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Full text of "Aus den griechischen Papyrusurkunden [microform]: ein Vortrag gehalten auf der VI. Versammlung deutscher Historiker zu Halle a.s. am 5. April 1900"

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MASTER 

NEGATIVE 
NO.  91-80188 


.VnCROFILMED  1991 


COLUMBIA  L'MVERSIT\  L.IBR, ARIES /NEW  YORK 


as  part  of  the 
•■Foundation.,  of  Western  CiMlization  Preserxaiion  Projecf 


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1 


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accept  a  copy  order  if,  in  its  judgement,  fulfülmenl  of  the  order 
would  involve  Molation  of  the  copvneht  law. 


AUTHOR: 


MITTEIS,  LUDWIG 


TITLE 


AUS  DEN 
GRIECHISCHEN 


M      JL^/a  %^  mJj  m 


LEIPZIG 


DA  TE : 


1900 


COI.UMBIA  UrxilVIiRslTl'  IJ!5RAM!!:S 
inUiSERVAllON  DlirAKYMENT 

mmMKmAmK: NiiciioFoimrrARc^ET 


Master  Negative  ^f 

9!-  801  P^^7 


Ürigiiial  ivlaienal  as  FüiiiPcJ  ^-^  HAa-.hn);  Biblidgraiihic  Rerorci 


887. 

M69 


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v.l 


IMttois,    I.ui?fip^    lGCO-1921. 

Aus  den  rriecnischen  papymsurkiiiiaon;  ein  vor 
trar  rehalten  auf  der  VI.  vorcarxilunG  aeutschor 
historikor    zu   lialle   a»    3,   an  a.    aprii.    la^. ^-.  ^    '-'aa 


Liiavfin  !^!ittei 


iB.      LoiDslc,    Tcvaaior,    IDOa, 


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cop3r*     1900.    Volume  of 


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ResfriLüi 


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for  IwfonwUon  and  Imag«  llanag«iii«iit 

1 1 00  Wayne  Avenue.  Suite  1 1 00 
Silver  Spring,  Maryland  20910 

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Centimeter 


1         2        3        4         5        6 

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MfiNUFflCTURED   TO   fillM   STRNDfiRDS 
BY   PPPLIED   IMRGE.     INC. 


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AUS  DEN  GRIECHISCHEN 
PAPYRUSURKUNDEN 


EIN  VORTRAG  GEHALTEN 
AUF  DER  VI.  VERSAMMLUNG 
DEUTSCHER  HISTORIKER  ZU 
HALLE  A.  S.  AM  5.  APRIL  1 900  VON 

LUDWIG     MITTEIS 


LEIPZIG  1900    e     DRUCK  UND 
VERLAG   VON   B.  G.  TEUBNER 


. 


l 


ALLE  RECHTE, 
EINSCHLIESSLICH  DES  ÜBERSETZUNGSRECHTS,  VORBEHALTEN. 


Mehrfachen  freundlichen  Aufforderungen  ent- 
sprechend, habe  ich  den  Vortrag  über  die  neueren 
Ergebnisse  der  griechischen  Papyrusurkunden,  wel- 
chen ich  am  5.  April  d.  J.  auf  dem  Histc  rik  »rtag  zu 
Halle  gehalten  habe,  nach  den  ursprüngli  ]  ^ n  Auf- 
zeichnungen niedergeschrieben.  T.r  erscheint  hiermit 
in  etwas  erweiterter  Gestalt;  namentlich  habe  ich 
eiiizeiiiü  Punkte  in  den  Anmerkungen  näher  aus- 
zuführen gesucht,  und  daselbst  auch  die  criüid  rliche 
Literatur  verzeichnet,  an  deren  Hand  sich  J  :  ann 
ein  selbständiges  Urtheil  über  die  behandelten  Fragen 
wird  bilden  können.  Dabei  habe  ich  die  ursprüng- 
liche Form  des  Vortrags  ir  -  ^  tranz  tilgen  können 
und  wollen;  sie  mag  es  denn  auch  erklären,  wenn 
aus  dem  überreichen  Stoff  nur  eine  mehr  oder  weniger 
willkürliche  Auslese  getroffen  ist.  Vollständigkeit 
ist  nirgends  erreicht,  aber  auch  nirgends  erstrebt 
worden. 

Leipzig,  im  Mai  1900. 


Es  ist  eine  überaus  erfreuliche  Erscheinung,  dass 
auf  den  Versammlungen  der  Philologen  und  Histo- 
riker neuerdings  auch  der  Papyrusforschung  Raum 
zu  ihrer  Vertretung  vergönnt  und  reiches  Interesse 
entgegengebracht  wird.  Das  entspricht  vollkommen 
der  Bndnritimg,  welche  diese  durch  die  grossen  Funde 
der  beiden  letzten  Dezennien  gewoir^-i  hat  und 
zuversichtlich  in  noch  erhöhtem  Maasse  gewinnen 
wird,   jüiiiuiii    die    grossen    Lagerstätten  Aegyptens, 


die  Trümmt 


1  1 


der  alten  Städte  Ar 


'1U*J 


iit/ra- 


kleopolis  Major,  Hermupolis,  Oxyrhynchos,  ^~i:-  r 
Soknopaiou  Nesos.  Karanis,  Bakchias  u.  a.  durch 
fortgesetzt^  \rh<  t  tirschio^i^en  werden.  Wenn  vi 
heute  zu  sagen  ptiegen,  dass  auf  das  eiserne  /h  it- 
alter  das  papierne  gefolgt  ist,  so  könnte,  mit  W«  . 
lassung  der  sarkastischen  Spitze,  für  d-  hr:  thums- 
forscli  die  Prognose  aufgestellt  werden,  dass  au: 

die  Erz-  und  Steintafeln,  welche  die  Erforschung 
der  Antike  im  neun  iiten  Jahrhundert  beherrscht 
haben,  im  zwanzigsten  die  Herrschaft  des  Papyrus 
folgen  wird. 

Dabei    ist    nicht    zu    verkennen,    dass    sich    die 
Roei^rune"    der    Papvri    in    etwas    andcr-r    ix-i;.*^.":^ 
bewfj'  ::   wird,  als  die  der  Inseiinitpn.     Dr-nn    n=  i>h 
sind  von  verschiedener  Art.     Man  kr-  i  h i: 

ausdrücken:    Erz    und    Stein    sind    vornehmer,    die 


—     6     — 

Papyrusurkunde  hat  einen  mehr  bürgerlichen  Cha- 
rakter. Zu  ersteren  hat  man  gegriffen,  um  einen 
bestimmten  Gedanken-  oder  Thatsacheninludt  auf 
unvergänglichem  Material  zu  verewigen;  daher 
wiegen  hier  vor  die  Gesetze,  Gemeindestatuten,  Re- 
gierungsacte,  Staatsverträge,  Votiv-  und  Dcdiuaiiuns- 
tafeln,  Grabschriften  u.  dgl.  Auf  der  zarten  und 
leichten  Faser  der  Papyrusstaude  verzeichnet  man 
mehr  di^  flüchtigen  Ereignisse  des  täglichen  i.ebens. 
Gfri  ir  ru  aber  ist  diese  Art  der  Oiif^llon  so 
<  r   r  1    werthvoll;    sie    gibt    uns    M    n    nt- 

..  :n  liu  !]  ilt  V  ;  bendigen  bürgerlichen  Daseins  und 
gibt  SIC  Uli-  111  einem  Reichthum  und  einer  i'räzision, 
die  wir  Tiie  erhofft  hätten. 

Damit  ist  der  Erkenntniss  ein  neues  schier  un- 
absehbares Feld  eröffnet.  Zum  erstenmal  wird  der 
Altnrthiim'^;wi^'-^nschaft  der  Einbl-rV  in  die  Einzel- 
>      t        des  privaten  und    w  i  rthschattlichen   !  •  b -ns 

;^  ht,  dessen  sich  die  Forschung  <i  i  im 
ii"h]fH  der  nuttelalterlichfn  und  neuzeitiicUun  uc- 
schichte  bei  ihrem  reichen  Besitz  an  A  rb*---  XV- 
barien  und  Urkunden  aller  Art  schon  längst  erireute. 
Heute   lässt   sich   bereits   i         i  iuiH      aussprechen, 


das^^   auch  dio  antiko   l'ra,; 


IK 


uUur^ebciii 


1  iii 


we;    .         1     1    r    gewisse   iheiie  ihres  <i    iietes  m    i   - 
sei  it  einen  festen  wirthschaftsb Lall  ^tische! ]        i 

wiriii:..,  ii.;n.:>geschichtlichen  ünitjr^Tund  bubiizun  wird. 
Die  Skizze,  die  hier  gegeben  wird,  bezwr-ckt 
nicht  einen  vollständigen  Ueberblick  über  die  r  - 
gebnisse  der  neuen  Urkunden  zu  bieten;  denn  s^  t 
df^r  tlurütii^ste  wü^-tl'*  hentp  schon  einen  übenn^t^-U' -^a 
?',;         '--\.':-i>ruchen.    Auch  wird  k-^n  !"i-].-  ■ -■  n 

vermessen  dürfen  als  Berichterstatter  aufzuu    t  r 


—     7     - 

die    vielen   und    oft    ganz    het»rn     r   - 
welche  unsere  Fundstücke  e     - 

DciN  -iit  für  mich  z.  B.  bezüelic 
sehen  Tex^o.    Tch  kci'V!  \vr>h1  ans  aiig'.  ;n, 
schaftlichen  Vers    i   i     ss  es  i   !►  r 

ungeheure  Bed  t  :  g  für  die  =  m 
haben  rauss,  wuüh  gleich  tausend  Vers* 
lides   i>*  u   gefunden 


l-ebiete,    m 
r  philolo^-> 


.  f-  r- 


fc 


>ti,  K  i'.'  1 1  H  - 


WOTi] 


'^ind.    oder   1  >"Uf  h^-^riicke 


von 


Mi' niiva 


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's  mit  de 


xugisciiü    Gebiet 


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hndir  k:  '■;;       -v^-^  '  - 
i  ülae^en.       N  i. :     ...  an.- 
-':'\\   demVorbpa.nn   ■'^-a    .:     '-.a,..t.;    --!--•- 
ja'aik^i,  seien  hier  z\' •":   ran'-i  ^■"w.aa:-,   w^ 

a,:.aa,s     Interesse      f'-a-'-Lr-n      aa,i-'.rT:,        i.^a" 

Jcihre    1897    von    ^.  a-raifl;     una    liai.i    i"i    ■ 

halden    '/«"''i    ^''"^x  \Th\  ncho'^    Lr^"-^^^-^'"'' •    *'"'iitli 

g'enani,.:--a  A^'7'.a    an,.ou/)  dii'-  ^^'in:,  ,i--\\\  >arv.i 

jubU:^    n;    üaii  I\iuULl    ^ta-'^::     a,'a-^i'--a    WOVOIl    .„i.'''^"ai!i< -• 

einer  uniesbar  zerstört  a-i.  n^^ch  wiru,  sow^at  ^e 
überhaupt  Neues  enthil  an  J  -a  n  2,  3  und  5).  ih  e 
Echtheit    angezweifelt.^     Von   hohem   1  .         na 

sodann  die  Bruchstücke  der  Acta  i'aijla   v    K  ia    vor 

Bit ai'  ahek 


•ai  11 
a'^  a  ner- 
--a;'.;,  im 
1    ^rhutt- 

t     die     'a). 

• ' ,   W'  ?  a  -   : '  e 


einigen    Jahren 


!i    die    Heidell 


leraf 


)    Man  hat  \-*.'ii  der  aaa-nm  ,; 

schon     'v.  =:■^:■-a'■-l      Sa  r-ari a a-s 


a-r  .\  .'la-^n   WCa'^^:-  -a    ■  a^ 

l^xiisiciiz    dieser    bAir-ii    buiuin     s  •=,,<;  :.i^-L     ; 
gehabt   und    sie    sollte   sogar  in  x'iwy^iv.  Theil  ii<^'r  all- 
christlichere    iai-.  r--    .-•:    ]aa'\o  — ,i;„;.-aa'N    Aj^^-iin    a.?- 

no->aii   haben,      da;    -^^  i,:;-'?daa,aa.Ju,aa^   a-a  ••<,    „las-,   w'ui 


Mch  nacli  laror  li,<  advaaiNtai   \\  a-atT*a]:a,arK 


a  a  i  •     na  !'  a  Li: 


Stellt,   sie  ei!    «' 


:  gebildet   hat    iiia 


—     8     — 

längst  bekannten  'Acta  Pauli  et  Theclae'  (einem 
christlichen  Roman  aus  dem  zweiten  Jhd.,  welcher 
die  Geschichte  der  heiligen  Jungfrau  Thekla  aus 
Iki  1  darstellt)  und  einem  gleichfalls  erhaltenen 
Briefwechsel  des  Apostels  mit  den  Korinthem.  Von 
den  Theklaacten  aber  wusste  man  schon  auN  ieriuilian 
(de  Bapt.  17),  dass  sie  von  einem  kleinasiatischen 
Presbyter  aus  Liebe  zum  Apostel  gefälscht  worden 
sind;  jetzt  stellt  sich  heraus,  dass  die  Fälschung  die 
gesammte !?  F lulusacten  begriffen  hat,  und  es  ergibt 
sich  das  fii  r  Kritik  der  Ueberlieferung  gewiss 
sehr  lehrreiche  Resultat,  dass  eine  Schrift,  deren 
Unechtheit,  wie  Teriull  a  1  zeigt,  in  einem  Theil  der 
Kirche  festgestellt  war,  von  zahlreichen  gläubigen 
Leuten  mit  kanonischem  Ansehn  umkleidet  \         n  ist. 

Uebergehend  nun  zu  den  historischen  Ergebnissen 
im  engeren  Sinn  betone  ich  nochmals,  dass  es  sich 
auch  hier  nicht  um  einen  Katalog  derselben  handeln 
kann.  Worauf  es  mir  an  dieser  Stelle  ankommt,  ist 
\if  linehr,  an  einigen  Punkten  von  allgemeinem  In- 
t  -se  die  neuen  Sh laglichter  wirken  zu  lassen, 
welche  von  den  Papyri  ausgehen,  und  so  an  ein- 
zelnen Bildern  die  Bereicherung  unseres  Wissens  zu 
illnstriren. 

Bedeutsame  Fortschritte  ergeben  sich  schon  in 
der  Quellenkunde.  So  ist  es  von  Ulrich  Wilcken*) 
n  hticr  betont  worden,  dass  wir  aus  den  erhaltenen 
Tagebüchern  der  römischen  Präfecten,  Epistrategen 
untl  Strategen  eine  deutliche  Vorstellung  davon  ab- 
strahirf^n  können,  in  welcher  Weise  die  Jniitsacten 
der  runiibchen  Magistrate  geführt  wurden,  und  offen- 
bar nach  feststehender  amtlicher  Vorschrift  auch 
geführt  werden  mussten.     Beispielsweise  werden  in 


'' 


—     9     — 

dem  Pap.  69  der  Pariser  PubHcation  vom  Jahre  1865 
die   Amtsreisen,   die   der   >  .    ^   Aurelios  Leontas 

im  elepii aiitmischen  Gau  vui^oiraara  hat,  in  seinem 
Amtsjourriii  registrirt;  der  Bericht  wird  Tag  für  Tae 
von    einem    Necretär    abgefasst    und    \  "^:     t  a:  n 

selbst  durch  seine  Unterschrift  ^dvef'  v  aa  :t. 
Das  sieht  dann  etwa  so  aus  (col.  2):  »1.  IIa  th. 
(29.  August  [2^2  n.Chr.]).  Der  Stratege  bk-"-/:  1 
Tagesanbruch  beim  Gymnasion  zum  Gymnasiarchen 
den  iVurciius  Palaios,  den  gewesenen  i  rie:=iei ;  dann 
opferte  er  im  Kaisareion  und  im  Gymnasion,  libirte 
und  betete.  Dann  reiste  er  in  den  ombitischen  Gau 
u.  s.  w.«  Nicht  immer  ^  i  es  mit  solchen  blossen 
Ceremonien  ab;  unter  dem  2.  Octütn  r  finden  wir 
eine  Gerichtsverhandlung  im  Tagebuch  v(  la  '  an  t 
ganz  ausführlich,  mit  den  wesentlichen  .\    t     a  r 

Parteien  taai  iem  von;  ::5irategen  gegebenen  r.'--- 
Von  den  uns  erhaltenen  gerichtlichen  Verhan  :  a  n 
stammt  ein  guter  Theil  direct  aus  d*.'u.  Antstage- 
büchern;  offenbar  sind  sie  eben  die  wesentlici  *  I  orm 
der  Regierungsarchive  gewesen.  Das  gilt  iii  iiro:>sün 
wie  im  Kleinen;  und  wir  können  uns  nun,  wenn  wir 
die  Verhältnisse  entsprechend  vergrössem,  auch  ein 
Bild  machen  nach  vorwärts  \  on  den  Commentarien 
der  römischen  Cäsaren,  nach  rückwärts  von  den 
Ephemeriden  der  hellenistischen  Könige.^)  In  diesem 
Stil  müssen  denn  auch  da     \        anerid       A  axanders 


'v'..  < ' s^  a  i  s ( 


Diit  von 


w 


1  i  c  k,  u  n 


des  Grossen  geführt  g* 
daran  geknüpfte  a  •  .  ide  Vermuthiimr.  Uci^^  diese 
Ephemeriden  Alexanders  die  Hauptquelle  für  die 
Aiciuoiren  des  Königs  Ptolemaios  I.  gebildet  haben, 
welche  Arrian  für  seine  Anabasis  benut  i  1  at  — 
wodurch    der    tagebuchartige    Charakter,    t:   i;     da 


lO 


Darstellung   in    der   Anabasis    vielfach   aufweist,    i^ 
n  tt  II  Wurzel  verständlich  würde  — ,  ist,  w    : 

aiK  h  \  i  il  11  ht  nicht  unmittelbar  zu  beweisen,^)  doch 
au      ( !i       hr  wahrscheinlich. 

Eine    sehr    merkwürdig  mer 

iia-jCüig-e,  was  jüngst  mit  einem  ^..1^1  Aus- 
druck als  ^heidnische  Märtyreracten'  br^-^^-i-hnet 
worden  ist. 

Es  liegen  uns  drei  Papyri  vor,  der  eine  dem 
i.i>u\  re,  der  andere  den  Berliner  Museen,  ein  driiiur 
dl  I  ! :'  von  Oxyrhyn  '  an-  I  •'rig.'^)  0»^meinsam 
i;-i  Hin-''',  dass  es  sich  jeci  ■•:■:,,'  uin  eine  ^i^-^^i-hi-^ 
V   r  4   vor  dem  römi>_      :        a    -r  liandelt;  das 

eniuiiiai  vor  Claudius,  dann  vor  Trajan,  und  endlich 
in  dem  Stück  aus  Oxyrhynchos  vor  einem  nicht- 
genannten, der  aber  nur  Mark  Aurel  i  r  Com- 
niouus  sf^ln  kann.  Alle  arci  \  uriiandhincr^n  »«ziehen 
sich  t  r  auf  die  bekannten  Unruhen,  weiche  bei 
den  «  n  in  Alexandrien,  dem  heissesi       i  öden 

der  damaligen  Reichsverwaltung,  in  reg-  u..-  i^^  jii 
hu^  j'^aU'  n    winrfprkohrten,   und  wofür  f^b^nso  rr^e^l- 

la '' u:    '-aa.-     atT    politischen    Partei-    a-:/:     "a.ia-ls- 

a  aa    ivopf  büssen  mussten.   Es  ist  bei      ait, 

dii^b    diese    Unruhen    meist    im    Zeichen    auc    Aiu. 


■  nius   sich  bewegten,   w 


aoei 


,1 


u  it'  so  oft  dieser  nur  eine  mehr  / 

lefergehenüur   liewegim  aea 


iUi  i. 


■-1 


■  t;  W  c 


ah   hier 
cheinungs- 

:li      ibt  Es 


hat    eben    schon    im  Alterthuni   wir    noch   heute   die 
judenhetze  als  der  zulässige  und  richtigste  Ausdruck 
für   die    i  n/atriedenheit  mit   der   bestehenden  W  alt 
oranuiig  -     an  gegebenaa  laa;  a,a^  =:!-  aauonale  Opposi- 
tion gegen  die  römische  Uberia        i  —  gegolten. 
An  den  bezeichneten  drei  Gerichtssceneii  ai     . 


1 1 


nr?  M"  hf-- 


r   in 

a. '  a  ■'  ij 


:i"!i 


zweierlei  auffallend.  Erstens,  dass  sich  die  angeklagten 
\  indriner  in  den  beiden  jüngeren  Papyri  an  ihre 
\  urgänger  aus  der  Zeit  des  Claudius,  vvovon  der 
älteste  spricht,  genau  erinnern  und  nut  ausgesj 
Verehrung  zu  ihnen  aufblicken;  der  \^h  ra 
der  Verhandlung  vor  Commodus  (resp.  Maa 
kündet  mit  stnl/em  Ton,  dasb  t  r  den  \\  (a  u 
beschreitet,  den  jene  schon  vor  ihm  aa  - 
Theon,  Isidoros  und  Lampon.  Noch  a 
der  provocante  luu,  dessen  die  Alex  a  a  a 
jüngeren   Papyri   sich   vor   dem  kai^' ria  h  ai 

b^-a.i>..i-.  ::      -^:,!i-.  na    arr  Dialog    ai   urr    V«a'' 

vor    ^  laua  uS    sich    in    durchaus    sachlichen 
bewegt,    wird   schon    in    dem   Tia  i   k   a    vor  Trajan 
eine   schärfere  Tonart  angeschlagen  und  die  jüng~tf 
Urkunde   findet  Accente,   die    einfach  free)    a 
werden   müssen;   wie   z.  Ij.  dass  der  Kaiser   k  .  /     -^ 
'R"    ■    -Hauptmann'  titulirt  wird. 

s  ist  um  so  befremdlicher,  als  es  mit  dem 
Charakter  eines  gerichtlichen  Protokolls,  als  welches 
unsere  Urkunde  wie  ihre  i'ar  i  1*  i  ucke  bi  a  1;  ni, 
nicht  in  Einklang  gebracht  werden  kann.  Icf 
damit  nicht,  dass  es  a*  ad  lie  Respec  a  vi  a 
jener  Kcaou:>ciriun  ibi,  welche  sie  von  aiia'in  A 
Protokoll  ausschliessen  müsste;  die  Auffa^^sune-  ,] 
l  e  ist  in  der  Antike  nicht  so  b>  aa  a  va 
zu  cüiucii.  iiaiien.  Wohl  aber  -ni  ••  iaa.  lu.  a-r  Av/uk^-. 
wie  die  Papyri  äberaii  /*iaaa  Kar'»'  »a-  ^^calt:  avb 
Amtsacts  und  a-r.h  a  A^-  :aiUken  J  "a-a  k  dlführ^r  d\f^ 
Wiedergabe  eines  noch  so  pikanten  DiaU  a  a  'nso 
wenig  vor  sich  haben  vciauiwuriuii  wollen  \a  ai« 
heutigen.  Man  hat  a.  -a--  d^n  amtHchtai  (:]iut.üs.U't 
jenes  Berichts  schon  fr  Zweifel  gezogen;  a 


if"- nr 


a  a "- ' 


In^r 


—        12       — 

die  richtige  positive  Deutung  derselben  hat  erst 
Adolf  Bauer^)  gegeben,  indem  er  ihn  und  seine 
älteren  Parallelstücke  als  heidnische  Märtyreracten 
charakterisirt  hat.  Wirklich  beweist  die  Thatsache, 
dass  die  jüngeren  Urkunden  die  Personen  aus  der 
Zeit  des  Claudius  —  also  auf  mehr  als  hundert 
Jahre  zurück  —  wie  nachahmenswerte  Vorbilder 
aufführen,  eine  ständige  Tradition  und  diese  ist 
sicher  unterstützt  gewesen  durch  eine  schrittliche 
Ueberlief  I  ^.  Daraus  aber  ersehen  wir,  dass 
die  Märt) i  [Verehrung  keine  specifisch  christliche 
lir.^  h  iumg  darstellt,  sondern  dass  auch  das  liciden- 
thum  in  einer  Zeit,  welche  dem  Individuum  keine 
andere  Bethätigung  seiner  Lebenskraft  mehr  Hess  als 
deren  Verneinung,  seine  Märtyrer  erzeugt  hat;  wie 
denn  der  Drang  zum  Martyrium  in  der  Geschichte 
der  Menschheit  immer  wieder  irgendwo  auftaucht, 
von  den  indischen  Büssern  und  den  christlichen 
Flao-  li  t  n  bis  zu  den  heutigen  Anarchisten,  in 
deren  abstossender  Erscheinung  dies  vielleicht  der 
einzige  versöhnende  Zug  ist.  Lehrreich  aber  ist 
auch,  dabei  zu  sehen,  wie  die  Schärfe  des  Tons  von 
den  jüngeren  zu  den  späteren  Berichten  sich  steigert; 
dieses  an  sich  begreif licl  '-tt^ben,  l  Vorhandene 
zu  überbieten  und  neue  S(  ;  idonelle  Wirkung  ii  zu 
erreichen,  scheint  auch  in  den  christlichen  Aiariyrer- 
acten  zu  obwalten,  und  man  wird  in  beiden  Fällen 
die  Frage  nach  der  Authenticität  solcher  Schilde- 
rungen wohl  im  Auge  behalten  müssen. 

Zu  den  w^eittragendsten  Entdeckungen,  die  in 
den  Papyri  gemacht  worden  sind,  gehört  die  ägyp- 
tische Volkszählung.^)  Es  ist  jetzt  durch  eine  lange 
Reihe   von    Urkunden    erwiesen,    dass    in   Aegvpten 


,^m 


seit  dem  ersten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit  in  Zwischen- 
räumen von  je  vierzehn  Jahren  eine  genaue  Zählung 
der  Bevölkerung  stattgefunden  hat:  die  bezüglichen 
^^**  Ve,  soweit  sie  mit  Sicherheit  bekannt  -  *  1,  be- 
ginnen mit  dem  Jahre  19/20^^)  und  reichen  bis  201/2; 
ausserdem  sollen  sich  nach  Mittheilung  Wessely's  in 
der  Wiener  Sammlung  noch  Acten  für  215/6  und 
229/30  finden. ^^)  Der  7  veck  dieser  Zählungen,  die 
wahrscheinlich  erst  von  Augustus  eingeführt  sir  1  '-) 
ist  noch  nicht  allseitig  zu  übersehen;  mit  Sicherheit 
kann  jedoch  angenommen  werden,  dass  die  Evident- 
haltung der  Bevölkerung  einerseits  für  die  Kopf- 
steuer (XaoYpacpia) ,  anderseits  für  die  Rekrutirung 
(eTTiKpicic) ,  welche  sich  nebstbei  bemerkt  e^eenseitie 
ausschliessen ,  ^^)    dabei   ein  hauptsächliches    ;:  ;: 

bildet.     Damit   wird    auch   die   Fixirung   der  Periode 
auf  vierzehn  Jahre  zusammenhängen.^^) 

Besonderes  Interesse  erlang-t  diese  —  in  anderen 
Provinzen  nicht  nachweisbare  —  Volkszählung  da- 
durch, dass  sie  an  ein*  aidere  gleichfalls  iii  \  .rvpten 
zuerst  auftretende  Rcwiiiiungsperiode  erinnert,  i  :  lieh 
an  den  Indictionencyklus.  Je  mehr  der  Ursprung  und 
die  Bedeutung  der  Indictionenrechnung  im  Dunklen 
liegen,  um  so  reizvoller  erscheint  jede  Möglichkeit, 
dieses  Dunkel  zu  erhellen.  Der  Gedanke,  aus  der 
Volkszählungsperiode  den  Indictionencyklus  erklären 
zu  können,  ist  um  so  verlockender,  als  schon  das 
Ausmaass  bei  beiden  nur  um  ein  W  t  niges  differirt; 
der  fünfzehnjährige  Kreis  der  inl  h  t  ii-  ii  zeigt 
gegen  die  Volkszählungsperiode  nur  einen  Ueber- 
schuss  von  einem  Jahr.^"^)  Freilich  aber  bildet  dieses 
eine  Jahr  für  eine  besonnene  Forschung  eine  unüber- 
schreitbare   Kluft   zwischen   beiden  Institutionen,    so 


—      14      — 

lange    die   Differenz    nicht    in    einleuchtender   Weise 

erklärt  ist. 

I  iii  >hr  beachtenswerther  Versuch  einer  solchen 
l  :  r.  j:  ist  in  neuerer  Zeit  von  Otto  Seeck  unter- 

nommen worden. ^^)  Seeck  hat  in  den  Luii.stitutionen 
lies  Theodosianischen  Codex  die  überravchpndp  Be- 
obachtung- gemacht,  dass  innerhalb  des  fünfzehn, 
jährigen  Zeitraums  der  Indictionenrechnung  sich 
deutlich  drei  kleinere  fünfjährige  Perioden  nachweisen 
lassen.  Diese  Thatsache  scheint  mir  ganz  unbestreit- 
bar; war  t  nur  doch  selbst  schon  früher  aufgefallen, 
dass  ::)Uii  ndulgenzen  wiederholt  für  fünfjährige 
Perioden  oder  ein  Multiplum  davon  ertheilt  werden, 
z.  B.  vom  sechsten  Indictionsjahr  bis  zum  elften  u.  ä.  ^^) 
Die  vollständige  Zusammenstellung  des  bezüglichen 
Materials  erhebt  es  zur  Gewissheit,  dass  das  yuiu- 
quennium  hier  eine  bestimmte  Bedeutung  gehabt  hat. 
Dass  es,  wie  Seeck  annimmt,  die  eigentUche  Census- 
periode  gewesen  ist  —  wuinii  Savigny's^^)  bekannt- 
lich unbeglaubigte  Identifizirung  des  fünfzehnjährigen 
Cyklus  mit  der  Censusperiode  endgiltig  hinwegfiele  — , 
bedarf  freilich  noch  der  Bestätigung  i^)  —  das  Quin- 
quennium  k''-n^f-  auch  für  eine  blosse  Revision  der 
Steu  T  tnde  bestimmt  gewesen  sein  —  und  ebenso 

wird  man  es,  was  Seeck  selbst  zugibt,  nur  als  Hypo- 
these betrachten  können,  dass  diese  Periode  von 
:>  '  tian  nach  der  Einnahme  von  Alexandreia  ins 
i  -rufen  worden  sei.  Da     \  lies  und  vieles  Andere 

: :  1 ..  I  L  noch  aufgeklärt  werden.  Dennoch  eröffnet  sich 
hier  zum  erstenmal  wenigstens  eine  einigermaassen 
greifbare  Vermutung  über  die  Herkunft  des  iünf- 
zehnjähriß-en  Cyklus.  Es  ist  nämlich  Thatsache,  dass 
dieser  m  Aegypten  um  ein  halbes  Jahrhundert  früher 


I 


—      15     — 

(ca.  312)  uns  entgegentritt,  als  in  den  übrigen  Reichs- 
theilen,    wo   die  Indictionenrechnung   sich  überhaupt 
nur    langsam    eingebürgert  hat;    wciiii    uii-    nier   der 
Schein  nicht  trügt  und  wir  annehmen  dürO  1,  dass  diese 
Zeitrechnung  wirklich  ägyptischen  Urs]     ;.  > 

könuLu    der   fünfzehnjährige    L\kiaN    ^-laa-  a    u..:a.a:^  n 
'■'Tit^tanden  sein,  da"-  man  die  \  i<''r:/rha.^.n*'\.--   ^^':k^- 
zählungsperiode    um    ein    Jahr    v   -■      aerte,    so    dass 
sie    ein   Multiplui        es    eben    besprochenen    Steuer- 
quinquemüums   wurde.     Das  hätte  einen  unten  ^>.aii 
gehabt;  denn  v  h  die  Volkszählui  a  - 

Vermögenssca  a      .  inneren  Zus 

hatte,    so  ist  (i  na       .a  ,   die  Mani}    ......    _m 

beiden  vielfach  ui*  Hi  sein  musste.  Dann  aber  war 
es  eine  sehr  fühlbare  Erleichterung  für  alle  Bethei- 
ligten, wenn  die  Incongruenz  der  Termine  beseitigt 
und  dafür  gesorgt  wurde,  dass  die  v  ^iixszählung 
immer  mit  einem  Census,  nämlich  mit  jedem  dritten 
zusammenfiel.  Dann  musste  dieser  Doppeltermin  in 
die  Reihe  der  Lustren  von  selbst  einen  gewi^-cii 
Rhythmus  bringen.  Dass  man  schliesslich  darauf  die 
Jahreszählung  basirte,  lässt  sich  verschiedentlich 
erklären.^)  Man  wird  daran  erinnern  dürfen,  dass 
in  Aegypten  die  Methode  der  ijadrung  gerade  in 
der    fraglichen    Periode    ins    Schwanken    g   '  n 

war.  ^^) 

im  Anschluss  hieran  sei  gleich  noch  eine  andere 
Frage  der  Chronologie  zur  bprache  irebracht,  nämlich 
die  nach  der  Geltimg  des  ägyptist  W  aaleljahres 

in  der  römischen   Zeit.     I    a  a  a-  ;e  ägyp- 

tische jaiiresrechnung  dadurch  fehieii  a  dass  die 
vierjährige  Intercalirung  des  '^  '  ''  -  1  a  ,  uial 
sich  daher  das  bürgerliche  Jahr  gegen  das  natürliche 


—     i6     — 

alle  vier  Jahre  um  einen  Tag  nach  rückwärts  verschob. 
Kaiser  Augustus  hat  dann  dieses  „wandelnde"  Jahr 
i    1    ^6/^5  V.  Chr.    durch   Einführung   des   Schalttags 
fixirt"     Man  hat  die  Frage  aufgeworfen,  in  welchem 
Umfang  dieser  neue  Kalender  thatsächlich  m  Geltung 
getreten   i.i   und   inwieweit   etwa  daneben  die  app- 
tische   Rechnungsweise  sich  erhalten  hat,   und  kern 
Geringerer  wie  Ideler^^  hat  behauptet,  da.s  erst  das 
Christenthum  im  vierten  Jahrhundert  die  allgemeine 
Anerkennung    des    augusteischen    Jahres    begründet 
habe       Tv,s   ist   auch   neuerlich    wiederholt    worden, 
namentlich  mit  Berufung  auf  einige  Papyrusurkunden, 
.    1  1.P  wenn  ihr  Datum  auf  den  julianischen  Kalender 
oaen  wird,  merkwür<1i<r^  Re.uiua<    ergeben      So 
Wessely^^)   einen  Wur        •       --    veröffentlicht, 
.      ^.atum  -   ii.Thoth    des   zweiten  Jahres  des 
Pupienus  und  Balbinus  und  des  Cäsar  Gordianus  -- 
nach   dem  fixen  Jahr  sich  auf  den  8.  ^^^^^^'/^f 
stellen  würde,  während  Pupienus  und  Balbinus  doch 
selbst  nach  der  günstigsten  Annahme  schon  am  23.  Juli 
(nach    \  Kieren  noch  früher)  ermordet  worden  waren 
und  jedenfalls  die  Subscriptionen  im  Justimanischen 
Codex    schon    vom    16.  Juli  ab   in  ununterbrochener 
Reihenfolge   Gordian  ÜL   als  Imperator  bezeichnen. 
Um  nun  die  anscheinende  Unmöglichkeit  zu  beheben 
dass  die  ThronbesteigiH.    n^Uan's  in  Arsinoe  nc^ 
nach   54  Tagen  nicht  bek       .t  war,    will  man -^;  hier 
das  ägyptische  Wandeljahr  zu  Grunde  legen,  welches 
allerdings  damals  schon  um  65  Tage  vchti  fixen  diffe- 
rlrtp    so  dass  das  Datum  auf  den  5.  J^h  talit. 

Xun  ist  aber,  wie  Wilcken^^)  n*  u.  rl  .h  aus- 
geführt  hat,  die  Rechnung  nach  dem  W  uiidc.,a;  u  d^n 
Papyri  nirgends  stillschweigend  vorausgesetzt.     Das 


—      17     — 

heute  vorliegende  Material  ermöglicht  darüber  ganz 
andere  Inductionsschlüsse,  als  Ideler  sie  ziehen  konnte. 
Das  Wandeljahr  erscheint  in  unseren  Papyri  genannt, 
kein  Zweifel,  und  dass  die  Ägypter  in  ihrem  Privat- 
leben noch  durch  Jahrhunderte  gern  danach  gerechnet 
haben,  mag  zugegeben  werden.  Aber  wo  immer  es 
bis  jetzt  nachgewiesen  ist,  sind  es  immer  nur  private, 
niemals  officielle  Schriftstücke,  und  was  noch  mehr 
sagt,  wir  kennen  bis  jetzt  keinen  Fall,  wo  danach 
gerechnet  wäre,  ohne  dies  durch  den  Zusatz  ^Kai' 
dpxaiouc'  oder  in  anderer  Weise  ausdrücklich  zu  sagen. 
Umgekehrt  sind  mehrfach  sichere  Fälle  vorhanden, 
wo  nach  dem  fixen  Jahr  gerechnet  ist,  ohne  dass 
dies  besonders  betont  würde. 

Dies  legt  denn  doch  den  Schluss  nahe,  dass,  wo 
das  System  der  Zeitrechnung  nicht  näher  bezeichnet 
ist,  der  augusteische  Kalender  als  selbstverständUch 

vorausgesetzt  wird. 

Wie  steht  es  aber  mit  der  Datirung  des  Papyrus 
vom  1 1 .  Thoth  des  zweiten  Jahres  des  Pupienus,  Bal- 
binus und  Gordian?  Diese  scheint  doch  alle  derartigen 
Schlüsse  über  den  Haufen  zu  werfen !  Dabei  kommt 
es  eben  darauf  an,  welche  Vorstellungen  man  sich 
von  der  Geschwindigkeit  der  Nachrichtenverbreitung 
im  römischen  Reich  macht,  und  gerade  das  ist  der 
Punkt,  weshalb  ich  diese  an  sich  ja  ziemlich  intricate 
Materie  an  diesem  Ort  eines  allgemeinen  Interesses 
für  fähig  erachtet  habe. 

In  Alexandrien  müssen  natürlich  Nachrichten 
aus  Rom,  namentlich  von  solcher  Wichtigkeit  wie 
die  vom  Thronwechsel,  mit  aller  durch  den  See- 
verkehr nur  überhaupt  ermöglichten  Pünktlichkeit 
verbreitet  gewesen  sein.    Wie  aber  stand  es  mit  der 

Mitteis,  Papyrusurkunden.  * 


--     i8     — 

Xtüpa?  Da  ergibt  eine  darauf  hin  angestellte  Unter- 
suchung^')  das  überraschende  Resultat,  dass  ganz 
il^  rmein  der  alte  Regent  viel  länger  fortgeführt 
d,  als  man  es  prima  facie  für  möglich  halten 
würde.  Claudius  starb  am  13.  October  54,  aber  am 
28  November  wird  in  Elephantine  noch  nach  ihm 
datirt,  also  46  Tage  später.  Nero  starb  am  9.  Juni 
68;  sein  Tod  scheint  noch  am  8.  August,  also  nach 
58  Tagen  in  Theben  unbekannt  zu  sein.  Nach  Marcus 
datirt  im  Faijöm  eine  Urkunde  vom  6.  Mai  180,  ob- 
wohl  er   50  Tage  vorher  gestorben  ist,  nämlich  am 

17.  März. 

Nun  ist  freilich  auch  hier  überall  die  Emwendung 

möglich,  dass  petitio  principii  vorliege,  wenn  man 
nach  augusteischem  Kalender  rechnet,  und  dass  eben 
auch  hier  alle  Noth  schwindet,  wenn  man  das  Wandel- 
jähr  zu  Grunde  legt.  Aber  eines  Besseren  belehrt 
uns  der  Papyrus  BGU  515,  wo  noch  am  2.  Juni  193 
nach  Commodus  datirt  wird,  obwohl  dieser  schon 
fünf  Monate  früher,  am  31.  December  192,  gestorben 
war.  Denn  auch  wenn  man  hier  das  Wandeljahr 
zu  Grunde  legt,  so  kommt  man  doch  immer  erst  auf 
den  8.  April  193  und  dieser  Fehler  ist  so  gross,  dass 
gegen  ihn  alle  obigen  verschwinden. 

Diese  Thatsachen  sind  jedenfalls  überaus  merk- 
würdig und  es  wird  eine  Aufgabe  der  zukünftigen 
Papyrusforschung  sein,  in  Hinkunft  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  Nachrichten  im  Auge  zu  behalten. 
Ganz  überzeugt  bin  ich  allerdings  in  diesem  Punkte 
noch  nicht  und  kann  mir  wohl  Jemanden  denken, 
der  es  unglaublich  flndet,  dass  der  Thronwechsel 
selbst  im  ägyptischen  Binnonland  so  langsam  bekannt 
zu    werden    pflegte    -    etwas    Unbehagliches    hat   ja 


—     19     — 

diese  Annahme  immerhin.  Aber  der  Datirung  nach 
dem  Wandeljahr  hilft  das  nichts;  denn  wenn  man 
auch  annimmt,  dass  der  private  Verkehr  den  Thron- 
wechsel r  iier  erfahren  haben  muss,  als  die  i  vn 
den  Anschein  geben,  so  lassen  sich  ihre  Datiruu,  1 
meines  Erachtens  ganz  leicht  noch  so  erklären,  dass 
zwar  nicht  die  Nachricht  vom  Thro  'vrr-hxri,  wnhl 
aber  die   officielle  Publikation   der    !  leigung 

des  neuen  Regenten  und  ihres  genauen  Datums  in 
den  Binnenstädten  erst  spät  eintraf.  Es  ist  dann 
immerhin  denkbar,  dass  man  nach  dem  alten  Re- 
genten so  lange  fortzählte,  bis  die  Nachfolge  und 
ihr  Datum,  das  gerade  für  die  Jahreszählung  oft  ent- 
scheidend sein  musste,27)  amtlich  verlautbart  war. 

Nicht  minder  reich  wie  an  rein  historischen 
Belehrungen  sind  die  Papyrusurkunden  auch  an 
rechtsgeschichtlichem  Material.  Ein  sehr  grosser 
Bruchtheil  der  bisher  veröffentlichten  ist  nämlich 
direct  inristischer  Natur,  als  K  1  a-e-  und  Einredeschrift, 
Gerichtsprotokoll,  Testament,  iieirats- und  Scheidungs- 
urkunde, Kauf-,  Mieth-,  Pacht-,  Darlehns-,  Ver- 
r1  II  lungscontract  u.  s.  f.  Natürlich  schlägt  das  Alles 
riu  iit  blos  ins  römische  Recht  ein,  sondern  ebenso- 
sehr auch  ins  griechische  und  t  Henweise  auch  in 
das  local-ägyptische,  welch  letzteres  freilich  bei  dessen 
unsieherer  und  trümmerhafter  Ueberlieferung  annoch 
mehr  Verlegenheit  als  Freude  für  den  Bearbeiter  zu 

sein  pflegt.  2*) 

Was  dabei  zunächst  das  griechische  Recht  an- 
betrifft, so  ist  hier  vor  Allem  eine  Thatsache  von 
allgemeiner  Bedeutun  v  orzuheben,  welche  d   ^  h 

die  Papyri  zur  vollen  Evidenz  erhärtet  wird,  näml 


20       


die  Einheit   des   griechischen  Rechts   im  gesammten 
Umfang     des     gräco  -  macedonischen    Hellenismus.  ^'^) 
Diese    Thatsache    ist    von    der    grössten    Tragweite 
sowohl  für  die  Würdigung  der  hellenistischen  Cultur 
im  Allgemeinen,  als  für  die  Methode  und  Behandlung 
des   griechischen  Rechts    insbesondere    und   für   die 
Würdigung    der    Stellung    des    griechischen    Rechts 
im  römischen   Reiche.     Ausser    diesem   an  Wichtig- 
keit   alles   Uebrige    überragenden    Ergebnis   fördern 
die  Papyri  aber  noch  eine  grosse  Menge  der  werth- 
vollsten  Details  zu  Tage.    Beispielsweise  scheint  sich 
aus    Nr.   iq    der  Berliner    ägyptischen   Urkunden    zu 
ergeben,    dass    nach    Satzung    der    alexandrinischen 
Griechen  Enkel   neben  Kindern    des    ersten  Grades 
am  Vermögen  der  Grosselteni  kein  Erbrecht  hatten, 
also  keine  Repräsentation  der  vorverstorbenen  Kinder 
durch  ihre  Nachkommenschaft  stattfand,  ähnlich  wie 
im  alten   deutschen  Recht,  ^o)     Ferner   wird   der  von 
mir 31)    schon    aus   älteren   Quellen   abgeleitete,    aber 
nur   durch   einen   complicirten  Beweis  herzustellende 
Satz,   dass   die  Tochter  ausser  ihrer  Mitgift   keinen 
weiteren  Erbimspruch  hat,  solange  Söhne  vorhanden 
sind,   also  als  abgefunden  gilt,   in  den  Papyri  direct 
ausgesprochen.  32)     Sehr    werthvolle  weitere   Mitthei- 
lungen erhalten  wir  über  die  Stadtarchive,  über  die 
Functionen  der  Wechsler  (Trapeziten),  über  Executiv- 
Urkunden  u.  a.,  vor  Allem  auch  über  die  Geschichte 
der  Arrha 33)  und  des  Pfandrechts.**) 

Aber  auch  für  das  römische  Recht  werden  grund- 
legende Thatsachen  geboten.  Es  ist  schon  eine  lange 
Reihe  von  Gesetzen,  Verordnungen,  Rescripten,  welche 
uns  hier  zum  erstenmal  bekannt  geworden  sind.  Ich 
führe   hier  nur   ein  Stück    an,    das  meines  Wissens 


—       21       — 

noch   nicht  veröffentlicht  ist;    es  gehört  der  Wiener 
Sammlung   an   und   enthält  die  Lösung   der  von  mir 
an  anderer  Stelle  3^)  besprochenen  Schwierigkeit,  wie 
nach  der  Bürgerrechtsverleihung  durch  Caracalla  die 
jetzt   dem   römischen  Recht  unterworfenen  Griechen 
ihre  Testamente  abfassen  konnten,  da  ein  römisches 
Testament    die    lateinische   Sprache   erfordert.     Jetzt 
sehen  wir,    dass   von  Alexander  Severus,   also   kurz 
nach  der  antoninischen  Constitution,  diese  Schwierig- 
keit  behoben   worden  ist.36)     Auf  Grund  der  Papyri 
wird   es  auch  möglich  w^erden,   das  Datum  der  Ver- 
allgemeinerung   des    römischen    Bürgerrechts    durch 
Caracalla    genauer    als    e3  bis  jetzt  möglich   war   zu 
bestimmen;   schon  jetzt   sind  die  Zeitgrenzen,   inner- 
halb  deren   sie   angesetzt   werden   muss,   auf  Mor  :;t 
besummt,  zwischen  Februar  und  8.  November  21 2.3-) 
Dass  das  Verwaltungs-  und  Steuerwesen  allseits  er- 
leuchtet wird,  ist  klar;38)   aber  auch  in  den  Privat- 
process    und    das    damit    zusammenhängende    Acten- 
wesen  erhalten  wir  tiefe  Einblicke.  3^)  Hier  wie  überall 
stellt    sich    heraus,    dass    die    Einrichtungen    in    den 
Provinzen    wesentlich    älter   und   fester  sind   als   wir 
bisher  angenommen  hatten;  :^Ianches,  was  wir  bisher 
als  nachconstantinisches  Recht  ansahen,  weil  es  uns 
erst   im   theodosianischen  Codex  entgegentritt,   stellt 
sich   jetzt   heraus    als   schon   der    frühen   Kaiserzeit 

angehörig.  *^) 

Das  aber  wirft  \vieder  ein  eigenthümliches  Licht 
auf  unsere  bisherigen  Quellen.  Man  ist  gewöhnt, 
die  Schriften  der  classischen  Juristen  als  die  Quint- 
essenz der  Rechtsweisheit  des  römischen  Gesammt- 
reichs  anzusehen,  und  es  gibt  noch  heute  sehr  Wenige, 
die  auf  diese  Gattung  von  Quellen  nicht  zu  schwören 


22 


bereit  wären.  Mich  meinestheils  bat  schon  vor  Jahren 
ein  instinctives  Misstrauen  gegen  die  Alleingiltiirkpit 
dieser  Lehren  veranlasst,  den  Spuren  ci'     1  s 

rechts  nachzugehen;  heute  aber,  ange>  \  n, 

zweitle  ich  nicht  im  Geringsten,  dass  man  in  nüouii- 
barer  Zeit  die  Rechtsgeschichte  des  römischen  Reichs 
in    sehr    viel    weiterem    Umfange    wird    zu    erfassen 
haben   als   die  bcliriften   der   classischen  Juristen  sie 
bieten.   Diese  letzteren  werden  sich  überhaupt  immer 
mehr  als   das   herausstellen,   was  sie  allein  sind,   als 
die  Arbeiten  der  römischen  Rechtsschule,  also  eines 
bestimmten,   local   und  wmicrstens   durch  lange  Zeit 
auch  national  gebundenen  Kreises,  welchem  bei  aller 
Schärfe    der   Auffassung   doch   die   schulmässige   Be- 
schränkung des  Gesichtskreises  und  die  scholastische 
Beschäftigung  mit  Fragen  anhaftet,  welche  das  innere 
Leben  längst  verloren  haben.     Das  Alles  in  vollem 
Umfang  auszuführen  ist  hier  und  vielleicht  überhaupt 
derzeit  noch  nicht  möglich;  aber  sobald  es  geschehen 
wird,  werden  sich  auch  die  Aufgaben  der  Romanisten 
wesentUch    verschieben    und    auch    für    die   römische 
Rechtsgeschichte  liegt  die  Zukunft  über  d-iu  W  asser. 
Obwohl  ich   es  mir  versagen  muss,'>uf  rechts- 
geschichtliche Einzelheiten    einzugehen,   möchte    ich 
die  Aufmerksamkeit  hier  doch  auf  einen  Punkt  lenken, 
der    von    der   allergrössten   Bedeutung    ist,    nämlich 
die  jetzt  in  Aegypten  nachweisbare  Verbuchung  der 
Reuiiuverhältnisse   an  Immobilien.     Es  handelt  sich 
da  um  die   geschieh  tli  hu  Priorität  der  Entdeckung 
eines     fundamentalen    Rechtsprincips ,     nämlich    des 
Gedankens,  dass  die  Rechtsverhältnisse  an  Immobilien 
von    der   öffentUchen  Gewalt   sollen  in  Evidenz  ge- 
halten werden,  damit  keine  Verwirrung  so  wichtiger 


—     21     — 

Fragen  und  keine  Täuschung  und  Enttäuschung  gut- 
gläubiger Aussenstehender  möglich  sei.  Es  hat  bis- 
lang als  ein  Ruhmestitel  der  deutschen  Nation  ge- 
golten, dass  sie  zuerst  diesen  Gedanken  pr.iktisch 
erfasst  und  im  »Gnmdbuchsrecht<.  vei  virklicht  hat. 
der  dem  Alterthum  trotz  der  hohen  formalen  Voll- 
endung des  römischen  Rechts  irefehlt  haben  sollte. 
Jetzt  wissen  wir,  dass  es  andere  Wctr.  ich  habe  un 
Jahre  1895*^)  darauf  hingewiesen,  dass  die  Grund- 
steuerbücher, wenngleich  zunächst  als  Kataster  für 
die    technische   Durchführung-     ur    Bodensteuer   ge- 

"  -  mitzufunctio- 
anchen  Clausein 


-i-, 


tung   k  ;t 


latte.'"; 


dacht,  doch  praktisch  als  Hn       ■ 

u.  ^u  scheinen,  und  diese  da 

imd  Cautcien   ausg-esprochene   i> 

mittlerweile  in  em m  vi^l  ivr  it   i' 

als  ich  seinerzeit  zu  hoifen  gewa^ 

das  Eiirenthum,  auch  Nutzniessi :  ^ 

recht*     ^^:^r(\^n    registrirt;    und    sogar    aiu    lm-  ädere 

Feinheit  des  modernen  Grundbuchsrechts,  die  »Vor- 

mc  k  iug.  zukünftiger  dinglic!    r   <     hte  scheint  nach 

einigen,  wenngleich  schwachen  doch  gu  /  asreichen- 
den  Spuren  schon  im  Keim  voreeleg-pn  zu  sein. 
Und  diese  ganze  Entwickelung  ist  ge  r...  :;  von  dem 
vollen    klaren    Bewusstsein,    dass    die    ^  .r 

der  Inimobiliarverhältnisse  auch  im  Interesse  des 
privaten  \'-rl  hrs  wünschenswert h  i<t:  gerade  die5,ea 
leitenden  Gedanken  des  ir  dernen  :  ndbuchsrechts 
finden  wir  jetzt  ui  dem  Edict  eines  ägyptischen  Statt- 
halters klar  formulirt. 

Gewiss  ist  die  Entwicklung  \v  \egypten  einen 
anderen  Weg  gegangen  ab  n  Deutschland;  die  eigen- 
thümliche  Entstehung  der  Immobiliarverbuchung  im 
Gefolge     der    staatlichen    Steuerinteressen    ist    dem 


deutschen  Grundbuch  fremd.     Aber  der  Erfolg  war 
praktisch  hier  wie  dort  der  gleiche. 

Ich  möchte  schliesslich  einen  Punkt  aus  der 
wirthschaftsgeschichtlichen  Seite  der  Papyri  berühren 
und  damit  meine  Ausführungen  mit  den  allgemeinsten 
Gesichtspunkten  beschliessen,  welche  die  Papyrus- 
forschung ergibt. 

Im  Bereich  der  antiken  Wirthschaftsgeschichte 
ist  es  eine  der  wichtigsten  Fragen,  ob  damals  Natural- 
oder  Geldwirthschaft  gegolten  hat. 

Bekannt  ist  das  Schlagwort  von  der  »Autarkie 
des  Oikos«,  mit  welchem  Rodbertus  die  Wirthschafts- 
weise  des  Altertums  zu  kennzeichnen  gemeint  hat. 
Mit  dem  aus  Aristoteles  entlehnten  Schlagwort  Autarkie 
ist  hier  gemeint,  dass  im  Alterthum  das  Haus  eine 
nach  aussen  abgeschlossene  Wirthschaftseinheit  ge- 
bildet hat,  welche  das  zur  Befriedigung  der  täglichen 
Bedürfnisse  Erforderliche  aus  sich  selbst  heraus  pro- 
ducirt,  nicht  mehr  und  nicht  weniger;  damit  ist  jeder 
höheren  Ent Wickelung  der  Geldwirthschaft  die  Existenz- 
möglichkeit abgesprochen. 

Daran  hat  sich  in  neuerer  Zeit  eine  Controverse 
zwischen  K.  Bücher  einerseits,  E.  Meyer  anderseits 
angeknüpft,  indem  Ersterer  den  Rodbertus'schen 
Standpunkt  vertritt,  Meyer  hingegen  denselben  an- 
greift und  eine  relativ  bedeutende  geldwirthschaft- 
liche  Entwicklung  darzuthun  sucht.  ^^^  ich  vermeide 
es,  die  Argumente,  welche  für  die  beiderseitigen 
Behain  ngen  vorgeführt  worden  sind,  zu  re- 
capituliren,  und  will  mich  darauf  beschränken,  den 
Inhalt  der  Papyri  auch  nach  dieser  Richtung  kurz 
anzugeben. 


—     25     — 

Unbestreitbar  scheint  mir  da,   dass   die  griechi- 
schen Papyri  schon  seit  der  Ptolemäerzeit  eine  be- 
trächtliche   Entwickelung    der    Geldwirthschaft    dar- 
thun.-^^)       Das    gilt     zunächst    für    den     öffentlichen 
Haushalt;  schon  unter  den  Ptolemäern  wird  nur  noch 
die  Grundsteuer  in  Naturalien,  jede  andere  Abgabe 
in  Geld   erhoben,    und  selbst  bei  der  Ersteren  ist  in 
wichtigen   Theilen  wie   den  Bonitierungsclassen    der 
Wein-,    Obst-   und    Oelgärten    später    die   Adäration 
eingetreten,  sodass  im  Wesentlichen  nur  die  für  die 
unmittelbare  Verpflegung    des  Heeres    und   der  Be- 
amtenschaft   erforderHchen    Cerealien    in    Natur    ge- 
steuert wurden.     Im  Uebrigen  wirthschaftet  der  Staat 
in  Geld,  und  ähnlich  muss  es  bei  den  Tempelgütern 
gestanden  haben,  deren  financielle  Thätigkeit  ja  auch 
für  die  classischen  Länder  bekannt,  und  für  Aegyp- 
ten   durch   die  arsinoi'tischen  Tempelrechnungen  aufs 
Beste  bestätigt  ist.     Aber  auch  der  private  Wirth- 
schaftsbetrieb     zeigt    vielfach    die    Geldbasis.      D-r 
Papyrus    Sakakkiri     ist     das    Rechnungsbuch     eines 
Privatmannes  aus  dem  III.  Jahrh.  v.  Chr.     »Da  wird 
Tag  für  Tag  Brot,    Zukost,    Pökel waare,   Salz,   Ge- 
würze, Gemüse,  Kohl,  Holz,  gelegentlich  auch  Fleisch 
gebucht  und  alles  in  Geld  bezahlt.«     Vor  Allem  ist 
das  bei  den  Löhnen  der  Fall;  natürlich  gab  es  auch 
hier  Verschiedenheiten,  und  die  Amme  bekommt  mehr 
Naturalien  als  der  Feldarbeiter,  aber  schUesslich  wird 
auch  sie  in  Geld  honorirt.     Und  dann  sehe  man  ein- 
mal  die    Darlehen   an.     Während  in  der  alten  Zeit 
das  pret  de  ble  eine  bedeutende  Rolle  spielt,    kann 
man  die  Fälle  des  Naturaliendarlehens  in  der  Kaiser- 
zeit an  den  Fingern  herzählen,  und  ist  das  üeiddar- 
lehen    —    häufig  gar   durch  Anweisung   an  Banken 


^       26       — 

effectuirt  -  die  allgemeine  Regel  geworden.  Dass 
die  Privatleute  häufig  Depositen  in  der  Bank  haben, 
ist  gleichfalls  charakteristisch. 

Demnach  ist  es  sicher,  dass  die  Rodbertus'sche 
Autarkie  des  Oikos  auf  arger  Uebertreibung  beruht 
und  von  der  wirthschaftlichen  Entwickelung  des  Alter- 
thums  ein  durchaus  unrichtiges  Bild  gibt. 

Aber  andererseits  wird  man  auch  davor  warnen 
müssen,  nach  dem  glänzenden  Anblick,  welchen  die 
Papyri  aus  den  Blüthetagen  der  ptolemäischen  und 
römischen   Zeit   geben,    die   Bedeutung    der  antiken 
Geldwirthschaft   zu    überschätzen.     Ich    meine,    dass 
man   hier   sehr  vorsichtig   sein    niuss,    um    nicht  von 
einem  Extrem  in  das   andere  zu  verfallen.     Gewiss, 
das  Alterthum  hat  stellenweise  seine  Geldwirthschaft 
gehabt;   ob   aber   diese   ausreichend   ist,   um  für  die 
gesammte  Antike  schon  von  einer  entwickelten  Geld- 
wirthschaft zu  sprechen,  ist  mehr  als  zweifelhaft.    In 
der  N    •        ^Ökonomie  ist  es  ein  beliebtes  Schlagwort, 
dass  unter  Umständen  die  Golddecke   zu  kurz  wird. 
So  möchte   ich  auch   von   der  antiken  Wirthschafts- 
weise    sagen,    sie    hatte  ihre   Golddecke,   aber  diese 
war  viel  zu  kurz  und  überaus  dünn. 

Daran  müssen  uns  zunächst  wieder  die  Papyri 
selbst  erinnern.  Sie  zeigen  nämlich  seit  dem  vierten 
Jahrhundert  n.  Chr.  eine  rückläufige  Entwicklung. 
Die  Naturalwirthschaft  tritt  wieder  in  den  Vorder- 
grund. Selbst  die  Arbeitslöhne  beginnt  man  neuer- 
lich mehr  in  Naturalien  au'^ziizahlen,  ähnlich  wie  es 
mit  den  Beamtensporteln  nach  dem  Tarif  von  Thim- 
gäd  der  Fall  ist.  Nach  einem  Pap.  Oxy.  i,  92  vom 
Jahre  335  werden  für  Arbeiten  auf  dem  Herrenhaus 
zehn  KKige  Wein    verabfolgt   und   ein    Krug  Wem 


27 


an  den  Thierarzt;  ein  andermal  erhalten  die  Arbeiter 
eines  Gutshofs  ihre  Löhnungen  sämmtlich  in  Weizen, 
Kenyon  Cat.  I  p.  192.*^)  Den  Endpunkt  dieser  Ent- 
wicklung zeigt  eine  der  ältesten  bekannten  Papyrus- 
urkunden, wonach  das  jährliche  v  eines  Hand- 
lungscommis  in  zehn  Artabeii  Weizen  besteht.*^) 
Die  Pachtcontracte  laufen  entweder  auf  Theilpacht 
oder  auf  eine  geringe  Geldzahlung  mit  einer  be- 
trächtlichen Abgabe  an  Naturalien  hinaus;  im  sechsten 
Jahrhundert  beziehen  Bischöfe  und  Klöster  ihre  Ab- 
gaben von  den  Dörfern  in  Weizen  und  bezahlen  ihre 
Bedürfnisse  wieder  in  Naturalien,  Oel.  Wt  In  u.  dgl.^^) 
Natürlich  kommen  Geldrechnungen  v  a  jetzt  noch 
vor;  aber  der  Gesammteindruck  der  späten  Papvn 
erinnert  doch  lebhaft  an  die  Wirthschaftsweise  der 
fränkischen  Zeit,  imd  verräth  einen  weit  primitiveren 
Zug  als  es  früher  der  Fall  ist. 

Man  püegt  diesen  ^Rückfall'  in  die  Natural- 
wirthschaft als  eine  Folge  des  allgemeinen  Nieder- 
gang5  uer  spätrömischen  Verhältnisse  zu  bezeichnen. 
Ich  glaube  nicht,  dass  damit  das  Causalverhältniss 
zutreffend  gekennzeichnet  ist.  M.  E.  hat  die  Geldwirth- 
schaft in  der  Antike  doch  niemals  einen  recht  festen 
Boden  gewonnen  und  der  allgemeine  Rückgang  der 
\  .  hältnisse  hat  nur  die  Wirkung  dies  aufzudecken. 
Es  gilt  hier  was  der  Dichter  sagt:  »Das  Alter  macht 
nicht  kindisch,  wie  man  glaubt;  es  findet  uns  nur 
noch  als  wahre  KLinder.« 

Mir  ist  überhaupt  als  der  entsche*  '   •  '    ^^     *  -  ' 
punkt   in    dem    plötzlichen   Niedergang    a  r    A        e 
immer     der     erschienen,     dass     die    Bildung       1   f-^ 
Weltreichs   durch   die   cäsarianische   Politik    v^rir   ru 
war.      Und    gerade     hier    taucht     der    Wi 


h 


—       28      — 

zwischen  Natural-  und  Geldwirthschaft  neuerdings 
auf.  Das  Römische  Reich  ist  zu  Grunde  gegangen 
an  dem  W  iderspruch,  dass  ein  Weltreich  nicht  be- 
stehen kann  ohne  hoch  entwickelte  Geldwirthschaft 
und  dementsprechend  gesteigerten  industriellen  und 
Handelsverkehr,  Beides  aber  im  Alterthum  lange 
nicht  genügend  entwickelt  war.  Ohne  sie  aber  kann 
das  ungeheure  Heer-  und  Flottenwesen,  der  Ver- 
waltungsapparat und  die  tausendfältige  Anzahl  der 
Aufgaben,  welche  einem  grossen  Reich  nach  innen 
und  aussen  zufallen,  nicht  bewältigt  werden. 

Ich  bin  natürlich  weit  entfernt,  die  merkantile 
EntWickelung  der  römischen  Antike  unterschätzen 
zu  wollen;  das  wird  wohl  nach  der  packenden  Dar- 
stellung, die  Eduard  Meyer  hiervon  gegeben  hat. 
Niemanden  beifallen.  Die  Frage  ist  und  bleibt  immer 
nur  die,  wie  tief  diese  Wirthschaftsweise  im  Ge- 
sammtreich  wurzelt.  Da  die  Lichtpartien  immer 
stärker  wirken  als  die  Schatten,  ist  man  nur  zu  ge- 
neigt, die  ersteren,  vermöge  einer  Art  geistiger  Ir- 
radiation, zu  überschätzen. 

Im  grossen  Stil  können  Verkehr  und  Geldwirth- 
schaft doch  nur  dort  existirt  haben,  wo  der  billige 
Seeweg  einen  grossen  internationalen  Güteraustausch 
ermöglichte.  Die  Seestädte  des  Mittelmeerbeckens, 
resp.  solche,  die  wie  Rom  mit  der  See  verbunden 
waren,  konnten  natürlich  damals  schon  sich  ms 
Grenzenlose  entwickeln.  Im  Binnenland  mochten 
allenfalls  einige  hochwerthige  Artikel  die  Transport- 
kosten ertragen  und  auf  den  Handel  mit  diesen  — 
Metalle,  Purpur,  Seide,  Webereien  und  feine  Tuch- 
sorten (wie  die  nervischen  und  norischen  :Mäntel), 
Oel,  feine  Weine  (wie  der  ^echte  Falerner'),  Glas-  und 


—     29     — 

Thonwaaren  und  dergl.  —  geht  jedenfalls  die  Blüthe 
gewisser  Binnenstädte,  wie  z.  B.  Lyon,  zurück.  Die 
grosse  Mehrzahl  der  Städte  hat  aber  natürlich  nur 
einen  localen  Markt  und  nur  eine  locale  Industrie 
gehabt. 

Nun  ist  es  allerdings  richtig,  dass  dies  auch  noch 
im  17.  und  18.  Jahrhundert  nicht  anders  gewesen  ist; 
ein  grosser  Binnenverkehr  ist  eben  erst  durch  die 
Eisenbahnen  möglich  geworden.  Und  richtig  ist 
auch,  dass  selbst  bei  localer  Beschränkung  der  Märkte 
ein  im  Ganzen  reicher  und  gesicherter  Verkehr  wohl 
bestehen  kann,  wofür  z.  B.  in  den  vorigen  Jahr- 
hunderten Frankreich  und  die  südlichen  und  west- 
lichen Gegenden  Deutschlands  Zeugniss  geben.  Aber 
dazu  ist  dann  Eines  erforderlich,  nämlich  eine  wohl- 
befestigte und  gleichmässige  innere  Colonisation, 
welche  den  Verkehrscentren  ein  sicheres  Absatz- 
gebiet gewährleistet.  Dies  hatten  Frankreich  und 
Süd-  und  Westdeutschland  sich  durch  mehrhundert- 
jährige Arbeit  errungen  —  wie  stand  es  in  dieser 
Beziehung  im  Römischen  Reich? 

Es  ist  nun  schwierig  über  die  sehr  verschieden- 
artigen Besiedelungsverhältnisse,  welche  die  Provin- 
zen bei  ihrem  Eintritt  in  das  Reich  mitgebracht  haben, 
ein  Gesammturtheil  abzugeben.  Neben  dicht  bevöl- 
kerten Landschaften,  wie  ein  Theil  der  asiatischen, 
Aegypten,  Sicilien,  das  südliche  Gallien  es  gewesen 
sind,  stehen  die  Einöden,  wie  Strabon  sie  nennt,  von 
Epirus  und  lUyricum,  denen  ohne  grosse  Ueber- 
treibung  die  meisten  Provinzen  der  Balkanhalbinsel 
zugezählt  werden  können,  die  Donauländer,  die  Hoch- 
ebenen des  inneren  Kleinasiens.  Dass  die  Coloni- 
sation   der  Letzteren   nie  gelungen  ist,   weiss    man; 


—     30     — 
aber    auch    bezüglich    der    Ersteren    darf    man    aus 
dem    traditionellen    Ruf    ihres    Glanzes    mcht    ohne 
.v.ueres  auf  die  innere  Gesundheit  der  Verhaltmsse 

schliessen.  .   .     i. 

Wt  sind  für  Sicilien  durch  die  dritte  Vernnische 
Rede    Ciceros    über    di^     Vertheilung    des    Gnindbe- 
Sitzes  gut  unterrichtet.     Die  Zahl   der  Grundbesitzer 
(die  Grosspächter  eingeschlossen)  ist  fürchterhch  ge- 
ring:  die  Mark  von  Leontinoi  mit   30000  Jugera  ist 
auf  nur  88  Besitzer  vertheilt  und  ähnlich,  wonn  auch 
nicht  ganz    so    arg,  steht    es    in   Agyrium,    Herbita, 
Alutyka.    Natürlich  steht  neben  ihnen  ein  ungeheures 
Landproletariat,    -    wie    heutzutage.*«)     Wie    es   m 
Afrika  mit  seinen  grossen  Grundherrschaften  gestan- 
den  hat,  wissen  wir  aus  dem  Beeret  des  Commodus 
über   den  Saltus  Burunitanus  und  neuerhch  aus  den 
Inschriften  von  Am  Wassel  und  Henschir  Aiettich  -- 
grosse    Grundbesitzer,    arme    Pächter,    leerstehende 
Parzellen.     In  Gallien  ist  das  Clanwesen  des  Adels, 
wie  es  uns  Cäsar  und  Tacitus  schildern,  uralt  heimisch. 
Nicht   überall  vermögen  wir  über  di      \ .  rarverhalt- 
nisse  so  klar  zu  sehn;  aber  auch  wo  die  Verhältnisse 
zeitweise  günstiger  lagen,  muss   der  wirthschafthche 
Kampf  zwischen  Gross-  und  Kleinbesitz   den  letzte- 
ren    allmähUch    vernichtet    haben,    wenn    mcht    eme 
zielbewusste  Agrarpolitik  ihm  zu  Hilfe  kam.    Ist  eine 

solche  zu  erkennen? 

Viele  sind  geneigt  eine  solche  zu  erkennen  m 
der  Coloniegründung,  worin  ja  unzweifelhaft  die 
ersten  Jahrhunderte  der  Kaiserzeit  Namhaftes  ge- 
leistet haben  -  aber  das  sind  Tropfen  auf  einen 
heissen  Stein  und  man  sollte  nicht  ernstlich  glauben 
dass  mit  solchem  Kunstdünger  ein  ganzes  Weltreich 


—     31      - 

urbar  gemacht  werden  konnte.  Wenn  man  erwägt, 
welche  Arbeit  den  preussischen  Konigen  im  18.  Jahr- 
hundert die  Besiedlung  der  ostpreussischen  Provinzen 
gekostet  hat  und  mit  wieviel  Widerständen  jeder 
Erfolg  zu  kämpfen  hatte,  wird  man  über  die  Zu- 
länglichkeit dieses  Mittels  recht  bescheiden  denken. 
Im  bestrn  Fall  würde  man  an  den  guten  \\  illen  drr 
Reichsregierung  gl,  '  n  —  der  ja  in  den  oben  ge- 
nannten afrikanischen  Inschriften,  im  Decret  von 
Thisbe*^  und  anderen  Erscheinungen  gelegentlich 
unzweifelhaft  sich  zeigt  —  an  der  Durchführbarkeit 
dieses  Willens  aber  zweifeln.  Ich  gestehe  aber,  dass 
die  Papyri  mich  sogar  daran  zweifeln  gemacht  haben, 
ob  auch  nur  die  ernste  und  zielbewusste  Intention 
einer  verständigen  Agrarpolitik  immer  vorhanden 
gewesen  ist. 

Aegypteii  war  von  jeher  reich  an  Domänen  und 
Tempelgütern.  Der  Bestand  letzterer  wird  von  einem 
alten  Schriftsteller^)  —  vielleicht  etwas  hoch  —  auf 
Yg  des  ganzen  Königreichs  veranschlagt;  viel  ge- 
ringer dürften  aber  auch  die  Domänen  nach  den 
überaus  häufigen  Erwähnungen  der  ßaciXiKf)  tt],  ouci- 
axf)  xf|,  yr\  TTpocöbou^^)  nicht  gewesen  sein.  Zur 
Agrarpolitik  wäre  hier  also  Raum  genug  gewesen; 
we  die  HohenzoUern  eifrig  auf  die  Schaffung  bäuer- 
licher Erbpachtstellen  auf  den  Vorwerken  bedacht 
gewesen  sind  ^^),  wäre  das  auch  in  Aegypten  möglich 
gewesen.  Aber  mir  sind  aus  den  gesamnuMi  Papyri 
der  vorjustinianischen  Zeit  nur  zwei  Fälle  erinnerlich, 
wo  Erbpacht  auf  der  Domäne  nachgewiesen  werden 
kann.^)  Dagegen  beginnt  Aegypten,  und  in  erster 
Linie  die  dortige  Domäne,  sich  nachgerade  als  ein 
classischer  Boden  des  Colonats  herauszustellen.    Wir 


—     ab- 
finden   hier   jetzt    die    ältesten    sicheren   Spuren    der 
bäuerUchen  Unfreiheit  im  römischen  Reich. 

So  sehen  wir  zunächst  im  zweiten  Jahrhundert 
in  den  Dörfern  des  Faijüm  die  Bauern  verpflichtet 
zu  den  x^J^ctTiKd  epT«»  ^^n  Deicharbeiten  anlässlich 
der  Xilschwelle,  Jeder  hat  eine  TTevOnnepia,  d.  h.  fünf- 
tägige Arbeit  zu  prästiren. ^)  Freilich,  das  ist  kein 
eigentlicher  Robott,  sondern  muss  genau  genommen 
wohl  unter  den  Begriff  des  Munus  sordidum  gebracht 
werden,  aber  es  giebt  doch  eine  Vorstellung  von 
der  socialen  Lage  dieser  Fellachen.  Ein  ganz  be- 
stimmter Ansatz  zur  Unfreiheit  aber  ist  es,  wenn  in 
einem  Papyrus  des  Britisch  Museum  von  214/5  ^^^ 
Dorfschreiber  von  Soknopaiou  Nesos  den  Pacht- 
canon einholt  von  zwölf  Bauern,  die  eigentlich  früher 
nach  dem  Dorf  Bakchias  gehörten,  jetzt  aber  hier- 
her »versetzt<^  worden  sind.^^)  Dass  es  sich  dabei  nur 
um  Königsbauern  handeln  kann,  ist  evident,  und  da 
zeigt  sich  nun,  dass  diese  schon  in  der  Zeit  des  Ca- 
racalla  einfach  von  einem  Ort  zum  andern  comman- 
dirt  wurden,  wo  man  sie  eben  brauchte.  Das  ist 
der  Gebundenheit  an  die  Scholle  schon  wesentlich 
verwandt;  denn  wer  den  Bauer  verschickt,  kann  ihn 
auch  an  einem  bestimmten  Ort  festhalten.  Und  dass 
dieses  in  der  Tendenz  der  Domanialverwaltung  lag, 
sehen  wir  auch  daraus,  dass  schon  in  dem  Edict  des 
Tib.  Julius  Alexander  die  Anwendung  von  Gewalt  zur 
Ansetzung  von  Pächtern  verboten  werden  muss.  Schon 
aus  dem  2.  Jahrhundert  vor  Chr.  stammt  der  Pariser 
Pap.  63,  wonach  alle  Leistungsfähigen  zur  feujpYia  der 
ßaciXiKf)  Yn  herangezogen  werden  sollen;  dass  man 
die,  die  man  hatte,  nicht  mehr  gehen  Hess,  ist  davon 
später  die  nothwendige  Consequenz  gewesen.     Statt 


—     33     — 

also  einen  Bauernstand  durch  günstige  Pacht- 
bedingungen, Erbpacht  u.  dergl.  zu  schaffen,  greift 
man  einfach  zum  Zwang. -^^ 

Beiläufig  bemerkt,  finden  wir  in  den  Papyri  schon 
im  /^vnit'-^n  Jahrhundert  der  Kai  derzeit  häufii^  d(^n 
Ausdruck  ojuoXotoi  auf  die  B<  angewendet,  wobei 

es  sich  allerdings  nicht  um  Domänenbauern  handeln 
wird.^^)  Das  i*^t  genau  die  spätere  lic^ui  ; üims-,  mit 
der  man  später  die  dem  Gut  71  u  ^  •  •  I  -  Ad- 
scripticii    1)  zeichnet    hat,    und    es    \\  n  ;  ;  a 

untersuchen  sein,  ob  nicht  unter  dem  gleichen  ti:  a 
auch  wirklich  schon  die  gleiche  Sache  sich  verbirgt. 

Auf  diese  flüchtigen  Andeutungen  mufs  ich  mich 
hier  beschränken;  sie  lehren  einerseits,  dass  aucli  ii..r 
die  '^^^^chichte  des  Colonats  die  Papvri  neue  Ais 
Schlüsse  bringen,  andererseits  smd  sie  -^  :  t, 
unser  Urtheil  über  die   Agrarpolitik    der    ^  11  n 

Regierung  wesentlich  zu  rectificiren.  Ich  g- \  le 
aus  denselben  i-n  Eindni"k,  dass  dir-  Kaiserliche 
Domänenverwaltung  hier  keine  V-  r.tellung  von  ihren 
eigentlichen  /iiiu  Uh  n  irehabt  hat.  \  ielmehr  der  Miss- 
wirthschaft  der  i'nvaiDcbiizer  mit  i^iiicm  od-r  -  i.iv^ii^ 
tem  Beispiel  rüstig  vorangegangen  ist.  Dass  es 
sich  dabei  um  die  ägyptische  Bevölkerung  handelt, 
ist  ebensowenig  entschuldigend,  als  dass  wahrschein- 
lich schon  die  vorrömische  AdminiNt rat; on  die  S]niren 
vorgezeichnet  hatte.  S  verlieh  hat  netii  u-  den 
afrikanischen    und    g.  iiauer   mehr    z         e  1 

gpwnsvt  als  für  den  rciidvii,  und  bu  lässt  bich  dt^r 
gepriesenen  Regierung  der  r  -r  Jahrhunderte 
schwerlich  der  Vor  1    1     ren,  dass  sie  selbst  den 

Grund  zu  jenen  Uebelstäuu-i,  gelegt  hat,  die  dann  seit 
dem  vierten  Jahrhundert  so  furchtbar  hervortreten. 

Mitteis,  Papyrusurkunden.  3 


—     34 


—     35     — 


Der  Verlauf  dieses  Processes  ist  all'  'lannt. 
Die  Domäne  und  die  nach  ihrem  Muster  entwickelte 
private  Gutsherrschaft  bilden  grosse  Gebiete,  welche 
sich  vom  Gemeindeverband  eximiren.  Nicht  blos 
rechtlich,  sondern  auch  wirthschaftlich.  Die  recht- 
liche Exemtion  schuf  den  Zug  der  städtischen 
Bevölkerung  nach  dem  Lande,  wo  die  Hand  des 
Gutsherrn  seine  Hintersassen  gegen  Aushebung 
zum  Militärdienst  und  den  Druck  der  städtischen 
Umlaß-en  zu  schützen  versprach.  Noch  gefährlicher 
Y  ie  den  Städten  die  wirthschaftliche  Exemtion 
der  ^  Tutsherrschaften.  Sie  war  angebahnt  schon 
in  der  Zeit  des  Sklavenbetriebs,  wo  man  die  zur 
Ernte  nothwendigen  Arbeitskräfte  ständig  halten 
und  darum  einen  grossen  Theil  des  Jahres  mit 
Handwerksarbeit  für  die  Bedürfnisse  des  Gutes 
beschäftigen  musste;  dadurch  wurde  auf  den  grossen 
Gütern  schon  früh  ein  Zustand  geschaffen,  für 
den  die  ^\utarkie  des  Oikos'  keine  unrichtige  Be- 
zeichnung ist.  Dieser  hat  sich  dann  auch  später, 
als  mit  dem  Frieden  des  Kaiserreichs  die  aus- 
ländische Sklavenzufuhr  erlosch  und  an  die  Stelle 
der  Sklavenarbeit  der  Frohndienst  trat,  erhalten. 
Das  war,  wie  Max  Weber^^)  richtig  bemerkt  hat, 
schon  dadurch  bedingt,  dass  man  mit  Käthnern 
unmöglich  auf  den  AI-  und  Umsatz  arbeiten 
konnte;  der  Gutsbesitzer  musste  froh  sein,  wenn 
eine  anständige  Grundrente  für  ihn  herauskam. -^^ 
Wer  blieb  nun  als  Abnehmer  für  die  städtische 
Production?  Niemand.  Die  Landbevölkerung  war 
ökonomisch  ohne  Consumtionskraft,  und  das  Wenige, 
was  sie  allenfalls  brauchte,  wurde  im  Gutsbezirk 
naturalwirthschaftlich  gedeckt. 


I 


So  sind  denn  auch  die  Städte  selbst  von  den 
mehr  oder  weniger  kräftigen  geldwirthschaftlichen 
Ansätzen,  die  sich  früher  fanden,  im  Lauf  der  Kaiser- 
zeit nicht  fortgeschritten.  In  nichts  drückt  sich  dies 
deutlicher  aus  als  darin,  dass  das  verrottet  <  System, 
die  städtischen  Bedürfnisse  nicht  in  eigener  Regie 
der  Gemeinde  zu  decken,  sondern  durch  Liturgien 
der  einzelnen  Bürger  zu  befriedigen,  durch  die  ganze 
Kaiserzeit  fortbestanden  hat.  Was  diese  Naturalwirth- 
schaft  in  der  Verwaltung  für  Folgen  gehabt,  hat  uns 
vor  einigen  Jahren  ein  Wiener  Papyrus  drastisch  vor 
Augen  geführt:  Angesehene  Bürger  erklären  sich 
bankerott  und  wandern  in  den  Schuldarrest,  ehe  sie 
sich  freiwillig  an  diesen  Ehrenämtern  ruiniren.  ^^) 

Die  ganze  Kette  ineinandergreifender  Krank- 
heitssymptome aufzurollen,  die  sich  daraus  entwickel- 
ten, ist  hier  nicht  am  Platze  und  ich  muss  mich  darauf 
beschränken,  zu  betonen,  dass  in  der  ungelösten 
Agrarfrage  der  letzte  und  wichtigste  Grund  für  den 
Verfall  der  Städte,  Länder  und  damit  des  Reichs 
gelegen  war.  Der  Process  der  Güterbildung  und 
des  Güterumsatzes  gerieth,  statt  vorwärts  zu  schreiten, 
ins  Stocken.  Die  Städte,  welche  die  Herzkammern 
eines  kräftig  pulsirenden  Wirthschaftslebens  hätten 
werden  müssen,  verdorrten  an  der  mangelnden  Säfte- 
zufuhr vom  Lande  und  der  fortwährenden  Inanspruch- 
nahme für  den  Gesammtorganismus.  Df  r  f  ^cess 
der  Rückbildung  tritt  erst  seit  dem  driiieii  Jahr- 
hundert deutlich  hervor;  aber  seine  Anfänge  sind 
älter  und  die  Blüthe  der  antoninischen  Zeiten  ist  in 
Wahrheit  auf  einem  krankuii  Stamm  gediehen. 

Ob  der  Reichsregierung  daraus  ein  Vorwurf 
gemacht  werden  kann,  mag  hier  dahin  stehen.    Dass 


<. 


-     36     - 


sie  das  Nothwendige  nicht  genügend  erkannt  oder 
doch  nicht  nach  Kräften  gefördert  hat,  habe  ich 
schon  früher  angedeutet;  aber  freilich  bleibt  es  frag- 
lich, ob  irgend  eine  Macht  im  Stande  gewesen  wäre, 
die  Aaigabe  zu  lösen.  In  einen  so  gewaltigen 
On  ■  mus  die  Lebenskraft  nachträglich  hineinzu- 
pump  tt  war  eben  überhaupt  nicht  möglich.  Solche 
Probleme,  wie  die  Schaffung  einer  gesunden  Volks- 
wirt h-rtiaii,  können  in  einem  grossen  Reich  nicht  erst 
gelost  werden,  sondern  müssen  schon  gelöst  sein. 
Auch  diese  Betrachtungen  aber  zeigen,  dass  für 
alle  und  jede  Frage  der  antiken  Geschichte  aus  den 
Papyri  neues  Licht  erglänzt. 

So  ist  es,  wohin  wir  blicken.  Und  so  kann  die 
Alterthumsforschung  mit  Beruhigung  dem  entgegen- 
sehen, was  uns  die  seit  zwanzig  Jahren  unerschöpf- 
lich fortströmende  Quelle  an  neuen  Urkunden  noch 
darbieten  wird.  Wenn  Philologie,  Geschichte  und 
Rechtswissenschaft  früher  so  oft  eine  allmähliche 
Erschöpfung  des  zu  Gebote  stehenden  Quellenmate- 
rials fürchten  mussten,  so  ist  diese  Besorgniss  jetzt 
auf  absehbare  Zeit  geschwunden;  schon  zeigt  sich 
vielfach  ein  Process  der  Verjüngung  dieser  Wissen- 
schaften und  eher  noch  ist  die  Befürchtung  begründet, 
dass  es  dem  Einzelnen  bald  nicht  mehr  möglich  sein 
wird,  die  blasse  des  zuströmenden  Alaterials  zu  be- 
wältigen. So  bietet  der  alte  Boden  Aeg>TDtens  mit 
seinen  Urkundenschätzen  auch  uns  neues  Leben, 
und  es  bewährt  sich  das  Wort  unseres  Dichters: 

Doch  erfrischet  neue  Lieder, 

Steht  nicht  länger  tief  gebeugt; 

Denn  der  Boden  zeugt  sie  wieder, 

Wie  von  je  er  sie  gezeugt.   — 


I 


Anmerkungen. 


1)  Zuerst  separat  herausgegeben  unter  dem  Titel  'AOflA  IHCOY, 
Sayings  of  Our  Lord',  von  Grenfell  und  Hunt,  H.  Frowde  1897; 
dann  in  deren  Ausgabe  der  Papyri  von  Oxyrhynchos  Bd.  I  p.  i  ff. 
abgedruckt.  Darüber  ist  eine  reiche  Literatur  entstanden,  vgl.  Lock 
und  Sanday,  Two  Lectures  on  the  Sayings  of  Jesus  (Clarendon  Press 
1897)  und  Krüger  in  den  Nachträgen  zur  altchristlichen  Literatur- 
geschichte (Freiburg  1897)  p.  l2  ff.  Ich  hebe  besonders  hervor  Harnack  , 
Ueber  die  jüngst  entdeckten  Sprüche  Jesu  (1 897),  Jülicher,  Göu.  Gel. 
Anz.  1897  p.  921  f.,  Heinrici,  Theol.  Liter.-Zeit.  1897  Sp.  449— 457- 

2)  Grenfell-Hunt  und  Harnack  sind  geneigt,  die  Sprüche  als 
Entlehnung  aus  dem  apokryphen  Aegypterevangeliura  zu  betrachten. 
In  wesentlich  abweichender  Auffassung  nimmt  dagegen  Heinrici  an, 
dass  sie  das  Bruchstück  einer  selbständigen  Logiensammlung  dar- 
stellen. Uebrigens  ist  von  Robinson  ein  Anklang  dieser  Sprüche  in 
Clem.  Alex.  Strom.  UI   10,  63,  70;   15,  98,  99  aufgedeckt  worden. 

3)  Darüber  berichtete  zuerst  Carl  Schmidt,  Neue  Heidelberger 
Jhb.  7(1897)  117— 124.  Weiter  A.  Harn ack,  Theol.  Lit.-Zeit.  22  (1897) 
625  f.,  undMiscellen  (Leipzig  1900  p.  lOO  f.);  Zahn,  N.  Kirchenzeitg.  8 

(1897)  933  f. 

4)  Philolog.  53,  80  f. 

5)  Die  directe  Anknüpfung  der  römisch -ägyptischen  Amtstage- 
bücher an  hellenistische  Vorbilder  wird  allerdings  neuestens  bestritten 
von  Mommsen,  Rom.  Strafrecht  513  n.  3;  J^Ioramsen  lässt  die  Sitte 
von  Kom  nach  Aegypten  gelangen.  Aber  ich  vermisse  den  Nach- 
weis für  die  Behauptung,  dass  die  hellenistischen  Amtstagebücher 
gegenüber  den  römischen  »völlig  ungleichartig«  sind.  —  Jedenfalls 
ist  durch  die  bei  Wilcken  zusammengestellte  Protokolle,  sowie  durch 
die    äusserst    werthvolle    Materialsammlung,    welche    Mommsen   a.   O. 


-     .-.8     - 


512 — 520  für  die  Protokollirung  im  ausserägyptischen  Rechtskreis  des 
römischen  Reichs  hergestellt  hat,  die  bisher  für  das  classische  römische 
Recht  sehr  dunkle  Frage  der  Fixirung  amtlicher  Verhandlungen  sehr 
wesentlich  gefordert.  Mit  Recht  hatte  also  Lenel,  Ztschr.  d.  Sav.- 
Stift.  15,  380  das  Vorhandensein  von  Gerichtsacten  selbst  für  die 
Anfänge  des  F'ormulari^rozesses  angenommen.  Eine  eingehende  Be- 
handlung des  prätorischen  Actenwesens,  wozu  auch  die  Vaticanischen 
Fragmente  starke  Anhaltspunkte  bieten,  steht  noch  aus. 

6)  Einen  unmittelbaren  Beweis  findet  Wilcken  in  der  bekannten 
Stelle  vom  Tod  Alexanders  bei  Arrian,  Anab.  7,  26,  3  ou  TTÖppuj  bt 
TOÜTotv  ouxe  'ApiCToßoOXuj  ouT€  TTToXcjLiaiuj  dvaYeYpaTrxai,  wobei  er 
uO  TTÖppuj  TOUTiJUV  im  Anschluss  an  C.  Müller  mit  *"nicht  darüber 
hinaus'  übersetzt.  Dagegen  wird  die  gangbare  Uebersetzung  [^nicht 
viel  anders  als  das  Besagte']  neuerdings  von  J.  Kaerst,  Philol.  56, 
334  f.  vertheidigt.  Damit  soll  übrigens,  wie  Kaerst  betont,  nur 
gesagt  sein,  dass  dieser  directe  Beweis  für  die  Anlehnung  der  Pto- 
lemäischen  Memoiren  an  die  Ephemeriden  entfällt  (und  dass  Arrian 
sein  grosses  Ephemeridencitat  über  die  letzten  Tage  Alexander's  nicht 
aus  Ptolemaios  entlehnt  hat);  dass  Ptolemaios  die  königlichen  Tage- 
bücher benutzt  hat,  sieht  auch  Kaerst  aus  allgemeinen  Gründen  als 
sehr  wahrscheinlich  an  (1.  c.  338). 

7)  Der  ältestbekannte  ist  der  des  Louvre:  Notices  et  Extraits  des 
manuscrits  de  la  Bibliotheque  Imperiale  18,  2  (Paris  1865)  No.  68, 
wozu  noch  ein  Bruchstück  im  Londoner  Museum  gehört;  beide  neu 
veröffentlicht  von  Wilcken,  Hermes  27,  464  f.,  der  erstere  auch  von 
Reinach,  Revue  des  Et.  Juives  27,  70f.,  der  letztere  noch  von  Kenyon, 
P.  Lond.  I,  229.  Eine  andere  Fassung  desselben  Inhalts  enthält  der 
Berliner  Papyrus  BGU  341,  veröffentlicht  von  Krebs,  dazu  Wilcken, 
Hermes  30,  481  f.  Diese  Stücke  beziehen  sich  auf  die  Verhandlungen 
vor  Trajan.  —  Jene  vor  Claudius  gibt  BGU  511  (Wilcken),  vgl.  den- 
selben Hermes  30,  481  f.,  und  ein  Fragment  im  Museum  von  Gizeh, 
gefunden  von  Pierre  Jouguet,  veröffentlicht  von  Rein  ach,  Rev.  des 
:fet.  Juives 31,  161  f.;  dazu  Wilcken,  Berliner  philol.  Wochenschr.  1896, 
p.  16 17  f.;  1897,  P-  4^0-  —  Der  Papyrus  von  Oxyrhynchos  (P.  Oxy.  i 
n.  33)  berichtet  das  Verfahren  vor  Commodus.  —  Dazu  noch  Weil, 
Rev.  des  Et.  Grecq.  11,  p.  243;  Mommsen,  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Akad. 
1898,  p.  498f. ;  Mitteis,  Hermes  34,  88  f.;  Deissmann,  Theol. Liter.- 
Zeitg.  1898,  p.  602  f.;  Wilamovitz,  Gott.  Gel.  Anzeigen  1898,  p.  690; 
Mommsen,  Rom.  Strafr.  265  n.  i;  Bauer,  Archiv  f.  Pap.-Forschung 
I,   29  f. 


—     39     — 

8)  An  dem  in  der  vor.  Note  angegebenen  Ort.  Eine  Hinweisung 
darauf  —  unabhängig  von  Bauer  —  auch  bei  Wilamowitz  1.  c. 

9)  Die  entscheidende  Arbeit  hierfür  ist  Wilcken 's  Artikel  über 
ÖLTio^pacpai  im  Hermes  28,  230 — 251  (s.  auch  dessen  'arsinoitische 
Steuerprofessionen'),  Sitz.-Ber.  der  Berl.  Akad.  1883  (^35),  897  f.,  Wessely 
in  den  Sitz.-Ber.  der  sächs.  Ges.  der  Wiss.  1885,  269  ff.,  Viereck  und 
Wilcken,  Philol.  52,  p.  219  f.,  564  f.  Ausserdem  die  Bemerkungen 
von  Kenyon  in  seiner  Ausgabe  der  Pap.  Lond.  2.  20  und  150  und 
Grenfell-Hunt,  P.  Oxy.  2,  177—179»  ?•  Meyer,  Das  Heerwesen 
der  Ptolemäer  und  Römer  in  Aegypten  (Leipzig   1900),   109  f. 

IG)  P.  Oxy.  2  n.  254,  erst  kürzlich  veröffentlicht;  vorher  reichten 
die  Volkszählungsacten  nur  bis  61/62  p.  C.  zurück.  Ausserdem 
nehmen  Grenfell-Hunt  a.  O.  p.  209  f.  schon  für  10/9  a.  C.  eine 
Volkszählung  an;  daselbst  auch  anregende  Untersuchungen  über  das 
Geburtsjahr  Christi. 

11)  Eine  Volkszählung  aus  dem  Jahre  242,  die  Wessely  gleich- 
falls kennen  will,  wird  von  Wilcken,  Ostraka  2,  439  als  nicht  in  den 
vierzehnjährigen  Cyklus  fallend  angezweifelt. 

12)  Ueber  die  mit  der  Volkszählung  nicht  zu  verwechselnden 
älteren  ägyptischen  (Steuer-) Declarationen  s.  Wilcken,  Ostr.  2,  437; 
Grenfell  Hunt,  P.  Oxy.  2,  210. 

13)  Meyer  a.  a.  O.  109.  —  Die  Definition  der  ^TTiKpicic  ebenda 
1 26.  Theilweise  abweichende  Auffassungen  bei  M  o  m  m  s  e  n  C.  I.  lat.  lU, 
Suppl.  2006  f.;  Wilcken,  Hermes  28,  250;  Fiebiger,  Leipziger  Stud. 
15,  p.  423.  —  Kenyon,  P.  Lond.  2,   17  ff.,  42  ff. 

14)  Dass  die  Kopfsteuerpflicht  mit  dem  14.  Lebensjahr  eintritt, 
zeigen  jetzt  die  Londoner  Papyri  Kenyon  p.  18  f.,  Grenfell-Hunt 
p.  218,  Meyer   Il8. 

15)  Schon  Wilcken,  Sitz.-Ber.  d.  Berliner  Akad.  1883,  p.  906 
und  Wessely  in  den  Ber.  der  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1885,  p.  272, 
sowie  Jahresbericht  des  Hernalser  Gymnasiums  1889/90,  p.  38,  haben 
einen  Zusammenhang  der  Volkszählung  mit  der  Indiction  vermuthet, 
wobei  sie  noch  die  Annahme  zu  Grunde  legen,  dass  die  Volkszählungs- 
periode fünfzehn  Jahre  betragen  habe. 

16)  Deutsche    Ztschr.    f.   Geschichtswissenschaft    12  (1894),   280  f. 

17)  Z.  B.  C.  Theod.  Ii,  28,  16  'a  sexta  indictione,  ad  quam  superior 
indulgentia  usque  processit,  ad  undecimam  nuper  transactam  reliqua 
indulgemus.'     Andere  Beispiele  bei  Seeck  281  n.  2. 

18)  Verm.  Schriften  2,  130  "f.  Neuerdings  wird  allerdings  von 
Mommsen,  Staats-R.  2,  2,  1015  — 1016  daraufhingewiesen,  dass  schon 


ff 


—     4ü      — 

Hadrian  (Dio  69,  8;  vita  Hadriani  7  u.a.)  im  Jahre  118  eine  fünf- 
zehnjährige Revision  der  Steuerreste  angeordnet  hat,  woran  die  Ver- 
muthung  geknüpft  wird,  dass  diese  später  zu  einer  fünfzehnjährigen 
Revision  der  Steueransätze  selbst  geführt  hat.      S.   d.   folg.   Note. 

19)  Meitzen,  Siedlungen  und  Agrarwesen  i,  346 f.  bezeichnet  es 
,, wegen  der  Störungen  durch  die  unausgesetzten  inneren  und  äusseren 
Unruhen  als  schlechterdings  ausgeschlossen",  dass  auch  nur  in  fünf- 
zehnjährigen Perioden  allgemein  in  allen  Provinzen  des  Reichs 
Neuaufnahmen  stattgefunden  hätten,  wobei  es  mir  nicht  ganz  zweifellos 
ist,  ob  sich  dies  auf  den  Ccnsus  schlechthin  oder  blos  auf  die  Grund- 
steuerveranlagung  bezieht.  Da  ist  nun  zunächst  darauf  hinzuweisen, 
dass  nach  den  ägyptischen  Papyri  jede  Immobiliar-  und  Mobiliar- 
veräusserung  der  Steuerbehörde  angezeigt  und  offenbar  auch  von  ihr 
erforderlichenfalls  geprüft  wird.  Diese  Einrichtung  hat  sicher  in 
weiterem  Umfang  gegolten,  wie  dies  bewiesen  wird  durch  C.  Th.  3,  i,  2, 
wonach  der  Kauf  einer  Sache  sine  censu,  d.  h.  nicht  etwa  'unter 
Uebeniahme  der  Steuer  durch  den  Verkäufer,'  sondern  '"ohne  An- 
zeige beim  Katasteramt'  strafbar  ist,  ferner  durch  C.  J.  4,  47,  3 
(translata  possessio  censualis)  —  Mitteis,  Hermes  30,  605  — ,  endlich 
durch  Tab.  Baebianonim  col.  2,  lin.  67,  wo  der  Werth  eines  Grund- 
stücks nicht  nach  der  Schätzung,  sondern  nach  dem  jedenfalls  dem 
Kataster  entnommenen  Ankaufspreis  bestimmt  wird  (dazu  Kniep  societ. 
pubhc.  I  ,  428  f.).  Wurden  die  betreffenden  Register  in  Ordnung 
gehalten,  so  war  ein  fünfjähriger  Census  nicht  undurchführbar,  wenn- 
gleich es  richtig  ist,  dass  nach  der  diocietianischen  Steuerverfassung 
die  Reduction  des  Individualbesitzes  auf  juga  und  capita,  die  sich 
durch  die  geringste  Besitzveränderung  verschob,  besondere  Arbeiten 
mit  sich  brachte;  dass  diese  nicht  alle  fünf  Jahre  zu  leisten  waren, 
kann  ich  mich  nicht  überzeugen.  —  Was  insbesondere  die  Grund- 
steuer anbetrifft,  so  wissen  wir  jetzt  für  Aegypten  aus  P.  Oxy.  2, 
n.  237,  col.  8,  lin.  38  (s.  meine  Abhandlung  im  Arch.  f.  Papyrus- 
forschung I,  198),  dass  dort  die  Katastralblätter  schon  im  2.  Jhd.  von 
fünf  zu  fünf  Jahren  erneut  wurden;  hiermit  konnte  später  die  Boni- 
tirung  und  Zusammenlegung  in  neue  Jugera  ganz  wohl  verbunden  werden. 
Allerdings  aber  existü-t  ein  solcher  Specialkataster  wie  in  Aegypten 
anderswo  nicht,  wie  man  auch  aus  C.  Th.  7,  6,  3  ersieht  (vgl.  Meitzen 
a.  O.  345);  in  den  andern  Provinzen  wird  in  den  Registern  blos  das 
durch  die  Aufmessung  des  ager  mensura  comprehensus  gegebenen 
Gesammtareal  der  Flur  nach  geometrischer  Messung  bestimmt  ge- 
wesen sein,    die  Einzelparzellen  dagegen  nur  nach  der  approximativen 


»iS^ 


' 


VJ 


—   41    ~ 

Angabe  der  Besitzer,  deren  Richtigkeit  theils  durch  die  Addition  zum 
Gesammtareal,  theils  durch  die  in  diesem  Punkt  in  allen  Gemeinden 
bestehende  locale  Notorietät  controlirt  worden  sein  wird.  Desungeachtet 
müssen  die  Register  auch  hier  hinreichend  gewesen  sein,  um  einen 
fünfjährigen  Rccensus  zu  ermöglichen.  Die  inneren  und  äusseren 
Störungen  des  Landfriedens  (Meitzen  347)  können  dem  gegenüber 
nicht  in  Betracht  kommen,  weil  sie  dem  fünfzehnjährigen  wie  jedem 
anderen  Census  in  gleicher  Weise  entgegenstehen  würden.  Ich  halte 
demnach  Seeck's  Vermuthung  zwar  noch  nicht  für  endgiltig  bewiesen  — 
es  könnte  das  Quinquennium  auch  blos  die  Bedeutung  einer  Revision 
der  Besitzregister  und  Stcuerschuldbücher  gehabt  haben  — ,  aber 
keineswegs  für  unannehmbar. 

20)  Seeck  a.  a.  O.  294  weist  darauf  hin,  dass  die  Datirung  nach 
Kaiserjahren  für  die  Mitregentschaft  zu  schwerfäUig  war.  Daten  wie 
die  ,,Im  29.  Jahr  des  Constantinus  Augustus,  im  18.  des  Constantinus 
Cäsar,  im  10.  des  Constantius  Cäsar,  im  2.  des  Constans  Cäsar»' 
(a"  333/34)  sind  wirklich  unpraktikabel. 

21)  Vgl.  Wessely  in  den  Denkschr.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss. 

37  (1889),  p.  98  f- 

22)  Handbuch  d.  Chronol.  i,    149  ff. 

23)  Mittheil,  aus  den  PER  2,  p.  23.  Vgl.  übrigens  auch  Gren- 
fell-Hunt  zu  P.  Oxy.  i,  n.  loi   und   135. 

24)  So  P.  V.  Rohden  in  Pauly - Wissowa  s.  v.  Antonius  col.  2622. 

25)  Die  betreffenden  Ausführungen  finden  sich  bei  Wilcken  in 

den  Ostraka  2,  780  ff. 

26)  Wilcken,  Ostraka  798—806. 

27)  Sobald  es  nämlich  zweifelhaft  war,  ob  die  Thronbesteigung 
vor  oder  nach  dem  ägyptischen  Neujahr  ~  i  Thoth  —  stattgefunden 
hatte,  konnte  man  nicht  nach  dem  neuen  Kaiser  datiren,  weil  im 
ersteren  Fall  mit  dem  Neujahr  schon  sein  zweites,  im  leUteren  erst 
sein  erstes  Regierungsjahr  lief. 

28)  Eine  dankenswerthe  Uebersicht  der  einschlägigen  juristischen 
Arbeiten  gibt  jetzt  die  Bibliographie  der  Papyrusliteratur  von  Viereck 
in  Bursian's  Jahresbericht  1899,  p.  291—299.  Im  bedauerlichen  Gegen- 
sau  dazu  steht  es,  dass  für  die  literarischen  Referate  der  juristischen 
Fachzeitschriften  die  an  die  Papyri  sich  anschliessende  rechtshistorische 
Forschung  trotz  ihres  nun  fast  zehnjährigen  Bestandes  noch  nicht 
cxistirt,  und  daselbst  zwar  die  unbedeutendsten  Anfängerarbeiten  über 
die  unbedeutendsten  >romanistischen«  Themen  mit  Achtung  verzeichnet 
werden,   dagegen   die   weittragendsten  Ergebnisse   auf  unserem  Gebiet 


—      42      — 

einfacli  ungenannt  bleiben.  Das  beruht  natürlich  nicht  auf  Absicht- 
lichkeit, sondern  einfach  darauf,  dass  der  Gesichtskreis  der  Referenten 
über  die  enge  Gruppe  der  herkömmlichen  Fachzeitschriften  nicht  hinaus- 
zureichen pflegt,  während  jene  Arbeiten  bislang  in  philologisch-historischen 
Zeitschriften  zu  erscheinen  pflegten.  Der  Nachtheil  jenes  Stillschweigens 
trifft  natürlich  nicht  die  Papyrusforschung,  sondern  jene,  denen  sie 
unbekannt  bleibt.  Bisher  konnten  die  zahlreichen  fast  unglaublichen 
Ignoranzen,  welche  moderne  »Rechtshistoriker«  in  dieser  Richtung 
an  den  Tag  gelegt  haben,  mit  einer  gewissen  Nachsicht  hingenommen 
werden;  es  wird  jedoch  an  der  Zeit  sein  zu  erinnern,  dass  auch  diese 
ihr  Ende  haben  muss  und  allmählich  die  Unkenntniss  der  Papyrus- 
resultate in  romanistischen  Arbeiten,  wo  immer  sie  sich  findet,  als 
das  wird  stigmatisirt  werden  müssen,  was  sie  einfach  ist,  nämlich  als 
grobe  Unwissenheit. 

29)  Diese  Einheit  ist,  seit  ich  sie  {Reichsrecht  und  Volksrecht 
61—77)  J"  kurzen  Zügen  dargelegt  habe,  nicht  mehr  bestritten  worden. 
Sie  gegenwärtig  noch  nachzuweisen,  hiesse  die  Gesammtarbeit  von 
Jahrzehnten  recapituliren. 

30)  Vgl.  meine  Abhandlung,  Hermes  30,   583—4. 

31)  Reichsrecht  236  f.,   244  f. 

32)  So  zuerst  in  BGU  592,  wo  in  einem  Erbschaftsprocess  aus 
dem  zweiten  Jahundert  n.  Chr.  der  Redner  der  Gegnerin  das  Erbrecht 
abspricht:  ri  fäp  ctvTiöiKOC,  ^TriCTa)Li^vri  lüc  TrpüoiKice(ei)c»3  (so  eine 
von  Blass  gegebene  Anregung  bestätigend,  liest  Wilcken,  Arch.  f. 
Pap.-Forschg.  i,  160)  oubejui'a  lueroucia  kxiv  (au)Tiri  tujv  ^k€{v(ou). 
S.  meine  Abhandlung  Hermes  32,  654  f.  Jetzt  kommt  dazu  noch 
P.  Lond.  2  n.  177  (Kenyon  p.  168)  v.  J.  40—41  n  Chr.  lin.  15: 
'1*1  U  TTpecßuTepiüT^pa  r^ja(uuv)  dbeXqpf)  qpepvicGeica  uttö  toO  Trarpöc 
Vlliiiv  €'ti  üttö  toö  Xe  L  Kaicap{oc)  eeoö  Kai  |uriöevöc  aürrj  dmßaX- 
Xoucric  TÜJv  |LiriTpiKU)v  Kai  ^r]TpiKüüv  [1. :  TraxpiKOüv]  dKoXoLieujc  Tfj  toö 
iraTpöc  )^|uu)v  6ia6fiKr)  .  .  .  .,  wo  allerdings  der  Rechtssatz  noch  durch 
specielle  testamentarische  Verfügung  bekräftigt  ist. 

^^)  In  Bezug  auf  die  Arrha  ist  schon  durch  CPR  n.  19  (s.  meine 
Erläuterungen  dazu  p.  68 — 72)  erwiesen,  dass  sie  den  Gräco-Aegyptern 
als  Arrha  poenitentialis  im  Sinn  der  justinianischen  Bestimmungen 
galt.  Ausführlich  wird  dieser  Charakter  des  Angeldes  beschrieben  in 
den  Contracten  BGU  446,  17  und  P.  Lond.  2,  n.  334  (Kenyon  p.  211) 
lin.  23  sqq.;  dazu  Gradenwitz  (der  auch  am  Text  der  letzteren  Urkunde 
mitgearbeitet  hat),  Einführung  in  die  Papyruskunde  S.  82,  94,  104. 
Die  Ausführungen  von  Gilson,  Tetüde  du  droit  Romain  compar6  aux 


—      43       — 

autres  droits  de  l'antiquite  Paris  u.  Strassburg  1899,  p.  208  —  224 
bringen  nach  meinen  älteren  Bemerkungen  nichts  Neues. 

34)  Gelegentliche  Bemerkungen  darüber  habe  ich  im  Hermes  30,  607 
ausgesprochen;  Weiteres  behalte  ich  mir  vor.  Ganz  durchsichtig 
ist  die  Gestaltung  des  gräco-ägyptischen  Pfandrechts  derzeit  noch  nicht. 
Aber  doch  ist  schon  heute  die  überraschend  weite  Verbreitung  des 
Nutzungspfands  ersichtlich,  bei  fehlendem  Distractionsrecht.  Zu  den 
von  mir  im  Hermes  30,  607  (und  theilweise  auch,  unabhängig  davon 
und  gleichzeitig)  von  Hitzig,  Griech.  Pf.-R.84,  n.  4  namhaft  gemachten 
Beispielen  kommt  jetzt  nach  Grenfell-Hunt,  New  Class.  fragm.  2,  n.  69 
und  72.     Cf.  C.  J.  4,   26,  6;  4,   32,   14.     D.  20,   l,   11,    i. 

35)  Reichsrecht  S.  185  f. 

36)  Nach  Pap.  E.  R.  1502  v.J.  235  hat  ein  Mann,  dessen  Name 

nicht  erhalten  ist,  der  aber,  da  er  einen  Sohn  Quintios hat,  zum 

antoninischen  Bürgerrecht  gelangt  sein  muss,  in  seinem  Testament 
folgende,  leider  nach  der  mir  vorliegenden,  auf  Wessely's  freundlicher 
Mittheilung  beruhenden  Abschrift  theilweise  zerstörte  Clausel 

lin.  12:  [Trpo]Kei|Li€[v]öc  [|uou]  KXripovöjuoc 

lin.  13:  ^XXriviKOic  dKcXoCiGuuc  tx]  öeicjt  [biaxdEei  toO  Kupiou 

T^juiüv  auTOKpdTopoc  Kaicapoc  MdpKou  AupriXiou] 
lin.  14:  Ceouripou  'AXeEdvbpou  eOceßoöc  ei»Tux[oOc  ceßacTOö 

^cp'  ÖTTOYpaqpf)  inaprupuuv  ^E  luv  xd  öv6|uaTa] 
lin.  15:  Kai  oi  eiKOvic/ioi  ^Ef^c  brjXoOvTai  ibioic  aö[TUüv 

Ypd)U|uaci Kai  ^TreptUTr)-] 

lin.  16:  6€ic  uüfuoXÖYriKa  .... 

Da  in  lin.  13  vor  ^XXr|viKoic  nur  etwas  wie  öiaTi6^|uevoc  ^rmaciv ^XX. 

ergänzt  werden  kann,  handelt  es  sich  darum,  dass  der  Testator  als 
römischer  Neubürger  den  Gebrauch  der  dem  Jus  civile  widersprechenden 
griechischen  Sprache  in  seinem  Testament  rechtfertigen  will  und  sich 
darum  auf  die  Verfügung  von  Severus  Alexander  bezieht.  Ich  bin 
zu  meinem  Bedauern  nicht  in  der  Lage  zu  sagen,  ob  Wessely  in  lin.  15 
für  die  Restitution  g£  napTÜptuv  in  der  Zahl  der  Unterschriften  sichere 
Anhaltspunkte  gehabt  hat  oder  blos  nach  der  Analogie  älterer  gräco- 
ägyptischer  Testamente  (z.  B.  PER  1576  [Mitth.  E.  R.  5,  p.  20], 
PER  1492,  vgl.  Wessely,  Sitz.-Ber.  d.  Wiener  Akad.  1891  IX,  p.  18, 
BGU  n.  86;  Wilcken,  Gott.  G.  A.  1895,  p.  165  bezieht  sich  wohl 
nicht  auf  Testamente)  ergänzt  hat.  Die  Sechszahl  der  Zeugen  wäre 
ersteren  Falls  freilich  dem  römischen  Testament  nicht  entsprec]iend ; 
aber  Specialvorschriften  konnten  auch  in  dieser  Richtung  erlassen  sein. 


—     44     — 

37)  Nach  Wilcken,  Bemerkungen  zur  ägypt.  Strategie  Hermes 
27,  294,  n.  I,  auf  Grund  von  C.  I.  Gr.  4680.  Neuerdings  weist 
P.  Meyer,  Heerwesen  der  Ptol.  u.  Römer  136,  n.  499  hin  auf  P.  Lond. 
2,  n.  350,  wonach  ein  ßaciXiKÖc  Ypa)LifiaTeuc  'ApcivoiTou  HpaKXeibou 
|a€piboc  am  27.  October  noch  nicht  das  Bürgerrecht  besitzen  soll,  so 
dass  die  Zeitgrenze  noch  mehr  verengt  wurde.  Aber  jener  ßac.  TP^M" 
l^iaTOUC  heisst  doch  Mövi^oc  r6)n^A\oc,  und  ist  darum  wahrscheinlich 
Römer,  trotz  dem  fehlenden  Gentile.  Uebrigens  wird  bei  Bestimmung 
der  Daten  aus  der  Papyri  immer  die  Ortsdifferenz  zwischen  Rom  und 
Aegypten  in  Betracht  zu  ziehen  sein. 

38)  Der  Darlegung  des  Steuerwesens  in  erster  Linie  ist  das  Werk 
von  Wilcken,  Griechische  Ostraka,  2  Bde.,  1899  gewidmet,  jedenfalls 
eine  der  hervorragendsten  Arbeiten  unter  allen ,  welche  seit  langem 
auf  dem  Gebiet  der  Alterthumswissenschaft  erschienen  sind,  und  weit 
über  seinen  eigentlichen  Gegenstand  hinaus  eine  Fundgrube  für  alle 
möglichen  Materien.  Gelegentliche  sehr  eingehende  Untersuchungen 
über  das  Steuerwesen  fmden  sich  aber  auch  —  abgesehen  von  den 
Arbeiten  Lumbroso's  —  in  den  äusserst  sachkundigen  Erläuterungen, 
womit  namentlich  die  englischen  Papyrologen  Mahaffy,  Kenyon, 
Grenfell  und  Hunt  ihre  Textausgaben  zu  begleiten  pflegen.  —  Von 
sonstigen  Verwaltungsfragen  ist  namentlich  das  Conscriptions-  und 
Heerwesen  Gegenstand  nutzbringender  Bearbeitung  gewesen ;  s.  insbes. 
Mommsen,  Eph.  Epigr.  7,  456 — 467,  P.  Meyer,  Philolog.  56,  193  f., 
derselbe,  Die  ägypt.  Urkunden  und  das  Eherecht  der  römischen  Soldaten, 
Ztsch.  d.  Sav.  St.  18,  44 — 74,  und  ^Heerwesen  der  Ptolemäer  und  Römer 
in  Aegypten',  Leipzig  1900;  Scialoja  im  Bull.  dell.  Ist.  di  dir.  Rom. 
8,  155  f'J  Schubart,  Quaestiones  de  reb.  milit.  quales  fuerint  in  regno 
Lagid.  (Diss.  Breslau  1900).  Ueber  die  Rückforderung  der  Mitgift 
bei  Süldatenehen  specieU  besteht  eine  Meinungsverschiedenheit  zwischen 
mir  (Hermes  30,  584  f.)  und  Gradenwitz,  Einführung  10;  ich  bemerke, 
dass,  wenn  in  BGU  114,  lin.  12  öifeuü[|Lii]  gelesen  wird,  was  nach  der 
Berliner  Ausgabe  geschehen  muss,  da  bxbix)  als  sicher  bezeichnet  wird, 
rrifine  Auslegung  dieser  Stelle  grammatisch  allein  möglich  ist.  Liest 
man  freilich  mit  Gradenwitz  6ibo[uc],  so  ist  natürlich  seine  Auffiassung 
erwiesen.  Indessen  theilt  mir  Wilcken  mit,  dass  eine  neuerliche  Re- 
vision des  Papyrus  bxboj  bestätigt  und  darauf  folgernd,  vom  ja  —  das 
übrigens  dann  ganz  unvermeidlich  ist  —  unsichere  Spuren.  Damit 
halte  ich  die  Sache  für  entschieden;  ich  glaube  auch  die  sachlichen 
Gründe  auf  meine  Seite,  da  nicht  angenommen  werden  kann,  dass  bei 
der  verbotenen  Soldatenehe  die  Frau  ihre  »Mitgift*   strafweise  einbüsst 


I 
2 


^ 


i 


—     45     — 

und  der  Soldat  sie  lucrirt.  —  Das  Polizeiwesen  in  Aegypten  behandeln 
O.  Hirschfeld,  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Ak.  1892,  p.  815 — 824  und  Krebs 
in  der  Festschrift  für  Georg  Ebers,  Leipzig  1897,  p.  30 — 36.  —  Ueber 
das  Münzwesen  Kubitschek,  Beiträge  z.  frühbyzantinischen  Numis- 
matik, Numism.  Ztschr.  1898,  p.  163 — 196;  ferner  linden  sich  dar- 
über zahlreiche  Bemerkungen  in  den  verschiedenen  Arbeiten  Wessely 's 
zerstreut,  namentlich  in  den  Wiener  Studien  5,  294 — 312,  den  »Pro- 
legomena<s  Wien,  Gerold  1883  und  den  Jahresberichten  des  Hemalser 
Gymnasiums  in  Wien  1888 — 1891;  ferner  Wilcken,  Ostraka  2.  718 — 738, 
wo  auch  die  besondere  Fachliteratur  verzeichnet  wird.  —  Register  der 
Praefecti  aegypti  gibt  P.  Meyer,  Hermes  32,  210  f.  und  33,  262  f.  — 
Ueber  sonstige  Cursus  bonorum  Jung,  Die  röm.  Verwaltungsbeamten 
in  Aegypten,  Wien.  Stud.  14,  227 — 266.  —  Werthvolle  Unterstützungen 
bringen  die  Papyri  auch  für  die  Consularlisten,  vgl.  Mommsen,  Hermes 

32,  538-553. 

39)  Die  wesentlichsten  Ergebnisse  für  das  Processrecht  liegen  auf 

dem  Gebiet  der  Einleitung  des  Verfahrens.  Wir  wissen  jetzt,  was 
vordem  durchaus  unklar  war,  in  welcher  Weise  in  den  Provinzen  die 
Klage  erhoben  und  das  Processverhältniss  begründet  wird.  Dies  habe 
ich,  je  nach  Maassgabe  des  jeweils  vorhandenen  Urkundenmaterials, 
erläutert  im  Corp.  Pap.  Rain,  i  zu  No.  19  und  Hermes  30,  572 — 
582;  32,  644 — 651;  34,  98 — 102.  Dazu  neuerdings  Gradenwitz'  Ein- 
führung 39 — 44.  Besonders  werthvoll  ist,  dass  wir  jetzt  die  Klag- 
formel im  Cognitionsverfahren  aufweisen  können ,  wodurch  die  Ueber- 
leitung  des  Formular-  zum  Cognitionsprocess  verdeutlicht  ist.  Dies 
hatte  schon  Gradenwitz,  Hermes  28,  333  und  GBU  136  richtig  er- 
kannt; neuerdings  reichen  die  Formelspuren  bis  zum  J.  328.  Für  die 
diocletianische  Zeit  (a"  295)  erinnert  mich  Wlassak  noch  an  Consult. 
5,  7:  'Quotiescunque  ordinatis  actionibus  aliquid  petitur'  ...., 
femer  an  Vat.  fr.  312  (a**  293),  von  welcher  Stelle  er  freilich  bemerkt: 
»Sie  beweist  allerdings  nur,  dass  die  proponirten  Formeln  nach  wie 
vor  als  Rechtsquellen  dienten.«  Diese  einschränkende  Interpretation 
ist  möglich,  aber  nicht  nothwendig. 

Ueber  das  Actcnwesen  habe  ich  im  Anschluss  an  die  Process- 
Cragen  gehandelt;  neuerdings  ist  die  oben  Note  5  citirte  Ausführung 
von  Mommsen  zu  vergleichen. 

Ueber  das  kaiserliche  Appellations-  und  Remissionsverfahren  ist 
jetzt  der  wichtige  Papyrus  BGU  628  eine  Hauptquelle  geworden;  er 
enthält  ein  kaiserliches  Edict  mit  Regelung  der  Fristen  und  Erstreckung 
des   Contumacialurtheils    auf  Capitalsacheu    (so   Mommsen,    Strafrecht 


-     46     - 

473.  n.  I).  Ueber  das  Alter  dieses  Edicts  gehen  die  Meinungen  aus- 
einander; Mommsen  a.  O.  472,  n.  5  weist  es  dem  dritten  Jahrhundert 
zu;  ich  selbst  (Hermes  32,  630  f.)  hatte  es  der  augusteischen  Zeit 
zugeschrieben,  Dareste  (Nouv.  Rev.  Hist.  32,  p.  630)  dem  Nero; 
Cuq,  trois  nouveaux  doc.  sur  les  cognitiones  Caesarianae  (Sep.-Abd.  aus 
Nouv.  R.  H.  1899),  P-  4  f-'  ^^"^  Claudius  mit  Berufung  auf  Dio  Cass. 
60,  28  und  Seneca  Apokolok.  lO,  4;  12,  2;  14,  2.  Beiläufig  gesagt, 
ist  meine  Bemerkung  1.  c.  636,  wonach  Civilappellationen  durch 
Delegatare  in  der  Provinz  entschieden  worden  seien,  in  dieser  All- 
gemeinheit weder  durch  Sueton.  Aug.  33  erwiesen,  noch  auch  sonst 
durchweg  aufrechtzuhalten,  vgl.  D.  26,  7,  39,  7,  wenngleich  es  nach- 
weislich vorgekommen  ist  (s.  die  Inschriften  bei  Mommsen,  in  den 
Nuove  Memorie  dell'  instit.  di  corr.  orchest.   [1865]  311 — 314). 

Für  die  Philologen  füge  ich  noch  hinzu,  dass  meine  seinerzeit 
aus  grammatischen  Gründen  stark  angefochtene  Ergänzung  in  col.  3, 
lin.  3  aliquid  a[u]x[il]ium  (wobei  ich  notirt  hatte,  dass  aliquid  statt 
aliquod  auxilium  Copistenfehler  sei),  jetzt  nicht  einmal  mehr  die 
Annahme  eines  solchen  erfordert;  aliquid  als  adjectivisches  Neutrum 
ist  jetzt  durch  das  Vocabularium  gut  bezeugt  (p.  349,  lin.  19  sq.)  und 
schon  für  Celsus. 

Ueber  das  Verfahren  bei  der  Vormundbestellung  gewinnen  wir 
Aufschlüsse  aus  einem  Genfer  Papyrus,  welchen  Erman,  Zts.  d.  Sav.  St. 
15,   240 — 256  einsichtig  behandelt  hat. 

40)  So  vor  Allem  die  Sequestration,  Archiv  f.  Pap.  -  Forschung 
I,  180  f.  —  Zur  Geschichte  der  Klagverjährung  Gradenwitz,  Ein- 
führung 43. 

41)  Hermes   30,  601  f. 

42)  S.  meine  Abhdlg.,  Arch.  f.  Pap.-Forsch.  I,  183  f.,  woselbst 
auch  die  inzwischen  erschienene  Literatur.  Zu  den  im  Archiv  195  f. 
gemachten  Bemerkungen  über  BGU  243  hat  sich  alsbald  eine  neue 
Urkunde  ergeben,  nämlich  der  soeben  von  Nicole  veröffentlichte 
P.  Gen.  No.  44.  Danach  ist  der  von  mir  als  vom  Copisten  verdorben 
bezeichnete  Berliner  Papyrus  jetzt  folgendermaassen  zu  lesen;  6i  bi 
qpaveiri,  eivai  Kupiov  tö  TrpoKaxecxnM^^ov  fj  TrpoTrapaKeifievov  h\ä 
TOO  ßißM»oqPW^a»<iou)  ^pÖTf^cirapae^ceujc  Kai  |Li^(M^  statt  iCuWilcken 
und  Gradenwitz  nach  mündlicher  Mittheilung)  ^cecÖai  ^inTTÖbiov  ^k 
Tf|cbe  Tf)C  irapae^ceiüC.  Umgekehrt  sind  die  Lesungen  von  Nicole 
nach  BU  243  richtig  zu  stellen,  vor  Allem  lin.  21:  ÖTTÖxav  statt  ^trl 
TÖ  TTäv;  auTOU  statt  auTÖc,  TT0iuj|aai  statt  itoiOü  kqi,  lin.  23  TTpoKaxecxn- 


—      47      — 

M^vov  statt  öeC'po  KaxecxnM^vov,  lin.  24  Tf\cbe  statt  ty\q  h\d.  Dann 
ist  der  Schluss  beider  Urkunden  identisch.  Ueber  die  sachlichen 
Consequenzen ,  die  sich  aus  P.  Gen.  No.  44  ergeben,  werde  ich  an 
anderem  Orte  handeln. 

43)  Die  Controverse  beginnt  mit  Bücher 's  Entstehung  der  Volks- 
wirthschaft  I.  Aufl.  (1893),  bes.  p.  14  und  43  und  der  Opposition 
Meyer's  iu  Conrad's  Jhb.  1895,  p.  696  f.  Replik  von  Bücher  in  der 
2.  Aufl.  des  genannten  Werkes  p.  65  f.  Der  sachliche  Gegensatz 
zwischen  beiden  Autoren  dürfte  nicht  unüberbrückbar  sein. 

44)  Zutreffend  ausgeführt  bei  Wilcken,  Ostraka  2,  664,  wo  auch 
die  nachstehenden  Daten  zusammengestellt  sind. 

45)  Wilcken   a.  O.   679  f. 

46)  So  in  dem  ersten  der  von  W.  A.  Schmidt,  Forschungen  zur 
Gesch.  d.  Alterthums  (Berlin  1842)  herausgegebenen  Papyri,  revidirt 
von  Wessely  im  Hernalser  Gymnasialbericht   1889/90,  p.  30  f. 

47)  Man  sehe  z.  B.  die  Weizenlieferungen  an  den  Abbas  Petros 
bei  Magirus,  Wiener  Stud.  8,  102  f.  und  die  Rechnungen  des  Diacons 
Petterios,  der  sämmtliche  Anschaff-ungen ,  Arbeiten  u.  dgl.  für  sein 
Kloster  in  Oeldeputaten  bezahlt,  Wessely,  Wien.  Stud.  8,  235; 
ähnlich  die  Weindeputate  in  Pap.  Brit.  Mus.  113,  Wien.  Stud.  12,  87.' 
Die  »Maler«  von  religiösen  und  Kaiserbildem  werden  mit  Wein 
abgefunden  bei  Wessely,  Wien.  Stud.  9,  277;  die  beiden  letzt- 
genannten Arbeiten  bringen  überhaupt  viel  einschlägiges  Urkunden- 
mate rial ;  besonders  lehrreich  für  die  Theilpachtverhältnisse  das 
Contractsfragment  9,   259. 

48)  Ein  denkwürdiges  Zeichen  der  heutigen  sicilischen  Agrar- 
verhältnisse ist  der  italienische  Gesetzentwurf  (C r  i  s p  i)  von  1892  'Süll 
enfiteusi  e  sui  miglioramenti  dei  latifundi  nelle  Provincie  Sicialine', 
auf  den  ich  in  einer  Abhandlung  über  die  Emphyteuse  zurückzukommen 
gedenke.  Freilich  ist  derselbe  von  der  Kritik  stark  angefochten 
worden;  Loria,  Rivista  popolare   1894,  P-  577  f. 

49)  Diese  vermuthlich  aus  der  severischen  Zeit  herrührende  In- 
schrift, enthaltend  ein  Edict  (des  Statthalters?),  das  zur  Erbpachtung 
von  Gemeindeländereien  einladet,  ist  zuerst  herausgegeben  im  American 
Journal  of  Archeology  1890,  p.  114,  n.  VI,  danach  ergänzt  und 
besprochen  von  Dittenberger  im  Hallenser  Lectionskatalog,  Winter- 
semester  1891/92. 

50)  Diod.  Sic.  I,  73. 

51)  Um  die  Diff'erenzirung  dieser  Termini   haben  sich  Viereck, 
Hermes  30,  119  f.  und  Rostowzew,  Philol.  57,  564  f.  bemüht;  neuer' 


-     48     - 

dings  theilweise  abweichend,  s.  Wilcken,  Ostr.  2,  643  f.,  657*,  Arch. 
f.  Pap. -Forsch,  i,    148. 

52)  Reiches  Material  hierfür  bei  Schmoller  in  der  vom  Verein 
für  Socialpolitik  1886  herausgegebenen  Schrift  'zur  inneren  Colonisa- 
tion  in  Deutschland'.  Die  Schaffung  von  Erbpachtstellen  unter  dem 
Einfluss  Lieben'scher  Ideen  hat  besonders  unter  Friedrich  I.  1700 — 1710 
grosse  Fortschritte  gemacht;  der  dauernden  Ausführung  freilich  ist  das 
fiscalische  Interesse  auf  möglichst  grosse  Renten,  wie  sie  nur  die  Zeitpacht 
gewährt,  schon  seit  F'riedrich  Wilhelm's  I.  Regierung  entgegengetreten. 
Aber  Friedrich  II.  kehrt  wieder  zur  Vererbpachtung  zurück.  Der  Erfolg 
freilich  ist  immer  ein  massiger  geblieben;  s.  unten  Note  59.  Vgl.  auch 
Rabe,  Die  volkswirthschaftl.  Bedeutung  der  Pacht  (Berlin  1893),  S.  7  fg. 

53)  Der  eine  in  CPR  i,  19  v.  J.  330  mit  meinem  Commentar, 
p.  60  f.  Der  andere  ist  BGU  648  v.  J.  164,  in  dessen  Auslegung  ich 
von  Wilcken,  Ostr.  2,  701  abweiche.  Es  wird  einer  Frau  ihr  vom 
Vater  ererbtes  Gut  vom  Oheim  und  seiner  Frau  bestritten  Trpoqpdcei 
ßaciXiKfjc  Y^ic,  eic  ^v  y\)yi\  oOca  ouk  öcpeiXuj  Ka9^XKec6ai  Kaxd  jä  utto 
tOuv  t^Y^l^övujv  Kai  ^TriTpöirojv  irepi  toutou  biaT€TaTl-i^va ,  ^-rrei  Kai 
äxcKvöc  61|l11  Kai  ou6^  ^)uiauTf)v  drrapKetv  6üva|Liai.  Sie  bittet  daher 
ihr  das  väterliche  Gut  zurückzustellen,  die  feujpyia  aber  dem  Oheim 
zu  übertragen.  Die  ausgeschriebenen  Worte  kann  ich  nicht  mit  Wilcken 
dahin  verstehen,  dass  es  sich  um  einen  Zeitpacht  der  ßaciXiKfj  YH 
handelt,  wobei  sich  die  Frau  furchtet,  zu  demselben  gezwungen  zu 
werden.  Dann  würde  ihr  Oheim  ihr  denselben  nicht  streitig  machen, 
sondern  froh  sein,  wenn  man  ihn  damit  verschonte.  Ich  kann  nur 
glauben,  dass  die  Hinterlassenschaft  bestand  a)  in  frei  eigenthümlichem 
Besitz,  b)  in  einer  Erbpachtstelle,  in  welche  nach  dem  Domänen- 
regulativ  (xd  öiaxexQYin^va)  alleinstehende  Frauen  nicht  succediren 
konnten.  Deshalb  will  der  Oheim  als  nächster  männlicher  Verwandter 
sie  bekommen  und  die  Gesuch stellerin  macht  sie  ihm  gar  nicht  streitig, 
sondern  reclamirt  nur  das  Allod,  das  der  Gegner  offenb.ir  in  die  Erb- 
pachtstelle einbeziehen  wollte.  Die  weinerlichen  Worte  'da  ich  kinderlos 
bin  und  mir  nicht  helfen  kann'  sehen  freilich  so  aus,  als  ob  die  Frau 
sich  vor  der  Pachtstelle  fürchten  würde;  aber  in  den  larmoyanten 
Ton  verfallt  die  weibliche  Logik  bekanntlich  leicht  auch  bei  unpassender 
Gelegenheit.  Dass  es  sich  um  Zwang  zur  Pachtung  nicht  handeln 
kann,  geht,  glaube  ich,  auch  daraus  hervor,  dass  dieser  niemals,  wie 
die  Frau  will,  auf  den  Bruder  des  Verstorbenen  übergeben  könnte  — 
die  Kastenverfassung  kann  den  Sohn  an  den  Beruf  des  Vaters  binden, 
aber  nicht  den  Bruder  an  den  des  Bruders. 


—     49     — 

Näheres  über  die  griechisch-römische  Erbpacht  behalte  ich  mir 
für  eine  längst  entworfene  Specialabhandlung  vor,  von  der  ich  hier 
nur  soviel  vorwegnehme,  dass  die  massgebenden  Stellen  des  römischen 
Rechts  D.  6,  3,  i  u.  3  stark  interpolirt  sind,  und  dass  die  nach- 
classische  Entwicklung  der  Gross -Emphyteuse  durch  das  Institut  der 
^TTißoXn  wesentlich  beeinflusst  scheint,  in  welch  letzterem  Punkt  Herr 
College  Seeck  nach  brieflicher  Mittheilung  unabhängig  von  mir  zu  dem 
gleichen  Resultate  gelangt  ist. 

54)  Der  technische  Ausdruck  TTeve[Tm€pia]  findet  sich  in  BGU 
723  und  als  '^  KaX(ouia^vTi)  Dies:  KeX(euceeicTi),  Wilcken  nach  brieflicher 
Mittheüung]  Treve(rmep{a)  in  P.  Lond.  2,  321  c,  vielleicht  verstümmelt 
auch  in  BGU  593.  Quittungen  über  fünftägige  Deicharbeit  sind  häufig, 
z.  B.  P.  Grenf.  2,  n.  53.  Zur  Sache  Wilcken,  Ostr.  2,  336  f.  P.Meyer, 

Heerwesen   141. 

55)  P.  Lond.  2,   n.  322. 

56)  Ganz   unabhängig  von  der  Frage  nach  der  präcisen  Rechts- 
Stellung  der  Domanialbauern  gibt,  da  ihre  Lage  jedenfalls  factisch  eine 
gänzlich  abhängige  gewesen  ist ,  für  die  ägyptischen  Agrarverhältnisse 
schon   ihre   ungeheure   Zahl   einen   Fingerzeig.     In   den   grossen   Ver- 
zeichnissen  der  Kopfsteuerpflichtigen  aus  den  Dörfern  der  'HpaKXeibou 
ILACpic  P.  Lond.  2,  n.  257-259  zähle  ich  in  n.  259  drei  Personen,  die 
als  YEUjpYoi  schlechthin,  d.  h.  wohl  eigenbesitzende  Bauern,  oder  Privat- 
pächter,   bezeichnet    werden;     dagegen    Y€UJpYol    ßaciXiKOi,    bn^öcioi, 
irpocöbou    und   oviciaKOi   nicht   weniger   als   ein   und   achtzig.      Alle 
drei  Verzeichnisse   zusammen   geben    103  Domanialbauern,    sie   bilden 
in    jenen    Orten     die     weitaus     überwiegende    Classe    der    Gesammt- 
bevölkerung.     So    hatte    die    Domäne    den    selbständigen   Grundbesitz 
verschlungen.   Dass  man  mit  solchen  Bauemregimentem  nicht  glimpflich 
verfahren  konnte,  liegt  dann  auf  der  Hand. 

57)  Dass  in  dem  stark  fragmentirten  BGU  56o_(2.  Jhd.  n.  Chr.) 

20 ]  Y^iJDpYoOvxec  ö|aöXoYOi  dvbpec  p^ö  ^ 

21 ]  YewpYoöxec  bninociav  Kai  oOciaKfiv  y»>  övbpec  pie 

22  1  .  vbp  . . . .  ä  ?YTP(a7rxoi)  Vf  ^yavi>ic  ä  u.  s.  f. 

in  lin.  20  die  Gesammtsumme  und  sodann  die  Specification  gegeben 
sei,  wonach  die  br][x6aox  und  oCcmKol  Y€U)pTol  allerdings  eine  Unterart 
der  öiiöXoYOi  wären,  ist  mir  trotz  WUcken,  Ostr.  254  sehr  zweifelhaft, 
ebenso  wie  seine  Herieitung:  ö|i6XoYOC  wer  kraft  ö^oXo^ia  sich  ver- 
düngen  hat.  Zum  Ersteren  möchte  ich  eher  annehmen,  dass  die  ÖMÖXoYOi 
in  lin.  20  coloni  privatorum  sind,  denen  dann  die  fiscales  entgegen- 
Mitteis,  Papyrusurkunden.  ^ 


—     50     — 

gestellt  werden;  zum  Zweiten  ist  mir  Zachariae's  bekannte  Etymologie, 
obwohl  dem  Sprachgebrauch  späterer  Zeiten  entnommen,  doch  sehr 
wahrscheinlich.  —  Auf  die  gründlichen,  leider  die  Papyri  vernach- 
lässigenden Ausführungen  von  Leo,  capitatio  plebeja  einzugehen  ist 
an  diesem  Ort  nicht  möglich. 

58)  In  Schrempfs  »Wahrheit«  5  (1896),  p.  57—77»  woselbst  in 
der  anschauungsreichen  und  geistvollen  Weise  dieses  Gelehrten  'die 
socialen  Gründe  des  Untergangs  der  antiken  Cultur'  erläutert  sind. 
Der  Grundgedanke  Weber's  ist,  dass  das  Alterthum  an  der  Natural- 
wirthschaft  zu  Grunde  gegangen  ist.  Wenn  ich  meine  grossentheils 
hiermit  übereinstimmende  Auffassung  hier  nochmals  zum  Ausdruck 
bringe,  so  habe  ich  die  Berechtigung,  dieselbe  als  selbständig  zu  be- 
zeichnen deshalb,  weil  ich  sie  schon  vor  Weber  in  C.  P.  R.  l,  Il6, 
wenngleich  mit  wenigen  Worten  angedeutet  hatte. 

59)  Anderseits  war  der  Einfluss  der  Gutsbesitzer  gross  genug, 
um  ihre,  rechtlich  oft  nur  auf  Zeitpacht  der  Domäne  basirte  Stellung 
vielfach  in  Erbpacht  umzuwandeln,  natürlich  Erbpacht  in  grossem 
Umfang.  Ganz  ebenso  ist  es  vielfach  in  Preussen  geschehen;  Schmoller 
a.  a.  O.,   p.  30. 

60)  C.  P.  R.  I,  n.  20  mit  meinem  Commentar. 


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