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Aus dem Schwarzwald.
Gedichte
BEudwig Auerbach.
(Aus ſeinem Nachlaß.)
— —
Herausgegeben
von
Friedrich Geſzler und Ernſt Scherenberg. 5
——
J 5 4
* 2
Lahe. Ar
Druck und Verlag von Moritz Schauenburg.
1889.
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Wi
55
*
Inhalt.
Seite.
Ludwig Auerbach VI
Zueignung von Ernſt Scherenberg.
Enzthal.
(1860 1878.)
Schwarzwald gruß 3
Über dunkeln Schwarzwaldbergen 7
Schwarzwälder Zeimatlied. ... 9
D 12
aao 13
Wildſchützen laune 15
„„ 2]
D 40 2
Erkennſt dein Bildnis dus 23
r 24
Herbſtblätter I.. VW. 27
In goldener Frühe 36
o 38
hh 39
Bomm, ſtille Nacht 4]
Wädtlihe Wanderung 43
ara: ? Bar
ER r—ů5 —
Sonntags ᷑
Kirchenſtille nun im weiten Wald 46
Serz und Natur; 47
Lerißenlos a 48
Herz, unſterblich iſt die Freude.. 48
Gd! 51
O Voͤglein im duftigen Blütengezelt 52
Goldener Morgen 53
Nach Jahren 54
Wieder Fommt ihr füßen Träume 56
Weihnachten 59
Die junge Wohlthäterin . - - . » 62
Winterabendro tr. 67
Weihnachten im Irrenhauſe 68
Wer rief den Kriegs . 75
Nun dreißig Jahre 82
Vergiß mein Volk die treuen Toten
F „ „„ 8
7
Schutterthal.
(1878 1882.)
in Prolog =... Win 5 WER
Ratferhymme .. 2.214 7 Da
1
5
— IV —
*
F u I U u U a
Mond am Morgen
Am Waldſauuum
Grämlidhes Menſchenkind, blick f 102
Sonnen zauber 104
Der Kranke im Herbſt 108
be verent . . . . .. . . » 197
r A 109
Blauduftig die Dogefen . . . . . III
c 1J3
Unter den Ruinen von Allerheiligen IIS
r 117
Freudige Jugend, du biſt nicht mehr JJ9
Grau der Himmel 121
Dichter Nebel hält im Thal . J22
D 124
eetreiben 126
= 5.
*
D 128
Von Friedrich Geßler.
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wir
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Ludwig Auerbach.
geftern jo neu
—2 Herzen voll Liebe, dem Herzen voll
Treu’.
Um alternd Gemäuer floß goldiger Strahl,
Umglühte die Wälder, die Berge, das Thal;
m...
Wir ſchwiegen in Andacht, da ſcholl's von
den Hoͤh'n:
„O Schwarzwald, o Heimat, wie biſt du
fo ſchoͤn!“
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*
|
Dein Lied war's, gefungen in Jugend
und Glück,
Vom Munde des Volkes nun klang dir's
zurück;
Für Jahre voll Täufhung und brennendem
Hohn
Dem lauſchenden Dichter der köſtlichſte
Lohn!
Wie ſchlürft' er fo durſtig den labenden
Trank: f
„O Schwarzwald, o Heimat, wie bring' ich
dir Dank!“
Wo fhäumend Gewaͤſſer die Tanne um⸗
rauſcht,
Da haben wir Seele um Seele getauſcht,
Da haft du dem Freunde dein Innres
entrollt,
So klar wie KXryſtall und fo lauter wie
Gold,
Dein Streben und Ringen in Jubel und
Schmerz —
O Schwarzwald, o Heimat, wie ſchlug dir
dies Herz!
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Nun iſt es gebrochen in Fülle der Kraft,
Das treu bis zum Tode geſorgt und geſchafft.
Nun roſtet das Schwert und nun raſtet
der Stab,
Wo du es erſehnteſt, dort ward dir dein Grab.
Draus weht es wie Frieden den Rämpfen-
den zu: n
„O Schwarzwald, o Heimat, in dir fand
ich Ruh'!“
Die Lippe verſtummte, doch lebet dein
Lied,
Solang noch den Schwarzwald ein Wand-
rer durchzieht!
Es rauſcht in den Tannen, es klingt in der
Luft,
Schwebt über des Sängers ſchweigende
Gruft a
Empor aus den Thälern, herab von den
Hoh'n:
„O Schwarzwald, o Heimat, wie biſt du
fo ſchon!“
Elberfeld, im Herbſt 1888.
Ernſt Scherenberg.
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1860 — 1878.
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Schwarzwaldgruß.
Schwarzwald deiner Tannen Rauſchen
JIpwingt mit ſüßem Heimatton,
Wie das Mutterwort den Sohn,
Immerdar mein Herz zum Lauſchen;
Ob geweckt von Sturmesmädten
Wie ein Schlachtenchor es klingt,
Oder ob es ſtillen Nächten
Friedensmelodieen ſingt.
Deiner treuen Schattennacht
Hab ich ſeit der Kindheit Tagen,
mild gelenkt von deiner Macht,
Schmerz und Freude zugetragen.
Schon des Anaben heiß Verlangen
Floh des Hauſes düftre Haft,
Einen Hauch von deiner Kraft,
Deiner Freiheit zu empfangen.
Hoch auf deinen freien Höhn,
Wo die finſtern Tannenrieſen
Trotzig ernſt im Windes wehn
Rauſchen um der Halde Wieſen,
DE Tin
Y Wo das Auge überfliegt
A Stolzen Blicks die Welt im Thale,
Wie der Weih, der ſich im Strahle,
Goldnen Lichtes drüber wiegt;
f Und in deinen ſtillen Gründen,
Im Revier verſchwiegner Klüfte,
Wo bewegte Abendlüfte
2 Wunderbare Märchen künden,
Wo des Bergs zerriſſnen Adern
Cuſt'ge Quellen laut enttofen,
. Wo von ſtaͤrren Felſenquadern
Fröhlich nicken wilde Roſen,
Wo verſenkt faſt unter Ranken
4 Burgruinen düfter ragen,
ji Der Vergänglichkeit Gedanken
Im zerſprengten Wappen tragen,
4 Wo die ftillen Schattenräume EN
ir Noch des Wildes Spur bewahren,
Wuchſen als dein Offen baren
7 meiner Dichtung fhönfte Traume!
Aus des Waldſees Fluten riefen
4 Sie das Elfenkind der Sage,
Dem der Nachklang alter Tage
Funkelt aus des Auges Tiefen.
%
— 4 —
Einen Zug Unendlichkeit
Tranfen ſie aus deinem RNauſchen,
i Daß ich über Raum und zeit ;
Forſchend drang, dem Geift zu lauſchen,
| Der in deiner Einſamkeit
Zu mir ſprach in tauſend Jungen, i
|
Bis ein Hauch der Söttlichkeit
Weihevoll mein Herz durchdrungen.
5
Jo haft du mich feſtgekettet, h
Biſt du teuer mir geworden. Bi
Wie zu eines Eilands Borden
Sich im Sturm der Schiffer rettet,
Hat ſich müde, ſchmerzzerſchlagen
Dir mein Herz auch zugewandt,
Und du wurdeſt meinen Klagen
Oftmals ein Erlsſungsſtrand!
Wie die Stimmen edler Toten
Sprach dein Flüſtern mir ins Herz,
Wenn verzweifelt ich im Schmerz
Trutz dem Kampf der Zeit geboten. 1
Deiner Friſche einen Hauch
5 Gabſt du mir zum Troſt und Segen,
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1
Daß ich trug das Leben auch
de Stark und friſch auf dunkeln Wegen.
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RR HE
Immer hat dein Zauber bald
Wieder mir das Herz bezwungen,
Tief hat mich dein Geiſt durchdrungen,
Wunderbarer ſchwarzer Wald!
Ernſt wie du ins Thal hernieder
Schau ich auf des Lebens Bahn,
Doch im Innern jubeln Lieder
Friſch und freudig himmelan!
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—
9
**
Über dunkeln Schwarzwald-
beraen.
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ber dunkeln Schwarzwaldbergen
Flammt des Mondes Licht empor,
Freundlich wie ein lieblich Antlitz
Taucht es aus der Wolken Flor.
Fröhlich baden ſich die ſchwarzen
Tannen in dem goldnen Strahl,
Schimmernd trägt des Stromes Welle
Sein erheiternd Bild durchs Thal.
Wie fein füßer Friedenszauber
Um des Dorfes Hütten fließt
Und auf tagemüde Stirnen
Seiner Träume Tau ergießt,
Quillt aus meiner Seele Tiefen
Auch empor ein ſtrahlend Licht,
Aus vergangner Tage Dunkel
Grüßt ein lieblich Angeſicht.
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Und ich fühle ſeinen Zauber
Wunderbar in mir erneut;
Wie er in mein dunkles Leben ich
Seiner Wonnen Schimmer ſtreut Er
Und die finfteren Dämonen
meines Herzens wiegt zur Ruh —
O verfläre alle Nächte,
mondlicht meiner Seele du!
— —
Schwarzwälder Seimatlied.
G Schwarzwald, o Heimat, wie biſt
du ſo ſchön!
Wie locken das Herz deine ſchwarz⸗
dunkeln Hohn
Zum fröhlichen Wandern in Hochſom⸗
merzeit,
Zum Raſten in heimlicher Einſamkeit,
Im traulichen Mühlgrund bei Guellen⸗
getön —
© Schwarzwald, o Heimat, wie bift du
fo ſchoͤn!
O Schwarzwald, o Heimat, wohl hat
mir die Welt
mit köſtlichen Wundern die Seele ge-
ſchwellt:
Die lachende Ferne erſchloß ihre Pracht —
Doch hab’ ich in Liebe ſtets deiner gedacht,
Im Traum ſah ich winken die ſchwarz⸗
dunkeln Höhn —
O Schwarzwald, o Heimat, wie biſt du
fo ſchoͤn!
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O Schwarzwald, o Heimat, dein
Rauſchen erklang
Ins Träumen des Kindes wie Wiegen
geſang,
Und fpäter, da gabſt du dein weites 9
Revier
Zum Tummelplatz fröhlichſter Spiele
mir:
Die lauſchigen Thäler, die ſchauenden
Höhn —
O Schwarzwald, o Heimat, wie biſt du
fo ſchön!
O Schwarzwald, o Heimat, noch heut
füllt die Bruſt
Ein Nachklang der ſchwärmenden brau-
ſenden Luft,
mit der du die Stirn mir beim Mai-
trank befränst,
Wo Schönheit und Liebe den Becher
Fredenst,
Bei Tanz und bei Liedern und Walbd-
horngetön —
O Schwarzwald, o Heimat, wie bift du
fo ſchoͤn!
ll
O Schwarzwald, dein Zauber bleibt
ewig und neu,
Drum lieb' ich dich innig, dich lieb' ich
getreu!
Und kommt einſt mein Stündlein, bei
dir nur allein —
Von dir überwölbt will begraben ich
ſein,
Wo Waldvogel jubeln von frühroten
fo ſchön!
Höhn, —
N O Schwarzwald, o Heimat, wie bift du
Tannenbluͤte.
Nun blüht die Tanne, doch du merkſt
ees kaum,
Unſichtbar faft ſind ihre Lenztrophäen,
Und nur ihr Drängen zu dem Sonnen-
lichte,
Ihr leiſes Fluͤſtern in des Windes Wehen
Verrat dir ihren ſel'gen Maientraum
Und ihres Blühens duft'ge Lenzge⸗
ſchichte. —
Im ernſten Angeſichte
Des reifen Mannes, dem ein Gott die Seele
Noch einmal mit der Liebe Lenz geſegnet,
Siehſt du auch kaum, welch! Wunder
ihm begegnet,
Denn ſorgſam ſucht er, daß er dir's
verhehle. f
Nur feines Auges Glanz, fein ruhlos
Sinnen
Auf Schöne Thaten kündet dir fein
Minnen!
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I
Der Waldbach.
wie klar den Himmel tragend
Ströͤmſt durchs Hochthal du dahin,
Singſt durch grün bemooste Ufer
Holde Friedensmelodien.
Aber dort, wo über Felſen
Du dich ſtürzeſt toll und wild,
Da zerſchellt in ſprühnde Funken,
Kaum gegrüßt, der Sonne Bild.
Und durch ſchwarzen Tannenſchatten
Eilſt dahin du ruhelos;
Wiegeſtillter Sehnſucht Klage
Gleicht der Waſſer dumpf Getos.
Wetter nähren deine Fluten,
Sturmesfreudig ſpringſt du auf,
Und zerſtörſt des Ufers Blumen
Schonungslos in deinem Lauf.
— 13 +
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mögen ſie vergehn und fterben, —
Ach! dich zwingt's dämonenhaft,
Todesfroh dich ſelbſt vernichtend,
Auszuſtürmen deine Kraft!
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Vildſchüßenlaune.
Tecra, Walde 5 Abend⸗
* ſchein!
In die Lichtung flutet er voll herein,
Um das Jagdhaus, vor dem die Linde
rauſcht
Die heimlich durchs offne Fenſter lauſcht —
Wo der Förſter mit feinem Kinde ſitzt,
Glorienhaft fein Leuchten blitzt.
Zitternd ſtiehlt ſich ein ſchwaches Licht
Auch auf des Mannes Angeſicht,
Der dort am Waldſaum lauernd ſteht,
Finſtern Blickes um ſich ſpäht,
Sorgſam prüfend von Zeit zu Jeit
Den alten Stutzen, ſein treu Geleit.
„Dem Teufel mag ich verfallen ſein,
Vergaͤß ich je der Schmach und Pein,
Die du, Herr Förfter, auf mich gebracht,
Als höhnend die Waiſe ihr verlacht,
Die an der Leiche des Vaters geklagt,
Dem du die Kugel durchs Herz gejagt!
— 15 —
„Heut find es gerade fünfzehn Jahr!
Ich ſeh' noch den Alten mit blutigem
Haar;
mit zerſchmetterter Bruſt und mit
zuckendem Mund
Lag er im ſtillen Fohrengrund.
Und konnt' er nicht ſprechen, fein Leiden
ſchrie:
„Junge, vergiß der Stunde nie!“
„Am Steinkreuz in der Felſenſchlucht
Begrub ich den Vater, da hab' ich ver⸗
flucht
mein jungfriſches Leben, bis daß ich
gerächt,
Was der Herr geſündigt am armen
Knecht,
Der nur für die hungernde Rinderſchar
An fürſtlichem Überfluß Frevler war!
„Wer wagt's, uns zu eiten TE Kennt
ihr die Not,
Die tödlich das Leben der liebsten be⸗
droht?
Der Hunger, der wie ein finſterer Geift
Auch jegliche Freude von uns weiſt,
k
hegt,
Und das karge Mahl nur mit Thränen
netzt?
„Und draußen — da ladet der freie
Wald
Den Armen in ſeine Schatten bald
Und zeigt ihm in feinem luft ' gen Gefild
Das fröhlid ſich tummelnde Edelwild;
Und wir ſollten hungern mit Weib und
Kind,
Weil wir in Armut geboren ſind!? —
„Ihr kennt das Geſetz des Mächtigern
nur,
Seid nicht barmherzig wie die Natur,
Gönnt nicht mal den Abhub vom Über⸗
fluß!
So leb denn die Rache und — Schuß
um Schuß! —
Ja, tändle nur, Graubart, mit deinem
Rind:
Ich weiß, wo die Wunden gefährlich
find!
Den müden Fuß nur nach Nahrung
r
„Ich hab' es erfahren!“ — Und
fiebernd empor
Reißt er den Stutzen — da trägt an
ſein Ohr
Ein Wort des Kindes die Abendluft,
Wie zärtlich es „lieb Vater“ ruft:
Und reglos ruht ſeine Hand am Hahn —
Lang ftarrt er Kind und Vater an.
Wie der immer finſtere Jaͤgersmann
Heute fo huldreich lächeln kann!
Auf des Kindes lieblichem Angeſicht,
In der blauen Augen fonnigem Licht
Ruhet fein Blick fo verklärt und mild,
Als ſtimm' ihn zur Andacht das lieb⸗
liche Bild.
Sein Herz iſt heiliger Liebe voll:
Des Haſſes Dämonen und jeglicher Groll
zogen dahin wie Schatten der Nacht,
Wann das Frührot über den Firnen
lacht;
Seines Rindes trauliches Schmeichel⸗
wort,
Scherzen und Koſen trieb fie fort.
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Z
Freudig in ſüßer Vaterluſt
Zieht er das Kind an die wogende Bruſt,
Kußt es in innigem Liebesdrang,
Mochte für feinen Lebensgang
In ſtummem Gebet ſeines leuchtenden
Blicks
Glühend erflehn alle Huld des Geſchicks.
Plötzlich ein Schuß! und ſieh! in die
Wand,
Nah an dem Förfter vorübergefandt,
Schlägt eine Kugel pfeifend ein.
|
Bleich wie im Sturme des Mondes
Schein
Springt er empor und birgt geſchwind
zitternd am Herzen das teure Kind.
„Vergebung, wenn ich dich aufgeſchreckt,
Zu rauh dich aus deinem Spiel geweckt,
Doch wir kennen uns ja — heut jährt
ſichs Mann!
Daß du mir den Vater erſchoſſen im Tann!
Als Knabe ſchon ſchwur ich dir gleichen
N
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Tod,
Und niemals hab ich vergeblich gedroht!
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„Wie zu treffen ich weiß, bewies ich
im Scherz —
Doch hat dein Kind mir bezwungen das
Herz.
Leb wohl! ich vergebe die ſündige That,
Frei wandelſt du künftig deinen Pfad,
Hoch halte dein Kind — dein Rind allein
Beſchuͤtzte dein Leben und hieß mich ver-
zeihn!“ —
Und eh' ſich der Förfter dem finftern
Traum
Entriſſen, war hinter Strauch und Baum
Der Wildſchütz entſchwunden, auf feiner
Spur
Horte man Rauſchen des Waldes nur,
Wie Worte des Segens, für den, der
im Drang
Brennenden Haſſes ſein Herz bezwang.
*
|
|
Vorfrühling.
Hai und 55’ die weite Au
Und der Himmel trüb und grau,
Aber heimlich leiſe
Unter Schnee und Eiſe
Webt Natur für alles Land
Schon ein duftig Lenzgewand.
Seele, du fragſt manchen Tag,
Ob dir Glück noch werden mag,
Siehſt du doch nur Sorgen
Nahn mit jedem Morgen,
Dennoch hoffe, müdes Herz,
Dir auch reift ein Glück im Schmerz.
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Mü Mürznacht.
8 Walo Raufchen, Raunen und Wogen
Wan nan der nächtigen Flur!
f Sind wach deine Geiſter alle,
Lenzbrütende Natur?
Haſt du dich befreit und ſchüttelſt
Vom Haupte den Winterreſt
Und bereiteſt nachtverſchwiegen |
Dein bräutlich Frühlingsfeſt?
Wild rauſchen des Stromes Wogen,
Ein ſehnſuchtsvoller Hauch
Durchflutet die Nacht und löſet
Die Anofpen an Baum und Strauch.
Walddroſſel hat es verkündet,
Als die Sonne ging zur Ruh:
Freue dich Erde, bald nun
Grüßeſt den Frühling du!
} .
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va
Lrkennſt dein Bildnis du?
Freiesvotter Frühlingsabend,
Wie hold verflärft du die Welt!
Der Himmel hat nach dem Sturme
Sich freundlich aufgehellt.
Das Thal ſo ſtill, ſo ruhig,
Nur Vogelrufen ſchallt,
Und leifes Schlummergeflüfter
Weht durch den träumenden Wald.
Der Strom doch wallet und brauſet,
Kennt nicht des Abends Ruh
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Du ruhlos ſtürmende Seele
Erkennſt dein Bildnis du?
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1 —
Maigruß.
S ſonnenlichte Maienwelt
Haſt du die ganze Erde
Verwandelt in ein Blütenzelt,
Daß ſie recht lieb uns werde?
Am Strauch und Baum mit Liebesmacht
Haſt Rofenflammen du entfacht,
Die aus den grünen Zweigen
Lenzfroh zum Himmel ſteigen.
Und droben in dem lichten Blau,
Wie jauchzt da deine Seele
Und ſtrömt den friſchen Kiedertau
Aus heller Lerchenkehle.
Und erſt im Wald giebt's luſt gen Klang,
Der Amſel und der Droſſel Sang
Zieht durch die grünen Räume
Wie laute Jugendträume.
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K
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Du märchenhafte Maienluſt,
Du junges, kräft ges Leben!
Wie rührſt du dich in meiner Bruſt
Und willſt dich ſehnend heben,
Um mit dem erſten Morgenſtrahl
Raſch über Berg und tiefes Thal
Bei Glockenſchall mit andern
Mailuſtigen zu wandern.
Friſch wie der Strom das Thal durch⸗
rauſcht,
So geht es durch die Auen,
Und nimmermüd' die Seele lauſcht,
Die fhöne Welt zu ſchauen.
Wo ſie entſchleiert ihre Pracht,
mein Auge glutbegeiſtert lacht,
Und Gottgedanken ſchweben
Verklärend durch mein Leben!
Und kehren wir dann abends ein
Beim Wirt der Frühlingsgeiſter,
Dann opfern wir zum Maienwein
Den duftigen Waldmeiſter.
In CLichtpokalen ſchäumt fein Blut!
Schon perlt er an der Purpurglut
Der ſchönſten Mädchenlippen,
Die ihn kredenzend nippen.
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— 26 —
Und die uns den Pokal kredenzt,
Die Schöne laßt uns leben!
Nun wird frohlockend noch bekränzt
Der Hut mit jungen Reben.
Dann feiern wir im Rundgeſang
Bei Hörner- und bei Becherklang
Bis Mitternacht im Freien
Die gold'ne Luft des Maien!
za. REED
Herbſtblaͤtter.
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S diefer ſanfte milde Hauch,
Der jetzt das ftille Thal durch⸗
ſchwebt,
Die letzte Roſe weckt am Strauch,
+
|
|
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Den letzten Falter noch belebt!
|
© dieſer wunderbare Glanz
Wie Demantfunfeln auf den Höhn!
Du ſchmückſt dich mit dem letzten Kranz,
Natur, noch einmal ernſt und ſchön!
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+ 1
II.
Die Sonne glüht, die Waſſer funkeln,
Und von des Weges Bäumen lacht
Des Herbſtes Frucht, die farbenſatte,
B Die Wälder blühn in Purpurpracht.
Wie lieb' ich dieſe milden Tage
Voll friſchen Hauchs, voll Sonnenduft,
Die klar und rein, voll kraft'ger Schöne
Sich lagern auf des Sommers Gruft.
Im Herzen welche heitre Stille,
Und welche Fülle rüſt'ger Kraft!
Gelöft in anſpruchlos Genießen
Der wirre Traum der Leidenſchaft!
O laß mir doch den klaren Frieden,
Der fonnig dieſen Tag verklärt,
Laß mir ihn, Genius des Lebens,
Der dir zu danken fromm mich lehrt!
=
III.
\ Schwabenland, wie biſt du ſchön,
Wenn von den grünen Rebenhöhn
Der Herbſtruf in die Thale ſchallt,
Zur Leſe wandert Jung und Alt!
In Keltern ſchaͤumend Traubenblut
Bezeugt des Jahres Sonnenglut;
Ihr dankt der Winzer fröhlich Herz
Im hellen Lied, im derben Scherz.
Welch regſam Leben iſt erwacht,
Durchwogt den Tag, durchſchallt die
Nacht:
Des Böttchers Schlag, der Wagen Zug
mit Glöckchenſchall und Bänderflug!
Und abends in des Mondes Glanz
Flammt auf die Luft im Erntetanz.
Wie ſtolz der Burſch fein Mädel ſchwingt,
Wie füß das Wort der Liebe klingt!
S
Ein Hauch von dieſer reichen Kuft,
Strömt mir auch voll in meine Bruft.
Des Volkes Kraft und Freudigkeit
Empfind' ich mit zu dieſer Zeit.
Nach heißer Arbeit Sorg' und Haſt
Der Ernte Glück, des Friedens Raſt —
Die jubeln heut auf dieſen Höhn:
O Schwabenland, wie biſt du ſchön!
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— 30 +
IV.
ch! Aus blauen Ätherhöhn
Wandervögel jingen,
Wollen, letzte Roſe, dir
Sceidegrüße bringen.
Traurig ſenkſt dein Köpfchen du:
Rlanglos, ohne Lieder
Blüht dir nun des Lebens Mai,
Arme Blume, nieder.
Aber uns, mein holdes Lieb!
Fielen beſſre Looſe,
Blühſt du meinem Leben auch
Selbſt als letzte Roſe;
Frühlings zauber weckteſt du
Mir doch im Gemüte,
Einen vollen Lebensmai,
Duft und Strahl und Blüte! |
Und vertrauend darfſt dein Herz
Du an meines legen;
s iſt Fein ſchuͤchtern Jünglingsherz
mit verzagten Schlägen!
— —
N nt te
nl. u Es
Mana Na Sonn Sana Sea an nr em meer ang
s ift getauft in Lebensglut,
Und in Wetterguͤſſen,
Hat der Schmerzen ſchweren Joll
Früh ſchon opfern müſſen.
Doch es ward kein totes Land,
Friſch iſt es geblieben,
Wie ein feurig Jünglingsherz
Dich, mein Rind, zu lieben;
Doch auch ſtark mit Manneskraft
Seine letzte Roſe —
Dich! — zu ſchützen, ob um ſie
Lebensſturm auch toſe!
Kann die Mannesſeele dir
Jugendreiz nicht geben,
Rlanglos nicht wird niederblühn
Drum dein ſchönes Leben.
Was ein Gott in ſie gelegt
Soll dein Dafein ſchmücken,
Einen vollen Blütenkranz
Auf die Stirn dir drücken!
Mo
rn
erbſtlich trübes Abenddüjtern
HBullt in Nebel Wald und Flur.
Alles ftille; Waldesflüftern,
Stromesrauſchen hör' ich nur.
Manchmal auch von Roß und Wagen,
Wenn fie raſch am Bergabhang
Schattenhaft vorüber jagen,
b
Hör' ich dumpfen Donnerklang;
f
Doch kein Lied, das ſonſt das Scheiden
Eines Erdentags verſchönt
Und die ſchwer bekämpften Leiden
meines Herzens mild verſöhnt.
Schöpfermüde ruht die Erde,
Lautlos in ſich ſelbſt verſenkt,
Seit von ihrem Gpferherde
Sie die letzte Frucht geſchenkt.
Und es lauſcht mein Herz vergebens,
Ernſter Gramgedanken voll,
Nach dem tiefen Ruf des Lebens,
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59 0
X Re
Der fo mächtig ihr entquoll:
Wird's dereinſt auch im Gemüte,
Das ſein friſcher Hauch noch ſchwellt,
Wenn mein Sommertag verglühte,
Still und tot wie rings die Welt? —
Horch! da hör' ich Freudentöne:
Glöcklein klingen durch die Nacht.
2 Durch die luſt'gen Winzerföhne
Wird der erfte Wein gebracht.
Lichter flammen auf im Thale,
Lieder ſchallen! Fackelſchein
Lockt mit düfter rotem Strahle
Zu der Schenke mich hinein.
Bald im Kreife froher Zecher,
Wie verwandelt meine Welt!
Fröhlich ſchäumt der Wein im Becher,
freudig iſt mein Herz geſchwellt.
Aus des Weines duft'ger Süße
Und aus ſeiner milden Glut
Schlürf' ich ſtill des Sommers Grüße,
Der gereift der Traube Blut.
Sein erloſchnes Sonnenfeuer
Sprüht in dieſem edlen Naß,
Weckt zu Lebensluſt, zu neuer,
Freud'ge Liebe, ſtarken Haß.
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— 34 —
1 — Den u ee er ee ee. ee a Di ee eh De
.
1 Allem Guten, allem Schönen
Freud'ge Liebe thatbereit,
Aber allen die fie höhnen,
Starken Haſſes grimmer Streit.
Jugend! ſterben kannſt du nimmer:
Rettend — wie der junge Wein
Sonnenglut und Sonnenſchimmer —
Sog ich deine Gluten ein.
’
1
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*
In goldener Frühe.
E⸗ taucht der Morgen in Roſenglut
Die Wipfel der Tannenrieſen;
Hellglänzende Lichter küſſen die Flut
Des Waldbachs und tauige Wieſen.
Aus goldener Ferne Lerchenſang
Und Stimmen aus jedem Strauche
Und das erwachende Thal entlang
Frühglocken im Morgenhauche!
Ich wandle dahin am Bergesfaum,
mein Herz trinkt Strahlen und Töne,
Den ganzen erquickenden Lebenstraum
Aus dem Becher der Morgenſchöne.
Da fühlt ſich die Seele gut und rein,
Da wachſen ihr Adlerſchwingen,
Da möcht' in die lachende Welt hinein
Sie edelſte Thaten bringen.
e
Da wird die heiße Sehnſucht Gebet:
© mög’ es ein Gott mir geben,
Der Schönheit adelnde Majeftät
Ju retten für mein Leben;
Daß wenn der Tag mich wieder um⸗
lärmt
mit des Dafeins Wirrfal und Mühe,
Ihr Glanz mein ſehnend Herz erwärmt
Wie im Hauche goldener Frühe!
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K
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Klarer e
G ſonnenreiner, klarer Morgen
Nach langer, trüber Regenzeit!
Wie e falt dein Licht, das lang verborgen,
Die Erde faft mit Trunkenheit.
Das iſt ein Gluͤhen und ein Glänzen
Von Thal und Hohn, von Buſch und Kain.
Das Dörflein an der Feldmark Grenzen
Wie lacht's verklärt im goldnen Schein.
Wie anders ſelbſt die MRenſchenherzen!
Verdroſſen geſtern, ſtumm und kalt;
Heut hör' ich fingen, hör’ ich ſcherzen,
man ruft mir zu von Feld und Wald.
Strahl auch in mein Herz deinen Segen,
Du ſüßes ungewohntes Licht,
Das endlich nun nach rauhen Wegen
Sieghaft durch alle Schatten bricht!
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Dämmerung.
Dunkel wird es im Waldesthal,
Nun auch des Tages letzter Strahl
Über des Bergjochs Tannen verglüht
Und im Strome fein Bild verblüht.
Heimliche Stille allerwärts,
Wur der Strom und mein banges Herz
Pochen und rauſchen immerzu,
Kennen die Raſt nicht — nimmer die
Ruh’.
Auf dem Waldfteg hab' ich gelauſcht,
Wie die Waſſer dahingerauſcht.
War’s nicht wie flehender Klagelaut,
Rufe von Schmerzen, die mir vertraut?
Stürmende Wellen, wohin? woher?
Wiege das Moos und Grab das Meer!
Und dazwiſchen der ruhloſe Streit,
Dunkel das Ziel, und der Weg fo weit!
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Nieder vom Himmel als funkelnder
Tau,
Aufwärts als ſtürmiſches Wolkengrau,
Wieder zur Erde, wieder die Bahn
Wie vordem auch zum Ocean. —
Bild des Lebens, was ſollſt du nur
Deuten und fagen der Kreatur,
Die durch das ewige Einerlei
Kämpft und ringt mit der Sehnſucht
Schrei?
Aber wie lang ich lauſchen mag,
Bis ſich in Nacht verloren der Tag —
Raſtlos brauſen die Waſſer fort,
Bringen mir nicht das erlöfende Wort!
Bringen ſie's nicht — es iſt doch kein
— 0 —
Wahn:
Einſtens nimmt uns ein Ocean a
Ewigen Friedens nach dem Lauf
Ruhlos wogenden Dafeins auf!
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Komm ſtille Nacht!
Komm ſtille Nacht, mit deinen Schatten
Und decke mild die Erde zu,
Auch über mir, dem Sturmesmatten,
Laß ſchweben deine Friedensruh'!
Gerungen hab' ich heiß am Tage
Für Recht und Pflicht mit Mannesſinn,
Nun küſſe mir vom Mund die Klage,
Du aller Müden Tröfterin.
Führ mich vom Ölberg meines Lebens,
Wo ich geſchlüͤrft den Kelch der Pein
Und um Erlöſung bat vergebens,
Yun in des Friedens Patmos ein;
Da laß aus des Gefühls Verſteinung,
Wie Moſes aus der Felſenbruſt,
Aus dürrer Öde der Verneinung
Mir quellen friſche Lebensluft!
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— 4] +
RM
O hauch in deinem heil'gen Schauern
Ins Herz den Odem junger Kraft,
Daß ſtark es ſich aus Gram und Trauern
Zu friſcher Geiſtesthat errafft!
O laß nach wildem Tagesreigen,
Laß, wenn der Hände Werk voll bracht,
Die Seele zu den Sternen ſteigen,
Du tröſtungsreiche milde Nacht!
Banner
Nächtliche Wanderung.
Danrte Nacht im weiten Forſt:
Keines Sternes Schein
Leuchtet in die Finſternis
Holden Blicks herein.
Nur der Schnee erhellt den Pfad,
Der unendlich weit
Sich vor meinen Blicken dehnt
Durch die Einſamkeit.
Finſter drängen rechts und links
Sich die Bäume her,
Wie die Boten bangen Leids:
Schweigend, trüb und ſchwer.
Fernab brauft der Waſſer Fall,
Tönt unheimlich ſchrill
Eines Käuzchens Klageruf —
Still ſonſt alles, ſtill!
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Wie verdoppelt ſich der Schritt:
Wilde jähe Haſt
Treibt mich, als ob Geiſterhand
Kalt nach mir gefaßt.
Tru be Mare raunt ins Ohr
mir der Sorge Pein,
Furcht für meiner Lieben Wohl
Schleicht ins Herz hinein.
— —
A Gute Genien fhügt mein Haus,
Stillen Glücks Afyl:
Kinderaugen lieb und klar,
meiner Wandrung Ziel!
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Sonntag.
Komme wieder, komme wieder,
Sonnentag voll Licht und Glanz!
Tauch in deine Feuerfreude
meine müde Seele ganz!
Trag mit deinen Glockenklaͤngen
Aus dem Staube ſie empor!
Gie b ihr wieder, gieb ihr wieder,
Was ſie Söttliches verlor!
Zu des Geiſtes Hochaltaren
Gönn ihr fromm den Sehnſuchtsflug,
Laß fie trinken, laß fie trinken
Ew'ger Schönheit vollen Zug!
Caß fie ſchauen, laß lie fühlen
Deinen milden Friedenshauch:
Tag des Lichtes, Tag der Freude
Deines Gottes bin ich auch!
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Kirchenſtille nun im weiten
Wald.
Kircenſtle nun im weiten Wald,
Seiner Vöglein Lieder find verhallt
Und verſtummt der taufendfältige Laut
Im Gebuͤſch und Heidekraut.
Nur der Bach allein
Mag nicht ſtille ſein,
Singt bewegt, was ihm Natur vertraut.
Einſam auf des Ufers Felſen ruh'
Sinnend ich und hör' den Waſſern zu;
Ach verſtehen möcht' ich nur einmal,
Was ſie ſingen durch das ſtille Thal,
Seit vom Mutterſchoß
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Sie ſich rangen los,
Ungeftüm in wilder Sehnſucht Gual.
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Herz und Natur.
Dünere Wolfen
Am Himmelszelt,
Schatten der Schwermut
Verhüllen die Welt!
Bang iſt die Seele —
Da plotzlich ein Strahl:
Goldene Sonne
Durchflutet das Thal!
Funkelnd und wogend
Begrüßt fie der Fluß;
Schauernd empfindet
Das Herz ihren Kuß!
Ach, oft ein Lichtblick,
Ein einziger nur:
Siehe, verwandelt
Iſt Herz und Natur!
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Lerchenlos.
S ſelige Lerche, o könnt' ich wie du
Im Sonnenäther mich baden
Und jauchzen der Erde Schönheit zu
Hoch über der Menſchheit Pfaden!
Könnt’ ich den ganzen Jubel der Bruſt
In Liedern wie deine faſſen
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Und ſie als ſprühende Funken der Cuſt
Aufleuchten und ſterben laſſen!
Nur einmal das heiße ſtuͤrmiſche Herz
In deine Wonnen tauchen,
Dann würd' ich der letzten Stunde Schmerz
In ſeligem Lächeln verhauchen!
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Herz, unſterblich iſt die Freude.
Eiferſuchtig deiner Sorgen
Finſtrer Hüter willſt du fein,
Doch an einem ſchönen Morgen
Kehrt der Lenz bei dir auch ein!
Aufwärts zu dem Born des Lichtes
Lockt dich feiner Lerche Ruf,
Und erhellten Angeſichtes
Schauſt entzückt du, was er ſchuf!
Seiner Bäume Blütenflocken
Leuchten feſtlich durchs Gefild,
Und mit bligendem Frohlocken
Tragt der Strom der Sonne Bild!
Wo du gehſt, auf allen Wegen
Grüßt dich duft'ge Blumenpracht,
Iſt des Frühlings Blütenfegen
Zu lebend gem Reiz erwacht!
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Hell aus dunkelm Tannenwalde
Bricht der Buchen junges Grün,
Und das tauige Moos der Halde
Funkelt in der Sonne Glühn.
Und aus allen Höhn und Gründen
Ruft und lockt der Vögel Chor,
Eine Botſchaft zu verkünden
Jedes frommen LCauſchers Ohr.
Herz, unſterblich iſt die Freude,
Ob ſie auch verſchüttet lag,
Endlich doch — nach ſchwerſtem Leide —
Kommt ihr Auferſtehungstag!
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Ber" S0 —
Slüf.
träume nur des Glüdes Traum, |
Wo ’s deine Seele grüßt;
Und wenn es flücht'ge Stunden kaum
Das Weltleid dir verſuͤßt.
Iſt es ein Fremdling nur der Welt,
Heg's dennoch liebevoll;
Und wenn es auch nicht Treue hält,
Verfolg es nicht mit Groll.
Beſeligend hat doch ſein Strahl
Dein Haupt einmal berührt,
Du haſt im Tiefſten doch einmal
Das Götterfind gefpürt.
DI Bönlein im duftigen
Bluͤtengezelt.
) Döglein im duftigen Blütengeselt,
7 Wie ift dir in diefen Tagen?
Du trillerſt und jubelft, als müßteft der
Welt
Von ſeltenen Wundern du ſagen.
In Rofenflammen dein Apfel baum,
Dein Neſt in Blüten begraben —
Wie follte dein kleines Herz da noch Raum
Für all dieſe Wonnen haben?
Drum ſchmettert ſo machtvoll in
jubelndem Klang
Dein Lied aus den ſchauernden Zweigen,
Als müßteſt ausftrömen der Freude
Drang
Du aufeinmal — und ſelig dann ſchweigen!
Fr
Goldner Morgen.
Gaiden lacht und glüht der Morgen
N Uber maiengrünen Höhn —
| Und du, Seele, ſinnſt voll Sorgen,
Und die Welt iſt doch fo ſchoͤn!
Glocken rufen, Vöglein ſchlagen,
Blütenlicht durchflammt das Land.
Wirf dein Jagen und dein Klagen,
Herz, in dieſen Freudenbrand!
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Nach Jahren.
Du lieber Wald, wie lange
mied ich dein traut Revier;
Nun klang wie fröhlich Grüßen
Dein Rauſchen über mir.
mir war's, als müßt' ich ſchmiegen
mich feſt an jeden Baum,
mich mit den Wipfeln wiegen
Und träumen alten Traum.
Be zaubert ſtand ich lange,
Wo aus der Felſenbucht
weißſchaäumend, freiheitsſelig
Hinbrauſt der Waſſer Flucht.
Im ernſten Hochthal fühlt' ich
Wie einſt in alter Zeit
Durch meine Seele ſchauern
Den Geiſt der Einſamkeit.
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Dann droben auf der Halde
Sah ich des Tags Verglühn,
Um deine dunkeln Wipfel
Sein goldnes Feuer ſprühn.
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Wieder kommt, ihr ſüßen
Traͤume.
Wieder kommt, ihr ſüßen Träume,
Die die Jugend mir beſeelt,
mir ſo wunderbare Mären
Von der weiten Welt erzählt.
Ach, ich hatte längſt vergeſſen
Euch zu lauſchen andachts voll
In dem wilden Kampf des Tages,
Der ans Ohr mir dröhnend ſcholl.
In dem Wirrſal dieſer Stürme
War die Sehnſucht bald erſtickt,
Die mit frommen Kinderaugen
Nach der Schönheit Blume blickt.
Hat ſie auch nach heißen Tagen
Oft noch ſchüchtern angepocht,
Ach ich hab' ſie ſtrengen Geiſtes
Weltbefangen unterjocht.
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War ich doch mit allen Sinnen
In des Nutzens harter Fron:
Unbeliebter Arbeit Sklave,
Sprach ich meinen Göttern Hohn.
Raſch erwerben, raſch genießen
Schien auch mir ein klug Gebot,
Doch in dem bacchant'ſchen Taumel
Schrie oft wild des Herzens Not.
In dem Wettlauf nach dem Glücke
Pries man oft als Sieger mich,
Während mir ein bittres Weinen
Heimlich durch die Seele ſchlich.
Heimatlos im eignen Herzen,
Fand ich nirgends volle Ruh',
Lachte mir vom Tiſch des Lebens
Wie ein voll Behagen zu.
Wieder kommt, ihr ſüßen Träume
Gottbeſeelter Jugendzeit,
Mich von neuem zu beglücken,
Seit das Herz in mir befreit.
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— 57 —
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Treu will ich nun zu euch halten,
Genien der Schönheit, lehrt
Euren Gottesdienſt mich wieder
Und des Herzens heil'gen Wert!
UÜberglänzt mein künftig Leben
Wie ein ſanftes Sternenlicht —
Eurer würdig es zu formen,
Sei mir Wonne, Troſt und Pflicht!
— 88 —
Weihnachten.
Komm, heil ge Nacht, mit deiner
Sternenleuchte,
mit deiner Kerzen freudigem Gefunkel!
O komm brich aller Leiden truͤbes Dunkel,
Das gütig oft dein göttlich Licht ver⸗
|
| ſcheuchte!
| Noch währt dein Zauber — ewig unver-
| alter —
| Trotz aller Zweifel, kritiſchem Verneinen:
ö Mit Jubel grüßt das Herz doch dein
Erſcheinen
| Und jeden Ort, wo deine Feier waltet;
Zum Paradies geſtaltet
N Dein Geiſt des Hauſes Herd auf kurze N
Stunden:
Wo Kinder jauchzen um den Weihnadts-
baum,
Rührt ſelbſt der Alten Herz ein Freuden⸗
traum,
Wie reiner es noch keinen hat empfunden,
Daß tief und dankend es erkennt: noch
immer
Iſt unſrer Welt ein Engelgruß dein
Schimmer!
Ein Nachglaͤnz jenes Lichts, das um
die Hirten
Vor Bethlehem einſt wetterleuchtend
flammte,
Prophetiſch ſprach von des Erlöfers Amte:
Das Heil des Lichts, der Liebe, der ver-
irrten
Unſel'gen Menſchheit gnadenvoll zu
ſpenden —
Iſt deinem Leuchten, heil'ge Nacht! ver-
blieben.
In deinen Sternen ſteht es hell geſchrieben:
Woch will den Heiland Gott euch allen
ſenden,
Woch will die Not er wenden,
Die ſchwer bedrückt fo viele Erdenföhne,
Drum geht ſein Engel leis von Haus zu
Haus,
Und teilt der Liebe fromme Gaben aus,
Daß Liebe bitt'rer Armut Leid verſöhne,
ZZ ² ! Zu
Daß heute ſie nicht weint in Gram verloren:
Nur uns iſt nicht der heil ge Chriſt geboren!
O doch, der Heiland echter Liebe wird
geboren,
Mag auch die Selbſtſucht taglich Sklaven
werben,
Manch Hochgefühl in ihrem Gifthauch
ſterben,
Mag ſie den Edlen werfen zu den Thoren;
Mag ſie des Geiſtes heißen Rampf ver-
höhnen
Undeinen kurzen Tag das geld des Lebens
Beherrſchen und das Ziel des Menfchen-
ſtrebens:
Der Sieg bleibt doch des Geiſtes treuen
Söhnen!
Das klingt mit Engelstonen
In jedem Herzen nach als Troſt und Segen,
Dem du die Weihe gabft, hochheil ge Nacht!
O komm und übe deine Jaubermacht
In Hütten und Paläften allerwegen,
Daß Liebe wird zum Prieſtertum erkoren
Und jede Seele jauchzt: Chriſt iſt geboren!
*
Ei
* N 2 CN — . zes. 5 1
| Die junge Wohlthäterin.
Von Dome Feierabendglockenklang; |
Dort aus den lichtdurchſtromten
Sälen tönen 5
Bacchantiſche Muſik und luſtiger Geſang j
Und helles Lachen ſiebzehnjähriger
Schönen.
Wie ſchaukelt auf den Wellen der Muſik
Die Seele ſich in wonnigem Behagen;
Vom Lichtesglanz durchſonnt den frohen
Blick,
Fühlt ſie ſich wohl von Genien getragen!
7
Wie blitzt das Auge! Wie die Lippe
ſchwärmt!
Wie rauſchen ſtolz die prangenden Ge-
wandel
Wie ift es möglich, daß ein Herz ſich harmt
In dieſem wonneduft'gen Feenlande!
Es blitzt das Auge, doch es ſtrahlt
nur Hohn!
Die Lippe ſchwärmt, das kleine Ich zu
Frönen;
Die Lüge lauſcht im Wort wie ein Spion,
Verrat zu üben an dem Hohen, Schönen!
Der Jungfrau Herz wird hier zu Markt
gebracht,
Um das die Tänzer, wie um Ware lofen —
Du reines Kind! der Froſthauch ſolcher
Nacht
Bricht oftmals deiner Seele ſchoͤnſte Roſen!
O komm mit mir fort aus dem lichten
Saal!
In dunkle Straßen führen unſre Pfade.
Hier wohnt der Paria, der Not und Qual
Sein Leben nennt, und Sterben Luſt
und Gnade.
Sieh in dies Stübchen! — Sieh die
Gruppe dort —
Der Kinder Jubel um die junge Dame!
Wie lauſchen fie mit Gier auf jedes Wort,
DasfihvertrautverrätmitihremGrame!
j
u RB FE EEE
Sieh, wie fie jedem eine Gabe bringt,
Und wo die Gabe nicht vermag zu lindern,
Da iſt ihr Wort, dem Heilung oft gelingt,
Ein Engelgruß den Alten und den
Kindern!
Und mit der Geberin ſtillſegnend gehn
Die Genien des Friedens in die Hütte.
Die arme Frau empfindet wohl ihr Wehn
Und ordnet Hausgeräͤt und Lagerſchütte.
Die junge Dame, welcher Gott es gab,
Um auch, wie du, recht fröhlich fein zu
dürfen,
Entfernt die Dornen von des Bettlers
Stab
Und nennet dies: des Lebens Wonne
ſchluͤrfen. —
Du, die noch nie in deiner Freuden Traum
Geahnt der Brüder ſchmerzliches Ent⸗
behren,
Und Not und Armut kennt als Sage
kaum —
Willſt du nicht auch ein dunkles Los
verflären?
Anm
Willſt du nicht an der Menſchlichkeit Altar
Das Opfer bringen thatbereiter Güte?
Wicht für die Dulder pflegen immerdar
Des Mitleids keuſche heil ge Wunder⸗
blüte?
O lerne dieſe Luft, die nicht ein Rauſch
Entſchwindet mit der Nacht, die ihn
geboren
Gewiß, du ſegneſt dieſen Freudentauſch
Verachtend kalt den Hohn von ſeichten
Thoren!
Doch wenn du von der Armen Segens-
wort
Begleitet und von heißen ſchoͤnen
Thränen,
Einſt ziehſt vorbei an jenem Freudenort —
Wird er nicht wecken dir geheimes
Sehnen?
O nein! du traͤgſt im Herzen eine Welt,
Die lichter ſtrahlt als dort die Flammen
alle!
Vom Licht der Liebe iſt dein Herz erhellt
Und weiht es ein zur ſel gen Gotteshalle!
N
Und wenn ſich andre müd und feelen-
wund
Enttäuſcht mit Thränen in die Kiffen
ſchmiegen,
Wird ſelbſt im Traume noch auf deinem
Mund
Des Friedens Kuß, ein ſelig Lächeln
liegen!
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— 686 —
Vinterabendrot.
Wie ruhſt du auf der Winterflur h
So bang verglühend,
| Wie dich um einen einz gen Lie bes blick
Vergeblich mühend!
Du löfeft nicht den ſtarren Bann,
Dem ſie verfallen;
Dein Strahl weckt nur den ſeelenloſen
Glanz
In Eiskryſtallen.
Ob auch in deinem letzten Licht
1 Ihr Schneekleid flimmert,
Der Leiche gleicht fie, drauf der Kerzen
Strahl
Wehmütig ſchimmert.
[91]
— 67 —
Iſt fie erſtarrt wie Niobe
Zu Mutterſchmerzen,
Als ihr der Herbſt die Blumenkinder riß
Vom treuen Herzen?
| Dann laß fie ruhn: ihr Winter bann
Ward ihr zum Segen!
Wer will nicht, wenn ſein Liebſtes er
verlor,
Sich ſchlafen legen?
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1 Weihnachten im Irrenhauſe.
9 Es iſt doch keine Hätte jo ſchlecht,
\ Wo heut nicht Chriſtus wäre!
Hans Wachenhuſen.
a
Weinnadrsabens! Der Glocken Ton
Wogt durch die Lüfte feierlich
ſchon; f
Freudig bewegte Menſchen ziehn
Durch die beſchneiten Straßen hin.
Da und dort in ihr myſtiſch Dunkel
Bricht eines Chriſtbaums hell Gefunfel
Tönt ein aufjauchzender Freudenſchrei
Seliger Kinder — aber vorbei
Unaufhaltſam zieht x
Heute mein ſeltſam Weihnachtslied.
*
— — „rs a
2 8 2 > > > = = 5 e
N — 69 — 5°
Sieh! — da hält es am ösdeſten Haus,
Wo ihres heiligen Seelentau's
Balſam die Freude ſelten ſchenkt,
meiſt ſie den Flug vorüber lenkt;
7 Aber heut iſt ſie doch geladen,
Dürftende Herzen zu begnaden.
Tritt nur ein mit mir in den Saal,
in Feſtlich erhellt von der Kerzen Strahl,
Und ſieh! wie ſie heut
Wonnen mit vollen Händen ſtreut!
je Mädtig erbrauft der Orgel Klang,
Jubelt wie Siegsruf der Weihnadts-
geſang:
PN „Chriſt ift geboren! — o felige Zeit! 8
Freue dich, freue dich, Chriſtenheit!“
Und doch grüßen die Weihnachtskerzen
4 In den Sängern — verlorene Herzen, R
Irre Geifter nur — und es ſchallt
Herzerſchütternd des Lieds Gewalt:
„O ſelige Zeit! *
Freue dich, freue dich, Chriſtenheit!“
4
4 — Fr nt 585 ee —
Sieh, wie der Andacht Sonnenlicht
Leuchtet auf jedem Angeſicht,
Als nun der freundliche Prieſtergreis
Spricht von der Weihnacht Segen und
Preis.
Betend falten ſie ihre Hände —
Hat auch ihnen die Sonnenwende
Ihres Geiſtes aus ſtarrer Nacht
Finſtern Wahns das Lied gebracht,
Das ſiegend durchbrach
Geiſter erlöfend der MRenſchheit Schmach?
Als nun das prieſterwort verhallt,
Silbernen Tons ein Glöckchen ſchallt,
Und ein liebliches Chriſtkind tritt
Unter die Irren mit leiſem Schritt.
Wie ein ſegnender Engel der Freude
Strahlt es in golddurchwobenem Kleide,
Und es ruft ſie beim Namen all',
Leitet ſie unter des Glöckchens Schall
Von Tiſch zu Tiſch,
Spendend der Gaben buntes Gemiſch.
i
|
|
. 2 2 — nu nu *
Dort dem mann mit dem wirren
Haar —
Düfter funkelt fein Augenpaar —
Reicht eine Geige das Kind und ſpricht:
„Wackrer Maäftro! nun zögere nicht!
Deine Freundin ſchenk' ich dir wieder,
Gieb uns dafür bald neue Lieder!“
Zitternd der Meifter weint und lacht,
Reißt die Geige an ſich mit Macht
Und eilt davon,
Heimlich zu prüfen ihren Ton.
Horch! ein erſchütternder Jubelſchrei!
Bebend ftürst dort ein Weib herbei,
Fliegenden Haars mit wilder Haſt
Hat es des Chriſtkinds Geſchenk erfaßt:
Eine Puppe! — mit lachenden Augen
Hält es, als gält' es ein Leben zu
ſaugen,
Küffe verſchwendend die Lippen feſt
Auf die Lippen der Puppe gepreßt:
„mein Kind! o mein Rind!
Wie mir die Heiligen gnädig find!“
FP
— 72 —
—
Dort der Jüngling mit Scepter und
Kron
Träumt ſich zum mͤchtigen Rönigsfohn.
Dort der Greis mit dem ſchwärmenden
Blick
KRündet prophetiſch der Welt Geſchick,
Hält in der Rechten eine Wage:
„So wird der Herr am jüngſten Tage
Wagen die Sünden der argen Welt,
Aber uns iſt ein Retter beftellt,
Aus Davids Stamm,
Preiſet, o preifet das Gotteslamm!“
Sieh! dort die Jungfrau — der
Kerzen Licht
Zeigt dir das lieblichſte Angeſicht!
Feſſelt dich nicht ihrer Schönheit Glanz,
Nicht ihr wehmütiges Träumen ganz?
Träumt fie vom Kranz in ihren Locken?
Hort lie den Schall von Hochzeitglocken?
Sinnend betrachtet fie einen Ring:
„Ach, daß ſo weit er wandern ging!
Doch übers Jahr
Führſt du dein Bräutchen zum Altar!“
an
wer
Und an die Lippen den Ring geſchwind
Führt glückſelig das arme Kind,
Singt dann mit leiſem, gebrochenem Laut
Weiter das Lied der verlaſſnen Braut.
Träume, Ophelia-Margarete,
Träume ſind ja die heilige Lethe,
Die deines Lebens Nachtſtück begräbt,
Daß ſich erlöft deine Seele hebt
Aus dem Abgrund voll Schmerz!
Träume nur, träume, verlorenes Herz! —
Wo du auch wandelft, rings um dich her,
Ob dir Fauſt oder Ahasver,
Hamlet erſcheint oder König Lear —
Freudige Herzen begegnen dir,
Welche des Chriftfinds Gabe beglückt,
Flüchtig in Träume des Lichts entrückt,
Daß auch durch dein Herz mit Sieges
macht 8 |
Jubelt der Hymnus der heiligen Nacht:
O ſelige Zeit!
Freue dich, freue dich, Chriſtenheit!“
*
*
*
Ver rief den Krieg?
1870.)
Und wer ſeid ihr? — Bethört von ſeinem
Glüde
Die Zwerge, die des Riejen Harniſch
tragen! .
£udwig Seeger.
Serien des Tages, Föniglidde Sonne!
Wie ftrömeft du aus deines Lichtes
Born :
Auf unſer Heimatland der Schönheit
Wonne:
Hier glänzt die Rebe, dort das goldne
Korn!
Um Bergesſtirnen loht's wie Opfer:
brände,
Und funkelnd blitzt der Strom durchs
Thalgelände.
— 75 —
e
nu
|
*
*
1 = — — 3 2er — — {2
Und dennoch reihft du an die alte Kette
Des mMenſchenelends nur ein neues
Glied:
Statt Erntetanz — des Krieges Schaͤdel⸗
Ir ftätte
% Und Schlachtgeſänge ſtatt des Friedens
Lied!
gi Statt Freudenfeſte herbe Kummer:
mahle
ö Und Leidenskelche ſtatt des Frohſinns
9. Schale!
We
a
gt Ja „Krieg!“ erſchallt's durch deinen
heitern Frieden:
Dort weint die Mutter, dort das Kind,
$ die Braut
Dem Kämpfer nach, der trauervoll ge⸗
ſchieden
Vom trauten Heim, das einft fein Gluck
geſchaut,
Von feiner Arbeit Feld, drauf er ver-
gebens
Erhofft die Ernte ſeines treuen
Strebens!
.
.
Doch hat das Vaterland in ihm ge-
funden
Den Mann, der feine Thrane raſch zer⸗
drückt,
Der freudig opfert, gilt's auch Blut
und Wunden! —
Doch wer, — wer hat zuerſt das Schwert
gezückt?
Wer hat — in Blut ihr Thränenkleid
zu baden —
Die Furien des Kriegs zu uns ge⸗
laden?
Im Babel an der Seine, wo ſich
gatten
In einem Bild der Erde Reiz und
Glanz,
Dort wo des großen Korfen kleiner
Schatten
Nachäffend taſtet nach des Ruhmes
Kranz,
Wo über einem wahnberauſchten Lande
Das Scepter führer die gefrönte
Schande.
Dort ift der ſchreckenvolle Ruf er-
ſchollen
Des wanfenden Cäfaren bleichem Rund.
weil über ihm des Aufruhrs Donner
rollen
Beſchwört den Krieg er aus der Erde
Grund, n N N
Des eignen frech zertretnen Volks
Emporen
In einem Völkerbrande zu zerſtören!
Unein'ge Söhne eines Mutter-
landes — _
Haft du gehofft, uns ewig zu ent-
zwein —
Doch ſieh! im Flammenſturm des volker
brandes
Siehſt du ganz Deutſchland als die
Wacht am Rhein,
mit Blut und Eiſen jeden Schimpf zu
rächen,
Bis deiner Herrſchſucht letzte Stützen
brechen!
ya
Drum hüte dich, der kalt du Millionen
Mit frechem Hohn das Friedensglück
zerſtoͤrt:
Der Weltgeiſt bricht in Scherben auch
die Kronen,
Wenn ſich zertretner Volker Herz em⸗
pört!
Noch immer ift der Rache Tag er-
ſchienen —
Auch du führſt deinen Baaltanz auf
Ruinen!
zwar hoffſt du noch in deiner zwölften
Stunde
Wie ein verlorner Spieler auf dein
| Glück, N
3 Das mit dem Abenteurer einſt im
| Bunde
Sich kalt und feindlich zog von dir
zuruck:
Du wagſt den höͤchſten Einſatz, laß die
Geiſter
Des. Glücks ſich beugen ihrem Herrn
und meiſter!
Doch nichts gewinnt! wohl haben dich
erhoben
Zum Thron des Glückes Geifter toll
gelaunt:
Doch deinen Purpur hat der Tod ge—
woben,
Der leiſe jetzt aus jeder Falte raunt:
„Ich hole wieder, was ich einſt gegeben
Mein iſt dein Name, Stamm und
Thron und Leben!“
Drum friſch und drauf, mein Volk! Für
Deutſchlands Ehre
Setzſt du dein Heiligſtes und Höchſtes
ein:
Vorwandelnd deinem ſieggewohnten
Heere,
Wird dir dein heilig Recht Beſchützer
ſein!
Du wirft das Heer der Knechtſchaft und
der Lüge
3ertrümmern durch der Wahrheit Sie-
gesflüge!
menen nn
Und trinken Tauſende auch aus der
Schale
Des Opfertods dich ſchreckt es nimmer⸗
mehr:
Berufen biſt du doch zum Siegesmahle,
Unſichtbar ſchweben um dein Helden heer
Die Geifter derer, die bei Leipzig ftarben
Und die bei Waterloo uns Sieg er⸗
warben!
Erſt, wenn vernichtet des Tyrannen
Machte
Und er gefunden ſein St. Helena,
Erſt wenn mit Sieg erkannt ſind Deutſch⸗
lands Rechte,
Erſt dann, mein Volk, iſt auch dein
Raſttag da:
Erſt wenn der Holle Dämon iſt zertreten,
Sollſt du für deiner Kampfer Heimkehr
beten.
Stun dreißig Jahre!
(Am 5. September 1870).
5
Eee
Nun dreißig Jahre! ach, ich faſſ es
kaum,
Daß ſchon der Jugend Mai hinab⸗
geblüht!
Vorbei der Hoffnung blütenreichfter
Traum,
Und bittrer Täufhung Froſt ſchon im
Gemüt!
O Jugendzeit! in deinem Blütenhage
Kehrt die Erinnrung heute ſelig ein.
Mein Sommer kommt — er bringt wohl
heiße Tage —
Dann wird erfriſchend mir dein Nach⸗
klang ſein!
N
Nun dreißig Jahre! — heut vor einem
Jahr
Empfing ich noch des Herzens Feſtes⸗
gruß,
Das meiner Kindheit frommer Genius
war —
Empfing ich einer teuern Mutter Kuß.
O liebe Mutter du! ach, heute trage
Ich einen Kranz auf deines Grabes Stein;
Mein Sommer kommt, — er bringt mir
heiße Tage,
Doch wird dein Segen, Mutter! mit mir
ſein.
Ihr meiner Jugend fröhliche Ge⸗
noſſen, N
Wo ſeid ihr? — auf dem Erdenrund
verſtreut!
Viel andre haben ſchon das Aug' ge⸗
ſchloſſen,
Das ſich mit mir am Spiel der welt
erfreut.
Und andern ward der Freundſchaft
Wort zur Sage —
Doch einige noch nenn' ich freudig mein.
— 83 —
Nein Sommer Fommt — er bringt mir
heiße Tage —
Ihr letzten noch — ihr werdet treu
mir ſein!
Und ſieh! was drängt ſich freudig auf
mein Knie?
mein Töchterlein — der wilde Geiſt vom
Haus!
mit Kuß und Schmeichel worten bietet fie
Zum Feſtgruß einen wahren Rieſen⸗
ſtrauß!
Da naht mein liebes Weib! Fort jede
Klage! N
Iſt doch der Liebe traute Heimat mein!
mein Sommer kommt — es nahen heiße
Tage —
Für euch, ihr Lieben, will ich ruͤſtig fein!
Horch, Glockenklang und lauter Jubel
ton,
Ein Hurra brauft dem andern ſtüͤrmiſch
nach:
„Gefangner Deutſchlands ward Napoleon
Vor Sedan, wo des Frevlers Macht
zerbrach!“
© welch ein Feſttagsgruß! mit Jubel
trage
In meines Lebens Buch ich ſtolz dich ein:
mein Sommer kommt — bringt er auch
heiße Tage, a
Herr Gott! Welch Glück, ein deutſcher
—
— 88 — 6*
7
9
Vergiß, mein Volk, die treuen
Toten nicht.
(J87J.)
A ga,» A die treuen Toten nicht und
tüde
Auch ihre Urne mit dem Eichenkranz.
Th. Körner.
Leu nur der Freude Becher bis zum
ff ” Grunde,
Den deiner Helden Siegeslauf dir bot,
gt Und ſonne dich in feiervoller Stunde
* In deines Ruhmes praͤcht' gem Rorgenrot.
Laß Fahnen rauſchen, hohe Lieder
9 ſchallen —
* Dir ward die Freude ja zur EUR
pflicht —
Vergiß, mein Volk, die treuen Toten nicht!
$ Doch in des Jubels trunknem Über-
| wallen
ar
|
Erz
——ů—
Die Lebenden begrüßt dein Dank, dein
Segen, —
Der ſchoͤnſte winkt an ihrer Lieben Herz!
Und tauſend weiche Hande wollen pflegen
Und tröftend lindern wunder Krieger
Schmerz.
Die Toten aber ruhn in fremden Gauen
Den Kranz der ihre bleiche Stirn umflicht,
Kann nur des Himmels Thräne noch
betauen —
Vergiß, mein Volk, die treuen Toten nicht
Sie warfen ihre Bruſt dem Feind ent⸗
gegen,
Ein Schutzwall dem bedrohten Vater-
land!
Sie ftürmten vorwärts trotz Granaten-
regen,
Bis heißer Tod den weg zum Herzen fand!
Sie fragten nicht: wer wird die Lieben
fügen,
Wann des Beraters Aug’ im Tode bricht?
Sie riefen: Vorwärts! Deutſchland wird
fie ſchützen! —
Vergiß, mein Volt die treuen Toten nicht!
— — un ur.
1
Was ſterbend — doch als Sieger! —
fie erwarben,
O fhüg es als ein unantaftbar Gut:
Der neue Bund, für den fie jauchzend
ftarben,
Der Einheit Bund, getauft in Heldenblur!
Reizt Wahnwitz dich aufs neu’ zu
innern Fehden,
Ruf ihre Geiſter auf zum Volksgericht
Daß zu den Lebenden die Toten reden! —
vergiß, mein Volk, die treuen Toten nicht! !
— ee ee en
ee :
5
Scchutterthal.
18781882.
9
J
> — rauen — * 5
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. 3972
* r
* en .
Lin Prolog.
Erfiuana ward des Volkes heißem
Sehnen:
Aufwuchs aus Blut und Thränen
Groß und gewaltig unſer Vaterland;
Und ſtrahlend leuchtet über Land und
Meere
Das Banner ſeiner Ehre,
Von feinem Schwert geſchuͤtzt in ſtarker
Hand.
u u u =
Und doch nach unfrer Adler kühnem
Fluge,
Nach unſrem Siegeszuge
Kein Frohgefuͤhl in unſres Volkes Kreis!
Ein kurzer RNauſch in nie geahnten
Wonnen,
Der wie ein Traum zerronnen,
Nun allwärts Kampf und mühſal,
ſchwer und heiß!
.
*
2
Händen —
An Heroſtratosbränden
Schürt's heimlich und ein boͤſer Dämon
lacht.
Und ach! in unſres Glückes kurzen Tagen,
Die ruheloſes Jagen
Nur nach Gewinn und nach Genuß
Die Taube fehlt, die uns den Glzweig
* brächte!
Wer zählt die bangen Nächte,
Die ſchlafentwöhnt fruchtloſer Fleiß
durchwacht?
Der Hammer raſtet in viel tauſend
gekannt,
Verloren ging das Meiſterwort, das
ſiegend
Den Haß, den Neid bekriegend, 55
Den Daͤmon in der Bruſt der e
heit bannt.
f Y
O nimmer wird der Waffe Blitz ihn
ſchrecken, —
Ihr müßt das Herz erwecken
Tief in euch ſelbſt und in der Armen
Bruſt!
r
Den Born erſchließt der Menfchheitsideale
Und tränft aus voller Schale
Die Leidenden mit hoher Liebesluſt!
Lernt jedes dunkle Renſchenlos ver-
klaren
Und lehrt, daß im Entbehren
Des äußern Glücks uns oft ein innres
reift.
Das Herz iſt reich an Wundern und an
Gnaden —
Nrühfelig und beladen
Seid ihr nicht mehr, wenn ihr fie nur
begreift!
So kommt, wenn nach des Tages
heißem Ringen
Die Feierglocken klingen,
Ein heimlich trauter Garten ladet ein.
Da grüßt verſöhnend euch der Schön—
heit Blüte,
Da quillt in das Gemüte
Verjuͤngend ſtiller Freuden Sonnenſchein.
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EEE
|
.
Nicht Lieder, die entzweien und zerſtoͤren
Und läuten zum Empören,
Wicht Bilder einer kranken Phantaſie!
An Bild und Klang ſoll euer Herz ſich
freuen,
Die Dichtung ſoll erneuen,
Was Holdes euch das Leben je verlieh!
Doch nicht den Schlummermohn im
Kampf der Tage
Kredenze Lied und Sage,
Nein, einen friſchen vollen Lebenstranf!
Es ſoll die Kunft erheitern, doch auch
ſtählen,
mit Kraft und Mut beſeelen —
Nur dann zollt ihr das Leben freud'gen
Dank.
4 —
ee.
Kaiſerhgmne.
Deurſchland rief in dunkeln Tagen: 1
„Wann, o wann erſcheint der Mann,
Der den alten Hader ſchlichten,
Der das Reich errichten kann?“ 55
Du im Sturme wilder Schlachten
Biſt gekommen, greiſer Held:
Baifer Wilhelm, Deutſchlands Stämme 2
Einteſt du im blut ' gen Feld!
Nord und Süd verbrüdert ſtürmten
Von Germanias wunder Stirne
an
Deinem Schwerte jauchzend nach;
Sank der Dornenkranz der Schmach.
Frei und ſtolz im Rat der Völker
Schlägt fie nun das Aug’ empor;
Kaiſer Wilhelm, Deutſchlands Ehre
Strahlt, ein Stern, wie nie zuvor!
Deutſchlands Schirmherr, Deutſch⸗
}
J lands Führer,
Wie du ftandeft im Orkan,
Leuchte du der deutſchen Arbeit
Auch im Frieden hell voran!
Schirm, was deutſcher Geiſt geſchaffen,
Was des Bürgers fleiß' ge Hand!
Raifer Wilhelm, ſegnend walte
Lang noch über deutſches Land!
Mond am Horgen.
— —
Was fäumft du noch,
Du bleicher Nachtgeſelle?
Längft trat der junge Tag
Auf feine Roſenſchwelle.
Die Erde glüht, 5
Berauſcht von ſeinem Schimmer:
Des Freundes, der die Nacht
Verklärte, denkt ſie nimmer.
Du blickſt ſie an
Wie ein verfhmähter Freier,
Der die verlorne Braut 5
Erblickt im Hochzeitsſchleier.
Du mußt es fehn,
Wie an dein innig Lieben
Auch nicht ein Hauch
Erinnerung geblieben.
Und dennoch Fannft
Den Anblick du nicht meiden,
Zu ſchon iſt fie: ihr Reiz
re
— . Mess” _ nase. 2a
Bezwingt dich noch beim Scheiden.
N
Htundenlang bin ich im weichen Moos N
Droben am Waldſaum gelegen,
Schlürfte wie der atmende Wald
Himmliſchen Sonnenſegen.
Jah in der Ferne dammerndem Blau *
Himmel und Erde ſich einen: 2
© ein beglüdendes Paradies
Wollte die Welt mir fcheinen.
0
0
%
Am Wald ſaum.
Lachend in roſigen Blüten,
Schien fie nur ein beſeligt Geſchlecht
Liebend zu hegen, zu hüten!
1
Uberſchüttet mit Licht und Duft, N
Aber ich wußte: Tauſende dort
Fluchen dem Weh des Lebens —
Sagt mir, ihr Glückverlaſſenen, grüßt
Euch der Frühling vergebens?
Glaubt mir: den Becher bitterſten
Wehs
Hab' ich mit Thränen getrunken,
Bin auch in mancher dunklen Nacht
Zagend zur Erde geſunken;
Aber aus toſender Sturmflut hab'
Eines ich mir gerettet,
Was an dies ernſte Leben mich
Freudigen Sinnes kettet:
Heute noch durch mein tiefſtes Herz
Wogt ein bräutlich Entzücken,
Wenn die Wunder des Fruͤhlings aufs neu
Himmel und Erde ſchmücken. .
Heute noch ſchenkt mir manchen Tag
55 Unſere Zauberin Sonne,
Wenn ſie erwacht, wenn fcheiden fie geht,
Tief erquickende Wonne.
Ba a a
a » —
Mag drum dich verklagen der Wahn
Als die ſchlimmſte der Welten,
mag die Armut des Herzens dich
Gleißende Lügnerin ſchelten;
=
mir doch bleibſt du fhön und groß,
Mutter des Lebens, o Erde,
Will mich deiner freuen, bis einſt
Schlafen in dir ich werde!
ee
— 101 — 70
Grümliches Menſchenkind,
f blick auf!
I Sränlices menſchenkind, blick auf:
Leuchtender Frühling zieht herauf!
Lange die Erde gefeſſelt lag,
Endlich kam der erlöfende Tag.
4
; F Funkelnd quillt's aus der Sonne Born,
Weckt in der braunen Furche das Korn;
N Weckt in den Änofpen der Buchen Grün,
Gräfer ſproſſen und Veilchen blühn.
4
x Rieſelnde Quellen und Wildbachflut
Stürzen zu Thal ſich in freudigem Mut.
1
*
Amſeln und Droſſeln im Fichtenhain
Flöten und jubeln im Abendſchein.
Feſtlich brauſet der Wald dazu:
\ Keuchtender Frühling, gegrüßt feift du!
|
| =
u. |
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— 103 —
905
1
5
rar» Zune
Er
*
Sonnenzauber.
Suberhelle Lichter flimmern
Durch die grüne Waldesnacht,
Und die alten Stämme ſchimmern
In geheimnisvoller Pracht.
. Blumen leuchten, Zweige funkeln
Taufriſch in des Morgens Glut.
In der Tiefe zwiſchen dunkeln
Föhren glänzt des Baches Flut.
Falter blitzen und Libellen
Um den ſonnenduft'gen Rain,
Und des Lichtes goldne Wellen
Zittern überm Felsgeſtein.
.
R
e
Selbſt im Mooſe ſprüht's wie Funken,
Und ein wonnig Schauern rinnt
Durch den Wald, der ſonnentrunken
Sich in ſel ge Träume ſpinnt.
Seine Voglein auch verſtummen —
N Vom Gebüuſch am Bergeshang
g Tönt ein Flüſtern, tönt ein Summen
Heimlich nur wie Wiegenſang.
* WER
4 j
u
Sen
Der Kranke im Herbſt.
Du goldig ſchimmernd Laub am
Buchenbaum,
Wie traͤumſt du ſelig deinen letzten Traum
Und ſpielſt bewegt im leiſen Windes
wallen.
Hat dich berauſcht das warme, goldne
Licht,
Und ahneſt du die nahe Stunde nicht,
Wo du mußt fallen?
Den milden Hauch trinkt meine kranke
Bruſt
Wie einen letzten Traum der Lebensluſt:
Mir iſt ſo wohl im herbſtlich ſtillen Walde.
Vergeſſen will ich ſelig auch wie du,
Daß mir vielleicht zur letzten tiefen Ruh
Ein Glödlein ruft: wer weiß wie balde!
— 108
u ER
u
5 Im Tode vereint.
€: hielt ihre fiebernden Hande,
Sah unverwandt fie an,
Bis ſie zum ewigen Schlummer
Die Augen zugethan.
Er weinte nicht, wie die Leute
Es fordern als Liebespflicht;
Ein rührendes Lächeln ſelber
Verflärte fein Angeſicht.
Die Freunde kamen am Abend,
Der Toten Wachter zu ſein;
Er dankte; er hieß ſie gehen:
„Die heiligſte Nacht iſt mein!“
.
S use rere
Sie Famen am andern Morgen;
Sie pochten; fie öffneten zag —
Da neben der toten Gattin
Der Greis entſchlummert lag.
9 Er hielt ihre ſtarren Hände,
Die Lippen darauf gepreßt;
Nun läutete draußen die Glocke —
Ein zweites Vermählungsfeſt.
*
i Abendtroſt.
A —
A wie lang habt ihr verborgen,
Düftre Sorgen,
mir des Maienabends Pracht.
Plötzlich klang aus blüh'nden Zweigen
In mein gramvoll duͤſtres Schweigen
Eines Vögleins heller Jubel —
) Und mein Herz iſt aufgewacht.
“ei
i N Jah die letzten Sonnentraume
Um die Säume
maiengrüner Waldeshohn,
Junger Saaten üppig Wogen,
Stromesfluten, überflogen
Von den abendroten Strahlen —
O wie war die Welt fo ſchon!
*
„ir
— 109 —
KKK ; Aal . ͤůd ůNM' 2 u a Di
*
In der Vöglein Feſtfrohlocken
Klang der Glocken 0
Feierlicher Abendchor; 7 $
Und ich rief: O Mutter Erde,
Reifſt du Pein auch und Beſchwerde, 1
Deiner Schönheit Zauber tragen Bi
Rettend aus dem Staub empor!
*
HER
a
an
en
—
0
N
Slauduftin die Vogeſen.
lauduftig die Vogeſen —
Purpurner Abendſchein
Guillt über ihre Stirnen
Aufglühend in den Rhein.
Seltſame Wolkenbilder
3iehn durch die Himmelsaun
Wie Träume meiner Sehnſucht,
Ich kann nicht ſatt mich ſchaun. 8
Mir iſt, als müßten ſich öffnen
Die Wolkenthore weit N
Und leis der Vorhang ſinken
Vor der Unendlichkeit;
Als dürft’ ich einmal ſchauen
Unnennbar hoch beglückt,
Was meiner Seele Verlangen
mit brennenden Farben ſchmückt;
8 Nach langer Irrfahrt dürft’ ich
Begrüßen erſehnten Strand
95 Und wie ein ſeliger Schiffer
*Aufjubeln: endlich Land!
— 112 —
u —
Wohin.
We lautlos ſtill ſind Wald und Flur!
Ihr Voͤglein all, wo ſeid ihr nur?
Was leis durchs Herz der Erde klang,
Das jauchzte laut in eurem Sang;
Nun ſchweigt die müde Traumerin.
Euch aber zog der Wanderdrang
Wohin, Wohin?
Du Roſe, die voll Glut und Duft
Erblüht in weicher Sommerluft,
Nun hat der Nord mit ſcharfem Hauch
Vernichtet deine Schönheit auch.
Der Blumen holde Königin
Riß gnadenlos der Herbſt vom Strauch
Wohin, wohin?
113 —
—
,
0
Ich wandre durch den Buchenhain,
Wie leidverſunken ſtarrt er drein.
Was ihn verſchont, fein glänzend Laub, Bi,
Es ſank verwelft, verdorrt in Staub. |
Das oft erheitert Aug’ und Sinn,
Im Wirbel treibt's, der Winde Raub —
Wohin, wohin?
Du meine Seele, heiß erregt,
Haſt kühnes Hoffen einſt gehegt,
a Den höchſten Zielen flogſt du zu.
2 Wie bald ertönt's auch dir: zur Ruh’!
| Friedloſe Erdenpilgerin,
Wie Lied und Blüte gehſt auch du —
$ Wohin, wohin?
N
1
— 114 —
enn
7 2
f
Unter den Ruinen von
Allerheiligen.
Nu Ruinen ſaßen wir
Träumend im Abendſcheine.
Oftmals im Kreife ging der Pokal,
Funkelnd von köſtlichem Weine.
Waldesduft und des Abends Licht
Weckten uns fröhliche Lieder,
Sangen von Liebe, Lenz und Wein,
Echo ſang es uns wieder.
Aber mitten in all der Luft
Faßte mich heimliches Trauern:
Saßen nicht Tauſende fo wie wir
Unter den brödelnden Mauern?
et
Hing ihr Auge nicht auch verklärt
An der verglühenden Sonne,
Jog nicht durch ihr beſeligt Herz
Schwärmende Lebenswonne?
*
A
* *
Wo nun ſind ſie? der Abendwind
Flüſtert: begraben, vergeſſen! —
Wähnſt du, du dürfteſt unendlich den
Traum
Irdiſchen Glückes ermeſſen?
Ach, vergangen iſt, was du kaum
Eben noch glühend empfunden;
Sehnſucht bleibt nach künftigem Glück,
Heimweh nach dem, was entſchwunden.
Eh' du's gedacht, iſt Abend und Tod
Dir und den Freunden erſchienen.
Wo du auch wandelft, grüßen dich ſtumm
Welfendes Laub und Ruinen!
r Be ee ee ee ee
Nachwinter.
Ne herrſcht der Winter auf der Flur, 5
Doch iſt dahin fein Schneegewand. Fi
In graue Webelflöre nur
Hüllt fröſtelnd ſich das öde Land.
Wie fleh'nde Arme ſtreckt der Baum
Sein kahl und dürr Gezweig empor.
Und wie ein ſchwerer dunkler Traum
Fliegt dort ein Rabe übers Moor.
|
weh dem, der glücklos und verwaiſt a
Jetzt einſam ſeine Straße zieht! k
Ihm ſingt der Schwermut finſtrer Geift
Bethörend fein Sirenenlied.
Erſtarrend fährt der Wind ihn an
Wie Grabesodem feucht und kalt,
Und ſchaudernd fühlt er unterthan
Sein Herz dämoniſcher Gewalt.
— 117
rt
Aufſteht vor ihm verjährte Schuld
Und foltert ihn mit wilder Pein.
Die Sorge drängt mit Ungeduld
In der Verzweiflung Wacht hinein.
905 Verlockend rauſcht der Bach ihm zu:
„Komm, komm, ich ende deine Not!
8 Was kämpfeſt und was duldeſt du?
995 Komm, komm! Erlöſung bringt der Tod!“
9 *
*
— 118 —
P
*
r
r
Freudige Jugend, du biſt
nicht mehr.
Feber über Stoppeln der Wind
daher,
Wird mir das Herz ſo bang, fo ſchwer.
Wogte das Korn in goldenem Glanz,
Blitzte darin der Cyanen Kranz,
Jubelten Lerchen darüber her —
Zierde der Fluren, du biſt nicht mehr!
Roſen erwachen noch jeden Tag,
Aber es welkt auch in Flur und Hag.
Leis in den Lüften klingt ein Ton —
Will denn die Lerche ſüdwärts ſchon?
Schleicht ſchon heimlich der Herbſt daher?
Sprühender Sommer, du biſt nicht mehr!
Friſch noch das Herz, und das Auge
Far,
Troge dem Leben noch immerdar!
Aber die ſeligſten Träume — wie fern
Aber mein Hoffen ein ſinkender Stern!
Kämpfe ringsum und Sorgen ſchwer —
*
Freudige Jugend, du biſt nicht mehr!
**
Fr. Tr a a Tr
Grau der Himmel.
Grau der Himmel, grau die Berge,
Und es regnet ſtill und fahr —
Plöglih bricht herein von Weſten
Abendliche Sonnenpracht.
Tief und machtvoll iſt ihr Gluͤhen,
Überwältigend ihr Glanz,
Um der Wolken Nacht verzehrend
Schlingt fie ihrer Strahlen Kranz.
Von den Bäumen, von den Wegen
Blitzt es auf wie Demantſchein —
Jubelnd ſchmettern von den Zweigen,
Lichtgeküßt die Vögelein.
Und es glüht die Erde trunken
In dem wunderbaren Licht,
Wie ein Antlitz draus das Leuchten
Plötzlichen Entzückens bricht.
*
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Fr Er
*
[2
Dichter Nebel hält in Thal
r
Dice Webel hält im Thal
Wald und Flur umwoben,
Doch ein zager Morgenſtrahl
Dämmert ſchon von oben.
mühſam meinen Wanderpfad
Mußt' ich fürbaß ſchreiten,
Doch ich weiß, die Sonne naht,
Wird ihr Feld erſtreiten.
Mälig aus dem finſtern Grau,
Rörperlos wie Träume,
Tauchen in der Wieſenau
Sträucher auf und Bäume.
ROBIN
>
an ee ee ee ee
Endlich auch des Dörfleins Bild
Und des Fluſſes Wogen —
Plötzlich leuchtend durchs Gefild
Kommt ein Blitz geflogen.
Geiſtern gleich zum Waldes ſaum
Fliehn die Nebelſchatten,
Flutet goldner Sonnentraum
Auf die grünen Maten.
ar, a —
Bac in grauen Nebeln
Starb der Abendſtrahl,
Und nun rieſelt's nieder
Traumhaft leis ins Thal.
Weiße, duft'ge Flocken
Glänzen durch die Nacht,
Hüllen Wald und Fluren
Weich in Silberpracht.
Seid willkommen, Boten
Süßer Winterruh',
Deckt der müden Erde
Starres Antlitz zu.
Ihre Blütenrefte,
Jeden Dornenkranz
Überflute lin dernd
Euer Friedensglanz.
BE
Laßt in ihm vergehen
Rlagelos und ſtill
Was, vom Herbſt gebrochen,
Mus nun ſchlafen will.
Atmet duft ge Kühle
Heißen Stirnen zu,
Und in müde Herzen
Süße Winterruh'!
— 125 —
Schneetreiben.
Die Luft iſt grau, und es wirbelt
In dichten Flocken der Schnee.
Und wie durch Nebelwallen
Ich Wald und Dörflein ſeh.
Die Straßen ſind verlaſſen,
Nur ſelten ein Gefpann,
Nur ſelten ein verſchneiter,
Verdroſſner Wandersmann.
Ich bin wie auf einſamer Inſel,
mitten im grauen Meer,
Verſunken die Welt, vergeſſen,
Was ſonſt ſich vergißt ſo ſchwer.
a
Von keinem Traum des Glückes,
Der Hoffnung mehr erregt,
Blick in den Tanz der Flocken
Ich kühl und unbewegt.
=
Als drückten Geifterfinger
Mir heimlich die Augen zu,
Beſchleicht mich ſüßes Müdſein,
Ein Ahnen unendlicher Ruh'.
4 te 2
=.”
C —
=
Memento.
60 ( ine anſehnliche Zahl guter Freunde
—— hat es ſich angelegen ſein laſſen,
dem heimgegangenen Dichter Ludwig
Auer bach durch die Sammlung, Sichtung
und Herausgabe feiner in Tagesblättern,
Jeitſchriften, Almanachen u. ſ. w. zerſtreut
erſchienenen lyriſchen Gedichte ein litte—
rariſches Denkmal zu ſchaffen, ein Mal,
damit fein Gedaͤchtnis in der Welt bleiben
möge, wie es die Freunde in ſich tragen, ein
Troſt für Frau und Kind, die er in jungen
Mannesjahren verlaſſen mußte, um unter
die Erde zu gehen. Ein begnadetes Dichter⸗
leben it in Cu dwig Wilhelm Auer⸗
bad erftanden, der nach feinem Taufſchein
am 5. September 1840 in der Schwarzwald⸗
ſtadt Pforzheim zur Welt kam. Ein reiches
Gemüt, eine Geſinnung voll Adel und Hoheit,
eine Seele voll Feuer und Lebens begier iſt mit
ihm geworden, um nach kurzem aber heißem
Kampfe mit den Mächten des Lebens, mit
der firengen Realitat der irdiſchen Dinge
des Kampfes müde von dannen zu gehen,
ehe die reichen Anfäge ſeines dichteriſchen
Gemütes ſich organiſch entfalten und nach
allen Seiten Blüte und Frucht treiben
konnten. Der Vater Ludwig Auerbachs
war kleiner Bijouteriefabrikant in Pforz⸗
heim zu einer Zeit, da dieſer Induſtriezweig
in der Enzſtadt noch nicht jene Dimenſionen
angenommen hatte wie heute, da er noch
auf der Grenze zwiſchen Haus- und Fabrik⸗
betrieb ſtand. Aber das Gold hatte ſchon
damals, wie zu allen Zeiten, feine gleißende
und berückende Nacht. Der Knabe Auer-
bach mußte gegen feinen Willen in das väter-
liche Geſchaft eintreten, gegen ſeine Neigung,
die ihn auf einen Lebensberuf mit vor⸗
gängiger akademiſcher Bildung gewieſen.
Auerbach hat ſeiner Familie das Opfer
gebracht, wurde Kaufmann und Fabrikant,
und ſelbſt das edelherzige Anerbieten des
h
7 *
Großherzogs Friedrich von Baden,
der durch ein Gedicht aufmerkſam gemacht,
dem jugendlichen Autor die Mittel zum
Univerſitätsſtudium bot, vermochte nicht, die
Beſtimmung des geſtrengen Vaters zu
ändern. b
Die Bijouteriefabrikation ift ein haſtiger
und nervöſer Induſtriezweig, das mußte
der Dichter erfahren, der fie zum Lebens-
beruf gewählt. Ruhe und Sammlung
wurden ihm fpärlidy zuteil, nur dann, wenn
er auf Stunden dem Pult Valet ſagen und
hinauseilen konnte in den herrlichen Tannen⸗
wald, der bei Pforzheim gleichſam den
Eingang zum Schwarzwaldgebirge bildet.
Die Natur wurde dem Dichter Tröſterin
und Führerin in ſeinen Lebenstagen. An
ihrer Sprache bildete er die ſeinige, auf
ſie übertrug er die Regungen ſeiner Seele,
ſie war ſeine vornehmſte, ſeine geliebteſte
muſe.
Unſer Dichter hat die Wechſelfaͤlle zeit-
lichen Glückes erfahren müffen. Der Dämon
Gold hat ſich ihm gezeigt und iſt ihm ent⸗
ſchwunden: er war ja nicht geſchaffen, dieſen
S
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*
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*
* 2 — Se „u. u 2
— 130 —
— 2 a u
|
Dämon mit gieriger und eigennuͤtziger Hand
zu faſſen und zu halten. Sein Reichtum lag
darin, andere freudig und beglückt zu ſehen,
und er lebte darnach.
Mitte der Siebziger Jahre forderte eine
tiefgreifende geſchaftliche Kriſis nach hoch⸗
gehenden Wogen des Erfolgs auch bei Lud-
wig Auerbach materielle Opfer wie bei ſo
vielen in feiner Heimat. Er entfagte darauf
feinem ſeitherigen Berufe, verließ im Jahre
1877 feine Heimatſtadt und ihr erregtes
Leben, ſiedelte von dem rauſchenden Enz
thal in das ſtillere Schutterthal im badi-
ſchen Oberlande über, wo er erſt in Lahr,
fpäter in Seelbach Wohnftätte nahm. Hier
hat er als eifriger Geſchaͤftsmann in einem
neuen Berufszweige neue Bahnen mit raſt—
loſer Thätigkeit erſchloſſen und in ſtillen
Stunden innerer Sammlung war ihm die
Muſe mit vollendeten Gaben getreu. Nur
das Glück warf ihm keine ſonnigen Blicke
zu: harte Tage waren ihm auch da beſchie⸗
den, und als der Erfolg feines übermäßigen
Ringens endlich anhub, ſich zu zeigen, da
war's zu fpät, da ſchnitt die finſtere Schick⸗
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falsgöttin feinen Lebensfaden entzwei. Es
war am 22. Juli 1882. Der Dichter war
nicht volle 42 Jahre alt geworden. Eine
Witwe, der nun die Lebensſtütze genom⸗
men, trauerte mit zwei unerwachſenen
Rindern an der Bahre des geliebten
Toten. In Pforzheim, feiner Vaterſtadt,
hat der Dichter ſeine letzte Ruhe gefunden
und treue Freunde, deren er ſo viele beſaß,
haben feine Grabftätte mit einem Denkmal
geſchmückt, das feine Züge in einem bron—
zenen Reliefbildnis trägt. Ernſt Scheren
berg, der Mitherausgeber diefer Samm-
lung, ein naher Freund des Verſtorbenen,
hat dem Grabdenkmal folgende Strophen
als Inſchrift gewidmet:
Der Heimat ſchlug dein Herz,
Erklang dein Wort,
Des Schwarzwalds Sänger
Lebſt du in ihm fort.
Wo ift in einer Dichternatur, insbeſondere
bei einem &yrifer, die Grenzlinie zu finden,
wo der Menſch mit feinen allgemeinen
— 132 —
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9
Eigenſchaften aufhört und der Dichter
anfängt? — Nur der ganze Menſch iſt
der Dichter und wenn hier zunächſt ein
Wort über den Menſchen Auerbach folgt,
ſo wird dasſelbe imſtande ſein, auch den
Dichter erklären zu helfen. Selten hat
wohl ein Renſch eine ſolche Anzahl guter
und begeiſterter Freunde gefunden und auf
Erden zurückgelaſſen, ſelten hat einer fo
wenig Feinde und Widerſacher gehabt, als
unſer Dichter. Nicht als ob ſein Charakter
und ſeine Art von ſolch weicher An⸗
empfindungsfähigfeit geweſen wäre, daß
er ſich jeder zeit willig andern anzuſchmiegen
oder unter zuordnen gewußt hätte, im Gegen:
teil, er blieb ſtets ſo und das, was er vor
ſich zu bedeuten glaubte, allein ſein Gemüt
war ſo ſehr von dem Sonnenlichte des
Wohlwollens und der MRenſchenfreundlichkeit
durchglüht und es war ihm gegeben, ſein
edles Herz und ſeine Menſchenliebe ſtets
vor feine wenn momentan auch entgegen
ſtehende eigene Empfindungsrichtung zu
ſtellen, daß fein Bild im Gedächtnis aller,
die ihn kannten, ein mildes und liebewertes
1 . . .
ſein wird. In ſeinem Naturell war der
Ernſt ſchwäbiſchen Weſens, ein Erbteil von
der Mutter her, übergoffen von der leben
ſprühenden Beweglichkeit fränkiſcher Art,
die ein väterliches Uberkommnis war. So
kam ein fauftartiger Zug in fein Naturell,
eine heiße Begier, alle Erſcheinungen geiſti⸗
ger, politiſcher und ſozialer Beſtrebungen
feiner Zeit zu erfaſſen, zu ergründen und
in ſich aufzulöfen, aber der lebhaft erregte
Wille vergaß oft das Maß, das jeder
menſchennatur zur Verfügung ſteht, und
ſein Begehren, der Wahrheit näher zu
kommen, nahm oft Schimmer und Schein
für das Licht ſelber, und war das Er⸗
gebnis alsdann auch eine Taͤuſchung, fo
blieb feine ſanguiniſche Seele doch weiter
ohne Schaden.
Ludwig Auerbach war ein ſeelenguter
und hilfreicher Renſch; fein Rat war
die That und fein Können oft einzig
das Maß ſeiner Hilfe. Es wurde ihm
nicht immer gelohnt, wie er's verdient: das
hat ihn nicht verdroſſen, weiter hilfreich
und edel zu fein. Er trug angeborenes
Freimaurertum in ſich, und manche Saat,
die er geſaͤet, keimt jetzt erſt zu feinem An⸗
denken auf.
Das lyriſche Gebiet war die dichteriſche
Domäne Auerbachs. Er hat zwar mit
einem kleinen Epos: „Bellrem von Weißen-
ſtein debutiert, einem Werke, das dem
Jechzehnjahrigen, als welcher Auerbach die
kleine Dichtung geſchrieben, alle Ehre macht,
allein fpäter hat er ſich nur zur Lyrik
gefunden, und wenn er je einmal Gelegen
heit nahm epiſches Gebiet zu ſtreifen, jo war
zu erkennen, daß die ſtrengere Form, die
objektive Haltung der erzählenden Dichtung
zu der ſtark betonten Subjektivität ſeines
Weſens wenig paßte. Seine Tugend war,
daß er ſich in ſeinem dichteriſchen Schaffen
auf das Gebiet beſchraͤnkte, welches er als
das ſeinige richtig erkannt hatte. Natur
und Neigung gingen in feinem Weſen bei-
nahe entgegengeſetzt auseinander, aber er
folgte der erſtern getreu und hat der
letztern nur in jüngern Tagen Konzef:
ſionen gemacht.
So fühlte er ſich mit inniger litterariſcher
S
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Neigung zu dem Dichter Rudolf von
Gottſchall hingezogen. Die Grandiloquenz
der dichteriſchen Sprache dieſes Mannes
der ſtolze Gang ſeiner Strophen, feine
kühnen und reichen Bilder wirkten mächtig
auf Auerbachs Phantaſie, aber er hat
trotz dieſer ſtets betonten Neigung, trotz⸗
dem ihm ein ähnlicher Ton zu Gebot war,
ſelten — einige Gedichte dieſer Samm⸗
lung aus jüngern Tagen geben Zeugnis von
Neigung und Folge — den Pfad verlaſſen,
den ihm ſein innerſtes Weſen wies.
Wie ſchon oben erwähnt, war die Natur
in ihren Wandelungen, waren Wald und
Flur Auerbachs vornehmſte Mufe. Zu ihr
flüchtete ſich der geplagte Geſchaftsmann
nach den Tagesſtunden ſchwerer Arbeit,
an ihr beruhigte er ſein erregtes Herz, auf
ſie trug er über, was ihn bewegte, und er
formte alsdann Gedanke, Empfindung und
Bild nach den Schwingungen ſeiner Seele
in leicht gebundene von keiner ſtrengen
Regel gefeſſelte Rhythmen. So iſt er
auch ſeltener auf den Ausdruck des Liedes
gekommen und doch war er bedeutend auf
S
dasſelbe veranlagt, wofür „O Schwarz
wald, o Heimat“ Beweis iſt, ein Lied, das
vielfach komponiert iſt und im Schwarz
wald und am Oberrhein als Volkslied ge-
ſungen wird.
Die idealen Kämpfe, an welchen Ludwig
Auer bach teilnahm, die ſozialen, veligisfen
und politiſchen Beſtrebungen feiner Zeit,
welchen er mit feuriger Seele anhing,
haben ihn als Dichter ſeltener beſchäf⸗
tigt. Er war ein glühender Vaterlands—
freund, die großen Tage von 187071
haben ihn mit offenem Herzen und offener
Hand getroffen und feine herrliche „Raifer-
hymne“ iſt ein hervorragend ſangbaͤrer
Ausdruck ſeines edlen Patriotismus und
feiner verehrenden Liebe für des ehr—
würdigen Raifers Wilhelms I. erhabene
Heldengeſtalt.
In der poetiſchen Natur Auerbachs
waren zwei Kräfte thätig: er war ebenſo
ſinniger Dichter, der nur den Eingebungen
feines Genius lauſchte, als glänzender Im—
proviſator, der, vom Augenblicke erregt,
dem Augenblick feine poetiſche Gabe in über-
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raſchender Form und Weiſe bot. Das im-
proviſatoriſche Talent iſt dem des Dichters
gefährlich: Der Improviſator hat die Form
bereit und bildet nach ihr den Inhalt, der
Dichter hat den Inhalt und ſucht die
adaequate Form, wer aber in der Form
Virtuos iſt, der wird leicht geneigt fein, fie
über den Inhalt zu heben, und an die Stelle
ſtrenger Runftübung, welche mit dem Auf⸗
wand aller Seelenkräfte dichtet, tritt der
gewandte Formalismus, welcher leichthin
Gedichte macht. Seinem formalen Talente
hat auch unſer Dichter große Opfer gebracht.
Die Geſelligkeit iſt begehrlich nach ſolchen
Talenten und der Erfolg des Augenblickes
für ſie verlockend: Auch Auerbach hat das
Gelegenheitsgedicht — im landläufigen, nicht
im Goetheſchen Sinne — gepflegt, fo oft
der Anlaß kam, den feine heitere und gefell-
ſchaftliche Natur, fein entgegenkommendes
Weſen leicht gefunden.
Die vorliegende Sammlung, die nur den
Dichter aufzeigen ſoll, hat auf das Gelegen
heitsgedicht keinen Bedacht genommen und
nur das Charafteriftifche aus feinem Werde⸗
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gang neben dem Beſten aus feinen reifern
Jahren gewählt, ſo daß das daraus ent⸗
ſtandene Bändchen ein beſcheidenes geblie⸗
ben iſt. Dasſelbe wird jedoch ein Bild ſeines
Schaffens geben aus den Tagen ungeftümer
Jugendkraft und -Luft bis zu den Stun⸗
den, wo er die leiſen Schritte des nahenden
frühen Todes verfpürte und im Gedicht an-
ſagte. Beine gewaltige, aber eine ſympa⸗
thiſch blickende Dichterphyſiognomie ſchaut
uns aus den Dichtungen entgegen, wie ſie
uns aus feinem Porträt entgegenblickt, das
der Direktor der Großh. Kunſtgewerbeſchule
Karlsruhe. Hermann Götz, ein treuer
Freund des Dichters, für dieſes Buch ge⸗
zeichnet hat.
Auf einer Anhöhe über feiner Vater⸗
ſtadt liegt der Kirchhof, in welchem Ludwig
Auerbach feine letzte Ruheſtätte und das
von Freundeshand errichtete Denkmal ge⸗
funden hat. Jenſeits erheben ſich die dunkeln
Schwarzwaldberge, in der Tiefe lagern ſich
die Tannenwälder, rauſchen die Schwarz
waldfluͤſſe, die er in Lied und Leben fo innig
geliebt.
— — 2
— 139 —
Dort ruft die Klage um den dahin⸗
gegangenen Freund:
Ich habe deinen Schatten oft geſucht
Im wieſenthal, in kühler waldesſchlucht,
wo wir in ſchoͤnen Stunden einſt gegangen,
Auf Bergeshoͤh' — wo du fo gern erſchaut,
wie Abendfriede auf die Lande taut —
Ach, Fried' und Ruh' erſehnte deine Seele,
Zier iſt die Erde, die dich liebend deckt,
Da unten ruhſt du! wie der Schlaf doch
ſchmeckt
Dem müden Mann, der ſchweres Los gu
tragen.
Es regt ſich nichts, nicht Blüte und nicht Blatt,
Mir iſt, als ob die welt zu ſchweigen hat,
wo die Gerechten und die Guten ſchlummern.
Auf jener Straße wandern viele hin;
Ich mein’, da muͤßteſt du auch wieder ziehn,
Und oftmals glaub' ich dich von fern zu
ſehen —
Ich eil' beglückt, ich rufe ſchon; woher,
woher, mein Freund? Da iſt die Straße
leer —
Vielleicht haſt du dich mir erzeigen wollen!
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= Und treff ich dich auf Erden nirgends an,
j Ich hab’ dich doch, es iſt nicht Traum und
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Ich hade dich und will nicht von dir laſſen!
Oft hör’ ich, wie ein Lied fo ſeltſam klingt,
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O, das diſt du, ich kenne deine Stimme!
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Lahr, im Herbſt 1888.
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