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Full text of "Aus dem reiche der pelze. bd. I: Geschichte des rauchwarenhandels. bd. II: Naturgeschichte der pelztiere"

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Aus  dem  Reiche  der  Pelze 


Von 

EMIL  BRASS 


Alle  Rechte,  auch  das  der  Ubersetzung,  vorbehalten 


Satz,  Druck  und  Einband  von 
Imberg&Lefson  G.m.b.H.,  Berlin 
Autotypien  von  Graphische  Kunstanstalt  ,,Globus",  Copyright  by  Leo  Korach,  Berlir 


Aus  dem  Reiche  der  Pelze 

Bd.  i:  Geschichte  des  Rauchwarenhandels 
Bd.  ii:  Naturgeschichte  der  Pelztiere 


Von 

EMIL  BRASS 

Konsul  a.  D. 


In  einem  Band  mit  zahlreichen  Abbildungen  und  Tabellen 


BERLIN 

Im  Verlage  der  Neuen  Pelzwaren-Zeitung 


Vorwort. 

Vor  35  Jahren  begann  ich  mil  dem  Sammeln  des  Materials  zu  dem  vor- 
liegenden  Werke  und  habe  dies  bis  heute  fortgesetzt.  Einen  Teil  veroffent- 
lichte  ich  bereits  in  einer  Artikelserie  in  der  Neuen  Pelzwaren-Zeitung,  doch 
wurde  von  verschiedenen  Seiten  der  Wunsch  laut,  ich  mochte  diese  Artikel 
in  einem  Buche  gesammelt  herausgeben,  da  bisher  in  Deutschland  kein  zu- 
sammenfassendes  Werk  der  Art  existiere. 

Auch  Zoologen  und  Volkswirtschaftler  nahmen  grosses  Interesse  an  der 
Herausgabe  eines  solchen  Werks,  da  diesen  das  hier  veroffentlichte  Material 
sonst  nicht  zur  Verfiigung  steht. 

Die  Quellen  fand  ich  in  der  Bibliothek  der  Hudson's  Bay  Co.,  dem  British 
Museum  in  London,  der  Bibliotheque  nationale  zu  Paris,  der  Kgl.  Bibliothek 
zu  Berlin,  der  Stadtbibliothek  von  Montreal,  den  Bibliotheken  der  Royal 
Geographical  Society  in  London,  der  Societe  de  Geographic  in  Paris,  der 
Gesellschaft  f  iir  Erdkunde  zu  Berlin,  der  Royal  Asiatic  Society  in  Shanghai, 
des  Museums  fur  Naturkunde  zu  Berlin  etc.  Ausserdem  stand  ich  ja  von 
Jugend  auf  in  der  Praxis  des  Rauchwarenhandels  und  trieb  auch  ruhrig, 
soweit  meine  berufliche  Tatigkeit  es  mir  gestattete,  naturwissenschaftliche 
Studien,  wobei  mir  mein  langjahriger  Aufenthalt  im  Auslande  und  meine 
Reisen  in  vier  Weltteilen  Gelegenheit  zu  Naturbeobachtungen  gaben. 

Ich  sage  an  dieser  Stelle  alien  denen,  die  mir  beim  Zustandekommen 
der  Arbeit  behilflich  waren,  meinen  Dank.  Zunachst  der  Hudson's  Bay 
Co.,  die  mir  bei  Beginn  des  Material-Sammelns  ihre  Archive  zur  Verfiigung 
st elite,  dann  besonders  Herrn  Harris,  dem  Sekretar  der  H.  B.  C.  in  London, 
der  mir  auch  in  der  Neuzeit  noch  Notizen  und  Photographien  iibersandte, 
Herrn  Kommerzienrat  Thorer  und  Herrn  Peter  Gloeck,  die  mich  durch  zahl- 
reiche  Photographien  unterstiitzten,  Herrn  Prof.  Brauer,  dem  Direktor  des 
naturwissenschaftlichen  Museums,  der  mir  die  Benutzung  der  Bibliothek 
des  Instituts  gestattete  und  Herrn  Prof.  Matschie,  der  mir  beim  Bestirnmen 
der  wissenschaftlichen  Namen  etc.  ^seine  wertvolle  Unterstutzung  lieh. 

Indem  ich  nun  das  aus  dieseni  liij&JsshVigen  S,tU(imm,  sowie  meiner  dreissig- 
jahrigen  Praxis  und  dem  aufn^r^simem^Beqbachten  im  In-  und  Auslande 
hervorgegangene  Werk  der  Ofienife&keit0  li^^l^,:  KMfe  ich,  dass  dasselbe, 
namentlich  von  den  Angehorigen  unserer  alt  en  Branche,  als  Standard  werk 
aufgenommen  werden  wird. 

Berlin,  im  April  1911. 

Der  Verfasser. 


Die  in  Band  II  bei  den  einzelnen  Fellarten  angegebenen  Preise  beziehen  sich  stets  auf 
rohe  Felle  in  erster  Hand. 


Inhaltsverzeichnis  des  ersten  Bandes. 

Geschichte  des  Rauchwarenhandels. 

Seite 

I.  Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter ....        3 

Prahistorische  Zeit,  Altertum,  Mittelalter  in  Deutschland,  in  England, 
in  Osterreich-Ungarn,  in  Frankreich. 

II.   Geschichte  des  Pelzhandels  in  Nordamerika. 

Kapitel . 15 

Skandinavier,  Cabot  und  andere.  -  -  Englische  und  portugiesische 
Entdeckungsfahrten. 

Kapitel     .    .    .  -,':'.    .    .    .    .    .    .    .    .    .    .    .    . .  .- :.    . 21 

Franzosische  Fahrten  nach  Canada.  —  Franzosische  Niederlassungen 
in  Canada.  —  Franzosische  Pelzhandelsgesellschaften  in  Canada.  - 
Kampfe    mit    England    um   Neuschottland.  Entwicklung    der 

Pelzhandelsgesellschaften  und  des  Pelzhandels.  -  -  Englische  Ent- 
deckungsfahrten.—  Muscovy  Co. —  Eastindia  Co. — Hudsons- Fahrten. 
New  England  Co.  —  Hudsonsbay  Co.  —  Kampf  zwischen  Eng- 
lander  und  Franzosen  um  die  Hudsonsbay.  —  Compagnie  du  Nord. 

—  John    Law.    —  Entdeckungen  und  Handelsposten  der  Fran- 
zosen im  fernen  West  en.  —  Krieg  zwischen  Frankreich  und  England. 

-  Northwest  Co.  —  Kampf  zwischen  Hudson's  Bay  Co.  und  North- 
west Co. 

Kapitel *    . 76 

Griindung  von  New  York.  —  Pelzhandel  in  den  Vereinigten  Staaten . 

—  Mackinaw  Co.  —  Johann  Jacob  Astor.  -  -  American  fur  Co.  - 
Southwest  Co.  --  Astoria,  andere  Pelzhandelskompagnien.  - 

Kapitel .    •     96 

Geschichte  des  Pelzhandels  an  der  Westkiiste.  Spanier,  Osterreicher, 


VIII  Inhaltsverzeichnis  des   ersten  Bandes. 

Seite 

Eastindia  Co.  —  Boston  fur  Co.  —  Die  Russen.  —  Streit  der  Russen 
mit  der  Hudsonsbay  Co.  —  Weitere  Fortschritte  der  Hudson's  Bay  Co. 

-  Auf stand   am    Redriver.    •    •   Aufschwung    der   Besiedlung   von 
Winipeg   und  dem  Nordwesten.  -  -  Die  Alasca  Co.  —  Die  North- 
american  Commercial  Co. 

III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

1.  Kapitel 119 

Mittelalter.  -  -  Hansa.  -  -  Muscovy  Co. 

2.  Kapitel 125 

Eroberung  Sibiriens.  -  -  Expeditionen  1577 — 1711. 

3.  Kapitel 133 

Griindung  der  sibirischen  Stadte.  -  -  Pelzhandelsbetrieb.  -  -  Zu- 
sammenstoss  mit  den  Chinesen.  -  -  Vertrage  mit  China.  -  -  Kara- 
wanenbetrieb  nach  China.  -  -  Pelzhandel  in  Kiachta. 

4.  Kapitel 142 

Entdeckungen  und  Pelzfangreisen  an  der  Ostkiiste.  —  Expeditionen 
1715 — 1755.  —  Betrieb  des  Pelztierfanges.  —  Fang-  und  Entdeckungs- 
Expeditionen  nach  Amerika  1750 — 1777. 

5.  Kapitel 157 

Griindung  der  russisch-amerikanischen  Pelzhandels-Gesellschaft.  - 
Weitere  Expeditionen  1780 — 1825.  —  Ansiedlung  der  Gesellschaft  in 
Calif  ornien. 

6.  Kapitel 183 

Zusammenstoss  der  Russen  mit  den  Amerikanern  und  Englandern.  — 
Weitere  Entwicklung  der  russischen  Handelsgesellschaft  1825 — 1848 

-  Zusammenstoss  mit  den  Indianern. 

7.  Kapitel 193 

Russische  Pelzhandelsunternehmungen  im  Nordosten  Sibiriens,  sowie 
Kampfe  um  den  Amur  mit  China,  1760 — 1858.  -  -  Weitere  Ent- 
wicklung der  russisch-amerikanischen  Pelzhandelsgesellschaft,  bis  zur 
Auflosung  1865.  -  -  Messen  in  Russland.  -  -  Heutiger  Handel. 

IV.  Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter, 
in  Asien  und  den  iibrigen  Weltteilen. 

1.  Kapitel.  Frankreich 223 

2.  Kapitel.  England 226 

3.  Kapitel.  Deutschland 231 

4.  Kapitel.  Osterreich  und  der  Orient 241 


Inhaltsverzeichnis  des  ersten  Bandes.  IX 

Seite 

5.  Kapitcl.     Skandinavien,  Niederlande  und  iibriges  Europa  .    .    .  '.    .   246 

6.  Kapitel.     Asien -..-/;••   .    .    .    .    .    .    .  S-  '.-  $  .  251 

7.  Kapitel.     Die  ubrigen  Weltteile .    .    .    .    ..  ^    .    .    .    ....    .    .    .    .   263 

V.   Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 

1.  Kapitel     . .  ".    ...    .....   273 

Amerika.  —  a)  Handelsbetrieb,  Verkehrsmittel,  Handelsposten  etc. 
im   Hudson's  Bay-Gebiet.     Tauschtarife.    •       b)    In   Labrador.  - 
c)  In  den  Vereinigten  Staaten. 

2.  Kapitel.     Handelsbetrieb  in  Asien     .    .    .    .    .  ......    |  .    .   300 

3.  Kapitel.     Betrieb   der  Londoner  Auktionen 307 

4.  Kapitel.     Abkiirzungen  fur  die  gebrauchlichen  amerikanischen  Fell- 

sorten 311 

5.  Kapitel.     Die  Scbonzeiten  fur  die  Pelztiere  in  Nordamerika    .    .    .    .315 

6.  Kapitel.     Silberfuchsfarmen  in  Amerika 316 

VI.  Einfuhrstatistik. 

Tabellen   der   Einfuhr,  Weltproduktion  und  Preisbewegung  der  Rauch- 
waren  3r9 


Inhaltsverzeichnis  des  zweiten  Bandes. 

Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

I.  Affen  und  Halbaffen. 


Seite- 


a)  Affen 381 

Colobus  ursinus.  —  Colobus  vellerosus.  — •  Colobus  guereza.  --  Wan- 
deru  Semnopithecus  schistanus.  -  -  Roter  Briillaffe,  Mycetes  serii- 
cdlus.  —  Scbwarzer  Briillaffe,  M}rcetes  caraja. 

b)  Halbaffen 383 

Katta,   Lemur  catta.  Bunter  Vari,    Lemur    varius.    -    -   Roter 

Vari,  Lemur  rubrus.  -  -  Lori,  Nycticebus  cinereus. 

II.    Katzenarten. 

a)  Lowen 387 

Felis  leos.  -  -  Der  Kaplowe.  -  -  Senegallowc.  -  -  Ostafrikanischer 
Lowe.  --  Masai-Lowe.  --  Persischer  Lowe.  -  -  Lowe  von  Guzerate. 

b)  Die  Pumaarten 390 

Felis  couguar.  --  Felis  hippolestes.  -  -  Felis  olympica. 

c)  Yaguarundi  und  Eyra 392 

Felis  yaguarendi  tolteca.   -  -  Felis  eyra. 

d)  Tigerarten 392 

Bengalischer  Tiger.  —  Tiger  von  Hinterindien.  —  Inseltiger.  —  Amoy- 
Tiger.  --  Hankowtiger.  --  manscburischer  Tiger.  --  Altai-Tiger.  — 
Koreanischer  Tiger. 

e)  Jaguare 400 

Felis  onca.  —  Felis  centralis.  —  Felis  Goldmanii.  —  Felis  hernandezii. 

f)  Panther  und  Leoparden .   401 

Indische  Panter:  Felis  pardus  pantera.  -  -  Felis  pardus  varie- 
gata.  — Felis  pardus  tulliana.  —  Felis  pardus  fontanieri.  —  Felis  chi- 


Inhaltsverzeichnis  des    zweiten  Bandes.  XI 

Seite 

nensis.       -   Fells    sinensis.    -    •    Persischer    Panter.       -   Chinesischer 

Panter.  —  Felis  villosa.  -  -  Felis  pantera  hanensis. 
Afrikanische  Leoparden:  Felis  pardus  leopardus.  —  Felis 

pardus  nimmr.   —  Felis  pardus  suahelicus.   -  -  Felis  pardus  anti- 

qorum. 
g)   Irbis 406 

Felis  uncia. 
h)  Serval ' 407 

Indien:    Felis  viverrina.    —    Serval  himalayanus.   —  Afrika:    Felis 

serval.  —  Felis  capensis.  —  Felis  senegalensis.  —  Felis  galeopardus. 
i)   Nebelpanther .    .    .    .    .    ;    . 409 

Felis  nebulosus.   —  Felis  macrocelis.   -  -  Felis  macrourus.  -  -  Felis 

brachyurus. 

k)   Siidamerikanische  Tigerkatzen 410 

Ocelots:  Felis  pardalis.  —  Felis  limitis.  —  Felis  costaricensis.  - 

Felis  equatorialis.  —  Felis  chibiguazou.  --  Felis  maracaya.  -  -  Felis 

mitis.  -  -  Felis  buffonii.  -  -  Felis  mexicana. 
Panterkatzen:  Felis  macroura.  — •  Felis  tigrina.  —  Felis  venusta. 

Felis  geofryi.  —  Felis  catenata.  --  Felis  payeros. 
1)  Asiatische  Tigerkatzen /...,.-...   415 

Felis  viverrina.  -  -  Felis  marmorata.  -  -  Felis  rubiginosa.    •   -  Felis 

pardicolor.  -  -  Felis  bengalensis.  -  -  Felis  temminucki.  —  Felis  tor- 

quatus.  —  Felis  manul.  —  Felis  microtis.  —  Felis  euptilura.   — 

Felis  pallida.  —  Felis  chinensis.  --  Felis  ricketti.  —  Felis  ingrami. 
m)  Hauskatzen     ...    ,    .    .    •.    .'   .    .    ...    ...    .    .    ...    .    .    .    .   419 

n)   Ginsterkatzen .    .    .    .    .  V  .    .    .    .    .    .    .    .    .    .    ...    .    .    .    .    .    .   421 

Genetta  vulgaris.  —  Genetta  genettoides.  -  -  Genetta  tigrina. 

o)   Jagdleoparden .    . .    ....    .    .    .    .    .    ....    -   422 

Cynaelurus  guttatus.  -  -  Cynaelurus  jubatus. 

p)  Luchse 423 

Lynx  canadensis.  —  Lynx  gigas.  --  Lynx  uinta.  —  Lynx  subolanus. 
Lynx  mollipilosus.  —  Lynx  fasociatus.  —  Lynx  rufus.  —  Lynx  cerva- 
ria.  --  Lynx  virgata.  --  Lynx  borealis.  --  Lynx  vulgaris.  --  Lynx 
pardina.  —  Lynx  isabellinius.  —  Lynx  bengalensis.  —  Lynx  caracal. 
-  Lynx  nubicus.  -  -  Felis  chaus.  —  Chausa  ffinis.  -  -  Chaus  chryso- 
melanotis.  -  -  Chaus  furax.  -  -  Chaus  bieti. 

q)  Wildkatzen      .    .    .    .    .  - 1    .    .    .    . 431 

Felis  catus. 

III.   Hundearten. 

i.  Haushunde 435 

Chinesischer  Hun  d. — Mandschurischer  Hund.  —  Kamt schadalenhund. 


XII  Inhaltsverzeichnis   des   zweiten   Bandes. 

Seite 

-  Mongolischer  Hund.  -  -  Sibirischcr   Hund.   -   -  Eskimohund.   - 
Wildhund  canis  alpinus. 

2.  Wolfe 439 

a)AmerikanischeW61fe 439 

Canis  occidentalis.   -  -  Canis  nubilus.  Canis   latrans.       -    Canis 

nebranensis.  -  -  Canis  lestes.  -  -  Canis  frustor.  -  -  Canis  mearnsi  - 

Canis  ochropus.  -  -  Canis  mexicanus. 
b)SiidamcrikanischeW6lfe 441 

Canis  peninsularis.  —  Canis  microdon.  —  Canis  antarcticus.  —  Canis 

jubatus. 
c)Europaisch  e  Wolfe 442 

Canis  lupus. 
d)OstasiatischcW6lfe. 443 

Sibirischer  Wolf.    -    -   Chinesiscter    Wolf,   Canis   lupus   laniger.    • 

Tibetanischcr    Wolf,    Canis    filchncri.  Canis    ater.  Canis 

caranorensis.  —  Canis  chanco.    •       Japanischer  Wolf,  Canis  hodo- 

phylax.    —  Indischer  Wolf  Lupus  pallceps. 
c)  Afrit  a  nischc  Wolfe 445 

Canis  simensis. 

3.  Schakale 445 

Canis  aureus  dalmatinus.  —  Canis  aureus  graecus.  -  -  Canis  aureus 
vulgaris.  —  Canis  aureus  cruesemanni.  --  Canis  hadramauticus.  - 
Canis  algeriensis.  —  Canis  tripolitanus.  —  Canis  mesomelas.  —  Canis 
adustus. 

4.  Fiichse 447 

A.  Silberfiichse 447 

Vulpes  argent eus. 

B.  Kreuzfiichse 449 

Canis  cruciatus. 

C.  Rotfiichse 450 

a)  Amerikanischc :   Vulpes    virginianus.       -  Vulpes    macrourus. 
Vulpes  cascadensis.   -    •  Vulpes  necator.   —  Vulpes  rubricosus.   - 
Vulpes  pensylvaniae.  —  Vulpes  deletrix.  • —  Vulpes  kenaiensis.  —  Vul- 
pes harrimanii.  -  -  Vulpes  regalis.  --  Bastardiuchse. 

b)  Europaische:    Vulpes    septentrionalis.   -      Vulpes    vulgaris.  - 
Vulpes  hypomelas.  -  -  Vulpes  melanogaster.  -  -  Vulpes   silaceus.  - 
Podolischer  Fuchs.  - 

c)  Asiatische:  Vulpes  kamtschadensis.  -  -  Vulpes  anadjTensis.  - 
Vulpes  sibirians.  -  -  Vulpes  lineiventer.  -  -  Vulpes  hoole.  -  -  Vulpes 
japonicus.    •       Vulpes    alopex.    •       Vulpes    bengalensis.    •       Vulpes 
carganus.  Vulpes    syriacus.  Vulpes    atlanticus.  Vulpes 
aegyptiacus. 

d)  Australischer  Fuchs. 


Inhaltsverzeichnis  des  zweiten  Bandes.  XIII 

Seite 

D.  Griesfiichse .    .    .  " .    .    .   460 

Urocyon  cinereoargentatus.  —  Urocyon  texensis.  —  Urocyon 
borealis.  -  -  Urocyon  floridanus.  —  Urocyon  litteralis.  -  -  Urocyon 
clement  ae. 

E.  Kitfuchse.    .    .    .    .    .*.    . 461 

Amerikanische :   Canis  velox  hebes.   —  Velox  macrotis.   —  Velox 
muticus. 

Asiatische:  Canis  ferrilatus.  —  Canis  corsac.  —  Canis  eckloni.  - 
Vulpes  leucopus.  — 

F.  Wustenfiichse .  - . 463 

Der  Fenek,  megalotis  zerda.  —  Canis  pallidus. 

G.  SudamerikanischeFiichse    „.. 464 

Pampas! iichse :  Canis  azarae.  —  Canis  cancrivorus.  —  Patagonische : 
Canis  griseus.  —  Chilenische:  Canis  fulvipes.  —  Canis  parvideus.  - 
Canis  microtis.  —  Magellansfuchs :  Canis  magellanicus. 

H.  Polarfiichse  (Weiss-  und  Blaufiichse) 465 

Canis  lagopus  spitzbergensis.  —  Canis  lagopus  ungava.  -  -  Canis 
lagopus  innuitus.  —  Canis  lagopus  kenaiensis.  —  Canis  lagopus 
halensis.  Canis  behringiensis. 

IV.  Viverrenhund. 

Seefiichse  oder  japanische  Fiichse 471 

Nyctereutes  viverrinus.  —  Nyctereutes  procyonides.  —  Nyctereutes 
ussuriensis.  -  -  Nyctereutes  sinensis.  —  Nyctereutes  stegmanni. 

V.  Die  Marderarten. 

1.  Zobel 477 

Mustela  zibellina.  -  -  Mustela  brachyura. 

2.  Amerikanische  Zobel 4^° 

Mustela  americana.  -  -  Mustela  brumalis.  -  -  Mustela  abieticola.  - 
Mustela   caurina.   -   -   Mustela   actuosa.   -   -  Mustela   kenaiensis.   - 
Mustela  mesophila. 

3.  Virginische  Iltis 

Mustela    penanti.    -    -   Mustela    flavigula.    •    •   Mustela    henrici.    • 
Mustela  xanthopila.  -  -  Mustela  flavigula  borealis. 

4.  Sudamerikanische  Arten  des  virg.  Iltis 

Galictis  barbara.  -  -  Galactis  vittata.  -  -  Galactis  allamandii. 

5.  Baummarder '..,._ 

Mustela  martes. 

6.  Steinmarder *    •   '•    •.*    •    •    • 

Mustela    foina.  Mustela    bosnia.  -  -  Mustela    mediterranea. 

Mustela  toufaea.  —  Mustela  leucolachnea.  —  Mustela  intermedia. 


X  IV  Inhaltsverzeichnis  des  zweiten  Bandes. 

Seite 

7.  Iltis      487 

Mustela  putorius.  -  -  Putorius  eversmanii. 

8.  Japanische  Marder 489 

Mustela  melampus.  —  Mustela  japonica. 

9.  Kolinsky 489 

Mustela  sibirica.  —  Mustela  manchurica. 

10.  Tigeriltis 490 

Perwitzky  Putorius  sarmaticus. 

11.  Chinesische  und  Japanische  Nerze 491 

Lutreola  davidianus.  —  Lutreola  moupinensis.  -  -  Mustela  itatsi. 

12.  Hermelin 492 

Europaische:  Arctogale  ermineas.  —  Arctogale  nivalis.  —  Arctogale 

hibernieus.  —  Arctogale  ibericus.  — •  Arctogale  boccamela. 

Asiatische:   Arctogale   erminea.   —  Arctogale   alpinus.   —   Arctogale 
altaicus.  —  Arctogale  pygmaeus.  —  Arctogale  stoliczkanus.  —  Arcto- 
gale fontanieri.  —  Arctogale  pallidus.  -  -  Arctogale  caucasicus.  - 
Arctogale  stridigorsus. 

Amerikanische :    Arctogale    arcticus.        •    Arctogale    richardsonii. 
Arctogale  rixosus.  —  Arctogale  eskimo.  —  Arctogale  alascensis.  - 
Arctogale   cicognani.    —   Arctogale  steatorix.    —   Arctogale  longi- 
caudata.  —  Arctogale  novoboracensis.  —  Arctogale  washingtonii.  - 
Arctogale  saturatus.  —  Arctogale  arizonsensis.  —  ArctogaleHaida- 
rum.  -  -  Arctogale  xantonigensis. 

13.  Vielfrass      498 

Gulo  luscus. 

VI.   Die  Nerzarten. 

DereuropaischeNerz 503 

Lutreola  vison. 
DeramerikanischeNerz 504 

Lutreola  borealis.  —  Lutreola  lutreocephalus.  —  Lutreola  lutensis. 
-  Lutreola  melampeplus.  —  Lutreola  ingens.  —  Lutreola  nigriscentes. 

VII.   Die   Ottern. 

a)  Amerikanische 509 

Lutra  canadensis.  —  Lutra  lataxina.  —  Lutra  pacifica.  —  Lutra 
sonora.  —  Lutra  platensis.  —  Lutra  felnia.  —  Lutra  brasiliensis.  — 
Lutra  paranensis. 

b)  Europaische  Ottern 511 

Lutra  vulgaris.  -  -  Griechische  Otter. 

c)AsiatischeOttern 512 

Bagdadotter.  —  Lutra  ellioti.  —  Lutra  aureobounea.  —  Lutra  barang. 
—  Lutra  leptonyx.  —  Lutra  sumatraensis.  —  Lutra  cinerea.  —  Lutra 
chinensis.  -  -  Lutra  japonica. 


Inhaltsverzeichnis  des  zweiten   Bandes.  XV 

Seite 

d)Afrikanische     Ottern 514 

Lutra  capensis.  —  Lutra  maculicollis.  -  -  Lutra  incuginis. 

Der  Seeotter. 
Enhydra  lutris  nereus 514 

VIII.    Die  Dachse  und  Stinkdachse. 

a)Amerikanische 521 

Taxidea  americana.  -      Taxidea  berlandieri.   —   Taxidea  neglecta. 

b)Asiatische  Dachse.    .    .    ..    .    .    .    .    .    .    .  >    .    .  •;'.    .    .    .   522 

Meles  anacuma.  —  Meles  anacuma  amurensis.  —  Meles  leucouras.  — 
Meles  leptorynchus.  —  Meles  chinensis.  -  -  Meles  tsingtauensis.  - 
Meles  amurensis.  —  Meles  raddei.  —  Meles  hanensis.  —  Meles 
siningensis.  —  Meles  sibirilaris.  —  Meles  altaicus.  —  Arctonyx  leu- 
curus.  —  Arctonyx  albogularis.  --  Arctonyx  oscums.  —  Arctonyx 
assamensis.  —  Arctonyx  taxoides. 

c)Europaische  Dachse .    .    .    .        524 

Meles  taxus.  —  Meles  arenarius. 

d)Honigdachse >,    '.    ....  ..- .    .    .    .    .    ...   525 

Mellivora  capensis.  --  Mellivora  meliceps. 

Die  Stinkdachse. 

Pah  mis 526 

Helictis  ferrogrisea.  —  Helictis  moschata.  —  Helictis  auriantica.  — 
Helictis  orient alis. 

Stinkdachs .    .    ,    .    ...    .r;>. '  •    •    •   527 

My  da  us  meliceps. 

IX.  Die  Skunksarten. 

N  o  r  d  a  m  e  r  i  k  a  nisch  e  . .    v.    .    .    »..«••.  •    •  531 

Mephites  hudsonia.  —  Mephites  minnesotae.  —  Mephites  mephitica. 

—  Mephites  dentata.  —  Mephites  scrutrator.  —  Mephites  occidentalis. 

—  Mephites  spissigrada.  • —  Mephites  estor.  -  -  Mephites  mulleri.  - 
Mephites  zoia.  —  Mephites  macrura.  -  -  Mephites  scrutata. 

S  ii  d  a  m  e  r  i  k  a  n  i  s  c  h  e   .    .    .    .    .    .  •  \    . •    •    •    •    •   535 

Conepatus  suffocans.  —  Conepatus  chinga.  --  Conepatus  arequipae. 

—  Conepatus  rex.  —  Conepatus  mapurito.  —  Conepatus  quitensis.  — 
Conepatus    amazonensis.  Conepatus    tropicalis.  Conepatus 
chorenses.  —  Conepatus  zorrino. 

Civetcats  (Lyraskunks)      

Spilogale  putorius.— Spilogale  ringens.  —  Spilogale  indianola.— Spilo- 


XVI  Inhaltsverzeichnis  des  zweiten  Bandes. 

Seite 

gale  leucoparia.  —  Spilogale  gracilis.  —  Spilogale  antigua.  —  Spilogale 
phenax. 

Kapskunks 539 

Ictomys  zorilla. 

X.   Die  Barenarten. 

Der  Eisbar  (Thalassarctos  maritimus) 543 

A.  AmerikanischeBaren      546 

1.  Grizzly-Bar 546 

Ursus  horribilis.  -  -  Ursus  horriaeus.   -  -  Ursus  alascensis. 

2.  Braune  Baren 547 

Ursus    richardsonii.   -   -  Ursus  dalli  gyas.  Ursus  sitkensis.   - 

Ursus  middendorffi.  -  -  Ursus  merriani.  -  -  Ursus  kidderi.  -  -  Ursus 
cinnamomeus. 

3.  Schwarze  Baren      548 

Ursus  americanus.  -  -  Ursus  luteolus.  -  -  Ursus  floridanus.  -  -  Ursus 
carlotta.  -  -  Ursus  emmonsii. 

B.  Asiatische  Baren 551 

1.  Braune  Baren 551 

Ursus  beringianus.  -  -  Ursus  yessoensis.  -  -  Ursus  collaris.  -  -  Ursus 
rexii.  -  -  Ursus  piscator.  -  -  Ursus  lasiotis.  -  -  Ursus  isabellinus.  - 
Ursus  lagomyrius.  -  -  Ursus  meridionalis.  —  Ursus  syriacus. 

2.  Schwarze  Baren      554 

Ursus  tibetanus.  -  -  Ursus  leuconyx.  -  -  Ursus  torquatus.  -  -  Ursus 
japonicus.  -  -  Ursus  formosanus. 

C.  Europaische  Baren 557 

Ursus  arctos  formicarius.  -  -  Ursus  arctos  cadaverinus. 

D.  Andere  Barenarten 559 

Afrikanische :  Ursus  crowtheri. 

Indischer  Lippenbar:  Melursus  ursinus. 

Malagenbar:  Ursus  malayanus. 

Sudamerikanische :  Tremarctos  ornatus.  -  -  Tremarctos  frugilegus. 

XI.  Verwandte  der  Barenarten. 

a)  Waschbaren 565 

Procyon   lotor.  Procyon   elucus.  Procyon   hernandezi.    - 

Procyon  psora.  —  Procyon  pallidus.  —  Procyon  pacificus.  —  Procyon 
hudsonicus.  —  Procyon  pygmeus.  —  Procyon  maynardi.  —  Procyon 
cancrivorus. 

b)  Nasenbaren 566 

Nasua  rufa.  —  Nasua  nelsoni.  —  Nasua  quichua.  -  -  Nasua  olivacea. 
—  Nasua  monticula.  —  Nasua  narica. 


Inhaltsverzeichnis  des   zweiten   Bandes.  XVII 

Seite 

c)  Katzenfrett .    .    .    . 568 

Bassaricus  astutus.  -  -  Bassaricus  flavus. 

d)  Wickelbar  (Kinkajou)    .    ...V   .    .    .    .    .    .    .  .    .    .    .    .    .'•'.    .   -.  '  V  .   568 

Cercolopte  caudi volvulus. 

e)  Bambusbar   .    .    .    .    ...............    .^ 569 

Ailuropus  melanoleucus. 

f)  Panda    .    .    .   7    .    ...    .    .    . 570 

Ailurus    fulgens.    —   Ailurus    styani.  Binturong.     —    Artictis 

binturong. 

XII.  Civetkatzen  und  Schleichkatzen. 

ChinesischegrosseZibetkatze 575 

Viverra  ashtonii. 
ChinesischekleineZibetkatze     .    .    . 576 

Viverricula  pallida. 
I  n  d  i  sc  h  e. 577 

Viverra   megaspila.    —  Viverra   zibetta.   -       Viverra  civettinas.   - 

Viverricula  malaccensis. 
Afrikanische    Zibetkatze 578 

Viverra  civetta. 
Schleichkatzen 578 

Linsang  gracilis. 
Palmenroller 579 

Paradoxurus  hermaphroditus.  —  Paradoxurus  fasciatus. 

XIII.  Die  Nagetiere. 

1.  Eichhornchen 583 

Sciurus  vulgaris.  —  Sciurus  calotus.  -  -  Sciurus  varius.  -  -   Sciurus 

argenteus.  Sciurus  martensi.       -   Sciurus   borealis.       -   Sciurus 

rupestris.   -   -   Sciurus  talahutky. 
Amerikanische 586 

Sciurus  hudsonius.  —  Seiurus  petulans.  —  Sciurus  niger.  -  -  Sciurus 

griseus.  -  -  Sciurus  carolinensis.  —  Sciurus  ludovicianus.  -  -  Sciurus 

douglasii.  -  -  Sciurus  aberti. 
Siidasiatische 

Sciurus  maximus.  —  Sciurus  bicolor. 

2.  Erdhornchen 

Amerikanische.    '. .    .    ..    •    • 

Tamias  striatus  (Chipmunk) .  —  Tamias  borealis.  —  Tamias  dorsalis.  - 
Tamias  quadrivittatus.  -  -  Tamias   minimus.  -     Tamias  lysteri. 

Asiatische  .    .    .    .>  .    ^    .    . .  ..  ...  .   ...    .    .„-..,  ...    .-.-.•..    .    •    • 

Tamias  asiaticus. 

II 


XVIII  Inhaltsverzeichnis   des   zweiten   Bandes. 

Seite 

3.  Flughornchen 588 

Pteromys  volans.  —  Pteromys  yunanensis.  —  Pteromys  melanopterus 
Pteromys  leucogenys.  --  Pteromys  xanthipes.  —  Pteromys  oral.  - 
Pteromys  magnificus.  -  -  Pteromys  caniceps. 

FliegendeHunde 589 

Pteropus  edulis.  -  -  Pteropus  edwardesii.    Pteropus  strameus. 

4.  Murmeltier 589 

Orenburger:    Arctomys    bungei.       -   Beisky:   Arctomys  sibirica.  - 
Mongolische,  Manschurische,  Chinesische. -- Tarbaganer:  Arctomys 
tarbaganus.  Tibet  etc. :    Arctomys  himalayensis.   -   -    Arctomys 

robustus.  Arctomys    hodgsoni.  Kamtschatka:    Arctomys 

camtschatica.  -  -  Amerikanische  Murmel.  -  -  Weenusk  oder  Wood- 
chuck:  Arctomys  monax.  —  Arctomys  monax  ignavus.  — Arctomys 
canadensis.  -  -  Arctomys  pruinosus.  -  -  Arctomys  flaviventer. 

5.  Die  Ziesel .    .    .    594 

Suslicki:  Spermophilus  citillus.  —  Spermophilus  fulvus.  —  Spermo- 
philus  leptodactylus.  -  -  Spermophilus  rufecscens.  —  Spermophilus 
dauricus.  --  Spermophilus  mongolicus.  --  Leopardenziesel :  Ictomys 
tridecim  lineatus.  —  Prairiehunde :  Cynomis  ludovicianus. 

6.  Biberarten 597 

Amerikanische :  Castor  canadensis.  —  Castor  fondator.  —  Europaische : 
Castor  fiber. 

7.  Bisamarten 603 

Fiber  zibethicus  hudsonius.  —  Fiber  zibethicus  aquilonius.  —  Fiber 
zibethicus  obscurus.  — Fiber  zibethicus  niger.  — Fiber  zibethicus  palli- 
dus.  -  -  Fiber  zibethicus  ripensis.  —  Fiber  zibethicus  spatulus. 
Russische  Bisam:  Myogale  moschata. 

8.  Nutria 610 

Myopotamus  coypus. 

9.  Chinchilla  und  ihre  Verwandten       613 

Chinchilla  brevicaudata.  —  Chinchilla  boliviana.  —  Chinchilla  laniger. 
-  Lagotis  cuvieri. 
Viscacha:  Vicacia  vizcacha. 
Pampashase:  Dolichotfis  patagonica.  --  Aguti  dasyprocta  aguti. 

10.  Hamster 616 

Cricetus  vulgaris.  -  -  Cricetus  rufescens.  -  -  Cricetus  canescens.  — 
Cricetus  nehringii.  -  -  Cricetus  accedula.    •    -    Cricetus  nigricans.  - 
Cricetus  eversmani.    -  -   Cricetus  babylonicus.  -  -  Cricetulus  phaeus. 

11.  Lemming 617 

Myodes  lemmus.  X 

12.  Siebenschlafer 618 

Myoxus  glis.  —  Myoxus  italicus.  —  Myoxus  dryas.  —  Myoxus  inter- 
medrus.  -  -  Myoxus  pictus.  —  Myoxus  elegans. 


Inhaltsverzeichnis  des  zweiten  Bandes.  XIX 

Seite 

13.  Maulwurf 619 

Salpa  europaea. 

14.  Weisse  Hasen 620 

Europaische  und  asiatische:  Lepus  collinus.  --  Lepus  tsuchktschorum. 
—  Lepus  altaicus.  —  Lepus  gichiganis.  —  Lepus  darlecarlus.  —  Lepus 
hibernicus.  —  Lepus  lutescens.  —  Lepus  varronis.  —  Lepus  breviau- 
ritus.  --  Lepus  ainu. 

Amerikanische :    Lepus    arcticus.  Lepus    labradoricus.       -   Lepus 

campestris.  —  Lepus  virginianus.  —  Lepus  othus.  —  Lepus  padronus. 

-  Lepus  saliens.   —  Lepus  bishopii.   -  -  Lepus  klamathensis.   - 
Lepus  variabilis. 
Alpenhase:  Lepus  variabilis. 

15.  Hase •>    . •'.    ........   623 

Lepus  timidus. 

16.  Kaninchen ...    ....    .    .    ...   624 

Lepus  cuniculus.  -  -  Wildkaninchen.  —  Australisches  Kaninchen.  - 
Silberkaninchen.  —  Belgische  Riesen.  -  -  Franzosische  Widder.  - 
Hasenkaninchen.  Blue    and    tan.  Wiener    Kaninchen. 

Deutsche  Kaninchen.  —  Weisse  Kaninchen. 

XIV.  Die  Beuteltiere. 

1.  Schnabeltiere •    *    •    •    •    •"    •    ..*..*..   631 

Ornithorynchus  ananus  (platypus). 

2.  Kanguruh .    ........    ^   .    .    .   633 

Macropus  giganteus.  —  Macropus  rufus.  —  Macrobus  erubescens.  - 
Macropus  robustus.  --  Macropus  browni.      -  Macropus  brunei. 

3.  Wallaby /  *    •   634 

Rockwallaby:  Petrogale  xanthopus.  -  -  Petrogale  penicillata.  ' 
Bushwallaby :  Macropus  benettii.  -  -  Macropus  rufficolis. 

Sumpf wallaby :  Macropus  wallabatus. 

Andere  Wallaby:  Macropus  agilis.  —  Dorcopsis  luctuosa. 

4.  Opossum ../...    ...    *'.'•.•    •    •    »    •    •    •    •   635 

Phalangista  vulpecula.  —  Phalangista  vulpina.  —  Phalangista  fuligi- 

nosa.  —  Phalangista  maculatus. 
Ringtail:   Phalangista  cookii.  -  -  Phalangista  archeri.  -  -  Phalangista 

herbertensis. 
Fliegende  Oppossum:  Petaurus  australis.  -  -  Petaurus  breviceps.  — 

Dactylops  trivirgata. 
Beuteleichhorn :  Belideus  sciureus. 
Kanguruhratte :  Aesypognus  rufescens.   -       Phaseogale  penicillata. 

5.  Wombats  und  Beutelbaren 638 

Phascolartos  cinereus.  —  Phasiocolymus  wombat.  -  -  Phasiocolymus 
latifrons. 

II* 


Erster  Band 


::    Geschichte  des   :: 
Rauchwarenhandels 


Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter. 


.    I. 

Pelzhandel  im  Alterturn  und  Mittelalter. 

Zu  den  altesten  Gewerben  gehort  unstreitig  der  Pelzhandel,  war  doch 
in  grauester  Vorzeit  Pelzbekleidung  die  einzige,  die  unsere  Altvordern  kannten. 

Wahrend  des  eolithischen  Zeitalters  gingen  die  Menschen  hochstwahr- 
scheinlich  unbekleidet,  da  damals  noch  in  den  bewohnten  Gegenden  Europas 
ein  warmes  Klima  herrschte,  wie  die  gleichzeitigen  Reste  von  Elefanten  (nicht 
Mammut),  Nashorn,  Lowen,  Affen  etc.  zeigen.  Der  archeolithische  Mensch 
benutzte  die  Felle,  wenn  er  sie  uberhaupt  zur  Kleidung  benutzte,  jedenfalls 
ungegerbt,  da  unter  den  rohen  Artefakten.dieser  Periode  nichts  gefunden  ist, 
was  als  Schaber,  Nadeln  etc.  gedeutet  werden  kann.  1m  paleolithischen  Zeit- 
alter  treten  dann  wohl  derartige,  wenn  auch  hochst  unvollkommene  Werk- 
zeuge  auf,  wahrend  das  neolithische  Zeit alter,  der  Beginn  der  Kultur,  nicht 
nur  verschiedene  Sort  en  von  Feuersteinschabern  und  Messern  zur  Gerberei, 
sowie  Knochennadeln  etc.  zeigt,  sondern  es  auch  hochst  wahrscheinlich  er- 
scheinen  lasst,  dass  zu  dieser  Zeit  bereits  ein  Pelzhandel  existierte.  Schon  war 
<eine  Arbeitsteilung  eingetreten,  besonders  existierten  schon  Handwerker,  ja 
sogar  eine  Art  Fabriksbetrieb  zur  Anfertigung  von  Feuersteingeraten,  Waffen 
und  Tonwaren.  Da  man  aber  eine  Geldwirtschaft  noch  nicht  kannte,  so  ist 
es  hochst  wahrscheinlich,  dass  zur  Zahlung  Wildbret  und  Felle  verwendet  wurden 
und  dass  diese  Felle,  die  ja  iiber  den  eigenen  Bedarf  des  Fabrikanten  weit 
hinausgingen,  weiter  veraussert  wurden.  Spater,  im  Bronzezeitalter,  findet 
man  Pelzwerk  schon  als  Schmuck  verwendet,  da  ja  jetzt  schon  Wollen-  und 
Leinenstoffe  zur  Kleidung  verarbeitet  wurden. 

Bei  den  alten  Agyptern  finden  wir  die  Gerber  sehr  friih  erwahnt,  und 
bildeten  sie  in  Theben  bereits  eine  grosse  Gewerkschaft,  die  einen  ganzen 
Stadtteil  bewohnte.  Hier  wurden  ausser  Schaf-,  Esel-  und  Rindshauten  auch 
Lowen-  und  Leopardenfelle  zugerichtet.  Merkwiirdigerweise  standen  aber 
bei  den  Agyptern,  wie  noch  heute  bei  den  Japanern,  die  Gerber  und  Haute- 
handler  in  geringem  Ansehen. 

In  Griechenland  gab  es  auch  zahlreiche  Gerber,  die  Rauchwaren  zu- 
richteten;  so  werden  die  Helden  haufig  als  mit  Lowen-  und  Pantherfellen  ge- 
schmuckt  erwahnt.  Auch  die  alten  Babylonier  wussten  Pelzschmuck  zu 
schatzen,  und  die  Phonicier  brachten  von  ihren  Fahrten  nach  Britannien  zum 
Herbeischaffen  des  Zinns  und  zur  Ostseekiiste  zum  Herbeischaffen  des  Bern- 
steins  auch  kostbares  Pelzwerk  mit. 


I.   Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter. 


In  Rom  benutzte  man  auch  viel  Pelzwerk,  und  Casar  spricht  mehrfach 
von  Kaufleuten,  die  mit  den  Galliern  Pelzwerk  austauschten. 

Zur  Zeit  des  Tacitus  war  es  schon  in  Rom  zur  Modesache  geworden,  aus- 
landisches  Pelzwerk  zu  tragen.  Romische  Kaufleute  besorgten  edle  Felle  von 
den  fellbekleideten  Scythen,  welche  die  Steppen  des  siidlichen  Russlands  be- 
wohnten,  von  den  Parthern  Kleinasiens  und  namentlich  auch  aus  Germanien. 
Bei  vielen  romischen  Schriftstellern  finden  wir  Erwahnung  romischer  Kauf- 
leute, die  von  Koln,  Trier  und  anderen  romischen  Siedlungen  am  Limes,  dem 
romisch-germanischen  Grenzwall,  Germanien  durchstreiften  und  von  dort 
Baren-,  Wolfs-,  Wisent-,  Luchsfell  etc.,  sowie  auch  das  lange  Blondhaar  ger- 
manischer  Frauen  zum  Schmuck  der  romischen  Frauen  gegen  Bronzegerate, 
Waffen  und  gleissendes  Gold  eintauschten. 

Bei  den  Germanen  selbst  gait  Pelzwerk  als  vornehmster  Schmuck.  An- 
fanglich  geniigten  dazu  die  heimischen  Produkte,  aber  mit  dem  zunehmenden 
Luxus  wurden  auch  Rauchwaren  von  ausserhalb  eingefuhrt,  und  zwar  sowohl 
aus  dem  skandinavischen  Norden  wie  namentlich  aus  Russland  und  Polen. 
Zwischen  den  Germanen  und  ihren  slavischen  Grenznachbarn  fand  zwischen 
den  zahlreichen  Waffengangen  auch  ein  reger  Pelzhandel  statt,  und  von  nun 
an  gehort  neben  dem  roten  Golde  auch  fremdes  Rauchwerk  zum  Schmuck  des 
vornehmen  Mannes.  Mit  der  zunehmenden  Kultur  wuchs  dies  noch,  und  die 
Ritter  waren  immer  damit  geschmuckt.  Im  Nibelungenlied  tragt  Siegfried 
einen  Hut  von  Zobel,  den  Kocher  mit  Pantherfell  bezogen,  und  ein  Kleid  aus 
dem  Fell  eines  ,,Ludem",  wahrscheinlich  Luchs,  oder  vielleicht  Lowe,  denn 
das  ,,lichte  Rauchwerk  wirft  hellen  Schein".  Krimhild  riistet  auch  die  zu 
Hofe  ziehenden  Helden  mit  viel  Hermelin  aus,  und  die  Burgunder  trugen 
Kleider  aus  Hermelin  und  Zobel.  Noch  mehr  Pelzwerk  wird  im  ,,Parcival" 
Wolfram  von  Eschenbachs  erwahnt,  merkwiirdigerweise  aber  nur  Zobel  und 
Hermelin.  Die  Schilde  tragen  Anker  aus  Zobel-  oder  Hermelin-Fellen,  auch 
die  Panierfahnen  sind  von  solchen  geziert.  Die  Ruhelager  sind  mit  Decken 
aus  Zobelfellen  bedeckt,  Gamuret  tragt  einen  Schild  von  Hermelin  mit  ,,Zobel- 
fellen  weich  und  mild".  Auch  Hermelinbettdecken  werden  erwahnt. 

Parcival  erhalt  einen  Rock  mit  Hermelinfutter,  dessen  Saume  mit  grauem 
und  schwarzem  Zobel  geziert  sind. 

Auch  der  kranke  Amfortas  ist  ganz  in  Zobel  gekleidet: 

,,Ein  Pelzrock  und  ein  Mantel  lang, 
der  innen  und  aussen  Zobelfell, 
verbramt  erwarmend  ihn  umschlang; 
kostlich  reich  erglanzte  hell  und  schwarz 
selbst  der  geringste  Pelz. 
Von  gleichem  Pelzwerk,  teuer  gait, 
wollt  man  es  kaufen,  ein  Barett 
sein  Haupt  bedeckt  .  .  .  ." 


I.   Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter. 


Ausser  diesen  vornehmen  Fellen  wurde  aber  auch  viel  Harder,  Luchs  und 
namentlich  auch  Grauwerk  getragen.  Ja  selbst  Katzen-  und  Siebenschlafer- 
felle  wurden  verwendet. 

Eine  Kleiderordnung  Karls  des  Grossen  aus  dem  Jahre  808  bestimmt, 
dass  Mantel  mil  Marder-  oder  Otterfell  nicht  teurer  als  30  Sol  und  mit  Katzen- 
fell  nicht  teurer  als  10  Sol  verkauft  werden  diirften.  Ein  frankischer  Sol  1st 
der  spat  ere  Sou,  der  zwanzigste  Teil  eines  Livre  oder  Franken ;  und  wenn  auch 
der  Geldwert  damals  unendlich  niedriger  stand  als  heute,  diirften  doch  unsere 
Kiirschner  mit  derartigen  Vorschriften  kaum  zufrieden  gewesen  sein. 

Im  Jahre  983  wurde  dem  Stifte  zu  Meissen  der  Pelzzehnten  als  Kaiser- 
liche  Stiftung  iiberwiesen. 

Die  alteren  Urkunden  geben  nicht  an,  auf  welche  Weise  diese  auslandischen 
Fellsorten  nach  Deutschland  gebracht  wurden.  Erst  zur  Zeit  des  deutschen 
Ritterordens  wird  Thorn  als  ein  grosser  Umschlagplatz  erwahnt,  wo  die  Polen 
Grauwerk,  Zobel,  Hermelin,  Fiichse  etc.,  sowie  Honig und  Wachs  gegen  deutsche 
Tuche  und  sonstige  Fabrikate  verhandelten. 

Sehr  wohl  organisiert  war  der  Rauchwarenhandel  zur  Zeit  der  Hansa. 
Von  den  Kaufhausern  der  Hansa  in  Nowgorod  oder  Naugard,  wie  es  damals 
hiess,  in  Russland  und  Bergen  in  Norwegen  kamen  grosse  Rauchwaren- 
sendungen  nach  Liibek  und  Hamburg  und  wurden  von  hier  aus  nach 
dem  Stahlhof  in  London,  sowie  nach  Brugge,  Gent,  Genua  etc,  weiter  ver- 
frachtet. 

Auch  horen  wir,  dass  auf  dem  grossen  Heringsmarkt  in  Schonen,  wo  die 
Hansen  von  Konig  Waldemar  das  Alleinhandelsrecht  erhielten,  die  Nordlander 
auch  edle  Falken  und  kostbares  Pelzwerk  mitbrachten,  das  von  den  Liibeckern 
gern  gekauft  wurde.  England  deckte  damals  seinen  ganzen  Bedarf  an  Rauch- 
waren  durch  die  Hansa  in  London.  Erst  als  Hugh  Willoughby  zuerst  den 
direkten  Handel  mit  Nowgorod  eroffnet  hatte,  erhielt  die  Moskovy-Company 
auch  russische  Pelze  direkt.  Dies  war  aber  erst,  als  der  Stern  der  Hansa  schon 
im  Sinken  begriffen  war. 

In  England  gehorte  wie  in  Deutschland  Pelzkleidung  schon  fruh  zum 
allgemeinen  Schmuck  besonders  der  Wohlhabenden.  Die  Gilde  der  Skinner 
und  Furriers  ist  eine  der  altesten  bestehenden.  Schon  Edward  der  Dritte 
erliess  im  Jahre  1347  eine  Verordnung,  worin  er  genannter  Gilde  verschiedene 
Privilegien  bestatigte  und  zugleich  Vorschriften  fur  Pelzhandel  gab,  welche 
Betriigereien  verhindern  sollten. 

Spatere  Erlasse  bevorzugten  diese  Innung  vor  alien  andern  Gilden.  Es 
gehorten  derselben  iibrigens  ausser  den  Kiirschnern,  Ranch warenhandlern, 
Gerbern  und  Zurichtern  auch  merkwiirdigerweise  die  Advokaten  an.  Als 
Cromwell  nach  der  Eroberung  Irlands  die  dortigen  Landereien  an  den  Adel 
und  die  Gilden  verteilte,  fiel  die  Stadt  Londonderry  an  die  Skinner  und 
Furriers.  Die  samtlichen  Hauser  und  Liegenschaften  sind  noch  in  deren  Besitz 
und  sind  stets  auf  99  Jahre  in  Erbpacht  gegeben,  sind  nunmehr  also  bald 


g  i.   Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter. 

zum  vierten  Male  mit  alien  darauf  errichteten  Baulichkeiten  mit  weitaus 
erhohtem  Wert  an  die  Zunftgenossen  zurlickgef alien. 

Naheres  liber  die  weitere  Entwicklung  des  englischen  Pelzhandels  er- 
wahne  ich  in  einem  spateren  Kapitel. 

Trotz  des  Riickgangs  der  Hansa  war  aber  doch  der  Pelzhandel  mit  aus- 
landischem  Pelzwerk  in  einzelnen  der  Hansastadte  bedeutend  geblieben. 

So  erliess  der  Magistral  zu  L  li  b  e  c  k  im  Jahre  1603  eine  Verordnung, 
wonach : 

,,Soll  kein  Pelzwerk  oder  andere  Ware  einzeln  gekauft  werden.  Grauwerk 
soil  zu  50,  250  bis  1000  Stuck  gekauft  werden. 

Die  Marder,  von  denen  25  Stuck  zusammen  verkauft  werden  sollen, 
zuerst  sortiert,  jede  Art  besonders  get  an  und  dann  der  Handel  gemacht  werden." 

Auch  in  Hamburg  hat  sich  der  Rauchwarenhandel  seit  den  Tagen  der 
Hansa  erhalten,  namentlich  wurden  damals  hier  die  Produkte  Skandinaviens 
aufgespekhert,  wahrend  Glogau  und  Breslau  ebenso  wie  friiher  Thorn  Stapel- 
platze  der  russischen  und  polnischen  Rauchwaren  wurden. 

Die  Gilden  der  Klirschner  waren  in  Deutschland  sehr  alt.  Dieselben 
fuhrten  iibrigens  verschiedene  Namen.  Am  gebrauchlichsten  war  der  Name 
,,K6rsnar",  liber  dessen  Etymologic  die  verschiedensten  Ansichten  herrschen. 
Am  wahrscheinlichsten  kommt  derselbe  aber  von  dem  mittelhochdeutschen 
Wort  Kliren,  auswahlen  oder  sortieren,  das  sich  in  dieser  Bedeutung  noch 
beim  Turnen  erhalten  hat,  ,,Klirturnen",  so  wie  in  der  Form  ,,K6ren"  bei  der 
Viehzucht,  ,,Hengstkorschau",  bei  der  die  zur  Zucht  zugelassenen  Beschaler 
in  einem  Bezirk  gewahlt  werden. 

Ausser  dem  Gesamtnamen  ,,K6rsnar"  finden  sich  auch  die  Bezeichnungen 
,,Bundmacher  und  Pelzer",  die  haufig  zwei  verschiedene  Innungen  an  dem- 
selben  Platze  bildeten,  wobei  die  Bundmacher  sich  ausschliesslich  mit  dem 
Zusammenstellen  und  Anfertigen  von  Pelzfuttern  befassten. 

Erhalten  sind  diese  Namen  noch  heute  als  ,,Bundtmager"  in  Danemark, 
wahrend  sie  in  Schweden  meist  als  Korsnar  bezeichnet  werden.  In  alt  en 
Urkunden  findet  man  auch  die  Bezeichnung  ,,Skinnarone",  welches  dem 
deutschen  ,, Pelzer"  entspricht. 

Mit  dem  dreissigjahrigen  Kriege,  der  ja  Deutschland  aufs  ausserste  ver- 
wlistete  und  brach  legte,  ging  auch  sowohl  das  Klirschnerhandwerk  mit  den 
anderen  Kunsthandwerken  zurlick,  wie  auch  der  Rauchwarenhandel.  Fur 
lange  Zeit  war  im  verarmten  Deutscfiland  kein  Platz  fur  Luxusartikel. 

Hat  doch  erst  die  jlingste  Zeit  ein  Erstarken  des  Kunsthandwerks  auf 
demselben  Standpunkt  gesehen,  den  es  im  Jahre  1618  einnahm,  ehe  die  kaiser- 
lichen  Rate  Martinitz  und  Slawata  zu  Prag  den  verhangnisvollen  unfreiwilligen 
Sprung  auf  den  Misthaufen  machen  mussten,  der  die  Kriegsfurie  entfesselte. 

Noch  wahrend  der  Glanzzeit  der  Hans  abildeten  die  M  e  s  s  e  n  einen  wesent- 
lichen  Stlitzpunkt  des  Handels.  Ursprlinglich  kirchliche  Feste,  die  mit  be- 
stimmten  Wallfahrtszeiten  zusammenhingen,  und  bei  denen  Rosenkranze, 


i.   Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter. 


geweihtc  Gegenstande,  agnus  del,  Wachskerzen  etc!  verkauft  wurden,  boten 
die  damit  verbundenen  Menschenansammlungen  auch  anderen  Kaufleuten 
willkommene  Gelegenheit  zum  Absatz  ihrer  Waren,  anfanglich  nur  im  Einzel- 
verkauf,  dann  aber  auch  im  Grosstiandel.  Besonders  drei  grosse  Messenragten 
an  Bedeutung  liber  die  anderen  hervor,  Frankfurt  a.  M.,  Frankfurt  a.  O.  und 
Leipzig.  Die  Messe  in  Frankfurt  a.  M.  existiert  nicht  mehr,  die  Messe  in  Frank- 
furt a.  O.  ist  nur  noch  fur  den  Verkauf  deutscher  Landwaren,  d.  h>  Fiichse, 
Harder,  Iltis,  Otter,  Katzen,  sowie  Zickel  und  Lammfelle,  von  Bedeutung, 
und  von  Auslandern  kommen  nur  einige  polnische  und  galizische  Handler 
dorthin.  Das  ganze  Messgeschaft  spielt  sich  in  einem,  hochstens  in  zwei  Tagen 
ab.  Noch  vor  nicht  gar  zu  langer  Zeit  war  dies  aber  anders.  Nicht  nur  die 
Rauchwarenhandler  und  Kurschner  besuchten  die  Messe,  auch  Manufaktur- 
warenhandler,  Mantelfabrikanten  etc.  nahmen  ein  reges  Interesse  daran.  Noch 
vor  40  Jahren,  als  die  Eisenbahn  bereits  im  Gange  war,  besuchten  Berliner 
Kaufleute  mit  grossen  Frachtwagen  voll  Waren  diese  Messe,  und  ich  erinnere 
mich  aus  meiner  Kindheit,  noch  solche  Frachtwagen  mit  Plan  behangen 
von  der  Spandauer  Strasse  hochbeladen  abfahren  gesehen  zu  haben.  Der 
Messingbeschlag  der  Pferdegeschirre,  der  daneben  schreitende  Fuhrmann  in 
blauem  Kittel  und  der  nie  fehlende  bellende  Spitz  waxen  die  dazu  gehorigen 
unentbehrlichen  Requisiten. 

Von  ganz  anderer  Bedeutung  als  zu  dieser  Zeit  war  die  Messe  in  Frank- 
furt a.  O.  im  spaten  Mittelalter  und  im  16.  und  17.  Jahrhundert.  Die  Pfeffer- 
sacke  aus  Augsburg  und  Nurnberg,  sowie  aus  Liineburg,  Hamburg  und  Liibeck 
kamen  in  langen  Frachtziigen  an  und  wurden  unterwegs  oft  genug  trotz  des 
teuer  erkauf ten  Geleits  von  Reisigen  oder  Stadtknechten  von  Stegreif rittern 
iiber fallen  und  ausgeraubt.  So  mancher  Ritter  erwarb  hier  auf  billigen  Weg 
eine  neue  Pelzschaube  oder  ein  Schmuckstiick  fur  die  Eheliebste.  Wahrend 
-der  Wirren  des  falschen  Waldemars  in  der  Mark  spielte  der  Besitz  des  reichen 
Frankfurt  a.  O.  eine  grosse  Rolle.  Hauptlieferanten  des  Pelzwarenmarktes 
waren  auch  damals  schon  besonders  die  slawischen  Bewohner  des  wilden  Oder- 
bruches,  die  Wenden  des  Spreewaldes,  sowie  die  stammverwandten  Obotriten 
•des  seenreichen  Mecklenburg  und  die  wilden  Bewohner  der  Lausitz  und 
Pommerns.  Auch  Tetzel,  der  Ablasskramer,  predigte  auf  der  Frankfurter 
Messe  mit  reichem  Erfolg,  ehe  er  den  verhangnisvollen  Zug  nach  Jiiterbog 
antrat,  wo  ihm  in  den  Waldungen  des.hohen  Golms  der  edle  Stiilpe  von  Hake, 
•dessen  Burgruine  noch  heute  in  Kleinmachnow  bei  Berlin  wohlerhalten  ist, 
den  reichen  Frankfurter  Messerlos  abnahm. 

Damals  war  die  Bedeutung  Frankfurts  als  Messstadt  ungleich  grosser  als 
•die  Leipzigs. 

Wann  eigentlich  die  Griindung  der  Leipziger  Messe  stattfand,  habe  ich 
nicht  in  Erfahrung  bringen  konnen;  das  alteste  bekannte  Dokument,  das  sich 
mit  dem  Pelzhandel  auf  der  Leipziger  Messe  befasst,  ist  vom  i.  Januar  1600.  Es 
werden  ubrigens  wahrscheinlich  noch  andere  derartige  Dokumente  vorhanden 


JO  I.   Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter. 

sein ;  denn  die  Reglementierwut  der  verschiedenen  Magistrate  und  hohen  Rate 
damaliger  Zeit  iibertraf  noch  den  Furor  reglementosus  eines  preussischen 
Assessors,  der  kommissarisch  ein  Landratsamt  oder  eine  Kolonie  verwaltet. 
Natiirlich  befasst  sich  das  Dokument  mit  den  betriigerischen  Manipulationen 
gewissenloser  Rauchwarenhandler;  denn  damals  war  ebenso  wie  heute  die 
Ansicht  verbreitet,  dass  Rauchwarenhandler  und  Kiirschner  gern  der  Natur 
ins  Handwerk  pfuschten  und  sich  nicht  immer  von  unlauterem  Wettbetrieb 
fernhielten.  Enthalt  doch  auch  der  Charter  der  englischen  Skinnergilde, 
von  Edward  III.  im  Jahre  1327  erteilt,  das  ausdriickliche  Verbot,  ,,alte  Pelz- 
waren  fur  neue  zu  verkaufen".  AuchLiibeck  hatte,  wie  wir  im  vorigen  Artikel 
sahen,  ein  strenges  Verbot  gegen  betrugerische  Manipulationen  beim  Pelz- 
handel erlassen. 

Das  Leipziger  Dokument  lautet  wie  folgt:  ,,Nachdem  von  Frembden 
und  Einheimischen  zu  offtern  und  unterschiedlichen  malen  berichtet  und  ge- 
klaget  worden,  welcher  masen  von  etzlichen  vortheilhafftigen  und  eigen- 
niitzigen  Leuten  in  Verkauffung  und  Verhandlung  des  Rauchwerks  und  Wild- 
wahren  viel  und  mancherley  Betruch  -  -  Vortheil  und  Unordnung  gmeinen 
Nutz  zu  Nachtheil  geiibet  und  gebraucht  werde.  --  Derowegen  ein  Ehrbar 
Raht  alhier  und  vorschienen  94  Jahre  offentlich  man  data  publiciren  und 
anschlagen  und  manniglich  zu  ernst  und  bey  angesatzter  Straff  dafiir  vor- 
warnen  lassen  --  und  aber  jetzo  widerumb  dergleichen  von  ganz  beschwer- 
lichen  Klagen  an  gedachten  Raht  gelangen  darneben  auch  der  geubte  und 
befundene  Betrug  —  in  den  Rauchwahren  augenscheinlich  fiirgelegt  und  fiir- 
gezeigt  worden.  Als  in  dahero  ein  Ehrbar  Raht  aus  obligendem  Amte  zu 
erhaltung  und  beforderung  der  Commerzien  und  auff  das  nach  heilsamer 
Verordnung  der  Rechte  und  des  heiligen  Reiches  Satzungen  alle  vorsetzliche 
bef ortheilung  und  betrug  un  Kauf  f  en  und  verkauf ften  soviel  immer  zu  bestehen 
moglich  —  desfals  abgewendet  und  vorkommen  werden  moge  —  bewogen  und 
verursacht  worden  angeregtes  voriges  Mandat  widerumbt  zu  ornewren  und 
zu  publiciren  und  sollen  demnach  alle  die jenigen  welche  Rauchwergk  und 
Wildwahren  zu  fuhren  und  darmit  zu  handels  pflegen  -  -  hiermit  nochmals 
ernstlich  erinnert  und  vermahnet  werden  —  dass  sie  solches  Rauchwergk  und 
Wildwahren  es  sei  an  was  Gattung  und  Art  es  wolle,  ein  jedes  besonders  ge- 
bunden  —  gesondert  auf  guten  Trawen  und  glauben  wie  vor  Alters  als  untadel- 
haft  und  onnvorfalscht  Kaufmanns-ehrung  vorhandeln  vorkauffen  liefern  und 
also  gewehren  —  die  gering  Wahren  und  Sorten  unter  die  besten  und  mittel- 
guten  nicht  vorstecken,  sortiren  —  verbunden  und  in  gleicher  Wahrung  hin- 
schlagen  und  verkauffen  —  sondern  wie  oben  verhiirt  —  die  Besten  —  Mittel 
und  Bracwahren  ein  jedes  in  seinen  Banden  onwruckt  gesondert  verhandeln  — - 
auch  die  halben  Stuck wergk  oder  was  schadhaftig  —  verbrandt  faul  —  durch 
Wasser  oder  sonsten  verderbet  aus  den  Banden  absondern  und  in  ihrem  Warth 
verkauffen  wollen  —  damit  sich  ein  jeder  Kauffer  mit  den  Einkauffen  danach 
richten  —  wir  denn  auch  gleicher  Gestalt  diejenigen  welche  mit  zugerichteten 


I.   Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter.  II 

Fellwergke  anhero  handeln  —  keine  Stiirbling  oder  andre  schadhafte  Stiicke 
unter  dieselben  Decher  einschieben  —  und  dem  guten  gleich  verkauffen  und 
verhandeln  und  verhandeln  wollen.  wurde  aber  jemandes  wer  dis  auch  sey 
dawieder  handeln  und  dessen  oberfiihret  und  iiberwiesen  werden  —  der  oder 
dieselben  sollen  nicht  allein  solche  vermengete  oder  auch  ontuchtige  Wahren 
einem  Erbaren  Rahte  allhier  unnachlasslich  vorf alien  sein  --  sondern  auch 
noch  ober  das  befindung  des  geubten  Betruges  in  ernste  Straff  genommen 
werden  -  -  welches  also  zu  manniglichs  Wissenschaft  hiermit  nochmahls  zu 
publiciren  befohlen  worden  —  damit  ein  jeder  Kauffer  und  verkauffer  sich 
danach  zu  richten  und  vor  schaden  und  straff e  zu  hiiten  habe  zu  verkunden 
und  der  Stadt  Seer,  besiegelt  geschehen  den  ersten  Januarii  1600."  — 

Es  war  hier  schon  davon  die  Rede,  dass  neben  dem  Rauchwarenhandel 
die  Kiirschnerei  in  Deutschland  ziemlich  friih  zu  hoher  Bliite  gelangte.  So  finden 
wir  z.  B.  unter  den  vorhandenen  alten  Urkunden  der  Stadt  Berlin  die 
Griindungsurkunde  der  Berliner  Kirschnerzunft  vom  Jahre  1286.  Mit 
dem  Machtzuwachs  der  Ziinfte  iiberhaupt  wuchs  auch  die  Macht  der  Kiirschner- 
zunft,  und  neben  ihnen  entwickelte  sich  auch  seit  dem  14.  Jahrhundert  die 
Gesellenbruderschaften,  die  in  jeder  Stadt  unter  einem  Altgesellen  standen 
und  ebenfalls  festgefugte  Verbande  darstellten,  die  auch  mit  den  gleichartigen 
Gesellenverbindungen  anderer  Stadte  in  enger  Verbindung  standen.  Wirt- 
schaftliche  Fragen  gab  es  damals  weniger,  da  die  Gesellen,  ebenso  wie  die 
Lehrlinge,  Wohnung  und  Kost  mit  dem  Meister  teilten,  was  erst  in  neuester 
Zeit  aufgehort  hat.  Hauptstreitpunkte  bildeten  vielmehr  die  Schwierigkeiten, 
die  den  Gesellen  haufig  bei  dem  Versuch  der  Meisterwerdung  gemacht  wurden, 
da  viele  Kurschnerinnungen,  um  der  Uberhandnahme  der  .Konkurrenz  zu 
begegnen,  dem  Meisterwerden  der  Gesellen  allerhand  Hindernisse  bereiteten 
und  andererseits  die  Meistersohne  vielfach  bevorzugt  wurden.  Zahlreiche 
Urkunden  und  Kiirfurstliche  Erlasse  bezeugen  hinreichend  den  fortwahrenden 
Kampf  der  Kiirschnerzunft  um  ihre  Privilegien  und  Monopolstellung  ge- 
geniiber  Aussenstehenden.  Es  ist  hier  aber  nicht  die  Stelle  ausfuhrlich 
iiber  die  Geschichte  des  Kiirschnerhandwerks  und  der  Kurschnerinnungen 
zu  sprechen,  wiewohl  auch  hierfiir  reiches  Material  vorliegt.  . 

Auch  in  den  Deutschland  benachbarten  Landern  treffen  wir  friihzeitig 
auf  eine  Bliite  der  Kiirschnerei,  besonders  in  Osterreich. 

Schon  aus  dem  10.  und  u.  Jahrhundert  horen  wir  von  zahlreichen 
Kiirschnern,  die  auch  sevcy  bily,  Weissnaher,  benannt  werden,  in  Bohmen, 
und  bereits  1362  horen  wir,  dass  die  Kiirschner  Prags  gemeinsame  Verkaufs- 
laden  eingerichtet  haben,  in  denen  allein  der  Verkauf  fertiger  Kiirschnerwaren 
stattfinden  durfte,  und  dass  die  Zunft  auch  den  gemeinsamen  Einkauf  von 
Rohmaterial  fur  ihre  Mitglieder  unternahm.  Grade  Prag  gehorte  auch  zu  den 
Stapelplatzen  des  Rauchwarenhandels  in  slavischen  Landern,  wohin  die 
Produkte  des  Landes  zum  Verkauf  kamen.  Ausser  Fiichsen,  Mardern,  Wieseln, 
Siebenschlafern,  Wolfen  und  Baren  waren  es  namentlich  Biber,  die  sowohl 


i.   Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter. 


an  den  Zufliissen  der  Donau  wie  der  Elbe  und  Moldau.recht  zahlreich  hausten. 
Auch  Nerze  mogen  aus  den  Sumpfwaldungen,  Rohr-  und  Erlenbruchen.  haufig 
an  den  Markt  gekommen  sein.  Luchse  und  Wildkatzen  waren  zahlreich,  und 
durch  Vermittlung  polnischer  Handler  werden  wohl  Zobel,  Hermelin  und  Feh 
aus  Asien  zugefuhrt  worden  sein. 

Auch  in  Wien  finden  wir  bereits  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  eine 
Kiirschnerzunft,  oder  wie  sie  damals  dort  hiess,  Wildwerkerzunft. 

Ungarn,  wo  von  jeher  Pelzwaren  zur  Nationaltracht  gehort  haben,  nahm 
natiirlich  eine  fuhrende  Rolle  ein,  und  gehorten  dort  die  Kiirschner  zu  den 
wenigen  einheimischen  Handwerken,  wahrend  die  Mehrzahl  der  anderen  Hand- 
werke  von  den  eingewanderten  Deutschen,  den  Schwaben  und  Sachsen,  be- 
trieben  wurden. 

Wahrscheinlich  lag  auch  der  Handel  mil  dem  Rohmaterial  dort  vielfach 
in  magyarischen  Handen,  denn  wir  horen  nichts  davon,  dass  die  weitverbreitete 
Hansa  auch  mit  Ungarn  Handelsverbindung  hatte.  Nur  von  Breslau  und 
Glogau  wird  in  spaterer  Zeit  auch  von  Lieferungen  nach  Ungarn  berichtet. 
Stand  doch  Schlesien  von  altersher  gerade  mit  Ungarn  in  enger  Geschafts- 
verbindung,  wie  jain  Breslau  noch  heute  haufig  der  Ungarwein  dem  Rhein- 
wein  vorgezogen. 

Ziinfte  wurden  hier  in  Ungarn  aber  erst  verhaltnismassig  spat  begriindet, 
da  es  eine  Weile  dauerte,  bis  die  von  den  eingewanderten  Handwerkern  ein-- 
.gefiihrten  Organisationen  allgemein  festen  Boden  gefunden  hatten.  Die  alteste 
bekannte  Urkunde,  die  sich  auf  Griindung  einer  ungarischen  Kiirschnerzunft 
bezieht,  stammt  aus  dem  Ende  des  funfzehnt  en  Jahrhunderts. 

In  England  lag  der  Pelzhandel  bis  zum  Erlass  der  Cromwellschen  Navi- 
.gationsakte  vorzugsweise  in  den  Handen  der  Hansa,  die  vom  Stahlhof  in  London 
aus  iiberhaupt  den  ganzen  englischen  Handel  beherrschte.  Zwar  brachten 
schon  die  Expeditionen  der  Cabots  1496  und  1497,  sowie  der  verschiedenen 
englisch-portugiesischen  Handelsgesellschaften,  die  wir  in  dem  Artikel  Ge- 
schichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika  ausfuhrlich  behandelt  hatten, 
direkt  Pelzwerk  auf  den  Londoner  Markt,  doch  war  dies  sehr  unbedeutend,  bis 
endlich  Richard  Chancellor,  der  einzig  iiberlebende  Fuhrer  der  Expedition  des 
ungliicklichen  Hugh  Willoughby,  1553  die  Miindung  der  Dwina  und  von  dort 
den  Hof  des  Zaren  in  Nowgorod  erreichte.  Nach  seiner  Riickkehr  wurde  dann 
die  Muskowy  Compagny  in  London  errichtet,  welche  der  Hansa  im  russischen 
Handel  eine  gewaltige  Konkurrenz  bereitete  und  die  vielbegehrten  russischen 
Felle,  ebenso  wie  Talg,  Teer  etc.  direkt  nach  England  brachte,  ohne  dass  die- 
selben  wie  bisher  durch  den  Zwischengewinn  der  Hansastadte  Lubeck  oder 
Hamburg  verteuert  waren. 

VonFrankreich,  namentlich  von  St.  Malo,  LaRochelle  und  Diinkirchen  aus, 
waren  noch  viele  amerikanische  Felle  nach  England  gelangt,  bis  die  Griindung 
der,,Hudsons  Bay  Company"  dem  ein  Ende  machte.  Der  Geschichte  dieses 
-amerikanischen  Pelzhandel  seien  somit  die  nachfolgenden  Kapitel  gewidmet. 


II. 

Geschichte  des  Rauchwarenhandels 
in  Nordamerika. 


II. 

Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

1.  Kapitel. 

Die  Geschichte  des  Rauchwarenhandels  ist  in  Amerika  mit  der  Ent- 
deckungsgeschichte  identisch,  denn  die  raeisten  Fahrten  wurden  zur  Erlangung 
des  hochgeschatzten  Pelzwerks  unternommen,  gerade  wie  die  Fahrten  nach 
den  siidlicheren  Teilen  des  Kontinents  dem  Golde  gait  en. 

Die  Entdeckungsgeschichte  des  Landes  reicht  nun  aber  bekanntlich  weit 
vor  Columbus  zuriick.  Zwar  die  Besetzung  Floridas  durch  die  Irlander  im 
neunten  Jahrhundert,  von  denen  die  Irlander  Are  Marson,  Biorne  Ashbrandson 
und  Gudlaf  Gudlaugson  erzahlen,  welche  das  Land  sogar  als  ,,Irland  it  mikla", 
Grossirland,  bezeichneten,  ist  etwas  sagenhaft.  Dagegen  bringen  die  Sagas 
und  Landnammas  Islands  geschichtlich  verbiirgte  Aufzeichnungen  iiber  die 
Fahrten  der  Normannen  nach  dem  grossen  westlichen  Kontinent. 

Entdeckt  wurde  das  Land  durch  den  Wikinger  Biarne  Heriulf- 
s  o  n  ,  der  durch  Sturm  dahin  verschlagen  wurde,  ehe  er  den  Sitz  seines 
Vaters  Heriulfness  in  Gronland  erreichte. 

Seine  Erzahlung  veranlasste  auch  Leif,  den  Sohn  Eric  Raudas,  des  Ent- 
deckers  Gronlands,  von  Brattalid,  der  Hauptstadt  Gronlands  aus  ein  Schiff 
auszuriisten  und  nach  dem  Westen  zu  segeln  mit  35  tapfern  Gefahrten, 
darunter  auch  ein  Deutscher  namens  Tyrker. 

Nach  schneller  Fahrt  erreichte  das  scharfgeschnabelte  Drachenschiff  das 
Land  des  Biaerne.  Eine  unwirtliche  Kiiste  bot  sich  den  Blicken  dar.  Weite 
ode  Sumpfflachen  wechselten  mit  zerkliifteten  Gletschern  und  nackten  Felsen 
(Hella)  ab,  an  deren  Fusse  sich  die  Brandung  donnernd  brach.  Die  Abenteurer 
nannten  das  Land  deshalb  Helluland  ,,Felsland"  (das  heutige  Labrador)  und 
setzten  die  Fahrt  nach  Siiden  fort.  Hier  wurde  die  Gegend  besser.  Feiner 
weisser  Sand  bedeckte  den  Strand,  und  machtige  blauschimmernde  Waldung 
dehnte  sich  bis  in  unabsehbare  Fernen.  Das  Land  wurde  Markland  (Wald- 
land)  benannt  und  gilt  als  das  heutige  Neuschottland. 

Endlich  wurde  noch  weiter  siidlich  ein  zusagendes  Gebiet  gefunden.  An 
einer  weit  en,  von  Hiigeln  umgebenen  Bucht,  deren  Eingang  eine  dicht  be- 
waldete  Insel  schiitzte  (das  heutige  Rhodeisland) ,  wurde  eine  Ansiedlung 
,,Leifsbydir"  gegriindet. 


i6 


IT.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


In  den  Waldern  der  Umgegend  fand  der  Rheinlander  Tyrker  reife  Trauben, 
aus  denen  er  Wein  kelterte,  so  dass  sich  die  edlen  Normannen  wackere  Rausche 
antrinken  konnten. 

Den  Winter  iiber  rastete  man  in  ,,Vinland"  und  kehrte  im  Friihjahr  nach 
Brattalid  zuriick,  das  Schiff  reich  beladen  mit  Holz,  Wein  und  den  Fellen  er- 
legter  Tiere.  Die  reiche  Beute  veranlasste  im  Jahre  1002  den  Bruder  Leifs, 
den  Thorwaldsen  Ericson,  gleich falls?  -mit  50  Mannen  auf  dem  Schiffe  Leifs, 
das  damals  das  einzige  in  Gronland  gewesen  zu  sein  scheint,  nach  Vinland  zu 
.segeln.  .1  „.;.. 

Hier  wurde  an  einem  waldbedeckten  Vorgebirge  ,,Kialarness"  das  Lager 
aufgeschlagen.  Hier  trafen  die  Normannen  zum  ersten  Male  mit  den  Einge- 


Wickinger  Schiff  auf  der  Fahrt  nach  Amerika. 

borenen  des  Landes  zusammen,  Drei  lederne  Kanoes  brachten  neun  kleine 
Gestalten,  augenscheinlich  Eskimos,  die  von  den  Normannen  Skraelingn 
(Zwerge)  genannt  warden.  Ein  lebhafter  Tauschhandel  mit  Fellen  entspann 
sich,  aber  bei  einem  Streit  erschlugen  die  Normannen  acht  der  Ankommlinge, 
der  neunte  entkam  und  verbreitete  den  Alarm.  Von  alien  Seiten  stromten 
die  kleinen  Gesellen  in  ihren  Lederbooten  herbei  und  richteten  einen  solchen 
Pfeilhagel  gegen  das  Schiff,  dass  die  Wikinger  schleunigst  den  Anker  lichteten. 
Thorwald  selbst  wurde  todlich  verletzt  und  auf  seinen  Wunsch  auf  einem 
hohen  Vorgebirge  begraben,  das  weithin  die  blaue  See  beherrscht.  Ein  grosses 
Kreuz  ward  ihm  zu  Haupten  errichtgt  und  das  Kap  ,,Krossanes"  genannt,  das 
heutige  Kap  Cross. 

Die  Uberlebenden  brachten  die  Trauerkunde  nach  Gronland,  wo  Thorstein 
Ericson  mit  seinem  Weib  Gudrude  beschloss,  die  Gebeine  des  Bruders  heim- 


i.  Kapitel. 


zuholen.  Allein  diesmal  war  das  Gliick  nicht  hold.  Den  ganzen  Sommer  wurde 
das  Schiff  auf  unbekannten  Meeren  umhergetrieben,  bis  es  endlich  gelang, 
Westerbyg  auf  Westgronland  zu  erreichen,  wo  Thorstein  starb.  Die  Vinland- 
fahrten  ruhten  bis  1006. 

Da  kamen  nach  langer  Pause  wieder  Fahrzeuge  aus  dem  Auslande  nach 
Gronland.  Das  eine  gehorte  dem  reichen  Thorfinne,  genannt  Karlsefne  (zu 
Gfossem  bestimmt)  und  seinem  Freunde,  dem  Snorre  Thorbrandson.  Der 
andere  Meerdrache  gehorte  dem  Biarne  Grimalfson  von  Breidefiord  und 
Thorhall  Gamlason  von  Austfiodir. 

Thorfinne  verliebte  sich  in  die  Gudride,  die  Witwe  Thorsteins,  die  ihm 
ihre  Hand  unter  der  Bedingung  reichte,  dass  die  unterbrochene  Vinlandfahrt 
wieder  aufgenommen  wurde. 

Mil  allgemeinem  Jubel  beschlossen  die  Nordlandsrecken  die  Fahrt,  der 
sich  noch  ein  drittes  Schiff  anschloss,  dem  Vater  des  Gudride  Thorfiom  gehorig, 
unter  Befehl  des  Thorvard,  Gemahl  der  Freidise,  Tochter  Eric  Raudas. 

1 60  kiihne  Segelbriider  bildeten  die  Besatzung,  die  mit  allem  zur  An- 
siedlung  Notwendigen  versehen  war,  selbst  Hausvieh.  Uber  Wester  by  gd  und 
Biarney  (Disco- Insel)  fahrend,  wurde  die  Kiiste  Markland  erreicht  unterhalb 
Kiarness. 

Zwei  schottische  Schnellaufer,  Hake  und  Hekla,  durcheilten  das  Land 
und  brachten  Proben  wilden  Getreides  und  Trauben  an  Bord.  Doch  man  fuhr 
weiter  sudlich  und  machte  an  einem  breiten  Strom,  dem  heutigen  Hudson,  Halt. 

Hier  eilten  die  Eingeborenen  in  Scharen  herbei  und  tauschten  Felle  von 
Zobel,  Biber  und  Nerz  gegen  kleine  Stiicke  rot  en  Tuchs. 

Wahrend  des  Winters  gebar  Gudride  den  ersten  amerikanischen  Burger 
weissen  Blutes,  der  den  Namen  Snorre  Thorfinnson  erhielt.  Im  Friihjahr 
kamen  aber  wieder  Streitigkeiten  mit  den  Eingeborenen.  Thorbrandson  fiel, 
und  nur  der  Tapferkeit  Karlsefnes  und  der  an  seiner  Seite  fechtenden  Freidise 
gelang  es,  die  Normannen  auf  die  Schiffe  zu  bringen. 

Man  fuhr  nordlich  nach  einer  von  briitenden  Eidergansen  erfullten  Bucht 
Stromfiords,  wo  zwei  Winter  verbracht  wurden. 

Dann  trat  man  die  Heimreise  an,  wobei  aber  zwei  Schiffe  verloren  ginger 
Nur  Karlsefne  gelang  mit  seinem  Schiffe  nach  Eriksfiord  in  Gronland,. 
wohin  er  zwei  Skrellingskinder  mitbrachte.  Aus  dem  Erstaunen,  mit  dem 
diese  betrachtet  wurden,  geht  hervor,  dass  die  Eskimos  damals  Gronland 
noch  nicht  erreicht  hatten. 

Erst  ion  wurde  wieder  eine  Gronlandfahrt  von  den  Norwegern  Helge 
und  Finboge  unternommen.  An  Bord  befand  sich  auch  Freidise  mit  ihrem 
Gemahl,  die  in  Leifsbydir  aus  Gewinnsucht  die  beiden  Norweger  ermordeten, 
und  dann  mit  ihrer  so  reichen  Ladung  von  Fellen,  Maserholz  und  allerlei 
soviel  anderen  Schatzen  beladen,  wie  noch  nie  ein  Vinlandsfahrer  vorher, 
nach  Norwegen  fuhren. 

Ein  liibischer  Kaufmann  erwarb  die  ganze  Ladung  zu  hohem  Preise. 

2 


18 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


Sebastian  Cabot. 


Dies  ist  die  letzte,  durch  Aufzeichnungen  verburgte 
Reise  nach  Vinland.  Zwar  sollen  noch  spater 
regelmassige  Fahrten  dorthin  gemacht  und 
in  Leifsbydir  eine  feste  Ansiedlung  ge- 
griindet  sein,  wie  auch  noch  1127  eine 
Reise  des  Bischofs  Erics  von  Austerbygd 
nach  Leifsbydir  erwahnt  wird,  aber  durch 
die  Isolierung  der  gronlandischen  An- 
siedelungen  und  ihre  Zerstorung  durch  die 
Eskimos  im  13.  Jahrhundert  sind  alle 
weiteren  Aufzeichnungen  verloren  ge- 
gangen. 

Die  Fahrten  der  nachstfolgenden  Jahr- 
hunderte,  wie  dieReisen  der  Gebriider  Zeno 
um  das  Jahr  1390  und  des  polnischen  Piloten 
Johannes  Kolno,  der  1476  bis  zur  Hudsonstrasse 
vorgedrungen  sein  soil,  sind  historisch  nicht  genau 
erweisbar. 

Das  eigentliche  Zeitalter  der  Entdeckungen  fur 
Nordamerika  beginnt  mit  der  Fahrt  des  in  Bristol  lebenden  Giovanni  Caboto 
oder  John  Cabot,  der  in  Handelsverbindungen  mit  Island  stand  und  hier  wohl 
manches  liber  die  Lander  im  Westen  erfahren  hatte.  Er  segelte  im  Jahre  1494 
mit  seinem  Sohne  Sebastian  im  Schiffe  ,,The  Mathew"  von  Bristol  aus  und 
beriihrte  am  24.  Juli  das  Festland  Amerikas  an  einem  Punkt,  den  er  Prima 
Terra  Vista  nannte  und  landete  dann  auf  einer  Insel  St.  Juan.  Die  letztere 
wird  gewohnlich  fur  Neufundland  gehalten,  ist  aber,  wie  aus  dem  1540  ver- 
offentlichten  Planisphere  Sebastian  Cabots  deutlich  zu  sehen  ist,  eine  der 
Prinz  Edwards-Inseln  und  das  Festland  das  heutige  Neuschottland,  so  dass 
Cabot  die  Prioritat  der  Entdeckung  Amerikas  vor  Columbus  gebiihrt. 

Cabot  erhiclt  nun  von  Konig  Heinrich  dem  Achten  von  England  ein 
Patent  zur  Besitzergreifung  der  entdeckten  Lander  und  das  Handelsmonopol 
in  denselben.  Der  Konig  beteiligte  sich  selbst  an  dem  Unternehmen,  indem  er 
ftinf  Schiffe  dazu  hergab  und  sich  den  dritten  Teil  des  Gewinns  vorbehielt. 
Wahrend  der  Vorbereitungen  der  Expedition  starb  John  Cabot,  und  sein 
Sohn  Sebastian  trat  an  seine  Stelle.  Im  Jahre  1496  pflanztc  er  in  dem  neu- 
entdeckten  Eldorado  Englands  Banner  von  St.  George  zugleich  mit  dem  Lowen 
von  San  Marco  auf  und  kehrte  dann  zuriick.  Im  nachsten  Jahre  ging  er  mit 
einer  Flotte  von  sechs  Schiffen  von  je  200  Tonnen  wieder  in  See.  An  Bord 
befanden  sich  300  Kolonisten  und  eine  Menge  Handelswaren  zum  Eintausch 
von  Pelzwerk.  Auf  dieser  Fahrt  wurde  er  aber  in  58  Grad  nordlicher  Breite  vom 
Treibeis  erfasst  und  weit  nach  Siiden  getrieben.  Als  der  Proviant  auf 
die  Neige  ging,  musste  er  unverrichteter  Sache  nach  England  zuriickkehren. 
Hier  lehnte  der  Konig,  der  durch  die  in  Schottland  ausgebrochenen  Unruhen 


i.   Kapitel. 


geniigend  in  Anspruch  genommen  war,  eine  weitere  Teilnahme  an  dem  Unter^ 
nehmen  ab,  weshalb  Cabot  in  spanische  Dienste  trat  und  fur  diese  nach  Siid- 
amerika  ging. 

Die  Entdeckungen  hatten  aber  die  Aufmerksamkeit  der  damals  zur  See 
so  riihrigen  Portugiesen  erregt.  Im  Auftrage  des  Konigs  Immanuel  ging 
Caspar  Cortoreale,  der  Sohn  eines  franzosischen  Edelmanns  Marquis  da  Costa, 
im  Jahre  1500  nach  dem  hohen  Norden,  um  dort  neue  Entdeckungen  zu 
rnachen. 

Er  entdeckte  den  San  Lorenzstrom,  den  er  Rio  Nevado  und  Labrador, 
welches  er  Tera  verde  nannte.  Auf  der  Weiterfahrt  im  nachsten  Jahre  gelangte 
er  bis  zur  spateren  Frobisherstrasse.  Hier  trennte  ein  Sturm  die  Schiffe.  Eins 
der  Caravellen  gelangte  nach  Lissabon  zuriick,  Cortoreale  blieb  aber  verschollen. 
Sein  Bruder  Miguel  unternahm  es  im  nachsten  Jahre,  ihn  zu  suchen  und  ge- 
langte mit  drei  Caravellen  bis  in  die  spater  nach  Hudson  genannte  Strasse, 
hier  ging  er  aber  mit  seinem  Schiff  unter,  wahrend  die  Begleitschiffe  nach  dem 
Heimatshafen  zuriickkehrten. 

Bei  der  Unternehmungslust  der  damaligen  Zeit  fanden  sich  bald  Leute, 
welche  die  Entdeckungen  kommerziell  ausnutzen  wollten.  So  vereinigten  sich 
im  Jahre  1501  in  London  die  portugiesischen  Kaufleute  Joan  Goncalvez, 
Joan  und  Francez  Fernandez  mit  den  Bristoler  Rhedern  Richard  Warde> 
Thomas  Ashehurst  und  John  Thomas  zur  Ausbeutung  der  Cabotschen  Ent- 
deckungen und  bildeten  wohl  die  erste  englische  Gesellschaft  fur  iiberseeischen 
Handel.  Verschiedene  Reisen  wurden  unternommen,  namentlich  zum  Betrieb 
des  Pelzhandels,  des  Walfischfangs  und  zum  Fang  der  Kabeljaus  (Baccallaos) , 
von  deren  ungeheuren  Schwarmen  Cabot  berichtet  hatte.  Im  nachsten  Jahre 
zogen  sich  Joan  Fernandez  und  Richard  Warde  zuriick  und  Hugh  Elliot  iiber- 
nahm  ihre  Anteile. 

Bis  zum  Jahre  1506  unternahm  die  Gesellschaft  regelmassige  Fahrten 
nach  Amerika,  dann  loste  sich  dieselbe  aus  unbekannten  Griinden  auf.  Die 
Portugiesen  unternahmen  iibrigens  noch  wahrend  der  nachsten  50  Jahre  Ent- 
deckungs-  und  Handelsreisen  an  der  amerikanischen  Kiiste,  doch  wurden 
deren  Resultate  sehr  geheim  gehalten;  aus  den  Karten  der  damaligen  Zeit, 
von  Gerard  Mercator,  Abraham  Ortelius,  Hessel  Geritz  etc.,  ersieht  man  aber, 
dass  man  vielfach  Kenntniss  dieser  Kiisten  hatte. 

Der  Ruf  von  dem  gewaltigen  Fischreichtum  der  durch  Cabot  entdeckten 
Neufundlandbanke  verbreitete  sich  schnell  und  bereits  1504  bedeckten  grosse 
Flotten  baskischer  und  bretonischer  Fischer  die  reichen  Fischgriinde.  Bereits 
1506  veroffentlichten  der  Kapitan  Jean  Denys  von  Honfleur  und  der  Pilot 
Comart  nach  ihrer  Riickkehr  eine  Karte  dieser  Teile  Amerikas,  und  der  Spanier 
Velasco  befuhr  1508  den  Lorenzstrom  auf  eine  Lange  von  200  Leguas.  Im 
selben  Jahre  brachte  auch  Kapitan  Aubert  von  Dieppe  in  der  Bark  ,,La  Pensee" 
eine  Anzahl  franzosi^cher  Auswanderer  nach  dem  San  Lorenz,  konnte  indessen 
nicht  landen.  Ebenso  schlug  ein  1518  unternommener  Versuch  des  Baron 

2* 


2o  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

de  Lery,  diese  unwirtlichen  Gestade  zu  kolonisieren,  fehl.  Eingetretener 
Wassermangel  zwang  ihn,  die  mitgenommenen  Haustiere  auf  der  oden  Isle 
de  Sable  auszusetzen  und  nach  Hause  zuriickzukehren. 

Auch  Franz  I.  wollte  sich  an  den  Amerika-Fahrten  beteiligen  und  sandte 
den  Florentiner  Jean  Verazzano  1524  mit  einer  Flotte  von  vier  Schiffen  aus, 
Dieselben  litten  aber  befeits  auf  den  Desiertas  bei  Madeira  Schiffbruch,  und 
Verazzano  musste  die  Reise  in  dem  kleinen  Fahrzeug  ,,Le  Dauphin"  von 
50  Tonnen  Gehalt  antreten.  Er  erreichte  das  amerikanische  Festland  in  34  Grad 
nordlicher  Breite  und  fuhr  in  nordlicher  Richtung  die  Kiiste  entlang.  Als  Ein- 
geborene  sichtbar  wurden,  schwamm  ein  Matrose  hinuber.  Durch  die  Brandung 
betaubt,  wurde  er  von  den  Wilden  gerettet,  verpflegt  und  mit  Pelzwerk  reich 
beschenkt  an  Bord  gebracht.  Zum  Dank  raubte  Verrazano  am  nachsten  Tage 
einen  achtjahrigen  Knaben  und  wunderte  sich  ganz  naiv  uber  das  Wehklagen 
der  Mutter.  Weiterhin  entdeckte  er  den  Hudsonsriver,  Rhode  Island  und  Naran- 
gasett.  Von  dieser  Insel,  die  er  mit  der  Insel  Rhodes  verglich,  lieferte  er  eine 
genaue  Beschreibung  und  hob  namentlich  die  helle  Farbe  ihrer  Bewohner 
hervor.  (Sono  di  colore  bianchissimi  alcuni  pendono  piu  iu  bianchizza,  ma 
altri  iu  colore  flavo.)  Wahrscheinlich  existierten  zu  dieser  Zeit  hier  noch  Nach- 
kommen  der  Normannen.  Bis  zum  50.  Grad  setzte  er  noch  seine  Reise  fort, 
dann  kehrte  er  seiner  mangelhaften  Ausriistung  halber  nach  Dieppe  zuriick. 
Verazzano  schloss  sich  iibrigens  bald  darauf  einer  Expedition  an,  welche  auf 
Anstiften  des  Bristoler  Kaufmanns  und  Kosmographen  Robert  Thome  unter- 
nommen  wurde.  AnBord  der  beidenSchiffe,, Sampson  und  Mary" und,, Dominus 
vobiscum"  unter  dem  Kommando  Jean  Rats  befand  sich  ausser  Verazzano^ 
auch  der  Kanonikus  der  St.  Paulskirche,  ein  grosser  Mathematiker.  Die  Ex- 
pedition kehrte  im  Herbst  des  Jahres,  ohne  besondere  Entdeckungen  gemacht 
zu  haben,  zuriick,  doch  soil  Verazzano  an  der  amerikanischen  Kiiste  von 
Indianern  getotet  worden  sein. 


II. 
Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

2.    K  api  t  el. 

Zunachst  nahmen  nun  die  europaischen  Verwicklungen,  namentlich  die 
Kriege  mit  Karl  V.,  die  Aufmerksamkeit  der  Franzosen  in.  Anspruch,  und 
erst  1534  gelang  es  dem  Grossadmiral  Philippe  Chabot,  Comte  de  Burensais, 
•den  Konig  Franz  I.  fur  weitere  uberseeische  Unternehmungen  zu  erwarmen. 
Einem  kundigen  Seemann,  Jacques  Cartier,  wurden  zwei  kleine  Fahrzeuge 
von  je  60  Tonnen  Gehalt  und  61  Mann  Besatzung  anvertraut,  mit  denen  er 
am  20.  April  1534  San  Malp  verliess  und  nach  schneller  Fahrt  Mitte  Mai  Kap 
Bonne  Viste  auf  Neufundland  erreichte.  Das  schneebedeckte  Land  lud  aber 
nicht  zum  Bleiben  ein,  er  kreuzte  daher  bis  zum  Eintreten  milder  Witterung 
an  der  Kuste  zwischen  Baye  de  Chaleurs  und  Port  St.  Catharin.  Hier  er- 
handelte  er  eine  voile  Ladung  Pelzwerk,  nahm  zwei  Indianer  an  Bord  und 
kehrte  dann,  nachdem  er  namens  der  allerchristlichsten  Majestat  Besitz  vom 
Lande  ergriffen,  nach  Frankreich  zuriick,  wo  er  Anfang  September  eintraf. 
Die  Ladung  Felle  ergab  einen  sehr  bedeutenden  Gewinn. 

Den  Hauptteil  der  Ladung  bildeten  Biber-,  Otter-  und  Z  o  b  e  1  - 
f  e  1 1  e.  Dieser  Erfolg  ermutigte  zu  weiteren  Unternehmungen.  Durch  die 
machtige  Fiirsprache  des  Vizeadmirals  Charles  Moux  Sieur  de  la  Malleraye 
erhielt  Cartier  weitgehende  Privilegien,  sowie  drei  wohlausgeriistete  Schiffe. 
Es  waren  dies  die  ,, Grande  Hermine"  von  100  Tons  unter  Kommando  Claude 
•de  Pondbriand,  dann  die  ,, Petit  Hermine"  von  60  Tons  unter  Mace  Calobert 
und  drittens  ,,L'emerillon"  von  40  Tons  unter  Guilleaume  le  Breton.  Am 
19.  Mai  verliess  die  Expedition  St.  Malo  und  lief,  nachdem  erst  die  bekannten 
Inseln  ,,Du  blanc  Sablon"  und  St.  Marthe,  sowie  eine  unbekannte,  dicht  be- 
waldete  Kuste  beriihrt  war,  am  12.  August  in  den  St.  Lorenz-Busen  ein,  wo 
es  Cartier  gelang,  dieMiindung  des  ,,grande  fleuve  du  royaulme  de  Saguenay" 
zu  finden.  Saguenay  wurde  das  bergige  Hochland  in  der  Nahe  der  Miindung 
von  den  Eingeborenen  genannt,  wahrend  die  Provinz  Kanada  23  Lieues 
(i  Lieue  ist  ca.  2%  Kilometer)  weiter  stromaufwarts  begann. 

Mit  Hilfe  der  friiher  mitgefuhrten  beiden  Indianer  Taiguogay  und 
Domagaya  wurde  ein  freundschaftlicher  Verkehr  mit  den  Eingeborenen  er- 
offnet,  die  reichlich  Felle  zum  Tauschhandel  herbeibrachten. 

Eine  Niederlassung  wurde  in  Stadacona  am  St.  Croix-Flusse  errichtet. 
Hier  erhielt  Cartier  zuerst  Nachricht  von  der  weiter  oberhalb  am  grossen  Strom 
gelegenen  grossen  Kulturstatte  Hochelaga  und  beschloss,  trotz  aller  dagegen 
gerichteten  Bemiihungen  der  Kiistenindianer,  diese  geheimnisvolle  Statte  zu 


22  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

besuchen.  Der  Bericht,  den  uns  Cartier  iiber  diesen  Besuch  geliefert,  beweist, 
dass  damals  hier  oben  im  Norden,  an  der  Statte  des  heutigen  Montreal,  wirk- 
lich  ein  ackerbautreibendes  Kulturvolk,  ahnlich  den  Natchez,  den  Azteken 
und  Tolteken  im  Siiden,  am  untern  Mississippi,  in  Mexiko  und  Arizona,  hier 
oben  im  Norden  seinen  Wohnsitz  hatte.  Wenige  Jahrzehnte  spater  waren  diese 
Siedlungen  indessen  dem  Ansturm  neu  eingewanderter  Jagervolker  erlegen 
und  ihre  Spuren  verschwunden. 

Am  19.  September  fuhr  Cartier  in  der  kleinen  Gallion  ^Emerillon" 
mit  zwei  Barken  stromaufwarts,  begleitet  von  samtlichen  Edelleuten  der 
Expedition  und  50  Matrosen.  Die  Ufer  des  machtigen  Stromes  waren  ab- 
wechselnd  bedeckt  mit  blaulich  schimmernden  Waldern  und  weiten,  frucht- 
baren  Strecken,  auf  denen  Mais  und  traubenschwere  Reben  gepflanzt  waren. 
Am  19.  Oktober  erreichte  man  Hochelaga.  Eine  weit  iiber  1000  Kopfe  zahlende 
Menschenmenge  erwartete  die  Reisenden  und  warf  ihnen  als  Begriissung  Brot 
und  Fische  in  die  Boote.  Der  Weg  in  die  Stadt,  den  Cartier  mit  nur  wenigen 
Begleitern  antrat,  fuhrte  durch  gut  bestandene  Felder  von  Mais,  Erbsen, 
Bohnen,  Gurken  und  Sonnenblumen.  Die  ziemlich  umfangreiche,  kreisformig 
gebaute  Stadt  war  mit  einer  dreifachen  Pallisadenreihe  umgeben  und  besass 
nur  einen  Eingang.  Auf  einer  ringsherum  laufenden  Galerie  lagen  machtige  Fels- 
blocke  bereit,  um  auf  etwa  anstiirmende  Feinde  herabgeschleudert  zu  werden. 

Im  Innern  befanden  sich  etwa  50  Hauser,  jedes  ca.  100  Fuss  lang  und 
30  Fuss  breit,  aus  Holz  erbaut  und  mit  Rinde  gedeckt.  Jedes  derselben  enthielt 
eine  grosse  Zahl  Kammern,  die  sich  um  eine  gemeinsame  Halle  gruppierten, 
in  der  stets  ein  Feuer  brannte.  Vor  den  Toren  wurden  die  Fremdlinge  von 
einer  grossen  Volksmenge  erwartet,  und  im  Triumph  nach  einem  grossen, 
freien  Platze  geleitet,  wo  sie  neben  dem  Konige  auf  schon  gearbeiteten  Matt  en 
Platz  nahmen  und  aufs  beste  bewirtet  wurden.  Dann  wurden  ihnen  Quartiere 
angewiesen.  Alle  Kranken  der  Umgegend  stromten  herbei,  um  von  den  wunder- 
baren  Weissen  Heilung  zu  erbitten.  Auch  erzahlte  der  Konig  von  den  Gegenden 
im  Siiden,  wobei  natiirlich  die  ublichen  Reisesagen  von  Menschen  mit  Hunde- 
k  op  fen  und  solchen  mit  so  langen  Ohren,  dass  sie  solche  als  Matratzen  benutzten, 
unterliefen. 

Cartier  bestieg  auch  den  neben  Hochelaga  belegenen  hohen  Berg,  den  er 
Montroyal  benannte,  und  von  dem  er  einen  weiten  Rundblick  genoss,  von  den 
Katarakten  des  Stromes  (jetzt  Lachine)  bis  zu  den  fernen  Bergketten  von 
Saguenay,  die  Gold,  Silber  und  Kupfer  in  ihrem  Schosse  bergen  sollten.  Des 
eintretenden  Winters  halber  wurde  die  Riickreise  nach  dem  Hauptlager  schnell 
angetreten,  und  auf  der  Talfahrt  noch  Riviere  de  Fouez  (Troisrivieres)  entdeckt. 

Bald  nach  dem  Beziehen  der  Winterquartiere  brach  unter  den  Franzosen 
eine  bis  dahin  unbekannte  Krankheit  aus  (der  Skorbut).  Samtliche  Franzosen 
erkrankten,  25  starben,  und  der  Rest  wurde  nur  durch  indianische  Heilmittel 
gerettet.  Jm  Friihjahr  wurden  die  Schiffe  in  Stand  gesetzt  und  die  Heimreise 
angetreten,  wobei  Domacona  und  mehrere  seiner  Leute  durch  List  und  Gewalt 


2.   Kapitel.  23 


mitgeschleppt  wurden.  Dieselben  sollten  die  Heimat  me  wiedersehen,  da  sie 
1539  bald  dem  urigewohnten  Klima  in  Europa  erlagen.  Auch  diesmal  war  die 
Ausbeute  der  Reise  an  Fellen  eine  sehr  reiche,  doch  wurde  Cartier  jetzt  infolge 
von  Intriguen  das  wohlerworbene  Patent  entzogen. 

Im  Jahre  1540  ward  dagegen  der  Seigneur  Jean  Francois  de  la  Roque, 
Sieur  de  Roberval  et  Cottonmeal,  zum  Statthalter  der  neuentdeckten  Lander 
,,Kanada,  Hochelaga,  Saguenay"  und  der  grossenBai  von  Norrumegue  ernannt. 

Eine  Kolonisation  im  grossen  Stile  sollte  unternommen  werden.  Der 
Konig  steuerte  aus  seiner  Privatschatulle  45  ooo  Livres  bei  und  gestattete, 
dass  50  Straflinge  aus  den  Gefangnissen  fur  die  Expedition  verwendet  werden 
durften,  mit  Ausnahme  von  Majestatsverbrechern  und  Falschmiinzern.  Jaques 
Cartier  wurde  zum  Admiral  und  Piloten  der  Unternehmung  ernannt  und  mit 
5  Schiffen  vorausgesandt,  um  in  St.  Croix  eine  Kolonie  zu  griinden,  wahrend 
Roberval  selbst  nachfolgen  wollte.  Der  wieder  ausgebrochene  Krieg  hielt  ihn 
jedoch  bis  1542  in  Frankreich  zuriick,  und  bei  der  Ausreise  traf  er  Cartier 
bereits  auf  der  Riickkehr,  da  Hunger,  Krankheiten  und  Feindseligkeiten  der 
gereizten  Indianer  die  Auflosung  der  Kolonie  veranlasst  hatten.  Infolge  dieser 
Feindseligkeit  war  die  Pelzausbeute  auch  nur  eine  verhaltnismassig  geringe. 

Roberval  errichtete  ein  Fort  am  Kap  Breton  und  sandte  seinen  Piloten 
Alphons  de  Xaintonge  mit  einem  Schiff  zur  weiteren  Untersuchung  der  Kiiste 
ab.  Dieser  besuchte  Labrador  und  Neufundland  und  kehrte  von  dort  direkt 
nach  Frankreich  zuriick.  Roberval  fuhr  im  Friihjahr  mit  8  Booten  und 
70  Mann  den  Saguenay  hinauf  und  blieb  verschollen.  Erst  mehr  als  300  Jahre 
spater  wurde  das  Dunkel,  das  iiber  seinem  Verschwinden  schwebte,  gelost. 

Im  Jahre  1860  fand  der  Reverend  Price  in  der  Wildnis  am  Mistassini- 
See,  auf  der  Grenze  zwischen  Labrador  und  East  Maine,  die  Reste  eines  alten 
franzosischen  Forts  mit  zwei  kleinen  Geschiitzen.  Aus  den  verwitterten  In- 
schriften  der  Grabsteine,  die  noch  die  Zahl  154  erkennen  liessen,  ging  deutlich 
hervor,  dass  hier  die  Reste  jener  Expedition  ruhten. 

In  Frankreich  hatte  sich  besonders  auf  Colignis  Betreiben  die  Aus- 
wanderung  und  Kolonisation  mehr  nach  dem  sonnigen  Brasilien  und  nach 
Florida  (das  sich  damals  fast  bis  zur  Mississippi-Miindung  erstreckte)  gewendet. 

Der  Handel  hatte  aber  Kanada  keineswegs  aufgegeben.  Cartier  selbst 
hatte  noch  mehrere  Fahrten  des  Pelzhandels  halber  dorthin  unternommen, 
und  dann  seine  Nefferi  De  la  Jaunaye  Chaton  und  Jaques  Noel  am  Geschaft 
beteiligt.  Diese  gaben  dem  Unternehmen  einen  grossartigen  Aufschwung, 
aber  auch  die  Konkurrenz  blieb  nicht  aus,  und  die  Eifersucht  der  einzelnen 
Pelzhandler  wurde  so  stark,  dass  auf  den  einsamen  Fluten  des  Lorenzstromes 
sich  ordentliche  Schlachten  zwischen  den  Schiffen  der  verschiedenen  Unter- 
nehmungen  abspielten,  und  mehrere  Barken  mit  reicher  Ladung  verbrannt 
wurden. 

Um  diesem  gesetzlosen  Zustande  ein  Ende  zu  machen,  bewarben  sich  die 
Erben  der  inzwischen  verstorbenen  Cartier  um  die  Erneuerung  des  diesem 


•24  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

verliehenen  Patents,  indem  sie  sich  erboten,  das  Land  auf  eigne  Kosten  zu 
kolonisieren.  Es  wurde  ihnen  gnadigst  bewilligt,  und  1588  erhielten  sie  sogar 
noch  1638  Livres  zuriickvergiitet,  welche  die  Regierung  C artier  schuldete. 
Aber  ein  konigliches  Wort  war  damals  in  Frankreich  eine  sehr  unsichere 
Sache,  um  Handelsunternehmungen  darauf  zu  begriinden.  Die  Kaufleute 
von  St.  Malo  wussten  das  Herz  einer  geldbediirftigen  Rammer frau  zu  riihren, 
und  das  Cartiersche  Monopol  wurde  nach  Jahresfrist  wieder  aufgehoben. 
Es  half  dies  aber  den  Kaufleuten  genannter  Hafenstadt  nicht  auf  lange, 
denn  ein  Handel  ohne  Monopol  und  Zollschranken  erschien  damals  ganz 
unmoglich. 

1598  erhielt  deshalb  der  Marquis  de  la  Roche,  ein  Sohn  des  verschollenen, 
Graf  en  Roberval,  alle  Privilegien  seines  Vaters  von  neuem  bestatigt.  Aber 
auch  er  wurde  vom  Ungliick  verfolgt.  Er  warb  eine  Anzahl  Kolonisten  an, 
die  er  einstweilen  auf  der  Isle  de  Sable  zuriickliess,  wahrend  er  mit  dem  Schiffe 
eine  Rekognoszierung  zur  Auffindung  eines  geeigneten  Ansiedlungsplatzes 
machte.  Hierbei  wurde  er  von  heftigen  Stiirmen  bis  nach  Frankreich  zuriick- 
verschlagen,  geriet  hier  auf  das  Gebiet  des  Herzogs  von  Mericourt,  der  mit 
Heinrich  IV.  in  Fehde  lag,  Roche  gefangen  setzte  und  5  Jahre  in  enger  Haft 
hielt.  Nach  seiner  Freilassung  bewog  er  den  Monarchen,  ein  Kriegsschiff  abzu- 
senden,  um  die  unglucklichen  Kolonisten  von  Isle  de  Sable  abholen  zu  lassen. 
Es  wurden  indessen  nur  noch  12  von  den  40  lebend  vorgefunden,  die  sich 
durch  das  Erlegen  des  80  Jahre  friiher  vom  Graf  en  Lery  hier  zuruckgelassenen 
Viehs  ernahrt  hatten,  welches,  verwildert,  sich  ziemlich  gut  gehalten  hatte. 

Einer  der  bedeutendsten  Kaufleute  von  St.  Malo,  der  lange  selbst  Pelz- 
handel  in  Kanada  betrieben  hatte,  Sieur  Pontgrave,  verband  sich  mit  dem  bei 
Hofe  sehr  einflussreichen  Marinekapitan  Chauvin  und  erhielt  das  so  oft  erteilte 
Privilegium  zum  Alleinhandel  in  Kanada  und  Acadie  (Neuschottland) .  Chauvin 
selbst  ging  mit  einer  kleinen  Expedition  nach  Tadoussac  am  Saguenay,  das 
sich  inzwischen  zum  Hauptemporium  des  Pelzhandels  aufgeschwungen  hatte, 
wo  er  indessen  bald  nach  der  Ankunft  starb.  Sein  Rechtsnachfolger  wurde 
der  Gouverneur  von  Dieppe,  De  Chaste,  der  in  Gemeinschaft  mit  Pontgrave 
den  ganzen  Handel  in  neue  Bahnen  lenkte,  indem  er  die  erste  Pelzhandels- 
Gesellschaft  griindete,  unter  dem  Namen  ,,Compagnie  des  Marchands  de 
Rouen",  woran  sich  die  meisten  Kaufleute  von  Rouen  und  St.  Malo,  sowie 
eine  grosse  Anzahl  Edelleute  beteiligten.  Eine  grosse  Expedition,  bestehend 
aus  zahlreichen  Barken  von  10  bis  18  Tons,  ging  nach  Kanada  unter  Befehl 
eines  bewahrten  Seemanns,  Champlain,  und  drang  den  St.  Lorenzstrom  bis 
zum  Sault  de  St.  Louis  hinauf.  De  Chaste  erlebte  die  Riickkehr  der  mit  Fellen 
reich  beladenen  Barken  nicht,  und  das  Wanderprivilegium  wurde  an  Pierre 
de  Guast,  Sieur  de  Monts,  verliehen. 

Mit  ihm  beginnt  die  Kolonisation  Kanadas  grossere  Di- 
mensionen  anzunehmen.  Zunachst  vergrosserte  er  dieCompagnie  des  Marchands 
de  Rouen  durch  Hinzutritt  der  Kaufleute  von  La  Rochelle.  Dann  fiihrte  er 


2.   Kapitel.  25 


selbst  eine  Flotte  von  fiinf  Schiffen  mit  zahlreichen  Ansiedlern  und  Edelleuten 
nach  Acadie,  um  eine  Kolonie  zu  griinden,  wahrend  Champlain  wieder  nach 
Tadoussac  ging.  Er  machte  auch  Ernst  mit  der  Wahrnehmung  aller  Rechte, 
•die  ihm  das  Privilegium  verlieh.  Er  konfiszierte  Schiff  und  Ladung  eines 
Kapitans  Rossignol  aus  Havre,  der  an  der  Kiiste  mit  den  Indianern  Pelzhandel 
trieb,  wahrend  ein  anderes  Schiff  der  Kompagnie  in  Port  des  Champseaux 
vier  baskische  Fahrzeuge  wegnahm. 

Einer  seiner  Begleiter,  der  Baron  Poutrincourt,  Hess  sich  den 
schonen  Hafen  Port  Royal  schenken,  wahrend  De  Monts  ein  starkes  Fort  in 
Isle  St.  Croix  errichtete;  Poutrincourt  eilte  nach  Frankreich  zuriick,  umLebens- 
mittel  und  Verstarkungen  herbeizuholen.  Inzwischen  brach  unter  den  Zuriick- 
.gebliebenen  die  Pest  des  Nordens,  der  Skorbut,  aus,  dem  36  der  Ansiedler 
erlagen.  Vierzig  andere  Schwererkrankte  genasen  erst  mit  Eintritt  des  Friih- 
lings.  Am  15.  Juni  1605  traf  Pontgrave  mit  40  Gefahrten  ein,  um  De  Monts 
.abzulosen,  dem  es  alsbald  in  Frankreich  gelang,  in  Gemeinschaft  mit  Poutrin- 
court eine  grossere  Expedition  auszuriisten,  die  am  26.  Juli  1606  im  Schiffe  ,,Le 
Jonas"  Port  Royal  erreichte.  An  Bord  befand  sich  auch  der  Pariser  Advokat 
Lescarbot,  dem  wir  eine  eingehende  Schilderung  und  Geschichte  von  Kanada 
und  Acadie  (Neuschottland)  verdanken.  Die  umsichtige  Beihilfe  dieses  hoch- 
.gebildeten  Mannes  trug  viel  zum  wirtschaftlichen  Aufschwunge  der  jungen 
Kolonie  bei. 

In  Frankreich  hatte  inzwischen  wieder  das  alte  Intriguenspiel  begonnen. 
Den  Kaufleuten  von  St.  Malo  war  es  durch  den  Einfluss  einiger  Hofdamen 
.gelungen,  die  Aufhebung  des  De  Montschen  Privilegiums  durchzusetzen. 
Hierdurch  schon  ins  Wanken  gebracht,  brach  die  Gesellschaft  unter  einem 
neuen  unerwarteten  Schlage  zusammen.  Die  Hollander  hatten  sich  der  ganzen 
in  Tadoussac  zur  Einschiffung  bereitliegenden  Pelzausbeute  des  Jahres  be- 
machtigt.  Die  Niederlassung  in  Port  Royal  musste  nun  aus  Geldmangel  auf- 
:gegeben  werden.  Der  unermudliche  De  Monts  liess  aber  den  Mut  nicht  sinken. 
Er  eilte  nach  Frankreich,  wo  es  ihm  gelang,  das  Patent  auf  ein  Jahr  verlangert 
zu  erhalten  und  auch  drei  kleine  Schiffe  auszusenden,  die  unter  Champlains 
Kommando  bei  dem  kleinen  Flecken  ,,Kebec"  am  ,, Riviere  de  Canada"  eine 
Niederlassung  griindeten.  Diese  nachmals  so  beriihmte  Statte  empfing  hier 
gleich  die  Bluttaufe.  Ein  Normanne,  Jehan  de  Val,  der  eine  Verschworung 
angezettelt  hatte,  erlitt  nebst  drei  Gefahrten  den  Tod  durch  Henkershand. 
Auch  diese  Ansiedlung  blieb  von  dem  Wiirgeengel,  dem  Skorbut,  nicht  ver- 
schont.  28  Ansiedler  erlagen  im  ersten  Winter.  Jetzt  aber  ereignete  sich 
eine  scheinbar  geringfugige  Sache,  die  indessen  von  den  weittragendsten 
Folgen  war. 

Die  Algonkin-Indianer,  welche  die  Kiiste  bewohnten,  die  Hauptpelz- 
lieferanten  der  Franzosen,  lagen  seit  undenklichen  Zeiten  mit  den  weiter  im 
Innern  wohnenden  Irokesen  im  Streit.  Diese,  zur  damaligen  Zeit  vorwiegend 
Ackerbau  treibend,  waren  nichtsdestoweniger  eine  kriegerische  Nation,  und 


26  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

hatten  die  Angriffe  der  Algonkins  nicht  nur  blutig  zuriickgewiesen,  sondern 
waren  ihrerseits  angriffsweise  vorgegangen  und  hatten  die  Algonkins  stark 
bedrangt.  Letztere  wandten  sich  mit  der  Bitte  um  Hilfe  an  Champlain,  die 
bereitwilligst  zugestanden  wurde.  Champlain  selbst  schloss  sich  mit  zwolf 
Franzosen  dem  in  zahlreichen  Kanoes  unternommenen  Rachezuge  an.  Auf 
dem  Wasserwege  erreichte  man  den  Lac  des  Iroqois  (den  Huronensee),  an 
dessen  Ufern  sich  die  Dorfer  der  Irokesen  hinzogen,  umgeben  von  wohl- 
bestellten  Feldern  von  Sonnenblumen  und  Mais.  Der  Uberfall  gelang,  und 
die  Arkebusen  der  Franzosen  richteten  furchtbare  Verheerungen  unter  den 
Irokesen  an,  die  schliesslich  in  die  Flucht  geschlagen  wurden.  Ihre  Dorfer 
und  Felder  gingen  in  Flammen  auf.  Champlain  kehrte  im  Triumph  nach 
Quebec  zuriick,  nicht  ahnend,  dass  er  durch  sein  Vorgehen  einen  Jahrhunderte 
lang  dauernden  Rachekrieg  entfesselt  habe,  der  seinen  Nachfolgern  noch  viel 
zu  schaffen  machen  sollte. 

Die  Irokesen  gaben  den  Ackerbau  auf,  wurden  ein  Krieger-  und  Jager- 
volk  und  waren  bis  zur  Eroberung  des  Landes  die  erbittertsten  Feinde  der 
Franzosen.  Jetzt  freilich  sieht  man  nur  einige  wenige  herabgekornmene 
Epigonen  der  stolzen  roten  Krieger  in  Kanada  ihr  Leben  muhsam  durch  Korb- 
flechten  und  Kleinhandel  mit  Kuriositaten  fristen. 

Durch  die  ganzliche  Freigabe  des  Handels  im  Jahre  1610  wurde  De  Monts,. 
dessen  ganzer  Geschaftsbetrieb  sich  auf  das  Monopol  stiitzte,  gezwungen,. 
sich  zuriickzuziehen.  Champlain  indessen,  der  1611  auf  der  Statte  des  alten 
Hochelaga  ein  Pelzhandelsfort  ,,Mont  Real"  errichtet  hatte,  mochte  seine 
Schopfungen  nicht  dem  Verfall  aussetzen,  brachte  mit  Hilfe  der  Kaufleute 
von  St.  Malo  und  Rouen  eine  neue  Kompagnie  zusammen,  deren  Schutz  zu- 
gleich  mit  der  Statthalterschaft  von  Kanada  Prinz  Charles  von  Bourbon 
iibernahm,  wahrend  Champlain  tatsachlicher  Gouverneur  war. 

Nach  dem  schon  1612  erfolgten  Tode  des  Prinzen  trat  Prinz  Conde  an 
seine  Stelle,  die  Gesellschaft  aber  nahm  nun  einen  grossen  Aufschwung. 
1616  erhielt  sie  indessen  einen  unliebsamen  Konkurrenten  in  einer  von  dem 
Kaufmann  Thomas  Poree  gegriindeten  Pelzhandelsgesellschaft.  Ein  freier, 
friedlicher  Handelswettkampf  war  aber  auf  die  Dauer  im  Zeitalter  der  Handels- 
monopole  undenklich. 

Getreu  der  damaligen  Volkswirtschaft  suchte  jeder  ein  bestimmtes  Gebiet 
hermetisch  abzuschliessen  und  aufs  Griindlichste  auszusaugen.  Heftige  Streitig- 
keiten  zwischen  den  Konkurrenten  konnten  daher  nicht  ausbleiben.  Der 
Admiral  Montmorenci,  der  1620  die  Statthalterschaft  von  Kanada  und  die 
Prasidentschaft  der  Handelsgesellschaft  vom  Prinzen  Conde  fiir  no  ooo  ecus 
(a  5  Franks)  gekauft  hatte,  versuchte  alles,  um  die  regsame  Poreekompagnie 
zu  unterdriicken  und  schreckte  auch  vor  Gewalt  nicht  zuriick. 

Er  wurde  deshalb  auch  verklagt,  doch  war  sein  Einfluss  bei  Hofe  zu 
machtig.  Er  setzte  es  bereits  1621  durch,  dass  ein  Konigliches  Dekret  wieder 
die  Handelsfreiheit  aufhob  und  die  Montmorencische  Gesellschaft  das  Allein- 


2.   Kapitel.  27 


handelsrecht  erhielt.  Es  wurde  jedoch  alien  Franzosen  das  Recht  zugestandenf 
sich  dieser  Gesellschaft  anzuschliessen,  wahrend  Poree  10  ooo  Livres  als 
Entschadigung  erhielt. 

Er  ubernahm  sofort  mit  einem  Associe  fiinf  Sechstel  aller  Anteile  der 
Montmorenci-Kompagnie. 

1625  verkaufte  Montmorenci  die  Statthalterschaft  an  seinen  Neffen, 
Henry  de  Levy,  Due  de  Ventadour.  Dieser,  ein  sehr  frommer  Herr,  dem  das 
Seelenheil  seiner  Schutzbefohlenen  sehr  am  Herzen  lag,  sandte  ihnen  zahllose 
Missionare,  dem  Orden  der  Freres  Recollets  angehorig,  bekummerte  sich  aber 
um  die  materielle  Entwicklung  der  Kolonie  gar  nicht.  Nur  die  Energie 
Champlains  vermochte  sie  vor  ganzlichem  Verfall  zu  retten.  Endlich  wandte 
er  sich  um  Hilfe  an  Richelieu.  Dieser  grosse  Staatsmann,  der  die  Wichtig- 
keit  der  Kolonien  fur  das  Mutterland  voll  erkannte,  durch  Hofeinflusse  ge- 
bunden  aber  nicht  direkt  einschreiten  durfte,  veranlasste  die  Griindung  einer 
grossen  kapitalkraftigen  Gesellschaft,  die  mit  machtigen  Privilegien  ausge- 
stattet  wurde.  Sie  bestand  aus  103  Mitgliedern,  an  deren  Spitze  Richelieu, 
der  Marschall  d'Effiat,  Admiral  Bazilli  und  Champlain  standen.  Das  Ge- 
sellschaftskapital  belief  sich  auf  100  ooo  ecus  (a  6  Livres),  fur  damalige  Zeit 
eine  gewaltige  Summe. 

Nach  ihrer  Mitgliederzahl  empfing  sie  den  Namen  ,,Compagnie  des  Cent 
associes"  und  erhielt  vom  Konig  die  Besitzrechte  von  Nouvelle  France  und 
Florida,  mit  dem  Monopol  des  Pelzhandels  in  diesen  Gebieten  ,,auf  ewige 
Zeit  en"  und  dem  sonstigen  Alleinhandel  zur  See  und  zu  Lande  auf  15  Jahre 
und  die  Zollfreiheit  in  Frankreich  fiir  7  Jahre. 

Die  neue  Gesellschaft  sandte  im  ersten  Jahre  300  Handwerker  nach 
Kanada  und  verpflichtete  sich,  innerhalb  15  Jahre  4000  dort  anzusiedeln. 
Die  Kolonie  nahm  einen  recht  erfreulichen  Fortgang,  bis  sie  einen  Zusammen- 
stoss  mit  England  hatte. 

Poutrincourt  war  es  namlich  1610  gelungen,  sich  mit  zwei  Reedern  von 
Dieppe,  Dujardin  und  Duquesne,  zu  verbinden,  welche  die  Mittel  zur  Anlegung 
einer  Kolonie  in  Port  Royal  hergaben  und  eine  Menge  Ansiedler  hinuber- 
sandten.  Poutrincourt,  der  als  Pelzkaufer  viele  Freunde  unter  den  Indianern 
besass,  griindete  dort  eine  Mission:  pour  Teglise  de  la  nouvelle  France. 

Die  Jesuiten,  welche  hier  einen  neuen  Wirkungskreis  erkannten,  sandten 
sofort  zwei  Ordensbriider,  Pater  Biard  und  Pater  Masse,  nach  Dieppe, 
wo  ihnen  indessen  die  hugenottischen  Reeder  Duquesne  und  Dujardin  die 
Erlaubnis  zum  Einschiffen  verweigerten. 

Der  Orden  kaufte  ihnen  daraufhin  ihren  Anteil  an  der  Unternehmung 
mit  40  ooo  Livres  ab,  und  eine  gleiche  Summe  lieh  die  Marquise  de  Guercheville, 
die  ganz  in  der  Hand  der  Jesuiten  war,  dem  Poutrincourt  zur  Ausdehnung 
seiner  Handelsunternehmungen.  Biard  und  Masse  gingen  nach  Port  Royal, 
wo  sie  bald  Zwietracht  saten.  Im  nachsten  Jahre  kiindigte  die  Marquise 
plotzlich  dem  Poutrincourt  das  Darlehen,  und  da  er  das  Geld,  welches  in  den 


28  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels   in  Nordamerika. 

Anlagen  fest  steckte,  nicht  gleich  zahlen  konnte,  wurde  er  in  Schuldhaft  ge- 
worfen,  aus  der  er  gebrochen  an  Korper  und  Geist  herauskam. 

Die  Jesuiten  riisteten  nun  im  Namen  der  Marquise  de  Guercheville,  mil 
finanzieller  Beteiligung  der  Konigin  und  frommer  Damen,  ein  Schiff  aus, 
unter  dem  Befehl  des  Paters  Guilbert  de  Thet,  um  ganz  Acadie  in  Besitz  zu 
nehmen  und  daraus  ein  zweites  Paraguay  zu  machen.  Sie  errichteten  eine 
Ansiedlung  St.  Sauveur  in  Pemptegoet,  auf  evangelischem  Gebiete,  was 
•den  Patres  in  Anbetracht  des  frommen  Z weeks  und  der  giinstigen  Lage  voll- 
kommen  gleichgiiltig  schien. 

Kurze  Zeit  darauf  lief  ein  englisches  Fahrzeug  unter  Befehl  Kapitan 
Argyles  aus  Virginien  in  den  Hafen,  und  wurde  sofort  beschossen.  Die  Eng- 
lander  waren  aber  starker  und  zerstorten  die  ganze  Ansiedlung.  Guilbert  de 
Thet  fiel  im  Kampf e,  und  die  ubriggebliebenen  Franzosen  wurden  gef angen 
nach  Jamestown  in  Virginien  gebracht  und  hier  als  Piraten  vor  ein  Kriegs- 
:gericht  gestellt.  Zum  Tode  verurteilt,  wurden  sie  begnadigt,  als  sie  sich  er- 
boten,  die  Englander  zu  den  iibrigen  Ansiedlungen  in  Acadie  zu  fiihren.  Eine 
Expedition  unter  Fuhrung  der  Pater  Biard  und  Argal  zerstorte  darauf  Port 
Royal  von  Grund  aus,  und  schleppte  die  gesamte  Pelzausbeute  von  dannen. 

Wenige  Jahre  spater  wurde  die  Provinz  von  James  I.  dem  Graf  en  Stirling 
verliehen,  der  eine  Anzahl  schottischer  Familien  dort  ansiedelte.  Der  1627 
zwischen  England  und  Frankreich  ausgebrochene  Krieg  gab  ihm  eine  er- 
wiinschte  Gelegenheit,  sein  Gebiet  auf  Kosten  Kanadas  auszudehnen.  Eine 
stattliche  Flotte  von  18  Schiff  en  verliess  England  unter  Fuhrung  des  fran- 
zosischen  Hugenotten  David  Kertk.  Tadoussac  mit  seinen  reichen  Vorraten 
wurde  erobert,  die  im  Hafen  liegenden  Schiffe  der  Cent  Associes,  sowie 
mehrere  Transportschiffe  unter  Admiral  Roquemont  weggenommen.  Quebec 
wurde  belagert  und  musste  sich,  vom  Hunger  bezwungen,  am  29.  Juli  1629 
ergeben. 

Gleichzeitig  war  auch  die  Sudhalfte  Acadies  durch  eine  englische  Ex- 
pedition unter  Fuhrung  des  Hugenotten  Claude  de  la  Tour  erobert  worden. 
Alles  dies  geschah  schon  nach  dem  Friedensschluss  von  La  Rochelle  (28.  Juni 
1629).  Anfanglich  war  grosse  Aufregung  in  Frankreich,  doch  trostete  man 
sich  bald  iiber  den  Verlust  ,,de  quelques  arpents  de  neige".  Richelieu  fuhlte 
sich  indessen  personlich  beleidigt,  als  besonderer  Beschiitzer  Kanadas  und 
Aktionar  der  Cent  Associes.  Er  sandte  eine  Flotte  unter  Admiral  Bazilli,  um 
Quebec  mit  Gewalt  zuriickzunehmen,  worauf  England  im  Vertrag  von  St.  Ger- 
main en  Laye  ganz  Kanada  wieder  herausgab. 

Louis  Kertk,  ein  Bruder  des  Admirals,  iibergab  dem  Bevollmachtigten 
der  Cent  Associes,  Mr.  De  Caen,  Quebec  in  Triimmern  liegend,  und  nahm  die 
dort  vorgefundenen  9000  Biberfelle  mit  nach  England. 

Das  Jahr  1632  war  uberhaupt  kein  sehr  giinstiges  fur  die  Kompagnie, 
denn  am  13.  November  wurde  sie  durch  Gerichtsbeschluss  verurteilt,  den  Kauf- 
leuten  Marie  und  Salomon  Langlois,  Raymond  de  la  Balde,  Nicolas  Cann, 


2.   Kapitel.  2Q> 


David  Michel  und  Paul  Languillez  40  ooo  Livres  Entschadigung  zu  bezahlen, 
weil  sie  drei  den  Vorbenannten  gehorige  Fahrzeuge  beschlagnahmt  hatte, 
welche  an  der  Kiiste  fischten.  Die  erste  Massregel  Champlains  nach  Wieder- 
iibernahme  der  Regierung  in  Kanada  war  iibrigens  die  Ausweisung  der 
Franziskaner  (Peres  Recollets),  an  deren  Stelle  die  Jesuiten  jetzt  die  alleinige 
Seelsorge  in  der  Kolonie  ubernahmen.  Bald  darauf  raffle  der  Tod  am  25.  De- 
zember  1635  plotzlich  den  tatkraftigen  Gouverneur  dahin. 

Acadie  war  1632  in  drei  Provinzen  geteilt  worden,  die  an  den  Admiral 
Bazilli,  Etienne  Chevalier  de  la  Tour  und  Monsieur  Dennis  verliehen  wurden. 
1635  starb  Bazilli  und  Chevalier  de  Charmisey  folgte  ihm  in  der  Statt- 
halterschaft. 

Dieser  wendete  hauptsachlich  dem  Pelzhandel  seine  Aufmerksamkeit  zu,. 
was  bald  zur  unliebsamen  Konkurrenz  mil  de  la  Tour  fuhrte,  der  gleichfalls- 
ein  eifriger  Pelzhandler  war.  Charmisey  wandte  das  altbewahrte  franzosische 
Mittel  an,  sich  unangenehme  Konkurrenten  vom  Halse  zu  schaffen,  indem 
er  ihn  bei  Hofe  verdachtigte  und  einen  Haftbefehl  erwirkte,  mit  dessen  Aus- 
fiihrung  er  selbst  betraut  wurde. 

Er  belagerte  de  la  Tour  in  Fort  St.  Jean,  der  jedoch  entkam  und  sich 
nach  Boston  wandte,  wo  er  80  Amerikaner  und  150  Hugenotten  aus  La  Rochelle 
anwarb,  und  mit  deren  Hilfe  Charmisey  zwang,  die  Belagerung  aufzuheben. 
Dieser  warb  aber  seinerseits  nun  ebenfalls  Hilfstruppen  unter  den  Pelzjagern 
Bostons,  und  belagerte  St.  Jean  zum  zweiten  Male.  Das  Fort  wurde  einge- 
nommen  und  die  ganze  Besatzung  gehangt,  die  Pelzausbeute  selbstredend 
beschlagnahmt. 

De  la  Tour  selbst  gelang  es  indessen  rechtzeitig  nach  Quebec  zu  ent- 
kommen,  wo  er  den  Pelzhandel  im  grossen  organisierte,  und  von  wo  aus  seine 
Pelzjager  schon  1646  die  Hudsonsbay  erreichten. 

1651  kehrte  er  nach  dem  Tode  Charmiseys  nach  Acadie  zuriick,  heiratete 

dessen  Witwe  und  gelangte  so  in  Besitz  ganz  Acadies,  da  Denis  fruher  durch 

Hofintriguen  ruiniert  war.    Seine  Freude  war  indessen  nicht  von  langer  Dauer. 

1654  eroberten  die  Englander  das  Land.  De  La  Tour  wusste  sich  indessen 

in  die  Verhaltnisse  zu  schicken,  stellte  sich  unter  den  Schutz  Cromwells,  und- 

erlangte  gliicklich,  dass  er  Acadie  gemeinsam  mit  Sir  Thomas  Temple  als 

Lehen  erhielt.    Er  verkaufte  nun  seinen  Anteil  an  Temple,  der  das  Land  zu 

hoher  Bliite  brachte.   1667  kam  es  aber  im  Frieden  zu  Breda  wieder  an  Frank- 

reich,  das  den  Ruin  des  Landes  geradezu  systematisch  betrieb. 

Auch  in  Kanada  gab  es  teilweise  triibe  Zeiten. 

Die  Nachfolger  Champlains  in  der  President  schaft  hatten  eine  bose  Erb- 
schaft  angetreten.  Die  Irokesen  mit  deren  5  Nationen,  Mohawks,  Oneidas, 
Cajugas,  Onondagas  und  Senequas,  sich  auch  noch  die  Delawaren  verbiindet 
hatten,  fuhrten  einen  wilden  Rachekrieg  gegen  die  Huronen  und  die  mit  diesen 
verbiindeten  Franzosen.  Mehrmals  drangen  die  wilden  Horden  bis  unter  die 
Mauern  von  Quebec,  und  die  Skalpe  vieler  Ansiedler  zierten  die  Wigwams  der 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


roten  Krieger,     Mehr  als  ein  Jahrhundert  dauerte  dieser  Kriegszustand,   der 
erst  mit  der  Vernichtung  der  Irokesen  sein  Ende  fand. 

Dies  hinderte  aber  nicht,  dass  die  Ansiedler  unaufhaltsam  weiter  nach 
dem  Innern  vorriickten.  1642  griindete  Clomigny  de  Marseneuve  die  Stadt 
Montreal  neben  dem  gleichnamigen  Fort,  die  sich  bald  durch  ihre  giinstige 
Lage  zum  Hauptemporium  des  Pelzhandels  aufschwang.  In  jedem  Friihjahr 
entwickelte  sich  unter  den  Mauern  dieser  Stadt  ein  grossartiger  Markt. 

Tausende  von  Indianern  war  en  auf  dem  Wasserwege  in  ihren  leichten 
Birkenrindenkanoes  von  den  weitesten  Entfermmgen  her  eingetroffen  und 
tauschten  die  erbeuteten  Felle  gegen  die  Produkte  der  Zivilisation  ein,  die 
sie  dann  mit  in  ihre  feme  Heimat  brachten.  Hierhin  folgten  ihnen  bald  unter- 
nehmende  Manner,  die  Coureur  du  bois,  eine  eigenartige  Menschenklasse,  auf 
die  ich  spater  naher  zuriickkomme.  Die  alternde  ,,Compagnie  des  Cent 
associes",  durch  keine  Konkurrenz  angespornt,  hielt  es  fiir  bequemer,  in  ihren 
Kontoren  Tadoussac  und  Trois  Rivieres  zu  bleiben  und  den  Montrealhandel 
den  dortigen  Kaufleuten  zu  iiberlassen.  Allerdings  mussten  ihnen  diese  die 
gesammelte  Pelzausbeute  verkaafen,  da  die  Kompagnie  das  alleinige  Verkaufs- 
recht  hatte. 

Gouverneur  d'Argenson  griindete  1659  eine  Gesellschaft  fiir  den  Pelz- 
handel  mit  dem  Innern,  die  aber  unter  seinem  Nachfolger  d'Avancour  in  Streit 
mit  dem  Erzbischof  von  Kanada  geriet. 

Avancour,  welcher  die  Rechte  der  Gesellschaft  aufs  energischste  vertrat, 
wurde  exkommuniziert  und  schliesslich  abberufen.  Die  Compagnie  des  Cent 
associes,  die  durch  innere  Zwistigkeiten  auf  45  Teilnehmer  herabgesunken 
war,  geriet  schliesslich  durch  ihre  unfahigen  Operationen,  bei  denen  sie  stets 
auf  ihr  Monopol  pochte,  in  finanzielle  Verlegenheiten  und  trat  1662  alle  ihre 
Rechte  an  die  Krone  ab.  Der  Konig  verlieh  das  Privilegium  einer  neu  er- 
richteten,  machtigen  Gesellschaft,  der  ,,  Compagnie  des  Indes  occidentales", 
die  viel  zur  Hebung  des  Landes  zu  tun  versprach.  1665  wurde  der  Marquis 
de  Tracey  zum  Vizekonig  von  Kanada  ernannt  und  unter  ihm,  unterstiitzt 
von  seinem  Intendanten  Talon,  und  Colbert,  dem  grossten  Staatsmanne,  den 
Frankreich  je  besessen,  begann  eine  neueEpoche  der  Bliite  fiir  die  armeKolonie, 
die  unter  dem  Aussaugungssystem  der  Monopolwirtschaft  schwer  gelitten 
hatte.  Vor  allem  fehlte  es  an  Handen,  um  das  Land  zu  bebauen,  da  fast  alle 
Einwanderer  sich  dem  weit  eintraglicheren  Pelzhandel  zuwandten.  Diesem 
Mangel  wurde  jetzt  abgeholfen.  Das  ganze  Regiment  Carignan,  22  Kompagnien 
a  200  Mann  stark,  wurde  nach  Kanada  geschickt  und  dort  angesiedelt.  Da 
es  in  dem  jungen  Lande  naturgemass  an  Frauen  fehlte,  wurden  mehrere  hundert 
jener  Damen,  die  auf  den  Strassen  von  Paris  dem  Kultus  der  Venus  vulgivaga 
huldigten,  dorthin  gesandt,  an  die  Soldaten  veriest  und  die  jungen  Paare 
gleich  getraut.  Das  Land  wurde  in  ,,Seigneuries"  und  diese  wieder  in  ,,fermes" 
von  je  90  Morgen  eingeteilt.  Jeder  Offizier  erhielt  eine  Seigneurie  und  jeder 
Soldat  eine  Ferme  als  Lehen,  wofiir  2  Sou  pro  Acre  und  Jahr  als  Grundrente 


2.   Kapitel. 


zu  zahlen  war.  Ein  regelrechtes  Feudalsystem  wurde  emgefiihrt,  dessen  Reste 
sich  noch  bis  zum  Jahre  1854  erhielten.  Auch  die  Industrie  des  Landes.ent- 
wickelte  sich.  Talon  legte  Schneidemiihlen  und  Gerbereien  an,  liess  die  Eisen- 
minen  von  Gaspe  bearbeiten,  errichtete  Seehunds-  und  Weisswalfischereien 
und  sorgte  fiir  eine  regel- 
massige  Schiffsverbin- 
dung  mit  Madeira  und 
den  Antillen,  was  den 
Export  der  Landespro- 
dukte  sehr  forderte. 

1665  richtete  Talon 
eine  Denkschrift  an  den 
Konig,  in  welcher  er  mit 
grosser  Klarheit  die  Man- 
gel des  bisherigen  Kolo- 
nialsystems  nachwies  und 
um  Aufhebung  des  Mono- 
pols  bat,  aber  erst  1668 
gelang  es  seinen  und 
Colberts  Bemiihungen, 
diesen  fiir  die  Hebung 
Kanadas  so  wichtigen 
Schritt  durchzusetzen. 

Die  Compagnie  des 
Indes  occidentales  verier 
die  Alleinhandelsrechte, 
doch  blieb  ihr  der  Han- 
delspostenTadoussac  und 
das  Recht  des  Vierten 
von  alien  ausgefuhrten 
Biberfellen  und  des  Zehn- 
ten  von  alien  Elenn- 
hauten  (origenals).  Alle 
iibrigen  Rauchwaren  wa- 
ren  frei.  Der  Handel 
nach  dem  Innern  war 
langst  der  schwerfalligen  Gesellschaft  aus  den  Handen  gewunden. 

Viele  Abenteurer,  teilweise  den  hochsten  Standen  angehorig,  die  nach 
Kanada  gestromt  waren,  ergriffen  hier  den  Pelzhandel.  Das  damit  ver- 
bundene  freie  Leben,  der  Kampf  mit  den  Hindernissen  der  Natur  und  der 
grosse  Gewinn  iibten  einen  unwiderstehlichen  Reiz  aus.  Sie  schlossen  sich 
den  Indianern  an  und  drangen,  den  Wasserlaufen  folgend,  bis  tief  in  das 
geheimnisvolle  Innere  des  Landes  ein,  .oft  an  Stellen,  die  noch  nie  vor  ihnen 


Franzosischer  Waldlaufer  im   17.  Jahrhundert. 


02  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

der  Fuss  eines  Europaers  betreten  hatte.  Mil  reicher  Beute  beladen  kehrten 
sie  dann  nach  den  Stapelplatzen  Montreal  und  Troisrivieres  zuriick,  wo  der 
erzielte  Gewinn  in  kurzer  Zeit  in  den  langentbehrten  Geniissen  der  Zivilisation 
verjubelt  wurde.  Vorziigliche  Jager,  unermiidliche  Ruderer  und  ausgezeichnete 
Fallensteller,  bildeten  diese  ,,Coureurs  du  bois"  noch  bis  zur  Mitte  des  neun- 
zehnten  Jahrhunderts  die  charakteristischste  Menschenklasse  Kanadas. 

Die  Geistlichkeit,  die  den  bosen  Einfluss  der  lockeren  Gesellen  auf  die 
,,unschuldigen  Kinder  der  Natur",  die  Indianer,  furchtete,  und  die  vielleicht 
auch  annahm,  dass  der  von  ihnen  selbst  auf  den  Missionen  betriebene  Pelz- 
handel  den  Bediirfnissen  der  Indianer  geniige,  setzte  alle  Hebel  in  Bewegung, 
damit  der  Pelzhandel  alien  Beschrankungen,  welche  die  darin  so  erfinderische 
franzosische  Handelspolitik  kannte,  unterworfen  wurde. 

Es  wurden  Erlaubnisscheine  zum  Handel  mil  dem  Innern  ausgegeben, 
sogenannte  „ Congees",  und  nur  an  arme,  verdiente  Edelleute,  alte  Offiziere 
und  deren  Witwen  erteilt  mit  dem  Recht  der  Weiterverausserung.  Ohne 
einen  solchen  Erlaubnisschein  das  Indianergebiet  zu  betreten,  war  bei  Todes- 
strafe  verboten,  Jeder  ,, Congee"  gait  fiir  zwei  grosse,  beladene  Kanoes 
und  zahlten  die  kanadischen  Kaufleute  zur  Zeit  der  hochsten  Bliite  ihres 
Handels  (1650 — 1700)  zirka  3000  Franks  fiir  einen  solchen  Schein.  Bei  dem 
hohen  Werte  des  Geldes  damals  eine  sehr  hohe  Summe,  die  etwa  dem  zehn- 
fachen  Betrage  heute  entsprechen  wiirde.  Trotzdem  war  das  Geschaft  ein 
sehr  gewinnbringendes.  Der  Kaufmann,  der  einen  Congee  gekauft  hatte, 
warb  6  Waldlaufer  an,  denen  er  fiir  5000  Franks  Waren  mitgab.  Nach  etwa 
Jahresfrist  kehrten  sie  gewohnlich  zuriick  mit  durchschnittlich  40  Pack 
a  100  Biberfellen,  die  im  Bureau  der  Kompagnie  etwa  40  ooo  Franks  Wert 
hatten.  Nach  Abzug  der  Kosten  fiir  den  Congee  und  die  Waren  blieben  immer 
noch  32  ooo  Franks  Nutzen,  von  denen  der  Kaufmann  40  Proz.,  die  Wald- 
laufer 60  Proz.  erhielten.  Der  Kaufmann  verdiente  ausserdem  noch  erheblich 
an  der  .Differenz  der  Biberpreise  zwischen  Montreal  und  Quebec  und  am 
Wechselkurs  auf  Frankreich. 

Alle  Biberfelle  mussten  im  Kontor  der  jeweilig  regierenden  Kompagnie 
in  Kanada  abgeliefert  werden,  die  anfanglich  den  festen  Durchschnittspreis 
von  414  Franks  per  Pfund  zahlte,  spaterhin  aber  in  verschiedene  Sorten  ein- 
teilte,  die  zu  verschiedenen  Preisen  bezahlt  wurden. 

Am  teuersten  waren  die  ganz  weissen,  welche  damals  in  Kanada  18  Franks 
per  Pfund  erzielten.  (Jetzt  sind  dieselben  noch  viel  seltener  geworden,  und 
habe  ich  unter  etwa  %  Million  Biberfellen  nur  zwei  weisse  gesehen.)  Dann 
kamen  die  feinen  schwarzen  ,, Castor  de  Moskowie",  die  schon  damals  zur 
Pelzwerkbereitung  nach  Russland  gingen  und  6  Franks  per  Pfund  kosteten. 
Alle  iibrigen  Sorten,  bei  weitem  die  Mehrheit,  dienten  zur  Filzhutfabrikation. 

Hiervon  war  die  erste  Sorte  die  ,, Castor  gras",  die  von  den  Indianern 
schon  so  lange  getragen  waren,  dass  die  Grannenhaare  ausgefallen  waren  und 
die  Wolle  ganz  mit  Fett  getrankt  war.  Diese  brachten  4%  bis  5  Franks  per 


2.   Kapitel. 


Pfund.  (Etwaiger  lebender  Inhalt  wurde  nicht  extra  berechnet !)  Dann  folgten 
die  ,, Castor  demi  gras",  die  noch  nicht  so  lange  getragen  waren  und  3%  Franks 
kosteten,  und  schliesslich  die  frischen  Felle,  ,, Castor  sec",  die  mit  2%  Franks 
bezahlt  wurden. 

Die  Englander  in  Boston  und  New  York  bezahlten  weit  hohere  Preise,  als 
die  Kontore  der  Gesellschaft  in  Kanada,  die  oft  auch  nicht  einmal  alle  ge- 
brachten  Felle  annahmen  und  allerhand  bureaukratische  Scherereien  und 
Formalitaten  verursachten.  Es  bildete  sich  daher  allmahlich  ein  streng 
verbotener  Schleichhandel  nach  dem  englischen  Gebiete  aus,  an  dem  sich 
nicht  nur  die  Kaufleute,  sondern  auch  die  Jesuiten  und  nach  Angabe  des  Pater 
Lahontan  selbst  der  Gouverneur  des  Landes,  de  Barre,  lebhaft  beteiligten. 

Waldlaufer,  Missionare  und  Kaufleute,  die  als  Kulturtrager  in  die  Wildnis 
drangen,  breiteten  den  franzosischen  Einfluss  immer  weiter  aus. 

Bereits  1656  war  ein  unternehmender  Quebecker  Kaufmann,  Jean 
Bourdon,  in  einem  kleinen  Segelfahrzeug  von  30  Tonnen  die  Kiiste  Labradors 
entlangfahrend,  bis  zum  Grunde  der  Hudsonsbay  vorgedrungen,  wo  er  mit 
den  herbeigestromten  Indianern  einen  sehr  lukrativen  Handel  trieb,  in  kurzer 
Zeit  sein  Schiff  mit  Rauchwaren  zu  fallen  vermochte  und  mit  sehr  reichem 
Gewinn  zuriickkehren  konnte.  Sein  Beispiel  fand  indessen  keine  Nachahmer. 
Seine  Landsleute  zogen  die  Fahrt  auf  den  Binnengewassern  dem  Kampf  mit 
den  Eisschollen  des  rauhen  Nordens  vor. 

Die  Sache  war  schon  halb  vergessen,  da  erschien  eine  feierliche  Deputation 
der  Indianer  von  der  Hudsonsbay,  die  in  ihren  leichten  Kanoes  auf  dem  Fluss- 
wege  gekommen  war,  vor  Quebec,  mit  der  Bitte,  ihnen  doch  einige  Franzosen 
zum  Ankniipfen  von  Handelsverbindungen  mitzugeben. 

Der  Gouverneur  d' Argenson  schickte  bereitwilligst  den  Jesuit  enpater  Dablo 
den  Edelmann  Sieur  de  la  Vallerie,  begleitet  von  den  Waldlaufern  Denis 
Guyon,  Desprez  la  Couture  und  Francois  Pelletier,  zu  Lande  den  Saguenay 
hinauf.  Allein  die  Expedition  wurde  von  ihren  Fiihrern  unterwegs  verlassen 
und  kehrte  unverrichteter  Sache  nach  Quebec  zuriick. 

1663  erschien  eine  neue  Deputation,  und  auf  ihre  dringende  Bitte  ent- 
schloss  sich  der  neue  Gouverneur  d'Avancour,  den  Waldlaufer  La  Couture 
mit  fiinf  Gefahrten  in  ihrer  Begleitung  mitzusenden.  Dieselben  gelangten 
auch  glucklich  bis  andasllfer  der  Hudsonsbay  und  nahmen  nach  alt  be  wahrter 
Sitte  feierlich  vom  Lande  im  Namen  Frankreichs  Besitz,  unbekiimmert  darum, 
dass  dies  schon  verschiedene  Male  von  anderen  Nationen  geschehen  war. 
Dann  kehrten  sie,  mit  Pelzwerk  reich  beladen,  zuriick. 

Es  ist  nicht  ganz  festgestellt,  ob  die  hugenottischen  Waldlaufer  Medard 
Chouart  de  Grosseillier  (nach  anderer  Schreibweise  Groiselez)  und  Pierre  Esprit 
de  Radisson  an  dieser  Expedition  teilgenommen,  oder  ob  sie  den  Pelzreichtum 
des  Hudsonsbay- Gebietes  bereits  auf  ihren  selbst andig  unternommenen 
Fahrten  entdeckt  hatten. 

3 


OA  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Fest  steht  nur,  dass  sie  kurz  darauf  den  Versuch  machten,  in  Kanada 
eine  Gesellschaft  zur  Ausbeute  des  Hudsonsbay-Gebieteszustande  zu  bringen. 

Allein  vergebens.  In  Kanada  war  gerade  damals  ziemlicher  Kapital- 
mangel,  so  dass  die  beiden  keinen  Erfolg  hatten  und  sich  deshalb  nach  Frank- 
reich  wendeten.  Aber  auch  hier  hatten  sie  kein  Gliick.  ,,Les  affaires  de 
Canada"  waren  nicht  mehr  Mode,  und  namentlich  in  den  tonangebenden 
Hof-  und  Adelskreisen  hatte  man  langst  Interesse  und  Verstandnis  fur 
koloniale  Unternehmungen  verloren.  Die  beiden  Waldlaufer  fanden  iiberall 
verschlossene  Tiiren  und  Taschen. 

Nur  der  Herzog  von  Montague  horte  sie  wenigstens  an  und  gab  ihnen 
den  Rat,  sich  nach  England  zu  wenden,  wohin  er  ihnen  Empfehlungsbriefe 
an  den  Prinzen  Rupert,  den  Onkel  Charles  II.,  mitgab,  der  an  der  Forderung 
der  maritimen  Grosse  und  kolonialen  Ausdehnung  seines  Vaterlandes  hervor- 
ragenden  Anteil  nahm. 

Grosseillier  und  sein  Schwager  Radisson  wurden  mit  Warme  empfangen 
und  trat  man  ihren  Planen  naher. 


Doch  nun  mussen  wir  etwas  zuriickgreifen,  um  zu  sehen,  was  die  Eng- 
lander  in  der  Zwischenzeit  im  Norden  Amerikas  unternommen  hatten.  Denn 
wahrend  die  Franzosen  ihre  Herrschaft  in  Kanada  ausdehnten,  waren  die 
Englander  auch  nicht  miissig  geblieben. 

Im  Jahre  1548  war  der  alte  Seeheld,  Sebastian  Cabot,  der  inzwischen 
in  spanischen  Diensten  viele  Fahrten  nach  Sud-Amerika  gemacht  und  zum 
Grosspiloten  von  Spanien  ernannt  war,  nach  England  zuriickgekehrt,  wo  ihm 
Edward  VI.  ein  Gnadengehalt  von  166  Lstr.  12  s  4  d  bewilligte. 

Bis  dahin  hatte  die  Hansa  den  gesamten  englischen  Aussenhandel  be- 
herrscht.  Jetzt  aber  war  die  Macht  im  Sinken,  und  Cabot  schien  die  Zeit  ge- 
kommen,  um  das  verhasste  Joch  abzuschiitteln.  Er  griindete  eine  grosse 
Handelsgesellschaft,  in  welcher  Adel  und  Kaufmannschaft  ziemlich  gleich- 
massig  vertreten  war,  und  an  deren  Spitze  William  Marquis  of  Winchester 
und  Henry  Earl  of  Arundel  traten.  Am  6.  Februar  1554  erhielten  sie  von 
Philipp  und  Mary  einen  Charter  als  „  Merchants  aduenturers  of  Englande  for 
the  Discouery  of  Lands,  territories  Islands  dominions  and  Seignories  unknown, 
Sebastian  Cabot  gouernor". 

1566  erteilte  ihnen  Elisabeth  einen  neuen  Charter  mit  weitgehenden 
Privilegien  als  ,, Fellowship  of  english  merchants  for  the  discouery  of  new 
trades". 

Im  Volksmund  hiess  die  Gesellschaft  einfach  die  Muskoviy  Company, 
da  sie  hauptsachlich  den  Handel  nach  Russland  und  von  da  aus  nach  Asien 
betrieb. 

Die  erste  unter  Hugh  Willoughby  und  Richard  Chancellor  in  den  drei 
kleinen  Schiffen  Bona  Esperanza,  Bona  ventura  und  Bona  Confidentia  von 


2.  Kapitel. 


35 


Sir  Hugh  Willoughby. 

Gravesend  ausgelaufene  Expedition  sollte  einen  neuen  Seeweg  zu  den  Schatzen 
,,Cathais  und  Zipangus"  (China  und  Japan)  im  Nordosten  suchen,  kam  aber 
nicht  soweit.  Bei  der  Uberwinterung  in  Lappland  erfror  Willoughby  mit 
seiner  ganzen  Mannschaft,  wahrend  Chancellor,  vom  Sturm  verschlagen,  an 
der  russischen  Kiiste  landete,  nach  Nowgorod  (nicht  zu  verwechseln  mit 
Nischny  Nowgorod)  kam  und  hier  mit  dem  russischen  Zaren  einen  Handels- 
vertrag  schloss. 

3* 


o6  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Im  nachsten  Jahre  errichtete  die  Company  dort  eine  standige  Nieder- 
lassung,  hauptsachlich  zum  Pelzhandelsbetrieb  und  machte  der  alternden 
Hansa  gewaltige  Konkurrenz. 

1676  unternahm  der  Seemann  Martin  Frobisher  einen  Versuch,  auch  im 
Nordwesten  ahnliche  Handelsgebiete  zu  erschliessen  und  dabei  auch  die  nord- 
westliche  Durchfahrt  nach  China  zu  suchen.  Er  verliess  Blackwall  in  der 
Barke  Michael  von  25  Tonnen,  Gabriel  von  20  Tonnen  und  einer  Pinasse  von 
10  Tonnen,  und  entdeckte  die  Siidspitze  Gronlands,  fand  eine  tief  einge- 
schnittene  Strasse,  ,,Frobishers  Streyte"  und  ein  Land,  ,,  Queens  Elisabeth 
Foreland". 

Hier  trat  der  kuhne  Seefahrer  mit  den  Eskimos  in  Verbindung,  erhielt 
von  ihnen  eine  Anzahl  schoner  Felle  und  anderes  und  trat  den  Riickweg  an. 
Unter  den  mitgebrachten  Gegenstanden  fand  man  ein  schwarzes,  kohlen- 
artiges  Erz,  von  dem  zwar  die  meisten  Goldschmiede  erklarten,  dass  es  wertlos 
sei,  wahrend  aber  der  Italiener  Joan  Baptista  Agnello  behauptete,  dass  es 
reichen  Goldgehalt  habe  und  30  Lstr.  fur  die  Tonne  bot. 

Es  wurde  eine  Gesellschaft,  die  ,, Cathay  Company",  unter  Fuhrung  des 
Kaufmanns  Locke  gebildet,  an  der  sich  die  Konigin  mit  1000  Lstr.  und  38  an- 
dereTeilnehmer,  dem  hochsten  Adel  angehorig,  mit  Beitragen  von  50 — 200  Lstr. 
beteiligten.  Dem  ,, Michael"  und  ,, Gabriel"  wurde  diesmal  noch  das  Kriegs- 
schiff  ,,Ayde"  von  180  Tonnen  beigegeben. 

Am  26.  Mai  war  man  von  Blackwall  aufgebrochen  und  erreichte  am 
16.  Juli  Queen  Elisabeth  Foreland.  Auf  einer  Anhohe  der  benachbarten 
Halbinsel,  dem  Mount  Warwick,  wurde  ein  hohes  Kreuz  errichtet  und  vom 
Lande  feierlich  Besitz  ergriffen.  Auch  wurde  noch  Jackman  Sound  und  Smith 
Island  entdeckt,  von  wo  ein  Unicorne  (Narwalshorn)  als  grosses  Wertobjekt 
mitgenommen  wurde,  das  sich  noch  heute  in  der  Juwelenkammer  des  Tower 
befindet. 

Auf  alien  Inseln  wurde  reichlich  Erz  gefunden  und  mit  voller  Ladung 
der  Riickweg  angetreten.  Am  Yorksund  wurden  noch  den  Eskimos  Felle 
und  Boote  geraubt  und  in  dem  darauf  sich  entspinnenden  Kampfe  eine 
Anzahl  derselben  getotet  und  andere  gefangen  mit  nach  England  gefiihrt. 
Das  mitgebrachte  Erz  soil  10  Unzen  Gold  und  60  Unzen  Silber  enthalten 
haben. 

Nunmehr  sollte  die  Ausbeutung  des  neuentdeckten  Landes  der  ,,Meta 
incognita"  im  grossen  ins  Werk  gesetzt  werden.  Die  Chathay  Company 
st elite  10  Schiffe,  wahrend  6  andere  Fahrzeuge  von  den  kaufmannischen 
Korporationen  von  Ipswich,  Exeter,  Bridgewater  und  Weymouth  gestellt 
wurden. 

Am  27.  Mai  verliess  diese  machtige  Flotte  Harwich.  Zunachst  wurde 
in  Siid-Gronland  gelandet  und  dies  als  ,, West-England"  in  Besitz  ge- 
nommen,  dann  erreichte  man  am  2.  Juli  Frobisher  Strasse.  Reiche  Minen 
auf  Countess  of  Sussex  Island  und  auf  Winterers  Furnace  wurden  in  Angriff 


2.   Kapitel. 


genommen  und  alle  Schiffe  mit  Erz  beladen.  Leider  stellte  sich  dasselbe  bei 
der  Riickkehr  als  ganz  wertlos  heraus.  Die  Chathay  Company  machte  Ban- 
kerott,  Michael  Lock  und  Frobisher  sollen  im  Schuldgefangnis  gestorben  sein. 

1583  erhielt  Sir  Humphrey  Gilbert  ein  Privilegium  zur  Besiedelung 
Amerikas  und  riistete  mit  Beihilfe  seines  Stiefbruders  Sir  Walter  Raleigh  eine 
Expedition  aus,  bestehend  aus  ,,The  Delight",  120  Tons,  ,,The  Raleigh", 
200  Tons,  ,,Goldenhinde",  40  Tons,  ,, Swallow",  40  Tons  und  ,, Squirrel", 
10  Tons,  mit  zusammen  260  Mann  Besatzung,  darunter  viele  Handwerker. 

Der  ,, Raleigh"  musste  bald  umkehren,  da  eine  Epidemic  an  Bord  aus- 
brach.  Der  ,, Swallow"  wurde  verschlagen  und  beschaftigte  sich  mit  Seeraub. 
Der  Rest  erreichte  Neufundland  und  nahm  feierlich  vom  Lande  Besitz.  Von 
da  aus  ging  die  Fahrt  nach  Suden  iiber  Kap  Breton,  Isle  Sablon  und  Kap  Ras, 
wo  der  ,, Delight"  strandete  und  iiber  100  Mann  ertranken,  darunter  der 
ungarische  Gelehrte  Budaeus.  ,,Goldenhinde"  und  ,, Squirrel"  traten  die 
Heimreise  an,  doch  wurde  kurz  vor  Erreichen  der  englischen  Kiiste  der 
,, Squirrel"  von  den  Wogen  verschlungen,  wobei  General  Sir  Humphrey  Gilbert 
ertrank.  Nur  die  ,,Goldenhinde"  erreichte  wohlbehalten  Falmouth. 

Sir  Walter  Raleigh  liess  sich  Gilberts  Patent  iibertragen  und  besiedelte 
dann  Virginien.  Die  verschiedenen  Reisen  der  1585  gegriindeten  ,, Company 
of  aduenturers  for  the  discouery  of  North westpassage"  kommen  hier  nicht 
in  Betracht,  doch  wurden  in  den  nachsten  Jahren  eine  Reihe  von  Fahrten 
des  Pelzhandels  halber  unternommen.  So  segelte  1591  die  Bark  ,,Bonaventura" 
nach  Neufundland  und  erlegte  dort  1500  Walrosse,  1593  trieb  die  Bark 
,, Marigold"  von  Falmouth  Pelzhandel  bei  Kap  Breton,  1594  befuhr  zu  gleichem 
Zweck  die  Bark  ,, Grace"  von  Bristol  den  St.  Lorenzstrom,  und  1597  gingen 
die  Schiffe  ,,Hopewell"  und  ,,Chance\ve]l"  von  Dartmouth  nach  Kanada  und 
kehrten  mit  reicher  Pelzladung  zuriick. 

Nach  Charlevoix  soil  1591  ein  Dane  namens  Anschield  die  Hudsonsbay 
besucht  haben,  doch  erscheint  dies  etwas  problematisch,  da  kein  anderer 
Schriftsteller  der  damaligen  Zeit  etwas  davon  erwahnt.  Dass  den  Portugiesen 
die  Hudsonsbay  genau  bekannt  war,  habe  ich  schon  fruher  erwahnt. 

1601  beschloss  auch  die  ostindische  Kompagnie,  wie  sie  damals  hiess, 
,,The  worshipfull  fellowship  of  the  Merchants  of  London  trading  unto  the 
Eastindies",  sich  an  den  Fahrten  zur  Entdeckung  der  nordwestlichen  Durch- 
fahrt  zu  beteiligen  und  am  2.  Mai  den  Kapitan  Georg  Weymouth  in  den 
Flyboats  ,,Discovery"  von  50  Tonnen  und  ,,Goodspeed"  von  40  Tonnen  ab- 
zusenden.  Weymouth  erreichte  auch  die  Hudsonstrasse,  musste  aber  infolge 
einer  von  dem  Prediger  Cartwright  angezettelten  Meuterei  wieder  umkehren. 

Noch  ungliicklicher  verlief  eine  Expedition,  welche  die  Ostindische  Kom- 
pagnie in  Gemeinschaft  mit  der  Company  der  Merchant  aduenturers  for  the 
discovery  of  new  trades  unter  John  Knight  1606  in  der  Pinasse  ,,Hopewell" 
von  40  Tonnen  aussandte.  Der  ,,Hopewell"  musste,  vom  Sturm  beschadigt, 
an  der  Labradorkiiste  vor  dem  Eisgange  Schutz  suchen.  Knight  verliess,  be- 


og  TI.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

gleitet  vom  Steuermann  Gorill  und  drei  Matrosen,  das  Schiff,  urn  die  Umgegend 
zu  erforschen  und  blieb  verschollen.  Die  Eintragung  des  zweiten  Steuer- 
manns  William  Browne  im  Logbuch  lautet  einfach:  ,,Sie  gin  gen  iiber  einen 
Hugel  und  wurden  nicht  wieder  gesehn."  Einige  Tage  darauf  wurden  die 
Zuriickgebliebenen  von  Indianern  iiberfalle.  Es  gelang  ihnen  indessen,  den 
Angriff  zuriickzuschlagen  und  mit  dem  stark  beschadigten  Schiffe  Neufund- 
land  zu  erreichen. 

1607  legte  der  Seemann  Henry  Hudson  der  Muscovy  Company  den  Plan 
vor,  das  von  dem  in  Sevilla  wohnenden  Bristoler  Kaufmann  Robert  Thorne 
bereits  1527  aufgestellte  Schema  auszufuhren  und   direkt  iiber  den  Nordpol 
nach  China  zu  segeln,  und  erreichte  1607  auf  diesem  Wege  zwischen  Gron- 
land  und   Spitzbergen  den  81.  Grad  nordlicher  Breite,    wobei  er  die  Insel 
Jan  Mayen  entdeckte,  die  er  Hudson  Touches  nannte.    Spater  stiitzte  darauf 
die  Muskovy  Company  ihren  Anspruch  auf  das  Recht  der  Fischerei  etc.,  das 
von  den  Hollandern  ausschliesslich  beansprucht  wai. 

1608  ging  er  in  einem  kleinen  Fahrzeuge  mit  n  Matrosen  wieder  in  See, 
erreichte  Nowaja  Semlja,  wo  eine  Eisbarriere  weiteres  Vordringen  hinderte. 
Er  wandte  sich  dann  nach  Slid  west  en  und  erreichte  Lumleys  Inlet,  das  nach 
ihm  den  Namen  Hudsonstrasse  erhielt.     Der  vorgeriickten  Jahreszeit  halber 
kehrte  er  nach  England  zuriick,  wo  er    aber   vorlaufig    keine    weitere    Be- 
schaftigung  fand  und  deshalb  gezwungen  war,  sich  nach  einer  anderenStellung 
umzusehen,  was  ihm  auch  gelang  und  zu  wichtigen  Resultaten  fuhrte,  unter 
anderem  zur  Erreichung  des  nach  ihm  benannten  Flusses,  als  dessen  Entdecker 
er  falschlich  gilt.    Die  Cortoreales  hatten  von  Portugal  aus  bereits  im  Jahre 
1501   den  nachmals   nach   Hudson   benannten   Fluss   befahren,    ebenso    der 
Florentiner  Jean  Verrazano,  im  Dienste  des  Konigs  Franz  I.  von  Frankreich, 
der  den   Fluss  in   seinem   Schiffe  ,, Dauphin"  weit  hinauffuhr.      Im    selben 
Jahre  befuhr  auch  der  Portugiese  Estevan  Gomez  in  einer  kleinen  Karavelle 
von  50  Tonnen  fur  Rechnung  des  Konigs  von  Portugal  und  mehreren  por- 
tugiesischen    Kaufleuten    die    Kiisten    Nordamerikas    und    untersuchte    die 
Gegend  am  Hudson  River  aufs  eingehendste.     Auf  einer    1579   von   Ribero 
gezeichneten  Karte   steht    ein  Kiistengebiet,    welches    die    jetzigen  Staaten 
Maryland,   Newyersey,  Newyork  und  Rhode  Island  als   ,,Land  des  Estevan 
Gomez"    bezeichnet,    auf  welchem    auch    das  Hudsons  Rives  genau  aufge- 
zeichnet  ist. 

Die  Expedition  des  Estevan  Gomez,  die  ja  hauptsachlich,  wie  alle  da- 
maligen  Entdeckungsreisen,  zur  Entdeckung  der  westlichen  Durchfahrt  und 
zur  Erforschung  des  Seeweges  nach  Ostindien  unternommen  worden  war, 
ist  iibrigens  durch  einen  eigenartigen  Zwischenfall  sehr  bekannt  ge worden. 
Auf  dem  40.  oder  41.  Grad  nordlicher  Breite  wurde  ein  Fest  gegeben,  zu  dem 
alle  Eingeborenen  geladen  waren,  die  kommen  wollten.  Sie  wurden  dann  be- 
trunken  gemacht,  und  ehe  sie  von  ihrem  Rausche  erwachten,  war  das  Schiff 
auf  hoher  See,  und  die  Indianer  in  Ketten  unter  Deck.  Als  das  Schiff  dann 


2.   Kapitel. 


in  dem  Tajo  einlief,  wurde  es  bekannt,  dass  es  eine  Ladung  ,,esclavoscc  an 
Bord  hatte.  Die  nach  Lissabon  gesandten  Boote  berichteten  aber  von  einer 
Ladung  ,,clavos"  (Gewiirznelken),  und  so  wurde  er  bei  seinem  Einlaufen  in 
den  Hafen  als  Ent decker  des  neuen  Seeweges  nach  Indien  begriisst. 

Die  Portugiesen  hatten  iibrigens  genaue  Kenntnis  der  nordamerikanischen 
Kiiste,  sowohl  der  1530  veroffentlichten  Planisphere  von  Sebastian,  Cabot, 
wie  die  Karten  von  Abraham  Ortelius,  Hessel  Geritz,  Peter  Planicius,  Gerhard 
Mercator  und  andere  zeigen,  die  Gegend  vor  der  Zeit  Hudsons  ziemlich  genau 
bis  hinauf  zur  Hudsonstrasse.  Portugiesische  Karten  des  16.  Jahrhunderts 
sollen  aber  noch  viel  mehr  Einzelheiten  enthalten.  Auch  die  Spanier  besassen 
genaue  Kenntnis  des  Flusses.  Auf  den  spanischen  Karten  und  Segelhand- 
biichern  der  damaligen  Zeit  ist  der  Hudson  River  als  Rio  de  Gomar  einge- 
zeichnet,  als  eine  der  Stationen  auf  dem  Wege  zwischen  Veracruz  und  den 
Neufundlandsbanken,  wohin  die  Fahrzeuge  zum  Kabeljaufang  gingen  und 
mit  Vorliebe  langs  der  Kiiste  fuhren.  Im  iibrigen  Europa  wusste  man  aber 
wenig  von  den  Entdeckungen,  und  der  grosse  englische  Geograph  Hakluyt, 
dem  ebenso  wie  seinem  Nachfolger  Purchas,  Hudson  seinen  Entdeckungsruhm 
verdankt,  kannten  die  Resultate  dieser  spanischen  und  portugiesischen  Fahrten 
gar  nicht. 

Der  Kampf  Spaniens  gegen  die  Niederlande,  der  ja  namentlich  in  den 
belgischen  Provinzen  tobte,  hatte  zahlreiche  Kaufleute  und  Gelehrte  zur 
Flucht  nach  den  nordlichen  oder  hollandischen  Provinzen,  die  ja  damals  in 
allgemeiner  Kultur  hinter  Platzen  wie  Antwerpen,  Brugge,  Genf  zuriick- 
standen,  genotigt.  Durch  diesen  Zustrom  geistiger  und  finanzieller  Krafte 
nahm  Amsterdam  einen  grossen  Aufschwung.  So  hatte  sich  auch  ein  Ant- 
werpener  Kaufmann,  Balthasar  von  Moucheron,  der  hauptsachlich  mit  Russ- 
land  Handel  trieb,  auf  Middelburg  in  Seeland  niedergelassen. 

1564  war  ein  Abenteurer,  Oliver  Brunell,  der,  wahrend  er  in  schwedischen 
Diensten  von  den  Russen  gefangen  genommen  und  dann  fur  die  englische 
Muscovy-Company  die  ganze  Kiiste  von  der  Petschora  bis  zum  Ob  besucht 
hatte,  nach  der  Stadt  Enchhuysen  in  West-Friesland  gekommen  und 
hier  die  Aufmerksamkeit  einflussseicher  Leute  auf  den  Handel  mit  Russland 
an  der  sibirischen  Kiiste  gelenkt.  Namentlich  Jacob  Valk,  der  Schatzmeister 
der  Stadt,  Dr.  Francis  Maelson,  der  Syndikus,  sowie  der  Indienfahrer  Hugh 
von  Linschoten  nahmen  grosses  Interesse  daran.  Ein  anderer  belgischer 
Emigrant,  Peter  Plancius,  ein  grosser  Kosmograph,  begriindete  gleichzeitig 
in  Amsterdam  eine  Seemannsschule,  in  der  auch  Willem  Barents  und  Jacob 
von  Hemskerk,  die  beriihrnten  hollandischen  Seefahrer,  ausgebildet  wurden. 
1594  nun  nahmen  die  Plane  dieser  Manner  eine  greifbare  Gestalt  an,  eine 
Expedition  zur  Entdeckung  der  nordostlichen  Durchfahrt  nach  Cathay  und 
Cipangu  (China  und  Japan)  wurde  ausgeriistet.  Der  Moucheron  und  seine 
Freunde  rust et en  eine  Anzahl  Fahrzeuge  aus.  Von  Ter  Ver  in  Seeland  ging 
der  ,,Schwan",  von  Enchhuysen  der  ,,Mercur".  Beide  Fahrzeuge  wurden 


40  II.    Geschichte  des  Ranch warenhandels  in  Nordamerika. 

von  Enchhuysen  -  Leuten  bemannt  und  kommandiert.  Den  ,,Schwan" 
fiihrte  Cornelius  Nai  und  Peter  Strickbolle,  Supercargo  war  Francios 
de  la  Dale.  An  Bord  des  ,,Mercur"  war  Boiant  Tetgales  Kapitan,  Clas 
Cornelizoon  Steuermann  und  Hugh  von  Linschoten  ,,Koopmann"  oder  Super- 


Schiffe  der  Hollandisch-Ostindischen  Matschappy  auf  der  Fahrt 
nach  Amerika. 

cargo.  Auf  Betreiben  von  Peter  Plancius  riisteten  die  Amsterdamer  Kauf- 
leute  das  Schiff  ,,Die  Hoffnung",  sowie  eine  einfache  Fischerschaluppe  aus 
und  stellten  sie  unter  dem  Befehl  des  Willem  Barents,  um  sich  dieser  Expedition 
anzuschliessen.  Die  Expedition  kehrte  unverrichteter  Sache  aus  der  Karasee 
heim,  nachdem  Barents  ganz  Nowaja  Semlja  umschifft  hatte.  Im  nachsten 
Jahre  gingen  zwei  Schiffe  von  Amsterdam,  zwei  von  Seeland,  zwei  von  Ench- 
huysen und  eins  von  Rotterdam  mit  Regierungsunterstiitzung  aus,  um  nach 
Nordosten  zu  gehen,  aber  vergeblich,  sie  mussten  an  der  Karasee  umkehren. 
Moucheron  und  die  Enchhuysen-Leute  gaben  nun  die  Sache  auf,  doch 
riistete  Amsterdam  zwei  Schiffe  unter  Jacob  Hemskerk  und  Willem  Barents 
aus,  wahrend  die  Regierung  der  Generalstaaten  eine  hohe  Belohnung  fur  die 
Erreichung  der  nordostlichen  Durchfahrt  aussetzte.  Diese  Reise,  die  Ent- 
deckung  Spitzbergens,  die  Uberwinterung  der  Mannschaft  auf  Nowaja  Semlja, 
Barents  Tod  und  die  Riickkehr  der  Expedition  unter  Jacob  von  Hemskerk 
ist  ja  bekannt.  Die  Nachricht  aber  iiber  den  gewaltigen  Reichtum  dieser 
arktischen  Gegend  an  Walen,  Walrossen,  Seehunden,  Eisbaren  etc.  brachte 
nun  regelmassig  ganze  Flo t ten  von  Fangs chif fen  nach  dieser  Gegend,  und 
Holland  war  lange  Zeit  der  Mittelpunkt  des  Handels  mit  Tran,  Walross- 
zahnen,  Fellen  von  Eisbaren,  Weissfuchsen  und  Blaufuchsen  etc. 


2.   Kapitel.  41 


Die  Fahrten  zur  Entdeckung  der  nordostlichen  Durchfahrt  wurden  aber 
vorlaufig  aufgegeben,  da  Houtmann  mit  einer  reich  beladenen  hollandi- 
schen  Flotte  von  Ostindien  zuriickgekehrt  war,  und  die  Niederlander  jetzt 
den  Spaniern  zur  See  gewachsen  war  en.  Wurde  doch  1607  bei  Gibraltar  eine 
spanische  Flotte  von  der  hollandischen  unter  Jacob  von  Hemskerk  vollkommen 
vernichtet. 

1602  wurde  die  hollandisch-ostindische  Matschappy  von  John  Olden- 
barn  eveld  begriindet,  welche  das  Privileg  des  Handels  mit  Indien  um  das 
Kap  der  gut  en  Hoffnung  herum  erhielt.  Die  Niederlande  waren  damals  in 
zwei  politische  Parteien  zer fallen.  Oldenbarneveld  und  Hugo  Grotius  standen 
an  der  Spitze  der  einen,  der  sogenannten  Friedenspartei  oder  der  Republikaner, 
hauptsachlich  aus  hollandischen  Interessenten  bestehend,  die  andere  war 
die  Partei  der  belgischen  Emigranten,  auf  deren  Seite  die  calvinistische 
Geistlichkeit,  das  niedere  Volk  und  Moritz  von  Oranien  stand,  und  welche 
die  Calvinisten  oder  die  Partei  Oranien  genannt  wurde. 

Leute,  wie  Peter  Plancius  und  William  Usselinx,  gehorten  der  Calvinisten- 
partei  an.  Diese  fasste  die  Idee,  die  Spanier  auch  aus  den  amerikanischen 
Gewassern  zu  vertreiben,  und  zu  diesem  Zwecke  eine  westindische  Kompagnie 
zu  begriinden,  um  so  mehr,  als  Oldenbarneveld  die  samtlichen  Direktorstellen 
und  einflussreichen  Post  en  der  Ostindischen  Kompagnie  mit  seinen  Leuten 
besetzt  hatte. 

Auf  Veranlassung  der  hollandischen  Ostindischen  Kompagnie  kam  Hudson 
Ende  1608  nach  Holland,  um  der  Gesellschaft  einen  Plan  zu  unterbreiten  zur 
Erforschung  einer  nordostlichen  Durchfahrt  nach  China.  Oldenbarneveld 
und  die  Gesellschafter  lehnten  aber  vorlaufig  diese  Vorschlage  ab  und  stellten 
nur  eine  1610  zu  unternehmende  Expedition  in  Aussicht.  Jetzt  setzten  aber 
die  belgischen  Interessenten  ein,  namentlich  Peter  Plancius  interessierte  sich 
sehr  fur  die  Expedition,  ebenso  ein  reicher  Kaufmann,  Le  Maire,  und  der  fran- 
zosische  Gesandte  Jeannin,  der  davon  Nachricht  erhielt,  unter breitete  Henry  IV. 
von  Frankreich  einen  Vorschlag,  eine  von  Le  Maire  und  Peter  Plancius  ge- 
griindete  Gesellschaft  mit  Geldmitteln  und  eventuell  auch  Mannschaften  zu 
unterstiitzen  und  Hudson  an  die  Spitze  einer  auszusendenden  Expedition  zu 
stellen.  Auch  Usselinx  beteiligte  sich  an  den  Verhandlungen.  Diese  begannen 
Januar  1609  eine  greifbare  Gestalt  anzunehmen,  da  erfuhr  die  Ostindische 
Kompagnie  von  diesen  Massnahmen  ihrer  Konkurrenten  und  beschloss  nun 
so  fort  Hudson  in  ihren  Dienst  zu  nehmen.  Diese  Ostindische  Kompagnie  war 
aber  ganz  eigenartig  zusammengesetzt.  Jede  der  Kiistenprovinzen  bildete 
eine  Kammer  mit  einigen  Direktoren,  aus  denen  dann  17  Direktoren  oder 
,,Bewind  hebbers"  fur  die  Zentralleitung  erwahlt  wurden.  Jede  Kammer 
handelte  aber  ziemlich  selbstandig.  Es  kam  zu  Streitigkeiten,  und  lehnte 
namentlich  die  Seeland- Kammer  ab,  sich  an  dem  Unternehmen  zu  beteiligen. 
Die  Amsterdamer  Kammer  beschloss  deshalb,  auch  ohne  die  Unterstiitzung 
der  anderen  Kammern  Hudson  die  Fiihrung  einer  Expedition  zu  iiber- 


42 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


tragen,  um  einen  Seeweg,  sei  es  im  Nordosten  oder  Nordwesten,  nach  China 
zu  finden. 

Es  wurden  ihm  zwei  Fahrzeuge  anvertraut,  der  ,, Halve  Maan"  und  die 
,,Gute  Hoffnung".  Das  letztere  wurde  als  ein  ,,Vlieboot"  bezeichnet,  eines 
jener  kleinen  hollandischen  Yacht  en  mil  flachem  Boden  und  zwei  Pfahlmasten, 
wie  sie  namentlich  in  der  Zuyder  See  gebrauchlich  waren.  Uber  die  ,,Gute 
Hoffnung"  fehlt  jede  nahere  Nachricht,  auch  scheint  das  Fahrzeug  bereits 
von  Nowaja  Semlja  nach  Holland  zuriickgekehrt  zu  sein.  Die  Bemannung 
des  ,, Halve  Maan"  bestand  aus  20  Mann  teils  hollandischer,  teils  englischer 
Seeleute.  Unter  den  letzteren  werden  besonders  Robert  Juet  und  John  Colman 
erwahnt.  Am  6.  April  1609  (25.  Marz  alten  Stils)  verliessen  die  Fahrzeuge 
Amsterdam  und  segelten  zunachst  nach  Finnmarken,  woselbst  das  Nordkap 
am  5.  Mai  neuen  Stils  doubliert  wurde  und  dann  die  Kiiste  entlang  bis  in  die 
Nahe  von  Nowaja  Semlja.  Hier  war  noch  alles  mit  Eis  bedeckt,  und  infolge 
der  Kalte  und  auch  durch  Streitigkeiten  unter  den  Mannschaften  brach  eine 
Meuterei  aus;  man  weigerte  sich,  weiterzusegeln. 

Hudson  schlug  nun  vor,  nach  Amerika  zu  segeln  und  die  Durchfahrt  ent- 
weder  unter  dem  40.  Grad  nordlicher  Breite,  wo  eine  solche  Durchfahrt  vor- 
handen  sein  sollte,  oder  durch  die  Davis-Strasse  zu  versuchen.  Am  14.  Mai 
kehrte  man  daher  um  und  erreichte  am  18.  Juli  die  Kiiste  von  Nova  Francia 
unter  dem  44.  Grad  nordlicher  Breite,  wo  sie  landeten,  um  einen  neuen  Fock- 
mast  an  Stelle  des  alten  (im  Sturm  uber  Bord  gegangen)  herzurichten.  Sie 
fingen  hier  (bei  der  Pennobscot-Bay)  viele  Kabeljau  und  Hummern  und 
tauschten  auch  billig  Pelzwerk  ein,  namentlich  Biber  ,, beaver  skinnes"  und 
,, other  fine  furres",  die  die  Eingeborenen  gegen  rote  Gewander  vertauschten. 
Am  25.  Juli  iiberfiel  aber  die  Mannschaft  die  Ansiedlung  der  Indianer  und 
raubte  dieselbe  aus,  wie  der  Maat  Juet  schreibt:  ,,and  tooke  the  spoyle  of 
them  as  they  would  have  done  us." 

Sie  segelten  dann  die  Kiiste  entlang  bis  zum  16.  August,  wo  37  Grad 
6  Minuten  erreicht  wurde.  Am  17.  wurde  gewendet  und  nach  Norden  ge- 
steuert,  ohne  dass  eine  Einfahrt  gefunden  wurde;  doch  wurde  Chesepeak-Bay 
und  Delaware-Bay  besucht.  Am  2.  September  wurde  die  Einfahrt  von  Hudson 
entdeckt.  Am  5.  September  wurde  in  40  Grad  30  Minuten  in  einer  Bucht  ge- 
landet  (in  New  Jersey  oder  in  Staten  Island),  und  erhielt  man  von  den  Indianern 
Tabak,  Mais  und  Pelzwerk  im  Tausch  gegen  Messer  etc.  Bei  einer  weiteren 
Rekognoszierungsfahrt  wurde  die  Schaluppe  am  6.  September  von  zwei  Kanoes 
iiberfallen,  und  da  der  Regen  die  Lunten  der  Musketen  verloschte,  musste  sie 
sich  zuriickziehen.  John  Colman  wurde  durch  einen  Pfeilschuss  getotet,  zwei 
andere  verwundet.  Colman  soil  auf  Sandy  Hook  begraben  sein,  welches 
Hudson  Colmans  point  benannte. 

Man  segelte  nun,  vorsichtig  lotend,  den  Fluss  hinauf.  Am  19.  September 
wurde  die  Stelle  erreicht,  wo  heute  Albany  steht.  Die  Indianer  kamen  von 
alien  Seiten  herbeigestromt  und  brachten  Weintrauben,  Mais,  Tabak,  Kiirbisse, 


2.   Kapitel.  43 


Biber-  und  Otter- Felle,  Zobel,  Fiichse  etc.,  die  fur  Messer,  Glasperlen  und 
Beile  billig  eingetauscht  wurden.  Das  Boot  wurde  noch  welter  flussauf warts 
gesendet,  kam  aber  mit  der  Meldung  zuriick,  dass  nur  7  Fuss  Wasser  vor- 
handen  sei,  weshalb  das  Schiff  nicht  welter  vordringen  konnte.  Am  23.  Sep- 
tember wurde  daher  die  Riickreise  angetreten.  Man  ging  langsam  und  trieb 
taglich  mit  den  Indian ern  Handel.  Am  2.  Oktober  kam  es  aber  auf  der  Insel 
Manhattan  zu  einem  blutigen  Zusammenstoss  mit  den  Indianern,  wobei  viele 
derselben  fielen.  Am  4.  Oktober  wurde  der  Fluss  verlassen  und  die  Heimkehr 
angetreten,  als  die  Mannschaft  wiederum  meuterte.  Am  7.  November  wurde 
Dartmouth  erreicht. 

Von  hier  aus  t  elite  Hudson  den  ,,  Be  wind  hebbers  of  Ostindische  Ma- 
tschappy"  seine  Ankunft  mit,  und  schlug  vor,  dass  er  nun  einen  weiteren  Ver- 
such  im  Nordwesten  machen  wollte.  Ausser  der  bisherigen  Lohnung  fur  die 
Mannschaft  sollten  ihm  1500  Gulden  fur  frischen  Proviant  iibergeben  werden. 
Er  wollte  am  i.  Marz  von  Dartmouth  aufbrechen  und  den  April  und  die  erste 
Halfte  Mai  in  der  Nahe  der  Neufundlandbanke  (Is  los  de  Arena)  mit  Fisch- 
fang  und  Walfang  zubringen,  dann  nach  Nordwesten  segeln  und  im  Herbst 
nach  Holland  zuriickkehren. 

Es  dauerte  infolge  widriger  Winde  sehr  lange,  bis  die  Kompagnie  Nach- 
richt  von  der  Riickkehr  des  ,, Halve  Maan"  erhielt,  dann  befahlen  sie  die 
sofortige  Riickkehr  von  Schiff  und  Mannschaften.  Die  englische  Regierung 
verbot  indessen  Hudson  und  den  englischen  Mitgliedern  der  Mannschaft,  das 
Land  zu  verlassen,  ausser  im  Dienste  ihres  eigenen  Landes.  Dies  geschah  im 
Januar  1610.  Das  Schiff,  der  ,, Halve  Maan"  selbst,  gelangte  erst  am  15.  Juli 
wieder  nach  Amsterdam.  (Er  ging  dann  nach  Indien  und  scheiterte  1615  in 
Mauritius.) 

Durch  Vermittlung  des  Sir  John  Wolstenholm  und  Sir  Dudley  Diggs 
wurde  Hudson  im  Jahre  1610  von  der  Muscovy  Company  mit  der  Bark  ,, Disco- 
very" von  55  Tons  Grosse  ausgesendet  und  erreichte  die  nach  ihm  benannte 
Bai.  Nachdem  vorher  die  Insel  Gros  merci  und  Long  Island  am  Eingang 
der  Bai,  die  er  Holdfast  Hope  nannte,  entdeckt  war,  und  die  Einfahrt  in  die 
Bai  zwischen  zwei  Kaps  gefunden  hat,  die  er  nach  den  Hauptbeforderer 
arktischer  Forschung  Kap  Wolstenholm  und  Kap  Diggs  nannte;  nach  dem 
dritten  Macen  Hudsons,  Smith,  ist  spater  der  nach  Norden  fiihrende  Smith- 
Sund  genannt  worden.  An  der  Siidostecke,  der  Jamesbai,  wurde  die  Expedition 
gezwungen,  einen  Winterhafen  aufzusuchen,  wo  das  Schiff  einfror. 

Da  man  nur  fur  6  Monate  Proviant  mitgenommen  hatte,  trat  bald  Mangel 
ein,  und  nur  durch  Erlegen  von  Wild  konnte  sich  die  Mannschaft  den  Winter 
hindurch  halten.  Am  19.  Juni  1611  verliess  man  den  Winterhafen,  doch 
best  and  der  ganze  Mundvorrat  jetzt  nur  aus  i  Pfund  Brot  und  3%  Pfund 
Kase  pro  Kopf. 

Unter  Fiihrung  eines  gewissen  Henry  Green  und  Rob  Jvetts  brach  Meuterei 
aus.  Hudson  wurde  im  Schlaf  iiberfallen  und  mit  den  kranken  Matrosen 


44 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


Sydrach  Turner,  Michael  Bute,  Arnold  Ludloe,  Philipp  Bute,  Adam  Moore, 
Henry  King,  John  Hudson  und  dem  Student  en  der  Mathematik,  Thomas 
Wydhouse,  in  der  Schaluppe  ausgesetzt.  Der  Zimmermann  King  teilte  frei- 
willig  ihr  Schicksal.  Nie  hat  man  wieder  etwas  von  ihnen  vernommen.  Die 
zuriickgebliebenen  zwolf  Mann  plunderten  das  Schiff  aus  und  traten  die  Heim- 
reise  an,  wobei  Robert  Bylot  die  Fiihrung  des  Schiffs,  Abacuck  Pritchard 
dasLogbuch  ubernahm.  Bei  Kap  Wolstenholm,  am  Ausgange  der  Hudsonsbai, 
wurde  eine  ans  Land  gesandte  Abteilung  von  den  Eskimos  iiberfallen,  wobei 
Henry  Green  und  die  Matrosen  Thomas,  Wilson,  Pearce  und  Moter  fielen. 
Die  wenigen  Uberlebenden  erhielten  sich  mittels  des  Fangs  von  Seevogeln  und 
erreichten  die  Heimat,  wobei  Robert  Ivett  noch  angesichts  der  irischen  Kiiste 
starb. 

In  England  bildete  sich  jetzt  eine  Gesellschaft  zur  Ausbeutung  des  ,,neu 
entdeckten  Handelsweges  nach  Cathay",  bestehend  aus  den  Herren:  Henry 
Earl  of  Northampton  (Grossiegelbewahrer),  Charles  Earl  of  Nottingham, 
Thomas  Earl  of  Suffolk,  Henry  Earl  of  Southampton,  William  Earl  of  Salis- 
bury, Theophilus  Lord  Walden,  Sir  Thomas  Smith  Mannsell,  Sir  Walter  Hope, 
Sir  Dudley  Diggs,  Sir  James  Lancerote,  Rebecca  Lady  Rowney,  Francis  Jones, 
Alderman,  John  Wolstenholme,  Wilhelm  Greenwell,  Nicholas  Seat,  Hovet 
Shaper,  William  Russell,  John  Merricks,  ,, merchants  of  the  city  of  London", 
sowie  die  gesamte  Muscovy-Company  und  East  India  Company.  Die  Gesell- 
schaft erhielt  1612  von  Jamest  einen  Charter,  wonach  ihr  das  alleinige  Handels- 
recht  zugestanden  wurde,  damit  nicht  jeder  Abenteurer  sich  einschleichen 
konnte.  Ferner  erhielten  sie  Zollfreiheit  auf  9  Jahre  fur  alle  ein-  und  ausge- 
fiihrten  Waren.  Die  Kompagnie  sandte  im  Jahre  1612  eine  Expedition,  be- 
stehend aus  der  ,, Resolution"  unter  Kapitan  Button  und  der  ,, Discovery", 
Kapitan  John  Ingram,  zur  Aufsuchung  des  verschollenen  Hudsons  aus.  An 
Bord  befanden  sich  auch  Abacuck  Pricket t  und  Robert  Bylot.  Die  Expedition 
verlief  im  ganzen  resultatlos,  nach  langerem  Kreuzen  am  Eingange  der  Bai 
uberwinterte  Button  in  57  Grad  10  Min.  in  der  Mlindung  eines  Flusses,  dem 
er  den  Namen  Port  Nelson  nach  seinem  Mate  beilegte.  Auch  er  verlor  viele 
Leute  durch  den  Skorbut,  dieser  Geissel  aller  friiheren  arktischen  Fahrten 
und  erhielt  den  Rest  seiner  Mannschaft  nur  durch  den  ihnen  reichlich  gebotenen 
Genuss  von  frischem  Gefliigel,  von  dem  im  Laufe  des  Winters  22  ooo  Stuck 
erbeutet  wurden.  Das  Land  wurde  wieder  einmal  fiir  England  in  Besitz 
genommen  und  ,,New  Wales"  benannt. 

Sir  Dudley  Diggs  und  Sir  John  Wolstenholme  veranlassten  dann  noch 
eine  Reihe  von  Fahrten  unter  Gibbons,  dann  Robert  Bylot  und  schliesslich 
Baffin,  die  zahlreiche  wertvolle,  geographische  Entdeckungen  machten,  aber 
nichts  weiter  mit  unserem  Gebiet  zu  tun  haben.  1619  trat  Danemark  wieder 
einmal  auf  den  Schauplatz,  das  schon  friiher  einmal  durch  die  Expeditionen 
von  Hall,  Lindesnaes  und  andere  sich  an  den  arktischen  Forschungen  beteiligt 
hatte.  Kapitan  Monk  ging  mit  zwei  Schif fen  und  84  Mann  nach  der  Hudsonsbai, 


2.  Kapitel. 


entdeckte  mehrere  Buchten  und  Strassen,  iiberwinterte  in  einer  Bucht,  die 
er  Christiansee  nannte,  in  der  Miindung  des  nachmaligen  Churchillrivers. 

Das  Land  nannte  er  Neu-Danemark. 

Die  ganze  Mannschaft  erlag  dem  Skorbut  bis  auf  Monk  und  zwei  Ge- 
fahrten,  denen  es  mit  unsaglichen  Miihen  gelang,  in  dem  kleineren  Fahrzeug 
Danemark  wieder  zu  erreichen.  Zwar  wollte  er  alsdann  eine  zweite  Expe- 
dition dahin  ausriisten,  aber  der  Konig  verbot  es,  da  er  schon  gemig  Schiffe 
verloren  hatte.  Monk  widersprach,  worauf  ihn  der  Konig  wiitend  mit  dem 
Stock  schlug.  Monk  nahm  sich  dies  derart  zu  Herzen,  dass  er  wenige  Tage 
darauf  starb. 

1631  wurde  auf  Betreiben  des  unermiidlichen  Wolstenholmes  und  des 
Mathematikers  Briggs  Kapitan  Luke  Fox  in  der  koniglichen  Pinasse  ,, Charles" 
von  70  Tons  wieder  nach  der  Hudsonsbai  gesandt,  dem  sich  die  von  den 
Merchant  adventurers  von  Bristol  ausgeriistete  Schaluppe  ,, Maria"  von  eben- 
falls  70  Tonnen  unter  Befehl  des  Kapitans  James  anschloss,  um  dort  Handel 
zu  treiben.  Luke  Fox  iiberwinterte  in  Port  Nelson  und  kreuzte  dann  wahrend 
des  folgenden  Sommers  an  der  Kiiste,  wobei  Kapitan  James  die  nach  ihm 
benannte  Bucht  entdeckte.  Er  schiitzte  iibrigens  sein  Schiff  vor  den  Eis- 
pressungen  dadurch,  dass  er  es  im  flachen  Wasser  versenkte  und  am  Lande 
ein  Haus  errichtete.  Da  die  Mannschaft  notgedrungen  viel  in  freier  Luft 
arbeiten  musste,  war  es  die  erste  Expedition,  die  vom  Skorbut  befreit  blieb. 

Luke  Fox  nahm  wiederum  feierlich  vom  gesamten  Lande  um  die  Hudsons- 
bai herum  Besitz,  und  zwar  von  der  Bai  bis  westlich  nach  New  Albion  (Britisch 
Kolumbia)  und  bis  zum  80.  Grad  nordlicher  Breite*). 

Beide  Fahrzeuge  erreichten  glucklich  Bristol,  doch  erklarte  Luke  Fox  als 
erster,  dass  die  Fahrten  ,zur  Aufsuchung  einer  nordwestlichen  Durchfahrt 
zwecklos  seien,  da  selbst,  wenn  eine  solche  gefunden  wurde,  man  doch  in  siid- 
lichen  Breiten  1000  Meilen  schneller  zuriicklege,  als  hier  100. 

Die  weiteren  Fahrten  wurden  deshalb  auch  vorlaufig  aufgegeben. 

Die  1642  gegriindete  New  England  Company  befasste  sich  nur  mit  der 
Besiedlung  der  Neu- England- Staaten,  und  mit  dem  Betrieb  des  Pelzhandels 
dort,  ebenso  wie  die  1606  gegriindete  London  and  Plymouth  Company. 

Das  Hudsonsbai- Gebiet  war  fast  ganz  in  Vergessenheit  geraten,  als  1669, 
wie  schon  oben  erwahnt,  Radisson  und  Grosseillier  nach  England  kamen. 

Prinz  Rupert  fasste  ihre  Idee,  eine  grosse  Handelsgesellschaft  zur  Aus- 
beutung  des  Pelzreichtums  dieser  Lander  zu  griinden,  eifrigst  auf,  und  ver- 
anlasste  zunachst  die  Bildung  eines  Komitees.  Dasselbe  bestand  aus  folgenden 
Herren : 

Prinz  Rupert,  Pfalzgraf  vom  Rhein,  Herzog  von  Bayern  und  Cumber- 
land, Herzog  Christopher  von  Albemarle,  Graf  William  von  Craven,  Lord 


*)    Das  Buch   des  Luke  For  ist   ems  der    seltensten  Biicher,    das    nur    in    drei 
Exemplaren  in  der  Welt  bekannt  ist. 


••    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


Henry  Arlington,  Lord  Antony  Ashley,  Baronets  Sir  John  Robinson,  Sir 
Robert  Vyner,  Sir  Peter  Colleton,  den  Rittern  Sir  Edward  Hungerford,  Sir 
Paul  Neele,  Sir  John  Griffith  nnd  Sir  Philipp  Carteret,  sowie  den  Kaufleuten 
James  Hayes,  John  Kirk,  Francis  Millington,  William  Prettyman,  John  Fenn 
und  dem  Goldschmiede  John  Portman. 

Auf  gemeinschaftliche  Kosten  riistete  man  die  kleine  Galeasse  ,,  Nonsuch" 
von  20  Tonnen  Grosse  aus,  die  unter  dem  Befehl  von  Zacharias  Gillam  und 
Grosseillier  nach  der  Hudsonsbai  abging. 

An  einem  kleinen  Flusse  der  Ostkiiste,  dem  heutigen  Eastmaine,  der 
Rupertsriver  genannt  wurde,  baute  man  ein  Fort,  Fort  Charles  und  verbrachte 
dort  den  Winter. 

Das  Land  empfing  nach  dem  hohen  Beschiitzer  des  Unternehmens  den 
Namen  Rupertsland.  Ein  reger  Tauschhandel  entspann  sich  mit  den  von  alien 
Seiten  herbeistromenden  Indianern.  Bis  zum  Eintreten  des  Winters  wurden 
auch  Expeditionen  zum  Erforschen  der  Umgegend  ausgeschickt.  Am  9.  De- 
zember  zeigten  sich  die  ersten  Anzeichen  des  ausbrechenden  Skorbut,  doch 
Grosseillier  verstand  es,  durch  ein  Bier,  das  er  aus  den  Spitzen  der  Sprossen- 
tanne  herstellte,  denselben  wirksam  zu  bekampfen. 

Am  2.  Mai  1670  wurde  mittels  einer  feierlichen  Zeremonie  das  Land 
fur  die  englische  Krone  in  Besitz  genommen  und  dann  mit  einer  vollen  Ladung 
wertvollen  Pelzwerks  die  Riickreise  angetreten. 

Hier  erteilte  Charles  II.  der  neuen  Gesellschaft  unter  dem  Namen  ,,  Com- 
pany of  adventurers  of  England  trading  into  Hudsonsbay"  einen  Charter. 

Derselbe  enthielt  die  weitgehendsten  Privilegien,  die  je  einer  englischen 
Handelsgesellschaft  ausser  der  Ostindischen  Kompagnie  verliehen  wurde. 
Die  Gesellschaft  erhielt  die  Rechte  einer  juristischen  Person,  ferner  das 
alleinige  Handels-  und  Fischereirecht  auf  alien  Seen,  Flussen,  Strassen  usw., 
die  innerhalb  des  Eingangs  der  Hudsonstrasse  liegen,  gleichviel  in  welchem 
Breitengrade,  ferner  das  Handclsmonopol,  Minenrecht,  Verwaltung  und 
Jurisdiktion  in  alien  Landern,  die  an  diese  Seen  usw.  grenzen,  sowie  die  von 
dort  aus  erreicht  werden  konnen,  sowie  sie  nicht  von  einem  christlichen  Fiirsten 
bereits  in  Besitz  genommen  seien. 

Jedem  andern  war  es  verboten,  das  Gebiet  zu  betreten  oder  sich  der 
Kiiste  zu  nahern,  widrigenfalls  Schiff  und  Ladung  konfisziert,  sowie  ausserdem 
eine  Strafe  von  1000  Pfund  verwirkt  sei.  Die  Halfte  hiervon,  sowie  des  Er- 
loses  aus  dem  beschlagnahmten  Eigentum  sollte  zur  Halfte  an  die  Kompagnie, 
zur  Halfte  an  die  Krone  fallen. 

Die  Gesellschaft,  deren  Vorstand  aus  einem  Gouverneur,  einem  stell- 
vertretenden  Gouverneur  (deputy)  und  sieben  Mitgliedern  bestehen  sollte, 
erhielt  das  Recht,  ein  W'appen  zu  fiihren  und  auch  innerhalb  ihres  Gebietes 
selbstandig  Krieg  zu  fiihren  und  Frieden  zu  schliessen. 

Das  Kapital  sollte  aus  105  Aktien  a  100  Pfund  bestehen  und  jeder  Inhaber 
einer  Aktie  eine  Stimme  haben. 


2.   Kapitel. 


Als  einzige  Gegenleistung  ubernahm  die  Gesellschaft  die  Verpflichtung, 
jedem  Mitglied  des  koniglichen  Hauses,  das  etwa  das  Gebiet  betrete,  zwei 
Elkfelle  und  zwei  schwarze  Biber  zu  ubergeben. 

Prinz  Rupert  war  der  erste  Gouverneur  der  Gesellschaft  in  England, 
wahrend  Charles  Bay  ley,  der  erste  Deputy- Gouverneur,  seinen  Sitz  in  Ruperts- 
land  nahrn,.  und  zwar  in  dem  neu  gegriindeten  Rupertshouse  an  der  Mundung 
des  Nemiscau  in  51  Grad  20  Min.  nordlicher  Breite.  Im  Jahre  1674  griindete 
er  das  Fort  Monsebi  oder  Mooseriverfactory  und  etwas  spater  Fort  Albanyriver 
oder  Quitchischouen,  die  noch  heute  beide  im  Betriebe  sind. 

Im  selben  Jahre  kam  William  Lyddal  in  den  Schiffen  ,, Prince  Rupert" 
und  ,,Shaftesbury"  als  Befehlshaber  nach  Rupertshouse,  wahrend  Bayley  in 
Mooseriverfactory  residierte. 

1678  wurde  Charleton  Island  zum  Depot  gewahlt  und  Nixon  zum  Gou- 
verneur von  Albany  ernannt. 


Wappen  und  Siegel  der  Hudson's  Bay  Co. 

Grosseillier  und  Radisson  hatten  noch  mehrere  Handelsreisen  fur  die 
Hudsonsbay-Company  gemacht,  wurden  aber  nun  als  uberflussig  beiseite  ge- 
schoben  und  schlecht  behandelt,  wie  wenigstens  Radisson  in  einem  Manuskript 
vom  Jahre  1684  angibt.  Schon  gleich  nach  Begriindung  der  Hudsonsbay 
Company  waren  ihnen  von  Colbert  grosse  Anerbietungen  gemacht  worden, 
die  sie  aber  ablehnten.  1674  aber,  nach  der  ihnen  zuteil  gewordenen  Zuriick- 
setzung,  traten  sie  wieder  mit  Frankreich  in  Verbindung  und  nahmen  nun- 
mehr  den  Vorschlag  an,  gegen  ein  Jahresgehalt  von  400  Louisdor  und  Bezah- 
lung  ihrer  gesamten  Schulden  in  franzosische  Dienste  zu  treten.  Beide  be- 
gaben  sich  nach  Canada,  wo  indessen  Gouverneur  Frontenac  sich  urn  die  in 
Frankreich  gemachten  Versprechungen  nicht  kummerte.  Radisson  kehrte 
deshalb  nach  Frankreich  zuriick  und  trat  als  Offizier  in  die  Marine,  wo  er 
bis  zum  Jahre  1679  verblieb. 

In  Kanada  war  inzwischen  eine  neue  Periode  geographischer  Forschung 
und  wirtschaftlicher  Ausdehnung  eingetreten. 

1671  hatte  bereits  der  Voyageur  Perrot  Chicago  ein  grosses  Dorf  der 
Miami  an  der  Bay  des  Puants  (Stinktierbucht)  des  Michigansee  erreicht  und 
eine  Niederlassung  gegriindet  (wo  heute  Chicago  liegt).  Im  gleichen  Jahre 
entdeckte  der  Sieur  de  St.  Lusson  den  Sault  de  St.  Marie  am  Obernsee,  schloss 
Vertrage  mit  den  Indianern  und  nahm  vom  ganzen  Lande  bis  zur  Hudsonsbai 
im  Namen  Frankreichs  Besitz,  wahrend  gleichzeitig  Charles  Albanel  und 


^.8  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Sieur  Denis  auf  dem  Landwege  die  Hudsonsbai  erreicht  hatten  und  gleichfalls 
Besitz  ergriffen. 

Im  selbenjahrei67i  hatte  Peter  Mar  quette  eineMissionsstation  undNieder- 
lassung  am  Huronensee  in  Michillimacinaw  errichtet,  die  sich  bald  infolge 
ihrer  gunstigen  Lage  zu  einem  Hauptemporium  des  Pelzhandels  entwickelte. 

1672  wurde  Louis  Buade  Comte  de  Frontenac  Gouverneur  von  Kanada 
und  wusste  bald  das  Land  an  ausserer  Machtstellung  ebenso  zu  heben,  wie  dies 
Tracey  durch  den  inneren  Ausbau  der  wirtschaftlichen  Hilfsquellen  getan. 
Als  erste  Pioniere  entdeckten  Pater  Marquette  und  der  Quebecker  Pelzhandler 
Jolliet  den  Mississippi,  den  Misssouri  und  den  Illinoisriver  1672. 

Der  Chevalier  de  la  Salle  und  Pater  Hennepin  erweiterten  diese  Ent- 
deckungen.  1679  erbauten  sie  auf  dem  Eriesee  das  erste  im  amerikanischen 
Binnenlande  konstruierte  Schiff,  eine  Brigantine  von  60  Tonnen,  mit  dem  sie 
handeltreibend  durch  die  von  ihnen  entdeckte  Eriestrasse  in  den  Huronensee 
gelangten  und  von  da  in  den  Michigan  oder,  wie  er  damals  hiess,  Illinoissee. 
Hier  verliessen  sie  mit  wenigen  Begleitern  das  Fahrzeug  und  drangen  erst 
auf  dem  Landwege  und  dann  in  Booten  bis  an  den  Mississippi,  den  sie  bis 
zur  Miindung  befuhren,  wobei  Hennepin  langere  Zeit  in  Gefangenschaft  der 
Indianer  geriet. 

Die  Compagnie  des  Indes  occidentals  (1663  gegriindet),  welche  eigentlich 
diese  Expeditionen  hatte  leiten  sollen,  sah  teimahmslos  zu,  und  liess  sich  auch 
eins  ihrer  Privilegien  nach  dem  andern  aus  den  Handen  winden. 

Obgleich  anfanglich  grossartig  angelegt  und  mit  den  notigen  Kapit alien 
ausgestattet,  so  dass  sie  mit  iiber  100  eigenen  Schiff  en  einen  lebhaften  Handel 
nach  Afrika  und  Siidamerika  betrieb,  geriet  sie  durch  schlechte  Leitung  all- 
mahlich  in  immer  steigende  Schulden,  die  1674  sich  auf  4  820  ooo  Franks 
bei  einem  Aktienkapital  von  i  297  ooo  Franks  beliefen.  In  diesem  Jahre 
nun  zahlte  der  Sonnenkonig  Ludwig  XIV.  die  gesamten  Schulden,  loste  die 
Gesellschaft  auf  und  erklarte  den  Handelsbetrieb  zum  Staatsmonopol,  das 
an  einen  gewissen  Oudiette  verpachtet  wurde.  Der  Preis  der  Biber  wurde 
auf  41/,  Franks  fur  das  Pfund  festgesetzt,  und  Oudiette  forderte  die  Sache 
so,  dass  die  Ausfuhr  der  Biberfelle  allein  von  550000  Franks  auf  214  Millionen 
jahrlich  stieg. 

1681  tauchten  Radisson  und  Grosseillier  wieder  in  Kanada  auf  und 
assoziierten  sich  mit  einem  Quebecker  Rauchwarenhandler  La  Chesnaye,  um 
Handelsniederlassungen  an  der  Hudsonsbai  zu  begriinden.  La  Chesnaye 
ubernahm  die  Beschaffung  der  Ausriistung  usw.,  den  Vertrieb  der  einge- 
tauschten  Felle,  so  wie  die  ganze  kaufmannische  Leitung  in  Quebec,  wahrend 
Grosseillier  und  Radisson  die  zu  errichtenden  Stationen  an  der  Hudsonsbai 
leiteten,  wo  fur  jeder  ein  Viertel  des  Reingewinns  erhalten  sollte. 

Zunachst  ging  Radisson,  begleitet  von  seinen  Neffen  Jeanbaptiste  Chouart 
de  Grosseillier,  Pierre  Allemand  und  Jeanbaptiste  Godefroy,  im  November 
von  Quebec  nach  Acadie,  wo  er  iiberwinterte.  Im  Juli  verliess  er  Acadie  in 


2.   Kapitel.  40, 


einer  Bark  von  50  Tonnen,  reich  beladen  mit  Tauschartikeln,  aber  wenig 
Lebensmitteln,  mit  12  Mann  Besatzung,  wahrend  sich  ihm  Grosseillier  in 
einem  kleineren  Fahrzeuge  von  30  Tonnen  und  15  Mann  anschloss.  Die 
Fahrt  ging  zunachst  durch  die  Hudsonstrasse,  wo  man  von  den  Eskimos,  die 
Radisson  als  sehr  gefahrlich,  blutdiirstig  und  gefrassig  schildert,  einige  hundert 
Robbenfelle  einhandelte.  Am  26.  August  erreichte  man  die  Westkiiste  der 
Hudsonsbai  und  lief  am  2.  Septemper  in  den  Hayesriver  ein,  der  als  ,,KaKivoa 
Kirnay"  bezeichnet  wurde.  Hier  wurde  das  Fort  ,,Groissellier"  errichtet, 
und  von  dort  aus  Handelsziige  unternommen  und  Freundschaftsvertrage  mit 
den  Indianern  abgeschlossen. 

Auf  einer  dieser  Streiffahrten  traf  Radisson  am  Kawarinagawa  oder 
Nelsonriver  ein  Fort  der  Hudsonsbay  Company  unter  Leitung  einer  Mr.  Bridge- 
water  und  im  Flusse  dabeiliegend  ein  englisches  Schiff  unter  Kapitan  Geillam, 
das  gerade  eine  Ladung  Felle  einnahm. 

Radisson  erteilte  ihnen  den  Befehl  zum  sofortigen  Abzuge,  wurde  aber 
ausgelacht  und  zog  sich  wohlweise  zuriick,  da  er  gar  keine  Macht  besass,  diesem 
Befehle  Nachdruck  zu  geben. 

Bei  einem  spateren  Besuche  fand  er  aber  alle  Englander  am  Skorbut 
erkrankt,  pflegte  sie  bis  zum  Aufbruch  des  Eises,  packte  sie  dann  auf  eine 
Barke  und  schickte  sie  nach  dem  Mooseriverfort.  Er  selbst  ging  mit  Grosseillier 
mit  reicher  Ladung  nach  Kanada,  seinen  Neffen  Chouart  als  Kommandant 
zuriicklassend. 

In  Kanada  stellte  sich  nun  zunachst  heraus,  dass  sie  von  La  Chesnaye 
betrogen  worden  war  en,  und  dass  ausserdem  der  englische  Gesandte  in  Paris, 
Lord  Preston,  Klage  erhoben  habe  wegen  volkerrechtswidriger  Behandlung  der 
oben  erwahnten  Englander. 

Radisson  eilte  nun  nach  Frankreich  und  erlangte  eine  Audienz  beim  Konig, 
der  ihn  aber  ausserst  verachtlich  behandelte.  Seine  dariiber  entstandene 
Missstimmung  benutzte  Lord  Preston,  um  ihn  durch  glanzende  Versprechungen 
in  englische  Dienste  zu  ziehen. 

So  warf  er  sich  wieder  in  die  Arme  der  Englander  und  ging  am  24.  April 
1684  nach  London,  wo  er  durch  Sir  Hayes  dem  Gouverneur  der  Hudsonsbay 
Company  vorgestellt  wurde. 

Der  gewandte  Franzose  versprach  der  Gesellschaft,  das  von  seinem  Neffen 
befehligte  Fort  mit  alien  Pelzvorraten  zu  iibergeben.  Am  17.  Mai  1684  verliess 
er  in  der  Brigg  ,,Happy  Return",  begleitet  von  zwei  anderen  Schiffen  der 
Kompagnie,  London  und  erreichte  nach  schneller  Uberfahrt  Fort  Nelson. 

Hier  waren  wahrend  seiner  Abwesenheit  zwei  englische  Schiff e  angelangt, 
die  den  Winter  iiber  Tauschhandel  mit  den  Indianern  getrieben  hatten,  und 
nach  Radissons  Aussage  die  Eingeborenen  zu  Mordanfallen  auf  die  Franzosen 
angestiftet  hatten.  Chouart  und  ein  anderer  Franzose  seien  verwundet  worden, 
worauf  vierhundert  befreundete  Knistineaux  und  Assinoboins  herbeigeeilt 
seien  und  mehrere  Englander  niedergeschossen  hatten. 

4 


CQ  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Gerade  zu  dieser  Zeit,  als  die  Spannung  zwischen  den  beiden  Rivalen 
den  Hohepunkt  erreicht  hatte,  erschien  Radisson  als  Friedensstifter.  Er  iiber- 
redete  seinen  Neffen,  das  Fort  mit  12  ooo  Biberfellen  und  vielem  andern 
Pelzwerk,  Vorraten  und  Tauschartikeln  den  Englandern  zu  iibergeben, 
und  selbst  mit  seinem  Dolmetscher  in  den  Dienst  der  Hudsonsbay  Company 
zu  tret  en. 

Kurz  darauf  schickte  aber  Gouverneur  Geyer,  der  ein  starkes  Fort ,,  York- 
fort"  an  der  Stelle  errichtet  hatte,  wo  die  Station  Bridgars  gestanden,  samt- 
liche  Franzosen  nach  Hause,  trotz  aller  Radisson  gemachten  Versprechungen, 
da  er  den  Uberlaufern  nicht  traute. 

Im  Jahre  1683  hatte  Henry  Serjeant  fur  die  Hudsonsbay  Company 
Hayesfort  am  Mooseriver  und  Eastmainfactory  in  Eastmame  gegriindet,  und 
die  Gesellschaft  traf  alle  Vorkehrungen,  um  ihre  Privilegien  aufs  beste 
auszunutzen,  doch  konnte  sie  sich  nur  kurze  Zeit  des  ungestorten  Allein- 
h  an  dels  erfreuen. 

In  Kanada  hatte  sich  der  Monopolpachter  Oudiette  allmahlich  immer 
weitergehende  Bedriickungen  und  Willkiir  zu  Schulden  kommen  lassen,  und 
so  lastige  Beschrankungen  des  Handels  eingefiihrt,  dass  es  selbst  den  daran 
gewohnten  Franzosen  zu  viel  wurde. 

Eine  Anzahl  der  angesehensten  Kaufleute  Kanada s  verbanden  sich  zu 
einer  ,, Compagnie  du  Nord"  und  setzten  beim  Minister  Pontchartrain  die  Ab- 
berufung  Oudiettes  durch.  An  seiner  Stelle  wurde  ein  Kanadier,  Pacaud, 
ernannt,  der  70  ooo  Franks  jahrliche  Pacht  zahlen  und  eine  Gesellschaft  fur 
den  Pelzhandel  bilden  musste,  die  sich  jedoch  mit  der  Compagnie  du  Nord 
vereinigte. 

Nun  begann  ein  regelmassiger  Kampf  mit  der  englischen  Rivalin.  Zu- 
nachst  wurde  noch  1684  eine  Expedition  von  zwei  kleinen  Schiffen  unter 
Kommando  des  Baron  de  la  Martiniere  nach  der  Hudsonsbai  gesandt,  die  sich 
in  der  Nahe  des  Fort  Bourbon  am  Marissipi-Flusse  (Nelsonriver  ?)  fetztsetzte. 
Martinier  machte  aber  schlechte  Geschafte  und  fuhr  wieder  ab,  kaperte  aber 
auf  dem  Riickwege  ein  vollbeladenes  Schiff  der  Hudsonsbay  Company. 

Diese  hatte  noch  kaum  vom  Ausbruch  der  Feindseligkeiten  gehort,  als 
auch  schon  eine  weitere  Expedition  der  Compagnie  du  Nord  organisiert  wurde. 

Der  Kapitan  Chevalier  de  la  Troye  und  die  beiden  Leutnants  Iberville 
le  Moine  und  St.  Helene  le  Moine  wurden  mit  80  Soldaten  im  Marz  1686 
nach  der  Hudsonsbai  gesendet.  Im  Juni  langten  sie  vor  Fort  Monsebi  an, 
einem  starken  Posten  rnit  Erdwerken,  12  Geschiitzen  und  16  Mann  Besatzung, 
die  sich  aber  ergab,  ohne  einen  Schuss  abzufeuern.  Von  dort  aus  ging  St.  Helene 
mit  50  Mann  nach  Fort  Rupert,  das  sich  gleichfalls  ohne  Widerstand  ergab. 
Inzwischen  hatte  sich  Ibervilles  zweier  englischen  Fahrzeuge  bemachtigt,  auf 
welchen  er  mit  einem  Teil  der  Streitmacht  nach  Fort  Quitchichouen  fuhr. 

Hier  stiess  er  aber  auf  heftigen  Widerstand,  und  erst  nach  langerer  Be- 
lagerung  konnte  das  Fort  genommen  werden.  Die  grossen  Magazine  wurden 


2.   Kapitel. 


gepliindert  und  fiir  300  ooo  Franks  Pelzwaren  weggeschleppt.   Die  Besatzung 
aller  drei  Posten  wurde  nach  Fort  Nelson  geschickt. 

Hiermit  waren  die  Franzosen  Herren  der  ganzen  Sudhalfte  der  Hudsonsbai. 
Ein  Versuch  der  Hudsonsbay  Company,  Fort  Quitchichouen  wieder  zu 
erobern,  schlug  fehl. 

Gleichzeitig  war  iibrigens  eine  Abteilung  von  60  Englandern,  die  des 
Pelzhandels  halber  von  Newyork  nach  Michillimacinaw  gegangen  waren,  von 
den  Franzosen  unter  Durantaye  zuriickgetrieben. 

1689  erklarte  Frontenac  den  Englandern  offizlell  den  Krieg  und  beschloss 
einen  Angriff  auf  Newyork,  musste  aber  auf  direkten  Befehl  des  Konigs  von 
Frankreich  davon  abstehen.  Dagegen  griff  en  die  Waldlaufer  Hertel,  Creveaux 
und  Gatineau  im  nachsten  Jahre  mit  einer  kleinen  Zahl  Jager  die  englischen 
Forts  an  der  kanadischen  Grenze  an  und  eroberten  Fort  Casbebe  und  vier 
andere  Posten. 

Zur  gleichen  Zeit  aber  ging  eine  englische  Flotte  von  34  Schiffen  unter 
Admiral  Phipps,  nach  Eroberung  Acadies  den  St.  Lorenz  hinauf  und  bom- 
bardierte  Quebec,  ohne  es  indessen  erobern  zu  konnen. 

1691  riistete  die  Compagnie  du  Nord  14  Schiffe  aus,  um  Yorkfort  ein- 
zunehmen,  doch  hinderte  Frontenac,  der  die  Gesellschaft  nicht  zu  machtig 
werden  lassen  wollte,  die  Abfahrt. 

Iberville,  der  inzwischen  mit  3  Schiffen,  ,,St.  Anne",  ,,Les  armes  de  la 
Compagnie"  und  ,,Le  Fra^ois",  nach  Fort  Nelson  gegangen  war,  wurde 
zuriickgeschlagen,  und  1693  gelang  es  den  Englandern  unter  James  Knight, 
New  Severn,  Fort  Quitchichouen,  welches  die  Franzosen  inzwischen  in  Fort 
St.  Anne  umgetauft,  Rupertshouse  und  Fort  Monsebi  wieder  in  ihren  Besitz 
zu  bringen. 

Am  24.  November  1694  erschienen  die  franzosischen  Kriegsschiffe  ,,Poli" 
und  ,,Salamandre"  unter  Kommando  Ibervilles  vor  Fort  Nelson,  einem  sehr 
stark  befestigten  Posten,  mit  42  Geschiitzen  und  55  Mann  Besatzung.  Das 
Fort  ergab  sich  erst  nach  langer  Belagerung  im  November.  Der  Zweck  der 
Ubung  war  aber  vereitelt,  denn  die  Pelzausbeute  war  schon  vorher  wegge- 
schafft. 

Im  nachsten  Jahre  gelang  es  der  Hudsonsbay  Company,  sich  mit  Hilfe 
der  englischen  Kriegsschiffe  ,,Bonaventura"  und  ,,Seaford"  wieder  in  den 
Besitz  Albanys  zu  setzen. 

Im  September  verliess  auch  Iberville  Fort  Nelson  mit  den  Kriegsschiffen, 
um  nach  La  Rochelle  zu  segeln.  Er  liess  die  Leutnants  La  Foret,  Manguay 
und  den  Fahnrich  Jeremie  mit  70  Mann  als  Besatzung  zuruck,  doch  raumte 
der  Skorbut  gewaltig  auf,  wie  auch  gleichzeitig  in  Yorkfort  Leutnant  Tilly 
und  15  Mann  dieser  Geissel  des  Nordens  erlagen. 

5  englische  Kriegsschiffe  eroberten  im  September  1696  nach  hef tiger  Be- 
schiessung  Fort  Bourbon. 

4* 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


Die  franzosischen  Kriegsschiffe  ,,Le  Dragon"  und  ,,Hardi"  unter  de  la 
Motte  und  Serigny  eilten  zum  Entsatz  herbei,  wurden  aber  zuriickgeschlagen, 
wobei  ,,Hardi"  strandete  und  de  la  Motte  mit  dem  grossten  Teil  der  Mann- 
schaft ertrank. 

Der  Friede  von  Rijswyk  1896  gab  Frankreich  alle  Lander  um  die 
Hudsonsbai,  obgleich  sich  dieselben  zur  Zeit  tatsiichlich  im  Besitze  der 
Englander  befanden. 

Der  unermudliche  Iberville,  der  wahrend  des  Winters  mit  einer  Schar 
von  164  Waldlaufern,  unterstiitzt  von  den  Kriegsschiffen  ,, Pelican",  ,,Comte 
de  Toulouse  Phelipeau",  ,,Vendome"  und  ,,Harcour",  die  englischen  An- 
siedlungen  auf  Neufundland  zerstort  hatte,  brachte  anfangs  1697  eine  Flotte 
von  6  Schiffen  zusammen,  ,,Le  Palmier"  mit  40  Geschiitzen,  ,,Le  Pelican" 
mit  50  Kanonen,  ,,Le  Profond",  ,,Le  Wesp",  ,,Le  Violant"  und  eine  Brigantine 
,, Esquimau",  die  indessen  vom  Eise  in  der  Hudsonstrasse  zerdriickt  wurde. 

Als  erster  traf  der  ,, Pelican"  mit  150  Mann  Besatzung  auf  der  Reede 
von  Fort  Nelson  ein,  und  griff  sofort  die  drei  dort  liegenden  englischen  Schiffe, 
die  „ Hampshire"  mit  52  Kanonen  und  32  Mann  Besatzung,  die  ,,Hudsonsbay", 
32,  und  die  ,, Bering",  36  Geschiitze,  an.  Nach  vierstiindigem  Kampfe  sank 
die  ,, Hampshire",  und  die  gesamte  Mannschaft  fand  den  Tod  in  den  Fluten. 
Die  ,,Hudsonsbay"  strich  die  Flagge,  und  die  ,,Dering"  entfloh.  Wahrend  der 
Nacht  warf  ein  Sturm  den  ,, Pelican"  und  die  ,,Hudsonsbay"  gemeinschaftlich 
an  den  Strand,  und  nur  ein  Teil  der  Mannschaft  wurde  gerettet.  Die  andern 
franzosischen  Schiffe  waren  inzwischen  auch  eingetroffen,  und  nach  mehr- 
tagiger  Beschiessung  kapitulierte  der  Kommandant  Baylay  unter  der  Be- 
dingung  des  freien  Abzugs  der  Besatzung  mit  ihren  Privateffekten  und  den 
Biichern  und  Papieren  der  Hudsonsbay  Company.  Der  Sieg  war  aber  teuer 
erkauft,  da  auch  der  ,, Palmier"  auf  der  Reede  gesunken  war.  Iberville  liess 
das  Fort  unter  dem  Befehl  des  Sieur  de  Martiguay  und  Jeremie  und  segelte 
mit  dem  ,, Profond"  und  ,,Wesp"  nach  Frankreich  zuriick. 

Fort  Bourbon  blieb  nun  bis  zum  Frieden  vonUtrecht,i7i4,  in  franzosischem 
Besitz. 

Trotz  aller  dieser  schweren  Verluste  und  der  Anfeindungen,  welche  die 
Hudsonsbay  Company  im  eigenen  Vaterlande  durch  die  Kurschner  und  die 
New  England  Company  erfuhr,  blieb  sie  dem  Wahlsprjch  ihres  Wappens, 
,,Pro  pelle  cutem"  (Fiir  ein  Fell  wage  ich  die  Haut)  treu,  und  es  lohnte  sich 
auch.  Der  Gewinn  war  ein  ungeheurer,  sobald  die  Ausbeute  nicht  von  den 
Franzosen  weggeschnappt  wurde. 

Bei  Gnindung  der  Gesellschaft  im  Jahre  1670  betrug  das  Aktienkapital, 
wie  schon  erwahnt,  10  500  Pfund.  Die  jahrliche  Ausfuhr  an  englischen 
Fabrikaten  iiberstieg  nie  600  bis  800  Pfund,  und  trotzdem  war  die  Gesellschaft 
imstande,  1682,  1688  und  1689  je  50  Proz.  Dividende  zu  zahlen.  1684  bis 
1688  verloren  sie  aber  durch  die  Franzosen  118  014  Pfund,  fur  damalige 
Zeiten  eine  ungeheure  Summe.  Nichtsdestoweniger  brachten  die  beiden 


2.  Kapitel.  so 


ruhigen  Jahre  einen  so  kolossalen  Gewinn,  dass  im  Jahre  1690  an  Stelle  der 
Dividende  das  Kapital  verdreifacht  wurde,  das  heisst,  jeder  Aktionar  erhielt 
fur  eine  Aktie  drei  neue  zum  gleichen  Betrage,  ohne  dass  irgend  eine  Nach- 
zahlung  stattfand. 

Und  auf  dieses  so  vermehrte  Aktienkapital  konnte  doch  noch  25  Proz. 
Dividende  verteilt  werden. 

Natiirlich  schafften  ihr  diese  Erfolge  auch  viele  Neider  und  Feinde.  Man 
bezweifelte  die  Giiltigkeit  des  Charters,  da  derselbe  nur  vom  Konige  gegeben 
und  nicht  durch  Parlamentsakte  bestatigt  sei.  Die  Gesellschaft  machte 
auch  von  alien  ihr  verliehenen  Rechten  rucksichtslos  Gebrauch.  1678  hatte 
sie  ein  Schiff  des  einflussreichen  Parlamentsmitgliedes  Sir  Charles  Boon  in 
der  Hudsonstrasse  beschlagnahmt,  Schiff  und  Ladung  fur  sich  verwendet,  die 
Mannschaft  mehrere  Monate  gefangen  gehalten  und  Sir  Charles  noch  obendrein 
in  der  Crownoffice  verklagt.  Um  aber  endlich  den  unaufhorlichen  Angriffen 
wegen  Ungesetzlichkeit  ein  Ende  zu  machen,  beschloss  die  Kompagnie,  ihren 
Charter  nachtraglich  vom  Parlament  bestatigen  zu  lassen. 

Dies  rief  einen  neuen  Sturm  der  Entriistung  hervor.  Namentlich  die 
New  England  Company  agitierte  aufs  heftigste  dagegen. 

In  der  Bibliotheque  nationale  zu  Paris  existiert  ein  auf  einem  einzelnen 
Blatte  gedrucktes  Flugblatt,  augenscheinlich  von  dieserKompagnie  herruhrend, 
welches  die  argsten  Schmahungen  enthalt.  Es  schliesst  mit  den  Worten: 

,,Es  ist  eine  Frechheit,  sich  anzumassen,  Rechte  auszuiiben,  die  vom 
Konig,  ohne  das  Parlament  zu  fragen,  gewahrt  seien,  noch  grossere  Frechheit 
ist  es  aber,  nachtraglich  die  Bestatigung  solcher  Rechte  vom  Parlament  zu 
verlangen." 

Allen  Anfeindungen  zum  Trotze  gelang  es  der  Hudsonsbay  Company 
aber,  die  Bestatigung  vom  Parlament  zu  erlangen,  allerdings  vorlaufig  nur 
auf  7  Jahre,  doch  wurde  die  Frist  stillschweigend  immer  wieder  verlangert. 

Die  fortwahrenden  Angriffe  der  Franzosen,  wobei  die  Englander  schliess- 
lich  auf  das  eine  Fort  Albany  beschrankt  blieben,  fugten  der  Gesellschaft 
aber  schweren  Schaden  zu.  In  den  Jahren  1694,  1696  und  1697  betrugen 
die  Verluste  97  500  Pfund,  so  dass  die  Gesellschaft  Geld  borgen  musste,  um 
weiter  existieren  zu  konnen. 

Die  Ausdehnung  des  franzosischen  Pelzhandels  nach  dem  West  en  war 
durch  eigenes  Verschulden  ins  Stocken  geraten.  1685  hatte  der  franzosische 
Gouverneur  Kanadas  eine  Gesandtschaft  der  Irokesen,  die  mit  Friedens- 
anerbietungen  zu  ihm  kamen,  naeh  Frankreich  auf  die  Galeeren  geschickt. 
Um  mit  der  verhassten  Nation  nun  ganz  aufzuraumen,  sandte  er  eine  Anzahl 
Truppen  im  Verein  mit  den  Abenaquis  Huronen  und  einer  Abteilung  getaufter 
Irokesen  urter  ihrem  Hauptling  La  Plaque,  der  seinen  eignen  Vater  ermordet 
hatte,  begleitet  von  Missionaren,  mit  der  Brandfackel  in  die  Dorfer  der  Iro- 
kesen, die,  in  blindem  Heidentum  befangen,  ihr  Korn  bauten.  Manner,  Weiber 
und  Kinder  wurden  hingeschlachtet,  und  ihre  Skalpe  zierten  die  Giirtel  der 


54 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


roten  Bundesgenossen.  Die  Irokesen  fassten  diesen  Bekehrungseifer  der 
Jesuiten  und  Franziskaner  aber  falsch  auf,  verbanden  sich  mit  ihren  Stammes- 
genossen,  und  drangen  nun  ihrerseits  mordend  und  brennend  bis  unter  die 
Mauer  von  Montreal.  Oft  machten  sie  monatelang  jeden  Feldbau  unmoglich, 
da  niemand  den  Schutz  der  Forts  verlassen  durfte. 

Der  Konig  von  Frankreich  verbot  jetzt  jeden  Verkehr  mit  alien  Indianer- 
stammen.  Nur  die  Huronen  und  die  Abenaquis  erhielten  Erlaubnis,  mit  ihren 
Waren  nach  Montreal  zu  kommen,  doch  durfte  kein  Waldlaufer  oder  Handler 
das  Indianergebiet  betreten.  Vergeblich  protestierte  Frontenac  gegen  diese 
Massregel,  die  den  gesamten  franzosischen  Pelzhandel  lahmlegte. 

Erst  1699,  nach  seinem  Tode,  als  Friede  mit  den  Irokesen  geschlossen, 
wurde  das  Verbot  wieder  aufgehoben. 

Die  grossen  Weisswal-  urid  Seehundfischereien,  die  inzwischen  in  Mont 
Louis  gegriindet  waren,  wurden  1700  aufgegeben,  und  die  Bevolkerung  wandte 
sich  wieder  dem  eintraglicheren  Pelzhandel  zu. 

In  demselben  Jahrc  erreichte  der  Handler  Sueur  mit  20  Begleitern  den  Riviere 
rouge,  wo  eine  Kupfermine  entdeckt  und  eine  Ansiedlung  gegriindet  wurde. 

Wahrend  aber  die  Unternehmungen  einiger  Privatleute  gliickten,  gingen 
die  Geschafte  der  Compagnie  du  Nord  immer  mehr  zuriick.  Die  Konkurrenz 
der  geschaftsgewandten  Englander,  die  hohere  Preise  zahlten,  machte  sich 
eben  sehr  fuhlbar. 

1704  versuchte  man  sich  durch  einen  Handstreich  in  den  Besitz  des  Forts 
Albany  an  der  Hudsonsbai  zu  setzen,  doch  wurde  der  Angriff  durch  den  Kom- 
mandanten,  Kapitan  Barlow,  blutig  zuriickgewiesen. 

Zwar  von  Neu-England  aus  konnte  der  franzosischen  Gesellschaft 
augenblicklich  keine  Konkurrenz  gemacht  werden,  da  dies  Gebiet  durch  die 
befreundeten  Indianer  und  die  Waldlaufer  unter  Fiihrung  Vaudreuils  mit 
Feuer  und  Schwert  verwiistet  wurde.  Die  schlechte  Verwaltung  der  Gesell- 
schaft aber  und  vielfache  Unterschleife  hatten  es  zuwege  gebracht,  dass  sich 
1706  bereits  eine  Schuldenlast  von  i  812  ooo  Fianks  aufgehauft  hatte,  und 
die  Compagnie  du  Nord  musste  liquidieren. 

Die  Kaufleute  Aubcr,  Neret  und  Gayot  ubernahmen  die  Kontore,  zahlten 
die  Schulden  der  Gesellschaft,  deren  gesamtes  Aktienkapital  verloren  ging, 
gaben  den  Handel  nach  dem  Innern  ganz  frei,  und  behielten  sich  nur  das 
Exportrecht  vor. 

Die  von  Iberville  in  Yorkfort  an  der  Hudsonsbai  zuriickgelassenen 
Franzosen  waren  sich  ganz  selbst  iiberlassen  geblieben.  Im  Jahre  1700  hatte 
sie  zwei  lieues  siidlich  von  Fort  Bourbon  ein  kleines  Fort,  Phelipeaux,  gebaut 
als  Zufluchtsort.  Aber  dies  half  nichts  gegen  die  unerbittlichen  Verheerungen 
des  Skorbuts,  der  die  Reihen  in  bedenklicher  Weise  lichtete.  Schliesslicli 
blieben  auch  die  Zufuhren  ganzlich  aus,  indem  von  1709  bis  1713  kein  Schiff 
kam.  Dies  iiberlieferte  zahlreiche  Indianer  dem  Hungertode.  Sie  hatten  den 
Gebrauch  von  Bogen  und  Pfeil  teils  verlernt,  teils  war  das  Wild  infolge  der 


2.   Kapitel. 


weitertragenden  Schusswaffen  zu  scheu  geworden,  um  noch  mil  diesen  ver- 
alteten  Waff  en  Erfolg  zu  gestatten.  Als  nun  keine  Munition  mehr  zu  be- 
kommen,  war  es  den  ungliicklichen  Rothauten  unmoglich,  sich  das  Wild  fiir 
ihrcn  Lebensunterhalt  zu  schaffen.  Sie  iiberfielen  schliesslich  eine  Jagd- 
expedition  der  Franzosen  und  toteten  sieben  derselben.  Die  kleine  Garnison 
war  nun  auf  neun  Mann  zusammengeschmolzen,  die  den  Schutz  der  Forts 
kaum  verlassen  durften  und  im  Handel  mit  den  Eingeborenen  zur  grossten 
Vorsicht  gezwungen  waren.  Endlich  brachte  im  Jahre  1713  ein  Schiff  fiir 
8000  Franks  Waren,  mit  denen  sie  Pelzwerk  im  Werte  von  120  ooo  Franks 
einhandelten.  Als  eine  Erlosung  wurde  es  von  Jeremie  und  seiner  kleinen 
Schar  betrachtet,  als  1714  die  Nachricht  vom  Frieden  zu  Utrecht  und  der 
Abtretung  des  gesamten  Hudsonsbaigebietes  an  England  eintraf.  Die  Franzosen 
zogen  sich  nun  unangefochten  mit  der  gesammelten  Pelzausbeute  nach  Frank- 
reich  zuriick.  In  Kanada  war  1710  noch  eine  Compagnie  du  Canada  ou  de 
Castor  gegriindet,  die  aber  keinerlei  Bedeutung  gewann.  In  Frankreich  begann 
jetzt  Louisiana  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  zu  ziehen.  1712  erhielt  der  Kauf- 
mann  Crozat  von  Louis  das  Handelsmonopol  und  die  Minenrechte  in  der 
Louisiana,  raumte  aber  bald  dem  jetzt  auftretenden  schottischen  Abenteurer 
John  Law  das  Feld.  Mit  ihm  beginnt  eine  Griinderperiode,  die  an  Umfang 
und  Folgen  nie  wieder  erreicht  worden  ist.  Selbst  der  bald  darauf  in  England 
in  Szene  gesetzte  Sudseeschwindel  kam  ihr  nicht  gleich.  Als  bescheidener 
Anfang  wurde  1716  eine  Banque  de  Louisiana  gegriindet  mit  1200  Aktien 
a  i ooo  Ecus  (a  6  Franks),  dieser  folgte  im  nachsten  Jahre  die  Compagnie  de 
TOccident,  die  im  grossartigsten  Massstabe  errichtet  wurde.  Sie  erhielt  das 
ausschliessliche  Handels-  und  Besitzrecht  von  Louisiana  und  das  alleinige 
Recht  des  Pelzexports  von  Kanada  zugewiesen.  Ferner  wurden  ihr  voll- 
standige  Majestatsrechte  in  ihrem  Gebiet  eingeraumt,  ihre  Schiff e  durften 
die  weisse  Staatsflagge  mit  den  goldenen  Linien  fuhren,  die  von  ihr  ange- 
stellten  Offiziere  behielten  ihren  Rang  in  der  Armee  und  Marine.  Ihre  Waren 
sendungen  von  und  nach  Louisiana  waren  vollkommen  zollfrei,  und  als  einzige 
Abgabe  hatte  sie  die  Verpflichtung,  jedem  neuen  Konig  von  Frankreich  eine 
goldene  Krone  im  Gewicht  von  30  Mark  zu  liefern.  Der  Konig  schenkte  der 
Gesellschaft  alle  ihm  von  Crozat  abgetretenen  Schiffe,  Waren  usw.  unter  der 
Bedingung,  jahrlich  mindestens  6000  Weisse  und  3000  Neger  nach  dem  neuen 
Lande  zu  befordern.  Das  Kapital  wurde  auf  100  Millionen  in  200  ooo  Aktien 
a  500  Franks  festgesetzt,  die  indessen  bald  einen  Kurswert  von  2000  Franks 
erreichten.  Je  50  Aktien  gaben  eine  Stimme.  1719  wurden  durch  koniglichen 
Erlass  die  Compagnie  du  Canada,  die  Compagnie  du  St.  Domingo,  die  Com- 
pagnie du  Senegal  et  Guinee,  die  Compagnie  de  la  Chine  und  die  Compagnie 
des  Indes  orientales  mit  der  Compagnie  de  1'Occident  vereinigt,  die  nun  das 
alleinige  Handelsrecht  ,,nach  alien  bekannten  Landern  und  Meeren"  erhielt- 
Sie  ubernahm  alle  Aktiven  der  obengenannten  Gesellschaften  mit  Verpflich- 
tung, auch  deren  gesamte  Verbindlichkeiten  einzulosen.  Hierfiir  wurden 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


weitere  50  ooo  Aktien  a  500  Franks  ausgegeben,  die  aber  zu  550  Franks  Gold 
(das  damals  ein  sehr  hohes  Agio  hatte)  emittiert  wurden.  Die  Kolonisation 
war  aber  nur  Nebenzweck  der  Gesellschaft.  Zwar  wurden  anfanglich  zahl- 
reiche  Kolonisten  in  die  Fiebersiimpfe  von  Louisiana  gesendet,  und  Law  selbst 
siedelte  auf  einem  ihm  gehorigen  4  Quadratmeilen  grossen  Landstrich  in 
Arkansas  1500  Deutsche  und  Proven9alen  an.  Alles  trat  aber  bald  vor  den 
riesenhaften  Bankgeschaften  zuriick,  welche  die  Gesellschaft  betrieb.  Es 
wurden  noch  im  Jahre  1719  weitere  500  ooo  Aktien  a  500  Franks  ausgegeben, 
die  bereits  am  nachsten  Tage  mit  2000  Franks  bezahlt  wurden  (die  Listen 
mussten  gleich  nach  der  Eroffnung  geschlossen  werden,  da  bereits  gleich 
anfangs  erne  zehnfache  Uberzeichnung  stattgefunden)  .  Die  Gesellschaft 
pachtete  die  Miinze,  die  Tabaksregie  und  samtliche  Staatsdomanen  und  lieh 
dem  Konige  1250  Millionen  Franks  zur  Ablosung  der  Staatsschuld,  wofiir 
sie  3  proz.  Obligationen  ausgab. 

Am  30.  Dezember  1720  fand  die  erste  Generalversammlung  unter  Vorsitz 
des  Prinz-Regenten  mit  grossen  Geprange  statt.  Es  wohnten  derselben  der 
Herzog  von  Chartres,  sowie  eine  grosse  Anzahl  Herzoge,  Pairs  und  Grand 
Seigneurs  bei,  die  sich  alle  nach  dem  Muster  des  englischen  Hochadels  bei  den 
friiheren  Kolonialunternehmungen,  mit  grossen  Summen  beteiligten.  Alles 
neigte  sich  in  ehrfurchtsvoller  Huldigung  vor  Law,  als  er,  umgeben  von  seinen 
32  Direktoren,  die  Verteilung  von  40  Proz.  Dividende  ankiindigte. 

Der  Andrang  bei  der  Zeichnung  neuer  Aktien  war  so  ungeheuer,  dass, 
trotzdem  eine  Kompagnie  Gardes  du  Corps  Spalier  bildeten,  doch  viele  Per- 
sonen  zu  Tode  gedriickt  wurden.  Noch  starker  aber  war  der  Sturm  auf  die 
Kassen,  als  bald  darauf  das  riesige  Unternehmen  zusammenbrach,  welches 
sehr  viel  zu  der  im  18.  Jahrhundert  in  Frankreich  eintretenden  materiellen 
und  moralischen  Verarmung  beitrug  und  damit  die  grosse  Revolution  vor- 
bereiten  half. 

Wahrend  aber  jetzt  die  grosse  von  offizieller  Seite  betriebene  Verpflanzung 
der  Kultur  nach  den  feuchten  Ufern  des  Mississippi  ins  Stocken  geriet,  ging 
dagegen  in  Kanada  die  naturgemasse  Ausdehnung  nach  Westen  ungestort 
vor  sich.  Schon  1717  hatte  der  Leutnant  Robintel  de  Lanoue  das  Fort 
Kaministoquoia  an  der  Miindung  des  gleichnamigen  Flusses  in  der  Nordwest- 
ecke  des  Lake  Superior  errichtet,  wo  heute  Fort  William  steht,  und  ein  en  regel- 
massigen  Handelsverkehr  zwischen  den  Franzosen  und  den  Stammen  der 
grossen  Cree  Nation  angebahnt. 

Audi  nach  Siidwesten  ging  die  Handelsbewegung.  1727  bildete  sich  in 
Montreal  die  Compagnie  fran9aise  des  Sioux,  um  mit  diesem  weitverbreiteten 
Indianerstamm  Pelzhandel  zu  treiben.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  am  Lac  Pipin 
das  Fort  Beauharnais  und  am  Mississippi,  wo  heute  Prescot  City  steht,  das 
Fort  Mississippi  la  Galette  errichtet. 

Im  Jahre  1731  entdeckte  der  vom  Minister  Maurepas  ausgesendete 
Chevalier  Varennes  de  la  Verandrye  in  Begleitung  des  Jesuitenpaters  Messager 


2.   Kapitel.  57 


den  Redriver  des  Nordens  und  den  grossen  Winipegsee,  iiber  dessen  Vorhanden- 
sein  schpn  lange  Geriichte  nach  Kanada  gekommen  waren.  Er  beschloss,  diese 
Entdeckungen  fur  sich  auszunutzen  und  ging  mit  bewundernswerter  Energie 
daran,  mit  beispielloser  Schnelligkeit  vom  Lake  Superior  aus  eine  Reihe  mit- 
einander  verbundenen  Handelsposten  nach  Westen  vorzuschieben.  Bereits 
1734  baute  er  das  Fort  St.  Pierre  am  Lac  la  Pluie,  1732  das  Fort  St.  Charles 
am  Lac  du  Bois,  1734  Fort  Maurepas  am  Winipegriver.  Von  dort  aus  erreichte 
er  den  Lac  des  Cygnes,  beriihrte  den  Elkriver  oder  Riviere  des  Biches  und 
ging  den  Saskatschewan,  den  er  nach  dem  Marquis  de  Pas  Riviere  du  Pas 
benannte,  bis  zur  Gabelung  hinauf.  Noch  heute  nennen  die  franzosischen 
Mestizen  den  Nordarm  des  Saskatschewan  mit  diesem  Namen,  wahrend  die 
oben  erwahnten  Seen  dieselben  Namen,  ins  Englische  iibersetzt,  noch  heute 
tragen.  1755  entstanden  unter  seiner  Leitung  das  Fort  Dauphin  am  obern 
und  Fort  de  la  Reine  am  untern  Ende  des  Manitobasee,  Fort  Bourbon  an  der 
Miindung  des  Elkriver  in  den  Winipegsee  und  Fort  Rouge  an  der  Miindung 
des  Assinoboine  in  den  Redriver.  Ferner  die  Forts  Grand  Rapid  du  Pas, 
Nippissing  und  La  Corne  am  Saskatschewan.  Ein  schwerer  Schicksalsschlag 
traf  ihn  im  nachsten  Jahre.  Sein  altester  Sohn  wurde  nebst  dem  Jesuiten 
Pater  Armand  und  20  Waldlaufern  auf  einer  Insel  des  Lac  du  Bois  von 
Indianern  iiberfallen  und  ermordet.  Dies  hielt  aber  Verandrye  nicht  ab,  seine 
Fahrten  zur  Ausdehnung  des  Handels  und  des  franzosischen  Einflusses  fort- 
zusetzen.  Er  verliess  jetzt  diePrairien  und  wendete  sich  in  Begleitung  seines 
zweiten  Sohnes  und  seines  Neffen  mit  einer  grossen  Expedition  nach  Siid- 
westen.  Langsam  vorriickend  errichtete  er,  um  den  Erfolg  zu  sichern,  eine 
Anzahl  Handelsposten  als  Etappen,  und  erreichte  1738  das  Gebiet  der  Man- 
danen,  damals  einer  der  zivilisiertesten  Indianerstamme,  der  aber  heute  aus- 
gestorben  ist.  1742  wurde  der  obere  Missouri  und  der  Yellowstone  iiber- 
schritten,  und  am  i.  Juni  1743  gelangte  die  Expedition  an  den  Fuss  der  Felsen- 
gebirge,  welche  Verandrye  als  erster  Europaer  erblickte,  um  dann  am  Fusse 
der  Passe,  die  in  das  Wunderland  jenseits  derselben  fiihren  sollten,  zu  sterben. 
(Alle  diese  Entdeckungen  waren  in  weiteren  Kreisen  unbekannt,  und  wurden 
erst  beinahe  nach  einem  Jahrhundert  durch  die  Amerikaner  Lewis  und  Clarke 
und  andere  wieder  entdeckt.)  Einstweilen  iiberlebten  ihn  seine  Schopfungen 
noch.  Eine  kanadische  Gesellschaft  unter  Bibot  und  dem  Gouverneur  von 
Kanada,  La  Jonquiere,  ubernahm  die  Handelsposten  und  liess  die  Ent- 
deckungsreisen  fortsetzen,  namentlich  durch  die  Offiziere  Marin  und  St.  Pierre, 
die  1752  das  Fort  La  Jonquiere  in  den  Rocky  Mountains  errichteten.  Der 
durch  den  Pelzhandel  erzielte  Gewinn  war  ein  sehr  bedeutender.  Belief  sich 
doch  der  Anteil  des  Gouverneur  La  Jonquiere  auf  etwa  300  ooo  Franks  jahr- 
lich.  Dieser  wachte  auch  iiber  unliebsame  und  staatsgefahrliche  Konkurrenz, 
und  liess  1752  das  Kontpr  der  Jesuiten  in  St.  Louis  schliessen,  da  sie  einen 
ziemlich  umfangreichen  Tauschhandel  mit.  den  Indianern  trieben  und  die 
Biberfelle  auf  Schleichwegen  verbotenerweise  nach  Albany  schickten.  Die 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


Jesuiten  machten  indessen  ihren  Einflass  in  Frankreich  geltend,  La  Jonquiere 
erhielt  einen  heftigen  Verweis  vom  Ministerium,  was  ihn  so  argerte,  dass  er 
einem  Gallenfieber  erlag. 

Jetzt  traten  aber  wichtigere  Interessen,  als  es  der  Pelzhandel  war,  in 
Kanada  in  den  Vordergrund.  1740  war  der  Krieg  zwischen  England  und 
Frankreich  wieder  ausgebrochen.  Zunachst  beriihrte  er  Kanada  wenig,  da 
Frankreich  sich  um  die  ,,paar  Morgen  Schnee"  nicht  bekiimmerte,  und  Kanada 
mit  der  Kolonie  Newyork  eincn  geheimen  Vertrag  geschlossen,  sich  gegenseitig 
nicht  zu  schadigen.  Desto  heftiger  entbrannte  der  Kampf  in  Neuschottland, 
das  von  Franzosen  und  Englandern  gemeinschaftlich  bewohnt  wurde.  1745 
hatte  die  franzosische  Garnison  von  Louisburg  am  Kap  Breton  gegen  die 
Bedriickungen  ihres  Kommandanten  Bigot  gemeutert,  welche  Gelegenheit  die 
Englander  benutzten,  die  durch  einen  vorherigen,  zwar  missgluckten  Angriff 
des  Admirals  Dusquenel  auf  Annapolis  erbittert  waren.  4000  Freiwillige 
unter  Fiihrung  des  Kaufmanns  Peperell  griff  en,  unterstlitzt  durch  vier  Kriegs- 
schiffe  unter  Kommodore  Waren,  Louisburg  an,  eroberten  es  und  schickten 
die  Garnison  und  samtliche  franzosischen  Einwohner  nach  Brest.  1747  drangen 
die  Kanadier  nach  Neuengland  vor,  unterstlitzt  von  grossen  Schwarmen  von 
Indianern. 

Rigaud  de  Vandreul  eroberte  mit  700  Kanadicrn  und  Rothauten  Fort 
Massachusets,  Comte  De  St.  Luc  Fort  Clinton  und  du  Lery  Fort  Bridgeman, 
wahrend  de  Villicr  die  Englander  in  Acadie  bei  Grand  Pre  besiegte.  Uberall 
wurde  das  Land  total  verwiistet,  und  die  siegreichen  Kanadier  und  ihre 
wilden  Bundesgenossen  zogen,  mit  Beute  schwer  beladen,  zuriick.  Doch  die 
Vergeltung  blieb  nicht  aus.  1755  wurde  Kanada  der  Vernichtungskrieg  erklart. 
Winslow  griff  die  Franzosen  in  Acadie  an,  und  bemachtigte  sich  ihrer  letzten 
Stiitzpunkte  dort,  der  Forts  Beusepoin  und  Gaspareaux,  wahrend  General 
Braddock,  in  dessen  Heere  George  Washington  Oberst  war,  mit  3000  Mann 
Fort  Duquesne  eroberte  und  die  Franzosen  aus  Ohio  trieb,  selbst  aber  dabei  fiel. 
Der  Kriegsschauplatz  wurde  jetzt  nach  Kanada  verlegt,  die  franzosischen  Forts 
am  Hudson  und  Ontario  wur  den  erobert.  Der  franzosische  Oberkommandant 
fiel,  und  der  jugendliche  Montcalm  trat  an  seine  Stelle.  Ihm  gelang  es,  die 
Einwohner  Kanadas  noch  einmal  zu  heldenmiitigem  Widerstande  aufzuraffen. 
Die  alten  Seigneurs  kamen  mit  ihren  Vasallen,  die  kampfgewohnten  Vojageurs 
und  Waldlaufer  eilten  zu  den  Fahnen.  Ausser  der  regelmassigen  Besatzung 
sandte  Frankreich  fast  keine  Truppen  und  sah  teilnahmslos  dem  Schicksal 
seiner  besten  Kolonie  zu.  Beide  kriegfiihrenden  Parteien  riefen  iibrigens  die 
Indianer  zu  ihrem  Beistande  herbei.  Auf  Seiten  Englands  kampften  die  alten 
Feinde  Kanadas,  die  Irokesen,  auf  Seiten  Kanadas  die  Huronen,  O  jib  ways  usw. 
Diese  mordlustigen  Verbiindeten  waren  oft  schwer  im  Zaum  zu  halten.  Nach 
langerer  Belagerung  kapitulierten  die  Forts  Oswego,  St.  George  und  Ontario, 
wobei  die  Indianer  sich  auf  die  Gefangenen  stiirzten,  alle  ermordeten  und 
auch  die  Kranken  im  Hospital  skalpierten.  Ein  gieiches  Schicksal  erlitt  die 


2.   Kapitel. 


Garnison  von  Fort  William  Henry,  der  freier  Abzug  zugestanden  war.  Die 
Indianer  durchbrachen  aber  die  Reihen  der  Eskorte  und  metzelten  alle  nieder. 
England  bot  jetzt  alles  auf,  um  diese  Niederlagen  zu  rachen.  80000  Mann, 
worunter  22  ooo  Regulare  und  der  Rest  amerikanische  Milizen  und  Freiwillige, 
wurden  unter  Befehl  General  Abercrombies  nach  Kanada  geschickt.  Kanada 
machte  die  verzweifeltsten  Anstrengungen,  um  dem  drohenden  Schicksal  zu 
entgehen.  Alle  Post  en  im  Innern  wurden  aufgegeben  und  verbrannt,  die 
samtlichen  waffenfahigen  Einwohner  dem  Feinde  entgegengestellt.  Es  wiirde 
zu  weit  fiihren,  alle  Einzelheiten  und  Wechselfalle  des  mit  der  grossten  Tapfer- 
keit  gefiihrten  Krieges  aufzufuhren.  Die  Englander  drangen  in  drei  Heer- 
saulen  nach  Kanada  hinein,  General  Wolfe,  der  tiichtigste  Fiihrer  der  Eng- 
lander, schlug  die  Franzosen  auf  dem  Plateau  von  Abraham  mit  Hilfe  der 
englischen  Flotte  am  13.  September  1759,  erlitt  aber  selbst  den  Tod  auf  dem 
Schlachtfelde.  Drei  Tage  spater  wurde  Quebec  erobert.  Lord  Amherst 
vollendete  nun  die  Eroberung  Kanadas,  und  am  8.  September  1760  fiel  das 
letzte  Bollwerk,  Montreal.  Im  Frieden  von  Paris,  10.  Februar  1763,  wurde 
Kanada  endgiiltig  an  England  abgetreten  und  blieb  englische  Kolonie.  Eine 
kleine  Anzahl  der  alt  en  Seigneurs  wanderte  aus,  die  grosse  Masse  der  Be- 
volkerung  blieb  aber.  Noch  heute  ist  der  grossere  Teil  des  ostlichen  Kanadas, 
namentlich  die  Provinz  Quebec,  von  einer  franzosisch  sprechenden  Bevolkerung 
bewohnt,  und  selbst  in  Montreal  hort  man  ebenso  viel  Franzosisch,  wie  Eng- 
lisch.  Dabei  sind  aber  die  ,,frenchcanadians"  durchaus  loyale  Untertanen,  die 
sich  als  fester  Bestandteil  des  grossen  britischen  Reichs  fuhlen. 

Kaum  war  iibrigens  das  Land  unterworfen  und  noch  in  den  letzten 
Zuckungen  des  Widerstandes  begriffen,  als  auch  schon  von  alien  Seiten  Eng- 
lander herbeieilten,  um  an  den  ihnen  so  lange  verschlossenen  Vorteilen  des 
Pelzhandels  nach  dem  Innern  teilzunehmen.  Die  ersten  waren  der  Amerikaner 
Alexander  Henry  und  die  Englander  Stanley  Goddard  und  Ezekiel  Salomon, 
denen  bald  zahlreiche  andere  folgten.  Bereits  1763  war  Michillimacinaw  an 
der  Mtindung  des  Michigansees  der  Mittelpunkt  des  Pelzhandels  geworden. 
Von  alien  Seiten  kamen  die  Indianer  in  ihren  leichten  Birkenrindenkanoes 
herbeigeschwommen  und  brachten  reiche  Pelzladungen  zum  Tausch.  Dicht 
unter  den  Mauern  des  Forts  erhoben  sich  Tausende  indianischer  Wigwams,  den 
verschiedensten  Stammen  angehorig.  Michillimacinaw  war  neutraler  Grund, 
wie  die  beriihmten  Calumetberge  am  Missouri,  wo  der  Pfeifenstein  geholt 
wurde,  und  wo  das  Kriegsbeil  der  Friedenspfeife  wich.  Am  4.  Juni  1763 
wurden  samtliche  Englander  eingeladen,  einem  grossen  Ballspiel  (Jeu  a  la 
crosse)  beizuwohnen,  das  zwischen  zwei  Indianerstammen,  den  Chippeways 
und  den  Sacs,  stattfand.  Plotzlich  fiel  der  Ball  iiber  die  Mauer  des  Forts, 
und  eine  Anzahl  Indianer  eilten  ihm  im  Eifer  des  Spiels  durch  die  offen- 
stehenden  Tore  nach.  Im  selben  Augenblick  ertonte  der  donnernde  Kriegsruf 
der  Indianer.  Tomahawks  und  Messer  blitzten,  und  ein  allgemeines  Gemctzel 
der  Englander  begann.  70  Soldaten  der  Garnison  nebst  mehreren  Offizieren 


5o  II-    Geschichte  des  Ranch warenhandels  in  Nordamerika. 

wurden  ermordet  und  etwa  20  Kaufleute  und  Offiziere,  darunter  Henry, 
Ezekiel  Salomon  und  Major  Ethrington,  die  sich  vor  der  ersten  Wut  ver- 
borgen  halt  en,  gefangen  weggeschleppt.  Der  grosser e  Teil  wurde  indessen 
unterwegs  von  den  befreundeten  Ottowas  befreit.  Henry  wurde  von  einem 
Ottowa-Krieger  adoptiert  und  machte  verschiedene  Streifziige  mit,  bis  er 
nach  der  Niederlage  der  Indianer,  unter  dem  Hauptling  der  Sacs  Pontac, 
der  versucht  hatte,  alle  Indianer  gegen  die  Blassgesichter  zu  vereinigen,  aus- 
gewechselt  wurde. 

Anfanglich  befolgten  die  Englander  in  Kanada  die  alte  franzosische 
Handelspolitik  und  gestatteten  das  Betreten  des  Indianer- Gebiets  nur  gegen 
besondere  Erlaubnisscheine.  Bald  wurde  aber  eine  liber alere  Handelspolitik 
befolgt,  und  die  Beteiligung  am  Pelzhandel  wurde  allgemein  freigegeben. 

Der  erste,  der  liber  den  Oberen  See  hinausdrang,  war  Thomas  Curry, 
der  1766  bis  zum  Fort  Bourbon  am  Cedarlake  gelangte  und  eine  so  reiche 
Ausbeute  zuruckbrachte,  dass  er  sich  vom  Geschaft  zuriickziehen  konnte.  Im 
nachsten  Jahre  gelangte  James  Findlay  bis  nach  Nepawee,  dem  letzten  franzo- 
sischen  Handelsposten  am  Saskatschewan.  Weit  hinaus  drangten  jetzt  die 
Scharen  der  Nachfolgenden,  unter  denen  sich  besonders  Josef  und  Thomas 
Frobisher,  Peter  Pond  und  Pangman  auszeichneten. 

1774  griindete  Hearne,  der  beriihmte  Ent decker  des  Copperminerivers, 
fur  die  Hudsonsbay  Company  Fort  Cumberlandhouse  am  Sturgeonlake.  1775 
ging  Josef  Frobisher  bis  an  den  Churchillriver  oder,  wie  er  ihn  nennt,  englisch 
river,  wo  er  die  Indianer  auf  ihrem  jahrlichen  Zuge  nach  Fort  Churchill  an 
der  Hudsonsbai  traf.  Er  uberredete  sie,  ihm  die  ganze  Pelzausbeute,  worunter 
allein  12  ooo  Biberfelle,  zu  verkaufen,  wodurch  der  Hudsonsbay  Company 
die  Zufuhren  abgeschnitten  wurden. 

Sein  Bruder,  Thomas  Frobisher,  errichtete  zu  gleicher  Zeit  ein  Fort  am 
Isle  a  la  Crosse  Lake,  wahrend  James  Finlay  am  obern  Saskatschewan  das 
Fort  des  Prairies  an  derselben  Stelle  erbaute,  wo  das  franzosische  Fort  aux 
Trembles  gestanden  hatte.  Dies  wurde  bald  ein  Sammelpunkt  der  Handler, 
ein  regelrechter  Markt  entwickelte  sich,  und  die  weiten  Grasfluren  am  Saskat- 
schewan, wo  bisher  der  Bliffel  ungestort  gegrast  hatte,  zeigte  sich  ein  leb- 
haftes  Treiber. 

1778  legten  mehrere  Kaufleute  am  Saskatschewan  Waren  zusammen  und 
schickten  damit  Peter  Pond  in  das  Churchillgebiet.  Er  entdeckte  den 
Athabascawfluss  und  tauschte  ungeheure  Mengen  Felle  von  den  Indianern 
ein.  Im  nachsten  Jahre  begaben  sich  Peter  Pond,  Alexander  Henry,  Josef 
und  Thomas  Frobisher  und  Patterson  vereint  nach  dem  Athabascawgebiet 
und  tauschten  hier  unter  anderm  innerhalb  3  Tagen  15  ooo  Biber  nebst  zahl- 
reichen  Ottern  und  Zobeln  ein.  1780  entdeckte  Peter  Pond  den  grossen 
Sklavensee. 

Die  zahlreichen,  hier  im  fernen  Westen  zusammengestromten  Handler 
fuhrten  hier,  von  jeder  gesetzlichen  Uberwachung  frei  und  mit  reichem, 


2.   Kapitel. 


61 


miihelos  erworbencn  Vcrdienst,  ein  geradezu  ziigelloses  Leben.  Wahrend  die 
Hudsonsbay  Company  den  Indianern  niemals  Branntwein  gegeben  hatte, 
wurde  dieses  Gift  fiir  Naturvolker  von  den  Handlern  in  grossen  Mengen  ein- 
gefiihrt  und  namentlich  dazu  benutzt,  den  trunken  gemachten  Indianern  die 
Fellausbeute  fast  umsonst  abzunehmen.  Das  Faustrecht  herrschte,  Hazard- 
spiel,  Trunkenheit  und  Auschweifungen  aller  Art  waren  an  der  Tagesordnung. 
Unter  den  vielfach  gemisshandelten  Indianern  herrschte  eine  weit  verbreitete 
Missstimmung. 

Der  Sturm  brach  los,  als  eine  Abteilung  Handler  in  den  Eaglehills  einem 
um  Branntwein  bettelnden  Indianer  Laudanum  gegeben  hatten.  Der  Mord 
wurde  auf  der  Stelle  von  den  Gefahrten  des  Ermordeten  durch  Niedermetzlung 
der  Schuldigen  geracht,  dann  brach  ein  allgemeiner  Indianerauf stand  aus. 


•i      *«»••' 
| 


Fort  William  der  H.  B.  C., 
das  alte  Hauptquartier  der  North-West  Co. 

Zwei  Forts  am  Assinoboine  wurden  verbrannt,  viele  Weisse  niedergemetzelt. 
Schon  war  allgemeine  Flucht  beschlossen,  da  brachen  die  Pocken  unter  den 
Indianern  aus  und  forderten  zahllose  Opfer.  Der  Auf  stand  war  beendigt, 
aber  mit  der  beseitigten  Gefahr  trieben  es  die  Handler  arger  als  zuvor. 

Peter  Pond  schoss  einen  Schweizer  Kaufmann,  Mr.  Wadin,  einfach  nieder 
als  dieser  ihm  Vorhaltungen  liber  sein  ziigelloses  Treiben  machte. 

Da  traten,  um  diesen  Zustanden,  die  jeden  gesetzmassigen  Handel  zu 
vernichten  drohten,  ein  Ende  zu  machen,  1783  eine  Anzahl  der  angesehensten 
Kaufleute  Kanadas  zusammen  und  griindeten  die  Northwest  Company. 

Sie  bestand  aus  16  Teilnehmern,  die  jeder  einen  Teil  der  Waren  lieferte, 
ohne  dass  ein  eigentliches  Gesellschaftskapital  existierte.  Die  Oberleitung  lag  in 
den  Han  den  zweier  grosser  Handelshauser  in  Montreal,  B.  &  J.  Frobisher  und 
Simon  McTavish. 

Peter  Pangman  bildete  indessen  mit  Gregory,  Me  Leod  und  Alex  Me  Kenzie 
eine  Konkurrenzgesellschaft,  die  kiihn  den  Kampf  gegen  die  machtige  Ver- 
einigung  aufnahm  und  durch  ihre  rastlose  Tatigkeit  derselben  eine  gefahrliche 
Konkurrenz  auf  den  Jagdgebieten  des  Innern  machte.  Nachdem  aber  zwei 


62 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


der  Teilnehmer   erschossen  waren,    mussten  sie  sich  aus    Kapitalmangel   im 
Juli  1787  der  grossen  Northwest  Company  anschliessen. 

Die  Gesellschaft  wurde  neu  organisiert.  Es  wurden  zwanzig  Anteilscheine 
ausgegeben  und  die  Teilnehmer  in  zwei  Kategorien  geschieden.  Die  eine, 
die  Kaufleute  in  Montreal  und  London,  waren  die  „ Agents".  Diese  hatten 
die  Waren  von  England  zu  importieren,  in  Ballen  von  90  Pfund  zu  ver- 
packen  und  bis  nach  Fort  William  am  Obern  See  zu  schaffen,  wohin  sich 
jahrlich  auch  zwei  der  Agent  en  begaben,  um  die  eingetauschten  Felle  in 
Empfang  zu  nehmen  und  iiber  Montreal  nach  London  zu  schaffen,  wo  sie  von 
den  Agenten  Mac  Gillivery  &  Elli's  verauktioniert  wurden.  Diese  bezogen 
hierfur  eine  Extra vergiitigung.  Spater  wurde  iibrigens  ein  grosser  Teil  der 
Waren  von  der  Westkliste  direkt  nach  China  gesendet. 


York  Fort  der  H  B  C. 

Die  andern  Teilnehmer  waren  die  ,, Wintering  partners",  denen  es  oblag, 
die  importierten  Waren  auf  den  Stationen  des  Innern  gegen  Rauchwaren  um- 
zusetzen  und  diese  nach  Fort  William  zu  schaffen.  Es  erforderte  dies  ein 
grosses  Personal,  und  beschaftigte  die  Gesellschaft  im  Jahre  1798  50  Clerks, 
70  Dolmetscher,  1120  Kanoeleute  (Voyageurs)  und  35  Fiihrer  (Guides). 

In  dem  letztgenannten  Jahre  traten  einige  Partner  aus  und  bildeten  eine 
Konkurrenz-Gesellschaft,  die  XX.  Company,  wahrend  die  alte  Gesellschaft 
die  Teilnehmerzahl  auf  46  erhohte. 

Der  Konkurrenzkampf  war  ein  ausserst  scharfer.  Die  Voyageurs  der 
beiden  Gegner  suchten  sich  gegenseitig  die  Jagdbeute  der  Indianer,  die  haufig 
von  der  Gegenpartei  schon  Vorschiisse  erhalten,  abzujagen  und  zogen  denselben 
oft  weit  entgegen,  unter  Bewahrung  der  grossten  Heimlichkeit.  Trafen  sich 
dann  zwei  solche  Parteien  unterwegs,  so  kam  es  stets  zu  Raufereien,  wobei 
nicht  selten  die  Biichse  als  ultima  ratio  diente. 


2.   Kapitel. 


Dieser  wilde  Zustand  dauerte  bis  iSog,  da  vcreinigten  sich,  des  langen 
Haders  miide,  beide  Widersacher  zu  einer  neuen  Northwest  Company.  Ein 
festes  Kapital  von  120  ooo  Pfund  Sterling  wurde  aufgebracht  und  100  Gewinn- 
anteile  ausgegeben. 

Den  streitbaren  Nordwestleuten  schien  aber  bald  der  Handel  ohne  fort- 
wahrende  Kampfe  sehr  eintonig  und  sie  suchten  jetzt  einen  neuen  Gegner,  um 
ihre  Kraft  zu  erproben.  Da  bot  ihnen  die  Hudsonsbay  Company  den  ge- 
wiinschten  Anlass,  indem  diese  die  Unverschamtheit  hatte,  am  Handel  in 
ihrem  eigenen  Gebiet  teilnehmen  zu  wollen. 

Lange  Zeit  hatte  die  Hudsonsbay  Company  gebraucht,  um  sich  zu  diesem 
Entschluss  aufzuraffen,  doch  war  ihr  dies  auch  durch  innere  und  aussere  Feinde 
erschwert  worden. 

Als  1713  ini  Frieden  zu  Utrecht  die  Franzosen  gezwungen  wurden,  die 
Lander  an  der  Hudsonsbai  aufzugeben,  schopfte  die  englische  Kompanie  neue 
Kraft,  dehnte  ihre  Unternehmungen  weiter  aus  und  riistete  mehrfach  Ent- 
deckungsexpeditionen  aus,  um  das  Gebiet  genauer  kennen  zu  lernen.  Zwar 
hatte  sie  schon  1690  einen  jungen  Mann,  Henry  Kelsey,  weit  in  das  Innere 
entsendet,  doch  hinderten  die  Kriegswirren,  den  Entdeckungen  desselben 
praktische  Folgen  zu  geben. 

Der  Schwerpunkt  des  Handels  wurde  jetzt  von  Eastmaine  nach  New- 
Wales  verlegt.  Yorkfort  wurde  das  Emporium.  1718  wurde  am  Churchillriver 
das  Prince  of  Wales  Fort  gegriindet,  1730  Moosefactory  am  Mooseriver, 
Sluderiver  Factory  in  Eastmaine,  denen  andere  folgten. 

1719  riistete  die  Hudsonsbay  Company  auf  ihre  Kosten  eine  Expedition 
zur  Auffindung  der  Nordwestlichen  Durchfahrt  aus. 

Dieselbe  bestand  aus  der  Fregatte  ,, Albany"  und  der  Schaluppe  „ Discov- 
ery", unter  Kommando  des  achtzigjahrigen  Veteranen  James  Knight.  Als 
1721  noch  keine  Nachricht  zuriickgekommen  war,  sandte  die  Hudsonsbay 
Company  die  Schaluppe  ,, Whalebone",  unter  Kapitan  Scroggs,  zur  Auf- 
suchung  der  Verschollenen  aus.  Zwei  Jahre  lang  wurde  das  Inselgewirr 
nordlich  von  der  Hudsonsbai  vergeblich  nach  Spuren  durchforscht.  Erst 
50  Jahre  spater  wurden  die  Uberreste  der  Schiffe  durch  Zufall  auf  der  West- 
seite  vori  Marbleisland  aufgefunden 

Auf  Betreiben  des  Londoner  Geographen  Arthur  Dobbs  sandte  die  Ge- 
sellschaft  1736  die  Schaluppen  ,, Churchill"  und  ,, Musquash"  und  1742  eine 
weit  ere  Expedition  unter  Kapitan  Middleton  mit  der  Galeasse  ,,  Furnace" 
und  der  Pinasse  ,, Discovery"  zur  Aufsuchung  der  Nordwestlichen  Durchfahrt. 
Nach  sorgfaltiger  Untersuchung  kamen  beide  Expeditionen  unverrichteter 
Sache  zuriick,  und  Middleton  erklarte,  dass  seiner  Ansicht  nach  es  unmoglich 
sei,  in  diesen  Gegenden  die  gesuchte  Durchfahrt  zu  finden. 

Dies  erregte  den  Fanatiker  Dobbs  so,  dass  er  offentlich  erklarte,  Middleton 
sei  von  der  Hudsonsbay  Company  bestochen  worden,  da  diese  sich  ihren  Ver- 
pflichtungen  zu  den  Entdeckungsfahrten  entziehen  wolle.  Durch  seine  fort- 


64 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


gesetzte  Agitation  gegen  die  Gesellschaft  setzte  er  es  durch,  dass  1749  eine 
Parlamentskommission  zur  Untersuchung  eingesetzt  wurde,  aus  welcher  die 
Hudsonsbay  Company  indessen  gerechtfertigt  hervorging.  Dobbs  Betreiben 
war  es  1746  gelungen,  das  Parlament  zu  bewegen,  einen  Preis  von  20  ooo  Pfund 
fiir  die  Entdeckung  der  Durchfahrt  auszusetzen,  fiir  die  damalige  Zeit  eine 
ungeheure  Summe.  Ausserdem  brachte  er  durch  offentliche  Sammlungen 
weitere  10000 Pfund  zusammen,  mit  welchen  Mitteln  die  beidenSchiffe,, Dobbs 
Galley"  von  180  Tonnen  und  ,,  California"  von  140  Tonnen,  ausgeriistet  und 
unter  Kapitan  Ellis  zur  Aufsuchung  abgesendet  wurden.  Auch  diese  kehrten 
unverrichteter  Sache  zuriick,  worauf  die  Fahrten  lange  Zeit  ruhten.  Tat- 
sachlich  wurde  die  Durchfahrt  mehr  als  100  Jahre  spater  durch  Macclure  ent- 
deckt,  und  erst  1907  durch  Raoul  Amundsen  mit  derGaa  wdrklich  durchfahren. 


:         ;  :  .  ..,-   ~, 


Moose  River  Factory  der  H.  B.  C. 

Die  fortwahrenden  Angriffe  gegen  die  Hudsonsbay  Company  hatten  nur 
bewirkt,  dass  dieselbe  erst  recht  saumselig  in  der  Erfullung  ihres  Charters  wurde. 
Die  riihrige  Konkurrenz  sollte  sie  indessen  bald  aus  ihrem  Schlummer  wecken. 

Kleine  Scharen  kanadischer  Handler  verletzten  fortwrahrend  ihr  Gebiet. 
1750  drang  sogar  eine  kecke  Abteilung  franzosischer  Waldlaufer  bis  nach 
Moosefactory,  pliinderte  die  Aussenwerke  und  fiihrte  ausser  wrertvollen  Waren 
auch  zwei  schone  Messinggeschiitze  nach  Michillimacinaw. 

1744  wurde  an  Stelle  des  alten  Prince  of  Wales-Forts  ein  neues,  mit 
grossen  Kosten  nach  europaischem  Muster  erbautes,  Fort  errichtet,  das  lange 
Zeit  das  Wunder  der  Eingeborenen  bildete.  1760  wurden  mehr  ere  Posten 
auch  im  Innern  errichtet,  wie  Fort  Nelson,  Fort  Splitlake,  doch  ging  man 
damit  sehr  langsam  voran. 

1761  und  1762  wurden  Christopher  und  Nelson  nach  dem  Chesterfield 
Inlet  gesendet,  um  dort  fiir  Rechnung  der  Kompanie  Seehund-  und  Walfang- 
stationen  einzurichten. 


2.  Kapitel. 


Alexander  Mackenzie, 

der  erste,  der  von  Osten  kommend, 

den  Stillen  Ozean  auf  dem  Landwege 

erreichte. 


Die     vielfachen     Geriichte    iiber     das    Vor- 
kommen     reicher    Kupferlager     im     Innern 
veranlassten     die     Gesellschaft,     1769     den 
Chieftrader      Samuel    Hearne     zur     Er- 
forschung  derselben  auszusenden.  Dieser 
entdeckte  den  kleinen  Fischfluss,  den 
Athabascawsee  usw.  und    endlich    im 
Juli  1771  den  Coppermineriver. 

Bei  den  grossen  Fallen  desselben 
metzelten  Hearnes  Begleiter  eine  Ab- 
teilung  der  harmlosen.  Copperindianer 
mil  Frauenund  Kinder  nieder,  wonach 
die  Stelle  den  Namen  Bloodyfalls  er- 
hielt,    und  Hearne  die   Riickreise   an- 
treten    musste.     Hierbei   sah   er,    wie 
die   Kanadier  sich    bereits   am  Atha- 
bascaw  festzusetzen  begannen,  und  auf  seine 
Veranlassung  erfolgte  bald  darauf  die  Griin- 
dung  von  Cumberlandhouse  am  Sturgeonlake 
im  Jahre  1774. 

Jetzt  wurde  die  Hudsonsbay  Company 
aber  wieder  durch  kriegerische  Ereignisse  in 
der  Entwicklung  gestort. 

Ein  franzosisches  Gesch wader  von  3  Kriegsschiffen  unter  Admiral  Lapey- 
rouse  erschien  im  August  1782  in  der  Hudsonsbai  .  Prince  of  Wales-Fort,  das 
stark  befestigt,  42  Geschiitze,  aber  nur  39  Mann  Besatzung  besass,  ergab  sich 
und  wurde  ausgeplundert,  grosse  Mengen  feiner  Pelze  weggefiihrt. 

Dann  erschien  die  Flotte  vor  Yorkfort.  Auf  der  Reede  lagen  zwei  Schiffe 
der  Kompanie,  von  denen  eins  entkam,  das  andere  in  Brand  geschossen  wurde. 
Der  Kommandant  des  Forts  versuchte  erst  Widerstand,  ergab  sich  aber,  als 
die  Franzosen  300  Mann  und  mehrere  Geschiitze  landeten.  Alle  vorgefundenen 
Waren  wurden  verbrannt  und  die  Besatzung  kriegsgefangen  nach  Frankreich 
gebracht. 

Nach  ziemlich  kurzer  Zeit  waren  die  Folgen  dieses  Schlages  iiberwunden, 
und  die  Hudsonsbay  Company  nahm  ihre  fortschreitende  Tatigkeit  wieder 
auf.  In  den  Jahren  1789 — 1792  hatte  der  Northwest  Partner  Alexander 
Mackenzie  mit  dem  Clerke  Le  Roux  von  Fort  Chipewyan  am  Athabaziaw 
aus  abfahrend,  den  grossen  Sklavensee,  Barensee  etc.  erforschend,  den 
nach  ihm  benannten  Mackenzie  River  entdeckt  und  bis  zur  Miindung  ins 
Eismeer  herab  befahren  und  dann  die  Felsengebirge  iiberschreitend  als  erster 
auf  dem  Landwege  von  Osten  her  die  Ufer  des  Stillen  Ozeans  erreicht. 
Er  entdeckte  den  Fraserriver,  kehrte  iiber  das  Gebirge  und  den  Peaceriver 
wieder  nach  Chipewyan  zuriick.  Die  Hudson -Bay  Company  wetteifertc 

5 


66  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

nun  mil  der  N.  W.  Co.  diese  Entdeckung  auszunutzen.  1793  reichte  ihre 
Postenkette  bereits  bis  zum  Tal  des  Saskatchewan  und  erreichte  1805  den 
Assinoboine. 

Bis  jetzt  waren  sie  von  der  North  west  Company  unbehelligt  geblieben,  sobald 
aber  die  beiden  feindlichen  Northwest  Companys  sich  vereinigt  batten,  wie  oben 
geschildert,  wandten  sie  sich,  auf  das  Recht  des  Besitzes  pochend,  gegen  den 
gesetzmassigen  Eigentumer  des  Territoriums  und  vertrieben  die  An- 
gestellten  der  Hudsonsbay  Company  unter  Fiihrung  des  Mr.  Fiddler  in 
den  Jahren  1805  bis  1808  mit  Gewalt  ganzlich  aus  dem  Athabascawgebiet. 
Ja,  die  ritterlichen  Pelzjager  trugen  nun  den  Krieg  direkt  in  das  Gebiet  des 
Feindes  und  errichteten  an  der  Kiiste  der  Hudsonsbai  selbst,  am  Hayesriver 
und  auf  Charletonisland  Handelsposten,  die  bis  zum  Jahre  1813  in  ihrem 
Besitz  blieben.  Dies  wurde  dem  Direktorium  der  Hudsonsbay  Company  doch 
zu  viel,  und  ernstliche  Schritte  zur  Wahrung  ihrer  Rechte  wurden  unter- 
nommen. 

Zunachst  erhielt  der  Earl  of  Selkirk,  dem  ein  Drittel  des  gesamten  Aktien- 
kapitals  gehorte,  1811  einen  Landstrich  von  4%  Millionen  Acres  (i  Acre  zirka 
i%  Morgen)  am  Redriver  zur  Anlage  einer  Kolonie  geschenkt. 

(Dieser  Komplex,  auf  dem  Winipeg  steht,  besitzt  heute  einen  Wert  von 
ungefahr  40 — 50  Millionen  Pfund.) 

Lord  Selkirk  bezweckte  damit,  erstens  dem  Handel  der  verhassten  North- 
west Company,  deren  Hauptlebensmitteldepots  sich  dort  befanden,  einen 
empfindlichen  Schlag  zu  versetzen,  und  zweitens  seinen  armen  Landsleuten 
von  den  sterilen  Hugeln  und  Mooren  Schottlands  eine  neue  Heimat  an  den 
fruchtbaren  Ebenen  des  Redrivers  zu  schaffen. 

Bereits  anfangs  1812  trafen  eine  Anzahl  schottischer  und  irischer  An- 
siedler  ein  und  errichteten  im  Herbst  das  Fort  Daer.  Im  nachsten  Jahre  langten 
zahlreiche  Verstarkungen  an,  ein  zweites  Fort,  ,,Pembina",  wurde  erbaut 
und  die  Kolonie  organisiert. 

Gouverneur  wurde  Miles  Mac  Donell,  dem  der  Chieffactor  der  Hudsonsbai 
Company,  John  Mac  Leod,  ratend  zur  Seite  stand.  Nun  brach  ein  offener 
Krieg  zwischen  den  beiden  Konkurrenten  aus,  und  es  ist  schwer  zu  sagen, 
welche  Seite  das  meiste  Unrecht  veriibte. 

Den  Reigen  eroffnete  Miles  Mac  Donell,  indem  er  in  einer  Proklamation 
vom  21.  Oktober  1814  die  Ausfuhr  und  Durchfuhr  von  Lebensmitteln  verbot, 
den  Ansiedlern  untersagte,  der  Northwest  Company  irgend  etwas  zu  verkaufen 
oder  deren  Angestellte  jagen  zu  lassen  .  Die  Vertreter  dieser  Gesellschaft 
wurden  aufgefordert,  innerhalb  sechs  Monaten  das  Land  zu  verlassen.  Es  blieb 
nicht  bei  der  Drohung  allein. 

Im  Fruhjahr  1815  nahm  er  in  Begleitung  des  Sheriffs  Spencer  und 
40  Bewaffneter  die  mit  Lebensmitteln  eintreffenden  Barken  der  Northwest 
Company  weg  und  belagerte  deren  Fort  ,,  Gibraltar"  an  der  Gabel  des  Red- 
river.  Durch  Vermittlung  einiger  Partner  der  Northwest  Company  wurde 


2.   Kapitel.  67 


jedoch   die   Belagerung   aufgehoben,   und   der  halbverhungerten   Besatzung 
200  Sack  Pemmican  zuriickgegeben. 

Dies  erbitterte  die  bisherigen  Beherrscher  des  Westens  aufs  hochste.  Die 
Indianer  und  die  zahlreichen,  meist  im  Solde  der  Northwest  Company  stehenden 
Halbblutindianer  wurden  aufgewiegelt,  wahrend  die  Nordwestpartner  Duncan 
Cameron,  Alexander  Mac  Donald  und  Seraphim  Lamar  in  ihren  stattlichen 
Uniformen  als  Offiziere  eines  Freiwilligenkorps  (the  Volunteer  voyagers 
Brigade)  unter  den  Ansiedlern  umhergingen  und  diese  sowohl  gegen  ihre 
Fiihrer  aufhetzten,  als  vor  den  Indianern  warnten.  Ein  Teil  der  Ansiedler 
ging  auch  wirklich  nach  dem  Fort  der  Nordwest-Gesellschaft,  um  sich  unter 
deren  Schutz  zu  stellen.  Gestiitzt  auf  seine  Ubermacht,  verhaftete  jetzt 
Cameron  als  Friedensrichter  den  Sheriff  John  Spencer  und  den  Chieffactor 
Mac  Leod.  Zwei  Tage  spater  erbrachen  50  Halbindianer  unter  Fiihrung  der 
Nord wester  Cutbert  Grant,  William  Shaw,  Georg  Campbell,  Bostonois  und 
Pangman  die  Vorratshauser  der  Hudsonsbay  Company,  brannten  dieselben 
nieder  und  schleppten  die  Vorrate,  Waff  en,  Munition  usw.  weg.  Auch  das 
Vieh  der  Ansiedler  wurde  weggetrieben  und  die  zur  Verteidigung  ihres  Eigen- 
tums  heraneilenden  Kolonisten  mit  Schiissen  empfangen. 

Auf  die  Kunde  von  diesen  Vorfallen  eilte  Miles  Mac  Donell  herbei  und 
nahm  den  Partner  William  Shaw  gefangen,  wurde  aber  selbst  von  starken 
Scharen  der  Nord  wester  im  Fort  Pembina  belagert.  Zwei  Sturmangriffe 
wurden  zuriickgeschlagen,  wobei  mehrere  Ansiedler  fielen.  Endlich  musste 
er  aber  der  Ubermacht  weichen  und  ergab  sich  am  16.  Juni  1815  dem  Partner 
Duncan  Cameron  und  dem  Agenten  Mac  Kenzie.  Die  Kolonisten  und  samt- 
liche  Hudsonsbai-Leute  mussten  die  Ansiedlung  raumen,  die  sofort  von 
Cutbert  Grant  und  William  Shaw  niedergebrannt  wurde.  Etwa  150  Familien 
der  Ansiedler  gingen  nach  Kanada  und  15  Familien  nach  dem  Hudsonsbai- 
Fort  Norway  House  am  Winipeg-See.  Miles  Mac  Donell  wurde  nach  Fort 
William  als  Gefangener  geschleppt.  Mac  Leod  blieb  allein  bei  den  rauchenden 
Trummern  zuriick. 

Wahrend  so  der  erste  Schlag  gegen  die  Northwest  Company  missgluckt 
war,  bereitete  sich  eine  zweite  Unternehmung  in  Montreal  vor. 

Ein  friiherer  Teilnehmer  der  kanadischen  Gesellschaft,  Colin  Robertson, 
war  vom  Earl  Selkirk  gewonnen  und  beauftragt  worden,  in  Montreal  eine 
Expedition  nach  der  Art  der  Nordwester  zu  organisieren,  direkt  in  das  feind- 
liche  Gebiet  zu  fuhren  und  dort  Forts  anzulegen. 

Robertson  unterzog  sich  seiner  Aufgabe  mit  grossem  Geschick.  Im 
Oktober  1814  in  Montreal  angelangt,  war  es  sein  erstes,  Zwietracht  unter  den 
Mitgliedern  der  Konkurrenz-Gesellschaft  zu  erregen  und  mehrere  der  Unzu- 
friedenen  fur  seine  Expedition  zu  gewinnen,  darunter  die  Partner  Fraser, 
Logan,  Mac  Kenzie,  Pritchard  und  Decoigne.  Ausserdem  gelang  es  ihm, 
einen  tiichtigen  Amerikaner,  Clarke,  der  fur  Astor  an  der  Westkiiste  gewesen, 
als  Unterbefehlshaber,  sowie  eine  Anzahl  junger  Leute  als  Offiziere  zu  enga- 

5* 


58  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

gieren  nebst  400  erfahrenen  Bootsleuten.  Agent  der  Hudsonsbay  Company 
in  Montreal  wurde  die  Firma  Maitland,  Audjo  &  Garden. 

Am  13.  Mai  1815  ging  die  Expedition  in  22  grossen  Kanoes  nach  dcm 
Redriver,  wo  man  am  14.  Juli,  also  mehrere  Wochen  nach  Zerstorung  der  An- 
siedlung,  anlangte.  Colin  Robertson  verteilte  nun  seine  Streitmacht  in  die 
Athabascaw-,  Slavelake-  und  Isle  a  la  Crosse-Distrikte.  Er  selbst  fuhrte  den 
Rest  der  Kolonisten  von  Norway  House  am  Winipeg  nach  dem  Redriver 
zuriick.  Hier  errichtete  er  ein  festes  Fort  Douglas,  dem  Nordwest-Fort 
Gibraltar  gerade  gegeniiber. 

Die  Northwest  Company  griff  sofort  wieder  zu  den  Waff  en.  Der  Nord- 
wester  Black  ermordete  ungestraft  den  Faktor  Johnson  von  der  Hudsonsbay 
Company,  wahrend  der  Partner  Alexander  Mac  Donell  sich  des  Hudsonsbai- 
Handelspostens  am  Qu'appelle  River  bemachtigte.  Robertson  nahm  nun 
kurzerhand  Fort  Gibraltar  weg,  worauf  ein  Waffenstillstand  eintrat,  und  die 
gegenseitigen  Eroberungen  wieder  ausgetauscht  wurden.  Die  Ruhe  war  aber 
nur  von  kurzer  Dauer.  A.  Mac  Donell  eroberte  Brandonhouse,  worauf  Robert- 
son Fort  Gibraltar  iiberrumpelte  und  dessen  Kommandeur,  Duncan  Cameron, 
zum  Gefangenen  machte. 

In  Fort  Gibraltar  war  eben  der  ,,Winterexpress"  eingetroffen,  die  auf 
Hundeschlitten  von  alien  Stationen  nach  Fort  William  beforderte  Post  der 
Northwest  Company.  Colin  Robertson  erbrach  einfach  die  Briefe  und  sah 
daraus,  dass  Mac  Gillirray  und  Mac  Intosh  den  Plan  gefasst  hat  ten,  die 
Kolonie  durch  die  Indianer  ausrotten  zu  lassen.  Duncan  Cameron  wurde  ge- 
fesselt  nach  Yorkfort  geschafft,  von  wo  aus  jetzt  ein  neuer  Gouverneur, 
Mr.  Semple,  eintraf.  Dieser  geriet  bald  mit  Robertson  in  Streit,  so  dass 
letzterer  sich  entschloss,  nach  England  zuriickzukehren. 

In  Yorkfort  ereilten  ihn  jedoch  verschiedene  Trauerbotschaften.  Seine 
Expedition  hatte  an  fangs  mit  vielem  Gliick  operiert  und  zahlreiche  Forts  am 
Athabascaw,  Kleinen  Sklavensee,  Kneelake,  Greenlake  und  Isle  a  la  Cross 
gegriindet,  und  hatte  namentlich  Clarke  in  dem  neu  gegriindeten  Fort  Wedder- 
bourne  im  Athabascaw-Distrikt  der  Northwest  Company  schwere  Konkurrenz 
bereitet.  Leider  liess  er  sich  aber  verleiten,  mit  einer  nur  geringen  Macht  nach 
dem  Peaceriver  aufzubrechen,  und  hier  ereilte  ihn  eine  Katastrophe. 

Die  Northwest  Company  hatte  die  Indianer  uberall  mit  der  Ankiindigung 
vertrieben,  dass  die  neuen  Ankommlinge  die  Pocken  mitbrachten.  Jetzt 
wurden  nun  alle  Zufuhren  abgeschnitten  und  selbst  die  Fischnetze  der  Hudsons- 
bai-Leute  zerstort,  so  dass  16  Mann  dem  Hungertode  erlagen,  und  der  Rest 
sich  gefangen  gab.  Samtliche  Vorrate  und  Felle  wurden  von  der  siegreichen 
Rivalin  beschlagnahmt.  Noch  war  Robertson  unschliissig,  was  zu  tun,  da 
traf  die  Nachricht  von  einer  noch  grosseren  Katastrophe  ein. 

Am  ii.  Juni  war  Fort  Gibraltar  geschleift  worden.  Gouverneur  Semple, 
der  die  Nordwester  stets  als  ganz  verachtliche  Gegner  betrachtet  hatte,  und 
eben  deshalb  auch  mit  Robertson  in  Streit  geraten  war,  traf  keinerlei  Vor- 


2.   Kapitel.  60 


sichtsmassregeln,  und  wies  auch  einen  Jager,  Mustouche,  der  ihm  am  17.  Juni 
die  Nachricht  vom  Herannahen  einer  starken,  feindlichen  Reiterschar  brachte, 
als  unniitzen  Schwatzer  ab.  Er  wies  auch  die  Ansiedler,  die  Schutz  im  Fort 
suchten,  unwillig  hinaus.  Da  sprengten  am  Morgen  des  19.  plotzlich  Hunderte 
von  Reitern  mit  geschwungenen  Biichsen  heran  und  begannen  alle  auf  den 
Feldern  arbeitenden  Ansiedler  nach  der  Frogplain  zusammenzutreiben.  Semple 
ging  mit  20  Begleitern  den  Feinden  entgegen,  sandte  aber,  als  er  die  grosse 
Ubermacht  gewahrte,  nach  dem  Fort  zuriick,  um  ein  Feldgeschutz  kommen 
zu  lassen,  wartete  indessen  dessen  Eintreffen  nicht  ab,  sondern  eilte  vorwarts 
nach  Frogplain,  um  die  Freilassung  der  Settler  zu  erwirken.  Im  Augenblick 
war  er  von  etwa  60  Reitern  umzingelt,  und  Bouche,  ein  Angestellter  der  North- 
west Company,  forderte  ihn  in  frechem  Tone  zur  sofortigen  Ubergabe  des  Forts 
auf.  In  diesem  Augenblicke  fiel  der  bekannte  zufallige  Schuss,  der  nun  das 
Signal  fur  die  Nordwester  gab,  mit  dem  Feuern  zu  beginnen.  Die  meisten 
Hudsonsbaileute  fielen  sofort.  Dr.  White,  Rogers  und  Me  Lean  wurden  nach 
heldenmiitiger  Verteidigung  mit  der  blanken  Waffe,  niedergeschossen.  Gou- 
verneur  Semple,  durch  Schulter  und  Knie  geschossen,  ergab  sich  an  Cuthbert 
Grant,  wurde  jedoch  von  den  Halbindianern  sofort  niedergemetzelt. 

Nur  Mr.  Pritchard  wurde  gefangen  genommen,  Fort  Douglas  zur  Uber- 
gabe gezwungen. 

Mac  Leod,  der  jetzt  mit  30  berittenen  Partnern  und  Clerks,  sowie  150 
Voyageurs  del  Northwest  Company  eintraf,  liess  Fort  Douglas  niederbrennen, 
entliess  aber  die  Gefangenen.  Die  Sache  der  Hudsonsbay  Company  hatte 
einen  schweren  Schlag  erlitten,  die  ganze  mit  so  grossen  Kosten  unter- 
nommene  Expedition  war  gescheitert,  und  die  alte  Pioniergesellschaft  schien 
ihrer  ruhrigen  jungen  Rivalin  zu  erliegen. 

Robertson  wollte  sich  nach  England  begeben,  wurde  aber  durch  das  fruh- 
zeitige  Einsetzen  des  Eises  schon  am  20.  August  daran  verhindert. 

Jetzt  erschien  aber  Lord  Selkirk  selbst  auf  dem  Schauplatze.  Er  warb 
in  Montreal  die  beiden  soeben  entlassenen  Soldnerregimenter  De  Meuron  and 
Watteville  an,  aus  Deutschen,  Italienern,  Franzosen  und  Norwegern  bestehend, 
unter  Kapitan  d'Orsonnais  und  Mathey  und  Leutnants  Gravenreuth  und 
Fouche  und  ging  damit  nach  dem  Westen.  Am  13.  August  1816  erstiirmte  er 
mit  seiner  Schar  das  Hauptemporium  der  Northwest  Company,  Fort  William, 
nahm  die  dort  anwesenden  20  Partner  unter  dem  Fuhrer  William  Me  Gillivray 
gefangen  und  sandte  sie  nach  Montreal.  Auf  der  Fahrt  dahin  fanden  der 
Partner  Kenneth  Me  Kenzie  mit  8  Gefahrten  durch  Umschlagen  des  Bootes 
den  Tod  in  den  Wogen  des  Lake  Superior. 

Die  in  Fort  William  vorgefundenen  Vorrate  und  Felle  im  Werte  von 
100  ooo  Pfund  wurden  konfisziert. 

Am  9.  Oktober  fiel  das  Fort  am  Lac  La  Pluie  in  Selkirks  Hande,  und 
am  10.  Januar  1810  wurde  Fort  Douglas  zuriickerobert.  Auch  im  Norden  war 
der  Kampf  aufs  neue  entflammt.  Die  Fuhrer  beider  Parteien  besassen  Be- 


70  II-    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

stallungen  als  Friedensrichter  und  erliessen  gegen  die  Konkurrenten  Verhafts- 
befehle  wegen  Landfriedensbruch.  Es  ging  dabei  zu  wie  bei  den  Fehden  des 
Mittelalters,  ohne  jede  Riicksichtnahme  auf  die  Landesregierung. 

Am  2.  Dezember  eroberte  Alexander  Stewart  (Northwest  Company) 
Greenlakefort,  nahm  Decoigne  und  Lewis  gefangen  und  zerstorte  das 
Fort.  Am  2.  Januar  lud  Mac  Leod,  der  das  Nordwest-Fort  Chipewyan  am 
Athabascaw  befehligte,  John  Clarke  und  die  Offiziere  der  H.  B.  C.  Forts 
Wedderbourne  zum  Diner  ein,  nahm  sie  aber  dabei  einfach  gefangen  und  be- 
machtigte  sich  des  Forts.  Fort  Pierre  au  Calumet  und  Fort  Coutonne  wurden 
ebenfalls  uberrumpelt  und  die  Hudsonsbayleute  gefangen  genommen,  wobei 
es  nicht  ohne  Blutvergiessen  abging. 

Am  16.  Mai  1817  bemachtigten  sich  Black  und  Ogden  des  H.  B.  C.  Forts 
Isle  a  la  Crosse,  wobei  zwei  Mann,  L'amoureux  und  Johnstone,  fielen,  und  der 
Chieffactor  Me  Leod  gefangen  weggeschleppt  wiirde. 

Am  2.  Januar  begaben  sich  die  Northwestclerks  Robert  Me  Robbins 
und  John  Me  Bean  mit  Verhaftsbefehlen  des  Friedensrichters  Mitchell  nach 
Fort  William  und  erklarten  den  Lord  Selkirk,  Kapitan  Mathey  und  Leutnant 
Mac  Nabb  als  verhaftet,  wurden  aber  mitsamt  den  Verhaftsbefehlen  durch 
Soldaten  vom  de  Meuron-Regiment  einfach  hinausgeworfen. 

Die  Fehde  war  aber  doch  von  der  Regierung  nicht  ganz  unbeachtet  ge- 
lassen.  Das  Blaubuch  vom  12.  Juni  1819  teilte  dem  englischen  Parlament 
mehrere  hundert  Depeschen  mit,  die  iiber  diese  Angelegenheit  zwischen  der 
englischen  und  der  kanadischen  Regierung  gewechselt  waren. 

Der  kanadische  Gouverneur  Sir  Gordon  Drummond  und  der  Leutnant- 
General  Sherbrook  schienen  darin  mehr  auf  Seiten  der  Northwest  Company, 
die  englische  Regierung  unter  dem  Kolonialminister  Earl  Bathurst  mehr  auf 
seiten  der  Hudson  sbay  Company  zu  sein. 

Der  Prinzregent  erliess  eine  Proklamation,  worin  er  bei  schwerer  Strafe 
die  Fortsetzung  der  Feindseligkeiten  verbot.  Diese  blieb  aber  ohne  Erfolg. 
Mit  der  Proklamation  in  der  Hand  veriibte  William  Shaw  als  Friedensrichter 
am  Lac  La  Pluie  eine  Reihe  der  argsten  Gewalttatigkeiten,  und  die  Gou- 
verneure  von  Ober-  und  Unterkanada,  Lord  Sherbrooke  und  General  Gore, 
Nachfolger  des  Generals  Gordon  Drummond,  wiesen  in  ihren  Berichten  immer 
wieder  auf  die  Unmoglichkeit  des  Eingreifens  hin. 

Earl  Selkirk  unterwarf  sich  und  gab  die  eroberten  Forts  heraus,  obgleich 
die  stolzen  Barone  der  Northwest  Company  sich  weigerten,  ein  Gleiches  zu 
tun,  und  verlangte  die  Einsetzung  einer  unparteiischen  Kommission. 

Earl  Bathurst  ordnete  auch  die  Entsendung  zweier  unparteiischen 
Gerichtspersonen  nach  dem  Kriegsschauplatze  an,  worauf  Lord  Sherbourne  er- 
widerte,  in  ganz  Kanada  gabe  es  uberhaupt  keine  zwei  unparteiischen  Personen. 

Endlich  wurden  doch  zwei  Herren  ermittelt,  die  diese  seltene  Eigenschaft 
hatten,  Major  Coltman  und  Mr.  Fletcher,  die  in  Begleitung  von  40  Soldaten 
des  70.  Regiments  nach  dem  Westen  abgingen. 


2.  Kapitel. 


Lord  Selkirk,  Mathey,  d'Orsonnais  und  Allan  stellten  Biirgschaft  fiir  ihr 
Erscheinen  vor  Gericht,  und  Colin  Robertson  eilte  ebenfalls  in  einem  Kanoe 
von  Norwayhouse  nach  Montreal,  um  sich  freiwillig  zu  stellen,  wahrend  ihn 
die  Northwest  Company  in  Ketten  dahin  schleppen  wollte.  Die  Kommission 
berichtete  ziemlich  giinstig  iiber  die  Hudsonsbay  Company,  deren  Vorgehen 
zwar  auch  nicht  gesetzlich  gewesen  sei,  die  aber  durch  die  Ubergriffe  der 
Nordwestleute  dazu  gezwungen  sei,  auch  habe  sie  kein  Blut  vergossen,  wahrend 
die  letzteren  sogar  vorbedachten  Mord  veriibt  hatten. 

Einer  der  argsten  Falle  war  folgender :  Mac  Leod  und  Mac  Gillivray 
waren  nach  Zerstorung  der  Redriverkolonie  in  aller  Eile  nach  Fort  William 


Fort  Norway  House  der  H.  B.  C.  mit  Landungsbriicke. 

zuriickgekehrt,  da  sich  ein  Geriicht  verbreitete,  der  gefurchtete  Colin  Robertson 
sei  im  Anzuge.  Hierbei  wurde  ein  Offizier  der  Hudsonsbay  Company,  Owen 
Kevenney,  in  einem  Kanoe  auf  dem  Lac  Bonnet  iiberrascht  und  in  Hand- 
schellen  mitgefuhrt.  Da  der  Transport  desselben  bald  lastig  wurde,  gaben 
die  Partner  Mac  Lellan  und  Archibald  Mac  Donnell  der  Bedeckungsmannschaft 
den  Befehl,  ihn  bei  nachster  Gelegenheit  beiseite  zu  schaffen.  Dieser  Auftrag 
wurde  dann  durch  den  deutschen  Korporal  Reinhard  und  den  Halbindianer 
Menville  ausgefiihrt  und  Owen  Kevenney  an  den  ,, Dalles",  einer  Tragstelle 
des  Winipegrivers,  auf  barbarische  Weise  ermordet.  Am  Lac  Vermillion  in- 
dessen  wurde  die  ganze  Schar  vom  Kapitan  d'Orsonnais  gefangen  und  der 
Kommission  iibergeben,  die  Mac  Lollan,  Lamar,  Menville,  Bastonois  und 
Pangman  in  Ketten  nach  Kanada  schickte. 

Hier  bereitete  sich  ein  Monstreprozess  vor.  Auf  einer  Seite  standen  17 
der  Hauptpartner  der  Northwest  Company  und  eine  grosse  Anzahl  ihrer  Unter- 
gebenen,  des  Mordes,  der  Aufreizung  der  Indianer,  des  schweren  Landfriedens- 


72  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

bruchs  und  des  Hochverrats  angeklagt,  auf  der  andern  Scite  Lord  Selkirk, 
die  Offiziere  der  Regimenter  de  Meuron  und  Watteville,  die  auf  Grund  ihrer 
Biirgschaft  erschienen,  Bourke,  Mac  Leod,  Pritchard,  Clarke,  Decoigne  und 
mehrere  Offiziere  der  Hudsonsbay  Company,  die  von  den  Nordwestern  ge- 
fangen  eingeliefert  waren,  und  Colin  Robertson,  der  sich  frciwillig  gestellt 
hatte,  alle  des  einfachen  Landfriedensbruchs  bezichtigt. 

Der  Prozess  wurde  auf  alle  mogliche  Weise  in  die  Lange  gezogen,  von 
Unter-  nach  Oberkanada  verlegt  und  mehrfach  die  Jury  gewechselt  und 
endlich,  als  dieselbe  8  Tage  lang  eingeschlossen  sass,  ohne  sich  einigen  zu 
konnen,  wurde  der  Prozess  auf  Antrag  des  der  Northwest  Company  giinstig 
gesinnten  Attorney  General  auf  unbestimmte  Zeit  vertagt  und  die  Unter- 
suchung  ganz  fallen  gelassen. 

Nur  Lord  Selkirk  wurde  auf  dem  Wege  der  Zivilklage  zur  Zahlung  von 
500  Pfund  Entschadigung  an  Daniel  Mac  Kenzie  wegen  unrechtmassiger  Ein- 
kerkerung  verurteilt. 

Nun  ging  aber  der  Tanz  erst  recht  los,  und  im  Indianergebiet  entspann 
sich  der  Kampf  aufs  neue. 

Colin  Robertson  und  John  Clarke  fiirirten  eine  starke,  neu  gesammelte 
Expedition  in  das  Athabascawgebiet,  wo  sie  bald  den  alten  Einfluss  auf  die 
Indianer  gewannen.  Hier  wurde  aber  Robertson  eines  Tages  vor  seinem  Fort 
Wedderbourne  durch  eine  Streifschar  Nordwester  unter  Simon  Me  Gillivray 
iiberf alien,  nach  Fort  Chipewyan  gebracht  und  dort  8  Monate  in  enger  Haft 
gehalten.  Im  Friihjahr  wurde  er  dann  unter  starker  Bedeckung  nach  Montreal 
geschickt.  Bei  Cumberland!] ouse  befreiteihn  indessen  eine  Schar  Hudsonsbay- 
Voyageurs  und  begleitete  ihn  nach  dem  Athabasca wriver  zuriick. 

Der  Gouverneur  William  nahm  jetzt  am  Grand  River  die  Wintering- 
partner  der  Northwest  Company,  Simon  Me  Gillivray,  Me  Intosh,  Me  Tavish, 
\Villiam  Shaw,  Campbell  und  Frobisher  gefangen  und  brachte  sie  nach  York- 
fort.  Frobisher  entsprang  auf  dem  Transport,  erlitt  aber  den  Hungertod  in 
den  Siimpfen  des  Hayesriver.  Dieser  Schlag  lahmte  die  Unternehmungen  der 
Northwest  Company,  wahrend  die  Hudsonsbay  Company  unter  der  energischen 
Fiihrung  von  Clarke  und  Robertson  sich  immer  weiter  ausbreitete,  den 
Peaceriverdistrikt  in  Angriff  nahm,  dort  zahlreiche  Forts  errichtete  und  dann 
die  Rockymountains  iiberschritt  und  ,,Neukaledonien"  (British  Columbia) 
dem  Pelzhandel  erschloss.  Auch  an  dem  machtigen  Mackenzieriver  im  hohen 
unwirtlichen  Norden  wurden  Handelsposten  erbaut.  Alle  Nordwester,  die 
man  antraf,  wurden  gefangen  genommen.  Robertson  fuhrte  dann  eine  Kanoe- 
brigade  mit  ungemein  reicher  Pelzausbeute  zuriick.  Hierbei  geriet  er  selbst 
in  einen  Hinterhalt  und  wurde  durch  eine  starke  Truppe  Nordwester  auf 
weiten  Umwegen  nach  Montreal  gebracht.  Am  Sault  de  St.  Marie  am  Siid- 
ende  des  Obern  Sees,  gelang  es  ihm  durch  einen  kiihnen  Sprung  sich  zu  be- 
freien  und,  von  Polizisten  dicht  verfolgt,  das  Gebiet  der  Vereinigten  Staaten 
zu  gewinnen.  Von  hier  aus  begab  er  sich  nach  England,  wo  gleichzeitig  mit 


2.   Kapitel. 


ihm  zwei  Abgesandte  der  Northwest  Company,  Dr.  Bethune  und  Angus  Shaw, 
eintrafen,  urn  Friedensvorschlage  zu  unterbrciten. 

Nach  langeren  Verhandlungen  kam  auch  am  26.  Marz  1821  der  Friedens- 
vertrag  zustande.  Die  stolze  Konigin  des  Westens  horte  auf  zu  existieren  und 
wurde  mit  der  Hudsonsbay  Company  vereinigt.  Das  gesamte  Geschaft  sollte 
unter  dem  alleinigen  Namen  der  H.  B.  C.  gefiihrt  werden  und  zwar  vorlaufig 
auf  21  Jahre.  Die  Northwest  Company  brachte  200  ooo  Pfund  ein,  wahrend 
die  Hudsonsbay  Company  ihr  Kapital  durch  Nachzahlungen  auf  die  gleiche 
Hohe  brachte. 

Die  Geschafte  wurden  nach  wie  vor  in  London  von  dem  Gouverneur  und 
Komitee  der  H.  B.  C.  in  ihrem  Hause  in  Fenchurch  Street  (jetzt  in  Limestreet) 
geleitet,  aber  in  Amerika  wurde  die  Verwaltung  ganzlich  geandert.  Hier  fuhrte 
ein  Gouverneur,  dem  25  Chieffactors  und  28  Chieftraders  zur  Seiten  standen, 
die  Geschafte.  Alljahrlich  fand  eine  Versammlung  dieser  statt,  denen  die 
hochste  Gewalt  im  Gebiete  zustand. 

Vom  Reingewinn  wurden  jahrlich  nur  60  Proz.  fur  die  Aktionare  be- 
stimmt.  Die  iibrigen  40  Proz.  wurden  in  85  Teile  geteilt.  Jeder  Chief  factor 
erhielt  hiervon  2,  jeder  Chieftrader  i.  Vier  Teile  sollten  fur  die  nachsten 
7  Jahre  an  alte  Diener  und  3  Teile  an  Me  Gillivray  &  Ellice  als  Ent- 
schadigung  gezahlt  werden.  Nach  Ablauf  der  7  Jahre  werden  diese  7  Teile 
als  Pension  fur  ausgetretene  Chief  fact  or  en  oder  Chieftrader  bestimmt. 

Jeder  Chief  factor  und  Chieftrader  hatte  nach  dreijahriger  Uberwinterung 
die  Berechtigung,  beim  Austritt  einen  vollen  Jahresanteil  und  noch  4  Jahre 
lang  einen  halben  Anteil  zu  beanspruchen,  nach  funfjahriger  Uberwinterung 
einen  vollen  Anteil  und  6  Jahre  lang  einen  halben  Anteil. 

Es  durften  aber  jahrlich  nicht  mehr  als  3  Chief factoren  oder  2  Chief- 
factoren  und  2  Chieftraders  austreten.  Sonst  konnten  diese  Beamten  auch, 
w7enn  sie  nicht  so  lange  iiberwintert  hatten,  nach  einjahriger  Kiindigung  ihren 
Abschied  nehmen,  gingen  aber  ihres  Anteils  verlustig. 

Die  neuen  Chieffactoren  mussten  aus  den  Chieftraders  und  diese  aus  den 
Clerks  gewahlt  werden  und  zwar  durch  den  oben  erwahnten  jahrlichen  Rat. 
Die  Wahl  musste  aber  durch  den  Gouverneur  und  das  Komitee  in  London 
bestatigt  werden. 

Alle  Jahre  erhielten  auch  3  Chieffactors  und  2  Chieftraders  ein  Jahr 
Urlaub  nach  Europa,  und  bestimmte  der  Rat  auch  die  Reihenfolge  des  Urlaubs. 
Diese  Versammlung  hatte  auch  das  Recht,  irgendwelche  Beamte  der  Kompanie 
zu  bestrafen  oder  zu  entlassen,  jedoch  nur  nach  erfolgter  Bestatigung  von 
London.  Ein  Clerk  konnte  indessen  wegen  gewohnheitsmassiger  Trunksucht 
und  wegen  Unter schlagung  sofort  durch  den  Rat  entlassen  werden.  Zur  Be- 
strafung  oder  Entlassung  in  einer  der  beiden  hoheren  Beamtenklassen  gehorte 
aber  die  Zustimmung  des  Gouverneurs  und  eine  Zweidrittelmajoritat  der 
Versammlung,  in  der  mindestens  12  der  Berechtigten  anwesend  sein  mussten. 
Rechtskraftig  wurde  das  Urteil  erst  nach  Bestatigung  in  London.  Die  Rats- 


74  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

versammlung  bestimmte  auch,  wieviel  Lebensmittel  und  Ausriistungsgegen- 
stande  jeder  dieser  Beamten  zu  empfangen  habe.  Jahrlich  habe  Abrechnung 
zu  erfolgen,  und  am  15.  April  seien  die  einzelnen  Anteile  auszuzahlen.  Eine 
Anderung  der  Bestimmungen  sei  nur  durch  eine  Zweidrittelmajoritat  samt- 
licher  Chieffactoren  und  Chieftraders  zulassig. 

Die  erst  en  Chieffactoren  wurden  zu  gleichen  Teilen  aus  den  Partners 
der  Northwest  Company  und  den  hoheren  Beamten  der  Hudsonsbay 
Company  gewahlt.  Auch  Colin  Robertson  und  Johne  Clarke  wurden  Chief- 
factoren. 

Das  Leben  eines  solchen  Beamten  war  ein  sehr  schweres  und  anstrengendes, 
Die  zugeteilte  Nahrung  war  zwar  sehr  reichlich,  wurde  doch  allein  pro  Kopf 


Barke  der  H.  B.  C.  mit  Felladuiig. 

8  Pfund  Biiffelfleisch  oder  ein  entsprechendes  Quantum  Fisch  pro  Tag  ge- 
liefert,  doch  irgend  welcher  Luxus  fehlte,  und  viel  Abwechslung  in  der  Nahrung 
wurde  nicht  gewahrt. 

Der  Gewinnanteil  bei  vollig  freier  Station  belief  sich  fur  einen  Chief- 
factor  auf  wohl  1000  bis  1500  Pfund  per  Jahr.  Zu  wirklichem  Reichtum  ge- 
langte  meines  Wissens  nur  ein  Chieffactor,  der  Dr.  Rae,  der  fur  Auffindung 
der  Reste  der  Franklin-Expedition  die  Parlamentsbelohnung  von  50  ooo  Pfund 
erhielt. 

Nach  dem  Kriege  zwischen  England  und  den  Vereinigten  Staaten,  1812 
bis  1814,  war  im  Vertrage  zu  Gent  auch  die  Grenze  der  beiden  Gebiete  fest- 
gesetzt  worden.  Dieselbe  wurde  gebildet  durch  eine  Linie,  die  von  der  Nord- 
westecke  des  Lake  of  the  woods  nach  den  Quellen  des  Mississippi  und  von 
dort  auch  langs  dem  49.  Grad  nordlicher  Breite  lief. 


2.  Kapitel.  75 


1823  wurde  diese  Grenze  durch  eine  Kommission  unter  Long  imd  Say 
sorgfaltig  vermessen.  Eine  solche  Grenzregulierung  war  notwendig  geworden, 
well  sowohl  die  Hudsonsbay  Company,  als  zahlreiche  amerikanische  Gesell- 
schaften  Handelsposten  auf  gegnerischem  Gebiete  errichtet  batten  und  sich 
gegenseitig  scharfe  Konkurrenz  machten. 

Es  ist  nun  Zeit,  dass  wir  auch  die  Entwicklung  des  Pelzhandels  auf  dem 
Gebiet  der  Vereinigten  Staaten  in  Betracht  ziehen. 


II. 
Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

3.  Kapitel. 

Wir  batten  weiter  oben  gesehen,  wic  im  Jahre  1609  Henry  Hudson  im 
Dienste  der  Niederlander  den  Hudsonsriver  entdeckt  hatte. 

Die  hollandische  Ostindische  Kompanie  dachte  gar  nicht  daran,  die  Vor- 
teile,  welche  ihnen  die  Entdeckungen  Hudsons  verschafft  hatte,  auszunutzen. 
Schon  der  Umstand,  dass  die  Belgier,  ihre  alten  Widersacher,  den  nordamerika- 
nischen  Handel  befiirworteten,  geniigte  ibnen,  um  jeden  Gedanken  daran 
fallen  zu  lassen. 

Dagegen  nahmen  eine  Anzahl  anderer  niederlandischer  Kaufleute  die 
Sache  in  die  Hand,  und  errichtete  1612  cinen  Handelsposten  auf  der  Siid- 
spitze  derlnselManhatta,  die  sie  Neu-Amsterdam  nannte,sowie  das  Fort  Orange. 

Das  ganze  Land,  welches  die  heutigen  Neu-England-Staaten  umfasst, 
wurde  Neu-Niederland  genannt.  Hauptsachlich  wurde  Pelzhandel  mit  den 
Indianern  getrieben  mit  solchem  Erfolge,  dass  damals  jahrlich  etwa  80  ooo 
Biberfelle  nach  Amsterdam  gelangten.  Da  auch  die  Ausbeute  der  Polargegenden 
an  Eisbaren,  Weissfuchsen,  Blaufiichsen  etc.  zum  grossten  Teil  nach  Holland 
gelangt,  war  Amsterdam  damals  einer  der  Hauptsitze  des  europaischen  Pelz- 
handels. 

Die  Niederlassung  Neu-Amsterdam  erfreute  sich  aber  vom  Mutterlande 
keiner  besonderen  Unterstutzung.  Die  mcisten  Ansiedler  und  Kaufleute  ge- 
horten  zur  belgischen  oder  calvinistischen  Partei,  die  sich  von  seiten  der 
Regierung  der  Generalstaaten  keiner  besonderen  Sympathie  erfreute. 

Ihre  Hauptstiitze,  der  schon  fruher  erwahnte  John  Oldenbarneveld,  einer 
der  hochsten  Wurdentrager  des  Landes,  Ratspensionar  von  Holland,  wurde 
sogar  im  Jahre  1619  wegenWiderstandes  gegen  die  Generalstaaten  als  Religions- 
storer  enthauptet.  Trotzdem  entwickelte  sich  die  Kolonie  ganz  zufrieden- 
stellend,  namentlich  als  nach  der  Niederlage  der  belgischen  Partei  auch  die 
Hollandisch-ostindische  Kompanie  Kontore  in  Neu-Amsterdam  erofmete, 
1630  besass  die  Ansiedlung  etwa  1000  Einwohner,  doch  gelangte  sic  bald  in 
Konflikt  mit  ihren  Nachbarn,  den  Englandern. 

Virginien  war  schon  1584  Walter  Raleigh  zugesprochen  worden,  aber 
nach  dessen  Hinrichtung  1618  wieder  an  die  Krone  gef alien,  nachdem  bis- 
herige  Versuche  zur  Kolonisation  fehlgeschlagen  war  en.  Jetzt  wurde  das 
Land  der  1606  gegriindeten  Plymouth  Company  zuerteilt,  die  nunmehr  am 


3.   Kapitel. 


Jamesriver  eine  dauernde  Niederlassung  errichtete,  aber  auch  im  Norden  von 
Neu-Niederland  regie  es  sich  bald. 

Die  aus  England  wegen  religioser  Differenzen  vertriebenen  ,, Pilgrim 
fathers"  batten  auf  der  ,, Mayflower"  Amerika  erreicht  und  1620  die  Stadt 
Plymouth  gegriindet.  Auch  hier  wurde  ebenso  wie  bei  der  1630  durch  John 
Winstrup  begriindeten  Stadt  Boston  hauptsachlich  Pelzhandel  getrieben. 
Die  Plymouth  Company  selbst  begriindete  wenige  feste  Stiitzpunkte,  sondern 
begniigte  sich  meist  mit  dem  Handel  von  ihren  Schiffen  aus;  schenkte  oder 
verkaufte  aber  verschiedene  grossere  Landstriche  an  andere  Unternehmen. 
So  z.  B.  1630  Connecticut  an  den  Grafen  von  Warwick. 

Zur  selben  Zeit,  1630,  wurde  auch  am  Delawarefluss  eine  Niederlassung 
von  Schweden  unter  dem  Namen  Neuschweden  begriindet,  welche  aber  1655 


Wappen  von  Neu-Amsterdam. 

von  den  Niederlandern  in  Neu-Amsterdam  erobert  und  ihren  Territorien  einver- 
leibt  wurde.  Wahrenddes  langen  Biirgerkrieges  in  England  hatten  die  hollan- 
dischen  Kolonien  einige  Ruhe,  wenngleich  sich  die  Streifziige  der  englischen 
Jager  und  Pelzhandler  immer  weiter  ausdehnten.  Cromwell  legte  aber  1651 
durch  seine  Navigations-Akte  den  Grund  zur  Bliite  der  englischen  Kolonien, 
die  nach  der  Restauration  unter  Charles  II.  einen  weiteren  Aufschwung  nahm. 

Die  Navigations-Akte  entfesselte  1652  einen  der  hatnackigsten  Kolonial- 
und  Seekriege  zwischen  Holland  und  England,  bei  dem  sich  die  hollandische 
Flotte  unter  van  Tromp  und  Michael  de  Ruyter  mit  unsterblichem  Ruhm  be- 
deckte,  der  aber  doch  mit  dem  Siege  Englands  endigte.  Der  Friede  war  nicht 
von  langer  Dauer,  Karl  II.  hatte  seinem  Bruder,  dem  Duke  of  York,  alle 
Besitzungen  in  Nordamerika,  einschliesslich  des  mm  gar  nicht  gehorenden 
Neu-Niederland,  zum  Geschenk  gemacht,  und  1664  wurde  Neu-Amsterdam 
durch  eine  Flotte  erobert  und  die  ganze  Kolonie  fur  englischen  Besitz  erklart 
und  aller  Besitz  der  Hollandisch-ostindischen  Kompanie  eingezogen. 

Zwar  wurde  das  Land  1673  durch  ein  hollandisches  Geschwader  wieder 
erobert,  aber  nur  voriibergehend  gehalten  und  1674  endgiiltig  an  England 


^8  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

abgetreten.  Es  blieb  Privatbesitz  des  Duke  of  York,  auch  als  er  bereits 
Konig  James  II.  geworden  war.  Nach  der  Vertreibung  der  Stuarts  1689 
wurde  das  Land  Kronskolonie,  und  von  diesem  Zeitpunkt  datiert  sein  Auf- 
schwung.  Die  Nachkommen  der  damaligen  hollandischen  Kolonisten  geniessen 
aber  noch  heute  das  giosste  Ansehen  in  New  York,  noch  mehr  als  die  Nach- 
kommen der  Pilgrin  fathers,  die  mit  der  ,, Mayflower"  gekommen  waren.  Die 
sogenannten  Knickerbocker-Fainilien,  die  Stuyvesandts,  Schuylers,  Roose- 
velts  etc.  sind  heute,  obgleich  nicht  besonders  reich,  exklusiver  als  selbst  der 
osterreichische  Hochadel  und  betrachten  Familien  wie  die  Astors  und  Vander- 
bilts,  von  den  neuen  Milliardaren  wie  Morgan  und  Rockefeller  ganz  abgesehen, 
als  Emporkommlinge,  mit  denen  sie  eine  Gemeinschaft  ablehnen;  nur  die 
Nachkommen  der  ,,Cavaliere",  die  alten  Familien  von  Virginien,  werden  als 
gleichberechtigt  erachtet. 

Wie  schon  ofters  erwahnt,  betrieben  auch  die  Kaufleute  von  Boston  und 
New  York  eifrigst  Pelzhandel,  aber  ihre  Unternehmungen  waren  lange  nicht 
so  ausgedehnt,  wie  die  der  Franzosen,  man  beschrankte  sich  mehr  auf  den 
Handel  mit  den  Indianern  der  Nachbarschaft.  Auch  existierten  keine  grosseren 
Gesellschaften,  welche  dies  Geschaft  betrieben.  Erst  nach  der  Eroberung 
Kanadas  anderte  sich  dies.  Michillimacinaw  an  der  Miindung  des  Michigan- 
Sees  in  den  Huronen-See,  wurde  ein  grosses  Emporium,  wo  englische  Kauf- 
leute bereits  1763  zahlreich  sich  niedergelassen  hatten  und  mit  den  Montreal- 
Firmen  stark  konkurrierten. 

1783  bildete  sich  hier  eine  Genossenschaft  englischer  Kaufleute  unter 
dem  Namen  der  Michilimakinaw  Company  oder,  wie  sie  sich  abgekiirzt  nannte, 
die  ,, Mackinaw  Company". 

Mit  der  Northwest  Company  wurde  ein  Abkommen  getroffen,  dass  man 
sich  gegenseitig  nicht  ins  Gehege  kame,  und  die  neue  Gesellschaft  sandte  ihre 
Bootsgesch wader  durch  den  Michigan- See,  den  Fox  und  Wisconsinriver  bis 
in  den  Missouri.  Ihre  ausgesandten  Handler  gingen  alle  Nebenfliisse  des 
Missouri  hinauf  und  drangen  auf  dem  Mississippi  bis  nach  Louisiana  vor. 

Obgleich  zwar  New  Yorker  und  Bostoner  Kaufleute  an  dem  Unternehmen 
beteiligt  waren,  blieb  es  doch  vorwiegend  englisch  und  erregte  deshalb  die 
Eifersucht  der  Regierung  der  Vereinigten  Staaten,  die  es  sehr  ungern  sah, 
dass  Fremde  solchen  Einfluss  in  ihrem  Gebiete  erlangten. 

1796  errichtete  die  Regierung  deshalb  uberall  an  den  Grenzen  Handels- 
Posten  und  Agenturen,  welche  den  Indianern  alle  Bediirmisse  gegen  Felle 
liefern  sollten.  Wie  aber  alle  derartigen  Regierungsunternehmungen  hatte 
auch  dies  wenig  Erfolg. 

Um  diese  Zeit  aber  trat  ein  neues  Element  im  amerikanischen  Rauch- 
warenhandel  auf.  Johann  Jacob  Astor,  1763  als  Sohn  eines  Kurschners  in 
Waldorf  bei  Heidelberg  geboren,  ging  1783  nach  den  Vereinigten  Staaten,  um 
seinem  dort  ansassigen  Bruder  eine  Warensendung  zu  uberbringen. 

In  der  Cheasepeakebai  wurde  das  Schiff  mehrere  Monate  vom  Eise  ein- 


3.   Kapitel. 


geschlossen,  doch  war  eine  Verbindung  mil  dem  Ufer  moglich.  Hierbei  schloss 
der  junge  Astor  Freundschaft  mil  einem  amerikanischen  Pelzhandler  und  er- 
kannte  bald,  welche  grossen  Vorteile  dieses  Geschaft  damals  bot. 

In  Gemeinschaft  mit  dem  neugewonnenen  Freunde  ging  er  nach  New 
York,  legte  seine  gesamten  Mittel  in  Rauchwaren  an,  mit  denen  er  nach  London 
zuruckkehrte,  um  sie  dort  sehr  vorteilhaft  zu  verkaufen. 

1784  kam  er  dann  wieder  nach  New  York,  um  sich  hier  endgiiltig  nieder- 
zulassen.  Er  dehnte  seinen  Geschaftsbetrieb  bald  aus  und  besuchte  auch  regel- 
massig  Kanada,  um  dort  Rauchwaren  einzukaufen  und  direkt  nach  London 
zu  schicken,  denn  das  damalige  System  des  Kolonialrechts  gestattete  es  nicht, 
Produkte  der  Kolonien  anderswo  hinzuschicken  als  nach  dem  Mutterlande. 

1795  wurde  dann  ein  Vertrag  zwischen  den  Vereinigten  Staaten  und 
England  geschlossen,  wonach  erstens  der  direkte  Handel  zwischen  den  ersteren 
und  Kanada  gestattet  wurde,  und  ferner  England  die  noch  auf  amerikanischem 
Gebiete  innehabenden  Posten  Oswego,  Niagara,  Detroit  und  Michillimacinaw 
den  Vereinigten  Staaten  abtrat. 

Astor  dehnte  seine  Unternehmungen  immer  weiter  aus  und  erwarb  ein 
bedeutendes  Vermogen,  aber  er  hatte  als  einzelner  schwer  gegen  die  Konkurrenz 
der  machtigen  Macinaw  Company  anzukampfen.  1809  griindete  er  deshalb  die 
American  Fur  Co.  mit  einem  eingezahlten  Kapital  von  i  Million  Dollar,  die 
vom  Staate  New  York  Korporationsrechte  erhielt  und  von  der  Regierung 
stark  begiinstigt  wurde. 

Alleiniger  Aktionar  war  Astor,  da  er  das  ganze  Kapital  aus  eigenen  Mitteln 
beschaffte. 

Da  sich  der  Wettkampf  mit  der  alteren  Macinaw  Company  verscharfte, 
kaufte  Astor  mit  Hilfe  einiger  Partner  der  Northwest  Company  die  rivali- 
sierende  Gesellschaft  auf  und  verschmolz  sie  mit  der  seinigen  zur  Southwest 
Company,  die  nun  unumschrankt  den  Pelzhandel  der  Vereinigten  Staaten 
beherrschte.  Aber  bald  geniigte  dies  dem  umfassenden  Geiste  Astors  nicht 
mehr,  er  wollte  sich  auch  des  Pelzhandels  der  Westkiiste  mit  China  bemachtigen. 

Von  dem  lukrativen  Pelzhandel,  den  die  Russen  in  ihren  Besitzungen  in 
Nordwest-Amerika  trieben,  und  worauf  ich  spater  zuriickkomme,  war  zwar 
damals  wenig  bekannt,  desto  mehr  Aufsehen  hatten  die  Erfolge  englischer 
Unternehmungen  in  diesen  Gegenden  erregt. 

Im  Jahre  1785  war  James  Hannan  mit  einer  Brigg  von  60  Tonnen  mit 
20  Mann  Besatzung  von  Canton  aus  nach  dem  Nootka-Sund  gegangen  und 
hatte  dort  eine  wertvolle  Ladung  Seeotter,  Silberfiichse  etc.  nach  China 
geholt  und  die  Reise  mit  gutem  Erfolge  das  nachste  Jahr  in  einem  grosseren 
Schiff  wiederholt. 

Im  gleichen  Jahre  sandten  auch  die  Kaufleute  von  Bombay  zwei  Schiffe 
und  die  Kaufleute  von  Bengalen  zwei  weitere  Fahrzeuge  nach  der  Westkiiste 
Amerikas,  um  Pelzhandel  zu  betreiben.  Erstere  unter  dem  Kommando  von 
Kapitan  Strange,  letztere  unter  dem  beriihmten  Entdecker  Kapitan  Mears. 


8o  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 



Im  gleichen  Jahre  bildeten  mehrere  Londoner  Firmen  die  King  Georges 
Sound  Company,  um  Pelzhandel  zwischen  West-Arnerika  und  China  zu  treiben, 
wozu  sie  die  Erlaubnis  von  der  Southsea  Company  und  der  Eastindia  Company 
erhielten,  die  damals  das  Monopol  des  Chinahandels  batten. 

Zwei  Schiffe,  die  ,,King  George"  zu  320  Tonnen  und  die  ,,  Queen  Charlotte" 
zu  200  Tonnen,  wurden  unter  Kommando  von  Kapitan  Portlok  und  James 
Dixon  (einem  Gefahrten  Cooks)  gestellt  und  verliessen  am  31.  August  1785 
Gravesend.  Die  Falklandsinseln  und  Sandwichinseln  anlaufend,  erreichtc  die 
Expedition  am  19.  Juli  1786  den  Cooksriver,  wo  man  bereits  eine  russische 
Ansiedlung  vorfand.  Die  Expedition  kreuzte  handeltreibend  an  der  Kiistc 
bis  zum  Prinz  William  Sound,  uberwinterte  dann  auf  den  Sandwichinseln  und 
vervollstandigte  dann  im  nachsten  Jahre  ihre  Ladung  an  der  Kiiste.  Hier 
traf  man  auch  die  ,,Nootka"  und  die  ,,Seaotter"  unter  Kapitan  Meares,  die 
jede  einige  tausend  Seeottern  an  Bord  batten,  aber  sehr  vom  Skorbut  ge- 
litten  batten. 

Die  Schiffe  der  King  Georges  Sound  Company  lief  en  dann  unversehrt  in 
Canton  ein  mit  2000  prima  Seeottern,  etwa  doppelt  so  vielen  geringeren,  sowie 
einer  grossen  Menge  Fuchsfellen,  Schuppen,  Zobeln  und  Sealskin.  Seeotter- 
felle  kosteten  damals  in  Canton  90  Golddollar  das  Stuck,  abcr  durch  einen 
Fehler  in  der  Lizenz  musste  die  Expedition  ihre  Ausbeute  an  die  Eastindia 
Company  verkaufen,  die  nur  20  Dollar  per  Stuck  gab. 

Nun  beschaftigten  sich  viele  mit  dem  lukrativen  Handel. 

1792  waren  bereits  20  Schiffe  an  der  Kiiste,  die  Mehrzahl  amerikanischen 
Kaufleuten  aus  Boston  gehorig.     Sie  blieben  gewohnlich  zwei  Jahre  an  der 
Kiiste,  dabei  auf  den  Sandwich-Inseln  iiberwinternd,  verkauften  ihre  Ladung 
in  Canton,  nahmen  dort  Tee,  Seide  etc.  ein  und  kehrten  nach  Boston  zuriick. 

Unter  diesen  Fahrzeugen  befand  sich  auch  die  ,, Columbia"  von  Boston 
unter  Kapitan  Gray,  welcher  1792  in  46  Grad  20  Min.  die  Miindung  eines 
grossen  Flusses  entdeckte,  den  er  Columbiariver  nannte. 

1793  hatte  Mac  Kenzie  im  Auftrage  der  Hudsonsbay  Company,  wie  oben 
bereits  erzahlt,  die  Rocky  Mountains  iiberschritten,  den  Stillen  Ozean  erreicht 
und  die  Miindung  des  Fraseriver  entdeckt.    Die  Hudsonsbay  Company  sowie 
die  Northwest  Company  beeilten  sich  beide  bekanntlich,  das  neu  entdeckte 
Gebiet  in  den  Bereich  ihrer  Handelsoperationen  zu  ziehen. 

Die  Regierang  der  Vereinigten  Staaten  entsandte  nan  1804  eine  Expe- 
dition unter  Lewis  und  Clarke,  um  die  Pacific-Kiiste  auf  dem  Landwege  zu 
erreichen  und  zwar  vom  Missouri  aus,  einen  Plan,  den  schon  1773  der  Eng- 
lander  Carver  auszufuhren  versuchte,  der  ausgebrochenen  amerikanischen 
Revolution  halber  aber  aufgeben  musste. 

Lewis  und  Clarke  lost  en  ihre  Aufgabe  aufs  glanzendste.  Sie  zogen  den 
Missouri  aufwarts,  iiberstiegen  die  Rocky  Mountains  und  gingen  den  Columbia 
bis  zu  seiner  Miindung  hinab.  Hier  liberwinterten  sie  und  kehrten  im  Friih- 
jahr  ebenfalls  auf  dem  Landwege  zuriick. 


3.   Kapitel.  8l 


Dies  gab  Astor  die  Idee  zu  seinem  grossartigen  Unternehmen.  Er  wollte 
langs  des  Missouri  und  des  Columbia  eine  Reihe  Handelsposten  errichten  und 
ein  Haupt depot  an  der  Mundung  des  letzteren.  Ein  Netz  kleinerer  Handels- 
posten sollte  sich  iiber  die  Nebenfliisse  erstrecken  und  seine  Waren  von  der 
Hauptniederlassung  erhalten  und  die  eingehandelten  Felle  dorthin  abliefern. 
Kleine  Fahrzeuge,  die  am  Columbia  erbaut  werden  sollten,  waren  zum 
Kiistenhandel  wahrend  des  Sommers  bestimmt. 

Jahrlich  sollte  ein  Schiff  von  New  York  die  notigen  Tausch waren  sowie 
Nahrungsmittel  an  den  Columbia  bringen,  die  Pelzausbeute  in  Empfang 
nehmen,  nach  Canton  bringen,  dort  verkaufen,  da  ja  die  Amerikaner  durch 
das  Monopol  der  Ostindischen  Kompanie  nicht  gehindert  waren,  eine  Ladung 
chinesischer  Waren  einzunehmen  und  damit  nach  New  York  zunickzukehren. 

Die  amerikanische  Regierung  war  dem  Plane  sehr  giinstig  gesinnt. 

Es  kam  noch  dazu,  dass  gerade  diplomatische  Verwicklungen  mit  Russ- 
land  drohten.  Die  amerikanischen  Schiffe  brachten  den  russischen  Ansied- 
lungen  Lebensmittel,  benutzten  aber  die  Gelegenheit,  den  Indianern  Feuer- 
waffen  im  Tauschhandel  zu  liefern.  Die  Regierung  beschloss  nun,  dass  Astor 
durch  das  jahrliche  Schiff  auch  die  russischen  Ansiedlungen  mit  Lebensmitteln 
zu  versorgen  habe,  dagegen  sollten  andere  amerikanische  Schiffe  fernbleiben. 

Die  Konkurrenz  der  Northwest  Company,  die  gleichfalls  der  Mundung 
des  Columbia  auf  dem  Landwege  von  Kanada  aus  zustrebte,  blieb  indessen 
zu  fiirchten,  weshalb  Astor  derserben  den  Vorschlag  machte,  sich  an  seinem 
Unternehmen  mit  einem  Drittel  zu  beteiligen. 

Nach  langeren  Verhandlungen  lehnte  die  kanadische  Gesellschaft  indessen 
die  Vorschlage  ab.  Astor  beschloss  deshalb,  moglichst  schnell  allein  vor- 
zugehen  und  den  Rivalen  auf  alle  Falle  zuvorzukommen. 

Es  handelte  sich  nun  um  die  Gewinnung  passender  Leute,  die  an  das 
Leben  in  der  Wildnis  und  den  Handel  mit  Indianern  gewohnt  waren.  Er 
suchte  und  fand  mehrere  unter  den  Nordwestleuten,  welche  bei  der  Befor- 
derung  iibergangen  waren  oder  sich  sonst  zur  Unzufriedenheit  berechtigt 
glaubten. 

Es  waren  dies  Alexander  Mac  Kay,  der  von  1789  bis  1793  Mackenzie 
auf  seinen  kiihnen  Fahrten  an  die  Pacific- Kiiste  begleitet  hatte,  ferner  Duncan 
Mac  Dougall  und  Donald  Mac  Kenzie. 

Hierzu  kam  Wilson  Price  Hunt,  ein  Amerikaner  aus  New  Jersey,  der 
Leiter  der  Niederlassung  am  Columbia  sein  sollte. 

Am  23.  Juni  1810  wurde  ein  Vertrag  zwischen  diesen  4  Herren  und 
Astor  geschlossen  zur  Begrundung  der  Pacific  Fur  Company.  Astor  sollte  die 
Unternehmungen  in  New  York  leiten,  die  Schiffe,  Waren  und  sonstigen  Bediirf- 
nisse  liefern  bis  zur  Hohe  von  500  ooo  Dollars.  Das  Kapital  der  Gesellschaft 
wurde.  in  100  Aktien  geteilt,  wovon  Astor  die  Halfte  erhielt,  die  andern 
wurden  unter  die  Partner  und  ihre  Associes  verteilt. 

Astor  hatte  das  Recht,  weitere  Partner  einzufuhren,  von  denen  aber 

6 


§2  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

mindestens  zwei  an  den  Handel  mit  den  Indianern  gewohnt  sein  mussten, 
und  von  denen  keiner  mehr  als  3  Aktien  erhalten  durfte.  Wenn  die  Geschafte 
gut  gingen,  sollte  die  Kompanie  20  Jahre  bestehen,  doch  hatte  jeder  das 
Recht,  wahrend  der  ersten  5  Jahre  auszutreten,  wenn  das  Unternehmen  sich 
nicht  als  lukrativ  bewahrte.  Fur  diese  ersten  5  Jahre  ubernahm  es  Astor 
alle  eventuellen  Verluste  allein  zu  tragen.  Erst  nach  dieser  Zeit  sollten  auch 
Verluste  gemeinschaftlich  getragen  werden. 

Es  wurden  nun  ungesaumt  zwei  Expeditionen  organisiert.  Die  eine 
unter  Befehl  von  Hunt  sollte  auf  dem  Landwege  vordringen  und  gleich  auf 
dem  Marsche  die  besten  Platze  zur  Anlage  der  Posten  bestimmen,  die  die 
Verbindungslinie  spater  bilden  sollten. 

Eine  zweite  Expedition  sollte  zur  See  das  Personal,  Vorrate,  Waren  und 
alles  Notige  an  die  Miindung  des  Columbia  bringen  und  dort  mit  dem  Bau  der 
Hauptniederlassung  beginnen. 

Hierzu  kaufte  Astor  das  Schiff  ,, Tonquin"  von  2QQ  Tonnen  mit  10  Ge- 
schiitzen  an  und  stellte  es  unter  Kommando  des  Marineleutnants  Jonathan 
Thorn,  der  dazu  Urlaub  von  der  Regierung  erhielt. 

Ihn  begleiteten  die  4  Partner  Mac  Kay,  Mac  Dougall,  David  Stuart 
und  Robert  Stuart.  Ferner  12  Clerks,  die  mit  einem  Gehalt  von  40  Dollar 
jahrlich  und  freier  Station  auf  5  Jahre  engagiert  waren  mit  einem  Bonus  von 
500  Dollar  am  Ende  dieses  Zeitraums,  und  denen  in  Aussicht  gestellt  wurde, 
dass  sie  spater  Teilhaber  werden  konnten.* 

Ausserdem  befanden  sich  noch  einige  Handwerker  und  eine  Anzahl 
kanadischer  Voyageurs,  bekanntlich  die  besten  Bootsleute  der  Welt,  an  Bord. 

Der  Tonquin  nahm  auch  die  Bestandteile  eines  Schoners  mit,  der  am 
Reiseziel  zusammengesetzt  und  zum  Kiistenhandel  dienen  sollte.  Ausserdem 
waren  Handelswaren,  Saatgut,  landwirtschaftliche  Gerate  und  alles  zur  Be- 
griindung  einer  Kolonie  Notwendige  eirtgeschifft  worden. 

Gleich  beim  Anfang  ergaben  sich  iibrigens  Schwierigkeiten.  Zwei  der 
Teilnehmer,  friihere  Partner  der  Northwest  Company,  verrieten  im  geheimen 
den  ganzen  Plan  dem  englischen  Gesandten,  und  ein  englisches  Kriegsschiff 
kreuzte  ausserhalb  Sandy  Hooks,  um  die  an  Bord  befindlichen  kanadischen 
Bootsleute  zum  Marinedienst  zu  pressen. 

Am  10.  Oktober  1810  setzte  die  ,, Tonquin"  Segel  und  gelangte  auch  un- 
gehindert  in  See.  Von  vornherein  schien  aber  ein  Unstern  auf  der  ganzen 
Expedition  zu  ruhen.  Es  brachen  sofort  Zwistigkeiten  aus.  Der  Kapitan  Thorn 
betrachtete  sich  immer  noch  als  Kriegsschiffkommandant  und  wollte  auch 
unter  den  Passagieren  eine  Kriegsschifldisziplin  eintiihren.  Diese  betrachteten 
sich  anderseits  als  Eigentumer  des  Fahrzeugs,  und  so  entstanden  fortwahrend 
ernste  Reibereien.  Auf  den  Sandwichinseln  wurde  noch  ein  Dutzend  Insulaner 
in  Dienst,  sowie  eine  Anzahl  lebender  Schweine  i.nd  trische  Provisionen  an 
Bord  genommen,  und  am  22.  Marz  die  Miindung  des  Columbiariver  erreicht. 
Bei  der  Untersuchung  der  Einfahrt  gingen  zwei  Boote  und  acht  Mann  ver- 


3.   Kapitel. 


loren.  Am  Siidufer  des  Flusses  wurdc  am  Point  George  das  Fort  Astoria 
errichtet,  in  schoner  Lage  und  leicht  erreichbar  von  den  vier  Indianerstammen, 
welche  die  Gegend  ziemlich  dicht  bevolkerten.  Es  waren  dies  die  Chinooks, 
die  Klatsops,  die  Wahkiakums  und  die  Klahmats.  Am  5.  Juni  ging  die 
,,Tonquin"  wieder  unter  Segel,  mit  Mac  Kay  und  Lewis  an  Bord,  um  eine 
Handelsreise  nachNorden  anzutreten,  von  wo  sie  nichtmehrzuriickkchren  sollte. 
Im  Hafen  Newetee  auf  Vancouvers  Island  hatte  man  Anker  geworfen 
und  bereits  eine  grosse  Menge  Seeotterfelle  eingetauscht,  als  Kapitan  Thorne 
mit  einem  Hauptling  der  Indianer  in  Streit  geriet  und  ihm  das  angebotene 
Seeotterfell  um  die  Ohren  schlug.  Die  Indianer  verliessen  darauf  das  Schiff, 


Fort  Babine  der  H.  B.  C. 

und  Mac  Kay  verlangte  sofortige  Abfahrt,  da  cr  die  Rache  der  Eingeborenen 
furchtete.  Eigensinnig  verweigerte  dies  der  Kapitan  und  schien  Recht  zu  be- 
halten,  denn  am  nachsten  Tage  erschienen  zahlreiche  Boote,  deren  Insassen 
anscheinend  unbewaffnet  an  Bord  kamen  und  Mengen  von  Seeotterfellen  zu 
den  am  Tage  vorher  verweigerten  Preisen  anbotcn.  Als  Tauschobjekt  wurden 
aber  ausschliesslich  Messer  gewahlt.  Auf  ein  Signal  bin  fielen  nun  die  Wilden 
mit  diesen  und  den  unter  dem  Mantel  verborgenen  Kriegskeulen  iiber  die 
Mannschaft  her.  Mac  Kay  und  Lewis  fielen  beim  erst  en  Ansturm.  Nach 
heldenmutiger  Verteidigung  fiel  der  Kapitan  Thorne  und  die  Mehrzahl  der 
Mannschaft.  Nur  vier  gelang  es,  die  Kajiitc  zu  erreichen,  wo  die  Gewehre 
standen  und  von  hier  aus  durch  ein  wohlgezieltes,  andauerndes  Feuern  die 
Indianer  vom  Deck  in  die  Kanoes  zu  treiben.  Auf  die  Fltichtigen  wurden  dann 
noch  einige  Kanonenschiisse  abgegeben,  die  furchterliche  Verheerungen  an- 
richteten.  Wahrend  der  Nacht  verliessen  die  vier  unverletzten  Matrosen*  -das 
Schiff  in  einem  Boot,  nur  der  tot  rich  verletzte  Lewis  blieb  an  Bord. 

6* 


g^  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Am  nachsten  Tage,  als  auf  dem  Schiff  niemand  mehr  am  Leben  schien, 
kamen  die  Indianer  wieder,  und  mehrere  Hundert  waren  an  Deck  und  im 
Raum  mil  Pliindern  beschaftigt,  als  mil  donnerndem  Krach  das  Fahrzeug  in 
die  Luft  flog.  Lewis  hatte  die  Pulverkammer  in  Brand  gesteckt,  und  iiber 
zweihundert  der  Insulaner  fanden  dabei  den  Tod.  Die  entkommenen  Matrosen 
wurden  iibrigens  bald  darauf  gefunden  und  unter  den  iiblichen  Martern  ge- 
totet.  Von  der  ganzen  Expedition  hatte  sich  nur  der  indianische  Dolmetscher 
gerettet,  der  die  Nachricht  nach  Astoria  brachte.  Hier  war  inzwischen  Bericht 
eingetroffen,  dass  die  Northwest  Company  einen  Posten  am  Spokaneriver 
errichtet  hatte,  und  David  Stuart  wollte  eben  mit  einer  kleinen  Schar  a$f- 
brechen,  um  in  der  Nahe  des  Spokan  gleichfalls  einen  Posten  einzurichten, 
als  man  durch  die  Ankunft  des  Nordwestpartners  Thompson  iiberrascht 
wurde,  der  zu  Lande  die  Rockymountains  uberschritten  und  den  Nordarm 
des  Columbian vers  herabgefahren  war.  Er  hatte  unter wegs  in  alien  Indianer- 
dorfern  die  englische  Flagge  verteilt  und  feierlich  vom  Lande  fur  England 
Besitz  genommen.  Nichtsdestoweniger  wurde  er  in  Astoria  freundlich  auf- 
genommen  und  begleitete  Stuart  auf  seiner  Expedition,  um  von  da  aus  nach 
Montreal  zuriickzukehren.  Nach  Uberschreiten  der  Cataracte  des  Columbia 
wurde  ein  Handelsposten  am  Einfluss  des  Okanagan  in  den  Columbia  errichtet. 
Inzwischen  war  die  Landexpedition  unter  Wilson  Price  Hunt  und  Donald 
Mac  Kenzie  im  Juli  1810  von  Montreal  auf  dem  Wasserwege  aufgebrochen 
und  hatte  am  22.  Juli  Mackinaw  erreicht,  wo  die  Ausriistung  verstandigt 
und  die  notige  Zahl  Voyageurs  angeworben  werden  sollte.  Mackinaw  oder 
rich  tiger  Michillimackinaw,  am  Zusammenfluss  des  Huronen-  und  Michigan- 
sees  gelegen,  war  damals  der  Mittelpunkt  des  Pelzhandels.  Hier  war  der  Sitz 
der  Mackinaw  Company.  Von  hier  aus  gingen  Bootsbrigaden  nach  dem  Obern 
See,  nach  dem  Mississippi  bis  nach  Louisiana  und  nach  dem  Missouri  bis  nach 
dem  fern  en  Westen.  Andre  Bootsbrigaden  brachten  die  herbeigestromten  Pelz- 
waren  nach  Montreal.  Die  heimgekehrten  Voyageurs  verjubelten  hier  in 
Mackinaw  den  Erlos  mehrer  in  schwerer  Arbeit  vollbrachten  Jahre  oft  in 
wenigen  Wochen.  Von  Zeit  zu  Zeit  kamen  auch  die  Canots  der  Northwest 
Company,  die  grossen  ,, Canots  du  maitre",  von  Fort  William  herbei,  vorn  im 
Bug  den  Sackpfeifer,  der  die  heimischen  Hochlandsweisen,  die  Pibrochs  und 
Ratspeys,  iiber  die  Wogen  des  Obern  Sees  und  die  kanadischen  Urwalder  hin 
erschallen  liess.  Stolz  traten  die  Angestellten  dieser  Kompanie  stets  als  die 
Fiirsten  des  Pelzhandels  auf,  die  auf  die  Leute  der  andern  Pelzhandels- Gesell- 
schaften  mit  Nichtachtung  herabsahen. 

Am  12.  August  endlich  konnte  die  Expedition  aufbrechen,  nahm  ihren 
WTeg  iiber  den  Michigansee,  den  Fox,  Wisconsinriver  und  Mississippi  und 
erreichte  am  3.  September  St.  Louis.  Dies  war  damals  ein  kleiner  Grenz- 
posten,  der  nur  Wichtigkeit  durch  seinen  Pelzhandel  hatte.  Von  hier  aus 
gingen  Trapper-  und  Handlerexpeditonen  weit  in  das  Innere.  Besonders 
bedeutend  war  die  1808  durch  zwolf  Partner  begriindete  Missouri  Fur 


3.  Kapitel. 85 


Company,  die  250  Angest elite  beschaftigte  und  zahlreiche  Handelsposten  am 
Missouri,  seinen  Nebenfliissen  und  im  Gebiete  der  Sioux,  Ricarees  und 
Mandanen  besass.  Die  Bevolkerung  war  eine  ungemein  gemischte.  Der  fran- 
zosische  Einfluss  herrschte  besonders  unter  den  Handelshausern  vor,  neben 
den  zahlreichen  franzosisch-kanadischen  Voyageurs  zeichneten  sich  die  rauhen 
Mississippibootsleute,  die  schweigenden  Hinterwalder  von  Kentucky,  die  am 
erikanischen  Trapper  aus  dem  Indianergebiet  aus.  Oft  begegnete  man  Trupps 
von  Indianern  mit  dem  Federschmuck,  in  buntfarbige  Decken  gehullt,  die  die 
Wunder  der  Zivilisation  anstaunten. 

Hier  wurden  noch  einige  Jager  und  Trapper  angeworben,  doch  hatte 
der  stille  Widerstand  der  Missouri  Fur  Company  und  der  Mackinaw 
Company  so  langen  Aufenthalt  verursacht,  dass  man  erst  Ende  Oktober 
St.  Louis  verlassen  konnte,  und  etwa  500  Kilometer  von  der  Missouri- 
mundung  entfernt  durch  den  Frost  iiberrascht,  Winterquartier  aufschlagen 
musste.  Erst  im  April  konnte  die  Weiterreise  auf  dem  Wasserwege  an- 
getreten  werden. 

Es  waren  jetzt  im  ganzen  5  Partner,  i  Clerk  John  Reed,  40  Voyageurs 
und  etwa  20  Jager  in  4  Barken  mit  2  Geschiitzen.  Zwei  englische  Natur- 
forscher,  John  Bradbury  und  Nuttall,  hatten  sich  angeschlossen. 

Nach  kurzem  Aufenthalt  in  Omaha  wurde  dann  der  Missouri  bei  einem 
Dorfe  der  Ricaris  verlassen  und  der  Landweg  iiber  die  Prarien  im  Juli  ange- 
treten.  Damals  schwarmte  die  Gegend  von  ungeheuren  Bison-  und  Antilopen- 
herden,  aber  auch  von  den  kriegerischen  Banden  der  Sioux.  Von  den  Ricaris 
wurden  Pferde  angekauft  und  mit  82  Packtieren  der  Marsch  angetreten,  da 
mehr  nicht  zu  erhalten  waren,  und  erst  von  den  Cheyennes  40  mehr  beschafft 
wurden.  Man  iiber schritt  die  Wasserscheide  des  Missouri  und  des  Yellowstone- 
rivers  und  erreichte  am  30.  August  1811  den  Fuss  der  Felsengebirge.  Durch 
die  Krahenindianer,  mit  denen  sie  die  Friedenspfeife  geraucht,  wurde  ihnen 
ein  Pass  durch  das  Gebirge  gezeigt.  Mitte  September  wurde  der  Oberlauf 
des  Colorado  erreicht,  der  von  ihnen  Spanischriver  genannt  wurde,  da  sie 
von  den  hier  wohnenden  Shoshoneindianern  erfuhren,  dass  am  Unterlauf  des 
Flusses  in  Kalifornien  Spanier  sassen. 

Bald  darauf  gelangte  die  Expedition  an  einen  der  Zufliisse  des  obern 
Columbia  in  einer  von  Bibern  wimmelnden  Gegend,  weshalb  hier  4  Trapper 
zum  Biberfang  zuriickgelassen  wurden,  die  dann,  wenn  sie  eine  gehorige 
Ladung  Felle  gesammelt  hatten,  nach  Astoria  folgen  sollten. 

Im  Oktober  erreichte  man  Fort  Henry,  den  am  weitesten  vorgeschobenen 
Pelzhandelsposten  der  Missouri  Fur  Company.  Der  Posten  war  aber  gerade 
verlassen.  Hier  iibergab  Hunt  die  Pferde  einigen  Schlangenindianern  zur  Auf- 
bewahrung  und  konstruierte  eine  Anzahl  Boote,  wahrend  mehrere  Trapper 
unter  Fiihrung  des  Partner  Miller  in  der  Umgegend  zum  Biberfang  zuriick- 
blieben.  Der  Rest  der  Expedition  schiffte  sich  in  15  der  erbauten  Kanoes  auf 
dem  Henryflusse  ein. 


36  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Man  folgte  den  Fluss  hinab,  der  bald  nach  dcr  Vereinigung  mit  dem 
River  enrage  den  Namen  Snakeriver  annimmt  und  in  grosserer  Breite  dahin- 
fliesst,  von  rnehreren  Stromschnellen  und  Tragstellen  unterbrochen,  in  voll- 
kommen  menschenleerer,  aber  wild- und  fischreicher  Gegend.  Nur  sehr  ver- 
einzelt  wurden  Schoshone-Indianer  angetroffen,  die  noch  nie  einen  Weissen 
gesehen  hatten. 

Am  28.  Oktober  wurde  die  Expedition  durch  eine  langgestreckte  Kette 
von  Katarakten  und  Stromschnellen,  in  der  zwei  Kanoes  ganzlich  verloren 
gingen  und  einer  der  Bootsleute  ertrank,  zu  einem  langeren  Stillstand  ge- 
zwungen.  Alle  ausgesendeten  Expeditionen  erwiesen  die  Unmoglichkeit, 
auf  dem  Wasserwege  weiter  zu  kommen.  Die  Vorrate  wurden  an  dieser  Un- 
gliicksstelle  ,,The  Devils  scuttle  hole"  in  Cache  getan,  und  die  Weiterreise 
am  9.  November  zu  Lande  angetreten. 

Bald  trat  Nahrungsmangel  ein,  die  Gesellschaft  musste  sich  von  Wurzeln, 
gefrorenen  Beeren  und  den  getrockneten  Biberfellen  sparlich  ernahren,  wobei 
mehrere  Mann  dem  Hunger  erlagen.  Erst  am  21.  Januar  erreichten  sie  unter 
den  grossten  Entbehrungen  und  Anstrengungen  den  Oberlauf  des  Columbia, 
nicht  weit  von  der  Einmundung  des  Walla- Wallaflusses. 

Hier  empfing  man  von  den  dort  wohnenden  Indianern  die  ersten  Nach- 
richten  von  der  Griindung  des  Forts  Astoria,  die  sich  soweit  in  das  Innere  ver- 
breitet  hatte.  An  den  grossen  Katarakten  des  Columbia,  der  am  31.  Januar  1812 
erreicht  war,  wussten  die  Indianer  schon  den  Tod  Mac  Kays  und  das  Schicksal 
des  ,,Tonquin". 

Hier  gelang  es  auch  der  Expedition,  Kanoes  zu  erlangen  und  am 
15.  Februar  Fort  Astoria  zu  erreichen,  nach  elfmonatlicher  Reise  vom  Missouri. 
Jetzt  legt  der  Eisenbahnzug  die  Strecke  in  drei  Tagen  zuriick. 

Im  Fruhjahr  wurden  nun  mehrere  Expeditionen  ausgeriistet.  Mr.  Stuart 
wurde  mit  Vorraten  nach  dem  Fort  Okanagan  gesendet.  Zwei  Clerks,  Russel 
Farnham  und  Donald  Mac  Gilles,  gingen  mit  8  Mann  nach  The  Devils  scuttle 
hole,  um  die  zuriickgelassenen  Waren  der  Huntschen  Expedition  zu  holen, 
und  ein  anderer  Clerk,  Mr.  Reed,  wurde  in  Begleitung  eines  Kentucky-Trappers 
und  zweier  Kanadier  mit  Briefen  auf  dem  Landwege  nach  New  York  an  Astor 
gesendet.  Robert  Stuart  schloss  sich  ihm  an. 

Bei  den  Katarakten  des  Columbia  erregte  die  blanke  Blechbiichse,  in 
welcher  die  Depeschen  fur  New  York  waren,  die  Habgier  der  Indianer,  die 
kleine  Schar  wurde  iiberfallen,  Reed  schwer  verwundet  und  die  Biichse  mit 
den  Papieren  geraubt.  Da  die  Weiterreise  nun  zwecklos  geworden,  begab  sich 
die  Expedition  nach  dem  Fort  Okanagan,  wo  David  Stuart  wahrend  des 
Winters  grosse  Vorrate  von  Biber-  und  anderen  Fellen  eingetauscht  hatte. 

Astor  hatte  wahrend  dieser  Zeit  mit  Russland  einen  Vertrag  zur  Ver- 
proviantiernng  ihrer  Handelsposten  an  der  Nordwestkiiste  getroffen  und 
riistete  jetzt  die  Bark  ,, Beaver"  von48oTonnen  Gehalt  aus  und  sandte  diese, 
beladen  mit  Waren,  Lebensmitteln  usw.,  nach  dem  Columbia.  An  Bord  be- 


3.  Kapitel.  87 


fand  sich  noch  eine  Verstarkung  der  Besatzung  von  Astoria,  bestehend  aus 
einem  Agenten,  5  Clerks,  15  Handwerkern,  samtlich  Amerikaner,  und  sechs 
kanadischen  Voyageurs.  Am  10.  Oktober  verliess  der  ,, Beaver"  New  York 
und  gelangte  gliicklich  am  9.  Mai  1812  nach  Astoria,  nachdem  vorher  nur  die 
Sandwich-Inseln  angelaufen  waren. 

Es  wurden  nun  mehrere  Expeditionen  ausgeriistet.  Mac  Kenzie  und 
Clarke  fiihrten  zwei  Abteilungen  zur  Errichtung  von  Handelsposten  an  der 
Gabel  des  oberen  Columbia,  um  dort  der  Konkurrenz  der  Northwest  Company 
zu  begegnen.  David  Stuart  fiihrte  eine  weitere  Abteilung  mit  Vorraten  nach 
Fort  Okanagan  und  Robert  Stuart,  begleitet  von  Mac  Lellan,  sollte  Depeschen 
auf  dem  Landwege  zu  Astor  bringen,  der  bisher  noch  ohne  jede  Nachricht 
geblieben  war.  Am  29.  Juni  brachen  alle  Expeditionen  unter  dem  Donner 
der  Salutgeschutze  auf.  Bis  zur  Gabel  des  Columbia  sollten  alle  zu  gegen- 
seitigem  Schutz  beisammenbleiben.  Am  31.  Juli  wurde  der  Walla- Walla  er- 
reicht,  wo  Stuart  Pferde  zur  Weiterreise  von  den  Indianern  kaufte.  Am 
30.  April  1813  wurde  nach  beschwerlicher  und  gefahrlicher  Reise  St.  Louis 
erreicht,  und  Astor  erhielt  nun  die  ersten  Nachrichten  von  der  Faktorei. 

Astor  hatte  gerade  den  Vertrag  mit  der  russischen  Regierung  abgeschlossen, 
wonach  sich  beide  Teile  in  den  Handel  der  Nordwestkuste  teilten,  und  wonach 
die  Pacific  fur  Company  nicht  nur  die  russischen  Posten  mit  Proviant  ver- 
sorgen  sollte,  sondern  auch  deren  Pelzausbeute  in  Kommission  erhielt,  um 
sie  in  Canton  zu  verkaufen,  als  der  englisch-amerikanische  Krieg  ausbrach. 

Da  die  Aussendung  des  jahrlichen  Schiffes  mit  Vorraten  von  New  York 
deshalb  riskiert  schien,  beorderte  Astor  den  ,, Beaver"  mit  Vorraten  von  Canton 
aus  nach  Astoria,  um  dort  unter  Hunts  Befehlen  zu  bleiben.  Der  ,, Beaver" 
segelte  auch  ab,  doch  ging  er  jedenfalls  mit  Mann  und  Maus  in  einem  Typhon 
zugrunde,  denn  man  hat  nie  wieder  etwas  davon  gehort. 

Die  Northwest  Company  sandte  jetzt  auch  ein  Fahrzeug,  den  ,, Isaac 
Todd",  mit  20  Geschiitzen  nach  der  Columbiamundung,  um  dort  ein  Fort  zu 
errichten,  und  es  ging  das  Geriicht,  dass  auch  die  englische  Regierung  ein 
Geschwader  schicken  wiirde,  um  Astoria  wegzunehmen.  Astor  schrieb  an 
den  Staatssekretar  Monroe,  dem  Vater  der  famosen  Doktrin,  und  bat  um 
Schutz  der  amerikanischen  Regierung  resp.  um  Abgabe  einer  Besatzung  von 
50  Mann,  erhielt  aber  iiberhaupt  keine  Antwort.  Inzwischen  schickte  er  im 
Marz  1813  die  ,,Lark",  einen  bekannten  Schnellsegler,  nach  Astoria  unter 
Kommando  des  Leutnant  Northtrop  und  des  Partners  Nicolas  Ogden.  Leider 
scheiterte  dies  Schiff  auf  den  Sandwichsinseln,  so  dass  Astoria  ohne  Vorrate 
und  Lebensmittel  blieb.  Auch  Reeds  Mission  zur  Herbeischaffung  der  von 
Hunt  am  Devils  Scuttlehole  zuriickgelassenen  Vorrate,  hatte  wenig  Erfolg, 
da  die  Indianer  die  Mehrzahl  der  Caches  entdeckt  und  gepliindert  hatten. 

Inzwischen  hatte  Hunt  nach  dem  Aufbruch  der  verschiedenen  Expeditionen 
im  August  1812  mit  dem  ,, Beaver"  Astoria  verlassen,  um  Neu-Archangel  zu 
besuchen,  Seeotter  an  der  Kiiste  einzuhandeln,  dann  sollte  ihn  das  Schiff 


gg  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

wieder  am  Columbia  absetzen  und  nach  den  Sandwichsinseln  und  Canton 
weitersegcln. 

Die  verschiedenen  Handelsposten  im  Innern  hatten  ganz  gute  Erfolge 
und  bereits  grossere  Mengen  Pelzwerk  aufgespeichert,  als  im  Januar  1813 
George  Mac  Tavish,  der  Nordwestpartner,  in  Astoria  eintraf  und  die  Nach- 
richt  vom  Ausbruch  des  englisch-amerikanischen  Krieges  brachte,  sowie  das 
bevorstehende  Eintreffen  des  ,, Isaac  Todd"  anzeigte. 

Mac  Dougal,  der  in  Abwesenhei^  Hunts  das  Kommando  fuhrte  und  der 
durch  das  iiberlange  Ausbleiben  des  ,, Beaver"  schon  sehr  beunruhigt  war, 
verlor  alien  Mut  und  beschloss  in  Ubereinstimmung  mit  Mac  Kenzie,  Astoria 
aufzugeben  und  im  Fruhjahr  auf  dem  Landwege  nach  den  Vereinigten  Staaten 
zuruckzugehen.  Aller  Handel  mit  den  Eingeborenen  wurde  aufgegeben,  da 
man  schon  mehr  Felle  hatte,  als  man  auf  diesem  Wege  transportieren  konnte. 

Mac  Kenzie  sollte  die  Handelsposten  im  Innern  benachrichtigen,  sich  zum 
Abmarsch  bereit  zu  machen.  Im  Juni  1813  waren  alle  Partner  mit  dem 
eingesammelten  Pelzwerk  in  Astoria  beisammen.  Die  Partner  Stuart  und 
Clarke  horten  mit  grosser  Uberraschung  und  unter  starkem,  aber  nutzlosem 
Protest  Mac  Dougals  Entschluss,  die  Ansiedlung  aufzugeben. 

Allgemein  herrschte  die  Ansicht,  dass  Mac  Dougal  als  alter  Nord west- 
Partner  den  Versuchungen  dieser  Gesellschaft  erlegen  sei  und  die  Interessen 
Astors  verraten  habe,  und  auch  Mac  Kenzie  auf  seine  Seite  gezogen  habe.  Da 
aber  Mac  Dougal  den  Oberbefehl  hatte,  war  nichts  zu  machen,  und  die  definitive 
Aufgabe  mit  Beginn  des  Friihjahrs  beschlossen.  Eine  Anzahl  der  Clerks 
wurden  schon  jetzt  entlassen  und  traten  in  die  Dienste  der  Northwest  Company. 

Mac  Tavish  nahm  den  von  alien  Partnern  unterschriebenen  Auflosungs- 
beschluss  bei  seiner  Abreise  nach  Montreal  mit,  um  ihn  Astor  zukommen  zu 
lassen.  Inzwischen  war  Astor  in  New  York  nicht  miissig  geblieben. 

Er  hatte  erfahren,  dass  auf  Betreiben  der  Northwest  Company  die  eng- 
lische  Regierung  die  Fregatte  ,, Phoebe"  zur  Begleitung  des  Fahrzeugs  ,, Isaac 
Todd"  bestimmt  habe,  um  Astoria  mit  Gewalt  aufzuheben,  und  bestimmte 
nun  durch  sehr  energische  Vorstellung  die  amerikanische  Regierung,  das 
Kriegsschiff  ,, Adams"  zum  Schutze  der  Ansiedlung  zu  entsenden.  Er  selbst 
riistete  die  Bark  ,, Enterprise"  aus,  um  Warenvorrate  usw.  unter  dem  Schutze 
der  Fregatte  nach  Astoria  zu  senden.  Aber  kurz  vor  dem  Absegeln  wurde  die 
Bemannung  der  ,, Adams"  dringend  zu  Verstarkungen  auf  dem  Ontariosee 
gebraucht  und  konnte  daher  nicht  nach  der  Westkiiste  absegeln.  Astor  be- 
schloss, die  ,, Enterprise"  ohne  Eskorte  segeln  zu  lassen.  Aber  im  letzten  Augen- 
blick  erschien  ein  englisches  Gesch wader  vor  New  York  und  blockierte  den 
Hafen,  so  dass  auch  dieses  Ersatzschiff  nicht  auslaufen  konnte. 

Astor  wusste  damals  allerdings  noch  nicht,  welche  Folgen  das  Ausbleiben 
der  Verstarkungen  and  Vorrate  in  Astoria  haben  wurde. 
pi;-     Hier  war  Ende  August  1813  ein  Fahrzeug  mit  Hunt  nach  fast  i^jahriger 
Abwesenheit  eingetroffen,  eine  Lange  der  Zeit,  die  der  jungen  Niederlassung 


3.   Kapitel.  8a 


verhangnisvoll  geworden  war.  Der  ,, Beaver"  war  seinerzeit  nach  schneller, 
gliicklicher  Fahrt  in  Neu  Archangel  eingetroffen.  Er  wurde  hier  durch  den 
alten  Gouverneur  mehrere  Monate  hingehalten,  bis  er  seine  Ladling  verkaufen 
konnte.  Dann  begab  sich  das  Fahrzeug  nach  St.  Paul  auf  den  Pribiloff-Inseln, 
wo  die  Russen  bereits  damals  eine  Fangstation  fur  Pelzseehunde  unterhielten, 
und  wo  Hunt  solche  Seehundfelle  a  Is  Bezahlung  fiir  die  gelieferten  Waren 
erhalten  sollte. 

Es  verging  auch  hier  eine  geraume  Zeit,  bis  das  vereinbarte  Quantum  an 
Bord  war,  und  erst  Mitte  November  konnte  der  ,, Beaver"  die  Riickreise  an- 
treten,  wahrend  er  schon  Anfang  Oktober  in  Astoria  fallig  war.  Jetzt 
weigerte  sich  aber  Kapitan  Sowle,  der  Kommandant,  bei  der  stiirmischen 
Jahreszeit  die  Kiiste  des  Columbia  angelaufen,  und  es  wurde  beschlossen,  zu- 
nachst  die  Sandwichinseln  anzulaufen.  Hier  wollte  Hunt  mit  dem  nachsten 
Fahrzeuge  nach  Astoria  gehen,  wahrend  Kapitan  Sowle  nach  Canton  fahren, 
dort  die  Ladung  verkaufen  und  fiir  den  Erlos  Seidenwaren  fiir  New  York, 
einladen  sollte. 

Es  geschah  dies.  Hunt  wurde  im  Januar  1813  auf  den  Sandwichinseln  aus- 
geschifft,  wahrend  der  ,, Beaver"  gliicklich  in  Canton  einlief.  Hier  fand  der 
Kapitan  Sowle  einen  Brief  von  Astor  vor,  wie  schon  oben  erwahnt,  der  den  Aus- 
bruch  des  Krieges  mitteilte  und  ihn  aufforderte,  sich  nach  Astoria  zu  begeben. 

Sowle  weigerte  sich  aber  aus  iibel  angebrachter  Furcht,  und  schadigte 
auch  weiterhin  durch  seinen  Eigensinn  die  Interessen  Astors  aufs  schwerste. 

Man  bot  ihm  150  ooo  Dollar  Gold  fiir  die  Ladung  Sealskin  und  See- 
otter,  deren  Beschaff ting  mit  alien  Unkosten  nur  25  ooo  Dollar  gekostet  hatte. 
Fiir  diesen  Betrag  erworbene  Nankins  batten  in  New  York  300  ooo  Dollar 
erzielt,  also  ein  recht  erheblicher  Gewinn,  der  Astor  fiir  seine  vielen  Verluste 
reichlich  entschadigt  hatte.  Wenn  der  Kapitan  Angst  hatte,  sich  mit  einer 
so  wertvollen  Ladung  den  Kriegsgefahren  auszusetzen,  so  konnte  die  Ladung 
in  Canton  bis  zum  Friedensschluss  eingelagert  werden,  wahrend  er  mit  dem 
Schiffe  in  Ballast  nach  Astoria  ging. 

Statt  dessen  weigerte  er  sich,  die  Ware  f  iir  das  Gebot  von  150  ooo  Dollar 
abzugeben,  und  als  der  Preis  noch  weiter  herunterging,  iiberhaupt  zu  ver- 
kaufen. Er  lagerte  die  Ware  ein,  die  dann  spater  fiir  einen  ganz  geringen 
Preis  verkauft  wurde,  borgte  Geld  auf  Rechnung  Astors  zu  18  Proz.  und  wartete 
dann  gemiitlich  in  Kanton  auf  den  Friedensschluss. 

Inzwischen  hatte  Hunt  6  Monate  auf  den  Sandwichinseln  warten  miissen, 
da  kein  Schiff  einlief.  Endlich  gelang  es  dem  Kapitan  des  ,,Albatros",  der 
von  China  kam,  ihn  auf  Astoria  abzusetzen. 

Ware  er  den  Instruktionen  Astors  gefolgt  und  von  St.  Paul  direkt 
nach  Astoria  gegangen  und  ware  dann  mit  dem  ,, Beaver"  mit  den  dort  ge- 
sammelten  Pelzvorraten  nach  Canton  gegangen,  so  hatte  das  ganze  Unter- 
nehmen  eine  andere  Wendung  erhalten.  So  kam  er  zu  spat,  um  noch  eine 
Anderung  in  den  getroffenen  Beschliissen  treffen  zu  konnen. 


go  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Es  blieb  ihm  nur  iibrig,  die  Interessen  Astors  bei  dcr  Auflosung  moglichst 
zu  wahren.  Die  angesammelten  Felle  mussten  nach  cinem  Markt  gebracht 
werden.  Hunt  schiffte  sich  auf  dem  ,,Albatros",  der  nach  den  Marquesas  und 
den  Sandwichinseln  bestimmt  war,  ein,  um  dort  ein  Schiff  zu  chartcrn.  Wenn 
er  bis  Januar  1814  nicht  zuriick  sein  solltc,  erhielt  Mac  Dougal  Vollmacht,  mit 
der  Northwest  Company  zu  unterhandeln,  welche  dann  die  Angestellten  dcr 
amerikanischen  Gesellschaft  ubernehmen,  deren  Gehalter  zahlen  und  dafiir 
entsprechende  Warenmengen  aus  den  Magazinen  in  Astoria  empfangen  sollte. 

Auf  den  Marquesasinseln  erfuhr  Hunt  iibrigens  bcreits  von  der  amerika- 
nischen Fregatte  ,, Essex",  die  dort  mit  einer  Anzahl  Prisen  einlief,  dass  die 
englische  Fregatte  ,, Phoebe"  nebst  den  ,, Sloops",  ,,Cherubin"  und  ,, Racoon", 
mit  dem  ,, Isaac  Todd"  gemeinsam  bereits  nach  dem  Columbia  unterwegs 
seien,  um  Astoria  aufzuheben. 

Es  gelang  nun  Hunt  weder  in  den  Marquesas,  noch  aaf  den  Sandwich- 
inseln, ein  Schiff  zu  chart ern.  Der  Kommandant  des  ,, Essex"  wollte  keine 
der  Prisen  unter  25  ooo  Dollar  verkaufen  und  auch  kcins  derselben  leihweise 
iiberlassen,  wie  iiberhaupt  die  amerikanische  Regierung  bezw.  ihre  Beamten 
sich  sehr  kurzsichtig  gegeniiber  der  Astorschen  Grtindung  bewiesen. 

Endlich  gelang  es  Hunt  im  Januar  1814,  eine  Brigg,  den  ,, Pedlar",  zum 
Preise  von  10  ooo  Dollar  zu  kaufen  und  von  den  Sandwichinseln  nach  dem 
Columbia  zu  segeln. 

Er  kam  aber  viel  zu  spat.  Am  7.  Oktober  war  eine  Abteilung  Nord wester 
unter  Mactavish  in  Astoria  angelangt.  Obgleich  diese  ohne  Munition  und 
Proviant  waren  und  solche  erst  von  der  Pacific  Fur  Company  erbitten  mussten, 
kniipfte  Mac  Dougal  sofort  Verhandlungen  an  liber  den  Verkauf  der  gesamten 
Ansiedlung,  und  nahm  trotz  des  energischen  Protestes  der  amerikanischen 
Angestellten  alle  ihm  gemachten  Vorschlage  der  Kanadier  ohne  jeden  Wider- 
spruch  an. 

Alle  Pelzwaren  und  Vorrate  gingen  in  den  Besitz  der  Northwest  Company 
fur  weniger  als  den  dritten  Teil  des  Wertes  iiber.  Sie  ubernahm  auch  eine 
freie  Passage  fur  die  Angestellten,  die  nicht  in  ihre  Dienste  treten  wollten  und 
zahlte  die  riickstandigen  Gehalter  aus,  deren  Betrag  aber  von  dem  Astor  zu- 
stehenden  Anteile  abgezogen  wurde. 

Mac  Dougal  wurde  iibrigens  bald  nachher  eincr  der  f  iihrenden  Partner 
der  Northwest  Company  und  erhielt  somit  reichliche  Bezahlung  fur  die  kaum 
noch  zweideutig  zu  nennende  Rolle,  die  er  gespielt  hatte.  Wie  unnotig  die 
Verschleuderung  der  Pelzwaren  gewesen  war,  zeigt  das  folgende: 

Am  30.  November  erschien  ein  Kriegsschiff  in  der  Columbiamiindung. 
Da  die  Nationalitat  ungewiss  war,  zog  sich  Mac  Tavish  weiter  in  den  Fluss 
hinauf,  mit  alien  in  Astoria  befindlichen  Fellen,  um  sofort,  wenn  sich  das  Fahr- 
zeug  als  amerikanisch  herausstellen  sollte,  mit  seiner  Beute  ins  Innere  abzu- 
riicken.  Es  ware  den  Astorleuten  das  gleiche  eben  einfach  auch  moglich  ge- 
wesen, wenn  dies  Mac  Dougal  gepasst  hatte.  Das  Schiff  erwies  sich  iibrigens 


3.   Kapitel. 


als  die  Kriegssloop  ,,  Racoon",  und  war  en  die  Offiziere  sehr  enttauscht,  dass 
die  Warenvorrate  bereits  in  Besitz  einer  englischen  Kompanie  iibergegangen 
waren,  da  man  sich  schon  auf  die  Beute  gefreut  hatte.  Beim  Anblick  der  eng- 
lischen Flagge  erschien  iibrigens  der  alte  Chinookhauptling  Cocomly  an  der 
Spitze  einer  stattlichen  Kriegerschar  mit  vollem  Kriegsschmuck,  um  an  der 
Seite  seiner  amerikanischen  Freunde  zu  fechten,  war  aber  sehr  entriistet,  als 
dies  Anerbieten  abgelehnt  und  das  Fort  ohne  Schwertstreich  libergeben  wurde. 
Am  12.  Dezember  1813  stieg  unter  dem  Salutfeuer  der  Geschiitze  die  englische 
Flagge  auf  den  Wallen  empor,  und  Kapitan  Black  vom  ,, Racoon"  anderte  den 
Namen  Astoria  feierlich  in  Fort  St.  George  um. 

Hunt  kam  mit  der  Brigg  ,, Pedlar"  am  28.  Februar  1814  in  der  Columbia- 
miindung  an  und  war  schmerzlich  bewegt,  als  er  von  Mac  Douglas'  Handlungs- 
weise  erfuhr.  Letzterer  hatte  iibrigens  aach  alle  Papiere,  Brief e  usw.  Astors 
der  Northwest  Company  ausgeliefert,  und  gelang  es  Hunt  nur  mit  Miihe, 
diese  zuriickzuerhalten. 

Er  segelte  dann  auf  dem  ,,  Pedlar",  begleitet  von  den  Clerks  Set  on  und 
Halsey,  nach  New  York. 

Clarke,  Mackenzie,  Stuart  und  noch  einige  Astorialeute,  die  nicht  in  den 
Dienst  der  Northwest  Company  getreten  waren,  begannen  nun  den  beschwer- 
lichen  Landweg  liber  die  Rockymountains.  Am  Walla- Walla  erfuhren  sie 
noch,  dass  John  Reid  mit  seinen  Gefahrten  dort  von  den  Indianern,  den  Nez 
Percees,  ermordet  waren.  Drei  der  Anfiihrer  derselben  wurden  iibrigens 
spater  dafur  von  den  Englandern  erschossen. 

Im  Frieden  von  Gent  wurde  allerdings  das  Columbiagebiet  an  die  Ver- 
einigten  Staaten  zuriickgegeben,  und  im  Winter  1815  erliess  der  Kongress 
der  Vereinigten  Staaten  ein  Gesetz,  wonach  alien  englischen  Kaufleuten  der 
Handel  in  dem  fraglichen  Gebiet  verboten  sei  und  Astor  glaubte  die  Zeit 
gekommen,  um  sein  Unternehmen  wieder  aufzunehmen,  aber  es  war  zu  spat. 
Die  Northwest  Company  hatte  am  Columbia  und  seinen  Nebenfliissen,  ebenso 
wie  weiter  nordlich,  ein  Netz  von  Handelsposten  errichtet.  Zahlreich  zogen 
von  hier  aus  die  Schiffe  der  Gesellschaft,  reich  beladen  mit  der  Pelzausbeute 
dieser  Gestade,  nach  China. 

Alle  Angestellte  der  stolzen  Gesellschaft,  die  ja  auch  im  offenen  Kampfe 
mit  der  H.  B.  C.  zu  dieser  Zeit  lag,  waren  schwer  be  waff  net. 

Es  ware  deshalb  nur  moglich  gewesen,  dort  festen  Fuss  zu  fassen,  wenn 
Astor  militarische  Unterstiitzung  von  den  Vereinigten  Staaten  erhielt.  Er 
erbat  auch  eine  Garnison,  aber  die  Sache  wurde  vom  Prasidenten  abgelehnt. 
Niemand  konnte  damals  ahnen,  dass  70  Jahre  spater  die  unwirtlichen  Gebiete 
hier  im  Nordwesten  einer  der  reichsten  Teile  Amerikas  werden  und  zu  den 
grossten  Weizenproduktionsgebieten  der  Erde  zahlen  wurde. 

Nach  der  Vereinigung  der  Northwest  Company  mit  der  Hudsonbay 
Company  wurde  iibrigens  Fort  George  aufgegeben  und  Fort  Vancouver,  etwas 


02 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


weiter  oberhalb  am  rechten  Ufer  des  Columbia,  gebaut.   (Nicht  zu  verwechseln 
mit  Vancouver  in  British  Columbia.) 

Astor  zog  sich  iibrigens  bald  darauf  von  der  Leitung  der  American  Fur 
Company  zuriick,  um  sich  ganz  den  Landgeschaften  zu  widmen,  die  den  Grund- 
stock  zu  dem  ungeheuren  Familienvermogen  der  Astors  legten.  Er  stellte 
den  auch  von  seinen  Sohnen  und  Enkeln  befolgten  Grundsatz  auf:  ,,Buy 
the  farm  and  sell  the  lot",  d.  h.,  er  kaufte  in  der  Umgebung  von  New  York 
und  anderen  Grossstadten  Farmlandereien  auf,  um  solche  solange  liegen  zu 
lassen,  bis  die  Stadt  soweit  herangewachsen  war,  um  das  ganze  Terrain  nur 
in  einzelnen  Baustellen  zu  verkaufen. 

Die  Leitung  der  American  Fur  Company  mit  dem  Hauptsitze  in  Michilli- 
macinaw  ubernahm  Ramsay  Crooks,  einer  der  Astorialeute.  Eine  Kette  von 
Handelsposten  dieser  Gesellschaft  erstreckte  sich  langs  des  Mississippi,  Missouri 
und  des  Yellowstone  hin.  Ausser  den  Kanoes  und  Boot  en  beschaftigte  die 
Gesellschaft  auch  noch  mehrere  kleine  Dampfer,  die  auf  den  Fliissen  bis  weit 
in  das  Herz  des  Kontinents  eindrangen,  um  die  Felle  der  Pelztiere  einzuhandeln. 

Die  Hauptkonkurrenten  der  A.  F.  Co.  im  wilden  Westen  waren  die  Ashley 
Company  von  St.  Louis,  die  zahlreiche  Trapper  und  Handelsexpeditionen  in 
das  Indianergebiet  der  grossen  Ebenen  bis  zu  den  Felsengebirgen  entsandte, 
wahrend  die  Bonneville  Company,  die  von  150  Teilnehmern  in  New  York 
gegriindet  wurde,  hauptsacblicb  in  Arizona,  New  Mexiko  und  Kalifornien  bis 
nach  Monterey  ihr  Arbeitsgebiet  suchte.  Auch  bis  nach  Yerba  Bueno,  dem 
heutigen  San  Franzisko,  streiften  die  Trapper  der  Gesellschaft,  hielten  den 
Platz  aber  ihrer  Aufmerksamkeit  fur  unwert.  Wo  heute  die  Weltstadt  Sakra- 
mento  an  den  Ufern  des  gleichnamigen  Flusses  steht,  setzte  der  einsame 
Trapper  seine  Biberf alien. 

Nachdem  General  Ashley  sich  1830  von  der  Leitung  der  nach  ihm  ge- 
nannten  Gesellschaft  in  St.  Louis  zuriickgezogen,  wurde  die  Gesellschaft  in 
die  Rocky  Mountain  Fur  Co.  unter  Leitung  von  Kapitan  Sublette  und  Robert 
Campbell  umgewandelt.  Nun  trat  auch  eine  energische  Rivalitat  zwischen 
der  American  Fur  Company  und  der  Rocky  Mountain  Company  ein.  Das 
ganze  Gebiet  der  Rocky  Mountains  und  der  Kiistengebiete  wurde  von  Trapper- 
expeditionen  durchstreift.  Eine  ganz  neue  Menschenklasse  wuchs  adf.  Ent- 
sprechend  den  Voyageurs  des  Hudsonsbaigebietes  entstand  die  Klasse  der 
,, Mountaineers"  in  den  Felsengebirgen. 

Wahrend  die  Voyageurs  des  Nordens  eine  unubertreffliche  Geschicklich- 
keit  in  der  Handhabung  der  leichten  Kanoes  erlangten,  mit  denen  sie  selbst 
Wasserfalle,  wie  die  Katarakte  des  St.  Lorenz  bei  la  Chine,  hinabsausten 
ihren  Weg  durch  meilenlange  Stromschnellen  nahmen,  und  bis  an  die  aussersten 
Auslaufer  der  grossen  Strom-  und  Seengebiete  vordrangen,  wurden  die  Moun- 
taineers des  Westens  unerschrockene  Reiter  und  Pfadfinder,  welche  sowohl 
die  weiten  Prarien  des  Westens,  wie  die  Felsengebirge  und  die  jenseits  der- 
selben  gelegenen  Ebenen  und  Waldgebiete  durchstreiften  und  sich  eine  uner- 


3.   Kapitel.  93 


reichte  Kenntnis  der  Gewohnheiten  des  Wildes  sowohl  wie  ihrer  Feinde,  der 
Indianer,  erwarben.  Nur  in  einem  hatten  sie  sich  eine  Ahnlichkeit  mil  den 
Voyageurs  des  Nordens  bewahrt:  wahrend  die  letzteren  bei  der  Riickkehr 
von  der  beschwer lichen  Fahrt  stolz  in  den  Strassen  von  Montreal  umher- 
spazierten  und  nach  Seemanns  Art  den  Lohn  einer  harten  Jahresarbeit  in 
wenigen  Wochen  verjubelten,  taten  die  Mountaineers  dasselbe  in  den  Strassen 
von  St.  Louis  und  St.  Feh. 

Der  Handelsbetrieb  der  amerikanischen  Pelzkompanien  unterschied  sich 
auch  wesentlich  von  dem  der  kanadischen  Gesellschaften.  Sie  unterhielten 
jenseits  der  Rocky  Mountains  keine  festen  Handelsposten.  Die  Leitung  des 
Handels  ruiite  in  den  Handenvon  ,, resident  partners",  die  im  Gebiet  jenseits 
der  Berge  sich  standig  aufhielten,  aber  ohne  festen  Wohnsitz.  Sie  zogen  ent- 
weder  mit  bestimmten  Indianerstammen  umher,  oder  mit  einer  Schar  Trappern 
und  Handlern,  welche  die  Felle  entweder  von  den  Indianern  einhandelten 
oder  selber  ihre  Fallen  setzten.  In  den  Monaten  Juni  und  Juli,  wahrend  deren 
die  Fangsaison  zum  ganzlichen  Stillstande  kam,  versammelte  sich  alles  an 
einem  bestimmten  Rendezvous,  wo  die  Angelegenheiten  der  Gesellschaft  be- 
raten  wurden  und  die  Plane  fur  das  nachste  Jahr  entworfen  wurden.  Hierher 
kamen  auch  die  einzelnen  Brigaden  der  Trapper  und  Handler,  urn  die  Aus- 
beute  abzuliefern,  hierher  kamen  dann  auch  die  Reiter  und  Wagenkarawanen, 
welche  die  Gesellschaft  von  ihrem  Hauptquartier  im  Osten  mit  Vorraten  und 
Lebensmitteln  entsendet  hatten,  unter  Fuhrung  eines  bewahrten  Beamten 
oder  Partners.  Von  dem  richtigen  Eintreffen  der  Vorrate  hirg  die  ganze 
Kampagne  des  nachsten  Jahres  ab.  Nach  diesen  Rendezvousplatzen  kamen 
auch  die  verschiedenen  Indianerstamme,  um  ihre  Jagdbeute  za  verkaufen 
und  frische  Vorrate  einzukaufen.  Die  Stamme  der  Ebene,  wie  die  Sioux, 
namentlich  die  kriegerischen  Blackfeet,  die  Krahen  und  Dacotas,  im  Siiden 
auch  die  Arrapahoes,  Apachen  und  Comanchen,  fanden  es  indessen  vorteil- 
hafter,  sich  die  Vorrate  aus  erster  Hand  zu  beschaffen,  indem  sie  sowohl  den 
Vorratskarawanen,  als  einzelnen  Trapperbrigaden  auflauerten,  um  sie  zu  be- 
rauben  und  zu  ermorden.  Aber  auch  sonst  war  eine  stete  Wachsamkeit  ge- 
boten,  denn  jede  Kompanie  suchte  die  Plane  der  andern  za  erraten  und  als  erste 
auf  dem  Rendezvousplatz  zu  sein,  denn  wer  zuerst  seine  verfuhrerischen  Vor- 
rate von  Kaffee,  Tabak,  Munition,  Decken,  bunten  Stoffen,  billigen  Schmuck- 
sachen,  Glasperlen  usw.  auslegen  konnte,  hatte  auch  die  Chance,  die  meisten 
und  besten  Felle  von  den  Indianern  einzutauschen.  Der  Aufbruch  der  Kara- 
wanen  geschah  fast  gleichzeitig,  sobald  im  Friihjahr  das  erste  frische  Gras  auf 
den  Prarien  sprosste.  Es  wurden  alle  Kiinste  eines  gewiegten  Diplomaten  an- 
gewendet,  um  die  Plane  der  Rivalen  kennen  zu  lernen  und  zu  durchkreuzen. 
Dieser  fortwahrende  Kriegszustand  sowohl  mit  der  Konkurrenz,  wie  mit  den 
feindlichen  Indianern,  schuf  eben  jene  Menschenklasse  von  Trappern  und 
Handlern,  deren  Handlungen  in  den  Indianergeschichten  das  Entzucken 
unserer  Jugendjahre  bildeten.  Die  besten  dieser  Mountaineers  waren  amerika- 


Q/j  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

nische   Jager  und  Ansiedler  aus  den   Grenzdistrikten   des  fernen   Westens, 
Kentucky,  Arkansas,  Missouri  usw. 

An  den  Flusslaufen  des  unteren  Missouri  usw.,  wo  auch  Handelsposten 
existierten,  wurden  dagegen  hauptsachlich  franzosische  Kreolen,  Halbblut- 
indianer  usw.,  verwendet,  welche  grossere  Bequemlichkeit  liebten,  wie  sie  die 
Nahe  von  standigen  Ansiedlungen  gewahrte.  Diese  zogen  Boot  und  Kanoe 
auch  den  mutigcn  Rennern  der  Prarie  vor,  von  denen  jene  kiihnen  Jager  unzer- 
trennlich  waren. 

Einer  der  kiihnsten  Fiihrer  in  diesem  Kampfe  urn  den  Biber  war  Kapitan 
Bonneville,  der  1830  eine  der  starksten  Expeditionen,  bestehend  aus  120 
Trappern  und  Jagern,  von  Fort  Osage  am  Missouri  nach  dem  Westen  fuhrte, 
um  die  Konkurrenz  mit  dcA  American  Fur  Company  und  der  Rock)'  Mountain 
Fur  Company  aufzunehmen.  Es  wiirde  hier  zu  weit  fiihren,  die  zahlreichen 
Abenteuer  dieser  Expedition  anzufiihren,  uber  welche  Kapitan  Bonneville 
einen  ausfuhrhchen  Bericht  gibt. 

Wahrend  fiinf  Jahre  durchstreifte  er  die  gesamten  Kiistengebiete  des 
Pacific  bis  hinab  nach  Unterkalifornien  und  hinauf  bis  nahe  der  jetzigen 
Grenze  von  Britisch  Columbia.  Seine  Erlebnisse  in  teilweise  bisher  uner- 
forschtem  Gebiet,  seine  Kampfe  mit  Indianern,  sein  Verkehr  mit  den  Mexi- 
kanern  Kaliforniens  und  den  Teilnehmern  der  rivalisierenden  Pelzkompanien, 
sowie  die  ausfiihrliche  Beschreibung  von  Land  und  Leuten,  ftillen  einen  statt- 
lichen  Band. 

Eine  interessante  Tatsache  mochte  ich  indessen  erwahnen.  Unterwegs 
trafen  sie  eine  Expedition  eines  gewissen  Nathaniel  J.  Wyeth  von  Boston, 
die  ausgezogen  ware,  um  eine  Lachsfischerei  am  Columbiaflusse  zu  etablieren, 
der  erste  Versuch,  um  die  enormen  Fischreichtumer  des  Gebietes  zu  verwerten. 
Da  die  Teilnchmer  dieser  Expedition  samtlich  regulare  Yankees  waren,  die 
mit  dem  Leben  auf  den  Prarien  und  im  Gebirge  total  unbekannt  waren,  so 
schlossen  sie  sich  Bonneville  an. 

Sein  Ziel  zu  erreichen  gelang  zwar  diesmal  dem  kiihnen  Yankee  nicht, 
aber  durcb  sein  langes  Umherziehen  im  Gebiet  wurde  er  ein  ungemein  tiichtiger 
Pionier.  Er  trcnnte  sich  im  Herbst  1830  von  Bonneville  und  fuhr  in  einem 
Lederboot  mit  wenigen  Gefahren  den  Yellowstone  und  Missouri  hinab  und 
gelangte  nach  zahlreichen  Gefahrten  gliicklich  wieder  in  den  Bercich  der 
Zivilisation,  bei  Fort  Leaven  worth.  Von  hier  aus  ging  er  nach  Boston  zuriick 
und  griindete  die  Columbia  River  Fishing  &  Trading  Company.  Eine  Brigg, 
die  ,,Mary  Dacres",  wurde  gechartert  und  mit  Vorraten  nach  der  Columbia- 
miindung  gesendet,  wahrend  Wyeth  selbst  mit  60  in  St.  Louis  angeworbenen 
Mountaineers  zu  Lande  dorthin  aufbrach. 

Er  (•rdchtctc  einen  Handelsposten  an  -den  oberen  Gewasscrn  des  Portneuf 
und  cine  Nicderlassung,  Fort  Williams,  auf  Wapatoo  Island  an  der  Miindung 
des  Wallamut  in  Columbia.  Hier  vereinigte  er  den  Betrieb  eincr  ausgedehnten 
Lachsfischerei  mit  eincm  cbenso  ausgedehnten  Pelzhandel.  Ein  Schiff  kam 


3.   Kapitel.  95 


alljahrlich  um  Kap  Horn  herum,  um  die  Verbindung  zur  See  aufrechtzuerhalten. 
Er  hatte  die  Plane  Astors  aufgenommen  und  noch  erweitert,  um  das  reiche 
Kiistengebiet  der  amerikanischen  Flagge  zu  erschliessen.  Es  fehlte  ihm  aber 
zur  Durcbfubrung  dieser  Plane  das  Kapital,  welches  Astor  besessen  hatte, 
und  so  musste  er  schliesslich  nach  einer  Reihe  ungliicklicher  Zwischenfalle 
seine  Ansiedlungen  an  die  Hudsonsbay  Company  verkaufen,  welche  nunmehr 
den  ganzen  Pelzhandel  im  Kiistengebiet  allein  beherrscht. 

Sie  hatte  auch  Fort  George,  das  ehemalige  Astoria,  welches  sie  1822 
aufgegeben  hatte,  als  Vancouver  zur  Hauptfaktorei  erhoben  wurde,  1830 
wieder  besetzt  und  als  Fort  fur  den  unteren  Columbia  betrieben. 


II. 
Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

4.  Kapitel. 

Die  Hudsonsbay  Company  hatte  nach  der  Beendigung  des  langjahrigen 
Kampfes  und  der  Vereinigung  mit  der  Northwest  Kompany  wieder  erhohten 
Aufschwung  genommen.  1821  war  ihr  vom  Parlament  das  alleinige  Recht  des 
Pelzhandels  im  gesamten  britischen  Nordamerika  auf  21  Jahre  verliehen 
worden,  und  wurde  dies  3  Jahre  vor  Ablauf  des  Privilegs  1838  nochmals  bis 
1863  verlangert.  Wahrend  der  Kriegsjahre  1808  bis  1821  hatte  die  Gesellschaft 
keine  Dividende  verteilen  konnen.  1821  bis  1824  zahlte  sie  4  Proz.  jahrlich, 
von  da  ab  wieder  10  Proz.  Dividende.  Nordlich  vom  49.  Breitengrade,  der 
im  Frieden  zu  Gent  festgesetzten  Grenze  des  englischen  Gebietes,  war  sie  in 
ungestortem  Besitze  ihres  Monopols,  siidlich  davon,  wo  sie  1823  J3  Handels- 
posten  besass,  sowie  im  eigentlichen  Kanada  war  die  Konkurrenz  noch  immer 
eine  lebhafte.  In  den  langjahrigen  Kampfen  hatte  die  Gesellschaft  indessen 
Ubung  erlangt,  missliebige  Konkurrenz  zu  beseitigen.  Die  kleineren  Handler 
wurden  systematisch  ruiniert.  Sobald  einer  derselben  irgendwo  ein  Kontor 
eroffnete,  errichtete  die  H.  B.  C.  ein  anderes  daneben,  trieb  den  Ankaufspreis 
der  Felle  so  in  die  Hohe  und  verkaufte  die  Tauschwaren  so  billig,  dass  der 
Handler  bald  froh  war,  sein  Geschaft  an  die  machtige  Rivalin  verkaufen  zu 
konnen.  Nur  mit  der  Konkurrenz  der  American  Fur  Company  von  Astor,  sowie 
der  1822  von  mehreren  Nordwestern  und  Hudsonsbai-Angestellten  unter 
Fuhrung  des  Franzosen  Renville  errichteten  Columbia  Company,  die  ihren 
Hauptsitz  am  Petersriver  hatte,  wurde  sie  ebensowenig  fertig,  wie  mit  den 
im  amerikanischen  Gebiet  der  Nordwestkiiste  tatigen  anderen  Handelsgesell- 
schaften,  die  wir  weiter  oben  geschildert  haben.  Sie  gab  deshalb  ihr  Geschaft 
im  Gebiet  der  Vereinigten  Staaten  mit  Ausnahme  der  Westkiiste  auf,  wo  sie 
nun  eine  sehr  rege  Tatigkeit  entwickelte,  ebenso  wie  in  ihrem  eigenen  Gebiete. 

Es  ging  dies  aber  nicht  ohne  haufige  blutige  Zusammenstosse  mit  den 
Indianern  ab,  trotzdem  sie  es  stets  verstanden  hatte,  mit  den  Indianern  in 
ihren  ausgedehnten  Territorien  vorziiglich  auszukommen.  An  den  ,, Dalles" 
des  Columbia  wurden  mehrmals  die  Brigaden  der  Kompanie  mit  bewaf fneter 
Hand  zur  Umkehr  gezwungen.  Verschiedene  Trapper abteilungen  waren  auch 
ermordet  worden.  Doch  die  Indianer  begniigten  sich  nicht  damit,  sondern 
griffen  die  Englander  auch  in  ihren  Befestigungen  an.  So  wurde  das  Fort 
St.  Johns  am  Peaceriver  von  den  Beaverindianern  niedergebrannt  und  Chief- 
trader  Mr.  Hughes  mit  4  Mann  Besatzung  ermordet.  Doch  geschah  dies  aus 


4.  Kapitel. 


personlichen  Motiven,  da  die  Rot  haute  durch  das  Benehmen  des  Komman- 
danten  Chief  traders  Black  schwer  gereizt  war  en.  Dieser  Gentleman  war 
einer  der  beriichtigsten  Mordbrenner  der  Northwest  Company  gewesen,  und 
es  gehorte  zu  seinen  Lieblingsgeschaften,  den  Taten  seiner  Vorfahren  im 
schottischen  Hochlande,  die  sich  in  ,, cattle  lifting'  und  Weiberstehlen  vor- 
allen  anderen  Clans  ruhmreich  ausgezeichnet  hatten,  in  seiner  neuen  Heimat 
nachzueifern.  Black  selbst  entkam  zwar  dem  Gemetzel,  doch  wurde  er 
kurze  Zeit  darauf  in  Fort  Nezpercez  in  seinem  Zimmer  von  den  Rachern,  die 
ihm  nachgefolgt,  erschossen. 

1828  wurde  der  erste  Seehafen  in  Britisch  Columbia,  Fort  Langley,  in 
Besitz  genommen,  und  im  selben  Jahre  Fort  Simpson  auf  Observatory  Island 
gegrundet,  wahrend  der  Schoner  ,,Cadboro"  und  der  Dampfer  ,, Beaver",  der 
erste,  der  die  Fluten  des  Stillen  Ozeans  durchfurchte,  eine  Reihe  von  Handels- 
posten  an  der  Kiiste  anlegte.  Hier  geriet  die  Hudsonsbay  Company  nun  in 
Zusammenstoss  mit  einem  neuen  Rivalen,  der  Russisch-Amerikanischen  Pelz- 
handelskompanie.  Zwar  hatten  auch  andere  Nationen  schon  Beziehungen  zur 
Nordwestkiiste  gehabt,  ausser  den  friiher  erwahnten  Englandern.  Bereits 
1542  hatten  die  Spanier  unter  Juan  Rodriguez  de  Cabrillo  eine  Expedition 
nach  der  Westkiiste  gesendet,  die  bis  zum  48.  Breitengrade  vordrang.  1592 
gelangte  der  Venetianer  Apostolos  Valeriano,  genannt  Juan  de  Fuca,  bis  in 
den  Pugetsound  und  verbreitete  dann  bei  seiner  Riickkehr  die  Nachricht,  er 
ware  von  dort  aus  durch  die  ,,Strasse  von  Anian"  nach  Osten  gesegelt  und 
bei  Neufundland  wieder  herausgekommen.  Dies  bildete,  vereint  mit  den 
fabelhaften  Erzahlungen  des  spanischen  Admirals  Fonte,  lange  Zeit  den 
Hauptstiitzpunkt  fur  die  Doktrin  der  nordwestlichen  Durchfahrt.  1774  ent- 
deckte  der  Spanier  Juan  Perez  de  Monterey  die  Queen  Charlotte  Islands  und 
1775  Kapitan  Bruno  Heceto  in  der  Fregatte  ,,San  Jago"  die  Miindung  des 
Columbia,  wahrend  sein  Leutnant,  Francisco  de  Bodega  y  Quadre,  in  der 
,,Sonora"  den  Mount  Edgecombe  entdeckte,  den  er  San  Jacinto  nannte.  Es 
folgten  dann  1777  die  Entdeckung  des  Nootka- Sound  durch  Capt.  Cook, 
und  die  verschiedenen  Expeditionen  der  Kaufleute  von  Bombay,  Kalkutta 
und  Canton,  sowie  die  Griindung  der  King  George  Sound  Company  zur  Aus- 
nutzung  des  ungeheuren  Reichtums  der  neu  entdeckten  Gegenden  an  See- 
otterfellen,  wie  bereits  friiher  erzahlt.  1787  loste  sich  die  King  George  Sound 
Company  trotz  sehr  giinstiger  materieller  Erfolge  auf.  Im  gleichen  Jahre 
erreichte  auch  ein  Schiff  der  Osterreichisch-ostindischen  Kompanie,  der 
,,Kaiserliche  Adler",  den  Juan  de  Fuca  Sound.  Ehe  aber  die  Vorbereitungen 
zu  einer  Pelzhandelsniederlassung  fur  die  Osterreicher  beendet  war,  nahm 
Kapitan  Meares  mit  den  Schiffen  ,,Felice",  ,,Iphigenie"  und  ,,Douglas"  die 
ganze  Kiiste  bis  zu  49  Grad  37  Min.  fur  England  in  Besitz.  1791  errichtete 
Kapitan  Gray  fur  die  Boston  Fur  Company,  Fort  Defiance  am  Juan  de  Fuca- 
Sound,  wahrend  Kapitan  Henderson  im  ,,Washington"  grosse  Landstriche  am 
Nootka  Sound,  fur  dieselbe  Gesellschaft  kaufte.  1789  hatten  die  Spanier  die 

7 


g3  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Kapitane  Martinez  und  Haros  nach  dem  Nootka  Sound  gesandt,  um  die 
Handler  zu  vertreiben.  Die  Expedition  konfiszierte  die  englischen  Schiffe 
,,Prinzess  Royal",  ,, Argonaut"  und  ,,Northwestamerika",  sowie  den  amerika- 
nischen  Schoner  ,,Fair  Amerika",  wahrend  es  den  amerikanischen  Schiffen 
,, Columbia",  ,, Washington"  und  ,,Iphigenia"  gelang,  zu  entkommen.  Die 
Spanier  waren  indess  nicht  imstande,  die  Besitznahme  des  Nootka  Distrikts 
aufrechtzuerhalten.  Auch  die  Boston  Fur  Company  scheint  den  Handel  dort 
nicht  sehr  lange  betrieben  zu  haben.  Nun  traten  aber  die  Russen  auf  den 
Plan.  Die  Russen  hatten  bereits  im  Jahre  1647  den  Anadyrfluss  und  die 
Behringstrasse  erreicht  und  hier  zwischen  den  Tschuktschen  Pelzhandel  ge- 
trieben,  aber  erst  im  Jahre  1711  brachte  der  Kosak  Peter  Popoff  die  Nachricht 
von  den  Dioniesinseln  und  dem  gegenuberliegenden  Festlande  Amerikas. 
1728  wurden  in  Ochotsk  zwei  Schiffe,  die  ,,Fortuna"  und  ,, Gabriel",  gebaut, 
und  Behring  unternahm  mit  ihnen  seine  erste  Fahrt  durch  die  nach  ihm  be- 
nannte  Strasse.  Auf  einer  spateren  Reise  1741  beriihrte  er  den  amerikanischen 
Kontinent  bei  Kap  Elias,  verweilte  aber  nur  einen  Tag.  Auf  der  Riickreise 
starb  er  auf  der  einsamen  Behringinsel,  wo  er  auch  begraben  liegt  inmitten 
der  zahllosen  Scharen  der  dort  lagernden  Pelzseehunde.  Die  Gefahrten 
Behrings  brachten  die  ungeheuer  reiche  Pelzausbeute  heim  und  lenkten  da- 
durch  die  Aufmerksamkeit  der  russischen  Handler  nach  dem  neuentdeckten 
Pelzhandelseldorado.  Zahlreiche  kleine  Handler  (Promischleniks)  lief  en  in 
ihren  gebrechlichen  Fahrzeugen  von  nur  dreissig  Tonnen  Gehalt  aus  den 
Hafen  Kamschadkas  nach  den  Aleuten  und  kehrten  mit  reicher  Ausbeute  an 
Fellen  heim,  die  sie  den  Eingeborenen  einfach  ohne  jede  Bezahlung  fortge- 
nommen  hatten.  Verschiedene  von  ihnen  wurden  auch  durch  ausgeiibte 
Grausamkeiten  beriichtigt.  1761  uberwinterten  die  Kosaken  Pushkaroff  in 
der  Schaluppe  ,,  Gabriel"  und  Lazarff  in  der  ,,  Andrea"  zum  erst  en  Male  in 
Alaska  und  erschlossen  nunmehr  auch  diese  Gegenden  dem  russischen  Pelz- 
handel. In  spateren  Kapiteln  (Geschichte  des  russischen  Pelzhandels) 
berichte  ich  ausfuhrlich  iiber  die  Entwicklung  des  russischen  Pelzhandels  in 
diesen  Gebieten. 

Um  dem  Ubelstand  abzuhelfen,  dass  samtliche  Lebensmittel  fiir  die 
russische  Kompanie  in  Amerika  von  den  fernen  heimatlichen  Gestaden  der 
Ostsee  herbeigeschafft  werden  mussten,  wurde  1810  der  schon  oben  erwahnte 
Vertrag  mit  Joh.  Jacob  Astor  abgeschlossen.  Dieser  verpflichtete  sich,  samt- 
liche erforderlichen  Lebensmittel  fiir  die  russischen  Niederlassungen  zu  liefern, 
sowie  ferner  die  Pelzausbeute  der  russischen  Handelsposten  kommissionsweise 
in  Canton  zu  verkaufen. 

Beide  Kontrahenten  verpflichteten  sich  ausserdem,  den  Eingeborenen 
keinen  Branntwein  zu  verkaufen,  die  beiderseitigen  Jagdgrunde  zu  respektieren 
und  gemeinsam  Massregeln  gegen  Schmuggler  zu  treffen.  Mit  der  Auflosung 
der  Astorschen  Ansiedlungen  wurde  der  Kontrakt  natiirlich  hinfallig  und 
die  russische  Gesellschaft  musste  sich  selbst  Ersatz  schaffen. 


4.  Kapitel. 


Zu  diesem  Behuf  griindete  sie  in  Kalifornien,  bei  Bodegas,  eine  grosse 
Farm,  die  spater  ,,Rossfarm"  genannt  wurde.  Diese  Farm,  welche  zuerst  die 
reichen  Ertragnisse  des  kalifornischen  Bodens  nutzbar  machte  durch  Anbau 
von  Zerealien,  Gemiisen  und  Obst,  nebst  einem  rationellern  Viehzuchtsbetriebe, 
erregte  das  Erstaunen  der  spanischen  Grundbesitzer,  ohne  sie  indessen  irgend- 
wie  zur  Nachahmung  anzueifem. 

Man  begniigte  sich  nach  wie  vor,  die  ungeheuren  Herden  halbwild  auf- 
wachsen  zu  lassen  und  nur  Haute,  Talg  und  Horner  zu  verwerten. 

1821,  also  fast  zu  gleicher  Zeit  wie  bei  der  Hudsonsbay  Company,  wurde 
das  Privilegium  der  russischen  Gesellschaft  auf  20  Jahre  verlangert.  Die  ge- 
samte  Westkiiste  Amerikas,  nodlich  vom  51.  Grad  nordlicher  Breite  und  die 
Ostkiiste  Ostasiens,  nordlich  vom  45.  Grad  50  Min.,  wurde  fur  russisches  Terri- 
torium  erklart  und  alien  Auslandern  verboten,  sich  auf  100  Werft  der  Kiiste 
zu  nahern. 

1824  wurde  aber  mit  den  Vereinigten  Staaten  ein  Vertrag  abgeschlossen, 
wonach  der  gesamte  Pacific  Ozean  fur  Fischerei  und  Handel  offen  erklart 
wurde.    Nur  feste  Handelsposten  durften  in  den  beiderseitigen  Gebieten  aus- 
schliesslich  von  den  eignen  Landesangehorigen  errichtet  werden.   Die  siidliche 
Grenze  des  russischen  Amerikas  wurde  auf  den  54.  Grad  40  Min.  nordlicher 
Breite  verlegt. 

1825  schloss  auch  Grossbritannien  einen  gleichen  Vertrag  auf  10  Jahre  ab. 
1831  trat  der  benihmte  Reisende  Baron  von  Wrangell  an  die  Spitze  der 

russischen  Kolonie,  die  unter  seiner  energischen  Leitung  einen  grossen  Auf- 
schwung  nahm.  1833  griindete  er  das  Fort  St.  Michael  am  Nortonsund, 
und  traf  gleichzeitig  Massregeln,  um  den  Fang  der  schon  damals  schnell  dem 
Aussterben  zueilenden  Seesaugetiere  heilsamen  Einschrankungen  zu  unter- 
werfen. 

1834  fand  der  erste  Zusammenstoss  mit  der  sich  machtig  ausdehnenden 
Hudsonsbay  Company  statt.  Kurz  vor  Ablauf  des  Vertrages  sandte  diese 
Kompanie  die  Barke  ,, Dryad"  mit  Kolonisten,  Vieh  usw.  an  die  Miindung 
des  Steekin  river,  um  hier  auf  russischem  Gebiet  eine  Niederlage  zu  griinden. 

Wrangell  kam  diesem  Unternehmen  aber  zuvor.  Er  sandte  schleunigst 
die  bewaffnete  Brigg  ,,Chicagoff"  und  den  Schoner  ,,Chilcatt"  an  den  Steekin, 
die  hier  das  Fort  Dyonysios  errichteten  und  die  dann  eintreffenden  Englander 
mit  Gewalt  am  Landen  verhinderten.  Unverrichteter  Sache  musste  die 
englische  Expedition  nach  Vancouversisland  zuriickkehren. 

Auf  dem  Landwege  war  en  die  Hudson  sbayleute  indessen  erfolgreicher. 
Macleod  erreichte  1835  vom  Liardriver  aus  die  Quellwasser  des  Steekin,  und 
setzte  sich  dort  fest.  Die  Jagdpartien  beider  Gesellschaften  begegneten  sich 
nun  haufig  und  die  verhaltene  Feindseligkeit,  die  sich  bei  jedem  solchen  Zu- 
sammentreffen  geltend  machte,  liess  das  Ausbrechen  offner  Kampffe  furchten. 
Der  Gouverneur  der  Hudsonsbay  Company,  Sir  George  Simpson,  der  die  un- 
heilvollen  Folgen  eines  derartigen  gewalttatigen  Konkurrenzkampfes  bei  den 


7* 


IOO  II-    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

langjahrigen  friiher  geschilderten  Fehden  mil  der  Northwest  Company  ge- 
niigend  kennen  gelernt  hatte,  machte  dem  unleidlichen  Zustande  ein  Ende, 
indem  auf  seine  Veranlassung  1837  m  Hamburg  ein  Vertrag  zwischen  beiden 
Pelzhandelsgesellschaften  abgeschlossen  wurde,  wonach  die  Hudsonsbay  Com- 
pany das  streitige  Gebiet  gegen  eine  jamiiche  Lieferung  von  2000  Seeotter- 
fellen  von  den  Russen  pachtete.  Ausserdem  verpflichtete  sie  sich,  ihnen  jahr- 
lich  280  Tonnen  Weizen,  200  Zentner  Mehl,  160  Zentner  Erbsen,  160  Zentner 
Gerste,  360  Zentner  Speck  und  200  Zentner  Rindfleisch,  nebst  36  Zentnern 
Schinken  zu  festgesetzten  Preisen  zu  liefern. 

Doch  auch  im  Osten  war  die  Hudsonsbay  Company  nicht  miissig  gewesen, 
unter  der  geschickten  Leitung  von  George  Simpson  ihren  Einfluss  auszu- 
breiten,  indem  sie  1831  die  Labradorkiiste  in  den  Bereich  ihrer  Operationen  zog. 

Die  ganze  Kiiste  vom  Saguenay  river  bis  zum  Havre  de  blanc  Sablon 
war  schon  durch  die  franzosische  Regierung  von  Kanada  in  drei  Distrikte 
geteilt  worden.  Zuerst  kamen  von  Port  Neuf  bis  Kap  Cormoran  die  „ Kings- 
posts",  bestehend  aus  den  Stationen  Tadoussac,  Chicoutan,  Ashnabmauchuan, 
Mistachini,  les  Isles  de  Jeremie,  Seven  Islands  und  Pont  de  Monts.  Dieser 
Bezirk,  im  Jahre  1731  durch  Zusammenlegung  der  Koniglichen  Domanen 
entstanden,  wurde  meist  an  Kaufleute  und  Pelzhandler  verpachtet.  Bis  zum 
Jahre  1802  lieferte  dies  der  Regierung  eine  jahrliche  Pachtsumme  von  4ooPfund 
Sterling,  wahrend  die  Pachter  aus  dem  Pelzhandelsbetriebe  und  der  Fischerei 
sehr  erhebliche  Gewinne  zogen.  1802  ubernahm  die  Northwest  Company  die 
Handelsposten  fur  eine  Jahrespacht  von  1025  Pfund  auf  30  Jahre,  und  ihre 
Rechtsnachfolgerin,  die  Hudsonsbay  Company,  trat  naturlich  in  den  Kon- 
trakt  ein. 

Nach  Ablauf  des  Kontraktes  ubernahm  ein  Montrealer  Pelzhandler  die 
Posten  fur  1200  Pfund  jahrlich,  musste  aber  bald  der  H.  B.  C.  weichen,  welche 
die  Pachtung  wieder  ubernahm  und  sie  bis  heutigentags  besitzt. 

Der  zweite  Distrikt  wird  durch  die  Seigneurie  de  Mignon  gebildet,  die 
sich  vom  Kap  Cormoran  bis  zum  Agwamis  river  erstreckt.  1661  gebildet, 
wurde  sie  1676  dem  Seigneur  Louis  de  Laval  zum  Erblehn  gegeben  und  ver- 
blieb  bis  1772  in  dessen  Familie.  Dann  wurde  sie  an  Fischer  verpachtet.  1807 
kaufte  eine  kanadische  Gesellschaft  die  zur  offentlichen  Auktion  gestellte 
Seigneurie  an  und  errichtete  eine  Seehundsfischerei,  die  jedoch  nach  einigen 
Jahren  einging,  worauf  die  H.  B.  C.  die  Seigneurie  pachtete. 

Die  Labradorkiiste,  die  sich  vom  Agwamis  river  bis  zum  Kap  de  Blanc 
Sablon  erstreckt,  war  vom  Jahre  1763  bis  1820  das  Arbeitsgebiet  der  Labrador 
Company,  die  hier  das  Monopol  des  Pelzhandels,  des  Fischfanges  und  der 
Minenutzung  hatte. 

1831  errichtete  auch  hier  die  Hudsonsbay  Company  5  Handelsposten, 
dadurch  den  Ring  ihrer  Niederlassungen  fest  schliessend.  Ausser  dem  Pelz- 
handel  betreibt  sie  hier  ausgedehnte  Lachsfischerei  und  Canneries.  Der  von 
der  H.  B.  C.  zum  Verkauf  gebrachte  Labradorlachs  iibertrifft  das  Produkt 


4.  Kapitel.  IOi 


der  Westkiiste  bei  weitem  und  1st  iiberhaupt  der  beste  im  Handel  vorkommende 
Biichsenlachs. 

An  der  Westkiiste  erwuchsen  der  Hudsonsbay  Company  jetzt  aber 
Schwierigkeiten.  1848  im  sogenannten  Oregon- Vertrag  musste  sie  den  Pelz- 
handel  siidlich  des  49.  Breitengrades  ganz  aufgeben  und  ihre  dort  befindlichen 
13  Forts  (Cape  Dissappointement,  Fort  George,  Fort  Vancouver,  Fort  Unisqua, 
Fort  Walla  Walla,  Fort  Hall,  Fort  Basil,  Fort  Okanagan,  Fort  Colville,  Fort 
Kootanis,  Fort  Flatheads,  Fort  Nisqually,  Fort  Cowlitz)  gegen  eine  Zahlung 
von  einer  Million  Dollars  an  die  Vereinigten  Staaten  abtreten. 

Hierbei  war  besonders  schmerzlich  der  Verlust  von  Fort  Colville,  wo  die 
Hudsonsbay  Company  einen  ausgedehnten  Farmbetrieb  mit  Viehzucht,Weizen- 
und  Maisbau  trieb.  Die  Herstellung  der  Gebaude  allein  hatte  20  ooo  Dollars 
gekostet.  Auch  auf  Wappatoo  Island  im  Willametteriver  besass  die  Company 
eine  grosse  Meierei  mit  mehreren  hundert  Milchkiihen,  und  die  der  Gesellschaft 
gehorige  Cowlitzfarm  hatte  iiber  1000  Acres  sehr  fruchtbaren  Landes  unter 
dem  Pfluge,  ausserdem  ausgedehnte  Pferde-  und  Rindviehzucht,  Meierei  usw. 
Alle  diese  Farmen  wurden  mit  abgetreten.  Nur  die  Pugetsoundfarm,  auf  der 
zu  dieser  Zeit  iiber  6000  Schafe,  1500  Stuck  Hornvieh  und  beinahe  10  ooo 
Pferde  und  zahlreiche  Schweine  und  Hiihner  gehalten  wurden,  verblieb  der 
Gesellschaft,  da  sie  bereits  1839  eme  besondere  Aktiengesellschaft  zu  deren 
Betriebe  mit  100  ooo  Pfund  Kapital  gegriindet  hatte.  Samtliche  Aktien 
blieben  aber  im  Besitz  der  H.  B.  C.  Es  wird  dort  noch  jetzt  sehr  ausgedehnte 
Landwirtschaft,  besonders  Weizenbau,  getrieben.  Spater  wurde  das  Aktien- 
kapital  noch  bedeutend  erhoht. 

Die  Hudsonsbay  Company  erhielt  iibrigens  in  diesem  Vertrage  das  Recht 
der  freien  Schiffahrt  auf  dem  Columbiariver  zugestanden. 

1835  wurde  der  Hauptposten  der  Russisch-Amerikanischen  Kompanie  in 
Alaska,  die  Michailowsky-Redoute,  von  Michael  Pobenkoff  erbaut,  und  zwar 
aus  starken  Treibholzstammen  mit  Wall  und  Graben  und  mit  Geschiitzen 
versehen.  Ein  solch  fester  Bau  war  auch  notig,  denn  die  Kiistenindianer 
waren  nicht  so  geduldig  als  die  sanften  Aleuten,  und  er  wider  ten  jede  Grausam- 
keit  der  Russen,  die  grosstenteils  aus  der  Hefe  der  sibirischen  Straflinge  be- 
standen,  sofort  mit  einem  blutigen  Aufstand.  Ein  Angriff  der  Unamaligmuts 
(Maligmuts  heisst  eigentlich  Esquimos)  auf  Fort  Michael  wurde  vom  Kom- 
mandeur  Kurupanoff  mit  schweren  Verlusten  zuriickgeschlagen,  worauf  die 
Eingeborenen  jetzt  die  Posten  der  Englander  zum  Angriff  sob  jekt  wahlten. 
Diese  Forts  waren  weniger  fest  erbaut,  denn  die  Englander  verliessen  sich 
mehr  auf  ihren  friedlichen  Einfluss  auf  die  Indianer.  1837  wurde  indessen  das 
von  Robert  Campbell,  dem  grossen  Pionier  der  Hudsonsbay  Company,  er- 
baut e  Fort  Drews  am  Liar  driver  von  den  Indianern  niedergebrannt. 

Die  Englander  und  Russen  wetteiferten  nun  darin,  soviel  als  moglich 
Terrain  zu  gewinnen  und  durch  Forts  zu  sichern.  Bis  weit  hinauf  nach  dem 
unwirtlichen  Norden  erstreckte  sich  dieser  Wetteifer.  Besonders  der  Yukon- 


102 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Xordamerika. 


river,  dieser  machtige  Strom,  schien  dazu  geschaffen,  eine  machtige  Verkehrs- 
strasse  zu  werden.  In  der  Xeuzeit  1st  er  es  ja  auchdurch  die  Entdeckung  der 
Goldfelder  von  Klondyke  bekannt  geworden.  Bereits  1838  erforschte  ein 
mssischer  Halbindianer  den  Strom  bis  Nulato,  wo  er  im  65.  Grad  nordlicher 
Breite  und  157  Grad  westlicher  Lange  das  Fort  Xulato  erbaute,  das  jedoch 
bereits  im  selben  Jahre  von  den  Indianern  verbrannt  wurde.  1840  errichtete 
aber  Leutnant  Derebin  dort  ein  neues  starkes  Fort,  das  1842  von  Leutnant 
Sagoskin  bedeutend  vergrossert  wurde.  1841  erbaute  dagegen  Robert  Campbell 
fur  die  Hudsonsbay  Company  Fort  Selkirk  am  obern  Yukon,  und  1847  gmg 
Macmurray  vom  Mackenzieriver  aus  den  Porcupineriver  hinab  und  begriindete 
Fort  Yukon. 

Bis  1851  herrschte  nun  volliger  Friede,  und  beide  Handelsgesellschaften 
glaubten  in  vollkommener  Sicherheit  ihren  Pelzhandelsgeschaften  nachgehen 
zu  konnen. 


St.  Michaels  Redoubt  (Alaska)   unter  amerikanischer  Herrschaft. 

In  diesem  Jahre  weilten  bekanntlich  zahlreiche  Expeditionen  zur  Auf- 
suchung  der  verschollenen  Franklin-Expedition  an  der  Kiiste.  Von  H.  M.  S. 
Enterprise,  das  zur  Expedition  des  Admirals  Collinson  gehorte,  kam  Leutnant 
Barnard  nach  Xulato,  um  von  hier  aus  das  Gebiet  nach  der  Polarkiiste  zu 
durchforschen,  und  ausserte  gesprachsweise,  dass  er,  um  Erkundigungen  ein- 
zuziehen,  den  Hauptling  der  Koyukon-Indianer  ,,holen  lassen"  wollte.  Dieser 
Ausdruck  wurde  dem  machtigen  Hauptling  iiberbracht,  der  dadurch,  aufs 
tiefste  beleidigt,  blutige  Rache  schwor.  In  der  Morgendammerung  schlichen 
sich  die  Koyukons  ins  Fort,  ermordeten  Leutnant  Barnard,  den  Komman- 
danten  Derabin,  sowie  samtlich  Insassen,  Manner,  Frauen  und  Kinder.  Dann 
wurde  das  dabeiliegende  Dorf  der  Xulato-Indianer  iiberfallen  und  iiber  hundert 
Einwohner  im  Schlaf  hingeschlachtet.  Fort  und  Dorf  wurden  dann  gepliindert 
und  den  Flammen  iibergeben.  Von  hier  aus  zog  die  bluttriefende  Schar  nach 
Fort  Selkirk.  Die  Besatzung  war  aber  rechtzeitig  gewarnt  und  konnte  sich 
nach  Fort  Yukon  zuriickziehen.  Das  Fort  selbst  aber  wurde  gepliindert  und 
verbrannt. 


4.  Kapitel. 


Die  Tinneh-  oder  Chipewyan-Nation,  zu  der  die  Koyukons  gehorten, 
war  iibrigens  ausser  den  Kustenstammen  die  einzige,  die  dem  milden  Einfluss 
der  Hudsonsbay  Company  nicht  nachgab,  sondern  haufig  gegen  sie  das  Kriegs- 
beil  ausgrub.  Ausser  Fort  Selkirk  wurden  noch  die  Posten  Pellybanks,  Dease, 
Frances,  Babine  und  Peaceriver  zerstort.  Alle  diese  Taten  blieben  ungeracht. 
Die  Russen  waren  zu  feige  und  die  Hudsonsbay  Company  teils  zu  schwach, 
teils  verzichtete  sie  im  Handelsinteresse  auf  Vergeltung.  Die  Indianerpolitik 


St.  Michaels  Redoubt  (Alaska)  unter  russischer  Herrschaft. 

der  Gesellschaft  war  aber  im  ganzen  eine  vorziigliche,  besonders  im  Vergleich 
mil  der  in  den  Vereinigten  Staaten  gegen  die  Indianer  geiibten  Taktik.  So 
verblieben  auch  spater  bei  den  grossen  Sioux-Aufstanden  in  den  Vereinigten 
Staaten  die  auf  englischem  Gebiet  sitzenden  Stammesteile  ganz  ruhig.  Ebenso 
verhielten  sich  beim  grossen  Aufstande  der  Nezperces  im  Oregon-  und 
Washingtonterritorium  die  Nezperces  in  British  Columbia  ganz  friedlich. 

Aus  Kalifornien,  wo  sie  seit  1830  eine  Farm,  ,,Rossfarm",  in  der  Nahe 
von  Bodegas  am  Sakramento  besass,  zog  sich  die  russische  Handelsgesellschaft 
1841  zuriick,  indem  sie  das  Besitztum  an  Kapitan  Sutter  verkaufte.  Hier 
wurde  dann  1848  das  erste  Gold  gefonden.  So  hatten  die  Russen  merkwurdiger- 
weise  zwei  der  reichsten  Goldfelder  der  Erde  im  Besitz  (das  Sakramento- 
Gebiet  und  Klondyke),  ohne  es  zu  ahnen. 

1844  gelang  es  ihr,  eine  Verlangerung  ihres  Handelsmomopols  auf  20  Jahre 
durchzusetzen,  und  emchtete  sie  jetzt  auch  auf  der  asiatischen  Seite  mehrere 
Pelzhandelsstatten.  1853  wurde  Sachalin  besetzt  und  auch  hier  Handelsposten 
begriindet,  um  den  Pelzreichtum  der  Insel  auszubeuten,  1854  feierte  sie  einen 


II-    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

grossen  Triumph.  Eine  grosse  englische  Flotte  war  aus  Anlass  des  Krimkrieges 
vor  Petropawlowsk  in  Kamtschatka  erschienen,  urn  sich  dieser  wichtigen 
Ansiedlung  zu  bemachtigen.  Ein  starkes  englisches  Landungskorps  wurde 
indessen  in  einen  Hinterhalt  gelockt  und  durch  die  gut  gezielten  Schusse  der 
verborgenen  Jager  der  Kompanie,  unterstiitzt  durch  Ansiedler  und  die  kleine 
Kosakenbesatzung,  vollstandig  vernichtet.  Der  Kommandant,  Admiral  Price, 
erschoss  sich  aus  Verzweiflung,  und  die  Flotte  segelte  wieder  ab,  ohne  etwas 
ausgerichtet  zu  haben. 

Die  Hudsonsbay  Company  hatte,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  den  Ring 
ihrer  Niederlassungen  von  Labrador  bis  zum  Stillen  Ozean  geschlossen,  doch 
hatte  sie  bei  der  Verwaltung  des  ungeheuren  Landgebietes  und  bei  der  Aus- 
nutzung  des  Pelzhandelsmonopols  mil  nicht  geringen  Schwierigkeiten  zu 
kampfen. 

Schon  1838  war  es  der  Gesellschaft  nur  mit  grossen  Anstrengungen  ge- 
lungen,  die  Verlangerung  ihrer  Lizenz  zum  Alleinhandel  im  sogenannten 
Indianerterritorium  gegen  ihre  zahlreichen  Widersacher  durchzusetzen.  1849 
wurde  ihr  die  Verwaltung  von  Vancouvers-Island  nur  gegen  den  energischsten 
Widerspruch  der  liber alen  Partei  iibertragen.  Die  Vorwiirfe  gegen  die  Gesell- 
schaft in  der  Presse,  die  namentlich  durch  die  Veroffentlichungen  einiger  ehe- 
maliger  Angestellter  uber  stattgehabte  Missbrauche  geschurt  warden,  fingen 
allmahlich  an,  die  offentliche  Meinung  zu  erregen. 

1856  wurde  deshalb  ein  ,, Select  committee  of  Parliament"  zur  Unter- 
suchung  eingesetzt,  bestehend  aus  folgenden  Herren,  von  denen  spater  ver- 
schiedene  zu  Beruhmtheit  gelangten.  Mr.  Labouchere,  Lord  John  Russel, 
Lord  Stanley,  Edward  Ellice,  Viscount  Sandon,  Mr.  Blackburn,  Percy 
Herbert,  Alexander  Matheson,  Sir  John  Packington,  Gladstone,  Roebuck, 
Lowe,  Grogan,  Gregson,  Charles  Fitzwilliam,  Gurney,  Viscount  Goderick. 

22  Zeugen  wurden  eidlich  vernommen,  darunter  die  Reisenden  Sir  John 
Rae  (der  Entdecker  der  Reste  der  Franklin-Expedition),  Sir  John  Simpson, 
Sir  John  Richardson,  Admiral  Sir  George  Black  und  der  alte  Northwestpartner 
Edward  Ellice. 

Es  stellte  sich  heraus,  dass  die  angeblichen  Ubelstande  durch  die  Presse 
masslos  iibertrieben  waren.  Allerdings  hatte  die  Gesellschaft  der  Besiedlung 
wenig  Aufmunterung  zukommen  lassen,  sondern  ihr  Handelsinteresse  stets 
in  den  Vordergrund  gestellt,  war  aber  dabei  immer  loyal  vorgegangen.  Auch 
waren  die  Indianer  keineswegs  bedriickt  worden,  wie  der  Gesellschaft  vor- 
geworfen,  sondern  im  Gegenteil  vielfach  beschiitzt  worden. 

Das  Komitee  empfahl  dem  Parlament,  der  Gesellschaft  das  Monopol  des 
Handels  zu  belassen,  dagegen  Vancouvers-Island  zu  einer  Kronkolonie  zu 
machen  und  es  Kanada  freizustellen,  soviel  von  dem  Indianerterritorium  zu 
annektieren,  als  es  beliebe. 

Letzteres  geschah  nicht,  und  blieb  deshalb  die  Hudsonsbay  Company  in 
ungestortem  Besitz.  Aber  nicht  fur  lange  Zeit. 


4.   Kapitel.  105 


1863,  bei  Ablauf  des  Charters,  wussten  Gladstone  und  Roebuck  es  durch- 
zusetzen,  dass  das  Monopol  nicht  mehr  erneuert  wurde. 

Hierdurch  musste  der  gesamte  Geschaftsbetrieb  der  Hudsonsbay  Company 
ein  anderer  werden.  Damals  besass  sie  136  Handelsposten  und  beschaftigte 
16  Chieffactors,  29  Chieftraders,  152  Clerks,  1200  Servants,  500  Voyageurs 
und  150  Matrosen  und  Offiziere. 

Die  Aktiven  standen  mit  i  468  301  und  die  Passiven  mit  203  233  Pfund 
zu  Buch,  so  dass  das  Kapital  sich  auf  i  265  068  Pfund  belief.  Dies  setzte  sich 
wie  folgt  zusammen: 

Aktienkapital  500  ooo  Pfund,  Wert  des  Landes  und  der  Gebaude  318  884 
Pfund,  Forderungen  an  die  englische  Regierung  fiir  Auslagen  in  Vancouvers- 
Island  87  072  Pfund,  Wert  der  Anlagen  auf  Vancouvers-Island  75  ooo  Pfund, 
von  der  Regierung  zu  ersetzende  Auslagen  der  von  Lord  Selkirk  auf  die  Red- 
river-Kolonie  gezahlten  84112  Pfund,  Forderung,  an  die  Vereinigten  Staaten 
200  ooo  Pfund. 

Fine  Gesellschaft,  die  International  financial  Company,  erwarb  die  alte 
Hudsonsbay  Company,  indem  sie  fiir  jede  Aktie  im  Nominalwerte  von  hundert 
Pfund  (Kurswert  200  Pfund)  300  Pfund  zahlte,  also  i  500  ooo  Pfund  im 
ganzen.  Sie  gab  dann  100  ooo  neue  Aktien  a  20  Pfund  aus. 

Die  Einteilung  des  Gebietes  blieb  beim  alten,  nur  wurde  die  Verwertung 
des  Grund  und  Bodens  mehr  beachtet. 

Die  Annektionsgeliiste  Kanadas  nahmen  indessen  mehr  und  mehr  greif- 
bare  Gestalt  an,  und  um  dem  zu  entgehen,  verkaufte  die  Hudsonsbay  Company 
ihr  gesamtes  Landeigentum  fiir  300  ooo  Pfund  Bargeld  der  Regierung,  sich 
dabei  50  ooo  Acres  Land  in  der  Umgebung  ihrer  Stationen  und  ausserdem 
die  freie  Verfugung  iiber  den  zwanzigsten  Teil  des  fruchtbaren  Giirtels,  der 
ca.  200  Millionen  Acres  umfasst,  vorbehaltend. 

Auf  jede  Aktie  wurden  jetzt  3  Pfund  zuriickgezahlt*). 

Das  gesamte  Britisch-Nordamerika,  bestehend  aus  den  Kolonien  Kanada, 
Neu-Schottland,  Neu-Braunschweig,  Britisch  Columbia  mit  Vancouver  Island, 
dem  Hudsonsbay-Gebiet  und  den  Nordwestterritorien,  wurde  jetzt  zu  einer 
einzigen  Kolonie,  dem  Dominion  of  Canada,  verschmolzen.  Diese  Massregel 
stiess  in  der  Redriverkolonie  auf  energischen  Widerstand. 

Fin  gewisser  Thomas  Mac  Dougall  war  zum  Generalgouverneur  der 
neuen  Provinz  ,, Manitoba"  ernannt  worden,  ohne  dass  hiervon  oder  von  der 
Abtretung  des  Gebietes  iiberhaupt  irgend  eine  offizielle  Anzeige  gemacht 
worden  war.  Nicht  einmal  der  Gouverneur  der  Hudsonsbay  Company,  Mac 
Tavish,  hatte  eine  Mitteilang  erhalten. 

Die  Aufregung,  die  dem  Vernehmen  nach  noch  durch  die  zahlreiche 
katholische  Geistlichkeit  geschiirt  wurde,  stieg  aufs  hochste,  als  Kolonel 


*    Seit  dieser  Zeit  sind  in  verschiedenen  Raten  noch   17  Pfund  auf  jede  Aktie 
aus  den  Landverkaufen  zuriickgezahlt. 


jo6  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Dennis  die  Felder  neu  vermass,  da  sich  sofort  das  Geriicht  verbreitete,  den  alien 
Ansiedlern  sollten  die  Farmen  genommen  und  an  Kanadier  gegeben  werden. 

Ein  Trupp  von  18  bewaffneten  Halfbreds  unter  Fiihrung  von  Louis  Riel, 
dem  ,, Napoleon  des  Redriver",  wie  ihn  seine  Anhanger  spater  nannten,  ver- 
jagte  die  Feldmesser  und  beschloss,  den  Gouverneur  Mac  Dougall  nicht  ins 
Land  zu  lassen. 

Etwa  600  franzosische  Halbindianer  bemachtigten  sich  des  Forts  Garry, 
wo  sie  die  Kasse  der  Hudsonsbay  Company,  sowie  Vorrate,  Provisionen  usw. 
im  Werte  von  50  ooo  Pfund  mit  Beschlag  belegten. 

Fine  Republik  Winipeg  wurde  konstituiert,  und  erst  John  Bruce,  dann 
Louis  Riel  mit  den  beiden  Mitregenten  Lepine  und  O'Donoghue  zum  Pra- 
sidenten  erwahlt. 

O'Donoghue,  ein  entlaufener  Laienbruder  und  spaterer  Farmer,  kniipfte 
auch  Verhandlungen  mit  den  Feniern  in  den  Vereinigten  Staaten  an,  um  sie 
zu  einem  bewaffneten  Einfall  zu  veranlassen.  Dies  blieb  aber  beim  Versuch. 

Ein  Represent antenhaus  von  40  Mitgliedern  unterstiitzte  die  Regierung, 
die  auch  ein  offizielles  Journal,  die  ,,New  Nation",  herausgab. 

Am  21.  Oktober  1869  sandte  die  Regierung  dem  Mac  Dougall  eine  Reiter- 
schar  mit  einem  Brief  entgegen,  worin  ihm  das  Betreten  des  Gebietes  unter- 
sagt  wurde.  Mac  Dougall  blieb  einige  Zeit  in  dem  amerikanischen  Grenz- 
stadtchen  Pembina,  erschien  dann  am  i.  Dezember  mitten  in  der  Nacht  in 
Winipeg  und  erliess  zwei  Proklamationen,  eine,  in  der  er  in  hochfahrender 
Weise  die  Burger  zum  Auseinandergehen  aufforderte,  eine  zweite,  in  welcher 
er  den  Kolonel  Dennis  ermachtigte,  sich  mit  Waffengewalt  Gehorsam  zu  er- 
zwingen  und  den  Belagerungszustand  zu  verhangen. 

Dennis  setzte  sich  auch  mit  40  ergebenen  Indianern  in  Stonefort  fest, 
worauf  Mac  Dougall,  im  Gefiihl  seine  Wiirde  gewahrt  zu  haben,  nach  Montreal 
zuriickreiste. 

Eine  Anzahl  der  schottischen  und  englischen  Ansiedler  weigerte  sich,  der 
provisorischen  Regierung  der  Mestizen  zu  gehorchen,  und  vierzig  von  ihnen 
waren  mit  dem  von  Montreal  gekommenen  Macdonald  Smith  und  dem  Obersten 
Salaberry  zu  einer  Beratung  im  Hause  des  Deutschen  Dr.  Schulz  versammelt, 
als  eine  Streitmacht  unter  Louis  Riel  das  Haus  umzingelte.  Nach  dreitagiger 
Belagerung  ergaben  sich  die  Insassen  und  wurden  gefangen  ins  Fort  gebracht. 

Hierauf  versammelten  sich  etwa  500  loyale  englische  Kanadier  im  be- 
nachbarten  Stadtchen  Kildonan  und  erzwangen  die  Freilassung  der  Gefangenen. 
Nachdem  der  Zweck  erreicht  war,  wurde  das  Lager  wieder  abgebrochen  und 
die  Englander  zogen  in  kleinen  Trupps  wieder  nach  Hause.  Eine  solche  Ab- 
teilung  von  43  Mann  unter  Major  Boulton  und  Thomas  Scott  passierte  Fort 
Garry,  als  plotzlich  300  bewaffnete  Reiter  heransturmten  und  sie  zu  Ge- 
fangenen  machten. 

Diese  Heldentat  wurde  dann  im  offiziellen  Journal  als  die  ,, glorious  battle 
of  Winipeg"  verherrlicht.  Major  Boulton  wurde  durch  ein  improvisiertes 


4.  Kapitel. 107 


Kriegsgericht  als  ,,Rebell"  zumTode  verurteilt,  am  19.  Dezember  aber,  eine 
Viertelstunde  vor  der  zur  Exekution  festgesetzten  Zeit,  von  Kiel  begnadigt. 

Am  8.  Marz  1870  wurde  dagegen  Thomas  Scott  plotzlich  aus  seinem 
Gefangnis  geholt,  zum  Tode  verurteilt  und  zwei  Stunden  darauf  im  Hofe  von 
Fort  Garry  erschossen. 

Diese  Schusse  war  en  aber  zugleich  die  Totensalve  der  jungen  Republik. 

Samtliche  anstandigen  Einwohner  traten  zusammen,  die  benachbarten 
Indianer  wurden  unruhig,  und  Kiel  sah  sich  allein  auf  seine  treu  ergebenen 
600  Halbindianer  angewiesen.  Sobald  die  Nachricht  von  der  Bluttat  nach 
Kanada  gelangte,  war  die  Aufregung  gross.  Das  Volk  verlangte  energisch 
Massregeln  und  zwang  die  Regierung,  aus  ihrer  bisherigen  Untatigkeit 
herauszugehen. 

Ein  Expeditionskorps,  bestehend  aus  800  Mann  Milizen  von  Ontario, 
360  Royal  Riflemen,  20  Pionieren  und  20  Artilleristen  mit  4  Feldgeschiitzen, 
wurde  gebildet.  Das  Korps  wurde  unter  den  Befehl  des  Obersten  Wolseley, 
des  nachmals  so  beriihmten  Feldmarschalls,  gestellt,  der  hier  zum  erstenmal 
sein  grosses  Organisationstalent  und  seine  Kunst  im  Uberwinden  von  Transport- 
schwierigkeiten  bewies.  An  Schwierigkeiten  gab  dieser  kleine  Feldzug  dem 
grossen  Aschantikrieg  nichts  nach.  Der  Landweg  war  durch  undurchdring- 
liche  Urwalder,  Siimpfe  und  ein  Labyrinth  von  Seen  und  Flusslaufen  aus- 
geschlossen,  und  nur  der  Wasserweg,  die  alte  Kanoeroute  der  Voyageurs 
mit  ihren  unzahligen  Tragstellen  blieb  iibrig.  Grosse  Dampfer  fuhrten  die 
Expedition  iiber  den  Lake  Superior  nach  Fort  Williams,  wobei  noch  diploma- 
tische  Schwierigkeiten  beim  Passieren  des  auf  dem  Gebiet  der  Vereinigten 
Staaten  gelegenen  Kanals  von  Sault  St.  Marie  zu  iiber winden  waren. 

Auf  den  schaumenden  Fluten  des  Kamenistoquoia  River  bei  Fort  William, 
das  seit  den  Tagen  der  Northwest  Company  kein  soldi  reges  Leben  gesehen, 
erwarten  200  grosse  Boote  von  je  3  Tonnen  Tragfahigkeit  mit  je  14  geiibten 
kanadischen  Bootsleuten  besetzt,  die  Expedition.  Uber  den  Shebandowan, 
Kashabowan,  Lac  des  mille  Lacs,  Windigostogan  Lake,  Rainy  Lake,  nach 
dem  Lake  of  the  Woods,  wo  heute  eine  der  grossten  Weizenmuhlen  der  Welt 
steht,  ging  es  iiber  den  Winipeg-River  und  -See  nach  dem  Red  River. 

Auf  dieser  Route  waren  39  Stromschnellen  und  Katarakte  zu  umgehen. 
Auf  alien  diesen  Ubergangsstellen  mussten  die  Boote  ausgeladen  und  iiber 
Land  getragen  werden.  Noch  heute  liegen  neben  einer  der  Eisenbahnstationen 
mehrere  dieser  damals  verlassenen  Boote,  an  denen  der  den  dustern  Urwald 
durchschneidende  Expresszug  vor  iiber  fliegt. 

Da  auch  fur  3  Monate  Proviant,  Munition  usw.  mitgefuhrt  werden  musste, 
machte  das  Vorwartsschaffen  durch  die  engen,  morastigen  Pfade,  die  an  den 
Tragstellen  den  Urwald  durchschnitten,  die  grossten  Schwierigkeiten,  die 
ebenso  wie  die  reissenden  Stromschnellen  auf  der  Talfahrt  nur  durch  die  Ge- 
schicklichkeit  der  kanadischen  Bootsleute  iiberwunden  werden  konnten.  Auf 
alle  diese  Hindernisse  hatten  die  Rebellen  sicher  gerechnet,  und  als  deshalb 


jo8  II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

am  8.  August  die  rachende  Schar  ganz  unerwartet  vor  Fort  Garry  auftauchte, 
ergriffen  die  tapfern  Vaterlandsverteidiger  die  Flucht. 

Louis  Kiel  suchte  sie  vergebens  zum  Halten  zu  bringen  und  verliess  erst 
eine  Stunde  vor  Einrucken  der  Truppen  mit  seinen  Mitregenten  Lepine 
und  Odonaghu  das  Fort  und  entkam  gliicklich  nach  dem  kleinen  Grenz- 
stadtchen  St.  Joseph  in  Minnesota. 

Die  Provinzialverwaltung  wurde  jetzt  ungestort  organisiert  und  alien  Be- 
teiligten,  mit  Ausnahme  der  Radelsfuhrer,  Amnestie  erteilt. 

Jetzt  begann  eine  neue  Phase  der  Entwicklung  fur  das  gesamte  Hudsons- 
bai-Gebiet.  Bereits  beim  Beitritt  von  Britisch  Columbia  und  Vancouvers- 
Island  war  als  Aquivalent  die  Anlage  einer  Bahn  zugesichert  worden,  welche 
die  Gestade  des  Stillen  Ozeans  mit  dem  Atlantischen  verbinden  sollte. 

Es  ist  hier  nichtder  Platz,  auf  die  verschiedenen  Phasen  des  Entstehens  dieses 
gewaltigen  Kulturwerks  der  Canadian  Pacific-Bahn  einzugehen.  In 
von  seinen  Begriindern  ungeahnter  Weise  hat  diese  Bahn  nicht  nur  das  Land 
erschlossen,  sondern  bildet  heute  mit  den  angegliederten  der  Bahngesellschaft 
gehorigen  Dampferlinien  die  schnellste  und  bequemste  Verbindung  nach  Ost- 
asien  und  Australien.  Schon  als  die  Route  bekannt  wurde,  welche  die  Bahn 
nehmen  sollte,  und  ehe  noch  der  erste  Spatenstich  geschehen,  stromten  von 
alien  Seiten  Einwanderer  in  die  fruchtbare  Prarieprovinz.  Russische  Menno- 
niten,  Skandinavier,  Islander,  Deutsche,  verschmolzen  mit  den  Auswanderern 
Oldenglands  und  franzosischen  Kanadiern  zu  einer  homogenen,  kanadischen 
Bevolkerung.  Die  Landpreise  stiegen  in  ungeahnter  Weise,  und  auch  die 
Hudsonsbay  Company  erntete  reichlich  durch  den  allmahlichen  Verkauf  der 
ihr  vertragsmassig  zustehenden  10  Millionen  Acker  Landes  im  fertile  Belt 
und  der  50  ooo  Acker  Stadtland  in  der  Umgebung  ihrer  Stationen.  Um  diese 
Stationen  gruppierten  sich  jetzt  grosse  stadtische  Gemeinwesen.  Besonders 
hervorragend  war  dies  in  Winnipeg  der  Fall,  das  sich  zu  einer  Grossstadt  mit 
elektrischer  Beleuchtung,  elektrischer  Strassenbahn,  grossstadtischen  Ge- 
schaften  und  Hotels  entwickelte. 

Wahrend  des  Booms  wurden  hier  Preise  fur  Bauplatze  bezahlt,  die  den 
New  Yorker  Bodenpreisen  wenig  nachgaben.  Zeitweilig  herrschte  eine  wiiste 
Spekulation.  Aber  auch  die  andern  Stationen  des  Prariedistrikts,  wie 
Edmonton,  Pembina,  Alberta  und  andere  entwickelten  sich  zu  grossen  Gemein- 
wesen. Die  Hudsonsbay  Company  war  nun  auch  gezwungen,  den  veranderten 
Verhaltnissen  sich  anzupassen  und  tat  dies  in  sehr  geschickter  Weise. 

In  den  Grenzdistrikten  bis  hinauf  zum  Athabascaw  wurde  statt  des  alt- 
hergebrachten  Tauschhandels  die  Geldwirtschaft  eingefuhrt.  Um  der  Kon- 
kurrenz  zu  begegnen,  wurden  in  den  Grenzdistrikten  sogar  sehr  hohe  Preise 
bewilligt.  Man  erzahlt  iibrigens,  dass  sich  ein  bekannter  Rauchwarenhandler 
Hr.  B.  aus  Chicago,  der  im  ganzen  neuerschlossenen  Gebiete  bis  nach  Van- 
couvers-Island  Filialen  errichtete,  diese  Massregel  der  Hudsonsbay  Company 
zunutze  machte.  Er  kaufte  auf  den  Londoner  Auktionen  die  Tertia-  and 


4.   Kapitel. 


IOQ 


Quartanerze,  Zobel,  Biber  usw.  der  betreffenden  Gebiete,  liess  sie  nach  Kanada 
schaffen  und  durch  Zwischenleute  der  H.  B.  C.  anbieten,  die  dann  dafiir  den 
Durchschnittspreis  fiir  die  ortsublichen  Sortimente  zahlte.  Erst  als  man 
dahinter  kam,  wurde  das  System  geandert.  Es  gelang  der  H.  B.  C.  auch  nicht, 
die  Konkurrenz  dauernd  fernzuhalten,  denn  die  grossen  Gcschafte  in  den 
Stadten  kauften  samtliche  Pelzwaren.  Namentlich Winnipeg  und  Edmonton  ent- 
wickelten  sich  so  zu  grossen  Pelzhandelsemporien,  wo  die  grossen  Rauchwaren- 
firmen  Amerikas  und  Kanadas  Einkaufer  unterhielten.  Nur  jenseits  Atha- 
bascaw  im  Nor  den  und  Nordwesten  des  zweiten  Gebiets  behielt  die  H.  B.  C. 


Geschaftshaus  der  Hudson's  Bay  Co.  in  Montreal. 

die  Allemherrschaft  ziemlich  unbestritten,  da  ihr  hier  ihr  vorziigliches  Ver- 
kehrs-  und  Verproviantieiungssystem  eine  Vorherrschaft  sicherten. 

Auch  das  Verkehrswesen  wurde  organisiert.  An  Stelle  der  Brigaden  der 
leichten  Birkenrindenkanoes  traten  Dampfer  und  Leichterfahrzeuge,  und  die 
Eisenbahn  wurde  im  weitesten  Masse  dem  Verkehr  auch  fiir  die  Beforderung 
der  Zufuhren  fiir  die  Pelzhandelstationen  und  die  Riickbeforderung  der  Pelz- 
ausbeute  nutzbar  gemacht* 

Aber  auch  sonst  liess  sich  die  alte  Herrscherin  des  Westens  und  des  rauhen 
Nordens  nicht  von  der  Konkurrenz  zuriickdnmgen.  Ubersetzte  doch  derVolks- 
witz  die  drei  Buchstaben  H.  B.  C.  in  der  stolzen  Flagge  der  Hudsonsbay 
Company  nicht  umsonst  mit  dem  angeblichen  Wahlspruche  ,,Here  Before 
Christ",  das  heisst  ,,wir  waren  schon  vor  Christi  Geburt  hier  am  Platze." 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


In  den  grossen  Platzen  errichtete  die  Company  stattliche  Warenhauser 
sog.  Departmentstores,  welche  alles  an  Waren  boten,  was  am  Platze  und  der 
Umgebung  gebraucht  wurde,  vom  Patentpflug  bis  zum  neuesten  Pariser  Friih- 
jahrshut,  und  ihre  Stores  waren  stets  die  grossten  und  elegantesten  am  Platze. 

Die  Aktien  der  H.  B.  C.  waren  demgemass  auch  stets  sehr  gesucht.  Etwa 
die  Halfte  des  Aktienkapitals  wurde  inzwischen  aus  den  Gewinnen  zuruck- 
gezahlt  und  ausserdem  durcbschnittlich  jahrlich  10  Proz.  Dividende  verteilt. 
So  betrug  z.  B.  die  Bilanz  dieser  Gesellschaft  1904  wie  folgt:  Gewinn  durch 
den  Handel  netto  95  954  Pfund,  durch  Landverkauf  179  047.  Davon  wurde 
eine  Dividende  von  35  Schilling  per  Aktie,  d.  h.  17%  Proz.,  verteilt,  was 
175  ooo  Pfund  absorbierte,  I  Pfund  pro  Aktie  zuriickgezahlt,  was  weitere 
100  ooo  Pfund  erforderte  und  93  ooo  Pfund  wurden  auf  neue  Rechnung  vor- 
getragen,  was  noch  wieder  beinahe  i  Pfund  pro  Aktie  (ca.  10  Pfund)  ausmacht. 
Im  Jahre  1905  stellte  sich  die  Bilanz  noch  giinstiger  infolge  der  hohen  erzielten 
Pelzpreise,  doch  fehlen  mir  augenblicklich  die  genauen  Ziffern.  Dabei  besitzt 
die  Gesellschaft  noch  liber  4  Millionen  Acker  fruchtbaren  Bodens  und  auf 
ihrem  Gebiete  im  Norden  befinden  sich  noch  ungeheure  Lager  von  Kupfer, 
Eisen,  Kohlen,  Petroleum,  Nickel,  Asbest  usw.,  die  noch  gar  nicht  in  Angriff 
genommen  sind. 

Bekanntlich  befinden  sich  am  Obern  See  und  zwar  sowohl  auf  dem  Ge- 
biete der  Vereinigten  Staaten,  als  in  Kanada  die  reichsten  Kupferminen  und 
zugleich  auch  die  besten  Asbestminen  der  Welt.  Diese  Minen  haben  ihren 
Aktionaren  ungeheure  Summen  eingetragen  und  beherrschen  heute  den  Welt- 
mar  kt  vollkommen. 

Die  grossen  Goldlager  im  Nordwesten  des  Gebiets  erwahnen  wir  spater. 
Auch  Britisch  Columbia  nahm  mit  dem  Vorschreiten  der  Bahn  einen  riesigen 
Aufschwung.  Auch  hier  brach  ein  Landboom  aus,  namentlich  als  der  kleine 
Flecken  Vancouver  als  Endpunkt  der  Linie  und  zum  Ausgangspunkt  der 
Dampferlinien  bestimmt  wurde,  herrschte  dort  ein  wahres  Landfieber.  Fur 
einen  kleinen  Bauplatz  wurden  mehr  Pfund  gezahlt,  als  eine  grosse  Farm  dort 
Dollars  gekostet  hatte. 

Riesige  Vermogen  wurden  dort  gewonnen,  aller  dings  teilweise  auch  wieder 
verloren,  als  der  Boom  nachliess.  Im  Jahre  1885,  gleich  nach  der  Griindung, 
brannte  die  ganze  Stadt  nieder,  um  gleich  darauf  phonixgleich  aus  der  Asche 
zu  erstehen.  Grosse  Rivalitat  herrscht  zwischen  dem  neuen  Gemeinwesen 
und  den  benachbarten  alteren  Stadten  NewWestminster  und  Viktoria  auf 
Vancouvers-Island,  die  mit  dem  Hochmut  des  altgefesteten  Patriziertums 
auf  den  Emporkommling  Vancouver  herabsahen. 

Sobald  1867  das  gesamte  russische  Amerika  fur  10  Millionen  Dollar  an 
die  Vereinigten  Staaten  verkauft  war,  reisten  die  Bevollmachtigten  zahlreicher 
Firmen  dorthin,  um  sich  einen  Anteil  an  dem  Sealskinfang  zu  sichern.  Auch 
Herr  Teichmann,  damals  von  der  Firma  Schroder  &  Co.  in  London,  jetzt 
Chef  der  Firma  C.  M.  Lampson  &  Co.,  reiste  nach  Alaska,  das  damals  ganz 


4.  Kapitel. 


Ill 


abseits  des  grossen  Weltverkehrs  lag  und  eine  mehrmonatliche  Reisedauer 
erforderte.  Aber  alles  war  vergeblich.  Die  Regierung  erklarte  die  Pelz-Aus- 
nutzung  auf  den  Pribiloffinseln  und  teilweise  auch  an  der  Kiiste  von  Alaska 
fur  ein  Regierungsmonopol  und  iibertrug  dessen  Ausnutzung  einer  amerika- 
nischen  Gesellschaft,  der  Alasca  Commercial  Co.,  die  mil  einem  Kapital  von 
2  Millionen  Dollar  in  San  Francisco  gegriindet  wurde.  Als  Agenten  fiir  den 
Verkauf  wurden  die  Herren  C.  M.  Lampson  &  Co.  in  London  bestimmt,  die 
auch  mil  Kapital  an  der  Gesellschaft  beteiligt  waren.  Damals  rasteten  die 
wertvollen  Pelzseehunde  noch  zu  Millionen  auf  den  Inseln,  und  die  Regierung 
erliess  strenge  Gesetze  zum  Schutz  dieser  Industrie. 


Pelzseehunde  auf  den  Pribyloffinseln. 

Es  durften  auf  den  Inseln  St.  Paul  und  St.  George  jahrlich  100  ooo 
junge  Mannchen  von  2  bis  4  Jahren  getotet  werden  und  durften  zum  Fange 
nur  Aleuten  als  Arbeit er  verwendet  werden,  die  fiir  jedes  Fell  l/2  Dollar  Arbeits- 
lohn  erhielten.  %  Dollar  erhielt  die  Regierung  als  Abgabe,  100  ooo  Dollar, 
also  auch  i  Dollar  pro  Fell,  wurde  Pacht  gezahlt,  und  die  sonstigen  Unkosten 
(Salz,  Fracht  usw.)  betrugen  auch  noch  etwa  i  Dollar  pro  Fell.  Da  nun  diese 
Felle  in  London  10  bis  20  Dollar  pro  Stuck  holten,  war  das  Geschaft  gewiss 
ein  glanzendes. 

Die  Gesellschaft  zahlte  denn  auch  jahrelang  jahrlich  50  bis  100  Proz. 
Dividende.  1869  erlangte  die  Firma  Hutchinson  Kohl  &  Co.  in  San  Francisco 
das  alleinige  Recht  des  Seehundsfangs  auf  den  russischen  Komodorski-Inseln 
Copper  und  Behring  Island,  wo  jahrlich  60  ooo  Seals  getotet  werden  durften, 
und  iibertrug  dies  Recht  gleichfalls  an  die  Alasca  Commercial  Co.  Der 


II-    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 

Kontrakt  lief  20  Jahre  und  wurde  dann  an  eine  Petersburger  Gesellschaft 
unter  Fiihrung  des  bekannten  Pelzhandlers  Griinwalt  iibertragen.  Die 
Alasca  Co.  beschrankte  sich  natiirlich  nicht  allein  auf  den  Seehundsfang, 
sondern  hatte  Stationen  an  der  ganzen  Kuste  von  Alaska  zum  Handel  mit 
den  Eingeborenen.  Damals  erhielt  die  Alasca  Co.  jahrlich  6 — 7000  Seeotter- 
felle  allein,  neben  zahlreichen  Silber-,  Kreuz-  und  Rotfuchsen,  Baren, 
Zobel-  usw.  Fellen,  wahrend  die  Hudsonsbay  Company  ebenfalls  von  der 
Kiiste  Britisch  Columbiens  und  Vancouvers  Islands  mehrere  hundert  Stuck 
Seeotterfelle  erhielt.  Jetzt  kommen  bekanntlich  im  ganzen  nur  einige  hundert 
Felle  jahrlich  in  den  Handel. 

Die  Hudsonsbay  Company  war  iibrigens  die  erste,  welche  Dampfer  an 
der  Westkiiste  von  Nordamerika  beschaftigte,  und  die  alten  Dampfer  ,, Otter" 
und  „ Beaver"  waren  lange  Jahre  die  einzigen,  deren  Dampfpfeife  die  Stille 
der  einsamen  Sunde  unterbrach.  Der  Verkehr  mit  der  Aussenwelt  fand  durch 
Segler  statt,  die  urns  Kap  Horn  gingen  und  oft  7  bis  8  Monate  zur  Reise 
brauchten.  Mit  der  Eroffnung  der  Northern  Pacific  1885  und  der  Canadian 
Pacific  1887  anderte  sich  das  Bild  an  der  ganzen  Kiiste.  Machtige  Stadte, 
Portland  Oregon,  Tacoma  und  Seattle  wuchsen  mit  unheimlicher  Schnellig- 
keit  aus  dem  Boden.  Wo  noch  vor  wenigen  Jahren  Bar  und  Wapiti  ungestort 
gehaust  hatten,  tont  die  Klingel  der  elektrischen  Strassenbahn.  Von  den 
grossartigen  Kaianlagen  laufen  riesige  Dampfer  nach  Ostasien  und  Australien, 
zahllose  Segelschiffe  bringen  die  Produkte  der  riesigen  Weizenfelder,  Dampf- 
muhlen,  Sagemiihlen  usw.  nach  alien  Weltteilen. 

An  den  mit  Urwald  bestandenen  Ufern  des  Columbia,  des  Eraser  usw. 
dampfen  die  Schlote  der  Sagemiihlen,  welche  die  Urwaldriesen  in  Planken 
und  Balken  verwandeln,  und  der  sogenannten  Caneries,  wo  der  unglaubliche 
Reichtum  der  Fliisse  an  Lachsen  in  Blechbiichsen  verpackt,  einen  grossen 
Welthandelsartikel  bildet.  Auch  das  stille  Britisch  Columbia  blieb  nicht  un- 
beriihrt.  Neben  dem  alten  Newwestminster  erstand  das  riihrige  Vancouver, 
und  auch  das  ruhige  Victoria  auf  Vancouver  Island  erstand  zu  neuem  Leben. 
Aber  mit  dem  Aufschwunge  des  Landes  begann  auch  eine  schlimme  Kon- 
kurrenz  fur  die  Pelzhandelsgesellschaften,  namentlich  aber  fur  das  Seehunds- 
fang-Monopol  der  Alasca  Co.  Sowohl  von  Portland,  Seattle,  Tacoma,  als 
auch  von  Vancouver  und  Victoria  liefen  zahlreiche  kleine  Schoner  von  20  bis 
50  Tonnen  Grosse  aus,  welche  den  Seehunden  auf  offner  See  nachstellten  und 
bald  grosse  Verheerungen  anrichteten.  600-  bis  800  ooo  Seehunde  wurden 
so  alljahrlich  gefangen,  und  da  dies  meistens  Weibchen  waren,  und  ausserdem 
mindestens  die  doppelte  Zahl  verloren  ging,  so  bedeutete  dies  ein  rapides  Zu- 
sammenschmelzen  der  Sealherden  auf  den  ,,  Rockeries",  wie  die  Lager  plat  ze 
der  Seehunde  genannt  werden.  Vergeblich  erklarte  die  amerikanische  Re- 
gierung  die  ganze  Behringsee  fur  ein  geschlossenes  Meer,  die  englische  und 
russische  Regierung  erkannten  dies  nicht  an.  Zahlreiche  amerikanische  Zoll- 
kreuzer  patrouillierten  die  See,  und  zahlreiche  kanadische  und  amerikanische 


4.  Kapitel. 


Fangschoner  wurden  beschlagnahmt,  was  zu  zahlreichen  Prozessen  Anlass 
gab.  1897  wurde  dann  eine  Ubereinkunft  getroffen  zwischen  England,  Amerika 
und  Russland,  wonach  Fangschoner  den  Pribiloffinseln  auf  60  Seemeilen 
Entfermmg  fernbleiben  mussten,  und  das  pelagische  Seehundsfangen  auf  die 
Monate  April  bis  Oktober  beschrankt  blieb.  Auf  den  Pribiloffinseln  wurde 
dann  der  Fang  stark  eingeschrankt,  anfanglich  auf  7000  Stuck  jahrlich,  welche 
Quote  dann  auf  15  ooo  erhoht  worden  ist. 

Ausser  den  grossen  Pelzhandelskompanien  beschaftigten  sich  noch  ver- 
schiedene  Firmen  mit  dem  Pelzhandel,   namentlich  Boscowitz    &  Co.   und 


Aleutische  Fangleute  auf  den  Pribyloffinseln. 

Hutchinson  Kohl  &  Co.,  die  beide  nicht  mehr  existieren,  dann  Liebes  &  Co., 
deren  Begr under  ein  Deutscher  ist,  Bissinger  &  Co.  und  andere,  die  Firma 
Philipaus  &  Co.  in  San  Francisco  beschrankt e  ihre  Operationen  auf  die 
Kiiste  von  Kamtschatka  und  die  See  von  Ochotsk. 

Alaska  selbst  war  der  Alasca  Co.  ziemlich  allein  iiberlassen  geblieben, 
bis  im  Jahre  1896  an  den  Ufern  des  Klondyke,  in  der  Nahe  des  machtigen 
Yukon,  die  bekannten  reichen  Goldlager  entdeckt  wurden.  Vor  einigen  Jahren 
entstand  hier  in  den  arktischen  Regionen  in  einer  der  wiistesten  Regionen  der 
Erde  eine  dichte  Bevolkerung.  Dawson  City,  Circle  city  Jamen  wurden 
volkreiche  Stadte,  in  denen  sich  selbst  moderne  Kurschner-Geschafte  befinden. 

8 


114 


II.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika. 


Sitka,  Chilcat  Name  usw.  sind  lebhafte  Hafenstadte  geworden,  auf  denen  statt 
eines  gelegentlichen  Schoners  jetzt  zahlreiche  Dampfer  regelmassig  einlaufen. 
Auch  die  Alasca  Commercial  Co.  hatte  unter  diesen  Umwandlungen  zu  leiden. 

Ihr  Monopol  des  Seehundsfanges  war  auf  die  Northamerican  Commercial 
Co.  iibergegangen,  die  aber  auch  ausserdem  in  Alaska  zahlreiche  Pelzhandel- 
stationen  neben  denen  der  Alasca  Co.  errichtete,  vmd  schliesslich  trat  noch  ein 
dritter  machtiger  Konkurrent  auf  den  Plan,  die  North  American  Trading 
&  Transportation  Co.,  deren  Stammsitz  Chicago  ist,  die  aber  fast  den  ganzen 
Verkehr  zwischen  der  Kiiste  Alaskas  und  Klondyke  monopolisiert  hat.  An 
Stelle  des  lukrativen  Tauschhandels  ist  die  Geldwirtschaft  getreten,  und  auch 
die  als  Jager  gebrauchten  ,,Siwatches",  wie  die  Kiistenindianer  der  ver- 
schiedensten  Stamme  im  ,, Chinook",  der  an  der  Kiiste  ublichen  Verkehr  s- 
sprache,  genannt  werden,  erhalten  jetzt,  infolge  der  scharfen  Konkurrenz  der 
verschiedenen  Unternehmer,  Gehalter,  wie  sie  sich  in  ihren  kiihnsten  Traumen 
friiher  nicht  vorgestellt  hatten.  Die  Pelzausbeute  Alaskas  ist  iibrigens  nicht 
zuriickgegangen,  nur  die  der  grossen  Seesaugetiere,  wie  Seals  und  Seeotter, 
wahrend  zum  Schutze  der  anderen  Tierwelt  Alaskas  sehr  strenge  Jagdgesetze 
erlassen  wurden,  die  zum  Teil  sogar  weit  iiber  das  Ziel  hinausschiessen.  Anderer- 
seits  sind  auf  den  kahlen  Felseninseln  an  der  Kiiste  zahlreiche  Tierfarmen  zur 
Zucht  wertvoller  Pelztiere  entstanden,  namentlich  Silberfuchse,  Blaufuchse, 
Zobel  usw.  werden  so  geziichtet.  Mehrere  Gesellschaften  beschaftigten  sich 
mit  dieser  Zucht,  namentlich  die  Semidi  Propagating  Co.  in  Kadiak.  - 

Im  April  1910  wurde  das  Monopol  der  Northamerican  Commercial  Co. 
zum  Seehundsfang  auf  dem  Pribiloff  aufgehoben,  und  der  Fang  von  der  Re- 
gierung  auf  eigene  Rechnung  betrieben. 

Wir  haben  oben  gesehen,  wie  aus  den  ,,quelques  arpents  de  neige",  den 
wenigen  Morgen  Schnee,  wie  die  Franzosen  nach  dem  Verlust  Kanadas  das 
Land  bezeichneten,  durch  die  geschickte  Kolonialpolitik  der  Englander  ein 
bliihender  Staat  entstand.  Von  Halifax  und  Quebec  im  Osten  bis  Vancouver 
und  Victoria  im  Westen  zieht  sich  eine  Kette  von  wohlhabenden  Stadten 
entlang.  Die  ode  Prarie  ist  heute  ein  Weizenkulturland  ersten  Ranges,  ebenso 
wie  die  ostlichen  Auslaufer  der  Felsengebirge  ein  Eldorado  fur  Viehzucht  ge- 
worden sind.  Die  Hudsonsbay  Company  hat  aber  auch  nicht  wenig  dazu  bei- 
getragen,  namentlich  durch  ihre  geschickte  Indianerpolitik. 

Es  ist  hier  nicht  der  Raum,  um  auf  die  Indianerfrage  naher  einzugehen. 
Zwar  im  Osten  sind  die  Abkommlinge  der  stolzen  Mohawks,  Oneidas,  Huronen 
usw.  vollkommen  verschwunden  oder  fristen  zigeunerartig  ihr  Leben  mit  dem 
Verkauf  von  Strohflechtereien,  sogenannter  indianischer  Kuriositaten,  Arbeiten 
aus  Birkenholz  usw.  In  den  ausgedehnten  Waldungen  des  Nordens  fuhren 
die  Indianer,  die  den  grossen  Volkerfamilien  der  Crees  und  der  Chipewas  ange- 
horig,  noch  immer  ein  ungestortes  Trapperleben. 

Die  Hudsonsbay  Company  sorgt  noch  heute  wie  seit  Jahrhunderten 
vaterlich  fur  ihre  roten  Kinder  und  liefert  in  Notstandszeiten  auch  Nahrungs- 


4.  Kapitel. 


mittel.  In  den  Prarien  haben  sich  zahlreiche  Indianerstamme  angesiedelt, 
namentlich  die  Sioux  und  Blackfeet.  Wahrend  nun  in  den  Vereinigten  Staaten 
durch  die  verkehrte  Indianerpolitik  und  namentlich  durch  die  Ubergriffe  der 
Indianeragenten,  so  lange  die  Indianer  noch  zahlreich  genug  waren,  haufig 
blutige  Aufstande  derselben  hervorgerufen  wurden,  blieb  es  auf  der  kanadischen 
Seite  ganz  still.  Wahrend  die  Sioux  unter  Sittingbull  in  den  Vereinigten 
Staaten  auf  dem  Kriegspfade  waren  und  u.  a.  die  gegen  sie  ausgeschickten 
Truppen  unter  General  Custer  niedermetzelten,  beschaftigte  sich  der  auf 
kanadischem  Gebiet  angesiedelte  Stammesteil  ruhig  mit  der  eintraglichen 
Pferdezucht.  Ein  gleiches  war  bei  dem  Aufstande  der  Nezperces  in  Oregon 
der  Fall.  4  I 

Noch  heute  befindet  sich  ein  grosses  Siouxlager  bei  der  Station  der  Canada 
Pacific  Bahn  ,, Medicine",  und  die  roten  Sohne  der  Wildnis  kommen  ganz 
friedlich  zu  Verkaufszwecken  auf  die  Station,  wissen  aber  den  zahlreich  auf 
sie  gerichteten  Kodaks  der  Reisenden  geschickt  auszuweichen. 

Als  1884  Louis  Kiel  in  seinem  Grossenwahn  einen  neuen  Auf  stand  der 
Mischlinge  anzettelte,  blieben  die  Indianer  nicht  nur  ganz  ruhig,  sondern 
halfen  sogar  den  Truppen  bei  der  Niederwerfung  des  Aufstandes  und  dem 
Einfangen  der  Radelsfuhrer.  Louis  Kiel  ereilte  dabei  das  Schicksal,  er  wurde 
als  Rebell  gehangt. 

Die  Handelsrouten  des  Pelzhandels  haben  sich  vielfach  geandert.  Die 
Bahnverbindungen  und  die  zahlreichen  Dampferlinien  haben  die  eisstarrende 
Hudsonsbay  nicht  mehr  zum  alleinigen  Ausfuhrwege  fur  die  Pelzausbeute  der 
Hudsonsbay  Company  gemacht.  Nur  die  Felle  aus  den  nordlichsten  und  nord- 
ostlichsten  Distrikten  gehen  noch  liber  Yorkfort  und  Mooseriver  Factory 
an  der  Hudsonsbai,  die  anderen  kommen  uber  Montreal  zum  direkten  Versand. 

In  Winipeg  und  in  Edmonton  sind  Mittelpunkte  des  Pelzhandels  ent- 
standen.  Fort  Edmonton  war  seinerzeit  von  der  Northwest  Company  gegriindet 
und  spater  von  der  Hudsonsbay  Company  hauptsachlich  dazu  benutzt  worden, 
um  die  notigen  Quantitaten  Biif  f  el  f  iir  die  Proviantierungszwecke  der  Kompagnie 
zu  beschaffen,  die  teilweise  hier  in  Pemmican,  den  bekannten  Dauerproviant, 
umgearbeitet  wurden.  Betrug  doch  die  Ration  der  Voyageurs  8  Pfund  Biiffel- 
fleisch  pro  Mann  und  Tag.  Jetzt  sind  hier  nicht  nur  eine  ganze  Anzahl  von 
Pelzgeschaften,  sondern  Revillon  freres  haben  eine  eigene  Filiale,  und  zahl- 
reiche grosse  Pelzhandelshauser,  wie  Jos.  Ullmann,  Monjo  und  andere,  haben 
Einkaufsagenten  hier.  In  Winipeg  bestehen  einige  zwanzig  Pelzgeschafte. 
Eine  Bahn  von  Winnipeg  aus  nach  Ft.  Churchill  an  der  Hudsonsbay  wird 
jetzt  vermessen,  die  fur  die  Weizenmengen  des  Nordwestens  eine  schnellste 
und  billigste  Route  nach  England  bilden  wird,  und  auch  zur  weiteren 
wirtschaftlichen  Entwicklung  des  Gebietes  beitragen  wird. 

Uber  den  alteren  Handelsbetrieb  der  Hudsonsbay  Company  und  uber 
ihre  verschiedenen  Handelsposten  ist  ausfiihrliches  in  einem  spateren  Ab- 

schnitt  enthalten. 

8* 


III. 


Geschichte 
des  russischen  Rauchwarenhandels. 


III. 

Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

1.  Kapitel. 

Wir  wenden  uns  nunmehr  wieder  nach  Europa  zuriick. 

Von  den  Handelsbeziehungen  der  Griechen  und  Romer  mit  dem  fernen 
Scytenlande,  von  denen  uns  schon  Herodot  berichtet,  abgesehen,  finden  wir 
die  altesten  Beziehungen  Russlands,  welches  damals  noch  aus  einer  Reihe 
einzelner  Grossfurstentumer  und  Chanate  bestand,  mit  Byzanz. 

Sowohl  Handel  als  Politik  gravitierte  nach  dem  Schwarzen  Meere,  nament- 
lich  spielten  die  ,,Warager"  dort  eine  hervorragende  Rolle. 

Von  den  nordlichen  Teilen  des  Landes  horen  wir  zum  ersten  Male  naheres 
durch  die  beriihrnte,  im  9.  Jahrhundert  unternommene  Reise  des  Norwegers 
Othere,  der  ganz  Skandinavien  umsegelte  und  bis  an  die  Miindung  der  Dwina 
vordrang. 

In  dem  von  Konig  Alfred  von  England'  veroffentlichten  Reisebericht 
interessiert  uns  noch  besonders  die  Angabe,  welche  Othere  iiber  den  Tribut 
macht,  welchen  die  Finnen  den  angesiedelten  Norwegern  bringen  mussten. 
Derselbe  richtete  sich  nach  dem  Vermogen  des  einzelnen  und  bestand  bei  den 
Reichen  aus  15  Harder fellen,  5  Renntierfellen,  i  Barenfell,  10  Korben  Federn, 
i  Barenfell-  oder  Otterfell-Jacke  und  2  Schiffstauen  von  60  Ellen  Lange,  von 
denen  das  eine  aus  Walrosshaut,  das  andere  aus  Seehundsfell  gefertigt  sein 
musste. 

Die  ersten  Beziehungen  Deutschlands  zu  Russland  fanden  zur  Zeit 
Konrads  III.  und  Friedrich  Barbarossas  statt.  Schon  urn  die  Mitte  des  zwolften 
Jahrhunderts  hatten  die  deutschen  Kaufleute  in  Wisby  auf  Esthland  die  erste 
Stelle  eingenommen  und  beherrschten  den  ganzen  Handel  der  Ostsee.  Sie 
unternahmen  urn  diese  Zeit  zahlreic.he  Handelsziige  nach  der  Diina,  um  von 
dort  aus  dauernde  Beziehungen  mit  dem  Zaren  von  Nowgorod  anzukniipfen, 
damals  dem  machtigsten  der  russischen  Grossfiirsten,  dessen  Hauptstadt 
Nowgorod  Jahrhunderte  lang  das  bedeutendste  Handelsemporium  des  Nordens 
bildete. 

Im  heutigen  Li  viand  wurden  Handelsniederlassungen  errichtet,  die  bald 
als  Stiitzpunkte  fur  die  Missionen  unter  den  heidnischen  Livlandern,  Esthen 
und  Russen  dienten.  Im  Jahre  1186  griindete  der  Augustinermonch  Meinhard 
aus  Segeberg,  der  die  Wisbyer  Kaufleute  begleitet  hatte,  bei  dem  Dorfe  Yxkiill 


I2O  HI'   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

das  erste  Kastell,  und  1199  erbaute  der  Bremer  Domherr  Albert  in  Appeldern 
an  der  Diina  die  Stadt  Riga.  Er  stiftete  auch  den  Orden  der  Schwertbriider 
und  eroberte  mil  Hilfe  derselben  ganz  Livland  und  Esthland,  fand  aber  bei 
den  Esthen  hartnackigen  Widerstand. 

1218  erschien  der  Konig  Waldemar  II.  von  Danemark  mit  einer  Flotte 
von  angeblich  1500  Schiffen,  griindete  Reval,  eroberte  Esthland  und  zwang 
den  Bischof  Albert,  sowohl  Esthland  als  Livland  von  ihm  zu  Lehen  zu  nehmen. 
Erst  durch  die  Gefangennahme  Waldemars  durch  den  Grafen  Heinrich  von 
Schwerin  auf  der  Insel  Lyoe  bei  Fiinen  1223  ficl  auch  Livland  und  Esthland 
wieder  an  die  Deutschen.  1231  uberschritten  die  Deutschritter  die  Weichsel, 
griindeten  Thorn  und  Kulm,  die  als  Stadte  mit  Magdeburger  Recht  bald  eine 
bedeutende  Handelsstellung  errangen. 

1237  wurden  mit  Hilfe  einer  Liibecker  Flotte  die  Letten,  die  sich  gegen 
den  Schwertorden  erfolgreich  emport  hatten,  unterworfen,  der  Schwertorden 
wurde  einverleibt  und  die  Herrschaft  des  ganzen  Ostens  in  der  Hand  des 
deutschen  Ritterordens  unter  Hermann  von  Salza  vereinigt.  1241  wurde 
durch  den  Vertrag  Liibecks  mit  Hamburg  die  Hansa  begriindet,  der  sich  dann 
spater  die  niedersachsischen  und  westfalischen  Stadte  anschlossen.  Namentlich 
durch  Koln  wurde  der  Stahlhof  in  London  in  der  Upper  Thames  Street,  die 
Niederlassung  in  Antwerpen  und  Brugge  begriindet,  durch  Lubeck  die  Nieder- 
lassungen  auf  Schonen,  in  Norwegen  und  in  Nowgorod.  Im  Jahre  1282  fand 
dann  der  eigentliche  enge  Zusammenschluss  statt,  wonach  die  Ausnutzung 
der  auswartigen  Niederlassungen  alien  gemeinsam  war. 

In  Nowgorod  erreichte  die  Hansa  bald  eine  sehr  bedeutende  Machtstellung. 
Ihre  Handelsverbindungen  reichten  bis  an  die  sibirische  Grenze.  Die  Hansen 
tauschten  Pelzwerk,  Talg,  Haute,  Rauchfleisch,  ferner  Pottasche,  Pech,  Harz 
und  Bauholz  gegen  deutsche  Fabrikate,  Wein  aus  Portugal  und  Frankreich  usw. 
um.  Auch  von  Riga  aus  wurde  dauernde  Verbindung  mit  Smolensk  unter- 
halten  und  weite  Schlittenreisen  tief  in  das  Innere  Russlands  unternommen. 

In  Thorn  stiessen  die  Handelswege  von  Danzig  und  Breslau  zusammen 
und  wurde  die  Verbindung  von  hier  aus  mit  Polen,  dem  mittleren  und  siid- 
lichen  Russland  unterhalten.  Auch  hier  bildeten  Rauchwaren,  Wachs,  Talg, 
Haute  usw.  den  Hauptteil  des  Handels,  was  ich  schon  in  einem  friiheren 
Abschnitt  hervorgehoben  haben.  Besonders  in  Lubeck  waren  sehr  bedeutende 
Kaufleute,  die  aus  dem  Rauchwarenhandel  eine  Spezialitat  machten,  und  die 
eingehandelten  russischen,  norwegischen  und  polnischen  Rauchwaren  nach 
London,  Bordeaux,  sowie  den  verschiedenen  deutschen  Stadten  lieferten. 

In  ganz  Russland  waren  die  deutschen  Kaufleute  machtig  und1  hatten 
das  Monopol  des  Handels,  wenn  die  einzelnen  auch  haufig  unter  der  Roheit 
der  russischen  Grossen  zu  leiden  hatten.  Schon  damals  finden  wir  haufig 
Klagen  iiber  die  iibergrosse  Trunksucht  der  Russen. 

Obgleich  nun  hanseatische  Kaufleute  Russland  bis  weit  hinein  in  das 
Innere  bereisten,  und  ihre  Handelsbeziehungen  sich  bis  an  die  Grenze  Sibiriens 


i.  Kapitel. 


und  bis  zu  den  Samojeden  erstreckten,  finden  wir  in  der  Literatur  der  da- 
maligen  Zeit  wenig  Ausfiihrliches  iiber  das  russische  Reich.  Zwar  wird  ofters- 
der  Pelzsendungen,  die  von  dort  kommen,  sowie  der  Beschwerden,  die  beim 
Reisen  in  diesem  wilden  Lande  drohen,  Erwahnung  getan;  auch  iiber  die 
durch  die  Wildheit  und  Trunksucht  der  Bewohner  entstehenden  Gefahren 
am  Hofe  des  Zaren  zu  Nowgorod  wird  geklagt,  aber  eine  Beschreibung  des 
Landes  wird  nirgends  gegeben.  Teilweise  war  es  auch  wohl  Politik  der  Hansen, 
welche  die  auswartige  Konkurrenz  von  hier  fernhalten  wollten.  Es  schien 
dies  auch  Jahrhunderte  lang  gelungen  zu  sein.  Erst  im  Jahre  1496  unternahm 
der  Norweger  Gregor  Istoma  mil  dem  Gesandten  David  eine  Reise  nach 
Moskau,  und  von  hier  aus  zu  Lande  nach  der  Miindung  der  Dwina,  von  wo 
aus  sie  auf  Booten  langs  der  Kiiste  des  Weissen  Meeres  am  Nordkap  vorbei 
bis  nach  Drontheim  zuriickkehrten.  Der  Bericht  iiber  diese  Reise  wurde  erst 
1549  veroffentlicht,  und  zwar  in  dem  grossen  Werke  des  Osterreichers  Siegmund 
von  Herberstein,  dessen  grosstes Werk :  ,,Rerum  moscoviticarum  commentarii", 
in  Wien  erschienen,  zuerst  ausfuhrliche  Bericht e  iiber  dies  Riesenreich  brachte 
und  in  ganz  Europa  berechtigtes  Interesse  erregte. 

Gustav  Wasa  von  Schweden  beschloss  eine  Expedition  und  suchte  nun 
langs  der  Nordkiiste  des  russischen  Reiches  nach  den  reichen  Landern  des 
Ostens  zu  gelangen,  fand  aber  keine  geeignete  Personlichkeit  zur  Ausfiihrung 
der  Reise. 

Anders  war  es  in  England.  Hier  veranlasste  der  greise  Sebastian  Cabot, 
der  eigentliche  Entdecker  des  Festlandes  von  Amerika  (siehe  oben  Geschichte 
des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika),  der  Grosspilot  von  England,  die 
Aussendung  einer  fur  die  damalige  Zeit  gewaltigen  Expedition. 

Dieselbe  bestand  aus  3  Schiffen,  unter  dem  Oberbefehl  des  Sir  Hugh 
Willoughby,  und  zwar  der  ,,Bona  Esperanza"  von  120  Tonnen  unter  Kapitan 
William  Gefferson,  mit  28  Matrosen  und  6  Kaufleuten,  der  ,, Edward  Bona- 
ventura"  von  160  Tonnen  unter  Kapitan  Richard  Chancellor,  den  Steuer- 
leuten  Stephan  Burrough  und  Arthur  Pet,  die  sich  spaterhin  noch  einen  Namen 
in  der  Polarforschung  machten,  2  Kaufleuten  und  44  Matrosen,  und  der  ,,Bona 
Confidentia"  von  90  Tonnen  unter  Cornelius  Dufort,  mit  3  Kaufleuten  und 
25  Mann  Besatzung.  Die  Kosten  der  Ausriistung,  die  6000  Pfund  betrug, 
wurde  von  einer  Anzahl  englischer  Kaufleute  bestritten,  die  sich  einen  reichen 
Gewinn  von  der  Reise  versprachen.  Im  Mai  1553  trat  die  Flotte  unter  Teil- 
nahme  einer  ungeheuren  Volksmenge  von  Ratcliffe  bei  London  die  Fahrt  an. 

Man  fuhr  langs  der  norwegischen  Kiiste,  wo  in  der  Nahe  der  Lofoten 
Mitte  August  der  ,,  Ed  ward  Bonaventura"  unter  Richard  Chancellor  durch 
einen  heftigen  Sturm  von  seinen  Gefahrten  getrennt  wurde.  Nach  langerem 
Hin-  und  Hersegeln  erreichte  Willoughby  Ende  September,  das  russische 
Lappland,  wo  man  zu  iiberwintern  beschloss.  Wahrend  des  Winters  aber  er- 
lagen  Willoughby  und  seine  samtlichen  Begleiter  der  Geissel  der  damaligen 
Zeit,  dem  Skorbut. 


122  HI.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Gliicklicher  war  Chancellor,  er  erreichte  nach  langerer  Irrfahrt  die  Mun- 
dung  der  Dwina  in  das  Weisse  Meer,  an  der  Stelle  des  heutigen  Archangel. 
Die  Einwohner  empfingen  ihn  sehr  freundlich  vmd  verkauften  ihm  Pelzwerk, 
Vogelfedern,  Tran  etc.,  sandten  aber  zugleich  Eilboten  zum  Zaren  Iwan 
Wasiljewitsch  nach  Moskau.  Eine  feierliche  Gesandtschaft  des  Zaren  lud 
darauf  die  Fremdlinge  an  den  Hof  nach  Moskau,  wo  sie  sehr  gut  aufgenommen 
wurden.  Der  Zar,  dem  das  Handelsmonopol  der  Hansa  etwas  driickend 
geworden  wrar,  sah  jedenfalls  grossen  Vorteil  von  einer  K^nkurrenz  voraus 
und  versprach  den  Englandern  grosse  Handelsvorteile. 

Die  Kosten  der  Reise  Chancellors  waren  auf  Sebastian  Cabots  Veran- 
lassung,  wie  schon  erwahnt,  durch  eine  Anzahl  Kaufleute  von  London  und 
Bristol  getragen  worden,  die  sich  zu  einer  Gesellschaft  der  ,, Fellowship  of  the 
Merchant  aduenturers  of  England  for  the  dis  couerye  of  Regions  Dominions, 
Island  (and  places)  unknowen"  zusammenschlossen,  1554  erhielten  sie  einen 
koniglichen  Charter,  der  1566  durch  einen  Act  of  Parliament  bestatigt  wurde. 
Ihr  Name  lautete  nun  etwas  kiirzer:  ,, Company  of  merchant  aduenturers  of 
England  for  the  discovery  of  new  trades".  Da  dieser  Titel  aber  fur  den  tag- 
lichen  Gebrauch  immer  noch  etwas  zu  lang  war,  wurde  sie  nach  ihrem  Haupt- 
handelsgebiet  einfach  die  ,, Muscovy  Company"  und  spater  ,, Russia  Co." 
genannt. 

Dieser  russische  Handel  war  zwar  der  eintraglichste  und  der  einzige, 
dessen  Resultat  die  Verteilung  von  Dividenden  zuliess,  aber  es  war  eigentlich 
nur  Nebenzweck  der  eigentlichen  Griindung  gewesen.  Das  Hauptobjekt  war 
die  Entdeckung  des  Seeweges  nach  China  und  Japan  oder  ,, Cathay  und 
Zipangu",  wie  sie  damals  noch  vielfach  genannt  wurden. 

Eine  grosse  Reihe  von  Expeditionen  wurden  auch  von  ihr  zu  diesem 
Zwecke  ausgeriistet,  zuerst  allein,  dann  spater  vielfach  in  Gemeinsamkeit 
mit  der  East  India  Co.  Gleich  1556  wurde  Stephan  Burroughs  in  der  ,,Search- 
trift",  einem  kleinen  Fahrzeug,  ausgesendet.  Er  erreichte  die  Miindung  der 
Petschora,  wobei  er  erwahnt,  dass  die  Bewohner  Fischerei,  Walfisch-  und 
Walrossfang  betreiben,  sowie  auch  die  Jagd  auf  Pelztiere.  Namentlich  fangen 
sie  Hermeline  und  Weissfuchse  in  Fallen.  Er  entdeckte  Novoja  Semblia,  wo 
er  aber  bereits  russische  Fischer  in  ihren  Lodschen  fand.  Er  versuchte  den  Ob 
zu  erreichen,  musste  aber  bei  den  Weigatsch-Inseln  umkehren.  Inzwischen 
hatte  die  Muscovy  Co.  regelmassige  Fahrten  nach  Archangel  eingerichtet, 
wovon  aber  viele  ungliicklich  verliefen.  So  erlitt  das  Schiff  ,, Edward  Bona- 
ventura"  mit  Richard  Chancellor,  einer  grossen  russischen  Gesandtschaft 
unter  Ossip  Gregorjewitsch  Nepeja  und  einer  Ladung  Pelzwerk  im  Werte  von 
20  ooo  Pfund  Sterling  auf  der  Heimreise  von  Archangel  1556  bei  Aberdeen 
Schiffbruch,  Chancellor  und  der  grosste  Teil  der  Besatzung  ertrank,  und  die 
Ladung  ging  verloren.  Die  ,,Bona  Esperanza"  ging  im  selben  Jahre  in  einem 
schweren  Sturm  beiDrontheim  unter,  ebenso  scheiterte  die  ,,Bona  Confidentia" 
mit  voller  Ladung  an  der  norwegischen  Kiiste.  Nur  die  ,,Philipp  und  Marry" 


I.  Kapitel. 


123 


erreichte  als  einzige  von  4  Fahrzeugen,  die  Archangel  in  diesem  Jahre  ver- 
lassen,  im  April  1557  gliicklich  London.  Die  Entdeckungsreisen  der  Kompanie 
zur  Aufsuchung  eines  Seeweges  nach  China  in  den  nachsten  Jahren  wurden 
abwechselnd  nach  Westen  und  Osten  unternommen. 

So  1574  bis  1578  die  4  Reisen  Frobishers  nach  Westen,  wobei  wertvolle, 
wissenschaftliche  Entdeckungen  gemacht  wurden.  Eine  Schiffsladung  von 
angeblich  Golderz,  die  ztiriickgebracht  wurde,  erwies  sich  aber  als  vollkommen 
wertlos. 


Samojeden  im  13.  Jahrhundert. 

1580  wurde  Artur  Pet  in  ,,The  George"  und  Charles  Jackman  in  ,,The 
William"  nach  Osten  entsendet  und  drangen  als  erste  in  das  Karische  Meer 
ein,  wo  sie  des  Eises  wegen  schliesslich  wieder  umkehren  mussten. 

Fast  gleichzeitig  verungliickte  eine  Handelsexpedition  der  Muscovy 
Company  unter  James  Bassendine,  James  Woodcocke  und  Richard  Browne, 
die  von  der  Petschora  aus  langs  der  Kiiste  bis  zur  Miindung  des  Ob  segelte. 
Hier  aber  strandete  das  Schiff,  und  die  ganze  Besatzung  wurde  von  den 
Samojeden  niedergemetzelt.  Kurz  erwahnen  will  ich  noch,  dass  die  spateren 
Reisen  von  Davis  1588,  von  George  Weimouth  1602,  von  Hudson  1605,  1607, 
1608  und  1610,  Hall  1608,  Knight  1607,  Robert  Bylot  und  Baffin  1615,  die 
alle  wertvolle,  geographische  Entdeckungen  lieferten,  hauptsachlich  von  der 
Muscovy  Company  ausgesendet  wurden,  besonders  auf  Betreiben  ihrer  hervor- 


124  HI-   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

ragenden  Mitglieder  Sir  John  Wolstenholme  und  Dudley  Diggs.  Uberhaupt 
verdankt  die  Wissenschaft  der  Muscovy  Company  sehr  viel.  Sie  war  die  erste, 
welche  die  Erfindung  Sebastian  Cabots,  das  Logbuch,  auf  alien  ihren  Schiffen 
einfuhrte,  und  auch  ihre  Kapitane  anwies,  regelmassige  Beobachtungen  iiber 
die  Variation  der  Magnetnadel  anzustellen. 

Leider  habe  ich  nirgends  Notizen  iiber  die  Resultate  der  Handelstatig- 
keit  der  Muscovy  Company  auffinden  konnen. 

Man  trifft  in  der  Literatur  der  damaligen  Zeit  nur  einzelne  Bemerkungen, 
woraus  hervorgeht,  dass  die  Fahrzeuge  der  Gesellschaft  regelmassig  alle  Jahre 
nach  Archangel  gingen  und  von  dort  mit  reicher  Ladung  an  Pelzwerk,  Hauten, 
Talg,  Honig,  Teer  und  anderen  russischen  Produkten  zuriickkehrten,  dass 
ferner  die  Faktoreien  in  Archangel,  sowohl  wie  in  Moskau,  sehr  umfangreich 
waren  und  ganz  die  Stellung  einnahmen,  die  friiher  die  Hansa  in  Nowgorod 
eingenommen  hatte,  dass  aber  nach  Erstarkung  der  politischen  Macht  Russ- 
lands  und  der  Einigung  des  Landes  der  politische  Einfluss  der  Englander 
gering  war. 

Bei  Griindung  der  Hudsonsbay  Company  im  Jahre  1670  war  von  der 
grossen  Muscovy  Company  nicht  mehr  die  Rede,  doch  habe  ich  nicht  ausfindig 
machen  konnen,  in  welchem  Jahre  die  tatsachliche  Auflosung  erfolgte.  Es 
wurde  schon  friiher  von  mir  erwahnt,  dass  ein  grosser  Teil  des  Pelzwerks, 
welches  die  Hansa  und  spater  die  Russia  Co.  aus  Russland  ausfuhrte,  aus 
Sibirien  kam. 

Schon  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  hatte  der  reiche  Bauer  Anica 
Stroganoff  Handelsverbindungen  mit  den  Stammen  des  westlichen  Sibiriens 
angekniipft  und  dieselben  auch  bewogen,  dem  Zaren  in  Moskau  Abgaben  in 
Gestalt  von  Zobelfellen  zu  senden.  Zum  Dank  dafiir  erhielt  er  fur  sich  und 
seine  Nachkommen  grosse  Landstrecken  an  den  Fliissen  Kama  und  Tschuso- 
waya  geschenkt  mit  der  Berechtigung,  daselbst  Festungen  und  Stadte  anzu- 
legen.  Durch  die  Besiedlung  und  Bewirtschaftung  dieser  Landereien,  ebenso 
durch  den  Pelzhandel  mit  Sibirien  und  den  Betrieb  der  Minen  im  Ural  erwarben 
die  Stroganoff  ein  wahrhaft  furstliches  Vermogen.  Im  Jahre  1577  wurde  ihre 
Herrschaft  und  ihr  Vermogen  aber  auf  das  ausserste  bedroht. 


III. 
Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

•  2.  Kapitel. 

Am  Don  hatte  sich  unter  Fiihrung  des  Hetman  Jermak  Timofjew  eine 
kiihne  Rauberschar  von  Kosaken  gebildet,  die,  bald  durch  den  Zugang  von 
Abenteurern  auf  eine  Starke  von  6000 — 7000  Mann  gebracht,  die  Gegenden 
am  Kaspischen  Meer  und  an  der  Wolga  brandschatzte.  Die  fortwahrend  ein- 
laufenden  Klagen  veranlassten  endlich  den  Moskauer  Zaren  I  wan  IV.,  eine 
grossere  Truppenmacht  auszusenden,  vor  denen  sich  die  Freibeuter  schleunigst 
zuriickzogen  und  wie  ein  Heuschreckenschwarm  in  die  Landereien  der  Stro- 
ganoffs  einfielen.  Maxim  Stroganoff  war  aber  ein  gewiegter  Diplomat.  Er- 
nahm  Jermak  mil  seinen  Kosaken  auf  das  liebenswiirdigste  auf  und  bewirtete 
sie  freigebig,  wusste  aber  geschickt  immer  wieder  das  Gesprach  auf  die  unge- 
heuren  Schatze  an  Pelzwerk  in  Sibirien  zu  lenken,  bis  Jermak  schliesslich 
einen  Vertrag  mit  ihm  abschloss,  sich  verpflichtete,  die  Tartaren  und  Samo- 
jeden  zu  unterwerfen  und  die  Beute  mit  Stroganoff  zu  teilen,  wo  fur  dieser 
die  notigen  Geldmittel,  Proviant  usw.  hergab. 

1579  wurde  endlich  der  fur  die  Geschichte  Russlands  so  bedeutungsvolle 
Zug  angetreten,  und  nach  verschiedenen  kleinen  Gefechten  im  Beginn  1580 
der  Ural  iiberschritten. 

Wie  eine  Gewitterwolke  fiel  die  Jermaksche  Reiterschar  unter  die  dichten 
Massen  der  Tartaren,  die  trotz  der  tapfersten  Gegenwehr  und  trotz  ihrer  grossen 
numerischen  Uberzahl  den  uberlegenen  Waffen  und  dem  wilden  Ungestum 
der  Eindringlinge  unterlagen.  Unaufhaltsam  drangen  diese  den  Tobol  und  den 
Tura  entlang  bis  nach  Tjumen,  das  in  ihre  Hande  fiel.  Hier  wurden  grosse 
Mengen  von  Zobelfellen,  Fiichsen  usw.  erbeutet,  und  ein  Teil  davon  nach 
Moskau  an  I  wan  gesendet,  der  nunmehr  den  unbotmassigen  Kosaken  nicht 
nur  verzieh,  sondern  Jermak  auch  zu  seinem  Statthalter  in  den  neueroberten 
Landern  ernannte. 

Im  nachsten  Jahre  ging  Jermak,  das  befestigte  Tjumen  als  Stiitzpunkt 
im  Riicken  zuriicklassend,  den  Tobol  und  Irtisch  entlang,  in  verschiedenen 
Schlachten  die  Heeresmacht  der  Magulen  vor  sich  herrollend  bis  vor  die  Mauern 
der  Residenz  Kutschum  Khans  ,,Sibir",  in  der  Nahe  des  heutigen  Tobolsk. 
Hier  entwickelte  sich  die  Entscheidungsschlacht.  Kutschum  Khan  fiel,  wie 
die  Sage  meldet,  von  Jermaks  eigner  Hand.  Dieser  zog  mit  grossem  Geprange 
fur  die  in  die  damalige  Zeit  ungemein  stark  befestigte  Stadt  ein  und  nannte 


126  HI-   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

sich  nun  stolz  ,,Herr  von  Sibir",  was  nachher  dem  ganzen  ungeheuren  Reiche 
den  Namen  Sibirien  verschaffte.  Auch  hier  war  en  grosse  Mengen  von  Pelz- 
werk,  namentlich  Zobel,  erbeutet  worden,  und  der  Ruf  der  leicht  zu  ge- 
winnenden  Reichtiimer  liess  aus  alien  Teilen  des  russischen  Reiches  Abenteurer 
zu  den  Fahnen  Jermaks  stossen.  Dieser  selbst  ertrank  zwar  am  16.  August  1584 
im  Flusse  Irtisch,  aber  die  Herrschaft  des  weissen  Zaren  war  nunmehr  fest 
begrundet.  Nach  alien  Richtungen  breiteten  sich  die  Scharen  der  Kosaken 
und  der  kuhnen  Pelzjager  der  sogenannten  ,,Promyschleni"  aus,  iiber  die  ge- 
waltigen  Urwalder  der  Taiga,  den  Einoden  der  moosbedeckten  Tundra,  die 
Riesenstrome  und  die  gewaltigen  Seen. 

Es  war  jetzt  weniger  der  Kampf  mit  den  kriegerischen  Eingeborenen, 
als  mit  den  Hindernissen,  welche  die  Natur  den  Eindringlingen  in  den  Weg 
legte. 

Aber  Gold  und  edles  Pelzwerk  sind  Ziele,  welche  zur  Eroberung  der  Welt 
gefuhrt  haben.  Wahrend  die  golddurstigen,  spanischen  Konquistodores  den 
Siiden  sich  unterwarfen,  haben  die  angelsachsischen,  franzosischen  und  russi- 
schen Pelzjager  den  gesamten  Norden  der  Erde  erobert.  Die  Kosaken  und 
russischen  Pelzjager  begniigten  sich  aber  nicht  nur  mit  dem  fliichtigen  Durch- 
streifen  des  Landes,  sondern  legten  an  alien  wichtigen  Punkten  Sibiriens 
grossere  oder  kleinere  Festungen  an,  sogenannte  Ostrogs.  Das  unterworfene 
Land  wurde  in  Kreise  geteilt,  eine  Organisation  geschaffen,  ein  bestimmter 
Tribut,  sogenannter  ,,  Yassak"  festgesetzt,  in  Zobelfellen  bestebend,  der  regel- 
massig  zu  bestimmten  Zeiten  in  den  Ostrogs  abgeliefert  werden  musste. 

Die  Ausbreitung  der  Russen  und  die  Fahrten  der  Promyschlenj  geschahen 
vorzugsweise  nach  Norden  und  Nordosten. 

Zwar  stellte  die  Natur  dem  Vordringen  der  Menschen  gewaltige  Hinder- 
nisse  in  den  Weg,  die  unwegsame  Waldwildnis  der  Taiga,  jenes  machtigen 
Urwaldgiirtels,  der  das  zentrale  Sibirien  durchzieht,  war  fast  nur  durchdringbar, 
wenn  man  auf  dem  Wasserwege  dem  Lauf  der  Strome  folgte.  Nordlich  davon 
zog  sich  die  unermessliche  Moossteppe  der  Tundra  hin,  deren  feuchtigkeits- 
getranktem  Boden  im  Sommer  unendliche  Muckenschwarme  entsteigen, 
wahrend  nur  wenige  Zoll  unter  der  Oberflache  der  Boden  ewig  gefroren  bleibt. 
Im  Herbst  und  Winter  tobt  der  ,,Burran",  der  morderische  Schneesturm  un- 
gehindert  iiber  die  ungeheure  Flache,  alles  mit  weissemLeichentuche  bedeckend. 

Die  kuhnen  Abenteurer  wahlten  aber  diesen  Weg,  weil  es  einerseits  hier 
die  edlen  Pelztiere,  wie  Zobel,  Fiichse,  Hermelin  etc.  in  reichster  Fiille  gab, 
andererseits  aber  auch  die  hier  wohnenden  Volkerstamme  weit  weniger  kriege- 
risch  waren,  als  die  weiter  siidlich  wohnenden  Kirgisen,  Tungusen  und  die 
zahlreichen  Stamme  tiirkischen  Blutes.  Bereitwilligst  wurde  auch  der  kleinsten 
Kosaken-  und  Pelzjager-Abteilung  reicher  Tribut  gezahlt,  wo  von  doch  manches 
Fell  in  den  Handen  der  Einsammler  zuriickblieb,  ehe  der  Tribut  an  die  Krone 
abgeliefert  wurde.  Auch  wurden  die  wenigen  mitgefuhrten  Erzeugnisse  der 
Zivilisation  ungeheuer  hoch  bezahlt. 


2.   Kapitel.  127 


So  war  es  lange  Zeit  unbestritten  Handelsgebrauch,  dass  der  Kaufer  eines 
Kupferkessels  denselben  als  Kaufpreis  bis  zum  Rande  mit  Zobelfellen  fullen 
musste.  Fiir  ein  Taschenmesser  musste  z.  B.  ein  wertvolles  Silberfuchsfell 
gezahlt  warden. 

Nur  oben  im  hohen  Norden,  vor  der  Miindung  der  Ob  und  Jenisei,  bis  an 
die  Petschora  sassen  die  kriegerischen  Samojeden,  mit  denen  man  schon  friiher 
auf  dem  Seewege  in  Verbindung  getreten  war,  und  von  denen  Schiffe  der 
Muscovy  Company,  der  Hollander  und  Kiistenfahrzeuge  der  Russen  vom 
Weissen  Meere  Pelzwerk,  Tran,  Fischbein  und  Vogelfedern  einhandelten, 
ohne  indessen  feste  Niederlassungen  zu  begriinden.  Jetzt  wurde  dies  anders. 

Ende  des  16.  Jahrhunderts  hatten  die  Zobeljager  sich  bereits  das  ganze 
Flussgebiet  des  Irtisch-Ob  unterworfen  und  sich  in  nordostlicher  Richtung 
weiter  verbreitet  bis  an  den  Fluss  Tas,  wo  des  ergiebigeren  Zobelhandels  wegen 
die  Stadt  Massgasej  gegrundet,  aber  bald  wieder  verlassen  wurde. 

1610  wurde  der  Jenissei  erreicht,  und  hier  am  Turuchan,  einem  Neben- 
flusse  desselben,  die  Stadt  Turachansk  angelegt.  In  Booten  ruderte  man  von 
hier  aus  den  Fluss  hinab,  um  das  Eismeer  zu  erreichen,  doch  zwangen  die  Eis- 
massen  zur  Riickkehr.  Die  bis  dahin  so  stolzen  Samojeden  wurden  aber 
unterworfen  und  zur  Steuerzahlung  gezwungen.  Man  folgte  nun  den  Neben- 
stromen  der  Jenissei  nach  Osten,  bis  1627  die  Lena  erreicht  wurde.  Das  neu- 
entdeckte  Flussgebiet  wurde  sofort  nach  alien  Richtungen  durchstreift,  um 
Pelzwaren  einzutauschen  und  von  jeder  Eingeborenen-Ansiedlung  Jassak  ein- 
zutreiben. 

1637  zog  der  Kosak  Elisej  Busa,  begleitet  von  10  Kosaken  und  40  Pelz- 
jagern,  langs  der  Eismeerkiiste  nach  Osten,  wobei  er  die  Miindung  der  Lena, 
den  Olenek  und  die  Jana  entdeckte. 

Hierbei  fand  er  bei  den  an  den  Flussufern  wohnenden  Jakuten  und 
Jukagiren  eine  ungemein  reiche  Ausbeute  an  Zobelfellen,  Silberfuchsen,  Blau- 
und  Weissfuchsen,  weshalb  die  Russen  sich  hier  festsetzten. 

1639  erreichte  eine  andere  Expedition  unter  Iwanow  Postnik  den  Indi- 
girko  und  versuchte  Steuern  bei  den  benachbarten  Jukagiren  einzutreiben. 
Diese  widersetzten  sich  aber  energisch  und  konnten  erst  durch  die  Furcht  vor 
den  ihnen  ganzlich  unbekannten  Kosakenpferden  zur  Unterwerfung  gebracht 
werden.  Eine  kleine  Niederlassung,  eine  sogenannte  Simovie,  wurde  hier  an- 
gelegt und  mit  einer  standigen  Kosaken-Besatzung  versehen.  Von  hier  aus 
wurde  dann  die  Expeditionen  zum  Steuereintreiben  unternommen,  wobei  der 
Alaseifluss  und  die  Kolyma  entdeckt  wurden.  Besonders  die  letztere  Ent- 
deckung  erwies  sich  als  sehr  wichtig. 

1644  errichtete  der  Kosak  Michailo  Staduchin  eine  Simovie,  die  spater 
zu  der  Stadt  Nischnij  Kolymsk  erweitert  wurde,  einen  Hauptstiitzpunkt  nicht 
nur  des  Pelzhandels  bis  in  die  neueste  Zeit,  sondern  auch  als  Ausgangspunkt 
fur  zahlreiche  Expeditionen.  Eine  der  altesten  sibirischen  Markte  oder  Messen, 
entstand  hier  namentlich  auch  fur  den  Handel  mit  den  ostlich  wohnenden 


128 


III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


Tschuktschen  und  den  siidlich  wohnenden  Jakuten.  Hier  erhielten  die  Russen 
die  ersten  Nachrichten  von  den  ost warts  wohnenden  Tschuktschen  auf  der 
gleichnamigen  Halbinsel. 

Im  Jahre  1646  segelte  der  Kosak  Isai  Ignatief  mit  einer  Anzahl  Pelzjager 
in  mehreren  kleinen  Fahrzeugen  die  Kolyma  abwarts,  und  langs  der  Kiiste 
des  Eismeers  nach  Osten  bis  in  eine  Bucht,  wo  man  Ansiedlungen  der  Tschuk- 
tschen traf  und  von  ihnen  eine  grosse  Menge  Pelzwerk,  Seehundshaute  und 
Walross-Elfenbein  erhielt. 


Yakutsk  kurz  nach  der  Griindung. 

Der  Gewinn  der  Reise  war  so  gross,  dass  bereits  im  nachsten  Jahre  eine 
neue  Expedition  von  vier  halbgedeckten  Fahrzeugen  ausgeriistet  wurde  unter 
Fiihrung  des  Pelzjagers  Theodor  Alexejew,  dem  der  Kosak  Simon  Iwanow 
Sin  Deschnew  beigegeben  wurde,  um  die  Rechte  der  Krone  zu  wahren. 

Die  Absicht  war  diesmal,  den  grossen  Fluss  Anadyr  zu  entdecken,  von 
dem  man  Kunde  erhalten  hatte,  und  zu  gleicher  Zeit  wurde  eine  Landexpedition 
unter  Michael  Stadukin  abgesandt,  um  einen  zweiten  unbekannten  Fluss,  die 
Pogitcha,  zu  erkunden,  und  zugleich  die  Tschuktschen  zu  unterweifen.  Beide 
Expeditionen  mussten  aber  unverrichteter  Sache  wieder  umkehren,  da  sie  zu 
schwach  waren,  um  es  mit  den  kriegerischen  und  zahlreichen  Tschuktschen 
aufzunehmen.  Im  Jahre  1648  wurde  deshalb  der  Versuch  mit  starkerer  Kraft 
erneuert. 

Am  30.  Juni  verliessen  7  grosse  Fahrzeuge,  jedes  mit  30  Bewaffneten 
bemannt,  die  Miindung  der  Kolyma. 


2.  Kapitcl.  120 


Vier  der  Schiffe  kehrten  bald  urn,  wahrend  die  drei  andern  unter  Kom- 
mando  der  Kosaken  Gerasim  Ankudinow  und  Simeon  Deschnew,  sowie  des 
Pelzjagers  Feodot  Alexejeff  vorwarts  drangen.  Man  durchfuhr  die  Behring- 
strasse  und  erreichte  gliicklich  die  Landzunge  Gross-Tschukotskoj-nos,  drei 
Tagereisen  von  der  Anadyr-Mundung  entfernt.  Hier  oder  wahrscheinlicher 
bei  der  benachbarten  Heiligenspitze  oder  Serdze  Kamen  scheiterte  das  Fahr- 
zeug  des  Ankudinow,  die  Mannschaft  wurde  aber  samtlich  gerettet  und  auf 
die  Boote  verteilt.  Am  30.  September  kam  es  zu  einem  heftigen  Gefecht  mit 
einer  starken  Schar  Tschuktschen.  Alexejew  wurde  verwundet,  und  die  Russen 
mussten  sich  zuriickziehen.  Bald  darauf  wurden  beide  Fahrzeuge  durch  einen 
heftigen  Sturm  getrennt,  worin  die  ,,Kotscha"  des  Alexejew  verschlagen 
wurde.  Erst  viele  Jahre  spater  erfuhr  man,  dass  sie  nach  der  Siidwestkuste 
von  Kamschadka  getrieben,  hier  strandete.  Andukinow  starb  am  Skorbut, 
den  andern  wurde  aber  von  den  Kamschadalen,  die  nie  Weisse  gesehen  hatten, 
fast  gottliche  Verehrung  zuteil,  das  sie  sich  weidlich  zunutze  machten.  Sie 
wurden  so  lange  fur  unverwundbar  gehalten,  bis  sie  sich  bei  einer  Priigelei 
selbst  untereinander  verwundeten,  worauf  die  Kamschadalen  die  ganze  Ge- 
sellschaft  kurzerhand  totschlugen.  Fort  wahrend  mit  Sturm  und  Eis  kampfend, 
erreichte  Deschnew  im  Oktober  endlich  die  Miindung  des  Olutorsk,  wo  auch 
das  letzte  Schiff  strandete,  in  ganzlich  menschenleerer  Ode.  Deschnew  zog 
nun  mit  25  Mann  nach  dem  Anadyr,  wo  man  ebenfalls  wider  Erwarten  keinen 
Eingeborenen  antraf,  wahrend  die  mitgefuhrten  Lebensmittel  aufgebraucht 
waren.  Die  kiihnen  Promyschleniks  liessen  sich  deshalb  aber  nicht  einschiich- 
tern.  Man  errichtete  ein  Haus  und  erlegte  genugend  Renntiere,  Seehunde  und 
Seevogel,  um  den  arktischen  Winter  zu  iiberstehen.  Im  nachsten  Sommer 
traf  man  endlich  Eingeborene,  die  sich  aber  weigerten,  Tribut  zu  zahlen. 
Heftige  Kampfe  folgten,  denn  Deschnew  hatte  bei  der  Abfahrt  geschworen, 
mindestens  300  Zobelfelle  als  Steuern  der  Tschuktschen  mitzubringen.  Die 
besseren  Waf fen  der  Russen  sicherten  ihnen  schliesslich  den  Sieg,  und  ein 
grosser  Jassak  von  Zobelfellen,  Weiss-  und  Blaufuchsen  etc.  wurde  einge- 
trieben.  Im  Herbst  des  Jahres  wurde  an  der  Stelle,  wo  spater  sich  Anadyrski 
Ostrog  erhob,  und  durch  Jahrhunderte  ein  lebhafter  Messverkehr  sich  ent- 
wickeln  sollte,  ein  kleines  Fort  errichtet.  Es  schien  aber  vorlaufig  keine  Aus- 
sicht  vorhanden  zu  sein,  nach  Kolymsk  zuriickzugelangen.  Da  traf  im  Mai 
1650  plotzlich  Ersatz  ein. 

Staduchin,  der  1647  von  Jakutsk  aus  einen  Vorstoss  nach  Norden  gemacht 
hatte,  um  die  Miindung  des  Popytscha  zu  finden  und  die  Inseln  des  Eismeers 
zu  untersuchen,  hatte  zwar  keinen  Erfolg,  hatte  aber  grosse  Mengen  Walross- 
zahne  erbeutet,  die  nach  Jakutsk  geschickt  wurden,  um  weitere  Fangmanner 
anzuwerben.  Eine  Anzahl  kamen  auch,  und  da  man  inzwischen  von  den  Ein- 
geborenen die  genauere  Lage  des  Anadyr,  der  mit  der  sagenhaften  Pogitika 
identisch  war  und  eine  Beschreibung  des  Landweges  erhalten  hatte,  so  drang 
eine  grossere  Expedition  unter  Simeon  Motora  und  Staduchin  dahin  vor  und 

9 


HI-    Geschichte  des  russischen  Ranch  ware  nhandels. 


erreichte,  wie  schon  erwahnt,  im  Mai  1650  die  Simovie  des  Deschnew.  Bald 
entspannen  sich  Streitigkeiten  zwischen  den  Fiihrern.  Staduchin  ging  mil 
einigen  Leuten  nach  dem  Peuschina-Fluss,  wo  sie  wahrscheinlich  alle  erschlagen 
wurden,  denn  sie  blieben  verschollen.  Deschnew  und  Motora  erbauten  sich 
Boote,  um  weitere  Entdeckungen  zu  machen.  Motora  wurde  aber  bei  dem 
Versuch,  von  einem  Eingeborenen-Stamni  nochmals  Jassak  einzutreiben, 
den  Deschnew  bereits  rein  ausgepliindert  hatte,  erschlagen. 

Deschnew  machte  von  Anadyrsk  aus  verschiedene  Fahrten  den  Anadyr 
hinab  und  an  die  Kiiste,  wo  er  namentlich  viel  Walrosse  entdeckte,  um  deren 
Elfenbein  zu  erbeuten.  Erst  1654  gelang  es  ihm,  geniigend  grosse  Fahrzeuge 
zu  erbauen,  um  die  erbeuteten  Felle,  Elfenbein  etc.  nach  Kolymsk  und  von 
dort  aus  nach  Jakutsk  zu  bringen.  Es  war  dies  ubrigens  der  erste  Tribut,  den 
Russland  von  den  Volkerstammen  am  Stillen  Ozean  erhalten  hatte. 

An  den  Ufern  des  nordlichen  Eismeeres  hatte  sich  inzwischen  ein  ganz 
lebhafter  Handelsverkehr  entwickelt. 

Andrej  Goreloj,  der  1650  von  Jakutsk  aus  an  die  See  gesandt  wurde, 
um  die  Steuern  an  Pelzwerk  von  den  Stammen  an  der  Indigirka  einzuziehen, 
berichtet,  dass  er,  nachdem  seine  Fahrzeuge  an  der  Miindung  des  Kromo- 
flusses  vom  Eise  zerdriickt  waren,  sich  zu  Lande  hatte  nach  der  Simovie 
Ujandino  fliichten  miissen,  wo  aber  in  diesem  Winter  Hungersnot  herrschte, 
da  die  Schiffe,  welche  Lebensmittel  nach  diesem  Platze  fiihren  sollten,  in 
diesem  Jahre  durch  die  Eisverhaltnisse  zur  'Umkehr  gezwungen  waren.  Aucli 
der  Kosak  Tinofei  Buldakoff,  der  um  diese  Zeit  zur  See  von  der  Samo  nach 
der  Kolyma  _reiste,  um  dort  das  Kommando  .iiber  den  Distrikt.zu  iibernehmen, 
erwahnt,  dass  sie  unterwegs  12  Kotschas  trafen,  die  mit  Kosaken,  Pelzjagern 
und  Kaufleuten  angefiillt,  entweder  von  der  Lena  ostwarts  segelten  oder  vom 
Kolymsk  oder  von  der  Indigirka  mit  voller  Ladung  nach  der  Lena  zuriick- 
kehrten. 

Auch  mit  den  neusibirischen  Inseln,  die  spater  durch  ihren  Reichtum  an 
fossilem  Elfenbein  den  dort  lagernden  Mammutzahnen,  bekannt  wurden,  trat 
man  schon  um  diese  Zeit  in  Verbindung.  Wenigstens  war  den  Lotsen,  welche 
die  Expeditionsschiffe  der  Kaufleute  Nikifos  Malgin  und  Andrei  Woripajew 
von  der  Lena  nach  der  Kolyma  fiihrte,  diese  Inselgruppe  von  1670  genau 
bekannt,  und  der  Pelzhandler  Jacob  Wiatka  hatte  dieselben  sogar  betreten. 

Die  Russen,  Regierungsleute  sowohl  als  Pelzhandler,  wendeten  sich  aber 
jetzt  rnehr  dem  sudlichen  an  der  Kiiste  gelegenen  Distrikt  zu,  namentlich 
Kamschadkas,  dessen  Pelzreichtum  anfing  bekannt  zu  werden. 

Wilodomir  Atlassow,  der  Kommandant  von  Anadyrsk,  sandte  1696  den 
Kosaken  Luckas  Semenow  Sin  Morosko  mit  16  Mann  aus,  um  bei  den  siid- 
licher  wohnenden  Volksstammen  Steuern  zu  erheben. 

Morosko  unterwarf  die  Korjaken  und  drang  bis  an  den  Kamschadkafluss 
vor,  von  wo  aus  er  in  einer  fremden  Sprache  geschriebene  Manuskripte  mit- 
brachte,  die,  wie  sich  spater  herausstellte,  von  einem  an  der  Kiiste  Kam- 


2.   Kapitel. 


schadkas  gestrandeten  japanischen  Handelsschiffe  herriihrten.  Von  der 
Nahe  Japans  hatten  die  nur  praktische  Geographic  treibenden  Eroberer  da- 
mals  noch  keine  Ahnung.  Im  nachsten  Jahre  ging  Atlassow  selbst  mil  einer 
.grosseren  Abteilung  nach  Siiden  und  errichtete  am  Kamschadkafluss  zum 
Zeichen  der  Besitznahme  des  Landes  ein  Kreuz  mit  Inschrift:  ,,Im  Jahre  7205 
(1697)  am  13.  July  wurde  dieses  Kreuz  vom  Piatidesatnik  Wilodomier  Atlassow 
und  seinen  55  Begleitern  errichtet."  Am  Kamschadkafluss  erbaute  er  ein 
Fort.  Werotni  Kamschatskoj  Ostrog,  welches  sowohl  zur  Unterwerfung  der 
.sich  kraftig  wehrenden  Kamschadalen  diente,  als  auch  zum  Stiitzpunkte  der 
zahlreich  nachstromenden  Pelzhandler.  1700  begab  sich  Atlassow  selbst  nach 
Moskau  und  uberbrachte  den  in  Kamschadka  gesammelten  Tribut  von  3200 
Zobelfellen,  10  Seeottern,  7  Biber,  4  Ottern,  10  Silberfiichsen  und  191  Rot- 
fuchsfellen,  sowie  einen  an  der  Kiiste  gefangen  genommenen  Japaner.  Ausser 
dem  erwahnten  Tribut  soil  er  noch  eine  grosse  Menge  privatim  erworbenes 
Pelzwerk  mit  sich  gefiihrt  haben,  doch  werden  nahere  Angaben  dariiber  nicht 
gemacht.  Atlassow  wurde  in  Moskau  sehr  gut  empfangen  und  zum  Befehls- 
haber  der  Kosaken  in  Jakutsk  ernannt.  Er  erhielt  auch  den  Auftrag,  Kam- 
.schadka  ganzlich  zu  erobern. 

Er  fiel  aber  in  Ungnade  und  wurde  ins  Gefangnis  geworfen,  weil  er  auf  der 
Fahrt  von  Anadyrsk  nach  Jakutsk  ein  russisches  Fahrzeug,  das  mit  chinesischen 
War  en  beladen  war,  auspliinderte.  Erst  1706  wurde  er  in  Freiheit  gesetzt. 
Die  Eroberung  Kamschadkas  wurde  iibrigens  sowohl  seitens  Atlassow  wie 
der  Kosaken  mit  ungewohnlicher  Grausamkeit  gefiihrt.  Man  legte  den  Kam- 
schadalen das  10  fache  des  gesetzlichen  Jassak  oder  Tributs  an  Fellen  auf 
und  behielt  den  Uberschuss  fur  sich.  Fortwahrend  wurden  die  ungliicklichen 
Einwohner  durch  die  Bedriickungen  der  Kosaken  zum  Auf  stand  gereizt,  um 
dann  durch  die  iiberlegenen  Waffen  der  Russen  niedergestreckt  zu  werden. 
Innerhalb  30  Jahren  war  die  Bevolkerung  auf  den  zwolften  Teil  der  Zahl 
reduziert,  die  sie  beim  Einriicken  der  Russen  gehabt  hatte. 

Nicht  so  griicklich  erging  es  den  Russen  beim  ersten  Zusammenstoss  mit 
•den  Tschuktschen.  1701  waren  sie  von  den  Inkagiren  um  Beistand  gegen  dies 
kriegerische  Volk  gebeten  worden.  Eine  Expedition  wurde  auch  ausgerustet, 
die  Tschuktschen  weigerten  sich  aber,  irgend  welchen  Tribut  zu  zahlen  oder 
die  russische  Oberherrschaft  anzuerkennen  und  sandten  die  Russen  mit 
blutigen  Kopfen  heim,  auch  ein  10  Jahre  spater  unternommener  Versuch 
die  Tschuktschen  zu  unterwerfen,  schlug  fehl.  Der  damit  beauftragte  Kosak 
Peter  Tliunsen  Popoff  konnte  diese  Aufgabe  nicht  losen,  doch  brachte  er  die 
•erste  Nachricht  von  den  in  der  Behringstrasse  liegenden  Diomedes-Inseln 
und  von  dem  naheliegenden  grossen  Kontinent  (Amerika)  zuriick. 

Im  selben  Jahre  1711  wurde  der  durch  seine  Habsucht  und  Grausamkeit 
verhasste  Atlassow  mit  mehreren  andern  Fiihrern  durch  die  Kosaken  Anzip- 
thorow  und  Iwan  Kosirewskoj  ermordet.  Die  Morder  unternahmen  dann, 
um  sich  Verzeihung  zu  sichern,  die  Eroberung  des  siidlichen  Kamschadkas 


102  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

und  der  zwei  nordlichsten  der  Kurilen-Inseln,  sowie  der  Insel  Schantar  im 
Ochotski-Meer.  Bisher  war  man  nach  dem  Kamschadka  immer  auf  dem  grossen 
Umwege  iiber  Anadyrsk  gelangt,  im  Jahre  1711  erteilte  aber  der  Wojwode 
von  Jakutsk,  Dorofeij  Trauernicht,  ein  iiberaus  eifriger  Forderer  der  sibirischen 
Entdeckungsfahrten,  dem  Befehlshaber  in  Ochotsk,  Sin  Bojarski  Peter 
Guturow  Befehl,  von  Ochotsk  aus  zur  See  nach  Kamschadka  zu  reisen.  Dies 
war  aber  vorlaufig  unausfuhrbar,  da  weder  Schiffe  noch  Seeleute  oder  mit 
dem  Schiffbau  einigermassen  vertraute  Leute  vorhanden  waren.  Nun  miissen 
wir  aber  einen  Riickblick  tun,  was  inzwischen  in  dem  mittleren  und  siidlichen 
Sibirien  geschehen  war. 


III. 
Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

3.  K  a  pit  el. 

Nach  dem  Tode  des  Jermak  1584  im  Irtisch  im  Kampfe  gegen  Kutchun 
Khan  hatte  die  russische  Besatzung  im  ersten  Schreck  Sibir  geraumt.  Die 
verschiedenen  sibirischen  Fiirsten  machten  sich  wieder  unabhangig.  Der  Zar 
sandte  aber  von  Moskau  300  Mann  Soldaten,  die  den  Widerstand  der  Sibiriaken 
bald  brachen  und  zunachst  1586  die  Festung  Tjumen  erbauten.  Das  russische 
Gebiet  in  Sibirien  reichte  damals  nach  Norden  bis  an  die  Miindung  des  Irtisch 
in  den  Ob,  im  Osten  bis  an  den  Irtisch  und  im  Siiden  bis  an  die  Flusse  Tobol 
und  Tura. 

In  1587  wurde  Tobolsk  gegriindet  und  in  1602  Tomsk.  Zwar  die  Unruhen 
beim  Tode  des  Boris  Gudonow  in  Moskau  liessen  auch  das  Tempo  der  Er- 
oberungen  in  Sibirien  etwas  langsamer  erscheinen,  aber  1614,  nach  dem  ein- 
getretenen  Friedensschluss,  riickte  man  auch  jenseits  des  Urals  unaufhaltsam 
vorwarts.  Im  Norden  ging,  wie  wir  friiher  gesehen,  die  Entdeckung  und  Er- 
oberung  ziemlich  ungehindert  vorwarts,  im  Siiden  dagegen  hatte  man  unauf- 
horlich  mit  den  kriegerischen  Burjaten  zu  kampfen.  Dieser  Volksstamm  hat 
iibrigens  seine  kriegerischen  Eigenschaften  bis  heute  bewahrt,  ist  aber  der 
russischen  Krone  treu  ergeben.  Besteht  doch  der  grosste  Teil  der  sibirischen 
Kosaken- Regiment er  aus  Burjaten,  und  ist  der  Bur j ate  stets  zur  Jagd  auf 
entflohene  Straflinge  bereit;  auch  sind  die  tiichtigsten  sibirischen  Pelzjager 
noch  heute  unter  den  Burjaten  zu  finden.  1632  wurde  Jakutsk  gegriindet, 
nachdem  vorher  schon  Krasnojask,  Seligenskoj,  Jeneseiskoj  als  feste  Sttitz- 
punkte  errichtet  and  mit  standigen  Garnisonen  belegt  waren.  1639  wurde 
Ochotsk  angelegt,  und  1643  erreichte  der  Kosak  Iwanoff  von  Jakutsk  aus  den 
Baikalsee,  den  2  Jahre  spater  der  Hetmann  Kolesnikoff  von  Osten  her  er- 
reichte. Jetzt  wurde  auch  Irkutsk  erbaut,  das  aber  erst  1652  zu  grosserer 
Bedeutung  gelangte.  Gleich  nach  der  Eroberung  wurde  iibrigens  auch  eine 
geordnete  Verwaltung  in  Sibirien  eingerichtet ;  an  der  Spitze  des  Ganzen 
stand  ein  Gouverneur,  welcher  in  Tobolsk  seinen  Wohnsitz  hatte,  und  dem 
die  verschiedenen  Wojwoden  und  die  Kommandanten  der  verschiedenen 
Stadte  unterstanden.  Uber  dem  Ganzen  aber  stand  die  sibirische  Kanzlei  in 
Moskau.  Uber  die  sibirische  Kanzlei  fand  ich  in  einem  merkwiirdigen,  1720  in 
Niirnberg  erschienenen  Buche  folgende  Beschreibung : 


III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


,,Diese  sibirische  Canzlei  /  Sibirskoi  Pricas  genannt  /  1st  in  Moskau  /  und 
wurden  daselbst  alle  Sachen  /  so  zu  diesem  Lande  gehoren  /  verhoret  /  und 
abgetan;  absonderlich  wird  darinnen  die  Einnahme  und  Ausgabe  der  Pelz- 
werck-Rechnung  gefiihret.  Der  vorderste  in  diesein  Collegio  ist  der  Canzler  / 
welcher  keine  Besoldung  hat  /  sondern  er  muss  selbst  dem  Czar  jahrlich 
tausend  Rubeln  zahlen.  Hergegen  dependieren  alle  Woywoden  von  Sibirien 
bios  einzig  und  alleine  von  ihme  /  die  er  nach  seinem  Belieben  einsetzet  /  und. 
also  hierdurch  sich  schon  wieder  erholen  kann.  Zur  Zeit  als  Olearius  in  Moscau 
war  /  etwa  um  das  Jahr  1636  verwaltete  der  Bo  jar  Knes  Alexei  Nikitewitz 
Trubetskoi  die  Canzlers-Stelle  in  der  Kansanskoi  Pricas  und  Sibirskoi  Pricas. 
Um  das  Jahr  1680  und  folgendem  stunde  in  dieser  Wiirde  eine  geraume  Zeit 
Mouch  im  Pouckhini"/  ein  kluger  und  raffinierter  Kopf  /  als  einer  seyn  mogte  / 
welcher  das  ganze  Land  um  den  Aby  herum  vollkommen  kennete.  Nachmals 
wurde  er  Woiwod  von  Smolensko.  Vor  etwa  10  oder  12  Jahren  verwaltete 
diese  Bedienung  /  Andreas  Andreowicz  Wignieds  /  welcher  von  einem  Teut- 
schen  Vater  gezeuget  /  und  von  ihme  in  der  Griechischen  Religion  /  zu  deren 
er  sich  bekennet  hatte  auferzogen  worden.  Er  war  ein  schlauer  und  verschla- 
gener  Mann  /  der  die  Woywoden  sehr  in  Furchten  erhielte  /  und  ihnen  das 
Rauben  und  Pliindern  scharf  abgewohnete.  Denn  wenn  die  aus  China  kom- 
mende  /  und  durch  Sibirien  reisende  Kaufleute  in  Moscau  anlangeten  /  so 
erforschte  er  fleissig  von  ihnen  /  was  sie  denen  Woywoden  haben  mussen  Zoll 
geben  /  oder  ob  ihnen  sonst  was  leides  wider  fahren.  Wenn  er  nun  dahinter 
kam  /  dass  man  sie  in  dem  Zoll  wider  die  Gebiihr  iibersetzet  /  oder  gar  be- 
stohlen  und  gepliindert  /  so  stellete  er  eine  harte  Exekution  an.  Jedoch  sagte 
er  nicht  /  dass  er  solches  von  den  Kaufleuten  erfahren  /  sondern  er  gab  vor  / 
dass  es  ihme  von  andern  zu  Ohren  gekommen  /  oder  dass  seine  heimlich  aus- 
geschickte  Kundschafter  solche  ihme  hinterbracht  /  damit  die  Woywoden 
nicht  noch  mehr  gereitzet  wurden  /  denen  Kaufleuten  /  wenn  sie  wieder 
kommen  /  aufpassen  /  und  ihnen  gar  das  Leben  zu  nehmen.  Er  hat  einmal 
einen  Woywoden  an  einen  Ort  hingesetzet  /  von  welchem  alle  dessen  Vor- 
fahren  niemaln  dem  Czar  jahrlich  mehr  als  600  Rubeln  einbringen  wollen. 
Alleine  als  er  diesen  auf  das  Harteste  bedrohete  /  dass  er  sich  solte  angelegen 
seyn  lassen  /  den  Nutzen  des  Czars  zu  verbessern  /  so  berichtete  er  /  da  das 
Jahr  um  war  /  dass  er  1000  Rubeln  Einkommens  dieses  Jahr  firr  den  Czar 
erhoben.  Eben  dieser  Wigni  hat  auch  den  Vice  Re  von  Sibirien  /  aus  dem 
Hause  Tzerkassi  /  dessen  eben  Meldung  geschehen  /  der  Untreu  und  des 
ublen  Haushaltens  iiberfuhret.  Mehreres  von  diesem  Collegio  sowol  als  den 
ubrigen  hieher  gehorigen  Affairen  zu  entdecken  /  muss  ich  andern  iiberlassen. 

7.  Das  grosste  Einkommen  aus  diesem  Lande  bestehet  in  dem  Tribut 
von  allem  Pelzwerk  /  als  Zobeln  /  Martern  /  rothen  und  weissen  Fiichsen  / 
Hermelinen  /  Bibern  und  was  es  sonsten  fur  Pelzwerk  daselbsten  mehr  giebet. 
Die  Zinse  von  Zobeln  nimmt  der  Zar  nicht  /  wie  viel  er  will  /  sondern  nach 
der  Anzahl.  Ehedem  war  ein  Jeder  von  denen  unter  Sr.  Czarischen  Majestat 


3.   Kapitel. 


stehenden  Heiden  /  bis  in  das  zehende  Jahr  frei.  In  dem  zehenden  Jahr 
musste  er  zween  Zobel;  im  eilften  /  drei;  im  zwolften  /  vier;  und  so  weiter 
bis  an  das  zwanzigste  Jahr  /  jahrlich  einen  mehr  liefern;  sodann  bliebe  es  bei 
12  Zobeln  bis  an  das  funfzigste  Jahr;  und  nahme  die  Zahl  also  auch  jahrlich 
wieder  ab.  Weiter  findet  man  /  dass  alle  gefangene  Zobeln  dem  Zollner  vor- 
gelegt  werden  /  welcher  den  zwanzigsten  als  des  Czars  Antheil  und  Zinse 
nimmet.  Die  Kaufleute  miissen  gleich falls  dem  Zaren  an  statt  des  Zolles  von 
zehen  Zobeln  einen  heraus  geben.  Diese  alle  miissen  in  die  Canzlei  geliefert 
werden  /  und  machet  der  Gros-Schatzmeister  den  PreiB;  welcher  auch  denen 
Offizieren  einige  an  Bezahlungs- Statt  uberlasset.  Und  auf  solche  Weise  / 
soil  Sibirien  jahrlich  bei  200000  Rubeln  ertragen;  welche  Summa  iedoch 
leichtlich  konnte  vermehrt  werden  /  wenn  diB  Land  nicht  gar  zu  weit  von 
Moscau  entlegen  ware.  Die  einzige  Stadt  Jenesca  allein  liefert  jahrlich  von 
dem  Zoll  bei  24000  Rubeln  in  den  Czarischen  Schatz." 

In  demselben  Buche  linden  wir  auch  eine  eingehende  Beschreibung  der 
damals  in  Sibirien  vorhandenen  Waren. 

Von  Tobolsky  schreibt  er,  dass  neben  der  Stadt  viele  Tartara  und  Buitarer 
wohnen,  /welche  mit  denen  Calunken  und  gar  bis  in  China  hinein  grossen  Handel 
treiben.  Diese  Stadt  Tobolsky  ist  die  Haubtstadt  in  Sibirien  /  und  die  Residenz 
des  obersten  Statthalters  des  Moskowiter  /  wohin  alle  Stadt  e  jahrlich  ihre 
Schatzung  an  Peltzwerk  liefern,  von  der  solche  ferner  nach  Moskau  gesendet 
war.  Wie  denn  allhier  auch  das  hohe  Gericht  gehalten  wird  /  und  miissen  alle 
Beamten  in  Samojeden  und  Sibirien  dem  Statthalter  zu  Gebote  stehen.  Hier- 
selbst  liegt  eine  grosse  und  star  eke  Besatzung  /  welche  auf  jede  Ordre  des 
Czars  bei  9000  Mann  in  das  Feld  stellen  konnen.  Ueber  diese  sind  noch  einige 
tausend  Tartaren  /  welche  bei  ereignendem  Falle  Sr.  Majestat  alle  zu  Pferde 
dienen.  Endlich  residiert  auch  allhier  der  Metropolit  /  oder  Erzbischoff  /  der 
in  Kirchensachen  die  Oberaufsicht  /  und  aiis  Moskau  dahin  gesandt  War. 
Das  Land  rund  herum  ist  sehr  volckreich  /  sowol  von  Russen  /die  das  Feld 
bauen  /  als  allerhand  Nationen  /  Tartaren  und  Heyden  /  die  an  S.  Czarische 
Majestat  jahrliche  Schatzung  bezahlen.  Das  Korn  ist  allda  so  gut  zu  kauffen  / 
dass  man  einen  Centner  oder  100  Teutsche  Pfund  Roggen  um  16  Cops  kaufet  / 
ingleichen  einen  Ochsen  fur  zwey  oder  dritthalb  Thaler  /  ein  ziemlich  grosses 
Schwein  fur  30  bis  35  Stiiber  so  etliche  Creutzer  betraget.  Der  Fluss  Irtis  ist 
so  fischreich  /  dass  man  einen  Stor  von  40  bis  50  Pfunden  um  5  bis  6  Cops 
oder  10  Kreutzer  kauft." 

Der  Verfasser  gibt  auch  eine  ziemlich  ausfuhrliche  Schilderung  des  in 
Sibirien  vorkommenden  Pelzwerks  ,, Zobel,  Hermelin  /  Ilthis,  Marder  / 
schwarze  und  weisse  Baren,  wilde  Katzen,  allerhand  schone  Fiichse  da  von 
absonderlich  die  schwarzen  und  die  Creutzfiichse  am  seltsamsten  /  sontsrn 
aber  nirgends  als  in  Chataia  zu  finden  sind  /  wie  denn  100  und  mehr  Reichs- 
thaler  fur  ein  Stuck  bezahlt  werden.  Ingleichen  wird  das  kostliche  graue 
Pelzwerk  /  welches  des  Sommers  und  des  Winters  einerlei  Farbe  behalt  /  auch 


HI-   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


hoch  gehalten.  Es  wird  dasselbe  bei  Turmen  gefangen  /  und  ist  bei  hoher 
Strafe  verboten  zu  denen  Kaufleuten  zu  versenden  /  sondern  es  muss  an  die 
zarische  Kammer  geliefert  werden."  Der  unbekannte  Verfasser  gibt  auch 
eine  ziemlich  gute  Beschreibung  des  Jagens  resp.  des  Fanges  der  Zobel, 
wobei  er  angibt,  dass  auch  Soldaten  damit  beschaftigt  werden,  und  zwar  ist 
jedes  dazu  bestimmte  Regiment  7  Jahre  lang  damit  beschaftigt.  Was  sie 
mehr  fangen  als  vorgeschrieben,  durften  sie  mit  den  Offizieren  teilen,  da  es 
leicht  geschiehet  /  dass  ein  Obrister  in  diesen  7  Jahren  4000  Thaler  ziehet. 
Ein  gemeiner  Soldat  wird  selten  mehr  als  6  oder  700  Thaler  davon  bringen. 

Es  gab  damals  in  Sibirien  sehr  viele  Biber,  von  denen  es  auch  ausfiihr- 
liche  Schilderungen  gibt,  wobei  es  aber  erheiternd  wirkt,  denn  er  schreibt: 
,,DieB  ist  gewiB  und  unleugbar  /  daB  einige  unter  den  Bibern  als  Sklaven 
dienen  miissen  /  welche  vor  denen  andern  daran  kentbar  sind  /  daB  sie  weit 
magerer  als  die  andern  /  und  ihre  Haare  von  so  vieler  Arbeit  ganz  diinn  und 
abgeschabt  seynd." 

Auch  beschreibt  er  die  russischen  Bisam  unter  dem  Namen  ,,Vichochol" 
und  die  Murmeltiere  unter  dem  Namen  ,,Zonricks".  Jeden  Zoologen  wird 
aber  die  Beschreibung  des  folgenden  Tieres  interessieren  : 

,,Die  Pertooshies  /  welches  Wort  einen  bedeutet  /  der  etwas  auf  seinem 
Rucken  traget  /  haben  ein  braun  und  gelblichtes  Fell  /  mit  weis  und  schwarz 
untermenget.  Das  Pelzwerk,  weil  es  weder  groB  noch  warm  ist,  wird  nicht 
hoch  geachtet.  Die  Perioshies  sollen  /  wie  berichtet  wird  /  die  Hermeline  und 
Eichhornlen  von  einem  Ufer  zu  dem  andern  auf  dem  Rucken  tragen  /  davon 
sie  auch  den  Namen  bekommen."  *) 

Auch  das  Walross-  und  Robbenfangen  an  der  Kiiste,  sowie  der  Handel 
mit  Mammutzahnen,  die  hauptsachlich  von  Jeneseisk  und  den  Ortschaften 
von  Jenesei  betrieben  worden,  waren  schon  damals  recht  bedeutend.  Tomsk 
war  der  Stiitzpunkt  des  Handels  mit  den  Bucharen  bis  und  nach  China,  und 
von  Krasnojask  aus,  das  eine  starke  Besatzung  hatte,  wurde  der  Handel  mit 
den  Kirgisen  betrieben.  Im  Jahre  1633  war  zur  Erleichterung  des  Pelzhandels 
die  Messe  zu  Jrbit  eingerichtet,  die  noch  heute  ihre  fuhrende  Bedeutung  fur 
den  Rauchwarenhandel  bewahrt  hat.  Im  Jahre  1643  entdeckte  der  Promy- 
schelnik  Pojarkoff  auf  einer  Pelzhandelsexpedition  den  Amur,  den  er  bis  zur 
Miindung  befuhr.  Den  Ruhm  der  Entdeckung  trug  aber  Khabaroff  davon, 
nach  dem  auch  die  jetzige  Hauptstadt  des  Amur  Provinz  Khabaroff  ka  genannt 
ist.  Er  erreichte  1650  von  der  Lena  aus  iiber  das  Stanawoi-Gebirge  das 
Amurtal,  folgte  dem  Lauf  des  Flusses  und  errichtete  langs  desselben  eine 
Anzahl  Forts  und  Handelsstationen,  Kumar  ky,  Bambulajew,  Atchunsk  und 
vor  allem  Albasin.  Die  mandschurische  Bevolkerung  vermochte  trotz  aller 
Tapferkeit  nur  geringen  Widerstand  zu  leisten,  gegeniiber  den  Geschiitzen 

*)  Anmerkung.  Noch  heute  existiert  unter  den  sibirischen  Stammen  die 
Legende,  dass  der  Perwitzky,  der  mit  diesem  Tier  gemeint  ist,  den  anderen  Tieren 
als  Fahrmann  dient. 


3.   Kapitcl.  137 


tmd  uberlegenen  Fcuerwaffen  der  Russen.  Immer  neue  russische  Abenteurer 
stromten  dem  Gebiet  zu,  wahrend  sich  die  russische  Regierung  auf  Ver- 
sprechung  von  Unterstiitzungen,  die  nie  eintrafen,  beschrankte  und  Ehren- 
zeichen  austeilte.  Bald  geriet  man  aber  in  Zusammenstoss  mit  den  Chinesen, 
und  40  Jahre  lang  wahrten  andauernd  die  erbittertsten  Kampfe.  China  sendete 
immer  wieder  neue  Kriegerscharen  den  Sungari  hinab  gegen  die  rothaarigen 
Barbaren.  Der  untere  Amur  wurde  bald  aufgegeben,  und  nur  vereinzelte  Raub- 
ziige  zu  Schiff  dorthin  unternommen.  Am  oberen  Amur  aberwurdenAlbasin  und 
Kamarskoi  OstrogMittelpunkt  bedeutender  Unternehmungen.  Da  aber  die  fried- 
liebende,  ackerbauende  Bevolkerung  durch  die  ziigellosen  Kosaken  und  Pro- 
myschleniks  teils  vernichtet,  teils  vertrieben  war,  mussten  die  Russen  selbst 
Ackerbau-Kolonien  anlegen'  1680  besass  Albasin  uber  1000  Dessjatnen  mit 
Korn  bestandenes  Land,  sowie  reiche  Kirchen  und  Kloster.  1658  war  Nerschinsk 
begriindet  worden  und  diente  als  Mittelpunkt  des  Handelsverkehrs  zwischen 
•dem  Amurgebiet  und  dem  Mutterland.  Die  eingehandelten  Pelzwaren  und 
Seidenstoffe  wurden  die  Schilka  hinab  zum  Baikalsee  und  von  da  aus  uber 
Irkutsk  und  Tobolsk  nach  Europa  geschafft.  1670  schickten  die  Chinesen 
•erne  Gesandtschaft  nach  Mpskau,  um  Beschwerde  uber  die  russischen  Raub- 
ziige  am  Sungari  zu  fuhren.  Da  dies  aber  nichts  half,  so  belagerten  sie  1680 
Kamarskoi  Ostrog.  Zwar  wurden  sie  zuriickgetrieben,  aber  die  vereinzelten 
Abteilungen  der  Russen  im  Lande  wurden  niedergemetzelt. 

Jetzt  schickte  der  Zar  Alexis  Michailowitsch  von  Nertschinsk  aus  eine 
Gesandtschaft  nach  Peking,  die  aber  aus  Ungeschicklichkeit  wenig  Erfolg 
hatte.  Die  Chinesen  belagerten  Albasien,  zwangen  dieses  zur  Kapitulation, 
zerstorten  das  Fort  und  fuhrten  die  Besatzung  gefangen  nach  Peking,  wo  ihre 
Nachkommen,  vollkommen  zu  Chinesen  ge worden,  noch  heute  wohnen. 
Wenige  Monate  darauf  erschienen  1600  Russen  am  Amur  und  bauten  Albasien 
wieder  auf.  1685  belagerte  eine  chinesische  Armee  von  10  ooo  Man  mit  100 
Feldgeschiitzen  und  40  Belagerungskanonen  das  Fort  aufs  neue.  Schliesslich 
war  die  Besatzung  unter  Fiihrung  ihres  tapferen  Obersten,  eines  Deutschen 
namens  Beiton,  auf  66  Mann  zusammengeschmolzen,  da  zogen  1687  die 
Chinesen  ab,  da  Friedensverhandlungen  begonnen  hatten.  Der  russische  Ge- 
standte  Golowin  war  1685  mit  einer  starken  Bedeckung  von  Moskau  aufge- 
brochen,  hatte  aber  erst  1687  Selengunsk  erreicht,  von  wo  aus  Boten  nach 
Peking  gesandt  wurden.  Erst  im  Juni  1689  gingen  die  chinesischen  Friedens- 
bevollmachtigten  von  Peking  ab  und  trafen  mit  einem  so  starken  Heere  in 
Nerschinsk  ein,  dass  Golowin  keine  sehr  giinstigen  Bedingungen  durchsetzen 
konnte.  Besonders  erschwerend  wirkte  auch  fur  sie,  dass  inzwischen  die  Ming- 
Dynastie  in  China  gestiirzt  war,  und  der  Mandschu  Kiang  Si  Kaiser  geworden  war. 

Die  Russen  mussten  das  Amurgebiet  raumen  und  verloren  auch  die 
Schiffahrt  auf  dem  Amur,  was  sich  bald  als  ausserst  hinderlich  fur  den  Handel 
mit  Kamschadka  und  Amerika  erweisen  sollte,  da  man  nun  auf  den  viel 
.umstandlicheren  Weg  uber  Ochotsk  allein  angewiesen  war.  Dagegen  wurde 


HI-    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


nun  ein  vollkommener  Handelsvertrag  geschlossen,  wonach  die  beiderseitigen 
Kaufleute,  sobald  sie  sich  mil  Passen  ihrer  Regierung  versehen  batten,  gegen- 
seitige  Handelsfreiheit  genossen.  Die  Vorteile  waren  fur  den  russiscben  Handel 
sehr  bedeutend,  und  Peter  der  Grosse  sandte  deshalb  1692  den  Hollander 
Isbrand  Ids  nach  Peking,  der  noch  weitere  Vorteile  fur  Russland  durchsetzte, 
unter  anderen  die  jahrliche  Sendung  von  Handelsvertretern  nach  Peking,  wo 
sie  auf  Kosten  des  Kaisers  von  China  ihren  Aufenthalt  nehmen  konnten.  Audi 
in  der  Mongolei  wurden  Jahrmarkte  errichtet,  auf  denen  russische  und  chine- 
sische  Kaufleute  zusammentrafen. 

Bald  aber  begannen  Streitigkeiten  und  Ubergriffe  der  Russen,  auch  in 
Peking  selbst,  so  class  1722  die  Russen  aus  China  und  der  Mongolei  auf  kaiser- 
lichen  Befehl  ganzlich  vertrieben  wurden.  1727  wurde  als  russischer  Gesandter 
der  Dalmatiner  Graf  Ragusinski  nach  Peking  gesandt,  und  es  gelang  ihm 
auch,  einen  neuen  Vertrag  abzuschliessen.  Die  russische  Grenze  wurde  weiter 
nach  Westen  und  Suden  gelegt,  eine  russische  Karawane  sollte  alle  3  Jahre 
nach  Peking  kommen  diirfen,  aber  nicht  mehr  als  aus  200  Personen  bestehen. 
Gleich  nach  ihrer  Ankunft  an  der  Grenze  sollte  sie  von  einem  chinesischen 
Beamten  abgeholt  und  nach  der  Hauptstadt  gebracht  werden,  wo  sie  vom  Kaiser 
von  China  freigehalten  wurde.  Dagegen  sollte  Privatpersonen  der  Handel  in 
China  und  der  Mongolei  untersagt  sein.  Hierfur  wurden  die  beiden  Grenz- 
stadte  Maimatchin  und  Kiachta  errichtet.  Diese  Karawanen  hatten  auch 
das  alleinige  Recht  der  Pelzeinfuhr  nach  China,  die  fiir  Rechnung  der  Krone 
geschah.  1755  horte  die  Karawane  infolge  von  Streitigkeiten  auf,  und  1762 
hob  die  Kaiserin  Katharina  das  Monopol  des  Pelzhandels  auf,  und  seit  dieser 
Zeit  datiert  der  Aufschwung  von  Kiachta. 

Eine  sehr  ausfuhrliche  Schilderung  einer  solchen  Karawanenreise  nach 
Peking  in  den  Jahren  1727/28  finden  wir  in  den  1781  vom  bekannten  Natur- 
forscher  Pallas  herausgegebenen  ,,  Neuen  nordischen  Beytraegen".  Der  Vize- 
gouverneur  von  Irkutsk  und  Regierungsagent  fiir  China,  Lorenz  Lange,  be- 
schreibt  seine  in  diesem  Jahre  zum  vierten  Male  unternommene  Reise  mit 
dem  Karawanenkommissar  Molokoff  und  41  Angestellten,  sowie  4  Schiilern 
zum  Erlernen  der  chinesischen  Sprache,  2  Korporalen  mit  18  Soldaten  und 
140  Fuhrknechten.  Die  Karawane  bestand  aus  475  Fuhren  Waren,  162  Fuhren 
Proviant  mit  1650  Pferden  und  565  Zugochsen.  Uber  Kiachta  durch  die 
Mongolei  und  Kalgan  wurde  nach  3  1/2  monatlicher  Reise  Peking  erreicht. 

Die  Karawane  wurde  gut  aufgenommen  und  durch  250  Soldaten  be- 
schutzt  und  amtlich  wurde  bekannt  gemacht,  dass  alle  chinesischen  Kaufleute 
mit  den  Russen  nicht  nur  Handel  treiben  diirften,  sondernsogarmussten.  Trotz- 
dem  ging  der  Pelzhandel  sehr  langsam  von  statten,  die  Chinesen  liessen  sich 
alle  Waren  vorzeigen  und  gingen  dann  wieder. 

Lange  schreibt:  am  7.  Jan.  kamen  wieder  einige  der  vorigen  Kaufleute 
ohne  einige  Lust  zu  Geschaften  zu  zeigen.  Ich  liess  ihnen  Tee,  Branntwein 
und  Konfekt  vorsetzen  und  fragte  sie,  ob  sie  das  Haus  etwa  zu  ihrem  Spazier- 


3.   Kapitcl. 139 


gang  zu  gebrauchen  sich  gewohnt,  oder  ob  sie  in  der  Absicht  so  oft  kamen, 
um  in  ordentlichen  Verkehr  mit  uns  zu  treten.  Ihre  Antwort  war,  dass  sie 
zwar  willens  waren,  mit  uns  zu  handeln,  das  Pelzwerk  ware  aber  jetzt  in  so 
schlechtem  Betrieb,  dass  sie  nicht  wussten,  was  sie  handeln  sollten. 

Gleichwohl  liessen  sie  sich  beim  Karawanenkommissar  einige  Kamt- 
schadkaische  Seeotter  und  Fiichse  vorzeigen  und  gingen,  ohne  etwas  zu  sagen, 
weg,  kamen  aber  am  8.  wieder  und  behaupteten,  die  vorgezeigten  Pelsereyen 
seien  verlegene  Ware  und  wenig  wert,  womit  sie  ohne  um  den  rechten  Preis 
zu  fragen,  wieder  weg  gingen. 

Am  10.  Januar  kaufte  ein  Chinese  250  Fuchspfoten  gegen  Silber  und 
war  also  unser  erster  Kaufer.  Sonst  pflegten  auch  der  chinesische  Hof  fur 
einige  tausend  Lahn*)  Silber,  schwarze  Fiichse  und  gute  Zobel  der  Karawane 
abzunehmen,  aber  diesmal  blieb  das  auch  aus. 

Auch  der  15.  Januar  verging  ohne  Kaufer.  Ich  dachte  also  mit  dem 
Karawanenkommissar  darauf,  wie  wir  uns  ein  paar  Makler  verschaffen 
mochten;  wir  sprachen  dariiber  mit  einem  in  Peking  von  russischen  Eltern 
geborenen  Jephim  Gusef,  der  sich  zu  diesem  Geschaft  willig  finden  liess,  und 
dem  es  an  Bekanntschaft  mit  den  besten  Kaufleuten  der  Stadt  nicht  fehlte. 
Er  verlangte  fur  jeden  durch  ihn  geschlossenen  Handel  ftinf  Prozent  Courtage, 
worein  wir  schon  willigen  und  ihm  versprechen  mussten,  niemand  etwas  von 
diesem  Kontrakt  zu  entdecken,  damit  nicht  die  Kaufleute  Wind  bekommen 
und  ihm  durch  die  Mandarinen  den  Eingang  zu  uns  zu  versperren  suchen 
mochten.  Der  Akkord  war  also  bloss  mit  Zuziehung  zweier  Faktoren  ge- 
schlossen.  Jephim  entdeckte  uns,  dass  einige  der  Kaufleute,  die  sich  bei  uns 
gezeigt  hatten,  schon  einiges  Silber  in  Vorrat  liegen,  aber  beschlossen  hatten, 
Waren  aus  dem  Innern  des  Reiches  abzuwarten,  um  vermittels  derselben, 
sonderlich  wenn  gegen  den  Friihling  das  Pelzwerk  wegen  Feuchtigkeit  und 
Gefahr  vor  Ungeziefer  uns  zur  Last  zu  werden  anfinge,  desto  vorteilhafter 
einzutauschen. 

Den  16.  wurden  drey  gemeine  Fuchsbalge  fur  Silber  verkauft  und  sonst 
ging  nichts  vor.  Den  17.  kam  gedachter  Jephim  mit  einem  reichen  Kaufmann 
zu  uns,  den  wir  noch  nicht  gesehen  hatten,  und  der  auch  mit  dem  Gesandt- 
schaftsgefolge  des  Grafen  Sawa  Wladislawitsch  durch  diesen  Makler  einige 
Handlung  gepflegt  hatte.  Dieser  trat  mit  uns  auf  alle  vorratige  kamtschat- 
kische  Seeottern  und  eine  Partie  weisser  Fiichse  in  Handel  und  versiegelte 
diese  Waren  bis  zum  5.  Februar,  an  welchem  Tage  seine  Zahlung  in  Silber 
und  Atlassen,  woven  er  Muster  hinterliess,  erfolgen  sollte. 

Den  25.  wurden  15  Fuchsbalge  von  verschiedener  Gute  verkauft.  Vom 
i.  bis  4.  Februar  ging  nichts  vor,  am  5.  aber  erschien  der  vorhin  erwahnte 
Kaufmann  und  nahm  nach  Abrede  die  kamschatkischen  Seeottern  und  Fiichse 


*)'  Unter  Lahn  1st  jedenfalls  Liang,   auch  Tael  genannt,    371/,  Gramm  Feinsilber 
zu  verstehen. 


140 


III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


in  Empfang.  Dies  war  also  unser  erster  guter  Handel,  der  in  Blocksilber  und 
Damasten  nach  dem  ordentlichen  Preise  den  Wert  von  9415  Lahn  Silber 
einbrachte  und  bei  unserer  bisherigen  schlechten  Verfassung  sehr  zu  statten 
kam.  Ich  habe  die  vorherigen  kleinen  und  diesen  ersten  ansehnlichen  Verkauf 
auch  nur  wegen  dieser  unserer  Verfassung  hier  mil  anfuhren  wollen.  Die 
ferneren  Handelsangelegenheiten  liess  ich  fortan  den  Karawanenkommissar 
allein  in  seine  Bucher  eintragen  und  will  hier  nur  die  anderen  wichtigeren 
Vorfalle  erwahnen." 

Kurz  vor  der  Abreise  kaufte  dann  noch  ein  chinesischer  Kaufmann  das 
gesamte  ,,Grauwerk",  liber  eine  Million  Felle,  doch  war  leider  der  Preis  nicht 
angegeben. 

Ein  Englander,  Coxo,  gibt  in  1783  veroffentlichte  ,,Entdeckungen  der 
Russen  zwischen  Asien  und  Amerika"  auch  eine  Beschreibung  des  Handels 
zwischen  Russen  und  Chinesen  in  Kiachta. 

Er  erwahnt,  dass  der  Handel  stets  Tauschhandel  sei,  da  die  Russen  kein 
Silber  ausfuhren  diirfen.  Die  Hauptausfuhr  bestande  aus  Pelzwerken  von 
Seefischottern,  Castors,  Fiichsen,  Wolfen,  Baren,  Lammern  aus  Bucharien, 
Lammern  aus  Astrachan,  Mardern,  Zobeln,  Hermelin  und'graue  Eichhornchen. 

Der  grosste  Teil  dieses  Pelzwerkes  kommt  aus  Sibirien  und  den  neu- 
entdeckten  Inseln,  aber  sie  sind  nicht  hinreichend,  den  Markt  von  Kiachta 
damit  zu  versehen.  Man  fiihrt  also  aus  fremden  Landern,  ausser  Petersburg 
Pelzwerk,  so  man  von  da  auf  die  Grenze  schicke.  England  allein  lief  ere  eine 
betrachtliche  Menge  Castorfelle  und  andere  Felle,  die  es  aus  der  Hudsonsbai 
und  aus  Kanada  zieht. 

Aus  England  kamen  nach  Petersburg  in  den  Jahren 

J775  46  460  Castorfelle  7  143  Fischotterfelle 

1776  27  700          „  12  086 

1777  27316          „  10703 

Der  Mittelpreis  der  schonsten  Castors  aus  der  Hudsonsbai  war  in  Peters- 
burg 70  bis  90  Rubel  fur  10  Felle,  der  von  geringeren  Sorten  und  die  schonsten 
Castors  aus  Kanada  50  bis  75  Rubel  fur  10  Felle,  die  kleinen  oder  jungen 
Castors  20  bis  35  Rubel.  Die  schonsten  Fischotterfelle  90  bis  100  Rubel,  die 
der  geringeren  Sorten  60  bis  80  Rubel. 

In  Kiachta  gilt  der  schonste  Castor  aus  der  Hudsonsbai  7  bis  20  Rubel 
das  Fell.  Die  schonsten  Fischottern  6  bis  35  Rubel.  England  schickt  auch 
bisweilen  schwarze  Fuchse  aus  Kanada  nach  Petersburg.  Sie  gelten  in  Kiachta 
i  bis  100  Rubel  das  Fell. 

Die  Gesamtausfuhr  der  russischen  Produkte  aus  Kiachta  nach  China 
betrug  1777  J  3I3  621  Rubel.  Die  Einfuhr  chinesischer  Waren:  Seide,  Tee, 
Baumwollstoffe,  rohe  Baumwolle,  Tiger-  und  Pantherf elle,  Koralle  ca.  2868333. 
Ausser  dem  findet  noch  ein  sehr  starker  Schmuggel  statt,  namentlich  in  ver- 
botener  Ware,  der  wohl  auf  acht  Millionen  Rubel  bewertet  wurde. 


3.  Kapitel. 141 


Pelzwerk  zahlt  eine  Taxe  von  23  Proz.  des  Wertes  und  ausserdem  noch 
7  Proz.  fur  die  Unterhaltung  der  Zollhauser.  Silber  kostete  damals  an  der 
sibirischen  Grenze  16  Rubel  pro  Pfund,  als  aber  durch  grosse  chinesische 
Ankaufe  von  Pferden,  Kamelen  etc.  in  Sibirien  wahrend  des  Kalmucken- 
krieges  viel  Silber  ins  Land  kam,  fiel  der  Preis  auf  8  Rubel. 

An  zweiter  SteUe  standen  die  schwarzen  Fiichse  und  Silberfuchse,  und 
machte  man  damals  bereits  einen  grossen  Unterschied  zwischen  den  Fellen, 
die  aus  dem  nordlichen  Sibirien  zwischen  Lena  und  Kolyma  kamen,  und 
denen  von  den  Inseln  zwischen  Asien  und  Amerika.  Die  letzteren  seien  zwar 
gross  und  gut  in  Farbe,  das  Haar  sei  aber  so  grob  wie  Wolfsfell.  Fur  diese 
Felle  zahlten  die  Chinesen  20  bis  30  Rubel,  wahrend  fur  die  sibirischen  mehr 
als  100  Rubel  bezahlt  warden.  Die  Blaufuchse  wurden  im  Kamtschatka  zu 
i — i  y2  Rubel  bezahlt,  in  Kiachta  aber  zu  %  bis  3  Rubel.  Die  roten  Fiichse 
kosten  in  Kamtschatka  80  Kopeken  bis  i  Rubel,  in  Kiacha  80  Kopeken  bis 
9  Rubel.  Wolfe  kosteten  dort,  die  gewohnlichen  2  Rubel,  die  feinen  8  bis 
16  Rubel.  Die  schonsten  Zobel  kosteten  in  Kamtschatka  2%  bis  10  Rubel. 

Ein  grosser  Handelsartikel  fur  China  waren  auch  Walrosszahne,  die  in 
Jakutsk  5  bis  10  Rubel  per  Pud  kosteten. 

Der  beruhmte  russische  Naturforscher  und  Reisende  Pallas  fiihrt  auch 
die  verschiedenen  Sorten  Pelzwerk  an,  die  aus  Kamtschatka  und  den  neu- 
entdeckten  Inseln  (Copper-  und  Behring-Irland,  Aleuten,  Kurilen  etc.)  nach 
Ochotsk  und  von  dort  nach  Kiachta  kommen.  An  die  Spitze  stellt  er  die  See- 
otter,  welche  die  Russen  Bobry  morsky,  Seebiber,  nennen.  Die  Weibchen 
wurden  Matka  genannt  und  die  Jungen,  welche  noch  nicht  5  Monat  alt, 
,,Mudwicki"  oder  ,,Barchen"  wegen  ihres  langhaarigen,  barenahnlichen  Felles. 
Nach  dem  Haarwechsel  heissen  sie  Kochloki. 

In  Kamtschatka  zahlte  man  damals  fur  das  schonste  Fell  30  bis  40  Rubel 
und  fur  mittlere  20  bis  30  Rubel,  die  schlechtesten  15  bis  25  Rubel.  In  Kiachta 
zahlte  man  fur  die  beiden  ersten  Sorten  80  bis  100,  fur  die  schlechten  30  bis 
40  Rubel. 

In  Europa  bezahlte  man  zur  damaligen  Zeit  nur  30  Rubel,  so  dass  viele 
Kaufleute  die  als  Tribut  nach  Moskau  gebrachten  Seeottern  vom  Zollamt 
kauften  und  nach  Kiachta  fuhrten.  Damals  war  eben  China  der  Hauptmarkt 
fur  diese  Artikel. 


III. 

Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

4.  Kapitel. 

Nach  dieser  Abschweifung  kehren  wir  wieder  zu  den  Fahrten  und  Ent- 
deckungen  der  Russen  an  der  Ostkiiste  Sibiriens  zuriick.  Ochotsk  hatte  ange- 
fangen,  grossere  Bedeutung  fur  den  Pelzhandel  zu  gewinnen  und  sollte  nun 
auch  zum  Ausgangspunkt  der  verschiedenen  See-Expeditionen  werden.  Wie 
wir  aber  bereits  sahen,  war  vorlaufig  in  Ochotsk  weder  ein  seetiichtiges  Fahr- 
zeug,  noch  seeerfahrene  Leute  zur  Bemannung  vorhanden.  Der  weiterhin 
mil  der  Organisation  betraute  Iwan  Sorokminow  kam  damit  nicht  zustande 
und  geriet  in  Streitigkeiten  mit  den  Lokalbehorden,  die  ihn  als  Gefangenen 
nach  Tobolsk  zuriicksandten.  Jetzt  befahl  Peter  der  Grosse,  der  sich  sehr  fiir 
die  Entwicklung  des  sibirischen  Handels  interessierte,  dass  geeignete  See- 
leute  aus  den  in  Sibirien  befindlichen  schwedischen  Kriegsgefangenen  aus- 
gewahlt  und  nach  Ochotsk  geschickt  werden  sollten,  was  1715  geschah.  Hier 
wurde  nun  von  dem  schwedischen  ehemaligen  Schiffszimmermann  Henrik 
Busch  eine  Lodje  erbaut,  50  Fuss  lang,  18  Fuss  breit  und  3  Fuss  Tiefgang. 
Hierin  segelte  der  Kosak  Sokolow  1716  direkt  nach  Kamtschatka,  wurde 
aber  hier  durch  Eis  zuriickgehalten  und  kehrte  erst  im  nachsten  Jahre  nach 
Ochotsk  zuriick.  Von  nun  an  wurde  die  Verbindung  mit  Kamtschatka  regel- 
massig  zur  See  unterhalten.  Anadyrsk  sank  von  seiner  Hohe  herab,  und 
Ochotsk  wurde  das  Handelsemporium  der  Kiiste.  Hier  wurden  zahlreiche 
andere  neue  Fahrzeuge  erbaut,  und  verschiedene  Forschungsexpeditionen 
unternommen,  darunter  z.  B.  die  Expeditionen  von  Tewrinoff  und  Hustein 
nach  den  Shantar-Inseln.  Im  Januar  1725  ordnete  Peter  der  Grosse  eine 
Forschungsexpedition  in  grossartigem  Stile  an  und  betraute  Admiral  Apraxin 
mit  der  Ausfiihrung.  Wenige  Tage  darauf  starb  er,  aber  die  Kaiserin  beschloss 
die  Ausfiihrung  im  Sinne  des  Verstorbenen.  Es  handelte  sich  um  eine  ganze 
Reihe  von  Expeditionen,  die  Jahrzehnte  lang  Sibirien  planmassig  durch- 
forschten,  und  deren  Resultate  bis  in  die  neueste  Zeit  fiir  die  Kenntnis  von 
Sibirien  massgebend  geblieben  sind.  Die  Namen  Behring,  Miiller,  Steller, 
Gmelin,  Sauer  etc.  gelten  noch  heute  als  leuchtende  Sterne  der  Wissenschaft. 

Als  erste  Expedition  nach  Kamtschatka  brach  der  Dane  Viktor  Behring 
mit  Morten  Spangberg  und  Alexei  Tokirikoff  im  Februar  1725  auf  und  er- 
reichte  nach  3  jahriger,  miihseliger  Reise,  da  man  alien  Proviant,  Schiffbau- 


4.   Kapitel. 143 


material  etc.  mitfuhrte,  1728  Nischny  Kamtschatka,  wo  mit  dem  Bau  eines 
Fahrzeuges  begonnen  wurde. 

Zwei  Fahrzeuge  nach  Art  der  russischen  Lodjen  wurden  erbaut,  die 
,,Fortuna"  und  der  ,, Gabriel".  Am  20.  Juli  1728  segelte  Behring  von  der 
Mundung  des  Kamtschatkaflusses  in  nordostlicher  Richtung  langs  der  Kiiste 
von  Kamtschatka  und  trat  auch  mit  den  damals  als  sehr  wild  und  blut- 
diirstig  geltenden  Tschuktschen  in  Verbindung.  Am  10.  August  wurde  die 
St.  Lorenz-Insel  zwischen  Amerika  und  Asien  entdeckt  und  gleich  darauf  die 
beide  Kontinente  trennende  Strasse  durchfahren,  die  spater  ihm  zu  Ehren 


Russische  Lodjen  in  Kamtschatka  erbaut. 

Behringstrasse  genannt  wurde,  obgleich  sie  eigentlich  schon  80  Jahre  friiher 
durch  Deschnew  entdeckt  war.  Diese  Entdeckung  war  aber  entweder  ver- 
gessen  oder  in  den  Kreisen  der  Geographen  iiberhaupt  nicht  naher  bekannt 
geworden.  Er  fuhr  langs  der  Kiiste  bis  zum  Cape  Serdze  Kamen,  von  wo  er 
am  15.  August  umkehrte,  da  seine  Aufgabe  gelost  sei,  und  eine  Uberwinterung 
an  der  unwirtlichen  Tschuktschenkuste  zu  gefahrlich  sei.  Er  uberwinterte 
in  Nischny  Kamtschatka  und  versuchte  im  nachsten  Jahre  das  Festland  von 
Amerika,  wovon  ihm  die  Tschuktschen  erzahlt  hatten,  zu  erreichen,  aber 
vergeblich.  Er  kehrte  nach  Ochotsk  zuriick  und  ging  von  dort  zur  Bericht- 
erstattung  nach  Petersburg,  wo  er  im  Marz  1730  ankam.  Von  irgend  welchen 
wirtschaftlichen  Resultaten,  besonders  fur  den  Pelzhandel,  wird  nichts  er- 
wahnt,  waren  doch  diesmal  zum  ersten  Male  die  rein-wissenschaftlichen  Inter- 
essen  in  den  Vordergrund  ge  tret  en. 


144 


III.   Geschichte  des  russischcn  Rauchwarenhandels . 


Die  Reise  Behrings  nach  Norden  sollte  zur  Unterwerfung  der  Tschuktschcn 
und  der  Storjaken  Anlass  geben.  Der  Hetmann  der  Jakutsky-Kosaken, 
Athanasius  Shestakoff,  wurde  auf  dem  Seewege  dorthin  gesandt,  wahrcnd 
Kapitan  Demetrius  Pavlusky  mil  400  Kosaken  auf  dem  Landwege  demselben 
Ziele  zustrebte.  Shestakoff  segelte  in  der  ,,Fortuna"  bis  zur  Penjinsky-Bucht; 
hier  strandete  das  Schiff,  und  in  einer  Schlacht  mit  den  Tschuktschen  wurde 
er  geschlagen  und  fiel  im  Kampfe.  Sein  Leutnant  Gwosdeff  erreichte  mit 
dem  Reste  der  Expedition  den  Anadyr,  hier  erhielt  er  Ordres  von  Pavlusky, 
nach  dem  Tschuktschen-Lande  zu  gehen.  Er  ging  nach  Szerdze,  wurde  abcr 
durch  einen  Sturm  nach  Osten  getrieben  und  erreichte  als  erster  von  Osten 
her  den  Kontinent  von  Amerika,  den  er  aber  nicht  betrat,  obgleich  er  mehrere 
Tage  lang  der  Kiiste  folgte. 

Behring  kam  jetzt  in  Begleitung  einer  Anzahl  Gelehrter  von  Petersburg 
zuriick,  da  der  Senat  der  Akademie  der  Wissenschaften  beschlossen  hatte, 
eine  sehr  umfassende  Forschungstatigkeit  zu  beginnen. 

Eine  ganze  Reihe  von  Expeditionen  fanden  langs  der  Eismeerkuste  statt. 
Zwei  Lodschen  unter  Leutnant  Paulow  erforschten  das  Gebiet  zwischen 
Archangel  und  Ob.  Eine  Expedition  vom  Ob  und  dem  Jenessei,  fur  welche 
Behring  in  Tobolsk  eine  Schaluppe  bauen  liess,  unter  Leutnant  Owzyn,  er- 
forschte  4  Jahre  lang  das  Gebiet.  Von  Jakutsk  aus  wurden  zwei  Schaluppen 
unter  Leutnant  Prontschusdeff  die  Lena  hinab  nach  dem  Jenissei  gesendet. 
Pronstischew  starb  in  Olenek,  und  wenige  Tage  darauf  folgte  ihm  seine  jungc 
Frau,  die  ihn  begleitete,  in  den  Tod.  Von  der  Lena  nach  Osten  zu  vcr- 
suchte  Dimitri  Lastew  vorzudringen.  Behring  selbst  sollte  die  Kiiste  Amerikas 
untersuchen.  Er  musste  diese  Fahrt  aber  vorlaufig  verschieben  durch  die 
Landung  eines  japanischen  Schiff es  in  Awatchabay  auf  Kamtschatka,  desscn 
Mannschaft  auf  Befehl  von  Andreas  Schtimikow  bis  auf  einige  Japaner  niedcr- 
gemetzelt,  und  die  Ladung  gepliindert  wurde.  Schtimikow  wurde  deshalb 
spater  in  Nischny  Kamtschatka  gehangt  und  die  Japaner  nach  Petersburg 
gesandt.  Es  war  dort  nun  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Nahe  Japans  gelenkt 
worden,  und  Behring  sollte  zunachst  dieses  Gebiet  erforschen.  Er  und 
Iwan  Wubery  untersuchten  um  1738  die  Kurilen-Inseln  undmachten  1739  eine 
erfolglose  Expedition  nach  Japan.  1740  waren  zwei  in  Ochotsk  erbaute  kleine 
Fahrzeuge,  ,,St.  Peter"  und  ,,St.  Paul",  fertig  ge worden;  zwei  bedeutende 
Naturforscher,  der  Deutsche  Wilhelm  Steller  und  der  Franzose  Louis  de  Lisle 
de  la  Croyere,  schlossen  sich  der  Expedition  an.  Man  iiberwinterte  zunachst 
in  der  Avatschabai,  wo  eine  Niederlassung  errichtet  wurde,  die  nach  den 
Schiff  en  den  Namen  Petropaulawsk  erhielt,  die  spatere  Hauptstadt  Kam- 
tschatkat.  Im  Friihjahr  1741  wurde  die  so  beriihmt  gewordene  Reise  ange- 
treten.  Behring  mit  Steller  im  ,,St.  Peter"  und  Chirikoff  mit  Croyere  im 
,,St.  Paul". 

Wahrend  eines  Sturmes  am  20.  Juni  wurden  beide  Schiffe  getrennt. 
Tschirokoff  bekam  am  26.  Juli  die  amerikanische  Kiiste  unter  dem  56.  Breite- 


4.  Kapitel.  145 


grade  zu  Gesicht.  Ein  Boot  mil  10  Bewaffneten  unter  dem  Steuermann 
Abraham  Dementiew  wurde  an  Land  geschickt,  kam  aber  nicht  zuriick,  und 
ein  gleiches  Schicksal  ereilte  ein  nachgesandtes  zweites  Boot.  Beide  Mann- 
schaften  waren  von  den  Indianern  niedergemetzelt  worden.  Tschirokoff 
segelte  nun  langs  der  amerikanischen  Kiiste  nach  Norden,  ohne  landen  zu 
konnen,  da  eben  beide  Boote  fehlten.  Es  entstand  Mangel  an  Trinkwasser 
und  Skorbut,  die  Geissel  der  Seefahrer  der  damaligen  Zeit,  brach  aus.  Nach 
grossen  Miihen  gelang  es  endlich,  Kamtschatka  wieder  zu  erreichen,  wobei  noch 
21  Mann  der  Besatzung  unter wegs  dem  Skorbut  erlagen.  Der  Naturforscher 
Isle  de  la  Croyere  starb  am  Tage,  als  er  an  Land  gebracht  werden  sollte. 

Auch  das  Schiff  Behrings  wurde  vom  Ungliick  verfolgt.  Die  Kiiste 
Amerikas  wurde  zwischen  dem  38.  und  59.  Grade  erreicht,  und  Steller  ent- 
deckte  hier  den  Vulkan  Elias,  bekanntlich  den  hochsten  Gipfel  Nordamerikas. 
Beim  Pelzhandel  mit  den  Eingeborenen  kam  es  zu  Streitigkeiten,  da  die 
Russen  ihnen  Schnaps  gereicht  hatten,  und  die  Indianer  glaubten,  man  wolle 
sie  vergiften.  Erst  einige  blinde  Schiisse  verschafften  den  Fremden  Luft. 
Spater  freilich  mundete  den  Amerikanern  das  ,,Feuerwasser"  nur  zu  gut. 
Bald  nach  der  Abfahrt  von  Amerika  brach  auch  auf  dem  ,,St.  Paul"  der 
Skorbut  aus,  von  dem  auch  Behring  selbst  ergriffen  wurde.  Monatelang 
trieb  das  Fahrzeug  im  Behringsmeer  umher,  bis  es  am  5.  November  an  der 
„ Behring- Insel"  durch  einen  Sturm  auf  die  Felsklippen  des  Strandes  geworfen 
wurde.  Es  gelang  zwar,  die  gesamte  Mannschaft  und  einen  Teil  des  Proviants 
zu  retten,  doch  starb  Behring  selbst  kurz  darauf  an  Skorbut.  Die  Mannschaft 
selbst  wurde  wahrend  der  Uberwinterung  in  diesem  unbewohnten  Lande  nur 
durch  die  Kenntnisse  des  deutschen  Naturforschers  Steller  am  Leben  erhalten. 
Ihm  verdanken  wir  auch  eine  eingehende  Schilderung  der  Reise  und  der  inter- 
essanten  Uberwinterung. 

Es  herrschte  ein  reiches  Tierleben  auf  der  Insel.  Zahlreiche  Fiichse, 
weisse  und  blaue,  hausten  in  den  Kluften.  Den  Strand  belebten  unzahlige 
Seeottern,  von  denen  die  Schiffbruchigen  uber  1000  toteten,  das  Fleisch  ver- 
zehrten  und  die  Felle  sorgfaltig  aufhoben.  Das  Fleisch  wurde  als  wohl- 
schmeckend  geruhmt,  wahrend  das  der  Fiichse  nicht  gegessen  wurde.  Diese 
letzteren  wurden  aber  trotzdem  in  grossen  Mengen  von  den  Schiffbruchigen 
erschlagen,  da  sie  sich  ungemein  lastig  machten.  Steller  schreibt  von  ihnen: 
,,Sie  drangten  sich  in  unsere  Wohnungen,  sowohl  bei  Tag,  als  bei  Nacht  ein, 
und  stahlen  alles,  was  sie  nur  fortbringen  konnten,  auch  Dinge,  die  ihnen 
gar  nichts  nutzten,  als  Messer,  Stocke,  Sacke,  Schuhe,  Striimpfe  etc.  Sie 
wussten  sich  so  unbegreiflich  kiinstlich  eine  Last  von  etlichen  Pud  von  unsern 
Proviantfassern  herabzuwalzen  und  das  Fleisch  daraus  zu  stehlen,  dass  wir  dies 
im  Anfang  kaum  ihnen  zuschreiben  konnten.  Wenn  wir  einem  Tier  das  Fell 
abzogen,  so  geschah  es  oft,  dass  wir  zwei  bis  drei  Stuck  Fiichse  dabei  mit 
Messern  erstachen,  weil  sie  uns  das  Fleisch  aus  den  Handen  reissen  wollten. 
Vergruben  wir  etwas  noch  so  gut,  und  beschwerten  es  mit  Steinen,  so  fanden 

10 


146  III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

sie  es  nicht  allein,  sondern  schoben  wie  Menschen  mit  den  Schultern  die  Steine 
weg  und  halfen,  unter  denselben  liegend,  einer  dem  andern  aus  alien  Kraften, 
verwahrten  wir  etwas  auf  einer  Saule  in  der  Luft,  so  untergruben  sie  die  Saule, 
dass  sie  umfallen  musste,  oder  einer  von  ihnen  kletterte  wie  ein  Affe  hinauf 
und  warf  das  darauf  Verwahrte  mit  unglaublicher  Geschicklichkeit  und  List 
herunter.  Warf  die  See  ein  Tier  aus,  so  verzehrten  sie  es,  ehe  noch  ein  Mensch 
dazu  kam,  zu  unserem  grossten  Nachteil,  und  konnten  sie  nicht  gleich  alles 
auffressen,  so  vergruben  sie  es  vor  uns  unter  Steine.  Dabei  standen  andere 
auf  Posten  und  beobachteten  der  Menschen  Ankunft.  Sahen  sie  von  feme 
jemand  kommen,  vereinigte  sich  der  ganze  Haufe  und  grub  gemeinschaftlich 
in  dem  Sand,  bis  sie  einen  Biber  oder  Seebaren  so  schon  unter  der  Erde  hatten, 
dass  man  keine  Spur  da  von  erkennen  konnte.  Zur  Nachtzeit,  wenn  wir  auf 
dem  Felde  schliefen,  zogen  sie  uns  die  Schlafmutzen  und  Handschuhe  unter 
den  Kopfen  und  die  Biberdecken  und  die  Haute  unter  dem  Leibe  weg.  Wenn 
wir  uns  auf  die  frisch  geschlagenen  Biber  legten,  so  frassen  sie  unter  dem 
Menschen  ihnen  das  Fleisch  und  die  Eingeweide  aus  dem  Leibe.  Wir  schliefen 
deshalb  allezeit  mit  Kniitteln  in  den  Handen,  damit  wir  sie  abtreiben  und  schla- 
gen  konnten.  Wo  wir  uns  auf  dem  Wege  niedersetzten,  da  warteten  sie  auf  uns, 
und  trieben  in  unserem  Angesicht  hunderterlei  Possen,  wurden  immer  frecher, 
und  wenn  wir  stille  sassen,  kamen  sie  so  nahe,  dass  sie  die  Riemen  von  unsern 
neumodischen,  selbstverfertigten  Schuhen,  ja  die  Schuhe  selbst  anfrassen. 
Legten  wir  uns,  als  ob  wir  schliefen,  so  berochen  sie  uns  bei  der  Nase,  ob  wir 
tot  oder  lebendig  seien;  hielt  man  den  Atem  an  sich,  so  zupften  sie  wohl  gar 
an  der  Nase  und  wollten  schon  anbeissen.  Bei  unserer  ersten  Ankunft  frassen 
sie  unseren  Toten,  wahrend  Gruben  fur  sie  gemacht  wurden,  die  Nase, 
Finger  und  Zehen  ab;  machten  sich  auch  wohl  gar  iiber  die  Schwachen  und 
Kranken  her,  dass  man  sie  kaum  abhalten  konnte.  Einem  Matrosen,  der  in 
der  Nacht,  auf  den  Knien  sitzend,  zur  Tiir  der  Hiitte  hinaus  harnen  wollte, 
haschte  ein  Fuchs  an  den  entblossten  Teil  und  wollte  seines  Schreiens  unge- 
achtet  nicht  loslassen.  Niemand  konnte  ohne  einen  Stock  in  der  Hand  seine 
Notdurft  verrichten,  und  die  Exkremente  frassen  sie  gleich  so  begierig  wie 
die  Schweine  oder  hungrigen  Hunde  weg.  Jeden  Morgen  sah  man  diese  unver- 
schamten  Tiere  unter  den  am  Strande  liegenden  Seelowen  und  Seebaren 
herumpatrouillieren  und  die  schlafenden  beriechen,  ob  nicht  Totes  darunter 
sei;  fanden  sie  ein  solches,  so  ging  es  gleich  an  ein  Zerfleischen,  und  man  sah 
sie  alle,  mit  Schleppen  bemuht.  Weil  auch  besonders  die  Seelowen  des  Nacht s 
im  Schlaf  ofters  ihre  Jungen  erdriicken,  so  untersuchten  sie,  dieses  Umstandes 
gleichsam  bewusst,  alle  Morgen  ihre  Her  den  Stuck  fur  Stuck  und  schleppten 
die  toten  Jungen  wie  Schinder  davon.  Weil  sie  uns  nun  weder  Tag  noch  Nacht 
ruhen  liessen,  so  wurden  wir  in  der  Tat  auf  sie  dergestalt  erbittert,  dass  wir 
jung  und  alt  totschlugen,  ihnen  alles  Herzeleid  antaten,  und  wo  wir  nur 
konnten,  sie  auf  die  grausamste  Art  marterten.  Wenn  wir  des  Morgens  vom 
Schlaf  erwachten,  lagen  immer  zwei  oder  drei  in  derJSFacht  Erschlagene  vor 


4.  Kapitel. 


unsern  Fiissen,  und  ich  kann  wohl  wiihrend  meines  Aufenthalts  auf  der  Insel 
auf  mich  allein  iiber  zweihundert  ermordete  Tiere  rechnen.  Den  dritten  Tag 
nach  meiner  Ankunft  erschlug  ich  binnen  drei  Stunden  iiber  siebenzig  mit 
einem  Beil,  aus  deren  Fellen  das  Dach  iiber  unsere  Hiitte  verfertigt  ward. 
Aufs  Fressen  waren  sie  so  begierig,  dass  man  ihnen  mit  der  einen  Hand  ein 
Stuck  Fleisch  vorhalten,  und  mit  der  andern  die  Axt  oder  den  Stock  fiihren 
konnte,  um  sie  zu  erschlagen.  Wir  legten  einen  Seehund  bin,  standen  mit 
einem  Stock  nur  zwei  Schritte  davon  und  machten  die  Augen  zu,  als  ob  wir 
sie  nicht  sahen :  bald  kamen  sie  angestiegen,  fingen  an  zu  fressen  und  wurden 
erschlagen,  ohne  dass  sich  die  andern  daran  hatten  spiegeln  und  entlaufen 
sollen.  Wir  gruben  ein  Loch  oder  Grab,  und  warfen  Fleisch  oder  ihre  toten 
Kameraden  hinein ;  ehe  man  sichs  versah,  war  die  ganze  Grube  voll,  da  wir 
dann  mit  Kniitteln  alles  erschlugen.  Wohl  ein  Drittel  der  Tiere  war  von  der 
wertvollen  blauen  Art."  - 

Sehr  interessant  sind  auch  die  Schilderungen,  die  Steller  von  den  See- 
ottern  gibt,  die  bei  ihrer  Landung  in  unglaublichen  Mengen  am  Strande  lagen. 
Anfanglich  waren  sie  ganz  zahm  und  zutraulich.  Bei  der  fortwahrenden  Ver- 
folgung  aber  wurden  sie  bald  sehr  scheu,  und  die  Russen  mussten  oft  50  Werst 
von  ihrer  Wohnstatte  entfernt  auf  die  Seeotterjagd  gehen,  um  sich  den  not- 
wendigen  Proviant  zu  verschaffen,  denn  das  Fleisch  der  Seeottern  erwies 
sich  als  bedeutend  wohlschmeckender,  als  das  Seehundfleisch.  Die  Seehunde 
waren  ausserdem  viel  scheuer  und  listiger.  Die  Russen  erschlugen  in  dem 
einen  Winter  iiber  1000  Seeottern,  verzehrten  das  Fleisch  und  nahmen  die 
meisten  Felle  mit  nach;  Kamtschatka. 

Steller  gibt  ein  sehr  anziehendes  Bild  vom  Leben  und  Treiben  der  See- 
otter,  doch  wiirde  es  zu  weit  fiihren,  hier  naher  darauf  einzugehen.  Ferner 
berichtet  er  iiber  die  Barenrobben  und  die  Seelowen.  Er  beobachtete  wohl 
als  erster  die  periodischen  Wanderungen  der  Seebaren  und  st elite  fest,  dass 
Ende  April  die  ersten  Mannchen  auf  der  Insel  ankamen,  denen  dann  spater 
die  andern  und  die  Weibchen  in  ungezahlten  Herden  nachfolgten.  Sie  be- 
deckten  den  Strand  so  dicht,  dass  man  einen  grossen  Umweg  iiber  die  Berge 
machen  musste,  um  an  ihnen  vorbeikommen  zu  konnen.  Doch  auch  damals 
schon  bevorzugten  sie  nur  ganz  bestimmte  Stellen  an  der  Siidseite  der  Insel, 
wo  sich  auch  noch  heute  die  ,,Rookeries"  befinden. 

Das  Fleisch  der  Barenrobben  bezeichnet  Steller  als  sehr  iibelschmeckend, 
wahrend  er  das  der  gleichfalls  in  grossen  Mengen  im  Mai  ankommenden  See- 
lowen sehr  riihmt,  doch,  wie  er  hinzusetzt,  ,,riiemand  wagte  sich  gern,  diese 
grimmigen  Tiere  zu  erlegen". 

Alle  anderen  bei  Kamtschatka  vorkommenden  Seehunde  traf  man  auch 
hier,  doch  waren  sie  sehr  scheu  und  schwer  zu  erlegen.  Am  meisten  Aufsehen 
erregte  aber  die  Entdeckung  der  nach  ihm  benanntcn  Stellerschen  Seekuh 
oder  des  Borkentiers,  die  auf  der  ganzen  Erde  nur  in  dieser  Gegend 
vorkam,  aber  hier  auch  gleich  in  ungeheuren  Scharen,  die  die  umgebenden 

10* 


148  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Tangwiesen  abweideten.  Fleisch  und  Fett  der  Seekuh  wurden  von  Steller 
ungemein  geriihmt.  Bald  nach  Riickkehr  der  Expedition  wurden  zahlreiche 
Fahrten  zum  Seekuhfang  unternommen,  und  den  harmlosen  und  gar  nicht 
scheuen,  riesigen  Tieren  dermassen  nachgestellt,  dass  innerhalb  30  Jahren 
auch  die  letzte  verschwunden  war.  Heute  wird  das  vollstandige  Skelett  einer 
Stellerschen  Seekuh  gern  mil  20  ooo  Mark  und  mehr  bezahlt.  Auch 
fehlte  es  auf  der  Insel  nicht  an  Seevogeln,  der  en  Fleisch  und  Eier  gegessen 
wurden,  und  an  einem  reichen  Pflanzenwuchs  und  Beeren,  essbaren  Wurzeln 
und  allerhand  Salaten,  welche  den  Skorbut,  die  Geissel  des  Nordens,  von  den 
Schiffbrlichigen  fernhielten  und  auch  anderen,  die  krank  ans  Land  gebracht 
waren,  das  Leben  retteten.  Der  Winter  wurde  in  Erdhiitten  verbracht. 

Im  Friihjahr  begann  man  aus  den  Trummern  des  Wracks  und  der  an 
Land  gezogenen  beschadigten  Barkasse  ein  neues  Fahrzeug  zubauen,  das  36  Fuss 
in  der  Wasserlinie  und  42  Fuss  iiber  Deck  lang.  Am  n.  August  war  dasselbe 
endlich  vollendet.  Der  Proviant,  hauptsachlich  aus  gesalzenem  Seekuh-  und 
Seeotterfleisch  und  Fett,  sowie  noch  einigen  Resten  von  prbsen  und  Roggen- 
mehl  bestehend,  wurde  an  Bord  gebracht,  und  am  14.  August  verliess  man  die 
Insel.  Am  18.  August  erreichte  man  dar\n  gliicklich  unter  der  geschickten 
Fiihrung  des  Schiffsleutnants  Waxel  die  Kiiste  von  Kamtschatka  und  am 
27.  August  den  Hafen  Petropawlark. 

Die  Uberlebenden  der  Expedition  hatten  iibrigens  fur  all  die  ausgestan- 
denen  Leiden  schlechten  Lohn.  Man  hatte  sie  alle  fur  tot  gehalten  und  ihre 
Habseligkeiten  verschwendet.  Der  Gouverneur  von  Petropawlask  hielt  es 
nicht  einmal  der  Miihe  fur  wert,  ihre  Riickkehr  mit  dem  nachsten  Regierungs- 
schiffe  anzuzeigen.  Dagegen  machte  er  eine  Anzeige  gegen  Steller,  der  den 
Winter  bei  seiner  Familie  in  Baltersk  auf  Kamtschatka  verbracht  hatte,  bei 
der  Regierung  in  Irkutsk,  und  Steller  wurde  zur  Untersuchung  dorthin  be- 
fohlen.  Er  wurde  zwar  freigesprochen  und  ihm  die  Erlaubnis  erteilt,  nach 
lyuropa  zu  reisen,  aber  in  der  Nahe  des  Urals  erreichte  ihn  ein  expresser  Bote, 
der  ihn  zur  Umkehr  aufforderte.  Kurz  vor  Irkutsk  traf  dann  ein  anderer 
Expressbote  ein,  der  den  Befehl  widerrief  und  die  Erlaubnis  zur  Riickreise 
nach  Europa  brachte.  Er  war  auch  bereits  bis  in  die  Nahe  von  Moskau  ge- 
kommen,  als  ihn  ein  neuer  Befehl  erreichte,  umzukehren  und  zwar  unter  Be- 
wachung. 

Diesen  fortwahrenden  Schikanen  und  den  unaufhorlichen  Beschwerden,. 
dem  ziellosen  Umherreisen  in  den  Einoden  Sibiriens,  war  auch  die  Kraft 
dieses  riesenstarken  Mannes  nicht  gewachsen.  Er  starb  in  Tjumen  am  23.  No- 
vember 1746,  nach  der  einen  Version  an  einem  Fieber,  das  er  sich  auf  der 
Reise  zugezogen,  nach  einer  anderen,  indem  er  im  Schlitten  erfror.  Er  hatte 
nur  ein  Alter  von  37  Jahren  erreicht,  und  bildet  sein  Tod,  nachdem  er  soviel 
fur  die  Wissenschaft  geleistet,  und  auch  ihm  allein  die  Rettang  der  ganzen 
Expedition  zu  verdanken  ist,  ein  Schandfleck  der  Entdeckungsgeschichte 
mehr  fur  die  daran  so  reiche  russische  Bureaukratie. 


4.   Kapitel. 


Die  Nachricht  von  dem  ungeheuren  Reichtum  an  Pelztieren  auf  der 
Behringinsel  gab  neuen  Anlass  zu  zahlreichen  Expeditionen  nach  dem  neu- 
•entdeckten  Eldorado  der  Pelzjager  oder  Promyschleniks. 

1747  bis  1748  brachte  der  Pelzjager  Chododilew  1481  Blaufuchse  imd 
400  Seeottern  von  der  Insel  mit,  und  im  Jahre  darauf  wurden  von  anderen 
Promyschleniks  1000  Seeottern  und  2000  Blaufuchse  gebracht.  1751  bis 
1755  fing  Ingor  dort  zirka  800  Seeottern,  6800  blaue  und  200  weisse  Fuchse, 
•sowie  3000  Seebaren. 

Die  Blaufuchse  waren  iibrigens  bald  ausgerottet  und  nur  weisse  Fuchse 
mehr  vorhanden.  Auch  diese  sind  he  ate  viel  seltener  geworden.  Auch  die 
andere  der  Kommodore-Inseln,  die  ,,Kupfer-Insel",  wurde  bald  darauf  in 
den  Kreis  der  Opera tionen  gezogen  und  erhielt  ihren  Namen  von  einem  dort 
entdeckten  Lager  gediegenen  Kupfers.  1755  wurde  der  Hiittenverwalter 
Peter  Tarowief  dorthin  zur  Untersuchung  gesendet,  erklarte  aber  die  Mine 
fur  nicht  mehr  abbauwiirdig  und  erwahnt  auch  den  Reichtum  an  Pelztieren, 
namentlich  Seeottern,  Seelowen,  Seebaren  und  Fiichsen,  der  noch  grosser 
sei  als  auf  der  Behring-Insel. 

Er  berichtete  iibrigens  in  seinem  Tagebuch,  dass  die  Seekiihe  schon  jetzt 
von  der  Copper-Insel  vertrieben  seien,  da  jede  Fangexpedition  die  leicht  er- 
legbaren  Tiere  zur  Vervollstandigung  ihres  Proviants  jagte.  Von  den  riesigen 
Scharen,  die  zur  Zeit  der  Entdeckung  1741  die  Tangwiesen  der  Behringsee 
.abweideten,  waren  jetzt,  14  Jahre  spater,  nur  wenige  Exemplare  vorhanden. 
Tarowief  rnachte  sogar  den  fur  jene  Zeit  ganz  ausserordentlichen  Versuch,  die 
Jetzten  Reste  dieser  merkwiirdigen  Tiere  zu  retten,  indem  er  noch  im  November 
1755  ein  Gesuch  an  die  Behorden  in  Kamtschatka  richtete,  die  Seekuhjagd 
durch  ein  Gesetz  zu  ordnen  und  ihre  Ausrottung  zu  vermeiden.  Aber  es  war 
schon  zu  spat,  1768  wurde  die  letzte  Seekuh  aaf  Behrin  glsland  erlegt. 
Ubrigens  ist  es  selbst  in  unserem  aufgeklarten  naturwissenschaftlichen  Zeit- 
•alter  nicht  moglich  gewesen,  Massregeln  durchzusetzen,  welche  den  fur  den 
Pelzhandel  so  wichtigen,  wertvollen  Seeotter  vor  dem  Untergang  bewahren 
konnten.  In  wenigen  Jahrzehnten  wird  der  Seeotter  das  Schicksal  der  Steller- 
schen  Seekuh  geteilt  haben.  Gleich  nach  Riickkehr  der  Behringschen  Ex- 
pedition fingen  die  Promyschleniks  und  Kaufleute  von  Ochotsk  und  von 
Kamtschatka  an,  die  neuentdeckten  Gegenden  fur  den  Pelzhandel  auszu- 
nutzen.  Kamtschatka  selbst  lieferte  damals  noch  verhaltnismassig  wenig 
Pelzwerk.  Der  jahrliche  Jassak  oder  Tribut  war  auf  278  Zobel,  464  rote 
Fuchse,  50  grosse  Seeottern  und  30  kleine  desgleichen  festgesetzt;.  Alles  aus 
Kamtschatka  ausgefuhrte  Pelzwerk  musste  ausserdem  eine  Abgabe  von 
10  Proz.  zahlen. 

Auch  von  den  aus  den  neuentdeckten  Inseln  gewonnenen  Rauchwaren 
musste  der  zehnte  Teil  an  die  Zollhauser  Kamtschatkas  oder  Ochotsk  abge- 
liefert  werden.  Ubrigens  kam  jahrlich  einmal  ein  der  russiscben  Krone  ge- 
horiges  Schiff  von  Ochotsk  nach  Petropawlowsk  und  brachte  dorthin  Ge- 


150  HI-   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

treide,  Lebensmittel  und  russische  Industrie-Erzeugnisse  und  nahm  als  Riick- 
fracht  die  gesammelten  Pelzwaren  mit. 

Von  den  Kaufleuten  aus  Irkutsk,  Ochotsk  und  verschiedenen  anderen 
Handelsplatzen  Sibiriens,  ja  selbst  aus  dem  fernen  Tobolsk  beteiligten  sich 
viele  an  Fangexpeditionen  und  Entdeckungsreisen  in  dem  Gebiete  zwischen 
Sibirien  und  Amerika,  die  sich  namentlich  nach  den  verschiedenen  Inseln 
richteten,  die  man  zu  entdecken  wiinschte,  und  wo  man  eine  reiche  Ausbeute 
erhoffte. 

Die  Kaufleute  bildeten  kleine  Gesellschaften,  welche  die  notigen  Schiffe 
gemeinschaftlich  ausriisteten.  Coxe  hat  uns  eine  genaue  Beschreibung  dieser 
Expeditionen  iiberliefert,  und  entnehme  ich  seinem  1780  erschienenen  Werke 
die  folgende  Schilderung:  ,,Die  meisten  zu  diesen  Unternehmungen  bestimmten 
Schiffe  fiihren  zwei  Mastbaume;  sie  sind  auf  die  gewohnliche  Art  ohne  Eisen 
gebaut  und  uberhaupt  so  schlecht,  dass  man  es  kaum  begreifen  kann,  wie  sie 
so  sturmischen  Meeren  Trotz  bieten  konnen.  Man  nennt  sie  in  russischer 
Sprache  Sitiki  oder  Schiffe,  deren  Uberzug  genaht  ist,  und  wirklich  sind  alle 
Teile  mit  Riemen  von  Leder  zusammengesetzt.  Einige  derselben  werden  an 
dem  Flusse  Kamtschatka,  die  meisten  aber  an  dem  Hafen  von  Ochotsk  gebaut. 
Die  grossten  haben  70  Mann  Schiffsvolk  und  die  kleinsten  40,  wovon  die  eine 
Halfte  Russen  und  die  andere  Kamtschatken.  Da  man  den  Kamtschatken 
weniger  gibt,  so  nimmt  man  sie  aus  Sparsamkeitsrucksichten.  Ubrigens 
widerstehen  sie  den  Unf alien  des  Scharbocks  (Skorbut)  ^ichter.  Aber  die 
moskowitischen  Matrosen  sind  verwegener  zu  gefahrlichen  Unternehmungen 
und  in  den  Gefahren  selbst  kann  man  sich  mehr  auf  sie  verlassen.  Sie  sind 
also  zu  diesen  Reisen  notwendig.  Die  Kosten  fur  den  Bau  und  an  Ausriistung 
sind  sehr  betrachtlich,  denn  Ochotsk  liefert  nur  das  Holz;  das  Tauwerk,  das 
Segelwerk  und  den  Mundvorrat  muss  man  auf  Pferden  aus  Jakutsk  kommen 
lassen.  Die  Teuerung  des  Kornes  und  der  Getreidearten,  welche  man  aus  den 
Gegenden  am  Flusse  Lena  zu  ziehen  genotigt  ist,  erlaubt  nicht,  so  viel  davon 
einzuschiffen,  als  zu  diesen  Reisen,  welche  zwei  bis  drei  Jahre  lang  dauern, 
erforderlich  ware.  Man  begniigt  sich  also  damit,  dass  man  die  Schiffe  mit 
dem  Notwendigsten  versieht,  damit  die  russischen  Matrosen  immer  Quas  oder 
ein  anderes  gegorenes  Getrank  haben.  An  Vieh  ist  in  Ochotsk  und  Kam- 
tschatka Mangel.  Auf  der  ganzen  Halbinsel  war  en  1772  nur  570  Stuck  Vieh. 
Das  Pfund  frisches  Rindfleisch  kostet  dort  deshalb  auch  12  Kopeken,  wahrend 
man  in  Moskau  nur  3  Kopeken  zahlt.  Das  Schiffsvolk  aber  macht  sich  deshalb 
einen  Vorrat  an  vierfussigen  Seetieren  oder  Fischen,  die  auf  der  Insel  Behring, 
wo  die  meisten  Schiffe  iiberwintern,  gefangen  und  eingesalzen  werden.  Die 
Ausriistungskosten  fur  ein  solches  Schiff  belaufen  sich  gewohnlich  auf  15  bis 
20  ooo  Rubel  und  zuweilen  bis  auf  30  ooo.  Diese  Summe  wird  in  Aktien  ver- 
teilt,  bestehend  aus  30  bis  50  Aktien,  jede  zu  300  bis  500  Rubel.  Die  Gefahren 
sind  sehr  gross,  denn  es  ereignen  sich  ofter  Schiffbriiche  in  dem  sturmischen 
und  felsenvollen  Meere  von  Kamtschatka;  ubrigens  wird  das  Schiffsvolk  oft 


4.  Kapitel. 


von  den  Insulanern  iiberfallen  und  umgebracht,  welche  noch  iiberdies  die 
Schiffe  zugrunde  richten.  Hingegen  1st  der  Gewinn  solcher  Unternehmungen 
sehr  betrachtlich  und  gleicht  gewissermassen  die  entstandenen  Verluste  im 
ganzen  aus,  denn  wenn  ein  Schiff  nach  einer  gliicklichen  Fahrt  zuruckkommt, 
so  ist  der  nach  einer  mittelmassigen  Taxe  berechnete  Gewinn  hundert  Prozent 
und  oft  noch  einmal  so  viel;  und  wenn  eine  zweite  Reise  stattfindet,  so  ver- 
mindert  solches  die  Kosten  des  Einsatzes  und  folglich  der  Aktien." 

Man  kann  sich  von  diesem  Gewinn  einen  Begriff  machen,  wenn  man 
nachpriift,  was  der  Verkauf  einer  reichen  Ladung  von  Pelzwerk  gebracht  hat. 
So  kehrte  am  2.  Juni  1772  ein  Schiff,  das  aus  den  neuentdeckten  Inseln  kam 
und  dem  Iwan  Pozoff  zugehorte,  reichbeladen  heim  und  wurde  nach  Kam- 
tschatka  gebracht.  Nach  Abzug  des  im  Zollhause  weggenommenen 
zehnten  Teils  des  Pelzwerks  brachte  jede  der  55  Aktien  20  Seeottern, 
16  schwarze  und  braune  Fiichse,  10  rote  Fiichse,  3  Otterschwanze  ein;  alle 
diese  Portionen  wurden  sogleich  fur  800 — 1000  Rubel  verkauft;  also  war  die 
ganze  Ladung  ungefahr  50  ooo  Rubel  wert. 

Die  Landung  auf  der  Behring-Insel  war  iibrigens  damals  durchaus  nicht 
ungefahrlich. 

Im  Oktober  1748  scheiterte  das  Schiff  des  Pelzhandlers  Iwan  Shilkin 
aus  Anadyrsk  an  der  felsigen  Kiiste  dieser  Insel.  Aus  dem  Rest  der  Trummer 
des  Behringschen  Schif fes  und  angetriebenem  Schwemmholz  wurde  eine  kleine 
Schaluppe  erbaut  und  ,,Capito"  benannt.  Im  Fruhjahr  fuhr  die  Mannschaft 
unter  Fuhrung  von  Simeon  Novikoff  nach  Copper  Island  und  von  da  nach 
Kamtschatka. 

Im  gleichen  Jahre  waren  zwei  Schiffe  vom  Kamtschatkaflusse  mit  Er- 
laubnis  der  Regierung  auf  Seeotterjagd  gefahren.  Das  eine,  dem  Feodor 
Cholodiloff  und  den  Andreas  Tolstyk  &  Co.  gehorig,  mit  41  Russen  und 
6  Kosaken  besetzt,  uberwinterte  auf  der  Behring-Insel  und  brachte  von  dort 
250  alte,  150  junge  Seeottern  und  148  Blaufuchse  zuriick. 

Ein  gleichzeitig  ausgelaufenes  Schiff,  dem  Andreas  Wsewidoff  gehorig, 
erreichte  die  Aleut  en  und  erbeutete  dort  1040  Seeottern  und  2000  blaue  Fiichse. 

1750  erhielt  Almolian  Jupoff  —  ein  Kaufmann  von  Jakutsk  —  vcm 
Petersburger  Senat  die  Erlaubnis,  vier  Schiffe  fur  seine  und  seiner  Teilnehmer 
Rechnung  auszuriisten  und  wahrend  der  Zeit  dieser  Expedition  sogar  das 
Monopol  der  Seeotterjagd  auf  der  Behrings-  und  der  Kupfer-Insel.  Hierfur 
sollte  er  den  zehnten  Teil  alles  gewonnenen  Pelzwerks  an  die  Krone  abliefern 
und  einige  Marineoffiziere  an  Bord  nehmen;  er  segelte  aber  ohne  diese  in  der 
Schaluppe  „  Johann  von  Bolocharesk"  ab,  weshalb  nach  seiner  Riickkehr  das 
Schiff  mit  seiner  Ladung  von  785  alten,  35  jungen  Seeottern,  447  sealskin, 
2000  blauen,  1765  schwarzen  und  3300  roten  nordischen  Fiichsen  beschlag- 
nahmt  wurde.  Alle  diese  Tiere  waren  auf  der  Behring- und  Kupfer-Insel gefangen, 
auf  welch  letzterer  Jupoff  gestorben  war.  Die  Kaiserin  hob  indessen  auf  Ein- 
gabe  der  geschadigten  Aktionare  die  Konfiskation  wieder  auf. 


152  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Die  Aleuten  erwiesen  sich  jetzt  als  sehr  ergiebiger  Fundort.  Nikiphor 
Trapesnikoff  erhielt  1750  die  Erlaubnis,  ein  Schiff  ,, Boris  und  Glebb"  dorthin 
zu  senden,  wofiir  ausser  etwaigem  Tribut  noch  10  Proz.  der  Pelzausbeute  an 
das  Zollhaus  abzuliefern  war  en. 

Der  Kosak  Sila  Shaffyrin  segelte  ab,  um  den  Tribut  einzufordern,  der 
auch  von  einer  Anzahl  Aleuten  entrichtet  wurde.  Der  ,, Boris  Glebb"  brachte 
nach  dreijahriger  Fahrt  1920  Seeottern  mit,  worunter  320  allererster  Sorte. 

Auch  Andreas  Tolstyk  ging  wieder  dort  bin,  erbeutete  auf  Behring- 
Insel  nur  47  Seeottern,  aber  fing  auf  einer  der  Aleuten-Insel  1662  alte  und 
119  junge  Seeottern  nebst  720  blauen  Fiichsen  und  840  jungen  Sealskin. 

Das  Schiff  ,, Simeon  und  Johann"  wurde  von  einem  russischen  Handler 
Ribenskoy  ausgeriistet  und  mit  14  russischen  Jagern  und  30  Kamtschadalen 
unter  dem  Kosaken  Worobieff  zu  neuen  Entdeckungen  nach  den  Aleuten 
entsendet.  Es  wurde  aber  an  einer  oden  Insel  an  den  Strand  geworfen.  Man 
erbaute  aus  den  Trummern  eine  Art  Prahm  und  kam  mit  820  Seeottern,  1900 
Blaufiichsen,  5700  grossen  und  1310  kleinen  Seebaren  nach  Kamtschatka  zuriick. 

1754  wurde  von  Nikiphor  Trapesnikoff  das  Schiff  ,,Der  heilige  Nicolas" 
ausgesendet,  welches  unter  Anfiihrung  des  Kosaken  Kodwin  Durneff  zu  den 
bereits  bekannten  zwei  eine  dritte  aleutisch  Insel  entdeckte. 

Sie  fingen  2300  Seeottern  und  tauschten  ausserdem  noch  732  andere 
von  den  Eingeborenen  ein. 

1752  erlitt  ein  weiteres  Fahrzeug  unter  Fiihrung  des  Handlers  Alexis 
Drusmin  auf  Behring-Insel  Schiff  bruch,  und  von  den  Trummern  wurde  die 
kleine  Schaluppe  ,,  Abraham"  gebaut. 

Man  hatte  wahrend  des  Winters  5  Seeottern,  1222  Blaufuchse  und  2500 
Seebaren  getotet.  Von  hier  aus  wollte  man  nach  den  Aleuten  segeln,  da  aber 
der  Wind  fur  das  kleine  Schiff  zu  stark  war,  schloss  sich  Drusimin  an  die 
Expedition  des  ,,Heiligen  Nicolas"  an  und  beendigte  die  Expedition  mit 
grossem  Gewinn.  Im  Jahre  1753  segelten  die  drei  Schiffe  nach  den  Aleuten, 
eins  wurde  von  Cholodileff,  ein  zweites  von  Serebrankoff  und  das  dritte  von 
I  wan  Krassilinkoff  ausgeriistet. 

Das  erste  erbeutete  auf  den  Aleuten  1600  Seeottern,  das  zweite  scheiterte, 
und  die  Mannschaft  erreichte  nach  schwerem  Ungemach  auf  einer  kleinen,  aus 
den  Schiffstrummern  erbauten  Schaluppe  ,, Peter  und  Paul"  mit  nur  140  Wal- 
rosszahnen  Kamtschatka. 

Auch  das  Schiff  des  Krassilnikoff  scheiterte  auf  der  Kupfer-Insel.  Wahrend 
des  Uberwinterns  erlagen  eine  Anzahl  der  Mannschaft  verschiedenen  Ungliicks- 
fallen.  Man  totete  aber  noch  153  Seeottern  und  1390  Blaufuchse  und  gelangte 
im  Fruhjahr  in  zwei  Booten  nach  der  Behring-Insel,  von  wo  aus  man  mit  der 
Pelzausbeute  auf  anderen  russischen  Schiffen  Kamtschatka  erreichte. 

Im  September  1756  segelte  das  Schiff  ,, Andreas  Natalie"  von  Andreas 
Tolstyk  aus  Selenginsk,  damals  der  reichste  Pelzhandler  der  Kiiste,  ausge- 
riistet, mit  58  Mann  Besatzung  von  Kamtschatka  aus. 


4.  Kapitel. 


Man  iiberwinterte  auf  der  Behring-Insel,  wo  aber  jetzt  iiberhaupt  kcine 
Seeotter  mehr  zu  finden  war.  Als  Proviant  wurden  Seekiihe  und  Seelowen 
erlegt. 

Im  darauffolgenden  Sommer  wurde  die  Insel  Attaku,  ciner  der  Aleuten, 
erreicht.  Den  Russen  gelang  es,  durch  das  Geschenk  eines  Kupferkessels  und 
eines  .Tuchmantels  das  Oberhaupt  der  Insel  zur  Tributzahlung  zu  veranlassen. 
Auch  begleiteten  drei  Weiber  und  ein  Junge  die  Expedition  zuriick,  um  die 
russische  Sprache  zu  erlernen.  Man  schenkte  auch  den  Eingeborenen  Netze 
zum  Seeotterfang.  Dieses  Fahrzeug  brachte  5030  Seeottern,  1040  Blaufuchse 
und  330  ,,Mewedki"  oder  ganz  junge  Seeottern  mit.  Eine  Expedition,  welche 
der  Kaufmann  Iwan  Shilkin  mit  der  kleinen  Schaluppe  ,,Capito"  1757  aus- 
sandte,  verlief  sehr  unglucklich.  Die  Mannschaft  geriet  mit  den  Eingeborenen 
vielfach  in  Kampf,  wobei  beiderseits  mehrere  Tote  blieben.  Ausserdem  stran- 
dete  das  Schiff  an  einer  Insel,  die  Russen  mussten  sich  von  Muscheln  und 
Wurzeln  nahren,  wobei  17  Mann  verhungerten.  Der  Rest  wurde  nur  durch 
das  An-Land-treiben  eines  toten  Walfisches  gerettet. 

Nachdem  sie  einen  zweiten  Winter  dort  zugebracht  batten  und  630  See- 
ottern erlegten,  gingen  sie  in  einer  von  den  Trummern  erbauten  Schaluppe 
wieder  in  See.  Aber  auch  diese  strandete,  ohne  dass  etwas  von  der  Ladung 
geborgen  werden  konnte.  Die  Uberlebenden  wurden  dann  von  dem  Schiff 
des  Serebrankoff  aufgenommen  und  1761  auf  Kamtschatka  gelandet. 

1758  riisteten  die  Kaufleute  Simeon  Krassilnikoff  und  Nikophor  Tra- 
pesnikoff  zwei  Schiffe  zur  Seeotterjagd  aus,  den  ,,Sankt  Wladimir"  und  den 
„  Gabriel",  welche  die  Fuchsinseln  entdeckten,  hier  aber  in  Kampfe  mit  den 
Eingeborenen  gerieten,  deren  Tochter  und  Weiber  sie  wegschleppten.  Wegen 
zahlreicher  gegen  die  Insulaner  veriibter  Grausamkeiten  wurde  spater  der 
Befehlshaber  Puschkareff  in  Kamtschatka  angeklagt.  Die  Ausbeute  bestand 
bei  dem  ,, Wladimir"  aus  900  Seeottern,  400  roten,  grauen  und  schwarzen 
Fiichsen  und  12  Pud  Walrosszahnen.  Auf  dem  ,,Gabriel"  erbeutete  man 
900  Seeottern  und  350  Fiichse.  Es  folgten  jetzt  eine  Reihe  von  Expeditionen, 
die  die  Inseln  an  der  amerikanischen  Kiiste  der  russischen  Botmassigkeit 
unterwarfen,  doch  kamen  auch  viel  Falle  von  Zusammenstossen  mit  den  Ein- 
geborenen vor.  Namentlich  auf  Unalaschka  waren  verschiedene  soldier 
Kampfe,  die  durchaus  nicht  immer  mit  dem  .Siege  der  Russen  endigten. 
Trotzdem  wurden  die  Fahrten  dorthin  immer  zahlreicher,  da  auf  Copper- 
und  Behring-Insel  die  Seeottern  immer  seltener  wurden;  so  erbeutete  1762 
Korowin  dort  nur  20.  Seeottern  neben  500  nordischen  Fiichsen.  Er  liefert 
iibrigens  eine  genaue  Beschreibung  der  Inseln  siidlich  von  Unalaschka,  wo 
er  schwere  Kampfe  .mit  den  Eingeborenen  hatte. 

1762  erreichte  Stephan  Glottoff  auf  dem  Schiff  „ Andreas  und  Natalie" 
als  erster  Kadiak  bei  Alaska  und  konnte  nach  heftigen  Kampfen  Frieden  mit 
den  Eingeborenen  schliessen  und  einen  lebhaften  Pelzhandel  eroffnen.  Glottofl 
erwahnt  unter  den  dort  vorkommenden  Tieren  Hermelin,  Zobel,  Biber,  Fisch- 


154  m«   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

ottern,  Wolfe,  Wildschweine  (?)  und  Baren,  die  auf  den  Aleuten  nicht  vor- 
kommen. Der  auf  Kadiak  lebende  Bar  1st  bekanntlich  der  grosste,  den  es  iiber- 
haupt  gibt.  Das  Vorkommen  der  Wildschweine  beruht  aber  jeden falls  auf  einem 
Irrtum.  Er  brachte  eine  sehr  reiche  Ladung  an  Pelzwerk  nach  Kamtschatka 
zuriick.  Die  Fuchsinseln  haben  ihren  Namen  von  der  grossen  Anzahl  der 
schwarzen,  grauen  und  roten  Fiichse,  die  dort  vorkommen.  Schon  Glottoff 
beobachtete,  dass  sie  viel  grober  als  die  sibirischen  sind  und  viel  groberes 
Haar  haben. 

Die  Expedition  des  Iwan  Popoff  in  einer  Schaluppe  und  des  Otcheridnikoff 
in  dem  in  Ochotsk  erbauten  Schiffe  ,,St.  Paul"  hatten  keinerlei  Zusammen- 
stosse  mit  den  Insulanern. 

Der  ,,St.  Paul"  brachte  630  Seeottern,  656  Schwarzfiichse  (soil  wohl 
heissen  Blaufiichse,  Anmerk.  d.  Verf.)  I.  Qualitat,  100  weisse  und  1250  Rot- 
fiichse  nach  Kamtschatka.  Popoff  s  Ausbeute  war  noch  bedeutender.  Alle  diese 
Expeditionen  waren  nur  im  Interesse  des  Pelzhandels  von  Handlern  unter- 
nommen.  Erst  1768  wurde  die  Galiote  ,,Heilige  Katharina"  unter  Kapitan 
Kremitzin,  begleitet  von  dem  Leutnant  Levasheff  in  einem  kleinen  Fahrzeug 
,,St.  Paul",  von  der  russischen  Regierung  zu  einer  Entdeckungsfahrt  nach 
der  amerikanischen  Kuste  entsandt. 

Ebenso  war  1766  der  Leutnant  Syud  nach  Amerika  entsandt.  Er  ent- 
deckte  auch  drei  der  Tschuktschen  Halbinsel  gegeniiberliegende  Inseln  bei 
Alaska  und  besuchte  auch  die  an  der  Behringstrasse  liegenden  kleinen  Inseln. 
Er  stellte  auch  fest,  dass  die  Tschuktschen  in  ihren  offenen  Lederbooten  mit 
Hilfe  dieser  Inseln  iiber  die  Meerenge  nach  dem  Festlande  von  Amerika 
rudern  und  hier  Pelzwerk,  namentlich  zusammengenahte  Falle  des  ameri- 
kanischen Zobels,  von  den  dortigen  Eingeborenen  einhandeln,  die  sie  dann  an 
die  Russen  verhandeln. 

Im  Jahre  1772  sandte  der  Kaufmann  Alexei  Cholodiloff  von  Ochotsk 
aus  das  Schiff  ,,St.  Michael"  unter  Fiihrung  des  Dmitrei  Bragin  nach  den 
neuentdeckten  Landern  in  der  nordostlichen  See,  um  auf  See-  und  Landtiere 
zu  jagen.  63  Mann  bildeten  die  Besatzung.  Nachdem,  wie  iiblich,  der  Proviant 
auf  der  Behring-Insel  durch  Jagd  erganzt  war,  wurde  Unalaschka  angelaufen 
und  von  hier  aus  wurden  Jagdpartien  nach  den  benachbarten  Inseln  aus- 
gesendet.  Bragin  fiihrt  an,  dass  auf  alien  diesen  Inseln  zahlreiche  Fiichse  von 
alien  Farben  vorkommen,  sowie  Robben,  aber  keine  Seerobben. 

Auf  Kadjak  gab  es  ausser  den  Fiichsen  noch  viele  Baren,  Fischottern, 
Hermelin-  und  Murmeltiere;  dagegen  kommen  auf  den  Inseln  siidwestlich 
von  Unalaschaka  auch  Seeottern  haufig  vor. 

Auf  der  Reise  erhielt  man  als  Tribut  79  grosse  und  15  junge  Seeottern, 
3  Schwarzfiichse,  16  Silberfuchse,  23  Kreuzfiichse  (schwarzriickige)  und  6  Rot- 
fiichse.  Durch  Jagd  und  Tausch  erbeutete  man  180  grosse  und  220  junge 
Seeottern,  1517  Biber,  319  schwarze  und  Silberfuchse,  431  graubriistige, 
198  Rotfiichse,  901  Blaufiichse  und  1430  Sealskin. 


4-  Kapitel. 


Im  Jahre  1770  richtete  auch  der  Gewehrfabrikant  Asanassei  Orechoff 
aus  Tula  mit  Wassili  Schilkoff  von  Ustschuk  und  Iwan  Lapin  aus  Julikamsk 
ein  Schiff,  den  ,,St.  Paul",  in  Ochotsk  ein  unter  Kommando  von  Iwan 
Soloiwef  aus  Tobolsk. 

Die  Besatzung  bestand  auf  71  Russen,  Kamtschadalen  und  Jakuten. 
Man  blieb  4  Jahre  lang  weg  und  besuchte  die  verschiedenen  Inseln  an  der 
Kiiste  von  Alaska  und  Alaska  selbst.  Die  Besatzung  litt  viel  an  Skorbut  und 
hatte  auch  Kampfe  mit  den  Eingeborenen,  so  dass  bei  der  Riickkehr  nur  noch 

39  Mann  am  Leben  waren.    Die  Regierung  erhielt  89  Seeottern,  104  Schwarz- 
fucb.se,  56  Kreuzfiichse,  8  Rotfiichse,  wahrend  die  Reeder  1833  Seeottern, 

40  Schwarzfiichse,  10  Blaufuchse  und  1304  Rotfiichse  erhielten. 

Der  gute  Erfolg  veranlasste  den  Orechoff  und  seinen  Associe,  im  Jahre 
1772  eine  vierte  Expedition  auszuriisten.  Es  war  dies  das  in  Ochotsk  erbaute 
Fahrzeug  ,,St.  Wladimir"  unter  Befehl  des  Steuermanns  Saikoff.  Neben  ihm 
waren  noch  ein  Peredofschik  oder  Anfiihrer  der  Jager,  57  Russen  und  10  Ja- 
kuten an  Bord. 

Uberwintert  wurde,  wie  iiblich,  auf  der  Kupferinsel,  wo  der  Proviant 
erganzt  wurde  und  auch  eine  Anzahl  Lederboote  nach  Eskimoart,  sogenannte 
Baidaren,  angefertigt  wurden. 

Der  Reichtum  an  Seesaugetieren  war  hier  noch  immer  ungemein  reich. 
Schon  damals  war  die  Kupferinsel  die  Heimat  der  einen  grossen  Sealherde, 
die  sich  dort  vom  Mai  bis  November  aufhielt.  Die  Seelowen  verlassen  die 
Tnsel  gleichfalls  im  November,  wahrend  die  damals  noch  sehr  zahlreichen 
Seeottern  auf  der  Insel  uberwinterten.  Das  Fell  war  im  Oktober  am  besten, 
und  das  Fleich  wurde  von  alien  russischen  Seefahrern  sehr  gelobt,  bildet  ge- 
trocknet  auch  den  Hauptteil  des  Reiseproviants,  seitdem  die  Seekiihe  ver- 
schwunden  waren. 

Von  hier  aus  wurde  dann  1773  die  Reise  nach  Alaska  und  den  aleutischen 
Inseln  angetreten. 

Von  den  Eingeborenen  wurden  Felle  gegen  Korallen,  Glasperlen,  Kupfer- 
kessel,  Tabak  und  Kleidungsstiicke  eingetauscht. 

Als  neues  Tauschmittel  fuhrte  Saikoff  Katzenfelle  ein,  die  von  den  Aleuten 
gern  genommen  wurden,  und  gegen  Polarftichse  und  Seeottern  umgetauscht 
wurden.  Heut  diirfte  das  wohl  auch  in  den  entlegensten  Gegenden  etwas 
schwer  fallen.  An  verschiedenen  Punkten  wurden  Abteilungen  von  Jagern 
zuriickgelassen,  die  Seeottern,  Seebaren,  Wolfe,  Fiichse,  Fischottern,  Viel- 
frasse,  Baren  etc.  erbeuteten. 

An  der  Kiiste  Alaska  bildete  auch  damals  der  Lachsfang  neben  der  Jagd 
eine  der  Hauptbeschaftigungen  der  Eingeborenen. 

Erst  1776  kehrte  Saikoff  nach  Ochotsk  zuriick,  nachdem  er  auf  der  Reise 
12  Mann  verloren  hatte,  was  der  Chronist  als  ein  besonders  giinstiges  Er- 
gebnis  hervorhebt.  Ausser  dem  Tribut  fur  die  Krone  brachte  Saikoff  fur  seine 
Reeder  zuriick:  3836  Seeottern,  2874  Seeotterschwanze,  583  junge  Seeottern, 


156  III.   Geschichte  des  russischen  Ranch warenhandels. 

549  Silberfiichse,  1099  Kreuzfiichse,  1204  Rotfuchse,  1104  Blaufiichse,  92  Fisch- 
ottern,  i  Vielfrass,  3  Wolfe,  1750  Sealskin  und  370  Pfund  Walrosszahne. 

Jetzt  begannen  ubrigens  auch  die  Spanier  den  Gegenden  nordlich  von 
ihrer  sehr  vernachlassigten  Kolonie  Kalifornien  ihre  Aufmerksamkeit  zuzu- 
wenden. 

Im  Jahre  1775  wurde  eine  Expedition  ausgesandt,  um  die  nordlichen 
Gegenden  in  Besitz  zu  nehmen.  Es  waren  die  Fregatte  ,,San  Carlo"  unter 
Eefehl  des  Don  Bruno Heiceto,  .das  Paketboot  ,,Mexicano"  unter  dem  Leutnant 
Juan  de  Ayala  und  die  Kgl.  Galiote  ,,Sonora"  unter  Kapitan  Don  Juan 
Francisco  de  la  Bodega  y  Quadre;  als  Abgangshafen  diente  San  Bias  in  Mexiko. 

Es  wurden  eine  Reihe  von  Hafen  beruhrt  und  im  Namen  des  Konigs  in 
Besitz  genommen,  und  zwar  bis  zum  58.  Grad  nordlicher  Breite.  Krankheiten 
aller  Art  und  der  schlechte  Zustand  der  Fahrzeuge  notigte  dann  zur  Umkehr. 

Die  Result  ate  der  Reise  wurden  zwar  verofientlicht,  doch  hat  sich  in  der 
Folge  niemand  um  die  Besitzergreifung  seitens  Spaniens  bekummert. 


III. 
Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

5.  Kapitel. 

Die  vielen  blutigen  Zusammenstosse,  welche  die  russischen  Pelzjager- 
Expeditionen  mit  den  Eingeborenen  auf  den  Aleuten,  Kurilen  und  Alaska 
hatten  und  die  vielen  Klagen,  die  einliefen,  veranlasste  die  russische  Krone 
1769,  das  Gebiet  offiziell  in  Besitz  zu  nehmen,  urn  dem  wiisten  Treiben  ein 
Ende  zu  machen. 

1781  vereinigten  sich  die  beiden  grossten  Pelzhandler  von  Ochotsk, 
Iwan  Golikoff  und  Gregor  Schelikoff,  sowie  der  Tulaer  Gewehrfabrikant 
Orechof  und  mehrere  andere  Handler  zu  einer  Gesellschaft.  Schelikoff  ging 
1783  mit  drei  in  Ochotsk  erbauten  Gallioten  nach  Amerika. 

Die  Schiffe  hiessen  ,,Die  3  Kirchenlehrer",  ,,Simion",  ,,Anna  und 
St.  Michael".  Schelikoff  war  dabei  von  seiner  Frau  begleitet,  die  erste  weisse 
Dame,  welche  diese  wilden  Kusten  betrat. 

Diese  Expedition  war  die  starkste,  die  bis  jefzt  nach  der  amerikanischen 
Westkiiste  aufgebrochen  war,  denn  es  waren  192  Mann  Besatzung  an  Bord 
der  drei  Fahrzeuge.  Aber  sie  war  auch  die  folgenschwerste,  denn  mit  Scheli- 
koffs  Eintritt  in  die  russisch-amerikanischen  Handelsbeziehungen  begann  eine 
ganz  neue  Epoche.  Schelikoff  war  ein  Organisator  ersten  Ranges,  von  weitem 
Blick,  der  auch  an  kaufmannischer  Begabung  weit  uber  die  andern  Promy- 
schlenik  hervorragte.  Er  erkannte  zuerst  die  Bedeutung  fester  Stiitzpunkte  in 
dem  neuen  Gebiete  statt  der  langen  Jagdfahrten  und  besehloss,  'dort  Forts 
zu  errichten,  die  erstens  den  Handel  auf  eine  regelmassige  Basis  bringen 
wiirden  und  ausserdem  den  kriegerischen  Eingeborenen  Respekt  einflossen, 
ja  sie  allmahlich  unterjochen  wiirden. 

Seinem  Geiste  schwebte  wohl  auch  schon  die  gewaltige  Handelsgesellschaft 
vor,  die  unter  seiner  Leitung  dort  die  Herrschaft  ausiiben  wiirde.  Er  hat  uns 
iiber  die  erste  Reise  einen  sehr  ausfuhrlichen  Bericht  hinterlassen,  dem  zu 
entnehmen  ist,  dass  um  diese  Zeit  1783  auf  Behring  Island  bereits  die  Jagd 
voriiber  war.  Ausser  einigen  weissen  Fiichsen  gab  es  nichts  mehr,  sowohl 
Seekiihe  wie  Seeottern  waren  verschwunden,  nur  Seebaren  und  Seelowen  gab 
es  dort  noch  in  beschrankter  Zahl,  und  man  war  gezwungen,  sich  von  See- 
fischen,  Wildgefliigel  und  essbaren  Wurzeln  zu  nahren. 


158  III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Auf  den  Aleuten  kam  er  mit  den  Eingeborenen  in  Konflikt,  aber  als  der 
erste,  der  die  Bedeutung  der  Eingeborenen  fur  die  Kolonie  erkannte,  suchte 
er  alle  Blutvergiessen  zu  vermeiden  und  benutzte  seine  Artillerie  nur,  um  die 
Angreifer  zu  erschrecken.  Auf  der  Insel  Kadiak  errichtete  er  die  erste  Festung, 
nachdem  er  einen  Angriff  von  1000  in  Booten  kommenden  ,,Konagern"  abge- 
wehrt,  sie  dann  unterworfen  und  beim  Fort  angesiedelt  hatte.  Er  gewann  sie 
auch  durch  vorzugliche  Behandlung  ganzlich  fur  seine  Interessen.  Ein  weiteres 
Fort  errichtete  er  am  Kap  M.  Elias  auf  dem  Festlande,  wo  er  5  Russen  und 
1000  Mann  der  nun  eng  befreundeten  und  unterworfenen  Konagern  als  Be- 
satzung  zuriickliess.  Auch  auf  den  Inseln  Afagnek  und  Schuject  errichtete  er 
feste  Platze,  die  er  mit  30  Russen  und  70  angeworbenen  Aleuten  besetzte. 

Zwei  seiner  Fahrzeuge  benutzte  er  zu  regelmassigen  Erforschugs- 
reisen  an  der  Kiiste  und  nach  der  Behringstrasse,  wahrend  er  selbst  im  Herbst 
1786  nach  Ochotsk  zuriickkehrte.  In  Petropawlowsk  traf  er  iibrigens  ein 
englisches  Schiff  der  ostindischen  Kompanie,  das  erste,  das  in  diese  hohe 
Breiten  gelangt  war.  Seine  Bemannung  bestand  aus  70  Arabern,  Indiern  und 
Chinesen  und  hatte  ausser  Kapitan  Peters,  dem  Kommandanten,  noch  drei 
englische  und  einen  portugiesischen  Offizier  an  Bord. 

Schelikof f  kauf te  ihnen  fiir  6661  Rubel  Waren  ab  und  schloss  einen  Vertrag 
ab,  dahingehend,  dass  die  Ostindische  Kompanie  in  regelmassigen  Zwischen- 
raumen  ein  Schiff  senden  wollte.  Auch  wurde  gleich  verabredet,  welche  Waren 
sie  mitbringen  und  welche  Pelze  dafur  empfangen  sollte  und  zu  welchen  Preisen. 
Er  erwahnt  iibrigens  noch,  dass  er  die  erstandenen  englischen  Waren  bereits 
gleich  in  Bolscheresk  mit  50  Proz.  Nutzen  verkauft  habe.  -  -  Unter  grossen 
Beschwerden  reiste  er  dann  liber  Ochotsk,  Jakutsk  nach  Irkutsk,  wobei  er 
aber  auch  erwahnt,  dass  die  Russen  damals  grosse  Miihe  hatten,  zwischen 
denKorjaken  und  Tschuktschen,  die  beide  sehr  wild  und  kriegerisch  waren, 
Ordnung  zu  halten,  doch  war  der  Pelzhandel  um  diese  Zeit  schon  in  ganz 
regelmassigen  Bahnen.  Es  gelang  ihm  in  Irkutsk  nun,  eine  grosse  Gesellschaft, 
die  amerikanische  Kompanie,  zu  begriinden,  an  deren  Spitze  Iwan  Golikoff 
neben  Gregor  Schelikof  f  trat.  Der  Hauptsitz  der  Gesellschaft  wurde  nach  der 
Insel  Kadiak  verlegt,  wo  der  Grieche  Delaref  als  Bevollmachtigter  das  Kom- 
mando  fuhrte,  und  wo  mehrere  grosse  Forts  errichtet  wurden. 

Schelikoff  erhielt  von  der  Kaiserin  in  den  neuentdeckten  Gebieten  ein 
Handelsmonopol  und  zugleich  den  Auftrag,  moglichst  viel  neue  Inseln  zu 
entdecken  und  die  Insulaner  sowohl  unter  russische  Botmassigkeit  zu  bringen, 
als  auch  moglichst  viel  von  der  amerikanischen  Kiiste  durch  Aufpflanzen  des 
russischen  Wappens  fiir  das  Reich  in  Besitz  zu  nehmen.  Im  Auftrage  Schelikof fs 
entsandte  daher  Delaraff  1788  die  Galiote  ,,Die  drei  Kirchenlehrer"  unter 
Kommando  der  Steuerleute  Ismanloff  und  Botsdorf  mit  40  russischen  Arbeitern 
und  zwei  eingeborenen  Aleuten  und  vier  Konager  (von  Kadiak)  als  Dolmetscher 
an  Bord  und  gab  ihm  auch  5  Kupfertafeln  und  5  russische  Wappen  mit,  die 
der  Generalgouverneur  von  Irkutsk  zu  diesem  Zweck  geschickt  hatte. 


5.  Kapitel. 


259 


Die  Galiote  verliess  am  30.  April  1788  den  Hafen  von  Kadiak  und  segelte 
nach  dem  Tschuktschen  Meerbusen.  Mil  den  Tschuktschen  auf  den  Inseln 
am  Kap  St.  Elias  traten  sie  zunachst  in  Verbindung.  Man  erhielt  eine  Anzahl 
Biber-  und  Fischotterfelle  and  bezahlte  fiir  die  ersteren  8  bis  9  Schnuren 
Schmelzperlen,  fiir  ein  Otterfell  und  fiir  Biberschwanze  je  5  Korallen. 

An  geeigneter  Stelle  am  Festlande  am  Nootka-Sund  wurde  auch  durch  Auf- 
stellen  eines  Kreuzers  und  Befestigung  einer  der  mitgenommenen  Kupferplatten 
mit  der  Inschrift  ,,Russisch  Kaiserliches  Gebiet"  vom  Lande  Besitz  ergriffen. 


Tschuktschen  und  Eskimos  auf  den  Inseln  in  der  Behringstrasse  Felle  austauschend. 

Die  Kiiste  und  Inseln  wurden  iibrigens  genau  untersucht,  auf  ihre  Land- 
verhaltnisse,  Fischreichtum  etc.  gepriift  und  mit  den  Tschuktschen  Verhand- 
lungen  angekniipft.  Die  Kupferplatten,  welche  die  Besitzergreifung  dokumen- 
tierten,  wurden  meist  an  hervorragende  Hauptlinge  oder  sonstige  angesehene 
Eingeborene  verteilt,  daeszuriskanterschien,  sieimFreien  aufzustellen,  denn 
bei  dem  im  Lande  herrschenden  Mangel  an  Metall  rissen  die  zu  Besuch  an 
Bord  kommenden  Eingeborenen  sogar  die  Bretter  vom  Bord  los,  nur  urn  die 
darin  steckenden  Nagel  zu  bekommen. 

Es  wird  auch  genau  iiber  die  Fauna  des  Landes  berichtet,  und  erwahnt 
Ismailof  zum  ersten  Male,  dass  hier  zwei  Barenarten,  braune  und  schwarze, 
vorkommen,  ebenso  drei  Fuchsarten,  rote,  graue  und  schwarze.  Ausserdem 
werden  Marder,  Fischotter,  Vielfrasse,  Wiesel,  Biber,  Eichhornchen,  Hermelm 
und  Hirsche  erwahnt.  Hier  finden  wir  auch  die  erste  Erwahnung  von  im 
Innern  des  Landes  vorkommenden  wilden  Schafen  mit  langem,  weissen 
Fliesse,  woven  Felle  an  Bord  gebracht  wurden.  (Es  handelt  sich  augenschem- 


l6o  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

lich  um  die  amerikanische  Wollziege  ,,Aploceros  montana".)  In  der  See 
finden  sich  zahlreiche  Seeottern.  Seelowen.  Seebaren  und  Seehunde,  sowie 
Walfische,  auf  welche  die  Eingeborenen  in  ihren  aus  Leder  gefertigten 
Baidaren  mit  Bogen  und  Pfeilen,  sowie  Harpunen  eifrig  Jagd  machten. 
Auch  der  Reichtum  an  Fischen  wird  erwahnt,  in  der  See  hauptsachlich 
riesige  Heilbutten,  in  den  Fliissen  Scharen  von  drei  verschiedenen  Lachs- 
arten.  Ebenso  fiel  den  Beobachtern  die  Fiille  von  See-,  Sumpf-  und  Wasser- 
vogeln  auf. 

Mit  grosstem  Interesse  studierte  man  genau  die  Sitten  und  Gebrauche  der 
Eingeborenen,  deren  Kleidung  vorwiegend  aus  Biber-,  Zobel-,  Vielfrass-  und 
Murmelfellen  bestand.  Obgleich  bisherkein  europaisches  Schiff  hierhergekom- 
men  war,  trafen  die  Russen  bereits  europaische  Handelsartikel  an,  namentlich 
schienen  farbige  Baumwollstoffe  recht  beliebt  zu  sein.  Viele  der  von  der  Expe- 
dition angegebenen  eingeborenen  Ortsnamen  sind  heut  nicht  mehr  zu  identifi- 
zieren,  doch  scheinen  die  Fiihrer  ihre  Aufgabe,  die  Gegend  genau  zu  erforschen, 
recht  ernst  genommen  zu  haben.  Am  15.  August  gelangte  das  Fahrzeug 
wieder  nach  Kadiak  zuriick.  Pelareff  ubernahm  dasselbe  wieder  und  schickte 
es  im  Friihjahr  1789  mit  dem  gesammelten  Pelzwerk  der  Kompanie  beladen, 
nach  Ochotsk,  wo  man  am  6.  Oktober  ankam. 

Die  Tagebiicher,  der  Reisebericht  und  die  aufgenommenen  K  art  en  wurden 
dem  Leiter  der  Gesellschaft,  Herrn  Shelikow,  ubergeben,  der  sie  auch  der 
Regierung  mitteilte. 

Man  hatte  iibrigens  eine  sehr  reiche  Pelzladung  an  Bord,  darunter  allein 
3000  Seeottern,  die  Delareff  in  Cooks  Inlet  gesammelt  hatte. 

In  Ochotsk  herrschte  bei  Ankunft  der  ,,Drei  Kirchenlehrer"  grosse  Auf- 
regung.  Viele  wichtige  Nachrichten  waren  von  verschiedenen  Seiten  dort  ein- 
getroffen.  Die  Angestellten  der  Shelikow-Kompanie,  Lebadoff  Latoschkin 
und  Gerasim  Pribiloff,  hatten  die  Inseln  St.  Paul  und  St.  George  entdeckt, 
mit  ihrem  ungeheuren  Reichtum  an  Sealskin,  Seeottern,  Silberfuchsen  etc. 
Die  Inselgruppe  wurde  zwar  von  ihrem  Entdecker  die  Suboff-Inseln  genannt, 
heisst  aber  noch  heutigen  Tages  nach  ihm  selbst  die  Pribiloff-Gruppe. 

Von  Shelikoff  war  Nachricht  eingetroffen,  dass  er  und  Golikoff  Me- 
daillen  sowie  das  Portrat  der  Kaiserin  Katharina  fur  ihre  Entdeckungen 
erhalten  hatten,  und  was  ihrem  praktischen  kaufmannischen  Sinne  vielleicht 
noch  lieber  war,  das  Monopol  des  Pelzhandels  fur  die  Inseln  im  nordlichen 
Pacific.  Aber  die  Freude  hieruber  war  getriibt  durch  die  Nachrichten,  dass  die 
bisher  so  entlegenen  Kiistengegenden  des  Stillen  Ozeans  ein  Tummelplatz 
von  Expeditionen  der  verschiedensten  Nationen  zu  werden  schien, 

Fast  gleichzeitig  bewegte  sich  in  diesen  nordischen  Gewassern  die  wissen- 
schaftliche  franzosische  Expedition  unter  La  Perouse,  eine  Handelsexpedition 
des  Englanders  Hanna  in  Macao  nach  Nootks-Sund,  Schiff e  der  Ostindischen 
Kompanie  unter  John  Meares  and  unter  Kapitan  Tipping  von  Kalkutta, 
Kapitan  Lovrie  und  Guise  von  Bombay,  die  Schiffe  der  englischen  Pelzhandels- 


5.   Kapitel. 


161 


gesellschaft  King  George  Sound  Company.  ,,King  George"  und  ,,  Queen 
Charlotte"  unter  Portlock  und  Dixon,  die  portugiesischen  Schiffe  ,, Felice"  und 
,,Iphigenie",  das  amerikanische  Schiff  ,, Washington"  unter  Kommando  von 
Kapitan  RobertGray  und  die  ,, Columbia"  unter  John  Kensdrick,  einer  Bostoner 
Pelzhandelsvereinigung  gehorig,  alles  bestrebt,  moglichst  an  der  reichen  Pelz- 
ausbeute  teilzunehmen.  Auch  die  Spanier  wollten  sich  ihre  Rechte  auf  die 
Festlandskiiste  nicht  nehmen  lassen.  Eine  Expedition  unter  Martinez  und 
Haro  besetzte  den  Nootka-Sund  und  errichtete  ein  Fort  darauf.  Gleich  darauf 
beschlagnahmte  Martinez  die  englischen  Schiffe  ,,Prinzess  Royal", ,, Argonaut", 
,, Northwest  America"  und  ,, Macao"  mit  reicher  Pelzladung  und  sandte 


Eskimo  im  Else  vor  Nome,  Alaska. 

die  Priesen  nach  San  Bias  in  Mexik'o.  Wenig  spater  ereilte  dasselbe 
Schicksal  den  amerikanischen  Schoner  ,,Fair  americain"  unter  Kapitan 
Metcalfe.  Alles  dies  bedeutete  eine  unliebsame  Konkurrenz  fur  den  russischen 
Pelzhandel. 

Das  Unangenehmste  fur  die  russischen  Pelzwarenhandler  wai  aber  die 
Nachricht,  dass  die  Kaiserin  entriistet  iiber  die  Grausamkeiten  und  die  Ober- 
griffe  der  Promyschleniks,  namentlich  iiber  die  Bedriickung  der  Aleuten  durch 
Glottkow  und  Lobodiew,  welche  ihr  zu  Ohren  gekommen  waren,  eine  Ex- 
pedition zur  Untersuchung  abgesandt  hatte  unter  Kapitan  John  Billings. 
Dies  war  aber  wohl  nur  ein  Nebenzweck.  Hauptsachlich  war  die  Expedition 
ausgesandt  als  Forschungsexpedition  auf  Betreiben  des  englischen  Geistlichen 
Reverend  Coxe,  der  in  Petersburg  persona  gratissima  war,  durch  seine  hochst 


ii 


162 


III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


russenfreundlicheVeroffentlichungenin  England.  Er  spielte  damals  die  Rolle 
wie  in  unserer  Zeit  Kennan,  ehe  sein  Buch  iiber  die  sibirischen  Gefangnisse 
zeigte,  dass  er  aus  einem  Paulus  ein  Saulus  geworden. 

Coxe  war  auch  der  erste,  der  ein  Buch  iiber  die  Entdeckungen  der  Russen 
im  fernen  Osten  veroffentlichte,  dieses  nebst  den  reichhaltigen  ,,Nordischen 
Beytragen"  von  Pallas  hat  auch  mir  einen  grossen  Teil  des  Materials 
geliefert. 

Durch  die  Coxeschen  Veroffentlichungen  erfuhr  die  Kaiserin  erst,  welchen 
enormen  Gebietszuwachs  sie  durch  die  emsige  Tatigkeit  der  einfachen,  wenig 
beachteten  Pelzhandler  errungen  hatte.  Es  bildeten  die  neuen  Gebiete,  welche 
so  unbemerkt  unter  die  russische  Oberhoheit  gekommen  waren,  das  Tages- 


Dampfer  auf  der  Eisbarjagd  an  der  Nordkiiste  von  Alaska. 

gesprach  bei  Hofe,  und  es  gelang  Coxe,  unterstiitzt  durch  den  grossen  deutschen 
Gelehrten  Dr.  Pallas,  der  bei  der  Kaiserin  ein  wohlverdientes  Ansehen  genoss, 
Katharina  zu  iiberzeugen,  dass  es  notwendig  sei,  die  wissenschaftliche  Unter- 
suchung  der  neuen  Gebiete  durch  eine  Expedition  in  die  Hand  zu  nehmen, 
und  vor  alien  Dingen  auch  die  geographische  Lage  der  einzelnen  Orte  durch 
astronomische  Bestimmungen  festzulegen.  Der  Ukas  zur  Ausrustung  der 
Expedition  war  schon  1784  erlassen,  aber,  wie  gewohnlich,  verzogerte  sich  die 
Sache.  Erst  als  dieNachricht  kam,  dass  Ludwig  XVI.  den  Graf  en  LaPerouse 
zu  einer  Entdeckungsfahrt  in  dem  nordlichen  Pacific  entsendet  habe,  wurde 
Ernst  gemacht.  Das  Kommando  wurde  dem  Englander  John  Billings,  der 
als  Leutnant  in  russische  Dienste  getreten  war,  iibertragen,  da  er  als  astro- 
nomischer  Assistent  schon  mit  Cook  in  diesen  Gegenden  gewesen  war.  Als 


5.  Kapitel. 


I63 


Naturforscher  wurde  der  Franzose  Dr.  Patrin  erwahlt,  und  ein  Deutscher 
Martin  Sauer,  begleitete  die  Expedition  als  Sekretar  und  Linguist. 

Dr.  Patrin,  der  bereits  in  Sibirien  war,  konnte  iibrigens  die  Expedition 
nicht  begleiten  und  kehrte  krankheitshalber  bereits  in  Kasan  urn.  An  seiner 
Stelle  wahlte  Billings  den  Deutschen  Dr.  Carl  Merck,  der  als  Arzt  im  Hospital 
von  Irkutsk  tatig  war.  Es  scheint,  als  ob  diese  Wahl  keine  sehr  gliickliche 


Dampfer  Alexander  in  Nome,  Alaska,  der  die  Fellausbeute  von  den  Kiistenplatzen  abholt. 

gewesen  war,  wenigstens  schreiben  englische  Zeitgenossen  von  ihm,  dass  er  eine 
hervorragende  Intelligenz  mit  einer  fast  kindischen  Furchtsamkeit  verbunden 
habe.  Auch  Billings  wird  als  sehr  furchtsam  und  unwissend  geschildert,  da 
die  in  ihn  gesetzte  Erwartung  sich  nicht  erfullte. 

Martin  Sauer  veroffentlichte  im  Jahre  1802  einen  sehr  ausfuhrlichen 
Bericht  iiber  die  von  1785  bis  1794  dauernde  Expedition,  der  fur  lange  Zeit 
als  das  beste  Werk  iiber  diese  Gegenden  und  ihre  Bewohner  gait,  da,  wie  er 
selbst  sagt,  er  stets  mit  offenen  Augen  gereist  sei  und  das  Gesehene  wahrheits- 
getreu  wiedergegeben  habe,  wenn  ihm  auch  in  den  verschiedenen  Spezial- 
wissenschaften  eingehende  Kenntnisse  gefehlt  hat  ten. 

Die  an  Billings  und  an  den  Naturforscher  von  der  Kaiserin  erteilten  In- 
struktionen  sind  sehr  ausfiihrlich  und  fachgemass,  namentlich  die  Anweisungen 


ir 


164  HI.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

uber  den  Verkehr  mit  den  Eingeborenen  zeugen  von  einer  in  der  damaligen 
Zeit  hochst  ungewohnlichen  Einsicht. 

Mitte  Oktober  1785  verliess  die  Expedition  St.  Petersburg,  urn  die  in 
damaliger  Zeit  so  schwierige  Landreise  anzutreten.  Vom  Zustand  der  Strassen 
zeugt  schon  der  Umstand,  dass  bereits  in  Kasan  die  samtlichen  Barometer  zer- 
stort  und  ein  grosser  Teil  der  Medizinalausnistung  unbrauchbar  geworden  war. 

Jekaterinenburg  war  erst  am  17.  Januar  erreicht.  Die  Nahrungsmittel 
waren  damals  hier  sehr  billig.  Rindfleisch  50  Kopeken  per  Pud  (ca.  3  Pfg. 
per  Pfund),  Roggenmehl  32  Kopeken  (2  Pfg.  pro  Pfund).  Uber  Tobolsk  und 
Tomsk  wurde  Irkutsk  am  18.  Januar  erreicht.  Hier  wurde  die  Ausrustung 
vervollstandigt  und  das  Personal  der  Expedition  zusammengestellt.  Dasselbe 
bestand  aus  dem  Kommandeur  Joseph  Billings,  dem  Kapitan  Robert  Holl, 
Gabriel  Sankeff ,  Christian  Behring,  Assaurry,  Bokoff ,  den  Steuerleuten  Anton 
Batahoff  und  Bronnkoff,  2  Feldscherern  2  Assistenten  derselben,  i  Zeichner, 
i  Mechaniker,  2  Schiffsbaumeistern,  2  Bootsleuten,  5  Handwerkern,  i  Leutnant 
Poloroff,  6  Unteroffizieren  der  Navigationsschule,  8  Armee-Unteroffizieren, 
7  Soldaten,  50  Kosaken,  2  Trommlern,  2  Buchhaltern,  3  Hof  j agern  als  Ausstopf er , 
und  Martin  Sauer  als  Privatsekretar  und  Journalist.  Im  ganzen  aus  95  Personen. 
Alle  Mitglieder  der  Expedition  wurden  hier  einen  Grad  im  Rang  erhoht. 

Die  Stadt  Irkutsk  war  damals  schon  ein  ansehnliches  Handelszentrum 
mit  2500  Hausern,  zahlreichen  offentlichen  Gebauden,  mit  etwa  20  ooo  Ein- 
wohnern.  Hier  brachten  die  Burjaten  ihre  Jagdausbeute  an  Zobeln,  Mardern, 
Ottern  etc.  zum  Verkauf.  Auch  wurden  in  den  Magazinen  von  Irkutsk  die 
von  Amerika  gebrachten  Pelz waren  sortiert.  Die  geringen  und  schlechtfarbigen 
Zobel,  die  Fuchse  von  den  aleutischen  Inseln,  die  Sealskin,  Seeottern,  Fluss- 
ottern  etc.  wurden  fur  China  bestimmt,  denn,  wie  der  Verfasser  ausfiihrt,  da 
die  Chinesen  alle  iibrigen  Nationen  in  der  Kunst,  Zobel  und  andere  Felle  zu 
blenden,  weit  voraus  sind,  kaufen  sie  nur  geringe  Sorten.  Die  schadhaften, 
dunnhaarigen  und  geringen  Sorten  kommen  auf  die  Irbiter  Messe,  die  besten 
Sorten  werden  nach  Moskau  und  nach  Makariew  gesandt,  wo  sie  von  Griechen 
und  Armenierri  gern  gekauft  wurden.  (Makariew  liegt  an  der  Wolga  im  Gou- 
vernement  Nischnij-Nowgorod  und  hatte  wahrend  3  Jahrhunderten  eine  be- 
ruhmte  grosse  Messe.  Erst  als  im  Jahre  1816  die  samtlichen  Kaufhauser  durch 
einen  grossen  Brand  zerstort  waren,  wurde  die  Messe  nach  Nischnij-Nowgorod 
verlegt.) 

Mitte  Mai  wurde  von  Irkutsk  in  einer  Anzahl  Barken  aufgebrochen  und 
zunachst  das  Flusssystem  der  Lena  untersucht  und  auch  die  Haupt-Neben- 
fliisse.  Einer  der  bedeutendsten  davon  ist  die  Witima,  von  1178  Werft  Lange, 
an  deren  Ufer  und  ihrem  Nebenflusse  Momo  schon  damals  die  besten  Zobel 
beruhmt  waren.  Sauer  erwahnt  noch  die  Zobel  von  dem  1200  Werft  langen 
Pellidui  als  ebenso  gut,  diese  unterscheiden  sich  aber  heute  nicht  mehr  als 
besondere  Sorte,  sondern  jedenfalls  werden  mit  den  Witimern  vereint.  Jakutsk 
wurde  schliesslich  erreicht,  und  zum  weiteren  Land  transport  der  Expedition  und 


Kapitel. 


16 


aller  Vorrate  nach  Ochotsk  waren  2000  Pferde  erforderlich,  die  erst  zusammen- 
gebracht  wurden.  Die  samtlichen  Provisionen  etc.  fiir  die  gesamte  Expedition 
warden  iibrigens  von  dem  Kaufmann  Sibiriakoff  in  Irkutsk  geliefert,  mit 
welchem  der  Generalgouverneur  Jacob  einen  Kontrakt  abgeschlossen.  Dieser 
Sibiriakoff,  der  Vorfahr  des  grossen  sibirischen  Macens  und  Freundes  von 
Nordenskiold,  war  bereits  damals  ein  reicher  Mann  und  Begriinder  des  marchen- 
haften  Reichtums  des  sibirischen  Krosus.  Ochotsk  wurde  nach  einer  schwie- 
rigen  Landreise  erreicht,  wo  sofort  mit  dem  Ban  von  zwei  Schiffenunter  Leitung 


Alaska-Trapper. 

von  Kapitan-Leutnant  Holl  begonnen  wurde.  Die  Stadt  war  damals  sehr 
bedeutend,  gait  aber  als  sehr  ungesund,  sowohl  Fieber,  wie  namentlich 
Skorbut,  richteten  grosse  Verheerungen  an.  Die  russische  Bevolkerung,  vor- 
zugsweise  aus  Matrosen,  Kosaken  und  ihren  Familien  bestehend,  sei  meisten- 
teils  betrunken. 

Die  Mitglieder  der  Expedition  durchforschten  mit  Renntieren  weiter  das 
Gebiet  der  Tungusen  und  dann  das  Land  der  Jakuten,  welches  sehr  reich  an 
Biiren,  Wolfen,  Luchsen,  Fiichsen,  Feh  und  auch  an  Zobeln  ist.  Die  Jakuten 
hielten  auf  den  ausgedehnten  Weidengriinden  riesige  Herden  von  Pferden 
und  Rindern,  wahrend  die  Tungusen  Renntiere  hielten  und  meist  als  Jager 
umherstreif  ten . 


1 66  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Auch  die  Kolyma  wurde  besucht,  wo  Seredny  Ostrog  ein  Handelsemporium 
bildete.  Sauer  gibt  die  Preise  der  einzelnen  Felle,  nebst  den  russischen 
und Jakuten-Namen  an ;  so  kostet  ein  Barenfell  i  Rubel.  ein  Eisbar  i  Rubel,  ein 
Vielfrass  2 — 10  Rubel,  Wolf  2 — 8  Rubel,  Fuchs  i — 5  Rubel,  Weissfuchs 
50  Kopeken,  Hermelin  (die  viel  in  den  Mehlmagazinen  gefangen  wurden) 
5  Kopeken.  Luchse  3 — 10  Rubel.  Ottern  8 — 10  Rubel,  Zobel,  die  aber  selten 
dort  vorkomruen,  10  Rubel,  Schneehase  3 — 5  Kopeken,  Murmel  (Tarbagan) 
waren  ebenso  wie  die  Susliki  bei  den  Jakuten  sowohl  ihres  wohlschmeckenden 
Fleisches,  als  der  zur  Kleidung  benutzten  Felle  halber  sehr  geschatzt  und 
brachten  5 — 10  Kopeken  pro  Stuck .  Der  russische  Name  Tarbagan  ist  iibrigens 
eigentlich  der  Jakuten  Name  fiir  das  Tier. 

Feh,  deren  Fleisch  auch  gern  gegessen  wurden,  brachten  3 — 5  Kopeken, 
dagegen  waren  die  haufig  vorkommenden  fliegenden  Eichhornchen  wertlos. 
Die  gestreiften  Erdhornchen  brachten  2  Kopeken. 

Ende  Juni  1787  wurde  Ochotsk  wieder  erreicht,  da  Ende  Juli  das  erste 
Schiff,  die  ,,Slava  Rossie"  (Ruhm  Russlands)  vom  Stapel  lief  und  einige 
Wochen  spater  das  zweite,  die  ,,Dobroie  Namerenie"  (Gute  Absicht).  Das 
letztere  lief  iibrigens  gleich  nach  dem  Auslaufen  am  i.  September  auf  und 
wurde  dann  verbrannt.  Mit  dem  anderen  Fahrzeug  segelte  man  nach  Kam- 
tschatka,  um  dort  dann  ein  weiteres  kleines  Fahrzeug  zu  erbauen.  Es  war 
iibrigens  die  hochste  Zeit,  denn  die  ,,Slava  Rossie"  war  eben  unter  Segel  ge- 
gangen,  als  ein  Kurier  aus  Petersburg  eintraf  mit  der  Nachricht,  dass  der 
Krieg  mit  Schweden  ausgebrochen  sei,  und  dass  die  Expedition  nach  S.  Peters- 
burg zuriickkehren  sollte,  falls  nicht  alles  segelbereitsei,  da  dort  alleSeeleute 
notwendig  gebraucht  wurden.  Auf  alle  Falle  aber  sollte  mit  dem  Geld  sehr 
sparsam  umgegangen  werden,  denn  Geld  sei  sehr  knapp  in  Russland. 

Trotz  des  heftigen  Schneesturmes  lichtete  man  am  19.  September  die 
Anker  und  erreichte  nach  n  Tagen  Petropawlowsk. 

Sauer  war  ganz  erstaunt  iiber  das  angenehme  Klima  und  die  landschaft- 
liche  Schonheit  der  Gegend.  In  den  Garten  der  Kosaken  gedeihen  europaische 
Gemuse  in  iippiger  Fiille,  und  die  Einwohner  waren  gesund,  kraftig  und  zu- 
frieden,  ein  starker  Gegensatz  zu  dem  unwirtlichen  Norden  Sibiriens,  der 
Siedlung  an  der  Kolyma.  Hier  wurde  wahrend  des  Winters  ein  zweites  Schiff 
gebaut.  Im  Marz  1790  traf  von  Petersburg  die  Nachricht  ein,  dass  ein  schwedi- 
sches  Kriegsschiff  mit  16  Geschiitzen  nach  dem  nordlichen  Pacific  unterwegs 
sei,  um  den  russischen  Pelzhandel  zu  storen  und  ihm  moglichst  viel  Abbruch  zu 
tun.  Die  Billings-Expedition  sollte  dem  entgegenwirken,  wozu  die  ,,Slava 
Rossie"  auch  16  Dreipfunder  an  Bord  bekam.  Am  i.Mai  wurde  die  Awata- 
Bai  verlassen  und  nach  der  Kiiste  von  Alaska  gesegelt,  um  diese  und  die  davor- 
liegenden  Inseln  zu  kartographieren  und  das  Fahrwasser  zu  untersuchen.  Zu- 
nachst  wurde  Unalaschka  angelaufen.  Die  Eingeborenen  hier  gingen  friiher 
ganz  in  Seeotterfelle  gekleidet,  seit  aber  die  Russen  im  Lande  waren,  lieferten 
sie  diese  Felle  ab  und  begniigten  sich  mit  Seebarfellen. 


5-  Kapitel. 


167 


Sauer  gibt  eine  genaue  Schilderung  der  Eingeborenen  und  ihrer  Ge- 
brauche  und  berichtet  zugleich  auch  entriistet  iiber  den  Despotismus,  mit 
welchem  die  russischen  Pelzjager  sie  in  der  tiefsten  Sklaverei  erhalten.  Auch 
von  den  anderen  Inselgruppen  teilt  er  ahnliches  mit.  So  hatte  z.  B.  Delareff 
fur  das  Etablissement  der  Shelikoff  Company  auf  Kadiak  allein  600  Doppel- 
baidaren,  jedes  mit  3  Eingeborenen  in  Dienst,  die  ohne  jedes  Entgelt  fur  die 
Russen  Seeottern,  Seebaren  und  andere  Pelztiere  jagen  mussten.  Je  hundert 
Boote  standen  unter  dem  Befehl  eines  Peredowshik  oder  russischen  Fiihrers. 
Andere  Partien  mussten  Halibut,  Lachs  etc.  fischen.  Etwa  300  Tochter  der 


Das  Stadtchen  Seward,  ein  Hauptsitz  des  Pelzhandels  von  Alaska. 

angesehensten  Eingeborenen  wurden  als  Geisseln  im  Fort  zuriickgehalten. 
Dabei  war  bei  Delareff  die  Behandlung  der  Leute  eine  humane.  Er  sorgte 
fiir  ihr  Wohlergehen  und  zwang  sie,  auch  geniigend  Wintervorrate  fur  sich 
selbst  zu  beschaffen,  so  dass  sie  sich  nicht  gerade  unglucklich  fuhlten.  Fiir 
jedes  abgelieferte  Seeotterfell  erhielten  sie  4  Strange  Glasperlen,  die  sie  gegen 
Tabak,  Hemden,  Kleidungsstiicke  u.  dgl.  eintauschen  konnten.  Die  Robben- 
felle  wurden  ihnen  zum  eigenen  Gebrauch  iiberlassen,  zur  Anfertigung  der 
Kleidung  und  zum  Ausbessern  der  Boote.  Fertigten  sie  aber  neue  daraus  an, 
so  mussten  sie  solche  durch  Lieferung  von  Fuchs-,  Otter-,  Murmel-  und  anderen 
Fellen  erst  erwerben.  An  anderen  Platzen  wurden  die  Eingeborenen  von  den 
Russen  viel  schlechter  behandelt,  namentlich  zeichneten  sich  die  Leute  der 
Tirepanoff  Company  besonders  durch  Grausamkeit  aus.  Jahrelang  mussten 


1 68  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

die  Horigen  fur  sie  ganz  unentgeltlich  arbeiten,  ohne  dass  irgendwie  fur  ihren 
Lebensunterhalt  gesorgt  wurde.  Uber  ihre  Frauen  und  Tochter  wurde  ganz 
despotisch  verfiigt.  Auch  sonst  stellt  Sauer  dem  Delareff  ein  vorziigliches 
Zeugnis  aus.  Er  sagt,  dass  Delareff  einem  Gerichtshof  prasidiert,  der  alle  Ver- 
gehen  einem  ordentlichen  Gerichtsverfahren  unterzieht,  und  dass  wohl  wenige 
Gerichtshofe  der  Welt  mit  grosserer  Unparteilichkeit  verfahren.  In  Kadiak 
lebten  damals  etwa  50  Russen,  alles  Angestellte  der  Kompanie  und  ein  Be- 
amter  der  Krone,  Steuermann  Ismailoff,  der  die  Sammhmg  des  Tributs  fiir 
die  Regierung  iiberwachen  musste.  Einige  Russen  hatten  ihre  Frauen  mit, 
batten  Kohlgarten,  Kartoff  elf  elder  angelegt  und  hielten  Kiihe  und  Ziegen. 
Zwei  bewaffnete  Schoner  von  je  80  Tonnen,  die  hier  lagen,  dienten  zum 
Schutze  der  Siedlung. 

Sauer  berichtet  weiter,  dass  er  in  Jakutsk  und  Ochotsk  erstaunt  gewesen 
sei  iiber  die  Hohe  der  Lohne,  die  Shelikoff  seinen  Angestellten  zahle.  1000 
Silberrubel  jahrlich  einem  gewohnlichen  Matrosen,  also  mehr  als  das  Fiinf- 
fache  des  sonst  ublichen  Lohnes.  Hier  in  Kadiak  erhielt  er  die  Losung  des 
Ratsels.  Die  Angestellten  miissen  ihren  gesamten  Bedarf  und  alle  Genussmittel 
von  der  Kompanie  kaufen  und  zwar  zu  folgendem  Tarif :  Branntwein  i  Rubel 
per  Glas,  Tabak  50  Rubel  per  Pfund,  ein  grobes,  baumwollenes  Hemd  10  Rubel, 
Schuhe  von  15  Rubel  an  etc.,  so  dass  ihre  Ausgaben,  da  sie  keinen  Handel 
treiben  konnten,  oft  ihren  Gehalt  weit  ubersteigen.  Alle  waren  aber  ein- 
stimmig  im  Lobe  Delareff s,  der  alles  tat,  um  diese  Harten  zu  mildern  und 
jedenfalls  fiir  ihr  materielles  Wohlergehen  soviel  wie  moglich  sorgte. 

Der  Verfasser  behandelt  auch  ausfiihrlich  Fauna  und  Flora  des  Gebiets. 
Er  gibt  an,  dass  die  dort  vorkommenden  Bar  en  iiber  die  Meerenge  heruber- 
geschwommen  seien,  welche  die  Insel  von  Alaska  trennt,  er  wusste  augen- 
scheinlich  nicht,  dass  diese  Kadiakbaren  eine  ganz  besondere  Art  darstellen. 
Murmeltiere  seien  haufig,  dagegen  hatten  die  Polarfiichse  bei  Ankunft  der 
Russen  sehr  abgenommen.  Diese  beiden  Pelztiere  seien  die  einzigen,  welche 
die  Russen  selbstandig  erbeuten  konnten,  zum  Fang  der  Seepelztiere  seien 
sie  nicht  geschickt  genug.  Von  diesen  sind  am  grossten  die  Seelowen,  8  Fuss 
lange  und  schwere  Riesen,  die  sich  auch  dem  Menschen  gegeniiber  mit  ihrem 
scharfen  Gebiss  zur  Wehr  setzen.  Das  Fleisch  wird  getrocknet  und  von  den 
Eingeborenen  gegessen,  doch  schmecke  es  schlecht,  nur  der  Kopf  schmecke 
gekocht  gut.  Die  Seebaren  waren  damals  noch  auf  alien  Inseln  in  grossen 
Herden  vorhanden,  obgleich  der  Wert  ihres  Felles  jetzt  anfing,  bekannt  zu 
werden.  Das  Fleisch,  namentlich  der  jungen  Tiere,  sei  wohlschmeckend.  Am 
wertvollsten  sei  natiirlich  die  Seeotter  Morskoi  Bobre.  Die  ganz  jungen  Felle, 
Medvedka  oder  Barenzunge,  haben  langes,  grobes,  hellbraunes  Haar  und 
seien  wertlos*).  Die  mittelgrossen,  Kostlok,  sind  dunkel  und  wertvoll, 

*)  Anmerkung:  Diese  ganz  jungen  Felle  kommen  jetzt  nicht  mehr  in  den 
Handel;  vor  etwa  30  Jahren  kamen  noch  mehrere  Hundert  jahrlich  nach  London,, 
die,  gerupft  und  sealartig  gefarbt,  ein  sehr  schones  Pelzwerk  abgaben. 


5.  Kapitel. 


169 


am  teuersten  sind  die  ausgewachsenen,  dunklen  und  silberspitzigen,  Matka. 
Das  Fleisch  der  jungen  Tiere  schmecke  wie  Spanferkel.  Sauer  bemerkt  dazu: 
Es  gibt  keine  mehr  an  der  Kiiste  von  Kamtschatka,  sie  sind  sell  en  auf  den 
Aleuten,  sie  haben  kiirzlich  die  Shumagin-Inseln  verlassen  und  durch  die 
heftige  Verfolgung,  verbunden  mit  der  Frage  ihres  alleinigen  Aufenthalts 
zwischen  45  und  60  Grad  nordlicher  Breite,  ist  vorauszusehen,  dass  in  15  Jahren 
keine  mehr  existieren  werden.  (Das  war  eine  viel  zu  pessimistische  Auf- 
fassung.  D.  V.)  Seien  doch  die  Seekiihe  an  der  Kiiste  von  Kamtschatka 
und  den  Aleuten  sehr  haufig  gewesen,  und  wenige  Jahre  nach  der  Entdeckung 
sei  1768  die  letzte  erlegt  worden. 


Nome,  Alaska.     Das  im  Friihjahr  zuerst  eingetroffene  Schiff. 

Er  erwahnt  auch  den  Reichtum  der  Gewasser  an  Walen,  die  von  den 
Eingeborenen  in  ihren  Leder-Baidaras  gejagt  und  mit  Speeren  erlegt  werden, 
ferner  die  Menge  an  Lachsen,  Heilbutten,  die  3 — 4  Zentner  schwer  werden  etc. 
Auch  Austern  und  Muscheln  verschiedener  Art  sind  sehr  zahlreich,  sie  bilden 
die  Hauptnahrung  der  Seeotter. 

Am  20.  Juli  wurde  Kap  St.  Elias  erreicht,  und  gemass  der  kaiserlichen 
Instruktion  avancierte  jeder  Teilnehmer  eine  Stufe  im  Rang. 

Auch  hier  beschwerten  sich  die  Eingeborenen  bitter  iiber  die  Bedriickungen 
der  russischen  Pelzjager,  namentlich  iiber  ein  Fahrzeug  unter  Steuermann 
Solutoff,  welcher  ihnen  alle  Felle  einfach  ohne  jede  Bezahlung  weggenommen, 
ausserdem  aus  reinem  Ubermut  eine  Anzahl  Manner  erschossen  und  mehrere 
Frauen  gewaltsam  mitgeschleppt  hatte. 


170  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Von  Prinz  William- Sund  kehrte  die  Expedition  nach  Kamtschatka  zuriick, 
hier  wurde  Steuermann  Pribiloff  als  Kapitan  fiir  das  zu  erbauende  zweite 
Schiff  von  der  Expedition  in  Dienst  genommen. 

Im  Jahre  1787  war  dieser  an  Bord  eines  Handelsschiffes  sowohl  als  Kom- 
mandeur  fiir  die  Gesellschaft,  als  auch  zum  Einsammeln  des  Tributs  von  der 
Regierung  ernannt  worden.  Er  hatte  durch  die  Ankunft  vieler  junger  See- 
hunde  von  Norden  schon  in  Unalaschka  die  Idee  gefasst,  dass  dort  grossere 
unbekannte  Inseln  seien  und  entdeckte  nach  nur  24  stiindiger  Fahrt  zunachst 
St.  George  und  wenig  spater  St.  Paul.  Der  ganze  Strand  und  die  umgebenden 
Felsen  waren  mit  einer  einzigen  dichten,  lebenden  Masse  von  Pelzseehunden 
und  Seelowen  bedeckt.  Mit  leichter  Miihe  konnten  sie  ihr  ganzes  Schiff  mit 
den  Fellen  beladen.  Sie  uberwinterten  auf  St.  George  und  fanden  dabei,  dass 
die  Inseln  von  Fiichsen  wimmelten. 

Die  Inselgruppe  wurde  nach  dem  Ent decker  die  Pribiloff  genannt.  Noch 
heute  sind  sie  bekanntlich  die  Heimstatte  des  kummerlichen  Restes  der  un- 
geheuren  Sealherden.  Im  nachsten  Jahre  brach  die  Expedition  von  Billings 
im  Juli  1791  auf  und  besuchte  zunachst  St.  George  und  St.  Paul. 

Hier  hatte  sich  inzwischen  die  Luchanni  Company  niedergelassen,  die 
den  Seehundsfang  betrieb.  Von  hier  aus  ging  es  nach  St.  Lawrence-Bai  auf 
der  Tschuktschen  Halbinsel.  Hier  unternahm  der  Kommandeur  eine  Land- 
reise  nach  der  Kolyma,  wahrend  die  Schiffe  nach  Unalaschka  zum  Uber- 
wintern  gingen.  Dort  litten  alle  stark  an  Skorbut,  der  Geissel  aller  Seefahrer 
der  damaligen  Zeit.  Man  kehrte  deshalb  sobald  wie  moglich  nach  Kamtschatka 
zuriick,  nachdem  die  Eingeborenen  12  Seeottern  und  500  Fuchsfelle  als  Tribut 
abgeliefert  hatten.  Sauer  beklagt  sich  bitter  iiber  die  grausamen  Bedriickungen, 
welche  die  Eingeborenen  von  den  Pelzjagern  erleiden  rmissen.  Er  beschreibt 
iibrigens,  wie  wenig  zu  solch  einer  Handels-Expedition  gehort.  Einige  der 
Handler  tun  sich  zusammen  und  erbauen  in  Ochotsk  oder  Nishny  Kamtschatka 
eine  Galeote,  wobei  ihnen  noch  aller  moglicher  Beistand  von  seiten  der  Re- 
gierung geleistet  wird.  Die  Matrosen  werden  auf  Gewinn-Anteil,  nicht  auf 
Ldhnung,  angeworben.  Die  Ladung  besteht  gewohnlich  aus  500  Pfund  Tabak, 
100  Pfund  Glasperlen,  ein  Dutzend  Beilen,  einigen  Messern  geringer  Qualitat, 
einer  ungeheuren  Menge  Fuchsf alien,  als  Provision  wird  nur  wenig  mitge- 
nommen,  ein  paar  Schinken,  etwas  ranzige  Butter,  einige  Sack  Roggen-  und 
Weizenmehl  und  ein  Quantum  getrockneter  und  gesalzener  Lachs.  Ein  Teil 
der  Mannschaft  wird  mit  Biichsen  be  waff  net. 

Sobald  eine  der  bewohnten  aleutischen  Inseln  erreicht  ist,  wird  das  Dorf 
einfach  in  Besitz  genommen.  Die  Fallen  werden  an  die  Eingeborenen  verteilt, 
welche  Fiichse  damit  fangen  miissen.  Andere  Abteilungen  miissen  Feuerungs- 
materialherbeischaffen,  Fische  fangen,  Seetiere  jagen,  wahrend  dieRussen  sich 
ganz  der  siissen  Ruhe  hingeben.  Die  erwahnten  Handelsartikel  werden  zu  ge* 
legentlichen  Geschenken  an  die  Frauen  verwendet,  und  manchmal  erhalten  auch 
die  Manner  nach  schwerer  Tagesarbeit  je  ein  Blatt  Tabak  als  Entschadigung* 


5.  Kapitel. 171 


Seit  Shelikoffs  Ansiedlung  auf  Kadiak  wurde  aber  diese  Art  Raubhandel 
mehr  und  mehr  eingeschrankt. 

In  Kamtschatka  trafen  sie  die  ,,Aligon",  ein  Handelsfahrzeug  aus  Ben- 
galen,  mil  einer  Ladung  Eisen,  Takelwerk,  Schiffsgerate  etc.,  gerade  wie  es 
die  Expedition  brauchte.  Der  Gouverneur  lehnte  aber  den  Ankauf  ab  und 
zog  es  vor,  die  Sachen  zum  vierfachen  Preise  auf  dem  Landwege  aus  Russland 
kommen  zu  lassen,  so  dass  die  Englander  mit  voller  Ladung  wieder  absegeln 
mussten.  Die  Expedition  von  Billings  selbst  war  infolge  seiner  Unfahigkeit 
und  der  Aufsassigkeit  der  Tschuktschen  ein  vollkommener  Misserfolg,  weshalb 
er  auch  nach  Jakutsk  zuriickkehrt,  wahrend  die  iibrigen  Mitglieder  der  Ex- 
pedition auf  dem  Landwege  nach  Russland  gehen  sollten. 

Sauer  gibt  noch  eine  Preisliste  der  verschiedenen  Artikel  in  Nishny 
Kamtschatka  gegen  die  Kostpreise  in  Kasan  an,  z.  B.: 

in  Kasan  in  N.  Kamtschatka 

Stiefel  p.  Paar                3  Rbl.  18  Rbl. 

Senf  p.  Pfund                 6  Kop.  100  Kop. 

Lichte          ,,                    8  80 — 100 

Zucker        ,,  50  3  Rbl. 

Tabak          „                     5      „  3      „ 

Mehl  p.  Pud  50      „  5      „ 

Reis  p.  Pfund  10      ,,  100  Kop. 

Da  der  Gouverneur  nur  600  Rubel  Jahresgehalt,  der  Sekretar  300  Rubel, 
der  Polizeichef  400  Rubel  und  einzelne  Schreiber  nur  24  Rubel  beziehen,  so 
miissen  sie  naturlich,  um  leben  zu  konnen,  aus  den  Eingeborenen  heraus- 
pressen,  was  moglich  ist. 

Auf  der  Ruckreise  besuchte  Sauer  noch  den  Amur  und  beriihrte  den 
Ussuri  und  bespricht  die  grosse  Bedeutung,  welche  diese  Gegend  einst  haben 
wird. 

Im  Marz  1794  war  man  endlich  wieder  in  Petersburg  angelangt.  Die 
wissenschaftlichen  Resultate  dieser  so  kostspieligen  Expedition  waren  aber 
nicht  sehr  bedeutend,  da  eben  Billings  in  keiner  Weise  zum  Leiter  einer  solchen 
geeignet  war. 

Im  Jahre  1790  hatte  inzwischen  Shelikoff  eine  grosse  Handelsgesellschaft 
mit  dem  Stammsitz  in  Irkutsk  organisiert.  Die  Kaiserin  Katharina  II.  erliess 
einen  Ukas,  worin  den  Aleuten  befohlen  wurde,  jahrlich  eineAnzahl  Baidackas 
zur  Jagd  zu  stellen  und  alles  erbeutete  Pelzwerk  ausschliesslich  an  die  Shelikoff 
Company  zu  verkaufen,  wo  fur  ihnen  der  Jassak  erlassen  werde.  Eustachos, 
Delareff  und  Rasow  wurden  zu  Direktoren  ernannt. 

Die  Spanier  waren  auch  nicht  mussig  gewesen,  um  die  Gegenden  des 
heutigen  Alaska  und  Britisch  Columbia  zu  erforschen.  Wie  wir  oben  gesehen, 
hatten  sie  schon  friiher  mehrere  Expeditionen  ausgesendet.  Seit  1790  begann 


172 


III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


eine  regere  Tatigkeit.  Leutnant  Salvator  Hidalgo  sollte  eine  permanent e 
spanische  Niederlassung  am  Nootka-Sund  errichten,  begniigte  sich  aber  mit 
Forschungsreisen  im  Cooks  Inlet,  wahrend  die  Expedition  unter  Leutnant 
Quinger  die  Juan  de  Fuca-Strasse  erforschte. 

Der  Italiener  Alexander  Malespina  untersuchte  1791  fur  die  Spanier 
in  zwei  Fahrzeugen  die  Kuste  von  Mount  Edgecombe.  1792  sandte  der  Vize- 
konig  von  Mexiko  drei  Fahrzeuge:  die  Korvette  ,,Aransasu"  unter  Leutnant 
Jacuto  Caamano,  den  Schoner  ,,Sutil"  unter  Leutnant  Dionisio  Alcalo  Galiano 
und  den  Schoner  ,,Mexicano"  unter  Leutnant  Copetano  Valdes  nach  Nootka, 


Alaska-Rauchwarenhandler  mit  dem  Trapper  liber  die  Fellausbeute  verhandelnd. 

von  wo  aus  dieselben  Untersuchungsreisen  langs  der  Kuste  anstellten.  Zugleich 
wurde  der  Kapitan  Bodega  y  Quadra  nach  Nootka  gesendet,  um  dort  mit 
dem  beruhmten  englischen  Forscbungsreisenden  Vancouver  wegen  der  ver- 
schiedenen  spanisch-englischen  Differenzen  zu  verhandeln.  Denn  wenn  auch 
die  Spanier  sich  wenig  um  den  Pelzhandel  in  den  von  ihnen  beanspruchten 
Gebieten  bekummerten,  taten  dies  desto  mehr  amerikanische  und  englische 
Unternehmungen,  wie  bereits  im  vorigen  Abschnitt  naher  ausgefuhrt.  Es 
gelang  iibrigens  schliesslich  Vancouver,  die  Spanier  zu  bewegen,  sich  von 
Nootka  zuriickzuziehen,  wenn  sie  auch  ihf e f ormellen  Anspriiche  nicht  aufgaben. 
1792  war  der  ungemein  fahige  Grieche  Eustrates  Ivanowitsch  Delareff,. 
dem  allseitig  ein  vorziigliches  Zeugnis  ausgestellt  wird,  von  der  Leitung  der 


5.  Kapitel. 


173 


russischen  Pelzhandelsgesellschaft  in  Alaska  zuriickgetreten.  An  seiner  Stelle 
wurde  Baranoff  allein  erwahlt,  der  sogleich  eine  Ansiedlung  in  St.  Paul-Bai 
auf  Kadiak  errichtete. 

Eine  weitere  russische  Gesellschaft  unter  Stephan  Zaikoff  und  Lebedeff 
Lastoschken  setzte  sich  in  Cooks  Inlet  und  Bristolbay  fest,  indem  sie  be- 
hauptete,  dass  das  der  Shelikoff-Kompanie  verliehene  Pelzhandelsmonopol 
sich  nicht  bis  hierher  erstrecke.  Es  entstanden  bald  heftige  Konflikte  zwischen 
beiden  Gesellschaften  wegen  der  Pelzausbeute.  Erst  viel  spater  i'and  eine 
Verschmelzung  der  beiden  Gesellschaften  statt. 


Eingeborene  Fellhandler  am  Yukon  (Alaska). 

1793  wurden  durch  Ukas  der  Kaiserin  Missionare  nach  Alaska  gesandt 
und  zugleich  auch  Straflinge,  die  hier  eine  Ackerbau-Kolonie  einrichten  sollten. 
Mehrere  Hundert  wurden  auf  der  Halbinsel  Kenai  und  beim  Kap  St.  Elias 
angesiedelt.  Ihre  agrikulturellen  Erfolge  waren  sehr  gering,  die  Sterblichkeit 
aber  gross.  Zugleich  sandte  Shelikoff  2  Schiffemit  igoAuswanderern,  10  Jagern 
und  ii  Popen  zur  Ansiedlung  nach  Alaska. 

Die  zahlreichen  Monche  und  Missionare,  die  unter  dem  Archemandrit 
loasaph  nach  Alaska  gekommen  waren,  mussten  librigens  schwer  arbeiten, 
um  ihren  Lebensunterhalt  zu  erwerben,  da  die  Pelzhandelskompagnie  ihnen 
nicht  nur  jede  Unterstiitzung  verweigerte,  sondern  auch  jeden  Handelsbetrieb 
der  Missionare  mit  den  Eingeborenen  strengstens  verbot. 


174  IH-   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Der  Bericht  von  Billings,  der  inzwischen  in  Petersburg  eingetroffen  war, 
iiber  die  Bedriickung  der  Eingeborenen  durch  die  Pelzhandler,  wurde  durch 
die  Beschwerde  von  Pater  loasaph  jetzt  noch  erganzt,  so  dass  der  Kaiser  Paul 
ernstlich  beabsichtigte,  die  Kompanie  aufzuheben  und  nur  durch  grosse  Be- 
muhungen  davon  abgebracht  wurde.  Schliesslich  geschah  gar  nichts. 

Inzwischen  hatte  Baranoff  eine  Expedition  nach  der  Behring-Bay  gesandt, 
die  von  dort  2000  Seeotterfelle  mitbrachte,  worauf  eine  neue  Ansiedlung  mit 
30  sibirischen  Ansiedlern  dort  geschaffen  wurde,  ,,Novija  Rossia".  Im  Herbst 
1795  starb  der  Begriinder  der  Gesellschaft,  Gregor  Shelikoff.  Seine  Frau 
wurde  President  der  Gesellschaft,  doch  da  sie  weder  lesen  noch  schreiben 
konnte,  zeichnete  ihr  Sohn  Iwan  Shelikoff  als  ihr  Vertreter. 

1797  wurde  eine  Konkurrenzgesellschaft  unter  Mylnikoff  organisiert,  aber 
bereits  im  nachsten  Jahre  mit  der  iilteren  Gesellschaft  vereinigt.  Sofort  wurde 
durch  Ladygin  und  andere  eine  neue  Gesellschaft,  die  Atka  Company,  ge- 
griindet,  fur  welche  Latoshkin  eine  Anzahl  Forts  an  der  Kuste  errichtete. 
Aber  1799  trat  ein  Umschwung  in  der  Gesinnung  des  Kaiser  Paul  ein.  Er 
wurde  Protektor  der  Pelzhandelsgesellschaft  von  Shelikoff.  Eine  Konzession 
fur  20  Jahre  fur  eine  neuorganisierte  Gesellschaft  wurde  in  Petersburg  erlassen. 

Er  gab  den  Mitgliedern  der  alten  Gesellschaft  unter  dem  neuen  Namen 
der  ,,Russisch-amerikanischen  Kompagnie"  die  Kontrolle  iiber  die  Kiiste  von 
Amerika,  nodlich  des  55.  Grades  nordlicher  Breite,  auf  21  Jahre  mit  der  Auf- 
gabe,  neben  dem  Pelzhandel  noch  Kolonisation,  Ackerbau,  die  Erforschung 
des  Gebietes  und  die  griechisch-katholische  Mission  zu  fordern.  Die  Aleuten 
wurden  der  Gesellschaft  als  Horige  iiberwiesen,  welche  auf  Befehl  der  Be- 
amten  fur  sie  jagen  mussten.  Ausserdem  musste  jeder  Erwachsene  drei  Jahre 
lang  in  den  Dienst  der  Kompagnie  treten.  Alle  erbeuteten  Felle  mussten  an 
diese  verkauft  werden  und  zwar  zu  dem  Preis,  welchen  die  Gesellschaft  aus- 
zusetzen  fur  gut  fand. 

Die  Eingeborenen  von  Kenai  und  Chugatsch  mussten  einen  jahrlichen 
Tribut  von  Fellen  liefern,  brauchten  aber  nicht  in  den  direkten  Dienst  der 
Gesellschaft  treten. 

Die  Leitung  der  Geschafte  im  Territorium  wurde  einem  Chefdirektor 
iibertragen,  zu  dem  Baranoff  erwahlt  wurde.  Seine  Residenz  war  in  Kadiak 
und  unter  ihm  waren  in  den  anderen  Distrikten  Unteragenten,  welche  aus 
den  Promyschleniks  oder  Pelzhandlern  erwahlt  wurden  und  ihm  allein  verant- 
wortlich  waren.  Die  Autoritat  des  Chefdirektors  war  ziemlich  jnbeschrankt 
und  unterstand  nur  dem  Direktorium  in  Irkutsk,  welches  die  Regulationen 
erliess  nach  Genehmigung  durch  das  kaiserliche  Handelsministerium  in  Peters- 
burg. Diese  Regulationen  waren  ziemlich  human  und  wahrten  auch  die  In- 
teressen  der  Eingeborenen  und  Angestellten.  S  ieblieben  aber  auf  dem  Papier 
stehen,  denn  Baranoff  regierte  als  eiserner  Autokrat,  ohne  sich  im  geringsten 
um  die  Vorschriften  und  Anordnungen  des  Direktoriums  zu  kiimmern.  Be- 
schwerden  konnten  dieses  Direktorium  auch  nie  erreichen,  da  die  gesamte 


5.  Kapitel. 


175 


Korrespondenz  durch  seine  Hand  ging  und  von  den  Angestellten  niemand 
wieder  nach  Russland  zuriickkehrte.  Sagte  doch  wenig  spater  Krusenstern, 
der  auf  seiner  Forschungsreise  die  Kolonie  besuchte:  ,,Nur  Vagabunden  und 
Abenteurer  tret  en  in  denDienst  der  Kompagnie  als  Pelzhandler,  denn  sie  miissen 
ein  uberaus  elendes  Leben  fuhren,  und  nur  sehr  wenige  haben  je  die  Aussicht, 
wieder  russischen  Boden  zu  betreten."  Das  Kapital  der  Gesellschaft  betrug 
iibrigens  nur  98  ooo  Silberrubel. 

Bei  der  Ubersiedlung  ging  das  Schiff  ,,Feme"  mit  dem  Bischof  loasaph 
und  88  Passagieren,  den  samtlichen  Geistlichen  der  Kolonie,  zugrunde.  An  der 


Strasse  in  Nome  (Alaska). 

neuen   russisch-amerikanischen    Gesellschaft   waren   Iibrigens   fast   samtliche 
Handler  des  Gebiets  beteiligt. 

1799  durchforschte  Khwostoff  mit  dem  in  Amerika  gebauten  Schiff  der 
Kompagnie,  ,,St.  Demetrius",  den  Alexander- Archipel  und  erhielt  hier  eine 
sehr  grosse  Menge  feiner  Seeotterfelle,  ebenso  erbeutete  eine  Partie  Aleuten 
sehr  wert voile  Felle  in  der  George- Strasse.  Baranoff  besuchte  deshalb  Sitka 
personlich,  errichtete  hier  eine  befestigte  Faktorei,  das  Fort  Erzengel  Gabriel 
und  nahm  von  dem  ganzen  Gebiet  im  Namen  Russlands  Besitz.  Dieses  Fort 
wurde  bald  ein  Emporium  des  Pelzhandels.  Hier  versammelten  sich  von  Zeit 
zu  Zeit  die  verschiedenen  Handler  von  ihren  einsamen  Post  en  in  der  Wildnis, 
um  die  Geniisse  der  Zivilisation  auszukosten,  wobei  ein  unbegrenzter  Konsum 
von  Wodka  in  erster  Linie  stand. 


176  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

1801  wurde  das  Hauptdirektorium  der  russisch-amerikanischen  Kompagnie 
von  Irkutsk  nach  Petersburg  verlegt.     7350  neue  Aktien  von  je  500  Silber- 
rubelwurden  ausgegeben,  von  denen  Kaiser  Paul,  die  Kaiserin  und  Grossfiirst 
Constantin  jeder  20  Aktien  ubernahmen. 

Im  gleichen  Jahre  wurde  die  Petersburger  Bank  durch  einen  Kaiserlichen 
Ukas  veranlasst,  der  Gesellschaft  250  ooo  Silberrubel  zum  gesetzlichen  Zinsfuss 
auf  8  Jahre  zu  leihen. 

1802  wurde  der  Kompagnie  das  Monopol  fur  den  gesamten  sibirischen 
und  russisch-amerikanischen  Pelzhandel  verliehen.    Nicht  so  gut  ging  es  aber 
in  dem  neuen  Besitztum  Sitka,    die  dort  ansassigen  kriegerischen  Thlinketts 
waren  nicht  so  geduldig  wie  die  Aleuten,  sie  emporten  sich  gegen  die  sie  be- 
driickenden  Russen,  zerstorten  das  Fort  und  toteten  samtliche  Offiziere  und 
30  Mann,  das  aufgespeicherte  Pelzwerk  liessen  sie  unberiihrt,  doch  eignete 
sich  das  der  zwei  Tage  spater  eintreffende  englische  Kapitan  Barlow  an,  der 
auch  noch  2  Russen,  2  Aleuten  und  18  Farmer  rettete,  wofiir  er  aber  von  der 
russisch-amerikanischen  Gesellschaft  em  exorbitantes  Losegeld  forderte. 

Eine  Partie  von  450  Aleuten  unter  Fuhrung  des  Russen  Kuskoff  wurde 
ebenfalls  von  den  Thlinketts  uberf alien  und  5  Russen  dabei  getotet.  Eine 
weitere  Expedition  von  90  Kajaks  unter  Urbanoff  ging  es  noch  schlimmer. 
Nur  Urbanoff  und  22  Aleuten  entkamen  den  wiitenden  Thlinketts.  Jetzt 
schritt  man  auch  in  Petersburg  ein.  Zunachst  erhielt  das  Kaiserliche  Finanz- 
bureau  Auftrag,  dem  Direktorium  loo  ooo  Rubel  zur  Verfiigung  zu  stellen, 
ferner  wurden  die  Regierungsschiffe  ,,Nadeshda"  und  ,,Newa"  unter  Kapitan 
Krusenstern  und  Lisiansky  von  der  Newa  aus  nach  dem  Schauplatz  der  Un- 
ruhen  gesandt.  Zugleich  aber  wurde  auch  der  Kaiserliche  Kammerherr  Graf 
Nikolai  Petrowitsch  Rezanoff  als  Regierungskommissionar  ,,zur  Abstellung 
von  Missstanden  und  der  besseren  Verwaltung  der  Kolonie"  hingesandt. 

Er  ging  zunachst  mit  Krusenstern  auf  der  ,,Nadeshda"  nach  Kamtschatka 
und  versuchte  von  hier  aus  vergeblich  Handels-  und  diplomatische  Beziehung 
mit  Japan  anzukmipfen,  doch  wurde  die  Landung  in  Japan  nicht  gestattet, 
und  sie  mussten  unverrichteter  Sache  nach  Petropowlawsk  zuriickkehren. 

Lisiansky  griff  unterdessen  mit  der  ,,Newa",  unterstiitzt  von  Baranoff, 
mit  1 20  Russen  4  Kompanie-Fahrzeugen  und  800  Aleuten  in  Kajaks  die 
Thlinketts  an,  die  nach  heftiger  Beschiessung  und  vergeblichem  Versuch  der 
Russen,  ihre  Position  durch  Sturm  zu  nehmen,  schliesslich  aus  Munitions- 
mangel  zur  Unter werfung  gezwungen  wurden.  Auf  den  Felsen,  welche  die 
Indianer  so  mannhaft  verteidigt  hatten,  errichtete  Baranoff  ein  neues  Fort, 
Archangel.  Die  Ansiedlung  erhielt  den  Namen  Neu- Archangel.  Ganz  waren 
die  Eingeborenen  aber  noch  nicht  unterworfen,  und  es  kam  noch  haufig  zu 
blutigen  Zusammenstossen  mit  den  russischen  Angestellten,  von  denen  jetzt 
470  in  der  Kolonie  tatig  waren.  Zum  Herbst  1804  traf  der  Kaiserliche  Kom- 
missar,  Graf  Rezanoff,  in  Kadiak  ein  und  fuhrte  trotz  des  heftigen  Wider- 
standes  des  autokratischen  Baranoff  zahlreiche  Reformen  ein.  So  errichtete 


5-   Kapitel. 


177 


cr  Schulen  in  Kadiak,  richtete  einen  Gerichtshof  in  der  Kolonie  ein  und  ordnete 
an,  dass  die  Aleuten  ihre  Bezahlung  in  Geld,  nicht,  wie  vorher,  in  Waren  er- 
halten  sollten.  Er  fiihrte  auch  Papiergeld,  kleine  Stiickchen  Pergament,  mit 
dem  Stempel  der  Kompagnie  versehen,  in  der  ganzen  Kolonie  als  gesetzliches 
Zahlungsmittel  ein.  Alle  Zeitgenossen  schildern  Rezanoff  als  eine  hervorragend 
glanzende  Personlichkeit  von  umfassender  Bildung  und  ungewohnlichem  Ver- 
waltungstalent,  der  auf  seine  ganze  Umgebung  einen  bedeutenden  Einfluss 
aasiibte.  Bald  nach  seinem  Eintreffen  brach  Hungersnot  in  der  Kolonie  aus. 
Kurz  entschlossen  kaufte  er  das  amerikanische  Schiff  ,,Juno"  mit  seiner 


Renntierschlitten  mit  Fellen  beladen  in  Alaska. 

Ladung  Mehl  und  Provisionen,  welche  er  unter  die  Ansiedler  verteilte.  Er 
selbst  segelte  nach  Kalifornien,  um  dort  Lebensmittel  zu  kaufen  und  einen 
Platz  zu  einer  russischen  Niederlassung  zu  erwerben.  Er  kam  nach  dem  welt- 
entlegenen  San  Franzisko  oder,  wie  es  damals  hiess,  Yerba  Buena,  wie  ein 
Wesen  aus  einer  anderen  Welt.  Anfanglich  trat  ihm  der  Gouverneur,  Don 
Louis  de  Arquello,  ein  typischer,  alter  Hidalgo,  sehr  kuhl  entgegen,  aber  ein 
Liebesidyll  entspann  sich  zwischen  seiner  schonen  Tochter  und  dem  glanzenden 
Offizier  Rezanoff.  Eine  offentliche  Verlobung  fand  statt,  und  der  Gouverneur 
schloss  nun  einen  Vertrag  zur  regelmassigen  Lieferung  von  Vieh  und  sonstigen 
Lebensmitteln  fur  die  russische  Kolonie  ab.  Ja,  es  gelang  auch  Rezanoff,  der 

12 


178  III.   Geschichte  des  -russischen  Ranch warenhandels. 

den  Wert  des  Landes  sofort  erkannte,  eine  grosse  Strecke  Landes  an  der  Bai, 
wo  sich  heute  die  Palaste  von  San  Franzisko  erheben,  zu  erwerben. 

Zur  Heirat  musste  er  aber  den  Kaiserlichen  Konsens  haben,  und  unge- 
duldig,  um  nicht  auf  die  lange  briefliche  Erledigung  zu  warten,  kehrte  er  nach 
Sitka  zuriick,  ging  sofort  nach  Kamtschatka  und  von  hier  aus  noch  im  Winter 
auf  dem  Landwege  nach  Petersburg.  Er  hatte  sich  aber  zu  viel  zugemutet 
und  starb  auf  der  Reise  in  Krasnojarsk  an  den  Folgen  einer  Erkaltung  am 
i.  Marz  1807.  Es  wird  iibrigens  berichtet,  dass  seine  Braut  viele  Jahre  nichts 
von  seinem  Tode  erfuhr  und  alle  Bewerbungen  um  ihre  Hand  zariickwies 
und  bis  in  ein  hohes  Alter  hinein  taglich  sich  an  die  Bai  begab,  um  die  Riick- 
kehr  des  Verschollenen  zu  erwarten. 

Baranoff  war  aber  sehr  erfreut  uber  den  Tod  Rezanoffs,  und  seine  erste 
Handlung  war,  samtliche  Reformen  wieder  aufzuheben  und  weiter  mit  der 
eisernen  Hand  zu  regieren.  Es  gelangten  Klagen  iiber  Klagen  nach  Peters- 
burg, so  dass  schliesslich  das  Direktorium  1808  einen  neuen  Generaldirektor, 
Koch,  hinaussandte,  um  Baranoff  abzusetzen.  Er  starb  aber  bereits  auf  der 
Reise  in  Kamtschatka,  und  Baranoff  setzte  seine  Tatigkeit  ungehindert  fort. 

Baranoff  war,  wenn  er  auch  als  eiserner  Autokrat  regierte,  doch  immer 
darauf  bedacht,  die  Interessen  der  Gesellschaft  zu  fordern  und  den  Pelzhandel 
auszudehnen.  So  entsandte  er  1808  zwei  Schiffe  unter  Kuskoff  nach  Siiden, 
nach  der  Miindung  des  Columbia,  um  dort  Felle  einzuhandeln,  die  mit  reicher 
Ausbeute  zuriickkehrten.  Ebenso  charterte  er  ein  amerikanisches  Schiff, 
,,The  Mercury",  unter  Kapitan  Erse  zu  dem  gleichen  Zwecke,  und  auch  dieses 
war  erfolgreich,  dagegen  gelang  es  ihm  nicht,  die  kriegerischen  und  gereizten 
Thlinketts  zu  versohnen  und  zum  Pelzhandel  mit  den  Russen  zu  veranlassen. 
Eine  Expedition  von  100  Baidarkas  unter  Schutz  zweier  bewaffneter  Schoner 
wurde  blutig  von  den  Indianern  zuriickgewiesen. 

1804  wurde  ein  neues  Fort  auf  Sitka  gebaut,  ,, Archangel  Michael  Redout", 
und  die  Kolonie  erhielt  jetzt  den  Namen  ,,Novo  Archangelsk".  1806  wurde 
die  Gesellschaft  wiederum  erweitert,  die  Petersburg  er  Bank  lieh  weitere 
300  ooo  Silberrubel  (damals  gait  der  Rubel  noch  3,20  Mark),  und  die  Kompanie 
erhielt  das  Recht,  die  russische  Kriegsflagge  zu  fiihren,  worauf  viele  Marine- 
offiziere  in  ihre  Dienste  traten.  Um  dem  grossen  Ubelstand  abzuhelfen,  dass 
samtliche  Provisionen  fur  die  Kolonie  von  den  fernen  heimatlichen  Gestaden 
der  Ostsee  herbeigeschafft  werden  mussten,  wurde  1810  der  schon  friiher  er- 
wahnte  Vertrag  mit  Joh.  Jakob  Astor  abgeschlossen.  Dieser  verpfhchtete 
sich,  samtliche  erf  or  der  lichen  Lebensmittel  fur  die  russischen  Niederlassungen 
zu  liefern  und  Pelzwaren  dafiir  in  Zahlung  zu  nehmen,  sowie  ferner  die  Pelz- 
ausbeute  der  russischen  Handelsposten  kommissionsweise  in  Kanton  zu  ver- 
kauf  en . 

Der  gewalttatige  Druck  Baranoffs  verursachte  1809  eine  Meuterei  unter 
den  Russen,  unter  Fuhrung  von  Naplokoff  und  Popoff.  Baranoff  sollte  ge- 
totet  werden,  und  die  Verschworer  wollten  sich  eines  Schiffes  der  Kompanie 


5-  Kapitel. 


179 


bemachtigen  und  nach  den  Siidsee-Inseln  segeln.  Am  Abend  vor  Ausbruch 
der  Verschworung  verriet  indessen  ein  Teilnehmer,  ein  gewisser  Leschinsky, 
das  Komplott.  Die  Radelsfuhrer  wurden  verhaftet  und  von  Baranoff  zum 
Tode  verurteilt.  Auch  eine  Verschworung  der  Aleut  en  zur  Befreiung  von  der 
russischen  Herrschaft  wurde  durch  ein  eingeborenes  Weib  verraten,  die  ihren 
Geliebten  retten  wollte! 

Die     Beschwerde     eines     angesehenen    Halbblut-Eingeborenen,     Peter 
Shydekin,  erreichte  zwar  diesmal  Petersburg,  aber  ohne  Erfolg. 


Eskimos,  die  Felle  nach  Nome  (Alaska)  gebracht  haben. 

Baranoff  errichtete  jetzt  ,eine  leistungsfahige  Schiffswerft  auf  Sitka,  auf 
der  Schiffe  wie  die  ,,  Disco  very"  von  306  Tonnen^  der  ,,Chirckoff"  von  120 
Tonnen  und  eine  Reihe  von  Schonern,  Briggs  etc.  gebaut  wurden. 

1810  kam  es  zu  einem  erbitterten  Kampfe  zwischen  einer  Handels-Expe- 
dition  unter  Kuskoff  und  den  bedriickten  Insulanern,  die  von  einem  amerika- 
nischen  Handelsfahrzeug  unter  Kapitan  Gale  unterstiitzt  wurden.  Die  Russen 
mussten  sich  unter  Verlust  der  ganzen  Pelzausbeute  zuriickziehen,  welche 
von  den  Amerikanern  als  gute  Beute  an  Bord  genommen  wurden.  Baranoff 
hielt  es  jetzt  an  der  Zeit,  die  Plane  von  Rezanoff  aufzunehmen.  Er  wandte 
sich  an  die  spanische  Regierung  mit  der  Bitte,  ihm  ein  Stuck  Land  in  Kali- 
fornien  zur  Anlage  einer  landwirtschaft lichen  Kolonie  zu  verkaufen.  Das 


12  = 


I  So  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Gesuch  wurde  prompt  abgeschlagen.  Aber  Spanien  war  weit  und  Baranoff 
nah.  Er  sandte  eine  Expedition  unter  Kuskoff  nach  Kalifornien,  welch e  sich 
einfach,  ohne  zu  fragen,  an  dem  kleinen  Hafen  Bodega  in  Kalifornien  nieder- 
liess.  Hier  wurde  ein  Fort  errichtet  und  von  Kuskoff  mit  20  Russen  und 
50  Kadiak-Insulanern  besetzt.  Windmuhlen  wurden  errichtet  und  grosse 
Strecken  des  fruchtbaren  Landes  mit  Weizen  bestellt,  Kinder,  Pferde  und 
Schafe  geziichtet  und  regelmassig  Lebensmittel  von  hier  nach  Sitka  gesandt. 
Hiermit  aber  nicht  zufrieden,  errichtete  Kuskoff  hier  eine  grosse  Warennieder- 
]age  und  betrieb  ganz  of  fen  Schleichhandel  mit  den  spanischen  Niederlassungen 
und  der  Kiiste.  Trotz  aller  offiziellen  Proteste  driickten  iibrigens  die  lokalen 
Behorden  ein  Auge  zu,  da  sie,  von  Spanien  stets  aufs  schmahlichste  im  Stich 
gelassen,  hierbei  die  einzige  Moglichkeit  hatten,  sich  mit  War  en  zu  versorgen. 
Von  Spanien  resp.  Atapulco  oder  San  Bias  in  Mexiko  kam  nur  alle  paar  Jahre 
ein  Fahrzeug  mit  den  notwendigsten  Bedarfsartikeln. 

Kuskoff  liess  auch  seine  Kadiak-Insulaner  langs  der  ganzen  kalifornischen 
Kiiste  Seeottern  fangen.  Ja  selbst  durch  das  Goldene  Thor  drangen  die  flinken 
Baidarkas  und  durchsuchten  unter  den  Augen  der  Behorden  die  wundervolle 
Bai  von  San  Franzisko,  am  Strande  von  ,,  Yerba  Buena"  dem  kostbaren 
Wilde  nachstellend.  Etwa  3000  Seeottern  wurden  damals  jahrlich  allein 
in  Kalifornien  erbeutet  und  durch  ein  Schiff  der  Kompanie  nach  Canton 
gebracht,  wo  sie  im  Durchschnitt  mit  60  Dollar  bezahlt  wurden,  und  zwar  die 
geringeren  mit  35,  die  besseren  mit  80  Dollar. 

Die  Spanier  protestierten,  wie  gesagt,  bei  Kuskoff  fortwahrend  iiber  die 
Anlage  der  Forts  und  der  ,,Ross  Colonja",  wie  die  Ansiedelung  genannt  wurde, 
dieser  kummerte  sich  aber  um  nichts  und  wies  sie  einfach  an  seinen  Herrn, 
Baranoff.  Baranoff  sollte  1813  wieder  einmal  wegen  seiner  Ubergriffe  abge- 
setzt  und  ein  gewisser  Baron  Walokoff  von  Petersburg  hinausgesandt  werden, 
um  ihn  abzulosen.  Er  schiffte  sich  in  Ochotsk  auf  dem  Schiff  der  Kompanie, 
,,Neva",  Kapitan  Poduschkin  in  Ochotsk,  ein.  Ungefahr  bei  Sitka  strandete 
das  Fahrzeug  aber,  und  Walokoff  ertrank  mit  37  Gefahrten.  Nur  25  Mann 
wurden  gerettet.  Auch  die  Thlinketts,  welche  einen  allgemeinen  Kreuzzug 
gegen  die  Russen  planten,  wurden  jetzt  einmal  grimdlich  geschlagen.  Die- 
selben  wurden  nun  auch  bewogen,  den  Pelzhandel  mit  den  Russen  wieder 
aufzunehmen,  und  wurden  ihnen  auch  hohere  Preise  fur  die  Felle  bewilligt. 
Trotzdem  wurde  jetzt  eine  Spezial-Kommission  zur  Untersuchung  der  Ange- 
legenheit  der  Russisch-amerikanischen  Kompagnie  eingesetzt. 

Jetzt  traf  Baranoff  ein  Schlag  nach  dem  andern.  Er  kaufte  drei  amerika- 
nische  Schiff  e  fur  die  Gesellschaft  an,  den  ,, Trevor",  den  ,,Behring"  und  den 
,,Ilmen".  Der  ,, Trevor"  musste  als  seeuntiichtig  in  Sitka  kondemniert  werden. 
Der  ,,Behring",  den  Baranoff  nach  den  Sandwichinseln  sandte,  um  dort 
wichtige  Beziehungen  anzukniipfen,  strandete  auf  Attiua  in  den  Sandwich- 
inseln. Der  ,,Iljnen",  der  nach  dem  Ross  Settlement  gesandt  war,  wurde 
von  einem  spanischen  Zoll-Kreuzer  beim  Schmuggeln  iiberrascht  und  der 


5.  Kapitel.  181 


Supercargo,  ein  Amerikaner  John  Elliot  de  Castro,  mit  einer  Anzahl  der  Mann- 
schaft  gefangen  gesetzt. 

In  Petersburg  hatte  1815  Graf  Romanzoff  das  Kriegsschiff  ,,Rurik"  auf 
seine  Kosten  zu  einer  wissenschaftlichen  Expedition  nach  Russisch-Amerika 
ausgeriistet,  unter  Befehl  des  Kapitans  Kotzebue,  ein  Sohn  des  bekannten 
deutschen  Schriftstellers.  An  Bord  befanden  sich  der  deutsche  Arzt  und 
Naturforscher  Eschholz,  unser  Dichter  Chamisso  als  Botaniker  und  der  deutsche 
Login  Choris  als  Maler. 

Chamisso  hat  uns  eine  sehr  interessante  Schilderung  der  Reise  hinter- 
lassen,  trotzdem  er  sich  an  Bord  nicht  glucklich  fiihlte  und  gleichzeitig  unter 
der  Seekrankheit  und  den  kleinlichen  Tyranneien  Kotzebues  zu  leiden  hatte. 
Am  19.  Juni  1816  wurde  Petropawlowsk  erreicht,  von  hier  aus  die  Behring- 
strasse,  St.  Lorenz-Inseln,  besucht  und  der  grosse  Sund  erforscht,  welcher 
Kotzebues  Namen  tragt,  Letzterer  bildet  die  nordlichste  Grenze  des  Vor- 
kommens  der  Seeotter.  Sodann  wurde  in  Unalaschka  langerer  Aufenthalt  ge- 
nommen.  Einer  der  Schoner  der  Russisch-amerikanischen  Kompanie,  der 
zwischen  Unalaschka  und  Sitka  Pelzhandel  trieb,  war  iibrigens  von  einem 
Danziger  Kapitan  Binzemann  befehligt. 

Zum  Herbst  wurde  Kalifornien  aufgesucM,  da  verschiedene  Differenzen 
zu  ordnen  waren  und  zunachst  San  Franzisko  angelaufen,  wo  der  Kommandant, 
Don  Luiz  Arguella,  der  Bruder  der  aus  der  Romanze  mit  Rezanoff  bekannten 
Conita  Arguella,  sie  sehr  freundlich  empfing. 

Der  Gouverneur  kam  von  Montery  herauf,  und  Kuskoff  kam  gleichfalls 
von  seiner  Ansiedlung  Bodega  herab. 

Der  Gouverneur  Don  Parlo  Vinciente  de  Sola  lieferte  an  Kotzebue  nicht 
nur  den  gefangenen  Supercargo  der  ,,Ilmen",  John  Elliot  de  Castro,  aus, 
sondern  auch  noch  mehrere  Aleut  en  und  Russen,  die  beim  Schmuggeln  und 
beim  Seeotterfang  gefangen  genommen  waren.  Die  Verhand lung  iiber  Raumung 
von  Bodega  durch  die  Russen  verlief  im  Sande.  Kuskoff  erklart  sich  zur 
sofortigen  Raumung  bereit,  sobald  er  von  Baranoff  Auftrag  hierzu  hatte. 
Kotzebue  erklart  sich  zum  Einschreiten  nicht  berechtigt,  und  so  wurde  nur 
ein  Protokoll  auf  gesetzt  und  an  den  Konig  von  Spanien  und  den  Kaiser  von 
Russland  eingesandt.  Hier  wurde  das  Schriftstiick  prompt  im  Archiv  be- 
graben,  der  Gouverneur  von  Kalifornien  erhielt  einen  hohen  russischen  Orden, 
und  damit  war  die  Sache  vorlaufig  erledigt.  Um  Gewalt  zu  gebrauchen,  waren 
die  Spanier  in  dieser  Gegend  viel  zu  schwach. 

Im  Lauf  der  Weiterreise  wurden  auch  die  Pribiloff-Inseln  St.  Paul  und 
St.  George  besucht. 

Schon  damals  machten  amerikanische  Kapitane  von  Zeit  zu  Zeit  Lan- 
dungen  auf  den  Inseln,  um,  nachdem  sie  die  Wacher  unter  Branntwein  gesetzt 
hatten,  eine  Ladung  Seehundsfelle  einzunehmen.  Dann  wurde  infolge  Er- 
krankung  Kotzebues  die  Heimreise  angetreten. 


182  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Im  Norden  hatte  Baranoff  jetzt  mehrfach  Ungliick.  Das  Schiff  der  Kom- 
panie,  ,, Maria  Magdalena",  scheiterte  bei  Ochotsk,  doch  gelang  es,  dieLadung 
von  wertvollem  Pelzwerk  zu.  retten. 

Baranoff  resignierte  endlich  1818,  80  Jahre  alt,  und  gab  seine  Stellung  als 
Direktor  der  Gesellschaft,  die  er  mit  eiserner  Autoritat  27  Jahre  lang  bekleidet 
hatte,  ab.  Auf  der  Heimreise  starb  er  auf  Batavia,  ohne  die  Heimat  wieder- 
gesehen  zu  haben.  An  seine  Stelle  trat  Kapitan  Leontius  Andrianowitsch 
Hagemeister,  der  aber  sehr  bald  abdankte,  nachdem  er  einige  der  Rezanoff- 
schen  Reformvorschlage  eingefiihrt  hatte,  namentlich  die  Barbezahlung  der 
Jager  an  Stelle  der  Warenlieferungen. 

Leutnant  Tannoffsky  wurde  jetzt  Direktor,  und  Kapitan  Golofnin  wurde 
ersucht,  einen  Bericht  an  den  Kaiser  liber  die  Verhaltnisse  in  Alaska  zu  er- 
statten.  Nach  Eintreffen  dieses  Berichts  wurde  den  Ubergriffen  der  Handler 
und  der  Selbstherrschaft  des  Direktors  ein  Ende  gemacht.  Er  war  von  jetzt 
ab  der  Krone  direkt  verantwortlich. 

Nun  trat  ein  neuer  Aufschwung  ein,  zahlreiche  Expeditionen  er- 
forschten  sowohl  das  Festland,  als  die  Inseln.  Die  Russisch-amerikanische 
Kompanie  besass  jetzt  fiinf  Handelsforts  auf  den  Aleuten,  vier  an  Cooks 
Inlet,  zwei  am  Chugart  Golf  und  eins  auf  der  Baranoff-Insel  bei  Sitka. 

Ausserdem  hatte  die  Ansiedlung  der  Gesellschaft  in  Kalifornien,  dieRoss- 
Niederlassung  in  Bodega,  grossen  Umfang  angenommen.  Ein  starkes  Fort 
schiitzte  die  Felder,  in  ausgedehnten  Garten  wurden  Friichte  und  Gemiise, 
auf  den  Feldern  Weizen  gezogen,  sowie  viel  Vieh  geziichtet;  alles  fur  den 
Bedarf  der  Ansiedlungen  in  Alaska.  Es  war  dies  iibrigens  der  erste  Weizenbau 
in  Kalifornien  und  ebensowenig,  wie  man  sich  damals  von  dem  Goldreichtum 
unter  den  Fiissen  traumen  Hess,  dachte  man  daran,  dass  Kalifornien 
einst  eines  der  reichsten  Weizenproduktionslander  werden  sollte,  und  dass 
sich  an  den  Ufern  der  Bay,  auf  der  die  Spanier  nicht  einmal  ein  Boot  besassen, 
eine  Weltstadt  erheben  sollte,  wo  die  Handelsflotten  der  ganzen  Welt  zu- 
sammenstromen  wurden.  An  die  Spitze  des  Ross  Settlements  trat  jetzt  ein 
Deutscher,  Schmidt,  an  Stelle  Koskoffs. 


III. 

Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

6.  Kapitel. 

1821  wurde  der  Freibrief  der  Russisch-amerikanischen  Kompagnie  durch 
kaiserlichen  Ukas  auf  20  Jahre  verlangert  und  zugleich  die  Kompagnie  reorgani- 
siert.  Die  gesamte  amerikanische  Kuste  nordlich  vom  50.  Grad  und  die  ge- 
samte  Ostkiiste  Asiens  nordlich  vom  45.  Breitengrade  wurde  zum  russischen 
Gebiet  erklart  und  jedem  Fremden  die  Annaherung  bis  auf  100  Seemeilen 
von  der  Kiiste  verboten.  Sowohl  England  als  die  Vereinigten  Staaten  pro- 
testierten  dagegen,  aber  russische  Kriegsschiffe  wurden  in  die  Behringsee 
gesandt,  um  die  Durchfiihrung  des  Ukas  zu  erzwingen. 

Der  russische  Kreuzer  ,, Apollo"  beschlagnahmte  auch  die  amerikanische 
Brigg  ,, Pearl",  die  des  Pelzhandels  halber  von  Boston  nach  Sitka  entsendet 
war,  was  zu  einer  langdauernden  diplomatischen  Kontroverse  zwischen  Russ- 
land  und  den  Vereinigten  Staaten  fuhrte.  Gerade  bei  dieser  Gelegenheit  er- 
klarte  der  President  Monroe  seine  beruhmte  Doktrin,  die  noch  heute  so 
unliebsame  Folgen  hat.  Endlich  1824  kam  es  zu  einem  Vertrage:  der  Nord- 
pacific  sollte  den  Angehorigen  beider  Nationen  zu  Fischfang,  Handel  und 
Schiffahrt  offenstehen,  nur  sollten  die  Handelsstationen  der  einzelnen  Nationen 
von  Untertanen  der  anderen  Nation  und  mit  Zustimmung  des  jeweiligen 
Kommandanten  besucht  werden.  An  die  Eingeborenen  durften  weder  Waff  en, 
Munition,  noch  Alkohol  verkauft  werden.  Die  Russen  verpflichteten  sich, 
keine  Ansiedlung  siidlich  vom  54.  Grad  und  die  Amerikaner,  keine  nordlich 
von  diesen  Breitengraden  anzulegen.  Nach  10  Jahren  konnte  Russland  die 
Erlaubnis  zu  Schiffahrt  in  ihren  Gewassern  zuruckziehen.  Die  Brigg  ,, Pearl" 
mit  ihrer  Pelzladung  wurde  freigegeben. 

1825  wurde  eine  ahnliche  Konvention  zwischen  Russland  und  Gross- 
britannien  abgeschlossen. 

In  dieser  Konvention  wurde  die  siidlichste  Grenze  des  russischen  Pelz- 
warenhandels  auf  den  54.  Grad  40  Min.  nordlicher  Breite  festgesetzt,  sonst 
waren  die  Bestimmungen  die  gleichen,  wie  im  russisch-amerikanischen Vertrage. 

Im  Jahre  1826  wurde  eine  weitere  russische  Forschungsexpedition 
unter  Kommando  des  Kapitans  Fr.  Liitke  in  der  Korvette  ,,Seujanin"  nach 
dem  nordlichen  Pacific  entsandt. 


184 


TIT.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


Es  waren  der  Expedition  auch  drei  Naturforscher  mitgegeben,  lauter 
Deutsche,  Kittlitz,  Postels  und  Mertens.  Dem  ersteren  verdanken  wir  ein 
interessantes  Werk  iiber  diese  Reise,  mit  sehr  schonen  Zeichnungen  von  seiner 
kundigen  Hand.  Auch  ein  Sohn  des  russischen  Admirals  Krusenstern  nahm 
an  der  Expedition  teil.  Brasilien  und  Chile  wurden  besucht  und  auch  wissen- 
schaftliche  Beobachtungen  dort  angestellt.  Von  Valparaiso  ging  die  Reise 
bis  Sitka  ohne  jeden  Aufenthalt,  fur  die  damalige  Zeit  eine  gewaltige  Leistung, 
die  etwa  80  Tage  in  Anspruch  nahm.  Zunachst  wurde  am  24.  Juni  Norton 
Sound  erreicht  und  erst  in  Neu-Archangel  Anker  geworfen,  wo  das  fur 


Eskimos  in  Alaska 
ihr  Whaleboot  zu  Wasser  bringend. 

die  dortigc  Gegend  grossartige  Schloss  der  Russisch-amerikanischen  Ge- 
sellschaft,  wenn  auch  aus  Holz  gebaut,  durch  seine  die  Holzhauser  der  Kolo- 
nisten  und  die  Hiitten  und  Zelte  der  Indianer  weit  iiberragende  Lage  einen 
gewaltigen  Eindruck  auf  Kittlitz  machten. 

Die  Indianer  gingen  damals  immer  gut  bewaffnet,  nur  waren  Feuer- 
waffen  selten,  da  die  Russisch-amerikanische  Kompanie  den  Eingeborenen 
solche  nicht  liefern  durfte,  und  nur  von  den  amerikanischen  Schiffen  solche 
erhalten  werden  konnten.  Namentlich  die  Munition  war  sehr  wertvoll.  Friiher 
war  zwischen  den  Russen  und  den  Eingeborenen  immer  eine  Art  lat enter 
Kriegszustand  gewesen,  erst  seit  der  Gouverneur  Maraview  1822  die  Nieder- 
lassung  von  Indian er-Gemeinden  in  unmittelbarer  Nahe  der  russischen  Ge- 
meinden  erlaubte,  wurde  der  Zustand  ein  besserer.  Alles  lebte  librigens  von 
den  Fischen  und  der  Jagd  auf  Pelztiere,  deren  Felle  aber  an  die  Kompanie 
abgeliefert  werden  mussten.  Ubrigens  klagt  Kittlitz  schon  damals  iiber  das 
Seltenerwerden  der  Seeotter  und  des  Bibers,  der  ja  heute  ganz  von  den  Kiisten- 
distrikten  Alaskas  verschwunden  ist.  Die  Fischerei  wurde  damals  schon  im 


6.  Kapitel. 


grossen  ausgebeutet,  wenn  sich  auch  noch  niemand  von  der  grossen  Bedeutung 
der  Lachsindustrie  traumen  liess.  Die  Gesellschaft  hatte  zu  diesem  Behufe 
das  Fort  Oserskoi  redoute  eingerichtet  und  auch  bei  den  Eingeborenen  statt 
der  althergebrachten,  einsitzigen  Baidarka  (genau  wie  der  gronlandische  Kayak) 
die  dreisitzigen  eingefuhrt,  eine  grosse  technische  Verbesserung.  Auf  Sitka 
erwahnt  auch  Kittlitz  das  Vorkommen  von  zwei  grossen  Barenarten,  einer 
schwarzen  und  einer  grauen,  die  beide  den  Menschen  sehr  gefahrlich  seien, 
sowie  der  zwei  grossen  Marderarten  (der  amerikanische  Zobel  und  der  virgi- 
nische  Iltis),  ferner  die  Wollziege,  die  Wildschafe  und  eine  grosse  Murmeltier- 


Eskimos  in  Baidarka  bei  St.  Michaels  (Alaska). 

art,  deren  Felle  viel  von  den  Eingeborenen  zu  Kleidungsstucken  benutzt 
wurden. 

Die  Ansiedlung  in  Unalaschka  war  lange  nicht  so  ansehnlich,  wie  in  Neu- 
Archangel,  da  die  wenigen  Gebaude  der  Kompanie  nur  zum  Teil  aus  Holz- 
hausern  bestanden,  die  Mehrzahl  bestand  nach  Art  der  Aleutischen  Wohnungen 
aus  mit  Rasen  bedeckten  Erdhiitten. 

Von  hier  aus  wurde  Petropawlowsk  auf  Kamtschatka  angelaufen,  das 
damals  von  der  Regierung  sehr  vernachlassigt  wurde. 

Die  Regierungsmacht  bestand  aus  einem  Flottenkapitan  als  Gouverneur, 
einem  Major  als  Vizegouverneur,  zwei  Leutnants  und  einem  Stabsarzt.  Da- 


1 86 


III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


neben  war  fur  ganz  Kamtschatka  nur  ein  Isprawnik  oder  Gerichtsamtmann 
mil  einigen  Schreibern  und  einem  Postmeister,  der  aber  nur  zweimal  im  Jahre 
eine  Post  abzufertigen  hatte,  einmal  im  Sommer  zur  See  nach  Ochotsk  und 
einmal  im  Winter  per  Hundeschlitten  nach  den  nordlichen  Ansiedlungen. 

Es  gab  ausserdem  noch  einige  Pelzhandler  und  Angestellte  der  Kompanie, 
sowie  Matrosen  usw.,  im  ganzen  eine  Einwohnerzahl  von  200  Kopfen.  Die 
samtlichen  Angestellten,  die  sehr  schlecht  bezahlt  wurden,  trieben  ausser 
Viehzucht  und  Gartenbau  noch  im  Winter  Zobelfang  als  Nebenerwerb  und 
erhielten  sie  damals  15  Rubel  pro  Fell.  Als  Merkwurdigkeit  erwahnt  Kittlitz 
auch,  dass  man  in  dieser  russischen  Kolonie  gar  kein  russisches  Geld  kannte, 
sondern  nur  hollandische  Dukaten  und  spanische  Dollars  zirkulierten. 

Den  Winter  verbrachte  die  ,,Seujanin"  in  den  Sudseeinseln  und  besuchte 
auch  die  Bonin-Insel,  die  damals  noch  nicht  Japan  gehorte  und  auch  noch 


Ankunft  der  Hundepost  vom  Norden  in  Nome  (Alaska). 

nicht  jene  Kolonie  kiihner  Seehunds-  und  Seeotter-Jager  besass,  welche  spater 
ihren  Namen  in  alien  Fangkreisen  beruhmt  machte. 

In  Petropawlawsk  trennte  sich  Kittlitz  von  der  Expedition,  um  Kam- 
tschatka zcologisch  zu  untersuchen. 

Seine  Forschungen  erganzten  die  fruheren  von  Pallas.  Er  erwahnt 
iibrigens  das  haufige  Vorkommen  des  grossen  Tarbagan-Murmeltieres,  die  auf 
den  Grashangen  der  Berge  ihre  ausgedehntenBauten  haben.  Merkwiirdigerweise 
kommen  jetzt  gar  keine  Murmelfelle  von  Kamtschatka  in  den  Handel.  Die 
Kittlitzschen  Zeichnungen  geben  iibrigens  zum  ersten  Male  eine  Idee  von  der 
landschaftlichen  Schonheit  der  waldumrahmten  kamtschadalischen  Flusse. 
Auch  die  alte  Niederlassung  Bolscheresk  wurde  von  ihm  besucht,  die  aber 
schon  damals  fiir  den  Handel  sehr  wenig  Bedeutung  hatte. 

Noch  kurz  vor  der  Abreise  gelang  es  ihm,  in  Awetscha  einer  Zobel- 
jagd  beizuwohnen,  die  hier  mit  besonders  dazu  abgerichteten  Hunden  betrieben 
wurde.  Daindiesem  Jahre  die  Zedernusse  auf  den  schwer  zuganglichen  Berg- 


6.  Kapitel. 


I87 


waldern  schlecht  geraten  waren,  hatte  sich  der  Zobel  in  die  niedriggelegenen 
Birkenwalder  gezogen,  wo  der  Fang  leichter  ist.  Die  Zobel  nahren  sich  eben 
vorwiegend  vonVegetabilien,  und  nur  nebenbei  werden  Mause,  junge  Vogel  usw. 
verzehrt. 

Wahrend  seiner  Abwesenheit  war  die  ,,Seujanin"  weit  an  der  Kiiste  von 
Kamtschatka  nordlich  vorgedrungen  bis  zur  Behringstrasse  und  wurde  nun 
die  Heimreise  iiber  die  Karolinen  angetreten. 

1829  wurde  eine  wichtige  Neuerung  bei  der  Russisch-amerikanischen 
Kompanie  eingefuhrt,  indem  sie  alle  Ankaufe  fremder  Waren  und  Lebens- 
mittel  mil  Wechseln  auf  Petersburg  statt,  wie  bisher,  mit  Pelzwerk  bezahlte. 

1831  wurde  der  spater  so  beriihmte  Forscher  Baron  Wrangell  Direktor 
der  Kolonie. 


w  * 


Eskimos  im  Weiberboot  bei  Cap  Prince  of  Wales  (Alaska). 

Unter  ihm  wurde  1832  Sitka  als  Hauptort  der  Kolonie  und  zum  Sitz 
des  Direktors  und  des  Haupt-Depots  der  Russisch-amerikanischen  Kompanie 
erwahlt.  Ausserdem  aber  nodi  der  wichtige  Handelsposten  St.  Michaelis 
redout e  am  Norton  Sound  errichtet,  verschiedene  andere  Handelsposten 
angelegt  undzahlreiche  Handels-  und  Forschungsexpeditionen  ausgesandt. 

Es  machte  sich  jetzt  auch  auf  den  Prybeloffinseln  ein  starkes  Abnehmen 
der  wertvollen  Seehunde  bemerkbar,  die  bis  dahin  zu  vielen  Hunderttausenden 
jahrlich  von  den  Russen  erschlagen  wurden.  Die  Kompanie  verkaufte  dieselben 
fur  2 — 3  Rubel  pro  Fell  nach  Amerika,  England  und  China,  wahrend  die  Leute 
10  Kopeken  fur  jeden  erlegten  Seehund  erhielten. 

Da  fuhrte  der  zweite  Direktor  der  Kompanie,  Muravieff,  Reformen  ein, 
Hess  jahrlich  nur  eine  bestimmte  Anzahl  junger  Tiere  schlagen,  um  die  Zahl 
der  Herde  wieder  zu  heben.  Gewissenlose  Aufseher  auf  den  Inseln  aber 
hinderten  diese  Reformen,  indem  sie  amerikanischen  und  anderen  Schiffen 


i88 


III.   Geschichte  des  russischen  Ranch warenhandels. 


gegen  Bestechung  erlaubten,  soviel  Seehunde  zu  nehmen,  wie  sie  wollten. 
Im  Jahre  1834  hob  auch  die  russische  Regierung  die  freie  Schiffahrt,  die 
im  Vertrage  von  1824  amerikanischen  Handlern  zugestanden  war,  auf,  da 
vielfach  Feuerwaffen  und  Spirituosen  an  die  Eingeborenen  verkauft  worden 
waren.  Der  amerikanische  Gesandte  protestierte  vergeblich  dagegen,  es 
blieb  bei  der  Aufhebung. 

Jetzt  kam  es  auch  zu  einem  Konflikt  mil  England  durch  das  Vorgehen 
der  Hudsonsbay  Company,  wie  ich  bereits  in  einem  fruheren  Kapitel  (Ge- 
schichte des  Rauchwarenhandels  in  Nordamerika)  erzahlt  habe. 

Diese  hatte  beschlossen,  auf  russisch9m  Territorium  am  unteren  Stikeen- 
river,  wo  sich  heute  die  Haupt-Lachskonservierungsanstalten  Alaskas  be- 


Ein  grosses  Fellgeschaft  in  Nome   (Alaska).      [G.  T.   Schottelsack.] 

fin  den,  ein  Fort  zu  errichten.  Zunachst  drang  einc  Landexpedition  unter  Chief- 
factor  Macleod  auf  dem  Landwege  von  Fort  Liard  am  Flusse  gleichen  Namens 
nach  dem  oberen  Lauf  der  Stikeen  vor  und  erbaute  hier  den  Handelsposten 
Stikeenpost. 

1835  riistete  die  H.  B.  C.  im  Fort  Vancouver  am  Columbiaflusse  den 
Schoner  ,,  Dryad"  mit  Kolonisten,  Vieh,  Waff  en  und  Handelsartikeln  aus 
und  schickte  ihn  nach  der  Mini  dung  des  Stikeen,  um  hier  eine  grosse  Nieder- 
lassung  zu  begriinden.  Wrangell  schickte  ihnen  aber  die  bewaffnete  Brigg 
,,Chichapoff"  und  den  Schoner  ,,Chilkatt"  unter  Kommando  des  Leutnants 
Dionysius  Zarcuba  entgegen.  Er  errichtete  zunachst  das  Fort  Dionysius  an 
einem  kleinen  Hafen  bei  der  Miindung  des  Stikeen  und  verhinderte  dann  die 
Landung  der  englischen  Expedition  mit  Waffengewalt.  Der  ,, Dryad"  musste 


6.   Kapitel.  i8g 


mil  seiner  ganzen  Ausriistung  nach  Vancouver  zuriickkehren,  worauf  die 
Hudsonsbay  Company  Protest  erhob  und  20  ooo  Sterling  Schadenersatz  fur 
die  angeblichen  Kosten  dieser  Expedition  verlangte.  Die  englische  Regierung 
unterstiitzte  die  Reklamation  und  verlangte  von  der  russischen  Regierung 
vollen  Ersatz  des  Schadens,  da  die  Konvention  voni825  verletzt  sei. 

Die  Verhandlungen  zogen  sich  in  die  Lange,  und  wahrend  dieser  Zeit 
unternahmen  die  Hudsonsbay leute  ruhig  ausgedehnte  Jagd  und  Handels- 
Expeditionen  vom  Stikeenpost  aus,  die  bis  an  die  Kiiste  vordrangen,  was  zu 
haufigen  Zusammenstossen  mit  russischen  Partien  fuhrte.  1836  sandte  sie 
auch  die  benihmte  Expedition  von  Dease  und  Simpson  aus,  welch e  den 
Zugang  zum  streitigen  Gebiet  vom  Norden  aus  erforschen  sollte.  Von  der 
Miindung  des  Mackenzieriver  drang  sie  auch  bis  zum  nordwestlichsten  Punkt 
der  amerikanischen  Kiiste,  Point  Barrow,  vor,  kehrten  aber  dann  auf  dem- 
selben  Wege  wieder  zuriick. 

Baron  Wrangell  dehnte  inzwischen  den  Einfluss  der  Russisch-amerika- 
nischen  Kompanie  nach  anderer  Seite  hin  aus.  Die  Kurilen-Inseln,  die  ja 
heute  zu  Japan  gehoren,  wurden  formell  in  Besitz  genommen  und  Pelzhandels- 
posten  errichtet  und  der  Fang  der  hier  noch  zahlreichen  Seeottern  organisiert, 
auch  der  Yukonfluss  wurde  eingehend  untersucht.  Sowohl  die  Ver- 
bindung  mit  den  einzelnen  Handelsposten,  als  auch  der  Tauschhandel 
mit  den  einzelnen  Indianer-  und  Eskimosiedlungen  der  Kiiste  wurde  aus- 
gedehnt.  12  Segelschiffe  und  zwei  in  Sitka  erbaute  Dampfer  vermittelten 
den  Verkehr.  Auch  eine  Anzahl  kleiner,  gedeckter  Dampfbarkassen  mit 
Maschinen  von  2  bis  6  Pferdekraften  wurden  in  Sitka  gebaut,  um  dem 
Handelsverkehr  zu  dienen.  Baron  Wrangell  hatte  die  Werft  der  Kompanie  zu 
Sitka  in  diesem  entlegenen  Winkel  der  Erde  so  eingerichtet,  wie  es  damals  in 
Europa  selbst  nur  wenige  Etablissements  war  en,  und  hatte  auch  schon  ver- 
haltnismassig  fruh  die  Bedeutung  von  Dampfern  fur  die  Entwicklung  des 
Landes  erkannt.  1836  wurde  der  fur  die  Kolonie  so  bedeutende  Mann  durch 
Kapitan  Kuprianoff  als  Generaldirektor  der  Kolonie  abgelost  und  widmete 
sich  nunmehr  mehr  der  Erforschung  Sibiriens  und  des  Polarmeeres. 

Kuprianoff,  wenn  er  auch  nicht  das  Organisationstalent  seines  Vorgangers 
hatte,  setzte  doch  die  Erforschung  des  Landes  fort.  Unter  ihm  befuhr  Glasenoff 
den  Yukonriver,  Kolmekoff  den  Kuskoquimfluss  und  Woronkoffsky  untersuchte 
die  Kiisten  des  siidlichen  Alaska.  Er  trachtete  auch  danach,  den  latent  en 
Kriegsszustand  mit  der  Hudsonsbay-Co.  zu  beendigen  und  wurde  in  diesem 
Bestreben  von  dem  weitblickenden  Gouverneur  der  letzteren,  Sir  George 
Simpson,  unterstiitzt,  der  ja  die  Schaden  eines  Handelskrieges  noch  geniigend 
aus  dem  Kampfe  mit  der  Northwest  Company  kannte.  Es  kam  deshalb  1837 
in  Hamburg  zu  einer  Konferenz  zwischen  den  Delegierten  der  beiden  rivali- 
sierenden  Handelsgesellschaften,  wobei  auch  die  englische  und  die  russische 
Regierung  vertreten  waren.  Bei  der  friedlichen  Stimmung  der  Leiter  der 
beiden  grossen  Pelzhandelsgesellschaften  einigte  man  sich  schnell.  Die 


III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


Hudsonsbay  Company  nahm  den  Kiistenstreifen  zwischen  der  Siidgrenze 
von  Alaska  und  Kap  Spencer  in  Pacht,  vorlaufig  auf  10  Jahre.  Sie  zahlte 
dafiir  jahrlich  2000  Seeotterfelle  und  iibernahm  die  Lieferung  einer  grossen 
Menge  Provisionen,  wie  Weizen,  Erbsen,  Mehl,  Speck,  Schinken,  Rindfleisch, 
zu  festgesetzten  Preisen,  so  dass  die  Proviantierung  der  russischen  Nieder- 
lassung  gesichert  war.  Das  war  ein  sehr  wichtiger  Grund  fur  das  Zustande- 
kommen  der  Konvention,  denn  die  Ernten  des  russischen  ,,Ross  Settlement" 
in  Kalifornien  waren  mehrmals  hintereinander  fehlgeschlagen,  und  wenngleich 
bereits  1835  die  Ansiedlung  im  Gebiet  alien  russischen  Untertanen  freigegeben 
wurde,  war  doch  sehr  wenig  Aussicht,  dass  die  fur  den  Unterhalt  der  Kolonien 
notigen  Lebensmittel  durch  Anbau  und  Viehzucht  in  geniigender  Zahl  be- 
schafft  werden  konnten.  Die  H.  B.  C.  dagegen  erzeugte  diese  im  Uberfluss 
in  ihren  grossen  landwirtschaftlichen  Betrieben  der  Pugetsoundfarm  und 
Cowlitzfarm  an  der  Westkiiste. 

Der  Handel  der  Russen  mit  den  Indianern  wurde  inzwischen  sehr  durch 
die  Einschleppung  der  Pocken  gehindert.  Tausende  von  Eingeborenen  erlagen 
der  Seuche,  die  uberall  um  sich  griff,  um  so  mehr,  da  sich  die  Priester  der 
befohlenen  Schutzimpfung  widersetzten. 

Interessant  ist,  dass  bereits  damals  die  Russisch-amerikanische  Kompagnie 
die  Zuchtung  von  Blaufiichsen  betrieb.  Auf  Arulia-Insel  war  eine  Anzahl 
dieser  Tiere  ausgesetzt  worden,  die  sich  so  stark  vermehrten,  dass  zur  Be- 
wachung  und  zur  Regulierung  des  Fanges  eine  Kolonie  von  Aleuten  dort  an- 
gesiedelt  wurde. 

Leutnant  Molakoff  errichtete  bei  Nulato  am  mittleren  Yukon  einen 
Handelsposten.  Die  Besatzung  musste  sich  aber  im  Herbst  aus  Mangel  an 
Proviant  nach  der  Michael  redoute  zuriickziehen,  und  wahrend  ihrer  Abwesen- 
heit  plunderten  die  kriegerischen  Indianer  das  Fort  und  brannten  es  nieder. 
In  unparteiischer  Weise  wurde  auch  gleichzeitig  das  Fort  Drew  der  Hudsonsbay 
Company  am  Liard  river  von  den  Eingeborenen  iiber fallen,  gepliindert  und 
niedergebrannt.  Die  Besatzung  konnte  sich  aber  unter  ihrem  Kommandanten, 
Chief  fact  or  Robert  Campbell,  nach  dem  Fort  Halkett  der  H.  B.  C.  am  gleichen 
Flusse  ret  ten.  1839  wurde  der  H.  B.  C.  in  einem  neuen  Vertrage  auch  das 
Recht  des  Kiistenhandels  nordlich  von  dem  gepachteten  Streifen  zugestanden 
und  sie  errichtete  jetzt  auch  ein  neues  Fort  an  der  Kuste,  am  Glacier- Arm 
der  Stephens  Strait,  nachdem  vorher  schon  Fort  Dionysius  an  der  Stikeen- 
river-Miindung  in  ihren  Besitz  iibergegangen  war.  An  Stelle  Kuporianoffs 
wurde  1840  Etolin  Generaldirektor  der  Russisch-amerikanischen  Kompagnie. 
Er  errichtete  nach  alter  russischer  Sitte  eine  Messe  in  Sitka,  wohin  jetzt  all- 
jahrlich  die  Eingeborenen  mit  ihrer  Pelzausbeute  zusammenstromten.  Auch 
verkaufte  er  das  Ross  Settlement  1841  an  Kapitan  John  Sutter  fur  30  ooo 
Dollar.  Die  Halfte  wurde  bei  der  Ubernahme  gezahlt,  die  anderen  15  ooo 
Dollar  an  den  Agenten  der  russisch-amerikanischen  Handelsgesellschaft  in 
San  Franzisko,  Mr.  Stewart,  der  einfach  mit  dem  Gelde  durchbrannte. 


6.  Kapitel. 


I QI 


Bekanntlich  wurde  iibrigens  1848  das  erste  Gold  auf  dieser  Suttersfarm  ge- 
funden.  Sutler  selbst  hatte  aber  ebensowenig  Vorteil  davon,  wie  seine  Vor- 
ganger. 

Im  gleichen  Jahre  1841  wurde  auch  Fort  Nulato  durch  Leutnant  Derabim 
neu  erbaut  und  stark  befestigt. 

Die  Indianer  waren  auch  in  diesem  Gebiet  immer  sehr  unruhig.  1842 
liber  Helen  2000  Indianer  das  Fort  Stikeenport  der  H.  B.  C.  am  oberen 
Stikeen.  Der  Kommandant  wurde  erschossen,  die  Garnison  konnte  sich 
nicht  langer  halten,  und  die  Pliinderung  sollte  eben  beginnen,  als  ein 
Pfiff  der  Dampfpfeife  das  Plundern  innehalten  liess.  Um  die  Fluss- 
krummung  bog  ein  russischer  Dampfer  mit  dem  Gouverneur  der  Hudsonsbay 


Fort  Derabin  im  Yukon- Gebiet. 

Company,  Sir  George  Simpson,  an  Bord,  der  gerade  mit  einer  In- 
spizierung  der  ganzen  Kiiste  beschaftigt  war  und  dazu  einen  russischen 
Dampfer  zur  Verfugung  gestellt  erhalten  hatte.  Sir  Simpson,  der  auf  dem 
Landwege  durch  das  Hudsonsbai- Gebiet  gekommen  war,  besuchte  iibrigens 
die  ganze  Westkiiste  bis  nach  Montery  in  Kalifornien  und  kehrte  dann  durch 
Sibirien  nach  England  und  Kanada  zuriick,  wohl  die  erste  Reise  um  die  Welt 
auf  dem  Landwege. 

Im  Jahre  1844  wurde  der  Freibrief  der  Russisch-amerikanischen  Kompanie 
durch  Kaiser  Nikolaus  I.  auf  weitere  20  Jahre  verlangert.  Die  Kompanie 
etablierte  sich  jetzt  auch  am  Ochotkischen  Meere  und  errichtete  eine  Handels- 
faktorei  in  Aion,  um  die  Pelzreichtiimer  dieses  Gebietes  auszubeuten.  Der 
neue  Direktor,  Etolin,  trat  auch  der  Ausbeutung  und  der  schlechten  Behand- 
lung  der  Eingeborenen  durch  die  Russen  streng  entgegen.  Es  wurde  jedem 
Angestellten  in  der  scharfsten  Weise  untersagt,  einen  Eingeborenen  zu  schlagen. 

1846  fand  der  Krieg  zwischen  den  Vereinigten  Staaten  und  Mexiko  statt, 
der  mit  der  Abtretung  Kaliforniens  an  die  ersteren  endete,  und  gleichzeitig 


IQ2  III.   Geschichte  des  russischen  Ranch warenhandels. 

wurde  auch  die  Grenze  zwischen  den  britischen  und  amerikanischen  Be- 
sitzungen  am  Stillen  Ozean  auf  den  79.  Grad  nordlicher  Breite  festgesetzt. 

Die  Russisch-amerikanische  Kompanie  machte  die  durch  den  Abbruch 
ihrer  Handelsbeziehungen  mit  Kalifornien  erlittenen  Verluste  jetzt  durch  einen 
ausgedehnten  Handelsverkehr  mit  den  Sandwich-Inseln  wett,  der  sich  als  sehr 
lukrativ  erwies.  Damals  fingen  die  Sandwich-Inseln  an,  sich  als  Depotplatz 
fur  die  Pelzhandler  zu  entwickeln.  Zahlreiche  kleine  Schoner  und  Briggs 
hatten  hier  ihr  Hauptquartier  und  segelten  im  Sommer  nach  den  Kiisten  von 
Kamtschatka,  den  Ufern  und  Inseln  der  Behringsee  etc.  und  verschifften  dann 
von  Honolulu  aus  den  Ertrag  ihrer  Handelsreisen  nach  Europa.  Dies  erklart, 
dass  lange  Zeit  in  den  statistischen  Listen  Honolulu  als  Ursprungsland  fur 
viele  nach  Europa  eingefuhrten  Pelzwaren  genannt  wird,  wahrend  die  Siidsee- 
inseln  gar  keine  Pelztiere  produzieren.  Auch  sonst  versuchte  die  Gesellschaft 
jetzt  auch  ihr  Gebiet  wirtschaftlich  ertragreich  zu  machen.  Sie  engagierte 
einen  Mineningenieur,  Doroschin,  welcher  Alaska  nach  edlem  Metalle  durch- 
forschte  und  auch  Kalifornien  besuchte,  ohne  etwas  zu  finden,  obgleich  sich 
hier  in  beiden  Gebiet  en  die  reichsten  Goldf  elder  der  Erde  befinden.  Kalifornien 
und  Klondyke,  die  modernen  Eldorados. 

Mit  den  Eingeborenen  fanden  wiederum  mehrfache  Zusammenstosse  statt. 
So  eroberten  die  Thlinketts  das  Fort  an  der  Miindung  des  Stikeenriver,  wahrend 
ein  gewisser  Sebrenikoff  nebst  3  Gefahrten  am  Copper fluss  von  den  Ein- 
geborenen ermordet  wurde.  ,,Cherchez  la  femme." 

Das  Jahr  1848  brachte  auch  hier  im  fern  en,  entlegenen  Winkel  der 
Erde  eine  Revolution,  aber  friedlicher  Art.  Zwei  Ereignisse  waren  es, 
die  den  idyllischen  Zustand  weltentlegener  Ruhe  hier  storten.  Die  Hafen 
Alaskas  wurden  der  Stiitzpunkt  zahlreicher  englischer  Schiffsexpeditionen, 
welche  den  verschollenen  Franklin  aufsuchen  wollten.  Ihre  zahlreichen 
Mannschaften  brachten  Leben  in  die  einsame  russische  Kolonie.  Im 
selben  Jahre  war  auch  der  erste  Walfanger,  eine  amerikanische  Bark 
,,Superio",  durch  die  Behringstrasse  gegangen,  und  da  in  kurzer  Zeit 
das  Schiff  eine  voile  Ladung  hatte,  verbreitete  sich  der  Ruhm  dieser  reichen 
Fanggriinde  so  rapid,  dass  im  nachsten  Jahre  154  amerikanische  Walfanger- 
Fahrzeuge  an  der  Kiiste  Alaskas  und  des  nordlichen  Sibirien  dem  Fange 
oblagen,  die  auch  alle  nebenbei,  wenn  sich  die  Gelegenheit  bot,  mit  den 
Eskimos  und  den  Tschuktschen  Tauschhandel  trieben  und  Decken,  Gewehre, 
Schnaps,  Eisengerate,  Kupferkessel  u.  dergl.  gegen  Felle  eintauschten. 


III. 
Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

7.  K  api  t  el. 

Diese  Gegenden  des  aussersten  Norden  Sibiriens  waren  auch  dem  Unter- 
nehmungsgeist  russischer  Handler  nicht  ganz  entgangen. 

Die  in  einem  fruheren  Abschnitte  bereits  erwahnte  grosse  nordische  Ex- 
pedition unter  Katharina  II.,  der  Pallas  und  andere  bedeutende  Polarforscher 
angehorten,  hatte  nicht  nur  wissenschaftlich  sehr  bedeutendes  Material  ge- 
liefert,  sondern  auch  iiber  die  wirtschaftlichen  Verhaltnisse  und  deren  Reichtum 
an  anderen  Pelztieren,  ausser  den  Zobeln,  Licht  verbreitet. 

Zahlreiche  Pelzhandler  waren  weit  nach  Norden  vorgedrungen,  am 
weitesten  der  Pelzhandler  Schalanrov  aus  Jakutsk,  der  1760  von  der  Lena 
aus  die  Kiiste  entlangfuhr,  bis  zur  Kolyma-Mundung,  wo  er  eine  Station 
errichtete.  Er  reiste  dann  zu  Lande  nach  Moskau,  wo  er  sich  neue  Mittel  und 
Vorrate  holte.  1766  ging  er  wieder  in  See,  um  die  Nordostspitze  Asiens  zu 
erreichen,  blieb  aber  verschollen. 

1763  wurde  Wrangelland  im  Norden  der  sibirischen  Nordostkiiste  durch 
den  Sergeant  en  Andrejew  zuerst  mit  Hundeschlitten  betreten,  doch  kann  ich 
keinen  Bericht  finden,  dass  die  Entdeckung  auch  kommerziell  ausgebeutet 
wurde.  Im  grossten  Massstabe  geschah  dies  aber  auf  den  Neusibirischen  Inseln. 
Der  Handler  Liachow  hatte  dieselben  zuerst  betreten,  und  wurde  ihm  das 
Monopol  verliehen,  mehrere  Jahre  lang  das  Sammeln  von  Mammutzahnen, 
sowohl  auf  der  nach  ihm  benannten  Insel,  sowie  den  benachbarten  Inseln 
Maloy  und  Kotelnoy  auszubeuten.  Der  Boden  ist  dort  mit  einem  dichten 
Moosteppich  bedeckt,  der  auf  einer  Unterlage  von  Sand,  und  Eis  ruht,  die, 
fest  zusammengefroren,  auch  im  Hochsommer  nur  wenige  Zoll  tief  auftaut, 
aber  eine  kolossale  Fiille,  sowohl  Zahne  und  Knochen  von  Mammut,  als  von 
wollhaarigen  Rhinozeros  und  verschiedenen  anderen  riesigen  Saugetieren  der 
Diluvialzeit  enthalten.  Aber  auch  eine  grosse  Menge  Pelztiere  fanden  sich 
dort,  namentlich  zahlreiche  kostbare  Weiss-  und  Blaufiichse,  Hermelin,  Eisbar, 
auch  Kreuz-  und  Silberfiichse  werden  erwahnt,  obgleich  ich  bezweifle,  dass 
diese  jemals  so  weit  nordlich  im  eigentlichen  Polargebiet  gefunden  wurden. 

Diese  neusibirischen  Inseln  bildeten  deshalb  auch  nun  ein  begehrens- 
wertes  Ziel  der  sibirischen  Pelzhandler  und  Fangleute. 

13 


IQ4  HI-    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Der  Handler  Sannikow  entdeckte  1805  die  Inseln  Stolbowoj  und 
Saddeljew,  Sirowatskoj,  1806  Novoja  Sebir,  und  Bjelkow  1808  die  nach  ihm 
benannte  Insel.  Letzterer  crrichtete  auf  der  Kotelnoj-Insel  cine  Fang-  und 
Handelsstation,  geriet  abcr  mil  anderen  Fangleuten  und  Handlern  in  Streit 
iiber  das  Fangmonopol. 

Zur  Untersuchung  sandte  Kanzler  Romanzoff  zwei  sibirische  Verbannte, 
die  in  kartographischen  Arbeit  en  erfahren  war  en.  Matthias  Hedenstrom  und 
Sannikow  1809  zur  Untersuchung  der  neusibirischen  Inseln,  welche  nun  auch 
zum  ersten  Male  wissenschaftlich  untersucht  wurden.  Der  regelmassige 
Handelsbetrieb  muss  aber  bald  wieder  eingeschlafen  sein,  man  horte  nichts 
wieder  davon.  Nur  ab  und  zu  wurden  noch  Mammutzahne  von  dort  und  den 
gegeniiberliegenden  Teilen  des  sibirischen  Festlandes  auf  den  Markten  von 
Nischny  Kolymsk  und  Anadyrsk  gebracht.  1823  gelang  es  Wrangell  nicht 
mehr,  die  Inseln  zu  erreichen,  die  erst  fast  ein  halbes  Jahrhundert  spater  zuerst 
wieder  von  De  Long  und  dann  wieder  von  der  Expedition  zur  Aufsuchung 
der  Uberlebenden  der  dort  verungliickten  ,,  Jeanette"  von  der  Gordon-Bennet- 
Expedition  betreten  wurden.  Erst  ganz  kiirzlich  wieder  ist  die  gesamte  Ex- 
pedition des  kiihnen  russischen  Polarforschers  Baron  Toll  dort  zugrunde  ge- 
gangen.  Wenigstens  fand  man  die  letzte  Spur  der  Verschollenen  auf  den  neu- 
sibirischen Inseln. 

In  einem  friiheren  Abschnitt  habe  ich  die  Kampfe  der  russischen  Pelz- 
jager  und  Abenteurer  unter  Pojarkoff  und  Khabarow  um  den  Besitz  des 
Amur  geschildert  und  die  rohe  Art  und  Weise,  wie  diese  ziigellosen  Banden 
unter  dem  Vorwande  des  Pelzhandels  und  der  Tributerhebung  das  Land 
verwiisteten  und  die  Kampfe  mit  den  Chinesen  um  den  Besitz  von  Albazin. 
Nach  Khabarows  Riickkehr  1655  nach  Russland  hatte  Stepanoff  den  Ober- 
befehl  liber  das  ganze  Amurgebiet  erhalten.  Er  hatte  seinen  Hauptstiitz- 
punkt  in  Jakutsk,  sandte  aber  Expeditionen  von  Kosaken  und  Promyschleniks 
an  alle  Nebenfliisse  des  Amurs.  So  wurden  z.  B.  der  Sungari  und  der  Argun 
durch  Bootsexpeditionen  befahren. 

Eine  Expedition  unter  Theodor  Pushchin  sammelte  am  Sungari  120 
Zimmer  Zobel  (Anmerkung:  i  Zimmer  gleich  40  Stuck),  8  Schwarzfiichse  und 
56  Silberfuchse. 

Eine  andere  Abteilung  sammelte  58  Zimmer  Zobel  von  den  Gilyaken 
an  der  Amurmundung,  verschiedene  kleinere  Trupps  wurden  aber  von  den 
gereizten  Eingeborenen  erschlagen  oder  erlagen  infolge  leichtsinnigen  Vor- 
gehens  ohne  geniigende  Provisionen  dem  Hungertode. 

Stepanoff  selber  wurde  1658  auf  dem  Amur  mit  500  Mann  von  einer 
chinesischen  Streitmacht  in  45  grossen  Kriegsdschunken  mit  Geschiitzen  an- 
gegriffen.  180  der  Abenteurer,  die  nur  des  Plunderns  halber  nach  Sibirien 
gekommen,  desertierten  bei  Beginn  des  Kampfes.  270  Mann  mit  Stepanoff 
an  der  Spitze  fielen,  und  nur  47  Mann  entkamen.  2000  Zobelfelle  wurden  dabei 
von  den  Chinesen  erbeutet. 


7.  Kapitel. 


195 


Die  Schilka,  der  Hauptarm  des  Amurs,  war  schon  1653  von  den  Russen 
besetzt  worden  auf  Veranlassung  des  Woywoden  von  Jenisseisk,  der  100 
Kosaken  unter  Beketoff  dorthin  entsandt  hatte.  Diese  erbauten  ein  Ostrog 
an  der  Selenga,  einem  Nebenfluss  der  Schilka,  von  wo  aus  sie  in  einem  Jahr 
25  Zimmer  Zobel  von  den  Tungusen  einsammelten.  Eine  weitere  Expedition 
von  Jenisseisk  unter  Pashkoff  mit  566  Mann  Kosaken  lind  Pelzjagern  griindete 
1658  Nerschinsk,  das  sich  bald  zu  grosser  Bedeutung  erhob,  namentlich  unter 
der  fahigen  Leitung  von  Tolbusin  und  Daniel  Erschinsky. 

Nach  der  Niederlage  Stepanoffs  hatten  die  Russen  den  Amur  verlassen, 
doch  1666  erbaute  der  Fiihrer  einer  Rauberbande,  der  Pole  Chernigowsky,  das 


Hauptstrasse  in  Nome  (Alaska). 

alte  Fort  Albasin  und  liess  sich  dort  mit  84  Mann  nieder,  nachdem  er  vorher 
•den  Woywoden  von  Ilimsk  auf  der  grossen  Rauchwarenmesse  von  Kirinsk  an 
•der  Lena  ermordet  hatte.  Hierfiir  wurde  er  mit  sechs  anderen  in  Moskau  1672 
zum  Tode  verurteilt,  wegen  der  kriegerischen  Lage  des  Amurgebiets  aber, 
und  auch  weil  das  Urteil  schwer  zu  vollstrecken  war,  wurden  sie  begnadigt. 

Infolge  von  Unterhandlungen  in  Peking  verbot  der  russische  Spezial- 
gesandte  Spafarik  den  Russen  in  Albazin,  den  unteren  Amur  und  die  Dzeya 
zu  befahren  und  Tribut  von  den  Tungusen  zu  erheben,  um  Differenzen  mit 
den  Chinesen  zu  vermeiden,  denen  sich  die  russische  Regierung  damals  nicht 
gewachsen  fiihlte.  Chernigowsky,  dem  inzwischen  zahlreiche  Abenteurer 
zugestromt  waren,  richtete  sich  aber  nicht  danach,  sondern  sandte  verschiedene 

13* 


ig6  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Expeditionen,  die  von  den  Tungusen  Zobelfelle  einsammelten  und  die  Forts 
Ilisko  Ostrog  an  der  oberen  Dzeya,  Selimbanskor  Ostrog  an  der  Selienga  und 
Dolonskoy  Ostrog  an  der  Dolonca  errichteten. 

Der  Woywode  von  Nerschinsk,  Fedor  Voykoff,  entsendete  den  Bojaren 
Milonoff,  welcher  ein  Fort  in  der  Nahe  von  Aigun  griindete  und  die  Nieder- 
lassungen  an  der  Dzeya  und  der  Selenga  iibernahm.  Voykoff  ernannte  seinen 
Sohn  Andrei  zum  Gouverneur  von  Albazin,  welches  jetzt  eine  Garnison  von 
200  Kosaken  hatte.  Eine  Schar  von  61  Mann  Kosaken  und  Pelzjagern  unter 
Garrilo  Frolof  ging  von  Albazin  trotz  des  erhaltenen  Gegenbefehls  von  Voykoff 
und  erbaute  einen  Handelsposten  am  Aigun,  wahrend  andere  Pelzjager 
Handelsforts  an  mehreren  kleinen  Fliissen,  die  in  die  See  von  Ochotsk  miin- 
deten,  errichteten. 

Diese  Wiederbesetzung  des  Amurgebiets  und  das  Aufbliihen  von  Albazin, 
wo  sich  jetzt  4000  Morgen  Land  unter  Kultur  befanden,  erregten  die  Aufmerk- 
samkeit  der  Chinesen.  Sie  warfen  eine  starke  Garnison  nach  Aigun  und  be- 
festigten  verschiedene  Inseln  im  unteren  Amur.  1683  wurde  eine  Abteilung 
von  60  Kosaken  unter  Gregor  Mylnikoff,  welche  die  Garnison  am  Aigun  ver- 
starken  sollte,  von  einer  chinesischen  Streitmacht  von  560  Booten  aufgehalten 
Mylnikoff,  der  zu  Unterhandlungen  aufgefordert  worden  war,  wurde  zum  Ge- 
fangenen  gemacht,  von  den  Kosaken  ergab  sich  ein  Teil,  der  nach  Peking  ge- 
sandt  wurde,  der  Rest  entfloh  und  warnte  die  verschiedenen  Garnisonen,  dass 
eine  chinesische  Armee  herannahe.  Ein  Teil  der  Forts  wurde  verlassen  und 
dann  von  den  Chinesen  verbrannt,  Zeisk  undTugursk  indessenvon  ihnennach 
heftiger  Gegenwehr  erobert  und  die  Besatzungen  gefangen  nach  Peking  gefiihrt. 

Albazin  wurde  1685  zur  Ubergabe  aufgefordert,  lehnte  aber  ab.  Die 
Garnison  von  Tolbusin  best  and  aus  450  Mann  Kosaken,  Rauchwarenhandlern, 
Pelzjagern  und  Bauern,  wahrend  ein  preussischer  Baron,  Alfred  Beiton,  der 
nach  Sibirien  verbannt  war,  in  Tobolsk  ein  Regiment  von  600  Kosaken  anwarb, 
mit  dem  er  Albazin  zu  Hilfe  eilen  wollte  und  sein  Eintreffen  bis  Ende  des 
Jahres  versprach.  Inzwischen  waren  18  ooo  Chinesen  mit  100  Kriegsbooten 
vor  Albazin  erschienen  mit  Bogen  und  Pf eilen,  Lanzen  und  Sabeln  bewaffnet 
sowie  mit  15  Geschiitzen,  150  Wallbiichsen.  Nach  kurzem  Kampfe  zeigte  sich, 
dass  die  Festung  aus  Mangel  an  Munition  nicht  zu  halten  war.  Man  unter- 
handelte  mit  den  Chinesen,  die  der  Garnison  freien  Abzug  gewahrte  mit 
Waffen  und  Gepack. 

Kaum  war  die  abziehende  Garnison  eine  Tagereise  von  Albazin  entfernt, 
als  man  auf  die  Vorhut  der  Ersatztruppen  stiess,  300  Mann  mit  5  Geschiitzen 
und  einem  reichlichen  Vorrat  von  Gewehren  und  Munition.  Die  Reiter  von 
Beiton  waren  schon  in  Nertschinsk  angelangt.  Waren  sie  24  Stunden  friiher 
eingetroffen,  so  hatte  sich  Albazin  gehalten.  So  kehrte  man  gemeinsam  nach 
Nertschinsk  zuriick.  Die  Chinesen  verbrannten  Albazin  und  verlegten  Aigun 
vom  linken  auf  das  rechte  Ufer  und  besetzten  dasselbe  mit  einer  Garnison 
von  2500.  Der  neue  Woywode  von  Nertschinsk,  Iwan  Klassof,  war  ein  sehr 


y.  Kapitel.  10,7 


energischer  Mann.  Da  er  nun  durch  Beiton  eine  verhaltnismassig  starke  Macht 
zur  Verfiigung  hatte,  beschloss  er,  Albazin  wieder  zu  besetzen.  Beiton  mit 
200  Mann  wurde  vorausgeschickt,  Tolbusin  mit  530  Mann  folgte. 

Die  Hauser  und  ein  starker  Wall,  28  Fuss  dick  und  10  Fuss  hoch,  wurden 
wieder  aufgebaut,  auch  die  Felder  wurden  neu  bestellt  und  gaben  grossen 
Ertrag.  Roggen  und  Hafer  kostete  damals  in  Albazin  9  Kopeken  per  Pud, 
Weizen  12  Kopeken,  wahrend  zur  selben  Zeit  das  Weizenmehl  in  Nertschinsk 
mit  3  Rubel  pro  Pud  bezahlt  wurde. 

Die  Russen  wurden  aber  nicht  lange  in  Frieden  gelassen. 

Der  chinesische  Gouverneur  von  Tsitsikar  sandte  eine  starke  Armee. 
Eine  Schar  von  3000  Reitern  erschien  ganz  unvermutet  im  Juli  1686  vor 
Albazin  und  iiberfiel  die  russischen  Pferdewarter,  von  denen  22  Mann  fielen. 
Zugleich  kam  auf  dem  Flusse  eine  Flotte  von  150  Dschunken  heran  mit  6000 
Be  waff  net  en,  die  Felder  wurden  zerstort  und  das  Fort  eng  belagert. 

Die  Chinesen  besassen  20  Geschiitze,  die  angeblich  von  Europaern  in 
chinesischen  Diensten  bedient  wurden.  Zahlreiche  Tungusen  aus  der  Um- 
gebung  schlossen  sich  ihnen  an.  Es  wurde  mit  grosser  Energie  gekampft.  Die 
Sturmangriffe  der  Chinesen  wurden  blutig  zuriickgewiesen  und  in  5  Ausfallen 
den  Chinesen  grosse  Verluste  beigebracht.  Ende  September  fiel  Tolbusin  bei 
einem  Ausfall,  und  Beiton  ubernahm  den  Oberbefehl.  Im  Felde  hatten  die 
Russen  nicht  viel  Leute  verloren,  aber  wahrend  des  Herbstes  brachen  Skorbut 
und  andere  Krankheiten  aus,  so  dass  Ende  November  die  Garnison  nur  noch 
aus  115  Mann  bestand,  denen  es  auch  an  Munition  zu  mangeln  begann,  trotzdem 
wies  Beiton  alle  Aufforderungen  zur  Ubergabe  zuriick.  Nach  vielen  Be- 
muhungen  war  es  gelungen,  Boten  nach  Nertschinsk  zu  senden.  Doch  konnte 
man  von  hier  aus  keine  Hilfe  bringen.  Ende  November  machten  sich  aber 
diplomatische  Einfliisse  in  Peking  geltend.  Die  Chinesen  zogen  sich  3  Werft 
von  den  Wallen  Albazins  zuriick  und  schlossen  dann  im  Mai  einen  Waffen- 
stillstand,  wahrenddessen  die  Besatzung  Provisionen  und  Munition  aus  Nert- 
schinsk beziehen  konnte.  Am  30.  August  1687  zog  sich  die  chinesische  Armee 
ganz  zuriick  und  bezog  ihre  alten  Quartiere  in  Tsitsikar  und  Aigun. 

Die  Russen  durften  ihre  Dorfer  neu  aufbauen  und  ihre  Felder  bestellen, 
aber  nicht  die  Jagd  ausiiben.  Wie  schon  friiher  erwahnt,  hatte  der  Zar  den 
Kanzler  Niefor  Venekoff  und  I  wan  Fafarof  nach  Peking  gesandt,  welcher 
von  dort  aus  einen  Brief  des  Kaisers  von  China  mitbrachte,  der  in  chinesisch, 
mandschurisch  und  mongolisch  geschrieben  war  und  durch  die  katholischen 
Missionare  in  Peking  ins  Lateinische  iibersetzt  war.  Dieser  Brief,  adressiert 
an  die  ,, grossen  weissen  Herren,  Briider,  Zaren  und  Autokraten",  legte  dar, 
dass  seit  langerer  Zeit  von  den  chinesischen  Offizieren,  denen  die  Uberwachung 
der  Zobeljagd  oblag,  fort  wahrend  Beschwerden  dariiber  einliefen,  dass  die 
friedlichen  Zobeljager  am  Amur  von  den  Russen  in  Albazin  angegriffen  seien 
und  sogar  ins  Gefangnis  geworfen  wurden,  dass  ferner  die  Stadte  am  unteren 
Amur  vielfach  von  den  Russen  angegriffen  und  beschadigt  seien.  Der  Kaiser 


198  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

sei  daher  gezwungen  gewesen,  mil  Waffengewalt  dagegen  einzuschreiten,  abcr 
seine  Offiziere  waren  stets  mil  grosser  Milde  aufgetreten  und  hatten  etwaige 
Gefangene  stets  sehr  gut  behandelt.  Der  Kaiser  schlug  dann  vor,  eine  Gesandt- 
schaft  nach  Peking  zu  schicken,  um  die  Grenzfrage  zu  ordnen.  Inzwischen 
habe  er  Kuriere  nach  Albazin  geschickt,  um  die  Feindseligkeiten  einzustellen. 
Ende  Januar  1686  verliess  dann  die  beriihmte  Gesandtschaft  unter  Fedor 
Alexwitsch  Golovin  Moskau. 

Er  war  begleitet  von  Iwan  Ilin  Vlasoff  und  Semon  Korwitzky,  sowie  zahl- 
reichen  Legations- Attachees;  als  Eskorte  erhielt  er  ein  Regiment  von  1500 
Strelitzen  unter  Obers.t  Skripizin.  Zwei  andere  Regimenter  unter  Oberst 
Paul  Grabof  und  Anton  von  Smalenberg  sollten  in  Sibirien  ausgehoben  werden, 
die  Provisionen  und  Munition  aus  Nertschinsk  beziehen  konnten.  Am  30. August 
im  Herbst  wurde  Rybenskoi  erreicht,  wo  Winterquartiere  bezogen  wurden. 
Wahrend  die  Truppen  weit  zerstreut  in  den  Dor  fern  an  der  Selenga  lagen, 
wurde  das  Hauptquartier  von  15  ooo  Mongolen  angegriffen.  Der  Angriff 
wurde  aber  blutig  zuriickgewiesen,  und  50  ooo  Mongolen-Familien  erklarten 
sich  nun  zu  russischen  Untertanen.  Im  Sommer  1687  ging  Golovin  liber 
Udinsk  nach  Seleginsk,  von  wo  er  einen  seiner  Attachees,  Stephan  Korowin, 
nach  Peking  sandte,  um  das  Nahen  der  Gesandtschaft  anzuzeigen  und  einen 
Platz  fur  die  Konferenz  zu  verabreden.  Korowin  kehrte  Ende  Juni  von  Peking 
zuriick  mit  der  Nachricht,  dass  Selenginsk  fur  die  Konferenz  bestimmt  sei 
und  die  chinesischen  Bevollmachtigten  bereits  unterwegs  seien. 

Die  Gesandten  warcn  begleitet  von  dem  Portugiesen  Pereira,  dem  franzo- 
sischen  Jesuiten  Gerbillon,  1000  Reitern,  8  Geschiitzen  und  einer  grossen 
Anzahl  Mandarinen,  Dienern  usw.,  konnten  aber  infolge  von  Kriegen  zwischen 
den  damals  noch  unabhangigen  Mongolen  nicht  durchkommen  und  mussten 
wieder  umkehren.  Golovin  musste  wieder  iiberwintern  und  sandte  inzwischen 
einen  Abgesandten  nach  Peking,  um  weit  ere  Verzogerungen  zu  verhindern 
und  einen  neuen  Konferenzort  zu  bestimmen.  Nertschinsk  wurde  jetzt  gewahlt. 

Hier  trafen  auch  am  10.  Juli  1689  die  chinesischen  Gesandten  So  Fasalan 
Ya  und  Kiu  Kiu  mit  1400  Soldaten  zu  Lande  ein,  wahrend  3000  chinesische 
Soldaten  auf  zahlreichen  be  waff  net  en  Dschunken  auf  der  Schilka  bei  Nert- 
schinsk ein  trafen. 

Im  gar.zen  bestand  nun  die  chinesische  Gesandtschaft  mit  Soldaten, 
Dienern  usw.  aus  10  ooo  Personen  mit  4000  Kamelen  und  15000  Pferden; 
am  18.  Juli  traf  auch  Golovin  ein. 

Die  Verhandlungen  wurden  mit  grossartigem  Zeremoniell  geluhrt.  Nach 
grossen  Schwierigkeiten  kam  dann  am  29.  August  1689,  besonders  durch  die 
Bemuhungen  des  Jesuiten,  der  beruhmte  Vertrag  von  Nertschinsk  zustande. 
Als  Grenzen  werden  der  Nebenfluss  des  Amurs.  Kerbecho,  und  die  Bergkette, 
welche  an  der  Quelle  des  Kerbecho  bis  an  das  Meer  reicht,  erwahlt,  alle  Fliisse 
und  Landereien  nordlich  davon  gehorten  zu  Russland  und  siidlich  davon  zu 
China.  Eine  weitere  Grenze  bildeten  der  Aigun.  Alle  russischen  Ansiedlungen, 


7.  Kapitel. 


welch e  sich  gegenwartig  sudlich  davon  befanden,  sollten  auf  das  Nordufer 
iibergefiihrt  werden.  Albazin  sollte  geschleift  und  verlassen  werden. 

Die  Pelzjager  beider  Machte  diirften  unter  keinen  Umstanden  die  Grenze 
iiberschreiten.  Wenn  nur  i  oder  2  Personen  die  Grenze  iiberschreiten,  um  zu 
jagen,  rauben  oder  zu  pliindern,  so  sollten  sie  festgenommen  und  dem  nachsten 
Beamten  zur  Bestrafung  ausgeliefert  werden.  Wenn  indessen  bewaffnete 
Tiupps  von  10  bis  15  Mann  die  Grenze  zur  Jagd  oder  Pliinderung  iiber- 
schreiten wiirden  oder  jemand  dabei  getotet  wiirde,  so  solle  eine  Untersuchung 
eingeleitet  werden,  an  beide  Kaiser  ein  Bericht  eingesendet  und  die  Schuldigen 
mit  dem  Tode  bestraft  werden.  Keinesfalls  aber  sollten  derartige  private 
Ubergriffe  Grund  zum  Kriege  bilden. 

Deserteure  beider  Machte  sollten  ausgeliefert  werden;  die  sich  gegenwartig 
in  China  befindlichen  russischen  Untertanen  und  die  Chinesen  auf  russischem 


Fellausbeute  in  Nome  (Alaska)  zur  Verladung  bereit. 

Gebiet  durften  aber  bleiben,  wo  sie  sind.  Ausserdem  konnten  die  Untertanen 
beider  Reiche,  mit  ordentlichen  Passen  versehen,  die  Grenzen  iiberschreiten, 
um  Handel  zu  treiben.  Dann  wurden  reiche  Geschenke  ausgetauscht  und 
auf  Grenzsteinen  der  Text  des  Vertrages  in  mongolischer,  chinesischer,  russi- 
scher  und  lateinischer  Sprache  eingemeisselt.  Noch  im  selben  Jahre  wurde 
Albazin  verlassen  und  geschleift.  Beit  on  mit  ,der  Garnison  und  alien  Vor- 
raten  und  Eigentum,  auch  mit  decn  eingesammelten  Pelzwerk,  kam  nach 
Nertschinsk.  Die  Truppen  und  Geschiitze  Golovins  wurden  auf  Nertschinsk 
Selenginsk  und  Werchne  Udinsk  verteilt.  Er  selbst  wurde  nach  seiner  Riick- 
kehr  vom  Zaren  in  den  Fiirstenstand  erhoben,  und  auf  die  Teilnehmer  der 
Gesandtschaft  regnete  es  Orden  und  Medaillen. 

Anfanglich  wurden  die  Bestimmungen  des  Vertrages  von  Nertschinsk 
streng  innegehalten.  So  sollen  im  Jahre  1694  vier  Jager  in  Nertschinsk  auf 
Verlangen  der  chinesischen  Behorden  hingerichtet  worden  sein,  weil  sie  Zobel 
in  der  Nahe  von  Albazin  auf  chinesischem  Gebiet  gejagt  hatten. 

Haufig  wurden  auch  Pelzjager  von  den  Eingeborenen  erschlagen,  wenn 
sie  heimlich  die  Grenzen  kreuzten,  da  die  Eingeborenen  von  tiefem  Hass  gegen 


20O  III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

die  Amurkosaken  erfiillt  waren  wegen  ihrer  friiheren  Bedriickungen  und  Uber- 
griffe.  Die  russischen  Kosaken  haben  sich  eben  niemals  und  nirgends  einer 
besonderen  Beliebtheit  zu  erfreuen  gehabt. 

Die  Grenzen  waren  aber  in  dem  Vertrage  infolge  der  mangelhaften  geo- 
graphischen  Kenntnisse  sehr  ungenau  fixiert  worden,  und  mehrten  sich  des- 
halb  die  Grenzverletzungen  fortwahrend.  Noch  in  einem  neuen  Vertrage,  den 
1728  Graf  Sava  Vladislowfsch  Bagusinsky  mil  den  Chinesen  abschloss,  wurde 
wiederum  festgesetzt,  dass  Grenzverletzung  mit  dem  Tode  gesiihnt  werden 
sollte,  aber  allmahlich  wurden  die  Chinesen  miide,  gegen  die  fortwahrenden 
Grenzverletzungen  zu  reklamieren,  und  sie  legten  den  verschiedenen  For- 
schungs-Expeditionen,  die  wahrend  des  18.  Jahrhunderts  unternommen 
wurden,  kein  Hindernis  in  den  Weg.  Auch  Pelzjager  kreuzten  haufig  unge- 
hindert  hinuber,  und  die  Pelzausbeate  der  Eingeborenen  fand  sehr  haufig 
ihren  Weg  auf  das  russische  Gebiet,  trotzdem  noch  1768  wieder  vereinbart 
wurde,  dass  jedem,  der  einen  Grenziibertreter  festnehmen  wurde,  das  gesamte 
Eigentum  desselben,  also  Jagdbeute,  Ausriistung  usw.,  zufallen  sollte  und 
auch  der  Wachtposten,  der  den  Abenteurer  durchschliipfen  liess,  eine  hohe 
Geldbusse  zahlen  miisse.  Auch  russische  Straflinge,  die  iiber  die  Grenze  nach 
China  flohen,  wurden  von  den  Chinesen  unterstiitzt  und  gelangten  iiber  den 
unteren  Amur  in  die  Kulturgebiete  zuriick. 

Die  Chinesen  sandten  jahrlich  zwei  Expeditionen  zur  Priifung  der  Grenze, 
die  eine  in  Booten  auf  den  Amur,  die  andere  zu  Lande  langs  des  Argun  bis 
nach  Ust  Strelka,  wo  sich  beide  Expeditionen  vereinigten  und  gemeinsam  den 
Amur  hinabsegelten.  Dicht  hinter  ihnen  folgten  aber  die  Kosaken,  die  von 
den  Oronitonen  und  Tungusen  Felltribut  einsammelten  und  einen  lebhaften 
Pelzhandel  betrieben.  Die  russischen  Ansiedler  kamen  dann  auch  iiber  die 
Grenzen,  um  Eichhornchen  zu  jagen. 

Die  Chinesen  erhoben  im  Jahre  1700  Tsitsikar  zum  Gouvernementssitz 
in  dem  Amurdistrikt,  der  zusammen  mit  dem  Kirindistrikt  unter  den  General- 
gouverneur  in  Mukden  gestellt  wurde.  1811  betrug  die  Besatzung  des  Amur- 
gebiets  ca.  12  ooo  Soldaten  mit  240  Offizieren  und  einer  kleinen  Flotte  Kreuzer- 
dschunken  mit  ca.  2000  Mann  auf  dem  Amur  und  seinen  grossen  Nebenfliissen. 

Ein  Nomadenstamm  musste  an  Tribut,  ausser  Vieh  und  Korn,  jahrlich 
2398  Zobelfelle  abliefern.  Das  Monopol  des  Pelzhandels  auf  dem  Amur  wurde 
10  chinesischen  Kaufleuten  reserviert,  die  dazu  eine  ziemlich  teure  Lizenz  in 
Peking  lossen  mussten. 

Die  Grenzen  waren,  wie  schon  vorher  angegeben,  nicht  genau  bestimmt 
und  wurden  immer  mehr  verwischt.  Zuerst  liessen  sich  russische  Pelzjager 
und  Handler  in  dem  streitigen  Gebiete  fest,  Nertschinskische  Bauern  folgten 
nach,  und  russische  Tungusen  trieben  ihre  Renntierherden  auf  die  Weiden- 
griinde  der  China  tributpflichtigen  Dauren,  wahrend  chinesische  Tungusen 
ihrerseits  ihre  Pferdeherden  nach  dem  unteren  Amur  zum  Verkauf  an  die 
Russen  sandten. 


y.   Kapitel. 


201 


Middendorf  fand  bei  seiner  grossen  Forschungsreise  in  den  chinesischen 
Waldern  am  Stanovoi-Gebirge  Abteilungen  sibirischer  Kosaken  angesiedelt, 
weit  siidlich  vom  Scheidegebirge,  die  ihnen  ruhig  mitteilten,  dass  sie  auf  den 
reichen  Ertrag  des  Pelzhandels  auf  chinesischem  Gebiet  angewiesen  waren. 

Von  verschiedenen  Seiten  wurde  die  freie  Schiffahrt  auf  dem  Amur  ge- 
f order! ,  da  sie  eine  Lebensfrage  sowohl  fur  Transbaikalien,  als  fur  die  An- 
siedlung  am  nordlichen  Pacific  war.  So  hatte  schon  1741  der  Akademiker 
Miiller  auch  ausserdem  die  Schiffahrt  und  den  freien  Handel  auf  dem  Sungari 
beantragt.  1806  versuchte  Golovin  auf  seiner  Gesandtschaft  nach  Peking 
vergeblich  die  Forderung  durchzusetzen.  Auch  Gouverneur  Shemelin  der 


Fellladen  in  Nome   (Alaska)   mit  Thlinkett-Indianer. 

russisch-amerikanischen  Pelzkompanie  stellte  1816  offiziell  den  Antrag, 
Schiffahrt  und  Handel  auf  dem  Amur  freizugeben,  ohne  damit  durchdringen 
zu  konnen.  Er  hob  besonders  hervor,  dass  dann  ca.  150  ooo  Packpferde,  die 
jetzt  fur  den  jahrlichen  Transport  der  Provisionen  und  Handelsartikel  ge- 
braucht  werden,  die  fur  die  Stationen  am  Pacific  erforderlich  sind,  erspart 
werden  konnten. 

Schon  1830  erwartete  man  bestimmt  eine  russische  Invasion  des  Amur. 
So  erzahlte  z.  B.  ein  findiger  Pelzhandler  aus  Udsk,  der  ein  grosses  Lager  von 
Messingkreuzchen  iibrigbehalten  hatte,  dass  ein  russisches  Kriegsschiff  den 
Amur  heraufkommen  wiirde  und  jeden  Eingeborenen,  der  nicht  ein  solches 
Kreuz  als  Erkennungszeichen  hatte,  erschlagen  wiirde.  In  kurzer  Zeit  hatte 
er  seinen  ganzen  Vorrat  gegen  Zobelfelle  und  anderes  wertvolles  Pelzwerk 


2O2  III.  Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

vertauscht.  Seit  1830  machte  der  kiihne  russische  Polarforscher  Hedenstrom 
unausgesetzt  in  der  russischen  und  auslandischen  Presse  fur  die  Forderung 
Propaganda,  der  sich  10  Jahre  spater  auch  die  Kaiserliche  geographische 
Gesellschaft  anschloss.  Diese  entsandte  auch  zahlreiche  Expeditionen  nach 
Ostsibirien  zur  geographischen  Erforschung  mit  politischem  Hintergrund. 
So  verliess  auch  1848  einer  ihrer  Sendboten,  Vaganoff,  ein  fruherer  Gefahrte 
Middendorfs,  Ust  Strelka  mit  4  Kosaken,  um  den  Amur  hinabzufahren.  Er 
verschwand  aber  mit  seinen  Begleitern  spurlos,  und  alle  Nachforschungen 
und  Aufforderungen  an  die  chinesischen  Behorden  blieben  erfolglos. 

Muraview,  der  1847  neuernannte  Generalgouverneur  von  Ostsibirien, 
beschloss  aber  nun,  das  Amurgebiet  dem  russischen  Reich  anzugliedern. 
Kapitan  Nevilskoi  wurde  in  der  Fregatte  ,, Baikal"  von  Kronstadt  nach 
Ochotsk  gesendet  und  ihm  eine  Anzahl  Offiziere  der  russisch-amerikanischen 
Pelzkompanie  beigeordnet.  So  erforschte  z.  B.  Leutnant  Orloff  von  dieser 
Gesellschaft  die  Amur-Miindung,  entdeckte  die  Castriesbai,  wo  im  Jahre  1853 
Alexandrowsk  Post  errichtet  wurde. 

1850  befuhr  Orloff  die  Amur-Miindung,  um  einen  geeigneten  Platz  fiir 
eine  Stadt  zu  finden,  und  1851  griindete  dort  Kapitan  Nevilskoi  die  Platze 
Nicolajewsk  und  Mariinsk,  die  der  Russisch-amerikanischen  Kompanie  als 
Handelsposten  uberwiesen  wurden. 

1853  wurde  durch  Major  Busse  mit  150  Mann  Anica  Bay  besetzt,   ein 
Fort  Muraview  angelegt,  zu  gleicher  Zeit  wurde  auch  Dui  an  der  Westkiiste 
von  Sachalin,  das  damals  den  Chinesen  gehorte,  besetzt. 

Auch  eine  der  japanischen  Kurilen-Inseln,  Urup,  wurde  von  den  Russen 
okkupiert. 

1854  forderte  Muraview  die  chinesischen  Behorden  auf,  die  Beforderung 
auf  dem  Amur  zu  gestatten,  da  die  russischen  Kriegsschiffe  am  Pacific  (,, Pallas", 
,, Diana"  und  ,,Aurore")   die  dortigen  russischen  Ansiedlungen  nur  auf  diese 
Weise  geniigend  verproviantieren   konnten.      Sowohl   der   Gouverneur   von 
Maimatschin  (gegenuber  Kiachta),  als  der  Generalgouverneur  von  Urga  lehnten 
dies  ab,  w7orauf  Muraview  am  27.  Mai  im  Dampfer  ,, Argun",  mit  50  grossen 
Barken  und  zahlreichen  Flossen,  die  1000  Mann  Linieninfanterie  und  eine  An- 
zahl Kosaken  trugen,  Shilinsk  verliess  und  das  ganze  Amurgebiet  annektierte. 

Er  war  begleitet  von  einem  grossen  wissenschaftlichen  Stabe,  aus  Mit- 
gliedern  der  russischen  geographischen  Gesellschaft  und  dem  Topographen- 
korps  bestehend,  welche  das  neue  Gebiet  auch  wissenschaftlich  untersuchten. 

Auf  Bitten  des  chinesischen  Gouverneurs,  der  darauf  hinwies,  dass  es 
ihm  in  Peking  den  Kopf  kosten  wurde,  wurde  Aigun  nicht  betreten,  aber  das 
ganze  Amurgebiet,  ein  Reich  von  etwa  600  ooo  Quadratkilometern,  wurde 
annektiert  und  auch  gleich  durch  befestigte  Garnisonen  gegen  jede  Wider- 
eroberung  durch  die  Chinesen  geschiitzt.  Alexandrowsk  an  der  Castriesbai 
wurde  stark  vergrossert  und  begann  hier  alsbald  ein  lebhafter  Handelsverkehr 
mit  amerikanischen  Schiffen.  1855  erschien  ein  Gesandter  aus  Peking  in  Nicola- 


7.  Kapitel. 


203 


jewsk  an  der  Amur-Mundung  und  verlangte,  die  rebellischen  Barbaren  sollten 
sofort  den  Amur  und  das  ganze  chinesische  Gebiet  verlassen,  und  wenn  sie 
dessen  noch  fahig  waren,  Reue  und  Zerknirschung  fiihlen  iiber  ihr  schamloses 
Raubertum.  Er  wurde  aber  nur  ausgelacht.  Muraview  erhielt  fiir  seine  fried- 
liche  Eroberang  einer  so  grossen  Provinz  vom  Kaiser  von  Russland  den 
ehrenden  Beinamen  ,,Amursky". 

Jetzt  brach  aber  der  Krimkrieg  aus,  der  naturgemass  auch  den  fernen 
Osten  in  Mitleidenschaft  zog.     Die  Besatzungen  vieler  Posten  wurden  einge- 


Tschuktschen  bringen  ihre  Tagesbeute  zum  Verkauf  an  Bord  von  Handelsschoonern 
in  der  St.  Lawrence-Bucht  (Behringstrasse). 

zogen,  so  unter  anderen  das  Fort  Muraview  an  der  Aniwabai,  das  sogleich 
wieder  von  den  Japanern  in  Besitz  genommen  wurde. 

Auch  Alexandrowsk  wurde  geraumt.  Nur  Nicola  jewsk  und  Mariinsk 
am  Amur  blieben  besetzt,  aber  von  kaum  1000  Mann  zusammen  verteidigt. 
Alle  verfugbaren  Streitkrafte  waren  nach  Petropawlowsk  in  Kamtschatka 
dirigiert,  wo  sich  auch  grosse  Depots  der  russisch-amerikanischen  Pelzhandels- 
gesellschaft  befanden.  Im  ganzen  nordlichen  Pacific  hatte  Russland  damals 
nur  die  alte  Fregatte  ,, Pallas"  und  ,, Diana"  und  die  kleine  ,, Aurora"  an  der 
ganzen  Kuste  zerstreut,  wozu  noch  einige  bewaffnete  Briggs  und  Schoner  der 
Pelzhandelsgesellschaft  kamen. 


204  m^   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Am  18.  August  erschien  eine  Flotte  der  Alliierten  vor  Petropawlowsk, 
bestehend  aus  der  englischen  Segel-Fregatta  ,, President"  und  ,, Pique",  der 
Kriegsbrigg  ,,Oligado"  und  dem  kleinen  Kriegsdampfer  ,, Virago"  und  den 
franzosischen  Segelfregatten  ,, Forte"  und  ,,Eurydice"  mit  zusammen  190  Ge- 
schiitzen  und  2000  Mann  Besatzung  unter  Oberbefehl  des  Admirals  Price. 
Die  russischen  Batterien  wurden  grosstenteils  durch  das  Geschutzfeuer  der 
Schiffe  zum  Schweigen  gebracht,  und  am  2.  September  wurden  700  Mann 
gelandet  zum  Sturm  auf  die  Stadt  unter  Befebl  des  Kapitans  Parker.  Beim 
Uberklettern  eines  bewaldeten  Hiigels  gerieten  sie  aber  in  einen  Hinterhalt 
und  erhielten  durch  das  wohlgezielte  Gewehrfeuer  der  geiibten  Pelzjager  der 
Kompanie  und  der  schussgewandten  Kamtschatkaschen  Barenjager  schwere 
Verluste.  Eine  verborgene  russische  Batterie  von  zwei  Geschiitzen  trat  jetzt 
in  den  Kampf  ein,  und  die  Angreifer  flohen  in  wilder  Flucht  und  wurden  ver- 
nichtet  worden  sein,  wenn  nicht  die  ,, Virago"  bis  dicht  an  die  Kiiste  gedampft 
ware  und  die  Einschiffung  mit  ihrem  Geschutzfeuer  deckte. 

Die  Alliierten  verloren  9  Offiziere  und  102  Mann.  Am  Abend  erschoss 
sich  der  Admiral  Price  in  seiner  Kajiite.  Er  wurde  unter  dem  Schutz  der 
Schiffsgeschiitze  am  Ufer  begraben,  ebenso  die  im  Kampf  gefallenen  Mann- 
schaften.  Der  franzosische  Admiral  gab  dann  den  Befehl  zum  Riickzug.  Dicht 
an  der  Kiiste  wurden  dann  noch  der  Schoner  ,, Anadyr"  und  die  Bark  ,,Sitka" 
der  Russisch-amerikanischen  Pelzkompanie  mit  voller  Ladung  beschlagnahmt. 
Die  Alliierten  trennten  sich,  die  Englander  gingen  nach  Vancouver,  die 
Franzosen  nach  Callao,  wo  auch  der  franzosische  Admiral  Febries  Despointes 
starb. 

Admiral  Bruce  und  Fournichon  wurden  jetzt  mit  Verstarkungen  and 
dem  strikten  Befehl,  Petropawlowsk  unter  alien  Umstanden  zu  nehmen,  ent- 
sandt.  Auch  dieser  Platz  empfing  Verstarkungen  in  den  Transport fahrzeugen 
,,Cliwutzu"  und  ,,Kadiak",  und  die  Befestigung  der  Stadt  wurde  erneuert. 
Am  17.  Marz  kam  aber  die  Ordre  aus  Petersburg,  Petropawlowsk  zu  verlassen. 
Die  Garnison  schiffte  sich  mit  alien  Geschiitzen  und  Vorraten  ein,  eine  Fahr- 
rinne  wurde  durch  das  Eis  gebrochen  und  Castriesbai  glucklich  erreicht.  Die 
Einnahme  von  Petropawlowsk  unterblieb. 

Zur  Besetzung  des  Amurgebiets  entwickelten  die  Russen  im  Jahre  1855 
lebhafte  Tatigkeit,  3  Expeditionen  verliessen  Shilkinsk  mit  etwa  3000  Soldaten, 
500  Kolonisten,  zahlreichemVieh,  Pferden  undVorraten.  Die  Chinesen  waren  un- 
fahig,  demDurchzuge  derTruppen  auf  dem  Amur  Widerst and  entgegenzusetzen 
Nur  4  Mandarinen  kamen,  um  Protest  einzulegen,  da  sie  aber  keinen  geniigend 
hohen  Rang  besassen,  liess  sie  Muraviewr  gar  nicht  vor.  Mariinski  entwickelte 
sich  zu  einer  bedeutenden  Ortschaft,  mehrere  neue  Dorfer  wurden  am  Amur  an- 
gelegt  und  Nicolajewsk  bedeutend  vergrossert.  Es  befanden  sich  dort  jetzt  150 
Hauser,  darunter  mehrere  Schulen  und  offentliche  Gebaude.  Im  Hafen  lagen 
die  aus  Petropawlowsk  entkommenen  Schiffe.  Auch  Castriesbai  war  neu  besetzt 
worden  und  erhielt  eine  Garnison  von  500  Mann.  Jetzt  erschien  von  neuem 


y.   Kapitel.  205 


eine  allierte  Flotte  in  den  russisch-amerikanischen  Gewassern.  5  englische 
Kriegsdampfer  sowie  8  englische  und  4  franzosische  Segelfregatten  mit  zu- 
sammen  480  Geschiitzen.  Die  Fahrzeuge  der  russisch-amerikanischen  Pelz- 
handelsgesellschaft  fliichteten  eiligst  nach  dem  russischen  Amerika,  das  bereits 
zu  Anfang  des  Krieges  neutral  erklart  worden  war,  und  die  russischen  Kriegs- 
schiffe,  7  an  der  Zahl  mit  zusammen  90  Geschiitzen,  versteckten  sich  so  gut  es 
ging  in  d?n  Hafen  an  der  sibirischen  Kiiste. 

Die  alliierte  Flotte  teilte  sich;  7  Schiffe  mit  184  Geschiitzen  und  2000 
Mann  griffen  am  31.  Mai  Petropawlowsk  in  Kamschatka  an.  Die  gesamte 
Garnison  und  die  Bevolkerung  hatte  sich  aber  in  die  Walder  des  Innern  zu- 
riickgezogen.  Die  Batterien  wurden  zerstort  und  die  offentlichen  Gebaude 
niedergebrannt.  Dann  kehrte  dieser  Teil  der  Flotte  unter  Admiral  Bruce  nach 
Kalifornien  zuriick,  nachdem  sie  noch  Sitka  besucht  hatte,  um  zu  sehen,  dass 
keine  Befestigungen  dort  errichtet  seien. 

3    Kriegsschiffe   besuchten    Agan,    zerstorten   dort    das   Eigentum   der 
russisch-amerikanischen  Gesellschaft,  und  kaperten  dann  mehrere  russische 
Walfischfanger. 

Ein  anderer  Teil  der  Flotte  unter  Commodor  Elliot  drang  in  Castriesbai 
ein,  das  aber  gleichfalls  von  der  Besatzung  in  aller  Eile  verlassen  war.  Hier 
fiel  den  Englandern  ein  grosser  Post  en  Pelzwerk  in  die  Hande.  Die  russische 
Fregatte  ,, Diana"  war  im  Vorjahr  nach  Japan  gegangen  und  Admiral 
Putiatin  hatte  dort  im  Januar  1855  einen  Handelsvertrag  abgeschlossen  sowie 
die  Teilung  Sachalins  durchgesetzt.  Der  nordliche  Teil  fiel  an  Russland,  der 
siidliche  blieb  Japan.  Ausserdem  wurde  die  Insel  Urup  in  den  Kurilen,  wo 
die  russisch-amerikanische  Kompanie  bereits  eine  Handelsniederlassung  hatte, 
offiziell  an  Russland  abgetreten.  Bei  der  Ausfahrt  aus  der  Bai  von  Jeddo 
strandete  aber  die  ,, Diana"  wahrend  eines  Erdbebens  und  sank.  Die  Mann- 
schaft  wurde  gerettet.  Ein  Teil  wurde  von  dem  amerikanischen  Schoner 
,, Caroline  Foote"  nach  Petropawlowsk  gebracht,  ein  weiterer  Teil  mit  dem 
Admiral  selbst  gelangte  in  dem  selbsterbauten  Schoner  ,,Heda"  nach  dem 
Amur,  der  Hauptteil  aber,  276  Matrosen  und  Offiziere,  wurden  auf  der  Bremer 
Brigg  ,,Grete"  eingeschifft,  die  aber  am  i.  August  von  der  Fregatte  ,,Barracouta" 
gekapert  und  als  gute  Prise  erklart  wurde. 

Am  3.  September  wurde  die  Ansiedlung  auf  Urup  in  den  Kurilen  von 
der  englischen  Fregatte  ,, Pique"  und  der  franzosischen  ,,Sybille"  beschossen 
und  genommen.  Die  Vorratshauser  der  russisch-amerikanischen  Kompanie 
wurden  gepliindert  und  verbrannt  und  eine  ganze  Ladung  Pelzwerk  wurde 
fortgefiihrt.  Auch  der  Magazin-Ver waiter  und  sein  Gehilfe,  ein  Jakute,  wurden 
zu  Gefangenen  gemacht  und  die  Insel  zum  Eigentum  der  Alliierten  erklart. 

Ein  Angriff  der  ,,Sybille"  auf  Castriesbai,  wo  eben  eine  amerikanische 
Bark  ,,Behring"  fur  die  Russen  Vorrate  landete,  wurde  durch  im  Buschwald 
verborgene  russische  Schiitzen  vereitelt,  und  die  gesamte  alliierte  Flotte  verliess 
dann  die  russischen  Gewasser,  nachdem  sie  wenig  genug  ausgerichtet  hatte. 


206  III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Der  Krieg  hatte  die  Ansiedlungstatigkeit  im  Amurgebiet  ziemlich  lahm  gelegt, 
erst  als  im  Juni  1856  der  Friede  auch  hier  draussen  bekannt  wurde,  nahm  sie 
einen  neuen  Aufschwung.  Beim  Friedensschluss  besass  Russland  nur  die  Stadte 
Nicolajewsk  und  Mariinsk  am  unteren  Amur,  und  eine  Ansiedlung  inCastriesbai. 
Sachalin  war  verlassen  worden,  und  am  ganzen  Amur  von  Ust  Strelka  bis 
nach  Mariinsk  war  keine  Niederlassung.  Auf  dem  Flusse  befanden  sich 
3  Dampfer,  der  ,,Shilka",  ,, Argun"  und  ,,Nadeshuda".  Aber  wahrend  desjahres 
waren  697  Barken  mit  Proviant,  Vieh,  den  Strom  herabgeschwommen. 
Muraviewging  nach  Petersburg,  um  Mittel  fiir  die  Kolonisten  fliissig  zu  machen, 
und  inzwischen  war  Generalmajor  Korsakoff  Generalgouverneur. 

Es  wurde  jetzt  Blagowetschuski  an  der  Miindung  der  Dseya  in  dem 
Amur  gegriindet,  ferner  Khingansk  am  Burejagebirge,  und  Sungarski  Piket  an 
der  Miindung  des  Sungari.  Ein  regelmassiger  Postverkehr  wurde  eingerichtet. 
Murawiew  war  es  in  Petersburg  gelungen,  das  Interesse  fiir  den  Amur  zu  er- 
wecken  und  geniigend  Mittel  fiir  die  Kolonisation  wurden  bewilligt.  Eine 
Brigade  Kosaken-Infanterie  und  ein  Regiment  Kavallerie  wurden  langs  des 
Flusses  stationiert. 

Zum  ersten  Male  wurde  auch  der  Amur  fiir  die  Verkehrszwecke  der 
russisch-amerikanischen  Kompanie  benutzt. 

Kapitan  Fuornhelm  fiihrte  100  Emigranten  und  1000  Tons  Provision  den 
Amur  hinab.  In  seiner  Begleitung  befand  sich  auch  Mr.  Collins  ,, commercial 
agent  of  the  United  States  for  the  Amur  river". 

Auch  Graf  Putiatin  reiste  den  Amur  hinab  nach  Nicolajewsk,  und  von  dort 
mit  dem  neu  angekauften  Dampfer  ,,Amerika"  nach  dem  Golf  von  Petchili,  um 
einen  Vertrag  mit  China  abzuschliessen.  Auf  der  Reise  erwarb  er  noch  von 
den  Koreanern  das  Recht,  eine  Kohlenstation  in  Port  Hamilton  zu  errichten, 
wo  von  indes  nie  Gebrauch  gemacht  wurde.  Die  Verhandlungen  in  Tientsin 
zerschlugen  sich  indessen,  und  Murawiew  eilte  nach  Petersburg,  da  er  einen 
feindlichen  Zusammenstoss  mit  China  fiirchtete.  Er  erhielt  die  notigen  Truppen 
sowie  7  Kriegsschiffe,  die  sich  den  Operationen  der  Alliierten  gegen  China  an- 
schliessen  sollten.  Als  er  nach  dem  Amur  zuriickkehrte,  hat  ten  die  Opera- 
tionen der  Alliierten  inzwischen  ihren  Einfluss  ausgeiibt  und  China  weigerte 
sich  nun  nicht  mehr,  den  Vertrag  zu  schliessen. 

Im  Mai  1858  wurde  ein  Freundschaftsvertrag  zu  Aigun  am  Amur  ge- 
schlossen,  wonach  das  linke  Ufer  des  Amur  bis  zum  Ussuri  und  vom  Ussuri  bis 
zur  Miindung  beide  Ufer  an  Russland  abgetreten  wurden,  und  der  Sungari 
und  Ussuri  dem  russischen  Handel  geofmet  wurden.  Am  31.  Oktober  1858 
wurde  das  Amurgebiet  von  dem  Gouvernement  Irkutsk  abgetrennt,  und  zu- 
sammen  mit  Kamschatka  an  der  Kiiste  vom  Ochotskischen  Meer  als  Kusten- 
provinz  von  Ostsibirien  eine  selbstandige  Provinz  mit  der  Hauptstadt 
Nicolajewsk  konstitutiert.  Murawiew  griindete  jetzt  auch  die  Stadt 
Khabarowka  an  der  Ussurimiindung  sowie  eine  neue  Stadt  Sofyesk  am  unteren 
Amur,  i* 


y.  Kapitel. 


207 


Im  nachsten  Jahre  wurde  die  neue  Provinz  wieder  geteilt,  in  die  See- 
pro  vinz  mil  der  Hauptstadt  Nicolajewsk  und  die  Amurprovinz  mil  der  Haupt- 
stadt  Blagowetschinski.  1858  waren  bereits  iiber  20  ooo  Russen  an  den  Ufern 
des  Amur  angesiedelt  mit  ca.  8000  Mann  Garnison. 

Am  23.  Januar  1858  erhielt  auch  ein  neues  Unternehmen,  die  Amur- 
Kompanie,  einen  Charter,  die  mit  einem  Kapital  von  i  Million  Rubel  ge- 
griindet  wurde  und  das  Recht  hatte,  dies  auf  3  Millionen  zu  erhohen.  Sie 
brachte  vier  Dampfer  nach  dem  Amur,  und  schloss  mit  der  Regierung  einen 
Vertrag,  eine  Telegraphenlinie  von  Moskau  bis  Nicolajewsk  zu  legen;  die  nach- 
her  iiber  die  Kurilen  und  Kamtschatka  und  iiber  die  Behringstrasse  nach  Amerika 
fortgesetzt  werden  sollte. 


Eisbaren  bei  Point  Barrow   (Alaska). 

Die  Gesellschaft  errichtete  mehrere  Stationen  am  Amur  und  brachte  im 
nachsten  Jahre  noch  2  weitere  Dampfer  dorthin.  1860  betrug  der  Import  in 
Nicolajewsk  und  Castriesbai  bereits  iiber  4  Millionen  Mark,  ohne  den  Wert  der 
Dampfer  und  der  gefuhrten  Schiffsladungen  von  Regierungsbedarf  zu 
rechnen. 

Sonst  entsprach  aber  die  neue  Amurprovinz  zunachst  nicht  den  Er- 
wartungen.  Den  Chinesen  war  nach  den  ersten  Erfolgen  bei  den  Takuforts 
gegenliber  den  Alliierten  1859  der  Kamm  geschwollen,  sie  ignorierten  die  Ab- 
tretung  der  Provinz  vollkommen,  und  belastigten  die  Ansiedler  sowie  die 
Schiffahrt  auf  dem  Flusse  fortwahrend.  Ein  Krieg  zwischen  Russland  und 
China  schien  unvermeidlich,  da  machte  der  Sieg  der  Franzosen  und  Englander 
die  Chinesen  eilig  bereit,  einen  neuen  vorteilhaften  Vertrag  mit  Russland  zu 


208  III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels 

schliessen,  der  viel  umfassender  war,  als  einer  der  vorhergehenden.  Im 
November  1860  wurde  derselbe  vom  Grafen  Ignatiews  und  dem  Prinzen  Kung 
in  Peking  unterzeichnet.  10  ooo  Kolonisten  aus  dem  westlichen  Sibirien  trafen 
im  Amurgebiet  ein,  aber  da  sie  ebenso  wie  die  Kosaken  die  Landwirtschaft  nur 
oberflachlich  und  altmodisch  betrieben,  so  bauten  sie  nicht  einmal  so  viel  Ge- 
treide,  als  zu  ihrem  eigenen  Unterhalt  notwendig  war.  Auf  Anordnung  der 
russischen  Regierung  brachte  darauf  Kapitan  von  Vries  40  deutsche  Familien 
aus  Kalifornien  und  ausserdem  wurden  100  deutsche  Mennonitenfamilien 
aus  Siidrussland  an  den  Amur  gebracht,  um  gewissermassen  als  Lehrer  fur  die 
Kosakendorfer  zu  dienen.  Heute  ist  das  Ussurigebiet  eine  Kornkammer,  ob- 
gleich  auch  jetzt  noch  der  landwirtschaftliche  Betrieb  dort  viel  zu  wiinschen 
iibrig  lasst. 

Um  diese  Zeit  kam  auch  der  erste  deutsche  Kaufmann  nach  dem  Amur- 
gebiet, der  Hamburger  Fr.  Aug.  Liihdorf,  der  mehrere  Dampfer  auf  dem  Amur 
laufen  hatte.  Die  Firmen  H.  W.  Dickmann  jr.,  Langeliittge,  Kunst  &  Albers, 
die  heute  den  gesamten  Handel  von  Ostsibirien  beherrschen,  kamen  erst 
mehrere  Jahre  spater.  Die  anderen  damals  in  Nicolajewsk  ansassigen  Firmen, 
Bordmann  &  Co.  aus  Boston,  H.  Pearce  aus  Boston,  O.  Esche  aus  St.  Franzisko 
und  Cohn  &  Naumann  aus  St.  Franzisko  sind  langst  eingegangen.  Die  Amur- 
Kompanie,  die  ihr  Kapital  auf  3  Millionen  Rubel  gebracht  hatte,  wurde  so 
nachlassig  und  unfahig  geleitet,  dass  sie  grosse  Verluste  hatte.  Sie  hatte  die 
Preise  so  hoch  geschraubt  und  die  Warenvorrate  so  wenig  den  Verhalt  nissen 
des  Marktes  angepasst,  dass  die  Ansiedler  ihre  Bediirmisse,  soweit  sie  nicht 
von  den  deutschen  und  amerikanischen  Kaufleuten  in  Nicolajewsk  gedeckt 
wurden,  billiger  direkt  auf  dem  teuren  Landwege  aus  Moskau  bezogen,  als 
durch  die  Verkaufsladen  der  Kompanie.  Durch  die  direkte  Schuld  der  Bevoll- 
machtigten  del  Gesellschaft  waren  auch  in  einem  Jahre  drei  Schiffe  mit  wert- 
vollen  Ladungen  an  der  Kiiste  verloren  gegangen.  Nach  zwei  Jahren  betrug  der 
Verlust  bereits  I  Million  Rubel,  den  dritten  Teil  des  Aktienkapitals. 

In  einer  Schiffsliste  aus  dem  Jahre  1860  in  Nicolajewsk  finde  ich,  dass 
damals  4  Segelschiffe  aus  Hamburg,  zwei  aus  Boston,  zwei  aus  St.  Franzisko 
und  eins  aus  Honolulu  im  Hafen  lagen.  Die  russisch-amerikanische  Kompanie 
beschaftigte  sich  zu  dieser  Zeit  im  Amurgebiet  nur  mit  dem  Pelzhandel,  der 
Spedition  ihrer  Ware  nach  ihrem  amerikanischen  Gebiet,  und  dem  Eishandel 
nach  Schanghai  und  anderen  Platzen.  Den  Eishandel  hatte  die  russisch- 
amerikanische  Pelzhandels-Kompanie  in  Amerika  1852  aufgenommen  und  in 
diesem  Jahre  mit  der  neugegriindeten  amerikanisch-russischen  Handelsgesell- 
schaft  in  St.  Franzisko  einen  Vertrag  abgeschlossen,  wonach  sie  von  Sitka 
jahrlich  rund  1000  Tonnen  Eis,  a  35  Dollars,  nach  St.  Franzisko  liefern  sollte. 

1855  erlangte  der  President  der  amerikanisch-russischen  Kompanie  in 
St.  Franzisko  durch  personliche  Audienz  beim  Kaiser  in  Petersburg  einen  Ukas, 
wonach  die  Pelzhandelsgesellschaft  das  Eis  zum  Kostenpreise  in  die  Kolonie  zu 
liefern  habe,  und  zwar  in  geniigender  Menge,  um  Kalifornien,  Mexiko  und  die 


y.    Kapitel.  2OQ 


Sandwichmseln  zu  versorgen.  Sie  sollte  auch  ferner  Fische,  Kohlen  und  Holz 
liefern  und  dafiir  die  Halfte  des  Kostenpreises  erhalten.  Es  erwies  sich  aber 
bald,  dass  die  neugegrundete  Kompanie  nicht  geniigendes  Kapital  hatte.  Es 
konnten  nicht  geniigendVorratshauser  gebaut  werden,  und  die  von  Sitka  ein- 
treffenden  Ladungen  von  Fischen,  Eis  usw.  verdarben  aus  Mangel  an  geeigneter 
Unterkunft.  Schliesslich  fallierte  noch  die  Bank,  in  der  die  Eisgesellschaft  ihr 
Depot  hatte,  und  der  President  ging  mit  allem  Geld,  das  er  erfassen  konnte, 
durch.  Die  russisch-amerikanische  Pelzhandelsgesellschaft  hatte  eben  mit  ihren 
kalifornischen  Unternehmungen  seit  der  Zeit  des  Grafen  Rezanoff  wenig  Gliick. 
Kapitan  Furnhelm,  derselbe  der  den  ersten  direkten  Warentransport  hinunter- 
gebracht  hatte,  wurde  nach  St.  Franzisko  gesandt,  und  es  gelang  ihm  endlich, 
im  Jahre  1859  den  fatalen  Kontrakt  ohne  Inanspruchnahme  des  Gerichts  zu 
losen. 

Die  Indianer  hatten  sich  noch  mehrfach  sehr  feindlich  erwiesen  und 
sowohl  Angriffe  auf  Sitka  gemacht  als  auch  das  russische  Fort  Andreefky 
zerstort.  Doch  gelang  es  dem  Gouverneuer  Woiwodky  die  Thlinkets  zur  Unter- 
werfung  und  zur  Eroffnung  eines  regelmassigen  Handels  zu  bringen.  Ein  Platz 
am  Stikeenriver  wurde  als  neutraler  Punkt  erklart,  wohin  die  Indianer  ihre 
Pelzausbeute  bringen  sollten.  1859  wurde  auch  der  1840  abgeschlossene  und 
1849  auf  I0  Jahre  verlangerte  Pachtvertrag  mit  der  Hudsonbay  Company 
bis  zum  i.  Juni  1862  verlangert.  Die  Pachtsumme  best  and  noch  immer  aus 
2000  Seotterfellen  jahrlich. 

Jetzt  hatte  dieser  Vertrag  schon  einen  hoheren  Wert,  denn  die  Tiere 
fingen  an,  seltener  zu  weiden.  Man  zahlte  jetzt  schon  fur  ein  sehr  gutes  Fell 
500  Taler  und  der  Durchschnittswert  war  200  Taler  pro  Stuck. 

Kapitan  Furnhelm  wurde  jetzt  zum  Gouverneur  der  Kolonie  ernannt. 

Da  der  Freibrief  der  russisch-amerikanischen  Kompanie,  beinahe  ab- 
gelaufen  war,  aber  viele  Klagen  iiber  Missbrauche  laut  wurden,  so  wurde  vor 
Einleitung  von  Verhandlungen  dei  kaiserliche  Kammerherr  Paul  Nicolajewitsch 
Golovin  nach  Alaska  gesendet,  um  die  ganzen  Verhaltnisse  genau  zu  unter- 
suchen. 

Sein  Bericht  wurde  1862  in  Petersburg  veroffentlicht,  und  enthalt  viele 
interessante  Einzelheiten.  Das  ursprungliche  Kapital  war,  wie  wir  schon  fruher 
erwahnt  98  ooo  Silberrubel  gewesen.  1818  wurden  die  Aktien  statt  150  Rubel 
auf  500  Rubel  pro  Stuck  umgeschrieben,  ohne  dass  eine  Nachzahlung  erfolgte. 
1844  besass  die  Gesellschaft  bereits  ein  Reservekapital  von  450  ooo  Rubel. 
1862  zur  Zeit  als  der  Bericht  veroffentlicht  wurde,  war  das  Kapital  auf 
660  ooo  Rubel,  die  Reserven  auf  750  ooo  Rubel  angewachsen.  Die  Dividende 
schwankte  zwischen  6  und  15  Proz.  jahrlich. 

Wahrend  der  Jahre  1840 — 1860  war  der  Bruttogewinn  der  Gesellschaft 
zusammen  20  Million  Rubel,  daraus  empfing  die  kaiserliche  Regierung  Abgaben 
in  Hohe  von  4  Millionen  Rubel,  an  Dividende  wurden  ca.  3  Millionen  Rubel 
wahrend  dieser  Zeit  verteilt.  Um  dem  Mangel  an  Umlaufsmitteln  abzuhelfen, 

14 


•  2IO  III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

hatte  die  Kompanie  im  Jahre  1860  fur  40  ooo  Rubel  eine  Art  Papiergeld 
ausgegeben,  das  in  gestempelten  Lederstiickchen  befand.  Im  Hamburger 
Museum  befinden  sich  noch  einige  soldier  Stiicke. 

Golovin  berichtet  noch  iiber  die  Verhaltnisse  in  den  Kolonien.  Das 
Ganze  stand  unter  einem  Generaldirektor,  der  vom  Direktorium  in  Petersburg 
erwahlt  wurde.  Er  hatte  die  absolute  Gewalt  in  Handen,  denn  im  Territorium 
gait  das  Gesetz  nicht,  sondern  nur  die  Statuten  der  Gesellschaft.  So  musste  ein 
Auslander,  der  beim  Schmuggeln  auf  Sitka  abgefasst  war,  freigelassen  werden, 
da  es  kein  Angestellter  der  Gesellschaft  war  und  deshalb  deren  Statuten  nicht 
bindend  fur  ihn  war  en. 

Das  Territorium  war  in  6  Distrikte  eingeteilt.  I.  Sitka  von  Mt.  St.  Elias 
siidwarts.  II.  Kadiak  von  St.  Elias  bis  Bristolbay  und  westlich  bis  zu  den 
Shumagin-Inseln.  III.  St.  Michael  bestehend  aus  Norton  Sund.  Yukon- 
Distrikt  und  dem  Kuskoquim-Distrikt.  IV.  Unalaska  von  den  Shumagin- 
Inseln  bis  zu  den  Pribyloffs  und  die  Fuchsinseln.  V.  Atka  bestehend  aus  dem 
Rest  der  Aleuten-Inseln  und  den  Commandorski-Inseln  (Copper-  und  Behring- 
Inseln).  VI.  Die  Kurilen. 

Golovin  berichtet  mit  Entriistung  iiber  die  Behandlung,  welche  die 
Aleut  en  von  der  Kompanie  erdulden  mussten,  namentlich  anfangs,  wo  viele 
Tausende  von  Glottof  und  Solovief  unter  den  grossten  Grausarrikeiten  getotet 
wurden.  Aber  auch  spater  wurden  sie  mehr  wie  Tiere  als  wie  Menschen  be- 
handelt.  Sie  waren  die  Sklaven  der  Kompanie  und  mussten  an  alien  Jagd- 
expeditionen  teilnehmen,  und  auch  ihre  eigene  Beute  an  die  Russen  verkaufen, 
gegen  Waren,  deren  Preise  ganz  willkurlich  von  der  Gesellschaft  festgesetzt 
wurden.  Ihre  Zahl  nahm  deshalb  auch  rapide  ab.  In  1799  waren  es  10  ooo  Mann 
1808  waren  sie  nach  der  Zahlung  Rezanoffs  auf  4300  zusammengeschmolzen 
und  1860  existierten  nur  noch  1500.  Die  Verhaltnisse  waren  also  ganz  ahnliche 
wie  heute  im  Congo- Staat.  Auch  die  Angestellten  wurden  schlecht  bezahlt  und 
schlecht  verpflegt.  Die  Nahrung  bestand  vorwiegend  aus  Fisch,  gelegentlich 
Wild  und  Speck.  Brot,  Mehl,  Gemuse  musste  von  der  Kompanie  zugekauft 
werden,  die  dafur  hohe  Preise  rechnete.  » 

Auch  die  Missionare  kamen  im  Bericht  Golovins  schlecht  weg,  sie  seien 
faul,  habsiichtig  und  trunksuchtig.  Die  von  ihnen  unterhaltenen  Schulen  in 
denen  ausser  Religion  und  etwas  Lesen  nicht s  gelehrt  wurde,  waren  fast 
gar  nicht  von  den  Eingeborenen  besucht.  Die  Zahl  der  christlichen  Thlinkets 
die  1846  noch  531  betragen  hatte,  war  1859  auf  3^  zuriickgegangen.  Die  Ge- 
sellschaft hatte  selbst  1860  eine  Schule  er  off  net,  in  der  auch  Eingeborene  unter- 
richtet  werden  sollten.  Sie  mussten  sich  aber  als  Gegenwert  fur  den  5  jahrigen 
Unterricht  verpflichten,  15  Jahre  lang  der  Gesellschaft  zu  dienen,  fur  einen 
Jahreslohn  von  20  bis  70  Rubel. 

Golovin  berichtet  auch  iiber  die  derzeitigen  Handelsverhaltnisse,  die  er 
als  sehr  ungiinstig  bezeichnet.  Die  Gesellschaft  durfte  weder  Waff  en  und 
Munition  noch  geistige  Getranke  an  die  Eingeborenen  verkaufen.  Nun  war 


7.  Kapitel.  211 


aber  bereits  seit  1850  regelmassig  ein  Dampfer  der  Hudsonbay  Company 
zwischen  den  Inseln  erschienen,  der  den  Eingeborenen  mitteilte,  dass  sie  alle 
die  verbotenen  Artikel  von  ihren  Handelsposten  erhalten  konnten.  Der 
russische  Handel  mil  den  Eingeborenen  des  Alexander- Archipel  horte  dadurch 
vollkommen  auf.  Ebenfalls  seit  1860  besuchten  Handelsschoner  und  Briggs 
von  Honolulu  aus  regelmassig  die  Niederlassungen  der  Tschuktschen  an  der 
asiatischen  Kuste  und  tauschten  Felle,  Wallrosszahne  von  ihnen  gegen  die  ver- 
botenen Artikel  ein,  die  von  den  Tschuktschen  dann  weiter  an  die  Eingeborenen 
Sibiriens  verhandelt  wurden.  Die  Fellausbeute  dieser  Honoluluhandler  fand 
ubrigens  ihren  Weg  meist  nach  Bremen.  Im  Amurgebiet  tut  die  Konkurrenz 
der  deutschen  und  amerikanischen  Kaufleute  dem  Geschaft  der  Kompanie 
ungeheuren  Abbruch. 

Golovin  starb  gleich  nach  seiner  Riickkehr  aus  Petersburg.  Sein 
Bericht  war  im  ganzen  der  Kompanie  nicht  ungiinstig  gewesen,  aber  gleich- 
zeitig  verof fentlichte  ein  Halbblut  aus  Alaska,  ein  gewisser  Kashewarof f ,  der  in 
Petersburg  wohnte,  eine  scharfe  Kritik  der  Zustande  in  den  Kolonien,  und  die 
Richtigkeit  derselben  wurde  von  dem  beruhmten  Forscher  Baron  Wrangell 
bestatigt. 

Die  Regierung  beschloss  deshalb,  den  Charter  nicht  zu  erneuern.  Die 
Kompanie  hatte  von  nun  an  keirae  Rechte,  die  nicht  jedem  russischen  Untertan 
freistanden.  Auch  das  Verbot  der  direkten  Seeottereinfuhr  nach  Russland 
wurde  aufgehoben.  Es  verblieb  ihr  nur  das  Eigentumsrecht  an  ihrem  beweg- 
lichenVermogen  und  dem  wirklich  in  Gebrauch  genommenen  Grund  und  Boden. 
Sie  konnte  natiirlich  fortfahren,  Handel  zu  treiben,  hatte  aber  keinerlei  Hoheits- 
rechte.  Alle  Schulen  wurden  aufgehoben,  die  Ausgaben  stark  eingeschrankt 
und  an  Stelle  des  Direktors  trat  ein  kaiserlicher  Beamter,  zunachst  Gouverneur 
Maksutoff.  Die  Gesellschaft  machte  noch  alle  Anstrengungen,  ihr  Geschaft  ge- 
winnbringend  zu  gestalten.  Ein  neuer  Eiskontrakt  wurde  abgeschlossen,  wo- 
nach  sie  jahrHch  3000  Tons  Eis  a  25  Dollar  pro  Ton  an  eine  St.  Franzisko- 
Eis- Gesellschaft  liefern  sollte. 

Einen  Lichtblick  schien  auch  die  Griindung  der  Western-Union-Telegraph- 
Kompanie  zu  bringen,  welche  eine  Telegraph enlinie  durch  Alaska,  iiber  die 
Behringstrasse  und  das  Tschuktschengebiet  zum  Anschluss  an  den  russischen 
Uberlandstelegraphen  legen  wollte.  Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  auf  dieses  Unter- 
nehmen  einzugehen.  Ein  grosser  Teil  der  Strecke  war  schon  fertig,  als  das 
Gelingen  des  ersten  neuen  atlantischen  Kabels  die  amerikanische  Gesellschaft 
zur  Aufgabe  des  Unternehmens  brachte. 

1867  wurde  dann  der  Vertrag  zwischen  der  russischen  Regierung  und  den 
Vereinigten  Staaten  abgeschlossen,  wonach  ganz  Alaska  fur  7  Millionen  Dollar 
in  den  Besitz  der  U.  St.  uberging. 

Die  Ubergabe  musste  frei  von  alien  Privilegien,  Vorrechten  oder  sonstigem 
Vorbehalt  sein,  die  irgend  welch  erGesellschaftgehorten,  wo  fur  die  amerikanische 
Regierung  dann  noch  eine  Entschadigungssumme  von  200  ooo  Dollar  an  die 


212  III".    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

russisch-amerikanische  Gesellschaft  bewilligte.    Nur  Privateigentum  einzelner 
Personen  verblieb  denselben. 

Alle  Einwohner  batten  innerhalb  drei  Jahre  die  Wahl,  ob  sie  nach 
Russland  zuruckkehren,  oder  amerikanische  Burger  werden  wollten,  mit  Aus- 
nahme  natiirlich  der  eigentliche  Eingeborenen,  Indianer,  Aleuten  und  Eskimos. 

Die  russisch-amerikanische  Kompagnie  erhielt  durch  besondereVerhandlung 
noch  einen  Aufschub  von  einem  Jahr,  in  welchem  sie  ihre  Niederlassungen  auf- 
losen  und  die  Vorrate  von  Waren,  Fellen  usw.  entfernen  durfte.  Alle  Archive 
usw.  gingen  in  den  Besitz  der  U.  St.  iiber.  Die  griechische  Kirche  verblieb  in 
dem  Besitze  ihrer  Gebaude  und  des  ihnen  fest  verliehenen  Grund  und  Bodens. 

Die  Gesellschaft  war  nunmehr  ganz  auf  den  Gang  ihres  Handels  in 
Kamtschatka  und  Ostsibirien  angewiesen,  sowie  auf  die  Ausbeute  der  Jagd  auf 
den  Komodorski-Inseln,  Copper  und  Behring-Island,  auch  den  Kurilen-Inseln 
die  bekanntlich  erst  1875  an  Japan  abgetreten  wurden,  und  die  zur  damaligen 
Zeit  noch  ein  Hauptfundort  fur  Seeottern  bildeten.  Noch  im  Jahre  1880  schickte 
die  japanische  Regierung  jahrlich  ca.  400  Seeottern  nach  London  in  Auktion. 

Durch  die  Monopolwirtschaft  aber  verwohnt,  und  auch  sonst  wohl  schlecht 
geleitet,  konnte  sich  die  russisch-amerikanische  Pelzkompanie  nicht  halten 
und  loste  sich  auf.  Jetzt  wurde  auch  fur  die  Einfuhr  in  Russland  das  letzte 
Pelztier,  dessen  Einfuhr  verboten  war,  die  Seeotter,  freigegeben. 

Urspriinglich  war  j  a  der  ganze  sibirische  Pelzhandel,  wie  wir  friiher  ge- 
sehen  hatten,  Monopol,  doch  wurden  allmahlich  immer  mehr  Pelzsorten  zur 
Einfuhr  gegen  Zoll  freigegeben.  Der  Pelzhandel  im  Innern  war  stets  frei,  und 
fand  hauptsachlich  auf  den  grossen  Messen  statt.  Die  alteste  Messe,  die  wir  er- 
wahnt  fin  den,  ist  das  alte  Bolgar  unterhalb  der  Miindung  der  Kama  im 
Gouvernement  Kasan.  Schon  im  n.  Jahrhundert  erwahnt  der  arabische 
Schriftsteller  Ibu  Forslam,  dass  in  Bolgar  ein  grosser  jahrlicher  Markt  statt- 
fande,  wohin  russische  Kaufleute  Madchen  und  Zobelfelle  zum  Verkauf 
brachten,  auch  Grauwerk  und  Biberfelle,  Fiichse  und  dergleichen  seien  dort 
zu  finden. 

Bolgar  war  die  alte  Hauptstadt  des  Bulgarenreiches  in  Nordrussland, 
wurde  aber  dann  durch  die  Mongolen  erobert,  durch  die  Kirgisen  besetzt  und 
.  schliesslich  gegen  Ende  des  14.  Jahrhunderts  durch  Tamerlan  zerstort. 

Fiir  das  eigentlich  russische  Pelzgeschaft  von  Bedeutung  wurde  aber  erst 
die  Messe  von  Makariew  an  der  Wolga  im  Gouvernement  Nishnij-Nowgorod, 
die  um  das  Jahr  1530  begriindet,  bald  einen  grossen  Umfang  annahm.  1633 
wurde  dann  die  Messe  zu  Irbit  gegriindet,  die  alljahrlich  vom  I.  Februar  bis 
i.  Marz  stattfindet.  Erst  1775  erhielt  Irbit  trotz  seiner  Bedeutung  Stadtrechte, 
undzwar  als  Belohnung  fur  seinen  Widerstand  gegen  die  Scharen  des  Emporers 
Pugatschew,  der  sich  bekanntlich  fur  den  ermordeten  Kaiser  Peter  III.  aus- 
gegeben,  und  die  sibirischen  eingeborenen  Stamme  um  sich  geschart  hatte.  Um 
die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  wurden  die  Messen  in  Charkow  eingerichtet, 
die  jetzt  jahrlich  zweimal  statt  finden,  im  Oktober  und  Januar,  und  die  fur  den 


y.  Kapitel. 


213 


Rauchwarenhandel  auch  von  Bedeutung  sind.    Der  Gesamtumsatz  auf  diesen 
beiden  Messen  an  alien  zugefiihrten  Waren  soil  100  Millionen  Rubel  erreichen. 

Nachdem  1869  im  Vertrage  zu  Nertschinsk,  wie  wir  friiher  bereits  gesehen, 
Kiachta  zum  alleinigen  Grenzhandelsplatz  fur  den  Handel  zwischen  Russland 
und  China  bestimmt  war,  wurde  dort  1727  die  beriihmte  Messe  eingeiichtet, 
die  alljahrlicb  im  Dezember  stattfindet,  wo  russische  Fabrikate,  haupt- 
sachlich  Rauchwaren  gegen  Tee  und  Seide  getauscbt  wurden.  Dieser  Handel 
war  ungemein  lukrativ  und  die  russischen  Kaufleute,  die  die  Kiachtamesse 
regelmassig  besuchten,  geborten  zu  den  reichsten  Russlands.  Der  Konsum 


Bilder  aus  Nishnij-Nowgorod:   Persianer   Handler. 

von  Champagner,  zu  25  Rubel  per  Flasche,  war  wahrend  der  Messe  ein  unge- 
heurer.  1860  aber,  als  der  russische  Handel  langs  der  Grenze  freigegeben  wurde 
und  auch  die  Vertragshafen  dem  russischen  Handel  geoffnet  wurden,  biisste  die 
Messe  von  ihrer  Bedeutung  stark  ein,  um  no(  h  mehr  durch  die  Eroffnung  der 
eibirischen  Barm  zu  verlieren.  Wann  die  Messe  in  der  1630  gegriindeten  Stadt 
Ischim  in  der  Kirgisensteppe  am  gleichnamigenNebenfluss  der  Irtisch  gegriindet 
wurde,  ist  nicht  genau  bekannt,  wahrscheinlic  h  gegen  Ende  des  17.  Jahrhundert 
Der  Jahrmarkt  findet  allj  ahrlich  vom  i.  bis  20.  Dezember  statt,  und  dient 
als  Hauptverkehrsstatte  fiir  den  Handel  mit  den  Kirgisen  und  der  ganzen 
Umgegend.  Sollen  doch  wahrend  der  Messe  an  20  ooo  Fremde  herbei- 
stromen,  nicht  nur  von  Tomsk,  Semipalatinsk,  Tobolsk  usw.,  sondern  auch 
von  Moskau. 

Es  werden  dort    hauptsachlich   Kamelwolle,   Wolle,   Haute,    Schaffelle, 


214 


III.   Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


Bucharischer  Verkaufer  von  Persianerfellen. 


Schmuckfedern  und  Rauchwaren 
umgesetzt  im  Werte  von  etwa 
10  Millionen  Rubel.  Namentlich 
die  Hermelin  von  Ischim  geniessen 
einen  Weltruf. 

Auch  das  ganz  in  der  Nahe 
am  Ischinfluss  gelegene  Petro- 
pawlowskhat  eine  jahrliche  Messe, 
die  aber  fur  Rauchwaren  weniger 
Bedeutung  hat  und  hauptsach- 
lich  die  Produkte  der  kirgisischen 
Viehzucht  umsetzt.  Schlachtvieh, 
Kamerwolle,  Wolle,  Darme,  Schaf- 

felle,  Lammfelle  usw.  Zirka  200  ooo  Steppenrinder  werden  hier  wahrend  der 
Messe  im  Spatherbst  geschlachtet  und  im  gefrorenen  Zustand  nach  Russland 
gesandt.  In  der  letzten  Zeit  kommen  auf  diesen  Markten  auch  viel  Murmel- 
felle  usw.  zum  Verkauf. 

Nachdem  die  Messe  zu  Makariew  3  Jahrhunderte  lang  in  hoher  Bliite 
gestanden,  brannte  1816  der  Ort  wahrend  eines  schweren  Sturmes  nieder.  Die 
grossen  dort  errichteten  Kaufhofe  wurden  bis  auf  den  Grund  zerstort.  Nach  ein- 
gehender  Beratung  der  beteiligten  Kreise  wurde  die  Messe  nicht  wieder  dort 
erofmet,  sondern  1817  nach  dem  aufbluhenden  Ort  Nishnij  Nowgorod  verlegt, 
aber  nicht  nach  der  eigentlichen  Stadt  selbst,  sondern  derselben  gegenliber  auf 
einer  von  der  Wolga  und  der  Oka  gebildeten  Landzunge  wurde  eine  besondere 
Messestadt  mit  mehreren  hundert  grossen  Kaufhofen,  uber  6000  Messebuden, 
Theater,  Hotels  etc.  erbaut,  die  liber  10  Monate  des  Jahres  leer  steht.  Nur 
wahrend  der  Messe,  die  vom  15.  Juli  russischen  Stils  (28.  Juli)  bis  zum  17.  Sep- 
tember stattfindet,  durchflutet  eine  ungeheure  Menschenmenge  die  Gassen, 
durch  die  sonst  nur  der  Schritt  der  Wachter  widerhallt. 

Die  Messe  zu  Nishnij  Nowgorod  nahm  infolge  der  giinstigen  Lage  zwischen 
Europa  und  Asien  bald  den  ersten  Rang  ein  und  wurde  die  beruhmteste 
Messe  der  Welt.  Kaufleute  aus  Persien,  dem  Kaukasus,  von  der  Krigisensteppe 
und  den  Stadten  Sibiriens  stromten  dorthin.  Man  sah  Vertreter  aller  asiatischen 
Volker,  selbst  die  schlitzaugigen  Bewohner  des  fernen  Cathay  und  die  renntier- 
ziichtenden  Samojeden  von  den  Ufern  des  Eismeeres  kamen  hin.  Aus  alien 
russischen  Stadten  stromten  die  Kaufleute  zusammen,  namentlich  die  Rauch- 
warenhandler  aus  Moskau,  Petersburg,  Sklow,  Charkow,  Wilnausw.,  aber  auch 
Deutsche  blieben  nicht  aus,  und  scheuten  nicht  die  weite  Reise  per  Post  nach 
Moskau  und  von  dort,  entweder  auf  dem  Landwege  auf  den  riittelnden  Telegas, 
oder  auf  dem  bequemeren  Wasserwege,  zuerst  auf  den  schwerfalligen  Segel- 
booten,  den  Lotkas.  Spater  als  die  Bahn  bis  Moskau  ging,  und  auf  der  Wolga 
Dampfer  verkehrten,  die  nach  Art  der  Mississippi-Dampfer  schwimmenden 
Palasten  gleichen,  nahm  naturlich  der  Besuch  nichtrussischer  Einkaufer  und 


y.  Kapiteh 


215 


Von  der  Nishnij-Messe. 


Verkaufer  zu.  Die  Mehrzahl 
bildeten  allerdings  und  bilden 
noch  heute  Leipziger  Rauch- 
warenhandler,  aber  seit  Er- 
bauung  der  Bahn  von  Moskau 
nach  Nishnij  besuchen  auch 
Londoner  und  New  Yorker 
Kaufleute  die  Messe  zum  Ein- 
kauf .  Zwar  hat  mit  der  uberall 
einsetzenden  Dezentralisation 
des  Handels  die  Nishnij-Messe 
nicht  mehr  die  Bedeutung  von 
fruher?wo  uberhauptdergrosste 
Teil  der  russischenRauchwaren 
hier  zusammenstromte,  doch 

ist  sie  immerhin  noch  heute  von  hervorragendem  Einfluss  auf  den  Geschafts- 

gang  der  Rauchwarenbranche.     Der  Gesamtumsatz  betragt  auch  jetzt  noch 

mehr  ere  hundert  Millionen  Rubel. 

Der  Hauptsitz  des  russichen  Rauchwarenhandels  waren  Petersburg  und 

Moskau.    Zwar  befanden  sich  in  alien  Stadten  des  Landes  grosse  und  kleine 

Rauchwarengeschafte,  meist  in  den  Handen  polnischer  Juden  befindlich,  die 

alljahrlich  die  Leipziger  Messe  aufsuchten,  um  sich  mit  Waren  zu  versorgen, 

soweit  der  ihnen  eingeraumte   Kredit  reichte,   der  eigentliche  Grosshandel 

ruhte  aber  in  wenigen  Handen,  z.  B.  des  deutschen  Hauses  Mertens  &  Sohne 

in  Petersburg,  der  Herren  Sorokumowsky  und  Odnoschewsky,  Swaeteschnikoffs 

und  anderer,  die  schon  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ihre  Umsatze 

und  ihr  Vermogen  nach  Millionen  bezifferten. 

Das  eigentumliche  war  dabei,  dass  der  russische  Rauchwarenhandler  bei  den 

emgefiihrten  amerikanischen  und  anderen  auslandischen  Waren  einen  Kredit 

von    9   bis    12   Monaten    bean- 

spruchte,  die  russischen  Rauch- 

waren     aber    nur    gegen    Bar- 

zahlung  abgegeben  wurden.    Es 

befassten  sich  deshalb  auch  ver- 

schiedene  Bankhauser  und  Spe- 

ditionsgeschafte  wie  Zenker  &Co. , 

Gerhard  &   Hey,  Knoop  &  Co. 

und  andere  mit  der  Abwicklung 

dieser  Geschafte,  indem  sie  die 

Waren  in  Russland  ubernahmen 

und    bezahlten,    und    dann    in 

Deutschland     nach    besonderer 

Vereinbarung  auslieferten.     Es  Von  der  Nishnij-Messe. 


2l6 


III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 


Leipziger  Rauchwarenhandler  an  Deck  eines 
Wolgadampfers  auf   der  Fahrt  nach  Nishnij. 


geschieht  dies   zum  grossen  Teil 
noch  heute. 

Friiher  wurden  in  Moskau 
alle  Rauchwarengeschafte  an  der 
Borse  abgewickelt  oder  eigentlich 
richtiger  vor  der  Borse,  denn  die 
wenigsten  Kaufleute  gingen  bin- 
em,  die  meisten  standen  auf  der 
Strasse  vor  der  Borse.  Viele  der 
grossten  Handler  besitzen  auch 
nicht  die  Berechtigung  zum  Be- 
such  der  Borse,  die  den  Kauf- 
leuten  erster  Gilde  vorbehalten 
war.  Heute  wickelt  sich  aber  ein 
grosser  Teil  des  Geschafts  auch 

ausserhalb  der  Borse  ab,  namentlich  die  Tartaren  in  deren  Handen  ein  grosser 
Teil  des  Handels  mit  sibirischen  und  mittelasiatischen  Produkten  liegt,  be- 
suchen  nie  die  Borse,  sondern  verlangen,  dass  man  sie  in  ihren  Lagerhofen 
aufsucht.  Einzelne  derselben  sind  von  ganz  gewaltigem  Umfange  und  be- 
herbergen  Warenmengen  von  vielen  Millionen  Rubeln,  die  fast  nie  ver= 
sichert  sind. 

Die  Form  dieser  vielen  Hofe,  die  von  kleinen  Lagerschuppen  umrahmt 
sind,  wahrend  sich  die  Kontore  im  Vorderhaus  befinden,  erinnert  an  die  grossen 
Geschaftshauser,  die  ich  in  der  Mandschurei  getroffen  habe.  Wie  aber  auch 
die  Geschafte  betrieben  werden,  niemals  werden  sie  ohne  Zuhilfenahme  eines 
Maklers  abgeschlossen,  denen  bei  der  Schwerfalligkeit  der  meisten  russischen 
Kupetz  eine  sehr  wichtige  Rolle  zufallt.  Einen  sehr  grossen  Aufschwung  nahmen 
die  russischen  Geschafte,  als  nach  dem  Aufhoren  der  russisch-amerikanischen 
Gesellschaft,  auch  die  letzten  Einfuhrbeschrankungen  aufhorten  und  ausser- 
dem  gleichzeitig  in  Leipzig  den  russischen  Kaufleuten  der  weitgehendste  Kredit 
eingeraumt  wurde,  und  zwar  haufig  nicht  in  gerechtfertigen  Massen.  Namentlich 
in  den  sechziger  und  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  beliefen  sich  die 
in  Russland  erlittenen  Verluste  auf  ungeheure  Summen,  allein  bei  der  durch  den 
russisch-tiirkischen  Krieg  verursachten  Krisis  des  Jahres  1878,  als  der  russische 
Rubelkurs  von  2,60  Mk.  auf  1,70  Mk.  fiel,  verlor  der  Leipziger  Rauchwaren- 
handel  in  Russland  gegen  20  Millionen  Mark.  Gegenwartig  werden  nicht  an- 
nahernd  so  weitgehende  Kredite  mehr  gewahrt  als  fruher,  da  heute  Leipzig  bei 
seinen  Beziehungen  zum  Weltmarkt  auch  nicht  mehr  auf  den  russischen  Markt 
angewiesen  ist,  wie  fruher.  Damals  erschienen  die  russischen  Einkaufer  gleich 
nach  den  Osterfeiertagen  und  blieben  haufig  bis  zu  Beginn  der  Nishnij -Messe 
in  Leipzig,  was  ubrigens  vereinzelt  noch  jetzt  geschieht. 

Wahrend  die  Nishnij -Messe  ubrigens  schon  fruhzeitig  von  auswartigen, 
namentlich  Leipziger  Kaufleuten,  besucht  wurde,  war  dies  mit  der  Irbitmesse 


7.   Kapitel.  217 


viel  weniger  der  Fall.  Die  Fahrt  dorthin  war  auch  mitten  im  Winter  eine  so 
beschwerliche,  dass  nur  verhaltnismassig  wenig  deutsche  Rauchwarenhandler 
dorthin  reisten,  sondern  lieber  ihre  Auftrage  Moskauer  Kaufleuten  mitgaben, 
welche  nach  Irbit  reisten.  Mehr  besucht  wurde  dieselbe,  als  die  Bahn  bis 
Kasan  und  spater  bis  Perm  ging,  doch  waren  es  von  dort  aus  immerhin  noch 
fast  8  Tage  im  Schlitten. 

Als  die  sibirische  Bahn  in  Angriff  genommen  wurde,  beschloss  man  auch 
eine  Zweiglinie  nach  Irbit  zu  legen,  doch  die  weisen  Leute  der  Stadt  petitio- 
nierten,  dass  doch  ja  die  verderbenbringende  Loko motive  von  der  Stadt  fern- 
gehalten  wurde,  da  der  Handel  sonst  unbedingt  vernichtet  wurde,  eine  An- 
schauungsweise,  die  von  vielen  Stadt verwaltungen  Sibiriens  geteilt  wurde. 
Es  geschah  auch  nach  den  Wiinschen  der  biederen  Irbiter,  immerhin  wurden 
sie  aber  dem  Weltverkehr  bedeutend  naher  geriickt.  Von  Tscheljabinks,  dem 
bedeutendsten  Eisenbahnknotenpunkt  am  Ural,  zweigt  sich  eine  Seitenlinie 
ab,  auf  der  man  in  einem  Tage  iiber  Jekaterinenburg  nach  Kamyschlow  gelangt. 
(Von  Moskau  bis  Tscheljabink  braucht  man  etwa  70  Stunden).  In  Kamy- 
schlow miissen  allerdings  wieder  die  Schlitten  bestiegen  werden,  um  die  letzten 
110  Kilometer. zuriickzulegen,  was  in  10  Stunden  geschieht,  bei  der  Kalte  des 
sibirischen  Winters  kein  Vergniigen, 

Der  Aufenthalt,  in  dem  jeglichen  modernen  Komfort  entbehrenden  iiber- 
fiillten  Irbit,  ist  auch  gerade  keine  Annehmlichkeit,  namentlich,  da  man  fast 
stets  auf  Privat-Logis  angewiesen  ist,  was  schon  in  den,  russischen  Provinz- 
stadten  fur  den  gebildeten  Mitteleuropaer  starke  Entbehrungen  auferlegt. 
Trotzdem  sind  in  Irbit  zur  Messe  wohl  20 — 30  000  Fremde  aus  alien  Teilen 
Sibiriens,  Russlands  und  Mitteleuropas  anwesend,  und  schon  viele  Wochen 
vorher  sind  die  Strassen  mit  unendlichen  Schlittenziigen  bedeckt,  die  in  langer 
Reihe  die  Produkte  Sibiriens,  wie  Rauchwaren,  Wolle,  Haute,  Federn,  Kamel- 
wolle,  Darme,  Schmuckfedern  usw.,  die  Erzeugnisse  der  uralischen  Eisen- 
industrien,  die  Teekisten  des  fernen  Chinas,  den  Zucker  und  die  Baumwoll- 
waren  Russlands  usw.  herbeifuhren.  Die  auf  der  Irbitmesse  gezahlten  Preise 
bilden  noch  heute  einen  Wertmesser  fur  die  russischen  Produkte.  Aber  mit  der 
Ausdehnung  des  Schienennetzes  hat  doch  die  Bedeutung  des  Marktes  nach- 
gelassen.  Zahlreiche  Moskauer  Kaufleute,  teilweise  im  Auftrage  Leipziger 
Firmen,  sowie  Leipziger  Rauchwarenhandler  selbst,  bereisen  mit  Beginn  der 
Saison  die  Hauptzentren,  wie  Orenburg,  Taschkent,  Tobolsk  und  selbst  das 
feme  Irkutsk  um  Abschliisse  zu  machen,  Waren  zu  ubernebmen,  so  dass  nur 
noch  ein  Teil  der  sibirischen  und  mittelasiatischen  Produkte  nach  Irbit  und 
Nishnij  Nowgorod  gelangt,  der  andere  Teil  gelangt  aber  direkt  nach  Leipzig. 
Durch  den  dadurch  erzielten  Wegfall  der  Zwischengewinne  und  die  verringerten 
Unkosten,  gewinnt  natiirlich  auch  der  Gesamtumsatz,  der  sich  in  den  letzten 
Jahren  vervielfacht  hat. 

Genauere  Zahlen  werden  in  Tabellenform  am  Schluss  des  Buches 
gegeben. 


2l8  ITT.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

Wie  wir  in  einem  friiheren  Artikel  gesehen  haben,  war  das  MonopoT 
des  Seehundsfanges  auf  den  bei  Russland  verbliebenen  Commodorski-Inseln 
Copper  und  Behring  Island  an  die  St.  Franzisko  Firma  Hutchinson  Kohl  &  Co. 
auf  20  Jahre  verliehen  worden,  die  dasselbe  an  die  Alasca  Commercial  Company 
verausserte.  Der  Fang  war  auf  60  ooo  Seehunde  jahrlich  festgesetzt  worden. 
Nach  dem  Erloschen  des  Vertrages  von  1889  bildete  sich  in  Petersburg  eine 
russische  Gesellschaft  unter  der  Leitung  des  bekannten  Kiirschners  Griinwald, 
der  die  Ausnutzung  des  Monopols  ubernahm.  Die  Zahl  der  jahrlich  zu  totenden 
Tiere  wurde  aber  infolge  der  unablassigen  Verfolgungen  auf  hoher  See  erheblich 
eingeschrankt  und  kommen  jetzt  jahrlich  nur  ungefahr  8000  Copperisland- 
Felle  auf  den  Markt.  Der  alleinige  Verkauf  derselben  findet  in  London  auf 
der  Marzauktion  von  C.  M.  Lampson  &  Co.  statt. 

Der  Handel  mit  Seehundsfellen  ist  an  der  ganzen  Kiiste  von  Sibirien  und 
Kamtschatka  verboten.  Nur  hin  und  wieder  verkauft  die  russis'che  Regierung 
in  Wladiwostok  die  Ladung  eines  beschlagnahmten  Schoners. .  Als  ich  in 
Wladiwostok  war,  lagen  etwa  ein  Dutzend  Schoner  meist  amerikanischen  und 
kanadischen  Ursprungs  dort  im  Hafen  zum  Verkauf. 

Jetzt  sind  aber  fast  ausschliesslich  die  Japaner  die  Wilderer,  die  auch 
ofters  Landungsversuche  machten,  in  der  letzten  Zeit  aber  durch  die  ver- 
starkten  Kiistenwachen  auf  den  Inseln  mehr  in  Schach  gehalten  werden.  Die  in 
der  Nahe  der  Commodorski-Inseln  gelegene  kleine  „ Rookery"  auf  Robben- 
Island  wurde  nach  dem  russisch-japanischen  Kriege  von  Japan  behalten,  und 
wird  jetzt  von  der  japanischen  Regierung  ausgebeutet. 

In  den  sechziger  Jahren  betrieb  auch  ein  St.  Franzisko  Kaufmann 
Philippaeus  ein  bedeutendes  Pelzgeschaft  an  der  Kiiste  des  ochotskischen 
Meeres  und  in  Kamtschatka.  Er  sandte  alljahrlich  einen  Dampfer  dorthin,  um 
die  Ausbeute  der  verschiedenen  Handelsstationen  einzuhandeln.  Die  gesamte 
Ausbeute  ging  nach  London  zur  Auktion  bei  Lampson,  und  stammte  z.  B.  die 
Partie  rohen  Ochotsky  Feh,  die  alljahrlich  dort  zum  Verkauf  kam,  von  diesem 
Verlader  her.  Vor  einigen  Jahren  wurde  das  Unternehmen  in  eine  Aktiengesell- 
schaft,  der  Kamtschatka  Trading  Co.,  umgewandelt  und  der  Betrieb  erweitert. 
Mehrere  Dampfer  halten  den  Verkehr  zwischen  der  Kiiste  Ostsibiriens  und 
St.  Franzisko  offen.  Auch  in  Petersburg  besteht  eine  Kamtschatka  Handels- 
gesellschaft,  die  ausser  dem  Pelzhandel  auch  die  Ausbeutung  des  gewaltigen 
Lachsreichtums  der  kamtschatkischen  Strome  betreibt,  und  dieselben  in  Kuhl- 
schiffen  nach  Europa  versendet.  Schon  vor  20  Jahren  fasste  iibrigens  Kapitan 
Bollmann,  ein  geborener  Deutschamerikaner  in  russischen  Diensten,  den  Plan, 
eine  Gesellschaft  zur  Verwertung  der  Lachse  des  Amurs  zu  begriinden,  doch 
wurde  die  Sache  von  der  russischen  bureaukratischen  Regierung  nicht  ge- 
nehmigt.  Griinde  fur  dies  sinnlose  Verbot  anzugeben,  hielt  sic  nicht  fur  notig. 
Eine  weitere  russische  Pelzhandelsgesellschaft,  die  Anadyrsk  Company,  unter- 
halt  Pelzhandelsstationen  nordlich  von  Kamtschatka  an  dem  Ufer  der 
Behringsee,  auf  der  Tschuktschen  Halbinsel,  und  betreibt  den  Tauschhandel 


7-   Kapitel.  2IQ 


mit  den  Tschuktschen.  Friiher  wurde  von  den  Walfischfangern  sehr  viel  Pelz- 
werk  von  den  Tschuktschen,  Eskimos  an  der  Kiiste  der  Behringsee  und  des 
Eismeeres  eingetauscht,  und  auch  einzelne  Schoner  trieben  dies  lukrative  Ge- 
schaft.  Jetzt  ist  aber  ausschliesslich  Fahrzeugen  unter  russischer  Flagge  ge- 
stattet,  mit  der  Kiiste  in  Verbindung  zu  treten,  und  russische  Kanonenboote 
und  Zollkreuzer  patrouillieren  regelmassig,  um  jeden  Kiistenhandel  unter 
fremder  Flagge  zu  verhindern.  Von.  St.  Franzisko  aus  gehen  aber  alljahrlich 
zahlreiche  kleine  Segler,  Motorschoner  und  Dampfer  nach  Alaska  und  den 
Inseln  nordlich  davon,  um  Pelzhandel  zu  treiben,  und  von  diesen  laufen 
viele  auch  die  Kiiste  des  nordostlichen  Sibiriens  an,  um  Rauchwaren  ein- 
zukaufen.  Der  Pelzhandel  in  Kamtschatka  war  ein  sehr  lukrativer;  ver- 
schiedene  Geschafte  in  Petropawlowsk  pflegten  denselben,  worunter  auch  ein 
Amerikaner  M.  Grey.  Die  Jager  erhielten  Gewehre,  namentlich  amerikanische 
Winchestergewehre,  Patronen,  Decken,  Mehl  usw.  auf  Kredit  zu  sehr  hohen 
Preisen. 

Eine  Winchesterbuchse,  die  sich  z.  B.  franko  Petropawlowsk  auf  etwa 
20  Rubel  stellte,  wurde  mit  100  Rubel  in  Rechnung  gestellt  usw. 

Im  Fruhjahr  wurden  dann  die  erbeuteten  Felle  abgeliefert  und  in 
Zahlung  genommen.  Ein  Barenfell  z.  B.  mit  5  Rubel,  ein  Zobelfell  5  Rubel  usw. 
Als  Endresultat  blieb  der  Jager  immer  noch  etwas  schuldig.  Jetzt  ist  das 
Geschaft  mit  der  zunehmenden  Konkurrenz  nicht  mehr  so  eintraglich.  Ubrigens 
nehmen  die  verschiedenen  Filialen  der  Wladiwostoker  Firmen  in  Kamtschatka 
Sachalin  und  den  Kiistenplatzen  stets  Felle  in  Zahlung.  Der  Hauptplatz  fur 
den  Pelzhandel  ist  Wladiwostok,  von  wo  aus  dann  die  Waren  entweder  per 
Bahn  nach  Moskau  oder  auf  dem  Seewege  nach  Hamburg  oder  London  gehen. 
Schliesslich  kommt  die  Mehrzahl  der  Produkte  doch  nach  Leipzig.  Trotzdem 
Wladiwostok  also  einen  grossen  Pelzhandel  besitzt,  werden  die  fertigen  Pelz- 
waren  fur  den  Bedarf  der  dort  ansassigen  Europaer  doch  eingefuhrt,  da  kein 
Kurschner  am  Platze  ist.  Solange  Ostsibirien  Freihafengebiet  war,  kamen  die 
meisten  Herren-  und  Damenpelze  aus  Deutsehland,  jetzt  aus  Moskau. 

Russland  gilt  in  Laienkreisen  noch  immer  nicht  nur  als  Handelsproduzent 
in  Rauchwaren,  sondern  auch  als  Emporium  der  edlen  Kiirschnerei.  Beides 
mit  Unrecht.  Amerika  produziert  mehr  Rauchwaren  als  Russland,  und  als 
Kurschner  ist  der  Russe  auch  gerade  nicht  sehr  hervorragend.  Die  f einen 
Detailgeschafte  Moskaus  und  Petersburgs  beschaftigen  mit  Vorliebe  deutsche 
und  ungarische  Arbeiter.  Das  feine  russische  Publikum  bevorzugt  iibrigens 
auslandische  Rauchwaren,  weshalb  Russland  eben  den  star  ken  Import  von 
Fellen  hat,  die  sich  durch  die  hohen  Zolle  sehr  verteuern,  die  im  Fruhjahr  1906 
noch  erhoht  wurden.  So  kosten  z.  B.  feine  Felle  115  Rubel  per  Pud,  rohe 
Schuppen,  Iltis  usw.  15  Rubel,  Bisam  roh,  Bisam  gefarbt,  Kanin  25  Rubel,  Rot- 
fiichse  40  Rubel.  Das  entspricht  haufig  einem  Zollsatz  von  20  Proz.  und  mehr 
vom  Wert,  bei  Rohmaterial  ein  ungeheurer  Zollsatz.  Die  unteren  Klassen,  die 
bei  der  niedrigen  Wintertemperatur  auch  Pelzkleidung  notig  haben,  bevorzugen 


22O  III.    Geschichte  des  russischen  Rauchwarenhandels. 

deshalb  naturgemass  die  heimische  Produktion,  besonders  aber  Pelze  aus  Schaf- 
fellen  usw.  Die  Anfertigung  von  sogenannten  Halbpelzen,  kurze  Rocke  aus 
Schaffell  mit  dem  fein  gegerbten  Leder  nach  aussen,  das  noch  meist  mitStickerei 
verziert  wird,  wird  in  grossen  Fabriken  betrieben,  die  oft  10  ooo  solcher  Pelze 
und  mehr  vorratig  halten.  Allerdings  betragt  der  Preis  eines  solchen  Halbzeuges 
fur  den  Muschik  nur  cinige  Rubel.  Jedenfalls  ist  aber  das  russische  Pelzgeschaft 
mit  dem  Leipziger  Markt  auf  engste  verkniipft.  Seit  den  Tagen  der  Hansa 
herrscht  diese  enge  Verbindung  zwischen  dem  deutschen  und  russischen  Rauch- 
warenmarkt,  ohne  je.  eine  Abschwachung  erfahren  zu  haben.  Auch  der  direkte 
Export  russischer  Produkte  nach  Amerika,  England  usw.,  der  in  den  letzten 
Jahren  grossen  Aufschwung  genommen,  findet  meist  unter  Vermittlung  von 
Leipzig  statt.  Die  russischen  Importhauser,  die  jetzt  in  New  York  bestehen, 
haben  alle  entweder  das  Stammhaus  oder  eine  bedeutende  Zweigniederlassung 
in  Leipzig. 


IV. 


Geschichte   des   Rauchwarenhandels 

in  Europa  seit  dem  Mittelalter, 
in  Asien  und  den  tibrigen  Weltteilen. 


1.  Kapitel. 

Frankreich. 

In  einem  friiheren  Artikel  (Pelzhandel  im  Altertum  und  Mittelalter) 
waren  wir  bis  zum  Ausgang  des  16.  Jahrhunderts  vorgedrungen.  Fiir  die  spatere 
Zeit  bis  zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  fliessen  die  Quellen  nur  sehr  spar  rich. 

Frankreich  war  durch  seine  Besitzungen  in  Kanada  und  durch  die  grossen 
Handelsgesellschaften  der  Mittelpunkt  des  Pelzhandels  gewesen,  und  die  Zunft 
der  Kiirschner  und  Pelzhandler  nahm  eine  hohe  Stellung  ein,  wovon  zahlreiche 
Verordnungen  zeugen.  Heinrich  III.  erliess  noch  1586  ein  sehr  umfangreiches 
Statut  der  Innung.  Danach  durfte  u.  a.  kein  fremder  Kaufmann  Pelzwaren 
in  die  Stadt  bringen,  offnen  und  zum  Verkauf  stellen,  die  nicht  vorher  von  den 
Meistern  und  Wachtern  des  Gewerbes  gesehen  und  untersucht  worden  waren, 
bei  Strafe  der  Konfiskation  und  6  ecus  (a  6  livres  sol).  Wenn  die  Ware  nicht 
innerhalb  8  Tagen  nach  der  Besichtigung  verkauft  war,  musste  sie  ein- 
gepackt  und  mit  dem  Staatssiegel  wieder  verschlossen  werden.  Es  durften 
solche  fremden  Pelzwaren  auch  nur  an  Pelzhandler  und  Kiirschner  verkauft 
werden.  Ubrigens  wurde  jede  Ware,  die  gefarbt,  verbrannt  oder  verfalscht  war, 
beschlagnahmt,  auch  das  Mischen  von  alter  mit  frischer  Ware  war  verboten. 

Jeder  Rauchwarenhandler  oder  Kiirschner,  der  eingefuhrtes  Pelzwerk  ge- 
kauft  hatte,  musste  drei  Tage  lang  einen  Teil  davon  der  Innung  zur  Ver- 
fiigung  stellen,  und  zwar  zum  Kostenpreis.  Erst  wenn  davon  kein  Gebrauch 
gemacht  wurde,  konnte  er  die  Ware  fur  sich  allein  verwenden.  Die  eingefiihrten 
Pelzwaren  durften  nur  an  Kiirschner  oder  Rauchwarenhandler  der  Innung 
verkauft  werden. 

Ebenso  durfte  kein  Kiirschner  fur  die  Handler  in  den  Bazars  der  Hallen 
Muffen  aus  zugegebenem  Material  anfertigen. 

Auch  unter  den  nachfolgenden  Herrschern  wurden  verschiedene  Erlasse 
fur  das  Kiirschnergewerbe  erlassen,  die  sich  aber  meist  auf  innereVorschriften, 
das  Halten  von  Lehrlingen,  Meistertitel,  Abgaben  etc.  erstreckten. 

Mit  der  Griindung  der  Muscovy  Company  in  England  hatte  Frankreich 
einen  starken  Konkurrenten  auf  dem  Weltmarkt  erhalten,  herrschte  aber  im 
Geschaft  mit  amerikanischen  Rauch waren  unumschrankt.  Erst  die  Griindung 
der  Hudsonsbay  Company  1670  und  die  Aufhebung  des  Handelsmonopols  der 
Company  des  Indes  occidentales  1668  schuf  hierin  einen  Umschwung.  Trotz- 


224      FV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter 

dem  blieb  Frankreich  noch  lange  Zeit  vom  englischen  Markt  vollkommen  unab- 
hangig.  Eine  mir  vorliegende  Importliste  vom  Jahre  1743  gibt  die  folgenden 
Felle  an,  die  in  diesem  Jahre  im  Hafen  von  La  Rochelle  vonKanada  eingefiihrt 
waren : 

15  ooo  ,,old  coat"  Biber*), 

112  088  Castor  de  Parchment  (getrocknete  Biber), 
10  623  grosse  Baren, 
5  880  kleine  Baren, 
no  ooo  Schuppenfelle, 
30  325  Zobel, 

12  428  Otter  und  virg.  Iltis, 
i  700  Nerze, 
i  220  feine  Katzen, 

92  Wolfsfelle, 
10  280  Griesfiichse, 

451  Rotfiichse. 

Es  diirfte  von  Interesse  sein,  damit  die  mir  gleichfalls  vorliegende  Liste 
der  Auktion  der  Hudsonsbay  Company  vom  17.  November  des  gleichen  Jahres 
zu  ver gleichen. 

5  980  old  coat  Biber  a  4/8  d.  per  Ib.     .  £  2  415,— 

780  beschadigte  Biber  a  4/ ,,     270,— 

9520  parchment  Biber ,,4165.— 

4070  Cub  Biber ,,     762,18 

4760  beschadigte  Parchment  Biber.    .    .  ,,1918.17 

i  640  ,,          Cub  Biber ,,     248.9 

12370  amerik.  Zobel  v.  6./g ,,4542.7 

2360       ,,  ,,       beschadigt  v.  3./4.  ,,     442,10 

590  Ottern  I4/       ,,     413.— 

850  Katzen  i8/ ,,     765.— 

260         ,,        beschadigt  4/ ,,       52.— 

320  Fiichse  12/6 ,,     200. — 

600  Vielfrasse  6/10 ,,     205.— 

170  beschadigte  3/3 ,,         27.12 

320  schwarze  Biber  23  / ,,     368.— 

i  580  Wolfe      20 / ,,  i  580.— 

270       ,,       beschadigt  9/2 ,,     123.15 

40  Woodchuks  (Murmeltier)      .    .    .    .  ,,       22.6 

10  Nerze  a  3/  ,,         i.io 

5  Schuppen  a  3/4 ,,       16. — 

120  Eichhornchen  4/ ,,         2.— 

*)  Die  alten  Rocke  und  von  den  Indianern  getragenen  Biberfelle,  bei  denen 
das  Oberhaar  abgerieben  war,  wurden  fur  die  Zwecke  der  Hutfilzfabrikation  hoher 
bezahlt  als  frische  Felle, 


I.  Kapitel   (Frankreich) . 


225 


ausserdem        130  Elkhirschfelle, 

440  Hirschfelle, 
3  170  Pfund  Bettfedern, 

220  Pfund  Daunen, 

140  Pfund  Bibergail, 

470  Walfischbarten, 

23  Fasser  Walfischtran, 
und     8  Pfund  Wesagnipoka  ? 

Beinahe  das  doppelte  Quantum  wurde  ausserdem  fur  die  Marzauktion  reserviert. 
Mit  dem  Verlust  von  Kanada  ging  auch  der  Rauchwarenhandel  von 
Frankreich  rapide  zuriick.  1776  wurden  dann  auch  durch  den  Minister  Turgot 
die  samt lichen  Innungen  aufgehoben,  bald  darauf  finden  wir  aber  Kiirschner, 
Rauchwarenhandler  und  Hutmacher  zu  einer  neuen  Korporation  vereinigt.  In 
den  Sturmen  der  Revolution  und  den  nachfolgenden  Kriegsjahren  ging  die 
Pelzindustrie  sehr  zuriick,  die  alten  Geschafte  gingen  ein,  neue  wurden  wenig 
gegriindet,  es  fehlte  an  Nachwuchs.  Von  alten  franzosischen  Kurschnerfirmen 
riihrt  wohl  nur  noch  die  1774  begriindete  Firma  Revillon  freres,  die  lange  Zeit 
die  grosste  Pelzwarenfirma  der  Welt  war,  her.  Unter  den  Rauchwarenfirmen 
ragte  lange  Zeit  die  1806  gegriindete  Firma  A.  Servant  hervor,  deren  Chef  ein 
personlicher  Freund  Napoleon  III.  war,  und  zur  Glanzzeit  des  Hauses  in  den 
sechziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  die  grosste  Jagdmeute  Frankreichs 
unterhielt.  Leider  ging  dieses  furstliche  Kaufmannshaus  gegen  Ende  des  Jahr- 
hunderts ruhmlos  zugrunde.  Um  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  brachte  dann 
eine  deutsche  Invasion  die  franzosische  Kiirschner ei  wieder  zur  Bliite.  Grosse 
Handlungshauser  wie  z.  B.  die  aus  Wurttemberg  stammende  Firma  Grebert 
Borgnis  wurden  gegriindet,  und  vor  alien  Dingen  stromten  die  besten  Arbeiter 
aus  Deutschland  herbei,  um  die  fehlenden  franzosischen  Kiirschnergesellen  zu 
ersetzen,  und  bald  stand  die  Pariser  Pelzindustrie  wieder  an  der  Spitze.  Neben 
dem  Hause  Revillon  freres,  das  ausser  seinen  Filialen  in  London,  New  York, 
Montreal,  auch  einige  Dampfer  auf  den  Stromen  und  Seen  Kanadas  besass, 
und  dessen  Jahresumsatz  noch  iiber  20  Millionen  Franks  geschatzt  wurde  (die 
Firma  wurde  vor  einigen  Jahren  in  eine  Aktiengesellschaft  mit  28  Mill.  Franks 
Kapital  umge wandelt) ,  bestanden  zahlreiche  andere  erstklassige  Firmen,  und 
der  Pariser  Markt  bildete  einen  sehr  erwiinschten  Abnehmer  fur  den  gesamten 
Rauchwarenhandel,  sowohl  durch  die  Hohe  des  Umsatzes  als  durch  die  iiberaus 
solide  Geschaftsfuhrung. 

Im  letzten  Jahrzehnt  hat  sich  hierin  allerdings  manches  zum  Nachteil 
geandert,  durch  eine  zweite  friedliche  Invasion,  diesmal  russisch-polnischen 
Ursprungs.  Viele  dieser  Pelzhandler  haben  die  Handelsgewohnheiten  ihres 
Heimatlandes  mit  nach  Paris  verpflanzt,  so  dass  die  unbedingte  Kreditwiirdig- 
keit  jedes  franzosischen  Kunden  nicht  mehr  von  vornherein  feststeht.  Die 
eigentlichen  franzosischen  Firmen  und  die  seit  langerer  Zeit  in  Frankreich  an- 
sassigen  Deutschen  haben  aber  ihren  Ruf  und  ihre  Soliditat  treu  gewahrt. 


2.    K  a  p  i  t  e  1. 

England. 

In  einem  fruheren  Kapitel  haben  wir  gesehen,  dass  in  England  die  von 
Koln  dort  gegrundete  Niederlassung  des  Stahlhof  den  Pelzhandel  beherrschte, 
durch  seine  Einfuhren  von  Fellen  aus  Russland,  Umwegen,  Deutschland, 
Polen,  den  Uferlandern  desWeissen  Meeres  und  auf  Norwegen  erhandeltes 
sibirisches  Pelzwerk. 

Im  Jahre  1501 — 1506  kam  dann  zuerst  amerikanisches  Pelzwerk  durch  die 
Portugiesisch-Bristoler  Handelsgesellschaft  nach  England,  das  freihandig  ver- 
kauft  wurde,  doch  loste  sich  diese  bald  auf,  und  amerikanische  Rauchwaren 
kamen  noch  fur  weitere  150  Jahre  nur  durch  franzosische  Vermittlung  nach 
England. 

Durch  die  1554  von  Sebastian  Cabot  begriindete  Muskovy  Company 
kamen  denn  auch  russische  und  nordische  Pelzwaren  regelmassig  direkt  nach 
England,  doch  ist  uns  nicht  iiberliefert,  in  welchen  Mengen  und  in  welcher 
Weise  dieselben  veraussert  wurden.  Wahrscheinlich  geschah  dies  freihandig 
durch  die  einzelnen  Teilnehmer.  Jedenfalls  war  wahrend  der  Dauer  ihres  Be- 
stehens  England  vom  Auslande  unabhangig  in  der  Besorgung  dieser  wichtigen 
Rohstoffe.  Ein  Ausfuhrhandel  an  Fellen  fand  damals  aber  nicht  von  London 
aus  statt.  Auch  die  Zufuhren  von  Pelzwerk,  welche  aus  Virginien,  Boston  und 
New  York  nach  England  kamen,  dienten  nur  dem  eigenen  Bedarf.  Erst  die 
1670  begriindete  Hudsonsbay  Company  schuf  hierin  Wandel.  Die  zugefuhrten 
Pelzmengen  waren  so  grosse,  dass  auch  davon  nach  dem  Kontinent  ausgefuhrt 
wurde.  Es  ist  aber  sehr  unwahrscheinlich,  dass  wahrend  des  ersten  Jahrhunderts 
ihres  Bestehens  die  Auktionen  des  Hudsonsbay  Company  von  fremden  Ein- 
kaufern  besucht  waren,  da  diesen  die  franzosischen  Markte  bequemer  lagen. 

Ich  werde  in  einem  spateren  Abschnitt  des  Buches  eine  Reihe  von  Ein- 
fuhrlisten  der  H.  B.  C.  aus  dieser  Zeit  ver of fent lichen. 

Mit  dem  Verluste  Kanadas  horte  die  hervorragende  Stellung  Frank- 
reichs  auf  dem  Rauchwarenmarkte  auf  und  ging  an  London  iiber.  Neben 
den  Erzeugnissen  der  Hudsonsbay  Company  kamen  auch  die  Einfuhren  der 
anderen  Pelzhandels-Gesellschaften,  wie  der  Northwest  Company,  der 


2.  Kapitel  (England). 


227 


Mackinaw  Company,  der  American  fur  Company  sowie  einzelner  amerikanischer 
Pelzhandler  nach  London,  wo  sie  im  Auktionswege  veraussert  wurden.  Die 
Northwest  Company  hatte  ihren  eigenen  Agenten,  die  Firma  Me.  Gillywray 
£  Ellice,  doch  waren  jedenfalls  damals  schon  verschiedene  Auktionsfirmen 
vorhanden.  Auch  die  Firma  Row  Goad  &  Row,  welche  die  meisten  Rauch- 
waren  aus  den  Vereinigten  Staaten  zu  ihren  Auktionen  konsigniert  erhielt, 
hat  wahrscheinlich  schon  im  18.  Jahrhundert  bestanden. 

Im  Jahre  1786  waren  von  der  Hudsonsbay  Company  fur  etwa  27  ooo  L 
Pelzwaren  direkt  nach  London  gekommen ;  wahrend  die  Ausfuhr  von  Pelzwerk 
aus  Queben  nach  London  im  genannten  Jahre  285  977  L  betrug,  war  die 
Gesamtausfuhr  aus  diesem  Hafen  nur  343  262  S. 

Die  Auktionen  der  Hudsonsbay  Company  f anden  damals  im  November  und 
Marz  statt.  Die  Felle  der  Northwest  Company  sollen  aber  nur  im  Marz  oder 
April  verkauft  worden  sein. 

Im  Jahre  1797  brachte  diese  Gesellschaft  die  folgenden  Waren  zum  Ver- 
kauf : 

106  ooo  Biberfelle, 
21  ooo  Barenfelle, 
i  500  Fuchsfelle, 
4  ooo  Kitfiichsc, 
4  600  Otter, 
17  ooo  Bisam, 

32  ooo  amerikanische  Zobel, 
i  800  Nerze, 
6  ooo  Luchse, 

600  Vielfrass, 
i  650  virg.  Iltis, 

100  Waschbarfelle, 
3  800  Wolfe, 
700  Elenhaute, 
750  rohe  Hirschfelle, 
i  200  zubereitete  Hirschfelle, 
500  Buffelhaute 
und    einen  Post  en  Bibergeil. 

Im  gleichen  Jahre  sandte  iibrigens  die  Gesellschaft  13  364  Biberfelle, 
1250  feine  Otterfelle  und  1724  Kitfuchse  direkt  nach  China  zum  Verkauf  iiber 
die  Vereinigten  Staaten. 

Dies  war  ein  erster  aber  sehr  gewinnbringender  Versuch  des  direkt  en 
Geschaftes.  Die  5  vorhergehenden  Jahre  hatte  die  Gesellschaft  den  Export  nach 
China  von  London  und  in  Gemeinschaft  mit  einem  grossen  Londoner  Pelzhause 
gemacht  und  zwar  durch  Vermittlung  der  East  India  Company,  die  damals 
das  Monopol  des  Handels  von  England  mit  dem  fernen  Osten  besass.  Durch 
die  vielen  Gebiihren,  Zolle,  Unkosten  auf  die  Waren,  die  von  Canton  zuriick- 

15* 


228       IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter 

gebracht  wurden,  und  die  hohe  Kommissionsgebiihr  der  ostindischen  Company 
verlor  aber  jeder  der  beiden  Teilnehmer  in  den  5  Jahren  40  ooo  L  an  diesem 
Geschaft. 

Gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  kamen  auch  bereits  Einkaufer  aus 
Deutschland,  Frankreich  usw.  zu  den  Londoner  Auktionen,  trotzdem  die  Reise 
damals  eine  sehr  beschwerliche  und  langwierige  war. 

Gewohnlich  vereinigten  sich  mehrere  Kaufleute,  um  gemeinsam  im  Wagen 
nach  Hamburg  oder  einem  franzosischenHafen  zu  reisen  und  von  hier  aus  mil 
einem  Segelschiff  nach  England  zu  fahren.  Die  Reise  dauerte  unter  Umstanden 
mehrere  Wochen  und  war  auch  recht  kostspielig,  so  dass  jedenfalls  damals  mehr 
an  den  Pelzwaren  verdient  werden  musste,  um  die  Reise  zu  lohnen.  Von  1806 
bis  1814,  wahrend  der  durch  Napoleon  verfugten  Kontinentalsperre,  unterblieb 
die  Reise  natiirlich  ganzlich. 

Es  haben  auch  damals  wahrscheinlich  schon  grossere  Kommissionshauser 
existiert,  die  den  Einkauf  von  Auktionen  bezw.  die  Abnahme  der  gekauften 
Waren  ubernahmen,  doch  habe  ich  deren  Namen  nicht  erfahren  konnen.  Die 
alteste  mir  bekannte  Firma  ist  die  1771  begriindete  Firma  P.  R.  Poland  &  Sons, 
die  noch  heute  eine  fiihrende  Stellung  einnimmt,  und  vom  Urenkel  des  Be- 
griinders  geleitet  wird.  Mit  dem  Jahre  1826  begann  auch  im  englischen  Rauch- 
warenhandel  die  Invasion.  Blatspiel,  der  Begriinder  der  nachmaligen  Welt- 
firma  Blatspiel,  Stamp  &  Heacock  kam  1826  aus  Leipzig  nach  London,  um 
sich  dort  zu  etablieren,  wenig  spater  auch  Moritz  Oppenheim  aus  Altona,  dessen 
Firma  lange  Jahre  den  Markt  beherrschte  und  auch  Filialen  in  Hamburg 
und  Leipzig  besass.  Besonders  unter  seinem  Nachfolger  Schroder,  der  als  An- 
gestellter  mit  nach  London  gekommen  war,  und  in  den  vierziger  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts  Kompagnon  und  spater  allein  Chef  geworden  war,  nahm 
das  Geschaft  einen  grossen  Aufschwung.  Bald  nach  seinem  1868  oder  1869  er- 
folgten  Tode  wurde  die  Firma  aufgelost.  Noch  kurz  vorher  hatte  er  seinen 
Schwiegersohn  Teichmann,  den  jetzigen  Chef  der  Firma  C.  M.  Lampson  &  Co., 
nach  Alaska  gesandt,  um  das  Erbe  der  russisch-amerikanischen  Kompanie. 
das  Monopol  des  Seehundsfanges  zu  erwerben,  was  aber  missgluckte. 

Der  Begriinder  der  Weltfirma  C.  M.  Lampson  war  Anfang  des  vorigen 
Jahrhunderts  mit  einem  Wagen  in  den  Vereinigten  Staaten  herumgezogen, 
um  Felle  gegen  Blechwaren  usw.  einzutauschen.  Er  kam  mit  Johann  Jacob 
Astor  in  Beruhrung,  der  ihn  in  sein  Geschaft  nahm  und  ihm  bald  eine  grosse 
Vertrauensstellung  einraumte.  1830  wurde  er  nach  London  gesandt,  da  die 
Klagen  iiber  den  Geschaftsbetrieb  der  Firma  Row  Goad  &  Row,  an  welche 
Astor  seine  Pelzwaren  zur  Auktion  sandte,  iiberhand  nahmen.  Zufolge  seiner 
Berichte  wurde  die  Vertretung  der  genannten  Firma  entzogen  und  Curtis 
Miranda  Lampson  ubertragen.  Das  notige  Betriebskapital,  zu  den  Vorschussen 
usw.  lien  ihm  seinFreund,  der  amerikanische  Millionar  und  Philantrop  Peabody. 
Welche  Ausdehnung  Lampson  dem  Geschaft  e  zu  geben  wusste,  das  ja  noch 
heute  das  grosste  Rauchwarenhaus  der  Welt  ist,  ist  allgemein  bekannt.  Er  be- 


2.   Kapitel   (England).  22Q 


tciligte  sich  iibrigcns  an  anderen  Unternehmungen,  lieferte  z.  B.  die  Schienen 
fur  die  Pacific-Bahn  und  war  Hauptaktionar  des  ersten  nordatlantischen 
Kabcls  wofiir  cr  zum  Baronet  ernannt  wurde.  Er  war  bis  an  sein  Lebens- 
ende  fiir  das  Geschaft  tatig.  So  handhabte  er  noch  bis  kurz  vor  seinem,  Mitte 
der  achtziger  Jahre  erfolgtem  Tode  selbst  den  Auktionatorhammer  und  durch- 
\vanderte  wahrend  der  Besichtigungszeit  vor  den  Auktionen  die  grossen  Lager- 
riiume  seiner  Warenhauser  in  Queen  Victoriastreet,  mil  den  alten  Kunden 
plaudernd,  in  seiner  ganzen  Erscheinung  ein  Typus  des  grossen  englischen* 
Kaufherrn.  Er  hinterliess  iibrigens  bei  seinem  Tode  ein  auch  fiir  englische 
Verhaltnisse  riesiges  Vermogen.  Der  von  ihm  selbst  erwahlte  Partner  und 
Leiter  des  Geschafts,  der  aus  Ulm  stammende  deutsche  Kiirschnersohn  Teich- 
mann,  setzte  iibrigens  die  Tradition  des  Hauses  fort  und  wusste  die  Beziehungen 
seiner  Firma,  die  jetzt  auch  australische  und  chinesische  Felle  usw.  in  ihr  Ge- 
schaftsbereich  zog,  noch  bedeutend  zu  erweitern.  Die  Vorganger  Row 
Goad  &  Row  verkauften,  ihr  Geschaft  an  die  noch  heute  florierende 
Auktionsfirma  Goad  Rigg  ^  C,Q.  Ein  Sohn  des  Begriinders  der  alten  Firma, 
Skinner  Row,  war  noch  bis  vor  einigen  zwanzig  Jahren  als  Einkaufer  in  den 
Auktionsraumen  eine  auffallende  Personlichkeit,  da  er  stocktaub  war.  Ergalt 
iibrigens  als  einer  der  best  en  Rauchwarenkenner. 

Es  existieren  noch  eine  ganze  Reihe  von  sehr  alten  Firmen,  die 
Auktion  betreiben,  und  zwar  neben  den  Rauchwaren  auch  noch  Rindshaute, 
Ziegen-  und  Schaffelle,  Leder  und  Gerbstoff  sowie  australische  Kaninchenfelle 
fiir  Hutmacherzwecke  zum  Verkauf  bringen.  Es  sind  das  ausser  der  schon 
genannten  Goad  Rigg  &  Co.  noch  die  Firmen  Flack  Chandler,  Anning  &  Cobb, 
Culwerwell  Brook  &  Cotton,  deren  Inhaber  Cotton  1876  Lordmajor  von 
London  war.  Diese  Firmen  empfingen  fruher  fast  alle  die  australischen  Felle, 
die  nach  London  kamen,  sind  aber  jetzt  in  diesem  Geschaft  von  Lampson 
in  den  Hintergrund  gedrangt.  Ferner  Nesbitt  &  Co.,  die  in  den  letzt en  Jahren 
namentlich  auch  sehr  viele  direkte  amerikanische  Rauchwaren  zur  Auktion 
bringen,  Dyster  Nalder,  der  aber  mehr  mit  Hauten  usw.  zu  tun  hat.  Ver- 
haltnismassig  neuen  Daturas  sind  die  Firmen  Kiver  &  Co.,  Barber  &  Sons 
sowie  Thorpe  &  Welby,  die  vorwiegend  chinesische  Produkte  zum  Verkauf 
bringen. 

Neben  den  schon  fruher  erwahnten  R.  P.  Poland  &  Sons  und  Blatspiel, 
Stamp  &  Heacock  geschieht  der  kommissionsweise  Einkauf  und  die  Uber- 
nahme  der  von  den  auswartigen  Einkaufern  gekauften  Auktionsware  noch 
hauptsachlich  von  der  1872  begriindeten  Firma  Philipps  Politzer  &  Co.  sowie 
von  Eysoldt  &  Co.,  die  gewissermassen  Nachfolger  der  alten  Firma  Markus 
&  Co.  ist. 

Markus  war  1860  aus  Altona  nach  London  gekommen,  und  war  anfanglich 
dort  Makler  fiir  die  Hamburger  Firma  Oppenheim  &  Co.  In  den  siebziger 
Jahren  veranstaltete  er  in  Gemeinschaft  mit  Dixon  auch  selbst  Auktionen 
namentlich  mit  den  Waren  der  Chicagoer  Firma  Joseph  Ullmann,  die  indessen 


23O      IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter. 

nach  wenigen  Jahren  eingestellt  wurden.  Er  war  dann  als  Einkaufer  bezw. 
Kommissionar  an  dem  oben  genannten  Platz  tatig.  Nach  seinem  Tode 
kam  ein  Teil  der  Kundschaft  an  Philipps  Politzer  &  Co.,  der  andere  Teil  des  Ge- 
schaftes  wurde  von  Eysold  &  Co.  ubernommen. 

Die  Kurschnerei  hatte  in  London  von  jeher  eine  grosse  Stellung,  sowohl 
der  Detail- Verkauf  wie  die  Engros-Fabrikation.  Die  erstere  hatte  ihren 
Hauptsitz  in  Westend,  die  letztere  in  den  Querstrassen  von  Cheapside  und  in 
Aldersgatestreet . 

Die  alteste  noch  existierende  Firma  ist  Geo  Smith.  Die  Firma  Waterspoon, 
die  fast  ein  Jahrhundert  bestanden  hatte,  wurde  in  den  achtziger  Jahren 
aufgelost. 

Vor  einigen  dreissig  Jahren  erstand  der  Londoner  Engros-Kiirschnerei 
eine  starke  Konkurrenz.  Zuerst  kamen  die  Erzeugnisse  Pariser  Fabrikanten  auf 
den  Markt,  dann  kamen  auch  Berliner  Fabrikanten,  nachdem  mein  Vater  1872 
zuerst  Feh  und  Fuchsboas  dahin  lieferte  und  ich  1880  mit  Manteln  und 
Capes  usw.  den  dortigen  Markt  aufsuchte,  folgten  andere  Firmen,  und  bis  vor 
etwa  10  Jahren  war  die  deutsche  Einfuhr  an  fertigen  Pelzwaren  nach  England 
sehr  bedeutend.  Mit  der  stetig  wachsenden  Einwanderung  von  Pelzarbeitern 
aus  Russland  nach  Whitechapel  erhielten  aber  die  Londoner  Fabrikanten  mit 
der  Zeit  geniigend  billige  Arbeitskrafte,  und  jetzt  ist  der  Verkauf  dorthin  als 
unlohnend  bei  der  Erstarkung  des  heimischen  Marktes  von  den  meisten  Berliner 
Pelzwarenfabrikanten  aufgegeben  worden.  Nur  einige  wenige  Fabrikanten  be- 
treiben  noch  den  Export  nach  England. 


3.  K apit el. 

Deutschland. 

In  Deutschland  war  mit  den  Stiirmen  des  dreissigjahrigen  Krieges  auch 
der  Rauchwarenhandel  von  seiner  Hohe  herabgestiirzt,  nachdem  vorher  im 
Jahre  1497  und  1503  durch  Kaiser  Maximilian  I.  die  Messrechte  von 
Leipzig  noch  ausdrucklich  bestatint  worden  waren.  Der  internationale 
Markt  war  nach  Frankreich  und  England  verlegt,  und  Leipzig  war  zur  Be- 
deutungslosigkeit  herabgesunken.  Wahrend  aber  die  fruher  so  bedeutende 
Rauchwarenmarkte  Liibeck,  Hamburg,  Glogau,  Breslau,  Danzig  ihre  alte  Be- 
deutung  fur  diesen  Handel  nicht  wiedergewannen,  sehen  wir  ein  Jahrhundert 
nach  dem  westfalischen  Frieden  die  Leipziger  Messe  wieder  in  voller  Brute. 
Um  diese  Zeit  erschienen  zum  ersten  Male  russische  Kaufleute,  welche  bis  dahin 
ihre  Geschafte  durch  Vermittlung  von  Danzig  betrieben  hatten,  auf  der 
Leipziger  Messe,  und  bald  hatte  sich  ein  lebhafter  Handelsverkehr  entwickelt. 
Sie  brachten  russisches  und  sibirisches  Pelzwerk  dorthin,  das  dann  von  den 
Leipziger  Kaufleuten  weiter  vertrieben  wurde,  und  kauften  dort  nicht  nur 
deutsche  Landwaren,  sondern  auch  amerikanische  Waren  ein,  die  dann  ihren 
Weg  bis  in  das  Herz  von  Asien  fanden.  Die  Kontinentalsperre  Napoleons  fuhrte 
in  Gemeinschaft  mit  dem  allgemeinen  wirtschaft lichen  Niedergange  infolge 
der  langen  Kriege  zu  einem  vollkommenen  Zusammenbruche  des  Leipziger 
Rauchwarenhandels.  Nur  zwei  Firmen  sollen  damals  iibriggeblieben  sein. 
In  den  zwanziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  hob  sich  das  Geschaft 
aber  wieder.  Zwar  der  Handel  mit  Russland  war  erschwert  durch  die  Einfuhr- 
verbote  fur  viele  amerikanische  Rauchwaren,  die  Monopol  der  russisch- 
amerikanischen  Handelsgesellschaft  waren,  aber  das  hielt  den  Export  dahin 
nicht  auf.  Namentlich  in  Brody  in  Galizien  hatte  sich  eine  grosse  Industrie 
etabliert,  die  sich  nur  mit  dem  Einschmuggeln  der  verbotenen  Pelze  befasste, 
spater  geschah  dies  auch  in  Sklow  in  Westrussland ;  alle  diese  Platze  versorgten 
sich  in  Leipzig  mit  Ware. 

Das  Haus  Hotte,  welches  damals  und  noch  verschiedene  Jahre  spater  den 
Markt  beherrschte,  kniipfte  bereits  zu  dieser  Zeit  direkte  Handelsbeziehungen 
mit  Nordamerika  an.  Diese  Firma,  die  ihren  Hohepunkt  anfangs  der  sechziger 


232      IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter 

Jahre  iiberschritten  hatte,  starb  vor  wenigen  Jahren  fast  unbeachtet  an  Alters- 
schwache.  Neben  ihr  waren  in  den  ersten  Dezennien  des  vorigen  Jahrhunderts 
besonders  die  Firmen  Schacht  und  Oppenheimer  massgebend,  zu  denen  dann 
spater  die  Firmen  Heinrich  Lomer,  Rodiger  &  Quarch,  Gaudig  &  Blum, 
M.  Brass,  Theodor  Wolf,  Magnus  Soehne,  Theod.  Thorer,  Herpich,  Koenigs- 
werther  und  andere  hinzutraten. 

Der  Besuch  der  Messe  war  damals  durchaus  kein  einfacher.  Ich  erinnere 
mich  noch  an  die  Erzahlungen  meines  Vaters,  wie  er  in  den  dreissiger  Jahren 
mit  der  Post  in  zwei  Tagen  nach  Leipzig  fuhr,  wobei  unterwegs  iibernachtet 
wurde.  Die  Waren  wurden  mit  den  Frachtwagen  befordert,  was  mehrere 


Bilder  vom  Briihl. 

Wochen  in  Anspruch  nahm.  Als  grosse  Erleichterung  wurde  es  empfunden,  als 
schliesslich  die  Anhalter  Bahn  gebaut  wurde,  die  aber  zunachst  nur  bis  Dessau 
ging,  von  hier  musste  man  bis  Leipzig  die  Post  benutzen.  Trotzdem  wuchs  der 
Besuch  der  Messen  zusehends.  Griechische  Kaufleute,  welche  den  bedeutenden 
Pelzhandel  der  ganzen  Turkei  vermittelten,  erschienen  in  grosser  Zahl;  auch  das 
Geschaft  mit  Norwegen,  Schweden,  Danemark  und  Finn  land  ging  jetzt  von 
Liibeck  und  Hamburg  nach  Leipzig  iiber.  Eine  Zeitlang  hielt  sich  noch  in 
Bremen  ein  eigener  Rauchwarenmarkt,  da  dorthin  die  Ware  der  Handels- 
schoner  und  Briggs  von  Honolulu  gelangte,  die  Schleichhandel  an  dem  Ufer 
des  nordlichen  stillen  Ozeans  trieben.  Dies  horte  aber  mit  dem  Ende  dieses 
Schleichhandels  Mitte  der  sechziger  Jahre  auch  auf.  Ihren  Hohepunkt  hatte 
die  Leipziger  Messe  wohl  in  den  sechziger  und  siebziger  Jahren  des  vorigen 


3.  Kapitcl   (Deutschland) . 


233 


Jahrhunderts.  Die  Ostermesse  dauerte  damals  6  Wochen,  und  wahrend  dieser 
Zeit  war  der  Briihl  der  Schauplatz  eines  ungemein  regen  Treibens.  Das  Gewiihl 
war  stellenweise  lebensgefahrlich,  wenn  ein  Wagen  in  der  Nahe  der  Nicolai- 
strasse  den  Briihl  passieren  wollte,  musste  oft  ein  Polizeidiener  erst  Platz 
schaffen.  Besonders  fielen  in  der  Menge  die  zahlreichen  malerischen  Gestalten 
der  Griechen  und  der  alttestamentarischen  Kaftantrager  aus  Russland  auf. 
Armenier,  Englander,  Franzosen  usw.  waren  zahlreich  vertreten.  Amerikaner 
waren  seltener;  diese  kamen  erst,  nachdem  die  amerikanischen  Firmen 
Boskowitz  und  Jos.  Ullmann  sich  dauernd  in  Leipzig  festgesetzt  hatten.  Aber 
auch  damals  schon  standen  verschiedene  Firmen  mit  Amerika  in  lebhaftem 


Bilder  vom  Briihl. 

Handelsverkehr,  einzelne  von  den  Firmen,  Herpich  und  andere,  hatten  sogar 
eigene  Filialen  in  New  York.  Man  arbeitete  sehr  angestrengt,  von  friih  7  bis 
nachts  12  Uhr,  wahrend  der  gesamten  6  Wochen.  Bei  einzelnen  Firmen  dauerte 
es  oft  bis  noch  spater  in  die  Nacht. 

Die  Michaelismesse  dauerte  3  Wochen  und  war  hauptsachlich  von  den 
deutschen  Kiirschnern  besucht.  Auch  die  Januarmesse  nahm  allein  eine  Woche 
in  Anspruch. 

Wahrend  der  iibrigen  Zeit  des  Jahres  lag  aber  der  Briihl  ziemlich  ein- 
sam  und  in  dem  Rauchwarengeschaft  herrschte  Ruhe.  Allmahlich  anderte  sich 
das  aber.  Immer  mehr  Firmen,  die  sonst  nur  zur  Messe  erschienen  waren,  liessen 
sich  dauernd  in  Leipzig  nieder;  die  Messen  nahmen  an  Bedeutung  ab,  wahrend 
der  direkte  Versand  an  die  Kunden  immer  mehr  zunahm.  Jetzt  ist  das 


234 


Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter. 


Geschaft  liber  das  ganze  Jahr  verteilt.  Das  eigentliche  Messgeschaft  1st  auf 
wenige  Tage  beschrankt,  wahrend  man  an  jedem  Tage  des  Jahres  mehrere 
grosse  Einkaufer  von  auswarts  dort  antrifft.  Der  Umsatz  hat  machtig  zu- 
genommen.  Wahrend  vor  50  Jahren  der  Umsatz  des  Leipziger  Rauchwaren- 
handels jahrlich  6  bis  8  Millionen  Taler  betragen  mochte,  belief  sich  derselbe 
laut  Handelskammer-Enquete  im  Jahre  1879  auf  42  Millionen  Mark,  wovon 
etwa  28  Millionen  ausgefuhrt  wurde. 

Jetzt  betragt  der  Umsatz  wohl  durchschnittlich  gegen  200  Millionen  Mark. 
100  Millionen  Mark  werden  ausgefuhrt,  etwa  50  Millionen  verbraucht  der 
deutsche  Markt  und  ebensoviel  wird  von  den  Leipziger  Rauchwarenhandlern 


Bilder  vom  Briihl. 


untereinander  gehandelt.  Diese  Summe  ist  also  eigentlich  in  den  150  Mil- 
lionen Mark,  die  Leipzig  tatsachtich  verlassen,  mit  cinzurechnen. 

Eine  grosse  Rolle  spielte  fruher  in  Leipzig  der  Makler,  ohne  deren  Ver- 
mittlung  fast  kein  Geschaft  zustande  kam.  Diese  sind  jetzt  fast  verschwunden, 
dafiir  sind  aber  zahlreiche  Kommissionshauser  vorhanden,  die  als  Vertreter  aus- 
wartiger  Hauser  den  Einkauf  fiir  diese  vermitteln  und  dafiir  i  Proz.  Courtage 
fur  alle  in  Leipzig  gemachten  Kaufe  dieses  Hauses  beziehen.  Meistens  bezahlt 
das  vertretene  Haus  auch  noch  i  Proz.  Provision  dafiir.  In  der  letzten  Zeit 
zahlen  aber  manche  Grosseinkaufer  ihren  Vertretern  nichts. 

Viele  Kommissionshauser  erhalten  auch  von  auswartigen  Firmen  Waren- 
mengen  zum  Verkauf  zugesandt.  Der  Handelstausch  einzelner  dieser  Kom- 


3-   Kapitel   (Deutschland) . 


235 


missionsfirmen  1st  sehr  bedeutend,  und  soil  sich  Courtage  und  Provision  manch- 
mal  bis  zu  100  ooo  Mark  im  Jahre  steigern. 

Die  Zahl  der  Leipziger  Rauchwarenhandler  betragt  gegenwartig  iiber  200, 
davon  sind  etwa  30  ersten  Ranges,  die  andern  stufen  sich  bis  zu  den  kleinsten  ab, 
die  nur  kleine  Lager  fur  kleinere  Kurschner  unterhalten  und  ihren  gesamten 
Bedarf  nur  in  Leipzig  decken. 

Es  ist  auch  eine  Art  Arbeitsteilung  eingetreten.  Nur  verhaltnismassig 
wenige  Firmen  fuhren  ein  Sortimentsgeschaft,  in  denen  sie  alle  Art  en  Rauch- 
waren  vorratig  halten,  die  meisten  haben  sich  eine  oder  mehrere  Spezialitaten 


Bilder  vom  Briihl. 

erwahlt,  neben  denen  sie  dann  auch  andere  Waren  fuhren.  So  fuhren  die 
einen  vorragend  amerikanische  Waren,  andere  nur  russische.  Viele  bevorzugen 
einzelne  feine  zugerichtete  und  gefarbte  Rauchwaren,  andere  wieder  nur 
Persianer,  Astrachan  und  sonstige  Lamm  f ell waren.  Verschiedene  Firmen  be- 
schaftigen  sich  nur  mit  Ein-  und  Verkauf  von  sogenannten  Landwaren  (Harder, 
Fiichse,  Iltis,  Landottern,  Katzen,  Schmaschen  und  Zickelfelle),  deren  Verkauf 
iibrigens  auch  heute  noch  hauptsachlich  wahrend  der  Ostermesse  stattfindet. 
Eine  grosse  Veranderimg  hat  sich  auch  in  den  letzten  Jahrzehnten  im  Ge- 
schaft  mit  dem  Orient  abgespielt.  Im  Orient,  der  ein  ziemlich  grosser  Konsument 
von  Rauchwaren  ist,  haben  die  Griechen  von  jeher  den  Hauptteil  des  Handels 
in  Handen.  Friiher  kamen  zur  Ostermesse  eine  grosse  Anzahl  Griechen,  oft 
iiber  100  zum  Einkauf  nach  Leipzig  und  trugen  durch  ihre  malerische  Tracht 


236       IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter 

nicht  wenig  zur  Belebung  des  Strassenbildes  bei.  Die  Ubernahme  der  Waren 
und  Bezahlung  mittels  Wechselakzepts  geschah  durch  cine  Anzahl  in  Leipzig 
ansassiger  Kommissionshauser,  wie  Konstantin  Pappa,  Navum  Dedo,  Wulzow, 
Skutari,  Zygouros,  Kyropoulos  und  andere. 

Jetzt  kommen  nur  noch  wenige  Griechen  zum  Einkauf,  dagegen  hat  sich 
in  Leipzig  eine  starke  griechische  Kolonie  niedergelassen,  die  aus  zwei  Schichten 
besteht.  Die  eine,  angesehene  Kommissionsfirmen  und  Grosshandlungshauser, 
beschaf  tigt  sich  mit  dem  Einkauf  der  fur  den  orientalischen  Markt  erforderlichen 
Felle  und  dem  Verkauf  von  Wildwaren  aus  Griechenland,  den  Balkanlandern, 
der  europaischen  und  asiatischen  Turkei,  wie  Harder,  Fuchse  usw.,  betreiben 


Bilder^vom  Briihl. 

aber  dabei  haufig  noch  ein  ausgedehntes  Exportgeschaft  mit  Rauchwaren  auch 
anderer  Provenienz  nach  Amerika,  England,  Frankreich  usw.  Die  zweite 
Schicht  besteht  aus  griechischen  Kiirschnern  und  Kleinhandlern,  die  in  Leipzig 
Fabrikation  von  billigen  Artikeln,  namentlich  aus  Stricken,  betreiben.  So  ist 
z.  B.  die  Fabrikation  von  imitierten  Hermelinschweifen,  Skunksschweifen  und 
bestimmter  Pelzfutter  ganz  in  ihren  Handen. 

Die  Zahlungsbedingungen  beim  Leipziger  Rauchwarenhandel  haben  im 
Laufe  der  Zeit  verschiedene  Anderungen  erfahren.  Bis  zum  Jahre  1882  gait 
zunachst  ein  Warenskonto  von  2  Proz.,  dann  fur  Barzahlung  3  Proz.  Daneben 
wurden  ausgedehnte  Kredite  gegeben.  So  wurden  z.  B.  die  Waren  der  russischen 
Handler,  die  bis  zum  Jahre  1858  stets  Kassa  kaufen  mussten,  spater  gegen 
Wechselakzept  von  Ostermesse  zu  Ostermesse  verkauft,  doch  wurden  diese 


3.   Kapitel   (Deutschland) . 


237 


Bilder  vom  Briihl. 


Zahlungstermine  allmahlich  doch  einge- 
schrankt.  Andererseits  war  die  Usance, 
dass  in  der  Messe  gekaufte  Waren  bis 
zum  Zahltage  der  Messe  in  bar  oder 
Wechseln  beglichen  werden  musste,  auch 
mit  dem  Riickgang  der  Bedeutung  der 
Messe  und  ihrer  verkurzten  Zeitdauer  ein- 
geschlafen.  Jetzt  gilt  als  nominelle 
Rendition  3  Proz.  bis  Schluss  des  Monats 
Zahlung  oder  6  Monate  netto  Ziel. 
Wahrend  aber  ein  hoheres  Kassaskonto 
fast  nie  gewahrt  wird,  dehnt  sich  das 
Ziel  durch  allerhand  Manipulationen  oft  auf  8 — 9  Monate  aus. 

Durch  die  Konzentration  des  Rauchwarenhandels  in  Leipzig  hat  auch 
eine  Ansiedlung  von  Nebengewerben  daselbst  stattgefunden.  Vor  allem  die 
Rauchwarenzurichterei,  die  in  den  Vororten  Lindenau,  Schkeuditz,  Makran- 
stadt,  Rotha  usw.  von  nahezu  50  Firmen  betrieben  wird,  von  denen  einzelne 
mehrere  hundert  Arbeiter  beschaftigen.  Die  Pelzzurichtearbeiter  haben  eine 
sehr  starke  Organisation,  die  als  eine  der  ersten  einen  festen  Tarifvertrag  durch- 
zusetzen  wusste. 

Ihren  Weltruf  besitzen  die  Leipziger  Zurichtereien  aber  erst  seit  etwa 
30  Jahren;  bis  dahin  wurde  ein  grosser  Teil  der  Rauchwaren  schon  in  London 
zugerichtet.  Ausser  in  Leipzig  bestehen  Zurichtereien]  grosseren  Umfangs 
nur  in  Berlin  und  Hamburg;  in  letzterem  hat  sich  t  namentlichj  die  Zu- 
richterei  von  Nutriafellen  und  Murmeln  als  besondere  Spezialitat  heraus- 
gebildet.  Es  bestehen  dort  5  oder  6  Fabriken,  die  zusammen  word 
1000  Arbeiter  beschaftigen. 

Einen  grossen  Aufschwung  hat  in  den  letzten  30  Jahren  auch  die  Rauch- 
warenfarberei  in  Leipzig  erfahren.  Fruher  war  hier  nur  sogenannte  Schwarz- 
farberei  fiir  Persianer,  Astrachan  und  sonstige  Lammfelle  in  besonderer  Blute, 
die  von  verschiedenen  alten  Farbern.  wie  Rodiger  &  Quarch,  Handel,  Herzog 

usw.  betrieben  wurden,  dann  kamen  aber 
die  verschiedenen  Phantasiefarben  auf, 
namentlich  durch  die  Farberei  Sieglitz  ein- 
gefiihrt.  Die  Braunfarberei,  die  urspriing- 
lich  nur  in  London  und  dann  in  Paris 
auf  der  Hohe  war,  wurde  zuerst  durch 
die  Firmen  Meissner  und  Steinbeck 
nach  Leipzig  verpflanzt,  iibertrifft  heute 
London  und  Paris  erheblich  an  Umfang, 
und  steht  technisch  vollkommen  auf  der 
Hohe. 
Bilder  vom  Briihl.  In  Zurichterei  und  Farberei  sind  in 


238      IV.   Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter. 


Bilder  vom  Briihl. 


der    Umgebung   Leipzigs    etwa 
3000  Arbeiter  beschaftigt. 

Ausser  Leipzig  besteht  nur 
noch  eine  grosse  Rauchwaren- 
farberei  (Gebr.  Lohse)  in 
Chemnitz  mil  etwa  400  Ar- 
beitern  und  eine  grossere  nebst 
einigen  kleineren  Farbereien  in 
Berlin. 

Als  Spezialitat  betreibt  die 
Stadt  Weissenfels  noch  die  Zu- 
richterei  von  Feh,  die  dann  dort 
auch  zu  Futtern  verarbeitet 
werden.  Diese  Industrie  ist  sehr 
alt  und  ohne  Konkurrenz,  da  die 
in  Russland  hergestellten  Feh- 
warenfutter  den  Weissenfelsern 
in  Qualitat  bedeutend  nach- 
stehen. 

Von  sonstigen  Nebenindustrien  ist  noch  die  Fabrikation  von  Fehschweifen 
und  Fuchsschweifen  zu  erwahnen,  die  heute  in  Leipzig  fur  den  gesamtenWelt- 
markt  hergestellt  werden.  In  den  siebziger  und  achtziger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  bestand  schon  in  Berlin  eine  starke  Konkurrenz,  die  aber  bis  auf 
wenige  Reste  eingegangen  ist,  wahrend  die  Fabrikation  der  Ziegenschweife  nach 
wie  vor  besonders  in  Berlin  betrieben  wird. 

Auch  die  Kiirschnerei  in  Deutschland,  die  fruher  eine  so  grosse  Rolle  in 
den  deutschen  Stadten  gespielt,  hatte  unter  den  Nach wehen  des  dreissigjahrigen 
Krieges  zu  leiden  und  begann  sich  erst  in  der  zweiten  Halfte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  etwas  zu  erholen.  Es  war  damals  noch  gebrauchlich,  dass  die 
Kiirschner  die  Felle  fur  ihren  Bedarf  selbst  zurichteten,  ein  Brauch,  der  erst  in 
der  zweiten  Halfte  des  19.  Jahrhunderts  aufhorte.  Der  Kiirschner  damals  hielt 
aber  wenig  Ware  wie  Muffen,  Pelzkragen,  Miitzen  vorratig  und  begniigte  sich 
meist  mit  der  besseren  Waren-Anfertigung  auf  Bestellung,  mit  Reparatur  und 
der  Konservierung  von  Pelzsachen  fur  das  Privatpublikum.  Erst  um  die  dreissiger 
Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  mit  Begriindung  der  Firmen  Brass,  Herpich, 
Michelet,  Zeitz  usw.  in  Berlin  wurde  es  Sitte,  auch  Herrenpelze,  Damenpelze 
und  uberhaupt  feine  Gegenstande  fertig  zu  fiihren  und  das  Ladengeschaft  aus- 
zudehnen.  Bald  entstanden  denn  auch  in  alien  grosseren  Stadten  grosse,  modern 
geleitete  Kurschnergeschafte.  Ein  Engros-Betrieb  trat  verhaltnismassig  spat 
auf.  Zwar  fertigten  in  den  funfziger  Jahren  bereits  einige  Bisammuffen  und  der- 
gleichen  fur  den  Engros-Verkauf  an,  aber  nur  in  massigem  Umfang  und  in 
wenigen  Stapelsorten.  Erst  mit  dem  Aufschwung  der  Mantelkonfektion  bildete 
sich  auch  eine  Pelzengros-Konfektion.  Begriindet  wurde  dieselbe  in  Berlin  1878 


3.  Kapitel  (Deutschland) . 


239 


von  den  Firmen  A.  B.  Citroen  und  M.  Brass,  dem  dann  die  Firmen  H.  Wolff, 
A.  u.  S.  Segall,  Gebr.  Hermann  und  andere  folgten.  Neben  dem  Bedarf  fur 
den  deutschen  Markt  wurde  auch  das  Exportgeschaft  nach  England,  Skandi- 
navien,  Sudamerika  usw.  gepflegt. 

Ausser  Muffen,  Pelerinen,  Stolas  wurden  besonders  auch  Pelzmantel 
fabriziert.  Auch  Boas  vonFeh-  undFuchsschweifen  werden  ingrossemMassstabe 
in  Berlin  angefertigt.  Wahrendf  abriken  Fehboas  zuerst  vender  Firma  Seidler  und 
Gaudig  &  Blum  in  Leipzig  betrieben  wurden,  wurden  die  erst  en  Fuchsschweif- 
boas  bereits  1874  von  der  Firma  M.  Brass-Berlin  und  bald  darauf  von  Leopold 
Apf el-Leipzig  fabriziert.  Anfang  der  neunziger  Jahre  trat  dann,  namentlich 


Bilder  vom  Briihl. 


mit  der  Einfiihrung  der  Stola,  ein  grosser  Umschwung  ein.  Die  Mode  be- 
giinstigte  Pelzwaren  und  der  Bedarf  wurde  ein  ungeheurer.  In  Berlin  sind  jetzt 
etwa  50  grossere  und  kleinere  Engrosfabrikanten  tatig,  die  durchschnittlich 
jahrlich  fur  liber  40  Millionen  Mark  umsetzen  und  mehrere  tausend  Arbeiter 
beschaftigen.  Im  ganzen  sind  in  Berlin  fur  Engros-  und  Detailgeschafte  zu- 
sammen  etwa  2000  mannliche  und  3000  weibliche  Arbeiter  beschaftigt,  ohne 
das  kaufmannische  Personal  zu  rechnen.  Ausserhalb  Berlins  ist  noch  eine 
grosse  Pelzwarenfabrik  in  Hamburg,  eine  grosse  und  mehrere  kleinere  in 
Breslau  und  ein  halbes  Dutzend  Firmen  in  Rheinland-Westfalen  mit  der  Engros- 
fabrikation  beschaftigt.  Hauptabsatzgebiet  ist  der  deutsche  Markt,  der  Export 
nach  England  hat  mit  Erstarken  der  dortigen  Fabrikation  sehr  nachgelassen, 


240      IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter 

doch  1st  der  Export  nach  Frankreich,  Skandinavien,  Belgien,  Holland,  Siid- 
amerika  usw.  dafiir  stark  in  der  Zunahme  begriffen.  Einzelne  Firmen,  wie 
H.  Wolff-Berlin,  Wilh.  Reinecke-Berlin,  Gebr.  Breslauer-Breslau  usw.  unter- 
halten  eigene  Filialen  in  Paris,  London,  Amsterdam,  Briissel  usw.  Alle  Engros- 
firmen  beschaftigen  zahlreiche  Reisende  im  In-  und  Auslande. 

Die  Zahl  der  Kurschner-Detailgeschafte  in  Deutschland  betragt  etwa 
6000.  Ein  grosser  Teil  derselben  kauft  aber  den  Hauptteil  seines  Bedarfs  jetzt 
fertig  und  beschaftigt  sich  nur  mit  Reparaturen,  Konservierung  und  der- 
gleichen,  fiihrt  auch  daneben  Miitzen,  Hiite,  Schirme  und  andere  Artikel  zum 
Verkauf .  Die  Ausbildung  eines  gemigenden  Nachwuchses  hat  stark  darunter  ge- 
litten.  Wahrend  fruher  deutsche  Kiirschnergesellen  auch  im  Auslande  eine 
Notwendigkeit  fur  den  dortigen  Fabrikanten  bildeten,  geniigen  dieselben  jetzt 
nicht  mehr  fur  den  einheimischen  Bedarf  und  zahlreiche  Arbeitskrafte  aus 
Ungarn,  Bohmen  usw.  wanderten  ein.  Erst  im  Jahre  1905  wurde  durch  die  Be- 
strebungen  des  Berliner  Arbeitgeber-Verbandes  und  der  Neuen  Pelzwaren- 
Zeitung  ein  Anfang  zur  Wandlung  gemacht.  Zahlreiche  Kiirschner  und  Engros- 
firmen  wurden  veranlasst,  Lehrlinge  einzustellen ;  der  Arbeitgeber- Verb  and 
errichtete  zu  deren  besseren  Ausbildung  eine  Fachschule  in  Berlin,  die  mit  der 
Pflicht-Fortbildungsschule  verbunden  wurde  und  gleich  im  ersten  Jahre  gegen 
loo  Lehrlinge  unt errichtete. 


4.  Kapit  e  1. 

Oesterreich  und  der  Orient. 

Auch  in  Osterreich  und  Ungarn  hatte  der  dreissigjahrige  Krieg  viel  zum 
Riickgang  des  edlen  Kurschnergewerbes  beigetragen,  namentlich  in  ersterem 
Lande,  doch  fand  in  Ungarn  das  Gewerbe  seinen  grossen  Stiitzpunkt  darin,  dass 
Pelze  bis  in  die  neueste  Zeit  zur  Nationaltracht  gehorten.  Der  Hirte  auf  der 
Pussta  und  der  Bauer  tragt  seine  Bunda,  den  Schafpelz,  dessen  fein  benahte 
und  bestickte  Lederseite  im  Winter  nach  aussen,  im  Sommer  nach  innen  ge- 
tragen  wird,  die  magyarischen  Magnaten  tragen  aber  kostbare  Zobel-  und 
Marderpelze  zur  Nationaltracht,  die  bei  alien  feierlichen  Gelegenheiten  angelegt 
wird.  Naturlich  werden  daneben  auch  alle  modernen  Pelzarten  von  Damen  und 
Herren  viel  gekauft,  so  dass  das  Kurschnergewerbe  dort  in  hoher  Brute  steht. 
Der  Betrieb  ist  meist  noch  ein  handwerksmassiger,  so  dass  in  Ungarn  iiber  7000 
Kurschnermeister  und  3 — 4000  Gesellen  existieren.  InBudapest  findet  man  eine 
grossere  Anzahl  feiner  Detailgeschafte,  doch  hat  dort  die  eigentliche  Export  - 
fabrikation  noch  nicht  eingesetzt. 

In  Osterreich  fand  die  Kiirschnerei  ihre  Hauptstiitze  hauptsachlich  in 
Bohmen,  und  stammen  noch  heute  die  Mehrzahl  der  osterreichischen  Pelz- 
arbeiter  aus  Bohmen.  Bis  vor  etwa  25  Jahren  bestand  in  Osterreich  das  Pelz- 
geschaft  auch  ausschliesslich  im  Detailhandel,  und  war  es  die  Firma  Toch,  die 
in  den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  die  Export- Kiirschnerei  auf- 
nahm.  Andere  Wiener  Firmen  folgten  und  bald  nahm  dieser  neue  Industrie- 
zweig  einen  grossen  Aufschwung  an.  Einige  Firmen,  wie  z.  B.  Tlusty,  Knopf  1- 
macher  &  Co.  richteten  regelrechte  Fabriken  auf  dem  Lande  ein,  um  die  billigen 
Arbeitskrafte  nutzbar  zu  machen,  und  heute  spielen  die  vorziiglich  gearbeiteten 
Fabrikate  der  osterreichischen  Pelzwarenfabrikation  eine  bedeutende  Rolle  auf 
dem  Weltmarkte.  Der  Rauchwarenhandel  hat  aber  in  Osterreich  mit  dieser 
Entwicklung  nicht  ganz  Schritt  gehalten. 

Zwar  existieren  sehr  grosse  Firmen,  namentlich  das  sehr  alte  Wiener 
Haus  Georg  Konig  &  Bruder,  so  wie  J.  Z.  Schiitz  in  Prag  und  Wien,  dessen  Vor- 
fahren,  wie  aus  vorhandenen  Urkunden  hervorgeht,  schon  vor  200  Jahren 

16 


242     IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter. 

als  Fellhandler  tatig  waren.  Doch  begniigten  sich  diese  Hauser  hauptsachlich 
damit,  den  Bedarf  der  osterreichischen  und  ungarischen  Industrie  zu  decken, 
und  beteiligen  sich  am  Welthandel  vorzugsweise  durch  ihre  Leipziger  Filialen. 
In  Budapest  besteht  dagegen  schon  seit  langer  Zeit  cin  grosser  Markt  fur 
dortige  Produkte,  namentlich  Schaffelle  (Ungarn  und  Siebenbiirger)  und 
Schmaschen,  sowie  Fiichse,  Harder  und  Iltis,  die  auch  stark  exportiert  werden. 
So  wird  z.  B.  der  durchaus  nicht  unbedeutende  Bedarf  Deutschlands  an 
Schaffellen  fur  Eisenbahnpelze  vorzugsweise  von  hier  aus  gedeckt.  Auch  in 
Triest  befindet  sich  ein  grosser  Markt  fiir  Schmaschen  und  Schaffelle. 


Bilder  vom  Briihl. 

In  Galizien,  wo  auch  Pelze  von  jeher  zur  Landestracht  gehorten,  liegt 
auch  die  Kiirschnerei  und  der  Rauchwarenhandel,  wie  fast  das  ganze  Gewerbe 
und  der  Handel  in  Handen  der  judischen  Bevolkerung. 

In  Lemberg,  Krakau  und  den  kleinen  Platzen  befinden  sich  zahlreiche 
Rauchwarengeschafte,  deren  Inhaber  regelmassig  die  Leipziger  Messe  besuchen 
und  auch  standige  Einkaufer  dort  unterhalten.  Es  wird  dort  ziemlich  vie] 
feines  amerikanisches  und  anderes  Pelzwerk  eingefiihrt,  doch  lassen  die  Kredit- 
verhaltnisse  ofter  manches  zu  wiinschen  iibrig.  Von  galizischen  Produkten 
spielen  zugerichtete  weisse  Kanin,  sowie  Fiichse  und  andere  Wildwaren  eine 
grosse  Rolle  fiir  den  Export. 

Im  Orient  stand  das  Pelzgeschaft  von  jeher  in  grosser  Blute.  Schon  im 
alten  Byzanz  wurden  vielPelzkleider  getragen,  und  werden  haufigZobelfelle  er- 


4.   Kapitel.  243 


wahnt,  die  aus  den  Landern  der  Skythen  kamen.  Mil  der  Herrschaft  der 
osmanischen  Tiirken  wurde  die  Kiirschnerei  noch  viel  ausgedehnter,  denn  auch 
bei  ihnen  war  der  pelzgefutterte  Kaftan  zur  Nationaltracht  gehorig  und  ist  erst 
in  den  letzten  30  oder  40  Jahren  von  dem  schwarzen  einreihigen  Gehrock,  dem 
,,Stambuli",  verdrangt  worden,  doch  findet  man  ihn  auch  jetzt  noch  haufig  bei 
alten  konservativen  Herren  in  der  Provinz.  Friiher,  ehe  noch  die  Ordensaus- 
zeichnungen  in  der  Tiirkei  Mode  wurden,  vertrat  ihre  Stelle  ein  vom  Sultan 
verliehener  Ehrenpelz,  meist  mit  Zobel  gefuttert.  Auch  die  fremden  Gesandten 
bekamen  stets  bei  ihrem  Antritt  einen  solchen  Zobelpelz  geschenkt.  Sonst 


Bilder  vom  Briihl. 

waren  als  Pelzf utter  der  Pelze  ,,Kuiski"  hauptsachlich  Fuchs  und  Luchs  sowie 
Kolinski  beliebt,  auch  Weissfuchs  und  weisse  Hasen  spielten  eine  Rolle. 

Ursprunglich  waren  die  meisten  Angehorigen  der  Kiirschnerei  zuerst  osma- 
nische  Tiirken,  bald  aber  wurden  sie  von  den  sich  immer  mehr  ausdehnenden 
GriechenindenHintergrundgedrangt.  DieseGilde  war  aber  stets  sehrangesehen. 
Lange  Zeit  standen  an  der  Spitze  dieser  Kiirschner-Innung  die  Angehorigen  der 
alten  griechischen  Fanariotenfamilie  Ypsilanti,  in  der  sich  die  Wurde  des 
Grosskiirschners  forterbte.  Bekanntlich  wurde  einer  dieser  Kurschnersohne 
Konstantin  Ypsilanti  1789  zum  Hospodar  der  Wallachei  und  zum  Fiirsten  er- 
nannt.  Sein  alt  ester  Sohn  Alexander  Ypsilanti,  einer  der  Fiihrer  im  griechischen 
Unabhangigkeitskampfe  ist,  bekannter  aus  den  Mullerschen  Griechenliedern 
,, Alexander  Ypsilanti  sass  auf  Munkacz  hohen  Thonom",  wahrend  sein  Bruder 

16* 


244 


Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Europa  seit  dem  Mittelalter 


Demitrius  Ypsilanti  der  erstc  Prasident  des  griechischen  gesetzgebenden 
Korpers  war.  Heute  gehoren  die  Ypsilantis  dem  rumanischen  Hochadel  an 
und  erinnern  sich  wohl  nicht  gern  mehr  ihrer  mil  Zweckzange  und  Nadel 
hantierenden  Vorfahren.  Die  Konstantinopler  Kiirschner  haben  ihre  Laden 
hauptsachlich  im  grossen  Bazar  und  im  Kiirkski-Haus  in  Stambul,  die  noch 
ganz  nach  orientalischer  Art  sind,  daneben  findet  man  aber  im  Pera-Gebiete  etc. 
in  den  Schaufenstern  der  eleganten  Magazine  die  feinsten  sowie  gewohnlichen 
Pelzwaren  modernen  Schnitts.  Namentlich  die  Damen,  sowohl  die  tiirkischen 
Haremsdamen  als  die  Griechinnen,  tragen  moderne  Stolen,  Muff  en  und  Pelz- 


Bilder  vom   Briihl. 

jacketts,  die  zum  grossen  Teil  aus  Wien  stammen.  Auch  auf  der  ganzen  Balkan- 
halbinsel  liegt  das  Pelzgeschaft  und  die  Kiirschnerei  in  griechischen  Handen, 
doch  hat  sich  in  der  Art  der  Einfuhr  auch  hier  vieles  geandert. 

Fruher  kaufte  man  in  Leipzig  namentlich  Fiichse,  aus  denen  der  Riicken 
mit  den  Schwanzen  ausgetrennt  und  die  Klauen  abgeschnitten  und  in  Leipzig 
verkauft  wurden,  da  man  im  Orient  nur  vorzugsweise  die  Fuchsbauche  ver- 
wendete.  Auch  Kolinski,  chinesische  Wiesel,  Weissfuchse,  Feh  ging  friiher  viel 
nach  dem  Balkan;  jetzt  hat  dies  aber  stark  nachgelassen  und  wird  dort  viel 
heimisches  Pelzwerk  verarbeitet.  Nach  wie  vor  werden  aber  dort  viel  Pelz- 
stiicke  eingefuhrt,  namentlich  Zobelstiicke,  Luchs,  Nerz,  Chinchilla,  die  sorg- 
faltig  sortiert  und  zu  gut  gearbeitetemFutter  zusammengestellt  sind.  Besonders 
in  Mazed onien  betreibt  die  Landbevolkerung  die  Anfertigung  von  Pelz- 


4.   Kapitel.  245 


fuller  als  Hausindustrie  im  Winter.  Ein  Teil  dieser  Fuller  kommt  nach  Leipzig 
zuriick,  der  grosser e  Teil  aber  wird  in  der  Tiirkei  verkauft. 

In  Kleinasien  haben  stall  der  Griechen  vorzugsweise  Armenier  den 
Pelzhandel  in  Handen,  doch  sollen  sie  nicht  so  geschickte  Kiirschner  sein  wie 
die  Griechen,  sondern  mehr  den  Handel  mil  den  rohen  Fellen  und  den  fertigen 
Erzeugnissen  betreiben.  Von  der  Tiirkei  und  den  Balkanlandern  wird  auch 
ein  ziemlich  bedeutender  Export  mil  Rauchwaren  nach  Leipzig  betrieben, 
namentlich  Harder,  Fiichse,  Wildkatzen  und  Schakale  in  grossen  Mengen, 
ferner  Schaffelle  und  Schmaschen.  In  Polo  in  Mazedonien  existiert  ein  grosser 
Markt  fur  die  schwarzen  mazedonischen  und  tiirkischen  Schaffelle,  die  zur 
Anfertigung  von  Schalpelzen  dienen.  Die  Gesamtausfuhr  von  Rauchwaren 
aus  der  Tiirkei  diirfte  mehr  als  i  Million  Mark  ohne  die  Schaffelle  betragen. 

In  Rumanien  und  Serbien  werden  heute  vorzugsweise  moderne  Pelz- 
sachen  getragen.  Zum  Teil  kommen  dieselben  aus  Wien,  zum  Teil  werden  sie 
im  Lande  von  Kurschnern  gefertigt.  Hier  liegt  die  Kiirschner ei  aber  nicht  mehr 
in  den  Handen  der  Griechen,  sondern  wird  vorzugsweise  von  Israeliten 
betrieben. 

Eigentiimlich  fur  Rumanien  bleibt  aber  die  Pelzmiitze,  aus  schwarz  ge- 
farbten  Buenos  Ayres- Schmaschen,  die  ausschliesslich  in  Leipzig  fur  diesen 
Markt  ebenso  wie  fur  Ungarn  gefarbt  werden. 


5.    K  a  p  i  t  e  1. 

Skandinavien,  Niederlande  und  tibriges  Europa. 

In  Skandinavien  war  das  ganze  Pelzgeschaft  friiher  in  Abhangigkeit 
von  Liibeck. 

Das  norwegische  Geschaft  wurde  durch  den  Kaufhof  der  Hansen  an  der 
deutschen  Briicke  in  Bergen  vermittelt,  in  dem  Liibeck  den  Vorsitz  fiihrte,  und 
auch  auf  dem  Heringsmarkt  in  Schonen,  der  dem  Pelzhandel  mit  Danemark 
und  Schweden  als  Stapelplatz  diente,  waren  die  liibischen  Kaufleute  die  ersten. 
Mit  dem  Niedergang  der  Hansa  kam  aber  das  heimische  Gewerbe  in  die  Hohe, 
doch  deuten  die  Namen  Bundtmager  in  Danemark  und  Norwegen,  Korsnor  in 
Schweden  auf  den  deutschen  Ursprung.  Es  existieren  verschiedene  Gewerbe- 
gesetze  aus  dem  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert,  welche  auch  Vorschriften  liber  die 
Kurschnerzunfte  enthalten. 

1846  wurden  aber  die  samtlichen  alten  Handwerksgesetze  aufgehoben,  die 
Ziinfte  aufgelost  und  1864  allgemeine  Gewerbefreiheit  eingefuhrt. 

Seit  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  ging  der  Pelzhandel  Liibecks  mit 
Skandinavien  zum  grossen  Teil  in  die  Hande  der  Hamburger  iiber.  Hamburg 
ist  noch  heute  der  Stapelplatz  fiir  nordische  Land  ware,  wieFiichse,  Harder  usw., 
die,  namentlich  aus  Norwegen  stammend,  recht  wertvoll  sind. 

Die  Kiirschnerei  in  Schweden  und  Norwegen  beschrankt  sich  grosstenteils 
auf  Spezialitaten,  wie  Decken  und  Garnituren  aus  Eidergansfellen,  Kormoran- 
fellen,  Weiss-  und  Blaufiichsen.  In  den  grossen  Magazinen  von  Brandt  in  Bergen, 
Bruhns  in  Drontheim  etc.  kaufen  die  Tourist  en  auch  gern  Eisbaren,  braune 
Baren,  Luchse  usw.  mit  naturlichem  Kopf .  Aber  auch  moderne  Pelzgarnituren 
und  Mantel  werden  vielfach  von  Fremden  gekauft,  die  eigentlich  ihren  Ursprung 
naher  der  eigenen  Heimat  haben.  Friiher  bereisten  ausschliesslich  Hamburger 
Geschafte  ganz  Skandinavien  mit  ihren  fertigen  Pelzwaren,  dann,  seit  Anfang 
der  achtziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts,  traten  die  Reisenden  Berliner 
Fabrikanten  mehr  in  den  Vordergrund. 


5-   Kapitel. 


247 


Mil  dem  Steigen  der  Einfuhrzolle  wurde  aber  das  Importgeschaft  fertiger 
Ware  schwieriger,  und  Hamburger  und  Berliner  Hauser  errichteten  Filialen  zur 
Anfertigung  von  Pelzwaren  im  Lande. 

Auch  die  eigene  Fabrikation  skandinavischer  Hauser  erstarkte.  Friiher 
gab  es  neben  den  Detailkiirschnern  eigentlich  nur  zwei  Firmen,  die  fur  den 
Engrosbetrieb  fabrizierten,  die  Firma  Forssel  in  Stockholm  und  die  grosse 
Mantelfirma  J.  Moresco  in  Kopenhagen,  von  denen  die  erstere  aber  vor  etwa 
20  Jahren  die  Zahlungen  einst elite,  wahrend  die  andere  noch  heute  ein  Welt- 
haus  ersten  Ranges  ist.  Jetzt  betreiben  aber  verschiedene  Firmen  die  Engros- 
fabrikation,  von  denen  ich  nur  die  Firmen  Wettergreen  in  Gothenburg  und 
Goldstein  &  Sohn  in  Kopenhagen  und  Malmo  nennen  will.  Alle  diese  Firmen, 


Eskimofrauen  an  Bord  Pearys  Expeditionsschiffes  mit  Zubereiten  erbeuteter  Felle  beschaftigt. 

ebenso  die  der  grossten  Detailgeschafte,  haben  einen  starken  Bedarf  an 
amerikanischen  und  russischen  Rauchwaren,  den  sie  zumeist  in  Leipzig  decken. 
InSchweden  und  im  siidlichenNorwegen  ziehen  zahlreiche  Aufkaufer  im  Lande 
umher,  die  rohe  Landware  aufkaufen;  im  nordlichen  Norwegen,  in  Bergen, 
Drontheim,  Tromso  und  Hammerfest  wird  der  Einkauf  meist  von  den  dort 
ansassigen  Kiirschnern  besorgt.  Nach  diesen  Pelzhandelsplatzen  kommen 
auch  viele  Felle  von  Eisbaren,  Polarfuchsen,  Seehunden,  die  von  den  dort 
beheimateten  Fangschiffen  von  ihren  Fahrten  aus  dem  Eismeer,  Spitzbergen, 
Novaja  Semlja  usw.  mitgebracht  werden.  Fast  alle  diese  Felle  kommen  zu- 
nachst  nach  Hamburg  und  von  dort  zum  grossten  Teil  nach  Leipzig.  In  Kopen- 
hagen ist  auch  der  Hauptsitz  des  Koniglichen  gronlandischen  Handels.  Die 
ganze  Zivilverwaltung  Gronlands  steht  unter  dem  Direktorat  des  Koniglich 
gronlandischen  Handels,  der  fur  Rechnung  der  Regierung  betrieben  wird. 


248       IV.   Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in   Europa  seit  dern  Mittelalter. 

Gronland  1st  zu  diesem  Behufe  in  zwei  Inspekt orate  geteilt.  Nordgronland  mil 
den  Kolonien  Upernavik,  Ormenak,  Ritenbenk,  Jacobshaven,  Kristianshaab, 
Egedesminde  und  Godhavn,  und  Siidgronland  mit  Holstenborg,  Sukkertoppen, 
Godthaab,  Frederikhaab  und  Julianshaab.  Eigene  Schiffe,  friiher  meist  Briggs, 
jetzt  auch  Dampfer,  unterhalten  den  Verkehr  mit  dieser  danischen  Kolonie  und 
bringen  die  Produkte  Gronlands,  Seehundsfelle,  Tran,  Weissfuchs-  und  Blau- 
fuchsfelle,  Eidergansfelle  und  -Decken,  Eisbaren,  Vogelfedern,  Eiderdaunen, 
Narwal-  und  Walrosszahne.  Diese  Waren  werden  zweimal  im  Jahre  in  Kopen- 
hagen  zur  Auktion  gebracht.  In  der  letzten  Zeit  wurden  auch  versuchsweise 
Automobilkleider  versteigert,  die  von  den  kunstfertigen  Handen  der  Eskimo- 
frauen  fur  den  europaischen  Markt  angefertigt  werden.  Der  Wert  dieser 
Ausfuhrwaren  betragt  jahrlich  etwa  i  Million  Kronen,  diedurch  den  gronlandi- 
schen  Handel  dort  eingefuhrten  Waren,  wie  Mehl,  Zucker,  Schiffszwieback, 
Kolonialwaren,  Manufakturwarenusw.  bewerten  sich  auf  etwaeine  halbe  Million, 
und  deckt  der  Gewinn  ungefahr  die  Kosten  der  Verwaltung  der  Kolonie. 

Auch  die  Produkte  Islands,  jener  zweiten  danischen  Kolonie,  die  jetzt  so 
eifrig  die  Losreissung  vom  Mutterlande  betreibt,  finden  zum  grossten  Teil 
ihren  Weg  nach  Kopenhagen.  Es  sind  dies  ausser  den  Produkten  der  Fischerei 
namentlich  Felle  vom  Weissfuchs  und  Blaufuchs,  Seehundsfelle,  Eidergans 
und  andere  Vogelfelle  und  sehr  feine  Schmaschen,  sowie  Eiderdaunen. 
Die  islandische  Wolle  und  islandischen  Ponies  werden  hauptsachlich  nach 
England  exportiert. 

Der  Handel  mit  Rauchwaren  ist  hier  ganz  in  privaten  Handen.  Kurschner 
gibt  es  auf  Island  nicht,  doch  werden  fertige  Pelzwaren  von  Kopenhagen  aus 
eingefuhrt.  Die  Verbindung  findet  durch  regelmassige  Dampfer  statt. 

Anfang  des  17.  Jahrhunderts  war  Amsterdam  ein  Hauptsitz  des  euro- 
paischen Pelzhandels  geworden.  Die  Polargegenden  bei  Spitzbergen  waren 
infolge  der  hollandischen  Entdeckungen  des  grossen  Reichtums  von  Tran- 
tieren  ein  Sammelpunkt  ganzer  internationaler  Fangflotten  geworden,  wie  es 
schon  heute  die  Neufundlanderbanke  fur  den  Kabeljaufang  sind.  Hollandische 
Fahrzeuge  waren  aber  in  der  Mehrzahl.  An  der  Schmerenbergbucht  und  an 
anderen  Stellen  Spitzbergens  befanden  sich  grosse  standige  hollandische  An- 
siedlungen,  und  wurden  hier  haufig  blutige  Kampfe  zwischen  den  Angehorigen 
der  verschiedenen  Nationen  ausgefochten.  Von  hier  aus  gelangten  aber  nicht 
nur  Tran  und  Fischbein,  sondern  auch  die  erbeuteten  zahlreichen  Felle,  wie 
Weissfuchse,  Blaufiichse,  Hermelin,  Seehundsfelle,  Renntierdecken  etc.  nach 
Amsterdam. 

Nach  der  Griindung  Manhattans,  des  heutigen  New  York  im  Jahre  1612 
kamen  dorthin  auch  die  Ertragnisse  des  Tauschhandels  mit  den  Indianern, 
namentlich  Biber  und  Otterfelle,  Fuchsfelle  etc.,  so  dass  nicht  nur  die  gross- 
artig  entwickelte  Industrie  der  Niederlande  mit  den  notigen  Rohstoffen  ver- 
sorgt  wurde,  sondern  auch  nach  Deutschland  etc.  Felle  ausgefuhrt  wurden. 
Erst  mit  dem  Ende  des  Tranfanges  bei  Spitzbergen  und  dem  Verlust  der  nord- 


5-   Kapitel.  240 


amerikanischen  Besitzungen  horte  Holland  auf,  ein  Emporium  des  Pelzhandels 
zu  sein.  Wie  bei  dem  grossen  Reichtum  der  Niederlande,  und  der  Moderichtung 
jener  Zeit,  die  Pelzverbramung  bei  den  Kleidern  jedes  vornehmen  oder  auch 
nur  wohlhabenden  Mannes  vorschrieb,  nicht  anders  zu  erwarten,  bluhte  da- 
mals  in  Amsterdam,  Brugge  etc.  auch  das  Kiirschnergewerbe.  Die  Kurschner- 
zunft  spielte  keine  geringe  Rolle  unter  den  damals  so  machtigen  Zunften.  Mit 
dem  Niedergang  der  Moderichtung,  Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  horte  dies 
auf.  Heute  befinden  sich  in  Holland  nur  wenig  grossere  Kurschnereibetriebe, 
der  grosste  Teil  der  dort  verbrauchten  Pelzwaren  wird  in  fertigem  Zustande 
eingefuhrt,  namentlich  aus  Deutschland.  Als  Spezialitat  des  Landes  ist  aber  die 
Zurichtung  von  Schwanen-  und  Gansefellen  zu  betrachten,  die  gerupft  einen 
grossen  Handelsartikel  bilden.  Daneben  wird  die  Zucht  von  Katzen  gewerbs- 
massig  betrieben,  und  sind  namentlich  die  schwarzen  hollandischen  Katzen 
die  besten. 

Auch  in  B  e  1  g  i  e  n  ,  dem  klassischen  Lande  der  Bliite  des  Handwerks, 
war  lange  Zeit  nach  der  Auflosung  der  Gilden  wahrend  der  franzosischen  Herr- 
schaft  das  Kurschnerhandwerk  ganz  verschwunden,  und  der  Bedarf  an  fertigen 
Pelzwaren  wurde  durch  Einfuhr  aus  Paris  und  Deutschland  gedeckt,  erst  in  den 
letzten  Jahrzehnten  sind  eine  Anzahl  moderner  Kurschnergeschafte  in  Briissel 
und  Antwerpen  entstanden,  meist  von  Auslandern  begriindet.  Dagegen  besteht 
schon  seit  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  eine  bedeutende  Industrie  zum 
Verarbeiten  von  Kaninchenfellen,  die  in  grossen  Fabriken  in  Gent,  Alost, 
Brugge  usw.  zugerichtet,  gefarbt  und  geschoren  werden.  Die  belgischen  Kanin 
sind  bedeutend  kleiner  und  minder wer tiger  als  die  franzosischen,  doch  diirfte 
die  jahrliche  Produktion  10  Millionen  Franks  iibersteigen.  Die  Hauptausfuhr 
findet  nach  Amerika  statt,  an  zweiter  Stelle  steht  Deutschland  an  dritter 
England. 

In  Italien  war  im  Mittelalter  und  wahrend  der  Renaissance  das 
Kurschnerhandwerk  in  hoher  Bliite,  da  Pelzwerk  ein  notwendiger  Bestandteil 
der  vornehmen  Tracht  ausmachte,  was  wir  noch  auf  vielen  Bildern  aus  der 
damaligen  Zeit  sehen  konnen.  Ich  erinnere  nur  an  den  prachtvollen  Luchspelz 
auf  dem  Bilde  von  Tintoretto  im  Berliner  Museum.  Spater  sank  auch  hier 
die  Kiirschnerei.  Im  vorigen  Jahrhundert  wurde  fast  alles,  was  an  Pelzwerk 
gebraucht  wurde,  fertig  eingefuhrt;  jetzt  ist  aber  seit  einem  Jahrzehnt  auch  die 
eigene  Fabrikation  recht  erstarkt  und  namentlich  in  den  letzten  Jahren  be- 
zogen  die  italienischen  Kiirschner  recht  ansehnliche  Posten  Felle  von  Leipzig. 
Ubrigens  liefert  Italien  auch  nicht  unbetrachtliche  Posten  Wildarten,  wie 
Fiichse,  Marder  usw.  die  aber  meist  von  geringer  Qualitat  sind,  und  grosse 
Mengen  meist  guter  Schmaschen. 

In  S  p  a  n  i  e  n  decken  noch  heute  die  dortigen  Kiirschner  ,,mang  iteros" 
(von  manga,  der  Muff)  nur  einen  geringen  Teil  des  nicht  unbedeutenden  Be- 
darfs  des  Landes,  der  weitaus  iiberwiegende  Teil  wird  aus  Frankreich  und 


25O       IV.   Geschichte  des  Ranch warenhandels  in   Europa  seit  dem  Mittelalter 

Deutschland    eingefiihrt.       Die  spanische  Landware,    Fiichse,    Harder    und 
Schmaschen,  findet  ihren  Weg  teils  nach  Paris,  teils  nach  Leipzig  direkt. 

Die  Schweiz  besitzt  seit  langer  Zeit  recht  gute  und  umfangreiche 
Kurschnergeschafte,  fiihrt  aber  doch  jahrlich  fiir  mehrere  Millionen  fertige 
Pelzwaren  ein,  wohl  mindestens  ein  Drittel  des  Konsums.  Die  neue  Zollgesetz- 
gebung  hat  die  Einfuhr  aber  sehr  erschwert.  Sehr  gute  Landware,  wie  Fiichse 
Harder,  Iltis,  Katzen  wird  von  der  Schweiz  geliefert,  namentlich  haben  die 
Schweizerfuchse  einen  guten  Namen.  Die  ganze  Produktion  kommt  nach 
Leipzig. 


6.    K  a  pit  el. 

Asien. 

In  dem  Riesenreiche  China  war  die  edle  Kiirschnerei  schon  seit  dem 
grauen  Altertum  zu  Hause.  Das  kalte  Klima  im  nordlichen  und  mittleren 
China  wahrend  des  Winters  machte  Pelzkleider  zur  Notwendigkeit,  und  gehorte 
feines  Pelzwerk  ausserdem  zur  offiziellen  Fracht  der  Mandarinen.  Meistens 
wurde  einheimisches  Pelzwerk  verarbeitet,  die  verschiedenen  Sorten  Lammfelle 
und  Schaffelle,  namentlich  die  sogenannten  Tibetlammfelle  und  mongolischen 
Lammfelle,  ferner  Kidfelle,  Fiichse  und  Zobel.  Verschiedene  einheimische  Pelz- 
sorten,  die  heute  einen  bedeutenden  Exportartikel  bilden,  wurden  aber  zum 
eigenen  Gebrauch  nicht  verwendet  z.  B.  die  Wieselfelle,  Seefuchse  und  andere. 

Da  die  Form  der  Tracht  stets  Jahrhunderte  lang  dieselbe  blieb,  war  auch 
die  Gelegenheit  zur  Massenanfertigung  von  Pelzf utter  giinstig.  Namentlich  in 
Shansi  existierten  zahlreiche  Grosskurschner,  welche  die  verschiedenen  Felle  zu 
Futter,  hauptsachlich  in  2  Grossen  anfertigent,  die  Maquas  oder  Kreuze  zum 
Fiittern  der  Reitjacken,  und  die  langen  Rocke  mit  verhaltnismassig  schmalen, 
langen  Armeln.  Verhaltnismassig  selten  war  eine  andere  Form,  die  verlangerten 
Kreuzen  glich,  und  im  Pelzhandel  robes  genannt  wurde. 

Angestellte,  Agenten  und  Kunden  dieser  Engroskurschner  verbreiten  die 
Fabrikate  iiber  das  ganze  Reich  bis  in  den  fernen  Siiden,  und  unterhalten 
Verkaufsladen  in  alien  chinesischen  Stadten,  wo  man  auch  die  Futter  mit 
Seidenstoffen  bezogen  als  fertige  Kleidungsstiicke  kaufen  kann.  Besonders  in 
einzelnen  Stadten  finden  sich  ganze  Strassenreihen  nur  mit  Kiirschnerladen 
besetzt,  z.  B.  in  Peking,  Mukden  usw.  Daneben  gibt  es  zahlreiche  chinesische 
Rauchwarenhandler,  aber  in  grosseren  Mengen  erst  seit  Aufkommen  des 
Exporthandels. 

Die  Chinesen  sind  sehr  geschickte  Zurichter,  und  befinden  sich  in  Kalgan 
und  anderen  Platzen  Shansis  und  Shensis  Zurichtereien,  die  mehrere  hundert 
Leute  beschaftigen.  Auch  in  der  Kiirschnerei  sind  sie  sehr  geschickt,  obgleich 
die  Werkzeuge  vielfach  noch  sehr  primitiv  sind.  Das  Kurschnermesser  besteht 
aus  einem  Halbkreis,  und  ausserdem  wird  eine  gewohnliche  Zange  benutzt. 
Eine  ordentliche  Zweckzange  kennt  der  chinesische  Kiirschner  ebensowenig 


252 


IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandcls  in   Asien. 


wie  die  dreikantige  Kiirschnernadcl.  Die  Kiirschner  bildcn  iibrigens  uberall 
eine  starke  Gilde,  welche  die  Arbeitsbedingungen  reguliert.  So  diirfen  z.  B.  im 
Sommer  keine  Kurschnergesellen  langer  als  von  10  bis  4  Uhr  beschaftigt 
werden,  wenn  auch  die  Arbeit  noch  so  sehr  drangen  sollte,  damit  eben  moglichst 
viel  Leute  Beschaftigung  finden,  die  dann  in  der  Saison  gebraucht  werden. 
Von  jeher  liebte  es  aber  das  bessere  Publikum  auch  in  China  aus- 
landisches  Pelzwerk  zu  tragen.  Schon  zurRomerzeit  gab  es  cinen  regelmassigen 
Handelsverkehr  von  China  mil  Bagdad  und  den  Hafen  des  arabischcn  Meeres. 
Seidenstoffe,  aus  denen  die  Romer  nachher  die  sogenannten  koi'schenGewander 
herstellten,  wurden  gegen  Erzeugnisse  des  Abendlandes  ausgetauscht,  und 
hierbei  spielte  Pelzwerk  aus  dem  Scythenlande  und  selbst  den  fernen  Waldern 
Germaniens  keine  unbedeutende  Rolle.  Spater  ging  die  grosse  Handelsroute 


Fell-Lager  eines  chinesischen   Spcichers   (Godown). 

von  Byzanz  aus  langs  des  kaspischen  Meeres  und  durch  Zentralasien  liber 
Samarkand  und  Taschkend  nach  China,  der  auch  spater  Marco  Polo  folgte.  Zu 
jener  Zeit  bestand  ein  lebhafter  Handelsverkehr  auf  dieser  Route  mit  Byzanz 
und  Europa.  Unter  den  Einfuhrartikeln  spielten  damals  Edelsteine  und  kost- 
bares  Pelzwerk,  namentlich  Zobelfelle,  eine  Hauptrolle.  Auch  die  Araber,  die 
im  12.  und  13.  Jahrhundert  einen  grossen  Handel  mit  China  zur  See  unter- 
hielten,  und  einige  standige  Niederlassungen  in  der  heutigen  Provinz  Fokien 
unterhielten,  brachten  Pelzwerk  mit  ins  Land.  Diese  eingefiihrten  Mengen 
waren  aber  nicht  sehr  gross,  und  das  Importgeschaft  mit  Rauchwaren  nahm 
erst  einen  grossen  Aufschwung  nach  der  Eroberung  Sibiriens  durch  die  Russen. 
In  dem  Abschnitt  iiber  ,, Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Russland" 
habe  ich  die  Entwicklung  des  Handels  zwischen  Sibirien  und  China  aus- 
fiihrlich  geschildert,  das  Monopol  der  russischen  Peking-Karawane  fur  den 
Pelzhandel,  und  die  Griindung  von  Kiachta.  Letzteres  war  beinahe  ein  Jahr- 
hundert lang  die  einzige  Stelle,  wo  sich  der  chinesische  Markt  mit  fremdem  Pelz- 


6.   Kapitel. 


253 


werk,  Seotterfellen,  Biber,  Landottern,  Silberfiichsen,  Blau-  und  Rotfiichsen, 
Luchsen  usw.  versorgen  konnte. 

Ende  des  18.  Jahrhunderts  begann  aber  auch  die  Einfuhr  auf  dem  See- 
wege,  namentlich  nach  Canton,  wo  die  ostindische  Kompanie  Faktoreien  be- 
griindet  hatte.  So  schickte  z.  B.  die  Nordwest-Kompanie  schon  1797  13  364 
Biber,  1250  feine  Ottern  und  1724  Kiffiichse  direkt  nach  China.  In  den  Jahren 
1797  bis  1807  kamen  allein  von  der  Sudkuste  von  Siidamerika,  den  Falkland- 
Inseln  und  der  Magellanstrasse  3 1/2  Millionen  Sealskin  nach  Canton,  die  dort 
im  Durchschnitt  fur  15  spanische  Taler  per  Stuck  verkauft  wurden.  Im  Jahre 
1775  hatte  ein  englischer  Kapitan,  James  Heines,  in  einer  kleinen  Brigg  von 
60  Tonnen  zuerst  eine  Fahrt  von  Canton  nach  Nootka  und  nach  Alaska  gemacht 


Chinesische  Rauchwaren-Zurichterei. 

und  war  mit  reicher  Beute  von  Seeotterfellen  zuruckgekehrt.  Auch  von 
Bombay  und  Kalkutta  aus  wurden  mehrere  Schiffe  ausgeriistet,  um  an  der 
amerikanischen  Kiiste  Felle  einzuhandeln  und  in  China  zu  verkaufen.  Im 
gleichen  Jahre  bildeten  mehrere  englische  Kaufleute  die  King  Georgs  Sound 
Company,  mit  dem  ausgesprochenen  Zweck,  zwischen  Amerika  und  China 
Pelzhandel  zu  treiben.  Sie  erhielt  die  notwendigen  Lizenzen  von  der  Ost- 
indischen  Company  und  der  South  Sea  Company  und  riistete  die  Schiffe 
,,King  Georg  Sound",  320  Tonnen,  und  ,,  Queen  Charlotte",  200  Tonnen,  unter 
Kommando  von  Portlock  und  Dixon  aus.  Die  Expedition  ging  von  Gravesrend 
iiber  die  Falkland-Insel  um  Kap  Horn,  und  die  Sandwich-Inseln  nach  der  Kiiste 
von  Alaska  und  brachte  dann  iiber  2000  feine  Prima  Seeottern,  eine  bedeutend 
grossere  Anzahl  geringerer,  sowie  zahlreiche  Fiichse,  Schuppen,  Zobel,  Nerze 
und  Sealskin  nach  Canton.  Seeotterfelle  brachten  damals  in  Canton  80  bis  90 


254 


]V.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Asieru 


Dollar  pro  Stuck,  durch  eine  Verkettung  von  Umstanden  mussten  sie  aber 
von  der  East  India  Company  iibernommen  werden,  die  nur  20  Dollar  pro  Stiick 
zahlte,  also  einen  recht  hiibschen  Gewinn  an  der  Ladung  erzielte.  Auch  die 
russisch-amerikanische  Kompanie  sandte  einen  grossen  Teil  ihrer  Fellausbeute 
teils  nach  Kiachta,  teils  aber  direkt  nach  Canton,  so  dass  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts  jahrlich  uber  20000  Seeotterfelle  nach  China  kamen. 

Wie  wir  in  demAbschnitt  ,,  Geschichte  des  Rauchwarenhandels  inAmerika" 
gesehen  haben,  hatte  auch  Astor  bei  Griindung  von  Astoria  den  direkten  Pelz- 
handel  mit  China  ins  Auge  gefasst.  Durch  die  torichte  Handlungsweise  des 
Kapitan  Sowles,  der  mit  dem  ,, Beaver"  die  erste  Pelzladung  im  Werte  von 


Fell-Packanstalt  in  Tientsin. 


300  ooo  Golddollars  fur  Astor  nach  Canton  brachte,  und  durch  den  englisch- 
amerikanischen  Krieg  musste  das  Unternehmen  aber  aufgegeben  werden. 
Trotzdem  fand  ein  regelmassiger  Export  in  Fellen  nach  Canton  welter  statt,  bis 
nach  Eroffnung  Shanghais  fur  den  fremden  Handel  1840  der  Mittelpunkt  des 
fremden  Pelzhandels  dorthin  verlegt  wurde.  So  schickte  z.  B.  die  russisch- 
amerikanische  Company  1850  2000  Biber  nach  Kiachta,  den  Rest  ihrer  Aus- 
beute  nach  Shanghai,  ebenso  eine  grosse  Partie  Fuchse,  Luchse  und  ameri- 
kanische  Zobel.  8000  Sealskin  gingen  ebenfalls  direkt  nach  China.  Spater 
wurde  der  direkte  Import  von  einigen  deutschen  Hausern  betrieben,  aber  in 
massigem  Umfange.  Es  kamen  und  kommen  noch  heute  Silberkaninfelle  aus 
Frankreich,  Fuchsklauen,  Otterfelle  etc.  aus  Deutschland,  Luchse,  Biberfelle 
etc.  aus  London  dorthin.  Seeotterfelle  sind  heute  fur  den  chinesischen  Markt 


6.   Kapitel.  255 


viel  zu  teuer  geworden.  10  bis  20  Stuck  mogen  aber  immerhin  noch  iiber 
Kiachta  dorthin  kommen.  Aus  Sibirien  kommen  auch  noch  grossere  Mengen 
Eichhornchenfelle  dorthin.  Im  allgcmeinen  ist  aber  die  Einfuhr  fremden  Pelz- 
werkes  in  China  sehr  zuriickgegangen.  Sehr  spat  begann  erst  die  Ausfuhr 
chinesischer  Pelzwaren  nach  Europa.  1785  wurden  in  der  Einfuhrliste  von 
Kiachta  nur  Pant  erf  elle  und  Tigerfelle  aus  China  erwahnt.  Seit  Ende  der 
sechziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  kam  jahrlich  ein  kleines  Quantum 
Tigerfelle  und  chinesische  Zobelkreuze  in  London  bei  Nesbitt  zur  Auktion, 
und  um  diese  Zeit  trafen  auch  die  erst  en  chinesischen  Ziegendecken  auf  dem 
Londoner  Markte  ein,  aber  immer  noch  in  massigen  Quantitaten;  als  1876 
20  ooo  Ziegendecken  angeboten  wurden,  staunte  man  iiber  das  grosse Quantum. 
Heute  werden  etwa  V2  Million  solcher  Decken  exportiert.  Ende  der  siebziger 
Jahre  kamen  die  erst  en  Tibet  f  elle  in  Form  von  Rocken  nach  Nishnij-Nowgorod, 
wo  sie  mit  100  Rubeln  pro  Rock  bezahlt  wurden. 

Ich  war  1887  der  erste,  der  direkt  Pelzwaren  aus  China  nach  Deutsch- 
land  brachte,  und  wurde  dieser  Handelszweig  bald  von  mehreren  Hamburger 
Hausern  mit  grosser  Energie  in  die  Hand  genommen.  Die  ersten  Wieselfelle 
brachte  ich  1891  von  China  in  den  Handel,  5  Jahre  spater  wurden  bereits 
600  ooo  Stuck  davon  eingefiihrt.  Heute  kommt  der  grossere  Teil  der  chine- 
sischen Ausfuhr  nach  Deutschland,  der  Rest  nach  England  zur  Auktion.  Ein 
kleiner  Teil  wird  auch  direkt  nach  Amerika  verschifft.  Von  etwa  100  ooo  Mark 
vor  25  Jahren  ist  heute  der  Wert  der  Pelzausfuhr  von  China  auf  zirka  zehn 
Millionen  jahrlich  gestiegen. 

Hauptsitz  des  Exporthandels  in  chinesischen Fellen  ist  heute  Tientsin  und 
Shanghai,  wohin  die  Felle  aus  alien  Teilen  des  Reiches  meistens  gelangen. 
Jedes  hat  aber  nicht  nur  ein  anderes  Hinterland  und  damit  verbundene  andere 
Fellarten,  sondern  auch  der  Handelsbetrieb  ist  ein  anderer.  Tientsin  beherrscht 
den  ganzen  Norden,  die  Provinzen  Chile,  Shansi,  Shensi,  Kansu,  die  Mongolei 
und  das  feme  Turkestan.  Die  Compradore  der  grossen  europaischen  Firmen 
besitzen  eigene  Filialen  in  Kalgan,  Singanfu,  Lanschanfuh  und  anderen  Orten 
des  Innern,  und  erhalten  von  dort  itamelwolle,  Wolle,  Ziegenhaute,  und  an 
Pelzfellen  namentlich  Tibet  f  elle,  und  andere  Lammfelle  und  die  daraus  ge- 
fertigten  Fabrikate,  Ziegenfelle  and  Decken,  Kidkreuze,  Zobelfelle  und  Kreuze, 
Murmel,  Fiichse,  Steinmarder,  Hundematten,  Fehschweife,  Tiger-  und 
Leopardenfelle.  Auch  verschiedene  chinesische  Grosskaufleute  beziehen  grosse 
Warensendungen  an  Fellen  aus  dem  Innern,  die  dann  an  die  europaischen 
Kaufleute  verkauft  werden. 

Shanghai  beherrscht  den  Handel  des  ganzen  Jangtsetals  bis  nach  dem 
fernen  Kweichow  und  Szechuen,  sowie  die  Nachbarprovinzen  Shantung  und 
Chekiang.  Die  chinesischen  Handler  des  Orts  handeln  aber  nur  selten  als 
Propre-Handler,  sondern  sind  fast  stets  Kommissionare,  welche  die  Felle 
meist  in  Konsignation  erhalten.  Sehr  haufig  kommt  der  Besitzer  der  Waren 
selbst  mit  seiner  Kollektion  angereist,  um  die  Wunder  der  Fremden  zu  sehen,. 


256 


IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Asien. 


und  die  Genusse  von  Fochow  Road  usw.  wahrzunehmen,  denn  eine  Reise  nach 
Shanghai  ist  das  Ideal  jcdes  chinesischen  Kuafmanns.  Nach  Shanghai 
kommen  vom  Jangtsetal  namentlich  Wieselfelle,  Seefiichse  (raccoondogs), 
Pahmis-Ottern,  chinesische  Mufflon  (aus  Chekiang)  Civetcats  usw. 

Auch  die  Erzeugnisse  der  Mandschurei,  Ziegendecken,  Hundef  elle, 
Murmel,  Fehschweife,  Tigerfelle,  Zobel  usw.  gehen  weniger  nach  dem  naheren 
Tientsin  sondern  nach  Shanghai.  Es  kommt  dies  daher,  dass  vor  der  Errichtung 
der  Eisenbahn  das  ganze  Geschaft  der  Mandschurei  in  den  Handen  grosser 


Bilder  aus   Buchara:     Bucharische  Marchenerzahler. 

chinesischer  Shanghai-Firmen  lag,  die  in  Newchwang,  Mukden,  Kirin  usw. 
Filialen  unterhielten.  Die  europaischen  Export eure  kaufen  auch  meist  nur  auf 
feste  Ordre,  indem  sie  die  betreffende  Sendung  von  den  Chinesen  3  Tage  fest 
an  Hand  bekommen,  und  nun  nach  Europa  oder  Amerika  telegraphisch  an- 
stellen.  Es  ist  dies  die  billigste  Art  des  Geschafts.  Der  Exporteur  kann  sich 
dabei  mit  einem  Nutzen  von  4  bis  5  Proz.  begniigen,  denn  er  trassiert  sofort 
gegen  die  Verladungsdokumente  und  erhalt  den  vollen  Betrag  seiner  Tratte 
zum  Tageskurse  von  der  Bank  ausgezahlt. 

Neuerdings  betreiben  aber  verschiedene  Firmen,  die  in  Europa  eigene 
Filialen  haben,  das  Geschaft  spekulationsweise,  indem  sie  die  Fellsendungen 


^  Kapitel. 


257 


fur  ihre  eigcne  Rechnung  nach  Hamburg,  Bremen  oder  London  an  ihre  eigenen 
Filialen  konsignieren,  wobei  sie  von  den  Banken  meist  Vorschuss  erhalten.  Es 
stellt  sich  dieser  Modus  natiirlich  bedeutend  teurer,  da  erstens  viel  Zinsen  ver- 
loren  gehen,  bis  dass  der  Erlos  fiir  die  Waren  wieder  in  China  ist,  und  ferner 
kann  der  Exporteur  sein  Kapital  auch  viel  seltener  umsetzen,  muss  also 
auch  einen  entsprechenden  hoheren  Nutzen  haben. 

Der  Chinese  erhalt  iibrigens  in  Shanghai  in  alien  Fallen  sofort  Kasse  fiir 
seine  Waren,  wie  er  auch  fiir  alle  von  ihm  gekaufte  Waren  Kasse  zahlen  muss. 
In  Tientsin  beteiligen  sich  aber  die  chinesischen  Kaufleute  haufig  selbst  an 
solchen  Konsignationen  nach  Europa,  indem  sie  sich  mit  einem  Vorschuss  be- 


Bilder  aus  Buchara:     Sartische  Persianer-Handler  beim  Mahle. 

gniigen.  Auch  die  Compradore  beteiligen  sich  sehr  haufig  daran.  Der  Nutzen 
dieser  Geschafte  hangt  natiirlich  sehr  von  der  jeweiligen  Konjunktur  in  Europa 
ab.  Die  chinesischen  Rauchwarenhandler  haben  selbst  verstandlich  auch  ihre 
Gilde,  welch e  bei  ihren  taglichen  Zusammenkiinf ten  nach  Angebot  und Nachf rage 
den  Tagespreis  bestimmt.  In  den  letzten  Jahren  sind  iibrigens  auf  dem  Markt 
in  Shanghai  die  J  a  p  a  n  e  r  als  starke  Einkaufer  fiir  bestimmte  Artikel  auf- 
getreten.  Im  allgemeinen  1st  der  Pelzhandel  in  Japan  von  viel  geringerer 
Bedeutung  als  in  China.  Die  Japaner  selbst  verwendeten  nicht  viel  Pelzwerk 
zur  Kleidung;  nur  die  japanischen  Otter felle  wurden  gerupft  zu  Mantelkragen 
verarbeitet  und  Fuchsfelle  und  die  Felle  des  japanischen  Seefuchses,  denen  die 
Oberhaare  zur  Pinselfabrikation  ausgerupft  sind,  werden  zu  Pelzfutter  ver- 
wendet.  Die  Pelzhandler  dort  gehorten  ebenso  wie  die  Hautehandler  und  die 

17 


258 


IV.    Geschichte  des  Ranchwarenhandels  in  Asien. 


Schlachter  zur  verachteten  Pariakastc  dcr  Etahs,  die  noch  heute,  obgleich  sie 
seit  1868  vollkommene  gesetzliche  Gleichberechtigung  besitzen,  und  durch  den 
Ausfuhrhandel  vielfach  reich  geworden  sind,  eine  sehr  geringe  soziale  Stellimg 
einnehmen.  Konnten  doch  vor  einigen  Jahren  die  Pelzhandler  und  Haute- 
handler  in  Tokio  keinen  Saal  zur  Abhaltung  von  Festlichkeiten  erhalten. 


Bilder  aus  Buchara:     Breitschwanzfelle  werden  an   der   Sonne  getrocknet. 

Der  Exporthandel  in  Fellen  ist  auch  erst  jungen  Datums.  Ich  war  im  Jahre 
1887  der  erste,  der  japanische  Felle  direkt  einfiihrte.  Jetzt  belauft  sich  die 
Ausfuhr  an  Seefuchsen,  japanischen  Nerzen,  japanischen  Mardern,  Dachsen  etc. 
auf  mehrere  Millionen  jahrh'ch,  ungerechnet  die  Resultate  des  Seehund-  und 
Seeotterfanges  auf  offener  See. 

Bis  1896  war  kein  einziges  japanisches  Fahrzeug  an  dieser  Industrie 
beteiligt;  amerikanische  und  kanadische  Schoner  kamen  an  die  japanische 
Kiiste  zum  Fang.  Nur  ein  Schoner  von  Yocohame,  einern  Deutschen  gehorig, 
betrieb  den  Seeotterfang  an  der  Kiiste  von  Jesso  und  der  Kurilen. 

Infolge  des  englisch-amerikanischen  Abkommens  des  genannten  Jahres  in 
Paris,  zu  dem  Japan  nicht  eingeladen  wurde,  wandten  sich  aber  zahlreiche  japa- 
nische Schoner  dieser  Industrie  zu,  wo  sie  ihrer  Flagge  bedeutende  Vorteile  ver- 


6.   Kapilcl.  259 


danken.  Sie  schwarmen  das  ganze  Jahr  hindurch  an  der  amerikanischen  Kiiste, 
indem  sie  den  schwimmenden  Seehundsscharen  folgen,  und  umlagern  wahrend 
der  Saison  die  Pribiloffinseln  bis  dicht  an  die  3  Seemeilengrenze,  die  sie  auch  oft 
genug  iiberschreiten,  wahrend  die  Fahrzeuge  der  anderen  Nationen  60  See- 
meilen  entfernt  bleiben  miissen,  und  auch  sonst  durch  verschiedene  Vor- 
schriften  gehemmt  sind,  denen  die  Japaner  nicht  unterworfen  sind.  Der  Hoch- 
seefang  ist  deshalb  fur  Japan  sehr  lukrativ  geworden,  und  bring!  dem  Lande 
jahrlich  jedenfalls  mehrere  Millionen  ein.  Wenn  aber  nicht  bald  Schritte  getan 
werden,  diirften  durch  die  Schuld  Japans  die  Pelzseehunde  ebenso  ausgerottet 
werden.  wie  es  die  Seeotter  schon  ziemlich  ist. 


Bilrler  aus  Buchara:   Persianerfelle  in  der  Beize. 

In  K  o  r  e  a  war  der  Pelzhandel  von  jeher  unbedeutend.  Gefarbte  Wiesel- 
felle,  die  aus  China  kamen  und  Streifen  Otterfelle  wurden  zum  Schmuck  der 
Kleidung  in  geringem  Umfang  verwendete.  Tigerfelle  und  die  sehr  schonen 
Leopardenfelle  wurden  fur  die  Vornehmen,  die  ,,  Yenbans"  erworben,  um  als 
Zeichen  des  Ranges  iiber  die  Stiihle  der  Empfangshalle  gebreitet  zu  werden. 
Bis  zur  Besitzergreifung  des  Landes  war  auch  der  Ausfuhrhandel  an  Pelzwerk 
kaum  nennenswert,  jetzt  aber  betragt  der  Wert  etwa  i  Million  jahrlich,  die 
teils  zur  See  nach  Japan,  teils  auf  dem  Landwege  nach  Mukden  und  Newchwang 
gelangen.  Es  sind  ausser  Tiger-,  Leoparden-  und  Barenfellen,  hauptsachlich 
Kolinsky  und  Seefiichse. 

Zentralasienist  fur  die  Pelzwaren-Industrie  von  nicht  geringer  Be- 
deutung.  Die  Kirgisen  und  die  Kalmucken  lieben  Pelzwerk  zum  Schmuck  ihrer 


26o 


IV.   Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Asien. 


Kleider  zu  verwenden,  namentlich  Fuchsfelle  zum  Fiittern  der  Chalate,  jener 
langen  zur  Nationaltracht  gehorigen  kaftanartigen  Rocke,  fiir  welche  die 
minder  Bemittelten  die  einheimischen  Schaffelle  verwenden.  Fiir  Miitzen, 
Kragen,  Verzierungen  und  dergleichen  werden  Otterfelle  gebraucht,  und  zwar 
neben  den  geringeren  deutschen  Landottern  namentlich  die  flachen  chinesischen 
und  siidamerikanischen  Ottern.  Der  Pelzhandel  in  Zentralasien  liegt  fast  aus- 
schliesslich  in  den  Handen  der  Tataren,  die  auch  die  verschiedenen  Produkte 
des  Landes,  wie  Wolle,  Kamelwolle,  Federn,  Pferdehaare,  Felle  und  Haute 


Bilder  aus  Buchara:   Bucharische   Kanfer  von   Karakulfellen. 

zur  Ausfuhr  bringen.  In  den  grossen  Kaufhofen  tatarischer  Kaufleute  in 
Moskau  liegen  haufig  fiir  viele  Millionen  solcher  Waren  aufgehauft,  alles  unver- 
sichert,  da  dieses  Allah  vorgreifen  heissen  wiirde,  denn  ,,es  kommt  doch  wie  es 
vorgeschrieben",  wozu  also  das  Geld  fiir  die  Versicherungspramien  ausgeben. 
Diese  tatarischen  Kaufleute,  die  friiher  sehr  viel  Geld  verdienten,  haben  aber 
ihr  Exportgeschaft,  namentlich  in  Rauchwaren,  sehr  eingeschrankt  gesehen, 
seit  der  Ausdehnung  des  Bahnnetzes  in  Zentralasien.  Moskauer  und  Kasaner 
Agenten,  Leipziger  und  auslandischer  Hauser  besuchen  die  Hauptknotenpunkte 
Zentralasiens,  wie  Orenburg,  Taschkent,  Samarkand  selbst  und  kaufen  dort 


6.  Kapitel. 


26l 


Murmel  und  die  anderen  Erzeugnisse  auf.  Namentlich  nach  der  Bucharei 
kommen  sogar  Leipziger  Rauchwarenhandler  direkt,  um  die  Persianer  Lamm- 
felle,  Breitschwanze  etc.  direkt  von  Produzenten  oder  doch  den  erstenSammlern 
zu  kaufen.  Das  Leipziger  Haus  Thorer  war  das  erste,  welches  sich  auf  diese 
Art  von  dem  Zwischenhandel  der  Tatar  en  emanzipierte.  Nur  die  afghanischen 
Rauchwaren,  namentlich  Breitschwanze  und  Persianerlammfelle,  kommen 
noch  durch  Karawanen  nach  den  grossen  Stapelplatzen  an  der  Bahn,  wo  sie 
dann  erst  in  die  Hande  europaischer  Agenten  iibergehen.  Besonders  geschickt 


Bilder  aus  Buchara:     Burg  des  Emir  v.  Buchara,    des  grossten    Persianerziichters  der  Welt. 

sind  die  Kiirschner  Zentralasiens  nicht,  wenngleich  das  Gewerbe  dort  bereits 
ein  uraltes  ist. 

Auch  inPersien  exist iert  von  Alters  her  die  wohllobliche  Kurschner- 
zunft,  die  ja  auch  in  der  Anfertigung  der  zur  Nationaltracht  gehorigen  be- 
kannten  schwarzen  Lammfellmutzen  reichlich  Beschaftigung  findet.  Friiher 
wurden  auch  sehr  viele  pelzgefutterte  Kaftane  getragen,  namentlich  mitFuchs, 
Zobel  usw.,  wie  in  der  Tiirkei.  Nachdem  aber  der  schwarze  einreihige  Gehrock 
der  ,,Stambuli",  den  Kaftan  immer  mehr  verdrangt,  hat  auch  die  Mode  des 
Pelzf utters  nachgelassen,  trotzdem  es  im  Winter  in  Persien  oft  recht  kalt  ist. 


262  IV.    Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Asicn. 

Die  Ausfuhr  der  pcrsischen  Rauchwarenproduktion  findct  iiber  die  Hafcn  des 
kaspischen  Meeres  statt,  und  gelangt  iiber  Baku,  Astrachan  und  schliesslich 
iiber  Nishny  in  den  Welthandel. 

Der  Pelzhandel  in  I  n  d  i  e  n  beschrankt  sich  hauptsachlich  darauf,  Felle  in 
ziemlich  grober  Art  zuzurichten  und  den  Touristen  in  Simla,  Darjiling  und 
den  anderen  Hiigelstationen  zu  verkaufen.  In  den  Welthandel  gelangt  nur 
eine  verhaltnismassig  kleine  Zahl  von  Tiger-,  Leoparden-  und  Barenfallen. 

Eine  zeitlang  kamen  recht  hiibsche,  wenn  auch  schlecht  zugerichtete 
Fellchen  der  gestreiftcn  Eichhornchen  auf  den  Markt,  die  sehr  nette  Pelz- 
futter  abgaben,  doch  habe  ich  seit  langer  Zeit  keine  mehr  gesehen.  Einen  regel- 
rechten  Pelzhandel  gibt  es  in  Indien  ebensowenig  wie  ein  Kurschner-Gewerbe. 
Die  Hindus  wiirden  dies  auch  als  unrein  betrachten,  wie  sie  ja  auch  moglichst 
vermeiden,  Tiere  zu  toten.  Die  in  den  einzelnen  Dorfgauen  als  Jager 
angestellten  Shikarees  begniigen  sich  auch  wohl  damit,  den  Raubtieren  Fallen 
zu  stcllen.  Die  Jagd  als  Beruf  iiben  eigentlich  hauptsachlich  nur  die  vordra- 
vidischen  Bergstamme,  wie  die  Ghonds  usw.  aus,  welche  denn  auch  die  Felle 
ihrer  Jagdbeute  zum  Verkauf  bringen. 

Der  Pelzhandel  in  T  i  b  e  t  ,  das  so  schonc  und  seltene  Pelztiere  birgt,  ist 
noch  gar  nicht  entwickelt,  das  wenige,  das  von  da  aus  in  den  Welthandel 
kommt,  gelangt  iiber  die  Grenzstation  Ta  Tien  Liin  nach  der  chinesischen 
Provinz  Szechuen.  Hier  ist  noch  viel  fur  die  Zukunft  zu  erwarten. 


7.    K  a  pit  el. 

Uebrige  Weltteile. 

In  S  ii  d  a  m  e  r  i  k  a  ist  das  Zentrum  des  Rauchwarenhandels  Buenos 
Aires,  doch  ist  auch  hier  erst  in  neuerer  Zeit  ein  grosserer  Umfang  desGeschafts 
cingetreten.  Die  Hauptartikel  sind  Nutria  und  Chinchillas. 

1864  gibt  Lomer  die  Zahl  der  nach  Leipzig  gebrachten  Nutriafelle  auf 
50  ooo  Stuck  im  Werte  von  50  ooo  Taler  an,  und  Chinchillas  30  ooo  im  Wert 
von  24  ooo  Taler,  und  an  anderer  Stelle  die  Gesamtproduktion  Sudamerikas 
auf  3  Millionen  im  Werte  von  400  ooo  Taler,  und  auf  100  ooo  Chinchillas  im 
Werte  von  80  ooo  Taler.  Die  Hauptmenge  der  Nutria  wurde  damals  zur 
Filzfabrikation  fur  Hutmacherzwecke  verwendet,  fur  die  Rauchwaren- 
Industrie  wurde  nur  ein  kleiner  Teil  verwendet.  Sie  wurden  teils  mit  den  langen 
Grannenhaaren  gefarbt,  und  vom  Kurschner  als  ,,Affenfelle"  verwendet,  teils 
gerupft  naturell  verarbeitet.  Der  Umstand  aber,  dass  die  Grannenhaare  beim 
Rupfen  stets  abbrechen  und  hasslich  aussehende  Stumpfen  am  Fell  zuruck- 
bleiben,  hinderte  die  grossere  Verwendung.  Erst  als  man  vor  etwa  20  Jahren 
anfing,  dieFellegleich  beim  Zurichten  durch  einen  Schwitzprozess  zu  enthaaren, 
wuchs  der  Konsum  ungeheuer.  Heute  werden  etwa  i  Million  Nutriafelle  fur 
Pelzzwecke  und  etwa  i  Million  fur  Filzzwecke  verarbeitet,  doch  hat  die  Zufuhr 
in  den  letzten  2  Jahren  sehr  stark  abgenommen.  In  Chinchillas  hat  das 
Quantum  recht  stark  nachgelassen,  so  dass  heut  kaum  mehr  als  10000  echte  und 
40000  Bastardfelle  in  den  Handel  kommen*),  doch  ist  der  Wert  enorm  gestiegen. 
Das  kleine  Quantum  hat  heute  einen  Wert  von  etwa  i%bis  2  Millionen  Mark. 
In  Schmaschen-  und  Lammfellen  ist  die  Produktion  infolge  verbesserter  Zucht- 
methoden  erheblich  zuriickgegangen,  belauft  sich  aber  immerhin  noch  auf  be- 
deutende  Summen.  In  Argentinien  ist  der  Rauchwarenhandel  schon  gut 
organisiert.  Aufkaufer,  meist  Griechen,  Syrer,  Italiener  und  dergleichen  durch- 
ziehen  das  Innere  und  kaufen  Felle  und  andere  Rohprodukte  auf,  ebenso 


*)  Augenblicklich  ist  auch  diese  Ziffer  noch  bei  weitem  zu  hoch  gegriffen,  da 
die  Zahl  der  Tiere  so  stark  abgenommen  hat,  dass  Chile  ein  Fangverbot  fur  5  Jahre 
erlassen  hat. 


264 


IV.   Uebrige  Weltteile. 


nehmen  die  Inhaber  der  Vendas,  der  primitiven  Verkaufsladen  und  Schnaps- 
schenken,  Felle,  Rosshaare  und  dergleichen  in  Zahlung.  Die  grossen  Export- 
hauser  haben  ihre  eigenen  Baraquas  im  Innern,  wo  alle  Sorten  Landesprodukte 
gesammelt,  sortiert,  oder  wie  man  es  dort  nennt,  ,,klassiert"  und  verpackt 
werden.  Die  Hauptmenge  der  Produkte  gelangt  aber  nach  Buenos  Aires,  nicht 
nur  von  Argentinien,  sondern  auch  von  Montevideo.  Die  grossten  Provinz- 
geschafte  senden  ihre  Kollektionen  dahin,  und  auch  viele  kleinere  Handler 
reisen  mil  ihren  Waren  nach  dem  Paris  Amerikas,  um  auch  einmal  wieder  mit 
der  Kultur  in  Beriihrung  zu  kommen.  Bekanntlich  ist  Buenos  Aires  heute  nicht 
nur  ein  Emporium  des  Welthandels,  sondern  cine  Statte  der  raffiniertesten 
Luxusentfaltung.  Der  Verkauf  der  dort  auf  den  Markt  gebrachten  Erzeugnisse 
geschieht  auf  die  verschiedenste  Weise,  entweder  freihandig  oder  durch 
Auktionen. 

Zum  Teil  werden  grossere  Partien  auch  im  mundlichen  und  schriftlichen 


Lager  eines  Nutria- Jagers  am  River  Uruguay. 

Submissionsverfahren  plaziert,  ein  Verfahren,  das  sich  namentlich  grosser  Vor- 
liebe  von  seiten  der  argent inischen  Verkauf er  erfreut,  weniger  aller dings  der 
exportierenden  Einkaufer,  da  hierdurch  bei  der  Rivalitat  der  letzteren  haufiig 
ganz  ungerechtfertigte  Haussen  hervorgerufen  werden.  Nutrias  werden  hierbei 
stets  nach  Gewicht,  die  iibrigen  Rauchwaren  nach  Stiickzahl  gehandelt. 

Ausser  den  oben  genannten  Fellen  kommen  noch  Pampafiichse  und 
patagonische  Fiichse,  etwas  Tigerkatzen  (gatos  montese  und  gatos  pay  eras), 
etwas  patagonische  Ottern,  Seehunde  usw.  an  den  Markt.  Die  schonen  von  den 
Indianern  angefertigten  Guanacodecken  fehlen  seit  der  Ausrottung  derPampas- 
Indianer  unter  General  Rocca  ganzlich,  statt  dessen  kommen  die  Felle  der 
jungen  Guanacos  ungegerbt  in  den  Handel. 

Der  gesamte  Export  von  Rauchwaren  von  Argentinien  diirfte  sich 
meines  Erachtens  nach  wohl  auf  8  bis  10  Millionen  Mark  jahrlich  belaufen.  Der 
iiberwiegend  grossere  Teil  davon  geht  durch  Hamburger,  Antwerpener  und 
Leipziger  Hauser.  London  spielt  eine  verhaltnismassig  unbedeutende  Rolle. 


y.  Kapitel. 


265 


(Die  gesamte  Einfuhr  Deutschlands  aus  Argentinien  1st  ca.  450  Millionen  Mark 
jahrlich.)  An  der  Kiiste  von  Uruguay  sowie  an  der  patagonischen  Kiiste  wird 
Jagd  auf  Pelzseehunde  gemacht,  der  en  Ertragnis  nach  London  geht.  Es 
exist ier en  iibrigens  auch  einige  Kurschnereibetriebe  in  Argentinien  und 
Uruguay,  die  aber  ausser  Satteldecken,  Teppichen  meist  nur  billige  Pelzgegen- 
stande  anfertigen,  dagegen  wird  ein  nicht  unbedeutender  Einfuhrhandel  mit 
feinen  Pelzwarensorten  betrieben.  Hiervon  kommt  der  grossere  Teil  aus  Paris, 


Bilder  aus  Buchara:  Die  gebeizten  Persianerfelle  werden  zur  Wasche  getragen. 

ein  anderer  aus  Wien.  Die  Berliner  Pelzkonfektion  hat  sich  noch  verhaltnis- 
massig  wenig  daran  beteiligt. 

Der  Fang  der  Pelzseehunde  auf  den,  gegeniiber  Maldonaldo  an  der 
La  Plata-Miindung  gelegenen,  Uruguay  gehorigen  Lobos-Inseln  ist  an  eine 
englische  Gesellschaft  verpachtet.  Seit  einigen  Jahren  kommen  kanadische 
Seehundschoner  aus  Halifax  regelmassig  zum  Fang  an  diese  Kiiste  und  haben 
recht  gute  finanzielle  Erfolge  gehabt.  Die  erbeuteten  Felle  werden  gewohnlich 
in  Montevideo  ausgeladen  und  nach  London  verschifft. 

In  Chile,  das  ebenfalls  einen  nicht  ganz  unbetrachtlichen  Pelzhandel 
hat,  ist  dieser  aber  nur  sehr  wenig  organisiert.  Aus  den  nordlichen  Teilen  des 


266 


IV.   Uebrige  Weltteile. 


Gebietes  kommen  Chinchillas,  Bastard-Chinchillas  etc.,  die,  ebenso  wie  das  in 
Peru  und  Bolivien  der  Fall  ist,  meist  in  Form  von  Bank-Rimessen  nach  Europa 
verschifft  werden,  sonst  bilden  nur  Otterfelle  aus  dem  siidlichen  Chile  sowie  die 
von  chilenischen  Fangschonern  an  der  Kiiste  der  Provinz  Chiloe  und  der 
Magellanstrasse  erbeuteten  Otterfelle  und  Pelzseehundsfelle  einen  namhaften 
Exportartikel,  die  aber  immer  nur  gelegentlich  nach  Hamburg  oder  London  ge- 
sendet  werden,  ohne  dass  es  zu  einem  gcregelten  Handelsbetrieb  gekommen  ist. 


Bilder  aus  Buchara:   Persianerhandler  im    Karakulbazar. 

Noch  mehr  ist  dies  der  Fall  in  Brasilien  und  Venezuela,  die  sehr  schone 
Felle  liefern  konnen,  ohne  dass  es  bisher  zu  irgend  einem  nennenswerten 
Export  gekommen  ist.  Paraguay,  das  eine  grossere  Produktion  hat,  betreibt 
darin  keinen  direkten  Export,  die  Felle,  namentlich  Nutria,  Pantherkatzen, 
Jaguarfelle  usw.  kommen  ebenso  wie  die  Erzeugnisse  des  auf  dem  anderen  Ufer 
des  Stromes  gelegenen  argentinischen  Gran  Chaco-Gebiet  auf  dem  Wasserwege 
nach  Buenos  Aires. 

Australian. 

Der  Pelzhandel  Australiens  ist  verhaltnismassig  jungen  Daturas.  Heinrich 
Lomer  beziffert  in  seinem  im  Jahre  1864  erschienenen  Buche  die  jahrliche 


y.  Kapitel. 


267 


Hudson's  Bay,  Fort  in  Labrador. 


Produktion  Australiens  an  Opos- 
sumfellcn  auf  30  ooo  Taler.  Er 
schreibt  bei  dem  Artikcl  ,, Opos- 
sum" an  einer  anderen  Stelle  ,,die 
Neuhollander  verarbeiteten  sie  oft 
zu  Dccken  und  vertauschten  sie 
an  die  Ansiedler,  auf  welche  Weise 
sie  gelegentlich  in  den  Handel 
kamen,  sie  haben  indessen  keinen 
festen  Wert".  Im  Jahre  1876,  als 
ich  zum  ersten  Male  die  Londoner 
Auktion  besuchte,  war  die  Zahl 
auf  2 — 300  ooo  Stuck  gestiegen, 
wahrend  jetzt  etwa  2  Millionen 

Stuck  jahrlich  an  den  Markt  kommen,  deren  Wert  allerdings  stark  schwankt, 
augenblicklich  etwa  4  Mark  per  Stuck  durchschnittlich  ist,  eine  Preislage  aller- 
dings, wie  sie  seit  vielen  Jahren  nicht  mehr  eingetreten  ist.  Wallabys,  Kanguruh, 
Wombats  usw.  erwahnt  Lomder  gar  nicht,  In  den  siebziger  Jahren  kamen  etwa  20 
bis  30000  Wallabys  undKanguruhs,  die  aber  damals  sehr  billig  verkauft  wurden, 
von  2 — 6  d  per  Stuck,  Wombats,  etwa  5 — 10  ooo  Stuck  brachten  4 — 6  d.  Auch 
diese  Zahl  hat  sich  bedeutend  vermehrt,  von  den  verschiedenen  Sorten  Wallabys 
kommen  jetzt  jshr  ich  600  ooo  im  Durchschnittswerte  von  ca.  2  bis  3  Mk.  per 
Stuck,  Wombats  etwa  200  ooo  im  gleichenWerte.  Auch  von  Artikeln  wie  Beutel- 
dachsen  ,, bandicoots"  von  denen  friiher  nur  geringe  Quantitaten  unter  den 
sundries  sich  fanden,  gibt  es  heut  vielleicht  100000  Stuck  jahrlich.  Kanguruh- 
ratten,  ringtails  und  nativecats  kommen  inverhaltnismassig  kleinenMengen,  die 
in  den  letzten  20  Jahren  keine  Vergrosserung  erfahren  haben.  In  Kanguruh fellen 
kommen  entschieden  weniger  als  noch  vor  20  Jahren,  da  diese  grossen  Beutel- 
tiere  durch  die  zunehmende  Besiedelung  seltener  geworden  sind.  Em  sehr 
starker  Riickgang  hat  aber  in  Tasmanien  stattgefunden,  welches  die  feins-ten 
Opossums,  sowohl  grosse  graue,  als  die  teueren  schwarzen  liefert.  Von  diesen 
kommt  und  der  vierte  Teil  des  Quantums,  das  noch  vor  20  Jahren  angebracht 
wurde.  Diese  schwarzen  Opossum,  die  einen  Wert  von  10 — 15  Mk.  per  Stuck 
haben,  sind  besonders  in  Russland  gesucht.  Der  Pelzhandel  ist  nun  in 
Australien  schon  ziemlich  organisiert.  In  den  Stadten  des  Innern  kaufen 
Aufkaufer  diese  Felle  nebst  anderen  Produkten  auf,  namentlichKaninchenfelle, 
die  ja  zum  Teil  zur  Pelzfabrikation  benutzt  werden,  aber  einen  sehr  bedeuten- 
den  Handelsartikel  fur  die  Filzfabrikation  bilden.  Auch  Gerberrinden  (wattle 
bark  und  mimosa  bark)  werden  von  diesen  kleinen  Handlern  gekauft.  Diese 
Sammlungen  gehen  nun  nach  den  grossen  Stapelplatzen  Sidney,  Melbourne, 
Adelaide,  Brisbane  usw.  und  werden  hier  zum  grossten  Teil  in  Auktioneri, 
zum  kleinen  Teil  freihandig  verkauft.  Hier  werden  sie  teils  von  den  grossen 
Exporthausern,  teils  von  Spekulanten  angekauft  und  nach  London  in  die 


268 


IV.  Uebrige  Weltteile. 


Handelsschooner  an  der  Labrador-Kiiste. 


Auktion  geschickt.  Wahrend  nun 
friiher  das  meiste  in  die  Auktions- 
speicher  von  Flack  Chandler, Culver- 
well  Brooks  &  Cotton,  Nesbitt, 
Dyster  Nalder  usw.  kam,  gelangt 
seit  iiber  einem  Jahrzehnt  etwa  nun 
9/io  der  ganzen  Londoner  Einfuhr 
australischer  Felle  bei  C.  M.  Lamp- 
son  &  Co,  zur  Auktion. 

Im  Verhaltnis  zuNordamerika, 
wo  heute  50  Proz.  und  zu  China, 
wo  heute  etwa  80  Proz.  der  Ausfuhr 
unterUmgehung  von  London  direkt 
auf  Order  nach  den  Konsumlandern  geht,  ist  der  direkte  Export  von  Australien 
verhaltnismassig  gering.  Zwar  beziehen  Hamburger  und  Leipziger  Handler 
bereits  nicht  unbedeutende  Posten  direkt,  und  auch  die  Ausfuhr  nach  den  Ver- 
einigten  Staaten  ist  nicht  klein,  immerhin  diirften  doch  ca.  80  Proz.  der  Ausfuhr 
ihren  Weg  zunachst  nach  London  finden,  wo  aber  der  bei  weitem  grosste  Teilin 
die  Hand  Leipziger  Hauser  iibergeht.  Besondcrs  die  weitere  Bearbeitung,  das 
Farben  usw.  der  Wallabys  ist  Spezialitat  Leipziger  Hauser.  Ganz  der  Neuzeit 
angehorig  ist  iibrigens  der  Export  von  australischen  Fuchsfellen.  Urspriinglich 
zur  Vertilgung  der  Kaninchen  eingefuhrt,  verfehlten  die  Tiere  diesen  Zweck 
undheut  bereits  betragt  die  Zahl  australischer  Fuchsfelle  die  zum  Versand 
kommen  ca.  50  ooo  Stuck  jahrlich. 

Dagegen  ist  die  Zahl  der  australischen  Silberkanin  im  Riickgange  be- 
griffen.  Zu  den  Auktionen  australischer  Felle,  zu  denen  sonst  jahrlich  50  bis 
100  ooo  Stuck  kamen,  findet  man  sie  seit  Jahren  nicht  mehr.  Wohl  kommen 
noch  cine  Anzahl  Ballen  bei  den  Auktionen  australischer  Kaninchenfelle  vor, 
doch  sind  diese  nicht  alle  zum  Rauchwarenzwecke  geeignet.  Ein  grosseres 
Quantum  von  30 — 40  ooo  Stuck  wird  direkt  nach  China  exportiert.  Die 
Kurschnerei  ist  in  Australien  noch  nicht  sehr  entwickelt.  Es  gibt  zwar  eine 
Anzahl  Kurschnergeschafte,  die  aber  meistens  nur  heimische  Erzeugnisse 
verarbeiten  und  namentlich  aus  Opossum,  Schnabeltier,  Kanguruh  usw. 
hiibsche  Wagendecken  herstellen,  die  sehr  hoch  bezahlt  werden.  Auch  aus 
Emufellen,  dem  australischen  Strauss,  werden  Wagendecken  und  besonders 
Teppiche  angefertigt.  Da  in  den  australischen  Stadten  bei  der  Wohlhabenheit 
des  Landes,  namentlich  zur  Zeit  hoher Wo llpreise  grosser  Luxus  getrieben  wird, 
so  werden  nicht  unbedeutende  Mengen  feinenPelzwerkes,  wieechte  Sealpaletots, 
Stolas  usw.gekauft,  die  aber  fast  alle  von  London  bezogen  werden,  wenn  sie  auch 
zum  Teil  deutschen  Ursprungs  sein  mogen.  Ein  direkter  Export  fertiger  Pelz- 
waren  aus  Deutschland  nach  Australien  findet  noch  wenig  statt .  Die  australischen 
Kurschner  sind  auch  auf  Anfertigung  von  Gegenstanden  aus  fremdem  Pelzwerk 
wenig  eingerichtet.  Hier  liegt  fur  den  deutschen  Pelzwarenfabrikanten  noch  ein 


7-  Kapitel. 


269 


Fellverladung  in  Labrador. 


gutes  Feld   der  Betatigung.     Der 

Pelzhandel  der  Siidsee  hatte  in 

den  sechziger  Jahren  des  vorigen 

Jahrhunderts  einen  guten  Klang. 

Auch  Lomer  ziehti863  noch  die  Pro- 

duktion   von  Siidanierika,  Afrika, 

Australien  und  den  Siidsee-Inseln 

in   einer   Tabelle  zusammen.     Es 

handelt  sich  aber  bei  diesen  Rauch- 

waren  durchaus  nicht  um  Erzeug- 

nisse  der  Siidsee-Inseln,   denn  ab- 

gesehen  von  einer  Kanguruh-  und 

Opossumart      der      melanesischen 

Inselgruppen    und   Neu  -  Guineas, 

die  aber  heute  noch  nicht  in  den  Handel  kommen,  produzieren  diese  Inseln 

iiberhaupt  keine  Felle,  die  meisten  besitzen  iiberhaupt  keine  heimischen  Sauge- 

tiere.    Auf  den  Sandwich-Inseln  befand  sich  aber  damals  ein  schon  mehrfach 

erwahnter  Stapelplatz,  von  wo  aus  zahlreiche  kleine  Briggs  und  Schoner  aus- 

liefen,  um   Schleichhandel  an  der  Kiiste  von  Alaska  und  dem  nordlichen 

Sibirien  zu  treiben  und  dort  Felle,  Tran,  Wallrosszahne  usw.  einzutauschen, 

wobei  der  verbotene  Branntwein  eine  grosse  Rolle  spielte.    Die  erhandelten 

Felle  gingen  von  Honolulu  meistens  nach  Bremen,  da  Bremer  Hauser  wie 

Hackfeld  &  Co.  und  andere  damals  den  Handel  in  Honolulu  beherrschten. 

Ende  der  sechziger  Jahre  horte  dieses  Geschaft  vollkommen  auf,  wie  wir  an 

anderer  Stelle  gezeigt  haben.    Honolulu  beschaftigt  sich  nicht  mehr  mit  dem 

Pelzhandel  sondern  mit  Zuckeranbau  und  Spekulation.  Klaus  Spreckels  wurde 

der  ungekronte  Konig  der  Sandwichs-Inseln. 

Im  letzten  Erdteil,  Afrika,  ist  von  einem  Pelzhandel  noch  garnicht  zu 
sprechen.  Zwar  sind  eine  ganze  Reihe  Fellarten  von  dort  ganz  geeignet  fur 
den  Rauchwarenhandel,  aber  von  einer  Organisation  oder  von  einem  Pelzhandel 
iiberhaupt  ist  nicht  zu  sprechen,  es  kommt  alles  nur  gelegentlich  an  den  Markt, 
so  Lowenfelle  und  Leopardenfelle  von  Ostafrika,  Schakalfelle  von  Siidafrika 
usw.  Gelegentlich  findet  man  in  London  sehr  schon  zubereitete  und  gut  genahte 
Kafferndecken,  sogenannte  Karosse  aus  Fellen,  aber  einen  bestimmten  Wert 
kann  man  nicht  bestimmen.  Gerade  in  der  letzten  Zeit  scheint  es  aber,  als  ob 
die  Moglichkeit  einer  Anderung  gegeben  sei.  Die  grossen  Firmen,  denen  fruher 
diese  Artikel  viel  zu  unbedeutend  waren,  sind  jetzt  nicht  mehr  alleinherrschend, 
es  sind  eine  ganze  Reihe  kleiner  Firmen  entstanden,  so  dass  eine  Arbeit sein- 
teilung  bereits  eingetreten  ist  und  es  jedenfalls  nur  eine  Frage  der  Zeit  ist,  dass 
auch  ein  Exporthandel  mit  Pelzfellen  eintritt.  Antilopenhaute  bilden  heute 
schon  einen  betrachtlichen  Handelsartikel. 

Auf  den  Guano-Inseln,die  unseren  deutschen  Kolonien  Siidwestafrika 
vorgelagert  sind,  aber  in  englischem  Besitz  sind,  wird  bereits  seit  den  dreissiger 


270 


IV.   Uebrige  Weltteile. 


Jahren  vorigen  Jahrhunderts  neben  der  Guanoausbeute  auch  der  Fang  des 
Pelzseehundes  betrieben.  Dicse  Felle  kommen  als  Kap-Seehunde  nach  London 
zur  Auktion.  Jetzt  betragt  die  Zahl  einige  Tausend  pro  Jahr,  friiher  waren  es 
aber  bedeutend  mchr. 


Schlittenhunde  in   Labrador. 


V. 


Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


1.  Kapitel. 

Amerika. 

a)   Hudson's  Bay  Gebiet. 

Die  Hudson's  Bay  Company  beschrankte  sich  urspriinglich  darauf,  ihren 
Handelsbetrieb  von  den  Handelsstationen,  den  Forts  langs  der  Hudsonsbay, 
auszuiiben,  namentlich  waren  York  Fort,  Fort  Churchill  oder  Prince  of 
Wales  und  Mooseriver  Factory  Zentralpunkte  eines  grossen  Handelsverkehrs. 
Hierhin  wanderten  im  Fruhjahr  ganze  Indianerstamme,  um  ihre  Pelzausbeute 
gegen  Lebensbediirfnisse  umzutauschen.  Erst  die  Konkurrenz  der  Nordwest 
Company,  die  von  Montreal  aus  das  ganze  siidliche  Hudsonsbay- Gebiet  bis  zu 
den  Rocky  Montains  mit  Handelsstationen  bedeckte,  zwang  sie,  auch  ihrerseits 
Stationen  im  Innern  anzulegen.  Den  Kampf  zwischen  den  beiden  Gesellschaften 
sehen  wir  in  einem  fruheren  Kapitel  ausfuhrlich  geschildert.  Nachdem  1822 
die  Nordwest  Company  in  die  altere  Hudsonsbay  Company  aufgegangen  war, 
war,  neben  dem  alt  en  York  Fort,  Montreal,  ein  neuer  Zentralpunkt  fur  die  Ge- 
sellschaf t  geworden.  Der  ganze  Verkehr  zwischen  den  einzelnen  Handelsposten, 
von  denen  die  Gesellschaft  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  180  besass, 
fand  auf  dem  Wasserwege  statt,  da  ein  ausgedehntes  Flusssystem  das  ganze 
Gebiet  durchzieht  und  die  einzelnen  Fliisse  nur  durch  kurze  Tragstellen, 
sogenannte  Portages,  voneinander  geschieden  waren.  Schon  die  franzosischen 
Waldlaufer  hatten  sich  derBirkenrinde-Kanoes  der  Indianer  bedient,  und  waren 
diese  Fahrzeuge  schon  1676  von  Peter  Hennepin  beschrieben,  durch  die  Nord- 
west Company  wurden  sie  aber  sehr  verbessert.  Sie  bestanden  aus  der  sehr 
zahen  Rinde  der  Papier-Birke,  die  in  grossen  Stiicken  abgeschalt  und  auf 
Rippen  aus  zahen  Weidenzweigen  mittels  Wurzelfasern,  sogenanntem 
,,Watap"  aufgenaht  und  mit  dem  Harz  der  Balsampappel  gedichtet  wurden; 

18 


274 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


Bug  und  Heck  waren  in  die  Hohe  gezogen,  der  Boden  war  rund.  Natiirlich 
waren  diese  Boote  leicht  Beschadigungen  ausgesetzt,  konten  aber  ebenso  leicht 
wieder  ausgebessert  werden,  da  das  Material  dazu  uberall  wuchs.  Man  unter- 
schied  Kanoes  du  Maitre,  die  eine  Lange  von  36  Fuss  hatten,  und  Kanoes 
du  Nord,  24  Fuss  lang.  Die  Mannschaft  des  letzteren  bestand  aus  8  bis  9  Mann, 


Kanadischer  Trapper. 

die  der  ersteren  aus  16  bis  18  Mann.  Die  Ladung  war  samtlich  in  Packen  von 
je  90  Pfund  englisch  eingeteilt,  und  nehmen  die  grossen  Boote  bis  zu  120  solcher 
Pakete  an  Bord  und  daneben  oft  noch  8  Passagiere  und  mehr ;  ausserdem  gab 
es  noch  leichte  Kanoes,  die,  in  eleganter  Form  gebaut,  mit  nur  4  Mann  Be- 
satzung  als  Expressboote  eine  sehr  schnelle  Fahrt  machten.  Auch  die  Last- 
boote  legten  bei  giinstigen  Stromverhaltnissen  oft  8  bis  10  Kilometer  in  der 
Stunde  zuriick.  An  der  Spitze  der  Kanoes  stand  der  Bugmann,  der  den  Weg 
durch  die  Stromschnellen,  Felsen  und  Untiefen  angab,  wahrend  der  Steuer- 


T.  Kapitel   (Amerika). 


275 


mann  hintcn  mit  einem  langen  Paddelsteuerte.  Beide  erhielten  einen  hoheren 
Lohn  als  die  Middlemen,  die  kniend  auf  den  Hacken  mit  zuriickgebogenen 
Fiissen  sassen  und  das  Fahrzeug  mittels  kurzer  Paddel  durch  das  Wasser 
trieben.  Spater  ersetzte  die  Hudson's  Bay  Company  auf  den  Hauptstromlaufen 


Ein  Pelzjager  nach  Verkauf  seiner  Ausbeute  in  einem  kanadischen  Prairiestadtchen. 

diese  Fahrzeuge  durch  holzerne  Barken,  die  36  Fuss  lang,  8  Fuss  breit  und 
so  fest  gebaut  waren,  dass  sie  auch  einen  Anprall  an  die  Felsen  aushalten 
konnten.  Die  Ladung  bestand  gewohnlich  aus  70  Paketen  a  90  Pfund  und 
die  Besatzung  von  8  Mann.  Die  Bootsleute,  ,,voyageurs"  genannt,  rekrutieren 
sich  aus  den  franzosischen  Kanadiern,  namentlich  aus  der  Provinz  Quebeck 
und  zahlreichen  Halbindianern,  ,, Metis",  namentlich  aus  der  Redriver  Gegend, 
wahrend  die  Angestellten  in  den  Forts  fast  ausschliesslich  Schotten  und 
Orkney-Insulaner  waren.  An  den  Portages,  den  Katarakten,  wurden  die 

18* 


276 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


Fahrzeuge  ausgeladen,  und  die  Ladung  von  den  Voyageurs  auf  dem  Riicken  bis 
ans  Ende  der  Tragstelle  getragen,  wobei  einzelne  derselben  zwei  schwere  Packen 
auf  einmal  transportierten.  Schliesslich  wurden  die  Kanoes  selbst  iiber  Land 
getragen,  wahrend  die  schweren  Barken  an  Seilen  iiber  die  Stromschnellen  oder 
Wasserfalle  gezogen  wurden.  Stromabwarts  wurden  die  Boote  nur  sehr  selten 
ausgeladen,  sonderri  schossen  unter  der  kundigen  Fiihrung  des  Bugmanns  und 
Steuermanns,  die  auch  Guides  genannt  wurden,  die  Schnellen  hinab,  wobei 
haufig  die  geringste  Unaufmerksamkeit  den  Verlust  des  Fahrzeuges  und  der 
Ladung,  ja  haufig  selbst  der  ganzen  Bemannung  herbeifiihrte.  Die  Ver- 
pflegung  der  Voyageurs  war  eine  sehr  kraftige,  wenn  auch  sehr  einseitige;  als 
Ration  galten  acht  Pfund  Biiffelfleisch  pro  Tag  und  Kopf,  und  wenn  solches 


Indianische   Jager  in  Manitoba. 

knapp  war,  durfte  es  durch  entsprechendes  Quantum  Fisch  oder  Wild  ersetzt 
werden.  Als  Reiseproviant  wurde  Pemmikan  verwendet,  das  aus  gleichen 
Quanten  ausgetrockenetem  und  gemahlenem  Biiffelfleisch  und  fliissigem  Fett 
bestand  und  in  Sacken  eingestampft  wurde.  Als  Wiirze  wurden  getrocknete 
Beer  en  oder  Rosinen  dazwischen  gemischt.  Von  diesem  Dauerproviant  wurden 
3  Pfund  auf  den  Kopf  und  Tag  gerechnet.  Das  notige  Biiffelfleisch  wurde  da- 
mals  mit  Leichtigkeit  von  der  dazu  besonders  errichteten  Station  Fort  Edmonton 
am  siidlichen  Saskatchewan  geliefert.  Die  Biiffelfelle,  sogenannte  Buffalorobes, 
wurden  nicht  etwa  nach  London  mit  der  iibrigen  Fellausbeute  gesandt, 
sondern  kamen  nach  Montreal  auf  den  Markt.  Getrocknete  Biiffelzungen,  die 
iibrigens  ganz  vorziiglich  schmeckten,  wie  ich  auch  aus  eigener  Wissenschaft  be- 
zeugen  kann,  kamen  aber  nach  London  zur  Auktion.  Mit  der  1876  erfolgten 


Kapitel   (Amerika). 


277 


planlosen  Vernichtung  der  Biif felherden  in  den  Vereinigten  Staaten  horte  dies 
natiirlich  auf .  Von  den  Millionen  Biiffeln,  die  noch  am  Ende  der  sechziger  Jahre 
des  19.  Jahrhunderts  die  Prarie  bedeckten,  blieben  nur  wenige  hundert  Stuck 
iibrig.  Im  Winter  fand  der  Verkehr  zwischen  den  einzelnen  Forts  und  mit  den 
Zentralen  durch  Hundeschlitten  statt.  Die  Hudsonsbay-Schlitten,  sogenannte 
,,Taboggans",  bestanden  aus  zwei  dunnenBirkenbrettern,  die  mit Lederstreif en 
zusammengehalten,  vorn  aufgebogen,  mit  Querstiick  aus  Holz  verbunden, 
9  Fuss  lang  und  16  Zoll  breit  waren.  Hierauf  war  ein  Korb,  wie  eine  Badewanne 


Eine   Jagerhiitte  in  der  Rocky  mountains. 

geformt,  befestigt,  der  die  Ladung  enthielt,  ein  Gewicht  von  200  bis  4ooPfund; 
dieser  Korb  war  mit  Leder  bedeckt  und  sorgfaltig  verschniirt.  DieseTaboggans 
waren  sehr  biegsam  und  glitten  deshalb  leicht  iiber  Unebenheiten  des  Bodens 
hinweg.  Meist  wurden  4  Hunde  vorgespannt,  wahrend  die  Begleitung,  ge- 
wohnlich  2  Mann,  auf  Schneeschuhen  daneben  liefen. 

Haufig  wurden  50  bis  80  Kilometer  pro  Tag  zuriickgelegt  und  dies  oft 
ein  Monat  lang  taglich  fortgesetzt.  Jeder  Hund  bekam  dabei  2  Pfund  Fische 
pro  Tag.  Die  Schneeschuhe  bestanden  aus  2  Stiicken  Holz,  die,  kurven- 
formig  gebogen,  am  Feuer  getrocknet  sind,  an  der  Spitze  hochgebogen, 
hint  en  in  einen  spitzen  Winkel  zusammenstossen,  dazwischen  geben  andere 
Holzstiicke  die  Form,  die  Zwischenraume  sind  mit  Lederstreif  en  ausgefiillt, 
besonders  dicht  am  Hacken.  Nur  die  Fersen  wurden  mittels  Lederriemen 


278 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


befestigt:  die  Lange  der  Schneeschuhc  war  4  bis  6  Fuss,  die  Breite  in  der 
Mitte  1 1/2  Fuss.  Der  andauernde  Gebrauch  der  Schneeschuhe  erzeugte 
iibrigens  bei  weniger  Geiibten  eine  Entziindung  der  Knochel,  das  ,,mal  de 
raquette".  Der  Anzug  der  Winterreisenden  bestand  aus  Lederhose,  dariiber 
mdianische  Lederleggins,  die  an  den  Knocheln  eng  anschlossen,  Mokassin, 
ein  Flanellhemd,  dariiber  ein  Rock  aus  Deckenstoff,  der  durch  einen  Giirtel 
zusammengehalten  wurde,  an  dem  Feuerzeug,  Messer  und  Beil  hing.  Das 
ganze  bedeckte  ein  ,,Capot",  ein  Kapuzenrock.  Nachts  wurde  stets  im  Freien 


Hudsonsbay-Schlitten. 

geschlafen,  wenn  nicht  gerade  ein  Fort  erreicht  wurde.  Eine  Lage  Fichten- 
zweige  auf  den  Schnee  gelegt  diente  als  Untcrlage,  zwei  wollene  Decken 
zum  Zudecken.  Dies  geniigte,  obgleich  die  Temperatur  oft  bis  unter  30  Grad 
Celsius  sank.  Waren  wurden  nie  mit  Schlitten  befordert,  sondern  nur  die  Post, 
doch  legte  solcher  Postschlitten  ofter  eine  Strecke  bis  zu  200  Kilometer 
zuriick.  Es  gehortc  iibrigens  eine  besondere  Kunst  dazu,  solche  Schlitten 
richtig  zu  beladen.  Die  Hunde  waren  eine  Art  Eskimohund,  doch  war  durch 
sorgfaltige  Ziichtung  eine  besonders  starke  und  ausdauernde  Rasse  heran- 


Baidarka  in  Alaska. 


gezogen,  die  bei  der  grossen  Winterreise  taglich  60  bis  70  Kilometer  mit 
dem  beladenen  Schlitten  zuriicklegten.  Die  Hunde  der  Hasen  -  Indianer, 
canis  domestims  lagopus,  die  eine  besondere  Art  bilden,  sind  kleiner  und 
wurden  zum  Schlittenziehen  weniger,  desto  haufiger  aber  zur  Jagd  ver- 
wandt,  wie  die  meisten  Indianerhunde  iiberhaupt,  doch  schleppen  sie  bei 
den  Umzugen  die  Zeltstangen,  auf  die  dann  noch  einzelne  Gegenstande 
geladen  werden. 

Die  gebrauchlichste  Kanoeroute  nach  dem  Norden  ging  von  La  Chine  bei 
Montreal  den  St.  Lorenzstrom  hinauf  durch  den  Huronensee,  nach  dem 
Lake  Superior,  wo  in  Fort  William  Halt  gemacht  wurde,  von  hier  aus  ging 
es  durch  den  reissenden  Kanimistoquoie,  den  Lake  of  the  Woods,  wo  heute  die 
grosste  Dampfmuhle  Kanadas  liegt,  Rainylake,  Winipegriver,  Winipegsee, 


i.   Kapitel   (Amerika). 


279 


Cedarlake,  Saskatshewanriver,  Beaver-  und  Halfmoonlake,  Churchill  oder 
English  river,  Isle  a  la  Crosse,  Buffalo  und  Methylake  zu  der  langen 
Met hy portage,  dann  Clearwaterlake,  den  kleinen  Athabascariver,  den  Elkriver, 
Athabascasee,  Slaved ver  und  Slavelake,  den  grossen  Barensee  und  den 
Mackenzieriver,  eine  Route  von  etwa  7000  Kilometer  Lange.  Uberall  zweigten 
Seitenlinien  zu  den  verschiedenen  Hudson's  Bay-Forts  ab. 

Von  Lake  Winipeg  aus  fuhrt  eine  Route  iiber  Norwayhouse,  Jackriver, 
Saskatshewanriver,  Nelsonriver  nach  Yorkfort  und  ein  anderer  iiber  Beren- 
river  und  Severnriver  nach  Severnfort  an  der  Hudsonsbay. 


Junger  Neufundland-Trapper. 

Vom  Winipeg  see,  der  eine  Oberflache  von  ca.  25  ooo  Quadratkilometer 
hat  bei  einer  Lange  von  iiber  700  Kilometer,  gingen  auch  die  Routen  nach  dem 
Peaceriver  und  dem  Rockymontaindistrikte  ab,  sowie  nach  dem  Redriver  und 
Assinoboin  sowie  dem  Prariedistrikt. 

Bereits  1831  wurden  im  Norwaykanal  2  grosse  Schoner  fur  den  Verkehr 
auf  den  See  gebaut,  denen  mehrere  grossere  folgten.  Jetzt  laufen  dort  ver- 
schiedene  grosse  Dampfer;  die  Hudsonsbay  Company  besitzt  jetzt  auf  dem 
Athabascafluss  den  Dampfer  ,,Grahame",  auf  dem  Saskatshewanriver  den 
,,S.  S.  Saskatshewan",  auf  dem  Peaceriver  den  ,,S.  S.  Peaceriver"  und  auf 
dem  Mackenzieriver  in  der  arktischen  Region  den  ,,S.  S.  Mackenzie". 


280 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


Uberall  an  dem  weitverzweigten  Wassernetz  erheben  sich  die  Handels- 
posten,  die  ,, Forts"  der  Hudson's  Bay  Company,  liber  denen  stolz  die  Flagge 
der  Gesellschaft  weht  mit  den  Buchstaben  H.  B.  C.,  das  der  Volksmund  in 
Kanada  spottisch  mit  ,,Here  Before  Christ"  iibersetzt. 

Augenblicklich  sind  die  folgenden  Forts  in  Betrieb: 


Liste  der  Forts  der  Hudson's  Bay 

Arctic  Red  River 
Fort  Wrigley 


Fort  McPherson 

Fort  Normann 

Fort  Liard 

Fort  Rae 

Smith  Landing 

Lac  Ste  Anne 

Chipewyan 

Fort  Mackay 

Dunvegan 

Pelican  Narrows 

Cedar  Lake 

Montreal  Lake 

Isle  a  la  Crosse 

Manitoba  House 

Winipegosis 

Fort  Pelly 

Churchill 

Weenusk 

Cross  Lake 

God's  Lake 

Little  Grand  Rapids 

Montizambert 

Missanabie 

Osnaburgh 

District  Office 

Abitibi 

Flying  Post 

Temagami 

Iroquois 

New  Post 

English  River 

Mistassinny 

Fort  George 

Coocoocache 

Manowan 

Seven  Islands 


Fort  Nelson 

Fort  Resolution 

Edmonton 

Athabasca  Landing 

Wabasca 

Vermilion 

St.  Johns 

Cumberland  House 

Grand  Rapids 

Lac  la  Ronge 

Portage  le  Loche 

Shoal  River 

Pine  Creek 

Egg  Lake 

Severn 

Norway  House 

Split  Lake 

Island  Lake 

Fort  Alexander 

Long  Lake 

Nipigon 

Lac  Seul 

Dinorwic 

Barriere 

Matachewan 

Biscotasing 

North  Bay 

Albany 

Fort  Hope 

Woswonaby 

Great  Whale  River 

Weymontachingue 

Pointe  Bleue 

Mingan 


Company. 

Fort  Good  Hope 
Fort  Simpson 
Fort  Providence 
Fort  Smith 
Lac  la  Biche 
Onion  Lake 
Fond  du  Lac 
Lesser  Slave  lake 
Lac  du  Brochet 
The  Pas 
Fort  a  la  Corne 
Green  Lake 
Prince  Albert 
Fairford 
Touchwood 
York  Factory 
Trout  Lake 
Nelson  River 
Oxford  House 
Berens  River 
Nipigon  House 
New  Brunswick 
White  Dog 
Sturgeon  Lake 
Grand  Lac 
Matogami 
Long  Point 
Elk  Lake 
Moose  Factory 
Marten's  Falls 
Rupert's  River 
Mitchequon 
Carlton 
Kickendatch 
Bersimis 
Romaine 


i.  Kapitel   (Amerika). 


28l 


Rigolet  North  West  River 

Nachvach  Cartwright 

Georges  River  Wolstenholme 

Fort  George  Fort  St.  James 

Fort  Graham  Fraser's  Lake 

Hazelton  Babine 

Liard  Telegraph  Creek 

Eine  Reihe  von  Forts  sind  aufgegeben,  so  namentlich  die  7.  Posten  in 
Oregon,  dann  die  fruher  so  bedeutenden  Forts  Garry  und  Redriver  Factory  in 
Winipeg,  Fort  William,  Lake  Superior  und  FortAssinoboine  am  gleichnamigen 


Davis  Inlet 
Chimo 
Quesnel 

McLeod's  Lake 
Port  Simpson 
Dease  Post 
McDames  Creek. 


Das  alte  Hudson's  Bay  Fort,   Fort  Edmonton. 

Fluss,  Fort  Vancouver  und  die  meisten  Posten  in  British  Columbia ;  dort  sind 
jetzt  uberall  bliihende  Stadte  entstanden,  in  denen  die  Company  grosse 
,, Stores",  unsern  Warenhausern  entsprechend,  unterhalt  und  die  einen  aus- 
gedehnten  Umsatz  machen.  An  der  Westkiiste  kreuzten  viele  Jahre  hindurch 
die  Dampfer  ,, Beaver"  und  ,, Otter"  der  H.  B.  C.,  lange  Zeit  die  einzigen  Be- 
forderungsmittel  dort.  Jetzt,  wo  zahlreiche  Privatdampfer  und  Postdampfer 
jeden  Ort  an  der  Kuste  besuchen,  unterhalt  die  Gesellschaft  keine  eigenen 
Dampfer  mehr,  da  solche  uberfliissig,  dagegen  besitzt  sie  auf  dem  Skeena  und 
dem  Stikine-River  die  Dampfer  ,,Port  Simpson"  und  ,, Hazelton". 

Von  den   Posten  an  der    Hudsonsbay,  Yorkfort,   Moose    Factory    und 
Ft.  Churchill,  den  Hauptfaktoreien  der  Distrikte,  wurden  friiher  alljahrlich 


282 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


die  gesammelten  Pelzausbeute  durch  eigene  Segelschiffe  abgeholt,  die  auch  die 
Handelsartikel,  Proviant  usw.  mitbrachten.  Es  kam  auch  haufig  vor,dass  diese 
Schiffe,  die  London  am  I.  Juni  verliessen  und  Ende  August  die  Riickreise  an- 
traten,  dabei  vom  Eise  liberrascht  wurden  und  einfroren.  Ich  habe  noch  die 
alien,  test  gebauten  Segelschiffe  besucht,  meist  Barks  von  300  bis  400  Tons, 
mit  grossen  geraumigen  Kajiiten  und  am  Heck  das  Wappen  der  Company 
in  Holz  geschnitzt  tragend. 

Allmahlich  wurde  dies  aufgegeben.  Das  letzte  dieser  Fahrzeuge,  die  Bark 
,,  Shark",  ging  im  Vorjahr  in  der  Nahe  von  St.  Charlton  auf  den  Listra-Banken 
zugrunde.  Jetzt  wird  dieser  Verkehr  durch  eigene  Dampfer  der  Gesellschaft 
besorgt,  von  denen  der  Dampfer ,, Pelican"  die  Niederlassungen  in  Labrador  und 


Fellgeschaft  in  Montreal. 

der  Westkiiste  der  Hudson's  Bay  besucht,  wahrend  der  Dampfer  ,, Discovery" 
nach  der  James  Bay,  der  sudlichen  Hudsonsbay,  geht.  Dem  Lokalverkehr 
dient  der  Dampfleichter  ,,Tulnew".  Der  Bau  der  Canada- Pacific-Bahn  hat 
auch  in  den  Transportverhaltnissen  der  Hudson's  Bay  Company  einen  grossen 
Umschwung  herbeigefuhrt.  Ein  sehr  grosser  Teil  der  Jahresausbeute  wird  auf 
der  Eisenbahn  nach  Montreal  befordert  und  gelangt  so  unter  Umstanden  ein 
Jahr  eher  zur  Auktion,  als  dies  in  friiheren  Jahren  der  Fall  war.  Naturlich  pragt 
sich  dies  am  scharfsten  bei  den  Herkiinften  von  der  Westkiiste  aus.  Vor  Voll- 
endung  der  Bahn  gingen  die  Waren  auf  Segelschiffen  von  Victoria  nach 
Vancouver  Irland,  um  das  Kap  Horn  nach  England,  eine  Reise,  die  9  Monate 
in  Anspruch  nahm,  und  wurden  dann  im  Oktober  in  einer  besonderen  Auktion 
verkauft.  Seit  1880  geschieht  das  nicht  mehr,  sondern  die  Felle  werden  eben- 
falls  mit  in  der  Marz- Auktion  verkauft. 


i.   Kapitel   (Amerika) 


Die  Importen  der  Hudson's  Bay  Company  1909  sind  die  folgenden: 


YF,&c. 

MR&EM, 

Canada 

EB.&c. 

NW. 

Total 

Total 

&c. 

1908 

Dachse.    .    .    . 

144 

— 

— 

— 

— 

144 

125 

Bar,  schwarz  . 

2  300 

250 

498 

160 

806 

4023 

3943 

braun 

305 

I 

2 

491 

68 

867 

387 

grau   .    . 

53 

— 

— 

2 

30 

85 

108 

weiss   .    . 

34 

24 

— 

I 

— 

59 

89 

Biber    .... 

17786 

4413 

6  210 

2166 

5314 

35889 

33156 

Hermelin     .    . 

14498 

995 

2186 

736 

i  520 

19935 

I53I4 

Virg.  Iltis    .    . 

855 

216 

651 

45 

201 

i  968 

2  671 

Blaufuchs    .    . 

3 

14 

— 

— 

— 

17 

14 

Kreuzfuchs 

637 

128 

17 

118 

86 

686 

1445 

Rotfuchs      .    . 

i  410 

338 

52 

355 

114 

2  269 

2987 

Silberfuchs  .    . 

121 

36 

10 

17 

28 

212 

344 

Weissfuchs 

2858 

i  104 

— 

13 

— 

3975 

2058 

Luchs   .... 

1575 

258 

389 

317 

332 

2871 

8856 

Zobel    .... 

14  l62 

3748 

4452 

1294 

1740 

25  296 

21577 

Nerz      .... 

7948 

1417 

1367 

592 

744 

12068 

10  966 

Moschusochsen 

76 

— 

— 

— 

— 

76 

107 

Bisam       .    .    . 

489815 

17921 

25698 

2736 

6220 

542  39° 

298  346 

Otter,  Land     . 

I  416 

1473 

867 

566 

79 

4401 

5341 

Schuppen     .    . 

18 

— 

I 

— 

208 

227 

140 

Seal  Hair,  Dry 

— 

i  050 

— 

467 

— 

1517 

1766 

Skunk  .... 

I  244 

ii 

38 

13 

4 

i  310 

1478 

Wolf  

2550 

i 

47 

13 

140 

2751 

3756 

Vielfrass       .    . 

665 

3 

— 

5 

64 

737 

718 

Hiervon  werden  wie  stets  die  Biber,  Bisam  und  Kanin  im  Januar,  der 
Rest  im  Marz  verkauft. 

Wenn  die  geplante  und  genehmigte  Bahn  von  Winipeg  nach  F.  Churchill 
in  der  Hudson's  Bay  fertig  ist,  wird  auch  hier  ein  weiterer  Umschwung  entstehen. 
Die  Getreidemengen  des  Westens  werden  von  hier  nach  Europa  verschifft  und 
an  den  eisigen  Kusten  der  Hudsonsbai  werden  moderne  Grossstadte  entstehen. 

Urspriinglich  herrschte  auf  den  Handelsposten  ein  reiner  Tauschverkehr. 
Als  Einheitswert  wurde  das  Biberfell  zugrunde  gelegt.  Die  Indianer,  die  mit 
ihrer  Pelzausbeute  nach  dem  Fort  kamen,  erhielten  nach  dem  Tarife  die  Anzahl 
Biber felle  bestimmt,  welche  die  Felle  wert  waren,  und  suchten  sich  dann  im 
Warenlager  die  ihnen  gefallenden  Waren  aus,  deren  Wert  dann  ebenfalls  fest- 
gestellt  wurde. 


284  V.  Handel  und  Verkehr  in  Ranch waren. 

Die  Tarife  wechselten  im  Laufe  der  Zeit.    Ein  solcher  vom  Jahre  1733 
lautete : 

Glasperlen,   weisse  ...      l/2  Pfund  fur  i  Biber 

farbige.    .    .      i/4       ,,  ,,  I       „ 

Messingkessel i         ,,  ,,  i 

Pulver il/2     ,,  ,,  i 

Speck 5         ,,  ,,  i 

Zucker 2         „  ,,  I 

Tabak,  brasil i         ,,  ,,  i 

Blatter     ....!%„  ,,  i       ,, 

Rollen 1 1/2     ,,  „  i       „ 

Zwirn i         ,,  ,,2       ,, 

Zinnober i%  Unzen    .       ,,  i 

Brandy i  Gallone  „  4 

Tuch i    Yard  ,,  2 

Wolldecken i   Stuck  ,,  6 

Wollstoff i    Yard  „  i%  ,, 

Flanell i       ,,  ,,  il/2  ,, 

Strumpfbander     ....     2  Stiick  „  i 

Able 12       ,,  ,,  i 

Knopfe 12  Dutzcnd  ,,  i 

Beinkleider i  Paar  ,,  3 

Kamme 2  Stiick  ,,  i 

Rote  Federn 2  ,,  i 

Angelhaken 20       ,,  ,,  i 

Feuerstahl 4  ,,  i 

Feuersteine 20       ,,  ,,  I 

Feilen i       ,,  ,,  I 

Flinten  .........      i       ,,  ,,  12 

Pistolen i       ,,  »  4 

Handschuhe i  Paar  ,,  i 

Brillen 2  Stiick  ,,  i 

Taschentiicher      .    .    .    .      i       ,,  ,,  iy2  ,, 

Hiite  mit  Borte  .    .    .    .      i       ,,  ,,  4 

Beile 2       ,,  ,,  I 

Falkenglockchen  ....     8       ,,  ,,  i 

Eismeissel 2       ,,  ,,  I 

Messer 8       ,,  ,,  I 

Spiegel 2  ,,  i 

Nahnadeln 12       ,,  ,,'  I 

Fischleim 2  ,,  i 

Pulverhorn 2  ,,  i 

Einfache  Ringe    .    .    .    .     6  ,,  i 


i.  Kapitel   (Amerika.) 


285 


Einfache  Ringe  mit  Stein  3  Stiick 

Sabelklingen 2       ,, 

Loffel 4       „ 

Hemden i       ,, 

Schuhe i  Paar 

Striimpfe i       ,, 

Woll.  gestrickte  Giirtel .  2  Stiick 

Fingerhiite 6 

Tabaksdosen 2       ,, 

Zangen 2       ,, 

Koffer i       „ 

Knauel  Bindfaden  .  i 


fiir  i  Biber 


Dagegen  wurden  gerechnet: 

3  Zobelf elle fiir  i  Biber        i  Vielfrass    ....     fiir  i  %  Biber 

2  Ottern ,,     i       ,,  i  Pfd.  Bibergeil  .    .       ,,    i 

i  Fuchsfell ,,    i      ,,  i  Hirsch ,,    i 

i  Wildkatze ,,    2  i  Elentier ,,2 

i  Wolf ,,     i      ,,  i  Pfund  Federn  .    .       ,,    i 

i  Bar ,,2      ,,  4  Paar  Elenhufe.    .       ,,    i         ,, 

Im  Jahre  1863  war  folgender  Tarif  giiltig: 

i  Flinte fiir  20  Biberfelle 

i  Mass  Pulver ,,       i 

18  Bleikugeln ,,       i 

8  Schrotladungen    ...       „      i 
10  Feuersteine „      i 

i  Axt ,,      3          ,, 

i  Kupferkessel     ....       ,,     16 

i  Feuerstahl ,,      i 

i  Skalpiermesser .    ...  ,,       i          ,, 

i  Feile ,,      2 

i  Tabaksbeutel  mit 

Brennglas ,,      2          ,, 

i  Hornkamm ,,       i          ,, 

8  Pfrieme ,,       i 

12  Messingknopfe      ...  ,,      i 

25  Messingringe     ....  ,,       i          ,, 

6  Tonpfeifen ,,      i          ,, 

i  kleiner  Spiegel     ...  ,,       i 

i  Pfund  Glasperlen    .    .  ,,      6 

6  Unzen  Tabak  ....  ,,       i          ,, 

i  einfache  Wolldecke.    .  ,,     10 

i  gestreifte        ,,         .    .  ,,12         ,, 


286 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


i  Matrosenrock    .    .    .    . 
i  Knabenrock      .    .    .    . 

6  Ellen  Band 

i  Paar  Hosen 

i  baumwollenes  Hemd  . 

i  Tuch 

i  Unze  rote  Farbe.    .    . 
i  Mass  Rum 


fur  12  Biberfelle 


Dagegen  wurden  gerechnet: 

3  Zobelfelle fur  i  Biber 

i  Luchsfell  i 


Otter      .    . 
Silberfuchs 


fur  i  Biber 

»    4 


Comptoir  der  Hudson's  Bay  Company  in  Montreal. 

An  einzelnen  Sachen  war  also  der  Gewinn  ein  enormer.  Bei  Zahlung  in 
Zobeln  oder  Silberfiichsen  brachten  verschiedene  der  ausgehandelten  Waren 
bei  nachherigem  Verkauf  ebenso  viel  Pfund  Sterling,  als  sie  ungefahr  urspriing- 
lich  Pence  gekostet  batten. 

Da  Fellraum  und  Warenlager  meist  ein  getrennter  Raum  war,  erhielt  der 
Indianer  fur  jedes  ermittelte  Biberfell  urspiinglich  ein  Holztaf elchen .  Da  sich 
aber  Schwierigkeiten  herausstellten  iiber  Bescheinigung  der  Bruchteile,  wurden 
1854  Metallmarken  eingefiihrt,  die  auf  der  einen  Seite  das  Wappen  der 
Hudsonsbay  Company  und  auf  der  Reversseite  die  Initialen  des  Distrikts,  also 
z.  B.  Y.  F.  und  die  Bezeichnung  des  Wertes,  also  V8,  %,  %  oder  ein  Biber. 

Metallwertzeichen  hatte  schon  fruher  die  Nordwest  Company  eingefiihrt 
and  als  Geld  ausgegeben,  die  heute  als  grosse  Seltenheit  von  Miinzsammlern 
mit  enormen  Summen  bezahlt  werden. 


i.   Kapitel  (Amcrika). 


28; 


Wappen 
der  H.  B.  C. 


Mit  der  Aufhcbung  des  Pelzhandelsmonopols  1863  anderte 
sich  allmahlich  die  Art  und  Weise  des  Handelsbetriebes.  Lange 
Zeit  sicherte  die  grossartige  Organsiation,  namentlich  des 
Transportdienstes,  und  die  Schwierigkeit  fur  einzelne  Handler 
sich  den  notigen  Proviant  usw.  im  Innern  zu  beschaffen,  der 
Hudsonsbay  Company  einen  gewaltigen  Vorsprung.  Nur  an 
der  Kiiste  oder  sonst  leicht  zuganglichen  Stellen  erhielt  sie  bald 
Konkurrenz  und  musste  hier  zum  System  der  Barzahlung  iibergehen. 

Es  wurde  aber  auch  hierbei  nach  einem  bestimmten  Tarife  verfahren  und 
nicht  nach  der  Qualitat  des  einzelnen  Felles.  Ein  Nerz  war  ein  Nerz  und  er- 
hielt denselben  Preis,  ob  es  ein  Prima  dunkel  oder  ein  helles  Tertiafell  war. 

Ein  bekannter  Rauchwarenhandler,  der  Niederlassungen  an  der  Kiiste 
von  British  Columbien  hatte,  machte  sich  dies  zunutze,  indem  er  in  London 
geringwertige  Zobel-  usw.  Felle  auf  der  Auktion  kaufte  und  dann  an  die  Forts 
der  H.  B.  C.  als  vollwertige  Felle  des  Distrikts  verkaufen  liess.  Das  wurde  aber 


Biberwertzeichen  der  Nordwest-Co. 


Biberwertzeichen  der  Hudson's  Bay-Co. 


schliesslich  doch  entdeckt  und  nun  auch  dort  die  Felle  nach  den  Wert- 
abstufungen  eingeschatzt  und  bezahlt. 

Mit  dem  Bau  der  Canada-Pacific-Bahn  trat  dann  der  gewaltige  Um- 
schwung  aller  Verhaltnisse  im  westlichen  Canada  ein,  wodurch  die  Gesellschaft 
zu  einer  Anderung  ihres  ganzen  Geschaftsbetriebes  veranlasst  wurde. 

Wie  schon  friiher  erwahnt,  hatte  die  Hudson's  Bay  Co.,  bei  der  Abtretung 
ihres  Hoheitsrechts  an  das  Dominion  of  Canada  das  Land  in  der  unmittelbaren 
Nahe  ihrer  Stationen,  etwa  50  ooo  Acres,  die  spater  Stadtbaugrund  in  den 
verschiedenen  neu  errichteten  Stadten  bildeten,  sowie  den  20.  Teil  des  ge- 
samten  fruchtbaren  Bodens  zu  Farmlandern  erhalten.  Mit  dem  Strom  der  Ein- 
wanderung,  der  sichMitte  der  7oer  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  uber  Kanada 
ergoss,  trat  nun  der  Verkauf  dieser  Landereien  in  den  Vordergrund  des  Inter- 
esses.  Anfanglich  war  der  Erlos  kein  sehr  hoher,  da  die  Regierung  Farm- 
lander  rein  umsonst  abgab;  erst  als  der  ,,Boom"  in  Winipeg  einsetzte  und  Bau- 
stellen,  die  bis  dahin  100  Dollar  gekostet  hatten,  fur  5  bis  10  ooo  Dollars 
verkauft  wurden,  wurden  auch  die  Ertragnisse  aus  den  Landverkaufen  ein 
bedeu tender  Faktor  fur  die  H.  B.  C.,  der  sich  erheblich  steigerte,  als  mit 
dem  fortschreitenden  Bau  der  Canada-Pacific  die  Besiedlung  des  Landes 
zunahm  und  die  gut  gelegenen  Landereien  der  Gesellschaft  auch  fur  Farm- 


288 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


zwecke  gesucht  wurden.  So  betrug  am  31.  Mai  1907  der  Gewinn  aus  dem 
Handel  197688  Pf.  St.  und  aus  dem  Landverkaufe  258879  Pf.  St.;  1908: 
141  594  Pf.  St.  zu  160  428  Pf.  St. ;  1909,  wo  die  Resultate  infolge  der  kleinen 
Zufuhr  fur  den  Handel  keine  sehr  giinstigen  waren,  betrug  das  Verhaltnis 
sogar  nur  80  391  Pf.  St.  zu  155  476  Pf.  St.  Die  Preise  fur  die  Farmlander  be- 
wegen  sich  andauernd  in  steigender  Richtung,  1889  war  der  Preis  i  %  Dollar 
pro  Acre,  1906:  7  Dollar,  1907:  9  Dollar,  1908:  12  Dollar  und  1909:  12,60  Doll. 

Der  Verkauf  des  Stadt-Terrains  hat  in  den  letzten  Jahren  etwas  nach- 
gelassen.  1906:  343  317  Doll.,  1907:  256  350  Doll.,  1908:  124  972  Doll.,  1909: 
47  074  Doll. 

Alle  diese  Ziffern  beziehen  sich  auf  den  Jahresabschluss  am  31.  Mai. 
Die  Dividenden  sind  recht  gute.  Allmahlich  wurde  der  Nominalbetrag  der 


Ein   Store  der  Hudson's  Bay-Company. 

Aktien  von  30  Pfund  Sterling  durch  Ruckzahlung  auf  je  10  Pfund  reduziert, 
die  Dividenden  der  letzten  10  Jahre  schwanken  zwischen  30  und  40  Proz. 
So  wurde  z.  B.  1907  4,5  Pf.  St.  pro  Acre  Dividende  gezahlt,  1908:  3  Pf.  St., 
1909:  2,10  Pf.  St. 

Augenblicklich  steht  der  Kurs  der  Aktien,  die  man  1884  fur  27  Pfund 
kaufen  konnte  (1876  sogar  fur  13  Pfund),  auf  96  Pfund,  eine  Steigerung  von 
960  Proz.  Das  Aktien-Kapital  ist,  wie  schon  erwahnt,  inzwischen  durch 
Ruckzahmngen  seit  1863  von  3  Millionen  Pfund  auf  i  Million  Pfund  rekla- 
miert  worden. 

Der  unverkaufte  Landbesitz  der  Hudson's  Bay  Co.  belauft  sich  augen- 
blicklich  auf  3  676  678  Acres  nebst  zahlreichen  wertvollen  Stadtbaustellen, 
da  ja  nunmehr  auch  Stadte  in  den  Prarieprovinzen  und  dem  Nordwesten 
gegriindet  werden.  Ausser  in  Winipeg  und  Victoria  sind  augenblicklich  die 
wertvollsten  Baustellen  in  Edmondton  und  Fort  Williams,  aber  auch  in 


i.  Kapitel   (Amerika).  280 


Ratportage  warden  1908  fiir  iiber  5000  Pfund  Baustellen  verkauft,  und 
Athabascaws  Landverkaufe  scheint  sich  auch  in  starker  Entwicklung  zu  be- 
finden.  Dabei  sind  fast  4  Millionen  Dollar-Zahlungen  auf  verkauftes  Land 
aussenstehend,  da  die  meisten  Verkaufe  mit  langeren  Zahlungsfristen  statt- 
finden.  Der  Erlos  der  Pelzausbeute  betrug  1907:  422309  Pf.  und  andere 
Importen  17  281  Pf . ;  1908:  311  326  Pf.,  andere  Importen  8847,14  Pf.;  1909: 
262  750  Pf.,  andere  Importen  7900  Pf. 

Die  sonstigen  Aktiva  der  H.  B.  C.  stehen  niedrig  zu  Buch,  so  z.  B.  die 
gesamten  Dampfer  der  Gesellschaft  nur  mit  7752  Pf. 

Die  starke  Einwanderung  erwies  sich  aber  auch  sonst  fiir  die  Gesell- 
schaft von  grossem  finanziellen  Nutzen.  In  richtiger  Erkenntnis  der  Sachlage 
errichtete  die  H.  B.  C.  an  den  Hauptplatzen,  z.  B.  in  Winnipeg,  Edmond- 


Fell-Lagerraum  der  Hudson's  Bay  in  Montreal. 

son,  Victoria  usw.,  grosse  elegant  eingerichtete  Stores  nach  Art  unserer  Waren- 
hauser,  wo  alles  vom  Dampfpflug  bis  zum  modernen  Damenhut  zu  haben 
ist,  auch  in  verschiedenen  Handelsposten  im  Innern  werden  Waren  und 
Proviant  usw.  an  die  vorhandenen  Farmer,  Jager  usw.  verkauft. 

Mit  dem  Bau  der  Bahn  nach  Fort  Churchill  an  der  Hudsonbay,  welche 
einen  neuen  Auslass  fiir  die  riesigen  Getreidemengen  des  westlichen  Kanadas 
bilden  soil,  werden  die  Einkiinfte  der  H.  B.  C.  noch  gewaltig  steigen,  ebenso 
durch  die  in  Bau  begriffenen  Bahnen  nach  dem  Steekenriver,  welche  die 
reichen  Ackerbaugriinde  im  Peaceriver  und  dem  Smokyriver  erst  erschliessen. 
Ist  doch  Kanada  auf  dem  besten  Wege,  das  Weizen-Hauptproduktionsgebiet 
der  Erde  zu  bilden.  In  den  Prarieprovinzen  sind  verschiedene  Farmen,  die 
10  ooo  Acres  (ca.  16  ooo  Morgen)  in  zusammenhangender  Flache  unter  Weizen- 
kultur  haben.  Da  diese  grossen  Flachen  mittels  Dampfpflug  und  Maschinen 
voll  ausgenutzt  werden  konnen  und  nur  verhaltnismassig  wenig  Leute  ge- 

19 


290 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Ranch waren. 


braucht  werden,  so  ist  auch  der  Nutzen  bei  giinstigen  Frachtverhaltnissen 
ein  sehr  grosser.  Nur  ist  manchmal  mit  Ernteausfallen  infolge  ungiinstiger 
klimatischer  Verhaltnisse  zu  rechnen,  sei  es  fruh  eintretender  Frost  oder 
im  Sommer  die  ausdorrenden  heissen  Winde,  die  ,,Chinooks". 

Jedenfalls  ist  die  H.  B.  C.  fest  mit  der  Entwicklung  Canadas  verkniipft. 
Augenblicklich  besteht  der  Vorstand  der  Hudson's  Bay  Company  aus  den 
folgenden  Herren:  President  Lord  Strathcona,  stellv.  Vorsitzender  Earl  of 
Lickfield,  die  iibrigen  Mitglieder:  Russell  Stephenson,  Sir  Walter  Vaughan 
Morgan  Baronet,  Thomas  Skinner,  John  Coles  und  Leonard  D.  Curliffe ;  Sekretar 
ist  W.  Ware,  welcher  die  innere  Verwaltung  unter  sich  hat;  das  Sortiment 


Fellladungen  werden  bei  einem  Handelsposten  in  Manitoba  abgeliefert. 

der  Felle  und  der  Verkauf  untersteht  S.  H.  Harris,  dessen  Vater,  Grossvater 
und  Urgrossvater  schon  diese  wichtigen  Funktionen  ausubten. 

Mit  dem  Ausbau  der  Bahnen  und  der  sonstigen  Verkehrsmittel  erhielt 
die  Gesellschaft  bald  auch  im  Innern  Konkurrenz.  Namentlich  Fort  Edmonton 
entwickelte  sich  bald  zu  einem  Hauptknotenpunkt  des  Pelzhandels.  Die  grossen 
Rauchwarenhandler  von  London,  New  York,  Chicago  unterhielten  hier  Filialen. 
Zahlreiche  Handler  siedelten  sich  in  der  Nahe  der  Hudson's  Bay-Posten 
bis  hinauf  zum  Sklavensee  und  Mackenzieriver  an  und  durchstreiften  das 
Land,  um  mit  den  Indianern  und  den  Trappern  Handel  zu  treiben. 
Alle  die  verschiedenen  kleinen  und  grosseren  Stores  im  Lande  kaufen  auch 
Felle  oder  nehmen  solche  in  Tausch  und  remit tieren  solche  ihren  Lieferanten. 
So  sah  ich  z.  B.  in  einem  grossen  Manufakturwarengeschaft  in  Winipeg 


i.   Kapitel   (Amerika). 


2QI 


unter  anderem  20  wert voile  Silberfiichse,  welches  dieselben  von  einem  Kunden 
am  Athabascaw-Flusse  soeben  er  halt  en  hatten. 

b)  Labrador. 

Auch  in  Labrador  bef inden  sich  neben  den  Stationen  der  Hudson's  Bay  Co. 
die  Verkaufsladen  einer  franzosischen  Handelsgesellschaft  aus  Montreal  und 
auch  die  Missionsgesellschaft  der  mahrischen  Briider  befasst  sich  mit  Pelz- 
handel.  Die  von  ihnen  geleitete  Gesellschaft,  die  auch  schon  iiber  ein  Jahr- 
hundert  exist iert,  fuhrt  den  Namen  der  ,,  Harmony  Co."  und  kauft  von  den 
Eskimos  Rauchwaren,  Seehundsfelle,  Renntierfelle,  Tran,  Vogelfelle,  Luchs- 
etc.  Felle,  die  bekanntlich  von  tadelloser  Qualitat  sind  und  ungemein  sauber 


Hundeschlitten  in  Alaska. 

und  sorgfaltig  behandelt  werden.  Sie  tragen  auf  der  Lederseite  die  Anfangs- 
buchstaben  des  Distrikts  resp.  der  Ansiedlung,  woher  sie  kommen.  Es  sind 
dies  K.  (Kebron),  O.  (Okak),  N.  (Nain),  H.  (Hopedale),  Z.  (Zoar),  R.  (Rameh). 
Die  Felle  kommen  nach  London  zur  Auktion  bei  Culvervell,  Brook  &  Co., 
meist  im  Marz  zum  Verkauf,  wahrend  die  Haarseehunde  bereits  im  No- 
vember verkauft  werden.  Ubrigens  beflnden  sich  im  ganzen  Hudsonbay- 
Gebiet  bei  alien  Indianerstammen  Missionsstationen,  sowohl  katholische  als 
protest antische,  die  auch  Felle  erhalten  und  in  Montreal  oder  Winipeg  etc. 
zum  Verkauf  bringen. 

In  dem  frostgepeitschten  Nordatlantic  besorgt  ein  kleiner,  ziemlich  un- 
sauber  aussehender  Dampf er  den  ganzen  Verkehr  an  der  Kiiste  von  Labrador, 
holt  die  Fellausbeute  ab  und  bringt  die  notigen  Zufuhren  an  Lebensmitteln  etc. 

19* 


2Q2 


V.  Handel  tmd  Verkehr  in  Rauchwaren. 


Voyageur  mit  Schlittenhunden 
im  Hudson's   Bay-Gebiet. 


Vielfach  bef indet  sich  neben  den  Posten 
der  Hudson's  Bay  Co.  der  Handels- 
posten  eines  Konkurrenten.  So  1st 
z.  B.  am  Nordwestriver  bei  Rigolct  an 
der  einen  Seite  desFlusses  ein  H.  B.  C.- 
Fort  und  gegeniiber  auf  der  anderen 
Seite  des  Flusses  der  Handelsposten 
einer  franzosischen  Gesellschaft  aus 
Montreal.  Beidemachen  sich  aber  keine 
scharfe  Konkurrenz,  sondern  zahlen  im- 
gefahr  dieselben  Preise  fur  die  Felle. 
Die  Trapper  sind  meistens  Halfbreds, 
und  sind  Zobel  und  Nerze  die  Haupt- 
ausbeute,  die  inFallen  gefangen  werden. 
Fur  Nerze  werden  die  Fallen  langs  der 
Wasserlaufe  gelegt  und  mit  einer  Fo- 
relle  oder  einem  Stuck  Schneehuhn  ge- 
kodert.  Die  Zobelf alien  werden  auf 
Baumstumpfen  aufgestellt,  da  der  Zobel 
solche  gern  besucht.  Gelegentlich  wird 
auch  ein  Silberfuchs  gefangen,  fur 
welchen  die  Company  200  bis  300  Dollar 
zahlt.  In  einer  Beziehung  unterscheiden  sich  die  Trapper  Labrador  s  gewaltig 
von  den  Pelzjagern  der  Vereinigten  Staaten:  in  ihrer  unerschiitterlichen  Ehr- 
lichkeit.  Wahrend  in  den  U.  S.  eine  ganze  Menschenklasse  existiert,  die  nur 
davon  lebt,  die  Fallen  der  Trapper  zu  berauben,  sind  im  hohen  Norden  die 
Fallen  im  Walde  absolut  sicher.  Nie  wiirde  es  jemandem  einf alien,  sich  Fallen 
oder  Jagdbeute  anzueignen,  die  ihm  nicht  gehort.  Ja,  wenn  ein  Trapper 
in  einer  jemand  anderem  gehorigen  Falle  ein  Tier  f indet,  das  vielleicht  ver- 
loren  gehen  konnte,  so  totet  er  es,  richtet  es  zu  und  legt  es  so,  dass  der  recht- 
massige  Eigentumer  es  finden  muss.  Diese  Fallen  sind  der  wichtigste  Teil 
der  Ausriistung.  Ein  Trapper  nimmt  zumeist  etwa  100  Stuck  der  ge- 
wohnlichen  Stahlfallen,  die  40  Cents  pro  Stuck  kosten,  dann  einige  Dutzend 
grosserer  Fallen  a  I  Dollar  und  eine  Anzahl  mit  doppelten  Federn,  die  teurer 
sindo  Einzelne  Trapper  besitzen  500  bis  600  Fallen.  Die  anderen  Gegen- 
stande,  die  zur  Jagdausriistung  notig  sind,  bestehen  aus  einem  Fass  Mehl 
im  Preise  von  7  bis  8  Dollar,  einem  Viertel  Fass  gesalzenes  Schweinefleisch 
(50  Pfd.)  8  Dollar,  12  Pfund  Kerzen  a  30  Cents  per  Pfund,  30  Pfund  Schmalz 
a  20  Cents,  10  Pfund  Butter  a  40  Cents,  5  bis  6  Blichsen  kondensierter  Milch, 
etwas  Tee,  Backpulver,  Bohnen  und  einige  Kleinigkeiten ;  ausserdem  ein 
Zelt,  einen  Of  en  und  Schlafsack  nebst  Wolldecken.  Ausserdem  natiirlich 
Axt  und  Beil,  Nagel  und  sonstiges  Handwerkszeug.  Das  ganze  wird  in  ein 
Boot  geladen,  und  werden  solche  Boote  an  der  Kiiste  billig  gebaut.  Ein 


Kapitel    (Amerika). 


293 


Catboot  von  15  Fuss  Lange  kostet  30  Dollar.  Die  ganze  Ausriistung  kostet 
wohl  500  bis  600  Dollar,  und  erhalt  ein  tuchtiger  Jager  dieselbe  gern  auf 
Kredit  bei  der  Hudson's  Bay  Co. 

Im  Oktober  wird  nach  dcm  Fangplatz  aufgebrochen,  und  vereinen  sich 
gewohnlich  2  oder  3  Mann  zu  einem  Camp.  Nach  dem  ungeschriebenen 
Gesetz  der  Wildnis  hat  jeder  Trapper  das  Anrecht  auf  einen  Kustenstrich 
von  15  bis  25  englische  Meilen  Lange  und  Inland  3  bis  4  Tagereisen.  Die  Fallen 
werden  nun  hier  ausgesetzt  iiber  das  ganze  Gebiet  verstreut,  was  einen  Zeit- 


Labrador-Trapper  das  Kiistenboot  der  Hudson's  Bay   Co.  erwartend. 

raum  von  mehreren  Wochen  erfordert.  Natiirlich  werden  ausser  den  neuen 
Fallen  auch  die  alien  Fallen  in  seinem  Besitz  in  Ordnung  gebracht  und  auf- 
gestellt.  Die  Lagerplatze  werden  so  gewahlt,  dass  jede  Falle  wenigstens  ein- 
mal  in  der  Woche  besucht  werden  kann.  Ausser  dem  Zelt  werden  noch  an 
verschiedenen  Stellen  im  Revier  Hiitten  errichtet,  in  denen  der  ermiidete 
Trapper  abends  rasten  kann,  wenn  es  zu  weit  bis  zum  eigentlichen  Lagerplatz. 
ist.  Die  gefangenen  Tiere  werden  nach  dem  Lagerplatz  gebracht  und  hier 
abgestreift,  was  mit  grosser  Gewandtheit  geschieht.  Ein  geiibter  Trapper 
streift  einen  Zobel  in  10  Minuten  ab  und  3  bis  4  Fiichse  in  einer  Stunde.  Die 
Felle  werden  dann  auf  Weidenrahmen  gestreift  und  an  der  Luft  getrocknet. 
Neben  dem  Besuch  der  Fallen  wird  auch  auf  wilde  Renntiere,  Hasen.  Reb- 
hiihner  etc.  Jagd  gemacht,  um  den  Fleischbedarf  zu  decken.  Ein  erlegter 


2Q4 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


Bar  liefert  nicht  nur  das  wert voile  Fell,  sondern  auch  gutes  Fleisch.  Als 
Leckerbissen  wird  das  Fleisch  des  Stachelschweins  betrachtet.  Im  Herbst 
wird  eifrig  nach  Forellen,  Lachsen  etc.  gefischt.  Wolfe  werden  auch 
haufig  geschossen  und  bringen  mindestens  5  Dollar  per  Fell.  Gegen  Weih- 
nachten  wird  die  Heimreise  angetreten  und  die  Pelzausbeute  an  die  Faktorei 
verkauft,  die  den  besten  Preis  bezahlt.  Dann  wird  der  Familie,  die  meist  50  bis 
100  Meilen  entfernt  wohnt,  ein  Besuch  abgestattet.  Nach  2  bis  3  Wochen 
wird  dann  wieder  der  Jagdgrund  aufgesucht,  wo  der  Trapper  bis  zum  April 


Labrador-Trapper,  die  ihre  Post  vom  Kustendampfer  abholen. 

verweilt,  um  dann  den  Sommer  in  der  Heimat  zu  verbringen.  Das  Leben  in 
der  Wildnis  ist  ein  sehr  muhevolles;  von  morgens  friih  um  5  Uhr  bis  in  die 
sinkende  Nacht  muss  er  auf  den  Beinen  sein.  Bei  den  hohen  Preisen  des 
Pelzwerks  lohnt  es  sich  aber,  und  der  Trapper  bring!  bei  einigermassen  nor- 
malem  Verlauf  immer  mehrere  hundert  Dollar  bares  Geld  von  seinen  Winter- 
strapazen  heim. 

c)  Vereinigte  Staaten. 

Anfanglich  wurde  der  Pelzhandel  in  den  Vereinigten  Staaten  in  ahn- 
licher  Weise  betrieben  wie  in  Canada  und  dem  Hudson's  Bay-Gebiet. 

Schon  die  ersten  Ansiedler,  die  mit  der  Mayflower  gelandet  waren,  ver- 
schafften  sich  einen  Teil  ihres  Unterhalts  durch  Tauschhandel  mit  den 


i.  Kapitel   (Amerika). 


295 


Labrador-Trapper  iiber  die  Fangverwertung 
verhandelnd. 


Indianern.       Spater    ent- 
wickelte    sich    aber    eine 
besondere  Menschenklasse, 
die    wie    in    Kanada    die 
Coureur  du  bois,  die  Wald- 
laufer  und  Voyageurs  des 
Hudson's  Bay-Gebiets  sich 
ausschliesslich  dem  Fange 
der    Pelztiere     und    dem 
Pelzhandel  widmeten,  die 
Trapper.    Teils  arbeiteten 
sie   fur  eigene   Rechnung, 
teils     traten     sie    in    die 
Dienste  der  verschiedenen 
grossen         Handelsgesell- 
schaften,     die    ich    schon 
in    fruheren   Abschnitten    geschildert    habe.      Der   Tauschhandel    mil    den 
Indianern  wurde  teils  von  feststehenden  Handelsposten  aus,  teils  von  umher- 
ziehenden  Handlern  besorgt.    Mit  der  zunehmenden  Besiedlung  des  Landes 
und    dem    Zuriickdrangen    und    Zusammenschmelzen    der    Indianer  -  Be- 
volkerung  losten  sich  allmahlich  auch  die  grossen  Pelzhandelsgesellschaften 
auf  und  der  Handelsbetrieb  wurde  ein  anderer.    Jeder  Gastwirt  und  Kramer 
im  Innern  nahm  von  den  Jagern  und  Farmern  Felle  in  Tausch,  da  Bargeld 
damals  in  den  sogenannten  Hinterwaldern,  den  ,, Backwoods",  sehr  knapp 
war.     Nahm  doch  vor  50  oder  60  Jahren  in  Missouri  oder  Arkansas  sogar 
der  Postmeister  die  Zahlung  fur  Briefporto  in  Fellen  an,  wobei  ein  Schuppen- 
fell  fur  y±  Dollar  gerechnet  wurde.    Die  so  gesammelten  Felle  wurden  dann 
teils  dem  Lieferanten  in  Zahlung  gegeben,  teils  von  Aufkaufern  an  Ort  und 
Stelle  aufgekauft.     Die  grosseren  Pelzhandelsfirmen  sandten  Reisende  aus, 
welche  die  grosseren  Kollektionen  besichtigten  und  darauf  versiegelte  Gebote 
abgaben,  die  dann  an  einem  bestimmten  Terrain  geofmet  wurden,  worauf  die 
Waren  demjenigen  zugesprochen  wurden,  der  das  hochste  Gebot  abgegeben. 
Allmahlich  bildeten  sich  mehrere  grosse  Zentralpunkte  des  Handels  heraus, 
namentlich  New  York,  Chicago  und  St.  Louis,  wahrend  andere  Knotenpunkte, 
wie   St.   Paul  in  Minnesota,    Detroit,   Milwaukee,    Omaha,   Council  Bluffs, 
Memphis,  Kansas  City,  St.  Feh  (einst  der  Mittelpunkt  des  ganzen  Karawanen- 
Verkehrs  nach  dem  Westen),  sehr  in  den  Hintergrund  traten.    Dafiir  dehnten 
die  an  diesen  Orten  wohnenden  Handler  ihre  Operationen  sehr  aus  und  be- 
schrankten  sich  nicht  nur   auf  die  Produkte    ihres   Distrikts,    sondern  be- 
suchten  auch  entlegene  Gebiete,  so  dass  heute  gar  keine  Gewahr  dafiir  ist, 
dass  z.  B.  die  von  Jowa  verschifften  Kollektionen  auch  nur  Felle  aus  diesem 
Staate  enthalten.     Das  oben  geschildert e   Submissionswesen  hat  fast  ganz 
aufgehort. 


296 


V.  Handel  und  Verkehr  in   Rauchwaren. 


Veriadung  von   Rauchwaren  auf  den    Kiistendampfer 
in  Labrador. 


Die  verschiedenen 
Rauchwarenhandler  iiber- 
schwemmen  das  ganze 
Gebiet  der  Vereinigten 
Staaten  mil  Zirkularen 
und  Preislisten,  die  sie 
selbst  an  die  einzelnen 
Trapper  richten,  in  denen 
sie  bitten,  ihnen  ihre 
Kollektionen  einzusenden. 
Sobald  solche  eingetroffen, 
werden  sie  sortiert  und 
taxiert  und  dem  Einsender 
ein  Scheck  fiir  den  Betrag 
eingesandt.  Die  vielen 
kleinen  Sendungen  werden 

dann  zusammengeworfen  und  nach  Gattung  und   Qualitat   sortiert  und  ge- 
langen  nun  an  eine  der  oben  genannten  3  Zcntren. 

In  friiheren  Jahren  war  der  weitere  Verlauf  sehr  einfach.  Die  Waren 
wurden  nach  London  an  C.  M.  Lampson  zum  auktionsweisen  Verkauf  gesandt, 
und  ergaben  nun  entweder  Gewinn  oder  Verlust,  so  dass  sich  das  Geschaft  als 
ein  sehr  spekulatives  erwies.  Anfangs  der  siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahr- 
hunderts  kamen  die  ersten  grosseren  regelmassigen  Sendungen  auch  nach 
Leipzig. 

Seit  der  Entwicklung  des  modernen  Verkehrs  ist  man  auch  in  Amerika 
bemiiht,  das  Geschaft  soviel  wie  moglich  auf  eine  weniger  spekulative  Basis 
zu  stellen  und  auch  die  hohen  Auktionsgebiihren  in  London  wenn  moglich 
zu  ersparen.  Heute  werden  die  Partien  schon  gleich  im  Dezember  und  Januar 
telegraphisch  nach  Leipzig 
angestellt  und  so  nach  Be- 
schreibung  verkauft,  ent- 
weder Kasse  oder  60  Tage 
Tratte  gegen  Dokumente, 
so  dass  nicht  nur  ein 
schneller  Umsatz  erzielt 
wird,  der  mit  kleinem  Ka- 
pital  grossere  Einkaufe  er- 
moglicht,sondern  auch  dem 
amerikanischen  Rauch- 
warenhandler zeigt,  welche 
Preise  er  fiir  weitere  Ein- 
kaufe anlegen  kann.  Hier 

kommen  heute  wohl  ebcn-  Fellschuppen  der  Hudson's  Bay-Co,  in  Labrador. 


i.  Kapitel    (Amerika). 


297 


soviel  Waren  von  den  Vereinigten  Staaten  nach  Leipzig  direkt  als 
nach  London.  Neben  Lampson  veranstaltet  auch  die  Firma  Nesbitt  in 
London  Auktionen  amerikanischer  Rauchwaren,  und  zwar  hauptsachlich 
im  Januar  und  Marz.  Eine  weitere  Auktion  findet  im  Juni  statt,  die 
aber  meist  nur  Waren  enthalt,  die  nicht  rechtzeitig  genug  nach  dem 
Markt  kamen,  um  zur  Marzauktion  nach  London  oder  zur  Ostermesse  nach 
Leipzig  zu  gelangen.  Eine  kleine  Auktion  wird  dann  noch  im  Oktober  ab- 
gehalten.  In  den  letzten  Jahren  haben  auch  verschiedene  Staaten,  um  der 
riicksichtslosen  Wildverwiistung  Einhalt  zu  tun,  strenge  Wildgesetze  einge- 


Bilder  aus  Labrador:    Battle  harbour  mit  dem  Doctor  der  Trapper. 

fiihrt  und  dieselben  vielfach  auch  auf  die  Pelztiere  ausgedehnt,  um  damit 
die  Erhaltung  einer  fur  den  National- Wohlstand  wichtigen  Industrie  zu 
fordern.  Besondere  Beamte,  die  ,,Game  wardens",  sind  angestellt,  um  iiber 
die  Ausfuhrung  dieser.  Gesetze  zu  wachen,  wenn  sie  dies  auch  in  Anbetracht 
der  grossen  Ausdehnung  ihrer  Amtsbezirke  nicht  immer  in  vollkommenem 
Masse  tun  konnen.  Diese  Schutzmassregeln  im  Verein  mit  der  dichten  Be- 
siedelung  des  Landes  haben  iibrigens  die  romantische  Menschenklasse  der 
Trapper  sehr  verringert. 

Es  sind  heute  nur  verhaltnismassig  wenige,  die  sich  das  Fallenstellen 
und  die  Jagd  als  einzigen  Berufszweig  erwahlt  haben.  Im  Sommer  beschaf- 
tigen  sich  diese  Leute  meist  mit  Fischfang  und  dem  Sammeln  medizinischer 


298 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


Wurzeln  und  Krauter,  fur  die  in  Amerika,  dem  Vaterlande  der  Patentmedi- 
zinen,  stets  ein  grosser  Markt  vorhanden  ist.  Sehr  zahlreich  sind  aber  die 
Farmer,  welche  die  erzwungene  Mussezeit  des  Winters  benutzen,  um  Fallen 
zu  stellen,  sei  es  nun  in  der  Nahe  ihres  Wohnsitzes  oder  auf  einer  Fangexpe- 
dition  von  einem  in  wildreicher  Gegend  auf  geschlagenenLagerplatze  (Camp)  aus. 
Nicht  nur  der  immerhin  nicht  unbetrachtliche  materielle  Nutzen,  sondern 
auch  die  Jagdlust  ist  hierbei  massgebend.  Daneben  gibt  es  aber  in  fast  jeder 
Ansiedlung  Individuen,  denen  die  Jagdlust  ebenso  fremd  ist  wie  die  Arbeit 


Im  Lager  der  Pelztierjager. 

und  die  doch  den  finanziellen  Nutzen  gern  mitnehmen.  Sie  finden  es  aber 
praktischer,  die  Fallen  der  andern  zu  revidieren  und  die  gefangenen  Tiere 
an  sich  zu  nehmen.  Manchmal  nehmen  sie  auch  gleich  die  ganzen  Fallen  mit. 

Diese  Leute,  die  sehr  selten  gefasst  werden,  erfreuen  sich  natiirlich  bei 
den  anstandigen  Farmern  einer  grossen  Beliebtheit! 

In  Alaska  ist  der  Pelzhandel  noch  etwas  anders  organisiert.  Hier  sind 
die  Trapper  nicht  so  zahlreich,  und  die  Indianer  und  im  nordlichen  Teil  die 
Eskimos  sind  die  Hauptlieferanten  der  wertvollen  Pelztiere.  Zum  Teil  werden 
solche  nach  den  Geschaften  in  den  Stadten  des  Gebiets,  wie  Nome,  Dawson 
City,  Circle  City  etc.  zum  Verkauf  gebracht,  doch  der  grossere  Teil  nach 
besonderen  Handelsposten,  die  die  verschiedenen  Pelzhandler  an  der  Kiiste  so- 
wohl  des  nordlichen  Eismeers  wie  des  Behringsees  errichtet  haben.  Selbst  bei 
Point  Barrow,  dem  nordlichsten  Punkt  Amerikas,  und  auf  der  weit  draussen 
im  arktischen  Ozean  gelegenen  Herschel-Insel  befinden  sich  solche  Handels- 
nieder  lassun  gen . 


I.  Kapitel   (Amerika). 


299 


Neben  den  grossen  Handelsgesellschaften,  der  Alaska  Comercial  Co.,  der 
Northern  Comercial  Co.  und  der  Comercial  Trading  &  Transportation  Co.,  welch 
letztere  auch  den  Dampferverkehr  an  der  Kiiste  und  auf  den  grossen  Stromen 
betreibt,  gehoren  die  Handelsposten  auch  einzelnen  grossen  Rauchwaren- 
firmen,  wie  Liebes  &  Co. -San  Francisco,  Bissinger  &  Co.  und  einzelnen  selb- 
standigen  Handlern.  Zahlreiche  Schoner,  Motorschoner  und  auch  kleine 
Dampfer  besuchen  diese  Kiistenposten  bis  zur  Miindung  des  Mackenzieriver, 
um  die  Pelzausbeute  abzuholen  und  neue  Vorrate  zu  bringen.  Auch  treiben 


Leutehaus  der  Hudson's  Bay  Postens  in  Rigolet,   Labrador. 

sie  mit  den  an  der  Kiiste  gelegenen  Indianer-  und  Eskimodorfern  einen  aus- 
gedehnten  Pelzhandel,  der  sich  auch  auf  die  grossen  Inseln  nordlich  von 
Kanada  erstreckt.  Auch  die  Waif  anger  treiben  meist  auch  Tauschhandel 
mit  den  Eingeborenen  vom  arktischen  Ozean.  Die  gesammelten  Felle  kommen 
teils  mit  den  genannten  Fahrzeugen  nach  San  Francisco,  teils  mit  den  regel- 
massigen  Dampfern  nach  Seattle  und  Tacoma,  die  sich  zu  Stapelplatzen  des 
Rauchwarenhandels  der  Westkiiste  heraufgearbeitet  haben  und  wo  alle 
i  bis  2  Monate  Auktionen  der  in  Alaska  und  dem  Arktik  gewonnenen  Felle 
stattfinden. 


2.   K  a  p  i  t  e  1. 

Asien. 

In  China  ist  der  Exporthandel  erst  etwas  iiber  20  Jahre  alt,  dagegen 
findet  seit  Jahrtausenden  ein  ausgedehnter  Pelzhandel  im  Innern  statt,  da 
die  Chinesen  grosse  Konsumenten  von  Pelz  sind  und  selbst  im  Siiden  des 
Riesenreichs,  in  Kanton,  Pelzkleider  im  Winter  tragen.  Es  sind  dies  meist 
kurze  Jacken,  sogenannte  Maquas,  die  entweder  mit  dem  Fell  nach  aussen 
getragen  werden,  oder  mit  Seidenstoff  iiberzogen  sind.  Die  Kiirschner  stammen 
zum  grossen  Teil  aus  Shansi,  und  sind  Mitglieder  der  Shansi  Kiirschnergilde 
in  ganz  China  zu  finden,  aber  auch  Angehorige  anderer  Provinzen  sind  im 
edlen  Kiirschnergewcrk  vertreten.  Da  in  China  die  Mode  in  der  Kleider- 
fasson  nur  alle  paar  hundert  Jahre  einmal  wechselt,  halten  die  Kiirschner 
die  fertigen  Pelze  ohne  Bezug  stets  in  grosseren  Mengen  vorratig,  und  zwar 
in  zwei  Langen,  die  auch  bei  uns  als  Kreuze  und  als  Robes  bekannt  sind. 
Weniger  gebraucht  werden  die  langen  Ro'cke  oder  Coats.  Es  wird  sowohl 
einheimisches  als  fremdes  Pelzwerk  dazu  verwendet.  Die  chinesischen 
Kiirschner,  die  meist  zugleich  auch  Zurichter  sind,  wie  es  truher  ja  auch 
bei  uns  ublich  war,  sind  recht  geschickt  und  wissen  ihre  etwas  primitiven 
Werkzeuge  recht  gut  zu  gebrauchen. 

Das  chinesische  Kurschnermesser  weicht  in  der  Form  von  dem  unserigen 
sehr  ab,  es  ahnelt  mehr  einem  Kreismesser. 

Die  Kiirschnergilde  ist  iibrigens  sehr  straff  organisiert ;  so  ist  es  z.  B. 
keinem  Mitgliede  erlaubt,  im  Sommer  mehr  als  von  10  Uhr  friih  bis  4  Uhr 
nachmittags  zu  arbeiten,  damit  die  Arbeiter  das  ganze  Jahr  hindurch  Be- 
schaftigung  haben.  Die  Kurschnergesellen  erhalten  fur  chinesische  Verhalt- 
nisse  einen  hohen  Tagelohn,  40  Cents,  d.  h.  ca.  80  Pfg.  pro  Tag,  das  wiirde, 
nach  deutschen  Verhaltnissen  iibertragen,  etwa  30  Mark  Wochenlohn  ent- 
sprechen. 

In  den  Hauptzentren  des  Handels,  in  Peking,  Tientsin,  Mukden,  Kirin, 
aber  nehmen  die  Buden  der  Kiirschner  ganze  Strassen  ein.  Fast  alle  sind 
nach  der  Strasse  zu  often.  Ganz  anders  ist  der  Handel  mit  Pelzwaren  fur 


2.   Kapitel    (Asien). 


3OI 


den  Export  gehandhabt  und  auch  hier 
an  den  beiden  Hauptexportplatzen 
Shanghai  und  Tientsin  ganz  ver- 
schieden. 

In  Tientsin  sind  die  Compr adore  der 
grossen  Exporthauser  meist  an  grossen 
chinesischen  Handlungshausern,  soge- 
nannten  Hongs,  im  Innern  beteiligt, 
welche  die  Waren  dort  aufkaufen  und 
nach  Tientsin  senden.  Besonders 
Kalgan,  Lauchanfu  und  Singanfu  sind 

Oi          T    -,..,  Labrador  Seehundjager. 

grosse  Stapelplatze. 

Das  Tibetgeschaft  ist  in  Shansi  und  Shensi  in  den  Handen  der  grossen 
Zurichtereien,  welche  die  rohen  Felle  aufkaufen,  zurechtmachen  und  sor- 
tieren.  Die  grossen  roten  Stempel,  die  sich  auf  der  Riickseite  der  Felle  be- 
finden,  geben  die  Namen  dieser  Zurichtereien  an.  Auch  diese  Felle  kommen 
nach  Tientsin.  Die  Ziegendecken  sind  in  der  Heimarbeit  gefertigt.  Die 
Felle  werden  in  grossen  Zurichtereien  zugerichtet  und  die  Decken  dann  von 
den  Bauern  wahrend  des  Winters  genaht.  In  Shanghai  ist  der  Handel  mehr 
freihandig,  die  Kompr adore  sind  nicht  daran  beteiligt,  sondern  die  Waren 
aus  dem  Innern,  namentlich  aus  dem  ganzen  Yantsetal  bis  hinauf  nach 
Chungking,  Szechan  und  aus  Shantung  und  Chekiang  gehen  an  grosse  chine- 
sische  Kommissionshauser.  Von  Niuchwang  ferner  geht  ein  Teil  an  die 
Shanghai-Filiale  der  chinesischen  Firmen  in  Newchang  und  Mukden.  In  dem 
Klubhaus  der  Fellhandlergilde  werden  dann  an  jedem  Morgen  die  Marktpreise 
auf  Grund  der  Ankunfte  und  der  bei  den  europaischen  Firmen  vorliegenden 
K  auf  orders  festgestellt,  die  den  Chinesen  durch  die  Shroffs,  den  chinesischen 
Angestellten  der  auslandischen  Hauser,  fast  stets  genau  bekannt  sind.  Makler 
machen  nun  die  Runde  bei  den  einzelnen  Firmen,  bei  denen  ein  Interesse  fiir 
die  Waren  vorliegt,  und  bieten  solche  an.  Die  weitere  Behandlung  ist  nun 
verschieden.  Die  meist  en  Firmen  lassen  sich  die  Offerte  wenn  moglich  fest 

fur  3  Tage  an  Hand  geben,  wenn  sie 
nicht  schon  Kauforders  besitzen,  und 
stellen  die  Partie  drahtlich  in  Europa 
und  Amerika  an.  Andere  Firmen 
kaufen  auf  eigene  Rechnung  undkon- 
signieren  die  Waren  dann  an  ihre  euro- 
paischen Vertreter.  Sobald  der  Kauf 
abgeschlossen  wird,  werden  die  Waren 
ubernommen  und  sofort  bar  netto 
Kassa  bezahlt  und  dann  gereinigt  und 
verpackt.  Einzelne  chinesische  Kauf- 
Seehundjager  in  Labrador.  leute  spekulieren  auch  und  machen 


302 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


lange  vor  Eintreffen  der  Waren  Lieferungskontrakte  zu  vereinbarten  Preisen. 
Dabei  1st  hervorzuheben,  dass  sie  solche  auch  strikte  innehalten,  auch  wenn 
bei  steigender  Konjunktur  die  Transaktion  stark  verlustbringend  fur  sie  ist, 
ganz  im  Gegensatz  zu  den  Japanern.  Der  Chinese  wiirde  es  als  eine  Schande 
betrachten,  den  Kontrakt  nicht  zu  halten,  ,,da  er  sonst  sein  Gesicht  ver- 
lieren  wiirde"  (loose  his  face). 

Dagegen  halt  er  sich  fiir  ganz  berechtigt,  einen  gewissen  Prozentsatz 
minderwertiger  Felle  mitzuliefern,  erhebt  aber  keinen  Widerspruch,  wenn 
das  bemerkt  und  ihm  das  nicht  Lieferungsgemasse  zuriickgegeben  wird. 


Zwei  beriihmte  Trapper  eines   Rigolet  Labrador. 

Grosse  Aufmerksamkeit  ist  daher  stets  bei  der  Ubernahme  notig.  Der  Chinese 
sagt  in  Pidgin  english :  ,,Have  got  eye,  whatfor  no  see",  ,,Duhast  doch  Augen, 
warum  siehst  du  nicht." 

Noch  vor  wenigen  Jahren  war  es  iiblich,  iiberhaupt  keine  Tertia-  und 
nur  einen  kleinen  Prozentsatz  Sekunda-Felle  mit  zu  iibernehmen.  Seit  aber  bei 
der  starkeren  Nachfrage  einige  Firmen  lax  bei  der  Ubernahme  wurden,  be- 
stehen  die  Chinesen  darauf ,  dass  auch  Sekunda  mitgenommen  werden  miissen, 
wodurch  das  Geschaft  viel  schwieriger  geworden  ist.  Grosse  Schwierigkeit 
macht  bei  der  Kalkulation  auch  der  Kurs.  Im  Innern  wird  nach  Kupfer- 
kasch  gekauft,  deren  Kurs  gegeniiber  den  Silbertaels  stark  schwankt.  In  den 
Hafenstadten  wird  nach  Silbertaels  gehandelt,  deren  Kurs  auch  taglich 


2.  Kapitel   (Asien). 


303 


,Der  Kaptein"  eines  Handelsdampfers 
an  der  Labradorkiiste. 


schwankt.  Die  Anstellungen  nach 
Europa  geschehen  stets  cif ,  d.  h.  Kost, 
Kommission,  Assekuranz  und  Fracht 
bis  europaischen  Haf  en  eingeschlossen, 
und  zwar  in  Shilling  oder  Mark.  1st 
die  Order  erteilt,  so  wird  der  Kurs  bei 
den  Banken  gedeckt,  doch  wahrend 
der  drei  Tage  bis  zum  Eintreffen  der 
Drahtantwort  tragt  der  Verschiffer 
das  Cours  Risico,  das  unter  Um- 
standen  i  bis  2  Proz.  betragen  kann. 
Selbst  dieser  Betrag  ist  nicht  so  un- 
bedeutend,  als  er  aussieht,  denn  die 
meisten  cif-Orders  werden  mil  3  bis 
6  Proz.  Nutzen  ausgefiihrt.  Kon- 
signiert  Shanghai,  so  tragt  das  Haus 
natiirlich  das  Risiko  der  Konjunktur 
und  hat  eventuell  einen  bedeutend 
hoheren  Nutzen,  oder  aber  auch 
Verlust. 

Wie  aber  auch  das  Geschaft  ab- 

geschlossen  ist,  stets  wird  gegen  die  verschifften  Waren  trassiert,  und  zwar 
4  Monate  Sicht-Tratte  gegen  die  verhangenden  Verschiffungs-Dokumente. 
Solche  Tratten  werden  von  den  Banken  stets  zum  Tageswerte  genommen 
und  voll  bezahlt.  Nach  Ubereinkunft  werden  die  Dokumente  entweder 
gegen  das  Akzept  ausgeliefert  oder  als  D/P  (Documents  against  payment) 
behandelt,  d.  h.  der  Akzeptant  hat  das  Recht,  die  Waren  bis  zum  Verfall  der 
Tratte  liegen  zu  lassen,  muss  aber  bei  Herausnahme  der  Waren  Kassa  zahlen, 
wobei  ihm  fur  die  nicht  abgelaufene  Frist  der  Bank-Diskont  vergiitet  wird. 
Haufig  wird  auch  sogenannter  Bankkredit  verlangt,  d.  h.  der  hiesige  Kaufer 
muss,  meist  durch  Vermittlung  seiner  Bank,  einer  Bank  in  China  bestatigen, 
dass  er  die  Tratte  bis  zu  einer  bestimmten  Hohe  aufnehmen  wird.  Alle 
diese  Arrangements  ermoglichen  es  eben,  dass  die  Waren  mit  einem  so 
geringen  Nutzen  verkauft  werden  konnen,  da  erstens  kein  Zinsverlust 
entsteht  und  der  Verkaufer  sein  Kapital  viele  Male  umsetzen  kann. 
Miisste  er  bis  zum  Eintreffen  des  Erloses  warten,  was  vier  bis  fiinf  Monate 
dauert,  da  miisste  der  Nutzen  natiirlich  viel  hoher  kalkuliert  werden. 

Ganz  anders  als  in  China  ist  der  Pelzhandel  in  Japan  organisiert.  Hier 
gehorten  Pelze  nur  in  sehr  beschranktem  Masse  zur  Landestracht.  Nur  die 
japanischen  Otter felle  werden  gerupft  zu  Mantelkragen  und  die  Fuchsfelle 
(Kitsenu)  sowie  die  Felle  des  japanischen  Viverrenhundes  oder  sogenannten 
Seefuchses  (Tanuki)  ebenfalls  gerupft  zu  Pelzf utter  verwendet,  wahrend  die 
Oberhaare  zu  Pinsel  verarbeitet  werden.  Jetzt  sind  die  japanischen  Tanuki 


304  V.  Handel  imd  Verkehr  in  Rauchwaren. 

fur  diesen  Zweck  zu  teuer  geworden  und  man  verwendet  dazu  eingefiihrte 
chinesische  Felle.  Die  Ausfuhr  von  Fellen  beschrankte  sich  fruher  auf  die  an 
der  Kiiste  und  an  den  Kurila-Inseln  gefangenen  Seeottern  und  Seals.  Auch 
hieran  betatigten  sich  nur  wenige  japanische  Schiffe.  Die  Mehrzahl  der 
Fangfahrzeuge  gehorte  Fremden.  Erst  vor  etwa  25  Jahren  fing  man 
an,  auch  dem  Export  von  Fellen  einige  Aufmerksamkeit  zuzuwenden,  doch 
erst  seit  20  Jahren  hat  dieser  Teil  des  japanischen  Geschafts  eine  grossere 
Ausdehnung  gefunden.  Die  japanischen  Kaufleute  erfreuen  sich  im  all- 
gemeinen  keiner  besonderen  Wertschatzung,  weder  bei  ihren  eigenen  Lands- 
leuten,  noch  bei  den  fremden  Kaufleuten,  die  mit  ihnen  zu  tun  haben.  Standen 
sie  doch  im  alten  Feudalstaat  auf  der  niedrigsten  Stufe  der  sozialen  Leiter 
und  rangierten  hinter  den  Bauern.  Die  Pelzhandler  und  Hautehandler  standen 
aber  noch  niedriger,  denn  sie  gehorten  zu  der  verachteten  Paria-Kaste,  den 
,,Etas".  Obgleich  sie  nun  seit  1868  die  vollen  burger  lichen  Rechte  besitzen 
und  auch  vielfach  durch  den  Pelzhandel  reich  geworden  sind,  ist  das  soziale 
Vorurteil  in  Japan  gegen  sie  doch  bestehen  geblieben.  So  konnten  z.  B. 
vor  einigen  Jahren  die  vereinigten  Pelz-  und  Hautehandler  in  Tokio  keinen 
Saal  zur  Abhaltung  von  Festlichkeiten  erhalten.  Diese  Handler  bilden  nun 
ebenso,  wie  dies  die  andern  japanischen  Handler  mit  Rohprodukten  tun, 
einen  Ring  und  beschranken  den  Verkauf  von  Fellen  hauptsachlich  auf  die 
Platze  Yokohama  und  Kobe.  Es  ist  fast  unmoglich  fur  die  dortigen  Expor- 
teure,  diesen  Ring  zu  umgehen  und  direkt  im  Innern  einzukaufen.  Das  ware 
aber  nicht  so  schlimm,  denn  dem  Nachteil  der  Preisverteuerung  steht  der 
Vorteil  einer  Organisation  gegeniiber,  die  grossere  Mengen  von  Waren  auf 
den  Markt  bringt.  Das  Schlimme  ist  oft  aber  die  grosse  geschaftliche  Un- 
zuverlassigkeit  der  Leute.  Sie  schliessen  bereitwillig  Lieferungskontrakte 
ab,  um  dieselben  bei  steigender  Konjunktur  einfach  nicht  zu  erfiillen,  und 
die  japanische  Rechtsprechung  unterstiitzt  sie  dabei.  Sollte  aber  wirklich 
ein  Exporteur  ein  obsiegendes  Gerichtserkenntnis  gegen  einen  dieser  Nicht- 
lieferanten  erhalten,  so  niitzt  mm  das  auch  nichts,  denn  wenn  er  es  auf  dem 
Zwangswege  vollstrecken  wollte,  wiirde  er  von  den  anderen  Handlern  einfach 
boykottiert  werden. 

Die  japanischen  Felle  kommen  von  Januar  bis  Mai  an  den  Markt,  auch 
ein  grosser  Teil  der  Fellausbeute  von  Korea  und  von  Sachalin  findet  seinen 
Weg  nach  Japan.  Der  Wert  der  jahrlichen  Ausfuhr  an  Fellen  mag  etwa 
3  bis  4  Millionen  Mark  betragen,  ungerechnet  der  Ausbeute  des  Seehund- 
fanges  und  der  Seeotterjagd,  an  denen  sich  die  Japaner  in  immer  steigendem 
Masse  seit  1896  beteiligen.  Hieriiber  bringen  wir  an  anderer  Stelle  Ausfuhr- 
licheres.  Der  Seehundsfang  auf  den  russischen  Komodorski-Inseln  ist  von 
der  russischen  Regierung  verpachtet  worden,  und  zwar  geschah  das  zunachst 
an  die  Firma  Hutchinson  &  Kohl  in  San  Francisco  und  Rechtsnachfolger  der 
Alaska  Comercial  Co.  Nach  Ablauf  1887  erhielt  die  russische  Kamschadka 
Industrial  &  Comercial  Company  in  Petersburg,  an  deren  Griindung  auch 


2.  Kapitel   (Asien).  305 


der  bckannte  Pariser  Pelzhandler  Griinwald  beteiligt  war,  den  Pachtkontrakt, 
den  sie  noch  heute  besitzt.  Dieselbe  Gesellschaft  hat  auch  den  Pachtkontrakt 
fur  das  Regierungsmonopol  fur  den  Seeotternfang  auf  den  Komodorski- 
Inseln  und  der  Kiiste  von  Kamschadka.  Alle  Seeotterfelle  miissen  dem  ersten 
Beamten  der  Krone  in  dem  Orte  Nikolsk  auf  der  Behringinsel  abgeliefert 
werden  und  werden  dann  an  die  Company  zu  einem  mit  der  russischen 
Regierung  kontraktlich  fiir  die  Qualitat  festgesetzten  Preis  verkauft.  In 
Kamschadka,  sowie  auf  der  Tschuktschen  Halbinsel  beherrscht  die  Gesell- 
schaft auch  jetzt  den  grossten  Teil  des  Pelzhandels,  doch  sind  daneben  auch 
andere  Gesellschaften  tatig.  Die  Eingeborenen  des  gesamten  ostlichen 
Sibirien,  die  Kamschadalen,  die  heute  auf  einer  Kulturstufe  stehen,  die  der 
der  russischen  Bauern  wenig  nachgibt,  die  Yakuten,  Tschuktschen,  Golde 
Gilyaken,  Tungusen  etc.  sind  alle  eifrige  Jager  und  bringen  die  erbeuteten  Felle 
teils  auf  die  Messen  zu  Anadyrsk  und  Nishny  Kolymsk,  teils  an  die  Stationen 
der  verschiedenen  Pelzhandelsgesellschaften.  Ein  Teil  dieser  Waren  findet 
dann  seinen  Weg  nach  Wladiwostok,  ein  anderer  wird  direkt  exportiert. 
Von  Ochotsk,  Yakutsk,  Blagowetschensk,  Irkutsk  etc.  aus  bereisen  ubrigens 
heute  Fellaufkaufer  bereits  das  ganze  Gebiet  bis  an  das  nordliche  Eismeer, 
um  Felle  aufzukaufen.  Zum  Teil  findet  auch  Tauschhandel  statt.  Das  meiste 
wird  aber  in  Rubeln  bezahlt.  Agenten  Moskauer  und  selbst  Leipziger  Hauser 
bereisen  dann  die  grosseren  Orte  und  kaufen  die  Felle  von  den  Einkaufern, 
was  durch  die  gute  Bahnverbindung  sehr  erleichtert  wird,  da  man  jetzt  in 
7  bis  8  Tagen  von  Moskau  in  Irkutsk  ist,  weniger,  als  man  fruher  zum  Erreichen 
der  Messe  von  Irbit  brauchte.  Die  Zufuhren  zu  diesem  beriihmten  Messplatze 
sind  denn  jetzt  auch  bedeutend  geringer  als  fruher,  da  eben  ein  grosser  Teil 
der  Rauchwaren  bereits  fruher  abgeschlossen  ist. 

Die  Bahn  ist  natiirlich  heute  das  Hauptmedium  des  Verkehrs,  doch 
ausserhalb  derselben  sind  die  verschiedensten  Verkehrsmittel  im  Gange. 
Auf  den  grossen  Stromen  und  den  Seen  sind  zahlreiche  Dampfer  und  daneben 
schwerfallige  Barken,  sogenannte  Lodjas,  im  Gange.  Auf  dem  Amur  und 
der  Schilka  gehoren  eine  ganze  Reihe  von  Dampfern  der  deutschen  Firma 
Dickmann  &  Co.,  doch  miissen  sie  alle  unter  russischer  Flagge  fahren.  Auch 
die  kleinen  Fahrzeuge,  Schoner,  Motorschoner  und  kleine  Dampfer,  die 
an  der  Kiiste  sowohl  wie  nach  den  Inseln  Handel  treiben,  miissen  unter 
russischer  Flagge  fahren,  und  passen  russische  Wachtkreuzer  auf,  dass  keine 
Fahrzeuge  anderer Nationen  dort  landen  oder  Handel  treiben;  nur  japanische 
Fahrzeuge,  die  sich  angeblich  dem  Fischfange  widmen,  benutzen  die  Gelegen- 
heit  zum  Pelzhandel  haufig  recht  ausgiebig. 

Im  hohen  Norden,  wo  iiberhaupt  keine  Bewachung  stattfindet,  treiben 
die  amerikanischen  Waif  anger  ausgedehnten  Pelzhandel,  und  verschiedene 
Fahrzeuge  von  San  Francisco,  welche  von  den  Eingeborenen  im  Norden 
Alaskas  und  der  Hudson's  Bay  Felle  eintauschen,  besuchen  auch  die  Inseln 
an  der  Behringstrasse  und  das  Gebiet  der  Tschuktschen  ebenso  wie  die 

20 


306  V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 

Eskimo-Niederlassungen  auf  den  Inseln  des  hohen  Nordens.  Im  Winter, 
wenn  die  Fliisse  gefroren,  sowie  auch  im  Sommer  in  den  Gegenden  abseits 
der  Strome  und  der  Bahnlinien,  bilden  Pferde  das  Hauptbeforderungsmittel, 
und  zwar  je  nach  der  Beschaffenheit  der  Strassen  als  Bespannung  von  Schlitten 
oder  der  primitiven  Telegen,  oder  als  Packtiere,  wie  z.  B.  von  Jakutsk  aus. 
In  Kamschadka  bildet  der  Hundeschlitten  das  Beforderungsmittel.  Hier 
sind  die  Hunde  das  wichtigste  Haustier,  grosse,  kraftige  Tiere,  die  auch 
auf  den  verschiedenen  Siidpolexpeditionen  gute  Dienste  geleistet  haben,  da 
sie  kraf  tiger  und  ausdauernder  sind  als  die  Eskimohunde.  Sie  sind  aber 
womoglich  noch  gefrassiger,  und  ist  es  deshalb  kaum  moglich,  in  Kamschadka 
Gefliigel  und  Klein  vieh  zu  halt  en. 

An  den  Kiistengebieten  des  Nordens  werden  ebenfalls  Hundeschlitten 
gebraucht,  und  sind  die  ostsibirischen  Eskimohunde  starker  und  grosser  als 
die  westsibirischen  und  gronlandischen.  Auf  den  Tundren,  der  Moossteppe 
des  Innern,  bilden  Renntiere  das  Verkehr smedium,  und  zwar  sowohl  als 
Schlittenzugtiere  wie  als  Packtiere.  Diese  Renntiere  sind  oft  das  ein/.ige 
Besitztum  der  eingeborenen  Tschuktschen,  Samojeden  oder  Tungusen,  aber 
ein  sehr  prekares,  da  sehr  oft  der  Milzbrand  grosse  Verheerungen  anrichtet 
und  die  Her  den  ganzer  grosser  Distrikte  vollig  dahinrafft. 


3.   K  a  pit  el. 

Der  Betrieb  der  Londoner  Auktion. 

Von  der  Hudsonbay  Co.  und  der  Firma  C.  M.  Lampson,  deren  Geschichte 
wir  ja  welter  vorn  schon  geschildert  haben,  wird  die  Mehrzahl  der  nach  London 
kommenden  amerikanischen  Rauchwaren  zur  Auktion  gebracht.  Daneben 
bringen  die  Firmen  Goad  Rigg  &  Co.,  Culverwell  Brooks  &  Cotton,  Flack 
Chandler,  Nesbitt  &  Co.,  Anning  &  Cobb  und  Dyster  Nalder  seit  mehr  als 
50  Jahren  und  die  Firmen  Barber  &  Co.,  Henry  Kiver  und  Thorpe  &  Welby 
seit  neuerer  Zeit  australische,  chinesische,  japanische  und  afrikanische  Rauch- 
waren zur  Versteigerung. 

DieseHauser  versteigern  teilweise  auch  amerikanische  Felle ;  aber  wahrend 
bei  Lampson  &  Co.  nur  bona  fide  direkte  Importen  zur  Auktion  gelangen, 
sind  die  amerikanischen  War  en  der  oben  genannten  Hauser  haufig  schon  in 
dritter  oder  vierter  Hand. 

Seit  dem  Jahre  1905  veranstaltet  die  Firma  Nesbitt  &  Co.  auch  Auktionen 
direkter  amerikanischer  Importen.  Die  Huasonbay  Company  bringt  im 
Januar  Biber,  Bisam  und  Kanin,  im  Marz  die  iibrigen  Rauchwaren  zur  offent- 
lichen  Versteigerung,  wahrend  ihre  iibrigen  Produkte,  wie  konservierter  Lachs, 
Renntierzungen,  Tran,  Daunen,  Bibergeil  usw.,  zu  anderen  Jahreszeiten  ver- 
kauft  werden. 

Die  anderen  Firmen  halten  die  offentlichen  Verkaufe  im  Januar,  Marz, 
Juni  und  Oktober.  Kleiner e  Verkaufe  finden  auch  zwischendurch  statt. 

Der  Betrieb  dabei  ist  folgender: 

Nachdem  die  Kaufer  durch  Vermittlung  ihrer  Kommissionare  die  ge- 
druckten  Kataloge  erhalten  haben,  geht  es  an  die  Besichtigung  der  War  en. 
Die  Hudsonbay  Company  hat  dieselbe  in  ihrem  eigenen  Hause  in  Lime- 
street,  die  Firma  Lampson  gleichfalls  in  ihrem  Geschaftshause  in  Queen- 
street  zur  Schau  gestellt,  wahrend  die  anderen  War  en  meistens  in  den  Docks 
oder  offentlichen  Speichern,  wie  Smith  Warehouse  usw.,  lagern. 

Jetzt  gilt  es,  jede  Minute  des  Tageslichts  auszunutzen,  um  die  Schatze 
zu  besichtigen,  zu  klassifizieren  und  die  notigen  Bemerkungen  nebst  den 

20* 


308 


V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 


etwa  anzulegenden  Preisen  im  Kataloge  einzutragen  und  sich  besonders 
wiinschenswerte  Lose  zu  bezeichnen. 

Endlich  ist  der  grosseTag  der  Auktionen  herangekommen,  und  in  einem  ver- 
haltnismassig  kleinen  Raume,  fniher  in  der  Kolonialproduktenborse  in  Mincing 
Lane,  jetzt  in  College  Hill  versammeln  sich  die  Kaufer  aus  alien  Landern,  auf 
erhohten  Banken  sitzend,  jeder  mit  dem  Katalog  und  Federhalter  vor  sich. 

Nach  der  konservativen  Art  alter  englischer  Institutionen  wurden  iibrigens 
nur  Gansekiele  zum  Schreiben  geliefert. 

Auf  einem  Katheder  steht  der  Auktionator  mit  zwei  Gehilfen,  und  der 
Verkauf  beginnt. 

Der  Verlauf  ist  meistens  ein  ruhiger,  nur  die  Stimme  des  Auktionators 
oder  seiner  Gehilfen  wird  gehort.  Der  Auktionator  ruft  ein  Los  auf  und  fragt, 


4   Generationen  von  Brokern  der  H.   B.   C. 
William  Hogall   1813—1838.  William  Hogall   (Sohn)   1848  —  1871. 

mit  welchem  Preise  er  beginnen  soil:  20,  19,  15,  12,  10  Schilling.  Eifrig  sehen 
die  Koadjutoren  in  den  Raum,  um  das  geringste  Zeichen  zu  erspahen.  Da 
nickt  einer  der  Kaufer  unmerklich  mit  dem  Kopf  und  ,,io  Schilling  ist  ge- 
boten",  hallt  es  laut  vom  Katheder  zuruck.  Nun  kommt  Leben  in  die  Ver- 
sammlung.  Von  verschiedenen  Seiten  werden  jetzt  Zeichen  gegeben,  die  jedes- 
mal  eine  Steigerung  um  den  bei  den  einzelnen  Sorten  festgestellten  Betrag 
bedeuten. 

Alles  spaht  zugleich  eifrig  umher,  um  zu  sehen,  wer  geboten,  denn  dies 
ist  aus  mehreren  Griinden  wichtig  zu  wissen.  Jede  Firma  fiihrt  namlich 
genaue  Notizen,  wer  die  einzelnen  Lose  erstanden,  zumal  die  Personlichkeit 
der  Bieter  haufig  den  Schliissel  gibt  fiir  die  Marktlage  des  Artikels.  Vor 
allem  aber  muss  man  auch  aufpassen,  um  rechtzeitig  einspringen  zu  konnen. 
Der  Kaufer  des  ersten  Loses  eines  ,, Strings",  d.  h.  eine  Reihe  gleichartiger 
Lose  hat  das  Recht,  die  nachf olgenden  desselben  Strings  zu  gleichen  Preisen  zu 


3.  Kapitel    (Londoner  Auktionen). 


309 


erstehen,  bis  er  iiberboten  wird.  Sobald  er  genug  hat,  gibt  er  ein  Zeichen,  und 
der  nachste,  der  das  Auge  des  Auktionators  erreicht,  tritt  in  seine  Rechte, 
bis  er  seinerseits  iiberboten  wird  oder  genug  hat. 

Es  gibt  hierbei  haufig  Streitigkeiten,  da  gewohnlich  mehrere  gleichzeitig 
ausrufen,  worauf  dann  der  Versteigerer  entscheidet, 

Auch  wenn  es  sich  um  vielumstrittene  Lose  handelt,  ruft  auch  wohl  ein 
eifriger  Kaufer  sein  Gebot  laut,  statt  sich  mit  dem  Winken  zu  begniigen. 
Ein  einfaches  Hinsehen  nach  der  Tribune  gilt  iibrigens  schon  als  Gebot. 

Es  soil  iibrigens  bei  hitzigem  Bieten  vorkommen,  dass  der  Auktionator 
flott  selbst  mitsteigert,  ohne  Gebote  zu  haben,  um  den  Preis  in  die  Hohe 
zu  treiben.  Bleibt  er  dann  auf  solchem  Blankogebot  sitzen,  so  ruft  er  dann 
gewohnlich  einem  ganzlich  Unbeteiligten  zu:  ,,Das  ist  Ihr  Los,  Herr  Schultze." 


4  Generationen  von  Brokern  der  H.   B.  C. 
Edw.   Harris   (Enkel)    1871—1892.  S.  H.  Harris  (Urenkel)  seit  1901. 

Schultze  protestiert  natiirlich  entriistet  und  unter  allgemeiner  Heiter- 
keit  wird  die  Sache  als  Irrtum  erklart  und  das  Los  wieder  von  neuem  aus- 
geboten. 

Der  Chef  der  betreffenden  Auktionsfirma  steht  gewohnlich  mit  auf  der 
Tribune,  wenn  er  nicht  selbst  den  Hammer  fiihrt. 

So  geht  der  Verkauf  von  10  Uhr  friih  bis  in  die  spate  Abendstunde,  mit 
einer  kurzen  Mittagspause.  Friiher  wurde  den  Kaufern  dann  ein  opulentes 
Fruhstiick  auf  Rechnung  der  Hudsonsbay  Company  und  Lampsons  serviert, 
um  sie  am  Verlassen  des  Hauses  zu  verhindern.  Dieser  schone  Brauch  aber  hat 
jetzt  aufgehort. 

Wohltuend  beriihrt  iibrigens  bei  allem  Eifer  das  Fehlen  des  Konkurrenz- 
neides.  Eine  kollegiale  Stimmung  herrscht,  da  man  in  der  Rauchwaren- 
branche,  lange  bevor  in  den  anderen  Industriezweigen  an  Interessengemein- 
schaften  gedacht  wurde,  das  Bindende  der  gemeinsamen  Handelsinteressen 


310  V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 

erkannte.  Unterstiitzt  wird  dies  auch  wohl  dadurch,  dass  man  seit  Jahren 
gewohnt  1st,  im  selben  Hotel  zu  wohnen  (De  Keysers  Royal  Hotel,  Black- 
friars)  und  die  Mahlzeiten  gemeinsam  einzunehmen. 

Am  Schlusse  der  Auktion  iibergibt  man  seinem  Kommissionshause  die 
Liste  der  erworbenen  Partie  und  dieses  besorgt  dann  die  Abnahme,  Be- 
zahlung,  Verpackung  und  Versendung  der  Ware,  wofiir  meistens  2  Proz. 
Kommission  gezahlt  wird. 

Bezahlt  werden  muss  die  Ware  bis  zu  einem  bestimmten  Tage,  einige 
Wochen  nach  Schluss  der  Auktion,  dem  sogenannten  ,,  Prompt  day",  mit 
2 1/2  Proz.  Skonto,  doch  hat  der  Kaufer  auch  dasRecht,  die  Waren  noch  langer 
liegen  zu  lassen,  bis  zu  6  Monaten,  unter  Vergiitung  von  Zinsen  und  Lagergeld. 

Vielfach  nehmen  auch  die  Kommissionshauser  die  Ware  fur  ihre  Kom- 
mittenten  per  Kassa  ab  und  raumen  ihnen  einen  Kredit  ein,  doch  sind  dies 
private  Abmachungen. 

Trotzdem  die  in  London  umgesetzten  Waren  jahrlich  wohl  80 — 100  Mill. 
Mark  iibersteigen,  kommt  wohl  mindestens  ebenso  viel  oder  mehr  aus  den 
Produktionsgebieten  nach  Leipzig  direkt,  doch  sind  die  in  London  erzielten 
Preise  massgebend  fur  den  Markt. 

liber  den  Betrieb  auf  den  russischen  Messen  haben  wir  schon  bei  der 
Geschichte  des  Rauchwarenhandels  in  Russland  berichtet. 

In  den  Auktions-Katalogen,  sowie  auch  in  den  Preislisten  der  grossen 
Rauchwarenhauser  ist  die  Herkunft  des  betreffenden  amerikanischen  und 
kanadischen  Felles  durch  Abkiirzungen  bezeichnet,  wahrend  bei  sibirischen, 
chinesischen  und  australischen  Rauchwaren  die  Herkunftsbezeichnungen 
meist  voll  ausgeschrieben  und  nicht  abgekiirzt  sind. 


4.  Kapitel. 

Die  gebrauchlichen  Abkurzungen 
fur  amerikanische  Fellsorten. 

Die  Hudson's  Bay  Company  besitzt  etwa  200  Handelsposten,  die  in  vier 
Departements  eingeteilt  werden.  Die  Fellsorten  bekamen  aber  nicht  die 
Namen  nach  diesen  administrativen  Distrikten,  sondern  entweder  nach 
einzelnen  Forts,  die  den  Mittelpunkt  oder  das  Depot  des  betreffenden 
Distriktes  bildeten,  oder  nach  einem  geographischen  Bezirk. 

Die  grossten  Mengen  brachte  stets  der  Yorkfortdistrikt,  abgekiirzt  Y.  F. 
Diese  Sorten  bilden  gewissermassen  einen  Standard.  So  ist  z.  B.  der  Preis 
der  Y.  F.-Nerze  als  Wertmesser  fur  die  andern  Sorten  zu  betrachten.  Es  sind 
grosse,  kraftige  Felle  mit  feinem  Haare  und  mittlerer  Farbe.  Die  Y.  F.- 
Bisam  sind  dagegen  klein  und  an  der  spitzen  Form  zu  erkennen,  ahnlich 
dem  Minnesota-Bisam. 

Die  besten  Felle  sind  gewohnlich  die  M.  R.  aus  Mooseriver  Factory  am 
siidlichen  Teile  der  Hudsonbai.  Namentlich  die  Biber  von  hier  sind  sehr 
dunkel,  haufig  fast  schwarz,  was  wohl  von  den  dichten  dunklen  Nadelwaldern 
herriihrt,  in  denen  die  Tiere  leben. 

E.  M.  bedeutet  East  Maine,  der  Teil  des  Gebiets  6'stlich  von  der  Hudsons- 
bai.   E.  B.  heisst  Esquirnobai  und  bezeichnet  einen  Teil  von  Labrador.   Nerze, 
Zobel  und  Ottern  dieser  beiden  Gegenden  sind  die  feinsten  in  Qualitat  und 
Farbe  und  sind  in  rohem  Zustande  auch  durch  die  sorgfaltige  Behandlung, 
die  ihnen  von  den  Indianern  zuteil  geworden  ist,  zu  erkennen.     Die  Leder- 
seite,  die  stets  nach  aussen  ist,  ist  fein  gewaschen  und  gereinigt,  die  Fiisse 
sind  sorgfaltig  in  Rosettenform  aufgerollt. 

F.  G.  bedeutet  Fort  George.     L.  W.  R.  Little  whale  river.     K.  P.  steht 
fur  Kings  Posts.    Dies  ist  kein  eigentliches  Hudsonsbaigebiet,  sondern  gehort 
zum  siidlichen  Labrador.    Es  waren  dies  urspriinglich  franzosische  Domanen, 
die  1731  zu  einem  besonderen  Distrikt  vereinigt  wurden,  und  die  sich  von 
Pont  Neuf  bis  Kap  Kormoran  hinziehen.    1832  wurden  die  dort  befindlichen 
neun  Handelsposten  nebst  den  Fischereien  fur  1200  Pfund  jahrlich  an  einen 


312  V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 

Pelzhandler  aus  Montreal  verpachtet,  wenige  Jahre  spater  iibernahm  aber  die 
Hudsonsbay  Company  die  Pachtung.  Jetzt  sind  nur  noch  sechs  Posten 
vorhanden. 

Als  M.  K.  R.  sind  die  Felle  vom  Mackenzie  River  bezeichnet,  wo  sich 
auch  das  nordlichste  Hudsonsbayfort  Fort  Goodhope  gerade  unter  dem  Polar- 
kreise  befindet.  Die  Biber  aus  dieser  Gegend  sind  stets  hellfarbig,  was  wohl 
daher  kommt,  dass  das  anstossende  Gebiet,  die  sogenannten  Barrengrounds, 
sehr  of  fen  ist. 

N.  W.  Northwest  werden  die  Felle  aus  dem  ganzen  Gebiet  westlich  von 
den  Rocky  Mountains  bezeichnet.  Diese  sind  teilweise  auch  an  der  Art  und 
Weise  der  Zubereitung  durch  die  Indianer  zu  erkennen.  Die  Biber  z.  B.  sind 
in  Fischform  aufgespannt,  wahrend  die  Bisam  ganz  abgestreift  sind  durch 
die  Mundoffnung  und  deshalb  das  Haar  schwer  zu  beurteilen  ist.  Doch  gibt 
die  Farbe  des  Leders  dem  erfahrenen  Rauchwarenhandler  schon  die  Qualitat 
an.  Die  beste  Ware  hat  stets  eine  hellweisse  Farbe,  die  Sekunda  oder  Sommer- 
felle  sind  griinstreifig  usw. 

Der  sudliche  Teil  dieser  Provenienzen  wird  auch  als  Columbiaware 
bezeichnet.  Dies  riihrt  von  der  Zeit  her,  als  die  Hudsonsbay  Company  auch 
13  Handelsposten  auf  dem  Gebiet  der  Vereinigten  Staaten  besass  und  die- 
selbe  als  Columbiadistrikt  bezeichnete.  1849  niussten  diese  Posten  und  die 
dort  befindlichen  Farmen  aber  an  die  Vereinigten  Staaten  abgetreten  werden. 

Die  Kolumbiazobel  sind  sehr  fein  und  dunkelfarbig,  die  Nerze  aber  grob 
und  hellfarbig.  Friiher  wurden  diese  Kolumbianerze  nicht  sortiert,  ehe  sie 
zur  Auktion  kamen,  wcshalb  sie  namentlich  bei  dem  billigen  Preise  einen 
vorteilhaften  Kauf  abgaben. 

Ca.  bedeutet  Canadawaren,  und  bezeichnen  die  Herkiinfte  namentlich 
aus  Oberkanada  und  einem  Teil  Unterkanadas.  Die  Waren  aus  dem  Winipeg- 
distrikt  gehoren  aber  schon  zu  Y.  F.,  ebenso  die  von  der  Seenkette  zwischen 
Lake  Superior  und  dem  Redriver.  Die  Waren  nordlich  vom  St.  Lorenz  gehen 
auch  zum  Teil  als  M.  R. 

Auch  fiir  die  amerikanischen  Waren  aus  den  Vereinigten  Staaten  (U.  S.) 
sind  Abkiirzungen  ublich.  Friiher  konnte  man  auch  diese  Waren  nach  der 
Herkunftsbezeichnung  kaufen,  aber  jetzt  ist  es  durchaus  nicht  ausgemacht, 
dass  die  Felle  aus  dem  Distrikt  stammen,  in  dem  sie  gekauft  sind,  und  sind 
sie  schon  bei  den  Sammlern  gemischt. 

N.  Y.  bedeutet  New  York  State.  Aus  den  dichten  Waldern  dieses  Staates 
kommen  sehr  viele  und  gute  Felle.  Nerze  sind  gross  und  kraftig,  wenn  auch 
meist  mittelfarbig.  Skunks  sind  gross  und  gutfarbig.  Schuppen  gehoren  zu 
den  besten  Sorten.  Auch  die  Bisam  sind  gross  und  von  guter  Qualitat.  Biber 
kommen  dort  nicht  mehr  vor.  Ottern  sind  von  schoner  Qualitat  und  Farbe. 

N.  J.  New  Jersey  liefert  ahnliche  Sorten  wie  die  vorhergehenden,  die 
Bisam  aber  sind  iiberhaupt  die  besten.  Auch  die  schwarzen  Bisam  kommen 
fast  ausschliesslich  aus  diesem  Gebiet. 


4.  Kapitel   (Abkiirzungen) .  313 


Me.  Maine  liefert  ahnliche  Ware  wie  die  als  Halifax  bezeichneten  Felle 
aus  Neuschottland  und  Neubraunschweig.  Besonders  die  Nerze  aus  diesen 
Distrikten  sind  die  besten,  grosse,  rauche,  blaufarbige  Felle.  Auch  die  Ottern 
sind  von  sehr  schoner  Farbe,  und  Fiichse  gehoren  nachst  den  Alaska  zu  den 
feinsten. 

Auch  die  mittleren  Staaten  (Centralstates)  O.  Ohio,  Mich.  Michigan,  Wis. 
Wiskonsin,  To.  Torro,  111.  Illinois  liefern  ebenso  wie  das  den  Eastern  gehorige 
mil  Pa.  bezeichnete  Pennsylvanien  gute  Ware,  besonders  Schuppen-  und 
Skunk  von  vorziiglicher  Qualitat.  Ohio-,  Wiskonsin-  und  Minnesota- Skunk 
sind  die  besten. 

Nicht  so  gut  sind  die  Waren  aus  den  siidlichen  Staaten:  Ky.  Kentucky, 
Tenn.  Tennessee,  Del.  Delaware,  Md.  Maryland,  Va.  Virginia,  Miss.  Mississippi, 
N.  C.  North  Carolina,  S.  C.  South  Carolina.  Mo.  Missouri  wird  teilweise  zu  den 
siidlichen,  teils  zu  den  westlichen  Staaten  gezahlt. 

Eine  besondere  Stellung  nimmt  der  Distritk  N.  M.  New  Madrid  in  diesem 
Staate  ein.  Infolge  des  grossen  Erdbebens  im  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts 
entstand  hier  ein  fast  undurchdringliches  Sumpf-  und  Urwaldgebiet,  das  einer 
grossen  Zahl  Pelztiere  Schutz  und  Zuflucht  bot.  Namentlich  kommen  von 
hier  viel  Schuppen,  die  in  eigenartiger  Weise  behandelt  sind,  indem  die  Felle 
fast  genau  viereckig  aufgespannt  werden. 

Ark.  Arkansas  liefert  viele,  aber  geringwertige  Pelze. 

Ind.  Indiana,  Minn.  Minnesota,  Ma.  Montana,  Neb.  Nebraska,  Id.  Idaho, 
Ks.  Kansas,  werden  als  Western  States  zusammengefasst.  Die  aus  den  nord- 
lichen  Teilen  derselben  stammenden  Felle  sind  von  guter  Mittelqualitat,  die 
aus  den  siidlichen  Teilen  minder wer tiger.  Aus  Minnesota  kommen  viele 
Waren,  die  im  allgemeinen  den  Y.  F.  des  Hudsonsbaigebietes  ahneln.  Mon- 
tana ist  besonders  durch  seine  Biber  ausgezeichnet,  die  mitteldunkel,  rauch, 
in  eigenartiger  Weise  sorgfaltig  an  den  Randern  beschnitten  sind,  dass  sie 
fast  rundliche  Form  haben. 

Cal.  Kalifornien  liefert  auch  nicht  sehr  gute  Waren.  Die  Biber  aus  diesem 
Staate,  die  indessen  nur  noch  wenig  an  den  Markt  kommen,  sind  ganz  hell- 
farbig,  fast  gelblich. 

Wash.  Washington  Territory,  Ore.  Oregon  liefern,  wie  schon  oben  er- 
wahnt,  die  sogenannten  Kolumbiafelle,  doch  werden  dieselben  auch  haufig 
mit  den  Alaskaprovenienzen  als  N.  W.  Northwestern  zusammengefasst. 
Al.  Alaska  liefert  die  besten  von  alien  Fellen  der  Vereinigten  Staaten.  Nament- 
lich die  Fiichse  und  Zobel  sind  vorzuglich.  Hier  an  der  Kiiste  befinden  sich 
auch  viele  Blaufuchs-  und  Silberfuchsfarmen. 

Die  Silberfuchse  von  den  Pribiloff-Insem  usw.,  die  als  sogenannte  Sitka- 
Silberfiichse  in  den  Handel  kommen,  sind  aber  ziemlich  grob  im  Haar. 


5.   Kapitel. 

Schonzeiten  ftir  Pelztiere  in  Amerika. 

Nachdem  die  Walder  und  Prairien  der  Vereinigten  Staaten  durch  die 
riicksichtslose  Aasjagerei  schon  fast  entvolkert  sind,  fing  man  an,  strenge 
Jagdgesetze  einzufiihren.  Canada  war  schon  lange  mil  gutem  Beispiel  voran- 
gegangen,  dann  erst  folgten  die  verschiedenen  Einzelstaaten  der  U.  S.  Zu- 
nachst  wurde  das  Wild,  sowohl  Hirsche  und  Elentiere  wie  Flugwild  ge- 
schiitzt,  jetzt  aber  sind  seit  kurzem  auch  die  seit  lange  notwendigen  Schon- 
zeiten fur  Pelztiere  eingefuhrt. 

Die  Schonzeiten  sind  jetzt  wie  folgt: 

Alaska  sudlich  vom  62.  Breitegrade.  Braune  Baren  vom  i.  Juli  bis 
i.  Oktober. 

Jowa.     Biber,  Nerz,  Otter,  Bisam  vom  i.  April  bis  i.  November. 

Kentucky.    Otter,  Biber,  Nerz,  Schuppen  vom  i.  Marz  bis  15.  November. 

Maine.  Nerz,  Zobel,  virg.  Iltis  vom  i.  Mai  bis  15.  Oktober.  Bisam 
vom  i.  Mai  bis  i.  Dezember. 

Michigan.  Otter,  virg.  Iltis,  Zobel  vom  i.  Mai  bis  15.  November.  Nerz, 
Schuppen,  Skunk  und  Bisam  vom  i.  September  bis  i.  November.  Biber 
diirfen  bis  31.  Dezember  1910  iiberhaupt  nicht  gefangen  werden. 

Minnesota.     Nerz,  Bisam  vom  15.  April  bis  15.  November. 

Mississippi.     Baren  vom  i.  Marz  bis  15.  November. 

Nebraska.     Biber  diirfen  iiberhaupt  nicht  erlegt  werden. 

Nevada.     Biber  und  Otter  geschiitzt  bis  i.  April  1910. 

New  Hampshire.  Zobel,  Otter,  virg.  Iltis  vom  31.  Marz  bis  15.  Oktober. 

Neu  Mexico.     Biber  dauernd  geschiitzt. 

New  York.  Biber  dauernd  geschiitzt.  Zobel  bis  1910.  Nerz,  Skunk, 
Bisam  vom  30.  April  bis  15.  Oktober.  Es  ist  aber  eine  starke  Agitation  im 
Gange,  die  Schonzeit  bis  15.  November  auszudehnen. 

North  und  South  Dacota.    Biber  und  Otter  dauernd  geschiitzt. 

Pennsylvania.  Biberfang  und  Erlegung  dauernd  verboten.  Baren-Schon- 
zeit  vom  i.  Marz  bis  i.  Oktober. 


5.  Kapitel   (Schonzeiten).  315 


Utah.     Otter  und  Biber  dauernd  Schonzeit. 

Vermont.     Dasselbe. 

Wiskonsin.  Otter  vom  15.  Februar  bis  i.  November.  Virg.  Iltis,  Zobel, 
Nerz  vom  i.  Marz  bis  i.  November.  Bisam  vom  i.  Mai  bis  i.  November. 

Wie  man  sieht,  fehlen  verschiedene  Staaten  noch  ganz  und  in  andern 
erstreckt  sich  der  durch  Schonzeiten  gewahlte  Schutz  nur  auf  einzelne  Pelz- 
arten.  Es  ist  dringend  im  Interesse  des  Rauchwarenhandels  und  der  Trapper 
zu  wiinschen,  dass  diese  Gesetzgebung  noch  weiter  ausgebaut  wird  und  auch 
fur  die  notige  Kontrolle  gesorgt  wird,  denn  vielfach  steht  das  Gesetz  nur  auf 
dem  Papier. 

Kanada,  das  schon  seit  vielen  Jahrzehnten  Wildschutz  besitzt,  hat  die 
folgenden  Bestimmungen  zum  Schutz  der  Pelztiere: 

British  Kolumbia.  Otter  und  Zobel  Schonzeit  vom  i.  April  bis  i.  Nov., 
Biber  dauernd  Schonzeit. 

Manitoba.  Otter,  Biber,  virg.  Iltis  vom  15.  Mai  bis  i.  Oktober.  Zobel 
vom  15.  April  bis  i.  November. 

Neuschottland.     Nerz  vom  i.  Marz  bis  i.  November.     Biber  dauernd. 

Neubraunschweig.     Biber  Schonzeit  bis  1910. 

Prinz  Edward-Insels.  Zobel,  Nerz,  Bisam,  Otter,  vom  i.  April  bis  i.  Nov., 
Bar  vom  i.  November  bis  i.  April. 

Quebek.  Nerz,  Otter,  Zobel,  Schuppen  vom  i.  April  bis  i.  November, 
Bar  vom  i.  Juli  bis  20.  August. 

Neufundland.  Biber  geschiitzt  bis  1910.  Otter  vom  i.  April  bis  i.  Ok- 
tober. Fiichse  vom  15.  Marz  bis  15.  Oktober. 


6.  Kapitel. 

Silberfuchsfarmen  in  Amerika. 

Die  kolossal  hohen  Preise,  welche  Silberfuchsfelle  erzielen,  haben  schon 
seit  einigen  Jahren  eine  eigene  Industrie  ins  Leben  gerufen.  Auf  den  Inseln 
der  Kuste  von  Alaska  wird  die  Zucht  von  Blaufiichsen  und  Silberfiichsen 
von  mehreren  Gesellschaften  betrieben,  doch  bleiben  hier  die  Tiere  im  halb- 
wilden  Zustande  sich  selbst  uberlassen.  Die  menschliche  Fiirsorge  beschrankt 
sich  darauf,  fiir  regelmassige  Nahrung  und  ein  geschiitztes  Obdach  zu  sorgen, 
und  bei  der  jahrlichen  Totung  im  Winter  darauf  zu  achten,  dass  nur  die  besten 
Exemplare  zur  Zucht  iibrig  bleiben.  Die  Resultate  sind  gut,  aber  wahrend 
die  so  gezuchteten  Blaufiichse  von  vorziiglicher  Qualitat  sind,  werden  die 
Silberfuchsfelle  meist  etwas  grob.  In  anderer  Weise  verfahrt  man  im  Osten 
des  Kontinents,  im  Staate  Maine,  sowie  in  Neubraunschweig,  Neuschott- 
land  und  Prinz  Edward-Inseln.  Auch  in  Labrador  und  auf  Neufundland 
sollen  Versuche  im  Gange  sein.  Es  existieren  augenblicklich  etwa  20  Silber- 
fuchsfarmen im  Osten  Amerikas,  meist  von  einzelnen  Farmern  ohne  grosse 
Mittel  betrieben.  Die  erste  Sorge  ist,  dass  die  gewahlte  Lokalitat  den  Lebens- 
bedingungen  der  Fiichse  entspricht,  die  zweite,  dass  sie  nicht  beunruhigt 
werden. 

Um  Raum  fiir  etwa  6  Paar  Silberfiichse  zu  haben,  geniigt  etwa  i  Morgen 
Land,  auf  dem  sich  einzelne  Baume  und  Straucher  befinden. 

Zunachst  wird  eine  aussere  Umzaunung  angelegt,  mit  Drahtgeflecht  um- 
geben,  die  alle  Besucher  fern  halten  soil.  In  etwa  40  bis  50  Fuss  Entfernung 
hiervon  kommt  dann  die  innere  Umzaunung  von  10  Fuss  hohem  Draht- 
geflecht. Oben  muss  dasselbe  noch  etwa  2  Fuss  nach  innen  eingebogen  werden, 
dass  es  iiberhangt  und  so  ein  Uberklettern  oder  Uberspringen  unmoglich 
macht.  Auch  muss  der  Drahtzaun  mindestens  2  Fuss  in  die  Erde  reichen; 
am  unteren  Ende  in  der  Erde  wird  ein  breiter  Streifen  Steine  gelegt,  um  ein 
Untergraben  durch  die  Fiichse  zu  verhindern.  Der  zwischen  beinen  Um- 
zaunungen  befin  liche  Raum  wird  dicht  mit  Gestrauch  besetzt,  um  den  Tieren 
den  Anblick  voriibergehender  Menschen  zu  entziehen.  Auch  werden  die 


6.  Kapitel   (Fuchsfarmen) .  317 


Zugange  stets  verschlossen  gehalten  und  jede  Storung  der  Tiere  sorgfaltig 
vermieden.  Nur  der  Pfleger  hat  Zutritt.  Innerhalb  der  inneren  Umzaunung 
werden  nun  eine  Anzahl  kleinerer  Abteilungen  durch  Zaune  hergestellt,  jede 
etwa  8 — 10  Quadratruten  gross,  und  mit  einem  Zufluchtsort,  entweder  in 
Form  einer  Hiitte  oder  eines  grossen  Fasses,  versehen,  fur  je  ein  Paar  be- 
stimmt,  wahrend  ausserdem  zwei  grossere  Abteilungen  von  je  30 — 40  Quadrat- 
ruten eingezaunt  sind,  die  eine  fur  mannliche,  die  andere  fiir  weibliche  Fiichse. 

Die  Tiere  werden  nun  zu  regelmassigen  Zeiten  gefiittert,  und  gerade 
hierbei  ist  die  grosste  Aufmerksamkeit  notig.  Uberfuttern  ist  ebenso  schad- 
lich  wie  falsche  Fiitterung,  und  gerade  hiergegen  ist  anfanglich  viel  verstossen 
worden.  Zu  fett  gewordene  oder  nicht  sachgemass  ernahrte  Fiichse  schreiten 
nur  selten  zur  Fortpflanzung  und  werden  auch  haufig  krank.  Gerade  hieran 
sind  auch  die  meisten  Zuchtungsversuche  von  Mardern  in  Deutschland  ge- 
scheitert.  Die  Tiere  diirfen  durchaus  nicht  ausschliesslich  mit  Fleisch  ernahrt 
werden,  sondern  erfordern  eine  gemischte  Nahrung.  Hochstens  ein  Viertel- 
pfund  Fleisch,  sei  es  Pferdefleisch  oder  Schlachterabfalle,  darf  taglich  jedem 
Fuchs  verabreicht  werden.  Daneben  erhalten  sie  etwas  Milch,  Hausabfalle, 
Brot  oder  Hundekuchen,  auch  von  Zeit  zu  Zeit  etwas  Beeren  oder  sonstige 
Friichte,  gelegentlich  erhalten  sie  auch  lebende  Mause  oder  Ratten,  wenn 
billig  zu  haben  auch  wohl  von  Zeit  zu  Zeit  einen  Fisch.  Insekten  fangen  sie 
sich  selbst  in  ihrem  Revier.  Die  Ernahrung  ist  deshalb  billig. 

Im  Februar  und  Marz  schreiten  die  Fiichse  zur  Fortpflanzung  und  etwa 
50  Tage  spater  wirft  die  Fiichsin  3 — £  Junge.  Gleich  nach  der  Paarungszeit 
werden  die  Geschlechter  getrennt,  und  werden  erst  wieder  im  Dezember 
paarweise  zusammengesperrt,  den  iibrigen  Teil  des  Jahres  diirfen  sie  in  den 
grosseren  Abteilungen  frei  herumlaufen,  aber  die  Geschlechter  getrennt. 

Nach  einem  Jahre  sind  die  Jungen  schon  fortpflanzungsfahig.  Wenn 
die  Fiichse  sich  auch  bald  an  die  Gefangenschaft  gewohnen,  bleiben  sie  doch 
sehr  scheu  und  angstlich.  Ob  die  Ziichtung  gelingt,  hangt  zum  grossen  Teil 
davon  ab,  ob  sie  sich  an  ihren  Pfleger  gewohnen,  den  sie  taglich  sehen. 
Namentlich  wahrend  der  Paarungszeit  ist  es  notwendig,  dass  die  Tiere  abso- 
lut  nicht  gestort  werden,  und  auch  der  Warter  muss  sich  sehr  in  acht  nehmen, 
dieselben  nicht  zu  erschrecken.  Auch  wenn  die  Fiichsin  Junge  hat,  ist  grosse 
Sorgfalt  vonnoten,  da  sie  sonst  fort  wahrend  versucht,  die  Jungen  fortzu- 
schleppen  und  zu  verstecken,  und  geht  manchmal  der  ganze  Wurf  zugrunde. 

Abgesehen  von  der  Fortpflanzung  hat  sich  das  Halten  der  Silberfiichse 
in  Gefangenschaft  sehr  einfach  erwiesen.  Zahm  werden  die  Tiere  zwar  nie, 
auch  die  in  Gefangenschaft  geborenen  bleiben  scheu.  Sonst  befinden  sie 
sich  aber  in  den  Einzaunungen  ganz  wohl  und  spielen,  wenn  sie  sich  un- 
beobachtet  glauben,  ganz  lustig  umher.  Schnee  und  Kalte  vertragen  sie  sehr 
gut,  nur  muss  man  aufpassen,  wenn  der  Boden  abwechselnd  taut  und  friert, 
da  sie  sich  dabei  leicht  die  wertvollen  Felle  beschadigen.  Sehr  selten  kommt 
es  vor,  dass  ein  gefangener  Fuchs  ausbricht.  Merkwiirdigerweise  klettern  sie 


318  V.  Handel  und  Verkehr  in  Rauchwaren. 

gern  auf  die  in  der  Umzaunung  stehenden  Baume,  was  sie  in  der  Freiheit  fast 
nie  tun.  Krankheiten  tret  en  bei  gut  behandelten  Fiichsen  sehr  selten  auf, 
nur  infolge  falscher  Fiitterung  gehen  manchmal  Tiere  ein,  und  wenn  nicht 
in  sauberen  Raumen  gehalten,  leiden  sie  unter  Ungeziefer  und  manchmal 
auch  unter  Raude. 

Die  Hauptsache  ist,  dass  der  Heger  sich  um  seine  Pfleglinge  unausgesetzt 
kummert,  ohne  sie  indessen  zu  belastigen.  Die  Tiere  lassen  sich  auch  nicht 
anfassen,  und  miissen,  wenn  sie  disloziert  werden  sollen,  durch  Tiiren  von 
einer  Abteilung  zur  anderen  getrieben  werden. 

Die  Fehlschlage  in  der  Fortpflanzung  haben  meistens  die  folgenden 
Ursachen :  Entweder  sind  die  Tiere  uberfuttert  und  deshalb  so  f ett  geworden, 
dass  sie  sich  nicht  fortpflanzen  oder  sie  sind  durch  Storungen  nervos  und 
erregt  geworden.  Um  gute  Result  ate  zu  erzielen  ist  es  notwendig,  immer 
die  besten  Exemplare  zur  Weiterzucht  zu  verwenden,  und  auch  von  Zeit  zu 
Zeit  fur  Blutauffrischung  zu  sorgen. 

Lebende  Silberfiichse  bilden  jetzt  bereits  einen  gut  en  Handelsartikel 
und  werden  hoch  bezahlt.  Ein  Paar  lebende  Silberfiichse,  deren  Felle  viel- 
leicht  zusammen  1000  Mark  wert  sind,  diirften  unter  3000  Mark  nicht  zu  haben 
sein.  Tiere  mit  besonders  gutem  Fell,  die  aber  fast  nie  an  den  Markt  kommen, 
sind  natiirlich  viel  mehr  wert. 

Die  Industrie  steckt  noch  in  den  Kinderschuhen,  verspricht  aber  sehr 
gute  Result  ate,  da  Massenproduktion  nicht  zu  befiirchten  steht,  und  fur 
gute  Silberfuchsfelle  immer  mehr  Nachfrage  als  Angebot  besteht. 


VI. 

Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren:  321 

Wert  der  Ausfuhrwaren  der  Hudson's  Bay  Company,    die  zum  Eintausch   der 

Felle  benutzt  wurden. 


1698—99  ......   <£    943-15  17*7  •    ........  <£  3I91-  2-  9. 

1700      .......   ,,  1718  ........  „  1847.18. 

170*  .  :••;•    •    •    •    •   »   1658.  9-  5-  17*9-    •    •  '  .....  »  1731- 

1702  .......   „     972  1720  ........  „  1897.  9.  7. 

1703  .......   »  1721  ........   „  1755-  4-  4- 

1704  .......  ,,  2021.10.  1722  ........  ,,  2444.15.11. 

1705  .  ,.  .  y  .v..  .  .  „  1723  ........  „  2305.  2.  7. 

1706  .  .  ./.'..  -  „  958.  6.  2.  1724  ........  „  1497.18.  7. 

1707  '.->,  .  .  V.  v  .  „  1725  ........  „  2410. 

1708  .  .  .  .  .  .  .  ,,  2025.  3.  6.  1726.  .......,,  1599.15.11. 

1709  .  .  ....  .  „  1728.  .  .  .....  „  2571.13.  4. 

1710  f  ...  *'  .  .  „  1160.  4.  3.  1732.  ........  3350.12.  3. 

1711  -  -  -  .-.  Si«  76°-  2-  T733-  -  -  .....  »  3iio.  9.  i. 

i7J2  •  •  .  .  ..."  •  »  745-14-  i.  1734  ........  »  3930.I9-  4- 

1713  •  •  •  •  •-  •  •  »  893.14.  3.  1735  ........  „  2232. 

i7M  .  ...  •  •  :  •  „  2329.  7.  7.  1736  .....  .  .  .  „  4547-16. 

i7J5  •  •  •  -  •  •  •  M  1402.18.  1737  ........  „  4024.18.12. 

1716  .....,.„  1259.17.  3.  1738  ........  „  3879.10. 


Einfuhr  der  Hudson's  Bay  Company  im  Jahre  1733  aus  den  Forts  Albany,  Moose 

River  &  East  Maine. 

8663  ganze  Parchmentbiber, 
3902  halbe  Parchmentbiber, 
2292  ccat  biber, 
1060  l/2  coat  biber, 

93   Quelquehetcher  (Vielfrass), 
98  Baren, 
9  Luchse, 
9  Wolfe, 
70  Fiichse, 

4559  Zobel  (gerechnet  =  1519  Biber), 
272  Otter  (gerechnet  —  136  Biber), 
870  Pf.  Federn, 
10  Weennek. 

Am  20.  Dezember  1740  verkaufte  die  Hundson's  Bay  Company  in  London: 

5  460  Coatbiber  a  5/3  per  Pfund, 
12  320  Parchmentbiber  a  6/2  per  Pfund, 

21 


322 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


3  690  Cubbiber  a  6/2  per  Pfund, 

3640  beschadigte  Biber  a  5/2  per  Pfund, 

1  760  beschadigte  Biberints  a  4/6  per  Pfund, 
16300  Zobel  a  7/10  per  Fell, 

2  360  beschadigte  Zobel  a  4  sh.  per  Fell. 
560  Otter  a  6/3  per  Fell. 

50  Katzen  a  3/2  per  Fell, 
730  Katzen  a  23  /  per  Fell, 
300  Flichse  a  8/4  per  Fell, 
210  Fiichse  a  5/8  per  Fell, 
630  Vielfrasse  a  8/  per  Fell, 
220  alte  Vielfrasse  a  3/8  per  Fell, 
330  Baren  a  17/6  per  Fell, 
720  Wolfe  a  15  /  per  Fell, 

40  Wood  chuks  (Murmel)  a  7/  per  Fell, 
250  Hirsche  a  7/  per  Fell. 

30  Elks  a  7/  per  Fell. 

Gesamtwert  24  800  g,  ausserdem  noch  2360  Pf .  Bettfedern,  160  Pf .  Bibergeil 
610  Pf.  Fischbein  120  Tonncn  Tran. 


Einfuhr-Liste  der  Hudson's  Bay  Company  im  Jahre   1729. 

62  160  Biber  a  4/ — 6  d.  per  Pfund, 

12480  Zobel  a  5/8 — io/  per  Stiick, 

340  Ottern  a  4/  per  Stiick, 

560  Luchse  a  20  / — 30  /  per  Stiick, 

130  Rotfiichse  a  7 — n/  per  Stiick, 

330  Vielfrasse  a  io/ — n/  per  Stiick, 

140  Wolfe  a  6/10  per  Stiick, 

340  Baren  a  8 — 15  /  per  Stiick, 

40  virg.  Iltis  a  9/10  per  Stiick. 


1723: 
1724: 

1725-- 
1726: 

1727: 
1728: 


Biber 
Biber 
Biber 
Biber 
Zobel 
Biber 
Zobel 
Biber 
Zobel 


In  den  Jahren 

Marz   39  614,  im  November  19  330  a  4/ 
„     36240,     ,, 

,,      21  190,      ,, 

,,    39  600,     „ 


29  490, 


23  130, 


5/8  per  Pfund. 

15320  a  5/6 — 6/6  per  Pfund. 
17890  a  4/2 — 5/io  per  Pfund. 
19090  a  3/9 — 7/8  per  Pfund. 

5  680  hochster  Preis  io/  p.  St. 
22090  a  3/4 — 7/2  per  Pfund. 

5  940  hoehster  Preis  7/10  p.  St. 
31  540  a  4/8 — 6/6  per  Pfund. 

9520  hochster  Preis  7/  p.  St. 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren.  323 

Im  November  1743. 

5980  Coatbiber  a  4/8.   £  2415, 
780  beschadigte  Coatbiber  a  4/.  £  270, 
9520  Parchmentbiber  4165, 
4070  Biber  762,18, 
4760  beschadigte  Biber  1918, 
1640  Cubs  248, 
12370  Zobel  4242.7, 
2360  beschadigte  Zobel  442.  10, 
590  Otter  i4/.  413, 
850  Katzen  i8/.  765, 
260  beschadigte  Katzen  4/.  52, 
320  Fiichse  12/6.  200, 
600  Vielfrasse  6/10.  205, 
170  beschadigte  Vielfrasse  3/3.  27/12, 
320  Baren  23 /.  368, 
1580  Wolfe  20 /.  1580, 
270  beschadigte  Wolfe  9/2.  123.15. 
40  Woodshuks  4/2. 
10  Nerze  3/, 

5  Schuppen  3/4, 
120  Feh  4/, 
130  Elk, 
440  Deer, 

170  Pfund  Bettfedern, 
140  Pfund  Bibergeil, 
470  Barten, 

23  Fass  Tran. 

Die  Haupt-Auktion   folgte    aber  erst  Marz   1744,   wobei  das  doppelte 
Quantum  verkauft  wurde,  im  Gesamtwert  von  ca.  40  ooo  £. 

Im  ganzen  also  ca.  60,000  £  Gegenwert  fur  die  im  Jahre  1740  heraus- 
gesandten  3800  £  europaische  Waren. 


21 


324 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Einfuhrliste  derHudson'sBay  Company  nach  London 


Coat- 
Biber 

Parchment- 
Biber 

Zobel 

Ottern    Luchse   Fiichse 

1752 

10,143 

33,675    24,639 

1,296     4,009 

9I3 

1753 

9,061 

29,041 

25,725     i,338     7^79 

1,015 

1754 

7,295 

22,270 

10,787     1,123     4>I98 

638 

1755 

7,44* 

27,755 

9,671 

1,191 

i,444 

753 

1756 

7,825 

25,042 

6,050 

1,192 

838 

1,222 

1757 

9,846 

26,388 

5,352 

i,339 

631 

572 

1758 

8,000 

22,886 

7,882 

1,305 

917 

352 

1759 

7,000 

20,110 

20,295 

1,250 

1,881 

2,445 

1760 

9,900 

23,126 

22,465     1,514     3,842    4,755 

1761 

13,300 

30,446 

i8,547 

2,232     5,338 

2,719 

1762 

13,000 

36,265 

13,389 

2,557     5,820 

2,057 

1763 

9,353 

24,88l 

17,332 

1,478     6,000 

2,207 

1764 

10,500 

23,088 

11,814 

i,553     3,005 

2,892 

1765 

14,450 

30,450 

7,558 

i,935     i,77! 

i,536 

1766 

10,400 

28,536 

8,066 

2,144     1,138 

2,445 

1767 

10,500 

23,436 

20,768 

1,752     i,  088 

3,323 

1768 

6,300 

17,950 

19,949 

1,438     1,128 

1,146 

1769 

6,750 

18,761 

15,897 

1,171     2,508 

952 

1770 

9,5oo 

25,273 

26,547 

1,296     4,012 

3o83 

1771 

9,900 

22,427 

22,496 

1,605     4,225 

2,126 

1772 

8,350 

19,851 

12,626 

1,490 

5,463 

i,45i 

J773 

5,700 

17,689 

9,891 

i,579 

2,301 

i,552 

1774 

4,600 

19,472 

16,739 

i,958 

i,744 

609 

1775 

4,050 

16,668 

19,742 

1,698 

705 

911 

1776 

4,900 

15,964 

18,143 

i,773 

i,i57 

674 

1777 

5,700 

25,597 

17,798 

2,144 

2,823 

887 

1778 

4,300 

20,033 

16,730 

1084 

2,478 

558 

1779 

2,900 

17,320 

17,484 

i,343 

1,245 

988 

1780 

7,070 

26,867 

22,060 

2,401 

3,168 

2,188 

1781 

6,360 

35,763 

18,277 

2,i74 

2,966 

2,149 

1782 

2,050 

18,752 

7,466 

2,306 

i,553 

593 

1783 

1,500 

I3,IOO 

13,420 

i,75o 

960 

540 

1784 

2,500 

15,500 

13,800 

1,400 

980 

440 

1785 

3,200 

24,350 

16,322 

1,996 

822 

5i5 

1786 

3,950 

25,095 

23,365 

2,145 

801 

999 

1787 

3,800 

37,ioo 

27,960 

3,ooo 

i,  080 

1,620 

1788 

2,900 

38,320 

25,070 

2,940 

2,050 

1,440 

1789 

4>900 

41,690 

23,901 

2,674 

i,55o 

3,778 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwar^n. 


325 


in   den    Jahren    1752 — 1890  (nach  Henry  Poland,  London). 


Vielfrasse 

Baren 

Wolfe 

Nerze 

Bisam 

Schuppen 

Virg. 
Iltisse 

670 

350 

988 

233 

553 

_ 

712 

375 

1,820 

88 

285 

— 

— 

721 

250 

1,071 

—  • 

•  — 

— 

— 

868 

414 

1450 

— 

— 

— 

— 

847 

443 

1,927 

— 

— 

— 

— 

75i 

333 

1,621 

— 

— 

— 

— 

652 

340 

2,452 

— 

— 

— 

— 

934 

367 

4,008 

— 

— 

— 

,  — 

871 

434 

3,395 

— 

— 

— 

— 

952 

621 

4,718 

— 

— 

— 

— 

1,221 

585 

3,212 

— 

— 

— 

— 

1,322 

648 

2,731 

147 

2,789 

— 

— 

843 

54i 

4,073 

— 

—  • 

— 

— 

755     494    3461 

120 

1,269 

— 

— 

486     706    4,226 

133 

!  -  — 

— 

— 

885 

732 

5,905 

302 

5,279 

|  .  — 

534 

473 

409 

2,914 

307 

1,458 

— 

no 

481 

442 

3,080 

174 

2,312 

— 

116 

604 

373 

5,476 

160 

1,199 

— 

160 

933 

401    3,565 

129 

622 

— 

I2O 

742 

275    2,703 

94 

943 

— 

97 

570 

269    4,263 

116 

2,323 

— 

67 

407 

250 

583 

168 

5,9J3 

— 

13 

45i 

226 

i,955 

163 

4,909 

— 

30 

337 

243 

383 

192 

5,626 

— 

36 

434 

309 

613 

290 

4,357 

307 

99 

199 

314 

375 

197 

3,700 

300 

36 

193 

219 

30 

263 

4,095 

416 

46 

344 

309 

2,644 

221 

6,100 

289 

56 

396 

310 

1,166 

218 

4,750 

300 

95 

121 

406 

375 

150 

2,750 

430 

85 

87 

350 

i,43° 

2OO 

5,830 

— 

59 

90 

230 

480 

150 

2,500 

540 

40 

218 

196 

1,820 

188 

4,040 

488 

74 

234 

172 

2,393 

37i 

5,161 

401 

95 

250 

170 

3,5oo 

380 

5,7oo 

840 

80 

270 

2IO 

2,580 

366 

4,36o 

660 

30 

242 

384 

2,423 

464 

5,i97 

502 

184 

326 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Coat- 
Biber 

Parchment- 
Biber 

Zobel 

Ottern 

Luchse 

Fiichse 

1790 

3,600 

41,530 

18,847 

2,822 

970 

2,290 

1791 

5,276 

49,738 

20,954 

3,70i 

1,603 

5,823 

1792 

3,600 

46,930 

21,095 

2,983 

1,400 

6,000 

!793 

4^24 

42,242 

11,639 

3,338 

i,546 

2,130 

1794 

4,024 

39,517 

8,627 

3,737 

989 

1,837 

1795 

3,664 

51,123 

15,547 

4,667 

1,102 

2,834 

1796 

2,516 

48,697 

25,787 

4,364 

1,149 

2,683 

1797 

2,901 

44,5i6 

30,374 

4,i5i 

1,625 

8,780 

1798 

2,595 

43,4i8 

18,488 

4,006 

1,541 

n,754 

1799 

1,728 

39,995 

22,875 

3,997 

2,269 

7,440 

1800 

1,668 

35,037 

30,053 

3,694 

3,708 

10,164 

1801 

1,406 

33,253 

22,949 

3,486 

4,495 

32,754 

1802 

2,150 

37,i87 

18,265 

3,9H 

3,658 

17^55 

1803 

1,642 

32,127 

9,893 

3,897 

2,083 

7,624 

1804 

1,668 

3^737 

17,182 

4,160 

1,091 

3,I09 

1805 

1,862 

28,083 

22,318 

4,548 

820 

8,322 

1806 

1,011 

20,732 

40,182 

3,447 

1,052 

13,284 

1807 

1,050 

29,759 

40,476 

4,320 

i,588 

3,052 

1808 

1,684 

32,884 

33,706 

5,077 

2,788 

3,74i 

1809 

i,425 

32,025 

2,350 

866 

277 

2,700 

1810 

i,274 

28,720 

51,807 

8,206 

7,029 

7,H4 

1811 

i,  060 

15,524 

n,339 

3,044 

2,593 

2,019 

1812 

1,525 

41,873 

24,425 

6,492 

1,884 

5,273 

1813 

672 

18,066 

9,990 

3,425 

167 

i,3i9 

1814 

462 

17,356 

23,106 

3,947 

122 

2,353 

1815 

698 

10,380 

21,787 

2,908 

131 

8,802 

1816 

— 

n,243 

16,628 

2,297 

116 

1,923 

1817 

651 

27,815 

56,648 

5,837 

347 

3,704 

1818 

55i 

25,493 

65,139 

7,753 

845 

2,979 

1819 

480 

17,356 

65,851 

4,211 

i,533 

3.8" 

1820 

281 

15,683 

62,411 

3,747 

2,901 

2,964 

1821 

297 

20,565 

69,995 

5,394 

4,128 

3,847 

1822 

210 

59,847 

87,884 

7,33i 

8,986 

8,048 

1823 

706 

46,202 

62,861 

8,069 

7»I73 

5,H9 

1824 

1,309 

76,060 

61,216 

10,528 

6,456 

3,309 

1825 

800 

66,600 

61,520 

9,635 

5,104 

3,730 

1826 

1,652 

61,400 

88,839 

7,895 

5,i6i 

IO,OII 

1827 

472 

51,125 

105,561 

9,051 

7,254 

2,757 

1828 

— 

57,200 

83,417 

10,552 

n,55o 

7,706 

1829 

— 

65,614 

73,86o 

j  n,i92 

20,558 

4,122 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


327 


Vielfrasse 

Baren 

Wolfe 

Nerze 

Bisame 

Schuppen 

Virg. 
Iltisse 

242 

34i 

3,038 

308 

8,801 

406 

100 

202 

479- 

3,237 

567 

9,004 

604 

182 

300 

450    3450 

388 

5,250 

— 

145 

295 

372 

3,007 

323 

5,147 

347 

146 

296 

459 

2,619 

384 

12,776 

664 

282 

344 

629 

3,74i 

876 

19,532 

i,075 

344 

312 

466 

4,734 

i,035 

10,390 

733 

242 

388 

526 

7,68i 

i,i45 

12,708 

867 

457 

410 

549 

8,264 

1,148 

9,309 

910 

465 

397 

675 

11,636 

1,240 

io,557 

2,209 

584 

495 

605 

5,693 

i,344 

15,272 

!,979 

578 

466 

672 

3,122 

1,073 

i  15,894 

2,329 

393 

377 

683 

4,666 

923 

8,534 

1,635 

418 

365 

607 

4,035 

678 

10,757 

1,522 

762 

358 

560 

3,252 

847 

16,153 

890 

228 

356 

529    3,199 

i,399 

31,100 

1,062 

211 

3i3 

566    4,260     i,  880 

21,046 

1,500 

417 

401 

759 

4,i8i 

2,662 

14,886 

1,013 

502 

163 

i,  060 

3,704 

3,i85 

24,660 

i,i73 

714 

37 

162 

97 

706 

21,167 

1,152 

164 

401 

1,560 

16,330 

4,499 

32,564 

1,071 

980 

155 

425 

3,162 

660 

25,268 

IOI 

•f"  614 

3M 

1,036 

5,933 

398 

44,i44 

168 

570 

163 

684 

1,280 

54i 

80,381 

96 

317 

116 

846 

505 

1,065 

138,772 

46 

550 

166 

466 

1,520 

1,324 

99,534 

70 

338 

38 

154 

20 

533 

18,983 

— 

51 

182 

1,094 

2,189 

2,475 

154,070 

22 

395 

291 

1,568 

5,077 

3,567 

63,357 

87 

962 

257 

763 

2,994 

1,638 

62,431 

—  -  * 

802 

247 

260 

627 

1,722 

66,236 

300 

779 

18 

1,5" 

3 

2,647 

113,9*4 

350 

879 

778 

2,700 

285 

4,667 

156,279 

290 

1,805 

579 

2,312 

384 

4,549 

217,646 

64 

1,289 

631 

2,183 

727 

5,929 

306,891 

51 

1,688 

694 

3,139 

1,141 

5,559 

235,000 

78 

1,820 

590 

2,118 

1,568 

6,952 

397,597 

153 

1,440 

513 

2,600 

1,057 

11,119 

473,298 

138 

i,325 

402 

2,999 

1,269 

13,969 

859,093 

79    i,32i 

454 

i,94i 

1,261 

16,592 

1,062,513 

107    1,482 

3*8 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Coat- 
Biber 

Parchment- 
Biber 

Zobel 

Ottern 

Luchse 

Fiichse 

1830 



25,718 

25,524 

3,795 

24,611 

4,534 

1831 

— 

87,000 

9645o 

18,100 

38,200 

4,453 

1832 

Ibs. 

70,100 

37,954 

13,012 

i6,347 

4,674 

1833 

264 

32,203 

I7>732 

5,442 

870 

522 

1834 

1,074 

98,288 

64,490 

22,303 

14,255 

9,937 

1835 

860 

78,908 

61,005 

15,487 

6,990 

15^94 

1836 

239 

51,788 

56,893 

10,208 

4.440 

2,378 

1837 

304 

82,927 

156,168 

15,934 

31,887 

25,008 

1838 

165 

61,868 

83,709 

10,792 

45,152 

6,726 

1839 

198 

56,288 

63,129 

9465 

66,691 

8,626 

1840 

220 

55,431 

56,860 

8,636 

35,834 

12,681 

1841 

322 

50,900 

57,848 

7,*53 

45,143 

8,407 

1842 

372 

40,305 

63,529 

5,96o 

10,034 

7>II5 

1843 

184 

39>o86 

70,532 

6,820 

8,247 

9,061 

1844 

409 

38,252 

7i,954 

6,971 

7,173 

11,104 

1845 

484 

41,111 

103,621 

6,398 

io,359 

16,312 

1846 

190 

65,189 

148,670 

8,168 

21,180 

12,597 

1847 

211 

26,892 

146,137 

6,648 

31,062 

19,759 

1848 

*37 

40,845 

H5,323 

9,266 

47,065 

20,219 

Biber 

Zobel 

Ottern 

Luchse 

Fiichse 

Vielfrasse 

1849 

32,502 

65,558 

11,810 

43,253 

15,977 

1,465 

1850 

49,517 

66,069 

9,!55 

20,604 

10,842 

i,454 

1851 

62,130 

80,005 

8,296 

9,203 

12,107 

i,374 

1852 

52,430 

90,633 

9,221 

6,722 

17,070 

1,508 

i853 

60,691 

85,603 

12,318     4,850 

14,883 

1,104 

1854 

62,914 

127,019 

n,385 

4,907 

16,003 

1,036 

1855 

72,425 

177,052 

10,223 

10,764 

23,620 

1,052 

1856 

76,825 

!75,494 

13,992 

21,511 

25,178 

1,065 

1857 

86,414 

132,752 

12,433 

32,264 

25,271 

933 

1858 

94,053 

136,451 

13,011 

33,038 

22,882 

•1,099 

1859 

106,797 

120,430 

12,454 

27,460 

24,816 

1,319 

1860 

I07,745 

77,844 

13,664 

15,968 

20,801 

i,394 

1861 

105,562 

74,062 

14,205 

7,927 

16,809 

i,574 

1862 

109,636 

78,039 

13,659 

4,616 

17^479 

1,295 

1863 

127,674 

105,659 

14,527 

4,570 

2i,774 

i,374 

VI.  Einfuhr- Statist! k  von  Rauchwaren. 


329 


Vielfrasse 

Bar  en 

Wolfe 

Nerze 

Bisam 

Schuppen 

Virg. 
Iltisse 

652 

i,583 

2,196 

7,672 

396,300 



974 

1,242 

3490 

3,140 

22,700 

728,000 

177          3,400 

M72 

4,158 

6,371 

9,990 

387,000 

372          2,970 

114 

1,500 

567 

6,506 

63,374 

2IO 

682 

1,571 

7,45i 

8,484 

25,100 

694,092 

713 

5,296 

1,265 

4,127 

3,722 

17,800 

1,111,646 

522          2,479 

*45 

2,191 

958 

16,049 

161,053 

1,900 

i,435 

2,166 

7,563 

7,03i 

27,750 

838,549 

585 

6,115 

948 

4,161 

1,8.75 

15,641 

188,545 

273 

3,590 

1,328 

4,087 

6,869 

19,141 

573,6oo 

1,115 

4,962 

i,998 

4,923 

8,185 

22,190 

198,236 

1,034 

6,401 

2,034 

5,409 

9,550 

17,093 

100,640 

i,i75 

5,293 

1,647 

5,576 

8,696 

17,780 

549,577 

1,820 

4,040 

1,229 

6,040 

IQ,733 

25,382 

543,155 

1,898 

4,302 

i,  080 

5,70P 

13,204 

24,855 

265,117 

1,763 

4,504 

1,075 

4,329 

10,191 

32,031 

.  295,617 

1,467 

4,678 

938 

6,339 

8,522 

53,264 

303,172 

1,305 

5,805 

985 

5,630 

10,725 

36,621 

248,710 

1,140 

5,269 

1,126 

6,003 

7,969 

37,!23 

224,347 

2,091          5,894 

Baren 

Wolfe 

Nerze 

Bisam 

Schuppen 

Skunks 

Virg. 
Iltisse 

Seals 

6,342 

12,045 

34,712 

179,075 

1,289 

1,263 

7,500  ; 

5,876 

9,738          24,772 

192,261 

1,442 

— 

6,522 

6,021 

8,087          17,827 

291,281 

1,712 

i,453 

5,027 

— 

8,340 

8,558 

27,413 

488,238 

1,633 

1,618 

6,053 

— 

6,864 

7,228 

39,686 

527,161 

I,48l 

4,459  1      5,218 

— 

0,612 

13,830 

49,373 

319,444 

1,052 

5,959        4,049 

— 

9,027 

8,5i5 

58,628 

260,805 

1,978 

n,3i8        5,333 

— 

8,814 

9,499 

54,924 

295,847 

i,37° 

7,728        5,618 

7,326 

7,45i 

65,522 

3H,953 

1,929 

8,124        5,643 

8,259 

12,834 

73,066 

243,862 

2,140 

8,483        6,258 

8,539        8,781 

55,720 

206,156 

i,959 

9.97°        7,633 

7,654 

5,98o 

32,548 

205,471 

2,560 

3,674        6,415 

7,487 

3,909 

38,306 

330,527 

2,871 

3,204        5,984  | 

7,036 

3,904 

45,534 

356,789 

3,376 

1,908 

5,822 

7,792 

8,204 

59,599 

429,304 

3,98o 

2,332 

5,036  : 

330 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Biber 

Zobel 

Otter 

Luchs 

Fiichse 

Vielfrass 

1864 

118,118 

115,430 

12,606 

4,76o 

17,670 

1,212 

1865 

155,880 

145,889 

19,991 

17,044 

22,344 

1,057 

1866 

150,192 

115,560 

14,626 

34,732 

25,829 

706 

1867 

i45,654 

96,114 

14,609 

68,097 

42,912 

927 

1868 

158,110 

163,088 

12,673 

70,372 

48,836 

i,643 

1869 

129,039 

67,072 

11,818 

39,IJ9 

28,542 

1,396 

1870 

I73,i8i 

5o,i93 

12,623 

19,992 

17,797 

1,824 

1871 

174,461 

54,333 

12,778 

8,806 

15,861 

i,747 

1872 

157,764 

64,587 

n,43i 

5,679 

25,400 

1,637 

1873 

105,369 

62,488 

8,875 

4,839 

20,501 

1,761 

1874 

i39>393 

125,733 

11,766 

10,045 

23,552 

1,386 

1875 

129,976 

87,803 

12,414 

17,849 

20,555 

1,265 

1876 

126,959 

84,439 

n,559 

18,868 

20,145 

1,282 

1877 

145,706 

83,835 

12,278 

43,575 

52,693 

1,881 

1878 

147,263 

55,439 

13,201 

3749° 

26,168 

2,000 

1879 

132,099 

52,578 

9,988 

21,291 

22,594 

1,909 

1880 

120,836 

46,529 

10,124 

14,767 

i8,437 

2,322 

1881 

119,698 

54,370 

10,317 

10,053 

14,855 

1,621 

1882 

118,728 

66,821 

12,292 

7,58i 

14,545 

1,881 

1883 

104,459 

70,802 

9,207 

8,016 

13,333 

1,568 

1884 

H9>549 

78,755 

12,270 

27,119 

6,969 

1,528 

1885 

102,589 

78,857 

10,867 

5i>4i4 

19,039 

1,198 

1886 

83089 

50,842 

8,322 

73,878 

J9,947 

1,244 

1887 

102,745 

72,939 

no97 

78,555 

35,157 

2,439 

1888 

33,o6i 

64,179 

8,748 

33,720 

27,611 

2,020 

1889 

73,355 

72,713 

9,280 

18,726 

18,649 

2,243 

1890 

64,246 

64,689 

8,180 

n,445 

22,017 

1,388 

VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


331 


Baren 

Wolfe 

Nerze 

Bisam 

Schuppen 

Skunks 

Virg. 
Iltisse 

Seals 

7,349 

5,427 

63,724 

367,302 

2,384 

2,063 

4,715 

— 

8,249 

12,378 

49,349 

424,875 

4,150 

2,765 

5,320 

— 

7,687 

6,610 

53,H3 

3J2,543 

4,832 

2,755 

4,432 

— 

6,360 

7,427 

73,752 

610,280 

24,783 

6,067 

5,95i 

— 

8,116 

9,3i8 

81,769 

469,775 

5,8n 

6,115 

7,376 

— 

8,600 

5,048 

35,o8i 

275,963 

4,887 

7,062 

8,917 

— 

7,778 

5,169 

28,184 

436,509 

2,411 

3,293 

6,349 

•  —  . 

7,830 

3,7oi 

35,66o 

590,916 

2,967 

2,621 

6,509 

:  — 

9,357 

7,oi6 

44,352 

711,174 

1,630 

2,162 

4,348 

— 

6,884 

3,470 

55,496 

659^59 

3,582 

1,206 

3,271 

891 

7,163 

2,565          63,810 

474,942 

3,H4 

1,789 

3,272 

2,344 

6,499 

6,499  ;        83,319 

626,711 

7,*93 

2,644 

3,274 

2,447 

7,737        2,071 

583,319 

79,206 

2,147 

3,262 

2,444 

316 

8,680       3,128 

464,297 

90,080 

999 

5,7o6 

6,919 

813 

7,565        2,575 

5n,993 

63,318 

506 

5,750 

8,263 

i,779 

7,557 

4,8i3 

519,963 

36,360 

607 

5,i55 

8,140 

1,136 

8,336 

3,032 

830,100 

38,828 

813 

4,987 

6,768 

3,3o8 

7,862 

1,486 

1,028,187 

40,834 

534 

5,i7i 

5,239 

3,085 

9,i39 

2,081 

1,081,489 

56,882 

803 

4,977 

7,163 

5    53 

5,5i5 

i,555 

1,082,999 

52,258 

354 

3,784 

6,393 

134 

10,808 

1,820 

817,003 

110,610 

142 

4,170 

12,628 

573 

8,386 

1,226 

347,050 

76,393 

124 

4,029 

21,189 

6 

8,283 

1,161 

380,022 

64,215 

325 

4,492 

10,926 

2,071 

9,763 

4,749 

344,818 

82,941 

239 

6,138 

16,322 

2,025 

9,i39 

3,330 

223,615 

43,64i 

217 

5,387 

11,298 

2,583 

n,643 

2,495 

322,360 

35,400 

153 

6,530 

10,747 

482 

10,542 

4,237 

574,742 

29,363 

172 

5,658 

12,583 

279 

332 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Einfuhr  amerikanischer  Rauchwaren 


Biber 

Baren 

Ottern 

Virg. 
Iltisse 

Zobel 

Wolfe 

1763 

75>040 

8,340 

8,060 

2,800 

42,247 

608 

1764 

88,003 

5,ooo 

7,000 

3,000 

30,000 

200 

1765 

66,664 

4,540 

6,126 

1,183 

22,340 

287 

1766 

92,295 

8,902 

10,669 

3,816 

35,o85 

324 

1767 

75,905 

6,625 

12,383 

3,436 

57,371 

694 

1768 

55,o64 

6,582 

7,773 

i,895 

44,490 

646 

1769 

91,388 

i3,982 

n,753 

2,688 

59,050 

1,059 

1770 

97,182 

11,201 

12,000 

4,345 

48,028 

8i5 

1771 

95,288 

6,872 

12,876 

3,983 

5i,38i 

i,234 

1772 

107,829 

9,289 

13,410 

3,123 

45,98o 

2,380 

1773 

94,681 

3,429 

14,176 

2,912 

29,841 

2,875 

1774 

98,827 

5,912 

14,737 

2,899 

38,263 

5,332 

1775 

97,148 

11,222 

14,668 

3,884 

47,840 

5,393 

1776 

92,612 

6,169 

n,953 

3,397 

56,787 

8,279 

1777 

120,800 

H,530 

19,250 

3,740 

43,320 

5,550 

1778 

109,000 

12,100 

14,600 

3,ooo 

45,5oo 

6,700 

1779 

97,000 

I4,OOO 

13,600 

4,100 

35,ooo 

6,300 

1780 

101,500 

10,000 

16,000 

4,200 

37,000 

6,300 

1781 

91,500 

5,500 

13,000 

2,300 

22,000 

5,400 

1782 

116,000 

9,550 

15,100 

3,300 

24,000 

2,900 

1783 

105,000 

12,500 

19,700 

3,700 

43,300 

5,750 

1784 

126,600 

14,200 

21,900 

4,100 

42,300 

7,200 

1785 

121,000 

12,400 

19,600 

4,500 

36,000 

7,700 

1786 

Il6,OOO 

I7,OOO 

22,700 

4,000 

47,000 

13,000 

1787 

I4O,OOO 

18,200 

32,800 

6,800 

73,000 

9,700 

1788 

127,000 

I4,OOO 

19,300 

4,600 

52,000 

9,500 

1789 

164,823 

16,331 

21,303 

5,547 

32,34i 

5,890 

1790 

l6l,5OO 

l6,OOO 

21,000 

5,5oo 

33,ooo 

5,800 

1791 

173,500 

14,600 

22,500 

6,000 

37,00° 

4,600 

1792 

165,000 

20,000 

21,000 

6,300 

61,000 

8,300 

1793 

172,000 

19,700 

21,600 

5,7oo 

25,000 

9,700 

1794 

152,800 

I7,2OO 

47,20O 

4,800 

37,000 

7,600 

1795 

144,000 

15,000 

l8,500 

6,200 

45,000 

5,700 

1796 

130,000 

15,800 

l6,7OO 

3,7oo 

31,000 

6,700 

1797 

56,OOO 

8,800 

9,500 

3,6oo 

35,ooo 

4,000 

1798 

IIO,OOO 

I7,OOO 

14,500 

5,5oo 

45,000 

8,700 

1799 

114,200 

2I,OOO 

l6,OOO 

5,4oo 

34,5oo 

5,900 

1800 

129,200 

24,500 

l8,OOO 

6,000 

40,000 

2,400 

VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


333 


nach  London  (nach  Henry  Poland,  London). 


Vielfrasse 

Luchse 

Nerze 

Fiichse 

Schuppen 

Bisam 

59 

4,J5o 

1,030 

2,300 

39,000 

6,080 

100 

4,000 

1,100 

6,500 

37,000 

12,000 

57 

2,851 

i,235 

1,840 

54,951 

32,099 

104 

4435 

1,876 

1,723 

101,066 

47,on 

J43 

3>9°5 

3,904 

2,764 

56,750 

17,644 

74 

2,160 

1,815 

1,010 

38,316 

15,826 

211 

2,891 

3,433 

3,345 

117,307 

25,826 

H3 

5373 

3,524 

2,521 

52,504 

29,769 

I72 

8,021 

2,967 

3,386 

43,025 

30,204 

337 

7,179 

3,934 

3,096 

5i,503 

25,082 

3i8 

8,147 

2,970 

3,300 

37,468 

34,229 

358 

6,360 

3,!2i 

3,43i 

40,157 

52,712 

324 

11,051 

4,855 

6,006 

14,586 

54,451 

323 

9,588 

3,660 

4,488 

72,538 

40,654 

360 

12,840 

6,060 

10,480 

198,500 

44,180 

400 

12,000 

4,800 

10,600 

173,000 

66,800 

200 

8,500 

6,700 

12,000 

125,000 

62,000 

200 

10,000 

8,000 

13,000 

19,700 

64,000 

180 

5,000 

6,800 

9,5oo 

85,000 

73,ooo 

220 

6,700 

4,70° 

13,400 

80,500 

50,400 

300 

8,300 

7,200 

5,200 

95,000 

69,000 

300 

9,400 

9,300 

7,800 

173,600 

87,800 

350 

9,7oo 

9,300 

6,000 

96,000 

133,000 

500 

5,600 

9,000 

6,000 

105,000 

190,000 

700 

8,700 

35,5oo     13,90° 

145,000 

269,000 

450 

8,900 

11,000      7,000 

114,000 

31,000 

537 

8,990 

17,714 

8,540 

161,180 

201,840 

550 

9,000 

17,700 

8,500 

161,000 

200,000 

650 

9400 

21,400 

11,000 

178,000 

147,000 

750 

10,000 

16,000 

12,000       182,000 

138,000 

700 

10,500 

22,700 

8,500 

187,000 

29,OOO 

950 

9,200 

12,800 

6,100 

130,000 

l6,000 

950 

9,400 

8,600 

8,600     125,000 

82,OOO 

950 

8,300 

9,000 

8,000     130,500 

93,000 

450 

5,700 

7,000 

9,600     109,000 

80,000 

750 

9,500 

8,400     11,000     185,000     50,000 

780 

12,500 

8,000 

7,800     130,000 

6,000 

1,000 

16,000 

8,000 

14,000     108,000 

'! 

12,000 

334 


VI.  Einfuhr- Statist!  k  von  Rauchwaren. 


Biber 

Baren 

Ottern 

Virg. 
Iltisse 

Zobel 

Wolfe 

1801 

116,500 

22,600 

21,000 

5,300 

23,000 

3,ooo 

1802 

140,000 

17,000 

19,000 

6,300 

20,000 

4,600 

1803 

93,200 

23,000 

17,000 

7,000 

32,OOO 

5,600 

1804 

110,000 

17,600 

20,000 

6,000 

25,OOO 

8,200 

1805 

91,300 

19,300 

15,000 

4,300 

13,800 

4,600 

1806 

106,000 

16,000 

12,000 

7,000 

54,000 

1,000 

1807 

114,000 

10,500 

8,400 

5,400 

46,000 

:     

1808 

94.200 

1,300 

7,000 

3,900 

10,000 

— 

1809 

101,800 

550 

6,200 

3,ooo 

300 

— 

1810 

101,100 

8,000 

3,500 

2,600 

500 

50 

1811 

80,000 

400 

2,200 

2,500 

— 

— 

1812 

93,000 

4,5oo 

7,8OO 

1,100 

600 

— 

1813 

70,000 

7,000 

7,500 

2,300 

— 

5,200 

1814 

67,000 

2,600 

7,000 

4,600 

25,000 

20O 

1815 

57,500 

2,500 

5,600 

2,500 

36,000 

100 

1816 

40,600 

7,000 

9,5oo 

3,500 

30,000 

1,000 

1817 

55,000 

3,4oo 

7,200 

3,700 

67,000 

3,100 

1818 

55,ooo 

3,800 

9,600 

3,900 

84,000 

2,000 

1819 

51,000 

5,5oo 

10,000 

4,000 

76,000 

1,  800 

1820 

56,000 

3,ooo 

6,000 

2,400 

105,000 

2,600 

1821 

58,300 

7,000 

8,500 

4,000 

80,000 

1,100 

1822 

65,652 

6,572 

9.471 

3,855 

103,098 

1,109 

1823 

10,016 

4,063 

3,096 

3,474 

26,254 

31 

1824 

2,616 

3,5i9 

1,740 

5,440 

33,898 

146 

1825 

9,677 

9,006 

2,600 

5,824 

38,054 

521 

1826 

5,923 

9»85i 

3,899 

5,829 

63,812 

900 

1827 

4,906 

5,958 

2,524 

6,847 

42,45i 

149 

1828 

12,581 

9,640 

1,440 

5,684 

82,257 

194 

1829 

9,388 

10,616 

4,148 

5,5i8 

66,738 

299 

1830 

7,332 

12,730 

7,5io 

7,140 

82,256 

750 

1831 

12,002 

8,789 

3,624 

8,920 

78,800 

727 

1832 

5,753 

13,564 

4,160 

n,i43 

57,i5i 

829 

i833 

17,871 

20,387 

5,645 

6,215 

53,687 

2,400 

1834 

13*641 

13,707 

3,920 

6,003 

59,24° 

2,370 

1835 

3,3i8 

7,590 

2,922 

5,7oo 

5i,425 

2,041 

1836 

4,46o 

9,974 

2,840 

4,832 

53,8i4 

1,720 

1837 

17,065 

4,202 

10,848 

5,587 

55,78o 

1,750 

1838 

io,559 

5,080 

9,283 

5,i30 

56,245 

1,442 

1839 

9,024 

5,204 

1,380 

4,350 

71,300 

1,750 

1840 

975 

4,819 

7,359 

3,486 

58,900 

1,112 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


335 


Vielfrasse 

Luchse 

Nerze 

Fiichse 

Schuppen 

Bisam 

1,300 

18,000 

10,500 

29,000 

95,ooo 

— 

1,400 

17,000 

10,000 

13,000 

145,000 

25,000 

1,400 

14,000 

12,000 

10,000 

150,000 

76,000 

1,300 

15,000 

I2,OOO 

9,000 

180,000 

93,000 

1,000 

8,800 

11,200 

9,100 

124,000 

66,100 

200 

5300 

15,000 

10,000 

125,000 

i5,5oo 

50 

6,200 

9,40O 

1,500 

80,000 

1,000 

— 

5,8oo 

9,000 

1,000 

123,000 

5,400 

450 

5,900 

2,000 

200 

47,000 

15,000 

550 

2,800 

2OO 

800 

39,000 

9,000 

— 

— 

— 

300 

28,000 

1,000 

1,500 

7,800 

— 

4,800 

1,000 

21,000 

800 

4,000 

200 

1,  800 

— 

68,000 

450 

1,700 

4,000 

1,  800 

3,000 

29,000 

IOO 

200 

4,610 

3,ooo 

19,000 

16,000 

200 

2,300 

9,000 

4,000 

45,000 

172,000 

850 

2,700        7»5<>0 

3,7oo 

15,000 

197,000 

300 

4,000 

9,000 

3,6oo 

15,000 

28,000 

500 

6,000 

11,000 

6,000 

30,000 

268,000 

4OO 

6,200 

7,500 

6,000 

i5,3oo 

44,000 

400 

10,000 

11,000 

13,000 

143,000 

— 

394 

12,230 

31,435 

15,202 

151,622 

6,836 

33 

3,946 

24,149 

18,072 

79,390 

41,026 

6 

5,913 

19,837 

9,031 

42,834 

67,661 

12 

7,148 

42,617 

22,131 

52,643 

46,416 

43 

7,120 

55,901 

34,703 

83,257 

178,890 

12 

5,190 

44,963 

18,810 

76,405 

6,749 

37 

6,108 

64,855 

39,8i7 

79,415 

99,661 

28 

5,968 

60,560 

15,740 

110,340 

103,150 

16 

9,220 

90,550 

52,990 

172,470 

16,305 

25 

9,420 

102,882 

53,648 

209,497 

12,160 

7 

8,318 

95,712 

67,647 

347,552 

12,590 

v  138 

16,940 

93,216 

69,730 

363,288 

97,466 

557 

5,529 

96,550 

7i,425 

219,164 

47,279 

60 

2,486 

116,447 

61,994 

274,651 

68,332 

25 

8,982 

104,471 

62,699 

273,5io 

88,264 

15 

9,350 

78,689 

68,458 

204,106 

146,233 

ii 

6,766 

75,823 

58,375 

177,017 

405>77°* 

10 

8,725 

95,700 

52,249 

250,100 

306,515 

14 

8,982 

101,450 

41,041 

283,088 

193,400 

336 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Biber 

Bar  en 

Ottern 

Virg. 
Iltisse 

Zobel 

Wolfe 

Viel- 
frasse 

1841 

6,587 

6,360 

8,720 

6,135 

46,150 

3,300 

15 

1842 

5,638 

6,417 

7,136 

6,130 

39,650 

5,46o 

34 

1843 

12,022 

5,205 

7,550 

4,994 

37,963 

2,090 

— 

1844 

736i 

6,152 

6,240 

5,370 

31,299 

375 

•  — 

1845 

2,433 

4,485 

7,028 

6,197 

43,107 

i,553 

— 

1846 

4,181 

7,3i6 

9,943 

6,949 

41,939 

3,690 

— 

1847 

2,692 

4471 

5,269 

6,398 

37,697 

1,120 

— 

1848 

709 

3,269 

4,477 

5,066 

38,822 

84 

— 

1849 

416 

3,7*9 

5,426 

3,899 

39,894 

1,834 

— 

1850 

1,829 

3,666 

3,031 

5,437 

27,294 

235 

— 

1851 

800 

3,528 

3,8i5 

4,998 

18,191 

— 

•  — 

1852 

850 

4,136 

4,604 

3,396 

27,171 

207 

— 

1853 

3,211 

2,921 

3,208 

3,584 

15,422 

—  • 

— 

1854 

3,204 

3,220 

5,166 

2,588 

9,737 

— 

— 

1855 

6,681 

3,808 

6,263 

3,400 

15,090 

•  — 

— 

1856 

12,256 

3,46l 

5,592 

2,677 

15,966 

•  — 

— 

1857 

10,087 

3,644 

4,787 

3,96i 

i5,73i 

•  — 

— 

1858 

12,050 

3,596 

6,150 

3,218 

15,338 

2,073 

— 

1859 

18,120 

4,758 

9,184 

5,286 

13,295 

1,835 

— 

1860 

28,040 

4,320 

12,671 

4,943 

2i,555 

— 

— 

1861 

8,458 

2,132 

8,586 

3,342 

17,335 

— 

— 

1862 

9,004 

2,272 

8,202 

3,536 

22,260 

— 

— 

1863 

9,192 

3,760 

7,359 

2,997 

21,651 

— 

— 

1864 

14,035 

4,459 

6,566 

2,714 

2i,437 

— 

— 

1865 

6,998 

4,140 

5,78i 

1,560 

16,988 

— 

— 

1866 

4,779 

3,36i 

2,427 

1,725 

8,924 

— 

— 

1867 

8,93i 

3,630 

4,707 

3,69° 

23,785 

— 

— 

1868 

5,292 

3,326 

4,502 

2,513 

21,037 

•  — 

•  — 

1869 

8,945 

3,387 

6,548 

4,982 

24,258 

— 

— 

1870 

52,526 

4,024 

7,169 

3,785 

3i,532 

38 

32 

1871 

40,891 

4,046 

5,012 

4,335 

29,515 

2,606 

232 

1872 

55,i34 

6,028 

5,759 

3,632 

31,487 

1,783 

— 

1873 

63,781 

6,198 

8,037 

3,35i 

30,734 

2,208 

132 

1874 

60,694 

4,907 

5,727 

3,244 

31,672 

10,897 

21 

1875 

48,983 

5,624 

8,248 

3,820 

34,064 

3,351 

23 

1876 

37,670 

6,026 

6,689 

2,810 

30,503 

6,728 

— 

1877 

44,057 

7,043 

7,074 

3,218 

39>589 

5,890 

— 

1878 

33,258 

7,063 

6,039 

2,424 

21,390 

8,384 

195 

1879 

36,861 

7,347 

12,102 

4,009 

48,216 

3,091 

224 

1880 

52,641 

6,815 

7,749 

2,872 

32,548 

6,836  | 

268 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Kaucliwaren. 


337 


Luchse 

Nerze 

Fiichse 

Schuppen 

Bisam 

Opossums 

Skunks 

14,210 

116,400 

6i,549 

357,200 

117,922 

— 

t> 

9,580 

121,500 

63,316 

340,200 

74,224 

— 

— 

5,077 

118,860 

67,162 

392,474 

229,296 

— 

— 

3,852 

107,872 

59,495 

420,759 

221,532 

— 

— 

748 

156,976 

72,663 

406,709 

701,284 

— 

— 

854 

192,224 

72,631 

486,767 

891,674 

— 

— 

830 

178,688 

54,356 

423,757 

460,920 

—      — 

627  ;  190,133 

48,949 

423,519 

389,455 

—      — 

3,208   184,847 

61,114 

434,878 

674,740 

31,263 

3,386   167,675 

62,535 

507,142 

690,635 

— 

— 

5,465 

207,422 

55,i6o 

55i,i4o 

1,101,640 

— 

—  ' 

5,968 

181,712 

59,985 

560,544 

1,146,102 

14,444 

— 

728 

193,005 

68,023 

507,061 

1,266,811 

14,334 

— 

1,151 

153,798 

47,030 

485,022 

1,163,893 

— 

— 

750 

141,937 

54,oi3 

497,347 

1,472,319 

I3,H9 

— 

1,207 

70,075 

61,035 

437,038 

933,!66 

83,807 

— 

776 

79,698 

70,394 

475,909 

894,075 

55,303 

— 

i,997 

100,596 

95,707 

467,522 

904,016 

17,387 

10,131 

3,942 

.  30,805 

77,219 

581,025 

1,209,744 

4i,5o8 

76,403 

4,067 

99,891 

75,649 

611,018 

1,657,438 

100,295 

138,376 

2,059 

70,218 

62,914 

527,054 

1,622,972 

52,284 

112,935 

2,668 

32,438 

43,159 

476,317 

1,762,742 

24,427 

27,765 

3,241 

33,647 

62,626 

475,637 

1,893,898 

89,579 

92,279 

2,293 

38,884 

52,286 

489,021 

1,919,666 

116,288 

133,939 

1,776 

17,948 

44,698 

437,763 

1,989,297 

i34,72i 

101,692 

4,019 

7,056 

38,418 

383,346 

1,265,164 

218,144 

73,837 

19,764 

25,304 

121,101 

526,881 

2,470,917 

267,570 

134,652 

9,468 

29,429 

87,395 

285,735 

2,478,887 

160,133 

88,413 

10,779 

24,900 

99,408 

384,805 

2,679,302   166,752 

104,886 

11,830 

33,935 

77,493 

418,405 

3,361,874 

115,181 

107,603 

9,467 

12,201 

66,390 

406,749 

3,439,173 

93,417 

42,377 

982 

104,043 

117,186 

457,686 

3,028,649 

143,444 

203,699 

2,441 

5i,509 

90,726 

458,933 

2,171,265 

250,464 

261,542 

3,422 

48,912 

94,415 

395,178 

1,700,137 

149,862 

190,774 

3,659 

37,889 

119,506 

439,789 

2,235,946 

239,549 

241,704 

3,668 

72,448 

92,215 

514,863 

2,005,217 

251,260 

329,270 

9,323 

H5,943 

86,726 

525,344 

1,873,434 

217,306 

280,697 

4,824 

103,152 

72,839   382,074 

1,940,835 

310,538 

278,184 

10,063 

160,481 

116,373   546,104 

2,717,011 

355,589 

435,96i 

10,587 

178,339 

97,300   660,269 

3,142,445 

329,517 

509,051 

22 


338 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Biber 

Baren 

Ottern 

Virg. 
Iltisse 

Zobel 

Wolfe 

Viel- 

frasse 

1881 

58,241 

8,364 

9,019 

4,738 

36,172 

2,248 

597 

1882 

49,995 

8,449 

10,940 

2,958 

40,843 

2,289 

273 

1883 

33,266 

7,574 

6,704 

2,704 

33,724 

988 

1,562 

1884 

21,308 

7,016 

8,144 

2,708 

34,382 

524 

778 

1885 

20,670 

8,884 

7,139  | 

2,148 

27,354 

273 

419 

1886 

14,611 

9,058 

10,062 

3,297 

5i,873 

1,826 

460 

1887 

27,272 

8,423 

6,349 

2,700 

49,168 

6,420 

496 

1888 

21,667 

6,604 

4,292 

2,425 

3i,o57 

5,727 

441 

1889 

23,963 

10,564 

8,272 

3,387 

34,028 

6,858 

1,131 

1890 

17,798 

9,355 

8,595 

2.391 

29,111 

10,258 

682 

1891    11,693 

12,795 

7,334 

2,955 

38,412 

10,000 

738 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


339 


Luchse 

Nerze 

• 
Fiichse 

Schuppen 

Bisam 

Opossums 

Skunks 

7,374 

170,620 

99,363 

632,270 

2,715,486 

299,568 

343,826 

4>769 

200,799 

104,580 

566,269 

2,169,922 

267,699 

438,672 

3,452 

127,701 

104,486 

401,536 

1,949,394 

183,160 

417,482 

2,926 

277,383 

124,312 

710,929 

3,000,879 

414,828 

589,850 

4,116 

226,272 

97,423 

595,ioi 

2,368,596 

411,636 

547,76o 

8,090 

331,120 

74,!43 

486,201 

2,064,288 

223,414 

468,284 

7,629 

314,726 

127,510 

399,352 

2,154,399 

230,499 

614,876 

8,938 

239,126 

86,337 

360,298 

1,271,263 

285,725 

509,941 

7,024 

166,803 

123,373 

579,551 

1,284,679 

265,704 

625,566 

4,092 

366,107 

H3,933 

705,559 

2,257,906 

591,174 

678,199 

6,496 

173,389 

106,755 

549,180 

1,396,103 

502,133 

554.815 

22J 


340                                     -VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 

Einfuhrliste  der  Hudson's  Bay 

1891 

1892 

i893 

1894 

1895 

1896 

1897 

1898 

1890 

Dachse 

3458 
11,561 
1,729 
225 

122 
56091 

5,070 

1 
2,656 

549 
11,119 
622 
9486 
8,266 
73,003 
41,030 
1,946 
784,077 
9,689 

340 
21,688 
130 
409 
1,505 
548 
10,117 
108 
1,690 
1,094 
20,039 
1,676 

703 
3,036 
61 

i,i39 
330 
1,087' 

2,574 
9,492 
1,270 
203 
62 
52,654 

4,765 

2,415 
305 
12,108 
611 
4,7" 
8,259 
97,692 

57,54i 

871 
928,686 
8,411 
356 
50,242 

195 
403 
1,369 

1,096 
9,166 

i,5i9 
949 
13,925 
i,47i 

283 
2,888 

46 

819' 

25 
239 

3,234 
7,474 

1,021 
2O2 
103 
46,054 

3,988 

2,622 
2O3 
16,031 

611 
3,217 
12,775 
108,915 
49,881 
1,164 

647,379 
7,335 
52i 

57,645 
130 
88 
1,905 
1,529 
6,834 

2,080 
874 

14,793 
i,  216 

198 
2,370 

53 

968  > 

22 

799 

1,801 
8,108 
1,044 
189 
42 
42,058 

3,509 

2,791 
128 
12,554 
693 
4,904 
19,460 

103,133 
46,923 
748 
646,202 
7,160 
383 
66,891 

564 

1,517 
600 

8,405 

1,400 

587 

i,333 

1,202 

I87 
1,805 
50 
436 
14 
71 

2,5l8 
8,176 

985 
209 
121 

49,131 
9,308 

4,059 

61 

4,657 

96 

20,388 

1,017 
6,617 

36,031 

101,902 
68,561 

477 
813,041 

8,785 
305 
60,915 

5i4 

1,588 
666 
13,503 

2,719 
536 

13,014 
2,100 
1,189 

59 
2,002 

46 
676 
6 
405 

22 

1,808 
8,670 
921 
196 

74 

48,i57 
8,316 

4,549 
42 
6,240 
184 
24,234 
1,364 
3,472 
53,163 
87,771 
72,346 

314 
53i,ioi 
9,016 
129 
81,770 
i,344 

2,276 

258 
17,646 

3,739 
708; 
18,664 
1,780 
1,824 

72 
i,423 
44 
327 
17 
320 

J3 

1,238 
8,597 
923 
175 
132 

42,492 
5,725 
5,092 
44 
5,838 

59 
25,628 
1,310 
3,210 
41,660 
82,897 
68,476 

3i5 
565,204 
9,868 
209 
98,530 
5,95i 

2,623 
128 
16,426 

7,274 
918 

15,656 
1,956 

1,211 

71 
1,260 

50 
556 

6 
432 
24 

1,104 

8,345 
862 

155 
127 
32,908 

9,137 

4,609 
60 

4,845 
50 
20,532 
1,042 
6,668 
26,015 
63,046 
40,105 

450 
689,237 

9,631 
131 
5i,788 
2,652 

2,759 
9,610 

3,482 
860 

9,233 
1,284 

949 

103 

*>7*9 
42 

160 

1,2' 

8,5' 

8. 
i. 

I: 
42,4: 

13,4; 

4,0: 

3,2 

ii,6 
6. 
3-6- 
13,0' 
58,i 
39,2' 
5 
758,3 
9,2. 

18,3; 

13,  2< 
3,2< 

10,7' 

2,7< 

9< 
6,9< 
2,0: 
I,5< 

< 

i,ei 

Schwarze  Baren    . 
Braune  Baren    .    . 
Grisly-Bar  en  .    .    . 
Eis-Baren   .... 
Biber   ...... 

Hermeline  .... 
Virg.  Iltisse    .    .    . 
Blau-Fiichse   .    .    . 
Kreuz-Fuchse     .    . 
Kitt-Fiichse    .    .    . 
Roth-Fiichse  .    .    . 
Silber-Fiichse     .    . 
Weiss-Fiichse     .    . 
Luchse            .    . 

Zobel  

Nerze  

Moschusochsen  .    . 
Bisam          ... 

Ottern  

Porpoise      .... 
Kanin      

Schuppen    .... 

Seals,  fur  ges.   .    . 
Seals,  Hair  trok.  . 
Seals,  Hair,  Salted. 
Skunks    .    . 

Swan  

Wolfe  

Vielfrasse    .... 
Bettfedern  .... 
Bibergeil     .... 
Eiderdaunen  .    .    . 
Goose  £  Swan 
Quills  M.    .    .    . 
Hausenblase  .    .    . 
Tran,  Tonnen    .    . 
Ges.  Lachs,  Fasser 
Ges.  Lachs,  Tonnen 
Walross-Zahne  .    . 
Forellen  .    .    . 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Ranch waren. 


341 


Company  in  London. 


1900 

1901 

1902 

1903 

1904 

1905 

1906 

1907 

1908 

1909 

1910 

647 

1,142 

816 

436 

288 

489 

5io 

34i 

182 

129 

140 

7>293 

6,864   6,073 

6,080 

4,535 

4,841 

5,041 

4,i77 

4,100 

4,011  3,943 

723 

723 

661 

611 

418 

459 

495 

435 

388 

397 

387 

132 

148 

222 

183 

130    79 

98 

106 

i54 

122 

108 

59 

168 

95 

55 

5o    104 

149 

138 

60 

93    89 

40,246 

43,367|   47,129 

34,305 

29,656 

48,255 

49,402 

34,596 

29,803 

34,217  35,461 

11405 

16,144   33,144 

13,752 

6,779 

13,342 

'21,704 

25,633 

24,970 

26,872  34,194 

3>35<5 

3,734 

3,163 

2,600 

2,042  2,801 

3,010 

4,017 

4,668 

3,581  2,518 

23 

67 

77 

43 

i7 

18 

4i 

89 

64 

14    28 

i,359 

i,255 

1,704 

1,842 

2,i95 

3,626 

4,998 

5,444 

3,i73 

i,777'  i,377 

5,9*9 

4,722'   4,663 

3,816 

4,597 

7,682 

12,140 

12,708 

7,5o8 

3,625  3,382 

278 

219     396 

321 

360 

599 

942 

i,o54 

653 

385   275 

2,903 

8,502!   10,554 

5,586 

4,694 

2,752 

6,536 

n,433 

6,749 

2,061  4,786 

4,356 

5,635!   6,979 

15,312 

28,661 

48,365 

58,97i 

61,338 

36,201 

9,664  8,856 

49>673 

52,599   70,824 

49,659 

33,282 

4i,245 

45,M6 

47,354 

34,734 

23,567 

29,015 

46,837 

45,389;  46,711 

35,536 

33,526 

47,235 

59,863 

39,129 

2i,473 

17,804 

10,969 

569 

267 

254 

329 

99 

92 

92 

45 

113 

107 

107 

•918,447 

1,651,262 

1,458,459 

924,825 

1,057,272 

689,611 

691,118 

407,472 

172,318 

297,486 

541,584 

9,078 

8,620 

9,800 

5,729 

4,242 

9,843 

10,570 

7,177 

4,688 

6,35i 

5484 

82 

168 

324 

132 

30 

99 

— 

— 

— 

— 

— 

6,588 

5,857 

16,875 

790 

4,499 

36,637 

— 

— 

— 

— 

— 

9,067 

1,820 

910 

662 

397 

264 

281 

602 

— 

— 

140 

3,538 

3,042 

2,503 

1,112 

759 

1,223 

3,7o6 

1,152 

1,522 

1,766 

1,776 

— 

— 

— 

— 

146 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

5,96i 

5,755 

5,i3o 

5,404 

6,024 

9,032 

9,129 

11,581 

5,205 

1,561 

— 

2,596 

i,34i 

1,760 

i,933 

i,i94 

i,555 

i,673 

2,783 

4,472 

3,836 

3,756 

710 

601 

640 

625 

402 

456 

504 

730 

894   760   718 

8,870 

9>i33 

13,193 

i,995 

3,278 

9,573 

— 

.  — 

—    —    — 

i>953    1,967 

2,158 

i,599 

1,149 

2,647 

— 

— 

—    —    .  — 

1,790 

2,34i 

760 

1,600 

1,059 

— 

— 

— 

—    —    —  - 

138 

128 

151 

26 

28 

67 

— 

— 

—    —    — 

2,090 

1,834 

i,853 

1,502 

1,156 

1,694 

— 

— 

—    —    — 

52 

59 

40 

50 

44 

18 

— 

—    —  ,  — 

— 

610 

57i 

515 

756 

— 

— 

—    _    —    — 

— 

— 

2 

3 

i 

— 

— 

—    —    —    — 

§191 

223 

275 

394 

309 

— 

— 

—    —    — 

~ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1  -~    ~~~  .:  ~~  ; 

342 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauehwaren. 


Einfuhr  amerikanischer  Rauehwaren  in  London 
durch  C.  M.  Lampson  &  Co.   1891  —  97. 

1891 

1892          1893 

1894 

1895 

1896 

1897 

Schuppen  .    .    . 

548,074 

302,550 

543,529 

723,927 

652,786 

384,175 

502,702 

Bisam     .... 

1,349.936 

1,368,328 

2,045,465 

2,773,865 

2,269,998 

2,161,419 

1,836,733 

Schwarze  Bisam 

41,873 

48,277 

68,196 

64,869 

58,425 

61,190 

72,320 

Skunk    .... 

554,7*4 

642,163 

537379 

7*4,355 

715,717 

822,929 

861,109 

Civetkatzen  .    . 

•  — 

12,895 

18,020 

20,269 

27,377 

32,380 

28,449 

Amer.  Opossum 

500,895 

219,138 

323,734 

357,398 

393,926 

251,800 

369,239 

Nerz 

173,476 

244,962 

212,203 

442,739 

359,624 

316,189 

370,304 

Amerik.  Zobel  . 

40,100 

56,956 

56,870 

94,142 

105,708 

85,539 

66,434 

Russ.  Zobel  .    . 

9,235 

15,921 

21,518 

15,256 

27,397 

30,217 

21,717 

Japan.  Zobel    . 

— 

— 

— 

— 

6,212 

11,506 

J4,749 

Rotfuchse      .    . 

67,172 

63,199 

87,867 

94,969 

109,733 

86,436 

79,39° 

Kreuzfuchse  .    . 

2,95i 

2,363 

3,788 

4,020 

8,460 

5,106 

5,192 

Silberfuchse  .    . 

949 

747 

987 

1,127 

1,503 

i,425 

1,235 

Griesfiichse    .    . 

25,462 

19,979 

40,242 

20,683 

47,393 

28,578 

57,766 

Kittfiichse.    .    . 

998 

612 

701 

2,100 

1,112 

1,086 

386 

Weissfuchse  .    . 

5,387 

6,803       10,087 

12,569 

12,524 

13,018 

7,723 

Blaufuchse     .    . 

3,38i 

i,9J3         3,866 

2,232 

4,458 

i,749 

3,454 

Otter  

7,004 

6,706         6,195 

!5,379 

10,179 

9,5oo 

12,422 

Wildkatzen    .    . 

6,777 

4,903         9,219 

12,554 

18,889 

10,922 

19,066 

Hauskatzen  .    . 

19,079 

26,069  ;       20,620 

28,563 

35,343 

45,733 

38,656 

Luchse    .... 

6,5i5 

2,114  !         5,091 

13,697 

12,528 

19,401 

24,690 

Virg.  Iltis      .    . 

2,950 

2,011 

3,5oo 

3,054 

3,35i 

3,030 

2,840 

Dachse   .... 

5,i94 

3,357         3,044 

8,949 

8,109 

7,756 

6,454 

Biber  

11,499 

11,312        17,885 

23,395 

18,630 

16,155 

16,610 

Baren.    .    .    . 

12,980 

18,410       17,432 

25,069 

26,259 

29,744 

21,502 

Wolfe      .... 

12,609 

6,324       22,860 

33,099 

43,687 

3i,3i6 

42,870 

Russ.  WT61fe  .    . 

— 

199            524 

559 

1,185 

679 

— 

Vielfrass     .    .    . 

755 

549         1,176 

765 

i,49J 

1,003 

885 

Hair  Seal,  Dry 

7,99i 

9,937         5,6o8 

8,542 

10,013 

12,007 

9,467 

Fur  Seal,  Dry 

1,251 

2,024         1,909 

1,039 

888 

1,780 

3,162 

Feh 

43,205 

67,303     146,923 

66,000 

105,116 

130,053 

15,948 

Kolinsky    •    .    . 

— 

4,i34         7,88i 

22,329 

18,568 

57,227 

20,841 

Grebe 

2,926 

1,476            870 

24,799 

7,694 

55,i62 

8,426 

Nutria    .... 

*9>*77 

81,539     198,015 

76,128 

660 

887 

7,994 

Moschusochsen 

— 

—              — 

426 

170 

294 

305 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


343 


Einfuhr  amerikanischer  Rauchwaren  in  London 
durch  C.  M.  Lampson  &  Co.   1898—1902. 


1898 

1899 

1900 

1901 

1902 

Schuppen  .... 
Bisam 

250,100 

2  O20  743 

331,526 
2  17^  67^ 

402,242 

2  7Q4  ^IO 

306,680 

2  2OI  121 

235,757 
2  Q=;8  ^08 

Schwarze  Bisam  . 
Skunk                .    . 

61,675 
471  840 

61,996 
40^,1^0 

•",/  :TT,  JAV 
68,465 
6O^,I7I 

88,208 
7OO  041 

85,866 

83^  677 

Civetkatzen   .    .   v 
Amer.  Opossum   . 
Nerz    .    .    .    .    .   .. 

I9>197 
205,548 
314  64O 

34,030 
168,062 
^O4,827 

65,5M 
176,530 
4  5  1,  406 

67,476 
215,736 
333,448 

.^OJ,w/  / 

,  IP2,955 
167,324 

2CK  7O2 

Amer.  Zobel     .    . 
Russ.  Zobel       .   V 
Rotfiichse      .  ^.  ^. 
Kreuzfiichse  .    .   -. 
Silberfuchse  . 
Griesf  iichse    .    ..  -« 
Kittfiichse.  \r.  ...,-', 
Weissfuchse  .  > 
Blauf  iichse     .    .  •.; 
Ottern    .    .  ^.    *" 

50,o8l 
29,903 
64,264 

3410 
1,215 

31,852 

345 

9,096 

3,179 
q  368 

30,666 
39,163 
58,398 
4,521 

1,693 
59,712 

2,451 
4,823 

4,443 

Q.Q^Q 

38,884 

39,619 
104,237 

4,531 

2,439 
68,246 

995 
12,533 

3,709 
14,040 

39,630 

35,723 
109,449 
2,971 

i,374 
29,638 

i,497 
19,932 

5,4n 
16,215 

**yji/*" 

46,791 
38,063 

43,992 
2,771 
826 
37,824 
1,327 
15,764 
3,141 
II.3OI 

Wildkatzen    .    .  -,;'•' 
Hauskatzen  ..-'..>:  . 
Luchse 

!7,O 
19,954 
35,154 

Q  426 

y'^Oy 
13,703 
66,819 

M,8^4 

45,497 
5i,474 

44,440 

29,621 
57,536 
18,222 

,      31,938 
60,258 
I2.3S3 

Virg.  Iltis      .    .    . 
Dachse  ..... 

:?,T"fa'v 
2,639 

4  1*56 

2,782 
8,270 

3,285 
6,538 

3,481 

7,878 

2,669 
IO,QI5 

Biber      .        ... 

IQ  26^ 

13  36^ 

I<  048 

17,655 

15,334 

Baren 

J-y>"*-'3 

17  874 

II  4^2 

!*>  373 

13,618 

I4.O3O 

Wolfe     

-*•/  ,^/T' 
2^,622 

40,0^6 

3I,26l 

31,830 

36,502 

Vielfrass     .... 
Hair  Seal,  Dry    . 
Fur  Seal,  Dry 
Feh     

1,211 

6,450 
1,921 
62  4O8 

614 
1,358 

2,399 
41,383 

676 
7,325 

i,395 
32,858 

876 

3-831 
877 

40,637 

590 
6,829 

i>59J 
20,387 

Moschusochsen 

60 

215 

74 

13 

23 

344 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Einfuhr  amerikanischer  Rauchwaren  in  London 
durch  C.  M.  Lampson  &  Co.    1903—1906. 


1903 

1904               1905 

1906 

Schuppen              .... 

268,190 
2,979,460 
117,412 
948,447 

73,635 
168,396 
.253,001 
55,io6 

29,547 
62,052 

2,957 
670 

64,43i 
2,186 
20,341 
3,685 
14,757 
29,934 
78,227 
5,828 
2,535 
!3,543 
16,504 
12,834 

47,i39 
1,287 

9,663 
708 
142,501 
403 

323,465 
3,547,935 
76,877 
847,605 
60,173 

99,474 
235,378 
62,093 

13,830 
44,605 
2,929 
958 
36,4*6 

4,54i 
14,209 

3,858 
16,111 
22,065 
55,542 
17,657 
2,385 
8,625 
16,668 

10,135 
44,821 

i,i34 
6,757 

!,949 
181,177 

326,431 
3,428,505 
37,924 
776,933 
64,574 
273,677 
I45,H2 

I4,4i5 
19423 
63,666 

2,878 

997 
45,340 
5,129 

23,329 
3,533 
9,164 

13,031 
56,329 
21,521 

2,583 
13,207 

J7>993 
9,3i8 
38,118 
588 

6,773 
1,850 
20,580 

262,951 
3,464,326 
44,342 

937,i9i 
120,486 
641,223 
264,011 

4,202 
22,147 
58,372 

5,527 
1,588 

53,969 
4,425 
14,850 
2,013 

5,943 
17,660 

94,524 
25,661 
4,026 

13,697 
16,267 

8,347 
46,761 

i,456 
7,840 
937 
24,758 

132,765 

Bisam                     .... 

Schwarze  Bisam  .... 
Skunk 

Civetkatzen 

Amer.  Opossum   .... 
Nerz                        .    .    . 

Amerik    Zobel 

Russ.  Zobel  

Rotfiichse  

Kreuzfiichse  ...        .    . 

Silberfiichse  .    .            .    . 

Griesfiich.se    . 

Kittfuchse  

Weissfuchse  

Blaufiichse     

Ottern    

Wildkatzen    . 

Hauskatzen 

Luchse   

Virg.  Iltis      

Dachse   

Biber  

Baren  

Wolfe     .... 

Vielfrass     

Hair  Seal,  Dry    .... 
Fur  Seal,  Dry      .... 
Feh     .... 

Moschuscchsen      .... 
Hermelin   .    . 

VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


345 


Einfuhrliste  amerikanischer  Rauchwaren 
zu  den  Londoner  Auktionen   1907 — 1910. 


1907 

1908 

1909 

1910 

Biber     .    «   .    .    .    .    .    .    .    . 

l6  QQQ 

22.114 

2^  703 

Bisam       

±^,yyy 
q  7/ie  qr)7 

3  846  60^ 

•"O'/  WO 
q  166  OI4 

2  08^  618 

Bisam    schwarze 

O'/'T  JOU/ 
IA  ^2Q 

^jv-f^-v^jvyvyj 

76  4OQ 

III  2^8 

64  O34 

Schuppen.    ........ 

^'T'j^y 
l64  QQ7 

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4^1.22^ 

q6^  ^74 

43Q  6Q=> 

Skunk  .......        .    . 

y*r*:7;7/ 

I  T/17  ^7Q 

QIQ  60O 

OWJ»  J/T^ 

7O4  8^O 

TO^'^Z/J 

I  OQ3  ^1^ 

Civetkatzen    .    .    .    .  i    .    .    .- 

-*-»-LT-/  »p/  y 
118,840 

^j-^>'-"- 

50,^68 

/vyit>>-yOVj' 

^0,464 

-L>v-/b'O'J    J 

I*sQ  172 

Amerik.  Opossum  .    .    . 

^7Q  42O 

4QQ  ^10 

^16.6^0 

643.  IQO 

Nerze    ....    .  V  .        .    . 

J/  :/»T-^V 
I7Q  4.6-d 

2Q8  IQ^ 

J        '    J;7 
2OI   "^^I 

IQ2  413 

Amerik    Zobel     .    .    . 

-*-/  :7'T-WT- 

2<  qo8 

tfyt+yj 

^8  4^0 

22  823 

•*•  ;7^»T^    3 

23  5l8 

Russ.  Zobel  . 

^JOV^ 
17  084 

O^'T-OV 

16,1^ 

12,882 

•^o>  j^ 
16,307 

Rot-Fiichse  

-^  /  'Z7     T^ 

8=;  -i-ij 

110.7^^ 

66.Q3O 

67.046 

Kreuz-Fiichse  . 

^J'OO/ 
Q  74Q 

V>/   JJ 

^  6=i2 

3  2Q7 

2  7^0 

Silber-Fuchse  .    .    .    .... 

O'/T";? 

I,«J28 

j>»>'j-' 

1,207 

O'^y/ 

1,233 

•*»/  J:7 

986 

Gries-Fiichse        ...    ;    »    * 

2^  04^ 

41,8^6 

36,860 

3Q.7I3 

Kitt-Fiichse.    ...    . 

•^J'  y^O 
^665 

3,388 

3,8q8 

2O  IQI 

Weiss-Fiichse  /  * 

»>>-VViJ 

1^.^^^ 

25,818 

8,3Qi 

12,164 

Blau-Fiichse    

I    2^O 

3.312 

3,880 

2,8l4 

Ottern  .    .'    .-  .    .    ;  '•''..    .    j:  .'- 

J->'**Jvy 

Q  8^7 

14  778 

14.^14 

l8,3IO 

Wildkatzen  

:/'    O/ 
16,865 

T"'/  /.X 
22,76O 

28,814 

46,015 

Hauskatzen      

71,8^7 

6^.Q6O 

80,781 

82,6l5 

Luchse  

/  -*-'^j/ 
22  062 

16  6^^ 

^,^04 

2,570 

Virg    Iltis    .    . 

2  ^06 

4  7O^ 

6,3^ 

1.^21 

Vielfrass   

861 

T"'/  WJ 

7IO 

835 

1,582 

Dachse      

10  28=1 

7,871 

4,484 

18,000 

Wolfe    .    .    .    /  .    ... 

2^  8Q4 

^2.214 

54,564 

69,810 

Moschusoch  sen 

•"J»V-':7T- 

85 

141 

Baren    

8,017 

I2,2Q5 

15,872 

10,823 

Hermelin  . 

^»  17      / 

IQ^.^27 

248.300 

201,800 

203,785 

346 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Einfuhr  zu  den  Londoner  Auktionen 

Australische 
Oppossum 

Kanguruh 

Wallaby 

Wombats 

Austral. 
Rot- 
fiichse 

Chines. 
Tibet- 
fell  e 

1871 

18  029 

.  

—  _ 



.  

.  . 

1872 

41,628 

— 

— 

— 

— 

— 

1873 

3J3,343 



— 

— 

•  —  • 

— 

1874 

150  939 

— 

•  — 

— 

— 

— 

1875 

274  3ii 

— 

—         ,  — 

— 

— 

1876 

583,050 

— 

— 

— 

— 

— 

1877 

734,214 

— 

•  — 

— 

— 

— 

1878 

456,102 

— 

— 

— 

— 

1879 

465,526 

— 

— 

— 

— 

1880 

993,052 

— 

— 

— 

—  '  . 

1881 

1,493,236 

— 

— 

— 

— 

1882 

1,817,372 

— 

— 

— 

— 

1883 

934,944 

—         —         — 

— 

1884 

1,639,547 

,  —         —         — 

— 

1885 

1,893,324 

—         —         — 

— 

1886 

1,999,194 

—         —         — 

— 

1887 

1,613,067 

— 

1888 

!,  947,596 

— 

1899 

3,169,571 

1890 

2,389,896 

1891 

2,259,316 

— 

47,893 

44,629            2,397 

1892 

923,410 

20,561 

65,335 

53,o82 

5,548 

1893 

1,024,730 

42,538 

102,935 

209,833 

23,884 

1894 

1,466,654 

9,8l8 

124,870 

130,494 

16,551 

1895 

1,182,970 

436 

142,001 

64,952 

65,780 

1896 

1,043,055 

12,715 

255,221 

80,790 

53,057 

1897 

I,I72,I2O 

23,746 

235,426 

70,500 

1898 

1,264,293 

5,524 

177,758 

66,739 

— 

67,849 

1899 

1,262,774 

5,620 

222,437 

170,697 

— 

56,959 

1900 

814,929 

19,231 

312,287 

133,118 

—  • 

32,623 

1901 

!,  193,650 

24,208 

478,615 

215,707 

— 

17,269 

1902 

1,852,082 

21,843 

433,077 

157,497 

— 

12,511 

1903 

2,455,765 

21,963 

520,087 

255,332 

— 

15,507 

1904 

1,536,306 

5,059 

300,326 

99,900 

— 

12,867 

1905 

2,498,564 

4,523 

347,659 

129,611 

— 

884 

1906 

4,OO8,O58 

12,744 

735,621 

208,679 

16,696 

286,930 

1907 

3,284,301. 

16,320 

1,801,681 

168,512 

37,716 

641,647 

1908 

3,II4,9l6 

17,415 

594,419 

67,916 

68,019    553,827 

1909 

2,302,853 

9,110 

853,396 

104,855 

59,890    442,041 

1910 

297,217    15,874   792,304    11,606 

59,113    663,936 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


347 


von  australischen  und  asiatischen  Pelzwaren  etc. 


Tibet 
Rocke   u. 
Kreuze 

Kidkreuze 

Japan. 
Harder, 

Japan,  u. 
chin.  Nerze 
u.  Wiesel 

Japan. 
Fiichse 

Afri- 
kanische 
Affen 

Chinchilla 
und 
Bastard- 
chinchilla 

— 

— 

— 

— 

— 

19,814 

25,734 

— 

— 

— 

— 

; 

26,814 

22,361 

— 

— 

— 

— 



23>439 

20,563 

•  — 

— 

— 

— 



23,7J9 

25,876 

— 



— 

— 

—  .;  •;•) 

30,259 

31,221 

— 

— 

,  — 

— 

-.--'•~~--.  -.;: 

23,163 

20,669 

— 

— 

— 

— 

— 

30,200 

16,581 

— 

.-  v':c 

— 

—   .'•  P 

— 

30,893 

27,176 

— 



— 

— 

—  - 

50,211 

I3,7J4 

— 



— 

— 

— 

84,257 

5,23i 

— 



— 

— 

—     - 

98,935 

8,763 

— 



— 

.  — 

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93^340 

19,408 

— 



— 

— 

— 

60,540 

25,956 

— 



— 

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99^52 

4,665 

— 



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— 

— 

91,981 

13,907 

—   :  '"; 





— 

— 

113,369 

I7.053 

— 

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— 

97.051 

3,926 

— 

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— 

178,695 

5,157 

— 

— 

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223,599 

i,39i 

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I36>9T4 

2,775 

— 

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— 

— 

— 

215,996 

7>793 

1,688 



•-  \  — 

2,986 

.  '  :  .'  —  !:  ::  •  '; 

— 

44,253 

723 



— 

1,000 

— 

— 

77,276 

1,581 



— 

10,781 

— 

— 

52,691 

2,319 



— 

1,527 

— 

— 

87,230 

6,390 



— 

25,039 

— 

— 

138,865 

5,665 



— 

25,457 

— 

— 

148,485 

10,503 



25,763 

25,683 

— 

— 

194,380 

456 



5,294 

9,7*7 

—     "'•- 

—  •  •--  -'• 

39I>97° 

2,573 



22,095 

55,570 

— 

— 

356,214 

1,976 

.  —  ' 

24,211 

50,197 

— 

—  w 

336,652 

3,574 

-  ",  - 

38,310 

76,450 

-  —  .  •••" 

— 

231,790 

5,33i 



13,728 

— 

80,470 

— 

136,580 

1,324 

—  .  .•>»; 

17,509 

— 

42,709 

— 

111,042 

529 

$t<  — 

18,809 

— 

84,703 

— 

138,488 

58,922 

281,521 

i4,94i 

227,645 

29,590 

— 

45.607 

29,334 

404,365 

27,841 

641,709 

78,950 

— 

42,341 

37,143 

3M,429 

25,58i 

127,875 

51,584 

6,000 

58,244 

34,4oi 

348,569 

5,467 

95,939 

21,890 

8,000 

24,185 

13,692 

234,866 

22,918 

85,3i8 

39,616 

17,000 

18,767 

348  VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 

Einfuhr  von  Seeottern  und  Furseals  nach  London 

zur  Auktion. 

Seeottern  in: 

1871  1872  1873  1874  1875  1876  1877  1878  1879  1880  1881  1882 
3824  4307  5095  4920  4964  5059  5420  5253  5176  5583  5647  5680 

1883  1884  1885  1886  1887  1888  1889  1890  1891  1892  1893  1894 
5038  7903  4908  4804  4413  3511  2713  2392  2366  1306  1590  1434 


1895  1896  1897  1898  1899  I9°°  I9°I  T902  I9°3  I9°4  I9°5 

1221  1059  1212  956   739  584  422  406   468   234   335   505 

1907  1908  1909  1910 

561  339  269  307 

Furseals  in: 

1850   1851   1852   1853  1854  1855  1856   1857   1858   1859 

12,391  13,915  9348  16,193  9714  18,199  29,464  20,641  9423  14,471 


1860  1861    1862    1863    1864    ^65    1866    1867 

13,231  24,341  31,949  27,986  20,326  17,259  19,844  15,967  83,997 

1869  1870    1871    1872    1873    1874    1875  1876 

149,808  153*654  154,959  168,672  170,679  161,291  174,107  167,141 

1877  1878    1879    1880    1881    1882    1883  1884 

142,631  169,497  175,119  205,240  210,745  189,694  171,205  157,329 

1885  1886    1887    1888    1889    1890    1891  1892 

180,059  217,704  226,370  219,670  214,577  182,653  125,731  109,123 

1893  1894    1895    1896   1897   1898   1899   1900  1901 

147,047  112,253  102,759  70,579  5567  61,776  16,836  22,800  64,201 

1902  1903   1904   1905   1906   1907   1908   1909  1910 

20,692  70,137  35,636  65,811  68,757  49,104  74,277  49,744  44,608 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  "Rauchwaren. 


349 


Einfuhr  von  Rauchwaren  nach  London. 

1855- 


Aus  den  L 
Hudsonsba 

Zahl 

andern  der 
y  Company 

Wert 

£ 

Alaska,  Ore£ 
etc.  e 

Zahl 

jon,   Kanada 
rtc. 

Wert 
£ 

Zobel 

136,513 
55,740 

288 

69,376 

346,955 
11,094 

4,9n 
480 

i,749 

8,227 
86 

4,646 
4,646 

15,392 
1,124 

5,633 

374 

8,961 
1,500 
5,945 

1,200 
1,084 
83,757 

5,800 
28,000 

122,540 
38,540 
5,400 
25,480 

6,540 

8,545 
6,840 
6,840 
4,838 

3,945 
172 

485 
1,248 

4,975 
840 
3,46o 

120 
22,480 

34 
6,743 
180 
228 
1,025 

160 

5,ooo 

12,245 
171,083 

163 
6,078 
1,229,536 

4,427 
3,174 
218 
920 

36,399 
5,o86 
15,826 
5,086 
354 

180 

5i8 
6,989 
3,206 
500 

200 
482,072 

2,095 

12,745 
34,00° 

H,540 
12,305 

4,280 
4,78o 

23>054 
4,800 
2,256 
4,58o 
2,740 
16,240 
12,758 
1,825 
1,025 
120 

130 
23O 
2,005 

8,425 
10 
40 
65,240 

50 
1,875 

8,OOO 

Xerze    

Seeottern  

Biber 

Bisam    

Otter     

Virg.  Iltis     .... 
Silberfiichse.    .    .    . 
Kreuzfiichse     .    .    . 
Rotfuchse     .... 
Blaufiichse   .... 
Grisfiichse 
Kittfiichse    .... 
Weissfiichse.    .    .    . 
Wolfe    ...... 

Vielfrasse      .... 
Luchse  

Luchskatzen    .    .    . 
Bar  en                    .    . 

Hermelin  
Skunk  

Schuppen             .    . 

Dachse 

Kaninchen   .... 
Silberkaninchen  .    . 
Opossum              .    . 

Eichhornchen  .    .    . 
Diverse  

Summa 


268,060 


180,268 


350 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


1875. 


Felle  aus  dc 
d.  Hudson's  ] 

Zahl 

jn  Landern 
Bay  Company 

Wert 
£ 

Felle  aus  Alaska 
u.   den   nordwe 
Staaten,  von 
gekauft  tmd  in 

Zahl 

Kanada,  Oregon 
stl.  Vereinigten 
Kleinhandlern 
London  verkauft 

Wert 

£ 

Zobel 

131,  *54 
72,400 
223 

270,903 
416,833 
i3,58o 
3,558 
789 
786 

8,945 
169 

5,86o 
6,026 
3,056 

1,349 

13,242 
6,880 

3,489 
2,789 

7,i54 
15,005 
8,386 
60,520 

23 

180 

53,ooo 

173,500 
73,840 
5,48o 

293,850 
32,542 
38,762 
n,  200 
14,800 
3,870 

6,325 
460 

530 
2,100 
208 
1,580 
11,480 
23,500 
80 
1,860 
1,240 
300 
3,ooo 
5,68o 
50 
560 

18,000 

37,712 
39,245 
3,653 
52O 
65,941 
2,126,465 
8,725 

1,868 
75i 
i,45i 
75,365 
0,215 
25,602 

9,245 
2,072 
4,481 
1,248 

2,504 
6,796 
44,583 
275,943 
341,077 

12,522 
412,741 
5 

200 

165 

2,197 

16,733 
8,146 

143,653 

86,000 

38,563 
33,642 
102,580 
3,280 
48,647 
145,362 
24,460 
3,78o 
3,120 

6,587 

28,956 
6,084 
6,850 

1,640 

850 

2,180 
960 
1,  800 

22,540 

1,200 

81,540 

58,650 

4,540 
9,872 

IO 

580 
183 

2,650 

530 

IOO 

2,253 

22,000 

Nerze 

Seeottern 

Seeottern,  junge     . 
Biber     
Bisara    

Ottern  

Virg.  Iltis    .... 
Silberfuchse  .    .    .    . 
Kreuzfiichse     .    .    . 
Rotfiichse     .... 
Blaufiichse   .... 
Grisfiichse    .... 
Kittfuchse    .... 
Weissfiichse.    .    .    . 
Wolfe    

Vielfrasse      .... 
Luchse  .    .    . 

Baren    .    . 

Hermelin  

Skunk  

Schuppen  

Hirsche     .... 

Dachse      .    .    . 

Kaninchen   .... 
Moschusochsen    .    . 
Bison     .    . 

Panther    
Luchskatzen    .    .    . 
Silberkanin  .... 
Eichhornchen  .    .    . 
Opossum  

Diverse  

Summa 

773,457 

—  • 

1,040,969 

VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren.  351 


Jahrliche  Durchschnittsproduktion  von  Rauchwaren 
der  Welt  in  den  3  Jahren   1907—1909. 

Der   Wert   der   gesamten    Produktion   betrug   per    Jahr   ca.  360  Millionen 
Mark  wo  von  nach  Leipzig  fur  ca.  160  Millionen  Mark  pro  Jahr  kam. 

Hierbei  sind  nicht  einbegriffen  die  von  Eingeborenen  und  Jagern  fur  eigenen 

Bedarf  verwendeten  Felle.  • 

I.  Alphabetisch  nach  Arten  geordnet. 

Baren-Arten. 

Eisbaren. 

Polargegenden,  Asien,  Europa  ca.  600  Stuck,  Amerika  ca.  400  Stuck 

Grizzlybaren. 

Amerika  1200  Stuck . 

Braune  Baren. 

Amerika  2000  Stuck,  Asien  6000  Stuck. 

Schwarze  Baren. 

Amerika  20  ooo  Stuck,  Asien  1000  Stuck. 

Gewohnliche  braune  Baren. 

Asien  3000  Stuck,  Europa  2000  Stuck. 

Biber. 

Amerika  80  ooo  Stuck,  Asien  ca.  1000  Stuck,  Europa  nur  wenige  Felle 

Nutria. 
Slid- Amerika  ca.  i  Million  Felle. 

Bisam. 

Amerika  ca.  8  Millionen,  russisch  Bisam  2 — 3000  Stuck. 

Chinchilla. 
Peru  (echte)  600  Stuck. 

Chinchillonas. 
Peru  Bolivien  12  ooo  Stuck. 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Bastard. 

Bolivian  3000  Stuck,  Chile  25  ooo  Stuck,  zusammen  ca.  28  ooo  Stiick. 

Dachse. 

Europa  100  ooo   Stiick,  Amerika  30  ooo   Stiick,  Asien,    Japan,  China  30  ooo   Stiick. 

Feh. 

Sibirien  ca.  15  Millionen  Stuck  und  zwar  Kasaner  8  Millionen,  Lensky  i  Million,  Obsky 
2  Millionen,  Nerzinsky  2  Millionen,  Jeneseisky  2  Millionen,  China  ca.  500  ooo  St. 

Fehschweife. 

Sibirien:  Nerzinsky,  Sabailkalsky  12  ooo  Kilo,  Lensky  5000  Kilo,  Jeneseisky  10  ooo  Kilo, 
Obsky  10  ooo  Kilo,  Kasaner  30  ooo  Kilo,  China  2000  Kilo. 

Fiichse. 

Rotfiichse. 

Nord-Amerika  200  ooo,  Sibirien  60  ooo,  Russland  150  ooo,  Mongolei,  China  und 
Japan  50  ooo,  Australien  30  ooo,  westliches  und  zentrales  Asien  50  ooo,  Nor- 
wegen  25  ooo,  Deutschland  250  ooo,  iibriges  Europa  350  ooo  Stiick. 

Karganerfiichse. 

Sibirien  und  Zentral-  Asien  150  ooo  Stiick. 

Kreuzfiichse. 

Amerika  15  ooo,   Sibirien  ca.  3000   Stiick. 

Griesfiichse. 

Nord-Amerika  50  ooo  Stiick. 

Kittfiichse. 

Nord-Amerika  4000  Stiick,  Zentral-  Asien  60  ooo  Stiick. 

W  e  i  s  s  f  ii  c  h  s  e. 

Asien  70  ooo   Stiick,  Amerika  30  ooo   Stiick,  Europa  5000   Stiick. 

Blaufiichse. 

Amerika  6000   Stiick,   Sibirien  4000  Stiick,  Nord-Europa  1000  Stiick. 

Silberfiichse. 

Amerika  4000   Stiick,    Sibirien  ca.   300   Stiick. 

Japan-Fiichse  (  Viverrenhunde)  . 

Japan    (Tanucki)    80  ooo   Stiick,   China   150  ooo   Stiick,    Korea   30  ooo    Stiick. 

Siidamerikanische  Fiichse. 

Pampasfiichse  und  Patagonische  Fiichse  ca.   15  ooo  Stiick. 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren.  353 

Hamster. 

Deutschland  2  Millionen,  Osterreich-Ungarn  %  Million. 

Hasen. 

Polar-Hasen,   Sibirien  ca.  5  Millionen,  Nord-Amerika  200  ooo  Stuck. 

Hermelin. 

Amerika  ca.  400  ooo  Stuck,  Sibirien  700  ooo  Stuck,  Europa  ca.  10  ooo  Stuck. 


Iltis. 

Europa,  Deutschland  60  ooo  Stuck,  iibriges  Europa  80  ooo  Stuck,  Russland  und  Sibirien 
150  ooo  Stuck. 

Virg.   Iltis. 
Amerika  10  ooo  Stuck. 

Kanin  (mir  fur  Kiirschnerzwecke) . 

Frankreich  30  Millionen  Stuck,  Belgien  20  Millionen,  Deutschland  */t  Million,  Galizien 
und  Russland  i  Million,  Australien  20  Millionen. 


Katzen. 

Europa,  Deutschland  120  ooo  Stuck,  Holland  200  ooo  Stuck,  iibriges  Europa  150  ooo  St., 
Russland  300  ooo  Stuck,  Asien,  China  und  Japan  150  ooo  Stuck,  Amerika 
ca.  80  ooo  Stuck. 

Kolinsky. 

Sibirische  150  ooo  Stuck,  Mandschurische  ca.  50  ooo  Stuck,  chinesischeWiesel  ca.  500  ooo 
Stuck,  Japanische  Nerze  ca.  200  ooo  Stuck. 


Luchse. 

Amerika  im  regelmassigen  10  jahrigen  Turnus  von  6000 — 100  ooo,   Durchschnitt  der 
letzten  3   Jahre  50  ooo,  Sibirien  10  ooo,  Siid-  und  Ost-Europa  10  ooo  Stuck. 


Luchskatzen. 
Amerika  ca.  40  ooo,  Asien  ca.  20  ooo  Stuck. 

Wildkatzen. 
Siid- Amerika  ca.  10  ooo,  Asien  ca.  40  ooo,  Europa  und  westliches  Asien  ca.  10  ooo  Stuck. 

23 


254  !VI.  Einf uhr- Statisti  k  von  Rauchwaren, 

Marder. 
Baummarder. 

Europa:    Norwegen    und    Schweden    20  ooo,    Deutschland    50  ooo,    Russlancl 
50  ooo,  iibriges  Europa  60  ooo,  Nord-Asien  30  ooo  Stuck. 

S  teinmarder. 

Europa:  Deutschland  100  ooo,  Bosnien,  Tiirkei  etc.  50000,  Russland  50000, 
iibriges  Europa   150  ooo,  Nord-Asien  ca.   30  ooo   Stuck. 


Murmel. 

Asien:  Orenburger  ca.  ia/2  Million,  Beisky  ca.  2  l/z  Million,  Mongolei,  Mandschurei  und 
China  ca.  500  ooo,  Tabarganer  ca.  5.0  ooo,  Amcrika  ca.  30  ooo  Stuck. 


Nerze. 
Nord-Amerika  ca.  600  ooo,  Russland  und  S-ibirien  ca.  40  ooo  Stuck,  Europa  wenige  Felle. 


Otter. 

Amerika  30000,  Asien:  Sibirien,  Kamtschatka  etc.  20000,  China  30000,   Japan  5000, 
Siid-Asien  ca.  1000,  Siid-Amerika  ca.  5000,  Afrika  ca.  500,  Europa  30  ooo  Stuck. 


Opossum. 

Australien  ca.   4  Millionen,  Amerika  ca.    i   Million   Stiick. 

Persianer  und  schwarze  Lammfelle. 

Zentral-Asien :  Persianer  i1/2  Million  Stiick,  Breitschwanz  100  ooo  Stiick.  Russland  und 
Zentral-Asien :  Astrachan  ca.  i  Million,  Krimmer  60  ooo  Stiick,  Schiras  und 
Salzfelle  200  ooo  Stiick, 

Schuppen   (Waschbar). 
Xord -Amerika  ca.  600  ooo  Stiick. 

Seals   (Pelzseehunde). 

Alaska  15  ooo,  N.  W.  ca.  20  ooo,  Copper  Island  10  ooo,  Cap  Horn  5000,  Cap  d.  g.  Hoft- 
nung  3000,  Siidsee  ca.  5000,  Lobos  10  ooo  Stiick. 

Seeotter. 

Nordl.  Pacific  ca.  400  Stiick. 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


355 


Skunks. 
Nord-Amerika  i1/2  Million,    Siid-Amerika  5000  Stuck. 

Civetkatzen. 
Nord-Amerika  ca.   100  ooo  Stuck. 

Vielfrasse. 

Nord-Amerika  3000,   Sibirien  ca.  4000,  Europa  1000  Stuck. 

Wolfe. 

Amerika:   Wald-Wolfe   8000,   Prairie  40000,   Asien:    Sibirien   10  ooo,   China  ca.   5000, 
Zentral-Asien  und  Russland  etc.  6000,  iibrige  Europa  ca.  1000  Stuck. 

Zobel. 

Amerika  120000,    Sibirien  ca.  70000,   China  ca.  20000,  Japan  (Sachalin)  5000  Stuck. 


II.  Nach   Erdteilen  geordnet. 


Tiger 

Irbis 

Leoparden 5  ooo 

Nebelpanther 200 

Tiger-  und  Wildkatzen  .    .    40  ooo 

Luchse 10  ooo 

Hauskatzen 150  ooo 

Zibetkatzen 30  ooo 

Hunde 200  ooo 

Wolfe      10  ooo 

Rotfiichse 150  ooo 

Silberfuchse i  ooo 

Kreuzfiichse 3  ooo 

Weissfuchse 20  ooo 

Kittfiichse .60  ooo 

Blaufiichse 4  ooo 

Karganer 150  ooo 

Nerze      20  ooo 

Schakale 5  ooo 

Seefiichse 260  ooo 

Zobel 95  ooo 

Baummarder 30  ooo 

Steinmarder 30  ooo 

Iltis 150  ooo 

Tigeriltis  (Perwitzky)       .    .       3  ooo 


Asien. 

500  Stuck       Kolinsky :    .  200  ooo  Stuck 

800       „  Chines,  u.  jap.Wiesel    .    .    .  700  ooo     •",/* 

Hermelin .  ~.    .  700000       ,, 

Vielfrass 4  ooo       „ 

Dachse .    .    .    30000 

Pahmi 60  ooo 

Otter 60  ooo 

Baren,  braune 6  ooo       ,, 

Baren,  schwarze  .    ,  ".    .    .       I  ooo  .    „ 
Gew.  braune  Baren     ...      3  ooo 

Eisbaren 300       ,, 

Feh 15  Mill.     „ 

Murmel ' ",    .    .  4a/2  Mill.    „ 

Suslicki  .    .    .    .•.'..    .    .  VaMill.      „ 

Biber i  ooo 

Hasen 5  Mill. 

Rentier  ca. 10  ooo 

Tibetlamm 500  ooo 

Ziegen 500  ooo 

Persianer 1^2  Mill.    „ 

Astrachan i  Mill. 

Zickel  (Kid) 800  ooo 

Slink 100  ooo 

Fohlen 100  ooo 


Gesamtwert  ca.  no  ooo  ooo  M. 


23' 


356 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchvraren. 


Luchse 

(im  10  jahrigen  Turnus 
von  6 — 100  ooo  steigend 
und  fallend), 

Luchskatzen  ^-"/' '.'   '.    .  ] 

Hauskatzen 

Wald- Wolfe 

Prairie-Wolfe 

Rotfuchse 

Silberfiichse 

Kreuzfiichse 

Weissfiichse 

Blaufiichse 

Griesfiichse 

Kittfiichse 

Zobel  . 


Virg. 
Nerz 


Iltis 


Nord-Amerika. 

50000  Stiick       Hermelin   V\>;XV-;!    .    .    .400000  Stuck 
Vielfrass     V',.v.    .    .    .    .    .       3000 

Dachs.    .i    .  \i>  C 30000 

Skunks i1/ 2  Mill.    ,t 

40  ooo       ,,  Civetkatzen 100  ooo 

80  ooo       ,,  Otter 30  ooo 

8000       ,,  Waschbar  (Schuppenj^  V-  .  600  ooo 

40  ooo       ,,  Eisbaren 400 

200  ooo       ,,  Schwarze  Baren 20  ooo 

4  ooo       „  Braune  Baren 3  ooo 

15  ooo       „  Grizzly-Baren i  200 

30  ooo       ,,  Murmeltier 30  ooo       ,, 

6000       ,,  Biber  .    .         80000 

50  ooo       ,,  Bisam      .  ;  .    .    .", 8  Mill. 

4  ooo       „  Hasen 200  ooo 

120  ooo       „  Opossum i  Mill. 

10  ooo       ,,  Grebes 5  ooo 

60  ooo       ,,  Moschusochsen 500       ,, 


Gesarntproduktion  ca.   100  Millionen  Mark. 


(Die  Stiickzahl  der  in  den  V.  St.  verarbeiteten  Waren  ist  nicht  genau  zu  schatzen. 
Verarbeitet  wurden  dort  fur  ca.  100  Millionen  Mark,  wovon  ca.  50  Millionen  vom  Ausland 
eingefiihrte  Felle,  Ausfuhr  V.  St.  ca.  40  Millionen,  Kanada  ca.  12  Millionen.) 


Jaguar    

Tiger-  und  Wildkatzen  .  . 
Pampas  u.  Patagon.  Fiichse 
Hyrare  (virg.  Iltis)  .  .  . 

Skunks 5  ooo 

Ottern 5  ooo 

Opossum 5  ooo 


Siid-Amerika. 

200  Stiick       Nutria i  Mill.  Stuck 

10  ooo       ,,           Chinchilla,  echt 600 

15  ooo       ,,           Chinchellonas 12  ooo 

500       ,,           Bastard 28  ooo 

,,           Guanacos 20  ooc 

Schmaschen 1/2  Mill. 


Gesamtwert  ca.  8  Millionen  Mark. 


Australian. 


Rotfuchse  . 50  ooo  Stiick 

Kanin 20  Mill.      ,, 

Opossum 4  Mill. 

Ringtails 50000 

Kanguruh 50  ooo 


Wallabv.    ,  .  800  ooo  Stiick 


Beuteldachse 

Wombats 250  ooo 

Native  Cats 10  ooo 

Beutelratten  20  ooo 


30  ooo 
5( 


Wert  ca.  25  Millionen  Mark. 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren.  357 

Europa  incl.  Europ.  Russland. 

Wildkatzen 10  ooo  Stiick  Otter 30  ooo  Stuck 

Katzen 470  ooo  ,,  Baren 2  ooo 

Luchse 10  ooo  ,,  Eisbaren 300 

Rotfiichse  ca 800  ooo  ,,  Biber einige  Felle 

Blaufiichse i  ooo  ,,  Kanin  ca 50  Mill.  Stiick 

Weissfiichse 5  ooo  ,,  Hamster 2  Mill. 

Wolfe      6  ooo  ,,  Maulwurf i  Mill.       ,, 

Schakale 5000  ,,  Schaffelle 3  Mill.       „ 

Baummarder 180  ooo  ,,  Schmaschen  .    . "  i  Mill. 

Steinmarder 350  ooo  ,,  Lammfelle,  Astrachan, 

Iltis 150  ooo  „  Krimmer J/2  Mill. 

Nerz    .    . 20  ooo  „  Moufflon 300000 

Hermelin 10  ooo  „  Grebes 100  ooo 

Vielfrass i  ooo  „  Ganse 60000 

Dachse 100  ooo  ,,  Schwane 10  ooo 

Gesamtwert  ca.   100  Millionen  Mark. 


Afrika. 

Affen 10  ooo  Stiick      Wildkatzen 5  ooo  Stuck 

Lowen 200      ,,           Schakale 10  ooo 

Leoparden 5  ooo       /,           Ottern 500 


Oceane. 

Seeotter     .....*...         400  Stiick       Seals 70  ooo  Stiick 

Haarseehunde 300  ooo  Stiick 

Gesamtwert  ca.  9  Millionen  Mark. 


Deutschland. 

Fiichse 250  ooo  Stiick  Ottern 10  ooo  Stiick 

Steinmarder 100  ooo      „  Katzen 120  ooo      „ 

Baummarder 50  ooo      „  Hamster 2  Mill. 

Iltis 60  ooo      „  Kanin i  Mill. 


in  obigen  Ziffern  mir  einbegriffen  Wert,ca.  _LO  Millionen  Mark. 

Osterreich-Ungarn. 

Fiichse 100  ooo  Stiick  Ottern 10  ooo  Stiick 

Steinmarder 25  ooo      „  Katzen 100  ooo  ,, 

Baummarder 50  ooo      „  Hamster Mill.  „ 

Iltis 40  ooo 

in  obigen  Ziffern  mit  einbegriffen  Wert  ca.  5  Millionen  Mark. 


358 


VI.  Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Preisvergleichende    Tabelle    einiger   Stapelartikel 
der  Hudson's  Bay  Go.  auf  der  Londoner  Auktion. 


Jahr 

Bisam 
YF  I 

Nerz 
YF  II 

Rotfuchs 
YF  I  dunkel 

Luchs 
YF  I  gross 

1882 

8  d 

12/9                     20  /- 

1883 

7% 

A     l_  . 

H/3                     25  /- 

1884 

73/4 

4/9 

ii/3 

30,'- 

1885 

6 

2/5 

8/6                     18/6 

1886 

73/4 

3/io                   10/6                     35/10 

1887 

8%                    3/8                     io/8 

19/4 

1888 

9%                    2/8 

10/3                     20/9 

1889 

121/2                            6/2 

16/8                     30/4 

1890                   ii                         4/3 

I2/-                              23/6 

1891 

-  i2i/2                    5/7 

i  i/7                     27/6 

1892 

7%                   7/3 

I2/-                              36/3 

1893 

8%                         I2/- 

I2/—                           27/6 

1894 

9                       5/io 

ii  /3                     i7/— 

:':>  ;i895' 

9//2 

6/6 

17/3                     i8/- 

1896 

Il3/4                    5/6 

io/3                      13/8 

1897 

10% 

:6/  —  •  - 

io/3 

1  1/9 

1898 

9                       7/9 

10  /II 

13/3 

1899 

8 

12/3 

20/5 

2I/— 

1900 

7%                  10/7 

37/~ 

44/3 

1901- 

7% 

I0/- 

25/6                     30/6  • 

1902 

6i/2 

10/7 

34  /-                      55/- 

1903 

10%                         1  1  /I 

33/~ 

92  /- 

1904 

I2.1/2                             9/g 

28/- 

52/6 

1905 

8l/2 

18/4 

30/9 

54h 

1906 

i3l/2                  18/8 

31/6 

551- 

1907 

15%             0r:.7--2.7/- 

o  o  /o 

oo/  ^ 

5i/3 

•;-li=i?9.??, 

20%                         21/6 

38  /- 

64/- 

I9P9.. 

23/2               '    ,    '23  /- 

61/6 

131/6 

1910       ; 

43*4.           -••   26  /- 

68/—                 163/9 

V.I.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren.  35f) 


Preisvergleichungen  fur  einige  Fellarten. 

Australische Opossum, Adelaide  prima  blaue,  1880 :  8  d.,  1900 : 14  d.,  1908 :  3  sh., 

1909:  4  sh.,  1910:  8  sh. 

Wallaby,  1880:  3  bis  5  pence,  1900:  i  bis  3.sh.,  19101,2  bis  7  sh. 
Kanguruh,  1880:  2  bis  6  d,  1900:  1/6  bis  2/6,  1910:  3  bis  6  sh. 
Wombats,  1880:  6  d,  1900:  1/6,  1910:  3  sh.  , 

Native  coats,  1880:  2  d,  1900:  i  sh,  1910:  2  sh. 

Bastardchinchilla,  1880:  3  sh,  1890:  1/6,  1900:  12  sh,  1905:  18,  1910:  40  sh. 
Japannerze,  1900:  50  Pfg.,  1905:  80  Pfg.,  1910:  2,50  M. 
China  weasel  ohne  Schweife,  1900:  28  Pfg.,  1905:  70  Pfg.,  1910:  1,40  M. 
Japanmarder,  1890:  1,50  M.,  1900:  6  M.,  1905:  io.M.,  1910:  16  M 
Japanfiichse,  1890:  3,50  M.,  1900:  6  M.,  1910:  17  M. 
Skunk,    das   beste   Loos    1900:    8/6,     1908:    13/6,     1909:    i8/,    1910:    297, 

1911:   2I/. 

Rohe  Persianer,  1890:  4  Rbl,  1900:  6  RbL,  1905:  8  Rbl.,  1908:  9  Rbl., 

1909:  10  Rbl.,  1910:  13  RbL 
Steinmarder,  1890:  6  M.,  1895:  9  M.,  1900:  12  M.,  1905:  14  M.,  1908: 

22  M.,  1909:  26  M.,  1910:  28  M. 
Murmel,  Orenburger,  1890:  40  PI,  1900:  50  PL,  1904:  80  PL,  1905:  1,80  M., 

1906:  i,4oM.,  1907:  i,6oM.,  1908:  1,40  M.,  1909:  i, 80  M.,  1910:  3,75  M. 
Schwarzfiichse,  bestes  Fell,  1880;  130  £,  1890:  180  £,  1900;  580  £,  1905; 

220  £,  1906:  320  £,  1907:  440  £,  1908:  460  £,  1909:  310  £,  1910:  540  £. 
Seeotter,  1880:  120  £,  1890:  160  £,  1900:  280  £,  1905:  205  £,  1909: 

380  £,  IQIO:  350  £. 


360 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


Preisliste  der 

Januar 

Biber 
36  907  Stiick 

YF 

MKR 

No    i 

22  j-     -23/- 

I3/6--  13/9 
21/6  —  22  /- 

13  A      -  13/3 
20  /  20/6 

*3  /  —  -13/3 
17/9 

8/9 

5/- 

21/6 

12/9 

2I/- 
I2/- 
15/9 

8/- 
16/9  —  17/3 
8/9 

21  /- 

12/9 

I9/-  —  20  /- 

n7- 

18/6  —  ig/- 
12/3 

13/9  —  14/3 
7/6 

5/- 

19/6 

"/- 

13/3 

i5/- 
9/- 

i   klein  

2 

2   klein  

Pettier    gross  . 

klein  

No.  3 

,,     3  klein    

Cubs    

No.  i   feucht    

,,     i        ,,       klein  

,,2          ,,                      

,,     2        ,,       klein  

»     3 

,,3       ,,       klein  ...... 

Beschadigt,  gross. 

,,            klein  

Bisam 
892  322  Stiick 

YF 

MKR 

No.  i      

1/2  1/  I/23/ 

i  ;6       i/6 

1/ 

„     i     klein     

-1  /  ^  /4         x  /  z  /4 

I  /2-f/i. 

/2 

>,     2      .... 

I/3  /2           /4 

T  /-3/    -       T 

^ 

,,3      

JO3/           jj/ 

-1/  A 

;I 

,,4      

^7  1/ 

A3/ 

Beschadigt 

7/4 
nV 

O  /4 

v/2 

0  7  1 

VI.   Einfuhr-Statistik  von   Rauchwaren. 


36i 


Hudson's  Bay  Co. 
1911. 


MR     u     EM 

FG 

EB 

Canada 

NW 

34/6  —  35  /- 

42/6 

32/- 

28/- 

25/6 

!8/-  —  18/6 

18/6 

17/9 

17/3 

I4/- 

30/6  —  31  /- 

3i/6 

26/-—  26/6 

21  1  21/6 

2I/  21/6 

16/6  -  i7/- 

18/9 

i6/--i6/3 

i6/  16/3 

H/---H/6 

28/- 

— 

25/6 

22/6 

19/6 

16/9  —  17  /- 

— 

17/9 

I5/6—I5/9 

12/9 

18/9  —  19/3 

19/9 

i8/- 

I5/--I5/6 

14/9 

ii  /3 

n/- 

ii  1- 

10/9 

9/- 

7/- 

— 

— 

6/6 



— 

— 

— 

26/6 

23/- 

— 

— 

— 

16/6 

13/3 

28/6 

— 

24/6 

20/6 

16/6 

— 

— 

15/9 

13/6 

— 

•  — 

— 

17/6 

i5/- 

i4/6 

— 

— 

10/9 

9/6 

8/- 

19/6 

18/9 

18/9 

i6/-  -  16/3 

I4/- 

12/9 

I2/- 

9/9 

8/9 

8/6 

MR 

FG 

Canada 

N  W 

II  *  1  /           ~r  1  A  1/ 

2/31/2-2/4 

2/21/4  —  2/33/4 

i/6i/4 

I/I  3/4-1/2 
10% 

6% 

I/-    3/4 

i/-  % 
7A 
7% 

7A 
4% 

362 


VI.    Einfuhr-Statistik   von   Rauchwaren. 


Preisliste  der  Auktion 

Marz-Auktion 


pts 

6529  Skins 
(1910  5484) 

Large 

Small 

Cub 

1911 

1910 

IQII 

1910 

1911          1910 

Otter 

YF   ...... 

i*\- 

96/- 

62/- 

85  /- 
&  cub 

Y  F  frischc      .    . 
MR 

94/- 
109  /- 
no/- 

135  /- 

97/6 

94  /- 
&  sml. 

54  /- 

io8/- 
i48/- 
146/8 
i84/- 

I39/- 

127/2 
&c.&sml. 

68/-       | 

76/- 
io8/- 
io6/- 
142  /- 
H4/- 
92  /- 

io6/- 
&c.            &c. 

i54/-          92  /-          i22/- 

1587- 

&c. 

i6o/- 

I38/- 

EM  .    .    .    .    . 

F  G       . 

EB 

Canada      .... 
N  W  .    . 

2061   Skins 
(1910    1377) 

Ist3  No.  i 

Medium                          Pale 

Kreuz-Fiichse 

YF   .    .    .    .    .    . 
YF,    &c.      .    .    . 
MR  

130  /• 
YF 

1707- 

205/- 
255A 

I. 

86  /- 

100  /- 

T70/- 

1707- 
150  A 

83  /• 
YF 

IOO/- 
IOO/- 

94/- 

57/- 

7o/- 
70  /- 

&c. 

<^  /. 

65  /-          '49  /" 
pt.  low 

76/- 

70  /- 
-72/~     &C.44/- 

'     /i  ,1  /- 

EB    

Canada.    .    .    . 

N  W. 

VI.    Einfuhr-Statistik   von   Rauchwaren. 


363 


der  Hudson's  Bay  Co. 
1911. 


jjnds. 

jpds 

Large 

SmaU 

Large 

Srrtcill 

Cub 

1911 

1910 

1911   1910 

1911 

1910 

IQTI 

1910 

1911 

1910 

; 

&c. 

&c. 

687- 

86/T 

58/- 

76  /- 

34/- 

48/- 

26  /-    34  /- 
&c. 

20  /- 

20  /- 

7*1- 

89/T 

6i/- 

88  /- 

32/- 
&c. 

46/- 

24/-  ;  34/- 
&c. 

&C. 

— 

9% 

130/3 

86  /- 

126  /- 

38/- 

56/- 

33/- 

&c. 

20  /- 
&C. 

— 

96/- 

128;- 

88  j- 

128  /  - 

5o/- 

741- 

36/- 

44/- 

44/-. 

— 

108/6 

146/8 

H4/- 

148  /- 

5o/- 

56/- 
&c. 

30/- 

&c. 

_._ 

— 

100  /- 

140/2 

..93/- 

142  /- 

62  /- 
&c. 

78/- 
&c. 

-  — 

5°/- 

— 

— 

\  . 

77  h 
&  sml. 

IGO/- 
&c.&sm 

72  /- 

IIO/- 

34/- 
&c. 

48/- 
&c. 



36/- 

—  - 

— 

'W  H 

44  /- 

50  /- 



— 

32  /- 

44  /- 

24/- 

— 

— 

— 

jpds 

jjjrds 

IVth5 

jsts 

jpds 

jjpds 

Bastards 

Bastards 

Bastards 

69/- 
YF 

46/- 

30/- 
YF 

22  /- 

,„,- 

&c. 

58/- 

52/- 

42,'- 

30/- 

&c. 

— 

7?/: 



30/- 

&C. 



— 

&c. 



&c. 



— 

— 

7o/- 

47/6 

21/7 

34/- 

1     '  

— 

5.8/- 



3«/- 



— 

— 

72/-' 

—              / 

3i  /- 

'  — 



— 

•=—  ' 



• 



— 

— 

i 



32/- 

_ 



_ 

_ 





____ 





364 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


29  260  Skins 
(1910  29015) 

U 

1911 

irge 
1910 

Small 
1911     [      1910 

Pale 
1911     |     1910 

Amerik.  Zobel 
YF               ... 

62  /- 

&c.&sml 

64/8 

42  /- 

43/6 

5o/- 

45/9 

Y  F  Frische    .    . 

56  /-          6i/- 

44/- 

46  /-          507- 

MKR  

58  /-          55/4          37/- 

41  /- 

49/- 

45/4 

MR          ... 

56  /-          58  /- 
101/6        112/6 
i52/-        i86/- 

102  /-           132  /- 

447- 

65  /- 

&  pale 
7*1- 

84/- 

69/- 

&c. 

n8/- 

98  /- 

&c. 

44/- 
56/- 
6a/- 

52/- 

43/6 
56/- 
687- 

527- 

EM 

FG   
EB   

Canada  

44/~     !      43A 
&sml. 

3*1- 

36/- 

35A 
&sml. 

36/6 

NW  

64/- 

707- 

— 

36/- 

43/- 

4541  Skins 
(1910  3382) 

Ists  Dark 

Medium 

Pale 

Rotfuchs 
YF  .    .    . 

6i/3 

707- 
68/- 

68/- 

777- 
80  /- 

56-7- 
56/- 

60  /- 

54/- 
50/6 

63/- 

56/8 
65  /- 

MR  .    . 

EB.    .    . 

Canada      .... 

NW  . 

&c. 
&*/- 

&c. 
661- 

&c. 

VI.    Einfuhr-Statistik  von   Rauchwaren. 


365 


Small    Pale 

jjnds 

jjpds 

Damaged 

IV- 

1911 

1910 

I9II 

1910 

1911 

1910 

1911 

1910 

I9II 

I9IO 

&c. 

29  /- 
&c. 

31/4 

36/- 

41/10 

25/9 

&C. 

281- 

25/- 
&c. 

28/- 

71- 



26  /- 

33/- 

36/- 

4o/- 

23/- 

28/- 

25/- 

327- 

— 

&c. 

29/- 

3i/- 

35/- 

40/- 

25/~ 

28/- 

26  /- 

30/- 

— 

8/- 

26  /- 

3i/- 

3i/- 

35  /- 

22  /- 

28/- 

3o/- 

3<>/- 

— 



32  /- 

357- 
&c. 

45/4 

52/9 

31/8 

36/- 

32/- 

37/- 

&c. 

&c. 

—  . 

38/- 

6i/- 

79/8 

32/- 

39/- 

40/- 

42/- 

9/~ 

I2/- 

32/- 

36/- 

47/9 

577- 

29A 

35/6 

39/- 

4i/- 

— 

— 

26/- 

277- 

26/4 

29/- 

2I/- 

24/4 
&c. 

26j- 

&c. 

24/- 

— 

— 

— 

— 

35/- 

39/- 

27/- 

27/- 

20  /- 

25/-:     - 

— 

Low 

Greasy 
No.  i 

Greasy- 
No.  2 

nnds 

nrds 

IVth5 

52/- 

5e/- 

60  /- 

69/- 
&c. 

49/- 

56/- 

34/- 

391- 

n/4 

1 

5/- 

&c. 

&MR 

58/- 

6i/- 

70  /- 

57/- 



43/- 

46/- 

I2/- 

23/- 

s;- 

8A 

56/- 

6i/- 

— 

— 

— 



46/- 

54/- 

23/- 

33  /- 







&c. 

— 

&c. 

— 





&c. 



&c. 



-  "* 



6i/- 

63  /- 

63/- 

— 



36/- 

46/- 



20  /- 



— 

366 


VI.    Einfuhr-Statistik   von   Rauchwaren. 


2305  Skins 

Large 

Small                  Large  Pal  C 

(1910  2518) 

1911 

1910        1911 

1910        1911 

1910 

Virg.  Iltis 

YF  .    .    .    . 

7i/- 

637- 

io6/- 

100  /-         54  /- 

557- 

&c. 

YF,  frische 

1427- 

I22/- 

i68/- 

i;o/-         74  /- 

68  /- 

&c. 

MR      ... 

I24/- 

122  j- 

I76/- 

170;'-         66/- 

— 

&c. 

Canada    .    . 

86  /- 

69  /- 

I58/- 

1447- 

54/- 

&c. 

&c. 

&c. 

NW     ... 

94  7- 

78/- 

I74/- 

*54/- 

382  Skins 

I.                                          II. 

(1910   275) 

1911           1910                  1911              1910 

L  st  r. 

Silber-Fuchs 

YF    .    .    .    . 

24  —  1  60            38  —  200              180               230 

YF,  frische. 

22  —  170            48  —  37                130                 90 

MR   .... 

16—225            62—310              175               135 

EB    .    .    .    . 

23  —  220            26  —  215              165               170 

Canada      .    . 

48                                       66 

N  W  .    .    .    . 

16  —  279            30  —  140              105               140 

113  Skins 
(1910    28) 

Ists    No.  i                    Ists    No.  2                IInd3 

Blau-Fuchs 

EB,  &c.     . 

907-            1057-           85             I35/-          l8°7- 

14  646Skins 

(1910  4786) 

Ists  No.  i 

Greas}/ 
No.  2                         ,T 
No.  i 

Weiss- 

Fuchs 

YF    .    .    . 

47/6 

797- 

37/3 

59/-         42/7 

66/4 

LWR    .    . 

56/6 

8i/- 

45/6 

64/-         497- 

68/4 

j 

&c. 

EB     .    .    .        6i/-         94/- 

48/- 

727-         59  /-         62  /- 

VI.    Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


367 


Small  Pale                          IInd3                                IIPds 
1911           1910            1911            1910                1911          1910 

I05/- 

&c. 

72/- 

&c. 

76/- 

59/-            56  /-            48  /-         &IVi4A       &c.3o/- 
&c. 

100  /-                 64/T             •    74/-                 20  /-                     22  /- 

&c. 
64/-            78/-            68/-                                44  /- 

64/-            58/-            48/-                                40/- 
&c.             &c. 

68/-            56/-            48/- 

III.                               IV. 

1911            1910           1911            1910 

Damaged 
1911              1910 

Lstr. 

9 

21 

50 
90 

9 
19 

32                                  26/- 

30 
15 

4 
4/10 

34 

16                 16 

26                 40 
19               6/10 
30 

22 

4 

jpds 

nrds 

1 

50/-. 

I30/-          n/- 

Greasy                     jjnds                      IIIrds                    IYths 

No.  2 

36/6 
38.7- 

,44/" 

59/-         35  /-         58/9        22  /- 
58/8        37/3        59/-         26/~ 
40  /-         61/4        277- 

36  /-       ii  /-       i8/- 
43  /-       147-       177- 
36/-      J3/3 

368 


VI.    Einfuhr-Statistik  von   Rauchwaren. 


49  837   Skins 
(1910  34194) 

1911 

1911 

Hermelin 
Y  F  .    .    .    . 
EB  .    .    .    . 
MR      ... 

65  /-   7% 

85  /-   i25/- 

95  /-  I00/- 
I35/- 

Canada  .  . 
NW  ... 

751- 

80  /- 

85/- 

IIO/- 

32  944  Skins 
(1910  21666) 

Lage  Iste 

Small 

jjnds 

Nerz 

YF  .    .    .    . 

27/6 

30/6 

19/3 

25/2 

I9/6 

Y  F,  frische 

35/7 

46/2 

28/11 

38/9                27/4 

MKR.    .    . 

33/9 

38/6 

26/- 

&C.35/-            22/2 

MR      .    .    . 

30/10 

41/6 

27/6 

37  /-           22/- 

EB  .    .    .    . 

47/6 

6o/- 

32/6 

43  /- 

27/10 

Canada     .    . 

30/6 

38/- 

24/- 

32  /-            18/10 

&c. 

N  W  In  Hair 

— 

27/-           - 

23  /-        19/6 

2368  Skins 
(1910  3101) 

Large 

Small 

jjnds 

Large 

Wolf 
YF.    .    .    . 
YF,   &c.    . 

NW     .    .    . 

25/8 

26  /- 

25  /- 
46/- 
&c. 

— 

— 

i8/- 

VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


369 


jpds 

IIIrd3 

Mixed 

Damaged 

26  /- 

12/6 

I4/- 

24/6 

28/- 

10/3 

i3/- 

35/9 

13/5 

i8/- 

30/6 

32  /- 

14/6 

17/6 

27/- 

7/- 

I0/- 

22/3 

24/6 

I0/- 

&C.I2/6 

28/9 

10/2 

I4/-       I&C.20/- 

— 

I2/- 

&c.i5/- 

36/- 

12/6 

I4/- 

—  • 

— 

12/6 

— 

&c. 

25/6 

8/- 

13/6 

— 

— 

12/6 

12/6 

&c. 

&c. 

22  /-            10/6 

I0/- 

•  — 

2I/- 

— 

IO/- 

jjnds 

Large 

II.  in  hair 

Ists  White 

Ists  Blue 

19/6 

i8/- 

16/6 

_ 

_ 



72/- 

— 

13  /- 

— 

6i/- 

— 

72/- 

— 

_ 

i8/- 

&c. 

_ 





.. 

24 


37° 


VI.   Einfuhr-Statistik  von  Rauchwareii. 


Preisliste  der 

Marz-Auktion 


1290  Skins 
(1910  1518) 

Large 

Mid 

Small 

Ex.  Small 

Large  Cut 

Mid  Cut 

Small  C 

Hair  Seal 
EB     

5/4 
4/4 

4/- 

3/- 

4/- 
3/6 

4/- 

2/- 

1/9 
i/6 

2/5 

i/5 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

LWR    .... 
NW   

91  Skins 
(1910  76) 

pts 

Small 

nnds 

II   Small 

Damaged 

jjpds 

jyths 

Moschus-Ochsen 
YF     

280  /- 

38o/- 

— 

— 

220  j- 

320  /- 

— 

&dmgd 

ii  /- 

2I5/; 

I20/- 

&  IV 
IO/- 

&  IV 

i3/- 

_ 

81  Skins 
(1910  175) 

pts 

jpds 

Jjpds 

Dachs 
YF     

IO/- 

I9/- 

2/9 

_ 

_ 

4/3 

3757  Skins 
(1910  3455) 

Large 

Middling 

Small 

Large  Fine 

Luchs 
YF  

Y  F,  frische     .    . 

MR  

142  /- 

142  /- 

&c.&mid. 
i*6/- 

163/9 
i68/- 

150  /- 

T<zl  /- 

I22/- 

131  /- 

&c.  &  sm. 

120  /- 

&c.&sm. 

TQ/1  /- 

68  /- 

— 

&c.  &  mid. 

I54/- 
&  EB 

&  mid. 

i48/- 

&c 
165 

174 
162 

EB,   &c.      ... 

Canada     .... 

NW 

3757  Skins 
(1910  3455) 

Ope 

n 

Ilnds.  ] 

^arge 

Ilnds. 

Mid. 

Ilnds. 

Small 

Luchs 

YF  

TOO  />> 

, 

1 

^  , 

6/1  /- 

0                    0 

Ov)  / 

1~\J&  j 

0  / 

U4/ 

ex  v>.  y  o 

YF,  frische    .    . 

— 

— 

130/10 

1407- 

114  /- 

I26/- 

68  /- 

96/- 

MR  

&C  I        / 

EB,   &c.      ... 

Canada     .... 

— 

— 

— 

130  /- 

— 

&c.n8/- 

— 



NW     

— 

— 

I30/- 

I34/- 

&  sml.io6/- 

— 

_._ 



VJ.    Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


371 


Houdson's  Bay  Co. 
1911. 


896  Skins 
(1910  807) 

Open 

Cased 

IIndsOpen 

IInds  Case 

Damaged 

Vielfrass 
Y  F  

— 

39/6 
&  cin  H'r 

44  /- 
&  cin  H'r 

36  /- 

— 

20  /- 

29/6 

32  /- 

— 

i6/- 
&c. 

I0/- 

27/- 

i8/- 

EB      

NW     

1037  Skins 
(1910  1642) 

Ists  Cased 

Tts  Open 

Ftsh.o. 

IFds  Cased 

IInds  Ope 

Dama- 
ged 

Skunk 
Y  F  ...... 
YF,  Fresh.    .    . 
Canada    .... 

8/3 

12/6 

n/6 

—      — 

IO/- 

5/6 

6/9 

— 

— 

— 

i  8/~ 

" 

Mid.   Fine 

Small  Fine 

Large  Low 

Midd.  Low 

Small  Low 

— 

i46/- 

— 

— 

&c.  &  mid. 
&  sml. 

I38/-                142  /- 

— 

&c.  &  sn. 

I22/- 

— 

— 

&EB 

&EB 

— 

i54/- 
&c.&sm. 

— 

— 

140;'- 

n 

I28/- 

I38/- 

— 

- 

- 

IS*/- 

140  /- 

IInds.  in  the  hair 

jjrds 

IIIrds.  in  the  hair 

jyths 

I42/- 

I24/- 

M 

66  /- 

49  /- 

&C.64/- 

3/6 

i7/- 

&C.I26/- 

I30/- 

44  /- 

86  /- 

— 

'  §   — 

&C.  2/6 

&V8/- 

inHair 

126  /- 

I36/- 

— 

— 

&C.40/- 

82/-   § 

— 

io/- 

in  Hair 

126  /- 

135/7 

— 

— 

60  /- 

91  /- 

/63 

— 

— 

&CI20/- 

— 

74  A 

— 

88  /- 



— 

I32/- 

I26/- 

&c.39/- 

72  /- 

— 

— 



&c.i8/- 

372 


VI.   Einfuhr-Statistik   von   Rauchwaren. 


4964  Skins 
(1910  4579) 

I.  Rough 

I.  Low 

I.  Woolly 

II.  Rough    ! 
;  Low 

Baren,  schwarz 

&c.          &c. 

&c. 

Y  F  ...... 

I23/- 

162  /-      ii2/-      *36/- 
MR&c. 

88  /- 
MR&c. 

96  /-       74/4 

8  1/6 

72  /- 

M  R  &  Canada  . 
NW 

128  /- 

128  /- 

i8o/- 

92  /- 
82  /- 

I02/- 

&c. 

80  /- 

65/6 

7S/- 

88  /- 

70  1  - 

4964  Skins 
(1910  4579) 

LSmallRough 

I.  Small  Woolly                 II.  Small  Rough           Small 

Baren,  schwarz 
YF 

58/- 
MR&c. 

74/- 

I28/- 

i52/- 

36/- 
MR   &c. 

42  /- 

QO  /- 

M  R   &c. 

84/- 

50  /- 
M  R  &c. 

36/- 

60  /-             26  /- 
M  R  &c. 
86  /-           30  /- 

60  /-           24  /- 

M  R   &  Canada  . 
NW     

384  Skins 
(1910  453) 

I.  Light               I.  E 

>ark              I.  &  II. 

I.  Low 

I.  Wily.  Lt. 

Baren,  braun 
YF,    &c..    . 

!  '                                  :             i             i 
io8/-       92  /-       ___          —           _           — 

! 
50  /-         80  /- 

384  Skins 
(1910  453) 

II.  Low                IIP 

ds                               IVth3 

Sml. 

I.  Woolly 

Sml.  II.  Rough 

Baren,  braun 
Y  F,  &c.  .    . 

-     ^     ~        i3/- 

—         — 

Small 

36  /- 

I.    Smal  I.    Smal  I.    Smal 
-         40  /-          28  /-         32  /- 

105  Skins 
(1910  95) 

I.  Rough                I. 

Woolly              II.  Rough 

II.  Woolly         Damaged 

Grizzly-Bar 
Y  F  .    .    .    . 

I.              I. 

62  /-         82  /- 

II. 

40  /- 

II. 

48/- 

i8/-   i    28  / 

82  Skins 
(1910  71) 

1 
I.  Large 

I.  Mid.                  I.  Small 

i 

Specimen 

L  s  t  r. 


Eisbar 
F.  &c.  .    .    . 

ox  Ige. 

3/15 

5A5 
8/15 

3/io 

I    2              6/10 

i/5 

2/15 

2   6 

16 

12/10 

2O 

II 

197  Skins 
(1910  266) 

p 

ts 

jpds 

III 

rcls 

Schuppen 
Canada     .    . 
NW,   &c.    . 

8/9 

7/- 

4/3 
6/9 

3/6 

2/3 

VI.    Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


373 


Low 

II.  Woolly 

Damaged 

HIrds 

jyths 

Saren,  schwarz 
F  ......  ; 

— 

60  /'-        80/3 

43/3 

49  /- 

26/- 

«/- 

MR&c. 

R   &  Canada  . 

II2/- 

72  /-        88  /- 

4i/5 

! 

i6/- 

26/- 

2/-        5/- 

W      

78  /-        66  /- 

33/5 

33/6 

21  /- 

26  /- 

3/-        - 

4964  Skins 
(1910  4579) 

Woolly 

Small  Damaged 

III.  Small 

IV.  Small 

Jaren,  schwarz 
F  

43/- 
MR&c. 

| 

28  /- 
MR&c. 

4/6             10  /- 
MR&c. 

&c.             &c. 
6d.             i/- 

R   &  Canada  . 

56/- 
&c. 

i7/- 
&e. 

io/- 

7/-             13  /- 
&c. 

—              — 

w    .... 

44/- 

7/- 

I9/- 

17  /- 

—          .    — 

384  Skins 
(1910  453) 

I.  Wliy.Dk. 

II.  Rg 

'h.Lt. 

II.Rgh.Dk. 

II.  Wily.  Lt. 

IL  Wliy.Dk. 

aren,  braun 
F,  &c.  .    . 

90  /- 

j 

88/- 

36/- 

56/- 

54/- 

80  /- 

46/- 

46/- 

69/- 

70  /- 

584  Skins 
IC)io  453) 

Sml.  Il.Wlly. 

Sml.IHrds 

Sml 

jyths 

iren,  braun 
F,  &c.  .    . 



24/- 

M 

21-     \    2/- 





105  Skins 
11910  95) 

IIIrd3 

jyths 

Small  I   &  I 

Sml.  II  &  Dgd. 

rizzlv-Bar 

F  /,    .    . 

&IV. 

n/- 

8/- 





Sml. 

I2/- 

II  &  dmg. 

8/- 

— 

— 

82  Skins 
(1910  71)     1 

Eisbar 

cSic.  .    .    . 

,      ,v.        .  ,                                     .  •    5jV"    • 

8/10 

10            4 

5/io 

374 


VI.    Einfuhr-Statistik  von   Rauchwaren. 


Preise  der  Seal-Auktionen 

Marz 


Copper 

March 
1911 
average 

Island 

March 

1910 
average 

Large  middlings 

Middlings   

io8/- 

n6/- 

Middlings  and  Smalls     .    .    . 

n8/-    120  /-    n8M 

140  /- 

Smalls     .    .    . 

I30/-     I^4./-     I32/- 

T-W/ 

i^6/-    i6o/-    1^7/4. 

Large  Pups   

122  /- 

I^2/-     14.2  /-     I^S/6 

Middling  Pups  

126  /-     128  /-     127  1  ^ 

14.2  /-  14.4  /-     142  /Q 

Small  Pups   

02  /- 

II2/- 

Extra  Small  Pups 

y**  / 

Middlings   low  .    .    . 

1 

80  /- 

Middlings  and  Smalls    ,,     ... 
Smalls     ,,     ... 

64/- 
85/'- 

88  /-     90  /-     89  /• 

I02/- 

Large  Pups    ....     ,,     ... 
Middling  Pups  ...      ,,     ... 
Small  Pups   .... 

82/- 

82/- 
76  /- 

92/- 

92  /- 
84  /- 

Extra  Small  Pups   .     ,,     ... 
Wigs   cut 

/      / 

W4T/ 

1 

Middlings  and  Smalls    ,,     ... 
Smalls 

I02/- 

102  /- 

I20/- 

I^4/- 

Large  Pups    . 

!' 

J-OT-/ 
I20/- 

Middling  Pups  ...      ,, 
Small  Pups   .... 
Extra  Small  Pups   .     ,,     ... 

100  /- 

Il6/- 

I04/- 

VI.    Einfuhr-Statistik  von  Rauchwaren. 


375 


in  London. 
1911. 


South  Sea 


March 

1911 


December 
1910 


Cape  Horn 


March 
1911 


January 
1911 


1247- 

142 /- 
1307-  1327- 


IOO/- 


747- 


90  /- 


I20/- 


1327-  162 /- 

182 /-I 

1447-  1567- 

122 /-   126 /- 


}  20 /-  26 /- 
30 /- 

68 /-  467- 

100  7-  72 /-  767- 
94/-     727- 


76/- 


6o> 


50 /-pt.  cut 

847-  pt.  cut 
68 /- pt.  cut 


100  /- 


78/- 


22  /- 


22/- 


947-  «8/- 


64/- 


Zweiter  Band 


Naturgeschichte 
::    der  Pelztiere   :: 


I. 
Die  Affen  und  Halbaffen. 


a)  Affen. 


Von  den  am  hochsten  stehenden  Saugetieren,  den  Affen,  kommen  nur 
wenige  Art  en  fur  den  Pelzhandel  in  Betracht.  In  erster  Linie  stehen  die  auch 
im  Pelzhandel  einfach  als  ,, Monkey"  bezeichneten  schwarzen  Colobusfelle  von 
den  Westkiisten  Afrikas.  Die  besten  Felle  liefert  Colobus  vellerosus,  auch 
Scheitelaffe  genannt,  der  hauptsachlich  an  der  Goldkiiste  und  im  deutschen 
Togo  lebt.  Die  Korperlange  betragt  30  bis  50  cm,  wozu  noch  der  ca.  50  cm 
lange  Schweif  kommt,  der  aber  bei  den  im  Handel  vorkommenden  Fellen  fast 
nie  mehr  vorhanden  ist.  Das  Fell  ist  mit  5  bis  10  cm  langen  schwarzen  seidig- 
glanzenden  Haaren  bedeckt,  die  von  der  Mitte  aus  nach  beiden  Seiten  herab- 
fallen.  Die  Stirn  und  Wangen  sind  weiss,  auf  der  Brust  ein  weisser  Fleck, 
Beine  schwarz,  Unterseite  und  Innenseite  der  Oberschenkel  grauweiss.  Unter- 
wolle  fehlt  fast  ganzlich.  Der  Schweif  ist  diinn  behaart,  weiss  und  mit  einem 
Biischel  am  Ende.  Die  Tiere  leben  nur  in  dichten  Waldungen,  und  sind  jetzt 
seltener  geworden.  Friiher  war  das  Pelzwerk,  namentlich  in  Deutschland  und 
Amerika,  zu  Muf fen  sehr  beliebt,  mitunter  auch  zu  breiten  Besatzen  verarbeitet. 
Vor  20  Jahren  kamen  noch  jahrlich  100  ooo  Stuck  zum  Export,  dann  liese 
es  nach  und  in  den  letzten  10  Jahren  kamen  nur  wenig.  Seit  2  Jahren  nehmen 
die  Zufuhren  aber  wieder  zu;  es  kommen  jetzt  jahrlich  gegen  10  ooo  Stuck. 
Wahrend  der  Hauptmodezeit  wurde  bis  zu  20  Mk.  per  Stuck  bezahlt,  dann 
fiel  der  Preis  allmahlich  auf  5  sh,  jetzt  ist  der  Preis  1,6  bis  3  sh. 

Sehr  ahnlich  ist  Colobus  ur sinus  von  Sierra  Leone,  der  etwas  kleiner  ist. 
Das  ca.  10  bis  15  cm  lange  Haar  ist  grober  und  glanzloser,  die  Farbe 
schwarz  bis  auf  die  gelblich  weissen  Schultern,  das  Gesicht  gran,  der  Schwanz, 
der  gleichfalls  eine  Quaste  tragt,  ist  weiss.  Der  gegen  wartige  Wert  ist  etwa 
I  sh  per  Stuck.  -  -  Der  schonste  Affe  ist  der  Colobus  guereza  aus  Abessinien, 
wahrend  in  Deutsch-Ostafrika  eine  sehr  nahe  verwandte  Art  vorkommt.  Der 
schlanke  Affe  ist  mit  f einem,  weichem,  schwarzem  Haar  bedeckt,  von  den 
Schultern  zieht  sich  zu  beiden  Seiten  des  Korpers  eine  lange  Mahne  hin,  aus 
seidenweichen,  ca.  20  cm  langen  weissen  Haaren  bestehend,  die  sich  dann  auf 
den  Lenden  wieder  vereinigen,  so  eine  sattelartige  Zeichnung  bildend.  Der 
Schweif  ist  weiss,  auch  lang  und  dicht  behaart,  am  hinteren  Teil  weiss  und  braun 
geringelt.  Die  Korperlange  ist  ca.  80  cm,  der  Schweif  ca.  i  m  lang.  Die  ost- 
afrikanische  Art  ist  dichter  behaart,  die  Schweif haare  auch  iiber  20  cm  lang, 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Die  schonen  Felle  werden  zu  Decken  und  zu  Prunkstiickcn  in  den  Schau- 
fenstern  der  Kiirschner  verwendet,  der  Wert  ist  ca.  20  Mk.  pro  Stuck.  Jahrlich 
werden  einige  hundert  Stiick  importiert. 

Von  den  iibrigen  Affen  sind  noch  sehr  schon  der  amerikanische  Briillaffe, 
von  denen  es  zwei  Arten  gibt.  Der  rote  Briillaffe,  Mycetus  seniculus, 
lebt  in  ganz  Brasilien,  in  den  dichten  Waldungen,  wo  er  sich  in  den  Baum- 
wipfeln  aufhalt  und  nur  sehr  selten  den  Erdboden  beriihrt.  Das  50  cm  lange 
Fell  ist  rotlichgelb  und  mit  dichten,  prachtvoll  seidig  glanzenden  Haaren  be- 
deckt.  Der  Schweif  ist  ca.  60  cm  lang.  Die  Mannchen  haben  eine  Art 
knocherner  Schalltrommel  im  Kehlkopf  und  stossen  ein  donnerndes  Gebriill 
namentlich  des  Morgens,  aus,  was  ihnen  den  Namen  verschafft  hat.  Alljahrlich 
hat  das  Weibchen  ein  Junges,  was  gegeniiber  den  zahlreichen  Feinden  sehr 
wenig  ist.  Die  Tigerkatzen,  die  Hyrare  sowohl  wie  die  grossen  Raubvogel  holen 
sich  viele  Opfer  und  auch  der  Mensch  stellt  den  Tieren  viel  nach,  da  namentlich 
die  Indianer  das  Fleisch  sehr  gem  essen  und  auch  das  Fell  vielfach  verwenden. 
Die  Affen  werden  mit  besonders  dazu  abgerichteten  Hunden  aufgespiirt  und 
entweder  mit  der  Feuerwaffe  oder  dem  Blasrohr  erlegt.  Da  die  Tiere  das  Wasser 
sehr  scheuen  und  ein  Fluss  ein  uniiberwindliches  Hindernis  fur  sic  darstellt, 
wird  eine  einmal  aufgespiirte  Herde  sehr  schnell  vernichtet.  Die  Tiere  sind 
denn  auch  in  der  letzten  Zeit  selten  geworden.  In  den  Handel  kommen  jahrlich 
einige  Hundert  Felle,  die  etwa  3  Mk.  per  Stiick  wert  sind  und  zu  sehr  schonen 
Decken  verarbeitet  werden.  In  Paraguay  lebt  Mycetes  caraya,  der  schwarze 
Briillaffe,  dessen  dunkles  Fell  nicht  so  beliebt  ist. 

Von  asiatischen  Affen  ware  noch  zu  nennen  der  Wanderu  Macacus  silenusy 
aus  Indien  mit  ziemlich  dichtem  dunkelbraunem  Pelz  und  weissem  Kopf. 
Das  ca.  50  cm  lange  Fell  kommt  gelegentlich  in  den  Handel,  doch  werden  im 
allgemeinen  in  Indien  Affen  tiberhaupt  nicht  getotet,  so  grossen  Schaden  sie 
auch  anrichten.  So  sah  ich  selbst  in  Cawnpur  haufig  Affen  mitten  in  den 
Strassen  spazieren  gehen,  sich  einfach  aus  den  Verkaufsstanden  der  Bunians 
im  Basar  Friichte  und  Getreide  nehmend,  sich  dann  gravitatisch  auf  das 
nachste  Dach  schwingen  und  dort  den  Raub  ungestort  verzehren.  Auch  im 
Park  von  Delhi  konnte  ich  haufig  Scharen  von  Affen  beobachten,  die  dort 
ungestort  spielten. 

Ein  sehr  schones  Affenfell  wird  vom  Himalaja  importiert;  es  ist  dies 
Semnopithecus  schsitaceus,  blaugrau  bis  gelblichgrau,  die  Korperlange  ca.  80 
bis  90  cm.,  das  Haar  seidenartig  dicht  und  ca.  8  cm  lang.  Der  Schweif  ist  ca.  50 
bis  60  cm  lang,  mit  einer  weissen  Quaste  am  Ende.  Die  Unterseite  ist  heller 
und  ohne  Unterwolle.  Hauptsachlich  lebt  das  Tier  in  den  Gebirgswaldern  von 
Nepal  undCashmers.  Es  kommen  jahrlich  einige  Hundert  Felle  in  den  Handel, 
die  Liebhaberwert  haben.  Ein  wunderschones  Fell  kommt  manchmal  in  China 
auf  den  Markt,  doch  habe  ich  die  Art  nicht  feststellen  konnen.  Die  Lange  ist 
ca.  i  m  bis  1,20  m  ohne  Schweif,  das  Haar  fein  seidig  und  silbergrau, 
ca.  10  cm  auf  dem  Riicken  lang.  Man  verlangte  dort  ca.  20  Mk.  per  Stiick. 


I.   Affen   und   Halbaffen. 


383 


b)  Halbaffen. 


Unter  den  Halbaffen  finden  sich  viele,  deren  Fell  sehr  geeignet  als  Pelz- 
werk  ware,  doch  kommt  nur  selten  einmal  ein  Postchen  an  den  Markt.  Man 
unterscheidet  die  Halbaffen,  die  bekanntlich  eine  altere  Entwicklungsstufe 
darstellen  und  zu  den  direkten  Vorfahren  der  Affen  geboren,  in  zwei  Haupt- 
gruppen,  die  Makis  und  die  Loris.  Die  Makis  haben  einen  langgestreckten 
Fuchskopf  mil  grossen  behaarten  Ohren,  langen  buschigen  Schweif,  an  den 
Hint  erf  iissen  die  Zehen  meist  nicht  so  lang,  an  den  Vorderfiissen  dagegen  meist 
recht  lange  bewegliche  Finger,  die  Arme  und  Beine  sind  ziemlich  gleich  lang. 
Hire  Heimat  ist  Madagaskar  und  vereinzelt  auch  benachbarter  Teile  Afrikas. 
Sie  sind  sehr  gewandt  und  in  ihren  Bewegungen  durchaus  affenartig.  Die  Loris 
sind  plumper  und  langsamer  in  ihren  Bewegungen,  der  Schwanz  ist  kiirzer 
oder  fehlt  ganz,  die  Augen  sind  auffallig  gross,  die  Hinterbeine  langer  als  die 
Vorderbeine.  Ihre  Heimat  ist  Indien  und  die  benachbarten  Inseln.  Unter  den 
Makis  ist  der  schonste  der  Lemur  catta,  dessen  Fell  fur  den  Rauch- 
warenhandel  auch  Bedeutung  erlangen  konnte,  wenn  grossere  Mengen  an  den 
Markt  kamen.  Das  Fell,  dessen  Lange  etwa  50  cm  betragt,  ist  graurotlich, 
ahnlich  an  Farbe  dem  Kanguruh,  sehr  dicht  und  fein,  die  Schultern  sind  mehr 
aschfarben  und  die  Unterseite,  namentlich  die  Brust,  weiss.  Der  Schweif  ist 
ca.  35  bis  40  cm  lang,  buschig  und  in  regelmassigen  Abstanden  schwarz  und 
weiss  geringelt,  und  zwar  sind  15  Ringe  vorhanden.  Im  Berliner  Zoologischen 
Garten  befinden  sich  eine  ganze  Anzahl  dieser  munteren  Tiere,  mit  zahlreichen 
Jungen.  Hier  1st  das  Tier,  das  in  seiner  Heimat  Madagaskar  ein  Nachttier  ist, 
zum  Tagtier  geworden  und  er- 
freut  die  Zuschauer  durch  seine 
lustigen  Spiele.  Besonders  wer- 
den  die  im  selben  grossen  Kafig 
befindlichen  Giirteltiere  die  Ziel- 
scheibe  ihres  Mutwillens.  Sehr 
schon  ist  auch  der  b  u  n  t  e 
V  a  r  i ,  Lemur  varius,  mit 
feinem,  dichtem,  glanzendem 
Pelz,  weiss  mit  grossen,  unregel- 
massigen  braunen  Flecken,  der 
starke,  buschige  Schweif  ist 
braun.  Das  Tier  ist  etwas  grosser 
als  das  vorige.  Auch  der  rote 
V  a  r  i  von  Madagaskar  hat  ein 
schones  dichtes  rotbraunes  Fell 
mit  langem  Schweif.  Im  Handel 

kommen  alle  diese  Felle  bisher  Gesch.  speziaiaufn.  d.  Neuen  photogr. 

nicht  vor.    Von  den  Loris  haben  Katta  (Lemur  catta) . 


^84  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

auch  verschiedene  sehr  schone,  fur  den  Pelzhandel  geeignete  Felle,  kommen 
aber  auch  nur  selten  in  den  Handel.  Gelegentlich  kommen  Felle  des  schonen, 
grauen  Loris  Nycticebus  cinereus  in  den  Handel.  Das  ausgewachsene  Tier  ist 
etwa  60  bis  70  cm  lang,  ohne  Schweif,  mit  vollem,  seidenweichem  Haar, 
dunkelgelbbraun  mit  einem  silbrigen  Anflug  und  einem  breiten  silberfarbenen 
Riickenstreif,  wo  die  Grannenhaare  auch  etwas  langer  sind.  Die  Unterwolle 
ist  gelblich  und  seidenweich.  Vor  einiger  Zeit  hatte  ich  Gelegenheit,  einen 
Posten  von  ca.  100  Fellen  von  jungen  Nycticebus  zu  sehen  und  zu  bestimmen. 
Diese  Felle,  die  etwa  15  cm  lang  waren,  ahnelten  an  Feinheit  des  Haares  den 
Chinchilla;  der  Kaufer  hatte  ursprunglich  ca.  2  Mk.  per  Stuck  bezahlt,  was  in 
Anbetracht  der  Schonheit  des  Felles  sehr  billig  zu  nennen  ist.  Das  Tier  ist  in 
seiner  Heimat  Siam  und  Cochinchina  durchaus  nicht  selten,  seiner  nachtlichen 
Lebensweise  halber  aber  schwer  zu  fangen. 


II. 
Die  Katzenarten. 


a)  Lowen. 


Die  Hauptheimat  der  Lowen  1st  Afrika.  Es  gehoren  durchaus  nicht  alle 
Lowen  einer  Art  an. 

Der  schonste  aller  afrikanischen  Lowen  ist  oder  war  eigentlich  Felis  leo 
barbarus,  der  Berberlowe,  der  jetzt  fast  ganz  ausgerottet  ist.  Diese  Lowenart 
war  es,  von  der  der  beruhmte  Lowen  jager  Jules  Gerard  600  wahrend  seines 
Lebens  erlegte.  Zwar  werden  heute  noch  manchmal  eifrige  Tourist  en  zur 
Lowenjagd  in  Algier  oder  Tunis  verleitet,  aber  der  Lowe  fehlt  stets.  Die 
Farbung  des  Berberlowen  ist  rotlich  gelb,  Kopf,  Hals  und  Brust  ist  mit  einer 
sehr  dichten  langen  Marine  umgeben,  die  vorn  bis  zur  Handwurzel  und  hinten 
bis  zur  Halfte  des  Riickens  reicht.  Auch  der  Unterleib  ist  dicht  behaart.  Diese 
rotlich  gelbe  Marine  ist  dicht  mit  schwarzen  Haaren  untermischt,  die  haufig 
sogar  iiberwiegen.  Der  'Schweif  ist  gegen  das  Ende  zu  dunner,  die  Schwanz- 
quaste  nicht  sehr  stark.  Die  Tiere  gewahren  einen  prachtvollen  Anblick;  ihre 
Felle  sind  sehr  wertvoll. 

Bedeu tend  grosser  ist  Felis  leo  capensis,  der  Kaplowe,  der  auch  schon  selten 
geworden  ist.  Im  eigentlichen  Kaplande  kommt  er  iiberhaupt  nicht  mehr  vor, 
da  er  den  Orangestrom  nach  Siiden  nicht  iiberschreitet,  nur  in  Transvaal, 
Rhodesia,  Zambesi,  auch  in  Siidwestafrika  findet  er  sich,  aber  vereinzelt. 
Der  Kopf  ist  breit,  mit  stumpfer  Schnauze,  Mahne  lang  und  dunkel,  aber  nicht 
so  dicht  und  ausgedehnt  wie  beim  Berberlowen. 

Felis  leo  senegalensis,  von  Nordwestafrika,  ist  bedeutend  kleiner  als  der 
Berberlowe.  Mahne  aus  glatterem,  straff  em  Haar,  weniger  dicht  und  kiirzer, 
auch  nicht  so  weit  nach  hinten  reichend,  lauft  nach  hinten  in  eine  Spitze  aus. 
Die  Bauchmahne  und  Haarbiischel  am  Ellbogen  fehlen.  Die  Korperfarbe  ist 
rotlich  gelb,  die  Mahne  einfach  gelb. 

Felis  leosomaliensis,d.er  ostafrikanischeLowe,  ist  heute  noch  am  zahlreichsten 
von  alien  Lowenarten,  und  kommen  auch  dessen  Felle  am  haufigsten  zu  uns. 
Das  Tier  ist  gross  und  schlank,  die  Mahne  meist  etwas  schwach  entwickelt. 

Im  ostlichen  Zentralafrika  wird  er  durch  den  M  a  s  s  a  i  lowen,  Felis  leo 
massaicus,  vertreten,  ein  langgestrecktes  Tier  mit  flachem  Riicken,  sehr  lang- 
beinig  und  stetskenntlichan  der  nach  hinten  lagernden  wie  aus  der  Stirn  ge- 

25* 


388 


Naturgeschichtc  der  Pelztiere. 


Gesch.  Spezialaufn.  d.  Neuen  Photogr.  Ges. 
Somali-Lowe  (Felts  leo  somalensis). 


kammten  Mahne.  Geradc 
unter  den  Masailowcn  finden 
sich  noch  sehr  zahlreiche 
,  ,Menschen  fresser ' ' . 

Im  Kamerungcbiet  ist 
noch  cine  andcrc  Lowenart, 
Felis  leo  Kamptsii,  die  ich 
aber  nicht  kcnne. 

In  Asien  kommt  zuglcich 
die  kleinste  und  die  grosstc 
Lowenart  vor,  Felis  leo  per- 
sicus^  der  persische  Lowe,  ist 
die  kleinste.  Die  Farbe  dcs 
Korpers  ist  hell  isabellfarbcn. 
Die  dunkelbraune,  mil  ein- 
zelnen  schwarzen  Haaren 
untermischte  Mahne  besteht 
aus  straff  en,  glatten  Haaren, 


reicht  aber  nicht  weit  iiber  die  Schulter  ruckwarts  und  auch  nicht  tief  auf 
die  Brust.  Auch  der  Unterleib  ist  mit  einer  langen  Mahne  versehen.  Es  ist 
dies  dieselbe  Lowenart,  die  noch  in  historischer  Zeit  Siidosteuropa  bewohnte. 
Die  Lowenbandiger  verwenden  auch  bei  ihren  Produktionen  mit  Vorliebe 
persische  Lowen,  da  sie  den  verhaltnismassig  sanftesten  Charakter  haben 
sollen.  In  ihrer  Heimat,  dem  siidlichen  Persien,  sind  sie  heute  ziemlich  selten. 

Die  grosste  Lowenart,  die  es  iiberhaupt  heute  gibt,  lebt  in  Indien.  Es  ist 
dies  der  Lowe  von  Guzzerate,  Felis  leo  goojratensis.  Friiher  wurde  derselbe  auch 
der  ,,Mahnenlose"  genannt,  und  zwar  deshalb,  weil  die  ersten  Exemplare,  die 
nach  Europa  kamen,  keine  Mahne  hatten;  es  waren  dies  aber  zufallig  Aus- 
nahmen.  Das  Tier  hat  eine  kraftig  entwickelte  Mahne,  die  aus  krausen  Haaren 
gebildet,  Kopf  und  Hals  umgibt,  auf  dem  Scheitel  beginnend,  sich  bis  zum 
Widerrist  hinzieht,  wo  sie  scharf  abgegrenzt  ist  und  sich  schief  nach  den  Ellen- 
bogen  zu  verlangert.  Stirn  und  Scheitelhaar  sind  gestraubt.  Langs  der  Mitte 
des  Oberhalses  ist  ein  10  cm  hoher  Kamm  aus  steilen  Haaren,  an  der  Hals- 
seite  ist  das  Haar  nach  vorn  gerichtet,  an  der  Unter-  und  Vorderseite  des  Halses 
biischelartig  herabhangend.  Die  Schwanzquaste  ist  langer  als  bei  den  anderen 
Lowenarten,  die  Farbung  ist  hellgelb.  Die  Weibchen  sind  stets  auffallig  klein, 
wahrend  die  Mannchen,  wie  schon  erwahnt,  ungewohnlich  gross  sind. 

Die  Tiere  sind  sehr  selten  auch  in  dem  Gebiet,  in  dem  sie  ausschliesslich 
vorkommen,  dem  nordwestlichen  Teile  Indiens.  Es  gibt  nur  wenige  Europaer 
in  Indien,  die  jemals  ein  Fell  eines  Guzerratelowen  gesehen  haben.  Die  Lebens- 
weise  der  Lowen  ist  zu  allgemein  bekannt,  um  hier  ausfiihrlich  daruber  zu 
schreiben,  die  verschiedenen  Arten  verhalten  sich  aber  auch  in  ihren  Ge- 
wohnheiten  verschieden.  So  lebt  der  Berberlowe  und  auch  der  Senegallowe 


II.  Die  Katzenarten. 


stets  paarweise  und  die  Jungen  trennen  sich,  sobald  sie  einigermassen  er- 
wachsen  sind,  von  den  Eltern,  wahrend  in  Ostafrika  schon  Rudel  von  10  und 
mehr  Lowen  beobachtet  wurden.  Im  allgemeinen  stellen  sie  dem  Wilde 
nachts  an  der  Tranke  nach,  und  wo  Viehreichtum  ist,  bevorzugen  sie  die  Haus- 
tierherden  zu  ihrer  Nahrung.  An  denMenschen  gehen  meist  nur  alte  Exemplare, 
denen  die  Verfolgung  von  Wild  oder  Vieh  schon  schwer  fallt.  Solche  Exemplare 
halten  sich  dann  gewohnlich  in  der  Nahe  der  Dorfer  auf  und  werden  eine 
formliche  Landplage.  Die  Masailowen  sind  aber  dafur  beriichtigt,  dass  auch 
jiingere  kraftige  Tiere  mil  Vorliebe  Menschenraub  treiben.  So  holte  vor  kurzem 
ein  solcher  Lowe  einen  schlafenden  Passagier  mitten  aus  einem  haltenden  Zuge 
der  Ugandabahn  heraus.  Die  Nachbarschaft  der  Station  Nairobi  ist  durch 
die  Lowenplage  beriichtigt. 

In  Ostafrika  sind  augenblicklich  noch  Lowen  sehr  zahlreich,  und  kommen 
die  meisten  aus  der  Wildnis  stammenden  Lowenfelle  daher.  Diese  sind  aber 
nicht  so  gut  als  die  aus  Zoologischen  Garten  und  Menagerien  stammenden  Felle. 
Wahrend  ein  Lowe  mit  guterMahne,  dessen  Fell  aus  einem  Zoologischen  Garten 
stammt,  ca.  1000  Mark  wert  ist,  holt  ein  ostafrikanisches  Fell  3 — 400  Mk. 
Lowinnenfelle  sind  etwa  50  Mk.  wert  und  auch  dann  schwer  verkauflich. 

Im  ganzen  kommen  jahrlich  etwa  100  Lowenfelle  in  den  Handel,  da 
europaische  Jager  die  Felle  der  erlegten  Tiere  fast  stets  selbst  als  Trophaen 
behalten.  Verwendung  finden  Lowenfelle  nur  als  Teppiche  und  zu  Aus- 
stellungsdekorationen.  Die  Lowin  hat  gewohnlich  2  bis  3  Junge  im  Jahr,  mit 
denen  sie  etwa  100  Tage  tragend  geht.  Die  Jungen  sind  bei  der  Geburt  etwa  so 
gross  wie  eine  kleine  Hauskatze  und  wachsen  langsam.  Mit  3  Jahren  erhalten 
sie  den  ersten  Ansatz  zur  Mahne  und  sind  mit  5  bis  6  Jahren  ausge wachsen. 
Sie  konnen  sehr  alt  werden,  so  war  z.  B.  in  Berlin  ein  Lowe  fast  50  Jahre 
in  der  Gefangenschaft. 

Er  pflanzt  sich  auch 
in  der  Gefangenschaft 
leicht  fort.  Der  Schaden, 
den  dieTiereinbewohnten 
Gegenden  anrichten,  ist 
sehr  bedeutend.  Die  fran- 
zosische  Regierung  bc- 
zifferte  den  Schaden  eincs 
einzigen  Lowen  auf 
20  ooo  Frank  jahrlich  an 
geraubtem  Vieh.  Im  Su- 
dan iiberspringt  der  Lowe 
die  oft  12  bis  15  Fuss 
hohen  Dornverhaue  der 
Seriben,  in  denen  dasVieh  Gesch-  speziaiaufn.  d.  Neuen  Phot. 

des  nachts  gehalten  wird  Ostafrikanischer  Lowe. 


3QO  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

und  kehrt  mil  eincr  Beute,  einem  jungen  Ochscn  und  dergleichen  auf  dcm- 
sclben  Wege  wicder  zuriick.  Nur  Feuer  schrecken  ihn  zuruck,  doch  umkrcist 
or  in  Siidafrika  haufig  die  Lagerstatten  der  Karawane,  urn  di-rch  sein  Gcbrull 
die  Zugtiere  zu  erschrecken  und  zum  Ausbrechen  aus  dem  Feuerkreise  zu  ver- 
anlassen.  Ubrigens  wird  der  Lowe  von  alien  grossen  Katzenarten  am  leichtesten 
zahm.  Am  Hofe  des  Negus  von  Abessinien  werden  stets  zahme  Lowen  gehalten, 
und  auch  bei  den  altcn  Romern  wurden  zahme  Lowen  haufig  bei  Hofe  gehalten. 
Bekannt  1st,  in  welch  grossen  Mengen  Lowen  bei  den  Kampfspielen  des  alien 
Roms  verwendet  wurden.  Julius  Casar  Hess  auf  einmal  600  gatulische  Lowen 
miteinander  kampfen.  Diese  kamen  alle  aus  Nordafrika. 


b)  Puma. 


In  Amerika  wird  der  Lowe  durch  eine  einfarbige  Katzenart  vertreten, 
den  Puma  oder  Cuguar,  der  die  ausgedehnteste  Verbreitung  von  alien  amerika- 
nischen  Saugetieren  hat,  indem  er  von  der  Siidgrenze  Kanadas  bis  zum  Feuer- 
land  vorkommt,  und  zwar  vom  Pacific  bis  an  die  atlantische  Kiiste. 

Es  ist  aber  nicht  eine  geschlossene  Art,  sondern  man  unterscheidet  Felis 
couguar  in  Kanada  und  dem  Osten  der  Vereinigten  Staaten,  Felis  hippolestes 
in  Wyoming  und  Colorado,  Felis  olympica  in  Washington,  Britisch  Columbia, 
Oregon  und  Kalifornien,  Felis  brownii  in  Arizona,  Felis  corryii  in  Florida. 
Felis  aztecica  in  Mexiko,  Felis  costaricensis  in  Zentralamerika,  Felis  bangsii  in 
Kolumbien,  Felis  concolor  in  Brasilien  und  .Bolivien,  Paraguay  und  nordliche 
La  Plata,  Felis  patagonica  im  westlichen  Patagonien,  Felis  pearsonii  im  sud- 
lichen  Patagonien,  Felis  puma  in  Chile.  Alle  diese  Art  en  weichen  voneinander 
ab,  doch  wechselt  auch  innerhalb  der  einzelnen  Arten  und  Distrikte  die  Farbung 
stark  vom  hellen  Bleigrau  bis  zum  dunklen  Rot. 

Im  allgemeinen  kann  man  aber  annehmen,  dass  in  den  nordamerikanischen 
Pumas  die  blaue,  in  den  sudamerikanischen  die  rotliche  Farbe  vorwiegt. 
Roosevelt  erlegte  in  Colorado  zu  gleicher  Zeit  ausgewachseneMannchen,  die  von 
der  Schnauzc  bis  zur  Schwanzspitze  8  Fuss  massen  und  227  Pfund  wogen,  und 
solcho,  die  nur  6  Fuss  lang  waren  und  105  Pfund  wogcn.  Auch  besitzt  der 
Berliner  Zoologische  Garten  einen  Puma  aus  Patagonien,  der  ganz  hellfarbig 
ist,  wahrend  ich  Felle  aus  derselben  Gegend  gesehen  habe,  die  dunkelrot  braun 
waren.  Jodenfalls  ist  der  Puma  stets  einfarbig,  langgestreckt  mil  nicdrigen 
Boinon,  kleinem  runden  Kopf  und  langem  Schweif .  Das  Haar  ist  kurz,  client  und 
glatt  und  aus  den  siidlichsten  und  nordlichsten  Gegenden  naturlich  raucher. 
1m  allgemeinen  ist  das  Fell  fur  den  Rauchwarenhandel  nicht  viel  wert, 
hochstens  10  Mk.  per  Stiick.  In  Nordamerika  wird  das  Tier  meistens  falschlich 
,,  Panther"  genannt,  im  West  en  ,,Mountainlion"(Bergl6we),in  Mexiko  undSiid- 
amerika  einfach  ,,Leon",  Lowe.  Die  Lebensweise  ist  auch  verschieden,  und  zwar 


II.  Die  Katzenarten. 


39* 


sowohl  in  den  einzelnen  Gegenden  als  unter  den  Individuen.  So  beschreibt 
Roosevelt  dieselben  als  dem  Menschen  gegeniiber  im  allgemeinen  harmlos, 
berichtet  aber  doch  mehrere  Falle,  wo  der  Puma  Menschen,  namentlich  Kinder, 
angegriffen  habe.  Wenn  in  die  Enge  getrieben,  setzt  er  sich  natiirlich  auch  dem 
Jager  gegeniiber  zu  Wehr.  In  Siidamerika  ist  nach  Darwin  der  Puma  in 
Argentinien  dem  Menschen  niemals  gefahrlich,  in  Chile  dagegen,  wo  er  iibrigens 
bis  zu  10  ooo  Fuss  Meereshohe  in  die  Cordilleren  steigt,  soil  er  dagegen  haufig 
Menschen  angreifen. 

Das  Tier  richtet  uberall,  wo  es  vorkommt,  grossen  Schaden  an.  In  wild- 
reichen  Gegenden  stellt  es  hauptsachlich  dem  Wilde  nach,  in  Sudamerika 
sind  die  Guanacos,  Hirsche  und  Strausse  und  die  hohlenbauenden  Vizcachas 
seine  Hauptbeute.  Wo  es  aber  Gelegenheit  hat,  richtet  es  unter  den  Herden 
grosse  Verheerungen  an.  Namentlich  Pferde  bilden  seine  Lieblingsnahrung ; 
aber  auch  Kalber,  Schafe  und  Schweine  fallen  ihm  zahlreich  zum  Opfer.  Das 
Tier  kommt  noch  uberall  ziemlich  zahlreich  vor  und  ist  so  schlau,  dass  es 
schwer  zu  vertilgen  ist.  Der  Purschgang  mit  der  Biichse  bietet  wenig  Erfolg, 
da  es  kaum  zu  Gesicht  zu  bekommen  ist.  Fallen  meidet  es  auch  sorgfaltig, 
doch  fallt  es  oft  dem  Strychnin  zum  Opfer. 

Ein  sehr  beliebter  Sport  besteht  darin,  den  Puma  mit  besonders  dazu 
abgerichteten  Hunden  zu  hetzen ;  in  Nordamerika  wird  der  Panther  dann  meist 
auf  einen  Baum  getrieben,  und  mit  der  Kugel  heruntergeholt.  In  Sudamerika 
wird  er  mit  Bolas  und  Lasso  erlegt.  Vom  sudamerikanischen  Puma  wird  be- 
richtet, dass  er  fast  nie  einen  Ruf  ausstossen  wird,  in  Nordamerika  dagegen 
rufen  sich  die  Geschlechter  wahrend  der  Paarungszeit  und  auch  zu  anderen 
Zeiten  soil  er  auf  seinen  nachtlichen  Schleichwegen  einen  Ruf  ausstossen,  der 
dem  Klagen  eines  kleinen  Kindes  gleicht.  In  Sudamerika  erlegt  er  meist  seine 
Beute,  indem  er  ihr  auf  den  Nacken  springt  und  mit  der  Pranke  den  Kopf  ruck- 
warts  biegt,  so  das  Genick  brechend.  Nach  Roosevelt  aber  gebraucht  er  sowohl 
seine  Vordertatzen  zum  Schlagen  wie  eine  Katze,  als  auch  sein  machtiges  Gebiss 
zum  Beissen.  Den  Hunden  gegeniiber  setzt  er  sich  haufig  zur  Wehr,  indem  er 
sich  auf  den  Riicken  wirft  und  mit  den  Hintertatzen  den  Hunden  den  Bauch 
aufschlitzt.  Hat  er  eine  Beute  erlegt,  die  er  nicht  auf  einmal  verzehren  kann, 
so  bcdeckt  er  den  Rest  mit  Zweigen  und  verbirgt  sich  in  der  Niihe.  Sehr  haufig 
wird  er  dann  durch  die  in  der  Umgebung  lauernden  Kondore  und  Aasgeier  ver- 
raten.  Von  den  Gauchos  wird  das  Fleisch  des  Puma  gegessen,  und  Darwin,  der 
dasselbe  auch  kostete,  vergleicht  es  mit  Kalbfleisch. 

Die  Pumas  werden  in  der  Gefangenschaft  oft  ganz  zahm  und  ahneln  dann 
in  ihrem  ganzen  Gebaren  den  Hauskatzen.  Im  Berliner  Zoologischen  Garten 
sind  Pumas  erfolgreich  mit  Leoparden  gekreuzt  worden.  Im  ganzen  komnu-n 
jiihrlich.nur  einige  hundert  Felle  in  den  Handel,  trotz  der  grossen  Zahl  er- 
legter  Felle,  die  aber  nur  zu  Fussdocken  und  Wagendecken  Verwcndung  linden. 
Die  meisten  Staaten  der  U.  S.  von  Amerika  geben  hohe  Pramicn  fur  crlegte 
Pumas,  15  bis  20  Dollar  Gold  pro  Skalp. 


392  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


c)  Jaguarundi  und  Eyra. 


In  Amerika  kommen  noch  zwei  wilde  Arten  einfarbiger  Katzen  vor.  Der 
Jaguarundi  bewohnt  Siidamerika  von  Paraguay  bis  Panama  und  wird  nordlich 
hiervon  durch  eine  verwandte  Art,  F.  yaguarendi  tolteca,  vertreten,  die  Mexiko 
bewohnt  und  bis  zum  Rio  Grande  in  Texas  geht.  Der  Jaguarundi  ist  ein  lang- 
gestrecktes  schlankes  Tier,  von  Schnauze  bis  Schwanzwurzel  55 — 60  cm  lang 
und  50  bis  60  cm  langem  Schweif,  der  mehr  an  einen  Harder  als  an  eine 
Katze  erinnert.  Die  Farbung  ist  dunkelblauschwarz.  Die  einzelnen  Grannen- 
haare  aber  sind  schwarz  und  gelb  geringelt,  die  Spitzen  dunkelbraun. 

Das  Tier  lebt  hauptsachlich  von  kleinen  Saugetieren,  Agutis,  Kaninchen, 
Mausen,  Hirschkalbern,  Vogeln  usw.  Es  besucht  auch  haufig  Geflugelhofe, 
um  Hiihner  zu  rauben.  Dem  Menschen  geht  es  aus  dem  Wege  und  greift  ihn 
auch  in  die  Enge  getrieben  nicht  an.  Meist  lebt  es  in  einem  bestimmten 
Distrikt  paarweise,  doch  sammeln  sich  manchmal  mehrere  Paare  in  cinem 
giinstigen  Jagdterrain. 

Der  mexikanischc  Jaguarundi  ist  hell  gefarbt,  statt  der  schwarzgrauen 
und  rotlichen  Farben  tritt  hier  mehr  blassgelb  hervor.  Der  Kopf  ist  grau. 

Das  Fell  kommt  fast  gar  nicht  in  den  Handel  und  hat  auch  keinen  be- 
sonderen  Wert. 

In  denselben  Gegenden  lebt  die  Eyra,  Felis  eyra,  auch  im  Zoologischen 
Garten  oft  falschlich  als  Fossa-Katze  (Felis  fossata)  bezeichnet,  die  direkt 
einen  Ubergang  von  den  Katzen  zu  den  Mardern  bildet.  Der  Korper  ist 
ungemein  langgestreckt,  die  Beine  niedrig,  der  Kopf  klein,  die  Korperlange 
5° — 55  cm>  der  Schwanz  30  bis  40  cm.  Die  Tiere  werden  fast  nie  zahm  und 
sind  ungemein  blutdiirstig,  wie  unser  Marder  und  Iltis.  Das  Fell  ist  graugelb 
bis  rotlichgelb  einfarbig  und  hat  keinen  Handelswert.  Das  Tier  geht  nordlich 
bis  Texas,  siidlich  bis  Paraguay,  und  ist  stets  an  Waldgebiet  gebunden. 


d)  Tiger. 


Auch  von  dieser  schonen  Katze,  deren  Heimat  ausschliesslich  Asien  bildet, 
gibt  es  verschiedene  scharf  unterschiedene  Arten.  Die  am  langsten  bekannte 
Art  ist  der  bengalische  Tiger,  Felis  tigris  bengalensis,  der  Vorderindien  be- 
wohnt, vom  Himalaja  bis  zur  Siidspitze  und  noch  heute,  trotz  aller  Nach- 
stellungen,  recht  haufig  ist.  Trotzdem  kann  man  viele  Jahre  in  Indien  leben, 
ohne  einen  Tiger  zu  Gesicht  zu  bekommen.  Das  schone  dunkel  rotbraune  Fell 
mit  den  schwarzen  unregelmassigen  Querstreifen,  ist  der  Farbe  des  Dschungels 
und  namentlich  dem  Spiel  von  Sonnc  und  Schatten  so  angepasst,  dass  er  fast 
unsichtbar  bleibt. 

Das  ausgewachsene  Mannchen  besitzt  einen  starken  Backenbart,  der  auch 
als  Mahne  bezeichnet  wird.  Das  Fell  des  indischen  Tigers  ist  stets  flach,  die 


II.  Die  Katzenarten. 


393 


Haare  kurz  und  die  Unterwolle  sehr  wenig  dicht,  am  Bauch  1st  die  Behaarung 
etwas  langer.  Seinen  Lieblingsaufenthalt  bildet  der  sich  am  Fuss  der  Gebirge 
hinziehende  Waldgiirtel  der  ,,Terai",  aber  auch  weit  vom  Walde  entfernt 
tauchen  Tiger  auf. 

Im  allgemeinen  gehen  sie  demMenschen  aus  dem  Wege  und  stellen  mehr 
dem  Wild  und  dem  weidenden  Vieh  nach.  Auch  hierbei  werden  sie  6ft ers  von 
den  wehrhaften  Biiffeln  bose  zugerichtet.  Beim  Herannahen  eines  Tigers 
fliichtet  sich  der  Hirt  auch  personlich  unter  seine  Buffelherde,  um  ungefahrdet 
zu  entkommen.  Einzelne  Tiger  aber,  meist  altere  Exemplare,  werden  zu  so- 
genannten  ,,maneaters",  und  legen  sich  nun  ausschliesslich  auf  die  Menschen- 


Bcngal  Tiger    (Felts  tigris  Bengalenzes) . 


gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 


jagd,  indem  sie  in  der  Nahe  der  Strasse  sich  auf  die  Lauer  legen,  und  nachts 
selbst  in  die  Dorfer  brechen,  um  ihre  Opfer  zu  holen.  Ganze  Dorfer  mussten 
schon  verlassen  werden  wegen  der  Nahe  eines  solchen  Maneaters,  die  iibrigens 
auch  haufig  paarweise  auf  tret  en.  Die  englische  Regierung  zahlt  hohe  Pramien 
fur  die  Erlegung  jeden  Tigers,  die  Zahl  derselben  ist  dadurch  auch  stark 
zuriickgegangen.  Immerhin  sollen  noch  jetzt  jahrlich  mehrere  Tausend 
Menschen  den  Tigern  zum  Opfer  fallen.  In  den  meist  en  Dorfern  ist  ein  berufs- 
massiger  Jager,  ,, Shikaree",  vorhanden,  der  hauptsachlich  die  Gegend  von 
gefahrlichen  Raubtieren  freihalten  soil.  Dies  Amt  ist  in  der  Familie  erblich. 
Besonders  gute  Tiger  jager  liefern  die  Angehorigen  der  vordravidischen  Stamme, 
z.  B.  die  Ghonds  und  andere. 

Die  meisten  Tiger  werden  aber  von  den  englischen  Offizieren  und  Beamten 
erlegt,  bci  denen  dies  der  beliebteste  und  am  hochsten  stehende  Sport  ist. 
Auch  die  indischen  Fiirsten  betreiben  die  Tiger jagden  im  grossen  Stil,  als 


394 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Treibjagd  mittels  Elefanten.  Beriihmt  sind  die  Tiger jagden  des  Nabobs  von 
Kutsch  Behar,  des  Maharadja  von  Jeypore  und  des  Nizam  von  Hydarabad. 
Diese  Treibjagden,  wobei  der  Jager  hoch  oben  in  der  Howdah  des  Elefanten 
sitzt,  sind  meist  wenig  gefahrlich  fur  den  Teilnehmer,  aber  wegen  des  grossen 
Apparats  sehr  kostspielig.  Die  englischen  Sportsleute  erlegen  den  Tiger  mit 
der  Biichse  auf  dem  Anstande  oder  auf  dem  Purschgange  zu  Fuss,  nachdem 
die  Nahe  eines  Tigers  gemeldet  ist. 

Der  Tiger  ist  iibrigens  der  Todesgottin  Kali  heilig,  der  Schutzpatronin 
der  Thugs.  Der  indische  Tiger  halt  sehr  lange  in  der  Gefangenschaft  aus.  Im 
Berliner  Zoologischen  Garten  lebt  ein  riesiger  bengalischer  Tiger  schon  iiber 
20  Jahre.  Auch  im  Zoologischen  Garten  von  Kalkutta  sah  ich  Exemplare,  die 
dort  schon  gegen  30  Jahre  gefangen  gehalten  wurden.  Den  grossten  Tiger  aber, 
der  wohl  eine  Lange  von  12  Fuss  von  der  Schnauze  bis  zur  Schwanzspitze  hatte, 
sah  ich  im  Garten  des  Maharadja  von  Jeypore. 

Von  den  bengalischen  Tigerfellen  gelangen  nicht  viele  in  den  Grosshandel. 
Die  von  den  europaischen  Sportsleuten  erbeuteten  Felle  verbleiben  natur- 
gema'ss  in  deren  Besitz  als  Trophaen,  wahrend  die  von  den  eingeborenen 
Shikaree  erlegten  Felle  in  den  Basaren  von  Kalkutta,  Simla,  Delhi  usw.  meist 
an  die  Touristen  verkauft  werden.  Es  geht  sogar  das  Geriicht,  dass  einzelne 
solcher  Tigerfelle  nachher  als  ,,selbsterlegt"  mitgebracht  wurden. 

Der  Handelswert  eines  guten  bengalischen  Tigerfelles  ist  etwa  100  Mk. 
Aus  den  Klauen  werden  namentlich  in  Benares  sehr  schone  Broschen  und 
Ohrringe  gefertigt. 

Etwas  abweichend  in  derFarbe  ist  der  Tiger,  der  Hinterindien,  Birma,  Siam, 
Cochinchina  und  die  Malakkahalbinsel  bewohnt.  Er  ist  heller  in  der  Grundfarbe 
und  die  dunklen  Streifen  sehmaler.  Vom  Festland  aus,  namentlich  vomFursten- 

tum    Johore    aus,    durch- 

y  *  ,  I    I  I WBHHHBl|     schwimmen      noch     jetzt 

Tiger  den  schmalenMeeres- 
raum  nach  Singapore  und 
machen  die  Plantagen  die- 
ser  schonen  Insel  unsicher. 
Friiher  geschah  dies  in  sehr 
grossem  Umfange,  aber 
auch  jetzt  noch  kommen 
jahrlich  3  oder  4  Tiger  nach 
der  Insel.  Bei  meiner  letz- 
ten  Anwesenheit  dort  war 
ein  Tiger  von  den  Sikhpoli- 
zisten  erlegt  worden,  der 
in  ein  Chincsenhaus  dcr 
Vorstadt  von  Singapore 
eingedrungen  war. 


Indischer  Schneeleopard. 


II.  Die  Katzenarten. 


395 


Eine  eigene  Rasse  bildet  der  Inseltiger,  Felis  tigris  sondaicus,  der  auf 
Sumatra  und  Java  lebt.  Er  1st  viel  kleiner  als  der  bengalische,  die  Grundfarbe 
ein  belles,  ins  Graue  spielende  Gelb,  die  schwarzen  Streifen  viel  schmaler 
und  in  weiteren  Zwischenraumen.  Das  Fell  ist  glatt,  glanzend  und  kurzhaarig, 
der  Schweif  kiirzer  und  diinner  als  beim  bengalischen  Tiger.  Auch  dieser  Tiger 
richtet  sehr  grossen  Schaden  an,  ist  aber  auf  Java  durch  die  vielen  Nach- 
stellungen  seltener  geworden,  auch  finden  sich  hier  Menschenfresser-Tiger 
seltener,  da  ihm  die  vielen  Wildschweine  eine  leichte  Beute  liefern. 

In  Ostasien  findet  sich  der  Tiger,  Felts  tigris,  chinesisch  Lao  Fu  oder  Lao 
Hu,  koreanisch  Huran,  in  alien  Gebieten  des  Kontinents,  d.  h.  vom  Siiden 
Chinas  bis  uber  den  Amur  hinaus,  und  auf  Korea ;  dagegen  fehlt  er  auf  Japan. 
Auf  der  Insel  Hainan  soil  er  nicht  selten  vorkommen.  Schrenck  behauptet,  dass 
einzelne  Exemplare  auch  auf  Sachalin  umherstreifen,  doch  bezweifle  ich  dies. 


|.; 

i 

gez.  v.    Anna  Matschie-Held. 
Java  Tiger    (Felis  tigris  sondaicus). 

Es  sind  mehrere  Rassen  des  Tigers  in  Ostasien  scharf  zu  unterscheiden. 

i.  Der  sudliche,im  Handel  Amoy-Tiger  genannte.  Er  kommt 
in  den  Provinzen  Kwangsi,  Kwantung,  Yunnan,  Fokien,  Anhui,  Kiangsee 
und  vereinzelt  auch  in  Chekiang  vor.  In  Grosse  und  Habitus  ahnelt  er  dem 
bengalischen  Tiger,  weicht  aber  in  der  Farbe  stark  von  ihm  ab.  Die  Grund- 
farbe  ist  viel  heller  und  gelblicher,  und  die  Streifen  sind  schmaler,  zahlreicher 
und  scharfer  gezeichnet.  Er  gleicht  in  der  Farbe  dem  Sunda-Tiger,  ist  aber 
erheblich  grosser  als  dieser  und  steht  dem  Tiger  aus  Indochina  (Anam,  Tonkin, 
Cochinchina)  wohl  ziemlich  nahe.  Im  allgemeinen  geht  cr  dem  Mcnschen  aus 
dem  Wege,  es  finden  sich  aber  doch  zahlreiche  ,,Maneatcr"  dazwischen. 
Namentlich  in  der  Nachbarschaft  von  Swatow  und  Amoy  rauben  Tiger  jahrlich 
zahlreiche  Chinesen,  und  auch  in  dem  von  Missionaren  viel  besuchten  Luft- 
kurort  Kuliang,  unweit  Foochow,  schleppte  im  Vorjahre  ein  Tiger  eine  Frau 
fort.  Erst  kurzlich  baten  die  Einwohner  eines  ca.  50  km  von  Foochow  gelegenen 
Ortes  die  Missionare,  doch  sportlustige  Europaer  zur  Tiger jagd  zu  veranlassen, 


396  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

da  die  Bestien  zu  dreist  geworden  und  im  ganzen  Distrikt  jahrlich  wohl  200 
bis  300  Menschen  ihnen  zum  Opfer  fie] en.  Mehrere  Nimrode  aus  Schanghai 
leisteten  auch  der  Einladung  Folge. 

Auch  auf  der  Hongkong  gegenliber  liegenden  Halbinsel  Kowloon  haben 
sich  ofters  Tiger  gezeigt,  ohne  indessen  grosseren  Schaden  anzurichten.  Im  all- 
gemeinen  aber  weicht  der  Tiger  dem  Menschen  scheu  aus  und  begniigt  sich 
mil  Wild,  weidendem  Vieh  und  Haushunden.  Auch  die  wehrhaften  Wasser- 
buffel  sind  vor  seinen  Angriffen  sicher,  da  er  im  grossen  und  ganzen  feige  ist. 
Die  meisten  der  sogenannten  Maneaters  sind  altere  und  schwache  Exemplare, 
die  dem  Wilde  nicht  mehr  folgen  konnen  und,  von  Hunger  getrieben,  Menschen 
angef alien  haben.  Haben  sic  allerdings  erst  einmal  Menschenblut  gekostet  und 
gesehen,  eine  wic  leichte  Beute  die  Krone  der  Schopfung  darbietet,  so  suchen 
sie  ihn  ausschliesslich  zu  ihrer  Nahrung,  bis  das  Schicksal  sie  in  Gestalt  einer 
Kugel  oder  Fanggrube  ereilt. 

Der  allgemeine  Glaube,  dass  ein  Tiger,  der  Menschenfleisch  genossen 
hat,  raudig  wird,  beruht  wohl  auf  einer  Verwechslung  von  Ursache  und  Wirkung 
denn,  wie  schon  gesagt,  die  Menschenfresser-Tiger  sind  eben  meist  alte  und 
kranke  Tiere. 

2.  Der  nordliche  oder  Mandschu-Tiger,  Felis  tigris  longri- 
pilis,  unterscheidet  sich  sehr  wesentlich  vom  vorigen  und  bildet  eine  besondere 
Art.  Das  Haar  ist  viel  langer  und  dichter,  erreicht  auf  dem  Riicken  und  den 
Flanken  ca.  5  cm  Lange,  mit  einer  dichten  Unterwolle,  die  dem  siidlichen  Tiger 
fehlt.  Auf  der  Brust  und  am  Halse  ist  das  Haar  viel  langer,  aber  auch  diinner 
und  lockerer.  Hals,  Brust  und  Bauch  sind  weiss,  wahrend  sie  beim  siidlichen 
Tiger  gelb  sind.  Die  Streifen  sind  breiter  und  mehr  verlaufend.  Der  ganze 
Korperbau  ist  viel  stammiger  und  gedrungener,  der  Schadel  breiter  und  das 
Tier  auch  im  Durchschnitt  viel  grosser.  So  habe  ich  mehrere  Felle  des  nord- 
lichen  Tigers  gesehen,  die  von  Schnauze  bis  Schwanzspitze  13  Fuss  engl. 
(3,95  m)  massen  Die  Grundfarbe  variiert,  so  sind  z.  B.  die  Felle  aus  der 
Mandschurei  gelblicher,  die  aus  Sibirien  und  der  Mongolei  rotlicher  im 
Grundton. 

In  China  findet  sich  der  nordliche  Tiger  in  der  Mandschurei,  der  Mongolei 
und  der  Provinz  Kansu,  auch  soil  er  in  einzelnen  Exemplaren  in  Shansi  und 
Shensi  vorkommen.  In  Ostsibirien  ist  er  bis  an  den  unteren  Amur  haufig. 
Der  ostsibirische  Tiger  wird  jetzt  als  Felis  tigris  amurensis  besonders  unter- 
schieden,  wahrend  der  mongolische  Tiger  als  Felis  tigris  mongolicus  bezeichnet 
wird.  Radde  gibt  an,  dass  der  ostsibirische  Tiger  vom  kaukasischen,  der  bis 
zum  Altai  streift,  stark  verschieden  ist.  Im  Nordwesten  Chinas  ist  der  nordliche 
Tiger  in  der  letzten  Zeit  selten  geworden,  und  auch  in  der  Mandschurei  und  Ost- 
sibirien ist  er  nicht  mehr  so  haufig  wie  friiher. 

1892,  als  ich  zum  ersten  Male  nach  Wladiwostok  kam,  waren  die  Tiger 
noch  in  der  nachsten  Umgebung  nicht  selten,  und  kurz  vorher  war  ein  riesiges 
Exemplar  auf  dem  Hofe  der  dortigen  Brauerei  in  einer  Falle  gefangen,  nachdem 


II.  Die  Katzenartcn. 


397 


es  vorhcr  schon  vcrschiedcne  Schweinc  aus  dor  Umzaunung  goholt.  Audi 
lief  in  den  Geschaftsraumen  der  deutschen  Firma  Langeliittje  ein  junger, 
zahmer  Tiger  umher,  der  in  der  Nachbarschaft  gefangen  war.  Man  zeigte  mir 
dort  auch  einen  russischen  Tiger  jager,  der  in  einem  Renkontre  mit  drei  Tigern, 
die  er  auf  einer  Lichtung  iiberrascht  hatte,  schwer  verletzt  war.  Mit  scincr 
Winchester-Repetierbiichse  hatte  er  zwei  getotet  und  den  dritten  todlich  ver- 
wundet,  wurde  aber  von  diesem  schlimm  zugerichtet.  Er  schlcpptc  sich  noch 
nach  seiner  Hiitte,  wo  er  nach  zwei  Tagen  von  seinen  Kameraden  gefunden 
wurde.  Trotz  der  schweren  Verletzungen  genas  er  aber  und  betrachtete  die 
600  Rubel,  die  er  fur  die  drei  Felle  erhielt,  als  ausreichendes 


v.  Anna  Matschie-Held. 


Amurtiger   (Felis  tigris  amurensis) . 


In  den  Provinzen  Kweichau,  Hunan,  Honan,  Szechuen  und  vereinzelt 
in  Hupeh  kommt  ein  Tiger  vor,  im  Handel  ,, Hankow-Tiger"  genannt,  der  in 
seinem  Habitus,  namentlich  auch  in  Lange  und  Dichte  der  Behaarung  einen 
Ubergang  vom  nordlichen  zum  sudlichen  Tiger  zu  bilden  scheint,  sich  aber 
mehr  dem  letzteren  nahert.  Er  ist  wahrscheinlich  mit  dem  Hoangho-Tiger 
neuerer  Forscher  identisch.  In  den  Provinzen  Chili,  Schantung,  Kiangsu  und 
wahrscheinlich  auch  in  Chekiang  kommt  der  Tiger  iiberhaupt  nicht  vor. 

Eine  besondere  Art  bildet  der  koreanische  Tiger,  den  ich  Felis  tigris 
coreensis  nennen  mochte.  Er  ist  bedeutend  kleiner  als  die  vorgenannten,  aber 
gedrungener  und  fast  so  lang  und  dicht  behaart  wie  der  mandschurische.  Die 
Grundfarbe  ist  rotlich,  die  Streifen  sind  breit,  aber  sehr  deutlich  ausgepragt. 
Die  koreanischen  Tiger  sind  fast  alle  ,,Maneater",  wenn  auch  ihre  Haupt- 
nahrungscjuelle  die  zahlreichen  Hunck  bilden.  An  der  Westkuste  der  Halbinsel 


398  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

ist  er  selten,  dagegen  im  Osten  und  Nordosten  noch  sehr  zahlreich  und  dabei 
ungemein  frech.  Im  Winter  kommt  er  aus  den  Gebirgsschluchten  mitten  in  die 
Dorfer  und  Stadte,  um  sich  Hunde  zu  holen,  dringt  aber  auch  in  die  Hauser 
ein,  um  menschliche  Opfer  herauszuschleppen.  So  war  der  Englander  Stripling 
Zeuge,  wie  ein  Tiger  nachts  in  dem  Dorf,  in  welchem  er  iibernachtete,  eine  Frau 
aus  einer  Hiitte,  deren  Lehmwand  er  zertrummert  hatte,  herausriss  und  mit  ihr 
verschwand.  Auf  einer  Reise  im  Keum  Gang  San  (Diamantgebirge)  traf  ich 
im  Kloster  Mai  Ha  Yan  die  Monche  in  grosser  Aufregung,  und  man  zeigte  mir 
die  Spuren,  wo  in  der  Nacht  vorher  ein  Monch  vom  Tiger  weggeschleppt  war, 
wahrend  er  sich  nur  auf  kurze  Zeit  vor  die  Tiir  des  Klosters  begeben  hatte. 
In  den  hauptsachlichsten  Tigergegenden  werden  die  Reisenden,  welche 
nach  Einbruch  der  Dunkelheit  weiter  mussen,  von  Ort  zu  Ort  durch  Fackel- 
trager  begleitet,  zu  deren  Stellung  die  Ortschaften  gesetzlich  verpflichtet  sind. 
Auch  wir  wurden  von  solchen  begleitet,  und  es  gewahrte  einen  prachtigen 
Anblick,  die  Karawane  im  Scheine  der  aus  wohl  12  Fuss  langen  und  fussdicken 
Biindeln  trockener  Hanfstengel  bestehenden  Fackeln  sich  iiber  die  Felsen 
winden  zu  sehen,  wahrend  der  langgezogene  Ruf  ,,Pul,  Pul"  (Feuer,  Fackeln), 
der  die  Ablosung  im  nachsten  Orte  aufmerksam  machen  sollte,  das  Echo  der 
Walder  wachrief.  Obwohl  zu  deren  Empfang  geriistet,  bekamen  wir  iibrigens 
nirgends  Tiger  zu  Gesicht,  wohl  aber  zahlreiche  frische  Spuren. 

In  Gensan  war  vor  einigen  Jahren  ein  Tiger  sogar  in  das  Gehoft  des  Zoll- 
hauses  eingedrungen,  und  man  sah  aus  den  Spuren,  dass  er  eine  ganze  Weile 
unter  den  offenen  Fenstern  des  im  Parterre  gelegenen  Schlafzimmers  des  Zoll- 
direktors  Oisen  gestanden  hatte.  Ob  ihm  derselbe  aber  zu  mager  erschienen, 
oder  ob  der  Tiger  sonst  misstrauisch  war,  er  begniigte  sich  damit,  den  Hofhund 
als  Andenken  mitzunehmen.  In  Korea  existiert  iibrigens  eine  besondere  Gilde 
der  Tiger]  ager,  die  namentlich  vor  der  Erschliessung  des  Landes  eine  grosse 
Rolle  in  alien  Berichten  spielen  wegen  ihrer  angeblichen  Todesverachtung 
und  Schiesssicherheit.  Bei  der  grossen  Feigheit  aller  Koreaner  und  der  erbarm- 
lichen  Beschaffenheit  der  von  ihnen  gebrauchten  Lunteflinten  glaube  ich, 
dass  alle  von  Koreanern  erlegten  Tiger  die  Todeskugel  erst  erhalten  haben, 
nachdem  sie  in  einer  Fanggrube  gefangen  waren. 

In  Korea  gehort  es  iibrigens  bei  den  ,,  Yenbans",  der  herrschenden  Klasse, 
zumguten  Ton,  einTigerfell  auf  dem  Ehrensitz  gebreitet  zu  haben,  doch  ziehen 
sie  bei  dem  in  Korea  allgemein  herrschenden  Mangel  an  Kleingeld  meistens 
vor,  sich  dasselbe  zum  Geschenk  machen  zu  lassen. 

Im  chinesischen  Handel  spielt  der  Tiger  keine  unbedeutende  Rolle,  und 
kein  Korperteil  bleibt  ungenutzt.  Die  Felle,  abgesehen  von  der  Verwendung 
fur  den  Ausfuhrhandel,  bilden  auch  beliebte  Geschenke  fur  die  Mandarinen. 
Die  Krallen  sind  als  Amulette  sehr  beliebt  (man  muss,  wenn  man  ein  Tigerfell 
gekauft  hat,  sehr  genau  aufpassen,  da  sonst  die  Klauen  unter  den  Handen 
weg  gestohlen  werden) .  Das  Herz  wird  als  mut-  und  kraf tverleihend  gegessen, 
und  die  Knochen  bilden  einen  wichtigen  Bestandteil  der  Pharmacopoea  sinaica. 


II.  Die  Katzenarten. 


399 


Das  Fell  des  nordlichen  Tigers  hat  im  Grosshandel  in  Europa  einen  Wert 
von  200  bis  800  Mk.,  nach  Grosse  und  Schonheit,  wahrend  der  Amoy-Tiger 
50 — 100  Mk.  und  der  Hankow-Tiger  100  bis  300  Mk.  erzielt.  Das  Fell  des 
koreanischen  Tigers,  welches  sehr  schon,  aber  klein  ist,  kostet  etwa  150  bis 
300  Mk.  Fleisch,  Krallen  und  Knochen  des  Tigers  werden  schon  im  Innern  mil 
25  bis  100  Tael  (i  Tael  ca.  3  Mk.)  bezahlt.  Der  gliickliche  Erleger  eines  Tigers 
erhalt  also  fur  chinesische  Begriffe  ein  ziemliches  Vermogen.  Die  Zahl  der 
zur  Ausfuhr  gelangenden  Tigerfelle  hat  in  den  letzten  Jahren  sehr  nach- 


gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 


Tiiran  Tiger   (Felts  tigris  virgata) . 


gelassen,  es  diirften  jahrlich  etwa  nur  200  nordliche,  ca.  300  siidliche  China- 
Tiger,  etwa  50  bis  100  sibirische  und  30  bis  40  koreanische  Tigerfelle  nach 
Europa  gelangen.  Lebende  Exemplare  von  nordischen  und  koreanischen 
Tigern  sind  iibrigens  erst  seit  kurzem  nach  Europa  gekommen  und  in  den 
Zoologischen  Garten  grosse  Seltenheiten. 

Die  Javaner  haben  iibrigens  den  Aberglauben,  dass  nach  Art  des  alten 
Werwolfglaubens  gerade  die  Menschenfresser-Tiger  eigentlich  Menschen  seien, 
die  sich  nachts  in  Tiger  verwandeln.  Gefangen  wird  er  auf  Java  und  Sumatra 
von  den  Eingeborenen  meist  in  Fallgruben,  auf  den  europaischen  Plantagen 
wendet  man  aber  grosse  Stahlfallen  mit  Erfolg  an,  von  denen  die  besten  aus 
Deutschland  geliefert  werden. 


400  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Audi  von  diesem  Tiger  kommen  wenig  Felle  auf  den  Markt.  Auf  Borneo 
soil  der  Tiger  nicht  vorkommen,  ebenso  fehlt  er  auf  Ceylon.  Bei  den  Fiirsten 
von  Solo  und  Djokjokarta  auf  Java  gehorte  es  zu  der  regelmassigen  Hof- 
festlichkeit,  gefangene  Tiger  mil  Biiffeln  kampfen  zu  lassen,  oder  gegen  einc 
dichte  Reihe  Lanzentrager  loszulassen,  wo  er  beim  Versuch,  zu  entkommen, 
sicli  an  den  Lanzcn  aufspiesst. 

Eine  weitere  Tiger  art  ist  Fells  tigris  virgata,  dessen  Verbreitungsbezirk 
am  nachsten  nach  Enropa  reicht.  Er  findet  sich  am  Osthange  des  Kaukasus, 
am  Ufer  dcs  Kaspischen  Meeres,  in  Transkaspien,  Turkestan  und  Ostpersien. 
Die  Turkmenen  nennen  ihn  Julbars,  wie  Radde,  oder  Jollbars,  wie  Sven  Hcdin 
schreibt.  In  den  Rohrbruchen  und  denTamariskendschungeln,  am  Murgab,  dem 
Sir  Darja,  und  dem  Tarim  ist  er  haufig,  stellt  aber  den  Menschen  wenig  nach, 
da  er  geniigend  Nahrung  unter  den  Wildschweinherden  findet.  Dieser  trans- 
kaspische  Tiger  ist  sehr  gross,  die  Grundfarbe  rotlich,  die  dunklen  Streifen 
breit,  aber  etwas  verschwommen,  das  Haar  etwa  als  mittellang  zu  bezeichnen. 
Es  kommen  mehrere  hundert  Felle  jahrlich  nach  Nishny-Nowgorod,  die  einen 
Wert  von  200  bis  300  Mk.  per  Stuck  haben,  und  einige  Exemplare  werden  auch 
hoher  bezahlt.  Nordlich  schliesst  sich  der  Verbreitungsbezirk  des  Altai-Tigers 
Felis  tigris  altaicus  an,  der  bedeutend  kleiner  und  gedrungener  ist,  ein  langes, 
dichtes  Haar  und  rotlichbraune  Grundfarbe  hat. 


e)  Jaguar. 

Man  unterscheidet  mehrere  Art  en  des  Jaguars.  Felis  one  a  bewohnt  ganz  Sud- 
amerika,  von  Kolumbien  bis  Patagonien,  Felis  centralis  lebt  in  Mittelamerika, 
Felis  goldmanii  in  Yucatan  und  dem  siidostlichen  Mexiko,  Felis  hernandezii 
in  Mexiko,  Texas  und  bis  an  den  Redriver  von  Louisiana.  Im  spanischen 
Siidamerika  wird  er  uberall  Tiger  genannt,  in  Brasilien  Onca  oder  Unze,  und 
zwar  unterscheiden  die  Brasilianer  zwei  Arten,  Onca  pinado  mit  der  ge- 
wohnlichen  Zeichnung  und  Onca  canguen  mit  dicht  aneinander  gereihten 
Flecken,  die  kleine  unvollkommene  Kreise  bilden.  Die  Grundfarbe  des  siid- 
amerikanischen  Jaguars  ist  rotgelb,  auf  dem  Riicken  dunkler,  gegen  die  Seiten 
hin  heller;  Bauch,  Kehle  und  Brust  weiss.  Runde,  schwarze  Flecken  bilden 
an  Hals,  Kopf  und  Beinen,  sowie  auf  der  Mitte  des  Ruckens  unregelmassige 
Langsreihen  von  offenen  Rauten,  an  den  Seiten  und  auf  den  Lenden  grosse 
Kreise  von  2  bis  3  Zoll  Durchmesser;  an  den  Beinen  befinden  sich  Halbringe 
und  am  Schweif  Querbinden  und  Ringe.  Die  Zeichnung  ist  aber  im  allgemeinen 
sehr  unregelmassig,  und  man  findet  sehr  selten  mehrere  ubereinstimmend  ge- 
zeichnete  Felle. 

Die  Lange  des  sudamerikanischen  Jaguars  ist  1,50  bis  2  m  von  der 
Schnauze  bis  zur  Schwanzwurzel,  und  die  Schwanzlange  60  bis  75  cm.  Ich 


II.  Die  Katzenarten.  401 


habe  aber  Felle  gesehen,  die  eine  Lange  von  2,50  m  ohne  Schweif  hatten;  die 
Hohe  des  Jaguars  an  der  Schulter  betragt  80  bis  90  cm.  Der  nordamerikanische 
Jaguar  (hernandezii)  ist  kleiner  als  die  anderen  Arten,  der  Leib  langer,  aber  die 
Beine  niedriger,  die  Grundfarbe  ist  heller  und  die  Rosetteflecke  scharfer  ab- 
gegrenzt.  Die  Zahl  der  Jaguare  hat  stark  abgenommen,  da  sie  sich  mit  der 
zunehmenden  Kultur  zu  wenig  vertragen.  In  den  Vereinigten  Staaten  sind  sie 
fast  ganz  verschwunden,  und  auch  in  Mexiko  und  Sudamerika  sind  sie  seltener 
geworden.  Humboldt  gibt  noch  die  Zahl  der  jahrlich  nach  Europa  gebrachten 
Tigerfelle  auf  2000  an,  jetzt  mogen  es  aber  vielleicht  so  viele  hundert  sein. 
Der  Wert  eines  gut  en  Tigerfelles  ist  80  bis  100  Mk. 

In  Nord-Brasilien  kommt  eine  schwarze  Abart  vor,  der  man  ebenso  falsch- 
lich  wie  dem  schwarzen  Panthers  Javas  besondere  Wildheit  zuschreibt. 
Im  Berliner  Zoologischen  Garten  bef indet  sich  ein  sehr  schones  Exemplar  dieser 
Abart,  und  man  kann  deutlich  die  schwarzen  Flecke  auf  der  dunklen  Grund- 
farbe erkennen,  nameiitlich,  wenn  das  Tier  von  der  Sonne  beschienen  wird. 
Die  Felle  solcher  schwarzen  Jaguare  werden  ubrigens  in  Brasilien  selbst  sehr 
hoch  bezahlt.  Uberhaupt  holen  bei  der  verhaltnismassigen  Seltenheit  des  Vor- 
kommens  Jaguarfelle  in  Sudamerika  meist  bessere  Preise  als  in  Europa. 
Sie  werden  teils  dort  selbst  zum  Zimmerschmuck  verwendet,  teils  von 
Touristen  und  Schiffskapitanen  zum  Mitbringen  gekauft.  Der  Jaguar  nimmt 
seinen  Lieblingsaufenthalt  in  den  Galerie -Waldern,  am  Ufer  der  Strome, 
wo  er  nachts  auf  Raub  ausgeht.  In  bezug  auf  Beute  ist  er  vielseitig;  am 
meisten  fallt  ihm  das  grosse  Flusscjiwein  oder  Capivara  zur  Beute,  aber  vom 
Hirsch  und  von  dem  machtigen  Tapir  bis  herab  zur  Schildkrote  und  Eidechse 
verschmaht  er  nichts.  Auch  den  Her  den  stellt  er  nach  und  richtet  unter  den 
Pferden  und  Maultieren  grossen  Schaden  an,  den  wehrhaften  Stieren  geht  er 
aber  gern  aus  dem  Wege.  In  wildreichen  Gegenden  weicht  er  auch  den  Menschen 
gern  aus,  doch  bildet  er  sich  in  anderen  Gegenden  leicht  zum  Menschenfresser 
aus,  der  sich  dann  in  der  Nahe  der  Dorfer  niederlasst.  Auf  alle  Falle  aber 
ist  der  Jaguar  infolge  seiner  Kraft  und  Gewandtheit  ein  sehr  gefahrlicher 
Gegner. 

Das  Weibchen  wirft  2  bis  3  Junge,  die  in  3  Jahren  ausgewachsen  sind. 
Im  allgemeinen  leben  die  Jaguare  einzeln,  und  nur  wahrend  der  etwa  6  Wochen 
dauernden  Begattungszeit  paarweise.  Gerade  wahrend  dieser  Zeit  sollen  sie 
besonders  gefahrlich  fur  den  Menschen  sein. 


f)  Panther  und  Leoparden. 

Es  ist  eine  alte  noch  unentschiedene  Streitfrage,  was  eigentlich  als 
Leopard  und  was  als  Panther  zu  bezeichnen  ist.  Im  allgemeinen  gilt  als  Panther 
das  grossere,  kraf tigere  Tier  mit  •  ringartigen  Flecken,  doch  ist  die  Grenze 
zwischen  beiden  Tierarten  sehr  verwischt. 

26 


402  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Die  in  Asien  zahlreichste  Art  ist  Felis  pardus  pantera,  der  Ostindien  und 
Ceylon  bewohnt.  Er  hat  mehr  ringformige  als  rosettenformige  Flecke,  die 
aber  dicht  zusammenstehen,  die  Grundfarbe  ist  rotlich  gelb,  der  Bauch  weiss- 
lich.  Riicken,  Kopf,  Seiten  und  Beine  mit  grossen,  ringartigen  schwarzen 
Flecken,  die  nicht  vollig  geschlossen  sind  und  deren  innerer  Teil  lebhaft  orange- 
gelb  ist.  Diese  Ringflecke  sind  langs  des  Korpers  in  6  bis  8  Querreihen  ver- 
teilt.  Kopf,  Hals,  Brust  und  Innenseite  der  Beine  sind  mit  zahlreichen  kleinen, 
dicht  gedrangt  stehenden,  vollen  schwarzen  Flecken  besetzt,  am  Bauch 
grossere,  weit  auseinander  stehende,  voile  schwarze  Flecke. 

Der  auf  Ceylon  vorkommende  Panther  ist  ebenso  gezeichnet,  doch  ist  die 
Grundfarbe  leuchtender  gelbrot  und  die  Grosse  des  Tieres  etwas  geringer. 
Das  Haar  ist  etwas  langer  und  weicher. 

In  der  Nordost-Gegend  Indiens  soil  iibrigens  noch  ein  kleinerer,  hellerer 
und  dichter  gefleckter  Leopard  vorkommen. 

Die  Panther  Indiens  richten  grossen  Schaden  am  Vieh  an,  und  deshalb 
setzt  die  Regierung  eine  hohe  Pramie  auf  ihre  Erlegung  aus.  Trotzdem  aber 
jahrlich  zwischen  4- bis  5000  Panther  in  Indien  getotet  werden,  scheint  ihre 
Zahl  nicht  abzunehmen. 

Einzelne  alte  Exemplare  haben  sich  auch  zu  Maneatern  ausgebildet  und 
sind  dann  noch  viel  gefahrlicher,  als  ein  Menschenfresser-Tiger,  da  der  Panther 
noch  viel  gewandter,  schlauer  und  daneben  auch  blutgieriger  ist,  als  der  Tiger. 
Die  Lange  eines  indischen  Pantherfelles  ist  etwa  1,60  bis  i,8om  ohne  den 
Schweif. 

Es  kommen  jahrlich  etwa  1000  bis  2000  Felle  in  den  Handel,  die  einen 
Wert  von  etwa  20  Mk.  pro  Stuck  haben. 

Die  nachste  Art  ist  Felis  pardus  variegatus,  der  Siam,  das  siidliche 
Indochina,  Java  und  Sumatra  bewohnt.  Er  ist  ein  grosses  Tier.  Grundfarbe 
dunkles  Gelb  mit  rotlicher  Nuance.  Die  Flecke  bei  dern  im  Berliner  Zoolo- 
gischen  Garten  aus  Siam  stammenden  Exemplar  bilden  offene  Ringe,  die  durch 
runde  Punkte  geschlossen  werden.  Die  auf  den  Sunda-Inseln  lebende  Varietat 
ist  bedeutend  kleiner,  hat  aber  einen  viel  langeren  Schweif.  Die  Oberseite  ist 
rotlich  -ockergelb,  Unterseite  weiss.  Kopf,  Hals,  Riicken  und  Unterseite  sind  mit 
kleinen  runden,  vollen  schwarzen  Flecken  besetzt,  Seiten,  Schultern  und  Kreuz 
mit  zahlreichen  kleinen  Flecken,  die  aus  3 — 4  schwarzen  Punktflecken  gebildet 
sind.  Auf  Java  findet  man  sehr  haufig  schwarze  Panther,  die  aber  keine 
eigene  Art  bilden,  sondern  nur  Schwarzlinge  sind,  die  mit  den  gefleckten  Jungen 
in  einem  Wurf  vorkommen.  Merkwiirdigerweise  ist  das  Vorkommen  aber  nur 
auf  die  Inseln  beschrankt,  auf  dem  Festlande  kommt  der  schwarze  Panther 
nie  vor.  Auch  hier  gilt  dasselbe  wie  beim  schwarzen  Jaguar:  er  ist  ganz  unver- 
dient  in  den  Ruf  besonderer  Wildheit  und  Bosartigkeit  geraten,  namentlich 
wohl  auch  durch  den  bekannten  Roman  von  Eugen  Sue.  In  Wirklichkeit 
ist  er  nicht  mehr  und  nicht  weniger  wild  und  blutdiirstig  als  der  gefleckte 
Panther. 


II.  Die  Katzenarten.  403 


Ein   sehr    schoner    Leopard   ist   Felis   pardus 
tulliana,   der  persische  Leopard.     Grundfarbe 
helles    Graugelb,    das    stellenweise    fast    ins 
Weissliche    iibergeht.     Zahlreiche   kleine 
Ringe,    untermischt    mit    vollen    kleinen 
schwarzen  Flecken.    Das  Tier  ist  grosser 
und  schlanker  als  der  indische  Panther,  der 
Schweif  langer  und  das  Haar  etwas  langer 
und  dichter,  aber  ebenso  grob.    Von  Per- 
sien   aus   reicht   sein  Verbreitungsbezirk 
durch  Kleinasien,   Syrien   bis  nach  dem 
Kaukasus.    Die  meisten  Felle  davon  kommen 
liber  Russland  an  den  Markt,    doch  sind  es 
jahrlich  hochstens  einige  Hundert. 

Im  siidlichen  China  lebt  ein  Leopard,  der  zu-  Gesch.  Aufn.  d.  Neuen  phot.  Ges. 

erst  von  mir  als  eigene  Art  beschrieben  wurde,  und        Persischer  Leopard. 
Felis  pardus  sinensis  benannt.   Er  ist  dem  indischen 

Leoparden  sehr  ahnlich,  aber  im  Durchschnitt  kleiner.  Die  Grundfarbe  ist  ein 
dunkleres  Gelb,  die  Flecken  sind  auch  kleiner.  Er  kommt  in  den  meisten 
Provinzen  des  siidlichen  und  mittleren  Chinas  vor,  doch  ist  er  nirgends  sehr 
haufig.  Man  erhalt  seine  Felle  indessen  oft  mit  den  Fellen  des  Hunan-Leoparden 
zusammen.  Der  nordliche  Leopard  Felis'  pardus  Fontanieri  lebt  in  der 
Mandschurei,  Mongolei,  einzelnen  Teilen  Chilis,  Shansi  und  Kansu.  Er  ist  im 
allgemeinen  bedeutend  grosser  und  starker  als  der  indische  Panther.  Die 
Grundfarbe  ist  ein  helles  Braunlichgelb  mit  schwarzen  geschlossenen  Ringen 
und  Ringflecken  in  6  bis  8  Langsreihen,  zwischen  denen  unregelmassige  kleine 
und  grossere  Vollflecke  eingestreut  sind.  Die  Behaarung  ist  lang  und  dicht 
mit  einer  dichten  weichen  Unterwolle.  Am  Bauch  und  Hals  sind  die  Haare  viel 
langer  und  weicher,  aber  auch  loser  als  an  den  iibrigen  Korperteilen,  und  von 
weisslicher  Farbe.  Auf  der  Unterseite  befmden  sich  weitlaufig  angeordnet 
grosse  Vollflecke.  Der  Schweif  ist  besonders  lang  und  dick,  mit  10  oder  12 
vollkommenen  Ringen.  An  den  Fiissen  und  Unterschenkeln  kleine  Tiipfel- 
flecke.  Neben  diesem  grossen,  schonen  Panther  kommt  in  derselben  Gegend 
vereinzelt  ein  kleiner  Leopard  vor,  als  Felis  pardus  Greyi  oder  Leopardus 
Mnensis  verschieden  beschrieben.  Man  findet  manchmal  diese  Falle  zusammen 
mit  denen  des  grossen  nordlichen  Leoparden.  Die  Flecke  stehen  viel  dichter  und 
sind  kleiner,  das  Haar  nicht  so  lang,  die  Grundfarbung  etwas  dunkler.  In  Korea 
wird  der  Panther  durch  Felis  orientalis  vertreten,  der  wohl  identisch  mit  dem 
aus  Ostsibirien,  dem  Amur-  und  Ussuri-Gebiet  beschriebenen  Felis  villosa  ist. 
Er  ist  ebenso  gross  wie  Felis  fontanteri,  aber  heller  gefarbt  und  der  Schweif 
etwas  kiirzer.  Er  ist  langhaarig,  aber  hellweisslich  gelb,  auf  der  Unterseite 
weiss,  schwarze  Rosettenflecken  auf  Riicken  und  Seite,  auf  den  Gliedern  und 
Schultern  schwarze  Vollflecke  von  etwas  unregelmassiger  Gestalt. 

26* 


404  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Herr  Professor  Matchie  beschreibt  noch  eine  neue  Pantherart,  die 
Lt.  Filchner  mil  aus  Hinganfu  gebracht  hat,  und  die  er  Panther  a  hanensis 
nennt.  Er  ist  ebenfalls  langhaarig,  hell  ockerfarbig,  die  Flecken  aber  anders  ge- 
ordnet.  Es  mogen  sich  aber  solche  Felle  unbeachtet  unter  den  nordlichen 
Leopardenfellen  ofters  finden. 

In  Hunan,  Honan,  Kweichow  und  Szechuen  lebt  ein  Leopard,  der  weniger 
langund  dicht  behaart,  auch  kleiner  von  Statur,  einen  Ubergang  zum  sudliehen 
Panther  zu  bilden  scheint,  der  Hunan-Leopard. 

Von  nordlichen  Leoparden  habe  ich  oft  Felle  gesehen,  welche  eine  Lange 
von  8  Fuss  engl.  (ca.  2%  m)  hatten,  wovon  etwa  3  Fuss  auf  den  Schweif  kamen, 
wahrend  ich  unter  Hunderten  von  Fellen  siidlicher  und  Hunan-Leoparden  kein 
Exemplar  iiber  7  Fuss  gesehen  habe,  und  auch  solche  von  7  Fuss  nur  sehr  selten. 

Der  Leopard  lebt  meistens  in  felsigen  und  bewaldeten  Gegenden,  stellt  dem 
Wilde  und  dem  weidenden  Kleinvieh  nach,  kommt  auch  nachts  oft  in  die  Ort- 
schaften,  um  Hunde  undZiegen  wegzuschleppen.  Dagegen  ist  mir  kein  Fall  be- 
kannt,  dass  er  dem  Menschen  nachstellt,  obgleich  ein  verwundeter  oder  in  die 
Enge  getriebener  Leopard  ein  sehr  gefahrlicher  Gegner  ist.  In  Korea  sind 
Leoparden  sehr  haufig.  In  den  Kliiften  des  sich  steil  im  Norden  von  Soul 
erhebenden  Gebirgsstockes  hausen  sie  in  Mengen  und  kommen  im  Winter  in 
die  Stadt,  um  Hunde  zu  rauben.  Ja  selbst  in  der  Umgegend  der  Hafenstadt 
Chemulpo  wird  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Leopard  gespiirt. 

Ein  eigenartiges  Abenteuer  erlebte  die  deutsche  Erzieherin  im  Hause  des 
Herrn  von  Waeber,  des  russischen  Gesandten  in  Soul,  vor  einigen  Jahren. 
Sie  war  eines  Wintermorgens  noch  in  der  Dammerung  in  den  Hof  gegangen,  um 
die  Hiihner  zu  fiittern.  Beim  Of  men  des  Stalles  fiel  ihr  auf,  dass  ein  tags  vorher 
geschlachtetes  Schwein  nicht  am  Platze  hing,  sondern  am  Boden  lag.  Als  sie 
darauf  zuging,  sprang  ein  Tier  dahinter  auf  und  drangte  an  ihr  vorbei  zur  Tiir 
hinaus.  Draussen  blieb  es  einen  Augenblick  stehen,  und  die  junge  Dame  er- 
kannte  zu  ihrem  Schrecken  einen  riesigen  Leoparden.  Sie  stiess  einen  Schrei 
aus,  worauf  der  Leopard  mit  machtigem  Satz  iiber  die  Hofmauer  in  den  Garten 
eines  daneben  liegenden  alten  Palastes  sprang.  Auf  den  Alarmruf  eilten  die 
Hausbewohner  herbei.  Der  schon  friiher  erwahnte  Englander  Stripling  drang, 
mit  seiner  Winchesterbuchse  bewaf  fnet,  begleitet  von  mehreren  Lanzen  tragen- 
den  Koreanern  in  den  Palastgarten,  um  den  unliebsamen  Besucher  aufzuspiiren. 
Plotzlich  sprang  derselbe  drei  Schritt  von  ihm  entfernt  auf.  Stripling  hatte 
keine  Zeit,  das  Gewehr  anzulegen,  und  schoss  von  der  Hiifte.  Gliicklicherweise 
stiirzte  sich  das  schwerverwundete  Tier  nicht  auf  den  Schiitzen,  sondern  ver- 
kroch  sich  unter  der  Veranda,  wo  es  gleich  darauf  verendete.  Fell  und  Schadel 
wurden  mir  noch  von  dem  glucklichen  Jager  gezeigt. 

Ich  selbst  habe  nur  einmal  in  Korea  einen  Leoparden  in  der  Wildnis 
zu  Gesicht  bekommen,  der  unter  einem  uberhangenden  Felsen  lagerte  und 
von  unseren  Tragern  aufgescheucht  wurde.  Er  wartete  aber  eine  nahere  Be- 
kanntschaft  nicht  ab,  sondern  verschwand,  ehe  ich  die  Biichse  an  die  Backe 


II.  Die  Katzenarten. 


405 


reissen  konnte,  im  dichten  Unterholz,  und  ich  konnte  nur  noch  seinen  gelblichen 
Korper  blitzartig  durch  die  Biische  gleiten  sehen.  Das  Fell  des  Leoparden  bildet 
in  China  und  Korea  einen  beliebten  Sesselschmuck  in  den  Hausern  der  Manda- 
rinen,  und  auch  die  Klauen  sind  begehrt.  Fleisch  und  Knochen  spielen  aber 
in  der  chinesischen  Medizin  nicht  annahernd  die  Rolle  der  Tigerknochen  und 
werden  nur  als  billiges  Surrogat  verwendet.  Auch  der  Wert  des  Felles  ist  nicht 
so  hoch.  Das  Fell  des  nordlichen  Leoparden  hat  auf  dem  Londoner  und 
Leipziger  Markte  etwa  einen  Wert  von  30  bis  50  Mk.,  das  des  siidlichen  10  bis 
25  Mk.  Die  jahrliche  Ausfuhr  betragt  etwa  300  nordliche,  ca.  600  siidliche  und 
100  koreanische  Felle. 

Auch  in  Afrika  kommen  verschiedene  Pantherarten  vor,  von  denen 
namentlich  die  folgenden  zu  unterscheiden  sind.  Der  westafrikanische  Leopard 
Felts  pardus  leopardus  ist  ein  sehr  grosses  Tier,.mit  kleinen  Ohren,  glatt  an- 


Afrikanischer  Leopard  (Felts  pardus  leopardus). 


gez.  v.  Ann*  Matschie-Held. 


liegender  Behaarung,  Schweif  zwei  Drittel  der  Korperlange.  Die  Oberseite  des 
Korpers  hat  eine  hellgelbliche  Grundfarbe,  an  den  Seiten  weissgelb,  die  Unter- 
seite  ganz  weiss.  Kopf,  Nacken,  Beine,  Brust  und  Bauch  sind  mit  kleinen 
vollen  Flecken  besetzt,  die  am  Bauch  grosser  und  weiter  von  einander  entfernt 
sind,  am  Kopf  und  Hals  am  kleinsten  und  dichtesten  sind.  Uber  die  Kehle  zwei 
schwarze  Querbinden  und  langs  des  Riickens  zwei  Reihen  langlicher  voller 
schwarzer  Flecke.  Die  Seiten- Schultern  und  Schenkel  mit  ziemlich  grossen 
aus  5  bis  6  schwarzen  Punktflecken  zusammengesetzten  Rosetten.  Schwanz 
mit  ahnlichen  Rosetten  besetzt,  die  dann  am  Ende  halbringformig  werden. 
Der  Verbreitungsbezirk  dieses  Leoparden  reicht  von  Senegambien  bis 
nach  Deutsch-Siidwestafrika.  In  Abessinien,  Somali-Land  und  dem  ostlichen 
Sudan  lebt  Felis  pardus  Nimmr.  Die  Ohren  sind  grosser  als  bei  dem  vorigen. 
Die  Flecken  grosser  und  weiter  von  einander  stehend,  an  den  Seiten  mehr  ring- 
formig  und  rosettenformig.  Die  Grundfarbe  ist  dunkler,  hellbraunlich  oder 
rotlich.  Weiter  nach  Siiden  wird  dieser  Leopard  durch  den  Felis  pardus 


406  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

suahelicus  vertreten,   der  sehr  grosse  Flecken  zeigt.    Daneben  soil  nach  Prof. 
Matchie  auch  noch  ein  kleiner  Leopard  mil  hellen  Flecken  auftreten. 

Im  Norden  des  Erdteils,  in  Algier,  Tunis  usw.  lebt  ein  ungewohnlich  grosser 
dunkel  gefarbter  Panther,  Felis  pardus  antiquorum.  Derselbe  ist  aber  sehr 
selten  geworden,  da  er  wegen  der  Verheerungen,  die  er  unter  dem  Vieh  an- 
richtete,  stark  verfolgt  wurde.  Erlegte  doch  der  beriihmte  franzosische  Panther- 
jager  Bonbonel  in  Algier  allein  iiber  600  Panther.  Auch  im  Kaplande,  Transval 
und  Orange-Republik  ist  der  Leopard  seltener  geworden,  doch  hat  sich  heraus- 
gestellt,  dass  die  Affenherden,  denen  der  Leopard  stark  nachstellt,  sich  in- 
folgedessen  so  vermehrt  haben,  dass  sie  an  den  Feldern  vielleicht  grosseren 
Schaden  anrichten,  als  der  Leopard  an  den  Herden.  In  Deutsch-Ostafrika 
ist  der  Leopard  noch  sehr  haufig  und  auch  inDeutsch-Sudwestafrika  durchaus 
nicht  selten.  Er  fiirchtet  die  Nahe  des  Menschen  nicht  und  hat  seine 
Hohle  haufig  dicht  neben  der  Ansiedlung.  Er  greift  Menschen  fast  nie  an, 
sondern  sucht  sich,  wenn  entdeckt,  still  zu  driicken,  nur  wenn  er  verwundet  ist 
oder  in  die  Enge  getrieben  wird,  ist  er  ein  gefamiicher  Gegner,  cler  mit  grosser 
Gewandtheit  und  Kraft  seine  gefahrlichen  Waffen,  die  scharfen  Klauen  und 
das  machtige  Gebiss  z%brauchen  versteht.  Er  bricht  iibrigens  haufig  nachts  in 
die  Stallungen  des  Kleinviehs,  der  Ziegen  und  Schafe  ein,  doch  wagt  er  sich 
an  Grossvieh  sehr  selten.  Die  grossen  alt  en  Pavian-Mannchen  Ostafrikas 
fiirchten  sich  durchaus  nicht  vor  dem  Leoparden  und  man  hat  oft 
Kampfe  beobachtet,  in  denen  der  Leopard  den  kurzeren  zog.  Der  afrikanische 
Leopard  wird,  wenn  er  Jung  gefangen,  leicht  zahm.  So  bezeugen  z.  B.  die 
Leoparden,  die  Herzog  Friedrich  von  Mecklenburg  von  seiner  ersten  Reise 
mitgebracht  hat,  noch  heute  grosse  Freude,  wenn  einer  der  friiheren  Pfleger  sie 
im  Zoologischen  Garten  zu  Berlin  besucht.  Man  findet  auch  nicht  selten 
schwarze  Leoparden,  namentlich  in  Abessinien.  Es  kommen  einige  hundert 
Felle  jahrlich  auf  den  europaischen  Markt,  die  einen  Wert  von  10  bis  20  Mk. 
pro  Stuck  haben.  Die  Mehrzahl  der  Leopardenfelle  bleibt  aber  im  Lande  und 
wird  entweder  zum  Schmuck  des  Hauses  oder  zur  Kleidung  der  Eingeborenen 
verwendet.  Namentlich  die  verschiedenen  Kaffernstamme  schatzen  Karosse 
aus  Leopardenf ellen  sehr  hoch..  Die  Felle  werden  von  ihren  Frauen  sehr  gut  ge- 
gerbt  und  sind  die  Karosse  oder  Decken  auch  sorgfaltig  zusammengestellt  und 
genaht.  Solche  Decken  werden  iibrigens  an  Ort  und  Stelle  viel  zu  hoch  bezahlt, 
um  fur  den  Pelzhandel  in  Betracht  zu  kommen. 


g)  Irbis. 


Der  Irbis,  Felis  uncia,  engl.  Snowleopard,  franz.  Once,  hat  ein  ungemein 
weites  Verbreitungsgebiet.  Von  Cashmere  und  dem  westlichen  Himalaya  er- 
streckt  sich  dasselbe  durch  das  ganze  Hochland  Zentralasiens,  Turkistan,  an 
den  Amur  bis  nach  China. 


II.  Die  Katzenarten.  407 


Hier  soil  er  in  Anhui  Kiangsee,  Szechuen  Hunan  und  Hupeh,  haupt- 
sachlich  aber  im  Norden,  in  Teilen  von  Chili  und  der  Mandschurei  vor- 
kommen.  In  Ostsibirien  ist  er  haufig.  Nach  Schrenck  soil  er  auch  auf  Sachalin 
vorkommen,  was  ich  aber  bezweifle.  Ebensowenig  kommt  er  auf  Korea 
vor,  wenn  auch  das  Gegenteil  behauptet  wird.  Ebenso  beruht  die  Angabe 
von  Pallas  und  Schrenck,  dass  der  Irbis  auch  in  Japan  vorkame,  auf  einem 
Irrtum.  Der  chinesische  Name  ist  La  Ong.  Das  Fell  ist  hervorragend  schon 
und  scheint  in  der  Mitte  zwischen  Luchs  und  Panther  zu  stehen.  Die  Grund- 
farbe  ist  ein  zartrotlich  angehauchtes  Weiss,  das  Haar  fast  5  Zentimeter 
lang  und  sehr  weich  und  dicht  wollig.  Langs  des  Riickens  ziehen  sich  reihen- 
weise  geschlossene  schwarze  Flecke,  auf  den  Seiten  unregelmassig  verteilte, 
halboffene  schwarze  Ringe.  Der  ungemein  lange,  dichtwollig  langbehaarte 
Schweif  ist  rotlich-weiss  mit  schwarzen,  regelmassigen,  ringformigen  Quer- 
binden.  (Abbildung  siehe  Seite  410.) 

Im  allgemeinen  ist  die  Lebensweise  ahnlich  wie  beim  Leoparden,  doch 
soil  er  mehr  auf  Baumen  leben  und  von  hier  aus  dem  Wilde  auf  den  Nacken 
springen.  Die  Nachrichten  iiber  sein  Freileben  sind  sehr  sparlich.  -Nach 
Schrenck  wird  er  von  den  Golden  und  Gilyaken  mehr  gefurchtet  als  der 
Tiger,  wahrend  nach  Radde  ihn  die  Eingeborenen  Ostsibiriens  gar  nicht 
furchten.  Auch  in  Kashmere  und  Tibet  wird  der  Irbis  weniger  als  der  Leopard 
gefurchtet.  Wahrscheinlich  ist  die  Lebensweise  dem  Luchs  ahnlich,  der  ja 
auch  den  Menschen  nur  angreift,  wenn  er  verwundet  ist.  Die  zwei  Schnee- 
leoparden  des  Berliner  Zoologischen  Gartens  sind  recht  zahm.  Irbis  und 
Leoparden  sollen  sich  ubrigens  selten  in  demselben  Revier  aufhalten.  Die 
Gesamtlange  ist  7  bis  8  Fuss,  wovon  3  bis  4  Fuss  auf  den  Schweif  kommen. 

Es  ist  schwer,  das  Quantum  festzustellen,  welches  jahrlich  auf  den  Markt 
kommt.  Uber  Nishnij  und  Irbit  kommen  wohl  5  bis  800  Felle  in  den  Handel, 
von  China  direkt  vielleicht  hundert.  Einige  hundert  werden  auch  in  den 
indischen  Hiigelstationen  Simla  etc.  feilgeboten  und  gehen  dort  meist  in  den 
Besitz  von  Touristen  oder  Angloindiern  iiber. 

Der  Wert  eines  Felles  schwankt  zwischen  30  bis  80  Mark. 


h)  Serval. 


Diese  graziose  Katzenart,  die  nicht  zu  verwechseln  ist  mit  der  falschlich 
im  Pelzhandel  Serval  genannten  Zibetkatze,  findet  sich  sowohl  in  Afrika 
als  auch  in  Asien.  In  Indien  leben  zwei  Arten: 

Felis  viverrina,  durch  den  langen  Schwanz  ausgezeichnet,  der  zwei 
Fiinftel  der  Korperlange  einnimmt.  Die  Lange  des  Felles  von  der  Schnauze 
bis  zur  Schwanz wurzel  betragt  etwa  80  cm.  Die  Farbe  ist  dunkelgelbgrau, 
Unterseite  weiss.  Uber  Schulter  und  Nacken  bis  zum  Scheitel  5  schmale 
Langsbinden,  der  Riicken  mit  langgestreckten  streifenartigen  Flecken  be- 


408  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

setzt,  die  5  unterbrochene  Langsbinden  bilden.  Seite  mit  rundlichen  schwarzen 
Flecken  und  der  Schweif  dunkelgelbgrau,  nur  auf  der  Oberseite  mit  rund- 
lichen schwarzen  Flecken.  Spitze  schwarz. 

Die  zweite  Art,  Felis  himalayana,  ist  etwas  kleiner,  der  Schweif  auch 
verhaltnismassig  kiirzer  als  beim  vorigen.  Behaarung  kurz  und  dicht,  gelbbraun> 
Unterseite  weiss.  Von  Stirn  bis  Schwanzwurzel  laufen  4  schmale,  tief  braun- 
schwarze  oder  dunkelschokoladenfarbige  Langsstreifen.  An  den  Seiten 
ebenso  gefarbte,  kurze  fleckenartige  Streifen.  Unterseite  mit  runden  braunen 
Flecken.  Schweif  ist  graubraun  mit  8  bis  9  undeutlichen  braunen  Ringen. 
Uber  das  Freileben  lauten  die  Nachrichten  sehr  verschieden.  Fest  steht 
nur,  dass  die  Eingeborenen  das  Tier  mehr  fiirchten,  als  seine  Grosse  es  recht- 
fertigt  und  es  als  ein  sehr  blutgieriges  Geschopf  schildern.  Beide  Servalarten 
klettern  vorziiglich  und  halten  sich  mit  Vorliebe  in  Walddistrikten  auf. 

In  Afrika  ist  der  Serval  ziemlich  verbreitet  und  werden  die  folgenden 
Arten  unterschieden : 

Felis  serval  in  Algier  und  Ostafrika,  ein  schlankes  hochbeiniges  Tier,  mit 
kleinem  Kopf  und  grossen,  breiten,  zugespitzten  Ohren.  Der  Schwanz  nimmt 
zwei  Fiinftel  der  Korperlange  ein,  dicht  behaart,  dick  und  walzenformig  mit 
stumpier  Spitze.     Die  Grundfarbung  des  Felles  ist  hell  iahlgelb,  die  Unter- 
seite weiss.     Auf  Kopf  und  Schultern  4  schmale  Langsbinden.     Auf  dem 
Riicken  3  bis  4  Langsbinden.     Seiten  und  Schenkel  mit  zahl- 
•A-     reichen,  grossen,  rundlichen  Flecken,  auf  der  Unterseite  ahnliche, 
?/^  /7       aber  weiter  verteilte  Flecke.    Schwanz,  auf  der  Oberseite  4  Halb- 
ringe.  Schwanzspitze  schwarz.  Die  Korperlange  von  der  Schnauze 
Jlfi     bis  zur  Schwanzwurzel  etwa  90 — 95  cm. 

Felis  serval  capensis  ist  etwas 
kleiner,  der  Schweif  aber  noch  langer 
und  mit  10  schwarzen  vollen  Ringen, 
die  Schwanzspitze  iahlgelb. 

An   der  Westkiiste    findet   man 
\  :^.;*£-t  /  ••/v  verschiedene  Servalarten. 

I-'  '£$%  Felis  serval  senegalensis.     Schweif 

^Sl '  *  "%<K.   se^r  kurz ,  nur  ein  Viertel  der  Korper- 
,i  •  lange.    Grundfarbe  rotgelb.    Unter- 

seite isabell,  Kehle  weiss.    Uber  den 

f   J  Riicken    3    Langsreihen    schwarzer 

|  langgezogener    Flecken,    die    band- 

artig  aneinander  gereiht  sind.     An 

den    Seiten   zahlreiche  runde   voile 
^ 

Flecke,  Ohren  schwarz. 

•  y>  Bei    Felis    serval    galeopardus    ist 

gez.  v.  Anna  Matschie-Heid.    der  Schwanz  noch  kiirzer,  nur  ein 
Afrikanischer  Serval  (Felis  serval  capensis) .       Fiinftel  der  Korperlange.      Grund- 


II.  Die  Katzenarten.  409 


farbe  fahlgelb.  Langs  des  Riickens  cine  dunkel  Langsbinde  und  zahlreiche, 
kleine,  schmale,  langliche  Punkte  liber  den  Riicken.  Uber  Seiten  und  Schultern 
zahlreiche  schwarze  runde  Tiipfelchen. 

Felis  serval  neglecta  zeichnet  sich  durch  einen  iiberaus  langen  diinnen 
Schweif  und  fast  einfarbigen  Rumpf  aus.  Von  der  letzten  Art,  Felis  serval 
togoensis  aus  Togo,  habe  ich  bisher  kein  Fell  gesehen.  Die  Servalfelle  bilden 
iiberhaupt  kein  en  regelmassigen  Handelsartikel,  wenn  solche  an  den  Markt 
kommen,  holen  sie  2  bis  3  Mk.  per  Stuck. 

Im  Berliner  Zoologischen  Garten  befinden  sich  mehrere  lebende  Servale, 
die  auf  den  Beschauer  einen  drolligen  Eindruck  machen,  da  sie  haufig  wie 
ein  Hund  aufrecht  auf  den  Hinterbeinen  sitzen. 

DieTieresind  grosseRauber,die  unter  den  jungenAntilopen  und  sonstigem 
Kleinwild  stark  aufraumen.  Auch  den  Huhnerstallen  der  Eingeborenen 
statten  sie  gern  Besuch  ab  und  wiirgen  dort  mehr  als  sie  verzehren  konnen. 
In  der  Gefangenschaft  werden  sie  leicht  zahm.  Mein  verstorbener  Freund 
Dr.  Otto  Kersten  hatte  langere  Zeit  ein  paar  Servale  gehalten,  die  so  zu- 
tunlich  wie  Hauskatzen  waren.  In  Ostafrika  bilden  Servalfelle  ein  Attribut 
der  Hauptlingswiirde,  weshalb  auch  von  dort  aus  gar  keine  Felle  in  den 
Handel  kommen.  Alt  gefangene  Servals  benehmen  sich  sehr  ungebardig  und 
werden  wohl  nie  zahm.  Bei  den  Kapburen  ist  der  Serval  unter  dem  Namen 
Boschkatte  bekannt. 


i)  Nebelpanther. 


Von  diesem  schonen,  aber  seltenen  Tier  gibt  es  auch  mehrere  Art  en. 
Die  bekannt este  ist  Felis  nebulosa  im  nordlichen  Indien,  dem  Himalaya, 
Sikkim  Assam  und  im  Gebirge  von  Siam  und  Birma,  wo  er  bis  7000  Fuss 
hoch  steigt.  Er  erreicht  die  Grosse  eines  kleinen  Leoparden.  Der  Grundton 
der  Farbe  ist  graubraun  bis  gelbbraun,  Unterseite  heller,  Kopf  oben  gefleckt, 
zwei  breite  Bander  mit  schmaleren  Bandern  aus  verlangerten  Flecken  da- 
zwischen.  Uber  dem  Riicken  langliche  Flecke.  Die  Seiten  mit  grossen, 
unregelmassigen,  dunklen  Stellen,  die  durch  schmale,  fahle  Stellen  getrennt 
sind.  Die  Flecke  meist  schwarz  gesaumt.  Schweif  mit  vielen  dunklen 
Ringen.  Das  Tier  lebt  nach  Blandford  vorzugsweise  auf  Baumen. 

Auf  Borneo  lebt  Felis  macrocelis  der  Rhiman  Dau  der  Malayen,  der 
grosser  als  der  Sundapanther  ist.  Die  Grundfarbe  ist  braunlichgrau,  Unter- 
seite lohfarben.  Kopf,  Fiisse  und  Unterleib  mit  vollen  schwarzen  Flecken, 
am  Halse  drei  unregelmassige  Langsbander,  zwei  ahnliche  auf  dem  Riicken, 
auf  Schultern,  Seiten  und  Schenkeln  unregelmassige,  winklig  gesaumte 
Flecke.  Korperlange  i  m,  die  Schweiflange  60  cm.  Das  Tier  lebt  ebenfalls 
meist  auf  Baumen,  nahrt  sich  von  kleinen  Saugetieren  und  Vogeln,  holt  sich 
allerdings  auch  ofters  die  Haushuhner  der  Eingeborenen.  Es  greift  den 


410 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Menschen  nie  an,  ist  iiberhaupt  ziemlich  gutmiitig  und  wird  in  der  Gefangen- 
schaft  leicht  zahm. 

In  China  lebt  eine  andere  Art,  von  der  es  nicht  ganz  sicher  ist,  ob  es 
Felis  macrourus  ist  oder  mit  Felis  brachyurus  identisch  ist.  Mit  dem  auf  den 
Sundainseln  lebenden  Nebelpanther  hat  er  eine  gewisse  Ahnlichkeit,  weicht 
aber  in  Grosse  und  Farbung  stark  ab.  Ich  habe  zahlreiche  Felle  in  Schanghai 
gesehen,  von  denen  leider  keins  vollstandig  erhalten  war.  Die  Grundfarbe 
ist  ein  dunkles  braunlichgelb,  viel  dunkler  als  beim  Leoparden.  Langs  des 
Riickens  lauft  eine  Doppelreihe  geschlossener,  langlicher,  kleiner  Ringe  von 
etwa  3  bis  4  cm  Durchmesser.  Auf  den  Seiten  befinden  sich  grosse  geschlossene 
Ringe  von  unregelmassiger,  langlicher  Form  von  etwa  Handgrosse.  Der  Schweif 
ist  gleichfalls  mit  grossen  unregelmassigen  Ringen  gezeichnet.  Die  Gesamt- 
lange  des  Felles  ist  1,60  bis  2  m,  wovon  60  bis  80  cm  auf  den  Schweif  kommen. 

Angeblich  soil  das  Tier  nur  in  Schantung  vorkommen,  doch  konnte  mir 
keiner  der  chinesischen  Handler  etwas  Naheres  dariiber  mitteilen.  Der  Chinese 
nennt  ihn  einfach  mit  demselben  Namen  wie  den  Leoparden  Pao,  von  dem 
er  aber  ausserlich  ganz  verschieden  ist. 


Gesch.  Aufn.  d.  Neuen  Phot.  Ges. 
Irbis    (Felis  uncia) . 


II.  Die  Katzenarten.  411 


k)  Sudamerikanische  Tigerkatzen,  Ocelot  etc. 

Die  Sudamerikanische  Tigerkatze  ist  wohl  die  am  schonsten  gezeichnete 
unter  alien  Katzenarten.  Es  sind  verschiedene  Arten  hiervon  in  Amerika 
vertreten. 

Am  nordlichsten  geht  Felis  -pardalis,  der  von  Zentral- Amerika  bis  Mexiko 
stark  verbreitet  ist.  Die  Grundfarbe  ist  gelblichbraun,  die  Flecken  sind  lang- 
lich  gezogene  Rauten  und  Doppelstreifen  in  regelmassigen  Reihen  ange- 
ordnet,  Kopf  rund  und  mittelgross,  die  Beine  verhaltnismassig  hoch,  das  ganze 
Tier  schlank  und  grazios. 

Uber  d,en  Nacken  laufen  vier  schwarzgesaumte  Streifen,  im  Innern 
lebhaft  rotgelb  gefarbt.  Auf  dem  Riickgrat  eine  Reihe  schmajer,  schwarzer, 
langgezogener  Flecke.  ;  Auf  den  Seiten  Langsreihen  langgezogene  Rauten 
mit  schwarzem  Saum,  innen  hellrotgelb,  darin  schwarze  Punktflecke.  Auf 
den  Schenkeln  kleine  offene  ringartige  Augenflecke.  Kopf  klein  und  rund. 
Die  Korperlange  ist  ca.  90  cm,  d,er  Schweif  nur  ca,  30  cm  lang,  teilweise 
geringelt. 

In  Louisiana,  Arkansas  und  Texas  wird  es  durch  eine  andere  verwandte 
Art  vertreten,  Felis  ludoviciana  oder  limitis.  Das  Tier  ist  etwas  kleiner  als 
das  vorige,  Grundfarbe  mehr  rotlichgrau,  Unterseite  und  Kehle  weiss.  Uber 
Nacken  und  Riicken  drei  schwarze  Langsbinden,  auf  den  Seiten  vier  schief- 
gestellte  Langsreihen,  vollig  voneinander  getrennte  Augenflecke,  der  en 
Innenseite  rotlichbraun,  nicht  mit  schwarzen  Punktflecken  besetzt  ist. 

In  Siidamerika  finden  sich  Felis  pardalis  costaricensis,  Felis  aquatorilis 
und  schliesslich  Felis  chibigoiiazou,  deren  Verbreitungsbezirk  von  Brasilien 
und  Paraguay  bis  nach  Patagonien  sich  erstreckt. 

Alle  diese  Ocelot-Arten  sind  sich  sehr  ahnlich  und  weichen  nur  in  der 
Form  und  Anordnung  der  Flecken  voneinander  ab.  Das  Fell  diirfte  etwa 
5  bis  6  Mk.  wert  sein  und  kommen  bis  jetzt  jahrlich  kaum  mehr  als  einige 
hundert  Felis  mearusis  in  den  Handel. 

Sehr  nahe  verwandt,  und  haufig  auch  mit  dem  Ocelot  verwechselt,  sind 
die  folgenden  Arten:  Felis  maracaya,  Brasilien  und  Paraguay  bis  zum  nord- 
lichen  Patagonien.  Die  Korperlange  bis  zur  Schwanzwurzel  ist  ca.  80  cm 
lang,  der  Schwanz  etwa  30  cm  lang.  Die  Grundfarbe  ist  graugelb,  die  Flecke 
rotlichgelb  mit  schwarzem  Saum,  sind  voneinander  getrennt,  nicht  vielfach 
zusammenhangend  wie  beim  Ocelot,  auf  Kopf  und  Riicken  lange  Reihen 
schwarzer  voller  Tiipfel,  auf  dem  Scheitel  5  schmale  Streifen,  auf  Lenden 
und  Seiten  breite  dunkle  Flecke,  die  von  einem  schwarzen,  stellenweise 
unterbrochenen  Saum  eingefasst  sind. 

Felis  mitis  in  Brasilien  und  Guajana  bis  Surinam  vorkommend,  1st  etwas 
kleiner  als  der  Maracaya,  der  Schwanz  zwei  Fiinftel  der  Korperlange,  die 
Farbe  etwas  abweichend,  daneben  lebt  Felis  brasiliensis,  gleich  gross  wie  der 


412  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

vorige,  aber  mil  breiteren  kurzen  Ohren,  der  Schwanz  langer,  fast  die  Halfte 
der  Korperlange.  Die  Grundfarbe  ist  weissgrau,  Schultern  mit  schiefgestellten 
schwarzen  Streifen,  auf  den  Seiten  runde  voile  Flecke,  liber  die  Vorderbeine 
schwarze  Querbinden. 

In  Mexiko  kommen  noch  zwei  andere  Verwandte  vor.  Felis  bujfoni  in 
Grosse  wie  der  Maracaya,  Grundfarbe  rotlichgelb,  Unterseite  weiss,  uber 
Nacken  und  Hals  7  stark  in  die  Lange  gezogene,  schwarze,  streifenartige 
Flecke,  langs  des  Riickens  eine  Reihe  voller  schwarzer  Flecke,  auf  den  Seiten 
Langsreihen  getrennt  stehender,  rundlich  schwarzgesaumter  Augenflecke, 
auf  den  Vorderbeinen  eine  schwarze  Querbinde. 

Felis  mexicana,  gleiche  Grosse,  Grundfarbe  rotgelb,  Nacken  und  Riicken- 
streifen  fehlen,  sind  durch  langgestreckte  schwarzgesaumte  Augenflecke 
ersetzt.  Auf  den  Seiten  bindenartige  Langsreihe  aus  schwarzgesaumten 


gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Tiipfelkatze    (Felis  viverrina) . 

Flecken  mit  schwarzen  Punktcn.  Auf  den  Schultern  und  Schenkeln  grosse 
schwarze  Flecken. 

Alle  diese  Arten  werden  im  Handel  einfach  als  Ocelot  zusammen- 
gefasst,  wie  man  in  Argentinien  fast  alle  gefleckte  Katzen  als  Gatos  monteses 
bezeichnet.  In  Brasilien  heissen  Ocelot  und  Maracaya  ,,Jaguatiriga'. 

Die  Lebensweise  der  Ocelot-Arten  ist  eine  ahnliche.  Sie  leben  fast  stets 
paarweise  und  ausschliesslich  in  Waldgegenden,  wobei  ein  Paar  einen  be- 
stimmten  Jagdbezirk  innehalt.  Die  eigentlichen  Ocelots  halten  sich  aber  dem 
Menschen  fern  und  stellen  kleinen  Saugetieren  und  Vogeln  nach,  ohne  dabei 
grosse  Grausamkeit,  oft  aber  grosse  Gewandtheit  zu  verraten.  Die  Jagd  iiben 
sie  iibrigens  nicht  in  Gemeinschaft  aus,  und  auch  die  Jungen,  meistens  nur 
zwei  an  der  Zahl,  werden  von  der  Mutter  allein  mit  Nahrung  versorgt.  Sie 
fliehen  die  Nahe  des  Menschen  und  wagen  sich  nur  sehr  selten  in  die  Nahe  der 
Ansiedlungen.  Gefangen  werden  dieselben  in  Fallen,  in  Sudamerika  auch 
haufig  mit  Hunden  gehetzt.  Die  Indianer  ziehen  haufig  junge  Ocelots  auf, 


II.  Die  Katzenarten. 


413 


die  leicht  zahm  werden.  Verwundete  Ocelots  werden  aber  auch  dem  Menschen 
gefahrlich,  da  sie  dem  Jager  mil  grosser  Energie  zu  Leibe  gehen. 

Felts  mitts  und  Felts  maracaya  sind  trotz  ihrer  geringen  Grosse  viel  blut- 
gieriger  und  wilder  und  sollen  sich.  auch  an  grosse  Saugetiere,  wie  die  kleinen 
Hirscharten,  heranwagen,  auch  sind  sie  nicht  so  scheu  und  besuchen  die 
Huhnerhofe  der  im  Walde  gelegenen  Gehofte  regelmassig.  Die  deutschen  An- 
siedler  Brasiliens,  die  ja  hauptsachlich  im  Walde,  an  den  Picaden  wohnen, 
haben  viel  unter  dem  Schaden  zu  leiden,  den  diese  Katzen  unter  dem  Ge- 
fliigel  anrichten.  Gejagt  werden  sie  meistens  mittels  Hunden,  die  sie  schnell 


gez.  v.   Anna  Matschie-Held. 
Strohkatze   (Felis  payeros). 

zum  Aufbaumen  bringen,  wobei  sie  der  Jager  mit  einem  Schusse  erlegt.    Jung 
eingefangen  werden  auch  sie  leicht  zahm. 

In  Brasilien  lebt  noch  die  langgeschwanzte  Felis  macroura,,  die  kleiner 
als  die  vorige  ist,  die  Korperlange  etwa  60  bis  65  cm,  der  Schweif  aber  45  bis 
50  cm  lang.  Die  Grundfarbe  rotlichgelbgrau,  6  Langsstreifen  iiber  den  Nacken, 
iiber  den  Riicken  3  Langsstreifen,  aus  langlich  schwarzbraunen  Flecken  be- 
stehend.  Das  Tier,  das  auch  in  Paraguay  noch  vorkommt,  ist  verhaltnis- 
massig  selten,  und  soil  einen  sehr  blutdurstigen  Charakter  haben,  sie  stellen 
dem  Geflugel  stark  nach,  klettern  gut,  aber  nicht  gern,  und  werden  meist  mit 
Schlagf alien  gefangen.  Bedeutend  kleiner,  aber  sehr  schon  gezeichnet  ist  Felis 
tigrina,  von  der  Grosse  einer  Hauskatze.  Der  Schwanz  hat  die  halbe  Korper- 
lange. Grundfarbe  ist  fahlgelb,  Unter seite  weiss.  tJber  den  Riicken  ziehen 
sich  Bander,  schmale  Reihen  schwarzer  voller  Flecken.  Auch  die  Beine  sind 
mit  schwarzen  Flecken  besetzt.  Lebt  in  Brasilien  und  Guayana.  Sie  stellt 
hauptsachlich  Ratten  und  Mausen  nach,  wird  Jung  gefangen  sehr  zahm  und 


414 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


1st  dann  ein  sehr  schemes  wie  niitzliches  Haustier.  Felis  venusta  in  Paraguay 
und  Argentinien.  Grosse,  etwas  grosser  als  die  vorige.  Der  Schweif  langer 
und  diinner.  Grundfarbe  braungelb,  6  Langsstreifen  iiber  Nacken  und  Hals, 
unregelmassige  Flecke  iiber  Riicken  und  Seiten,  die  hinten  in  bandartige 
Streifen  zusammenfliessen.  Querstreifen  iiber  die  Brust.  Schwanz  mil 
schmalen  Halbringen  umgeben. 

Eine  hiibsche  kleine  Wildkatze   aus  Argentinien   ist   auch   Felis  geoffryi, 


Wildkatze. 


deren  Vorkommen  sich  bis  nach  Patagonien  hinein  erstreckt.  Die  Behaarung 
ist  kurz,  glatt  anliegend,  die  Korperlange  etwa  50  cm,  der  Schweif  25  bis 
30  cm.  Die  Grundfarbe  ist  dunkelgraugelb,  Unterseite  weisslich,  Riicken 
und  Seiten  mit  zahlreichen,  kleinen,  unregelmassigen,  schwarzen  Flecken. 
Schultern  und  Oberschenkel  breite  langliche  Flecke,  Beine  Querbinden. 
Schwanz  graugelb,  auf  der  Vorderhalfte  rundliche  schwarze  Tupfen,  End- 
halfte  mit  schwarzen  schmalen  Ringen,  Spitze  graugelb. 


II.  Die  Katzenarten.  415 


In  Mexiko  lebt  Felis  catenata,  Grosse  einer  deutschen  Wildkatze,  mil 
dickem,  gedrungenem  Kopf  und  Korper,  verhaltnismassig  kurzen  Beinen, 
Grundfarbe  rotgelb,  Riicken  und  Seiten  mit  mehreren  Reihen  schief  gestellter, 
kettenartiger  Langsbinden,  die  aus  schmalen,  langgestreckten,  unvoll- 
kommenen  Augenflecken  bestehen,  die  teils  schwarz,  teils  rotbraun  sind. 
Auf  dem  helleren  Bauch  schwarze  Streifen,  Schwanz  mit  unvollstandig 
schwarzen  Ringen,  Schwanzspitze  gelb. 

Grosse  Ahnlichkeit  mit  unserer  Wildkatze  hat  die  in  Argentinien  und 
Patagonien  haufig,  auf  dem  Campo  von  Paraguay  und  Siidbrasilien  seltener 
vorkommende  Pampaskatze,  Felis  payeros.  Kopf  ist  kleiner,  der  Korper  ge- 
drungen,  die  Behaarung  ziemlich  lang  und  dicht.  Die  Grundfarbe  ist  ein 
strohiges  gelbgrau,  weshalb  der  spanische  Name  Gato  payeros,  Strohkatze. 
Das  einzelne  Haar  ist  an  der  Wurzel  braun,  dann  gelb,  Spitze  schwarz.  Uber 
dem  Riicken  und  den  Seiten  zahlreiche,  unregelmassige,  schiefstehende 
Langsbinden  dunkelbraunlicher  Farbe.  Korperlange  60  bis  70  cm,  Schweif 
ca.  30  cm. 

Felis  neglecta  ist  ebenso  gross  wie  die  vorige,  kurz  behaart,  glatt  an- 
liegende,  aber  weiche,  rotlichgraue,  am  Grunde  weisse  Oberseite  mit  zahlreichen 
vollen,  dunkel  und  rotlichen,  runden  Flecken,  die  langs  des  Riickgrats  lang- 
lich  gezogen  sind.  Auf  der  Unterseite  unregelmassig  grosse  rote  Flecke.  Beine 
mit  dunkeln  Querbinden,  Schwanz  dunkel,  mit  helleren  Flecken.  Korper- 
lange ca.  70  cm,  Schweif  35  cm.  Es  gibt  in  Siidamerika  noch  zahlreiche 
andere  Wildkatzen,  die  aber  noch  nicht  beschrieben  sind,  namentlich  die 
Katzen  der  Westkiiste  sind  sehr  wenig  bekannt. 


1)  Asiatische  Tigerkatzen. 

Asien  beherbergt  eine  grosse  Anzahl  Arten  dieser  kleinen,  schon  ge- 
zeichneten  Tiere,  die  aber  erst  zum  Teil  genauer  beschrieben  sind.  In  Indien 
finden  wir  namentlich  viele  Arten. 

Felis  viverrina,  die  Tiipfelkatze,  ist  doppelt  so  gross  als  eine  Hauskatze; 
Kopf  breit,  ahnlich  unserer  Wildkatze.  Die  Grundfarbe  ist  graugelb  mit 
zahlreichen,  weit  voneinander  stehenden  schwarzen  Tupfeln.  Auf  dem  Kopf 
und  Nacken  eine  langgestreifte  Zeichnung.  Das  Tier  halt  sich  haupt- 
sachlich  in  Siimpfen  und  Rohrdickichten  an  Flussen  auf.  Die  Hauptnahrung 
besteht  aus  Fischen,  Muscheln  und  Schlangen,  doch  auch  von  Vogeln  und 
kleinen  Saugetieren.  Sie  soil  sehr  wild  und  unzahmbar  sein,  und  Blandford 
erwahnt,  dass  sie  die  Pariahunde  in  der  Nahe  der  Dorfer  angreife,  auch  Kalber 
und  Schafe  tote  und  gelegentlich  auch  Sauglinge  wegschleppe.  Ihr  Ver- 
breitungsbezirk  ist  Indien  siidlich  vom  Himalaya  und  Ceylon.  Sie  soil  auch  auf 
Formosa  vorkommen,  doch  handelt  es  sich  dort  wohl  um  eine  verwandte  Art. 


416 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Felis  marmorata,  etwas  grosser  als  die  Hauskatze.  Schweif  buschig, 
aber  gleichmassig  dick,  drei  Viertel  so  lang  als  Kopf  und  Rumpf.  Dichtes, 
weiches  Fell.  Grundfarbe  gelbbraun  bis  braungrau.  Die  Seiten  durch  schmale 
helle  Streifen  in  grosse  unregelmassig  geformte  Flecken  geteilt,  die  an  der 
hinteren  Kante  schwarz  gezeichnet  sind.  Uber  den  Riicken  unregelmassige 
eckige  Flecke  und  unregelmassige  Ringe  in  Liingsbinden  angeordnet.  Auf 
den  Beinen  und  dem  Schweif  schwarze  Flecke.  Von  den  Augenwinkeln 
nach  dem  Nacken  ziehen  sich  zwei  schwarze  Binden.  Dieses  schone  Tier 
kommt  im  ostlichen  Himalaya-Gebiet,  in  Sikkim  Nepal,  den  Hiigelgebieten 


Marmel-Katze    (Felis  marmorata) . 


von  Birma,  Assam  Siam  und  den  Malacca-Halbinseln  bis  nach  den  Sunda- 
Inseln  vor,  lebt  auf  Baumen  und  ist  ein  ausgesprochenes  Nachtraubtier. 

Sehr  schon  gezeichnet  ist  ferner  Felis  bengalensis,  die  Leopardenkatze. 
Die  Korperlange  ist  30  bis  40  cm,  der  Schweif  ca.  15  cm.  Die  Grundfarbe 
ist  fahlgelb  mit  langlichen  Flecken,  die  sich  in  Reihen  iiber  Riicken  und  Seiten 
ziehen.  Die  Flecken  sind  schwarz  mit  braun  in  der  Mitte.  Der  Schweif 
ziemlich  buschig  mit  undeutlichen  Ringen.  Das  Fell  schon  weich  behaart. 
Das  schone  Tier  bewohnt  ganz  Indien,  Birma,  Siidchina,  die  Philippinen  und 
die  Sunda-Inseln. 

Felis  rubiginosa,  kleiner  als  unsere  Hauskatze,  besitzt  ein  weiches  dichtes, 
aber  kurzhaariges  Fell.  Der  Schweif  ist  halb  so  lang,  als  der  iibrige  Korper. 
Grundfarbe  rotlichgrau,  unten  weiss,  Kopf,  Rumpf  und  Beine  mit  dunklen 
rostroten  Flecken;  vier  dunklere  Fleckenbander  laufen  langs  des  Riickens. 


II.  Die  Katzenarten. 


Das  gewandte  und  graziose  Katzchen  bewohnt  Siidindien  und  Ceylon,  halt 
sich  meistens  in  der  Nahe  der  Dorfer  auf  und  wird  in  der  Gefangenschaft 
leicht  zahm. 

Felts  pardicolor,  Kopf  bis  Schwanzwurzel  30  bis  40  cm,  Schweif  gleich 
lang.  Grundfarbe  fahlbraun  mit  grossen  schwarzen  Flecken  oben,  Unterseite 
weisslich  ohne  Flecke.  An  jeder  Seite  des  Nacken  zwei  Langsbinden.  Zwei 
Langsbinden  aus  grossen  runden  Flecken  ziehen  sich  liber  den  Riicken,  da- 
zwischen  eine  Reihe  kleiner  unregelmassiger  Flecke.  Drei  Reihen  viereckiger 
Flecke  langs  den  Seiten.  Beine  gefleckt.  Schwanz  mit  8  bis  10  Ringen,  die 
durch  gleichfarbige,  hellfarbige  Ringe  getrennt  sind.  Lebt  in  Nepal  und  dem 
siidostlichen  Himalaya,  halt  sich  auf  Baumen  auf,  stellt  kleinen  Vogeln  nach 
und  wird  in  der  Gefangenschaft  leicht  zahm. 

Felis  maculosa,  etwas  grosser  als  die  vorige.  Grundfarbe  grau;  die 
Flecke  sind  breiter,  die  Riickenbinden  grosser.  Der  Schweif  ist  nur  zwei 
Drittel  der  Korperlange  und  zeigt  7  breite  schwarze  Ringe,  die  durch  schmalere 
gelbe  Zwischenraume  getrennt  sind.  Kommt  nur  in  Birma  vor. 

Felis  ornata,,  die  Wiistenkatze,  bewohnt,  wie  schon  ihr  Name  andeutet, 
die  wiistenartigen  Sandflachen  Radj  put  anas,  so  wie  des  westlichen  Indiens 
bis  nach  Beludschistan,  wo  sie  sich  hauptsachlich  von  Sandmausen  nahrt. 
Die  Korperlange  betragt  50  bis  60  cm,  der  Schweif  die  Halfte.  Die  Ohren 
sind  gross  und  spitz,  der  Schweif  lauft  sehr  spitz  zu.  Die  Behaarung  ist  kurz 
und  grob,  die  Grundfarbe  sandgrau  mit  zahlreichen  kleinen  runden  Flecken 
auf  dem  Riicken.  Kopf  und  Nacken  mit  schwarzen  Langsstreifen.  Bauch 
weisslich.  Beine  mit  schmalen  schwarzen  Streifen,  breite  schwarze  Backen- 
streifen.  Hals  und  Brust  weiss  ohne  Flecke.  Schweif  mit  schwarzen  Quer- 
streifen,  die  am  unteren  Ende  Ringe  bilden.  Spitze  schwarz. 

Eine  ziemlich  grosse  Katze  ist  Felis  temmincki,  die  Goldkatze.  Kopf  und 
Rumpf  ca.  So^cm  lang,  Schweif  45  cm,  Schulterhohe  ca  50  cm.  Die  Farbe 
ein  dunkles  Rotbraun,  das  im  Nacken  in  dunkles  Kastanienbraun  iibergeht 
und  an  den  Seiten  blasser  wird.  Kinn  und  Unterseite  weisslich.  Auf  der  Brust, 
der  Kehle  und  der  Innenseite  der  Beine  unregelmassigeMarkierung  aus  dunklen 
Flecken.  Lebt  in  Sikkim  Nepal,  Malacca,  Sumatra  und  Borneo, 

Felis  torquatus  besitzt  die  Grosse  unserer  Hauskatze.  Schweif  diinn 
und  spitz  zulaufend,  etwas  mehr  als  die  Halfte  der  Korperlange.  Ohren  rund. 
Die  Farbe  aschgrau  bis  rotlichgrau  mit  schmalen  dunklen  Langsbinden  iiber 
den  Riicken  und  verschiedenen  unterbrochenen  dunkelbraunen  Querbinden 
oder  Fleckenreihen  vertikal  an  den  Seiten  und  dem  vorderen  Bauch.  Brust 
und  hinterer  Bauch  ungefleckt.  Schweif-Vorderhalfte  mit  undeutlichen  schwar- 
zen Ringen.  Spitze  schwarz.  Diese  Katze,  die  wahrscheinlich  eine  der 
Stammformen  unserer  Hauskatze  ist,  bewohnt  Nordindien. 

Ganz  Zentralasien  bewohnt  die  Steppenkatze  Felis  manul,  welche  Ldie 
Grosse  der  Hauskatze  etwas  ubertrifft.  Das  Fell  ist  weich,  lang  und  dicht 
behaart.  Der'dicke^buschige,  zylindrische? Schweif  bat  die  halbe  Korperlange 

27 


41 8  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Die  Farbe  1st  silbergrau  bis  gelblichweiss,  dunkler  auf  dem  Riicken.  Brust 
braun,  Unterseite  weiss.  Die  langen  Grannenhaare  sind  weiss  mil  schwarzer 
Spitze.  Uber  die  Lenden  einige  schmale  schwarze,  undeutliche  Streifen. 
Das  Tier  bewohnt  die  Steppe,  wie  es  sich  hauptsachlich  zwischen  den  Felsen 
auf  halt  und  Mausen  und  kleinen  Saugetieren  nachstellt.  Ihr  Verbreitungs- 
bezirk  reicht  vom  nordlichen  Himalaya  bis  nach  Sibirien.  Besonders  in  der 
Mongolei  ist  sie  sehr  haufig. 

In  China  finden  sich  verschiedene  Wildkatzenarten,  die  unterschiedslos 
von  den  Chinesen  als  Teh  Mao  bezeichnet  werden.  Ich  habe  besonders  drei 
Arten  beobachtet.  Am  haufigsten  ist  eine  gefleckte  Wildkatze,  wahrschein- 
Hch  Felis  microtis.  Die  Grundfarbe  ist  gelblich  rotbraun,  mit  regelmassigen 


gez.  v.  Anna  Held-Matschie. 
Indische  Wildkatze   (Felis  crythrotir) . 

braunlichen  runden  Flecken.  Auf  den  Seiten  ist  sie  heller,  der  Bauch  weiss- 
lich.  Die  Lange  des  Felles  von  der  Nasenspitze  bis  zur  Schwanzwurzel  ist 
60  bis  70  cm.  Die  Schweiflange  15  bis  18  cm.  Das  Tier  kommt  hauptsachlich 
in  den  Yangtsee-Provinzen,  in  der  Mandschurei  und  Korea  vor. 

In  denselben  Gegenden  findet  man  Felis  euptilura,  die  etwas  grosser  als 
die  vorige  ist.  Die  Grundfarbe  ist  heller,  die  Felle  sind  mehr  geschlossen.  Sie 
kommt  auch  in  der  Nahe  Shanghais  vor,  wo  sie  den  Hiihnern  und  kleinem 
Wilde  nachstellt. 

Eine  dritte  Wildkatze,  Felis  pallida,  ist  viel  seltener  als  die  vorigen. 
Sie  ahnelt  mehr  den  europaischen  Wildkatzen,  ist  aber  kleiner  und  schlanker. 
Die  Korperlange  ist  etwa  80  bis  85  cm,  der  Schweif  ca.  30  cm  lang.  Farbung 
ist  dunkelgrau  mit  schwarzlicher  Stichelung  und  unregelmassigen  schwarzen 
Flecken.  Der  Schwanz  ist  dick,  aber  bedeutend  langer  als  der  unserer  Wild- 
katze. 


II.  Die  Katzenarten.  419 


Im  westlichen  China,  Tibet  etc.  kommt  Felts  scripta  vor.  Gelblichgraue 
Grundfarbe  mit  unregelmassigen  Flecken,  die  am  Rande  dunkel,  in  der  Mitte 
hellrotbraun  sind.  In  der  Schultergegend  und  dem  Nacken  sind  die  Flecken 
langlich  gezogen.  Es  kommen  noch  vor:  Felis  chinensis,  Felis  ricketti,  Felis 
ingrami  und  Felis  tristis  im  zentralen  und  westlichen  China,  welche  ich 
nicht  selbst  bestimmen  konnte  und  woriiber  ich  auch  in  der  Literatur 
keine  nahere  Beschreibung  finden  konnte.  Ausserdem  hat  Herr  Professor 
Matchie  unter  den  von  mir  eingefiihrten  chinesischen  Katzen  mehrere  neue 
Arten  herausgefunden,  sowie  die  oben  erwahnte  F.  ricketti,  F.  ingrami  und 
F.  chinensis.  Diese  chinesischen  gefleckten  Wildkatzen  bilden  bereits  einen 
Handelsartikel,  und  jahrlich  kommen  etwa  10-  bis  12  ooo  Stuck  in  Shanghai 
auf  den  Markt,  die  alle  bereits  sorgfaltig  zubereitet  sind.  Der  Wert  ist  etwa 
i  Mark  bis  1,50  Mark  per  Stuck  augenblicklich.  Bei  grosserem  Bedarf 
wiirden  auch  wohl  grossere  Quantitaten  zu  beschaffen  sein. 

Die  schon  gezeichneten  indischen  Arten  bilden  aber  vorlaufig  gar  keinen 
Handelsartikel,  da  nur  einige  hundert  Stuck  jahrlich  an  den  Markt  kommen, 
doch  wiirden  sich  eventuell,  wenn  der  Handel  organisiert  wurde,  auch  hiervon 

grossere  Mengen  beschaffen  lassen.  Namentlich  von  den  Arten,  welche  das 
obere  Birma,  die  Shanstaaten  etc.  bewohnen,  da  gerade  die  Shans  sich  sehr 
gut  auf  die  Zubereitung  von  Fellen  verstehen. 


m)  Hauskatzen. 


Die  oft  verachtlich  erwahnten  Katzenfelle  bilden  einen  grossen  Handels- 
artikel, obgleich  sie  nicht,  wie  von  Laienschriftstellern  manchmal  leichtfertig 
behauptet  wird,  als  Zobelfell  und  sonstige  wert voile  Pelzfelle  verkauft  werden. 
Im  Handel  werden  sie  zunachst  nach  der  Farbe  und  dann  nach  der  Herkunft 
unter schieden.  Am  wertvollsten  sind  die  schwarzen  Katzen,  dann  kommen 
die  sogenannten  Cyperkatzen,  mit  dunkelgrauer  Grundfarbe,  schwarzlicher 
Stichelung  und  regelmassigen  schwarzen  Flecken  und  Querbinden,  dann  die 
verschiedenen  Farben,  die  als  Scheckenkatzen  zusammengef  asst  sind.  Schwarze 
Katzen  liefert  Holland  die  besten,  die  in  regelmassigen  Katzenfarmen  ge- 
ziichtet  werden.  Zur  Erzielung  eines  schonen  dichten  grossen  Felles  werden 
in  Holland  die  Kater  haufig  verschnitten.  Ein  schones  hollandisches  Katzen- 
fell  wird  mit  3  bis  4  Mark  bezahlt.  Dann  kommen  nach  der  Reihe  die  Katzen 
aus  Bayern,  Holstein,  Danemark,  der  Schweiz  und  dann  aus  dem  iibrigen 
Deutschland.  England  liefert  kleine,  aber  gute  Felle,  Frankreich  und  Siid- 
europa  geringere  Felle.  Spanien  vorzugsweise  rotgelbe  Felle.  Aus  Russland 
kommen  grosse  Mengen  Katzen,  die  aber  gering  in  Qualitat  und  auch  meistens 
schlecht  zubereitet  sind.  Viele  kommen  auch  in  Form  von  Sacken  gearbeitet 

27* 


420  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

in  den  Handel.  Amerika  liefert  viele  grosse  Katzen  von  geringer  Qualitat. 
Aus  China  kommen  ziemlich  gute  Katzen,  doch  sind  die  schwarzen  FeJle 
aus  dieser  Gegend  wenig  wert,  da  sie  eine  rotlichbraune  Farbe  zeigen.  Die 
Cyperkatzen  sind  sehr  schon  in  Farbe.  Unter  den  Scheckenkatzen  kommen 
viele  Felle  von  rotlichgelber  Farbe  vor,  mit  dunkleren  Querbinden  und 
Flecken,  sowie  eine  ganz  eigenartige  Farbe,  die  sonst  nirgends  vorkommt: 
gelbe  Grundfarbe  mit  schwarzlicher  Stichelung,  ahnlich  wie  beim  Iltis.  Tiere 
dieser  Art  sind  stets  auch  langer  behaart  und  deuten  auf  eine  andere  Urform, 
vielleicht  eine  Kreuzung  mit  der  Steppenkatze ;  sie  kommen  aber  in  demselben 
Wurf  mit  den  anderen  Katzen  vor.  In  China  kommt  unsere  europaische 
Hauskatze,  in  den  Kiistenplatzen  eingefiihrt,  haufig  vor  neben  den  chine- 
sischen  Katzen.  Letztere  sind  grosser  und  kraftiger  und  haben  einen  be- 
sonders  breiten  und  dicken  Kopf.  Der  Preis  der  chinesischen  zugerichteten 
Katzenfelle  ist  augenblicklich  etwa  75  Pfg.  fur  Cyperkatzen,  60  Pfg.  fur 
Scheckenkatzen. 

Japan  liefert  auch  gute  Katzenfelle,  Nachkommen  der  eingefiihrten 
europaischen  Hauskatzen. 

Unter  den  englischen  Katzen  kommen  ausser  den  schwarzen  und  den 
verschiedenen  Scheckenkatzen  (mottled  cats)  besonders  die  Cyperkatzen 
(grey  oder  tabby),  die  gelben  Cyperkatzen,  wie  die  oben  erwahnten  chine- 
sischen (red  tabby)  und  die  sogenannten  tortoise  shell-Katzen,  die  aus  schwarz- 
rot  und  weissgelb  zusammengesetzte  Fleckenzeichnung  tragen,  ahnlich  dem 
Schildpatt,  daher  der  Name.  Am  wertvollsten  und  seltensten  sind  blaue  Katzen. 

Australien  liefert  auch  jahrlich  eine  Anzahl  Katzen,  die  meistens  gelb 
Cyper  (red  tabby)  sind,  flach  und  gering  in  Qualitat.  Die  siidamerikani- 
schen  Hauskatzen  sind  reichlich  ein  Viertel  kleiner  als  die  europaischen 
Hauskatzen.  Unter  den  europaischen  Katzen  kommt  noch  eine  dunkle 
Cyperkatze  vor,  wo  die  Querbinden  zu  dunklen  Flecken  verbreitert  sind, 
die  sogenannten  Raderkatzen.  Diese  sind  nicht  haufig,  geben  aber  ein 
schones  Futter.  Abarten  unserer  Hauskatze  sind  die  schwanzlose  Man- 
Katze  auf  der  Insel  Man,  die  Stummelschwanzkatze  des  malaischen  Ar- 
schipel  und  die  Knotenschwanzkatze  der  Insel  Kiushiu  in  Japan,  deren  ver- 
dickter  Schweif  einen  formlichen  Knoten  bildet.  Alle  diese  Arten  sind  wohl 
Abkommlinge  der  Fahlkatze,  vielleicht  mit  Kreuzungen  der  Wildkatze. 

Sibirien  liefert  eine  langhaarige  Katze  mit  feinem,  seidenartigem  Haar, 
aber  meist  schwarzer  oder  braunlicher  Farbe,  wohl  Abkommlinge  der  Steppen- 
katze. Die  bekannte  weisse  und  blaue  Angorakatze  und  die  persische  Katze, 
die  namentlich  in  Frankreich  und  England  viel  gehalten  wird,  mit  dem  langen, 
seidenweichen  Haar,  sind  fur  den  Pelzhandel  wertlos.  Die  sogenannte  chine- 
sische  Hangeohr-Katze  mit  angoraartiger  Behaarung  habe  ich  in  ganz  Asien 
nicht  zu  Gesicht  bekommen.  Auch  kannte  sie  keiner  der  befragten  Chinesen. 

Es  kommen  jahrlich  in  den  Handel  ungefahr  200  ooo  Katzen  aus  Holland, 
170  ooo  aus  Deutschland,  150  ooo  aus  dem  ubrigen  Europa,  300  ooo  aus  Russ- 


II.  Die   Katzenarten.  421 


land.  China  und  Japan  liefern  ca.  150  ooo  Stuck,  Amerika  80  ooo  Stuck. 
Dass  die  Katzenfelle  aber  unter  falschen  Namen  als  wertvolles  Pelzwerk 
von  den  Kiirschnern  verkauft  werden,  ist  eine  haltlose  Verleumdung;  die 
meisten  werden  als  Pelzfutter  und  als  Schutzmittel  gegen  Rheumatismus, 
auf  der  Brust  zu  tragen,  verkauft. 

Eine  ganz  besondere  Stammform,  wohl  eine  der  Schleichkatzenarten, 
hat  jedenfalls  die  siamesische  Katze,  glatthaarig,  einfach  hellgraubraun  ge- 
farbt,  der  Kopf  spitz,  die  Augen  hellblau. 

Die  afrikanische  Kaf f ernkatze  ist  rotlichgrau,  mit  gewellten  braunen  Quer- 
binden  und  rotlichen  Flecken.  Der  Schweif  geringelt.  Sie  ahnelt  dem  siidafri- 
kanischen  Caracal  und  auch  dem  Sumpfluchs  etwas,  ist  aber  naturlich  kleiner. 

Die  Lebensweise  der  Hauskatze  sollte  eigentlich  geniigend  bekannt  sein, 
doch  ist  keins  unserer  Haustiere  so  vorurteilsvoll  beurteilt  —  wenigstens  in 
Deutschland.  Wahrend  in  England  und  Frankreich  die  Katze  zur  Familie 
gehort,  gehegt  und  gehatschelt  wird,  gilt  sie  in  Deutschland  in  den  weitesten 
Kreisen  fur  falsch,  murrisch  und  dumm.  Dabei  ist  die  Katze,  wenn  sie  im 
Hause  aufgezogen  und  gut  behandelt  wird,  so  anhanglich  und  zutraulich 
wie  ein  Hund,  springt  ihren  Bekannten  freundlich  entgegen  und  ist  fur  jede 
Liebkosung  empfanglich.  Dabei  ist  sie  fast  auch  ebenso  intelligent  wie  der 
Hund.  Ich  besitze  eine  Katze,  die  sich  selbst  die  Tiiren  offnet,  indem  sie 
auf  die  Klinke  springt,  sich  mit  dem  Vorderkorper  dort  anhangt  und  mit 
den  Hinterpfoten  gegen  den  Tlirpfosten  stosst,  sicher  ein  Zeichen,  dass  sie  den 
Begriff  der  Kausalitat  kennt.  Jung  gewohnt,  ist  sie  auch  durchaus  stubenrein. 
Eine  schnurrende  Katze  vor  dem  Herdfeuer  ist  der  Inbegriff  der  Gemiitlichkeit. 
Naturlich  darf  man  das  Tier  nicht  nach  den  halbwilden,  unablassig  gehetzten 
Geschopfen  beurteilen,  die  man  bei  uns  so  haufig  sieht.  Deutschland  und 
Russland  stehen  in  dieser  schmachvollen  Behandlung  der  Katzen  einzig  da, 
selbst  in  der  Holle  der  Haustiere,  in  Italien,  werden  diese  Tiere  besser  behandelt. 

In  China  ist  die  Katze,  Mao,  ein  ungemein  beliebtes  Tier,  namentlich 
junge  Katzen,  und  diese  werden  aus  den  Europaerhausern  haufig  gestohlen. 

Auch  in  Japan  bildet  die  Katze,  Neko,  einen  beliebten  Spielkamerad 
der  Kinder. 

Junge  spielende  Katzchen  sind  die  liebenswiirdigsten,  graziosesten  Ge- 
schopfe,  die  man  sich  denken  kann.  Neun  Tage  bleibt  die  junge  Katze  blind, 
zwei  Monate  lang  saugt  sie  und  ist  mit  8  Monaten  bereits  fortpflanzungs- 
fahig.  Zweimal  im  Jahre  wirft  sie  nach  7  wochentlicher  Tragzeit  3  bis  6  Junge. 


n)  Ginsterkatzen. 


Reizende  Geschopfe  sind  die  Ginsterkatzen  oder  Genettkatzen.  Die  bc- 
kannteste  ist  die  Genetta  vulgaris,  die  in  Frankreich  und  Sudeuropa  vorkommt, 
dunkelgelbgrau  mit  dunklen  Flecken,  langem  Schweif  mit  schwarzen  Ringeln. 


422  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Das  Tier  1st  wesentlich  kleiner  als  die  Hauskatze.  Die  eigentliche  Heimat  der 
Ginsterkatzen  ist  Afrika.  In  Westafrika  leben  Genetta  genettoides,  etwas  grosser 
als  die  europaische  Genette;  dieZeichnung  besteht  aus  runden  Flecken  und 
langlichen  schwarzen  Streifen,  die  ziemlich  weitlaufig  stehen  auf  grauem 
Grunde.  Genetta  pardina  lebt  gleichfalls  in  Westafrika;  dunkel  umbra  gelb, 
Nacken  rotlich  gelb  getiipfelt,  schwarze  Fleckenreihen,  die  in  Streifen  iiber- 
gehen,  um  die  Schultern  durch  Querriegel  verbunden,  iiber  den  Riicken 
schwarze  Langsstreifen,  Schwanz  lang  behaait,  dimkelbraun  mil  helleren 
Ringen,  Spitze  schwarz. 

In  Siidafrika  Genetta  tigrina,  hellgelbgrau  mit  wenigen  weit  zerstreut 
stehenden  dunklen  Flecken.  Der  Riicken  mit  mahnenartig  verlangertem  Haar. 
Der  Schweif  lang  und  diinn,  mit  breiten  weissen  und  schmalen  braunen 
Ringen. 

Im  Senegalgebiet  lebt  noch  haufig  Genetta  senegalensis,  hellgelbgrau, 
braunlich  gefleckt,  der  hintere  Teil  des  Riickens  mit  einer  Mahne,  Schwanz 
schwarz  und  gelb  geringelt.  Alle  diese  Arten  kommen  aber  nicht 
haufig  in  den  Handel  und  spielen  deshalb  auch  keine  Re  lie.  Einige 
tausend  Stiick  diirften  alles  sein.  Der  Wert  ist  etwa  1,50  bis  2  Mk.  Besonders 
auffallig  ist  der  Kopf  mit  dem  scharfen  Schnauzchen  und  den  munteren 
Augen,  sowie  der  lange,  geringelte  Schweif.  Die  Tiere  werden  leicht  zahm 
und  machen  durch  ihr  munteres  Wesen  viele  Freude.  Die  verschiedenen 
Genettenarten  des  Berliner  Zoologischen  Gartens  nahern  sich  in  der  Abend- 
dammerung  stets  dem  Gitter  und  versuchen,  mit  dem  Beschauer  zu  spielen. 
In  der  Freiheit  besteht  die  Hauptnahrung  aus  kleinen  Saugetieren,  nament- 
lich  Mausen  und  Ratten,  auch  kleinen  Vogeln  und  deren  Gelege.  Der  Schaden, 
den  sie  anrichten,  ist  gering.  Im  Handel  werden  die  Felle  oft  als  Buschkatze, 
engl.  bush  cat,  bezeichnet. 

Von  den  meisten  Forschern  werden  die  Ginsterkatzen  nicht  zu  den 
echten  Katzen,  sondern  zu  den  Schleichkatzen  (Viverren)  gezahlt. 


o)  Jagdleoparden. 


Einen  Ubergang  von  den  Katzen  zu  den  Hunden  bildet  der  G  e  p  a  r  d 
oder  Chitah,  der  Jagdleopard,  von  dem  zwei  Arten  existieren:  Cynaelurus 
guttatus  in  Afrika  und  Cynaelurus  jubatus  in  Asien.  Die  letztere  Art  wird 
von  altersher  zur  Jagd  abgerichtet  und  hat  die  Grosse  eines  Leoparden,  ist 
aber  viel  hochbeiniger  und  schlanker.  Die  Ohren  sind  kurz  und  rund,  das 
Haar  grob,  das  Nackenhaar  etwas  langer,  eine  Art  kurzer  Mahne  bildend. 
Das  Bauchhaar  ist  etwas  zottiger.  Der  Schweif  ist  mehr  als  die  halbe  Korper- 
lange  lang.  Die  Farbe  ist  gelb,  unten  heller,  iiberall  mit  geschlossenen,  runden, 
kleinen  schwarzen  Flecken.  Die  Heimat  des  wildlebenden  Tieres  ist  Indien, 


II.  Die  Katzenarten.  423 


Persien,  bis  zum  Kaspischen  Meer,  Turkmenien,  wo  das  Tier  nach  Radde  die 
verbreiteste  Art  der  grossen  Katzen  ist.  In  Ceylon  und  den  ostlichsten  Teilen 
fehlt  es  ganzlich.  Es  lebt  vorzugsweise  in  niedrig  gelegenen  Felshiigeln  nahe 
der  Ebene,  von  wo  aus  es  namentlich  den  Antilopen  nachstellt ;  auch  die  grosse 
Nylgau-Antilope  wird  von  ihm  uberwaltigt.  Dagegen  greift  der  Gepard  nie 
den  Menschen  an  und  lasst  auch  die  Viehherden  in  Ruhe.  Anatomisch  steht 
er  vielfach  den  Hunden  nahe,  auch  sind  die  Krallen  nicht  zuriickziehbar. 

In  Indien  und  Teilen  Zentralasiens  wird  der  Gepard  schon  seit  alters 
zur  Jagd  abgerichtet,  da  er  auf  kurze  Strecken  selbst  dem  Windhund  weit  an 
Schnelligkeit  iiberlegen  ist.  Ich  selbst  hatte  Gelegenheit,  in  der  Nahe  von 
Jeypore  in  Indien,  einer  Jagd  mit  Jagdleoparden  beizuwohnen.  Das  Tier, 
welches  sich  ruhig  streicheln  Uess,  war  auf  einer  Ochsenkarre  gelagert  und 
mit  einer  Lederhaube  und  starkem  Halsbande  versehen.  Die  Karre  fuhr 
ins  Feld  bis  in  die  Nahe  einer  weidenden  Herde  Blackbucks  (Hirschziegen- 
Antilopen).  Die  Kappe  wurde  dann  gelost,  sobald  man  die  Antilopen  ge- 
sichtet  hatte.  Der  Gepard  kroch  langsam  herunter  und  schlich  sich  gegen 
den  Wind  bis  auf  etwa  300  Schritt  an  die  Tiere  heran.  Da  gewahrten  sie 
ihn  und  stoben  nach  alien  Richtungen  auseinander.  Mit  Blitzesschnelle  hat 
er  aber  den  mit  schonen  Hornern  geschmiickten  Bock  eingeholt  und  zu  Boden 
gerissen.  Ehe  er  ihn  aber  anschneiden  konnte,  waren  die  Wartei  herbei- 
geeilt  und  hatten  ihn  am  Halsband  zuriickgerissen.  Dem  Bock  wurde  als- 
dann  die  Kehle  durchschnitten,  was  eigentlich  kaum  notig  war,  da  der  Gepard 
ihm  das  Genick  gebrochen  hatte.  Als  Belohnung  erhielt  er  dann  einen  Teil 
des  Aufbruchs.  Es  kommen  nicht  haufig  Felle  in  den  Handel,  der  Wert 
diirfte  etwa  20  Mk.  betragen. 


p)  Luchsarten. 


Nordamerika  beherbergt  verschiedene  Luchsarten,  engl.  Lynx,  franz. 
Loupcervier.  Am  grossten  und  schonsten  ist  der  Silberluchs,  Lynx  cana- 
densis,  welcher  hauptsachlich  das  Hudsonsbay-Gebiet,  sowie  Canada,  Maine, 
das  nordliche  Minnesota  und  Teile  von  Alaska  bis  British  Columbia  bewohnt. 

Das  Fell  ist  etwa  1,20  bis  1,40  m  lang,  der  Schweif  ist  kurz  und  dick, 
ca.  5  bis  6  cm  lang  mit  schwarzer  Endspitze.  Die  Farbung  des  Felles  ist  auf 
dem  Riicken  ungefahr  3  cm  lang  und  sehr  fein  und  dicht,  die  Farbe  ist  ge- 
mischt  aus  rotlichen  und  silbergrauen  Haaren  mit  sehr  schwach  hervortreten- 
den  rotbraunen  Flecken. 

Die  Unterseite  ist  mit  feinem,  wohl  10  cm  langem  weichem  Haar  be- 
deckt,  das  rotlichweiss  ist,  mit  vereinzelt  stehenden,  rotbraunen,  runden 
Flecken.  Die  Wangen  sind  mit  einer  Art  Mahne  von  teils  weissen,  teils 
schwarzlichen  steifen  Haaren  bedeckt,  die  sich  auch  bis  unter  das  Kinn  er- 


424  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

streckt.  Die  Hinterbeine  sind  hoher  als  die  Vorderbeine,  die  Sohlen  mit  einer 
dichten  Pelzschicht  bedeckt,  so  dass  er  ganz  unhorbar  daherschleicht.  Das 
Leder  ist  recht  dunn  und  fein,  aber  am  Kopf  und  Nacken  dick  und  schwer, 
so  dass  das  Umwenden  der  getrockneten  Felle,  die  meist  mit  dem  Leder 
nach  aussen  in  den  Handel  kommen,  mannigfache  Schwierigkeiten  bietet. 
Abgezogen  werden  die  Felle  stets  durch  einen  Querschnitt  zwischen  den 
Hinterbeinen.  Felle,  die  auf  dem  Bauch  anfgeschnitten  sind,  haben  bedeutend 
weniger  Wert.  Riicken  und  Bauch  werden  gesondert  verarbeitet.  Friiher 
wurden  die  Felle  stets  naturell  verarbeitet  und  waren  namentlich  in  der  Turkei 
und  in  China  sehr  beliebt.  Jetzt  werden  dieselben  schwarz  gefarbt  und  sind 
besonders  in  Amerika  sehr  gesucht.  Durch  die  starke  Nachfrage  ist  der  Preis 
ungeheuer  gestiegen  fur  prima  Felle  wurden  im  Jahre  1910  160  Mk.  bezahlt, 
wahrend  sonst  der  Wert  etwa  ein  Viertel  dieser  Summe  betrug. 

Merkwiirdig  ist,  dass  das  mehr  oder  minder  haufige  Vorkommen  der  Tiere 
an  bestimmte  Perioden  gebunden  ist.  Wie  Mac  Farlane,  ein  chief  trader  der 
Hudsonsbay  Co.  berechnet  hat,  sind  solche  drei  Saisons  hintereinander  sehr 
knapp,  in  der  vierten  Saison  gibt  es  dann  doppelt  so  viel  Felle,  im  fiinften, 
sechsten  und  siebenten  Jahre  stets  doppelt  so  viel  wie  im  Vorjahr,  im  achten 
Jahr  bleibt  die  Zahl  konstant,  dann  fur  die  nachsten  drei  Jahre  immer  je  die 
Halite  des  Vorjahrs.  Dies  scheint  mit  der  periodischen  Vermehrung  des  Haupt- 
beutetieres  des  Luchses  zusammenzuhangen,  des  Kaninchens,  was  sich  ja 
auch  rapide  vermehrt,  bis  dann  durch  Ubervolkerung  des  Gebietes  Epi- 
demien  ausbrechen,  welche  ihre  Zahl  sehr  reduzieren.  Auch  treten  diese 
Kaninchen  manchmal  grosse  Wanderungen  nach  anderen  Distrikten  an, 
wohin  ihnen  die  Luchse  folgen,  ebenso  wie  die  amerikanischen  Zobel,  die 
iibrigens  auch  den  Luchsen  haufig  zur  Beute  fallen.  Sonst  ist  der  Luchs 
uberhaupt  nicht  sehr  wahlerisch,  er  frisst  auch  Mause,  Wildgefliigel  und  deren 
Eier,  Fische  und  Wildkalber.  Die  Angaben  der  alteren  franzosischen  Schrift- 
steller,  wonach  die  Luchse  auf  Baumasten  auf  die  darunter  vorbeikommenden 
Hirsche  lauern,  denen  sie  dann  auf  den  Riicken  springen  und  die  Halsader 
durchbeissen,  sind  stark  iibertrieben. 

Den  Menschen  greift  der  Luchs  nie  an,  und  selbst  verwundet,  wendet 
er  sich  nur  zur  Flucht,  ganz  im  Gegensatz  zu  seinem  europaischen  Vetter, 
der  in  solchem  Fall  den  Jager  wiitend  annimmt.  Das  Fleisch,  welches  sehr 
weiss  und  zart  sein  soil,  wird  von  den  Eingeborenen  sehi  geschatzt.  Die  besten 
Felle  kommen  vom  Yorkfort-Distrikt,  sowie  aus  Alaska. 

In  Neuschottland  ist  der  L.  canadensis  durch  eine  andere  Art  vertreten, 
den  Lynx  gigas,  der  bedeutend  grosser  und  dunkler  ist,  auch  die  Unterseite 
ist  ein  sehr  dunkles  Weiss  mit  schwarzen  Flecken. 

An  der  Nordwestkiiste  kommen  auch  zahlreiche  Luchse  vor,  die  aber 
grober  im  Haar  und  rothcher  in  der  Farbung  sind.  Auch  das  Leder  ist  meist 
dicker.  Es  scheint  dies  auch  eine  abweichende  Art  zu  sein,  vielleicht  mit 
dem  L.  uinta  aus  Wyoming  identisch. 


II.  Die  Katzenarten.  425 


Elliot  erwahnt  auch  noch  Lynx  subolanus  aus  Neufundland  und  L.  molli- 
-pilosus  aus  Alaska  als  besondere  Art. 

Viel  verbreiteter  1st  der  sogenannte  Rotluchs,  die  amerikanische 
Wildkatze,  Cat  common,  Luchskatze,  und  von  den  amerikanischen  Jagern 
Bobcat  auch  Catamount  genannt. 

Im  Westen  ist  dies  meist  Lynx  fasciatus  mit  den  Unterarten  L.  fasciatus 
yallescens  in  Washington,  L.  baylei  in  Arizona,  L.  californica  in  Kalifornien. 
In  Canada  und  den  nordlichen  Teilen  der  Vereinigten  Staaten  ist  L.  rufus, 
in  den  Sudstaaten,  namentlich  Arkansas  und  Texas,  L.  rufus  texensis,  in 
Florida,  Carolina  usw.  L.  rufus  floridanus. 

In  Nieder-Kalifornien  kommt  auch  noch  eine  sehr  kleine  Art, 
L.  rufus  peninsularis,  vor,  die  etwa  60  bis  70  cm  lang  wird,  blassrotlich  mit 
grauen  Haarspitzen,  ohne  dunklere  Abzeichen,  Bauch  weiss  mit  schwarzen 
Flecken,  Gesicht  mit  schwarzer  Markierung.  Der  Wert  der  Luchskatzen 
aus  den  verschiedenen  Gegenden  ist  sehr  verschieden.  Aus  Canada,  Neu- 
schottland,  Maine  und  den  andern  nordlichen  Gegenden  der  Vereinigten  Staaten 
kommen  Felle,  die  an  Lange  des  Haares  und  Dichte  desselben,  sowohl  \vie 
in  der  Farbung  einem  kleinen  Luchse  sehr  nahe  kommen,  wahrend  andere 
nur  einer  Wildkatze  ahnlich  sehen.  So  sind  die  Felle  der  Westkiiste  meist 
hell,  die  vom  Siiden  stark  gefleckt,  aber  kurz  im  Haar,  alle  zeigen  aber  die 
helle  Farbung  des  Bauches  und  stark  ausgepragte  Flecke  auf  dem  Riicken. 
Auch  die  Grosse  schwankt  von  60  cm  bis  zu  i  m  Lange.  Der  Schwanz  ist 
kurz  und  dick  und  abweichend  in  der  Farbe  vom  Luchs.  Wahrend  beim 
^chten  Luchs  der  Schwanz  auf  zwei  Drittel  der  Lange  dieselbe  Farbe  wie  der 
Riicken  hat  und  die  Spitze  schwarz  ist,  findet  man  beim  Rotluchs  die  Riicken- 
farbe  nur  dicht  an  der  Wurzel,  der  iibrige  Teil  ist  schwarz,  die  Spitze  aber 
weiss.  Sowohl  bei  L.  rufus  wie  bei  L.  faciatus  ist  die  Zeichnung  auf  den  Backen 
aus  schwarz  und  weissen  Streifen  bestehend,  besonders  auffallend,  am  starksten 
aber  bei  L.  fasciata  entwickelt,  was  ihm  ja  auch  den  Namen  verschafft  hat. 
Der  Wert  schwankt  naturlich  auch  sehr  nach  der  Qualitat.  So  wurden 
1910  die  rauchen,  zumFarben  geeigneten  Sorten  mit  30  Mk.  bezahlt,  wahrend 
die  flacheren,  zu  Decken  geeigneten  Felle  von  3  bis  8  Mk.  brachten.  Das 
sind  aber  auch  Ausnahmepreise,  gewohnlich  rangiert  der  Preis  von  2  bis 
10  Mark  pro  Stuck. 

Die  Zahl  des  Auftretens  ist  nicht  wie  beim  Luchs  periodisch  schwankend. 
Es  kommen  jahrlich  etwa  20 — 30  ooo  in  den  Handel.  Nordlich  von  Canada 
kommen  diese  Luchsarten  nicht  vor. 

In  den  Vereinigten  Staaten  ist  es  ejn  beliebter  Sport,  die  Luchskatzen 
dt  Hunden  zu  hetzen  und  der  Jagd  zu  Pferde  zu  folgen,  bis  die  Hunde  die 
Katze  zum  Aufbaumen  gebracht  haben,  worauf  sie  der  Jager  mit  der  Kugel 
herunterholt. 

Auch  Roosevelt  betrieb  eifrigst  diesen  Sport  und  erlegte  in  Kolorado 
in  einem  Tage  5  Bobcats,  die  von  22  bis  40  Pfund  wogen.  Die  Katzen  rennen 


426  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


sehr  schnell  und  ausdauernd  und  dauerte  es  oft  iiber  eine  Stunde,  bis  sie,  in 
die  Enge  getrieben,  sich  auf  einen  Baum  fluchteten.  Dies  ist  iibrigens  das 
einzige,  wodurch  sich  diese  Tiere  einiger  Beliebtheit  erfreuen,  sonst  werden 
sie  dem  Geflugelzuchter  sehr  schadlich  und  vergreifen  sich  auch  an  Lammern 
und  jungen  Schweinen.  Ebenso  stellen  sie  dem  Wildgefliigel,  selbst  dem 
wilden  Truthahn  nach  und  greifeii  auch  Hirschkalber  an.  Ihre  Lieblings- 
nahrung  sind  aber  die  Prairiehunde,  denen  sie  mil  grosser  Geduld  auflauern. 
Dem  Menschen  werden  sie  nie  gefahrlich,  setzen  sich  aber  gegen  einzelne 
Hunde  stark  zur  Wehr  und  iiberwaltigen  sie  auch  oft. 

Wahrend  der  echte  Luchs  mit  Vorliebe  in  Waldern  haust  und  auch  sein 
Lager  stets  in  hohlen  Baum  en  sucht,  bevorzugt  die  Luchskatze  Felshohlen 
und  ist  nicht  an  den  Wald  gebunden.  Der  kanadische  Luchs  bringt  jahrlich 
nur  zwei  Junge,  der  Rotluchs  drei  bis  vier. 

Auch  in  Europa  und  Nordasien  treten  verschiedene  Arten  von  Luchsen 
auf.  Am  verbreitetsten  ist  Lynx  cervaria,  der  Russland,  den  Ural,  den 
Kaukasus  und  Teile  des  sudwestlichen  Sibiriens  bewohnt.  Er  soil  nach  Radde 
sich  auch  bis  nach  Ostsibiiien  erstrecken,  wo  er  aber  eigentlich  durch  eine 
andere  Art  vertreten  wird.  Der  Kopf  ist  kurz  und  dick,  der  Leib  gedrungen, 
die  Beine  hoch  und  stark,  die  Haarbiischel  an  den  Ohren  kurz,  die  Wangen 
mit  mittellangem  Bart.  Grundfarbe  rotlichgrau.  Riicken  mit  drei  Langs- 
reihen  weit  auseinander  stehender,  deutlich  begrenzter,  langlicher,  schwarzer 
Flecke  besetzt.  Die  Seiten  mit  rundlichen,  dichter  stehenden  Flecken. 
Oberschenkel  dicht  gefleckt,  Unterseite  mit  langen,  weissen  Haaren,  ohne 
jede  Flecke.  Schwanz  kegelformig,  an  der  Spitze  dunn,  ein  Sechstel  der 
Korperlange. 

Im  nordlichen  Europa,  Nordrussland  und  dem  nordlichen  Sibirien  tritt 
Lynx  virgata  auf.  Die  Ohrbiischel  sind  liinger,  der  Schwanz  vollkommen 
walzenformig,  Backenbart  langer.  Auch  die  sonstigen  Korperhaare  sind 
rauher  und  langer,  namentlich  die  am  Bauch.  Farbe  ist  rostrotlich  mit 
zwei  sehr  dicht  nebeneinander  stehenden  Langsstreifen,  schmaler,  schwarzer, 
langlicher  Flecke.  Die  Seiten  mit  kleinen,  undeutlichen,  braunen  Flecken. 
Bauch  weiss. 

Lynx  borealis  ahnelt  dem  kanadischen  Luchs  am  meisten.  Der  Bau 
ist  kiirzer  und  gedrungener  als  bei  den  anderen  europaischen  Luchsen.  Die 
Ohrbiischel  sind  lang  und  spitz,  auf  den  Wangen  ein  starker  Bart,  der  bis 
zum  Unterkiefer  reicht.  Der  Schwanz  ist  sehr  kurz,  dick  und  walzenformig. 
Das  Haar  ist  weich  und  dicht,  die  Grundfarbe  graugelb  mit  kleinen,  ver- 
loschten,  schwarzbraunen  Flecken.  Unterseite  weiss  mit  zerstreuten,  schwar- 
zen  Flecken.  Das  nordlichste  Europa  und  das  arktische  Asien  sind  die  Heimat 
dieses  schonen  Tieres. 

In  Mitteleuropa  war  friiher  haufig,  jetzt  aber  selten,  der  Lynx  vulgarts, 
ebenso  gross  wie  Lynx  cervaria,  mit  langerem  Kopf.  Korper  gedrungen, 
Schwanz  ein  Fiinftel  der  Korperlange.  Ohren  lang  und  spitz  mit  pinselartig 


II.  Die  Katzenarten.  427 


aufrechtstehendem  Haarbiischel.  Grundfarbe  rotlichweiss,  Unterseite  grau- 
weiss.  Langs  des  Riickens  undeutlich  begrenzte  Streifen.  Auf  der  Seite  un- 
deutliche,  braunliche  Querlinien,  an  den  Schenkeln  kleine,  runde,  rotbraune 
Flecke. 

In  Sudeuropa,  Spanien,  Griechenland  und  der  Tiirkei  ist  Lynx  pardina 
zu  Hause.  Etwas  kleiner  als  der  gewohnliche  Luchs  mil  viel  kiirzeren  und 
harteren  Haaren.  Der  Schweif  ist  nur  ein  Siebentel  der  Korperlange.  Die 
Farbe  ist  hell  rostrot,  die  Unterseite  weiss.  Der  ganze  Korper  ist  mit  ziemlich 
grossen,  zerstreut  stehenden,  langlich  schwarzen  Flecken  besetzt.  Auf  den 
Wangen  und  am  Halse  sind  mehrere  schwarze  Querbinden.  Der  Schwanz 
hat  an  der  Wurzel  Flecke,  dann  kommen  2  bis  3  schwarze  Binden,  dann  ein 
helles  Stuck  und  die  Spitze  ist  schwarz. 


gesch.  Aufn.  d.  Neuen  Phot.   Ges. 
Altai-Luchs    (Lynx  isabellinus). 

In  Zentralasien,  Tibet,  Turkestan,  dem  sudlichen  und  ostlichen  Sibirien 
lebt  Lynx  isabellinus,  der  etwas  kleiner  ist  als  die  anderen  Luchsarten.  Die 
Farbung  variiert  in  den  einzelnen  Gegenden  und  so  ist  z.  B.  der  Altai-Luchs 
fahlrotlich  mit  sehr  undeut lichen  Flecken  auf  der  Seite,  der  weisse  Bauch 
fast  fleckenlos.  Die  Mahne  erstreckt  sich  bis  unter  das  Kinn.  Die  Hinterbeine 
sind  auffallig  viel  hoher  als  die  Vorderbeine,  auf  den  Schenkeln  kleine  Flecke. 
Bei  dem  Turkestan-Luchs,  der  etwas  grosser  zu  sein  scheint,  sind  die  Flecke 
auf  dem  fahlrotlichen  Grunde  viel  deutlicher,  auch  auf  dem  Bauch  sind  zahl- 
reiche  Flecke  zu  sehen. 

Der  tibetanische  Isabell-Luchs  ist  sehr  hellfarbig  und  ist  auch  etwas 
kurzer  behaart.  Auch  in  Sibirien  und  auf  Sachalin,  wo  der  Isabell-Luchs 
haufig  vorkommt,  tret  en  die  rotlichen  Flecke  auf  der  weissrotlichen  Grund- 
flache  deutlich  hervor. 


428  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

In  China  kommt  kein  Luchs  vor,  doch  werden  grossere  Mengen  importiert, 
da  dieses  Fell  dort  sehr  beliebt  ist.  Auch  a  us  Ostsibirien  werden  keine  Luchs- 
felle  exportiert,  da  die  dortigen  Eingeborenen  die  Felle  sehr  schatzen  und 
selbst  benutzen.  Die  Zahl  der  aus  Europa,  Russland  und  Sibirien  an  den  Markt 
kommenden  Luchsfelle  ist  sehr  schwer  zu  schatzen.  Ich  glaube  nicht,  dass 
mehr  als  20  bis  25  ooo  Stuck  jahrlich  in  den  Handel  kommen,  wo  von  etwa 
10  ooo  aus  Siideuropa,  Kleinasien  etc.  Loner  gab  die  Zahl  der  sibirischen 
Luchsfelle  auf  15  ooo  jahrlich  an,  der  rusisschen  Luchsfelle  auf  9000.  Ich 
glaube  aber,  dass  diese  Zahl  jetzt  kleiner  ist.  Der  europaische  und  sibirische 
Luchs  bevorzugt  geschlossene,  dichte  Waldungen,  wo  er  aber  gewohnlich 
ein  festes  Standrevier  inne  hat,  von  wo  aus  er  seine  weiten  Raubziige  unter- 
nimmt.  Er  liegt  am  Tage  im  Dickicht  versteckt  und  geht  des  Nachts  auf 
Raub  aus.  Er  ist  ungemein  schnell  in  seinen  Bewegungen  und  kann  sehr 
weite  Spriinge  machen,  bis  zu  20  Fuss.  Er  ist  in  seiner  Nahrung  durchaus 
nicht  wahlerisch  und  verschont  nichts,  was  er  bewaltigen  kann,  vom  kleinen 
Vogel  und  der  Maus  bis  herauf  zum  Hirsch  und  Elch.  Dem  grossen  Sauge- 
tier  lauert  er  im  Wechsel,  auf  einem  Aste  verborgen,  auf  und  springt  ihm 
dann  von  oben  her  ins  Genick.  Ein  paar  Luchse  raumen  in  kurzer  Zeit  mit 
dem  starksten  Wildstande  auf.  Dem  Menschen  weicht  er  gern  aus,  wird  aber, 
verwundet  oder  in  die  Enge  getrieben,  dem  Jager  leicht  gefahrlich.  Das  feine 
Gehdr  und  das  scharfe  Auge  des  Luchses  ist  sprichwortlich  geworden,  ebenso 
sein  gerauschloser  Gang.  Man  spricht  von  ,,Luchsaugen",  ,,Er  hort  wie  ein 
Luchs",  ,,Er  schleicht  wie  ein  Luchs"  etc. 

In  Deutschland  ist  der  Luchs  ganz  ausgerottet,  der  letzte  wurde  im 
Jahre  1846  in  Wiirttemberg  getotet.  Doch  wechseln  ab  und  zu  noch  Luchse 
von  Russland  nach  Ostpreussen  heriiber.  In  der  Schweiz,  wo  das  Tier  noch 
vor  40  Jahren  haufig  war,  ist  es  jetzt  recht  selten  geworden.  In  den  Wal- 
dungen der  Karpathen,  in  Galizien,  Karnten,  Krain,  in  Norwegen  und  dem 
nordlichen  Schweden  ist  es  aber  noch  haufig  und  in  Russland  hat  sich  die 
Zahl  der  Luchse  kaum  vermindert.  Der  Pardelluchs,  in  Spanien  und 
Siideuropa,  ist  noch  verhaltnismassig  haufig.  Er  bevorzugt  auch  dort  grosse 
Waldungen,  begniigt  sich  aber  dort  auch  mit  kleinen  Waldkomplexen,  voraus- 
gesetzt,  dass  sie  dichtes  Unterholz  haben.  In  Spanien  stellt  er  weniger  dem 
grossen  Wilde  nach,  dort  bilden  wilde  Kaninchen  seine  Hauptnahrung.  In 
Griechenland  und  den  Balkanlandern  soil  er  sich  noch  haufig  seine  Opfer 
aus  den  Ziegenherden  holen.  Das  Fleisch  des  Luchses,  das  sehr  weiss  ist  und 
dem  Kalbfleisch  ahnlich  sieht  und  schmeckt,  wird  in  Spanien  als  Delikatesse 
betrachtet,  aber  auch  in  anderen  Landern  wird  Luchsfeisch  gegessen. 
Kobell  erwahnt,  dass  1814  auf  dem  Fiirsten-Kongress  in  Wien  mehrfach  Luchs- 
braten  auf  die  Tafel  kam.  In  Ostsibirien  wird  es  nach  Radde  uberall  von  den 
Eingeborenen  hochgeschatzt.  In  Spanien  wird  das  Fell  der  erlegten  Luchse, 
der  ,,Lobo  cerval",  meist  lokal  verbraucht,  besonders  von  Stierfechtern  und 
Kutschern,  Pferdeknechten,  zur  Verzierung  der  Kleidung  benutzt.  Es  sollen 


II.   Die   Katzenarten. 


429 


dort  jahrlich  5 — 600  Felle  in  den  Handel  kommen,  exportiert  werden  keine. 
Dagegen  kommen  aus  Griechenland,  den  Balkanlandern  und  der  Tiirkei  zahl- 
reiche  Felle  in  den  Welthandel,  wenngleich  auch  hier  die  Mehrzahl  im  Lande 
zu  Pelzfutter  verbraucht  wird.  Fiihrte  doch  der  Orient  friiher  grosse  Mengen 
Luchsfelle  aus  Leipzig  ein,  bis  die  grosse  Preissteigerung  der  letzten  Jahre 
das  Fell  fur  diesen  Markt  zu  sehr  verteuerte. 

In  Indien  leben  zwei  Luchsarten,  der  Felis  lynx  bengalensis,  ein  hochbeiniges 
Tier  mit  kurzem  Schweife,  der  hochstens  ein  Fiinftel  der  Korperlange  er- 
reicht,  spitze  Ohren  mit  schwarzem  Pinsel,  Backenbart,  dichtes  weiches  Haar, 
isabellfarbig  bis  fahlrot,  Unterseite  weiss.  Im  Sommer  zeigt  das  Fell  schmale 
schwarze  Flecke,  im  Winterfell  sind  die  Flecke  nur  an  der  Seite  und  den 


ge?.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Carakal  Luchs    (Lynx  caracal) . 

Beinen  undeutlich  zu  sehen,  am  Riicken  gar  nicht.  Die  Haare  sind  unten 
braunlich,  dann  weisslich  geringelt,  Spitze  teils  weiss,  teils  schwarzlich, 
Schwanzspitze  schwarz,  Sohlen  dicht  behaart. 

Daneben  findet  man  in  Nord-  und  Zentral-Indien,  aber  nicht  in  Bengalen, 
auch  den  echten  Carakalluchs,  Felis  lynx  caracal,  dessen  Verbreitungsbezirk  fast 
das  ganze  westliche  Asien  umfasst.  Er  ist  besonders  haufig  in  Persien,  Meso- 
potamien  und  dem  Transkaspischen  Gebiet.  Er  ist  kleiner  als  der  Lynx  isa- 
bellinus,  erreicht  aber  die  Grosse  des  amerikanischen  Rotluchses  —  80  cm  — , 
die  Farben  ist  hellrotlich  bis  rotbraun,  der  Schweif  ist  verhaltnismassig  lang 
und  umfasst  ein  Drittel  der  Korperlange,  die  Unterseite  ist  weisslich  mit  rot- 
lichen  Flecken.  Auffallig  lang  sind  die  spitzen  Ohren,  die  noch  einen  be- 
sonderen  schwarzen  Pinsel  tragen,  die  Schwanzspitze  ist  schwarz.  Das  Tier 
halt  sich  stets  in  hohem  Grase  und  Buschwerk,  nicht  im  Walde,  wie  die  anderen 
Luchse.  Er  verfolgt  Gazellen,  kleine  Hirsche,  Hasen  und  Vogel  und  macht 


430  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Spriinge  von  5 — 6  Fuss  Hohe  vom  Boden.  Jung  eingefangen,  wird  das  Tier 
leicht  zahm  und  werden  solche  zahmen  Caracals  an  manchen  Hofen  Indiens 
an  Stelle  des  Gepards  zur  Jagd  benutzt,  da  sie  schneller  sind  als  dieser.  Nach 
Marco  Polo  war  damals  die  Benutzung  zahmer  Luchse  neben  den  Gepards 
in  ganz  Zentral-Asien  ublich,  namentlich  erwahnt  er  dies  bei  den  Jagden  von 
Kublai  Khan  in  Kambaluc,  dem  heutigen  Peking.  Ein  Verwandter  dieses 
Luchses,  Lynx  caracal,  kommt  noch  in  ganz  Afrika  vor.  Man  findet  ihn  selbst 
in  der  Kalahari  und  ebenso  in  Nordafrika.  Die  Farbung  ist  einfarbig  zimtrot 
Der  Schweif  mil  schwarzen  Streifen,  Ohr  und  Ohrpinsel  schwarz.  Das  Haar 
ist  verhaltnismassig  lang  aber  grob.  Die  Felle  aus  dem  nordlichen  Afrika  sind 
meist  dunkler  gefarbt.  Die  Korperlange  ist  ca.  70  cm,  die  Schwanzlange 
25  cm,  die  Unterseite  ist  rotlich-weiss,  auf  der  Schnauze  ein  schwarzer  Fleck, 
und  ein  schmaler  Streifen  auf  den  Backen.  Alle  gefangenen  Exemplare,  die 
ich  davon  sah,  waren  hochst  murrische  und  reizbare  Gesellen.  Daneben  findet 
man  in  Afrika  noch  zwei  echte  Luchse,  Lynx  berberorum  aus  Algier,  Tunis, 
und  den  marokkanischen  Atlas,  Fell  etwa  i  m  lang,  Schnauze  kurz  und 
dick.  Oberseite  einfarbig,  rotlich-grau,  Unterseite  hell,  gelblich-grau.  In 
Ostafrika  findet  sich  noch  der  dem  vorigen  sehr  ahnliche  Lynx  nubica,  alle 
diese  Felle  sind  fast  gar  nicht  im  Handel. 

Der  Caracal  ist  bedeutend  schlanker  und  hochbeiniger  als  die  echten 
Luchse.  Er  bewohnt  nur  Steppen  und  Wiistengegenden,  meidet  aber  die 
Waldungen.  Er  stellt  den  kleinen  Saugetieren  und  Vogeln  nach  und  jagt 
auch  kleine  Antilopen.  Die  afrikanischen  Caracals  gelten  als  ungemein 
bosartig,  und  gefangene  Caracals  sind  stets  sehr  wiitend  und  unzahmbar. 
Der  Caracal  des  Berliner  Zoologischen  Gartens  fauchte  stets  grimmig,  wenn 
man  sich  seinem  Kafig  naherte.  Das  Fell  kommt  jetzt  fast  gar  nicht  in  den 
Handel,  soil  aber  fruher  sehr  gesucht  gewesen  sein,  als  Mittel  gegen  Rheuma- 
tismus  und  Gicht,  und  sollen  im  Kaplande  noch  jetzt  die  Felle  dazu  ver- 
wendet  werden. 

Sehr  nahe  verwandt  mit  den  Luchsen  sind  die  Sumpfluchse, 
Chaus,  die  auch  ziemlich  weit  verbreitet  sind.  So  findet  sich  Felis  chaus  im 
westlichen  Asien,  Siidrussland,  dem  Kaukasus,  Persien  und  Turkestan.  Felis 
chaus  af finis  bewohnt  Indien,  vom  Himalaya  bis  Ceylon.  In  Palastina  finden 
sich  zwei  verschiedene  Arten,  Felis  chaus  chrysomelanotis  und  Felis  chaus  furax, 
Auch  in  Tibet  findet  sich  ein  Sumpfluchs,  Felis  chaus  bieti.  In  ganz  Nordost- 
afrika  findet  sich  Felis  chaus  nilotica,  Der  Sumpfluchs  bildet  einen  Ubergang 
von  den  Luchsen  zu  den  Wildkatzen,  und  ist  nur  wenig  grosser  als  die  letztere 
(etwa  70  bis  75  cm  Korperlange).  Die  Ohren  haben  keine  Pinselbiischel  wie 
beim  Luchs,  sondern  nur  einige  langere  Haare  an  der  Spitze.  Der  Schweif 
misst  etwa  ein  Drittel  der  Korperlange.  Der  indische  Sumpfluchs  hat  einen 
sehr  dichten  weichen  Pelz.  Grundfarbe  ist  gelbgrau,  der  Rucken  dunkler, 
der  Bauch  rotlichweiss.  Die  einzelnen  Haare  sind  rotlichweiss,  gegen  Ende 
weiss,  die  Spitze  schwarz,  die  Unterwolle  ist  braunlich,  die  Beine  mit  dunkleren 


II.  Die   Katzenarten. 


431 


Querstreifen,  Schwanz  ziemlich  dick,  regelmassig,  1st  am  Ende  schwarz- 
geringelt  mit  schwarzer  Spitze.  Die  Wangen  sind  mit  schwarzen  Querstreifen 
gezeichnet.  Im  Gegensatz  zum  Luchs  meidet  der  Sumpfluchs  die  dichten 
Walder  und  halt  sich  in  den  Dschungeln  und  hohen  Getreidef elder n,  sowie  mit 
Vorliebe  im  Rohricht  an  den  Fmssufern  auf .  In  den  weiten  Rohrwildnissen 
am  Jordan  ist  der  Sumpfluchs  haufig,  ebenso  in  den  Rohrwaldern  an  den 
Flussufern  Transkaspiens.  Im  Himalaya  geht  er  bis  zu  8000  Fuss  Hohe,  ist 
auch  in  den  Gebirgsgegenden  Ceylons  nicht  selten.  Sein  Charakter  ist  hochst 
unliebenswurdig,  auch  Jung  gefangen,  bleibt  er  unzahmbar  und  wild.  Er 
richtet  grosse  Verheerungen  unter  den  Rebhiihnern,  Pfauen,  Francolin,  Wild- 
enten  und  anderem  Gefliigel  an,  stellt  auch  Hasen,  den  kleinen  Gazellen  und 
sonstigen  kleinen  Saugetieren  stark  nach.  Verwundet  oder  in  die  Enge  ge- 
trieben,  greift  er  den  Jager  unbedingt  an.  Nach  anderen  Mitteilungen  aber 
soil  er  Jung  gefangen  ganz  zahm  werden,  namentlich  die  afrikanischen  Sumpf- 
luchse  so  lien  nicht  annahernd  so  wild  sein  als  die  indischen,  und  iiberhaupt 
keine  grosseren  Tiere  angreifen.  Der  agyptische  ist  auch  wenig  scheu  und 
kommt  im  Niltal  von  seinem  Schlupfwinkel  im  Rohr  oder  hohem  Grase  bis 
in  die  Dorfer,  um  die  Genugelstalle  zu  pliindern. 

Eine  verwandte  Art,  die  auch  im  nordlichen  Zentralasien  und  in  den 
Rohrwaldern  des  siidlichen  Sibiriens  lebt,  und  die  sich  auch  durch  eine  luchs- 
artige  Zeichnung  mit  verschwommenen  Flecken  auszeichnet  und  mit  feinen 
schwarzen  zahlreichen  Ringen  um  den  Schwanz,  kommt  auch  in  den  Pelz- 
handel,  doch  diirften  hierfur  kaum  mehr  als  1000  Stuck  jahrlich  auf  den 
Weltmarkt  kommen,  der  gegenwartige  Wert  ist  etwa  6 — 8  Mk.  per  Stuck . 


q)   Wildkatze. 


Sehr  verbreitet  ist  die  gewohnliche  Wildkatze,  Felts  catus,  die  etwa  ein 
Drittel  grosser  ist  als  die  Hauskatze  (Korperlange  70  bis  80  cm,  Schweiflange 
ca.  25  cm).  Der  Schweif  ist  ziemlich  dick  und  rund  mit  schwarzen  Ringen  am 
Ende.  Das  Tier  bewohnt  den  grossten  Teil  von  Europa,  Deutschland,  Dane- 
mark,  Frankreich,  Osterreich,  Schottland,  einzelne  Teile  des  nordlichen  Eng- 
lands,  die  Balkanlander,  Italien,  die  Tiirkei,  Dalmatien  und  Spanien.  Im 
Kaukasus  soil  sie  besonders  haufig  sein  und  kommt  im  siidlichen  Sibirien  vor ; 
dagegen  fehlt  sie  in  Norwegen,  Schweden  und  dem  grossten  Teil  von  Russland. 
Es  ist  hochst wahrscheinlich,  dass  sich  hierbei  mehrere  Arten  feststellen  lassen, 
da  die  Farbe  sehr  abweicht.  Das  Haar  ist  sehr  dicht  und  weich,  ca.  2  bis  3  cm 
lang.  Die  Grundfarbe  ist  gelbbraun  bis  blaugrau,  stets  mit  einer  blaulichen 
Unter wolle;  viele  sind  gefleckt  und  leicht  gestreift,  andere  ganz  einfarbig. 
Namentlich  die  Wildkatzen  aus  dem  Siidosten  sind  meist  hellfarbig  mit  stark 
markierter  Zeichnung.  Die  Wildkatze,  die  gewohnlich  ihr  Lager  in  alten  hohlen 


432  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Baumen  aufschlagt  und  dichte  Waldbestande  allem  anderen  vorzieht,  richtet 
unter  dem  Wildstande  grosse  Verheerungen  an,  da  sie  sich  selbst  an  grosses  Wild 
wie  Rehe  und  Hirschkalber  wagt ;  Hasen,  Wildgefliigel,  Vogel  und  deren  Eier 
bilden  die  Hauptnahrung,  doch  verschmaht  sie  auch  Ratten  und  Mause  nicht. 
Es  wird  ihr  deshalb  auch  uberall  sehr  energisch  nachgestellt,  doch  ist  ihre  Jagd 
durchaus  nicht  leicht.  In  die  Enge  getrieben  oder  verwundet,  greift  sie  auch  den 
Jager  an,  und  ist  dann  ein  hochst  gefamiicher  Gegner.  Mit  dem  Jagdhund  wird 
sie  im  Einzelkampf  leicht  fertig.  Es  kommen  jahrlich  etwa  10  ooo  Wildkatzen- 
Felle  in  den  Handel ;  der  Wert  des  Felles  schwankt  und  ist  augenblicklich  etwa 
3  Mk.  pro  Fell.  Die  Felle  gelten,  auf  die  Brust  gelegt,  als  ein  gutes  Mittel  gegen 
Rheumatismus.  Jetzt  werden  sie  dafur  meist  durch  die  billigen  Hauskatzen- 
felle  ersetzt. 

Neben  den  echten  Wildkatzen  findet  man  ofter  in  den  Waldern  ver- 
wilderte  Katzen,  eigentumlicherweise  sind  nach  einigen  Generationen  die 
Tiere  grosser  als  die  gewohnlichen  Hauskatzen  und  die  Farbung  vorwiegend 
wie  die  der  sogenannten  Cyperkatze. 

Nahe  verwandt  ist  die  Steppenkatze,  Felis  manul,  aber  wesentlich  kleiner 
als  die  Wildkatze.  Beine  hoher  und  starker,  Kopf  ist  dicker,  Ohren  kurz, 
breit  und  abgerundet;  Schweif  mehr  als  die  Halfte  der  Korperlange,  walzen- 
formig  und  buschig.  Die  Sohlen  der  Hint  erf  usse  sind  lang  und  dicht  behaart. 
Das  Fell  ist  sehr  lang,  locker  und  weich  behaart.  Grundfarbe  ist  weissgelb,  auf 
dem  Riicken  etwas  dunkler,  durch  eingemischte  braune  Haare  stellenweise 
nebelartig  schattiert.  Die  Brust  ist  braunlich.  Uber  die  Lenden  laufen  einige 
schmale,  undeutliche  schwarze  Streifen.  Auf  dem  Schweif  6  bis  7  schwarze 
Ringe,  Spitze  schwarz.  Der  Verbreitungsbezirk  des  Tieres  reicht  von  Siidost- 
europa,  dem  Ural,  durch  Sudsibirien,  ganz  Zentralasien,  vom  nordlichen 
Himalaya  bis  zur  Mogolei.  Es  ist  ein  ausgesprochenes  Steppentier,  namenthch 
der  Hochst eppe,  wo  es  zwischen  Felsblocken  lebt,  nahrt  sich  hauptsachlich 
von  Mausen  und  anderen  kleinen  Tieren,  wird  leicht  gezahmt  und  gilt  als 
Stammutter  der  Angora-Katze.  Als  Urform  unserer  Hauskatze  wird  allgemein 
die  in  Nordostafrika  beheimatete  Fahlkatze  Felis  maniculata  angesehen. 
Farbe"  ist  grau  braungelb  mit  heller  und  dunkler  Schattierung,  Unterseite 
heller.  Schlanker  Korperbau,  dichtes  glattes  Fell,  weiche  Behaarung.  Seite 
und  Nacken  mit  undeutlichen  Querbinden  und  Streifen.  Die  Korperlange  ist 
ca.  50  cm,  Schweif  25  cm.  Der  Schweif  ist  mit  3  schwarzen  Ringen  versehen. 
Die  Hauskatzen  im  Sudan  und  der  Kiiste  des  Roten  Meeres  ahneln  an  Farbe 
und  Bauart  den  Fahlkatzen  sehr.  Bei  den  Niam  Niams  und  den  Monbuttus 
werden  nach  den  Mitteilungen  Schweinfurths  und  Junkers  jung  gefangene 
Fahlkatzen  gezahmt  und  als  Haustiere  zur  Mausevertilgung  gehalten.  Das 
Fell  kommt  fast  nie  in  den  Handel. 


III. 
Die  Hundearten. 


1.  Haushund. 

Im  grossen  Publikum  wird  mil  einer  gewissen  Verachtlichkeit  davon  ge- 
sprochen,  dass  von  den  Kurschnern  auch  ,,Hundefelle"  zu  Pelzwerk  verarbeitet 
wiirden.  Das  ist  nun  sehr  iibertrieben.  Hauptsachlich  werden  im  grossen  nur 
die  chinesischen  Hundefelle  verwendet  und  diese  hauptsachlich  zu  Decken. 

Der  Haushund  Canis  domesticus,  englisch  Dog.  franzosisch  chien,  chinesisch 
Kju.  Fiir  den  Pelzhandel  kommen  besonders  die  Felle  des  mandschurischen 
Hundes  in  Betracht,  die  einen  bedeutenden  Ausfuhrartikel  bilden.  Der  man- 
dschurische  Haushund  ist  von  der  Grosse  eines  starken  Fleischerhundes,  mil 
langem,  dichtem,  weichem  Haar.  Die  vorwiegende  Farbung  ist  schwarz,  doch 
kommen  auch  zahlreiche  grau  oder  gelb  gefarbte  Exemplare  vor.  Die  Tiere 
sind  sehr  wild  und  bosartig  und  zeigen  nichts  von  der  scheuen  Feigheit  des 
chinesischen  Dorfkoters,  doch  sind  sie  lange  nicht  so  bissig  wie  die  Mongolen- 
hunde.  In  Newchwang  und  den  anderen  mandschurischen  Stadten  liegen  sie 
zahlreich  in  der  Sonne  auf  den  schmalen,  festgetretenen  Pfaden  vor  den 
Hausern,  und  es  fallt  ihnen  gar  nicht  ein,  aus  dem  Wege  zu  gehen,  so  dass  der 
vorsichtige  Fussganger  es  meistens  vorzieht,  in  den  Schmutz  zu  tret  en,  der  die 
Mitte  der  Strasse  ausfullt,  als  uber  das  knurrende  Hindernis  hinwegzusteigen. 

Die  Felle  werden  in  der  Mandschurei  gegerbt  und  zu  Decken  verarbeitet. 
Eine  Decke,  aus  einem  Fell  gearbeitet,  heisst  englisch  ,,dogmat"  und  misst 
etwa  90  cm  bei  40  cm  Breite  im  Werte  von  ca.  3  Mk.  ,,Dogrugs"  bestehen  aus 
2  Fellen,  ca.  1,70  cm  lang  bei  50  cm  Breite,  im  Werte  von  6  Mk.,  und 
,,Dogrobes"  sind  zwei  nebeneinander  genahte  rugs.  Die  letzteren  werden  aus- 
schliesslich  nach  Amerika  exportiert  und  brachten  in  New  York  zur  Zeit, 
als  die  grosse  Volkerwanderung  nach  den  Goldfeldern  von  Klondyke  im  Gange 
war,  25  bis  30  Mk.  Die  rugs  und  mats  gehen  hauptsachlich  nach  England.  In 
Deutschland  ist  dieses  Pelzwerk  weniger  bekannt.  Im  ganzen  kommen  jahrlich 
etwa  100  ooo  mandschurische  Hundefelle  zur  Ausfuhr. 

Sortiert  werden  dieselben  meist  in  ca.  50  Proz.  schwarze,  25  Proz.  gelbe 
und  25  Proz.  graue.  Zu  Decken  werden  die  gelben  und  grauen  bevorzugt,  zu 
Garnituren  eignen  sich  die  Prima-Qualitat,  sogenannte  ,, Furriers"  der 
schwarzen  recht  gut. 

28* 


436  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Ausser  diesen  mandschurischen  Hunden  oder  ,,Newchwang  dogskin",  wie 
sie  im  Handel  genannt  sind,  kommen  in  letzter  Zeit  auch  viele  Felle  des  ge- 
wohnlichen  chinesischen  Dorfkoters  in  den  Handel,  die  bedeutend  kurzer  im 
Haar  sind. 

Der  gewohnliche  chinesische  Haushund,  wonk,  ist  uberall  verbreitet.  Jede 
Ortschaft  beherbergt  Scharen  desselben,  und  obgleich  die  meisten  Tiere  ihren 
Eigentiimer  haben,  wachsen  sie  doch  ohne  Pflege  heran  und  miissen  sich 
meistens  das  Futter  selbst  suchen.  Sie  werden  von  Ungeziefer  fast  verzehrt, 
und  die  Raude  herrscht  in  erschreckender  Weise  unter  ihnen.  Es  sind  mittel- 
grosse,  kurzhaarige  Hunde,  haufig  dem  Pariahunde  des  Orients  ahnlich;  viele 
lassen  deutlich  ihren  Ursprung  von  Wolf  oder  Schakal  erkennen.  Den  Schweif 
tragen  sie  stets  nach  links  oben  gekriimmt.  Im  grossen  und  ganzen  sind  sie 
feige.  Obgleich  den  Europaer,  der  durch  ein  chinesisches  Dorf  kommt,  sofort 
Dutzende  von  Kotern  bellend  und  heulend  umringen,  geniigt  der  zum  Wurf 
erhobene  Arm,  um  sie  zur  schleunigen  Flucht  zu  veranlassen.  Auch  mit  euro- 
paischen  Jagdhunden  lassen  sie  sich  nur  in  einen  Kampf  ein,  wenn  sie  in  grosser 
Uber-zahl  sind.  Dem  Reiter  werden  die  Klaffer  sehr  lastig,  da  sie  den  Pferden 
nach  den  Beinen  schnappen  und  diese  haufig  zum  Scheuen  bringen.  Dass  die 
Tiere  irgendeinen  Wert  haben,  bemerkt  man  erst,  wenn  man  auf  der  Jagd 
eine  solche  zudringliche  Bestie  erschossen  hat.  Das  ganze  Dorf  versammelt 
sich  mit  drohenden  Gebarden,  und  50  Dollar  ist  die  geringste  Summe,  die  als 
Entschadigung  verlangt  wird.  Freilich  begniigt  sich  der  Besitzer  gern  mit 
5  Dollar,  doch  diirfte  das  Tier  mit  i  Mk.  bereits  iiber  seinen  Wert  bezahlt  sein. 

Die  Tollwut  ist  leider  sehr  verbreitet,  weshalb  in  den  Fremdennieder- 
lassungen  Maulkorbzwang  eingefuhrt  ist  und  herrenlose  Hunde  getotet  werden. 
Vor  einigen  Jahren,  als  in  kurzer  Zeit  etwa  20  Europaer  in  Schanghai  von 
tollen  Hunden  gebissen  waren,  wurde  sogar  ein  Teil  des  Freiwilligenkorps  auf- 
geboten,  um  maulkorblose,  frei  herumlaufende  chinesische  Hunde  abzu- 
schiessen. 

Von  armen  Chinesen  werden  Hunde  gegessen,  und  man  sieht  mitunter 
auch  die  Tiere  auf  chinesischen  Markten  ausgeschlachtet  hangen,  aber  vor- 
zugsweise  in  Siidchina.  Dass  sie  aber  eine  chinesische  Delikatesse  seien  und  be- 
sonders  gemastet  werden,  wie  verschiedene  Reiseschriftsteller  behaupten,  ge- 
hort  in  das  Gebiet  der  Marchen,  an  denen  diese  Literatur  so  reich  ist. 

Im  Siiden  kommt  besonders  der  Canton  Wonk,  auch  ,,Chowdog"  genannt, 
vor,  ein  langhaariges  Tier  von  wolfsahnlicher  Gestalt,  gelbroter  Farbe  und  stets 
schwarzer  Zunge,  ahnlich  unserem  Wolfsspitz.  Fur  den  Pelzhandel  sind  von 
diesen  Hundefellen  die  sogenannten  ,,Hsinchee  "-Felle  die  best  en.  Sie  sind  nur 
wenig  kleiner  als  die  Newchwang-Hunde  und  auch  nur  etwas  kurzer  im  Haar, 
deshalb  zu  Decken  auch  recht  gut  zu  verwenden.  Dann  kommen  die  ,, Tientsin", 
die  flach  sind,  und  die  Hankows,  die  noch  geringer  sind. 

Im  nordwestlichen  China  triff t  man  den  Mongolenhund,  ein 
schonesTier  von  Wolf sgrosse,  mit  sehr  langer,  dichter,  meist  glanzend  schwarzer 


III.  Die  Hundearten. 


437 


Behaarung.  Diese  Tiere  sind  ungemein  bissig,  und  besonders  Fremde  mussen 
sich  sehr  in  acht  nehmen,  ihnen  nahe  zu  kommen.  Die  Hunde  schiitzen  auch 
die  Herden  erfolgreich  gegen  die  Raubereien  des  Wolfes. 

Von  diesen  Fellen,  die  ein  schones  Pelzwerk  abgeben  wiirden,  kamen  bis- 
her  sehr  wenig  in  den  Handel. 

Sehr  gut  sind  noch  die  Felle  des  ostsibirischen  Hundes, 
der  meistens  ein  ganz  wolfsahnliches  Aussehen  hat.  Es  sind  aber  dabei  ver- 
schiedene  Arten  vertreten,  die  teils  zur  Jagd,  teils  zum  Schlittenziehen  ab- 
gerichtet  werden.  Die  Eingeborenen  wissen  die  Charaktereigenschaften  der 
Tiere  genau  zu  beobachten,  und  haben  fur  jede  Jagdart  die  sich  dafiir 
eignenden  Hunde  dressiert. 

Der  Kamtschadalenhund  ist  bedeutend  grosser  als  der  sibirische 
und  wohl  grosste  Schlittenhund  iiberhaupt.  Er  ist  dem  Kamtschadalen 


Eskimo-Hund. 


unentbehrlich  so  wohl  im  Winter  zum  Schlittenziehen,  als  zur  Barenjagd  usw. 
Trotzdem  werden  die  Tiere  schlecht  gehalten  und  gefuttert,  so  dass  sie  halb- 
wild  und  bosartig  sind.  In  den  Dorfern  soil  es  ganz  unmoglich  sein,  Gefliigel 
und  Kleinvieh  zu  halt  en,  da  diese  von  den  Hunden  sofort  zerrissen  werden. 
Auf  den  verschiedenen  Siidpolarexpeditionen  sind  in  der  letzten  Zeit  besonders 
Kamtschadalenhunde  verw^ndet  worden,  wahrend  die  Nordpolarexpeditionen, 
je  nach  dem  Ausgangspunkt,  Eskimo-  oder  Samojedenhunde  verwendet  haben. 
Letztere  sind  kleiner  als  die  ostsibirischen  Schlittenhunde,  auch  nicht  so  aus- 
dauernd,  sind  aber  leichter  in  grosseren  Mengen  zu  beschaffen.  Viel  schwieriger 
sind  auch  Eskimohunde  in  geniigender  Zahl  fur  Expeditionen  zu  bekommen, 
da  die  Eskimos  in  ihrer  Lebensfuhrung  geradezu  auf  die  Hunde  angewiesen 
sind.  Auch  diese  Hunde  sind  sehr  bissig  und  unvertraglich,  so  dass  sich  die 
einzelnen  erbitterte  Schlachten  liefern,  bis  ein  besonders  starker  die  Ober- 
herrschaft  iiber  das  ganze  Gespann  errungen  hat.  Die  Handhabung  eines 
solchen  Gespanns  bietet  grosse  Schwierigkeit  und  erfordert  grossere  Ubung. 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Wenn  die  Tiere  gut  behandelt  werden,  wie  das  bei  den  europaischen  Expe- 
ditionen  fast  stets  der  Fall  ist,  sind  sie  auch  anhanglich,  und  alle  Polar- 
forscher  sprechen  nur  mit  Lob  von  ihren  vierf  iissigen  Gefahrten.  Ihre  Ausdauer 
und  Geniigsamkeit  ist  geradezu  hervorragend.  Auch  in  Alaska  bilden  die 
Schlittenhunde,  zu  denen  meist  Eskimohunde  verwendet  werden,  einen  sehr 
wertvollen  Besitz,  da  namentlich  im  Norden  des  Gebietes  der  ganze  Verkehr 
im  Winter,  sowohl  Fracht  wie  Post,  mittelst  Hundeschlitten  stattfindet. 
Uber  die  Hunde  im  Hudsonsbaygebiet  berichte  ich  an  anderer  Stelle.  Die 
Felle  aller  dieser  nordiscben  Hundearten  kommen  fast  gar  nicht  in  den 
Handel,  ein  so  geeignetes  Material  sie  auch  liefern  wiirden,  denn  die 
gesamten  gewonnenen  Felle  werden  lokal  verbraucht,  und  sie  nur  des 
Felles  halber  zu  ziichten,  wie  das  in  der  Mandschurei  geschieht,  sind  sie  zu 
wertvoll. 

Von  europaischen  Haushunden  werden  nur  die  russischen  Hundefelle 
in  grosseren  Mengen  verbraucht,  aber  auch  fast  nur  lokal  zu  Bauernpelzen  usw. 
In  den  Welthandel  gelangen  nur  wenige.  Von  den  zahlreichen  Wildhunden, 
die  zum  Teil  nebst  den  Schakalen  und  Wolfen  die  Stammvater  mehrerer 
Hunderassen  bilden,  haben  nur  zwei  ein  brauchbares  Fell,  das  ist  der  Canis 
alpinus,  welcher  in  der  Mandschurei  und  dem  siidlichen  Ostsibirien  lebt. 
Das  Tier  ist  in  der  Grosse  des  chinesischen  Wolfes,  Riicken  und  Seiten 
sind  rotlich  mit  fahlrotlichem  Bauch  und  Hals.  Der  Schweif  ist  nicht 
so  buschig  und  dicht  wie  beim  Wolf.  Die  Behaarung  ist  kurz  und  grob, 
aber  dicht. 

Nach  Radde  lebt  er  in  Trupps  von  vier  bis  zehn  Stuck,  wahrend  mir  von 
den  Chinesen  in  der  Mandschurei  berichtet  wurde,  dass  er  nur  einzeln  oder 
paarweise  lebe.  Sein  Hauptschlupfwinkel  sind  dichte  Rohrwaldungen,  doch 
macht  er  bei  seiner  Schnelligkeit  oft  weite  Tagesstreifziige,  von  denen  er  aber 
stets  in  seinen  Standort  zunickkehrt.  Er  wird  von  den  Eingeborenen  sehr  ge- 
furchtet  und  niemals  gejagt.  Nach  Radde  fluchten  sich  die  Jager,  wenn  sie 
dem  Wildhund  begegnen,  auf  Baume.  In  der  Mandschurei  glauben  die 
Chinesen,  dass  er  der  argste  Feind  des  Tigers  sei,  und  dass  dieser  stets  ein  Gebiet 
raume,  in  welchem  ein  paar  Wildhunde  ihren  Wohnsitz  genommen.  Aus  diesem 
Grunde  wird  ihm  auch  in  der  Mandschurei  nicht  nachgestellt. 

Alle  diese  Ziige  deuten  auf  einen  echten  Wildhund  und  nicht  auf  den 
immerhin  feigen  Wolf,  und  man  erzahlt  ahnliches  auch  von  den  indischen 
Wildhunden,  die  allerdings  in  grosseren  Rudeln  jagen.  Ich  habe  im  ganzen  nur 
drei  Felle  gesehen;  einen  Handelsartikel  bilden  dieselben  nicht.  Ob  der 
japanische  Wildhund  auf  Yesso  Canis  nippon  mit  dem  erwahnten  Wildhund 
verwandt  ist,  kann  ich  nicht  angeben,  da  ich  keine  Felle  desselben  zu  Gesicht 
erhielt. 

Der  andere  der  siidamerikanischen  Wildhunde,  Canis  jubata,  ist  bei  den 
Wolfen  naher  beschrieben,  da  er  von  den  meisten  Forschern  zu  diesen  ge- 
rechnet  wird. 


III.  Die  Hundearten. 


2.  Wolfe. 

a)Amerikanische    Wolfe. 

In  Amerika  sind  vorzugsweise  zwei  grosse  Gruppen  von  Wolfen  zu 
unterscheiden.  Die  Prariewolfe  und  die  Waldwolfe  (timberwolves) .  Die 
letzteren,  die  fruher  uberall  sehr  zahlreich  und  eine  grosse  Plage  der  Vieh- 
ziichter  war  en,  .sind  infolge  der  hohen  Fangpramien  und  den  star  ken 
Nachstellungen  verhaltnismassig  selten  geworden.  Die  zahlreichste  Gruppe 
ist  noch  der  Cants  occidentalis,  der  in  drei  Unterarten,  C.  occ.  griseus^  C.  occ. 
ater  und  C.  occ.  albus  vorkommt.  Die  gross! en  sind  die  weissen  C.  occ. 
albus,  die  den  aussersten  Norden  von  Kanada,  das  arktische  Amerika  und 
Gronland  bewohnen.  Es  sind  grosse  starke  Tiere,  die  in  Trupps  jagen  und 
namentlich  den  wilden  Renntieren,  den  Caribus  nachstellen.  Eine  ganz  be- 
sondere  Gruppe  scheinen  die  sogenannten  Churchill- Wolfe  zu  sein,  die  nur 
auf  den  Barrenground,  in  der  Nahe  des  Hudsonsbay  Postens  Fort  Churchill 
vorkommen.  Es  sind  das  die  grossten  Wolfe,  die  es  iiberhaupt  gibt,  und  das 
Fell  erreicht  eine  Lange  von  7  Fuss.  Das  Haar  ist  fast  rein  weiss,  sehr  lang, 
dicht  und  feinseidig.  Ein  solches  Fell  hatte  einen  Wert  von  ca.  60  Schilling, 
doch  kamen  fruher  selbst  nur  einige  Hundert  in  den  Handel,  jetzt  nur  etwa 
5  bis  10  Stuck,  die  mit  Phantasiepreisen  bezahlt  werden. 

Selten  ist  der  schwarze  Wolf,  C.  occ.  ater,  wahrend  am  haufigsten  der 
graue  Wolf,  C.  occ.  griseus,  ist.  Der  Verbreitungsbezirk  ist  sehr  ausgedehnt 
und  reicht  von  den  Kiisten  des  Polarmeeres  bis  nach  Texas.  Er  ist,  wie  schon 
oben  gesagt,  selten  geworden,  nur  in  Maine  und  einzelnen  Staaten  des  Nord- 
westens,  Kanada  und  Alaska,  kommt  er  noch  haufiger  vor.  Er  ist  wesentlich 
grosser  und  starker  als  sein  europaischer  Vetter,  greift  aber  den  Menschen  fast 
niemals  an.  In  Trupps  von  6  bis  10  Stuck  wandern  sie  oft  weit  herum,  nur 
in  besonders  giinstigen  Umstanden  einen  festen  Standort  wahlend.  Die 
Begattung  findet  Februar  und  Marz  statt,  und  3  bis  6  Junge  werden  auf  ein- 
mal  geworfen.  Es  sollen  ubrigens  haufig  Wolfe  verschiedener  Farbe  im  selben 
Trupp  vorkommen.  Der  Waldwolf  ist  von  geradezu  unheimlicher  Schlauheit 
und  weiss  alien  Fallen  geschickt  aus  dem  Wege  zu  gehen,  ist  auch  sehr  selten 
in  Schussnahe  zu  bekommen,  geht  auch  fast  nur  in  der  Nacht  auf  Raub  aus. 
Set  on  Thompson  erzahlt  von  einem  riesigen  Wolf,  der  jahrelang  im  nordlichen 
Neu-Mexiko  am  Currupaw  mit  einem  halben  Dutzend  Gefahrten  hauste  und 
den  Ansiedlern  wahrend  dieser  Zeit  iiber  1000  wert voile  Rinder  bester  Rasse 
raubte,  nebst  ungezahlten  Schafen,  die  sie  aus  blosser  Mordlust  toteten. 
Trotzdem  ganz  aussergewohnliche  hohe  Belohnungen  (bis  1000  Dollar)  aus- 
gesetzt  war  en,  verstand  er  es,  den  geschickt  gestellten  Fallen  auszuweichen 
und  riihrte  auch  nie,  selbst  in  verschmitztester  Weise  hergestellte,  Giftbrocken 
an.  Ja  er  bewahrte  auch  seine  Gefahrten  vor  alien  Listen  der  erfahrensten 
Trapper  und  Wolfsjager.  Erst  durch  einen  Zufall  geriet  er  in  die  Gewalt  seiner 


440  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Feinde.  Die  Pramie  fur  Wolf sskalpe  1st  in  verschiedenen  Staaten  auf  15  Dollar 
erhoht,  und  das  Fell  hat  auch  noch  einen  Wert  von  4  bis  5  Dollar,  trotzdem 
kommen  jahrlich  kaum  mehr  als  5000  Stuck  in  den  Handel.  Wie  bei  den 
europaischen  Wolfen,  kommt  auch  bei  den  amerikanischen  Wolfen  nicht  selten 
Tollwut  vor.  Einen  grossen  Verbreitungsbezirk  hat  auch  der  amerikanischc 
Waldwolf,  Canis  nubilus,  ein  grosser  russfarbig  brauner  Wolf,  der  vom 
Sklavensee  bis  nach  Jowa  und  Idaho  und  von  Nebraska  bis  nach  Nord- 
kalifornien  vorkommt.  Auch  er  stellt  sowohl  dem  Wilde  als  dem  weidenden 
Grossvieh  nach  und  jagt  in  kleinen  Trupps.  Er  ist  heute  aber  nirgends  haufig. 


Gefangene  Prarie-Wolfe. 

Desto  zahlreicher  sind  uberall  noch  die  Prariewolfe,  von  denen  es  zahl- 
reiche  Arten  gibt.  Dieselben  sind,  wie  schon  der  Name  andeutet,  stets  an 
das  Prariegebiet  gebunden  und  kommen  in  Walddistrikten  nicht  vor.  Der 
grosste  ist  Canis  latrans,  der  das  nordwestliche  Prariegebiet  vom  Mississippi 
bis  an  die  Rockymountains  bewohnt.  Das  Tier  hat  die  Grosse  eines  starken 
Schaferhundes,  hat  langes,  dichtes  Haar,  welches  aber  nicht  so  dicht  ist,  als  das 
des  Waldwolf  es,  die  Farbe  ist  graugelb,  mit  schwarzen  Spitzen  der  Riicken- 
und  Seitenhaare,  der  Bauch  ist  weisslich  gelb,  der  kraftige  grobhaarige 
Schweif  hat  meist  eine  schwarze  Spitze. 

Ostlich  von  Colorado  bis  Nebraska  und  nordlich  bis  zur  Ebene    des 
Saskatschewan  lebt  Canis  nebracensis,  der  kleiner  als  der  vorige  ist,  aber,  dem 


III.  Die  Hundearten.  441 


Klima  cntsprechend,  ein  dichteres  Haar  hat,  Noch  kleiner  ist  Cants  lestes, 
der  in  Nevada,  Washington,  Oregon  und  dem  siidlichen  British  Columbia 
vorkommt.  Diese  verschiedenen  Prariewolfe  werden  auch  haufig  von  den 
Jagern  als  Coyote  bezeichnet,  dieser  Name  kommt  aber  eigentlich  den  weiter 
siidlich  lebenden  Prariewolfen  zu.  Es  sind  dies  der  verhaltnismassig  grosse 
Canis  frustor  in  Texas,  Canis  meansi  in  Arizona  und  Sonora,  der  kleine  aber 
dunkel  gefarbte  Canis  ocbropus  in  Texas  und  Mexiko,  Canis  mexicanus  in 
Mexiko.  Trotz  der  Pramien  hat  sich  bisher  keine  nennenswerte  Abnahme  der 
Prariewolfe  gezeigt,  auch  richten  sie  keinen  so  grossen  Schaden  an  wie  der 
Waldwolf.  Wenn  sie  gelegentlich  auch  Schafe  angreifen,  so  besteht  ihre 
Hauptnahrung  doch  aus  Mausen,  Prariehunden,  Gophern,  Bisamratten, 
Beeren,  und  namentlich  Aas.  Sie  sind  die  Strassenreiniger  der  Steppe,  Ausser- 
dem  suchen  sie  in  der  Nahe  menschlicher  Lagerplatze  zu  stehlen,  was  sie 
konnen  und  werden  haufig  dadurch  lastig.  Sie  schlagen  sich  haufig  in  grossere 
Rudel  zusammen  und  beginnen  die  Nahrungssuche  meist  in  der  Morgen- 
dammerung  und  jagen  bei  Tageslicht.  Prariewolfe  scheuen  den  Menschen  wenig, 
wagen  es  aber  nie,  inn  anzugr.eifen.  Ihre  Feigheit  1st  spruchwortlich  und  ist 
,, -Coyote"  ein  sehr  gebrauchliches  Schimpfwort  fur  einen  feigen  niedrig- 
denkenden  Menschen.  In  den  Zentralprariestaaten  sind  Wolfshetzen  ein  sehr 
beliebter  Sport,  dem  auch  Roosevelt  mit  Leidenschaft  nachging.  Man  halt 
.aber  dazu  keine  besonderen  Meuten  wie  in  England  zur  Fuchshetze,  sondern 
alle  moglichen  Hunde  sind  im  Pack  vereinigt.  Die  Hunde  verfolgen  die  Prarie- 
wolfe mit  todtlichem  Hass  und  viele  Hunde  gehen  oft  ganz  allein  auf  die 
Wolfsjagd.  Die  Stimme  des  Prariewolfes  ist  ein  heiseres  Bellen,  nicht  das 
langgezogene  Heulen  des  Waldwolfes  oder  europaischen  Wolfes.  Es  kommen 
jahrlich  wohl  40  ooo  Prariewolffelle  in  den  Handel,  die  etwa  5  bis  20  Mk. 
per  Stuck  wert  sind.  Die  wertvollsten  sind  die  Felle  aus  dem  Skatschewan- 
.gebiet  von  wo  aber  nur  2  bis  3000  Stuck  jahrlich  kommen. 

b)   Sudamerikanische    Wolfe. 

Im  siidlichen  Mexiko  und  Zentralamerika  sind  mehrere  Wolfsarten, 
namentlich  die  beiden  Canis  peninsula?  und  Canis  microdon  gehen  bis  an 
die  Grenze  von  Siidamerika.  Ihre  stylisierten  Figuren  finden  sich  auf  den 
uralten  Mayaskulpturen  Guatemalas.  Siidamerika  beherbergt  zwei  Wolfsarten. 
Im  aussersten  Siiden  auf  den  Falklandsinseln  und  an  der  Magellansstrasse 
;sowie  auf  Feuerland  lebt  Canis  antarcticus,  etwa  vonder  Grosse  eines  nord- 
amerikanischen  Prariewolfes,  aber  kurzbeiniger,  Schwanz  ist  grob  und  nicht 
so  buschig,  das  Haar  des  Riickens  aber  fein  und  weich.  Die  dichte  Unterwolle 
ist  blassbraun,  das  Oberhaar  an  der  Spitze  schwarz,  dann  weissgeringelt,  die 
AVurzel  braun.  Die  Lange  von  der  Schnauze  bis  zur  Schwanz wurzel  betragt 
90  cm  bis  i  m,  der  Schwanz  30  bis  35  cm,  doch  kommen  auch  grossere 
Exemplare  vor.  Das  Tier  nahert  sich  hauptsachlich  von  den  zahlreichen  Strand- 


442  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

vogeln  sowie  den  briitenden  Wildgansen  usw.,  findet  sich  auch  bei  den 
Kadavern  getoteter  Seehunde  ein.  Haufig  ist  der  antarktische  Wolf  nirgends 
und  kommen  wohl  kaum  mehr  als  100  Felle  jahrlich  liber  Punta  Arenas  in 
den  Handel.  Manchmal  findet  man  die  Felle  unter  den  patagonischen  Fiichsen. 
Bedeutend  grosser  ist  der  rote  Mahnenwolf  Canis  jubatus,  der  aber  von 
vielen  Forschern  fur  einen  Wildhund  gehalten  wird.  Er  misst  durchschnittlich 
von  Schnauze  bis  Schwanzwurzel  150  cm,  dazu  der  Schweif  mit  ca.  40  cm 
Lange.  Die  Farbe  ist  gelbrot  bis  rot,  das  Haar,  das  ziemlich  grob  und  glanzlos 
ist,  ist  ca.  7  bis  8  cm  lang.  Auf  dem  Nacken  und  bis  zur  Halfte  der  Riicken- 
lange  erhebt  sich  eine  Art  Marine  von  ca.  15  cm  langem  Haar,  der  Bauch  ist 
hellrotlich.  Unterwolle  ist  nur  schwach  entwickelt.  Das  Tier  ist  ziemlich 
scheu,  weicht  dem  Menschen  weit  aus  und  richtet  auch  unter  dem  Vieh  keinen 
Schaden  an,  sondern  nahrt  sich  von  Wild,  kleinen  Saugetieren  und  Vogeln. 
Der  Verbreitungsbezirk  erstreckt  sich  liber  das  ganze  ostliche  Slidamerika, 
von  Brasilien  liber  Paraguay  bis  zum  nordlichen  Patagonien,  doch  ist  sein 
Vorkommen  an  den  Wald  gebunden.  Auch  ist  er  nirgends  haufig.  Es  kommeiL 
nur  wenig  Felle  in  den  Handel. 

c)Europaische    Wolfe. 

In  Europa  ist  vorlaufig  nur  eine  Wolfsart  bekannt,  der  Canis  lupus.. 
Derselbe  ist  in  Russland  noch  sehr  haufig,  ausserdem  in  Ungarn,  den  Karpaten- 
landern,  in  Frankreich  auch  durchaus  nicht  selten.  Werden  doch  jahrlich 
in  Frankreich  noch  ca.  600  bis  800  Wolfe  erlegt,  fiir  die  150  Frank  pro  Stuck 
Pramie  gezahlt  wird.  Es  gibt  dort  auch  noch  staatlich  angestellte  besondere 
Wolfsjager  ,,louvetiers".  Auch  in  den  belgischen  Ardennen  kommen  noch 
Wolfe  vor.  In  Deutschland  ist  der  Wolf  nicht  mehr  Standwild,  doch  kommen. 
in  strengen  Wintern  aus  Russland  nicht  selten  welche  nach  Ostpreussen,  und 
auch  in  den  Waldungen  Oberschlesiens  wird  ab  und  zu  ein  Wolf  gesplirt. 
In  Lothringen  kommen  jeden  Winter  Wolfe  zur  Strecke,  die  aus  Frankreich 
heruberwechsem  und  auch  nach  der  Eifel  kommt  ab  und  zu  ein  solcher  Gast 
aus  den  Ardennen.  Der  europaische  Wolf  ist  meist  rotlich  gelb,  mit  langem 
groben  Oberhaar,  das  mit  einzelnen  schwarzen  Haaren  untermischt  ist,  hat 
eine  dicke  blaulichgraue  Unterwolle,  die  Unterseite  ist  weisslich  gelb,  der 
Schweif  dicht  und  buschig,  die  Spitze  schwarz.  Der  Wolf  hat  die  Grosse  etwa 
eines  schottischen  Schaferhundes,  doch  sind  die  russischen  etwas  grosser.  Ob 
die  spanischen  Wolfe,  die  meist  schlanker,  dlinner  behaart  und  gelblicher  in  der 
Farbe  sind,  eine  eigene  Art  bilden,  steht  noch  nicht  fest.  Es  sollen  dort  auch 
verhaltnismassig  viel  schwarze  Wolfe  vorkommen,  doch  habe  ich  solche  nicht 
gesehen,  da  spanische  Wolfe  sehr  wenig  in  den  Handel  kommen.  Wahrend  im 
iibrigen  Europa  der  Wolf  meist  einzeln  oder  hochstens  in  kleinen  Trupps  vor- 
kommt,  schlagen  sich  die  Tiere  in  Russland  im  Winter  zu  grossen  Rudeln 
zusammen,  die  dann  auch  dem  Menschen  gefahrlich  werden.  Unter  dem  Vieh- 


III.  Die  Hundearten.  443 


stande  richten  die  Wolfe  natiirlich  grosse  Verheerungen  an.  Am  meisten  fallen 
ihnen  aber  die  Dorfkoter  zum  Opfer,  wobei  sie  ganz  planmassig  zu  Werke  gehen. 
Ein  Wolf  erscheint  in  der  Nahe  des  Dorfes,  worauf  sofort  eine  Schar  Hunde  auf 
ihn  Jagd  machen.  Er  flieht  eiligst,  fiihrt  aber  seine  Verfolger  auf  Umwegen 
dahin,  wo  seine  Gefahrten  auf  der  Lauer  liegen.  .  .  .  Keiner  der  Hunde  er- 
reicht  das  heimische  Dorf  wieder.  Uberhaupt  sind  die  Wolfe  ungemein  schlau 
und  vorsichtig,  weshalb  sie  auch  alien  Nachstellungen  zum  Trotz  sich  solange 
halten.  In  Russland  werden  die  Wolfe,  namentlich  auf  den  Steppen  der  Ukraine 
zu  Pferd  gehetzt  und  auch  die  Donschen  Kosaken  betreiben  die  Wolfshetze 
als  Sport.  Im  ganzen  werden  in  Russland  etwa  100  ooo  Wolfe  jahrlich  erlegt. 
Die  Pramie  fur  jeden  erlegten  Wolf  betragt  10  Rubel.  Bei  den  Wolfen  ist  die 
Tollwut  nicht  selten,  und  werden  dann  oft  viele  Menschen  gebissen. 

d)    Ostasiatische  Wolfe. 

Sehr  zahlreich  sind  Wolfe  in  Sibirien.  Es  ist  dies  sieherlich  eine  vom 
europaischen  Wolfe  abweichende  Art.  Das  Tier  ist  bedeutend  grosser  und 
starker  und  kommen  Exemplare  bis  zu  2  Meter  Lange  vor.  Das  Haar  ist  viel 
langer  und  dichter  und  ahnelt  darin  dem  grossen  amerikanischen  grauen  Wald- 
wolf  aus  dem  Hudsonsbay-Gebiet.  Die  Farbe  ist  meist  hell,  im  ostlichen  Sibirien 
aber  vorwiegend  weisslich.  Auf  der  Tschuktschen-Halbinsel  und  an  der  Kiiste 
des  Eismeeres  kommt  ein  fast  weisslicher  Wolf  vor,  der  aber  mit  dem  Canis 
lupus  albus  Amerikas  keine  Ahnlichkeit  hat  und  noch  weniger  mit  dem  weissen 
Chirr  chill  wolf .  Das  Haar  ist  viel  grober,  nicht  so  seidig  und  auch  nicht  so  rein 
in  der  Farbe. 

Im  allgemeinen  bevorzugt  der  sibirische  Wolf  das  Waldgebiet,  doch  folgt 
er  den  Renntierherden  der  Tschuktschen  und  Tungusen,  Samo  jeden  usw, 
bis  weit  in  die  ode  Tundra  noch  iiber  den  Polarkreis  hinaus.  Nordenskiold 
erhielt  wahrend  seiner  Uberwinterung  im  nordlichen  Eismeer  zahlreiche  Wolfs- 
felle  von  den  Eingeborenen.  Auch  auf  Kamtschatka  und  auf  Sachalin  ist  der 
Wolf  haufig.  Er  stellt  mit  Vorliebe'den  weidenden  Herden  nach,  wird  aber 
bei  den  Pferdeherden  von  den  wachsamen  Hengsten  meistens  schleunigst  in 
die  Fluent  getrieben,  wahrend  die  Stuten  einen  Kreis  bilden,  mit  den  Kopfen 
nach  innen  und  die  wehrhaften  Hufe  nach  aussen.  Wie  der  europaische  Wolf, 
holt  sich  auch  sein  sibirischer  Vetter  gern  einen  HaushundzurMahlzeit.  Dass  er 
Menschen  angreift,  habe  ich  nicht  gehort,  doch  mag  dies  im  Winter,  wenn  er 
durch  Hanger  dazu  gereizt  wird,  wohl  vorkommen. 

Im  Sommer  jagt  der  Wolf  meist  einzeln  mit  einer  unermiidlichen  Geduld, 
indem  er  hinter  einem  Murmeltierhiigel  oder  an  der  Tranke  stundenlang  auf 
ein  Reh  oder  anderes  Wild  lauert.  Im  Winter  vereinigt  er  sich  zu  kleinen 
Trupps  von  3  bis  6  Stuck,  und  hetzt  hinter  dem  Wilde  her,  indem  sich  die 
einzelnen  Wolfe  ablosen,  und  das  Tier  im  Kreise  herumjagen,  bis  es  erschopft 
ihnen  zur  Beute  fallt.  Zu  so  grossen  Rudeln  wie  in  Russland  oder  Polen 


444  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

vereinigt  sich  der  sibirische  Wolf  me.  In  Kamtschatka  und  auch  wohl 
.am  Amur  folgt  er  den  Lachsziigen  und  mastet  sich  an  den  aufs 
Trockene  gedrangten  Fischen;  er  soil  in  flachen  Stellen  auch  selbst  Fischfang 
treiben. 

Es  kommen  jahilich  etwa  10  bis  20  ooo  sibirische  Wolfsfelle  in  den  Handel, 
die  augenblicklich  etwa  15  bis  30  Mk.  per  Stuck  Wert  haben. 

In  Nordchina  lebt  ein  anderer  Wolf,  wahrscheinlich  Canis  lupus  laniger, 
von  den  Chinesen  Sa  Long  genannt. 

Er  ist  viel  kleiner  a  Is  der  europaische  Wolf  und  ahnelt  an  Grosse  und  Ge- 
stalt  mehr  dem  amerikanischen  Prariewolf,  ist  aber  schlanker  und  hoch- 
beiniger  als  dieser. 

Die  Farbe  ist  helles  gelbgrau,  die  Haare  kurz  und  briichig,  die  Unter- 
wolle  nicht  sehr  dicht.  Auf  Riicken  und  Nacken  bilden  langere  starkere  Haare 
eine  Art  Mahne.  Der  Schweif  ist  buschig  wie  beim  europaischen  Wolf.  Die 
Lange  des  Felles  von  Schnauze  bis  Schwanzwurzel  ist  etwa  100  bis  no  cm 
Schweif  lange  ca.  30  cm. 

Der  chinesische  Wolf  lebt  in  den  nordlichen  Provinzen  Chinas  und  kommt 
bis  in  die  Umgegend  Pekings,  doch  ist  er  nirgends  sehr  haufig.  Er  bildet  auch 
keine  Rudel  wie  in  Russland  oder  Amerika,  sondern  lebt  einzeln  oder  paarweise. 
Hochstens  in  strengen  Wintern  bilden  sich  kleinere  Trupps,  die  aus  einer 
Familie  zu  bestehen  scheinen. 

Den  Menschen  greift  er  nie  an  und  geht  ihm  scheu  aus  dem  Wege,  doch 
erzahlen  die  Chinesen,  dass  er  manchmal  aus  einzeln  stehenden  Hausern 
kleine,  ohneAufsicht  gebliebene  Kinder  wegschleppen  soil,  wie  dies  auch  der 
sonst  so  feige  indische  Schakal  tut.  Die  Chinesen  fiirchten  ihn  und  reissen  bei 
seinem  Anblick  aus,  wahrend  die  Mongolen  dreist  auf  den  Wolf  losgehen  und 
ihn  mit  der  Peitsche  vertreiben.  Ich  selbst  bekam  nur  einmal  in  der  Mand- 
schurei  einen  Wolf  zu  Gesicht,  doch  ergriff  er  schon  in  500  Schritt  Ent- 
fernung  eiligst  die  Flucht.  Felle  habe  ich  aber  zu  vielen  hunderten  zu 
Gesicht  bekommen.  Es  wird  iibrigens  nur  ein  Teil  der  Felle  ausgefiihrt, 
vielleicht  1000  Stuck  jahrlich,  da  haufig  der  Preis  in  China  hoher  ist  als  auf 
dem  Weltmarkt. 

Augenblicklich  ist  der  Wert  etwa  8  bis  10  Mk.  Der  chinesische  Wolf 
bevorzugt  iibrigens  keineswegs  die  Waldungen,  sondern  findet  selbst  in  den 
ganzlich  waldlosen  Ebenen  Chinas  genugende  Schlupfwinkel.  Derselbe  Canis 
lupus  laniger  findet  sich  auch  in  einem  grosseren  TeileZentralasiens,  namentlich 
aber  auch  in  der  Mongolei  und  Tibet.  In  Tibet  aber  gibt  es  noch  mehrere 
andere  Wolfsarten.  Zunachst  den  grossen  schwarzen  C.  laniger  niger,  schwarz 
mit  weisser  Schnauze,  weissen  Fiissen  und  weissem  Brustfleck.  Ist  im  Handel 
sehr  selten. 

Ferner  beschreibt  Herr  Professor  Mat schie  noch  mehrere  von  Lt.  Filchner 
mitgebrachte  Arten.  Lupus  filcbneri,  kleiner  als  C.  laniger,  mit  kiirzerem 
Jiellerem  Schweif,  mit  schwarzer  Spitze,  und  lebhafter  gefarbten  Ohren.  Vom 


III.  Die  Hundearten.  445 


Kukunor  kommt  der  von  Matschie  beschriebene  L.  caracorensis,  bedeutend 
grosser  als  die  anderen.  Lange  des  Felles  von  Nasenspitze  bis  Schwanzwurzel 
140  cm,  Schwanz  ca.  45  cm  lang.  Die  Farbung  chamoisfarbig  mil  schwarzen 
Tonen  gemischt,  mit  rauchfarbiger  Unterwolle,  Unterseite  weiss.  Die  Beine 
mit  einer  schmalen  schwarzen  Langsbinde. 

Im  Siiden  Chinas  lebt  noch  ein  kleiner  Wolf,  C.  cbanco,  von  dem  ich  aber 
keine  Felle  gesehen  habe.  Dieselben  sollen  hellgelb  sein. 

In  Indien  lebt  ziemlich  haufig  ein  Wolf,  Lupus  pallipes,  ein  schlankes,. 
hochbeiniges  Tier,  etwas  grosser  als  der  Prariewolf ,  Farbe  ist  gelb,  mit  dunklem 
Riickenstreifen,  Schwanzspitze  weiss.  Die  Unterwolle  ist  gelbbraun,  aber  nur 
bei  Fellen  aus  den  nordlichen  Gebirgsgegenden,  einigermassen  dicht  im  Siiden 
ist  das  Haar  sehr  diinn  und  briichig.  Er  jagt  nur  paarweise,  nie  in  Rudeln, 
ganz  im  Gegensatz  zu  den  in  derselben  Gegend  lebenden  Wildhunden,  er 
heult  auch  nicht,  sondern  jagd  stumm.  Er  soil  haufig  Kinder  rauben,  und  er- 
halt  sich  in  Indien  die  Sage,  dass  Kinder  von  Wolfen  grossgezogen  sind, 
hartnackig.  Bekanntlich  hat  auch  Rudyard  Kipling  diese  Sage  in 
seinem  Junglebook  benutzt.  Es  werden  jahrlich  nach  der  indischen 
Statistik  dort  6  bis  8000  Wolfe  getotet.  Doch  kommen  nur  wenig  Felle 
zum  Export. 

In  Japan  lebt  ein  Wolf,  Cants  hodopbylax,  japanisch  Jama  Jun,  der 
aber  sehr  selten  ist.  Das  Fell  ahnelt  dem  chinesischen  Wolf,  ist  aber  mehr 
blaulich,  die  Lange  des  Felles  ca.  i  m,  der  Schweif  25  cm.  Hauptsachlick 
lebt  er  auf  der  Insel  Jesso,  kommt  aber  fast  gar  nicht  in  den  Handel. 

e)Afrikanische    Wolfe. 

In  Nordostafrika  lebt  ebenfalls  ein  Wolf,  Canis  simensis,  der  ,,Dib"  der 
Araber,  ein  grosses  kraftiges  Tier,  mit  langer  spitzer  Schnauze,  der  stets  in. 
Rudeln  jagt,  die  Schaf-  und  Ziegenherden  angreift,  dem  Menschen  aber  nicht 
gefahrlich  wird.  Sein  Fell  kommt  im  Handel  nicht  vor. 


3.  Schakale. 

Erst  in  letzter  Zeit  bilden  Schakalfelle  einen  Gegenstand  des  Pelzhandels 
und  werden  in  grosseren  Mengen  importiert.  Die  Felle  werden  zumeist  zu 
Decken  verwendet,  wahrend  die  raucheren  weichhaarigen  Exemplare  zu 
Konfektionszwecken  benutzt  werden.  Die  sogenannten  sudamerikanischen 
Schakale  sind  falschlich  so  genannt,  da  sie,  wie  in  einem  spateren  Kapitel  aus- 
gefiihrt  wird,  zu  den  Fuchsarten  gehoren.  Am  meisten  kommen  die  griechischen 
Schakale  in  den  Handel,  doch  sind  auch  hier  zwei  Arten  zu  unterscheiden, 
der  Canis  aureus  dalmatinus,  etwa  fuchsgross,  wolfsgrau  mit  roten  Beinen  und 
Kopf,  der  in  Dalmatien  lebt,  und  der  ihm  sehr  ahnliche  aber  etwas  kleinere 


446  Naturgeschichte  der    Pelztiere. 

C.  aureus  graecus  im  eigentlichen  Griechenland.  Es  kommen  hiervon  jahrlich 
wohl  5  bis  10  ooo  Stuck  in  den  Handel,  im  Durchschnittswert  von  2  bis  3  Mk. 
pro  Stuck. 

Wesentlich  grosser  ist  der  im  Kaukasus  verbreitete  C.  aureus  der  an 
Grosse  in  der  Mitte  zwischen  Fuchs  und  Wolf  steht.  Die  Beine  sind  kiirzer, 
das  Haar  viel  grober  als  beim  Fuchs.  Auf  dem  Riicken  wird  dasselbe 
haufig  7  bis  8  cm  lang.  Die  Unterwolle,  die  etwas  sparlich  ist,  ist  grau,  die 
Grundfarbe  des  Felles  ein  schmutziges  fahlgelb,  auf  dem  Riicken  schwarz 
schattiert,  unten  gelbweiss.  Namentlich  in  Indien,  wo  eine  verwandte 
Form  C.  aureus  indicus  lebt,  sind  diese  Tiere  sehr  zahlreich  und  dabei 
ungeheuer  frech.  In  Delhi  beobachtete  ich  dieselben  haufig,  wie  sie 
des  nachts  auf  die  Veranda  meines  Schlafzimmers  kamen  und  dort  ihren 
melodischen  Gesang  anstimmten,  obgleich  die  Tiir  offen  stand.  Als  ich  einen 


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gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Tunesischer  Schakal    (Canis  aureas   tunensis). 


Pantoffel  nach  ihnen  schleuderte,  schienen  sie  dies  als  ein  passendes  Geschenk 
aufzufassen  und  suchten  damit  das  Weite.  Sie  kommen  auch  ofters  ganz  dreist 
in  die  Gehofte  und  suchen  in  augenblicklich  offen  stehenden  Zimmern  nach 
Nahrung.  Die  Indier  erzahlen,  dass  sie  auch  ofters  Sauglinge  aus  der  Wiege 
stehlen.  Vor  einem  Erwachsenen  nehmen  sie  aber  schleunigst  Reissaus.  Bei  den 
Angloindiern  ist  das  Schakalhetzen  mit  Fuchshunden  ein  sehr  beliebter  Sport. 

Obgleich  jahrlich  eine  sehr  grosse  Zahl  erlegt  wird,  kommen  doch  nur 
wenige  Felle  von  Indien  in  den  Handel.  Von  dem  in  Siam  lebenden 
Schakal  C.  crusemanis,  uberhaupt  keine.  Der  grosste  der  asiatischen  Schakale 
ist  der  arabische  Wolfsschakal,  C.  badramauticus,  von  den  Arabern  ebenso 
wie  der  Wolf  ,,Dib"  genannt.  Er  hat  ziemlich  die  Grosse  des  amerikanischen 
Prariewolfes,  und  ist  das  einfarbig  graugelbe  Haar  dicht  und  lang,  die 
Unterwolle  blaulichgrau  und  dicht.  Das  Fell  ist  trotz  seiner  siidlichen  Her- 
kunft  brauchbar,  doch  habe  ich  es  im  Pelzhandel  noch  nicht  gesehen. 

In  Afrika  gibt  es  zahlreiche  Schakalarten.  Im  Nordwesten  zunachst 
in  Algier  den  C.  aureus  algeriensis,  dem  griechischen  sehr  ahnlich,  und  den 


III.  Die  Hundearten.  447 


C.  aureus  tripolitanus,  mehr  gelblich  und  mit  grosseren  Ohren.  Da  die 
Tiere  auf  den  Gefliigelhofen  und  auch  bei  den  Lammern  vielen  Schaden 
anrichten,  zahlt  die  franzosische  Regierung  eine  Pramie  von  1,50  Frank  fur 
die  Erlegung  eines  Schakals  und  werden  jahrlich  in  Algier  allein  etwa  30  bis 
40  ooo  getotet.  Die  Felle  werden  aber  bisher  kaum  ausgefuhrt.  Am  Senegal 
lebt  der  C.  antbus,  blaugelb  mit  wolfahnlichem  Fell,  aber  ziemlich  klein. 

In  Agypten  findet  man  einen  grossen  Schakal,  der  dem  arabischen  ahnelt 
und  auch  den  Sammelnamen  ,,Dib"  tragt.  C.  lupaster,  grosser  als  unser  Fuchs, 
Farbung  wolfsartig,  rauhes  Stichelhaar,  an  der  Wurzel  schmutzig-weiss,  dann 
schwarz  und  ockerfarbig  geringelt,  das  Wollhar  rotbraun,  Beine  rotbraun, 
Schwanz  nicht  sehr  buschig.  Die  Jagd  auf  Schakale  bildet  einen  beliebten 
Sport  bei  den  Touristen,  ist  aber  des  Bakschischs  halber  bei  den  arabischen 
Fuhrern  noch  beliebter. 

Der  schonste  Schakal  ist  der  C.  mesomelas  im  Kaplande,  der  auch  in 
Deutsch-Sudwestafrika  vorkommt.  Er  ist  viel  dunkler  als  die  anderen  und 
herrscht  die  schwarze  Farbe  vor.  Er  hat  eine  Art  Riickenmahne  und  sehr 
grosse  Ohren. 

Von  den  Eingeborenen  werden  sehr  schon  gearbeitete  Decken,  ,,Karosse", 
daraus  gearbeitet,  die  auch  auf  den  Markt  kommen.  In  der  letzten  Zeit 
kommen  auch  einige  hundert  Felle  jahrlich  in  den  Handel,  doch  wiirde  auch 
ein  grosses  Quantum  schnellen  Absatz  finden. 

Im  siidlichen  und  Zentral-Afrika  lebt  C.  adustus,  der  Schabrakenschakal, 
mit  breiten  hellen  Langsstreifen  auf  der  Seite,  die  zu  Decken  verarbeitet  werden 
und  durch  ihre  hubsche  Zeichnung  sich  sehr  gut  fur  Pelzzwecke  eignen.  Bis 
jetzt  bilden  sie  aber  noch  keinen  Ausfuhrartikel,  trotzdem  sie  auch  in  unserer 
Kolonie  nicht  selten  sind.  Den  in  Siidafrika  noch  vorkommenden  C.  holubi 
habe  ich  nie  zu  Gesicht  bekommen. 


4.  Flichse. 

A.  Silberfiichse  (engl.   Silverfox,  franz.  renard  argente). 

Es  bildet  eine  grosse  Streitfrage  unter  manchen  Zoologen,  ob  Silberfiichse 
und  Kreuzfiich.se  eigene  Art  en  sind  oder  Abarten  des  Rotfuchses.  Meiner 
Ansicht  nach  ist  der  Silberfuchs,  Fulpes  argenteus,  eine  vollkommen  selb- 
standige  Art.  Es  ist  noch  niemals  nachgewiesen  worden,  dass  in  einem  Wurf 
von  Rotfuchsen  Silber-  oder  Kreuzfiichse  sich  neben  den  roten  Jungen  gef unden 
haben.  Im  Gegenteil,  an  der  Kiiste  von  Alaska  wird  schon  seit  einer  Reihe  von 
Jahren  Silberfuchszucht  auf  eizelnen  felsigen  Inseln  getrieben  und  immer  be- 
st ehen  die  Wiirfe  aus  echten  Silberfuchsen,  was  nicht  der  Fall  sein  wiirde, 
wenn  es  sich  nur  um  melanotische  Formen  handeln  wiirde.  Das  gleiche 
Resultat  ergibt  sich  bei  den  Silberfuchsfarmen  in  Neuschottland,  Maine  usw., 


448  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

die  ganz  vorziigliche  Felle  liefern.  Ausserdem  ist  es  auffallend,  dass  Silber- 
fiichse  nur  im  hohen  Norden  vorkommen,  niemals  in  siidlicheren  oder  ge- 
massigten  Gegenden.  Wenn  es  aber  Abarten  waren  oder  gar  nur  Schwarzlinge 
des  Rotfuchses,  miissten  sich  bei  dem  zahlreichen  Vorkommen  des  Rot- 
fuchses  auch  in  diesen  Gegenden  einmal  ein  Schwarz-  oder  Silberfuchs  gezeigt 
haben,  das  ist  aber  noch  nie  der  Fall  gewesen. 

Die  alteren  Forscher  nahmen  auch  die  Selbstandigkeit  der  Art  an,  und  ist 
deshalb  die  jiingere  Generation  im  Unrecht.  Auch  Trouessant  fiihrt  diese 
Fuchse  falschlich  nicht  als  eigene  Spezies  an.  Der  Silberfuchs  ist  ein  ziemlich 
grosses  Tier,  bedeutend  starker  und  holier  als  unser  deutscher  Fuchs  und  an 
Grosse  dem  grossen  amerikanischen  Rotfuchs  mindestens  gleich.  Die  Farbe 
variiert  sehr,  der  Grund  ist  stets  schwarzlich,  die  Grannenhaare  teils  schwarz, 
teils  an  den  Spitzen,  mehr  oder  weniger  tief  hinab,  silbrig  weiss.  Der  Nacken 
und  der  Bauch  ist  stets  schwarz,  ebenso  die  Oberseite  der  Fiisse  und  Zehen. 
An  der  Seite  der  Fiisse  findet  sich  auch  haufig  ein  silbriger  Streifen.  Der 
Schweif  ist  stets  schwarz  mit  weisser,  heller  Spitze,  die  nicht  silbrig,  sondern 
rein  weiss  ist. 

Der  Wert  richtet  sich  nun  ausser  der  Qualitat,  Dichte  und  Feinheit  des 
Haares  hauptsachlich  nach  der  Art  der  Verteilung  der  Silberspitzen.  Am 
wertvollsten  sind  die  ganz  schwarzen,  die  aber  ausserst  selten  sind.  Solche 
Schwarzfuchse  holen,  wenn  sie  sonst  vollkommen  erster  Qualitat  sind,  6  bis 
8000  Mk.  per  Stuck  in  erster  Hand.  Dann  kommen  solche,  wo  die  schwarze 
Farbung  sich  iiber  den  Riicken  erstreckt  und  nur  der  Rumpf  Silberspitzen  hat. 
Am  wenigsten  wert  sind  solche,  bei  denen  die  Silberspitzen  eine  stark  gelbliche 
Farbung  zeigen.  Das  Haar  auf  dem  Nacken  ist,  wie  schon  gesagt,  stets  schwarz 
und  viel  langer  und  feiner  als  das  Riickenhaar.  Ein  guter  Silberfuchs  (nicht 
Schwarzfuchs)  ist  1500 — 3000  Mk.  per  Stuck  wert. 

In  Amerika  findet  man  den  Silberfuchs  im  ganzen  Hudsonsbay-Gebietr 
Labrador,  Maine,  Neubraunschweig  und  Neuschottland,  Alaska  bis  zum 
nordlichen  Britisch-Kolumbia.  Die  feinsten  Felle  kommen  aus  Labrador. 

An  der  Westkiiste,  namentlich  auf  den  aleutischen  Inseln,  kommt  ein 
Silberfuchs  vor,  der  sogenannte  Sitka  oder  Kadiakfuchs,  der  mir  eine  eigene  Art 
zu  sein  scheint,  und  den  ich  V.  argenteus  sitkaensis  nennen  mochte.  Er  ist 
grosser  und  starker  als  die  anderen,  das  Haar  sehr  grob  und  lang,  fast  wolfs- 
artig.  Der  Wert  eines  solchen  Felles  ist  hochstens  200  Mk.,  wahrend  die 
anderen  Silberfuchse  von  500  bis  4000  Mk.  wert  sind,  je  nach  der  Zeichnung. 
Das  Hudsonsbay-Gebiet  liefert  jamiich  etwa  800  bis  1000  Stuck,  die  Ver- 
einigten  Staaten  nebst  Kanada,  Neubraunschweig,  Labrador  usw.  etwa  12  bis 
1500  Felle,  doch  sind  darunter  kaum  mehr  als  10  bis  12  richtige  Schwarz- 
fuchse. 

Im  nordlichen  Sibirien  kommen  auch  Silberfuchse  vor,  die  den  vorigen 
fast  gleichen,  so  dass  man  keine  eigentliche  Artunterschiede  feststellen  kann, 
nur  ist  das  Schwarze  immer  mehr  schiefrig  oder  mit  einem  bleifarbenen 


III.  Die  Hundearten. 


449 


Schimmer.  Seit  einigen  Jahren  werden,  wie  schon  oben  erwahnt,  Silber- 
fuchse  in  besonderen  Farmen  im  Nordosten  der  Vereinigten  Staaten  und 
Kanadas  gezuchtet,  und  kommen  jetzt  schon  jahrlich  mehrere  hundert  sehr 
schoner  Felle  aus  diesen  Gehegen  an  den  Markt.  Die  Zucht  ist  iibrigens 
besonders  wegen  der  grossen  Scheu  der  Silberfiichse  vor  dem  Menschen  sehr 
schwierig,  und  sind  deshalb  viele  kostspielige  Misserfolge  zu  verzeichnen.  Der 


Jahres-Kollektion  von  Silberfiichsen  in  einem  Fort  der  Hudsons-Bay  Co. 

Erfolg  hangt  besonders  von  der  Personlichkeit  des  Pflegers  ab.     Siehe  auch 
Artikel  in  Teil  I. 

B.    Kreuzfiichse 
(engl.  crossfox,  franz.  renard  croisse). 

Hier  liegt  die  Sache  noch  weit  verwickelter.  Es  ist  hier  wirklich  zweifel- 
haft,  ob  man  es  mil  einer  eigenen  Art  oder  mit  Kreuzung  von  Silber-  und 
Rotfuchs  zu  tun  hat,  oder  aber  ob  nur  eine  Varietat  des  gewohnlichen 
Fuchses  vorliegt.  Zwar  Macfarlane,  der  vorziigliche  Kenner  der  Fauna  des 
Hudsonsbai-Gebietes  gibt  an,  dass  in  einem  Wurf  des  Kreuzfuchses  stets  nur 
Kreuzfiichse  gefunden  werden.  Gegen  die  Kreuzungstheorie  spricht  auch, 

29 


450  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

dass  man  Kreuzfiichse  vielfach  in  Gegenden  trifft,  wo  der  Silberfuchs  nie 
vorkommt.  Uberhaupt  ist  sein  Verbreitungbezirk  viel  ausgedehnter  als  das 
des  letzteren. 

Das  charakteristische  Kennzeichen  des  Kreuzfuchises  ist  stets  die 
schwarze  Zeichnung  auf  Nacken  und  Schultern,  eine  Art  Kreuz  bildend. 
Die  Haare  sind  hier  auch  langer  und  feiner.  Bauch  und  Beine  sind  stets 
schwarz,  der  Schweif  schwarz  oder  schwarzlich  mit  weisser  Spitze.  Die  Riicken- 
und  Seitenfarbung  variiert  nun  ungeheuer.  Die  Grundfarbe  ist  vorwiegend 
fahlgelb  mit  weissrotlichen  Spitzen.  Viele  sind  auch  auf  dem  Riicken  schwarz, 
mit  Silberspitzen  und  nach  dem  Grade  der  Ausdehnung  dieser  Silber- 
Zeichnung  richtet  sich  der  Preis.  Bei  den  feinsten  Sorten  ist  es  schwer  zu  sagen, 
ob  man  einen  Kreuzfuchs  oder  Silberfuchs  vor  sich  hat.  Der  Preis  rangiert 
von  20  bis  300  Mk.  Der  Verbreitungsbezirk  des  Kreuzfuchses  reicht  viel  weiter 
nach  Siiden.  Im  Osten  bis  in  die  nordlichen  Distrikte  von  Newyorkstate,  im 
Westen  bis  Siiddacota,  an  der  Westkiiste  bis  Kalifornien.  Die  feinsten  Felle 
kommen  von  Labrador,  Esquimobai  und  Eastmaine  im  Hudsonsbay-Gebiet 
(E.  B.  und  E.  M.).  Die  geringsten  kommen  aus  den  sudlichen  Gegenden. 
Auf  Kadiak  und  den  aleutischen  Inseln  kommt  eine  besonders  grosse  und 
grobe  Art  vor,  die  fast  Wolfsgrosse  erreicht  und  beinah  ebenso  grobes  Haar 
hat  wie  dieser.  Friiher  kam  diese  Art  ebenso  wie  die  grobhaarigen  Silberfiichse 
auch  auf  den  Pribiloff-Inseln  vor. 

Auch  in  Asien  ist  der  Kreuzfuchs  nicht  selten.  Sibirien,  Kamtschatka, 
die  Mandschurei  liefern  Kreuzfiichse  und  selbst  in  Nordchina  kommen  solche 
vor,  die  aber  meistens  nur  wenig  Silberzeichnung  enthalten  und  auch  auf  dem 
Riicken  weniger  schwarz  sind.  Die  Grundfarbe  ist  meist  gelb.  Rotfiichse  mit 
Kreuzzeichnung  sind  selten,  jedenfalls  geht  bei  diesen  die  schwarze  Zeichnung 
fast  nie  liber  den  Riicken  hinaus.  Die  Hudsonsbay  Company  bringt  etwa 
4000  Stuck  jahrlich,  Lampson  und  Nesbitt  ca.  5000,  die  meist  aus  den  Ver- 
einigten  Staaten,  Kanada  und  den  Nordwestdistrikten  kommen. 

C.  Rotfiichse 
(sog.  virginischer  Fuchs;  englisch  redfox,  franzosisch  renard  rouge). 

i .  Amerikanische    Rotfiichse. 

Hier  sind  die  Untersuchungen  viel  weiter  gediehen.  Die  alte  Ansicht, 
dass  man  es  nur  mit  einer  Abart  des  europaischen  Rotfuchses  zu  tun  habe, 
ist  langst  iiber  Bord  geworfen.  Ein  Kennzeichen  ist  hierfiir  schon  aus- 
schlaggebend,  die  ,,Klauen",  wie  das  Fell  der  Pfoten  im  Handel  genannt  wird. 
Bei  amerikanischen  Fiichsen  ist  die  Sohle  stets  dicht  behaart  mit  wolligen 
Borsten,  die  eine  Art  Filzsohle  bilden,  was  bei  europaischen  Fiichsen  nicht  der 
Fall  ist.  Ausserdem  ist  die  Zeichnung  eine  andere,  wie  wir  bei  den  einzelnen 
Arten  sehen  werden. 


III.  Die  Hundearten. 


451 


Im  Nordosten  der  Vereinigten  Staaten  lebt  der  virginische  Fuchs,  Fulpes 
virginianus.  Er  hat  etwa  die  Grosse  eines  pommerschen  oder  holsteinischen 
Landfuchses,  doch  ist  das  Haar  viel  feiner  und  weicher.  Der  Kopf  ist  spitz,  gelb, 
mit  schwarzen  Haar  en  untermischt,  an  der  Wurzel  mil  einem  schwarzen  Fleck, 
die  Spitze  weiss.  Die  Korperfarbe  ist  goldgelb,  mit  einem  dunkleren  Riicken- 
streifen,  Kehle  und  Bauchstreifen  weiss.  Auf  den  Pfoten  zieht  sich  ein 
.schwarzer  Streifen  bis  beinahe  zum  Ellenbogen.  Das  Haar  auf  der  Oberseite 


Alaska-Rotfuchs  (Vulpus  alasciensis) . 


der  Pfoten  ist  viel  langer  und  dichter  als  beim  europaischen  Fuchs,  die  Unter- 
seite  der  Sohle,  wie  schon  erwahnt,  mit  dichtem  Filz  belegt. 

In  Utah,  Kolorado,  Nebraska  und  Wyoming  lebt  V.  macrourus,  ahnlich 
wie  der  vorige  aber  grosser,  das  Schwarze  auf  den  Klauen  viel  weniger  aus- 
gedehnt,  namentlich  auf  den  Hinterklauen  kaum  uber  die  Mitte  der  Zehen 
reichend.  Der  Schweif  ist  viel  grosser,  graugelb  mit  schwarzen  Haaren  unter- 
mischt, weisse  Spitze.  Korperfarbung  fahl  rotlich  gelb,  auf  den  Flanken  viel 
heller,  Kinn  und  Hals  weissgrau,  Bauch  weiss.  F.  necator.  Kalifornien,  ist 
kleiner  als  der  vorige,  namentlich  ist  der  Schweif  bedeutend  kleiner,  die  Korper- 

29* 


452  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

farbe  ist  hellweisslich  gelb,  sonst  dem  vorigen  ahnlich.  Das  Schwarze  auf  den 
Pfoten  ist  aber  noch  viel  weniger  ausgedehnt  als  bei  F.  macrourus. 

V .  cascadensis  fin  del  sich  hauptsachlich  im  Kaskadengebirge  in  Washington 
Oregon  und  Britisch  Kolumbia,  klein  goldgelb,  sehr  blasser  Schweif,  auf  den 
Fiissen  bildet  das  Schwarze  nur  einen  schmalen  kurzen  Streifen.  Sehr  vielfach 
soil  sich  hier  die  Kreuzfuchsform,  d.  h.  der  Nacken  und  Schultern  schwarz 
gefarbt,  finden.  Auf  den  nordlichen  Ebenen  von  Dakota  bis  Alberta  im  Nord- 
westen  Territoriens  und  ostlich  bis  Mantitoba  und  Minnesota  lebt  V.  regalis,. 
ein  sehr  grosser  Fuchs,  mit  breiten  und  grossen  Ohren,  Schweif  lang  aber  nicht 
sehr  breit,  hart  an  der  Wurzel  einen  Ring  in  der  Farbe  des  Ruckens  ohne 
schwarze  Haare,  dann  kommen  schwarzliche  Haare,  die  gelblichrot  mit 
schwarzen,  langen  Haaren  untermischt.  Farbe  schon  hellgelb.  Die  Fiisse  sind 
rotlich,  von  der  Korperfarbe  stark  abstechend,  das  schwarze  reicht  auf  den 
Vorderfiissen  weit  hinauf  bis  zur  Mitte  zwischen  Handwurzel  und  Knie,  auf 
den  Hinterfiissen  bis  zum  Knochel.  Der  Schadel  ist  breiter  als  bei  den  ubrigen 
Fiichsen. 

In  Neuschottland,  Maine  usw.  kommt  V '.  rubricosus  vor,  ein  grosser 
Fuchs  von  tiefdunkelroter  Farbung  und  sehr  feinem  Haar,  Schweif  sehr  breit 
und  buschig,  rotgelb  mit  schwarzen  Haaren  untermischt.  Das  Schwarz  der 
Klauen  hoch  hinaufreichend,  aber  nicht  so  hoch  wie  bei  den  vorigen.  Be- 
schrankt  auf  Neufundland  ist  V.  deletrix,  sehr  hell,  fast  strohgelb,  die  Fiisse 
nur  sehr  wenig  Schwarz  zeigend.  Schweif  graugelb,  mit  schwarzen  Haaren,  aber 
ohne  den  schwarzen  Fleck  an  der  Wurzel,  Schwanzspitze  weiss.  Die  Klauen,. 
namentlich  der  Hint  erf  iisse,  sehr  gross. 

V '.  pensylvaniae  reicht  von  der  kanadischen  Grenze  bis  nach  Georgia  und 
westlich  bis  zur  grossen  Ebene,  hat  schones  langes,  seidiges  Haar,  die  Farbe 
variiert  von  rotlich  bis  gelblich,  die  Fiisse  mit  viel  Schwarz.  In  Nord- Alaska 
findet  sich  V.  alascensjs,  sehr  gross,  fein  dunkelrotlich,  kleine  Ohren,  Fiisse 
sehr  wenig  Schwarz,  Schweif  sehr  lang  und  buschig.  Das  Haar  im  Nacken 
und  dem  Vorderteil  des  Ruckens  sehr  lang  und  seidig,  fast  eine  Mahne  bildend, 
der  Kopf  sehr  spitz. 

Noch  grosser  und  auch  im  Korperbau  abweichend,  ist  der  auf  der  Kenai- 
Halbinsel  in  Alaska  vorkommende  V ' .  kenaiensis.  Die  grosste  Fuchsart  iiber- 
haupt  ist  F.  harrimani,  der  auf  Kadiak  und  den  Inseln  an  der  Kiiste  von  Alaska 
vorkommt,  der  vordere  Teil  des  Ruckens  gelblich,  Nacken  und  Schultern 
mit  grauen  Haaren  untermischt,  der  Schweif  sehr  gross,  spitz  zulaufend,  gelb- 
grau  mit  weisser  Spitze.  Die  ganze  Behaarung  ist  sehr  grob,  wolfsartig,  wie 
das  Tier  schon  durch  seine  Grosse  mehr  an  einen  Wolf  als  Fuchs  erinnert. 
Die  Fiisse  sind  gelblich,  mit  nur  einem  schwarzen  Fleck.  Im  Hudsonsbay-Ge- 
biet  kommen  jedenfalls  auch  wohl  zwei  Art  en  vor,  ein  grosser  roter,  seidenartig 
feines  Haar,  und  ein  gelblich  fahler.  Im  Prarie-Gebiet  undim  Saskatchewan- 
Gebiet  finden  wir  den  hellen  F.  regalis,  in  East  Maine,  Labrador  und  benach- 
barten  Distrikten  einen  grossen,  feinhaarigen,  dunkelroten  Fuchs,  wahrschein- 


III.  Die  Hundearten.  453 


lich  V ' .  rubricosus.  Aus  den  anderen  Distrikten  kommen  auch  rote  Fiichse,  aber 
nicht  so  gross  als  der  vorige,  vielleicht  V.  virginianus.  Bei  den  Auktionen  der 
Hudsonsbay  Company  sind  die  Felle  ausser  ihrer  Herkunft  nach  Y.  F., 
M.R.,E.B.,N.  W.,  Kanada  auch  noch  nach  Farben  sortiert,  und  zwar  unter- 
scheidet  man  erste  Rote  (dark),  ganz  tiefrot,  zweite  Rote  (medium),  etwas heller 
und  am  unteren  Teil  des  Riickens  mit  etwas  geringelten,  weisslichen  Spitzen, 
und  blasse  Fiichse  (pale). 

Ubrigens  leben  in  den  Siidstaaten  der  Vereinigten  Staaten  noch  Fuchsarten 
die  tief  rot  gezeichnet  sind,  kleiner  als  der  nordliche  V.  virginianus,  und  mit 
schwarzem  Bauch,  die  ich  aber  nirgends  als  eigene  Art  verzeichnet  finde, 
namentlich  in  Siidvirginien,  Karolina,  Tenesse,  Arkansas.  In  Louisiana  und 
Florida  kommen  Fiichse  nicht  mehr  vor. 

Man  findet  in  den  ganzen  Vereinigten  Staaten  uberall  sogenannte 
Bastardfiichse,  d.  h.  dunkle  Fiichse  mit  dunklerer  Nackenzeichnung, 
schwarzen  Bauchen  und  Beinen,  die  aber  jedenfalls  nur  Abweichungen 
melanotischer  Form  sind  und  bei  alien  Fuchsarten  vorkommen.  Zweifelhaftef 
ist  dies  bei  einer  anderen  Art  Bastardfiichse,  die  sich  nur  in  den  Gegenden 
finden,  wo  Kreuzfuchse  vorkommen.  Diese  haben  auch  schwarzen  Nacken 
und  Schulterzeichnung  und  schwarzen  Bauch  und  Klauen,  und  stehen  im 
ganzen  Habitus  etwa  zwischen  Kreuzfuchs  und  Rotfuchs.  Hier  kann  mog- 
licherweise  wohl  ein  Kreuzungsprodukt  zwischen  beiden  Rassen  vorliegen. 

Interessant  ist  auch,  dass  so  wohl  die  Kadiakfuchse  als  auch  die  grob- 
haarigen  grossen  Kreuzfuchse,  die  friiher  auch  auf  den  Pribiloff-Inseln  vor- 
kamen,  jetzt,  wenn  sie  im  Winter  auf  Eisschollen  etwa  an  diese  Inseln  getrieben 
werden,  sofort  getotet  werden,  damit  sie  die  dort  betriebene  Blaufuchszucht 
nicht  storen. 

Die  wertvollsten  Felle  sind  die  Labradorfelle  und  die  Alaskafelle,  am 
billigsten  die  Kadiak  und  die  hellen  Sorten  aus  den  Prarie- Gegenden. 

In  Amerika  sind  die  Fiichse  lange  nicht  so  verbreitet  wie  in  Europa, 
dies  zeigt  sich  schon  aus  der  Zahl,  die  in  den  Handel  kommt.  Die  Hudsonsbay 
Company  bringt  etwa  30  ooo  jahrlich  auf  den  Markt,  im  letzten  Jahre  aber  nur 
ca.  8000,  aus  den  Vereinigten  Staaten  kommen  jahrlich  etwa  80  ooo  Stuck 
nach  London  und  etwa  ein  gleiches  Quantum  wird  im  Lande  selbst  ver- 
arbeitet.  Die  amerikanischen  Fiichse  weichen  auch  in  der  Lebensweise  vielfach 
von  ihren  europaischen  Vettern  ab,  und  haben  auch  nicht  den  Ruf  der  Schlau- 
heit  wie  diese.  Sie  konnen  auch  nicht  so  gut  rennen  und  werden  auf  den 
Prarien  von  einem  Reiter  oder  Hund  schnell  eingeholt.  Gefangen  werden  sie 
meist  in  Stahlfallen,  die  mit  einer  Witterung  versehen  sind,  die  meist  Geheimnis 
•des  Trappers  ist. 

2.  Europaische   R  o  t  f  ii  c  h  s  e. 

In  Europa  haben  wir  verschiedene  Art  en  von  Rotfuchsen.  Am  wert- 
vollsten ist  der  in  Norwegen  lebende  sogenannte  nordische  Fuchs. 


454  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Es  ist  dies  unstreitig  eine  eigene  Art,  wenn  sie  bisher  auch  von  den  Forschern 
nicht  als  solche  aufgestellt  ist  und  steht  den  Amerikanern  weit  naher  als  den 
Landfiichsen. 

Er  ist  viel  hochbeiniger,  das  Fell  fein  seidig,  dicht  und  lang,  die  Farbe  ein 
schones  tiefes  Rot,  die  Klauen  sind  auf  der  Oberseite  fein  und  dicht  behaart,. 
auf  der  Sohle  sind  sie  ebenfalls  dicht  behaart,  das  Haar  ist  aber  weicher  als  die 
filzartige  Sohle  der  amerikanischen  Fuchse.  Der  schwarze  Mittelstreifen  reicht 
bis  zum  Handgelenk  und  ist  auch  auf  den  Hinterfiissen  nicht  weiter  schwarz 
als  auf  den  Vorderfiissen.  Der  Schweif  ist  lang  und  buschig,  grosser  als  beim 
Landfuchs.  Der  Bauch  ist  weiss,  ebenso  die  Schwanzspitze.  Das  Fell  eines 
nordischen  Fuchses  hat  mehr  als  den  doppelten  Wert  eines  Landfuchsfelles, 
Anfang  1910  ca.  50  Mk.  per  Stuck.  Ich  wiirde  vorschlagen,  diesen  Fuchs  als 
V.  septentrionalis  als  besondere  Art  aufzustellen. 

Sehr  verbreitet  ist  in  Europa  der  Landfuchs  Canis  vulpes,  unser  ehr- 
licher  Reinecke,  dessen  Schlauheit  ja  spruchwortlich  geworden  ist.  Trotz  aller 
Nachstellungen  hat  deshalb  seine  Zahl  auch  nur  wenig,  wenn  iiberhaupt, 
abgenommen.  So  liefert  jetzt  Deutschland  allein  jahrlich  %  Million  Land- 
fiichse,  die  andern  Lander  Europas  ca.  400  ooo,  Russland,  auch  ca.  200  ooo 
Stuck,  wahrend  nach  Lomer  in  1864  jahrlich  100  ooo  Stuck  Landfiichse 
an  den  Markt  kamen.  Die  best  en  Fuchse  in  Deutschland  kommen  aus  Pommern 
Mecklenburg  und  Hoist  ein.  Auch  die  Schweiz  liefert  grosse  kraftige  Felle,  die 
noch  besser  sind  als  die  deutschen,  wahrend  das  Rheinland,  und  namentlich 
Frankreich,  geringere  Qualitaten  bringt.  Die  schwedischen  Fuchse,  die 
naturgemass  sehr  gut  in  Qualitat  sind,  gehoren  aber  ebenfalls  dem  gewohnlichen 
C.  vulpes  an.  Das  Haar  des  Landfuchses  ist  stets  viel  grober  wie  bei  den 
amerikanischen  und  nordischen  Fiichsen,  und  nicht  einfarbig  rot,  sondern 
stets  mit  weissgrauen  Haaren  untermischt,  namentlich  auf  dem  unteren  Teil 
des  Riickens.  Die  Klauen  sind  nur  diinn  behaart,  an  der  Unterseite  des  Unter- 
schenkels  weiss.  Ein  weisser  Streifen  zieht  sich  an  der  Seite  langs  der  ganzen 
Zehen  hin,  wahrend  sich  die  schwarze  Zeichnung  in  der  Mitte  der  Oberseite  nur 
bis  iiber  die  ersten  beiden  Zehenglieder  erstreckt.  Die  Sohle  ist  nur  mit  ganz 
diinnen,  flachen  Haaren  besetzt.  Der  Schweif  ist  gedrungen,  rundlich  und  mit 
schwarzlichen  Haaren  durchsetzt,  die  Spitze  ist  weiss.  Der  Schweif  ist  aber 
kleiner  als  bei  den  amerikanischen,  sibirischen  und  nordischen  Fiichsen.  Der 
augenblickliche  Wert  eines  Landfuchses  ist  10  bis  12  Mk.,  und  war  anfangs 
1910  sogar  18  Mk.  wahrend  er  jahrelang  nur  4  Mk.  wert  war.  Uber  die  Lebens- 
weise  unseres  Fuchses  brauche  ich  wohl  nichts  Naheres  mitzuteilen,  denn  kein 
anderes  unserer  heimischen  Saugetiere  ist  so  popular  und  infolgedessen  auch 
so  bekannt  wie  der  Fuchs,  der  ja  von  jeher  auch  in  der  Volkssage  eine  grosse 
Rolle  eingenommen  hat. 

In  England  ist  der  Landfuchs  recht  zahlreich  vertreten,  da  er  hier  sorg- 
faltig  zu  Sportzwecken  geschiitzt  wird.  Es  gilt  als  ein  soziales  Verbrechen, 
einen  Fuchs  zu  schiessen  und  wird  ein  Landwirt,  der  sich  solchen  Vergehens 


III.   Die  Hundearten.  455 


schuldig  macht,  von  seinen  Nachbarn  als  ,, vulpicide",  Fuchsmorder,  gesell- 
schaftlich  boykottiert.  Die  Fiichse  werden  hier  ausschliesslich  mil  besonders 
dazu  geziichteten  Hunden,  den  Foxhounds,  gehetzt  und  ist  dies  auch  tatsachlich 
trotz  alien  dagegen  gemachten  Einwendungen  ein  wirklich  nationaler  Sport, 
der  an  der  Spitze  aller  Sportarten  steht.  Ja,  nach  Ansicht  mancher  eifriger 
Fuchsjager  ist  der  Fuchs  selbst  dafiir  eingenommen,  doch  haben  wir  daruber 
die  Ansicht  des  Fuchses  nicht  in  Erfahrung  bringen  konnen.  Jedenfalls 
rennen  die  englischen  Fiichse  schneller  und  ausdauernder  als  irgend  eine  andere 
Fuchsart,  wohl  eine  Folge  von  ererbter  Anpassung.  Ein  Galopp  von  30  Kilo- 
metern  in  40  Minuten  ist  gar  nicht  so  selten,  iiber  alle  moglichen  Hindernisse 
weg.  Die  mangelnde  Rennfahigkeit  soil  daran  schuld  sein,  dass  das  Fuchs- 
hetzen  sich  in  anderen  Landern  nicht.  einbiirgern  konnte.  Es  wird  aber  wohl 
auch  daran  liegen,  dass  in  anderen  Landern  die  Landeigentiimer  nicht  ruhig 
zusehen  wiirden,  wie  eine  grosse  Reiterschar  iiber  die  gepfliigten  Felder  und 
die  Wintersaat  weggaloppiert.  Der  englische  Farmer  ist  aber  damit  ein- 
verstanden  und  nimmt  selbst  daran  teil.  Allerdings  werden  auch  grossere 
Schaden  von  den  Klubs,  welche  die  Meuten  unterhalten,  in  liberalster  Weise 
vergiitet.  Dass  aber  Eisenbahnziige  eine  Viertelstunde  still  halt  en,  weil  die 
,,Hunt"  die  Geleise  kreutzt,  diirfte  nur  in  England  vorkommen.  In  der  Um- 
gegend  von  Rom,  wo  auch  Fuchshetzen,  allerdings  in  bescheidenerem  Mass- 
stabe,  stattfinden,  bietet  die  ode  Campagna  keine  Gelegenheit,  Schaden  an 
Kulturen  anzurichten.  Englische  Fuchsfelle  kommen  deshalb  garnicht  an  den 
Markt,  obgleich  mindestens  200  ooo  Stuck  jahrlich  getotet  werden,  da  der 
Fuchs,  wenn  es  ihm  nicht  gelingt,  zu  entkommen,  von  der  Meute  in  Stiicke 
gerissen  wird  und  es  oft  dem  ,, Huntsman"  Miihe  kostet,  nur  die  Lunte  ,,The 
Brush"  zu  retten,  die  dem  ersten  ankommenden  Reiter  als  sehr  hoch  ge- 
schatztes  Siegeszeichen  eingehandigt  wird.  Nur  in  den  Bergen  Schottlands 
und  Wales,  wo  Fuchshetzen  unmogJich  sind,  werden  Fiichse  geschossen, 
doch  ist  deren  Anzahl  nicht  bedeutend  genug,  um  im  Handel  irgendwie  eine 
Rolle  zu  spielen.  Diese  Felle  sind  aber  von  guter  Qualitat.  Die  beriihmtesten 
Meuten  werden  in  den  ,, shires"  Yorkshire",  Leicestershire  und  Lancastershire 
gehalten. 

In  Bayern  findet  man  neben  dem  gewohnlichen  Landfuchs,  der  dort  von 
recht  guter  Qualitat  ist,  noch  eine  andere  Art,  den  sogenannten  Brandfuchs, 
V.  hypomelas.  Es  ist  ein  kraftiger  Fuchs  von  dunkelroter  Farbung  mit 
schwarzem  Bauch.  Nur  die  Schwanzspitze  ist  auch  hier  weiss. 

Auch  Italien  hat  eine  eigene  Fuchsart,  V.  melanogaster,  ein  kleines  Tier, 
aber  mit  sehr  dickem  Kopf.  Der  Schadel  ist,  trotz  der  geringeren  Korper- 
grosse,  grosser  als  beim  V.  vulgaris.  Die  Farbung  des  Riickens  ist  dunkelrot- 
braun  mit  weisslichgrauen  Haaren  untermischt,  der  Bauch  schwarz,  Ohren  und 
Vorderseite  der  Fiisse  ebenfalls  schwarz.  Das  Haar  ist  kiirzer  als  beim  ge- 
wohnlichen Landfuchs. 

In  Spanien  kommt  ein  Fuchs  vor,  der  bisher  nicht  als  eigene  Art  auf- 


456  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

gestellt,  aber  entschieden  als  eine  solche  anzusehen  1st.  Er  hat  ungefahr  die 
Grosse  des  italienischen  Fuchses,  eher  noch  kleiner,  der  Kopf  spitz.  Die 
Farbung  ist  hellgelblich,  der  Bauch  weiss,  die  Zehen  schwarz  und  der  Schweii 
ziemlich  klein  und  diinn.  Ein  angemessener  Name  dafiir  ware  V .  hispanicus. 

In  Galizien  und  Russland  lebt  ein  Fuchs,  der  im  Handel  als  podolischcr 
Fuchs  bekannt  ist.  Die  Grosse  ist  ungefahr  die  des  Landfuchses,  die  Farbung 
aber  hellge]b  (im  Handel  auch  als  blasse  Fiichse  bekannt),  der  Bauch  weiss. 
Er  kommt  vielfach  in  den  Steppengegenden  der  Ukraine  vor. 

Im  Norden  Russlands  und  im  Osten  des  Reiches  lebt  ein  roter  Fuchs,  der 
auch  ein  viel  feineres  Haar  hat  als  der  Landfuchs,  und  ein  reineres  Rot  ohne 
die  weissgrauen  Haare  zeigt. 

Auch  in  Finnland  kommt  ein  roter  Fuchs  vor,  der  dem  nordischen  und  dem 
amerikanischen  Fuchs  sehr  ahnlich  ist. 

C.  Asiatische  Rotfiichse. 

Auf  der  asiatischen  Seite  der  Behringstrasse  leben  verschiedene  Fuchs- 
arten,  die  den  amerikanischen  sehr  ahnlich  sind.  Am  feinsten  ist  der  in 
Kamtschatka  und  auch  auf  der  Insel  Sachalin  vorkommende  Vulpes  kam- 
scbadensis,  einer  der  grossten  Fiichse  uberhaupt,  mit  sehr  langem,  feinem, 
seidigem  Haar  und  sehr  schoner,  glanzender,  roter  Farbe.  Sehr  ahnlich, 
nur  wenig  heller  gefarbt,  ist  auch  der  grosse  Vulpes  anadyrensis  im  nordlichen 
Ostsibirien.  Im  siidlichen  Ostsibirien  wird  er  durch  einen  grossen,  aber 
flacheren  Fuchs,  der  aber  grober  im  Haar  ist,  vertreten.  Leider  habe  ich  es 
unterlassen,  die  Farbe  der  Klauen  festzustellen  und  steht  mir  augenblicklich 
kein  Material  zur  Verfiigung.  Die  Zahl,  die  von  diesen  Arten  jahrlich  in  den 
Handel  kommt,  ist  nicht  sehr  gross  und  diirfte  einige  tausend  nicht  iiber- 
steigen.  Der  augenblickliche  Wert  eines  guten  Kamtschatka-  oder  ostsibiri- 
schen  Fuchses  diirfte  etwa  40  bis  45  Mk.  sein. 

Viel  zahlreicher  findet  man  Rotfiichse  im  zentralen  und  westlichen  Ost- 
sibirien, und  zwar  in  zwei  Arten,  einer  hellen  gelblichen  und  einer  dunkleren 
roten  Art.  Beide  ahneln  mehr  den  amerikanischen  als  den  europaischen 
Fiichsen,  denen  sie  bisher  zugezahlt  wurden.  Schon  die  Grosse  und  Starke 
der  Schwanze  deutet  darauf  hin.  Auch  in  der  Lange  und  Feinheit  des  Haares 
ahneln  sie  weit  mehr  den  Amerikanern  als  den  europaischen  Fiichsen.  Es 
sind  mehrere  Arten  davon  im  Handel,  die  meist  nach  der  Gegend,  wo  sie  her- 
stammen,  unterschieden  werden,  als  Tobolsker  etc.  Der  gegenwartige  Wert 
ist  etwa  30  bis  40  Mk.,  je  nach  Qualitat  und  Farbe. 

Der  sibirische  Fuchs  geniesst  auch  nicht  den  Ruf  der  grossen  Schlauheit 
wie  unser  Reinecke.  Die  Zahl,  die  jahrlich  in  den  Handel  kommt,  ist  schwer 
festzustellen,  doch  schatze  ich  solche  auf  ungefahr  60  ooo  Stuck  jahrlich. 

Ob  die  sibirischen  Fiichse  mit  den  schon  erwahnten  russischen  Fiichsen 
identisch  sind,  ist  noch  nicht  festgestellt,  und  bedarf  noch  naherer  Unter- 
suchung.  In  Nordchina  leben  auch  verschiedene  Fuchsarten,  die  zum  Teil 


III.    Die  Hundearten.  457 


von  Herrn  Professor  Matchie  bearbeitet  sind.  Ich  habe  hauptsachlich  die 
folgenden  Arteri  beobachtet.  Eine  grosse  Art,  die  grosser  als  unser  Land- 
fuchs,  ihm  in  der  Farbung  ahnlich  ist,  aber  flacher  und  diinner  im  Haar. 
Die  Farbe  im  Nacken  rotlich,  auf  dem  Riicken  rotlich,  untermischt  mit  weiss- 
lich  geringelten  Haaren,  der  Bauch  weiss,  Klauen  oben  weissgelb,  ohne  schwarz. 
Schweif  sehr  gross  und  buschig,  rotlich  mit  weisser  Spitze,  Ohren  schwarz. 
Wahrscheinlich  ist  dies  Vulpes  lineiventer. 

In  derselben  Gegend  kommt  noch  eine  andere  Fuchsart  sehr  haufig 
vor,  die  kleiner  ist,  mehr  rotlich  am  Rumpf ,  die  weissgeringelten  Spitzen  viel 
scharfer  ausgepragt,  so  dass  die  Farbung  hier  mehr  ins  graue  spielt.  Bauch 
schwarz,  auf  den  Schultern  ein  helleres  fahlgelbes  Band.  Das  Haar  ist  im 
ganzen  viel  langer  und  weicher,  Ohren  braunsChwarz.  Bei  dieser  Art  findet 
man  auch  haufig  die  Riickenfarbe  statt  rotlich  mehr  gelbrot  bis  fahlgelb. 
Auch  hier  ist  der  Schweif  sehr  gross,  aber  mehr  weisslichgelb  und  buschig, 
Spitze  weiss. 

Ich  sah  auch  noch  eine  andere  Art,  die  aus  der  Provinz  Kansu  stammen 
sollte.  Die  Felle  waren  wesentlich  kleiner  als  die  vorhergehenden,  dunkel- 
rotlich,  die  stellenweise  sogar  ins  braunliche  spielten,  die  Ha  are,  namentlich 
.am  Rumpf,  mit  weisslich  geringelten  durchsetzt.  Der  Bauch  ist  schwarz 
'der  Schweif  kleiner  und  mehr  rundlich  gedrungen.  Die  Haut  diinner  als  bei 
den  anderen  Art  en. 

In  Siidchina  lebt  eine  kleine  Fuchsart,  Vulpes  hoole,  dunkelockerfarbig 
mit  gelbrotlicher  Beimischung.  Auf  dem  Nacken  ins  braunliche  spielend, 
Bauch  weiss.  Das  Haar  ist  kurz  und  etwas  grob.  Der  Chinese  nennt  iibrigens 
alle  Fiichse  ,,huli"  oder  ,,vuli",  wovon  auch  wahrscheinlich  der  Name  stammt, 
den  Swinhoe  dieser  Fuchsart  gegeben  hat.  Friiher  wurden  fast  keine  Fiichse 
aus  China  ausgefiihrt,  da  sie  im  Lande  verarbeitet  wurden,  jetzt  aber,  seit- 
•dem  die  Landfuchse  einen  so  hohen  Preisstand  haben,  kommen  jahrlich  wohl 
auch  15  bis  20  ooo  chinesische  Fiichse  an  den  Markt.  Besonders  die  mand- 
schurischen  Fiichse  sind  von  guter  Qualitat.  Jedenfalls  gehort  der  Fuchs  in 
•China  nicht  gerade  zu  den  haufigen  Tieren. 

In  Japan  lebt  eine  ganz  besondere  Fuchsart,  Vulpes  japonicus,  der 
,,Kitsenu".  Das  Fell  ist  klein,  noch  kleiner  als  der  italienische  Fuchs.  Die 
Grundfarbe  rot  mit  gelblichen  Haaren  untermischt,  Bauch  weiss,  der  Schweif 
verhaltnismassig  kurz  und  nicht  sehr  buschig.  Die  Felle  sind  fast  stets  in  der 
Mitte  des  Bauches  aufgeschnitten  und  dadurch  stark  entwertet.  Es  kommen 
jahrlich  etwa  30  ooo  Stuck  in  den  Handel.  Der  Wert  diirfte  jetzt  5  Mk.  per 
Stuck  kaum  iiberschreiten.  Auf  Yesso  soil  nach  Temminck  und  Siebold 
noch  eine  grosse  Fuchsart  vorkommen,  die  dem  amerikanischen  Fuchs  sehr 
ahnlich  sei.  Siebold  nennt  sie  Feuerfuchs. 

Es  ist  sehr  wohl  moglich,  dass  diese  Fiichse  mit  dem  auch  auf  Sachalin 
vorkommenden  Kamtschatkafuchs  verwandt  sind,  da  ja  die  Fauna  und  Flora 

Yesso  von  dem  iibrigen  Japan  ganz  verschieden  ist  und  mehr  nach 


458  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Sibirien  hinweist.  Ich  selbst  habe  aber  noch  keinen  dieser  letzteren  Fiichse 
gesehen.  In  der  japanischen  Volkssage  spielt  der  Fuchs  eine  sehr  grosse 
Rolle.  Er  tritt  handelnd  und  redend  auf,  als  eine  Art  Damon,  bald  schadigend, 
bald  gutmiitig  hilfreich,  wie  der  Kobold  der  deutschen  Sage,  aber  immer 
ausserst  schlau.  Auch  ist  er  wie  der  Wehrwolf  der  deutschen  Sage  fahig, 
seine  Gestalt  zu  andern  und  bald  die  eines  schonen  Madchens,  bald  die  eines 
alten  Mannes  anzunehmen.  Bei  den  Anhangern  der  Shintoreligion  gibt  es 
einen  besonderen  Fuchsgott,  der  als  Beschiitzer  des  Landbaues  gegen  Feuers- 
brunst  und  Diebstahl  gilt.  Die  Shintoleute  betrachten  den  Fuchs  auch  ge- 
wissermassen  als  heiliges  Tier  und  toten  ihn  nie.  Ubrigens  scheuen  sich 
auch  die  Shantung-Chinesen,  einen  Fuchs  zu  toten,  da  seine  Seele  sich  an 
ihnen  rachen  wiirde.  Im  nordlichen  Indien,  wo  er  im  Himalaya  bis  zur  Schnee- 
grenze  geht  und  in  Zentralasien  lebt  Vulpes  montana,  der  rote  Kreuzfuchs. 
Die  Farbung  ist  rotlich,  auf  dem  hinteren  Teil  des  Riickens  ins  graue  spielend. 
Vom  Hals  bis  zu  den  Schultern  reicht  eine  weisse  Binde,  Kehle,  Brust  und 
innere  Seite  der  Beine  schwarz  und  auf  dem  Nacken  ein  dunkelrotes  Kreuz, 
Bauch  fahlgelb,  sehr  lang  und  dicht  behaart,  Schweif  sehr  dicht  und  buschig, 
Spitze  weiss.  Die  Felle  werden  fast  samtlich  lokal  verbraucht. 

In  Indien  leben  noch  andere  Fuchsarten,  z.  B.  Vulpes  bengalensis,  ein 
kleines  schlankes  Tier  mit  kurzem  Schweif,  graurot  mit  weissem  Bauch, 
grauer  Schweif,  lebt  ausschliesslich  von  Mausen,  Insekten,  Eidechsen  und 
Obst. 

Vulpes  alopex,  gross,  mit  weichem  Fell,  im  Winter  starkem  buschigen 
Schweif.  Alle  diese  Felle  spielen  aber  im  Handel  keine  Rolle.  Desto  be- 
deutender  ist  aber  der  Karganer-Fuchs,  Vulpes  carganus^  der  in  Zentral- 
asien und  den  Steppengegenden  des  siidwestlichen  Sibiriens  haufig  vorkommt. 
Er  ist  hellgelblich,  der  Bauch  weiss,  der  Schwanz  klein,  aber  weich,  fast 
weisslich,  mit  einzelnen  schwarzen  Haaren  durchmischt.  Die  Klauen  gelblich- 
grau  ohne  schwarze  Zeichnung.  Es  kommen  davon  iiber  150  ooo  Felle  in  den 
Handel,  doch  werden  auch  viele  Felle  lokal  verbraucht,  denn  Russland  fiihrt 
jamiich  mehrere  hunderttausend  dieser  Karganer-Schweife  aus.  Der  gegen- 
wartige  Wert  ist  ca.  8  Mk.  per  Stuck. 

Auch  in  den  Gebirgen  nordlich  von  Afghanistan  soil  er  sehr  haufig  seia 
und  werden  nach  Radde  jahrlich  in  Murgab  allein  15 — 20  ooo  Stiick  gefangen. 
Die  Nahrung  besteht  aus  verschiedenen  kleinen  Nagern,  hauptsachlich 
Spermophilus-Arten.  Er  ist  wissenschaftlich  neuerdings  auch  als  Canis 
melanotus  bezeichnet  worden  wegen  der  schwarzen  Ohren,  auch  die  Schwanz- 
spitze  ist  schwarzlich. 

In  Vorderasien  gibt  es  eine  ganze  Reihe  verschiedener  Fuchsarten,  die 
meist  klein  sind  und  dem  Karganerfuchs  ahneln,  aber  verschieden  in  Farbe  sind. 

So  kommt  aus  Syrien  und  Palastina  Vulpes  syriacus,  fahlrotlich,  mit 
weissgrauen  Grannen  untermischt,  der  Riicken  ist  dunkler,  die  Flanken 
sind  weiss,  der  Bauch  schwarz.  Schwanz  ist  klein,  aber  gedrungen  und  rund,. 


III.    Die   Hundearten. 


weissliche  Klauen,  flach,  blassrotlich  an  der  Innenseite  des  Unterschenkels 
weiss  ohne  jede  schwarze  Zeichnung. 

Der  kaukasische  Fuchs,  der  arabische  und  der  persische  Fuchs  sind  eben- 
falls  klein,  aber  abweichend  gefarbt.  Auch  in  Griechenland  und  am  Balkan 
kommen  andere  Fuchsarten  vor.  Diese  Arten  sind  aber  noch  nicht  geniigend 
untersucht  und  mir  liegt  augenblicklich  nicht  das  geniigende  Material  vor, 
ich  komme  aber  spater  darauf  zuriick.  In  Bosnien  lebt  z.  B.  ein  Rotfuchs, 
der  ganz  von  den  anderen  abweicht  und  jedenfalls  eine  eigene  Art  bildet. 
Er  ist  in  der  Literatur  noch  nicht  beschrieben,  weshalb  ich  ihn  V.  bosniacus 
nennen  mochte.  Er  hat  die  Grosse  eines  starken  Landfuchses,  ist  in  der  Far- 
bung  dem  viel  kleineren  italienischen  Fuchse,  V.  melanogaster,  ahnlich,  ist 
aber  viel  raucher.  Die  Farbung  ist  dunkelrotlich  mit  weisslichen  Grannen 
untermischt,  Bauch  schwarz.  Die  Pfoten  sind  vorn  bis  zum  Knochel  schwarz, 
hinten  nur  die  ersten  beiden  Zehenglieder.  Der  Schwanz  ist  gross,  buschig, 
dunkelrotlich  mit  schwarzen  langeren  Haaren  durchsetzt,  die  Spitze  weiss, 

In  Marokko,  Algier  und  Tunis  lebt  ein  kleiner  Fuchs  von  rotlicher  Farbe, 
V.  atlanticus,  und  in  Agypten,  Abessinien  und  Nordostafrika  ein  kleiner,  aber 
heller  gefarbter  Fuchs,  V .  aegyptiacus.  Auch  der  letzte  Weltteil  Australien 
beherbergt  eine  Fuchsart,  die  aber  dort  nicht  einheimisch  ist,  sondern  erst 
ganz  jungen  Daturas.  Dieser  Fuchs  liefert  ubrigens  einen  Beweis  von  der 
Anpassung  an  veranderte  Lebensbedingung  und  des  Einflusses  von  Klima 
und  Umgebung  auf  die  Artenbildung.  Vor  etwa  30  Jahren,  als  die  Kaninchen- 
plage  in  Australien  so  iiberhand  nahm,  fiihrte  man,  um  derselben  Einhalt 
zu  tun,  unter  anderen  auch  Fuchse  aus  England  ein. 

Zwar  den  Kaninchen  taten  sie  verhaltnismassig  geringen  Abbruch,  da 
ihnen  allmahlich  die  einformige  Kost  wohl  iiberdriissig  geworden.  Sie  liebten 
es  wenigstens,  sich  durch  die  Hiihnerhofe  der  Ansiedler  Abwechslung  in  ihrem 
Menu  zu  verschaffen,  so  dass  schliesslich  die  Schonzeit  fur  Fuchse  aufgehoben 
wurde.  Sie  hat  ten  sich  aber  ansehnlich  vermehrt.  Wahrend  in  den  ersten 
Jahren  nach  der  Schusserlaubnis  nur  einige  Tausende  ausgefiihrt  wurden, 
kommen  jetzt  jahrlich  iiber  50  ooo  Felle  aus  Australien  und  steigt  die  Zahl 
fortwahrend.  Wenn  man  aber  ein  solches  Fell  mit  einem  englischen  Fuchs- 
fell  vergleicht,  wurde  es  niemand  fur  dieselbe  Art  halten. 

Das  Tier  ist  viel  kleiner  und  schlanker  geworden,  das  Haar  kiirzer  und 
diinner  und  auch  in  der  Farbung  zeigen  sich  starke  Abweichungen.  Der 
australische  Fuchs  gleicht  heute  mehr  dem  japanischen  Fuchs  als  dem  euro- 
paischen  Landfuchs  und  hat  das  Fell  auch  kaum  den  halben  Wert  wie  das 
letztere. 

Friiher  wurden  die  Rotfuchse  naturell  verwendet  und  zwar  Riicken  und 
Bauche  getrennt  zu  Pelzfuttern.  Die  Bauche  mit  ihrem  langen  weichen 
Haar  und  der  hiibschen  Zeichnung  waren  teurer  und  beliebter  als  die  Riicken. 
Namentlich  der  Orient  kaufte  grosse  Mengen  Rotfuchse  in  Leipzig,  wo  vor 
der  Versendung  die  Riicken  herausgestochen,  Schweife  und  Klauen  ab- 


460  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


geschnitten  und  am  Platz  verkauft  wurden.  Auch  in  Russland  und  Zentral- 
asien  verwendete  man  mitVorliebe  die  Bauche  zu  Futtern.  Die  Klauen  gingen 
nach  China,  wo  sie  zu  Jacken  zusammengesetzt  werden,  die  mil  dem  Haar 
nach  aussen  getragen  werden.  Die  Schweife  wurden  zu  Boas  und  spater  zu 
Schweifchen  verwendet.  Mein  Vater  war  der  erste,  der  im  Jahre  1872  diese 
Verwendung  einfiihrte.  Der  Preis  betrug  damals  3  bis  5  Pfennig  pro  Schweif , 
obgleich  jahrlich  iiber  eine  Million  verarbeitet  wurden.  Erst  im  Jahre  1886 
trat  eine  Preisteigerung  ein  bis  auf  20  Pfg.  pro  Stuck,  die  im  nachsten  Jahre 
auf  i  Mk.  per  Stuck  stieg.  Seit  dieser  Zeit  schwankt  der  Preis  zwischen  50  Pfg. 
und  1,50  Mk.  per  Stuck.  Der  augenblickliche  Preis  fiir  Karganer  diirfte 
etwa  80  Pfg.,  fiir  Landschweife  ca.  1,20  Mk.  und  fiir  sibirische  und  amerika- 
nische  1,50  Mk.  per  Stuck  sein.  Auch  aus  China  kommen  infolge  der  hohen 
Preise  jetzt  grossere  Post  en  Fuchsschweife  auf  den  deutschen  Markt. 

Jetzt  ist  die  Verwendung  im  naturellen  Zustande  verhaltnismassig  ge- 
ring.  In  Deutschland  werden  wohl  nur  die  kleinen  Karganer  und  asiatischen 
Fiichse  naturell  verarbeitet,  und  die  feineren  Sorten  gehen  in  Zentralasien 
und  Russland.  Die  Hauptverwendung  ist  in  gefarbtem  Zustande,  und  zwar 
namentlich  in  den  modernen  Farben  Alaska  und  Sitka,  die  natiirlich  nicht 
die  Herkunft  anzeigen,  sondern  nur  die  Farbe.  Die  Hauptabnehmer  dafiir 
sind  Amerika  und  Frankreich,  aber  auch  Deutschland,  Osterreich,  England 
usw.  verarbeiten  diese  Felle.  Man  setzt  auch  vielfach  kiinstliche  weisse 
Spitzen  hinein  aus  Dachshaar,  um  eine  Imitation  des  Silberfuchses  herzu- 
stellen.  Man  nennt  solche  Fiichse  ,,gespitzte".  Die  modernen  Stolas  werden 
mit  Kopfen,  Schweif  und  Klauen  verarbeitet,  weshalb  auch  jetzt  so  wohl 
Fuchsklauen  als  auch  Schweife  in  den  besseren  Qualitaten  nur  wenig  an  den 
Markt  kommen. 

D.  Griesfiichse 
(engl.  greyfox,  franz.  renard  de  virginie). 

Ganz  im  Gegensatz  zu  den  Rotfiichsen,  deren  Verbreitungsbezirk  sich 
iiber  die  ganze  Welt  erstreckt,  ist  das  Vorkommen  des  Griesfuchses  auf  die 
Yereinigten  Staaten  von  Nordamerika  beschrankt.  Er  weicht  bekanntlich 
stark  von  den  anderen  Fiichsen  im  Aussern  ab.  Die  bekannteste  Art  ist 
Urocyon  cinerensargentatus,  der  im  ostlichen  Nordamerika  von  den  Neu- 
Englandstaaten  bis  Georgien  vorkommt  und  im  Westen  bis  an  den  Mississippi 
geht.  Die  Grundfarbung  ist  ein  rotliches  Grau,  die  Grannenhaare  sind  schwarz 
und  weiss  geringelt,  die  Spitzen  weiss.  Der  Riicken  ist  dunkler  gefarbt  als 
die  Seiten,  der  Bauch  rotlich,  die  Pfoten  rotlich,  Innsenseite  des  Unterschenkels 
weiss.  Die  Unterwolle  ist  weich,  die  Grannen  aber  steifer  und  kiirzer  als  beim 
Rotfuchs.  Auch  ist  die  Behaarung  uberall  gleichmassig  lang  oder  richtiger 
kurz,  nicht  wie  beim  Rotfuchs  in  der  Nackengegend  langer.  Der  Schweif  ist 
buschig,  aber  die  Haare  ziemlich  hart  und  steif,  graumeliert,  die  Unterseite 
rotlich,  auf  der  Oberseite  ein  dunkler  Streifen. 


Ill,  Die  Hundearten.  461 


In  Texas  und  den  Siidstaaten  lebt  U.  texensis,  grosser  als  der  vorige, 
heller  gefarbt,  die  Ohren  grosser,  langerer  und  diinnerer  Schweif.  In  Kali- 
f ornien  und  Washington  Territory  lebt  U.  calif  ornuus,  der  auch  bedeutend 
heller  ist  und  am  Vorderfuss  ohne  schwarze  Zeichnung  ist.  Er  ist  ebenfalls 
grosser  als  der  nordische  Griesfuchs,  wahrend  der  auf  der  Insel  Catalina  vor- 
kommende  U.  catalinae  sehr  klein  ist. 

Der  in  Columbia  lebende  U.  aquilus'isi  dagegen  sehr  dunkelfarbig,  aber  flach 
im  Haar.  Man  unterscheidet  noch  U.  borealis  in  New  Hampshire,  U.  floridanus 
in  Florida,  U.  ocythous  in  Wiskonsin,  U.  scotti  in  Arizona,  U.  parvidens  in  Yucatan^ 
die  sich  alle  zoologisch  scharf  unterscheiden,  aber  im  PeJzhandel  nicht  als  Artea 
unterschieden  werden.  Auf  den  Inseln  der  kalifornischen  Kiiste  leben  noch 
U.  litter  alls  und  V .  clementae,  die  beide  ziemlich  klein  sind.  Der  Griesfuchs  unter- 
scheidet sich  auch  in  der  Lebensweise  vom  Rotfuchs.  Er  besitzt  weder  die 
Schlauheit  noch  die  Frechheit  des  letzteren,  besucht  daher  auch  sehr  selten  die 
Hiihnerhofe,  sondern  nahrt  sich  redlich  von  Kaninchen,  Vogeln,  Ratten,. 
Mausen,  Insekten.  Gelegentlich  frisst  er  auch  junge  Maiskolben  und  andere 
Vegetabilien.  Sonderbar  ist  seine  Gewohnheit,  wenn  er  gejagt  wird,  auf 
kleine,  etwas  schragstehende  Baume  zu  klettern,  was  kein  anderer  Fuchs  tut, 
Seine  Vermehrung  ist  nicht  sehr  stark,  er  wirft  jeden  Friihling  3  bis  4  Junge. 

Die  jahrliche  Ausfuhr  von  Amerika  schwankt  zwischen  20  bis  40  ooo 
Stiick.  Das  Fell  kann  zu  Futter  nicht  verwendet  werden,  sondern  nur  zn 
Stolas  und  Muffen.  Auch  Schweif  und  Klauen  konnen  zu  nichts  anderem  als 
zur  Verzierung  von  Stolas  gebraucht  werden.  Meistens  werden  sie  naturell 
verarbeitet.  Manchmal  wird  aber  die  Unterwolle  dunkelblau  gefarbt,  wahrend 
die  weissen  Spitzen  ihre  Farbe  behalten.  Der  gegenwartige  Durchschnitts- 
wert  ist  etwa  6  Mk.  pro  Fell. 

E.  Kitfiichse 
(engl.  kitfox,  franz.  renard  turc), 

Viel  verbreitet  sind  die  Kitfuchsarten.  In  den  Prairie-Distrikten  des 
Hudsonsbay-Gebietes  am  Saskatchewan  lebt  Fulpes  velox,  der  typische  Ver- 
treter  der  Rasse.  Es  ist  ein  ungemein  zierliches  Tier,  klein,  ca.  60  cm  von  der 
Schnauze  bis  Schwanzwurzel,  Schwanzlange  ca.  30  cm.  Das  feinwollige,. 
dichte,  aber  kurzhaarige  Fell  ist  auf  dem  Riicken  rotlich  gelbgrau  mit  weiss- 
geringelten  Grannen  durchsetzt,  die  Seiten  sind  sehr  zart  hellrotlich  abgetont, 
der  Bauch  weiss.  Der  Schweif  ist  rund  und  dicht  graurotlich,  unten  hellrot- 
lich, an  der  Spitze  schwarz.  Die  hochstehenden  Ohren  sind  aussen  rotlich, 
innen  weiss. 

Leider  hat  die  Zahl  der  schonen  Tiere  sehr  abgenommen.  Wahrend 
die  Hudsonbay  Co.  noch  1858  jahrlich  10  ooo  Stiick  exportierte,  bringt  sie 
jetzt  wenig  mehr  als  1000  Stiick.  Weiter  westlich  im  Kalgary-Distrikt  und 
Alberta  lebt  V .  velox  hebes,  der  etwas  grosser  und  heller  gefarbt  ist.  Die  in 
den  Vereinigten  Staaten  lebenden  Kitfiichse  weichen  etwas  ab,  so  der  gross- 


462  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

ohrige  Kitfuchs  in  Kalifornien,  V.  macrotis  der  schnellfussige  Kitfuchs 
F.  arsipus  in  Mexiko  und  Arizona  und  V '.  muticus  in  Kalifornien  sind  bedeutend 
grosser  als  die  andern  und  tritt  das  rotliche  in  der  Farbe  mehr  hervor,  wahrend 
die  Kitfiichse  Kolorados  und  Nebraskas  wieder  kleiner  sind.  Schon  der  Name 
velox,  der  Flinke,  deutet  darauf  hin,  dass  das  Tier  ungemein  schnell  laufen 
kann.  Seine  Nahrung  besteht  hauptsachlich  aus  Mausen,  Ratten,  Eich- 
hornchen  und  dergleichen.  Aus  den  Vereinigten  Staaten  kommen  jetzt 
jahrlich  etwa  1500  bis  2000  Stuck .  Der  augenblickliche  Wert  1st  etwa  7  bis 
8  Mk.  per  Stuck.  In  A  s  i  e  n  wird  der  Kitfuchs  durch  einen  nahen  Verwandten 
vertreten,  den  Korsak-Fuchs,  Canis  corsac,  der  auch  im  Handel  als  asiatischer 
Kitfuchs  bezeichnet  wird.  Es  ist  ein  kleines  Tier,  von  der  Schnauze  bis  zur 
Schwanzwurzel  50  bis  60  cm  lang,  der  Schweif  20  bis  25  cm  lang.  Das  Haar 
ist  kurz  und  dicht,  nicht  ganz  so  weich  wie  bei  dem  Amerikaner,  auf  dem 
Rucken  rotlich  mit  weisser  Spitze,  der  Grund  blaulichgrau.  Die  Seiten  sind 
hellfahlgelb,  der  Bauch  weiss.  Der  Schweif  ist  rund  und  gedrungen,  nicht 
buschig,  oben  blaulichgrau  mit  schwarzen  Haar  en  untermischt,  auf  der 
Unterseite  ein  zartes  rotlichgelb.  Er  bewohnt  das  ganze  gemassigte  Zentral- 
asien,  von  der  Wolga  und  dem  Kaukasus  bis  an  den  Baikalsee.  Radde  erwahnt 
sein  haufiges  Vorkommen  im  osthchen  Sibirien,  rechnet  ihn  aber  falschlich 
zu  den  Wolf  en,  womit  schon  seine  ganze  Lebensweise  in  Widerspruch  steht. 
Er  ist  sehr  scheu,  geht  nur  des  Nachts  seiner  Nahrung  nach,  schlaft  in  ver- 
lassenen  Murmeltierbauten,  lebt  hauptsachlich  von  Mausen  und  kleinen 
Saugetieren,  verschmaht  aber  auch  Heuschrecken  und  Insekten  nicht.  Er 
gilt  als  ganzlich  unzahmbar. 

Ein  anderer  Kitfuchs  lebt  in  Tibet,  Canis  ferrilatus,  ockergelb  mit  weiss 
gesprenkelt  auf  dem  Rucken,  die  Seiten  blass  rostgelb,  Schweif  grau,  Schwanz- 
spitze  weiss,  Ohren  sind  kurz.  Seiten  des  Halses  eisengrau  mit  weiss  und 
schwarz  gemischt.  Sehr  nahe  steht  diesem  Fuchs  Canis  eckloni.  Auf  dem 
Rucken  hellockerfarbig,  fein  mit  grau  gestrichelt,  mit  schwarzen,  einzeln 
stehenden  Haaren  untermischt.  Unterwolle  hellgrau,  Hals  ockerfarbig, 
Seiten  und  Schultern  bleigrau  mit  schwarzlichen  Haaren  gemischt,  Bauch 
weiss,  zwischen  beiden  eine  dunklere  Binde  aus  chamois,  weissgrau  und  mit 
schwarzen  Haare  gemischt,  Schwanz  graublau,  oben  mit  einem  dunkleren 
Langsstreifen,  unten  hellockerfarbig. 

Das  Tier  kommt  im  westlichen  China  an  der  tibetanischen  Grenze  vor 
und  zwar  vom  oberen  Yangtse  bis  zum  oberen  Hoangho.  In  Belutschistan 
und  Afghanistan  lebt  der  etwas  grossere  Canis  cana.  Auf  jeder  Seite  des 
Riickens  ist  hinter  der  Schulter  ein  blassgelber  Fleck,  von  dem  ein  breiter 
schwarzer  Querstreifen  iiber  die  Schulter  lauft,  Rucken  braungelb  bis  rot- 
rostrot  mit  weissen  Haaren  untermischt.  Seiten  weissgrau,  Unterseite 
schiefergrau,  Ohren  dunkelbraun,  Schwanzspitze  schwarz.  Im  ganzen  kommen 
etwa  60  ooo  asiatische  Kitfiichse  jahrlich  in  den  Handel,  im  augenblicklichen 
Werte  von  ca.  4  Mk.  pro  Stuck.  Verwandt  ist  noch  der  in  den  Wiistenregionen 


III.  Die  Hundearten.  463 


des  nordlichen  Indiens,  sowie  Arabien  etc.  lebende  Wiistenfuchs  Fulpes 
leucopus,  mit  dunkler  Unterseite,  grossen  schwarzen  Ohren,  dichtem  weichem 
Fell,  Schwanzspitze  weiss.  Die  Hauptnahrung  bilden  Springmause. 

F.  Wiistenfiichse. 

In  Af  r  ika  lebt  eine  Anzahl  Fiichse ,  die  zu  den  r  eizendsten  Geschopf  en  gehoren. 

Zunachst  der  Fenek,  Megalotis  zerda  oder  M.  fenec,  der  kleinste  Fuchs 
iiberhaupt,  der  noch  nicht  einmal  die  Grosse  einer  Hauskatze  erreicht. 

Das  sehr  feine  weiche  Fellchen  ist  hell  isabellfarbig.  Der  runde  kitfuchs- 
ahnliche  Schweif  ist  ockerfarbig,  oben  mit  einem  dreieckigen  schwarzen  Fleck, 
die  Schwanzspitze  schwarz.  Auf  dem  Riicken  treten  einige  langere  schwarze 
Haare  hervor,  die  Unterseite  ist  weiss,  die  Fiisse  strohgelb,  die  Sohle  behaart. 
An  dem  kleinen  Kopfchen  sitzt  eine  sehr  spitze  Schnauze  und  riesige  Ohren, 
die  dem  Tier  auch  den  Namen  ,,grossohrig"  verschafft  haben.  Die  grossen 
dunklen  Augen  funkeln  stets  sehr  vergniigt,  und  gewahrt  es  einen  reizenden 
Anblick,  die  zierlichen  Tierchen  in  der  Abenddammerung  am  Rande  der  Oase 
vergniigt  spielen  zu  sehen. 

Auch  im  Berliner  zoologischen  Garten  waren  ofter  Parchen  dieses 
schonen  Tierchens.  Der  Fenek  lebt  in  Erdhohlen  am  Rande  der  Wiiste  und 
seine  Nahrung  besteht  hauptsachlich  aus  Mausen,  Springmausen  usw.,  doch 
verschmaht  er  auch  Heuschrecken  und  ahnliches  Klein  wild  nicht. 

Felle  kommen  fast  gar  nicht  in  den  Handel.  In  Dongola,  Darfur,  Kordofan 
lebt  ein  etwas  grosserer  Fuchs,  Canis  pallidus,  der  dem  Kitfuchs  oder  Korsak- 
fuchs  ahnlich  sieht.  Er  ist  ungefahr  so  gross  wie  dieser,  rotlichgrau  bis  stroh- 
gelb, die  Haare  abwechselnd  graugelb,  weiss  und  schwarz  geringelt,  mit  rot- 
lichgelber  Spitze.  Schweif  fahlgelb,  oben  mit  schwarzem  Fleck,  mit  vielen 
schwarzspitzigen  Haaren  durchsetzt,  Spitze  schwarz.  Der  Bauch  ist  weiss, 
Fiisse  gelblich weiss. 

In  Siidafrika  lebt  der  Kapfuchs  Canis  chama,  ebenfalls  von  der  Grosse 
des  Korsakfuchses,  das  Haar  ist  wollig,  auf  Nacken  und  Riicken  graugelb 
mit  rotlichweissen  Spitzen,  auf  dem  Riicken  ein  Streifen  langeres  Haar,  wie 
eine  Mahne,  schwarz  und  weiss  geringelt,  etwas  borstenartig.  Bauch  ist 
weiss,  die  Beine  weissgelb,  der  buschige  Schweif  mit  schwarz  und  weiss  ge- 
ringelten  Haaren  durchsetzt.  Spitze  schwarz. 

Das  Tier  kommt  auch  in  Deutsch-Sudwestafrika  vor.  Im  Handel  trifft 
man  nur  selten  Felle,  ofters  aber  die  von  den  Eingeborenen  aus  den  Fellen 
dieses  Fuchses  angefertigten  Karosse. 

Von  viel  grosserer  Bedeutung  fur  den  Pelzhandel  sind 

G.  Siidamerikanische  Fiichse. 

Am  verbeitetsten  ist  der  sogenannte  Pampasfuchs,  Canis  azarae. 
Die  Farbe  ist  vorwiegend  silbergrau  gelb,  auf  dem  Riicken  lange,  etwas 
steifere  Haare.     Der  Bauch  gelblichgrau,  der  Schwanz  nicht  sehr  buschig, 


464  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

dunkelgrau  mit  schwarzlicher  Spitze,  Beine  vorn  grau,  auf  der  Innenseite- 
rotlich.  Er  ist  etwas  kleiner  als  der  Landfuchs,  aber  schlanker  und  hochbeiniger. 
Das  ganze  Tier  macht  einen  schakalartigen  Eindruck  und  wird  auch  im  Pelz- 
handel  haufig  argentinischer  Schakal  genannt.  Sein  Verbreitungsbezirk 
reicht  von  Brasilien  bis  zur  Magellanstrasse  und  ist  er  nirgends  selten.  Erst 
seit  einigen  Jahren  kommen  aber  grossere  Mengen  in  den  Handel,  aus  Argen- 
tinien  etwa  5  bis  6000  Stuck  jahrlich,  deren  augenblicklicher  Wert  etwa 
3  Mk.  per  Stuck  ist. 

Im  Norden  Siidamerikas  wird  er  durch  einen  andern  Fuchs  vertreten, 
den  Canis  cancrivorus,  ein  bedeutend  grosseres  Tier,  der  den  Landfuchs  an. 
Grosse  iibertrifft.  Er  sieht  mehr  schakalartig  aus,  das  ziemlich  kurz- 


>• 

gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Pampasfuchs    (Canis  azarae) . 

haarige  Fell  ist  gelbgrau.  Haare  gelb  und  schwarz  geringelt.  Der  Schwanz. 
mit  vielen  schwarzen  Haaren  durchsetzt,  die  Spitze  schwarz.  Auf  den  Sa- 
vannen  von  Guiana  und  Venezuela  ist  das  Tier  recht  haufig  und  stellt  dort 
auch  dem  Hausgeflugel  stark  nach.  Er  wird  aber  vielfach  gezahmt  und  soil 
von  den  Indianern  dort  auch  zur  Jagd  abgerichtet  werden.  Das  Fell  kommt 
fast  nie  in  den  Handel.  Sehr  schon  ist  der  in  Siidpatagonien  bis  zur  Magellan- 
strasse vorkommende  patagonische  Fuchs  Canis  griseus.  Er  ist  etwas  grosser 
als  der  Azarafuchs,  aber  nicht  so  gross  als  der  europaische  Rotfuchs.  Das 
Fell  ist  sehr  fein  und  weich,  die  Behaarung  eine  gleichmassige,  ohne  die  Riicken- 
mahne  des  Pampasfuchses. 

Die  dichte  Unterwolle  ist  graublau,  die  Grannen  gelblich,  weiss  und. 
schwarz  geringelt.  Der  Nacken  rotlich-grau,  Bauch  rotlichweiss. 

Unterschenkel  und  Pfoten  aussen  rotlich,  innen  gelblichweiss.  Der 
kraftige  Schweif  auf  der  Oberseite  stark  mit  schwarzen  Haaren  durchsetzt, 
auf  der  Unterseite  rotlichgelb,  Schwanzspitze  schwarz.  Ohren  klein  und 
spitz,  innen  weisslich,  aussen  rotlichbraun.  Die  Gesamtfarbung  des  Tieres 


III.  Die  Hundearten.  465 


erinnert  entfernt  an  den  nordamerikanischen  Rotluchs  oder  Luchskatze.  Es 
kommen  jetzt  jahrlich  einige  tausend  Stuck  dieses  schonen  Felles,  doch  wiirde 
dasselbe  eine  grossere  Anwendung  finden,  wenn  regelmassig  grossere  Mengen 
an  den  Markt  kamen.  Der  gegenwartige  Wert  1st  etwa  6  Mk.  per  Stuck  im 
Durchschnitt. 

In  Chile  kommen  mehrere  Fuchsarten  vor.  Cants  fulvipes,  ist  kleiner 
als  der  patagonische  Fuchs,  dunkel  gefarbt,  Haar  schwarz  und  weiss  ge- 
sprenkelt.  Der  Schweif  ist  erst  diinn,  nach  dem  Ende  zu  aber  stark  verdickt. 
Im  westlichen  Laplata  und  im  chilenischen  Gebirge  soil  ein  sehr  schoner 
Fuchs  vorkommen,  C.  gracilis,  ich  habe  aber  weder  Felle  davon  zu  Gesicht 
bekommen  noch  eine  Beschreibung  auffinden  konnen,  ebensowenig  wie  von 
dem  in  Siidbrasilien  vorkommenden  C.  parvideus.  Felle,  die  ich  aus 
Siidbrasilien  bekommen  habe,  waren  immer  dem  Pampasfuchs  ahnlich,  nur 
war  der  Schulterstreifen  und  der  dunkle  Riicken  noch  etwas  ausgepragter. 

Die  Felle  des  im  Amazonental  vorkommenden  C.  microtis  sind  fur  den 
Pelzhandel  wertlos,  da  ihr  Haar  dem  Klima  entsprechend  viel  zu  kurz  ist. 

Ein  merkwiirdiges  Tier  ist  C.  magellanicus.  Im  Aussern  mehr  einem 
Wolf  ahnlich,  gehort  es  doch  zoologisch  zu  den  Fiichsen.  Er  ist  viel  grosser 
als  ein  europaischer  Fuchs  und  erreicht  voll  die  Grosse  des  nordamerikanischen 
Prariewolfes.  Er  ist  auch  viel  kraf tiger  und  gedrungener  als  irgend  ein  Fuchs. 
Das  Haar  ist  lang,  kraf  tig,  aber  weich.  Der  Schweif  gross  und  sehr  buschig. 

Die  Far  bung  des  Riickens  ist  schwarz  weiss  meliert,  die  Haarwurzeln 
sind  grau,  dann  hellbraun  mit  breitem,  weissem  Ring,  die  Spitze  schwarz. 
Bauch  ist  gelb weiss.  Schwanz  oben  rostrot  mit  schwarzen  Haarspitzen,  unten 
weisslich,  Schwanzspitze  schwarz,  Fiisse  hellgelb.  Das  Tier  lebt  an  der 
Magellanstrasse  und  auch  auf  den  benachbarten  Inseln.  Bis  jetzt  kommen 
jahrlich  hochstens  einige  hundert  Stuck  in  den  Handel,  deren  Wert  etwa 
6 — 8  Mk.  per  Stuck  betragt.  Vielfach  werden  die  Felle  auch  mit  denen  des 
patagonischen  Wolfes,  C.  antarcticus,  verwechselt. 

H.  Polarfiichse 
(engl.  white  fox  und  blue  fox,  franz.  renard  blanc  und  renard  bleu). 

Von  vielen  Forschern  werden  Blaufiichse  und  Weissfuchse  als  zu  einer 
Art  Fulpes  lagopus  gehorige  angesehen.  Es  ist  dies  aber  meiner  Ansicht  nach 
ein  Irrtum,  da  sie  nicht  in  derselben  Gegend  vorkommen.  Auch  sind  ofters  in 
derselben  Gegend  zumBeispiel  Labrador,  die  Weissfuchse  besonders  gross  und 
die  Blaufiichse  klein,  in  an  deren  wieder  umgekehrt  und  geographisch  getrennt. 
Der  Weissfuchs  hat  im  Sommer  eine  steingraue  Farbung,  die  aber  mit  der  Blau- 
fuchsfarbe  nicht s  gemein  hat,  und  nimmt  im  Winter  die  feine  weisse  Farbe 
an.  Das  Sommerfell  ist  meist  berieben  und  sehr  unansehnlich.  Der  Blau- 
fuchs  hat  Sommer  und  Winter  dieselbe  Farbe.  Ubrigens  unterscheiden 

30 


466  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

neuere  Forscher,  wie  z.  B.  Barret  Hamilton,  auch  bei  den  Polarfiichsen  ver- 
schiedene  Arten. 

Canis  lagopus  spitzbergensis  lebt  auf  Spitzbergen,  Gronland  und  Island, 
soil  auch  auf  den  Faroer-Inseln  vorkommen.  Er  1st  wesentlich  kleiner  als  die 
amerikanischen  Weissfiichse,  das  Fell,  das  etwa  eine  Lange  von  60  cm  erreicht, 
ist  dicht,  lang  und  seidig.  Der  Schweif  ist  rund  und  gedrungen  mit  dichtem 
wolligem  Haar. 

Die  Konigl.  Gronlandische  Handlung  bringt  jahrlich  800  bis  1000  Stuck 
in  Kopenhagen  zur  Auktion,  die  sie  in  4  Qualitaten  einteilt.  Von  No.  i  sind 
aber  stets  nur  wenig  vorhanden,  ausserdem  kommen  durch  die  norwegischen 
Fangschiffe  auch  wohl  ebenso  viel  nach  Drontheim,  Bergen,  Tromso  etc. 


Gesch.  Spezialaufn.  d.  Neuen  Photogr.  Ges. 
Polarfuchs    (Canis  lagopus) . 

In  Labrador  lebt  sehr  zahlreich  C.  lagopus  ungava,  bedeutend  grosser  als 
der  Gronlandfuchs,  aber  auch  hier  sehr  fein  im  Haar.  Die  besten  kommen 
aus  dem  L.  W.  R.  (Little  Whaleriver-Distrikt) . 

Auf  den  Barrengronds,  an  der  Kiiste  der  Hudsonsbay,  der  Kiiste  des  ameri- 
kanischen Eismeers  und  auf  den  nordlichen  Inselgruppen  lebt  V.  lagopus 
innuitus,  ein  grosser  Weissfuchs  mit  etwas  groberem  Haar.  Der  Schadel  ist 
auch  bedeutend  breiter  als  bei  den  andern  Arten.  Blaufiichse  kommen  in  dieser 
Gegend  gar  nicht  vor.  An  der  Westkiiste  lebt  auf  dem  Festlande  Alaskas 
der  F .  lagopus  kenaiensis,  ein  grosser  Fuchs,  aber  mit  grobem  Haar  und  auf 
dr  elnsel  Kadiak,  die  ja  iiberhaupt  eine  ziemlich  eigene  Fauna  hat,  lebt  der 
C.  lagopus  halensis,  ein  grobhaariger  grosser  Weissfuchs  mit  kurzem  breitem 
Schadel.  Auf  der  Behring-Insel  lebt  eine  etwas  kleinere  Art,  V.  lagopus 
behringiensis.  Zu  Behrings  Zeiten  waren  hier  unglaubliche  Mengen  sowohl 
Blaufiichse  als  Weissfiichse  vorhanden,  die  durch  ihre  Zudringlichkeiten 


III.  Die  Hundearten.  467 


den  Schiffbriichigen  das  Leben  verbitterten  und  zu  vielen  Tausenden  mit 
Kniippeln  erschlagen  wurden. 

Die  Hudsonsbay  Company  bring!  jahrlich  etwa  6  bis  8000  Weissfiichse 
zur  Auktion.  Von  der  Harmony  Company  in  Labrador,  die  von  den  Herren- 
huter  Missionaren  geleitet  wird,  kommen  etwa  1000  sehr  feine  Weissfiichse 
nach  London. 

Lampson  bringt  etwa  8  bis  10  ooo  amerikanische  Weissfiichse,  von 
denen  die  meisten  von  der  Westkiiste  stammen.  Etwa  ebenso  viel  kommen 
aus  der  Polargegend  iiber  Seattle  und  San  Francisco,  die  dann  meist  in  den 
Vereinigten  Staaten  verbraucht  werden.  Sehr  zahlreich  sind  auch  die  Weiss- 
fiichse von  der  Kiiste  des  sibirischen  Eismeers,  von  denen  die  besten  aus 
Jeniseisky-Distrikt,  dann  aus  dem  Yakutsky-Distrikt  und  dem  Olenek  und 
der  Kolyma  kommen. 

Diese  Art  scheint  dem  C.  lagopus  innuitus  sehr  nahe  zu  stehen,  da  sie 
wesentlich  grosser  sind  als  die  gronlandischen.  Es  finden  sich  darunter 
besonders  viele,  die  eine  gelbliche  Farbung  zeigen.  Die  jahrliche  Ausbeute 
betragt  mindestens  60  ooo  Stuck,  die  meist  iiber  Irbit  und  Nishnij-Nowgorod 
nach  Leipzig  gelangen. 

Die  Polarfuchse  sind  ganz  im  Gegensatz  zu  den  anderen  Fiichsen  sehr 
dumm,  auch  scheuen  sie  die  Nahe  des  Menschen  sehr  wenig.  Alle  Polar- 
reisenden  klagen  dariiber,  dass  die  Fiichse  ihnen  allerhand  Gegenstande  aus 
dem  Lager  gestohlen  haben.  Ubrigens  finden  die  meisten  Polarreisenden 
das  Fleisch  des  Polarfuchses  sehr  wohlschmeckend,  doch  ist  ihre  Geschmacks- 
richtung  wohl  nicht  besonders  verwohnt. 

Die  Weissfiichse  werfen  im  Friihjahr  jedesmal  3  bis  5  Junge.  Der  Wert 
schwankt  jetzt  von  20  Mk.  bis  60  Mk.  per  Stuck.  Der  Blaufuchs  von 
Island  und  Gronland  ist  ebenfalls  viel  kleiner  als  die  amerikanischen  und 
ist  die  Farbe  meist  heller  und  rotlicher,  auch  mit  einzelnen  weisslichen,  oder 
besser,  hellgrauen  Haaren  untermischt.  Noch  kleiner  und  auch  etwas  grober 
im  Haar,  aber  feiner  blau  sind  die  islandischen  Blaufiichse.  Diese  beiden 
Sorten  kommen  ebenfalls  durch  die  Kgl.  Gronlandische  Handlung  in  Kopen- 
hagen  zur  Auktion,  und  zwar  500  bis  1000  Stuck  jahrlich. 

In  Labrador,  wo  grosse  und  feine  Weissfiichse  vorkommen,  finden  sich 
auch  Blaufiichse,  dabei  wenig  zahlreich,  kaum  mehr  als  100  Stuck  jahrlich. 
Dieselben  sind  viel  kleiner  als  die  Weissfiichse  desselben  Gebietes,  die  C.  lag. 
ungava,  die  Farbe  variiert  sehr,  von  ganz  hellem  blau  bis  braun  und  rotlich- 
braun.  Dunkle  Felle  kommen  fast  nicht  vor,  dagegen  ist  die  Qualitat  eine 
ausgezeichnete. 

Zahlreicher  sind  die  Blaufiichse  an  der  Westkiiste,  namentlich  auf  dem 
Festland  von  Alaska.  Es  sind  grosse  Felle,  etwas  grob  oder  wollig  im  Haar, 
aber  von  prachtvoller  dunkelblauer  Farbe  und  deshalb  auch  sehr  geschatzt. 
Auch  auf  den  Inseln  an  der  Kiiste  leben  Blaufiichse,  die  wie  die  meisten 
dortigen  Fiichse  grobhaarig  sind.  Auf  den  Pribiloff-Inseln  St.  Paul  und 

30* 


468  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

St.  George  1st  eine  eigene  Fuchsart  heimisch,  C.  lagopus  pribilofensis,  gross 
und  gut  in  Farbe.  Die  Tiere  werden  dort  sachgemass  geziichtet  und  nur  die 
best  en  Exemplare  zur  Zucht  zugelassen,  die  andern  vorher  getotet.  Sie  er- 
halten  auch  Hiitten  zum  Schutz  gegen  die  Winterkalte  und  werden  wahrend 
der  strengen  Jahreszeit  gefiittert.  Es  ist  dadurch  gelungen,  die  Rasse 
wesentlich  zu  verbessern,  so  dass  die  Felle  einen  gut  en  Preis  holen.  Etwa 
500  Stuck  jahrlich  werden  dort  jetzt  getotet.  Auch  auf  verschiedenen  an- 
deren  Inseln  an  der  Kiiste  von  Alaska  werden  Blaufiichse  in  sogenannten 
Fuchsfarmen  jetzt  geziichtet,  wozu  das  Land  von  der  Regierung  zu  einem  ganz 
nominellen  Betrage  gepachtet  wird.  Diese  Unternehmungen  bezahlen  sich 
sehr  gut.  Es  kommen  jahrlich  jetzt  etwa  3  bis  4000  Blaufiichse  von  der  Kiiste 
Alaskas  in  den  Handel  nach  London,  voraussichtlich  wird  sich  diese  Zahl  aber 
bald  stark  vergrossern.  Auch  aus  dem  nordlichen  Sibirien  kommen  Blau- 
fiichse von  guter  Qualitat  und  Farbe,  grosse  Felle,  die  aber  etwas  matt  in 
Farbe  sind.  Die  genaue  Zahl  habe  ich  nicht  feststellen  konnen,  es  diirfen 
aber  nicht  mehr  als  hochstens  einige  Tausend  Stuck  jahrlich  sem.  Die  von 
der  Polargegend  nach  Seattle  und  San  Francisco  kommenden  Felle  bleiben 
fast  alle  im  Lande. 

Der  Wert  eines  Blaufuchses  ist  je  nach  Qualitat  von  60  bis  200  Mk.  per 
Stuck. 

Bei  den  Zuchtversuchen  zeigt  sich  ubrigen  stets,  dass  die  jungen  Tiere 
auch  Blaufiichse  sind,  es  kommen  niemals  weisse  Tiere  im  Wurf  vor,  was 
doch  sicher  der  Fall  ware,  wenn  es  nur  Farbenvarietaten  sind. 


IV. 


Viverrenhunde, 


Sehr  verbreitet  ist  im  siidlichen  Ostasien  der  Viverrenhund,  im  deutschen 
Pelzhandel,  Seefuchs  oder  Japanfuchs,  von  den  Englandern  Racoondog  oder 
Japanese  fox,  manchmal  auch  falschlich  Badger  genannt,  japanischer  Name 
Tanuki,  chinesisch  Kju  chue  oder  Hao  Tze,  Ainoname  Munsenah. 

Wie  ich  von  japanischen  Geschaftsfreunden  hore,  soil  der  Name  Munsenah 
hauptsachlich  dem  japanischen  Dachs  ,,Mami"  gegeben  werden. 

Am  besten  bekannt  ist  der  japanische  Nyctereutes  viverrinus.  Er  ist 
etwa  75  bis  80  cm  lang,  wo  von  15  bis  20  cm  auf  den  kurzen,  buschigen  Schweif 
kommen.  Das  Haar  ist  gelblichbraun  und  dunkel  geringelt,  auf  dem  Nacken 
und  Oberschenkel  schwarz,  so  dass  auf  dem  Fell  eine  kreuzartige  Zeichnung 
sichtbar  ist,  doch  fehlt  dieselbe  bei  vielen  Exemplaren.  Uberhaupt  variiert 
die  Farbung  sehr.  Auf  dem  Bauch  sind  die  Haare  dunkler,  harter  und  kiirzer. 
Auf  den  Backen  findet  sich  ein  dunkler  Langsstreifen.  Die  Schnurrhaare  sind 
stark  und  weissgelb  gefarbt.  Das  Haar  ist  dicht,  sehr  weich  und  glanzend, 
und  darunter  findet  sich  eine  hellgelbe,  seidenweiche  Unterwolle. 

Hauptsachlich  findet  er  sich  auf  der  Insel  Hondo,  er  ist  aber  auch  auf 
Kiuschiu  haufig. 

Er  ist  ein  Nachttier  und  ahnelt  in  der  Lebensweise  vielfach  dem  Dachs. 
Er  grabt  sich  Hohlen,  namentlich  in  der  Nahe  fliessenden  Wassers.  In  China 
benutzt  er  haufig  die  uberall  zerstreuten  Grabhiigel,  ist  in  der  Nahe  grosserer 
Ortschaften  vielfach  auf  den  Begrabnisstatten  zu  finden  und  halt  sich  nicht 
selten  in  der  Nahe  der  menschlichen  Wohnungen  auf.  Er  schlaft  am  Tage 
und  geht  mit  Einbruch  der  Dammerung  seiner  Nahrung  nach.  Am  liebsten 
frisst  er  Fische,  Mause  und  andere  kleine  Saugetiere  und  auch  Vogel,  wenn 
er  sie  erwischen  kann.  Daneben  soil  er  auch  ein  grosser  Obstfreund  sein  und 
in  den  Obstgarten  grossen  Schaden  anrichten.  Auf  Baume  klettert  er  nicht. 

In  Lebensweise  und  Habitus  steht  er  dem  Dachs  viel  naher  als  den 
Hunden,  und  deshalb  ist  Schrenck,  der  den  Canys  procyonides  zu  den  Hunden 
stellt,  meines  Erachtens  im  Unrecht,  und  Siebold,  der  die  verschiedenen 
Arten  zu  einer  besonderen  Gruppe  als  Viverrenhunde  zusammenfasst,  im 
Recht,  denn  sie  bilden  jedenfalls  eine  Ubergangsform. 

Die  viverrenartigen  Bewegungen,  das  Schleichen  mit  gekrummtem 
Buckel  und  die  Seitenspriinge,  die  Radde  beobachtet,  habe  ich  nicht  wahr- 

I 


Sehr  verbreitet  ist  im  sudlichen  Ostasien  der  Viverrenhund,  imdeutschen 
Pelzhandel,  Seefuchs  oder  Japanfuchs,  von  den  Englandern  Racoondog  oder 
Japanese  fox,  manchmal  auch  falschlich  Badger  genannt,  japanischer  Name 
Tanuki,  chinesisch  Kju  chue  oder  Hao  Tze,  Ainoname  Munsenah. 

Wie  ich  von  japanischen  Geschaftsfreunden  hore,  soil  der  Name  Munsenah 
hauptsachlich  dem  japanischen  Dachs  ,,Mami"  gegeben  werden. 

Am  besten  bekannt  ist  der  japanische  Nyctereutes  viverrinus.  Er  ist 
etwa  75  bis  80  cm  lang,  wo  von  15  bis  20  cm  auf  den  kurzen,  buschigen  Schweif 
kommen.  Das  Haar  ist  gelblichbraun  und  dunkel  geringelt,  auf  dem  Nacken 
und  Oberschenkel  schwarz,  so  dass  auf  dem  Fell  eine  kreuzartige  Zeichnung 
sichtbar  ist,  doch  fehlt  dieselbe  bei  vielen  Exemplaren.  Uberhaupt  variiert 
die  Farbung  sehr.  Auf  dem  Bauch  sind  die  Haare  dunkler,  harter  und  kiirzer. 
Auf  den  Backen  findet  sich  ein  dunkler  Langsstreifen.  Die  Schnurrhaare  sind 
stark  und  weissgelb  gefarbt.  Das  Haar  ist  dicht,  sehr  weich  und  glanzend, 
und  darunter  findet  sich  eine  hellgelbe,  seidenweiche  Unterwolle. 

Hauptsachlich  findet  er  sich  auf  der  Insel  Hondo,  er  ist  aber  auch  auf 
Kiuschiu  haufig. 

Er  ist  ein  Nachttier  und  ahnelt  in  der  Lebensweise  vielfach  dem  Dachs. 
Er  grabt  sich  Hohlen,  namentlich  in  der  Nahe  fliessenden  Wassers.  In  China 
benutzt  er  haufig  die  uberall  zerstreuten  Grabhiigel,  ist  in  der  Nahe  grosserer 
Ortschaften  vielfach  auf  den  Begrabnisstatten  zu  finden  und  halt  sich  nicht 
selten  in  der  Nahe  der  menschlichen  Wohnungen  auf.  Er  schlaft  am  Tage 
und  geht  mit  Einbruch  der  Dammerung  seiner  Nahrung  nach.  Am  liebsten 
frisst  er  Fische,  Mause  und  andere  kleine  Saugetiere  und  auch  Vogel,  wenn 
er  sie  erwischen  kann.  Daneben  soil  er  auch  ein  grosser  Obstfreund  sein  und 
in  den  Obstgarten  grossen  Schaden  anrichten.  Auf  Baume  klettert  er  nicht. 

In  Lebensweise  und  Habitus  steht  er  dem  Dachs  viel  naher  als  den 
Hunden,  und  deshalb  ist  Schrenck,  der  den  Canys  procyonides  zu  den  Hunden 
stellt,  meines  Erachtens  im  Unrecht,  und  Siebold,  der  die  verschiedenen 
Arten  zu  einer  besonderen  Gruppe  als  Viverrenhunde  zusammenfasst,  im 
Recht,  denn  sie  bilden  jedenfalls  eine  Ubergangsform. 

Die  viverrenartigen  Bewegungen,  das  Schleichen  mit  gekrummtem 
Buckel  und  die  Seitenspriinge,  die  Radde  beobachtet,  habe  ich  nicht  wahr- 


474  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Europa  ausgefiihrt  und  ein  Drittel  von  den  Japanern  aufgekauft  wird.  In 
Japan  werden  diese  Felle  gerupft,  die  Grannenhaare  zu  sehr  geschatzten 
Pinseln  verarbeitet  und  die  gerupft  en  Felle  zu  hiibschen  Pelzfuttern  verwendet, 
teilweise  auch  wieder  nach  China  ausgefiihrt.  Hin  und  wieder  soil  es  auch  vor- 
kommen,  dass  solche  chinesischen  Fuchsfelle  unter  die  hochwertigen 
japanischen  gemischt  werden.  Auch  in  China  rupft  man  manchmal  die  See- 
fuchsfelle,  um  die  Haare  zu  Pinseln  und  die  Felle  zu  Futtern  zu  verwenden. 

Der  Wert  der  einzelnen  Sorten  war  vor  einigen  Jahren  3,50  bis  5  Mk.  fur 
japanische  Seefiichse,  2,50  fur  koreanische  und  sibirische  und  1,50  bis  2  Mk. 
fur  die  chinesischen  Felle.  Jetzt  ist  aber  der  Wert  fur  japanische  bis  auf 
das  3  fache,  fur  die  anderen  auf  das  doppelte  gestiegen.  Von  Japan  aus 
kommen  etwa  jahrlich  ca.  80 — 100  ooo  Stuck  zur  Ausfuhr,  darunter  10  ooo 
Yessofelle,  von  Korea  etwa  30  ooo  und  ein  etwas  kleineres  Quantum  von 
Ostsibirien. 

Zuletzt  mochte  ich  noch  auf  einen  Irrtum  Temmincks  aufmerksam 
machen.  Er  fiihrt  in  der  ,, Fauna  japanica"  vier  Arten  Nyctereutes  an:  i.  Canis 
procyonides,  Hatsimon  si,  der  sehr  selten  sei,  2.  Tanuki,  3.  Mami  Tanuki  und 
4.  Musina  Tanuki.  Letzteres  sei  aber  das  Sommerfell  des  N.  viverrinus.  Nun 
ist  Munsena  einfach  der  auf  Yesso  gebrauchliche  Ainoname  des  Tanuki  und  ent- 
spricht  jedenfalls  dem  N.  procyonides,  Mami  Tanuki  ist  aber  iiberhaupt  keine 
Nyctereutes- Art,  sondern  der  Meles  japonica  oder  Meles  anakuma  Siebolds. 
In  der  Vorrede  zur  ,, Fauna  japonica"  fiihrt  Temminck  noch  an,  dass  N.  viverri- 
nus von  dem  Canis  procyonides  Chinas  stark  verschieden  sei,  der  letztere  aber 
auch  in  Japan  vorkomme. 


V. 


Die  Marderarten. 


1.  Zobel. 

An  der  Spitze  der  edlen  Pelztiere  steht  unstreitig  der  sibirische  Zobel, 
Mustela  zibellina,  englisch  sable,  franzosisch  zibelline,  dessen  Verbreitungs- 
bezirk  sich  vom  Ural  bis  nach  dem  Stillen  Ozean  hinzieht,  uberall  aber  an  den 
Waldgiirtel,  die  Taiga,  gebunden. 

Schon  im  9.  Jahrhundert  wird  von  Byzanz  berichtet,  dass  dorthin  edle 
Zobelfelle  zum  Verkauf  gebracht  werden,  und  in  den  Dichtungen  des  Mittel- 
alters,  wie  z.  B.  dem  Nibelungenlied,  dem  Parsival  und  anderen,  spielt  das 
Zobelfell  eine  grosse  Rolle,  wie  ich  schon  an  anderer  Stelle  (Pelzhandel  im 
Altertum  und  Mittelalter)  ausgefiihrt  habe. 

Die  besten  Felle  liefert  das  Gebiet  am  Witimflusse  und  dem  Olenek.  Es 
sind  dies  grosse  gedrungene  Felle,  rauch  von  schwarzer  Farbe,  viele  gut 
silbrige  Felle  dabei,  feines  weiches  Haar,  diinnes  Leder.  Die  Felle  sind  stark 
in  die  Breite  gestreckt. 

Am  nachsten  kommen  die  Bargusiner,  die  ganz  ahnlich  sind,  nur  ist  das 
Haar  nicht  so  voll  und  die  Felle  sind  etwas  in  die  Lange  gezogen. 

Die  Jakutzky-Zobel  sind  voll  rauch,  etwas  klein,  nicht  so  fein  schwarz 
als  die  vorigen,  sondern  etwas  braunlich,  etwas  klein,  aber  seidiges  Haar 
und  voile  grosse  Schweife.  Die  Ochotsky  sind  noch  kleiner  und  brauner,  aber 
auch  gut  im  Haar.  Kamtschatka  sind  grosse  rauche  Felle,  aber  nicht  sehr  fein 
im  Haar,  etwas  braun,  aber  meist  fein  silbrig.  Felle  sind  langgestreckt. 
Nerschinsky-Zobel  gross,  etwas  grobes  Haar,  schweres  Leder,  gut  silbrig,  lang 
gestreckt. 

Yeneseisky  sind  gross,  grobhaarig,  meist  hellere  Farben. 

Nicolajewsky  sind  gross,  ziemlich  grob  im  Haar,  viele  helle  Felle,  die 
sich  nur  zum  Blenden  eignen,  voll  im  Haar,  Schweif  meist  kurz.  Die  Felle 
sind  stark  in  die  Breite  gestreckt. 

Amurzobel  sind  kleine  breit  gestreckte  Felle,  meist  braun,  aber  viele 
silbrige  Felle  dabei,  rauch  ab.  Kuschnetzky-Zobel  sind  rauch,  breit  gezogen, 
grobhaarig,  Altainsky  lang,  diinnhaarig,  wenig  silber,  flach,  an  den  Spiczen 
meist  hell. 


478  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Alle  diese  Sorten  kommen  meist  mil  dem  Haar  nach  aussen  in  den  Handel 
dagegen  sind  die  mandschurischen,  im  Handel  meist  als  chinesische  Zobel 
bezeichneten,  meist  mit  dem  Leder  nach  aussen  getrocknet.  Die  Felle  sind  meist 
flach,  stark  in  die  Lange  gezogen,  doch  ist  das  Haar  ziemlich  weich.  Die  Farben 
variieren,  doch  finden  sich  auch  gute  dunkle  und  silbrige  Felle  nicht  selten. 
Es  wird  ein  grosser  Teil  davon  im  Lande  selbst  verbraucht  zu  den  Maquas  oder 
Reitjacken  der  Mandarinen.  Die  helleren  Felle  werden  von  den  Chinesen 
haufig  in  sehr  primitiver  Weise  gefarbt  oder  geblendet,  so  dass  sie  fiir  den 
europaischen  Markt  ganz  unbrauchbar  sind.  Es  kommen  jahrlich  etwa  20  ooo 
Zobelfelle  nach  London,  mindestens  ebensoviel  kommen  nach  Leipzig  usw. 


gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Sibirischer  Zobel    (Mustela  Zibellina) . 

direkt,  etwa  20  bis  30  ooo  mogen  in  Russland  verbraucht  werden  und  etwa 
10  ooo  in  China. 

Der  Preis  schwankt  natiirlich  nach  den  Konjunkturen  gewaltig.  Augen- 
blicklich  kosten  gute  Witimer  Zobel  etwa  1000  Mk.,  mandschurische  etwa 
50  bis  60  Mk.  per  Stuck  im  Durchschnitt,  die  anderen  Sorten  rangieren  in  ver- 
schiedenen  Preisabstufungen  dazwischen. 

Vor  etwa  25  Jahren  konnte  man  die  besten  Witimer  Zobel  aber  fiir  250  Mk. 
kaufen. 

Trotz  der  starken  Nachstellungen  hat  der  Zobel  in  den  letzten  Jahren 
zwar  verloren,  aber  es  ist  doch  an  eine  Ausrottung,  die  oft  befiirchtet  wurde, 
nicht  zu  denken,  wenn  auch  die  Ziffern  friiherer  Jahrhunderte  nicht  annahernd 
mehr  erreicht  werden.  Jetzt  ist  aber  eine  lebhafte  Agitation  im  Gange,  um 
eine  geregelte  Schonzeit  einzufuhren  resp.  ein  mehrjahriges  Fangverbot  zu 
erwirken. 

Ausgezeichnet  sind  die  Zobel  stets  durch  den  orangefarbigen  Kehlfleck. 

Eine  besondere  Art  ist  der  sogenannte  japanische  Zobel  M.  brachyura, 
der  aber  in  Japan  gar  nicht  vorkommt,  sondern  nur  von  hier  aus  in  den  Handel 


V.  Die  Marderarten.  479 


gebracht  wird.  Hierauf  deutet  auch  sein  japanischer  Name,  Karaite  Ten 
(karafto  ist  Sachalin).  Er  lebt  nur  auf  Sachalin.  Siebold  und  Schrenck  be- 
haupten  zwar,  dass  auf  Yesso  ein  Zobel  lebt,  doch  ist  dies  ein  Irrtum.  Der 
sogenannte  Hokkeido  ten  ist  eine  Abart  des  M.  melampus.  Die  Felle  sind 
klein,  etwas  flach,  hell  gelblich  mit  viel  Silberspitzen,  die  aber  auch  meist 
eine  gelbliche  Tonung  haben.  Der  gegenwartige  Wert  diirfte  etwa  30  Mk.  sein. 

Der  Zobel  lebt  nur  in  Waldgebieten  und  bevorzugt  Nadelholzer.  Pallas 
nimmt  an,  dass  die  Farbung  und  Schonheit  des  Felles  mit  dem  Bestande  der 
Waldungen,  in  denen  er  lebt,  zusammenhangt,  und  dass  die  dunkelsten  in 
Tannenwaldungen,  weniger  dunkle  in  Pappel-  und  Weidengeholzen  und  die 
hellsten  in  Larchen-  und  Zedernbestanden  vorkommen.  Ich  kann  dem  nicht 
beistimmen.  Wenn  die  Umgebung  allerdings  grossen  Einfluss  ausubt,  wirken 
Nahrung  und  Klima  mindestens  ebensosehr  mit. 

Als  Nahrung  zieht  der  Zobel  Pflanzenkost  vor,  namentlich  bilden  Zeder- 
niisse,  Larchen-  und  Tannenzapfen  den  Hauptbestandteil  derselben.  Daneben 
soil  er  den  Honig  der  wildenBienen  sehr  lieben  und  verschmaht  jedenfallsFische, 
kleine  Vogel,  Mause  und  dergleichen  durchaus  nicht.  Auch  deutet  wohl  die 
Zunahme  der  Eichhornchen  seit  Abnahme  der  Zobel  darauf  hin,  dass  er  gleich 
seinem  Vetter,  dem  europaischen  Edelmarder,  diesen  flinken  Nagern  eifrig 
nachstellt. 

Der  Zobel  ist  wesentlich  ein  Nachtraubtier,  nur  in  Gegenden,  wo  er  wenig 
gestort  wird,  geht  er  auch  bei  Tage  seiner  Nahrung  nach.  Mit  der  Feuerwaffe 
wird  er  fast  nirgends  erlegt,  um  das  wertvolle  Fell  nicht  zu  beschadigen.  Am 
meisten  wird  er  in  holzernen  Schlagfallen  gefangen,  ahnlich  unseren  Harder- 
fallen,  und  durch  den  herabfallenden  Schlagbalken  getotet.  Eine  beliebte  Fang- 
methode  besteht  darin,  dass  ein  Baumstamm  iiber  einen  Bach  gelegt  wird, 
um  dem  Zobel  als  Briicke  zu  dienen.  In  der  Mitte  wird  dann  verborgen  eine 
Schlinge  angebracht,  dass  das  Tier  gefangen  ins  Wasser  stiirzt  und  ertrinkt. 
Auch  Haarschlingen  sind  in  Gebrauch,  und  in  einzelnen  Gegenden  wird  er 
durch  Hunde  aufgestobert  und  mit  stumpfen  Pfeilen  erlegt.  Jedenfalls  wird 
er  uberall,  wo  er  vorkommt,  heftig  verfolgt  und  ist  deshalb  auch  seltener  als 
fruher  geworden. 

Friiher  wurde  in  Sibirien  der  Tribut  der  Eingeborenen,  der  sogenannte 
,,Yashak",  in  Zobelfellen  entrichtet,  und  noch  jetzt  sollen  in  einzelnen 
Gegegenden  die  Steuern  in  Zobelfellen  entrichtet  werden.  Der  Name  Kronen- 
zobel  fur  die  feinsten  Zobelfelle  schreibt  sich  aus  dieser  Zeit  her,  da  die  besten 
Felle  aus  diesen  Tributfellen  fur  die  Krone  reserviert  wurden.  Der  Name  ist 
aber  falsch  gewesen,  denn  wenn  auch  die  fur  die  Krone  bestimmten  Felle  ur- 
spriinglich  die  besten  des  Distrikts  waren,  so  gingen  sie  doch  durch  soviel 
Hande,  dass  bei  der  Ankunft  auf  der  sibirischen  Kanzlei  in  Moskau  nur  ganz 
geringwertige  Felle  ankamen,  und  wenn  fur  die  Mitglieder  des  Kaiserhauses 
etwas  aus  Zobelfellen  gefertigt  werden  sollte,  mussten  solche  beim  Hof- 
kiirschner  gekauft  werden. 


480  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Ubrigens  wird  beim  Zobelfell  alles  vcrarbeitet.  Die  Kehlen  sowohl  wie  die 
Klauen  werden  zu  besonderen  Futtern  verarbeitet,  die  sehr  schone  und  leichte 
Pelzfutter  abgeben.  Besonders  werden  solche  auf  der  Balkanhalbinsel  in  der 
Hausindustrie  fertig  gestellt. 


2.  Amerikanische  Zobel. 

Dies  Tier  steht  eigentlich  unserm  Baummarder  naher  als  dem  sibirischen 
Zobel.  Es  sind  mehrere  Arten  davon  in  Amerika  vorhanden.  Die  verbreitetste 
Art  ist  Muslela  americana,  englisch  marten,  franzosisch  martre  de  Canada,  der 
vom  nordlichen  Hudsonsbay-Gebiet  bis  nach  dem  New  York-Staat  vorkommt. 
Das  Fell  ist  dunkelbraun,  weich  und  langhaarig,  das  Unterhaar  blaugrau.  Die 
Kehle  und  ein  schmaler  Streifen  an  den  Backen  ist  weiss,  die  Ohren  klein,  der 
dicht  behaarte  Schweif  ist  ca.  15  bis  20  cm  lang,  das  Fell  von  Schnauze  bis 
Schwanzwurzel  ca.  40  cm.  Manchmal  kommen  Albinos  vor,  die  aber  von  den 
Indianern  sehr  hoch  geschatzt  werden  und  gleich  zwanzig  anderen  gerechnet 
werden. 

Im  nordlichen  Labrador  lebt  eine  Abart,  M.  brumalis,  die  iiber  Fort 
George  und  East  Maine  in  den  Handel  kommt  und  demgemass  die  Bezeichnung 
F.  G.  und  E.  M.  tragt.  Diese  sind  ganz  dunkel,  fast  schwarz  und  demgemass 
auch  recht  wertvoll.  Im  Saskatschewan-Gebiet  lebt  eine  andrse  Art,  Mustela 
abieticola,  dunkelgelbbraun,  mit  sehr  kleinem  unregelmassig  geformten  weissen 
Kehlfleck,  das  Fell  ist  grosser  als  das  vorige.  Auf  New  Fundland  lebt  M.  atrata, 
ebenfalls  sehr  dunkel  und  fein,  aber  kleiner. 

An  der  Westkiiste  Kaliforniens  bis  zum  Pugetsund  kommt  M.  caurina 
vor,  der  kleinste  der  amerikanischen  Zobel,  hell,  gelbbraun,  mit  orange- 
farbigem  Kehlfleck.  In  Alaska  lebt  dagegen  ein  sehr  grosser  Zobel,  M.  actuosa, 
grobhaarig,  gelblich  hellfarbig,  die  Kehle  grauweiss  mit  braunen  Flecken,  die 
Ohren  weiss. 

Daneben  kommt  noch  ein  dunklerer  Zobel,  M.  kenaiensis  vor.  Unter  den 
Fellen  von  der  Westkiiste  findet  man  aber  auch  mitunter  dunkle  Felle  mit 
silbrigen  Spitzen,  die  dann  natiirlich  bedeutend  wertvoller  sind. 

Auf  den  Queencharlotte  Islands  gibt  es  eine  eigene  Art,  M.  mesophila,  die 
ich  aber  nicht  naher  kenne. 

Bei  der  Hudsonsbay  Company  sind  die  zur  Auktion  kommenden  prima 
Felle  sorgfaltig  nach  der  Farbe  sortiert,  in  grosse,  dunkle,  kleine  dunkle,  grosse 
helle  und  kleine  helle.  Bei  den  Sekunda  und  Tertia  werden  die  Farben  zu- 
sammen  genommen. 

Friiher  waren  die  Felle  aus  Britisch  Kolumbia  gar  nicht  sortiert,  sondern 
die  Qualitaten  gingen  zusammen,  und  holten  vor  etwa  40  Jahrcn  3  sh  im  Durch- 
schnitt.  Mein  Vater  kaufte  damals  stets  die  samtlichen  Kolumbia-ZobeL 


V.  Die  Marderarten.  481 


Die  Zobclfclle  a  us  den  Vereinigten  Staaten  sind  meist  viel  geringer  in 
Qualitat  a  Is  die  aus  Kanada  und  dem  Hudsonsbai-Gebiet  stammenden  Felle. 

Die  Tiere  nahren  sich  meistens  von  Mausen  und  anderen  kleinen  Sauge- 
tieren,  Rebhiihnern,  Vogeln  und  Eiern.  Sie  nisten  in  Erdlochern  und  hohlen 
Baumen,  begatten  sich  im  Februar  und  Marz,  wahrend  welcher  Zeit  sie  leicht 
gefangen  werden  konnen.  Ende  April  bringen  sie  4  bis  6  blinde  Junge  zur 
Welt,  die  aber  sehr  bald  gewandt  den  Alien  folgen.  Jung  eingefangen  werden 
sie  leicht  zahm.  Das  Weibchen  ist  iibrigens  stets  erheblich  kleiner  als  das 
Mannchen. 

Der  argste  Feind  des  Zobel  ausser  dem  Menschen  sind  die  Luchse,  weshalb 
es  auch  in  starken  Luchsjahren  wenig  Harder  gibt  und  umgekehrt.  Sie 
scheinen  auch  grosse  Wanderungen  periodisch  zu  unternehmen,  so  dass  sie  zeit- 
weise  in  nordlichen  Distrikten  haufig,  in  sudlichen  aber  selten  sind. 

Die  an  den  Markt  gebrachten  Quantitaten  schwanken  daher  auch  sehr 
haufig.  Das  grosste  Quantum  wahrend  des  vorigen  Jahrhunderts  brachte  das 
Jahr  1855  mit  176  ooo  Stuck  aus  dem  Hudsonsbai-Gebiet,  wahrend  im 
gleichen  Jahre  aus  Kanada  und  den  U.  S.  nur  15  ooo  kamen. 

Das  Jahr  1874  brachte  noch  125  ooo  aus  dem  Hudsonsbai-Gebiet  und 
32  ooo  aus  dem  iibrigen  Nordamerika. 

Das  folgende  Jahr  brachte  aber  nur  87  ooo  resp.  34  ooo  und  seit  dieser 
Zeit  ist  das  Hunderttausend  nie  wieder  erreicht  worden.  Aus  dem  Hudsonsbay- 
Gebiet  kommen  jetzt  jahrlich  30  ooo  bis  50  ooo,  wahrend  C.  M.  Lampson 
20  ooo  bis  30  ooo  zum  Verkauf  bringt.  Ein  Teil  bleibt  ausserdem  noch  zum 
eigenen  Konsum  in  den  Vereinigten  Staaten. 

England  und  die  Vereinigten  Staaten  sind  die  Hauptverbraucher  dieses 
schonen  Pelzwerks,  das  in  Deutschland  verhaltnismassig  wenig  gekauft  wircL 
Helle  Felle  gehen  viel  nach  dem  Orient,  wo  unter  anderm  auch  die  Ehren- 
khalate,  die  der  Sultan  verschenkt,  damit  gefuttert  werden.  Auch  Griechen- 
land  und  die  Balkanlander  sind  Kaufer  dafiir.  Die  Griechen  kaufen  auch  die 
Zobelstiicken  und  Kehlen,  die  dann  zu  Futtern  zusammengenaht  werden, 
ebenso  wie  die  Klauen.  Jetzt,  bei  dem  hohen  Preise  des  Futters,  werden  solche 
auch  in  Deutschland  angefertigt. 

Der  gegenwartige  Wert  der  Felle  ist  je  nach  Qualitat  von  30  bis  80  Mk. 


3.  Virginische  Iltis. 


Der  virginische  Iltis,  Muslela  pennanti,  englisch  fisher,  franzosisch  pecan, 
ist  der  grosste  aller  Marderarten.  Er  misst  von  der  Schnauze  bis  zur  Schwanz- 
wurzel  70  bis  90  cm  und  der  Schwanz  ist  30  bis  50  cm  lang.  Die  Farbe  ist 
dunkelbraun,  mit  langeren  noch  dunkleren  Haarcn  untermischt,  Kopf  und 
Nacken  sind  heller  und  gehen  teilweise  ins  gelbgraue  iiber.  Der  Kopf  ist  kurz 
und  breit,  die  Ohren  kurz,  der  Schweif,  der  sehr  dicht  und  rauch  ist  und  spitz 

31 


482  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

zulauft,  1st  fast  schwa rz.  Das  Leder  ist  verhaltnismassig  dick,  die  breiten 
kraftigen  Fiisse  stark  behaart,  die  kraftigen  Krallen  stark  gekriimmt.  Man 
findet  viele  Felle,  die  iiber  den  grosseren  Teil  des  Korpers  hell  sind  und  wiederum 
andere,  namentlich  aus  den  dichten  Urwaldern,  die  fast  schwarz  sind.  Es 
findet  sich  in  Nordamerika,  nordlich  vom  35.  Breitengrade,  ist  aber  uberall 
an  den  Wald  gebunden. 

Sein  deutscher  Name  ist  irrefuhrend,  denn  er  kommt  in  Virginien  gar 
merit  vor,  und  ist  auch  kein  Iltis.  Der  62.  Grad  nordlicher  Breite  bildet  die 
Nordgrenze  des  Vorkommens,  jenseits  der  Rocky  mountains  wird  er  durch  eine 
andere  Art,  M.  pennanti  pacific  a  vertreten,  deren  Vorkommen  sich  von 
Kalifornien  bis  Alaska  erstreckt.  Haufig  ist  das  Tier  eigentlich  nirgends,  er 
bevorzugt  dichte  Waldungen  in  der  Nahe  von  Wasser. 

Seine  Nahrung  besteht  hauptsachlich  aus  Mausen,  Kaninchen,  und  wohl 
auch  Eichhornchen.  Auch  soil  er  den  Fischen  eifrig  nachstellen,  woher  aucb 
wohl  sein  englischer  Name.  Die  Begattung  findet  im  Februar  und  Marz  statt, 
und  wird  das  Lager  in  hohlen  Baumen  aufgeschlagen,  wo  nach  etwa  6  Wochen 
i  bis  5  blinde  Junge  geboren  werden. 

Bis  1870  importierte  die  Hudsonsbay-Company  jahrlich  7  bis  8000  Stuck, 
wahrend  aus  den  Vereinigten  Staaten  etwa  4  bis  5000  kamen.  Aus  letzterem 
Gebiet  kommt  jetzt  durchschnittlich  noch  ebensoviel,  aus  dem  Hudsons-Gebiet 
aber  selten  mehr  als  4000. 

Friiher  wurde  das  Fell  fast  ausschliesslich  in  Russland  gekauft,  wo  es  unter 
dem  Namen  liken  zu  Herrenpelzen  verarbeitet  wird.  Seit  einigen  Jahren  wird 
es  aber  in  grosserem  Massstabe  in  Frankreich  und  teilweise  auch  in  Deutsch- 
land  zu  Stolas  und  Muff  en  verwendet.  Der  augenblickliche  Wert  ist  je 
nach  Grosse  und  Schonheit  von  40  bis  150  Mk.  per  Stuck.  Die  Schweife 
werden  in  Polen  zur  Verbramung  von  Miitzen  verwendet,  in  England,  Frank- 
reich usw.  auch  zu  anderen  Pelzzwecken.  Der  Wert  eines  Schweifes  ist 
5  bis  10  Mk. 

Nahe  dem  vorigen  verwandt  ist  der  grosste  Marder  Asiens,  M.  flavigula,  der 
dort  in  mehreren  Arten  vertreten  ist.  Am  haufigsten  ist  er  in  Indien,  namentlich 
in  Nepal,  Assam  und  Kashmir.  Von  der  Schnauze  bis  zur  Schwanzspitze  ist 
dieLange  des  Fells  50  bis  60  cm,  der  dichte,  buschige  Schweif  ist  fast  ebenso  lang. 
Kopf ,  Nacken,  Rumpf ,  Schweif  und  Beine  glanzend  dunkelbraun,  Riicken  und 
Schultern  hellbraun,  Kinn  weiss,  Kehle  und  Brust  orangefarben,  Bauch  gelb- 
braun.  Das  Tier  lebt  in  dichten  Hiigelwaldungen  und  an  den  Hangen  des 
Himalaya,  wo  es  ein  dichtes,  kurzes  Haar  mit  wolliger  Unterwolle  hat.  Es  lebt 
meist  paarweise,  doch  auch  manchmal  in  Trupps  von  5  bis  6  Stuck.  Es  nahrt 
sich  von  Vogeln,  kleinen  Saugetieren,  Eiern,  Obst,  Insekten  und  Reptilien 
und  wird  leicht  zahm.  Das  Fell  hat  einen  Wert  von  10  bis  20  Mk.  kommt  aber 
wenig  in  den  Handel. 

Auf  Sumatra,  Java,  Borneo  und  der  Malakka-Halbinsel  wird  er  durch 
M.  henrici  vertreten,  welches  heller  gefarbt  ist,  kiirzeres  Oberhaar  und  fast 


V.  Die  Marderarten.  483 


keine  Unterwolle  besitzt.  Auf  Formosa  lebt  M.  xanthopila  und  in  Siidchina, 
in  den  Provinzen  Fokien  und  Kwantung,  M.  kuantensis.  Felle  von  diesen  habe 
ich  aber  nie  zu  Gesicht  bekommen.  Dagegen  kommt  im  hohen  Norden  in  Ost- 
sibirien  und  Korea  M.  flavigula  borealis  vor,  der  fur  den  Rauchwarenhandel 
von  Wichtigkeit  sein  konnte,  wenn  grossere  Mengen  an  den  Markt  gebracht 
wiirden. 

Das  Fell  ist  von  der  Schnauze  bis  Schwanzwurzel  70  bis  75  cm,  der 
Schwanz  50  bis  60  cm  lang.  Der  Hals  ist  orangegelb,  die  Schultern  und  der 
vordere  Teil  des  Ruckens  gelbgrau,  der  hint  ere  Teil  des  Riickens  aber  dunkel- 
braungelb,  der  im  Becken  und  den  Oberschenkeln  fast  in  schwarz  iibergeht. 
Das  Haar  ist  fein  und  ziemlich  lang.  Auch  der  schwarzbraune  Schweif 
ist  dicht  behaart.  Im  Pelzhandel  kommt  das  Fell  gar  nicht  vor.  Ich 
fand  in  Korea  einmal  bei  einem  Handler  zehn  Exemplare,  aber  so 
von  Motten  und  Wiirmern  beschadigt,  dass  sie  wertlos  waren.  Auch 
zwei  Felle,  die  ich  in  Wladiwostok  fand,  waren  zu  stark  beschadigt. 
Dies  waren  aber  die  einzigen,  die  ich  wahrend  eines  zwolfjahrigen  Aufenthaltes 
in  Ostasien  zu  Gesicht  bekam.  Der  Koreaner  behauptete,  dass  das  Tier  im 
Gebirge  lebe,  nach  Radde  soil  es  uberhaupt  keinen  festen  Standort  haben, 
sondern  in  Trupps  von  3  bis  4  Stuck  vereinigt  bestandig  umherschweifen. 
Er  lauft  ausserst  schnell  und  klettert  gewandt,  nach  Radde  soil  er  haupt- 
sachlich  dem  Seefuchs,  dem  Canis  procynoides  nachstellen,  auch  den  bissigen 
Dachs  uberwaltigen,  dem  fliichtigen  Reh  und  dem  Moschustier  folgen,  und  das 
Eichhornchen  in  den  Zweigen  angreifen.  Ich  halte  das  aber  fur  einen  Irrtum, 
des  sonst  so  scharf  beobachtenden  Forschers ;  da  dies  mit  den  Lebensgewohn- 
heiten,  sowohl  der  sudasiatischen  nahen,  als  der  iibrigen  ferneren  Verwandten 
in  Wider spruch  stehen  wiirde. 


4.  Verwandte  des  virg.  Iltis. 

Sehr  ahnlich  sind  mehrere  in  Siidamerika  lebende  Marderarten.  Hier- 
von  ist  Galictis  barbara,  auch  im  Ausseren  dem  virginischen  Iltis  ungemein 
ahnlich.  Ein  langgestreckter  Korper,  dunkelbraun,  Hals,  Nacken  und  Kopf 
gelblich  graubraun.  Ein  kleiner,  runder,  gelblicher  Kehlfleck.  Die  Lange  des 
Felles  von  Schnauze  bis  zur  Schwanzwurzel  betragt  ca.  60  bis  70  cm.  Der 
dicke,  ca.  40  cm  lange  Schweif  ist  aber  nur  kurz  behaart.  Das  Tier  kommt  in 
;ganz  Siidamerika  uberall  haufiig  vor  und  ist  auch  in  Mexiko  und  Zentral- 
amerika  nicht  selten. 

Das  Fell  kommt  bisher  nicht  im  Pelzhandel  vor,  konnte  aber  ein  ganz 
wertvolles  Pelzwerk  liefern.  Vor  Jahren  erhielt  ich  ca.  30  Stuck,  habe 
aber  seither  keine  mehr  erhalten,  wenn  grossere  Quant itat  geliefert  wiirde, 
ware  der  Wert  etwa  10  Mark  per  Stuck.  Seine  Lebensweise  ahnelt  dem  euro- 

31* 


484  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

paischen  Baummarder,  den  er  aber  an  Grosse  erheblich  iibertrifft.  In  Brasilicn 
wird  das  Tier  Hyrare  genannt.  Es  ist  in  seinem  Benehmen  sehr  lebhaft,  auch 
in  der  Gefangenschaft.  Die  Exemplare  des  Berliner  Zoologischen  Gartens  sind 
unaufhorlich  in  Bewcgung,  den  Raum  ihres  Kafigs  in  machtigen  Spriingen 
durchsausend. 

Ebenso  lebhaft  ist  auch  sein  kleinerer  Verwandter,  G.  vittata,  welcher  in 
Siidamerika  mehr  die  Rolle  des  europaischen  Iltis  vertritt,  dem  er  auch  an 
Grosse  ahnelt.  Die  Farbe  ist  dunkelgraubraun  mit  gelbbraunlichen  Spitzen. 
Auf  Backen  und  Hals  zwei  helle  Streifen,  Bauch  schwarz.  Diese  kleinere  Art,  in 
Brasilien  Grison  genannt,  ist  viel  seltener,  geht  aber  gleichfalls  nach  Siiden  bis 
Chile,  wo  eine  besonders  kleine  Form  vorkommt.  Eine  dritte  Art,  G.  allamandi, 
ist  auf  Brasilien  beschrankt,  wo  sie  hauptsachlich  in  der  Provinz  Minaes  Geraes 
vorkommt.  Sie  steht  in  der  Grosse  dem  G.  barbara  nur  wenig  nach,  ahnelt 
aber  in  der  Farbung  der  G.  vittata.  Die  Haare  sind  kiirzer  und  steifer,  die 
gelben  Haarspitzen,  welche  bei  G.  barbara  Nacken  und  Schultern  hell  machen, 
finden  sich  hier  nur  auf  dem  Bauch. 

In  Brasilien  werden  beide  Arten  haufig  gezahmt  gehalten. 


5.  Baummarder. 

Dieser  typische  Vertreter  hat  der  ganzen  Familie  den  Namen  gegeben. 
Der  Baummarder,  auch  Edelmarder  genannt,  Mustela  martes,  engl.  pine 
marten,  franz.  martre  de  Prusse,  lebt  in  ganz  Europa,  Nord-Asien,  Sibirien, 
Turkestan  bis  zur  Mandschurei.  Die  best  en  Edelmarder  liefert  Norwegen, 
grosse,  rauhe,  dunkelfarbige  Felle,  dann  kommt  Schweden,  rauche,  grosse 
aber  hellere  Felle,  Schottland  mit  gut  farbigen,  aber  kleinen  Fellen,  Italien, 
mit  gut  dunkelfarbigen  aber  flachen,  Norddeutschland,  die  Schweiz,  Bayern, 
Tiirkei  und  Ungarn.  Russland  liefert  grosse,  aber  etwas  grobhaarige  und  hell- 
farbige  Harder.  Die  Farbe  der  Edelmarder  ist  einfarbig,  braunlichgrau  mit 
orangefarbigem  Kehlfleck,  das  Tier  besitzt  eine  Korperlange  von  etwa  50  cm 
und  einen  dichten,  starken  Schweif  von  etwa  15 — 20  cm  Lange.  Im  Kaukasus 
erwahnt  schon  Satunin  das  haufige  Vorkommen  eines  besonders  grossen 
Baummarders,  der  wohl  mit  dem  kubanischen  Harder  des  Handels  identisch 
ist,  und  mir  eine  besondere  Art  zu  sein  scheint.  Er  ist  sehr  gross,  wohl  bis  zu 
70  cm  Korperlange,  von  fast  rotlichbrauner  Farbe,  auch  heller  als  die  euro- 
paischen Baummarder,  der  glanzlose,  orange  Kehlfleck  mit  einer  Spitze  und 
nach  der  Brust  zu  laufend. 

Bei  den  europaischen  Baummardern  ist  die  Form  des  Kehlfleckes  sehr 
unregelmassig,  auch  wechselt  die  Farbe  vom  tiefen  Orange  bis  zum  hellen 
Blassgelb. 

Der  Edelmarder  ist  ein  ausgesprochenes  Waldtier,  bevorzugt  aber  die 
Nadelwaldungen,  er  klettert  vorziiglich  und  ist  ein  gefiirchteter  Rauber;  von 


V.   Die  Marderarten.  485 


der  Maus  bis  zum  Huhn  und  Rehkalb  1st  kein  Tier  des  Waldes  vor  ihm  sicher. 
Seine  Hauptbeute  bilden  aber  die  Eichhornchen.  Ausserdem  pliindert  er  die 
Vogelnester,  uberfallt  die  schlafenden  Waldhiihner,  und  richtet  in  seiner 
unersattlichen  Blutgier  grosse  Verheerungen  an.  Die  Begattungszeit  ist  im 
Februar,  und  Anfang  April  wirft  das  Weibchen  3 — 4  Junge,  in  einem  sorgfaltig 
gepolsterten  Lager,  das  sich  meist  in  einem  hohlen  Baum  befindet.  Infolge 
des  grossen  Schadens  den  die  Harder  unter  dem  Wildstande  anrichten, 
und  des  hohen  Preises  des  Felles,  wird  dem  Tiere  enorm  nachgestellt,  wo- 
durch  seine  Zahl  auch  stark  nach  gelassen  hat.  Lomer  gibt  noch  1864 
die  jahrliche  Produktion  auf  180  ooo  Stuck  an,  jetzt  liefert  Deutschland 
50  ooo,  Schweden  10  ooo,  Russland  50  ooo,  das  iibrige  Europa  ca.  50  ooo. 
Der  gegenwartige  Wert  eines  deutschen  Edelmarders  ist  ca.  40  Mk.,  eines 
norwegischen  60 — 80  Mk.  per  Stuck .  Jung  eingefangene  Harder  werden 
sehr  leicht  zahm  und  gewinnen  grosse  Anhanglichkeit  an  ihre  Pfleger. 
Es  sind  schon  mehrfach  Versuche  gemacht  worden,  Marderfarmen  einzu- 
richten,  um  die  edlen  Pelztrager  zu  ziichten,  aber  bisher  mit  wtnig  Erfolg, 
da  die  Gefangenen  sich  weigerten,  ihre  Pflicht  zu  tan,  und  zur  Fort- 
pflanzung  zu  schreiten.  Es  liegt  dies  aber  meines  Erachtens  nach  an  der  Ein- 
richtung  der  Raume  und  der  Fiitterung.  Letztere  besteht  meist  in  Pferde- 
fleisch  oder  leicht  erhaltlichen  Schlachtabgangen.  Es  ist  aber  notwendig,  um 
den  natiirlichen  Lebensbedingungen  zu  entsprechen,  dass  den  Tieren  lebende 
oder  mindestens  blutreiche  Nahrung  gereicht  wird.  Am  leichtesten  geschieht 
dies,  wenn  gleichzeitig  eine  Hause-  oder  Rattenhecke  unterhalten  wird,  welche 
das  notige  Haterial  liefert.  Als  Abwechslung  wird  dann  ab  und  zu  ein  getoteter 
Vogel  gereicht,  ferner  gelegentlich  ein  rohes  Ei,  Obst  und  dergleicben.  Auch 
werden  die  Tiere  in  der  Gefangenschaft  meist  zuviel  gefuttert  und  deshalb 
dick  und  trage.  In  jeder  Woche  musste  mindestens  ein  Fasttag  eingelegt 
werden. 

Auch  die  Raume  miissen  Gelegenheit  zum  Umherlaufen  der  Harder 
bieten  und  zugleich  Schlupfwinkel  von  Reisighaufen  enthalten,  in  welchen  sich 
etwaige  Liebesparchen  zuruckziehen  konnen. 

Im  mehreren  zoologischen  Garten  ist  es  auch  gelungen,  fortdauernd 
Nachkommenschaft  zu  erzielen.  Eine  solche  Harderzucht  diirfte  bei  den 
jetzigen  Preisen  sehr  lukrativ  sein,  namentlich  fur  Forster  und  kleine  Guts- 
besitzer  eine  recht  annehmbare  Nebeneinnahme  bieten. 


6.  Steinmarder. 

Der  Steinmarder,  Mustela  foina,  engl.  stonemarten,  franz.  fouine,  lebt  in 
ganz  Europa  und  einem  Teile  Asiens.  Die  Farbe  ist  blaugrau  bis  blaulich  braun, 
je  dunkler  blaulich  das  Fell  ist,  desto  hoher  der  Wert.  Die  Kehle  ist  stets  weiss. 
Das  Fell  hat  durchschnittlich  eine  Lange  von  40  bis  50  cm,  wozu  dann  der 


486  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

15  bis  20  cm  lange  buschige  Schweif  kommt.  Das  Haar  ist  seidenglanzend, 
aber  nicht  so  weich,  wie  beim  Baummarder.  Die  Unterwolle  ist  weisslich.  Die 
best  en  Felle  kamen  aus  der  Balkan-Halbinsel,  wobei  man  bosnische  und 
bulgarische  Harder  unterscheidet.  Die  letzteren  sind  die  besseren.  Wahrschein- 
lich  gehoren  diese  Harder  einer  besonderen  Art  an,  fur  die  ich  bereits  friiher 
den  Namen  M.  foina  bosniaca  vorschlug.  Die  Farbe  ist  schon  dunkel,  das  Haar 
lang  und  dicht,  feinseidig,  was  gar  nicht  der  siidlichen  Gegend  entspricht, 
der  weisse  Kehlfleck  sehr  gross.  Auch  in  Griechenland  und  der  Tiirkei  kmmt 
ein  ahnlicher  Harder  vor,  der  aber  nicht  so  gut  in  der  Qualitat  ist.  In  Farbe 
und  Qualitat  zunachst  kommen  dann  die  Steinmarder  aus  Ungarn.  Die 
deutschen  Harder  sind  gat  in  Farbe  und  meist  etwas  kleiner.  Aus  Schweden 
und  Norwegen,  wo  die  besten  Baummarder  herkommen,  sind  die  Steinmarder 
nur  massig  in  Qualitat  und  Farbe.  Einer  besonderen  Art  gehoren  die  in 
Spanien,  Italien  und  einem  Teile  Frankreichs  vorkommenden  Steinmarder  an, 
M.  mediterranea.  Sie  sind  flacher  im  Haar,  mittelgross,  aber  sehr  schon  dunkel 
in  Farbe.  Die  russischen  Harder  sind  sehr  gross,  aber  sehr  hell,  rotlicher  in 
Farbe  und  grob  im  Haar.  Diese  Felle  werden  meist  geblendet. 

In  England  kommt  der  Steinmarder  nicht  mehr  vor,  dagegen  ist  er  in 
Schottland  und  Irland  nicht  gerade  selten.  Auch  im  Kaukasus  kommt  ein 
grosser  Steinmarder  vor,  der  dort  zahlreicher  ist  als  der  Baummarder.  Wahr- 
scheinlich  gehort  derselbe  schon  der  im  westlichen  Vorderasien  vorkommenden 
Art  M.  foina  syriaca  an,  ein  grosser,  hellfarbiger  Harder.  In  der  Handschurei 
und  Nordchina  kommt  der  Harder  gleichfalls  vor,  noch  grosser  als  der  russische, 
diesem  an  Farbe  ahnlich,  aber  sehr  seidig  im  Haar.  In  Zentralasien  leben  zwei 
Steinmarder  art  en.  M.  toufaea  in  Cashmere  Gilgit  Tibet  und  im  ganzen  Hima- 
laya bis  Sikkim.  Er  hat  sehr  schones,  dunkles,  langes  Haar,  die  Unterseite 
ist  weiss  oder  hellgrau,  die  Grosse  kleiner  als  der  europaische  Steinmarder. 
Die  zweite  Art,  M.  foina  leucolachnea,  lebt  in  Afghanistan,  Turkestan  und  im 
nordlichen  Indien,  hat  langes  glanzendes,  fast  schwarzes  Oberhaar  und  sehr 
weisses  dichtes  Unterhaar.  Das  Fell  ist  von  Schnauze  bis  Schwanzwurzel  nur 
ca.  30  bis  35  cm  lang,  der  Schweif  aber  bis  30  cm. 

Der  Steinmarder  lebt  ungescheut  in  der  Nahe  des  Henschen,  mit  Vor- 
liebe  in  den  Dorfern,  wo  er  seinen  Wohnsitz  in  Scheunen,  Stallen  sowie  grossen 
Reisighaufen  aufschlagt  und  von  hier  aus  seine  Raubziige  gegen  das  Haus- 
gefliigel  richtet.  Gelingt  es  ihm,  in  einen  Huhnerstall  oder  Taubenschlag  zu 
gelangen,  wozu  ihm  die  kleinste  Offnung,  durch  die  er  den  Kopf  zwangen  kann, 
geniigt,  so  wiirgt  er  aus  reiner  Hordlust  alles  was  lebt.  Ausserdem  stellt  er  auch 
den  Ratten  nach,  denen  er  in  die  engen  Gange  zwischen  den  Wanden  nach- 
folgt.  Er  verschmaht  auch  Hause,  kleine  Vogel  und  dergleichen  nicht  und  frisst 
leidenschaftlich  Eier  und  Obst,  weshalb  diese  auch  mit  Vorliebe  zum  Koder  der 
Fallen  benutzt  werden.  Hat  er  in  einem  Geflugelstall  reichliche  Opfer  gefunden, 
so  begniigt  er  sich  mit  dem  Blut,  an  dem  er  sich  formlich  berauscht,  so  dass  er 
mitunter  dort  schlafend  angetroffen  wird.  Ubrigens  lebt  der  Steinmarder  auch 


V.  Die  Marderarten.  487 


haufig  im  Walde,  wo  er  seinen  Wohnsitz  in  hohlen  Baumen  aufschlagt.  Selbst 
im  Berliner  Tiergarten  waren  noch  vor  wenigen  Jahren  Steinmarder  nicht 
selten.  Er  klettert  und  schwimmt  ebenso  gut  wie  der  Baummarder,  mit  dem 
er  sich  indessen  nur  sehr  selten  kreuzt.  Ich  habe  nur  2  Felle  solcher  Bastarde 
gesehen.  Die  Paarungszeit  beginnt  einige  Wochen  spater  als  beim  Baummarder, 
meist  gegen  Ende  Februar  und  im  April  wirft  er  3  bis  4  Junge.  In  der  Ge- 
fangenschaft  wird  er  leicht  zahm,  und  bekundet  dann  grosse  Anhanglichkeit 
an  den  Pfleger.  Der  Steinmarder  ist  durchaus  nicht  leicht  zu  erlegen,  und  auch 
sein  Fang  erfordert  viel  Miihe  und  Kenntnis  seiner  Gewohnheiten.  Es  besteht 
auch  deshalb  noch  keine  Gefahr  seiner  Ausrottung.  Nach  Lomer  kamen  1863 
jahrlich  etwa  400  ooo  Steinmarder  in  den  Handel,  und  hat  sich  die  Zahl 
gegen wartig  wohl  nicht  vermindert,  aus  den  Balkanstaaten  und  der  Tiirkei 
kommen  wohl  ca.  60  ooo  Stuck  jahrlich,  aus  Russland  etwa  70  ooo,  ebensoviel 
aus  Skandinavien ;  Frankreich,  Spanien  und  Italien  diirften  jahrlich  wohl 
50  ooo  liefern  und  ca.  120  ooo  kommen  aus  Mitteleuropa,  wovon  der  grosste 
Teil  aus  Deutschland,  Nordasien  liefert  auch  noch  ca.  30  ooo  Stuck. 

Nach  Poland  wurden  im  Jahre  1827  allein  582  ooo  Steinmarderfelle  nach 
England  eingefuhrt.  Das  Fell  ist  augenblicklich  recht  modern  und  betragt 
der  Wert  jetzt  25  bis  35  Mk.  per  Stuck,  auch  hierin  ware  also  die  Anlage  einer 
Harder  farm  recht  lohnend.  In  Zentralasien  lebt  iibrigens  auch  eine  Marderart, 
M.  intermedia,  der,  wie  schon  sein  Name  andeutet,  zwischen  dem  Baummarder 
und  Steinmarder  steht.  Die  Grosse  ist  die  eines  gewohnlichen  Stein marders, 
die  Farbe  braunlich,  rotlich  schimmernd  wie  ein  heller  Baummarder,  der  Kehl- 
fleck  ist  gelblich  weiss  aber  klein,  und  da  von  aus  laufen,  nach  der  Brust  zu,  zwei 
schmale  weisse  Streifen.  Uber  die  Lebensweise  des  .verhaltnismassig  seltenen 
Tieres  ist  mir  naheres  nichts  bekannt.  Auch  vom  Steinmarder  werden  die 
Klauen  zu  Futter  verarbeitet,  die  Kehlen  aber  seltener. 


7.  Iltis. 

Der  Iltis,  M.  putorius,  franzosisch  putois,  englisch  im  Rauchwarenhandel 
fitch,  im  Volksmund  polecat  genannt,  hat  eine  ungemein  grosse  Verbreitung 
durch  ganz  Europa,  vom  hohen  Norden  bis  nach  dem  Siiden.  In  England  ist  er 
selten,  in  Schottland  und  Wales  aber  noch  haufig,  doch  ist  er  dort  kleiner  als 
auf  dem  Kontinent.  Die  Grundfarbung  ist  ein  mehr  oder  weniger  dunkles 
gelb,  uber  welches  die  langen  schwarzen  Grannenhaare  herausragen,  doch  so, 
dass  die  Grundfarbe  iiberall  durchscheint.  Der  Bauch  ist  schwarz  und  das  Haar 
hier  kurz,  ebenso  wie  auch  am  Nacken  die  Haare  kiirzer  sind.  Der  Schweif, 
der  eine  Lange  von  12  bis  20  cm  besitzt,  ist  glanzend  schwarz,  die  Korperlange 
ca.  30  cm.  Der  Kopf  ist  klein,  aber  breit  und  erscheint  flach  gedriickt.  Die 
besten  Felle  kommen  aus  Holstein  und  Deutschland.  Stets  gute  aber  wenig 


488  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Felle  liefert  auch  Holland.  In  Bosnien  gibt  es  viele  aber  sehr  hellfarbige 
Iltisse.  Der  Iltis  lebt  sowohl  im  Walde,  wie  auf  offenem  Felde,  im  Gebirge  in 
der  Ebene  und  sehr  gern  auch  in  den  Bauerngehoften.  Er  bewohnt  mil  Vorliebe 
alte  Kaninchenbauten,  Hamsterbauten  oder  sonstige  Erdhohlen,  gelegentlich 
auch  hohle  Baume,  Felsspalten  usw.  Im  Winter  zieht  er  sich  am  liebsten  in  die 
Dorfer. 

Der  Iltis  frisst  so  ziemlich  alles,  was  er  bewaltigen  kann,  Kaninchen, 
Hausgefliigel,  Rebhiihner,  Ratten,  Hamster,  Mause,  Vogel,  Schlangen,  Frosche 
und  Fische,  die  er  gewandt  fangt.  Im  grossen  und  ganzen  uberragt  sein  Nutzen 
den  Schaden,  da  er  hauptsachlich  Mause,  Ratten  und  Hamster  frisst,  auch  die 
giftige  Kreuzotter  totet,  so  dass  er  jedenfalls  mehr  Schonung  verdient  als  er 
geniesst.  Auch  in  den  Gehoften  niitzt  er  durch  Vertilgen  der  schadlichen  Nager 
wohl  mehr  als  er  durch  gelegentliches  Toten  von  Gefliigel  schadet,  auch  mordet 
er,  wenn  er  in  einen  Stall  eingedrungen  ist,  in  der  Regel  nur  einige  Stuck,  die 
er  dann  wegschleppt.  Der  Bauer  kann  sich  auch  durch  sorgfaltiges  Verschliessen 
der  Geflugelstalle  geniigend  schiitzen.  Seine  Bewegungen  sind  sehr  rasch  und 
behende,  er  ist  ungemein  lebenszahe,  so  dass  er  selbst  schwere  Verletzungen 
iiberlebt.  Der  Iltis  entwickelt  ebenfalls  viel  Blutdurst  wie  der  Harder,  wird 
aber  nicht  so  leicht  zahm  wie  dieser.  Sein  unangenehmer  Geruch  ist  sehr  auf- 
fallig  und  hat  ihm  auch  den  lateinischen  Namen,  der  Stanker  verschafft. 
Sein  Mut  ist  ebenso  gross  wie  der  des  Wiesels  und  greift  er  deshalb  auch  weit 
iiberlegene  Feinde  riicksichtslos  an,  wird  auch  nicht  so  leicht  von  einem  starken 
Hund  uberwaltigt.  Im  Marz  ist  die  Begat tungszeit  und  wirft  das  Weibchen 
nach  zwei  Monaten  4  bis  6  Junge,  die  von  der  Mutter  eifrig  verteidigt  werden, 
auch  gegen  Menschen.  In  6  Wochen  folgen  sie  den  Eltern  bereits  auf  die  Jagd 
und  sind  in  3  Monaten  ganzlich  erwachsen.  Es  kommen  jahrlich  etwa 
200  ooo  Iltisfelle  in  den  Handel,  die  im  Durch schnitt  etwa  5  Mk.  per  Stuck 
wert  sind. 

In  Sibirien  wird  unser  Iltis  durch  eine  andere  Art  vertreten,  Putorius 
eversmanni,  im  Handel  russischer  Iltis  genannt,  dessen  Verbreitungsbezirk 
sich  vom  ostlichen  Russland,  durch  ganz  Sibirien  und  Turkestan  erstreckt. 
Das  Tier  ist  erheblich  kleiner  als  der  europaische  Iltis,  das  Haar  viel  kiirzer 
und  flacher.  Die  Grundfarbung  ist  ein  rotliches  gelb,  und  sind  die  schwarzen 
Grannenhaare  nicht  nur  kiirzer,  sondern  auch  viel  weiter  zerstreut.  Der 
russische  Iltis  halt  sich  hauptsachlich  an  dem  Waldrande  und  der  Steppe  auf, 
und  sind  die  Murmeltiere  seine  Lieblingsbeute,  doch  stellt  er  auch  hier  den 
Mausen  und  Ratten  stark  nach.  Er  holt  auch  im  Winter  die  in  Winterschlaf 
verfallenen  Murmeltiere  aus  ihren  Bauten. 

Das  Fell  des  russischen  Iltis  hat  jetzt  einen  Wert  von  ca.  2  Mk.  per  Stuck, 
und  wird  hauptsachlich  zum  Pelzfutter  verarbeitet,  in  letzter  Zeit  aber  auch 
vielfach  zobelartig  gefarbt.  Zur  Ausfuhr  gelangten  sonst  50  ooo  Stuck  im  Jahr, 
doch  werden  grosse  Mengen  in  Russland  selbst  verbraucht,  in  der  letzten  Zeit 
ist  aber  die  Ausfuhr  mindestens  verdreifacht.  Sehr  ahnlich  dem  vorigen  ist  P. 


V.   Die  Marderarten.  489 


larvatus  oder  tibetanus,  der  in  Tibet  und  dem  nordlicben  Himalaya  lebt.  Er  ist 
hellfarbig,  fast  gclbweiss,  mit  einem  schwarzlichen  Anhang  auf  Schultern  und 
Rumpf ,  Unterwolle  weiss,  aber  sehr  dicht  und  wollig,  Oberhaar  lang,  viel  Haar 
zwischen  den  Zehen.  Er  lebt  wie  der  europaische  Iltis,  stinkt  auch  ebenso. 
Im  Handel  kamen  die  Felle  bisher  nicht  vor. 


8.  Der  japanische  Marder. 

In  Japan  werden  die  Marderarten  vorzugsweise  durch  den  nur  dort  vor- 
kommenden  Mustela  melam-pus,  japanisch  Ten,  englisch  Japanese  marten,  im 
Pelzhandel  japanischer  Marder  genannt,  vertreten.  Das  Fell  ist  von  rotlich- 
gelber  bis  hellgelberFarbe,  doch  wiegen  die  rotlichen  Farbentone  vor.  DieKehle 
ist  heller  gefarbt,  die  Fiisse  schwarz,  das  Oberhaar  ist  weich  und  seidig,  die 
weiche  Unterwolle  ein  zartes  Hellgelb.  Er  ist  wesentlich  grosser  und  starker 
gebaut  als  sein  Verwandter  vom  Festlande,  M.  sibirica.  Die  Lange  betragt  65 
bis  70  cm,  wovon  ca.  15  cm  auf  den  Schweif  kommen.  Besonders  der  Schweif 
unterscheidet  ihn  wesentlich  von  M.  sibirica,  da  er  nicht  die  glatten  Grannen- 
haare  des  letzteren  besitzt,  sondern  wolliger  ist,  auch  kiirzer  und  dicker. 
Das  Korperhaar  ist  auch  langer,  dicht  er  und  starker  als  beim  M.  sibirica  und 
die  Haut  viel  dicker.  Ausserdem  bilden  die  schwarzgezeichneten  Fiisse,  denen 
er  seinen  wissenschaftlichen  Namen  verdankt,  ein  scharfes  Unterscheidungs- 
merkmal.  Er  lebt  im  Gegensatz  zu  seinem  sibirischen  Vetter  meistens  auf 
Baumen,  halt  sich  auch  in  der  Nahe  von  Hausern  auf.  Seine  Nahrung  bilden 
Vogel,  Insekten,  kleine  Saugetiere.  Der  Ten  kommt  meistens  auf  der  japanischen 
Hauptinsel  Hondo  vor  und  ist  hier  nicht  selten,  so  dass  jahrlich  mindestens 
30  ooo  Felle  auf  den  Markt  kommen.  Das  Fell  hat  augenblicklich  einen  Wert 
von  14  bis  18  Mk.,  wahrend  es  friiher  wesentlich  billiger  war,  vor  20  Jahren 
sogar  nur  1,50  Mk. 

Auf  Yesso  wird  er  durch  einen  sehr  nahen  Verwandten,  M.  japonica  (?) 
vertreten,  den  die  Japaner  als  Hokkaido  Ten  bezeichnen.  Die  Farbung  ist  mehr 
graugelb,  einzelne  Exemplare  von  ganz  grauer  steinmarderahnlicher  Farbe 
kommen  vor. 


9.  Die  Kolinsky. 


Der  Kolinsky  Mustela  sibiriaca,  auch  Erdmarder  genannt,  von  den 
deutschen  Zoologen  auch  Feuermarder  genannt,  lebt  in  ganz  Sibirien 
und  ist  in  Ostsibirien  haufig.  Er  ist  schlanker  und  wesentlich  kleiner  als 
der  vorige.  Das  Fell  ist  dicht  und  fein,  aber  etwas  kurz,  die  Farbe  rotlich 
gelb,  der  Korper  etwa  40  cm  lang,  der  regelmassig  mit  ziemlich 
steifen  Grannenhaaren  besetzte  Schweif  ist  ca.  12  bis  15  cm  lang. 


490  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Dieser  Schweif  ist  meist  das  wertvollere,  da  cr  zu  feinen  Malerpinseln  gebraucht 
wird.  Vor  einigen  Jahren  kostete  der  Schweif  4  Mk.  das  Stuck,  jetzt  etwa 
1,50  bis  2  Mk.  Die  Felle,  welche  meist  zobelartig  gefarbt  werden,  kosten  augen- 
blicklich  etwa  3  Mk.  Die  feinsten  Felle  sind  die  Kutnetzker,  dann  die 
Jakutsker,  die  gross,  aber  etwas  grobhaariger  sind  mit  sehr  guten  Schweif  en. 
Die  Tomsky  sind  etwas  kleiner.  Die  ostsibirischen  oder  Amur-Felle  sind  gross, 
aber  etwas  grob.  Das  gesamte  Quantum,  das  jahrlich  in  den  Handel  kommt, 
diirfte  etwa  100  bis  150  ooo  Stuck  betragen.  Der  wreisse  Kehlfleck  fehlt  und 
wird  vielfach  durch  einige  kleine  Flecken  ersetzt.  Manchmal  ist  auch  ein  tief 
orangefarbiger  Kehlfleck  vorhanden.  Das  Tier  lebt  in  Waldungen,  namentlich 
Nadelwaldungen,  klettert  aber  nicht  auf  Baume,  sondern  lebt  in  Erdhohlen  und 
Felsspalten.  Es  verschmaht  im  Gegensatz  zum  Zobel  jede  Pflanzennahrung. 
Friiher  bildeten  die  Felle  einen  grossen  Handelsartikel  nach  der  Tiirkei,  wo  sie 
in  der  natiirlichen  gelben  Farbe  zu  Pelzfuttern  verwendet  werden. 

Sehr  nahe  verwandt  ist  eine  in  der  Mandschurei  lebende  Kolinsky- Art, 
die  im  Handel  als  Newchwang-Wiesel  vorkommt  und  welche  ich  M.  manchurica 
nennen  mochte.  Das  Haar  ist  etwas  grober  und  kiirzer,  der  Schweif  bedeutend 
langer.  Die  Farbung  spielt  mehr  ins  braunlich  gelbe,  Besonders  auffallig  ist, 
dass  das  Weibchen  sehr  bedeutend  kleiner  ist  als  das  Mannchen  und  kaum  zwei 
Drittel  der  Korperlange  des  Mannchens  betragt.  Der  Schweif  ist  beim  Weibchen 
etwa  15  cm  lang,  beim  Mannchen  20  bis  25  cm.  Im  Aussehen  steht  das  Tier 
zwischen  dem  M.  sibiriaca  und  dem  M.  davidsonii.  Vielleicht  ist  es  mit  dem 
M.  alpina  Raddes  identisch. 

Es  kommen  jahrlich  etwa  30  ooo  Stuck  zum  Export.  Die  Schweif e  sind 
auch  zu  Pinseln  brauchbar,  aber  nicht  so  gut  als  die  Kolinsky.  Der  gegenwartige 
Wert  von  Fell  und  Schweif  ist  etwa  3  Mk.  In  der  letzten  Zeit  werden  die  meist  en 
Kolinsky-Felle  zobelartig  geblendet. 


10.  Tigeriltis. 

Der  Tigeriltis  oder  Perwitzky  Putorius  sarmaticus  bewohnt  den  grosseren 
Teil  Zentralasiens,  Westsibirien  und  das  sudostliche  Russland.  Sein  siidlichstes 
Vorkommen  wird  begrenzt  durch  eine  Linie  von  Kleinasien  bis  Kandahar 
(an  der  Grenze  zwischen  Indien  und  Afganistan).  Er  ist  ein  sehr  naher  Ver- 
wandter  unseres  Iltis,  dem  er  in  der  Lebensweise  ahnelt.  Auch  stinkt  er  ebenso 
wie  dieser.  Die  Lange  von  Schnauze  bis  Schwanzwurzel  ist  25  bis  38  cm,  der 
glanzend  schwarze  Schweif  ist  ca.  12  bis  15  cm  lang.  Das  Fell  ist  glanzend 
nerzbraun  mit  zahlreichen  unregelmassigen  gelben  Flecken,  die  Unterwolle  ist 
graubraun.  Die  ganze  Unterseite  ist  dunkel-schwarzbraun.  Das  Haar  ist  kurz, 
dicht  und  glanzend  und  werden  die  Felle  ausschliesslich  zu  Futtern  verarbeitet. 
Trotzdem  das  Tier  in  seiner  Heimat  gar  nicht  selten  ist  und  namentlich  in  Slid- 


V.  Die  Marderarten.  40,1 


afganistan  sogar  haufig,  kommen  doch  wenig  Felle  in  den  Handel,  jetzt  kaum 
3  bis  4000  Stuck  jahrlich.  Friiher  kamen  bedeutend  mehr.  Der  Wert  ist  etwa 
3  bis  4  Mk.  pro  Fell.  Das  Tier  lebt  in  Erdhohlen  und  geht  nachts  auf  Raub  aus. 
Kleine  Vogel,  Ratten,  Mause,  Eidechsen  und  Schnecken  sind  seine  Haupt- 
beute.  Das  Tier  soil  blutdiirstig  sein,  doch  ist  das  im  Berliner  Zoologischen 
Garten  lebende  Exemplar  ist  aber  ganz  zahm. 


11.  Chinesische  und  japanische  Nerze. 

Dem  Wiesel  sehr  nahestehend,  aber  auch  mit  dem  Nerz  nahe  verwandt, 
sind  verschiedene  in  China  und  Japan  lebende  Tiere.  In  China  kommen 
verschiedene  Arten  des  sogenannten  chinesischen  Wiesel,  chinesisch  Who 
Long  vor.  Das  fur  den  Pelzhandel  wertvollste  ist  das  Shantung-Wiesel,  das 
von  Herrn  Prof.  Matschie  als  eigene  Art  aufgestellt  worden  ist  unter  dem 
Namen  Lutreola  stegmanii.  Die  Farbe  ist  ein  helles,  etwas  rotliches  gelb, 
die  Korperlange  des  Mannchens  ist  ca.  40  cm,  der  Schweif  20  bis  25  cm  lang, 
das  Haar  fein  und  weich,  die  Unterwolle  gelbgrau.  Am  verbreitetsten  ist 
Lutreola  oder  Mustela  davidianus.  In  der  Grosse  ist  es  dem  vorigen  gleich,  dock 
erreichen  bei  beiden  Arten  die  Weibchen  hochstens  zwei  Drittel  der  Korper- 
lange des  Mannchens.  Sein  Hauptvorkommen  ist  im  Yangtsetal,  die  Farbe  ist 
rotlichbraun,  das  Haar  nicht  so  fein  wie  beim  vorigen.  Das  Kinn  ist  weiss. 
Aus  Hankow  kommen  Felle  an  den  Markt,  die  grosser  und  dunkler  braun  ge- 
f  arbt  sind  als  die  vorigen,  aber  das  Haar  ist  viel  diinner  und  grober ;  auch  die 
Unterwolle  ist  weniger  dicht.  Ob  es  sich  hier  um  eine  besondere  Art  handelt, 
weiss  ich  nicht.  Eine  weitere  Art  ist  Lutreola  oder  Mustela  moupinensis,  die  in 
den  tibetanischen  Grenzgebieten  vorkommt.  Da  diese  Felle  aber  zwischen  die 
anderen  im  Handel  vorkommenden  gemischt  sind,  so  habe  ich  keine  Beschrei- 
bung  da  von  geben  konnen,  doch  soil  sich  diese  Art  durch  einen  weissen  Brust- 
fleck  auszeichnen.  Die  chinesischen  Wiesel  kommen  im  Norden  auch  in  den 
Staaten  Honan,  Shansi,  Shensi  usw.  vor.  Ob  in  Chili  habe  ich  nicht  feststellen 
konnen.  Die  nordlichen  Sorten  haben  naturgemass  auch  ein  wertvolleres  Fell. 

Im  ganzen  kommen  jahrlieh  etwa  600  ooo  Felle  in  den  Handel.  Bis  zum 
Jahre  1906  hatten  dieselben  einen  Wert  von  30  bis  40  Pf.  per  Stuck,  dann 
schnellte  der  Preis  gewaltig  in  die  Hohe  und  kosten  jetzt  die  Felle  im  Durch- 
schnitt  1,50  Mk.  per  Stuck  mit  dem  Schweif e.  Ein  grosser  Teil  kommt  ohne 
Schweife  in  den  Handel  und  ist  dann  der  Preis  ca.  bis  25  Pf .  per  Stuck  billiger, 
wahrend  der  Schweif,  der  in  China  viel  zur  Herstellung  von  Pinseln  gebraucht 
wird,  jetzt  hier  nur  etwa  20  Pf.  wert  ist.  Die  Ahnlichkeit  mit  dem  Nerz  er- 
streckt  sich  ausser  auf  die  Farbe  hauptsachlich  auf  den  Schadelbau  und  die 
Form  der  Ohren,  die  breit  und  niedrig  wie  beim  Nerz,  nicht  hoch  und  spitz  wie 
beim  Wiesel  sind.  In  der  Lebensweise  ahneln  die  Tiere  am  meisten  dem  Iltis. 


492  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Sie  leben  ganz  ungescheut  in  der  Nahe  der  menschlichen  Wohnungen.    Auch 

unter  meinem  Hause,   mitten  in  dem   Geschaftsvietel  der  Fremdennieder- 

lassung  von    Schanghai,   hatte   ein  solches  Wieselparchen  sein  Heim    auf- 

geschlagen  und  stattete  von  hier  aus  den  Hiihnerhofen  seinen  Besuch  ab. 

Wenigstens  erklarten  meine  Leute  einstimmig,  wenn  ein  Huhn  verschwunden 

war,  ,, weasel  have  taken",  wenn  es  mir  auch  merkwiirdig  schien,  dass  ein  so 

kleines  Tier  einen  4  bis  5  Pfund  schweren  Hahn  weggeschleppt  haben  sollte, 

ohne  selbst  Federn  zu  hinterlassen.     Die  Hauptnahrung  besteht  aus  Ratten 

und  Mausen  und  klagen  die  Chinesen,  dass  diese  lastigen  Nagetiere  iiberhand 

nehmen,  seit  soviel  Wiesel  weggefangen  werden.   Trotz  der  grossen  Haufigkeit 

des  Vorkommens  besitzt  bis  jetzt  kein  Zoologischer  Garten  lebende  Exemplare 

des  chinesischen  Wiesels.     Hauptabsatzgebiet   fur   diese  Felle  ist  Amerika. 

Seit  langen  Jahren  werden  auch  solche  Felle  nach  Korea  ausgefiihrt,  wo  sie 

schwa  rz  gefarbt  namentlich  zu  Armelaufschlagen  verwendet  werden.   In  Nord- 

Korea  kommt  auch  ein  Wiesel  vor,  welches  aber  dem  mandschurischen  Wiesel 

sehr  ahnlich  ist  auch  von  dort  aus  durch  chinesischeAufkaufer  iiberNewchwang 

in  den  Handel  gebracht  wird. 

Nahe  verwandt  mit  dem  vorigen  ist  der  in  Japan  lebende  Mustela  oder 
Lutreola  itatsi,  von  den  Japanern  Istatsi  genannt,  im  Handel  Japan-Nerz 
oder  Japanese  mink,  welchen  Namen  ich  dem  Fell  beilegte,  als  ich  1886  die 
ersten  Felle  einfiihrte.  Die  Farbe  ist  glanzend  braun,  die  haufig  in  rotbraun 
iibergeht;  das  Haar  ist  kurz,  aber  dicht,  und  viel  feiner  als  beim  chinesischen 
Wiesel,  wie  auch  die  Farbe  stets  dunkler  ist.  Das  Tier  ist  kleiner  and  namentlich 
der  Schweif  viel  kiirzer.  Das  Mannchen  hat  eine  Korperlange  von  30 — 35  cm 
Lange,  zu  der  der  Schweif  mit  10  cm  kommt.  Der  Schweif  ist  mit  kurzen, 
steifen  Haaren  bedeckt,  die  in  Japan  zu  Pinseln  verwendet  werden,  in  Europa 
aber  nicht  dazu  benutzt  werden.  Es  kommen  jahrlich  etwa  150  ooo  bis  200  ooo 
Istatsis  in  den  Handel,  die  bis  1906  etwa  50  Pf.  per  Stuck  Wert  hatten,  jetzt 
aber  iiber  2  Mk.  kosten.  Hauptabnehmer  ist  auch  hierfiir  Amerika.  Im  Jahre 
1890  beziffert  Poland  das  Gesamtquantum  chinesischer  und  japanischer 
Wiesel  zusammen  auf  ca.  15  ooo  jahrlich.  Acht  Jahre  spater  iibersteigt  die 
jahrliche  Ausfuhr  schon  die  halbe  Million  erheblich.  Die  Lebensweise  des 
Istatsis  ist  ebenfalls  dem  europaischen  Iltis  oder  Wiesel  ahnlich. 


12.  Hermelin. 

Hermelin  und  Wiesel  sind  so  ahnlich,  dass  ihre  Winterfelle  haufig 
fur  den  Rauchwarenhandel  gleichmassig  benutzt  werden.  Der  Hauptunter- 
schied  liegt  in  der  Grosse,  und  in  der  Farbung  und  Grosse  des  Schwanzes. 
Immer  fehlt  dem  Wiesel  die  schwarze  Schwanzspitze.  In  jedem  Distrikt  iibrigens 
wo  eine  Hermelinart  vorkommt,  lebt  auch  eine  Wieselart.  Bekanntlich  sind 


V.  Die  Marderarten.  493 


beide  Tiere  im  Sommer  braun,  wahrend  die  Bauchfarbung  bei  den  verschiedenen 
Arten  verschieden  1st,  vom  reinen  Weiss,  schwefelgelb  bis  zum  hell-  und  fahl- 
braun.  Im  Winter  nehmen,  wenigstens  alle  in  nordlichen  Zonen  wohnenden 
Hermelin  und  Wiesel  eine  schone  weisse  Farbe  an. 

Im  Spatherbst  und  Friihjahr  findet  man  vielfach  noch  unrein  gefarbte 
Felle,  die  auf  dem  Riicken  in  dem  fleckenlosen  Weiss  mehr  oder  minder  zahl- 
reiche  braune  Haare  zeigen,  die  sogenannten  ,,Grauspitzen".  Bei  beiden  Tier- 
gattungen  sind  die  Weibchen  erheblich  kleiner,  oft  nur  halb  so  gross,  als  die 
Mannchen.  Im  Verhaltnis  zu  ihrer  Grosse  sind  beide  die  kiihnsten  und 
blutgierigsten  Rauber  der  Welt.  Die  Hauptbeute  bilden  Mause,  Ratten,  Ziesel 


Hermelin    (Arctogale  erminen) . 

und  dergleichen,  aber  man  hat  oft  beobachtet,  dass  ein  Hermelin  einen  ihm  an 
Grosse  ungeheuer  iiberlegenen  Hasen  angriff  und  durch  Zerbeissen  der  Schlag- 
ader  totete.  Auch  mit  dem  wehrhaften  griessgramigen  Hamster  werden  ofters 
Duelle  auf  Leben  und  Tod  ausgefochten.  Sehr  grosse  Liebhaber  sind  beide 
Tierchen  von  Eiern  und  werden  die  Nester  von  Erdbriitern,  vom  Zaunkonig 
bis  zum  Rebhuhn  undFasan,  eifrigst  gepliindert,  wobei  sie  eine  grosseGeschick- 
lichkeit  bekunden,  die  geraubten  Eier  zwischen  Kopf  und  Kehle  geklemmt  fort- 
zuschleppen,  um  sie  dann  in  ihrem  Lager  behaglich  auszuschliirfen,  nachdem  sie 
mit  ihren  nadelspitzen  Zahnchen  ein  Loch  hineingebissen  haben. 

Natiirlich  werden  auch  die  noch  nicht  fliiggen  Jungen  der  Vogel  durch- 
aus  nicht  verschont,  und  gelegentlich  den  Hiihnerhofen  Besuche  abgestattet, 
wobei  sich  das  Wiesel  durchaus  nicht  vor  der  Nahe  des  Menschen  scheut, 
obgleich  es  seine  Jagden  meist  erst  in  der  Dammerung  beginnt. 


494  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Gegen  uberlegene  Feinde  setzt  es  sich  auf s  mutigste  zur  Wehr,  und 
mancher  Uhu  oder  Habicht  hat  seinUnterfangen,  ein  Hermelin  wegzuschleppen, 
mit  dem  Tode  gebiisst.  Die  Tiere  sind  auch  sehr  klug  und  ihre  Gewandtheit 
und  Schnelligkeit  spriichwortlich :  Er  lauft  wie  ein  Wiesel.  Dabei  konnen  sie 
sich  durch  die  kleinste  Offnung  zwangen,  klettern  und  schwimmen  vortrefflich. 
Man  hat  von  verschiedenen  Fallen  berichtet,  wo  Hermeline  in  der  Gefangen- 
schaft  ganz  zahm  geworden  sind  und  reizende  Stubentiere  wurden,  im  allge- 
meinen  gehen  sie  aber  in  der  Gefangenschaft  sehr  schnell  zu  Grunde,  indem  sie 
alle  Nahrung  verschmahen  und  in  ihrem  ungestumen  Freiheitsdrange  bald 
dem  Tode  erliegen. 

Nur  Jung  aus  dem  Nest  genommene  Tiere  gewohnen  sich  ofters  an  den 
Pfleger.  Die  Paarungszeit  ist  meist  Februar,  Marz,  und  im  Mai  bis  Juni 
werden  4  bis  10  Junge  geworfen.  Der  gesamte  Norden  der  Erde  wird  von 
verschiedenen  Art  en  Hermelin  und  Wiesel  bewohnt. 

Das  gewohnliche  Hermelin  (Arctogale  oder  Jctis  ermine  a)  engl.  ermine 
granie  ermine  lebt  in  Mitteleuropa,  wird  selten  im  Winter  ganz  weiss,  nur  in 
Gebirgsgegenden  geschieht  dies  regelmassig.  Sie  spielen  deshalb  im  Pelz- 
handel  keine  Rolle.  Auch  in  Schweden,  Norwegen,  dem  nordlichen  Schott- 
land,  werden  sie  zwar  weiss,  kommen  indessen  auch  dort  nur  fur  den 
lokalen  Bedarf  in  Betracht.  Das  Wiesel  (A.  nivalis)  bleibt  in  den  meisten 
Landern  Europas  auch  im  Winter  braun.  In  Island  wird  es  durch 
A.  hibernicus  vertreten,  das  auch  eine  schwarze  Schwanzspitze  zeigt. 

In  Italien  lebt  A.  italicus,  in  Spanien  A.  ibericus,  in  Rumanien  A.  dombrowskii, 
-die  aber  fur  den  Pelzhandel  nicht  in  Betracht  kommen,  ebenso  wenig  die 
A  numidicus  in  Marokko,  A.  siculus  in  Sibirien,  africanus  in  Agypten  und 
Malta,  A.  algiricus  in  Algier,  A.  subhemachalanus  im  Indischen  Gebirge, 
A.  canigula,  ebendort  A.  nudipes  auf  den  Sunda-Inseln.  Alle  diese  Arten 
zeigen  hauptsachlich  anatomische  Unterschiede,  namentlich  im  Schadelbau, 
Grosse  usw. 

Auch  das  Hermelin,  das  im  siidlichen  Europa  heimisch  ist  (A.  boccamela], 
mit  einer  schwarzen  Schwanzspitze,  wird  im  Pelzhandel  nicht  verwertet.  Von 
grosster  Bedeutung  fur  das  Pelzgeschaft  sind  aber  die  asiatischen  Hermeline, 
vor  allem  die  Sibiriens.  Fur  den  Handel  werden  sie  in  verschiedene  Gruppen 
zerlegt,  meist  nach  dem  Gebiet  oder  dem  Ort,  wro  sie  zuerst  gesammelt,  zum 
Verkauf  gestellt  werden. 

Die  grossten  sind  die  sogenannten  Barabinsky,  die  schonsten,  weil  am 
weissesten  und  rauhesten,  sind  die  Ischimer.  Mittelsorte  sind  Tomsky, 
Perschorsky.  Die  Schweife  sind  kraftig  gedrungen  und  nimmt  die  schwarze 
Spitze  etwa  die  Halfte  der  ganzen  Schweiflange  ein,  die  10  bis  14  cm  betragt. 
Die  Jakutskyfelle  sind  klein  und  auch  meistens  flach,  aber  weiss,  ebenso  der 
Jeniseisky,  unter  denen  aber  auch  viel  gelbliche  vorkommen.  Bei  diesen  Sorten 
ist  der  Schweif  diinner,  leichter,  das  Schwarze  nimmt  etwa  3/?  der  betragenden 
.Lange  ein.  Die  kleinste  Sorte,  noch  nicht  halb  so  gross  wie  die  andern,  sind  die 


V.  Die  Marderarten.  495 


sogenanntcn  Lasky,  ein  echtes  Wiesel,  dem  auch  die  schwarze  Schwanzspitze 
fehlt,  weshalb  sie  meistens  auch  ohne  Schweife  in  den  Handel  kommen. 

Aber  auch  die  Felle  aus  einer  Gegend  stammen  durchaus  nicht  von 
einer  Hermelinart,  denn  auch  in  Asien  wohnen  eben  verschiedene  Hermelin- 
und  Wieselarten  in  demselben  Distrikt.  Am  verbreitesten  ist  A.  ermineus, 
dieselbe  Art  wie  in  Nordeuropa,  daneben  aber  in  Zentralasien  und  in  Sibirien, 
vom  Altai  bis  Amur,  A.  alpinus,  das  wahrscheinlich  die  Jakutsky-  usw.  Arten 
liefert. 

In  Altai  lebt  A.  altaicus.  Die  Laskyfelle  kommen  von  den  A.  pygmaeus, 
die  gleichfalls  in  Sibirien  leben. 

In  Zentralasien,  namentlich  in  Turkestan  und  Jarkand  lebt  dagegen 
•das  Gegenstuck,  A.  stoliczkanus,  eines  der  grossten  Hermelinarten  uber- 
haupt,  wahrend  A.  ferghanae  kleiner  ist.  Im  nordwestlichen  China  bis  in  die 
Mongolei  werden  die  Hermeline  durch  A.  fontanieri  vertreten,  die  ein  mittel- 
grosses,  etwas  flaches,  aber  gut  weisses  Fell  liefern. 

A.  pallidus  aus  Afghanistan,  ebenso  A.  caucasicus  aus  dem  Kaukasus 
liefern  zwar  brauchbare  Felle,  sind  aber  im  Pelzhandel  noch  wenig  bekannt, 
wahrend  der  schone  A.  stridigorsus  aus  dem  Himalaya  im  Handel  bisher  iiber- 
haupt  nicht  vorkommt. 

Wohl  bei  wenigen  Fellsorten  schwankt  der  Preis  und  infolgedessen  die 
Zufuhr  so  wie  beim  Hermelin.  Preis  und  Zufuhr  stehen  aber  in  direktem 
Verhaltnis. 

Bei  niedrigem  Preis  werden  wenig  Hermeline  gefangen,  wahrend  der  hohe 
Preis  lockt.  Vor  etwa  25  Jahren  kostete  das  Zimmer  bestes  Ischimer  zu- 
gerichtet  40  Mk.  Ich  kaufte  damals  sogar  einen  grossen  Posten  von  etwa 
700  Zimmer  zugerichtete  Jakutski  fur  7  Mk.  per  Zimmer.  Seit  der  Kronung 
Konig  Eduards  von  England  kam  Hermelin  mit  einmal  wieder  in  Mode,  und  im 
Jahre  1906  war  der  Preis  fur  Ischimer  der  hochst  je  bezahlte  und  betrug  iiber 
400  Mk.  im  Durchschnitt,  um  im  Jahre  1907  etwas  zu  fallen,  augenblicklich 
etwa  280  Mk.  Die  Zahl  der  zugefiihrten  sibirischen  Hermeline  schwankt 
zwischen  20  ooo  und  800  ooo  im  Jahr  aus  den  oben  angefuhrten  Griinden. 
Augenblicklich  kommen  6  bis  700  ooo  Stuck.  Noch  viel  mannigfaltiger  als 
in  Asien,  sind  die  Hermelinarten  in  Amerika.  Auch  hier  hat  erst  die  All- 
herscherin  Mode  ungcheure  Quantitaten  auf  den  Markt  gelockt.  Von  etwa 
10  ooo  Stuck  ist  das  zugefiihrte  Quantum  wohl  auf  3  bis  400  ooo  Stuck 
jahrlich  gestiegen. 

Wahrend  noch  1859  von  der  Hudsonsbay  Company  nur  809  Hermeline 
exportiert  wurden  und  bis  Ende  des  Jahrhunderts  die  Zahl  sich  auf  etwa  2  bis 
3000  jahrlich  erhielt,  brachte  1902  16  374,  1903  33  883. 

Von  den  Vereinigten  Staaten  kamen  sonst  auch  jahrlich  etwa  2  bis 
3000  Stuck,  jetzt  belauft  sich  der  Export  von  dort  auf  mindestens  300  ooo 
Stuck,  wozu  noch  erhebliche  Quantitaten  kommen,  die  im  Lande  selbst 
verbraucht  werden. 


49  6  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Sowohl  Hermelin  wie  die  Wiesel  ohne  schwarze  Schwanzspitze  sind  nun 
in  Amerika  sowohl  an  Arten  als  Individuen  ungemein  zahlreich  vertreten. 
doch  nennen  die  Amerikaner  alle  unterschiedslos  ,, White  weasel". 

Im  aussersten  Norden,  der  arktischen  Kiiste  unddemTundragebiet,  haust 
A.  arcticus,  welches  die  besten  Felle  liefert.  Das  Tier  ist  verhaltnismassig 
gross,  hat  kleine  Ohren  und  an  dem  kraftigen  aber  kurzen  Schweif  ist  die 
hintere  Halite  schwarz. 

Das  Sommerkleid  ist  oben  gelbbraun,  Unterseite  ockergelb.  Etwas  kleiner 
als  das  vorige  ist  A.  richardsonii,  welches  das  Hudsonsbay-Gebiet  bis  Alaska 
und  das  nordliche  Britisch  Kolumbia  bewohnt.  Die  schwarze  Schwanz- 
spitze nimmt  kaum  ein  Drittel  der  Schweiflange  ein.  In  derselben  Gegend 
wohnt  auch  A.  rixosus,  das  kleinste  der  amerikanischen  Wieselarten,  ohne  jede 
schwarze  Schweifspitze.  Im  Sommer  rostbraun,  Unterseite  weiss. 

Im  nordwestlichen  Alaska  lebt  auch  noch  ein  echtes  Wiesel  ohne  Schwanz- 
spitze, A.  eskimo,  welches  grosser  als  das  vorige  ist,  der  Schweif  ist  aber 
kiirzer  und  diinner. 

A.  alascensis  in  Alaska  ist  ein  echtes  Hermelin,  das  im  Sommer  schoko- 
ladenfarbig  mit  weisser  Unterseite  ist,  im  Winter  aber  rcinweiss,  bis  auf  die 
schwarze  Schwanzspitze,  die  ein  Drittel  der  Schwanzlange  ausmacht.  Das 
Tier  ist  aber  wesentlich  kleiner  als  A.  richardsonii.  In  den  Vereinigten  Staaten 
ist  am  verbreitesten  A.  cicognani,  das  sich  in  den  Waldungen  von  Labrador 
und  Kanada  an  bis  nach  dem  Siiden  von  Newyorkstate  und  westlich  bis  an  die 
Rockymountains  erstreckt.  Es  ist  ziemlich  klein,  Korperlange  etwa  20  cm 
und  auch  der  Schweif  ist  ziemlich  kurz.  Auch  die  schwarze  Schwanzspitze 
misst  knapp  ein  Drittel  der  Lange. 

Die  Winterfarbung  ist  weiss,  aber  die  Unterseite,  der  Rumpf  und  der 
obere  Teil  des  Schweif es  ist  stets  gelblich  und  das  Sommerfell  dunkelbraun, 
Unterseite  gelbweiss. 

An  der  Westkiiste  wird  dasselbe  durch  A.  steatorix  vertreten,  das  nament- 
lich  im  Kiistengebiet,  vom  Pugetsound  bis  Oregon.  Es  ist  kleiner,  das 
Sommerfell  bedeutend  dunkler  und  nur  ein  schmaler  Bauchstreifen  weiss.  Im 
Winter  wird  es  nur  in  den  hoheren  Gebirgslagen  rein  weiss,  in  den  Tiefen 
bleibt  es  braunspitzig.  Beide  Arten  bevorzugen  die  Waldgebiete. 

Ein  Tier  der  offenen  Ebenen  ist  das  auffalligste  aller  amerikanischen 
Hermeline,  A.  longicaudata,  das  langschwanzige  Hermelin.  Es  ist  das  grosste 
aller  amerikanischen  Hermeline,  erreicht  eine  Korperiange  von  40  cm, 
wahrend  der  Schwanz  20  cm  misst.  Hiervon  ist  aber  nur  die  ausserste  Spitze, 
etwa  3  cm,  schwarz.  Es  bewohnt  die  grossen  Ebenen  nordlich  bis  zum 
Saskatschewan  und  ist  im  Westen  von  Minnesota  bis  Arizona  auf  den  Prarien 
uberall  anzutreffen.  Am  haufigsten  findet  es  sich  in  Kansas  und  am  oberen 
Missouri. 

Das  Sommerfell  ist  ein  helles  griinlich-braun,  die  Unterseite  mehr  lachs- 
farbig.  Das  Winterfell  ist  auch  in  siidlichen  Gegenden  bis  nach  Utah  hinab 


V.  Die  Marderarten. 


497 


ganz  weiss.  In  Minnesota  kommt  auch  A.  spadix  vor,  etwas  kleiner  als  das 
Vorige,  auch  mil  sehr  langem  Schweif,  doch  ist  die  schwarze  Spitze  beinahe 
ein  Viertel  der  Schweif  lange. 

Das  Sommerfell  ist  schokoladenbraun,  mit  dunklem  Kopf,  die  Unterseite 
gelbweiss. 

Im  Osten  der  Vereinigten  Staaten  findet  man  von  Maine  bis  Nord- 
karolina  A.  novoboracensis ,  dessen  Verbreitungsbezirk  sich  westlich  bis 
Illinois  erstreckt.  Es  wird  aber  nur  in  den  nordlichen  Teilen  des  Landes  im 
Winter  ganz  weiss.  Es  ist  etwas  kleiner  als  A.  longicaudata,  und  steht  auch 
der  Schwanz  an  Lange  zwischen  diesem  und  A.  cicognani.  Der  schwarze  Teil 
ist  iibrigens  bei  ihm  von  alien  amerikanischen  Hermelinarten  am  langsten 
und  nimmt  mehr  als  die  Halite  der  Lange  ein.  Das  weisse  ist  iibrigens  meistens 
etwas  gelblich  angehaucht.  In  den  Neu-England-Staaten  und  Kanada  lebt 
eine  Abart,  die  bedeutend  grosser  ist. 

Im  Washingtonterritory  findet  man  A.  washingtonii,  das  einen  langeren 
Schweif,  aber  kiirzere  Spitze  wie  A.  noveboracensis  besitzt.  Es  wird  im  Winter 
weiss,  aber  Rumpf  und  Bauch  sind  stets  sehr  gelblich,  wahrend  das  in  Oregon 
und  Washingtonterritory  daneben  lebende  A.  saturatus  zwar  im  Winter  schon 
weiss  wird,  sich  aber  durch  seine  Sommerfarbung  stark  unterscheidet.  Dieselbe 
ist  oben  umbrabraun,  die  Unterseite  orangegelb,  Schweif  hell  kastanienbraun 
mit  schwarzer  Spitze. 

Sehr  schon,  aber  klein,  ist  das  auf  den  Queen  Charlotte-Inseln  lebende 
A.  haidarum.  Das  Fell  ist  ca.  18  cm  lang,  der  Schweif  ca.  10  cm,  wovon  60  Proz. 
schwarz  ist. 

Es  ist  im  Winter  weiss,  am  Rumpf ende  und  unten  mehr  gelblich.  In 
den  Gebirgen  der  Westkiiste  und  zwar  in  der  Sierra  Nevada  und  den  Rocky- 
mountains  bis  Britisch  Kolumbia  lebt  A.  arizoniensis ,  das  ahnlich  wie 
A.  longicaudata  einen  sehr  langen  Schweif  mit  kurzer  Spitze  besitzt,  aber  im 
ganzen  bedeutend  kleiner  ist.  Im  Winter  schon  weiss.  Dagegen  wird 
A.  oregonensis,  ein  mittelgrosses  Hermelin  mit  langem  Schweif,  dessen  Spitze 
nur  ein  Fiinftel  der  Lange  schwarz  ist,  auch  im  Winter  nur  auf  der  Unterseite 
gelblichweiss,  oben  hellbraun.  A.  xantonigensis  in  Kalifornien  bliebt  Sommer 
und  Winter  hellbraun.  In  Amerika  erregen  Hermelin  und  Wiesel  durchaus 
nicht  so  den  Hass  der  Jager  und  Farmer  wie  in  Europa,  da  sie  im  Gegenteil 
als  niitzliche  Tiere  zu  bezeichnen  sind.  Sie  raumen  gewaltig  unter  den  Feld- 
mausen,  den  Ratten,  sowie  auch  den  Erdhornchen  und  den  wehrhaften 
Gophers  auf.  Wenn  sie  auch  gelegentlich  ein  junges  Kaninchen  oder  junge 
Vogel  rauben,  so  fallt  dies  nicht  ins  Gewicht.  Den  Hiihnerhofen  tun  sie  wenig 
Schaden.  Vorzugsweise  wohnen  sie  in  Erdhohlen.  Vom  Standpunkt  des  Pelz- 
handlers  kann  man  amerikanische  Hermelin  von  den  sibirischen  vorzugsweise 
an  den  Schweifen  erkennen,  die  stets  dunner  sind  und  bei  denen  sowohl  die 
Oberhaare  kurzer  sind  als  auch  nicht  so  dicht  wie  bei  den  sibirischen.  Auch 
die  Felle  sind  flacher  und  das  Oberhaar  nicht  so  weich. 

32 


40,8  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

13.  Vielfrass. 

Dieses  Tier,  Gulo  luscus,  englisch  wolverene,  franzosisch  gloutton,  wird 
mil  zu  den  Mardern  gerechnet.  Es  lebt  im  Norden  von  Europa,  Asien  und 
Amerika  bis  dicht  an  die  Kiisten  des  Polarmeeres.  Die  Farbe  ist  ein  feines 
dunkelbraun,  auf  dem  Riicken  durch  zwei  breite  hellgelbbraune  Streifen  ge- 
zeichnet,  die  im  Bogen  iiber  die  Seiten  verlaufen.  Zwischen  den  Streifen  ist 
das  sattelartige  Stuck  viel  dunkler  als  der  iibrige  Korper  und  dabei  etwas 
kiirzer  im  Haar.  Der  Kopf  ist  dunkelgraubraun.  Die  Kehle  enthalt  gelbe 
Flecke.  Die  Beine  sind  sehr  dunkelbraun,  die  Unterseite  mit  kurzem,  grobem, 
dunklem  Haar  bedeckt.  Die  Beine  sind  etwas  gebogen,  die  machtigen  Tatzen 
mit  langen  scharfen  Krallen  bewehrt.  Der  Schweif  ist  kurz,  ca.  15  cm  lang  und 
mit  langem,  starkem,  buschigem  Haar  bedeckt.  Das  Fell  hat  eine  Lange  von 
90  bis  120  cm.  Die  meisten  Felle  kommen  aus  dem  Yorkfort-Distrikt. 
Labrador  liefert  wenige  feinhaarige,  aber  helle  Felle.  Alaska,  von  wo  fast 
nichts  ausgefiihrt  wird,  dunkle,  grosse  Felle.  Britisch  Columbia  und  Kam- 
tschatka  sehr  grosse,  grobhaarige  und  helle  Felle.  Die  sibirischen  Vielfrasse 
sind  viel  dunkler  als  die  amerikanischen,  im  Durchschnitt  etwas  kleiner, 
das  Haar  feiner  und  die  helleren  Streifen  haufig  fast  garnicht  ausgepragt. 
Die  Sohlen  sind  dicht  behaart  und  die  Spuren  barenartig.  Das  Tier  schleicht 
meist  mit  gebogenem  Riicken  und  niedrig  gehaltenem  Schweif.  Trotz  seines 
grossen  Verbreitungsbezirks  ist  das  Tier  nirgends  haufig  und  sein  Fell  ist 
von  den  meisten  Eingeborenen  sehr  geschatzt  und  so  hoch  bezahlt,  dass  der 
Export  meist  nicht  lohnt.  So  zahlen  die  Indianer  Alaskas  oft  30  Dollar  fur  ein 
Fell.  Auch  in  Kamtschatka  werden  Vielfrassfelle  hoch  bezahlt  (Rosomako 
wie  sie  hier  genannt  werden)  besonders  die  ganz  hellen  Felle.  Schon  Steller 
fiihrt  an,  dass  die  Kamtschadalen  fur  ein  Vielfrassfell  auch  Seeotterfelle  oder 
soviel  andere  Felle  geben,  dass  der  Wert  60  Rubel  ausmacht.  Auch  die  Jakuten 
bezahlen  die  Vielfrassfelle  gut,  so  dass  alle  in  Ostsibirien  erbeuteten  Felle  im 
Lande  bleiben. 

Es  kommen  daher  aus  Amerika  jahrlich  nur  2  bis  3000  Felle  an  den  Markt, 
etwas  mehr  aus  Sibirien.  Der  augenblickliche  Wert  ist  30  bis  50  Mk.  pro  Fell, 
doch  waren  sie  sonst  erheblich  billiger.  Das  Tier  richtet  in  der  Wildbahn 
grossen  Schaden  an,  greift  Hirsche,  Renntiere  ebenso  Hasen  und  kleinere 
Tiere  an  und  ist  ungemein  schnell  und  gewandt.  In  Ostsibirien  stellt  es  be- 
sonders dem  Moschustier  nach .  Den  meisten  Schaden  und  Arger  verursacht  es 
den  Trappern,  da  es  der  Linie  der  aufgestellten  Fallen  folgt,  die  darin  gefangenen 
Zobel  und  Fiichse  frisst  und  obenein  haufig  die  Fallen  vergrabt,  Auch 
zerstort  es  die  Depots,  die  sogenannten  Caches,  in  denen  die  Jager  Felle, 
Proviant  usw.  aufbewahren,  und  zernagt  und  zwangt  oft  ein  Fuss  im  Durch- 
messer  haltende  Stamme  auseinander,  aus  denen  diese  Caches  errichtet  sind. 
Auch  in  Lappland  bricht  er  in  leerstehende  Hiitten  und  pliindert  die  Vorrate. 
Dabei  sind  sie  sehr  schwer  zu  fangen,  ihrer  grossen  Vorsicht  und  Schlauheit 


V.  Die  Marderarten.  499 


halber.  Nur  wenn  die  Falle  ahnlich  wie  die  Caches  gebaut  sind,  gelingt  der 
Fang  leichter.  Das  Tier  klettert  nicht  auf  Baume  aber  bewohnt  Erdhohlen 
und  alte  Biberbauten.  Es  halt  keinen  Winterschlaf,  sondern  schweift  Beute 
suchend  we  it  umher.  In  Amerika  ist  der  42.  Breitengrad  die  siidlichste  Grenze 
seines  Vorkommens.  In  Sibirien  geht  es  nicht  soweit  nach  Siiden.  —  In 
Amerika  findet  die  Begattung  im  Marz,  April  statt  und  60  Tage  spater  wirft 
das  Weibchen  4  bis  6  Junge,  die  es  mit  grosser  Wildheit  verteidigt.  In  Norwegen 
fallt  die  Begattung  schon  im  Januar.  In  Amerika  wird  das  Tier  vielfach 
Carcajou  genannt,  in  Kanada  auch  Quickhatch.  Audi  in  Sibirien  folgt  es  dem 
Jager  und  frisst  die  gefangenen  Zobel  in  den  Fallen.  Urspriinglich  glaubte  man, 
der  Name  des  Tieres  stamme  von  dem  norwegischen  Wort  Fjall  (Hochebene) 
her,  doch  scheint  der  deutsche  Name  sich  wirklich  auf  die  starke  Fressbegierde 
des  Tieres  zu  beziehen,  wenn  auch  die  Erzahlungen  der  alteren  Schriftsteller 
als  Fabeln  zu  betrachten  sind. 


12= 


VI. 

Die  Nerzarten. 


Die  Nerze. 

Nerze,  engl.  mink,  franz.  vison,  und  von  deutschen  Zoologen 
auch  Sumpf  otter  genannt,  leben  im  Nor  den  beider  Hemispharen,  doch  sind 
eine  ganze  Reihe  von  Arten  zu  unterscheiden.  Namentlich  der  russische  und 
deutsche  Nerz  gehoren  ganz  anderen  Arten  an  wie  die  amerikanischen.  Die 
Far  bung  ist  stets  sehr  dunkel,  fast  schwarzlich,  die  Unterwolle  ist  nur  diinn 
und  das  Oberhaar  haufig  etwas  grob  und  steif,  so  dass  sie  an  Wert  den 
amerikanischen  bedeutend  nachstehen.  Auch  im  anatomischen  Bau  sind  sie 
verschieden,  denn  der  Schweif  des  europaischen  Nerzes  ist  kurzer  und  ge- 
drungener  und  hat  nur  19  Schwanzwirbel,  wahrend  sein  amerikanischer  Vetter 
21  besitzt.  Von  den  Mardern  unterscheidet  sich  der  Nerz  nicht  nur  durch  seine 
Lebensweise,  sondern  auch  durch  die  Zahnbildung.  Er  besitzt  34  Zahne  wie 
dasWiesel,  wahrend  die  Harder  38  haben.  Ferner  erfreut  sich  der  Nerz  wohl 
ausgebildeter  Schwimmhaute  zwischen  den  Zehen,  die  schon  auf  seinen  Wasser- 
aufenthalt  hindeuten.  Zwar  ein  eigentliches  Wassertier  wie  die  Fischotter 
ist  der  Nerz  nicht.  Er  lebt  zwar  vorzugsweise  von  Fischen,  Froschen,  Krebsen, 
Muscheln,  Wasserratten  usw.,  doch  stellt  er  auch  Mausen,  Ratten  und  anderen 
kleinen  Saugetieren  nach,  besucht  auch,  in  Amerika  wenigstens,  mitunter  die 
Hiihnerhofe  der  Ansiedler,  und  interessiert  sich  auch  fur  kleine  Kaninchen. 
Der  europaische  Nerz  ist  iibrigens  viel  scheuer  als  der  Amerikaner.  Namentlich 
in  Deutschland,  wo  er  noch  an  verschiedenen  Stellen  vorkommt,  halt  er  sich 
so  zuriickgezogen  in  unzuganglichen  Rohrbriichen,  Sumpf  en  und  dergleichen, 
dass  nur  sehr  wenige  Jager  ihn  zu  Gesicht  bekommen  haben.  Er  schwimmt  wie 
schon  oben  gesagt,  gut  und  taucht  vorziiglich,  klettert  aber  gar  nicht  und  lauft 
schlecht.  Die  Begattungszeit  ist  Februar  und  im  April,  im  Mai  wirft  er  3  bis 
4  blindgeborene  Junge.  Am  haufigsten  soil  er  noch  in  der  Liibecker  Gegend  vor- 
kommen,  doch  wird  er  auch  in  Ostpreussen,  Holstein,  Brandenburg,  Schlesien 
und  anderen  Gegenden  Norddeutschlands  gefunden,  aber  nirgends  haufig.  In 
Russland  findet  man  ihn  von  Finnland  bis  zum  schwarzen  Meer  und  von  Polen 
bis  zum  Ural.  Er  ist  hier  auch  nirgends  gerade  selten,  im  westlichen  Sibirien 
ist  er  sogar  verhaltnismassig  haufig,  doch  ist  noch  nicht  festgestellt,  ob  die 


504  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

sibirische  Art  nicht  abweicht.  Jeden falls  sind  die  sibirischen  Felle  von  besserer 
Qualitat  und  haben  mehr  Unterwolle.  Es  mogen  jahrh'ch  wohl  30  bis  40  ooo 
Felle  in  den  Handel  kommen.  Aucb  in  Siideuropa,  Galizien,  Siebenbiirgen, 
Bessarabien  usw.  findet  man  Nerze.  Ein  deutscher  Nerz  wurde  langere  Zeit 
im  Berliner  Aquarium  lebend  gehalten. 

In  Amerika  nun,  von  wo  die  wertvollen  Nerze  kommen,  leben  eine  ganze 
Reihe  verschiedener  Arten,  wenngleich  der  Rauchwarenhandler  sie  nur  nach 
dem  Distrikt  ihrer  Herkunft  bezeichnet. 

ImHudsonsbay-Gebiet  geht  der  Nerz  ziemlich  weit  nachNorden.  Die  besten 
Sorten  kommen  aus  Labrador,  ein  dunkler,  blauschwarzer  Nerz,  der  auch  sehr 
sauber  auf  der  Lederseite  von  den  Eingeborenen  behandelt  ist,  wie  alle  Labrador- 
felle.  Es  kommen  aber  da  von  nur  wenige  hundert  Felle  jahrlich.  Ebensolche 
dunklen,  feinhaarigen  und  grossen  Felle  kommen  aus  den  Distrikten  an  der 
Hudsonsbai,  die  sogenannten  E.  M.  (Eastmaine)  und  E.  B.  (Esquimaux  Bai). 
Auch  die  sogenannten  Halifax-Nerze  aus  Schottland  gehoren  wohl  derselben 
Nerzart  an.  Ich  habe  keine  besondere  Beschreibung  dieser  Nerzart  in  zoolo- 
gischen  Arbeiten  gefunden,  und  wurde  deshalb  vorschlagen,  diese  Art  Lutreola 
vison  borealis  zu  nennen.  Viel  zahlreicher  ist  die  Nerzart  des  Hudsonsbay- 
Gebietes  der  Y.  F.  (Yorkfort)  Nerz,  ein  grosser,  feinhaariger  kraftiger  Nerz,  der 
gutfarbig  ist,  aber  doch  viel  brauner  als  die  vorigen.  Da  diese  Nerzsorte  stets 
gleichmassig  seit  Jahrhunderten  sortiert  ist,  hat  sie  sich  zu  einer  Art  Wert- 
messer  herausgebildet,  deren  Preis  den  Massstab  fur  die  anderen  Nerzsorten 
bildet.  Diese  Preise  schwanken  mit  den  Konjunkturen  ungemein.  Augen- 
blicklich  kosten  Y.  F.  prima  etwa  40  Mk.,  sekunda  etwra  30  Mk.,  wahrend  die 
E.  M.  liber  60  sh  wert  sind.  Ich  kann  mich  aber  erinnern,  dass  Y.  F.  sekunda 
3  sh  kosteten. 

Die  kanadischen  Nerze  sind  ebenfalls  feinhaarig  seidig,  aber  kleiner  als 
die  Y.  F.  In  diesem  Jahre  kamen  aus  dem  gesamten  Hudsonsbay-Gebiet  32  ooo 
Nerze,  1910  nur  ca.  22  ooo  Nerze  zum  Export,  im  Vorjahr  ca.  40  ooo  und  1906 
und  die  vorhergegangenen  Jahre  etwa  60000  jahrlich.  Viel  zahlreicher  leben 
die  Nerze  in  den  Vereinigten  Staaten.  Abgesehen  von  den  giinstigeren  Lebens- 
bedingungen  werden  sie  hier  auch  in  nicht  unbedeutendem  Masse,  in  so- 
genannten Minkfarms  oder  Minkeries,  auf  die  ich  noch  spater  zuruckkomme, 
gezuchtet.  Es  gibt  auch  hier  verschiedene  Arten,  ebenso  wie  der  Pelzhandel 
verschiedene  Sorten  nach  der  Herkunft  unterscheidet.  Wie  bei  anderen  ameri- 
kanischen  Fellsorten  ist  aber  jetzt  der  Ort,  von  wo  die  Felle  in  erster  Hand 
bezogen  sind,  kein  Massfetab  mehr  fur  ihre  wirkliche  Herkunft.  Die  grossen 
Sammler  lassen  heute  hunderte  von  Meilen  weit  reisen,  um  Felle  aufzukaufen, 
und  es  ist  deshalb,  weil  der  Sammler,  von  dem  die  Kollektion  stammt,  z.  B. 
in  Cleveland  Ohio  wohnt  noch  lange  nicht  gewiss,  dass  die  Felle  aus  Ohio  oder 
auch  nur  aus  den  Nachbarstaaten  stammen.  Die  verschiedensten  Provenienzen 
sind  auch  in  der  ersten  Hand  schon  zusammengemischt  und  geben  deshalb 
kein  klares  Bild  mehr  von  den  in  einzelnen  Distrikten  vorkommenden 


VI.  Die  Nerzarten.  595 


Sort  en.  Auch  die  Ergebnisse  der  Ziichtereien  sind  oft  abweichend  von  den  in 
der  Gegend  vorkommenden  Arten. 

Im  Nordosten  der  Vereinigten  Staaten,  namentlich  im  Staate  New  York, 
Pensylvanien  und  auch  in  Neu-Braunschweig  lebt  L.  vison,  ein  kleinerer, 
schlanker,  feinhaariger  und  gutfarbiger  Nerz,  der  aber  an  der  Kiiste  nicht  vor- 
kommt.  Hier  wird  er  durch  einen  viel  grosseren,  aber  plumperen  und  grob- 
haarigeren  Nerz  ersetzt,  den  L.  vison  lutreocephalus,  der  von  Maine  bis  Nord- 
karolina  geht  und  der  auch  in  den  Zentralstaaten  vorkommt,  die  Farbe  ist 
meistens  ein  dunkles  bis  mittleres  Braun. 

In  Louisiana  und  einzelnen  Teilen  von  Kentucky  usw.  kommt  ein  hell- 
farbiger,  grobhaariger  und  dickledriger  Nerz  vor,  L.  vison  vulgivagus.  Auch 
in  den  siidwestlichen  Staaten  Arkansas,  Missouri  usw.  lebt  ein  grobhaariges, 
hellfarbiges  Tier,  das  einen  bedeutend  starkeren  und  plumperen  Schweif  hat, 
als  seine  nordlichen  Verwandten.  In  den  siidatlantischen  Staaten  Karolina, 
Alabama  bis  Florida  lebt  L,  vison  lutensis  gelblich  braun,  grobhaarig  mit 
unregelmassiger  weisser  Markierung  am  Kinn.  An  der  Westkiiste  von  Nord- 
Kalif ornien  bis  zum  siidlichen  Alaska  kommt  der  sogenannte  Kolumbia-Nerz 
vor,  L.  vison  energumenus,  ein  grosses,  gutfarbiges  Tier,  aber  mit  grobem, 
nicht  sehr  dichtem  Haar,  welcher  in  Alaska  durch  ein  sehr  grosses  und 
dunkelfarbiges  Tier,  L.  vison  melampeplus ,  vertreten  wird,  dem  der  weisse 
Kehlfleck  fehlt.  Es  ist  grosser  als  irgend  eine  der  anderen  Sorten,  selbst  als  die 
Y.  F.  Am  Yukon-River  lebt  ein  sehr  dunkler  Nerz,  L.  vison  ingens,  der 
dort  sowohl,  als  an  den  Nebenfliissen  des  Riesenstromes  recht  haufig  ist. 

Daneben  kommt  im  ostlichen  Alaska  noch  L.  vison  nigriscens  vor, 
ebenfalls  sehr  dunkel  und  gut  in  Qualitat,  aber  bedeutend  kleiner  als  die 
vorigen. 

Im  ganzen  werden  aus  den  Vereinigten  Staaten  jahrlich  durchschnittlich 
etwa  300  ooo  Nerze  ausgefiihrt,  wozu  aber  noch  ein  annahernd  ebenso  grosses 
Quantum  kommt,  welches  im  Lande  selbst  verbraucht  wird. 

Beide  Geschlechter  haben  stark  entwickelte  Geruchsdriisen,  dicht  am 
After  mit  einem  moschusartigen  Duft,  der  aber  nicht  so  unangenehm  ist  wie 
beim  Iltis  oder  gar  beim  Skunk. 

Diese  Driisen  sollen  iibrigens  beim  europaischen  Nerz  gleichfalls  fehlen. 
Die  Nahrung  des  Mink  besteht  aus  Muscheln,  Krebsen  und  Fischen,  von 
denen  er  bis  zu  12  Pfund  schwere  Exemplare  bewaltigen  soil,  ferner  stellt  er 
den  Bisamratten  stark  nach  und  auch  Kaninchen,  namentlich  dem  Sumpfhasen 
Lepus  palustrus.  Er  frisst  auch  Ratten,  Mause  und  dergleichen,  stiehlt  die  Eier 
der  Erdbriiter,  doch  kann  er  Vogel  nur  schwer  erwischen.  Manchmal  beraubt 
er  auch  die  Huhnerhauser  der  Farmer.  Er  ist  aber  nicht  so  blutgierig  wie  die 
Marderarten  und  totet  nie  mehr  als  er  auch  fressen  kann.  Lastig  macht  er 
sich  den  Trappern  haufig  da  durch,  dass  er  in  Fallen  gefangene  Tiere  auf  frisst, 
ehe  sie  eingesammelt  werden  konnen.  Er  grabt  sich  keine  eigenen  Wohnungen, 
sondern  lebt  in  verlassenen  Bisambauten,  hohlen  Baumstiimpfen,  Murmeltier- 


506  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

oder  Dachshohlen  usw.  Die  Begattung  ist  im  Marz  und  wirft  das  Weibchen 
nach  6  wochentlicher  Tragzeit  3  bis  6  Junge,  doch  kann  sich  deren  Zahl  in 
Jahren  reichlicher  Nahrung  auf  10  bis  12  steigern,  so  dass,  wie  bei  anderen 
amerikanischen  Pelztieren  die  Haufigkeit  des  Vorkomrnens  periodenweis 
wechselt.  Da  der  Nerz  leicht  zahm  wird  und  von  einzelnen  Farmern  deshalb 
als  Rattenfanger  im  Hause  gehalten  wurde,  kam  man  schon  friihzeitig  auf  die 
Idee,  ihn  rationell  zu  ziichten.  Die  erste  Minkfarm  wurde  bereits  1873  in 
Verona,  Oneida  county  Newjorkstate  errichtet. 

Heute  befinden  sich  gegen  100  Nerzfarmen  in  den  Vereinigten  Staaten. 
In  einer  solchen  Farm  befindet  sich  in  einem  umzaunten  Raum,  der  auch 
fliessendes  Wasser  enthalt,  eine  Reihe  von  Boxes  mit  Drahtzaun  umgeben, 
der  oben  iiberhangt,  jede  von  12  Fuss  im  Quadrat.  Eine  alte  Kiste  mit  zwei 
Offnungen  gibt  Schutz  gegen  das  Wetter.  Die  Tiere  werden  einzeln  gehalten 
und  mitFarmabfall,Fischen,  geschossenen  Murmeltieren,  lebenden  Ratten  usw. 
gefiittert.  Im  Dezember  gibt  man  vorwiegend  frisches  blutiges  Fleisch.  Im 
Februar  wird  wenig  gefiittert  und  im  Marz  die  Tiere  zusammengelassen, 
wobei  man  ein  Mannchen  auf  sechs  Weibchen  rechnet.  Die  Laufzeit  der 
Weibchen  dauert  nur  4  Tage.  Schon  wahrend  der  Tragzeit  werden  die  Tiere 
wieder  getrennt.  Nach  6  Wochen  wirft  das  Weibchen  4  bis  10  Junge,  die 
5  Wochen  lang  blind  bleiben  und  nach  einem  Jahre  fortpflanzungsreif  sind. 
Die  Totung  der  zum  Verkauf  bestimmten  Tiere  findet  natiirlich  wahrend  der 
kalten  Jahreszeit  November /Dezember  statt. 


VII. 


Die  Ottern. 


Die  Ottern. 

a)   Amerikanische   Ottern    (engl.   otter,    franz.    loutre    d'Amerique). 

In  Nordamerika  finden  wir  verschiedene  Otter arten,  die  aber  alle 
stark  von  dem  europaischen  Otterabweichen.  Der  grosste  1st  der  kanadische 
Otter,  Lutra  canadensis,  welche  das  nordlichste  Amerika  bis  weit  in  die 
arktischen  Gegenden  hinein  bewohnt.  Er  ist  bedeutend  grosser  als  der  euro- 
paische  Otter,  mit  langem,  dichten,  glanzenden,  dunklen  Oberhaar  und 
einer  dichten  Unterwolle,  die  Fusse  sind  mit  Schwimmhauten  versehen  und 
die  Sohlen  behaart. 

Die  feinsten  Felle  kommen  aus  Labrador  und  Eastmaine,  fast  schwarz 
und  ungemein  gut  behandelt. 

Die  Felle  sind  stets  mit  dem  Leder  nach  aussen  getrocknet,  das  Fell  durch 
einen  Schnitt  zwischen  den  Hint  erf  ussen  abgestreift,  das  Leder  sauber  ge- 
waschen  und  die  Beinhaut  rosettenformig  aufgerollt. 

Die  Felle  aus  dem  Yorkfort-Distrikt  sind  gross,  rauh,  dunkelbraun, 
ahnlich  sind  die  Felle  aus  Kanada  und  Neuschottland,  dunkel,  aber  etwas 
grober  im  Haar.  Diese  Otterart  geht  auch  an  der  Ostkiiste  der  Vereinigten 
Staaten  bis  nach  Maryland  und  Kentucky,  doch  sind  die  von  hier  kommenden 
Felle  alle  brauner  und  grober  im  Haar.  Auf  Neufundland  kommt  eine  eigene 
Art  vor,  L.  degener,  die  teuerste  Sorte  Ottern,  ganz  schwarz  und  sehr  fein 
im  Haar.  Solche  Felle  wurden  in  der  Londoner  Auktion  mit  300  sh  bezahlt, 
wahrend  die  anderen  Ottern  von  100  bis  150  sh  holen. 

In  den  Siidstaaten  Nordkarolina,  bis  Alabama,  Louisiana  und  Missisippi 
lebt  L.  lataxina,  etwas  kleiner  als  canadensis,  mit  dickerem  Leder  und 
groberem  Haar,  aber  dunkler  Farbe,  die  Fiisse  nur  wenig  behaart.  In  Florida 
und  dem  ostlichen  Georgien  lebt  L.  vaga,  ein  Otter,  der  grosser  ist,  als  die 
kanadische,  mit  besonders  langem  Schwanz,  grobem  Haar  und  rotlichbrauner 
Farbe. 

An  der  Westkiiste  von  Kalifornien  bis  Alaska  findet  man  L.  pacific  a,  sehr 
gross,  aber  viel  heller  als  die  anderen.  Es  gibt  hier  Felle  mit  einer  Lange 
von  140  cm,  ohne  den  60  cm  langen  Schweif.  Namentlich  in  Alaska  ist  die 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Farbe  ein  ganz  hclles  braun.     In  Britisch  Columbia  lebt  L.  columbiana,  auf 
Sa  Marta,  und  welter  nordlich  L.  periclyzomaL 

In  den  westlichen  Zentralstaaten  von  Wyoming  bis  Mexiko  und  Sonora 
ist  der  grosste  aller  amerikanischen  Ottern  zu  finden,  L.  sonora,  der  aber 
grobhaarig  und  hell  ist. 

Im  ganzen  kommen  aus  dem  Hudsonsbai-Gebiet  jahrlich  etwa  10  ooo 
Ottern,  aus  den  Vereinigten  Staaten  12  ooo  Stuck  jahrlich.  Von  den  deutschen 
Kurschnern  werden  sie  samtlich  als  virginische  Ottern  bezeichnet. 

Der  Fang  des  amerikanischen  Otter  ist  sehr  schwierig,  da  das  Tier 
ungemein  scheu  ist.  Gewohnlich  wird  es  an  seinen  regelmassigen  Ausstieg- 
stellen  gefangen,  den  ,,  slides",  da  der  Otter  regelmassig  an  derselben  Stelle  das 
Wasser  verlasst.  Hier  werden  unmittelbar  unter  dem  Ufer  Stahlfallen  unter 
dem  Wasser  gesetzt,  die  aber  sehr  sorgfaltig  aufgestellt  werden  mussen.  Im 
Winter  werden  auch  die  Eislocher  aufmerksam  beobachtet,  um  festzustellen, 
wo  das  Tier  herauskommt,  um  seine  Beute  zu  verzehren,  da  es  dies  niemals 
im  Wasser  tut.  Auch  hier  werden  die  Fallen  unter  Wasser  gesetzt. 

Auf  den  Koder  geht  er  nicht,  doch  gelingt  es,  ihn  manchmal  in  mit  be- 
sonderer  Witterung  versehene  Fallen  zu  fangen,  die  an  den  Stellen  gestellt  sind, 
wo  das  Tier  regelmassig  seine  Losung  abzusetzen  versucht.  Da  die  Ottern 
in  Amerika  selten  geworden  sind,  werden  sie  in  verschiedenen  Staaten  ge- 
schiitzt.  So  diirfen  z.  B.  in  Utah  bis  1913  keine  Ottern  erlegt  werden,  in 
Vermont  und  Wiskonsin  ist  ebenfalls  der  Otter  dauernd  geschiitzt.  In  anderen 
Staaten  haben  sie  jahrliche  Schonzeiten,  z.  B.  in  Michigan  vom  i.  April  bis 
i.  November.  In  Missouri  desgleichen,  in  New-Hampshire  vom  i.  April  bis 
15.  Oktober.  Auch  in  Kanada  ist  das  Tier  jetzt  geschiitzt.  In  Manitoba  diirfen 
sie  iiberhaupt  nicht  gefangen  werden,  vom  i.  April  bis  i.  Oktober  ist  Schon- 
zeit  in  Neufundland,  Quebek,  Prinz  Eduard-Inseln,  Ontario,  Britisch 
Kolumbia.  In  Alberta  ist  Schonzeit  vom  i.  Mai  bis  i.  November.  In  Neu- 
Braunschweig  vom  15.  Marz  bis  i.  November,  Neuschottland  vom  i.  Marz 
bis  i.  November. 

Die  Ottern  werfen  alljahrlich  im  April  2  bis  3  Junge.  Die  Nahrung  be- 
steht  ausschliesslich  aus  Fischen. 

Haufig  findet  man  iibrigens  Felle,  bei  denen  die  Spitzen  der  Oberhaare 
gekrummt  sind,  sogenannte  versengte  Felle,  was  auf  Fehler  beim  Trocknen 
zuriickzufiihren  ist. 

Die  dunklen  Felle  werden  hauptsachlich  zu  Kragen  fiir  Herrenpelze 
verwendet,  gute,  aber  braune  Exemplare  werden  haufig  geblendet,  wahrend  die 
geringeren  und  versengten  Felle  gerupft  werden  und  dann  entweder  naturell 
oder  sealartig  gefarbt  zu  Damengarnituren,  Herrenpelzkragen  usw.  verwendet 
werden. 

In  Siidamerika  leben  auch  verschiedene  Otterarten.  Fiir  den  Pelzhandel 
am  wichtigsten  ist  L.  platensis,  der  in  Argentinien  und  einem  Teil  von  Pata- 
gonien  lebt.  Das  Fell  ist  oben  dunkelbraun,  glanzend,  dicht  anliegend,  mit 


VII.  Die  Ottern.  511 


massig  langem  Oberhaar,  die  Unterseite  ist  blassbraun.  Die  Unterwolle  ist 
ziemlich  dicht.  Das  Fell  ist  70  bis  80  cm  lang,  der  Schweif,  der  an  der  Wurzel 
dick,  dann  spitz  zulauft,  ist  etwa  50  cm  lang.  Es  kommen  jahrlich  ca.  2  bis 
3000  Stuck  in  den  Handel,  der  gegenwartige  Wert  ist  ca.  20  Mk.  In  Vene- 
zuela L.  eremila,  in  Nicaragua  L.  latidens,  in  Guatemale  annectens,  in  Peru 
L.  incarum,  in  Ostbrasilien  L.  mitis. 

An  der  Westkiiste  von  Siidamerika  lebt  L.  felina  von  Ecuador  bis  zur 
Magellansstrasse.  Von  Wert  sind  aber  hauptsachlich  die  aus  Chiloe  kommen- 
den,  namentlich  aus  den  Provinzen  Puerto  Montt  und  Chiloe,  deren  grosser 
Reichtum  an  Seen  und  Wasserlaufen  ihnen  ein  ideales  Wohngebiet  liefert. 

Das  Fell  ist  kleiner  als  das  des  argentinischen  Otter.  Der  gegenwartige 
Wert  ist  10  bis  15  Mk. 

Auf  den  Inseln  und  in  den  Fjorden  der  Magellansstrasse  kommen  zahl- 
reiche  Ottern  vor,  von  denen  mir  nicht  bekannt  ist,  zu  welcher  Art  sie  gehoren 
wahrscheinlichL.  proohax.  VerschiedeneSchoner,  sowohl  chilenischewie  argenti- 
nische,  beschaftigen  sich  mit  dem  Fange  dieser  Ottern  und  der  Pelzseehunde. 
Es  werden  wohl  einige  tausend  Stuck  jahrlichgefangen.  Eigenartig  ist  der  siid- 
amerikanische  Riesenotter  L.  brasiliensis.  Ich  besitze  ein  Fell,  das  von  der 
Schnauze  bis  Schwanzwurzel  1,90  m  misst,  bei  70  cm  Breite,  der  Schweif  ist 
60  cm  lang.  Dieser  Schweif  ist  in  der  Mitte  verbreitert  und  beim  lebenden 
Tier  ganz  flach  gedriickt.  Das  Tier  ist  noch  durch  die  dicht  behaarte  Nasen- 
kuppe  gegeniiber  den  anderen  Ottern,  die  kahle  Nasen  haben,  unterschieden. 
Leider  ist  das  Oberhaar,  wenngleich  dicht,  sehr  kurz  und  Unterwolle  fehlt 
fast  ganzlich.  Die  Farbe  ist  hellbraun  mit  weisser  Kehle.  Die  Krallen  sind 
sehr  stark.  Schwimmhaute  sehr  gross.  Der  Verbreitungsbezirk  reicht  von 
Venezuela  bis  zur  La  Plata. 

Im  Berliner  Zoologischen  Garten  lebte  ein  Exemplar  lange  Jahre,  das  ganz 
zahm,  aber  blind  war. 

Im  zentralen  Teile  Siidamerikas  von  Zentralamerika  bis  zur  Magellans- 
strasse lebt  noch  L.  paranensis ,  glanzend  dunkelbraun,  an  der  Kehle  mit 
einem  hellen  viereckigen  Fleck.  Die  Lange  des  Felles  ist  ca.  70  cm.  Der 
Schweif  ist  45  bis  50  cm.  Hauptsachlich  findet  sich  das  Tier  in  Paraguay  und 
dem  Gran  Chaco .  Fur  den  Pelzhandel  h  at  es  bis  j  etzt  wenig  Bedeutung  erlangt . 

b)Europaische    Ottern. 

Der  europaische  Otter  oder  Landotter,  franzosisch  louvre  de  pays,  Lutra 
vulgaris,  ist  in  ganz  Europa  verbreitet.  Die  besten  kommen  aus  Norwegen  und 
Schweden,  gute  rauche  Felle  mit  einer  dichten  dunkelgrau-braunen  Unter- 
wolle und  dunkelbraunem  Oberhaar,  das  verhaltnismassig  weich,  aber  doch 
viel  grober  als  beim  amerikanischen  Otter  ist.  Das  Fell  erreicht  eine  Lange 
bis  zu  1,50  m  ohne  den  Schweif.  Es  kommen  hiervon  jahrlich  einige  tausend 
Stuck  in  den  Handel,  die  augenblicklich  etwa  30  bis  40  Mk.  per  Stuck  wert 
sind.  In  Deutschland  findet  sich  die  Otter  fast  uberall,  waren  doch  vor 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


einigen  Jahren  mehrere  Ottern  in  der  Spree  mitten  in  Berlin,  und  beobachtete 
ich  selbst,  wie  in  der  Burgstrasse  ein  Otter  einen  etwa  4  pfiindigen  Karpfen 
auf  einem  Fischkasten  schleppte  und  dort  verzehrte.  Damals  batten  die  Tiere 
ihren  Unterschlupf  in  den  holzernen  Ufereinfassungen.  Als  diese  uberall  durch 
Steinmauern  ersetzt  wurden,  verschwanden  auch  die  Ottern  aus  dem  Weich- 
bilde  von  Berlin.  Die  besten  deutschen  Otterfelle  kommen  aus  Bayern.  Die 
Lange  des  Landotter  betragt  etwa  1,20  bis  1,30  m.  Das  Oberhaar  ist  grob 
und  braun,  die  Unterwolle  fein  seidig  und  gelblich  grau.  Etwa  10  ooo  Stuck 
werden  jahrlich  in  Deutschland  gefangen.  Auch  in  der  Schweiz,  Frankreich 
und  Osterreich  kommen  viele  Ottern  vor,  Siideuropa  liefert  Ottern,  die  aber 
keine  sebr  dichte  Unterwolle  haben.  Der  griechische  Otter,  der  auch  auf  der 
Balkanhalbinsel  vorkommt,  ist  wahrscheinlich  eine  besondere  Art.  Im  ganzen 
schatze  ich  das  jahrlich  auf  den  Markt  kommende  Quantum  Landottern  auf 
etwa  30  ooo  Stuck,  deren  gegenwartiger  Wert  etwa  30  Mk.  per  Stuck  ist. 
Landottern  werden  meistens  in  gerumpftem  Zustande  verarbeitet,  teils 
naturell,  teils  sealartig  gefarbt.  In  Zentralasien  werden  viele  Otterfelle  mit 
dem  Oberhaar  verwendet,  namentlich  bei  den  Kirgisen,  doch  werden  hierzu 
meist  die  geringen  sudeuropaischen  Landottern,  sowie  chinesische  usw. 
verwendet.  In  Bayern  werden  die  naturellen  Landottern  zu  Frauenmutzen 
verarbeitet,  die  zur  Nationaltracht  gehoren.  Auch  die  Kalpaks  der  deutschen 
Husarenoffiziere  werden  aus  naturellen  Landottern  angefertigt.  Der  Otter  ist 
ungemein  scheu  und  vorsichtig  und  geht  hauptsachlich  des  nachts  auf  Raub 
aus,  dabei  ungeheure  Verheerungen  unter  dem  Fischbestande  anrichtend. 
Am  Tage  ruhen  sie  meist  in  Lochern,  die  sie  in  die  Uferwand  gegraben,  oder 
im  dichtem  Rohricht.  In  Deutschland  wird  das  Tier  meist  auf  dem  An- 
stande  in  mondhellen  Nachten  erlegt  oder  in  Tellereisen  gefangen,  die  auf 
dem  Ausstiege  unter  Wasser  gesetzt  werden. 

In  England  wird  der  Otter  sportsmassig  mit  besonders  dazu  abgerichteten 
Otterhunden  gehetzt.  Der  englische  Otter  ist  meistens  wesentlich  kleiner  als 
der  deutsche  und  selten  langer  als  i  m.  Das  Gebiss  ist  ausserst  scharf,  wie 
mancher  Hund  schon  zu  seinem  Schaden  erfahren  hat.  Friiher  wurde  das 
Fleisch  in  der  Fastenzeit  gegessen,  da.es  als  Wassertier  von  der  Kirche,  die  ja 
stets  mit  den  Naturwissenschaften  auf  dem  Kriegsfuss  stand,  zu  den  Fischen 
gerechnet  wurde.  Es  schmeckt  iibrigens  sehr  schlecht  und  tranig.  Ottern 
werden  leicht  zahm,  und  sind  verschiedene  Falle  bekannt,  wo  sie  ihrem  Herrn 
wie  ein  Hund  nachfolgten  und  auch  Fische  fiir  ihn  fmgen.  In  Deutschland 
wirft  der  Otter  meist  im  Mai  3  bis  4  Junge,  deren  Fell  als  Milchottern  im 
Handel  vorkommen.  Die  Tierchen  bleiben  9  Tage  blind,  saugen  etwa 
6  Wochen  lang  und  sind  nach  einem  Jahre  vollkommen  ausgewachsen. 

c)  Asiatische    Ottern. 

In  Asien  findet  man  zunachst  den  sogenannten  Bagdad-Otter,  welcher 
ganz  Vorderasien  bewohnt  und  dem  griechischen  Otter  sehr  ahnlich  sieht.  In 


VII.  Die  Ottern.  513 


Indien  gibt  es  verschiedene  Otterarten.  Zunachst  L.  ellioti,  oben  nussbraun, 
unten  heller  mil  hellbrauner  Unterwolle;  vom  Kopf  bis  zur  Schwanzwurzel 
misst  das  Fell  18  bis  20  Zoll,  der  Schweif  ist  etwa  10  Zoll  lang.  Im  Himalaya 
findet  man  L.  aureobrunnea,  ein  sehr  kurzbeiniges,  langgestrecktes  Tier,  aber 
schon  kastanienbraun,  unten  goldrotlich  mil  langem  dichten  ziemlich  feinem 
Oberhaar,  Nagel  und  Zehen  voll  entwickelt.  In  Indien,  Birma  und  Sumatra  lebt 
L.  barang,  Oberseite  schmutzig  graubraun,  Unterseite  heller,  dichtes  wolliges 
Oberhaar,  ebenfalls  sehr  langgestreckt,  aber  kleiner  als  der  Himalaya-Otter. 
In  Indien  seltener,  aber  haufig  auf  Java  und  Sumatra  findet  man  den  krallen- 
losen  Otter,  L.  leptonyx,  einen  der  kleinsten  Otterarten.  Die  Farbe  ist  hell- 
braun,  am  Nacken  weisslich,  das  Haar  kurz  und  grob.  Die  Schwimmhaute 
sind  sehr  wenig  entwickelt,  die  Krallen  sehr  klein  und  verkummert.  Auf 
Malakka  und  Sumatra  lebt  noch  L.  sumatrana  und  auf  den  Sunda-Inseln, 
Indien  bis  Siidindien  der  etwas  grossere  graue  Otter,  L.  cinerea. 

Alle  diese  Otterarten  haben  aber  wenig  Bedeutung  fur  den  Pelzhandel 
und  kommen  auch  wenig  auf  den  Markt.  Der  Wert  diirfte  etwa  3  Mk.  pro 
Stuck  kaum  iibersteigen.  Sehr  stark  kommen  aber  in  den  letzten  Jahren 
die  chinesischen  Ottern  auf  den  Markt.  L.  chinensis,  chinesischer  Name 
Tha.  Das  Tier  lebt  hauptsachlich  im  Jangtsekiangtal,  namentlich  in  den 
Provinzen  Chekiang  und  Hupeh.  Die  Mehrzahl  kommt  in  Hankow  auf  den 
Markt,  ein  kleinerer  Teil  auch  in  Ningpo.  Die  Grannenhaare  sind  kurz,  glatt, 
hell  graubraun,  am  Kopf,  dem  Halse  und  dem  oberen  Teil  der  Brust  weisslich, 
die  Unterwolle  ist  kurz  aber  dicht,  gelblichgrau.  Die  Felle  werden  nach 
Grosse  sortiert,  in  grosse,  ca.  80  cm  ohne  Schweif  lang,  in  mittlere,  ca.  55  bis 
60  cm  und  in  kleine,  ca.  40  bis  45  cm  lang.  Der  Schweif  ist  30  bis  40  cm  lang. 
Der  augenblickliche  Wert  ist  durchschnittlich  10  Mk.  per  Stuck.  Friiher 
kamen  dieselben  auch  vielfach  gerupft  in  den  Handel,  jetzt  aber  nur  roh  und 
ungerupft.  Jahrlich  kommen  etwa  25  ooo  Stuck  zur  Ausfuhr.  Die  Chinesen 
verwenden  sie  wenig,  doch  ging  friiher  ein  Teil  nach  Korea,  wo  Otterfell  viel- 
fach zu  Kragen  und  Armelaufschlagen  benutzt  wird,  und  wird  hierzu  das 
hellere  Bauchfell  bevorzugt.  In  Nordchina  werden  vielfach  eingefuhrte 
europaische  Landotter-Felle  verwendet.  Professor  Matschie  beschreibt 
auch  noch  eine  andere  chinesische  Otterart,  L.  hanensis,  die  Leutnant  Filchner 
am  oberen  Hoangho  gefunden.  Das  Fell  ist  dunkel  schokoladenfarbig,  Kinn 
und  Kehle  reinweiss,  Hals,  Brust  und  Bauch  rauchfarbig,  Lange  bis  zur 
Schwanzwurzel  ca.  60  cm,  Schwanz  ca.  30  cm.  Swinhoe  erwahnt  auch  noch 
einen  anderen  Otter,  L.  szvinhoei,  der  in  Siidchina  und  Formosa  vorkommt, 
oben  dunkelbraun,  unten  fast  weiss. 

In  Japan  lebt  eine  besondere  Otterart,  L.  japonica,  die  von  den 
chinesischen  ganz  verschieden  ist  und  dem  L.  vulgaris  mehr  ahnelt.  Sie  ist 
aber  durchschnittlich  grosser  und  auch  feiner  im  Haar.  Namentlich  die 
Unterwolle  ist  dunkler,  dichter  und  feiner  als  die  europaische.  Zur  Ausfuhr 
gelangen  wenig  Felle,  da  die  Japaner  die  Felle  in  gerupftem  Zustande  viel 

33 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


selbst  zu  Pelzkragen  benutzcn,  und  deshalb  der  Preis  im  Lande  meist  hoher 
1st  als  in  Europa.  Es  werden  jahrlich  vielleicht  2000  bis  3000  Stuck  erbeutet. 
Im  Amurgebiet  und  dem  ostlichen  Sibirien  lebt  ein  Otter,  der  wohl  mit 
L.  vulgaris  identisch  ist.  Dagegen  lebt  auf  Kamtschatka  eine  eigene  Art, 
L.  aterrima,  gross,  dunkcl,  aber  nicht  sehr  dicht  im  Haar. 

d)Afrikanische    Otter. 

In  Afrika  finden  sich  verschiedene  sehr  hiibsche  Otterarten,  die  auch 
haufig  sind,  bis  jetzt  aber  im  Pelzhandel  keine  Rolle  finden.  L.  capensis  in 
ganz  Siidafrika.  Das  Tier  ist  ziemlich  klein,  hellbraun,  mit  weisser  Kehle  und 
Backen.  In  West-  und  Siidwest-  Afrika  lebt  L.  maculicollis  ,  kastanienbraun, 
kurze  dicht  anliegende  Haare  fast  ohne  Unterwolle,  Hals  weiss.  Am 
Ngami-See  und  dem  sudlichen  Zentralafrika  findet  man  L.  incunginis,  dunkel 
kastanienbraun,  metallisch  glanzend,  mit  weissen  Haarspitzen,  besonders  am 
Nacken,  die  Unterwolle  ist  gelbbraun.  Lange  ca.  55  cm,  Schwanz  ca.  30  cm. 
Ausserdem  soil  in  Westafrika  noch  ein  grosser  Otter  von  1,20  m  Lange  vor- 
kommen,  dunkelfarbig,  fast  ohne  Unterwolle.  Auch  in  Ostafrika  soil  ein  kleiner 
schwarzer  Otter  vorkommen,  ebenso  sollen  Madagaskar  und  Abessinien  schone 
Otterfelle  liefern,  doch  habe  ich  selbst  keine  Felle  von  dort  zu  Gesicht  be- 
kommen.  Im  ganzen  kommen  etwa  2  bis  3000  afrikanische  Ottern  jahrlich 
auf  den  Markt,  doch  kann  diese  Zahl  sehr  vermehrt  werden. 


Der  Seeotter 

(engi.  seaotter,  franz.  loutre  oder  Castor  de  Kamtschatka.) 

Der  Seeotter,  Enhydra  lutris,  im  Pelzhandel  auch  Kamtschatka-Biber 
genannt,  gehort  weder  zu  den  Ottern  noch  zu  den  Bibern.  sondern  steht  den 
Seehunden  am  nachsten.  Er  liefert  das  wertvcllste  Pelzwerk  nachst  dem 
Schwarzfuchs,  denn  ein  gutes  Exemplar  wird  mit  8000  Mk.  bezahlt.  Sein 
Verbreitungsbezirk  ist  sehr  beschrankt,  die  meisten  werden  langs  der  Kiiste 
von  Alaska  und  den  Aleuten-Insem  gefunden,  an  der  Kiiste  von  Vancouver- 
island,  wo  sie  friiher  sehr  hauiig  waren,  sind  heute  sehr  wenig  vorhanden.  Auf 
der  asiatischen  Seite  kommen  sie  noch  auf  den  Kurilen-Inseln  vor,  einzein 
auch  an  der  Kiiste  von  Yesso  sowie  einem  Teil  der  Kiiste  von  Kamtschatka 
und  den  Komodorski-Inseln  (Copper-  und  Behring-Inseln). 

An  der  Kiiste  von  Kalifornien  und  Unterkalifornien  lebt  eine  andere  Art, 
E.  lutris  nereis,  die  etwas  heller  und  gelblicher  in  Farbe  ist.  Heute  gibt  es 
nur  noch  wenige  Exemplare  davon,  wahrend  es  t'riiher  da  von  wimmelte. 
Fingen  doch  die  Rassen  zar  Zeit  der  spanischen  Herrschaft  vor  etwa  80  Jahren 
mehrere  tausend  in  einer  Saison  allein  in  der  Bai  von  San  Franscisco.  Vor 


VII.  Die  Ottern. 


5*5 


I 


CO 


33* 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


hundert  Jahren  wimmelte  jede  Bucht  und  jeder  geschiitzte  Vorsprung,  jede 
einsame  Felseninsel  von  den  mit  einander  lustig  spielenden  Seeottern  .  Jedes 
Fahrzeug,  das  auf  den  Fang  ausging,  brachte  tausende,  entweder  selbst  erlegte 
oder  eingehandelte  Felle,  mit.  Die  Behringsche  Schiffsmannschaft  tot  etc 
bei  ihrer  beriihmten  Uberwinterung  allein  900  Seeottern  zu  Nahrungszwecken 
da  das  Fleisch  besser  schmeckte  als  das  Seehundsfleisch.  China  war  damals 
das  Hairptabsatzgebiet  fiir  Seeotterfelle  und  wurden  anfangs  des  vorigen 
Jahrhunderts  in  einem  Jahre  20  ooo  Stuck  allein  nach  Kanton  gebracht.  Der 
Hauptmarkt  aber  war  Kiachta,  wohin  schon  im  17.  Jahrhundert  der  Haupt- 
ertrag  des  Seeottertanges  im  Stillen  Ozean  gelangte.  Die  ausgewachsenen 
Felle  wurden  damals  Boboy  Marke,  die  Weibchen  Madka,  die  jungen  Felle 
Kochlocki  und  die  saugenden  Jungen  Medwecki  genannt.  Die  Chinesen 
nennen  das  Tier  ,,Seedrache",  Hai  Lung  oder  Hai  Foo. 

Die  starke  Nachstellung  verursachte  bald  eine  rapide  Abnahme  der  Tiere. 
Wahrend  im  Jahre  1820  noch  gegen  20  ooo  Felle  nach  London  und  Russland 
kamen,  war  nach  Lomer  1863  die  Zahl  in  London  nur  1500,  da  die  Ziffern  fiir 
die  direkte  Einfuhr  nach  Russland  und  China  nicht  bekannt  waren.  Im 
Jahre  1875,  als  ich  zuerst  in  das  Geschalt  kam,  gelangten  ca.  7000  Stiick 
nach  London  und  sicher  noch  einige  Tausend  direkt  nach  China  und  Sibirien. 
1891  kamen  im  ganzen  noch  3000  Stiick  in  den  Handel,  doch  nun  ging  es 
rapide  abwarts,  in  den  letzten  5  Jahren  iiberstieg  die  Zahl  nur  selten  300  im 
Jahr  und  nur  im  letzten  Jahre  wurden  etwa  iiber  400  Stiick  erbeutet.  Ein 
mir  bekannt  er  Fangschoner  aus  Japan  hatte  1896  noch  35  Stiick  an  der 
japanischen  Kiiste  gefangen,  1901  nur  noch  7  und  hat  seither  den  Fang  als 
unlohnend  aufgegeben.  In  Kamtschatka  1st  der  Fang  ganz  verboten,  doch 
kommen  namentlich  bei  Kap  Lopotka  noch  eine  Anzahl  Seeottern  vor,  die 
manchmal  von  Wilddieben  erbeutet  werden.  Auf  den  Komodorski-Inseln, 
wo  jahrlich  jetzt  noch  etwa  100  Stiick  erbeutet  werden,  ist  der  Fang 
Regierungsmonopol.  Die  erbeuteten  Felle  miissen  dem  Beamten  der  Krone 
in  Nikolsk  auf  der  Behring-Insel  abgeliefert  werden,  und  gehen  von  dort  zu 
kontraktlich  festgesetztem  Preise  an  die  Kamtschatka  Commercical  &  In- 
dustrial Company  iiber,  die  sie  dann  anLampson  in  London  zur  Auktion  sendet. 
Jetzt  hat  auch  die  amerikanische  Regierung  den  Seeotterfang  an  der  Kiiste 
von  Alaska  verboten. 

Das  Fell  des  Seeotter  ist  sehr  dicht  und  seidenartig  fein.  Die  besten 
Felle  sind  ganz  schwarz  mit  regelmassig  verteilten  Silberspitzen,  dann 
kommen  glattschwarze,  dann  braunlich  mit  Silber,  braunlich  mit  wenig  Silber 
und  schliesslich  die  grauwolligen  Felle  ohne  Silber,  die  sogenannten  Donkeys. 
Die  Felle  werden  nur  zu  Kragen  auf  Herrenpelze  verwendet,  und  gibt  ein 
grosses  Fell,  welches  eine  Lange  von  7  Fuss  erreicht,  bis  zu  6  Kragen.  Die 
meisten  in  den  Handel  kommenden  Felle  sind  aber  4  bis  5  Fuss  lang.  Die 
Felle  junger  Tiere,  sogenannter  Cubs,  die  aber  auch  ganz  fein  und  schon 
farbig  sind,  2  bis  3  Kragen.  Die  ganz  jungen  Felle  von  noch  saugenden  Tieren 


VII.  Die  Otter n.  517 


sind  mit  langen  weichen  Haaren  bedeckt,  sogenannte  ,,uberwachsene",  die 
dann  gerupft  und  sealartig  gefarbt  werden.  1880  kosteten  solche  Felle 
ca.  6  Mk.,  heute  vielleicht  80  Mk.  Das  beste  Fell  kostete  damals  1200  Mk., 
1890  4000  Mk.,  heute  etwa  8000  Mk. 

Fur  China,  wo  die  Mandarinen  Seeotter-Pelzjacken  tragen,  ist  der  Preis 
langst  zu  teuer  geworden,  der  Hauptabnehmer  dafiir  ist  Russland,  in  zweiter 
Linie  Deutschland.  Bis  zum  Jahre  1863  war  die  Einfuhr  von  Seeottern  in 
Russland,  ausser  durch  die  Russisch-Amerikanische  Company,  verboten, 
und  jetzt  noch  ist  der  Zoll  ein  sehr  hoher. 


VIII. 


Die  Dachse  und  Stinkdachse 


Dachse. 

a)  Amerikanische 
(engl.  badger,  franz.  blaireau). 

Die  Dachse  bilden  eine  sehr  weit  verbreitete  Familie,  deren  Vertreter  sich 
aber  zum  grossten  Teil  in  nordlichen  Gegenden  finden. 

Die  wertvollsten  kommen  aus  den  Prariedistrikten  Kanadas  und  den 
nordwestlichen  United  States.  Es  ist  dies,  Taxidea  americana,  ein  grosser 
Dachs  mit  langem,  seidenweichen  Haar.  Die  Oberhaare,  die  eine  Lange 
bis  zu  10  cm  auf  dem  Riicken  erreichen,  sind  weiss,  mit  regelmassigen 
schmalen  braunlichen  Ringen.  Die  Unterwolle  ist  dicht  und  weisslich  gelb. 

Der  Kopf  ist  braungrau,  Schnauze  und  Ohrenflecke  schwarz,  Scheitellinie 
und  Wangen  weiss,  Beine  schwarz.  Der  Korper  ist  gedrungen,  der  Schwanz 
kurz,  die  Vorderklauen  6  bis  7  cm  lang. 

Sein  Verbreitungsbezirk  reicht  im  Norden  bis  zum  58.  Grad  nordlicher 
Breite  im  Hudsonsbay-Gebiet  und  geht  im  Siiden  bisWiskonsin  und  Oklahama, 
im  Westen  bis  zu  den  Rocky  mountains.  Friiher  kamen  sie  auch  im  Osten  bis 
Ohio  vor,  sind  aber  dort  jetzt  vollkommen  verschwunden. 

Die  Cree-Indianer  nennen  das  Tier,  das  nirgends  mehr  sehr  haufig  ist, 
,,Mistumisk".  Die  Nahrung  bilden  Wurzeln,  Beeren,  Frosche,  sowie  Mause, 
Prariehunde  und  Gophers  und  andere  kleine  Saugetiere,  Insekten,  Wurmer, 
Schnecken,  kleine  Vogel.  In  einer  selbstgegrabenen  Hohle  im  hohen  Prarie- 
grase  wirft  das  Weibchen  drei  bis  funf  Junge.  Wahrend  des  Winters,  wo  der 
Grund  mit  Schnee  bedeckt  ist,  halt  das  Tier  Winterschlaf.  Das  Fell  ist  fiir 
Muffen  und  Stolas  sehr  geschatzt  und  kosten  gute  Felle  iiber  30  Mk.,  doch 
kommen  jahrlich  nur  etwa  5000  Stuck  in  den  Handel. 

Weit  weniger  wert  sind  die  Felle  des  weiter  siidlich  lebenden  T.  berlandieri, 
der  in  Texas,  Oklahama,  Arizona  und  Neu-Mexiko  lebt  und  auch  die  Prarie- 
distrikte  vorzieht.  Die  Grundfarbung  ist  rotlich  grau,  mit  schwarzbrauner 
Zeichnung  und  weissen  Haarspitzen.  Uber  den  ganzen  Riicken  lauf  t  ein  weisser 
Streifen,  die  Beine  sind  schwarz,  die  Unterseite  gelbbraun. 


522  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

In  Kalifornien  lebt  noch  eia  Dachs,  T.  neglecta,  der  kleiner  als  die  vorigen 
1st,  ebenfalls  mil  ziemlich  langem  Haar,  welches  auf  dem  Riicken  und  den 
Seiten  ockergelb  ist,  mit  gelbgrauen  Ringeln  und  schwarz  und  gelbgrauer 
Spitze.  Der  bedeutend  langere  Schweif  ist  fahl  ockerfarbig  mit  grauer  Spitze. 
Die  Beine  sind  braun,  Unterseite  gelbrotlich.  In  Unter-Kalifornien  T.  injusca. 

Diese  Dachse  spielen  aber  im  Handel  kcine  grosse  Rolle,  doch  ist  ihr 
Haar  zur  Fabrikation  von  Pinseln  geeignet,  vvozu  die  Haare  von  T.  americana 
als  zu  weich  nicht  verwendet  werden  konnen. 


Amerik.   Dachs    (Taxidea  americana) . 

b)  Asiatische    Dachse. 

Viei  mehr  Arten  beherbergt  Asien. 

In  Japan  lebt  eine  besondere  Art,  Meles  anacuma,  japanisch  Ma  mi  ge- 
nannt.  Er  ist  im  Durchschnitt  grosser  als  der  europaische  Dachs,  ca.  90  cm 
lang,  wo  von  etwa  15  cm  auf  den  Schweif  kommen.  Das  Haar  ist  kiirzer  and 
viel  weicher,  die  Haut  diinner.  Es  fehlen  die  weissen  Backenstreifen,  und  der 
Kopf  von  der  Schnauze  bis  zu  den  Augen  ist  gelbbraun  gefarbt.  Die  Haare 
am  Korper  sind  nicht  weiss  und  braun  geringelt,  sondern  dunkel.  Die 
Farbung  geht  am  hinteren  Riicken  und  Becken  ins  schwarzlicbe  iiber.  Der 
Schweif  ist  mit  langen  weich  en  rotbrauncn  Haaren  bedeckt,  die  in  der  Mitte 
dunkelbraun  geringelt  sind.  Die  Beine  sind  schwarz.  Die  Untervvolle  ist  sehr 
dicht  und  weich,  weshalb  das  Fell  in  Europa  gern  skunksartig  gefarbt, 
verwendet  wird. 

Es  kamen  bis  vor  kurzem  etwa  15  ooo  bis  20  ooo  jahrlich  in  den  Handel 
im  Werte  von  etwa  I  Mk.  per  Stiick.  Jetzt  ist  das  Tier  selten  geworden  and 
kommen  jahrlicb  nur  etwa  3  bis  4000,  wahrend  der  Preis  bis  auf  3  Mk.  ge- 
stiegen  ist.  Die  Nahrung  besteht  aus  Wurzeln,  Fdichten,  Eidechsen, 


VIII.  Die  Dachse  und  Stinkdachse. 


523 


Froschen  usw.  Er  lebt  am  Tage  verborgen  und  geht  nachts  seiner  Nahrung 
nach.  Im  Friihjahr  wirft  er  3  Junge. 

Eine  ahnliche  Art  kommt  in  Ostsibirien  vor,  M.  anacuma  amurensis, 
ist  aber  sehr  selten  und  im  Handel  gar  nicht  bekannt. 

Die  asiatischen  Dachse  des  Festlandes  werden  in  zwei  grosse  Familien 
getrennt,  in  Meles  und  Arctonyx.  Die  letzteren  haben  eine  weisse  Kehle  und 
Brust,  wahrend  die  Gattungen  Meles  stets  schwarze  Kehle  und  Brust  zeigen. 

In  China  kommen  verschiedene  Dachsarten  vor. 


Jap.  Dachs    (Meles  anacuma). 

Alle  nennt  der  Chinese  Sze  Hue,  wortlich  ubersetzt  Schweinshund,  was 
wohl  damit  zusammenhangt,  dass  das  Tier  eine  sehr  dicke  FettscHcht  besitzt 
und  auch  von  den  Chinesen  gern  gegessen  vvird. 

Verhaltnismassig  am  haufigsten  ist  der  in  Nordchina  lebende  Meles 
leptorynchus .  Das  Fell  ist  ziemlich  hell,  namentlich  ist  der  Scheitel  fast  ohne 
jede  dunkle  Beimischung,  a  lie  dunkel  gefarbten  Teile  der  Oberseite  sind  braun, 
nicht  schwarz.  Der  Riicken  erscheint  braurilich  geringelt  auf  weissem  Grunde. 
Der  Schwanz  hat  dieselbe  Farbe  wie  der  Riicken,  die  Spitze  ist  weiss.  Die 
Unterwolle  ist  ziemlich  dicht,  auch  sind  die  Felle  zu  Rauchwarenzwecken 
nicht  zu  verwenden.  Die  Chinesen  verarbeiten  dieselben  zu  Decken  und 
verwenden  auch  die  Grannenhaare  zu  Pinseln. 

In  Mittelchina  ist  der  Dachs  sehr  selten  und  wegen  seiner  nachtlichen 
Lebensweise  auch  nur  von  sehr  wenigen  europaischen  Jagern  gesehen.  Die 
Felle,  die  ich  bekam,  waren  dunkler  gefarbt,  als  die  nordlichen. 

In  Siidchina,  namentlich  den  Provinzen  Fokien  und  Kwantung,  lebt  der 
M.  -chinensis,  welcher  sehr  kurze  grobe  Ha  are  hat  und  ohne  jede  weisse 
Zeichnung  am  Korper  ist. 


524  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

In  Shantung  kommt  ein  anderer  Dachs  vor,  der  sich  von  dem  nord- 
chinesischen  dadurch  unterscheidet,  dass  die  weisse  Nasenbinde  nicht  bis  zum 
Scheitel  reicht,  und  dass  der  Scheitel  dieselbe  Farbe  wie  der  Riicken  hat. 
Der  Schwanz  ist  grauweiss  ohne  jede  Farbenbeimischung.  Professor  Matschic 
hat  diesem  Dachs  den  Namen  M.  tsingtauensis  beigelegt. 

In  Nordchina  kommt  noch  der  A.  leucolaemusvor,  bei  dem  Nase,  Nackcn, 
Schultern,  Kehle  und  Brust  reinwsiss  sind. 

Im  westlichen  China  und  Tibet  finden  sich  noch  M.  leucurus,  A.  albo- 
gularis  und  A.  obscurus,  wozu  noch  zwei  neue  Arten,  die  Leutnant  Filchner  mit- 
gebracht  hat,  kommen,  die  Professor  Matschie  M.  hanensis  und  M.  siningensis 
nennt.  Alle  diese  Arten  unterscheiden  sich  in  der  Farbung  und  im  Schadelbau. 

In  Ostsibirien  finden  sich  hauptsachlich  M.  raddei  und  M.  amurensis,  bei 
diesen  sind  die  Kopfseiten  braunlich  und  die  ganze  Farbung  eine  dunklere. 
Diese  Dachse  sind  nicht  selten  und  erwahnt  Radde,  dass  sie  auf  ziemlich  grosse 
Saugetiere  Jagd  machen  und  sehr  bissig  seien.  In  Transbaikalien,  namentlich 
in  Daurien  und  dem  Bureja-Gebirge  fallen  sie  sogar  die  Kalber  der  weidenden 
Kinder  an,  und  sind  sie  hier  auch  nicht  ausschliesslich  Nachttier,  sondern 
machen  ihre  Raubziige  haufig  am  Tage. 

Auf  Korea  kommt  auch  ein  Dachs  vor,  doch  weiss  ich  die  Art  nicht  zu  be- 
nennen.  Auf  Yesso  und  auf  Sachalin  fehlen  diese  Tiere  ganzlich.  —  In  West- 
sibirien  und  dem  Kaukasus  lebt  M.  sibiricus,  am  Altai  M.  altaicus.  Im 
Himalaya  findet  man  A.  collaris  und  in  Assam  A.  assamensis  und  A.  taxoides. 
—  Auf  Borneo  und  Sumatra  existiert  auch  ein  Dachs,  der  siidlichste  Vertreter 
seiner  Gattung,  A.  hoeveni. 

Fur  den  Rauchwarenhandel  haben  alle  diese  Dachse  keine  Bedeutung, 
da  die  Felle  nur  zur  Pinselfabrikation  gebraucht  werden  konnen.  Dasselbe 
gilt  fur  den  in  Persien  und  Mesopotamien  vorkommenden  M.  canescens.  Es 
gelangen  auch  bisher  wenige  Felle  in  den  Handel. 

c)  Europaische    Dachse. 

Der  Dachs  ist  in  Europa  sehr  verbreitet,  doch  sieht  man  ihn  wegen  seiner 
ausgesprochenen  nachtlichen  Tatigkeit,  seiner  Menschenscheu  und  seines 
allgemein  miirrischen  Einsiedlerlebens  sehr  selten.  Ganz  im  Gegensatz  zu 
dem  oben  erwahnten  ostsibirischen  Dachs  ist  der  europaische  Dachs  ein  sehr 
niitzliches  Tier.  Seine  Hauptnahrung  besteht  in  Insekten,  Engerlingen,  Regen- 
wurmern,  Froschen,  Schlangen,  Beeren  und  Wurzeln.  Gelegentlich  plundert 
er  die  Nester  der  Bodenbriiter.  Den  Huhnerhofen  bleibt  er  fern,  doch  grabt 
er  gern  Mohrruben  und  andere  wohlschmeckende  Wurzeln  aus. 

Der  Dachs  wird  ungemein  fett  und  mastet  sich  namentlich  im  Herbst, 
wo  die  Beerennahrung  reichlich  vorhanden,  ein  ganz  respektables  Bauchlein 
an.  Das  Fleisch  wird  gern  gegessen  und  soil  ahnlich  wie  Schweinefleisch 


VIII.  Die  Dachse  und  Stinkdachse.  535 

schmecken.  Dachsschinken  bildet  in  denForsthausern  einebeliebteDelikatesse. 
Dachsfett  ist  in  alien  Apotheken  auf  dem  Lande  zu  haben. 

Die  Dachshaare  bilden  das  ausschliessliche  Material  fiir  Rasierpinsel, 
da  sie  sehr  fest  und  dabei  weich  sind.  Die  kiirzeren  Haare  werden  zu  Zahn- 
biirsten  verwendet,  die  langeren  Haare  bilden  auch  das  beste  Material  zum 
,,Spitzen"  der  Alaska-Fuchsfelle  (siehe  diese).  Die  grossen,  dunklen  Felle, 
namentlich  aus  Bayern,  werden  in  der  Schweiz,  in  Bayern  und  anderen 
Gegenden  als  sogenannte  Fuhrmannsdachse  zur  Verzierung  der  Pf erdegeschirre 
verwendet;  auch  die  Tornister  der  Jager-Bataillone  sind  mit  Dachsfell  uber- 
zogen.  Der  Dachs  lebt  mehr  in  den  lichten  Vorholzern,  als  in  dichten  Waldern 
und  grabt  sich  dort  mit  seinen  scharfen  Krallen  einen  machtigen  kunstvollen 
Bau,  der  ausser  dem  behaglich  ausgepolsterten  Kessel  mehrere  oft  30  Fuss 
lange  Rohren  enthalt  und  peinlich  sauber  gehalten  wird.  Die  Geschlechter 
leben  getrennt,  nur  im  Oktober  kommen  sie  auf  kurze  Zeit  zusammen,  dann 
zieht  sich  das  Weibchen  in  einen  Bau,  das  Mannchen  in  einen  anderen  zuriick. 
Im  November  fallen  beide  in  Winterschlaf  und  wirft  das  Weibchen  dann  im 
Vorfriihling  3  bis  4  sehr  possierlich  Jungen,  die  bis  zum  Herbst  bei  der  uberaus 
zartlichen  Mutter  bleiben,  dann  griinden  sie  ihre  eigene  Familie.  Der  Dachs 
hat  ein  sehr  scharfes  Gebiss  und  wird  ein  einzelner  Hund  mit  ihm  nicht 
fertig.  Dachsgraben  ist  ein  sehr  beliebter  Sport.  In  England  wurden  fruher 
Kampfe  zwischen  Hunden  und  Dachsen  in  der  Arena  veranstaltet,  wovon  der 
Ausdruck  ,, badgering"  fiir  belastigen  kommt. 

Die  verbreiteste  Art  ist  M.  taxus,  der  ganz  West-  und  Mitteleuropa  be- 
wohnt,  sowie  den  Kaukasus.  In  Sudeuropa  wohnt  M.  mediterraneus  in 
Spanien,  Italien,  den  Balkanlandern,  Kreta  und  Kleinasien.  M.  arenarius 
bewohnt  Russland  und  die  Kirgisensteppe. 

Im  ganzen  kommen  ca.  80  bis  100  ooo  Dachsfelle  in  den  Handel,  die 
augenblicklich  durchschnittlich  etwa  4  bis  5  Mk.  Wert  haben. 

d)    Honig-Dachse. 

Hauptsachlich  gibt  es  davon  zwei  Arten,  Mellivora  capensis,  in  Afrika, 
und  den  Mellivora  meliceps  in  Indien.  Das  Fell  ist  dunkelschwarzgrau,  an  der 
Seite  mit  einem  breiten  weissgrauen  Streifen  iiber  dem  ganzen  Riicken  und 
weissem  Kopf.  Der  Korper  ist  ca.  50  cm  lang,  der  Schweif  ca.  25  cm.  Das 
Haar  ist  ziemlich  lang,  aber  grob,  die  Unterwolle  nicht  sehr  dicht.  Da  das 
Leder  ungemein  dick  ist,  wird  das  Fell  sich  nur  zu  Decken  eignen.  Es  kommen 
aber  sehr  wenig  in  den  Handel  trotz  des  haufigen  Vorkommens.  Die  Nahrung 
besteht  aus  Mausen,  Vogeln,  Schnecken,  Wurmern  sowie  Wurzeln  und  Beeren, 
mit  Vorliebe  aber  aus  Honig.  Er  verschlingt  die  ganzen  Bienennester,  wobei 
die  Stiche  der  gereizten  Bienen  nicht  durch  das  Fell  und  die  darunter  be- 
nndliche  dicke  Speckschicht  dringen  konnen.  Auch  den  Hiihnerhofen  stattet 
er  haufig  einen  Besuch  ab,  um  dort  grosse  Verheerungen  anzurichten.  Er  ist, 


526  Naturgeschiclite  der  Pelztiere. 

wie  seine  Verwandten,  ein  vorziiglicher  Hohlengraber,  ist  wie  der  deutsche 
Dachs  sehr  bissig  und  das  Gebiss  sehr  kraftig  entwickelt.  Als  zweite  Waffe 
steht  ihm  dann  noch  eine  Stinkdriise  zur  Verfiigung,  deren  Inhalt  er  weit 
spritzen  kann.  Eingefangen  werdcn  sie  schnell  zahm.  Im  zoologischen  Garten 
ergotzen  sie  durch  die  Unermiidlichkeit,  mil  der  sie  immer  auf  derselben  Stellc 
auf  und  niederhiipfcn  und  sich  dann  iiberschlagen.  Die  indische  Art  weicht 
ausser  durch  ihren  anatomischen  Bau  noch  durch  einen  hellgrauen  Langs- 
streifen  zwischen  Riicken  und  Seiten  von  der  afrikanischen  ab. 


Stinkdachse. 

Die  Stinkdachse  haben  unter  dem  Namen  Pahmi  (chinesisch)  in  der 
letzten  Zeit  eine  grosse  Rolle  gespielt.  Unter  dem  Phantasienamen  ,,chincsische 
Steinmarder"  werden  sie  speziell  von  den  Berliner  Pelzwarenfabriken  gern 
verarbeitet.  Wahrend  friiher  der  Preis  etwa  70  Pf.  per  Stuck  betrug,  ist  er 
jetzt  bis  2,50  Mk.  und  mehr  gestiegen. 

Leider  konnen  die  Zufuhren  nicht  annahernd  der  Nachfrage  geniigen, 
da  jahrlich  nur  etwa  60  bis  80  ooo  in  China  an  den  Markt  kommen. 

Fiir  den  Rauchwarenhandel  kommen  bis  jetzt  hauptsachlich  nur  die  Art 
Helictis  ferrogrisea  in  Betracht. 

Dies  Tierchen,  von  den  Shanghai-Chinesen  auch  falschlich  ,,grey 
marmot"  genannt,  hat  mit  dem  Murmeltier  nichts  weiter  gemein,  als  dass  es 
auch  in  Erdhohlen  lebt. 

Die  Unter wolle  ist  hellgelblich,  das  Oberhaar  dunkelschiefergrau  mit 
seidigem  Glanz,  der  Bauch  gelblich  grau.  Der  Schweif  ist  kurz,  mit  hellgrauen 
steifen  Haaren  besetzt  und  mit  weisser  Spitze.  Die  Kcrperlange  betragt 
ca.  35  bis  40  cm,  die  Schweiflange  8  bis  10  cm.  Auf  den  Schultern  zieht  sich 
eine  schmale  weisse  Binde  hin,  von  der  aus  ein  schmaler  Streifen  zu  einem 
we  it  en  Langsbande  zwischen  den  Ohren  fiihrt.  Zwischen  den  Augen  ist  ein 
weiterer  weisser  Fleck.  Die  Haut  ist  sehr  dick,  im  Herbst  befindet  sich  da- 
runter  eine  starke  Speckschicht.  Die  Tiere  leben  nur  in  kleinen  Siedlungen 
und  halten  keinen  Winterschlaf. 

Die  Chinesen  rupften  sonst  das  Oberhaar  aus,  um  es  zu  Pinseln  zu 
verwenden  und  verarbeiteten  die  gerupften  Felle  zu  Futtern.  Seit  der  starken 
Preissteigeruug  geschieht  dies  aber  nicht  mehr. 

Diese  Pahmi  leben  in  Mittelchina,  hauptsachlich  in  den  Provinzen 
Chekiang,  Hupeh,  Kiangsu  und  wahrscheinlich  auch  in  Anhui  und  Kiangsee, 
kommen  aber  meines  Wissens  nach  in  Nordchina  nicht  vor. 

Leutnant  Filchner  brachte  aber  einige  Exemplare  vom  Oberlauf  des 
Hoangho  mit. 

In  Sudchina  lebt  eine  andere  Art,  Helictis  moschata,  hauptsachlich  bei 
Amoy  und  auch  bei  Kanton. 


VIII.  Die  Dachsc  und  Stinkdachse. 


527 


Die  Unterseite  ist  mehr  orangegelb,  die  Riickenfarbung  mehr  braunlich, 
das  Haar  kiirzer  und  diinner,  auch  die  Unterwolle  nicht  so  dicht. 

Auf  Formosa  lebt  Helictis  auriantica,    der   auf   der  Unterseite  orangerot, 


Stinkdachs    (Mydaus  meliceps). 


auf  dem  Rucken  tief  purpurbraun  ist  und  eine  weisse  Linie  vom  Hinterhaupt 
bis  zur  Riickenmitte  hat. 

Im  Himalaya- Gebiet  kommt  auch,  namentlich  in  Nepal  und  Sikkin, 
H.  orientalis  vor,  mit  dichter  Unterwolle,  langerem  groben  Oberhaar,  oben 
dunkelbraan,  fast  schokoladenfarbig,  Unterwolle  blassbraun.  Ein  schmaler 
weisser  Streifen  vom  Scheitel  bis  Mittelriicken.  Backen  und  Stirnbein  rein- 
weiss.  Endspitze  des  Schweifes  weiss.  Unterseite  gelblich  weiss.  Korper- 
lange  ca.  40  cm,  Schweif  ca.  20  cm.  Bisher  sind  noch  keine  Felle  dieses  Tieres 
in  den  Handel  gekommen. 

Eine  verwandte  Art,  der  echte  Stinkdachs,  Mydaus  meliceps,  lebt  auf  den 
Sunda-Inseln  und  wahrscheinlich  auch  in  Hinterindien.  Er  ist  von  ca.  40  m 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Korperlange,  dunkelbraun,  mit  heller  Unterseite.  Auf  dem  Riicken,  vom 
Scheitel  bis  zur  Sehwanzwurzel,  lauft  ein  weisscr  breiter  Streifen.  Die  Unter- 
wolle  ist  dicht  und  seidenwcich,  die  Grannenhaare  grob,  aber  glanzend.  Da 
der  Stinkdachs  im  Gebirge  lebt  und  unter  2000  m  Hohe  nicht  vorkommt, 
so  ist  das  Fell  fur  Rauchwarenzwecke  recht  brauchbar.  Bis  jetzt  kommen 
aber  keine  in  den  Handel,  obgleich  das  Tier  gar  nicht  selten  ist.  Die  Nahrung 
besteht  aus  Larven  und  Wurmern.  Die  Javanen  nennen  ihn  Segung,  in 
Indien  fiihrt  er  den  Namen  Teladu.  Er  grabt  nach  Art  unseres  Dachses 
unter  Baumwurzeln  geraumige  kunstvolle  Hohlen  mit  einem  Kessel  von  uber 
einem  Meter  Durcbmesser  und  mit  mehreren  langen  Rohren.  Das  Tier  recht- 
fertigt  iibrigens  seinen  Namen,  da  es  sich  oft  ahnlich  auf  fiihrt,  wie  der 
amerikanische  Skunk,  seinen  Stinksaft  aber  nicht  weiter  als  einen  Meter 
spritzen  kann.  Nach  Entfernung  der  Stinkdriise  wird  das  Fleisch  von  der 
Eingeborenen  gegessen.  Er  wird  iibrigens  leicht  zahm.  Die  gesamte  Familie, 
auch  die  Pahmi,  bilden  naturwissenschaftlich  einen  Ubergang  von  den 
Dachsen  zu  den  Skunks. 


IX. 


Die  Skunksarten 


Die  Skunksarten. 

Im  allgemeinen  nimmt  der  Kiirschner  und  Rauchwarenhandler  an,  dass 
die  Skunksfelle  des  Handels  von  einer  einzigen  Tierart  herkommen,  und  nur 
nach  den  Gegenden  ihres  Vorkommens  verschieden  sind.  Es  1st  dies  aber  ein 
Irrtum.  Ganz  abgesehen  von  dem  siidamerikanischen  Skunk,  der  im  Handel 
selten  ist,  entsprechen  die  verschiedenen  grossen  Unterabteilungen  des 
Handels,  eastern,  northern,  western  usw.  auch  ganz  verschiedenen  Skunks- 
arten, die  heute  schon  sehr  sorgfaltig  wissensehaftlich  bestimmt  sind. 

Am  nordlichsten  geht  der  sogenannte  Hudsonsbai- Skunk.  Mephitis 
budsonica,  der  von  Kanada  im  Siiden  nordlich  bis  zum  Peaceriver,  Athabascaw 
und  dem  grossen  Sklavensee  und  von  der  Hudsonsbai  im  Osten  bis  zum 
Saskatschewan  im  Westen  vorkommt.  Es  ist  dies  die  grosste  aller  Skunks- 
arten und  wird  ohne  den  Schweif  bis  i  m  lang,  mit  sehr  dichtem,  langem  Haar, 
aber  heller,  braunlicher  Farbe.  Die  Felle  sind  stets  breit  gestreift,  auf  dem 
Scheitel  ein  breiter  weisser  Fleck,  von  wo  aus  ein  schmalerer  Streif  bis  zur 
Schulter  lauft,  hier  teilt  er  sich  und  geht  an  beiden  Seiten  iiber  die  Flanken 
nach  hinten,  um  sich  dann  am  Rumpf  wieder  zu  vereinen.  Die  dunner  behaarte 
Unterseite  ist  schwarzbraun.  Der  Schweif,  der  stumpf  endigt,  ist  sehr  buschig 
und  besteht  aus  ziemlich  steifen,  borstenartigen  Haaren,  und  zwar  weiss  und 
.schwarzgemischten.  Gerade  wie  bei  den  Luchsen  variiert  auch  hier  die  Zahl 
der  jahrlich  erlegten  Tiere  betrachtlich.  Jahre  mit  reichem  Ertrage  wechseln 
mit  schwachen  Ertragen,  ca.  3000  in  einem  Jahre  und  12  ooo  im  nachsten. 
Das  Leder  dieser  Art  ist  meist  recht  dunkel  rotlichgelb,  die  secunda  oder 
Sommerfelle  zeigen  ein  dunkelgriines  Leder.  Auch  bei  den  geschlossen  ab- 
gestreiften  Skunksfellen  kann  man  die  Breite  und  Form  der  Streifen  auf 
der  Leder seite  genau  erkennen,  da  sie  sich  gelb  bis  orangefarben  auf  der 
Innenseite  abheben. 

Der  Wert  der  Felle  schwankt  natiirlich  mit  der  Konjunktur,  augen- 
blicklich  ist  derselbe  6  bis  8  Mk.  per  Stuck.  In  den  Waldgebieten  von  Minne- 
sota und  den  benachbarten  Distrikten  kommt  eine  dem  Hudsonsbai- Skunk 
nahe  verwandte  Art  vor,  der  Minnesota- Skunk,  von  Elliot,  Coues  und 
anderen  Forschern  wird  derselbe  zwar  mit  zu  der  verbreitetsten  M .  mephitica 

34* 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


gezahlt,  ist  aber  meines  Erachtens  eine  eigene  Art,  fur  die  ich  den  Namen 
M.  minnesotae  vorschlagen  mochte.  Er  ist  etwas  kleiner  als  der  vorige,  aber 
doch  bedeutend  grosser  als  die  anderen  Skunksarten.  Das  Haar  ist  rauh  und 
dicht,  dunkler  gefarbt  als  der  M.  hudsonia,  aber  doch  brauner  als  M.  mephitica. 
Die  Felle  sind  durchgehend  gestreift,  die  Streifen  aber,  die  wie  beim  M.  hud- 
sonia von  der  Schulter  bis  zum  Ende  des  Rumpfes  reichen,  sind  schmaler, 
aber  die  denselben  bildenden  weissen  Haare  sind  langer  und  stehen  etwas 
liber  den  dunklen  Untergrund  hervor.  Es  ist  das  eine  Fellsorte,  die  wegen  ihrer 
ausgiebigen  Grosse  und  leichten  Bearbeitungsfahigkeit  besonders  bei  den 
Berliner  Engrosfabrikanten  sehr  beliebt  ist.  Die,  wie  schon  erwahnt,  zahl- 
reichste  Art  ist  M.  mephitica,  die  von  Neuschottland,  Quebek,  Ontario  im 
Norden  bis  nach  Virginien  im  Siiden  reicht  und  westlich  bis  nach  Indiana  geht. 
Er  ist  wesentlich  kleiner  als  die  vorigen,  das  Haar  aber  viel  feiner  und  seidiger 
und  bedeutend  dunkler,  haufig  glanzend  blauschwarz.  Die  weisse  Zeichnung 
ist  ganz  verschieden  und  sehr  unregelmassig,  viele  Exemplare  haben  iiberhaupt 
nur  einen  kleinen  weissen  Fleck  auf  dem  Scheitel  und  sind  sonst  glanzend 
einfarbig  schwarz,  dann  kommen  andere,  wo  der  schmale  Streifen  bis  zur 
Schulter  reicht,  und  sich  nur  ein  kleines  Stiickchen  an  jeder  Seite  weiter  er- 
streckt,  dann  gibt  es  solche,  wo  ein  schmaler  Streifen  an  jeder  Seite  bis  zum 
Rumpf  reicht,  und  andere,  wo  dieser  Streifen  sehr  breit  ist.  Schliesslich 
kommen  noch  zahlreiche  Exemplare  vor,  wo  nur  ein  schmaler  Riickenstreifen 
noch  dunkel  ist  und  der  Bauch,  sonst  ist  alles  weiss.  Man  unterscheidet 
iibrigens  im  Grosshandel  amerikanisches  und  Londoner  Sortiment.  Bei  ersterem 
werden  die  samtlichen  Qualitaten,  Winter-,  Sommer-  und  Herbstfelle  zu- 
sammen  geworfen  und  nur  nach  Zeichnung  sortiert.  Schwarze,  kurzgablige 
langstreifige  und  weisse,  die  mit  I,  II,  III  und  IV  bezeichnet  werden.  Im 
Londoner  Sortiment  bedeuten  diese  Bezeichnungen  die  Qualitat  und  man 
sortiert  dann  innerhalb  der  einzelnen  Qualitaten  ein  schwarz,  kurzgablig, 
schmalstreifig,  breitstreifig  und  weiss.  Der  Schweif  ist  iibrigens  bei  diesen 
Skunksarten  pinselartig  spitz  zulaufend,  und  der  Hacken  am  Fuss  behaart. 

Ubrigens  unterscheidet  man  im  Rauchwarenhandel  diese  Art  auch  noch 
je  nach  der  Herkunft.  Die  feinsten  und  dunkelsten  Felle  liefern  die  Staaten 
Michigan  und  Ohio,  dann  kommt  der  Staat  New  York. 

Illinois,  Jowa  und  Newyersey  liefern  auch  gutfarbige  Skunks,  die  aber 
etwas  grober  im  Haar  sind.  In  diesem  Gebiet  kommt  noch  ein  Skunk  vor, 
im  Handel  mit  als  ,,  eastern  Skunk"  bezeichnet,  der  auch  von  den  meisten 
Forschern  als  zu  M.  mephitica  gerechnet  wird,  den  ich  aber  als  eigene  Art 
ansehe,  den  ,,Zackenskunk"  der  Kurschner.  Er  ist  meist  etwas  kleiner  als  die 
anderen  Skunks  derselben  Gegend,  feinhaarig  und  dunkel,  die  weissen  Streifen 
aber,  statt  am  Rumpf  zusammen  zu  laufen,  biegen  vorher  beinahe  im  rechten 
Winkel  ab,  und  bilden  eine  Zacke  an  jeder  Seite  des  Riickens.  Haufig  findet 
sich  noch  unterhalb  des  Streifens  auf  den  Flanken  ein  schmaler  langlicher 
weisser  Fleck.  Die  Skunkart  lebt  zwischen  den  Alleghanies  im  Westen  und 


IX.  Die   Skunksarten.  533 


Konnektikut  im  Osten.  Der  passende  Name  dafiir  ware  vielleicht  Mephitis 
dentata. 

Sudlich  von  dem  Verbreitungsgebiet  von  M.  mephitica  lebt  M.  scrutator 
vom  Mississippital  bis  zum  Indianerterritorium  im  Westen  und  vom  nordlichen 
Louisiana  bis  nach  Virginia  im  Osten. 

Er  ist  kleiner  als  die  vorigen,  der  Schweif  ist  massig  pinselartig,  die 
Farbe  etwas  braunlicher,  das  Haar  kiirzer  und  nicht  so  dicht,  es  sind  das 
die  siidwestlichen  Skunks  des  Handels.  Die  weisse  Zeichnung  variiert  sehr 
stark.  Die  Fiisse  sind  sehr  klein.  Im  Westen  kommen  mehrere  Skunkarten 
vor,  M.  occidentalis  bewohnt  Kalifornien,  Oregon  und  Washington,  ist 
ziemlich  gross,  der  Schweif  ist  sehr  lang  und  stets  schwarz  ohne  Bei- 
mischung  weisser  Haare,  die  Farbe  ist  schwarz,  die  schmalen  Streifen  reichen 
niemals  bis  zur  Schwanzwurzel. 

Sehr  grosse  ist  auch  M.  spissigrada  in  Britisch  Kolumbia,  mit  langem 
Schweif  und  dicht  behaarten  Sohlen. 

In  Arizona  und  Kalifornien  kommt  noch  M.  estor  vor,  klein,  mit  kurzem 
Schweif,  nackten  Sohlen,  und  ganz  weiss,  mit  Ausnahme  eines  schmalen, 
schwarzen  Riickenstreifens  und  des  Bauches. 

Daneben  auchAf.  milleri,  ein  sehr  schlankes  Tier,  dessen  Schweif  langer  ist 
als  der  Korper  mit  Kopf .  Ausgezeichnet  ist  diese  Art  durch  eine  Art  Mahne  ist 
Nacken,  da  dort  die  Haare  bedeutend  langer  sind.  Auf  den  Prarien  zwischen 
dem  Verbreitungsgebiet  von  M.  hudsonica  im  Norden  und  M.  scrutator  im 
Osten  und  Siiden  lebt  noch  M.  zoia,  ein  kleines  Tier  mit  sehr  kurzem  buschigen 
Schweif  und  haarigen  Sohlen.  Im  Siiden  sind  auch  verschiedene  Skunkarten. 
In  Texas  bis  zum  nordlichen  Mexiko  ist  das  Verbreitungsgebiet  von  M.  meso- 
leuca,  ein  grosses  Tier  mit  sehr  kurzem  buschigen  Schweif,  viel  kiirzer  als  bei 
irgend  einer  anderen  Skunkart,  fast  dachsartig,  ohne  jedes  weisse  Haar. 
Auch  die  Ohren  sind  sehr  klein.  Das  Tier  ist  sehr  gross,  ca.  70  cm  lang,  ohne 
Schweif,  grobhaarig,  der  Riicken  ist  weiss  und  beginnt  die  Zeichnung  schon 
direkt  oben  am  Scheitelfleck,  nicht  beim  Nacken,  wie  bei  den  anderen  Skunks. 
In  Texas,  Oklahama  und  Louisiana  kommt  M.  mesomelas  vor,  ein  grosses  Tier, 
mit  buschigem  Schweif,  ohne  weisse  Haare,  in  Florida  und  Siidgeorgia  lebt 
M.  elongata,  ebenf alls  sehr  gross,  mit  sehr  langem  Schweif  und  langen  Fiissen, 
die  Farbe  ist  gut,  aber  das  Haar  etwas  grob. 

Ausserdem  kommen  in  den  Siidstaaten  noch  vor  M.  macrura,  ein  lang- 
schwanziger  Skunk,  kleiner  als  M.  mephitica.  Der  Schweif  ist  langer  als 
Korper  und  Kopf  zusammen,  aber  nicht  buschig.  Der  Riicken  ist  weiss,  und 
daneben  ist  auf  jeder  Schulter  ein  weisser,  seitlich  verlaufender  Streifen. 

M.  scrutata,  ein  kleiner  Skunk  mit  ziemlich  kurzem  Haar  und  schmalen 
weissen  Seitenstreifen. 

Auch  in  Sudamerika  ist  der  Skunk  sehr  verbreitet,  von  den  Spaniern 
Zorillo  (Fiichschen)  genannt,  doch  kommen  verhaltnismassig  sehr  wenige 
in  den  Handel.  Nur  aus  Argentinien  kommen  jahrlich  einige  tausend  Stuck. 


534  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Es  konnten  erheblich  grossere  Mengen  kommen,  doch  erzielen  dieselben  meist 
einen  so  geringen  Preis,  von  50  bis  60  Pf.  per  Stuck,  dass  der  Fang  und  das 
Sammeln  nicht  lohnt. 

Conepatus  (Mephitis}  suffocant  kommt  in  Siidbrasilien,  Paraguay,  dem 
Gran  Chaco  und  dem  Laplata  stark  vor.  Es  ist  ein  ziemlich  kleines  Tier,  das 
Haar  etwas  wollig  und  flach,  die  Farbe  braunlich,  die  Streifen  sehr  regel- 
massig  iiber  die  Seite  vom  Nacken  bis  zum  Rumpf  laufend.  Es  werden  sehr 
bubsche  Decken  daraus  zusammengestellt. 

In  Patagonien,   an  der  Magellanstrasse  und  bis  zum  Feuerland  lebt 
C.  bumboldn,  grosser  als  die  vorigen,  das  Haar  langer  und  feiner. 

Dies  Fell  ist  wertvoller  doch  kommen  nicht  viel  an  den  Markt. 

In  Chile  lebte  ein  Skunk,  M.  chinga,  der  sich  wohl  fur  Pelzzwecke  eignen 
diirfte,  das  Haar  ist  ziemlich  dunkel  und  fein.  Die  weissen  Streifen  gehen  vom 
Nacken  bis  zur  Schwanzwurzel. 

Sehr  brauchbar  ware  noch  das  Fell  des  C.  arequipae  aus  dem  Gebirge 
des  siidlichen  Perus,  etwas  38  bis  40  cm  lang,  ohne  Schweif,  ziemlich  rauch 
und  feinhaarig,  die  Streifen  gehen  nur  bis  zur  Halfte  der  Flanken  (kurzgablig) . 
Der  Schweif  ist  lang  und  buschig,  die  obere  Halfte  schwarz,  die  Endhalfte 
schwarz  und  weiss  gemischt.  Wie  bei  den  meisten  sudamerikanischen  Skunks 
bilden  die  Haare  auf  dem  Nacken  einen  Wirbel,  indem  sie  sich  mit  den  Spitzen 
nach  vorn  richten. 

C.  rex,  aus  den  Gebirgen  Boliviens,  liefert  auch  ein  gutes  Fell.  Das  Haar 
ist  lang  und  dicht,  Farbe  dunkel  schwarzbraun.  Uber  den  Riicken  laufen  zwei 
breite,  weisse  Bander,  vom  Nackenwirbel  anfangend,  erreichen  aber  den 
Rumpf  nicht. 

Das  Fell  ist  etwa  45  cm  lang,  der  Schweif  sehr  lang  und  buschig,  langer 
als  bei  den  anderen  sudamerikanischen  Skunks,  und  rein  schwarz. 

Eigenartig  ist  auch  C.  mapurito  aus  den  Gebirgsgegenden  Guatemalas. 
Die  Nackenhaare  sind  nach  vorwarts  gerichtet,  die  Scheitelhaare  aber  nach 
riickwarts.  In  der  Mitte  treffen  sie  sich  und  bilden  eine  Art  Kamm,  der  von 
Ohr  zu  Ohr  reicht. 

Zwei  weisse  Riickenstreifen  gehen  bis  zur  Halfte  des  Riickens. 

Zu  erwahnen  ware  noch  C.  quitensis  aus  Ecnador,  C.  amazonensis  aus 
Brasilien,  C.  feullei  aus  Uruguay,  C.  tropicalis  aus  Mexiko,  von  Veracruz  bis 
Ycatan  vorkommend,  C.  hunti  und  C.  chorenses  sowie  C.  zorrino  aus  Peru, 
C.  porcinus  aus  Bolivia,  doch  wie  gesagt,  alle  diese  Arten  spielen  vorlaufig 
im  Handel  keine  Rolle. 

Alle  Skunksarten  sind  zierliche,  hiibsch  aussehende  Tiere,  die  sich  auch 
sehr  gewandt  und  munter  bewegen,  dabei  aber  gefahrliche  Rauber.  Wenn 
sie  auch  nicht  den  Blutdurst  mancher  Marderarten  oder  des  Opossums  be- 
sitzen,  so  statten  sie  doch  den  Geflugelhofen  der  Ansiedler  manch'  uner- 
wiinschten  Besuch  ab.  Ihre  Hauptnahrung  bilden  aber  Mause,  Ratten,. 
Maulwlirfe,  Insekten,  Wiirmer,  Nestjunge  der  Heuschrecken  gehoren  zu  ihrea 


IX.  Die   Skunksarten.  535 


Lieblingsgeniissen,  Bodenbriiter,  und,  wenn  sie  ihn  erwischen  konnen,  so 
mancher  Vogel.  Beeren  und  Waldfriichte  werden  nicht  verschmaht.  Klettern 
kann  der  Skunks  aber  nur  schlecht,  wenn  er  auch  hauptsachlich  in  lichten 
Waldern  oder  Gebiischen  lebt,  wo  er  seine  Wohnung  in  hohlen  Baumen, 
vorzugsweise  aber  in  Erdhohlen  aufschlagt.  Es  ist  im  wesentlichen  ein 
Nachttier  und  kommt  erst  in  der  Abenddammerung  zum  Vorschein.  Ge- 
furchtet  macht  ihn  seine  gefahrliche  Waffe.  Unter  dem  Schwanz  befinden 


Siidanierik.    Skunk    (Conepatus  arequipae) . 

sich  im  After  zwei  Driisen,  aus  denen  sie  einen  unglaublich  stinkenden  Saft 
mehrere  Meter  weit  fortspritzen  konnen.  Und  wehe  dem,  der  von  einem 
solchen  Strahl  getroffen  wird.  Die  Kleider  miissen  weggeworfen  werden,  da 
der  Geruch  nie  herausgehen  wird,  und  auch  von  der  Haut  ist  er  selbst  durch 
anhaltendes  Waschen  schwer  und  langsam  wegzubringen.  Erst  ganz  kiirzlich 
wurde  ein  gut  besetztes  Theater  in  einem  Stadtchen  Amerikas  panikartig 
wahrend  der  Vorstellung  geraumt,  da  sich  ein  Skunk  eingeschlichen  hatte. 
,,  Skunk"  ist  auch  ein  sehr  beliebter  Schimpfname,  der  in  dem  rohen  Fluch- 
und  Schimpflexikon  der  Weststaaten  mit  obenan  steht.  Ein  Hund,  der  einmal 
von  einem  Skunk  bespritzt  wurde,  muss  erstens  gezwungen  auf  langere  Zeit 
die  Gemeinschaft  der  Menschen  meiden,  und  ist  niemals  wieder  dazu  zu  be- 
wegen,  einen  Skunk  anzusprechen.  Auch  die  dicke  Fettschicht,  welche  den 
fetten  Burschen  umgibt,  hat  einen  sehr  unangenehmen  Geruch  angenommen, 
wenn  es  auch  nicht  mit  dem  Geruch  des  eigentlichen  Driisensekrets  zu  ver- 
gleichen  ist.  Den  rohen  Fellen,  ehe  sie  von  allem  Fett  befreit  sind,  haftet  auch 
etwas  von  diesem  Duft  an,  und  ein  Aufenthalt  in  dem  von  der  Sonne  be- 
schienenen  Skunksraum  bei  Lampson  vor  der  Auktion  erinnert  nicht  gerade 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


an  die  Wohlgeriiche  Arabiens.  Trotzdem  wird  aus  diesem  Fette  ein  Ol  ge- 
wonnen,  welches  in  Amerika,  dem  gelobten  Land  der  Patentmedizinen,  einen 
grossen  Absatz  findet.  Eine  grosse  Fabrik  beschaftigt  sich  ausschliesslich  mit 
seiner  Herstellung,  und  wird  das  Fett  eines  ausgewachsenen  Skunks  durch- 
schnittlich  etwa  mit  einem  Dollar  bezahlt.  Sehr  beneidenswert  diirften  die 
Arbeiter  dieser  Fabrik  nicht  sein. 

Den  zubereiteten  Fellen  merkt  man  iibrigens  bekanntlich  nichts  mehr 
da  von  an.  Trotzdem  bestand  sehr  lange  ein  Vorurteil  gegen  den  Gebrauch. 
Bis  zum  Jahre  1840  wurden  dieselben  uberhaupt  kaum  benutzt  und  1844 
kamen  10  ooo  Stuck.  Es  wurde  als  eine  unerhorte  Neuerung  aufgefasst, 
dass  mein  Vater  um  diese  Zeit  die  Hudsonsbay-  Skunk,  die  damals  noch 
in  den  Sundries  vorkamen,  zu  Herrenpelzen  verarbeitete.  Im  Jahre 
1863  kamen  aber  breits  ca.  100  ooo  Stuck  jahrlich  zur  Auktion.  Jetzt  werden 
in  den  Londoner  Auktionen  durchschnittlich  800  ooo  Stuck  jahrlich  verkauft 
und  etwa  600  ooo  Stuck  werden  direkt  von  Amerika  nach  Leipzig  verschifft. 
Man  kann  also  mit  den  in  Kanada  und  den  Vereinigten  Staaten  verarbeiteten 
Fellen  die  Gesamtzahl  der  jahrlich  erbeuteten  Tiere  auf  etwa  il/2  Million 
schatzen.  Hauptkonsument  ist  Deutschland,  dann  Frankreich,  Osterreich, 
Skandinavien,  in  geringem  Masse  auch  Russland.  In  Amerika  findet  er  erst 
seit  den  letzten  Jahren  Verwendung.  Der  Skunk  hat  ausser  dem  Menschen 
und  dem  grossen  Uhu  nur  wenig  Feinde,  da  er  sich  alle  Raubtiere  mittelst 
seiner  gefahrlichen  Waffe  vom  Leibe  halt.  Daneben  ist  er  sehr  fruchtbar. 
Im  Februar  und  Marz  ist  die  Begattungszeit  und  wirft  das  Weibchen  dann 
im  Mai  5  bis  10  Junge.  In  den  sudlichen  Gegenden  soil  noch  im  Herbst  ein 
zweiter  Wurf  folgen.  In  der  Gefangenschaft  bei  geeigneter  Pflege  sollen  sogar 
drei  Wiirfe  im  Jahr  vorkommen.  Das  Tier  wird  in  der  Gefangenschaft  ganz 
zahm  und  soil  auch  dann  von  dem  Inhalt  seiner  Stinkdriisen  keinen  Gebrauch 
machen.  Die  Nahe  des  Menschen  scheut  der  Skunk  durchaus  nicht,  was  auch 
seine  starke  Zunahme  trotz  der  zunehmenden  Besiedlung  und  der  starken 
Nachstellung  mit  erklart.  Trotzdem  konnte  das  grosse  Jahresquantum  an 
Fellen  nicht  zusammengebracht  werden,  wenn  man  auf  das  Resultat  des  Fanges 
allein  angewiesen  ware. 

Aber  vor  etwa  10  Jahren  begann  man,  ermutigt  durch  die  oben  erwahnten 
giinstigen  Eigenschaften  des  Skunks,  das  Tier  planmassig  in  grossen  so- 
genannten  Farmen  zu  ziichten.  Augenblicklich  bestehen  wohl  etwa  100  solcher 
Farmen  in  verschiedenen  Teilen  der  Vereinigten  Staaten,  die  zusammen  wohl 
ein  Viertel  aller  in  den  Handel  kommenden  Skunkfelle  liefern. 

Die  Anlage  einer  solchen  Farm  ist  hochst  einfach  und  bedarf  nicht  ein- 
mal  eines  besonders  grossen  Kapitals. 

Ein  Terrain  geringwertigen  Bodens  mit  lichtem  Baumbestand  von  etwa 
50  Morgen  wird  ringsherum  sorgfaltig  eingezaunt  mit  fest  eingerammten 
Pfahlen.  Ein  etwa  i  m  tiefer  Graben  wird  ausgehoben  und  mit  einem  dichten 
Draht  versehen,  der  etwa  i  m  unter  der  Erde  sich  befindet  und  2  m  iiber 


IX.  Die   Skunksarten.  537 


die  Oberflache  reicht.  Der  Graben  wird  mit  festgestampften  kleinen  Steinen 
ausgefiillt  und  mit  Erde  zugeschiittet.  Oberhalb  des  Drahtnetzes  werden 
die  Pfahle  mit  Brettern  verschalt.  Im  Innern  des  Gebietes  werden  zahlreiche 
feste  Kisten  in  Gruben  eingesetzt  und  mit  Holzrohren  als  Zugang  versehen. 
Innen  sind  dieselben  mit  Abteilungen  versehen,  die  gut  mit  Heu  ausge- 
polstert  sind  und  als  Nisthohlen  dienen.  Notwendig  ist,  dass  Wasser  das 
Terrain  durchfliesst,  dessen  Ein-  und  Austritt  aber  sorgfaltig  durch  Draht- 
zaune  abgesperrt  sein  muss.  Wilde  Obstbaume,  Beerenstraucher  usw. 
werden  angepflanzt,  mit  dem  doppelten  Zweck,  den  Skunks  Zuflucht  und 
Nahrung  zu  gewahren,  da  sie,  wie  schon  oben  gesagt,  Beeren  und  Waldfriichte 
sehr  lieben.  Ausserdem  dienen  diese  Pflanzungen  dazu,  Insekten,  Mause  und 
dergleichen  anzulocken,  deren  Aufsuchen  den  Tieren  die  notwendige  Bewegung 
schafft  und  ihnen  auch  als  Zukost  zu  dem  gereichten  Futter  eine  naturgemasse 
Lebensweise  ermoglicht,  denn  lebende  Nahrung  ist  ihnen  ebenso  notwendig 
wie  den  Mardern,  damit  sie  zur  Fortpflanzung  schreiten  sollen.  Als  Futter 
sind  taglich  einmal  Fleischabfalle,  Kiichenabfall  usw.,  die  leicht  und  billig  zu 
haben  sind,  zu  reichen.  ferner  Fische,  Frosche  und  dergleichen,  um  fur 
Abwechslung  zu  sorgen. 

Zum  Anfang  geniigen  40  bis  50  lebende  Skunks,  von  denen  etwa  ein 
Viertel  Mannchen  sein  mussen.  Da  dieselben  sich  rapide  vermehren,  kann 
man  schon  nach  zwei  Jahren  anfangen,  zum  Verkauf  zu  toten.  Uber  das  Toten 
selbst  sind  nun  sehr  verschiedene  Nachrichten  verbreitet,  da  eben  jeder  Farm- 
besitzer  seine  Methode  moglichst  geheim  halt.  Es  kommt  naturlich  haupt- 
sachlich  darauf  an,  die  Tiere  an  dem  Ausspritzen  des  furchtbaren  Stinksaftes 
zu  hindern.  Nach  Aussage  der  einen  spritzt  der  Skunk  in  der  Gefangenschaft 
iiberhaupt  nicht,  nach  einer  anderen  Version  werden  dem  jungen  Tiere  die 
Stink driisen  operativ  entfernt,  was  ich  aber  stark  bezweifle.  Am  meisten 
wird  von  der  Totung  durch  Elektrizitat  erzahlt.  Die  Tiere  werden  entweder 
an  einen  Futterplatz  gewohnt,  der  sich  auf  einer  etwas  erhohten  grossen  Metall- 
platte  befmdet,  die  mit  einer  elektrischen  Batterie  in  Verbindung  steht.  Zur 
bestimmten  Zeit  im  Winter  werden  sie  dann  bei  der  Fiitterung  durch  eine 
starke  elektrischeEntladung  getotet,  oder  die  Tiere  werden  truppweise  in  eine 
aus  Metallplatten  erbaute  Hiitte  getrieben  und  ebenfalls  durch  elektrischen 
Starkstrom  blitzartig  getotet,  ehe  sie  Zeit  haben,  ihre  Waffe  zu  gebrauchen. 

Ubrigens  hat  der  Skunk  auch  ein  recht  scharfes  Gebiss,  und  sollen  Bisse 
schwer  heilen. 

Bei  den  freilebenden  Skunks  soil  Tollwut  vorkommen,  die  sich  aber 
verschieden  von  der  Hydrophobie  der  Hunde  aussert.  Der  Biss  eines  tollen 
Skunks  soil  stets  totlich  wirken.  In  der  Gefangenschaft  hat  man  liber  den 
tollen  Skunks  noch  nichts  gehort. 

Auf  einer  Farm  der  angegebenen  Grosse  soil  man  bis  zu  20  ooo  Skunks 
halten  konnen,  und  naturlich  jahrlich  eine  entsprechende  Anzahl  Tiere  toten, 
deren  Fell  und  Ol  einen  recht  betrachtlichen  Nutzen  gewahrt,  so  dass  die 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Verzinsung  des  Anlagekapitals  eine  glanzende  1st.  Wie  ein  Beobachter  er- 
zahlt,  sollen  etwa  zwei  Drittel  der  Jungen  in  jedem  Wurf  Weibchen  sein. 
Es  sollen  aber  auch  Misserfolge  nicht  ausgeblieben  sein,  so  dass  es,  wie  bei 
alien  Pelztierfarmen,  hauptsachlich  auf  die  Kenntnisse  und  Fahigkeiten  des 
Leiters  und  des  Personals  ankommt,  ob  eine  Farm  gedeiht  oder  nicht. 

Viel  weniger  bekannt  ist  die  Lebensweise  des  auch  viel  seltener  vor- 
kommenden  Verwandten  des  Skunks,  des  Civeticat,  auch  Lyraskunk  genannt. 
Das  Tier  geht  nicht  so  weit  nordlich  als  der  Skunk.  Der  Missouri  diirfte  die 
Nordgrenze  bilden.  Man  unterscheidet  zwei  grosse  Gruppen,  die  eine  bewohnt 
die  Golfstaaten  und  das  Mississippital,  die  andere  die  Siidweststaaten  von  Neu- 
Mexiko  bis  Kalifornien.  Die  Art  en  unterscheiden  sich  ausser  durch  ihre 
Korpergrosse  noch  durch  die  Zahl  und  Anordnung  der  weissen  Streifen,  welche 
die  bekannte  lyraartige  Zeichnung  bilden.  Die  Grundfarbe  ist  stets  ein 
glanzendes  Schwarz,  das  Haar  viel  kiirzer  und  weicher  als  beim  Skunk.  Das 
Leder  ist  recht  diinn.  Das  Tier  selbst  ist  stets  klein  und  diirfte  eine  Korper- 
lange  von  20  cm  ohne  Schwanz  sehr  selten  iiberschreiten. 

Verwendet  wird  dasselbe  fast  ausschliesslich  zu  Pelzfutter,  die  sehr  hiibsch 
aussehen,  warm  und  leicht  sind.  Die  Dauerhaftigkeit  lasst  indessen  manches 
zu  wiinschen  iibrig.  Es  kommen  jetzt  jahrlich  etwa  50  ooo  Stuck  in  den 
Handel.  Noch  vor  10  Jahren  kamen  hochstens  10  ooo  jahrlich  im  Durch- 
schnitt.  Der  Wert  ist  etwa  i  bis  3  Mk.  per  Stuck  ,  und  manchmal,  bei  starker 
Nachfrage,  wird  etwas  mehr  gezahlt. 

Uber  die  einzelnen  vorkommenden  Arten  ist  nicht  viel  zu  berichten. 
Die  kleinste  Art  ist  Spilogale  putorius,  die  im  siidlichen  Texas,  Kalifornien 
und  den  Siidweststaaten  vorkommt.  Der  Schweif  dieser  Art  ist  kiirzer  als 
Kopf  und  Rumpf  zusammen,  aber  die  einzelnen  Haare  sind  lang  und  weich. 
Die  Zeichnung  variiert  in  den  einzelnen  Individuen  ungemein,  doch  sind 
3  Kopfflecken  und  4  parallele  Riickenstreifen  fast  stets  vorhanden. 

Von  Zentralamerika  und  Mexiko  bis  hinauf  lebt  Sp.  interrupta,  bedeutend 
grosser  als  die  vorige,  der  dichte,  buschige  Schweif  ist  langer  als  der  ganze 
iibrige  Korper,  die  weisse  Zeichnung  ist  wenig  ausgepragt,  die  schwarze  Hund- 
farbe  tief  und  glanzend,  an  der  Stirn  ein  weisser  Fleck,  vor  den  Ohren  ein 
Halbmond,  zwei  Streifen  vom  Nacken  bis  zum  Mittelriicken,  ein  breiter 
Querstreifen  von  jedem  Vorderfuss  ausgehend,  dahinter  ein  weisser  Fleck. 

In  Alabama  kommt  Sp.  ringens  vor,  auch  bedeutend  grosser  als  Sp.  puto- 
rius und  ebenfalls  mit  schwacher  ausgepragter  Zeichnung,  ohne  weiss  an 
den  Fiissen  und  Schenkeln,  4  schmale  Streifen  vom  Ohr  und  Nacken,  bis  zur 
Mitte  des  Riickens,  Querstreifen  auf  der  Schulter,  nach  dem  Riicken  zu 
gebogen.  2  kleine  Querstreifen  auf  dem  Rumpf. 

In  Kalifornien  lebt  Sp.  lucasana,  ein  verhaltnismassig  sehr  grosses  Tier 
mit  sehr  ausgepragter  Zeichnung. 

Sp.  indianola  aus  dem  ostlichen  Texas  dagegen  zeigt  nur  schmale,  weisse 
Linien.  Die  grosste  Art  ist  Sp.  saxatilis  aus  Utah,  und  auch  der  Schweif  ist 


IX.  Die  Skunksarten.  539 


bei  dieser  Art  nicht  nur  absolut,  sondern  auch  relativ  langer  als  bei  irgend 
einer  anderen  Civetcat.  Die  weissen  Querstreifen  fehlen  fast  ganzlich. 

Sonst  wahren  noch  zu  erwahnen  Sp.  leucoparia  aus  Texas,  Sp.  gracili 
aus  Arizona,  Sp.  ambigua  aus  Nordmexiko,  Sp.  phenax  aus  den  Kiisten- 
distrikten  Kaliforniens  und  Oregons,  ebenfalls  ein  verhaltnismassig  grossesTier. 

Bei  alien  Arten  ist  iibrigens  das  Mannchen  bedeutend  grosser  als  das 
Weibchen.  Uber  die  Lebensweise  ist  leider  wenig  veroffentlicht  worden,  doch 
soil  der  Civetcat  die  Fahigkeit,  ihren  Stink saft  fortzuspritzen  vollig  fehlen, 
ja  sie  soil  iiberhaupt  keine  Stinkdriisen  besitzen.  Was  ihr  den  naturwissen- 
schaftlich  ganz  falschen  Namen  ,,civetcat",  der  einer  ganz  anderen  Tiergattung 
zukommt,  verschafft  hat,  ist  mir  unbekannt,  denn  sie  liefert  natiirlich  kein 
Zibet.  Das  zubereitete  Fell  hat  iibrigens  einen  ganz  angenehmen  Geruch.  In 
Siidamerika  kommt  kein  Civetcat  vor,  und  auch  in  alien  anderen  Weltteilen 
kommt  nur  ein  Verwandter  der  Skunks  und  der  Civetcat  vor,  namlich  in  Afrika. 

Es  ist  das  der  Kapiltis  oder  Kap- Skunk,  Ictomys  zorilla,  der  haupt- 
sachlich  im  Kaplande  vorkommt,  verwandte  Arten  sollen  aber  iiber  ganz 
Afrika  verbreitet  sein  bis  Suez. 

Das  Tier  hat  etwa  35  cm  Korperlange  und  25  cm  Schwanzlange,  der  Kopf 
ist  spitz,  die  Schnauze  riisselartig  verlangert,  das  Gebiss  scharf  und  marder- 
artig.  Der  Schweif  ist  dicht  und  buschig  mit  schwarzen  und  weissen  Haaren 
gemischt,  die  Grundfarbe  des  Felles  ist  glanzend  schwarz,  darauf  eine  weisse 
Zeichnung,  die  sehr  variiert.  Zwischen  den  Augen  ist  ein  weisser  Fleck, 
zwischen  den  Ohren  bis  zu  den  Augen  zieht  sich  ein  weisses  Band.  Uber  den 
Nacken  lauft  meistens  eine  weisse  Querbinde,  von  wo  aus  4  weisse  Langs- 
streifen  iiber  den  Riicken  laufen.  Die  beiden  inneren  gehen  meist  nur  bis  zur 
Mitte  des  Riickens,  die  beiden  ausseren  laufen  auf  dem  Rumpf  zusammen 
und  setzen  sich  als  weisser  Streifen  iiber  dem  Schweif  fort.  Es  benutzt  dieselbe 
Waffe,  wie  der  Skunk,  und  der  Gestank  des  ausgespritzten  Sekretes  ist  in 
Afrika  ebenso  unbeliebt  wie  in  Amerika.  Die  Nahrung  besteht  wie  beim 
Skunk  aus  Mausen,  kleinen  Vogeln,  Heuschrecken,  Reptilien,  Froschen  und 
Insekten.  Auch  besucht  es  nicht  selten  die  Hiihnerhofe,  wodurch  seine  Be- 
liebtheit  nicht  erhoht  wird.  Die  Lebensweise  ist  nachtlich.  Das  Haar  ist 
grober  als  beim  Skunk  und  dem  Lyraskunk,  immerhin  diirfte  es  ein  gutes 
Pelzwerk  fur  Decken  und  Futter  abgeben.  Bis  jetzt  kamen  aber  nur  wenige 
Felle  in  den  Handel,  bei  der  verhaltnismassig  grossen  Verbreitung  wiirde  aber, 
wenn  geniigend  Nachfrage  ware,  ein  grosseres  Quantum  zu  beschaffen  sein. 


X. 

Die  Barenarten. 


Baren. 

(Engl.  bear.,  franz.   ours.) 

Ungemein  zahlreich  sind  die  verschiedenen  Barenarten.  Alle  Weltteile, 
mil  Ausnahme  Australien,  beherbergen  solche,  doch  sind  nur  die  auf  der 
nordlichen  Halbkugel  lebenden  Arten  fiir  den  Pelzhandel  zu  verwerten.  Die 
arktischen  Regionen  der  ganzen  Erde  bewohnt 

\ 

Der  Eisbar. 

Thalassarctos  maritimus,  engl.   Polar  bear,  franz.   Ours  blanc. 

Es  bildet  jetzt  Gegenstand  eifriger  Untersuchungen  der  Zoologen,  ob  die 
Eisbaren  samtlich  einer  Art  angehoren  oder  nicht.  Ich  personlich  neige 
der  Ansicht  zu,  dass  die  im  Norden  Amerikas  lebenden  von  den  auf  Gronland 
Spitzbergen  und  anderen  Gegenden  nordlich  vom  europaisch-asiatischen 
Kontinent  wohnenden  verschieden  sind  und  erfahre,  dass  bereits  Knollnerus- 
Meyer  sie  schon  getrennt  aufgefiihrt  hat,  genensis  von  Ellesmerland,  eogroen- 
landicus  von  Ostgronland,  labradorensis  von  Labrador,  jenaensisvon  der  Jena- 
Insel,  spitzbergensis  von  Spitzbergen.  Jedenfalls  sind  die  Felle,  welche  die 
kgl.  Gronlandische  Kompanie  aus  Gronland  jahrlich  nach  Kopenhagen  zur 
Auktion  bringt,  ebenso  die  Felle,  welche  von  den  norwegischen  Fangfahrzeugen 
all  jahrlich  von  den  Inseln  und  Eisschollen  des  nordlichen  Eismeeres  nach 
Hammerfest,  Tromso  und  Bergen  gebracht  werden,  bedeutend  wertvoller 
als  die  Felle,  welche  die  Hudsonsbay  Company  sowie  die  von  den  mahrischen 
Briidern  in  Labrador  geleitete  Harmony  Company  nach  London  bringt.  Zum 
grossen  Teil  liegt  dies  wohl  auch  an  der  Behandlung.  Die  Felle  sind  sehr 
sorgfaltig  abgestreift,  stets  mit  alien  Klauen,  Schnauze  usw.  versehen,  und 
gewohnlich  ist  auch  der  praparierte  Schadel  dabei.  Es  wird  auch  sorgfaltig 
darauf  geachtet,  dass  das  Fett  nicht  in  das  Haar  eindringt,  und  sollen  die 
norwegischen  Fangschiffe  die  erbeuteten  Eisbarenfelle  an  ein  Tau  gebunden 
hinten  im  Wasser  nachschleifen  lassen,  wodurch  sie  eben  fein  weiss  und  sauber 
bleiben.  Der  dadurch  beim  Segeln  verursachte  Zeitverlust  spielt  keine  Rolle, 
denn  Schnellsegler  sind  diese  Fahrzeuge  iiberhaupt  nicht.  In  ihrer  Korperform 
weichen  die  Eisbaren  von  den  iibrigen  Barenarten  nicht  unerheblich  ab.  Vor 
allem  ist  der  Hals  viel  langer  und  beweglicher,  der  Kopf  ist  auch  schmaler 
und  langgestreckt,  die  Schultern  sind  schmaler  und  der  ganze  Korper  macht 


544  Nasurgeschichte  der  Pelztiere. 

einen  viel  schlankeren  langgestreckten  Eindruck.  Das  Haar  ist  grob  und 
verhaltnismassig  kurz,  das  Nackenhaar  nicht  langer  als  das  Riickenhaar. 
Das  Leder  ist  dick  und  schwer,  dabei  grobporig.  Das  Gebiss  nahert  sich  mehr 
dem  reinen  Raubtiergebiss  statt  dem  omnivoren  Gebiss  der  anderen  Baren. 
Die  Molaren  haben  nicht  so  breite  Kauflachen  und  Hocker,  die  Eckzahne  sind 
langer  und  die  scharfen  Schneidezahne  passen  sehr  fest  ineinander,  um  die 
Beute  festhalten  zu  konnen.  Die  Nahrung  besteht  hauptsachlich  aus  See- 
hunden,  denen  der  Eisbar  oft  stundenlang  mit  unermiidlicher  Geduld  an  den 
Luftlochern  auflauert  oder  die  er  auf  dem  Eise  wahrend  ihres  Schlafes  be- 
schleicht,  wozu  sein  gerauschloser  Gang  viel  beitragt,  zu  dem  ihn  namentlich 
die  dicht  behaarten  Sohlen  befahigen.  Er  erbeutet  auch  Fische  und  ver- 


Eisbarjagd  bei  Point  Barrow   (Alaska). 

schmaht  auch  Aas  nicht.  Ein  gestrandeter  Wai  oder  dergleichen  bildet  oft  den 
Rendezvousplatz  samtlicher  Baren  der  Umgegend.  Auch  die  dummen  Weiss- 
und  Blaufiichse  fallen  ihm  oft  zum  Opfer.  Die  im  Eise  eingefrorenen  Schiffe 
der  Polarfahrer  sowie  ihre  Winterlager  werden  stets  von  Eisbaren  umschwarmt 
auf  der  Suche  nach  Kiichenabf alien  und  sonstiger  Beute.  Allerdings  bildet 
er  selbst  stets  eine  gesuchte  Jagdbeute  aller  Expeditionen  und  fallt  in  grosser 
Zahl  den  modernen  Prazisionswaffen  zum  Opfer.  Frisches  Barenfleisch  ist 
stets  eine  willkommene  Bereicherung  der  Kiiche  aller  Polarforscher  und 
wird  auch  bei  dem  grossen  Fetthunger,  der  die  Menschen  in  diesen  hohen  Breiten 
bestandig  quart,  gern  gegessen.  Nur  die  Leber  soil  nach  verschiedenen  Be- 
richten  nach  dem  Genuss  Vergiftungserscheinungen  nach  Art  der  Fleisch- 
vergiftungen  hervorrufen.  Uber  den  Charakter  des  Eisbaren  sind  die  Ansichten 
sehr  verschieden.  Wahrend  alt  ere  Berichte  ihn  ubereinstimmend  als  sehr 
bosartig  schildern  und  angeben,  dass  er  stets  die  Offensive  ergreift,  schildern 
die  neueren  Beobachter  ihn  meist  als  feige.  Es  scheint  ubrigens  in  den  ver- 


X.  Die  Barenarten. 


545 


schiedenen  Distrikten  auch  verschieden  damit  bestellt  zu  sein  und  geniessen 
namentlich  die  Eisbaren  Gronlands  noch  heute  den  Ruf  grosser  Wildheit. 
Auch  hat  es  wohl  viel  damit  zu  tun,  dass  die  Tiere  jetzt  die  Wirkung  moderner 
Schnellfeuerwaften  und  Explosionskugeln  mehr  kennen  gelernt  haben  und  des- 
halb  einem  Kampfe  mit  dem  Genus  homo  moglichst  aus  dem  Wege  gehen. 
Der  Eisbar  halt  keinen  Winterschlaf,  nur  die  trachtigen  Weibchen  ziehen  sich 
in  tiefe  Schneegruben  zuriick,  aus  denen  sie  erst  wieder  mit  den  Jungen, 
von  denen  sie  jahrlich  ein  bis  zwei  werfen,  zum  Vorschein  kommen.  Die 
Jungen  sind,  wie  bei  alien  Barenarten,  ungewohnlich  klein,  bei  Geburt  kaum 
so  gross  als  eine  Hauskatze,  wahrend  die  ausgewachsenen  Tiere  eine  Lange 


Eisbarjager  in  der  Behringstrasse. 

bis  zu  ii  Fuss  erreichen.  10  Fuss  lange  Felle  habe  ich  oft  gesehen.  Alle 
Eisbaren  sind  vorzugliche  Schwimmer  und  Taucher  und  ihre  starken  Klauen 
ermoglichen  ihnen  auch  das  Aufscharren  selbst  fest  gefrorenen  Schnees.  Die 
Depots,  welche  von  den  Polarforschern  im  Schnee  angelegt  werden,  bediirfen 
eines  sehr  festen  zementartigen  Verschlusses  aus  Sand  und  Eis,  da  sie  sonst 
regelmassig  von  den  Baren  ausgegraben  und  zerstort  werden.  Es  kommen 
jahrlich  etwa  50  bis  100  Felle  nach  Kopenhagen,  die  Hudsonsbay  Company 
bringt  100  bis  150,  C.  M.  Lampson  3  bis  400,  wahrend  in  den  verschiedenen 
Hafen  des  nordlichen  Norwegens  etwa  2  bis  300  an  den  Markt  kommen.  Vom 
nordlichen  Asien  sind  mir  die  Ziffern  nicht  genau  bekannt,  doch  schatze  ich 
die  Zahl  auf  ebenfalls  100  bis  200  jahrlich.  Ein  erstklassiges  gronlandisches 
Fell  bringt  in  der  Auktion  bereits  400  bis  600  Mk.,  wahrend  die  gelben  groben 
und  haufig  beschadigten  amerikanscihen  Felle  gewohnlich  von  20  bis  150  Mk. 

35 


546  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

per  Stuck  bringen.     Verwendung  finden  sie  ausschliesslich  zu  Teppichen  als 
Zimmerschmuck,  wobei  der  Kopf  gewohnlich  ausgestopft  wird. 

Bei  den  weiteren  Barenarten  wollen  wir  zunachst  die  amerikanischen  und 
die  asiatisch  europaischen  Arten  auseinanderhalten  und  diese  dann  wieder 
in  die  grauen,  braunen  und  schwarzen  trennen. 


A.  Amerikanische    Bar  en. 

i.   Grizzly-Bar. 

Zu  den  bekanntesten  amerikanischen  Barenarten  gehort  der  Grizzly-Bar, 
,der  Schrecken  der  Felsengebirge",  der  Held  aller  Indianerbucher,  die  das 


Gesch.   Spezialaufn.  d.  Neuen  Phot.   Ges. 
Grizzlybar    (ursus  horribilis) . 

Herz  des  Knaben  entziickten.  Hier  haben  iibrigens  die  neuesten  Forschungen 
ergeben,  dass  es  sich  um  eine  ganze  Reihe  von  Arten  handelt,  die  aber 
samtlich  ostlich  von  den  Rocky  Mountains  und  ihren  Auslaufern  nicht  vor- 
kommen.  Die  verbreiteste  Art  ist  der  Ursus  horribilis,  der  die  Rocky 
Mountains  nordlich  von  Utah  und  Wyoming  bewohnt  und  in  Britisch  Kolumbia 
bis  zum  siidlichen  Alaska  vorkommt,  braungrau,  die  Vorderklauen  sehr  lang 
und  weisslich.  Er  erreicht  eine  Lange  bis  zu  8  Fuss  und  hat  eine  sehr  ge- 
drungene  kraftige  Gestalt.  Die  Farbung  ist  meist  eine  dunkelgraubraun 
melierte,  doch  kommen  auch  hellere  Schattierung  bis  zu  hellem  gelbgrau  vor. 
Das  Haar  ist  etwas  grob,  aber  sehr  dicht,  zwischen  den  machtigen  Schultern 
und  iiber  dem  Nacken  ist  das  Haar  viel  langer  und  macht  fast  den  Eindruck 
einer  kurzen  dichten  Mahne.  Im  Siiden  des  obigen  Gebietes,  namentlich  in  Siid- 
kalifornien,  Mexiko,  Kolorado,  Arizona  und  Mexiko  lebt  eine  andere  Art, 


X.  Die  Barenarten.  547 


U.  horriaeus,  die  etwas  kleiner  und  meist  heller  gefarbt  ist.  Im  Norden  lebt  die 
fgrosste  Art,  U.  alascensis,  der  iiber  9  Fuss  lang  wird  und  dunklere  Klauen 
hat.  Auch  sonst  weicht  er  im  Korperbau  von  den  anderen  Grizzly-Baren  ab. 
Alle  Grizzly-Baren  sind  vorwiegend  Fleischfresser  und  stellen  den  verschiedenen 
Saugetieren  bis  zu  Hirschgrosse  nach,  nehmen  aber  auch  mit  Insektenlarven 
usw.,  die  sie  unter  Steinen  und  umgesturzten  Baumen  suchen,  vorlieb,  wenn 
:sie  nichts  besseres  finden.  Auch  Beeren  und  Wurzeln  werden  gern  genommen. 
Kein  Grizzly-Bar  kann  Baume  ersteigen,  doch  bewegen  sie  sich  mit  grosser 
Sicherheit  an  den  steilsten  Gebirgshangen  und  konnen  mit  einer  Geschwindig- 
keit  traben,  die  man  den  plumpen  Gesellen  nicht  zugetraut  hatte.  Friiher 
:galten  die  Grizzlys  als  ungemein  gefahrliche  Tiere,  die  den  Menschen  voll- 
kommen  ungereizt  angriffen,  jetzt  hat  sich  auch  ihr  Charakter  geandert,  sie 
weichen,  wenn  sie  nicht  verwundet  werden,  dem  Menschen  sorgfaltig  aus. 
President  Roosevelt,  der  zuerst  diese  Beobachtung  veroffentlichte,  schreibt 
dies  der  genauen  Bekanntschaft  zu,  welche  jetzt  nun  zahlreiche  Generationen 
<Ler  grauen  Baren  mit  den  modernen  Hinterladerbiichsen  gemacht  haben, 
und  welche  sie  den  Jager  als  einen  weit  gefahrlicheren  Gegner  haben  erkennen 
lassen,  als  es  friiher  der  Indianer  mit  seinem  einlaufigen  Vorderlader  war. 
Kampfe  mit  der  blanken  Waffe,  von  denen  man  ofters  liest,  laufen  auch  heute 
noch  fur  den  Jager  meist  ungiinstig  aus.  Jedenfalls  werden  aber  Jung  ge- 
fangene  Grizzlys  leicht  zahm.  Ich  sah  selbst  in  Glacier  Haus  in  den  Cascade 
Mountains  von  Britisch  Kolumbia  eine  fast  ausgewachsene  graue  Barin,  die 
•dort  aufgezogen  war  und  die  ganz  zahm  alle  Besucher  aufs  energischste  an- 
.bettelte. 

Von  der  Hudsonsbay  Company  kommen  jahrlich  nur  etwa  150  Felle 
in  den  Handel.  Lampson  usw.  bringen  etwa  800  bis  1000  Stuck  jahrlich.  Der 
Wert  der  Felle  ist  augenblicklich  nicht  hoch,  etwa  50  Mk.  per  Stuck,  doch 
wurden  dieselben  auch  schon  iiber  150  Mk.  bezahlt.  Verwendet  werden  sie  zu 
Teppichen,  Schlittendecken  usw. 

2.  Braune  Baren. 

Dem  Grizzly  sehr  nahe  stehen  die  verschiedenen  braunen  Baren,  die 
ihm  auch  an  Wildheit  wenig  nachgeben.  Am  langsten  bekannt  ist  der 
Baarenground-Bar,  U.  richardsonii,  der  die  eisigen  Einoden  im  nordlichsten 
Teile  des  Hudsonsbay- Gebietes  bewohnt.  Es  ist  ein  sehr  grosses  Tier  von  hell- 
brauner  Farbe,  die  manchmal  ganz  hell,  fast  weisslich  ist.  Das  Haar  ist  lang 
und  sehr  fein,  weshalb  die  Felle  friiher  besonders  viel  zu  Fransen  sowie  zu 
Boas  und  dergleichen  verarbeitet  wurden. 

Nach  Mac  Farlane  wirft  das  Weibchen  nur  alle  drei  Jahre  ein  bis  zwei 
Junge,  die,  wie  alle  jungen  Baren,  zuerst  sehr  klein  sind.  Das  Tier  wird  als  sehr 
wild  und  bosartig  geschildert.  Die  Schadelbildung  weicht  von  den  anderen 
JBarenarten  ab.  Der  Barenground-Bar  ist  vorwiegend  Fleischfresser,  Er  lebt 

35* 


548  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

vorzugsweisc  zwischen  dcr  Hudsonsbay  und  dem  Mackenzie  River  nordlich 
und  ostlich  vom  Grossen  Barensee,  doch  sollen  einzelne  Exemplare  auch  bis 
zum  Quellgebiet  des  Yukon  vorkommen. 

In  Alaska  war  fruher  eine  andere  Art,  U.  dalli  gyas,  sehr  haufig,  ist 
aber  seit  Einfiihrung  der  Hinterlader  sehr  selten  geworden,  so  dass  er  auch  im 
Alaska- Schongesetz  Beriicksichtigung  gefunden  hat.  Sein  Haupt vorkommen 
ist  im  Kustengebiet  zwischen  dem  Copper  River  und  dem  siidlichen  Alaska. 
Er  frisst  eigentlich  alles  was  vorkommt,  Wurzeln,  Gras,  Beeren  und  alles  Wild, 
das  er  erreichen  kann.  Das  Ausgraben  der  Erdeichhornchen  aus  ihren  Bauen 
wird  vielfach  von  ihm  als  eine  Art  Sport  betrieben.  Sehr  eifrig  liegt  er  dem 
Fischfang  ob.  Namentlich  die  Barin  mit  Jungen  ist  im  Sommer  eine  eifrigo 
Fischerin.  Sie  steht  dann  bis  an  die  Schultern  im  Strom  und  wirft  ihren 
am  Ufer  zuriickbleibenden  Jungen  mit  geschicktem  Tatzenschlage  die  Fische 
zu.  Erst  wenn  diese  geniigend  gesattigt,  zieht  sie  sich  mit  einigen  stattlichen 
Lachsen  fur  sich  wieder  zuriick. 

Dem  vorigen  sehr  ahnlich,  aber  kleiner  ist  U.  sitkensis,  der  Sitkabaiv 
der  auf  der  Insel  Sitkalebt.  Dagegen  ist  der  Kadiakbar,  U.  middendorffi ,  der 
grosste  aller  lebenden  Baren.  Er  kommt  nicht  nur  auf  der  Insel  Kadiak, 
sondern  auch  auf  der  Alaska-Halbinsel,  dem  Prinz  Williamsund  und  den 
Gebirgen  Alaskas  vor.  Die  Farbe  des  Felles  variiert  sehr,  man  findet  alle 
Schattierungen,  von  dunkelbraun  bis  gelbbraun.  Auch  im  Schadelbau  weicht 
er  stark  ab,  besonders  ist  die  Stirn  viel  hoher.  Die  Klauen  sind  sehr  lang  und 
stark.  Das  Tier  ist  sehr  bosartig  und  wird  von  den  Eingeborenen  viel  mehr 
gefurchtet  als  der  Grizzly.  Es  kommen  Felle  von  uber  3  m  Lange  vor.  Er 
ahnelt  im  iibrigen  sehr  dem  U.  beringiani  von  der  anderen  Seite  des  Behrings- 
meeres. 

Sonst  kommen  in  Alaska  noch  U.  merriani  und  U.  kidderi  vor,  braune 
Baren,  die  aber  viel  kleiner  sind. 

Siidlich  von  Alaska,  in  Britisch  Kolumbia,  Oregon  bis  Kolorado,  kommt 
noch  ein  brauner  Bar  vor,  der  Cinnamon  oder  Zimmtbar,  U.  cinnamomeus.. 
Es  ist  dies  ebenfalls  ein  grosses  und  ziemlich  gefurchtetes  Tier.  Der  Name 
diirfte  vielfach  irrefuhrend  sein,  denn  derselbe  wird  auch  einer  braunen  Abart 
des  gewohnlichen  schwarzen  Baren  zugelegt,  wahrend  der  Westkiistenbar 
seinem  ganzen  Charakter  nach  zu  den  braunen  Baren  gehort.  Aus  dem 
Hudsonsbay- Gebiet  kommen  jetzt  jahrlich  etwa  500  braune  Baren,  wahrend 
sonst  in  friiheren  Jahren  bis  1500  kamen.  Von  der  Westkiiste  kommen  etwa 
1000  bis  1500  Stuck  jahrlich.  Der  Wert  diirfte  jetzt  etwa  60  bis  80  Mk.  sein.. 
Vor  40  Jahren  zahlte  man  aber  ca.  500  Mk.  fur  ein  gutes  Fell. 

3.   Schwarze  Baren. 

Viel  verbreitet  sind  die  schwarzen  Baren  in  Amerika.  Die  verbreitetste 
Art  ist  U.  americanus,  der  Baribal,  der  bis  zur  aussersten  Waldgrenze  irrL 


X.  Die  Barenarten.  540, 


Norden  vorkommt,  nach  Osten  bis  an  den  Atlantischen  Ozean  und  im  Westen 
bis  zur  Pacifickiiste  von  Alaska  rcicht,  wo  er  bis  zur  Koniferengrenze  ins 
Gebirge  steigt.  Im  Siiden  geht  sein  Verbreitunsgebiet  bis  ins  sudliche 
Arkansas.  Das  Haar  ist  fein  und  weich,  der  starke  mahnenartige  Haarbusch 
im  Nacken  fehlt.  Die  Schnauzc  und  der  untere  Teil  des  Kopfes  ist  gelbbraun. 
Das  Leder  ist  dlinn  und  geschmeidig.  Der  Schweif  ist  kurz,  etwa  8  cm  lang, 
der  Hals  kurz,  die  Ohren  kurz  und  spitz  und  mit  dichtem  kurzen  Haar  be- 
wachsen.  Das  Fell  ist  5  bis  6  Fuss  lang,  doch  wird  letztere  Grosse  nur  selten 
erreicht.  In  Labrador  wird  er  durch  eine  verwandte  Art  vertreten,  U.  sorn- 
J?orgeri,  der  dort  in  den  eingeschnittenen  Talern  lebt  und  bis  zur  Baum- 
grenze  geht. 

Im  Siiden  der  Vereinigten  Staaten,  von  Louisiana  bis  Texas,  lebt  Ursus 
luteolus,    bedeutend   grosser  als  die  anderen  Arten,    haufig  bis  7  Fuss  lang. 


Barenjagd  in  Alaska. 

Das  Haar  ist  tiefschwarz,  aber  grober  und  wenig  glanzend,  auch  kiirzer,  das 
Leder  schwer  und  dick.  Es  kommen  haufig  rotlichbraune  Exemplare  vor, 
•die  dann  auch  Zimmtbaren,  ,,cinnamonbear",  genannt  werden.  In  den  immer- 
.griinen  Waldungen  Floridas,  den  ,, Everglades",  lebt  U.  floridanus,  ein  kleiner 
schwarzer  Bar,  der  verschiedentlich  anatomisch  von  den  anderen  abweicht. 
Auch  der  in  Britisch  Kolumbia  und  auf  den  Queen  Charlotte  Islands  vor- 
kommende  U.  carlottae  ist  verhaltnismassig  klein.  Die  schonste  aller  Baren- 
arten ist  U.  emmonsii,  der  sich  in  den  Gletschcrregionen  Alaskas,  namentlich 
in  der  Gegend  des  Mount  Elias  auf  halt.  Es  ist  ein  ziemlich  kleines  Tier,  etwa 
5  Fuss  lang,  das  Haar  nicht  sehr  lang  aber  ungemein  fein,  mit  blauschwarzer 
Unterwolle,  im  Haar  verstreut  viele  einzelne  weisse  Haare.  Eine  scharf  ab- 
gesetzte  Linie  iiber  dem  Riicken,  die  Aussenseite  der  Beine  tiefschwarz, 
Seiten  und  Rumpf  schwarz  und  weisssilbrig  vermischt,  Bauch  weisslich,  die 
Backen  und  Schnauze  lohfarbig.  Klauen  klein,  aber  sehr  scharf  und  stark  ge- 
krummt,  schwarz.  Das  Tier  ist  ein  vorziiglicher  Kletterer.  Die  ,,Silberbar" 


550  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

genannten  Felle  sind  nicht  sehr  haufig.  Im  ganzen  kommen  jahrlich  etwa 
4000  schwarze  Baren  von  der  Hudsonsbay  Company  und  etwa  10  ooo  aus  den 
Vereinigten  Staaten  an  den  Markt.  Im  Pelzhandel  werden  die  Felle  des. 
schwarzen  Baren  eingeteilt  wie  folgt:  Armeebaren  (Army  bears),  Pelzbaren 
(furriers),  Cubbaren  (Cubs)  und  Deckenbaren. 

Armee-Baren  sind  grosse  Felle,  ganz  gleichmassig  mittellang  und  dicht 
behaart,  die  Haare  ziemlich  grob,  das  Leder  weich.  Diese  werden  zur  Her- 
stellung  der  Barenmiitzen  fur  die  englische  Garde  gebraucht  und  nnden  sich 
gewohnlich  nur  einige  hundert  Felle  in  der  Auktion.  Fiir  diese  wird  meist 
ein  hoher  Preis  bezahlt,  fruher  iiber  200  Mk.  per  Stuck,  jetzt  wohl  ca.  100  Mk. 
Der  Preis  ist  dafiir  ziemlich  Nebensache,  denn  die  englische  Regierung  zahlte 
fruher  8  Pfund  fiir  jede  Barenmiitze.  Ob  dieser  Preis  jetzt  noch  bezahlt  wird,. 
habe  ich  nicht  erfahren  konnen.  Furriers  sind  meist  mittelgrosse  Felle  mit 
langem,  dichtem  und  feinem  Haar,  die  zu  Konfektionszwecken  verbraucht 
werden.  Der  Durchschnittspreis  betrug  ca.  100  Mk.,  augenblicklich  aber 
weit  weniger.  Cubbaren  sind  die  Felle  junger  Baren,  hochstens  bis  i  Jahr  alt. 
Dieselben  sincl  klein  und  haben  sehr  diinnes  leichtes  Leder  und  feines  weiches 
Haar.  Sie  werden  zu  Konfektionszwecken  verwendet.  Sie  haben  gewohnlich 
ungefahr  den  Preis  der  Furrier felle,  obgleich  sie  nur  etwa  ein  Drittel  so  gross 
sind.  Alle  anderen  Sort  en,  namentlich  die  groben  schweren  siidlichen  Felle 
werden  zu  Teppichzwecken  verwendet,  die  feineren,  so  wie  die  grosseren 
Furriers  auch  zu  Schlittendecken.  Es  wird  bei  Teppichen  darauf  gesehen,  dass. 
die  Felle  komplett  sind,  d.  h.  Schnauze  und  Klauen  vorhanden  sind.  Der  Preis 
ist  30  bis  60  Mk.  Die  Lebensweise  der  schwarzen  Baren  weicht  wesentlich 
von  der  des  Grizzly  und  braunen  Baren  ab. 

Die  schwarzen  Baren  Amerikas  sind  vorwiegend  Vegetarianer.  Brom- 
beeren,  Blaubeeren  und  andere  Beerenarten  sowie  die  in  den  Siidstaaten  so 
haufigen  wilden  Pflaumen,  Persimmons,  Papaws  und  andere  Friichte  sind 
ebenso  beliebt  wie  Hickory-Niisse,  Eicheln  und  Samereien.  Essbare  Wurzeln 
bilden  gleichfalls  einen  grossen  Teil  der  Diat.  Die  Maisf elder  der  Ansiedler 
werden  auch  nicht  verschont.  Daneben  wird  dem  kleinsten  Wilde,  Kafern,. 
Larven,  Insekten  und  Wiirmern  nachgestellt,  wobei  alte  gefallene  Baumstamme 
sorgfaltig  abgesucht  und  umgerollt  werden.  Gelegentlich  fuhlt  Meist er  Petz 
auch  Appetit  auf  Schweinefleisch,  und  holt  sich  ein  feist es  Exemplar,  was. 
ihm  um  so  leichter  fallt,  als  die  Farmer  der  Siidstaaten  ihre  Schweine  frei  im 
Walde  umherlaufen  lassen.  Aas  wird  auch  angenommen.  Wie  alle  Baren  liebt 
auch  der  Baribal  leidenschaftlich  den  Honig  der  wilden  Bienen.  Den  Menschen 
greift  er  nicht  an.  Nur  wenn  eine  Barin  Junge  hat,  ist  es  nicht  gefahrlos,  ihr 
zu  nahe  auf  den  Pelz  zu  riicken.  Auch  sonst,  wenn  direkt  in  die  Enge  getrieben,. 
setzt  sich  der  Bar  energisch  zur  Wehr,  und  ist  dann  mit  seiner  ungeheuren 
Kraft,  den  scharfen  Klauen  und  der  Behendigkeit,  die  man  dem  anscheinend 
plumpen  Gesellen  nicht  zutraut,  ein  sehr  gefahrlicher  Gegner.  Ein  sehr  be- 
liebter  Sport  in  Amerika  ist,  den  Baren  mit  Hunden  zu  hetzen  und  der  Meute 


X.    Die  Barenarten.  551 


zu  Pferde  zu  folgen.  Die  Hunde  sind  darauf  abgerichtet,  den  Baren  nicht  von 
vorn  zu  packen,  sondern  durch  fortwahrende  Belastigung  an  der  Flucht  zu 
hindern.  Baumt  er  auf,  so  wird  er  wohl  von  den  herbeigeeilten  Jagern  herab- 
geschossen,  doch  gilt  es  mehr  sport massig,  den  von  den  Hunden  gedeckten 
Baren  mit  dem  Bowiemesser  abzufangen.  Hierbei  ereignen  sich  nun  gar  nicht 
selten  Ungliicksfalle,  die  meist  todlich  verlaufen.  Von  den  Hunden  miissen 
iibrigens  fast  stets  einige  Ubereifrige  ihre  Kuhnheit  mit  dem  Leben  bezahlen. 
Der  Baribal  macht  iibrigens,  auch  in  die  Enge  getrieben,  sehr  selten  Gebrauch 
von  seinem  sehr  starken  Gebiss,  auch  hort  man  selten,  dass  er  seinen  Gegner 
an  sich  presst  und  erdriickt,  wie  dies  der  europaische  Bar  tut.  Er  begniigt 
sich,  Hiebe  mit  seinen  gewaltigen  Pranken  auszuteilen.  Sobald  ein  soldier 
Hieb  trifft,  geniigt  er  auch. 

Im  Yellowstone-Park,  jener  riesigen  Wildreserve  Amerikas,  wo  kein 
Schuss  abgefeuert  werden  darf,  leben  zahlreiche  Baren,  die  vollkommen 
zahm  geworden  sind.  Nicht  allein,  dass  sie  sich  von  den  Touristen  fiittern 
lassen,  sie  suchen  auch  abends  die  Miillhaufen  der  Hotels  auf,  um  nach 
Nahrungsresten  zu  spiiren,  und  zwar  nicht  nur  die  schwarzen  Baren,  sondern 
auch  die  echten  Grizzly s.  Sehr  amiisant  beschreibt  Roosevelt,  wie  es  haufig 
dabei  vorkommt,  dass  ein  Bar  die  Tatze  in  eine  alte  Konservenbiichse  ein- 
klemmt  und  nun  sehr  beleidigt  umherhumpelt,  bis  er  von  einem  der  Park- 
wachter  mit  dem  Lasso  gefangen  wird  und  die  Biichse  losgeschnitten  wird. 

Die  Baren  beziehen  mit  dem  Eintritt  der  kalten  Jahreszeit  ihr  Winter- 
lager  in  einem  hohlen  Baum,  um  dort  ihren  Winterschlaf  abzuhalten.  Im  Friih- 
jahr  verlassen  sie  dann  diesen  Zufluchtsort  stark  abgemagert.  In  Ermangelung 
geeigneter  hohler  Baume  macht  sich  der  Bar  auch  ein  Lager  in  den  undurch- 
dringlichen  Rohrbriichen.  Die  Jungen  werden  im  Januar  und  Februar  ge- 
boren,  ein  bis  zwei  jedesmal,  und  sind  diese,  wie  bei  alien  Barenarten,  sehr  klein 
bei  der  Geburt  und  wachsen  auch  anfanglich  sehr  langsam.  Erst  nach  3  Jahren 
sind  sie  ausgewachsen.  Die  Barin  liebt  ihre  Jungen  ungemein  und  bleibt  bei 
ihnen,  bis  sie  das  zweite  Lebensjahr  vollendet  haben.  Das  Barenfleisch, 
namentlich  der  j  linger  en  Tiere,  ist  sehr  wohlschmeckend,  und  namentlich 
die  Schinken  und  Tatzen  bilden  einen  gesuchten  Leckerbissen.  Aber  auch  die 
fetten  Barenrippen  sind  in  gebratenem  Zustande  sehr  beliebt.  In  den  Nord- 
staaten  sind  mit  der  zunehmenden  Besiedlung  die  Baren  naturlich  seltener  ge- 
worden, doch  sind  sie  immerhin  in  den  Staaten  noch  geniigend  vorhanden. 
Ihr  Vorhandensein  ist  fast  stets  an  Wald  gebunden  und  sind  sie  vorziigliche 
Kletterer. 

B)Asiatische    Baren. 

i.  Braune  Baren. 

Im  ganzen  Norden  Asiens  kommen  Barenarten  vor,  und  zwar  finden 
sich  gewohnlich  braune  und  schwarze  Baren  in  demselben  Distrikt. 


552  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Der  grosste  und  zugleich  wildeste  aller  asiatischen  braunen  Baren  1st 
der  U.  beringianus,  der  am  unteren  Amur  und  auf  Kamtschatka  lebt  und  auch 
auf  Sachalin  vorkommt.  Er  1st  einfarbig  rotbraun  bis  dunkelbraun  gefarbt, 
mit  sehr  feinem,  dichten  und  langen  Haar,  das  auf  dem  Riicken  haufig  eine 
Lange  von  10  cm  erreicht,  wahrend  die  harten  steifen  Haare  des  schwarzen 
Baren  nie  langer  als  ca.  5  cm  werden.  Er  ahnelt  mit  seinem  ganzen  Habitus 
dem  Kadiak-Baren  und  wird  auch  wie  dieser  von  den  Jagern  und  Eingeborenen 
sehr  gefurchtet,  wahrend  diese  vor  den  Kragenbaren  gar  keine  Scheu  haben. 
Das  Fell  wird  bis  zu  3  m  lang.  Ich  habe  auch  mehrfach  Exemplare  beobachtet. 
die  ganz  wreisse  Krallen  hatten.  Sehr  nahe  steht  ihm  der  auf  Yesso  vor- 
kommende  grosse  braune  Bar,  der  U.  yessoensis,  wenn  er  nicht  idcntisch 


Gesch.  Spezialaufn.  cl.  Neuen  Phot.   Ges. 

Kamtschatkabar. 

mit  ihm  ist.  Temminck  unterscheidet  iibrigens  zwei  Varietaten  des  Yesso- 
baren,  den  er  U.  ferox  nennt,  den  Oho  Kuma  oder  grossen  Baren  und  den 
Feuerbaren  oder  Aka  Kuma,  der  besonders  seiner  Wildheit  halber  ge- 
furchtet sei. 

Siebold  nennt  den  Oho  Kuma  U.  collaris  und  halt  ihn  fur  eine  Ubergangs- 
form  zwischen  dem  Grizzlybaren  U.  ferox  und  dem  europaischen  braunen 
Baren,  U.  arctos.  Es  stimmt  dies  aber  nicht,  da  auch  sein  naher  Verwandter, 
der  Kadiakbar,  U.  middendorffi,  nicht s  mit  dem  Grizzly  zu  tun  hat,  sondern 
ein  echter  brauner  Bar  ist.  U.  collaris  ist  auch  eine  andere  Art,  die  auf  dem 
Festland  in  Sibirien,  der  west  lichen  Mongolei  usw.  vorkommt  und  wesentlich 
kleiner  ist.  Jedenfalls  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  auf  Yesso  zwei  braune 
Barenarten  vorkommen.  Ich  habe  nicht  genug  Felle  gesehen,  um  mir  ein 
Urteil  bilden  zu  konnen.  In  den  Gebirgen  des  eigentlichen  Japans,  besonders 
auf  der  Insel  Hondo,  der  Hauptinsel,  lebt  ein  kleiner  brauner  Bar  von  gleicft- 


X.  Die  Barenarten. 


553 


massig  dunkelbrauner  Farbe,  der  aber  hochstens  4  Fuss  lang  wird  und  durchaus 
nicht  bosartig  1st. 

Es  ist  dies  U.  rexii,  der  vielfach  mil  dem  U.  japonicus  verwechselt  wird. 
Letzterer  ist  aber  schwarz. 

Felle  kommen  wenig  in  den  Handel,  doch  sind  im  Berliner  Zoologischen 
Garten  von  den  verschiedenen  Art  en  lebende  Exemplare. 

Dort  findet  sich  auch  ein  riesiges  Tier  ohne  Stammbaum ,  von  dessen 
Herkunft  kein  Lied  spricht,  denn  er  ist  einem  herumziehenden  Barenfuhrer 
abgekauft.  Es  ist  aber  hochstwahrscheinlich  U.  beringianus  oder  yessoensis. 


gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Japan.  Bar    (Ursus  rexii). 

Auf  Kamtschatka  lebt  noch  eine  andere  braune  Barenart,  die  auch  eine 
recht  erhebliche  Grosse  erreicht,  aber  deren  Far  bung  nicht  so  einfarbig, 
sondern  mehr  meliert  ist,  der  U.  piscator.  Seinen  Namen  hat  er  wohl  davon, 
dass  er  an  flachen  Stellen  der  Flusslaufe  dem  Fischfang  obliegt  und  die  Lachse 
mit  der  Tatze  aufs  Land  wirft.  Es  ist  dies  unter  anderem  auch  von  Kittlitz 
und  spater  von  Radde  beobachtet  worden. 

Im  Norden  Chinas,  in  der  Mandschurei,  Mongolei,  in  Kansu  usw.  lebt  ein 
brauner  Bar,  der  U.  lasiotis,  der  unserm  europaischen  U.  arctos  ahnelt,  aber 
wesentlich  heller  gefarbt  ist,  namentlich  Nacken  und  die  auffallig  langen 
Ohren  sind  sehr  hell. 


554  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Das  Leder  1st  stets  sehr  dick  und  schwer,  weshalb  auch  die  Felle  nicht  viel 
wert  sind.  Die  Tiere  werden  haufig  in  Gefangenschaft  gehalten  und  ziehen 
in  ganz  China  Barenfuhrer  wie  bei  uns  umher,  haufig  auch  noch  in  Gesellschaft 
einerZiege  und  eines  Affen.  Es  sind  stets  U.  lasiotus,  doch  scheint  denTieren 
das  siidliche  Klima  schlecht  zu  bekommen.  Sie  sehen  stets  sehr  herabge- 
kommen  aus,  die  Behaarung  ganz  verfilzt  und  zerfetzt.  Ubrigens  sind  sie 
wesentlich  kleiner  als  U.  arctos.  Noch  heller  gefarbt  ist  der  sogenannte 
Kuldscha-Bar,  U.  isabellinus,  der  haufig  einen  gelblich-grauen  Eindruck  macht, 
Er  kommt  hauptsachlich  im  Himalaya- Gebiet  vor,  in  Afghanistan,  Kaschmir, 
Tibet,  Nepal,  Gilgit,  Ladak  usw.  Im  Sommer  halt  er  sich  zwischen  Waldgebiet 
und  Schneegrenze,  im  Friihjahr  und  Herbst  im  Waldgebiet  in  der  Nahe  der 
Dorfer  und  im  Winter  bis  Anfang  April  halt  er  in  Hohlen  seinen  Winterschlaf . 
Er  ist  ein  ausgesprochener  Vegetarianer,  der  sich  von  Gras,  jungem  Getreide, 
Wurzeln  und  Fnichten  nahrt.  Nur  hochst  selten  nimmt  er  wohl  ein  Schaf 
oder  eine  Ziege.  Den  Menschen  greift  er  nie  an  und  wird  er  haufig  auch  zahm  in 
den  Dor  fern  gehalten. 

Grosser  ist  der  hauptsachlich  in  Tibet  und  den  Gebirgslandern  bis  zum 
Altai  vorkommende  U.  lagomyarius,  der  auch  nicht  so  sanft  ist  wie  der  vorige* 
Seine  Hauptnahrung  sind  u.  a.  Murmeltiere  und  beschreibt  Sven  Hedin> 
wie  er  diese  Tiere  aus  ihren  Bauen  ausgrabt. 

Der  im  siidlichen  Sibirien  bis  zum  Kaukasus  vorkommende  U.  meridio- 
nalis  sieht  dem  U.  arctos  ahnlich,  ist  aber  grosser,  der  Haarwuchs  langer  und 
dichter,  und  die  Farbung  etwas  dunkler.  Der  schon  vorher  erwahnte  U.  collaris, 
der  am  Ural,  Sibirien,  der  westlichen  Mongolei,  dem  Tengri  Nor  usw.  vor- 
kommt,  zeichnet  sich  durch  eine  halsbandahnliche  Zeichnung  aus,  der  er  seinen 
Namen  verdankt. 

Fast  weisslich  sieht  der  am  Libanon,  in  Syrien  usw.  vorkommende  Ursus 
syriacus  aus,  der  auch  kleiner  ist  als  die  andern  asiatischen  braunen  Baren- 
arten  und  meist  sehr  gutartig.  Es  ist  dies  die  Barenart,  von  denen  in  der 
Bibel  erzahlt  wird,  dass  sie  die  unartigen  Knaben,  welche  den  Propheten 
Elias  verhohnten,  auffrassen. 


2.  Schwarze  Baren. 

In  Asien  gibt  es  auch  verschiedene  schwarze  Barenarten.  Die  be- 
kannteste  Art  ist  der  U.  tibetanus,  der  in  Zentralasien  bis  Persien,  ferner  in 
Beludschistan,  Kaschmir,  Assam  usw.  vorkommt.  Es  ist  ein  mittelgrosses 
Tier  mit  etwa  4  cm  langem,  steifem,  glanzenden  Oberhaar  und  wenig 
Unterwolle. 

Im  Winter  ist  das  Haar  auf  den  Schultern  und  dem  Nacken  stark  ver- 
langert.  Am  Unterhals  und  Brust  hat  er  eine  weisse,  halbmondformige 
Zeichnung  und  einen  keilformigen  weissen  Brustfleck. 


X.  Die  Barenarten.  555 


Die  Ohren  sind  lang  und  dicht  behaart,  die  Klauen  kurz  und  gebogen. 
Er  wird  bis  6  Fuss  lang. 

Er  lebt  hauptsachlich  im  Waldgebiet  und  geht  bis  1200  Fuss  Meereshohe* 
Nachtlich  besucht  er  haufig  die  Garten  und  Getreidefelder  der  Eingeborenen, 
wo  er  grossen  Schaden  anrichtet.  Er  frisst  Aas  und  totet  haufig  Ziegen, 
Kinder,  Ponys  usw.  Auch  totet  er  durchaus  nicht  selten  Eingeborene,  da  er 
viel  bosartiger  ist  als  der  in  gleicher  Gegend  vorkommende  braune  Bar.  Der 
,,Bhalu",  wie  er  in  Indien  genannt  wird,  erfreut  sich  daher  auch  keiner  be- 
sonderen  Beliebtheit.  Er  halt  nur  gelegentlich  Winterschlaf. 

In  Turkestan,  Tibet  und  dem  Pamir  wird  er  durch  den  U.  leuconyx 
vertreten,  der  etwas  kleiner  als  der  vorige  ist  und  eine  abweichende  Zeichnung 
der  weissen  Brustmarkierung  zeigt.  Auch  er  lebt  hauptsachlich  zwischen 
2000  bis  4000  m  Meereshohe.  In  diesen  menschen-  und  wildarmen  Gegenden 
musste  er  oft  Not  leiden,  da  die  dort  lebenden  wilden  Yaks  so  wehrhaft  und 
die  wilden  Esel  zu  flink  sind,  ebenso  die  Antilopen.  Seine  Hauptnahrung  sind 
deshalb  die  zahlreich  vorhandenen  Murmeltiere,  zu  denen  sich  gelegentlich 
ein  Schaf  oder  lahmgewordener  Pony  aus  den  Herden  der  Tibetaner  gesellt, 
sowie  gelegentlich  ein  gefundener  Kadaver. 

In  Ostsibirien,  Kamtschatka,  Sachalin,  Korea  und  auf  Yesso  lebt  eine 
andere  Art  Kragenbar,  wahrscheinlich  U.  torquatus.  Diese  Art  ist  bedeutend 
grosser  als  der  tibetanische  Halsbandbar  und  wird  haufig  iiber  7  Fuss  lang. 
Das  Haar  ist  kurz,  dicht  und  grob.  Im  nordlichen  China,  in  der  Mandschurei, 
Mongolei,  Kansu  und  Chinesisch  Turkestan  kommt  ebenfalls  ein  schwarzer 
Bar  von  ansehnlicher  Grosse  vor,  der  aber  nur  das  einfache  weisse  halbmond- 
formige  Halsband  hat,  ohne  den  keilformigen  weissen  Brustfleck.  Die  Hals- 
haare  sind  langer  und  starker,  auch  dichter,  und  bilden  zu  beiden  Seiten  des 
Halses  eine  Art  Mahne.  Die  Chinesen  machen  zwischen  braunen  und  schwarzen 
Bar  en  keinen  Unterschied  und  nennen  sie  beide  Jje  Jung. 

Auf  Japan  lebt  auf  der  Hauptinsel  Hondo  sowie  auf  der  Insel  Kiushiu 
ein  mittelgrosser  Kragenbar,  der  U.  japonicus,  der  aber  kleiner  ist  als  sein 
tibetanischer  Verwandter.  Noch  kleiner  und  wohl  der  kleinste  der  asiatischen 
schwarzen  Baren  ist  der  auf  Formosa  vorkommende  U.  formosanus,  der  sich 
auch  in  Siidjapan  findet.  Das  Fell  ist  selten  langer  als  4  Fuss. 

Beide  Arten  gelten  iibrigens  als  gutmiitig. 

Die  Lebensweise  der  ostasiatischen  Baren  ist  sehr  verschiedenartig  und 
richtet  sich  nach  den  einzelnen  Gegenden  und  Arten. 

So  sind  z.  B.  die  braunroten  Baren  Kamtschatkas  und  Sachalins  uws., 
der  U.  beringianus  und  der  £/.  yessoensis  auf  Yesso,  die  uberwiegend  Fleisch- 
fresser  sind,  ungemein  bosartig  und  von  den  Eingeborenen  sehr  gefurchtet. 
Andererseits  ist  U.  torquatus  gar  nicht  gefurchtet,  wahrend  sein  naher 
Verwandter,  der  U.  tibetanus,  im  mittleren  Asien  und  dem  Himalaya-Gebiet, 
ein  gefahrlicher  Bursche  ist.  Bei  fast  alien  Baren  ist  die  Nahrung  uberwiegend 
aus  Pflanzenstoffen  bestehend,  namentlich  aus  den  haufig  vorkommenden 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


wilden  Beerenfriichten,  wilden  Apfeln,  Niissen,  Zederniisschen  und  andercn 
Nadelholzsamer  eien  . 

Fische  sind  sehr  beliebt.  Nach  dem  Laichen  bedecken  oft  grosse  Mengen 
der  erschopften  Lachse  die  Ufer  des  Amurs  und  der  kamtschadalischen  Fltisse, 
und  dann  finden  sich  stets  Baren  ein,  die  dem  reich  gedeckten  Tisch  fleissig 
zusprechen.  Auch  sonst  liegen  die  Baren  an  flachen  Stellen  des  Flusses  eifrig 
dem  Fischfang  ob,  indem  sie  die  Fische  mil  der  Tatze  aufs  Land  schleudern. 
Schon  Chamisso  und  Kittlitz  haben  dies  beobachtet.  Der  Honig  der  wilden 
Bienen  ist  wie  uberall  auch  bei  den  asiatischen  Baren  ungemein  beliebt.  Petz 
verschmaht  aber  auch  das  Kleinwild  nicht  und  untersucht  abgestorbene 
und  umgestiirzte  Baume  aufs  eifrigste  nach  Kafern,  Larven  usw.  Fleisch- 
nahrung  wird  auch  durchaus  nicht  verschmaht,  und  wenn  die  Beeren  und 
Friichte  knapp  sind,  raumt  der  Bar  unter  dem  Wild  und  dem  sparlichen  Haus- 
tierbestand  der  Eingeborenen  und  Ansiedler  scharf  auf.  Mit  Einbruch  des 
Winters  sucht  sich  der  Bar  stets  ein  Winterquartier,  und  zwar  wenn  moglich, 
in  hohlen  Baumen.  Sind  solche  nicht  in  erforderlicher  Grosse  vorhanden,  so 
nimmt  er  auch  mit  Hohlen  oder  Felsspalten  vorlieb. 

Er  bezieht  das  Quartier  meist  ungemein  fett,  um  es  im  Friihling  abge- 
magert  und  hungrig  zu  verlassen. 

In  den  siidlicheren  Gegenden  wird  der  Winterschlaf,  der  dort  an  und 
fur  sich  kiirzer  ist,  noch  haufig  unterbrochen. 

Auch  in  Ostsibirien  sollen  nach  Radde  einzelnc  Baren  keinen  Winter- 
schlaf halten,  sondern  umherschweifen,  und  gerade  diese  sollen  den  Menschen 
sehr  gefahrlich  sein  und  ungereizt  angreifen.  Die  Eingeborenen  erzahlen,  dass 
solche  Tiere  durch  Wiirmer  zur  Raserei  getrieben  werden. 

Bei  den  Gilyaken  und  den  Ainos  herrscht  die  Sitte,  dass  in  jedem  Dorfe 
mindestens  ein  junger  Bar  gefangen  gehalten  und  gemastet  wird.  Wahrend 
der  Gefangenschaft  wird  ihm  namentlich  bei  den  Ainos  hohe  Verehrung 
zuteil,  doch  verhindert  dies  nicht,  dass  er  am  Ende  des  Jahres  unter  grossen 
Zeremonien  getotet  und  verspeist  wird.  Die  Schadel  werden  auf  einem  Pfahl 
am  Eingang  des  Dorfes  aufgepflanzt.  Auch  die  Tungusen  begegnen  dem 
Baren  mit  grossem  Respekt,  wahrend  die  Burjaten,  Mongolen  und  Tibetaner 
wenig  Umstande  mit  ihm  machen.  Die  Ainos  entwickeln  bei  der  Barenjagd 
hervorragenden  Mut,  trotz  ihrer  schlechten  Waff  en.  Auch  Gilyaken  sind 
meist  schlecht  mit  Feuerwaffen  versehen,  wahrend  die  Kamtschadalen  gute 
Winchester  Repetiergewehre  oder  Mauserbiichsen  haben,  die  sie  hoch  bezahlen. 
Auch  bei  den  Burjaten  findet  man  gute  Hinterlader.  Das  Barenfleisch  wird 
uberall  gern  gegessen  und  dem  Barenfett  grosse  Heilkraft  zugeschrieben. 
Namentlich  in  der  Wundbehandlung  spielt  Barenfett  bei  alien  Eingeborenen 
eine  grosse  Rolle.  Bekanntlich  schreibt  man  auch  bei  uns  dem  Barenfett 
grosse  Heilwirkung  als  Haarwuchsmittel  zu. 

Ungemein  stiirmisch  ist  das  Liebeswerben  der  Baren,  und  sprode 
Weibchen  sollen  nicht  selten  von  dem  ergrimmten  Mannchen  getotet  werden. 


X.  Die  Barenarten. 


Der  Bar  lebt  stets  monogam,  das  Weibchen  bringt  im  Friihjahr,  haufig  noch 
wahrend  des  Winterlagers,  ein  bis  zwei  Junge  zur  Welt,  die  sehr  klein  sind 
und  auch  lange  klein  bleiben.  Sie  werden  von  der  Mutter  sehr  zartlich  bewacht 
und  bleiben  auch  bei  ihr,  bis  sie  ziemlich  ausgewachsen  sind.  Die  Europaer 
in  Wladiwostok  und  anderen  sibirischen  Stadten  halt  en  oft  junge  Baren 
die  ungemein  drollige  Tiere  sind,  zur  Kurzweil  auf  dem  Hofe.  So  sah  ich  auf 
dem  Gehoft  der  deutschen  Firma  Langeliittje  zwei  junge  schwarze  und  zwei 
braune  Baren,  die  mit  einem  jungen  Tiger  spielten.  Bei  zunehmendem  Alter 
werden  sie  aber  meist  bosartig  und  werden  dann  nach  Europa  gesendet  oder 
getotet. 

Ein  zuverlassiger  Spielkamerad  ist  ein  ausgewachsener  Bar  niemals, 
und  schon  deshalb,  weil  man  ihm  seine  augenblickliche  Gemutsstimmung 
nie  ansieht.  Die  Tierbandiger  betrachten  deshalb  die  Vorfuhrung  von  Baren 
als  gefahrlicher  wie  die  von  Lowen  und  Tigern. 

Zu  meiner  Zeit,  1891 'und  1894,  waren  iibrigens  Baren  in  der  nachsten 
Umgebung  von  Wladiwostock  nicht  selten. 

Es  ist  schwer,  festzustellen,  wieviel  Felle  von  den  asiatischen  Barenarten 
in  den  Handel  kommen,  doch  glaube  ich  nicht,  dass  aus  ganz  Ostasien  inkl. 
Ostsibirien  und  Kamtschatka  mehr  als  1000  Felle  im  Jahre  an  den  Markt 
kommen.  Der  Wert  schwankt  zwischen  20  und  120  Mk. 

Die  Felle  aus  Tibet  kommen  teils  iiber  die  chinesische  Provinz  Szechuen 
in  den  Verkehr,  teils  werden  sie  in  Darjeeling,  Simla  usw.  an  Touristen  ver- 
kauft,  doch  diirfte  die  Zahl  einige  hundert  jahrlich  nicht  iibersteigen.  Die 
Felle  aus  dem  nordlichen  Zentralasien  finden  ihren  Weg  nach  den  sibirischen 
Messen.  Von  U.  collaris  und  meridionalis  kommen  aus  Sibirien  aber  jahrlich 
wohl  5  bis  6000  an  den  Markt. 


C)Europaische    Baren. 

Von  unserem  europaischen  Baren,  dem  U.  arctos,  unterscheidet  man  zwei 
Hauptarten,  den  U.  arctos  formicarius  und  U.  arctos  cadaverinus.  Der  erstere 
lebt  hauptsachlich  in  Russland,  Siebenbiirgen,  den  Karpaten,  Krain,  Kroatien, 
einzelnen  Teilen  Galiziens,  ferner  auf  der  Balkanhalbinsel,  Griechenland, 
Italien.  Auch  in  der  Schweiz  findet  sich  ab  und  zu  ein  Bar.  Noch  vor  25  Jahren 
waren  sie  im  Engadin  nicht  selten,  und  kam  es  wohl  vor,  dass  ein  Tourist  oder 
Badegast  auf  seinem  Abendspaziergang  einen  Baren  treffen  konnte.  Jetzt 
haben  sich  die  letzten  in  die  unzuganglichen  Gebirgswaldungen  zwischen 
Maloja  und  Italien  zuriickgezogen.  Auch  die  in  den  Pyrenaen  und  der  Sierra 
Madre  usw.  in  Spanien  noch  ziemlich  haufigen  Baren  sollen  dieser  Art  an- 
gehoren,  doch  wird  von  einigen  Forschern  angenommen,  dass  diese  dem  Atlas- 
baren,  U.  crowtheri  naher  stehen.  Die  andere  Art,  U.  arctos  cadaverinus,  lebt 
hauptsachlich  in  Skandinavien,  Finnland  und  Russland.  Die  Unterschiede 
zwischen  beiden  Arten  sind  eigentlich  noch  nicht  recht  festgestellt,  namentlich 


5 58  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

da  die  Farbung  der  Baren  so  sehr  variiert.  Man  nimmt  an,  dass  der  U.  arctos 
formic arius  im  allgemeinen  dunkler  gefarbt  ist,  der  cadaverinus  heller.  Man 
findet  die  reichsten  Farbennuancen  von  schwarzbraun  bis  dunkelrotbraun 
und  schwarzgrau  meliert  bis  hell  silbergrau.  Der  skandinavische  Bar  ist  lang- 
beiniger  und  hat  einen  langer  gestreckten  Schadel,  aber  hoher  gewolbte  Stirn. 
Der  andere  ist  kurzbeinig,  breitkopfig,  flachstirnig  und  hat  auch  einen  kiirzeren 
Schwanz.  Die  Baren  sehen  schlecht,  wittern  aber  scharf  und  haben  auch 
trotz  der  kurzen  Ohren  ein  gutes  Gehor. 

Das  Fell  erreicht  eine  Lange  von  2  m  und  wiegt  ein  ausgewachsener 
Bar -liber  5  Zentner.  Vorwiegend  ist  er  Pflanzenfresser,  aber  er  stellt  auch 
den  Her  den  vielfach  nach,  und  wie  in  Amerika  und  Asien  so  sind  auch  in 
Europa  die  Baren,  die  viel  Fleischnahrung  zu  sich  nehmen,  auch  die  gefahr- 
licheren  und  wilderen.  Der  Bar  halt  sich  meist  in  dichten,  schwer  zuganglichen 
Bergwaldungen  auf  mit  moglichst  vielen  Beerenstrauchern.  Sein  Lager  schlagt 
er  in  Felsspalten  oder  Hohlen  unter  Baumwurzeln  auf.  Von  hier  aus  unter- 
nimmt  er  haufig  grosse  Wanderungen  und  richtet  grossen  Schaden  an,  teils 
an  den  Haustieren,  da  er  auch  eventuell  die  Stallturen  erbricht,  teils  an  dem 
reifenden  Getreide,  den  Obstgarten  und  Bienenstocken,  da  seine  Vorliebe 
fur  Honig  ja  spriichwortlich  ist.  Ziegen  und  Kiihe  auf  der  Weide  werden 
iiberfallen  und  im  Ural  sollen  die  Pferdeherden  unter  den  Angriffen  der  Baren 
viel  zu  leiden  haben.  Wo  deshalb  ein  Bar  gespiirt  wird,  wird  eifrig  Jagd  auf  ihn 
gemacht,  entweder  Treibjagd  oder  Bursche.  Auf  seinen  Wanderungen  gibt 
es  wenig  Hindernisse,  die  ihn  aufhalten  konnen.  Er  iiberkreuzt  reissende 
Strome,  denn  er  ist  ein  ebenso  vorzuglicher  Schwimmer  als  Kletterer,  was 
man  dem  plumpen  Gesellen  nicht  zutrauen  diirfte.  Das  Fleisch,  das  uberall 
sehr  gern  gegessen  wird,  und  das  Fell  machen  ihn  auch  zu  einer  wertvollen 
Jagdbeute.  Im  Winter  kommen  viele  erlegte  Baren  auf  den  russischen 
Markten  zum  Verkauf,  und  auch  in  Delikatessgeschaften  Berlins  usw.  ist  er 
im  Winter  nicht  selten.  Er  halt  regelmassig  Winterschlaf  und  sucht  die  Barin 
das  schiitzende  Obdach  schon  im  November,  wahrend  der  Bar  bis  Mitte 
Dezember  umherschweift.  Die  Paarungszeit  ist  Mai,  Juni;  die  sehr  kleinen 
Jungen  werden  noch  in  der  Winterhohle  geboren.  Der  Bar  wird  haufig  ge- 
zahmt  und  als  Tanzbar  namentlieh  auf  dem  Lande  gezeigt,  gilt  auch  allgemein 
als  gutmiitiger  drolliger  Bursche,  ist  aber  durchaus  nicht  so  gutmiitig  als  er 
aussieht, 

Im  18.  Jahrhundert  gehorte  es  in  England  und  Frankreich  zu  den  Volks- 
belustigungen,  Baren  mit  Bullenbeissern  kampfen  zu  lassen  ,,bearbaiting", 
wahrend  in  Spanien  noch  heute  gelegentlich  Kampfe  zwischen  Baren  und 
Stieren  veranstaltet  werden. 

In  den  Handel  diirften  jahrlich  nicht  mehr  als  1500  bis  2000  europaische 
Barenfelle  kommen,  da  die  meisten  der  glucklichen  Schiitzen  das  Fell  als 
Trophae  behalten.  Der  augenblickliche  Wert  eines  Felles  diirfte  30  bis  40 
Mark  sein. 


X.  Die   Barenarten. 


D)    Andere    Barenarten. 

Auch  in  A  f  r  i  k  a  lebt  eine  Barenart,  und  zwar  im  Atlas-Gebirge 
und  seinen  Auslaufern.  Es  ist  dies  U.  crowtkeri,  ein  ziemlich  kleiner 
brauner  Bar  von  heller  Farbung,  der  aber  sehr  selten  ist.  Ich  habe  niemals 
Felle  da  von  zu  Gesicht  bekommen,  und  kommt  er  auch  wohl  nirgends  im 
Handel  vor;  sein  Vorkommen  wird  jetzt  iiberhaupt  bezweifelt.  Bei  den 
alten  Romern  soil  diese  Gattung  aber  sehr  bekannt  gewesen  sein,  und 
wurden  die  meisten  in  den  Tierkampf  en  benutzten  Baren  aus  Afrika  und  dem 
Libanon  import iert.  Im  romischen  Zirkus  mussten  sie  dann  mit  Stieren, 
Auerochsen,  Molosserhunden  oder  Gladiatoren  kampfen,  und  brachte  man 
an  einem  Tage  1000  Baren  in  die  Arena.  Es  wird  aber  neuerdings  sehr  be- 
zweifelt, ob  das  wirklich  U.  crowtheri  gewesen  sind.  Von  sonstigen  Barenarten 
ware  noch  zu  erwahnen  der  Lippenbar,  Melursus  ursinus,  englisch  Slothbear, 
franzosisch  ours  jongleur.  Er  findet  ich  in  ganz  Indien,  vom  Fusse  des 
Himalayas  bis  nach  Ceylon,  und  ist  uberall  haufig.  Es  ist  ein  ziemlich  kleines 
Tier,  dessen  Fell  wohl  kaum  je  iiber  5  Fuss  lang  wird.  Das  Haar  ist  lang, 
dicht,  schwarz  und  ziemlich  seidig.  An  den  Schultern  bildet  es  eine  Mahne,  auf 
dem  Riicken  2  grosse,  wulstige  Haarbiischel,  wie  ein  Hocker.  Auf  der  Brust 
ist  eine  schmale  hufeisenartige  weisse  Zeichnung;  die  Schnauze  ist  riisselartig 
verlangert.  Die  langen  scharfen  Klauen  sind  weiss.  Im  ganzen  macht  er 
einen  plumpen  Eindruck,  der  ihm  wohl  auch  zusammen  mit  der  langen  Be- 
haarung  den  englischen  Namen  Slothbear,  d.  h.  Faultierbar  verschafft  hat. 
Die  Beine  sind  kurz  und  dick,  der  Leib  plump  und  schwerfallig.  Er  bewegt 
sich  auch  meist  langsam  und  gemachlich,  nur  wenn  erregt,  setzt  er  sich  in 
in  einen  schnellen  Trab.  Er  lebt  in  den  Wald-und  Hiigelregionen,  namentlich 
dem  sogenannten  Terai,  und  bewohnt  Felshohlen  oder  ein  Lager  im  dichten 
Dschungel.  Auf  Baume  klettert  er  schlecht.  Er  geht  nachtlich  auf  Raub  aus, 
in  einsamen  Gegenden  aber  auch  am  Tage.  Seine  Hauptnahrung  bilden 
Friichte,  Wurzeln,  Insekten,  unreifes  Getreide  usw.  Bienen  und  deren  Honig 
bilden  seine  Lieblingsnahrung.  Auch  grabt  er  die  Termitenhiigel  und 
Ameisenhaufen  mit  seinen  scharfen  Klauen  auf,  und  holt  die  Insassen  mit  der 
Zunge  heraus,  wobei  ihm  seine  riisselfdrmige  Schnauze  gute  Dienste  leistet. 
Auch  in  den  Zuckerrohrpflanzungen  richtet  er  grossen  Schaden  an.  Im  all- 
gemeinen  ist  er  scheu,  doch  greift  er  gar  nicht  selten  Menschen  an,  namentlich 
wenn  er  Junge  bei  sich  hat,  oder  plotzlich  erschreckt  wird.  Einzelne 
Exemplare  sollen  iibrigens  stets  von  bosar tiger  Gemiitsart  sein.  Jedenfall 
verlieren  jahrlich  eine  ganze  Menge  Menschen  ihr  Leben  durch  die  Baren.  Der 
Lippenbar  totet  iibrigens  nicht  durch  Umarmung  wie  die  meisten  Barenarten, 
sondern  braucht  Zahne  und  Klauen,  und  schlagt  mit  den  Pranken  vorzugsweise 
nach  dem  Gesicht  des  Gegners.  Die  Eingeborenen,  namentlich  die  Singhalesen 
furchten  ihn  sehr.  Es  sollen  jahrlich  1000  bis  1500  Lippenbaren  in  Indien 
getotet  werden,  doch  kommen  wenig  in  den  Handel,  trotzdem  das  Fell  sehr 
schon  ist.  Das  meiste  bleibt  als  Trophae  in  den  Handen  des  gliicklichen 


560  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Shikarees.  Das  Fleisch  wird  liberal!  gern  gegessen,  und  das  Fett  als  Arznei- 
mitt  el  verwendet. 

Als  den  Clown  unter  den  Baren  kann  man  den  Malayenbaren 
(U.  malayanus)  bezeichnen,  den  ,,Bruan"  der  Malay  en.  Es  ist  ein  kleines, 
plump  gebautes  Tier,  von  dunkelschwarzbrauner  Farbung  mit  breiter,  hell- 
brauner  Schnauze,  kleinen  Ohren,  dickem  Kopf,  grossen  Tatzen  mit  langen 
Krallen.  Er  bewohnt  Malakka,  einige  Teile  von  Indochina  und  die  grossen 
Sundainseln,  halt  sich  nur  in  den  Waldungen  auf  und  klettert  vorzugsweise. 
Er  ist  ausschliesslich  Fruchtfresser,  der  aber  gelegentlich  den  Pflanzungen 
unerwiinschte  Besuche  abstattet  und  namentlich  in  den  Kakaopflanzungen 
grossen  Schaden  anrichtet,  da  er  das  susse  Fruchtfleisch  der  gurkenformigen 
Friichte  sehr  liebt. 

In  der  Gefangenschaft  wird  er  ganz  zahm.  Die  4  Exemplare  des  Berliner 
Zoologischen  Gartens  machen  einen  ungemein  drolligen  Eindruck.  Sie  sitzen 
meist  in  einer  Reihe  aufrecht  am  Gitter  und  betteln,  dabei  den  Zuschauern 
mit  den  Tatzen  winkend  und  freundlich  mit  den  Kopf  en  nickend.  Der  Gesichts- 
ausdruck  ist  von  unwiderstehlicher  Komik.  Raffles  hielt  einen  Malay enbar  in 
der  Gefangenschaft,  der  mit  Vorliebe  Wein  und  Champagner  trank.  Das  Fell 
ist  fur  den  Handel  vollkommen  wertlos. 

In  Sudamerika  leben  auch  mehrere  kleine  Barenarten.  So  Tremarctos 
ornatus  im  Gebirge  Chiles  und  Boliviens,  Tr.  majori  in  den  Waldungen  Ecuadors 
und  Columbiens,  Tr.  jrugilegus  in  Peru.  Sie  sind  ziemlich  selten,  so  dass  ich 
auch  kein  Exemplar  da  von  zu  Gesicht  bekommen  habe.  Fur  den  Pelzhandel 
haben  die  Felle  keine  Bedeutung. 


XI. 

Verwandte  der  Barenarten. 


a)  Waschbaren. 


Am  nachsten  stehen  den  Baren  die  verschiedenen  Arten  der  Waschbaren, 
im  Pelzhandel  Schuppen  genannt,  engl.  racoon,  franz.  marmotte. 

Am  verbreitesten  1st  die  Art  Procyon  lotor,  deren  Verbreitungsbezirk 
von  Kanada  bis  nach  Georgien  und  westlich  bis  zu  den  Rochy  Montains  reicht. 
Der  Schweif  ist  kleiner  als  der  Korper  und  mit  regelmassigen  schwarzen 
Ringen  geziert,  zylindrisch  buschig  wollig,  nach  der  Spitze  zu  nur  wenig 
auslaufend. 

Die  Grundfarbe  des  Oberhaares  ist  gelblichgrau  schwarzlich  geringelt. 
Dazwischen  sind  langere  weisse  und  schwarze  Haare.  Die  Unterwolle  ist  sehr 
dicht  und  weich,  blaulichgrau,  auf  den  Wangen,  der  Schnauze  und  hinter  den 
Backen  sind  schwarze  Flecke,  dariiber  weisse  Streifen.  Die  Fiisse  sind  schwarz, 
mit  diinnen  Streifen  Haar.  Alle  Schuppen  sind  Sohlenganger.  Die  Lange 
variiert  von  60  bis  80  cm,  wozu  der  Schwanz  mit  15  bis  25  cm  Lange  kommt. 
Die  Nase  ist  scharfspitzig  und  schwarz. 

Die  besten  Felle  kommen  aus  Wiskonsin  und  Illinois,  gross,  rauch,  weich 
von  heller  blaulicher  Farbe.  Dann  kommen  die  von  Mischigan,  etwas  kleiner 
aber  rauch  und  dunkler  gefarbt.  Mittelqualitaten  liefert  Missouri  nament- 
lich  der  zentrale  Distrikt  von  New  Madrid,  welcher  einen  Zentralpunkt 
fur  die  Trapper  bildet,  denn  dicht  dabei  bildet  eine  mit  fast  undurchdringlichem 
Urwaldbestand  und  Rohrbriichen  erfullte,  durch  ein  Erdbeden  verursachte 
Erdsenkung  ein  Eldorado  fur  die  Pelztiere.  Die  New  Madridschuppen  sind 
sofort  an  der  Bearbeitung  kenntlich,  denn  sie  sind  stark  gestreckt  und  ganz 
regelmassig  viereckig  aufgespannt.  Aus  Kentucky,  Arkansas  usw.  kommen 
grobe  hellfarbige  Felle.  In  den  Walddistrikten,  namentlich  den  nordlichen 
Gegenden  kommen  verhaltnismassig  haufig  sogenannte  schwarze  Schuppen, 
bei  denen  die  weissen  und  gelben  Grannenhaare  fast  ganzlich  fehlen,  vor. 
Es  ist  dies  aber  keine  besondere  Art,  sondern  sogenannte  melanotische  Varie- 
taten,  die  sich  haufig  auch  im  Wurf  der  gewohnlich  gefarbten  Schuppen 
finden.  Albinos  sind  dagegen  selten.  Diese  schwarzen  Schuppen  werden  hoch 
bezahlt,  namentlich  fur  den  russischen  Markt. 

In  Siidgeorgien  und  Florida  kommt  Pr.  elucus  vor,  der  bedeutend 

36* 


564  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

grosser  ist  als  der  vorige.  Der  Schweif  1st  langer,  die  Ohren  mehr  rund,  die 
Farbe  variiert,  auf  der  Unterseite  meist  mausgrau,  Oberhaar  auf  dem  Riicken 
abwechselnd  stumpfgelb  und  schwarz  geringelte  Grannen.  Auf  den  Schultern 
grosse  Flecken  orangegelb  und  rostfarbene  Wange,  Kehle  und  Schwanzwurzel 
ockergelb.  Das  Haar  ist  grob  und  nicht  sehr  dicht. 

Sehr  verbreitet  ist  auch  Pr.  hernandezi,  der  von  Texas  und  dem  nord- 
lichen  Mexiko  bis  zur  Pacifickiiste  lebt,  und  dort  nordwarts  bis  zum  Puget- 
sund  geht.  Er  ist  viel  grosser  als  Pr.  lotor,  der  Schweif  lauft  spitz  zu  und  die 
schwarzen  Ringe  sind  nur  halb  so  breit  als  die  rostroten  Zwischenraume.  Die 
Farbe  ist  sonst  ahnlich  dem  gewohnlichen  Waschbar,  aber  durch  die  schmalen 
Schweif ungen  und  die  grossen  dunkelbraunen  Fiisse  leicht  zu  unterscheiden. 
Das  Haar  ist  grob. 

In  Kalifornien  findet  man  noch  Pr.  psora,  kleiner  als  der  vorige  und  hell- 
farbig.  In  der  Coloradowiiste  lebt  ein  Waschbar,  Pr.  pallidus,  mittelgross, 
hellfarbig  blaugrau,  ohne  irgend  welche  gelbe  Haare.  An  der  Westkiiste  von 
Pugetsund  bis  nach  Cascade  Mountains  in  Britisch  Columbia  lebt  Pr.  proteus, 
die  grosste  Art  von  alien,  der  eine  Lange  von  ca.  125  cm  erreicht,  wovon 
etwa  30  cm  auf  den  Schweif  kommen.  Er  ist  dunkelgelbgrau  mit  schwarz 
gemischt,  unten  bleigrau  mit  weissen  Haaren  untermischt.  Die  schwarzen 
Ringe  auf  dem  Schweif  sind  fortlaufend  in  selben  Zwischenraumen  mit  schwarz 
untermischt.  Im  Hudsonsbay-Gebiet  kommen  auch  noch  einige  Schuppen  vor, 
die  wohl  eine  eigene  Art  bilden,  sie  sind  sehr  gross  und  graubraun,  ahneln  dem 
Pr.  pacificus,  bilden  aber  wohl  eine  eigene  Art,  die  ich  vorschlage,  Pr.  hud- 
sonicus  (Anmerkung:  Dieser  Name  ist  inzwischen  in  der  Literatur  als 
Pr.  hudsonicus  brass  angewendet)  zu  nennen.  Es  kommen  aber  hochstens 
300  bis  400  da  von  jahrlich  in  den  Handel,  wahrend  die  Zahl  der  Schuppen  aus 
den  Vereinigten  Staaten  jahrlich  ca.  200  oooo  Stuck  zum  Export  nach 
Europa,  in  diesem  Jahre  aber  liber  400  ooo  Stuck  betragt,  daneben  werden  wohl 
eben  so  viel  im  Lande  selbst  verbraucht.  Namentlich  Kanada  und  der  Westen 
der  Vereinigten  Staaten  ist  Abnehmer  zur  Herstellung  von  Herrenpelzen.  Es 
werden  dazu  aber  meist  die  geringeren  leichten  Sorten  verwendet.  In  Europa 
hat  die  Fabrikation  von  Schuppenpelzen,  die  fruher  stark  zu  Reisepelzen 
Verwendung  fanden,  langst  aufgehort.  Hier  werden  dieselben  meist  schwarz 
oder  skunkartig  gefarbt  und  zu  S  tolas,  Muff  en  usw.  verarbeitet,  auch  in 
naturellem  Zustande  werden  sie  zu  diesen  Zwecken  genommen.  Fruher,  als 
Biberfelle  sehr  modern  waren,  wurde  eine  sehr  gute  Imitation  aus  Schuppen- 
iellen,  denen  die  Grannenhaare  ausgerupft  waren,  hergestellt.  Auch  wurden 
diese  gerupften  Felle,  dunkel  geblendet  und  mit  weissen  eingesetzten  Spitzen 
versehen,  eine  sehr  gute  Imitation  des  Seeotter.  Ab  und  zu  werden  noch 
jetzt  Herrenpelzkragen  derart  hergestellt.  Der  Wert  der  Felle  ist  etwa  3  bis 
20  Mk  pro  Stuck,  die  schwarzen  Schuppen  werden  auch  mit  20  Mk.  und 
mehr  pro  Stuck  bezahlt.  (Im  Marz  1910  wurde  ein  Loos  Schuppen  mit  60  sh 
pro  Stuck  bezahlt,  ein  Rekord). 


XI.  Verwandte  der  Barenarten.  565 

Ein  kleiner  Waschbar,  Pr.  pygmeus,  kommt  noch  aus  Jukatan  und  auf  den 
Bahamas-Inseln  lebt  noch  Pr.  maynardi.  Diese  Art  en  sind  aber  selten  und 
haben  fur  den  Pelzhandel  gar  keine  Bedeutung.  Auch  der  in  Siidamerika 
am  Guatemala  bis  Paraguay  haufig  vorkommende  Pr.  cancrivorus  spielt  im 
Pelzhandel  gar  keine  Rolle. 

Das  Tier  ist  bedeutend  grosser  als  sein  nordamerikanischer  Vetter  und 
erreicht  die  Grosse  eines  Fuchses.  Der  Schwanz  ist  aber  kiirzer.  Das  Haar  ist 
dicht,  aber  kiirzer  als  bei  dem  nordamerikanischen  Waschbar,  das  Unterhaar 
rotlichgrau,  das  Grannenhaar  heller  mit  schwarzen  Spitzen,  auf  Riicken  und 
Kreuz  am  dunkelsten.  Der  Bauch  gelbgrau,  die  Beine  braun,  die  Pfoten  haar- 
los,  Schweif  gelbgrau  mit  breiter  schwarzer  Spitze,  und  4  bis  5  dunklen  Haar- 
bunden.  Die  Schnauze  ist  lang  und  spitz,  das  Tier  macht  einen  viel  schlankeren 
Eindruck  als  sein  nordischer  Vetter. 

Alle  Waschbaren  sind  Sohlenganger,  wie  die  echten  Baren,  sind  aber 
viel  gewandter  als  diese  und  wissen  sich  sowohl  auf  ebener  Erde  wie  auf  den 
schwankenden  Baumzweigen  mit  gleicher  Gewandheit  zu  bewegen.  Seine 
Pfoten  weiss  der  Schuppen  mit  affenartiger  Geschicklichkeit  zu  benutzen, 
wie  er  iiberhaupt  in  seinem  ganzen  Wesen  viel  affenartiges  hat.  Er  stellt  sich 
auch  oft  auf  die  Hinterbeine,  und  nimmt  auch  seine  Nahrung  meist  aufrecht- 
hockend  ein,  wobei  er  sie  haufig  erst  ins  Wasser  taucht  und  zwischen  den 
Pfoten  reibt,  was  ihm  seinen  Namen  Waschbar  verschafft  hat.  Seinen  Lieblings- 
aufenthalt  bilden  dichte  Walder,  doch  trifft  man  ihn  auch  in  den  Prarie- 
provinzen,  wo  der  Baumwuchs  sparlich  ist.  Er  ist  ein  ausgesprochener  Alles- 
fresser,  Obst,  Waldfriichte,  Beeren,  Wurzeln  werden  gerne  genommen,  aus 
den  Feldern  holt  er  sich  die  noch  weichen  milchigen  Maiskolben,  dann  pliindert 
er  die  Vogelnester,  besucht  nachtlich  die  Hiihnerhofe,  grabt  auch  Kafer- 
larven  und  Insekten,  fangt  Mause,  Ratten  und  Kaninchen,  und  fangt  selbst 
Frosche,  Fische,  Krebse  und  dergleichen,  auch  Schnecken  werden  nicht  ver- 
schmaht.  Bei  der  Vielseitigkeit  dieser  Nahrung  setzt  er  leicht  Fett  an.  Er  ist 
ein  ausgesprochenes  Nachttier  und  liegt  am  Tage  schlafend  auf  seinem  Lager, 
das  sich  meist  in  einem  hohlen  Baume  befindet. 

Seine  Jagd  bildet  einen  ausserst  beliebten  Sport  der  Ansiedler. 

Es  gehoren  dazu  mehrere  besonders  abgerichtete  Hunde,  die  den  Wasch- 
bar aufspiiren  und  zum  Aufbaumen  bringen.  Es  sind  gewohnlich  mehrere 
Jager  dabei.  Einer  erklettert  den  Baum  und  versucht  das  Tier  auf  einen 
diinnen  Ast  zu  treiben  von  wo  es  dann  herabgeschiittelt  wird  und  unter  die 
unten  wartenden  Hunde  fallt.  Meist  gelingt  es  ihm  aber,  bei  dem  kletternden 
Jager  vorbei  zu  schliipfen  und  mit  Windeseile  am  Stamm  herabzusausen. 
Hier  kommen  eben  die  geiibten  Hunde  zur  Geltung.  Er  kommt  stets  ausserst 
kampfbereit  zur  Erde,  teils  links  und  rechts  Bisse  mit  seinen  scharfen  Zahnen 
aus  und  ist  gewohnlich  schon  im  Gebiisch  verschwunden,  ehe  die  Hunde  sich 
von  ihrer  Uberraschung  erholt  haben.  Der  richtige  Waschbarhund  (coondog) 
lasst  sich  aber  nicht  verbliiffen,  sondern  packt  schnell  zu,  und  lasst  sich  auch 


566  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

durch  die  Bisse  nicht  zuriickschrecken.  Im  Nu  fassen  jetzt  auch  die  anderen 
zu  und  der  Jager  muss  schnell  zuspringen  und  dem  Kampf  durch  einen  wohl- 
gezielten  Schlag  mit  dem  Kniippel  ein  Ende  machen,  wenn  er  das  Fell 
retten  will. 

Wenn  die  Jagd  nur  des  Erwerbes  halber  betrieben  wird,  schiesst  der  Jager 
das  aufgebaumte  Tier  wohl  auch  beim  Schein  der  Fackeln  herab.  Ausserdem 
werden  sie  auch  viel  in  Fallen  gefangen.  Das  Fleisch  wird  vielfach  gegessen 
und  namentlich  die  Neger  in  den  Siidstaaten  essen  leidenschaftlich  gern 
,,coon"-Braten.  An  die  Gefangenschaft  gewohnen  sich  die  Waschbaren  sehr 
schnell  und  bereiten  durch  ihr  munteres  possierliches  Wesen  viele  Freude. 
Auch  mit  etwaigen  Kafiggenossen  freundet  er  sich  schnell  an. 

Die  Waschbaren  vom  Zoologischen  Garten  zu  Berlin,  zwei  kraftige  gut 
gefarbte  Exemplare,  sind  fortwahrend  in  Bewegung  und  versuchen  wie  die 
Affen  mit  dem  am  Rang  stehenden  Publikum  zu  spielen.  Sie  pflanzen  sich 
auch  in  der  Gefangenschaft  fort. 

Mein  Bruder  hielt  in  der  Nahe  Leipzigs  ein  Parchen  von  Schuppen,  die 
ganz  zahm  waren,  und  Hess  Frau  Waschbar  baldigen  Familienzuwachs  er- 
warten.  Durch  eine  offen  gelassene  Tiir  entwischten  sie  aber  eines  Abends 
und  wurden  von  den  Bauern  der  Nachbarschaft  erschlagen. 

In  der  Freiheit  wirft  das  Weibchen  im  Mai  4  bis  6  Junge.  Die  Jungen 
wachsen  sehr  schnell,  und  sind  bereits  im  Herbst  halbwiichsig  (small  season 
skins)  und  im  nachsten  Friihjahr  erwachsen  und  fortpflanzungsfahig.  Racoon 
farms  bestehen  meines  Wissens  noch  nicht,  obgleich  dieselben  bei  dem 
guten  Preise  der  Felle  in  Amerika  lohnend  sein  diirften,  vielleicht  liegt  das 
daran,  dass  das  Hauptinteresse  bei  der  Schuppen jagd  dort  eben  der  Sport  ist. 


b)  Nasenbaren. 

Die  nachsten  Verwandten  des  Wraschbaren  in  Sudamerika  sind  die  Nasen- 
baren. Die  verbreiteste  Art  ist  Nasua  rufa  in  Brasilien,  Peru,  Bolivien  und 
Paraguay,  ferner  gibt  es  N.  nelsonii  in  Yukatan,  N.  quichua  in  Ekuador, 
N.  olivacea  in  Kolumbien  und  in  den  Gebirgen  Perus  den  schonen  N.  monticola. 
Am  weitesten  nach  Norden  geht  N.  narica,  der  von  Zentralamerika  bis  nach 
Mexiko,  Kalifornien  und  Texas  reicht.  N.  molaris  von  Colima  in  Mexiko 
meridensis  von  Nordwest-Venezuela,  Mexiana  von  der  Mexiana-Insel  im 
Amazonen-Delta,  phaeocephala  von  Venezuela,  bullda  von  Costarica,  pana- 
mensis  von  Panama,  Yucatanensis  von  Yokatanpallida  von  Ost- Venezuela. 

Friiher  unterschied  man  zwei  Arten  von  Nasenbaren  in  Brasilien,  den 
einsamen  und  den  geselligen  ,,Coati",  N.  solitarius  und  N.  socialis  doch  hat 
man  langst  festgestellt,  dass  die  einsamen  Coati  nur  vereinzelt  lebende  alte 
Mannchen  sind,  die  sich  schon  von  der  Familie  abgesondert  haben  und  als 
alte  Herren  etwas  murrisch  und  griesgramig  geworden  sind.  Der  brasilianische 


XI.  Verwandte  der  Barenarten.  567 

Nasenbar  hat  ca.  70  cm  Korperlange  und  45  cm  Schweif  lange.  Die  Be- 
haarung  besteht  aus  einer  kurzen  rauhen  Unterwolle  von  blaulichgrauer 
Farbung,  bedeckt  von  einem  langen,  straffen,  ziemlich  glanzreichen  Grannen- 
haar,  das  graubraunrotlich  geringelt  1st,  der  Schweif  1st  abwechselnd  gelb 
und  schwarz  geringelt,  an  der  Wurzel  ziemlich  dick,  lauft  nach  unten  spitz  zu 
und  ist  sehr  beweglich.  Besonders  auffallig  ist  die  lange,  russelformig  ver- 
langerte  Nase,  mit  der  die  Tiere  eifrig  umherschnuffeln.  Die  Zehen  sind  fast 
ganz  verwachsen  und  haben  lange  spitze  Krallen.  Die  Felle  kommen  wenig  in 
den  Handel,  geben  aber  ein  gutes  Pelzf utter,  namentlich  fur  Herrenpelze  ab. 
Der  Wert  ist  etwa  i  Mk.  per  Stuck.  Es  liessen  sich  grosse  Partien  auf  den 
Markt  bringen,  doch  ist  der  Sudamerikaner  im  ganzen  zu  lassig,  urn  sich  mit 
dem  Fang  und  der  Zubereitung  von  Fellen  abzugeben,  fur  die  er  nicht  einen 
guten  Preis  bekommt. 

Der  Coati  ist  in  seiner  Heimat  ein  ausgesprochenes  Tagtier,  des  nachts 
wird  im  Dickicht  oder  auf  Baumzweigen  geruht,  tagsiiber  durchstreift  die 
ganze  Gesellschaft  den  Wald,  eifrigst  nach  Nahrung  suchend.  Sie  sind  dabei 
nicht  wahlerisch,  Wurmer,  Insekten,  Schnecken,  Mause,  Ratten,  Reptilien, 
kleine  Vogel  und  deren  Eier  werden  ebenso  eifrig  aufgenommen,  wie  Friichte, 
Beeren,  Getreide  und  andere  Samereien.  Im  Friihjahr  wirft  das  Weibchen 
3  bis  6  Junge  in  einer  Erd-  oder  Baumhohle,  die  etwa  5  bis  6  Wochen  unbe- 
hilflich  bleiben,  und  dann  der  Mutter  auf  ihren  Streifziigen  folgen. 

Die  Nasenbaren  werden,  wie  ihr  nordamerikanischer  Vetter  und  die 
Waschbaren,  des  Sports  wegen  viel  mit  abgerichteten  Hunden  gejagt,  setzen 
sich  aber  dabei  kraftig  zur  Wehr  und  verletzten  die  Hunde  dabei  haufig 
erheblich  mit  ihrem  scharfen  Gebiss.  Das  Fleisch  soil  gut  schmecken  und  wird 
in  Siidamerika  viel  gegessen. 

In  seiner  Heimat  wird  er  vielfach  in  Gefangenschaft  gehalten,  da  ja 
bekanntlich  die  siidamerikanischen  Indianer  sich  gern  allerhand  gefangene 
Tiere  zu  ihrem  Vergniigen  halten.  Auch  in  europaischen  zoologischen  Garten 
ist  er  nicht  selten,  doch  wird  iiber  ihn  hier  verschieden  berichtet,  viele  er- 
wahnen  sein  possierliches,  lustiges  Umherspielen,  andere  wieder  sein  miirrisches 
Wesen,  das  sich  selbst  dem  Warter  gegeniiber  nicht  andert.  Im  Berliner 
Zoologischen  Garten  hielt  man  Nasenbaren  im  Affenkafig,  wo  sie  viel  von  den 
Neckereien  der  lustigen  Affen  zu  leiden  hatten.  Der  Coati  trabt  tiefsinnig 
umher,  da  fasst  ihn  ein  Affe  vom  Kletterbalken  herab  am  Schwanz  und  ver- 
sucht  ihn  hinaufzuziehen.  Wiitend  beissend  fahrt  er  herum,  worauf  der  Affe 
loslasst,  um  gleich  darauf  dasselbe  Spiel  zu  beginnen.  Entriistet  vergrabt  sich 
der  Nasenbar  in  den  Heuhaufen,  der  ihm  als  Lager  dient.  Ein  paar  Affen 
schleichen  behutsam  naher  und  entdecken  die  hervorlugende  Schwanzspitze, 
an  der  der  Ungliickliche  im  nachsten  Augenblick  gepackt  und  hervorgezogen 
wird,  um  sich  dann  mit  hochgezogenem  Riissel  und  entblosstem  Gebiss  auf 
seine  Angreifer  zu  stiirzen,  die  aber  im  Nu  loslassen,  um  sich  in  die  Hohe 
zu  fluchten. 


568  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

c)  Andere  verwandte  Arten. 

Weitere  Verwandten  der  Schuppen  sind  die  in  Nordamerika  lebenden 
Katzenfrett,  Racoon  fox  der  amerikanischen  Zoologie.  Man  kennt  davon 
drei  Arten,  Bassaricus  astutus  in  Kalifornien  und  Texas,  mit  langem, 
schlanken  Korper,  spitzer  Schnauze  und  langem  buschigen  Schweif,  der  die 
Korperlange  vollkommen  erreicht.  Die  Farbe  ist  oben  gelbbraun,  mit  grau 
gemischt,  ebenso  die  Beine,  wahrend  die  Unterseite  ohne  graue  oder  weisse 
Beimischung  ist.  Der  lange  Schweif  ist  mit  6  bis  8  schwarzen  Ringen 
geschmiickt. 

In  Kalifornien  und  im  Oregon  lebt  B.  raptor,  mit  braungelber  Oberseite 
aber  ohne  graue  Haare,  so  dass  das  Fell  dunkel  aussieht,  Unterseite  gelbweiss. 


gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Katzenfrett    (Bassaricus  astutus). 

Der  Schweif  ist  abwechselnd  mit  weissen  und  schwarzen  Ringen  geziert,  die  aber 
breiter  sind  wie  beim  B.  astutus. 

B.  flavus  lebt  in  Texas,  Neu-Mexiko  und  wahrscheinlich  Arizona.  Er 
ist  oben  schwarzlichgelb,  Seiten  und  Bauch  gelb,  an  den  Ohren  fahle  Flecke. 
Das  Tier  ist  kleiner  als  die  beiden  anderen  Arten  und  der  dicht  mit  schmalen 
schwarzen  Ringen  umringelte  Schweif  ist  kiirzer  als  der  Korper.  B.  albipes 
in  Mexiko,  B.  saxicola  in  Untercalifornien  sind  mir  nicht  naher  bekannt. 

Die  Katzenfretts,  deren  Rumpf  etwa  mardergross  ist,  ahneln  in  ihrer 
ganzen  Lebensweise  den  Viverren,  denen  sie  auch  verwandtschaftlich  nahe- 
stehen,  und  sind  muntere  Tiere.  Sie  halten  sich  hauptsachlich  in  den  dichten 
Maisfeldern  auf,  wo  sie  den  Ratten,  Mausen,  Maulwiirfen  usw.  nachstellen, 
natiirlich  aber  auch  die  Gelege  der  Feldhiihner  und  sonstigen  am  Boden 
nistenden  Vogel  nicht  verschonen.  Auch  statten  sie  gelegentlich  den  Ge- 
flugelhofen  der  Farmer  sehr  unerwiinschte  Besuche  ab. 

Merkwlirdigerweise  sind  die  schonen  Felle  dieser  Tiere,  die  in  ihrer  Heimat 
durchaus  nicht  selten  sind,  im  Pelzhandel  nur  wenig  bekannt.  Ebenso wenig 
die  Felle  der  Wickelbaren,  der  Kinkajou  Cercoleptes  caudivolvulus,  heute  Potos 


XI.  Verwandte  der  Barenarten. 


flavus  genannt,  ein  Tier  mil  langgestrecktem,  aber  etwas  plumpen  Korper 
und  kurzem  dicken  Kopf,  etwa  45  bis  50  cm  lang  und  einem  etwa  50  bis 
55  cm  langen  kraftigen  Wickelschwanz. 

Der  Pelz  ist  dicht,  ziemlich  lang  und  seidenweich,  samtglanzend  graugelb, 
etwas  rotlich,  mil  schwarzbrauner  Wellenzeichnung  und  einem  breiten 
dunklen  Streifen  langs  des  ganzen  Ruckens,  die  Unterseite  rotlichbraun  mil 
einem  dunkelbraunen  Streifen  langs  des  Bauches,  die  Beine  schwarz.  Der 
Schwanz  ist  oben  braun,  in  der  unteren  Halfte  schwarz. 

Das  Tier  ist  weit  verbreitet  und  finder  sich  von  Brasilien  und  Peru  an 
durch  Zentralamerika  und  Mexiko  bis  nach  Florida,  Texas  und  Louisiana. 
Es  ist  ausgesprochen  Nachttier,  schlaft  am  Tage  in  hohlen  Baumen  und  zieht 
des  Nachts  umher,  und  zwar  wie  die  Affen  in  grossen  Scharen.  Es  ahnelt  auch 
dem  Affen,  den  es  an  Klettergewandtheit  und  geschickter  Benutzung  des 
Greifschwanzes  fast  noch  ubertrifft.  Die  Nahrung  ist  vorwiegend  pflanzlich, 
doch  werden  auch  Insekten,  kleine  Saugetiere  und  Vogel  so  wie  Eier  nicht 
verschmaht.  Honig  liebt  es  leidenschaftlich  und  stellt  es  den  wilden  Bienen- 
stocken  eifrig  nach.  In  Gefangenschaft  soil  es  sehr  zahm  werden  und  ein  sehr 
liebenswiirdiger,  ungemein  anhanglicher  Gefahrte  werden.  In  Siidamerika 
gehort  es  deshalb  auch  zu  den  beliebtesten  Haustieren.  Die  Kinkajous  im 
Berliner  Zoologischen  Garten  habe  ich  stets  nur  schlafend  angetroffen,  kann 
deshalb  aus  eigener  Beobachtung  nicht  s  sagen. 

Felle  habe  ich  im  Handel  nur  einmal  einen  Posten  von  einigen  hundert 
Stuck  gesehen,  die  sehr  schonen  seidenartigen  Glanz  hatten.  Es  wurde 
damals  2,50  Mk.  per  Stuck  verlangt,  und  angegeben,  dass  grossere  Posten 
geliefert  werden  konnten,  die  aber  bisher  nicht  in  Europa  eingetroffen  sind. 

Als  ich  vor  einigen  30  Jahren  zum  erstenmal  das  Museum  des  Jardin 
des  Plantes  in  Paris  besuchte,  machte  eine  in  einem  besonderen  Saale  auf- 
gestellte  Tiergruppe  einen  solchen  Eindruck  auf  mich,  dass  sie  mir  noch  heute 
vor  Augen  steht.  Es  waren  dies  eine  Anzahl  ganz  merkwiirdiger  Geschopfe, 
halb  Bar  halb  Pudel  wie  es  schien,  mit  grossen  schwarzen  und  weissen  Flecken, 
von  der  Grosse  eines  starken  Bernhardiners,  die  aufrecht  in  verschiedenen 
eigenartigen  Stellungen  ausgestopft  waren.  Es  waren  dies  damals  die  einzigen 
in  Europa  vorhandenen  Exemplare  des  von  dem  bekannten  Zoologen  Abbe 
David  entdeckten  und  mitgebrachten  Bambusbaren,  Ailoropus 
melanoleucus.  '  Jetzt  ist  das  Tier  nicht  mehr  so  selten,  doch  wissen  wir  immer 
noch  nicht  viel  iiber  seine  Lebensweise.  Es  kommt  im  ostlichen  Tibet  haupt- 
sachlich  vor  und  reicht  sein  Verbreitungsbezirk  bis  nach  Szechuen  und  dem 
Kukunor.  Es  halt  sich  vorwiegend  in  den  Bambusdickichten  auf,  die  die 
Flusstaler  anfiillen  und  sich  auch  an  den  Hiigelhangen  entlang  ziehen. 
Das  Fell,  welches  sehr  hubsch  ist,  hat  aber  noch  einen  viel  zu  hohen  Wert  als 
wissenschaftliches  Objekt,  um  fur  den  Handel  eine  Rolle  zu  spielen. 

In  den  letzten  Jahren  ist  haufiger  ein  Fell  zu  uns  gekommen,  welches  zu 
den  schonsten  Pelzarten  iiberhaupt  gehort,  es  ist  dies  der  Panda,  der  in  zwei 


57° 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Arten  bekannt  1st.  Ailurus  fulgens,  der  im  ostlichen  Himalaya  lebt,  in  Hohen 
von  7  bis  12  ooo  Fuss  iiber  dem  Meere.  Ostrich  reicht  seine  Verbreitung  bis 
Yunnan,  westlich  geht  er  nicht  iiber  Nepal  hinaus.  Er  haust  meist  paarweise 
oder  in  kleinen  Familien  in  den  dichten  Waldern  und  nahrt  sich  fast  aus- 
schliesslich  von  Pflanzenkost,  Obst,  Bambussprossen,  Eicheln,  Wurzeln,  ge- 


Panda    (Ailurus  fulgens). 

legentlich  werden  auch  Eier  und  Insekten  verzehrt.  Das  Fell  ist  etwa  70 
bis  80  cm  lang,  der  Schweif  50  cm.  Das  glanzend  feine  Fell  ist  auf  dem 
Riicken  goldig  rot,  Unterseite  schwarz.  Weit  abstehende  Ohren  und  der 
runde  Kopf  mit  weisser  Zeichnung.  Der  hellrotgelbe  Schweif  ist  undeutlich 
geringelt.  Es  sind  sehr  lebhafte  muntere  Tiere  und  spielt  der  Panda  im 
Berliner  Zoologischen  Garten  aufs  eifrigste  bald  mit  seinem  Schweif,  bald 
mit  irgend  einem  Gegenstand,  und  hat  es  augenscheinlich  sehr  gern,  wenn 
sich  die  Zuschauer  mit  ihm  beschaftigen.  In  China,  namentlich  den 


XI.  Verwandte  der  Barenarten.  571 

Provinzen  Szechuen  und  Kweichow  lebt  eine  andere  Art,  A.  styani,  etwa 
ebenso  gross  wie  der  vorige,  aber  im  Schadelbau  und  Aussern  etwas  ab- 
weichend.  Oberseite  1st  dunkelrotbraun,  Unterseite  und  Beine  schwarz,  die 
schwarze  Zeichnung  erstreckt  sich  auch  iiber  den  Nacken,  Lippen  und  Kinn 
sind  weiss,  die  kurzen  Ohren  mil  einer  weissen  Einfassung  und  kurzen 
weissen  Buscheln.  Der  wollige,  dicht  behaarte  Schweif  ist  fahl  rostrot, 
schwach  weisslich  geringelt.  Korperlange  ca.  75  cm,  Schweiflange  ca.  40  cm. 

Von  beiden  Arten  kommen  jetzt  jahrlich  einige  hundert  Stuck  in  den 
Handel,  die  einen  Wert  von  10  bis  20  Mk.  haben  und  meist  zu  wundervoll 
aussehenden  Schlitten-  und  Automobildecken  verarbeitet  werden.  Die 
deutschen  Zoologen  nennen  inn  sehr  passend  Katzenbar. 

Das  letzte  aus  der  hierher  gehorenden  Gruppe  ist  der  Binturong. 

Der  Binturong,  Arctictis  binturong,  ist  ein  langgestrecktes  Tier,  das  eine 
Mittelform  zwischen  Bar  en  und  Schleichkatzen  darstellt.  Die  Korperlange 
ist  60  bis  70  cm,  die  Schwanzlange  60  bis  65  cm.  Das  Fell  ist  dicht  und  rauh 
mattschwarz,  der  lange,  starke  Wickelschwanz  ebenf alls  schwarz ;  die  Beine 
kurz,  stammig,  braunlichschwarz,  mit  starken  Krallen.  Die  kraftigen,  langen 
Schnurrhaare  sind  weiss,  die  Ohren  lang,  schmal  und  mit  pinselartigemBuschel. 
Die  Heimat  des  Tieres  reicht  von  Nepal  iiber  Hinterindien  und  Malacca  bis 
zu  den  Sundainseln.  Seine  Nahrung  ist  ausschliesslich  vegetarisch.  Im 
zoologischen  Garten  liegt  das  Tier  tagsiiber  meist  an  einen  Ast  des  Kletter- 
baumes  geschmiegt,  ruhig  und  apathisch  da,  doch  sollen  sie  sehr  zahm  und 
zutraulich  werden.  Das  Fell  kommt  im  Handel  bisher  gar  nicht  vor. 


XII. 

Die  Zibetkatzen  und  Schleichkatzen. 


Zibetkatzen  und  Schleichkatzen. 


Die  grosse  Zibetkatze,  Viverra  ashtoni,  chinesisch  Ya  Mao  oder  Sheng 
Tsun,  im  Pelzhandel  falschlich  ,,Serval"  genannt,  lebt  im  Yangtsetal  haupt- 
sachlich  in  Chekiang,  Kiangsi,  Hupeh,  Anhui,  Hunan.  In  Kiangsu  kommt  sie 
seltener  vor.  In  Siidchina  wird  sie  durch  eine  kleinere  Art  vertreten,  die 
wohl  mil  der  indischen  Zibetkatze  nahe  verwandt,  wenn  nicht  identisch  ist. 
Die  Zibetkatze  des  mittleren  Chinas,  die  hier  in  Frage  kommt,  ist  jedenfalls 
bedeutend  grosser  und  starker  als  die  indische.  Die  Grundfarbe  ist  grau,  die 
Haare  an  der  Spitze  weiss  geringelt,  die  dichte  weisse  Unterwolle  gelblichgrau. 
Auf  dem  Riicken  zieht  sich  ein  Langsstreifen  hin  von  glanzend  tiefschwarzen 
Haaren,  die  doppelt  so  lang  sind  wie  die  iibrigen  Haare.  Der  ganze  Korperist 
mit  undeutlichen,  verschwommenen,  schwarzen  Flecken  bedeckt,  an  den 
Wangen  befindet  sich  ein  breiter,  weisser  Streifen,  der  sich  bis  zum  Halse 
herunter  erstreckt  und  von  einem  schmaleren,  schwarzen  Streifen  eingefasst 
ist.  Die  Kehle  ist  schwarz.  Der  Bauch  ist  diinner  und  kiirzer  behaart  und 
schwarzbraun.  Die  Behaarung  des  Sommerfelles  ist  viel  kiirzer,  es  treten  die 
Flecken  und  Streifen  viel  scharfer  hervor.  Die  Lange  betragt  von  der  Nasen- 
spitze  bis  Schwanzwurzel  70  bis  90  cm,  doch  kommen  einzelne  Exemplare 
bis  I  m  Lange  vor.  Der  Schwanz  erreicht  eine  Lange  von  50  bis  80  cm  und  einen 
Durchmesser  (mit  dem  Haar  gemessen)  von  8  bis  10  cm.  Der  Schweif  ist  sehr 
dicht  und  wollig,  schwarzbraun  und  in  regelmassigen  Abstanden  mit  weissen 
Querbinden  oder  Ringen  gezeichnet.  Das  Tier  lebt  in  dichten  Gebuschen 
und  stellt  dem  Hausgefliigel  der  Chinesen  stark  nach.  Uber  die  Lebensweise 
habe  ich  nicht  viel  in  Erfahrung  bringen  konnen,  da  es  hauptsachlich  ein 
Nachtraubtier  ist.  Der  Zibet  wird  von  den  Chinesen  nicht  benutzt,  auch  wird 
das  Tier  nicht  wie  in  anderen  Landern  der  Absonderung  der  Zibet driisen  halber 
in  Gefangenschaft  gehalten,  wenn  auch  hin  und  wieder  lebende  Exemplare 
zum  Kauf  angeboten  werden.  Es  kommen  jahrlich  etwa  20  bis  30  ooo  Felle 
zum  Export,  und  ca.  10  bis  20  ooo  mogen  im  Lande  zu  Decken  usw.  verbraucht 
werden,  von  denen  auch  einige  tausend  jahrlich  exportiert  werden,  die  3  bis 
6  Felle  pro  Decke  enthalten.  Der  Wert  betragt  2  bis  3  Mk.  per  Fell. 


576 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


In  Europa  werden  die  Felle  meist  zu  Wagendecken,  sowie  gefarbt,  zu 
Pelzmuffen  und  Stolas  verarbeitet.  Eine  Zeit  lang  waren  sie  sehr  gesucht, 
indem  die  skunksfarbig  gefarbt  en  Felle  in  schmale  Streifen  geschnitten  und 
zu  Schweifen  gedreht  wurden,  als  Ersatz  fur  die  teuren  Fuchsschweife. 

Es  lebt  in  denselben  Distrikten  noch  eine  andere  Viverre,  Viverricula 
pallida,  die  kleine  Zibetkatze,  chinesisch  Chang  Li  mao.  Dieselbe  ist  bedeutend 
kleiner  und  schlanker.  Die  Lange  von  der  Nasenspitze  bis  zur  Schwanzwurzel 


Chinchilla  (siehe  S.  613). 


betragt  50  bis  60  cm,  das  Haar  ist-  kiirzer  und  grober,  die  Grundfarbe  ein 
schmutziges  Gelbbraun,  die  Unterwolle  dunkelgrau.  Auf  dem  Riicken  ziehen 
sich  sechs  Langsstreifen  von  dunkelbrauner  Farbe  hin,  an  den  Seiten  entlang 
laufen  eine  Anzahl  aus  dunkelbraunen  Flecken  gebildete  Reihen,  die  indessen 
undeutlich  auftreten  und  an  Schultern  und  Hals  fast  gar  nicht  zu  erkennen 
sind.  Der  Schweif  ist  ca.  35  cm  lang  und  hat  mit  dem  Haar  einen  Durchmesser 
von  4  bis  5  cm.  Die  Grundfarbe  desselben  ist  ein  helles  Gelbbraun  und  in 
regelmassigen  ca.  5  cm  von  einander  entfernten  Abstanden  mit  dunkelbraunen 
Ringen  gezeichnet,  ahnlich  dem  Schweif  des  Waschbaren.  Auch  hier  treten 
Zeichnung  und  Flecke  beim  Sommerfell,  das  der  Unterwolle  entbehrt,  viel 


Zibetkatzen  und   Schleichkatzen. 


577 


deutlicher  hervor.  Die  Lebensweise  1st  ahnlich'  der  des  vorigen.  Auch  diese 
Zibetkatze  1st  ein  Nachtraubtier,  die  hauptsachlich  dem  Geflugel  und  kleinen 
Saugetieren  nachstellt.  Die  Zibetdriisen  werden  nach  Erlegung  des  Tieres  von 


Indische  Zibetkatze   (Viverra  zibetta) . 

den  Chinesen  herausgeschnitten  und  der  Zibet,  der  iibrigens  von  geringer 
Qualitat  ist,  benutzt.  Das  Tier  ist  nicht  selten,  und  jahrlich  kommen  etwa 
10  ooo  in  Shanghai  in  den  Handel.  Da  die  Felle  indessen  trotz  des  billigen 
Preises  (ca.  80  Pf.  per  Stuck)  im  europaischen  Pelzhandel  wenig  begehrt  sind, 
so  wird  ihm  wenig  nachgestellt. 

In  Hinterindien  lebt  eine  grosse  Zibetkatze,  Viverra  megaspila,  mit  kurzem 
etwas  wolligem  Haar,  schwarzen  Riickenstreifen,  die  Fleckenzeichnung  auf 

37 


578    Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

der  Seite  sehr  undeutlich  und  die  Zahl  der  weissen  Schwanzringe,  die  ebenso 
breit  sind  wie  die  schwarzen,  von  der  grossen  chinesischen  Zibektatze,  der  sie 
sonst  sehr  ahnelt,  etwas  abweichend.  Der  Schweif  ist  auch  kiirzer.  Am 
Nacken  2  bis  3  schwarze  Querbinden.  In  Indien  lebt  die  Stammform,  welche 
der  Gruppe  den  Namen  gegeben  hat,  V.  zibetta,  etwa  70  bis  80  cm  lang,  ohne 
den  35  bis  40  cm  langen  Schweif.  Die  Farbung  ist  dunkelgrau,  mit  braunlichem 
Anhauch,  Unterwolle  braun,  die  Grannenhaare  sind  weisslich  geringelt  mit 
schwarzer  Spitze.  Ein  schwarzer  Streifen  lauft  von  der  Schulter  bis  zum 
Schweif,  Seiten  ohne  Flecke,  aber  an  den  Lenden  schmale  schwarze  Quer- 
binden. Schweif  6  schwarze  breite  Ringe,  die  mit  schmalen  weissen  ab- 
wechselnde.  Hals  mit  weissen  Langs-  und  Querbinden.  Indien,  Birma, 
Siam  und  Siidasien  sind  die  Heimat  des  Tieres,  das  einsam  lebt,  sich  am  Tage 
im  Geholz  und  hohem  Grase  verbirgt,  und  nachts  oft  die  Hauser  besucht.  Die 
Nahrung  besteht  aus  solchen  kleinen  Saugetieren,  die  das  Tier  bewaltigen 
kann,  sonst  Vogeln,  Eiern,  Froschen,  Schlangen  und  Obst.  Im  Mai  oder  Juni 
wirft  das  Weibchen  3  bis  4  Junge. 

An  der  Malabarkiiste  lebt  noch  V .  civettina,  bei  der  der  hintere  Teil 
des  Korpers  mit  grossen  schwarzen  Flecken  bedeckt  ist.  und  der  schwarze 
Riickenstreifen  iiber  den  Schweif  verlangert  ist.  Auch  ein  Vertreter  der  oben 
erwahnten  kleinen  Zibetkatze,  V '.  malaccensis,  lebt  in  Indien,  grobhaarig, 
gelbbraun,  mit  5  bis  6  gefleckten  dunkelbraunen  Halsbinden  auf  dem  Riicken 
und  mehrerer  (4  bis  5)  Langsreihen  dunkler  Flecke  auf  den  Seiten.  Schweif, 
der  drei  Viertel  der  Korperlange  misst,  ist  abwechselnd  mit  schwarzen  und 
weissen  Ringen  geziert,  6  bis  9  von  jeder  Farbe.  Die  Unterwolle  braungrau, 
im  grossen  mit  grauer,  schwarzer  oder  brauner  Spitze.  Dasselbe  Tier  kommt 
auch  in  Ceylon,  Assam  und  Birma  vor.  Es  lebt  in  Erdhohlen,  meist  im 
Walde,  obgleich  es  gut  klettern  kann.  Das  Tier  wird  ganz  zahm  und  von  den 
Eingeborenen  haufig  in  Gefangenschaft  gehalten,  um  das  Zibet  zu  gewinnen. 
Es  lebt  von  kleinen  Tieren,  Friichten  und  Wurzeln,  raubt  gelegentlich  auch 
Gefliigel.  Die  Hauptheimat  der  Zibetkatze  ist  Afrika,  wo  sie  sowohl  im  Westen 
als  Osten  vorkommt,  und  Jung  gefangen,  vielfach  in  Gefangenschaft  gehalten 
wird  zur  Gewinnung  des  Zibets,  jenes  moschusahnlichen  Riechstoffes,  der 
bei  den  Orient alen  ungemein  beliebt  ist.  Das  Zibet  wird  dabei  ein  bis  zweimal 
in  jeder  Woche  mit  der  Hand  ausgedriickt,  dann  gereinigt  und  bearbeitet. 
Das  Mannchen  soil  bessere  Qualitat  liefern  als  das  Weibchen.  Der  Preis  des 
Zibets  schwankt  von  300  bis  1500  Mk.  per  Kilo,  und  soil  ein  gefangenes  Tier 
jahrlich  ca.  40  bis  50  Gramm  liefern  konnen. 

Die  Zeichnung  der  afrikanischen  Zibetkatze  ist  ahnlich  wie  bei  den 
chinesischen  und  indischen,  das  Haar  aber  steifer,  borstenartig ;  auch  sind 
auf  den  Seiten  mehr  Querstreifen  als  Flecke.  V ' .  civetta  ist  die  verbreitetste 
Art,  doch  kommen  daneben  auch  verschiedene  andere  Arten  vor,  die  mir  aber 
nicht  bekannt  sind.  Im  Pelzhandel  spielen  alle  diese  Zibetkatzen  ausser  der 
chinesischen  keine  Rolle. 


XII.   Zibetkatzen  und   Schleichkatzen.  579 

Eine  prachtvoll  gezeichnete  Viverre  1st  die  javanische  Linsang  gracilis. 
Das  sehr  weiche  und  feine  Fell  1st  hellgelblich,  ganz  mit  schwarzbraun, 
grosse  unregelmassig  verteilte  Flecke,  und  4  iiber  den  Nacken  sich  ziehende 
Binden,  mehr  einem  Panther  als  einer  Zibetkatze  ahnlich  sehend.  Die  Korper- 
lange  betragt  etwa  40  cm,  der  30  bis  35  cm  lange  Schweif  hat  7  breite  dunkle 
Ringe,  die  Schwanzspitze  schwarzbraun.  Das  Tier  ist  ausgesprochen  Nacht- 
raubtier,  das  schone  Fell  gelangt  bisher  nicht  in  den  Handel,  ausser  auf  Java 
ist  sie  auch  auf  Malakka  haufig. 

Hiibsch  gezeichnet  ist  auch  der  Palmenroller  Paradoxurus  hermaphroditus 
aus  Indien.  Korperlange  40  bis  50  cm,  Schwanz  ebenso  lang.  Die  dichte 
Unterwolle  ist  gelbbraun,  die  etwas  diinnen  Grannenhaare  gelblich  und  schwarz 
geringelt.  Uber  den  Riicken  laufen  3  Langsstreifen  schwarzer  Flecke,  auch 
Schenkel  und  Schultern  sind  schwarz  gefleckt.  Die  Beine  und  hintere  Schwanz- 
halfte  sind  schwarz.  Das  Tier  ist  in  denWaldern  Indiens  sehr  haufig  und  kommt 
nachts  haufig  in  die  Dorfer,  um  die  Hiihnerhofe  sowie  die  Pflanzungen  zu  be- 
rauben.  Es  frisst  sehr  viel  Friichte,  namentlich  auch  die  Kaffeekirschen. 

Auf  den  Sundainseln  und  Hinterindien  wird  es  durch  Paradoxurus 
fasciatus  ersetzt,  der  aber  kleiner  ist  und  groberes  Haar  hat.  Die  graue  Farbe 
ist  gelblich,  mit  schwarzer  Grundfarbe,  die  dunklen  Langsstreifen  und  Flecke 
sind  sehr  verschwommen.  Das  Tier  zieht  Friichte  aller  anderen  Nahrung  vor 
und  wird  haufig  von  den  Eingeborenen  gezahmt  gehalten.  Die  Felle  kommen 
kaum  in  den  Handel. 


37* 


XIII. 


Die  Nag-etiere. 


i.  Die  Eichhornchen. 

Die  Eichhornchen,  im  Fellhandel  in  Deutschland  Feh  genannt,  in 
England  sqirrel,  in  Frankreich  petit  gris,  gehoren  zu  den  verbreitetsten  Nage- 
tieren  der  nordlichen  Halbkugel.  Man  zahlt  wissenschaftlich  liber  300  Arten. 
Von  kommerzieller  Bedeutung  sind  aber  nur  hauptsachlich  Sciurus  vulgaris  in 
Skandinavien,  Sc.  varius  in  Russland,  Sc.  argenteus  in  West-Sibirien,  Sc. 
martensi  im  Jenissei-Becken,  Sc.  borealis  von  dem  Lena-Becken,  sowie  Sc. 
calotus  in  Tibet,  Sc.  rupestris  auf  Sachalin,  Sc.  mantchuricus  aus  der  Mongolei 
und  Mandschurei. 

Die  meisten  Felle  liefert  Russland  und  Sibirien.  Graurotliche  Felle 
kommen  aus  Kasan,  kleine  Tiere  mit  weisslichgelbem  Bauch  und  mit  leichten 
rotlichbraunen  melierten  Schweifen.  Von  den  Schweifen  wiegen  1000  Stuck 
etwa  5%  Pfund.  Wiatka  und  Kergapol  hat  Felle,  die  mehr  Grau  enthalten, 
wahrend  dann  jenseits  des  Urals  zunachst  die  Obsky  kommen,  deren  Riicken 
hellgrau  und  deren  Bauche  schon  rein  weiss  sind.  Obsky- Schweife  wiegen 
per  1000  etwa  7  Pfund.  Dann  kommen  die  Yeniseisky,  ziemlich  grosse  Felle, 
dunkelgraue  Riicken,  die  aber  meistens  noch  etwas  rotliches  Haar  enthalten. 
Die  Schweife  aus  dieser  Gegend  enthalten  stets  die  Knochen,  weshalb  sie  auch 
9  Pfund  per  1000  wiegen. 

Weiter  ostlich  an  der  Lena  sind  die  Felle  schon  dunkelgrau  und  meist 
rein  ohne  Rot.  Siidlich  davon  findet  man  die  Tobolsker,  sehr  schon  dunkel- 
blaugrau.  Die  weiter  ostlich  vorkommenden  dunklen  Sorten  werden  auch 
unter  dem  Namen  Sakkamina  zusammengefasst,  die  best  en  davon  sind  die 
Nerschinsky,  ganz  dunkle,  fast  schwarze  Riicken  und  scharf  abgesetzte 
weisse  Bauche.  Auch  die  Schweife  sind  fast  rein  schwarz  und  sehr  voll  im  Haar. 
Auch  die  Yakutsky  sind  dunkel  blauschwarz,  wahrend  die  Ochotsky  zwar 
auch  schwarz  sind,  aber  meist  einen  etwas  rotlichen  Schimmer  haben.  Lensky- 
Schweife  wiegen  8  Pfund  per  1000,  Sakkamina  9  Pfund.  Die  meisten  der 
Ochotsky-Felle  werden  nach  London  geschafft  durch  San  Francisco-Hauser. 


584  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Die  anderen  sibirischen  Sorten  gelangen  auf  die  Messen  in  Irbit  und 
Nishnij-Nowgorod  und  von  da  nach  Moskau  und  Leipzig.  In  letzter  Zeit 
werden  aber  die  Felle  schon  durcb  lokale  Aufkaufer  gekauft  und  gehen  direkt, 
ohne  die  erwahnten  Messen  zu  beriihren,  nach  Europa. 

Es  kommen  im  ganzen  in  den  Handel  4  bis  5  Millionen  sibirische  und 
ca.  8  Millionen  Kasaner  Feh. 

Die  von  Sc.  manchuricus  stammenden  Felle  sind  stets  glanzend  dunkelgrau 
auf  dem  Riicken,  mit  hellem  weissem  Bauch  und  dichtem  schwarzem  Schweif, 
der  beinahe  doppelt  so  lang  ist,  als  bei  den  anderen  Feh.  Das  Tausend  dieser 
Schweif e  wiegt  10  Pfund.  Bei  vielen  Fellen  findet  sich  jedoch  ein  braunlicher 
Streifen  auf  dem  Riicken,  der  den  Wert  naturlich  erheblich  beeintrachtigt. 
Die  Chinesen,  die  das  Tier  Kive  Tsu  nennen,  verarbeiten  entweder  den  Riicken 
allein  oder  die  ganzen  Felle  zu  sogenannten  Maquas,  im  Pelzhandel  Kreuze 
genannt.  Diese  Fehkreuze  werden  aber  nicht  ausgefiihrt,  sondern  samtlich 
im  Lande  verbraucht.  Die  eigene  Produktion  Chinas  reicht  dazu  nicht  aus, 
sondern  es  werden  jahrlich  noch  aus  der  Amur-Gegend,  Wladiwostok  und 
Sachalin  Felle  eingefuhrt.  Die  Schweif  e  werden  aber  samtlich  ausgefiihrt  und 
gelt  en  die  sogenannten  Newchwang- Schweif  e  als  die  best  en. 

Die  Gesamtzahl  der  Felle  dieser  Eichhornart,  die  jahrlich  in  den  Handel 
gelangt,  schatze  ich  auf  etwa  600  ooo  Stuck.  Die  Eichhornchen  von  Sachalin 
scheinen  aber  einer  anderen  Art  anzugehoren.  Das  Tier  ist  grosser  und 
schlanker,  die  Farbung  ein  sehr  helles  Grau,  der  Schweif  ebenso  lang  wie  beim 
mandschurischen  Fah,  aber  bedeutend  heller.  Es  kommen  jahrlich  etwa 
50  ooo  Stuck  davon  in  den  Handel.  Die  chinesischen  Fehschweife  kommen  fast 
alle  iiber  Hamburg  oder  Bremen  auf  den  Weltmarkt. 

In  Europa  werden  die  Riicken  und  Bauche,  die  sogenannten  Wammen 
meist  getrennt  verarbeitet.  Die  letzteren  nur  zu  Futtern,  wobei  aber  neben  dem 
weissen  Bauch  noch  stets  an  jeder  Seite  ein  Streifen  des  Riickens  resp.  der 
Flanke  mit  seiner  grauen  Farbung  stehen  bleibt.  Das  Fell  der  Wamme  ist 
stets  bedeutend  leichter  und  diinner  behaart  als  der  Riicken.  Die  Riicken 
werden  teils  zu  Futtern  zusammengesetzt,  teils  allein  zu  sogenanntem 
Schnurenfah  (immer  zwanzig  Felle  auf  eine  Schnur  gereiht),  verarbeitet.  In 
letzter  Zeit  werden  auch  die  ganzen  Felle,  Riicken  und  Wammen  zusammen- 
hangend,  zugerichtet,  und  dann  zu  Stolas,  Muffen  usw.  verarbeitet. 

Die  Zurichtung  und  Anfertigung  von  Futtern  findet  einerseits  in  Russland, 
andererseits  nur  in  Weissenfels  bei  Halle  statt.  Die  deutsche  Zurichtung  ist 
bedeutend  besser,  sauberer  und  haltbarer,  die  Futter  werden  hier  stets  in 
Rotundenform  gearbeitet,  die  aus  zwei  zusammengehefteten  fast  quadra- 
tischen  Tafeln  bestehen.  Die  Wammensacke  haben  stets  dieselbe  Grosse,  die 
Riickensacke  werden  in  6  zeilige,  7  zeilige  und  8  zeilige  nach  der  Grosse  unter- 
schieden,  d.  h.  es  befinden  sich  so  und  so  viel  Reihen  Fehriicken  iibereinander. 

Die  Futter  werden  hauptsachlich  in  Kergapol,  in  Slopotzkoi  im 
Gouvernement  Wiatka  und  in  Moskau  gearbeitet.  In  Kergapol  werden  aber 


XIII.  Nagetiere.  585 


nur  Kasaner  Feh  verwendet.  Von  an  den  iibrigen  Platzen  gefertigten  Futtern 
warden,  je  nach  der  Herkunft  der  Felle,  besonders  Obsky-,  Lensky-, 
Tobolker-,  Altasiky-  und  Nerschinsky-Futter  unterschieden.  Die  Kergapoler 
Fuller  zeichnen  sich  durch  die  Eigentiimlichkeit  aus,  dass  auf  der  Mitte  der 
Wamme  zur  Verzierung  die  Ohren  der  Tiere  aufgenaht  sind. 

Die  Sommerfelle  sind  viel  kurzer  und  diinner  behaart,  und  werden  diese 
Futter  als  Schwarten  oder  Halbwuchs  bezeichnet,  auch  sind  solche  natiirlich 
viel  weniger  wert.  Da  die  Felle  im  ganzen  durch  die  Schnauzenoffnung  abge- 
streift  sind  und  dann  noch  haufig  hart  zusammentrocknen,  muss  der  Kaufer 
der  Rohware  dieselben  meist  von  der  Lederseite  beurteilen.  Die  Sommerfelle 
sind  wie  bei  den  meisten  Pelztieren  mit  mehr  oder  minder  grossen  griinen 
Flecken  versehen,  griinledrig,  wahrend  die  Winterfelle  rein  gelb  oder  weisslich 
sind  (weissledrig) .  Fur  die  Farbe  des  Haares  ist  meistens  schon  das  Aussehen 
des  Schweifes  massgebend.  Die  Sommerfelle  sind  iibrigens  vorwiegend  dunkel 
gefarbt.  Die  rotlich  gefarbten  Riicken  und  Riickenf utter  werden  meistens 
zobelartig  gefarbt.  Fur  die  Verwendung  der  Schweife  hat  sich  eine  besondere 
Industrie  herausgebildet.  Friiher  wurden  da  von  besonders  Boas  gefertigt, 
wobei  man  zwei  Methoden  unterschied.  i.  Die  Berliner,  hierbei  wurde  der 
Schweif  auf  der  Lederseite  in  Langsstreifen  zerschnitten,  diese  aneinander 
genaht  und  mittels  Bindfaden  spiralig  gedreht,  worauf  sie  dort  festtrockneten 
2.  Die  Leipziger,  hierbei  werden  die  Schweife  ganz  gelassen,  aber  von  der 
Spitze  und  dem  Rumpfe  aus  nach  der  Mitte  flach  zusammengeschoben,  und 
dann  mittels  einer  Kordel  durch  die  Rohre,  wo  die  Rute  gesessen,  auf  einen 
Bindfaden  aufgereiht.  Beide  Verarbeitungsarten  erforderten  aber  sehr  ge- 
schickte  Arbeiter. 

Jetzt  sind  Boas  unmodern,  ihre  Glanzzeit  war  eine  Periode  etwa  von 
1840  bis  1860  und  dann  von  1870  bis  1890.  Jetzt  werden  statt  dessen  in  be- 
sonderen  Fabriken  die  Schweifchen,  die  den  Abschluss  der  Stolas  usw.  bilden, 
gefertigt,  und  zwar  ausschliesslich  in  Leipzig,  wo  etwa  10  Spezialfabriken  sich 
damit  beschaftigen,  die  etwa  5  bis  10  Millionen  Schweife  jahrlich  konsumieren. 
Die  geringen  Schweife  sowie  die  Abfalle  werden  zur  Anfertigung  von  Pinseln 
benutzt,  eine  Industrie,  die  hauptsachlich  in  Nurnberg  und  Fiirth  in  Bayern 
ihren  Sitz  hat. 

Die  Preise  fiir  Feh  und  fur  Fehschweife  schwanken  sehr.  Augenblicklich 
sind  solche  sehr  hoch.  Nerschinskyschweife  haben  in  den  verschiedcnen  Jahren 
von  6  bis  zu  60  Mk.  per  halbes  Kilo  gekostet,  augenblicklich  diirfte  der  Preis 
etwa  40  Mk.  sein.  Kasaner  waren  von  4  bis  40  Mk.,  augenblicklich  etwa 
35  Mk.  In  ahnlichem  Masse  schwanken  auch  die  Preise  fiir  die  Roh-Fah,  und 
die  Futter,  augenblicklich  kosten  die  rohen  Obskyfah  etwa  1,20  Mk.,  die 
dunklen  etwa  2  Mk.  per  Stuck,  die  Obsky-Wammen-Sacke  ca.  27  Mk.  per  Sack. 
Fehriicken  je  nach  Farbe  von  60  Pf.  bis  2  Mk.  per  Stuck. 

Die  Eichhornchen  bilden  eine  der  Haupterwerbsquellen  des  sibirischen 
Jagers,  doch  ist  bei  der  Beweglichkeit  der  Tiere  und  ihrer  Wanderlust  nicht 


586  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

immer  auf  einen  Erfolg  zu  rechnen,  weshalb  auch  die  Ausfuhrziffern  der  Felle 
aus  den  einzelnen  Distrikten  so  schwanken.  Das  Fleisch  ist  wohlschmeckend 
und  wird  von  alien  Eingeborenen  Sibiriens  gern  gegessen. 

Die  Nahrung  des  Eichhornchens  bilden  hauptsachlich  Nadelholzsamereien ; 
es  treten  die  Tiere  haufig,  wenn  die  Ernte  darin  in  einem  Distrikt  schlecht  aus- 
gef alien  ist,  weite  Wanderungen  an.  Sie  gehen  dabei  ganz  systematisch  zu 
Werke.  Einzelne  Tiere  und  Patrouillen  unternehmen  weite  Streifziige,  um 
zuriickzukehren,  sobald  sie  reichhaltige  Weidegriinde  entdeckt  haben.  Als- 
dann  wandern  die  samtlichen  Eichhornchen  des  Distriktes  in  grossen  Ziigen 
nach  dem  neuen  Dorado  aus,  von  ihren  vier-  und  zweibeinigen  Feinden,  den 
Marderarten,  den  Raubvogeln  und  Jagern,  verfolgt.  Sie  schwimmen  dabei 
durch  breite  Fliisse,  obgleich  sie  sonst  das  Wasser  durchaus  nicht  lieben,  unge- 
zahlte  Mengen  gehen  aber  auf  solchen  Wanderungen  zu  Grunde.  Die  Tiere 
werden  meistens  mit  einer  kleinen  Biichsenkugel  oder  einem  abgebissenen 
Stiickchen  Bleidraht  und  schwacher  Pulverladung  erlegt  und  fast  stets  in  den 
Kopf  geschossen.  um  das  Fell  nicht  zu  beschadigen.  Der  Fang  mit  Fallen  scheint 
selten  ausgeiibt  zu  werden,  da  wahrscheinlich  die  Tiere  Fallen  schlau  zu  ver- 
meiden  wissen.  Doch  soil  an  der  Lena  von  den  Bauern  auch  der  Fang  in  Fallen 
im  grossen  Massstabe  ausgeiibt  werden. 

Eine  ganz  besondere  Art  der  Eichhornchen  bildet  das  sogenannte 
Talahutky-Feh,  das  aus  dem  siidlichen  Sibirien  stammt.  Es  ist  etwa  um  die 
Halfte  grosser  als  das  gewohnliche  sibirische  Eichhorn,  ganz  hellgrau  auf  dem 
Riicken  gefarbt,  und  der  dichte  Schweif,  der  auch  die  doppelte  Lange  des  ge- 
wohnlichen  Eichhornschweifes  erreicht,  ist  ganz  hellgrau,  leicht  mit  dunkelgrau 
meliert  gefarbt  und  erinnert  etwas  an  die  Farbung  des  Dachshaares.  Das  Tier 
ist  verhaltnismassig  selten,  es  kommen  da  von  jahrlich  hochstens  30  ooo  Stuck 
in  den  Handel.  Da  ich  dasselbe  in  der  Literatur  noch  nirgends  beschrieben 
vorfand,  schlage  ich  dafiir  den  Namen  Sc.  Talahutky  vor. 

Im  ganzen  werden  iiber  300  Eichhornchenarten  wissenschaftlich  be- 
schrieben, doch  ist  es  unnotig,  darauf  naher  einzugehen,  da  die  meisten  fur  den 
Rauchwarenhandel  ganz  wertlos  sind.  Zahlreiche  Art  en  kommen  in  Amerika 
vor,  wo  die  Tiere  sehr  haufig  sind,  doch  werden  auch  dort  die  Felle  wenig 
verwendet.  Es  kommen  jahrlich  vielleicht  30  ooo  amerikanische  Eichhorn- 
felle  in  den  Handel,  doch  liessen  sich  leicht  Hunderttausende,  ja  Millionen 
liefern,  da  das  Tier,  dessen  delikates  weisses  Fleisch  an  Hiihnerfleisch  erinnert, 
sehr  viel  gegessen  wird,  und  die  Felle  dann  weggeworfen  werden.  Im  allgemeinen 
sind  sie  nur  zu  Futtern  verwendbar  und  ist  das  Leder  etwas  dick  und  schwer. 
Am  bekanntesten  ist  das  Hudsonsbay  Sqirrel,  Sc.  hudsonius,  mit  dem 
Indianernamen  ,,Chicaree"  bezeichnet.  Es  ist  im  ganzen  Norden  soweit  der 
Wald  reicht,  verbreitet,  von  Labrador  bis  Alaska  und  geht  siidlich  bis  New 
York  und  Michigan.  Das  Tier  hat  ca.  12  cm  Korperlange  und  ebenso  langen 
Schweif,  ist  rotlich  grau,  oft  ins  griinliche  schimmernd,  der  Schweif  ist  hell- 
grau und  diinn  behaart,  so  dass  er  nur  fur  Pinselzwecke  in  Betracht  kommt. 


XIII.  Nagetiere.  587 


Die  Tierchen  sind  ungemein  zahm  und  furchtlos,  ihre  Nahrung  besteht  aus 
Samen  und  Knospen  der  Sprossentanne.  In  derselben  Gegend  kommt 
das  dunkler  gefarbte  Sc.  petulans  vor.  Sc.  niger  lebt  siidlich  von  New  York, 
hauptsachlich  von  Virginien  bis  Florida,  ist  schwarz  bis  braunschwarz  und  hat 
einen  grau  mit  schwarz  gemischten  Schweif ,  das  ziemlich  weich  behaarte  Fell 
ist  30  cm  lang,  der  Schweif  ebenso  lang.  Sc.  griseus  lebt  in  Nordkalifornien, 
Oregon  und  Washington.  Korperlange  ca.  28  cm,  Schweif  lange  30  cm,  Riicken 
blaugrau,  Unterseite  reinweiss,  Schweif  grauschwarz  und  weiss  gemischt. 
Sc.  aberti  von  Arizona,  Neu  Mexiko  und  Kolorado  ist  oben  grau  mit  braunen 
Riickenstreifen,  Unterseite  reinweiss.  Sc.  douglassivon  Oregon  und  Washington, 
oben  grau  mit  braunen  Riickenstreifen,  Unterseite  rotlichgrau,  Korperlange 
ca.  18  cm.  Schweif  ca.  12  cm.  Sc.  carolinensis  lebt  in  den  Siidstaaten,  grau 
etwas  rotlich  meliert,  unten  hellweisslich  grau,  der  diinne  Schweif  ist  hell- 
grau  meliert.  Es  kommen  auch  melanotische  (schwarze)  Abarten  vor,  von 
denen  ein  Exemplar  im  Berliner  Zoologischen  Garten  ein  schones  Fell  zeigt. 
Sc.  ludovianus  ist  auch  auf  dem  Riicken  schon  schwarz,  die  Unterseite  hell- 
rotlich.  Das  Tier,  dessen  Korperlange  ca.  20  cm  und  Schweiflange  25  cm  be- 
tragt,  lebt  am  Mississippi  und  geht  westlich  bis  Dakota  und  Montana. 

Von  dem  zahlreichen  asiatischen  Feh  ist  ausser  den  oben  erwahnten  Arten 
wenig  fur  den  Handel  brauchbar.  Sehr  schon  ist  aber  das  Fell  des  Riesen- 
eichhorns,  Sc.  maximum,  auch  Malabareichhorn  genannt.  Der  Riicken  ist 
schwarz,  die  Unterseite  goldrotlich,  der  Kopf  dunkelbraun.  Das  Fell  ist  dicht, 
aber  etwas  grob,  das  Haar  etwa  2  cm  lang.  Die  Korperlange  betragt  etwa 
35  cm,  der  40  cm  lange  Schweif  ist  mit  steifen  schwarzen  Haaren  besetzt. 
Das  Tier  bewohnt  das  siidliche  Indien.und  die  Sunda-Inseln  und  wiirde,  wenn 
es  in  grosseren  Mengen  angebracht  wiirde,  ein  wertvolles  Pelzwerk  lie  fern. 
Das  gleiche  gilt  von  dem  zweifarbigen  Eichhorn,  Sc.  bicolor  aus  Nepal,  welches 
ein  dichtes,  weiches  Haarkleid  besitzt,  ca.  50  cm  lang  ist,  wovon  die  Halfte 
auf  den  Schweif  kommt.  Die  Farbe  ist  dunkelbraun  mit  hellfarbigem  Bauch. 

2.  Die  Erdhornchen. 

Sehr  hiibsche  Tiere,  die  auch  fast  gar  nicht  in  den  Handel  kommen, 
obgleich  sie  sehr  schone  Futter  abgeben  wiirden.  Das  Fell  ist  zwar  diinn, 
aber  prachtvoll  gezeichnet.  Die  Grundfarbe  ist  gelbrotlich,  darauf  eine  Reihe 
von  dunkelbraunen  Langsstreifen,  die  bei  einzelnen  Arten  auch  schwarz  sind, 
bei  anderen  mit  hellgelben  Streifen  abwechseln.  Es  sind  einige  20  Arten 
allein  in  Nordamerika  wissenschaftlich  beschrieben,  wovon  ich  nur  lamias 
striatus  in  Kanada  und  den  Oststaaten  von  Georgia  bis  Minnesota,  ferner 
T.  borealis  in  Kanada,  Dakota  und  Montana,  T.  dorsalis  an  der  Westkiiste, 
T.  quadrivitattus  von  Wiskonsin  bis  Britisch  Kolumbia  und  im  Hudsonsbai- 
Gebiet,  und  T.  minimus  in  den  ,, Badlands"  von  Dakota  und  Wyoming  er- 
wahnen  will,  sowie  T.  lysteri  aus  New  York,  Vermont  und  Kanada.  Die 


588  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

munteren,  ungemein  schlauen  Tierchen,  in  Kanada  und  dem  Norden  der  Ver- 
einigten  Staaten  ,, Chipmunk"  genannt,  sind  uberall  recht  haufig  und  be- 
wohnen  ganz  Nordamerika  von  Mexiko  bis  zum  Nelson  und  Churchill  Rivr  im 
Hudsonsbai-Gebiet.  Es  wird  ihnen  nur  wenig  nachgestellt,  nur  wo  sie  auf  den 
Feldern  grb'sseren  Schaden  anrichten,  werden  sie  gefangen.  Ungemein  zahlreich 
ist  das  Erdhornchen  auch  in  Indien,  wo  es  auch  wenig  gestort  wird.  Ich 
habe  dort  tausende  in  der  Umgegend  von  Delhi  und  Cawnproe  ungescheut 
iiber  die  Landstrasse  laufen  sehen.  Das  Fell  ist  gelbbraun  mit  drei  weissen 
Langstreifen,  die  durch  dunklere  Zwischenraume  getrennt  sind.  Hin  urid 
wieder  kommen  einige  tausend  Felle  an  den  Markt.  So  erhielt  ich  einmal 
8000  Stuck,  die  trotz  des  diinnen  Haares  recht  hubsche  Futter  gaben.  Das 
Fell  ist  ca.  12  cm  lang,  der  buntfarbige  Schweif  ist  ca.  8  cm  lang.  -  -  Auch 
im  nordlichen  und  zentralen  Asien  bis  zum  Amur  kommt  ein  Erdhorncheh, 
T.  asiaticus,  sehr  haufig  vor.  In  China  habe  ich  aber  keine  gesehen. 
Den  Eichhornchen  nahe  verwandt  sind 


3.  Die  Flughornchen. 

Im  ostlichen  Sibirien  bis  zum  Amur  und  dem  Ochotskyschen  Meere  und 
auch  auf  Sachalin  lebt  das  Flugeichhorn,  Pteromys  volans  (?),  hauptsachlich 
in  Birken-  und  Larchenwaldern,  ein  Tier  von  graugelbem  Aussehen.  Die 
Unterwolle  ist  dunkelmausgrau,  oben  weisslich  und  an  den  Spitzen  schwarzlich, 
unten  sind  die  Deckhaare  in  der  unteren  Halfte  dunkelgrau,  oben  weiss  oder 
gelblich,  der  Schweif  graugelb  mit  schwarzlichem  Anfluge.  Nach  Radde  er- 
reicht  das  Tier  eine  Korperlange  von  183  mm  und  eine  Schwanzlange  von 
100  mm.  Ich  erinnere  mich  nicht,  Felle  dieser  Art  gesehen  zu  haben,  dagegen 
haufig  die  verwandten,  in  China  vorkommenden  Arten. 

Zunachst  Pt.  yunanensis  (  ?),  chinesisch  Fi  Fu.  Das  Tier  lebt  in  Kweichou 
und  dem  nordlichen  Yunnan  und  erreicht  eine  Korperlange  von  ungefahr 
50  cm  und  eine  Schweiflange  von  etwa  45  cm,  ist  also  bedeutend  grosser  als 
das  oben  erwahnte  Pt.  volans.  Das  Riickendeckhaar  des  Winterpelzes  misst 
etwa  25  mm,  die  Unterwolle  ist  schwarzgrau,  das  feine,  seidenartige  Deckhaar 
ist  dunkelschwarzbraun  mit  weissen  oder  gelblichen  Spitzen  (Silberspitzen). 
Am  Bauch  und  den  Seiten  sind  die  Deckhaare  dunkelschwarzbraun  ohne  weisse 
Spitzen,  die  Behaarung  ist  hier  ausserst  diinn.  Der  Schweif  ist  sehr  buschig 
und  rund,  es  erreicht  hier  das  Haar  eine  Lange  bis  zu  50  mm.  Die  Farbe  ist 
einfarbig  dunkel,  fast  schwarz.  Die  Haut  ist  sehr  diinn  und  zart,  so  dass  das 
wunderschone  Pelzwerk,  das  sonst  sicher  einen  hohen  Wert  hatte,  in  Europa 
wenig  Verwendung  findet.  Die  Chinesen  verwenden  es  zu  Verbramungen. 
Es  kommen  jahrlich  in  Hankow,  Shanghai  und  Tientsin  kaum  1000  Stuck 
an  den  Markt,  doch  sollen  in  der  letzten  Zeit  grossere  Mengen  geliefert  werden, 
die  auch  in  den  Welthandel  gelangen. 


XIII.  Nagetiere.  589 


Im  Norden  ist  es  durch  eine  andere  Art  ersetzt,  Pt.  melanopterus,  die  noch 
etwas  grosser  ist  und  oft  eine  Korperlange  von  60  bis  65  cm  und  eine  Schweif- 
lange  von  50  cm  erreicht.  Die  Deckhaare  sind  heller  braunlich  und  die  Spitzeri 
mehr  gelblichweiss  als  bei  der  vorher  erwahnten  Art. 

Auch  in  Japan  kommen  Flughornchen  vor,  namentlich  auf  Kiuschiu, 
Liu  Kiu  und  den  Bonininseln,  Pt.  leucogenys,  die  in  der  Grb'sse  den  Flug- 
hornchen von  Yunnan  und  Kweichau  nahekommen.  Soweit  ich  mich  erinnere, 
ist  die  Farbung  heller,  namentlich  auf  der  Unterseite,  auch  hat  das  Fell  wenig 
oder  gar  keine  Silberspitzen.  Der  Schweif  ist  dick,  vollig  fahlgraugelb.  Ich  habe 
nur  wenige  Felle  gesehen,  von  denen  es  mir  gelang,  eins  fiir  das  Berliner 
Zoologische  Museum  zu  erwerben. 

In  Sudwest-China  lebt  Pt.  xanthipes. 

In  Indien  findet  sich  in  alien  Bergwaldern  siidlich  des  Ganges  bis  Birma 
und  Ceylon  Pt.  oral,  graubraun,  langes  Oberhaar,  teils  weiss  gesprenkelt, 
Riicken  dunkelschwarzgrau,  Fuss  schwarz,  Schweif  schwarzbraun.  Korper- 
lange 49  cm,  Schweif  lange  60  cm. 

In  Kaschmir  kommt  Pt.  inornatur  vor.  Korperlange  35  cm,  Schweif  40  cm 
beinahe  einfarbig  rotbraun.  Steigt  im  Gebirge  bis  zu  10  ooo  Fuss  Meereshohe. 

Ostlich  von  Nepal  lebt  Pt.  magnificus,  oben  nussbraun,  die  Grannen- 
haare  mit  weisser  Spitze.  Fellange  40  cm,  Schweif  60  cm. 

Pt.  caniceps  findet  sich  in  Sikkim  und  Nepal.  Farbe  rotbraun,  Riicken 
dunkelbraun,  Kopf  grau. 

Pt.  punctatus,  oben  glanzend  gelbbraun,  Kopf  dunkel,  Riicken  und 
Schenkel  mit  unregelmassigen  weissen  Flecken  gezeichnet.  Das  Tier,  das  in 
Malakka  lebt,  ist  kleiner  wie  die  obigen  Art  en. 

Samtliche  Flughornchen  leben  ausschliesslich  von  Friichten.  In  der 
letzten  Zeit  sind  grossere  Mengen  von  Schweif  en  unter  dem  Namen  ,,fliegende 
Hundeschweife"  in  den  Handel  gekommen  und  zu  gedrehten  Schweifen  ver- 
arbeitet  worden.  Auf  regelmassige  Zufuhren  ist  aber  nicht  zu  rechnen. 
Der  eigentliche  fliegende  Hund,  der  fliegende  Fuchs,  Pteropus  edulis  und 
Pt.  edwardaesie,  strameusete  gehoren  zu  den  Fledermausen.  Obgleich  sie  ein 
ganz  brauchbares,  zwar  kurzhaariges  aber  dichtes,  meist  gelbbraun  bis 
rotlichbraun  gefarbtes  Fell  haben,  und  in  grossen  Mengen  ihres  Fleisches 
halber  erlegt  werden,  kommen  die  Felle  gar  nicht  in  den  Handel.  Die 
Tiere  leben  fast  in  alien  Tropenlandern. 

4.  Die  Murmeltiere. 

Murmeltierfelle  (englisch  marmot,  franzosisch  marmotte,  russisch 
Bobac)  sind  jetzt  einer  der  Hauptstapelartikel  des  Fellhandels  geworden. 
Noch  vor  30  Jahren  konnte  manjsolche  fiir  30  Pfg.  das  Stuck  kaufen,  jetzt 
jst  der  Wert  mehr  als  das  zehnfache. 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Am  gesuchtesten  sind  die  Orenburger  Murmel,  die  aus  der  Kirgisensteppe 
kommen.  Es  ist  dies  entweder  Arctomys  bungei  oder  A.  baibacina.  Das  Fell 
hat  eine  Lange  von  etwa  50  bis  60  cm,  die  Farbe  ist  vorwiegend  hellrostgelb, 
die  Spitzen  der  Grannenhaare  leicht  dunkelbraunlich  gefarbt.  Die  Unterwolle 
ist  hellgelb,  ziemlich  dicht  und  das  Oberhaar  glanzreich.  Die  Tiere  leben  in  der 
Kirgisensteppe  und  kommen  hauptsachlich  in  Orenburg  auf  den  Markt,  daher 
der  Name.  Sie  bevorzugen  leichten  sandigen  Boden  und  konnen,  wie  fast  alle 
Murmeltiere,  das  Wasser  leicht  entbehren,  der  Nachttau  auf  den  Grasern 
geniigt  ihnen.  Sie  sind  ungemein  gesellig  und  die  hohen  Kegel  ihrer  Bauten 
bilden  grosse  Ansiedlungen  wie  die  Stadte  der  amerikanischen  Prariehunde. 
Alte  Mannchen  halten  auf  diesen  iiber  die  Umgebung  der  flachen  Steppe 
aufragenden  Bautenhiigeln  Wache  und  warnen  mit  schrillem  Pfiff  die  lustig 
spielenden  jungeren  Elemente  und  die  emsig  Nahrung  sammelnden  Haus- 
frauen  der  Siedlung,  wenn  Gefahr  naht.  Und  Feinde  haben  die  harmlosen 
Tiere  geniigend.  Regungslos  harrt  der  Wolf,  oft  stundenlang  hinter  einem  Bau 
verborgen,  bis  es  ihm  gelingt,  ein  unvorsichtiges  Tier  zu  fangen.  Fuchs,  Harder 
und  Dachs  holen  sich  ihre  Opfer  und  in  der  Luft  kreisende  Adler  und  andere 
Raubvogel  benutzen  jede  Gelegenheit,  um  einer  Ubervolkerung  vorzubeugen. 
Der  schlimmste  Feind  ist  aber  der  Mensch,  der  ihnen  sowohl  des  Felles,  als 
des  von  den  Kirgisen  und  Sibiriaken  sehr  geschatzten  fetten  Fleisches 
halber  nachstellt. 

Der  Bau  ist  stets  sehr  geraumig  mit  grossem  Kessel,  der  warm  und  behag- 
lich  mit  Heu  ausgepolstert  ist.  Verschiedene  lange  Rohren  sorgen  fur  die 
Sicherheit  der  Insassen.  Im  Spatherbst  zieht  sich  die  ganze  Familie  zuruck 
und  verstopft  sorgfaltig  alle  Ausgange  der  Rohren  mit  Steinen,  Gras  und  Lehm. 
Dieser  zum  Verstopfen  dienende  Propfen  soil  oft  3  bis  4  Fuss  Lange  erreichen. 
Dann  gibt  sich  alles,  dicht  aneinander  geschmiegt,  dem  Winterschlaf  hin. 

Im  Fruhjahr  lockt  die  warme  Sonne  die  ganze  Bevolkerung  wieder  aus 
den  Bauten  und  gierig  wird  das  junge  Gras  abgeweidet.  Die  Nahrung  be- 
kommt  ihnen  aber  haufig  schlecht,  es  treten  Durchfalle  ein,  die  allgemeine 
Wachsamkeit  erschlafft.  Beim  Verlassen  der  Baue  sind  die  Murmel  so  fett 
wie  im  Herbst,  magern  aber  schon  nach  einigen  Tagen  stark  ab.  Dies  ist  der 
Zeitpunkt,  wo  der  Jager  seine  Hauptbeute  macht. 

Die  ersten  Felle  kommen  im  Juni  in  Orenburg  an  den  Markt,  wo  sie  bereits 
von  Aufkaufern  meist  fur  deutsche  Rechnung  aufgekauft  werden.  Der  Rest 
kommt  auf  die  Messe  nach  Nishnij,  wo  die  Felle  aber  meist  nicht  mehr  so  gut 
in  Qualitat  sind  wie  die  ersten  Sendungen. 

Die  besten  Felle  kommen  aus  der  Orsker  Gegend  und  erkennt  man  diese 
daran,  dass  das  Fell  beim  Trocknen  sehr  in  die  Lange  gezogen  und  deshalb 
lang  und  schmal  gestreckt  ist.  Die  Felle  sind  stets  in  Ballen  von  500  Stuck 
gepackt  und  enthalten  einen  bestimmten  Prozentsatz  Schuss,  meist  ca.  10  Proz., 
und  einen  bestimmten  Prozentsatz  kleiner  Felle  von  jungen  Tieren,  soge- 
nannten  Miindeln,  die  meist  zwei  fur  ein  Fell  gerechnet  werden.  Aber  wahrend 


XIII.  Nagetiere. 


591 


sonst  diese  kleinen  Felle  sehr  ungern  genommen  wurden,  sind  sie  jetzt  sehr 
beliebt  und  kostet  das  rohe  Fell  augenblicklich  ca.  2  Mk.,  wahrend  die  aus- 
gewachsenen  Felle  ca.  3,75  Mk.  bringen.  Noch  im  Jahre  1909  kosteten  Oren- 
burger  Murmel  ca.  1,80  Mk.,  wahrend  vor  zehn  Jahren  der  Preis  etwa  80  Pf. 
und  vor  20  Jahren  ca.  40  Pf.  betrug.  Es  kommen  jetzt  etwa  iy2  Millionen 
Orenburger  Murmel  in  den  Handel. 

Zahlreicher  sind  die  Beisky-Murmel,  die  ihren  Namen  davon  haben,  dass 
sie  hauptsachlich  iiber  die  Stadt  Bijsk  in  der  Nahe  von  Tomsk  in  den  Handel 
kommen.  Es  ist  dies  wahrscheinlich  Arctomys  sibirica.  Die  Tiere  sind  grosser 
als  die  vorigen  und  die  Farbung  anders.  Das  Oberhaar  ist  kiirzer  und  weniger 
dicht  und  auch  die  graugelbe  Unterwolle  nicht  so  dicht.  Man  unterscheidet 


Orenburger  Murmel  (Arctomys  bungei). 

nach  der  Farbe  blaue  und  gelbe.  Die  letzteren,  die  in  der  Far  be  den  Oren- 
burgern  ahnlich  sind,  aber  deren  Haar  harter  und  weniger  glanzreich  ist,  sind 
Fruhjahrfelle,  wahrend  die  blauen,  welche  auf  graugelbem  Untergrunde 
dunkle  Grannen  mit  schwarzlichen  Spitzen  zeigen,  spater  im  Herbst  gefangen 
sind.  Die  Hauptjagdzeit  fur  diese  Tiere  ist  nicht  das  Fruhjahr,  wie  bei  den 
Orenburgern,  sondern  der  Herbst  und  kommen  die  ersten  frischen  Sendungen 
im  Dezember  in  Moskau  an  den  Markt.  Die  Hauptmenge  dann  auf  die  Messe 
zu  Irbit.  Im  ganzen  kommen  etwa  2%  Millionen  Felle  jahrlich  an  den  Markt, 
die  stets  etwa  10  Proz.  billiger  sind  als  Orenburger.  Meist  werden  dieselben  so 
gehandelt,  dass  60  Proz.  blaue  und  40  Proz.  gelbe  zusammen  genommen  werden 
miissen,  doch  wechselt  dieser  Prozentsatz  haufig.  Auch  in  Beiskys  sind  die 
Miindel  augenblicklich  beliebt er  als  sonst. 

Sehr  nahe  verwandt  sind  die  aus  China  kommenden  Murmel.  Zunachst 
kommen  aus  der  Mongolei  Murmel,  die  fast  genau  so  gefarbt  sind  wie  die 
Beisky,  auch  ebenso  gross  sind,  aber  flacher  im  Haar.  Der  gegenwartige  Preis 


XI.  Verwandte  der  Barenarten. 


ist  ca.  2  Mk.   Vielfach  kommen  diese  Felle  iiber  Russland  auf  den  Markt  unter 
dem  Namen  Sabaikalski,  d.  h.  von  jenseits  des  Baikalsees. 

Sehr  schone  Felle,  die  den  Beisky  in  Qualitat  nur  wenig  nachgeben  und 
auch  meist  dunkel  in  der  Farbe  sind,  liefert  die  Mandschurei  unter  dem 
Namen  Newchang-Murmel.  Sehr  viel  geringer  sind  die  chinesischen  Murmel, 
die  aus  den  Provinzen  Kansu,  einem  Teil  des  nordlichen  Shansi  und  der 
Mongolei  vorkommen.  Sie  sind  meist  gelblich  mit  nur  schwachen  braunlichen 
Spitzen  und  enthalten  stets  eine  grossere  Menge  sogenannter  wirblicher 
Felle.  Der  chinesische  Name  aller  Murmel  ist  Fukju  oder  Hoe  Fah.  Im  ganzen 
kommen  jahrlich  etwa  eine  halbe  Million  in  den  Handel,  bis  vor  kurzem 
stets  iiber  Tientsin  oder  Shanghai,  jetzt  werden  sie  aber  schon  am  Ursprungs- 
orte  zum  grossen  Teil  von  russischen  Handlern  aufgekauft  und  kommen  iiber 
Russland  auf  den  Weltmarkt.  Es  sind  ganz  bestimmte  feste  Handelswege, 
auf  denen  die  Murmelfelle  jetzt  auf  den  Weltmarkt  gelangen.  Die  Felle 
aus  der  Mandschurei  teils  nach  Siiden  nach  Nerchwang,  teils  nach  Norden 
iiber  Charbin  und  Manschurin  auf  der  grossen  sibirischen  Bahn.  Die  Felle 
aus  der  ostlichen  Mongolei  gehen  aus  dem  nordlichen  Teile  iiber  Chailas  und 
Werschne  Udnisk  auf  der  sibirischen  Bahn,  aus  dem  siidlichen  nach  Kalgen. 
Aus  der  centralen  Mongolei  gehen  Murmel  iiber  Urga  nach  Maimatchin 
Viechto  in  Sibirien.  Die  Felle  aus  dem  Teil  der  Mongolei  westlich  von  Kobdo 
kommen  als  echte  Breisky  nach  Bijsk.  Die  Orenburger  Felle  gehen  iiber 
die  Markte  von  Orenburg,  Orsk,  Akmolinsk,  Petropowlowsk  etc.  nach 
Tscheljabuisk,  dem  Knotenpunkt  der  Taschkent  und  sibirischen  Bahn.  Auch 
die  chinesischen  Murmeltiere  sind  ausgesprochene  Steppenbewohner. 

Ein  gleiches  gilt  von  dem  grossten  Murmeltier,  dem  sogenannten  Tarba- 
ganer  Murmel,  einer  eigenen  Art.  Die  Farbe  ist  ahnlich  wie  beim  Orenburger, 
gelb  mit  ganz  leichter  braunlicher  Farbung  der  Grannenspitzen.  Die  Unter- 
wolle  ist  aber  viel  dichter  und  die  Grannen  viel  langer  und  dichter  als  bei 
diesen.  Es  gibt  jahrlich  etwa  100  ooo  Felle,  die  aber  augenblicklich  nicht 
so  beliebt  sind  wie  die  anderen  Sorten.  Die  Tiere  leben  im  Altaigebirge  sowie 
dem  Alan  Tan  und  zeigen  schon  durch  die  Lange  und  Dichte  der  Haare,  dass 
sie  ein  Gebirgstier  sind.  Ihren  Namen  haben  sie  wahrscheinlich  nach  der  Stadt 
Tarbacan,  doch  werden  die  auf  Kamtschatka  und  dem  nordostlichen  Serbien 
vorkommenden  Murmel  ebenfalls  Tarbagan  genannt,  ein  Wort,  das  der 
tiirkischen  Sprache  entstammt.  In  der  letzten  Zeit  hat  sich  auch  gezeigt, 
dass  die  mongolischen  und  mandschurischen  Murmeln  ebenso  wie  die  Ratten, 
Verbreiter  der  Pestbacillus  sind,  der  dann  auch  das  Ungeziefer,  welches  das 
tote  Tier  sofort  verlasst  nach  anderen  Murmeln  und  auch  auf  den  Menschen 
iibertragt.  Am  Fell  haftet  aber  der  Bacillus  nicht,  da  er  in  trocknem  Zu- 
stande  schon  nach  ganz  kurzer  Zeit  zu  Grunde  geht. 

Alle  diese  Murmelfelle  werden  in  Deutschland  zugerichtet  und  vorziiglich 
nerz-  oder  zobelartig  gefarbt  und  liefern  eine  sehr  gute  und  beliebte  Imitation. 
Es  werden  daraus  sowohl  Jacketts  und  Paletots,  als  Stolas  und  Muff  en  gefertigt. 


XIII.  Die  Nagetiere.  593 


Es  gibt  nun  noch  eine  ganze  Reihe  von  Murmeltieren,  die  bis  jetzt  im 
Handel  fast  gar  nicht  vorkommen.  So  wimmeln  die  Hochtaler  und  Gebirgs- 
hange  Tibets  von  Murmeltieren,  die  dort  die  Hauptnahrung  der  zahlreichen 
Baren  bilden.  Meister  Petz  versteht  es,  die  Tiere  auch  wahrend  des  Winters 
aus  den  Bauten  auszugraben.  A.  himalayanus  findet  sich  bis  zu  14  ooo  Fuss 
Meereshohe,  ist  gelb,  auf  der  Oberseite  stark  mit  schwarz  gemischt,  Lange 
des  Felles  ca.  50  bis  60  cm,  Schwanzlange  ca.  15  cm.  Auf  den  Hochplateaus 
finden  sich  noch  grosse  Kolonien  dieser  Tiere,  deren  Fell  der  hohen  Lage 
entsprechend,  auch  recht  dick  und  voll  ist.  Daneben  kommt  noch  ein  anderes 
grosses  Murmeltier  vor. 

A.  robustus.  Es  bewohnt  vorzugsweise  das  nordliche  und  ostliche  Tibet 
und  soil  dem  Orenburger  ahnlich  sein. 

In  Sikkim  und  Buthan  lebt  zahlreich  ein  kleines  Murmeltier,  A.  hod- 
gsoni,  das  nur  30  bis  40  cm  Korperlange  und  einen  12  cm  langen  Schweif 
besitzt.  Die  Farbung  ist  ahnlich,  der  Riicken  aber  dunkler.  In  den  tieferen 
Talern  Kashmir s  findet  man  A.  caudatus.  Orangefarbig  bis  gelblich  mit 
schwarzlichem  Riicken.  Der  Schwanz  misst  25  cm,  das  Fell  50  cm.  Schweif 
ist  gelb  mit  schwarzer  Spitze. 

In  Kamtschatka  und  dem  nordostlichen  Sibirien  bis  zur  Tschuktschen 
Halbinsel  lebt  sehr  zahlreich  ein  Murmeltier,  A.  camtschatica,  welches  der  Be- 
schreibung  nach  dem  Tabarganer  Murmel  ahnlich  sieht.  Im  Handel  kommen 
solche  bisher  nicht  vor,  ebenso  wenig,  wie  die  gleichfalls  im  nordlichen  Ost- 
sibirien  lebenden  A.  diftoni.  In  Japan  kommt  keins  der  genannten  Murmel- 
tierchen  vor,  doch  lebt  in  den  Gebirgen  Hondos  eine  Art  Alpenmurmeltier, 
dessen  Felle  in  den  Badeorten  und  Tourist enplatzen,  wie  z.  B.  Nijkko  und 
Myanoshita  zu  Pantoffeln  und  allerhand  kleinen  Andenken  verarbeitet,  an- 
geboten  werden.  Fur  den  Pelzhandel  haben  sie  keine  Bedeutung.  Ahnlich 
ist  das  europaische  Alpenmurmeltier,  A.  marmotta,  das  ca.  50  cm  Korperlange 
und  12  cm  Schweiflange  hat.  Die  Farbung  ist  graugelb  bis  braungelb,  auf  dem 
Kopf  haben  die  braun  und  schwarzgeringelten  Grannenhaare  weisse  Spitzen ; 
Nacken,  Rumpf  und  Unterleib  sind  rotlich  braun.  Das  drollige  Geschopf  be- 
wohnt ausschliesslich  die  Matten  und  die  Steinwiisten  unterhalb  der  Schnee- 
grenze.  In  tiefgegrabenen  Hohlen  verschlaft  es  mindestens  8  bis  9  Monate 
des  Jahres,  wahrend  es  im  Somemr  lustig  umherspielt,  dabei  aber  ausserst 
wachsam,  auch  wahrend  des  Aesens,  und  ist  daher  schwer  zu  beschleichen. 
Die  Jagd  mit  der  Flinte  bietet  daher  wenig  Erfolg,  doch  wird  ihm  erfolgreich 
mit  Fallen  nachgestellt,  namentlich  im  Herbst,  wenn  die  Tiere  fett  sind. 
Murmeltierbraten  ist  namentlich  in  der  Schweiz  sehr  beliebt.  Das  Fell  kommt 
nicht  in  den  Welthandel,  wird  aber  lokal  zu  Ranzen,  Jagdtaschen,  Miitzen  usw. 
verarbeitet.  Das  Fett  gilt  als  Medizin.  Durch  die  Nachstellungen  ist  das  Tier 
in  den  Alpen  recht  selten  geworden,  wird  aber  jetzt  in  verschiedenen  Kantonen 
geschutzt.  Auch  auf  den  Bannbergen,  auf  denen  seit  einer  Reihe  von  Jahren 
jede  Jagdausiibung  verboten  ist,  finden  sie  noch  eine  Zuflucht.  Haufiger  sind 

38 


594  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

die  Murmeltiere  noch  in  den  Karpaten  und  Pyrenaen,  auch  im  Rhonetal. 
Friiher  wurden  die  gefangenen  Jungen  haufig  aufgezogen  und  gezahmt  und 
dann  von  herumziehenden  Savoy ardenknaben  gezeigt.  Jetzt  hat  dieser  Er- 
werbszweig  wohl  fast  ganz  aufgehort. 

Sehr  stark  verbreitet  in  nordlichsten  Teilen  von  Nordamerika  sind  ver- 
schiedene  Murmeltierarten,  die  sich  sehr  gut  zu  Pelzzwecken  eignen  wurden, 
bisher  aber  im  Handel  keine  Rolle  spielen.  Am  bekanntesten  davon  ist 
A.  monax,  groundhog  oder  wie  er  in  Kanada  genannt  wird,  ,,woodschuck",  das 
in  den  Auktionen  der  Hudsonsbay  Company  unter  dem  Namen  ,,Wheenusk" 
bekannt  ist,  ein  Name,  der  ihm  von  den  Cree-Indianern  beigelegt  ist.  Das  Tier 
hat  eine  Korperlange  von  etwa  40  cm  mit  ca  10  cm  langem  Schweif,  die  Farbe 
ist  ahnlich  dem  Griesfuchs,  die  Grundfarbe  ist  rostfarben,  darin  sind  schwarze 
und  weisse  Grannenhaare  zerstreut.  Die  ziemlich  dichte  Unter wolle  ist  dunkel. 
Am  Bauch  fehlt  die  Unterwolle  fast  ganzlich  und  die  diinnen  steifen  Grannen- 
haare sind  rotlich.  Das  Tier  lebt  im  Hudsonsbai-Gebiet  bis  zum  Yorkfort- 
distrikt,  in  Kanada  und  in  den  Vereinigten  Staaten  von  New  York  bis  Dakota. 
Es  bringt  jahrlich  8  bis  10  Junge,  frisst  alle  Arten  Wurzeln  und  Pflanzen  und 
grabt  sich  Hohlen  oder  benutzt  Wurzelhohlungen  zu  seinem  Lager.  Es  kommen 
jahrlich  nur  etwa  1000  Felle  in  den  Handel,  die  augenblicklich  vielleicht 
i  Mk.  Wert  haben,  es  ware  aber  geniigender  Absatz  vorhanden  und  konnten 
eventuell  auch  grossere  Quantitaten  geliefert  werden,  wenn  die  Trapper  sich 
mit  dem  Fange  befassen  wurden.  In  Labrador  wird  es  durch  eine  Abart 
A.  monax  ignavus  ersetzt. 

Nordlich  vom  Polarkreis  lebt  A.canadensis,  einMurmeltier,  dessenFell  etwa 
25  cm  lang  ist,  mit  dichtem,  langem,  dachsahnlichem  Oberhaar  und  heller, 
dichter  Unterwolle.  Es  wird  auch  haufig  Pfeifhase  oder  ,, whistler"  genannt. 
Exportiert  wird  das  Fell  garnicht,  doch  verwenden  es  die  Indianer  haufig  zu 
Pelzrocken.  Auch  dies  konnte  ein  nicht  unbedeutender  Handelsartikel  werden. 

In  Alaska  bis  Washington-Teritor  so  wie  im  Hudsonsbay- Gebiet  lebt  noch 
A.  pruinosus,  etwas  grosser  als  die  anderen  Arten,  die  Farbung  des  Riickens 
und  der  Unterseite  ist  grau,  der  hintere  Teil  des  Riickens  gelb  und  schwarz 
meliert.  In  den  Rocky  Mountains  von  Britisch  Kolumbia  bis  Kalifornien  und 
auch  bis  nach  Texas  lebt  A.  jlaviv  enter,  ein  ziemlich  kleines  Murmeltier, 
gelblich  braun  mit  grau  gemischt,  Unterseite  rotlichgrau,  in  Sud-Dakota  A. 
dacota,  in  British  Columbia  A.  avarus,  in  den  Olympic-Bergen  A.  olympus. 

5.  Der  Ziesel. 

Kommerziell  ausgenutzt  wird  fast  nur  der  gewohnliche  europaische 
Ziesel  oder  Suslik,  Spermophillus  citillus,  welcher  Russland,  Osterreich-Ungarn, 
Polen  bewohnt  und  in  den  letzten  Jahren  auch  nach  Ostdeutschland  vor- 
gedrungen  ist,  nicht  gerade  zur  Freude  der  ackerbautreibenden  Bevolkerung, 
denn  das  Tierchen  richtet,  wie  der  Hamster,  grossen  Schaden  an,  weniger  am 


XIII.   Die  Nagetiere. 


Getreide  als  durch  Fressen  der  Pflanzenwurzeln  und  durch  seine  Wiihlarbeit. 
Das  Fell  des  Suslik  ist  15  bis  20  cm  lang,  gelbbraunlich,  die  Grannenhaare 
weisslich  geringelt,  an  den  Seiten  rotlich.  Das  Haar  ist  kurz  und  nicht  sehr 
dicht.  Die  Felle  werden  in  Russland  zu  Futtern  zusammengestellt,  Suslik- 
oder  Kaluga-Sacke  genannt,  und  schwankt  der  Preis  fur  einen  solchen  Sack 
zwischen  5  bis  12  Mk.  Augenblicklich  ist  die  Ware  nicht  sehr  gesucht.  In 
Jahren,  wo  solche  Futter  gesucht  sind,  mogen  wohl  eine  Million  Zieselfalle 
verarbeitet  werden. 

In  Siidrussland  kommt  noch  daneben  eine  andere  Zieselart  vor,  Sp.  fulvus 
sowie  im  Kaspischen  Gebiet,  die  aber  viel  grosser  ist  als  die  anderen.  In 
Transkaspien  kommt  Sp.  leptodactylus  haufig  vor.  In  Sibirien  und  Zentral- 
asien,  von  Kasan  bis  Orenburg  und  nordlich  bis  zum  60.  Breitengrade  lebt 
Sp.  rufescens,  der  mehr  rotlich  in  der  Grundfarbe  ist,  mit  dunklerem  Riicken, 


Leopardenziesel   (Ictomys  tridecimus) . 

wahrend  in  der  Mongolei,  Siidost- Sibirien  und  Nord-China  Sp.  dauricus  und 
Sp.  mongolicus  haufig  sind,  im  Handel  aber  bisher  nicht  vorkommen. 

Im  siidlichen  Russland  findet  sich  der  niedliche  Perlziesel,  Sp.  guttatus, 
das  auf  gelblichem  Grunde  mit  zahlreichen  kleinen  weissen  Flecken  geziert  ist. 

Alle  Ziesel  sind  muntereTiere,  deren  Beobachtung,  wie  sie  beim  Bau  spielen, 
Mannchen  machen  und  sich  beschaftigen,  viel  Vergniigen  bereitet.  Er  wird 
in  der  Gefangenschaft  schnell  zahm  und  bildet  dann  ein  liebenswiirdiges  an- 
hangliches  Stubentier.  Das  Fleisch  soil  sehr  wohlschmeckend  sein,  ahnlich 
wie  Huhnerfleisch,  wird  aber  nur  in  Sibirien  viel  gegessen.  In  Europa  essen  es 
ausser  Zigeunern  nur  ganz  arme  Leute.  Die  Tiere  graben  tiefe  Baue  mit  zahl- 
reichen Rohren,  und  speichern  im  Herbst  betrachtliche  Vorrate  an  Wurzeln, 
Gemiisen,  Beeren,  Hulsenfriichten  usw.  auf,  die  sie  in  den  Backentaschen 
herbeischleppen  und  halten  dann  Winterschlaf.  Bei  anhaltender  nasser 
Witterung  gehen  sie  aber  zu  tausenden  zugrunde. 

Nordamerika  beherbergt  gleichfalls  zahlreiche  Spermopbilus-Arten,  von 
denen  ich  aber  nur  Sp.  parryi  besonders  hervorheben  will.  Das  Tier  lebt  an  der 
Kiiste  der  Hudsonsbay  bis  Fort  Churchill  im  Siiden  und  den  Barrengrounds. 
Nacken,  Seiten,  Brust  und  Bauch  dunkel  bleifarben  mit  hellrotlichen  Spitzen. 

38* 


5Q6 


Naturgeschichte  der   Pelztiere. 


Beine  und  Hals  tief  rotlich.  Der  Rumpf  schwarz  gesprenkelt,  der  Riicken 
gelbbraun  mit  schwarzen  Haaren,  die  dunkle  Flecken  bilden.  Das  Fell  wird  von 
Indianern  viel  verwendet,  kommt  aber  nicht  in  den  Handel. 

Ichtidomys  tridecunlineatus,  der  Leopardenziesel,  der  irn  Mississippitale  haufig 
ist,  wurde  mit  seinem  Mbsch  gezeichneten  Fell  ein  gutes  Material  fiir  Pelzfutter 
abgeben,  kommt  aber  ebenfalls  im  Handel  nicht  vor. 

Der  Prariehund,  Cynomys  ludovicianus,  ist  einer  der  charakte- 
ristischsten  Bewohner  der  nordamerikanischen  Prarien.  Bisher  gelangte  das 
Tier  nirgends  in  den  Handel,  aber  seit  zwei  Jahren  ist  von  seiten  der  ameri- 
kanischen  Regierung  ein  Vernichtungskrieg  gegen  diese  Tiere  er  off  net  worden, 
da  sie  der  intensiveren  Bewirtschaftung  der  Prarien,  die  ja  jetzt  in  Weizenland 
umgewandelt  werden,  hindernd  im  Wege  stehen.  Es  sind  seit  dieser  Zeit  liber 


Gesch.  Spezialaufn.  d.  Neuen  Phot.   Ges. 
Prariehnnde    (Cynomis .  ludovicianus ) . 

3  Millionen  dem  totlichen  Strychnin  zum  Opfer  gef alien.  Es  ist  aber  schade, 
dass  die  Felle  garnicht  benutzt  werden  und  sollte  seitens  der  amerikanischen 
Interessenten  darauf  hingewirkt  werden,  dass  die  getoteten  Tiere  abgestreift 
werden  und  dann  die  Felle  dem  Handel  zuganglich  gemacht  werden,  wozu 
sie  gut  geeignet  sind. 

Das  Tier  ist  etwa  35  cm  lang,  wozu  noch  der  7  m  lange,  dicht  behaarte 
buschige  Schweif  kommt.  Die  Oberseite  ist  hell  rotbraun  mit  grau  und 
scbwarzlichen  Haaren  gemischt.  Die  Unterseite  gelblich  weiss.  Der  Kopf 
ist  sehr  breit  und  kurz,  der  Korper  gedrungen  und  jeder  Reisende,  der  die 
Prarien  durchzogen,  weiss  iiber  die  Prariehunde  zu  berichten. 

Meilenweit  ziehen  sich  oft  die  ,,Stadte"  dieser  Tiere  hin  und  die  Hiigel, 


XIII.    Die  Nagetiere.  597 


die  sich  iiber  jedem  Bau  befinden,  fassen  eine  Wagenladung  Erde  und  sind 
stets  nur  einige  Meter  von  einander  entfernt. 

Die  Ansiedelungen  befinden  sich  stets  an  Stellen,  wo  ein  kurzes  feines  Gras 
(Sesberne  dactyloides)  wachst,  das  nebst  Wurzeln  ihre  einzige  Nahrung  bildet 
Wasser  bediirfen  sie  nicht,  ebenso  wie  die  asiatischen  Murmeltiere,  begniigen 
sie  sich  mit  dem  Nachttau  auf  den  Grasern.  Im  Spatherbst  fallen  sie  in  Winter- 
schlaf .  Sehr  amiisant  ist  das  Treiben  in  einer  solchen  Ansiedlung  zu  beobachten 
wenn  es  gelingt  sich  unbemerkt  heranzuschleichen.  Auf  jedem  Hiigel  sitzt  eins 
der  alten  Tiere,  wahrend  andere  unterwegs  sind  um  dem  Nachbarn  Besuch 
abzustatten  und  sich  schweifwedelnd  neben  ihn  zu  setzen.  Andere  scheinen 
zwecklos  gemeinschaftlich  spazieren  zu  gehen,  wahrend  die  j  linger  e  Generation 
sich  im  munteren  Spiel  tummelt.  Den  Namen  ,, Prairie  dog"  gaben  ihm  die 
Trapper  wegen  seiner  bellenden  Stimme,  doch  gehoren  die  Tiere  durchaus  zu 
den  Murmeltieren.  Ihr  Verbreitungsbezirk  reicht  von  den  heissen  Ebenen  Neu- 
Mexikos  bis  zu  den  Prarien  am  Saskatchewa,  und  noch  in  Alaska  sollen  Ver- 
wandte  leben,  doch  fehlen  sie  in  den  mit  ,,Sage  brush"  bestandenen  Prarien 
ganzlich.  Merkwiirdig  ist  die  verbiirgte  Tatsache,  dass  in  den  Bauten  der 
Prariehunde  stets  sehr  zahlreiche  Erdeulen  und  Klapperschlangen  leben, 
die  sich  nach  zuverlassigen  Beobachtern  sehr  gut  mit  einander  vertragen.  Das 
Fleisch  der  Prairiehunde  soil  sehr  wohlschmeckend  sein,  doch  sind  sie  mit  dem 
Gewehr  schwer  zu  erbeuten,  da  sie  trotz  aller  anscheinenden  Vertrautheit 
sehr  wachsam  sind,  und  bei  geringstem  Anschein  von  Gefahr  sofort  im  Bau 
verschwinden.  In  der  Gefangenschaft  halten  sie  sich  gut,  sind  aber  nicht  haufig 
in  zoologischen  Garten  anzutreffen.  Die  Exemplare  des  Berliner  Zoologischen 
Garten  bekommt  man  fast  nie  zu  Gesicht,  da  sie  sich  dort  tagsliber  in  ihrer 
unterirdischen  Hohle  aufhalten. 

6.  Die  Biberarten. 

Der  Biber  war  f rimer  das  Hauptobjekt  des  Pelzhandels  in  Amerika. 
Schon  bei  der  ersten  Auktion  der  Hudsonsbay  Company  im  Jahre  1672  am 
24.  Januar  wurden  3000  Pfund  Biberfelle  aufgelegt  und  mit  36  bis  55  sh  pro  Ib 
verkauft.  In  den  spat er en  Jahren  schwankten  die  Qualitaten  und  die  Preise 
sehr  stark.  Bei  dieser  ersten  Auktion  waren  iibrigens  der  Prince  of  Wales,  der 
Duke  of  York  (nachmals  Konig  James  II.),  der  Dichter  Dry  den  und  zahl- 
reiche andere  hohe  Herren  anwesend. 

Die  Biberfelle  wurden  damals  hauptsachlich  zu  Filzhiiten  verarbeitet, 
wozu  nach  englischem  Sortiment  die  Parchment-Beaver  verarbeitet  wurden; 
die  anderen  waren  Coatbiber  genannt,  eine  Einteilung,  die  nebst  dem  Verkauf 
nach  Gewicht,  noch  bis  weit  in  das  19.  Jahrhundert  reichte.  Erst  um  1850 
herum  wurden  die  Biberfelle  in  Europa  in  grosseren  Mengen  zu  Pelzzwecken 
verwendet.  Nur  in  Russland  und  in  China  hatte  man  schon  friiher  die  schonen 
Felle  zu  Pelzwerk  verarbeitet.  So  gingen  schon  zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts 


598  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

die  schwarzen  Biberfelle  als  Castor  de  Muscovie  von  Kanada  nach  Russland, 
wahrend  nach  China  iiber  Moskau  und  Kiachta  grosse  Quantitaten  gingen, 
so  z.  B.  kamen  in  den  Jahren  1817  bis  1819  nach  Kiachta  19  ooo  Biberfelle  aus 
Amerika,  1841  bis  1843  30  827.  Heute  kommen  fast  gar  keine  mehr  dahin. 
In  Kanada  teilte  man,  wie  schon  bei  der  Geschichte  des  Rauchwarenhandels 
erwahnt,  die  Biberfelle  nach  folgenden  Klassen  ein.  Am  wertvollsten  waren 
die  weissen  Biber,  die  in  den  Kontoren  der  franzosichen  Kompanie  mit  18  Fr. 
pro  Pfund  bezahlt  wurden,  dann  die  schwarzen  C.  de  Muscovie,  die  6  Fr. 
kosteten.  Zu  Filzzwecken  kamen  zuerst  die  C.  gras,  die  schon  ganz  abgetragen 
und  mit  Fett  getrankt  waren  und  4%  Fr.  bis  6  Fr.  holten,  dann  die  C.  semi  gras 
und  zuletzt  die  frischen  Felle  C.  sec,  die  nur  2l/2  Fr.  brachten.  Sowohl  die 
Quantitaten  wie  die  Preise  schwankten  sehr  stark.  So  kamen  z.  B.  bei  der 
Hudsonsbay  Company  in  den  Jahren  1720  bis  1730  jahrlich  50  bis  60  ooo 
Biber  zum  Preise  von  4  bis  8  sh.  pro  Ib. ;  am  20.  Dezember  1740  verkaufte  die 
Hudsonsbay  Company  12  320  Parch ment-Biber  a  6/2  pro  Ib.,  5460  Coatbiber 
a  5/3  und  3690  Cubs  a  6/2,  ausserdem  noch  3640  alte  und  beschadigte  Parch- 
ment-Biber. 

Am  17.  November  1743  kamen  aber  59  800  Coatbiber  a  4/8,  780  be- 
schadigte a  4  sh.,  9520  Parchment  a  5/2  und  4070  Cubs,  4760  beschadigte 
Parchment  und  1640  beschadigte  Cubs.  Zu  gleicher  Zeit  waren  aber  von  Kanada 
aus  nach  Rochelle  gebracht  15  ooo  Coatbiber  und  112  080  Parchment-Biber. 
1793  brachte  die  Hudsonsbay  Company  4724  Coats  und  42  242  Parchment- 
Biber  nach  London,  wahrend  im  gleichen  Jahre  die  Nordwest  Company 
116  ooo  Biber  nach  London  schickte  und  von  den  Vereinigten  Staaten 
ca.  60  ooo  Stuck  kamen.  So  holten  im  Jahre  1814  die  462  Coat-  und  17  356 
Parchment-Biber  der  Hudsonsbay  Company  58  sh.  pro  Ib.  Von  anderer  Seite 
kamen  in  diesem  Jahre  noch  70  ooo  Biber  nach  London.  1824  kamen  von  der 
Hudsonsbai  78  ooo  Biber,  von  den  Vereinigten  Staaten  aber  nur  2616  Stuck. 
1829:  30  248  Hudsonsbai,  von  Amerika  9300  Biber  im  Werte  von  10  bis  45  sh. 
pro  Ib.  1844  kamen  von  der  Hudsonsbay  Company  409  Coat  und  38  252 
Parchment,  wahrend  bei  Lampson  nur  151  Stuck  und  bei  anderen  ameri- 
kanischen  Brokern  6000  Stuck  kamen.  1863  waren  von  der  Hudsonsbai  113  915 
Biber,  wovon  18  ooo,  die  aus  den  Nordwestgebieten  in  der  Herbstauktion 
von  Amerika  kamen  21  880.  Der  Preis  war  von  1/6  bis  16  sh.  pro  Stuck  oder 
3/2  bis  ii /3  pro  Ib.  1875  waren  bei  der  Hudsonsbay  Company  270  903  Biber 
im  Werte  von  273  905  Pfund  Sterling,  bei  Lampson  65  941  Stuck  im  Werte 
von  48  647  Pfund. 

Diese  Quantitaten  haben  langst  stark  nachgelassen.  So  kamen  z.  B.  im 
Jahre  1909  bei  der  Hudsonsbay  Company  33  ooo,  bei  Lampson  27  ooo  und 
Nesbitt  3000.  Der  Durchschnittswert  fur  die  grossen  Felle  war  etwa  35  Mk., 
fur  die  kleinen  16  Mk.  pro  Stiick.  Das  Biberfell  gait  Jahrhunderte  lang  im 
Hudsonsbai- Gebiet  als  Wertmesser,  bis  die  zunehmende  Kultur  seit  etwa 
40  Jahren  auch  hier  die  Geldwirtschaft  einfiihrte.  Wir  brachten  in  eincr 


XIII.    Die  Nagetiere. 


599 


friiheren   Abteilung    (Handel   und   Verkehr)    zwei    Tarife    der    Hudsonsbay 
Company  aus  dem  Jahre  1733  und  1863. 

Nach  dem  ersten  galten  im  Mooseriver  Fort  und  Tt.  Albany  V2  Ib.  Glas- 
perlen  i  Biberfell,  ebenso  i1/,  Ib.  Schiesspulver  oder  2  Pfund  Zucker  oder 
5  Pfund  Schrot.  i  Hut  fur  Manner  gait  3  Biberfelle,  i  Paar  Hosen  3  Biber ; 
3  Zobelfelle  waren  gleich  i  Biber,  2  Ottern  oder  i  Fuchs  gleich  i  Biber. 
i  Barenfell  gait  2  Biber  und  i  Pfund  Bibergeil  gleich  21  Biberfellen.  1863 
wurde  eine  Flint e  gleich  20  Biberfellen  gerechnet,  i  Kupferkessel  gleich 
1 6  Biber,  i  Biberfell  gait  gleich  i  Mass  Pulver  oder  18  Kugeln  oder  10  Feuer- 


Canadische  Biber  im  Urwald. 

steinen  oder  i  Feuerstahl,  i  kleiner  Spiegel  oder  i  Tabaksbeutel  mit  Brennglas 
gleich  falls  i  Biberfell,  i  Paar  Hosen  9  Biberfelle. 

Der  amerikamsche  Biber,  C.  canadensis,  bewohnt  vorzugsweise  die  nord- 
lichen  Gegenden,  soweit  der  Wald  reicht.  Das  Fell  ist  60  cm  bis  i  m  lang 
(der  Schwanz  ca.  20  cm  lang,  10  cm  breit  und  2  cm  dick),  mit  einer  dichten, 
blaugrauen  Unterwolle,  die  etwa  i  bis  iV2  cm  lang  ist,  an  den  Seiten  und  dem 
Bauch  hell  und  dicht,  auf  dem  Riicken  dunkler  und  etwas  loser. 

Die  dichten,  harten  Grannenhaare,  die  meist  rotlich  und  5  bis  6  cm  lang 
sind,  werden  mittelst  eines  scharfen  Messers  ausgerupft  (tiefgeschoren).  Die 
dunklen  Felle,  aber  die  zu  Herrenkragen  verwendet  werden,  werden  nur  zur 
Halfte  geschoren  (hochgeschoren) .  Die  schonsten  und  dunkelsten  Felle  kommen 
aus  Labrador  unter  der  Bezeichnung  L.  W.  R.  (Little  whale  River)  und  Fort 
George  (F.  G.),  dann  E.  B.  (Eskimo-Bai),  E.  M.  (Eastmaine),  ferner  aus  dem 


600  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Mooseriverdistrikt  M  R.  Die  meisten  dieser  Felle  sind  dunkel,  fast  schwarzlich. 
Der  Yorkfort-Distrikt  Y.  F.  liefert  gute,  aber  mil  rotlichem  Oberhaar  ver- 
^sehene  Felle.  Vom  Mackenzie-River  (MKR.)  kommen  helle  Felle,  die  meist 
*etwas  langlich  sind.  Aus  Kanada  kommen  auch  schone  Felle.  In  den  Ver- 
einigten  Staaten  gehoren  die  aus  den  ostlichen  und  zentralen  Staaten  stammen- 
den  Felle  derselben  Biberart  an.  Im  Wseten  tritt  eine  andere  Biberart  auf, 
C.  -pacijicus,  deren  Verbreitungsbezirk  von  Kalifornien  nach  Alaska  reicht, 
grosse,  hellgefarbte  Felle.  In  Alaska  war  sie  fruher  recht  zahlreich,  ist 
aber  jetzt  fast  ganz  verschwunden.  Im  Gebiete  von  Britisch  Kolumbia  und 
von  Oregon  wurden  die  Felle  in  ganz  eigenartiger  Form,  fischartig  geformt, 
aufgespannt,  woran  diese  Provenienz  gleich  zu  erkennen  ist. 

In  Wyoming  und  Montana  lebt  C.  fondator,  ein  kleinerer,  aber  viel 
dunklerer  Biber;  besonders  die  Felle  aus  Montana  zeichnen  sich  durch  die  Art 
der  Behandlung  aus.  Die  trockenen  Felle  sind  fast  kreisrund  gespannt.  In 
Texas  kommt  C.  taxensis  vor,  in  den  Siidstaaten  lebt  ein  Biber,  C.  carolinensis, 
der  bedeutend  grosser  ist  als  C.  canadensis,  C.  canadensis,  dessen  Unterwolle 
aber  bedeutend  diinner  ist  und  der  sehr  rotliches  Oberhaar  hat.  Besonders 
auffallig  ist  der  Schweif  des  Bibers  der,  flach  mit  Schuppen  statt  der  Haare 
bedeckt,  einem  Fisch  gleicht,  weshalb  auch  der  Biber  in  katholischen  Landern 
als  Fastenspeise  gestattet  war.  Das  Fleisch  des  Biberschwanzes  gilt  als 
grosse  Delikatesse,  auch  das  Fleisch  des  Bibers  selbst  soil  recht  wohl- 
schmeckend  sein,  so  dass  es  bei  den  Jagern  der  Hudsonsbay  Company  als  ein 
Leckerbissen  gait. 

Die  Biber  begatten  sich  im  Januar  und  Februar  und  werfen  im  April  bis 
Mai  5  bis  8  Junge,  die  blind  geboren  werden.  Wahrend  des  ersten  Jahres 
bleiben  sie  bei  den  Eltern,  um  dann  zur  Grundung  eines  eigenen  Haushaltes 
zu  schreiten;  doch  bleiben  auch  diese  verwandten  Familien  meist  zusammen, 
eine  Kolonie  bildend. 

Diese  Kolonien  waren  fruher  haufig  recht  zahlreich,  aus  mehreren  hundert 
Individuen  bestehend;  jetzt  gibt  es  kaum  irgendwo  so  starke  Ansammlungen. 
Ansiedlungen  von  20  bis  30  miissen  schon  als  grosse  bezeichnet  werden.  Gerade 
in  diesen  Kolonien  zeigt  sich  die  hohe  Intelligenz  der  Tiere,  nicht  nur  in  den 
kunstvollen  Bauten,  die  sie  auffuhren,  sondern  in  dem  gemeinsamen  Arbeiten 
nach  einem  bestimmten  Plan.  Gewohnlich  wird  ein  Bach  oder  kleines 
Fliisschen  mittelst  eines  aus  Baumstammen  und  Schlamm  hergestellten 
Dammes  abgedammt,  so  dass  eine  Wasseraufstauung  entsteht  und  die  eben 
falls  aus  Baumstammen  und  Schlamm  errichteten  kegelformigen  Biber- 
wohnungen  umgibt,  die  oft  mehr  als  i  m  hoch  aufragen  und  unter  Wasser- 
zwei  Ausgange  besitzen.  Sowohl  der  Damm  wie  die  Aussenseite  der  Biber- 
bauten  sind  kunstvoll  geglattet,  wahrend  es  wohl  als  Fabel  zu  betrachten  ist, 
dass  der  Biber  zum  Glatten  seinen  Schwanz  benutzt.  Wahrscheinlich  geschieht 
dies  durch  Anpressen  des  ganzen  Korpers.  Dagegen  benutzt  der  Biber  den 
Schwanz  als  Alarmsignal,  indem  das  gewohnlich  als  Wache  ausgestellte  Tier 


XIII.    Die  Nagetiere.  6oi 


damit  laute  Schlage  auf  den  Erdboden  gibt,  worauf  alles  in  den  Bauten  ver- 
schwindet. 

Das  Fallen  der  Baume  und  das  Zerteilen  derselben  in  handliche  Stiicke 
geschieht  mittelst  der  grossen  scharfen  gebogenen  Schneidezahne,  von  denen 
der  Biber  je  zwei  im  Ober-  und  Unterkiefer  besitzt.  Mittelst  derselben  werden 
Stamme  bis  zu  6  Zoll  Durchmesser  gefallt  und  zwar  so  glatt  durchschnitten, 
als  wenn  eine  Sage  angewendet  wiirde.  Die  Rinde,  welche  den  Tieren  als 
Hauptnahrung  dient,  wird  in  langen  Streifen  sorgfaltig  abgeschalt.  Die 
Stamme  werden  dann  von  den  Tieren  schwimmend  an  Ort  und  Stelle  geflosst. 
Eine  Biberkolonie  richtet  haufig  grosse  Waldverwiistungen  an,  weshalb  sie  sich 
auch  mit  der  modernen  Forstkultur  nicht  vertragen.  Aber  nicht  allein  dies 
ist  der  Grund  des  allmahlichen  Verschwindens  der  Biber,  sondern  der  grosse 
Nutzen,  welchen  ihr  Fang  gewahrt.  Ausser  dem  Fell  und  Fleisch  liefern  sie 
noch  einen  wertvollen  Stoff,  das  Bibergeil  oder  Castoreum,  ein  wachsartiger 
dunkelgelber  Stoff,  der  sich  in  zwei  Beuteln  nahe  den  Geschlechtsteilen  findet 
und  der  in  der  Medizin  eine  grosse  Rolle  spielt.  Die  Hudsonsbay  Company 
bringt  in  einer  besonderen  Auktion  zusammen  mit  konserviertem  Lachs, 
Hirschzungen,  Vogelfedern,  Walrosszahnen  und  dergleichen  auch  jamiich 
1000  bis  2000  Pfund  Bibergeil  zum  Verkauf,  die  einen  Wert  von 
hundert  Mark  pro  Kilo  haben.  Aus  den  Vereinigten  Staaten  kommt  kein 
Castoreum  nach  Europa,  das  geringe  dort  erbeutete  Quantum  wird  im  Lande 
selbst  verbraucht. 

Die  rapide  Abnahme  der  Biber  hat  nun  zu  Schutzmassregeln  gefuhrt. 
So  hat  z.  B.  in  Britisch  Kolumbia  und  in  Neuschottland  der  Biber  dauernd 
Schonzeit,  wodurch  er  sich  dort  wieder  stark  vermehrs  hat.  In  Neu- 
Braunschweig  und  in  Neufundland  diirfen  bis  Ende  1910  keine  Biber  getotet 
werden.  In  Manitoba  und  Quebec  diirfen  Biber  nur  vom  i.  Oktober  bis 
15.  Mai  erlegt  werden.  In  den  Vereinigten  Staaten  haben  Biber  dauernde 
Schonzeit,  in  den  Staaten  Nebraska,  Neu-Mexiko,  New  York,  Nord-  und  Siid- 
Dakota,  Pensylvana,  Utah,  Vermont,  Indiana.  Bis  1910  in  Nevada,  Michigan. 
In  Jowa  haben  Biber  vom  i.  April  bis  i.  November  und  in. Kentucky  vom 
I.  Marz  bis  15.  November  Schonzeit.  In  Minnesota  bedarf  es  fur  nicht  im  Staate 
Ansassige  eines  besonderen  Erlaubnisscheines,  um  Biber  zu  fangen.  Auf  Zu- 
widerhandlungen  stehen  hohe  Strafen.  Dank  dieser  Massregeln  ist  eine  Zu- 
nahme  der  Tiere  an  vielen  Stellen  wieder  zu  konstatieren.  Alaska,  das  fruher 
einen  grossen  Reichtum  an  Bibern  besass,  die  jetzt  sehr  zusammen- 
geschmolzen  sind,  hat  sich  trotz  seiner  sehr  strengen  Wild-Schongesetze  noch 
nicht  zum  ganzlichen  Verbot  des  Biberfanges  entschliessen  konnen.  Der 
Biber  wird  iibrigens  leicht  zahm,  und  wurde  fruher  von  den  Indianern  viel- 
fach  als  Schosstier  gehalten.  Wohl  infolge  der  starken  Verfolgung  ist  seine 
Lebensweise  eine  vorwiegend  nachtliche  geworden.  Auch  das  schone  dunkle 
Exemplar  des  Berliner  Zoologischen  Gartens  ist  meist  nur  in  der  Abend- 
dammerung  zu  sehen.  Gefangen  werden  die  Biber  meist  in  Stahlfallen,  die 


602  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

entweder  unter  Wasser  beim  Eingang  der  Bauten  gesetzt  werden,  oder  mit 
einer  besonderen  Witterung,  die  Geheimnis  des  Jagers  ist,  gekodert.  Ge- 
schossen  werden  sie  selten.  Die  Indianer  gingen  iibrigens  beim  Fange  stets 
schonend  zu  Werke  und  liessen  stets  genug  fur  die  Fortpflanzung  iibrig. 
Nur  die  amerikanischen  Trapper  fangen  riicksichtslos  stets  die  ganze  Kolonie 
weg,  wo  sie  eine  solche  antreffen. 

Fast  ausgerottet  ist  sein  Verwandter,  der  europaische  Biber,  C.  fiber, 
der  mehrere  Abweichungen  zeigt,  namentlich  in  der  Kopfform.  Das  Fell  ist 
meist  heller  und  die  Unter wolle  weniger  dicht.  Friiher  war  derselbe  in  ganz 
Euro  pa,  auch  in  England  zahlreich,  und  auf  den  Speisezetteln  der  Kloster 
bildete  Biberbraten  an  Fasttagen  ein  stehende  Rubrik.  Heute  ist  er  iiber- 
aus  selten  und  halt  sich  nur,  wo  er  dauernd  geschont  wird. 


Gesch.   Spezialaufn.  d.  Neuen  Phot.   Ges. 
Elbe-Biber    (Castor  fiber). 

Am  zahlreichsten  findet  er  sich  heute  noch  in  Deutschland.  In  der  Nahe 
der  Stadt  Barby,  in  den  uberschwemmten,  schwer  zuganglichen  Briichen  der 
Nuthe  in  die  Elbe  ist  eine  starke  Biberkolonie,  von  wo  aus  sich  einzelne  auch 
an  der  Saale  und  Elbe  angesiedelt  haben.  Die  Tiere  werden  sorgfaltig  geschont 
und  nur  selten  eines  erlegt,  doch  stellen  ihnen  Wilddiebe  eifrig  nach,  so  dass 
ab  und  zu  einige  Felle  in  den  Handel  gelangen.  Es  diirften  aber  in  ganz 
Deutschland  nicht  mehr  als  20  bis  30  Stuck  sein.  Auch  in  Osterreich  finden 
sie  sich  an  mehreren  Stellen,  und  steht  eine  Kolonie,  wenn  ich  nicht  irre, 
unter  dem  Schutz  des  Fiirsten  Schwarzenberg.  In  Norwegen  soil  eine  kleine 
Siedelung  in  den  Sumpfen  in  der  Nahe  von  Christiania  hausen  und  in  Frank- 
reich  ist  eine  Kolonie  an  den  Ufern  der  Rhone. 


XIII.   Die  Nagetiere.  603 


In  Russland  kommt  der  Biber  auch  noch  vereinzelt  vor,  ohne  dass  man 
aber  von  Schutzmassregeln  hort. 

In  Sibirien  war  der  Biber  noch  vor  nicht  zu  langer  Zeit  haufig,  so  dass 
nach  Lomer  vor  50  Jahren  noch  jahrlich  etwa  10  ooo  Stuck  in  den  Handel 
gelangten.  Jetzt  kommen  von  dort  iiberhaupt  keinemehr  auf  den  Weltmarkt. 
Wenn  dort  Felle  erbeutet  werden,  werden  sie  jedenfalls  lokal  verbraucht. 

Jedenfalls  sind  auch  hier  die  Tage  des  Bibers  gezahlt,  der  heute  in  Europa, 
wo  er  noch  vorkommt,  den  Naturdenkmalern  zugezahlt  werden  muss. 

Der  Biber  ist,  mit  Ausnahme  des  siidamerikanischen  Capyvara  oder 
Wasserschweins,  das  grosste  noch  lebende  Nagetier.  Das  Fell  des  Wasser- 
schweins  ist  aber  ganzlich  wertlos.  Hervorzuheben  ist  noch,  dass  der  Biber 
nur  an  den  Hint  erf  iissen  Schwimmhaute  hat. 


7.  Die  Bisamarten. 

Der  Bisam,  engl.  musquash,  franz.  rat  musque,  in  Amerika  mus- 
krat  oder  einfach  rat  genannt,  ist  im  Nor  den  Amerikas  sehr  verbreitet,  vom 
Mackenzie-River  im  Norden  bis  Florida  im  Siiden.  Naturlich  sind  auch  hier 
verschiedene  Art  en  zu  unterscheiden.  Am  weitesten  nach  Norden  geht  Fiber 
zibethicus  Hudsonius,  der  bedeutend  kleiner  als  die  anderen  Arten,  aber  gut 
in  Qualitat  und  Farbe  ist.  Er  findet  sich  selbst  in  der  Nahe  des  Fort  Churchill 
an  der  Hudsonsbay,  aber  am  zahlreichsten  in  den  Gebieten  am  Saskatchewan, 
dem  Winipegsee,  dem  Nelson- River,  dem  ganzen  Redriver-Distrikt  und  auch 
dem  nordlichen  Minnesota.  Hierzu  gehoren  die  sogenannten  Y.  F.  und  die 
Minnesota-Bisam.  Diese  Felle  sind  kenntlich  ausser  an  der  geringen  Grosse, 
auch  an  der  spitzen  Form  des  getrockneten  Fells,  das  stets  mittelst  eines 
Schnittes  zwischen  den  Hinterfussen  abgestreift  und  mit  dem  Leder  nach 
aussen  auf  einem  Reifen  aus  Weidenholz  getrocknet  wird.  Am  weitesten  ver- 
breitet ist  Fiber  zibethicus,  welcher  den  grosseren  Teil  von  Kanada  und  den 
Vereinigten  Staaten  bewohnt,  aber  auch  wie  die  anderen  Bisamarten,  stets 
an  das  Wasser  gebunden  ist.  In  Kanada  werden  vielfach  die  Felle  mittelst  eines 
Schnittes  am  Kopf  abgestreift  und  dann  flach  rundlich  getrocknet,  am 
unteren  Ende  mehr  ausgedehnt,  und.  bilden  dann  sogenannte  Taschen, 
,, pockets".  Auch  aus  den  westlichen  Staaten  kommen  die  Bisam  manchmal 
in  dieser  Form  auf  den  Markt.  Die  Farbe  des  langen  Grannenhaares  ist 
dunkelbraun  auf  Riicken  und  Flanken,  das  kiirzere  und  weichere  Grannen- 
haar  am  Bauch  ist  hellbraun.  Die  dichte,  weiche  Unterwolle  ist  blaulichgrau 
auf  dem  Riicken,  auf  dem  Bauch  zart,  rotlichgelb  bis  weiss. 

In  Labrador  lebt  eine  andere  Art,  F.  aquilonius,  und  in  Neufundland 
F.  obscurus,  die  wohl  auch  in  Neuschottland  vorkommen  und  sehr  schon 
dunkel  gefarbt,  gross  und  feinhaarig  sind,  doch  verhaltnismassig  wenig  zahl- 
reich.  In  NewYersey  und  Delaware  findet  man  ziemlich  zahlreich  eine 
schwarze  Bisamratte,  die  gross  und  feinhaarig  ist.  Das  Grannenhaar  des 


604 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Riickens  ist  tiefschwarz,  auf  dem  Bauch  schwarzlichgrau,  haufig  auch  mil 
helleren  Flecken  und  einem  schwarzen  Streifen  in  der  Mitte.  Die  Unterwolle 
ist  blaulichschwarz.  Es  kommen  jahrlich  etwa  60  bis  80  ooo  dieser  Varietal 
in  den  Handel,  und  halte  ich  dieselbe  fur  eine  eigene  Art,  fur  die  ich  den 
Namen  F.  niger  vorschlage.  Der  Wert  dieser  Felle,  die  namentlich  in  Russland 
sehr  gesucht  sind,  ist  augenblicklich  etwa  4  Mk.  pro  Stuck,  wahrend  die 
braunen  Bisam  je  nach  Qualitat  und  Gegend,  von  60  Pf.  bis  3  Mk.  pro  Stuck 
kosten.  Ganz  abweichend  von  den  iibrigen  Bisamarten  ist  F.  spatulus,  die  im 
Norden  von  Alaska  und  von  dort  bis  zum  Mackenzie-River  wohnt.  Das  Tier 
erreicht  kaum  die  halbe  Grosse  der  anderen,  das  Haar  ist  kiirzer  aber  sehr 


Bisam    (Fiber  zibethicus) . 

fein  und  dunkelsilbrig,  der  Bauch  fast  weiss.  Diese  Tiere  sind  ganz  geschlossen 
abgestreift,  nur  durch  die  Mundoffnung.  In  Britisch  Kolumbia  und  einem  Teil 
von  Oregon  usw.  werden  die  Bisamfelle  nach  dem  Abstreifen  so  aufgespannt, 
dass  sie  fischformig  aussehen.  Diese  Felle  kommen  aber  wenig  nach  Europa, 
da  sie  von  den  Eingeborenen  zur  Anfertigung  von  Kleidungsstiicken  sehr 
beliebt  sind. 

Es  werden  noch  mehrere  andere  Bisamarten  unterschieden,  so  z.  B. 
F.  pallidus  in  Arizona,  F.  ripensis  in  Neu-Mexiko,  F.  macrodon  in  Virginien, 
doch  sind  diese  weniger  von  wirtschaftlicher  Bedeutung. 

Allen  Bisamarten  gemeinsam  ist  der  ca.  15  bis  20  cm  lange  und  an 
der  Wurzel  etwa  2  cm  im  Durchmesser  haltende  kahle  Rattenschwanz  der 
dunkel,  schuppig  nur  sehr  wenige  steife  Haare  aufweist.  Fur  Pelzzwecke  ist 
dieser  ganz  unbrauchbar  und  wird  auch  vor  dem  Trocknen  abgeschnitten  und 
weggeworfen.  Weshalb  Russland  in  seiner  Weisheit  im  Zolltarif  einen  Zollsatz 


XIII.   Die  Nagetiere.  60,5 


von  50  Rubel  auf  Bisamschwanze  angesetzt  hat,  1st  unerfindlich,  eingefiihri; 
sind  noch  nie  welche  worden.  Das  Fell  riecht  ziemlich  stark  nach  Moschus 
und  wird  dies  durch  zwei  Driisen  neben  dem  After  verursacht.  Diese  Driisen 
werden  vielfach  gesammelt.  Manche  Jager  fertigen  daraus,  ahnlich  wie  vom 
Bibergeil,  ,,Witterung"  fiir  Fallen  an.  Im  kleinen  Massstabe  werden  sie  auch 
zu  Parfumeriezwecken  verwendet,  doch  geschieht  dies  lange  nicht  so  ausge- 
dehnt,  als  bei  dem  hohen  Preise  des  echten  Moschus  zu  erwarten  ware.  Hier 
ware  noch  ein  Feld  fiir  die  amreikanischen  Rauchwarenhandler,  welche  die 
rohen  Felle  aufkaufen.  Der  Gebrauch  der  Felle  ist  noch  kein  sehr  alter. 
Wahrend  des  ganzen  19.  Jahrhunderts  kamen  nur  einige  tausend  Stuck 
jahrlich.  1750  importierte  die  H.  B.  C.  550  Stuck,  1800  war  die  Zahl  auf 
15  ooo  gestiegen  von  der  H.  B.  C.  und  12  ooo  aus  den  Vereinigten  Staaten 
und  Kanada.  Als  die  Mode  fiir  Biberhute  ihren  Hohepunkt  erreichte,  wurden 
auch  Bisamfelle  mehr  gesucht  und  1830  fiihrte  die  H.  B.  C.  schon  uber  80  ooo 
Stuck  ein,  wahrend  aus  den  Vereinigten  Staaten  15  ooo  Stuck  kamen.  In  den 
Jahren  1830  bis  1860  sind  die  Ziffern  sehr  schwankend.  Von  200  ooo  Stuck 
bis  zu  mehr  als  einer  Million  jahrlich  von  der  H.  B.  C.  und  von  12  ooo  bis  zu 
einer  Million  aus  den  U.  S.  Jetzt  kommen  von  der  Hudsonsbay  Company 
jahrlich  ca.  5  bis  600  ooo  Stuck,  von  den  Vereinigten  Staaten  durchschnittlich 
5  bis  6  Millionen  Stuck  nach  London,  mindestens  i  Million  geht  direkt  nach 
Leipzig  und  etwa  2  Millionen  werden  in  den  Vereinigten  Staaten  und  Kanada 
selbst  verbraucht,  so  dass  die  Jahresausbeute  mindestens  9  Millionen  Stuck 
jahrlich  betragt.  Dabei  ist  aber,  seit  man  angefangen  hat,  auch  bei  diesem 
Tiere  Schonzeiten  einzufuhren,  keine  Abnahme  zu  verspiiren.  So  hat  z.  B. 
Minnesota  und  Michigan  Schonzeit  vom  15.  April  bis  15.  November,  Jowa 
vom  i.  April  bis  i.  November,  New  York  State  vom  30.  April  bis  15.  Oktober, 
Wiskonsin  vom  i.  Mai  bis  i.  November,  Michigan  vom  i.  September  bis 
i.  November,  Indiana  vom  i.  April  bis  31.  Oktober  und  ausserdem  das  Verbot 
einen  Bisambau  zu  zerstoren.  Pensylvanien  vom  20.  Marz  bis  i.  Dezember. 
In  Maryland  sind  jetzt  ganz  besonders  scharfe  Schonzeiten.  Im  ganzen 
Staat  ist  die  Schonzeit  vom  i.  April  bis  i.  Januar,  in  Arundel  county  vom 
i.  April  bis  15.  Dezember,  in  Dorchester  vom  15.  Marz  bis  i.  Januar,  in 
Somerset  county  vom  15.  Marz  bis  15.  Dezember,  und  diirfen  sie  hier  auch  nicht 
mit  der  Feuerwaffe  erlegt  werden.  In  Talbot  county  vom  15.  Marz  bis 
i.  Dezember.  In  Wicomico  county  vom  15.  Marz  bis  15.  Dezember.  In  Minne- 
sota ist  Schonzeit  vom  15.  April  bis  15.  November;  in  Newyersey  vom  I.  April 
bis  i.  Dezember;  Schonzeiten  in  Delaware  vom  20.  Marz  bis  i.  Dezember;  in 
Illinois  vom  i.  April  bis  i.  November;  in  Maine  vom  i.  Mai  bis  15.  Oktober; 
in  Northcarolina  vom  i.  April  bis  i.  Januar;  in  New  York  vom  I.  Mai  bis 
15.  Oktober;  in  South dacota  vom  i.  April  bis  15.  November.  Trapper,  die 
nicht  im  Staate  wohnen,  mussen  eine  Lizenz  fiir  10  Dollar  losen.  Virginia 
vom  15.  Marz  bis  i.  Januar;  Wisconsin  vom  i.  Mai  bis  i.  November,  doch 
diirfen  Bisam  nicht  mit  Flinte  oder  Speer  erlegt  werden. 


606  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Es  1st  jetzt  eine  Bewegung  im  Gange,  dass  die  Schonzeit  in  den  ganzen 
Vereinigten  Staaten  vom  15.  Marz  bis  15.  Dezember  eingefiihrt  wird.  Kanada 
halt  allgemeine  Schonzeit  fur  Bisam  vom  i.  April  bis  i.  Dezember.  Die 
Tiere  richten  auf  den  Feldern  gar  keinen  Schaden  an,  ganz  unahnlich  ihren 
deutschen  Verwandten,  der  Schaarmaus  oder  Wasserratte,  dagegen  nriissen 
Damme  oft  vor  ihnen  geschutzt  werden,  da  sie  solche  unterwiihlen. 

Andere  Staaten  sind  im  Begriff,  solche  Schonzeiten  einzufiihren.  In 
Manitoba  ist  die  Schonzeit  vom  15.  Mai  bis  i.  Oktober,  in  Neufundland  und 
den  Prinz  Eduard-Inseln  vom  i.  April  bis  i.  Oktober. 

Die  Bisamratte  ist  ungemein  fruchtbar.  Sie  wirft  dreimal  im  Jahre  Junge 
und  zwar  von  5  bis  20  Stuck  jedesmal,  die  nach  einem  Jahre  bereits  selbst 
zwei  Wiirfe  haben,  spater  dann  noch  drei.  Die  Kopulation  findet  stets  wahrend 
der  Sommermonate  statt  und  ist  die  Tragzeit  nur  kurz.  Die  Jungen  sind 
wahrend  der  ersten  Tage  sehr  klein,  wachsen  dann  aber  rasch,  und  schreiten 
zur  Fortpflanzung,  noch  ehe  sie  vollkommen  ausgewachsen  sind.  Die  Felle 
der  Jungen  werden  als  Kitten  bezeichnet,  obgleich  Kitten  eigentlich  junge 
Katzen  bedeutet. 

Ihre  Vermehrung  hangt  aber  mit  den  Wasserverhaltnissen  zusammen, 
da  sie  an  das  Wasser  gebunden  sind,  auch  wenn  es  nur  ein  flacher  Graben  ist, 
Hochwasser  ist  fur  die  Entwicklung  sehr  giinstig,  ein  trockener  und  wasser- 
armer  Sommer  sehr  ungiinstig.  Viele  erfrieren  dann  auch  in  den  Winter- 
hausern.  Ist  die  Vermehrung  zu  stark,  ohne  dass  durch  verniinftigen  Fang 
derselben  Einhalt  getan  wird,  so  treten  Epidemien  auf,  namentlich  Leber- 
krankheiten,  die  grosse  Mengen  dahinraffen.  Dies  erklart  auch  die  grosse 
Peridodizitat  in  den  Zufuhren,  als  das  Produktionsgebiet  noch  ein  beschranktes 
war.  So  kamen  z.  B.  im  Jahre  1838  von  der  H.  B.  C.  I  in  646,  im  nachsten 
Jahre  aber  nur  161  ooo  an  den  Markt.  Die  Tiere  nahren  sich  ausschliesslich 
von  Pflanzen  und  Wurzeln  und  soil  deshalb  das  dunkle  Fleisch  recht  wohl- 
schmeckend  sein  und  dem  Kaninchenbraten  ahnlich  schmecken.  Nach 
New  York  sollen  grosse  Mengen  abgezogener  Bisams  in  Fassern  geschickt 
werden  und  in  den  kleineren  Restaurants  und  Hotels  als  ,, swamp  rabbit"  auf 
der  Speisekarte  figurieren.  Nach  Richardson  soil  das  Fleisch  dem  Schweine- 
fleisch  im  Geschmack  ahneln.  Auch  in  Baltimore  bilden  Bisame  einen 
standigen  Marktartikel  und  einen  beliebten  Braten. 

Sehr  viel  Sorgfalt  verwenden  die  Tiere  auf  die  Ausfuhrung  ihrer  Winter- 
bauten,  namentlich  in  den  nordlichen  Gegenden.  Zuerst  konstruieren  sie  ein 
Floss  von  Binsen,  indem  sie  4  bis  5  Fuss  lange  Stengel  abbeissen,  und  kreuz- 
weise  iibereinander  legen,  dann  wird  das  ganze  mit  zerbissenen  Binsenstucken 
ausgefiillt,  bis  es  unter  die  Oberflache  sinkt,  dann  werden  neue  Binsenlangen 
aufgebracht  und  mit  Binsenstucken  aufgefullt,  und  so  fortgefahren,  bis  der 
Boden  des  etwa  4  bis  5  Fuss  tiefen  Gewassers  erreicht  ist.  Hierauf  werden 
die  umwachsenden  Binsen,  Schilf  und  Seerosen  mit  den  Wurzeln  ausgerauft, 
und  daraus,  mit  Erde  vermischt,  ein  kegelformiges  Haus  errichtet.  Das  Dach 


XIII.  Die   Nagetiere. 607 


wird  aus  Seerosenblattern  hergestellt  und  dann  das  ganze  mit  Schlamm  bedeckt 
und  trocknen  gelassen.  Vom  Innern  aus  wird  dann  durch  die  ganze  Masse 
ein  Gang  gegraben  mit  zwei  Ausgangen,  einer  unter,  der  andere  iiber  Wasser. 
In  der  Mitte  wird  eine  Kammer  ausgehohlt  und  warm  ausgekleidet. 

Hier  sucht  dann  die  ganze  Familie  eines  Jahres,  oft  50  bis  60  Kopfe  stark, 
Zuflucht  fur  den  Winter  und  halt  darin  den  Winter  ab.  Im  Siiden  sparen  sich 
die  Tiere  die  Miihe  und  graben  einfach  Locher  in  die  Uferbank,  wie  unsere 
Wasserratte.  Der  Hauptfang  ist  zweimal  im  Jahre  mittelst  verschiedener  Fang- 
apparate,  meist  Stahlfallen,  aber  auch  Schnellgalgen,  Schlingen  usw.  Im  Herbst 
werden  die  sogenannten  ,,Fall"  (Herbstfelle)  erbeutet,  unter  denen  noch  haufig 
geringwertige  Sommerfelle  sich  befmden.  Im  Fruhjahr,  nach  dem  Verlassen 
des  Winter quartiers,  werden  die  ,,springrats"  erbeutet,  fast  alle  gute  Winter- 
felle.  Manchmal  wird  den  Tieren  auch  wahrend  des  Winters  nachgestellt,  indem 
sie  in  den  Hausern  mittelst  scharfer  Speere  erlegt  werden.  Diese  Felle  sind  aber 
nicht  so  gut  als  die  Fruhjahrsfelle.  In  vielen  Gegenden  ist  aber  jetzt  das 
Offnen  und  Zerstoren  von  Winterhausern  gesetzlich  verboten. 

Im  Sommer  nimmt  das  Leder  eine  grunliche  Farbe  an,  und  auch  unter 
den  ,,fallrats"  findet  man  haufig  Felle  mit  griinen  Flecken,  wahrend  die 
,,springrats"  helles  Leder  haben.  Das  Leder  ist  iibrigens  bei  den  Fellen  aus 
nordlichen  Gegenden  ziemlich  diinn,  wird  aber  um  so  dicker,  je  weiter  man 
nach  dem  Siiden  vordringt.  Manchmal  werden  die  Tiere  auch  mit  Schrot  ge- 
schossen,  doch  kommen  solche  Felle  stets  in  die  Sekunda,  auch  wenn  sie  sonst 
gut  sind,  unter  der  Bezeichnung  S.  &  C.  (shot  and  cut).  ' 

Wie  schon  oben  erwahnt,  ist  die  Verwendung  der  Felle  zu  Pelzzwecken 
noch  nicht  alt,  da  sie  fruher  zur  Fabrikation  von  feinen  Filzhiiten  verwendet 
wurden.  Als  diese  Methode  auf  ihrem  Hohepunkte  war,  zahlte  man  30  bis 
50  Mk.  fur  ein  Pfund  Bisamhaar.  Sir  William  Poland  war  einer  der  ersten, 
der  die  Felle  zurichten  liess,  und  mein  Vater  einer  der  ersten,  der  Herrenpelze 
aus  dem  dazu  besonders  geeigneten  Pelzwerk  h  erst  elite.  Vor  etwa  30  Jahren 
fand  man  eine  neue  Verwendungsart.  Wahrend  man  bis  dahin  das  Fell  nur 
naturell  verarbeitet  hatte,  rupfte  man  nun  das  Grannenhaar  aus  und  farbte 
die  dichte  Unterwolle  sealartig,  sogenannte  Sealbisam.  Als  dann  das  Verfahren 
zum  elektrischen  Enthaaren  entdeckt  war,  wurden  ungeheure  Quantitaten 
sogenannter  electric  Seal  hergestellt,  deren  Haar  viel  dichter  und  kiirzer  ist, 
als  bei  dem  durch  Rupfen  hergestellten  Sealbisam. 

Seit  einigen  Jahren  werden  sowohl  die  Wammen  als  auch  ganze  Felle 
zu  sogenannten  Streifen  von  bestimmter  Lange  und  Breite  verarbeitet,  die 
namentlich  nach  Frankreich  und  nach  Amerika  grossen  Absatz  finden.  Durch 
den  jetzt  eingefuhrten  hoheren  Zollsatz  in  den  Vereinigten  Staaten  (35  statt 
20  Proz.)  wird  der  Export  dahin  aber  wohl  nachlassen.  Eine  gute  Sealfarbe 
wird  aber  nur  von  wenigen  Farbereien  in  Paris,  Leipzig  und  London  her- 
gestellt. Man  unterscheidet  iibrigens  dabei  englische  Farbe  mit  hellerem  und 
franzosische  mit  dunklerem  Grund.  Die  Abfalle  bei  der  Verarbeitung  werden 


608  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

noch  jetzt  zur  Fabrikation  von  feinem  Hutfilz  verwendet  und  kosten  Bisam- 
stiicken  per  Pfund  1,50  bis  2  Mk.  Die  Kopfe  und  die  Backen  werden  zu  be- 
sonderen  Futtern  zusammengestellt,  wie  man  auch  zu  Pelzfuttern  die  AVammen 
und  die  Riicken  besonders  verarbeitet.  Wammenf utter  werden  aber  heute 
fast  stets  gefarbt.  In  kleinerem  Massstabe  werden  aber  auch  Felle  mit  dem 
Grannenhaar  zu  sogenanntem  Nerzbisam,  Zobelbisam  usw.  gefarbt  oder 
geblendet.  Aus  Seal  und  electric  Bisam  werden  besonders  Jacketts,  Stolas, 
Muff  en  angefertigt.  Als  Merkwiirdigkeit  ist  ubrigens  hervorzuheben,  dass. 
Albinos  unter  den  Bisam  ausserst  selten  vorkommen.  Im  Berliner  Zoologischen 
Garten  lebt  ein  Bisamparchen,  halt  sich  aber  sehr  zuriickgezogen  und  fiihrt 
eine  nachtliche  Lebensweise,  so  dass  man  sie  nur  ausserst  selten  beob- 
achten  kann. 

Seit  einigen  Jahren  hat  Graf  Colloredo  auf  seinen  Giitern  bei  Pisek  in 
Bohmen  Bisamratten  angesiedelt,  die  er  aus  Kanada  eingefiihrt  und  die  sich 
dort  gut  akklimatisiert  und  vermehrt  haben.  Die  Tiere  sind  von  dort  aus 
auch  nach  andern  Gegenden  Bohmens  ausgewandert  und  klagt  man  iiber 
Schaden  die  sie  an  den  Dammen  anrichten.  Unsere  deutsche  Wiihlmaus  und 
Wasserratte  sind  ubrigens  sehr  nahe  Verwandte  der  Bisamratte,  deren  Fell 
aber  bisher  keine  Verwendung  gefunden  hat. 

Die  hohen  Preise,  die  fur  Bisam  bezahlt  werden,  haben  dazu  gefiihrt,  der 
Produktion  mehr  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Eigentliche  Bisamfarmen 
wo  die  Tiere  in  Gefangenschaft  geziichtet  werden,  existieren  wohl  einige,  doch 
hat  man  sich  seit  einiger  Zeit  entschlossen,  dieselben  in  grosseren  Distrikten 
zu  halten,  ahnlich  den  umschlossenen  Wildparks,  wo  sie  ihre  Nahrung  selbst 
finden.  So  hat  z.  B.  der  Cedarhunt  Club  in  Toledo,  Ohio  5000  Acres  (ca.  8000 
Morgen)  Sumpfland  an  der  Miindung  des  Maume  River  am  Eriesee  mit  Bisam 
besetzt  und  mehrere  Jahre  die  Tiere  ungestort  gelassen.  Seit  einigen  Jahren 
werden  nun  die  Tiere  dort  regelmassig  von  den  Klubmitgliedern  gejagt  und 
dabei  alle  Massregeln  beobachtet,  dass  die  Zahl  sich  auf  der  Hohe  halt.  Die 
Anlage  bezahlt  sich  sehr  gut.  Im  Monat  Januar  allein  wurden  iiber  5000 
Stuck  gefangen,  deren  Felle  iiber  3000  Dollar  erzielten,  daneben  wurde  noch 
fur  das  Fleisch  ca.  1000  Dollar  erzielt. 

Eine  Umwalzung  ist  auch  in  Maryland  durch  die  hohen  Bisampreise 
hervorgerufen.  Hier  befinden  sich  ausgedehnte  Sumpfgebiete,  die  fur  alle 
Agrikulturzwecke  wertlos  sind,  und  fur  nominelle  Summen  verkauft  wurden. 
Jetzt  bringen  diese  Gebiete  mehr  als  gutes  Farmland  in  der  Nachbarschaft. 
Friiher  konnte  jeder  dort  jagen,  jetzt  verpachten  die  Eigentiimer  das  Fangrecht 
an  Trapper,  die  dann  auch  dafiir  sorgen,  dass  die  Schonzeiten  innegehalten 
werden  und  die  Wilddiebe  (John  Sneakems)  ferngehalten  werden.  Gewohnlich 
erhalt  der  Grundbesitzer  die  Halfte  der  Felle,  der  Trapper  die  anderen  Felle 
sowie  das  Fleisch.  Es  ist  dies  fur  beide  Teile  sehr  vorteilhaft.  Die  Trapper  er- 
zielen  innerhalb  2  bis  3  Monat  en  500  bis  1000  Dollar  jeder.  Ein  Farmer  kaufte 
ein  Gebiet  fur  2700  Dollar  vor  4  Jahren  und  erzielt  jetzt  jahrlich  auf  seinen 


XIII.  Nagetiere. 


609 


Teil  800  bis  1200  Dollar.  Ein  anderer  Farmer,  der  ein  40  Acre  Lot  fur 
150  Dollar  gekauft  hatte,  erhalt  eine  jahrliche  Pachtsumme  in  Fellen  von 
ca.  100  Dollar.  Noch  besseren  Ertrag  hatte  der  Eigentiimer  eines  Grundstiickes 
von  1300  Acres,  der  mit  seinem  Sohne  selbst  trappte  und  5000  Bisam  ring,  die 
2800  Dollar  brachten.  Man  geht  nun  mit  der  Idee  um,  auch  in  anderen  Staaten 
brachliegende  Sumpfstrecken  mit  Bisam  zu  bevolkern,  und  auch  bei  uns  in 
Deutschland  durfte  es  sich  bezahlen,  die  Hochmoore,  z.  B.  in  Oldenburg, 
Hannover  und  Friesland  in  dieser  Weise  durch  Akklimatisation  von  Bisam 
ertragsreich  zu  gestalten. 


Russ.  Bisam   (Myogale  moschata) . 

Russische    Bisam. 

Dies  Tier,  Myogale  moschata  russ  wuchochol  oder  Desman  genannt, 
wird  im  Handel  als  russischer  Bisam  bezeichnet,  obgleich  es  mit  dem  ameri- 
Icanischen  Bisam  gar  nicht  verwandt  ist.  Wahrend  letztere  zu  den  Nagetieren 
gehoren,  gehort  der  Desman  mit  den  Spitzmausen,  den  Igeln,  Maulwiirfen  usw. 
zu  den  Insektenfressern,  der  altesten  Saugetierform,  die  bereits  in  der  Lias- 
formation  neben  den  Riesensauriern  vorkommen.  Ich  bringe  ihn  deshalb  nur 
der  Ubersicht  halber  an  dieser  Stelle. 

39 


6lO  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Das  schone  Tier  1st  auf  dem  Riicken  dunkelbraun  glanzend,  auf  dem 
Bauch  rein  silbrigweiss.  Die  Lange  des  Fells  ist  20  bis  25  cm.  Der  mil  feinen 
Schuppen  und  diinnen  Harchen  besetzte  Schweif  ist  15  bis  18  cm  lang.  Das 
Fell  hat  einen  feinen  aber  durchdringenden  Moschusgeruch,  der  durch  die  iiber 
5  cm  langen  neben  dem  Schwanz  befindlichen  Moschusdriisen  hervorgerufen 
wird.  Diese  Driisen  bestehen  aus  20  kleinen  Sackchen,  die  mit  einer  dicken 
Flussigkeit  gefiillt  sind.  Das  sonderbarste  an  dem  Tier  ist  die  lange  riisselartige 
Schnauze,  mit  der  auch  seine  aus  Wiirmern,  Blutegeln,  Schnecken  und  In- 
sektenlarven  bestehende  Nahrung  ergreift,  und  zum  Mund  fiihrt.  Die  Offnung 
dieses  Riissels  ist  willkiirlich  durch  eine  warzenartige  Wulst  zu  verschliessen, 
um  das  Eindringen  von  Wasser  zu  verhiiten.  Das  Tier  ist  ein  vorziiglicher 
Schwimmer  und  lebt  vorzugsweise  im  Wasser,  grabt  sich  aber  Hohlen  in  der 
Uferwand  zum  Bewohnen.  Eine  5  bis  6  m  lange  Rohre,  deren  Eingang  unter 
Wasser  ist,  fiihrt  zu  dem  Kessel,  der  sich  mindestens  2  m  iiber  dem  Wasser- 
spiegel  befindet. 

Durch  den  scharfen  Moschusgeruch  ist  das  Fleisch  vollkommen  ungeniess- 
bar,  und  wird  das  Tier  deshalb  von  alien  Raubtieren  in  Ruhe  gelassen.  Nur  die 
grossen  Raubfische  schnappen  ofters  einen  Wuchochol  weg,  ihr  Fleisch  ist 
dann  aber  auch  ungeniessbar  geworden. 

Der  Desman  lebt  im  siidostlichen  Russland  zwischen  Don  und  Wolga,  soil 
aber  auch  in  Buchara  vorkommen.  Die  Zahl  der  Felle  im  Handel  hat  sehr  ab- 
genommen,  friiher  kamen  10  bis  12  ooo  jahrlich,  jetzt  kaum  eben  so  viel 
hundert  auf  den  Weltmarkt,  moglicherweise  wird  aber  ein  grosseres  Quantum 
lokal  verbraucht.  Friiher  war  der  Wert  etwa  i  Mk.,  jetzt  3  bis  4  Mk.  per  Stuck. 

Der  Schweif  wird  in  Russland  in  Parfumeriefabriken  benutzt. 

In  Spanien  lebt  ein  naher  Verwandter,  die  Pyrenaen-Moschusspitzmaus, 
die  gleichfalls  den  langen  Riissel  zeigt,  sonst  aber  kleiner  ist.  Das  Fell  ist  10  bis 
15  cm  lang,  der  Schwanz  12  cm.  Es  ist  oben  dunkelbraun,  unten  silberweiss 
gefarbt,  doch  kommen  meines  W7issens  nach  die  Felle  nicrit  in  den  Handel, 
sollen  aber  lokal  verbraucht  werden.  Der  spanische  Name  ist  almizero,  wissen- 
schaftlich  Myogale  pyrenaica. 

8.  Nutria. 

In  Siidamerika  lebt  ein  naher  Verwandter  des  Bibers,  der  Nutria,  Myopota- 
mus  coy  pus,  franzosisch  ragondin  und  zwar  im  ganzen  Osten  des  Gebiets  von 
Siidbrasilien  bis  zum  Rio  Chubut  in  Patagonien.  Das  Tier  ist  ungefahr  60  bis 
80  cm  lang,  woz'u  noch  der  20  bis  25  cm  lange  Schweif  kommt,  der  ziemlich 
kahl,  mit  steifen  Haaren  diinn  bedeckt  ist.  Das  grobe  Oberhaar  ist  rotbraun, 
darunter  sitzt  ein  feines,  dichtes  blauliches  Unterhaar,  das  aber  auf  dem 
Bauche  viel  dichter  ist  als  auf  dem  Riicken.  Auf  dem  Riicken  ist  die  Unter- 
wolle  dunkel  und  locker.  Es  wird  deshalb  auch  hauptsachlich  das  Bauchfell 
verwendet  und  das  Fell  auf  der  Mitte  des  Riickens  beim  Abstreifen  auf- 
geschnitten,  mit  Ausnahme  der  sogenannten  Beutel,  auf  die  ich  spater  zuriick- 


XIII.  Nagetiere.  6ll 


komme.  Friiher  wurde  das  Fell  nur  zum  Schneiden  als  Ersatz  des  Biberhaares 
verwendet  und  kostete  das  Pfund  Nutriahaar  zurzeit  des  Hauptbedarfs  fiir 
Biberhaar  vor  50  Jahren  30  Mk.  Es  kamen  zu  dieser  Zeit  etwa  %  Million 
Felle  jahrlich.  Fiir  Klirschnerzwecke  wurden  damals  die  ganzen  Felle  mil  dem 
Oberhaar  gefarbt  und  in  diesem  Zustande  falschlich  als  Affenfelle  bezeichnet, 
welcher  Name  sich  noch  bis  in  die  neuere  Zeit  erhalten  hat.  Ende  der  siebziger 
Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  begann  man  dieselben  zu  rupfen  und  so  fiir 
Pelzzwecke  zu  verwenden,  doch  stellte  sich  dabei  der  Ubelstand  heraus,  dass 
das  Oberhaar  sehr  briichig  war  und  kleine  Stumpen  in  der  Unterwolle  zuriick- 
liess,  welche  dem  Fell  ein  etwas  unansehnliches  Aussere  verliehen. 

Grossen  Aufschwung  nahm  die  Verwendung,  als  man  Ende  der  achtziger 
Jahre  verstand,  die  Felle  richtig  zu  enthaaren,  und  so  ein  schones,  gleich- 
massiges  Pelzwerk  herzustellen.  Man  unterscheidet  nach  der  Herkunft  ver- 
schiedene  Sorten.  Die  besten  Sorten  kommen  von  Patagonien;  grosse  rauche 
Felle,  dunkel  und  gutfarbig.  Dann  kommen  die  Felle  aus  der  Gegend  von 
Maypu;  gross,  rauch,  gutfarbig  und  sehr  sauber  auf  der  Lederseite  behandelt. 
Dann  kommen  die  sogenannten  Buenos-Aires-Felle,  welche  aber  nicht  nur  die 
aus  dieser  Provinz  stammenden  Felle,  sondern  auch  die  aus  den  westlicher 
gelegenen  Distrikten  umf assen ;  es  sind  gute,  vollhaarige  Felle.  Aus  Montevideo 
kommen  Felle,  die  etwas  flacher  und  haufig  fleckig  sind.  Am  geringsten  sind 
die  Felle  aus  dem  Gran  Chaco,  jenem  ungeheuren  Sumpfgebiete,  das  sich 
zwischen  der  Provinz  Entre  Rios  und  Paraguay  bis  zur  Grenze  von  Bolivien 
hinzieht  und  von  dem  erst  in  jiingster  Zeit  erforschten  Pilcomayo  durch- 
stromt  wird.  Diese  Felle  haben  ein  diinnes  Leder,  aber  wenig  Unterwolle  und 
sind  auch  vielfach  missfarbig.  Alle  diese  Felle  sind  im  Riicken  aufgeschnitten, 
nur  bei  den  Chaco-Fellen  findet  man  bis  zu  10  Proz.  Bauchschnitt.  Daneben 
kommen  aber  aus  einigen  Gegenden  sogenannte  Beutel,  das  heisst  im  ganzen 
abgestreifte  Felle,  die  nur  zwischen  den  Hinterfiissen  einen  Schnitt  zeigen  und 
dann  iiber  Weidenruten  gespannt,  getrocknet  wurden.  Meist  sind  dieselben 
dabei  in  die  Lange  gestreckt.  Diese  Beutel  zeigen  stets  ein  bedeutend  feineres 
und  diinneres  Leder  und  wiegen  kaum  halb  so  viel  als  Riickenschnitt-Felle 
gleicher  Grosse.  Die  Unterwolle  ist  meist  auch  etwas  diinner,  dagegen  ist  die 
Farbe  stets  sehr  gut.  Es  ist  deshalb  auch  nicht  ausgeschlossen,  dass  diese 
Felle  einer  besonderen  Art  entstammen.  Man  unterscheidet  dabei  Flores- 
Beutel,  fein  leicht,  sehr  gut  und  dunkel  in  Farbe;  Parana-Beutel,  dickledriger 
als  die  vorigen,  etwas  rauher  im  Haar,  aber  heller  in  der  Farbe.  Montevideo- 
Beutel,  dickledrig,  vollhaarig,  aber  sehr  braun  und  einen  grossen  Prozentsatz 
missfarbiger  enthaltend. 

Ausser  diesen  Nutria-Fellen  kommt  noch  aus  dem  Gebiete  des  Grenz- 
flusses  Yagueron,  ein  kleineres  Quantum  Felle,  die  meist  gross,  aber  sehr  gering 
in  der  Farbe  und  Qualitat  sind.  In  Chile  sollen  auch  Nutria  vorkommen,  doch 
kommen  von  dort  aus  keine  Felle  in  den  Handel  und  glaube  ich  deshalb  auch 
nicht,  dass  das  Tier  die  Kordilleren  iiberschreitet. 

39* 


6 1 2  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Man  teilt  die  Felle  ein  in  Winterhaar,  die  von  Ende  August  bis  Mitte 
Oktober  in  Buenos  Aires  an  den  Markt  kommen.  Diese  werden  nach  dem 
Gewicht  sortiert,  in  grosse,  die  26  bis  28  kg  per  100  Stuck  wiegen,  mittlere 
20  bis  21  kg  und  kleine  14  bis  16  kg.  Alle  fruher  oder  spater  gewonnenen  Felle 
bilden  das  sogenannte  Halbhaar,  die  sortiert  werden,  in  grosse  22  bis  23  kg, 
mittlere  16  bis  18  kg  und  kleine  12  bis  13  kg.  Seit  einigen  Jahren  ist  das 
Fangen  im  Sommer  verboten,  doch  ist  die  Kontrolle  keine  ganz  genaue.  Alle 
etwaigen  Sommerfelle,  sowie  die  von  Anfang  und  Ende  der  Saison,  ferner  die 
beschadigten  und  verbrannten  kommen  in  die  sogenannte  Schneide-Ware, 
die  zur  feinen  Hutfilzfabrikation  noch  jetzt  verwendet  wird  und  namentlich  in 
Nordamerika  sehr  begehrt  ist.  Die  Felle  werden  bereits  in  den  Barracas,  den 
Speichern  der  Kaufleute,  die  mit  Landesprodukten  handeln,  sortiert  und  in 
Ballen  von  ca.  100  kg  gepackt.  Die  Hauptmenge  der  Nutriafelle  geht  von 
Buenos  Aires  nach  Hamburg,  ein  grosser  Teil  auch  nach  Antwerpen.  Mehrere 
Leipziger  und  Berliner  Hauser  importieren  gleichfalls  direkt,  wahrend  nach 
London  nur  wenig  direkt  gelangt.  Nach  Nordamerika  geht,  wie  schon  erwahnt, 
meist  Schneideware. 

Im  Grosshandel  werden  die  Riickenschnitte  nach  Kilo  gehandelt,  die 
Beutel  dagegen  stets  nach  Stuck.  Augenblicklich  ist  der  Preis  auf  eine  Hohe 
gestiegen,  wie  nie  zuvor,  und  sind  auch  die  Zufuhren  knapper  als  sonst.  Im 
Durchschnitt  kommen  jahrlich  etwa  i  bis  i1/^  Millionen  Felle  in  den  Handel, 
wahrend  Lomer  1863  die  Gesamteinfuhr  auf  50  ooo  Stuck  im  Werte  von 
50  ooo  Talern  angibt.  Der  gegenwartige  Preis  fur  die  rohen  Felle  ist,  je  nach 
Grosse  und  Qualitat,  3  bis  12  Mk.  pro  Stuck,  doch  hat  ihr  Absatz  unter 
den  hohen  Preisen  stark  gelitten. 

Die  Lebensweise  der  Nutria  ist,  wie  bei  ihren  nordamerikanischen  Ver- 
wandten,  dem  Biber  und  dem  Bisam  eine  rein  aquatische  und  sie  sind  desh alb 
an  die  Wasserlaufe  gebunden.  Sie  errichten  im  Uferschilf  ihre  nesterartigen 
Baue  und  werfen  6  bis  8  Junge  im  Jahr.  Die  Zitzen  befmden  sich  sehr  hoch 
am  Bauch,  nahe  dem  Riicken  und  ermoglichen  es  so  den  Jungen,  noch  im 
Wasser  zu  saugen,  ohne  untertauchen  zu  miissen.  In  trockenen  Jahren  gehen, 
gerade  wie  bei  dem  Bisam,  sehr  viele,  namentlich  die  jungen  Tiere  zu  Grunde, 
wahrend  bei  den  haufigen  Uberschwemmungen  die  Jagd  auf  die  Tiere  wiederum 
sehr  erschwert  ist  und  deshalb  in  Uberschwemmungsj  ahren  weniger  Felle  an 
den  Markt  kommen.  Die  Nahrung  ist  eine  rein  vegetabilische,  aus  Wasser- 
pflanzen  und  Wurzeln  bestehend,  das  Fleisch  soil  deshalb  ganz  wohl- 
schmeckend  sein  und  wird  besonders  von  den  Indianern,  aber  auch  von  den 
weissen  Jagern  gern  gegessen.  Unahnlich  ihren  nordischen  Verwandten,  sind 
weder  Castoreum  noch  Moschusdriisen  vorhanden.  In  der  Gefangenschaft 
werden  die  Tiere  leicht  zahm  und  halten  auch  in  unserem  Klima  die  strenge 
Winterkalte  im  Freien  gut  aus,  wie  das  Parchen  im  Berliner  Zoologischen 
Garten  beweist,  Auch  fortgepflanzt  haben  sich  die  Tiere  haufig  in  der 
Gefangenschaft. 


XIII.  Nagetiere.  613 


9.  Die  Chinchilla  und  ihre  Verwandten. 

Die  Zoologen  unterscheiden  nur  drei  Arten  Chinchillas,  doch  ist  dies  falsch, 
da  mindestens  4  verschiedene  Arten  vorkommen. 

Die  Art,  welche  das  feinste  Fell  liefert,  die  sogenannte  echte  Chinchilla, 
chinchilla  brevicaudata,  aus  Peru  ist  sehr  selten  geworden.  Das  Fell  ist  unge- 
fahr  25  cm  lang,  der  Schweif  ungefahr  12  cm.  Das  Haar  ist  das  feinste  von 
alien  Saugetierfellen,  seidenweich  und  locker,  ca.  2  bis  3  cm  lang.  Die  blaulich- 
graue  Unterwolle  ist  feiner  als  Seide  und  ziemlich  dicht.  Der  Riicken  ist  von 
hellblaulichgrau  bis  dunkelblaugrau,  nach  den  Seiten  zu  ist  das  Fell  heller 
und  am  Bauch  weisslich  grau.  Der  Schwanz  ist  mit  langen  borstigen  Haaren 
bedeckt,  die  zweizeilig  angeordnet  sind  und  die  zur  Pinselfabrikation  Ver- 
wendung  finden  konnen.  Ausgezeichnet  ist  das  Tier  noch  durch  die  starken 
ca.  6  bis  8  cm  langen  weissen  Schnurrhaare.  Die  feinsten  Felle  kommen  aus 
der  Gegend  von  Tacna  und  Arica.  In  anderen  Teilen  Per  us  und  im  nordlichen 
Bolivien  leben  noch  echte  Chinchillas,  die  Meyer  beschrieben  hat,  die  aber 
etwas  kleiner  und  nicht  so  fein  im  Haar  sind  als  die  vorigen  und  einen  Ubergang 
bilden  zu  den  anderen  Arten,  den  bolivianischen.  Die  sind  kleiner,  das  Haar 
ist  kiirzer  und  die  Farbung  heller.  Obgleich  sie  von  den  Zoologen  zu  Ch. 
brevicaudata  gezahlt  werden,  halte  ich  dieselben  fur  eine  eigene  Art,  fur  die 
ich  den  Namen  Ch.  boliviana  vorschlagen  mochte.  Sie  kommen  in  Bolivien 
und  Chile  vor. 

Die  dritte  Art  ist  die  sogenannte  Bastard-Chinchilla,  Ch.  laniger,  auch 
Wollmaus  genannt.  Das  Fell  ist  ca.  15  cm  lang  und  der  Schweif  ca.  10  cm. 
Das  Haar  ist  bedeutend  kiirzer  als  beim  echten  Chinchilla.  Es  ist  auch  nicht 
ganz  so  lose  und  fein,  aber  immerhin  sehr  schon  seidig,  die  Farbe  ist  ahnlich 
und  je  dunkler  und  reiner  blau,  desto  teurer.  Es  finden  sich  aber  nicht  selten 
auch  sehr  gelbliche  Exemplare,  die  erheblich  weniger  wert  sind.  Der  Verbrei- 
tungsbezirk  reicht  von  Chile  bis  nach  Argentinien,  namentlich  in  dem 
La  Plata-Tal. 

Eine  vierte  Art  ist  die  Chinchillona,  Lagotis  cuvieri,  nach  L.  peruanum 
genannt,  auch  Hasenmaus  genannt.  Es  ist  dies  die  grosste  Art,  die  30  bis 
35  cm  lang  wird,  wozu  noch  der  ca.  20  cm  lange  Schweif  kommt.  Das 
Haar  ist  lang  aber  grober  und  flattriger  als  bei  der  Chinchilla,  die  Unter- 
wolle nicht  so  dicht  und  seidig,  die  Farbe  gelblicher,  auf  dem  Riicken  oft  eine 
chwarzliche  Zeichnung.  Die  Ohren  werden  bis  8  cm  lang,  die  langen  Schnurr- 
haare sind  schwarz  (Abbildung  S.  576).  Das  Tier  lebt  in  Argentinien,  Bolivia 
und  kommt  wahrscheinlich  auch  in  Peru  und  dem  nordlichen  Chile  vor.  Eine 
zweite  Art  lebt  in  der  Hochebene  der  Cordilleren,  die  sogenannte  Puna, 
in  3  bis  5000  m  Meereshohe,  und  soil  im  nordlichen  Peru  bis  nach  Ecuador 
hin  vorkommen,  Lagotis  pallipes.  In  Chile  lebt  auch  L.  criniges. 

Von  manchen  wird  die  Chinchillona  fur  einen  Bastard  zwischenViscacha  und 
dem  Bastardchinchilla  gehalten,  was  ich  indessen  nicht  glaube.  Die  Zahl  aller 
Chinchillas  hat  in  den  letzten  Jahren  enorm  abgenommen.  Am  zahlreichsten 


614  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

kommen  noch  die  Bastard-Chinchillas  in  den  Handel,  jetzt  jahrlich  ca.  25  ooo 
Stuck.  Sogenannte  ,, Echte"  kommen  jahrlich  ca.  12  ooo,  doch  sind  davon  nach 
Gloeck  nur  etwa  600  Stuck  von  den  wirklichen  feinen  Peruanern,  der  Rest  be- 
steht  aus  den  oben  erwahnten  Arten,  ferner  den  Bolivianos  und  Chinch illonas. 
Nach  Lomer  kamen  1864  an  100  ooo  Stuck  im  Gesamtwerte  von  80  ooo  Talern 
an  den  Markt.  Nach  Poland  kamen  1890  von  alien  Chinchillaarten  uber  100  ooo 
Stuck.  Er  gibt  den  Preis  damals  auf  89  sh  per  Dutzend  fur  echte,  auf  8  sh 
fur  die  Bastarde.  Chinchillonas  5  sh  per  Dutzend.  Lomer  gibt  den  Preis  damals 
auf  ca.  15  bis  30  Taler  per  Dutzend  an,  fur  Bastarde  und  Chinchillonas  aber 
auf  den  10.  Teil  dieses  Wertes.  Der  gegenwartige  Wert  fur  echte  ist  etwa 
900  Mk.  per  Dutzend,  fur  Bolivianos  etwa  500  und  fur  Bastarde  etwa  300  sh 
per  Dutzend,  Chinchillonas  etwa  dasselbe.  Die  meisten  Chinch illafelle  kommen 
nach  London  zur  Auktion,  ein  grosser  Teil  kommt  aber  auch  nach  Paris  und 
Havre.  Vielfach  werden  solche  Felle  auch  als  Rimesse  an  europaische  Bank- 
hauser  gesandt,  da  sie  eben  sehr  wertvoll  sind  und  wenig  Raum  wegnehmen. 
Chile  soil  vor  einigen  Jahren  allein  80  bis  100  ooo  Stuck  pro  Jahr  ausgefiihrt 
haben. 

Die  Lebensweise  der  Chinchillaarten  ist  eine  sehr  ahnliche.  Da  das  zarte 
Fellchen  sehr  empfindlich  gegen  Regen  ist,  hatte  man  angenommen,  dass  die 
Tiere  nur  in  den  regenlosen  Wiistenregionen,  z.  B.  des  Atacama  leben.  Es  ist 
dies  aber  nicht  der  Fall,  sondern  ihr  Lieblingsaufenthalt  sind  die  wild 
zerkliifteten  Felsengebirge  der  Kiistenregionen  und  zwar  meist  in  2  bis  3000  m 
Meereshohe.  Gerade  der  Westhang  dieser  Gebirge  Perus  und  Boliviens  ist  aber 
sehr  regenarm,  im  Gegensatz  zum  Osthang  der  stark  regenreich  mit  dichten 
Urwaldern  bedeckt  ist.  Hier  kommt  auch  kein  Chinchilla  vor.  Die  zierlichen 
Tierchen  sind  auch  ganz  vorzugliche  Kletterer,  und  steigen  mit  grosser 
Schnelligkeit  und  Geschicklichkeit  an  den  fast  senkrechten  steilen  Felswanden 
empor.  Die  sonst  so  lebensarme  Gebirgswelt  wird  von  den  hiibschen  geselligen 
Tierchen  in  der  anmutigsten  Weise  belebt,  die  mit  einander  spielen,  sich  necken, 
Mannchen  machen,  und  zierlich  ihre  Nahrung  aus  Moos,  Wurzeln,  Grasern  usw. 
bestehend,  zum  Munde  fuhren.  Dabei  halten  sie  aber  gut  Wacht,  und  ver- 
schwinden  beim  geringsten  Anschein  von  Gefahr  in  den  Felsspalten.  Ungemein 
neugierig  lugen  aber  bald  die  spitzen  Kopfchen  mit  dem  langen  Schnurrhaar 
wieder  hervor,  um  das  alte  Spiel  zu  beginnen.  Die  Tiere  werden  fast  nie  ge- 
schossen  was  auch  bei  ihrer  Vorsicht  und  Schnelligkeit  sehr  schwer  ware, 
sondern  in  Schlingen  gefangen,  um  das  kostbare  Fell  nicht  zu  verderben. 
Leider  hat  die  Leichtigkeit,  mit  der  sie  in  die  Schlingen  gehen,  verbunden  mit 
der  enormen  Wertsteigerung  der  Felle  eine  kolossale  Verringerung  der  Zahl 
herbeigefuhrt.  Wahrend  fruhere  Reisende  Chinchillas  geradezu  als  eines  der 
Charaktertiere  der  peruanischen  und  bolivianischen  Anden  bezeichnen,  und 
oft  die  I^elsen  von  Tausenden  der  Tierchen  gleichzeitig  belebt  sahen,  sind  sie 
heute  ausserst  selten  geworden,  so  dass  die  chilenische  Regierung  jetzt  eine 
mehrjahrige  Schonzeit  mit  strengem  Fang-  und  Ausfuhrverbot  erlassen  hat. 


XIII.  Nagetiere.  615 


Die  Indianer  sollcn  iibrigens  auch  die  Chinchillas,  nach  Art  der  europaischen 
Kaninchenjagd  mit  Frettchen,  mit  Hilfe  einer  gezahmten  Wieselart  jagen. 

Ubrigens  stellen  auch  die  grossen  Raubvogel  den  Tieren  eifrig  nach.  Als 
Kuriosum  mag  noch  erwahnt  sein,  dass  die  Inkas  das  Haar  der  Chinchillas 
verspannen  und  zu  sehr  feinen  Stoffen  verwebten,  jetzt  wiirde  das  Material 
dazu  denn  doch  zu  kostbar  sein.  Die  Bastardchinchillas  weichen  in  der  Lebens- 
weise  ab,  indem  sie  mehr  Nachttier,  die  echten  Chinchillas  mehr  Tagtiere 
sind.  Letztere  ziehen  zur  Nahrung  trockene  Krauter  usw.  vor,  wahrend  die 
Bastarde  mehr  Zwiebelgewachse  und  saftige  Wurzeln  lieben.  Die  Tiere  werden, 
wenn  jung  gefangen,  sehr  zahm  und  pflanzen  sich  auch  in  der  Gefangenschaft 
fort,  weshalb  es  schwer  zu  begreifen  ist,  dass  man  noch  nicht  versucht  hat, 
sie  im  grossen  zu  ziichten.  Das  Fleisch  wird  in  Sudamerika  gern  gegessen. 
Im  besondern  auf  die  eine  Art  Ubergang  zu  den  Vizcacha  bildet  Ladwium 
pernanum.  Korperlange  ca.  50  cm,  Schweiflange  10  cm,  Bauch,  Kehle, 
Riickseite  der  Hinterschenkel  rostrot,  Riicken  graugriin  meliert  sehr  weiche, 
riistige  Grannen,  dichte  blaugraue  Unterwolle,  starke  ca.  15  cm  lange  schwarze 
Schnurrhaare,  Schweif  diinn,  borstig,  grau  und  schwarz  meliert.  Das  Tier 
lebt  auf  den  Abhangen  der  Auden  in  Bolivien,  Argentinien  und  und  Chile. 

Viscacha.  Vicacia  vizcacha  ist  ein  naher  Verwandter  der  vorigen,  aber 
bedeutend  grosser,  50  bis  60  cm  lang,  der  Schweif  ca.  15  cm.  Die  Grundfarbe 
ist  graubraun  mit  zahlreichen  schwarzen  Grannen  untermischt,  die  Unterseite 
weiss,  auf  den  Backen  ein  weisses  Band.  Die  sehr  diinne  Unterwolle  ist  hell- 
graubraun.  Die  langen  starken  Schnurrhaare  sind  schwarz,  die  Ohren  kurz. 
Man  hat  die  verschiedensten  Versuche  gemacht,  das  Fell,  von  dem  jahrlich 
hunderttausende  geliefert  werden  konnen,  zu  Pelzzwecken  zu  verwenden,  da 
es  sehr  billig  ist,  etwa  30  bis  50  Pf.  per  Stuck,  doch  scheiterten  die  Versuche 
daran,  dass  das  Leder  meist  zu  schwer  und  dick  ist.  Die  Hinterbeine  sind 
doppelt  so  lang  als  die  Vorderbeine,  der  Kopf  sehr  dick  und  rund.  Ihr  Wohn- 
gebiet  sind,  im  Gegensatz  zu  den  Chinchillas,  ausschliesslich  die  Pampas,  jene 
ausgedehnten  Grasebenen,  wo  sie  in  ungeheuren  Scharen  in  grossen  Ansied- 
lungen  leben.  Sie  graben  sich  sehr  kunstreiche  Bauten  mit  vielen  Kammern 
und  Rohren,  weiche  den  Boden  weithin  unterwiihlen  und  deshalb  vielen 
Schaden  anrichten,  da  Pferde  und  Vieh  die  diinnen  Decken  durchbrechen 
und  sich  dabei  haufig  stark  verletzen.  Auch  den  immer  mehr  zunehmenden 
Weizenkulturen  tun  die  Viscachas  vielen  Schaden,  weshalb  ihnen  jetzt  ernstlich 
nachgestellt  wird.  Die  Lebensweise  erinnert  sehr  an  die  asiatischen  Murmel- 
tiere  und  die  Prariehunde.  Wie  bei  den  letzteren  teilt  eine  kleine  Hohleneule 
oft  den  Bau  mit  ihnen.  Ausser  den  Menschen  stellen  auch  Kondor  und  andere 
Raubvogel,  die  Fiichse  und  die  Opossums  den  Viscachas  sehr  nach.  Ihr  Fleisch 
wird  von  Gauchos  und  Indianern  gern  gegessen.  Ihre  Baue  und  Rohren  halten 
sie  ungemein  reinlich.  Gar  nicht  mit  den  vorigen  verwandt  ist  ein  anderes 
siidamerikanisches  Tier,  der  Mara  oder  sogenannte  Pampashase,  Dolickotis 
patagonica,  der  ein  sehr  brauchbares  Pelzwerk  liefert,  das  bisher  aber  fast  gar 


6l6  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

nicht  in  den  Handel  kam.  Das  Fell  1st  auch  dicht  und  glanzend,  oben  braungrau 
mit  dichter  Sprenkelung,  an  den  Seiten  und  den  Beinen  hellrotlichgelb.  Am 
Kopf  ein  breites  weisses  Band,  die  Unterseite  weiss,  die  Brust  rotlichbrau  n,  die 
Korperlange  ist  50  cm,  der  Schwanz  ca.  5  cm.  Das  Tier  ist  aber  sehr  hochbeinig, 
mit  ca.  45  cm  Schulterhohe.  Die  Tiere  leben  vorzugsweise  in  den  Steppen  und 
Steinwiisten  Patagoniens  und  gehen  nach  Norden  nicht  liber  37  Grad  siidlicher 
Breite  hinauf.  In  der  Gegend  von  Mendoza  sollen  die  Tiere  nicht  sehr  selten 
sein.  Sie  sind  iibrigens  sehr  scheu  und  wissen  sich  gut  zu  verbergen.  Im 
Berliner  Zoologischen  Garten  sind  sie  ofters  langere  Zeit  lebend  erhalten 
worden.  Das  Fleisch  soil  gut  schmecken.  Das  Fell  bildet  bisher  keinen  Handels- 
artikel,  kommt  aber  mitunter  unter  den  aus  Argentinien  gebrachten  Felle  der 
dort  eingefuhrten  und  stark  verbreiteten  europaischen  Hasen  mit  vor.  Die  Felle 
der  schonen  Aguti,  Dasyprocta  aguti,  und  zwar  sowohl  des  Goldaguti  als  auch 
des  Silberaguti  sind  ihrer  steifen  borstenartigen  Behaarung  und  geringer 
Unterwolle  wegen  fur  den  Pelzhandel  wertlos,  trotzdem  sie  ofter  mit  anderen 
Fellsendungen  von  Sudamerika  zu  uns  kommen. 

10.  Hamster. 

In  naher  Verwandtschaft  zu  den  vorigen  steht  der  Hamster.  Dass  dies 
Tier  speziell  nur  in  Deutschland  zu  Pelzwaren  verarbeitet  wird,  geht  schon 
daraus  hervor,  dass  der  Name  im  franzosischen  und  englischen  ebenfalls 
,, Hamster"  ist.  Die  verbreitetste  Art  Cricetus  vulgaris,  lebt  in  Deutschland, 
Osterreich  und  in  Russland.  In  Ost-  und  Westpreussen  fehlt  er.  In  Deutschland 
findet  zweimal  im  Jahre  der  Fang  statt,  im  Mai  und  im  September,  doch 
liefert  der  erstere  Fang  die  besseren  Felle.  Das  Tier  ist  etwa  20  bis  25  cm  lang, 
gedrungen,  gelblichbraun,  mit  blauer  Unterwolle.  Die  Backen  sind  unregel- 
massig  rot  markiert  mit  einem  weissen  Flecken,  die  Kehle  ist  weiss,  Bauch  und 
Beine  sind  schwarz  mit  einem  gelben  Fleck  auf  den  Vorderbeinen.  Die  Felle 
werden  meist  in  Quedlinburg  und  Umgegend  zu  Futtern  verarbeitet,  und  ist  der 
Preis  eines  solchen  Futters,  das  etwa  80  Felle  enthalt,  20  bis  25  Mk.  augen- 
blicklich. 

In  Deutschland  werden  etwa  2  Millionen  Hamsterfelle  jahrlich  verarbeitet, 
aus  Osterreich-Ungarn  kommen  etwa  %  Million.  Es  kommen  nun  in  anderen 
Landern  noch  zahlreiche  Hamsterarten  vor,  z.  B.  Cr.  canes  cens,  in  Belgien, 
Cr.  rufescens  im  Ural,  Cr.  nehringii  in  Rumanien,  Cr.  accedula  in  Siidrussland, 
Cr.  nigricans  in  Siidosteuropa,  Bulgarien,  Tiirkei  usw.  bis  zum  Kaukasus,  Cr. 
eversmani  in  Ostrussland  und  Turkestan,  Cr.  furunculus  in  Ostsibirien  und 
Cr.  babylonicus  in  Syrien.  In  Asien,  namentlich  in  Transkaspien,  kommt  ein 
kleiner  Hamster,  Cr.  phaeus,  von  wenig  mehr  als  Mausegrosse  vor,  der  in  den 
Hausern  lebt.  Das  Tier  ist  auf  dem  Riicken  hell  blaulichgrau.  Auch  in  West- 
China  kommen  kleine  Hamster  in  grossen  Mengen  vor.  Alle  diese  verschiedenen 
Hamsterarten  werden  aber  bisher  im  Pelzhandel  nicht  verwendet. 


XIII.  Nagetiere.  617 


Es  gibt  ausser  den  angefuhrten  Cricetus-Arten  noch  10  verschiedene 
Cricetulus  und  6  Arten  Mesocricetus  in  Europa  und  Asien.  Der  Hamster  1st 
ein  jahzorniger  unliebenswiirdiger  Geselle,  der  mit  der  ganzen  Welt,  auch  mit 
seinen  Artgenossen  in  Unfrieden  lebt.  Dabei  besitzt  er  Mut  wie  eine  Ratte 
und  weiss  seine  scharfen  Zahne  gut  zu  gebrauchen,  ist  trotz  seines  anscheinend 
plumpen  Korperbaues  recht  gewandt  und  setzt  sich  gegen  Hunde  oft  mit 
Erfolg  zur  Wchr.  Auch  den  Menschen  scheut  er  durchaus  nicht,  und  greift 
unliebsame  Storenfriede  ganz  unverzagt  an.  Auch  beisst  das  Mannchen  das 
Weibchen  tot,  wenn  es  ihm  ausser  der  Paarungszeit  begegnet,  und  auch  die 
Jungen  verlassen  so  zeitig  als  moglich  das  ungastliche  Elternhaus.  Obgleich 
er  vorwiegend  Vegetarier  ist,  frisst  er  sehr  gern  kleine  Vogel,  Mause,  Eidechsen, 
Schlangen  und  Insekten  aller  Art.  Seine  Hauptnahrung  bilden  aber  Wurzeln, 
Krauter,  Mohrriiben,  Hiilsenfriichte  und  Getreide.  Er  errichtet  sich  einen 
komplizierten  Bau  in  einer  Tiefe  von  i  bis  2  m  mit  Ein-  und  Ausgangsrohren, 
Wohnkessel  und  Vorratskammer,  der  sehr  dauerhaft  hergestellt  ist,  weshalb 
Hamster  in  Gegenden  mit  sandigem  Boden  auch  nicht  vorkommen.  Zum  Spat- 
sommer  sammelt  er  hier  ansehnliche  Vorrate  von  Getreide  oder  anderen  Feld- 
friichten,  wobei  er  die  Halme  mit  den  Pfoten  niederbringt,  die  Ahren  ab- 
beisst,  die  Korner  ausschiittelt  und  in  seinen  Backentaschen  zum  Bau  tragt, 
wo  er  die  Korner  durch  Durchbeissen  gegen  das  Keimen  schiitzt.  Oft  birgt 
ein  Bau  bis  zu  l/2  hi  Getreide.  Anfang  Oktober  verstopft  der  Hamster  die 
Eingange  der  Rohren,  zieht  sich  in  die  behaglich  ausgepolsterte  Wohnkammer 
zuriick  und  verfallt  in  Winterschlaf ,  den  er  aber  mehrmals  wahrend  des  Winters 
unterbricht,  um  zu  fressen.  Zweimal  im  Jahre,  zuerst  im  Mai,  dann  im  Juli, 
wirft  das  Weibchen  6  bis  20  Junge,  nachdem  das  Zusammenleben  der  Ehegatten 
immer  nur  einige  Tage  gedauert  hat.  Schon  nach  3  Wochen  fangen  die  Jungen 
ein  selbstandiges  Leben  an  und  sind  die  im  Mai  geborenen  schon  im  Herbst 
fortpflanzungsreif. 

Bei  dieser  starken  Fruchtbarkeit  wiirden  sich  die  schadlichen  Nager 
ungeheuer  vermehren,  wenn  nicht  ihre  natiirlichen  Feinde,  namentlich  Wiesel 
und  Iltis,  stark  unter  ihnen  aufraumen  wiirden.  Auch  die  Eulen  holen  sich 
manchen  fetten  Hamster.  Wenn  kurzsichtige  Bauern  diese  natiirlichen  Feinde 
der  Nager  zu  sehr  verfolgen,  haben  sie  gewohnlich  den  Schaden  in  Gestalt  von 
Mause-  und  Hamsterplage  zu  tragen.  In  Thiiringen  und  im  Harz  hat  sich  der 
Hamster  fang  zu  einer  eigenen  Industrie  ausgebildet.  Die  Felle  werden  ver- 
kauft,  das  ziemlich  wohlschmeckende  Fleisch  wird  gegessen,  und  vor  allem 
bilden  die  ausgegrabenen  Jahresvorrate  eine  wertvolle  Beute.  Viele  Gemeinden 
zahlen  auch  eine  Pramie  fur  den  gefangenen  Hamster. 

ii.  Der  Lemming. 

Der  Lemming,  Myodes  lemmus,  ist  dem  Hamster  ziemlich  nahe  verwandt, 
aber  viel  kleiner,  nur  etwa  10  bis  12  cm  lang.  Hierzu  kommt  noch  ein  kurzer 


618  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

kahler  Schwanz  von  ca.  2  cm  Lange,  oben  braungrau  mit  dunkleren  Flecken 
auf  dem  Nacken  und  Riicken,  heller  am  Kopf,  der  mit  zwei  gelben  Langs- 
streifen  geziert  1st.  Die  Tiere  finden  sich  im  ganzen  Norden  von  Europa  in 
grossen  Mengen,  ahnlich  unseren  Feldmausen.  Wasser  und  sumpfige  Stellen 
meiden  sie,  finden  sich  aber  vorzugsweise  in  den  Schneeregionen.  Wenn  sie 
auch  Pflanzenfresser  sind,  richten  sie  doch  wenig  Schaden  an,  denn  in  ihrer 
Wohngegend  finden  sich  wenig  Felder.  Im  Winter  bauen  sie  sich  Nester  unter 
dem  Schnee  im  Moos,  von  denen  aus  sie  Gange  nach  der  Oberflache  haben, 
Sie  vermehren  sich  ziemlich  stark,  haben  aber  auch  viel  natiirliche  Feinde. 
Ratselhaft  sind  die  grossen  Wanderungen,  die  sie  oft  antreten,  wenn  die  Heimat 
fur  die  stark  vermehrte  Bevolkerung  zu  eng  geworden  ist.  In  ungeheuren 
Scharen  ziehen  sie  dann  dahin,  und  iiberqueren  dabei  auch  die  Wasserlaufe, 
denen  sie  sonst  gern  aus  dem  Wege  gehen.  Hunderttausende  erliegen  den 
Reisestrapazen.  Raubvogel,  Harder,  Iltisse,  Wiesel  und  auch  die  grosseren 
Raubtiere  folgen  dem  Zuge  und  nur  ein  kleiner  Teil  erreicht  endlich  giinstigere 
Wohngebiete,  wo  sie  sich  aber  dann  schnell  wieder  vermehren.  Ein  nasser 
Sommer  rafft  iibrigens  auch  Millionen  dahin.  Jedenfalls  ermoglichen  die 
Lemminge  erst  vielfach  den  hoheren  Tieren  den  Kampf  urns  Dasein  zu  iiber- 
stehen.  Ubrigens  sind  die  Lemmings  mutige  bissige  Geschopfe,  die  oft  ein  em 
bedeutend  grosseren  Gegner  geniigend  zu  schaffen  machen.  Es  ware  zu 
wiinschen,  dass  dies  so  leicht  zu  erlangende  Pelzwerk  dem  Handel  zuganglich 
gemacht  wiirde.  Die  Felle  wiirden  sehr  hiibsche  Futter  geben,  werden  aber 
nicht  gesammelt.  Das  Haar  ist  weich  und  ziemlich  dicht. 


12.  Der  Siebenschlafer. 

Der  Siebenschlafer  oder  Bilch,  Myoxus  glis,  kommt  erst  seit  einigen 
Jahren  in  grosseren  Mengen  in  den  Handel  und  zwar  von  Krain  aus,  obgleich 
das  Tier  in  ganz  Mitteleuropa  vorkommt,  von  Belgien  bis  zum  Kaukasus. 
In  Norddeutschland  fehlt  es.  Das  Tier  hat  ca.  20  cm  Korperlange  und  einen 
15  cm  langen  Schweif.  Der  weiche  dicht e  aber  etwas  kurzhaarige  Pelz  ist 
gelblichgrau,  die  Spitzen  der  Grannen  schwarzlich,  an  den  Seiten  mehr 
braunlichgrau,  Bauch,  Kehle  und  Innenseite  der  Beine  reinweiss.  Der  Schweif 
oben  gelbbraun,  unten  weiss.  In  Laibach  werden  jahrlich  mehrere  hundert- 
tausend  Stiicke  zugerichtet,  ein  Teil  wird  zu  Futtern  verarbeitet,  die  anderen 
Felle  zu  Stolas,  Muffen  etc.  Der  gegenwartige  Wert  durfte  etwa  50  Pf.  per 
Stuck  sein. 

In  Italien  lebt  M.  italicus,  in  Sizilien  M.  insularis.  In  Kleinasien  ist 
M.  orientalis  sehr  haufig,  etwas  kleiner  als  der  deutsche  Siebenschlafer,  und 
die  Hautfarbe  lebhaft  silbergrau.  Bei  alien  Art  en  sind  anatomische  Unter- 
schiede  vorhanden. 

Sehr  nahe  verwandt  sind  auch  die  Baumschlafer,  M.  dry  as  in  Klein- 
asien und  Ungarn,  M.  intermedius  in  Steiermark  und  Tirol  mit  grauer  Grund- 


XIII.  Nagetiere.  6lQ 


farbe.  M.  nitedula  an  der  Wolga  und  Siidrussland,  Persien  und  Palastina, 
M.  dryas  pictus  in  Transkaspien  und  schliesslich  im  fernen  Osten  Japans 
M.  elegans.  Der  Baumschlafer  erreicht  eine  Korperlange  von  etwa  10  cm, 
eine  Schweiflange  von  8  cm,  die  Farbe  1st  ahnlich  wie  beim  Siebenschlafer, 
die  Oberhaut  aber  mehr  braunlich. 

Am  liebsten  bewohnt  der  Siebenschlafer  trockene  Eichen-  und  Buchen- 
waldungen.  Den  Tag  iiber  halt  er  sich  zuriickgezogen  in  Baumlochern,  Wurzel- 
hohlen  oder  verlassenen  Nestern  von  Krahen  oder  Elstern.  Nachts  streift  er 
Nahrung  suchend  umher,  wobei  er  mit  grosser  Gewandtheit  klettert  und 
spring! .  Das  Tier  ist  ungemein  gefrassig  und  frisst  hauptsachlich  Niisse, 
Bucheckern,  Eicheln,  Beeren,  und  wenn  Obstbaume  in  der  Nahe  sind,  alle 
Art  en  Obst.  Dabei  ist  er  ein  grosser  Rauber,  der  junge  Vogel  und  kleine 
Saugetiere  mordet  und  frisst.  Zum  Herbst  bezieht  er  ein  Winterlager,  in 
welchem  er  grosse  Nahrungsvorrate  aufspeichert.  Dann  macht  er  sich  ein 
weiches,  warmes  Nest,  rollt  sich  zusammen  und  verfallt  beim  Eintritt  der 
kiihlen  Herbstwitterung  in  einen  tiefen  Winterschlaf,  aus  welchem  er  alle 
ein  oder  zwei  Monat  aufwacht,  um  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen  und  dann  wieder 
einschlaft.  Der  Winterschlaf  dauert  bis  weit  in  den  Friihling  hinein,  voile 
7  Monate,  daher  der  Name  des  Tieres. 

Das  Fleisch  des  Tieres,  namentlich  im  Herbst,  wenn  es  sich  einen  fetten 
Wanst  angemastet  hat,  ist  sehr  wohlschmeckend  und  gait  bei  den  alt  en 
Romern  als  grosser  Leckerbissen.  In  besonderen  Anstalten,  Glivarien, 
wurden  sie  besonders  fur  den  Markt  gemastet.  Die  Paarung  findet  im  Friih- 
jahr  statt  und  nach  6  Wochen  wirft  das  Weibchen  4  bis  6  blinde  Junge,  die 
aber  schnell  heranwachsen.  Wo  geniigend  Nahrung  vorhanden  ist,  nehmen 
die  Tiere  stark  zu,  trotzdem  es  ihnen  an  Feinden  nicht  fehlt.  Namentlich 
Harder,  Wiesel  und  die  Eulen  sind  schlimme  Verfolger.  Gefangen  wird  er 
sehr  leicht  in  einfachen  Fallen.  In  Krain  erbeutet  ein  Jager  leicht  mehrere 
hundert  Balge  in  einem  Revier.  In  Gefangenschaft  sind  sie  langweilig,  un- 
liebenswiirdig  und  geben  an  Bissigkeit  und  murrischem  Wesen  dem  Hamster 
wenig  nach.  jj 

13.  Der  Maulwurf. 

Seit  etwa  10  Jahren  spielen  die  Felle  des  Maulwurfes,  Talpa  europaea, 
franzosisch  Taupe,  englisch  Mole,  eine  grossere  Rolle  im  Pelzhandel  und 
kommen  jahrlich  mindestens  i  Million  Stuck  in  den  Handel.  Die  besten 
kommen  aus  Schottland,  dann  liefert  Deutschland,  Frankreich  und  Italien 
grossere  Mengen.  Der  Preis  schwankt  je  nach  der  Mode  von  10  bis  60  Pf. 
pro  Stuck,  der  gegenwartige  Preis  fur  schottische  Maulwiirfe  ist  etwa  40  Pf., 
fur  italienische  30  Pf.  pro  Stuck  roh. 

Das  Fell  erfordert  eine  sehr  sorgfaltige  Verarbeitung,  damit  die  Farben- 
schattierungen  gut  zusammenpassen.  Man  fertigt  Mantel,  Stolas  und  die  grossen 
flachen  Muffen  daraus.  Mitunter  werden  die  Fellchen  auch  dachziegelartig 


620  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

iibereinandergesetzt  verarbeitet.  Die  Farbe  ist  gleichmassig  grauschwarz,  an 
einzelnen  Stellen  mehr  grau  schillernd,  sammetartig  weich  und  glanzend. 
Die  Vorderfusse  sind  ungemein  muskulos  und  besitzen  handartig  geformte, 
verhaltnismassig  machtige  Tatzen.  Ausser  den  Sohlen  ist  nur  der  gelblich 
fleischfarbene  verhaltnismassig  lange  Riissel  nackt.  Die  kaum  Stecknadelkopf 
grossen  Augen  sind  im  Pelz  verborgen,  so  dass  das  Tier  meist  fiirblind  gehalten 
wird.  Der  Schwanz  ist  kurz  und  glanzend.  In  fast  alien  Landern  Europas, 
in  Asien,  Nordamerika  und  Sudafrika  kommen  Maufwiirfe  vor,  die  ver- 
schiedenen  Arten  angehoren,  die  sich  durch  Lange  des  Schweifes  und  des 
Riissels,  sowie  durch  das  Gebiss  unterscheiden.  Gesammelt  werden  aber  die 
Felle  nur  in  den  oben  erwahnten  Landern. 

Der  Maulwurf  lebt  nur  von  tierischer  Nahrung  und  ist  eines  der  ge- 
frassigsten  Tiere,  die  es  gibt.  Er  bedarf  taglich  sein  eigenes  Gewicht  an  Nahrung 
weshalb  er  auch  unaufhorlich  unterwegs  ist,  neue  Gange  aufwerfend  und  nach 
Nahrung  durchsuchend.  Trifft  er  dabei  einen  anderen  Maulwurf,  so  entspinnt 
sich  ein  Kampf  auf  Leben  und  Tod  und  der  Sieger  frisst  den  Unterlegenen 
einfach  auf.  Selbst  die  Weibchen  werden  ausser  der  Paarungszeit  nicht  ver- 
schont.  Ausser  zur  Nahrungssuche  grabt  der  Maulwurf  auch  eine  sehr  kunst- 
reiche  Wohnung,  von  wo  auch  Gange  zu  unterirdischen  Wasseransammlungen 
fuhren,  sowie  verschiedene  Ein-  und  Ausgangsrohren.  Die  ausgeworfene  Erde 
wird  mit  der  Schnauze  in  den  bekannten  Hugeln  aufgeworfen. 

Er  grabt  mittelst  der  Schnauze  und  seiner  gewaltigen  Schaufelhande 
sehr  leicht  und  sehr  schnell.  Auch  lauft  er  ungemein  flink.  Die  Haupt- 
nahrung  sind  Engerlinge,  Kaferlarven  und  Regenwiirmer,  fernerhin  alles  wras 
ihm  in  den  Gangen  begegnet,  Wasserratte,  Spitzmaus,  Feldmaus,  Eidechsen, 
Schlangen,  Frosche  usw.  Er  ist  deshalb  im  grossen  und  ganzen  sehr  niitzlich, 
doch  wird  er  durch  die  Vertilgung  der  Regenwiirmer  vom  Felde  auch 
schadlich,  da  diese  zur  Bildung  der  Ackerkrume  notwendig  sind.  In  Garten 
ist  er  keinesfalls  zu  dulden.  Nicht  nur,  dass  die  aufgeworfenen  Hugel  dem 
Rasen  schaden,  so  verdorren  auch  alle  Pflanzen,  die  sich  iiber  seinen  Gangen 
befmden. 

Der  Maulwurf  gehort  mit  der  Spitzmaus  und  dem  Igel  zu  den  altesten 
Saugetieren,  da  ihre  direkten  Vorfahren  bereits  neben  den  grossen  Sauriern 
in  der  Kreidezeit  vorkamen,  als  noch  vor  dem  Tertiar  (Uberreste  von  Cernays). 


14.  Polarhasen. 

Die  meisten  in  den  Handel  kommenden  weissen  Hasen  stammen  aus 
Sibirien,  doch  steht  die  Art,  welche  die  Felle  hauptsachlich  liefert,  noch  nicht 
fest.  Es  sind  bisher  bestimmt,  Lepus  collinus,  der  aus  dem  nordlichen  Skandis 
navien,  dem  nordlichen  Russland  usw.  bis  an  den  Ob  reicht,  ferner  Lepu- 
tschuktscborum,  der  im  Nordosten  Sibiriens  lebt  und  dessen  Verbreitungsi 
bezirk  sich  wohl  bis  zur  Lena  erstreckt,  L.  altaicus,  der  vom  Altaigebirge 


XIII.  Nagetiere.  621 


bis  zum  Baikal  vorkommt  und  von  da  aus  nach  Norden  den  Jenissei  entlang 
vorgedrungen  ist.  Wie  weit  endlich  L.  gichiganus  der  auf  Kamtschatka 
lebt,  nach  Westen  geht,  ist  mir  unbekannt.  Alle  diese  Hasen  sind  im  Sommer 
grau  oder  braun  und  nehmen  nur  im  Winter  die  bekannte  weisse  Farbung  an. 
Ein  grosser  Teil  wird  auch  im  Herbst  geschossen,  die  eine  weisse  Wolle  haben, 
aus  der  dann  die  graubraunen  Grannenhaare  herausragen,  sogenannte 
,,Grauspitzen  Hasen".  Diese  Felle  sind  auch  flacher  als  die  Winterfelle.  Die 
verschiedenen  Arten  unterscheiden  sich  ausser  durch  de  Schadelform  auch 
noch  durch  Abweichungen  in  der  Farbe  der  Ohren  und  des  Schweifes.  Die 
rohen  Felle  werden  gesammelt  und  in  besonderen  Fabriken  im  europaischen 
Russland  zugerichtet,  und  nach  drei  oder  vier  Sorten  sortiert,  in  9  Pud  Ware, 
ii  Pud,  13  Pud  und  sogenannte  Kopfe,  die  noch  schwerer  ist.  Diese  Gewichte 
beziehen  sich  auf  das  1000  Stuck,  (i  Pud  gleich  16  Kilo.)  Die  Felle  werden 
dann  entweder  naturell  als  Imitation  der  Weissfuchse  verarbeitet  oder  gefarbt 
und  zwar  sowohl  schwarz  als  in  verschiedenen  Phantasiefarben.  Chinchilla, 
Schneehase,  Silberhase,  Luchshase,  Zobelhase  usw.  Der  Preis  ist  augen- 
blicklich  je  nach  Gewicht  von  70  Pf.  bis  1,50  Mk.  per  Stuck.  Jedes  einzelne 
Fell  hat  iibrigens  eine  Bleiplombe,  was  bei  1000  Stuck  das  Gewicht  nicht 
unwesentlich  vermehrt.  Verpackt  werden  dieselben  in  Ballen  aus  Bastmatte, 
die  meist  ca.  600  Stuck  enthalten.  Das  Fleisch  ist  wohlschmeckend  aber  nicht 
so  fein  wie  unsere  deutschen  Hasen.  In  Moskau  werden  dieselben  im  Winter 
auf  dem  Markt  mit  ca.  50  Pf.  per  Stuck  verkauft,  und  etwa  l/2  Million  Hasen 
im  Fleisch  werden  jeden  Winter  nach  England  exportiert.  Felle  kommen 
jahrlich  etwa  5  Millionen  in  den  Handel. 

Das  Tier  ist  wesentlich  grosser  als  unser  deutscher  Hase;  die  meisten 
Felle  sind  ungefahr  60  cm  lang,  doch  kommen  auch  Exemplare  mit  75  cm 
Lange  vor.  Die  Tiere  graben  sich  im  Winter  Gange  unter  den  Schnee  und  be- 
steht  die  Nahrung  aus  Gras,  Moos  und  den  Spitzen  der  Nadelholzer. 

In  Skandinavien  lebt  ausserdem  noch  L.  timidus,  der  sehr  fein  und  weiss 
ist,  und  in  Irland  sogar  zwei  Arten,  L.  hibernicus  und  L.  lutes c ens,  doch  hort 
man  nichts  davon,  dass  solche  in  den  Handel  kommen.  Alle  diese  weissen 
Hasen  zeichnen  sich  durch  die  dichte  filzartige  Behaarung  der  Sohlen  aus. 

In  der  Schweiz  kommt  ausser  dem  spater  zu  erwahnenden  Alpenhasen 
noch  der  L.  varronis  und  L.  breviauritus  vor.  Diese  bilden  aber  der  Seltenheit 
des  Vorkommens  halber  keinen  Handelsartikel.  Auf  der  Insel  Yesso  in  Nord- 
japan,  kommt  auch  ein  weisser  Hase  vor,  L.  ainu,  der  aber  bisher  auch  nicht 
in  den  Handel  gekommen  ist. 

In  Amerika  kommen  verschiedene  Hasenarten  vor.  Der  L.  arcticus  lebt 
auf  den  Barrengrounds  im  Norden  des  Hudsonsbai-Gebietes,  ist  aber  hier 
nicht  sehr  haufig,  dagegen  sehr  stark  auf  den  Inseln  im  Norden  Amerikas  bis 
Gronland.  Auch  wird  er  im  Sommer  grau,  im  Winter  weiss  mit  schwarzer 
Ohren-  und  Schwanzspitze.  Im  Siiden  und  Osten  der  Hudsonsbai  lebt 
L.  labradoricus,  der  im  Sommer  bl£ulicherau  ist,  im  Winter  sehr  dichten^Pelz 


622  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

hat,  rauher  als  die  anderen  Arten  und  auch  etwas  grosser  1st.  Sehr  schon  weiss 
im  Winter  ist  auch  L.  campestris,  der  von  den  Ebenen  am  Saskatschewan  bis 
nach  dem  nordlichen  Kansas  hinunterreicht.  Nicht  ganz  weiss  im  Winter  wird 
L.  virginianus,  der  in  Neuschottland,  Maine  und  der  Ostkiiste  bis  Connecticut, 
dann  im  siidlichen  Kanada  und  Nordminnesota  lebt.  Der  Winterpelz  ist  weiss, 
mit  schieferblauem  Grund  mit  rotlichem  Schimmer. 

In  Alaska  lebt  L.  othus  und  L.  poadronus  und  kommt  dort  auch  der  in 
Asien  heimische  L.  tschuktschorum  vor.  Weiter  siidlich  kommt  L.  saliens, 
L.  bishopi  und  L.  klamathensis  vor,  die  etwas  kleiner  sind  und  auch  nicht 
im  Winter  bis  auf  den  Grund  weiss  werden.  Alle  diese  Arten  unterscheiden  sich 
hauptsachlich  durch  anatomische  Unterschiede.  Der  amerikanische  Polar™ 
hase  ist  iibrigens  schlau,  und  garnicht  leicht  zu  iangen.  Im  Winter,  wo 
er  sich  kaum  von  der  Schneedcke  abhebt,  auch  schwer  zu  schiessen. 

Es  kommen  auch  kaum  mehr  als  200  ooo  Stuck  Felle  jahrlich  in  den 
Handel,  wahrend  dagegen  grosse  Mengen  Felle  von  den  Indianern  und  Eskimos 
zum  eigenen  Gebrauch  verwendet  werden.  Ganz  anders  ist  der  als  ,, rabbit" 
bezeichnete  L.  variabilis,  der  ungemein  zahlreich  im  Hudsonsbai-Gebiet  vor- 
kommt.  Derselbe  wird  im  Winter  auch  weiss,  aber  behalt  immer  einen  rot- 
lichen  oder  blauen  Grund,  wahrend  auch  das  Oberhaar  mehr  weissrotlich  ist. 
Die  Hudsonsbay  Company  bring t  jahrlich  im  Januar  mehrere  Hunterttausend 
dieser  Felle  zur  Auktion,  die  aber  zum  Farben,  ihres  sehr  diinnen  Leders  halber, 
nur  wenig  geeignet  sind.  Das  Tier  ist  wesentlich  kleiner  als  der  weisse  Hase. 
Viele  Indianerstamme,  besonders  aber  die  Hasenindianer  machen  vorziigiiche 
Decken  aus  diesen  Fellen,  indem  sie  solche  in  lange  schmale  Streifen  schneiden, 
die  rohrenartig  zusammengenaht  werden.  Diese  Rohren  werden  dann  mit  dem 
Haar  nach  aussen  aneinander  genaht  und  lose  geflochten,  bilden  eine  ungemein 
leichte  aber  sehr  warme  Decke.  Eine  viel  grossere  Bedeutung  fur  den  Rauch- 
warenhandel  erlangen  sie  aber  dadurch,  dass  sie  die  Hauptnahrung  der  Luchse, 
Zobel  und  virginischen  Iltisse  bilden.  Die  Tiere  vermehren  sich  ungemein  rasch, 
werfen  achtmal  im  Jahr,  3  bis  4  Junge,  in  der  Periode  der  Zunahme  aber 
jedesmal  6  bis  10  Junge,  die  auch  noch  im  selben  Jahre  fortpfianzungsreif 
sind.  Trotz  der  vielen  Feinde  steigt  deshalb  in  regelmassiger  Periode  ihre  Zahl 
enorm.  Da  die  Familien  aber  ihren  engen  Distrikt,  wo  sie  geboren  sind,  nicht 
verlassen,  so  wird  der  Boden  allmahlich,  wie  man  annimmt,  durch  die 
Exkremente  vergiftet.  Jedenfalls  bricht  nach  ca.  10  Jahren  regelmassig  eine 
Epidemic  aus,  die  enorme  Mengen  hinwegrafft.  Die  iiberlebenden  vermehren 
sich  aber  dann  wieder  rasch  in  ansteigender  Zahl.  Dies  ist  auch  die  Haupt- 
sache  der  bekannten  periodenweisen  Vermehrung  der  Luchse.  Auch  in  den 
Vereinigten  Staaten  kommt  dieser  Hase  zahlreich  vor,  meist  ,,jackrabbit" 
genannt,  wird  aber  dort  im  Winter  nicht  weiss.  Namentlich  in  Kalifornien 
werden  sie  zuzeiten  zu  vielen  Hunderttausenden  erlegt. 

Der  Alpenschneehase,  L.  variabilis,  weicht  vom  nordischen 
ziemlich  ab.  Er  ist  kleiner  als  dieser  und  auch  kleiner  als  der  gewohnliche 


XIII.  Nacietiere.  623 


Feldhase,  namentlich  schlanker  und  zarter  gebaut,  wahrend  die  Behaarung 
langer  und  dichter  ist.  Das  Gewicht  eines  ausgewachsenen  Alpenschneehasen 
iiberschreitet  selten  fiinl  Kilo.  Die  Ohren  sind  auch  bedeutend  kiirzer  als  beim 
braunen  Hasen,  die  Hinterbeine  langer  und  die  Sohlen  dichter  mil  filzartiger 
Wolle  besetzt.  Er  andert  seine  Farbe  im  Herbst  und  Friihjahr,  und  zwar 
richtet  es  sich  stets  nach  der  Witterung,  so  dass  Beobachter  aus  einem  friih- 
zeitigen  Verfarben  der  Hasen  auf  einen  sehr  strengen  Winter  schliessen.  Die 
Verfarbung  ist  aber  stets  gleichzeitig  mit  der  des  Hermelin  und  Wiesel.  Im 
Herbst  geht  die  Verfarbung  mit  der  gewohnlichen  Wintermauser  Hand  in 
Hand,  die  braunen  Sommerhaare  fallen  aus,  die  neuen  Haare  sind  weiss. 
Im  Fruhjahr  ist  das  aber  nur  zum  Teil  der  Fall,  ein  Teil  der  Haare  nur  fallt 
aus,  die  anderen  verfarben  sich,  indem  die  langeren  Haare  schwarz,  die 
anderen  braun  werden.  Die  Wollhaare  wandeln  sich  von  weiss  in  grau.  Die 
Sommerfarbung  ist  iiberhaupt  mehr  olivenfarbig,  mit  schwarz  gemischt, 
nicht  rotlichbraun  wie  der  Feldhase.  Der  Bauch  und  die  Loffel  bleiben  weiss. 
Das  Tier  ist  in  der  ganzen  Schweiz  verbreitet,  verbleibt  dort  aber  meistens 
in  der  Nahe  der  oberen  Waldgrenze  unterhalb  des  ewigen  Schnees.  Im  Winter 
geht  er  auch  tiefer  zu  Tal,  bis  zu  700  m  Meereshohe.  Auf  dem  offenen  Stein- 
feld  halt  er  sich  nicht,  da  er  hier  seinen  natiirlichen  Feinden,  den  Raubvogeln, 
Raben  usw.  zum  Opfer  fallt. 

Die  Vermehrung  ist  sehr  stark,  er  wirft  dreimal  im  Sommer,  jedesmal 
3  bis  6  Junge,  die  auch  sehr  schnell  fortpflanzungsreif  werden.  Das  Tier  wird 
viel  gejagt,  und  soil  das  Fleisch  sehr  gut  schmecken.  Das  Fell  kommt  aber 
sehr  wenig  in  den  Handel  und  wird  wohl  meistens  lokal  verbraucht.  Der 
Alpenhase  paart  sich  mitunter  fruchtbar  mit  dem  gewohnlichen  Feldhasen. 
Gefangene  Schneehasen  werden  auch  viel  schneller  zahm  als  der  gewohnliche 
Hase,  gehen  aber  in  der  Gefangenschaft  zum  Teil  bald  zu  Grunde,  da  sie  die 
Hohenluft  nicht  entbehren  konnen. 


15.   Die   Hasen. 

Der  Hase,  L,  timidus,  franzosisch  lievre,  englisch  hare,  gehort  eigentlich 
nicht  in  den  Kreis  unserer  Betrachtungen,  denn  das  Fell  wird  zu  Pelzzwecken 
fast  nie  gebraucht,  da  das  Leder  nicht  haltbar  genug  ist  und  beim  Zurichten 
bricht.  Viele  Rauchwarenhandler,  namentlich  Handler  mit  Landwaren, 
handeln  aber  auch  Hasenfelle,  da  sie  in  grossen  Mengen  zur  Fabrikation  der 
Haarfilzhiite  gebraucht  werden.  Namentlich  dieFelle  unserer  deutschen  Winter- 
hasen  sind  zu  diesen  Zwecken  sehr  gesucht  und  bringen  bis  zu  90  Pf.  per  Stuck 
im  Grosshandel,  wahrend  die  Sommerfelle,  oder  eigentlich  Herbstfelle,  da  ja 
der  Hase  in  Deutschland  vom  15.  Februar  bis  i.  September  Schonzeit  hat, 
weniger  Wert  haben.  Es  kommen  jahrlich  mindestens  5  bis  10  Millionen 
Hasenfelle  in  den  Handel,  stets  in  Ballen  von  500  Stuck  gepackt.  Ein  aus- 
gewachsener  Hase  wiegt  ca.  6  kg. 


624  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Er  kommt  in  Mitteleuropa  und  einem  Teil  Westasiens  vor.  Russland  und 
Sibirien  liefern  viele  graue  Hasenfelle,  die  sibirischen  gehoren  aber  einer 
anderen  Art  an,  die  viel  weniger  wohlschmeckend  sind  als  unsere  deutschen 
Hasen. 

Im  Siiden  Europas  wird  er  auch  durch  eine  andere  Art,  L.  mediterraneus, 
vertreten,  der  kleiner  und  rotlicher  gefarbt  ist.  Die  nordlichen  Grenzen  des 
gewohnlichen  Feldhasen  sind  Schottland  und  Siidschweden,  seine  siidlichsten 
Siidfrankreich  und  Norditalien.  Der  Hase  wirft  3  bis  4  mal  im  Jahre  ca.  3  bis 
10  Junge,  die  iibrigens  vom  Weibchen  sehr  wenig  gepflegt  werden.  Durch 
feuchte  Witterung  im  Fruhjahr  geht  gewohnlich  der  erste  Satz  ganzlich  ver- 
loren,  auch  wirken  seine  natiirlichen  Feinde,  Fiichse,  Wiesel,  Harder,  Raub- 
vogel  und  Krahen  einer  iibergrossen  Vermehrung,  die  schadlich  werden  konnte, 
entgegen.  Bekannt  ist  die  grosse  Feigheit  des  Hasen,  die  sich  aber  mit  viel  List, 
und,  namentlich  bei  den  Rammlern,  mit  viel  Bosheit  vereint. 

In  Asien  kommen  noch  verschiedene  Arten  vor,  von  denen  wir  namentlich 
den  kleinen  chinesischen  Hasen  erwahnen.  Auch  in  Afrika  kommen  ver- 
schiedene Hasenarten  vor,  die  aber  samtlich  viel  kleiner  sind  als  unser  Hase, 
dafiir  aber  sehr  lange  Ohren  haben.  Die  Felle  kommen  nie  in  den  Handel.  In 
Sudamerika  fehlen  einheimische  Hasenarten  ganzlich,  sind  aber  seit  einigen 
Jahren  in  Argentinien  aus  Europa  als  Jagdwild  eingefiihrt  und  haben  sich 
in  den  Steppen  ungemein  stark  vermehrt. 

1 6.  Die   Kaninchen. 

Das  wilde  Kaninchen,  L.  cuniculus,  stammt  ursprunglich  aus- 
den  Mittelmeerlandern,  hat  sich  aber  iiber  ganz  Europa  verbreitet,  und  ist, 
wo  es  sich  einmal  festgesetzt,  schwer  zu  vertreiben,  da  es  sich  erstens  ausser- 
ordentlich  stark  vermehrt  und  zweitens  sofort  beim  Annahen  einer  Gefahr 
in  seinen  Bau  schlupft.  Die  Baue  mit  tiefliegendem  Kessel  und  mehreren 
Rohren  sind  meist  in  grossen  Ansiedlungen  vereint.  Meist  verlasst  das  Tier 
den  Bau  mit  Einbruch  der  Dammerung  und  ist  dann  infolge  seiner  schnellen 
Bewegung  und  seiner  Gewandtheit  durchaus  nicht  leicht  zu  schiessen.  Die 
beste  Fangmethode,  die  einige  Aussicht  auf  Erfolg  gibt,  ist  mittelst  Frettchen, 
die  in  den  Bau  gelassen,  die  Tiere  in  vorgestellte  Netze  treiben.  Wiesel  und 
Marder  sind  seine  natiirlichen  Feinde,  die  aber  kaum  imstande  sind,  der 
natiirlichen  Vermehrung  Schranken  zu  setzen.  Von  Februar  bis  Oktober 
setzt  das  Weibchen  alle  5  Wochen  4  bis  12  Junge,  die  auch  nach  einigen 
Monaten  fortpflanzungsfahig  sind.  Dabei  sind  die  wilden  Kaninchen,  im  Gegen- 
satz  zum  Hasen,  sehr  zartliche  Eltern,  und  im  geschiitzten  Bau  fallen  auch 
wenige  Junge  der  Witterung  zum  Opfer.  In  England  ist  das  Kaninchen  heute 
eins  der  verbreitesten  Jagdtiere,  und  auch  in  Spanien  sind  sie  sehr  heimisch. 
Bei  uns  in  Deutschland  ist  das  wilde  Kaninchen  mit  Recht  von  jeder  Schonzeit 
ausgenommen,  denn  der  von  den  Tieren  angerichtete  Schaden  ist  sehr  gross. 


XIII.  Nagetiere    625 


Nicht  allein  die  Felder  leiden,  da  es  seine  Nahrung  stets  auf  kleinerem  Raume 
deckt  als  der  umherschweifende  Hase,  sondern  auch  die  Baume  in  den  Forsten 
und  die  Obstbaume  in  den  Garten  werden  durch  Abnagen  der  Rinde  zerstort, 
und  ausserdem  leiden  die  ganzen  Anpflanzungen  durch  das  Wiihlen  und  das 
Anlegen  der  Rohren.  Das  Kaninchen  bevorzugt  zu  seinen  Bauten  stets  lockeren 
Boden.  In  Gcfangenschaft  werden  sie  sehr  schnell  zahm,  ebenso  wie  zahme 
Kaninchen  in  der  Freiheit  sehr  schnell  ver wilder n  und  deren  Junge  dann  die 
graue  Farbe  der  wilden  Kaninchen  annehmen.  Das  Fleisch  schmeckt  recht  gut, 
bleibt  aber  beim  Braten  oder  Kochen  stets  weiss.  In  Deutschland  herrscht 
noch  vielfach  ein  Vorurteil  gegen  das  Fleisch  der  wilden  Kaninchen,  das  aber 
durchaus  unberechtigt  ist.  Ubrigens  ist  der  Marktpreis  in  den  letzten  Jahern 
auf  i  bis  1,50  Mk.  pro  Stuck  gestiegen,  wahrend  noch  vor  10  Jahren  das 
Stuck  nur  50  Pf.  kostete.  Das  Fell  dient  zur  Fabrikation  von  Haarnlzhiiten 
und  kostet  je  nach  Grosse  und  Qualitat  10  bis  20  Pf.  per  Stuck.  In  letzter 
Zeit  werden  iibrigens  die  grossten  gut  en  Winter  felle  auch  zur  Pelzfabrikation 
verwandt,  wozu  sie  auch  gut  geeignet  sind,  wenn  das  Leder  auch  diinner  ist 
als  beim  zahmen  Kanin. 

Das  Gewicht  eines  ausgewachsenen  wilden  Kaninchens  ist  selten  schwerer 
als  2  bis  2%  Kilo,  das  getrocknete  Fell  wiegt  60  bis  80  Gramm. 

Von  viel  grosserer  wirtschaftlicher  Bedeutung  ist  aber  die  Zucht  der 
Kaninchen.  Man  hat  es  verstanden,  sehr  grosse,  schwere  Rassen  zu  ziichten, 
und  wenn  auch  in  Deutschland  dies  mehr  als  Sport  betrieben  wird,  da  bei  uns 
noch  immer  ein  grosses  Vorurteil  gegen  Kaninchenfleisch  herrscht,  so  tragt 
die  Kaninchenzucht  in  Frankreich,  Belgien  und  England  nicht  unbetrachtlich 
zur  Vermehrung  des  Nationalwohlstandes  bei,  und  bildet  Kaninchenfleisch 
einen  nicht  unbetrachtlichen  Teil  der  Volksnahrung  in  diesen  Landern. 

Besonders  nach  England  findet  ein  grosser  Export  von  Kanin  aus  Belgien, 
Frankreich,  und  jetzt  auch  aus  Australien  in  gefrorenem  Zustande  statt,  da 
die  starke  eigene  Produktion  an  wilden  und  zahmen  Kanin  nicht  fur  den 
starken  Bedarf  ausreicht.  Es  wiirde  hier  zu  weit  fiihren,  wenn  wir  auf  alle 
Rassen  des  Hauskaninchens  eingehen  wiirden.  Am  wertvollsten  sind  die  in 
Frankreich  gezuchteten  Silberkaninchen,  mit  blauem  Untergrund 
und  die  Grannen  teils  weiss,  teils  silbergrau.  Das  Gewicht  eines  aus- 
gewachsenen Tieres  ist  etwa  8  Pfund.  Auch  in  England  wurde  eine  bestimmte 
Sorte  Silberkanin  geziichtet,  doch  waren  dieselben  kleiner  und  wogen  kaum 
iiber  6  Pfund.  Die  besten  hellen  Felle  gehen  nach  Russland  und  China,  die 
an  deren  werden  gefarbt. 

Andere  beliebte  Rassen  sind  belgische  Riesen  und  f  r  a  n  z  6  - 
sische  Widderkaninchen  und  Hasenkaninchen,  von 
denen  cinzelne  Exemplare  ein  Gewicht  bis  zu  13  Pfund  erreichen,  also  grosser 
sind  als  ein  Feldhase.  Ferner  die  englischen  blue  and  Tan,  die  blau- 
rotlichen  Wiener  Kaninchen,  die  dreifarbigen  japanischen 
K  a  n  i  n  c  h  e  n  ,  der  gewohnliche  graue  Stallhase  und  das  w  e  i  s  s  e 

.'O 


626  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

oder  polnische  Kaninchen,  das  am  meisten  in  Galizien  und  Ost- 
deutschland  gezogen  wird.  In  Frankreich  und  Belgien  existieren  zahlreiche 
Fabriken  zur  Verarbeitung  von  Kaninchenfellen,  in  Deutschland  nur  zwei,  die 
eine  in  Unkel  am  Rhein,  die  andere  in  Leipzig.  Die  Felle  werden  zunachst  zu- 
gerichtet,  dann  entweder  mil  dem  Oberhaar  schwarz  oder  braun  gefarbt,  oder 
geschoren,  und  zwar  entweder  kurz  geschoren,  oder  sogenannte  halbrasee. 
Die  besten  Sorten  werden  dann  elektrisch  behandelt,  wodurch  die  Felle  dem 
echten  Sealskin  fast  tauschend  ahnlich  werden.  Die  Felle  werden  samtlich 
sealartig  gefarbt  und  unterscheidet  man  franzosische  Farbe  mit  dunklem 
und  englische  Farbe  mit  gelbrotlichem  Grund.  Die  Decke  ist  ein  dunkles 
glanzendes  Braun.  Nach  Fertigstellung  werden  die  Felle  nach  Grossen  sortiert 
und  in  Dutzende  gestochen.  Man  sortiert  dann  je  ein  Dutzend  X,  zwei 
Dutzend  XX  und  ein  Dutzend  XXX.  Je  100  Dutzend  bilden  eine  Kiste.  In 
Belgien  ist  die  Fabrikation  ebenso,  doch  sind  die  verwendeten  Felle  kleiner  und 
geringwertiger  und  sortiert  man  in  ein  Dutzend  XX,  zwei  Dutzend  XXX  und 
ein  Dutzend  XXXX.  Franzosische  Kaninchen  kosten  jetzt,  je  nach  Marke 
und  Qualitat,  von  15  bis  40  Mk.  das  Dutzend,  belgische  und  deutsche  von 
6  bis  15  Mk.  In  alien  Fabriken  werden  aber  nicht  nur  die  Felle  des  eigenen 
Landes  verarbeitet,  sondern  grosse  Mengen  roher  Felle  werden  eingefuhrt. 

Die  geringeren  Felle  werden  zur  Filzfabrikation  verwendet,  indem  das 
Wollhaar  mit  Maschinen  abgerupft  wird  und  dann  ebenso  wie  Hasenhaar  zu 
feinen  Filzhiiten  verarbeitet  wird.  Die  Haut  wird  zu  Leim  verarbeitet. 

Die  polnischen  weissen  Kanin  werden  nicht  gefarbt,  sondern  werden 
alaungar  zugerichtet  und  naturell  verarbeitet,  teilweise  auch  geschoren. 
Mittelpunkte  dieser  Industrie  sind  Lemberg  in  Galizien  und  Polnisch-Lissa 
in  der  Provinz  Posen.  Weisse  Kanin  kommen  jahrlich  etwa  i  Million  Felle 
in  den  Handel,  wahrend  gefarbte  Kanin  etwa  60  Millionen  Stuck  geliefert 
werden.  Hiervon  entfallt  der  Lowenanteil  auf  Frankreich  mit  etwa  30  Mill. 
Stuck,  Belgien  liefert  etwa  il/2  Millionen  Dutzend,  Deutschland  nicht  ganz 
eine  Million  Dutzend.  Verwendet  werden  die  Felle  in  alien  Landern,  namentlich 
importiert  auch  Amerika  grosse  Mengen.  In  Berlin  allein  wird  fast  eine  Million 
Dutzend  in  gut  en  Jahren  verarbeitet. 

Vor  etwa  50  Jahren  fuhrte  ein  Jagdliebhaber  in  Adelaide  (Siidaustralien) 
einige  Paar  lebender  Wildkaninchen  aus  England  ein  und  setzte  sie  aus,  um 
ein  neues  Jagdtier  zu  haben.  Der  Name  dieses  Mannes  ist  unbekannt  geblieben, 
sonst  wiirde  er  von  seinen  Landsleuten  als  moderner  Herostrat  betrachtet 
Averden,  denn  aus  diesen  wenigen  Tieren  entwickelte  sich  eine  der  grossten 
Landplagen  Australiens.  Das  Klima  sagte  den  Tieren  zu,  ihre  naturlichen 
Feinde  fehlten  ganzlich,  und  so  zahlten  sie  bei  ihrer.  ungeheuren  Vermehrungs- 
fahigkeit  bald  nach  vielen  Millionen.  Der  ganze  Kontinent  bis  nach  Queensland 
hinauf  wurde  von  ihnen  uberlaufen,  den  Schafen  die  Weide  weggefressen 
und  ungeheurer  Schaden  angerichtet.  Alle  Abwehrmassregeln  half  en  nichts, 
die  eingefuhrten  Fiichse,  Iltisse  usw.  fanden  es  bequemer,  sich  auf  den  Hiihner- 


XIII.  Nagetiere.  627 


hofen  der  Farmer  zu  ernahren  und  taten  den  Kaninchen  wenig  Abbruch. 
Man  musste  schliesslich  die  Weidegriinde  mit  eingegrabenen  Drahtnetzen 
umziehen  und  sind  dafur  bis  jetzt  mehr  als  100  Millionen  Mark  ausgegeben 
worden.  Jetzt  hat  man  sich  an  den  Zustand  gewohnt  und  sind  zahlreiche  be- 
rufsmassige  Kaninchen  jager  tatig,  die  der  iibergrossen  Vermehrung  erfolgreich 
Einhalt  tun,  und  ausserdem  wird  durch  Fleisch  und  Felle  der  gefangenen 
Tiere  ein  Ausgleich  geschaffen.'  Die  Fanger  erhalten  eine  kleine  Pramie  fur 
jedes  Paar  Kaninchenohren,  und  es  werden  jetzt  jahrlich  etwa  20  Millionen 
Felle  nach  England  und  etwa  10  Millionen  Felle  nach  Amerika  und  den  anderen 
Konsumptionslandern  verschickt.  Ausserdem  gelangen  in  den  Kuhlschiffen 
jahrlich  mehrere  Millionen  Kaninchen  im  Fleisch  nach  England. 

Ehe  die  Gefahr  erkannt  war,  hatte  man  auch  nach  Tasmanien  und  Neu- 
seeland  Kaninchen  eingefuhrt,  und  entwickelten  sich  hier  die  Tiere  gleichfalls 
zur  Landplage,  wurden  in  Neuseeland  aber  gleichzeitig  grosser  und  die  Felle 
dichter  und  raucher. 

Ausgefiihrt  werden  nach  England  aus  Neuseeland  etwa  3  Millionen  Felle. 
In  London  werden  die  Felle  sortiert  in  Fully  seasoned,  fairly  seasoned,  incoming 
und  outgoing,  Racks,  Suckers,  milchy  skins  und  Kittens.  Der  Verkauf  ge- 
schieht  nach  Gewicht,  in  Pence  per  Ib.  Die  besten  Felle  wiegen  i%  Ib.  per 
Dutzend,  die  schwerledrigen  bis  2 1/2  Pfund,  die  Suckers  %  Ib.  per  Dutzend. 
Bis  vor  kurzem  wurden  diese  Felle  ausschliesslich  zur  Hutfabrikation  ver- 
wendet.  Seit  einigen  Jahren  werden  aber  grosse  Mengen  der  rauchen,  fein- 
ledrigen  Sorten  auch  fur  die  Pelzfabrikation  nutzbar  gemacht,  geschoren, 
gefarbt  und  elektrisiert.  Dies  hat  auch  auf  den  Preis  enorm  stimulierend 
gewirkt.  So  kosteten  z.  B.  1908  die  sogenannten  dressing  skins  zur  Pelz- 
bereitung  etwa  30  Pence  per  Ib.,  im  Herbst  1909  wurden  aber  bereits  bis  87  d 
dafur  bezahlt.  Jetzt  ist  das  Pfund  wieder  etwa  40  d.  Der  Preis  der  Felle  zur 
Hutfabrikation  schwankt  je  nach  Sorte  und  Konjunktur  von  6  bis  24  Pence. 
Die  Neuseelander  sind  stets  ca.  10  Proz.  teurer  als  australische.  Neben  den 
gewohnlichen  grauen  Kaninchen  kommen  auch  noch  schwarze  und  silbergraue 
vor,  die  aber  wesentlich  kleiner  als  die  franzosischen  und  noch  kleiner  als  die 
englischen  silber grauen  sind.  Es  werden  davon  jahrlich  etwa  i  bis  200  ooo 
Stuck  ausgefuhrt. 

Die  sonst  noch  uberall  geziichteten  langhaarigen  weissen  sogenannten 
Angorakaninchen  sind  wirtschaftlich  ohne  jede  Bedeutung,  das  Fell 
ist  wertlos  und  das  Fleisch  schmeckt  fade. 


4o* 


XIV. 


Die  Beuteltiere. 


1.  Schnabeltier. 

Australian  beherbergt  die  altesten  Saugetierformen,  die  eigentlich  als 
Vorlaufer  der  heutigen  Saugetierformen  zu  gelten  haben,  die  Schnabeltiere 
und  die  Beuteltiere  und  zwar  mit  Ausnahme  des  spater  mit  den  Menschen  ein- 
gewanderten  Dingos,  des  wilden  Hundes,  aussehliesslich  solche,  ein  Zeichen, 
dass  mindestens  seit  dem  altesten  Tertiar  keinerlei  Verbindung  mit  einem 
anderen  Erdteil  stattgefunden  hat.  Von  Beuteltieren  finden  sich  heute  lebend 
ausser  in  Australien  nur  noch  in  Amerika  mehrere  Opossum- Art  en,  von  den 
Schnabeltier  en  sonst  nirgends  in  der  Welt  lebende  Exemplar  e.  Die  Schnabel- 
tiere bildeten  eine  sehr  weit  verbreitete  Gruppe  in  der  Triasformation,  als 
Monotremas-  oder  Cloakentiere  bekannt,  und  stehen  noch  in  verschiedenen 
Merkmalen  in  naher  Verwandtschaft  mit  den  Vogeln.  Ausser  dem  charakte- 
ristischen  Schnabel  haben  sie  auch  im  Gegensatz  zu  den  Saugetieren  nur  einen 
Auslass  fur  feste  und  fliissige  Ausscheidungen.  Uber  ihre  Fortpflanzung 
herrschte  bis  in  die  neueste  Zeit  grosse  Dunkelheit,  man  wusste  nur,  dass  sie 
auch  Eier  legen  usw.  und  erst  den  umfassenden  Untersuchungen  von  Professor 
Semon  aus  Jena,  einem  Schuler  Haeckels,  bei  einem  zehnjahrigen  Aufenthalt 
im  australischen  Busch  gelang  es,  Licht  dariiber  zu.verbreiten.  Eier  kommen 
in  den  Beutel  der  Mutter,  wo  sie  auskriechen  als  nackte  kaum  fmgerlange 
Fleischklumpchen.  Das  Weibchen  besitzt  auch  keine  Zitzen,  sondern  die  Milch 
sickert  durch  eine  grosse  porose  Stelle  der  Bauchhaut  und  wird  hier  von  den 
Jungen  aufgeleckt. 

Es  gibt  in  Australien  mehrere  Arten  des  Ameisenigels  Echidnea, 
die  auf  Neu- Guinea  durch  verwandte  Arten  vertreten  sind,  die  uns  aber  als 
Pelzhandler  nicht  weiter  interessieren,  dagegen  findet  sich  das  eigentliche 
Schnabeltier,  Ornithorynchus  anatinus,  von  den  Englandern  ,, platy- 
pus" genannt,  franzosisch  ondatras,  nur  im  siidostlichen  Australien,  und 
bildet  der  18°  siidlicher  Breite  in  Siidqueensland  seine  nordlichste  Ver- 
breitungsgrenze.  Das  wunderliche  Tier  von  etwa  18  Zoll  Lange  mit  kurzen 
Beinen  sieht  aus  wie  ein  Mittelding  zwischen  Maulwurf  und  Fischotter,  hat 
aber  einen  breiten  hornigen  Entenschnabel  und  Schwimmfusse.  Der  Pelz  ist 


632  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

silbrigbraun,  glanzend  ungemein  fein  und  dicht  samtartig,  darunter  sitzt 
eine'noch  dichtere  und  feinere  blauliche  Unterwolle,  noch  feiner  als  Sealskin, 
und  wiirde  dasselbe  ein  sehr  wertvolles  Pelzwerk  abgebcn,  wenn  eben  mehr 
da  von  an  den  Markt  kame.  Allerdings  ermutigen  die  Preise,  die  fur  die 
wenigen  (hochstens  100  Stiick  jahrlich)  Felle,  die  in  London  zur  Auktion 
kommen,  bezahlt  werden,  etwa  2  bis  3  Schillinge  pro  Stiick,  nicht  zu  weiteren 
Zufuhren,  was  auch  fiir  die  Unterhaltung  dieser  Reliquien  aus  einer  alten 
geologischen  Epoche  ein  Gliick  ist.  Bei  australischen  Kiirschnern  findet  man 
indessen  haufig  Miitzen,  Decken  etc.  aus  Schnabeltierfellen,  die  dann  auch 
gut  bezahlt  werden. 

Das  Tier  nahrt  sich  von  Wurmern,  Schnecken  und  Muscheln,  die  es  durch 
Tauchen  aus  dem  Schlamm  der  Fliisse  fischt  und  zerknackt  mit  den  hornigen 
Kiefern  miihelos  die  hartesten  Muschelschalen.  Es  jagt  nur  in  der  friihesten 
Morgendammerung  oder  der  spaten  Abenddammerung,  und  obgleich  die 
kleinen  Augen  tief  im  Pelz  verborgen  liegen,  sieht  es  doch  sehr  gut  und  hort 
ganz  vorziiglich.  Bei  den  kleinsten  Anzeichen  von  Gefahr  flieht  es  seiner  am 
Uferhang  gegrabenen  Hohle  zu,  die  ahnlich  wie  Biber-  und  Bisambauten  einen 
Ausgang  unter  Wasser  und  einen  zweiten  uber  Wasser  besitzt. 

Die  eigentlichen  Beuteltiere,  die  nachsten  Vorlaufer  der  echten 
Saugetiere  oder  Placenta-Tiere,  wie  sie  Haeckel  nennt  (von  placenta,  der 
Mutterkuchen)  finden  sich  in  der  alten  Welt  hauptsachlich  in  der  Sekundar- 
Periode,  namentlich  in  der  Juraformation  und  waren  damals  uber  die  ganze 
Erde  verbreitet.  Heute  leben  sie,  wie  schon  oben  angedeutet,  ausser  dem 
amerikanischen  Opossum,  nur  noch  in  Australien.  Hier  treten  sie  aber  in  solcher 
Reichhaltigkeit  auf,  dass  sie  in  ihren  verschiedenen  Formen  auch  alle  Sauge- 
tierformen  vertreten,  denen  sie  in  ihrer  Lebensweise  entsprechen.  Man  spricht 
deshalb  von  Beutelwolfen,  Beutelmardern,  Beutelratten,  Beutelmaulwurf, 
Beuteleichhorn,  ja  man  hat  sogar  fossile  Beutelelephanten,  Beutellowen  ge- 
fanden.  Natiirlich  haben  die  so  benannten  Tiere  nicht  die  geringste  zoolo- 
gische  Verwandtschaft  mit  ihren  Namensvettern,  aber  die  gleiche  Lebens- 
weise hat  auch  ahnlich e  Erscheinungsformen  hervorgerufen.  Man  unter- 
scheidet  fleischfressende  Saugetiere,  die  in  Raubtiere  und  Insektenfresser 
unterschieden  werden,  und  Pflanzenfresser,  die  wieder  in  Grasfresser,  Wurzel- 
fresser  und  Fruchtfresser  unterschieden  werden.  Es  gibt  auch  Beutelnagetiere, 
kurz  alle  Saugetierformen  sind  vertreten.  Nur  von  einem  Beutelpferd  verlautet 
noch  nichts,  doch  sahen  ja  die  Vorfahren  unserer  Pferde  in  der  Tertiarperiode, 
die  Anchitheria  auch  mehr  einem  Fuchs  als  einem  Pferde  ahnlich. 

Die  Beuteltiere  in  Australien  sind  nun  ungemein  zahlreich  und  ganz  im 
Gegensatz  zu  der  allgemeinen  Annahme  haben  die  meisten  Arten  mit  der  zu- 
nehmenden  Kultur  des  Landes  nicht  abgenommen,  sondern  zugenommen. 
Dies  hat  wohl  verschiedene  Ursachen.  Erstens  die  Vernichtung  ihres  Haupt- 
feindes,  des  Dingos,  zweitens  die  fast  ganzliche  Ausrottung  der  Eingeborenen, 
deren  Hauptnahrung  die  Kanguruh,  die  Opossum  und  Wallaby  usw.  bildeten 


XIV.  Die  Beuteltiere.  633 


und  nicht  zum  wenigtcn  auch  die  Vermehrung  der  Weideflachen,  die  durch  Be- 
wasserung  und  Waldordnung  hervorgerufen  wurde. 

Allerdings  wird  ihnen  auch  ihrer  Felle  halber  durch  den  Ansiedler  eifrig 
nachgestellt,  aber  der  Abbruch,  der  ihrer  Vermehrung  dadurch  geschieht,  halt 
nicht  Schritt  mit  den  so  geschaffenen  giinstigen  Lebensbedingungen. 


2.  Kanguruh. 


Die  auffallendste  Familie  der  australischen  Beuteltiere,  schon  durch  ihre 
Grosse,  sind  die  Kanguruh,  von  denen  zahlreiche  Arten  weit  verbreitet 
sind.  Man  zahlt  iiber  25  verschiedene  Arten.  Alle  sind  hauptsachlich  Gras- 
fresser,  sie  leben  in  Trupps,  die  oft  mehrere  hundert  Mitglieder  zahlen,  vorzugs- 
weise  halten  sie  sich  auf  den  offenen  Weideflachen  auf,  und  werden  von  den 
Squattern,  wie  die  grossen  Viehziichter  genannt  werden,  gehasst,  da  sie  dem 
Vieh  die  oft  sparliche  Weide  wegfressen.  Ihre  Jagd  bildet  einen  beliebten  Sport 
und  werden  dazu  auf  den  meisten  Stationen  besondere  Kanguruhhunde  ge- 
halten,  eine  Kreuzung  von  Fuchshund  und  danischer  Dogge,  sehr  schnell  und 
kraftig.  Mit  ihrer  Hilfe  werden  die  Kanguruhs  gehetzt,  wahrend  die  Jager  zu 
Pferde  folgen.  Mit  Hilfe  der  langen  Hinterbeine  und  des  stiitzenden  Schwanzes 
entwickeln  die  gehetzten  Tiere  eine  sehr  erhebliche  Schnelligkeit,  indem  sie 
machtige  Satze  machen.  In  die  Enge  getrieben,  sind  sie  durchaus  nicht 
ungefahrliche  Gegner.  Mit  den  Vorderfiissen  wissen  sie  kraftige  Boxerstosse 
auszuteilen,  wahrend  sie  durch  Schlage  mit  den  klauenbewahrten  Hinterfussen 
oft  den  Hunden  oder  dem  sich  unvorsichtig  nahernden  Jager  den  Leib  auf- 
schlitzen.  Das  Fleisch  wird  meist  nur  von  den  Eingeborenen  gegessen,  soil  aber 
ziemlich  wohlschmeckend  sein,  wahrend  der  zu  Suppe  gekochte  Schwanz  auch 
fur  Europaer  eine  grosse  Delikatesse  ist.  Die  grosste  Art  ist  das  R  i  e  s  e  n  - 
kanguruh  Macro-pus  giganteus  auch  ,, alter  Mann"  genannt,  das  eine  Hohe  von 
iiber  7  Fuss  erreicht.  Das  Fell  ist  dunkelbraun  oder  graubraun  mit  weisslichen 
Spitzen.  Die  Unterseite  heller,  fast  weisslich  und  mit  langerem,  diinnen  Haar 
besetzt.  Die  Felle  der  jungen  Tiere  werden  zu  Pelzwerk  benutzt,  die  der  aus- 
gewachsenen  Tiere  zu  Leder  gegerbt.  Kanguruhleder  wird  sowohl  in  Australien 
selbst  als  auch  in  Amerika  in  grossen  Mengen  hergestellt,  weshalb  in  den 
letzten  Jahren  weniger  Felle  nach  dem  europaischen  Markt  gelangen,  obgleich 
die  Tiere  in  Australien  an  Zahl  zugenommen  haben,  sei  es  durch  Ausrottung 
ihrer  naturlichen  Feinde,  der  Eingeborenen  und  des  Diinger,  oder  durch  Ver- 
mehrung der  Weideflachen  infolge  der  kunstlichen  Bewasserung.  In  den 
letzten  Jahren  zeigt  sich  aber  doch  eine  Abnahme  des  eigentlichen  grossen 
Kanguruhs,  weshalb  jetzt  Schutzmassregeln  erwogen  werden. 

Die  nachste  grosse  Art  ist  das  rote  Kanguruh  Macropus  rufus,  das  sich 
in  ganz  Australien,  von  Queensland  bis  Tasmanien,  vorfmdet  und  ebenfalls 
in  grossen  Herden  auf  den  Grasflachen  lebt.  Ubrigens  sind  nur  die  Mannchen 


634  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

rotlich,  die  Weibchen,  die  erheblich  kleiner  sind,  haben  eine  graublaue  Farbe. 
Die  Felle  der  letzteren  sind  ebenfalls  fur  ,,Furriers"-Zwecke  gesucht,  fiir 
Gerberzwecke  sind  aber  die  Felle  von  M.  rufus  weniger  begehrt.  Auch  von  dem 
etwas  kleineren  blauen  Kanguruh  (M.  erubescens)  werden  nur  die  Felle  des 
Weibchens  zu  Pelzzwecken  benutzt,  sie  sind  meist  hell,  blaulich-grau  gefarbt, 
das  Haar  sehr  weich  und  dicht,  auch  langer  als  das  der  anderen  Arten,  mit 
blaulicher  reicher  Unterwolle.  Die  Unterseite  ist  weiss.  Das  Leder  ist  diinn 
und  weich.  Der  Preis  dieser  Fellart  ist  in  den  letzten  Jahren  bedeutend  ge- 
stiegen.  Wahrend  man  Anfang  der  achtziger  Jahre  3  bis  4  Pence  pro  Fell 
zahlte,  und  noch  1890  nur  etwa  i%  bis  il/2  Schilling,  kosten  dieselben  jetzt 
etwa  4  sh. 

Das  kleinste  der  eigentlichen  Kanguruhs  ist  das  im  Gebirge  lebende 
,, Wallaroo"  oder  M.  robustus.  Das  Mannchen  ist  dunkelbraun  gefarbt,  die 
Weibchen  hellgrau.  Der  Schweif  zeigt  eine  gelbliche  Zeichnung  an  jeder 
Seite;  das  Haar  ist  kurz  und  grob,  daher  wenig  fiir  Kiirschnerzwecke  geeignet. 
Die  Gesamtzahl  aller  jahrlich  in  den  europaischen  Handel  gelangenden 
Kanguruhfelle  betragt  etwa  20  ooo.  Im  Jahre  1890  kamen  etwa  400  ooo  Stuck 
nach  London,  jetzt  geht  aber  ein  sehr  grosser  Teil,  wie  schon  erwahnt,  nach 
Nordamerika,  und  ein  weiterer  Teil  wird  im  Lande  verarbeitet.  Die  Kanguruh- 
arten,  sind  ubrigens  nicht  auf  das  Festland  von  Australien  beschrankt,  sondern 
linden  sich  auch  auf  den  Inselgruppen,  so  z.  B.  M.  brozvni  auf  Neu-Guinea  und 
Neubritannien  und  M.  brunei  auf  dem  Kei  und  den  Aru-Inseln.  Die  Felle  aus 
diesen  tropischen  Gegenden  sind  aber  fiir  den  Pelzhandel  wertlos. 


3.  Wallaby. 


Von  hervorragender  Bedeutung  fiir  diesen  ist  aber  die  nachste  Gruppe  der 
Beuteltiere,  die  Wallaby.  Das  feinste  Haar  von  diesen  hat  das  Felsenkanguruh 
oder  rock  wallaby,  von  dem  besonders  zwei  Arten  in  Frage  kommen.  Petrogalc 
xanthopus,  ein  kleines  Tier,  dessen  Fell  eine  Lange  von  50  bis  60  cm  erreicht. 
Der  Schweif  ist  durchschnittlich  ebenfalls  60  cm  lang,  befindet  sich  aber 
selten  an  den  in  den  Handel  gelangenden  Fellen.  Das  Haar  ist  sehr  weich, 
lang  und  dicht,  gelbrotlich  mit  dunklem  Riicken  und  einem  schwarzlichen 
Streifen  in  der  Mitte.  Es  kommt  hauptsachlich  in  Siidaustralien  vor.  Viel 
verbreiteter  ist  das  andere,  rock  wallaby,  Petrogale  penicillata.  Die  Grosse 
ist  ebenfalls  50  bis  60  cm,  doch  ist  der  Schwanz  langer,  oft  bis  80  cm.  Die 
Farbung  ist  vorwiegend  rotlichbraun,  die  einzelnen  Haare  geringelt,  mit  einer 
helleren  Spitze,  auf  jeder  Schulter  einen  breitem,  graubraunen  hellen  Streifen. 
Die  Unterwolle  ist  blaulich;  der  Schweif  ist  mit  steifem,  groben  Haar  bedeckt. 
Das  rock  wallaby  lebt  vorzugsweise  von  Wurzeln,  Grasern  usw.,  bevorzugt 
felsige  Gegenden,  weher  sein  Name  stammt,  und  ist  ein  vorzuglicher  Springer, 
das  trotz  seiner  verhaltnismassigen  Kleinheit  Siitze  don  2  bis  2%  m  Lange 


XIII.  Nagetiere.  635 


machen  kann  und  sich  auch  in  den  schwierigsten  Felspartien  mit  grosser 
Leichtigkeit  bewegt.  Es  kommen  jetzt  etwa  2  bis  300  ooo  dieser  Felle  auf  den 
Markt.  Der  Wert  pro  Stuck  ist  etwa  3  sh. 

Am  wertvollsten  unter  den  verschiedenen  Wallabyarten  ist  das  Busch- 
wallaby,  unter  welchem  Namen  zwei  Art  en  zusammengefasst  werden,  M.  benetti 
und  M.  rufficolis. 

Das  Tier  ist  bedeutend  grosser  als  das  vorhergenannte  und  erreicht  die 
Grosse  eines  mittleren  Kanguruhweibchens.  Die  Grundfarbe  ist  rotlichweiss, 
die  einzelnen  Haare  sind  geringelt  grau  und  rotlichgelb.  Das  Haar  ist  etwas 
grob,  die  Felle  eignen  sich  aber  sehr  gut  zum  Farben  und  liefern  namentlich 
Skunkimitation.  Der  Wert,  der  noch  vor  20  Jahren  3  bis  6  Pence  per  Stuck 
betrug,  ist  heute  etwa  3  Schilling  im  Durchschnitt.  Das  Hauptvorkommen 
der  Tiere  ist  in  den  ausgedehnten  Waldungen,  ,,Busch"  genannt,  in  Viktoria 
und  Neusiidwales.  Sie  sind  hauptsachlich  Wurzel-  und  Grasfresser. 

Es  werden  jahrlich  etwa  300  ooo  Felle  in  Europa  importiert. 

Das  grosste  aller  Wallabyarten,  der  als  typisch  der  Familie  den  Namen 
gegeben,  ist  das  Sumpf wallaby,  ,, Swamp  wallaby",  M.  wallabatus.  Das  Fell 
ohne  Schweif  ist  etwa  i  m  lang.  Das  Haar  ist  dunkelbraun,  lang  und  dicht, 
rotlichbraun  geringelt,  die  Unterseite  ist  gelbbraun. 

Die  Unter wolle  ist  hell  und  nicht  besonders  dicht,  doch  wird  das  Fell 
sowohl  zu  Decken  als  auch  zu  Pelzen  geschatzt,  und  werden  dieselben  auch 
vielfach  skunksartig  gefarbt. 

Jahrlich  e  Importziffer  etwa  200  ooo,  der  Preis  ist  etwa  3 — 4  sh.  pro 
Stuck. 

Auch  auf  den  Inselgruppen  leben  verschiedene  Wallabyarten,  so  z.  B.  auf 
Neu-Guinea  das  grosse  M.  agilis  und  der  kleine  Dorcopsis  luctuosa,  mit 
kurzen  Hinter-  und  langeren  Vorderbeinen.  Alle  Kanguruharten  sind  schon 
hoher  entwickelte  Beuteltiere,  die  ihre  Jungen  hereits  etwas  mehr  im  Mutter- 
leibe  entwickelt  haben,  ehe  sie  dieselben  in  den  Beutel  bringen.  Sie  sind  echte 
Spring-  resp.  Lauftiere,  bei  denen  sich  der  urspriingliche  Greifschwanz  des 
Baumtieres  in  einen  Stiitzschwanz  umgewandelt  hat. 


4.  Opossum. 

Das  Urbild  des  Beuteltieres  ist  aber  das  Opossum,  franzosisch  phalangiste 
d'Australie,  welches  auch  heute  noch  das  verbreitetste  Beuteltier  ist.  Kommen 
doch  von  Australien  allein  jahrlich  etwa  5  Millionen  Opossumfelle  in  den 
Handel.  Ihre  Zahl  scheint  mit  der  zunehmenden  Bevolkerung  auch  zuzu- 
nehmen,  indem  noch  vor  30  Jahren  jahrlich  kaum  300  ooo  gefangen  wurden, 
und  seit  dieser  Zeit  ihre  Zahl  all  jahrlich  gewachsen  ist.  Man  liirchtet  aber  jetzt 
eine  Abnahme  der  Tiere  durch  den  gesteigerten  Export  und  hat  Queensland 
ein  Gesetz  erlassen,  wonach  das  Toten  von  Opossum  mittelst  Gift  verboten  ist. 


636  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Auch  die  anderen  Staaten  des  Common  Wealth  warden  wahrscheinlich  ahnliche 
Schongesetze  erlassen. 

Es  sind  samtlich  Baumtiere  und  nahren  sich  hauptsachlich  von  Blattern 
und  Friichten,  verschmahen  aber  gelegentlich  auch  ein  Vogelei  oder  junges 
Vogelchen  nicht. 

Die  verbreitetsteArt  ist  der  sogenannte  Fuchskusu,  Phalangista  vulpecula, 
ein  reizendes  Tierchen  mit  spitzem  rosa  Schnauzchen,  dem  bekannten  grau- 
blauen  dicken  reichen  Pelz,  gelbem  Bauch  und  dem  dicken,  wolligen  Greif- 
schwanz. 

Am  zahlreichsten  sind  die  sogenannten  Sydney felle  aus  Neusiidwales. 
Man  unterscheidet  die  blauen  Prima,  welche  indessen  auch  mehr  grau  sind, 
dann  die  sogenannten  redheads,  die  am  Nacken  und  Kopf  rot  rich  schimmern. 
Bei  manchen  erstreckt  sich  diese  rotliche  Farbung  iiber  den  ganzen  Riicken. 
Sehr  zahlreich  sind  Felle,  die  am  Rumpf  stark  betrieben  sind  und  die  als 
Tertia  gelten. 

Die  Melbournefelle  sind  kleiner  als  die  Sydney,  aber  die  Farbe  ist  besser, 
mehr  silbergrau. 

Die  feinste  Farbe  haben  die  Adelaidefelle,  ein  sehr  feines  Blau,  haufig 
mit  einzelnen  langer  hervorstehenden  schwarzen  Haaren  untermischt,  das 
Haar  ist  aber,  wenn  auch  dicht  und  fein,  bedeutend  kiirzer  als  die  anderen 
Arten,  das  ganze  Fell  also  flacher.  Auch  hier  sind  die  Sekunda  Rotkopfe 
recht  haufig. 

Die  Sorten  aus  Queensland  und  aus  Westaustralien  sind  meist  rotlichgrau, 
flach,  und  nicht  so  gut  als  die  obigen  Sorten.  Der  Wert  des  australischen 
Opossum  schwankt,  ist  augenblicklich  etwa  3  Mk.  fur  Prima  und  fur  Sekunda. 

Viel  wertvoller  als  die  vorigen  aber  auch  viel  seltener  sind  das  sogenannte 
tasmanische  Opossum,  das  einer  anderen  Art  angehort,  Phalangista  oder 
Trichoesurus  vulpina,  das  graue  tasmanische  Opossum,  und  Ph.  juliginosa, 
das  schwarze  Opossum. 

Gerade  auf  Tasmanien,  wo  der  Dingo  nicht  vorkam,  findet  sich  die  hochste 
Entwicklung  aller  Beuteltiere  und  viele  Arten  kommen  sonst  im  ganzen 
iibrigen  Austr alien  nicht  mehr  vor. 

Das  tasmanische  Opossum  ist  mehr  als  doppelt  so  gross  als  die  vom  Fest- 
land,  das  Fell  selbst  viel  dichter  und  rauher.  Namentlich  das  Fell  des  schwarzen 
Opossum  ist  von  grosser  Schonheit  und  mindestens  12  bis  15  Mk.  pro  Stuck 
wert. 

Friiher  kamen  dieselben  zahlreicher,  10  bis  20  ooo  Stuck  pro  Jahr,  und 
wurden  besonders  in  Russland  zu  sehr  geschatzten  Herrenpelzen  verarbeitet, 
jetzt,  wie  gesagt,  kommen  nur  wenige  hundert  in  den  Handel.  Auch  das 
graue  tasmanische  Opossum  ist  jetzt  selten.  Die  Farbe  ist  iibrigens  meistens 
ein  etwas  schmutziges  gelbliches  Grau,  das  Fell  aber  sehr  dicht  und  rauh. 

Auch  hiervon  kommen  nur  noch  einige  Tausend  jahrlich. 

Eine    diesem    verwandte    Art    scheint    das     sogenannte     Victoria- 


XIV.  Die  Beuteltiere.  637 


Opossum  zu  sein,   obgleich  ich  dasselbe  noch   nicht   als  besondere  Art 
beschrieben  fand. 

In  der  Grosse  steht  es  zwischen  dem  tasmanischen  und  dem  australischen 
Opossum,  die  Farbe  1st  ein  feines  dunkelblaugrau,  das  auf  dem  Riicken  noch 
dunkler  ist,  der  Bauch  1st  fast  reichlich,  der  Schweif  1st  auch  langer,  dicker 
und  buschiger  als  beim  australischen  Opossum.  Auch  hier  soil  eine  schwarze 
Varietat  vorkommen. 

Das  Tier  lebt  im  ostlichen  Siidaustralien  und  dem  siidlichen  Teil  von 
Victoria.  Sehr  azhlreich  ist  sein  Vorkommen  auch  nicht.  Von  den  iibrigen 
Opossumarten  ist  noch  am  wichtigsten  das  sogenannte  ringtail- 
Opossum,  Ph.  cooki  mit  den  Abarten  Ph.  archeri  und  herbertensis. 

Es  ist  viel  kleiner  als  die  anderen  Opossums,  das  Fell  etwa  6  bis  8  Zoll, 
der  Schweif  etwa  10 — 12  Zoll.  Dieser  letzte  ist  nur  diinn  behaart,  lauft  nach 
unten  spitz  zu,  nicht  buschig  wie  beim  australischen  Opossum  und  ist  von  der 
Spitze  an  auf  zwei  Drittel  seiner  Lange  weiss. 

Das  Fell  selbst  hat  sehr  feines  dichtes  Haar,  die  Farbe  variiert  von 
feinem  hellen  blaugrau  bis  zum  dunkelbraun,  mit  einzelnen  dunklen  langen 
Haaren  auf  dem  Riicken.  Der  Bauch  ist  stets  weiss.  Ph.  herbertensis  ist  sehr 
dunkel,  fast  schwarz,  grosser  und  langhaariger,  wahrend  Ph.  archeri,  das  haupt- 
sachlich  in  Neusiidwales  vorkommt,  hellbraun  ist.  Die  Gesamtzahl  aller 
ringtail  Opossum  im  Handel  diirfte  30  bis  40  ooo  Stuck  pro  Jahr  nicht  iiber- 
steigen.  Der  Wert  ist  so  6  Pence  bis  i%  sh.  per  Stuck. 

Auch  auf  den  Inseln  nordlich  von  Australien,  vom  Bismarckarchipel  bis 
zu  den  Molukken  und  Celebes  leben  verschiedene  Opossumarten,  die  zum  Teil 
sehr  schon  gezeichnetes  Pelzwerk  haben,  bis  jetzt  aber  nicht  in  den  Handel 
gelangten. 

Besonders  auffallend  ist  der  grosse  ,,Kusu",  Ph.  maculatus.  Er  ist  be- 
deutend  grosser  als  die  anderen  Opossumarten,  grosser  als  eine  Wildkatze, 
plump  gebaut  mit  dickem  Greifschwanz,  das  sehr  lose  sitzende  dichte  Fell 
gelblichweiss  und  beim  Mannchen  mit  prachtvollen  roten  und  schwarzen 
wolkigen  Flecken  geziert.  Sehr  ahnlich  ist  der  Ph.  orientalis,  der  aber  mehr 
graugelb  ist  und  dem  die  Flecken  fehlen,  dagegen  kommen  hier  haufig  ganz 
weisse  Exemplare  vor.  Der  dicke  Greifschwanz  ist  am  ausseren  Ende 
nackt. 

Unter  den  als  sogenannte  ,, sundries",  in  den  Auktionen  zusammen- 
gefassten  australischen  Felle,  trifft  man  ofter  grosse  zoologische  Seltenheiten. 
Es  wiirde  zu  weit  fuhren,  dieselben  hier  aufzufuhren,  erwahnen  will  ich  nur 
die  verschiedenen  fliegenden  Opossums,  worunter  Petaurus  australis  der  be- 
kannteste  ist.  Das  Fell  besitzt  eine  Lange  iiber  2  Fuss,  Farbe  ist  gelbgrau,  mit 
einem  dunklen  Streifen  langs  des  Riickens,  die  Flughaut  ist  dunkelbraun  und 
natiirlich  kiirzer  aber  sehr  fein  behaart.  Unterseite  ist  gelb.  Das  Pelzwerk  ist 
sehr  fein  und  weich,  der  lange  Schweif  ist  halb  dunkelbraun,  halb  hell. 


638  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Beuteleichhorn,  Belidens  sciureus,  ist  ein  reizendes  kleines  Geschopf  mil 
heller  gelblicher  Flughaut. 

Eine  andereArt  dagegen,  Petaur ur  sciureus,  ziemlich  gross.  Auf  Neu-Guinea 
lebt  ein  kleinerer  Flugbeutler,  P.  breviceps,  mit  breitem,  buschigen  Schweif, 
der  50  m  weit  von  einem  Baum  zum  andern  durch  die  Llifte  schweben  kann. 
Ein  anderer  Baumbeutler  ohne  Flughaut,  Dactylops  trivirgata,  lebt  in 
Queensland.  Er  hat  ein  schones  Fell,  grau  mit  weissen  Langsstreifen  uber 
Riicken  und  Kopf .  Unter  dem  Namen  Kanguruhratte  werden  zwei 
ziemlich  verschiedene  Beuteltiere  zusammengefasst.  Die  eigentliche  Kanguruh- 
ratte, Aesypognus  rufescens,  die  nur  Graser  und  Wurzeln  frisst  und  die  be- 
deutend  grosser e  Buschratte,  Ph.  pennicillata,  die  auch  dem  Hausgeflugel 
nachstellt,  und  sich  haufig  dazu  in  den  Hausern  auf  halt,  wie  unser  Iltis  und 
Steinmarder,  sie  klettert  auch  vorziiglich.  Das  Fell  ist  gelblichgrau  in  der 
Grundfarbe,  die  einzelnen  Grannenhaare  rotlich  geringelt.  Das  Haar  ist  etwas 
grob,  doch  werden  in  der  letzten  Zeit  diese  Felle  auch  gerne  zu  billigem  Pelz- 
f utter  zusammengestellt.  Es  kommen  nur  einige  tausend  jahrlich  in  den  Handel 
trotzdem  das  Tier  in  seiner  Heimat  durchaus  nicht  selten  ist.  Der  Wert  betragt 
etwa  2  Pence  pro  Stuck. 


5.  Wombat  und  Beutelbar. 

Eine  grosse  Konfusion  herrscht  im  Pelzhandel  und  zum  Teil  auch  noch 
bei  den  Zoologen  iiber  diese  Tiergruppe.  Die  Wombats  kommen  in  den 
Handel  haufig  auch  als  Beutelbaren,  oder  auch  als  australische  Baren,  mit 
denen  sie  aber  nichts  gemein  haben. 

Mit  dem  Namen  Barenbeutler  wurden  aber  auch  zwei  ganz  verschiedene 
Tiere  belegt,  und  zwar  der  auf  Tasmanien  lebende  Sarcophilus  ur  sinus, 
auf  den  wir  noch  zuruckkommen,  und  der  Koala  phascolartos  cinereus. 
Letzterer  ist  ein  Waschbar,  grosses  plumpes  Tier,  mit  einem  stark  ver- 
kunimerten  Schweif  und  breitem  Kopf,  hellgrau  mit  langem  aber  dichtem 
reichen  Haar,  weissen  Spitzen,  Brust  weiss,  Bauch  braun,  die  breiten  Ohren 
mit  biischelartigen  Haaren  geziert.  Das  ganze  Tier  macht  einen  wolligen 
unbeholfenen  Eindruck  und  bewegt  sich  auch  ziemlich  langsam.  Sein 
Auf enthaltsort  sind  die  Gipfel  der  riesigen  Eucalyptus-Baume,  wo  er  zwar  nicht 
von  Ast  zu  Ast  springt,  sondern  sich  sehr  bedachtig  barenartig  bewegt,  aber 
doch  mit  einer  kolossalen  Sicherheit  sich  mit  seinen  handartig  entwickelten 
Fiissen  entlang  zieht,  von  denen  die  hinteren  bereits  einen  entgegenstell- 
baren  nagellosen  Daumen  haben,  wahrend  an  den  vorderen  die  mittleren  Zehen 
gegeneinander  stellbar  sind,  alle  Zehen  sind  mit  scharfen  Krallen  versehen. 
Seine  Nahrung  besteht  ausschliesslich  aus  den  Blattern  des  Eucalyptus,  welche 
doch  sonst,  ihres  scharfen  aromatischen  Geschwacks  halber,  von  anderen  Tieren 
verschmaht  werden.  Es  ist  ein  Tagticr.  Gerade  wegen  der  Verwechslung-im 


XIII.  Nagetiere. 


639 


Namen  mit  dem  Wombat  ist  nicht  festzustellen,  wie  viel  von  diesen  Tieren  in 
den  Handel  kommen.  Sein  nachster  Verwandter  1st  wohl  der  Wombat, 
der  aber  ganz  im  Gegensatz  zu  ihm  iiberhaupt  nicht  klettern  kann,  sender n 
ein  Erdgraber  ist,  von  dachsartiger  Lebensweise,  der  sich  tiefe  Hohlen  ausgrabt, 
ein  ungemein  plumpes  Tier  mit  machtigem  breitem  Kopfe,  der  durch  die  zwei 


Koala  (Pbascolartos  cinereus). 

vorstehenden  Schneidezahne  den  Eindruck  eines  riesigen  Nagetieres  macht, 
und  ganz  ohne  Schwanz.  Er  watschelt  langsam  auf  seinen  kurzen  Beinchen 
daher,  kann  sich  aber,  wenn  er  iiberrascht  wird,  mit  grosser  Geschwindigkeit 
eingraben. 

Es  gibt  hauptsachlich  zwei  Arten,  Phasioco  lymus  wombat,  von  etwagocm 
Lange,  und  dem  grossen  Breitstirnwombat,  Ph.  latifrons,  der  iiber  I  m  lang  wird. 
Ein  im  zoologischen  Garten  zu  Amsterdam  gehaltenes  Exemplar  hat  die  Grosse 
eines  mittleren  Schweins  erreicht.  Seine  Farbe  ist  ein  rotliches  mausegrau, 
mit  einer  hellen  Zeichnung  am  Hinterteil.  Die  Behaarung  des  Hinterteiles 
ist  kiirzer  und  sonst  filzartig.  Der  Ph.  wombat  ist  dunkelgraubraun  und  etwas 
weisslich  gesprenkelt.  Das.  Haar,  obgleich  grob,  ist  ungemein  dicht,  und  macht 
den  Eindruck  einer  Tiirmatte.  Wahrend  die  Felle  friiher  nur  zu  Decken  ver- 


640  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

arbeitet  wurden  und  einen  Wert  von  6  bis  8  Pence  hatten,  wurden  sie  vor 
einigen  Jahren,  namentlich  in  Amerika,  fur  Pelzfutter  und  dergleichen  vcr- 
wendet,  und  stiegen  im  Werte  bis  zu  3  Schilling  das  Stuck.  Im  Jahre  1906- 
kamen  ca.  250000  Felle  zum  Export  nach  Europa,  1909  400000.  Hierzu 
kommen  noch  die  nach  Amerika  direkt  versandten  und  die  in  Australien  selbst 
verarbeiteten  Felle.  Das  Fleisch  soil  iibrigens  recht  wohlschmeckend  sein, 
Die  Nahrung  besteht  ausschliesslich  aus  Wurzeln.  Auf  Tasmanien  kommt 
iibrigens  noch  eine  dritte  Art  vor,  Ph.  ursinus. 


Breitstirn-Wombat    (Ph.  latifrons). 


6.  Raubbeutler. 

Auf  einer  viel  hoheren  Stufe  steht  die  nachste  Klasse,  die  als  Beutcl- 
raubtiere  zusammenzufassen  sind.  Sie  besitzen  zwar  noch  den  Beutel,  sind 
aber  sonst  den  echten  Saugetieren  vollkommen  ahnlich  geworden.  Die 
Fiisse  sind  zu  echten  Fiissen  geworden,  und  der  Schweif  hat  aufgehort,  Greii- 
oder  Stiitzschwanz  zu  sein,  ist  im  Gegenteil  sehr  steif  und  gerade.  Der  grosste 
ist  der  tasmanische  Beutelwolf,  Tylacinus  ignocepholus,  der  jetzt 
auf Tasmanien  beschrankt  ist.  Friiher  war  er  iiber  das  ganzeFestland  verbreitet, 
aber  dort  ist  im  Kampf  urns  Dasein  der  Dingo,  der  mit  den  Australnegern 
einwanderte,  Sieger  geblieben.  Zwar  ist  der  Beutelwolf  nur  wenig  kleiner  als 
der  Dingo,  aber  bedeutend  schwacher.  An  Wildheit  gibt  er  ihm  aber  nichts 
nach,  und  auf  Tasmanien,  wo  der  Dingo  nicht  vorkommt,  richtet  der  Beutel- 
wolf grosse  Verheerung  unter  den  Schafherden,  sowohl  wie  unter  den 
Kanguruhs  an.  Er  wird  deshalb  auch  von  den  Ansiedlern  eifrig  verfolgt,  und 
ist  seltener  geworden.  Im  Berliner  Zoologischen  Garten  ist  ein  solches  Tier 
lebend  schon  seit  mehreren  Jahren. 


XIV.   Die  Beuteltiere. 641 


Es  ist  vorzugsweise  ein  Nachtticr,  das  am  Tage  in  Felskliiften  verborgen 
schlaft,  des  Nachts  aber  weit  ausgedehnte  Raubziige  unternimmt. 

Das  Fell  ist  sehr  hiibsch.  Die  Grundfarbe  ist  ein  rotliches  Grau  und  vom 
Riickcn  aus  gehen  zebraartig  Querstreifen  bis  zur  Halite  des  Leibes,  am  Hinter- 
teil  bis  zu  den  Kniegelenken.  Das  Vorderteil  ist  aber  ganz  frei  von  Streifen, 
auch  der  lange  Schwanz  ist  an  seinem  oberen  Teil  quergestreift.  In  den 
Handel  gelangen  keine  Felle. 

Noch  wilder  und  verhasster  ist  sein  naher  Verwandter,  Sacrophilns 
ur  sinus,  der  ,,Teufel"  der  Ansiedler,  welchen  Namen  er  seiner  unzahmbaren 
Wildheit  verdankt,  auch  in  der  Gefangenschaft  legt  er  diese  Wildheit  nie  ab, 
und  bekommt  bei  der  geringsten  Reizung  formliche  Tobsuchtsanfalle. 

Auch  er  ist  auf  Tasmanien  beschrankt,  da  auf  dem  Festland  die  Dingos 
ihn  langst  verdrangt  haben. 

Trotzdem  er  bedeutend  kleiner  ist  als  der  Beutelwolf  (Korperlange  etwa 
75  cm,  Schweiflange  ca.  30  cm),  greift  er  doch  gleichfalls  Schafe,  Kanguruhs 
und  Opossums  an  und  richtet  auf  dem  Gefliigelhof  kolossale  Ver- 
heerungen  an. 

Jetzt  ist  er  aus  den  besiedelten  Gegenden  in  die  fast  unzuganglichen  Ge- 
birgswalder  verdrangt,  wo  er  tags  schlaft  und  nachts  auf  Raub  ausgeht.  Er 
ist  ungemein  gefrassig  und  alles,  was  er  bewaltigen  kann,  ist  seine  Beute,  wobei 
er  aber  Schnecken,  Eidechsen,  Fische  und  Schaltiere  nicht  verschmaht.  Der 
gedrungene  Korper  ist  mit  dichtem,  schwarzem  Pelz  bedeckt,  auf  der  Brust 
ein  weisses  Halsband  und  zwei  weisse  Flecken.  An  diesem  Korper  sitzt  nun 
ein  riesiger  breiter  dicker  Kopf ,  der  einem  doppelt  so  grossen  Tier  anzugehoren 
scheint,  nur  diinn  behaart,  so  dass  die  rotliche  Haut  durchschimmert,  mit 
machtigem  Gebiss,  breiter  roter  feuchter  Nase,  warzenbesetzte  Lippen, 
riesige  starre  Schnurrhaare,  und  mit  widerlich  bosartigen  schiefen  Triefaugen. 
Das  ganze  Geschopf  ist  korperlich  wie  geistig  als  widerlich  zu  bezeichnen, 
so  dass  man  die  Wut  der  Ansiedler  voll  versteht.  Im  Handel  habe  ich  Felle 
des  ,,Barenbeutlers"  noch  nicht  gesehen,  doch  kann  ich  bei  der  schon  vorher 
erwahnten  grossen  Konfusion  in  der  Bezeichnung  der  verschiedenen  austra- 
lischen  Baren  nicht  mit  Sicherheit  angeben,  ob  er  nicht  auch  unter  diesen 
Fellen  mit  vorkommt. 

Einen  ganz  anderen  Eindruck  machen  die  verwandten  B  e  u  t  e  1  - 
m  a  r  d  e  r  ,  die,  obgleich  auch  grosse  Rauber  doch  zierliche  Geschopf  e  sind 
und  in  der  Gefangenschaft  ganz  zahm  werden.  So  werden  z.  B.  im  Berliner 
Zoologischen  Garten  eine  ganze  Anzahl  gehalten.  Das  Dasyurus  monna, 
ein  ausserst  liebenswiirdiges  Tierchen,  das  mit  seinem  kleinen  spitzen 
Kopfchen  und  dem  rosigen  Schnauzchen  dem  Beschauer  einen  Bissen  aus 
-der  Hand  nimmt  und  gern  spielt.  Die  Grundfarbe  ist  braungelb  und  mit 
grossen  weissen  weitlaufig  von  einander  gestellten  Tiipfeln  besetzt.  Die  Lange 
betragt  etwa  20  6is  25  cm  ohne  den  Schweif,  der  etwa  10  bis  15  cm  lang  ist. 
Das  Haar  ist  sehr  reich  und  dicht.  Eine  verwandte  Art,  D.  mangei,  ist  schwarz 

41 


642  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

mil  weissen  Tiipfeln,  die  auch  lebend  im  Zoologischen  Garten  in  Berlin  ist. 
Namentlich  in  der  Dammerung  spielen  die  Tiere  sehr  nett  miteinander  und 
kommen  auch  zutraulich  an  das  Gitter. 

Beide  Arten  werden  im  Handel  als  ,, native  cat"  bezeichnet  und  ist  das 
Pelzwerk  sehr  beliebt.  Die  Tiere  sind  iiber  ganz  Australien  verbreitet,  doch 
diirften  jahrlich  kaum  mehr  als  10  ooo  in  den  Handel  kommen  im  durch- 
schnittlichen  Wert  von  etwa  2  Mk.  per  Stuck.  Vor  etwa  20  Jahren  kosteten 
dieselben  etwa  15  Pf.  Die  Lebensweise  ist  gleichfalls  nachtlich,  und  halten  sich 
die  Tiere  meist  auf  dem  Boden  auf,  in  Steinkluften  oder  Wurzellochern,  da 
sie  trotz  des  Namens  ,,Beutelmarder"  schlecht  klettern.  Gelangen  sie  aber 
in  einen  Huhnerstall,  so  machen  sie  ihren  nordischen  Namensvettern  durch- 
aus  Ehre. 

Obgleich  in  Farbe  und  Zeichnung  ihnen  ganz  ahnlich,  ist  doch  die  grosse 
native  cat,  Dasyurus  maculatus,  ihnen  im  Charakter  sehr  unahnlich.  Auch 
das  Exemplar  im  Berliner  Zoologischen  Garten  ist  im  Gegensatz  zu  seinen 
Verwandten  murrisch  und  bissig.  Das  Tier  ist  mehr  als  doppelt  so  gross,  er- 
reicht  eine  Korperlange  von  etwa  40  cm  und  etwa  25  cm  Schweiflange.  Die 
Farbe  ist  gelbbraun  mit  weissen  Flecken,  und  auch  der  Schweif  ist  weiss- 
gefleckt.  Er  wird  wegen  seiner  Raubereien  und  seines  bissigen  Wesens  von 
den  Squattern  ebenso  gehasst  wie  die  oben  erwahnten  tasmanischen  Schon- 
heiten.  Er  kommt  an  der  Ostkiiste  Australiens  von  Queensland  bis  Tasmanien 
vor.  Das  Haar  ist  grob  und  hart,  das  Fell  daher  fur  den  Rauchwarenhandel 
wenig  wert. 

Es  existieren  in  Australien  noch  verschiedene  andere  Beutelmarder  oder 
native  cats,  so  z.  B.  der  langschwanzige  Beutelmarder,  Dasyurus  macronis, 
etwas  dunkler  braun  als  die  vorigen,  mit  hellem  Bauch  und  dichten  weissen 
Flocken.  Die  Korperlange  ist  etwa  30  cm  und  der  Schwanz  30  bis  35  cm  lang, 
die  obere  Halfte  braun,  die  untere  bis  zur  Schwanzspitze  schwarz. 

Die  Beutelspringmaus,  Antechinonys,  hat  auch  ein  schones  dichtes  Fell, 
grau  und  schwarzlich  gesprenkelt,  etwa  12  bis  15  cm  lang,  mit  8  cm  langem 
Schweif.  Sie  ist  aber  ein  vollkommenes  Raubtier,  nicht  wie  die  echte  Spring- 
maus  ein  Pflanzenfresser.  Die  Felle  finden  sich  mitunter  unter  dem  Sundries. 
Die  Beutelmarder  zeigen  schon  eine  hohere  Entwicklungsstufe,  indem  sie 
zwar  einen  Beutel  haben,  aber  daneben  schon  einen  Ansatz  zu  dem  Mutter- 
kuchen  des  Saugetiers,  eine  Art  Dotter,  der  mit  der  Mutterwand  verwachsen, 
zur  Ernahrung  des  Embryo  mit  beitragt. 

Ausserdem  kommen  in  Queensland  noch  vor  D.  halluoatus  und  D. 
geojfrii.  Ich  habe  aber  weder  die  Ehre  ihrer  personlichen  Bekanntschaft,  noch 
konnte  ich  eine  nahere  Beschreibung  finden.  Am  hochsten  in  der  Entwicklung 
unter  alien  ,,Beuteltieren"  steht  ein  naher  Verwandter  der  Beutelwolfe,  der 
Ameisenbeutler,  Myomecobius.  Er  ist  nur  von  Eichhorngrosse,  aber  reizend 
gezeichnet,  mit  nach  hinten  gerutschter  Zebrazeichnung,  weisse  und  rotliche 
Querstreifen  auf  schwarzem  Grunde.  Der  Pelz  ist  weich  und  dicht.  Das  Tier 


XIV.   Die  Beuteltiere.  643 


lebt  in  dichten  Waldungen,  wo  es  sich,  wie  sein  Name  ausdriickt,  von  Ameisen 
nahrt.  In  der  Gefangenschaft  wird  er  sehr  schnell  zahm.  Felle  habe  ich  im 
Handel  noch  nicht  gesehen.  Das  Tier  hat  aber,  wie  schon  oben  gesagt,  die 
hochste  Entwicklung  unter  den  ,,Beuteltieren"  erreicht,  denn  es  hat  iiberhaupt 
keinen  Beutel  .  mehr,  sondern  eine  zwar  nur  unvollkommen  entwickelte 
Placenta. 

7.  Beuteldachse. 

Eine  ganz  eigenartige  Stellung  in  der-Zoologie  nehmen  die  Beuteldachse 
•ein.  Zwar  haben  sie  einen  Beutel,  aber  daneben  bereits  eine  vollkommene  echte 
Placenta  oder  Mutterkuchen.  Vom  Darm  des  Embryo  geht  eine  von  Blut- 
gefassen  durchsetzte  Fortsetzung  nach  der  ebenfalls  mit  Blutgefassen  erfullten 
Wand  des  Mutterleibes,  und  findet  ein  regelmassiges  Ubertreten  des  Mutter- 
blutes  in  den  Korper  des  Embryo  statt,  ahnlich  wie  die  Ernahrung  des  mensch- 
lichen  Embryo  und  der  Saugetiere  iiberhaupt  mittels  der  Nabelschnur  und 
•des  Mutterkuchens  stattfindet. 

Der  junge  Beuteldachs  ist  bei  der  Geburt  fast  vollstandig  ausgebildet  und 
bleibt  nur  kurze  Zeit  im  Beutel,  ganz  im  Gegensatz  zum  Opossum,  das  schon 
eine  Woche  nach  der  Befruchtung  in  ganzlich  unfertigem  Zustand  in  den 
Beutel  gelangt. 

Die  Beuteldachse,  Parameles,  von  den  Englandern  Bandicoot  und  im 
Pelzhandel  ,,Dalgety"  genannt,  sind  etwas  plump  aussehende  Tiere,  die, 
ahnlich  wie  das  Wombat,  hinten  dicker  sind  als  vorn  und  formlich  wulstig 
verdickt  ersch einen.  Der  Schwanz  ist  ganz  kurz,  wahrend  der  Kopf  sehr  spitz 
zulauft.  Die  Hinterbeine  sind  etwas  langer  und  sie  haben  eine  eigentiimliche 
Fortbewegung,  die  in  einer  Art  kurzen  Hoppeln,  ahnlich  wie  beim  Kaninchen 
besteht.  An  den  Vorderfiissen  sind  die  meisten  Zehen-verkummert,  wahrend 
an  den  Hinterfiissen  die  mittleren  Zehen  mit  einander  hufartig  verwachsen 
sind  und  der  Daumen  ganz  verkummert  ist.  Die  Lebensweise  ist  bei  den 
vorstehenden  Arten  verschieden.  Einzelne  graben  sich  Hohlen,  andere  be- 
wohnen  hohle  Baumstumpfe  oder  die  dichten  Grasbiischei.  Sie  sind  durchaus 
harmlose  Pflanzenfresser,  die  sich  hauptsachlich  von  Wurzeln  nahren,  ver- 
meiden  scheu  den  Menschen,  sind  Nachttiere,  doch  richten  sie  mitunter  be- 
trachtlichen  Schaden  in  den  Pflanzungen  an.  In  der  Gefangenschaft  sollen  sie 
ganz  zahm  und  zutraulich  werden. 

Der  im  Berliner  Zoologischen  Garten  lebende  Perameles  nasata  mit  seiner 
Spitzmaus  ahnlichen  langen  Nase  scheint  aber  keinen  grossen  Gefallen  an  Ge- 
selligkeit  zu  finden.  Meist  liegt  er  unter  Laub  und  Stroh  vergraben  sehr  zuriick- 
.gezogen  da.  Diese  Art  ist  etwa  50  cm  lang,  wo  von  ca.  10  cm  auf  den  .Schweif 
kommen.  Das  Fell  ist  braunlichgelb,  schwarz  gesprenkelt.  Die  Unterwolle  ist 
kurz  und  diinn ;  die  Grannen  grob,  hart  und  gleichfalls  dunn.  Fur  den  Pelz- 
handel kaum  verwertbar. 

41* 


644  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Eine  grossere  Rolle  spielt  aber  im  Pelzhandel  seit  einigen  Jahren  cin 
anderer  Beuteldachs,  der  P.  lagotis.  Noch  vor  10  Jahren  war  das  Fell  fast 
unbekannt,  jetzt  kommen  jahrlich  etwa  30  bis  40  ooo  Felle  nach  Europa,  im 
Werte  von  50  Pf  bis  i  Mk.  das  Stuck.  Das  Haar  ist  sehr  weich  und  seidig,  das 
Oberhaar  lang,  die  Unterwolle  aber  etwas  diinn.  Eigentiimlich  ist  die  Farbung. 
Die  Grundfarbung  des  Riickens  und  der  Seiten  ist  ein  helles  aschgrau,  das  aber 
im  Nacken  und  vorderem  Rucken  einen  rosa  Schein  hat.  Der  Bauch  ist  weiss. 
Die  Lange  des  Korpers  ist  25  bis  30  cm,  der  schon  10  cm  lange  Schweif  ist  an 
der  Wurzel  braun,  die  untere  Halite  an  der  Spitze  weiss,  der  Rest  schwarz.  Die 
Ohren  sind  ungemein  lang,  ahnlich  wie  beim  Kanincl  en,  aber  verhaltnismassig 
noch  langer. 

Es  sind  noch  verschiedene  andere  Beuteldachse  in  Australien,  so  z.  B. 
P.  fosicata,  ein  kleines  ca.  15  cm  langes  Tier  mit  grobem  hellbraunem  Haar  und 
3  schwarzen  Bandern  iiber  dem  hinteren  Rucken.  Fur  den  Pelzhandel  ebenso- 
wenig  verwendet,  wie  P.  obese ala  und  macrura. 


8.  Amerikanische  Opossum. 

Die  Beuteltiere,  die  im  friihen  Teritar  iiber  die  ganze  Erde  verbreitet  waren 
sind  auch  heute  nicht  allein  auf  Australien  beschrankt.  In  Nord-  und  Siid- 
amerika  leben  typische  Vertreter  der  Gruppe,  die  amerikanischen  Opossum. 
Dabei  ist  die  mit  unserer  bisherigen  Ansicht  in  Widerspruch  stehende  Tatsache 
merkwiirdig,  dass  neuere  Forschungen  erwiesen  haben,  dass  die  Heimat  des 
amerikanischen  Opossum  Siidamerika  ist,  wo  ja  auch  heute  noch  die  meisten 
der  verschiedenen  Arten  vorhanden  sind,  und  erst  spater,  vielleicht  erst  in 
Miocan  eine  Einwanderung  des  Opossum  nach  Nordamerika  stattfand.  Wahr- 
scheinlich  waren  noch  wiihrend  des  Pliocains  Nord-  und  Siidamerika  getrennte 
Weltteile. 

Das  nordamerikanische  Opossum,  Dipelphys  virginiana,  ist  nun  heute  das 
bekannteste  der  verschiedensten  Arten.  Es  lebt  in  den  Vereinigten  Staaten 
von  New  York-State  bis  Florida  und  westlich  bis  Missouri  und  Texas.  Die 
Unterwolle  ist  weiss,  Oberhaar  mit  schwarzen  und  weissen  Haaren,  von  denen 
die  letzteren  meist  langer  sind.  Der  Kopf  ist  oben  gelblich-weiss,  die  Backen 
weiss,  Scheitel  und  Fuss  schwarz.  Der  Bauch  ist  diinn  behaart,  mit  kurzen, 
gelbbraunen  Haaren ;  der  Schwanz  ist  kahl,  rattenschwanzahnlich,  oben  gelb 
nach  der  Spitze  zu  weiss.  Der  Kopf  ist  spitz,  rattenahnlich,  der  Korper  dick 
und  rund,  meist  mit  einer  ansehnlichen  Speckschicht  versehen;  deshalb  sind 
auch  die  rohen  Felle  immer  sehr  fetthaltig.  Der  ganze  Eindruck  des  Tieres  ist 
ein  sehr  hasslicher,  und  seine  Charaktereigenschaften  tragen  auch  nicht  be- 
sonders  dazu  bei,  sein  Ansehen  zu  heben.  Wenige  Tiere  sind  bei  dem  amerikani- 
schen Farmer  so  verhasst,  als  das  Opossum.  Ein  vorziiglicher  Kletterer,  lebt  das 
Tier  hauptsachlich  in  den  Waldern,  wo  es  sich  von  Vogeln,  deren  Eiern,  sowie 


XTV.    Die  Beuteltiere.  645 


von  klcinen  Saugeticren  nahrt.  Seine Licblingsbeute  bilden  aber  die  Insassen  der 
Hiihnerhofe,  und  wehe  wenn  es  ihm  gelingt,  Eintritt  durch  eine  Spalte  in  den 
Gefliigelstall  zu  gewinnen.  In  unersattlichem  Blutdurst  mordet  es  so  lange,  als 
sich  noch  irgend  ein  Leben  regt.  Es  wird  dem  Opossum  nicht  nur  wegen  dieser 
Schadigung  sehr  stark  nachgestellt,  sondern  auch  wegen  des  Felles,  welches 
einen  bedeutenden  Handelsartikel  bildet.  Das  Fleisch,  welches  fein  und  weiss 
aussieht,  wird  von  den  Negern  leidenschaftlich  gern  gegessen.  Auch  Prasiderit 
Taft  soil  ein  grosser  Verehrer  von  ,,ossum"-Braten  sein.  Eine  weit  ver- 


gez.  v.  Anna  Matschie-Held. 
Amerikanische  Opossum    (Didelphys  virginiana) . 

breitete  Ansicht  in  Amerika  ist,  dass  das  Opossum  sich  tot  stellt,  wenn  es  ge- 
fangen  ist.  Auch  soil  es  in  diesem  Zustande  die  schwersten  Schlage  iiber  sich 
ergehen  lassen,  um  dann,  sobald  man  sich  von  ihm  abgewandt,  schleunigst 
das  Weite  zu  suchen.  To  play  Possum  ist  deshalb  in  Amerika  spruchwortlich 
geworden,  als  Inbegriff  der  Verstellungskunst  oder  angeblichen  Nichtwissens. 
Die  Nachstellungen  aber  werden  durch  die  starke  Vermehrung  aufgewogen. 
Nach  kaum  vierwochentlicher  Tragzeit  wirft  das  Weibchen  6  bis  16  ganz 
unausgebildete  erbsengrosse  Junge,  die  es  noch  60  bis  70  Tage  im  Beutel  mit 
herumschleppt.  Wahrend  der  ersten  3  Wochen  bleibt  der  Beutel,  den  sie  erst 
rattengross  verlassen,  unbedingt  verschlossen,  und  auch  spater  offnct  die  Mutter 
ihn  ungern,  bis  die  Jungen  vollstandig  ausgebildet  sind.  Es  kommen  jahrlich 
etwa  800  ooo  Stuck  in  den  Handel  im  augenblicklichen  Werte  von  etwas 
i  bis  4  Mk.  pro  Stuck  je  nach  Grosse  und  Qualitat.  Die  besten  liefert  Ohio 
(Pennsylvanien)  und  New  York.  Die  teuersten  sind  die  Felle,  in  welchen  die 
schwarzen  Grannenhaare  langer  sind  und  die  weissen  iiberwiegen,  und  natiirlich 
ausserdem  die  Felle  mit  der  dichtesten  und  langsten  Unterwolle. 


646  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Im  fernen  West  en  ist  das  virginische  Opossum  durch  eine  andere  Art, 
D.  californica,  vertreten,  das  hauptsachlich  in  Kalifornien,  Texas,  Oklahama 
und  Mexiko  vorkommt.  Die  Farbung  ist  auf  dem  Riicken  und  den  Seiten 
schwarz,  mit  wenig  weissen  Haaren,  Kopf  weisslich  mit  schwarzem  Scheitel, 
das  Tier  ist  etwas  kleiner  als  sein  ostlicher  Verwandter. 

In  Siidamerika  leben,  wie  schon  oben  erwahnt,  sehr  viele  Opossumarten, 
die  aber  bisher  im  Pelzhandel  keine  grosse  Rolle  spielen.  Viele  der  Art  en  sind 
noch  nicht  einmal  richtig  beschrieben.  In  Brasilien  leben  u.  a.  D.  canicrivora. 
Der  Wollgrund  ist  weissgelb,  am  Grunde  ockerfarbig,  die  langen  Grannen- 
haare  schwarz,  daneben  der  etwas  kleinere  D.  aurita  mit  gelbbraunen  Grannen. 

Im  Norden  D.  guiana  mit  dichtem  weichen  Haarkleid,  weicher  heller 
Unterwolle  und  langen  dichten  Grannen,  grau  mit  weisser  Spitze.  Unterseite 
weiss.  D.  opossum  ist  rotlichgrau,  auf  dem  Riicken  dunkler,  wolliger  Pelz. 
Ein  schlankes  etwa  30  cm  ohne  dem  Schwanze  langes  Tier.  D.  mexieana  ein 
rattenlanges  Tier  mit  sehr  feinem  weichen  Pelz,  rotlichgrau.  Trotz  seiner  ge- 
ringen  Grosse  ist  es  ungemein  raublustig  und  richtet  auf  den  Hiihnerhofen 
grosse  Verheerungen  an. 

Noch  kleiner  ist  D.  marimes.  In  Paraquay  und  den  Waldern  des  nordlichen 
Argentinien  lebt  D.  azarae^  mit  grauer  Unterwolle,  schwarzlichem  Oberhaar, 
am  Kopf  mit  drei  dunklen  Langsstreifen,  auf  weissem  Grunde,  mit  langen 
spitzen  Ohren,  befindet  sich  lebend  im  Berliner  Zoologischen  Garten. 

Dort  befindet  sich  auch  ein  anderer  seltener  Gast,  D.  lanigera,  ein  kleines, 
rattenahnliches,  langgestrecktes  Tier  mit  kurzem,  dichtem,  braunem  Woll- 
haar,  spitzen  Kopf  und  dicken,  langen  Schweif,  ebenfalls  mit  kurzem,  dichtem 
Haar.  Das  Fell  ahnelt  einem  gerupften  Bisamfell.  Das  Tier  ist  sehr  lebhaft 
und  schnuppert  vergniigt  mit  seinem  spitzen  roten  Schnauzchen,  den  Be- 
sucher  dabei  mit  seinen  glanzend  schwarzen  Rattenaugen  ansehend.  Auch 
in  den  Waldern  der  Westkiiste  Sudamerikas  bis  nach  Chile  hinab,  kommen 
Opossumarten  vor. 

Brasilien  beherbergt  auch  noch  ein  eben  so  seltenes  wie  schonesTier,  welches 
zugleich  eine  der  altesten  Stufen  der  Beuteltierentwicklung  vorstellt.  Der 
Schwimmbeutler,  D.  palmete,  ein  kleines  Tier,  sein  ca.  20  cm  langes  Fell  ist 
wollig  aber  fein,  in  der  Mitte  grau  mit  feinen  schwarzen  Langslinien  und 
6  breiten  schwarzen  Querbandern,  unten  weiss,  Schwanz  mit  steifen,  schwarz- 
grau,  quer  und  rechts  Spitzen.  Das  Tier  lebt  an  den  Ufern  der  Urwaldflusse, 
ahnlich  wie  das  australische  Schnabeltier.  Es  wird  ihm  aber  wenig  nachgestellt, 
und  habe  ich  nur  einmal  Felle  davon  zu  Gesicht  bekommen. 


XV. 


Die  Zahnlosen  (edentata). 


Die  Ameisenbaren. 

Zu  den  uralten  Saugetierformen,  die  sich  in  Sudamerika  erhalten  haben, 
gehoren  noch  die  Ameisenbaren,  die  man  auch  hin  und  wieder  in  unserm 
Zoologischen  Garten  als  ganz  bewunderte  Schaustiicke  sieht.  Sie  haben  nun 
mit  dem  Baren  weder  Ahnlichkeit  noch  irgend  eine  Verwandtschaft,  sondern 
stehen  den  Schuppentieren  und  Giirteltieren  am  nachsten. 

Der  grosse  Ameisenbar,  Myrmecophaga  jubata,  in  Brasilien,  Tamandua 
bandeira,  in  Paraguay,  Yurumi  genannt,  ist  2%  m  lang,  wovon  aber  ca.  i  m 
auf  den  Schweif  kommt,  die  Schulterhohe  ist  etwa  80  cm.  Das  Fell  besteht 
aus  dichten  steifen  Borstenhaaren,  die  ca.  10  cm  lang  sind,  am  Nacken  und 
Riickgrat  aber  25  cm  lang  werden  und  eine  Mahne  bilden.  Am  Schweif e  werden 
die  Borsten  ca.  25 — 40  cm  lang,  die  Farbe  ist  grau  und  schwarz  meliert,  von 
Kopf  und  Brust  erstreckt  sich  an  jeder  Seite  ein  ca.  15  cm  breites  schwarzes 
Band  bogenformig  nach  dem  Kreuz  zu.  Um  die  stammigen  Vorderarme  lauft 
ebenfalls  eine  schwarze  Binde.  Das  eigenartige  ist  aber  der  Kopf,  der  auf  dem 
riesigen  Korper  sitzt.  Ein  langer  diinner  kurz  behaarter  Hals  streckt  sich  vor, 
der  an  der  Spitze  eine  nur  wenig  verbreiterte  Rohre  bildet,  dies  ist  der  Kopf, 
den  man  eigentlich  nur  an  den  kleinen  Augelchen  als  solchen  erkennen  kann. 
Vorn  befindet  sich  ein  schmaler  Spalt,  der  als  Mund  dient,  und  aus  dem  das 
Tier  die  rohrenformige  Zunge  weit  herausschiessen  kann.  Zahne  sind  iiber- 
haupt  nicht  vorhanden.  An  den  Vorderfussen  befinden  sich  4  Zehen,  die  mit 
riesigen  4  bis  6  cm  langen  haarscharfen  Klauen  versehen  sind.  Beim  Gehen 
legt  das  Tier  diese  Nagel  wie  die  Finger  einer  geballten  Faust  nach  innen,  und 
geht  auf  dem  ausseren  Rande  der  Sohlen.  An  den  Hinterfiissen  sind  die  Nagel 
nur  i  bis  2  cm  lang.  Mit  den  Vorderklauen  reisst  der  Ameisenbar  die  stein- 
harten  Termitenhaufen  auf,  schnellt  seine  Zunge  hinein,  die  er  dann  mit 
wimmelnden  Ameisen  zuriickzieht.  Das  ist  seine  einzige  Nahrung  und  begreift 
man,  welche  ungeheuren  Mengen  dieser  Tierchen  notwendig  sind,  um  einen  so 
grossen  Korper  zu  ernahren.  Der  Ameisenbar  geht  den  Menschen  ruhig  aus 
dem  Wege,  in  die  Enge  getrieben  kann  er  mit  den  riesigen  Krallen  und  seiner 
bedeutenden  Kraft  sowohl  den  Hunden  wie  den  Menschen  sehr  gefahrlich 
werden. 


650  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Die  Felle  kommen  mitunter  in  den  Handel  und  werden  dann  zu  Pelz- 
teppichen  verwendet.  Der  Wert  ist  sehr  unbestimmt,  doch  diirfte  mehr  als 
10  bis  15  Mk.  nicht  fur  das  Fell  bezahlt  werden.  Sehr  unahnlich  ist  der  kleine 
Ameisenbar,  M.  tridactyla,  der  Tamandura  mirim  der  Brasilianer.  Er  bewohnt 
den  Wald  und  ist  ein  vorziiglicher  Kletterer.  Das  Fell  ist  mit  kurzem  dichten 
aber  hartem  schwarzen  Haar  bedeckt,  unter  welchem  sich  eine  diinne  gelb- 
graue  Unterwolle  befindet.  Kopf,  Hals,  Nacken  und  ein  spitzer  Streifen  nach 
dem  Riicken  sind  hellrotlich  gelb,  ebenso  Schenkel  und  Fiisse.  Die  Korper- 
lange  betragt  etwa  80  cm,  der  ca.  50  cm  lange  kraftige  Wickelschwanz  ist 
ebenfalls  mit  grobem  kurzen  Haar  bedeckt,  ebenfalls  gelb.  Das  Leder  ist 
sehr  fest.  Das  Fell,  das  ofter  zu  uns  kommt,  ist  nur  zu  Decken  zu  gebrauchen 
und  hochstens  I  Mk.  wert.  Der  dritte  Ameisenbar,  M.  didactyla,  der 
Zwergameisenbar  wird  wenig  grosser  als  ein  Eichhorn,  hat  ein  seidenweiches, 
oben  rotlichgelbes  Fell,  das  aber  nie  in  den  Handel  kommt.  Er  lebt  in  Peru 
und  Nordbrasilien. 


XVI. 

Die  Seehunde. 


1.  Pelz-Seehunde. 

Von  den  im  Stillen  Ozean  lebenden  Saugetieren  spielen  die  Seehunde 
vom  kommerziellen  Standpunkt  aus  die  erste  Rolle,  denn  zu  ihnen  gehort 
der  Lieferant  des  wertvollen,  von  der  Damenwelt  so  geschatzten  „ Sealskins", 
die  Barenrobbe.  Otaria  ursina,  engl.  furseal,  franz.  lontre  de  mer.  Auch 
ausserhalb  des  Kreises  der  Pelzliebhaber  hat  das  Tier  Interesse  erweckt, 
sowohl  durch  die  Eigenart  seiner  Lebensweise  als  durch  die  internationalen 
Streitigkeiten,  welche  der  unerbittlich  gegen  dasselbe  gefuhrte  Verfolgungs- 
krieg  hervorgerufen  hat. 

Zwischen  Alaska  und  Kamtschatka  erheben  sich  zwei  Felsengruppen 
vulkanischen  Ursprungs  aus  dem  Ozean.  Grasebenen  und  geschiitzte  mit 
duftenden  Blumen  geschmuckte  Taler  erfiillen  das  Innere.  Den  Rand  bilden 
nackte,  steile  Klippen  und  sanft  zum  Strande  abfallende  Terassen.  Diese 
ungastlichen  Gestade  sind  heute  die  Hauptzufluchtsstatten  des  Seebaren. 
Die  nordlichste  dieser  Gruppen,  die  Kommodorski-Inseln,  bestehend  aus 
Copper  und  Behring  Island,  letzteres  bekannt  durch  den  Aufenthalt  des 
deutschen  Naturforschers  S teller  im  aehtzehnten  Jahrhundert,  gehort  Russ- 
land.  Die  siidlich  davon  gelegenen  Pribyloff-Inseln,  Sankt  Paul  und  Sankt 
George,  sind  seit  1867  Eigentum  der  Vereinigten  Staaten.  Wahrend  des 
Winters  sind  die  Inseln  einsam  und  verlassen ;  donnernd  brechen  sich  die  Wogen 
des  Meeres  an  ihren  Felsenufern.  Nur  an  einer  Steile  auf  jeder  der  Inseln, 
weit  entfernt  von  den  Terrassen,  auf  denen  im  Sommer  die  Seehunde  lagern, 
herrscht  noch  einiges  Leben.  Hier  erheben  sich  in  einem  von  runden  Berg- 
kuppen  umschlossenen  Tal  Vorratsschuppen,  Holzhauser,  und  Rasenhiitten, 
in  welchen  einige  Beamte,  sowie  mehrere  hundert  aleutische  Seehundfanger 
den  Wintersturmen  trotz  bieten. 

Im  Friihjahr  andert  sich  das  Bild.  Die  Seehunde  erscheinen  in  langer 
Prozession.  Zuerst  Ende  Mai  kommt  der  Vortrab  von  alten  Bullen,  die  sorg- 
faltig  und  misstrauisch  die  alten  Lagerplatze,  die  ,, rookeries",  inspizieren. 
Alles  scheint  in  bester  Ordnung,  die  glatten  Gesellen  walzen  sich  an  Land. 
Nun  beginnt  ein  wilder  Kampf  um  die  besten  Platze.  Die  nahe  der  Brandung 
gelegenen  gehoren  immer  den  starksten. 


654 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Mitte  Juni  erscheint  in  dichten  Schwarmen  die  holde  Weiblichkeit, 
mit  zuchtigem  Strauben,  doch  dem  Minnegliick  sehnsiichtig  entgegensehend. 
Und  das  Liebeswerben  der  Seehunde  ist  ziemlich  wild  und  sturmisch.  Wahrend 
der  alte  Herr  im  Parterre,  der  sich  eben  eine  Gattin  gesichert  hat,  sehn- 
siichtig die  Flossen  einer  zweiten  entgegenstreckt,  ist  ihm  die  erste  bereits 


Pelzseehunde,   Bulle  mit  Harem. 

durch  einen  Herrn  im  ersten  Stock  entfiihrt,  dem  sie  gleich  darauf  durch 
einen  weiter  oben  wohnenden  ebenfalls  sofort  geraubt  wird.  Lange  und  er- 
bittert  tobt  der  Kampf.  Weithin  schallt  das  Briillen  der  aufgeregten  Bullen 
liber  die  See,  und  tiefe,  blutige  Wunden  zeugen  von  der  Scharfe  des  Seehunds- 
gebisses  und  der  Wut  der  Kampfer.  Endlich  ist  der  Streit  beendet,  und 
die  Schonen  alle  sind  endgultig  in  die  verschiedenen  Harems  eingereiht. 
Die  selbstsuchtigen  alt  en  Herr  en  unten  am  Strande  haben  sich  jeder  zehn 
bis  zwolf  Freundinnen  gesichert,  wahrend  die  weniger  begiinstigten  auf 
den  hoheren  Terassen  sich  mit  drei  und  vier  begniigen  nriissen.  Noch  hoher 
auf  den  Crash elden  lagern  die  Jiinglinge  von  einem  bis  zu  vier  Jahren  alt, 


XVI.   Die  Seehunde.  655 


•die  noch  zu  jung  sind,  um  schon  die  Biirde  eines  selbstandigen  Haushaltes 
zu  tragen,  teilweise  untermischt  mil  den  neckischen  Backfischen.  Auch 
einige  miirrische  Grossvater,  sogenannte  ,,wigs",  riesige  Burschen  mit  narben- 
zerfetzter  Haul,  sind  hierher  verbannt.  Die  Zahne  sind  nicht  mehr  scharf 
.genug,  und  die  Glieder  haben  die  Kraft  und  die  Geschmeidigkeit  verloren, 
die  im  Kampf  urns  Dasein  notwendig  sind,  und  pietatlos  hat  man  sie  ins 
Hint ertref fen  geschoben. 

Kurz  nach  der  Landung  werden  die  Jungen  geboren,  und  etwa  einen 
Monat  spater  beginnen  die  neuen  Flitterwochen.  Das  neugeborene  Junge 
ist  mit  steifen,  borstenartigen,  kurzen  Haaren  bedeckt  und  wird  ,,blackpup" 
.genannt.  Nach  drei  Monat  en  nehmen  die  Haare  eine  graue  Farbung  an, 
und  eine  leichte  graue  Unterwolle  bildet  sich.  Das  Tier  heisst  jetzt  ,, grey- 
pup".  Nach  etwa  neun  Monat  en  ist  die  Bildung  des  Felles  vollendet.  jEin 
graubraunes,  borstiges,  schmutziges  Oberhaar  verbirgt  die  seidenartige, 
feine,  goldbraune  Unterwolle.  Damit  hat  aber  der  Seehund  noch  nicht  seine 
voile  Reife  erlangt. 

Erst  nach  dem  vierten  Jahre  ist  er  zur  Fortpflanzung  reif,  aber  auch 
dann  noch  nicht  vollkommen  ausgewachsen.  Die  erwachsene  Barenrobbe 
misst  meist  4  bis  5  Fuss  Lange,  die  alt  en  Wigs  erreichen  aber  oft  eine  Lange 
bis  zu  8  Fuss  bei  entsprechendem  Umfange.  Die  Vorderflossen  haben  keine 
sichtbaren  Zehen,  die  Hinterflossen,  welche  mit  dem  Schwanz  zusammen- 
:gewachsen  sind,  haben  lange,  scharfe  Klauen.  Die  Flossen  sind  mit  einer 
rauhen  lederartigen  Haut  bedeckt,  welche  es  dem  Tier  ermoglicht,dieKlippen 
mit  anscheinender  Leichtigkeit  zu  erklimmen.  Uberhaupt  entwickeln  die 
Ohrenrobben  eine  hervorragende  Gewandheit,  die  man  ihren  plumpen  Formen 
eigentlich  nicht  zutrauen  durfte.  Ende  September  verlassen  die  Mannchen, 
welche  wahrend  der  Flitterwochen  fast  nichts  gefressen  haben,  die  Inseln,  und 
gegen  Mitte  Oktober  folgt  ihnen  die  ganze  Masse  der  Weibchen  und  Jungen, 
um  bis  zum  Fruhjahr  im  offenen  Meere  zu  leben,  und  zwar  in  kleineren 
Abteilungen  verteilt. 

Aber  die  Weibchen  war  en  wahrend  der  Liebesepoche  nicht  so  enthaltsam 
wie  die  Mannchen,  sondern  haben  furchtbar  unter  den  schuppigen  Meeres- 
bewohnern  aufgeraumt.  Nur  der  ungeheure  Reichtum  des  Ozeans  kann 
die  Liicken  wieder  ausfiillen,  welche  eine  Million  hungriger  Seehunde  in 
die  Fischscharen  gerissen  haben.  Ubrigens  sollen  auch  Schaltiere  und  Kru- 
stazeen,  sowie  Tintenfische  einen  Teil  der  Seehundsnahrung  bilden.  Den 
ganzen  Winter  bringen  die  Seebaren,  wie  schon  erwahnt,  im  offenen  Meere 
zu,  nachts  auf  der  Oberflache  schlafend,  auf  der  Seite  liegend  und  die  Flossen 
aus  dem  Wasser  streckend. 

Ende  Juli  beginnt  das  Schlachten.  Eine  Anzahl  Aleuten,  mit  keulen- 
artigen  Kniitteln  bewafmet,  erscheinen  vom  Innern  der  Insel  aus.  Jedes 
unnotige  Gerausch  wird  vermieden.  Leise  wird  ein  Trupp  der  auf  den  Hangen 
liegenden  Mannchen  von  den  anderen  getrennt  und  dem  Innern  zugetrieben. 


656  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Nur  diese  jungen  Mannchen  zwischen  dem  zweiten  und  vierten  Lebensjahr 
diirfen  auf  den  Inseln  getotet  werden.  Die  grosstmoglichste  Vorsicht  wird 
beobachtet,  damit  die  anderen  Seehunde  nicht  gestort  werden.  Der  Fang 
ist  ausschliesslich  den  Aleut  en  vorbehalten,  die  fur  das  Fell  einen  halben 
Dollar  Gold  erhalten. 

Das  Treiben  ist  auch  nicht  so  einfach.     So  furchtsam  und  scheu  gegen- 
iiber  dem  Menschen  auch  der  Seebar  ist,  so  setzt  er  sich  mit  seinem  furcht- 


Pelzseehunde. 

baren  Gebiss  aufs  energischste  zur  Wehr,  wenn  er  zu  hart  getrieben  wird_ 
Alle  zwei  bis  drei  Minuten  wird  Halt  gemacht,  um  den  Tieren  Ruhe  zu  gonnen; 
und  das  Treiben  ist  auch  nur  moglich,  wenn  das  Gras  feucht  ist,  weshalb 
an  heissen  trockenen  Tagen  damit  ausgesetzt  wird. 

Am  Schlachtplatz,  der  stets  im  Innern  verborgen  liegt,  dringen  die 
Aleuten  von  alien  Seiten  auf  die  erschreckten  Tierc  ein  und  strecken  sie  durch 
Keulenschlage  auf  den  Kopf  tot  nieder.  Ein  paar  gewandte  Schnitte  mit 
dem  Messer,  und  das  Fell  mit  anhangender  Speckschicht  ist  abgestreift. 
Mittels  Hundeschlitten  werden  die  Felle  nun  nach  der  weiter  nach  der  anderen 
Seite  der  Insel  gelegenen  Kolonie  gebracht.  Dort  wird  der  Speck  dann  ober- 
flachlich  entfernt,  die  Felle  gesalzen,  in  Biindel  gepackt  und  auf  besonderen 
Dampfern  nach  London  gesandt.  Hier  werden  sie  sortiert,  in  ,, small  pups", 
,, middling  pups"  und  ,, large  pups",  die  wertvoller  sind  als  die  Felle  der  er- 


XVI.   Die  Seehunde. 


657 


wachscnen  Seehunde,  welche  ebenfalls  in  ,, small",  „ middling"  und  ,, large" 
sortiert  werden.  Die  Felle  werden  dann  in  offentlicher  Auktion  verkauft, 
die  von  den  Pribylow-Inseln  im  November,  die  von  Copper  und  Behring 
Island  stammenden  im  Marz.  Die  ersteren,  im  Handel  als  ,,Alaskaseal" 
bekannt,  sind  besser  in  Qualitat,  als  die  anderen  die  ,, Copper-Island".  Nach 
dem  Verkauf  werden  die  Felle  einem  besonderen  Verfahren  unterworfen. 
Ein  eigenartiger  Gerbungsprozess  greift  nur  die  Wurzeln  der  groben  Ober- 
haare  an  und  bring!  diese  zum  Ausf alien.  Die  Unterwolle  wird  dann  glanzend 
dunkelbraun  gefarbt,  und  die  Felle  bilden  nun  das  bekannte  „ Sealskin". 
Besonders  in  England  und  Amerika  gehort  ein  Sealskin-Mantel  zu  den  unent- 
behrlichen  Erfordernissen  einer  Damentoilette.  Das  Enthaaren  und  Farben 
der  Seehundsfelle  verstand  man  fruher  nur  in  London,  doch  gibt  es  jetzt 
grosse  Fabriken  auch  in  Paris,  Leipzig  und  New  York,  die  sich  mil  dieser 
Industrie  befassen. 

Der  Seehundsfang  hat  verschiedene  Phasen  durchgemacht,  Anfanglich 
gab  es  gar  keine  Gesetzesvorschriften,  jeder  suchte  zu  fangen,  was  er  be- 
kommen  konnte.  Grosse  Mengen  kamen  in  den  Handel,  und  einmal  sollen 
die  Russen  300  ooo  Felle  verbrannt  haben,  um  einer  tJberfullung  des  Marktes 
vorzubeugen.  Spater  ubernahm  die  Russisch-amerikanische  Gesellschaft 
das  Monopol  des  Seehundfanges,  und  der  jahrliche  Fang  wurde  auf  50  ooo 
normiert.  Nach  Abtretung  des  Russischen  Amerika  an  die  Vereinigten  Staaten 
im  Jahre  1867  wurde  das  Monopol  des  Seehundfanges  auf  den  Pribylow- 
Inseln  der  Alaska  Commerical  Company  in  San  Franzisko  iibertragen.  Der 
jahrliche  Fang  wurde  mit  100  ooo  Stuck  festgesetzt,  und  nur  eingeborene 
Aleuten  durften  zum  Fange  ausziehen.  Diese  erhielten  einen  halben  Gold- 
dollar  pro  Fell,  ein  sehr  hoher  Satz,  da  ein  geschickter  Mann  in  der  Saison 
taglich  50  Tiere.toten  und  abhauten  kann.  Einen  Dollar  erhielt  die  Regierung; 
Fracht,  Salz  und  sonstige  Unkosten  stellten  sich  auf  ungefahr  weitere 
50  bis  75  Cents,  und  da  Felle  in  London  durchschnittlich  10  bis  12 
Dollar  Gold  brachten,  so  war  es  kein  Wunder,  dass  die  Gesellschaft  lange 
Zeit  80  bis  100  Proz.  Dividende  zahlte.  1890  wurde  der  Pachtkontrakt  an 
die  Northern  Commerical  Co.  iibertragen.  Die  Bedingungen,  unter  welchen 
die  Gesellschaft  den  Kontrakt  erhielt,  waren  wesentlich  hohere.  Statt  etwa 
3  Dollar  pro  Fell  Abgaben,  mussten  jetzt  10%  Dollar  an  die  Regierung  gezahlt 
werden. 

Basiert  war  der  Vertrag  auf  der  Annahme,  dass  wie  bisher  100  ooo  jahr- 
lich  geschlagen  werden  durften.  Es  stellt  sich  das  aber  angesichts  der  Ver- 
heerungen,  die  der  pelagische  Fang  unter  den  Seals  anrichtete,  als  unmoglich 
heraus.  Im  ersten  Jahre  wurden  nur  30  ooo  Stuck  erbeutet,  dann  eine  Reihe 
von  Jahren  wahrend  des  Vertrages  mit  Englang  nur  7500  und  seit  einigen 
Jahren  15  ooo  Stuck  pro  Jahr.  Andererseits  war  aber  auch  der  Preis  in 
London  stark  gestiegen,  und  brachte  im  Durchschnitt  bis  zu  30  Dollar  pro 
Fell.  Da  das  Aktien-Kapital  der  Gesellschaft  nur  100  ooo  Dollar  betrug, 


658 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


war  der  erzielte  Nutzen  auch  bei  der  reduzierten  Zahl  imrner  noch  ein  recht 
hoher.  Im  April  1910  wurde  der  Vertrag  nicht  wieder  erneuert,  sondern  die 
Regierung  iibernahm  den  Fang  und  Verkauf  auf  eigene  Rechnung  und  erzielt 
dadurch  statt  zirka  150,000  Dollar  Pacht,  einen  Reingewinn  von  450,000 
Dollar. 

1869  erhielt  die  Fiona  Hutchinson  Kohl  &  Philippaens  in  San  Franzisko 
von  den  Russen  das  alleinige  Recht  des   Seehundfanges  auf  den   Kommo- 


Ansiedlung  auf  Copper  Island. 

dorski-Inseln  auf  20  Jahre  und  verkaufte  die  Konzession  an  die  Alaska  Com- 
mercial Company,  die  auch  Handelsstationeri  an  der  ganzen  Kiiste  besass. 
Nach  Ablauf  des  Pachtkontraktes  wurde  das  Monopol  einer  russischen  Ge- 
sellschaft  in  St.  Petersburg  gegeben,  die  es  noch  besitzt. 

Bis  vor  etwa  30  Jahren  waren  die  Barenrobben  im  nordlichen  Teile 
des  Stillen  Ozeans  wohl  geschiitzt.  Amerikanische  Zollkreuzer  bewachten  die 
Prilylow-Gruppe  und  hielten  alle  Fahrzeuge  aus  ihrer  Nahe;  eine  gleiche 
Wachsamkeit  entwickelten  die  Russen  in  ihrem  Gebiet.  Mindestens  eine 
Million  Seehunde  versammelten  sich  jahrlich  auf  den  Rookeries,  aber  die 
Beute  war  zu  verlockend,  um  langer  allein  gelassen  zu  werden. 

In  Victoria,  Vancouver  Island  in  Britisch  Kolumbia,  wurden  zahlreiche 
Schoner  von  20  bis  1000  Tons  ausgeriistet.  Tacoma,  Seattle  und  Portland, 
Oregon  folgten  dem  Beispiel.  Die  pelagische  Seehundfischerei  hatte  be- 
gonnen,  und  damit  auch  der  Anfang  zur  Ausrottung  der  Seebaren. 

Die  im  offenen  Ozean  schwimmenden  Herden  wurden  von  der  ameri- 
kanischen  Kiiste  bis  zu  den  japanischen  Inseln  und  bis  an  die  Grenzen  des 


XVI.   Die  Seehunde.  659 


Eismeeres  unablassig  verfolgt.  Tragende  Weibchen,  Junge  und  Alte  fielen 
unter  den  Schiissen  der  gierigen  Pelzjager.  Jeder  Schuner  fuhrte  fiinf  oder 
sechs  Boote,  die  bei  Insichtkommen  der  Seehunde  ausgesetzt  wurden,  jedes 
bemannt  mit  vier  Ruderern  und  einem  Schiitzen. 

Besonders  geschatzt  als  Jager  waren  die  ,,  Si  watches",  die  Krieger  der 
amerikanischen  Kiistenindianer,  und  die  Bonin-Insulaner.  Zwar  hatte 
die  japanische  Regierung  denselben  verboten,  sich  auf  anderen  als  japa- 
nischen  Schiffen  anwerben  zu  lassen,  aber  die  hohen  Gehalter  bewogen  doch 
viele  dieser  kiihnen  Halbblut-Insulaner,  die  Wachsamkeit  der  japanischen 
Behorden  zu  tauschen.  Die  Boote  waren  entweder  Kanoes,  wie  sie  bei 
den  Indianern  der  amerikanischen  Westkiiste  in  Gebrauch  sind,  oder  flache 
,,dorys",  vorn  und  hinten  spitz  zulaufende  Boote,  wie  sie  beim  Kabeljau- 
fang  auf  den  Neufundlands-Banken  benutzt  werden.  Als  Schusswaffen 
wurden  Zentralfeuer-Doppelflinten  Kaliber  12,  verwendet.  Die  Jagd  er- 
forderte  auch  gute  Gewehre  und  sichere  Schiitzen,  denn  jedes  nicht  so  fort 
todlich  getroffene  Tier  sinkt  und  geht  verloren.  Mancher  Schuner  kam  mit 
5000  bis  6000  Fellen  an  Bord  am  Schlusse  der  Kreuzfahrt  zuriick,  und  da 
mindestens  50  bis  60  Schuner  beteiligt  waren  und  ausserdem  viele  angeschossene 
Seehunde  verloren  gingen,  so  machte  sich  das  Resultat  sehr  bald  fuhlbar. 
Die  Scharen,  die  jahrlich  auf  den  Brutstatten  erschienen,  schmolzen  zu- 
sehends  zusammen. 

Im  Jahre  1894  hatte  der  pelagische  Fang  den  amerikanischen  und  kana- 
dischen  Hochseefangern  141  143  Felle  eingebracht,  fast  ausschliesslich  Weib- 
chen, wobei  beriicksichtigt  werden  musste,  dass  die  doppelte  Anzahl  er- 
legter  Tiere  verloren  ging.  Hierzu  kommt  noch,  dass  die  Weibchen,  die  in 
der  Nahe  der  Inseln  erlegt  werden,  saugende  Junge  haben.  Bis  zu  100  See- 
meilen  entfernen  sich  die  Weibchen  haufig  in  der  Suche  nach  Futter,  die 
von  einem  toten  Weibchen  am  Lande  zuriickgelassenen  Jungen  miissen 
verhungern,  und  es  wurden  1905  auf  den  Pribylows  30  ooo  auf  diese  Weise 
umgekommene  Jungen  gefunden.  Ausserdem  waren  die  so  erlegten  Weib- 
chen alle  trachtig,  so  dass  fur  ein  so  erbeutetes  Fell  mindestens  3  Leben  zu 
rechnen  sind,  im  Durchschnitt  aber  5  bis  6  gerechnet  werden  miissen. 

Im  russischen  Gebiet  war  es  noch  schlimmer.  Schuner,  die  vielleicht 
beim  pelagischen  Fischen  nicht  vom  Gliick  begiinstigt  waren,  lauerten  in 
der  Nachbarschaft  der  Kommodore-Insem,  warteten  einen  recht  nebligen 
Tag  ab,  welche  im  Sommer  durchaus  nicht  selten  sind,  sandten  ihre  Mann- 
schaften  an  Land  und  schlugen  einige  tausend  Seehunde  direkt  an  den  Brut- 
statten. Die  russischen  Kriegsschiffe  waren  bestandig  auf  der  Wacht  gegen 
solche  Rauber.  Viele  Fahrzeuge  wurden  aufgebracht  und  nach  Wladiwostok 
gefuhrt.  Ich  selbst  sah  dort  wenigstens  ein  Dutzend  solcher  konfiszierten 
Schuner  liegen. 

Eine  eigenartige  Geschichte  passierte  im  Jahre  1892  wahrend  meiner 
Anwesenheit  in  Yokohama.  Der  britische  Schuner  ,, Arctic"  war  in  russischen 

42* 


66o 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Gewassern  beschlagnahmt  worden,  wahrend  er  erst  80  Felle  an  Bord  hatte. 
Die  Schiffspapiere  wurden  an  Bord  des  Kreuzers  genommen,  und  der  „ Arctic" 
sollte  nach  Wladiwostok  mitkommen.  Wahrend  eines  starken  Nebels  wurden 
die  Schiffe  getrennt.  Der  Kapitan  segelte  direkt  nach  Behring  Island,  holte 
sich  dort  eine  Ladung  von  3000  Fellen  und  ging  nach  Yokohama.  Ohne 
Papiere  konnte  er  nicht  in  den  Hafen,  doch  wurde  ein  Boot  zum  englischen 
Konsul  hineingeschickt.  Der  russische  Gesandte  beantragte  sofort  bei  der 
japanischen  Regierung  Beschlagnahme  von  Schiff  und  Ladung,  aber  in- 


Aleuten-Ansiedlung  auf  Behring  Island. 

zwischen  war  der  englische  Kreuzer  ,, Edgar"  hinausgegangen,  hatte  den 
,,Arctic"  hereingeholt,  und  zwei  Stunden  spater  war  die  Ladung  im  Werte 
von  200  ooo  Mark  an  Bord  des  englischen  Postdampfers  ,, Verona",  unter 
dem  Schutz  der  englischen  Flagge. 

Die  pelagischen  Seehundsfanger  hatten  allmahlig  die  Routen  heraus- 
gefunden,  auf  denen  die  Seehunde  wahrend  fast  9  Monate  ihre  Wanderungen 
ausfuhrten,  die  sie  fast  2000  Seemeilen  weit  fiihrten  undTfolgten  ihnen  nament- 
lich  langs  der  ganzen  Kiiste  von  San  Francisko  bis  Prince  William  Sound. 
Zwischen  1883  bis  1897  wurden  304  713  Felle  so  erbeutet  und  mindestens 
ebensoviel  geschossene  Tiere  gingen  verloren. 

Die  Amerikaner  waren  viel  weiter  als  die  Russen  gegangen  und  hatten 
kurz  entschlossen  das  ganze  Behringsmeer  als  geschlossene  See  erklart  und 
ausserdem  die  Sealherden  als  Privateigentum,  quasi  als  Haustiere,  die  auch 
wenn  verlaufen  noch  als  ihrem  Eigentumer  gehorig  galten.  Jedes  Fahrzeug, 
das  sie  zum  Fang  ausgeriistet  dort  trafen,  das  heisst,  welches  Fasser  mil 


XVI.  Die   Seehunde.  66l 


grobem  Salz  an  Bord  hatte,  wurde  beschlagnahmt.  Dies  fiihrte  zu  inter- 
nationalen  Verwicklungen,  da  Kanada,  oder  eigentlich  England,  nicht  die 
Rechte  Amerikas  auf  eine  grossere  Zone  als  drei  Seemeilen  von  den  Pribylow- 
Inseln  und  der  Alaska- Kiiste  anerkannten.  Eine  Menge  Prozesse  wegen 
Schadenersatz  wurde  gegen  die  Regierung  der  Vereinigten  Staaten  angestrengt. 
Andererseits  entzog  man  sich  in  England  auch  nicht  der  Erkenntnis,  dass, 
wenn  keine  durchgreifenden  Schutzmassregeln  ergriffen  wurden,  die  Seehunde 
unaufhaltsam  der  ganzlichen  Ausrottung  entgegengingen. 

Nach  mehreren  vergeblichen  Versuchen  wurden  nun  im  Jahre  1895 
iiuf  einer  Konferenz  zu  Paris,  an  der  England,  Amerika  und  Russland  teil- 
nahmen,  ein  Abkommen  zwischen  diesen  Machten  getroffen.  Amerika  gab 
den  unhaltbaren  Anspruch  auf,  die  Behring-See  als  mare  clausum  zu  be- 
trachten,  verbot  ausserdem  alien  seinen  Landesangehorigen,  den  Fang  auf 
holier  See  zu  betreiben  und  beschrankte  die  Zahl  der  auf  den  Pribylow-Inseln 
(St.  Paul,  St.  George,  Otter-  und  Walrus-Island)  jahrlich  zu  totenden  See- 
hunde auf  7  500  vorlaufig.  England  bewilligte  fur  Kanada,  dass  die  neutrale 
Zone  um  die  Inseln  von  3  Seemeilen  auf  60  Seemeilen  erweitert  werde  und 
dass  kein  Fahrzeug  sich  auf  diese  Entfernung  den  Inseln  nahern  durfte. 
Ausserdem  durfte  die  Beringsee  von  Mai  bis  September  nicht  von  Fang- 
schonern,  die  zum  Seehundfang  ausgeriistet  sind,  betreten  werden.  Beide 
Machte  beschlossen  ausserdem,  durch  Kriegsschiffe  gemeinschaftlich  hierfur 
zu  sorgen,  dass  diese  Bestimmungen  nun  gehalten  wurden.  Die  Eigentumer 
der  beschlagnahmten  kanadischen  Schoner  wurden  durch  die  amerikanische 
Regierung  entschadigt.  Auch  Russland  wurde  der  neutrale  Giirtel  von  60 
Seemeilen  um  die  Kommondorsky-Inseln  St.  Paul  und  St.  George  zugebilligt. 
Diese  Massregeln  half  en  anfangs  etwas,  doch  hatte  man  einen  schweren  Fehler 
begangen.  Amerika  wollte  auch  Japan  zu  dieser  Konferenz  einladen,  aber 
England  protestierte  dagegen.  Es  schien  dies  auch  wenig  bedeutsam,  denn 
Japan  hatte  bis  dahin  sich  iiberhaupt  nicht  an  dieser  Industrie  beteiligt, 
sondern  selbst  den  Seehund-  und  Seeotterfang  an  seinen  eignen  Kiisten 
fremden  Fangfahrzeugen  iiberlassen.  Jetzt  anderte  sich  dies.  Ein  Schoner 
nach  dem  andern  unter  japanischer  Flagge  erschien  auf  dem  Schauplatz 
und  beteiligte  sich  an  dem  lukrativen  Gewerbe.  Viele  davon  unter  Kapital- 
beteiligung  kanadischer  Handler  und  unter  Fiihrung  kanadischer  Kapitane. 
Sie  hatten  es  ja  nun  viel  leichter,  denn  fur  sie  gait  der  Vertrag  nicht;  sie 
waren  nur  durch  das  internationale  Recht  gebunden  und  konnten  daher 
*den  Behringsee  zu  jeder  Zeit  betreten  und  sich  der  Kiiste  der  Inseln  bis  auf 
3  Seemeilen  nahern. 

Sie  folgten  den  Seehundscharen  wahrend  der  Wanderung  und  uin- 
lagerten  wahrend  der  Fortpflanzungsperioden  die  Inseln  in  dichten  Scharen, 
indem  sie  die  saugenden  Weibchen,  die  zum  Fange  ihres  Futterbedarfs  weit 
in  die  See  hinausschwammen,  abschossen,  unbekummert  darum,  dass  die 
:zuriickgelassenen  Jungen  auf  dem  Festlande  verhungerten.  Ja  sie  begniigten 


662  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

sich  nicht  einmal  damit,  sondern  sandten  unter  dem  Schutz  des  hier  so  haufigen 
Nebels  Bootsmannschaften  an  Land,  die  hier  alles  an  Seehunden  toteten, 
was  sie  erreichen  konnten.  Auf  den  russischen  Inseln  bekam  ihnen  das  schlecht, 
da  die  russischen  Wachmannschaften  einfach  jeden  Japaner  niederschossen,. 
den  sie  am  Lande  trafen,  und  auch  Schoner,  die  zu  nahe  herankamen,  kon- 
fiszierten  und  die  Mannschaft  nach  Sibirien  schafften.  Auf  den  amerikanischen 
Inseln  war  man  diesen  Raubern  gegeniiber  machtlos,  bis  unter  dem  energischen 
Regierungsagenten  Lembkey  eine  bewaffnete  Kiistenwache  eingerichtet  wurde, 
die,  sogar  mit  Maschinengewehren  versehen,  den  Raubern  entgegentrat. 
Es  kam  zu  blutigen  Zusammenstossen,  und  verschiedene  Japaner  wurden 
getotet,  andere  gefangen  und  in*Alaska  zu  hohen  Freiheitsstrafen  verurteilt. 


Abfleischen   von   Sealskin  auf  den   Pribiloff-Tnseln. 

Auch  die  Kriegsschiffe  passten  jetzt  besser  auf,  und  eine  grosse  Anzahl  japa- 
nischer  Schoner  wurde  innerhalb  der  3-Meilen-Zone  beschlagnahmt.  Ubrigens 
kamen  auch  sonst  Klagen,  dass  japanische  Mannschaften  Seeraubern  gleich 
auf  anderen  Inseln  an  der  Kiiste  von  Alaska  gelandet  und  dort  viel  geraubt 
hat  ten.  Infolge  wohl  der  energischen  Weisungen  der  japanischen  Regierung 
hat  dies  in  der  letzten  Zeit  aufgehort,  doch  schwand  die  Zahl  der  Seehunde 
immer  mehr  zusammen,  so  dass  augenblicklich  nicht  mehr  als  etwa  150  ooo 
vorhanden  sein  durften.  1898  wurde  in  Amerika  ein  Gesetz  erlassen,  wonach 
Seehunde  nur  mit  einem  Ursprungszeugnis,  aus  dem  hervorging,  dass  sie 
nicht  von  pelagischem  Fang  herruhrten,  in  Amerika  zur  Einfuhr  zugelassen 
wurden.  1906  wurde  dann  ein  weiteres  Gesetz  erlassen,  wonach  auf  den 
Inseln  jahrlich  2000  zweijahrige  und  1000  einjahrige  Bullen  gezeichnet  und 
dann  nicht  mehr  getotet  werden  durften,  wahrend  die  Company  dagegen 
das  Recht  erhielt,  jetzt  jahrlich  i5oooTiere  zu  toten.  Jetzt,  1910,  ist  bei  Ab- 
lauf  des  Kontrakts  derselbe  nicht  erneuert  worden,  sondern  die  Regierung 


XVI.   Die  Seehunde.  663 


betreibt  den  Fang  vorlaufig  auf  eigne  Rechnung.  Gleichzeitig  schweben  aber 
Verhandlungen  iiber  Einberufung  einer  neuen  Konferenz  aller  beteiligten 
Staaten,  wozu  diesmal  auch  Japan  gehort,  behufs  Regelung  des  Seehund- 
langes,  und  es  verlautet,  dass  Amerika  dann  als  Konzession  den  Fang  auf  den 
Pribiloff-Inseln  fur  mehrere  Jahre  einstellen  wird.  Es  ist  aber  notwendig, 
dass  bald  etwas  geschieht,  da  sonst  bald  keine  Seehunde  zum  Schiessen 
da  sein  werden.  Ubrigens  ware  es  auch  notwendig,  dass  auch  andere  Machte 
zur  Teilnahme  an  einer  solchen  Konferenz  eingeladen  wiirden,  denn  einer 
der  beriichtigtsten  Sealrauber  segelt  unter  mexikanischer  Flagge. 

Die  Seehundsjagd  auf  dem  offenen  Meere  ist  iibrigens  durchaus  nicht 
immer  eine  Vergniigungsfahrt.  Zwar  legen  die  kleinen  Schoner  von  20 
bis  50  Tons  die  lange  Seereise  zwischen  Amerika  und  Japan  meist  ohne  Unfall 
zuriick,  doch  wahrend  der  starken  Nebel,  die  im  Sommer  im  nordlichen 
Stillen  Ozean  herrschen,  gehen  haufig  Boote  mit  der  ganzen  Mannschaft 
verloren,  und  scheitern  auch  viele  Fahrzeuge  an  den  Felsen  der  japanischen 
Kiiste  und  den  Inseln  von  Alaska  infolge  von  Sturm  oder  den  hier  haufigen 
Stromverstarkungen  und  mangelhaften  Positionsbestimmungen. 

Die  Seals  von  den  Pribiloffs  bilden  die  sogenannten  Alaskaseals  des 
Handels.  Es  ist  die  beste  Qualitat,  mit  rauchem,  feinem  und  sehr  dichtem 
rotlichem  Haar  (Unterwolle) ,  die  beim  Fange  im  offenen  Meere  erbeuteten 
Felle  sind  im  Handel  als  Northwestern  bekannt,  das  Haar  ist  hierbei  etwas 
lockerer  und  nicht  so  dicht.  Es  sind  dies  meist  Weibchen.  Die  Weibchen 
aller  Fur  seals  sind  kleiner  und  heller.  Die  von  den  russischen  Kom- 
modorsky-Inseln  stammenden  sind  als  Copper  Islands  bekannt  und 
kiirzer  im  Haar,  auch  heller  in  der  Farbe. 

Auf  Robben-Island,  siidlich  von  Kamtschatka,  das  jetzt  den  Japanern 
gehort,  ist  noch  eine  Seal-Kolonie,  das  Fell  ist  aber  grober  als  die  Alaskafelle, 
ebenso  von  den  an  der  japanischen  Kiiste  gefangenen  Seals.  Auch  in  andern 
Teilen  des  Stillen  Ozeans  und  des  Atlantic  kommen  wertvolle  Barenrobben 
vor.  So  lieferten  Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts  die  Falklandsinseln 
Millionen  von  Fellen.  Allein  in  den  Jahren  1793  bis  1807  kamen  3%  Millionen 
Seehundsfelle  von  hier  aus  nach  Canton,  doch  wenige  Jahre  spater  waren 
die  Rookeries  ganzlich  verodet. 

An  der  Miindung  des  La  Plata  liegen  die  Uruguy  gehorigen  Lobosinseln 
auf  den  sich  auch  seit  Jahrhunderten  eine  Rookery  befindet.  Seit  einigen 
Jahren  ist  der  Fang  hier  Monopol  und  an  eine  englische  Gesellschaft  ver- 
pachtet.  Verschiedene  Schoner  aus  Halifax  in  Neu-Schottland  kommen 
jedes  Jahr  nach  dem  Siiden  und  fang  en  Seehunde  an  der  Kiiste  und  im  Miin- 
dungsgebiet  des  La  Plata,  was  schon  mehrfach  zu  Differenzen  mit  der  Re- 
gierung  in  Montevideo  Anlass  gegeben  hat.  So  wurde  vor  einiger  Zeit  der 
Schoner  Agnes  O.  Donaghue  mit  der  Ladung  beschlagnahmt,  musste  aber 
dann  freigegeben  und  der  Eigentumer  entschadigt  werden,  da  nachgewiesen 
wurde,  dass  das  Fahrzeug  die  Grenze  von  3  Seemeilen  vom  Ufer  inne- 


664 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


gehalten  hatte.    Die  Schoner  legen  den  weiten  Weg  vom  aussersten  Norden 
des  Kontinents  unter  Segel  zuriick,  die  erbeuteten  Felle  werden  aber  meist 
gleich  von  Montevideo  aus  nach  London  mil  dem  Postdampfer  verladen. 
Jahrlich   werden  etwa   20  ooo   Lobos-Islandseals  erbeutet.      Die   Felle  sind 
gelbbraun  mit  dunklen   Seiten,   die  Weibchen  sind  heller.     Die  Unterwolle 
ist  ziemlich  lang,  aber  nicht  so  dicht,  wie  die  des  Alaskaseals.    Die  hier  ge- 
fangenen  Seehunde    gehoren    wahrscheinlich    der    Art  Arctocephalus  australis 
an,  die  auch  in  der  Magelhaensstrasse,  den  Falklandsinseln  und  inFeuerland 
vorkommt  und  auch  bis  an  die  Ufer  der  chilenischen  Provinz  Chile   streifen. 
In  diesen  Gegenden  wird  der  Fang  meist  von  chilenischen  Schonern  betrieben, 
die   auch   gleichzeitig    Jagd    auf    die    dort   zahlreichen   Fischotter    machen. 


Seal  am  Strande  von   St.   Paul. 

DieTSeals  von  hier  gelangen  als  Cap-Hornseals  in  den  Handel  und  mogen 
jahrlich  einige  tausend  Stuck  gefangen  werden.  Als  merkwiirdig  mag  noch 
erwahnt  werden,  dass  im  vorigen  Jahre  hier  einer  der  auf  Pribiloffs  gezeich- 
neten  Seehunde  hier  gefangen  wurde,  was  die  ungeheuren  Wanderungen 
dieser  Tiere  kennzeichnet. 

.  Weit  geringer  in  Qualitat  sind  die  Seehunde  von  den  Galapagos,  die 
wahrscheinlich  eine  eigne  Art  bilden,  A.  Galopagensis.  Noch  vor  etwa  25  Jahren, 
als  Dr.  Th.  Wolff  diese  Inselgruppe  besuchte,  die  ja  schon  seit  Darwins  Zeit 
wegen  ihrer  eigentumlichen  Fauna  beruhmt  ist,  lagen  am  Strande  unge- 
heure  Herden  der  riesigen  Ohrenrobben,  die  die  Luft  weithin  mit  ihrem 
Gebriill  erfullten.  Mit  der  zunehmenden  Besiedlang  dieser  Ecuador  ge- 
horigen  vulkanischen  Inseln  nahmen  aber  die  Seehunde  rapide  ab,  und  jetzt 
diirtfen  wohl  kaum  einige  hundert  Stuck  jahrlich  erbeutet  werden;  auch 
an  der  peruanischen  Kiiste  und  auf  den  Chinchainseln  werden  einige  Tiere 
dieser  Art  jahrlich  erlegt.  Die  als  Wohnsitz  des  echten  Robinsons,  Alexander 


XVI.   Die  Seehimde.  665 


Selkirks,  bekannten  Chile  gehorigen  Inseln  Juan  Fernandez  und  Mas  a  fuera 
besitzen  eine  eigne  Sealart  Arctocephalus  Philippi,  die  aber  fur  den  Handel 
;gar  keine  Bedeutung  hat.  Die  wenigen  von  hier  stammenden  Felle  kommen 
unter  die  Kap  Horns.  1798  brachte  ein  amerikanisches  Schiff  eine  ganze 
Ladung  von  hier  nach  Canton,  die  Qualitat  war  gering.  Sehr  wertvoll  da- 
gegen  sind  die  im  siidlichen  arktischen  Ozean  auf  den  sudlich  vom  Kap  Horn 
gelegenen  Southshettlands  und  Siidgeorgien  vorkommenden  See- 
hunde.  Die  Felle  sind  noch  bedeutend  besser  als  die  Alaskaseals,  gross, 
sehr  fein  und  dichthaarig,  und  haben  einen  Wert  von  etwa  200  Schilling 
im  rohen  Zustande.  Im  Jahre  1800  wurden  auf  South  Georgia  allein  112  ooo 
Seals  erbeutet,  1806  20  ooo  und  1821  320  ooo  nach  Polandt,  dann  nahm  die 
Zahl  rapide  ab,  1887  waren  es  noch  200.  Sie  gehoren  einer  eignen  Art  an,  die 
noch  nicht  beschrieben  ist,  und  die  ich  vorschlage  Arctocephalus  shetlandii 
zu  nennen.  Auf  Kerguelen  Island  im  siidlischen  Indischen  Ozean  lebt  A. 
gazellae  nach  dem  Entdecker  der  Expedition  auf  S.  M.  S.  Gazelle  genannt. 
Das  Tier  ist  wesentlich  kleiner  als  die  anderen  Arten  und  hat  auch  etwas  helleres 
Oberhaar.  Die  geringe  Anzahl  lasst  keine  kommerzielle  Bedeutung  zu.  Desto 
wertvoller  sind  aber  die  Rookeries  der  sturmumtosten  Felseninseln  St.  Paul 
und  St.  Amsterdam  und  neuerdings  die  auf  Hearst  Island,  die  erst  im  Vorjahr 
durch  Schoner  von  Halifax  entdeckt  wurden.  Zwei  Fahrzeuge  holten  hier 
auf  einer  Kreuztour  4000  Felle,  die  in  London  auf  der  Auktion  zirka  800  ooo 
Mk.  brachten.  Da  nun  eine  ganze  Anzahl  Fangfahrzeuge  nach  dem  neuen 
Fanggrunde  unterwegs  sind,  wird  es  auch  nicht  lange  mehr  dauern,  bis  auch 
die  letzten  dieser  Tiere  wieder  ausgerottet  sind.  Die  Felle  ahneln  denen 
von  der  Siidshettlands,  sind  aber  noch  besser  in  Qualitat.  Sie  gehoren 
zur  Art  Arctocephalus  elegans.  An  den  Kiisten  Australiens,  Neuseelands 
und  der  Auclandsinseln,  sowie  auch  der  Enderby-Gruppe  kommen  zwei  See- 
hundsarten  vor,  A.  Forsteri  und  Arct.  gracilis,  doch  gelangen  jahrlich  nur 
etwa  1000  Stuck  auf  den  Markt.  1815  kamen  400  ooo  Stuck  aus  diesen 
Gegenden.  Das  Haar  der  Mannchen  ist  dunkel,  nur  der  Bauch  dunkelbraun, 
die  Weibchen  hellbraun,  die  Unterwolle  rotlich  und  ziemlich  dicht  und  lockig. 
Zahlreicher  ist  A.  antarcticus,  der  an  der  Kiiste  des  Kaps  der  guten  Hoffnung 
und  auf  den  Guanoinseln  lebt,  die  teilweise  Deutsch-Sudwestafrika  vor- 
gelagert  sind,  aber  nicht  dazu  gehoren.  Einige  Exemplare  werden  aber  auch 
am  Strande  der  deutschen  Kolonie,  namentlich  in  der  Nahe  von  Liideritz- 
bucht,  gefangen.  Die  Qualitat  ist  am  geringsten  von  alien  Pelzseehunden 
und  sind  die  Felle  ausserdem  noch  haufig  schlecht  behandelt.  Viele  von  diesen 
Fellen  sind  ,, pinky",  d.  h.  sie  sind  nicht  rechtzeitig  genug  gesalzen,  so  dass 
•die  Fleischseite  eine  rotliche,  von  Schimmelpilzen  herriihrende  Farbe  an- 
nimmt.  Der  Wert  ist  etwa  20  bis  50  Mk.,  je  nach  Grosse.  Es  kommen  wohl 
2000  bis  3000  Felle  jahrlich  nach  London. 

Einen  Ubergang  von  den  Barenrobben  zu  den  Seelowen  bildet  Phocarctus 
Jyookeri,    der  an  der  Kiiste  von  Neuseeland  und  den  Maquerie-Auclandsinseln 


666  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

lebt.  Die  Felle  der  jungen  Tiere  besitzen  eine  dichte  Unterwolle,  sind  also 
fur  Pelzzwecke  brauchbar  und  mogon  solche  Felle  wohl  mitunter  sich  unter 
den  sogenannten  Southseaseals  finden.  1811  kamen  80  ooo  Felle  dieser  Art, 
und  1887  nach  Poland  noch  180  Felle  nach  London;  seit  dieser  Zeit  sind  sie 
selten  geworden. 

2.  Die  Seelowen. 

Bekannt  sind  die  Seelowen,  die  haufig  mil  den  Barenrobben,  den  Liefe- 
ranten  der  Sealskin,  verwechselt  werden,  deren  Fell  aber  wertlos  ist.  Fur 
Pelzzwecke  f ehlt  die  Unterwolle  und  fur  Lederzwecke  ist  die  Haut  zu  schwam- 


Salzen  der  Sealfelle  im  Schiffsraum. 

mig.  Es  gibt  mehrere  Arten.  Die  Tiere  sind  auch  wesentlich  grosser  als  die 
Barenrobben  und  sind  die  ausgewachsenen  Mannchen  haufig  iiber  15  Fuss 
lang  mit  einem  Gewicht  von  10  Ztr.  Fett  und  Fleisch  haben  einigen  Wert, 
doch  wird  ihnen  nur  wenig  nachgestellt.  Von  den  Eingeborenen  Jung  ein- 
gefangene  Exemplare  werden  sehr  zahm  und  lassen  sich  auch  zu  allerhand 
Kunststiickchen  abrichten.  Bekannt  ist  auch  die  grosse  Seelowenkolonie 
bei  San  Francisco  dem  Cliff  house  gegenuber,  wo  die  Tiere  durch  den  genos- 
senen  Schutz  ganz  zahm  geworden  sind,  obgleich  sie  in  voller  Freiheit  leben. 
Die  Kolonie  ist  eine  der  Sehenswiirdigkeiten  Friskos.  Hier  leben  die  Tiere 
auch  ausnahmsweise  das  ganze  Jahr  auf  dem  Felsen,  obwohl  sie  sonst  stets 
nur  4  Monate,  wahrend  die  Jungen  saugen,  auf  dem  Lande  zubringen,  den 
ubrigen  Teil  aber  auf  der  offenen  See.  Die  Kolonien  bestehen  meist  nur  aus 
zirka  20  Individuen.  Es  gibt  mehrere  Arten  Otaria  stelleri  an  der  Kiiste 
Kaliforniens,  den  Pribylows,  Behring-Insel,  Aleuten,  Alaska  und  Japan. 


XVI.   Die  Seehunde.  667 


Otaria  jubata  auf  den  Gallapagos,  Chile,  Peru,  La  Plata  und  den  Falk- 
landsinseln,  Zalopbus  calijornicus  an  der  Westkiiste  von  Nordamerika,  siidlich 
von  San  Franzisko,  Zalophus  lobatus  bei  Australien  und  Neuseeland.  Das  Tier 
hat  seinen  Namen  von  einer  Art  Mahne,  die  das  alte  Mannchen  auf  demRiicken 
hat.  Hier  im  Siiden  ist  die  Brunstzeit  Ende  Februar  und  Ende  Marz,  das 
Junge  wird  gegen  Weihnachten  geboren,  also  dem  dortigen  Hochsommer. 

An  der  Nordwestkiiste  von  Amerika  kommt  iibrigens  auch  eine  See- 
lowenart  vor  Otaria  gillespie,  die  eine  brauchbare,  wenn  auch  grobe  und  etwas 
dunne  Unterwolle  hat,  und  deshalb  auch  gefarbt  und  als  geringe  Furseals 
verwertet  wird. 

3.  Haarseehunde. 

Haarseehunde  kommen  in  alien  Meeren  in  einer  grossen  Anzahl  Arten  vor 
und  es  wiirde  den  Rahmen  dieses  Werkes  iiberschreiten,  wenn  ich  die- 
selben  samtlich  anfuhren  wiirde.  Von  Wichtigkeit  fur  den  Pelzhandel  ist 
vor  allem  der  gronlandische  Seehund,  Phoca  grdnlandica  (oder  neuerdings 
Pagophalus  gr.)  genannt,  englisch  harpseal.  Das  Tier  lebt  hauptsachlich 
in  den  Gewassern  Gronlands,  der  Baffinsbay  und  des  nordlichen  Labradors 
und  kommt  im  Friihjahr  mit  dem  Treibeis  bis  in  die  Nahe  Neufundlands. 
Die  ausgewachsenen  Tiere  erreichen  eine  Lange  von  zirka  5  Fuss.  Die  Jungen 
Tiere,  welche  die  sogenannten  whitecoats  liefern,  sind  bis  zum  Alter  von 
etwa  7  Wochen  schneeweiss  und  mit  einem  feinen  dichten  Wollpelz  bedeckt. 
Das  Fell  hat  eine  Lange  von  etwa  70  bis  90  cm.  Das  Fell  des  einjahrigen 
Tieres  hat  zahlreiche  kleine  Flecke,  schwarz  auf  gelbgrauem  Grunde.  Im 
Alter  von  zwei  Jahren  sind  die  Flecke  gross,  und  mit  drei  Jahren,  wenn 
die  Tiere  ausgewachsen  sind,  zeigt  sich  auf  dem  Riicken  die  harfenformige 
Bandzeichnung,  welche  dem  Tier  den  Namen  Harpseal  oder  saddleback 
verschafft  hat. 

Die  Tiere  leben  in  grossen  Scharen  im  offenen  Meere,  wo  sie  grosse  Wande- 
rungen  antreten,  im  Sommer  nach  dem  Norden,  im  Winter  nach  dem  Siiden. 
Mitte  Marz  erklettern  sie  die  treibenden  Eisschollen  oder  das  Packeis,  wo 
von  Ende  Marz  bis  Mitte  April  die  Jungen  geboren  werden,  wahrend  die 
Mannchen  jetzt  wieder  das  offene  Meer  aufsuchen.  Dies  ist  das  Zeichen  fur 
die  grosse  Schlachterei. 

Von  St.  John,  Neufundland,  geht  eine  ziemlich  zahlreiche  Flotte  von 
Fangdampfern  nach  der  Packeisgrenze  und  auch  von  Greenook  Dundee 
und  Peterhead  in  Grossbritannien  kommen  Fangdampfer  nach  der  Baffinsbay. 
Sobald  das  Packeis  erreicht  ist,  werden  die  Mannschaften  gelandet,  jeder 
mit  einem  schweren  Kniippel  oder  langgestielten  Holzhammer  und  einem 
scharfen  Messer  bewaffnet.  Die  einige  Wochen  alt  en  Jungen  werden  in  der 
rohesten  Weise  erschlagen,  ebenso  eine  Menge  der  Weibchen  und  alteren 
Jungen.  Ein  Teil  der  Mannschaft  streift,  sobald  eine  geniigende  Anzahl 


668  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

getotet  1st,  den  Kadavern  das  Fell  mil  der  ansitzenden  Fettschicht  ab,  die 
dann  zum  Boote  geschleift  und  an  Bord  geschafft  werden.  In  der  nur  wenige 
Wochen  dauernden  Fangzeit  in  jedem  Jahre  werden  auf  diese  Weise  zwischen 
200  ooo  und  500  ooo  Seehunde  getotet. 

Die  Felle  kommen  meist  gesalzen  in  London  an  den  Markt,  der  Tran 
in  Amerika  oder  London.  Von  Gronland,  wo  norwegische  und  friiher  auch 
deutsche  Fangfahrzeuge  tatig  sind,  kommen  etwa  150  ooo.  Vicl  sport  s- 
massiger  ist  die  Fangweise  der  Eskimos,  denen  der  Seehund  fur  ihre  Lebens- 
bedurfnisse  unentbehrlich  ist.  Sie  stellen  ihm  aber  entweder  auf  dem  offenen 
Meere  im  Kajak  nach  oder  lauern  mit  der  Harpune  geduldig  an  den  Atem- 
lochern,  die  sich  der  Seehund  im  Eise  off  en  halt. 

Ein  ausgewachsenes  Mannchen  wiegt  zirka  115  Kilo,  wovon  etwa  50 
Kilo  auf  Fell  und  Speckschicht  kommen.  Die  Eskimos  verwenden  alles, 
was  vom  Seehund  kommt.  Ausser  Fell,  Speck,  und  Fleisch  wird  auch  das  Blut 
zur  Nahrung  verwendet,  aus  den  Darmen  werden  Uberkleider  gefertigt, 
der  Magen  dient  zur  Aufbewahrung  von  Tran,  die  Knochen  werden  zu  alien 
moglichen  Geraten  verarbeitet.  Kurz,  wie  bei  den  Schweinen  in  Chikago, 
wird  alles  verwendet,  bis  auf  das  Quiecken.  Seit  1876  existicrt  eine  Kon- 
vention  zwischen  England,  Norwegcn  und  Deutschland,  wonach  vor  dem 
April  bei  500  £  Strafe  kein  whitecoat  getotet  werden  darf,  wodurch  dann 
eine  grosse  Zahl  der  Jungen  entkommen  und  die  Art  vor  dem  Ausrotten 
bewahrt  bleibt. 

Sehr  nachgestellt  wird  auch  der  Klappmiitze,  Cystopboca  cristata,  einem 
Tier,  das  bis  zu  10  Fuss  Lange  erreicht  und  einen  sehr  guten  Tran  sowie  ein 
sehr  geschatztes  Fell  liefert.  Die  Jungen  diescr  Tiere  liefern  die  geschatzten 
,,Blaumanner"  des  Handels.  Die  Felle  der  zwcijahrigen  sind  dunkel  bis 
hellgrau  auf  dem  Riicken  und  silbrigweiss  auf  den  Seiten.  Die  Felle  dieser 
Jungen  haben  eine  Lange  von  etwa  160  bis  180  cm,  das  Haar  ist  ganzend 
und  etwas  hart  mit  einer  diinnen  etwas  groben  Unterwolle.  Jiingere  Felle 
haben  das  Haar  etwas  borstiger  und  sind  auf  dem  Riicken  dunkler.  Das 
ausgewachsene  Mannchen  hat  eine  Lange  von  etwa  2%  bis  3  m,  und  besitzt 
auf  dem  Kopf  eine  Hautblase  von  etwa  25  cm  Lange  und  20  cm  Hohe,  die 
das  Tier  nach  belieben  aufblasen  kann.  Die  Farbe  ist  hellgelblich  braun 
mit  grossen  schwarzen  unregelmassigen  Flecken,  die  auf  dem  hellgrauen 
Rticken  unregelmassig  verstreut  sind.  Die  Felle  der  erwachsenen  Tiere  liefern 
ein  sehr  geschatztes  Leder,  wahrend  der  Tran  auch  sehr  gesucht  ist.  Die 
ganz  jungen  Felle  sind  ganz  ahnlich  wie  die  Whitecoat s,  mit  einem  weissen 
wollartigen  Fell  bedeckt,  das  aber  noch  etwas  langer  und  dichter  ist,  als  die 
eigentlichen  Whitecoats,  die  Jungen  des  Gronland  seals. 

Die  Blaumann- Felle  werden  nur  selten  in  naturellem  Zustande  verarbeitet, 
viel  aber  schwarz  und  braun  gefarbt,  und  dann  zu  Knabenmiitzen,  sowie 
auch  zu  den  Tschakos  der  Husaren  usw.  verarbeitet.  Der  augenblickliche 
Wert  der  rohen  Blaumanner  ist  etwa  8  bis  10  Mk.  pro  Stuck. 


XVI.   Die  Seehunde.  660 


Die  Mannchen  der  Klappmiitzenrobben  sind  iibrigens  sehr  mutig  und 
setzen  sich  dem  Jager  mil  ihren  scharfen  Zahnen  energisch  zur  Wehr,  werfen 
auch  die  leichten  Kajaks  der  Gronlander  um,  und  schon  mancher  Eskimo- 
jager  hat  erhebliche  Wunden  im  Kampfe  mil  den  wiitenden  Tieren  davon- 
getragen.  Die  Tiere  werden  iibrigens  niemals  mil  dem  gronlandischen  See- 
hund  gleichzeitig  auf  denselben  Schollen  beobachtet  und  werden  die  Jungen 
stets  mehrere  Wochen  nach  den  Whitecoats  geboren.  An  der  Nordwest- 
kiiste  Amerikas  wird  der  gronlandische  Seehund  durch  ein  ahnliche  Art, 
Pagophilus  richardii  genannt,  vertreten.  Sehr  verbreitet  ist 
der  gemeine  Seehund,  Callocephalus  vitulinus,  namentlich  in  der  Ost-  und 
Nordsee,  sowie  an  den  Klisten  des  nordlichen  Atlantic  sind  die  Tiere  haufig 
und  von  den  Fischern  sehr  ungern  gesehen,  da  sie  nicht  nur  stark  unter  den 
Fischschwarmen  aufraumen,  sondern  auch  haufig  die  Netze  zerreissen.  Die 
Farbung  der  ausgewachsenen  Tiere  wechselt  haufig,  die  meisten  sind  aber 
fein  gesprenkelt,  grau  und  schwarz,  auf  graugelbem  Grunde,  auf  dem  Riicken 
dunkle  Flecke,  Unterseite  gelblichweiss,  um  die  Augen  ein  blassgrauer 
Ring.  Die  jungen  Tiere  sind  auch  wahrend  der  ersten  Lebenswochen  mit 
dichtem  weissen  Pelz  bedeckt,  spielen  aber  im  Handel  keine  Rolle,  da  nur 
wenig  getotet  werden.  Die  Felle  der  ein-  und  zweijahrigen  Jungen  werden 
zu  Schultornistern,  Taschen  usw.  verarbeitet,  die  Felle  der  ausgewachsenen 
nur  zur  Lederbereitung.  Das  Fell  eines  ausgewachsenen  Seehundes  wiegt 
getrocknet  3  bis  4  Pfund  und  schwankt  der  Preis  der  rohen  Felle  von  3  bis 
6  Mk.  per  Stuck.  Der  Tran  ist  auch  wertvoll  wie  von  alien  Seehunden  und 
kosten  100  Kilo  50  bis  60  Mk.,  derselbe  wird  auch  viel  in  der  Rauchwaren- 
Zurichterei  verwendet.  Die  Tiere  lieben  es,  sich  auf  Sandbanken  und  im 
Meere  liegenden  einzelnen  Felsblocken  zu  sonnen,  leiten  aber  bei  der  An- 
naherung  von  Menschen  sofort  ins  Wasser  und  sind  nicht  leicht  zu  schiessen. 
Wenn  nicht  in  den  Kopf  getroffen,  sinkt  das  Tier  sofort  unter.  Es  kommen 
jahrlich  vielleicht  15  bis  20  ooo  Felle  in  den  Handel.  Der  argste  Feind  des  See- 
hundes ist  der  Butskopf,  Orcinus  orca,  eine  grosse  Delphinart,  die  auch  die 
Walfische  angreift,  und  ihnen  grosse  Stiicke  Speck  und  Fleisch  aus  dem  Leibe 
reisst.  In  den  Polarregionen  stellt  auch  der  Eisbar  unsrem  Seehunde  stark 
nach.  Die  Jungen  werden  auf  wenig  zuganglichen  Strandstellen  zwischen 
Mai  und  Juli  geboren  und  bleiben  mehrere  Wochen  auf  dem  Lande,  da  sie 
in  dem  weissen  Jugendkleide  nicht  schwimmen  konnen.  Im  Kaspischen 
Meere  lebt  ein  sehr  naher  Verwandter,  Callocephalus  caspius.  Sehr  zahlreich 
aber  kleiner  als  die  vorige,  ist  die  Ringelrobbe,  Pagomys  fdetida,  welchen 
Namen  ihm  der  eigenartige  Geruch  verschafft  hat,  den  das  Tier  ausstromt. 
Die  Ringelrobbe  lebt  hauptsachlich  an  den  Kiisten  von  Labrador, 
Neufundland,  Hudsonsbay,  Gronland,  und  den  nordeuropaischen  Meeren. 
Die  Tiere  bleiben  auch  wahrend  des  Winters  im  hohen  Norden  und  liefern 
deshalb  den  Eskimos,  die  ihnen  an  den  Luftlochern  im  Eise  auflauern,  einen 
grossen  Teil  der  Winternahrung.  Die  Farbung  ist  blaugrau,  auf  dem  Riicken 


670 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


schwarzlich  mit  grossen  hellen  runden  Ringen,  der  Bauch  weisslich.  Die  ausge- 
wachsenen  Tiere  sind  etwa  80  bis  120  cm  lang.  Die  Jungen  ahneln  den  withe- 
coats  und  werden  manchmal  unter  diese  gemischt,  sind  aber  selten  langer 
als  40  bis  50  cm.  Gronland  liefert  jahrlich  wohl  30  bis  40  ooo  Fcllc,  von  der 
amerikanischen  Kuste  kommen  etwa  10  bis  20  ooo.  Die  Hudsonsbay  Comany 
bringt  einigejTausend  nach  London  und  dem  Nordpacific.  An  der  Kiiste 


Walrossjagd  in  Arctic. 

von  Japan  lebt  Pagomys  largha,    die  Farbe  ist  grauweiss  mit  viclen   kleinen, 
ovalen,  schwarzen  Flecken. 

Zu  den  grossen  Seehunden  gehort  die  Bartrobbe,  Erignathus  barbatus, 
die  eine  Lange  von  2%  Meter  erreicht  und  in  alien  arktischen  Meeren  vor- 
kommt,  besonders  aber  haufig  an  der  gronlandischen  Kiiste.  Den  Namen 
hat  sie  von  der  Menge  borstiger  Schnurrhaare,  die  das  Tier  auszeichncn.  Die 
Oberseite  ist  grau  mit  dunklerer  Riickenzeichnung  und  Flecken  auf 
den  Seiten.  Der  Hals  ist  verhaltnismassig  sehr  lang.  Die  trockenen  Felle, 
die  bis  40  Pfund  schwer  werden,  liefern  ein  geschatztes  Leder.  Durch 
die  schon  oben  erwahnte  Konvention  ist  fur  diese  Art  ebenfalls  eine  Schon- 
zeit  bestimmt.  In  Japan  wird  dieser  Seehund  durch  einen  Verwandten, 
Histriophoca  fasciata,  vertreten.  Der  grosste  Seehund  der  nordischen  Meere 


XVI.   Die  Seehunde.  671 


1st  Halichoerus  grypus,  der  graue  Seehund,  der  an  den  Kiisten  von  Gronland, 
Finnland,  Island,  Danemark,  sowie  Labrador  und  Neufundland  vorkommt 
und  auch  bisweilen  an  der  englischen  Kiiste  gefangen  wird.  Das  ausgewachsene 
Mannchen  wird  3%  bis  4  Meter  lang.  Auch  die  Jungen,  welche  gleichfalls 
Whitecoat-Charakter  haben,  werden  i%  m  lang,  doch  kommen  deren  Felle 
nur  selten  in  den  Handel.  Auch  die  ausgewachsenen  Felle,  die  vorziigliches 
Leder  geben,  sind  nicht  sehr  haufig  im  Handel.  Prachtvolle  Exemplare 
dieser  Felle  befanden  sich  auf  der  Wiener  Jagdausstellung  unter  den  Trophaen 
des  Ritter  von  Gutmann.  In  der  Antarctic  leben  zahlreiche  Seehunde, 
die  sich  durch  ihre  Grosse  auszeichnen.  Infolge  ihres  Tranreichtums  und 
des  fur  Lederzwecke,  namentlich  Maschinentreibriemen,  wertvollen  Felles 
ist  ihnen  aber  so  stark  nachgestellt,  dass  einige  Sorten,  wie  die  riesigen  S  e  e- 
elefanten,  die  eine  Lange  von  8  bis  10  m  erreichen,  fast  ausgerottet 
sind.  Auch  der  Seeleopard,  Stenorhychus  leptonix,  der  bis  5  m  Lange  er- 
reicht,  ist  seltener  geworden.  Die  Grundfarbe  des  Felles  ist  grau  mit  kleinen 
schwarzen  Flecken,  die  Unterseite  heller,  auf  den  hintern  Oberschenkeln 
eine  dunkel  marmorierte  Zeichnung.  Die  Zeichnung  erinnert  an  Leoparden- 
fell,  daher  der  Name.  Dies  Tier  wird  haufig  mit  der  Wedells-Robbe,  Lep- 
tonyx  wedelli,  verwechselt,  die  daher  auch  den  Namen  falscher,  Seeleopard, 
tragt.  Die  Grundfarbe  ist  gelblich  mit  dunklerem  Riicken,  Weibchen  und 
Junge  oben  schwarzlich  mit  zahlreichen  langlichen  gelblichen  Flecken.  Diese 
Tiere  sind  noch  verhaltnismassig  haufig.  Sonst  kommt  im  Artarictic  noch 
namentlich  Ross-Seehund,  Ommatophoca  rossti,  vor,  kleiner  als  die  vorigen, 
graugelb  mit  dichten  schwarzen  und  gelben  Streifen.  Im  Mittelmehr  findet 
sich  haufig  die  hellfarbige  Monchsrobbe,  Monachus  albiventer,  von  der 
schone  Exemplare  auf  der  Wiener  Jagdauststellung  waren,  und  auf  den  An- 
tillen  ein  Verwandter  der  Klappmiitze,  Chrisophoca  antillensis,  sonst  sind 
Haarseehunde  in  den  warmen  Meeren  sehr  selten.  Auch  der  Baikalsee  hat 
eine  eigne  Seehundsart,  die  der  Ringelrobbe  ahnlich  sieht.  Die  grosste  Robbe 
ausser  den  Seeelefnaten  ist  das  Wallross,  von  dem  Trich  echus  rosmarus 
im  nordlichen  Atlantic,  Trichechus  ohesus  im  nordlichen  Pacific  lebt.  Die 
riesigen  6  bis  8  m  langen  Tieren  mit  den  wulstigen  Oberlippen  und  den  bis 
60  Zentimeter  langen  Hauern,  die  ein  feines  Elfenbein  liefern,  sind  auch 
seltener  geworden  und  sollen  jetzt  im  nordlichen  Pacific  auch  geschiitzt 
werden.  Die  Felle,  die  ein  fast  zolldickes  Leder  geben,  werden  gern  zu  Ma- 
schinentreibriemen verarbeitet.  Sie  werden  fast  nie  im  ganzen  abgestreift, 
sondern  meist  in  Halften  oder  breiten  Streifen.  Die  Tiere  sind  sehr  mutig 
und  setzen  sich  dem  Jager  gegeniiber  kraftig  zur  Wehr,  wrerfen  auch  haufig 
die  angreifenden  Boote  mittels  ihrer  Hauer  um.  Namentlich  werden  die 
Jungen  aufs  eifrigste  nicht  nur  von  den  Miittern,  sondern  auch  von  den  alten 
Bullen  beschiitzt. 


XVII. 


Die  Huftiere. 


1.  Die  Rinderarten. 

Fur  den  Pelzhandel  kommen  nur  wenige  Arten  dieses  nutzlichen  Ge- 
schlechts  in  Betracht.  a)  Der  Biiffel,  Bison  americanus.  Die  Biiffel,  oder 
richtiger  Bison  genannt,  bevolkerten  einst  die  Ebenen  Nordamerikas  in 
kolossalen  Schwarmen.  Bei  der  Entdeckung  und  Besiedelung  Amerikas 
•diirften  wohl  50  Millionen  dieser  machtigen  Tiere  den  Kontinent  bevolkert 
haben.  Vor  fast  100  Jabren  waren  sie  bereits  samtlich  jenseits  des  Mississippi 
getrieben.  Hier  bevolkerten  sie  die  grossen  Prarien,  wobei  man  zwei  grosse 
Herden  unterschied,  die  nordliche  und  die  siidliche.  Die  nordliche  wanderte 
im  Sommer  bis  weit  nach  dem  Gebiet  des  Athabasca  und  den  Ebenen  am 
.grossen  Sklavensee  und  zog  im  Winter  nach  Sliden  bis  in  die  Gegend  von 
Kansas.  Die  siidliche  Herde  hielt  sich  im  Winter  bis  nach  Mexiko  auf  und  zog 
im  Sommer  nordwarts.  Bei  diesen  Wanderungen  bildeten  sie  ununterbrochen 
Herden  von  vielen  Hunderttausenden,  die  sich  dann  im  Weidegebiet  in 
unzahlige  kleine  Herden  auflosten.  Im  Herbst  fand  die  Paarung  statt,  wobei 
oft  erbitterte  Kampfe  zwischen  den  machtigen  Bullen  ausgefochten  wurden. 

Die  Indianer  der  Prarien  waren  fur  ihren  Lebensunterhalt  hauptsachlich 
auf  den  Biiffel  angewiesen,  da  sie  aber  bei  ihren  Jagden  die  meisten  Kiihe 
und  Kalber  iibrig  liessen,  taten  sie  der  Vermehrung  der  Tiere  wenig  Abbruch, 
wie  ja  uberhaupt  die  Indianer  niemals  Wildverwiister  waren.  Auch  die  weissen 
Jager  und  Trapper  richteten  keine  grossen  Verherrungen  an,  obgleich  jahrlich 
von  den  Vereinigten  Staaten  ca.  200  ooo  Stuck,  von  Kanada  und  dem 
Hudsonsbay- Gebiet  etwa  50  ooo  Buff  elf  elle  oder  Buffalorobes,  wie  sie  genannt 
werden,  in  den  Handel  kamen.  Mit  dem  Ban  der  Pacific-Bahnen  anderte  sich 
die  Sachlage.  Nicht  allein,  dass  die  Tiere  durch  die  Bahnbauten  sehr  in  ihren 
Lebensgewohnheiten  gestort  wurden,  die  Arbeit er  toteten  auch  hundert- 
tausende,  teils  aus  Jagdlust,  teils  des  Fleischbedarfs  halber.  Dies  hatte  aber 
noch  nicht  zur  Vernichtung  ausgereicht.  Mit  der  Leichtigkeit,  mit  der  jetzt 
aber  die  Prarien  erreicht  wurden,  bildeten  sich  jetzt  grosse  Gesellschaften  zur 
Erlegung  der  Biiffel  wegen  ihrer  Felle.  Bei  der  Grosse  des  Wildes  und  seine  n 
Lebensgewohnheiten  war  die  Erlegung  sehr  einfach  und  beanspruchte  keine 
weidgerechten  Jager.  Es  trat  die  gemeinste  Aasjagerei  ein.  Alles,  was  vor  die 

43* 


676 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


Biichse  kam,  Bullen,  trachtige  Kiihe,  Kalber  wurden  niedergeknallt,  ganze 
Herden  iiber  Felsabstiirze  getrieben.  Den  Tieren  wurde  nur  die  Haul  ab- 
gestreift  und  die,  Zunge  ausgeschnitten,  die  Korper  wurden  liegen  gelassen 
und  verpesteten  die  Luft.  In  den  Jahren  1870  bis  1876  wurden  jahrlich  etwa 
i  Million  Biiffelhaute  erbeutet.  1876  erreichte  die  Schlachterei  ihren  Hohe- 
punkt.  In  diesem  Jahre  wurden  iiber  3  Millionen  Tiere  erlegt  und  damit  der 
Zusammenhang  der  grossen  Herden  auf  immer  vernichtet.  Zwar  wurde  die 
,,  Jagd"  immer  noch  fortgesetzt  und  1881  kamen  noch  ca.  300  ooo  Felle  auf 
den  Markt,  aber  von  da  ging  es  rapide  ab warts  und  1886  waren  wohl  die  letzten 
freilebenden  Biiffel  in  den  Vereinigten  Staaten  erlegt.  Wenn  auch  der  Biiffel 


Die   Bisonherde  im  canadischen  Nationalpark  zti   Banff. 

dem  weidenden  Rinde  schliesslich  weichen  musste,  bildet  diese  Ausrottung 
doch  einen  Schandfleck  fiir  Amerika.  Leider  war  Kanada  damit  in  Mitleiden- 
schaft  gezogen,  da  ja  die  Biiffel  im  Herbst  stets  nach  Siiden  zogen,  wenn  auch 
auf  den  Prarien  Kanadas  solche  Schlachtereien  nie  stattfanden.  Jetzt  finden 
sich  in  Freiheit  lebend  nur  noch  einige  kleine  Trupps  im  Gebiete  des  Peace- 
river  und  eine  Herde  von  einigen  hundert  Stuck  im  Yellowstone-Park.  An 
mehreren  anderen  Stellen,  namentlich  in  Kansas,  Illinois  sowie  in  der  Nahe 
Winipegs  werden  noch  kleinere  Herden  in  umfriedetem  Park  gehalten,  aber 
das  gewaltige  Tier  ist  unaufhaltsam  auf  den  Aussterbeetat  gesetzt.  Ich  selbst 
habe  iibrigens  noch  1891  ganze  Eisenbahnziige  gesehen,  die  mit  auf  den 
Prarien  gesammelten  Biiffelknochen  beladen  wraren  und  die  fiir  die  grossen 
Knochenmuhlen  bestimmt  waren.  Auch  die  Horner  wurden  von  den  Indianern 


XVII.    Die  Huftiere.  677 


gesammelt,  fein  poliert  und  von  den  Sqaws  auf  den  Stationen  der  Kanadian- 
Pacific  den  Touristen  angeboten. 

Der  Bison  erreichte  eine  Schulterhohe  von  i  %  bis  2  m,  fallt  aber  gleich 
hinter  der  Schulter  stark  nach  dem  Schweif  zu  ab.  Kopf,  Schultern  und 
Seiten  sind  mil  einer  dichten  braunschwarzen  Mahne  bedeckt,  die  bis  zu  den 
Knien  niederfiel  und  zwischen  den  Hornern  eine  Haarlange  von  30  bis  40  cm 
erreichte.  Die  Bullen  haben  einen  langen  dichten  herabhangenden  Bart.  Die 
Augen  sind  gross  und  blitzen  tiickisch  unter  den  viberhangenden  Haaren  hervor. 
Die  Horner  sind  kurz  gedrungen  und  spitz  und  nur  schwach  gebogen.  Das 
Fell  ist  sehr  dicht,  warm  und  leicht  und  gibt  die  besten  Schlittendecken. 


Gesch.   Spezialaufn.  d.  Neuen  Phot.  Ges. 
Moschusochse  (Ovibos  moscbatus ) . 

Das  Haar  eignete  sich  auch  zu  f einen  Gespinsten  und  wurde  mehrfach  versucht, 
die  Tiere  zu  domestizieren,  zur  Ausnutzung  des  Haares  und  des  Fleisches, 
doch  schlugen  alle  Versuche  aus  wirtschaft lichen  Griinden  fehl.  Ein 
kanadischer  Biiffelzuchter  schlachtet  noch  jetzt  jahrlich  einige  Tiere  und 
verkauft  das  Fleisch  pro  Pfund  zu  i  Dollar,  das  Fell  zu  ungefahr  100  Mk. 
Die  Hudsonsbay  Company  brachte  die  Buffeldecken  aus  ihrem  Gebiet 
ebenso  wie  den  grosseren  Teil  der  getrockneten  Biiffelzungen  in  Montreal 
zum  Verkauf,  den  Rest  der  Biiffelzungen  in  London.  Die  Zungen  schmeckten, 
wie  ich  aus  eigener  Anschauung  bekunden  kann,  viel  feiner  wie  Ochsenzungen. 
Auch  das  Fleisch,  namentlich  des  sogenannten  Humps,  des  Buckels,  gait  fur 
sehr  wohlschmeckend.  Der  sogenannten  Waldbiiffel  wird  von  den  meisten 
Forschern  als  eine  besondere  Art,  Bison  attabascae,  betrachtet.  Es  sind  die 
Biiffel,  die  in  kleinen  Trupps  statt  auf  den  Prarien  in  den  dichten  Waldern 


678  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

leben,  und  niemals  an  den  grossen  Wanderungen  teilnahmen.  Auch  sie  sind 
heute  fast  ausgestorben  und  finden  sich  nur  noch  einzelne  Paare  in  den 
machtigen  Nadelwaldungen  des  nordlichen  Hudsonsbay-Gebietes.  Friiher  gab 
es  auch  eine  kleine  Anzahl  Waldbiiffel  in  Arkansas  und  dem  Mississippital,  die 
aber  langst  ausgerottet  sind. 

Der  nachste  Verwandte  des  Bisons  ist  der  b)  europaische  Wisent,  B.  bonasus, 
oder  Auerochs,  wie  er  falschlich  genannt  wird.  Der  echte  Auerochs,  ein  Wild- 
rind,  ist  schon  seit  iibcr  5  Jahrhunderten  ausgestorben  und  der  Wisent  ist  nahe 
daran,  scin  Schicksal  zu  teilen.  Es  leben  noch  einige  Herden  in  Lithauen, 
Provinz  Grodno,  im  Bialowiczer  Walde,  einem  Gebiet  von  2000  Quadrat- 
kilometern,  das  noch  vollkommenen  Urwaldcharakter  bewahrt  hat,  ferner  im 
Kaukasus  und  in  den  Waldrevieren  des  Fiirsten  Pless  in  Oberschlesien. 

Fiir  den  Handel  haben  dieselben  gar  kein  Interesse,  da  nur  wenige  Stiicke 
jahrlich  abgeschossen  werden,  die  natiirlich  nicht  zum  Verkauf  kommen. 
Die  Wisents,  namentlich  die  Stiere  und  Kiihe  mit  Kalbern,  sind  sehr  wild  und 
gefahrlich.  Die  Stiere  werden  bis  2  m  an  der  Schulter  hoch  und  3%  m  lang. 
Der  Pelz  besteht  aus  dichter  gekrauselt  dicker  und  filziger  Wolle,  die  heller 
braun  ist  als  die  des  Bison.  Die  Mahne  an  Brust  und  Schulter  ist  ebenfalls 
viel  kiirzer,  dafiir  haben  die  Tiere  eine  Art  Haarkamm,  der  iiber  den  Riicken 
lauft.  Die  Horner  sind  langer  und  mehr  gekrummt,  als  bei  den  amerikanischen 
Verwandten  und  der  Riicken  lauft  gerade  und  fallt  nicht  nach  hint  en  ab,  wie 
bei  diesen.  In  friiheren  Jahrhunderten  war  der  Wisent  in  ganz  Europa  ver- 
breitet.  Heut  leben  vielleicht  im  ganzen  1500  bis  2000  Stuck. 

Einen  schwachen  Ersatz  fur  den  Ausfall  der  Biiffelfelle  bietet  c)  der 
Moschusochse.  Es  gibt  hiervon  zwei  Arten,  von  denen  Ovibos  moschatus  den 
aussersten  Norden  des  amerikanischen  Kontinents  bewohnt.  Seine  west- 
lichste  Verbreitungsgrenze  ist  der  Mackenzieriver,  nach  Siiden  bewohnt  er 
die  Barren  grounds  bis  in  die  nachste  Nahe  des  Fort  Churchill  und  des 
grossen  Barensee.  Eine  zweite  Art,  Ovibos  woodii,  bewohnt  Gronland  und  die 
benachbarten  Inselgruppen  wie  Grinnelland  und  Ellersmere  Land.  Zoologisch 
bilden  die  Tiere  einen  Ubergang  von  den  Rindern  zu  den  Schafen. 

Die  Schulterhohe  betragt  selten  mehr  als  I  m,  die  Lange  bis  ^y^m. 
Der  Korper  ist  sehr  massig,  der  Hals  kurz  und  dick,  die  Beine  kurz  und  kraftig. 
Der  Schwanz  ist  ein  bis  7  cm  langer  Stummel,  die  Horner  bedecken  ahnlich 
wie  beim  Kafferbuff  el  die  ganze  Stirne  und  sind  an  den  Enden  stark  nach  vorn 
und  oben  gekrummt.  Der  Pelz  ist  ausserordentlich  lang  und  dicht,  die  Haare 
bilden  an  den  Seiten  einen  welligen  seidenweichen  Behang  von  60  bis  80  cm 
Lange  von  dunkelgraubrauner  Farbe  mit  einer  dicht  en  hellen  Unterwolle,  auf 
dem  Riicken  sind  die  Haare  nur  kurz,  und  hinter  der  Schulter  fehlen  sie  ganz, 
so  dass  hier  die  helle  Unterwolle  eine  helle  schabrackenartige  Zeichnung  bildet. 
Friiher  waren  die  Tiere  ziemlich  selten,  da  sie  eben  nur  an  den  abgelegensten 
Gegenden  des  hohen  Nordens  vorkommen.  Nur  die  Hudsonsbay  Company 
brachte  jahrlich  eine  kleine  Anzahl  Felle  in  den  Handel,  und  auf  den  Polar- 


XVII.   Die  Huftiere.  679 


expeditionen  warden  stes  auch  eine  Anzahl  erlegt.  Das  erste  kompletterSkelett 
nebst  Pelz,  welches  in  europaische  Museen  gelangte,  besorgte  ich  fur  das 
Berliner  Museum  im  Jahre  1877.  Mil  der  grosseren  Erschliessung  der  Polar- 
regionen  sind  die  Tiere  aber  jetzt  an  fast  alien  Museen  vertreten  und  lebend 
auch  in  Zoologischen  Garten  vertreten,  z.  B.  in  Berlin.  In  ihrer  Heimat 
sind  die  Tiere  noch  ziemlich  zahlreich,  und  sie  wissen  der  sparlichen  Sommer- 
vegetation  der  Arktis  noch  eine  geniigende  Nahrung  abzugewinnen.  Ihrem 
ganzen  Habitus  nach  sind  sie  sehr  geeignet,  den  Unbilden  des  arktischen 
Klimas  zu  trotzen.  Fiir  viele  der  neuen  Polarexpeditionen  bildet  die  Jagd 
auf  Moschusochsen  haufig  eine  Lebensfrage.  Ausser  den  Menschen  haben  die 


In  Deutschland  gezogener  Karakulbock  (Rittergut  Graeden). 

Moschusochsen  keinen  Feind  zu  furchten,  denn  Wolfe  und  Baren  wissen  sie 
sich  mit  den  gewaltigen  spitzen  Hornern  und  den  stahlharten  Hufen  vom 
Leibe  zu  halten.  Auch  fiir  den  Menschen  ist  die  Jagd  auf  Moschusochsen 
durchaus  nicht  ohne  Gefahr.  Die  trotz  ihrer  Kleinheit  sehr  starken  und 
wie  alle  Wildrinder,  sehr  jahzornigen  und  mutigen  Tiere  nehmen  den  Jager 
sofort  an,  und  da  sie  sehr  zah  sind,  vertragen  sie  oft  eine  Menge  Kugeln,  ehe 
eine  totlich  wirkt.  Den  modernen  weittragenden  Prazisionswaffen  gegeniiber 
sind  sie  freilich  machtlos.  Ein  Schuss  in  die  Stirn  ist  aber  ganzlich  wirkungslos. 
Jetzt  kommen  jahrlich  etwa  5ooFelle  in  den  Handel,  die  im  Duschschnitt  mit 
etwa  25  Dollar  pro  Stuck  bezahlt  werden  und  prachtvolle  Fussteppiche  ab- 
geben.  Aus  der  iiberaus  feinen  Wolle  fertigen  einige  Eingeborenenstamme 
sehr  schone  Gewebe.  Das  Fleisch  soil  sehr  wohlschmeckend  sein,  obgleich  das 
Wildpret  der  Stiere  einen  starken Moschusgeruch  hat,  der  sich  aber  beimHangen 
an  der  Luft  verliert.  Ubrigens  konnen  die  Tiere  vortrefflich  klettern.  Wahrend 
der  Eiszeit  lebten  Moschusochsen  nebst  dem  Renntier  und  dem  Lemming  in 
Europa  bis  nach  Frankreich  hinein,  wie  zahlreiche  Knochenfunde  beweisen. 


680  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

2.  Die  Schafe. 

Die  Schafe  sind  als  Haustiere  uber  die  ganze  Welt  verbreitet,  und  ausser- 
dem  kommen  Wildschafe  in  Asien,  .Nordamerika,  Afrika  und  Slide uropa  in 
einer  grossen  Menge  von  Arten  vor,  die  aber  fur  den  Pelzhandel  kein  Interesse 
haben.  Am  wichtigsten  fur  diesen  sind  die  asiatischen  Hausschafrassen,  die  in 
zwei  grosse  Unterabteilungen  zerfallen,  die  Fettschwanzschafe,  Ovis  platyura, 
und  die  Fettsteissschafe,  0.  steatopyga,  bei  diesen  findet  sich  iiber  den 
Hinterkeulen  eine  Fettmasse,  die  oft  ein  Gewicht  von  10  bis  23  Pfund  erreicht, 
und  die  haarlos  ist.  Dazwischen  ist  dann  ein  kurzer  verkiimmerter  Schwanz- 
stummel,  der  nur  3  bis  4  Wirbel  hat.  Das  Fettschwanzschaf  dagegen  hat  einen 
langen  Schwanz  mit  bis  zu  20  Wirbeln,  der  in  der  Basis  mit  einer  Fettschicht 
ausgepolstert  ist,  sehr  breit  und  niedergedriickt,  unten  fast  nackt  mit  einer 
wolligen  Spitze  ist.  Diese  Rasse  ist  in  der  Krim,  Persien,  Bucharei,  Tibet, 
Syrien  usw.  verbreitet,  kommt  aber  in  Arabien  nicht  vor.  Die  Wolle  ist  dicht, 
kraus  und  lang,  die  Lammfelle  schon  gelockt.  Am  wertvollsten  ist  das 
Persianerlamm,  das  aber  nicht  aus  Persien  kommt,  wie  friiher  irrtiimlich  an- 
genommen  wurde,  sondern  aus  der  Bucharei  in  Zentralasien.  Es  wird  auch 
Karakul  genannt,  nach  dem  gieichnamigen  Distrikt  zwischen  der  Stadt 
Buchara  und  dem  Oxus  gelegen,  wo  diese  Rasse  zuerst  geziichtet  sein  soil. 
Englisch  Persian  lamb,  franzosisch  astracan.  Die  ausgewachsenen  Tiere, 
die  nicht  sehr  gross  sind,  sondern  ein  Gewicht  von  hochstens  60  bis  80  Pfund 
erreichen,  sind  fast  stets  dunkelgrau,  die  Wolle  ist  lang,  grob  und  mit  steifen 
straff  en  Haaren  untermischt.  Diese  Wolle  wird  viel  zur  Teppichweberei  ver- 
wendet.  Die  Lammer  haben  in  den  ersten  Lebenstagen  eine  geschlossene 
glanzende  Locke,  die  nach  10  Tagen  sich  lockert  ,,offen  wird",  und  dann 
immer  langer  wird.  Nach  drei  Monaten  etwa  hat  das  Tier  richtige  Wolle,  ist 
aber  noch  vollkommen  schwarz,  und  erst  etwa  nach  6  Monaten  ist  die  Um- 
farbung  in  grau  vollendet.  Mit  vollen  9  Monaten  ist  das  Tier  ausgewachsen  und 
fortpflanzungsfahig.  Die  Lammer  werden  nun  zwischen  dem  fiinften  und 
zehnten  Lebenstage  geschlachtet,  die  Felle  sorgfaltig  getrocknet,  und  dann 
in  Ballen  von  200  Stuck  verpackt,  die  dann  in  Filz  eingepackt  und  versendet 
werden.  Der  grossere  Teil  kommt  nach  Nishnij  Nowgorod  zur  Messe,  der 
andere  Teil  wird  schon  an  Ort  und  Stelle  von  Aufkaufern  Leipziger  und 
Moskauer  Hauser  erworben.  Der  Hauptzuchter  ist  der  Herrscher  von  Buchara, 
der  an  den  verschiedensten  Stellen  seines  Reiches  grosse  Her  den  unterhalt,  bei 
denen  aufmerksam  sowohl  fur  Reinheit  der  Rasse  wie  fur  rechtzeitige  Blut- 
auffrischung  gesorgt  wird.  Die  jahrliche  Ausbeute  von  Lammfellen,  die  etwa 
200  ooo  Stuck  betragt,  wird  direkt  nach  Nishnij  gesandt,  wo  einer  seiner 
Minister  sich  personlich  mit  dem  Verkauf,  der  stets  in  einer  geschlossenen 
Partie  geschieht,  bekummert.  Die  Felle  kommen  schliesslich  fast  atte  nach 
Leipzig,  da  sich  allmahlich  herausgestellt  hat,  dass  sie  dort  am  besten  gefarbt 
werden  und  allein  den  prachtvollen  seidenartigen  Glanz  erhalten,  der  sie  zu 


XVII.    Die  Huftiere. 


68l 


dem  allseits  beliebten  Pelzwerk  gemacht  hat.  Nach  dem  Zurichten  und  Farben 
werden  sie  hier  sortiert  und  zwar  bevorzugt  fast  jedes  Land  eine  andere  Art 
der  Locke.  Es  hat  sich  daraus  auch  naturgemass  ergeben,  dass  das  Persianer- 
geschaft  in  den  Handen  einiger  weniger  grossen  Fir  men  ist,  die  eigene  Zu- 
richterei  und  Farberei  besitzen  und  die  kapitalkraftig  genug  sind,  solche 
Quantitaten  an  Rohwaren  einkaufen  zu  konnen,  dass  sie  die  richtigen  Sorti- 
ments  fiir  jedes  Land  herstellen  konnen.  Diese  grossen  Leizpiger  Firmen  senden 
auch  eigene  Einkaufer  bis  nach  Buchara.  So  gehen  auch  die  in  Russland  im- 
portierten  Persianerfelle  in  rohem  Zustande  nach  Leipzig  und  werden  von  hier 
aus  fertiggestellt  nach  Russland  zuriickgeschickt,  wo  sie  obendrein  einen 


In  Deutschland  gezogene  Karakulschafe  mit  Lammern  (Rittergut  Graeden). 

hohen  Eingangszoll  bezahlen  miissen.  Alle  Versuche,  die  Persianer  an  anderen 
Orten  zu  farben,  sind  fehlgeschlagen. 

Besseren  Erfolg  versprechen  die  Versuche  das  Karakulschaf  ausserhalb 
seiner  Heimat  einzubiirgern.  Die  ersten  Akklimationsversuche  schlugen  zwar 
uberall  fehl,  die  Locke  der  Lammer  wurde  stets  offen  und  grob,  und  nahm 
beim  Farben  nicht  den  erforderlichen  Glanz  an.  Man  hatte  nicht  beachtet, 
dass  die  Tiere  unbedingt  eine  stark  salzhaltige  Pflanzennahrung  brauchen, 
wie  es  die  Graser  der  zentralasiatischen  Steppen  liefern,  und  ferner,  dass  die 
Lammer  stets  spatestens  am  10.  Tage  geschlachtet  werden  miissen.  In  Deutsch- 
land gelang  es  den  unermiidlichen  Versuchen  des  Geheimrat  Kuhne  von 
der  landwirtschaftlichen  Hochschule  in  Halle  a.  S.  die  Sache  in  Fluss  zu 
bringen.  Er  fuhrte  zuerst  eine  Anzahl  von  ca.  30  echte  Karakulschafe  aus 
Buchara  ein,  die  auf  seinem  Gute  Lindchen  in  der  Mark  weiter  geziichtet 
wurden.  Er  beabsichtigte  aber  nicht,  einfach  eine  weitere  Schafrasse  in 


682  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Deutschland  einzufiihren,  sondern  wollte  ein  veredeltes  Landschaf  schaffen, 
das  die  armsten  Sandboden  ausnutzen  sollte.  Diese  sollten  mit  Ginster  be- 
pflanzt  werden,  der  bekanntlich  auch  mit  dem  geringsten  Boden  vorlieb  nimmt, 
und  dabei  zu  den  schmetterlingsblutigen  Pflanzen  gehort,  welche  den  Boden 
mit  aus  derLuft  aufgenommenem  Stick  stoff  bereichern.  Auch  durch  den  Mist 
der  weidenden  Schafe  findet  eine  Verbesserung  des  Bodens  statt,  bis  er  nach 
einer  Reihe  von  Jahren  zur  Aufforstung  reif  ist.  Als  Kreuzungsmaterial 
hat  sich  unter  unseren  Landschafen  am  besten  das  Rhonschaf  bewahrt.  Aber 
erst  von  der  8.  Generation  sind  die  Lammfelle  wirklich  brauchbar,  wobei  aber 
zu  beachten  ist,  dass  nur  mit  reinrassigen  Karakulbocken  gekreuzt  wird.  Die 
Kreuzungsbocke  sind  zur  Nachzucht  nicht  brauchbar,  weshalb  alle  Bock- 
la  mmer  geschlachtet  werden  und  fur  Reinzucht  von  Bocken  Sorge  zu  tragen 
ist.  Es  beschaftigen  sich  bereits  eine  ganze  Reihe  von  Gutsbesitzern  mit  der 
Karakulzucht. 

Einen  grossen  Erfolg  versprechen  auch  die  Versuche  in  Deutsch-Siidwest- 
afrika,  wohin  im  Jahre  1909  ein  grosser  Transport  von  liber  200  Karakal- 
schafen  abging,  die  fur  Rechnung  der  deutschen  Reichsregierung  durch  Herrn 
Kommerzienrat  Thorer  aus  den  besten  Stammherden  Bucharas  besorgt  und 
nach  Deutschland  iibergefuhrt  wurden,  was  grosse  Schwierigkeiten  bot,  da 
die  russische  Regierung  der  Ausfuhr  der  Karakulschafe  grosse  Hindernisse  in 
den  Weg  legt,  um  die  Industrie  im  Lande  zu  halt  en.  Die  Tiere  kamen  auch 
gliicklich  in  der  deutschen  Kolonie  an,  wo  sie  gerade  in  den  dortigen  salz- 
haltigen  Steppenflanzen  und  dem  passenden  ihrer  Heimat  ahnlichen  Klima 
sehr  giinstige  Lebensbedingungen  finden.  Kurz  nach  ihrer  Ankunft  hiess  es, 
dass  die  ganze  Herde  der  in  Siidafrika  herrschenden  Seuche  der  sogenannten 
,,Blauzunge"  zum  Opfer  gefallen  sei.  Es  stellte  sich  aber  nachher  als  Irrtum 
heraus.  Die  Krankheit,  die  gar  nicht  Blauzunge,  sondern  ein  Katarrhalfieber 
war,  war  zuerst  unter  den  Karakuls  ausgebrochen,  von  denen  ihr  aber  nur 
ein  Teil  erlag,  wahrend  sie  rasch  um  sich  griff  und  einen  grossen  Teil  der  Schaf- 
bestande  der  Kolonie  wegraffte.  Erst  als  man  den  wahren  Charakter  der 
Krankheit  erkannte,  wurde  ihr  rasch  Einhalt  getan  und  jetzt  findet  eine 
rascae  Vermehrung  statt.  Junge  Bocke  werden  bereits  zahlreich  an  Farmer 
zu  Kreuzungen  verkauft. 

Die  Felle  des  Persianer-Lamms,  wie  sie  in  den  Handel  kommen, 
sind  50  bis  60  cm  lang,  und  haben  einen  augenblicklichen  Wert  von  ca.  20  bis 
30  Mk.  roh.  Gefarbt  und  sortiert  werden  sie  je  nach  der  Schonheit  der  Locken 
ca.  20  bis  50  Mk.  per  Stuck  bezahlt.  Es  kommen  jahrlich  etwa  il/2  Millionen 
Stuck  an  den  Markt.  Dasselbe  Schaf  kommt  auch  in  Afghanistan  und  den 
benachbarten  Gebieten  vor,  doch  sind  die  Felle  aus  dieser  Gegend  nicht  so 
gut  wie  aus  der  Buchara. 

Breitschwanz,  diese  schonen  Felle  kommen  von  derselben  Schafrassev 
und  sind  teils  Friihgeburten,  teils  Felle  von  Lammern,  deren  Mutter  beim 
Lammen  eingegangen  sind,  und  die  dann  sofort  geschlachtet  wurden.  Dass 


XVII.   Die  Huftiere.  683 


es  ungeborene  Lammer  sind,  zu  deren  Erlangung  die  Mutter  geschlachtet 
werden  muss,  wie  man  in  vielen,  selbst  naturwissenschaftlichen  Biichern  liest, 
gehort  in  das  Reich  der  Fabel.  Die  Muttertiere  sind  viel  zu  wertvoll,  als  dass 
man  sie  dafiir  opfern  wiirde,  ausserdem  muss  das  kleine  Tier  bereits  geatmet 
haben,  da  sonst  das  Fell,  wie  das  Fell  von  gefallenen  Tieren,  keinen  Glanz 
beim  Farben  annehmen  wiirde,  sondern  stumpf  bleibt.  Eine  gleich  verbreitete 
Fabel  ist  auch,  dass  die  Nomaden  die  Lammer  gleich  nach  der  Geburt  in  Stoffe 
einnahen,  damit  die  Locke  schon  bleibt. 

Die  Breitschwanzlammfelle  sind  kaum  halb  so  gross  wie  die  Persianerfelle 
und  haben  keine  Locken,  sondern  ein  kurzes,  glattes  Haar,  das  aber  eine 
wunderschone  moireartige  Zeichnung  hat.  Das  Leder  ist  auch  viel  diinner 
als  bei  den  Persianern,  weshalb  dieses  schone  Pelzwerk  leider  nicht  sehr  dauer- 
haft  ist.  Die  Farbe  ist  ebenfalls  schwarz,  den  schonen  Glanz  erhalten  sie  auch 
erst  durch  das  Farben,  wobei  auch  die  Zeichnung  schoner  hervortritt.  Trotz 
ihrer  geringen  Grosse  werden  die  rohen  Breitschwanze  gewohnlich  ebenso  hoch 
bezahlt  wie  die  Persianer.  Fertig  sortiert  kosten  sie  zur  Zeit  pro  Stuck  ca.  30 
bis  60  Mk.  Es  kommen  jahrlich  etwa  100  ooo  Stuck  in  den  Handel. 

Zu  den  Fettschwanzschafen  gehort  auch  das  eigentliche  persische  Schaf, 
dessen  Felle  im  Handel  unter  dem  Namen  Schi r  a  s  vorkommen.  Es  ist  noch 
etwas  kleiner  als  die  bucharische  Rasse,  und  die  Locke  ist  meist  etwas  offener. 
Das  Haar  nimmt  auch  in  der  Farbe  nicht  den  schonen  Seidenglanz  an  wie  die 
echten  Persianer.  Das  rohe  Fell  hat  einen  augenblicklichen  Wert  von  6  bis 
10  Mk.  Die  jahrliche  Produktion  mag  etwa  2  bis  300  ooo  Stuck  betragen. 
Eine  zweite  Schafrasse,  die  in  Persien  gehalten  wird  und  die  wohl  mit  dem 
arabischen  Fettschwanzschaf  identisch  ist,  liefert  die  sogenannten  Salzfelle, 
die  geringer  an  Qualitat  wie  die  Schiras  und  stumpfer  in  der  Farbe  sind. 
Die  Felle  haben  ihren  Namen  daher,  dass  sie  der  besseren  Haltbarkeit  halber 
vor  dem  Trockenen  gesalzen  werden.  Dieselbe  Rasse  kommt  in  Nordarabien 
und  in  Syrien  vor,  und  liefern  diese  Gegenden  daher  auch  viele  Salzfelle.  Die 
Felle  der  ausgewachsenen  Tiere  werden  zur  Leder fabrikat ion  viel  exportiert, 
namentlich  iiber  Bagdad  und  Basra,  wo  sich  der  Zentralmarkt  fur  den  Handel 
befindet,  und  kommen  jahrlich  wohl  I  bis  2  Millionen  solcher  Schaffelle  nach 
London  in  die  Schaffell-Auktionen. 

Fniher  wurde  in  Persien  noch  eine  Schafrasse  gehalten,  deren  Lammer  stets 
grau  waren,  und  eine  kleine  kaum  viel  grosser  als  ein  Stecknadelkopf  grosse 
Locke  besassen,  weshalb  sie  auch  in  England  Pinhead  persian  lamb  genannt 
wird,  im deutschen  Pelzhandel  ,,graue  kleinlockige  Persianer".  Es 
ist  dies  das  Fell,  welches  zurVerbramung  der  Husaren-Dolmans  in  der  deutschen 
Armee  verwendet  wird.  Die  Rasse  ist  aber  ganz  ausgestorben,  oder  vielmehr 
mit  den  anderen  Schafrassen,  die  wahrscheinlich  grosser  en  Wollertrag  liefert  en, 
so  oft  gekreuzt  worden,  dass  jetzt  fast  gar  keine  solche  Lammfelle  in  den 
Handel  kommen.  Die  wenigen  Felle,  die  jahrlich  am  Markt  sind,  werden  mit 
80  Mk.  bezahlt  und  dariiber,  wahrend  noch  vor  20  Jahren  der  Preis  6  bis  8  Mk. 


•684  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

betrug.  Die  Felle,  die  jetzt  noch  aufzutreiben  sind,  werden  fiir  die  Dolmans 
der  Offiziere  verwendet,  wahrend  fiir  die  Mannschaft  grauer  Krimmer 
verarbeitet  wird.  Dies  ist  ebenfalls  eine  Rasse,  die  zu  den  Fettschwanzschafen 
gehort,  und  die  ausschliesslich  in  der  Krim  gehalten  wird.  Die  Lammer  sind 
stets  grau,  die  Locke  etwas  grosser  und  offener  als  die  Persianer-Locke,  doch 
findet  man  starke  Abweichungen,  da  hierbei  jedenfalls  der  Zeitpunkt  'der 
Schlachtung  nicht  so  piinktlich  innegehalten  wird,  als  bei  den  Persianern. 

Es  kommen  jahrlich  etwa  60  ooo  Stuck  in  den  Handel  im  Werte  von 
6  bis  8  Mk.  per  Stuck. 

Ebenfalls  zu  den  Fettschwanzschafen  und  zwar  zu  den  sogenannten 
tscherkessischen  gehort  das  Uckrainer  Schaf,  bei  dem  auch  der  Schwanz 
besonders  lang  entwickelt  ist  und  fast  zur  Erde  reicht,  wahrend  das  Fettpolster 
sehr  geschwunden  ist.  Die  Lammfelle  sind  stets  schwarz,  die  Wolle  kurz  und 
offenlockig,  aber  stumpf ,  und  nimmt  auch  beim  Farben  keinen  Glanz  an.  Das 
jahrliche  Quantum  diirfte  20  bis  30  ooo  Stuck  kaum  iibersteigen. 

Eine  weitere  sehr  kleine  Schafrasse  wird  in  Siidrussland  und  einem  Teil 
der  westlichen  zentralasiatischen  Steppen  namentlich  bei  den  Kirgisen  geholt, 
das  Astrachan-Schaf.  Die  Lammfelle  werden  roh  ,,Treibel"  genannt, 
im  gefarbten  Zustande  Astrachan.  In  England  heissen  sie  ebenso,  in  Amerika 
werden  sie  falschlich  Caraculs  genannt,  ebenso  in  Frankreich,  wo  man  dann 
logisch  die  Persianer  ebenso  falsch  als  ,,Astracan"  bezeichnet.  Das  Lammfell 
ist  bedeutend  kleiner  als  die  vorhergehenden  Arten,  etwa  20  bis  30  cm  lang. 
Die  Farbe  ist  auch  keine  einheitliche,  sondern  man  findet  weisse,  braune, 
schwarze  und  gefleckte.  Braun  ist  vorwiegend.  Das  Fell  ist  nicht  gelockt, 
sondern  mehr  gewassert  oder  geflamt,  und  je  mehr  die  Zeichnung  einen  moiree- 
.artigen  Charakter  annimmt,  desto  teurer  ist  das  Fell.  Auch  diese  Lammer 
miissen  sehr  Jung  geschlachtet  werden,  doch  kommen  auch  etwas  altere  Felle 
in  den  Handel,  die  dann  schon  eine  grobe  offene  unregelmassige  Locke  zeigen, 
und  erheblich  weniger  Wert  haben.  Gefarbt  werden  sie  ausschliesslich  in 
Leipzig,  wo  ihnen  die  Farbe  einen  schonen  Seidenglanz  verleiht.  Die  jahrliche 
Produktion  betragt  ca.  i  Million  Stuck,  der  Wert  schwankt  von  i  bis  10  Mk. 
pro  Stuck.  Die  Friihgeburten  dieser  Rasse  (den  Breitschwanzen  der  Persianer 
entsprechend)  werden  Galj  aks  genannt.  Diese  sindganz  glatt,  sehr  kurzhaarig, 
und  zeigen  eine  etwas  verschwommene  Zeichnung.  Gute  Exemplare  mit  etwas 
deutlicher  Zeichnung  werden  mit  2  bis  3  Mk.  bezahlt.  Sehr  haufig  findet  man 
hierbei  Felle,  bei  denen  der  Narden  vielfach  gesprungen  ist,  was  der  Kiirschner 
als  ,,schnattig"  bezeichnet.  Solche  Felle  sind  fast  wertlos.  Eine  ahnliche  Er- 
scheinung  findet  sich  auch  mitunter  bei  den  Breitschwanzen,  doch  nicht  an- 
nahernd  so  haufig.  Es  ist  mir  iibrigens  nicht  klar,  ob  das  Astrachaner  Schaf 
zu  den  Fettschwanz-  oderFettsteissschafen  gehort,  und  habe  ich  inderLiteratur 
nichts  dariiber  finden  konnen. 

Das  Fettsteissschaf,  0.  steatopyga,  ist  weit  verbreitet  sowohl  in  ganz 
Afrika  als  auch  in  Asien,  namentlich  in  Arabien,  wo  seine  Ursprungsheimat  sein 


XVII.    Die  Huftiere.  685 


soil,  Indien  usw.  Diese  Rasse  wird  aber  nirgends  zu  Pelzzwecken  verwendet, 
da  es  statt  der  Wolle  nur  straffe  Haare  hat,  wohl  aber  das  nordasiatische  Fett- 
steissschaf.  Das  sogenannte  Tatarenschaf  wird  in  ganz  Mittelasien  von  der 
europaischen  Grenze  bis  nach  China  gehalten.  Es  ist  ein  ziemlich  grosses  Tier, 
das  ausgewachsen  ein  Gewicht  bis  zu  200  Pfund  erreicht.  Der  Pelz  enthalt 
viel  grobe  Haare  mil  der  Wolle  vermischt,  die  hauptsachlich  zu  Filzfabrikation 
verwendet  wird,  wahrend  die  Lammfelle  zu  Pelzen  verarbeitet  werden.  Grosse 
Markte  dafiir  sind  Orenburg  und  Petropaulowsk.  Die  sogenannten  ,,Bu- 
charen"  gehoren  wohl  auch  zu  dieser  Rasse,  groblockige  schwarze  Lamm- 
felle, die  jedenfalls  zu  Fettsteissschafen  gehoren. 

In  China  werden  verschiedene  Schafrassen  gehalten.  In  Nordchina,  der 
Mongolei  und  der  Mandschurei  findet  man  auch  das  Fettsteissschaf,  0. 
aries  steatopyga.  Siidlich  der  Provinz  Chili  wird  es  nicht  mehr  geziichtet,  sondern 
vom  Nor  den  her  eingefiihrt.  Nur  vereinzelte  Tiere  werden  auch  in  Kiangsu 
usw.  gehalten.  Das  Tier  ist  mit  einer  dichten  groben  Wolle  bedeckt,  die,  wenig 
gekrauselt,  in  Europa  und  Amerika  hauptsachlich  zur  Filzfabrikation  und 
Teppichweberei  Verwendung  findet.  Das  Fleisch  ist  sehr  wohlschmeckend 
und  namentlich  der  Fettschwanz,  der  aber  beim  Braten  stark  zusammen- 
schrumpft,  eine  wirkliche  Delikatesse.  Hammelfleisch  ist  auf  dem  Markte  in 
Shanghei  stets  teurer  als  Rindfleisch  und  kostet  30  bis  40  Pf.  pro  Pfund. 
Ubrigens  nimmt  fast  jeder  Dampfer,  der  nach  Japan  oder  Hongkong  geht, 
eine  Anzahl  Schafe  aus  Shanghai  mit.  Dieser  Ort  bildet  einen  Zwischenhandels- 
platz  dafiir.  Die  Felle  der  etwa  einen  Monat  alten  Lammer  bilden  als  ,,mongo- 
lian  lambskins"  und  die  der  funf  bis  sechs  Monate  alten  Tiere  als  ,,slins- 
kin",  chinesisch  Tseo  Ko,  ein  beliebtes  Pelzwerk.  Etwa  eine  halbe  Million 
solcher  Felle  wird  jahrlich  ausgefuhrt,  aber  viel  mehr  werden  im  Lande  selbst 
verbraucht.  Die  Lammfelle  haben  einen  Wert  von  50  Pf.  bis  i  Mk.,  die  Slinks 
von  ca.  3  Mk.  Letztere  haben  eine  ziemlich  feine,  gekrauselte  Locke.  Man 
unterscheidet  auch  hierbei  nach  der  Herkunft  zwei  Sorten,  ,,Hsinshis"  und 
,,Lienshengs",  letztere  sind  feiner  und  kiirzer  in  der  Locke,  gekrauselt.  Viele 
Felle  kommen  auch  in  Gestalt  von  Kreuzen,  3  Felle  enthaltend,  in  den  Handel. 
Ich  konnte  iibrigens  nie  genau  feststellen,  ob  die  Slinks  junge  Tiere  des  Fett- 
steissschaf s  sind  oder  einer  anderen  in  Nordchina  vorkommenden  Schafrasse, 
da  auch  viele  Schaffelle  in  den  Handel  kommen,  die  eine  viel  feinere  ge- 
krauselte Wolle  haben  als  das  Fettsteissschaf.  Die  Tiere  selbst  habe  ich  nicht 
gesehen,  glaube  aber,  dass  es  eine  andefe  Rasse  ist,  die  vielleicht  mit  dem 
Tibet schaf  verwandt  ist. 

In  der  Provinz  Szechuen  wird  eine  Schafrasse  geziichtet,  die  viel  bessere 
Wolle  hat  als  das  gewohnliche  chinesische  oder  mongolische  Schaf  und  mit  den 
in  Tibet  in  grossen  Herden  gehaltenen  starken  Schafen  ubereinzustimmen 
scheint;  seine  Wolle  gelangt  in  Hankow  zum  Verkauf. 

Diese  Schafe  aus  Tibet,  die  iibrigens  auch  in  grossen  Mengen  als  Last- 
tiere,  namentlich  zum  Transport  des  Salzes  nach  Indien  benutzt  werden, 


686  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

sind  nicht  zu  verwechseln  mil  den  sogenannten  Tibetfellen  des  Handels, 
die  gar  nicht  aus  Tibet  kommen,  sondern  nur  in  China  gezuchtet  werden  und 
zwar  ausschliesslich  in  den  Provinzen  Shansi  und  Shensi.  Es  steht  iibrigens 
noch  nicht  ganz  fest,  ob  das  Tier  za  den  Schafen  oder  zu  den  Ziegen  gehort. 
Ausserlich  ahnelt  es  mehr  der  Kaschmirziege,  hat  aber  eine  dichtere  Unter- 
wolle  als  diese,  die  Chinesen  bezeichnen  es  als  ,,Schaf"  Wujang  oder  Lo  Jang, 
wahrend  sie  die  Lammfelle  Tan  pih  (pih  heisst  Fell)  nennen.  Die  Zucht  findet 
hauptsachlich  der  Lammfelle  halber  statt,  die  im  Pelzhandel  eine  grosse  Rolle 
spielen.  Den  Lammern  wird  eine  sehr  sorgfaltige  Pflege  zuteil.  Der  Korper 
des  lebenden  Tieres  wird,  vvie  mir  die  Chinesen  ubereinstimmend  versicherten, 
gleich  nach  der  Geburt  in  Baumwollstoff  eingenaht,  damit  die  Locken  moglichst 
wenig  beschadigt  werden.  (Das  hat  oft  zu  der  weitverbreiteten  falschen  Meinung 
Anlass  gegeben ,  dass  die  Persianerlammer  der  Bucharen  so  eingehiillt  werden) . 
Im  Alter  von  6  Wochen  bis  2  Monaten  werden  die  Tiere  geschlachtet,  nachdem 
die  Felle  vorher  sorgfaltig  gewaschen,  ausgekammt  und  gebiirstet  sind.  Die 
Felle  werden  dann  weich  gegerbt  und  sortiert.  Man  unterscheidet  hauptsachlich 
nach  den  Distrikten  die  folgenden  Sorten: 

D  a  t  u  n  g  s  ,  grosse  mit  feingekrauselten  kraftiger  glanzenden  Locken, 
aber  mit  verhaltnismassig  diinner  Unterwolle.  Shia  Shings  (auch  Chowchings 
geschrieben)  kleiner,  aber  dichtere  feine  Locken,  nicht  ganz  so  fein  gekrauselt, 
aber  starkere  Unterwolle,  dann  die  augenblicklich  beliebtesten  ,,Tung  Chows" 
mit  starken  guten  Locken  und  dichter  Unterwolle,  aber  wenig  glanzend. 
Die  Felle  sind  grosser  als  die  vorhergehenden  Sorten,  und  werden  die  extra 
grossen  Felle  besonders  heraussortiert  und  als  ,,elefants"  verkauft,  wahrend 
die  anderen  dann  als  ,, ordinary  size"  bezeichnet  werden.  Die  nachste  Sorte 
sind  die  Shentifus,  deren  Wolle  den  Tungchows  ahnlich  ist,  die  aber  ein 
dickeres  Leder  haben  und  deshalb  billiger  sind.  Als  S  i  k  a  o  s  wird  jetzt  eine 
groblockige  dickledrige  Sorte  bezeichnet,  wahrend  friiher  aus  diesem  Distrikt, 
ein  mittelgrosses  Fell  mit  glanzenden  gelockten  aber  diinnen  Haaren  kam. 
Schliesslich  findet  man  noch  die  sogenannten  K  a  1  g  a  n  s  ,  die  nur  etwa  halb  so 
gross  als  die  Tungchows  sind,  und  eine  kiirzere  grobe  Locke  haben.  Es  sind  dies 
jedenfalls  keine  reinen  Tibetschafe,  sondern  wahrscheinlich  eine  Kreuzung. 
Jede  dieser  Sorten  wird  dann  nach  der  Feinheit  und  Art  der  Locken  in 
I,  II  und  III  sortiert,  uridiwird  bei  Bestellungen  stets  das  Sortiment  mit  an- 
gegeben,  60  Proz.  Prima,  30  Proz.  Sekunda,  10  Proz.  Tertia  waren  als  gutes 
Sortiment  zu  bezeichnen.  Gepackt  werden  die  Felle  in  Kisten  von  200  resp. 
300  Stuck.  Der  Hauptmarkt  dafiir  ist  London  und  Hamburg,  doch  werden 
sehr  viele  auch  auf  telegraphische  Bestellungen  hin,  direkt  nach  Berlin,  Leipzig 
und  New  York  verkauft. 

Es  gibt  in  China  grosse  Fabriken  zum  Gerben  der  Felle,  und  jeder 
Fabrikant  driickt  einen  grossen  rot  en  Stempel  mit  Namen,  Marke  usw.  auf 
das  Leder.  Friiher  wurden  die  Felle  nur  im  Lande  verbraucht,  wo  sie  einen 
wesentlichen  Bestandteil  der  Winterkleider  des  besseren  Mittelstandes  bildeten, 


XVII.   Die  Huftiere.  687 


und  zwar  wurden  sie  zu  grossen  Rocken  (Coats),  die  mit  Armeln  versehen  sind, 
oder  zu  Reitjacken,  ,,maquas"  oder  ,,Kreuzen",  zusammengesetzt.  Ein  kleiner 
Teil  kommt  noch  als  sogenannte  ,, robes",  die  eigentlich  lange  Kreuze  sind. 
Anfang  der  achtziger  Jahre  kamen  die  ersten  Coats  auf  demWege  iiber  Irbit  und 
Nishnij  Nowgorod  nach  Europa  und  wurden  mit  iiber  300  Mk.  bezahlt.  1887 
wurden  die  ersten  direkten  Sendungen  durch  mich  nach  Deutschland  gebracht 
und  mit  etwa  130  Mk.  bezahlt,  dann  trafen  grosser e  Mengen  ein  und  der  Preis 
fiel.  1891  kamen  die  ersten  unzusammengenahten  Felle,  und  jetzt  werden 
jahrlich  etwa  600  ooo  Felle,  etwa  20  ooo  (6  bis  8  fellige)  Kreuze  und  3000  bis 
4000  Coats  (ein  Coat  enthalt  14  Felle)  exportiert.  DerWert  einesFelles  schwankt 
sehr,  anfanglich  kostete  dasselbe  im  Durchschnitt  10  Mk.,  jetzt  ist  der  Preis  je 
nach  Sortiment  und  Qualitat  4  bis  7  Mk.  pro  Stuck.  Der  Verbrauch  im  Lande 
ist  naturlich  viel  grosser.  Die  Felle  der  ausgewachsenen  Tiere,  von  denen  auch 
je  zwei  zu  einer  Decke  verarbeitet  werden,  sind  viel  weniger  wert;  eine  Decke 
kostet  selten  mehr  als  3  bis  4  Mk.  Sie  werden  als  ,,chinesische  Schafdecken" 
gehandelt.  Sie  sind  mit  einer  langen,  feinen,  wenig  gekrauselten  Wolle  und  einer 
dichten,  straff  en,  seidenartigen  Unterwolle  bedeckt.  Diese  ausgekammte 
Unterwolle  kommt  auch  als  ,, Cashmere  goathair"  in  den  Handel.  In  Tientsin 
wird  sie  aber  meistens  noch  mit  der  Unterwolle  der  gewohnlichen  chinesischen 
Ziege  gemischt.  Zum  Export  kommen  etwa  50  ooo  bis  100  ooo  solcher 
Decken  jahrlich.  Tibetfelle  werden  meist  weiss  verarbeitet,  doch  wird  auch 
ein  grosser  Teil  schwarz  gefarbt.  Am  besten  geschieht  das  Farben  in  London, 
<ioch  liefert  Frankreich  gleichfalls  gute  Farbe  auf  Tibet.  Eine  Zeit  lang 
wurden  sie  auch  bunt  gefarbt,  doch  biirgerte  sich  diese  Methode  nicht  ein. 


3.  Kurzschwanzschafe. 

Die  in  Europa,  Amerika  und  Australien  sowie  in  Afrika  am  Kap  gehaltenen 
Schafe  kann  man  in  drei  Gruppen  teilen.  A.  Feine  Wollschafe 
(Merino,  Rambouillet,  Negretti,  Sachsische  Electorals  usw.).  B.  Fleisch- 
s  c  h  a  f  e  (Southdown,  Cheviots,  Walliser,  Lincolns,  Leicester  usw.)  mit  ihrer 
grossen,  erst  seit  einiger  Zeit  geziichteten  Unterabteilung  der  Fleischwoll- 
schafe,  die  ausgiebige  Fleischnutzung  mit  guter,  *  wenn  auch  nicht  feiner 
Kammwolle  verbinden.  C.  Die  sogenannten  Landschafe,  wie  die 
Haidschnucken,  Rhonschafe,  friesischen  Milchschafe  usw.,  die  Islander- 
Schafe,  Sardinier,  Zackelschafe  usw.  Von  den  feinen  Wollschafen  werden 
die  Schaffelle  gar  nicht,  die  Lammfelle  nur  wenig  gebraucht.  Die  so- 
genannten Schmaschen,  das  heisst  die  Felle  totgeborener  oder  gleich  nach 
dem  Lammen  eingegangener  Tiere,  werden  aber  mehr  gebraucht.  Haupt- 
sachlich  sind  die  sogenannten  Buenos  Aires-Schmaschen  im 
Handel  bekannt.  Von  Argentinien  und  Montevideo  kommen  jahrlich  etwa 


688  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

l/2  Million  soldier  Felle,  da  bei  der  dortigen  extensiven  Wirtschaft,  wo  die  Tiere 
das  ganze  Jahr  auf  der  Weide  bleiben,  bei  einem  nassen  Friihjahr  sehr  viel 
Tiere  beim  Lammen  eingehen.  Man  unterscheidet  hierbei  Gerber-  und 
Kurschnerschmaschen.  Letztere  sind  mit  kleinen  Stecknadelkopf  grossen 
festen  Lockchen,  die  mehr  die  Form  von  Knopfen  haben,  bedeckt  und  sehr 
flach.  Sie  werden  in  Leipzig  schwarz  gefarbt,  und  dann  meist  nach  Ungarn, 
Rumanien  usw.  exportiert,  wo  sie  zu  Pelzmiitzen  verarbeitet  werden.  Aus- 
gesuchte  Felle  werden  auch  in  Deutschland  ungefarbt,  aber  gebleicht  zu 
Kindergarniturenund  dergleichen  verarbeitet.  Die  Gerberschmaschen  bilden  ein 
gesuchtes  Material  fur  Handschuhleder,  wozu  auch  die  Schmaschen  der  anderen 
Woll-  und  Fleischschafe  verwendet  werden.  Von  Argentinien  kommt  auch 
noch  ein  grosseres  Quantum  von  Lammfellen  und  zwar  sowohl  der  feinen  Woll- 
schafe,  wie  der  dort  gezogenen  Fleischschafe,  meist  Lincoln,  und  der 
Kreuzungsrassen,  sogenannte  Criollos,  die  aber  auch  fast  ausschliesslich  zu 
Lederzwecken  Verwendung  finden. 

Der  Preis  der  Buenos  Airesschmaschen  schwankt  nach  der  Konjunktur 
von  30  bis  90  Pf.  pro  Stuck.  Augenblicklich  ist  der  Preis  ca.  80  Pf.  roh.  Von 
den  Fleischschafen  spielen  nur  die  englischen  Schaffelle  im 
Pelzhandel  eine  Rolle.  Hauptsachlich  die  Felle  der  Lincolns  und 
Leicestershire-Schafe,  die  eine  feinseidige  Wolle  von  5  bis 
10  Zoll  Lange  haben,  werden  dazu  verwendet.  Diese  Felle  werden  in  be- 
sonderen  Fabriken  zugerichtet  und  entweder  gebleicht  oder  mit  Anilin- 
farben  in  verschiedenen  bunten  Farben  gefarbt  und  bilden  unter  dem 
Namen  Angoraschafe  einen  grossen  Handelsartikel.  Das  fertige  Fell 
kostet,  je  nach  Grosse  und  Qualitat,  von  15  bis  30  Mk.  und  kommen  jahrlich 
wohl  100  ooo  Stuck  auf  den  Markt.  Man  hat  versucht,  solche  Felle  auch  in 
Deutschland  zuzurichten  und  zu  farben,  aber  mit  nur  geringem  Erfolge. 

Von  den  Landschafen  werden  viele  Felle  verarbeitet.  H  a  i  d  - 
schnucken  sind  kleine,  mit  sehr  langer  straffer  Wolle  versehene  Schafe, 
die  in  der  Liineburger  Heide  gehalten  werden.  Ein  ausgewachsener  Hammel 
wiegt  oft  nur  30  Pfund.  Die  Felle  werden  zu  Decken  verarbeitet,  die  Felle 
der  Lammer  zu  Kindergarnituren  usw.  Benihmt  sind  diese  Tiere  wegen  des 
aussergewohnlich  feinen  Fleisches.  Im  Handel  mit  ihnen  verwechselt  werden 
haung  die  Eiderstedter  Schafe,  die  sehr  gross  sind,  aber  ein 
ganz  ahnliches  Fliess  haben,  und  die  gleichfalls  unter  dem  Namen  Haid- 
schnuckenfelle  zu  Decken  und  Fussteppichen  verarbeitet  werden. 

Von  weit  grosserer  Bedeutung  sind  die  Abarten  des  Zackelschafes  und 
ahnlicher  Rassen  in  Siidost-Europa.  Aus  Siebenbiirgen  kommen 
grossere  Lammfelle,  die  naturschwarz  sind,  mit  dickem  Leder  und  starker 
nach  der  Spitze  in  Lockchen  zusammengedrehter  Wolle  von  grosser  Dichtig- 
keit  und  ziemlicher  Feinheit.  Sie  bilden  das  Material  fur  Eisenbahnpelze  usw. 
und  fiir  die  Schafpelze  der  Bauern  usw.  Zu  gleichem  Zwecke  dienen  die 
Felle  der  Macedonier  und  T  u  r  k  e  n  ,  die  aus  den  Balkanstaaten 


XVII.   Die  Huftiere.  689 


kommen,  grosser,  langhaariger  und  grobwolliger  sind  und  die  zu  gleichem 
Zwecke  verwendet  werden,  aber  billiger  sind.  Alle  die  Arten  sind  Rassen 
des  Zackelschafes.  Hauptausfuhrort  fiir  die  letzteren  ist  der  Hafen  Volo 
in  Macedonien,  wahrend  der  Hauptmarkt  fiir  Schaffelle  zu  Pelzen  Budapest 
ist.  Allein  in  Deutschland  werden  jahrlich  mindestens  eine  Million  schwarzer 
Schaffelle  verarbeitet,  daneben  nimmt  Osterreich  und  Russland  ein  grosses 
Quantum,  insgesamt  etwa  drei  Millionen.  In  Ungarn  werden  auch  die 
weissen  Felle  des  Zackelschafes  zu  Bauernpelzen  verarbeitet,  die  mit  dem 
sorgfaltig  gegerbten  und  haufig  gestickten  Leder  nach  aussen  getragen 
werden,  die  sogenannten  ,,Bundas".  Der  ungarische  Hirt  tragt  solche 
Bundas  haufig  auch  im  Sommer.  Auch  in  Deutschland  wurden  friiher  viele 
Schalpelze  mit  dem  Leder  nach  aussen,  ohne  Stoffbezug,  getragen,  sogenannte 


Haidschnucke. 

,,nackte  Pelze".    Jetzt  findet  man  solche  nur  noch  im  Osten,  in  Oberschlesien, 
Posen  usw.  in  grosseren  Mengen. 

Die  verschiedenen  Schmaschensorten  werden  auch  hauptsachlich  zu  Pelz- 
futtern  benutzt,  die  meist  leicht,  warm  und  verhaltnismassig  billig  sind.  Auch 
zu  Armelfuttern  von  besseren  Pelzen  werden  sie  verwendet.  Die  bekanntesten 
Sorten  sind  S  a  r  d  i  n  i  e  r  ,  kleine  glatthaarige  Fcllchen.  Auch  die  aus- 
gewachsenen  Tiere  dieser  Rasse  sind  klein,  ein  ausgewachsener  Widder 
wiegt  nur  ca.  50  Pfund,  Die  Wolle  ist  lang  und  grob,  und  geben  die  Tiere 
reichlich  und  gute  Milch. 

S  i  z  i  1  i  a  n  e  r  sind  kraftige  wenig  gelockte  etwas  braunliche  Lamm- 
felle.  T  r  i  e  s  t  e  r  sind  die  am  meisten  verarbeiteten  Schmaschen,  fein  im 
Haar,  mit  etwas  offener  Locke. 

44 


690  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

Spanische  Schmaschen  sind  schwarz,  kurzlockig  mit  einer 
Art  Zeichnung  und  hiibsch  leicht.  T  u  r  i  n  e  r  sind  feine,  glanzend  schwarze 
Felle,  Calabreser  grosse  krauslockige  Ware,  Korsikaner  klein 
aber  kraltig  glatthaarig.  Von  diesen  Sorten  kommen  jahrlich  zusammen 
etwa  i  Million  Stiick  in  den  Handel.  Die  Preise  schwanken  zwischen  50  Pf. 
bis  3  Mk.  je  nach  Qualitat  und  Konjunktur. 

Sehr  fein  sind  die  Lammer  des  Islander-Schafs.  Schaf-  und 
Pferdezucht  bilden  bekanntlich  die  Haupteinnahmequellen  der  Insel.  Das 
ausgewachsene  Schaf  ist  auch  klein,  die  Locke  lang  und  fein  gekrauselt, 
mit  einer  dichten  feinen  Unterwolle.  Die  Felle  werden  manchmal  zu 
Garnituren  verarbeitet  und  mitunter  auch  buntgefarbt.  Verarbeitet  werden 
sie  hauptsachlich  in  England. 

Die  Lammfelle  spielen  eine  viel  grossere  Rolle  im  Pezhandel.  Sie  sind 
verschiedenartig,  weiss,  braun,  schwarz  und  bunt,  doch  ist  wciss  vorwiegend. 
Die  Felle  sind  fein  seidig  und  schon  gelockt  und  bilden  ein  sehr  beliebtes 
Material  fur  Kinder jacketts  und  Kindergarnituren.  Es  kommen  aber  selten 
mehr  als  20  ooo  Stiick  jahrlicb  zum  Export.  Der  Wert  ist  2  bis  4  Mk.  pro  Stiick. 


4.  Die  Ziegen. 


Gewissermassen  einen  Ubergang  von  den  Schafen  zu  den  Ziegen  bildet 
die  Rockymountain-Wollziege.  Dies  eigenartige  Tier  tragt 
ein  Flies  von  lajigem,  weissem,  wollartigem  Haar,  das  namentlich  an  den 
Seiten  so  lang  herabhangt,  class  es  fast  die  Fiisse  bedeckt.  Es  gibt  zwei 
Arten.  Orcamus  montanus  bewohiit  die  oberen  Rocky  Mountains  von  Oregon, 
Britisch  Kolumbia  und  Alaska,  kommt  aber  in  der  Olympia-Kette  nicht 
vor.  Die  Farbe  ist  gelblich  weiss.  Am  Kinn  ein  gelblicher  langer  Bart, 
die  Homer  etwas  geringelt,  klein,  schwach  riickwarts  gebogen.  Die  Unter- 
wolle ist  dicht  und  kurz.  Vom  Copperriver  bis  Alaska  lebt  0.  Kemadii,  das 
sich  hauptsachlich  durch  die  Form  der  Horner  unterscheidet,  die  auswarts 
gebogen,  an  der  Spitze  wieder  einwarts  streben  und  schwarz,  zur  Halite 
gerippt  sind.  Auch  weicht  die  Bildung  des  Schadels  ab,  sonst  ist  das  Aussere 
ganz  ahnlich.  Die  Tiere  sind  sehr  scheu  und  ausserst  gewandte  Kletterer. 
Friiher  galten  sie  als  ungemein  selten,  so  dass  ich  1876  das  erste  Fell  be- 
sorgte,  das  in  einem  europaischen  Museum  vorhanden  war.  Jetzt  werden 
dieselben  ziemlich  zahlreich  erlegt,  namentlich  bei  Gelegenheit  der  Jagd  auf 
das  Bighorn-Wildschaf,  dessen  Gehorn  eine  wertvolle,  gesuchte  Trophae 
bildet,  und  birgt  der  Berliner  Zoologische  Garten  sogar  ein  lebendes  Exemplar. 

Die  Hudsonsbay  Company  importiert  jahrlich  einige  hundert  Felle,  die  mit 
einigen  Schillingen  per  Stiick  bezahlt  werden.  Die  Mehrzahl  der  erbeuteten 
Felle  bleiben  mit  dem  Gehorn  als  Trophaen  im  Besitz  des  Jagers. 


XVII.   Die  Huftiere.  691 


Die  Wildziegen,  die  sich  mil  Ausnahme  von  Australien  in  alien  Weltteilen 
Arorfinden,  haben  fur  den  Pelzhandel  gar  kerne  Bedeutung,  dagegen  spielen 
die  verschiedenen  Hausziegen-Arten  eine  grosse  Rolle.  Da  die  Ziege  sehr 
geniigsam  ist  und  reichlich  gute  Milch  abgibt,  wird  sie  namentlich  von  kleinen 
Leuten  viel  gehalten.  Ziegenzucht  im  grossen  dagegen  bezahlt  sich  nicht  so 
gut,  und  ist  auch  fiir  die  Kultur  des  Landes,  wo  sie  gehalten  werden,  ein  grosser 
Nachteil,  da  sie  starke  Waldverwiister  sind  und  den  Nachwuchs  gar  nicht  auf- 
kommen  lassen.  Zu  den  altesten  Rassen,  die  in  grossen  Herden  gehalten  werden, 
gehort  die  Angora-Ziege,  Capra  angorensis,  mit  langem,  weissen,  seidigen  Haar 
und  grossen  schraubenformigen  Hornern.  Das  Tier  ist  grosser  als  die  gewohn- 
liche  Hausziege.  Das  Haar  ist  fein  gelockt  und  erreicht  eine  Lange  von  10  bis 
20  cm.  Die  Unterwolle  ist  nur  diinn.  Die  Heimat  des  Tieres  ist  das  Hochland 
von  Kleinasien,  von  wo  aus  einige  tausend  Felle  jahrlich  an  den  Markt  kommen, 
hauptsachlich  iiber  Konstantinopel.  Friiher  waren  diese  Felle  sehr  gesucht  zur 
Fabrikation  von  Franzen  und  in  der  Posamentenfabrikation.  Jetzt  hat  der 
Bedarf  sehr  nachgelassen  und  auch  zu  Fussteppichen  sind  sie  nicht  so  beliebt 
wie  die  unechten  Angoras,  die  englischen  Schafdecken.  Das  Haar  liefert  das 
Mohairgarn,  das  hauptsachlich  zur  Anfertigung  von  Pliisch  dient.  Die  Tiere 
sind  nach  der  Capkolonie  eingefuhrt,  wo  sie  sich  sehr  gut  akklimatisiert  haben, 
wenn  auch  das  Haar  an  Lange  und  Feinheit  verloren  hat.  Die  Zahl  der  Angora- 
ziegen  in  der  Capkolonie  betragt  jetzt  ca.  5  Millionen  Stuck.  Die  Ausfuhr 
lebender  Tiere  ist  von  dort  aus  verboten,  doch  ist  jetzt  die  Ausfuhr  nach 
Deutsch-Siidwestafrika  gestattet,  da  man  hier  auch  eine  weitere  Ausfuhr  nicht 
erlaubt. 

Die  wertvollste  Ziege -ist  die  Kaschmir-Ziege,  C.  lanigera,  die  in  Kashmir 
und  den  angrenzenden  Gebirgsdistrikten  lebt.  Das  Fell  wird  nicht  benutzt,  die 
feine  Unterwolle,  die  sich  im  September  bildet  und  im  April  ausfallt,  wird  zur 
Fabrikation  der  Kaschmirshawls  benutzt.  Eine  Anzahl  dieser  Ziegen  wird  in 
Siidfrankreich  gehalten,  doch  ist  die  Zahl  sehr  zuriickgegangen,  seit  diese 
Shamls  nicht  mehr  modern  sind.  C.  villanosa,  die  Zottelziege,  die  in  Tibet  ge- 
halten wird,  hat  ein  ausserordentlich  dichtes  und  langes  Haar,  das  am  Riicken 
eine  Lange  von  50  cm  erreicht.  Die  Farbe  ist  dunkelbraun  und  schwarz. 
Felle  kommen  wenig  in  den  Handel.  In  Italien  wird  eine  Ziege,  C.  hircus  ge- 
ziichtet,  die  sehr  langes,  feines,  seidiges  Haar.  hat,  mit  geringer  Unterwolle, 
schwarz,  die  zur  Zeit  als  die  Affenfelle  in  Mode  waren,  als  Affenziegen  gesucht 
waren.  Die  Felle  der  anderen  europaischen  Ziegen  dienen  nur  zur  Lederfabri- 
kation  und  die  Felle  der  Zickel,  zur  Anfertigung  von  Handschuhleder.  Fiir  uns 
sind  sie  nur  insofern  von  Interesse  als  sowohl  Ziegen  wie  Zickelfelle  von  den 
Aufkaufern  der  sogenannten  Land  ware  mit  gekauft  werden  miissen.  Die  Felle 
der  nicht  ganz  ausgewachsenen  Ziegen  werden  als  ,,Heberlinge"  bezeichnet. 

Eine  Ausnahme  bilden  die  russischen  Ziegen.  Es  kommen  hierbei  haupt- 
sachlich zwei  Arten  in  Betracht.  Die.  eine  Art,  C.  hircus,  die  sogenannte  Baren- 
.ziege,  hat  ein  dichtes,  langhaariges  Fell,  das  teils  naturell  schwarz,  teils  gefarbt, 


692  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

zu  Garnituren,  Decken  usw.  verarbeitet  wird.  Das  in  denWelthandel  kommende 
Quantum  ist  nicht  sehr  gross  und  diirfte  augenblicklich  10  bis  15  ooo  Stuck 
jahrlich  kaum  ubersteigen.  Die  Felle  dieser  und  der  gewohnlichen  Ziege  werden 
aber  in  Russland  in  grossem  Massstabe  zur  Herstellung  nackter  Pelze  fiir  die 
Muschiks  benutzt,  und  zwar  sowohl  langer  Pelze,  als  auch  sogenannter  Halb- 
pelze,  die  in  der  Taille  anschliessend  bis  zum  Knie  reichen.  Das  Leder  ist 
gelblich  braun  gebeizt,  und  haufig  fein  ausgenaht  oder  gestickt.  Solche  Pelze 
kosteten  vor  3  bis  4  Jahren  3  bis  12  Rubel.  Ein  einziges  Moskauer  Haus  liefert 
jahrlich  iiber  100  ooo  solcher  Pelze.  Alle  diese  Ziegenpelze  haben  iibrigens 
einen  scharfen  unangenehmen  Geruch. 

Von  sehr  grosser  Bedeutung  ist  dagegen  die  andere,  die  sogenannte 
mongolische  Ziege,  C.  mongolica,  deren  Felle  als  Mufflon  im  Handel  bekannt 
sind,  obgleich  sie  mit  diesem  in  Siideuropa  lebenden  Wildschafe  gar  nichts  zu 
tun  haben.  Das  Fell  wird  niemals  im  natiirlichen  Zustande  verwendet,  sondern 
die  Felle  der  meistens  ein  Jahr  alten  Tiere  werden  zubereitet  und  das  Oberhaar 
ausgerupft,  so  dass  nur  die  seidenweiche  glanzende  dichte  Unterwolle,  die  eine 
Lange  von  3  bis  5  cm  erreicht,  auf  dem  Fell  bleibt.  Die  Hauptfabrikation  be- 
findet  sich  in  Kasan,  von  wo  sie  in  Ballen  von  200  Stuck  in  den  Handel  kommen. 
Man  unterscheidet  weisse  und  sogenannte  blaue,  die  aber  meist  braunlich  bis 
modefarben  sind.  Die  weissen  Felle  werden  teils  gebleicht  naturell  verwendet 
oder  silbergrau,  modefarben,  Chinchilla  usw.  mit  Anilin  gefarbt.  Das  Fell  ist 
sehr  leicht  und  hiibsch  und  wird  deshalb  sehr  viel  zu  Muffen,  Stolas  und  Be- 
satzen  fiir  Damenmantel  verwendet. 

Es  kommen  jetzt  jahrlich  etwa  100  ooo  weisse  und  200  ooo  blaue  Muffen 
in  den  Handel,  die  ersteren  kosten  augenblicklich  etwa  7  Mk.,  die  letzteren 
5  bis  6  Mk.  das  Stuck. 

Von  ebenso  grosser  Wichtigkeit  ist  heute  die  chinesische  Ziege,  C.  sinensis. 

In  China  ist  die  Hausziege,  chinesisch  San  Yang  hauptsachlich  durch 
zwei  verschiedene  Arten  vertreten. 

Die  Ziege  aus  Nordchina,  die  sogenannte  Tientsin-Ziege,  ist  bedeutend 
grosser,  die  Farbe  ist  bei  etwa  50  Proz.  der  Tiere  schwarz,  bei  ca.  20  Proz. 
weiss  und  der  Rest  ist  grau  oder  gemischtfarbig.  Das  Tier  ist  grosser  als  die 
europaische  Ziege,  das  Sommerhaar  ist  kurz  und  steif,  das  Winterhaar  lang  und 
weich  mit  einer  grauen,  weichen,  dichten  Unterwolle.  Namentlich  die  alten 
Bocke  entwickeln  ein  recht  ansehnliches  Vliess.  Die  Horner  sind  klein,  die 
Haut  dunn.  Die  grossten  Exemplare  dieser  Rasse  werden  in  der  Mandschurei 
gehalten,  doch  findet  man  die  meisten  Ziegen  weiter  westlich,  in  Shansi 
Shensi,  der  Mongolei  und  Kansu. 

In  Mittelchina  wird  eine  viel  kleinere  und  zierlichere  Rasse  gehalten,  die 
etwa  zwei  Drittel  des  Durchschnittsgewichts  der  Tientsin-Ziege  erreicht. 
Etwa  80  Proz.  sind  von  weisser  Farbe.  Das  Haar  ist  im  Sommer  nicht  ganz  so 
dunn,  mit  etwas  Unterwolle,  das  Winterhaar  aber  lange  nicht  so  dicht  wie  bei 
der  nordlichen  Ziege.  Allgemein  wird  diese  Rasse  als  Hankow-Ziege  bezeichnet. 


XVII.  Die  Huftiere.  693 


In  Schantung,  Honan  und  Anhui  findet  man  eine  Ubergangsform,  die  an 
Grosse  etwa  den  siidlichen  Ziegen  gleichkommt,  aber  gedrungener  und  kraf tiger 
im  Bau  ist  und  eine  viel  dickere  Haut  hat.  Die  Farbe  und  Behaarung  ist  wie 
bei  der  nordlichen  Ziege;  bezeichnet  wird  dieselbe  als  Poochow-Ziege. 

Im  eigentlichen  China  werden  Ziegenherden  niemals  gehalten,  aber  fast 
jede  Familie  auf  dem  Lande  besitzt  drei  oder  vier  Ziegen,  wahrend  in  der 
Mongolei  grossere  Ziegenherden  existieren.  Die  Milch  wird  von  den  Chinesen 
nicht  benutzt,  das  Fleisch  dagegen  sehr  gern  gegesssen. 

Die  Haute  bilden  einen  bedeutenden  Exportartikel.  In  Nordchina 
namentlich  in  Shansi,  Shensi  und  der  Mandschurei,  werden  aus  den  gleich 
massig  mittellang  behaarten  Fellen  die  geeignetsten  ausgesucht,  gegerbt  und 
je  zwei  Felle  zu  einer  Decke,  den  sogenannten  ,, Chinese  goatrug"  verarbeitet,  die 
dann  in  Europa  und  Amerika  einen  bedeutenden  Handelsartikel  bilden.  Die 
Hauptorte  dieser  Industrie  sind  Kalgan,  Kwei  Wahen  und  Mukden.  Etwa 
400  ooo  bis  500  ooo  solcher  Decken,  im  Durchschnittswert  von  etwa  4  Mk., 
werden  jahrlich  ausgefiihrt.  Gewohnlich  werden  immer  7oProz.  graue,  30  Proz. 
weisse  zusammen  gehandelt.  In  Tientsin  werden  solche  in  Ballen  von  300  Stuck 
hydraulisch  gepresst.  Sortiert  sind  sie  meist  in  graue  50  Proz.  I,  35  Proz.  II, 
15  Proz.  Ill  weisse,  40  Proz.  I,  40  Proz.  II,  20  Proz.  Ill,  schwarze,  und  bunte 
sogenannte  Mixed-Decken  werden  besonders  offeriert.  Die  besten  Decken  sind 
die  sogenannten  Sikaodecken,  die  auch  grosser  sind,  dann  kommen  die  Kalgans, 
und  zuletzt  die  Newchangdecken,  die  langhaarig  und  mit  wenig  Unterwolle 
sind,  zwar  meist  10  bis  15  Proz.  billiger,  aber  nicht  beliebt.  Diese  Ziegendecken 
bilden  iibrigens  einen  der  altesten  Exportartikel  aus  China.  Seit  einigen  Jahren 
kommen  auch  gegerbt e  ausgesuchte  Felle,  die  in  Europa  gefarbt  werden  und 
das  Hauptmaterial  zu  den  gedrehten  Schweifchen  bilden.  Ausgesuchte  schone 
Exemplare  werden  auch  zu  Garni turen  verarbeitet.  Diese  Felle  kosten  unge- 
farbt  etwa  3  bis  5  Mk.  pro  Stuck  im  Durchschnitt.  Es  kommen  etwa  300  ooo 
Felle  jahrlich  zum  Export.  Die  anderen  Haute  werden  zur  Lederfabrikation 
namentlich  nach  den  Vereinigten  Staaten  und  Frankreich  export iert.  Hier- 
bei  sind  die  kurzhaarigen  Sommerfelle  die  wertvollsten,  ganz  im  Gegensatz 
zu  den  Rindshauten,  von  welchen  die  Winterhaute  mehr  gesucht  sind. 
Von  den  getrockneten  Hauten  der  nordlichen  Ziege,  den  ,,untanned  Tientsin 
goatskins",  gehen  jahrlich  etwa  2%  bis  3  Millionen  Haute  ins  Ausland. 
Dieselben  sind  sehr  sorgfaltig  behandelt  und  gereinigt,  mit  Ausnahme  der. 
Haute  aus  der  Mandschurei,  die  mit  Salz  behandelt  sind  und  deshalb  nicht 
so  gut  zur  Glacefabrikation  taugen. 

Von  der  Hankow- Ziege  sind  etwa  2  Millionen  und  von  der  Poochow-Ziege 
(als  untanned  Riverport  goatkins  bekannt)  etwa  i  Million  Felle  exportiert. 
Die  letzteren  sind  meist  schlechter  behandelt  und  mit  dicken  Schmutzkrusten 
bedeckt,  die  oft  kiinstlich  darauf  gebracht  sind,  denn  Ziegenfelle  werden  nach 
Gewicht  gehandelt.  Der  Durchschnittswert  eines  Felles  ist  2  bis  2,50  Mk. 
Das  Gewicht  eines  Felles  roh  schwankt  bei  den  Hankow-Ziegen  zwischen  i  bis 


694  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

i%  Pfund  (englisch  a  453  g),  bei  den  nordlichen  von  i1/^  bis  3  Pfund,  die 
fertigen  rugs  wiegen  4  Pfund.  Mindestens  die  gleiche  Zahl,  welche  ausgefiihrt 
wird,  wird  im  Lande  weissgar  gefarbt  und  von  den  Chinesen  verarbeitet. 

Im  Nor  den  bilden  auch  noch  die  Felle  der  jungen  Ziegenlammer,  als 
,,Kidskins",  einen  Gegenstand  des  Pelzhandels.  Sie  ahneln  im  Aussehen  den 
Astrachaner  Lammfellen,  die  ein  von  der  Mode  sehr  bevorzugtes  Pelzwerk. 
liefern.  Besonders  beliebt  sind  die  moireeartig  gewasserten  Felle,  die  von  unge- 
borenen  Lammern  herstammen  sollen.  Friiher  kam.en  solche  als  Felle  in  den 
Handel,  jetzt  meist  als  Kreuze,  die  etwa  20  Felle  enthalten. 

Diese  Kreuze  werden  in  Europa  schwarz  gefarbt  und  bilden  heute  einen 
Stapelartikel.  Nachst  dem  Moiree  kommen  die  sogenannten  kurzhaarigen  und 
geflammten,  dann  die  mittelhaarigen,  schliesslich  die  langhaarigen.  Letztere 
kosten  jetzt  ungefahr  3  Mk.  pro  Kreuz,  wahrend  die  Moiree  15  bis  20  Mk. 
bringen.  Ein  kleines  Quantum  sogenannter  Persianer-Locke  findet  sich  auch. 
dabei,  die  einen  gleichen  Wert  wie  die  Moiree  haben.  Es  kommen  jahrlich  etwa 
300000  Kreuze  und  ca.  100  ooo  einzelne.  Felle  zur  Ausfuhr,  wovon  etwa 
60  Proz.  schwarze,  30  Proz.  graue  und  10  Proz.  weisse  sind.  Die  ganz  feinen 
moireeweissen  Fellchen  kosten  3  bis  4  Mk.  per  Stuck,  die  schwarzen  einzelnen 
Fellchen  40  Pf.  bis  I  Mk.  Der  chinesische  Name  fur  die  Kidfelle  ist  Che  Hwa 
Tse.  Ein  grosses  Quantum  Kreuze  wird  auch  im  Lande  selbst  zu  Futtern 
verbraucht. 

Aus  der  Provinz  Chekiang  kommen  iibrigens  auch  gerupfte  Ziegenfelle 
,,Ban  Kaos"  unter  dem  Namen  chinesische  Mufflons  in  den  Handel.  Diese 
sind  stets  weiss  und  ahneln  den  russischen  Mufflonss,  doch  sind  sie  kleiner 
und  das  Haar  offener  und  lockerer.  Der  Wert  ist  2  bis  3  Mk.  pro  Stuck, 
Es  diirften  jahrlich  etwa  50  ooo  Stuck  an  den  Markt  kommen. 


5.  Das  Pferd. 

Zu  den  ,,Pelztieren"  kann  das  Pferd  erst  in  den  letzten  Jahren  gerechnet 
werden,  obgleich  das  Pferd  zum  altesten  Kulturbesitz  des  Menschen  gehort. 
ImTertiar  gehort  en  Vorfahren  unserer  Pferde  zu  den  verbreitetsten  Saugetierert 
iiberhaupt,  sowohl  in  Asien  und  Europa  als  auch  in  Nord-  und  Siidamerika, 
wenn  sie  auch  im  Eocan  nur  die  Grosse  eines  Fuchses  erreichten.  Im  Diluvium 
schweiften  schon  ungeheure  Herden  von  Wildpferden,  die  den  heutigen 
asiatischen  Wildpferden  ahnlich  sahen,  auf  den  Steppen  Europas  umher, 
in  der  Zwischeneiszeit  dem  ,,Solutreen"  dienen  ihre  Knochenfunde  geradezu 
als  ,,Leit fossil".  Sie  bildeten  die  Hauptjagdbeute  der  damals  lebenden 
Menschen.  Heute  gibt  es  nur  eine  einzig  lebende  Wildpferdart,  Equus 
Prezwalsky,  die  der  russische  Forschungsreisende  im  Tarimbecken  entdeckte, 
und  von  dem  sich  jetzt  auch  ein  Parchen  im  Berliner  Zoologischen  Garten  be- 


XVII.   Die  Huftiere.  695 


findet.  Diese  sind  aber  in  ihrer  .eigenen  Heimat  immerhin  nicht  sehr  haufig, 
doch  waren  sie  friiher  sehr  weit  verbreitet  und  die  Vorfahren  der  meisten 
unserer  heutigen  Pferderassen.  .  Bis  vor  kurzem  wurden  die  sogenannten 
,,Tarpans",  die  aui  den  Steppen  Sudrusslands  amherstreifen  als  echte  Wild- 
pferde  angesprochen.  Die  neuere  Forschung  hat  aber  ergeben,  dass  sie  die  Ab- 
kommlinge  verwilderter  Hauspferde  sind,  gerade  wie  die  Mustangs  von  Nord- 
amerika  und  den  ,,Cimmarons"  in  Sudamerika.  Noch  heute  verwildern  ent- 
laufene  Pferde  in  geeigneten  Localitaten  leicht,  und  verlocken  dann  auch 
andere  Pferdeherden,  namentlich  die  Stuten,  zur  Flucht,  wie  die  ,,Brommies" 
des  australischen  Busches  zeigen. 

Von  den  ganzen  so  verschiedenen  Rassen  des  Hauspferdes  kommt  aber 
fur  den  Pelzhandel  nur  eine  einzige  in  Betracht,  es  ist  dies  das  Kirgisenpferd. 
Die  Fohlen  werden  einige  Tage  nach  der  Geburt  geschlachtet,  nur  die  notige 
Zahl  zur  Nachzucht  wird  iibrig  gelassen.  Das  geschieht  einerseits  wohl,  um 
ungestort  in  den  Besitz  der  Stutenmilch  zu  gelangen,  welche  bekanntlich  bei 
den  Kirgisen  durch  Gahrung  zu  einem  berauschenden  Getrank,  dem  ,,Kumys" 
verarbeitet  wird.  Da  eine  Stute  nur  ein  geringes  Quantum  Milch  gibt,  wirkt 
die  Milchnutzung  des  Fohlens  storend,  doch  miissen  allerhand  Kunstgriffe 
angewendet  werden,  um  die  Mutterstute  iiber  die  Abwesenheit  des  Fohlens 
zu  tauschen.  Das  Melken  der  Stuten,  die  nur  2  Zitzen  zwischen  den  Hinter- 
beinen  haben,  ist  iiberhaupt  sehr  schwierig.  Die  Felle  dieser  Fohlen  erlangten 
mit  einem  Male  eine  wirtschaftliche  Bedeutung,  als  man  entdeckte,  dass  sie 
eine  moireeartige  Zeichnung  besassen,  die  dem  ,,Breitschwanz"-Lammfell  sehr 
ahnlich  sieht.  Anfanglich  wurden  diese  Fohlenfelle,  die  fast  ausschliesslich 
braun  oder  modefarbene  Farbung.  haben,  im  naturellen  Zustande  zu  Auto- 
mobilpelzen  verarbeitet  aber  vor  ca.  5  Jahren  begann  man  sie  glanzend- 
schwarz  zu  farben  und  bilden  diese  gefarbten  Fohlenfelle  unter  dem  Namen 
,,Ponyskins"  jetzt  einen  Stapelartikel  in  Amerika  zur  Anfertigung  von  Damen- 
jacketen.  Eskommen  jahrlich  etwa  200  ooo  Felle  an  den  Markt,  die  roh  etwa 
6  bis  8  Mk.  kosten.  Da  der  Pferdebestand  der  Kirgisen  auf  ca.  10  Millionen 
Stuck  geschatzt  wird,  ist  diese  Zahl  nicht  geeignet,  Besorgnisse  iiber  den 
Fortbestand  der  Zucht  zu  erregen.  Die  Felle  sind  durchschnittlich  etwa 
i, 20  m  lang. 

6.  Die  Hirsche. 

Die  Felle  der  Hirsche,  die  ja  in  grosser  Artenzahl  in  alien  Weltteilen,  mit 
Ausnahme  Australiens,.  vorkommen,  werden  nur  zu  Lederzwecken,  besonders 
zu  Fabrikaten  des  Samischleders  verwendet.  Eine  Ausnahme  bilden  drei 
Arten,  das  Reh,  das  Renntier  und. der  chinesische  Wasserhirsch.  Auf  die 
Naturgeschichte  unseres  Rehes,  Cervus  capreolus  einzugehen,  eriibrigt  sich 
wohl,  da  dasselbe  doch  geniigend  bekannt  ist.  Es  findet  sich  iiberall  in  Europa, 


606  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

namentlich  in  Gegenden,  die  zahlreiche  lichte  Geholze  aufweisen,  die  es  als 
Aufenthaltsort  dem  dichten  Walde  vorzieht.  Die  Winterfelle  werden  als 
Bettvorlage  und  Teppiche  verwendet  und  haben  augenblicklich  einen  Wert 
von  etwa  1,50  Mk.  Die  Sommerfelle  dienen  zur  Lederbereitung  und  sind  stets 
teuer.  In  Asien  lebt  eine  andere  Rehart,  C.  pyargus  chines.  Pao  Tse.  Eine 
Zeit  lang  spielte  das  Gehorn  dieser  Rehe  eine  grosse  Rolle.  Bekanntlich 
bildet  Rehgehorn  ein  bedeutendes,  wertvolles  Sammelobjekt.  Namentlich 
besonders  starke  oder  abnorme  Stiicke  werden  sehr  hoch  bezahlt.  Das  Gehorn 
des  sibirischen  Rehes  ist  nun  bedeutend  grosser  als  das  des  unsrigen,  so  dass 
Stangen  von  40  cm  Lange  und  entsprechender  Starke  sehr  haufig  vorkommen. 
Auch  Abnormitaten  finden  sich  zahlreicher  als  bei  irgend  einer  anderen  Hirsch- 
art.  Das  Sammeln  dieses  Gehorns  envies  sich  daher  als  sehr  lukrativ,  bis  fest- 
gestellt  wurde,  dass  sie  einer  anderen  Art  angehoren  und  deshalb  von 
ernsthaften  Sammlern  nicht  mehr  gekauft  wurden. 

Das  Tier  ist  wesentlich  grosser  als  C..  capreolus,  und  auch  mutiger,  da  sich 
die  Bocke  gegen  den  Hund  energisch  zur  Wehr  setzen.  Es  lebt  in  Ostsibirien 
bis  an  den  Amur.  Im  November  sammeln  sie  sich  zu  grossen  Herden  von  2  bis 
300  Stuck  und  wandern  nach  Siiden  in  die  Mandschurei,  von  wo  sie  im  April 
ihre  Wanderung  nach  Norden  antreten.  Sie  sollen  nach  Mollendorf  auch  in  der 
Provinz  Chile  vorkommen. 

In  der  Mandschurei  lebt  ein  anderes  Reh,  C.  manscburicus,  von  der  Grosse 
unseres  Rehes.  Auch  das  Gehorn  ist  kleiner  als  das  des  sibirischen,  aber  ahnlich 
in  der  Form.  Besonders  oft  sieht  man  Gehorn,  bei  welchem  die  Stangen  nicht 
gerade,  sondern  schwach  gebogen  sind  wie  bei  Pampashirschen.  Die  Farbe  des 
Felles  ist  auch  im  Winter  rotlich.  Als  Reh  werden  die  folgenden  Hirscharten 
von  den  dortigen  europaischen  Jagern  falschlich  bezeichnet. 

Der  kleine  Michies-Hirsch,  Elaphodus  michianus,  mit  55  cm  Schulterhohe, 
der  in  ganz  Ostasien  vorkommt,  namentlich  aber  in  der  Nahe  von  Ningpo 
vielfach  gefunden  wird.  Die  Farbung  ist  eisengrau  oder  pfeffer-  und  salzfarbig, 
indem  die  einzelnen  Haare  weiss  mit  braunen  Spitzen  sind.  Das  Geweih  fehlt 
ganz,  dagegen  sind  die  Eckzahne  des  Oberkiefers  hakenartig  verlangert  und 
stehen  iiber  die  Mundwinkel  hinaus.  Er  halt  sich  mit  Vorliebe  in  der  Nahe  des 
Wassers  auf. 

Hierin  ahnelt  er  dem  Wasserhirsch,  Hydropotes  inermis,  chinesisch  ,,ke". 
Ausserlich  ahnelt  er  dem  Reh  nur  in  der  Grosse,  mit  ca.  50  cm  Hohe,  sonst 
viel  mehr  dem  Moschustier  durch  die  gebogenen  Hauer  im  Oberkiefer,  die  beim 
Mannchen  ca.  8  cm  lang,  beim  Weibchen  bedeutend  kleiner  sind.  Ubrigens  hat 
Lydekker  festgestellt,  dass  die  inneren  Organe,  namentlich  die  Geschlechts- 
organe,  denen  des  Rehes  sehr  nahe  stehen.  Das  Gehorn  fehlt  ganzlich,  die 
Farbung  ist  hell  rotbraun  im  Sommer,  dunkelbraun  im  Winter.  Die  Jungen 
zeigen  undeutliche  Flecken.  Er  vermehrt  sich  sehr  stark,  indem  die  Ricke 
meistens  drei  bis  vier  Kitzen  auf  einen  Wurf  setzt.  Das  Tier  kommt  im  ganzen 
nordostlichen  China  vor  und  ist  besonders  auf  den  Yangtseinseln  haufig.  In 


XVII.   Die  Huftiere.  697 


Korea  wird  es  durch  cine  verwandte  Art  vertreten.  Seinen  Lieblingsaufent- 
halt  bilden  Rohrdickichte  am  Wasser,  auch  oftmals  die  kleinen  im  Lande  ver- 
streuten  Dickichte.  Hier  leben  meist  drei  bis  vier  Stuck  zusammen.  Eigen- 
tiimlich  sicht  es  aus,  wenn  sie  aufgescheucht  davoneilen,  da  sie  weder  traben 
noch  galoppieren,  sondern,  wie  der  Hase,  in  kleinen  Spriingen  davon  hoppeln. 
Wahrend  des  Winters  kommen  Tausende  der  Tiere  auf  den  Markt  in  Shanghai 
und  kosten  dort  etwa  3  bis  4  Mk.  das  ganze  Tier. 

In  der  Mandschurei  und  Mongolei  lebt  der  Cervus  Sika  manschuricus, 
chinesisch  Yang  Yin,  der  grosser  ist  als  der  gewohnliche  Sikahirsch  und  i  m 
Schulterhohe  erreicht.  Er  zeigt  die  typischen  Flecken  im  Sommerkleid, 
wahrend  das  Winter  fell  einfarbig  braun  ist.  Das  Geweih  hat  meist  8  Enden. 
Noch  grosser  ist  der  Peking- Sika,  Cervus  bortulorum,  mit  1,15  cm  Schulter- 
hohe, der  gleichfalls  die  Flecken  im  Sommerkleide  zeigt,  wahrend  das  zottige 
Winterfell  einfarbig  dunkelgrau  ist.  Er  lebt  hauptsachlich  in  Chili  und  den 
angrenzenden  Distrikten.  Die  Felle  aller  dieser  Hirscharten  werden  in  Nord- 
china  gegerbt  und  je  zwei  Felle  zu  den  ,,Deerugs",  bei  uns  Rehdecken  genannt, 
verarbeitet.  Von  diesen  Decken  kommen  jahrlich  etwa  30  bis  40  ooo  Stuck  in 
den  Handel,  die  einen  Einfuhrwert  von  2  bis  2,30  Mk.  haben. 

Vielfach  werden  sie  auch  als  Antilopendecken  im  Handel  bezeichnet.  Das 
ist  aber  wohl  ein  Irrtum,  das  Fell  der  chinesischen  Antilope,  Gazela  guthurosa, 
chinesisch  Huang  Yang,  ist  gelb.  Felle  kommen  nur  selten  in  den  Handel, 
denn  wenn  das  Tier  auch  in  grossen  Herden  in  den  Steppen  des  nordlichen 
Chinas  lebt,  ist  es  doch  sehr  scheu  und  nur  durch  einen  sehr  scharfen  Kugel- 
schuss  zu  erreichen.  Die  anderen  Antilopenarten,  Nemorhoedur  caudatus  und 
Antilopa  grisea  sind  nicht  nur  selten,  sondern  halten  sich,  wie  die  Gemsen, 
nur  in  schwer  zuganglichen  Gebirgsgegenden  auf. 


7.  Das  Renntier. 

Zu  den  Hirschen  gehort  auch  das  Renntier,  von  denen  mehrere  Arten  zu 
unterscheiden  sind.  Die  bekannteste  Art  ist  Rangifer  tarandus,  welche  in 
Spitzbergen,  Nova j  a  Semlja  Island  und  sonstigen  arktischen  Gegenden 
so  wie  im  Hochlande  von  Norwegen  wild  vorkommt.  Es  ist  ungemein  scheu 
und  sehr  schwer  zu  jagen,  hat  aber  trotzdem  in  letzter  Zeit  sehr  abgenommen. 
Im  ganzen  Norden  von  Asien  sowie  in  Lappland  wird  es  in  halbdomestizierten 
Zustande  gehalten.  Einzelne  Besitzer  haben  Herden  von  mehreren  tausend 
Stuck.  Kein  einziges  Haustier  beeinflusst  aber  die  Kulturstufe  seiner  Besitzer 
so  wie  das  Renntier,  da  es  niemals  lange  auf  einem  Revier  aushalt,  sondern 
fortwahrend  umherzieht  und  deshalb  seine  Besitzer  zu  einem  sehr  unsteten 
Nomadenleben  zwingt.  Es  sind  deshalb  auch  sehr  grosse  Weidedistrikte  not- 
wendig  und  haben  ja  in  jiingster  Zeit  die  Weiderechte  der  Lappen  zu  diplo- 


698  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

matischen  Verwicklungen  zwischen  Schweden  und  Norwegen  gefuhrt.  Das 
Tier  1st  sehr  geniigsam  und  nahrt  sich  hauptsachlich  von  Moosen  und  Flechten, 
weshalb  es  auch  das  einzige  Haustier  ist,  das  in  der  Tundra,  jener  oden  Moos- 
steppe  Sibiriens,  existieren  kann.  Dabei  ist  es  ein  ungemein  niitzliches  Tier. 
Ausser  der  Nutzung  des  Fleisches,  der  reichlichen  und  fetten  Milch  und  dem 
Fell  wird  es  zum  Ziehen  von  Schlitten  und  zum  Tragen  von  Lasten  benutzt. 
Besonders  starke  Bocke  dienen  auch  als  Reittiere,  wobei  der  Sitz  des  Reiters 
sehr  weit  vorn  fast  im  Nacken  ist.  Seine  Unruhe  wird  zum  Teil  auch  hervor- 
gerufen  durch  die  Verfolgungen  der  ungeheuren  Muckenschwarme,  die  gerade 
sein  Wohngebiet  bevolkern,  ausserdem  wird  es  stark  von  Bremsen  geplagt,  die 
ihre  Eier  unter  die  Haut  legen  und  dort  bosartige  Geschwiire  hervorrufen. 
Die  Horner  bilden  gleichfalls  einen  Handelsartikel,  dieselben  sind  sehr  gross, 
mit  einer  Unmenge  von  Zacken  und  Enden  versehen,  aber  nicht  geperlt, 
sondern  ganz  glatt.  Das  Geweih  des  wilden  Renntiers  unterscheidet  sich  vom 
zahmen  besonders  durch  die  bedeutend  dunklere  Farbe.  Das  Fleisch  kommt 
im  Winter  in  grossen  Waggonladungen  aus  Russland,  Finnland  und  Norwegen 
auch  zu  uns.  Fine  besondere  Delikatesse  bilden  die  Zungen,  die  getrocknet, 
namentlich  in  Moskau  und  Nishnij  Nowgorod  auf  den  Markt  kommen.  Friiher 
lieferte  auch  die  Hudsonsbay  Company  mehrere  tausend  Renntierzungen 
jahrlich.  Die  Felle  werden  meist  von  den  Eingeborenen,  den  Eskimos,  Lappen, 
Samojeden,  Tschuktschen  usw.  zu  sehr  warmen  leichten  Kleidungsstucken 
verarbeitet.  Bei  uns  dienen  die  Felle,  die  einen  Wert  von  etwa  5  bis  6  Mk. 
haben,  entweder  als  Teppiche  oder  werden  samischgar  zu  Fensterledern  usw. 
gegerbt.  Auch  feine  Bettunterlagen  werden  aus  dem  sehr  weichen,  feinen  Leder 
gefertigt.  Das  Haar  wird  zur  Fiillung  von  Rettungsjacken  benutzt,  da  es  noch 
leichter  und  tragfahiger  ist  als  Kork.  Fine  Jacke  mit  gestepptem,  mit  Renn- 
tierhaar  gefulltem  Futter  halt  einen  erwachsenen  Mann  iiber  Wasser. 

Von  besonderem  Werte  fur  unsere  Branche  sind  aber  die  Felle  der  jungen 
Renntiere,  die  unter  dem  Namen  ,,Pijecki"  von  Russland  aus  in  den  Handel 
kommen.  Das  Haar  derselben  ist  naturgemass  viel  kiirzer  und  weicher  als  das 
der  alten  Tiere  und  besitzt  auch  nicht  die  Briichigkeit,  die  das  Renntierfell 
noch  mehr  als  andere  Hirschfelle  auszeichnet.  Auch  ist  eine  Art  Moiree- 
Zeichnung  haufig.  Die  Farbe  ist  nicht  graubraun  wie  beim  ausgewachsenen  Tier 
sondern  mehr  modefarben.  Die  Pijeckifelle  werden  zu  Automobil-Pelzen, 
Jagdrocken  usw.  verwendet.  Der  Wert  ist  etwa  3  bis  10  Mk.  per  Stuck.  Es 
kommen  jahrlich  einige  Tausend  solcher  Felle  in  den  Handel.  Die  Zahl  der  aus- 
gewachsenen Renntierfelle,  die  auf  den  Weltmarkt  kommen,  schatze  ich  auf 
etwa  50  ooo,  die  Hauptmenge  aber  wird,  wie  schon  oben  erwahnt,  lokal  ver- 
braucht.  Zu  erwahnen  ist  noch,  dass  nicht  selten  der  Milzbrand  grosse  Ver- 
heerungen  anrichtet  und  ganze  grosse  Herden  wegrafft.  Eine  solche  Kalamitat 
hat  nicht  nur  starke  wirtschaftliche  Schadigungen  zur  Folge,  sondern  hemmt 
auch  alien  Verkehr  in  den  betroffenen  Distrikten. 

Im  aussersten  Norden  von  Amerika,  dem  Hudsonsbav-Gebiet,  leben  zwei 


XVII.   Die  Huftiere.  6qo 


Arten  wilde  Renntiere,    das  Waldcaribu,     Rangifer  cariboo,    und  das  Barren- 
ground-Rcntier,  Ranjijer  arcticus. 

Das  erstere,  welches  in  den  Waldgebieten  des  Athabascaw,  Peaceriver, 
Saskatchewan  und  Britisch  Kolumbias  lebt,  iiberschreitet  den  67.  Grad 
nordlicher  Breite  nicht.  Es  lebt  in  kleinen  Her  den,  30  bis  40  Stuck,  die  nur 
manchmal  im  Herbst  eine  grossere  Mitgliederzahl  zeigen.  Die  Brunst  ist  im 
September-Oktober,  und  nach  achtmonatlicher  Tragzeit  setzt  das  Alttier 
i  bis  2  Junge.  In  den  letzten  Jahren  ist  das  Waldcaribu  weiter  nach  Slide n 
vorgedrungenund  soil  jetzt  auch  in  Minnesota  und  am  Lake  Superior  vorkommen. 
Von  grosserer  Bedeutung  ist  das  Barrengroundcaribu,  das  auf  den  weiten 
tundraahnlichen  Ebenen,  besonders  ini  Mackenziegebiet  lebt.  Es  sammelt  sich 
imFruhjahr  zu  ungeheurenHerden,  die  an  die  Seeziehen,  wo  sie  vor  derMiicken- 
plage  mehr  geschiitzt  sind.  Im  Herbst  wandern  sie  dann  wieder  auf  die 
Barrengrounds  zuriick.  Die  Indianerstamme  des  Nordens  sind  geradezu  auf 
die  Caribus  als  eine  ihrer  Hauptnahrungsquellen  angewiesen,  und  als  vor 
zwei  Jahren  die  Renntiere  ihre  bekannte  Route  anderten  und  nach  Alaska 
zogen,  brach  eine  furchtbare  Hungersnot  unter  den  nordlichen  Indianern  aus. 
Auch  in  Labrador  ist  das  Caribu  haufig,  wahrend  es  in  Neufundland,  wo  es 
friiher  in  grossen  Her  den  lebte,  jetzt  infolge  rucksichtsloser  Verfolgung  selten 
geworden  ist.  In  Alaska  bestehen  sehr  scharfe  Schongesetze  zu  ihrem  Schutze, 
wie  ja  Alaska  iiberhaupt  mit  die  scharfsten  Jagdgesetze  in  Amerika  hat. 
Auch  in  Kanada  sind  geregelte  Schonzeiten.  Die  Felle  werden  auch  meist 
lokal  verbraucht,  nur  einige  tausend  Stuck  kommen  iiber  Yorkfort,  sowie 
etwa  ebensoviel  iiber  Kanada  usw.  auf  den  Weltmarkt.  Labrador  liefert  etwa 
1000  besonders  gute  Felle  nach  London.  Gezahmt  sind  sie  nirgends  worden, 
doch  wurden  1898  eine  Anzahl  zahmer  Renntiere  aus  Lappland  nach  Alaska 
gebracht  und  spater  auch  mehrere  Herden  aus  Sibirien,  namentlich  um  zu 
Verkehrszwecken  zum  Schlittenziehen  usw.  gebraucht  zu  werden.  Es  ist  mir 
aber  nicht  bekannt,  ob  die  Akklimatisation  gegliickt  ist.  Doch  scheint  dies, 
neueren  Nachrichten  zufolge,  der  Fall  zu  sein.  Das  Geweih  des  amerikani- 
schen  Caribus  ist  bedeutend  grosser  und  starker  als  das  des  europaischen 
Rangifer  tarandus. 

8.  Guanakos,  Lamas  usw. 

Das  Guanaco,  Auchenia  huanaco,  ist  in  der  ganzen  Kordilleren  Siid- 
amerikas  von  Feuerland  bis  Peru  weit  verbreitet,  ist  aber  augenblicklich  am 
haufigsten  in  den  Berggegenden  Patagoniens.  Es  steigt  oft  ziemlich  hoch 
in  dei  Gebirge,  bleibt  aber  stets  unterhalb  der  Schneegrenze.  Sein  Lieblings- 
aufenthalt  sind  die  mit  iippigem  Graswuchs  bedeckten  Hochtaler,  doch  steigt 
es  auch  otter  in  die  Pampas  herab.  Die  Tiere  leben  meist  in  Rudeln  von 
10  bis  30  Stuck,  doch  trifft  man  mitunter  auch  Herden  von  Hunderten  von 
Kopfen.  Die  Bewegungen  des  Guanacos  sind  lebhaft  und  gewandt,  und  weiss 


Naturgeschichte  der  Pelztiere. 


es  ebenso  schnell  zu  laufen,  wie  zu  klettern.  Die  Brunstzcit  1st  August-  Sep- 
tember. Die  Tragzeit  zirka  10  Monate.  Das  einzige  Junge  saugt  zirka  4 
Monate.  Die  Korperlange  des  ausgewachsenen  Tieres  betragt  zirka  214 
Meter,  die  Riickenhohe  1,60.  Der  Kopf  sitzt  auf  hohem  schlanken  Halse. 
Die  Beine  sind  schlank  und  hoch.  Die  Farbung  ist  rotlichbraun,  Unterseite 
weiss.  Das  Fell  hat  eine  dichte,  haufig  verfilzte  Unterwolle,  mit  langerem 
diinnen  Grannenhaar.  Die  Fellc  der  ausgewachsenen  Tiere  werden  haupt- 
sachlich  lokal  verbraucht.  So  bestanden  z.  B.  die  grossen  geraumigen  Zelte, 
die  ,,Tolodos",  der  Pampas-Indianer,  der  Pechnenchen  und  Moluchen  aus 
Guanakofellen,  ebenso  ihre  Lagerstatten.  Aus  den  Fellen  der  jungen  Tiere 
fertigen  die  Indianerfrauen  sehr  hiibsche  Decken,  die  weich  gegerbt,  sehr 
geschmackvoll  zusammengesetzt  und  auf  der  Lederseite  hiibsch  mit  geo- 
metrischen  Mustern  bemalt  waren.  Solche  Decken  kamen  auch  in  grosseren 
Partien  nach  Europa.  Seitdem  die  Indianer  in  Argentinien  sehr  zusammen- 
geschmolzen  sind,  kommen  nur  noch  einige  dieser  Decken  an  den  Markt, 
dagegen  werden  die  Felle  der  jungen  Guanakos,  der  ,,Guanacitos",  einfach 
getrocknet,  stark  exportiert  und  hier  in  Europa,  namentlich  Berlin  und 
Leipzig,  zugerichtet  und  zu  Decken  verarbeitet.  Diese  Fellchen  sind  sehr 
leicht,  warm  und  fein,  und  sollten  eigentlich  viel  mehr  verwendet  werden. 
Das  Haar  ist  weich  und  seidig,  dunkelmodefarbig,  der  Bauch  und  die  Innen- 
seite  der  Oberschenkel,  die  mit  verarbeitet  wrerden,  sind  weiss,  wodurch 
sich  hiibsche  Zeichnungen  ergeben.  Die  Lange  eines  Felles  betragt  zirka 
i  m.  Augenblicklich  betragt  der  Einfuhrwert  3  bis  4  Mk.  pro  Stuck.  Es 
diirften  jahrlich  wohl  etwa  30  bis  40  ooo  Stuck  zur  Ausfuhr  gelangen.  Die 
Felle  der  ausgewachsenen  Tiere  werden  im  Pelzhandel  gar  nicht  verwendet. 

Ebensowenig  finden  die  Felle  der  Lamas  Verwendung.  Das  Lama, 
Auchenia  lama,  war  bei  Entdeckung  des  Landes,  neben  dem  Pako,  Auchenia 
paco,  das  einzige  grossere  Haustier  Sudamerikas.  Wild  kommen  beide  Formen 
nirgends  vor,  werden  aber  heute  noch,  namentlich  in  Peru,  Bolivien  und  im 
Hochlande  von  Ecuador  in  grossen  Herden  gehalten.  Die  Lamas  bilden 
an  vielen  Stellen  noch  heute  das  einzige  Lasttier  der  Indianer,  die  auf  seinem 
Riicken  ihre  Produkte  zu  Markte  bringen,  und  kann  ein  Lama  bis  zu  2  Zentner 
tragen.  Fleisch,  Milch  und  Wollc  werden  benutzt.  Sehr  bequeme  Haustiere 
sind  sie  iibrigens  nicht,  da  sie  wie  die  Kamele,  iibellaunisch  und  murrisch 
sind,  auch  gern  beissen  und  vor  allem  spucken,  d.  h.  dem  Gegenstand  ihres 
Missvergniigens  den  halbverdauten  Mageninhalt,  den  sie  ja  als  Wiederkauer 
bequem  zur  Hand  haben,  ins  Gesicht  schleudern. 

Die  Farbe  ist  wie  bei  den  meisten  Haustieren  wechselnd,  doch  wiegt 
die  weisse  und  gefleckte  Farbung  vor.  Die  Riickenhohe  ist  ca.  1,20  m.  Von 
der  Sohle  bis  zum  Scheitel  2,50  —  2,80.  Die  Wolle  ist  grob  und  das  Fell 
haufig  verfilzt.  In  den  feuchten  warmen  Kiistenstrichen  geht  das  Lama 
zugrunde,  Lasttiere,  die  Ladung  herabgebracht  haben,  miissen  schnell  wieder 
ins  Hochland  zuriick. 


XVII.   Die  Huftiere.  701 


Das  A  1  p  a  k  a  ,  Auchenia  paca,  wird  hauptsachlich  seiner  Wolle  wegen 
gehalten,  die  sehr  lang  (zirka  30  cm),  dicht  und  fein  ist.  Namentlich  in  Bo- 
livien  wird  dieselbe  zu  sehr  feinen  Geweben  verarbeitet,  und  bildet  auch 
einen  starken  Ausfuhrartikel,  namentlich  nach  England.  Es  sind  vielfach 
Versuche  gemacht,  Alpakas  in  andere  Lander  einzufuhren,  trotzdem  die 
Ausfuhr  lebender  Tiere  verboten  ist.  Namentlich  hat  die  englische  und  franzo- 
sische  Regierung  mehrere  grosse  Herden  eingefiihrt,  doch  ist  die  Akklimati- 
sation  dieser  wertvollen  Wolltrager  nicht  gegliickt.  Ausser  der  Wolle  wird 
nur  das  Fleisch  benutzt,  sonst  leben  die  Tiere  halbwild.  Sie  sind  noch  stor- 
rischer  als  die  Lamas;  die  Felle  werden  im  Pelzhandel  nicht  verwertet. 

Das  schonste  aller  Lamaarten  ist  das  Vicuna,  welches  aber  nur  wild 
vorkommt  und  zwar  hauptsachlich  in  Peru  und  Bolivien,  wo  es  die  Puna, 
die  grosse  Hochebene  zwischen  den  beiden  Kordillerenketten  bewohnt. 
Die  Tiere  werden  meist  mit  den  Wurfkungeln  gefangen  und  dann  entweder 
getotet  oder  aber  nur  gefesselt  und  geschoren.  Zur  Zeit  der  Inkas  wurden 
grossartige  Treibjagden  veranstaltet,  wobei  grosse  Herden  Vicunas  zusammen- 
getrieben  und  nachdem  sie  geschoren,  was  iibrigens  grosse  Schwierigkeit 
bot,  wieder  freigelassen  wurden.  Die  Wolle  wurde  zu  sehr  feinen  Panchos 
usw.  verwebt  und  ist  nicht  nur  ungemein  fein,  sondern  hat  auch  einen  seiden- 
artigen  Glanz.  Die  Farbe  ist  oben  rotgelb  bis  ockerfarbig,  die  Unterseite 
weiss.  Die  Wolle  ist  viel  kurzer  und  gekrauselter  als  bei  Lama  und  Alpaka. 
Die  Felle  der  jungen  Tiere,  die  eine  gleichmassige  kurze  seidenartige  glanzende 
Wolle  von  rotlicher  Farbe  haben,  werden  zu  Decken  zusammengestellt, 
die  sehr  schon  sind,  aber  noch  verhaltnismassig  wenig  an  den  Weltmarkt 
kommen.  Solche  Decken  kosten  an  Ort  und  Stelle  schon  100  bis  200  Mk. 


9.  Der  Klippdachs. 

DerKlippdachs,  oder  wie  er  wissenschaftlich  heisst,  der  Klippschliefer, 
Procaria  capensis,  Pr.  abessinicus  usw.  nimmt  naturgeschichtlich  eine  eigen- 
artige  Stellung  ein.  Er  wird  zu  den  Huftieren  gerechnet,  was  der  Laie  kaum 
begreift,  vom  Huf  ist  sehr  wenig  zu  bemerken,  das  Tier  hat  vier  richtige 
Zehen  oder  Finger,  auf  denen  aber  statt  der  Krallen  eine  flache  Kuppe 
sitzt,  ahnlich  den  Fingernageln  der  Menschen  und  der  Affen,  und  die 
Uberreste  der  Hufe,  welche  die  Vorfahren  des  Tieres  besassen.  Dabei  ist 
der  Klippschliefer  ein  echter  Sohlenganger,  welcher  auf  den  steilsten 
Felsen  herumklettert,  indem  er  durch  Hochziehen  der  Sohle  einen  luft- 
leeren  Raum  schafft,  mitt  els  dessen  er  sich  an  dem  Felsen  festklammert. 
Dabzu  macht  das  Tier  ausserlich  ganz  den  Eindruck  eines  Nagetieres, 
mit  seinem  dicken  Kopf  und  seinen  anscheinenden  Nagezahnen,  dem  dicken 
Korper  und  kurzen  Beinchen,  einem  riesigen  Meerschweinchen  oder  Murmel- 


^02  Naturgeschichte  der  Pelztiere. 

tier  ahnlich  sehend.  Die  vermeintlichen  Nagezahne  sind  aber  richtige 
Eckzahne,  und  obgleich  krumm  gewachsen  wie  Nagezahne,  doch  an  der  Spitze 
nicht  rund,  sondern  spitz  und  scharf,  also  eigentlich  Hauer.  Die  runden 
Backzahne  stehen  denen  des  Rhinozeros,  also  eines  echten  Huftieres,  dem 
nachsten  Verwanden  des  Pferdes  sehr  nahe.  Ganz  eigenartig  ist  auch  die 
Lebensweise  der  Klippdachse,  die  man  im  Berliner  Zoologischen  Garten 
sehr  gut  beobachten  kann.  Die  anscheinend  plumpen  Tiere  sitzen  ganz  ruhig 
da,  urn  plotzlich  mit  einem  riesigen  Satze,  den  ein  Nagetier  nie  ausfiihren 
konnte,  auf  ein  in  der  entgegengesetzten  Ecke  des  Kafigs,  mannshoch  liber 
dem  Boden  angebrachtes  Brett  zu  springen. 

In  den  Gebirgen  ihrer  Heimat  sind  sie  fast  immer  in  Bewegung,  kletternd 
und  springend.  Sie  leben  dort  in  den  felsigen  Gebirgen  in  grossen  Scharen, 
gesellig  ihre  Behausungen  in  engen  Klippenlochern  suchend,  die  sie  fried- 
fertig,  wie  die  Prariehunde,  mit  Schlangen.  Eidechsen  und  kleinen  Raub- 
tieren  teilen. 

Namentlich  in  Syrien  und  Palastina  sind  sie  seit  uralten  Zeiten  sehr 
haufig  und  werden  in  der  Bibel  ofter  unter  dem  Namen  ,,Saptran"  erwahnt, 
was  Luther  mit  Kaninchen  iibersetzt,  aber  es  gibt  in  den  syrischen  Gebirgen 
keine  wilden  Kaninchen.  Ihre  eigentliche  Heimat  ist  aber  das  ostliche  Afrika 
vom  Kap  bis  zu  den  agyptischen  Randgebirgen. 

Wie  die  Murmeltiere  stellen  auch  sie  Wachen  beim  Weiden  aus,  und 
beim  geringsten  Warnungssignal  ist  die  ganze  Gesellschaft  in  dem  Felsspalt 
verschwunden.  Das  Weibchen  wirft  stets  zwei  Junge.  Das  Haarkleid  ist 
sehr  weich  und  dicht,  wenn  auch  die  Unter wolle  schwa ch  entwickelt  ist, 
von  braun  und  grau  gesprenkelter  Farbe,  an  der  Spitze  heller.  Wie  schon 
oben  erwahnt,  gibt  es  zahlreiche  Arten,  die  in  der  Farbung  voneinander 
abweichen.  In  den  Handel  kommen  sie  erst  seit  einigen  Jahren,  und  werden 
besonders  zu  leichten  warmen  Pelzfuttern  verarbeitet.  Vorlaufig  werden  etwa 
10  ooo  Stuck  jahrlich  in  den  Markt  gebracht,  doch  liesse  sich  die  Zahl  er- 
heblich  steigern.  Der  Wert  ist  nur  I  Mk.  pro  Stuck.  Von  den  Arabern  und 
den  Kaffern  wird  das  Fleisch,  das  sehr  wohlschmeckend  sein  soil,  gerne  ge- 
gessen.  Die  Boeren  am  Kap  verwenden  die  Losung  und  den  Urin  des  Tieres 
als  Medizin.  Verwandte  Tiere  sind  die  verschiedenen  Arten  des  B  a  u  m  - 
schliefers,  die  in  dem  afrikanischen  Urwald  leben  und  ihr  gerausch- 
volles  Wesen  in  den  Zweigen  treiben.  Deren  Felle  gelangen  aber  nicht  in 
den  Handel. 

Unter  den  Tieren  von  Cernays  befindet  sich  eine  Gruppe,  Condyluiten 
genannt,  aus  denen  sich  im  Laufe  der  Jahre  Millionen  Klippschliefer,  Pferde, 
Nashorne  und  Tapire  entwickelt  haben. 


XVIII. 

Die  Vogelwelt 


Die  Vogelwelt. 


Wenngleich  der  weitaus  iiberwiegende  Teil  des  Rohmaterials  fur  die 
Pelzwarenfabrikation  dem  Saugetierreiche  entstammt,  liefert  doch  auch 
die  Vogelwelt  einen  Beitrag  dazu.  In  erster  Linie  nennen  wir  die  Felle  der 
Taucher,  der  sogenannten  Grebes. 

Der  bekannteste  1st  der  Haubensteissfuss,  Colymbus  cristatus,  durch 
einen  kleinen  roten  Federschopf  hinter  jedem  Ohr  ausgezeichnet.  Die  munteren 
Tiere  sind  weit  verbreitet  und  sieht  man  sie  auch1  auf  den  grossen  Seen  in 
der  Umgebung  von  Berlin  umherschwimmen,  den  langen  schlanken  Hals 
hoch  erhoben,  um  beim  Herannahen  des  Bootes  oder  Dampfers  schleunigst 
unterzutauchen  und  erst  weit  von  dieser  Stelle  entfernt  wieder  aufzutauchen. 
Der  Bauch  ist  glanzend  weiss,  der  Riicken  rotlich.  In  der  Mark  Branden- 
burg und  in  Mecklenburg  sind  sie  unter  dem  Namen  Lorch  bekannt.  .  Mit 
dem  nachsten,  Colymbus  auritus,  der  mehr  den  hohen  Nordeh  bewohnt, 
werden  sie  auch  rotseitige  oder  russische  Grebes  genannt.  C.  auritus  ist 
etwas  kleiner,  ohne  Schopf  und  ebenfalls  rotriickig.  Daneben  kommt  ein 
kleiner  Grebes,  der  kaum  halb  so  gross  ist  als  die  vorigen,  der  sogenannte 
kleine  russische  Grebes,  Colymbus  cornutus,  weisser  Bauch,  roter  Riicken, 
vor.  Wahrscheinlich  auch  noch  dabei  die  Felle  von  Colymbus  nigricans, 
Bauch  glanzend  weiss,  Riicken  dunkelrotlich.  Den  Namen  russische  Grebes 
fuhren  sie,  weil  die  meisten  aus  Russland  zu  unskommen.  Besonders  die  grossen 
Seen  des  Irtysch-Beckens  beherbergen  grosse  Scharen  und  in  dem  -Stadtchen 
Tjukalinsk,  nicht  weit  von  Omsk,  ist  das  Sammeln  und  der  Versand  von 
Grebesfellen  ein  grosser  Industriezweig.  Die  Felle  kommen  auch  auf  die  Messen 
von  Ischim  und  Petropawlowsk.  Sonst  kamen  hunderttausende  jahrlich  in 
den  Handel,  doch  ist  augenblicklich  die  Mode  dem  Artikel  sehr  ungiinstig, 
weshalb  nur  einige  Tausend  jahrlich  jetzt  Verarbeitung  finden.  Aus  der- 
selben  Gegend  kommt  noch  der  sogenannte  mittlere  Grebes,  der  an  Grosse 
in  der  Mitte  zwischen  C.  cristatus  und  nigricans  steht.  Der  Bauch  1st  hell 
stahlgrau  mit  dunklen  Punkten  gesprenkelt,  der  Riicken  dunkelbraun.  Wahr- 
scheinlich handelt  es  sich  um  Colymbus  subcristatus.  Eine  bedeutend  wert- 

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706  XVIII.    Die    Vogelwelt. 


vollere  Sorte  liefert  der    sogenannte    tiirkische  oder  schwarzseitige    Grebes, 

der  einen    glanzend    weissen    Bauch    und  schwarzgrauen  Riicken  hat,  und 

dessen  Felle  aus  der  Tiirkei,  Kleinasien  und  den  Balkanstaaten  zu  uns  kommen. 

Die  Felle  sind  auch  grosser  als  die  von  C.  cristatus,  die  Schopffedern  fehlen. 

Es  ist  mir  nicht  moglich  gewesen,  die  genaue  Art  festzustellen,  wahrschein- 

lich  ist    es    Colymbus    grisegene,    der  aber  auch  im  westlichen  Europa  und 

wahrend  des  Sommers  auch  in  Deutschland  vorkommt.  Von  Amerika  kommen 

aus  Kalifornien  jahrlich  einige  tausend  sehr  schoner  Grebes,  vielleicht  die 

besten,  die  es  iiberhaupt  gibt,  nach  London  auf  die  Auktion.    Die  Felle  sind 

gross  und  halten  etwa  die  Mitte  zwischen  dem  Polartaucher  und  dem  deut- 

schen  Haubensteissfuss.      Der  Bauch  blendend  weiss  mit  seidigem   Glanz, 

der  Riicken  hell  schiefergrau,  auch  hier  steht  die  Art  nicht  fest,  denn  die 

von  mir  gesehenen  Balge  des  C.  californicus   sind   erstens  bedeutend  kleiner 

und  der  Bauch  auch  nicht  rein  weiss,  sondern  mehr  grauschimmernd.     Siid- 

amerika  beherbergt  auch  sehr  viele  Taucher,  von  denen  die  Felle  von  Colymbu* 

major    sehr   gross,     weiss  mit  graubraunem  Riicken   und  rotem  Hals   sind, 

Colymbus  podiceps,  gross  mit  gesprenkeltem  grauweissen  Bauch  und  schwarzem 

Riicken,   und  Colymbus  chilensis,   mittelgross  mit  weissem  Bauch.      Auch 

hiervon  kommen  augenblicklich,  der  ungiinstigen  Mode  halber,  nur  ein  kleines 

Quantum  unter  der  spanischen  Bezeichnung  ,,Macas"  nach  dem  Weltmarkt, 

doch  konnen  grosse  Mengen  davon  geliefert  werden.      Samtliche    Grebesfelle 

werden  auf  dem  Riicken  aufgeschnitten,  da  der  Bauch  eben  die  Schonheit 

des  Felles  bildet,  die  Flugel  werden  abgeschnitten,  nur  bei  den  kleinen  russi- 

schen  Grebes  bleiben  sie  daran.   Ubrigens  sind  die  meisten  Taucher  schlechte 

Flieger,   die  nur  ungern  eine  kurze  Strecke  fliegen,  und  sich  mehr  auf  ihre 

Taucherkiinste  verlassen.    Der  gegenwartige   Wert    diirfte    etwa  30  Pf.   per 

Stuck  fur  die  kleinen,  50  Pf.  fur  die  mittleren,  i  bis  1,50  Mk.  fur  die  grossen 

russischen,   2   Mk.   fur   die   tiirkischen  und  kalifornischen  Grebes  sein,  alles 

bereits  zugerichtet.     Fruher    waren  die  Preise  bedeutend  hoher.     Zur  Zeit, 

als  diese  Felle  noch  modern  waren,  konnte  man  die  jahrlich  in  den  Handel 

kommenden  Mengen  ungefahr  wie  folgt  bezif fern :  Rotseitige  Grebes  (russische 

grosse)   2  bis    300  ooo   Stuck,    mittlere  50  ooo  Stuck,   kleine   zirka   100  ooo 

Stuck,  tiirkische  30  ooo  Stuck  und  kalifornische  5000   Stuck.     Alle  die  fur 

den  Pelzhandel  bisher  wichtigen  Taucher  leben    auf  Binnengewassern.     Es 

gibt  aber  noch  eine  andere  Art,  die  Seetaucher,    die  bisher  wenig  be- 

achtet  sind,  deren  Fell  aber  sehr  schon  ist  und  deshalb  fur  den  Pelzhandel 

auch  \Vichtigkeit  erlangen  konnte. 

Ursinator  arcticus  hat  die  Grosse  einen  kleiner  Gans,  ist  also  etwa  doppelt 
so  gross  als  ein  Haubentaucher,  der  Bauch  blendend  weiss,  aber  wie  bei  alien 
Seetauchern,  nicht  so  seidig  glanzend,  als  bei  den  Grebes.  Der  Riicken  und 
die  Seiten  sind  wunderschon  gezeichnet,  schwarz  und  weiss  gestrichelt,  Kopf 
und  Kehle  schon  dunkelblau. 

Ursinator  glacialis,  der  Eistaucher,  ist  ebenso  gross  wie  der  vorige,  eben- 


XVIII.   Die   Vogelwelt. 707 


falls  weisser  Bauch,  Riicken  schwarz  mil  weissen  Tupfen,  Hals  samtschwarz 
jnit  einer  weiss  und  schwarz  gestrichelten  Binde.  Die  Heimat  dieser  schonen 
Tiere  1st  der  hohe  Norden,  doch  kommen  sie  im  Winter  haufig  auch  in  die 
deutschen  Meere.  Zu  Millionen  werden  die  Vogelberge  des  Nordens  von 
Lummen,  Teisten  und  Alken  bevolkert,  die  alle  zu  den  Tauchern  gehorig, 
auch  hiibsches  Pelzwerk  abgeben  konnten,  da  sie  fast  samtlich  einen  weissen 
Bauch  und  dunklen  Riicken  haben,  sie  werden  von  den  Bewohnern  der  ark- 
tischen  Regionen  zu  Nahrungszwecken  erlegt,  die  Felle  aber  nur  lokal  ver- 
braucht  und  namentlich  kommen  dabei  Mergulusalle,  der  Krabbentaucher, 
und  uria  grylle  in  Betracht.  Schon  sind  auch  die  Felle  der  Sagetaucher, 
M.  anergauser,  mit  weissem  Bauch  und  Seiten,  schwarzem  Riicken  und  Kopf 
und  mergulus  serrator,  weisser  Bauch,  Riicken  schwarz  die  Seiten  fein  grau 
geperlt,  wie  die  Mannchen  der  Wildente.  Verschiedentlich  wurde  auch  ver- 
sucht,  die  Felle  der  Pinguine,  jener  sonderbaren  Bewohner  der  Antarktis, 
fur  Pelzzwecke  zu  verwenden,  aber  vergeblich,  denn  sie  sind  dazu  trotz  ihres 
schonen  Ansehens  und  ihrer  Grosse  nicht  zu  gebrauchen,  da  die  Federn, 
auch  die  Bauchfedern,  viel  zu  steif  und  hart  sind.  Alle  die  angefuhrten  Vogel- 
felle  werden  nun  im  natiirlichen  Zustande,  nur  einfach  gegerbt,  verwendet. 
Die  folgenden  unterliegen  aber  erst  einem  weiteren  Prozess. 

In  erster  Linie  spielen  die  Schwane  und  Ganse  dabei  eine  Rolle, 
die  besonders  in  Holland  zugerichtet  werden.  Das  Fell  wird  gleichfalls  auf 
•dem  Riicken  aufgeschnitten,  abgestreift,  dann  aber  die  Federn  ausgerupft, 
so  dass  nur  die  dichteFlaumdecke  iibrig  bleibt,  und  schliesslich  zugerichtet,  was 
besondere  Fertigkeit  beansprucht.  Der  bekannte  feine  Flaumpelz  wird  vor- 
zugsweise,  in  Streifen  geschnitten,  zu  Besatzen,  in  letzter  Zeit  auch  zu  Damen- 
pelzhiiten  usw.  verarbeitet.  In  Betracht  kommen  dabei  fur  die  Schwane 
besonders  die  folgenden  Arten:  Der  Hockerschwan,  Cygnus  olor,  der  ja 
alien  bekannt  ist,  da  er  fast  uberall  in  halbzahmem  Zustande  als  Schmuck- 
vogel  fur  die  heimischen  Gewasser  gehegt  wird.  Seine  eigentliche  Heimat 
ist  der  hohe  Norden,  wo  er  briitet  und  von  wo  er  im  Herbst  in  starken  Trupps 
nach  Siiden  wandert.  Er  unterscheidet  sich  von  den  folgenden  durch  den 
gelben  Schnabel  und  den  Hocker  an  der  Schnabelwurzel,  der  ebenso  wie 
die  Wachshaut  schwarz  ist,  von  dem  nachsten,  dem  Singschwan,  Cygnus 
•cygnus  oder  C.  musicus  der  nur  wesentlich  kleiner,  dafur  gedrungener  ist,  einen 
.schwarzen  Schnabel  im  gelber  Wachshaut  hat,  ohne  Hocker.  Seinen  Namen 
liat  er  von  den  wohllautenden  Ruflauten  her,  die  er  haufig  horen  lasst,  wahrend 
•der  Hockerschwan  meist  stumm  ist.  Auch  er  nistet  im  hohen  Norden  Euro- 
pas,  Asiens  und  auch  Nordamerikas,  wahrend  der  Hockerschwan  in  Nord- 
amerika  durch  den  ahnlichen  Tromperterschwan,  Cygnus  buccinator,  ver- 
treten  ist,  der  ebenfalls  schwarzen  Schnabel  hat.  Bedeutend  kleiner  als  die 
vorigen  ist  der  Zwergschwan,  Cygnus  bewicki,  der  gleichfalls  dem  hohen  Norden 
der  drei  Erdteile  angehort.  Alle  wilden  Schwane  sind  sehr  scheue,  kluge 
Yogel,  die  noch  schwerer  zu  beschleichen  sind,  als  die  Wildganse.  In  Ost- 

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708 XVIII.    Die  Vogelwelt. 


sibirien  versuchte  ich  mich  an  einen  Trupp  Wildschwane  anzupirschen, 
die  arn  andern  Ufer  eines  schmalen  Meeresarms  sassen,  als  ich  mich  sorgsam 
anschleichend  durch  das  Rohricht,  den  Arm  umgangen  hatte,  sassen  die 
samtlichen  Schwane  auf  dem  von  mir  verlassenen  Ufer  und  veriibten  dasselbe 
Manover  noch  zweimal,  bis  ich  als  der  ,,klugere"  die  Sache  aufgab.  Schwan- 
braten  war  fruher  ein  sehr  geschatztes  Wildbret  auf  fiirstlichen  Tafeln.  Ein 
alter  Schwan  ist  aber  sehr  zah  und  ein  junger  Schwan  ist  zwar  zart,  schmeckt 
aber  immerhin  etwas  tranig.  Von  Sudamerika  kommen  die  Felle  zweier 
Schwanarten  zu  uns,  Cygnus  nigricollis,  der  die  Farben  des  deutschen  Reichs 
zeigt,  weisser  Rumpf,  schwarzer  Hals  und  roter  Schnabel,  und  der  nur  wenig 
grosser  ist  als  unser  Zwergschwan,  und  der  grossere  Pseudolor  coscorata, 
mit  grauweissem  Halse  und  schwarzem  Schnabel,  der  hauptsachlich  in  Pata- 
gonien  und  dem  Feuerland  vorkommt.  Die  Felle  sind  aber  nicht  leicht  zu 
verkaufen,  der  Schwierigkeit  der  Zurichtung  halber,  und  bei  den  kleinen 
bisher  angebotenen  Partien  lohnt  es  sich  nicht,  solche  nach  Holland  zu  senden. 
Von  den  G  a  n  s  e  n  ,  deren  Felle  als  Imitation  des  Schwanpelzes  zugerichtet 
werden,  kommen  nur  die  Felle  der  gewohnlichen  Hausgans,  anser  domestic  us, 
und  der  sogenannten  kanadischen  Schwanengans,  anser  canadensis,  in  Be- 
tracht,  die  wie  schon  gesagt,  fast  ausschliesslich  in  Holland  zum  Zwecke 
der  Pelzwerkverwertung  gehegt  werden.  Ein  zubereitetes  Schwanenfell 
kostet  augenblicklich  zirka  10  bis  12  Mk.,  ein  Gansefell  zirka  5  Mark.  Es 
kommen  jetzt  jahrlich  etwa  60  ooo  Ganse  und  10  ooo  Schwane  in  den  Handel, 
die  stets  zu  Dutzend  gebiindelt  sind,  und  auch  so  gehandelt  werden. 

Eine  Spezialitat  Skandinaviens  bildet  die  Zubereitung  der  Felle  der 
Eider  en  ten,  Somateria  mollissima,  und  der  noch  schoner  gezeichneten  Pracht- 
eiderente,  Somateria  spectabilis.  Die  Federn  werden  auch  hier  vor  der  Ger- 
bung  ausgerupft,  so  dass  das  hellgraue  dichte  Daunenfell  bleibt.  Meistens 
werden  dieselben  zu  den  wundervoll  leichten  und  warmen  Decken  zusammen- 
gesetzt  und  diese  am  Rande  mit  dem  hellgnin  und  weiss  gezeichneten  Fell 
des  Halses  eingefasst.  Der  Preis  einer  solchen  Decke  schwankt  im  Engros- 
handel  von  60  bis  100  Mk.  Auch  die  Eskimos  Gronlands  fertigen  jetzt  solche 
Decken  zum  Verkauf.  Obgleich  die  Eiderente  wild  lebt,  sind  doch  ihre  Brut- 
platze  in  Skandinavien,  Island,  den  Faroern  usw.  Privateigentum,  wo  den 
Tieren  die  erste  Daunenausbeute,  mit  dem  sie  ihr  Nest  polstern,  weggenommen 
wird,  und  ihnen  erst  die  zweite  Lage,  die  sie  sich  dann  ausrupfen,  gelassen 
wird.  Das  Pi'und  Eider daunen  kostet  im  Grosshandel  zirka  20  Mk. 

Ausser  den  -Decken  fertigen  norwegische  und  schwedische  Kurschner 
auch  noch  Muff  en,  Stolas,  Rapes  usw.  aus  den  Eiderentenfellen  an.  Ausserdem 
werden  dort  die  Felle  des  Cormorans,  Phalacrorax  carbo,  in-gleicher  Weise 
gerupft  und  bearbeitet  zu  -  ahnlichen  Pelzarbeit-en  wie  die  Eidergansfelle 
verwendet.  Die  Farbe  ist  aber  wohl  immer  dunkler  und  graubraun  und  dase 
Daunenfell  auch  viel  lockerer.  Das  ist  iibrigens  die  einzige  Stelle,  wo  die 
Felle  dieses  gefrassigen  Fischraubers  benutzt  werden,  der  sonst  iiberall  eifrigst. 


XVIII.    Die    Vogelwelt.  709 


verfolgt  wird.  Nur  in  China  und  Japan  wird  er  gezahmt  und  zum  Fisch- 
fang  abgerichtet. 

Gelegentlich  werden  auch  die  Felle  der  grosseren  Vogelarten  fur  den 
Pelzhandel  nutzbar  gemacht,  der Straussenfamilie.  VonAustralien  kommenFelle 
des  Emu,  Dromaous  novae  hollandiae  und  Dromaeus  irroratus  in  den  Handel, 
die  meist  zu  Fussteppichen  verwendet  werden.  Die  Federn  sind  leicht  und 
weisslich  grau.  Die  Felle  haben  eine  Lange  von  iiber  i  V->  m,  und  werden  mil 
etwa  10  bis  15  Mk.  bezahlt.  Doch  kommen  jahrlich  hochstens  einige  hundert. 
Auch  die  schon  dunkelgriin  gefarbten  Eier  dieser  Riesenvogel  werden  haufig 
auf  den  Londoner  Auktionen  unter  den  ,, sundries"  zum  Verkauf  gebracht, 
und  als  Wandschrhuck  zum  Privatgebrauch  von  den  Rauchwarenhandlern 
gekauft.  Preis  i  bis  3  sh  pro  Stuck. 

Von  Siidamerika  werden  die  Felle  der  amerikanischen  Strausse,  Rhea 
americana,  von  Argentinien,  Montevideo,  Gran  Chaco,  und  Siidbrasilien 
und  des  etwas  kleineren  Rhea  Darwinii  aus  Patagonien  sowohl  in  Decken- 
form  als  auch  einzelne  Felle  exportiert  und  als  Teppiche,  Diwandecken  usw. 
benutzt.  Einen  grossen  Handelsartikel  bilden  aber  auch  sie  nicht.  Die  Farbe 
der  Federn  ist  dunkelgraubraun,  viel  dunkler  als  die  Felle  des  australischen 
Emu. 


Ende. 


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OVERDUE. 


FEB  9    1884 


21   T947 


LD  21-100m-7,'33