche Felle stets in die Sekunda, auch wenn sie sonst
gut sind, unter der Bezeichnung S. & C. (shot and cut). '
Wie schon oben erwahnt, ist die Verwendung der Felle zu Pelzzwecken
noch nicht alt, da sie fruher zur Fabrikation von feinen Filzhiiten verwendet
wurden. Als diese Methode auf ihrem Hohepunkte war, zahlte man 30 bis
50 Mk. fur ein Pfund Bisamhaar. Sir William Poland war einer der ersten,
der die Felle zurichten liess, und mein Vater einer der ersten, der Herrenpelze
aus dem dazu besonders geeigneten Pelzwerk h erst elite. Vor etwa 30 Jahren
fand man eine neue Verwendungsart. Wahrend man bis dahin das Fell nur
naturell verarbeitet hatte, rupfte man nun das Grannenhaar aus und farbte
die dichte Unterwolle sealartig, sogenannte Sealbisam. Als dann das Verfahren
zum elektrischen Enthaaren entdeckt war, wurden ungeheure Quantitaten
sogenannter electric Seal hergestellt, deren Haar viel dichter und kiirzer ist,
als bei dem durch Rupfen hergestellten Sealbisam.
Seit einigen Jahren werden sowohl die Wammen als auch ganze Felle
zu sogenannten Streifen von bestimmter Lange und Breite verarbeitet, die
namentlich nach Frankreich und nach Amerika grossen Absatz finden. Durch
den jetzt eingefuhrten hoheren Zollsatz in den Vereinigten Staaten (35 statt
20 Proz.) wird der Export dahin aber wohl nachlassen. Eine gute Sealfarbe
wird aber nur von wenigen Farbereien in Paris, Leipzig und London her-
gestellt. Man unterscheidet iibrigens dabei englische Farbe mit hellerem und
franzosische mit dunklerem Grund. Die Abfalle bei der Verarbeitung werden
608 Naturgeschichte der Pelztiere.
noch jetzt zur Fabrikation von feinem Hutfilz verwendet und kosten Bisam-
stiicken per Pfund 1,50 bis 2 Mk. Die Kopfe und die Backen werden zu be-
sonderen Futtern zusammengestellt, wie man auch zu Pelzfuttern die AVammen
und die Riicken besonders verarbeitet. Wammenf utter werden aber heute
fast stets gefarbt. In kleinerem Massstabe werden aber auch Felle mit dem
Grannenhaar zu sogenanntem Nerzbisam, Zobelbisam usw. gefarbt oder
geblendet. Aus Seal und electric Bisam werden besonders Jacketts, Stolas,
Muff en angefertigt. Als Merkwiirdigkeit ist ubrigens hervorzuheben, dass.
Albinos unter den Bisam ausserst selten vorkommen. Im Berliner Zoologischen
Garten lebt ein Bisamparchen, halt sich aber sehr zuriickgezogen und fiihrt
eine nachtliche Lebensweise, so dass man sie nur ausserst selten beob-
achten kann.
Seit einigen Jahren hat Graf Colloredo auf seinen Giitern bei Pisek in
Bohmen Bisamratten angesiedelt, die er aus Kanada eingefiihrt und die sich
dort gut akklimatisiert und vermehrt haben. Die Tiere sind von dort aus
auch nach andern Gegenden Bohmens ausgewandert und klagt man iiber
Schaden die sie an den Dammen anrichten. Unsere deutsche Wiihlmaus und
Wasserratte sind ubrigens sehr nahe Verwandte der Bisamratte, deren Fell
aber bisher keine Verwendung gefunden hat.
Die hohen Preise, die fur Bisam bezahlt werden, haben dazu gefiihrt, der
Produktion mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Eigentliche Bisamfarmen
wo die Tiere in Gefangenschaft geziichtet werden, existieren wohl einige, doch
hat man sich seit einiger Zeit entschlossen, dieselben in grosseren Distrikten
zu halten, ahnlich den umschlossenen Wildparks, wo sie ihre Nahrung selbst
finden. So hat z. B. der Cedarhunt Club in Toledo, Ohio 5000 Acres (ca. 8000
Morgen) Sumpfland an der Miindung des Maume River am Eriesee mit Bisam
besetzt und mehrere Jahre die Tiere ungestort gelassen. Seit einigen Jahren
werden nun die Tiere dort regelmassig von den Klubmitgliedern gejagt und
dabei alle Massregeln beobachtet, dass die Zahl sich auf der Hohe halt. Die
Anlage bezahlt sich sehr gut. Im Monat Januar allein wurden iiber 5000
Stuck gefangen, deren Felle iiber 3000 Dollar erzielten, daneben wurde noch
fur das Fleisch ca. 1000 Dollar erzielt.
Eine Umwalzung ist auch in Maryland durch die hohen Bisampreise
hervorgerufen. Hier befinden sich ausgedehnte Sumpfgebiete, die fur alle
Agrikulturzwecke wertlos sind, und fur nominelle Summen verkauft wurden.
Jetzt bringen diese Gebiete mehr als gutes Farmland in der Nachbarschaft.
Friiher konnte jeder dort jagen, jetzt verpachten die Eigentiimer das Fangrecht
an Trapper, die dann auch dafiir sorgen, dass die Schonzeiten innegehalten
werden und die Wilddiebe (John Sneakems) ferngehalten werden. Gewohnlich
erhalt der Grundbesitzer die Halfte der Felle, der Trapper die anderen Felle
sowie das Fleisch. Es ist dies fur beide Teile sehr vorteilhaft. Die Trapper er-
zielen innerhalb 2 bis 3 Monat en 500 bis 1000 Dollar jeder. Ein Farmer kaufte
ein Gebiet fur 2700 Dollar vor 4 Jahren und erzielt jetzt jahrlich auf seinen
XIII. Nagetiere.
609
Teil 800 bis 1200 Dollar. Ein anderer Farmer, der ein 40 Acre Lot fur
150 Dollar gekauft hatte, erhalt eine jahrliche Pachtsumme in Fellen von
ca. 100 Dollar. Noch besseren Ertrag hatte der Eigentiimer eines Grundstiickes
von 1300 Acres, der mit seinem Sohne selbst trappte und 5000 Bisam ring, die
2800 Dollar brachten. Man geht nun mit der Idee um, auch in anderen Staaten
brachliegende Sumpfstrecken mit Bisam zu bevolkern, und auch bei uns in
Deutschland durfte es sich bezahlen, die Hochmoore, z. B. in Oldenburg,
Hannover und Friesland in dieser Weise durch Akklimatisation von Bisam
ertragsreich zu gestalten.
Russ. Bisam (Myogale moschata) .
Russische Bisam.
Dies Tier, Myogale moschata russ wuchochol oder Desman genannt,
wird im Handel als russischer Bisam bezeichnet, obgleich es mit dem ameri-
Icanischen Bisam gar nicht verwandt ist. Wahrend letztere zu den Nagetieren
gehoren, gehort der Desman mit den Spitzmausen, den Igeln, Maulwiirfen usw.
zu den Insektenfressern, der altesten Saugetierform, die bereits in der Lias-
formation neben den Riesensauriern vorkommen. Ich bringe ihn deshalb nur
der Ubersicht halber an dieser Stelle.
39
6lO Naturgeschichte der Pelztiere.
Das schone Tier 1st auf dem Riicken dunkelbraun glanzend, auf dem
Bauch rein silbrigweiss. Die Lange des Fells ist 20 bis 25 cm. Der mil feinen
Schuppen und diinnen Harchen besetzte Schweif ist 15 bis 18 cm lang. Das
Fell hat einen feinen aber durchdringenden Moschusgeruch, der durch die iiber
5 cm langen neben dem Schwanz befindlichen Moschusdriisen hervorgerufen
wird. Diese Driisen bestehen aus 20 kleinen Sackchen, die mit einer dicken
Flussigkeit gefiillt sind. Das sonderbarste an dem Tier ist die lange riisselartige
Schnauze, mit der auch seine aus Wiirmern, Blutegeln, Schnecken und In-
sektenlarven bestehende Nahrung ergreift, und zum Mund fiihrt. Die Offnung
dieses Riissels ist willkiirlich durch eine warzenartige Wulst zu verschliessen,
um das Eindringen von Wasser zu verhiiten. Das Tier ist ein vorziiglicher
Schwimmer und lebt vorzugsweise im Wasser, grabt sich aber Hohlen in der
Uferwand zum Bewohnen. Eine 5 bis 6 m lange Rohre, deren Eingang unter
Wasser ist, fiihrt zu dem Kessel, der sich mindestens 2 m iiber dem Wasser-
spiegel befindet.
Durch den scharfen Moschusgeruch ist das Fleisch vollkommen ungeniess-
bar, und wird das Tier deshalb von alien Raubtieren in Ruhe gelassen. Nur die
grossen Raubfische schnappen ofters einen Wuchochol weg, ihr Fleisch ist
dann aber auch ungeniessbar geworden.
Der Desman lebt im siidostlichen Russland zwischen Don und Wolga, soil
aber auch in Buchara vorkommen. Die Zahl der Felle im Handel hat sehr ab-
genommen, friiher kamen 10 bis 12 ooo jahrlich, jetzt kaum eben so viel
hundert auf den Weltmarkt, moglicherweise wird aber ein grosseres Quantum
lokal verbraucht. Friiher war der Wert etwa i Mk., jetzt 3 bis 4 Mk. per Stuck.
Der Schweif wird in Russland in Parfumeriefabriken benutzt.
In Spanien lebt ein naher Verwandter, die Pyrenaen-Moschusspitzmaus,
die gleichfalls den langen Riissel zeigt, sonst aber kleiner ist. Das Fell ist 10 bis
15 cm lang, der Schwanz 12 cm. Es ist oben dunkelbraun, unten silberweiss
gefarbt, doch kommen meines W7issens nach die Felle nicrit in den Handel,
sollen aber lokal verbraucht werden. Der spanische Name ist almizero, wissen-
schaftlich Myogale pyrenaica.
8. Nutria.
In Siidamerika lebt ein naher Verwandter des Bibers, der Nutria, Myopota-
mus coy pus, franzosisch ragondin und zwar im ganzen Osten des Gebiets von
Siidbrasilien bis zum Rio Chubut in Patagonien. Das Tier ist ungefahr 60 bis
80 cm lang, woz'u noch der 20 bis 25 cm lange Schweif kommt, der ziemlich
kahl, mit steifen Haaren diinn bedeckt ist. Das grobe Oberhaar ist rotbraun,
darunter sitzt ein feines, dichtes blauliches Unterhaar, das aber auf dem
Bauche viel dichter ist als auf dem Riicken. Auf dem Riicken ist die Unter-
wolle dunkel und locker. Es wird deshalb auch hauptsachlich das Bauchfell
verwendet und das Fell auf der Mitte des Riickens beim Abstreifen auf-
geschnitten, mit Ausnahme der sogenannten Beutel, auf die ich spater zuriick-
XIII. Nagetiere. 6ll
komme. Friiher wurde das Fell nur zum Schneiden als Ersatz des Biberhaares
verwendet und kostete das Pfund Nutriahaar zurzeit des Hauptbedarfs fiir
Biberhaar vor 50 Jahren 30 Mk. Es kamen zu dieser Zeit etwa % Million
Felle jahrlich. Fiir Klirschnerzwecke wurden damals die ganzen Felle mil dem
Oberhaar gefarbt und in diesem Zustande falschlich als Affenfelle bezeichnet,
welcher Name sich noch bis in die neuere Zeit erhalten hat. Ende der siebziger
Jahre des vorigen Jahrhunderts begann man dieselben zu rupfen und so fiir
Pelzzwecke zu verwenden, doch stellte sich dabei der Ubelstand heraus, dass
das Oberhaar sehr briichig war und kleine Stumpen in der Unterwolle zuriick-
liess, welche dem Fell ein etwas unansehnliches Aussere verliehen.
Grossen Aufschwung nahm die Verwendung, als man Ende der achtziger
Jahre verstand, die Felle richtig zu enthaaren, und so ein schones, gleich-
massiges Pelzwerk herzustellen. Man unterscheidet nach der Herkunft ver-
schiedene Sorten. Die besten Sorten kommen von Patagonien; grosse rauche
Felle, dunkel und gutfarbig. Dann kommen die Felle aus der Gegend von
Maypu; gross, rauch, gutfarbig und sehr sauber auf der Lederseite behandelt.
Dann kommen die sogenannten Buenos-Aires-Felle, welche aber nicht nur die
aus dieser Provinz stammenden Felle, sondern auch die aus den westlicher
gelegenen Distrikten umf assen ; es sind gute, vollhaarige Felle. Aus Montevideo
kommen Felle, die etwas flacher und haufig fleckig sind. Am geringsten sind
die Felle aus dem Gran Chaco, jenem ungeheuren Sumpfgebiete, das sich
zwischen der Provinz Entre Rios und Paraguay bis zur Grenze von Bolivien
hinzieht und von dem erst in jiingster Zeit erforschten Pilcomayo durch-
stromt wird. Diese Felle haben ein diinnes Leder, aber wenig Unterwolle und
sind auch vielfach missfarbig. Alle diese Felle sind im Riicken aufgeschnitten,
nur bei den Chaco-Fellen findet man bis zu 10 Proz. Bauchschnitt. Daneben
kommen aber aus einigen Gegenden sogenannte Beutel, das heisst im ganzen
abgestreifte Felle, die nur zwischen den Hinterfiissen einen Schnitt zeigen und
dann iiber Weidenruten gespannt, getrocknet wurden. Meist sind dieselben
dabei in die Lange gestreckt. Diese Beutel zeigen stets ein bedeutend feineres
und diinneres Leder und wiegen kaum halb so viel als Riickenschnitt-Felle
gleicher Grosse. Die Unterwolle ist meist auch etwas diinner, dagegen ist die
Farbe stets sehr gut. Es ist deshalb auch nicht ausgeschlossen, dass diese
Felle einer besonderen Art entstammen. Man unterscheidet dabei Flores-
Beutel, fein leicht, sehr gut und dunkel in Farbe; Parana-Beutel, dickledriger
als die vorigen, etwas rauher im Haar, aber heller in der Farbe. Montevideo-
Beutel, dickledrig, vollhaarig, aber sehr braun und einen grossen Prozentsatz
missfarbiger enthaltend.
Ausser diesen Nutria-Fellen kommt noch aus dem Gebiete des Grenz-
flusses Yagueron, ein kleineres Quantum Felle, die meist gross, aber sehr gering
in der Farbe und Qualitat sind. In Chile sollen auch Nutria vorkommen, doch
kommen von dort aus keine Felle in den Handel und glaube ich deshalb auch
nicht, dass das Tier die Kordilleren iiberschreitet.
39*
6 1 2 Naturgeschichte der Pelztiere.
Man teilt die Felle ein in Winterhaar, die von Ende August bis Mitte
Oktober in Buenos Aires an den Markt kommen. Diese werden nach dem
Gewicht sortiert, in grosse, die 26 bis 28 kg per 100 Stuck wiegen, mittlere
20 bis 21 kg und kleine 14 bis 16 kg. Alle fruher oder spater gewonnenen Felle
bilden das sogenannte Halbhaar, die sortiert werden, in grosse 22 bis 23 kg,
mittlere 16 bis 18 kg und kleine 12 bis 13 kg. Seit einigen Jahren ist das
Fangen im Sommer verboten, doch ist die Kontrolle keine ganz genaue. Alle
etwaigen Sommerfelle, sowie die von Anfang und Ende der Saison, ferner die
beschadigten und verbrannten kommen in die sogenannte Schneide-Ware,
die zur feinen Hutfilzfabrikation noch jetzt verwendet wird und namentlich in
Nordamerika sehr begehrt ist. Die Felle werden bereits in den Barracas, den
Speichern der Kaufleute, die mit Landesprodukten handeln, sortiert und in
Ballen von ca. 100 kg gepackt. Die Hauptmenge der Nutriafelle geht von
Buenos Aires nach Hamburg, ein grosser Teil auch nach Antwerpen. Mehrere
Leipziger und Berliner Hauser importieren gleichfalls direkt, wahrend nach
London nur wenig direkt gelangt. Nach Nordamerika geht, wie schon erwahnt,
meist Schneideware.
Im Grosshandel werden die Riickenschnitte nach Kilo gehandelt, die
Beutel dagegen stets nach Stuck. Augenblicklich ist der Preis auf eine Hohe
gestiegen, wie nie zuvor, und sind auch die Zufuhren knapper als sonst. Im
Durchschnitt kommen jahrlich etwa i bis i1/^ Millionen Felle in den Handel,
wahrend Lomer 1863 die Gesamteinfuhr auf 50 ooo Stuck im Werte von
50 ooo Talern angibt. Der gegenwartige Preis fur die rohen Felle ist, je nach
Grosse und Qualitat, 3 bis 12 Mk. pro Stuck, doch hat ihr Absatz unter
den hohen Preisen stark gelitten.
Die Lebensweise der Nutria ist, wie bei ihren nordamerikanischen Ver-
wandten, dem Biber und dem Bisam eine rein aquatische und sie sind desh alb
an die Wasserlaufe gebunden. Sie errichten im Uferschilf ihre nesterartigen
Baue und werfen 6 bis 8 Junge im Jahr. Die Zitzen befmden sich sehr hoch
am Bauch, nahe dem Riicken und ermoglichen es so den Jungen, noch im
Wasser zu saugen, ohne untertauchen zu miissen. In trockenen Jahren gehen,
gerade wie bei dem Bisam, sehr viele, namentlich die jungen Tiere zu Grunde,
wahrend bei den haufigen Uberschwemmungen die Jagd auf die Tiere wiederum
sehr erschwert ist und deshalb in Uberschwemmungsj ahren weniger Felle an
den Markt kommen. Die Nahrung ist eine rein vegetabilische, aus Wasser-
pflanzen und Wurzeln bestehend, das Fleisch soil deshalb ganz wohl-
schmeckend sein und wird besonders von den Indianern, aber auch von den
weissen Jagern gern gegessen. Unahnlich ihren nordischen Verwandten, sind
weder Castoreum noch Moschusdriisen vorhanden. In der Gefangenschaft
werden die Tiere leicht zahm und halten auch in unserem Klima die strenge
Winterkalte im Freien gut aus, wie das Parchen im Berliner Zoologischen
Garten beweist, Auch fortgepflanzt haben sich die Tiere haufig in der
Gefangenschaft.
XIII. Nagetiere. 613
9. Die Chinchilla und ihre Verwandten.
Die Zoologen unterscheiden nur drei Arten Chinchillas, doch ist dies falsch,
da mindestens 4 verschiedene Arten vorkommen.
Die Art, welche das feinste Fell liefert, die sogenannte echte Chinchilla,
chinchilla brevicaudata, aus Peru ist sehr selten geworden. Das Fell ist unge-
fahr 25 cm lang, der Schweif ungefahr 12 cm. Das Haar ist das feinste von
alien Saugetierfellen, seidenweich und locker, ca. 2 bis 3 cm lang. Die blaulich-
graue Unterwolle ist feiner als Seide und ziemlich dicht. Der Riicken ist von
hellblaulichgrau bis dunkelblaugrau, nach den Seiten zu ist das Fell heller
und am Bauch weisslich grau. Der Schwanz ist mit langen borstigen Haaren
bedeckt, die zweizeilig angeordnet sind und die zur Pinselfabrikation Ver-
wendung finden konnen. Ausgezeichnet ist das Tier noch durch die starken
ca. 6 bis 8 cm langen weissen Schnurrhaare. Die feinsten Felle kommen aus
der Gegend von Tacna und Arica. In anderen Teilen Per us und im nordlichen
Bolivien leben noch echte Chinchillas, die Meyer beschrieben hat, die aber
etwas kleiner und nicht so fein im Haar sind als die vorigen und einen Ubergang
bilden zu den anderen Arten, den bolivianischen. Die sind kleiner, das Haar
ist kiirzer und die Farbung heller. Obgleich sie von den Zoologen zu Ch.
brevicaudata gezahlt werden, halte ich dieselben fur eine eigene Art, fur die
ich den Namen Ch. boliviana vorschlagen mochte. Sie kommen in Bolivien
und Chile vor.
Die dritte Art ist die sogenannte Bastard-Chinchilla, Ch. laniger, auch
Wollmaus genannt. Das Fell ist ca. 15 cm lang und der Schweif ca. 10 cm.
Das Haar ist bedeutend kiirzer als beim echten Chinchilla. Es ist auch nicht
ganz so lose und fein, aber immerhin sehr schon seidig, die Farbe ist ahnlich
und je dunkler und reiner blau, desto teurer. Es finden sich aber nicht selten
auch sehr gelbliche Exemplare, die erheblich weniger wert sind. Der Verbrei-
tungsbezirk reicht von Chile bis nach Argentinien, namentlich in dem
La Plata-Tal.
Eine vierte Art ist die Chinchillona, Lagotis cuvieri, nach L. peruanum
genannt, auch Hasenmaus genannt. Es ist dies die grosste Art, die 30 bis
35 cm lang wird, wozu noch der ca. 20 cm lange Schweif kommt. Das
Haar ist lang aber grober und flattriger als bei der Chinchilla, die Unter-
wolle nicht so dicht und seidig, die Farbe gelblicher, auf dem Riicken oft eine
chwarzliche Zeichnung. Die Ohren werden bis 8 cm lang, die langen Schnurr-
haare sind schwarz (Abbildung S. 576). Das Tier lebt in Argentinien, Bolivia
und kommt wahrscheinlich auch in Peru und dem nordlichen Chile vor. Eine
zweite Art lebt in der Hochebene der Cordilleren, die sogenannte Puna,
in 3 bis 5000 m Meereshohe, und soil im nordlichen Peru bis nach Ecuador
hin vorkommen, Lagotis pallipes. In Chile lebt auch L. criniges.
Von manchen wird die Chinchillona fur einen Bastard zwischenViscacha und
dem Bastardchinchilla gehalten, was ich indessen nicht glaube. Die Zahl aller
Chinchillas hat in den letzten Jahren enorm abgenommen. Am zahlreichsten
614 Naturgeschichte der Pelztiere.
kommen noch die Bastard-Chinchillas in den Handel, jetzt jahrlich ca. 25 ooo
Stuck. Sogenannte ,, Echte" kommen jahrlich ca. 12 ooo, doch sind davon nach
Gloeck nur etwa 600 Stuck von den wirklichen feinen Peruanern, der Rest be-
steht aus den oben erwahnten Arten, ferner den Bolivianos und Chinch illonas.
Nach Lomer kamen 1864 an 100 ooo Stuck im Gesamtwerte von 80 ooo Talern
an den Markt. Nach Poland kamen 1890 von alien Chinchillaarten uber 100 ooo
Stuck. Er gibt den Preis damals auf 89 sh per Dutzend fur echte, auf 8 sh
fur die Bastarde. Chinchillonas 5 sh per Dutzend. Lomer gibt den Preis damals
auf ca. 15 bis 30 Taler per Dutzend an, fur Bastarde und Chinchillonas aber
auf den 10. Teil dieses Wertes. Der gegenwartige Wert fur echte ist etwa
900 Mk. per Dutzend, fur Bolivianos etwa 500 und fur Bastarde etwa 300 sh
per Dutzend, Chinchillonas etwa dasselbe. Die meisten Chinch illafelle kommen
nach London zur Auktion, ein grosser Teil kommt aber auch nach Paris und
Havre. Vielfach werden solche Felle auch als Rimesse an europaische Bank-
hauser gesandt, da sie eben sehr wertvoll sind und wenig Raum wegnehmen.
Chile soil vor einigen Jahren allein 80 bis 100 ooo Stuck pro Jahr ausgefiihrt
haben.
Die Lebensweise der Chinchillaarten ist eine sehr ahnliche. Da das zarte
Fellchen sehr empfindlich gegen Regen ist, hatte man angenommen, dass die
Tiere nur in den regenlosen Wiistenregionen, z. B. des Atacama leben. Es ist
dies aber nicht der Fall, sondern ihr Lieblingsaufenthalt sind die wild
zerkliifteten Felsengebirge der Kiistenregionen und zwar meist in 2 bis 3000 m
Meereshohe. Gerade der Westhang dieser Gebirge Perus und Boliviens ist aber
sehr regenarm, im Gegensatz zum Osthang der stark regenreich mit dichten
Urwaldern bedeckt ist. Hier kommt auch kein Chinchilla vor. Die zierlichen
Tierchen sind auch ganz vorzugliche Kletterer, und steigen mit grosser
Schnelligkeit und Geschicklichkeit an den fast senkrechten steilen Felswanden
empor. Die sonst so lebensarme Gebirgswelt wird von den hiibschen geselligen
Tierchen in der anmutigsten Weise belebt, die mit einander spielen, sich necken,
Mannchen machen, und zierlich ihre Nahrung aus Moos, Wurzeln, Grasern usw.
bestehend, zum Munde fuhren. Dabei halten sie aber gut Wacht, und ver-
schwinden beim geringsten Anschein von Gefahr in den Felsspalten. Ungemein
neugierig lugen aber bald die spitzen Kopfchen mit dem langen Schnurrhaar
wieder hervor, um das alte Spiel zu beginnen. Die Tiere werden fast nie ge-
schossen was auch bei ihrer Vorsicht und Schnelligkeit sehr schwer ware,
sondern in Schlingen gefangen, um das kostbare Fell nicht zu verderben.
Leider hat die Leichtigkeit, mit der sie in die Schlingen gehen, verbunden mit
der enormen Wertsteigerung der Felle eine kolossale Verringerung der Zahl
herbeigefuhrt. Wahrend fruhere Reisende Chinchillas geradezu als eines der
Charaktertiere der peruanischen und bolivianischen Anden bezeichnen, und
oft die I^elsen von Tausenden der Tierchen gleichzeitig belebt sahen, sind sie
heute ausserst selten geworden, so dass die chilenische Regierung jetzt eine
mehrjahrige Schonzeit mit strengem Fang- und Ausfuhrverbot erlassen hat.
XIII. Nagetiere. 615
Die Indianer sollcn iibrigens auch die Chinchillas, nach Art der europaischen
Kaninchenjagd mit Frettchen, mit Hilfe einer gezahmten Wieselart jagen.
Ubrigens stellen auch die grossen Raubvogel den Tieren eifrig nach. Als
Kuriosum mag noch erwahnt sein, dass die Inkas das Haar der Chinchillas
verspannen und zu sehr feinen Stoffen verwebten, jetzt wiirde das Material
dazu denn doch zu kostbar sein. Die Bastardchinchillas weichen in der Lebens-
weise ab, indem sie mehr Nachttier, die echten Chinchillas mehr Tagtiere
sind. Letztere ziehen zur Nahrung trockene Krauter usw. vor, wahrend die
Bastarde mehr Zwiebelgewachse und saftige Wurzeln lieben. Die Tiere werden,
wenn jung gefangen, sehr zahm und pflanzen sich auch in der Gefangenschaft
fort, weshalb es schwer zu begreifen ist, dass man noch nicht versucht hat,
sie im grossen zu ziichten. Das Fleisch wird in Sudamerika gern gegessen.
Im besondern auf die eine Art Ubergang zu den Vizcacha bildet Ladwium
pernanum. Korperlange ca. 50 cm, Schweiflange 10 cm, Bauch, Kehle,
Riickseite der Hinterschenkel rostrot, Riicken graugriin meliert sehr weiche,
riistige Grannen, dichte blaugraue Unterwolle, starke ca. 15 cm lange schwarze
Schnurrhaare, Schweif diinn, borstig, grau und schwarz meliert. Das Tier
lebt auf den Abhangen der Auden in Bolivien, Argentinien und und Chile.
Viscacha. Vicacia vizcacha ist ein naher Verwandter der vorigen, aber
bedeutend grosser, 50 bis 60 cm lang, der Schweif ca. 15 cm. Die Grundfarbe
ist graubraun mit zahlreichen schwarzen Grannen untermischt, die Unterseite
weiss, auf den Backen ein weisses Band. Die sehr diinne Unterwolle ist hell-
graubraun. Die langen starken Schnurrhaare sind schwarz, die Ohren kurz.
Man hat die verschiedensten Versuche gemacht, das Fell, von dem jahrlich
hunderttausende geliefert werden konnen, zu Pelzzwecken zu verwenden, da
es sehr billig ist, etwa 30 bis 50 Pf. per Stuck, doch scheiterten die Versuche
daran, dass das Leder meist zu schwer und dick ist. Die Hinterbeine sind
doppelt so lang als die Vorderbeine, der Kopf sehr dick und rund. Ihr Wohn-
gebiet sind, im Gegensatz zu den Chinchillas, ausschliesslich die Pampas, jene
ausgedehnten Grasebenen, wo sie in ungeheuren Scharen in grossen Ansied-
lungen leben. Sie graben sich sehr kunstreiche Bauten mit vielen Kammern
und Rohren, weiche den Boden weithin unterwiihlen und deshalb vielen
Schaden anrichten, da Pferde und Vieh die diinnen Decken durchbrechen
und sich dabei haufig stark verletzen. Auch den immer mehr zunehmenden
Weizenkulturen tun die Viscachas vielen Schaden, weshalb ihnen jetzt ernstlich
nachgestellt wird. Die Lebensweise erinnert sehr an die asiatischen Murmel-
tiere und die Prariehunde. Wie bei den letzteren teilt eine kleine Hohleneule
oft den Bau mit ihnen. Ausser den Menschen stellen auch Kondor und andere
Raubvogel, die Fiichse und die Opossums den Viscachas sehr nach. Ihr Fleisch
wird von Gauchos und Indianern gern gegessen. Ihre Baue und Rohren halten
sie ungemein reinlich. Gar nicht mit den vorigen verwandt ist ein anderes
siidamerikanisches Tier, der Mara oder sogenannte Pampashase, Dolickotis
patagonica, der ein sehr brauchbares Pelzwerk liefert, das bisher aber fast gar
6l6 Naturgeschichte der Pelztiere.
nicht in den Handel kam. Das Fell 1st auch dicht und glanzend, oben braungrau
mit dichter Sprenkelung, an den Seiten und den Beinen hellrotlichgelb. Am
Kopf ein breites weisses Band, die Unterseite weiss, die Brust rotlichbrau n, die
Korperlange ist 50 cm, der Schwanz ca. 5 cm. Das Tier ist aber sehr hochbeinig,
mit ca. 45 cm Schulterhohe. Die Tiere leben vorzugsweise in den Steppen und
Steinwiisten Patagoniens und gehen nach Norden nicht liber 37 Grad siidlicher
Breite hinauf. In der Gegend von Mendoza sollen die Tiere nicht sehr selten
sein. Sie sind iibrigens sehr scheu und wissen sich gut zu verbergen. Im
Berliner Zoologischen Garten sind sie ofters langere Zeit lebend erhalten
worden. Das Fleisch soil gut schmecken. Das Fell bildet bisher keinen Handels-
artikel, kommt aber mitunter unter den aus Argentinien gebrachten Felle der
dort eingefuhrten und stark verbreiteten europaischen Hasen mit vor. Die Felle
der schonen Aguti, Dasyprocta aguti, und zwar sowohl des Goldaguti als auch
des Silberaguti sind ihrer steifen borstenartigen Behaarung und geringer
Unterwolle wegen fur den Pelzhandel wertlos, trotzdem sie ofter mit anderen
Fellsendungen von Sudamerika zu uns kommen.
10. Hamster.
In naher Verwandtschaft zu den vorigen steht der Hamster. Dass dies
Tier speziell nur in Deutschland zu Pelzwaren verarbeitet wird, geht schon
daraus hervor, dass der Name im franzosischen und englischen ebenfalls
,, Hamster" ist. Die verbreitetste Art Cricetus vulgaris, lebt in Deutschland,
Osterreich und in Russland. In Ost- und Westpreussen fehlt er. In Deutschland
findet zweimal im Jahre der Fang statt, im Mai und im September, doch
liefert der erstere Fang die besseren Felle. Das Tier ist etwa 20 bis 25 cm lang,
gedrungen, gelblichbraun, mit blauer Unterwolle. Die Backen sind unregel-
massig rot markiert mit einem weissen Flecken, die Kehle ist weiss, Bauch und
Beine sind schwarz mit einem gelben Fleck auf den Vorderbeinen. Die Felle
werden meist in Quedlinburg und Umgegend zu Futtern verarbeitet, und ist der
Preis eines solchen Futters, das etwa 80 Felle enthalt, 20 bis 25 Mk. augen-
blicklich.
In Deutschland werden etwa 2 Millionen Hamsterfelle jahrlich verarbeitet,
aus Osterreich-Ungarn kommen etwa % Million. Es kommen nun in anderen
Landern noch zahlreiche Hamsterarten vor, z. B. Cr. canes cens, in Belgien,
Cr. rufescens im Ural, Cr. nehringii in Rumanien, Cr. accedula in Siidrussland,
Cr. nigricans in Siidosteuropa, Bulgarien, Tiirkei usw. bis zum Kaukasus, Cr.
eversmani in Ostrussland und Turkestan, Cr. furunculus in Ostsibirien und
Cr. babylonicus in Syrien. In Asien, namentlich in Transkaspien, kommt ein
kleiner Hamster, Cr. phaeus, von wenig mehr als Mausegrosse vor, der in den
Hausern lebt. Das Tier ist auf dem Riicken hell blaulichgrau. Auch in West-
China kommen kleine Hamster in grossen Mengen vor. Alle diese verschiedenen
Hamsterarten werden aber bisher im Pelzhandel nicht verwendet.
XIII. Nagetiere. 617
Es gibt ausser den angefuhrten Cricetus-Arten noch 10 verschiedene
Cricetulus und 6 Arten Mesocricetus in Europa und Asien. Der Hamster 1st
ein jahzorniger unliebenswiirdiger Geselle, der mit der ganzen Welt, auch mit
seinen Artgenossen in Unfrieden lebt. Dabei besitzt er Mut wie eine Ratte
und weiss seine scharfen Zahne gut zu gebrauchen, ist trotz seines anscheinend
plumpen Korperbaues recht gewandt und setzt sich gegen Hunde oft mit
Erfolg zur Wchr. Auch den Menschen scheut er durchaus nicht, und greift
unliebsame Storenfriede ganz unverzagt an. Auch beisst das Mannchen das
Weibchen tot, wenn es ihm ausser der Paarungszeit begegnet, und auch die
Jungen verlassen so zeitig als moglich das ungastliche Elternhaus. Obgleich
er vorwiegend Vegetarier ist, frisst er sehr gern kleine Vogel, Mause, Eidechsen,
Schlangen und Insekten aller Art. Seine Hauptnahrung bilden aber Wurzeln,
Krauter, Mohrriiben, Hiilsenfriichte und Getreide. Er errichtet sich einen
komplizierten Bau in einer Tiefe von i bis 2 m mit Ein- und Ausgangsrohren,
Wohnkessel und Vorratskammer, der sehr dauerhaft hergestellt ist, weshalb
Hamster in Gegenden mit sandigem Boden auch nicht vorkommen. Zum Spat-
sommer sammelt er hier ansehnliche Vorrate von Getreide oder anderen Feld-
friichten, wobei er die Halme mit den Pfoten niederbringt, die Ahren ab-
beisst, die Korner ausschiittelt und in seinen Backentaschen zum Bau tragt,
wo er die Korner durch Durchbeissen gegen das Keimen schiitzt. Oft birgt
ein Bau bis zu l/2 hi Getreide. Anfang Oktober verstopft der Hamster die
Eingange der Rohren, zieht sich in die behaglich ausgepolsterte Wohnkammer
zuriick und verfallt in Winterschlaf , den er aber mehrmals wahrend des Winters
unterbricht, um zu fressen. Zweimal im Jahre, zuerst im Mai, dann im Juli,
wirft das Weibchen 6 bis 20 Junge, nachdem das Zusammenleben der Ehegatten
immer nur einige Tage gedauert hat. Schon nach 3 Wochen fangen die Jungen
ein selbstandiges Leben an und sind die im Mai geborenen schon im Herbst
fortpflanzungsreif.
Bei dieser starken Fruchtbarkeit wiirden sich die schadlichen Nager
ungeheuer vermehren, wenn nicht ihre natiirlichen Feinde, namentlich Wiesel
und Iltis, stark unter ihnen aufraumen wiirden. Auch die Eulen holen sich
manchen fetten Hamster. Wenn kurzsichtige Bauern diese natiirlichen Feinde
der Nager zu sehr verfolgen, haben sie gewohnlich den Schaden in Gestalt von
Mause- und Hamsterplage zu tragen. In Thiiringen und im Harz hat sich der
Hamster fang zu einer eigenen Industrie ausgebildet. Die Felle werden ver-
kauft, das ziemlich wohlschmeckende Fleisch wird gegessen, und vor allem
bilden die ausgegrabenen Jahresvorrate eine wertvolle Beute. Viele Gemeinden
zahlen auch eine Pramie fur den gefangenen Hamster.
ii. Der Lemming.
Der Lemming, Myodes lemmus, ist dem Hamster ziemlich nahe verwandt,
aber viel kleiner, nur etwa 10 bis 12 cm lang. Hierzu kommt noch ein kurzer
618 Naturgeschichte der Pelztiere.
kahler Schwanz von ca. 2 cm Lange, oben braungrau mit dunkleren Flecken
auf dem Nacken und Riicken, heller am Kopf, der mit zwei gelben Langs-
streifen geziert 1st. Die Tiere finden sich im ganzen Norden von Europa in
grossen Mengen, ahnlich unseren Feldmausen. Wasser und sumpfige Stellen
meiden sie, finden sich aber vorzugsweise in den Schneeregionen. Wenn sie
auch Pflanzenfresser sind, richten sie doch wenig Schaden an, denn in ihrer
Wohngegend finden sich wenig Felder. Im Winter bauen sie sich Nester unter
dem Schnee im Moos, von denen aus sie Gange nach der Oberflache haben,
Sie vermehren sich ziemlich stark, haben aber auch viel natiirliche Feinde.
Ratselhaft sind die grossen Wanderungen, die sie oft antreten, wenn die Heimat
fur die stark vermehrte Bevolkerung zu eng geworden ist. In ungeheuren
Scharen ziehen sie dann dahin, und iiberqueren dabei auch die Wasserlaufe,
denen sie sonst gern aus dem Wege gehen. Hunderttausende erliegen den
Reisestrapazen. Raubvogel, Harder, Iltisse, Wiesel und auch die grosseren
Raubtiere folgen dem Zuge und nur ein kleiner Teil erreicht endlich giinstigere
Wohngebiete, wo sie sich aber dann schnell wieder vermehren. Ein nasser
Sommer rafft iibrigens auch Millionen dahin. Jedenfalls ermoglichen die
Lemminge erst vielfach den hoheren Tieren den Kampf urns Dasein zu iiber-
stehen. Ubrigens sind die Lemmings mutige bissige Geschopfe, die oft ein em
bedeutend grosseren Gegner geniigend zu schaffen machen. Es ware zu
wiinschen, dass dies so leicht zu erlangende Pelzwerk dem Handel zuganglich
gemacht wiirde. Die Felle wiirden sehr hiibsche Futter geben, werden aber
nicht gesammelt. Das Haar ist weich und ziemlich dicht.
12. Der Siebenschlafer.
Der Siebenschlafer oder Bilch, Myoxus glis, kommt erst seit einigen
Jahren in grosseren Mengen in den Handel und zwar von Krain aus, obgleich
das Tier in ganz Mitteleuropa vorkommt, von Belgien bis zum Kaukasus.
In Norddeutschland fehlt es. Das Tier hat ca. 20 cm Korperlange und einen
15 cm langen Schweif. Der weiche dicht e aber etwas kurzhaarige Pelz ist
gelblichgrau, die Spitzen der Grannen schwarzlich, an den Seiten mehr
braunlichgrau, Bauch, Kehle und Innenseite der Beine reinweiss. Der Schweif
oben gelbbraun, unten weiss. In Laibach werden jahrlich mehrere hundert-
tausend Stiicke zugerichtet, ein Teil wird zu Futtern verarbeitet, die anderen
Felle zu Stolas, Muffen etc. Der gegenwartige Wert durfte etwa 50 Pf. per
Stuck sein.
In Italien lebt M. italicus, in Sizilien M. insularis. In Kleinasien ist
M. orientalis sehr haufig, etwas kleiner als der deutsche Siebenschlafer, und
die Hautfarbe lebhaft silbergrau. Bei alien Art en sind anatomische Unter-
schiede vorhanden.
Sehr nahe verwandt sind auch die Baumschlafer, M. dry as in Klein-
asien und Ungarn, M. intermedius in Steiermark und Tirol mit grauer Grund-
XIII. Nagetiere. 6lQ
farbe. M. nitedula an der Wolga und Siidrussland, Persien und Palastina,
M. dryas pictus in Transkaspien und schliesslich im fernen Osten Japans
M. elegans. Der Baumschlafer erreicht eine Korperlange von etwa 10 cm,
eine Schweiflange von 8 cm, die Farbe 1st ahnlich wie beim Siebenschlafer,
die Oberhaut aber mehr braunlich.
Am liebsten bewohnt der Siebenschlafer trockene Eichen- und Buchen-
waldungen. Den Tag iiber halt er sich zuriickgezogen in Baumlochern, Wurzel-
hohlen oder verlassenen Nestern von Krahen oder Elstern. Nachts streift er
Nahrung suchend umher, wobei er mit grosser Gewandtheit klettert und
spring! . Das Tier ist ungemein gefrassig und frisst hauptsachlich Niisse,
Bucheckern, Eicheln, Beeren, und wenn Obstbaume in der Nahe sind, alle
Art en Obst. Dabei ist er ein grosser Rauber, der junge Vogel und kleine
Saugetiere mordet und frisst. Zum Herbst bezieht er ein Winterlager, in
welchem er grosse Nahrungsvorrate aufspeichert. Dann macht er sich ein
weiches, warmes Nest, rollt sich zusammen und verfallt beim Eintritt der
kiihlen Herbstwitterung in einen tiefen Winterschlaf, aus welchem er alle
ein oder zwei Monat aufwacht, um Nahrung zu sich zu nehmen und dann wieder
einschlaft. Der Winterschlaf dauert bis weit in den Friihling hinein, voile
7 Monate, daher der Name des Tieres.
Das Fleisch des Tieres, namentlich im Herbst, wenn es sich einen fetten
Wanst angemastet hat, ist sehr wohlschmeckend und gait bei den alt en
Romern als grosser Leckerbissen. In besonderen Anstalten, Glivarien,
wurden sie besonders fur den Markt gemastet. Die Paarung findet im Friih-
jahr statt und nach 6 Wochen wirft das Weibchen 4 bis 6 blinde Junge, die
aber schnell heranwachsen. Wo geniigend Nahrung vorhanden ist, nehmen
die Tiere stark zu, trotzdem es ihnen an Feinden nicht fehlt. Namentlich
Harder, Wiesel und die Eulen sind schlimme Verfolger. Gefangen wird er
sehr leicht in einfachen Fallen. In Krain erbeutet ein Jager leicht mehrere
hundert Balge in einem Revier. In Gefangenschaft sind sie langweilig, un-
liebenswiirdig und geben an Bissigkeit und murrischem Wesen dem Hamster
wenig nach. jj
13. Der Maulwurf.
Seit etwa 10 Jahren spielen die Felle des Maulwurfes, Talpa europaea,
franzosisch Taupe, englisch Mole, eine grossere Rolle im Pelzhandel und
kommen jahrlich mindestens i Million Stuck in den Handel. Die besten
kommen aus Schottland, dann liefert Deutschland, Frankreich und Italien
grossere Mengen. Der Preis schwankt je nach der Mode von 10 bis 60 Pf.
pro Stuck, der gegenwartige Preis fur schottische Maulwiirfe ist etwa 40 Pf.,
fur italienische 30 Pf. pro Stuck roh.
Das Fell erfordert eine sehr sorgfaltige Verarbeitung, damit die Farben-
schattierungen gut zusammenpassen. Man fertigt Mantel, Stolas und die grossen
flachen Muffen daraus. Mitunter werden die Fellchen auch dachziegelartig
620 Naturgeschichte der Pelztiere.
iibereinandergesetzt verarbeitet. Die Farbe ist gleichmassig grauschwarz, an
einzelnen Stellen mehr grau schillernd, sammetartig weich und glanzend.
Die Vorderfusse sind ungemein muskulos und besitzen handartig geformte,
verhaltnismassig machtige Tatzen. Ausser den Sohlen ist nur der gelblich
fleischfarbene verhaltnismassig lange Riissel nackt. Die kaum Stecknadelkopf
grossen Augen sind im Pelz verborgen, so dass das Tier meist fiirblind gehalten
wird. Der Schwanz ist kurz und glanzend. In fast alien Landern Europas,
in Asien, Nordamerika und Sudafrika kommen Maufwiirfe vor, die ver-
schiedenen Arten angehoren, die sich durch Lange des Schweifes und des
Riissels, sowie durch das Gebiss unterscheiden. Gesammelt werden aber die
Felle nur in den oben erwahnten Landern.
Der Maulwurf lebt nur von tierischer Nahrung und ist eines der ge-
frassigsten Tiere, die es gibt. Er bedarf taglich sein eigenes Gewicht an Nahrung
weshalb er auch unaufhorlich unterwegs ist, neue Gange aufwerfend und nach
Nahrung durchsuchend. Trifft er dabei einen anderen Maulwurf, so entspinnt
sich ein Kampf auf Leben und Tod und der Sieger frisst den Unterlegenen
einfach auf. Selbst die Weibchen werden ausser der Paarungszeit nicht ver-
schont. Ausser zur Nahrungssuche grabt der Maulwurf auch eine sehr kunst-
reiche Wohnung, von wo auch Gange zu unterirdischen Wasseransammlungen
fuhren, sowie verschiedene Ein- und Ausgangsrohren. Die ausgeworfene Erde
wird mit der Schnauze in den bekannten Hugeln aufgeworfen.
Er grabt mittelst der Schnauze und seiner gewaltigen Schaufelhande
sehr leicht und sehr schnell. Auch lauft er ungemein flink. Die Haupt-
nahrung sind Engerlinge, Kaferlarven und Regenwiirmer, fernerhin alles wras
ihm in den Gangen begegnet, Wasserratte, Spitzmaus, Feldmaus, Eidechsen,
Schlangen, Frosche usw. Er ist deshalb im grossen und ganzen sehr niitzlich,
doch wird er durch die Vertilgung der Regenwiirmer vom Felde auch
schadlich, da diese zur Bildung der Ackerkrume notwendig sind. In Garten
ist er keinesfalls zu dulden. Nicht nur, dass die aufgeworfenen Hugel dem
Rasen schaden, so verdorren auch alle Pflanzen, die sich iiber seinen Gangen
befmden.
Der Maulwurf gehort mit der Spitzmaus und dem Igel zu den altesten
Saugetieren, da ihre direkten Vorfahren bereits neben den grossen Sauriern
in der Kreidezeit vorkamen, als noch vor dem Tertiar (Uberreste von Cernays).
14. Polarhasen.
Die meisten in den Handel kommenden weissen Hasen stammen aus
Sibirien, doch steht die Art, welche die Felle hauptsachlich liefert, noch nicht
fest. Es sind bisher bestimmt, Lepus collinus, der aus dem nordlichen Skandis
navien, dem nordlichen Russland usw. bis an den Ob reicht, ferner Lepu-
tschuktscborum, der im Nordosten Sibiriens lebt und dessen Verbreitungsi
bezirk sich wohl bis zur Lena erstreckt, L. altaicus, der vom Altaigebirge
XIII. Nagetiere. 621
bis zum Baikal vorkommt und von da aus nach Norden den Jenissei entlang
vorgedrungen ist. Wie weit endlich L. gichiganus der auf Kamtschatka
lebt, nach Westen geht, ist mir unbekannt. Alle diese Hasen sind im Sommer
grau oder braun und nehmen nur im Winter die bekannte weisse Farbung an.
Ein grosser Teil wird auch im Herbst geschossen, die eine weisse Wolle haben,
aus der dann die graubraunen Grannenhaare herausragen, sogenannte
,,Grauspitzen Hasen". Diese Felle sind auch flacher als die Winterfelle. Die
verschiedenen Arten unterscheiden sich ausser durch de Schadelform auch
noch durch Abweichungen in der Farbe der Ohren und des Schweifes. Die
rohen Felle werden gesammelt und in besonderen Fabriken im europaischen
Russland zugerichtet, und nach drei oder vier Sorten sortiert, in 9 Pud Ware,
ii Pud, 13 Pud und sogenannte Kopfe, die noch schwerer ist. Diese Gewichte
beziehen sich auf das 1000 Stuck, (i Pud gleich 16 Kilo.) Die Felle werden
dann entweder naturell als Imitation der Weissfuchse verarbeitet oder gefarbt
und zwar sowohl schwarz als in verschiedenen Phantasiefarben. Chinchilla,
Schneehase, Silberhase, Luchshase, Zobelhase usw. Der Preis ist augen-
blicklich je nach Gewicht von 70 Pf. bis 1,50 Mk. per Stuck. Jedes einzelne
Fell hat iibrigens eine Bleiplombe, was bei 1000 Stuck das Gewicht nicht
unwesentlich vermehrt. Verpackt werden dieselben in Ballen aus Bastmatte,
die meist ca. 600 Stuck enthalten. Das Fleisch ist wohlschmeckend aber nicht
so fein wie unsere deutschen Hasen. In Moskau werden dieselben im Winter
auf dem Markt mit ca. 50 Pf. per Stuck verkauft, und etwa l/2 Million Hasen
im Fleisch werden jeden Winter nach England exportiert. Felle kommen
jahrlich etwa 5 Millionen in den Handel.
Das Tier ist wesentlich grosser als unser deutscher Hase; die meisten
Felle sind ungefahr 60 cm lang, doch kommen auch Exemplare mit 75 cm
Lange vor. Die Tiere graben sich im Winter Gange unter den Schnee und be-
steht die Nahrung aus Gras, Moos und den Spitzen der Nadelholzer.
In Skandinavien lebt ausserdem noch L. timidus, der sehr fein und weiss
ist, und in Irland sogar zwei Arten, L. hibernicus und L. lutes c ens, doch hort
man nichts davon, dass solche in den Handel kommen. Alle diese weissen
Hasen zeichnen sich durch die dichte filzartige Behaarung der Sohlen aus.
In der Schweiz kommt ausser dem spater zu erwahnenden Alpenhasen
noch der L. varronis und L. breviauritus vor. Diese bilden aber der Seltenheit
des Vorkommens halber keinen Handelsartikel. Auf der Insel Yesso in Nord-
japan, kommt auch ein weisser Hase vor, L. ainu, der aber bisher auch nicht
in den Handel gekommen ist.
In Amerika kommen verschiedene Hasenarten vor. Der L. arcticus lebt
auf den Barrengrounds im Norden des Hudsonsbai-Gebietes, ist aber hier
nicht sehr haufig, dagegen sehr stark auf den Inseln im Norden Amerikas bis
Gronland. Auch wird er im Sommer grau, im Winter weiss mit schwarzer
Ohren- und Schwanzspitze. Im Siiden und Osten der Hudsonsbai lebt
L. labradoricus, der im Sommer bl£ulicherau ist, im Winter sehr dichten^Pelz
622 Naturgeschichte der Pelztiere.
hat, rauher als die anderen Arten und auch etwas grosser 1st. Sehr schon weiss
im Winter ist auch L. campestris, der von den Ebenen am Saskatschewan bis
nach dem nordlichen Kansas hinunterreicht. Nicht ganz weiss im Winter wird
L. virginianus, der in Neuschottland, Maine und der Ostkiiste bis Connecticut,
dann im siidlichen Kanada und Nordminnesota lebt. Der Winterpelz ist weiss,
mit schieferblauem Grund mit rotlichem Schimmer.
In Alaska lebt L. othus und L. poadronus und kommt dort auch der in
Asien heimische L. tschuktschorum vor. Weiter siidlich kommt L. saliens,
L. bishopi und L. klamathensis vor, die etwas kleiner sind und auch nicht
im Winter bis auf den Grund weiss werden. Alle diese Arten unterscheiden sich
hauptsachlich durch anatomische Unterschiede. Der amerikanische Polar™
hase ist iibrigens schlau, und garnicht leicht zu iangen. Im Winter, wo
er sich kaum von der Schneedcke abhebt, auch schwer zu schiessen.
Es kommen auch kaum mehr als 200 ooo Stuck Felle jahrlich in den
Handel, wahrend dagegen grosse Mengen Felle von den Indianern und Eskimos
zum eigenen Gebrauch verwendet werden. Ganz anders ist der als ,, rabbit"
bezeichnete L. variabilis, der ungemein zahlreich im Hudsonsbai-Gebiet vor-
kommt. Derselbe wird im Winter auch weiss, aber behalt immer einen rot-
lichen oder blauen Grund, wahrend auch das Oberhaar mehr weissrotlich ist.
Die Hudsonsbay Company bring t jahrlich im Januar mehrere Hunterttausend
dieser Felle zur Auktion, die aber zum Farben, ihres sehr diinnen Leders halber,
nur wenig geeignet sind. Das Tier ist wesentlich kleiner als der weisse Hase.
Viele Indianerstamme, besonders aber die Hasenindianer machen vorziigiiche
Decken aus diesen Fellen, indem sie solche in lange schmale Streifen schneiden,
die rohrenartig zusammengenaht werden. Diese Rohren werden dann mit dem
Haar nach aussen aneinander genaht und lose geflochten, bilden eine ungemein
leichte aber sehr warme Decke. Eine viel grossere Bedeutung fur den Rauch-
warenhandel erlangen sie aber dadurch, dass sie die Hauptnahrung der Luchse,
Zobel und virginischen Iltisse bilden. Die Tiere vermehren sich ungemein rasch,
werfen achtmal im Jahr, 3 bis 4 Junge, in der Periode der Zunahme aber
jedesmal 6 bis 10 Junge, die auch noch im selben Jahre fortpfianzungsreif
sind. Trotz der vielen Feinde steigt deshalb in regelmassiger Periode ihre Zahl
enorm. Da die Familien aber ihren engen Distrikt, wo sie geboren sind, nicht
verlassen, so wird der Boden allmahlich, wie man annimmt, durch die
Exkremente vergiftet. Jedenfalls bricht nach ca. 10 Jahren regelmassig eine
Epidemic aus, die enorme Mengen hinwegrafft. Die iiberlebenden vermehren
sich aber dann wieder rasch in ansteigender Zahl. Dies ist auch die Haupt-
sache der bekannten periodenweisen Vermehrung der Luchse. Auch in den
Vereinigten Staaten kommt dieser Hase zahlreich vor, meist ,,jackrabbit"
genannt, wird aber dort im Winter nicht weiss. Namentlich in Kalifornien
werden sie zuzeiten zu vielen Hunderttausenden erlegt.
Der Alpenschneehase, L. variabilis, weicht vom nordischen
ziemlich ab. Er ist kleiner als dieser und auch kleiner als der gewohnliche
XIII. Nacietiere. 623
Feldhase, namentlich schlanker und zarter gebaut, wahrend die Behaarung
langer und dichter ist. Das Gewicht eines ausgewachsenen Alpenschneehasen
iiberschreitet selten fiinl Kilo. Die Ohren sind auch bedeutend kiirzer als beim
braunen Hasen, die Hinterbeine langer und die Sohlen dichter mil filzartiger
Wolle besetzt. Er andert seine Farbe im Herbst und Friihjahr, und zwar
richtet es sich stets nach der Witterung, so dass Beobachter aus einem friih-
zeitigen Verfarben der Hasen auf einen sehr strengen Winter schliessen. Die
Verfarbung ist aber stets gleichzeitig mit der des Hermelin und Wiesel. Im
Herbst geht die Verfarbung mit der gewohnlichen Wintermauser Hand in
Hand, die braunen Sommerhaare fallen aus, die neuen Haare sind weiss.
Im Fruhjahr ist das aber nur zum Teil der Fall, ein Teil der Haare nur fallt
aus, die anderen verfarben sich, indem die langeren Haare schwarz, die
anderen braun werden. Die Wollhaare wandeln sich von weiss in grau. Die
Sommerfarbung ist iiberhaupt mehr olivenfarbig, mit schwarz gemischt,
nicht rotlichbraun wie der Feldhase. Der Bauch und die Loffel bleiben weiss.
Das Tier ist in der ganzen Schweiz verbreitet, verbleibt dort aber meistens
in der Nahe der oberen Waldgrenze unterhalb des ewigen Schnees. Im Winter
geht er auch tiefer zu Tal, bis zu 700 m Meereshohe. Auf dem offenen Stein-
feld halt er sich nicht, da er hier seinen natiirlichen Feinden, den Raubvogeln,
Raben usw. zum Opfer fallt.
Die Vermehrung ist sehr stark, er wirft dreimal im Sommer, jedesmal
3 bis 6 Junge, die auch sehr schnell fortpflanzungsreif werden. Das Tier wird
viel gejagt, und soil das Fleisch sehr gut schmecken. Das Fell kommt aber
sehr wenig in den Handel und wird wohl meistens lokal verbraucht. Der
Alpenhase paart sich mitunter fruchtbar mit dem gewohnlichen Feldhasen.
Gefangene Schneehasen werden auch viel schneller zahm als der gewohnliche
Hase, gehen aber in der Gefangenschaft zum Teil bald zu Grunde, da sie die
Hohenluft nicht entbehren konnen.
15. Die Hasen.
Der Hase, L, timidus, franzosisch lievre, englisch hare, gehort eigentlich
nicht in den Kreis unserer Betrachtungen, denn das Fell wird zu Pelzzwecken
fast nie gebraucht, da das Leder nicht haltbar genug ist und beim Zurichten
bricht. Viele Rauchwarenhandler, namentlich Handler mit Landwaren,
handeln aber auch Hasenfelle, da sie in grossen Mengen zur Fabrikation der
Haarfilzhiite gebraucht werden. Namentlich dieFelle unserer deutschen Winter-
hasen sind zu diesen Zwecken sehr gesucht und bringen bis zu 90 Pf. per Stuck
im Grosshandel, wahrend die Sommerfelle, oder eigentlich Herbstfelle, da ja
der Hase in Deutschland vom 15. Februar bis i. September Schonzeit hat,
weniger Wert haben. Es kommen jahrlich mindestens 5 bis 10 Millionen
Hasenfelle in den Handel, stets in Ballen von 500 Stuck gepackt. Ein aus-
gewachsener Hase wiegt ca. 6 kg.
624 Naturgeschichte der Pelztiere.
Er kommt in Mitteleuropa und einem Teil Westasiens vor. Russland und
Sibirien liefern viele graue Hasenfelle, die sibirischen gehoren aber einer
anderen Art an, die viel weniger wohlschmeckend sind als unsere deutschen
Hasen.
Im Siiden Europas wird er auch durch eine andere Art, L. mediterraneus,
vertreten, der kleiner und rotlicher gefarbt ist. Die nordlichen Grenzen des
gewohnlichen Feldhasen sind Schottland und Siidschweden, seine siidlichsten
Siidfrankreich und Norditalien. Der Hase wirft 3 bis 4 mal im Jahre ca. 3 bis
10 Junge, die iibrigens vom Weibchen sehr wenig gepflegt werden. Durch
feuchte Witterung im Fruhjahr geht gewohnlich der erste Satz ganzlich ver-
loren, auch wirken seine natiirlichen Feinde, Fiichse, Wiesel, Harder, Raub-
vogel und Krahen einer iibergrossen Vermehrung, die schadlich werden konnte,
entgegen. Bekannt ist die grosse Feigheit des Hasen, die sich aber mit viel List,
und, namentlich bei den Rammlern, mit viel Bosheit vereint.
In Asien kommen noch verschiedene Arten vor, von denen wir namentlich
den kleinen chinesischen Hasen erwahnen. Auch in Afrika kommen ver-
schiedene Hasenarten vor, die aber samtlich viel kleiner sind als unser Hase,
dafiir aber sehr lange Ohren haben. Die Felle kommen nie in den Handel. In
Sudamerika fehlen einheimische Hasenarten ganzlich, sind aber seit einigen
Jahren in Argentinien aus Europa als Jagdwild eingefiihrt und haben sich
in den Steppen ungemein stark vermehrt.
1 6. Die Kaninchen.
Das wilde Kaninchen, L. cuniculus, stammt ursprunglich aus-
den Mittelmeerlandern, hat sich aber iiber ganz Europa verbreitet, und ist,
wo es sich einmal festgesetzt, schwer zu vertreiben, da es sich erstens ausser-
ordentlich stark vermehrt und zweitens sofort beim Annahen einer Gefahr
in seinen Bau schlupft. Die Baue mit tiefliegendem Kessel und mehreren
Rohren sind meist in grossen Ansiedlungen vereint. Meist verlasst das Tier
den Bau mit Einbruch der Dammerung und ist dann infolge seiner schnellen
Bewegung und seiner Gewandtheit durchaus nicht leicht zu schiessen. Die
beste Fangmethode, die einige Aussicht auf Erfolg gibt, ist mittelst Frettchen,
die in den Bau gelassen, die Tiere in vorgestellte Netze treiben. Wiesel und
Marder sind seine natiirlichen Feinde, die aber kaum imstande sind, der
natiirlichen Vermehrung Schranken zu setzen. Von Februar bis Oktober
setzt das Weibchen alle 5 Wochen 4 bis 12 Junge, die auch nach einigen
Monaten fortpflanzungsfahig sind. Dabei sind die wilden Kaninchen, im Gegen-
satz zum Hasen, sehr zartliche Eltern, und im geschiitzten Bau fallen auch
wenige Junge der Witterung zum Opfer. In England ist das Kaninchen heute
eins der verbreitesten Jagdtiere, und auch in Spanien sind sie sehr heimisch.
Bei uns in Deutschland ist das wilde Kaninchen mit Recht von jeder Schonzeit
ausgenommen, denn der von den Tieren angerichtete Schaden ist sehr gross.
XIII. Nagetiere 625
Nicht allein die Felder leiden, da es seine Nahrung stets auf kleinerem Raume
deckt als der umherschweifende Hase, sondern auch die Baume in den Forsten
und die Obstbaume in den Garten werden durch Abnagen der Rinde zerstort,
und ausserdem leiden die ganzen Anpflanzungen durch das Wiihlen und das
Anlegen der Rohren. Das Kaninchen bevorzugt zu seinen Bauten stets lockeren
Boden. In Gcfangenschaft werden sie sehr schnell zahm, ebenso wie zahme
Kaninchen in der Freiheit sehr schnell ver wilder n und deren Junge dann die
graue Farbe der wilden Kaninchen annehmen. Das Fleisch schmeckt recht gut,
bleibt aber beim Braten oder Kochen stets weiss. In Deutschland herrscht
noch vielfach ein Vorurteil gegen das Fleisch der wilden Kaninchen, das aber
durchaus unberechtigt ist. Ubrigens ist der Marktpreis in den letzten Jahern
auf i bis 1,50 Mk. pro Stuck gestiegen, wahrend noch vor 10 Jahren das
Stuck nur 50 Pf. kostete. Das Fell dient zur Fabrikation von Haarnlzhiiten
und kostet je nach Grosse und Qualitat 10 bis 20 Pf. per Stuck. In letzter
Zeit werden iibrigens die grossten gut en Winter felle auch zur Pelzfabrikation
verwandt, wozu sie auch gut geeignet sind, wenn das Leder auch diinner ist
als beim zahmen Kanin.
Das Gewicht eines ausgewachsenen wilden Kaninchens ist selten schwerer
als 2 bis 2% Kilo, das getrocknete Fell wiegt 60 bis 80 Gramm.
Von viel grosserer wirtschaftlicher Bedeutung ist aber die Zucht der
Kaninchen. Man hat es verstanden, sehr grosse, schwere Rassen zu ziichten,
und wenn auch in Deutschland dies mehr als Sport betrieben wird, da bei uns
noch immer ein grosses Vorurteil gegen Kaninchenfleisch herrscht, so tragt
die Kaninchenzucht in Frankreich, Belgien und England nicht unbetrachtlich
zur Vermehrung des Nationalwohlstandes bei, und bildet Kaninchenfleisch
einen nicht unbetrachtlichen Teil der Volksnahrung in diesen Landern.
Besonders nach England findet ein grosser Export von Kanin aus Belgien,
Frankreich, und jetzt auch aus Australien in gefrorenem Zustande statt, da
die starke eigene Produktion an wilden und zahmen Kanin nicht fur den
starken Bedarf ausreicht. Es wiirde hier zu weit fiihren, wenn wir auf alle
Rassen des Hauskaninchens eingehen wiirden. Am wertvollsten sind die in
Frankreich gezuchteten Silberkaninchen, mit blauem Untergrund
und die Grannen teils weiss, teils silbergrau. Das Gewicht eines aus-
gewachsenen Tieres ist etwa 8 Pfund. Auch in England wurde eine bestimmte
Sorte Silberkanin geziichtet, doch waren dieselben kleiner und wogen kaum
iiber 6 Pfund. Die besten hellen Felle gehen nach Russland und China, die
an deren werden gefarbt.
Andere beliebte Rassen sind belgische Riesen und f r a n z 6 -
sische Widderkaninchen und Hasenkaninchen, von
denen cinzelne Exemplare ein Gewicht bis zu 13 Pfund erreichen, also grosser
sind als ein Feldhase. Ferner die englischen blue and Tan, die blau-
rotlichen Wiener Kaninchen, die dreifarbigen japanischen
K a n i n c h e n , der gewohnliche graue Stallhase und das w e i s s e
.'O
626 Naturgeschichte der Pelztiere.
oder polnische Kaninchen, das am meisten in Galizien und Ost-
deutschland gezogen wird. In Frankreich und Belgien existieren zahlreiche
Fabriken zur Verarbeitung von Kaninchenfellen, in Deutschland nur zwei, die
eine in Unkel am Rhein, die andere in Leipzig. Die Felle werden zunachst zu-
gerichtet, dann entweder mil dem Oberhaar schwarz oder braun gefarbt, oder
geschoren, und zwar entweder kurz geschoren, oder sogenannte halbrasee.
Die besten Sorten werden dann elektrisch behandelt, wodurch die Felle dem
echten Sealskin fast tauschend ahnlich werden. Die Felle werden samtlich
sealartig gefarbt und unterscheidet man franzosische Farbe mit dunklem
und englische Farbe mit gelbrotlichem Grund. Die Decke ist ein dunkles
glanzendes Braun. Nach Fertigstellung werden die Felle nach Grossen sortiert
und in Dutzende gestochen. Man sortiert dann je ein Dutzend X, zwei
Dutzend XX und ein Dutzend XXX. Je 100 Dutzend bilden eine Kiste. In
Belgien ist die Fabrikation ebenso, doch sind die verwendeten Felle kleiner und
geringwertiger und sortiert man in ein Dutzend XX, zwei Dutzend XXX und
ein Dutzend XXXX. Franzosische Kaninchen kosten jetzt, je nach Marke
und Qualitat, von 15 bis 40 Mk. das Dutzend, belgische und deutsche von
6 bis 15 Mk. In alien Fabriken werden aber nicht nur die Felle des eigenen
Landes verarbeitet, sondern grosse Mengen roher Felle werden eingefuhrt.
Die geringeren Felle werden zur Filzfabrikation verwendet, indem das
Wollhaar mit Maschinen abgerupft wird und dann ebenso wie Hasenhaar zu
feinen Filzhiiten verarbeitet wird. Die Haut wird zu Leim verarbeitet.
Die polnischen weissen Kanin werden nicht gefarbt, sondern werden
alaungar zugerichtet und naturell verarbeitet, teilweise auch geschoren.
Mittelpunkte dieser Industrie sind Lemberg in Galizien und Polnisch-Lissa
in der Provinz Posen. Weisse Kanin kommen jahrlich etwa i Million Felle
in den Handel, wahrend gefarbte Kanin etwa 60 Millionen Stuck geliefert
werden. Hiervon entfallt der Lowenanteil auf Frankreich mit etwa 30 Mill.
Stuck, Belgien liefert etwa il/2 Millionen Dutzend, Deutschland nicht ganz
eine Million Dutzend. Verwendet werden die Felle in alien Landern, namentlich
importiert auch Amerika grosse Mengen. In Berlin allein wird fast eine Million
Dutzend in gut en Jahren verarbeitet.
Vor etwa 50 Jahren fuhrte ein Jagdliebhaber in Adelaide (Siidaustralien)
einige Paar lebender Wildkaninchen aus England ein und setzte sie aus, um
ein neues Jagdtier zu haben. Der Name dieses Mannes ist unbekannt geblieben,
sonst wiirde er von seinen Landsleuten als moderner Herostrat betrachtet
Averden, denn aus diesen wenigen Tieren entwickelte sich eine der grossten
Landplagen Australiens. Das Klima sagte den Tieren zu, ihre naturlichen
Feinde fehlten ganzlich, und so zahlten sie bei ihrer. ungeheuren Vermehrungs-
fahigkeit bald nach vielen Millionen. Der ganze Kontinent bis nach Queensland
hinauf wurde von ihnen uberlaufen, den Schafen die Weide weggefressen
und ungeheurer Schaden angerichtet. Alle Abwehrmassregeln half en nichts,
die eingefuhrten Fiichse, Iltisse usw. fanden es bequemer, sich auf den Hiihner-
XIII. Nagetiere. 627
hofen der Farmer zu ernahren und taten den Kaninchen wenig Abbruch.
Man musste schliesslich die Weidegriinde mit eingegrabenen Drahtnetzen
umziehen und sind dafur bis jetzt mehr als 100 Millionen Mark ausgegeben
worden. Jetzt hat man sich an den Zustand gewohnt und sind zahlreiche be-
rufsmassige Kaninchen jager tatig, die der iibergrossen Vermehrung erfolgreich
Einhalt tun, und ausserdem wird durch Fleisch und Felle der gefangenen
Tiere ein Ausgleich geschaffen.' Die Fanger erhalten eine kleine Pramie fur
jedes Paar Kaninchenohren, und es werden jetzt jahrlich etwa 20 Millionen
Felle nach England und etwa 10 Millionen Felle nach Amerika und den anderen
Konsumptionslandern verschickt. Ausserdem gelangen in den Kuhlschiffen
jahrlich mehrere Millionen Kaninchen im Fleisch nach England.
Ehe die Gefahr erkannt war, hatte man auch nach Tasmanien und Neu-
seeland Kaninchen eingefuhrt, und entwickelten sich hier die Tiere gleichfalls
zur Landplage, wurden in Neuseeland aber gleichzeitig grosser und die Felle
dichter und raucher.
Ausgefiihrt werden nach England aus Neuseeland etwa 3 Millionen Felle.
In London werden die Felle sortiert in Fully seasoned, fairly seasoned, incoming
und outgoing, Racks, Suckers, milchy skins und Kittens. Der Verkauf ge-
schieht nach Gewicht, in Pence per Ib. Die besten Felle wiegen i% Ib. per
Dutzend, die schwerledrigen bis 2 1/2 Pfund, die Suckers % Ib. per Dutzend.
Bis vor kurzem wurden diese Felle ausschliesslich zur Hutfabrikation ver-
wendet. Seit einigen Jahren werden aber grosse Mengen der rauchen, fein-
ledrigen Sorten auch fur die Pelzfabrikation nutzbar gemacht, geschoren,
gefarbt und elektrisiert. Dies hat auch auf den Preis enorm stimulierend
gewirkt. So kosteten z. B. 1908 die sogenannten dressing skins zur Pelz-
bereitung etwa 30 Pence per Ib., im Herbst 1909 wurden aber bereits bis 87 d
dafur bezahlt. Jetzt ist das Pfund wieder etwa 40 d. Der Preis der Felle zur
Hutfabrikation schwankt je nach Sorte und Konjunktur von 6 bis 24 Pence.
Die Neuseelander sind stets ca. 10 Proz. teurer als australische. Neben den
gewohnlichen grauen Kaninchen kommen auch noch schwarze und silbergraue
vor, die aber wesentlich kleiner als die franzosischen und noch kleiner als die
englischen silber grauen sind. Es werden davon jahrlich etwa i bis 200 ooo
Stuck ausgefuhrt.
Die sonst noch uberall geziichteten langhaarigen weissen sogenannten
Angorakaninchen sind wirtschaftlich ohne jede Bedeutung, das Fell
ist wertlos und das Fleisch schmeckt fade.
4o*
XIV.
Die Beuteltiere.
1. Schnabeltier.
Australian beherbergt die altesten Saugetierformen, die eigentlich als
Vorlaufer der heutigen Saugetierformen zu gelten haben, die Schnabeltiere
und die Beuteltiere und zwar mit Ausnahme des spater mit den Menschen ein-
gewanderten Dingos, des wilden Hundes, aussehliesslich solche, ein Zeichen,
dass mindestens seit dem altesten Tertiar keinerlei Verbindung mit einem
anderen Erdteil stattgefunden hat. Von Beuteltieren finden sich heute lebend
ausser in Australien nur noch in Amerika mehrere Opossum- Art en, von den
Schnabeltier en sonst nirgends in der Welt lebende Exemplar e. Die Schnabel-
tiere bildeten eine sehr weit verbreitete Gruppe in der Triasformation, als
Monotremas- oder Cloakentiere bekannt, und stehen noch in verschiedenen
Merkmalen in naher Verwandtschaft mit den Vogeln. Ausser dem charakte-
ristischen Schnabel haben sie auch im Gegensatz zu den Saugetieren nur einen
Auslass fur feste und fliissige Ausscheidungen. Uber ihre Fortpflanzung
herrschte bis in die neueste Zeit grosse Dunkelheit, man wusste nur, dass sie
auch Eier legen usw. und erst den umfassenden Untersuchungen von Professor
Semon aus Jena, einem Schuler Haeckels, bei einem zehnjahrigen Aufenthalt
im australischen Busch gelang es, Licht dariiber zu.verbreiten. Eier kommen
in den Beutel der Mutter, wo sie auskriechen als nackte kaum fmgerlange
Fleischklumpchen. Das Weibchen besitzt auch keine Zitzen, sondern die Milch
sickert durch eine grosse porose Stelle der Bauchhaut und wird hier von den
Jungen aufgeleckt.
Es gibt in Australien mehrere Arten des Ameisenigels Echidnea,
die auf Neu- Guinea durch verwandte Arten vertreten sind, die uns aber als
Pelzhandler nicht weiter interessieren, dagegen findet sich das eigentliche
Schnabeltier, Ornithorynchus anatinus, von den Englandern ,, platy-
pus" genannt, franzosisch ondatras, nur im siidostlichen Australien, und
bildet der 18° siidlicher Breite in Siidqueensland seine nordlichste Ver-
breitungsgrenze. Das wunderliche Tier von etwa 18 Zoll Lange mit kurzen
Beinen sieht aus wie ein Mittelding zwischen Maulwurf und Fischotter, hat
aber einen breiten hornigen Entenschnabel und Schwimmfusse. Der Pelz ist
632 Naturgeschichte der Pelztiere.
silbrigbraun, glanzend ungemein fein und dicht samtartig, darunter sitzt
eine'noch dichtere und feinere blauliche Unterwolle, noch feiner als Sealskin,
und wiirde dasselbe ein sehr wertvolles Pelzwerk abgebcn, wenn eben mehr
da von an den Markt kame. Allerdings ermutigen die Preise, die fur die
wenigen (hochstens 100 Stiick jahrlich) Felle, die in London zur Auktion
kommen, bezahlt werden, etwa 2 bis 3 Schillinge pro Stiick, nicht zu weiteren
Zufuhren, was auch fiir die Unterhaltung dieser Reliquien aus einer alten
geologischen Epoche ein Gliick ist. Bei australischen Kiirschnern findet man
indessen haufig Miitzen, Decken etc. aus Schnabeltierfellen, die dann auch
gut bezahlt werden.
Das Tier nahrt sich von Wurmern, Schnecken und Muscheln, die es durch
Tauchen aus dem Schlamm der Fliisse fischt und zerknackt mit den hornigen
Kiefern miihelos die hartesten Muschelschalen. Es jagt nur in der friihesten
Morgendammerung oder der spaten Abenddammerung, und obgleich die
kleinen Augen tief im Pelz verborgen liegen, sieht es doch sehr gut und hort
ganz vorziiglich. Bei den kleinsten Anzeichen von Gefahr flieht es seiner am
Uferhang gegrabenen Hohle zu, die ahnlich wie Biber- und Bisambauten einen
Ausgang unter Wasser und einen zweiten uber Wasser besitzt.
Die eigentlichen Beuteltiere, die nachsten Vorlaufer der echten
Saugetiere oder Placenta-Tiere, wie sie Haeckel nennt (von placenta, der
Mutterkuchen) finden sich in der alten Welt hauptsachlich in der Sekundar-
Periode, namentlich in der Juraformation und waren damals uber die ganze
Erde verbreitet. Heute leben sie, wie schon oben angedeutet, ausser dem
amerikanischen Opossum, nur noch in Australien. Hier treten sie aber in solcher
Reichhaltigkeit auf, dass sie in ihren verschiedenen Formen auch alle Sauge-
tierformen vertreten, denen sie in ihrer Lebensweise entsprechen. Man spricht
deshalb von Beutelwolfen, Beutelmardern, Beutelratten, Beutelmaulwurf,
Beuteleichhorn, ja man hat sogar fossile Beutelelephanten, Beutellowen ge-
fanden. Natiirlich haben die so benannten Tiere nicht die geringste zoolo-
gische Verwandtschaft mit ihren Namensvettern, aber die gleiche Lebens-
weise hat auch ahnlich e Erscheinungsformen hervorgerufen. Man unter-
scheidet fleischfressende Saugetiere, die in Raubtiere und Insektenfresser
unterschieden werden, und Pflanzenfresser, die wieder in Grasfresser, Wurzel-
fresser und Fruchtfresser unterschieden werden. Es gibt auch Beutelnagetiere,
kurz alle Saugetierformen sind vertreten. Nur von einem Beutelpferd verlautet
noch nichts, doch sahen ja die Vorfahren unserer Pferde in der Tertiarperiode,
die Anchitheria auch mehr einem Fuchs als einem Pferde ahnlich.
Die Beuteltiere in Australien sind nun ungemein zahlreich und ganz im
Gegensatz zu der allgemeinen Annahme haben die meisten Arten mit der zu-
nehmenden Kultur des Landes nicht abgenommen, sondern zugenommen.
Dies hat wohl verschiedene Ursachen. Erstens die Vernichtung ihres Haupt-
feindes, des Dingos, zweitens die fast ganzliche Ausrottung der Eingeborenen,
deren Hauptnahrung die Kanguruh, die Opossum und Wallaby usw. bildeten
XIV. Die Beuteltiere. 633
und nicht zum wenigtcn auch die Vermehrung der Weideflachen, die durch Be-
wasserung und Waldordnung hervorgerufen wurde.
Allerdings wird ihnen auch ihrer Felle halber durch den Ansiedler eifrig
nachgestellt, aber der Abbruch, der ihrer Vermehrung dadurch geschieht, halt
nicht Schritt mit den so geschaffenen giinstigen Lebensbedingungen.
2. Kanguruh.
Die auffallendste Familie der australischen Beuteltiere, schon durch ihre
Grosse, sind die Kanguruh, von denen zahlreiche Arten weit verbreitet
sind. Man zahlt iiber 25 verschiedene Arten. Alle sind hauptsachlich Gras-
fresser, sie leben in Trupps, die oft mehrere hundert Mitglieder zahlen, vorzugs-
weise halten sie sich auf den offenen Weideflachen auf, und werden von den
Squattern, wie die grossen Viehziichter genannt werden, gehasst, da sie dem
Vieh die oft sparliche Weide wegfressen. Ihre Jagd bildet einen beliebten Sport
und werden dazu auf den meisten Stationen besondere Kanguruhhunde ge-
halten, eine Kreuzung von Fuchshund und danischer Dogge, sehr schnell und
kraftig. Mit ihrer Hilfe werden die Kanguruhs gehetzt, wahrend die Jager zu
Pferde folgen. Mit Hilfe der langen Hinterbeine und des stiitzenden Schwanzes
entwickeln die gehetzten Tiere eine sehr erhebliche Schnelligkeit, indem sie
machtige Satze machen. In die Enge getrieben, sind sie durchaus nicht
ungefahrliche Gegner. Mit den Vorderfiissen wissen sie kraftige Boxerstosse
auszuteilen, wahrend sie durch Schlage mit den klauenbewahrten Hinterfussen
oft den Hunden oder dem sich unvorsichtig nahernden Jager den Leib auf-
schlitzen. Das Fleisch wird meist nur von den Eingeborenen gegessen, soil aber
ziemlich wohlschmeckend sein, wahrend der zu Suppe gekochte Schwanz auch
fur Europaer eine grosse Delikatesse ist. Die grosste Art ist das R i e s e n -
kanguruh Macro-pus giganteus auch ,, alter Mann" genannt, das eine Hohe von
iiber 7 Fuss erreicht. Das Fell ist dunkelbraun oder graubraun mit weisslichen
Spitzen. Die Unterseite heller, fast weisslich und mit langerem, diinnen Haar
besetzt. Die Felle der jungen Tiere werden zu Pelzwerk benutzt, die der aus-
gewachsenen Tiere zu Leder gegerbt. Kanguruhleder wird sowohl in Australien
selbst als auch in Amerika in grossen Mengen hergestellt, weshalb in den
letzten Jahren weniger Felle nach dem europaischen Markt gelangen, obgleich
die Tiere in Australien an Zahl zugenommen haben, sei es durch Ausrottung
ihrer naturlichen Feinde, der Eingeborenen und des Diinger, oder durch Ver-
mehrung der Weideflachen infolge der kunstlichen Bewasserung. In den
letzten Jahren zeigt sich aber doch eine Abnahme des eigentlichen grossen
Kanguruhs, weshalb jetzt Schutzmassregeln erwogen werden.
Die nachste grosse Art ist das rote Kanguruh Macropus rufus, das sich
in ganz Australien, von Queensland bis Tasmanien, vorfmdet und ebenfalls
in grossen Herden auf den Grasflachen lebt. Ubrigens sind nur die Mannchen
634 Naturgeschichte der Pelztiere.
rotlich, die Weibchen, die erheblich kleiner sind, haben eine graublaue Farbe.
Die Felle der letzteren sind ebenfalls fur ,,Furriers"-Zwecke gesucht, fiir
Gerberzwecke sind aber die Felle von M. rufus weniger begehrt. Auch von dem
etwas kleineren blauen Kanguruh (M. erubescens) werden nur die Felle des
Weibchens zu Pelzzwecken benutzt, sie sind meist hell, blaulich-grau gefarbt,
das Haar sehr weich und dicht, auch langer als das der anderen Arten, mit
blaulicher reicher Unterwolle. Die Unterseite ist weiss. Das Leder ist diinn
und weich. Der Preis dieser Fellart ist in den letzten Jahren bedeutend ge-
stiegen. Wahrend man Anfang der achtziger Jahre 3 bis 4 Pence pro Fell
zahlte, und noch 1890 nur etwa i% bis il/2 Schilling, kosten dieselben jetzt
etwa 4 sh.
Das kleinste der eigentlichen Kanguruhs ist das im Gebirge lebende
,, Wallaroo" oder M. robustus. Das Mannchen ist dunkelbraun gefarbt, die
Weibchen hellgrau. Der Schweif zeigt eine gelbliche Zeichnung an jeder
Seite; das Haar ist kurz und grob, daher wenig fiir Kiirschnerzwecke geeignet.
Die Gesamtzahl aller jahrlich in den europaischen Handel gelangenden
Kanguruhfelle betragt etwa 20 ooo. Im Jahre 1890 kamen etwa 400 ooo Stuck
nach London, jetzt geht aber ein sehr grosser Teil, wie schon erwahnt, nach
Nordamerika, und ein weiterer Teil wird im Lande verarbeitet. Die Kanguruh-
arten, sind ubrigens nicht auf das Festland von Australien beschrankt, sondern
linden sich auch auf den Inselgruppen, so z. B. M. brozvni auf Neu-Guinea und
Neubritannien und M. brunei auf dem Kei und den Aru-Inseln. Die Felle aus
diesen tropischen Gegenden sind aber fiir den Pelzhandel wertlos.
3. Wallaby.
Von hervorragender Bedeutung fiir diesen ist aber die nachste Gruppe der
Beuteltiere, die Wallaby. Das feinste Haar von diesen hat das Felsenkanguruh
oder rock wallaby, von dem besonders zwei Arten in Frage kommen. Petrogalc
xanthopus, ein kleines Tier, dessen Fell eine Lange von 50 bis 60 cm erreicht.
Der Schweif ist durchschnittlich ebenfalls 60 cm lang, befindet sich aber
selten an den in den Handel gelangenden Fellen. Das Haar ist sehr weich,
lang und dicht, gelbrotlich mit dunklem Riicken und einem schwarzlichen
Streifen in der Mitte. Es kommt hauptsachlich in Siidaustralien vor. Viel
verbreiteter ist das andere, rock wallaby, Petrogale penicillata. Die Grosse
ist ebenfalls 50 bis 60 cm, doch ist der Schwanz langer, oft bis 80 cm. Die
Farbung ist vorwiegend rotlichbraun, die einzelnen Haare geringelt, mit einer
helleren Spitze, auf jeder Schulter einen breitem, graubraunen hellen Streifen.
Die Unterwolle ist blaulich; der Schweif ist mit steifem, groben Haar bedeckt.
Das rock wallaby lebt vorzugsweise von Wurzeln, Grasern usw., bevorzugt
felsige Gegenden, weher sein Name stammt, und ist ein vorzuglicher Springer,
das trotz seiner verhaltnismassigen Kleinheit Siitze don 2 bis 2% m Lange
XIII. Nagetiere. 635
machen kann und sich auch in den schwierigsten Felspartien mit grosser
Leichtigkeit bewegt. Es kommen jetzt etwa 2 bis 300 ooo dieser Felle auf den
Markt. Der Wert pro Stuck ist etwa 3 sh.
Am wertvollsten unter den verschiedenen Wallabyarten ist das Busch-
wallaby, unter welchem Namen zwei Art en zusammengefasst werden, M. benetti
und M. rufficolis.
Das Tier ist bedeutend grosser als das vorhergenannte und erreicht die
Grosse eines mittleren Kanguruhweibchens. Die Grundfarbe ist rotlichweiss,
die einzelnen Haare sind geringelt grau und rotlichgelb. Das Haar ist etwas
grob, die Felle eignen sich aber sehr gut zum Farben und liefern namentlich
Skunkimitation. Der Wert, der noch vor 20 Jahren 3 bis 6 Pence per Stuck
betrug, ist heute etwa 3 Schilling im Durchschnitt. Das Hauptvorkommen
der Tiere ist in den ausgedehnten Waldungen, ,,Busch" genannt, in Viktoria
und Neusiidwales. Sie sind hauptsachlich Wurzel- und Grasfresser.
Es werden jahrlich etwa 300 ooo Felle in Europa importiert.
Das grosste aller Wallabyarten, der als typisch der Familie den Namen
gegeben, ist das Sumpf wallaby, ,, Swamp wallaby", M. wallabatus. Das Fell
ohne Schweif ist etwa i m lang. Das Haar ist dunkelbraun, lang und dicht,
rotlichbraun geringelt, die Unterseite ist gelbbraun.
Die Unter wolle ist hell und nicht besonders dicht, doch wird das Fell
sowohl zu Decken als auch zu Pelzen geschatzt, und werden dieselben auch
vielfach skunksartig gefarbt.
Jahrlich e Importziffer etwa 200 ooo, der Preis ist etwa 3 — 4 sh. pro
Stuck.
Auch auf den Inselgruppen leben verschiedene Wallabyarten, so z. B. auf
Neu-Guinea das grosse M. agilis und der kleine Dorcopsis luctuosa, mit
kurzen Hinter- und langeren Vorderbeinen. Alle Kanguruharten sind schon
hoher entwickelte Beuteltiere, die ihre Jungen hereits etwas mehr im Mutter-
leibe entwickelt haben, ehe sie dieselben in den Beutel bringen. Sie sind echte
Spring- resp. Lauftiere, bei denen sich der urspriingliche Greifschwanz des
Baumtieres in einen Stiitzschwanz umgewandelt hat.
4. Opossum.
Das Urbild des Beuteltieres ist aber das Opossum, franzosisch phalangiste
d'Australie, welches auch heute noch das verbreitetste Beuteltier ist. Kommen
doch von Australien allein jahrlich etwa 5 Millionen Opossumfelle in den
Handel. Ihre Zahl scheint mit der zunehmenden Bevolkerung auch zuzu-
nehmen, indem noch vor 30 Jahren jahrlich kaum 300 ooo gefangen wurden,
und seit dieser Zeit ihre Zahl all jahrlich gewachsen ist. Man liirchtet aber jetzt
eine Abnahme der Tiere durch den gesteigerten Export und hat Queensland
ein Gesetz erlassen, wonach das Toten von Opossum mittelst Gift verboten ist.
636 Naturgeschichte der Pelztiere.
Auch die anderen Staaten des Common Wealth warden wahrscheinlich ahnliche
Schongesetze erlassen.
Es sind samtlich Baumtiere und nahren sich hauptsachlich von Blattern
und Friichten, verschmahen aber gelegentlich auch ein Vogelei oder junges
Vogelchen nicht.
Die verbreitetsteArt ist der sogenannte Fuchskusu, Phalangista vulpecula,
ein reizendes Tierchen mit spitzem rosa Schnauzchen, dem bekannten grau-
blauen dicken reichen Pelz, gelbem Bauch und dem dicken, wolligen Greif-
schwanz.
Am zahlreichsten sind die sogenannten Sydney felle aus Neusiidwales.
Man unterscheidet die blauen Prima, welche indessen auch mehr grau sind,
dann die sogenannten redheads, die am Nacken und Kopf rot rich schimmern.
Bei manchen erstreckt sich diese rotliche Farbung iiber den ganzen Riicken.
Sehr zahlreich sind Felle, die am Rumpf stark betrieben sind und die als
Tertia gelten.
Die Melbournefelle sind kleiner als die Sydney, aber die Farbe ist besser,
mehr silbergrau.
Die feinste Farbe haben die Adelaidefelle, ein sehr feines Blau, haufig
mit einzelnen langer hervorstehenden schwarzen Haaren untermischt, das
Haar ist aber, wenn auch dicht und fein, bedeutend kiirzer als die anderen
Arten, das ganze Fell also flacher. Auch hier sind die Sekunda Rotkopfe
recht haufig.
Die Sorten aus Queensland und aus Westaustralien sind meist rotlichgrau,
flach, und nicht so gut als die obigen Sorten. Der Wert des australischen
Opossum schwankt, ist augenblicklich etwa 3 Mk. fur Prima und fur Sekunda.
Viel wertvoller als die vorigen aber auch viel seltener sind das sogenannte
tasmanische Opossum, das einer anderen Art angehort, Phalangista oder
Trichoesurus vulpina, das graue tasmanische Opossum, und Ph. juliginosa,
das schwarze Opossum.
Gerade auf Tasmanien, wo der Dingo nicht vorkam, findet sich die hochste
Entwicklung aller Beuteltiere und viele Arten kommen sonst im ganzen
iibrigen Austr alien nicht mehr vor.
Das tasmanische Opossum ist mehr als doppelt so gross als die vom Fest-
land, das Fell selbst viel dichter und rauher. Namentlich das Fell des schwarzen
Opossum ist von grosser Schonheit und mindestens 12 bis 15 Mk. pro Stuck
wert.
Friiher kamen dieselben zahlreicher, 10 bis 20 ooo Stuck pro Jahr, und
wurden besonders in Russland zu sehr geschatzten Herrenpelzen verarbeitet,
jetzt, wie gesagt, kommen nur wenige hundert in den Handel. Auch das
graue tasmanische Opossum ist jetzt selten. Die Farbe ist iibrigens meistens
ein etwas schmutziges gelbliches Grau, das Fell aber sehr dicht und rauh.
Auch hiervon kommen nur noch einige Tausend jahrlich.
Eine diesem verwandte Art scheint das sogenannte Victoria-
XIV. Die Beuteltiere. 637
Opossum zu sein, obgleich ich dasselbe noch nicht als besondere Art
beschrieben fand.
In der Grosse steht es zwischen dem tasmanischen und dem australischen
Opossum, die Farbe 1st ein feines dunkelblaugrau, das auf dem Riicken noch
dunkler ist, der Bauch 1st fast reichlich, der Schweif 1st auch langer, dicker
und buschiger als beim australischen Opossum. Auch hier soil eine schwarze
Varietat vorkommen.
Das Tier lebt im ostlichen Siidaustralien und dem siidlichen Teil von
Victoria. Sehr azhlreich ist sein Vorkommen auch nicht. Von den iibrigen
Opossumarten ist noch am wichtigsten das sogenannte ringtail-
Opossum, Ph. cooki mit den Abarten Ph. archeri und herbertensis.
Es ist viel kleiner als die anderen Opossums, das Fell etwa 6 bis 8 Zoll,
der Schweif etwa 10 — 12 Zoll. Dieser letzte ist nur diinn behaart, lauft nach
unten spitz zu, nicht buschig wie beim australischen Opossum und ist von der
Spitze an auf zwei Drittel seiner Lange weiss.
Das Fell selbst hat sehr feines dichtes Haar, die Farbe variiert von
feinem hellen blaugrau bis zum dunkelbraun, mit einzelnen dunklen langen
Haaren auf dem Riicken. Der Bauch ist stets weiss. Ph. herbertensis ist sehr
dunkel, fast schwarz, grosser und langhaariger, wahrend Ph. archeri, das haupt-
sachlich in Neusiidwales vorkommt, hellbraun ist. Die Gesamtzahl aller
ringtail Opossum im Handel diirfte 30 bis 40 ooo Stuck pro Jahr nicht iiber-
steigen. Der Wert ist so 6 Pence bis i% sh. per Stuck.
Auch auf den Inseln nordlich von Australien, vom Bismarckarchipel bis
zu den Molukken und Celebes leben verschiedene Opossumarten, die zum Teil
sehr schon gezeichnetes Pelzwerk haben, bis jetzt aber nicht in den Handel
gelangten.
Besonders auffallend ist der grosse ,,Kusu", Ph. maculatus. Er ist be-
deutend grosser als die anderen Opossumarten, grosser als eine Wildkatze,
plump gebaut mit dickem Greifschwanz, das sehr lose sitzende dichte Fell
gelblichweiss und beim Mannchen mit prachtvollen roten und schwarzen
wolkigen Flecken geziert. Sehr ahnlich ist der Ph. orientalis, der aber mehr
graugelb ist und dem die Flecken fehlen, dagegen kommen hier haufig ganz
weisse Exemplare vor. Der dicke Greifschwanz ist am ausseren Ende
nackt.
Unter den als sogenannte ,, sundries", in den Auktionen zusammen-
gefassten australischen Felle, trifft man ofter grosse zoologische Seltenheiten.
Es wiirde zu weit fuhren, dieselben hier aufzufuhren, erwahnen will ich nur
die verschiedenen fliegenden Opossums, worunter Petaurus australis der be-
kannteste ist. Das Fell besitzt eine Lange iiber 2 Fuss, Farbe ist gelbgrau, mit
einem dunklen Streifen langs des Riickens, die Flughaut ist dunkelbraun und
natiirlich kiirzer aber sehr fein behaart. Unterseite ist gelb. Das Pelzwerk ist
sehr fein und weich, der lange Schweif ist halb dunkelbraun, halb hell.
638 Naturgeschichte der Pelztiere.
Beuteleichhorn, Belidens sciureus, ist ein reizendes kleines Geschopf mil
heller gelblicher Flughaut.
Eine andereArt dagegen, Petaur ur sciureus, ziemlich gross. Auf Neu-Guinea
lebt ein kleinerer Flugbeutler, P. breviceps, mit breitem, buschigen Schweif,
der 50 m weit von einem Baum zum andern durch die Llifte schweben kann.
Ein anderer Baumbeutler ohne Flughaut, Dactylops trivirgata, lebt in
Queensland. Er hat ein schones Fell, grau mit weissen Langsstreifen uber
Riicken und Kopf . Unter dem Namen Kanguruhratte werden zwei
ziemlich verschiedene Beuteltiere zusammengefasst. Die eigentliche Kanguruh-
ratte, Aesypognus rufescens, die nur Graser und Wurzeln frisst und die be-
deutend grosser e Buschratte, Ph. pennicillata, die auch dem Hausgeflugel
nachstellt, und sich haufig dazu in den Hausern auf halt, wie unser Iltis und
Steinmarder, sie klettert auch vorziiglich. Das Fell ist gelblichgrau in der
Grundfarbe, die einzelnen Grannenhaare rotlich geringelt. Das Haar ist etwas
grob, doch werden in der letzten Zeit diese Felle auch gerne zu billigem Pelz-
f utter zusammengestellt. Es kommen nur einige tausend jahrlich in den Handel
trotzdem das Tier in seiner Heimat durchaus nicht selten ist. Der Wert betragt
etwa 2 Pence pro Stuck.
5. Wombat und Beutelbar.
Eine grosse Konfusion herrscht im Pelzhandel und zum Teil auch noch
bei den Zoologen iiber diese Tiergruppe. Die Wombats kommen in den
Handel haufig auch als Beutelbaren, oder auch als australische Baren, mit
denen sie aber nichts gemein haben.
Mit dem Namen Barenbeutler wurden aber auch zwei ganz verschiedene
Tiere belegt, und zwar der auf Tasmanien lebende Sarcophilus ur sinus,
auf den wir noch zuruckkommen, und der Koala phascolartos cinereus.
Letzterer ist ein Waschbar, grosses plumpes Tier, mit einem stark ver-
kunimerten Schweif und breitem Kopf, hellgrau mit langem aber dichtem
reichen Haar, weissen Spitzen, Brust weiss, Bauch braun, die breiten Ohren
mit biischelartigen Haaren geziert. Das ganze Tier macht einen wolligen
unbeholfenen Eindruck und bewegt sich auch ziemlich langsam. Sein
Auf enthaltsort sind die Gipfel der riesigen Eucalyptus-Baume, wo er zwar nicht
von Ast zu Ast springt, sondern sich sehr bedachtig barenartig bewegt, aber
doch mit einer kolossalen Sicherheit sich mit seinen handartig entwickelten
Fiissen entlang zieht, von denen die hinteren bereits einen entgegenstell-
baren nagellosen Daumen haben, wahrend an den vorderen die mittleren Zehen
gegeneinander stellbar sind, alle Zehen sind mit scharfen Krallen versehen.
Seine Nahrung besteht ausschliesslich aus den Blattern des Eucalyptus, welche
doch sonst, ihres scharfen aromatischen Geschwacks halber, von anderen Tieren
verschmaht werden. Es ist ein Tagticr. Gerade wegen der Verwechslung-im
XIII. Nagetiere.
639
Namen mit dem Wombat ist nicht festzustellen, wie viel von diesen Tieren in
den Handel kommen. Sein nachster Verwandter 1st wohl der Wombat,
der aber ganz im Gegensatz zu ihm iiberhaupt nicht klettern kann, sender n
ein Erdgraber ist, von dachsartiger Lebensweise, der sich tiefe Hohlen ausgrabt,
ein ungemein plumpes Tier mit machtigem breitem Kopfe, der durch die zwei
Koala (Pbascolartos cinereus).
vorstehenden Schneidezahne den Eindruck eines riesigen Nagetieres macht,
und ganz ohne Schwanz. Er watschelt langsam auf seinen kurzen Beinchen
daher, kann sich aber, wenn er iiberrascht wird, mit grosser Geschwindigkeit
eingraben.
Es gibt hauptsachlich zwei Arten, Phasioco lymus wombat, von etwagocm
Lange, und dem grossen Breitstirnwombat, Ph. latifrons, der iiber I m lang wird.
Ein im zoologischen Garten zu Amsterdam gehaltenes Exemplar hat die Grosse
eines mittleren Schweins erreicht. Seine Farbe ist ein rotliches mausegrau,
mit einer hellen Zeichnung am Hinterteil. Die Behaarung des Hinterteiles
ist kiirzer und sonst filzartig. Der Ph. wombat ist dunkelgraubraun und etwas
weisslich gesprenkelt. Das. Haar, obgleich grob, ist ungemein dicht, und macht
den Eindruck einer Tiirmatte. Wahrend die Felle friiher nur zu Decken ver-
640 Naturgeschichte der Pelztiere.
arbeitet wurden und einen Wert von 6 bis 8 Pence hatten, wurden sie vor
einigen Jahren, namentlich in Amerika, fur Pelzfutter und dergleichen vcr-
wendet, und stiegen im Werte bis zu 3 Schilling das Stuck. Im Jahre 1906-
kamen ca. 250000 Felle zum Export nach Europa, 1909 400000. Hierzu
kommen noch die nach Amerika direkt versandten und die in Australien selbst
verarbeiteten Felle. Das Fleisch soil iibrigens recht wohlschmeckend sein,
Die Nahrung besteht ausschliesslich aus Wurzeln. Auf Tasmanien kommt
iibrigens noch eine dritte Art vor, Ph. ursinus.
Breitstirn-Wombat (Ph. latifrons).
6. Raubbeutler.
Auf einer viel hoheren Stufe steht die nachste Klasse, die als Beutcl-
raubtiere zusammenzufassen sind. Sie besitzen zwar noch den Beutel, sind
aber sonst den echten Saugetieren vollkommen ahnlich geworden. Die
Fiisse sind zu echten Fiissen geworden, und der Schweif hat aufgehort, Greii-
oder Stiitzschwanz zu sein, ist im Gegenteil sehr steif und gerade. Der grosste
ist der tasmanische Beutelwolf, Tylacinus ignocepholus, der jetzt
auf Tasmanien beschrankt ist. Friiher war er iiber das ganzeFestland verbreitet,
aber dort ist im Kampf urns Dasein der Dingo, der mit den Australnegern
einwanderte, Sieger geblieben. Zwar ist der Beutelwolf nur wenig kleiner als
der Dingo, aber bedeutend schwacher. An Wildheit gibt er ihm aber nichts
nach, und auf Tasmanien, wo der Dingo nicht vorkommt, richtet der Beutel-
wolf grosse Verheerung unter den Schafherden, sowohl wie unter den
Kanguruhs an. Er wird deshalb auch von den Ansiedlern eifrig verfolgt, und
ist seltener geworden. Im Berliner Zoologischen Garten ist ein solches Tier
lebend schon seit mehreren Jahren.
XIV. Die Beuteltiere. 641
Es ist vorzugsweise ein Nachtticr, das am Tage in Felskliiften verborgen
schlaft, des Nachts aber weit ausgedehnte Raubziige unternimmt.
Das Fell ist sehr hiibsch. Die Grundfarbe ist ein rotliches Grau und vom
Riickcn aus gehen zebraartig Querstreifen bis zur Halite des Leibes, am Hinter-
teil bis zu den Kniegelenken. Das Vorderteil ist aber ganz frei von Streifen,
auch der lange Schwanz ist an seinem oberen Teil quergestreift. In den
Handel gelangen keine Felle.
Noch wilder und verhasster ist sein naher Verwandter, Sacrophilns
ur sinus, der ,,Teufel" der Ansiedler, welchen Namen er seiner unzahmbaren
Wildheit verdankt, auch in der Gefangenschaft legt er diese Wildheit nie ab,
und bekommt bei der geringsten Reizung formliche Tobsuchtsanfalle.
Auch er ist auf Tasmanien beschrankt, da auf dem Festland die Dingos
ihn langst verdrangt haben.
Trotzdem er bedeutend kleiner ist als der Beutelwolf (Korperlange etwa
75 cm, Schweiflange ca. 30 cm), greift er doch gleichfalls Schafe, Kanguruhs
und Opossums an und richtet auf dem Gefliigelhof kolossale Ver-
heerungen an.
Jetzt ist er aus den besiedelten Gegenden in die fast unzuganglichen Ge-
birgswalder verdrangt, wo er tags schlaft und nachts auf Raub ausgeht. Er
ist ungemein gefrassig und alles, was er bewaltigen kann, ist seine Beute, wobei
er aber Schnecken, Eidechsen, Fische und Schaltiere nicht verschmaht. Der
gedrungene Korper ist mit dichtem, schwarzem Pelz bedeckt, auf der Brust
ein weisses Halsband und zwei weisse Flecken. An diesem Korper sitzt nun
ein riesiger breiter dicker Kopf , der einem doppelt so grossen Tier anzugehoren
scheint, nur diinn behaart, so dass die rotliche Haut durchschimmert, mit
machtigem Gebiss, breiter roter feuchter Nase, warzenbesetzte Lippen,
riesige starre Schnurrhaare, und mit widerlich bosartigen schiefen Triefaugen.
Das ganze Geschopf ist korperlich wie geistig als widerlich zu bezeichnen,
so dass man die Wut der Ansiedler voll versteht. Im Handel habe ich Felle
des ,,Barenbeutlers" noch nicht gesehen, doch kann ich bei der schon vorher
erwahnten grossen Konfusion in der Bezeichnung der verschiedenen austra-
lischen Baren nicht mit Sicherheit angeben, ob er nicht auch unter diesen
Fellen mit vorkommt.
Einen ganz anderen Eindruck machen die verwandten B e u t e 1 -
m a r d e r , die, obgleich auch grosse Rauber doch zierliche Geschopf e sind
und in der Gefangenschaft ganz zahm werden. So werden z. B. im Berliner
Zoologischen Garten eine ganze Anzahl gehalten. Das Dasyurus monna,
ein ausserst liebenswiirdiges Tierchen, das mit seinem kleinen spitzen
Kopfchen und dem rosigen Schnauzchen dem Beschauer einen Bissen aus
-der Hand nimmt und gern spielt. Die Grundfarbe ist braungelb und mit
grossen weissen weitlaufig von einander gestellten Tiipfeln besetzt. Die Lange
betragt etwa 20 6is 25 cm ohne den Schweif, der etwa 10 bis 15 cm lang ist.
Das Haar ist sehr reich und dicht. Eine verwandte Art, D. mangei, ist schwarz
41
642 Naturgeschichte der Pelztiere.
mil weissen Tiipfeln, die auch lebend im Zoologischen Garten in Berlin ist.
Namentlich in der Dammerung spielen die Tiere sehr nett miteinander und
kommen auch zutraulich an das Gitter.
Beide Arten werden im Handel als ,, native cat" bezeichnet und ist das
Pelzwerk sehr beliebt. Die Tiere sind iiber ganz Australien verbreitet, doch
diirften jahrlich kaum mehr als 10 ooo in den Handel kommen im durch-
schnittlichen Wert von etwa 2 Mk. per Stuck. Vor etwa 20 Jahren kosteten
dieselben etwa 15 Pf. Die Lebensweise ist gleichfalls nachtlich, und halten sich
die Tiere meist auf dem Boden auf, in Steinkluften oder Wurzellochern, da
sie trotz des Namens ,,Beutelmarder" schlecht klettern. Gelangen sie aber
in einen Huhnerstall, so machen sie ihren nordischen Namensvettern durch-
aus Ehre.
Obgleich in Farbe und Zeichnung ihnen ganz ahnlich, ist doch die grosse
native cat, Dasyurus maculatus, ihnen im Charakter sehr unahnlich. Auch
das Exemplar im Berliner Zoologischen Garten ist im Gegensatz zu seinen
Verwandten murrisch und bissig. Das Tier ist mehr als doppelt so gross, er-
reicht eine Korperlange von etwa 40 cm und etwa 25 cm Schweiflange. Die
Farbe ist gelbbraun mit weissen Flecken, und auch der Schweif ist weiss-
gefleckt. Er wird wegen seiner Raubereien und seines bissigen Wesens von
den Squattern ebenso gehasst wie die oben erwahnten tasmanischen Schon-
heiten. Er kommt an der Ostkiiste Australiens von Queensland bis Tasmanien
vor. Das Haar ist grob und hart, das Fell daher fur den Rauchwarenhandel
wenig wert.
Es existieren in Australien noch verschiedene andere Beutelmarder oder
native cats, so z. B. der langschwanzige Beutelmarder, Dasyurus macronis,
etwas dunkler braun als die vorigen, mit hellem Bauch und dichten weissen
Flocken. Die Korperlange ist etwa 30 cm und der Schwanz 30 bis 35 cm lang,
die obere Halfte braun, die untere bis zur Schwanzspitze schwarz.
Die Beutelspringmaus, Antechinonys, hat auch ein schones dichtes Fell,
grau und schwarzlich gesprenkelt, etwa 12 bis 15 cm lang, mit 8 cm langem
Schweif. Sie ist aber ein vollkommenes Raubtier, nicht wie die echte Spring-
maus ein Pflanzenfresser. Die Felle finden sich mitunter unter dem Sundries.
Die Beutelmarder zeigen schon eine hohere Entwicklungsstufe, indem sie
zwar einen Beutel haben, aber daneben schon einen Ansatz zu dem Mutter-
kuchen des Saugetiers, eine Art Dotter, der mit der Mutterwand verwachsen,
zur Ernahrung des Embryo mit beitragt.
Ausserdem kommen in Queensland noch vor D. halluoatus und D.
geojfrii. Ich habe aber weder die Ehre ihrer personlichen Bekanntschaft, noch
konnte ich eine nahere Beschreibung finden. Am hochsten in der Entwicklung
unter alien ,,Beuteltieren" steht ein naher Verwandter der Beutelwolfe, der
Ameisenbeutler, Myomecobius. Er ist nur von Eichhorngrosse, aber reizend
gezeichnet, mit nach hinten gerutschter Zebrazeichnung, weisse und rotliche
Querstreifen auf schwarzem Grunde. Der Pelz ist weich und dicht. Das Tier
XIV. Die Beuteltiere. 643
lebt in dichten Waldungen, wo es sich, wie sein Name ausdriickt, von Ameisen
nahrt. In der Gefangenschaft wird er sehr schnell zahm. Felle habe ich im
Handel noch nicht gesehen. Das Tier hat aber, wie schon oben gesagt, die
hochste Entwicklung unter den ,,Beuteltieren" erreicht, denn es hat iiberhaupt
keinen Beutel . mehr, sondern eine zwar nur unvollkommen entwickelte
Placenta.
7. Beuteldachse.
Eine ganz eigenartige Stellung in der-Zoologie nehmen die Beuteldachse
•ein. Zwar haben sie einen Beutel, aber daneben bereits eine vollkommene echte
Placenta oder Mutterkuchen. Vom Darm des Embryo geht eine von Blut-
gefassen durchsetzte Fortsetzung nach der ebenfalls mit Blutgefassen erfullten
Wand des Mutterleibes, und findet ein regelmassiges Ubertreten des Mutter-
blutes in den Korper des Embryo statt, ahnlich wie die Ernahrung des mensch-
lichen Embryo und der Saugetiere iiberhaupt mittels der Nabelschnur und
•des Mutterkuchens stattfindet.
Der junge Beuteldachs ist bei der Geburt fast vollstandig ausgebildet und
bleibt nur kurze Zeit im Beutel, ganz im Gegensatz zum Opossum, das schon
eine Woche nach der Befruchtung in ganzlich unfertigem Zustand in den
Beutel gelangt.
Die Beuteldachse, Parameles, von den Englandern Bandicoot und im
Pelzhandel ,,Dalgety" genannt, sind etwas plump aussehende Tiere, die,
ahnlich wie das Wombat, hinten dicker sind als vorn und formlich wulstig
verdickt ersch einen. Der Schwanz ist ganz kurz, wahrend der Kopf sehr spitz
zulauft. Die Hinterbeine sind etwas langer und sie haben eine eigentiimliche
Fortbewegung, die in einer Art kurzen Hoppeln, ahnlich wie beim Kaninchen
besteht. An den Vorderfiissen sind die meisten Zehen-verkummert, wahrend
an den Hinterfiissen die mittleren Zehen mit einander hufartig verwachsen
sind und der Daumen ganz verkummert ist. Die Lebensweise ist bei den
vorstehenden Arten verschieden. Einzelne graben sich Hohlen, andere be-
wohnen hohle Baumstumpfe oder die dichten Grasbiischei. Sie sind durchaus
harmlose Pflanzenfresser, die sich hauptsachlich von Wurzeln nahren, ver-
meiden scheu den Menschen, sind Nachttiere, doch richten sie mitunter be-
trachtlichen Schaden in den Pflanzungen an. In der Gefangenschaft sollen sie
ganz zahm und zutraulich werden.
Der im Berliner Zoologischen Garten lebende Perameles nasata mit seiner
Spitzmaus ahnlichen langen Nase scheint aber keinen grossen Gefallen an Ge-
selligkeit zu finden. Meist liegt er unter Laub und Stroh vergraben sehr zuriick-
.gezogen da. Diese Art ist etwa 50 cm lang, wo von ca. 10 cm auf den .Schweif
kommen. Das Fell ist braunlichgelb, schwarz gesprenkelt. Die Unterwolle ist
kurz und diinn ; die Grannen grob, hart und gleichfalls dunn. Fur den Pelz-
handel kaum verwertbar.
41*
644 Naturgeschichte der Pelztiere.
Eine grossere Rolle spielt aber im Pelzhandel seit einigen Jahren cin
anderer Beuteldachs, der P. lagotis. Noch vor 10 Jahren war das Fell fast
unbekannt, jetzt kommen jahrlich etwa 30 bis 40 ooo Felle nach Europa, im
Werte von 50 Pf bis i Mk. das Stuck. Das Haar ist sehr weich und seidig, das
Oberhaar lang, die Unterwolle aber etwas diinn. Eigentiimlich ist die Farbung.
Die Grundfarbung des Riickens und der Seiten ist ein helles aschgrau, das aber
im Nacken und vorderem Rucken einen rosa Schein hat. Der Bauch ist weiss.
Die Lange des Korpers ist 25 bis 30 cm, der schon 10 cm lange Schweif ist an
der Wurzel braun, die untere Halite an der Spitze weiss, der Rest schwarz. Die
Ohren sind ungemein lang, ahnlich wie beim Kanincl en, aber verhaltnismassig
noch langer.
Es sind noch verschiedene andere Beuteldachse in Australien, so z. B.
P. fosicata, ein kleines ca. 15 cm langes Tier mit grobem hellbraunem Haar und
3 schwarzen Bandern iiber dem hinteren Rucken. Fur den Pelzhandel ebenso-
wenig verwendet, wie P. obese ala und macrura.
8. Amerikanische Opossum.
Die Beuteltiere, die im friihen Teritar iiber die ganze Erde verbreitet waren
sind auch heute nicht allein auf Australien beschrankt. In Nord- und Siid-
amerika leben typische Vertreter der Gruppe, die amerikanischen Opossum.
Dabei ist die mit unserer bisherigen Ansicht in Widerspruch stehende Tatsache
merkwiirdig, dass neuere Forschungen erwiesen haben, dass die Heimat des
amerikanischen Opossum Siidamerika ist, wo ja auch heute noch die meisten
der verschiedenen Arten vorhanden sind, und erst spater, vielleicht erst in
Miocan eine Einwanderung des Opossum nach Nordamerika stattfand. Wahr-
scheinlich waren noch wiihrend des Pliocains Nord- und Siidamerika getrennte
Weltteile.
Das nordamerikanische Opossum, Dipelphys virginiana, ist nun heute das
bekannteste der verschiedensten Arten. Es lebt in den Vereinigten Staaten
von New York-State bis Florida und westlich bis Missouri und Texas. Die
Unterwolle ist weiss, Oberhaar mit schwarzen und weissen Haaren, von denen
die letzteren meist langer sind. Der Kopf ist oben gelblich-weiss, die Backen
weiss, Scheitel und Fuss schwarz. Der Bauch ist diinn behaart, mit kurzen,
gelbbraunen Haaren ; der Schwanz ist kahl, rattenschwanzahnlich, oben gelb
nach der Spitze zu weiss. Der Kopf ist spitz, rattenahnlich, der Korper dick
und rund, meist mit einer ansehnlichen Speckschicht versehen; deshalb sind
auch die rohen Felle immer sehr fetthaltig. Der ganze Eindruck des Tieres ist
ein sehr hasslicher, und seine Charaktereigenschaften tragen auch nicht be-
sonders dazu bei, sein Ansehen zu heben. Wenige Tiere sind bei dem amerikani-
schen Farmer so verhasst, als das Opossum. Ein vorziiglicher Kletterer, lebt das
Tier hauptsachlich in den Waldern, wo es sich von Vogeln, deren Eiern, sowie
XTV. Die Beuteltiere. 645
von klcinen Saugeticren nahrt. Seine Licblingsbeute bilden aber die Insassen der
Hiihnerhofe, und wehe wenn es ihm gelingt, Eintritt durch eine Spalte in den
Gefliigelstall zu gewinnen. In unersattlichem Blutdurst mordet es so lange, als
sich noch irgend ein Leben regt. Es wird dem Opossum nicht nur wegen dieser
Schadigung sehr stark nachgestellt, sondern auch wegen des Felles, welches
einen bedeutenden Handelsartikel bildet. Das Fleisch, welches fein und weiss
aussieht, wird von den Negern leidenschaftlich gern gegessen. Auch Prasiderit
Taft soil ein grosser Verehrer von ,,ossum"-Braten sein. Eine weit ver-
gez. v. Anna Matschie-Held.
Amerikanische Opossum (Didelphys virginiana) .
breitete Ansicht in Amerika ist, dass das Opossum sich tot stellt, wenn es ge-
fangen ist. Auch soil es in diesem Zustande die schwersten Schlage iiber sich
ergehen lassen, um dann, sobald man sich von ihm abgewandt, schleunigst
das Weite zu suchen. To play Possum ist deshalb in Amerika spruchwortlich
geworden, als Inbegriff der Verstellungskunst oder angeblichen Nichtwissens.
Die Nachstellungen aber werden durch die starke Vermehrung aufgewogen.
Nach kaum vierwochentlicher Tragzeit wirft das Weibchen 6 bis 16 ganz
unausgebildete erbsengrosse Junge, die es noch 60 bis 70 Tage im Beutel mit
herumschleppt. Wahrend der ersten 3 Wochen bleibt der Beutel, den sie erst
rattengross verlassen, unbedingt verschlossen, und auch spater offnct die Mutter
ihn ungern, bis die Jungen vollstandig ausgebildet sind. Es kommen jahrlich
etwa 800 ooo Stuck in den Handel im augenblicklichen Werte von etwas
i bis 4 Mk. pro Stuck je nach Grosse und Qualitat. Die besten liefert Ohio
(Pennsylvanien) und New York. Die teuersten sind die Felle, in welchen die
schwarzen Grannenhaare langer sind und die weissen iiberwiegen, und natiirlich
ausserdem die Felle mit der dichtesten und langsten Unterwolle.
646 Naturgeschichte der Pelztiere.
Im fernen West en ist das virginische Opossum durch eine andere Art,
D. californica, vertreten, das hauptsachlich in Kalifornien, Texas, Oklahama
und Mexiko vorkommt. Die Farbung ist auf dem Riicken und den Seiten
schwarz, mit wenig weissen Haaren, Kopf weisslich mit schwarzem Scheitel,
das Tier ist etwas kleiner als sein ostlicher Verwandter.
In Siidamerika leben, wie schon oben erwahnt, sehr viele Opossumarten,
die aber bisher im Pelzhandel keine grosse Rolle spielen. Viele der Art en sind
noch nicht einmal richtig beschrieben. In Brasilien leben u. a. D. canicrivora.
Der Wollgrund ist weissgelb, am Grunde ockerfarbig, die langen Grannen-
haare schwarz, daneben der etwas kleinere D. aurita mit gelbbraunen Grannen.
Im Norden D. guiana mit dichtem weichen Haarkleid, weicher heller
Unterwolle und langen dichten Grannen, grau mit weisser Spitze. Unterseite
weiss. D. opossum ist rotlichgrau, auf dem Riicken dunkler, wolliger Pelz.
Ein schlankes etwa 30 cm ohne dem Schwanze langes Tier. D. mexieana ein
rattenlanges Tier mit sehr feinem weichen Pelz, rotlichgrau. Trotz seiner ge-
ringen Grosse ist es ungemein raublustig und richtet auf den Hiihnerhofen
grosse Verheerungen an.
Noch kleiner ist D. marimes. In Paraquay und den Waldern des nordlichen
Argentinien lebt D. azarae^ mit grauer Unterwolle, schwarzlichem Oberhaar,
am Kopf mit drei dunklen Langsstreifen, auf weissem Grunde, mit langen
spitzen Ohren, befindet sich lebend im Berliner Zoologischen Garten.
Dort befindet sich auch ein anderer seltener Gast, D. lanigera, ein kleines,
rattenahnliches, langgestrecktes Tier mit kurzem, dichtem, braunem Woll-
haar, spitzen Kopf und dicken, langen Schweif, ebenfalls mit kurzem, dichtem
Haar. Das Fell ahnelt einem gerupften Bisamfell. Das Tier ist sehr lebhaft
und schnuppert vergniigt mit seinem spitzen roten Schnauzchen, den Be-
sucher dabei mit seinen glanzend schwarzen Rattenaugen ansehend. Auch
in den Waldern der Westkiiste Sudamerikas bis nach Chile hinab, kommen
Opossumarten vor.
Brasilien beherbergt auch noch ein eben so seltenes wie schonesTier, welches
zugleich eine der altesten Stufen der Beuteltierentwicklung vorstellt. Der
Schwimmbeutler, D. palmete, ein kleines Tier, sein ca. 20 cm langes Fell ist
wollig aber fein, in der Mitte grau mit feinen schwarzen Langslinien und
6 breiten schwarzen Querbandern, unten weiss, Schwanz mit steifen, schwarz-
grau, quer und rechts Spitzen. Das Tier lebt an den Ufern der Urwaldflusse,
ahnlich wie das australische Schnabeltier. Es wird ihm aber wenig nachgestellt,
und habe ich nur einmal Felle davon zu Gesicht bekommen.
XV.
Die Zahnlosen (edentata).
Die Ameisenbaren.
Zu den uralten Saugetierformen, die sich in Sudamerika erhalten haben,
gehoren noch die Ameisenbaren, die man auch hin und wieder in unserm
Zoologischen Garten als ganz bewunderte Schaustiicke sieht. Sie haben nun
mit dem Baren weder Ahnlichkeit noch irgend eine Verwandtschaft, sondern
stehen den Schuppentieren und Giirteltieren am nachsten.
Der grosse Ameisenbar, Myrmecophaga jubata, in Brasilien, Tamandua
bandeira, in Paraguay, Yurumi genannt, ist 2% m lang, wovon aber ca. i m
auf den Schweif kommt, die Schulterhohe ist etwa 80 cm. Das Fell besteht
aus dichten steifen Borstenhaaren, die ca. 10 cm lang sind, am Nacken und
Riickgrat aber 25 cm lang werden und eine Mahne bilden. Am Schweif e werden
die Borsten ca. 25 — 40 cm lang, die Farbe ist grau und schwarz meliert, von
Kopf und Brust erstreckt sich an jeder Seite ein ca. 15 cm breites schwarzes
Band bogenformig nach dem Kreuz zu. Um die stammigen Vorderarme lauft
ebenfalls eine schwarze Binde. Das eigenartige ist aber der Kopf, der auf dem
riesigen Korper sitzt. Ein langer diinner kurz behaarter Hals streckt sich vor,
der an der Spitze eine nur wenig verbreiterte Rohre bildet, dies ist der Kopf,
den man eigentlich nur an den kleinen Augelchen als solchen erkennen kann.
Vorn befindet sich ein schmaler Spalt, der als Mund dient, und aus dem das
Tier die rohrenformige Zunge weit herausschiessen kann. Zahne sind iiber-
haupt nicht vorhanden. An den Vorderfussen befinden sich 4 Zehen, die mit
riesigen 4 bis 6 cm langen haarscharfen Klauen versehen sind. Beim Gehen
legt das Tier diese Nagel wie die Finger einer geballten Faust nach innen, und
geht auf dem ausseren Rande der Sohlen. An den Hinterfiissen sind die Nagel
nur i bis 2 cm lang. Mit den Vorderklauen reisst der Ameisenbar die stein-
harten Termitenhaufen auf, schnellt seine Zunge hinein, die er dann mit
wimmelnden Ameisen zuriickzieht. Das ist seine einzige Nahrung und begreift
man, welche ungeheuren Mengen dieser Tierchen notwendig sind, um einen so
grossen Korper zu ernahren. Der Ameisenbar geht den Menschen ruhig aus
dem Wege, in die Enge getrieben kann er mit den riesigen Krallen und seiner
bedeutenden Kraft sowohl den Hunden wie den Menschen sehr gefahrlich
werden.
650 Naturgeschichte der Pelztiere.
Die Felle kommen mitunter in den Handel und werden dann zu Pelz-
teppichen verwendet. Der Wert ist sehr unbestimmt, doch diirfte mehr als
10 bis 15 Mk. nicht fur das Fell bezahlt werden. Sehr unahnlich ist der kleine
Ameisenbar, M. tridactyla, der Tamandura mirim der Brasilianer. Er bewohnt
den Wald und ist ein vorziiglicher Kletterer. Das Fell ist mit kurzem dichten
aber hartem schwarzen Haar bedeckt, unter welchem sich eine diinne gelb-
graue Unterwolle befindet. Kopf, Hals, Nacken und ein spitzer Streifen nach
dem Riicken sind hellrotlich gelb, ebenso Schenkel und Fiisse. Die Korper-
lange betragt etwa 80 cm, der ca. 50 cm lange kraftige Wickelschwanz ist
ebenfalls mit grobem kurzen Haar bedeckt, ebenfalls gelb. Das Leder ist
sehr fest. Das Fell, das ofter zu uns kommt, ist nur zu Decken zu gebrauchen
und hochstens I Mk. wert. Der dritte Ameisenbar, M. didactyla, der
Zwergameisenbar wird wenig grosser als ein Eichhorn, hat ein seidenweiches,
oben rotlichgelbes Fell, das aber nie in den Handel kommt. Er lebt in Peru
und Nordbrasilien.
XVI.
Die Seehunde.
1. Pelz-Seehunde.
Von den im Stillen Ozean lebenden Saugetieren spielen die Seehunde
vom kommerziellen Standpunkt aus die erste Rolle, denn zu ihnen gehort
der Lieferant des wertvollen, von der Damenwelt so geschatzten „ Sealskins",
die Barenrobbe. Otaria ursina, engl. furseal, franz. lontre de mer. Auch
ausserhalb des Kreises der Pelzliebhaber hat das Tier Interesse erweckt,
sowohl durch die Eigenart seiner Lebensweise als durch die internationalen
Streitigkeiten, welche der unerbittlich gegen dasselbe gefuhrte Verfolgungs-
krieg hervorgerufen hat.
Zwischen Alaska und Kamtschatka erheben sich zwei Felsengruppen
vulkanischen Ursprungs aus dem Ozean. Grasebenen und geschiitzte mit
duftenden Blumen geschmuckte Taler erfiillen das Innere. Den Rand bilden
nackte, steile Klippen und sanft zum Strande abfallende Terassen. Diese
ungastlichen Gestade sind heute die Hauptzufluchtsstatten des Seebaren.
Die nordlichste dieser Gruppen, die Kommodorski-Inseln, bestehend aus
Copper und Behring Island, letzteres bekannt durch den Aufenthalt des
deutschen Naturforschers S teller im aehtzehnten Jahrhundert, gehort Russ-
land. Die siidlich davon gelegenen Pribyloff-Inseln, Sankt Paul und Sankt
George, sind seit 1867 Eigentum der Vereinigten Staaten. Wahrend des
Winters sind die Inseln einsam und verlassen ; donnernd brechen sich die Wogen
des Meeres an ihren Felsenufern. Nur an einer Steile auf jeder der Inseln,
weit entfernt von den Terrassen, auf denen im Sommer die Seehunde lagern,
herrscht noch einiges Leben. Hier erheben sich in einem von runden Berg-
kuppen umschlossenen Tal Vorratsschuppen, Holzhauser, und Rasenhiitten,
in welchen einige Beamte, sowie mehrere hundert aleutische Seehundfanger
den Wintersturmen trotz bieten.
Im Friihjahr andert sich das Bild. Die Seehunde erscheinen in langer
Prozession. Zuerst Ende Mai kommt der Vortrab von alten Bullen, die sorg-
faltig und misstrauisch die alten Lagerplatze, die ,, rookeries", inspizieren.
Alles scheint in bester Ordnung, die glatten Gesellen walzen sich an Land.
Nun beginnt ein wilder Kampf um die besten Platze. Die nahe der Brandung
gelegenen gehoren immer den starksten.
654
Naturgeschichte der Pelztiere.
Mitte Juni erscheint in dichten Schwarmen die holde Weiblichkeit,
mit zuchtigem Strauben, doch dem Minnegliick sehnsiichtig entgegensehend.
Und das Liebeswerben der Seehunde ist ziemlich wild und sturmisch. Wahrend
der alte Herr im Parterre, der sich eben eine Gattin gesichert hat, sehn-
siichtig die Flossen einer zweiten entgegenstreckt, ist ihm die erste bereits
Pelzseehunde, Bulle mit Harem.
durch einen Herrn im ersten Stock entfiihrt, dem sie gleich darauf durch
einen weiter oben wohnenden ebenfalls sofort geraubt wird. Lange und er-
bittert tobt der Kampf. Weithin schallt das Briillen der aufgeregten Bullen
liber die See, und tiefe, blutige Wunden zeugen von der Scharfe des Seehunds-
gebisses und der Wut der Kampfer. Endlich ist der Streit beendet, und
die Schonen alle sind endgultig in die verschiedenen Harems eingereiht.
Die selbstsuchtigen alt en Herr en unten am Strande haben sich jeder zehn
bis zwolf Freundinnen gesichert, wahrend die weniger begiinstigten auf
den hoheren Terassen sich mit drei und vier begniigen nriissen. Noch hoher
auf den Crash elden lagern die Jiinglinge von einem bis zu vier Jahren alt,
XVI. Die Seehunde. 655
•die noch zu jung sind, um schon die Biirde eines selbstandigen Haushaltes
zu tragen, teilweise untermischt mil den neckischen Backfischen. Auch
einige miirrische Grossvater, sogenannte ,,wigs", riesige Burschen mit narben-
zerfetzter Haul, sind hierher verbannt. Die Zahne sind nicht mehr scharf
.genug, und die Glieder haben die Kraft und die Geschmeidigkeit verloren,
die im Kampf urns Dasein notwendig sind, und pietatlos hat man sie ins
Hint ertref fen geschoben.
Kurz nach der Landung werden die Jungen geboren, und etwa einen
Monat spater beginnen die neuen Flitterwochen. Das neugeborene Junge
ist mit steifen, borstenartigen, kurzen Haaren bedeckt und wird ,,blackpup"
.genannt. Nach drei Monat en nehmen die Haare eine graue Farbung an,
und eine leichte graue Unterwolle bildet sich. Das Tier heisst jetzt ,, grey-
pup". Nach etwa neun Monat en ist die Bildung des Felles vollendet. jEin
graubraunes, borstiges, schmutziges Oberhaar verbirgt die seidenartige,
feine, goldbraune Unterwolle. Damit hat aber der Seehund noch nicht seine
voile Reife erlangt.
Erst nach dem vierten Jahre ist er zur Fortpflanzung reif, aber auch
dann noch nicht vollkommen ausgewachsen. Die erwachsene Barenrobbe
misst meist 4 bis 5 Fuss Lange, die alt en Wigs erreichen aber oft eine Lange
bis zu 8 Fuss bei entsprechendem Umfange. Die Vorderflossen haben keine
sichtbaren Zehen, die Hinterflossen, welche mit dem Schwanz zusammen-
:gewachsen sind, haben lange, scharfe Klauen. Die Flossen sind mit einer
rauhen lederartigen Haut bedeckt, welche es dem Tier ermoglicht,dieKlippen
mit anscheinender Leichtigkeit zu erklimmen. Uberhaupt entwickeln die
Ohrenrobben eine hervorragende Gewandheit, die man ihren plumpen Formen
eigentlich nicht zutrauen durfte. Ende September verlassen die Mannchen,
welche wahrend der Flitterwochen fast nichts gefressen haben, die Inseln, und
gegen Mitte Oktober folgt ihnen die ganze Masse der Weibchen und Jungen,
um bis zum Fruhjahr im offenen Meere zu leben, und zwar in kleineren
Abteilungen verteilt.
Aber die Weibchen war en wahrend der Liebesepoche nicht so enthaltsam
wie die Mannchen, sondern haben furchtbar unter den schuppigen Meeres-
bewohnern aufgeraumt. Nur der ungeheure Reichtum des Ozeans kann
die Liicken wieder ausfiillen, welche eine Million hungriger Seehunde in
die Fischscharen gerissen haben. Ubrigens sollen auch Schaltiere und Kru-
stazeen, sowie Tintenfische einen Teil der Seehundsnahrung bilden. Den
ganzen Winter bringen die Seebaren, wie schon erwahnt, im offenen Meere
zu, nachts auf der Oberflache schlafend, auf der Seite liegend und die Flossen
aus dem Wasser streckend.
Ende Juli beginnt das Schlachten. Eine Anzahl Aleuten, mit keulen-
artigen Kniitteln bewafmet, erscheinen vom Innern der Insel aus. Jedes
unnotige Gerausch wird vermieden. Leise wird ein Trupp der auf den Hangen
liegenden Mannchen von den anderen getrennt und dem Innern zugetrieben.
656 Naturgeschichte der Pelztiere.
Nur diese jungen Mannchen zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr
diirfen auf den Inseln getotet werden. Die grosstmoglichste Vorsicht wird
beobachtet, damit die anderen Seehunde nicht gestort werden. Der Fang
ist ausschliesslich den Aleut en vorbehalten, die fur das Fell einen halben
Dollar Gold erhalten.
Das Treiben ist auch nicht so einfach. So furchtsam und scheu gegen-
iiber dem Menschen auch der Seebar ist, so setzt er sich mit seinem furcht-
Pelzseehunde.
baren Gebiss aufs energischste zur Wehr, wenn er zu hart getrieben wird_
Alle zwei bis drei Minuten wird Halt gemacht, um den Tieren Ruhe zu gonnen;
und das Treiben ist auch nur moglich, wenn das Gras feucht ist, weshalb
an heissen trockenen Tagen damit ausgesetzt wird.
Am Schlachtplatz, der stets im Innern verborgen liegt, dringen die
Aleuten von alien Seiten auf die erschreckten Tierc ein und strecken sie durch
Keulenschlage auf den Kopf tot nieder. Ein paar gewandte Schnitte mit
dem Messer, und das Fell mit anhangender Speckschicht ist abgestreift.
Mittels Hundeschlitten werden die Felle nun nach der weiter nach der anderen
Seite der Insel gelegenen Kolonie gebracht. Dort wird der Speck dann ober-
flachlich entfernt, die Felle gesalzen, in Biindel gepackt und auf besonderen
Dampfern nach London gesandt. Hier werden sie sortiert, in ,, small pups",
,, middling pups" und ,, large pups", die wertvoller sind als die Felle der er-
XVI. Die Seehunde.
657
wachscnen Seehunde, welche ebenfalls in ,, small", „ middling" und ,, large"
sortiert werden. Die Felle werden dann in offentlicher Auktion verkauft,
die von den Pribylow-Inseln im November, die von Copper und Behring
Island stammenden im Marz. Die ersteren, im Handel als ,,Alaskaseal"
bekannt, sind besser in Qualitat, als die anderen die ,, Copper-Island". Nach
dem Verkauf werden die Felle einem besonderen Verfahren unterworfen.
Ein eigenartiger Gerbungsprozess greift nur die Wurzeln der groben Ober-
haare an und bring! diese zum Ausf alien. Die Unterwolle wird dann glanzend
dunkelbraun gefarbt, und die Felle bilden nun das bekannte „ Sealskin".
Besonders in England und Amerika gehort ein Sealskin-Mantel zu den unent-
behrlichen Erfordernissen einer Damentoilette. Das Enthaaren und Farben
der Seehundsfelle verstand man fruher nur in London, doch gibt es jetzt
grosse Fabriken auch in Paris, Leipzig und New York, die sich mil dieser
Industrie befassen.
Der Seehundsfang hat verschiedene Phasen durchgemacht, Anfanglich
gab es gar keine Gesetzesvorschriften, jeder suchte zu fangen, was er be-
kommen konnte. Grosse Mengen kamen in den Handel, und einmal sollen
die Russen 300 ooo Felle verbrannt haben, um einer tJberfullung des Marktes
vorzubeugen. Spater ubernahm die Russisch-amerikanische Gesellschaft
das Monopol des Seehundfanges, und der jahrliche Fang wurde auf 50 ooo
normiert. Nach Abtretung des Russischen Amerika an die Vereinigten Staaten
im Jahre 1867 wurde das Monopol des Seehundfanges auf den Pribylow-
Inseln der Alaska Commerical Company in San Franzisko iibertragen. Der
jahrliche Fang wurde mit 100 ooo Stuck festgesetzt, und nur eingeborene
Aleuten durften zum Fange ausziehen. Diese erhielten einen halben Gold-
dollar pro Fell, ein sehr hoher Satz, da ein geschickter Mann in der Saison
taglich 50 Tiere.toten und abhauten kann. Einen Dollar erhielt die Regierung;
Fracht, Salz und sonstige Unkosten stellten sich auf ungefahr weitere
50 bis 75 Cents, und da Felle in London durchschnittlich 10 bis 12
Dollar Gold brachten, so war es kein Wunder, dass die Gesellschaft lange
Zeit 80 bis 100 Proz. Dividende zahlte. 1890 wurde der Pachtkontrakt an
die Northern Commerical Co. iibertragen. Die Bedingungen, unter welchen
die Gesellschaft den Kontrakt erhielt, waren wesentlich hohere. Statt etwa
3 Dollar pro Fell Abgaben, mussten jetzt 10% Dollar an die Regierung gezahlt
werden.
Basiert war der Vertrag auf der Annahme, dass wie bisher 100 ooo jahr-
lich geschlagen werden durften. Es stellt sich das aber angesichts der Ver-
heerungen, die der pelagische Fang unter den Seals anrichtete, als unmoglich
heraus. Im ersten Jahre wurden nur 30 ooo Stuck erbeutet, dann eine Reihe
von Jahren wahrend des Vertrages mit Englang nur 7500 und seit einigen
Jahren 15 ooo Stuck pro Jahr. Andererseits war aber auch der Preis in
London stark gestiegen, und brachte im Durchschnitt bis zu 30 Dollar pro
Fell. Da das Aktien-Kapital der Gesellschaft nur 100 ooo Dollar betrug,
658
Naturgeschichte der Pelztiere.
war der erzielte Nutzen auch bei der reduzierten Zahl imrner noch ein recht
hoher. Im April 1910 wurde der Vertrag nicht wieder erneuert, sondern die
Regierung iibernahm den Fang und Verkauf auf eigene Rechnung und erzielt
dadurch statt zirka 150,000 Dollar Pacht, einen Reingewinn von 450,000
Dollar.
1869 erhielt die Fiona Hutchinson Kohl & Philippaens in San Franzisko
von den Russen das alleinige Recht des Seehundfanges auf den Kommo-
Ansiedlung auf Copper Island.
dorski-Inseln auf 20 Jahre und verkaufte die Konzession an die Alaska Com-
mercial Company, die auch Handelsstationeri an der ganzen Kiiste besass.
Nach Ablauf des Pachtkontraktes wurde das Monopol einer russischen Ge-
sellschaft in St. Petersburg gegeben, die es noch besitzt.
Bis vor etwa 30 Jahren waren die Barenrobben im nordlichen Teile
des Stillen Ozeans wohl geschiitzt. Amerikanische Zollkreuzer bewachten die
Prilylow-Gruppe und hielten alle Fahrzeuge aus ihrer Nahe; eine gleiche
Wachsamkeit entwickelten die Russen in ihrem Gebiet. Mindestens eine
Million Seehunde versammelten sich jahrlich auf den Rookeries, aber die
Beute war zu verlockend, um langer allein gelassen zu werden.
In Victoria, Vancouver Island in Britisch Kolumbia, wurden zahlreiche
Schoner von 20 bis 1000 Tons ausgeriistet. Tacoma, Seattle und Portland,
Oregon folgten dem Beispiel. Die pelagische Seehundfischerei hatte be-
gonnen, und damit auch der Anfang zur Ausrottung der Seebaren.
Die im offenen Ozean schwimmenden Herden wurden von der ameri-
kanischen Kiiste bis zu den japanischen Inseln und bis an die Grenzen des
XVI. Die Seehunde. 659
Eismeeres unablassig verfolgt. Tragende Weibchen, Junge und Alte fielen
unter den Schiissen der gierigen Pelzjager. Jeder Schuner fuhrte fiinf oder
sechs Boote, die bei Insichtkommen der Seehunde ausgesetzt wurden, jedes
bemannt mit vier Ruderern und einem Schiitzen.
Besonders geschatzt als Jager waren die ,, Si watches", die Krieger der
amerikanischen Kiistenindianer, und die Bonin-Insulaner. Zwar hatte
die japanische Regierung denselben verboten, sich auf anderen als japa-
nischen Schiffen anwerben zu lassen, aber die hohen Gehalter bewogen doch
viele dieser kiihnen Halbblut-Insulaner, die Wachsamkeit der japanischen
Behorden zu tauschen. Die Boote waren entweder Kanoes, wie sie bei
den Indianern der amerikanischen Westkiiste in Gebrauch sind, oder flache
,,dorys", vorn und hinten spitz zulaufende Boote, wie sie beim Kabeljau-
fang auf den Neufundlands-Banken benutzt werden. Als Schusswaffen
wurden Zentralfeuer-Doppelflinten Kaliber 12, verwendet. Die Jagd er-
forderte auch gute Gewehre und sichere Schiitzen, denn jedes nicht so fort
todlich getroffene Tier sinkt und geht verloren. Mancher Schuner kam mit
5000 bis 6000 Fellen an Bord am Schlusse der Kreuzfahrt zuriick, und da
mindestens 50 bis 60 Schuner beteiligt waren und ausserdem viele angeschossene
Seehunde verloren gingen, so machte sich das Resultat sehr bald fuhlbar.
Die Scharen, die jahrlich auf den Brutstatten erschienen, schmolzen zu-
sehends zusammen.
Im Jahre 1894 hatte der pelagische Fang den amerikanischen und kana-
dischen Hochseefangern 141 143 Felle eingebracht, fast ausschliesslich Weib-
chen, wobei beriicksichtigt werden musste, dass die doppelte Anzahl er-
legter Tiere verloren ging. Hierzu kommt noch, dass die Weibchen, die in
der Nahe der Inseln erlegt werden, saugende Junge haben. Bis zu 100 See-
meilen entfernen sich die Weibchen haufig in der Suche nach Futter, die
von einem toten Weibchen am Lande zuriickgelassenen Jungen miissen
verhungern, und es wurden 1905 auf den Pribylows 30 ooo auf diese Weise
umgekommene Jungen gefunden. Ausserdem waren die so erlegten Weib-
chen alle trachtig, so dass fur ein so erbeutetes Fell mindestens 3 Leben zu
rechnen sind, im Durchschnitt aber 5 bis 6 gerechnet werden miissen.
Im russischen Gebiet war es noch schlimmer. Schuner, die vielleicht
beim pelagischen Fischen nicht vom Gliick begiinstigt waren, lauerten in
der Nachbarschaft der Kommodore-Insem, warteten einen recht nebligen
Tag ab, welche im Sommer durchaus nicht selten sind, sandten ihre Mann-
schaften an Land und schlugen einige tausend Seehunde direkt an den Brut-
statten. Die russischen Kriegsschiffe waren bestandig auf der Wacht gegen
solche Rauber. Viele Fahrzeuge wurden aufgebracht und nach Wladiwostok
gefuhrt. Ich selbst sah dort wenigstens ein Dutzend solcher konfiszierten
Schuner liegen.
Eine eigenartige Geschichte passierte im Jahre 1892 wahrend meiner
Anwesenheit in Yokohama. Der britische Schuner ,, Arctic" war in russischen
42*
66o
Naturgeschichte der Pelztiere.
Gewassern beschlagnahmt worden, wahrend er erst 80 Felle an Bord hatte.
Die Schiffspapiere wurden an Bord des Kreuzers genommen, und der „ Arctic"
sollte nach Wladiwostok mitkommen. Wahrend eines starken Nebels wurden
die Schiffe getrennt. Der Kapitan segelte direkt nach Behring Island, holte
sich dort eine Ladung von 3000 Fellen und ging nach Yokohama. Ohne
Papiere konnte er nicht in den Hafen, doch wurde ein Boot zum englischen
Konsul hineingeschickt. Der russische Gesandte beantragte sofort bei der
japanischen Regierung Beschlagnahme von Schiff und Ladung, aber in-
Aleuten-Ansiedlung auf Behring Island.
zwischen war der englische Kreuzer ,, Edgar" hinausgegangen, hatte den
,,Arctic" hereingeholt, und zwei Stunden spater war die Ladung im Werte
von 200 ooo Mark an Bord des englischen Postdampfers ,, Verona", unter
dem Schutz der englischen Flagge.
Die pelagischen Seehundsfanger hatten allmahlig die Routen heraus-
gefunden, auf denen die Seehunde wahrend fast 9 Monate ihre Wanderungen
ausfuhrten, die sie fast 2000 Seemeilen weit fiihrten undTfolgten ihnen nament-
lich langs der ganzen Kiiste von San Francisko bis Prince William Sound.
Zwischen 1883 bis 1897 wurden 304 713 Felle so erbeutet und mindestens
ebensoviel geschossene Tiere gingen verloren.
Die Amerikaner waren viel weiter als die Russen gegangen und hatten
kurz entschlossen das ganze Behringsmeer als geschlossene See erklart und
ausserdem die Sealherden als Privateigentum, quasi als Haustiere, die auch
wenn verlaufen noch als ihrem Eigentumer gehorig galten. Jedes Fahrzeug,
das sie zum Fang ausgeriistet dort trafen, das heisst, welches Fasser mil
XVI. Die Seehunde. 66l
grobem Salz an Bord hatte, wurde beschlagnahmt. Dies fiihrte zu inter-
nationalen Verwicklungen, da Kanada, oder eigentlich England, nicht die
Rechte Amerikas auf eine grossere Zone als drei Seemeilen von den Pribylow-
Inseln und der Alaska- Kiiste anerkannten. Eine Menge Prozesse wegen
Schadenersatz wurde gegen die Regierung der Vereinigten Staaten angestrengt.
Andererseits entzog man sich in England auch nicht der Erkenntnis, dass,
wenn keine durchgreifenden Schutzmassregeln ergriffen wurden, die Seehunde
unaufhaltsam der ganzlichen Ausrottung entgegengingen.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen wurden nun im Jahre 1895
iiuf einer Konferenz zu Paris, an der England, Amerika und Russland teil-
nahmen, ein Abkommen zwischen diesen Machten getroffen. Amerika gab
den unhaltbaren Anspruch auf, die Behring-See als mare clausum zu be-
trachten, verbot ausserdem alien seinen Landesangehorigen, den Fang auf
holier See zu betreiben und beschrankte die Zahl der auf den Pribylow-Inseln
(St. Paul, St. George, Otter- und Walrus-Island) jahrlich zu totenden See-
hunde auf 7 500 vorlaufig. England bewilligte fur Kanada, dass die neutrale
Zone um die Inseln von 3 Seemeilen auf 60 Seemeilen erweitert werde und
dass kein Fahrzeug sich auf diese Entfernung den Inseln nahern durfte.
Ausserdem durfte die Beringsee von Mai bis September nicht von Fang-
schonern, die zum Seehundfang ausgeriistet sind, betreten werden. Beide
Machte beschlossen ausserdem, durch Kriegsschiffe gemeinschaftlich hierfur
zu sorgen, dass diese Bestimmungen nun gehalten wurden. Die Eigentumer
der beschlagnahmten kanadischen Schoner wurden durch die amerikanische
Regierung entschadigt. Auch Russland wurde der neutrale Giirtel von 60
Seemeilen um die Kommondorsky-Inseln St. Paul und St. George zugebilligt.
Diese Massregeln half en anfangs etwas, doch hatte man einen schweren Fehler
begangen. Amerika wollte auch Japan zu dieser Konferenz einladen, aber
England protestierte dagegen. Es schien dies auch wenig bedeutsam, denn
Japan hatte bis dahin sich iiberhaupt nicht an dieser Industrie beteiligt,
sondern selbst den Seehund- und Seeotterfang an seinen eignen Kiisten
fremden Fangfahrzeugen iiberlassen. Jetzt anderte sich dies. Ein Schoner
nach dem andern unter japanischer Flagge erschien auf dem Schauplatz
und beteiligte sich an dem lukrativen Gewerbe. Viele davon unter Kapital-
beteiligung kanadischer Handler und unter Fiihrung kanadischer Kapitane.
Sie hatten es ja nun viel leichter, denn fur sie gait der Vertrag nicht; sie
waren nur durch das internationale Recht gebunden und konnten daher
*den Behringsee zu jeder Zeit betreten und sich der Kiiste der Inseln bis auf
3 Seemeilen nahern.
Sie folgten den Seehundscharen wahrend der Wanderung und uin-
lagerten wahrend der Fortpflanzungsperioden die Inseln in dichten Scharen,
indem sie die saugenden Weibchen, die zum Fange ihres Futterbedarfs weit
in die See hinausschwammen, abschossen, unbekummert darum, dass die
:zuriickgelassenen Jungen auf dem Festlande verhungerten. Ja sie begniigten
662 Naturgeschichte der Pelztiere.
sich nicht einmal damit, sondern sandten unter dem Schutz des hier so haufigen
Nebels Bootsmannschaften an Land, die hier alles an Seehunden toteten,
was sie erreichen konnten. Auf den russischen Inseln bekam ihnen das schlecht,
da die russischen Wachmannschaften einfach jeden Japaner niederschossen,.
den sie am Lande trafen, und auch Schoner, die zu nahe herankamen, kon-
fiszierten und die Mannschaft nach Sibirien schafften. Auf den amerikanischen
Inseln war man diesen Raubern gegeniiber machtlos, bis unter dem energischen
Regierungsagenten Lembkey eine bewaffnete Kiistenwache eingerichtet wurde,
die, sogar mit Maschinengewehren versehen, den Raubern entgegentrat.
Es kam zu blutigen Zusammenstossen, und verschiedene Japaner wurden
getotet, andere gefangen und in*Alaska zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.
Abfleischen von Sealskin auf den Pribiloff-Tnseln.
Auch die Kriegsschiffe passten jetzt besser auf, und eine grosse Anzahl japa-
nischer Schoner wurde innerhalb der 3-Meilen-Zone beschlagnahmt. Ubrigens
kamen auch sonst Klagen, dass japanische Mannschaften Seeraubern gleich
auf anderen Inseln an der Kiiste von Alaska gelandet und dort viel geraubt
hat ten. Infolge wohl der energischen Weisungen der japanischen Regierung
hat dies in der letzten Zeit aufgehort, doch schwand die Zahl der Seehunde
immer mehr zusammen, so dass augenblicklich nicht mehr als etwa 150 ooo
vorhanden sein durften. 1898 wurde in Amerika ein Gesetz erlassen, wonach
Seehunde nur mit einem Ursprungszeugnis, aus dem hervorging, dass sie
nicht von pelagischem Fang herruhrten, in Amerika zur Einfuhr zugelassen
wurden. 1906 wurde dann ein weiteres Gesetz erlassen, wonach auf den
Inseln jahrlich 2000 zweijahrige und 1000 einjahrige Bullen gezeichnet und
dann nicht mehr getotet werden durften, wahrend die Company dagegen
das Recht erhielt, jetzt jahrlich i5oooTiere zu toten. Jetzt, 1910, ist bei Ab-
lauf des Kontrakts derselbe nicht erneuert worden, sondern die Regierung
XVI. Die Seehunde. 663
betreibt den Fang vorlaufig auf eigne Rechnung. Gleichzeitig schweben aber
Verhandlungen iiber Einberufung einer neuen Konferenz aller beteiligten
Staaten, wozu diesmal auch Japan gehort, behufs Regelung des Seehund-
langes, und es verlautet, dass Amerika dann als Konzession den Fang auf den
Pribiloff-Inseln fur mehrere Jahre einstellen wird. Es ist aber notwendig,
dass bald etwas geschieht, da sonst bald keine Seehunde zum Schiessen
da sein werden. Ubrigens ware es auch notwendig, dass auch andere Machte
zur Teilnahme an einer solchen Konferenz eingeladen wiirden, denn einer
der beriichtigtsten Sealrauber segelt unter mexikanischer Flagge.
Die Seehundsjagd auf dem offenen Meere ist iibrigens durchaus nicht
immer eine Vergniigungsfahrt. Zwar legen die kleinen Schoner von 20
bis 50 Tons die lange Seereise zwischen Amerika und Japan meist ohne Unfall
zuriick, doch wahrend der starken Nebel, die im Sommer im nordlichen
Stillen Ozean herrschen, gehen haufig Boote mit der ganzen Mannschaft
verloren, und scheitern auch viele Fahrzeuge an den Felsen der japanischen
Kiiste und den Inseln von Alaska infolge von Sturm oder den hier haufigen
Stromverstarkungen und mangelhaften Positionsbestimmungen.
Die Seals von den Pribiloffs bilden die sogenannten Alaskaseals des
Handels. Es ist die beste Qualitat, mit rauchem, feinem und sehr dichtem
rotlichem Haar (Unterwolle) , die beim Fange im offenen Meere erbeuteten
Felle sind im Handel als Northwestern bekannt, das Haar ist hierbei etwas
lockerer und nicht so dicht. Es sind dies meist Weibchen. Die Weibchen
aller Fur seals sind kleiner und heller. Die von den russischen Kom-
modorsky-Inseln stammenden sind als Copper Islands bekannt und
kiirzer im Haar, auch heller in der Farbe.
Auf Robben-Island, siidlich von Kamtschatka, das jetzt den Japanern
gehort, ist noch eine Seal-Kolonie, das Fell ist aber grober als die Alaskafelle,
ebenso von den an der japanischen Kiiste gefangenen Seals. Auch in andern
Teilen des Stillen Ozeans und des Atlantic kommen wertvolle Barenrobben
vor. So lieferten Anfang des vorigen Jahrhunderts die Falklandsinseln
Millionen von Fellen. Allein in den Jahren 1793 bis 1807 kamen 3% Millionen
Seehundsfelle von hier aus nach Canton, doch wenige Jahre spater waren
die Rookeries ganzlich verodet.
An der Miindung des La Plata liegen die Uruguy gehorigen Lobosinseln
auf den sich auch seit Jahrhunderten eine Rookery befindet. Seit einigen
Jahren ist der Fang hier Monopol und an eine englische Gesellschaft ver-
pachtet. Verschiedene Schoner aus Halifax in Neu-Schottland kommen
jedes Jahr nach dem Siiden und fang en Seehunde an der Kiiste und im Miin-
dungsgebiet des La Plata, was schon mehrfach zu Differenzen mit der Re-
gierung in Montevideo Anlass gegeben hat. So wurde vor einiger Zeit der
Schoner Agnes O. Donaghue mit der Ladung beschlagnahmt, musste aber
dann freigegeben und der Eigentumer entschadigt werden, da nachgewiesen
wurde, dass das Fahrzeug die Grenze von 3 Seemeilen vom Ufer inne-
664
Naturgeschichte der Pelztiere.
gehalten hatte. Die Schoner legen den weiten Weg vom aussersten Norden
des Kontinents unter Segel zuriick, die erbeuteten Felle werden aber meist
gleich von Montevideo aus nach London mil dem Postdampfer verladen.
Jahrlich werden etwa 20 ooo Lobos-Islandseals erbeutet. Die Felle sind
gelbbraun mit dunklen Seiten, die Weibchen sind heller. Die Unterwolle
ist ziemlich lang, aber nicht so dicht, wie die des Alaskaseals. Die hier ge-
fangenen Seehunde gehoren wahrscheinlich der Art Arctocephalus australis
an, die auch in der Magelhaensstrasse, den Falklandsinseln und inFeuerland
vorkommt und auch bis an die Ufer der chilenischen Provinz Chile streifen.
In diesen Gegenden wird der Fang meist von chilenischen Schonern betrieben,
die auch gleichzeitig Jagd auf die dort zahlreichen Fischotter machen.
Seal am Strande von St. Paul.
DieTSeals von hier gelangen als Cap-Hornseals in den Handel und mogen
jahrlich einige tausend Stuck gefangen werden. Als merkwiirdig mag noch
erwahnt werden, dass im vorigen Jahre hier einer der auf Pribiloffs gezeich-
neten Seehunde hier gefangen wurde, was die ungeheuren Wanderungen
dieser Tiere kennzeichnet.
. Weit geringer in Qualitat sind die Seehunde von den Galapagos, die
wahrscheinlich eine eigne Art bilden, A. Galopagensis. Noch vor etwa 25 Jahren,
als Dr. Th. Wolff diese Inselgruppe besuchte, die ja schon seit Darwins Zeit
wegen ihrer eigentumlichen Fauna beruhmt ist, lagen am Strande unge-
heure Herden der riesigen Ohrenrobben, die die Luft weithin mit ihrem
Gebriill erfullten. Mit der zunehmenden Besiedlang dieser Ecuador ge-
horigen vulkanischen Inseln nahmen aber die Seehunde rapide ab, und jetzt
diirtfen wohl kaum einige hundert Stuck jahrlich erbeutet werden; auch
an der peruanischen Kiiste und auf den Chinchainseln werden einige Tiere
dieser Art jahrlich erlegt. Die als Wohnsitz des echten Robinsons, Alexander
XVI. Die Seehimde. 665
Selkirks, bekannten Chile gehorigen Inseln Juan Fernandez und Mas a fuera
besitzen eine eigne Sealart Arctocephalus Philippi, die aber fur den Handel
;gar keine Bedeutung hat. Die wenigen von hier stammenden Felle kommen
unter die Kap Horns. 1798 brachte ein amerikanisches Schiff eine ganze
Ladung von hier nach Canton, die Qualitat war gering. Sehr wertvoll da-
gegen sind die im siidlichen arktischen Ozean auf den sudlich vom Kap Horn
gelegenen Southshettlands und Siidgeorgien vorkommenden See-
hunde. Die Felle sind noch bedeutend besser als die Alaskaseals, gross,
sehr fein und dichthaarig, und haben einen Wert von etwa 200 Schilling
im rohen Zustande. Im Jahre 1800 wurden auf South Georgia allein 112 ooo
Seals erbeutet, 1806 20 ooo und 1821 320 ooo nach Polandt, dann nahm die
Zahl rapide ab, 1887 waren es noch 200. Sie gehoren einer eignen Art an, die
noch nicht beschrieben ist, und die ich vorschlage Arctocephalus shetlandii
zu nennen. Auf Kerguelen Island im siidlischen Indischen Ozean lebt A.
gazellae nach dem Entdecker der Expedition auf S. M. S. Gazelle genannt.
Das Tier ist wesentlich kleiner als die anderen Arten und hat auch etwas helleres
Oberhaar. Die geringe Anzahl lasst keine kommerzielle Bedeutung zu. Desto
wertvoller sind aber die Rookeries der sturmumtosten Felseninseln St. Paul
und St. Amsterdam und neuerdings die auf Hearst Island, die erst im Vorjahr
durch Schoner von Halifax entdeckt wurden. Zwei Fahrzeuge holten hier
auf einer Kreuztour 4000 Felle, die in London auf der Auktion zirka 800 ooo
Mk. brachten. Da nun eine ganze Anzahl Fangfahrzeuge nach dem neuen
Fanggrunde unterwegs sind, wird es auch nicht lange mehr dauern, bis auch
die letzten dieser Tiere wieder ausgerottet sind. Die Felle ahneln denen
von der Siidshettlands, sind aber noch besser in Qualitat. Sie gehoren
zur Art Arctocephalus elegans. An den Kiisten Australiens, Neuseelands
und der Auclandsinseln, sowie auch der Enderby-Gruppe kommen zwei See-
hundsarten vor, A. Forsteri und Arct. gracilis, doch gelangen jahrlich nur
etwa 1000 Stuck auf den Markt. 1815 kamen 400 ooo Stuck aus diesen
Gegenden. Das Haar der Mannchen ist dunkel, nur der Bauch dunkelbraun,
die Weibchen hellbraun, die Unterwolle rotlich und ziemlich dicht und lockig.
Zahlreicher ist A. antarcticus, der an der Kiiste des Kaps der guten Hoffnung
und auf den Guanoinseln lebt, die teilweise Deutsch-Sudwestafrika vor-
gelagert sind, aber nicht dazu gehoren. Einige Exemplare werden aber auch
am Strande der deutschen Kolonie, namentlich in der Nahe von Liideritz-
bucht, gefangen. Die Qualitat ist am geringsten von alien Pelzseehunden
und sind die Felle ausserdem noch haufig schlecht behandelt. Viele von diesen
Fellen sind ,, pinky", d. h. sie sind nicht rechtzeitig genug gesalzen, so dass
•die Fleischseite eine rotliche, von Schimmelpilzen herriihrende Farbe an-
nimmt. Der Wert ist etwa 20 bis 50 Mk., je nach Grosse. Es kommen wohl
2000 bis 3000 Felle jahrlich nach London.
Einen Ubergang von den Barenrobben zu den Seelowen bildet Phocarctus
Jyookeri, der an der Kiiste von Neuseeland und den Maquerie-Auclandsinseln
666 Naturgeschichte der Pelztiere.
lebt. Die Felle der jungen Tiere besitzen eine dichte Unterwolle, sind also
fur Pelzzwecke brauchbar und mogon solche Felle wohl mitunter sich unter
den sogenannten Southseaseals finden. 1811 kamen 80 ooo Felle dieser Art,
und 1887 nach Poland noch 180 Felle nach London; seit dieser Zeit sind sie
selten geworden.
2. Die Seelowen.
Bekannt sind die Seelowen, die haufig mil den Barenrobben, den Liefe-
ranten der Sealskin, verwechselt werden, deren Fell aber wertlos ist. Fur
Pelzzwecke f ehlt die Unterwolle und fur Lederzwecke ist die Haut zu schwam-
Salzen der Sealfelle im Schiffsraum.
mig. Es gibt mehrere Arten. Die Tiere sind auch wesentlich grosser als die
Barenrobben und sind die ausgewachsenen Mannchen haufig iiber 15 Fuss
lang mit einem Gewicht von 10 Ztr. Fett und Fleisch haben einigen Wert,
doch wird ihnen nur wenig nachgestellt. Von den Eingeborenen Jung ein-
gefangene Exemplare werden sehr zahm und lassen sich auch zu allerhand
Kunststiickchen abrichten. Bekannt ist auch die grosse Seelowenkolonie
bei San Francisco dem Cliff house gegenuber, wo die Tiere durch den genos-
senen Schutz ganz zahm geworden sind, obgleich sie in voller Freiheit leben.
Die Kolonie ist eine der Sehenswiirdigkeiten Friskos. Hier leben die Tiere
auch ausnahmsweise das ganze Jahr auf dem Felsen, obwohl sie sonst stets
nur 4 Monate, wahrend die Jungen saugen, auf dem Lande zubringen, den
ubrigen Teil aber auf der offenen See. Die Kolonien bestehen meist nur aus
zirka 20 Individuen. Es gibt mehrere Arten Otaria stelleri an der Kiiste
Kaliforniens, den Pribylows, Behring-Insel, Aleuten, Alaska und Japan.
XVI. Die Seehunde. 667
Otaria jubata auf den Gallapagos, Chile, Peru, La Plata und den Falk-
landsinseln, Zalopbus calijornicus an der Westkiiste von Nordamerika, siidlich
von San Franzisko, Zalophus lobatus bei Australien und Neuseeland. Das Tier
hat seinen Namen von einer Art Mahne, die das alte Mannchen auf demRiicken
hat. Hier im Siiden ist die Brunstzeit Ende Februar und Ende Marz, das
Junge wird gegen Weihnachten geboren, also dem dortigen Hochsommer.
An der Nordwestkiiste von Amerika kommt iibrigens auch eine See-
lowenart vor Otaria gillespie, die eine brauchbare, wenn auch grobe und etwas
dunne Unterwolle hat, und deshalb auch gefarbt und als geringe Furseals
verwertet wird.
3. Haarseehunde.
Haarseehunde kommen in alien Meeren in einer grossen Anzahl Arten vor
und es wiirde den Rahmen dieses Werkes iiberschreiten, wenn ich die-
selben samtlich anfuhren wiirde. Von Wichtigkeit fur den Pelzhandel ist
vor allem der gronlandische Seehund, Phoca grdnlandica (oder neuerdings
Pagophalus gr.) genannt, englisch harpseal. Das Tier lebt hauptsachlich
in den Gewassern Gronlands, der Baffinsbay und des nordlichen Labradors
und kommt im Friihjahr mit dem Treibeis bis in die Nahe Neufundlands.
Die ausgewachsenen Tiere erreichen eine Lange von zirka 5 Fuss. Die Jungen
Tiere, welche die sogenannten whitecoats liefern, sind bis zum Alter von
etwa 7 Wochen schneeweiss und mit einem feinen dichten Wollpelz bedeckt.
Das Fell hat eine Lange von etwa 70 bis 90 cm. Das Fell des einjahrigen
Tieres hat zahlreiche kleine Flecke, schwarz auf gelbgrauem Grunde. Im
Alter von zwei Jahren sind die Flecke gross, und mit drei Jahren, wenn
die Tiere ausgewachsen sind, zeigt sich auf dem Riicken die harfenformige
Bandzeichnung, welche dem Tier den Namen Harpseal oder saddleback
verschafft hat.
Die Tiere leben in grossen Scharen im offenen Meere, wo sie grosse Wande-
rungen antreten, im Sommer nach dem Norden, im Winter nach dem Siiden.
Mitte Marz erklettern sie die treibenden Eisschollen oder das Packeis, wo
von Ende Marz bis Mitte April die Jungen geboren werden, wahrend die
Mannchen jetzt wieder das offene Meer aufsuchen. Dies ist das Zeichen fur
die grosse Schlachterei.
Von St. John, Neufundland, geht eine ziemlich zahlreiche Flotte von
Fangdampfern nach der Packeisgrenze und auch von Greenook Dundee
und Peterhead in Grossbritannien kommen Fangdampfer nach der Baffinsbay.
Sobald das Packeis erreicht ist, werden die Mannschaften gelandet, jeder
mit einem schweren Kniippel oder langgestielten Holzhammer und einem
scharfen Messer bewaffnet. Die einige Wochen alt en Jungen werden in der
rohesten Weise erschlagen, ebenso eine Menge der Weibchen und alteren
Jungen. Ein Teil der Mannschaft streift, sobald eine geniigende Anzahl
668 Naturgeschichte der Pelztiere.
getotet 1st, den Kadavern das Fell mil der ansitzenden Fettschicht ab, die
dann zum Boote geschleift und an Bord geschafft werden. In der nur wenige
Wochen dauernden Fangzeit in jedem Jahre werden auf diese Weise zwischen
200 ooo und 500 ooo Seehunde getotet.
Die Felle kommen meist gesalzen in London an den Markt, der Tran
in Amerika oder London. Von Gronland, wo norwegische und friiher auch
deutsche Fangfahrzeuge tatig sind, kommen etwa 150 ooo. Vicl sport s-
massiger ist die Fangweise der Eskimos, denen der Seehund fur ihre Lebens-
bedurfnisse unentbehrlich ist. Sie stellen ihm aber entweder auf dem offenen
Meere im Kajak nach oder lauern mit der Harpune geduldig an den Atem-
lochern, die sich der Seehund im Eise off en halt.
Ein ausgewachsenes Mannchen wiegt zirka 115 Kilo, wovon etwa 50
Kilo auf Fell und Speckschicht kommen. Die Eskimos verwenden alles,
was vom Seehund kommt. Ausser Fell, Speck, und Fleisch wird auch das Blut
zur Nahrung verwendet, aus den Darmen werden Uberkleider gefertigt,
der Magen dient zur Aufbewahrung von Tran, die Knochen werden zu alien
moglichen Geraten verarbeitet. Kurz, wie bei den Schweinen in Chikago,
wird alles verwendet, bis auf das Quiecken. Seit 1876 existicrt eine Kon-
vention zwischen England, Norwegcn und Deutschland, wonach vor dem
April bei 500 £ Strafe kein whitecoat getotet werden darf, wodurch dann
eine grosse Zahl der Jungen entkommen und die Art vor dem Ausrotten
bewahrt bleibt.
Sehr nachgestellt wird auch der Klappmiitze, Cystopboca cristata, einem
Tier, das bis zu 10 Fuss Lange erreicht und einen sehr guten Tran sowie ein
sehr geschatztes Fell liefert. Die Jungen diescr Tiere liefern die geschatzten
,,Blaumanner" des Handels. Die Felle der zwcijahrigen sind dunkel bis
hellgrau auf dem Riicken und silbrigweiss auf den Seiten. Die Felle dieser
Jungen haben eine Lange von etwa 160 bis 180 cm, das Haar ist ganzend
und etwas hart mit einer diinnen etwas groben Unterwolle. Jiingere Felle
haben das Haar etwas borstiger und sind auf dem Riicken dunkler. Das
ausgewachsene Mannchen hat eine Lange von etwa 2% bis 3 m, und besitzt
auf dem Kopf eine Hautblase von etwa 25 cm Lange und 20 cm Hohe, die
das Tier nach belieben aufblasen kann. Die Farbe ist hellgelblich braun
mit grossen schwarzen unregelmassigen Flecken, die auf dem hellgrauen
Rticken unregelmassig verstreut sind. Die Felle der erwachsenen Tiere liefern
ein sehr geschatztes Leder, wahrend der Tran auch sehr gesucht ist. Die
ganz jungen Felle sind ganz ahnlich wie die Whitecoat s, mit einem weissen
wollartigen Fell bedeckt, das aber noch etwas langer und dichter ist, als die
eigentlichen Whitecoats, die Jungen des Gronland seals.
Die Blaumann- Felle werden nur selten in naturellem Zustande verarbeitet,
viel aber schwarz und braun gefarbt, und dann zu Knabenmiitzen, sowie
auch zu den Tschakos der Husaren usw. verarbeitet. Der augenblickliche
Wert der rohen Blaumanner ist etwa 8 bis 10 Mk. pro Stuck.
XVI. Die Seehunde. 660
Die Mannchen der Klappmiitzenrobben sind iibrigens sehr mutig und
setzen sich dem Jager mil ihren scharfen Zahnen energisch zur Wehr, werfen
auch die leichten Kajaks der Gronlander um, und schon mancher Eskimo-
jager hat erhebliche Wunden im Kampfe mil den wiitenden Tieren davon-
getragen. Die Tiere werden iibrigens niemals mil dem gronlandischen See-
hund gleichzeitig auf denselben Schollen beobachtet und werden die Jungen
stets mehrere Wochen nach den Whitecoats geboren. An der Nordwest-
kiiste Amerikas wird der gronlandische Seehund durch ein ahnliche Art,
Pagophilus richardii genannt, vertreten. Sehr verbreitet ist
der gemeine Seehund, Callocephalus vitulinus, namentlich in der Ost- und
Nordsee, sowie an den Klisten des nordlichen Atlantic sind die Tiere haufig
und von den Fischern sehr ungern gesehen, da sie nicht nur stark unter den
Fischschwarmen aufraumen, sondern auch haufig die Netze zerreissen. Die
Farbung der ausgewachsenen Tiere wechselt haufig, die meisten sind aber
fein gesprenkelt, grau und schwarz, auf graugelbem Grunde, auf dem Riicken
dunkle Flecke, Unterseite gelblichweiss, um die Augen ein blassgrauer
Ring. Die jungen Tiere sind auch wahrend der ersten Lebenswochen mit
dichtem weissen Pelz bedeckt, spielen aber im Handel keine Rolle, da nur
wenig getotet werden. Die Felle der ein- und zweijahrigen Jungen werden
zu Schultornistern, Taschen usw. verarbeitet, die Felle der ausgewachsenen
nur zur Lederbereitung. Das Fell eines ausgewachsenen Seehundes wiegt
getrocknet 3 bis 4 Pfund und schwankt der Preis der rohen Felle von 3 bis
6 Mk. per Stuck. Der Tran ist auch wertvoll wie von alien Seehunden und
kosten 100 Kilo 50 bis 60 Mk., derselbe wird auch viel in der Rauchwaren-
Zurichterei verwendet. Die Tiere lieben es, sich auf Sandbanken und im
Meere liegenden einzelnen Felsblocken zu sonnen, leiten aber bei der An-
naherung von Menschen sofort ins Wasser und sind nicht leicht zu schiessen.
Wenn nicht in den Kopf getroffen, sinkt das Tier sofort unter. Es kommen
jahrlich vielleicht 15 bis 20 ooo Felle in den Handel. Der argste Feind des See-
hundes ist der Butskopf, Orcinus orca, eine grosse Delphinart, die auch die
Walfische angreift, und ihnen grosse Stiicke Speck und Fleisch aus dem Leibe
reisst. In den Polarregionen stellt auch der Eisbar unsrem Seehunde stark
nach. Die Jungen werden auf wenig zuganglichen Strandstellen zwischen
Mai und Juli geboren und bleiben mehrere Wochen auf dem Lande, da sie
in dem weissen Jugendkleide nicht schwimmen konnen. Im Kaspischen
Meere lebt ein sehr naher Verwandter, Callocephalus caspius. Sehr zahlreich
aber kleiner als die vorige, ist die Ringelrobbe, Pagomys fdetida, welchen
Namen ihm der eigenartige Geruch verschafft hat, den das Tier ausstromt.
Die Ringelrobbe lebt hauptsachlich an den Kiisten von Labrador,
Neufundland, Hudsonsbay, Gronland, und den nordeuropaischen Meeren.
Die Tiere bleiben auch wahrend des Winters im hohen Norden und liefern
deshalb den Eskimos, die ihnen an den Luftlochern im Eise auflauern, einen
grossen Teil der Winternahrung. Die Farbung ist blaugrau, auf dem Riicken
670
Naturgeschichte der Pelztiere.
schwarzlich mit grossen hellen runden Ringen, der Bauch weisslich. Die ausge-
wachsenen Tiere sind etwa 80 bis 120 cm lang. Die Jungen ahneln den withe-
coats und werden manchmal unter diese gemischt, sind aber selten langer
als 40 bis 50 cm. Gronland liefert jahrlich wohl 30 bis 40 ooo Fcllc, von der
amerikanischen Kuste kommen etwa 10 bis 20 ooo. Die Hudsonsbay Comany
bringt einigejTausend nach London und dem Nordpacific. An der Kiiste
Walrossjagd in Arctic.
von Japan lebt Pagomys largha, die Farbe ist grauweiss mit viclen kleinen,
ovalen, schwarzen Flecken.
Zu den grossen Seehunden gehort die Bartrobbe, Erignathus barbatus,
die eine Lange von 2% Meter erreicht und in alien arktischen Meeren vor-
kommt, besonders aber haufig an der gronlandischen Kiiste. Den Namen
hat sie von der Menge borstiger Schnurrhaare, die das Tier auszeichncn. Die
Oberseite ist grau mit dunklerer Riickenzeichnung und Flecken auf
den Seiten. Der Hals ist verhaltnismassig sehr lang. Die trockenen Felle,
die bis 40 Pfund schwer werden, liefern ein geschatztes Leder. Durch
die schon oben erwahnte Konvention ist fur diese Art ebenfalls eine Schon-
zeit bestimmt. In Japan wird dieser Seehund durch einen Verwandten,
Histriophoca fasciata, vertreten. Der grosste Seehund der nordischen Meere
XVI. Die Seehunde. 671
1st Halichoerus grypus, der graue Seehund, der an den Kiisten von Gronland,
Finnland, Island, Danemark, sowie Labrador und Neufundland vorkommt
und auch bisweilen an der englischen Kiiste gefangen wird. Das ausgewachsene
Mannchen wird 3% bis 4 Meter lang. Auch die Jungen, welche gleichfalls
Whitecoat-Charakter haben, werden i% m lang, doch kommen deren Felle
nur selten in den Handel. Auch die ausgewachsenen Felle, die vorziigliches
Leder geben, sind nicht sehr haufig im Handel. Prachtvolle Exemplare
dieser Felle befanden sich auf der Wiener Jagdausstellung unter den Trophaen
des Ritter von Gutmann. In der Antarctic leben zahlreiche Seehunde,
die sich durch ihre Grosse auszeichnen. Infolge ihres Tranreichtums und
des fur Lederzwecke, namentlich Maschinentreibriemen, wertvollen Felles
ist ihnen aber so stark nachgestellt, dass einige Sorten, wie die riesigen S e e-
elefanten, die eine Lange von 8 bis 10 m erreichen, fast ausgerottet
sind. Auch der Seeleopard, Stenorhychus leptonix, der bis 5 m Lange er-
reicht, ist seltener geworden. Die Grundfarbe des Felles ist grau mit kleinen
schwarzen Flecken, die Unterseite heller, auf den hintern Oberschenkeln
eine dunkel marmorierte Zeichnung. Die Zeichnung erinnert an Leoparden-
fell, daher der Name. Dies Tier wird haufig mit der Wedells-Robbe, Lep-
tonyx wedelli, verwechselt, die daher auch den Namen falscher, Seeleopard,
tragt. Die Grundfarbe ist gelblich mit dunklerem Riicken, Weibchen und
Junge oben schwarzlich mit zahlreichen langlichen gelblichen Flecken. Diese
Tiere sind noch verhaltnismassig haufig. Sonst kommt im Artarictic noch
namentlich Ross-Seehund, Ommatophoca rossti, vor, kleiner als die vorigen,
graugelb mit dichten schwarzen und gelben Streifen. Im Mittelmehr findet
sich haufig die hellfarbige Monchsrobbe, Monachus albiventer, von der
schone Exemplare auf der Wiener Jagdauststellung waren, und auf den An-
tillen ein Verwandter der Klappmiitze, Chrisophoca antillensis, sonst sind
Haarseehunde in den warmen Meeren sehr selten. Auch der Baikalsee hat
eine eigne Seehundsart, die der Ringelrobbe ahnlich sieht. Die grosste Robbe
ausser den Seeelefnaten ist das Wallross, von dem Trich echus rosmarus
im nordlichen Atlantic, Trichechus ohesus im nordlichen Pacific lebt. Die
riesigen 6 bis 8 m langen Tieren mit den wulstigen Oberlippen und den bis
60 Zentimeter langen Hauern, die ein feines Elfenbein liefern, sind auch
seltener geworden und sollen jetzt im nordlichen Pacific auch geschiitzt
werden. Die Felle, die ein fast zolldickes Leder geben, werden gern zu Ma-
schinentreibriemen verarbeitet. Sie werden fast nie im ganzen abgestreift,
sondern meist in Halften oder breiten Streifen. Die Tiere sind sehr mutig
und setzen sich dem Jager gegeniiber kraftig zur Wehr, wrerfen auch haufig
die angreifenden Boote mittels ihrer Hauer um. Namentlich werden die
Jungen aufs eifrigste nicht nur von den Miittern, sondern auch von den alten
Bullen beschiitzt.
XVII.
Die Huftiere.
1. Die Rinderarten.
Fur den Pelzhandel kommen nur wenige Arten dieses nutzlichen Ge-
schlechts in Betracht. a) Der Biiffel, Bison americanus. Die Biiffel, oder
richtiger Bison genannt, bevolkerten einst die Ebenen Nordamerikas in
kolossalen Schwarmen. Bei der Entdeckung und Besiedelung Amerikas
•diirften wohl 50 Millionen dieser machtigen Tiere den Kontinent bevolkert
haben. Vor fast 100 Jabren waren sie bereits samtlich jenseits des Mississippi
getrieben. Hier bevolkerten sie die grossen Prarien, wobei man zwei grosse
Herden unterschied, die nordliche und die siidliche. Die nordliche wanderte
im Sommer bis weit nach dem Gebiet des Athabasca und den Ebenen am
.grossen Sklavensee und zog im Winter nach Sliden bis in die Gegend von
Kansas. Die siidliche Herde hielt sich im Winter bis nach Mexiko auf und zog
im Sommer nordwarts. Bei diesen Wanderungen bildeten sie ununterbrochen
Herden von vielen Hunderttausenden, die sich dann im Weidegebiet in
unzahlige kleine Herden auflosten. Im Herbst fand die Paarung statt, wobei
oft erbitterte Kampfe zwischen den machtigen Bullen ausgefochten wurden.
Die Indianer der Prarien waren fur ihren Lebensunterhalt hauptsachlich
auf den Biiffel angewiesen, da sie aber bei ihren Jagden die meisten Kiihe
und Kalber iibrig liessen, taten sie der Vermehrung der Tiere wenig Abbruch,
wie ja uberhaupt die Indianer niemals Wildverwiister waren. Auch die weissen
Jager und Trapper richteten keine grossen Verherrungen an, obgleich jahrlich
von den Vereinigten Staaten ca. 200 ooo Stuck, von Kanada und dem
Hudsonsbay- Gebiet etwa 50 ooo Buff elf elle oder Buffalorobes, wie sie genannt
werden, in den Handel kamen. Mit dem Ban der Pacific-Bahnen anderte sich
die Sachlage. Nicht allein, dass die Tiere durch die Bahnbauten sehr in ihren
Lebensgewohnheiten gestort wurden, die Arbeit er toteten auch hundert-
tausende, teils aus Jagdlust, teils des Fleischbedarfs halber. Dies hatte aber
noch nicht zur Vernichtung ausgereicht. Mit der Leichtigkeit, mit der jetzt
aber die Prarien erreicht wurden, bildeten sich jetzt grosse Gesellschaften zur
Erlegung der Biiffel wegen ihrer Felle. Bei der Grosse des Wildes und seine n
Lebensgewohnheiten war die Erlegung sehr einfach und beanspruchte keine
weidgerechten Jager. Es trat die gemeinste Aasjagerei ein. Alles, was vor die
43*
676
Naturgeschichte der Pelztiere.
Biichse kam, Bullen, trachtige Kiihe, Kalber wurden niedergeknallt, ganze
Herden iiber Felsabstiirze getrieben. Den Tieren wurde nur die Haul ab-
gestreift und die, Zunge ausgeschnitten, die Korper wurden liegen gelassen
und verpesteten die Luft. In den Jahren 1870 bis 1876 wurden jahrlich etwa
i Million Biiffelhaute erbeutet. 1876 erreichte die Schlachterei ihren Hohe-
punkt. In diesem Jahre wurden iiber 3 Millionen Tiere erlegt und damit der
Zusammenhang der grossen Herden auf immer vernichtet. Zwar wurde die
,, Jagd" immer noch fortgesetzt und 1881 kamen noch ca. 300 ooo Felle auf
den Markt, aber von da ging es rapide ab warts und 1886 waren wohl die letzten
freilebenden Biiffel in den Vereinigten Staaten erlegt. Wenn auch der Biiffel
Die Bisonherde im canadischen Nationalpark zti Banff.
dem weidenden Rinde schliesslich weichen musste, bildet diese Ausrottung
doch einen Schandfleck fiir Amerika. Leider war Kanada damit in Mitleiden-
schaft gezogen, da ja die Biiffel im Herbst stets nach Siiden zogen, wenn auch
auf den Prarien Kanadas solche Schlachtereien nie stattfanden. Jetzt finden
sich in Freiheit lebend nur noch einige kleine Trupps im Gebiete des Peace-
river und eine Herde von einigen hundert Stuck im Yellowstone-Park. An
mehreren anderen Stellen, namentlich in Kansas, Illinois sowie in der Nahe
Winipegs werden noch kleinere Herden in umfriedetem Park gehalten, aber
das gewaltige Tier ist unaufhaltsam auf den Aussterbeetat gesetzt. Ich selbst
habe iibrigens noch 1891 ganze Eisenbahnziige gesehen, die mit auf den
Prarien gesammelten Biiffelknochen beladen wraren und die fiir die grossen
Knochenmuhlen bestimmt waren. Auch die Horner wurden von den Indianern
XVII. Die Huftiere. 677
gesammelt, fein poliert und von den Sqaws auf den Stationen der Kanadian-
Pacific den Touristen angeboten.
Der Bison erreichte eine Schulterhohe von i % bis 2 m, fallt aber gleich
hinter der Schulter stark nach dem Schweif zu ab. Kopf, Schultern und
Seiten sind mil einer dichten braunschwarzen Mahne bedeckt, die bis zu den
Knien niederfiel und zwischen den Hornern eine Haarlange von 30 bis 40 cm
erreichte. Die Bullen haben einen langen dichten herabhangenden Bart. Die
Augen sind gross und blitzen tiickisch unter den viberhangenden Haaren hervor.
Die Horner sind kurz gedrungen und spitz und nur schwach gebogen. Das
Fell ist sehr dicht, warm und leicht und gibt die besten Schlittendecken.
Gesch. Spezialaufn. d. Neuen Phot. Ges.
Moschusochse (Ovibos moscbatus ) .
Das Haar eignete sich auch zu f einen Gespinsten und wurde mehrfach versucht,
die Tiere zu domestizieren, zur Ausnutzung des Haares und des Fleisches,
doch schlugen alle Versuche aus wirtschaft lichen Griinden fehl. Ein
kanadischer Biiffelzuchter schlachtet noch jetzt jahrlich einige Tiere und
verkauft das Fleisch pro Pfund zu i Dollar, das Fell zu ungefahr 100 Mk.
Die Hudsonsbay Company brachte die Buffeldecken aus ihrem Gebiet
ebenso wie den grosseren Teil der getrockneten Biiffelzungen in Montreal
zum Verkauf, den Rest der Biiffelzungen in London. Die Zungen schmeckten,
wie ich aus eigener Anschauung bekunden kann, viel feiner wie Ochsenzungen.
Auch das Fleisch, namentlich des sogenannten Humps, des Buckels, gait fur
sehr wohlschmeckend. Der sogenannten Waldbiiffel wird von den meisten
Forschern als eine besondere Art, Bison attabascae, betrachtet. Es sind die
Biiffel, die in kleinen Trupps statt auf den Prarien in den dichten Waldern
678 Naturgeschichte der Pelztiere.
leben, und niemals an den grossen Wanderungen teilnahmen. Auch sie sind
heute fast ausgestorben und finden sich nur noch einzelne Paare in den
machtigen Nadelwaldungen des nordlichen Hudsonsbay-Gebietes. Friiher gab
es auch eine kleine Anzahl Waldbiiffel in Arkansas und dem Mississippital, die
aber langst ausgerottet sind.
Der nachste Verwandte des Bisons ist der b) europaische Wisent, B. bonasus,
oder Auerochs, wie er falschlich genannt wird. Der echte Auerochs, ein Wild-
rind, ist schon seit iibcr 5 Jahrhunderten ausgestorben und der Wisent ist nahe
daran, scin Schicksal zu teilen. Es leben noch einige Herden in Lithauen,
Provinz Grodno, im Bialowiczer Walde, einem Gebiet von 2000 Quadrat-
kilometern, das noch vollkommenen Urwaldcharakter bewahrt hat, ferner im
Kaukasus und in den Waldrevieren des Fiirsten Pless in Oberschlesien.
Fiir den Handel haben dieselben gar kein Interesse, da nur wenige Stiicke
jahrlich abgeschossen werden, die natiirlich nicht zum Verkauf kommen.
Die Wisents, namentlich die Stiere und Kiihe mit Kalbern, sind sehr wild und
gefahrlich. Die Stiere werden bis 2 m an der Schulter hoch und 3% m lang.
Der Pelz besteht aus dichter gekrauselt dicker und filziger Wolle, die heller
braun ist als die des Bison. Die Mahne an Brust und Schulter ist ebenfalls
viel kiirzer, dafiir haben die Tiere eine Art Haarkamm, der iiber den Riicken
lauft. Die Horner sind langer und mehr gekrummt, als bei den amerikanischen
Verwandten und der Riicken lauft gerade und fallt nicht nach hint en ab, wie
bei diesen. In friiheren Jahrhunderten war der Wisent in ganz Europa ver-
breitet. Heut leben vielleicht im ganzen 1500 bis 2000 Stuck.
Einen schwachen Ersatz fur den Ausfall der Biiffelfelle bietet c) der
Moschusochse. Es gibt hiervon zwei Arten, von denen Ovibos moschatus den
aussersten Norden des amerikanischen Kontinents bewohnt. Seine west-
lichste Verbreitungsgrenze ist der Mackenzieriver, nach Siiden bewohnt er
die Barren grounds bis in die nachste Nahe des Fort Churchill und des
grossen Barensee. Eine zweite Art, Ovibos woodii, bewohnt Gronland und die
benachbarten Inselgruppen wie Grinnelland und Ellersmere Land. Zoologisch
bilden die Tiere einen Ubergang von den Rindern zu den Schafen.
Die Schulterhohe betragt selten mehr als I m, die Lange bis ^y^m.
Der Korper ist sehr massig, der Hals kurz und dick, die Beine kurz und kraftig.
Der Schwanz ist ein bis 7 cm langer Stummel, die Horner bedecken ahnlich
wie beim Kafferbuff el die ganze Stirne und sind an den Enden stark nach vorn
und oben gekrummt. Der Pelz ist ausserordentlich lang und dicht, die Haare
bilden an den Seiten einen welligen seidenweichen Behang von 60 bis 80 cm
Lange von dunkelgraubrauner Farbe mit einer dicht en hellen Unterwolle, auf
dem Riicken sind die Haare nur kurz, und hinter der Schulter fehlen sie ganz,
so dass hier die helle Unterwolle eine helle schabrackenartige Zeichnung bildet.
Friiher waren die Tiere ziemlich selten, da sie eben nur an den abgelegensten
Gegenden des hohen Nordens vorkommen. Nur die Hudsonsbay Company
brachte jahrlich eine kleine Anzahl Felle in den Handel, und auf den Polar-
XVII. Die Huftiere. 679
expeditionen warden stes auch eine Anzahl erlegt. Das erste kompletterSkelett
nebst Pelz, welches in europaische Museen gelangte, besorgte ich fur das
Berliner Museum im Jahre 1877. Mil der grosseren Erschliessung der Polar-
regionen sind die Tiere aber jetzt an fast alien Museen vertreten und lebend
auch in Zoologischen Garten vertreten, z. B. in Berlin. In ihrer Heimat
sind die Tiere noch ziemlich zahlreich, und sie wissen der sparlichen Sommer-
vegetation der Arktis noch eine geniigende Nahrung abzugewinnen. Ihrem
ganzen Habitus nach sind sie sehr geeignet, den Unbilden des arktischen
Klimas zu trotzen. Fiir viele der neuen Polarexpeditionen bildet die Jagd
auf Moschusochsen haufig eine Lebensfrage. Ausser den Menschen haben die
In Deutschland gezogener Karakulbock (Rittergut Graeden).
Moschusochsen keinen Feind zu furchten, denn Wolfe und Baren wissen sie
sich mit den gewaltigen spitzen Hornern und den stahlharten Hufen vom
Leibe zu halten. Auch fiir den Menschen ist die Jagd auf Moschusochsen
durchaus nicht ohne Gefahr. Die trotz ihrer Kleinheit sehr starken und
wie alle Wildrinder, sehr jahzornigen und mutigen Tiere nehmen den Jager
sofort an, und da sie sehr zah sind, vertragen sie oft eine Menge Kugeln, ehe
eine totlich wirkt. Den modernen weittragenden Prazisionswaffen gegeniiber
sind sie freilich machtlos. Ein Schuss in die Stirn ist aber ganzlich wirkungslos.
Jetzt kommen jahrlich etwa 5ooFelle in den Handel, die im Duschschnitt mit
etwa 25 Dollar pro Stuck bezahlt werden und prachtvolle Fussteppiche ab-
geben. Aus der iiberaus feinen Wolle fertigen einige Eingeborenenstamme
sehr schone Gewebe. Das Fleisch soil sehr wohlschmeckend sein, obgleich das
Wildpret der Stiere einen starken Moschusgeruch hat, der sich aber beimHangen
an der Luft verliert. Ubrigens konnen die Tiere vortrefflich klettern. Wahrend
der Eiszeit lebten Moschusochsen nebst dem Renntier und dem Lemming in
Europa bis nach Frankreich hinein, wie zahlreiche Knochenfunde beweisen.
680 Naturgeschichte der Pelztiere.
2. Die Schafe.
Die Schafe sind als Haustiere uber die ganze Welt verbreitet, und ausser-
dem kommen Wildschafe in Asien, .Nordamerika, Afrika und Slide uropa in
einer grossen Menge von Arten vor, die aber fur den Pelzhandel kein Interesse
haben. Am wichtigsten fur diesen sind die asiatischen Hausschafrassen, die in
zwei grosse Unterabteilungen zerfallen, die Fettschwanzschafe, Ovis platyura,
und die Fettsteissschafe, 0. steatopyga, bei diesen findet sich iiber den
Hinterkeulen eine Fettmasse, die oft ein Gewicht von 10 bis 23 Pfund erreicht,
und die haarlos ist. Dazwischen ist dann ein kurzer verkiimmerter Schwanz-
stummel, der nur 3 bis 4 Wirbel hat. Das Fettschwanzschaf dagegen hat einen
langen Schwanz mit bis zu 20 Wirbeln, der in der Basis mit einer Fettschicht
ausgepolstert ist, sehr breit und niedergedriickt, unten fast nackt mit einer
wolligen Spitze ist. Diese Rasse ist in der Krim, Persien, Bucharei, Tibet,
Syrien usw. verbreitet, kommt aber in Arabien nicht vor. Die Wolle ist dicht,
kraus und lang, die Lammfelle schon gelockt. Am wertvollsten ist das
Persianerlamm, das aber nicht aus Persien kommt, wie friiher irrtiimlich an-
genommen wurde, sondern aus der Bucharei in Zentralasien. Es wird auch
Karakul genannt, nach dem gieichnamigen Distrikt zwischen der Stadt
Buchara und dem Oxus gelegen, wo diese Rasse zuerst geziichtet sein soil.
Englisch Persian lamb, franzosisch astracan. Die ausgewachsenen Tiere,
die nicht sehr gross sind, sondern ein Gewicht von hochstens 60 bis 80 Pfund
erreichen, sind fast stets dunkelgrau, die Wolle ist lang, grob und mit steifen
straff en Haaren untermischt. Diese Wolle wird viel zur Teppichweberei ver-
wendet. Die Lammer haben in den ersten Lebenstagen eine geschlossene
glanzende Locke, die nach 10 Tagen sich lockert ,,offen wird", und dann
immer langer wird. Nach drei Monaten etwa hat das Tier richtige Wolle, ist
aber noch vollkommen schwarz, und erst etwa nach 6 Monaten ist die Um-
farbung in grau vollendet. Mit vollen 9 Monaten ist das Tier ausgewachsen und
fortpflanzungsfahig. Die Lammer werden nun zwischen dem fiinften und
zehnten Lebenstage geschlachtet, die Felle sorgfaltig getrocknet, und dann
in Ballen von 200 Stuck verpackt, die dann in Filz eingepackt und versendet
werden. Der grossere Teil kommt nach Nishnij Nowgorod zur Messe, der
andere Teil wird schon an Ort und Stelle von Aufkaufern Leipziger und
Moskauer Hauser erworben. Der Hauptzuchter ist der Herrscher von Buchara,
der an den verschiedensten Stellen seines Reiches grosse Her den unterhalt, bei
denen aufmerksam sowohl fur Reinheit der Rasse wie fur rechtzeitige Blut-
auffrischung gesorgt wird. Die jahrliche Ausbeute von Lammfellen, die etwa
200 ooo Stuck betragt, wird direkt nach Nishnij gesandt, wo einer seiner
Minister sich personlich mit dem Verkauf, der stets in einer geschlossenen
Partie geschieht, bekummert. Die Felle kommen schliesslich fast atte nach
Leipzig, da sich allmahlich herausgestellt hat, dass sie dort am besten gefarbt
werden und allein den prachtvollen seidenartigen Glanz erhalten, der sie zu
XVII. Die Huftiere.
68l
dem allseits beliebten Pelzwerk gemacht hat. Nach dem Zurichten und Farben
werden sie hier sortiert und zwar bevorzugt fast jedes Land eine andere Art
der Locke. Es hat sich daraus auch naturgemass ergeben, dass das Persianer-
geschaft in den Handen einiger weniger grossen Fir men ist, die eigene Zu-
richterei und Farberei besitzen und die kapitalkraftig genug sind, solche
Quantitaten an Rohwaren einkaufen zu konnen, dass sie die richtigen Sorti-
ments fiir jedes Land herstellen konnen. Diese grossen Leizpiger Firmen senden
auch eigene Einkaufer bis nach Buchara. So gehen auch die in Russland im-
portierten Persianerfelle in rohem Zustande nach Leipzig und werden von hier
aus fertiggestellt nach Russland zuriickgeschickt, wo sie obendrein einen
In Deutschland gezogene Karakulschafe mit Lammern (Rittergut Graeden).
hohen Eingangszoll bezahlen miissen. Alle Versuche, die Persianer an anderen
Orten zu farben, sind fehlgeschlagen.
Besseren Erfolg versprechen die Versuche das Karakulschaf ausserhalb
seiner Heimat einzubiirgern. Die ersten Akklimationsversuche schlugen zwar
uberall fehl, die Locke der Lammer wurde stets offen und grob, und nahm
beim Farben nicht den erforderlichen Glanz an. Man hatte nicht beachtet,
dass die Tiere unbedingt eine stark salzhaltige Pflanzennahrung brauchen,
wie es die Graser der zentralasiatischen Steppen liefern, und ferner, dass die
Lammer stets spatestens am 10. Tage geschlachtet werden miissen. In Deutsch-
land gelang es den unermiidlichen Versuchen des Geheimrat Kuhne von
der landwirtschaftlichen Hochschule in Halle a. S. die Sache in Fluss zu
bringen. Er fuhrte zuerst eine Anzahl von ca. 30 echte Karakulschafe aus
Buchara ein, die auf seinem Gute Lindchen in der Mark weiter geziichtet
wurden. Er beabsichtigte aber nicht, einfach eine weitere Schafrasse in
682 Naturgeschichte der Pelztiere.
Deutschland einzufiihren, sondern wollte ein veredeltes Landschaf schaffen,
das die armsten Sandboden ausnutzen sollte. Diese sollten mit Ginster be-
pflanzt werden, der bekanntlich auch mit dem geringsten Boden vorlieb nimmt,
und dabei zu den schmetterlingsblutigen Pflanzen gehort, welche den Boden
mit aus derLuft aufgenommenem Stick stoff bereichern. Auch durch den Mist
der weidenden Schafe findet eine Verbesserung des Bodens statt, bis er nach
einer Reihe von Jahren zur Aufforstung reif ist. Als Kreuzungsmaterial
hat sich unter unseren Landschafen am besten das Rhonschaf bewahrt. Aber
erst von der 8. Generation sind die Lammfelle wirklich brauchbar, wobei aber
zu beachten ist, dass nur mit reinrassigen Karakulbocken gekreuzt wird. Die
Kreuzungsbocke sind zur Nachzucht nicht brauchbar, weshalb alle Bock-
la mmer geschlachtet werden und fur Reinzucht von Bocken Sorge zu tragen
ist. Es beschaftigen sich bereits eine ganze Reihe von Gutsbesitzern mit der
Karakulzucht.
Einen grossen Erfolg versprechen auch die Versuche in Deutsch-Siidwest-
afrika, wohin im Jahre 1909 ein grosser Transport von liber 200 Karakal-
schafen abging, die fur Rechnung der deutschen Reichsregierung durch Herrn
Kommerzienrat Thorer aus den besten Stammherden Bucharas besorgt und
nach Deutschland iibergefuhrt wurden, was grosse Schwierigkeiten bot, da
die russische Regierung der Ausfuhr der Karakulschafe grosse Hindernisse in
den Weg legt, um die Industrie im Lande zu halt en. Die Tiere kamen auch
gliicklich in der deutschen Kolonie an, wo sie gerade in den dortigen salz-
haltigen Steppenflanzen und dem passenden ihrer Heimat ahnlichen Klima
sehr giinstige Lebensbedingungen finden. Kurz nach ihrer Ankunft hiess es,
dass die ganze Herde der in Siidafrika herrschenden Seuche der sogenannten
,,Blauzunge" zum Opfer gefallen sei. Es stellte sich aber nachher als Irrtum
heraus. Die Krankheit, die gar nicht Blauzunge, sondern ein Katarrhalfieber
war, war zuerst unter den Karakuls ausgebrochen, von denen ihr aber nur
ein Teil erlag, wahrend sie rasch um sich griff und einen grossen Teil der Schaf-
bestande der Kolonie wegraffte. Erst als man den wahren Charakter der
Krankheit erkannte, wurde ihr rasch Einhalt getan und jetzt findet eine
rascae Vermehrung statt. Junge Bocke werden bereits zahlreich an Farmer
zu Kreuzungen verkauft.
Die Felle des Persianer-Lamms, wie sie in den Handel kommen,
sind 50 bis 60 cm lang, und haben einen augenblicklichen Wert von ca. 20 bis
30 Mk. roh. Gefarbt und sortiert werden sie je nach der Schonheit der Locken
ca. 20 bis 50 Mk. per Stuck bezahlt. Es kommen jahrlich etwa il/2 Millionen
Stuck an den Markt. Dasselbe Schaf kommt auch in Afghanistan und den
benachbarten Gebieten vor, doch sind die Felle aus dieser Gegend nicht so
gut wie aus der Buchara.
Breitschwanz, diese schonen Felle kommen von derselben Schafrassev
und sind teils Friihgeburten, teils Felle von Lammern, deren Mutter beim
Lammen eingegangen sind, und die dann sofort geschlachtet wurden. Dass
XVII. Die Huftiere. 683
es ungeborene Lammer sind, zu deren Erlangung die Mutter geschlachtet
werden muss, wie man in vielen, selbst naturwissenschaftlichen Biichern liest,
gehort in das Reich der Fabel. Die Muttertiere sind viel zu wertvoll, als dass
man sie dafiir opfern wiirde, ausserdem muss das kleine Tier bereits geatmet
haben, da sonst das Fell, wie das Fell von gefallenen Tieren, keinen Glanz
beim Farben annehmen wiirde, sondern stumpf bleibt. Eine gleich verbreitete
Fabel ist auch, dass die Nomaden die Lammer gleich nach der Geburt in Stoffe
einnahen, damit die Locke schon bleibt.
Die Breitschwanzlammfelle sind kaum halb so gross wie die Persianerfelle
und haben keine Locken, sondern ein kurzes, glattes Haar, das aber eine
wunderschone moireartige Zeichnung hat. Das Leder ist auch viel diinner
als bei den Persianern, weshalb dieses schone Pelzwerk leider nicht sehr dauer-
haft ist. Die Farbe ist ebenfalls schwarz, den schonen Glanz erhalten sie auch
erst durch das Farben, wobei auch die Zeichnung schoner hervortritt. Trotz
ihrer geringen Grosse werden die rohen Breitschwanze gewohnlich ebenso hoch
bezahlt wie die Persianer. Fertig sortiert kosten sie zur Zeit pro Stuck ca. 30
bis 60 Mk. Es kommen jahrlich etwa 100 ooo Stuck in den Handel.
Zu den Fettschwanzschafen gehort auch das eigentliche persische Schaf,
dessen Felle im Handel unter dem Namen Schi r a s vorkommen. Es ist noch
etwas kleiner als die bucharische Rasse, und die Locke ist meist etwas offener.
Das Haar nimmt auch in der Farbe nicht den schonen Seidenglanz an wie die
echten Persianer. Das rohe Fell hat einen augenblicklichen Wert von 6 bis
10 Mk. Die jahrliche Produktion mag etwa 2 bis 300 ooo Stuck betragen.
Eine zweite Schafrasse, die in Persien gehalten wird und die wohl mit dem
arabischen Fettschwanzschaf identisch ist, liefert die sogenannten Salzfelle,
die geringer an Qualitat wie die Schiras und stumpfer in der Farbe sind.
Die Felle haben ihren Namen daher, dass sie der besseren Haltbarkeit halber
vor dem Trockenen gesalzen werden. Dieselbe Rasse kommt in Nordarabien
und in Syrien vor, und liefern diese Gegenden daher auch viele Salzfelle. Die
Felle der ausgewachsenen Tiere werden zur Leder fabrikat ion viel exportiert,
namentlich iiber Bagdad und Basra, wo sich der Zentralmarkt fur den Handel
befindet, und kommen jahrlich wohl I bis 2 Millionen solcher Schaffelle nach
London in die Schaffell-Auktionen.
Fniher wurde in Persien noch eine Schafrasse gehalten, deren Lammer stets
grau waren, und eine kleine kaum viel grosser als ein Stecknadelkopf grosse
Locke besassen, weshalb sie auch in England Pinhead persian lamb genannt
wird, im deutschen Pelzhandel ,,graue kleinlockige Persianer". Es
ist dies das Fell, welches zurVerbramung der Husaren-Dolmans in der deutschen
Armee verwendet wird. Die Rasse ist aber ganz ausgestorben, oder vielmehr
mit den anderen Schafrassen, die wahrscheinlich grosser en Wollertrag liefert en,
so oft gekreuzt worden, dass jetzt fast gar keine solche Lammfelle in den
Handel kommen. Die wenigen Felle, die jahrlich am Markt sind, werden mit
80 Mk. bezahlt und dariiber, wahrend noch vor 20 Jahren der Preis 6 bis 8 Mk.
•684 Naturgeschichte der Pelztiere.
betrug. Die Felle, die jetzt noch aufzutreiben sind, werden fiir die Dolmans
der Offiziere verwendet, wahrend fiir die Mannschaft grauer Krimmer
verarbeitet wird. Dies ist ebenfalls eine Rasse, die zu den Fettschwanzschafen
gehort, und die ausschliesslich in der Krim gehalten wird. Die Lammer sind
stets grau, die Locke etwas grosser und offener als die Persianer-Locke, doch
findet man starke Abweichungen, da hierbei jedenfalls der Zeitpunkt 'der
Schlachtung nicht so piinktlich innegehalten wird, als bei den Persianern.
Es kommen jahrlich etwa 60 ooo Stuck in den Handel im Werte von
6 bis 8 Mk. per Stuck.
Ebenfalls zu den Fettschwanzschafen und zwar zu den sogenannten
tscherkessischen gehort das Uckrainer Schaf, bei dem auch der Schwanz
besonders lang entwickelt ist und fast zur Erde reicht, wahrend das Fettpolster
sehr geschwunden ist. Die Lammfelle sind stets schwarz, die Wolle kurz und
offenlockig, aber stumpf , und nimmt auch beim Farben keinen Glanz an. Das
jahrliche Quantum diirfte 20 bis 30 ooo Stuck kaum iibersteigen.
Eine weitere sehr kleine Schafrasse wird in Siidrussland und einem Teil
der westlichen zentralasiatischen Steppen namentlich bei den Kirgisen geholt,
das Astrachan-Schaf. Die Lammfelle werden roh ,,Treibel" genannt,
im gefarbten Zustande Astrachan. In England heissen sie ebenso, in Amerika
werden sie falschlich Caraculs genannt, ebenso in Frankreich, wo man dann
logisch die Persianer ebenso falsch als ,,Astracan" bezeichnet. Das Lammfell
ist bedeutend kleiner als die vorhergehenden Arten, etwa 20 bis 30 cm lang.
Die Farbe ist auch keine einheitliche, sondern man findet weisse, braune,
schwarze und gefleckte. Braun ist vorwiegend. Das Fell ist nicht gelockt,
sondern mehr gewassert oder geflamt, und je mehr die Zeichnung einen moiree-
.artigen Charakter annimmt, desto teurer ist das Fell. Auch diese Lammer
miissen sehr Jung geschlachtet werden, doch kommen auch etwas altere Felle
in den Handel, die dann schon eine grobe offene unregelmassige Locke zeigen,
und erheblich weniger Wert haben. Gefarbt werden sie ausschliesslich in
Leipzig, wo ihnen die Farbe einen schonen Seidenglanz verleiht. Die jahrliche
Produktion betragt ca. i Million Stuck, der Wert schwankt von i bis 10 Mk.
pro Stuck. Die Friihgeburten dieser Rasse (den Breitschwanzen der Persianer
entsprechend) werden Galj aks genannt. Diese sindganz glatt, sehr kurzhaarig,
und zeigen eine etwas verschwommene Zeichnung. Gute Exemplare mit etwas
deutlicher Zeichnung werden mit 2 bis 3 Mk. bezahlt. Sehr haufig findet man
hierbei Felle, bei denen der Narden vielfach gesprungen ist, was der Kiirschner
als ,,schnattig" bezeichnet. Solche Felle sind fast wertlos. Eine ahnliche Er-
scheinung findet sich auch mitunter bei den Breitschwanzen, doch nicht an-
nahernd so haufig. Es ist mir iibrigens nicht klar, ob das Astrachaner Schaf
zu den Fettschwanz- oderFettsteissschafen gehort, und habe ich inderLiteratur
nichts dariiber finden konnen.
Das Fettsteissschaf, 0. steatopyga, ist weit verbreitet sowohl in ganz
Afrika als auch in Asien, namentlich in Arabien, wo seine Ursprungsheimat sein
XVII. Die Huftiere. 685
soil, Indien usw. Diese Rasse wird aber nirgends zu Pelzzwecken verwendet,
da es statt der Wolle nur straffe Haare hat, wohl aber das nordasiatische Fett-
steissschaf. Das sogenannte Tatarenschaf wird in ganz Mittelasien von der
europaischen Grenze bis nach China gehalten. Es ist ein ziemlich grosses Tier,
das ausgewachsen ein Gewicht bis zu 200 Pfund erreicht. Der Pelz enthalt
viel grobe Haare mil der Wolle vermischt, die hauptsachlich zu Filzfabrikation
verwendet wird, wahrend die Lammfelle zu Pelzen verarbeitet werden. Grosse
Markte dafiir sind Orenburg und Petropaulowsk. Die sogenannten ,,Bu-
charen" gehoren wohl auch zu dieser Rasse, groblockige schwarze Lamm-
felle, die jedenfalls zu Fettsteissschafen gehoren.
In China werden verschiedene Schafrassen gehalten. In Nordchina, der
Mongolei und der Mandschurei findet man auch das Fettsteissschaf, 0.
aries steatopyga. Siidlich der Provinz Chili wird es nicht mehr geziichtet, sondern
vom Nor den her eingefiihrt. Nur vereinzelte Tiere werden auch in Kiangsu
usw. gehalten. Das Tier ist mit einer dichten groben Wolle bedeckt, die, wenig
gekrauselt, in Europa und Amerika hauptsachlich zur Filzfabrikation und
Teppichweberei Verwendung findet. Das Fleisch ist sehr wohlschmeckend
und namentlich der Fettschwanz, der aber beim Braten stark zusammen-
schrumpft, eine wirkliche Delikatesse. Hammelfleisch ist auf dem Markte in
Shanghei stets teurer als Rindfleisch und kostet 30 bis 40 Pf. pro Pfund.
Ubrigens nimmt fast jeder Dampfer, der nach Japan oder Hongkong geht,
eine Anzahl Schafe aus Shanghai mit. Dieser Ort bildet einen Zwischenhandels-
platz dafiir. Die Felle der etwa einen Monat alten Lammer bilden als ,,mongo-
lian lambskins" und die der funf bis sechs Monate alten Tiere als ,,slins-
kin", chinesisch Tseo Ko, ein beliebtes Pelzwerk. Etwa eine halbe Million
solcher Felle wird jahrlich ausgefuhrt, aber viel mehr werden im Lande selbst
verbraucht. Die Lammfelle haben einen Wert von 50 Pf. bis i Mk., die Slinks
von ca. 3 Mk. Letztere haben eine ziemlich feine, gekrauselte Locke. Man
unterscheidet auch hierbei nach der Herkunft zwei Sorten, ,,Hsinshis" und
,,Lienshengs", letztere sind feiner und kiirzer in der Locke, gekrauselt. Viele
Felle kommen auch in Gestalt von Kreuzen, 3 Felle enthaltend, in den Handel.
Ich konnte iibrigens nie genau feststellen, ob die Slinks junge Tiere des Fett-
steissschaf s sind oder einer anderen in Nordchina vorkommenden Schafrasse,
da auch viele Schaffelle in den Handel kommen, die eine viel feinere ge-
krauselte Wolle haben als das Fettsteissschaf. Die Tiere selbst habe ich nicht
gesehen, glaube aber, dass es eine andefe Rasse ist, die vielleicht mit dem
Tibet schaf verwandt ist.
In der Provinz Szechuen wird eine Schafrasse geziichtet, die viel bessere
Wolle hat als das gewohnliche chinesische oder mongolische Schaf und mit den
in Tibet in grossen Herden gehaltenen starken Schafen ubereinzustimmen
scheint; seine Wolle gelangt in Hankow zum Verkauf.
Diese Schafe aus Tibet, die iibrigens auch in grossen Mengen als Last-
tiere, namentlich zum Transport des Salzes nach Indien benutzt werden,
686 Naturgeschichte der Pelztiere.
sind nicht zu verwechseln mil den sogenannten Tibetfellen des Handels,
die gar nicht aus Tibet kommen, sondern nur in China gezuchtet werden und
zwar ausschliesslich in den Provinzen Shansi und Shensi. Es steht iibrigens
noch nicht ganz fest, ob das Tier za den Schafen oder zu den Ziegen gehort.
Ausserlich ahnelt es mehr der Kaschmirziege, hat aber eine dichtere Unter-
wolle als diese, die Chinesen bezeichnen es als ,,Schaf" Wujang oder Lo Jang,
wahrend sie die Lammfelle Tan pih (pih heisst Fell) nennen. Die Zucht findet
hauptsachlich der Lammfelle halber statt, die im Pelzhandel eine grosse Rolle
spielen. Den Lammern wird eine sehr sorgfaltige Pflege zuteil. Der Korper
des lebenden Tieres wird, vvie mir die Chinesen ubereinstimmend versicherten,
gleich nach der Geburt in Baumwollstoff eingenaht, damit die Locken moglichst
wenig beschadigt werden. (Das hat oft zu der weitverbreiteten falschen Meinung
Anlass gegeben , dass die Persianerlammer der Bucharen so eingehiillt werden) .
Im Alter von 6 Wochen bis 2 Monaten werden die Tiere geschlachtet, nachdem
die Felle vorher sorgfaltig gewaschen, ausgekammt und gebiirstet sind. Die
Felle werden dann weich gegerbt und sortiert. Man unterscheidet hauptsachlich
nach den Distrikten die folgenden Sorten:
D a t u n g s , grosse mit feingekrauselten kraftiger glanzenden Locken,
aber mit verhaltnismassig diinner Unterwolle. Shia Shings (auch Chowchings
geschrieben) kleiner, aber dichtere feine Locken, nicht ganz so fein gekrauselt,
aber starkere Unterwolle, dann die augenblicklich beliebtesten ,,Tung Chows"
mit starken guten Locken und dichter Unterwolle, aber wenig glanzend.
Die Felle sind grosser als die vorhergehenden Sorten, und werden die extra
grossen Felle besonders heraussortiert und als ,,elefants" verkauft, wahrend
die anderen dann als ,, ordinary size" bezeichnet werden. Die nachste Sorte
sind die Shentifus, deren Wolle den Tungchows ahnlich ist, die aber ein
dickeres Leder haben und deshalb billiger sind. Als S i k a o s wird jetzt eine
groblockige dickledrige Sorte bezeichnet, wahrend friiher aus diesem Distrikt,
ein mittelgrosses Fell mit glanzenden gelockten aber diinnen Haaren kam.
Schliesslich findet man noch die sogenannten K a 1 g a n s , die nur etwa halb so
gross als die Tungchows sind, und eine kiirzere grobe Locke haben. Es sind dies
jedenfalls keine reinen Tibetschafe, sondern wahrscheinlich eine Kreuzung.
Jede dieser Sorten wird dann nach der Feinheit und Art der Locken in
I, II und III sortiert, uridiwird bei Bestellungen stets das Sortiment mit an-
gegeben, 60 Proz. Prima, 30 Proz. Sekunda, 10 Proz. Tertia waren als gutes
Sortiment zu bezeichnen. Gepackt werden die Felle in Kisten von 200 resp.
300 Stuck. Der Hauptmarkt dafiir ist London und Hamburg, doch werden
sehr viele auch auf telegraphische Bestellungen hin, direkt nach Berlin, Leipzig
und New York verkauft.
Es gibt in China grosse Fabriken zum Gerben der Felle, und jeder
Fabrikant driickt einen grossen rot en Stempel mit Namen, Marke usw. auf
das Leder. Friiher wurden die Felle nur im Lande verbraucht, wo sie einen
wesentlichen Bestandteil der Winterkleider des besseren Mittelstandes bildeten,
XVII. Die Huftiere. 687
und zwar wurden sie zu grossen Rocken (Coats), die mit Armeln versehen sind,
oder zu Reitjacken, ,,maquas" oder ,,Kreuzen", zusammengesetzt. Ein kleiner
Teil kommt noch als sogenannte ,, robes", die eigentlich lange Kreuze sind.
Anfang der achtziger Jahre kamen die ersten Coats auf demWege iiber Irbit und
Nishnij Nowgorod nach Europa und wurden mit iiber 300 Mk. bezahlt. 1887
wurden die ersten direkten Sendungen durch mich nach Deutschland gebracht
und mit etwa 130 Mk. bezahlt, dann trafen grosser e Mengen ein und der Preis
fiel. 1891 kamen die ersten unzusammengenahten Felle, und jetzt werden
jahrlich etwa 600 ooo Felle, etwa 20 ooo (6 bis 8 fellige) Kreuze und 3000 bis
4000 Coats (ein Coat enthalt 14 Felle) exportiert. DerWert einesFelles schwankt
sehr, anfanglich kostete dasselbe im Durchschnitt 10 Mk., jetzt ist der Preis je
nach Sortiment und Qualitat 4 bis 7 Mk. pro Stuck. Der Verbrauch im Lande
ist naturlich viel grosser. Die Felle der ausgewachsenen Tiere, von denen auch
je zwei zu einer Decke verarbeitet werden, sind viel weniger wert; eine Decke
kostet selten mehr als 3 bis 4 Mk. Sie werden als ,,chinesische Schafdecken"
gehandelt. Sie sind mit einer langen, feinen, wenig gekrauselten Wolle und einer
dichten, straff en, seidenartigen Unterwolle bedeckt. Diese ausgekammte
Unterwolle kommt auch als ,, Cashmere goathair" in den Handel. In Tientsin
wird sie aber meistens noch mit der Unterwolle der gewohnlichen chinesischen
Ziege gemischt. Zum Export kommen etwa 50 ooo bis 100 ooo solcher
Decken jahrlich. Tibetfelle werden meist weiss verarbeitet, doch wird auch
ein grosser Teil schwarz gefarbt. Am besten geschieht das Farben in London,
<ioch liefert Frankreich gleichfalls gute Farbe auf Tibet. Eine Zeit lang
wurden sie auch bunt gefarbt, doch biirgerte sich diese Methode nicht ein.
3. Kurzschwanzschafe.
Die in Europa, Amerika und Australien sowie in Afrika am Kap gehaltenen
Schafe kann man in drei Gruppen teilen. A. Feine Wollschafe
(Merino, Rambouillet, Negretti, Sachsische Electorals usw.). B. Fleisch-
s c h a f e (Southdown, Cheviots, Walliser, Lincolns, Leicester usw.) mit ihrer
grossen, erst seit einiger Zeit geziichteten Unterabteilung der Fleischwoll-
schafe, die ausgiebige Fleischnutzung mit guter, * wenn auch nicht feiner
Kammwolle verbinden. C. Die sogenannten Landschafe, wie die
Haidschnucken, Rhonschafe, friesischen Milchschafe usw., die Islander-
Schafe, Sardinier, Zackelschafe usw. Von den feinen Wollschafen werden
die Schaffelle gar nicht, die Lammfelle nur wenig gebraucht. Die so-
genannten Schmaschen, das heisst die Felle totgeborener oder gleich nach
dem Lammen eingegangener Tiere, werden aber mehr gebraucht. Haupt-
sachlich sind die sogenannten Buenos Aires-Schmaschen im
Handel bekannt. Von Argentinien und Montevideo kommen jahrlich etwa
688 Naturgeschichte der Pelztiere.
l/2 Million soldier Felle, da bei der dortigen extensiven Wirtschaft, wo die Tiere
das ganze Jahr auf der Weide bleiben, bei einem nassen Friihjahr sehr viel
Tiere beim Lammen eingehen. Man unterscheidet hierbei Gerber- und
Kurschnerschmaschen. Letztere sind mit kleinen Stecknadelkopf grossen
festen Lockchen, die mehr die Form von Knopfen haben, bedeckt und sehr
flach. Sie werden in Leipzig schwarz gefarbt, und dann meist nach Ungarn,
Rumanien usw. exportiert, wo sie zu Pelzmiitzen verarbeitet werden. Aus-
gesuchte Felle werden auch in Deutschland ungefarbt, aber gebleicht zu
Kindergarniturenund dergleichen verarbeitet. Die Gerberschmaschen bilden ein
gesuchtes Material fur Handschuhleder, wozu auch die Schmaschen der anderen
Woll- und Fleischschafe verwendet werden. Von Argentinien kommt auch
noch ein grosseres Quantum von Lammfellen und zwar sowohl der feinen Woll-
schafe, wie der dort gezogenen Fleischschafe, meist Lincoln, und der
Kreuzungsrassen, sogenannte Criollos, die aber auch fast ausschliesslich zu
Lederzwecken Verwendung finden.
Der Preis der Buenos Airesschmaschen schwankt nach der Konjunktur
von 30 bis 90 Pf. pro Stuck. Augenblicklich ist der Preis ca. 80 Pf. roh. Von
den Fleischschafen spielen nur die englischen Schaffelle im
Pelzhandel eine Rolle. Hauptsachlich die Felle der Lincolns und
Leicestershire-Schafe, die eine feinseidige Wolle von 5 bis
10 Zoll Lange haben, werden dazu verwendet. Diese Felle werden in be-
sonderen Fabriken zugerichtet und entweder gebleicht oder mit Anilin-
farben in verschiedenen bunten Farben gefarbt und bilden unter dem
Namen Angoraschafe einen grossen Handelsartikel. Das fertige Fell
kostet, je nach Grosse und Qualitat, von 15 bis 30 Mk. und kommen jahrlich
wohl 100 ooo Stuck auf den Markt. Man hat versucht, solche Felle auch in
Deutschland zuzurichten und zu farben, aber mit nur geringem Erfolge.
Von den Landschafen werden viele Felle verarbeitet. H a i d -
schnucken sind kleine, mit sehr langer straffer Wolle versehene Schafe,
die in der Liineburger Heide gehalten werden. Ein ausgewachsener Hammel
wiegt oft nur 30 Pfund. Die Felle werden zu Decken verarbeitet, die Felle
der Lammer zu Kindergarnituren usw. Benihmt sind diese Tiere wegen des
aussergewohnlich feinen Fleisches. Im Handel mit ihnen verwechselt werden
haung die Eiderstedter Schafe, die sehr gross sind, aber ein
ganz ahnliches Fliess haben, und die gleichfalls unter dem Namen Haid-
schnuckenfelle zu Decken und Fussteppichen verarbeitet werden.
Von weit grosserer Bedeutung sind die Abarten des Zackelschafes und
ahnlicher Rassen in Siidost-Europa. Aus Siebenbiirgen kommen
grossere Lammfelle, die naturschwarz sind, mit dickem Leder und starker
nach der Spitze in Lockchen zusammengedrehter Wolle von grosser Dichtig-
keit und ziemlicher Feinheit. Sie bilden das Material fur Eisenbahnpelze usw.
und fiir die Schafpelze der Bauern usw. Zu gleichem Zwecke dienen die
Felle der Macedonier und T u r k e n , die aus den Balkanstaaten
XVII. Die Huftiere. 689
kommen, grosser, langhaariger und grobwolliger sind und die zu gleichem
Zwecke verwendet werden, aber billiger sind. Alle die Arten sind Rassen
des Zackelschafes. Hauptausfuhrort fiir die letzteren ist der Hafen Volo
in Macedonien, wahrend der Hauptmarkt fiir Schaffelle zu Pelzen Budapest
ist. Allein in Deutschland werden jahrlich mindestens eine Million schwarzer
Schaffelle verarbeitet, daneben nimmt Osterreich und Russland ein grosses
Quantum, insgesamt etwa drei Millionen. In Ungarn werden auch die
weissen Felle des Zackelschafes zu Bauernpelzen verarbeitet, die mit dem
sorgfaltig gegerbten und haufig gestickten Leder nach aussen getragen
werden, die sogenannten ,,Bundas". Der ungarische Hirt tragt solche
Bundas haufig auch im Sommer. Auch in Deutschland wurden friiher viele
Schalpelze mit dem Leder nach aussen, ohne Stoffbezug, getragen, sogenannte
Haidschnucke.
,,nackte Pelze". Jetzt findet man solche nur noch im Osten, in Oberschlesien,
Posen usw. in grosseren Mengen.
Die verschiedenen Schmaschensorten werden auch hauptsachlich zu Pelz-
futtern benutzt, die meist leicht, warm und verhaltnismassig billig sind. Auch
zu Armelfuttern von besseren Pelzen werden sie verwendet. Die bekanntesten
Sorten sind S a r d i n i e r , kleine glatthaarige Fcllchen. Auch die aus-
gewachsenen Tiere dieser Rasse sind klein, ein ausgewachsener Widder
wiegt nur ca. 50 Pfund, Die Wolle ist lang und grob, und geben die Tiere
reichlich und gute Milch.
S i z i 1 i a n e r sind kraftige wenig gelockte etwas braunliche Lamm-
felle. T r i e s t e r sind die am meisten verarbeiteten Schmaschen, fein im
Haar, mit etwas offener Locke.
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690 Naturgeschichte der Pelztiere.
Spanische Schmaschen sind schwarz, kurzlockig mit einer
Art Zeichnung und hiibsch leicht. T u r i n e r sind feine, glanzend schwarze
Felle, Calabreser grosse krauslockige Ware, Korsikaner klein
aber kraltig glatthaarig. Von diesen Sorten kommen jahrlich zusammen
etwa i Million Stiick in den Handel. Die Preise schwanken zwischen 50 Pf.
bis 3 Mk. je nach Qualitat und Konjunktur.
Sehr fein sind die Lammer des Islander-Schafs. Schaf- und
Pferdezucht bilden bekanntlich die Haupteinnahmequellen der Insel. Das
ausgewachsene Schaf ist auch klein, die Locke lang und fein gekrauselt,
mit einer dichten feinen Unterwolle. Die Felle werden manchmal zu
Garnituren verarbeitet und mitunter auch buntgefarbt. Verarbeitet werden
sie hauptsachlich in England.
Die Lammfelle spielen eine viel grossere Rolle im Pezhandel. Sie sind
verschiedenartig, weiss, braun, schwarz und bunt, doch ist wciss vorwiegend.
Die Felle sind fein seidig und schon gelockt und bilden ein sehr beliebtes
Material fur Kinder jacketts und Kindergarnituren. Es kommen aber selten
mehr als 20 ooo Stiick jahrlicb zum Export. Der Wert ist 2 bis 4 Mk. pro Stiick.
4. Die Ziegen.
Gewissermassen einen Ubergang von den Schafen zu den Ziegen bildet
die Rockymountain-Wollziege. Dies eigenartige Tier tragt
ein Flies von lajigem, weissem, wollartigem Haar, das namentlich an den
Seiten so lang herabhangt, class es fast die Fiisse bedeckt. Es gibt zwei
Arten. Orcamus montanus bewohiit die oberen Rocky Mountains von Oregon,
Britisch Kolumbia und Alaska, kommt aber in der Olympia-Kette nicht
vor. Die Farbe ist gelblich weiss. Am Kinn ein gelblicher langer Bart,
die Homer etwas geringelt, klein, schwach riickwarts gebogen. Die Unter-
wolle ist dicht und kurz. Vom Copperriver bis Alaska lebt 0. Kemadii, das
sich hauptsachlich durch die Form der Horner unterscheidet, die auswarts
gebogen, an der Spitze wieder einwarts streben und schwarz, zur Halite
gerippt sind. Auch weicht die Bildung des Schadels ab, sonst ist das Aussere
ganz ahnlich. Die Tiere sind sehr scheu und ausserst gewandte Kletterer.
Friiher galten sie als ungemein selten, so dass ich 1876 das erste Fell be-
sorgte, das in einem europaischen Museum vorhanden war. Jetzt werden
dieselben ziemlich zahlreich erlegt, namentlich bei Gelegenheit der Jagd auf
das Bighorn-Wildschaf, dessen Gehorn eine wertvolle, gesuchte Trophae
bildet, und birgt der Berliner Zoologische Garten sogar ein lebendes Exemplar.
Die Hudsonsbay Company importiert jahrlich einige hundert Felle, die mit
einigen Schillingen per Stiick bezahlt werden. Die Mehrzahl der erbeuteten
Felle bleiben mit dem Gehorn als Trophaen im Besitz des Jagers.
XVII. Die Huftiere. 691
Die Wildziegen, die sich mil Ausnahme von Australien in alien Weltteilen
Arorfinden, haben fur den Pelzhandel gar kerne Bedeutung, dagegen spielen
die verschiedenen Hausziegen-Arten eine grosse Rolle. Da die Ziege sehr
geniigsam ist und reichlich gute Milch abgibt, wird sie namentlich von kleinen
Leuten viel gehalten. Ziegenzucht im grossen dagegen bezahlt sich nicht so
gut, und ist auch fiir die Kultur des Landes, wo sie gehalten werden, ein grosser
Nachteil, da sie starke Waldverwiister sind und den Nachwuchs gar nicht auf-
kommen lassen. Zu den altesten Rassen, die in grossen Herden gehalten werden,
gehort die Angora-Ziege, Capra angorensis, mit langem, weissen, seidigen Haar
und grossen schraubenformigen Hornern. Das Tier ist grosser als die gewohn-
liche Hausziege. Das Haar ist fein gelockt und erreicht eine Lange von 10 bis
20 cm. Die Unterwolle ist nur diinn. Die Heimat des Tieres ist das Hochland
von Kleinasien, von wo aus einige tausend Felle jahrlich an den Markt kommen,
hauptsachlich iiber Konstantinopel. Friiher waren diese Felle sehr gesucht zur
Fabrikation von Franzen und in der Posamentenfabrikation. Jetzt hat der
Bedarf sehr nachgelassen und auch zu Fussteppichen sind sie nicht so beliebt
wie die unechten Angoras, die englischen Schafdecken. Das Haar liefert das
Mohairgarn, das hauptsachlich zur Anfertigung von Pliisch dient. Die Tiere
sind nach der Capkolonie eingefuhrt, wo sie sich sehr gut akklimatisiert haben,
wenn auch das Haar an Lange und Feinheit verloren hat. Die Zahl der Angora-
ziegen in der Capkolonie betragt jetzt ca. 5 Millionen Stuck. Die Ausfuhr
lebender Tiere ist von dort aus verboten, doch ist jetzt die Ausfuhr nach
Deutsch-Siidwestafrika gestattet, da man hier auch eine weitere Ausfuhr nicht
erlaubt.
Die wertvollste Ziege -ist die Kaschmir-Ziege, C. lanigera, die in Kashmir
und den angrenzenden Gebirgsdistrikten lebt. Das Fell wird nicht benutzt, die
feine Unterwolle, die sich im September bildet und im April ausfallt, wird zur
Fabrikation der Kaschmirshawls benutzt. Eine Anzahl dieser Ziegen wird in
Siidfrankreich gehalten, doch ist die Zahl sehr zuriickgegangen, seit diese
Shamls nicht mehr modern sind. C. villanosa, die Zottelziege, die in Tibet ge-
halten wird, hat ein ausserordentlich dichtes und langes Haar, das am Riicken
eine Lange von 50 cm erreicht. Die Farbe ist dunkelbraun und schwarz.
Felle kommen wenig in den Handel. In Italien wird eine Ziege, C. hircus ge-
ziichtet, die sehr langes, feines, seidiges Haar. hat, mit geringer Unterwolle,
schwarz, die zur Zeit als die Affenfelle in Mode waren, als Affenziegen gesucht
waren. Die Felle der anderen europaischen Ziegen dienen nur zur Lederfabri-
kation und die Felle der Zickel, zur Anfertigung von Handschuhleder. Fiir uns
sind sie nur insofern von Interesse als sowohl Ziegen wie Zickelfelle von den
Aufkaufern der sogenannten Land ware mit gekauft werden miissen. Die Felle
der nicht ganz ausgewachsenen Ziegen werden als ,,Heberlinge" bezeichnet.
Eine Ausnahme bilden die russischen Ziegen. Es kommen hierbei haupt-
sachlich zwei Arten in Betracht. Die. eine Art, C. hircus, die sogenannte Baren-
.ziege, hat ein dichtes, langhaariges Fell, das teils naturell schwarz, teils gefarbt,
692 Naturgeschichte der Pelztiere.
zu Garnituren, Decken usw. verarbeitet wird. Das in denWelthandel kommende
Quantum ist nicht sehr gross und diirfte augenblicklich 10 bis 15 ooo Stuck
jahrlich kaum ubersteigen. Die Felle dieser und der gewohnlichen Ziege werden
aber in Russland in grossem Massstabe zur Herstellung nackter Pelze fiir die
Muschiks benutzt, und zwar sowohl langer Pelze, als auch sogenannter Halb-
pelze, die in der Taille anschliessend bis zum Knie reichen. Das Leder ist
gelblich braun gebeizt, und haufig fein ausgenaht oder gestickt. Solche Pelze
kosteten vor 3 bis 4 Jahren 3 bis 12 Rubel. Ein einziges Moskauer Haus liefert
jahrlich iiber 100 ooo solcher Pelze. Alle diese Ziegenpelze haben iibrigens
einen scharfen unangenehmen Geruch.
Von sehr grosser Bedeutung ist dagegen die andere, die sogenannte
mongolische Ziege, C. mongolica, deren Felle als Mufflon im Handel bekannt
sind, obgleich sie mit diesem in Siideuropa lebenden Wildschafe gar nichts zu
tun haben. Das Fell wird niemals im natiirlichen Zustande verwendet, sondern
die Felle der meistens ein Jahr alten Tiere werden zubereitet und das Oberhaar
ausgerupft, so dass nur die seidenweiche glanzende dichte Unterwolle, die eine
Lange von 3 bis 5 cm erreicht, auf dem Fell bleibt. Die Hauptfabrikation be-
findet sich in Kasan, von wo sie in Ballen von 200 Stuck in den Handel kommen.
Man unterscheidet weisse und sogenannte blaue, die aber meist braunlich bis
modefarben sind. Die weissen Felle werden teils gebleicht naturell verwendet
oder silbergrau, modefarben, Chinchilla usw. mit Anilin gefarbt. Das Fell ist
sehr leicht und hiibsch und wird deshalb sehr viel zu Muffen, Stolas und Be-
satzen fiir Damenmantel verwendet.
Es kommen jetzt jahrlich etwa 100 ooo weisse und 200 ooo blaue Muffen
in den Handel, die ersteren kosten augenblicklich etwa 7 Mk., die letzteren
5 bis 6 Mk. das Stuck.
Von ebenso grosser Wichtigkeit ist heute die chinesische Ziege, C. sinensis.
In China ist die Hausziege, chinesisch San Yang hauptsachlich durch
zwei verschiedene Arten vertreten.
Die Ziege aus Nordchina, die sogenannte Tientsin-Ziege, ist bedeutend
grosser, die Farbe ist bei etwa 50 Proz. der Tiere schwarz, bei ca. 20 Proz.
weiss und der Rest ist grau oder gemischtfarbig. Das Tier ist grosser als die
europaische Ziege, das Sommerhaar ist kurz und steif, das Winterhaar lang und
weich mit einer grauen, weichen, dichten Unterwolle. Namentlich die alten
Bocke entwickeln ein recht ansehnliches Vliess. Die Horner sind klein, die
Haut dunn. Die grossten Exemplare dieser Rasse werden in der Mandschurei
gehalten, doch findet man die meisten Ziegen weiter westlich, in Shansi
Shensi, der Mongolei und Kansu.
In Mittelchina wird eine viel kleinere und zierlichere Rasse gehalten, die
etwa zwei Drittel des Durchschnittsgewichts der Tientsin-Ziege erreicht.
Etwa 80 Proz. sind von weisser Farbe. Das Haar ist im Sommer nicht ganz so
dunn, mit etwas Unterwolle, das Winterhaar aber lange nicht so dicht wie bei
der nordlichen Ziege. Allgemein wird diese Rasse als Hankow-Ziege bezeichnet.
XVII. Die Huftiere. 693
In Schantung, Honan und Anhui findet man eine Ubergangsform, die an
Grosse etwa den siidlichen Ziegen gleichkommt, aber gedrungener und kraf tiger
im Bau ist und eine viel dickere Haut hat. Die Farbe und Behaarung ist wie
bei der nordlichen Ziege; bezeichnet wird dieselbe als Poochow-Ziege.
Im eigentlichen China werden Ziegenherden niemals gehalten, aber fast
jede Familie auf dem Lande besitzt drei oder vier Ziegen, wahrend in der
Mongolei grossere Ziegenherden existieren. Die Milch wird von den Chinesen
nicht benutzt, das Fleisch dagegen sehr gern gegesssen.
Die Haute bilden einen bedeutenden Exportartikel. In Nordchina
namentlich in Shansi, Shensi und der Mandschurei, werden aus den gleich
massig mittellang behaarten Fellen die geeignetsten ausgesucht, gegerbt und
je zwei Felle zu einer Decke, den sogenannten ,, Chinese goatrug" verarbeitet, die
dann in Europa und Amerika einen bedeutenden Handelsartikel bilden. Die
Hauptorte dieser Industrie sind Kalgan, Kwei Wahen und Mukden. Etwa
400 ooo bis 500 ooo solcher Decken, im Durchschnittswert von etwa 4 Mk.,
werden jahrlich ausgefiihrt. Gewohnlich werden immer 7oProz. graue, 30 Proz.
weisse zusammen gehandelt. In Tientsin werden solche in Ballen von 300 Stuck
hydraulisch gepresst. Sortiert sind sie meist in graue 50 Proz. I, 35 Proz. II,
15 Proz. Ill weisse, 40 Proz. I, 40 Proz. II, 20 Proz. Ill, schwarze, und bunte
sogenannte Mixed-Decken werden besonders offeriert. Die besten Decken sind
die sogenannten Sikaodecken, die auch grosser sind, dann kommen die Kalgans,
und zuletzt die Newchangdecken, die langhaarig und mit wenig Unterwolle
sind, zwar meist 10 bis 15 Proz. billiger, aber nicht beliebt. Diese Ziegendecken
bilden iibrigens einen der altesten Exportartikel aus China. Seit einigen Jahren
kommen auch gegerbt e ausgesuchte Felle, die in Europa gefarbt werden und
das Hauptmaterial zu den gedrehten Schweifchen bilden. Ausgesuchte schone
Exemplare werden auch zu Garni turen verarbeitet. Diese Felle kosten unge-
farbt etwa 3 bis 5 Mk. pro Stuck im Durchschnitt. Es kommen etwa 300 ooo
Felle jahrlich zum Export. Die anderen Haute werden zur Lederfabrikation
namentlich nach den Vereinigten Staaten und Frankreich export iert. Hier-
bei sind die kurzhaarigen Sommerfelle die wertvollsten, ganz im Gegensatz
zu den Rindshauten, von welchen die Winterhaute mehr gesucht sind.
Von den getrockneten Hauten der nordlichen Ziege, den ,,untanned Tientsin
goatskins", gehen jahrlich etwa 2% bis 3 Millionen Haute ins Ausland.
Dieselben sind sehr sorgfaltig behandelt und gereinigt, mit Ausnahme der.
Haute aus der Mandschurei, die mit Salz behandelt sind und deshalb nicht
so gut zur Glacefabrikation taugen.
Von der Hankow- Ziege sind etwa 2 Millionen und von der Poochow-Ziege
(als untanned Riverport goatkins bekannt) etwa i Million Felle exportiert.
Die letzteren sind meist schlechter behandelt und mit dicken Schmutzkrusten
bedeckt, die oft kiinstlich darauf gebracht sind, denn Ziegenfelle werden nach
Gewicht gehandelt. Der Durchschnittswert eines Felles ist 2 bis 2,50 Mk.
Das Gewicht eines Felles roh schwankt bei den Hankow-Ziegen zwischen i bis
694 Naturgeschichte der Pelztiere.
i% Pfund (englisch a 453 g), bei den nordlichen von i1/^ bis 3 Pfund, die
fertigen rugs wiegen 4 Pfund. Mindestens die gleiche Zahl, welche ausgefiihrt
wird, wird im Lande weissgar gefarbt und von den Chinesen verarbeitet.
Im Nor den bilden auch noch die Felle der jungen Ziegenlammer, als
,,Kidskins", einen Gegenstand des Pelzhandels. Sie ahneln im Aussehen den
Astrachaner Lammfellen, die ein von der Mode sehr bevorzugtes Pelzwerk.
liefern. Besonders beliebt sind die moireeartig gewasserten Felle, die von unge-
borenen Lammern herstammen sollen. Friiher kam.en solche als Felle in den
Handel, jetzt meist als Kreuze, die etwa 20 Felle enthalten.
Diese Kreuze werden in Europa schwarz gefarbt und bilden heute einen
Stapelartikel. Nachst dem Moiree kommen die sogenannten kurzhaarigen und
geflammten, dann die mittelhaarigen, schliesslich die langhaarigen. Letztere
kosten jetzt ungefahr 3 Mk. pro Kreuz, wahrend die Moiree 15 bis 20 Mk.
bringen. Ein kleines Quantum sogenannter Persianer-Locke findet sich auch.
dabei, die einen gleichen Wert wie die Moiree haben. Es kommen jahrlich etwa
300000 Kreuze und ca. 100 ooo einzelne. Felle zur Ausfuhr, wovon etwa
60 Proz. schwarze, 30 Proz. graue und 10 Proz. weisse sind. Die ganz feinen
moireeweissen Fellchen kosten 3 bis 4 Mk. per Stuck, die schwarzen einzelnen
Fellchen 40 Pf. bis I Mk. Der chinesische Name fur die Kidfelle ist Che Hwa
Tse. Ein grosses Quantum Kreuze wird auch im Lande selbst zu Futtern
verbraucht.
Aus der Provinz Chekiang kommen iibrigens auch gerupfte Ziegenfelle
,,Ban Kaos" unter dem Namen chinesische Mufflons in den Handel. Diese
sind stets weiss und ahneln den russischen Mufflonss, doch sind sie kleiner
und das Haar offener und lockerer. Der Wert ist 2 bis 3 Mk. pro Stuck,
Es diirften jahrlich etwa 50 ooo Stuck an den Markt kommen.
5. Das Pferd.
Zu den ,,Pelztieren" kann das Pferd erst in den letzten Jahren gerechnet
werden, obgleich das Pferd zum altesten Kulturbesitz des Menschen gehort.
ImTertiar gehort en Vorfahren unserer Pferde zu den verbreitetsten Saugetierert
iiberhaupt, sowohl in Asien und Europa als auch in Nord- und Siidamerika,
wenn sie auch im Eocan nur die Grosse eines Fuchses erreichten. Im Diluvium
schweiften schon ungeheure Herden von Wildpferden, die den heutigen
asiatischen Wildpferden ahnlich sahen, auf den Steppen Europas umher,
in der Zwischeneiszeit dem ,,Solutreen" dienen ihre Knochenfunde geradezu
als ,,Leit fossil". Sie bildeten die Hauptjagdbeute der damals lebenden
Menschen. Heute gibt es nur eine einzig lebende Wildpferdart, Equus
Prezwalsky, die der russische Forschungsreisende im Tarimbecken entdeckte,
und von dem sich jetzt auch ein Parchen im Berliner Zoologischen Garten be-
XVII. Die Huftiere. 695
findet. Diese sind aber in ihrer .eigenen Heimat immerhin nicht sehr haufig,
doch waren sie friiher sehr weit verbreitet und die Vorfahren der meisten
unserer heutigen Pferderassen. . Bis vor kurzem wurden die sogenannten
,,Tarpans", die aui den Steppen Sudrusslands amherstreifen als echte Wild-
pferde angesprochen. Die neuere Forschung hat aber ergeben, dass sie die Ab-
kommlinge verwilderter Hauspferde sind, gerade wie die Mustangs von Nord-
amerika und den ,,Cimmarons" in Sudamerika. Noch heute verwildern ent-
laufene Pferde in geeigneten Localitaten leicht, und verlocken dann auch
andere Pferdeherden, namentlich die Stuten, zur Flucht, wie die ,,Brommies"
des australischen Busches zeigen.
Von den ganzen so verschiedenen Rassen des Hauspferdes kommt aber
fur den Pelzhandel nur eine einzige in Betracht, es ist dies das Kirgisenpferd.
Die Fohlen werden einige Tage nach der Geburt geschlachtet, nur die notige
Zahl zur Nachzucht wird iibrig gelassen. Das geschieht einerseits wohl, um
ungestort in den Besitz der Stutenmilch zu gelangen, welche bekanntlich bei
den Kirgisen durch Gahrung zu einem berauschenden Getrank, dem ,,Kumys"
verarbeitet wird. Da eine Stute nur ein geringes Quantum Milch gibt, wirkt
die Milchnutzung des Fohlens storend, doch miissen allerhand Kunstgriffe
angewendet werden, um die Mutterstute iiber die Abwesenheit des Fohlens
zu tauschen. Das Melken der Stuten, die nur 2 Zitzen zwischen den Hinter-
beinen haben, ist iiberhaupt sehr schwierig. Die Felle dieser Fohlen erlangten
mit einem Male eine wirtschaftliche Bedeutung, als man entdeckte, dass sie
eine moireeartige Zeichnung besassen, die dem ,,Breitschwanz"-Lammfell sehr
ahnlich sieht. Anfanglich wurden diese Fohlenfelle, die fast ausschliesslich
braun oder modefarbene Farbung. haben, im naturellen Zustande zu Auto-
mobilpelzen verarbeitet aber vor ca. 5 Jahren begann man sie glanzend-
schwarz zu farben und bilden diese gefarbten Fohlenfelle unter dem Namen
,,Ponyskins" jetzt einen Stapelartikel in Amerika zur Anfertigung von Damen-
jacketen. Eskommen jahrlich etwa 200 ooo Felle an den Markt, die roh etwa
6 bis 8 Mk. kosten. Da der Pferdebestand der Kirgisen auf ca. 10 Millionen
Stuck geschatzt wird, ist diese Zahl nicht geeignet, Besorgnisse iiber den
Fortbestand der Zucht zu erregen. Die Felle sind durchschnittlich etwa
i, 20 m lang.
6. Die Hirsche.
Die Felle der Hirsche, die ja in grosser Artenzahl in alien Weltteilen, mit
Ausnahme Australiens,. vorkommen, werden nur zu Lederzwecken, besonders
zu Fabrikaten des Samischleders verwendet. Eine Ausnahme bilden drei
Arten, das Reh, das Renntier und. der chinesische Wasserhirsch. Auf die
Naturgeschichte unseres Rehes, Cervus capreolus einzugehen, eriibrigt sich
wohl, da dasselbe doch geniigend bekannt ist. Es findet sich iiberall in Europa,
606 Naturgeschichte der Pelztiere.
namentlich in Gegenden, die zahlreiche lichte Geholze aufweisen, die es als
Aufenthaltsort dem dichten Walde vorzieht. Die Winterfelle werden als
Bettvorlage und Teppiche verwendet und haben augenblicklich einen Wert
von etwa 1,50 Mk. Die Sommerfelle dienen zur Lederbereitung und sind stets
teuer. In Asien lebt eine andere Rehart, C. pyargus chines. Pao Tse. Eine
Zeit lang spielte das Gehorn dieser Rehe eine grosse Rolle. Bekanntlich
bildet Rehgehorn ein bedeutendes, wertvolles Sammelobjekt. Namentlich
besonders starke oder abnorme Stiicke werden sehr hoch bezahlt. Das Gehorn
des sibirischen Rehes ist nun bedeutend grosser als das des unsrigen, so dass
Stangen von 40 cm Lange und entsprechender Starke sehr haufig vorkommen.
Auch Abnormitaten finden sich zahlreicher als bei irgend einer anderen Hirsch-
art. Das Sammeln dieses Gehorns envies sich daher als sehr lukrativ, bis fest-
gestellt wurde, dass sie einer anderen Art angehoren und deshalb von
ernsthaften Sammlern nicht mehr gekauft wurden.
Das Tier ist wesentlich grosser als C.. capreolus, und auch mutiger, da sich
die Bocke gegen den Hund energisch zur Wehr setzen. Es lebt in Ostsibirien
bis an den Amur. Im November sammeln sie sich zu grossen Herden von 2 bis
300 Stuck und wandern nach Siiden in die Mandschurei, von wo sie im April
ihre Wanderung nach Norden antreten. Sie sollen nach Mollendorf auch in der
Provinz Chile vorkommen.
In der Mandschurei lebt ein anderes Reh, C. manscburicus, von der Grosse
unseres Rehes. Auch das Gehorn ist kleiner als das des sibirischen, aber ahnlich
in der Form. Besonders oft sieht man Gehorn, bei welchem die Stangen nicht
gerade, sondern schwach gebogen sind wie bei Pampashirschen. Die Farbe des
Felles ist auch im Winter rotlich. Als Reh werden die folgenden Hirscharten
von den dortigen europaischen Jagern falschlich bezeichnet.
Der kleine Michies-Hirsch, Elaphodus michianus, mit 55 cm Schulterhohe,
der in ganz Ostasien vorkommt, namentlich aber in der Nahe von Ningpo
vielfach gefunden wird. Die Farbung ist eisengrau oder pfeffer- und salzfarbig,
indem die einzelnen Haare weiss mit braunen Spitzen sind. Das Geweih fehlt
ganz, dagegen sind die Eckzahne des Oberkiefers hakenartig verlangert und
stehen iiber die Mundwinkel hinaus. Er halt sich mit Vorliebe in der Nahe des
Wassers auf.
Hierin ahnelt er dem Wasserhirsch, Hydropotes inermis, chinesisch ,,ke".
Ausserlich ahnelt er dem Reh nur in der Grosse, mit ca. 50 cm Hohe, sonst
viel mehr dem Moschustier durch die gebogenen Hauer im Oberkiefer, die beim
Mannchen ca. 8 cm lang, beim Weibchen bedeutend kleiner sind. Ubrigens hat
Lydekker festgestellt, dass die inneren Organe, namentlich die Geschlechts-
organe, denen des Rehes sehr nahe stehen. Das Gehorn fehlt ganzlich, die
Farbung ist hell rotbraun im Sommer, dunkelbraun im Winter. Die Jungen
zeigen undeutliche Flecken. Er vermehrt sich sehr stark, indem die Ricke
meistens drei bis vier Kitzen auf einen Wurf setzt. Das Tier kommt im ganzen
nordostlichen China vor und ist besonders auf den Yangtseinseln haufig. In
XVII. Die Huftiere. 697
Korea wird es durch cine verwandte Art vertreten. Seinen Lieblingsaufent-
halt bilden Rohrdickichte am Wasser, auch oftmals die kleinen im Lande ver-
streuten Dickichte. Hier leben meist drei bis vier Stuck zusammen. Eigen-
tiimlich sicht es aus, wenn sie aufgescheucht davoneilen, da sie weder traben
noch galoppieren, sondern, wie der Hase, in kleinen Spriingen davon hoppeln.
Wahrend des Winters kommen Tausende der Tiere auf den Markt in Shanghai
und kosten dort etwa 3 bis 4 Mk. das ganze Tier.
In der Mandschurei und Mongolei lebt der Cervus Sika manschuricus,
chinesisch Yang Yin, der grosser ist als der gewohnliche Sikahirsch und i m
Schulterhohe erreicht. Er zeigt die typischen Flecken im Sommerkleid,
wahrend das Winter fell einfarbig braun ist. Das Geweih hat meist 8 Enden.
Noch grosser ist der Peking- Sika, Cervus bortulorum, mit 1,15 cm Schulter-
hohe, der gleichfalls die Flecken im Sommerkleide zeigt, wahrend das zottige
Winterfell einfarbig dunkelgrau ist. Er lebt hauptsachlich in Chili und den
angrenzenden Distrikten. Die Felle aller dieser Hirscharten werden in Nord-
china gegerbt und je zwei Felle zu den ,,Deerugs", bei uns Rehdecken genannt,
verarbeitet. Von diesen Decken kommen jahrlich etwa 30 bis 40 ooo Stuck in
den Handel, die einen Einfuhrwert von 2 bis 2,30 Mk. haben.
Vielfach werden sie auch als Antilopendecken im Handel bezeichnet. Das
ist aber wohl ein Irrtum, das Fell der chinesischen Antilope, Gazela guthurosa,
chinesisch Huang Yang, ist gelb. Felle kommen nur selten in den Handel,
denn wenn das Tier auch in grossen Herden in den Steppen des nordlichen
Chinas lebt, ist es doch sehr scheu und nur durch einen sehr scharfen Kugel-
schuss zu erreichen. Die anderen Antilopenarten, Nemorhoedur caudatus und
Antilopa grisea sind nicht nur selten, sondern halten sich, wie die Gemsen,
nur in schwer zuganglichen Gebirgsgegenden auf.
7. Das Renntier.
Zu den Hirschen gehort auch das Renntier, von denen mehrere Arten zu
unterscheiden sind. Die bekannteste Art ist Rangifer tarandus, welche in
Spitzbergen, Nova j a Semlja Island und sonstigen arktischen Gegenden
so wie im Hochlande von Norwegen wild vorkommt. Es ist ungemein scheu
und sehr schwer zu jagen, hat aber trotzdem in letzter Zeit sehr abgenommen.
Im ganzen Norden von Asien sowie in Lappland wird es in halbdomestizierten
Zustande gehalten. Einzelne Besitzer haben Herden von mehreren tausend
Stuck. Kein einziges Haustier beeinflusst aber die Kulturstufe seiner Besitzer
so wie das Renntier, da es niemals lange auf einem Revier aushalt, sondern
fortwahrend umherzieht und deshalb seine Besitzer zu einem sehr unsteten
Nomadenleben zwingt. Es sind deshalb auch sehr grosse Weidedistrikte not-
wendig und haben ja in jiingster Zeit die Weiderechte der Lappen zu diplo-
698 Naturgeschichte der Pelztiere.
matischen Verwicklungen zwischen Schweden und Norwegen gefuhrt. Das
Tier 1st sehr geniigsam und nahrt sich hauptsachlich von Moosen und Flechten,
weshalb es auch das einzige Haustier ist, das in der Tundra, jener oden Moos-
steppe Sibiriens, existieren kann. Dabei ist es ein ungemein niitzliches Tier.
Ausser der Nutzung des Fleisches, der reichlichen und fetten Milch und dem
Fell wird es zum Ziehen von Schlitten und zum Tragen von Lasten benutzt.
Besonders starke Bocke dienen auch als Reittiere, wobei der Sitz des Reiters
sehr weit vorn fast im Nacken ist. Seine Unruhe wird zum Teil auch hervor-
gerufen durch die Verfolgungen der ungeheuren Muckenschwarme, die gerade
sein Wohngebiet bevolkern, ausserdem wird es stark von Bremsen geplagt, die
ihre Eier unter die Haut legen und dort bosartige Geschwiire hervorrufen.
Die Horner bilden gleichfalls einen Handelsartikel, dieselben sind sehr gross,
mit einer Unmenge von Zacken und Enden versehen, aber nicht geperlt,
sondern ganz glatt. Das Geweih des wilden Renntiers unterscheidet sich vom
zahmen besonders durch die bedeutend dunklere Farbe. Das Fleisch kommt
im Winter in grossen Waggonladungen aus Russland, Finnland und Norwegen
auch zu uns. Fine besondere Delikatesse bilden die Zungen, die getrocknet,
namentlich in Moskau und Nishnij Nowgorod auf den Markt kommen. Friiher
lieferte auch die Hudsonsbay Company mehrere tausend Renntierzungen
jahrlich. Die Felle werden meist von den Eingeborenen, den Eskimos, Lappen,
Samojeden, Tschuktschen usw. zu sehr warmen leichten Kleidungsstucken
verarbeitet. Bei uns dienen die Felle, die einen Wert von etwa 5 bis 6 Mk.
haben, entweder als Teppiche oder werden samischgar zu Fensterledern usw.
gegerbt. Auch feine Bettunterlagen werden aus dem sehr weichen, feinen Leder
gefertigt. Das Haar wird zur Fiillung von Rettungsjacken benutzt, da es noch
leichter und tragfahiger ist als Kork. Fine Jacke mit gestepptem, mit Renn-
tierhaar gefulltem Futter halt einen erwachsenen Mann iiber Wasser.
Von besonderem Werte fur unsere Branche sind aber die Felle der jungen
Renntiere, die unter dem Namen ,,Pijecki" von Russland aus in den Handel
kommen. Das Haar derselben ist naturgemass viel kiirzer und weicher als das
der alten Tiere und besitzt auch nicht die Briichigkeit, die das Renntierfell
noch mehr als andere Hirschfelle auszeichnet. Auch ist eine Art Moiree-
Zeichnung haufig. Die Farbe ist nicht graubraun wie beim ausgewachsenen Tier
sondern mehr modefarben. Die Pijeckifelle werden zu Automobil-Pelzen,
Jagdrocken usw. verwendet. Der Wert ist etwa 3 bis 10 Mk. per Stuck. Es
kommen jahrlich einige Tausend solcher Felle in den Handel. Die Zahl der aus-
gewachsenen Renntierfelle, die auf den Weltmarkt kommen, schatze ich auf
etwa 50 ooo, die Hauptmenge aber wird, wie schon oben erwahnt, lokal ver-
braucht. Zu erwahnen ist noch, dass nicht selten der Milzbrand grosse Ver-
heerungen anrichtet und ganze grosse Herden wegrafft. Eine solche Kalamitat
hat nicht nur starke wirtschaftliche Schadigungen zur Folge, sondern hemmt
auch alien Verkehr in den betroffenen Distrikten.
Im aussersten Norden von Amerika, dem Hudsonsbav-Gebiet, leben zwei
XVII. Die Huftiere. 6qo
Arten wilde Renntiere, das Waldcaribu, Rangifer cariboo, und das Barren-
ground-Rcntier, Ranjijer arcticus.
Das erstere, welches in den Waldgebieten des Athabascaw, Peaceriver,
Saskatchewan und Britisch Kolumbias lebt, iiberschreitet den 67. Grad
nordlicher Breite nicht. Es lebt in kleinen Her den, 30 bis 40 Stuck, die nur
manchmal im Herbst eine grossere Mitgliederzahl zeigen. Die Brunst ist im
September-Oktober, und nach achtmonatlicher Tragzeit setzt das Alttier
i bis 2 Junge. In den letzten Jahren ist das Waldcaribu weiter nach Slide n
vorgedrungenund soil jetzt auch in Minnesota und am Lake Superior vorkommen.
Von grosserer Bedeutung ist das Barrengroundcaribu, das auf den weiten
tundraahnlichen Ebenen, besonders ini Mackenziegebiet lebt. Es sammelt sich
imFruhjahr zu ungeheurenHerden, die an die Seeziehen, wo sie vor derMiicken-
plage mehr geschiitzt sind. Im Herbst wandern sie dann wieder auf die
Barrengrounds zuriick. Die Indianerstamme des Nordens sind geradezu auf
die Caribus als eine ihrer Hauptnahrungsquellen angewiesen, und als vor
zwei Jahren die Renntiere ihre bekannte Route anderten und nach Alaska
zogen, brach eine furchtbare Hungersnot unter den nordlichen Indianern aus.
Auch in Labrador ist das Caribu haufig, wahrend es in Neufundland, wo es
friiher in grossen Her den lebte, jetzt infolge rucksichtsloser Verfolgung selten
geworden ist. In Alaska bestehen sehr scharfe Schongesetze zu ihrem Schutze,
wie ja Alaska iiberhaupt mit die scharfsten Jagdgesetze in Amerika hat.
Auch in Kanada sind geregelte Schonzeiten. Die Felle werden auch meist
lokal verbraucht, nur einige tausend Stuck kommen iiber Yorkfort, sowie
etwa ebensoviel iiber Kanada usw. auf den Weltmarkt. Labrador liefert etwa
1000 besonders gute Felle nach London. Gezahmt sind sie nirgends worden,
doch wurden 1898 eine Anzahl zahmer Renntiere aus Lappland nach Alaska
gebracht und spater auch mehrere Herden aus Sibirien, namentlich um zu
Verkehrszwecken zum Schlittenziehen usw. gebraucht zu werden. Es ist mir
aber nicht bekannt, ob die Akklimatisation gegliickt ist. Doch scheint dies,
neueren Nachrichten zufolge, der Fall zu sein. Das Geweih des amerikani-
schen Caribus ist bedeutend grosser und starker als das des europaischen
Rangifer tarandus.
8. Guanakos, Lamas usw.
Das Guanaco, Auchenia huanaco, ist in der ganzen Kordilleren Siid-
amerikas von Feuerland bis Peru weit verbreitet, ist aber augenblicklich am
haufigsten in den Berggegenden Patagoniens. Es steigt oft ziemlich hoch
in dei Gebirge, bleibt aber stets unterhalb der Schneegrenze. Sein Lieblings-
aufenthalt sind die mit iippigem Graswuchs bedeckten Hochtaler, doch steigt
es auch otter in die Pampas herab. Die Tiere leben meist in Rudeln von
10 bis 30 Stuck, doch trifft man mitunter auch Herden von Hunderten von
Kopfen. Die Bewegungen des Guanacos sind lebhaft und gewandt, und weiss
Naturgeschichte der Pelztiere.
es ebenso schnell zu laufen, wie zu klettern. Die Brunstzcit 1st August- Sep-
tember. Die Tragzeit zirka 10 Monate. Das einzige Junge saugt zirka 4
Monate. Die Korperlange des ausgewachsenen Tieres betragt zirka 214
Meter, die Riickenhohe 1,60. Der Kopf sitzt auf hohem schlanken Halse.
Die Beine sind schlank und hoch. Die Farbung ist rotlichbraun, Unterseite
weiss. Das Fell hat eine dichte, haufig verfilzte Unterwolle, mit langerem
diinnen Grannenhaar. Die Fellc der ausgewachsenen Tiere werden haupt-
sachlich lokal verbraucht. So bestanden z. B. die grossen geraumigen Zelte,
die ,,Tolodos", der Pampas-Indianer, der Pechnenchen und Moluchen aus
Guanakofellen, ebenso ihre Lagerstatten. Aus den Fellen der jungen Tiere
fertigen die Indianerfrauen sehr hiibsche Decken, die weich gegerbt, sehr
geschmackvoll zusammengesetzt und auf der Lederseite hiibsch mit geo-
metrischen Mustern bemalt waren. Solche Decken kamen auch in grosseren
Partien nach Europa. Seitdem die Indianer in Argentinien sehr zusammen-
geschmolzen sind, kommen nur noch einige dieser Decken an den Markt,
dagegen werden die Felle der jungen Guanakos, der ,,Guanacitos", einfach
getrocknet, stark exportiert und hier in Europa, namentlich Berlin und
Leipzig, zugerichtet und zu Decken verarbeitet. Diese Fellchen sind sehr
leicht, warm und fein, und sollten eigentlich viel mehr verwendet werden.
Das Haar ist weich und seidig, dunkelmodefarbig, der Bauch und die Innen-
seite der Oberschenkel, die mit verarbeitet wrerden, sind weiss, wodurch
sich hiibsche Zeichnungen ergeben. Die Lange eines Felles betragt zirka
i m. Augenblicklich betragt der Einfuhrwert 3 bis 4 Mk. pro Stuck. Es
diirften jahrlich wohl etwa 30 bis 40 ooo Stuck zur Ausfuhr gelangen. Die
Felle der ausgewachsenen Tiere werden im Pelzhandel gar nicht verwendet.
Ebensowenig finden die Felle der Lamas Verwendung. Das Lama,
Auchenia lama, war bei Entdeckung des Landes, neben dem Pako, Auchenia
paco, das einzige grossere Haustier Sudamerikas. Wild kommen beide Formen
nirgends vor, werden aber heute noch, namentlich in Peru, Bolivien und im
Hochlande von Ecuador in grossen Herden gehalten. Die Lamas bilden
an vielen Stellen noch heute das einzige Lasttier der Indianer, die auf seinem
Riicken ihre Produkte zu Markte bringen, und kann ein Lama bis zu 2 Zentner
tragen. Fleisch, Milch und Wollc werden benutzt. Sehr bequeme Haustiere
sind sie iibrigens nicht, da sie wie die Kamele, iibellaunisch und murrisch
sind, auch gern beissen und vor allem spucken, d. h. dem Gegenstand ihres
Missvergniigens den halbverdauten Mageninhalt, den sie ja als Wiederkauer
bequem zur Hand haben, ins Gesicht schleudern.
Die Farbe ist wie bei den meisten Haustieren wechselnd, doch wiegt
die weisse und gefleckte Farbung vor. Die Riickenhohe ist ca. 1,20 m. Von
der Sohle bis zum Scheitel 2,50 — 2,80. Die Wolle ist grob und das Fell
haufig verfilzt. In den feuchten warmen Kiistenstrichen geht das Lama
zugrunde, Lasttiere, die Ladung herabgebracht haben, miissen schnell wieder
ins Hochland zuriick.
XVII. Die Huftiere. 701
Das A 1 p a k a , Auchenia paca, wird hauptsachlich seiner Wolle wegen
gehalten, die sehr lang (zirka 30 cm), dicht und fein ist. Namentlich in Bo-
livien wird dieselbe zu sehr feinen Geweben verarbeitet, und bildet auch
einen starken Ausfuhrartikel, namentlich nach England. Es sind vielfach
Versuche gemacht, Alpakas in andere Lander einzufuhren, trotzdem die
Ausfuhr lebender Tiere verboten ist. Namentlich hat die englische und franzo-
sische Regierung mehrere grosse Herden eingefiihrt, doch ist die Akklimati-
sation dieser wertvollen Wolltrager nicht gegliickt. Ausser der Wolle wird
nur das Fleisch benutzt, sonst leben die Tiere halbwild. Sie sind noch stor-
rischer als die Lamas; die Felle werden im Pelzhandel nicht verwertet.
Das schonste aller Lamaarten ist das Vicuna, welches aber nur wild
vorkommt und zwar hauptsachlich in Peru und Bolivien, wo es die Puna,
die grosse Hochebene zwischen den beiden Kordillerenketten bewohnt.
Die Tiere werden meist mit den Wurfkungeln gefangen und dann entweder
getotet oder aber nur gefesselt und geschoren. Zur Zeit der Inkas wurden
grossartige Treibjagden veranstaltet, wobei grosse Herden Vicunas zusammen-
getrieben und nachdem sie geschoren, was iibrigens grosse Schwierigkeit
bot, wieder freigelassen wurden. Die Wolle wurde zu sehr feinen Panchos
usw. verwebt und ist nicht nur ungemein fein, sondern hat auch einen seiden-
artigen Glanz. Die Farbe ist oben rotgelb bis ockerfarbig, die Unterseite
weiss. Die Wolle ist viel kurzer und gekrauselter als bei Lama und Alpaka.
Die Felle der jungen Tiere, die eine gleichmassige kurze seidenartige glanzende
Wolle von rotlicher Farbe haben, werden zu Decken zusammengestellt,
die sehr schon sind, aber noch verhaltnismassig wenig an den Weltmarkt
kommen. Solche Decken kosten an Ort und Stelle schon 100 bis 200 Mk.
9. Der Klippdachs.
DerKlippdachs, oder wie er wissenschaftlich heisst, der Klippschliefer,
Procaria capensis, Pr. abessinicus usw. nimmt naturgeschichtlich eine eigen-
artige Stellung ein. Er wird zu den Huftieren gerechnet, was der Laie kaum
begreift, vom Huf ist sehr wenig zu bemerken, das Tier hat vier richtige
Zehen oder Finger, auf denen aber statt der Krallen eine flache Kuppe
sitzt, ahnlich den Fingernageln der Menschen und der Affen, und die
Uberreste der Hufe, welche die Vorfahren des Tieres besassen. Dabei ist
der Klippschliefer ein echter Sohlenganger, welcher auf den steilsten
Felsen herumklettert, indem er durch Hochziehen der Sohle einen luft-
leeren Raum schafft, mitt els dessen er sich an dem Felsen festklammert.
Dabzu macht das Tier ausserlich ganz den Eindruck eines Nagetieres,
mit seinem dicken Kopf und seinen anscheinenden Nagezahnen, dem dicken
Korper und kurzen Beinchen, einem riesigen Meerschweinchen oder Murmel-
^02 Naturgeschichte der Pelztiere.
tier ahnlich sehend. Die vermeintlichen Nagezahne sind aber richtige
Eckzahne, und obgleich krumm gewachsen wie Nagezahne, doch an der Spitze
nicht rund, sondern spitz und scharf, also eigentlich Hauer. Die runden
Backzahne stehen denen des Rhinozeros, also eines echten Huftieres, dem
nachsten Verwanden des Pferdes sehr nahe. Ganz eigenartig ist auch die
Lebensweise der Klippdachse, die man im Berliner Zoologischen Garten
sehr gut beobachten kann. Die anscheinend plumpen Tiere sitzen ganz ruhig
da, urn plotzlich mit einem riesigen Satze, den ein Nagetier nie ausfiihren
konnte, auf ein in der entgegengesetzten Ecke des Kafigs, mannshoch liber
dem Boden angebrachtes Brett zu springen.
In den Gebirgen ihrer Heimat sind sie fast immer in Bewegung, kletternd
und springend. Sie leben dort in den felsigen Gebirgen in grossen Scharen,
gesellig ihre Behausungen in engen Klippenlochern suchend, die sie fried-
fertig, wie die Prariehunde, mit Schlangen. Eidechsen und kleinen Raub-
tieren teilen.
Namentlich in Syrien und Palastina sind sie seit uralten Zeiten sehr
haufig und werden in der Bibel ofter unter dem Namen ,,Saptran" erwahnt,
was Luther mit Kaninchen iibersetzt, aber es gibt in den syrischen Gebirgen
keine wilden Kaninchen. Ihre eigentliche Heimat ist aber das ostliche Afrika
vom Kap bis zu den agyptischen Randgebirgen.
Wie die Murmeltiere stellen auch sie Wachen beim Weiden aus, und
beim geringsten Warnungssignal ist die ganze Gesellschaft in dem Felsspalt
verschwunden. Das Weibchen wirft stets zwei Junge. Das Haarkleid ist
sehr weich und dicht, wenn auch die Unter wolle schwa ch entwickelt ist,
von braun und grau gesprenkelter Farbe, an der Spitze heller. Wie schon
oben erwahnt, gibt es zahlreiche Arten, die in der Farbung voneinander
abweichen. In den Handel kommen sie erst seit einigen Jahren, und werden
besonders zu leichten warmen Pelzfuttern verarbeitet. Vorlaufig werden etwa
10 ooo Stuck jahrlich in den Markt gebracht, doch liesse sich die Zahl er-
heblich steigern. Der Wert ist nur I Mk. pro Stuck. Von den Arabern und
den Kaffern wird das Fleisch, das sehr wohlschmeckend sein soil, gerne ge-
gessen. Die Boeren am Kap verwenden die Losung und den Urin des Tieres
als Medizin. Verwandte Tiere sind die verschiedenen Arten des B a u m -
schliefers, die in dem afrikanischen Urwald leben und ihr gerausch-
volles Wesen in den Zweigen treiben. Deren Felle gelangen aber nicht in
den Handel.
Unter den Tieren von Cernays befindet sich eine Gruppe, Condyluiten
genannt, aus denen sich im Laufe der Jahre Millionen Klippschliefer, Pferde,
Nashorne und Tapire entwickelt haben.
XVIII.
Die Vogelwelt
Die Vogelwelt.
Wenngleich der weitaus iiberwiegende Teil des Rohmaterials fur die
Pelzwarenfabrikation dem Saugetierreiche entstammt, liefert doch auch
die Vogelwelt einen Beitrag dazu. In erster Linie nennen wir die Felle der
Taucher, der sogenannten Grebes.
Der bekannteste 1st der Haubensteissfuss, Colymbus cristatus, durch
einen kleinen roten Federschopf hinter jedem Ohr ausgezeichnet. Die munteren
Tiere sind weit verbreitet und sieht man sie auch1 auf den grossen Seen in
der Umgebung von Berlin umherschwimmen, den langen schlanken Hals
hoch erhoben, um beim Herannahen des Bootes oder Dampfers schleunigst
unterzutauchen und erst weit von dieser Stelle entfernt wieder aufzutauchen.
Der Bauch ist glanzend weiss, der Riicken rotlich. In der Mark Branden-
burg und in Mecklenburg sind sie unter dem Namen Lorch bekannt. . Mit
dem nachsten, Colymbus auritus, der mehr den hohen Nordeh bewohnt,
werden sie auch rotseitige oder russische Grebes genannt. C. auritus ist
etwas kleiner, ohne Schopf und ebenfalls rotriickig. Daneben kommt ein
kleiner Grebes, der kaum halb so gross ist als die vorigen, der sogenannte
kleine russische Grebes, Colymbus cornutus, weisser Bauch, roter Riicken,
vor. Wahrscheinlich auch noch dabei die Felle von Colymbus nigricans,
Bauch glanzend weiss, Riicken dunkelrotlich. Den Namen russische Grebes
fuhren sie, weil die meisten aus Russland zu unskommen. Besonders die grossen
Seen des Irtysch-Beckens beherbergen grosse Scharen und in dem -Stadtchen
Tjukalinsk, nicht weit von Omsk, ist das Sammeln und der Versand von
Grebesfellen ein grosser Industriezweig. Die Felle kommen auch auf die Messen
von Ischim und Petropawlowsk. Sonst kamen hunderttausende jahrlich in
den Handel, doch ist augenblicklich die Mode dem Artikel sehr ungiinstig,
weshalb nur einige Tausend jahrlich jetzt Verarbeitung finden. Aus der-
selben Gegend kommt noch der sogenannte mittlere Grebes, der an Grosse
in der Mitte zwischen C. cristatus und nigricans steht. Der Bauch 1st hell
stahlgrau mit dunklen Punkten gesprenkelt, der Riicken dunkelbraun. Wahr-
scheinlich handelt es sich um Colymbus subcristatus. Eine bedeutend wert-
45
706 XVIII. Die Vogelwelt.
vollere Sorte liefert der sogenannte tiirkische oder schwarzseitige Grebes,
der einen glanzend weissen Bauch und schwarzgrauen Riicken hat, und
dessen Felle aus der Tiirkei, Kleinasien und den Balkanstaaten zu uns kommen.
Die Felle sind auch grosser als die von C. cristatus, die Schopffedern fehlen.
Es ist mir nicht moglich gewesen, die genaue Art festzustellen, wahrschein-
lich ist es Colymbus grisegene, der aber auch im westlichen Europa und
wahrend des Sommers auch in Deutschland vorkommt. Von Amerika kommen
aus Kalifornien jahrlich einige tausend sehr schoner Grebes, vielleicht die
besten, die es iiberhaupt gibt, nach London auf die Auktion. Die Felle sind
gross und halten etwa die Mitte zwischen dem Polartaucher und dem deut-
schen Haubensteissfuss. Der Bauch blendend weiss mit seidigem Glanz,
der Riicken hell schiefergrau, auch hier steht die Art nicht fest, denn die
von mir gesehenen Balge des C. californicus sind erstens bedeutend kleiner
und der Bauch auch nicht rein weiss, sondern mehr grauschimmernd. Siid-
amerika beherbergt auch sehr viele Taucher, von denen die Felle von Colymbu*
major sehr gross, weiss mit graubraunem Riicken und rotem Hals sind,
Colymbus podiceps, gross mit gesprenkeltem grauweissen Bauch und schwarzem
Riicken, und Colymbus chilensis, mittelgross mit weissem Bauch. Auch
hiervon kommen augenblicklich, der ungiinstigen Mode halber, nur ein kleines
Quantum unter der spanischen Bezeichnung ,,Macas" nach dem Weltmarkt,
doch konnen grosse Mengen davon geliefert werden. Samtliche Grebesfelle
werden auf dem Riicken aufgeschnitten, da der Bauch eben die Schonheit
des Felles bildet, die Flugel werden abgeschnitten, nur bei den kleinen russi-
schen Grebes bleiben sie daran. Ubrigens sind die meisten Taucher schlechte
Flieger, die nur ungern eine kurze Strecke fliegen, und sich mehr auf ihre
Taucherkiinste verlassen. Der gegenwartige Wert diirfte etwa 30 Pf. per
Stuck fur die kleinen, 50 Pf. fur die mittleren, i bis 1,50 Mk. fur die grossen
russischen, 2 Mk. fur die tiirkischen und kalifornischen Grebes sein, alles
bereits zugerichtet. Fruher waren die Preise bedeutend hoher. Zur Zeit,
als diese Felle noch modern waren, konnte man die jahrlich in den Handel
kommenden Mengen ungefahr wie folgt bezif fern : Rotseitige Grebes (russische
grosse) 2 bis 300 ooo Stuck, mittlere 50 ooo Stuck, kleine zirka 100 ooo
Stuck, tiirkische 30 ooo Stuck und kalifornische 5000 Stuck. Alle die fur
den Pelzhandel bisher wichtigen Taucher leben auf Binnengewassern. Es
gibt aber noch eine andere Art, die Seetaucher, die bisher wenig be-
achtet sind, deren Fell aber sehr schon ist und deshalb fur den Pelzhandel
auch \Vichtigkeit erlangen konnte.
Ursinator arcticus hat die Grosse einen kleiner Gans, ist also etwa doppelt
so gross als ein Haubentaucher, der Bauch blendend weiss, aber wie bei alien
Seetauchern, nicht so seidig glanzend, als bei den Grebes. Der Riicken und
die Seiten sind wunderschon gezeichnet, schwarz und weiss gestrichelt, Kopf
und Kehle schon dunkelblau.
Ursinator glacialis, der Eistaucher, ist ebenso gross wie der vorige, eben-
XVIII. Die Vogelwelt. 707
falls weisser Bauch, Riicken schwarz mil weissen Tupfen, Hals samtschwarz
jnit einer weiss und schwarz gestrichelten Binde. Die Heimat dieser schonen
Tiere 1st der hohe Norden, doch kommen sie im Winter haufig auch in die
deutschen Meere. Zu Millionen werden die Vogelberge des Nordens von
Lummen, Teisten und Alken bevolkert, die alle zu den Tauchern gehorig,
auch hiibsches Pelzwerk abgeben konnten, da sie fast samtlich einen weissen
Bauch und dunklen Riicken haben, sie werden von den Bewohnern der ark-
tischen Regionen zu Nahrungszwecken erlegt, die Felle aber nur lokal ver-
braucht und namentlich kommen dabei Mergulusalle, der Krabbentaucher,
und uria grylle in Betracht. Schon sind auch die Felle der Sagetaucher,
M. anergauser, mit weissem Bauch und Seiten, schwarzem Riicken und Kopf
und mergulus serrator, weisser Bauch, Riicken schwarz die Seiten fein grau
geperlt, wie die Mannchen der Wildente. Verschiedentlich wurde auch ver-
sucht, die Felle der Pinguine, jener sonderbaren Bewohner der Antarktis,
fur Pelzzwecke zu verwenden, aber vergeblich, denn sie sind dazu trotz ihres
schonen Ansehens und ihrer Grosse nicht zu gebrauchen, da die Federn,
auch die Bauchfedern, viel zu steif und hart sind. Alle die angefuhrten Vogel-
felle werden nun im natiirlichen Zustande, nur einfach gegerbt, verwendet.
Die folgenden unterliegen aber erst einem weiteren Prozess.
In erster Linie spielen die Schwane und Ganse dabei eine Rolle,
die besonders in Holland zugerichtet werden. Das Fell wird gleichfalls auf
•dem Riicken aufgeschnitten, abgestreift, dann aber die Federn ausgerupft,
so dass nur die dichteFlaumdecke iibrig bleibt, und schliesslich zugerichtet, was
besondere Fertigkeit beansprucht. Der bekannte feine Flaumpelz wird vor-
zugsweise, in Streifen geschnitten, zu Besatzen, in letzter Zeit auch zu Damen-
pelzhiiten usw. verarbeitet. In Betracht kommen dabei fur die Schwane
besonders die folgenden Arten: Der Hockerschwan, Cygnus olor, der ja
alien bekannt ist, da er fast uberall in halbzahmem Zustande als Schmuck-
vogel fur die heimischen Gewasser gehegt wird. Seine eigentliche Heimat
ist der hohe Norden, wo er briitet und von wo er im Herbst in starken Trupps
nach Siiden wandert. Er unterscheidet sich von den folgenden durch den
gelben Schnabel und den Hocker an der Schnabelwurzel, der ebenso wie
die Wachshaut schwarz ist, von dem nachsten, dem Singschwan, Cygnus
•cygnus oder C. musicus der nur wesentlich kleiner, dafur gedrungener ist, einen
.schwarzen Schnabel im gelber Wachshaut hat, ohne Hocker. Seinen Namen
liat er von den wohllautenden Ruflauten her, die er haufig horen lasst, wahrend
•der Hockerschwan meist stumm ist. Auch er nistet im hohen Norden Euro-
pas, Asiens und auch Nordamerikas, wahrend der Hockerschwan in Nord-
amerika durch den ahnlichen Tromperterschwan, Cygnus buccinator, ver-
treten ist, der ebenfalls schwarzen Schnabel hat. Bedeutend kleiner als die
vorigen ist der Zwergschwan, Cygnus bewicki, der gleichfalls dem hohen Norden
der drei Erdteile angehort. Alle wilden Schwane sind sehr scheue, kluge
Yogel, die noch schwerer zu beschleichen sind, als die Wildganse. In Ost-
45*
708 XVIII. Die Vogelwelt.
sibirien versuchte ich mich an einen Trupp Wildschwane anzupirschen,
die arn andern Ufer eines schmalen Meeresarms sassen, als ich mich sorgsam
anschleichend durch das Rohricht, den Arm umgangen hatte, sassen die
samtlichen Schwane auf dem von mir verlassenen Ufer und veriibten dasselbe
Manover noch zweimal, bis ich als der ,,klugere" die Sache aufgab. Schwan-
braten war fruher ein sehr geschatztes Wildbret auf fiirstlichen Tafeln. Ein
alter Schwan ist aber sehr zah und ein junger Schwan ist zwar zart, schmeckt
aber immerhin etwas tranig. Von Sudamerika kommen die Felle zweier
Schwanarten zu uns, Cygnus nigricollis, der die Farben des deutschen Reichs
zeigt, weisser Rumpf, schwarzer Hals und roter Schnabel, und der nur wenig
grosser ist als unser Zwergschwan, und der grossere Pseudolor coscorata,
mit grauweissem Halse und schwarzem Schnabel, der hauptsachlich in Pata-
gonien und dem Feuerland vorkommt. Die Felle sind aber nicht leicht zu
verkaufen, der Schwierigkeit der Zurichtung halber, und bei den kleinen
bisher angebotenen Partien lohnt es sich nicht, solche nach Holland zu senden.
Von den G a n s e n , deren Felle als Imitation des Schwanpelzes zugerichtet
werden, kommen nur die Felle der gewohnlichen Hausgans, anser domestic us,
und der sogenannten kanadischen Schwanengans, anser canadensis, in Be-
tracht, die wie schon gesagt, fast ausschliesslich in Holland zum Zwecke
der Pelzwerkverwertung gehegt werden. Ein zubereitetes Schwanenfell
kostet augenblicklich zirka 10 bis 12 Mk., ein Gansefell zirka 5 Mark. Es
kommen jetzt jahrlich etwa 60 ooo Ganse und 10 ooo Schwane in den Handel,
die stets zu Dutzend gebiindelt sind, und auch so gehandelt werden.
Eine Spezialitat Skandinaviens bildet die Zubereitung der Felle der
Eider en ten, Somateria mollissima, und der noch schoner gezeichneten Pracht-
eiderente, Somateria spectabilis. Die Federn werden auch hier vor der Ger-
bung ausgerupft, so dass das hellgraue dichte Daunenfell bleibt. Meistens
werden dieselben zu den wundervoll leichten und warmen Decken zusammen-
gesetzt und diese am Rande mit dem hellgnin und weiss gezeichneten Fell
des Halses eingefasst. Der Preis einer solchen Decke schwankt im Engros-
handel von 60 bis 100 Mk. Auch die Eskimos Gronlands fertigen jetzt solche
Decken zum Verkauf. Obgleich die Eiderente wild lebt, sind doch ihre Brut-
platze in Skandinavien, Island, den Faroern usw. Privateigentum, wo den
Tieren die erste Daunenausbeute, mit dem sie ihr Nest polstern, weggenommen
wird, und ihnen erst die zweite Lage, die sie sich dann ausrupfen, gelassen
wird. Das Pi'und Eider daunen kostet im Grosshandel zirka 20 Mk.
Ausser den -Decken fertigen norwegische und schwedische Kurschner
auch noch Muff en, Stolas, Rapes usw. aus den Eiderentenfellen an. Ausserdem
werden dort die Felle des Cormorans, Phalacrorax carbo, in-gleicher Weise
gerupft und bearbeitet zu - ahnlichen Pelzarbeit-en wie die Eidergansfelle
verwendet. Die Farbe ist aber wohl immer dunkler und graubraun und dase
Daunenfell auch viel lockerer. Das ist iibrigens die einzige Stelle, wo die
Felle dieses gefrassigen Fischraubers benutzt werden, der sonst iiberall eifrigst.
XVIII. Die Vogelwelt. 709
verfolgt wird. Nur in China und Japan wird er gezahmt und zum Fisch-
fang abgerichtet.
Gelegentlich werden auch die Felle der grosseren Vogelarten fur den
Pelzhandel nutzbar gemacht, der Straussenfamilie. VonAustralien kommenFelle
des Emu, Dromaous novae hollandiae und Dromaeus irroratus in den Handel,
die meist zu Fussteppichen verwendet werden. Die Federn sind leicht und
weisslich grau. Die Felle haben eine Lange von iiber i V-> m, und werden mil
etwa 10 bis 15 Mk. bezahlt. Doch kommen jahrlich hochstens einige hundert.
Auch die schon dunkelgriin gefarbten Eier dieser Riesenvogel werden haufig
auf den Londoner Auktionen unter den ,, sundries" zum Verkauf gebracht,
und als Wandschrhuck zum Privatgebrauch von den Rauchwarenhandlern
gekauft. Preis i bis 3 sh pro Stuck.
Von Siidamerika werden die Felle der amerikanischen Strausse, Rhea
americana, von Argentinien, Montevideo, Gran Chaco, und Siidbrasilien
und des etwas kleineren Rhea Darwinii aus Patagonien sowohl in Decken-
form als auch einzelne Felle exportiert und als Teppiche, Diwandecken usw.
benutzt. Einen grossen Handelsartikel bilden aber auch sie nicht. Die Farbe
der Federn ist dunkelgraubraun, viel dunkler als die Felle des australischen
Emu.
Ende.
THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATE
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AN INITIAL FINE OF 25 CENTS
WILL BE ASSESSED FOR FAILURE TO RETURN
THIS BOOK ON THE DATE DUE. THE PENALTY
WILL INCREASE TO SO CENTS ON THE FOURTH
DAY AND TO $1.OO ON THE SEVENTH DAY
OVERDUE.
FEB 9 1884
21 T947
LD 21-100m-7,'33