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Full text of "Aus den Tagebuchblättern des Grafen Alexander Keyserling: Philosophische-religiöse Gedanken"

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Hus 6cn tEageflud?&fättertt 6cs 



(trafen Eleganter Begfrrltttg* 



6«6. 15. Äujul! 1815, gcfi. 6en 8. Mai 1891. 



$Ut$ öen ®agdm$l>fötterti 



trafen 2Ue;an6er lUifeling. 



tnii einjeCnen $itfä*jeit aus ^riefen. 
§«au9gcoef>en von feiner XntfyUv 

JtEtfrau !|elcne to*m €aufrt. 

mit einer £e6etisffii^e, uerfafjt von ®vaf £et» ^ctjferling. 



: .*!( 5Jo6t6til lau*1 t^tr tinjor aultem 3« 
all oul tut «onfuRm, lagt Xoon, — i* 
Ölnju, all um b» Stilnabralofifilril ' 

erafW.RrBi.tIln 



Stuttgart 1894. 

Oerlag öcr 3. ö3. Cotta'fdicn 13 udjtjati Ölung 



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Uffe He<$te por6e§üff ctt. 



Xrud ber Union Xtutjdje ajertafllflcicUitfaft in Stuttgart. 



twrfajjt toon 

Äraf Jteo Aepferfing. 



», 



21lejanber griebridj 3Wid^aef fieberest 2lrtl)ur ©raf Äepferling 
nwrbe am 15. Sluguft 1815 ju ÄabiHen in Äurlanb geboren, ©ein 
3Sater, £einrid) 2Bilf)eIm, SRajoratö^err auf Siautenburg in Oft* 
preufcen, bewohnte jenes tym burd) feine g*au Slnette, geborene greiin 
Don 9iolbe, jugefaßene Sanbgut. Ueber feine ©Item fdtjretbt 2lleranber 
Äepferling : 

„2ßein SBater war ein fjod&gebilbeter 9Rann, bte in fein 2tlter ber 
alten Sprad&en funbig. 6r lad oiel englifd) nnb gab in fpäteren 
3afyren feiner in geiftiger Strbeit ftetö frifdjen unb auäbauernben, l>od) 
intelligenten Jrau bie erfte Anleitung jum ©tubium beö ©nglifdfjen. 
Gx fpradj unb fd&rieb gut franjöftfdf) unb führte in beutfd&er Spradbe 
eine ber ausgeäeidfjnetften ^ebern. @r war unb blieb bis an fein @nbe 
-ein üorjüglidf)er Säger unb Sdfjüfce, Leiter unb SRoffelenfer. ?Für alle 
lanbnrirtfdfjaftlid&en Sauten battt er fiel) ju einem uollenbeten 2lrdf)iteften 
-auögebilbet. ©r war ein liberaler 3Jiann, t)iel in öffentlichen föe= 
fdfjäften tljätig. 9ln ber 33auernemanjipation t)at er aftioen 2tnteil ges 
nommen unb ift ein 4?auptbegrünber ber fturlänbifdjjen ftrebitbanf. 
39ei feiner raftlofen £f)ättgfeit war iljm SJhifif bie liebfte ©rfyolung. 
oelbft ein auögejeitfmeter ftlat>ierfpieler, rerfammeltc er im 3Btnter 
in ÄabiHen auf 14 Xage eine ®ef eHf dfjaf t , bie fieb ausfcbliefjfidj mit 
UJhifif befdfjäftigte, bei welchen 3ufammenfiinften s Jkopft 2lmenbe, ein 
greunb öeetfjooenö unb SSiolinift erften langes, fyeroorragte. 



— VI — 

„Stein SBater war fo milbe, baß feines feiner Jttnber je ein böfes> 
SBort von if)m gehört fyat. ©ern unterlieft er fidf) mit ifjnen über 
ernfte ©egenftänbe, gern laufd)ten fie feinen Stuseinanberfefcungen unb 
©rjäfjlungen. 

„SRein SSater war ein ffarer Sefenner ber Äantfd&en ©ittlidEjfeit 
unb SßfjUofopljie, unb rettete mit biefer ©rfenntms bie $rau t)on ber 
pietiftifdfjen SBenbung einer franf Ijaf ten , förperlidE) aerurfadfjten 33e* 
ängftigung, mit ber fte ftdf) einige ^jdf)xe ju plagen Ijatte." 

Stuf bem ßanbe, im elterlichen &aufe, umgeben von einer grofeen 
3al|l ©efd&wifter*) unb Äinbern oerwanbter unb befreunbeter Käufer, 
bie in EabiHett am Unterrichte teilnahmen, ift atleyanber Äepferling 
bis jum 19. %a\)xt aufgewadfjfen. $ür twrjüglid&en Unterricht war 
ausgiebig geforgt. 35er ausgejeidmete 5ß^i(ofog unb 9Watf)ematifer 
Stiemfdfjneiber, ein ^ortenfer, ber verheiratet in einem, if>m eigens ju- 
gewiefenen Jßaufe lebte, leitete ben 23übungSgang ber Änaben. 6r 
gehörte ju ben fettenen Sehern, bie burd) iljre fittfidf)e ^Serfönlid^feit 
unb wiffenfdEjafUidfje 5Cüd^tigfeit ber Qugenb imponieren unb fie bodfj 
an fidf) ju feffeln uerfteljen. 33ei ber befdjränften >$at)l feiner ©dbüter 
fonnte SRiemfd&neiber je nadfj ber ^Begabung ben einen weiter förbern, 
wie ben anbern. 3Hejanber fjat bei iljm nid&t nur ben £omer burdf)* 
gelefen unb bie übtid&en ©dfjulttaffifer bearbeitet, er ift mit ifjm bi& 
ju ben Sprifern unb ^Jinbar oorgebrungen. 2Rit Sßlato fjat er fidf) 
eingefjenb befdfjäftigt unb wotjl bie meiften feiner ftiatoge gelefen. 
2(udf) in ber 9Katf)emattf erwarb er ftd) weitergefjenbe Äenntniffe, ate 
fie auf ben ©tjmnaften erworben werben, ©o fam es, ba& ber 
19jäf)rige Jüngling, als er bas elterlid&e £aus verlieft, um bie Uni* 
perfität Berlin ju .bejieljen, eine pfjüofopEjifdfje, pfjilologifdfje unb ma^ 
ttjematifdfje Silbung befaß, wie fie meift erft in fpäteren $af)ren er* 
langt werben fann. 2)abei war er ein guter Äfatricrfpiefer unb mit 
ben mobernen ©pradfjen, befonbers mit bem ^ranjöfifdfjen, fo weit 
vertraut, baf$ tym audf) ber fdfjriftlidfie Sfasbrucf in biefer ©pradf)e faft 
ebenfo geläufig war wie in ber 2)httterfpradf)e. 

SBtüjrenb im $abittenfdf)en £aufc für ben Untertritt aufs befte 
geforgt würbe, gelten es bie ©Item für ridfjtig, ben Änaben im übrigen 
bie größtmögliche ^reifjeit unb ©elbftänbigfeit ju gewähren. Sie fonnten 
in gewiffen, weit gejogenen ©renjen tfiun unb raffen, was fie wollten. 



*) $emric$ ©raf ftegfetling, Anette t>. Stolbe. 



r 

Otto, £$eobor, Suife, Robert, ©buarb, Hermann, 2lmalte, SUeganber, 2ut3, 

(Joeline. 



— vn — 

2lleranber ftegferßng war ein roeidj^erjiger Jtnabc. Dljne fe^r fräftig 
ju fein, mar er bodj in pfjpfifd^er Sejieljung jäl), auöbauernb unb 
unermüblidf). Jrüt) jeigte ftdj in i&m ber &ang jur Beobachtung. 
}$xüf) warb ed ifjm jur ©emoljnljeit, in ber 9?atur nadjj ben ©efefcen 
ju forfd&en, aus ben Seben&erfaljrungen allgemein gültige ©runbfäfee 
unb Siegeln ju gewinnen. $n ber 3)iöfuffion mit feinen älteren 
33riibern, oor allem mit Hermann, ber ein ungemöljnlidfj gewanbter 
Tialeftifer war, erwarb er fidj eine große ©d&lagf ertigf eit , wobei er 
fid) bie ©ofratifdjje Strt unb SBeife beö StaifonierenS in ^o^em ©rabe 
ju eigen gemalt tyatte. 3m fpäteren Seben l>at er oon biefer SWet^obe 
abgefe^en, weil es, wie er meinte, bie 9Renfdf)en ju feljr oerftimme, 
jugeftefcen ju muffen, baß ftc baö nid^t wüßten, was fie ju wiffen fidf) 
ben 2lnfd}ein gegeben. 

2tn 3agen, SReiten unb ben übrigen fogenannten ritterlid&en Äünften 
fyat er nie ©efallen gefunben. Sebürfmöloä , materiellen ©enüffen 
abgeneigt, fa£ er ben Sßrüfftein magrer SJilbung in ber Art unb SBeife, 
bie SRußeftunben ju t>erwenben. 3Me Vergnügungen pflegte er fd&on 
in jüngeren 3a^ren in 2Renfdfjem>ergnügungen unb 2lffent>ergnfigungen 
einjuteilen. ©ffen, trinfen, raupen, reiten, jagen fönne ber 2lffe aud&, 
meinte er, oieUeid^t audf) bei t)orgefdf)rittener ©ntwidelung unb 25reffur 
Starten fpielen. 3ur ^leubt on ^ un ft un & Sßiffenfdfjaft bagegen fönne 
es ber 2lffe nid&t bringen. 

3m 3^re 1834 bejog 3llepanber Äepferling bie Untoerfität 33crlin, 
wo er fid) junädjjft bem ©tubium ber 3uriöprubenj wibmete. Dodjj 
balb ging er, feiner Steigung folgenb, gu bem ber 9?aturwiffenfdf)aften 
über. 3Bit geuereifer mad&te er fid& an bie 2lrbeit unb trat in regen 
Serfeljr mit gleidfjftrebenben Jüngern feiner SBiffenfdfjaft, wie ©riefe* 
badj unb Sdfjwann. SBor allen aber mar es 3 fann &einridfj Slafiuö, 
mit bem er einen engen 5 rcun bfdf>aftäbunb fd)loß*). 2Wit Ölafüifc 
mürbe im £erbft 1835 eine gemeinfame geograpfjifcfcgeognoftifdje Steife 
in bie Äarpatljen unternommen, mit i^m ber Sßfan gefaßt, ein großem 
50ologifd&ed Sßerf fyerauöjugeben : bie Siaturgefd&idfjte ber SBirbeltiere 
©uropaö. Staftloö arbeiten bie beiben greunbe im joologifd^en SRufeum, 
beffen 23enufcung ifjr Seljrer, ^ßrofeffor £idfjtenftein, if)nen in liberalfter 
SBeife gemattete. 2lfs im 3<*f)re 1836 gUajiud jum ^ßrofeffor am neu 
organifierten Collegium Carolinum nad) Sraunfdfjweig berufen würbe, 



*) 3°$ önn §rinridj SHaftuS, geboren ben 7. Dftober 1809 in (Srferbadj in 
9tyetnpreu£en, geftorben ben 26. 3Rai 1870 in 93raunfd)roeig alö ^rofeffor unb 
$irefior bed Collegium Carolinum. 



— VIII — 

befdbloffen bie ^reunbe, trofe ber Trennung bie gemeinfame Strbeit 
fortjufefcen. Sfafius tierfpradf) 311 fd&reiben unb im £erbft 1837 nadö 
^Berlin herüber jufommen. 3Bie er beibes unterliefe, fdfjrieb iJjm Äepfer^ 
ling ungebulbig: „öift £u faul, unenblidE) faul. . . . Sdf)i<fe mir bie 
^atrafartc, bie 55u bodfj nid&t fertig madfjen wirft. SeidE)tftnn, feurige 
SBerfpredfjungen. Uebernimm nid^t arbeiten, wenn $u feine 3 e ^ 
fiaft. . . ." $md ^oge barauf, am 14. September, folgt ein jweiter 
33rief, in bem Äepferling mitteilt, baß er nad) $3raunfdf)weig jum 
ftrcunbe fommen werbe, „ftür Süd)," ruft er an berfelben Stelle aus, 
„fdbeint es mir ^öd^ft notwenbtg, mit irgenb einer wiffenfdjaftlid&en 
Seiftung tjenwrju treten. 2ludjj mir madfjen es perfönlidfje 9Serl)ältniffe 
wünfdbenswert , bamit meine ftamilie nidf)t meine ganje Sticbtung als 
nufclofen Dilettantismus mißbilligt unb midfj baoon abjubringen fudf)t. 
Solche 9?ebenrü<ffid)ten barf man nidfjt außer ad)t taffen, folange man 
nid&t ganj unabhängig unb felbftänbig ift. Später foBen fie midj 
nidf)t befdfjäftigen unb idf) will einft in SSerfolgung ibealer 3roecfe e ^ n 
ungeftörtes inneres 2?bcn führen, wobei bie Spannung unb £enbenj 
ein3iger 3^ e ^ ift. ®as ^ßrobuft besfelben, bas bei jebem ^nbioilmiim 
jämmerlicb Hein ift gegen bas ©anje unb bas eigene 3^, fott widf) 
nidf)t weiter fümmern." 

$n bcmfelben ^afjre, im Dejember, oeröffentlidfjte 2Ueranber 
.Heuerling feine erfte 2lrbeit, eine Säuberung bes Uebergangs über 
bie Sllpen burdf) bas aWartetttf)al in ber 9?älje bes Stilffer 3odf)es. 
lieber bie Gntftebungsgefdridjte biefer Sdf)rift, bie fpäter ben 2lnfaß 
31t feinem 50jäf)rigen Sdjriftftellerjubtiäum gegeben, fd&reibt 1888 ber 
£odf)betagte in banfbarcr (Erinnerung: „Xex große ©eognoft Seopolb 
von 23ud) war es, ber bie 9lbfaffung bcs flehten SluffafeeS anregte 
unb beffen 2lbbrudf in Seon^arbs unb SJronnS ^a^rbüd^em beforgte. 
<Sx fjat es getban, wabrlid) nidf)t bes 3nl> a ftö wegen, fonbem in ber 
3lbftd)t, einen jungen 9Jtann, bem er reinen Gifer für bie SBiffenfdwft 
jutraute, mutiger unb juoerficbtlidfjer ju mad&en. 9)Jir ift barauS für 
bas £cbt\\ eine muftcrgültige Sebre erwadjfen, wie man bei ben erften 
^robuftioncn, wenn fie audf) feine befonbcre $eadf)tung beanfprud&en 
fönnen, bas im jugenblidjen £erjen entflammte Jyeuer für bie 23iffen= 
fdfjaft beleben unb fräftigen fann." 

9?id)t nur JletjferlingS tyodboereljrter Sekret Seopolb von 23ud^, 
audf) Üllcjanber oon £umbolbt, ber fdfjon burd) 3)iitteilungen über bie 
ttarpatbenreife auf .Heuerling aufmerffam geworben war, bejeigte 
Seilnaljme. 6r babe in biefem 9luffafee ^been gefunbeu, bie ein not 
wenbiges unb oft nidfjt genügenb oorljanbenes Ürforbernis retfenber 



— IX — 

9taturforfdfjer wären, fagtc er bem jugenblid&en Slutor, inbem er if>n 
ju Steifeunternebmungen ermunterte. Seit jener 3 C ^ tf* 5üejcmber 
oon ßumbolbt ftetjferlingä arbeiten ftetö mit ^ntereffc gefolgt unb 
bat it)n in ber if)m eigenen großberjigen Söeife burd& Gmpfel)lungen 
unb Befürwortung geförbert. 

Sur<fy ben erften Grfolg in feinem Selbftbewußtfein gehoben, 
arbeitet ÄepferHng weiter, meift in Berlin, juweilen in Braunfcbweig. 
3)Kt feinem 2Witarbeiter Blafiuö fteljt er in regem brieflichen SSerfebr. 
(?r will rafdf) jum 2lbfcf)luß fommen, wenigftens mit bem erften 2eil 
be£ großangelegten SBcrfcö. Blafiuö befdfjäftigt fidb mit Sdfjäbels 
meffungen. Äegferling warnt oor ju wettgetjenben Unterfucbungen, 
„ba bie Strbeit ja oljneljin fdjwißt wie ber ftrofcb, ber es bem Ddfjfen 
gleicbtyun miß". 2leußere Störungen läßt er fidb nid&t gefallen: 
„9tur baburdf) fonntc i<b mieb Störungen, bie meine Slrbeit bemmten, 
entjieben, baß idj in eine entlegene cinfamere ©egenb Berlin* jog, 
benn mein $au$ mar aHmäblidf) ein fturlänber unb Sitauer $otel 
geworben, worin beö treibend fein Gnbe war. Seit bem 1 . 2J?ai ift 
e* gefdbeben, unb idf) arbeite wieber unb bin üergnügt genug, um einen 
Brief ju fd&reiben. SBie wenig gel)ört baju, einen äKenfcfpn glüdtlidb 
ju tnad&en! 6in paar Stunben mit alten Bälgen unb gebern ju= 
gebraebt, unb fein ©eift ift wieber frifdf)!" Sie i'ercben, bie Sing= 
t>ögel fyat Äegferling bearbeitet, — enblid) tonnen bie ftreunbe an bie 
Beröffentlidfjung f (breiten. 3uerft ß*&*n fie gewijf ermaßen ein SHufter 
ber Don ibnen beabfid&tigten Bebanblung ber europäifeben Tierwelt in 
jwei Shiff&feen in SBiegmannö Sfrdbio für 9toturgefcbicbte : „Ueberficbt 
ber ©attung^ unb 3lrtd)araftere ber europäifeben ^lebermäufe" unb 
„Ueber ein joologifdfjeö Äennjeid&en ber Crbnung ber fperlmgöartigen 
ober Singoögel." 25er Erfolg biefer ^Srobepfeilc entfprad) ben Cr* 
Wartungen. „©ötttidi!" fdjreibt Heuerling. „2ßir baben ungeheuren 
Staub aufgeregt. Sie 3lrt unb SBeife, bie ^yröjjlid^feit meiner die; 
baftion be$ Singüogelauffafces bat bie Seilte bis aufs Blut gereist. 
Burmeifter ift in fein SRufcum gelaufen unb bat fcbließlicb an SBieg* 
mann einen Sluffafe gefebidft, worin er unfre Mitteilung für febr banfenfe 
wert unb interejfant bält, mbes ibre Bebeutung mögliebft ^erabjubriiden 
fud&t. ftür biefen 9Cuffa$ bereite icb eine tüchtige, aber gemeffene Ant- 
wort r>or. 3ln ©logerä impertinentem 9luffafte, ber niebt ba© geringfite 
wijfenfcbaftlidbe Qntereffe tyat, gebe idf) ftillfcbwcigenb DOriibcr." 

Sie große 3trbeit, „Sie Wirbeltiere Europas, 1. £eü", würbe 
bem Srudf übergeben, unb Heuerling txrließ am 22. Sejnnber 1839 
Berlin, um bie Heimat wieder ju befueben, nadjbem er ben ruffifeben 



— X — 

©efanbten 33aron 3Rcpenborff auf Slaftuö aufmerffam gemalt unb fo 
bcm ^reunbe bie SBege ju einer 2lnftellung bei wiffenfd&aftlidfjen 6fP es 
bittonen in JRuftlanb geebnet Ijatte. 

2Uej:anber Äepferltng Ijatte feine ©tubien beenbet. Gljarafteriftifdf) 
für feine ©inneöart ift es, bafe er nie naefy einem äufeeren 3lb~ 
fd&fufj bcrfelben, etwa burdfr ßrlangung beö £oftorgrabeö, geftrebt 
tjat 3^ei $dt)xe fpäter ift tym ber 6l)renboftortitel feitenö ber 
Unioerfität Berlin aerlteljen worben, unb in ber ^olge audf) feitenö 
ber Unioerfität 2>orpat. 2>en 2)oftortitel Ijat er nie geführt, ©ein 
©inn war äußeren ©f)ren, felbft ben afabemifd&en, abgewanbt unb 
nur auf wirfltdfie wiffenfdfjaftltdfje Seiftung gerietet, unb mit einer 
folgen wollte er fein ©tubium abfdf)lie&en. $n feltencm ©rabe war 
if)tn biefeö, im herein mit Slaftuö, gelungen. Äonnte bo<$ nad) 
faft 50 Safyxm Dr. ©etjbltfc fd&reiben *) : „$ür alle ©ebiete ber 
3oo(ogie roav bie burd) baä SBerf eingeführte 3)ietf>obe r weldfjc ba& 
©anje ber morpljologifdfjen £l)atfad)en in ber fnappen ^orm btdjo* 
tomifdj angeorbneter ©rjntfjefe barfteHt, ba^nbred^enb. ©tatt enb? 
(ofer Äoorbination t>on sufammenfianglofen ©injelbeobadfjtungen unb 
©injelbefdjreibungen braute biefe -Dtettjobe bie waljre oergleid^enbe 
3Jiorpf|ologie ju logifdjer ©eltung, übertrug bie gorberung unfrei 
2lltmeifterö $arl ßrnft oon 33aer, SJeobadjtung unb Steflefion ju oer* 
binben, oom ©ebiete ber Sntwidelungögefdf)idE)te auf bas ber natür? 
lidfjen Stjftematif unb madtjte biefe baburdf) ju einer logifd&en 2öiffen* 
fdfiaft. Dljne biefe 2Retf)obe fyatte ftdE) bie fogenannte ©ijftemattf, weil 
eben nidfjts von Softem in ifyx ju finben mar, bie Sejeidfjnungcn 
,troden', ,geiftloö' u. f. m. erworben, mit berfelben aber wirb fie bes 
fäfjigt, weit über bie ©reujen ber Jadfjgenojfeu ^ naU ä an ber geiftigen 
©dfjulung ber <3 ll 9^nb teilzunehmen unb fo ber gansen 9RenfdE)f>eit ju 
gute ju fommen." 

S)eoor mir Äeijf erfing in bie £eimat folgen, möge nod& fjeruor^ 
gehoben werben, bafc er in Sterlin mit Otto x*. Siömard, beffen ctljtfd&e, 
marfige ^>erfönlidf)feit iljn anjog, geraume 3*ü jufammen gelebt f)at 
33iömardE anbrerfeitö fjatte üolleä ÜBerftänbntö für ftetrferlmgö ibeate 
©inneöart. Sin bcfdfjeibeneö Stubentenleben führten bie beiben ftreunbe. 
„Söenn wir bei Haffe waren, gönnten wir und in einem SHeftaurant 
ein 33eeffteaE unb ein ©laö Sperrt)." £ie ©tubengenoffen trieben 
jufammen ©nglifdj unb pf)ilofopf)ierten triel über ernfte £inge, bcfoiu 
berö über Religion, Stomarc! liebte eö aud), Heuerlings Hlamerfpiel 



*) Dr. öeorg o. <&eyblit&, Fauna baltica, bie Ääfer. 



— XI — 

*u fauföen. Die Sebenöpfabe her beiben SRftnner fjaben fid& mefir* 
fad^ gefreujt, bodfj ift ea Äepferling nidf)t oergönnt geroefen, mit bem 
^reunbe gemeinfam ju arbeiten, benn als ber grofce Äanjter ityn t>or 
ftalte Ernennung jum Sultuäminifter naeft £eutfd&Ianb berufen wollte, 
fdfjeiterte biefer ©ebanfe an unüberwinblidjen ©dfjwierigfeiten. Seine 
©mpfeljlung SepferlingS ift von Stemardf, ber ifym bid jum £obe ein 
treuer greunb blieb, unberücfficfytigt gelaffen worben. 



2Bctynadf)ten 1840 t>erbradf)te Äetrferling in ©olbingen in $ur~ 
lanb mit feinen ßltern im Sreife ber 93erwanbten unb Jreunbe. 

„2Reme Diepgen SSerbältniffe finb ibeat glfi(flid&," f treibt er 
Slaftua am 5. g^bruar. „@ä fefylt mir u>eber an $reunben, nod& an 
ftreunbinnen, nod& an Orot." Unb bodfj war ber 3Rann ber äBtffen- 
fdfjaft bem breiten, gemütlid&en, gaftfidfjsgefetligen battifdfjen Seben fremb 
geworben. „SBer fein ©iner mit frönen afi, nid&t trauernb mannen 
SaB burd&fafc, ber fennt eudf) nidf)t, ityr Ijimmlifd&en 9WädE)te, — ift 
eine Sedart, bie ifpre SBa^r^eit fyat," f treibt er bem ftreunbc, unb 
weiter f>ei§t & mit wadbfenbem Unbehagen im folgenben 93riefe: „2lb* 
gefdf)ieben von allen Sudlern unb Sammlungen, oon allem wiffen* 
föaftßdjen Umgang lebe idf) in einfamer unoerftanbener Xljätigfeit, 
ber meine Umgebung einen inftinftioen Stefpeft joHt. . . . $df) Ijabe 
oerfudfjt, auf terfd&iebenen ^agbegfurfionen 2Wateriat 311 fammeln. @£ 
ift aber ungewöfjnlidfj fdfjwer, von ben fiiefigen ^agben für unfre 
SBiffenfdfjaft SBorteil $u jieljen. ©ed&ö ©lenne finb gefdjoffen worben, 
unb bodfe fyabe idfj feines erfdfjöpfenb bearbeiten fönnen. 3 ucr ft toottte 
idj bie £iere unterfud&en, fobalb fie im JQauü gebraut werben. T>a 
werben jte inbeffen oljne ^arbon in ben Seiler geworfen, abgelebert 
unb jerljauen, bamit bie ftleifdfjmaffen nidftt in SJerwefung übergeben. 
Sei etnbred&enber -Jtodjt treffen fie am bem 2Ba(be ein, unb ba mufr 
man fte bei SpanlidE)t im bunfleu Seiler unterfudfjen. 3$ befdfjlofr 
baljer im SBalbe fofort an bie 3trbeit 511 geljen, mit Sleiftift unb 
Rapier, unb im Schnee bie ÜRefultate Ijinjufrifceln. Slber felbft ba ift 
mir feine tu>He ©tunbe 3 e ^ ßefd^enft worben." 

Setjferling trägt ftdf) mit allerlei Steifeplänen, er plant nadf) Gfjina 
ober audf) um bie SBJeft 311 reifen. SBiet ift audlj von einer miffeiu 
föaftlicl)=ftatiftifdE)en ©fpebition burdlj SRuftlanb bie Siebe, bie öaron 
3l(eranber ajtepenborff ju unternehmen bcabfidjtigt. SBie Setjferling 
eben ben C£ntf$(u& faßt, nadf) Teutfd)lanb jurftdäufeftren , fommt es 
am 29. 2lpril in SKitau 51t einer pcrfönlidjcn Sefpredjuug mit SWepetu 



— XII — 

borff, ber auf ftegferlingd 9äunf($ 33tafius aufforbert, als Stoturforfdjer 
bie (Sjrpebition ex officio mitjumad&en, wäfjrenb ftegferling, feine 
^reifyeit waljrenb, unentgeltliche SKitarbeit jufagt. Sd&on am 7. 2Kai 
trifft er in Petersburg ein, wo er Äarl ©rnft t>. 33aer, Sir Stoberid) 
$Rur$ifon unb ©bouarb be Serneuil lennen lernt. 2>ie beiben leiteten 
Ratten auf eigene ^nitiattoe un b auf eigene Äoften eine geologifdjc 
#orfcf)ungsreife burdf) Stufelanb unternommen. 33lafius ift nodE) nidjt 
eingetroffen. $l)m fdf)reibt ber $reunb: 

„$ür bie wiffenfdfjaftlicfje Slusrüftung ber SRetjenborfffdjen (*£pe= 
bitton ift erbärmlich geforgt. 2luS ben öffentlichen Äaffen ift fein 
geller angewiefen worben. $ um präparieren foll ein Unteroffijier 
jufommanbiert werben, ber aber bisher oergeblidj oon feinem ©pajier^ 
gang an bie cfyinefifdfje ®renje jurüderwartet wirb. 3$ ijabc aber 
feljr faltes 33Iut. 3$ arbeite mit 9htr$ifon unb Serneuil unb bin 
©eognoft, wo idf) feine £iere befomme." 

9)fegenborff forbert 5Wurd)ifon unb $erneuil auf, tyre Steife mit 
feiner ©jpebition ju oerbinben. ©o bradf) benn bie ganje @efeUfc$aft, 
bis auf Slafius, ber fie fpäter einholte, jufammen aus Petersburg 
auf. ®a bie SRe^enborfffdje ©rpebition jur Aufgabe Ijatte „@infid)t 
in bie Hilfsmittel }u gewinnen, meldte bie Statur bem ©ewerbflei&c 
Stufelanbs barjubieten oermöge", alfo me^r praftifdje ßroede ©erfolgte, 
H)iurd)tfon unb SBerneuil bagegen, benen Lieutenant Äoffdjjarom äu= 
fommanbiert war, rein geognoftifcfcwiffenfd&aftlidfje $iele im 2tuge 
Ratten, fo erwies es fieb balb, bafc ein gemeinfames Steifen auf bie 
Jßänge nid^t burdjfüfjrbar war. $n SBptegra trennten fidf) bie ©eognoften 
von SJtegenborff unb jogen norbtoärts gen 2lrdfjangel. Äegferling 
fonnte bei feiner unabhängigen Stellung nidf)t nur an 9)tei;enborffS 
©rpebition, fonbem aud^ au ben 2trbeiten äRurdnfonft unb SBerneuils 
ferneren ttjätigen Slnteil nehmen. 

Qn 3Belify4lftjug, wo fpäter alle Steifenben jufammentrafen, er* 
franfte SJlafiuS, unb Äepferling wibmete jtdj ganj ber pflege bes 
$reunbes. ©aburd) unterblieb bie geognoftifcfyc ßrforfdfjung ber füblidf) 
unb weftlidf) oon SJtosfau gelegenen £eile Stufelanbs, benn erft, naef)- 
bem fdjou längft ber Sdmee gefallen war, betrat er biefe ©egenben. 
Auf biefer Steife befdjrieben Heuerling unb 33laftus eine neue 2Büt)U 
rattc (Arvicola rattieeps), leiber bie legte 3lrbeit, bie bie beiben 
greunbe gemeinfdjaftlidE) veröffentlicht babeu. 9)turd)ifon unb 33erneuil 
febrten im Spätfjerbft nadj ©nglanb jnriief, Slafius blieb ben äBinter 
mit Heuerling in Stußlanb unb jog erft im Jyrü^jaljr 1841 wieber 
nadb SJraunfdiweig. 



— XIII — 

3n Petersburg Ijatte tf etjferling im 2luftrage feines Hater* einen 
^rojeft im Senat $u füfprcn, ber in 9Ritan burd) ben 2tboofateit 
„abfurb" oerloren roorben war unb ben ganjen Sefifcftanb ber Familie 
in ftrage (teilte. 2118 es Äepferling fdrien, bafe er bie Sadje ins nötige 
01eis gefahren fyabe, nribmete er fidj roieber roiffenfcbaftlicben arbeiten 
unb trat in ein freunbfdjaftltdjes SJerfjältniö 311 Marl Grnft t). 93acr, 
SJlibbenborff unb 311 bem äfabemifer öranbt. 3)amafe fnüpften ftcf> 
aueb feine Sejiefiungeu jur ©rofefürftin gefeite*), bie am Petersburger 
§ofe eine einjigartige Stellung babureb einnahm, ba§ fie bemütjt mar, 
ibr Calais 311 einem SMittefpuuft ^öfjerer geiftiger ^ntereffen unb ebler 
Öeftrebungen ju machen. 

£ie geiftooffe ftürftin, bie f}odf)f)erjige 33efcbüfeerin ber ftünfte unfc 
SJiffenf haften , erfannte balb mit bem ifjr eigenen Sdwrfblidf bie 
^eroorragenben Gigenfdjaften bes jungen ©elefjrten, 30g iljn in ibre 
näcbfte Umgebung unb beebrte ibn mit ibrem Vertrauen, bas fie ibnt 
bis an ifjr fiebensenbe (1873) bewahrt unb benriefen fyat. 

iter allem aber trat fteijferling in ein freunbfcbaftficbeö SScr* 
bältnis 511m ^inanjminifter Oirafen Öeorg Gancrin, in beffen $aufe 
er bie roärmfte Slufnafjme fanb. £er fenntniöreiebe, geniale Staate 
mann erfdjien feiten im Greife feiner Jyamilie, pflegte bodf) ber arbeit* 
fame, fefjon fränf liebe 9Rann feine 2Waf)lseiteu bamals einfam 511 ge= 
niefeen. 2Benn aber Äegferling fam, fo gefeilte ftd) aueb ©raf Gancrin 
äu ben Seinen, ober liefe ifm 51t fieb bitten, um fidj mit ifjm in lange 
tmffenfdjaftliefje ©efprädje 311 vertiefen. So bot ftd) benn tfetjferling 
bie Pjelcgenfjeit auseinanbersufefcen, baft, wie fei>r aud) burd) bie oorig= 
jäbrigen Grpebitionen unb bie 2Irbeiten eu^elner ftorfdjer bie geogno= 
ftifdjc tfenntnis bes t'anbes uermcf)rt morben, bie geofogifdje Gr= 
forfebung SHufefanbs immerbin eine nod) 311 löfenbe aufgäbe geblieben 
fei. $ierburcf) bewogen ertturfte ®raf Gancrin bie faiferlidje OJe? 
neljmigung ju einer großen geologifeljeu ^orfebungöreife, ju ber 9)Jurd)U 
fon unb 93erneuif aufgeforbert unb reicblidie 9)iittel bewilligt mürben. 
Heuerling, ber in3mifcben sum Gbrenboftor ber berliner Uniocrfität 
(27. Februar 1841) ernannt worben mar, mürbe als Beamter bes 
§inanjmtmfteriums für befonbere Aufträge, fpcjiell für geologifebe 
Aorfdbung, in ben ruf fif eben Staatsbienft aufgenommen unb am 
29. 9(pril 1841 31t ber Grpebition befolgen; sugleid) würbe if>m oon 
ber Regierung bie 23erid)terftattung über bie Steife aufgetragen. Ter 



*) ©rofcfürfiin §erene, Öemafjlin beS GJrofjfürften 3Ric§ael Sßarororoitfcf), Sodjter 
b<« ^rinjen tyaul von SBüritemberg. 



— XIV — 

junge, fpäter berühmte SMineraloge, Lieutenant &offdf)arow, würbe 
lüieberum ben Steifenben beigefellt. 2)urd) frühere gemeinfdE)aftlidj)e 
2lrbeit an einmütiges 3ufammenwirfen gewohnt unb von bemfelben 
geologifdjen animus befeelt, gelang eö ber Meinen ©dfjar, bie fid^ in 
Derfdjiebene Abteilungen üerjwetgte, in unglaublidf) furjer 3 e ^ faft 9 an S 
3tufelanb unb ben Ural ju burdftforfd&en, unb bie SSerf affer tonnten 
mit ©tolj barauf Ijinweifen, ba§ i^r riefigeö 28erf faft burdf)gängig 
<mf originalen öeobadfjtungen beruhe, „grcilidb toar eine fo fdjnette 
Bewältigung biefer großen Aufgabe nur burdf) bie 2teit)ilfe ber ruffU 
fd&en Regierung möglid) geworben. Qn ben £anbfteppen waren bie 
DJomaben mit tfjren ^ferben längs ben SBegen ber GJeognoften l)in~ 
Beftetlt, an ben einfamen $(üffen waren SBöte ju if)rer aufnähme ge= 
fertigt worben, ja es entftanb einmal fogar if)nen ju ftienft burd) bas 
3lblaffen eines £üttenteidf>cs ein Jyhife ba, wo früher leiner twrljanbcn 
war/' Slber audf) bie öeoölferung felbft, tyodf) unb niebrig, unterftüfete 
"bie Steif enben, auf alle il;re gorberungen erf Raffte, wie 3Jlurd)ifon 
fd()reibt, als Antwort bie üaubtxfyxmtl „moschno" (mojkho, es ift 
möglid)) unb jebe Sdfjwierigfeit warb überwunben. 

Anfang Cf tober 1841 teerten bie Steifenben nadf) Petersburg 
jurüdf. 

■Dturdnfon unb SBerneuil fonnten Äepferlings weitere SJtitarbeit 
nirfjt miffen, unb fo warb er, auf 33orfdf)lag bes GJrafen Gancrin, 
nadf) ßnglanb unb $ranfreid) gefd&icft, um bas Steifewerf ju ebieren 
unb eine geologifdf)e Sammlung für bas 33ergforpS anzulegen, ^n 
Sonbon unb $ßaris lebte Kepferling in angeftrengter wiffenfd&aft= 
lieber Arbeit, in regem 33erfel)r mit ben Äortjpljäen ber 2Biffenfdjaft. 
Jfaum pnbet er faxt, bk notwenbigften 23riefe ju fdfjreiben. 2)od) 
bem ftreunbe SlafiuS, ber ifjm feine Verheiratung anjeigt, f treibt 
-ex unb fagt bejeidjnenb: „Xu tjaft geheiratet unb fefjr wofyl baran 
<jetljan. ©wige Unbefriebigung füljlt ber 33ereinfamte, täglidf) fe^e idf) 
bas mefjr ein. ^n eblen Öcmütern trägt fie bas ©ewanb poettfdfjer 
Trauer, in getrübten ober gemeinen bas ber i>erbriejglidf)feit unb 
ÄleinlidEtfeit. $ä) felbft füfyle mid^ burd) fein fpannenbes Verhältnis 
an bas anbre ©efdjledljt gebunben unb befifce in ber Vejietjung wenig 
Polarität, $ä) werbe feine $rau finben, baljer ftrebe idE) nadf) ber 
poetifd)en Trauer. SoSgeriffen treibe idE) burd) bie SBelt unb liebe 
ben Sirius." 

2lm 30. September fefjrte Äeijferling jurücf unb würbe burdij 
iRangertjötjung unb ßklbbeloljnungen ausgejeidfmet. 6s erwartete tyn 
•aber aud) bie &iobsbotfd)aft, ba§ ber ^?roje§ feines 33aterä im 1. ^e? 



— XV — 

uartement bes Senate verloren roorben fei. 2Wit $ilfe'feineft ®6nner* 
Cancrin gelang es ifjm jebod), ben ^ßrojefj im Plenum ju geroinnen 
unb fo feinen ßltern unb ©efdmriftcrn tyr Vermögen ju fid)ern. 
3mmer intimer geftaltete fidj ftepferlings SSertyäftnis jum ißaufe beS 
Örafen Gancrin, bem er ftdj 511 großem Tanf oerpfltdjtet füllte, ©ie 
Gräfin Gancrin geb. SMuraroieff, eine geiftretdje leibcnfdjaftlidje <yrau, 
nmnfd&te aber ben fiiebltng iljres Warme* nodf) enger an iljr ^aud 
ju feffeln. $m Anfang bes ^afjres 1843 verlobte fidb 2Ue£auber 
ttenferling, 5ur Jreube feiner ©Item, mit ber öräfin 3£n£ibe Gancrin, 
ber älteften £od)ter bes ftinansminifters. 

Sie ^od^seit mußte IjinauSgefdboben werben, roeil bie lieblidjje, 
jarte Sraut von ben 9lerjten jur ©tärfimg ifjrer ©efnnb^eit nadE) 6mS 
gefd)idt rourbe, unb ber Bräutigam erhielt auf feinen SBunfd) ben 
faiferlid&cn Auftrag, bie wenig befannten Sßetfdboragegenben j$u er^ 
forden, um bie oon itym im herein mit SRurdfjifon unb Sfcrneuü 
erlangte Ueberfidjt bes europäifdfjen 9iußlanbs ju ergänjen. 

am 29. 3Wai 1843 um 2Witternad)t oerließ er Petersburg, be* 
ßlcttet oon Sßaul 0. Ärufenftiem, ber ifjm ju topograpf)ifdben arbeiten 
jutommanbiert roar, unb fefjrte am 1. Stooember Ijeim, nadbbem er bie 
imbefannten SBilbniffe erforfdfjt unb bas Xtmangebirge entbedt tjatte, 
wobei er etwa 7900 SSerft jurüdlegte, baoon 2000 ju 93oot unb 600 
auf Märten oon Sienntieren gejogen. 

9lm 9. Januar 1844 vermählte fidfj Heuerling, unb feine J^rau 
erhielt oon tyrem 83ater als £odjjeitsgefdE)enf bie ©ttter Siaifütt in 
Gftlanb unb tferfau mit Äönno in Ctolanb. 3unädjft blieb bas 
junge ^}aar in Petersburg, ©ort ift bas ältefte Äinb, bie heraus- 
geberin ber „Xagebudfjblätter" am 6. ^anwax 1845 geboren*). <£s 
jeigte fid) aber balb, baß eine Ueberfiebelung auf bie ®üter ber 
§rau bes a3ermögens roegen unabweisbar roar. 3lnbrerfeits mußte 
bas $etfdf>oraroerf abgefdbloffen roerben. „Die Steifen", meinte tf eijfer= 
* in 9, //fö^tt tro$ aller 3Hüf)feligfeiten unb Sefdjroerben meift munter 
jum 3^1 unb Reiter jurüd. £ie Bearbeitung bes ©efammelten ift 
bie gefafjrlid&fte Älippe, unb erft, roenn biefe umfdfrifft ift, an ber fo 
triele ber Sortreff tieften f Reitern, laßt uns ein ^reubenmaljl feiern/' 



*) 2)rei Äinber entfproffen biefer <S$e: 

^ fcelene, geboren in Petersburg ben 6. 3amiar 1845, »ermaßt im 
September 1874 mit 33aron Otto v. ZauU 31t Serroafant, 
Seo, geboren in StoiluU ben 4. 3Röra 1849, 

SRarie, geboren in Haifütt ben 1. 3Roi 1856, bafelbft geftorben ben 
23. 3<muar 1874. 



— XVI — 

$m SBinter 1846 brachte baljer ftepferling grau unb Äinb aitf 
ifjr Lanbgut SttaifüU, wä^renb er felbft nadf) Petersburg 3urücffet)rte, 
um feine ®efd)äfte ju orbnen unb bann bie ©rofefürftin Helene ins 
Shidlanb }u begleiten. (£r follte babei, rote eö in ber Drbre Ijeijit, 
„bie geologifdfjc :öefd)reibung beö nörblid&en Siufjlanbö t>ert>ottftänbigen 
unb bie Formationen SHufclanbö mit beucn einiger ©egenben 3)eutfd)s 
lanbö Dergleichen'' . 

Tie junge, frftufltcbe, in ber ©rofeftabt aufgeroad)fene Jyrau, mußte 
nunmehr allein in länblidjer 3lbgefd)iebenbeit, fern oom s J}oftoerfebr 
xint jeglicher mcbijinifdfien Jpilfe, in einem Sanbe, beffen Sprachen itjr 
noeb unbefannt waren, in einer gänjücb fremben Söelt bie Siebten 
ber Hausfrau auf bem fianbe erlernen. £odf>, gewohnt in grenjenlofer 
Eingebung unb Selbftlofigfeit ju bem geliebten 3)laune auftuföaucn, 
f)at fie bamalö unb in ber Folge alles leidjt getragen, roaö fie für 
fein unb feiner ttiuber 2öol;lerge^en als notroenbig erfannte. 3m 
ßerbft 1846 f)at SKeranber Heuerling in 2Bien fein ^etfe^oraroert 
tjollenbet unb bamit beu Sd&lujsftein für bie mit 9Kurd)ifon unb 3>cr= 
ueuil begonnene erfte geologifdje Crforfcbung Süifclaub* geliefert. £as 
s ^etfd)oran>erf ift ftets von ben Forfdfjern unb 9ieifenben, bie Aepfcrs 
lingö ^Jfaben gefolgt finb, befonbers gefdjäfct roorben.- £iefe Ijat er 
audj bei 51bfaffung besfelben im 3luge gehabt. Gljarafteriftifdf) bafür 
fcfjrcibt er: „diejenigen, benen eö 4)ebürfms ift, ben 3Serfaffem in 
6inje(beiteu ju folgen, um bie Solibität unb bie 3Wänget ber 9Wa- 
terialien, bie fie fräftigeu unt> ergänjen wollen, genau fennen ju lernen, 
oerbieneu am beften bebaut ju werben, ba nur fie bie eigentlidjcn 
(Srben unb gortfefeer unfrer 3Irbeit am $3au beö menfd)ltcf)en 2öiffeuö 
finb. 3n einer 3 C ^/ & a bie nriffcnfd&aftltcbc Litteratur o^ueljin burdj 
bie aufgefpeidjerte ©efdjroäfcigfeit ber 3 al () r fH m & erte 3 U e ^ ner # a ft Q«= 
gejdjroollen ift, bie imfer üorroärtö getriebenes ®efcf)ledf)t }u rebujieren 
ftd) feljnt, fdjeiut eö ein Sebürfuiö, bie roiffenfdjaftlicben opejialroerfe 
triebt mcljr jum Lefen, fonbern jum ü)tad)fd)lagen einjuriebten. . . . 
öonft gehörten rciffenfd)aftlid)c -Weiferoerfe jur beliebten Unterljaltungs- 
leftüre, jefct wäre eine fold)e Liebhaberei weniger ju rechtfertigen. 
Qewn bie 51t unterbaltenben Lefer tfurn beffer baran, ityre 3 e ^ öuf 
bie neueren £anbbücber ju t>erwenben, bie i^uen baö georbnete 0an$e 
einer Sttiffenfcbaft, oft in fo ansieljenber Jorm, barftelleu. äöollen 
fie aber Säuberungen uon menfeblicben Xljaten, ftreuben unb Leiben, 
fo mögen fie fieb an baö biftorifebe unb poettfebe Webiet unb an 
bie baljin einfcblagenben Steifen galten . Aüt 9kturwiffenfd)aften 
bringen bie menfcblidjen Leiben bes Sieifcnbeu unb feine ©emütöein= 



— XVII — 

brüdfe feinen ©ewinn. 33ei aller SBaljrljeit wiberftreben bie lefeteren 
ber nnffenfd&aftlidjen ©eftaltung nidf)t weniger alö bie menfdfjlicfye 
1J}()t)iiognomif." 

3n einem öffentlichen Vortrage in Sßien aerfud&t er eö aber bodfj, 
bie SRefultate, bie er mit ben 5 re w^ cn buxä) gemeinfame gforfdfjung 
gewonnen, bem großen Sßublifum 5U erläutern. 9iadf)bem er auf bie 
£auptergebniffe unb au<# auf bie praftifdf) uüfelidfje «Seite biefer wiffen* 
jd&aftlidien ^orfdjungen Ijingewiefen, fjebt er fjeraor, bafe baö 9tü&ttd)s 
fettöprinjip ein untergeorbneteö fei, benn oon biefem untergeorbneten 
Stanbpunfte am fönnte eö bodf) mand&em erf djeinen, bafc bie Gnt= 
berfung einer einjigen San! lebenber 3luftem für bie SWenfdfjen un= 
flleid) wtd&ttger wäre, alö bie ©ntbeefung aller »erfteinerten 2Rufdf)et 
bänfe ber SBelt. $en eigentümlichen 3 a u& e * geognoftifd&en $orfdf>enö 
erläutert er mit ben SBorten: „9hir bie ©eognofic begrünbet buref) 
bie Slufeinanberfolge ber Organismen, bie fie enthüllt, baö lebenbige 
$enmfctfein uon einem Jortfdfjritte, unenblidf) lange 3^iten Ijinburdf), ju 
immer Ijöfjerer 3Mfommen§eit. Äeine gorfd&ungen jeigen fo fetyr wie 
tte geognoftifdfjen bie unbegreifliche ©eiDott beö fdfjöpferifdjjen ,2Berbe'." 

SBon SBien auö fdfjicfte er ben Sßortrag bem Jyreunbe 23lafiuö 
unb fd&rieb iljm: „Seit wie lange f)aben wir unö nidf)t gefdjrieben! 
ttrie lange werben wir uns wieber nidfjtö fd&reiben, wenn wir nid&tö 
miteinanber ju tljun Ijaben. 3Jtan fann fidf) fdjämen, aber ba wafjr* 
fdjeinlidf) nid&tö weiter babei fyerauöfommt, fo fann man eö audf) unters 
laffen. 3n wenig SBorten fage idfj 35ir, waö auö mir feit 1843 ge? 
lüorben, 3$ reifte nadf) ber Sßetfcfyora, fottte nadfj Sibirien, geriet 
aber ju einer ^rau, fo ift auö biefer Steife nid)tö geworben .- 3$ 
heiratete 1844. ^nfolgebeffen fanb i<$ fo me( ju tfiun, bafc idf) faft 
üerjmeifelte, nodf) ein anDreö ©efdfjäft nebenbei betreiben ju fönnen. . . . 
3u &aufe f freien mir %xau unb ftinb, ©ine Xocfjter! &aö ift feljr 
ft&äfcenöwert, unb wäre fte mir md)t jur redeten 3 ei * 5" £ttfc 9* 5 
fommen, mein ^ßetfdfiorawerf wäre nie oollenbet worben. Siö jum 
3Ftoi 1846 ^atte idj eö gröfttenteilö fjerauögeprefct, alö bie liebenö= 
nmrbigfte unb nobelfte ftürftin*) ber ^e&twelt mid) aufforberte, fie 
auf ifjrer Steife ju begleiten. 2Bir waren fd)on auf bem Slücfwege, 
als bie ®rofcfürftiu 9Warie f)ier erfranfte unb ftarb. SRur nodj eine 



*) Orofcfürftm fcelene 



<£Kfa&et§, »ermaßt mit 3Rarie, f 1846. Äatyarina, ocnnä^lt mit 

Xbolp^ »on 9toffau, Sersog ©corg von SRcrflenburg 

t 1845. 1851, f 1894, 

II 



— xvni - 

£odfjter*) bleibt ber SWutter, bct id) bicne, unb id) roill mit alt- 
beutfdfrer Sienfttreue aushalten, bis fte weniger uerlaffen ift. £ann 
benfe id) nadf) £aufe ju geben unb bie ©üter meiner ftrau ju benutz 
fd&aften, unb mit 9t. in bic SQBctte mein eigenes ©eroid&t an Jünger 
ju probujieren, fo baß idf) es um bie liebe ©rbe t>erbienc, einft in 
tyrem Sdfjofee ju ruijen. . . . 9Wit ber 2Belt bin idfj gar febr jufriebett. 
öefonberö ift es eine greube um bas Sammeln von Naturalien unb 
meine Stube ift t>oll von 200 2lrten aus bem SBiener 33edfen. 9tn- 
genehm fiub immer bie ftbeen, bie man von ©Ott füfjlt, nur juroeilen 
bleiben fie üötlig aus. . . ." 

ÄerjferlingS nriffenfdjaftlidfjes Xagemerf mar in feinen 9lugen ab= 
gefd^loffeu. 3Bof)l f)at er fpäter^in nocb mandfje Arbeit geliefert, bie 
ftets bie 3lnerfennung feiner ?Jadf)genoffen gefunben, — Ijat bodf) ein 
Sluffafc in ber Societe Geologique de France 35arn>in veranlaßt, 
ifjn unter feinen Vorgängern ju nennen**) — er felbft pflegte feine 
fpäteren 2trbeiten als 3lHotria, als bie roürbige Ausfüllung feiner 
■JJhifeeftunben , anjufeben. @r mar ber Sfteinung, bem roeitjeDolfen 
35ienft ber 2Biffenfd)aft muffe man ftd) ganj bi n 9 e & en «wb auf bie 
anbern Sebensfreuben üerjidEjten. £umbolbt i)attt iljm einft gefagt: 
„Sie tonnen ber Sßiffcnfcbaft große 3>ienfte leiften, nur roenn Sie 
nidjt booten/' unb Stetjferling ftimmte bem Slusfprucb bei, „benn," 
fagte er, „bie @bc ift ein Seruf, ber bie pflege üon Qnbioibuen unb 
bie Sorge um bie nädjftliegenbe menfd&lidjje ©efeHfdf)aft $u einer Ijofyen 
fittli^en ^ftxcbt ergebt/' 

fortan l;at fid) Äepferlmgs £eben in anbern Sahnen bewegt. 



3m 3aljre 1847 fdfjlug er feinen ftänbigen Sßofmfifc auf feinem 
£anbgute 5RaifüIl auf. £er 33eroirtfd;aftung biefes ©uteö fjat er fid), 
foroeit es ibm möglieb mar, geroibmet, bot bic SSolfsfpradje, bas (B)U 
ntfdfje, erlernt unb fid) eine große fad&männifd&e lanbroirtfdf)aftlidf)e 
Silbung erworben. Sodf) fehlte ibm, ber als langjäbriger ^5räfibent 
bes eftlänbifdjen lanbmirtfdf)aftlid)en Vereins für bie gefamte £anb= 
mirtfdjaft bes &anbes anregenb unb belebenb genrirft, jum praftifdjeu 



*) ©rofjfürftin flatljartne. Um bie na$ bem Sobe ifjrer 6<$roefter oerein- 
famte junge ^Jrinacfftn Don tyrem Kummer abjufenfen, führte fte Äepferling in bie 
beutle fiitteratur ein, inbem er Ujr bie SWeifterroerfe unferer Äraffifcr oorlaö. 
$ie Ijoc^gebilbete ebre gürftin nnbmete tym feitbem eine treue greunbfäaft. 
**) 6. ©. 139 Slnm. 



— XIX — 

Saubtöirt bie ©eroofjnfjeit, btc pljpfifcben Seiftungen anbrcr ju über* 
machen, 9lnforberungeu ju [teilen, 311 berufen unb ju befehlen, meiere 
©eroo&n&eit ben SRilitärbtenft in mancher £inftd&t ju einer fo au«* 
geäeidfjneten SBürfd&ule für bie SanbroirtfdEjaf t mad&t. „@ö ift bie SPfftdjt 
bes praftifdfjen Sanbroirtß," meinte Äepferling, „bie geiler feiner Stfenfk 
teilte me&r als il>re £ugenben iljnen bemerfltdfj ju madfjen, roaa auf 
bie Sänge immer fd&roerer n>trb." S&m fehlte aber oor allem nidEjt 
nur ber faufmännifd&e Sinn, fonbern bie ?freube am ©rroerb. %üx 
feine Sßflid&t Ijielt er eft, baö Vermögen feiner grau ju erhalten, auf 
bie ßälfte feiner t>ätertid&en ©rbfdjjaft Ijat er oerjid&tet. 3^m fdfjien 
es unrofirbig, ben Staatöbienft ato eine Duelle beö ©rroerbes anjufe^en, 
unb als er, vom Äaifer jum Äurator ernannt, gefragt würbe, mies 
Diel ©el)alt er beanfprud&e, begnügte er fidf) mit ber etatmäßigen ©age, 
roaö i$n in fpäteren Qa^ren ju ber 21eußerung üeranlaßte: „06 id(j 
ein guter Äurator geroefen, weiß idfj nidfjt, jebenfalfe bin idjj ber 
billig fl c geroefen, ben ber rufjifd&e ©taat je gehabt. " Sßeinlidfj 
genau in feinen ©efd&äften mar e* iljm ein Sebürfnifi, feine 33ermögen$~ 
läge ftetö Mar ju überfein, unb frü^ fd&on meiste er feine Äinber 
in alle feine ©efdfjäfte ein. 2>esljalb legte er mit SRed&t ein große* 
Öeroidjt auf genaue 93ud^fü^rung unb Ijatte eine von tym felbfl ber 
SanbtDirtfdfjaft angepaßte boppelte öud&fü^rung auf feinen ©ütern 
eingeführt unb roä^renb 40 $a§ren nie öerfäumt, feine Sudler felbfl: 
abjufd&ließen. $eben 1 . 2(pril beö QaljreS befiel iljn, roie er efi nannte, 
bie calculeuse. Mafilos würbe tagelang geregnet, bis ber Reinertrag 
auftgemittelt unb atö ben gefunbenen ©rgebniffen bie ©dfjlußfolgerungen 
für bie 3Sirtfdfjaftsfül)rung gebogen roorben. Stanf biefem Älar&eits* 
bebürfniö unb feinen ^eroorragenben Äenntniffen ift eö ©raf Äepfer= 
(ing gelungen, trofe feiner bem ©rroerbsleben abgeneigten ©inneäart, 
als prafttfd&er Sanbroirt mefjr ju leiflen, als mandfjer fogenannte 
^raftifer. ©ine auffäfjtge unb arme 8auerfd(jaft f)at er in eine redfjt* 
liebenbe unb roo^fyabenbe umgeroanbelt unb baö @ut JHaifüff, trofc 
fd&ledfjter SBiefen* unb 2Beibet)er^ä(tniffe, trofc bes mageren, bur<$ 
ertenjfoe SBirtfdfjaft oerroilberten SBobenS, o^ne Srennerei, nur burdfj 
ftutterbau unb rationelle Sßirtf d&af t , in einen tyof>en Äulturjuftanb 
gebraut. 

3ft ben erften ^aljren feiner lanbrairtfdfjaftlidfjen Xl)ätigfeit fanb 
ßegferling bie 3Ruße, fidE) oiel unb etngeljeub mit religiöfen unb p^ilo* 
fopljifdfjen Problemen ju befd&äftigen. 1852 fdfjreibt er feiner ©d&roefter 
(Veline Öaronin oon 8el>r nadf) Hurfanb: „3$ l)abe baö 2llte Xeftament 
befonbers roieber ftubiert unb für midfj oöHig neue ©ntberfungen 



— XX — 

gema<$t." ©r Ijatte bamalß bie altteftamentltd&en ©Triften burcfc 
gearbeitet, um ftdfj bie grage ju beantworten, waß in tynen über bie 
3ufunft ber SBerftorbenen geteert werbe. @rfl tuet fpftter Ijat er bie 
©Triften beß 9?euen Seftamenteß auf biefelbe grage Ijtn bearbeiten 
!önnen, benn bie nädjften %af)Tt feines Sebenß waren faft ganj t>on 
Politiker 3lrbeit in JKnfprudfj genommen. 

1847 in bie eftlänbifdfje 2lbetßmatrifel aufgenommen, würbe 
Äepferling 1850 jum Äreißbeputierten gemäfjft, wobei er nodjj baß 
2lmt eines Äirdjjfpielridfjterß befteibetc. Daburdjj warb i&m bie ©e- 
legenljeit geboten, bie bäuerlidfjen SBerljältniffe beß fianbeö von 
©runb aus fennen ju lernen. 3»n furjer 3 e ^ fünfte er fidf) in @ft= 
lanb Ijeimifcfy, woju bie brfiberltdfje 9Iufnat)me fettend ber (Jftlänber 
unb tyre ©efinnung, bie felbft bei erbitterter polttifdfjer @egner= 
fdfoaft bie perfönlidfjen 3?erf)ältniffe unberührt liefe, tuet beitrug, i>or 
attem aber bie eigenartige, tyn fpmpatljifdfj berüljrenbe SSerfaffung 
beß fianbeß. 

©ftlanb würbe oon ber beutfdfjen SHittcrf c^af t , bie alß Korpo- 
ration fein Vermögen befeffen unb nie nadfj Vermögen gejlrebt §at, ber 
aber oom Staate bie alleinige Verfügung über bie ©runbfteuer über* 
Iaffen worben, oerwaltet. 3tuf üjren Sanbtagen oertyanbelte bie 9titter= 
fdjaft über baß 2öot)l unb SBe^e beß £anbeß in freiefter SBeife unb 
befefcte burdfj freie Sßafyl, ofjne Seftätigung feitenß ber ^Regierung, 
faft ade Soften beö ßanbeß, üon ben nieberen ^ßolijeipoßen biß ju 
ben Ijödfjften Suftijpoften ber Sßrooinj. 

ÜKit geringfügigen 2lußnaljmen waren alle Sttemter ©fjrenämter 
unb ityre 2lnna^me obligatorifd&. 2tn ber ©pifee ftanb ber 9titter= 
fc^af tßfjauptmann , ber bie 33ejief)ungen jur Staatöregierung oer= 
mittelte, audfj er unbefolbet, tro| ber großen pefuniären Dpfer, bie 
baß 3tmt auferlegte. 3Beber 9ieidfjtum nod(j Ijotjer Slang gab in bem 
f eltf amen Sanbe Stnf eljen, f onbern nur Opferwillig! eit unb Spflidjjttreue 
im SDienfte ber £eunat. 

9luf ben fjoljen ^rinjipien beö @l)renpfftdf)tbienfteß unb beß frei= 
wittigen ©eljorfamß benote bie SBerfaffung beß £anbeß, ju beffeu 
Dienft 3llejanber Steuerung feine beften 2Ranneßjaf)re Eingegeben, unb 
beffeu $üljrung if)m im Januar 1856 alö Slitterfdfjaftöfyauptmann 
übergeben würbe. £rübe, fdjwere £age waren über baß Sanb §erein= 
gebrochen. $>er orientalifdfje ftrieg tjatte grofee Dpfer gefoftet unb bie 
©df)ulbenlaji ber StttterfdEjaft war bebeutenb gewad&fen. @ß fehlte an 
©elb unb Ärebit. Heuerling gelang es, beim ftinanjminiftertum eine 
anleite oon oier Millionen s JJubel ä 3 °/o für bie ritterfd&aftltdf)e 5trebit= 



— XXI — 

fafje (Slgrarbanf) auöjutmrfen, rooburdfr mieberum bte SKöglid&feit gc* 
boten warb, bcr Canbnrirtfdjaft bittigen Ärebit ju gewähren unb fo 
Die ©runblage für bcn aufblüfjenben SBofjlftanb beö Canbeö ju fdfjaffen. 
£odj} nidfjt allein bic materielle Sage bes Sanbeö war eine büftere, 
e$ waren 3^ten gefommen, wo bte gefamte ©elbftoerwaltung (Sftlanbs 
in ftrage geftettt würbe. 

3m 3aljre 1842 war üon ber eftlänbifdf)en SRitterfd&aft eine SRe- 
form ber Sauergefefcgebung in angriff genommen worben, um bic 
Seiftungen unb SRed&te ber im Safyxe 1816 t>on ber SeibeigenfdEjaft 
befreiten Sauerfdfjaft ju regeht. 35iefeö ©efefc war nadf) garten kämpfen 
§nrijd)en ben Vertretern rerfdjiebener 2lnfd)auungen unb £f)eorien auf 
ben Sanbtagen ju fianbe gefommen, bann burd) £ranöaftionen mit 
oerf^iebenen 9tegierung3autoritäten üeränbert, unb enblidfc 1856 be* 
[tätigt worben. Sei ber praftifdjen 2lnwenbung jeigte ftd&, bafc baß 
Seftreben, ©rfonnenes an ©teile beö Seftefjenben ju fefcen, ju Unju= 
träglidfjfeiten führen mußte. £rofc ber Sauerucmanjipation waren bie 
SJer^ältttiffe jwifdjen £errn unb Sauern bie trabittonellen, ax\$ ber 
Seibeigenf dfjaft&jeit äberf ommenen , geblieben, unb follte nun biefer 
größtenteils recfytlofe Soben mit einem neuen eleganten ©pftem über* 
baut werben. Siefeö ©pftem beftanb bariu, ba§ bie S6gren}ung beö 
ben Sauern jur 9iufcung überwiefenen Sanbes unb bie Formierung 
ber gron nidfjt auf einmal, fonbern nad& einem, erft in einem 2Renfd)en- 
alter burcftfüljrbaren Äatafter aUmäf)lid& gefdbefjen follte. £urd) biefen 
fiatafier mürben wedfjfelnbe ffuftuierenbe 3uftänbe gefd&affen unb bie 
Sauerfdfjaft, bie üon bcm ©efefce ßrleidfjterung unb fefte Siegelung 
ilirer Serfyältnijfe erhofft fjatte, in Unruhe nerfefct, was auf 25 ©ütern 
jur Arbeitsverweigerung führte unb auf bem ©ute 3Rarf)terö fidf) bis 
)u Siuljefiörungen fteigerte. Seim ©infrfireiten bes SWilitärS mürben 
ein Dffijier unb mehrere ©olbaten üon ber Seoölferung erfdEjtagen. 
Cbgleid) biefer ©ewattaft Dereinjelt blieb unb bie SHufje gteidl) wteber 
liergeftettt mar, mürbe ber %aü t>on ber jur ©elbftoerwaltung ber 
SProoinj feinblidf) ftetyenben Partei ber Sureaufratie ausgenufct, um 
bie ©d&ulb an bem ©efdfjeljencn einjig unb allein auf bie beutfdje 
Äitterfdfjaft ju wätjen unb ein eingreifen ber Staatsgewalt ju t>er- 
langen. 

3n feinem mit großer ©ewanbttyeit gefdfjriebenen Serid&t fefete 
ber mit ber Unterfud^ung ber 2Rad£)terfdf)en Unruhen betraute ©e= 
neral Sffafow auseinanber: £ie 9ütterfdf)aft fyabz fowol)l ber 9te 
gierung wie ben Sauern gegenüber ein boppeltes ©piel gefpielt, benn 
unter bem ©dfjein, bem Sauemftanbe Erleichterungen ju fdfiaffen, 



— xxn — 

fyaht fie ihn nur nodfj me^r bebrfidfen imb ausnufcen wollen. Gin 
33eweis bofür fei bie abftdfjtlidfje 33erfdf>leppung bcr ©efefcesbejtätigung 
burdE) bie 9titterfd^aft unb bte bur$ ben großen Umfang ber 8e= 
ftimmungen unb bie unKate Raffung beabftd(jtigte Unoerftänblid&feit 
biefeS ©efefces, enblt<J) bie 3Berttojtgfeit ber ben Sauern gewährten 
fdfjeinbaren Stonjefftonen. GS fei ^J5fTi<3^t bes Staates einzugreifen 
unb ben Säuern £anb ju fd^enfen. £er Jlatfer f$rieb auf ben 
Seridfjt, er fei $öd&ft bemerfenSmert, unb perwies i^n 3ur 
Prüfung an bie gefefcgebenben ^nflanjen. £es ebten 3Ronard&en 
Vertrauen ' jur 9titterfd&aft war erf füttert, unb es fd&ien fafl un* 
auSbletblidf), baß bem Sanbe bie Regelung feiner Angelegenheiten, 
bie Autonomie entzogen werben würbe. — ©raf Äepferling begab 
ftdfj nadjj Petersburg unb tyatte ©elegenfjeit, in einer langen intimen 
Aubienj bem Äaifcr bie Sage bes Sanbes auseinanberjufefeen. „3<i> 
fonnte nid&t anbers," fdfjrieb er bamals in einem intimen $ru>at= 
briefe, „als mtd& offen über bie 2Rängel ber neuen Saueruerorbnung 
©fifanbs auSjulaffen, unb Ijabe barauf tyinmeifen muffen, baß otyne 
erfyeblid&e Aenberungen in bem ©efefce bie 9tul)e nodf) meljrfadfj 
mit ©runb in #rage geftellt werben mürbe. 3dfj fyabc gefprodfjen, 
oljne inftruiert ju fein. Aber nur bie oolle SBa^rfjeit fann unfre 
Korporationen bes oäterlidjen Vertrauens würbig machen, beffen mir 
genießen, unb anbcrs fann unb mag i<$ nid&t uns vertreten." 35ie 
tenbenjiöfen Verunflaltungen bes ©enerats Sffafom mies Äepferling 
in einer Dermd&tenben ©enffd&rift jurüdf, wirflidfje Uebelftänbe erfannte 
er noH an unb l)at nichts befd&önigt. So gelang es iljm, bas 33er= 
trauen bes ßaiferS ber 9titterfd&aft mieber ju gewinnen. Gs mürbe 
ii)t nun von ber Staatsregierung bie Aufgabe geftellt 1. eine Mare unb 
fefte, gefefclidfje Drbmntg fofort in aßen bäuerlichen SSerljältniffen jur 
©eltung ju bringen, 2. ju t>erl)inbern, baß eine fjöfjere unb ungleidf^ 
mäßigere ^ron als bie, welche burdö freiwillige, meift auf ^rabition 
berufjenbe Abmachungen im Saube beflanb, jur gefefclidfjen SKorm ge- 
ntadfjt mürbe. 

Auf bem ©eptemberlanbtage 1858 mürben bte von ©raf ftetjfers 
ling ausgearbeiteten ©efefcesoorfdfjläge von ber Siitterfd&aft angenommen 
unb ber Staatsregienntg jttr 33eftätigung oorgeftellt. Qn fetner, bie 
£anbtagsfd)(üffe motimerenben £enffd&rift äußert fid& ©raf Äepferling 
folgenbermaßen : 

„3 um ©Afoß biefer 2>enffd)rift märe meUcicftt nod) bie grage 
ju beantworten, warum bie 9ittterfd)aft nid)t in 3?orfd)lag gebracht 
Ijat, bem Öauernftanbe materiell ju Ijelfcn burd; ©efdjenfe unb 2öof)U 



— XXIII — 

traten? 3 unä ^ft müßte auf eine foldfje grage baä öefndf) folgen, 
§u prüfen, ob in ben Unruhen biefe* ^aljreö bei ben Sauern fid^ 
gejeigt fjat, baß lofaler fanget unb £rudf bie Seranlaffung ge= 
wefen. 35aä ©rgebniö einer folgen Prüfung fann lein anbreö fein, 
als baß nur bie gorberungen unb bas Seftetycn auf oermeintlidjjen 
Stered&tigungen babei jur ©pradfje gefommen. @ä ift bemnadfj audf) 
gewiß, baß eine jebe äBo^lt^at infolgebeffen nidfjt ate fold&e, fonbern 
als bie ©nräumung einer SBered&tigung beut Sauernftanbe erfdfjeinen 
muß. 3Wit anbern Sßorten: man ptte bem Sauernftanbe burdj 
bie S^at bewiefen, baß baö ©igentum nidjt bem Eigentümer gehört, 
fonbern bem SBiberfefclidfjen. SBenn alfo fcfyon besfyalb oon mate= 
riellen 2Bol)ltf)aten ntdjt bie 9?ebe fein burfte, fo mufc nodb fjenwr* 
gehoben werben, baß biefe überhaupt ben freien Sauer, ftatt itjn 
in feiner ©etöfiänbtgfeit ju förbern, nur an neue 2lb^ängigfeit unb 
©orgfojigfeit gewönnen, leibeigene fönnen mit ©efdfjenfen erhalten 
werben, weil fie unter bem Zwange ber 9tute arbeiten. $Ttfc 
Seute muffen burd) bas Sebürfniö auö ber Sdf)wä<J)e unb ^nbolenj 
gejogen werben." 

9ftd)t burd) SBofjlttjaten , fonbern burdj ©infü^rung gefunber 
Sted^töoer^ältniffe unb ber ©elbpad&t, bie jum Äauf ber 5ßad^tfteBen 
führen follte, ^at ©raf Steuerung ben Sauernftanb Gftlanbö lieben 
unb förbern wollen. 2>od) mar er bagegen, bie ©clbpadf)t von oben 
l>er ju befretieren, benn er Ijatte ftdf) bie Aufgabe geftefft, „baä 33e* 
ftefjenbe unabänberlid) jur ©runblage affer weiteren gortbübung ju 
madfjen". 

ßunädfrft würbe feftgeftefft, baß bie trabitioneffe altgewohnte grone 
-nie mefjr er^ö^t werben burfte unb eine 9tüdtteljr oon ber ©elb* 
padbt jur fixont gefefelidj) auagefdfjf offen fein foffte, woburdf) bei jeber 
Steigerung ber Sßadjtfäfce bie ©elbpadjt fi<$ immer me^r einbürgern 
mußte, eine SBorauöf efcung , weld&e in ooffem STOaße eingetroffen ift. 
ferner würbe fofort in natura unb auf ben ©utäfarten baö £ofö= 
lanb, über welches ber ©utöfjerr nad) eigenem ©rmeffen oerfügte, oon 
bem Sauernlanbe abgefonbert, b. f). oon bemjenigen Teil beö ®utö- 
areafe, baä ber Sefifcer nur burd) $erpadf)tung ober Serfauf an Sauern 
nufcen burfte. 3>en bäuerlidjen Sßädjtern warb ein Serfaufsredjt be* 
toiffigt unb iljnen auöreid&enbe gefefclid&e ®arantie für unbe^inberte 
1ßad)tnu$ung gewahrt. 

Um biefe Seftimmungen burdbfüfjrbar ju machen unb eine ftete 
leiste Kontrolle, fowoljl feitenö ber Stcgierung, ber s Jlitterfdf)aft, ber 
3uftijbet)örben, ja fogar ber Sauerngemeinbe ju ermöglidfjen, mußten 



— XXIV — 

einfache gormen beö Äontraftt gefunben werben, unb biefen 3roetf 
verfolgten bie „Sagerbüdfjer" (Kontraf tbüd&er). 

Kleber ©utöbeftfcer verpflichtete fidf), ber ^uftijbeljörbe ein Sager^ 
budf) einjuretdfjen, in welchem jebe cinjelne Sßadjtftefle feines $auer= 
lanbes auf einem gefonberten Slattc bes Sucres verjeidmet ftanb. 
3lm Anfang bes £agerbudf)es waren alle biejenigen ©efejjesbeftimmungen 
aufgeführt, bie bei Slbfdfjlteftung von Sauerlanbfontraf ten für bas- 
gefamte Sanb oerbinblidfj waren. 3 U biefen gehörten beifpielSweife bie 
fed)öjäl)rtge ^rift bes Kontraktes, bie Seftimmungen über Vergütung 
für aMiorationen unb bas 9Wa& ber juläfftgen grone. liefen Seftim- 
mungen folgten bie fpejieU für bie gefamte Sauernfdfjaft beö betreff 
fenben ©utes gültigen Abmachungen, fo bafc ber eigentliche Kontraft, 
ba er nur bie inbimbueHen 33ejief)ungen jwifdfjen bem ©utsljerrn unb 
bem jeweiligen $ßäd)ter enthielt, auf ein äRinimum rebujiert würbe.. 
3luf biefe SBeife war es ein leidstes, bie Sejie^ungen jwifdfjen ©uts^ 
Ijerrn unb dauern fortlauf enb ju fontrollieren*). 

$m 3la^re 1859 würben biefe ©efefcesoorfd&läge faft ofjne 3Jcr? 
änberung Merljödjft beftätigt, unb bamit ift bie Safis für bie SBeitcr- 
entwidelung beö ßanbes gefdfjaffen worben. 2Benn ftd^ in @ftlanb 
ein fräftiger Sauernftanb entwicfelt bat, wenn l)ier, trofc tt)öridf)ter 
2Wiftgriffe, nie irlänbifd&e 3"ftänbe entftanben finb unb and) fyeute 
nod(j, nadfj faft oierjig ^aljren, es nid^t gelungen ift, ben Säuern mit 
bem ©utsfjerrn ju entjweien, wenn bie 3 u ftänbe auf bem Sanbe ge~ 
funbe geblieben finb, fo oerbanft Gftlanb btefes nid&t jum geringften 
£eil ber £f)ätigfeit feines bamaligen 9?itterfdf)af tstyauptmanneä , unb 
fein Anbenfen wirb bem Sauernftanbe nidf)t minber wie ber SRittcr- 
fdfjaft unoergeffen bleiben. 

3m Safyxt 1860 warb ©raf Kctrferling nodfjmals jum SRittcr^ 
fdfjaftsljauptmann gewählt. $n welkem ©inne er wäljrenb feiner 
Amtsführung bie Sittterfdfjaft geleitet, bejeidfjnen bie SBorte feiner An- 
trittsrebe: „2>ie Korporation ift nidfjt fiel) felbft 3 roe ä/ ft e ^ öt e t ne ft 
työfjeren, bie fittlidjen gorberungen ber ©efcttfcljaft, fowett es in iljrem 
33ereid;e liegt, ju oerwirflidjen. 3Mc Korporation barf nid&t jur ®ng~ 
Ijerjigfeit einer 3 un f* Ijerabfinfen . . . ." 2>en einjelnen s J5l)afen ber 
frciljeitsförbernben £f)ätigfett Kepferlings }u folgen, ob es fidf) um 
Aufhebung bes ^ienftjwanges innerhalb ber ©emeinben ober um ab? 

*) 2)ie Sager&üdjer fottten jcrfaUcn: a) in einen allgemeinen %til für ba£ 
ganje £anb gültig; b) in einen fpe^ietten $eil für bie gefamte SBauernfa)aft bei 
®utt& gültig ; c) in einen inbunbuellen für bie ^erfonalabmadjungen sroifdjen 
$äd)ter unb 33erpäa)ter: baä au$8ureia)enbe Äontraf i&lati. 



— XXV — 

miniftrotiüe unb jurtbifdie fragen fjanbelte, würbe außerhalb be& 
Saftmene bicfcr ©ftjje liegen. 6ö Riefte bie ©efdf)idf)te ©ftlanbö jener 
3eit treiben unb melleidfjt audf) mefjr, benn bei feinen häufigen 2ln~ 
roefenljeiten in Petersburg fjat ©raf Äepferling oft ©elegcnfjeit ge= 
habt, in fragen mitjuarbetten, bie weit über ben Sereid^ beö prooin? 
jietten Sebenö griffen. Stur ber fonfeffioneHen grage foll ^jier gc= 
bad)t werben, an ber er fo regen Anteil genommen fjat. 

3n ©ftfanb Ratten feine 9Kajfenübertritte jur Drtf}oborie ftatt- 
gefunben, wie in fiiolanb, bafjer mürbe ber öefenntniöjwang nid&t 
fo allgemein empfunben, roie in ber ©d&mefterprooinj. $5odfj biefeö 
oerfjinoerte Äerjferling nid&t, für bie if)m fjeilige ©ad&e ber Xoleranj 
mit feiner ganjen ^Serfönlidfjfeit einzutreten. Gin einjelner Vorgang 
bot ifjm bie ©elegenfjeit, auf biefem ©ebiete als erfter fjanbelnb ein* 
jugreifen. 

„£a* liülcmbifd&e Sftäbdjen 9lnn £alwi<f aus Sßoifecf warb im 
13. SebenSjafjre im Stprif 1846 oon ibrer 3Jlutter in ber Dberpal)len= 
f^en Slirdfie jur ^irtnefuncj gejwungen. 2lnn £alwi<f verließ, faum 
erioadfjfen, iljre £eimat unter 33enufeung eines falfd&en 5|}arodf)ialfd(jeines 
unb jog auf bas ©ut ^ßaggar in (Sftfanb, wo fie fidE) für bie lutf)e= 
rifdfie 3Ragb 3lnn Sßontacf ausgab, lutljerifeft fonfirmiert mürbe, im 
Stooember 1854 mit bem lutljerifcfjen Sauern $aan ©urm getraut 
mürbe unb fpäterf)in audf) il)r ftinb lutljerifdf) taufte. SDiefen %1)aU 
beftanb fjatte bie ortfjoboje ©eiftltdfjfeit ermittelt unb gegen 2lnn ©urm 
bie Äriminalflage erhoben. $em ©efefce nadf) burfte ber Sut^eraner 
3aan ©urm feine Einber nid^t behalten, fein 2Beib mußte ifjm ent* 
riffen, oietteidf)t wegen $äffdJ un 8 un ^ Uebertretung bes SßaßgefefceS 
nadj Sibirien t)erfdf)i<it werben." 

©raf Äetjferling wies barauf Ijtn, baß bei ber Firmelung ber 
Amt ©urm bie gefefcltdfjen SBorfdfjriften nid&t beamtet worben, baß fte 
allerbingö in ber ©ewiffensangft, um ifjren ©eelenfrieben $u retten, 
in äußerfter 33ebrängnis bie ©efefce übertreten, baß aber bie ftrenge 
Sfamenbung ber ©efefce in biefem ftalle alle ©efüfjle ber aJienf^lid)- 
feit empören müßte. Vergebens wanbte er fidf) an bie iljm xool)U 
wollenben SBürbenträger bes 9ieidf)es, fclbft ©uworow, ber eben in 
ber religiöfen ftrage einen Mißerfolg erlitten, mochte nid>t eintreten. 
Stuf bie SReid^ögrunbgefe^e würbe Ijingewiefen, bie jebe £ilfe unmög- 
lieft mad&ten. 3)a war es bie Öroßfürftin Helene, bie förüglidjc ftrau 
mit bem gellen SBerftanbc unb bem weiten .öerjen, bie perfönlidb beim 
Äatfer für Sinn ©urm $ürbttte tfjat unb iljre 33egnabtgung erwirfte. 
38cnn fpäterljin bie fonfeffionelle ftrage oon Äaifer 2lleranbcr II. fo 



■- XXVI — 

DerftcmbmöDoH aufgefaßt worben ift, fo foll man nidfjt oergeffen, baß 
fd&on baö Sdjicffal ber armen Öauernmagb 2lnn bem ftaifer über bie 
©ewiffenönot feiner Untertanen bie äugen geöffnet §atte. 

S)ic ftaatömännifd&e Begabung Äepferlingö fjatte bie 2lufmertfam= 
feit feines gnäbigen 2Jtonardf)en erregt, unb im 2tpril 1862 warb er 
jum Äurator bes £örptfdf)en Seljrbejirfö ernannt. 3tm 11. $e$ember 
1862 legte er baö Spmbol feiner Söürbe, ben ftlbernen Stab, nieber 
unb oerfudf)te feiner geliebten SKttterfd&aft in feinen Slbfdfjiebdworten 
bie Sßege ju weifen, bie bie baltifdfjen fianbe in ber 3 e ^ ber großen 
Reformen im Steige ju betreten Ratten. 

„£aben wir in ber Äirdfje unfrer SHitterfc^aft ben ©inn auf ba* 
^auernbe unb Gwige gerietet, fo f äffen mir f)ier junädfjft bie 
wedf)felnbe SWid&tung ind 2(uge, bie oon ben ftd) ftetö umgeftaltenben 
Aufgaben be§ raftlofen Sebenö unfrer £f)ätigfeit gewiefen ift. £>ie 
großen fittUctyen Reformen, weld&e bie Stegierungsjaljre unfreö ge= 
liebten £errn unb Äaifcrö in ber ebelften SBeife oerfjerrlid&en , Ijaben 
Dtclfad^ SBerljältniffe betroffen, für weldje unfre Stitterfd&aft, in ben 
©renjen i^red Berufs, ©orge ju tragen unb Beihilfe ju leiften Der^ 
pflichtet ift. Umgeftaltungen audj fold)er £eile unfres großen ©taatö- 
förperö fteljen beoor, benen unfre prooinjieHen Organe in oeränberter 
Söeife roieber anjupaffen fein werben. 2>ie richtige Grfenntniö ber 
©tetlung, meldte bie Dftfeeprouinjen bei biefen benfwürbigen Bor= 
gangen einjune^men Ijaben, ift für i^re bauembe Bebeutung t>on ber 
äußerften SBidfjtigfeit unb fo fdfwnerig, baß bei ben Beratungen beö 
gegenwärtigen fianbtageö in biefer Bejieljung befonbere Umftdfjt unb 
2Bof)lbebädf)tigfeit erforberlidf) fein werben. Sffiir fönnen aber im £hu 
blief auf bie Bergangen^eit antf) ben Aufgaben ber 3 u ft* n ft wit Ber= 
trauen entgegengehen, befonberö folange wir bie beiben ©runblagen 
fefttjalten, bie unfrer 9tüterfrf)aft allgemeinen SBert unb bleibenbe 6fyre 
ju oer leiten im ftanbe finb. 3)ic erfte ift ber Patriotismus, ber, ge- 
grünbet in ber Siebe ju unfrer engen £etmat, fiel) in unoerbrü<$- 
lieber Xreue ju unferm £errfd&er bewährt unb beim hinaustreten in 
weitere Äreife fidf) ju eifrigem SBirfen für Slußlanbs 2Boljl unb SBürbe 
erweitert, — ber jene ßinigfeit fd&afft, bie, bei allen ©egenfäfeen in 
ber eigenen 9Kittc, uns nadj außen feft unb naefy innen ju Brübern 
tnacf)t. 25ie jweite (Srunblage ift bie Mäßigung im ©ebraudf) ber= 
jenigen 9ted()te, bie und burdf) ^aften jugefidfjert unb buref) bie 3ßadf)t 
unb Staatsweisljeit unfrei 3ftonard)en gnäbigft erhalten worben finb. 

„©ollen fie bem allgemeinen ©erecbtigfeüsfinn jur Befriebtgung 
unb allen Bewohnern bes Sanbes jum SBoljl gereichen, fo muffen fie 



— XXVII — 

nidfjt auf bic ©pifce getrieben werben. 2ßer ba meint, burdf) bie in 
ber £f;at unerläftfidje Xurdjfübrung genau gegeneinanber abgewogener 
Siedete unb ^Sflidfjten bem 2zbtn twttftänbig genügen ju fönnen, ber 
beljanbelt es wie ein SRedjenerempel unb wirb 51t bem ©djluft gelangen, 
baß baö Seben eine falfc^ angefegte matfjematifdfje Aufgabe gewefen, 
wäfjrenb bodj nur fein SSerfudf), bie unenblidfjen ©egcnfäfce beö $)afeinö 
in enblidjc formen ju bringen, ein aerf elfter war. SBenn wir ba^ 
gegen bie überlieferte Drbnung, wo fie burd) bie ^ortfd&ritte beä SebenS 
3u ©djrofföeiten fü^rt, in ©in jetf allen fowoljl ate in 5prinjipien, ju 
milbem unb ju änbem nriffen, fo wirb fie audf) ben fittüdjen $orbe= 
rangen, bie nadj ©otteö SRatfdjfaß meljr unb mefjr in bie SBelt bringen, 
lange ju bienen im ftanbe fein, unb burdj biefelben nid)t erf füttert, 
fonbern gefräftigt werben. 

„Die ©tetlung, bie wir bemnadfj einnehmen foHen, — in biefer 
©tunbe, wo id& midf) bereite, von Stößen, teure Srüber, ju fd&eiben — , 
balte idfj es für meine ?ßflid()t, nodfj im allgemeinen 31>nen barüber 
meine SJteinung ju fagen. Vorauseilen ober jurücfbleiben in 
Sejug auf unfer großes 9ieicf), ift eine ^rageftellung, bie id) für bie 
Vorbereitung ju einem Srugfdfjluß fjalte. £as eine fönnen wir 
nidEjt, bas anbre foHetx wir nid)t. ®S gibt ein brittes, wir fjaben bas 
Heber lieferte von eblen ©efid)tspunften aus eifrig fortjubilben, aber 
bennod^ ju erhalten, weil wir nur baburdj) bem Steige waljrijaft ju 
bienen im ftanbe finb. ©0 fefjr es eine maßlofe Anmaßung wäre, 
für unfer Heines fianb bei bem fo großartigen 3luffd^wunge bes 
9ieid&s bie ©pifcfüljrung ju beanfprudjen, fo wenig werben uns einjelne 
wertvolle SBorjüge beftritten, bie ifjrer -Katar nai) fidf) nid&t burd) ©e= 
fefce übertragen laffen. £>aju gehört bie größere Sefriebigung bei 
Erfüllung als bei Umgebung bes ©efefces, bie 2ldf)tung bes eigenen 
©tanbes unb feiner t)erfaf|ungsmäßigen 33efdf)lüffe, gegenfeitiges 3Ser* 
ttaum f unb was bamit jufammenfjangt : einfadjer ©efdfjäftsgang, 
©elbftoerwaltung u. f. w.; biefe Vorzüge muffen wir erhalten, nidfjt 
nur für und, fonbern audf) ju lebenbiger Uebertragung unb 9tod)= 
bilbung. ©ie finb uns aber gefiebert, folange wir nid&t laffen oon 
ben gäben unfrer Ijiftorifdfjen Stedfjtsoerljältmffe, bie unfre Slultur unb 
unfre ©teffung im Steige bebingen, — bie um aber aud) befjinbern, 
rationette Umgeftaltungen mit berfelben fieid&tigfeit oorjunefjmen, wie 
fie auf einem anbers bef dfjaff enen , aber weniger bebauten ©runbe 
fefir woljl mögtief) finb." 

3n ben nädfjften Sauren Ijat &ei;ferling als Äurator, ben SBünfdjen 
ber Regierung entfpredfjenb, feine 2lrbeit ber Unioerfität unb ben 



— xxvm — 

baltifdfjen ©dfjulen gewibmet, bie afe ^Pffanjftätten beutfdfjer ffafjtfcber 
ÖUbung bem großen JRetd^e 9hifcen bringen fottten. 



Unter feiner Amtsführung würbe baö neue Untoerfitätöftatut, 
weldfjcä auf ^a^rje^ntc fjinauö ©orpat feine felbftänbige ©riftenj ge~ 
wafjrt §at, ausgearbeitet. 9ieue Sprüfungäregfementö würben für bie 
Uniüerfitätöeramina eingeführt, burdj Berufung Jjertwrragenber 3Ränner 
ber SBiffenfdfjaft, burdf) Unterftüfeung wijfenfdjaftlidfjer Unternehmungen 
bie Unioerfität geförbert. ©raf Äetjferling, ber faft auf allen ®e= 
bieten über erftaunlidfieä SBijfen verfügte, ^atte nur geringe Adjtung 
Dor ber unprobuftioen ©eleljrfamfeit. ©r wünfdfjte, ba§ bie Sßro= 
fejforen £orpatö fidb burd) fyertwrragenbe Seiftungen auöjeidfjnetcn, 
baft bic ©tubierenben meljr wijfenfdf)aft(id) arbeiteten, unb weniger 
fd)ü(er()aft lernten. Gö gelang iljm, für bie ©tubentenforporationen 
bie Grtaubniö auöjuwirfen, iftre Abseieben öffentlich ju tragen, benn 
in ber Ceffentlicbfeit fafj er bie größte ©arantte ber aWoralität. An 
jebem -Dtontagabenb pflegte er in feinem £aufe eine größere ©efeHfd&aft 
3U oerfammetn, unb twllenbä ate Äarl ©rnft t>. Saer nadf) £orpat über? 
fiebelte, vereinigten ftdf) bie Stoturforfdjer gern um bie beiben ^reunbe. 

Auf bem gefamten ©ebiete ber ©dfjule entftanb Bewegung, ©gm* 
nafien, ftreiöfdfjuten, ©lementarfd^ulen würben neu gegrünbet ober er- 
weitert. Ueberaff fpriefjtc unb fprofjte frifd)eö 2ebm. ©urdf) 33er* 
änberung ber Abtturientenprüfung fudjtc Eeijferüng feine ^been über 
ben Sroerf ber ©tjmnafialbilbung ju t)erwirflidf)en, ber feiner 9Reinung 
nadf) einzig unb allein barin beftanb, ben jungen 2ttann ju fclbftän- 
biger Arbeit 311 befähigen. Sarum fegte er baö £auptgewidf)t auf 
ba§ können, bie Anwenbung beö ©elernten, auf baö üerftänbnis* 
looDfe Sefen ber Sllaffifer, auf baö Söfen matbemattfdf)er aufgaben, 
auf bie gtiljigfeit üerftänblid&en fdjriftlicbeu ©ebanfenauöbrud eö , unb 
fud)te nad) 9Jtögtidf)feit ben Unterriebt von unnüfcem ©ebädfjtniftbattaft 
ju befreien. 

Stein ©ebiet feiner amtlichen Sbätigfeit f)at if)tn fo triel 3Kübe, 
Sorgen unb Arbeit gefoftet, wie bas 9htf fif cfye , benn bie Sefjrfräfte 
waren für biefeö ?Vad) faum 311 befefjaffen. ©elbft ben Sefjrftutyl für 
ruffifdje Spradje unb Sittcratur in £orpat würbig 311 befefcen, war 
fdfjwierig, unb nur baburd), ba§ es geftattet warb, ben politifdf) mx* 
bäd&tigten aber wiffenftfwftltd) ijenwrragenben ^rofeffor 5?otljarew$fi 
nad) bem lotjafen £orpat 31t berufen, fonnte biefer i'eljrftuljl mit 
einem ©eleljrten erften langes befeftt werben. 



— XXIX — 

üttidbt lange aber war eö ftepferling oergönnt, fd&öpferifdf) ju wirfen, 
benn mit bem polnifd&en Sfafftanbe gewann bie 9Woöfaufdf)e 3 c ^ un 9 
unb beten Partei, bie bie nationale galjne fyod&geljalten, naturgemäß 
Oaö Uebergewidfjt in ben Ijö^eren Siegierungefdfjid&ten. 35oHenbö naef) 
1866, ba Preußen nid&t mefjr als ber frühere fjarmlofe SRadfjbar am 
gefeljen werben tonnte, gewann bie 2tnfdjauung immer mcfjr lieber* 
banb, baö beutfe^c (Slement in ben baltifd&en ^rooinjen bringe bem 
Seidje ©efa^r. ©d&ule unb Unioerfität follten nid&t Rumäne öilbungs= 
wege oerfolgen, fonbern ftaatliäien, ntffififatoriföen Qtoeden bienftbar 
gemacht werben. Sollen 33eftrebungen, bie Sterling ebenfo fd^äb= 
lidf) fiir baö SReid^, wie für bie fßromnjen Ehielt, ift er aufs fd&ärffte 
entgegengetreten. £er 2luf f orberung / bie 2Rat^)ematif in ruffifd&er 
Spraye ju lehren, lim bie ftenntnis ber 9leidf)Sfprad£)e ju oermcljren, 
trat er mit bem Semerfen entgegen, i^m fei wof)l befannt, baß man 
©uflib als Sefjrbud) ber ©eometrie benufct Ijabe, — baß ©uflib als 
griedf)ifdfjes Sefebud) jum ©rlernen ber griedf)ifcf)en Sprache gebient, 
wäre ifjm neu. 2faf bie 3 umu * un 9, ben ©efdbidjtSunterricfyt burdf) 
genuine Stoffen in ber SReicf)Sfpradf)e erteilen ju laffen, entgegnete er: 
„©inen politifdfjen ©runb, ben bisherigen £ef)rern ben @efd&idf)tsuntcr; 
ridjt, mit bem fie betraut gemefen, ju entjiefycn, wirb ber jenige nidjt 
anerfennen, ber o^ne SSorurteile nad) ben ftrüdfjten urteilt, ba feine 
Veranlagung geboten ift ju meinen, bie Untertfjanentreue wäre auf 
unfern ©djulen erf füttert worben. 33ielmef)r ift als politifdf) fdf)äblidf) 
SU eradjjten, wenn in ben gefefelidfjen SBerorbnungen gegenwärtig Unter= 
triebe eingeführt werben follten jwifdfjen ben geborenen Stoffen unb 
ben Angehörigen ber Dftfeegouoeruements. ©ie befyinbern bie Unter= 
tfjanen, fidf) $u oerfdfjmeljen. $n einer 3 e ^/ TO0 bie Sefd&ränfungen 
bei Aufteilung felbft ben Hebräern gegenüber me^r unb mefjr befeitigt 
werben, ift es gewiß nid&t angemeffen, nme 9lusfdf)ließungen nadf) ben 
SJolfsftämmen einjufü^ren. $n ©injelfällen würbe fogar bie @r= 
mittelung feine leidste fein, ba j. 23. SBoftofow*) bodf) jebenfalls als 
rufftfd^cr ©eleljrter anerfannt werben wirb, wenn er audb oon ©eburt 
ein Cftfeelänber ift. ßnblid) fjaben bie Saiten, feit fie ruffifdje Unter= 
tränen geworben, an allen kämpfen 9toßlanbs reblicf) mitgewirft. 
Sis in bie neuefte 3 e ^/ ™ ©ewaftopol wie in SBarfdfjau, finb bie 
©ingeborenen ber Dftfeelänber bei ber 23oll$ief)ung ber ©efdbidf)te 
Stußfanbs in ehrenvoller SBeife beteiligt gewefen, unb nun fott es 
i^nen oerweljrt fein, bie ©ef<$id£)te }u lehren, bie fie als bie tfjres 



*) Berühmter ffaoop^Uer (Selefjrter, §ief$ eigentlich „Dften". 



— XXX — 

33aterlanbes anjufeljcn fjaben? Sßolitifdbe SJütfftdfjten fönnen nid)t 
bafür fpredfjen, aber oiefleid£)t foll ber ©ef<$id)töunterri(f)t nur riw 
Hilfsmittel werben, um SjJraris in ber ruffif dben Sprache ju erfangen? 
£aft ber ©efd)id)tsunterridf)t barunter leiben wirb, mufc jeber jugeben. 
3n ber £ljat, folange jwifcfjen i'eljrer unb ©dritter ber Spradbe 
wegen eine Stfiffenfcbaft betrieben wirb, fann bie Äufmerffamfeit bes 
3öglings nur ;ur £älfte fidb bem 3"^lte juwenben, bas £aupt= 
intereffe nimmt bie ftorm in 2lnfprudfj. 25esf)alb, wenn es ftdb barum 
banbelt, eine ©pradbe 511 erlernen, wirb es meljr nüfcen ftd& mit ben 
s Dieifterwerfen ber Sttteratur ju befd&äfttgen, als einzelne SBMffenfdjaften 
in btefer Sprache unooBfommen ju befyanbeln. 35ie Spraye, wenn 
fie ftdf) in ben engen Areifen einer (Disziplin bewegt, wirb formelhaft 
unb bie ©ubftanj bes Unterrichtes wirb geopfert." 

SBofjl gelang es Aetjferling bureb foldfje unb ätjnlidfje 2lusemanber= 
fefcungen bie ifjm anvertrauten Spulen oor bilbungsfeinblid&en ©iiu 
griffen ju bewahren, benn es tyielt ferner, fidf) feinen ebenfo Haren 
wie lauteren ©rünben ju oerfdbliefeen. — 2>af$ ifjm ein fturatorge^ilfe 
fpejietf für ben rufftfcfyen Unterricht an bie Seite gefefet mürbe, ba§ 
nmc ganj rufftfd^e ©tjmnaficn gegräubet mürben, fonnte er nkbt oer= 
fjinbern. Vergebend fd&rieb er bem 3Rinifterium : „Sei bem 2Baf)n, 
als Raubte es fidf) bantm, ju oerfjinbern, baft bie Ijiefigen beutfdfjen 
ftulturelemente bie (Sinfyeit bes 9teidf)es loderten, roage icfy nidfjt }u 
oerweilen. ©ollte audb bie 9fatur biefer Elemente, bie nie jerfefcenb, 
fonbern binbenb unb orbnenb gewtrft fjaben, ocrlannt werben, i^re 
banbgreifltdfje p^tjfifdfje ©df)wädf)e fann ntd&t fo fefjr über alles 
■Dtaft emftlidj überfdjäfct werben/' 

©egen nationale Seibenfd&aft ift es oergeblid) mit ©rünben ju 
fämpfen. ©olange aber Aetjferling es mit feinem ©ewiffen vereinbar 
bielt, wollte er auf feinem Soften ausharren, unb fclbft als ,3uri 
©amarin in feiner für bie in ben Cftfecprooinjen einjufd&lagenbe 
^Jolitif epodfjemacbenben 3$mäf}fc(rift feine (Entfernung oom Statte 
für unerläßlich erflärtc, blieb er auf bem ^piafc, unbeirrt für bas 
3lHgcmeinwol)f arbeitenb. 2>em 9Jlinifterium fehlte jeber SSorwanb, 
um ben oerbtenten äRamt, ben bie rufftfdfje Sßiffenfdbaft ftets fjoefc 
gehalten, ju entlaffen. 

Gnblid) bot fid& bie gewünfdfjte i$eranlaffung, i$m fein Sfeiben 
unmöglid) ju macben. 

3m SCuguft 1869 befahl ber eftlänbifcbe ©ouoerneur ©alfin, in 
©runblage einer Ikrorbnung bes dürften Suworow oom ^atyre 1853, 
ben lutljerifdjeu i'eljrern Jieoals an ben Aronsfetertagen ju ben Qanb 



— XXXI — 

gebeten in ber ortljoboren Äirdje ju erfcbcineu. ©raf Äctjferling 
roonbte ftcf) an ben SJiinifter ber aSolfeaufffänmg mit einer SBorftel^ 
lung, in ber er junädbft nacfjwied, bag biefer Gingriff be3 eftlänbifdfjen 
Qouoerneurö in fein SRcffort nidf)t gefefclid) begrünbet fei. Gr machte 
ben 3Rinifter barauf aufmerffam, bafc bie finttjeraner oft freiwillig ben 
Tanfgotteebienfien in ber ortljoboren Stirere beigewohnt. „3$ barf 
aber nidjt oerf dbweigen ," Reifet eö weiter, „baft bie burdb SBefefjl ber 
roettlidben Cbrigfeit 9lnber$gläubigen auferlegte SSerpflid^tiing, bie ort(jo= 
bore Äird&e ju befugen, bie Sad&lage oottftänbig änbert. Sie 9Iiu 
roefenljeit Sfaberögläubiger in ©runblage eines berartigen 93efel)l8 wirb 
KU einer Sd&auftettung tf)rer Grniebrigung." 

Am 16. September verfügte ber ©eljiffe beö 3)ttmfterö ber SBolfö= 
aufflärung, 25eljanow, ber 33efel>[ beö eftlänbifdjen ©ouoerneurö fei 
ju erfüllen, ba berartige Äirdbgänge ate fyalbpolitifelje, mefjr bienfc 
lidbe als religiöfe Sßte anjufe^en feien, ©raf Ketjferling bemerfte 
baju: „Gin feierliches ftirdfjengebet fann oerfdfjiebene ©egenftänbe be= 
treffen, ©enefung ober Befreiung oon Äranf Reiten, 2luff)ören oon 
Türre u. f. w. Gö verliert babei ntdbtö oon feinem firdblidf) rcli- 
giöfen Gbarafter unb man wirb fdbwerlidj behaupten, bafc es in bem 
einen %a\l <\u einem fjalbmebijinifdfjen, in bem anbem ju einem fyalb- 
meteorologifeben 3lfte geworben fei. Gbenfo bürfte baö in allen oom 
Staate anerfaunten Äirdjen oorgefdfjriebene ©ebet für bie geheiligte 
?erfon beö SKonard&en als eine fircljlid&e ^füdjterfüllung ber jum 
Öotteöbienft t>erfammelten ©laubigen anjufeben fein." 

©raf Äepferling reichte feinen 2lbfdf)ieb ein unb fdfjrieb jugletdfj 
an ben 3Riniftergel)ilfen 3>eljanow: 

„. . . Gr tauben ©ie mir, um jebem 3Wiftf>erftänbnis oorjubeugen,. 
in fonfibentieller SBeife genauer ben ^wntt ju beseitigten, ber, meiner 
SnfMjt na<b, bie £auptfdf)wierigfeit bilbet. £er in Siebe ftcljenbe 3lft 
ertlärt nämltd) implicite, bafc bie &zbett ber £utfyeraner, bie in ben 
proteftantifdfjen Äircften für bie geheiligte ^Serfon Seiner -JKajeftät be& 
Haiferö unb für bas fyofje faiferlidbe £auö oerridbtet werben, offijiell 
für nidbts ju adfjten ftnb. 

„£a bie ftirtfie ber Unioerfität Torpat eine lutfyerifdbe ift, fo 
baben bie ^rofefforen unb ^Beamten biefer Unioerfität im guten 
Glauben geftanben, bafc fte an fjotyen Feiertagen iljre reltgiöfeu ^flicbten, 
foioobl gegen ©Ott als gegen ben töaifer unb ben Staat, oollftäubig 
erfüllt Ratten burdf) bie ^Beteiligung an bem ©otteöbienft in ibrer 
Hirdje. 3ft es ein $n:tum, übrigens ein oerjeüjlicber in einem wefent= 
lief) proteftantifdfjen ©ebiet, fo f)abe idj il;n öffentlich wäfjrenb meljr 



— XXXII — 

atö fieben ^afjren geteilt. 9tadj einem folgen Vorgänge tann irf) 
midf) ber Ueberjeugung nicfjt t)erfd()ließcn, baß nur ein anbrer Beamter 
afä id) im ftanbe fein tonnte ben ©runbfäfcen bie ©w. ©jceHeuj in 
öftrer Buförift üom 16 - September 1869 billigen, im äBiberfprudf) mit 
ber fiter su Sanbe üerbreiteten ^rariö, ju bienen. 

„2)ie ©renjen ber religiöfen Xoleranj finb fo jart, baß eö nic&t 
immer leicbt fällt, jic jii ernennen. $m gegenwärtigen ^att benft 
man in Petersburg melleidjjt, baß eö firf) nur barum fjanbelt, ber im 
Steige tyerrfd&enben Jlircfje bas rechtmäßige Uebergewidfjt ju fiebern, 
wäljrenb man fyier uidjt ofjne ©runb twrausfe|en wirb, baß ein 
-mistiger ©dfjritt jur polttifdf)en äkrbrängung ber Ijiftorifd&en fianbefe 
fird&e getrau ift. 

„Gegenüber ,3erwürfniffen foldjer 9ktur fonn nur baö inbitris 
bueHe ©ewiffen innere ©idfjerljeit unb baö rid&tige 9Jiaß für bie per* 
fönlid&eu Strafte gemäßen. 3<b fyobt baljer nur mit mir felbft gu 
State gefjen fönneu unb Ijabe midf) uadf) reiflicher ©rwägung ju bem 
fdfjmerjficben ©df)ritt entfließen muffen, ben idf) in biefem älugenblid 
t^ue, inbem idf) baö ©efudE) an bie faiferlidfje ©nabe fteHc, beö Sßoftenä 
dneö Kurators enthoben 511 werben." 

3lm 23. Dftober 1869 erfolgte bie erbetene ©ntlaffung. 



©raf &et;ferling feljrte nadf) 9?aifütt jurüd unb wibmete fid^ ben 
eigenen ©tubien, ber ^amilie, bem SDienfte ber £eimat. ©r mürbe 
toieber Äreiöbcputierter, t>at alö foldfjer bei ber Reform ber 0runb= 
fteuer einen maßgebenben ©inffuß ausgeübt, unb bis an fein 2ebens= 
enbe im ritterfdtjaftlidfjen Slusfdmß, als Sanbrat unb als 9ftd)ter im 
Sanbratsfotlegium für bas SBotjl bes Sanbes gearbeitet. 3)ie gfiljrung 
besfelben von neuem $u überuebmen ift er nidjt gewillt gewefen. 3 U 
Mar, um fidf) ber ^llufion l)injugeben, eö fei ber Giefcbidlid&feit eines 
©injeluen möglief), bas biftorifdfje 33erf)ängnis abjuwebren, welches mit 
bem in. ßuropa tyerrfcbenb geworbenen 9tationalitätSprin$ip über bie 
Dftfeeprotrinjen tjereinbredjen mußte, ju ernft, um in einer s }5olitif 
frudfjtlofer 9ied)tsoerwal)rungen unb ©upplifen Sefriebigung ju ftnben, 
lebte er feiner 9Jta£ime: unter ben gegebenen Ü?erf)ältniffen bie beft- 
möglichen 3 u f*änbe gu erftreben unb mit feinen 3Bitmenfd^en bie befc 
möglichen 3)e}iei)ungen 311 unterhalten. 2>er „alte ©raf" war in (£fU 
lanb eine tppifebe ßrfd^eiuung geworben, £odjgeadf)tet unb verehrt, 
war er wegen ber Schärfe feiner Äritif unb feines 2Bi£es faft ebenfo 
gefürd&tet. Sfjm fehlte gteidjj feinem großen Jreunbe, bem dürften 33iö= 



— XXXIII — 

maxi, bie Xoleranj gegen bie fuffifante 3)ummf)eit, mit ber im Seben 
geredmet werben muß, unb nur wenige tonnten bie £iefe feines ©emütes. 

So weit eö üjm möglich gewefen, ^atte er ftdfj flets ber ©rjieljung 
{einer fttnber gewibmet. $ie ältefte £od(jter ^atte er als Kinb untere 
rietet, fle in fpäteren Qa^ren in bie Äantifdfje ?Jtyüofop$ie eingeführt, 
fte jur ©enofjtn feiner botanifd&en unb fprad&lid&en ©tubien gemadjjt. 
W\t bem ©o$ne Ijatte er ßomer unb spiato gelefen unb jefet, nadfj* 
bem er 35orpat aerfaffen, wanbte er ben größten fteit feiner $eit 
an bie ©rjieljung feiner jüngflen Xofyex. Um bas befonbers für 
SKujtf hochbegabte 9Räbdf)en weiter auSjubilben, jog er mit feiner 
ftamilie im 3al)re 1872 nadfj SBeimar. $m barauffofgenben ^a^re 
erfranfte bie Softer unb im ^a^re 1874 mußte er bas teure ftinb, 
ben Siebling ber Familie, begraben. 3>ie erfte unausfüttbare Südfe 
war in bem engen trauten ftreife entftanben. 2)ur<f) bte SSer^eiratung 
ber älteflen Xoä)ttt mit öaron Dtto uon £aube ju Serwafant er* 
toeiterte fidfj bas Familienleben. SJaron Taube war ein na^er ©utfe 
nadfjbar, baburdfc iß ilepferling bas feltene ©Ifldf ju teil geworben, nie 
ganj oon ber geliebten Xod&ter, ber ©enoffin feiner ©ebanfen, ge* 
trennt ju werben. %n ifjren Jlinbern, unb in benen feine« ©ofcnes, 
erblühte ü>m ein neues Seben, beffen 2Kittelpunft er bitbete, benn ein 
eigenartiges 33erljältnis oerbanb i&n mit feinen Äinbern. 

©r Ijatte fte burdf) ben 9tei($tum feines ©eifies, burdfj bie 9Wadf)t 
feiner Gmppnbung fo an fid& ju feffeln üerftanben, wie faum je ein 
Sater. 9iidfjt allein ber ebefjte unb befte aller 3Renfdjen — aud& ber 
intereffantefte unb oerwö^nenbfte Umgang war er tynen. ©ie waren 
gewohnt, aus feiner ©ebanfenffitte fiets ©rfrifd^ung ju fdfjöpfen, fidfj 
an feiner ©innesart ju ergeben, ©ie lebten in fteter 3lnlef|nung an 
tyn. 6r war i^nen i^re geifiige Heimat. 

3lm 11. Jebruar 1885 ftarb tym bie $rau, nad& langen unfäg* 
tigert fieiben. 6r gemattete nid&t, baß eines feiner Äinber ju tym 
jog, nodf) Ijat er ju iljnen überfiebern ober au<$ nur eine ^PfTege feines 
alters ins $aus nehmen wollen. 2)ie liebenbe t)orforgenbe Haus- 
frau fonnte tym niemanb erfeften, unb er wünfd&te, baß biefes in 
fid&tbarer SBeife fühlbar bliebe. 

So würbe es immer einfamer in bem großen t>eröbeten £aufe. 
Süßer feinen Äinbern fa^ er wenig 9Wenfd(jen. 9?ur einmal, als bie 
9toturforfd&er SRußlanbS ben 3lnfioß jur fteier feines 50jä^rigen 
S<$riftfiefferjubüäumS *) gegeben, unb iljre Sfofforberung bei ben (Sc* 



*) 2>en 27. SDcaembcr 1887. 

III 



— XXXIV — 

lehrten 2)eutfdf)lanb3, granfretd&a unb ©nglanbö S3erftftnbni« gefunben, 
afe bic Sttaturforfdfjer nadf) Maifüll pilgerten, Ijerrfdfjte ^elle ftefteafreube 
im J&aufe. S)aö eble 33anb, baö bie 9toturwiffenfd(jaft Dorn 9Wenfdf) 
jum SRenfdjen f klingt, baö einft Äetjferling mit einem ftranjofen, 
einem ©nglanber unb einem Stoffen*) üerbunben, um gemeütfam baö 
weite SRu&lanb ju erforfdfjen, bewährte wieber feine Kraft. 

3n feinem legten ifcbensjaljre üerliejj Heuerling bie ßeimat noef) 
einmal auf längere 3*ü- 9trt ber grofte ftanjler geftürjt worben, 
begab er fidf) nadf) griebrid(j&rul) unb Ijat mit bem einigen nodf) 
lebenben feiner ^ugenbfreunbe in traulidjjem SJerfeljr einige äöodfjen 
Deriebt. 3ft feinem füllen &eim t)erbradf)te er feine Sage meift mit 
Sefen unb ©djreiben. Stafiloö arbeitete er an religiöfen unb p^ifo- 
fopljifd&en Problemen, bie bie SRenfdföeit ewig befdjäftigen unb nie 
eine Söfung finben werben. 3llö Jüngling fjatte er bem ^yreunbe ge= 
fd&rieben : „3$ will einft in Verfolgung ibealer 3")e(f e ein ungeftörteö 
inneres £ibtn führen, wobei bie ©pannung unb Xenbenj einziger 
3wecf ift; bafi ^robuft foH mid£) nid&t weiter fümmern." 2ßona<Jj 
ber Jüngling fidf> gefeint, warb bem &odj)betagten bejdhieben, baoon 
jeugen bie „Sügebud&blätter", bie nie für bie Deffentlid&feit gefd&rieben 
worben finb. 3lm 8./20. 3JJai ift SUe^anber ©raf Jtepferling nad(j 
furjem fieiben in Statfütt geftorben. 



*) floffd&arotD. 



HoxvDoxt 6er &txau$$tdmn. 



i)ie pfytfofopfjifdNeUgiöfen 33etradf)tungeu aus ben Xagebüd&ern 
meines SSaters, bic bas innerfte Seelen^ unb ©eifteöleben beöfelbcu 
offenbaren, laffe idf) nur jögernb an bie Deffentlidfjfeit treten, für bie 
fie nidfjt gef Arieben waren ; idf) empfinbe es aber als eine ^Sffidjt, bie 
in mehreren Sänben Derftreuten ©ebanfen ju fammefa, fjerauöjugeben 
unb fomit ber 33ergeffenl)eit }u entjieljen. Sie 51t fixten, jufammens 
jufaffen unb ifjnen iljre Stelle im ©efamtbübe bes SSerfiorbenen an* 
juroeifen, überlaffe tdf) funbigeren ßänben. SBon ber £odjjter lann 
man fdfjroertidf) eine fritifdfje Sichtung verlangen, bie ebenfofeljr ifjrem 
ßerjen roiberftreben, wie ifjre Äräfte überfteigen würbe. 

2Jteine urfprünglidfje 2lbfidf)t, bie religiöfen 33etradf)tungen oon ben 
pf)ifofopl)ifd(jen unb p^jfiofogifdfjen ju trennen, §abt idf) nid^t burc^ 
gangig ausführen fönnen ; bie neueften (Sntbedfungen auf bem ©ebiete 
ber ^fiofogie mobifijierten bie SBettauffaffung meines 5Baters unb 
bie pfjilofopfjifdfien ©rgebniffe feines Eeufens*), roie abftraft biefe 
audf) erfdfjeinen motten, übten ifjren 9Wdffdf)lag auf feine religiöfen 
Snfdjauungen au$. Oft laufen bie oerfdfjiebenen ©ebanfenreifjen ge= 
fonbert nebeneinanber, um ftdfj bo$ roieber in einem fßunfte ju freujen 
unb ju oermeben, baf)er Ijabe idf) bie ^Betrachtungen dfjronologifdf), roie 
bas Sagebudf) fie gibt, niebergef ^rieben. $n früheren ^afjren l)atte 
bas Stubium „ber £raumroelt" meinen SBater befd&äftigt, unb längere 



•) $iefelfcen flnb in ber Sroföüre: „einige SBorte über Baum unb 3eit" 
üeröffentKdjt. 



— XXXVI - 

3eit trug er fidf) mit bcr 2lbfid)t, eine 2lbljaubluug über „Schlaf unb 
Xraum" ju f ^reiben, ba alleö, roaö bisher barüber oeröffentltdjt 
morben, iljn nid;t bef riebigte, bodf) blieb eö leiber nur bei einzelnen 
Öeobad&tungen unb 3lufjeid)nungeu, bie nodj ber 3 u f a mmenftelhmg 

Darren. 3 U ™ ^tt* P n ^ c W& ^ e f e * n & en £agebüd)ern mieber, unb 
jmar fo eng oerfnüpft mit ben fragen über bie Statur ber (Seele, 
bafc id& tynen l)ier feinen befonberen 2lbfd>nitt anroeifeu fann. 

9Kit ber djronotogifdjen Reihenfolge ber 2lufjeidf)nungen in ben 
Xagebudjblättern tyabe id) aud) bie Sßieberljolungen beibehalten, bie 
burd^ bie oerfd&iebene Formulierung eines unb beöfelben ©ebanfenö 
entfielen. Weben bod) gerabe biefe SBiebcr^oluugeu betn Sefer einen 
eigenartigen ßinblicf in bie ©eifteäwerfftatt beö Verstorbenen. 3tfo 
roter gaben jiefjt fidf) burdf) baö ©anje baö [Ringen ber Seele nadjj 
üffia^rljeit, nad^ einer SBerftanb unb ©emüt befriebigenben 2Beltauf= 
faffung, unb SBieleu wirb baö 33itb beö einfam in feinen ©ebanfeu 
weiter arbeitenben SDianneö er greif enb fein. 

2>ie religiös^ lofopI)ifdf)e 2Be(tanfdE)auung ift bei meinem Vater, 
im ©egenfafc ju ben meiften 9Jtenfcf>en, ftets eine werbe nbe getuefeu. 
« gür it)n war es dfjaraftertftifdf), bafj er nie bei ben ©rgebniffen feineö 
2>enfenö ftefjen blieb, fonbern in unermüblidber ©eifteöarbeit immer 
weiter formte unb prüfte, unb als ber 2ob ifjn uns plöfelidf) entrifc, 
galten feine lefeten Stufseidfinungen ber pfp^ologifd^en ^bpfiologie von 
SBunbt, bie nadf) feinen eigenen SBorten ifym neue ©ejtcfjtspunfte 51t 
eröffnen fdf)ien. ©0 ift er, nodf) bis in feine legten Xage ftrebcnb 
unb ringenb, hinübergegangen! 

Sei ber fritifdjen Sdjjärfe feineö ©eifteö erfannte er jebodfj, baß 
man mit betn menfd^lid^en SBerftanbe nur biß ju ben ©renjbegriffen 
unfrer (Srfenntnis gelangt. (£r pflegte oft ju tabeln, bafe man bei 
Slantö „ftritif ber reinen Vernunft" ftefjen bleibe unb bie ebenfo 
mistige „Ärittf ber praftifcfyen Vernunft" beifeite liegen laffe. 3>afe 
aber bie Vebürfuiffe bes ©emütö anbre finb afe bie gorberungen bes 
Verftanbes, l>at er tief empfunben, unb baljer fetjrte er immer nrieber 
jurücf }u ber alle 3Biberfprüd^e auögletdfjenben 3luffaffung bes 6uan= 
geliumö ^ofjannift „@ott ift bie Siebe", bie feiner eigenen ©emütsart 
am meiften entfpradj. 

3um Verftänbniö ber „Tagebud&bfätter" mögen nodf) folgenbe, 
einem 23riefe meines Vruberö entnommene fttiUn bienen. 



— XXXVII — 

„©ine Sebensregel, bie imfer 33ater und oft einprägte, roar: ber 
Stenfd) muffe bem Dauern bereu leben, — unter ben mannigf adfoen 
Sejieljungen unb ©eftrebungen ber 3Renfdben ftets ben bauemberen 
ben äiorjug geben. Damit gab er einen ^Srüfftem für ben SBert ber 
menfc^Iidjen Xljätigfeit, ob fte fid^ auf ben flüchtigen ©enu§ befd&ränfte 
ober etwas Dauemberes fdfjuf. ©rjogen im ratiouaüflifd&en £aufe, 
frfilj einbringenb in bie Stantfdje $pf)ilofopf)ic, bie im Repferlingfd&en 
$aufe trabitionell gepflegt würbe, roar er oon Sugenb auf neben bem 
Streben nadf) ©rfenntnis von einer tiefen religiöfen (Smpftnbung be? 
jeclt. Sein ber Didfjtfunft jugänglidfjes ©emüt roarb frülj uon ber 
gro&artigen ^ßoefie ber Öibet angejogen. Sieben ben natunmffenfd^aft= 
li^en unb ptyüofoptyifdjen ©tubten fyabtn iljn ftets religiöfe Probleme 
beschäftigt , unb fjat er bie ©Triften, bie fidj forootyl fritifdö als 
apologettfd^ auf biefe bejogen, meift gclefen unb burd&gearbeüet. 
$odf) liefe er ftdf) nidfjt baran genügen unb forfdbte felbft in ben 
Urtexten ber Sibel, unb als gtadj* bk)ex ©tubien erfdf)ien im $af)re 
1872 alö 2Ranuffript gebrudt ,33ibelfteHen über bie 3ufunft ber 93er= 
ftorbenen 1 ." 

Den „religiös=pf)ilofopf)ifd)en" ©ebanfen Ijabe idf) ©rörterungen 
unb 2ludfprüd^e über üerfdbiebene anbre fragen unter bem Xitel 
„allgemeine Setradfjtungen" fjinjugefügt, bie, abgefefyen uon einjetnen 
ßrgänjungen aus ©riefen, gleichfalls ben Xagebüdfiern entnommen 
unb. — Qdf) fd&liefee mit ben SBorten meines greunbes, bes 5ßro= 
fejjors JRufforo, aus feiner jum Xobestage meines SSaters erfd^ienenen 
Crinncrungsf dfjrift : *) 

„So finben roir Äepferting faft bis jum lefcten Sttemjuge bei 
ber arbeit, um ben Drang nadf) 2ßaljrljeit ju beliebigen, immerfort 
beftrebt, bie ©eiftesfdfjäfce ber 3Jienfdf)f)eit ju mehren unb ftcf) anju- 
eignen; fonft bebürfuislos, bem ©treben nadf) ßrlangung materieller 
Öüter burd&aus abgeroanbt, in felbftlofem ^ntereffe bem 3ßol)le bes 
Sanbes feine beften Strafte leifjenb, jebes ebte ©treben nadf) Kräften 
unterflüfcenb, feinen nädfjften Angehörigen ber liebet>oHfte ©atte, SSater 
unb ©rofcwtter, feinen greunben treuefter greunb. Qn ben legten 
3o^ren in freigeroäljtter ©infamfeit lebenb, ben 33liä aufs ßroige 



*) ©in (Sebenttlatt bem Staturforfdjer unb SRenföen. SJon (S. SRufforo, ^ro= 
feffot ber »otani! an ber Unioerfttät SDorpat. ffieüal 1892. 



— XXXVIII — 

gerietet, crfdjeint er una in feinem atteö umfaffenben Söiffen, in 
feiner botyen, lauteren Öefinnuncj ein efyrfurdjtgebietenbeä unb 
erhabene* 33üb menf$[t$er öröfce unb $o((fommen; 
f) ei t — ein SBeifer, 

$enn hinter i§m, im wefenlofen Steine 
Sag, roaS und alle bänbigt, bad ©cmcine!" 

Äaffet, Februar 1894. 



3tt§affet>er?eid?tti6. 



6ettc 

Pro memoria I. Einleitung 2 

Religion (1873—75) 3 

Religion (1877) 5 

WpfbbgiMe $f»<$ologie (1877) 7 

?$Uofop$ie (1877) 9 

Xefigion (1878) 11 

^fofiologiföe ?f9^ologic (1878) 17 

fleligüm (1879) 20 

?$ttofop$te (1878—79) 25 

Anfang aum 3. 9io*ember 1878 33 

»eligum (1880) 33 

¥$ttofop$ie unb pfjnftologxföe ¥fee$ofogie (1880) 41 

^«ofortie (1881) 46 

Religion (1881) 49 

Pro memoria IL Einleitung 51 

3toturforfc$er=HeKgion (1881) 52 

2(n$ang jur StaturforföersÄeltgum 56 

»eügion (1882) 58 

¥$«ofop$ie (1882) 61 

$§i(ofop$if$e* ®fouben3be!enntni3 64 

?fo<$oIogifc$e ?^f«^gie (1882) 66 

*n$ttng. (Heber Äant) 68 

^ftologiföe $fu$ofogie unb Religion (1883.) Schlaf unb bräunt, Seele 69 

@ott, ttnfterbli<$!eit, greift 82 

Wüofop$ie (1883) 89 

3fo§ang 93 

Religion unb j>§oftologifc$e $fo<$ologie (1884) 95 

¥$üofop§ie unb p§nftologif<$e $f9<$oIogie (1885) 103 

ÄütfMuf 107 

®eban!en über Seiben unb ©terben 108 

Wofortie unb Religion (1886) 113 

»eltgejtoltung 120 



— XL — 

Grit* 

Pro memoria III 121 

Religion unb SRoral (1887) 122 

$arn>im$muö 138 

^ijilofopljie unb pljpfiologifaje $fna)ologie (1887) 156 

Xolerana 170 

Religion (1888) 174 

Religion (1889) 178 

$§ilofop$ifa)e $foa)ologie (1890) 186 

Äeligion (1890) 191 

Pro memoria IV. Einleitung 196 

Heligion (1890). ^ortfefcung 197 

$te aeljn ©ebote 205 

9taa)trag gut Eoleranj 212 

®eban!en über ben ©elbftmorb 214 

?tytfofop$te unb pljöfiologifaje ^foajologie (1891). (Sefcte Aufaeia)nungen 

über Staum unb 3eitoorftettungen) . 219 

©eifrige* Söefen be« §unbe$ 219 

Sefcte Aufteilungen über Religion unb 6a)lu& (1891) 225 

2lHgemeine Setradjtungen 231 

©ojiale unb polttifaje fragen 233 

Watunmffenfdjaft 247 

£anbn>irtfa)aft 250 

^äbagogt! 252 

Gölibat, fleufa)$eit, e$e . . 261 

Sitteratur 268 

Aberglaube 271 

SBerfd&iebeneä • 273 

SRetaplfaft! 6. 273. — SJerfdjiebene ©eifteSanlagen 273. — Gljara!te= 
riftif 274. — Umgelegt 274. — SRoralität 274. — «erftanb unb 
(Smpfinbung 275. — 2)a$ 9Jtöba)en au* bet grembe 275. — Reiter: 
feit 275- — ©IjarlataniSmuS 276. — Süge 277. — Sefäeibenijeit 278. 
-^TSgnorana 278. — «erftanb 278. — Unoerftanb 278. — fcrunf* 
f ua)f»Z&>— ^ Un!lar$ett 279. — »ernagelt 279. — Senffajeu 279. — 
Befangenheit 279. — 9tea)t$aberei 279. — Söettfampf 279. — gntenft© 
unb ertenfto 279. — Steblofigfeit 280. — Altern unb SSereinfamung 280. 

— »arranbe 282. — ^rofeffor ©rifebaa) 282. — ^rofeffor getaner 282. 

— 2ßiffenfa)aft 282. — ®emetnfa)aft 283. — Einflujj ber Deffentlta> 
feit 283. - 93erein§roefen 283. — »erbienfte Stephan« 283. — $>a8 
Bote Äreus 283. — Opportunismus 284. — Autorität 284. - SRenfttjen* 
rottrbe 284. — SHarjme 284. — Seraffgemetnerung 285. — - Änapp* 
Ijett 285. — $ergänglia)!eit 285. — Seben unb äunft 2&5. — 
Erinnerung 286. — $auer 286. — GJeiftige 3ntereffen 287. — Söoljls 
wollen 287. — Gegenliebe 287. — SBerbienft unb Siebe 287. — 
tränen 287. — Anmut 287. — Siebe 288. — $reunbfa)aft 288. — 
$a3 roeiblia)e §ers 288. — Äönigin (Slifabety 288. — 9*aa)ruf 290. 



Pro memoria I. 



Iftotfo: 

Hits be* ^CTenfc^en binnen, 
Uffe* mu| von Rinnen, 
<&t<$en, weinen, ßränßen, minnen, 
UHe &as Gaffer mufj verrinnen. 



* u * fte!l XagefoiWattern Im! Örafen «. ««wrlinß. 



Einleitung. 



StaüüII, 4./16. %od. 1876. 

X)er £ang ju ©ebanfen ift unter ben SHenfdfjen in feljr perfdjie- 
benem ©rabe verteilt. £ie Kraft ber ©ebanfen fdfjeint im allgemeinen 
mit ben anbeten Sebensäufcerungen ju roadftfen unb abjune^men. Qn 
ben breifeiger Sauren mag fie ifjren £ö§epunft erreichen. 3n benfelbcn 
Sauren erreicht inbeö audf) bie fiebljaftigfeit ber finnlidfjen aBa^rne^ 
mungen unb bie £eftigfeit ber fümlidfjen SReije iljren #öl)epunft. ©a 
ift bie Seit, wo ber SKenfdf) ju neuen Beobachtungen unb Unterne^ 
mungen am meiften aufgelegt ift. ©aö fü^rt ben lebhafteren SRaturen 
eine güHe oon neuem ©toff ju ben ©ebanfen, bie bafyer immer üon 
neuem bie Drbnung ju beginnen fjaben unb neuen StxfaeuuxiQen 
immer mieber unterliegen. Sarauä erfenut man, toie es eigentlidfr 
mit ber größeren SBeißfjeit beö Slltcrö jufammenljängt. Seils Ejat es 
in ber längeren Vergangenheit meljr ©ebanfenftoff angehäuft, teils 
wirb es weniger abgezogen, roeil bie fjrifd^c ber ©inneötoafime^mungcn 
unb bie Eraft 511 leiblichen SBerridjtungen gefdfjnmnben ift. ©ebanfen^ 
fdfjroädfje mag im 3llter eine allgemeine ©rfdEjeinung fein, aber in feljr 
oerfdfjiebeuem ©rabe. SBo fie fangfamer fortgefdjritten ift alö bie 
2lbnal)tne ber finnlidfjen JMfte, toas in ber SRegel ber galt fd&etnt, 
oerläuft bie ©ebanfenreifje ungeftörter. @s fommt Ijinju, bafc fläufig 
bie SebenSoerfjältniffe fo angelegt finb, bafe bie alten Scanner iljre 
3eit anbers, als mit ©ebanfen auffüllen, nidfjt in ber Sage ftnb, 
unb jroar mit einfamen ©ebanfen, bie nidjt burdf) fofortige Steuerungen 
unb SBerroenbungen genügenb abgeleitet werben. (Solange man {jeratu 
roadfjfenbe Äiuber um fieb fjat, ober Stubieufreunbe, teilt man mit 
iljnen am liebften feine ©ebanfen; — folange man eine 3 u ftwft 



— 3 — 

oor jtdfj fyat, bie oon ber ©nbilbungöfraft auögefdfjmüdft werben fann, 
wirb man oon ber fremben Qugenb mefjr beamtet, namentlich audf) 
oon ber weiblid&en, bie ein poetifd&eö Sebürfniö l)at, in ber reinften 
2Beife baö fräftige, männliche SBefen ju überfdfjäfeen unb ju oerflären. 
£aö fann bem Wanne in feinem ©ebanfenleben außerorbentlid) xotfyU 
tljim*) unb i$m teilweife genügen. 3Rit bem jufunftöloferen älter 
laßt jid> eine berartige ^SoefLe nur in feljr geringem ©rabe treiben, 
l)öd>jien& av& früheren (Erinnerungen fortfefcen, mdEjt aber neu an== 
fptnnen. 

2>a wirb eö feljr naturgemäß, baß man in feinen alten Xagen 
bie ©ebanfen nieberf treibt, nidf)t wegen beö Ijofyen Sßerteö, bie fie 
Gaben fönnten, ober ben man iljnen felbft beifegt, als oielme^r beöljalb, 
weil i^nen eine anbere Setfjätigung oerfagt ift. SBeniger mag biefer 
ftall eintreten, wo eö oiel parlamentarifdfje SSerljanblungen unb öffent* 
lidjeö Men im altgemeinen gibt. 2lber l)ier auf bem £anbe? — Da 
bleibt nid&tö übrig, als ftdfj bie unnüfcen ©ebanfen entweber abjuge^ 
roöljnen, waö ben meifien mit ©rfolg ju gelingen fd^eint, ober, wo 
eö ju fpftt baju geworben, feine ©ebanfen nieberjuf ^reiben. %n biefer 
©eife gebenfe idfj bie folgenben Slätter einte 33udf)eö, baö mir bie 
ftinber oor fünf Rafften gefd&enft l)aben, ju benufcen. 



mcltgtün (1873-75). 

. . . Religion ift für ein ©inselwefen nidf)t redjt möglief); man 
fann eö in ber Qfolierung nur 51t $f)i{ofopt)ie unb Geologie bringen. 
3$ oermiffe in ben mir befannten Definitionen oon Religion bie 
aufnähme biefeö fojialen Gfjarafterö. Dafyer ift jeber wafjrfjaft 
religiöfe 9Kann ein ^rofeltjtenmadfjer gewefen, b. \). ber probuftioe 
SWann, ber bloß rejeptioe wenigftenö ein Kirchengänger. Die Smpfuu 
bung beö ©wigen fann, benfe idf), erft in ber ©emeinfd&aft bie rechte $ le «ewon 
Äraft erlangen. Diejenigen, weldbe feinen Deil Ijaben an biefer leben* ©mdniiSt. 
bigen ©emeinfdfjaft, wie erbautidfje SßorfteHungen fie audj 31t ftanbe 
bringen, finb bodf) eigentlich auögefdfjieben auö jeber Äirdfje unb auö 
jeber 9tettgion. 9Jlit äftfjetifdfjen Spielereien läßt ftd) baö nid&t er* 



*) SSie j. 8. Stuart 2RiH im <5>eban!enau3taufd) mit aRiftre|3 XayloT bie 
gtöfcte Anregung ju feinem Sdjaffen fanb. STnm. b. fterauägeberin. 



— 4 — 

f efcen ; man trägt wotyl ben Xurban, um ungefähren burdjj bie Samara 
ju gelten, aber es ift eben eine unfdf)öne Affommobation, b. f). tnnerlid) 
lebt bagegen 9Biberfpru<f). 

Aus bem ©tubium ber aWetapf^fif ftuno ftifd&ers Ijabe idfj ben 
bleibenben ©eminn gejogen, ju erfennen, wie bas Unbegrenzte in 
jeber SBejie^uug bie SBorbebingung, nie aber bie erft ber begrenjten 
SJorfteHung gegenüberfie&enbe -Negation ($euerbad&fd(je SBorftellimg) 
ober bie aus berfelben ju fianbe fommenbe Abftraftion 0&erbartfdf)e 
2(nfic^t) ijt. 9ttd()t baö Abt)ängigfeitSgefül)l allein (rote ©djjleiermadf>er 
es leljrt), fonbern auü) ber £rieb, über bas glüdfjtige unferer perfön* 
3nnerc9iottD<nbt0. lid&en (Empftnbungen IjinauSjufommen, liegt ber Sieligion , rote mir 
»dtflion. |^ e j nt ^ j U ® nm j) C j)i c brei fruchtbaren gelber bes GfjarlataniS; 

mus unter ben 9RenfdE)en finb Religion, Sttebijin unb Sßäbagogif ge- 
wefen, weil fie auf bie ber 3Renfdjl)eit tief eingeborenen, unabweisltdj 
ju ftillenben Sebürfniffe [\6) bejietyen. $as Sojialbebürfms nadfj 
Sieligion ift gerabe fo wie bas 33ebürfms nad) ©efunbfjett. @s fann 
nidfjt bie tfjeoretifdfje ©rmittelung abwarten, es mufj ifjm gebtent werben 
mit ©ein ober ©dfjein. 35a ift benn ber 33oben, auf bem ber Gljars 
latanismus üppig wuchert, unb es tritt iljm ber abfolute 3 ro eifel tnU 
gegen. Aber eö bleibt, wie XocqueoiHe gefagt f)at: „l'athee n'est 
qu'un aeeident parmi les hoinmes", ebenfo, wie eö nur einjelne 
geben fann, bie oon ber 9Kebi3in abfolut feinen ©ebraudf) bei fidf) unb 
ben 3f)rigen julaffen wollen. — 2Benn idE) unter Aberglauben nur bie 
Ueberjeugung, ba& man burdf) übernatürliche SBege, mittels refigiöfer 
ober anbrer ^rojeburen finntidfje ftmdt erreicht, ocrftefje, will id) 
jugeben, bafc in jeber 9ieligionsgemeinfdf)aft aberglaubifd^e 9Jtenfdf)en 
fidf) finben, aber nidf)t lauter foldbe -Dienfdjen! — ©elbft Straufe wirb 
etwas bange gegenüber ben Sojialiften unb ben fetner Anfielt nadf) 
ju milbe beljanbelten Räubern. S3in idE) ganj oerfunfen in ber be* 
fdEjränften ©mpftnbung bes eigenen 3d)S, fo gefyt ber 9Rut leidet aus, 
unb ba Ijilft baö ©ebet nidjt ju einem ©renjbegriff unb ntdbt 311 einer 
^Pcrfon, fonbern ju bem empfunbenen ©wigen. 9iidf)tig fdfjeint audj 
ein Äuttu» tagt mir, baft man einen neuen Jiultus, eine neue gorm gemeiufdjafttid&er 
c?Mn n wi. Anbadfjt nidf)t fonftruieren fann; aber bas Alte läßt fid) reinigen. @s 
tjat oon ben menfdf)f)citlid)en Äulturoölfern nidfjt ein jebes bie Arbeit 
oon oorn angefangen. So wenig bie $eutf$en einen $lato f)aben, 
fo wenig liaben fie für bie Anregung religtöfer ©mpfmbung, was fie 
ber SSibel an bie Seite ftelten fönnten . . . 2BaS ^aufuö ben Glauben 
genannt l;at, muß ftd) jur mächtigen ©mpfinbung unfrer bauernben 



— 5 — 

©runbfage umbiiben, — ba* Sefenntni* ift ba* @efe|, baö au* bei 
Seit ju troffen $au(u* fidj abmühte. £te Smpfinbung ber tffaU 
fad) lieben ©nmblage be* Swigen für unö wie fär baö Untaerfum 
burd) menfdjlidje @emeinf4aft ju begrunben, bad Ijalte id> für bie 
Aufgabe jeber SReligionögemeinfdjaft . . . 

&3 ift ein intereffante* Problem, bie Ueberjeugungen ber oer; 
fdjiebenen ^tyüojop^en in Öe^ug auf bie Religion ju ermitteln. 34 
ftimme mit bem 3tu*fpru4, bafe Drbnung unb @efe$ nur bemjenigen 
bewußt ift, ber bie ©efefclidrfeit in feinem inneren erfannt tyxt, überein. 
34 ijabe 9el>nlicf)eö, aber mgfteriöfer früher gefagt mit ben ©orten : 
„2Baö ber 9Renfd) in ber Su&enwelt ju ertennen trautet, ift feinem 
leiten Qitlt na4 nidjtä anbreö als bad ©eijeimniö bes eigenen enbiM w\m 
£afein&". 34 glaube, bafe man, wenn aud) nidjt bie $fyüofopl>ie, *t$km™* 
fo bod) ben $f>Uofopf)en erft red)t tennen lernt, wenn man fein 35er = 
galten 311 biefem @e^eimniö ftdj oergegenwärtigt, unb in ber 9te(igionö- 
pljüofopfjie tritt bas am naefteften (peroor. 



Äritgtmt (1877)* 

5. äug. — £er Äorau fielet ben (Stauben ate eine Diel unerläfc «ufttft^mtgs. 
liefere $flid)t an, als baö gute £anbeln. Gr ftimmt barin mit bem flteulK im Äortt,, * 
Gfjriftentum über ein, im @egenfa$ ju bem ^Rationalismus , wie tön 
Sefnng fd^arf bejeidjnet Ijat. Öegenftanb be* @(aubenä, im Äoran, 
ift, neben bem ©inigen Sott, ber aber ©nget unb Dämonen nidjt 
wie ber 9Rofaifd)=3abbucäifd)e &injige ©Ott auöfdjliefct, ber 2luf= 
erfte^ungdglaube. £anblungen tonnen oon bem 3lllbarmöerjigen 
oerjieljen werben, aber ber Ölaube ^inter^er ift unmöglich unb oer- 
geblid). SBer an einen legten lag allgemeiner Suferfte^ung unb 3Ser= 
geltung tjier nidit glaubt, oerfallt ber ööüe. Ta% Gljriftentum tyxt 
biefes entfdjeibenbe Xogma ju fefjr oon anbem Dogmen umgeben, 
um feine eyfluftoe Sßidjtigfeit fo fcöarf Ijeroortreten *u laiien. 

8. 2lug. — £urd> bie Seftüre bes ftorans werbe xd) reebt auf= Äcrall: ^ u .^ t 
merffam auf ben ©egeniafc jwifeften ©lauben unb Sittlicbfeit ober un * £ftt;;i - 1 ;r 
auf ein Surrogatoerfjältnis ;rotfd>en tynen. 2£er an Gidjorienfaifee 
gewöhnt ift, finbet reinen Kaffee fdjwadj; ebenfo wer an religiöie 



— 4 — 

f efcen ; man trägt rooljl ben Durban, um ungefähren burd& bte Samara 
ju geljen, aber cö ift eben eine unfdf)öne 2lffommobation, b. I). innerlid) 
lebt bagegen 9Biberfprudf). 

Sluö bem ©tubium ber 3JtetapI>t)fif Äuno ^ifd^erö Ijabe idf) ben 
bleibenben ©eroinn gebogen, ju erf ernten, urie baö Unbegrenjte in 
jeber Sejie^ung bte SBorbebingung, nie aber bie erfl ber begrenjten 
SBorfteUung gegenüberjle^enbe Negation (#euerbad(jfdfje SSorjtellung) 
ober bie aus berfelben ju ftanbe fommenbe Slbftraftion (£erbartfdje 
SKnftdfjt) ifl. 9ttdf)t baö 9töf)ängigfeitageftif)l allein (wie ©df)leiermadf)er 
eft lefjrt), fonbern anä) ber £rieb, über baft glüd&ttge unferer perfön* 
3nnrrc92otombtg' licJjen (Empftnbungen Ijinauöjufommen, liegt ber ^Religion, nrie mir 
«eiiflion. |^ ein ^ JU ® rutt t ) e. 3)ie brei fruchtbaren gelber bes G^arlataniö- 

mus unter ben SRenfd^en ftnb Sieligion, SJtebijin unb Sßäbagogtf ge^ 
roefen, weil fie auf bie ber -Dtenfdfjfjeit tief eingeborenen, unabroefelid) 
ju ftittenben Sebürfniffe fidf) bejiefjen. 3>aö Sojialbebürfnte nad) 
SReligion ift gerabe fo wie baö 33ebürfniö nadf) ©efunbljeit. @S fann 
nidfjt bie tfyeoretifd&e Ermittelung abwarten, eö muß iljm gebient werben 
mit ©ein ober ©dfjein. 3)a ift benn ber Soben, auf bem ber 6t)ar^ 
latantemuö üppig roudfjert, unb ea tritt iljm ber abfolute 3 ro eifel &it* 
gegen. 9lber eö bleibt, wie SocqueoiHe gefagt fjat: „PathSe n'est 
qu'un aeeident parmi les hoinmes", ebenfo, wie eö nur einselne 
geben fann, bie oon ber -Dtebijin abfolut feinen ©ebraudf) bei fidf) unb 
ben Sftrigen julaffen wollen. — Sffienn idf) unter Aberglauben nur bie 
Ueberjeugung, bafe man burdf) übernatürliche SBege, mittete religiöser 
ober anbrer ^rojebureu finnlidfje 3roedfe erreicht, oerftelje, will id) 
jugeben, bafe in jeber SReligionögemeinfdfjaft abergläubifdfje 9Renfd)en 
fidfj finben, aber nidfjt lauter fold&e 9Renf dfjen ! — ©elbfi ©traufe nrirb 
etroaö bange gegenüber ben ©o§taliften unb ben feiner 2lnfidf)t nad) 
ju milbe be^anbelten Stäubern. 33in idf) ganj oerfunfen in ber be* 
fdfjränfteu ©mpftnbung beö eigenen ^d&ö, fo geljt ber 3Jiut leidet aus, 
unb ba tjilft baö ©ebet nidfjt ju einem ©renjbegriff unb nidfjt ju einer 
Sßerfon, fonbern ju bem empfunbenen ©roigen. SRidfjtig fdfjeint aud) 
Gm ftuttu* tä§t mir, baß man einen neuen Siultuö, eine mm gorm gemeinfdjaftlicfcer 
e?ftn!f?i. 2lnbadf)t nidfjt fonftruieren fann; aber bae Sllte läßt fidf) reinigen. (£* 
\)at oon ben menfdfjljcitltdfjen Äulturoölfern nidfjt ein jebeö bie 2lrbeit 
oon oorn angefangen. So roenig bie £eutf$en einen <piato fabelt, 
fo roenig Ijaben fie für bie 3lnreguug rcligtöfer ©mpfinbung, roaö fie 
ber 33ibel an bie (Seite ftellen fönnten . . . 2Baö s J5auIuö ben ©lauben 
genannt liat, mufc fid^ jur mächtigen ©mpfinbung unfrer bauernben 



— 5 — 

önmbfage umbilben, — baft ©efenntnte ift bafc ©efefc, bas aus ber 
SEBcIt }u fdfjaffen Sßauluö fidfj abmühte. 25ie ©mpfinbung ber tljafc 
fädjlidjen ©runblage beö @rmgen für uns wie für bas Untoerfum 
burd) menfd&lid&e ©emeinfd&aft ju begrünben, bas fjalte id& für bie 
aufgäbe jeber SReligionSgememfd&aft . . . 

6s ift ein intereffantes Problem, bic Ueberjeugungen ber Der* 
föiebenen ^ß^ilofop^en in Sejug auf bie Religion gu ermitteln. 3$ 
ftimme mit bem 2lusfprud>, bog Drbnung unb ©efefc nur bemjenigen 
benm&t ifl, ber bie ©efefclidfjfeit in feinem inneren erfannt bat, überein. 
fä Ijabe Slebnlid&es, aber mgftertöfer früher gef agt mit ben äBorten : 
„SBas ber SKenfdf) in ber Sbiftenroelt ju erfennen trottet, ift feinem 
legten 3ie(e nad& nidfjts anbres als bas ©eljetmuis bes eigenen enbjiet unfw 
25afeins". $d& glaube, bafj man, wenn aud(j nid^t bie ^ilofop^ie, 1*?$?«^* 
|o bodf) ben 5ßf)üofopl)eu erft redfjt fennen lernt, luenn man fein 93er* 
galten ju biefem ©e^eimnis fidjj vergegenwärtigt, unb in ber SRcIigionö- 
pt}i(ofopf)te tritt bas am naefteften tjerpor. 



K*lt0i0tt (1877). 

5. äug. — $>er Äoran fiefjt ben ©tauben als eine triel unerläfc « U fetfte$un fl §. 
[teuere <Pfüd)t an, als bas gute £anbeln. ©r ftimmt barin mit bem flIflUbe im * oran ■ 
6f)riftentum überein, im ©egenfafc ju bem ^Rationalismus , wie ifju 
fiefftng fd&arf bejeidjnet ^at. ©egenftanb bes ©faubens, im ftoran, 
ift, neben bem ©inigen ©Ott, ber aber ©ngel unb 3)ämonen nidjt 
wie ber 2Rofaifdf)=®abbucäifdf)e ©injige ©Ott ausfdfjtiefet, ber 2luf= 
erfte&uugSglaube. £anblungen fönnen von bem ällbarmberjigen 
öcrjie^en werben, aber ber ©laube ^inter^er ift unmöglich unb oer* 
gebli$. SBer an einen legten £ag allgemeiner 2tuferftef)ung unb 33er* 
geltung l>ier nidfjt glaubt, verfällt ber £öUe. $as ©fjriftentum tyat 
biefeö eutfd&eibenbe 2)ogma ju feljr oon anbern 2)ogmen umgeben, 
um feine ejfluftoe SBid&tigfeit fo fd^arf hervortreten ju (äffen. 

8. äug. — Durdf) bie Seftüre bes Äorans roerbe idE) redf)t auf* ftoran: <ai aubc 
merffam auf ben ©egenfafc jroifc^en ©lauben unb ©ittlidrfeit ober unb simi * lcit ' 
auf ein ©urrogatoerbältnis jroifd&en il)nen. SBer an Gidfjorienfaffee 
9*roöf}nt ift, finbet reinen Äaffee fdf)ma<$; ebenfo roer an religiöfe 



— 6 — 

SRoral ftd) gewöhnt Ejat. $fom fd&eint alle ©ittlidftfeit o&ne Sieligion 
fdfjroadf), roenn nid^t gar ein glänjenbes Safter, nacij SBorgang bes 
tjeiligen SKuguftin. 3m Koran ifi beftänbig rotcbcrljolt, bafe berjenige, 
ber an bie 2luferfteljung an einem befonbem Sage ber SBepgeltung 
nid)t glaubt, unroieberbringlidfj oerloren ift; wer aber nid()t gut Ijanbelt, 
bem bleibt bie Hoffnung, bafj ©ott aUbarmljerjig ift. 2)as ift ber 
eigentliche fritifd&e Sßunft für ben Stationaltemus. 3$m ift ber ©taube 
gleichgültig , wenn nur gut ge^anbelt rotrb — bem ©egner ifi baö 
&anbeln unerheblich, roenn nur geglaubt wirb. S3eibe fjaben einen 
fategorifdfjen Qmperatio, aber oerfdfjiebenen Qn^altö. S)u fottft glauben, 
bas übrige ftnbet fidf), forbert ber SReligiöfe — unb erjroingt bie 
ßeudfielei, ba man nidf)t gegen feine ©rfenntniö glauben !ann. £>u 
follft gut fjanbeln, bie Religion ift gleichgültig, forbert ber Statio* 
nalift — unb füfjrt jur ^rreligion. Sefftng tyat ben Sßunft unüber- 
trefflich einfadf) bejeidfmet: 

„Segretffi bu nun, 

3öie oiel anbädf)tig fdfjroärmen leidster als 

©ut fjanbeln ift.'' fiefftng ift ber SBater bes Station 

nalismus. 
^ie reine 20. Oft. — 2)ie reine fjebrätfdfje £ef)re l;ält als an feften $unf= 

ten, an ben SSorfteHungen : 1. 2)er eroige einjige ©ott ift ber ©d^öpfer 
aller 2)inge, bie ba^er nidfjt eroig finb. — 2. 3)er 2Kenfdj) f)at feine 
anbre gortfefeung, als in feinen Stadftfommen. — 3. (Sin 2Beltgerid)t 
ergebt über alle SBölfer, bas ber jtttlidfjen SBeltorbnung ©enüge tf)itt. — 
2)ie Sßeltgefd&idfjte ift bas 2öeltgeridf)t , fagt &egel, unb nidfjt anberö 
lehren bie Sßropljeten. 

35ie apofaltjpttfdfjen SBorfteHungen finb metteirfjt im Äoran am 
reinften aufbewahrt. 2lus bem Seidjnam entrotcfelt ftdf) einfi eine neue 
lebenbige ©eftalt. 

£>ie ^eHenifc§^l;ilonifd^e Sluff affung , ju ber SßauluS unb ber 
oierte ©tmngelift ebenfalls gelangen, tjaben leiblofe, unerfdfjaffene ©eelen, 
unjerftörbarer Statur jur SBorauSfefeung. 
©oh au «nbjtei 35ie moberne 9taturforfdf)ung brangt jurücf $u ber altbibttfd&en 
SBorfteHung , mit bem einigen Unterf dfjieb , bafc fie ben ©ott als ein 
2öefen auffaßt, baö meljr unb meljr in ber SBelt fi<$ oerroirflidEjt, fo 
bafc oon ßaufe aus ber ©dfjöpfer nidfjt als eine fertige ^erfönlid&feit 
ber Schöpfung gegenüberftanb , fonbem als befttmmenbes , unenblidf) 
fernes 3^ ty x oorftefjt. 35em $iel bie ©d&öpfung näljer ju bringen, 
baju lebt alle Äreatur, unb barin ift fie feiig. 

JBie fcfjledfjt finb alle oermeintlidfjen Offenbarungen über bie S3e* 



$ebräl|$e Seftte. 



bei ©$o>funa. 



— 7 — 

föaffenljeit beä 3enfeitö ausgefallen! £ienieben füllen wir ©eligfeit: 2>i«b«t6cu fl reiteu 
1. in ber Siebe, 2. in ber Äunft, 3. in ber SBei^eit. SWit biefen * ieniebtn - 
Seligfeiten nmfeten bie SReligionsftifter ifyc Sßarabieö nid&t ju fdfjmüdfen, 
fonbern nur mit Sßradfjtgegenben unb Prachtbauten, Safelfreuben unb 
Befreiung t>on Uebeln. 

27. Dft. — 3$ badbte baran, wie bie Hebräer 2t. %. mit bem sie Hebräer 
®efüf)l iljrer gortfefcuug in Samen unb SRamen fid& genügen Hegen unpetbnÄ 
unb in bem Senmfctfeiu ber @emeinf<$aft mit ©Ott ftdfj $ur ©ittlidfc 
feit erhoben, ofjne mm einem Seben nad(j bem £obe etwas ju £ilfe 
ju nehmen. 3)aä fd&ien mir auögebrücf t in bem Sßf almperö 73, 25 : ß^er» wm 
„SBemt td(j bi<$ nur ^abe, fo frage id& nidfjtö na<§ &immel unb @rbe." 9fSmlSfdi7s!is. 
35aö badete i<§ mir fd&on als paffenbe ©rabfd&rtft. 3tun aber, ate 
idj ben £ejt t>ergletdf>e, finbe i<f>, ba§ fiut^er es ifi, ber biefe grofc 
artige ©otteägemeinfd&aft erft fytnjugebracfjt $at. „SBen tyabe idt) im 
Fimmel, unb neben bir liebe idfj nichts auf ©rben, Reifet baä Dvu 
ginal!" 2)as Hingt lieblos. 2>er &immet ift leer, unb auf ©rben 
gibt es nidf)ts ju lieben, nur ber ©Ott im fersen bietet £roft! S)as 
ift ber Sinn. 

81. 3)ej. — aus bem 9tüdtblicf auf bas ^aljr 1877. a>amin»&mu« = 

35aS innere fieben fpinnt fidfj immer netyer an bie „neufeimenbe neue Weüöton - 
Sieligion", wie ©. von 33aer mir fdjjerjroeife ben ©arnrinismus be= 
jeidfjnete. <£s festen i^m jur Siefigion bie ©emeinfdfjaft, bie Dbfer= 
Danjen. aber feine eigentümliche Äosmogonie ift bodjj eine religiöfe 
©runblage, auf ber fidj bas SBeitere enttoidfeln mufe. 



Ptaftototffö* Kaxfi0r00iB (1877). 

12. 3uni. — SDteine ©ebanfen fjaben fid) abermals ben pfpdjos seeient^eode. 
logifd&en ©efyeimniffen jugetoenbet, roie fidf) biefe burdj) bie Xraum* 
erfd&einungen verraten. 

SReu ift mir ber ©ebanfe entgegengetreten, baf$ bie (Seele t>ie[ 
jutreffenber ate ein fatoptrifdfjeä 2Berfjeug üerbilblidjt wirb. Sie sie ©«u = «n 
Sinne führen bie ©trafen ber Außenwelt iljr ju. SDas eigentlid&e tetD>to jSJI mxU 
§irn ift ber £intergrunb, auf meldten bie Seele bie ©trafen pro* 
liiert. 2)ort entfielen bauembe SWad^bilber, bie ifjre Strahlen nrieber 
auf bie ©eele jurüdf werfen. Sichtbarer werben fie, mnn bie frifdfjen 



— 8 — 

energifd&ereu ©trollen ber ©inne audgefdjl offen finb. 35ie ewige Be^ 
wegung ber Sßa#ilber getagt mit ber nie fülle ftefjenben Blutriefelung 
jufammen, bie balb bem einen, balb bem anbern Xeild&en biefe& 
Uebergewtdfjt juffifjrt. S5aö ftärfere Bilb brängt ftc^ x>or. ®ie ©eele 
orbnet wie ein Kaleiboffop bie SRaterialien, ob fie iljr geliefert werben 
burdfj SReije pon ber äufjenwelt ober burd(j SReije atö ber £iefe be& 

2)ie6«ietft«nP4 ©eljimö. 35ie ©eele ift ein fid& 3Bal)rnel>menbes! S)iefe nid^t weiter 

sDoijrn^inenbeg. ^ ertlärenbc £ljatfad()e ift atö ftaftum anjune&men. (Smpftnbung ift 
mdfjtö anbreä, alft „fid& wa&rnefjmen". $amit Ijört bie ©leidig 
gältigfeit auf gegen bie Sage ber £eildf)en ober bie äfofcenwelt. 35ann 
mufe ein ©treben ftdf) einfallen, biejenige Sage ^erbei jufü^ren , bie 
gelegener, angenehmer, fd&merjlofer ift. 

mvitn, - ba*« Stimmt baö fatoptrifd^e Sßerfjeug fidf) unb feine Bewegungen 

«m^imsni. wafjr, fo wirb e& SBBitten fjaben. 2)em SBiUen entfpred&en Bewegungen 

ber wiHfürlid&eu Sßuäfeln. ®ie SReroen vermitteln biefe Bewegungen. 

25a* fatoptrifdfje SBerfjeug müfete 9teije auf biefelben überleiten fönnen. 

SDurdf) bie 2lffojiation mit ben Silbern in ber ©eele entfielen bie 

fflewflunßen tm jwedfmäfctgen Bewegungen. 2)ie Bewegungen im Traume fommen 

ju ftanbe oljne ober mit geringer unwefentlidfjer SKuöfelbewegung, ba 

fd&on bie BorfteUung tjinreidfjt, um im ^antasma bie Bewegungen 

al» bewerffielligt erfd&etnen ju laffen. 

9iot»«ibiaMt 2Bie i<$ mir aud& bie ©inneöwerfjeuge, j. B. baö 3luge, benfe, 

TOoirne\menboi julefct bebarf ea irgenbwo etneö SReijeö in einer ©ubftanj, bie fxdfj 
ana * felbft wahrnimmt, @ö ifl batyer nid&t eine ^ppot^efe, fonbem eine 
jwingenbe ©dfjlufjfolge, bafc ju ber ©eftdfjtöempfmbung eine ftdf> xoaf)T* 
ne^menbe ©ubftanj gehört — bie aber in fidj au<$ bie anbern ©inneä* 
reije auf june^men fäljig ift» ©enn fonft wäre jwifd&en ber fteljenben, 
^örenben u. f. w. ©ubftanj immer eine oereinigenbe nötig, um eine 
einfjeitlidEje BorfteHung oon bem ©idEjfc unb hörbaren fjert)orjubringen. 
©eeu. ©oweit ©mpfinbung, ift audf) ©eele, 35en Sßflanjen fann man 

fie nidf)t jufdfjreiben, aber woljl allen mit 3roedbewegung unb 9ien>en 
oerfefjenen Organismen. 

SMefe Slnbeutungen bleiben weiterer 2luäfüf)rung unb Begrünbung 
oorbefjalten. 



— 9 — 



Pfttfofrrtte (1877). 

27. Dft. — 3df) benfe baran, meine SBeltauffaffung nieberjus sd>ema iu einer 
^reiben, weil i<$ fte erft bann felbft im Bufammen&ange überfein ® eItflu ^ un ß- 
fann. 3)aä Unternehmen wirb aber fdfmrierig, xotnn id) au<$ barauf 
üerjidjte, bie Ueberjeugungen troffftänbig ju bebujieren, unb nur furje 
Slusfprüd&e madfjen mochte, gleidfjfam Sefenntniffe. Um bie SRaffe 
nidfjt burd&einanber ju mifdfjen, bebarf es einer vorläufigen Ueberfid&t 
üjrer Sefianbteite. ©troa folgenbe ©intetlung ließe ftdfj verfugen: 

A) ©enefiS: 1. bes 3Renfdf)en, 2. ber Organismen, 3. ber 

SBeltförper, 4. ber Subftanjen. 

B) ©nofts*): 1. ber 3Raterie, 2. bes ©eiftes, 3. ber 3Kenfdf)en ; 

feele, 4. ©ottes. 

C) Sßra£iS: 1. bes ©uten, 2. bes Sd&önen. 

5. 9tou. — 3$ fyabt t>erfudf)t, meine Qbeen von ber ©enefts bes 
Sßenfdfjen nieberjufd^reiben. ©s roiH nidf)t red&t fliegen. 

21. 9lor>. — 3Wan muß ftdf) feinen ©Ott nadj bem eigenen Silbe ©ottt*»orftcaun ö 
bauen, bacon fommt man einmal nidfjt los. SBenn aber bas 33ilb, 3<*üorfleaun ö . 
ba§ nrir uns t>on uns felbft mad&en, ein ganj anbres geworben, wie 
foll ©ott babei berfelbe bleiben? Unfer Seelenroefen ifl ber ©inigungSort 
aller ©inneseinbrüdte, aller abftraften ©ebanfen, aller Erinnerungen. 
Sag es fidf) Ijinüberfüljlt aus einem in ben anbern 9Woment, als ein 
unb basfelbe, ununterbrodfjcn, bas gibt i^m erft SBert für bas Beben. 
Würben foldfje 3 u fätte paffxcrcn als fjäuftge täglidfje Vorfälle, bafc %& &rinnerun 6 e. 
olles Seroufctfein ber SBergangenfjeit roeggeroifdf)t mürbe — roie man «rmöK'baö 
in einjelnen Äranfljeitsfällen roitt beobachtet fjaben — , bann märe es *7fflSSV*" 
aus mit ber ftttlidfjen Sßerantmortlid^feit, mit bem ©rroerben oon £ennt= 
niffen, mit ber freute über bie Sßrobuftionen. ©benfo: bie 2Be(t 
Ijört auf, ©egenftanb eines möglichen Qntereffes als ©anjes ju fein, 
roemt idfj barin nidfjt ein fidf) fortfüfjlenbes, eroiges Selbft annehme. 
Sei ber anatomifd&en Unterfudjung unfers ©ef)ims, als bes Seelen- 
organs, uermiffen roir aber bie bominierenbe $eüt. Sie muß ror= «amcnbi^Mt 
Ijanben fein, biefe $tüe, aus einer Subftanj, bie fidE) felbft roafjrnimmt, Ten 6«"«^' 
beren ©mpfinbungen bie SSorfteHung oon Seroegungen erjroingen unb ßUt * emem 
barin bie SSeroegungen ju ©mpfinbungen werben, bie ifjrerfeits roieber 
Seroegungen erzeugen, 2Mefe ©inljeit ift, nur bilblidf) ju fpredfjen, roie 
ein Srennpunft im parabolifdjen Spiegel, roie ber btjnamifdfje Sdfjroer^ »rennpunft im 

. paeaboliidjen 

* 4 ffrf^«*«;a Spiegel, «naloflie 

w ) (srfenntms. mit bem 



— 10 — 

Qfinmomifaen punft aller £irnjellen. Sie Slftronomie fyat uns ein analoges Ver- 

e ttÄ. im &ä(tnis im Untoerfum entyüUt. Sie ©rrfteme ber 9Beltförper: 1. ber 

planet mit feinen Trabanten; 2. bie Sonnen (giffteme) mit ifjren 

Planeten; 3. bie 3=i£fternfdf)idf)t, bie mir oon ber aWildjftrafee umgürtet 

felien, mit ber meUeidjt bas Unioerfum erfdfjöpft ift (ober, falls bie 

auflösten SWebelfledfe , mie man gemeint fyat, Uirftcntfpftentc bar? 

ftetten, bie felbft ein 3«ttrum umfreifen), — finb Sreljfd&eiben mit einem 

Sdfjroerpunft. Sei ben nieberen Drbnungen, Sonnenfijftemen unb 

Planeten mit Trabanten, ift ber Sdfjmerpunft materiell; bei bem Uni= 

oerfum, gerabe mie bei bem SDtenfdfjen, nur turtuell. 3n biefcn 

©Ott aie 6d)»er. $unft ift, na<$ unfern heutigen 2lnfd&auungen, ©Ott ju oerlegen, als 

* un Jun1t S" nn ' bas Seelenroefen bes Unioerfums, bas nie fertig fein fann in Sßirfc 

sd« untQumit*e ©ott, mag man ba fjerumbrefien, fo tnel man will, bleibt eine Ijofjle 

«b?ra?Hon. eere 2lbftraf tion ; ber in aller Subftanj oerbreitete bagegen, ein bemufctlofer, 

mie es audj ber SWenfdf) bliebe, wenn nidjt etwas ba märe, maß ben 

wotn>tttbi fl !eit ©erudfjseinbrudE ebenfo mie ben beö ®ef)örs unb bes ©eftdjts t>er= 

""ortMpW*' ftef)t, was Siafe, Dl)t unb Sluge für fidE) nicfit leiften. Sie Seele als 

cmmsetnbrüde. ^ nttantt anju ^ cn ift ein äusbrucf, bei bem fxc$ feljr Verriebenes 

benfen läftt; aber mnn man glaubt, bie gorberung eines ©inigungs- 

orteS bamit abgewiefen ju fjaben, fo tjat man ftdf) eben, ofjne an baö 

3iel ju gelangen, beruhigen motten. Sie moberne Sfjeologie rnufe 

©ott ai» edjmer. fagen: ©ott ftfct im Sdfjwerpunft bes UnioerfumS. Sa werben alle 

un"wtiumi. Vibrationen unb Dotationen ju ©mpfinbungen , bie ©mpftnbungen 

mad&en alle Vibrationen wahrnehmbar, unb biefe 2Bal?rnef)mungen 

werben erfte llrfadfje neuer Dotationen; gerabe fo mie in ber 9Renfdjetu 

©iüe im mmtn feelc fid£) bie SBiUensäufeerungen nadf) ben 2Bal>mel)mimgen ridjjten, 

an erfte ur|ft*e. a ^ er auö c jg ener © ne rgic; für bie man fid) oerantroortlid^ wei§, im 

SÖiberfprudfj mit bem, an nie ju @nbe gelangenbe Äaufalität ge= 
bunbenen Senfen. 
unjuianQ«d)fdt 21. Sej. — $ür bas Sing an fid), für bie inteUigible 2ßelt, 

bc * ^tte^ 1 *'" brausen mir gar feinen ©ott. Solche Unjugänglidfjfeiten werben 

burdf) bas Einzubringen eines metap^fifd&en ©ottes weber erfennbarcr, 
noii liebenswürbiger. 2Bas mir brausen, ift ein jufammenfjängenbeö 
unb einigenbes äBefen in ber @rfdf)einungswelt. @s ift biefe SBelt, 
bie für uns ftttlid&er SBertfd^äftung unb eroig fortroirfenben 33ewuf?t= 
feins bebarf. 



— 11 — 



K*K0i0tt (1878), 

8. äpril. — SWur ein SEafynfinniger Ijatte fidf) bei ©ntfteljimg G&rtfientum unb 
M G&riftentumö oorftetfen fönnen, bafc es bie antife ftuftur jerftören eo,ialUmuft - 
würbe. 3efct fteljett mir ettoa bem Sozialismus ebenfo Gegenüber? 
2Birb er ben Untergang ber mobernen Äultur herbeiführen ? Äann es 
mir nid&t benfen. 2)ie SBiffenfd&aft ift ber Qnbuftrie unentbehrlich 
geworben, unb oljne ^nbuftrie gibt es bas 3Bof)Ueben nid&t, bas ber 
Sozialismus erftrebt. S5ie inbnnbuetle grei^eit ift fdfjöpferifcljer ge= 
roorben als jemals. 9lber ju oerfennen ift ber üerroanbte gug in 
(Hjriftentum unb Sozialismus md&t. Les extremes se touchent. 
Seltffudfjt unb 2Bettfud&t Raffen beibe bie greiljeit unb fdfjmctyen bann, 
roas jidfj burd& 2Biffenfdf)aft unb Äunft felbfiänbig fütjlt unb ergebt. 

3. 3uni. — 9Kaj SDtüllers SBorlefung über bie SBaljrnetymung sRajwüaeri 
bes Unenblidfjen (in bem 2Waifyeft ber 9tunbfdf>au) vertritt bie 2lnfidf)t, Cor uneSbii?e! ba8 
ba§ uns bas Unenbltdfje nidfjt als ein Slbftraftum, fonbem als eine 
mit bem ©nblidfjen nottoenbig oerfnüpfte Stfaljrnefjmung gegeben ift. 
Sie idf; mi(f) f onft ausbrüd te : bas Unenblidfje ift bas erfte, unb alles 
©nblidje ift nur als eine Sdjranfe innerhalb bes urfprünglidf) Un* *a» Gnbu*e nur 
begrenzen ?u erfennen. aber mir ift nridfjtiger bie Sele^rung , bie ""untnVÄ. im 
3Raj 9Rütter barüber gibt, bafe eine Definition üon Religion, wenn 
ne nrirflidf) umfaffen folf, roas ftd& auf biefem ©ebiet tjiftorifdf) gejeigt 
fiat, ben Jtultus unb bas SSefenntnis nid&t mit aufnehmen barf. 25er 
8enebiftiner;S3ifd)of ©afoabo erjagt t)on ben ©ingeborenen im meftlid&en 
Auffraßen bei ber 3Wiffion SWeusSKurfta, baft fie an einen menf^en« ftuitu*ioii ö reit ber 
artigen, gütigen Sdfjöpfer, SMotogon, glauben, ber inbes altersfdbroadf) *TeuXrrta Wn 
geworben unb nun tot fei; — ferner an einen SdEjöpfer bes 93öfen, 
Gigaga, ber um>erföf)nlidf) ift. Stauer fjaben fie toeber Äultus nod& 
'öere^rung für etwas, ©obalb idfj ben ÄultuS hineinbringe, madfje idf) 
aus ber religiöfen ©emeinf djaf t ein ©eljege ber ßnnetradfjt ; — bringe 
id) bas Sefenntnis l)inju, fo roirb es eine ßroangsjaefe für bie SBer* 
nünftigen unb ein ©trafinftrument jur 33egrünbung abergtäubifdfjer 
^riefterljerrfdfjaft. 3n ber Stntage ober potentiellen ©nergie jur ©r* 
fafiung bes Unenbüd&en liegt, nadf) 3tt. 3Küller, bas Söefen ber SRe^ ©den ber »eu fl ion 
ligion. 3$ würbe fagen, ber £ang jit bem Dauernberen, ber jur na * Req|erUnfl - 
Siebe bes ©roigen leitet, madjt bas äßefen ber Steligion au*. 

3. 3uli. — 3»n %i&tl, too id^ einige Sage bei meinem erbtim ©oitdre» 
beten greunbe, bem »aron «. Uerfütt, oerbrad^te, laö id) Voltaires ^Änf" 



— 12 — 

Traite de la Tolerance. Siefe Stö^anblung oerbient immer nrieber 

gelefen ju werben. £afj bie Quben juerft Unfterblidfjfeit ber 3Menfdjen 

nic^t fannten, wirb von Voltaire gut au&einanber gefefet. <S§ ift aber 

biefe äbljanblung nur eine Steige jufammengefafeter @elegenl)etts= 

fd&riftd&en für bie Familie Galaä k. darunter eineä für ben üWajor 

Äepferling, ein Fragment ju feinem ©ebraudd in Sßolen ! Älare £>ar= 

fteßungen unb öegrenjungeu beä äßefenö ber $oleranj unb ber baju 

«roietam. geeigneten 3JUttel bietet SJoltaire nid&t. 3»eine ©ebanfen bleiben bei 

ber gtormel fte^en: Steligiöfe SWeimmgen unb ©emeinfd&aften fottten 

gleidb fein unter bem ©efefc ; jebe Sejiefiung auf 9teligiou muß bann 

im ©efefc unb Staatsbubget aufhören, ba fonft bie ©leid^eit auf* 

^ören mufe ober ittuforifd) nrirb. 

aeiiöiöie »eaftioii 6. ftuli. — (2)eutfd^e Sßolitif.) 2>ie religiöfe SReaftion ift 

m xeutj^ianb. e j n 5t un jjfo rama m ^ gewitynlidfoen SRenfdfjen, bie in Sßropfjetenfoftüm 

auftreten unb fidj in ityre Stollen melleid&t I)ineinftubieren fönnen, aber 

Scljaufpieler bleiben fie. 
9Wac !ptüfun 8 6. ^uli. — ©eroijfe Sefenntniffe roirfen auf bie 3Benfd)en noeb 
be& »t^ei«mu8. j mmer ro j e ^ tx ^ ne( ^t 9tupredf)t auf bie 2Beif)nad()tafinber, bie ftd^ mä 

Dunfel flüchten, um baä ©ntfefclidjc nidjt ju fefjen. $)aju gehört an 
erfter Stelle ber ätfjeiömua. Qnnerlid) entfdfnebene Streiften finb in 
meinen ©eftdfotsfreis gefallen: ber ginanjminifter ©raf ©eorg ftan= 
»ed)M«affene frin *), — ber Dr. S., — t>ieHeidf)t ber ©raf unb ©eneral Sß. ty. ß — 
ittdftcn. ( auter gjjänuer oon entern Sdfjrot unb Äorn, benen jur Seite nur 
wenige ju ftellen fein bürften. ÜDtog eö unter ben ßalunfen aud) 
Steiften geben, fo ift ber 2ltljeiömuä ein fo wenig ju empfeljlenbea 
Sfaafjängefd&ilb ju Subenftüdfen, baß fie ea forgfältig perbergen. 2>er 
offene Streift fann bie Slbfidfot nid^t fjaben, feine 9Witmenfdf)en ju hinter- 
gehen. 3Ran foHte alfo in ooHfommener 9?uf)C bie 33etradfotung beö 
Sttyetemuö oor bem tmf[enfdfjaftti$en Genien unb bem fittlid&en $ü&len, 
^Sollen unb £anbelu unterfudjen. 3$ bin lange innerltdf) bamit 
»eügiöfe entwide. befd^äftigt unb auf oerfd&iebene Stufen bamit geraten, ofjne mit 3«= 
iunn «epicrimflt. ^^ anö ^j e j ^ u g e [ an g Cn Sßieroo^l oon früljefter ^ugenb mit 

3weifeln fämpfenb unb ju eutgegengefefcten ©efüljlen gebrängt, 
fjerrfdjte ein naioer 3)et*mu3, mit mgftiföer SWomantif burdfrfd&offen, 
in mir oor. 2>er pl)tlofopl)ifd()e ©Ott, für ben bie Seweife unter 



*) Sergleidje ; 2luS ben SHeifetagbüd&ern be3 (trafen ®eorg Äanhtn, e^e= 
moligen £aiferlic$ rufftfe^en ginansminifterS, auö ben Sauren 1840—1845. 3Äit 
einer 2e6en8fFij3e ÄanfrinS ^erauSgegeBen üon ©raf 2lteranber Äepferltng. 93raun= 
fc^weig, Verlag ber öofbud^anblung oon (Sb. fieibroef, 1865. 

Stnm. b. ^erauögeberin : 2) er (SJraf ^anfrin ftammte au§ $anau in Reffen. 



— 13 — 



Äante Äritif auf immer oerflogen finb, mürbe mir juroiber, weil er 

ber ©mpfinbung wertlos gegenüberfteljt. ©in ©Ott, ber überall ift, x« pf,\io\mmt 

fann ft$ nidjt bewegen, — ber atte* roeife, fann nid&tä erfahren, — ^£fpSmi^. T 

Der alle* gefdjaffen imb Derurfadjt Ijat, bem ift affeö gteidb. 2fn einem 

l'ofdjen Ijotylen Segriff, ber über Siebe unb 3lot ber SWenfcfjen f)inroeg* 

ftef)t, ber mit berfelben $reimblt$!ett bem JReblidjen wie bem Spifc 

buben juläd&ett, fann man ftdj nidjt lange ergöften, fobalb man itjn 

fdbarf ins äuge faßt. 3n ben äBunbertoerfen ber 5Ratur mar mit ber etn »rsesiftiewn. 

Sorftettung eines t>or ber 9tatur epftierenben Sdböpferö nidjts ju 

erforfd&en unb ju erflären. $ä) afjnte, t>or Karmin, einen anbern 

Sufammenfymg. 3Bif[enfd)aftlid) ift biefer uon Karmin unb feinen 

Anhängern entfjüflt. 9Kd&t auf ben Stanbpunft eineö Voltaire gerät 

man, fonbern auf ben beö großen ^ßaficaf. 9lus feinen ©ebanfen fei 

bier baö £ingef)örige mieberljolt *) : Ces personnes destitu£es de foi 



ntdjt* 

XanwnS 

(Frtlärung ber 

Statur. 



$a«ca(d 
©tanbpuntt. 



*) diejenigen 9Renfa)en, benen weber Glaube noa) ©nabe innewohnt, bie 
i$re gange Ginftajt aufbieten, um in ber Statur baö jenige $u finben, roa* fte jur 
6rfenntni8 ©oiteä führen tonnte, finben nur 2)unfel unb gtnfterniS. liefen au 
jagen, bafs fte aud ben geringften fingen tyrer Umgebung ©ort erfennen tonnen, 
unb üjnen alö Seroetö für jenen großen unb wichtigen ©egenftanb nur ben Sauf 
be§ SRonbeS unb ber Planeten an&ufü§ren unb babei §u behaupten, mit berartigen 
Lebensarten ben ©eroeiS erfa)öpft ju fyaben, baö ift i$nen gerechten 2Inlafj jur 
Meinung §u geben, bafc bie 9eroetfe für unfre Seligion rea)t hinfällig fmb, unb 
ia) weiß aud <Sinfta)t unb (Erfahrung, baß nia)t3 geeigneter ift, t$re 2Jeraa)tung 
^eroorjurufen. ... 34 werbe eä bafjer niü)t unternehmen, mit natürlichen ©rünben 
bie Grjftenj ©otteä ober bie $reietntg!eit ber ©eele ju beroeifen . . . niajt nur, 
weil ia) miä) ma)t ftarl genug fü§le, um au§ ber 9latur Setoeife au finben, bie 
mftotfte Ktyetften überführen Idnnten, fonbern aua), roetl biefe Grfenntmä o§ne 
(S^nfhtö unnüfc unb unfruchtbar märe. ©oHte aua) jetnanb baoon überfleugt fein, 
baß bie Ser^ciftniffe unter ben Qaf)len immaterielle, ewige, von einer erften fte 
begrünbenben 2Ba$rl)ett, bie wir Gott nennen, abhängige 2öa§r(jeiten feien, ia) 
fönnte nta)t glauben, bafs er bamit für bad £>eil feiner Seele einen roef entließen 
5ortfa)ritt gemaa)t $ätte. @$ ift §u beaa)ten, baß ein fanonifa)er ©a)riftfteller fta) 
nie ber ftarur bebient fjai, um ©Ott auS i§r §u beroeifen. . . . 2)te meiapljnftfä)en 
Seueife von ©otteä ^afein ftnb ben menfa)lid)en ©eban!en fo fremb unb fo oer* 
»itfelt, ba^ fte roenig (Jtnbrucf maa)en; unb wenn fie aua) einzelnen nü^lia) fein 
fönnten, fo wäre eö boa) nur für ben 9lugenbltcf, too fte biefe 23en>eiäfüf)rung oor 
ftd) fe^en, aber eine Stunbe naa)^er füra)ten fte, fid) getäufa)t ju f>aben: r Quod 
cariositate cognoverint, superbia amiserunt" . . . 2)er ©ort ber G§riften ift nia)t 
etwa ein Gott, ber nia)tö netter ift alö ber Urheber geometrifa)er 2ßa§r^eiten unb 
ber Drbnung ber (Elemente. . . . $>er ©ort ber Sänften ift ein ©Ott, „n>ela)er bie 
Seele empfinben läjt, ba^ er i§r einjigeö ©ut — t^r ^rieben ift, unb baß eö 
(eine Jreube für fte gibt, außer in ber Siebe ju i^m. diejenigen, n)ela)e behauptet 
^aben, foroo^l ©Ott )u fennen, ald i§n otyne (SbriftuS beroeifen ju fönnen, Ratten 
nut o§nmäa)tige 33en>eife jur &anb. 5(ber um (i^riftuö ju beroeifen, fyabtn roir 



— 14 — 

et de gräce, qui recherchent de toute leur lumi£re tout ce qu'ils 

voient dans la nature qui peut les mener ä cette connaissance 

^QScQtß (frtmnt« (de Dieu) ne trouvent qu'obscurite et tenfcbres. Dire & ceux-lä, 

bcr iBemetfe ©oticö qu lls n ont qu a voir la moindre des choses qui les environnent 

töret asertioPöteit et qu'ils y verront Dieu & decouvert, et leur donner pour toute 

preuve de ce grand et important sujet, le cours de la lune et 
des planetes, et pretendre avoir acheve sa preuve, avec un tel 
discours, c'est leur donner lieu de croire, que les preuves de 
notre religion sont bien faibles ; et je vois par raison et par 
expärience, que rien n'est plus propre k leur en faire naitre le 
mepris. ... Et c'est pourquoi je n'entreprendrai pas ici de 
prouver par des raisons naturelles ou Texistence de Dieu, ou la 
Trinite, ou Timmortalite de Tarne; ... non-seulement parce que 
je ne me sentirais pas assez fort pour trouver dans la nature 
de quoi convaincre des athees endurcis, mais encore parce que 
cette connaissance, sans Jesus- Christ, est inutile et sterile. Quand 
un homme serait persuade, que les proportions des nombres sont 
des verites immaterielles, eternelles et dependantes d'une premiere 
verite en qui elles subsistent et qu'on appelle Dieu, je ne le 
trouverai pas beaucoup avance pour son salut. C'est une chose 
admirable, que jamais auteur canonique ne s'est servi de la 
^ascais nature pour prouver Dieu. (£iob 12 , 7 — 9 crfennt bemtodj bic 
tränet. 1 SBeroetfe Dom ©afein ©otteö in ber ÜHatur feljr roofjt an. Sßaöcafe 
33ibelfenntnis war eine fefyr befdjränfte unb ienbenjiöfe.) Les preuves 
de Dieu metaphysiques sont si eloignees du raisonnement des 
hommes, et si impliquees, qu'elles frappent peu; et quand cela 
servirait k quelques-uns, ce ne serait que pendant l'instant qu'ils 
voient cette demonstration ; mais une heure apr&s ils craignent 
de s'etre trompes. „Quod curiositate cognoverint, superbia amise- 
runt." Le Dieu des Chretiens ne consiste pas en un Dieu simple - 
ment auteur des verites geometriques et de l'ordre des ele- 
ments. . . . Le Dieu des Chretiens est un Dieu, qui fait sentir 
k Tarne qu'il est son unique bien ; — que tout son repos est en 
lui, qu'elle n'aura de joie qu'ä Taimer. Tous ceux, qui ont 
pretendu connaitre Dieu et le prouver sans Jesus-Christ n'avaient 
que des preuves impuissantes. Mais pour prouver Jesus-Christ, 

bie ^ropfjejetungen , roeldje tfjatfä$U$e unb §anbgretflu§e Seroeife ftnb . . . ofjne 
bicfc unb bic (Schrift, ofjne ©rbfünbe unb bcn notroenbigcn SJtittler Jann man 
burdjauS ni<$t ®ott beroeifen, nod) eine richtige Softrin unb eine richtige HRoral 
lehren. 



— 15 — 

nous avons les propheties, qui sont des preuves solides et 
palpables. . . . Hors de lä et sans l'Ecriture, sans le peche 
originel, sans mediateur necessaire, on ne peut prouver absolu- 
ment Dieu, enseigner une bonne doctrine, ni une bonne morale. — 
25er geniale ©laubensljelb beö 17. 3a$r$unbertft fannte bie Dljnmad&t 
aller angeblichen 33eroeife für baft 2)afein ©otted unb bie SBertlojtgs 
feit aller barauf gegrünbeten, tteberjeugungen. 2Baä aber erfi gegen 
©nbe bed 18. ^afjrfjunbertö begann unb erft jefct jur SMenbung ge= »ibeifrittr mm 
langt, ift ber Seroeid oon ber trollftänbigen Unjuoerläfftgfeit ber ».^S^etSu». 
biftorifdien unb propfyetifd&en 3 cu 8 n iff e * n *> cr 33tbcl unb anberroeitig. 
2)en Seroete, ben Sßaöcal übrig gelaffen fyat, ben fjaben Straufe unb 
Sauer u. a. ooüfiänbig jerfiört. 3ft nun bie Sarftellung ©on einem 
Safein ©otteä nid&t ein blofeeö $irugefpinft, notroenbig als eine 
SBaljnDorfielhmg, bie auf ber Sntroiälimgsbafjn ber menfd&lid&en ©r? 
fenntnis einen großen Staunt füllt, an bejfen ®nbe roir gegenwärtig 
fielen? £aö $ntereffe, baö roir nehmen an ben ftortf ^ritten bed 
3>afeinö, ift nid^t roillfürlidfj unb nidfjt entbehrlich für unfer 3>enfen 
unb £l>un. ^ft aud) baö etroa ertlärbar oljne einen perfönlid&en ©Ott? w ba» 3nte«ffe 
Tarauf fpifct fty bie Unterfuc^ung für mi« ju. SaWSS 

7. 3uii. — 2lu$ in biefer Unterfuc^ung gibt eö nur einen 9t t^SS tl 
fidleren 2Beg. ®r muß au^gefjen mm bem 33efannten unb Derbleiben obl8CT SrQflc ' 
in ben ©renjen beö SBorfiellbaren. 33efanut ifl baö Qntereffe jeber= 
mannö an bem eigenen 2Befen, fo roeit bie ©rinnerung jurücf unb 
bie Hoffnung t>orroärts reicht. Sßie ift baö möglidjj? 2)aö $<f) muß m »orftenuna. 
als baöfelbe fid& empftnben unb oorftellen in SBergangenfjeit unb 3" 5 3^* mu? un" mer- 
funft. SBürbe ber Sdölaf j. SB. bie gortfefcung be* »eroufetfeinö untere %"mX 
brechen, fönnte man fidf) roeber burd; SBerfpred&ungen über ben ®(ftlaf 
hinaus binben, nodf) meljr Sorge, als für einen 2lnbern, über bie 
Sßeriobe bed SBadjens f)inaus tragen*). 6s befmt fidf) nun biefes $ie ffamme «n 
3ntereffe au& auf ©attin unb Äinber. 2tuf bafc es ifmen roo^lge^c mwitfrtf8 3 *' 
auf ©rben, Ijat fo mandfjer fein Seben Eingegeben. £ie Jamüie ift ©oir - erweiterte 
bie gortfefeung beö ^dfjö, bie SBölfer finb bie ftortfefcung ber ftamilie; 3famUit ' 
bie SWenfdfjljeit ifl baä 33el)arrlid)e in ben Sölfern. 9ln biefe ©entern* mnmtit T ba* 
fdfjaften tieftet fidf> baö ^ntereffe be© einjelnen, unb beunodjj glaubt er ^^Sölftn 1 ! 1 beu 
nidjt an ein befonbereö $amilien=3dj, an ein WM^ifä unb an ein 
^Renfd^^eitä^d^. SBoju foD er roegen beö Slnteils, ben ibm ber gort= 
f(britt in ber 9latur einflößt, unb roegen ber ^atfadjc, bafc ein folc^er 



*) Sticht bie (Erinnerung, ba| ein 33erfprec^en gegeben, genügt; bie (5mpfin= 
bung, t>a% idj nod) immer berfelbe bin, ber eö gab, ift unentbehrlich . 



— 16 — 

ftortfdEjritt jtattgefunben Ijat, ein Ratur=3<f), ben t>on 3)ot>e fogenannten 

Untoerfuö annehmen? $)fe tfjatfädfjlid&e görberung ta gtamilie, 

©otttnber SBolf unb 9Jienfdfjl)eit genügt. Db fie t>on einer unbanfbaren Slacfi- 

»«ftt«. 1t)cIt t)crtannt roiri)/ änbcrt ni( ^ t baö ©eringfte an tyrem 2Bert. Die 

©rjeuger forgen für bie ©rjeugten wegen Äaufalitäts g e f ü l) I , itidbt 

wegen Staufalitätöerfenntniä, fei eö ifire eigene ©rfenntnis ober 

bie ber ©rjeugten. ©rfennbar ift aber freüidf) alle Staufalität, unb fte 

fann bafjer immer in einem empftnbenben SBefen SBo^Igefaffen ober 

9RifjfaHen erregen, unb biefe 2Jlöglid)fett mad&t baö ^ntereffe bewußter 

SBefen in fijmpatljifdfjer Stteife üerjlänbttdEj für eine nidjt ju begrenjenbe 

Vergangenheit unb 3 u f un f*- Wm bitbfic^ bad Verhältnis ju oerlinns 

©äs ©auernbe in lidEjen : bas © a u e r n b e in ber 9Renfdf)engemeinf d&aft fann in jeber= 

b fiJm^n"**{t n ' mann erwägen; es fd&läft unb träumt unb bämmert tnjwifdfjen. 3Bir 

überfdfjreiten baS ©ebiet ber ©rfafjrung ntd^t, wenn mir basfelbe 9Ser= 

xa« mnwt im Ijältnts auf bas Unioerfum auSbeljnen. £as ©öttlid&e ermaßt in ben 

erw^tTnÄert mit @elbftwatyrnef)mung begabten Organismen unb fteigert fidf) bis ju 

fl *a»J5ii U en bem bem 3Kenföen, ber mef)r unb me^r als 3ttenfd)fieit fic^ auf ber @rbe 

empftnben lernt unb in bem äBeltatt ben eintyeitlidf) waftenben ?pian 

unb fjortfd^ritt. ©obalb ber -Dtenfdj einen inbitribuetten ©eijt aufcer= 

xas im TOeni«en fjalb bes ttnioerfums fyinjubenft, mad&t er ein ^rinjip, ein ätöftraftum 

©SÄ* jur Sßerfon unb gerät auf SBiberfinniges. 3lber ein in itym felbft 

erwad&enbes ©öttlid&es, ber Sttfaflriff alles Strebens jum Sßatyren, 

Sdjönen unb Outen, erfennt ein jeber normale 2Wenfdf); unb biefes 

©rwadjen fann fid) auf anbre 9Wenfd^en übertragen. £>as ift bie 

fyerrlidje Aufgabe, in fidö unb in anbern baS ©öttlicfye ju erregen 

unb burdE) bie ununterbrochene ©emeinfd&aft brennenb 511 erhalten unb 

Sa* ©«bei ertoetft ju fteigern. £>as ©ebet foH bas ©öttlidfje im 3Kenfd)en erwedfen, 

* a * mm™. m barin er, wie Vascal, fein einjig ©ut, feine Stille, feine wafjre Siebes* 

freube empftnbet. 

20. ÜRoü. — 2lHc Religionen oerbienen unter bem ©oetfjefdfjen 
£itel „2)idf)tung unb Sffia^eit" jufammengefafct ju werben. $a ift 
es wef entließ, bie 9Baf)rl)eit nidfjt für bloße ftidfjtung ober umgefefyrt 
ju galten. Eeine Religion bietet aber bas UnterfdfjetbungSmittel. 3>ie 
Offenbarung wirb um fo gewaltiger, je mefyr fie ftdf) ju bid&terifd&em 
Sdfjwunge ergebt. 2)ie natürlichen ©nfidfjten, bie ^tyilofoptjie, muffen 
fd^liefeticf) bie ©renäleguug ootlfübren. S)abet gibt eö aber beffagenä* 
werte Sprüngen ; unb weil bie Religion behauptet, Tautere SBa^eiten 
^u bieten, obwohl fie btdbtet, wirb fie für fiüge erflärt, ober wieber, 
weil bie bid)terifcbe 5 orm für bloße £üUe genommen wirb, ^ört fie 
auf, ju ergeben, unb wirb bürre, ort^obore 2)ogmatif. 



— 17 — 

23. SDej. — „3Jtit Kant ift eö, wie mit bem ©eiltanjen, baft man «<mt* wwwc 
nur in bcr Qugenb erlernen tarnt." ®as 2Bort ift non Sid&tenberg, iU«™««™? 
unb er fyat redjt. 3$ mürbe für bie ^rima ber ©pmnaften einen ernm ' 
Äurfuft Äantifd&er Sßl>ifofopl)ie als propliplaftifdfje Sefjre gegen ben 
£oj}matiömuä, ben ffepttfdjen mit emgefd)lof[en, für juträgli^ polten. 
Xaö Seben mirb ju ben erforberlid&en 9Jtoberattonen unb ©rroeite* 
Hingen fd&on führen, audfj bogegen f<^ü|en, baf? man ©Ott, ftreifjeif, 
Unfierblid&feit auf eine metapljpfifd&e äöelt befdjjränft, in ber biefe 
$orfieftungen vin* burd&au* nidbtö Reifen tonnen, mä^renb mir fie in 
ber grfdfjetnungawelt nid^t ober faum entbehren tonnen. 



M8ftarf»0tjaie ?rßdl*»l«>ötK (1878). 

15. Stpril. — lieber bie Statur ber Seele tonnte man auf 51c Natur ber 
©runb ber neueren ©rtenntniffe beffer urteilen, als bie 3*Ü9*noflen m««n a <irremtt. 
es tljun. 2)ie ÜJtaterie fjat ©efdfjmacf , aber f elbjl fd&mecft fte nid&t, m ?en " m M '"' 
— bie Blume buftet unb tann nid&t rieben, — bie Saite fdjmingt, 
aber Ijört nidjjt, — baö fiidjt ftraljtt, über fieljt nidfjt, — bie 
eleftrifdje Sabung gibt einen empftnblidfjen Sdjlag, aber empftnbet 
ntdjt, — baö finb bodf) aUeö Srioialitäten. Sennocij fyat fiel) bie 
Sorftettung befejügt, als .tonnte bie Seele, bie fidf) felbft roat)r= «wo*» «* w< fj$ 
ne^menbe (Energie, bie 9iefu(tante fein aus einer großen älnja^l <*n<rai<< 
jtnnlidfjer ^unttionen, bie nur auf Seitungen unb änfammlungen von 
Steijen Einarbeiten. 2)er auögefdfjnittene 9Jtuäfel, mit 33lut gehörig 
burcfyriefelt, lebt weiter, fein 9icrt> leitet bie 9teije, bewirft 3«ctungen. 
3tber ber SRudfel empftnbet nidEjt unb ijat von feinen Bewegungen 
feine SSorftettung. ©s fefjlt tym bie fidf) waljrneljmenbe ©nergie. — 
2tfir fennen baö merfroürbige s lMnomen biefer ©nerqte nur in unö £«* <-'»"<»" m "fe 

c» « rm> •— c l. m ~ . ~ tontinuierlt^ fein 

bireft. 2Btr mitten, bafe btefe ©nergie, um ftdj in ber Befolge als 
bas SJlribenbe ju füllen, eine fontinuterltdfje fein mufc. 4i> i r fd)liefeen 
aus ben Bewegungen ber ÜWitmenfdfjen unb ber liere, bafe aud) in 
tynen biefe Energie fein mufj. ©s ift eine fdiolaftifdje ^ee f bafj t>ie 
xtere fein Selbftbewufctfein haben unb babureb t)on ben 3Kenfcften *"**** -r<*wrq:e 

n . , c fmb Dir flm>:n 

ftep untertreiben. #ür biete Seelenenergie finb Setter einzig unb 
allein bie Sternen. $n iljnen muß ber Seelenätfjer Derbrettet fein, 
befien Bebungen ben ©ebanfen in bie itörperwelt überleiten, wie bie 

VnS ben Zagebu4bl&ttern bfS ©raren %. flttjferling. 2 



— 18 — 

Stetljerfd&nHngungen baö fieudfjten ber Sonne 51t und tragen. 216er 
bie benfenbe ober uorftettenbe, empftnbenbe Energie tft ber leud&tenben 
Sonne ju Dergleichen. -Kur was fte liefert, fann ber Steuer forfc 
leiten, ber felbft aber feine SBorftellung, (Smpfinbung k. probugiert. 
©efjen feine Hebungen Aber au$ einer Settung auf bie anbre, ofjne 
»eficj. burd& bie jentrale Seele ju paffieren, fo gibt baö 9tefIeEben>egungen. 
©ebun ö en . »et*« 2)ie Seele ift jene , ben Jieroenätljer erregenbe ©nergie unb jugteid) 

bie }entra(e Seele . » m * i * t» r»* * rt l /-* *v <. 

m$t poffleren. erregbar für Die Sebungen btefeö Settjerö. $n ben 3^tt«i ber grauen 
Subfianj erhalten ftdf) bie Hebungen unb fönnen auö ifjrem 3uftanbe 
blofcer Spannfräfte nrieber ju lebenbigen Hebungen roerben. Sie 
fliegen toä^renb beö Sd^tafeö ab, minbern bie Spannung burdf) bie 
grofce SBerroenbung ju ben Xraumoorfteffungen. 2>te ©eele ift gleid^ 
fam ein bioptrifdjes unb jugleidf) fatoptrifd&eä unb felbft leudtjtenbeö 
2Befen. Sie empfängt bie ©inbrüdfe Don aufjen, pljotograpljtert fte 
in ben ^tütn ber grauen Subftanj, oon roo fte nrieber bei offener 
Leitung in bie Seele jurüdfftrafilen ; — bort erjeugen fie jenes 
fieudjten, baö bie nriHfürlidfjen S3eroegungen f)ert>orbringt. $n fid) 
felbft ift bie Seele eine imponberable, twllftänbig burdfjlaffenbe unb 
ftetö aftioe Subflanj. Sie fann aber nichts feftfjalten, fonbern mu§ 
eö oon neuem immer atö ifjrer Sßljotograpljienfammlung fjeroorfud&en. 
Studj ftdf) felbft nimmt fie xoafji nur im Silbe, unb jmar ununter* 
brocken bis an ben £ob. Sie entftanb au$ Unbelebtem unb war 
barin als Spannfraft enthalten. 3)em ©rabe ifjrer Sluslöfung naefy 
unterfdfjeibet fie ftdf) oon 3Kenf^ ju 2Jtenfdfj, oon SRenfdf) ju ©mbrgo, 
£ier. 9lber fie ift überall berfelben SWatur. 2>er fie leitenbe SReroen^ 

ite wjMLitx. ätljer ift audfj me^r ober weniger oottfommeu. 2>ennodfj ift bie Sei* 
bwR"ne3"wIoil tung gehemmter ober unflarer 2c. 2>iefe ap^orifüfd^en Säfte ließen 

fidf) in einen gemiffeu 3ufammenljang bringen, benfe idf), unb würben 
uns eine nähere @infid)t in bie SRatur ber Seele gewähren, als 
Slriftoteles fie fjaben fonnte. Unoottfommeu mürbe fte aber bleiben, 
weil bie fid) roafirneljmenbe Subftanj ein ^räbifat Ijat, bas burdf) 
23eroegung nidfjt $u erflären ift. ßunbertmal mögen freifenbe unb 

xa» xu so», mirbelnbe fträfte fidf) burdfjfdfjneiben unb abteufen ober aufgeben, fie 

# 5?orowmM-. merfen es nid)t. Db in einem $unft nur jroei Gräfte jufammen^ 
treffen ober taufenbe oon serfeftiebener 9tidf)tuug, fie empftnben es 
nidfjt. 9luS ber Bewegung wirb feine ©mpfinbung. 3>as 2>u 33ois* 
SRetjmonbfdfje „3gnorabimuS" bleibt. 

sdimcri ift Der 9. 3Hai. — $n ber s J?fpd)ologie bin idf) überjeugt morben, bafe 

x .1 c «mn. ^ ad @^ mer jjj e ^i i m eigenen Äörper beö^alb fo mefentlidf) t?on bem 

£aftgefül)l unb ben anbern fünf Sinnen oerfebieben ift, meit eö ni(§t 



— 19 — 

außerhalb bes ftörperö einen anbem Äörper jur SBorauöfefcung f)at. 
6s bient in biefem ©inne nidf)t jum ©rfennen von Dbjeften, bie 
ifoliert finb von ber Sieroenleitung, von einer SUtfjenroett, — fonbern 
jum ©egenfafc jtmfdden einer finnltd&en Ernten* unb Slu&enmett. 6ö 
ijl ber fedtfle ©inn, beftimmt jur SBaljrneljmung ber inneren ©inn* 
li<|feit, — unjugänglidf) batyer für Sßljantaömen, bie nur bie Stefte ber 
äußerlichen ©innen* ober Äörpenoelt fombinieren tonnen. 

23. 2Wai. — SReine pfpd&ologifdjen ©pefufationen finben eine»erfu*«»iun!ion 
GemerfenSmerte Seftätigung burefy bie ber pbpftologifd&en ©efeflfd&aft tfowuia U 
511 Berlin am 15. SRärj oon £. 2Wunf gemalten -Mitteilungen, ©d&on 
früher mar befannt, bafe bie Abtragung ber ©rofeljirurinbe beim 
ßimbe nadf> ben brei Sappen üerfd&tebene Jörgen tyat. 3tn bem 
§mterl)auptö(appen madf)t fie feelenblinb, b. i). bewirft ben äßegfall 1. e«unwinbwt. 
beö ßidf)tgebäd)tmjf eö ; an bem ©djeitellappen ftört fie bie 33emegungen, *. »ew^ungi. 
an bem ©dftfäfenlappen raubt fie bas Xongebädf>tniö. Xie ßunbe 3. ionv*äi\mi. 
lernten aber oon neuem fe^en unb öftren, weil neue Partien ber 
Ambe jum Stuffammeln ber ©inbrüdfe in aSermenbung famen. 3)urcf) 
weitere 33erfudfje mürbe nad&geroiefen, bafc beftimmte 3tinbenpartien 
aud) entfpredfjenben Partien ber Wttyaut entfpred&en. ©inb biefe 
burcö bie Sünbeneyftirpation entfernt, fo wirb mit neuen Partien ge= 
feilen, bie $ef)Ux werben (wie ber blinbe #Ied) überfein, — biö bie 
ganje Partie erftirpiert ifi. <&$ gibt alfo für Sofafjeidjen im ©efjirn 
regelmäjjig unb fontinuierlidjj georbnete Elemente in ber SRinbe. 2>ie 
Äreujung ift beim £unb allgemein, fo bafc ben ©jrftirpationen rechte 
Störungen auf ber linfen Seite entfprec^en unb umgefefjrt. Seim 
äffen trat bagegen nad) grftirpation ber Sef)fpf)äre einerfeits am 
fiim SHinbljeit einer £ätfte an beiben 2lugen ein, unb aroar bei 
rechtzeitiger Operation ber redeten £älfte ber Retina. — öanj fo 
oer^ielt e$ fidf) beim @el)ör. — Ter Stimlappen ernriee nd) beim 
ßunbe a(§ gü^lfp^äre, bie oorbere Partie für ben Äopf, bie mitt- 
lere für bie Sorberbeine, bie Wintere für bie Hinterbeine, — ftets 
aber gefreujt. Xaffitnn, i'agegeiüfjl, Siicbtungogeffiljl ber eigenen 
Öetoegungen fmb brei ueriebiebene SeftanDteile be* ©eüifjlöftnneö, z ;* *vMur-e. 
bie nidfrt aDe gleichzeitig fdmrinben. Xaö iHidjtungogeiübl gel)t am m'ü^-V. «c •':<*. 
leidjteften verloren unb ifit am fdiroerften roieber \n reftituieren, in 
^weiter SReilje bas xaftgefüf)l; am ausfjarrenbften ift ba$ Xrutf; unb 
Sagegefü^L 

60 ift enoiefen, Dafj Die 3innv*neroen in Die .ftirnrinDe :Hci;e 
fübren, bie ©rinnerun^sbilDcr binterlan:n, uno Die wie Durd) einen 
Örennpunft, bur^ ben ßimaunasert, ba& ^<h, gleittn. 2a* OU/.ru 



— 20 — 

ift bem Spiegel im Xeleffop jtt Dergleichen , nidfjt bem äuge. 3)ie 
Äreujung ber Seitungen vermittelt bie (Einigung . 

4. Slot). — 2)aa ©eljirn mit feinen j<tf)llofen ©anglien, 5Ren>en= 
jcffd^en grauer Subftanj, ift einem #ol)lfpiegel ju Dergleichen, auf 
weldfjem alle 9Jert>enreije fidf) abbilben, ju bem ^ 0CUÄ beb Heroen* 
leben* Ijinftrafjten, biefen $ocuö aber wegen ber Störungen unb £em= 
mungen burdf) anbre Strahlen, nur feiten erreichen, aber bie in ben 
ftocuö bringenben 9teije werben jurüdfgemorfen unb jum £etl ge s 
brod&en, aeränbert wieber bem Spiegel jugeleitet. 2)er ftocuö per* 
jipiert nidfjt ben einjelnen Strahl, fonbern bie SWifd^ung oberäenbe- 
rung be* twrljergeljenben burdf} ben nad&folgenben Straf)!; baä gibt 
bie Kontinuität. SDaö ©ebädfjtniö befielt in ber 2Wöglid(jfeit, bie 
Sahnen ju ben 3 c fcn, in benen bie ©inbrüdfe fief) befinben, frei ju 
legen, ober bem goeud eine foldfje Stellung ju geben, baß er bie 
3eHbilber wahrnimmt, ©in beweglicher ^oeud fteljt fief) in ber £emi= 
fpfjäre leidet unb fdfjnell um, — ein träger unb fd&merfälliger üermag 
nid^t loöjufommen uon feinen jebeömaligen Spiegelbilbem; in manebem 
wieberfiolt ftdf) baöfelbe 33ilb bis §ur 33erbummung. 
s\t !ünfiirtif«tn Unter ben Sinnen geben bloß ©eftdfjt unb ©eljör Stoff ju fünft- 
lerifd&er Sßrobuftion. 3Birflidfje Scbmerjempfinbungen , j. 33. 3 a !? n5 
wcf) u. f. w., fönnen mir nur mit ben bejeidfmenben SBorten be= 
fpred^en, aber eine eigentliche Steprobuftion, wie }. 9. ber twrgeftellte 
Eon im Stopfe be$ tauben 33eetl>ot>en, — ift eö nidf)t. 3(uf biefe Skr- 
fdfjiebenfjeit ber Sinne müßte bie ©oftrin, meiner Meinung nadE), mefjr 
©ewidf)t legen. 



©inite. 



©Bßatölt (1879). 

19. aWärj. — „3>ie 3Belt ift beöorientiert", fdjreibt mir Oßxol 

Sdfiirren, unb in ,bcr ©tbif fud&en melc bas Heilmittel. 9Rtd& be= 

s« fdf)äftigte audf) ein etfjifd&er ©ebanfe. 3Me ßmpfinbungen werben bureb 

ae?cnbe) l u^ l bcr Sffiorte nur angebeutet, fönnen aber nidfjt reprobujiert werben, £en 

wo w«fj! te 3 a ^ n f^ mer J * ann ^ e 3?orftettung nidfjt erjeugen, weil es eben fein 

bloßer ©ebanfe ift. ®er SDtenfdj, wie er fidE) benft, wie er ber $or* 

Tai MtAcfKotc ftellung nadfj fein follte, ift fdjmerjloö; — baö bem ^nbitribuum ftetä 

llb SuteS! aum twrfdfjmcbenbe Silb, wie er eigentlich fein follte in ©emeinfdfjaft mit 

ben 3Witmenfdjen, bas brängt jum fittlidfj ©uten, bas Ijat ewige 9Ser* 



— 21 — 

wMommnung, Unft erblich feit an ficf). dagegen ber ganje 3)t e n f d) 

oerfpürt 3*iftänbe, bic iidj in ©ebaufen gar nid&t feftljalten laffen, 

wenn aud& SBorte bafür übrig bleiben, 3ft$ e U/ ^ eren 3n^alt nid&t 

Durdd SBorftellungäafte gegeben werben fann. ©er empfinbenbe 9Wenfd() 

ift aud) ber porflellenbc, aber ber porgefteHte 9Wenfd& ift ein anbrer, 

unb nur biefer ift ganj perftänblicb , wäfjrenb ber erftere ein <£(e* 

ment enthält, baö burd) bewegte Subftanj allein nirf)t begreiflich 

ift unb bafjer für ben SBerftanb ein Unfafelid&e* perbleibt. 3roifd&eu bem «ötberftreu 

l'etenben 3Renfd(jen mit allen unfafeltd&en 3"ftänben unb bem von biefen f<tmbm e unb eT Sem 

Suftdnben abgefonberten, oorgeft eilten 3ßenfd&en beftefct SBiberftreit. «cni*«*. 

£er erftere perfpfirt freien 2BiUen, SBerantwortlid&feü für fein ßanbeln, s« borftdienb« 

®ut unb 33öfe, — ber PorgefteUte 9Renfd& fann nur in unenblid&eu Ur* fSm wia«!, 

fadjretyen benfen, bie nirgenbä anfangen ; unb bann f e&lt ber Sßunft, - r *r mit^ uu 

an bem ein freier äöille anfefcen f önnte, für ben bie SBerantwortltdftfeit 

tonnte getragen werben; @ut unb 33öfe finb aöa^noorfiellungen, bie 

auf eine blofe med&anifd&e äßeft ntd&t paffen ; juf ünftige 3wcfe beeiu* 

fluffen ben äBiUen audfj nur als gegenwärtige SSorfteßungen unb 

treiben if>n mit SRotwenbigfeit in ber mittleren Stiftung ber gleich 

üritigen SSorfte Ehingen, mit Ueberwiegen ber ftärferen unter i^nen; 

fte jinb pon früheren 3uftftnben entftanben, entftanbeu mit SRotwenbig* 

feit, nid&t nacb freier äBa^l. So ift ber reale ©ualiamud, ben ber 

SBfenfdfj erfahren fann, ein Mampf jwifd&en bem feienben 9Benfdfjen 

unb bem porgefteßten. Jvür ben porgefteUten ift bie Xugenb , bie pr ben 

tootgcfkUtcn 

freilieb nur unter 93eimifd)ung ber aud bem empfinbenben 3Kenfdf)en am*«! m w< 

entlehn &reifcita>orftettuna ö eba*t «weben fann, au$ ba« *ö#e * am ^. imt 

Sut, bad einjig watyrljaft ©ute. $afür einen fiofjn ju f orbern, ift 

ein äBiberfmn, benn 33effereö gibt ed nid&t metjr, unb eine SBergeltungä* 

Ic^rc fann nur t>on bem 39öfen, als bem einzigen Uebel, befreien. 

ftant fyat an baä ©ute bie ftorberung ber ©lücffeligfett, bie bapon atudfeiiateite. 

oerfc&ieben fein müßte, gefnüpft unb eine gorteyiftenj ju beren Stealis 

jierung nad& bem £obe perlangt, — weil er eben in ber ßrfa^rung 

ben Seweiö fanb, ba§ bas ©ute ben aWenfdjjen mdfjt glücflid& mad)t! 

Gr fjätte aber unterf Reiben f ollen : ben oorgeftellt e n SJtenf eben madjt xen bor fl ej*eatm 

e* in berXIjat ooHftänbig glüdflicb, — ben feienben aber nidfjt, ber *** «ute giüdii*. 

aber überhaupt niebt ein ©egenftaub wa^r^after ©rfenntnis, obwohl *" * mUn * m ' 

fehr eneraifd^er ©mpfinbuna ift. Ginen 3luöqleidb gtoifdben ben wiber* »ie «unft Ment 

- '" btn Hufifllctd] 

ttreitenben Staturen permag nur bie Äunft ju bieten. 3lUe Religion iwif*cn bcib:»» 

ift fünftlerifcb. 2)ie flaffifc^e 3)hjtf)ologie wurzelt in epifd^er ^ic^tung, ^olfl?) 1 ;^« 
unb biefer ©^arafter ift ber europäifeben Hufturreligion perblieben, fünfturi^. 
ßljriftus ift ein epifc^er $elb auf geiftigem ©ebiet. Xie v ^oefie er* 



— 22 — 

regt 39efriebtgung gleichzeitig im empfinbenben unb in bem oor= 
geft eilten -äftenfd&en. £>er ^t^lmenfd^ ©tjriftus erregt baö tieffte 
3Ritgefüf}t mit feinen fd^meljenben SBe^erufen über Qerufalem, mit 
feinem £obe am Streuje unb befriebigt gleidfoeitig bie fyödjfte fittlidfje 
Strenge beö fdfmterjloö unb unflerblidjj gebauten 3Renfd(jen. Otyne 
biefe Ijödftfte Sßoefie, bie man bisher mit Unred&t, ate märe es eine 
»eiiaion unb ftnnlid&e 2Bal>rl)eit, von ber 2>idf)tung für ganj verfd&ieben erflärt $at, 
* unjL bleibt baö 2Wenfdtöeitöleben ein freubenlofer flonftift. Religion 
muß ba^er bem 3Renfd&en bleiben, fie muß nidfjt Unma^eiten 
enthalten, benn biefe beleibigen ben ©eift, fte mufi nidfjtö Unfd&önes 
bieten, benn bas t>erlefct baö ©efüfjl. Sie gröfjtmöglidfje Sd&öns 
fyeit mit ber tiefften SBafyrljeit bem 2Jtenfd(jen vorzuführen, baö 
ift bie Aufgabe ber Religion. Silber unb ®leid()nijfe verfdjjieben baä 
2Bal)rf)eitögefül)l unb betrügen burd& SHufion. $ie bilbenben Äünfte 
gehören beöfjalb nid)t in bie Äird&e*). SJhifif unb ©idfjtung in fyerr- 
lidfjen Saumerfen, baä ift baß 9te<$te. 3)er vorgefteHte SKenfdf) ift ein 
©lieb ber 9Renfdf$eit unb füfjrt ju ber 3Renfdf)t)eitei)orfielIung, ate ber 
eigentlidEjen Aufgabe, — bie SRenfdfjtjeit ift ein ©lieb in bem 3Belt s 
ganjen unb füljrt jur SBeltvorfteHung ate einer Aufgabe, biefe 2luf= 
®cr unfettifle gäbe fü^rt auf einen ©Ott, ber ftdfj reafifiert unb in* ©roige ju Jjöfjerem 
öott ßSbe. Äuf * 93eiüu§tfein entroidfelt, nid&t ju einem von allem SRcij entfleibeten 

fertigen ©Ott, ber bie 2Belt aud) unerf Raffen ptte belaffen fönnen. 

25od& alle biefe ©ebilbe ber SBorfteHungätvelt fjaben für bie 3Birf= 

«otro«nbi fl wt ltdfifeit nur infomeit SBert, als fie burdf) Sßoefte, Äunft im atl= 

emÄlSg. gemeinen, ju ma^mefimbarer, empfinbbarer Darftellung gelangen unb 

ntd&t in ber SBüfte ber reinen Slbftraftion verbleiben. 

(«Ra« ber akburt 28. ^ititi. — 2>ie £f)ätigfeit für baö ©emeimvo^l, nrie bie Äinber 

teln JÄenf I8 eö vermitteln, quillt aus bem fierjen, — alles übrige arbeiten für 

baö ©emeinivoljl mufj fjerauögepumpt werben burdf) bie SHfpirationen 
beö ©nttyuftaömuö unb ben SDrucf ber 2Serl)ältnijfe. @rft bie 9Jhitter 
erfajgt fidfj ate ein ©lieb in ber unenblid&en Siebeölette. Die @mpftn= 
bung ber unenblidfjen Siebe wirb für fie 3Birflid£)feit, unb bie unenbs 
lid&e Siebe ift bodf) bie einjige Oualität, bie mir ©Ott nennen bürfen. 
©iefe finbet fi<$ nidfjt in ber SRatur unb nidf)t in ber SBiffenfdfjaft, 
benen ja bie Siebe unverftänblidfj. ©nrige Siebe unbegrenjt ju etn- 
pfinben, baä allein ift roa^re Religion**). 

*) SRein Steter gehörte jur cafoimftifajsrefortmerten Äirc$e, beren ©tanbpunfi 
er in biefer §infic$t teilte. 

**) Wrim. b. §erau§geberin : $tefe Sluffaffung »erurteilt oottftänbig jebmeben 
veligiöfen Fanatismus alö liebloö. 



— 23 — 

3. <Dcj. — äBctyrenb meines Sfofent&alts in ber (Stabt gerieten *>\t «Blutung bes 
meine ©ebanfen auf bie eigentliche ©ebeutung ber Religion für bie * ulttt8 ' 
©egenroart. @fi foH aber unter Steligion md&t oerftanben werben 
Mofc eine £eljre, ein ©taube ober eine befonbere ©mpfinbung, fon* 
bern baju gehört ein im Seben ber ©efettfe^aft anerlannter Äultus. 
3n ber gebübeten d&riftlid&en ©efefffdfmft W biefer Äuituö me&r Se* 
beutung für bie ^auenroelt, ate für bie 3Wänner. Qm allgemeinen 
bietet ba* religiöfe ©ebiet einen SSorrat oon SßorfleBungen unb %\\& 
fprüdfjen, bie fe&r geeignet finb, ©reigniffe, roie ©eburten, heiraten, 
Sobesfätte, in paffenber SBeife ju feiern. 35enft man fid& jebeö Stitual 
weg, roirb e$ ni$t oft an ben gefdjmadfootten ©ebanfen unb STuös 
brüden in folgen fällen fehlen ? Sirmut in ben SJKttefa jur äeufces o*ne uebun fl 
nmg erftidft aber aui) leidet bie ©mpftnbungen; bie Uebung fefjlt 4mÄunJ. 
unb bie Äraft erlahmt. SEBie trodfen wirb aüm&f)liä) ein Seben, 
tDorin bie roid&ttgfien Vorgänge für bie ^anritte gefdfwftttdf) abgemalt 
werben, ofjne Slnfnüpfung an ben Äultus bes @roigen! 3)ie 33e= 
beutung ber Religion ift bann für bie ©cfellfd&aft bisher 
tneifi falfdf) aufgefaßt roorben. 9iid&t in befferer ©rfenntniö beruht 
ftc, aud) nid>t in befferer 3Roral. aber fie oerfdfjönert baö Seben. 
2>. 3*. ©traufj fagt, er fönne feinen ©efd&madf pnben an einem oer* umufömmiweu 
nünftigen Äultuö, — lieber feien tym fdfjon d&riftlid&e Segenben* *nW Segen a Sen 
erjäfjlungen. ®r meint mit 9tatf)an bem SBeifen unb Hermann unb 
SoTOtfjea ftdf) beffer erbauen ju fönnen, als mit bem Goangelium 
Rannte :c. ©ö Hegt etroaö fo Unjulömmlicljes in biefer Slnftdfjt, 
bafc man 9Rül>e tyat, fie ernft ju nehmen. 3Bie foff ber burdf) ben 
Job öetrübte, ober roie foH bie ju bem Satten tretenbe Jungfrau 
jidj mit biefer ©attung Äunftroerf in folgen Shigenblicfen befdfjäftigen ! xer «mm» « ber 
3?ur eine ©attung Äunft paßt in folgen Sagen, bie religiöfe nvßaim 
$id)tung, bie fird&üdfjen @ef finge unb bie fird&lid&en feiern. 2)a 
gleist ftdfj ber ©egenfafc jroifd&en bem enblidfjen beginnen unb 
ßrleiben unb ber eroigen SBernunft aud burdf) bie freie 6m s 
pfinbung bes ©dfjönen in Sejug auf baö Unenblid&e. &r »eftf *uitu#. 

gin jeber follte ben 9Ktu« feft^af ten unb pflegen, aber nidfjt 
ofjne Unterfdfjieb. $er SRituö, ber ben fjöd&flen äfiljetifdfjen 2Bert fjat, 
unb ber vgn ben bloßen ftirdfjenbienem unabhängiger ift, oerbient ben 
SSorjug. S)ie ftirdfje rnufc nidf)t nadf) bem ©lauften fragen, roeil baö ®otmt *« «an. 
bie ©emeinfdfjaft fpaltet, fonbem ben fdfjöncn SRitufi pflegen, roeil 
bie (Einigung ber SWenfdjen if^re Ijöcbfte Aufgabe ift. Oiemeinbe* 
gefang, altgewohnte ^i^nt, eine auf gef (arte Sßriefterfc&aft finb l^or= 
)äge ber eoangeKfd^en. 



— 24 — 

$ie «ufaabc ber 38enn bte ftxrdfje bie SJolIeubuug ber menfdfjlid&en ©efeQfd^aft 

©mrin^ift bl Ju anftreben würbe burdfo Stonbe ber Siebe unb ©dfjört&eit, würbe fie 

fort™. T) i e [ cn toittfommener fein, als wenn fte ben Stnfprudf) mad&t, 3Baf>r? 

Reiten ju teuren, bie ja burdf) bie 2Biffenfd&aft beffer gewonnen werben, 

ober blinben ©lauben ju perbreiten, ober bie ©tttlidfjtett ju fdjwädjen. 

2)ie Totalität 2)enn alles, waft bem 9Renfd&en bie SKötigung, ganj unabhängig von 

JÄÄber Religion fittlidfr ju Rubeln, auftrebet, ftellt bie ©ittlicfcfeit auf 

* etben - baft fd&wanfenbe ©ebiet be* ©lauben* unb «Weinen«; e* fd&wädfjt bie 

gunbamente, auf ber allein bie SKoralttät ftd^er ruljen fann. 

»ebeutungbet $ie SBeiblidfjfett leibet am meiften, wenn von bem 2tbtn ber 

Ätt *Ä b41 ©d&mudf ber Religion abgeftreift wirb, weil tyr ßorijont me^r auf 

©«Wedjt. jj| e g: am i(ienereigniffe angelegt ift. ®ie SRanner finb abforbiert von 

gewerbli<f>en, fiaatltd&en, wiffenfdfjaftlidfjen öeftrebungen. Site grauen, 

bie allen Sinn für Sßoefie anbrer 2lrt eingebüßt fcaben, in ber Äirtfje 

finben fie eine lefete erquidfenbe fiabung. 

$er braoe unb ^oc^gee^rte ©raf Sßeter Sßatjlen fiarb, oljne bie 

sie tttä)« wriennt Äommunion nehmen ju wollen, mein greunb * flagte, bie 5*eunbinnen 

xßitXi Ratten tym bie Äommunion aufbrängen wollen! — SDiefeä Sträuben 

bei ben wa^aftigften SRenfdfjen fommt batum, bafc bie Äird&e bie 

eigene Sebeutung felbft aerfannt fyat unb audf) anbern falfd) bar legt. 

Das «benbma^i 3)ie Äommunion ift nid&t eine Beteuerung, bafc idf) ©Ijriftus für ©Ott 

^^mrinfÄ^ölte, fonbern nur bie »eftätigung meiner ©emeinfd^aft mit ben 

üerMeibln ?o5«i. SRenf dfjen burdfc einen oom 2llter geheiligten unb an bie lefcte gteunbe*? 

maljljeit Qefu anfnüpfenben ©ebraudjj. #at bie Äirdfje midf) in biefe 

wo^lt^uenbe ©emeinfd^aft gefefct, feit i<$ auf ber 3Belt bin, fo 

follte audfj ii) baju tljun, bafj bie ©emeinfdfjaft bleibt. 

unibcrfauuitui. 33on biefen angebeuteten ©ebanfen \)tx gelangt man ju bem 

äuablidf auf eine Unioerf alreligion , ju ber bie 3Renfdf>ljeit fidfj ntdjt 

erft ju befe^ren f)al Die oergleid&enben Steltgionöftubien fjaben ba«* 

felbc ßmpfinben beß ©wigen in allen Religionen entbedft. 3n 33ejug 

auf biefe ift ein gemeinfd&aftlidjjer Äultud möglich, ber oon bem Utu 

frönen, SBilben, Stbergläubifdfjen befreit werben tann. 2>ie Seljren 

über bie 9Jatur ©otteö unb über bie gönnen, in weldfje ber Sterbenbe 

eingebt 2c, überfteigen bie aRenfd&lidftfeit; wir fönnen fie ba^in geftellt 

fein laffen, unb bodf) $reube l)aben an einer weihevollen gemeinfatnen 

geier beö ©wigen. 

3uiQmmenfaff«nbe 4. 3)ej. — Sßorfteljenbe ©rwägungeu in einen lurjen 3luöbrucf 

erwaßunfl. | U j- ammcn j U ^ cn ^i c eigentliche »ebeutung aller SReligion befte^t 

in ber SBeilje, bie fie bem 3 u f a mm* n fe&eu ber 3Kenf($ett ju erteilen 
fjat burd^ Sejie^ung ergreif enber gamilten=, ©taat^, SKenfd&^eitös 



— 25 — 

Vorgänge auf ben (Stangen mittete erhabener ©d&ön&eit. SSJie bie 

Slepublif in $ranfreid& fi$ alä biejenige ©taatfcform f>erau*geftellt $at, $« «uim» eiu 

bie am menigften bie SWenfdben jertrennt, fo ift ber Äultua in ber tl?%^it! 

Seligton berjenige Seftanbteil, ber bie Aufgabe ber ©nigung unter 

bett 3Renfd&en ungegarter erfüllen fann, — alä bloßer ©laube ober 

erfenntniß ober ©ittlid&feit. @ö muffen formen gefunben werben, 

bie ber gemeinfd&aftlid&en ©runblage in allen großen Religionen enU 

fprecfjen unb bie ergaben finb, unb bann werben mir jene Unioerfak 

religion Ijaben, bie ba* G&riftentum fein roill unb nid&t fein fann. 

ebenfo finb bie 8fafprüd&e ber S*nbreligion falfd). 2)ie ©ittUdfjfeit 

grimbet jid) auf bie Nötigung, ben menfd&ljeitlid&en gorberungen nid&t 

aufi eigener Reigung jutotber $u fymbeln: bie (Srtenntnte ftüfet fxcf) 

auf bie uriffenfdfjaftlid&e ^orfd^ung, ber Retdfjtum auf jmedfmäßtge ®e* 

j^äftöt^ätigfeit u. f. m. Die Religion fann alle triefe Seiten be* 

menf<^lid^en 3uf ammenlebend begünftigen unb oerf d&öneru , — aber 

e$ ijl ein Ijetllofer Irrtum, fie auf eine biefer ©etteu ju befd&ränfen. 

^rSBefen liegt barüber Ijinaua. (Erhabene 2üeif)e §u geben bem 

menfd&ltd&en SiM'ammenleben, ift iljre, oon feiner anbereu 

I^ätigteit §u oertretenbe Aufgabe. 



WWWW* (1878-79). 

3. Roo. — $ä) Ijabe bie ^Srolegomena Stantö*), in neuer ftant« 
Ausgabe oon Senno (Erbmann, mit großem Qntereffe burdfjgelefen. elnn^bmann! 
aber aud& in 95ejug auf Äantö Sß^itofop^ic fann man fid(j nidjjt oer= 
^etilen, baß bie Änofpe weit mefjr ifjm oerfprodden , afö btöljer jtdf) 
entfaltet f)at. SRid) erfrifd(jt ungemein jebe grünblid&e Seftüre eineö 
ftantifd&en Söerfe. 3lber id(j fanb audj fd&ärfer auägefprocfyen, roaö idE) antum in ftant* 
als offenbaren Irrtum in ber £eljre oom Räume erfannt Ijabe, bie 
ber große 9Kann entbedft f)at. Da Ijetßt es pag. 14: }. 33, glädfje 
ifl bie ©renje beö förperlidjen Raumes, tnbeffen bodf) felbft ein 
Saum! ßinic ein Raum . . . ^Junft nocf) immer ein Ort im 
Staum! — Site ftant auf ben ^Junft fommt, roagt er felbft nidjt meljr, 
ü)n einen Raum ju nennen, für Jlädje ifl es tnbeö eben fo mtßlidf), 
fie einen Raum ju nennen, ba ein Raum burdf) ftlädden roeber oer= 

*) ®ie§e Anfang ©. 33. 



— 26 — 

gröfcert nodfj ocrminbcrt werben fann. §&ttt Äant aber jugeftanben, 
bajs bie $lädf)e nur ein äbftraftum t>om raumerfüffenben Äörper fein 
fann, fo war fie nidfjt mel)r ein reines, fonbem ein empirifdfjes ®e= 
bübe. $ie 3Ratljematif wäre bann gerabe, wie bie SRaturwiffenfdfjaften, 
rein, nur in öejug auf bie allgemeine Slnfd&auung: Staunt. $n 
Siejug auf bie int Staunt unterfdfjeibbaren ftörpergebilbe unb bie ba? 
burdd er!ennbaren ©renjen unb Derter arbeitet fie mit Slbftrafttonen 
aus ber empirifdjjen 3lnfdf)auung. — 2)a Äant immer nur nadfj ben 
SBorbebingungen aller ©rfaljrung forfd&t, fo ift er baoon ausgegangen, 
bafs eö ein doppeltes in ber SSorftettung oon ©rfa^rung muß gegeben 
Ijaben. Dlpte ein erfaljrenbes ©ubjeft unb bie ju erfaljrenben Dbjefte 
fann feine ßrfafjrung norgeftettt werben, $ür bie SBelt ber 93orftel= 
lung waren ba^er erfa^renbes SBcfen, ©eele, einerfeits — unb ©inge 
an ftd& anberfeits als erfte SBorbebingung notwenbig; — of>ne bamit 
über bie 2Belt bes SBorfteffbaren Ijinaus etwas ju behaupten. 

34 Icfc jefet t)on . . . über bie ©eele ! mit wenig Sßroftt bisher. 
®s ift wie ein Raufen jufammengeljarfter SHätter, bie ein jeber SBinb^ 
ftoft jerftreuen fönnte unb bie man bann wieber anbers padfen fönnte. 
Diefe Ferren ©pradf)forfd(jer fpielen mit finnigen Sipper jeptionen, bie 
SU einem feften ©efüge nidf)t nerbunben werben, 
©osiftba» 13. 9too. — 3$ f)öbe midf) nodj mit Äants ^ßrolegomena 

ei ß enth*e ©eibf» fo^^^ ^ c re { uc grfenntnis fü^rt nidjt ju ber ©rfenntnis irgenb 

eines ©eins an fidf), ©eele, ttnfterblidftfeit, ©Ott oermag fte, bem S)a= 
fein nadfj, nid)t ju behaupten. 2)ie ©rfatjrung ergebt bas 3)afein ber 
©eele, b. fj. bes ^d&'s, unb bas ber $inge über alle 3 roe if e t/ a &e* 
üon i^rer Sefd&affenfjeit lefjrt fie nid&ts. ©tedft nifyt benn eine ftopperei 
hinter bem tvwO-i oaotöv! ©einen fieib, feine wahrnehmbaren &anb= 
hmgen, bie fann man energifdfj erfennen, — über bas eigentliche ©eibft 
l>at man nur (Sinbilbungen! 
»enno Obmann 2. 2lpril. — 3db erhielt 33enno ©rbmanns ©dfirift über Äants 

Rantsftrituumus. Stritijismus in ben beiben Auflagen ber Äritif ber reinen Vernunft, 

unb es tjat midf) befdjäfttgt, fie burdfjjuneljmen, weil \6) Sßrof. ©girren 
^aä xin 8 an fi^. barüber fd&reiben follte. 3$ gab mein Urteil bafjin ab, bajg ber 

2tutor infofern bie 9lufgabe twUftänbig erlcbigt f)at, inbem er alle bie 
Unterfdfjiebe in ben beiben ausgaben auf ibre ©ntfte^ungsgrünbe 
fyiftorifdfj jurüdffüfjrt. 6s ergibt fidfj, bajg bie naiv bogmatifd&e 3ln= 
nannte eines Sefte^ens, abgefeljen von feiner SBabrneljmung, alfo audj 
außerhalb aller SBorftellung, in beiben ausgaben gleid&mäfjig feft= 
gehalten worben ift, für bas 34 fowofjl als für bie SBelt; 3lenbe= 
rungen würben von Äant nur in ben Segrünbungen angebracht, 



27 — 

einerfeite, um ©nwenbungen, bie injwifd&en oerlautbart worben, ju 

begegnen, anberfeite, weil er an feiner Sß&üofopljie ber ©itten ge= 

arbeitet l>atte. 2)ie oerüel) ben ©ingen an ftd) einen neuen SBert. ©ie 

füllten in ber intettigiblen SBelt bie fjrci^eit benfbar mad&en unb bie 

Sorflettung regeintägiger SBirfungen nadjj autonomen Seweggrfinben 

(Die ben STnfang ju neuen Rauf abreißen abgeben fönnten, — ober 

too^I Analogie, aber nid&t 2lbt)ängigfeit ber ftaufalitätöform unfere* 

Senfens gegenüber fjaben) offen laffen gegenüber bem auf bie ©r* ®«ino «rbmanns 

fa^rung befdfjränften ®efefc ber unenblidfjen unb alle greiljeit auö= ©e*utJn ß . 

föliefeenben Retten oon Urfac&en unb SBtrfungen. 8. ©rbmann meint 

juglei<i> bemiefen ju tyaben, bafe Äantö £eljre ju ben Problemen ber 

^Ijilofop^ie unferer Qtxt, wiewohl biefe auf ftant gurüdfgefü^rt Ratten, 

eine oiel weniger weitretd&enbe öebeutung, als man gemeiniglid& am 

nimmt, Ratten. 6d gewinnt aber, meint ©rbmann, bie Seljre an 

liefe, was fte an Umfang oerliert. 

3)er metap^ftfd^e junger ift im SWenf^en lebenbig , f olange er a*t metap^n^ 
zeugungsfähig ift. 3Benn idf) baö 3lufna^meoermögen für metapl)t)fifdfje ***' 
Stoffe einem 9Ragen oergleidfje, fo erinnert er an ben SKagen ber 
SBiebertäuer. ©ö mufc ber (Stoff mefyc ate einmal burd&gefaut werben, 
unb bennodö mufj nidf)t wenig baoon, alö unt>erbauli<$, befeitigt werben. 
Gs fommt ebtn nid&t blofe auf (Srnäljrung, fonbern audf) auf Sättigung 
an, unb bie verlangt ein bem SRagen entfpred&enbefi S3olumen. SBir 
erreichen eö bei ben ßauötieren burdf) Begäbe *> on ©trofc. 2)er meta* 
p^ftfd^e 9Ragen fann burdj maffenfjafte 3 u füf)mnq oon (Stoff eben- 
falls zeitweilig ganj gefättigt werben, obne bafc bie metap^ftfd&en 
Sorfteffungen eine wa^r^afte Vereiterung baburdf) erfahren Ratten. 
3Rit bem SHter fdfjwinbet nun bie ©röfje beö metapftyfifd&en ÜRagenö, 
unb eö wiberfte^t ifjrn leidjt bie ooluminöfe Sluseinanberfefcung feiner 
befonberen SRatyrungdmittel. 

SDaä führte mid& jurüä jur Seftüre ber Äantifd^en SRetapfigfif «<mt* ucta»wu 
ber ©itten, mit immer neuer SBewunberung biefer Sßerle unferer pf)ito= jjerie in tf'ümad. 
fop^ifd^en Sitteratur, bie idj aber gern in gefdfjmadfootterer Raffung 
feljen würbe. 3ltte übrige @tf)tt bleibt bagegen fc^al unb fdfjwanfenb. 

5. äEpri(. — Sei weiterem ©tubium oon ßantö ftrittf ber prak RammuiMobi. 
tifc^cn SSemunft ftnbe idb, ba§ Äant redfjt fd&Iagenb ben ©inwanb 
felbft wiberlegt l)at, ben «3;afobi gegen fein ©tjftem baoon hergeleitet, 
bafe, ba auf 2>inge an fi<§ ftaufalität nidfjt anjuwenben ift, fie un= 
möglidfj bie causa unferer primären 2lffeftionen fein fönnten, bie ja 
bodj irgenbwie entfte^en muffen, bamit wir SBorftellungen gewinnen, — 
nic^t aber felbft a\& SBorfteKungen erft entftefjen tonnen. Äant ^ebt 



— 30 — 

m* Pftjferiinß ben 9taumgrenjen, biefe nur finb atä ber S'aftempfinbung entnommen 
»Qum fl renj r en e unb abftrafytert oon Äörpern. Ser förperlofe SRaum fyat feine ©renjen, 

ein Vrobuft ber 

laficmpfinbung. ijt nur bie leere aWöglid^feit, unb bie fjat bie ^Jerfon beöljalb in fid&, 
weil fie fidfj felbft räumlidf) ffiljlt. ©in SBer^ältniö jwtfd&en Sßerfon 
unb ftörper »erlegt bie Sßerfon in einen ifyx felbft analogen 9taum. 
Sie SRaumanlage ifl angeboren ber felbftempfinbenben (Sub- 
fianj, bie SRaumgrenjen finb aber 2lbftrafta auö ber ©rfa^ 
rung. Sie 2lfiome finb baljer emptriftl) unb bie SRatljematif eine 
^im^oi^ni analtjtifcbe Sßtffenfdfjaft. eben baljin gelangt £elml)olfc auf anbrem 
äöege. 2luä ber „pl)t)fif<ijen ©leid()wertigfeit" entwicfelt er äße Sljiome 
unb macf)t bamit eine tranöfceubentale ©runblage ber SRat^ematif 
ober tyre äuffaffung als eine fpnt^etifd^e a priori Sßiffenfd&aft un= 
nötig. SRun weift ßelmfiolfc itö#/ bajs für ben aHenfdjen baa @eftd()tö= 
felb erft burd) attmäfjlidie Uebung ridfjtig oerftanben toirb. SBir wiffen 
oon ben fingen nic^tö, alö unfre ©mpfiubungen, unb eö fommt gar 
mdf)t barauf an, ob bie nrirfenben Singe, b. f>. bie SBirflidfjfeit, ibea- 
liftifdfj aufgefaßt wirb ober realtfiifdf). 9hir bie gefefcmäfcigcn 3len= 
berungen ftnb ©egenftanb ber ©rfenntnid, unb biefe werben gar nidbt 
oon ^bealtemuö unb SRealismuö getroffen. 216er baö ßaufalgefefc, baö 

t^ Äaufaißeuii nimmt ßelmfjolfc ölt, ifi a priori gegeben. 3$ mödjte fjinjufügen, ba baö 

ä priori fieüibni. Senf gef efc ber Äauf alität ganj bteparat ift oon ber aprioriftifdjen 3taum= 

unb ßcitmögfid^feit ber 2Infdjauung, fo bleibt bie 2Birftid)feit auf bas 
2lnfdf)aulidf)e befd&ränft. 28irttid) ift nur baö Slnfd&aubare. ©s 
f)at SBelten gegeben unb mag oiele geben, auf benen fein SBefen woljnt, 
baö aufbaut; bie ©rbe fjat eine foldjje Sßeriobe hinter ftd) unb trieHetdbt 
audf) oor ftdf). %d) ptyantafiere aber fdf)lief$ltdf) ein 3 u f ammcn ^ 0mme " 
aller Planeten in ber ©onue, oieHeidfjt fo fanft, bafe man auöfietgen 
fann, wie aus einem SBagen. Sie glüfjenben ©onnen mögen SBefen 
benfenber 3trt beherbergen, aber fdfjwebenb in foldfjer $erne, wo bie 
ßifce md&t Ijinbert, nötige ©ngel. — Äraufe f)at £elm!jol& gegenüber 
gan$ red&t, wenn er meint, bie Staumejrijien} muffe jur ©rfafjrung, 
wie Äant eö ertoiefen fjat, t)in$ugebradf)t werben. Sagegen magren 
ftdjj bie ©mpirifer oergebenö. ©ebe icf> ju, ber 3)ienfd) beginnt im 

aar erfahren x>on Sunfel unb erfährt erft fpäter, wo er ft$ befinbet ; aber ba& er 
burdj ib,« irgenbwo fiel) befinbet, ift ein Attribut ber felbftempfinbenben Subftanj. 
— SBte wäre e$ möghe^, bafe etn Stng oon ber ©iiftenj etueö anbem 
Singeö etwaö erfährt? 2tuf feinem anbem SBege alö bem ber ©hu 
wirfung. ©ö ift falfcb, fidfe biefe ©inridbtung alö eine blofc befdöränfte 
ju benfen, — bie blofje ßrfd)einuugen liefert, ©ine aubre ©rfenntniö 
alö bie burd) ©inwirfung ober auf Grfd)einuug gegrünbete fann man 



— 31 — 

gar nid)t wer fielen. Qn einer anberu SBelt fann es bod) nid&t anbers 
derge^en. ,3n"ner mufj *<$ bas ®W8 f puren, um es ju erfennen, 
imb feine «Spur auf meinem SBa^rnetymungSfelbe ifl bas Dbjeft ber 
grfenntnis; feine gefefcmäfeigen Slenberuugen führen jur 3lufftnbung 
ber ftaufalgefefce. -r- 

7. $uli. — SQBir ftefjen inmitten ber ©migfeit, unb innerlich fieQen vuiwm*. 
m uns biefe ©roigfeit ber gortmirfung t>or. aber für biejenige ^orm * ° ° P 
be*2)afeins, bie mir als 5ßerfönlidj)feit bejeidfjnen unb empfinben, für »tu bie «Mann«, 
bie ©erlangen mir etwas anbres als Äauf alitat ofjne 6nbe. SBir fiie^T- n 5we^ 
verlangen Siebe, unb fönnen fie nur finben in ben oergänglidjjen 8e= n*Vn ®IiSS2SSen 
jieljungen ju SRenfdjjen unb Vieren. 2Bir fönnen ben geftirnten ßimmet 
lieben, aber ©egenliebe oom £immel ift 3Baf)n. 2Bir fönnen ©Ott 
lieben; aber ift bie (Segenliebe nidjt ebenfalls ein 3Baf>n? — Sraudfjen 
nur aber bie ©egenliebe? — Söoju fönnten mir fie brauchen? — 

6s foltte bie Sptjilofopfjie mit ber grage beginnen, mie fann eines 
bosJ)afein eines anbern oerfpüren? 9Jur burd) SBirfung, bie in bem ©ufoürennntbcB 
einen ettoas änbert. fciefe Steuerung ift aber bebingt pon ber $äf)W «*"***' 
feit bes einen, fidfj ju änberu. @in unbebingt anbres fann tum bem 
einen unmöglich oerfpürt merben, unb bas anbre befielt nur aus 
ber Summe ber 2lenberungen , bie es tyeruorrufen fann. 2lbgefefjen 
dou biefen SIenberungen ift es überhaupt nicftt t>or Rauben. 2>as fo= 
genannte 2)ing an fid) ift eine leere 2lbftraftion ober eine blofce m aina. an n* 
s ^ßoteng jur 6rfdf)einung. <£s ift falfd), biefe ^ßotenj hinter ber Gr- V» «rt^immfl! 1 
Meinung ju fudfjeu; fie fann ftd) nur in ber ©rfdjeütung entfalten. 
Statt ©rfdjeinung Ijeiftt es beffer SBirfung. 9ftdf)t alle SBirfungen 6tott erf«einun fl 
einer ^Jotenj fann id> mafjrnefimen ; aber bie, meldfje idf) maljrnefjme, ,T «j«i!unV. ,fl0t 
ftnb tben bas 2Befen ber ©inge (^Jotenj). Mann id> fie nur räumlidj) x\< 
unb jettlicf) auffaffen, fo ift if)re 2BirfungSmöglid)feit gleichfalls räumlich ©wuS™^*» 
unb jettlidjj. außerhalb gibt es £irngefpinfte unb 3lbftraftionen, — xin*. 
Singe aber nid>t. $ie Antinomien ftants beträfen für mid) nid^t ttnimomunftants. 
me^r, als ba§ bie ©reitjen feine Zäunte ftnb, unb bafj bie ©egenroart 
feine 3*it ift. grrifyer glaubte icb, fie benriefen beftimmt, bafe bie uns 
angeborenen 2lnfd)auungsformen in Stfiberfprud) ftefjen mit iljrem äußer* 
liefen £afein. — 

$ie Sefjre ber 9Katf)ematifer ueneften Schlages oon einem Jtoum xiei'fbrfwmneijr 
mit meljr als brei £imenftoneu lerne id) in einem Vortrage oon ximrriumm. 
Spottisiooob ein wenig nätjer fennen. 33ejief)imgen fomntcn burdf) 
bie Jormeln jum SSorfdjein, bie mit brei £imenftouen nirfjt barftellbar 
finb, — aber biefe für räumliche öejtefjungeu ju erflären, fc^eint mir 
eine äbfurbität. £aS f)inbert feineoioego, mit il;ncn ju operieren unb, 



— 32 — 

wenn fie auf emfadfjere Siegelungen jurüdfgefüljrt fütb, biefe Formeln 
auf bcn SRaum anjuroenben. SBaft über biefen @ebrau<$ ber ^onnelu 
mit überftnulid&er 3 a ^ * on Sejieljungeu Ijinauögeljt, fdfjeint mir eine 
SBerrüdftfjett fdfjiuad&er ©eifter, bic über iljre eigenen Äunftftüdfe ben 
SSerftanb vertieren. — 
sDie Materie in 9. ^ult. — 2)ie SDtaterialifteu nehmen eine SRaterie an, bie 

«gen o eni. ^^ ^.^ ^. ^ cr ©eburt einem äußerft f}offnungöt>otteu jungen 

3Jlann t>ergletd&bar fein muß. 3)enn ber Sfalage nadfo war barin 
enthalten, tdqö ftdfj entwickelt fjat. ©ntroidfelt l>at fid) unbegreiflich 
oieleö, unb wir fielen t)om ßnbe ber ©ntwicfelung eben fo fem ate 
ju Anfang. SBunberbar über alle 9Waßen bleibt biefe ÜWaterie, bie 
eigentlich Sßotenj ober Vermögen genannt werben müßte, ©enn jur 
(Erfahrung fommen nur SQBirfungen, unb aud i^nen werben ^ßotenjen, — 
empfängliche unb wirfenbe, — erfd^Ioffcn. @in 9Ref)rere& in biefe 
Sßotenjen fjiuein ju regen, als jur ©rfafjrung gelangt, ifi tranöfcen= 
®Q§3«Wüusber bent; — bas $dj ift ein au$ ber ©rfabrung erfcbloffenes Cmpfäng- 

ltdfjeä unb SRücfroirfenbeö; — außerhalb biefer 2öirfungen il>m eine 
Subftanj betjulegeu, — ober ben fingen außer ifjrer ^otenj ein 
SBefen jujuf ^reiben, gibt eä feinen ©runb. Sßaö wir flerfdfjiebene 
Sßotenjen eines unb besfelben 2)tnges nennen, finb Spiegelungen ber- 
fetben Sßotenj in oerfdfjiebenen ©ingen, j. 33. im ©erudfjsorgan , in 
ben äugen u. f. n>. 
wioiot>bif*et 4. 3Iug. — 3Wan fann nur eine ^ilofopfiie, fo fommt es mir 

e Ä? n " üor, unb jwar im jugenblidfjen 2llter, aufnehmen . . . Saljer finbet ein 
wahrer ©eneration&wedfjfel bei ben Sßfjifofopljen ftatt. ®ie Sugenb 
wirb oon bem angejogen, was neu ift ober jum £eü üergeffen 
war. 9Jur ift ber äBed&fel nidf)t bloße älternanj, fonbern bie SReifje 
ift eine tnelglieberige unb fe^rt mit tjeränberten 5 a ^ oren lieber; 
benn ju ben unwafyrften ©emcinpläfcen gehört ber 2tuöfprudfj, „baß 
alles fdEjon bagewefen ober baß alles eitel fei", ©ie Paläontologie 
tefyrt, baß bie uerfdfpunbene ?form nie wieberfeljrt unb baß bie 
SRatur fid& nie wieberfjolt bat. Wlit jebem ^nbioibuum rüdtt fie eine 
unuermerflidfje Stufe vorwärts, auf bie fie, tote idf) meine, nidf)t wieber 
jurfidftnft. 



— 33 — 



Ättljmtg |um 3* Vlowmbzx 1878* 

1. 7 + 5 ifl eine Sufgabe weiter bift 12 ju jäfjfen, ebenfo 
rote 1 + 1 bid 2 ju jä^lett. 3 ä ^ en ftl* twraufc: ©renjen in 3^, 
inMaum. ©renjen fefcen uoraufi: 33orgänge, Äörper; Vorgänge unb 
Äörper ftnb nid^t gänjlidfj a priori. Stylen bid über 3 unb weiter 
lernen Äinber beö^alb erft nad) langer ßrfafjrung, unb nid&t unglaub- 
lid& ift ber Seridjt tum SSölfem, bie bei ifjrer ©ntbeefung ed ttid^t 
oerjtonben. $nfofern $a1)ten nur jeiträumlidje äbflrafta ftnb, liefern 
fte Säfte, bie notwenbig unb allgemein gelten; aber a priori ftnb 
fie nidfjt, weit bie Operation bed Sfälml eines emptrifeijen ©ubflratö 
bebarf, bauon abflraljiert werben fann. 

2. ©ine gerabe Sinie ifl wie jebe Sinie ©renje; jwar von ftläd&en, 
wie biefe von Äörpern; — nur burdj Stbftraftion oon bem, wad ben 
Slaum erfüllt unb im SRaum beweglidfj ifl, ju gewinnen. 3)aö 33e= 
roeglidje im SRaum ift nidfjt gänjlidf) a priori. 35af)er audE) bie ©erabe 
unb ber fürjefte 2Beg jwet SBorftettungen ftnb, bie nur aus ber 
©rfaljrung ju abftra^ieren ftnb. 2He ©erabe ifl ein Slbftraftum oom 
rufjenben Äörper, bie Äürje bes 2Begö Dom bewegten Äörper ober 
von an t>erfd&iebenen ©teilen befmbKdjen Äörpem. @ä ifl fein iben= 
tifdjeä Urteil, wegen beö t>erfd&iebeuen ©ubflratd ber Slbflraftion. 
Spntljettfdf) ifl eö, aber rufjt auf SSorauöfefcungen ber ©rfa^rung. 

3. SSeränberung ber Äörperwelt, — (@ewidfjte=) Quantität ber 
Äörperweft ftnb Sßorfleffungen atö ber (Srfatyruug. 



ntlxgion (1880). 

10. $üli. — 3lntnüpfenb an bie ©ebanfen oom 3. unb 4. 35ejember 
1879 über Religion, bemerfe idf) einen Irrtum, in bem idf)- auf- frrtumbei 
genmdüfen bin, wegen beö rationetten ^roteflanttemus meiner ^ugenb. ÄTaÄül 
allen grnfleö Ijabe id& geglaubt, in ber SBibel unb namentlich im " ® ©Xi auT bie 
3Jeuen £eflament fei ber watyre Gfjrtftenglaube enthalten unb üolk 
ftänbig. £atte boc^ £utf)er auf Sßibertegung au* ber 33ibel prooojiert 
unb gefagt: „2)aa 2Bort, fie fotten laffen ftaljn". 2öoju beburfte eö 
aber bann ber Äonjilien? 2)ie SRationaliften gelten baö oietteidjt für 

Vul ben Sagtfcu^Mätttni toe9 ©rafen «. fletjftrltng, 3 



— 34 — 

einen 4*or;ug, i>a§ Die Jrinitätälebre nid&t in ben eckten Sibeljiellcn 
auögefprocben ift. 2lber meine Unterfud>ungen ber Sibelftellen über 
bie 3 l| hinft ber iVritorbenen beroeifen, ba§ aud^ barüber eine Kare 
unb abgeid&loffene, einheitliche ifebre im 9?euen Steftament fid) gar 
nidjt nnbet. SRaterialien finb noch feine ©ebäube. 2>ie ^Materialien 
roieberberjiellen , in ihrer urfprüngli^en Sefdjaffenljeit, Reifet ba* au* 
zu *h*t *» er« iljnen aufgeführte ©ebäube *erfefcen, jerftören. 35ie Äird^e bat mit 
«tsidcli c'ul *! ben 3Raterialieu be* 3Jeuen 2eftamentd eine ©laubenöleljre erft je- 

feftaffen, in langer arbeit unb unter entfe^tid^en Äämpfen. £ic 
Reformatoren ftnb 511m £eü 3 er ftörer / aber mit ^ilfe ber alterten 
Äonjilien unb eigenen Spefulationen Saumeifter geroefen. Cfjne Sinje 
fein Sefenntnis, ohne Sefenntnio feine SReligton, otyne Jrabition feine 
xiereTr.KfctftirdKÄirc^e. 3* mürbe bie römitcb=fatbolifcbe Äirdje triel beffer rechtfertigen 
frn-r luntfii unb ate baö fonfequente Gbriftentum barftetten fönuen, von meinem 
jefcigen Staubpunfte aus, alö früher. SSeil eö feine gefd&riebene, 
dfjriftlicbe Urfunbe gab, bat Gbriftus bie £rabition bureb ben £. 6. 
bewirft. Siefe fjat eine oolifiänbige Religion erjeugt, wie fte in ben 
fdjriftlicben Urfunben gar nicht 511 finben ift. £aö SRcid^ E^rifti roar 
fofort angefagt. 3ft eö feine ^erirrung geroefen, fo muß es \>a fein. 
£ie päpftlidfje Hierarchie ift baö taufenbjätjrige Reidf), barin ber im 
Stapft roirfenbe ©eift Gbriftt um bie £errfd&aft ringt. Siebe meine 
Betrachtungen oom 6. s Jtoo. 1876 unb wie ber 1. Äorintljerbrief*) 
bie Hierarchie im fjöcbften ©rabe rechtfertigt. 2>aß aber Rom bao 
Uebergeroid)t erlangte über bie SBifcboföfifce in Äonftautinopel, Sero- 
fatem, 9l(eranbrien, ift eine unjroeifelljaft berechtigte ©ntroiefehmg. 
Hier mar bie mädfjtigfte Urgemeinbe unter ber Radfiroirfung be$ Sßauluo 
unb unter ber oorbereitenben jubendjriftlicbcn (^ßetrinifd^en) ©emeim 
fdfjaft 511 ftaube gefommen. £ie Sßäpfte fd&üfcten gegen bie SBilbhett 
ber Sarbaren unb gegen bie SSerberbniö ber 93pjantiner unb mürben 
fittlid) unb roelt(id) gehoben. Sie faßeu im 3Hitte(punft beö alten 
2£eltretd)ö unb mürben niebt jn Höflingen oerberbter Regenten ober 
511 Ränfefdfjmiebeu unter einer großen 3^61 oon gtcidf)ftef)enben 33ifdf)öfen 
berabgeroürbigt. Tex päpftlidj fatbolifcf) ©eftnnte ift ber fonfequentefte 
Gfjrift. 3d) aber urteile unparteiifdfj, meit mieb baö Sibelroort nidbt 
binbet. Gs ift nidf)t gefdfjriebeu, gleid^fam bureb unbewußte Reffer-- 
beroegungen, mie eine mediauifdfje 3«fP^ationoIe^rc eö forbert. So 
meit eö fidf) in ber Grfaljrung unb oor ber Sogif alö richtig erroiefen 



*) Gehört 3ur Scjrift: „58 i 5 e rft c 1 1 cn über bie Sufunft ber Ser* 
ft r b c n e n v n Ö x a f 2C. Ä e d f c r I i n 9". 9(fö SJZanuffript gebrueft. Setpaig 1876. 



— 35 — 

bat, neunte idfj cd gern an; fo weit cd unübertroffen fd&ön bie 
Gmpfinbung bed ©öttlidfjen barfteüt, bennmbere idjj cd imb fdfjliefee cd 
ins §tvy y — roo cd aber fabeln unb tmberlicijen 3<wber üorgaufelt, «et>itttin 9 ß 
oerroerfe id) cd o^ne 93eängftigung. Wir ift bie Religion bie Sleftljetif «lu&im" 
bed eitrigen, — nidjt aber, n)ie für Äant, bie 2)toral unter ber gtorm ( ^ flenfa * ,tt * an1, 
Des göttlichen ©ebotd ; — weil id& jufetye, toad bie 9teligton unter ben 
3Renfdfjen in SBirflicfyfeit für eine Aufgabe ijat, — uid&t nmd fte nadfj 
meinem t [einen ©eftd&tdfreid fein fotl! — ©iefje 3. unb 4. 5Dejember 1879. 

26. 3uti. — (S&arled Äingdtep, ©eiftlidjjer ju ©oerlep, befannt ctaties stin&un. 
in TOcitcftcn Ärcifen ald SBcrfaffer bed SWomand £gpatl)ia, ift eine 
^erfönlidfjfeit mertoürbigfter 2lrt. ©riefe unb ©ebenfblättcr t>on 
feiner SBitroe ^eraudgegeben unb von ©eil oerbeutfdfit, enthalten jroar 
nur unuoHftanbige Sineamente, befonberd weil ber erbauliche 3 roec * 
bei biefen jtoei 33änben aorgefyerrf dfjt fyat ; aber fo rnel ift jioifc^en ben 
3eilen ju erfennen, ba& bie £eftüre ein ergreif enbed 2Jtyfterium 5um 
üladfjbenfen fjinterläfct. ftingdletj mar ein leibenfd&aftlidfjer sportsman, 
3?aturburd^forfd^er, ftünftler, ©idfjter, ajtenfdfjenfreunb, ©eelf orger, 
gelehrter £iftorifer unb Geologe oon binreifcenber Serebfamfeit, ben 
wir in einem gewaltigen fingen fe&en mit allen 3roeifcln feiner 3*it, 
barin er afd fefte Safid für ben Äampf fidfj an bie englifdfje Staatd= 
firdje Hämmert unb an bie geinbfd^aft gegen aHed Unredfjt unb ©lenb, 
aber o^ne eine Safid für ben ^rieben ju finben. ©ein oerjeljrenbed, 
mefjr ermärmenbed ald erleudjtenbed geuer muft fidf) genügten in 
ritterlicher £l>ath:aft. 3>arum feine #reube am leiten, an milben 
/"vudjQjagben unb feine fieibenfd^aft für ben Salmenfang. Solbaten* 
btenft unb &riegerpfüdf)t jiefjt i§n ganj befonberd an. Selbft in ber 
Jtoturforfcfjung ift bad Umfjerfudjen unter ©otted freiem £immel ifjm 
Der ßauptreij. „©eroaltiger unb geheiligter ald ber ganje 3ttedfjanid= 
mud ber SRatur ifi bie über bad 31 H ergoffene Sßoefie ber 9totur." — 
£ad bleibt feine ©runbempftnbung, bie in ber Statur gefugte unb 
gefuubene unaudfpred&lidfje ©fftafe bed 3Kenfdfjengeifted. Cl;ne Sebcnfen 
fielet er ©pibemien ald folgen menfdfjltd&er 9Sernad^läffigung unb 
ägnoran* an, bie man mit allen fträfteu ju befämpfen fjat unb Ijält 
fte feinedroegd für unabiuenbbare Fügungen ©otted. ®afe ©ott fie 
entioeber nidjt Ijätte bef)inbem fönnen, ober nidf)t befjinbern gewollt 
f)at, biefed tfjeoretifdfje Dilemma jroifd^en einem ©ott, ber enttoeber 
nic^t mefyr allmächtig ift, ober allgütig, fidf)t i(;n nidf)t an. 2öo feine 
iijatfraft prot)Ojiert toirb, finb iljm alle tfjeoretifdfjen ^ntonfequen}en 
oljne Sebeutung. „5Daran, fonfequent 311 fein, ift mir gar nic^td 
gelegen;" — fo ungefähr ändert er ficlj an mehreren ©teilen, ©r 



— 34 — 

einen SBorjug, baj$ bie Sxinitätölefjre nid&t in ben eckten Sibelfietten 
auögefprodieu ift. aber meine Unterfud^ungen ber 93ibelfteHen über 
bie 3 u tunft ber SSerftorbenen beroeifen, bafj audjj barüber eine Kare 
unb abgefdfjloffeue, einheitliche Sefjre im IWeuen Xeftament jtdfj gar 
nid&t finbet. SRaterialien finb nod& feine ©ebäube. 3)ie SWaterialien 
nrieberljerftellen, in iljrer urfprünglid&en 33efdfjaffenljeit, Ijeifct baö auö 
xte ftit«e ^ot erfi i^nen auf geführte ©ebäube jerfefcen, jerftören. ®ie Äird^e ^at mit 
cn'twitw? aul fe §" ben SRaterialien beö Reuen Xeftamentö eine ©taubenölefjre erft ge- 

fdfjaffen, in langer Slrbeit unb unter entfe$lid&en Kämpfen. Sie 
Reformatoren finb jum £etf $ex$bTtx, aber mit £ilfe ber älteften 
ftonjilien unb eigenen ©pefulationen Saumeifter geroefen. Ctjne ftird&e 
lein 33efenntniö, ofjne Sefenntnis feine Religion, o^ne £rabition feine 
xn römif*« ftinfc ßirdie. 3$ mürbe bie römifd)4atf)olifd!Je Äitd&c triel beffer rechtfertigen 
fonieqwntere unb alö bas fonfequente Gljriftentum barfteüen fönnen, von meinem 
nftnttum. j c ^g Cn @taubpunfte aus, als früher. SBeil es feine gefdfjriebene, 
dfjriftlidie Urfunbe gab, f)at ßfjriftuö bie Srabition burdf) ben £. ©. 
bewirft. 2)iefe fjat eine ooHflänbige Religion erjeugt, wie jie in ben 
fdf)riftltdf)en Urfunben gar nidfjt ju finben ift. £as Reidb ©fjrifti mar 
fofort angefagt. 3ft es feine SSerirrung geroefen, fo muft es ba fein. 
©ie päpftlid^e £ierardf)ie ift baö taufenbjäfjrige Reidf), barin ber im 
Sßapft mirfenbe ©eift Gfjrifii um bie $errf$aft ringt, ©ietje meine 
Betrachtungen oom 6. Roo. 1876 unb nrie ber 1. Äorintljerbrief*) 
bie $ierard)ie im f)öd)ften ©rabe rechtfertigt. 25a§ aber Rom baö 
Uebergeroidfjt erlangte über bie Sifd&ofsftfce in Äonftantinopel, 3eru= 
fafem, 311eranbrien, ift eine unjmeifetyaft berechtigte ©nttöidelung. 
fiier mar bie mäd^tigfte Urgemeinbe unter ber Radfjnrirfung bes Sßauluö 
unb unter ber oorbereitenben jubendjriftltdfjen (^etrinifdfjen) ©emein- 
fdfjaft ju ftanbe gefommen. 2)ie köpfte fdfjüfcten gegen bie SBilbljeit 
ber Sarbaren unb gegen bie S?erberbnis ber 33t}jantiner unb mürben 
fittlidf) unb meltlidf) gehoben, ©te fafjen im 9Jtittelpunft bes alten 
SBeltreidfjS unb mürben nidf)t ju Höflingen oerberbter Regenten ober 
ju Ränfefdfjmieben unter einer großen 3^1)1 uou gleid^fte^enben Sifd^öfen 
berabgeroürbtgt. £er päpftlidE) fatbolifdf) ©eftnnte ift ber fonfequentefte 
Glirift. 3^ ober urteile unparteiifd^, weil mid) baö Sibelroort mdE)t 
binbet. ©s ift nidf)t gef dflrieben, gleidfifam burdf) unbewußte Reflex 
beroegungen, wie eine mecfianifdfje 3ttfpüration&(eIjre es forbert. So 
weit es fidf) in ber Grfafjrung unb oor ber Sogtf als richtig ermiefen 



*) ®e$ört äur Schrift: „33i&e[fteIIen über btc 3«'wnft ber Ser* 
ftorbcnenoonÖrafSl. Äeyfcrlin g". 2(Iö SWanufrript gebruef t. Setpjig 1876. 



— 35 — 

\)Q\, neunte idfj eö gern an; fo weit cd unübertroffen fd&ön bie 
Cmpfmbung beö ©öttlic^en barfteüt, berounbere i$ eö unb fdfjliefje es 
in* 6 er j; — wo ** ober fabeln unb uriberlidf>en 3 au & e * twrgaufelt, «epjcrtings 
uenoerfe icfj es ofpte öeängfttgung. 3)?ir ift bie Religion bie 9leftt>ettf teuj&m* 
Des ewigen, — nid&t aber, wie für Äant, bie SDtoral unter ber $orm * ,m|i| ,tt Äant ' 
Des göttlichen ©ebotö ; — weil idf) jufe^e, roaö bie Religion unter ben 
äRenfd&en in 2Birflic^)!eit für eine 3tufgabe Ijat, — nid)t roaö fie nadf) 
meinem f leinen ©efid&töfreiö fein foll! — ©iefje 3. unb 4. Dejember 1879. 

26. 3uli. — ©tyarleö Äingölet), ©eiftlid&er }u ©oerleg, befannt etatus mnonc«. 
in iceitefien Äreifen alö SBerfaffer beö Romano Qypatfya, ift eine 
$erjdn(i$feit merfuriirbigfter 2lrt. ©riefe unb ©ebenfblätter von 
feiner SBitroe Ijerauögegeben unb von Seil oerbeutfdbt, enthalten jtuar 
nur uuooflftänbige Sineamente, befonberö weil ber erbauliche 3 roe( * 
bei biefen jn>ei Sänben oorgefierrfdjt tjat ; aber fo oiel ift jttHfdjen ben 
3eüen ju erfennen, baj$ bie Seftüre ein ergreif enbeö 9Kpfterium 511m 
:Jtad)benfeu hinterläßt. Äingölei) war ein letbenfdjjaftlidfjer sportsman, 
Äaturburd&forfd&er, Äünftler, SDid^tcr, aßenfd&enfreuub, ©eelforger, 
gelehrter ^tftorifer unb Geologe oon {jinreijjjenber 23erebfamfett, ben 
wir in einem gemaltigen Siingen fefjeu mit allen 3roeifeln feiner 3eit, 
Darin er alö fefte 33afiö für ben Kampf ftdf) an bie englifd^e ©taatö* 
firdfje flammert unb an bie geinbfdfjaft gegen aUeö Unrecht unb ©lenb, 
aber oljne eine Saftö für ben ^rieben 51t finben. ©ein oerjeljrenbeö, 
meljr erroärmenbeö alö erfeudjtenbeö geuer muß ft^ genügten in 
ritterlicher ^atfcaft. Darum feine greube am leiten, an milben 
/tud)öjagben unb feine £eibeufdf>aft für ben ©almenfang. ©olbaten= 
Dienft unb Äriegerpftid&t jiefjt tyn ganj befonberö au. Selbft in ber 
s Jtoturforfd>ung ift baö Umfjerfudfjen unter ©ottcö freiem $immel ifim 
Der ßauptreij. „©eroaltiger unb geheiligter alö ber ganje 9Wed&aniö= 
muö ber Ülatur ift bie über baö 3111 ergoffene Sßoefie ber 9tatur." — 
£aö bleibt feine ©runbempfinbung, bie in ber 9?atur gefugte unb 
gefunbene uuauöfpredfjlid&e ©fftafe beö 9Kenfdfjengeifteö. Cf)ne Sebenfeu 
ftc^t er ©pibemien alö fiolQtn menfdfjlidfjer SBernadfjläffigung unb 
3gnoranj an, bie man mit allen fträften 511 befämpfen Ijat unb tyält 
fie feineömegö für unabroenbbare gügungen ©otteö. Daß ©ott fie 
enttoeber ntd&t l)ätte be^inberu fönnen, ober uidf)t beljinbern gewollt 
l)at, biefeö tljeoretifdfje Dilemma 3nrifcf)en einem ©Ott, ber entroeber 
nidjt meljr allmädfjtig ift, ober allgütig, fidf)t ifju nidf)t an. 3Bo feine 
£f)atfraft proüojiert wirb, fiub ifjm alle tljeoretifd&en ^ufoufequenjeu 
o^ne Sebeutung. „Daran, fonfequent }u fein, ift mir gar nidjtö 
gelegen;" — fo ungefähr äußert er fidf) an mehreren ©teilen, ©r 



— 36 — 

roagt es gegen bie fird&lid&en SEßettergebete ju prebigen unb wirb bafür 

t>ou SNaturforfdfjern wie Dtoeu unb ßijell beglüdfwünfdfjt, bodjj von 

feiner t)on il)m ftets fo toeit^erjtg aufgefaßten ©taatsfirdje Ijart be= 

urteilt unb j. ö. in Drforb um bie iljm jugebad&te Softonoürbe 

gebraut; — aber felbft ein foldfjer Sftttter burfte nid&t etwa baran 

erinnern, baß für ben ©tntritt bes SSottmonbed nid^t gebetet wirb 

unb ber ©tntritt bes Segens *on ben, wenn aud& für bie menfdfjlidje 

Auffaffung ju aerwidfelten, bodfj nid^t weniger ftrengen SSorbebingungen 

ebenfo beftintmt wirb, n)ie ber bes SBolImonbes. JtingSlep mußte fagen, 

es fönnte ber Siegen ©pibemien, etwa ber (Spolera vorbeugen, unb 

bafjer fottte man ftd& bebenfen, ob es wotjlgetljan fei, üjn wegjubeten. 

©r wagte nidjjt bas SBettergebet für eine bloß ben Aberglauben auf* 

munternbe, übrigens aber ganj unwirffame Sßrojebur ju erMären. 

©r war nun einmal ©eiftlid&er unb ofiue ben £alt an bem gefefc; 

liefen StaatsbefenntniS I>ätte er ben ©alt verloren, ben er für feine 

SBirffamfeit als unentbehrlich ernannte. Aber ob er an 3n>etfler ober 

entfd&tebene Atfjetften f djreibt, immer fjeißt es, bur<$gemad(jt fyabe er 

äfjnlid&e Verfügungen in fdjwereu Äämpfen. — 2Bie bie ©pibemien 

ifjm ein abwenbbares SföenfdSjenunredjjt erfd^ienen, ebenfo aud(j bas 

aftenfd&enelenb. ©r fjält es erft mit ben ©fjarttften unb nad^bem er 

cn ben fojialtfttfd&en ©ewerbeunterneljmungen irre geworben, junt 

©dfjluß feines Sebeus fpridEjt er fidfj tljeorcttfd^ in ber Agrarfrage 

gegen äffe ^reifyeit aus. Glebae adscriptio, t?on facJjoerftänbtgen 

Autoritäten ©orgefd&riebene Sßad&ten, ein Ijalb feubales 3beal, wobei 

alle unter polijeütd&er Stuffid^t jum heften würfen! — Äingslep mar 

in allen Singen Stealift, — oon Ijerrticfyer S^atfraft unb wunberbarer 

Begabung, ©o mar audf) fein ©fjrijtentum ein tfjätiges, me^jr als 

ein gläubiges, — eine poetifd&e Segeiflerung meljr als ein tfjeorettfd&es 

©tjftem. ©s ift mir ntdfjt möglidf), einen fo sielfeitigen, außerorbenfc 

litten 3Rann ju überfein, idfj fann im allgemeinen iljn nur anftaunen 

unb benmnbern. Aber im einjetnen tarnt i<$ f)ie unb ba bas SRätfet- 

fiafte feines SBefenS $u erMären fud&eu. Als Sßrofeffor ber ©efdjjid&te 

in Gambribge begeiftert er unb bas ift bie Aufgabe, bie er bei allem 

ftdfj ftellt, ob er in Sßeftminfter prebigt ober in Softer eine ©efeH= 

fd&aft für 9taturfunbe grünbet. £at er nid)t redjjt? Sie jugeJprtgen 

ftenntniffe mag ein jeber ft<f> Idolen, wenn bie Segeifterung für 

bie <3adf)e oorfjanben ift. <$ür bie Seljre ift ein SJtann wieftingslei> 

ber redete, — für ben Ausbau ber SSiffenfdEjaft bebarf es einer me^r 

folgerechten unb nüchternen 9)ietf>obe! £>as beftänbige 3eidf)nen, ©fij* 

jieren jeigt aud& ben Realismus bei Äingslet; an. ©r wollte alles 



— 37 — 

in ber äufdjauung fjaben. $a$ ewige fieben, ift ea of)ne feine grau, 

tarnt er gar nidftf gebrauten: „3$ tonn nur fagen, wenn \ä) nic^t 

Droben mein SBeib ebenfo an Seib unb ©eele liebe wie fjier, e* über; 

baupt für midfj feine 2luferfiebung be* Seibe* unb ber ©eele gibt, bafs 

eben bann ein anbrer flott meiner ift, bafc i$ nid&t meljr id> bin" 

— jtnb feine merf würbigen 3Borte II, 87. — Unb iji e« nidbt taufenb? 

mal roafyv, bafs td) nidljt me^r idj bin, wenn idjj meinen ganzen 

Äörper oerloren b^be? — £ie abftrafte ©eele im fortleben wäre «Tratte« e«ien. 

ein SBefen, bejfen 9tatur oon unfrer jefcigen mefyr oerfd&ieben fein toitotWn™ 

müfcte, ate j. 33. fie burdfj äJerrüdttbeit oerfd&ieben wirb. Sei lefcterer 

fc^It e& an ber ^unttion beö ©ebirnö nur tei(n>eife / nad) bem Xobe 

fefflt eä baran ganj. $a^er überwältigte bie äuferftebung&leljre erft _ Da*« 

im S^riftentum unb, nadfjbem biefeä burdfj bie ^etlenifÄe Unfterblidfj- «uferpefönaV 

feiftlebre an Realität oerloren tyattt, im 3$lam bie Golfer blofeer wÄm, tSm 

Unjterblidfjfeitälebre. Gegenüber bem SrabmaniömuS unb 83ubbf}te= 

muö u. a. afiatifd&en Sluffaffungen f)aben bie äfoferftebung&reügionen 

nur befdfjränften @rfotg gehabt, ebenfo wie gegenüber bem 2Wofaiömua. 

y J!od) bat ftdj) baö ©leidfjgewid&t jwifdfjen biefen änfdbauungen unter 2>a*«witt«sebenf» 

ben 3Renfd)en erhalten. ©dbliefefidjj werben fie fidjj aber voofyl alle m xaumi^n um 

auflöfen muffen, in ber Haren ßrfenntnift, bafc eö nur eine 2trt $orfc <nt 9 aXttn - 

(eben gibt, bie ädern Drganifd&en gemeinfame 3 cu 8 un 9- 3$ Wn 

mxtl\$ in meinen ftinbern oorljanben, unb es ift eitel ©elbftfudj>t, 

bie jt$ bagegen fträubt. £abe id) aber feine SRad&fommen, nun fo 

lebt ber Stamm fort, an bem id? ein Statt gewefen unb für ben 

audj idj mein £eil ^injugetban. Siiebe beine Äinber, bie URenfd&beit, 

bie Slatur, unb bu füblft bidb fid&er beö ewigen Sebenä*)- — 

©ef>r tief ift, wad Äingöleij gegen bie aöfetifd&en möndbifdjjen ftmaiteu m<* b«i 
flid&tungen fagt. SRatürlidfje triebe muffen auf Ujrem eigenen ©ebiet * ,fetitmu •• 
beberrfd&t ober nerbraud&t werben, nidfjt aber bürfen fte in geiftiger 
mh geifüidber gorm ganj anbre ©ebiete beberrfdjjen. ©ie führen 
tonft baju, bie natürlichen triebe unb fdiliefjlidf) bie ganje SWatur, 
ale Jeufetewert ju fliegen. 

31. 3uli. — SKidf) ergreift ber ©ebanfe beä in ber Söeltxet in ux um 
roerbenben ©otteä! £aö ift eine oerftänblicbe SBorftellung. Ser loetbfnbc öott 

*) 9too) mochte io) bei (Gelegenheit beS $u<$d übet Aingdlep fagen, nie 
eine fotye ©tfc^einung nur in (Sngfonb mbgli^ geroe.fen. 3Me bortigen (üeip 
Heften »erben oft aufgefaßt aß 'paraftten ber ©efeüfcftaft, mit Unrecht. Sie allein 
geftatten ei, $aftor unb (Bentleman im »ollen (ginne ju fein. 353enn bie Äon* 
fefjicmen i^rem fflerte nad) richtig rtafftfi§iert werben, je naeft bem Sterte iftrer 
@etfUic^en, fo ße$t bie englifc^e etaatdliro^e unenb(io) f)od). 



— 38 — 

üoHenbete 2Beltfd&öpfer, am anfange, ift unbegreiflich; — am @nbc 
ber Sßelt, als 3**1/ ift & anbers. ©S ift bie uolleubete, bzroufyt 2Belt= 
gemetnfdfiaft, bie ©ott bann 3U nennen wäre. Auf ©rben ifl bie 
SBeroollfommnung bis jum bewußten 9Wenfd(jenwefen gebieten; bie 
SRenfd&en bilben eine me^r unb nte^r bie Äuget umfaffenbe ©emeüu 
fdfjaft. (Sinft fönnen Planeten unb Sonne — nodfj nad& unenblid&en 
SKiHionen oon Safjren Sonnen unb ^iyfterne ju näheren ©emetm 
fd^aften jufammenrüdfen. SBaö wir mit ganzer Seele lieben 
follen unb erftreben ift bie beftänbige Steigerung ber ®e* 
meinfdfjaft, benn bas ift bie SRealifierung ©ottes, ber als Sßotenj, 
ofjne 3*ü u nb Raum feinen Sufarom^MS mit 3Wenfc^cn Ijat; ba= 
gegen als reales SBefen, als aufgäbe, bie metyr unb mefyr in 
bie ©rfdfjetnung treten muß unb null, unterftüfct unb befämpft, 
geliebt unb gefjafft werben fann. ©ott ift bann allgütig, aber md)t 
allmächtig — allgegenwärtig, aber nidfjt atlwiffenb; — b. t). fo 
tuet toir auf (Srben feljen, in ber 3WenfdjI)eit3gemeinfdjaft; — er ift un= 
DoHenbbar, batyer ewig — er ift feine 3lbftraftion , fonbern ein ®r= 
lebtes unb öleibenbes in ber ©ntwidfetung. — $as ewige Seben bes 
einseinen 3Wenfd(jen ift feine Jortwirfung in ber ewigen 9Wenfd$eit, 
bie jur eroigen ©ott^eit Ijinftrebt. $ie metapf)tjfifd&en unb logifd&en 
^unbamente gelten bei ber SJerfnüpfung ber erfahrenen SBaljmeljmungen 
unb ©mpftnbungen — aber fie entfdfjeiben niemals über bie SBirfs 
lidfjfeit einer ©mpfinbung — bie gfretyeit bes SBtHenö gilt, roenn aud) 
bie Staufalität bamit nidfjt in ©inflang gebraut werben fann; — fo 
ift aud) ber roerbenbe, lebenbige ©ott anjuerfennen; — iljtn 
ift bas ^rimat beijulegen, gegenüber bem abftraften ©ott ber 5ß^ifo= 
foppen, ber jtcij aufterbem als 28iberfprud& in fidf) felbft bem Genfer 
ftets erweif en wirb. 
Ute «uMtfation 16. SRoo. — 35en SBattace I)abe idf) ;u 6nbe gelefen. . . . (Sr 

mmml fd&liefet mit einem 93erglei<§ ber 3ü>ütfation unb beö 3 u f tö ^beö ber 
gemeinwaft. 2BUben g re itmHiges befolgen ber für bie ©emeinföaft notwenbigen 
•Dtoralgefefcc, ofyne bie unfruchtbaren 2Beitläufigfeiten oon Regierungen 
unb ©efefceu, feien metyr bei ben 2Bilben aujutreffen. daraus müfete 
man erfennen, wie ftdf) unfre Äultur auf bem richtigen SBege nidf)t 
befxnbet. SStel fräftiger mufften bie f^mpat^ifc^en ©ispofittonen jroU 
fd&en ben SDienfdfien entwidfelt werben, als bisher! ?c. SDiir fd&etnt 
3BaHace bie fyortfd^ritte ber 2lnöbe^nung nod) nid£)t in SRed&mmg ju 
bringen. S)er Sßeltpoftoertrag Ijat es ermöglicht, bajs 3Kiflud^o -äKacflap 
mir oon Sataoia aus eine SBrof dfjüre juf c^idt : Um ben ©rbball tyerum 
oerbreitet fieb fdjnell eine nüfclidje ©rfinbung. 3)er 3wedf ber -äRenfdf)' 



— 39 — 

&eit ift bie (Steigerung ber ©emetnfdfjaft qualitativ uttb quan* 
tttativ. dagegen ift jeber roilbe Stamm, tyält er audfj Shifje inner* 
lief), gegen alle Stadfjbarn ju gewalttätigen abenteuern aufgeregt. 

5. 2>ej. — 2lm 26. SRovember ftarb meine liebe Sdfjroefter, 8a* 
ronin 6veline Don 33ebr in ©broaljlen. Sie Ijatte neben einem frommen, »aromn «wu™ 
liebenben ©emüt, bad aber bie ortljoboje ober ptetiftifd&e Stiftung ber 
9teujeit meljr tolerierte ald mitmad&te, iljre SBurjel in bem Stationalid* 
mud bed ©Item^aufeö, unb es fehlte iljr nidjjt bie fjumoriftifd&e @m= 
pfänglidtfeit, bie ju einem gleichmütigen unb liebendroürbtgen Seben 
fo viel beiträgt. Sie ift gltidflid) ju preifen, bafe fie an einer fdfjnell 
uerlaufenben Sungenentjünbung im 60, ^afjre otjue langet Sied&tum 
entfälafen ift. 

20. 3>ej. — ümüdoetfät Ijabe idfj mid& in ©ebanfen in bie ewi* 
3ugenbjaf)re meiner verstorbenen jüngften Sc^roefter, bie mir bamald wn*aämi. (> 
befonberd na^e geftanben fyat. %fyt Seben fyat im ganjen iljrer Ijars 
monifdfjen 3latur entfprod&en. Sie fyatte Ijerrltd&e ©igenfdfjaften bed 
Öemütd unb bed ©eifted, unb t)iel milbe unb freuublid&e ©mpftnbungen 
bat jie erfahren, verbreitet unb in iljrem reiben ^amiltenfreife ge- 
troffen. Sßie fdjnell vergißt ftdf) ein 3Kenfd^enIeben, aber eitel ift es 
nidjt geroefen unb feine folgen roirfeu fort in bem eroigen, jum 
Sefferen fortfdfjrettenben 3(0. 3Bol)l mag und bie Verteilung von 
Seib unb greube im SKenfcbenleben eine unverbiente, verworrene unb 
unbegreifliche erfd&einen. 9htr in bem @efül;f ber richtigen Ginorbnung 
bed ©njelnen unb bed Äleinften im eroigen 91H — ob aud) vergeffen, 
bennodf) bauernb — fdfjeint mir — fann man bie 33erföl)nung fudfren 
unb finben. Könnten roir lange nad^ unfrer eigenen Sebendjeit unfern 
ganjen Sebendgaug tiberf df>auen , ed roürbe und bamit ergeben, roie 
mit mandfjem Siücfblicf auf ein überftanbened Seib. 2Bad und einft 
wel>e getfym, erfdfjeint uns ju erbärmlidb Hein, um länger babei 311 
verweilen. 2öad uns im Heben befümmerte unb unerträglich fd&ien, 
ed ift ju unbebeutenb, um ind ©eroidbt ;u faden, fobalb roir von bem 
ewigen 2111 und berührt füllen. $>ad ift rool)l bie fd&UeftKd&e 3>er- 
följmmg, bie roir alle ju erwarten baben. 

24. S5ej. ... bie Weine Strecfe bid jum Orte ber eroigen 9iuf)e 
will id& getroft vorroärtd geljen. 2)er eroige in bem eigenen Innern 
bleibt ber s ^unft r von bem aud fidf) bad Stellt verbreitet. £ie Siebe 
ju ben 9Wenf eben fommt von ba. ... 

25. £ej. — 3$ beenbigte eben bie Seftüre ber neueften Schrift 

bed $ßl)ilofopf)en £artmann über bad Gljrifteutum : „ftriftd bed Gtjriften- «nn* m 
tumd in ber mobernen £beologie." Gr bemonftriert, roie bei ben ^artmlTnV " 



— 40 — 

mobemftcn großen Geologen 33iebermanu , Sßfleibcrer , fiipfiua, ba* 
djjriftlidfje 3^tA(bogma oon bcr ©rlöfung bur<$ (grifft fieiben, Der* 
brängt wirb burd& bie ftorberung, baß ein jeber burdfc feine eigene 
SReligiofttät errettet wirb. 35a« S&riftentum ifi bamit aerlaffen, aber 
aud& ber ©tanbpunlt ju einer neuen, allgemein menfdfjltd&en Religion 
erreicht. Daö in jebem 9Renf#en angelegte religiöfe ©runbpljänomen 
ift baft 2lbl)ängigfeit3gefül)l in freier Eingebung an ©Ott, int ©egenfafe 
}u ber Nötigung burdfj bie enblid&e SBelt. @ä ift aber bie ftonfequen; 
biefeft @runbpl>änomens, nur an einen immanenten ©Ott (fonfreten 
$antl>eiömuö unb SHonismud), nid&t aber an einen außerhalb ftefjenben, 
perfönlidljen ©Ott ;u glauben. $artmann glaubt, eine auf biefem 
©runbe entwtdfelte Dogmatil würbe bie tiefften Sebürfniffe bed relü 
giöfen ©emüta beffer befriebigen, als alle dfjriftlid&e Dogmatil. Diefe 
Dogmatil ift erft abzuwarten, bet>or ein Urteil ftdO fpredjen läßt. Db 
aber ftartmann bie tiefften »ebürfniffe beö religiöfen ©emütö teilt 
unb fennt, wirb jweifetyaft gegenüber einer öemerfung, bie er gegen 
^attmonn ben Äultuö mad&t. 6r l)ält ibn für eine unwittfürlidbe ©efühteäufce- 
©ebeutung bei rung burd) $on unb ©ebärbe, wie Kanten, ©ingen, jwedf lofeö 3Rono- 
togifieren — was Darwin als jwedflofe Jpanblung aus überftrömenber 
•fteroenfraft anjufefjen gelehrt §at. Sei SBilben bred&en berartige 
2leußerungen am unbänbigften Ijeroor. 9Jftt bem gortfd&ritt ber ftuttur 
treten fte burd) ©elbftbefyerrfd&ung jurüdE, unb lann ber Äultu« „oljne 
©d&äbigung beö religiöfen ßebenö immer meljr eingefd&ränft werben". 
Die IjödErfie Kultur müßte bemnarf) allen Äuttufi befeitigen. ©ie$e 
bagegen meine 33emerfungen vom 4. Dejember 1879. $n einem ge* 
wiffen ©inn bin audf) idf) gu bem ©tanbpuntt ber ^mmauenj, beft in 
jebem 3WenfdEjeu fdjlafeuben ©otteö, gelangt, ©ietye meine 33etrad^ 
tungen oom 10. unb 31. Quli b. 3- — Stber ift eö nidf)t aufrichtiger, 
biefen ©tanbpunft Sltljeismus ju nennen — ftatt eckten Sßantljetemud, 
ober fonlreten SRoniömuö. Um ben Verwirrungen burdj) bie Äunft* 
fprad&e ju entgegen, wäre ftatt fonfreter SRontemuö ju benfen: 6xm 
fjeit ber ©ubftanj. in mannigfaltigen, bem 3Bef en unb nidfjt bloß bem 
©djeine nadf) üerfdfjiebenen $ormen. Diefe ©infjett in aßen Dingen 
ift bei ßartmann wof)l ber unbewußte abfolute SBille. Diefen für 
ein (Stwaä ju galten, wirb wo^l nur innerhalb einer f leinen ©$ule 
gefdfjefjen formen; allgemeingültig wirb ber unbewußte SBiUe ein 
ijöljernes ©ifen bleiben, ber inö. 3lbfolute überfefct niit unfrer fon* 
freten Sßelt nidjt meljr in 3 u f amt "cn^ang treten lann. — 3$ untere 
fd&eibe aber Dbjefte unb objeftunerte Delationen. $(f) glaube nid)t 
an bie 3Wineroa, wenn idfj gleidf) bie 2Betöljeit jur ^öcbften ©eltung 



— 41 — 

bringen möchte. 3ft nun nidfjt ©Ott eine Delation — bie nadfj Softes w Gott eine 
glüdUic^er äfoöbrudteweife, bie ^bc^fte ©eltung f>at, aber ni$t epiftiert, 
ate befonbereö ©ubjeft ober ald »eftanbteil atter Subjefte? Die ^afifc 
gefefce gelten, wenn audfj nid&t* gefallen fein follte; fie f in b nid&t. 
3ft nun ©Ott ein ©efamtgefefe be* Dafeind, bad au« ber 2Belt ab- 
{tariert werben tann / nirf)t fowo&l ato it>r medfjanifdfjer Urgrunb, 
fonbern ate tyr anjuftrebenbe* 3**1 — ift ^ e 9B*lt ^ öfi Unootts 
tommene, mit bem ooüfommenen ©efe^, fo fann id) faum in bem 
gewöhnlichen ©inne oon ©Ott fpredjen. 



(1880). 

1. 3an. — 2Bte oiel bleibt ju erforfd&en auf bem ber menfdj): 
liefen Srtenntnid jugänglidf)en ©ebiet! aber o^ne p^pfifd^e arbeit unb 
oljne p^9fifc|e SRtttel (offen fid) nur bie fogenannten Ijö&eren meta* o$ne »hwwe 
p^ftfd^en fragen btöfutieren, unb beätyalb fd&weift ber ©eift immer ^mJäm 1 
hinüber in bie unzugänglichen ©ebiete. — 2Beld&eä finb bie 93or= unttr ^ u * en - 
bebingungen aller grfaljrung? auf biefe gfrage finbet Äant bie Sink 
roorten, bie im ©ebiete ber abftraften SJorftettungen ©renjen gelegt 
(laben :c. 3efct erft fteOen bie gorfdjer biefelbe grage auf bem ®e; 
biete ber Äörperwelt. 2Beld&ed finb bie SBorbebingungen aller SBor= 
fteüungen? SReroenfubftanj ift bie Antwort. 2luf$erf)alb biefer 3ufc aie*ew*nmbftanj 
ftanj baft entfielen oon SBorftettungen, oon oorfä|lidj>en £anblungen &* »^Ä 1 ?. 
unb pfod&ifdjjen ©mpfinbungen , anjuneljmen, ift eine mit aller <Sr= 
fa^rung in SBiberftreit oerfefcenbe annähme. Die inbioibuelle ©ottyeit 
unb Unfterblid&feit wirb mptyifdfj. Die inbioibuelle gretyeit unb bie 
Jfartentwidfelung ber @emeinfd)aft ber 9leroenwefen ins Unenbltdfje, 
finb ba* tl>atfädf)lid(je Sieftbttum. 3$ fabe bie Setoeife, bie $er$eu 
fürjltd) im Äo&moö für bie pf^ftfefc Natur ber pfijdjifcben Vorgänge 
gegeben, nid&t entfdjeibenb. &c fü^rt aM, weil jmifd&en SReij unb 
3Ba^rne^mung 3*ü oerge^t, fo mufe bie 3ieroenbaf)n oon einer $e= 
roegung burdfjlaufen werben, mit inbioibueH oariablem Söiberftanbe — 
femer weil bei jeber ©inneöroafjrnefjmung im ©etyirn tarnte enfc 
bunben wirb, bie nur oon Bewegung fjerrityren fann, fo ift audf) biefe 
im 3wtrum bes 9teroenft)ftemä ftetö oon molefularen Bewegungen 



— 42 — 

**« &ncn tft *ü bewirft. Xie Folgerung : pf pdufdje Srnpfinbungen unb *unftionen 

flhnr^nbimfl ei« itnb eine ärt Seioegung pon 9?eroenmo(ete(n — folgt aber nid>t! — 

%tnnw>uuin. alle (Sigenfdjaften finb JReaftionen, gelten alfo nidbt an 

fidj! 35as tft ein Safc, auf ben idj fomme. — £ie ftdb felbft roafyu 

neipnenbe Bewegung ift eine ganj bef onbere 9trt ber Bewegung unb 

Amirrtinj* moljnt tueUeidjt nur einer einjelnen centralen 3 e ^e bei. gm 8ilb 

frnuaittiu. ift eine befonbers georbnete Seroegung — eine 3 e " e / We, fobalb fte 

erf füttert wirb, immer roieber basfelbe gjifo vorjtttit, ifi ein ©e~ 

bädjjtniselement. 

xu 5*^ burdj 22. 3uni. — 3ln ftant benfe iä) jurücf. 2>ie ftreibeit, als 

te bf»idm UI18 ^ßofhitat ber praftifdjen Vernunft grünbet ftd^ auf bas Sd>ulbgefüf)I. 

3df> benfe, man fann birefter baju fommen. £abe idj erft erfannt, 

baß es ein Sßiffen gar nidf)t gibt, bem nidjjt Xbftrafttonen aus ber 

Stmtenmelt beigemifdjt finb, — audf) feine ©renjen im SRaum, in ber 

3eit, feine ftaufalitäts^olfle, wenn ntdfjt ju ber anläge in ber ©etfies- 

ftruftur eine ßmpfinbung, bie fjineinpaftt, in ber grfaljrung funju; 

fommt, femer ^abe idj erfannt, bafj SBaljrnefjmungen mdjt 

tauften, fonbern Sleaftionen unbefannter ^ßotenjen ftnb, an benen aber 
audf) gar nichts ju erfennen ifi, als eben biefe Sleaftionen, audf) ba§ 
es SDHttel gibt, s $f)antaSmen (Steaftionen oon alten Sieijen) oon gegen= 
roärtigen ^Jotenjen ju unterfd&eiben (unbeirrbare Jolge unb £aftftnn!); — 
fo ift bie aus ber ©rfafjrung queffenbe ©rfenntnis ebenfo ftdfjer, als 
bie aus ben t>ermeintlidf)en UroorauSfefcungen. 33ei ber Xierfeele 
fomme icf) ju SBafjrncfjmungen, bie üon ber medjjanifdjen ÄaufaKtät 
fid& nidjjt redfjt erflären laffen. 3d& nefyme in mir bas 33erantu)ortlidf)feitös 
gefügt roaljr. Dljne JJrci^cit wäre es ein £rug. 2)as ÄaufalitätS- 
gefefe ift unbebingt gültig für med&anifdfje Äaufalttät. Stber in ben 
3entren bes 9ten>enft)ftems gibt es pofttto bie ©mpftnbung, bag biefes 
©efefc nidfjt affgemein gültig ift. S)er freie SBiffe ift burdf) bie ©mpftnbung 
benriefen, unb er unterliegt ber Äaufalität nid&t, weil biefe oon nen>en~ 
tofen SBefen abftraljiert ift unb eine 2Inraenbung auf alles nid)t geftattet, 
ba es ein Sdfjulbbenmjjtfein gibt. — 
5«ten©incn legen 19. 3lug. — 5RadE)trägli(I) über ben freien äßiffen; ift es tootjl 
weroemöViTbei. ©öfcenbilbung, wenn idf) bie Sßifffür unbefeelten ©egenftänben beilege. 
3$ empfinbe bie SBillfür einjig unb allein in mir felbft, aber idfj 
fann fie Vieren unb 9Jienfdf)en betlegen, weil iü) an iljnen 9Rienen 
unb Seroegungen nja^rne^me, bie bei mir felbft beftänbig in 3ufatnmen= 
fjang mit ber SBiHfürempfinbung auftreten. 3Iuf inbuftioe SBeife 
gelange id) ba^in, allen mit 9ieroen begabten SBefen me^r ober 
weniger SBifffür betjulegen. 3tujser^alb ber DJerüenfubftanj jenes 



— 43 — 

unbegreifliche SBefen, bas feine Sewegungen fül)lt, SBiHen anjunetymen, 
ift, wie wenn Äinber tum einem Rapier fagen, es (ief vom 5Cifd^ 
herunter. — 

Äommt bas offen com junger ober ber junger oom ßffen sie enttoidetung 
beim SReugebornen ? 9tuf biefe 5 ra 9 e antwortete 3Wat&. ©bleiben, ÄeTwaMnU 
erft gewönne bie SDlutter bem (Säugling bas 6ffen an. Kommt bas n ° 9e toar " 
©efjen oom äuge, ober bas äuge, entfielt es erft burdf) bas ©eljen? 
oo würbe meHeid^t bie grage i ur ©inmütigfeit führen. Senn ba 
bas äuge bie äJorbebingung war, um ju feigen, fo fonnte fein Seijen 
oljne äuge ein äuge erzeugen. 3)ennodf) gibt es breierlei mögliche 
antworten. 1. ©ott machte bas äuge, bamit ber 2Renf<$ fefjen foD. 
2. 3)urdj ©trebung jum ©eljen entftanb bas äuge. 3. SBeil man 
äugen l>at, ftefjt man. Sie lefcte änttoort allein ift bie richtige unb 
fdfjliefct bie (Sntwicfelung nicftt aus. 3Wag immerhin ein rotes ^ünft= 
djen bie erfte ftorm f^ n / öu * &** fid) burdj unenblidfje Sransforma* 
tionen bas funftooQe äuge tyerausgebilbet tyat, bie anläge ju biefem 
Sßünftd&en mufete ber ©mpfängtidfjfeit für ben £idf)treij unb bem ©treben 
jum ©eljen oorljergeljen. 3)ie Gntwidfelung bringt nur ans ßidfjt, 
roas in ber anläge enthalten, — fie ift wefentlidfj ein anaftjtifdjer 
^rojefj. — 

23. äug. — ^ppot^efeu gibt es, bie ju ©ntbeefungen führen, ©erwe*™ 
3- 85. bie ^ppotljefe, bafj anftedenbe ftranfyeiten tum mifroffopifdfjen loielUaKier 
Organismen fierrüfjren, gehört baljin. 3)abei ift ed nüfelidj gewefen, 
nidjt oon einem unbegrenzten ?ßolt)morpf)ismus ber ©paltpilje ober 
Safterien ausjugeljen, fonbern fefte Spezies anjunefimen, bis bas 
©egenteil bemiefen. ^afteur fjat, tum feiner ßppotbefe ausgeljenb, 
entbedt, wie man Sier unb SBein auf längere 3eit faltbar madf)t, — 
wie ber SJliljbranb ftd& burdfj SHegenwürmer fortpflanst, inbem bie 
SWitjbranbbafteribie nie aus einer anbren ärt entfielt ; — ic. . . . 
Sie ßtjpot&efe, bafc bie geiftigen gamftionen bes 3)lenfd)en an Organe 
ber SReroenfubftanj gebunben ftnb, ift fruchtbarer als bie £t>potljefc 
einer leiblofen ©eele. 2Wunf in 33erlin finbet burd) SBioifeftionen an 
£unben, bafc jebem äuge eine Setifpljäre in ber ©rofcljirnrinbe ent= 
fprid&t, bie ber jentrale ©ift aller ©el)maf)rnef)mungen ift, barin bie 
demente ^omolog ben 9tetinaelementeu georbnet finb. £er ©teile 
bes bireften ©eljens ber Retina entfpridfjt ein großer unb jentrafer «Seiten 
Xeil ber ©e^fp^äre; oon biefem £eil werben mittelbar anbers geartete '?£nfl ntf 
Elemente erregt, bie $orftellungsefemente ju nennen finb, — mit blei- 
bender grregung. $as finb bie Srinneruugsbilber, bie bei gegebener 
93eranfaffung in bie SBafjmeljmung wieber eintreten. 9Runf f df)liefjt 



— 44 — 

au$ bem Sdfjroinben ber ©rinnerungabüber na* Abtragung bet jem 
traten ©egenb ber Sebfpljäre unb <m$ i^rer allmählichen SReftitution, 
foroeit bic periphere ©egenb unoerlefct blieb, bafc überall neben ben 
2Babrnebmung*elementen audjj SSorfteflungfcelemente in ber ©e^fpljäre 
belegen, in benen bie Silber latent aufbewahrt bleiben. Sollten bie 
äBa^melpnungdelemente nid&t oljne bie ©ippotfjefe tum anbei* gearteten 
33orftelhmgäelementen genügen? 2)ie gegenwärtige ©efidfjt&erregung 
präoaliert, fie ift bie fräftigere. %m Traume feljlt fie unb bann 
treten bie latenten, früher erfolgten Erregungen in bie äufmerf* 
famfeit, — wie SDhmf baö Senforium nennt, mit bem 3 u f a & — 
bie äufmerffamfeit ift bem 28 e Jen nadj oodftänbig unbefannt. Statt 
Senforium würbe id& fagen bie fidf) felbft ma^me^menbe 
©nergie, fte^e 15. äpril unb 23. 2Rai 1878. 3n biefe tritt, roürbe 
idfj mit SBerüdfftcbttgung ber neuen SRunfföen Unterfud&ungen fagen, 
ber jurüdfgeroorfene £eil ber ©efidjjtöerregung , bamm ein anbrer 
Seil aber ald Spannfraft in bem 2Bal)rnebmungäelement Derbleibt. — 

sBcfcn bet 6«ic. £tjp ot^ettf dje Seel enoorflellungen: Sie Seele ift eine 
fidf) felbft roa^rne^menbe unb in geroiffen ®renjen ftd& frei mobifu 
jierenbe Energie; — ober, baöfelbe räumlich audgebrüdft: fie ift ein 
fidf> füljlenbes unb rooUenbeä SBibrationöelement. ©ine ftugef, beren 
SLUbrationen burdd ©inbrüde mobifijiert werben, fann aerfmnltdfjen. 
$!aö SBibrationäelement fann unenblidf) oiele ©eftalten annehmen, 
bur$ ©inbrüdfe oon aufyn, bie aud) jurüdprallenbe innere Hebungen 
fein fönnen, unb burdf) innerliche freie Strebungen. 

19. Dft. — ©elefen fyabe idf> ben fdjönen Vortrag oon $ittel 

^aiQoutoioflitter „über arbeit unb ^ ort f^ rirt im SBeltatt." — 3>ie Paläontologen 
opitmumu«. p n ^ ^^ ^ ct ggfl^^^g ergriffen, bafc nid&t nur „Stoff unb Äraft" 

baö Sleibenbe im 33ergänglidf>en ift, fonbern ber gortfd&ritt. 2Bir 
baben empirifdf) für unfern Planeten ben Seroeid, baß feit ben unoor 
benflid^ften 3^^en bte Jefet eine Sdfjraube burdj unfre äBelt gebt, bie 
fid) trofc geroiffer Sd&roanfungen nie jurüdgebrebt b^t. Ser ^ßefftmiös 
muö mag in $f)üofopfne, uTfteoIogie unb Spoefie fidf) nid>t oollftänbig 
überroinben laffen, bie Paläontologie fü^rt tyn, roenigftenä für unfer 
Öeobadjtungöfelb, ad absurdum. 

17. 9too. — ©ö bilbet ftdfj meine Slnfid^t oon ber 9totur ber 
Seele langfam roeiter a\i$. £ad ©igentfimlidbfte baran bleibt bie 
©elbftroabme^mung. 2>iefe fpredf)en roir entfd^ieben ben tbnenben, 
leud&tenben ober irgenbroie anbers oibrierenben Äörpern ab. Sollten 
fidfj Saufenbe oon Söellen in einem fünfte audb freujen, remitieren 
unb reperfutieren, eine fidf) felbft roabmebmenbe Seroegung roirb efc 



— 45 — 

nid&t. 3 uer f* erfahren wir nur in und felbft etwas oon bem Soor* 
^anbenfetn eine* empftnbenben SBefenS. 35en äWitmenfd&en unb in 
xriel geringerem ®rabe ben Vieren legen wir eine äfjnlidfie Seele bei, 
weil fte eine golge von Bewegungen machen, wie wir fie felbft bei 
befttmmten (Smpftnbungen uoßfüljren. — 3ft einmal ber ftnoten burdfc 
fernen, unb l>aben wir bie ftdfj felbft empfmbenbe Subfianj ange- 
nommen, fo ift es nidf)t mefjr etwas Stbf onberlidfjes , bafür nid)t blofe 
eine qualitative, fonbern audjj eine quantitative SöaJjrnefymmg er- 
faljrungSgemäfe ju ftatitieren. Sie Seele benfe icij mir als ein 
Hügeld^en biefer eigentümlichen ©mpfinbungsfubftanj, oon beftimmter 
Vibration; — bie SBeränberung in bem Quantum unb in ber $orm 
bes von iljr erfüllten JRaumeS wirb fofort empfunben. 2)a bie 
Gmpftnbung ftaum erfüllt, — 3*ü beanfprudfjt, — Urfad&en wahrnimmt, 
fo wirb fte nidjts waljrnelfmen ober auffaffen tonnen, was biefen formen 
bes änfdjjauens unb ©enfens nidfjt unterliegt; — j. 8. ber erfüllte 
9Raum fann oeränbert werben burdf) SBerbrängung, inbem anbres ben 
Waum erfüllt, nidfjt burdf) bie 3«t. Sie 3 e ü f°nn ™fy & urc & Stoum- 
förper, fonbem burdfj ©reigniffe abgefd&nitten ober beanfprud^t wer ; 
ben, — bie erjeugenbe Äraft wirft jwar in Staum unb 3^, aber 
9iaum unb 3*ü ffl* fidE) finb feine betoegenben Urfad&en; — b. i). 
SRäumlidjjes wirft auf SRaum unb 3 e üttdf)e3 auf 3 e ^- SBenn etwas 
auf bie räumlidje ©mpftnbung ber Seele wirft, fo mufc es felbft räumlidfj 
fein, u. f. w. — 3)ie Seele, um meine 2lnfdf>auung anjubeuten, ift 
ein vtbrierenbes Äörperd&en, bas feine Vibrationen empfinbet; bie ge- 
ringften Sluftenfräfte, bie herantreten, änbern bie Vibrationen ab. 
2Bas fie räumlidjj abänbert, ift 9taum erfüQenb, was fie jeitlid^ be= 
einfluftt, 3^ einne^menb, — was fie intenfio oeränbert, eine urfa<$= 
lidfje Äraft. — £>er Seele felbft gehört ifjre ^orm bes $)enfens unb 
3lnfdf)auen$ an unb fie überträgt biefelbe auf bie ©rfdfjetnungen. 
ätber bas ©rfdfjeinenbe mu§ felbft gleichfalls räumltdf), jeitlidj) unb 
faufat fein, um auf bie Seele wirfen ju fönnen. Seine Sieaftionen 
auf bie Seele bilben bie Grfd&einungswelt, bie aber an bem ©ewölbe 
ber ßtmrinbe refleftiert unb wiebertjolt reoerberiert, bafelbft Spann- 
fräfte fpnterlä&t. äBenn biefe wieber bie Seele affijieren, fommt es 
ju erinnerungöbilbern. Slnbre ßigenfd&aften , als biefe 9teaftionen, 
fönnen bie äfofcenbinge gar nid)t Ijaben. älbgefeljen von biefen ©igen= 
fd&aften finb es leere Sßotenjen, ntd^t aber reale SSefen. 2)ie 2lufeen= 
weit fyat Realität, ift wie fie erfdjetnt, bie Seele ift ein ttörperdben 
befonberer Slrt, ber SRaum unb bie 3^it o^nc ©renjen finb eim 
geborene ^ ormen > bk ©renjen finb aber von ber Utaumerfüllung 



— 46 — 

unb oou ben Segebenfjeiteu abftraljiert, nidfjt aber mit bem SRaum 
fd)ou gegeben. Datier finb bie 9lntinomieu Äantö feine öeroeife gegen 
bie 9iealität oon 3t\t unb 9laum. 3Mefe 2tnbeutungen fixieren meine 
augenblitflicfjen Slnfdiauungen. — 2)aö ftörperdjen, genannt Seele, 
wirb, gleid) allem Körperlichen, eroigen Umfefcungen o^ne oöllige 33er= 
mdfjtung unterliegen. 2>aö aufgeben beafelben ift eine Siebet 
empfinbung; beim £obe, 31t bem ©roigen. Stur bie Siebe weifet 
unfre ßmpfinbung auf baö, unfer 3^1^ 6 Ueberbauembe $in; bie 
grofte ©djraube, bie fidf) immer nur oorroärtö breljt unb bie alles jum 
xit siebe »«Jet Öefferen liebt, ift ©egenftanb unfrer mtjftifdjen fiiebeöempfinbung. 
toiee. gg. r ^ beteiligt in bem eroigen ^fortfrf>ritt. — ©in fd&öpferifd&e* 
SBirfen brauet nidf)t ein erfennenbes ju fein. (Ss fönnte einen blinben 
©dfjöpfer geben. 3lber eö gibt roaljrfdfjeinlidfj fein 2)enfen, bad Körper 
fd&affen fönnte. Die 9)iaterie ift eroig unb ballt fidf) jufammen nadf) 
©efefcen unb bringt ein Söeltganjeö mit fteigenber ©emeinfd&aft fjeruor. 



?J|W»ropfttB (1881). ■ 

«ct)ierun fl « 28. SHärj. — 3>er ciufod^fte Sluöbrucf für ben &auptfafe meiner 

ftünHnV " erfenntniötf)eoretifd)en 2lbroeicf}ung von Kant, fann in folgenber Sßeife 

ttuffaffung t»on _ , 

Kaum unb 3«t. geformt werben : 

2Ba$ ber 9laum umgrenjt, fann nichts anbreö fein, alz bie 2lusk 

füttung bes 3taumcö, ba ber 9taum felbft nid^t SJaumgreujen fyabexi 

fann, b. \). eine ©renje, bafjinter ber Staunt aufhört, ift unmöglich 

ebenfo mit ber 3^t. ©ie felbft l)ört nie auf, unb fängt nie an, 

aber roaö bie $eit erfüllt, baö ©reigniö allerbingö. Daraus folgt 

aber, baft begrettjte SRäume unb 3 c ü eu / unb raumseitlidfje (Einheiten, 

xte Kaumstenicii von bem 2Waterial abftraljiert finb, bau ben SRaum unb bie 3 c *t 

uSfftantanmSni 1 ; empirif^ erfüllet, unb ba^er nid)t a priori auö ber 2lnfdfjauung uon 

10n S)tun8 cr 3 e ^ un ^ 9toum folgen, roie Kant glaubte. 9Jtatf)ematif ift aber bann 

aimrabtert. ^.^ e j ne gg^^^ rein a priori, fonbern fie fombiniert bie ur~ 

watbemat« bai)« fprünglid^en ©eifteeanlagen für SRaum unb 3 e ^ mit ben au$ ber @r~ 

m4t a pnon. f a fj run g gefdjöpften 2tbftraftionen, ben ©renken ber (Stoffe unb @reig~ 

niffc. SBenn bie Dinge bie ©renjoorfteHungen im Raum perurfad&en, 

xa* soriicacn tft fo ift iljr 2Birfen räumlich , ebenfo roie bie s JJatur beö SSorftellenö 

taumti*. r äumlic^ ift. Daö oorftellenbe 3$ ift a priori raumjeitlidf), unb 



— 47 — 

bas oorgeftellte 3$ ift cd in berfelben SBetfe, wie alle oorgeftellten 

2>ingc. 25ie SRaumjeitlid&feit f ommt bafjer ben fingen an fidfj ju, a>a« xin fl an n«. 

;u tyrem Sfoffajfen unb ju tyrem Slufgefafjtroerben. $aö £)ing an 

jty ift überhaupt eine, blofe ©eltung, aber nidjt Dafein Ijabenbe 

Slbftraftion , ba ade ©igenfdjjaften Jteaftionen auf ein anbreö, alfo 

Delationen finb, unb bad 35ing oljue ©igenfdfjaften eine nidfjt t>oll= 

jtänbige Sorfieflung, o^ne 3)afein, wäre. — 



29. Stug. — $on SRieljfä Äritijidmuö fjabe idfj bxt erfte Abteilung beö «mi mutu 
jroeiten Sanbed flüchtig burd&gelef en , mit großer 3uftitnmung. dlux **** xmü *- 
glaube icfc, baft weitete Aufarbeitung iljn 511 einer flareren unb fürjeren 
ähiffajfung von SRaum unb 3 e ü führen wirb. ©d ift ba bisher 
immer jtoeierlei burdfjeinanber geworfen. ©inmal finb $tit 
unb 3taum nichts anbreö, als ber allgemeine ©dfjauplafc 
unfrer SBaljrne^mungen. Dfjne ©dfjauplafc fein ©df)aufpiel. $n= 
fofern fönnen SRaum unb 3 e ü ben 2Baljrnel)mungen ntdfjt nad&träglidfj 
entnommen werben, ©ie finb urfprünglid) im 2Baf)rnef)menben aU 
Anlage ju aller Sfofdfjauung ober wie Äant fagt, ald $orm oor= 
fjanben. «3ft baö SKnfd&auenbe, wie icf) annehme, felbft in SRaum unb 
Seit ein ©inigungöort, auögejeidfjnet oor allem, toad fonft ben SRaum 
füllt, burdj) bie Sefctyigung jebe Semegung (Sebung) in ©mpfinbung 
umjufefcen, fo ift eö mit SRaum^ unb 3ritiDa^me^mungen anberft and) 
unmöglich S5enn in jeber Bewegung ift 9taum unb 3 e ü toefentltcf) 
enthalten, unb empfunbene ^Bewegung ift 2lnfdfjauung, bie alfo in bem 
Safprnetymenben Kaum unb 3 C ^ unmittelbar empfinben läfct. ©in 
gan; anbreö finb aber bie ©renjen in 3laum unb $txt ®* e fwd> 
Slbftrafta oon Äörpern unb ©reigniffen, unb ber 5ßunft toeber in 3*ü 
ober SRaum fann felbftänbig eyiftieren (bie Sinie ift bie ©reuje jroeier 
ftlädjen, — bie glädje bie ©renje jioeier fidj berüfjrenber Störper, — 
ber 3ri*punft bie ©renje jnrifdEjen jtoei ©reigniffen). 2)er begrenjte 
Raum ift bie abftrafte Äörperform, beweglich gleich bem Äörper, — 
feljr oerfdfjieben oon bem SRaum als allgemeinem ©dEjauplafc aller 
möglichen Sfafdjauung, ber toeber toeggebadfjt , nodf) fjinjugeba^t 
werben fann, in meinem baljer roeber ©renken nod) Stiftungen 311 
unterfdjeiben finb. 2>ic Äörper finb ntd^t SRaum, aber nehmen 9iaum 
ein unb mad&en erft Unterfdf)iebe im SRaum. — ©ef)r gut finb bei 
3tief)l auseinanbergefefct bie ©rünbc, bie u\i& jur ©rfenntniö jioingen, etuff fann nt*t 
bafe baö Duantum oon (Stoff unb Äraft ein unoeränberlidjeö ift, — auBft Sin! tIt,kt 



töe^monbt Webe. 



— 48 — 

unb bafj für bie Straft bie qualitativen Unterfdtfebe nur quo ber 
£ranöformation beäfefben Duale ^eroorge^en, wogegen ber Stoff mdjt 
rebujierbare Unterfd&iebe ber SJefdfniffenfjeit aufweifet, ©er SBerfudj, 
ben Stoff atö ber ftraft absuleiten, fel>rt bie oernfinftige Crbnung 
um. Gfc folgt auö btefer ©etTad&tung, tote eigentlidfj gtortfdfcitt, 3n- 
tercffe, Sd&önljeit, ®efe| u. bergt, nur in ben Vertyältniffen beft ge= 
©ott ift eine gebenen Stoff- unb Äraftquantums ber SBelt mögtidfj ift. @ott ift 
fein Stoff, fonbern bas ooßfommenfte Verhältnis, bem bie 2Belt= 
beftanbteile juftreben. — 
.*>» ® oi !r. 18. Sept. — Die afabemtfdf)e Siebe oon $u 83ois=9letjmonb „über 

bie fteben SBelträtfel" fönnte nid^t weniger padfenb wtrfen, als bie 
Seipjiger SWebc mit bem „ignorabimus*. 9Ran mufc im allgemeinen 
bie £enbenj ber 9?aturforfdf)er, t>or gewiffen Siätfctn jtdf) ju befd&eiben, 
billigen. 

28. Sept. — ©u SBoiSsSiepmonb fcat mit feiner Siebe „über bie 
fieben 2Belträtfel" nid&t allein einige ^ßfjilofopljen, fonbern auä) einige 
iftaturforfdfjer unwillig gemadfjt. Sie urteilen, er fjabe als üReuigfeit 
unb ungeheure SBa^r^eit aufgetifdfjt, was für ben Äenner abgeftanbenc 
®inge finb. @r wollte aber oon ewigen ^Problemen fpredfjen, bie 
weber neu nodf) abgeftanben fein fönnen. 

10. Dft. — 9Kit jebem SWenfdjjenfmbe tritt ein SBUbungSgefefc 
eigenartig in bie SBelt, baß ift meine Ueberjeugung, wie es trofc ber 
Vererbungen nie ba gewefen ift unb nie wieberfefjren wirb. 3>iefe 
Ueberjeugung mag mir aus ber Sefd^äfttgung mit ber Paläontologie 
erwadfjfen fein, wo bie Stimmermieberfeljr ber ausgeflogenen formen 
ein @rfaljrungstef)rfa& geworben. Sin ein oergeblidfjes ©afein glaube 
i$ nidjt, ba an Stelle ber ba^ingegangenen SBelten immer §öf)er 
ftetyenbe getreten finb. 3lber warum äff biefe Surd&gänge, unb warum 
nid&t oon änfang an bie Vottenbung? — Darüber fdfjweigt bie !Ratur= 
forfd&ung. Sie SRenfdfjenfinber werben woljl audfj anfteigenbe, fid> 
gegenfeitig uorbereitenbe Steigen bilben. Slber burdj mannigfache 
Senkungen füljrt ber 2Beg jur £öf)e unb in mand&em Setradfjt mögen 
wir wofjl gegenwärtig eine Senfung burdErf dfireiten , benn es fdfjeint 
eine $eit angebrodfjen ju fein, in ber bie nationalen ©egenfäfce, bie 
bas G^riftentum milberte unb abf dfjmäclite , oerfdjärft wieber ljeroor= 
treten. ®ie geologifdjjen ,3eiträume fommen mir wotjl im Vergleich 
SU ben 3 e üräumen ber menfdftfidjen ©efd)idf)te t>or, wie irbtfd&e ®nt= 
femungen ju benjenigen ber ^firfternc, bie feine iparallaye ergeben 
unb baljer audj feinen 9Kaftftab. $odj foweit bie ©rfaljrung reicht, 
fefet ber gortfdjritt, trofc seitweiliger Störung unb Verarmung, immer 



— 49 — 

toieber ein. Sie einjclcfiftenj f>at cö freiließ in foldjen ftrifen fdfjroer, 
fid) mit bem „Äantifd&en Steige ber %mdi" ju tröften , eine anbre 
(jarmonifdie Sluffaffung bürfte iljr aber nid&t Derbleiben. 



Iriiaimt (1881). 

22. 3Kai. — Sienet ber Söafjrfjeit, unb in jroeiter Steige, bem»otanemjonman 
jogeuannten Crbau(i«en in ber Religion. Severe* fann bie ®mpfin, *3S? X 
bungen fräftigeu, bie falfd&en fo gut wie bie nötigen. Sradfjte ba^er 
oor allem nadj ber ©rfenntniö, bie baö ftalfdfje ju untertreiben letyrt! 
Tann erft wirb Rir<f>e, £ijmnus unb &tbtt gut nrirfen. — 

4. Quni. — 3$ fomme auf ben ©ebanfen jurücf, maö eigentlich 
bie Religion ber menfdhlidben ©efettfdbaft ©tqenartiqeö, burefi anbre «eiigton unb 

m -a ir - t- * • L:^ kJr-Ä A Q «s- <™ 4 w c Äuntf. Siebe baju 

XJorftelhmgägebiete nie ju ©rjefeenbeö teiltet? Sie SBetrie ber großeni9.Jwarju.3.a>ea. 

fiebenöafte, ©eburt, 6f)e, £ob, ift in erfter SWeifje gewiß anjufüljren, 

baö fann nid&t burdf) 2öiffenfd&aft, ©rfenntniö gef<f>el)en. Sie Ijat mit 

folgen ©elegenljeüögefdjäften nidf)tö ju Raffen. Sagegen ift bie ftunji 

boju immer in SSerroenbung geroefen. Sie äft^etifd^e Seite ber SRelk 

flton ift in ber Stjeorie ju wenig anerfannt. Oljne Sieligion fann 

ftd) bie SBiffenfdfjaft in ber menfd&lid&en ©efettfdbaft Dottftänbig ent= 

falten, aber bie Äunft roofil nidfjt. Saljer, jur SSerfdEjönerung be§ s>te äuhu rann 

Sebenä, ift bem fdfjönen ©efdjledfjt bie Religion unentbehrlicher als bem b^tben. 

unfeijönen. Satyer fonnte bie mtjttjologifd&e Religion trofc atter 2fl>- 

9efdjmacftl)eiten unb Irrtümer fo lange bei ©riedfjen unb SRömem fidfj 

behaupten. — 

Sie dfjriftlidfje Religion ift tiefer poetifdf)! 3iun bie 2lbfurbität 
ifjrer ©nmblagen ber ©tfjönljeitaempfmbung 2lbbrudf) getfjan, im ©eifte 
ber £od&gebilbeten roenigftens, fommt fie in Verfall. 316er, roas an 
bie Stelle treten foff, muß nidjt nur reiner oon %abd unb 2lber* 
glauben, — es muß poetifdjer, ober menigftens ebenfo poetifdf), — » wim* 
t)on ben ©rajien umfdfjroebt fein, als bie dfjriftlid&e Äirdfje. 93isber ttefti^WaiS 
tetjlt je ber Stnlafc baju. 

15. 3uni. — Sßrofeffor $rof)fdf)ammer fjat mir feine Schrift über frmox 
bie ^rinjipien bes 2triftoteles jugefdEjidft. ©leidf) beim ©ingange regt 
e$ tnidfj jur Stetrifion meiner ^rinjipien an, unb idf) fann mir nidfjt 
oer^len, baß id& mit bem 3llter einer 3lrt 3Jlaterialiömuö oiel näher ®ai*ttctwtTb 

Vnl ben Zagebuftbt&ttent bei Örafen H. ftegferting. 4 



— 50 — 

rüde. 3 n >ii4> en 8nfd>auung — b. tj. ftonflift be* ßmpftnbenben mit 

bcr äu&emoelt — unb blo&cm Genien erweitert fid) bic Äluft. Seele, 

fBe^fdbcT ©ott, unb alle 3been Meftr Crbnung fönnen träume fein, fo febr 

**"£!* * wedjfelt bic ©eftalt biefer SJorftelhmgen, fo fe^r treten fie juweilen 

3?« *naiogü, ba juriid, ate wären fte au jjer uns nid>t oor^anben; bie Seljarrltd&feit 

jbttfoittt* ftdKn, wotjnt bem ftnnlid) Sßaljrnefjmbaren in ^öfterem ©rabe ein, unb biefe 

uerleifjt ber Ataufalttät bie geforberte Kontinuität, ^m £raum reißen 
bie ftaufalreityen in ber 93orfiettung ab unb werben oon Stebenreiljen 
perbrängt, eö gibt nur Succefjion unb 2lff ociation , Grflufion unb 
£iff ociation. So ift e£ au<$ mit allen 3been, bie nidf)t auf 3?er^ält- 
nijfe jwifdfjen 3nfd)aultcftem befdfjränft bleiben. Sie gelten, aber 
ftaben feinen Sinn. ©3 feftlt iljnen alle gegenftänblidje 2Birflidf)feit 
unb nidjjtö unterfdfjeibet fte x>on bloßen &irngefpinften. 
«Hnwtbfr 21. 3u(i. — 2)ie SBaljrljeit ift nur eine, unb eö gibt weber 

fBa'brviTfeine"' dfjriftlid&e nodfj mofjammebanifd&e u. f. w. 9Baf>rl>eiten. 3>ad fpejififd) 
©jriftlicfte ift eine aufeerfjatb bea ftreifes ber 28al)rf}eiten liegenbe 3«= 
tfyat. — (S^riftüd^e £ugenben nrirb es raobl ebenfowemg geben. Gift- 
lidfjfeit l>at mit ber ftonfefjton feine notroenbige SBerbinbung. 2Ba$ 
bie £ugenb ber 2Ba^rl)eit nid)t tyat, n>irb aud) bie waljre Sugenb 
nid&t Ijaben. Das ÄonfefftoneHe wirft aufcerorbentlidfj Ijemmenb auf 
bie @rfenntnis unb auf bie 2Roral ber 3Wenf<f>en. 



*>a* fiHUdjt 27. 3uK. — 2)as aSertrauen, ba§ es eine Außenwelt gibt, ab; 

berÄnnofen«, S? gefefyen t)on meiner £f)ätigfeit unb ba§ idf) fie fo waftrneljme, wie fte 
Me wttSmWen wirflidf) ift, — ba£ es mithin 2Ritmenfdf)en gibt unb baft idfj nid&t mit 
ffiidjtigen Slenbwerfen ju tljun Ijabe, — follte nidfjt bloß ein intetlef- 
tueHes ^ntereffe erregen. Gs follte beftimmenb roirfen auf bas fitt- 
lidfje £anbeln bes 9Jtenf<$en. Der flüchtige ®enu$ bliebe ja bic 
einsige Aufgabe, wenn idf) bodf) in einer Xäuf<l>ungsmafdf)ine eingefperrt 
bleibe unb bie $>inge aufcer mir ganj anbers finb, als fie mir er- 
fdfjeinen ober gar nidfit ftnb. Slber ber ältere ^\6)tt f jenes große $d), 
ber ungefähr fo lehrte, als märe bie 9öelt nur bas Grjeugnis be* 
eigenen Weiftes, mar weit entfernt baoon, epifureifdjje Sdjfüjfe aus 
feiner @rfenntnistt)eorie ju jiefjen. — 3lm ßnbe ift bie 9Koral uon 
ben pljilofopfjifd&en Spftemen, ju benen fidf) bie 3Renfcften bef ernten, 
ebenfo unabhängig alö oon ben Religionen. — 



Pro memoria IL 



15. ©ftfo&er 1881. 



(Einteilung. 

Xeifenfc in oas ^CnBeftannfe Mirfen Jic$ nic$f jur &u$e fegen, Bevor pc 
tfre 3Segegniffe tmo 3tefTexionen oarü&er iägfid? aufzeichnet §aBen. 3eber iß ein 
Xeifen&er in* SfcnBefiannfe oe$ forgenoen STage*. Uerfrttnoe er ?u f<$reiBen, foflTie 
er es tiicff f$nn? — TRo}u? — $i($ feCBpi Rfarer yx werten, ß<$ aw$ jn per- 
gRtigen, mögfic$ern>eife auc$ einen ttadjfofgen&en Xefer . . . 



Tkefatfxxfä2V-&Klx$ion (1881). 

ftonn>romi6 b« 9. 9too. — £ie 9taturforfdE)er fyabtn, gleid) iljren 3ttt0tnoffcn, 

9iatu^or^« mit ^ afi ^^ ^ tx Meinungen getragen unb Jyrofjnbtenfte getyan bem totU 

ften Aberglauben, teils willig, teils in ber -Kot. 2lls aidf^miften 

unb 2lftrologen mußten fie fid> ßingang t>erfdf)affen in bie ©efeOU 

fdfjaft, beoor fie als G^emifer unb 3lftronomen, wegen wirflid&en unb 

nic^t blofc wegen eingebilbeten SRufcenä ju 33rot fommen tonnten*). 

SöaS bie SJiaturforfd&er als f^road^e SWenfd^en getyan, bas Ijaben 

fie getrau nidfjt wegen tyrer Söiffenfdfjaft, fonbern trog berfelben, unb 

fo fjaben fie benu audf) bie trabitionellen religiöfen unb ftrdf)lid&en 

a3orftellungen iljrer 3eü geartet, bie tljrem &erjen juweilen in jungen 

Safjren öebürfnis geworben waren, ober mit benen fie, um ber SBiffen* 

fd&aft ungeftört ober geförbert fidfj ju wibmen, glaubten in ^rieben 

leben ju muffen. 

a>«reii ß iöfe 2So inbes ber religiöfe Fanatismus ju mächtig wirb, fanu bie 

un5?Ä« mit SRaturforfd^ung nidfjt geheimen, ^efct ift fie gepflegt in ben, religiöfer 

^tttumiSn^aft. ^nbifferenj jugeneigten, proteftantifdfjen ober fatfjolifdfjen Sanben. ©infl 

gebiet) fie unter bem bulbfam geworbenen arabifdjen ^ölam. Sieben 

bem ^rotefiantismus ^aben bie ÜRaturforfcfier fiel) immer rufjig galten 

fönnen, wenn auä) oorftefitig. 

3Son ber Religion ber 3kturforfdf)cr ber ©egenwart möchte fid& 

in ber Siegel fageu laffen, was ber 33reöfauer s J$rofeffor 6o^n in einer 

Abtjanblung über ©oetfje als 23otanifer ( s Jhmbfd>au, $uli 1881 S. 55) 

Reiiflion ©oet^e« fagt : „Seine SReligion : benn ©oetfjes $l)ifofopf)ie war nidf)t f owoljl 

nad? co$n. c - n - n ^ aux ©ebanfenreilje fonfequent burdfjgearbeitetes ©pftem , fxe 

war fjeroorgegangen aus bem etf)ifdf)en 33ebürfnis eines tief unb warm 

*) Verlangte nod& in meinen 3finglincj3ja$ren, 3. ö. in 9Witau, baS $u6Kfum 
einen Äatenber mit 2Beiterpropf>eaeiuncjen, unb ba eö feinen anbern gefauft $&tte, 
fo biente i$m ber hochbegabte 3Jtat§emaii!er $aucfer, unb füllte genrijj babet, welche 
befdjämenbe Solle iljm aufgebrungen mar. 



— 53 — 

empfinbenben ©emüts. Der große £eibe, nrie fie if>n nannten, ber 
gegen alles ftonfeffionelle füt)l, ja ableljnenb fid^ tierfjieft, mar bodb 
eine tief religiöfe Statur, bem felbft mpftifd&e Strebungen nidfjt fremb 
waren. . . . Sitte naturn>iffenfdf)aftlid&en 2lbf)anblungen ©oetljes finb 
burd>roef)t von biefem ©efüljt ber Sßietät gegenüber bem gefieimnis* 
oollen Urgrunb aller Dinge; „es ift bas Ijödfrfte ©lud beä aWenfd&en," 
fagt er, „bas 6rforfdf)bare erforfd&t ju ^aben unb bas Unerforfd&te 
in ßf)rfurdf)t ju oerefyren." — 

Unter allen Staturforfd&ern, bie idf) perfönlicfi gefannt, unb ju «pcrfönti*e 
jcber 3eit Ijat es ausnafjmsmeife einjefne x>on ftrenger firdf)li<$er Db* "iJugion £x te 

feroanj gegeben, fann iä) nielleid&t nur ^rofeffor 2) , ben 9laturfor! * fr - 

5|}^ftologen, nennen, ©jaft in i^rer SBiffenfdbaft, bewahren foldfje in 

einem abgefonberten #irnfad(j bie firdfolid&en SJorftellungen, roa^rfd&eins 

lidf) ganj fefi erftarrt. ©te Ijaben nidf)ts baräber ju fagen, aber galten 

auf bie Erfüllung berfelben. (So mag es audfj ber verstorbene äJolfc, 

Paläontologe in Strasburg gehalten fjaben, von bem idfj nernommen 

Ijabe, baß er ein ftrammer ftirdfjengänger geroefen.) ^n ber Siegel, 

ob es ©nglänber ober g* a ns f en / 3)eutfdf)e, Italiener ober SRuffen 

finb, ben fiumoriftifd&en SSudflanb unb ben feurigen Sebgroidf nidf)t a» ottt»bicnft. 

ausgenommen, fte alle mären lieber auf bas $elb ifjrer 2Biffenfdf)aft w" & nb &3E! 

gegangen, fei es in bie Statur, an ben 2trbeitstif d>, ober in bie Samnu f «Sa $!§. ba * 

Jungen, als in bie Äird&e, fobalb fie bie SBa^l gehabt Ratten. ®e= 

rabeju fann auSgefprod&en werben, baß ben Siaturf orf df)em , fo t)icl 

idj tyrer fennen gelernt, ein öebürfnis ju gottesbienftlidfjen $ar\fr 

hingen in größerer ©emeinfdfjaft twHftänbig gefehlt fjat. — 

Sollte fidfj bafür nidfjt ein legitimer ©runb in tyrer 33efdf)äftigung 
finben? SBenn fie nadj) ben ©efefcen fudfjen, bie in ber 2Belt unab= 
änberlid) fjerrfdfjen, wenn fie bie ^ßrobutte biefer eroigen ©efefte be- 
obachten unb fammeln, im reinen ©ienfte ber Söafjrljeit, l)aben fie 
ba nidfjt bas Gefühl, baß fie metjr bem ©roigen bienen, als in 0e= 
fangen, 3lufjügen unb im 93e^erjigen ^eiliger Sieben? 2ßaS ift es in 
ber tyat, roas ben 9taturforfdf)er locft, oon ber 2BeIt oerlaffen, feine 
füllen Söege ju gefjen? -Diöge fidf) fpäter beimifdfjen allerlei Selbft= 
gefübl, berechtigt unb unberechtigt ; mannigfaches Streben nadf) Stel ; 
lungen, bie 33rot geben unb 3lnfet)en. ©rft mar es bocfe bie reine 
Jreube an ber 2luffaffung unb an bem SBerftänbniS ber Staturförper 
unb Staturprojeffe, bie iljn 50g. 9iidjt wie einem Sprobuft menfdf) 5 
lidjer ftunft gegenüber fann er ba fritteln, es ift alles richtig, gerabe stmft. 
fo roie es tft, — nid&t roie bei einem menfd)lidf)en ©reignis, bas nie QkWMtDiffen. 
tmeberfeljrt unb bas, fo lange es frifdfr ift, oon ©erüdf)ten ocrunftaltet ^ aft ' 



— 54 — 

unb faffdf) beurteilt wirb, mufe er auö unlauteren unb unftdfjeren 

Sofumenten ein ^antaftebilb fidf> fd^affen. Stein , er fjat es mit 

^aturtoiffcnf^aft. nrieberfjolbaren Seobadfjtungen unb ©fperimenten 31t tljun, unb auf 

bem feften Soben beftänbig geprüfter SBafjrneljmungen , erbaut er 

feine SBa&rljeiten. Siidfjt feine SSafjrljeiten, fonbern 3öal>rf)eiten, bie 

ber ganjen SBeft gehören unb bie if>n in ©emeinfdfjaft ermatten, mit 

©ememttafts. allem, ums benfen unb erlennen fann. „Söenn idf) fdfjreibe, Ijört bie 

|1?i*e?» B ganje SBelt meine SBorte, fo fteHe idf) es mir oor," fagte einft G. ©. 

von 33aer in meiner ©egenmart. 25a ift ©emeinfd&aft, ba ift ein 

Genien an bas ©roige, ein Sefdfjeiben bei bem ©egebenen, eine @nt= 

äufeerung von ber @igenfud&t, wie fie baö ©eroerbe unb baö gamilieu* 

«unn unb 8öi«en. leben erforbern. 2Ber ber Äunft ober ber SBiffenfdfjaft lebt, wirb 

aftßten© *• m ^ i mmcr e { nc gcioiffc SEBet^c empfinben, bie ifju über bie 9tot bes 

ab«inbetgiatur-Sebenö ergebt unb tröftet. 2lber bem 9taturforfd)er wirb mef>r Jeftig 5 

we^iJlniSwtbafeit oon aufcen geboten, er ge^t getrofter unb ergebener bafjin. ©ein 

»fe£Ä n Ä rechter ©ottesbienft, baö mufe er füllen, ift nid&t in ber Äird&e unb 

nidjt in ber ©emeinfamfeit tjon Stufjügen, mit £i<$td&eu unb Änie* 

s^ei 9iatuTforj*et8 beugungen ju fudfjen. 2>aran mag fidf) aufridfjten unb läutern, roer 

©ottrtiienf" bie 3Bodf>e über im ©taube um fein Safein gerungen, — ntdjt aber, 

roer ade £age nadf) bem ©roigen geflaut unb für bie menfdfjlid&e (Sv* 

fenntnis gearbeitet Ijat. 

$« «uitus ift ein 2)er 91aturforfdjergemeinbe futb bie Äultuß^anblungen mit ifjrem 

in 3?Müf bm großen 2lufroanbe für Sauten unb ©eiftlidftfeit SRcftc ber Dpfergebräudje, 

92aturforf4cr. ^ c angeblidfj ^ityeren SBefen ein* äBofjlgefallen bereiten foUten. Sfut 

wirb uidfjt meljr geopfert, aber Sebenstage nodf) immer oljne 6nbe 

xenno^ fonn bie unb oiel Sebensunterljalt. £odf) weiterhin roirb fidf) melleid&t in biefer 

unSb?nfl? f füVbm Unterfudfjung ein anbrer ©efidf)tspunft eröffnen, ber bie Unfird&lidjfeit 

getteT^weflen ttic^t unbebingt für bie 9toturforfdf)er gelten (äffen fann. äud) ftc 

beS a^S?^n rfitB bebürfen ber ©cf)önf)eit, um ber 2lrmut bes menfdfjlidfjen $5erfe^rö 

sirrhjiwt unb gg^ JU ge f )Cn unb um ^ c fygfeit unb SRulje ju ftnben in bem 2Biber s 

ftreit snrifdfjen 2Birf(idf)feit unb 3beal. — 

16. 3ioo. — 3uoor ift ober barauf fjinjuroeifen, wie bie Sefd^äfti^ 

gungen mit ben Jlaturroiffenf^aften im allgemeinen günftig nrirfeu muffen 

auf bie (Sntroidfelung t>on anlagen, bie audf) für bie SHeligioneu teite 

als ©runblagen, teils als gorberungen bie l)ödf)fte Sebeutung Ijaben. — 

ptberungbea 2>aä 2lbf)ängigfeitSgefüI)l ift juroeifen für bas eigentliche $unba= 

«füöiöX^bie ment aller Steligiofüät erflärt roorben. S)ie 33etrad^tung ber unermeßs 

e tc a Ä n ur. m * lid^en SBelten, ber imenblidjen Vorgänge in ber Statur, benen gegen^ 

über ber 2JtenfdE) fid^ oerfd^roinbenb flein füllen muft, fönnen biefeö 

©efü^l nur immer betätigen unb üerftärten. — 



— 55 — 

35ie 2ßai)rf}ettaliebe wirb auf bcn oerfd&iebenften ©ebieten mcnfd^s 
lieber Xljätigfeit geforbert unb bic SRcIigion gebietet : „$u foUft fein 
falfd) 3^9*"* geben!" 2lber wo ift ein ©ebiet, bad in biefer 2te 
Sieljung md&t ftarfen SBerfud&ungen auöfefct, bie ben 2Renfdjen oft 
ju ^att bringen. 9Mdf)t nur ber eigene SBorteü treibt jur Süge, in 
ber Hoffnung, ber ©etoinn würbe eingefiridjen fein, efje bie SBa^r^eit 
an ben Xaa fommt. 3Rehr Sügen erjeugt t)ieDetdf)t bie unfinnige Die suac auf 
gitelfeit ber 9Wenfdf)en. 3Me Sanbnrirte pljantafteren ben 3"^ örer ^ «eMetm. 
wm iljren fabelhaften ©rnten oor, — eö ift faum glaublich, nrie tuet 
e$ foldjer Slgrarlügner gibt. $>ennodf) fragt man oergebenö, ob etwa 
in ber S^at bie Sfige in ber fianbnrirtfdjaft irgenb einen SBorteü ge* 
wäfjrt? Slnberö ift eö in ber Spolitif. 3um Seften beö SBatertanbeö 
511 tilgen, barauö madfien bie großen Sßolitifer fi<# ein SBerbiettft. Db 
nicöt in ber Geologie unb praftifd&en ©eelforge fidf) gleidfjfallö triet 
£üge einf df)leid()t ? Sßon fiety felbft §at bad fein Sßriefter jroar gefagt, a>u su e in ber 
befto häufiger aber tyat er es oon anbem fßrtcftern behauptet, unb er 
mag bodf) nidfjt feiten rec^t gehabt fjaben. 

SBSie ganj anber* ftefjt ba bie 9?atumriffenfdf)aft. 2>ie tfüge Ijat aie8uee*atin*r 
feine äu&fid&t verborgen ju bleiben unb wäre oernid&tenb für baö 3ln= * a i^|jtS? aft 
fetyen beö ©rfinberö. SBo^t mag ber -Jtoturforfdfjer [ei<f>tfinnig ein 
tntereffanteö ftaftum, baä ifym ersäht wirb, annehmen, eö oieHei<f>t 
in unoorftd^tiger SBeife erjagen, ofjne feine Cutelle ju nennen, ober 
burdf> oberfläd&lidfte 33eobadf)tung in S^türner faden, — bafür wirb 
er geredeter unb oft Berber 5lritif oerfaffen. 3lber Unwahrheiten 
roijfentlid^ auftifdfjen, baö ift ju fefjr gegen bie Aufgabe, gegen bie 
©rjie^ung, gegen baä ^ntereffe beö ©injelnen unb bes ©anjen, alö 
baß man es oou einem 3Wanne für möglich galten foHte, ber fidf). um 
bie grforfdfjung ber Statur emftlidf) bemüht. 



©otteöoerefjrung unb 9toturoeref)rung fdjließen fidf) uidf)t aus. ©otte&wenp unb 
3tber ©otteöbienft unb 9iaturbienft ? £er Statur bient man buref} Be- 
folgung itjrer ©efefce ju gefunbem i^eben unb erster menfdbfidfjer 
©trffamfeit unb burdf) gorfdfjung. 2)er ©otteöbienft bagegen beftefjt 
in äeußerungen, bie fein anbreö 2?erbienft fjaben fönnen, alö menfdf)- 
Hdj fdjän ju fein; bie aber mit bem Qrrtum behaftet finb, baß mau 
bamit übermenfdf)ltd&en 2Befen ein ©efatten tfjut unb ifjre ©unft 
erwirbt. 



— 56 — 

©tMtoflTaWfatf. 14. 9ioü. — 3)en crften 2lbfdf)mtt von ftrife ©dfmtfce, ?P^ilo^ 
erri^ e$ut*. | p^ c k cr gj a turioif[ cnf d&af tcn , 3^talter bcr naiven @rf aljrung, mit 
Sefriebigung getefen. £)a ift ©pftem barin; ogl. bie ftmoptifdfjen 
©dfjemata auf ©. 82 unb 83, würbtg eineö Sllaturforfdfjerö. 3toqx 
lannte idfj bic 2Cuffäfce aus bem Äoömoö; aber baö 33udfj ift wert 
angefdjafft ju werben. @ö t>erbient SBerbreitung. 

31. SDej. 1881. — ®en legten Xag beö ^atyres notiere tdj . . . 

3)aö fieben würbe entfefclidf) fein, wenn e* feinen £ob gäbe. $ft 
eö aud> fdfjön gewefen, julefct wirb man bodb mübe imb fatt. SReue 
©enerationen warfen fjeran, bie wenig SBerftänbnte heranbringen für 
bie näd&fte SBergangenfjeit, — befonberä in fo fdfjnetttebtger $e\t, wie 
bie gegenwärtige; bie ©tnfamfeit umfängt ben ©eift beö ©reifet 
wenn er ftdfj audf) nidjt felbft ganj üerbunfelt. 



Anfang jur Waturforfdjer-ßeligton- 

(17. September 1880.) 

Utopie eines 3k ber Siegel ift bcr 9Wenfdf) unjweifelijaft baju beftimmt ftdb 

**$$$£* fortjupflanjen. 2lber 2luönaljmen gibt eö. ©djon wegen p$gjif$er 
©ebredfjen finb einjefne auägefdjloffen. 2lnbre finb moralifdf) gelähmt. 
(SnbKdjj fann eö ja audfj weld&e geben, bereu 23eruf mit bem efcelid&en 
©tanbe fidE) nid^t wof)l verträgt. 9Jur müßte biefer 93eruf ein wabr* 
fjaft innerer fein unb bleiben unb barüber gibt Sid&ertyeit nur ber 
offene 3luögang. ©ine freie 2tffociation / barin niemanb länger 511 
verbleiben gejwungen ift, alö ber eigene SStlle ifjn binbet, fann ber 
Aufgabe ber menfd)licJ)en ©emeinfd&aft förberlidfj fein. 

$ü) fyabt lange batwn geträumt*), bafc es angemeffen fein 
fönnte, für ben betrieb ber 9iaturwiffenf<f)aften in umfajfenbfter Söeife 
folcfyc Ätöfter mit offenen Pforten für ben austritt anjulegen. ^ür 
ben gortfcfjritt ber SDIenfd^^eit tyaben bie 9iaturwiffenfdjaften baö tyxu 
mat erlangt, nidfjt nur wegen ber von ifyv fjenwrgebradfjten jivißfato* 
rifdfjen ©rftnbungen, fonbern audf) wegen ber feften unb unioerf eilen 
©roberungen an ©rfenntnis unb Unterfud&ungömetljoben. tylato unb 
2triftote[eö, fönnte man einwenben, SDescarteö, £ume, Äant fyahtn alö 



*) ©inen 3ugenbtraum meines SJaterS finbe i$ in biefen &\Un nrieber, ben 
er un§ ßinbern oft fjalb in Sd>er$ unb (ja 16 in (Srnft auszumalen pflegte. 

2lnm. b. §erau3a,eberin. 



— 57 — 

$§i(ofop$en 2Berfe geliefert, bie ityren SBert betyaupten'werben, länger 
ate irgenb ein 2Berf ber 9toturwiffenfdf)aft. Daö baben fie aber ge- 
mein mit ben Werfen beö Sopljofleö unb aus ber Schule bes ^ötbiaö. 
0erabe toeil auf ibreu ©runb nid&t fidler unb oiel weiter fidf) bauen 
liefe, behielten fie i^rc urfprünglid&e Sebeutung. tybtt folgenbe große 
$$i(ofop$ mußte t)on Dorn anfangen unb eine anbre möglid&e 3)enf- 
weife ausbauen. Unter ben möglichen Denfmeifen ift bie eine ben 
(Eigenheiten ber einen Nation fong.enialer, bie anbre wieber einer 
anbern -Kation jugänglidfjer. So verbleiben nationale eigentümlich Nationale 
feiten in jeber fß^üofopfyie. 2lußerbem wenbet fie ftdf) innerhalb jeber ^n^jrttr*" 
Nation an bie Weine 3Winorität t)on 2Kännern, bie bis auf bie legten WofoW " elflen - 
0rünbe juräcfjuge^en Suft unb Anlage fjaben. . 2>ie neuefte Äanfc 
litteratur beweifet $. 33., baß feine 5pi)ilofopl)ie, felbft in iljren Sebren 
über 3«t unb 9taum unb über baö ®ing an fidEj, gefdbweige beim 
über bie ©runblagen ber @tl)if, überwältigenbe Ueberjeugungöwirfungen 
auf triele übte, nur fo lange bie lebenbige 9iebe beö 9Reifterö nacfc 
Reifen lonnte. Die unmittelbar folgenben großen $Philofopf)enfd)ulen 
gingen oon ÜWännern auö, bie mit ben ftantifd&en SluögangSpunften 
fid) gar nicht redjt auöeinanber ju fefcen Suft unb Anlage mitbrad&ten, 
ober bie nur einzelne Seiten baoon ergriffen unb über bie Sdfiranfen 
fortbifbeten, ju Äarifaturen oljne 2öaljrl)eit. 2>ie 9taturwiffenfdE)aften, 
wenn ftc audjj in ifjren legten ©rünben nur oon ebenfo Sßenigcn, ale 
bie ©runblagen ber pl)ilofopi)ifdf)en Spfteme erfaßt werben fönnen, 
tbre Grgebniffe werben in ganj anbrem ©rabe ©emeingut, unb bie 
ßrfatjrung beftärft in immer weiteren Streifen ben ©lauben an bie 
Unfehlbarfeit ihrer 2Retboben. ^n biefem Sinne ift bie Pflege ber 
Jlaturwiffenfdfjaften in f)öh erem ©rabe ein menfchheitlichcft ^ntereffe, 
als eö ?p^i[ofopf;icn unb Sieligionen fein fönnen, bie ben 2lnfpruch, 
bie SIRenfd&fjeit ju umfaffeu, mebrtaufenbjäbrtgeu Erfahrungen gegem 
über alä bohle Anmaßung erfennen unb fallen laffen fönnten. 

®ie Staturforfd^er felbft bürften aber bisfjer baö 23ebürfniö ber 
9lffociation unb ber flöfterlichen Crinricbtungen nidbt emppnben. 2>er 
inbioibuelle ß^rgeij finbet beffer feine Siedmung babei, wenn ein 3eber 
auf feine 4?anb forfdjt unb irgenbwie haben fidf) bie Ferren ber 
SBiffenfdfjaft mit ben Sdjroierigfeiten beö Sehens ftetö abgefunben. 
Gö gebt, ohne befonbere nmt ©attung oon 2lft)len wiffenfcbaftlicber 
Jorfcbung, rüftig oorwärtö. llnioerfitäten, 9lfabemien, ^nftttute genügen. 

3>em gegenüber bleibt ju erwägen, baß gleidfjjeitig ber Umfang 
unb bie Äonneyität ber 9iaturwiffenfdf)aften außerorbentlich jugenommeu 
f)at unb nocft in« Unenblidöe warfen muß. £aä einzelne @ef)irn 



— 58 — 

bietet bafür eine 511 ffeine Äapajttät. 9Kan fjilft fxd^ burdf) ©pejialität. 
£ann wirb aber ber ftram ju fleinlid), um mdf)t ate blofce £ieb= 
Ijaberei unb Schnitte, Snfe^en unb Seiljilfe in ber ©efettfd^aft ein= 
jubüjgen. 25as 3 er f a ß cn & er SBiffenfdjaften tann nur nadf)teilige 
Sßirfungen auf fie fjaben. £er inbimbuelle ©fjrgeij treibt freiließ 
an, aber in ber Äonfurrenj wirb gar Diel Äraft cergeubet unb ge* 
fdfjäbigt, bie reifere grüßte bringen würbe, toenn ein liebenbes 3 U * 
fammennrirfen fie gejeitigt l)ätte. £ od& ber gewidfjtigfte ©runb für 
fold&e 2lfijle ber gorfdfjung ift, bafj bei bem gegenwärtigen 3 u ft a nbe 
bie Saljre ber größten 2lufopferungäfreubtgfeit unb Sßrobuftimtät bei 
üielen auögejei^neten Snbimbualitäten fcf)led)t auögenufct werben ober 
ganj aerloren gefjen. ©ö fehlen ben ftrebfamen Jüngern bie SReifter, 
ben -Dteiftern bie treuen jünger. 35ie 2lffociation müfcte eine ©e= 
meinfd6aft beö Sßermögenö unb beö $orfd)en$ anftreben, mit ftrenger 
2tuäwaf}l unb Utomjiat cor ber aufnähme, mit Gölibat wäfjrenb ber 
ÜWttgtiebfd&aft, mit freiem unb ehrenvollem Sluötritt. Sdfjon bie 83c* 
rufung auf Sefjrftüljfe würbe biefen austritt fo ^äufig machen, baft 
wafjrfdjeinlid) nur eine junge Sdfjar unb einige Slltmeifter in ben 
von mir geträumten unb großartige 3Hittel erforbernben 9Jaturforfd>er s 
flöftern ftdfj fammeln fönnten. Sie SWaturforfdjer muffen ©r^ohmg 
fudien auf SBanberungen , mdjjt aber in bem Familienleben. Sie 
oerftefien ftdfj in ber Siegel fdjledfjt auf ben $auß^alt unb eine 91ns 
iaf)l alter grauen mögen jur üffiirtfdfjaft im Älofter gehalten werben. 
$>tefe eingefdjobene Spifobe mag alö ein 2uftfdf)lo§ t)ier aorüber* 
fdjweben unb nur fo uiel befagen, bafe ju gewiffen Aufgaben unb in 
gewiffen Örenjen ein prooiforif^eö ßölibat mir wünfdjjenötüert 
fc^eiut. 



nüxaion (1882). 

10. $a\\. — Stiller wirb es um und unb md&t wenige fiebenö^ 
geuojfen fiub mir im Verlauf beö legten ßafyxtä bafyingegangen. Sei 
einigen ift eö mir aber red)t flar geworben, bafc ber Xob, wenn auc£ 
uidfjt ber willfommenfte, fo bod) ber aufridf)ttgfte greunb beö alters 
ift. Seine Unentbel)r(id;feit für baö l'ebeuöglüd ber 3Wenfd()en ju er* 
fennen, oerföfint, otjne bie @mpfänglicf)feit für bie freunblidfjen £age 
ju benehmen. 



— 59 — 

14. ajtörj. — 3)er £ob, wenn idj Um audb ben aufridjtiajlen »« %a> m< 
greunb beä altera nenne — oft von einer fef)r umtriUommenen 2hif* <sinri$tun ß ber 
rid^tigfeit — ift im ©injelfoü bod(> meift graufam unb ungerecht. ornui1 «- 
£aä ift \a auä) baö SBorbilb, baö unö ber £ob $efu lef)rt. ©e^e 
i<f> aber auf ba* allgemeine — ba* ©auernbe, ©roige — bann er= 
icbeint er mir afe bie roeifefte unb fegenöreidfjfie (Sinrid&tung unfrer 
3ßeltorbnung. 2Bie Slriftop^aneft ergreifenb bie Slbfd&ieböroorte ber 
ärmut oon ben SWenfdEjen bargeflellt §at, mit größerem SRed^te fönnte 
man bem £obe foldjje SBorte in ben SWunb legen. SBäre nrirfltdfj 
nur 50 ftafytt lang fein (Sterben in unfrer 2Belt, man würbe ben 
£ob in jeber SBcife f>er beiden. £ier märe baö ewige ßeben me^r 
als ein fdf)led(jter Sdfjerj! e§ märe baö graufamfte ber ttebel. $n ber 
Siebe jum ßtoigen, in ber Eingebung beö ©injelnen für baö @anit, 
ifi bie Sluflöfung ju finben, — nid&t in ben träumen ber SßfjUofopfyie 
unb SDtytfjoIogie von inbimbuellem fortleben. 3$ fpred^c bie lieber^ 
jeugung au*, ju ber midj bie eigenen (Srfafjruugen unb ©ebanfen 
gebrängt tjaben. ^cfj weiß rool)[, baß i<f> bie ganje SBafirljeit nid&t 
fyabt, unb fpredfje nidfjt ab über bie unbefannte SBelt. aber 9tulje 
fann idf) finben, nur in ber SBaljrljett, bie mir befannt ift, unb fei 
baö Stüdf berfelben nodfj fo Hein, eö ifi mir ein fefterer ^Juntt, als 
ein in bie SBolfen ragenbeö ©ebirge von träumen. — 35er hinter* 
grunb ber fjarmomfdfien Sfaffaffungtn bleibt bie unbebingte Siebe beö 
Suten unb ftuvtrfifyt auf 33ert)o[lfommnung. 

24. 3Wai. — Dtto ^Pfleiberer refümiert bie äfofid&ten über ben cito wdbmr 
Urfprung ber Religion bei neueren gorfäem, um ben nmetfenben ü ^»„ ttnB 
ftonfenfuö ju beroeifen. 

Uroffenbarung einer DoHfommenen, fpäter aerberbten Religion 
fei eine ganj antiquierte 2lnfidf)t. 

geüfdf)iömuö alö Urform ber Religion anjufe^eu, mie bie 
$ofitioiften eö ofjne] Rücf fidfjt auf ©pradfjbtlbung unb Spfpdfjologie motten, 
oerliert mefjr unb me^r feine 2lnl)änger. 35enn bie SBorfteUung beö 
©öttlid&en mußte ftdfj vorfinben, um fie an einen ©tein, Äfofc, 33ogel= 
feber ju fnüpfen, in beren SWatur nidfjt ber geringfte ©runb oor^ 
fjanben, bergleidfjen Sßorfteffungen ju erjeugen. Umgefefjrt, burdf) lieber- 
tragung ber äußerlichen formen einer Religion üon einem l;öl;eren 
auf ein niebereö 33olf, roirb eö äu 5 e *ifd()i*mu§ fommen, wegen ber 
$erwedf)felung beä ©pmbote unb Äultuömittetö mit bem göttlichen 
Sefen felber. 2)a^er ber $etifdf)temu§ in ben ^öf)eren Religionen, 
namentlich in ber ruffifd^en Ätrdfje. — 

35er©otteöglaubcn, baö ergeben bie fyiftorifdfjen unb fprad^= 



— 60 — 

ttd&en ^orfd&ungen, ift entftanben aus bcn ©inbrüden oon £imme(, 
©onne, ©ewitter u. bergt, großen SRaturerfdfjeinungen auf ben Ur- 
menfdfjen. 33eu>unberung, ©rfjebung, @df)eu, treten in SBerbinbung mit 
utilitarifdfjen ^Reflexionen. 

3?ad) 9Ra|- SKüller entftanb barauö eine Sßafjrnefymung bes 
llnenbüdjjen. iftadfj 6. oon ©d&mtbt baö 33enuißtfem einer Ijerr* 
fdfjenben SBeltmadjjt unb £artmann §at bie praftifd&en Oemüts^ 
bebürfniffe jur gortbilbung ^injugenommen. 

Sßenig mit ber Sprach unb 3)fr)t()euforfd)ung ftimmt bie 3lfe 
leitung ber Religion aus bem Stfjnenfultud, ber SBerefjrung abgeworbener 
©elfter (Euhemerismus), wie itjn Herbert Spencer unb QuKuS fiippert 
oertreteu. 



ur^runßber $em gegenüber mödjte id) auf baö angeborene aSere^rungfi- 

WetSnß 1 ip bas bebürfniö, baö nur eine ?form beö Siebesbebürfniffeä ift , weld&eö fid) 

bebürfnis. " audf) bereits in ber Tierwelt, namentlich beim ^unbe in feinem 23er- 

tyältniö jum 2Renfdf)en oft nmnberbar ftarf erroeift, tjimoeifen. S)aö 

£iebe*bebürfnis rourjeft in bem pftjdfjifdfjen Sebürfnis, feine Statur 

nidfjt nur leiblidj, fonbern audf) geiftig, bauember, ber ©roigfeit ju, 

auöjugeftatten. 35er 2Wenfd) würbe ^flegeoater bes ^unbeö unb ge? 

meßt oft göttliche, b. I). ganj uneigennützig geworbene SBereljrung*). 

©in ftarfer innerer £rieb brüdft, bis er ©egenftänbe außer ftdfj finbet, 

. an bie er gelängt werben fann. Sta^n eigneten fid) oor allen bie 

großartigen 9iaturerfdf)einungen, bie über baö ©rab fortgefefcte gamilieit: 

liebe, aber audf) jufäHige untoürbtge ©egenftänbe. $n ben Pflege* 

oerfjältnijfeu ifl notroenbtg ber eine £eü ber gepffegte. ©r fann nidbt 

foroofjl pflege nriebergeben, alö t>ie(mef)r banfbare Siebfofuug; biefe 

füfjrt ju ober ift fdjon ätoeljrung. 2>a$ 2Beib als Pflegerin beö 



2>a8 8Bett» als 
Pflegerin. 



aWanneo begrünbet ben grauenfultu 



9. 



*) ©telje 23. unb 26. gebruar 1891. Ueber Slbftammung unb 2Befen beS 
§au3§unbes. 



— 61 — 



MWopip* (1882). 

16. 2lug. — lieber bie moberne britifdfje $f}ilofopl)ie, wie fie 6*nc«i et*«'. 
Spencer in feiner großartigen, umfaffenben -Strbeit begrünbet unb 
ausbilbet, gab es in ber 3lttg. &t\t. e * ne ^ e ^ c intereffanter Slrtifel. 
9Ru& interefftert baran bie @tf)if. ©ie fott burd&aus auf bas ©lud* 
feligfettsftreben gegrünbet merben, unb ben franjöfifd&en ^ofitioiften 
gegenüber geigte le&tijin, idf) glaube Qanet, wie unjureidjenb biefer 
©runb ift. Sei ©pencer fpielt bie jum ©lud erforberlid&e fojiale 
Spmpat^ie bie Hauptrolle. @r toiH nur ein relatio ©uteS unb 33öfes 
jur ©eltung bringen, ofjne einen SWaßftab ober ein 3i*l. 3$ glaube, 
ber relatioe Sßert läßt jt$ beurteilen unb empfinben nur nadf) bem 
Slbftanbe oon einem feften Spunft. ©o Diel ber SBerfudfje gemalt 
werben, eine neue Sugenbleljre ju begrünben, alle fdjeinen fie mir 
oon geringerem (Srfolge, als feiner &it $ ant ^ n «jiclt Ijat mit ©u»eriotitat b«* 
feinem fategorifdfjen 3mperatu>. SBeldie fiefiren, frage idf) midfj, tyaben fatS>itf<Jm 
bie 9Kenfd(jen in ifjrem £anbeln energifdf) geänbert, unb toeld&e anbern Sh^w." 
liaben fie anfd&einenb nur intettcftuett bef d)äf tigt ? ©cfjeHing, Hegel, ^te metften »wo. 
Schopenhauer traben intereffanten Äonoerfationsftoff geliefert unb °m ptoittSf 
bem 33üd(jermarft unb ben Äatl)eben>orträgen gar triel fd&äfcbares 
Material jugefä^rt. 35ie oon biefen Ferren gelehrte SKoral f)at toeber 
fie felbft ju einer bemerfensioerten SebenSfüljrung angeleitet, nodfj 
iljre ©df)üler baju begeiftert. ©ie lebten in ber getoötinlidfjen bürgere 
liefen 2Belt, mit allerlei ©enüffen unb ©dfjtoädfjen. 2)urdf)f(l)mttSs 
menfdjen maren es. ®ie ©toifer bes Altertums beioeifen aber, baß <we6toif« 
nidf)t nottoenbig jebe ^ilofopljie für bie SebenSfütyrung fo wertlos b w&^e fl !a b B e 
bleiben muß, rote es bie oon Goufin unb ©pencer fein mag, unb wie 2ebett l ^ n M cn 
es bie oon ©dfjelling unb Hartmann fieser ift. ©df)on ber ©prudf): 
„SBiUft bu fröfjlidfje 9Renfdf)en feljen, mußt bu 511 ben ^Seffimiflen 
gef>en," beroeift, roie gering ber 3ufammenf)ang ift jroifdjen ben Sefjren 
unb ber Sebensfüljrung ber mobernen $lji(ofopf)en. 25a Ijat ber 
lebenbige Äant anbers geroirft. 2)ie ftrenge Drbnung feines eigenen $ra!tifäe8mrfun ft 
SebenS erregte bie Äuriofität unb roofjl a\\d) bie Serounberung feiner ^3?8K8? le 
3eitgenoffen. $id)te fyat oon iljm bie Segeifterung für bie ©rfüllung 
ber Sßflid&t gelernt, bie er bis ju feinem 9Rärtt>rertobe bei ber Eranfen* 
pflege im Hofpital aud) im Seben anioanbte. 3Rein SSater mar ju 
einer ftantifd&en SebenSfüljrung, mit ben 3lbmilberungen, benen ein «ont» «ntini auf 
Sebemamt fid) nid)t entjieljen fann, gefommen. er Ijatte Äant nur als baS $au?. en| * e 



— 62 — 

Änabe ju fetyen ©elegentyeit gefunben, unb tyatte tym Serben auf= 
fagen muffen, bic er memoriert fjatte. Auf meinen ©roßoater fönnte 
Äant größeren ©inftujs geübt Ijaben, ba er, freiließ nur furje 3eit, bis 
511m adjten Scfyxe ben ©roßoater als £auöletyrer*), fpäter aber in 
Äönigöberg als Sßrofeffor muß beeinflußt fyxben. $n metner Familie 
ift von ber 3 c ü a & e ^ n geroiffer Äantifdjer 3ug in ber Sebensfüljrung 
}u ertennen gemefen. SSon anbern 3Ä*8enojfen fjabe \<f) gehört, mit 
meinem $eroiömu8 Sßerfonen bem fategorifdfien ^mperatü) bienten, 
bie Don Äant perfönlidf) berührt geroefen. 9Zidjt meine idf>, baß Äant 
bie Xugenbleljre tjoltenbet Ijätte, aber in feiner 9Retapfyt>ftf ber Sitten, 
glaube idfj, Ijat er bie unnerrüdfbaren 2luögangspuufte aufgebest. 3Me 
3>ic grormetn für Formeln für @ut unb 935fe tjat er gegeben; aber ben Snljalt baju 
pan" oegeben. a * muß bie @rfal)rung liefern. 3tn biefer ©rfa^rung baut ein Spencer 
mit Siedet fort, aber fie liefert leine gefiederten ©rfenntnijfe, wenn 
fie nicfjt anfnüpft an bie ewigen ^unbamente. 

21. Sept. — $)rei SBerfe fjabe idf) gelefen, bie in fe^r t>erf Rieben* 
artiger 3Beife ju pljilofopljifdfien ©rtoägungen mir Slnlaß gegeben 
&aben. 1. grifc Sdfjulfce: ^üofopfjie ber ÜRaturroiffenfd&aften. 
— 2. ftieljl: Äritijiömuö 2. »beö 1. 2lbt. — 3. ßoffmann 
(perftorbener Sßrofeffor ber Spfjttofopfjie in SBürjburg): Unfterblicfc 
feitöleljre ber namhaften ^ßljilofopljen $eutf<$lanbs, — 
bilbet ben adjten 23anb feiner gefamten nadf) feinem Xobe erfd^einenben 
Schriften. 
mw 2Baf)rl)aft förbemb für bie SBijfenfd^aft fc^eint mir Stiehl, info* 

Äritijigmu». ^ cr .^ ^ cr ^^ t ^ en ^ ann bridjjt,. ben Äant begrünbet fjatte 

gnrifdjen jtoei SBelten: ber äBelt ber ©rfdfjeinung für ben menfdftfidjen 

©eift unb ber intetligibfen SBett. Sie lefctere Benennung ift info- 

fern irrefüfjrenb, ate bie ©runbtfjatfad&en, roie bas innere Sittengefefc 

be£ 3Jienfdfjen mit feiner SBorauöfefeung beä freien SBitteuö, bie fjinauö* 

führen über ben menfdfjlid&eu Qntelleft unb bafyer nidjt aoßftäntng 

inteDigibel finb, — baö äßefen ber intettigiblen 9Mt auömadben. 

tptttaiieie 2)ie SBerroanbtfd&aft jnrifdjen ben großen ©enfern ^aöcal unb 

^aicot unb Äant ift, fo oiel idf) weiß, nie Ijeroorgetyoben roorben unb rooljt au<fi 

nid&t leidet 31t erlennen, wegen ber großen 83erfdf)iebenbeit beö 3Ser^ 

faljrenö bei ityren Sfaöeinanberfefcungen unb ber %\tU, ju benen fie 

gelangen. 25er SBeg, ben fie befdfjreiten, ift anfangs bennod) berfelbe. 

»ribe weifen bic 33etbe ©enfer unternehmen eö, bie Vernunft junäd^ft in enge ©renjen 

*&£& iSrüd" jurüdf juroeifen unb bann bie übernriegenbe S3ebeutung t>on 2lnna^men 



*) @ic^e @. 68 9ln§ang: Äant in Stauienburg. 



— 63 — 

• 

ju beweif en, bie jmar nidf)t wiber bie SBernunft gelten, aber über fie 
hinaus. 9tacl) Äant fann bie Vernunft ^reiljeit, ©ottfjeit, Unfterb= 
lidtfeit in Söirflidftfeit nid&t bewetfen, aber audf) nid&t beftreiten. 2Wögs 
lieb finb fie, unb baö fiebert (bie praftifd&e SBermtnft) mad&t barüber 
gemife. ©benfo fud^t Sßaacal barjutyun, bafe bie menfdfolid&e Vernunft 
fieb nur in Sagten beweg,*, beren Anfang unb ßnbe it)r ganj unfafc 
lieb; an bie aufgaben ber ©wigfeit, beä Unenblid&en fxd^ madbenb, 
perwirrt fidj bie menfdjjlidfje Vernunft, unb oerwicfelt fidf) in äBtber* 
fprücf>e. ginbet Äant bie SRettung burdfj praftifd&e ^ßoftulate, fo 
flüchtet Sßascal feinen nad& SBerföljnung oerfangenben ©eift in bie 
©fftafe. Äant finbet Slulje in ber Stefignation jwifdien gegebenen 
©renjen, v J}aäcal fud)t ben ^rieben in einer auf Offenbarung ge= 
grünbeten SBeltffudbt unb Unterwerfung unter firdfjlidfje Dbferuanj. 
3ud()te Äant 311 überjeugen burdf) ein ftetigeö Renten, burd) 00k 
ftänbige, 3ufammenf)ängenbe Steigen von Argumenten , fo verfugt 
Sßaöcal eö nur burdf) Stufruf oon SBorftetlungen, bie im menfd)lidf)en 
Sewufetfein, ate fiebere 2Baf>rnef)mung otjne lange Sewetfe fo fidfjer 
gegrünbet finb, bafe eö genügt, fie ju werfen. 3)ie langen 23eweife 
finb naä) if>m weniger fidler, als basjenige, was fie beweif eu 
follen, weil bie Sogif auf ben betreffenben ©ebieten felbft bejweifeU 
bar bleibt. 

Sßascals Söfung mar eine inbioibueHe. ©in asfetifdf) leibenfd^aft= 
lieb gequältes ©emüt Ijat eö jur 3SorauSfefeung. 

3ft ober bie Äantifd&e Söfung nicfjt ebenfalls eine inbioibueHe? 
— Salanciert ntd&t audjj biefe fiöfung auf einer Sdfjneibe, jwifdben 
SlbgrünbenV 

Die ÜKetaptytjfif mag in krümmer geben, aber bie 3üe(t ber ©r^ $ie ©et* ux 
fahrung mufi fein fiimgefpinfi fein. 2BaS bebeutet bas 3)ing an Vau&uT 
4, ba* unerfannt bleibt, mm e* aud, träume erregt l,at, bie "-»Ä u " ,re ' 
gleichartig finb in allen menf blieben ^ntelligensen? £cl>rt und bie 
ßrfa^rung nidbt etwas, bas beftanben l)at, cf)c JDtenfdfjen oorfjanben 
waren, unb bas bleibt, wenn audfj bas 3Benfc^engefd^ledt)t oerfcfywinbet, 
fo ijt es um ben ©rnft ber 2Belt unrettbar gefcbefjen. 3)as Sauber* 
fpiel ber menfcftfid&en SJorftellungSwelt wirb ein ljof)fer Seitvextveib. 

3>ergteid^en ©efüljle beweifen nid&t bas minbefte gegen bie etwaige ©amm «ant§ 
äßaljrfjeit ber Äantifdjen Demonftrationen. Sie erftären aber, warum mrta$JÄn m 
bie nacbfolgenben Genfer fidf) bamit burdfjaus nid[)t Ijaben abfinben jurüdSefaawT u nnb 
laffen. 2llle finb fte jurüdfgefallen in ben oon Äant ruinierten meta= "Wenmni*" 
Pb9Jtfdf)en Dogmatismus. Sie grojje ©rfenntnis s }5asca(s unb Äants, ttUwrife tt Scriorm 
bie allen metaptjtjfifdjen Träumereien bas Zlpx oerfcbliefet, gefjt tynen 8 nfl 



— 64 — 

jum £eil roieber vtxloren. ©in Slbfotutcfi, baran bie ^bcntttats- 

p^ifofop^ie i^re enbfofen gormein fnfipft, SDtonaben, ein üben>ernünftxges 

SBefen, baö ber eine ben SBillen, ber anbre baä Unbewußte nennt, 

löfen einanber als JEageöorbnung ab. ©mustert fudf)t man enblicb, 

»ei »ont i& fefter tooju bie SWaturforfdfjung bas 3&rige beiträgt, bei Äant roieberum 

ße^w'muiöon fcftcii ©runb. (§3 bürftc aber nid^t beffer gefeit, als früher, wenn 

"»trbm. rel man nidEjt ju einer weiteren gortbtlbung gefangt unb bie üanttföen 

2)emonjirationen befreit Don benjemgen ©dfjroäd&en , bie feine fielen 

ungenügenb gemacht fjaben. 



21. Oft. — Die ©umme ber 2öeltauffaffung. 

1. $n ber Unenblidftfett von 3*it unb Siaum, als Sßirftidjfeiten, 
abgefefjeu t>on aller ©rfennbarfeit, — (9Watljematif), 

2. beftefjt feit ewigen 3 e ü en e » ie uraeranberfiefce ©umme von 
Äraft unb ©toff, beren Umfefcungen bie SBett mel>r unb 
mefjr Ijarmonifdf) ma<$en, burdf) äfodlefe bes 3 ro cdEma§igen 
unb 9lnöfdf)eibung ber unjroedhnäfcigen SBerbinbungen unb SBer* 

tyUtntffe (5p^r)fif), 

3. bie im 2Wenfdjjen, bem tJoHfommenften ber und befannten 
Organismen, bie ©mpftnbung beö freien SBiüenö, im 8Biber= 
fpruef) mit ber 9iotroenbtgfeit ber ununterbrochenen golge au * 
ben gegebenen Sebingungen, erjeugt; — nidjjt als £rug, 
fonbern als Seroeis, baft es erfte Urfadjen geben fann, in 
Söiberfprudjj mit ber SBerftanbeslogif. 2luf ber Styatfad&e be* 
freien SBiUcnö ru^t bie SWoralität (Sittenlehre). 

4. 2luS bem äßiberfprudfj jroifdEjen ber @mpfinbung ber pfjpjtfdjjen 
Vorgänge, mit ber ©mpftnbung ber freien ©ittüdfjfett, entfielt 
bie gorberung ber Ausgleichung beiber ©mpfinbungen burdfj 
bie äftfietifd^e 2luffaffung unb SarfteHung. Äunft unb 
SRefigion, — gehören jufammen. ©ie gehören jum ©<$ön* 
Ijeitsbienft. 

©ott tjat, als menfd(jlid&e SBorfteüung, feine berechtigte ©teile; 
auf bem ©ebiete ber Erfahrung ift er ber. eroige 3i e ^P un ^ bes 
2Bettganäen. 



— 65 — 

30. Oft. — SBeüer gelefen in ber brüten äuögabe oon Äuno staut« 
/jifdjerö Äant. Sei Gelegenheit ber aermeintlidjen SBiberlegung bei watnStumu». 
SRaterialiömuö (461) bemerte ü$, bafe Äant im Sinne tyit: Äörper= 
erfd&eimmg in ber Sinnlid&f eit , bie unfer Subjeft affijiert. Malier 
folgerichtig mit bem aufhören bes ju affijierenben Subjefts audfj bie 
WöqlifyUit von Körper aufhört. 3>aö gilt aber nid&t, fobalb man 
unter Äörper ben tranöfcenbentalen ©egenftanb oerfteljt, ber im ftanbe 
ift ein Subjeft ju affijieren, unb mit bem Subjeft in SJerbinbung eine 
erfdpimmg (ben Äantifc^en Äörper) ju probujieren. 2)aö Sßrobuft 
fjört auf, fobalb nur einer ber notroenbigen Jaftoren fe^tt, — aber 
für bie anbern Jaftoren ift baö aufhören beö einen ftaftorö nodj 
fein ®runb beö Sluf l>ör enö . Äant t>erftel)t unter Äörper ©rfdfjeinungen; 
aber im gemöljnltd(jen Sinne perfteljt man barunter „Urfadfcn ju 
€rfd>eimmgen", bie Äant übrigens als eine „unerfennbare Urfadf>e" 
auäbrücflidj ftatuiert (pag. 458), um eine Südfe unferö 3Biffenö jii 
bejeidfjnen. S)en 2Raterialtemuö, im geroöljnlid&en Sinne, f)at Äant 
nidjt roiberlegt! 

2. SRoo. — Äuno Jifdfjerö Äant beenbigt. <£ö bleibt eine grofce «uno gfti^ers 
Stiftung fiifäex* unb läßt gut bie 9teoolution, bie Äant in baö &nMonm? n fli 
£enfen brad&te, oerfte^en. 2lber einige ^auptinfonfequenjen \)at mmmili^m. 
Äant belaffen. ©r mar eben ein SRann, ber fidj oon ber Xrabition 
nidfit rabifal loömad&en lonnte. Qene unerfennbare Urfadje aller @r* 
Meinungen, baö 2)ing an fidj, ober bie 2>ingc, jog er beftimmt in 
bie Äaufalitätöretye hinein, — wenn audf) uielleid&t eine unö unbegreif* 
liebe ärt t>on Äaufalität! @r mar aber nidfjt baju gelangt, baö 2)afein unmöfltuwt b** 
biefeö tranöfeenbentalen gaftoren beroeifen ju fönnen. Äonfequenter nße * 
wäre eö geroefw ju fagen, bie 3)inge an ftdE), jtnb unö erfennbar 
aus i^ren SBirfungen, nid&t aber afe reine 5ßotenjen; — ober 511 be* 
fyawpttn, bafe eö mit ben Singen an fidf) nidjtft fei, maö freiliefe, 
ftreng genommen, ju bem Sopljiömuö füljrt, ben Äant nidfjt wollte. 
$a nrtr bie 3Renf<$f>eit nur ate ©rfd^einung befannt ift, — tljr aber 
an jt^ gar nidjt bie 3 eit jufommt, bie idjj iJ>r a\\*> meinem SSer* 
mögen l>inju tfjue, fo bleibt eigentlich nur ber einjelne ©enter, o^ne alle 
Slenfd^eitlid^feit! — 3 ro ifö e n bem ÜRaterialtömuö unb bem abfoluten 
3bealiömuö beftänbtg ju balancieren, bringt melleicftt ein feljr geübter 
unb baju beanlagter 9Renfd() fertig, — bie äUenfd&en im allgemeinen 
bringen eö nidj>t fertig. 3" b** oon Äant begrünbeten 9Retapf)tjftf 
ber grfdfreinungen fyat man red)t balb mieber eine 3)ietapbt)ftf beö 
€rfd^einenben unb aBa^rne^menben an fid^ probujieren motten. $*& 
ift man im 3 u 8 e ^ )em waterialiftifd&en SKoniömuö fid) 311 meinen. — 

«ul ben Saflebuäbtöttem be8 ©rafeu V. ftetjjfrlinß. 5 



— 66 — 

«am» 9iodfj greller fdfjeint mir bte ^nfonfequenj f>en>orjutreten in ber SRoraU 

taS^ppfop^ Saft ©ittengefefc gilt unbebingt unb beitrug fott cö 

5w6ittu*iÄbbcbingt fein t>on bcm SJafcin ©otteft unb oon bcr Hoffnung 

Älüd ' auf Unfterblid&feit. Sittlidjj ju fein ift unbebingt notwenbtg, — glüdk 

lidfj ju fein ober ju werben, ijl gar md&t notweubig. 2)ennodf> foll 

wegen beft rein jufaHigen ©lüdfeft bie Unfterblid&feit notwenbig werben, 

unb ©ott fott ba fein, um eine moralifd&e Söelt möglich ju madfjen. 

S)ie SBelt ber ®rf Meinungen ift aber feine moralifdje, fonbem eine 

p^pfifd^e; baft ©ittengefefc begrünbet gar fein SBeltbafein, eö iji gar 

nidjt weltlidfj, unb forbert feine moralifdje SBeft. Äurj, man fommt 

bamit nidfjt auft ber ©teile. 

Sie SBieberljolung Don gormein unb ©d&lagwörtern madfjt fte 
ju fdfjwer ju erfd^ütternben ©laubenöfäfcen für eine große SRenge dou 
sBttiung bet SKenfdfjen. Papageien finb barin glüdflidfjer beanlagt alft bie 3ßenfdfjen, 
&u£S. Mn baß, wenn fie audf) nadfjfpredEjen, fie bod) nidfjt baran glauben. 



VW&*ffl*P 94BfM»*i* (1882). 

26. SDej. — 2Berbe idfj enblidfj feft fielen in meinen SBorfteHungen 
über bie 3Renfdfjenfeele, über bie brei ©runbpf eiler ber prafttfd&en 
SBemunft: gretyeit, Unfterblid&feit, ©ott! 
sie 3Rentt«ifeeu 35ic Sßenfdfjenfeete ift, fo oiel idfj oerfteljen fann, ber Sftennpunft 
TOlnÄifras! beft 3Kenfd^en^imft. 2)ie ßeUen grauer Subftanj finb ©ammelpunfte; 
aber nidfjt burdf) ben Sid^tät^er pffanjen ftdfj iljre Hebungen fort, fon~ 
bern bur<$ bie 9ien>enfäben weißer ©ubftanj, nadf) unbefannten, eigem 
artigen ©efefcen. ©ofdfje gäben leiten bie ©inbrüdfe von außen hinein 
unb innen verbleiben fie als eine eigenartige SBibrationftform ben 
©anglienjeffen einverleibt. 33on bort ftrömen fie, j. $. um Xtanm- 
bilber ju geftalten, wieber in bie -Dtenfdfjenfeefe. @ft ift aber baju 
erforberlidfj, baß biefe SSibrationftfpannfräfte aftiü werben, Ijinreid&enb 
ftarf finb um in ber ßonfurreuj mit i^reftgleid^en fieroor5utretcn unb 
baß ifjtten ber Betritt ju bem S3rennpunft, b. I). ber ©eele, nid)t 
perlegt ift. $aö ©ebädfitnift ober bie Erinnerung, ift anberft mir 
nidfit erf lärbar. ßeißt eft : bie ©tnbrücf e finb latent in bem unbewußten 
©eelenfein aufbewahrt, unb treten oon ba gelegentlich Ijeroor, — fo 
geftetye id&, baß idfj SBorte fjöre, aber unter bem unbewußten ©eelem 



— 67 — 



Organe. 



fein, bad Äenntmffe unb Silber etnfd^liegen foll, mir nidf)t baö ®e* 

ringftc oorfleffcn fann. 3Bo bic Segriffe fehlen, ftetten fidfj bie Sßorte " 

ein. — @anj anbers, wenn idfj eine ©pannfraft in einer 3 e ß ß ^enfe, 

bie in Stftimtat üerfefct, eigcnairtigc Hebungen bis an jenen Drt ge= 

langen läßt, wo jtdj) baö ttnbegreiffid&e bitbet, — eine Bewegung 

Die fidE) ffifjlt, ein Ältngen baö fic§ prt, unb baö, was am 

unbegreiflichen ifi, fidfj nadfj feinen eigenen Sßünfdfjen rietet. 

C^ne eine ftdfj felbft ffiljlenbe unb fid) felbft bewegenbe ©ubfianj im 

3entrum, weld&e eigentlich bie ©eele ausmacht, fomme tdf) nid&t aus. 

Son biefet ©eele getyen bann Hebungen wie ber ju ben SBiUenös 

ganglten unb t)on ba burdfj bie motorifdfjen 3?ert)en ju ben 9Jhtftfeln. 

Sie Heroen muffen burdfj tyre ft reu jung, wie in bem ©fyiaöma ber ftreujunaber 

Sugennenjen, in Ijöfjerem ©rabe empfinbbar werben. SBon ber linfen UMriJwtVr 

fiemifpfjare werben fie, bodf) wie optifdfje ©trafen in einer £alb= 

fuget, nadfj ber redeten ©eite Eingeworfen unb umgelegt, ©a^er 

entfielen burd& Verlegungen ber &emtfp^ären Störungen, immer auf 

ber entgegengefefcten ©eite; bafjer ftnb bie £irngebilbe audf) paarig, 

um nämlidfj burdfj Rreujung bie Sebung jur ©mpfinbung ju bringen. 

2)er Drt, wo bie ©trafen ber £irnganglien fi$ einigen, wirb 
eben baburefy, muß man fagen, ju einem fidf) felbft füljlenben unb 
beroegenben (was immer unbegreiflich bleibt!) Drt. £>ie ©trafen 
führen biefem Drt ©mpftnbungen ju, Don aerfdfjiebener Seb^aftigleit ; 
bie centrale ©mpftnbung ift t>on umgebenben weniger beutlidjen @m= 
pftnbungen begleitet. $)ie gegebene ©mpfinbungöweife ift wie ein 
organifcjjer Äörper, ber unter ftetigem ©toffwedfjfel bod(j berfelbe bleibt. 
Sie ©mpfinbungömaffe änbert fid), aber als 23eränberung beö uor= 
fjanbenen 33eftanbeä. 3n feinem 2fagenblidf normalen Sebenö lifdfjt 
ber Seftanb ganj axtä. @r wirb unenblid^ bürftig, — eine pdf) be* 
ftanbig wieberfjolenbe (Smpfinbung fann ifjn ftunbenlang ausmachen, 
aber in ben frantyaften fällen, wo ber 33eftanb gan? erlifd&t, mu§ 
alles oon vom gelernt werben, ©in ntu& $d) fängt an. 3lud^ eine 
Spaltung beö öeftanbeö in jwei ^dfjö, bie abwecijfelnb bominieren, 
ift ntdfjt auagefd&loffen. 

Die ©eele, baö Sewufctfein ift mir auf biefe SBeife ein 
pl)t)fifdf)er Sprojefj, wenn audfj auf ©runblage jener unbegreifc 
liefen ©ubftanj, bie ifjre Bewegungen felbft empfinbet unb 
bis ju einem gewiffen ©rabe birigiert. 



— 68 — 



Äitljcmg jrnn 16. Äuguft 1882. 

»loßr^if^es Immanuel Äcmt*) ift in SRautenburg **) bis 1755 £auälel)rer 

ü e? lw Äa i878 0m bei einem ©rafen Äepferling, roabrfd&etnltdf) einige Qa^re lang ge^ 

roefen, — eine 3eit, aus ber eigentlich nur natunmffenfd&aftlid&e 
©dfjriften von üjm vorliegen. 1744 Ijatte ©eb^arbt ©raf Äepferling, 
roeilanb SBolfenbfittelfd&er ©efanbter am Petersburger £ofe unb belannt 
burdf) feinen Slnteil am ©turje Sironö, bie Sftautenburger ©üter bei 
Xilftt gefauft***) unb biefelben mit feiner fünfjebnjäljrigen ©emablin, 
Äaroline E^arlotte ©räfin £rucbfefe, balb barauf bejogen. 3Son i^ren 
beiben ©öfjnen, ben 3ögüngen t)on Äant, ftarb ber ältere im 3rren- 
baufe, ber jüngere 2übredf)t Qo^ann Dtto, mein ©rofetmter, erbte ba* 
ÜRajorat Siautenburg. Slfe Rant -Mautenburg Herlieft, mar biefer erft 
adjjt, fein älterer Sruber erft jetyn 3ab rc alt. 2lua ben gfcagmenten 
Äantifdfjer ^ßäbagogif ift ju entnehmen , bafc er eö mit fefjr jungen 
3öglingen ju tljun gehabt b<*ben mufc. Seine Sejiefjungen jur ©räfin 
Caroline @E)ar(otte finb ftetö freunblidfje geroefen. Äant ^at gefagt 
„t>on biefer 25ame ^abe er erft bie Äunft feiner Unterhaltung gelernt''. 
$n einem Sriefe an tyren jroeiten ©emabl, ben 9lei<f)ägrafen £einrid& 
©f)riftian von Äegf erling f), beifjt efi: „Staut bat bei mir gefpeifet." — 

Selber fanben ftdf) in SRautenburg feine anbern Briefe t>or, bie 
von 5tant ©rmäbmmg tljun, unb icfj sermute, n>a& t>on ben papieren 
nid)t oernid^tet ift, mufe fidf) bei ben @rben ber ©räfin ftepferling, geb. 
Don ÜWünfier, jroeiter ©ema^lin meines ©ro&uaters, terftreut finbentf). 

@ö finben fidE> unter ben Stautenburger papieren t>erfdfjiebene 
pbitofopbiföe Slbbanblungen, unb bie junge, geiftoolle ©räfin Äaroline 



*) Sergt. Äuno gifa)er, ©efc^ic^te ber neueren $9Uofop$ie, 8. Staffage, 
3. »b., 8. Aap., ©. 52, »togr. 9toa)r. 

**) SRein Stoter §at nueberfcolt feinen älteften ©ruber, ben ©rafen Dtto 
äepferftng, 9Rajorat3ljerm gu SRautenburg, befudjt, unb Bei biefer (Megenljeit 9faxa> 
forfdjungen naa) Äantö 3lufent§alt bafelbft angeftettt. 

***) gtir biefe Anläufe im preu{jifa)en Staate er§o& tfjn gtiebria) b. ®r. mit 
feiner 2)efcenben$ in ben (Stafenftanb. 

f) ©o$n bei rufftfa)en SBotfd^afterö SReia)8grafen ^ermann Statt von Kepfer- 
fing, <£r lebte ben größten Seil beö 3a|)reö in Königsberg, reo er glänjenbe gefte 
gab unb aua) viel mit Scannern ber 2ßiffenfa)aft t>er!el)rte, tüte Hamann, $ippe( 
unb oor allem mit ftant, nroljer aua) bie grofce $ere§rung biefed ^Uofop^en in 
meinem groj$öäterIitt)en unb cäterlic^en ipaufe ^erftammt. 
tt) 2öa$rfd)einlia) in Äurlanb. 

9lnmerlungen ber §erau8ge6erin. 



— 69 — 

Charlotte fc^eint baft leb^aftefte ^ntereffe für ^p^ifofop^ie gehabt ju 
Ijaben, ba biefc ©dfjriften fc^r elegant abgefdfjrieben finb. 3"™ SCeil 
mögen ed 2fo$jüge fein auö ©ottfcfjebfc^en Sortefungen, meHeidfjt aber 
finb audfj barin Staublungen bes jungen ftant enthalten. Seiber 
fehlte jeber äußere anmalt, um biefe ©Triften ftant jujuf ^reiben, 
unb §u innerer SBürbigung berfelben ^at. mir bie 3*t gefehlt. 2te 
fonberö merfroürbig erfdjjien mir eine 2lbf}anblung, bie üon ben Hiu 
tieften ©erfd&iebener ©djriftfteDer über 3«* unb 9taum tjanbelte unb 
bie re$t unterljaltenb begann. SBenn von einem 3ö0fot9 c Äairti in 
Sautenburg bie Siebe fein fann, fo ift eö pddftenä bie eble au** 
gejeid&nete Oräftn Äarolme G^arlotte geroefen unb ba^er roare tyre 
Äorrefponbenj gewiß für biejenigen nridfjtig, bie ben ©nttmcfelungä* 
pfjafen &ant* nadftfpüren. 

35a mein 33ater 1794 in bie ftönigftberger Unfoerfität eintrat, *. *<*. im. 
als stud. cameraL, fo fjat er ala foldfjer t>on ftant unmittelbar nidfjt 
triel fyaben fönnen, um fo mefjr aber von beffen Schüler unb ftollegen 
^Srof. Äraufe, ber im #aufe befi Stifters Don SRautenburg ^audle^rer 

getoefen war 2Retn @roßt>ater ftubierte in ftönigfiberg 

roäljrenb ber 33lüte ftantifd&er 3Sorlefungen über ©eograpljie unb 
Anthropologie, bodf) uor ber ©ntbeefung ber fritifdfjen ^p^ilofop^ie. 
Äant blieb ber £au*freunb ber SRutter unb bes Stiefoaterft nad) 
feiner 4?auftlef)rerjeit. einigermaßen fann, benfe id&, mein ©roßüater 
ein Sdfjfiler ftantö Reißen. ... 



PtafMtftfffll* Pladi0l00fe im* Ksttgtmt (1883). 

(Schlaf unb £raum. Seele.)*) 

6. $uü. — ©ö feljlt an einer brauchbaren pfpd&ologtfdfjen ®r= $a» Bereiten b« 
flärung über benjenigeu 3 u ft ai ^/ btr\ man ©dfjlaf nennen muß. äöenn *° mt m 6 * Iflf " 
feine ©inbrüdfe ber, ben 9Kenfdf)en jur S^ umgebeuben SÖelt if)m 
jur ftenntniä gelangen, fcfjfäft er. Sabei fann er aus ben iljm früher 
jugeteiteten ©tnbrücfen, bie Spuren Ijinterlaffen Ijaben, eine befonbere 
(gerinnenbe) SBelt um fid) fefjen, ber gegenüber er mit oollem ©elbfc 
beroußtfetn fü^lt, tjorftellt unb null, — wenn and) in maneben 33e- 

*) Um ben Stoff ni$t ju jerirennen, fjabe t$ bie 3luf§etdjnungen aut bem 
9Jtonat 3uli über Sdjfaf unb bräunt öorauägefdjicft. 



— 68 — 



Änljcmg pwn 16. Anguß 1882. 

»io0Ta^if4d «Siumauuel Äant*) ift in 9lautenburg **) bte 1755 £auälef>rcr 

il e? Äi^w?" 1 bei einem ©rafen Äegferling , roaljrfdfjeinltdf) einige 3a^re lang gc- 

toefen, — eine 3^*/ ÖUÖ & er eigentKd^ nur natumriffenfdjjaftlicbe 
©djriften von ü>m uorltegen. 1744 tyatte @ebl>arbt ©raf ftcgferling, 
roeilanb 2Bolfenbüttelf<$er ©efanbter am Petersburger £ofe unb befannt 
burdf) feinen Anteil am ©turje Sttronfi, bie SRautenburger ©üter bei 
Xilfit gefauft***) unb bief elften mit feiner fünfjel>njät}rigen ©emaljlin, 
Äaroline Charlotte ©räftn 2xudf)fefe, balb barauf bejogen. 3?on ifjren 
beiben Söhnen, ben 3 ö glingen t>on Äant, ftarb ber ältere im 3rren= 
fjaufe, ber jüngere älbred&t Sodann Dtto, mein ©rojstmter, erbte ba* 
SDtojorat Siautenburg. Site Äant 9toutenburg ©erliefe, mar biefer erft 
adfjt, fein älterer Sruber erft jefjn 3atjre alt. äuö ben Fragmenten 
Äantifdjer ^Jäbagogit ift gu entnehmen, bafj er eä mit feljr jungen 
3öglingen ju tljun gehabt Ijaben mufe. ©eine Sejie^ungen jur ©räfin 
Äaroline Gfjarlotte finb ftetö freunbfidje gemefen. Äant l>at gefagt 
„von biefer 25ame Ijabe er erft bie Äunft feiner Unterhaltung gelernt". 
$n einem ©riefe an tyren jroeiten ©emal)l, ben 9leidf>$grafen £einrid) 
<Sf)riftian von Äepferling t), Reifet eö: „Äant §at bei mir gefpeifet." — 

fieiber fanben fidj in 9lautenburg feine anbem ©riefe t>or, bie 
Don Äant Snoitymmg tljun, unb id) vermute, roaa oon ben papieren 
nid^t t>ernid)tet ift, muß fidf) bei ben ©rben ber ©räfin Äepferling, geb. 
oon SKünfter, jroeiter ©emaljlin meines ©rojnmterö, üerftreut finbentf). 

6s ftnben ftdf) unter ben SRautenburger papieren oerfebiebene 
p^ilofopbifd^e Sbfjanblungen, unb bie junge, geiftooHe ©räfin Äaroline 



*) SBergl. Äutto gfifa)er, <Stefa)ia)te ber neueren $$Uofop$ie, 3. Auflage, 
3. ©b., 3. Kap., e. 52, »iogr. 9laa)r. 

**) SRein Sater tyat roieber^olt feinen älteften ©ruber, ben (trafen Ctto 
äegferling, SRajoratäljerrn flu SRautenburg, befugt, unb bei biefer (Gelegenheit 9toa> 
forfdjungen nadj Äantö 2fafent$aft bafelbft angeftettt. 

***) gür biefe 2ln!äufe im preuj$ifa)en Staate er§ob Ujn ftriebria) b. ©r. mit 
feiner 2>efcenben$ in ben (Stafenftanb. 

f) ©o$n bed ruffifa)en 93otfa)afterö SReia)8grafen ^ermann Äarl von Äe^fer- 
ttng. ©r lebte ben größten Xeil beS 3at>re$ in Äönigäberg, too er glänjenbe gefte 
gab unb aua) otel mit Männern ber Sßiffenfc^aft üerfeljrte, wie §amann, Qippel 
unb cor allem mit Äant, rotier aua) bie grofje Sere^rung biefeö $$i(ofop$en in 
meinem grof$üäterlia)en unb x>äterlia)en §aufe fjerftammt. 
tt) 2öaljrfa)einlitt) in ßurlanb. 

2lnmer!ungen ber Jperau&geberin. 



— 69 — 

GfKtrfotte Weint ba* lebljaftefte Qntcrcfjc für Sßt)UofopI)ie gehabt ju 
Gaben, ba biefc ©driften feljr elegant abgefdfjrieben finb. 3 um ^eil 
mögen eö 2tu$§üge fein auö GJottfd&ebfdfjen SBorfefungen, metteid&t aber 
ftnb audj barin Staublungen be$ jungen Äant enthalten, Seiber 
fehlte jeber äufeere Sln^alt, um biefe Schriften Stant jujuf d&reiben, 
unb ju innerer SBfirbigung berfelben fjat. mir bie 3eit gefegt. Ste 
fonber* merfrofirbig erfdfjien mir eine 3lbf)anblung, bie oon ben 2hu 
ftdrten oerfd&iebcner ©dfjriftfteüer über 3eit unb 9iaum Rubelte unb 
bie re$t unter^altenb begann. SBenn oon einem 3öglinge ftantfi in 
ftautenburg bie Siebe fein fann, fo ift e& fyütytem bie eble aus? 
gejeidfaete ©räftn Caroline Charlotte geroefen unb baljer märe tyre 
Horrefponbenj geroifj für biejenigen nridfjtig, bie ben ©nttoidelungds 
pfjafen ftantft nadjf puren. 

$>a mein SBater 1794 in bie ftänigdberger Untoerfttät eintrat, *. *«*. 1W2. 
a(ft stud. cameral., fo t>at er a(a folcf)er oon &ant unmittelbar nidjjt 
oiel tyaben fönnen, um fo mtfyv aber oon beffen Schüler unb ftottegen 
s ?rof. Äraufe, ber im £aufe beft Stifters oon Slautenburg £aualeljrer 

getoefen war 2Rein ©rofcoater ftubierte in Äönigfiberg 

roa^renb ber SHüte Äantifdber 33orIefungen über ©eograpfjie unb 
Anthropologie, bod& oor ber (Sntbedfung ber fritifdfjen spijüofopfjie. 
Äant blieb ber £auäfreunb ber SWutter unb bes ©tiefoaters nad) 
jetner £auft(e$rerjeit. einigermaßen fann, benfe idb, mein ©rofcoater 
ein ©d&filer Äantö fjeifcen. 



• • • 



PWctogifttl* pradlö^Ö« unb ßcligimt (1883). 

(Schlaf unb Srauttt. (Seele.)*) 

6. Quli. — ©s fefjtt an einer brauchbaren pftjdfjofogtfcfjen <£r* m settaitm b« 
Karting über benjenigeu 3uftanb, ben man Schlaf nennen mufe. SBenn ° imu m 6 * Iof " 
feine ©inbrütfe ber, ben 9Renfd(jen 3ur 3ett umgebenben 2ßelt if)m 
jur Äenntniö gelangen, fd)läft er. £abci fann er auö ben tym früher 
zugeleiteten ©inbrüden, bie Spuren Ijinterlaffen fjaben, eine befonbere 
(gerinnenbe) SSelt um fidf) fe^en, ber gegenüber er mit ooflem ©elbfc 
berou&tfein füljlt, oorftellt unb rmll, — wenn anä} in mannen Se= 

*) Um ben 6toff ni$t ju jerirennen, §abe i<$ bie 2luf§eidjnuitgen aug bem 
Äonat 3u(i ü&er ©c§laf unb Xraum oorauögefäitft. 



— 70 — 

jiefjungen nidfjt in gerooljnter 2(rt. Qmmer aber gehört jum Schlafe 
Tocfcnttid^ bic gehemmte 3 u ^itung ber frifd&en ©inneäeinbrficfe. 6s 
fefjlt im ©d&laf nid&t baö ©elbftbenmfctfein, ober bie bewußte ftenntnte 
beö gegenwärtigen äfabern! 

2luö obiger Raffung beö ©dfjlafes geljt fjeroor, nrie bie ©inne 
ftd^ jum ©dfjlafe oer^alten. SDaS Sluge fann irf) fd^Itefeen ober in 
3)un!el^eit »erfefeen, bas Dfjr in eine lautlofe Slbgefd&loffenfiett, an 
einen Drt, roo es nid&tö ju fd&mecfen unb ju rieben gibt. SSier 
©inne finb auögefd&lojfen unb bemtodf), ber ©d^Jaf ift mdjjt baburd) 
Ijeruorgebradfjt. S5er fünfte ©inn, ber fid& eben nie auöfd&liefcen läßt, 
eö fei benn burdf) partielle ober totale ©rmfibung, ber ©efü^tefinn 
(im weiteften ©inne, bie Drudk, ©dfjmerjs unb Sßärmeempfinbungen 
mit barunter begriffen), ber madfjt, bafj ber 9Renfd& roadfjt. @r ift 

aas satacwi ift auä) ber ©rtoedfer, wie Sßurfinje es f dfjarffinnig in bem ^atte erf lart, 

too ber faum in ©dftfaf ©efunfene ju fallen träumt. £)aö roieber 
ciufd&iefcenbe £aftgefül)l erzeugte bie Qllufion, baran ftdf) ber geträumte 
%aü fnüpft. @rft xotnn baö £aflgefüf)l fo ganj eliminiert ift, bafe 
ber ©d&lafenbe baö 33ett, toorauf er rufjt, nicfjt meljr füljlt, baö 
Älopfen feines ^erjenö ober ber 2tortiben nidfjt metyr empfinbet, ift 
er red&t eingefdfjlafen. 

ier »apiinn ip ©tcfcr fünfte ©inn ift besljalb in fo aufjerorbentlidjj geringem 

tp^ntoimm am ©rabe Sßf)antaömen beö £räumenben jugänglidfj , wie f etjr er auif 
ii$e©tnn. " QUuftonen ju ben träumen ju liefern oermag*). 6r ift ber rcefffte, 
ber toenigft pfjantaömagorifdje ©inn; weil er bem ©ebädfjtnis wenig 
liefert unb ftetö oon frifd&en ©inbrücfen gereijt mirb. — $)er ©eftdfjte 
finn ift bagegen ein ©inn, ber am meiften im £raum in Sfamenbung 
fommt. 

©ö fdfjeint bamit in 9Biberfprud^ , bafc bei ben ^attucinationen 
ber ©eifteöfranfen baö Dljr in erfter Steige afftjiert mirb. 

«uge unb o$r. 3lber baö fommt, roeit bem SKuge beö machen ©etfteöfranfen friföe 

Sinneöeinbrüdfe meljr geboten toerben, als bem Dfjr. £>ie ^aHucina* 



*) 3$ fann triebet beftätigen, bafj m'ele Sorlommniffe im Xraum fta) babura) 
ertfären, bafj bie ju bem Verlauf ber Vorfälle gehörigen ©efü^Ie ber §aut am- 
bleiben. 3m $raum, a(d ia) )u fpät an ben $o$en ©a)nabei eineä ©c$tff§ ge- 
langte, um in ba£ eben abftofcenbe SanbungSboot aufgenommen au werben, ent* 
fa)tof$ ia) mia) au einem Juanen Sprung ind 3Jleev, jum Ufer f)in. 3)ex (Sprung 
bura) bie £uft gelang rounberbar, aber ber @rfo(g war ^uH. 5Zia}tö empfanb i$ 
unb baa)te, ob baö oieUeidjt gefa)e^en, rceit ic^ umgefommen roäre. 3 nDeä beroegte 
ia) mia) ba(b ganj naturgemäß auf bem Sanbunggplafe unb begegnete bort bem 
(Senator ©tacfelberg u. f. ro. 



— 71 — 

ttotten bea 2luge$ muffen eine größere Qntenfttät geroinnen, um burdf) 
bie ©eftdfjtöbilber ber ©egenroart ntd&t aerbrängt ju werben*). 

21. $uli. — ©inb bie ©inne gefd&rounben, fo ift eö: ©d&laf, 
wenn baä &erj weiter f d&lägt, — £ob, roenn eö ftiffe fieljt. SMe 
Sinne oerbinben ben lebenbigen Seib mit ber SBelt, — bad #erj 
oerbinbet bie Steile beä Seibeö miteinanber. 2)ie ©inne mad&en ben 
äRenfdjen ju ©liebem einer gemeinfamen SBelt, — baö £erj mad(jt 
bie Xcile ju ©liebern eines gemeinfamen Seibeö, ju einem ^nburibuum. 

©Olafen unb ©terben finb ftdf) ttynlidj), roeit beibed ber um* 
gebenben SBelt entrüdft; — fte ftnb fidfj aber audfj entgegengefefct, roeil 
baö ©d&lafen ben 3 u f a mmen!jang bt§> fieibeö erfrifdjt unb fräftigt, 
ber £ob iljn aber löfet unb jerfefct. 

©todft bie S3lutriefetung, fo l)ört augenblidflidj bie SRcroent^ätigs 
feit auf. 3luö biefer @rfatyrungötl)atfadfje folgt, bafc es mit ber S^ätigs 
feit beö ©efjirnö ftdfj nidjjt anberä vergalten !ann. ©ie f)ätt inne, 
fobalb bie Slutberoegung im ©ef)irn ftodft. 2)ie SReroentljätigfeit fe|t 
immer bie SSeroegungen beö Slutes in feinen Sahnen fdfjon oorauö. 
äu<f) ifl ber 93lutumlauf notroenbig für bie @ntftef)ung unb ©rnäfc 
rung aller organifdfjen £eile. SBie fefjr bie SReroen ben 3 u f a ro™W 5 
bang ber Seibesteile oermitteln unb jur leeren ©eftaltung unb 
SMenbung beö inbioibuellen Sebenö notroenbig finb, bie 93eroegung 
ber ©äfte im Äörper unb baö Jperj, als beren SKittelpunft, finb in 
erjier Stelle baöjenige, roaö bte£eile oereinfjextlidEjt ju einem Seibe, 
}u einem 3nbbibuum. 

©rfaljrung le^rt, bafc ber gefunbe 3ßenfdf), laum breimal 24 ©tun? 
ben ununterbrochen, oljne Schlaf, tljätig fein fann : SBarum aber er ©«um \*>m 
föläft, barauf Ijat bie SRaturforfdfjung bisher nodf) leine ftreng ju 
beroeifenbe Stntroort. ©ie mufe ft<$ begnügen, oorläuftg bie begleü 
tenben 6rfdf>einungen t>on ©df)läfrigfeit unb ©djlaf ju beobachten unb 
barauä roaljrfdfjeinlid&fi bie SSerurfadfjung unb SBirtung biefer ßufiänbe 
abzuleiten. 



*) 3n $efau)oI$, $$gflorogie beS ©eftdjtSftnneä, tefe i$ bereits ba3, xotö io$ 
glaubte erbaut ju $aben. $)a§ ©elbft unb baS 2lnbre ftnb ju ben @rf$einungen 
fteagend unb Sgentien. ©ie $aben, abgefe^en von ben SÄeaftionen, feinerlei ©igen- 
föaften. 9ta ft$ ftnb e8 nur abftra^ierte ^otenjen. 3)a^et fommen i^nen feine 
anbero ©igenfäaften ju. 3)a8 $)ing unb bad ©clbft an fto$ $aben aujjer ber 
ftealtion leine anbern (Sigenfd^aften. 2)er (Stoff o^ne Bewegung ift nic^t, unb bie 
ftraft o^ne Stoff aufy nic^t. SBetoegung fe^t aroeierlet abftra^ierbare ^otenjen: 
Stoff unb Äraft, — fomie (Srfdjeinung : ©eele unb Seib. Sie ©eele ift ein Grafts 
Phänomen. 



— 72 — 

5rü$eK *nfld>t : (Sinft founte man wegen ber £age, bie ber 3ßenfdf> gern im 

bei l uegenber i'üße Schlafen annimmt, ba fie bem äbflufc beä Bluteö aud bem Kopf 

übe'SfüDunS bei weniger günftig ift, als bie aufredete Stellung, aermuten, ber ©d)laf 

e * irnB * wäre wm einer oerljältniömäftigen 2tnftilhmg ber Blutgefäße be* 

Äopfed begleitet. 2)rucf auf baä ©eljirn braute in feiten §ur 33e~ 

obadfjtung geeigneten unb gelangten fallen wirftidd Schlaf Ijeroor, 

unb fdj>ien bie annähme §u betätigen, ^ftfofern ber 3)rucf eine 

Stodhmg in ber Blutriefelung im ©e^im bewirft, toirb ber Drutf 

gewiß audf) bie £f>ätigfeit beä ©eljirnd beeinträchtigen. ©r (ann jur 

Dfinmad&t führen. 9tber bie birette Beobachtung ber ftapiHargefäfte 

an ber Dberfläd&e beö ©efiirns tyat eine Beränberung biefer änftdjten 

e^orofonn- notwenbig gemadfjt. Befonberö leljrreidjj ifi, bafc wäljrenb ber €f>(oro? 

f ormnarfof e junäd^fi allerbingö eine SRötung ber ßtrnoberfläd&e toafn^ 

genommen toirb. 35ie Blutanfjäufung bärfte bie 3irfuIation erfd&weren, 

unb fülpt jur Hemmung, jutn £obe, wenn bie ©inwirfung ju lange 

fortgefefct wirb. $ört fte früher auf, fo ftefft fidfj bie Äeaftion ein. 

3)aä aufgeftaute Blut fliegt befd&leunigt ab, eft tritt Bläffe ber &inu 

oberfläd^e, oerfjältntemäjjige Blutleere ein. 3)ie bem äbflufc mitge^ 

teilte Bewegung fegt bie Blutmenge in ben kapillären unter bie 

normale gütte l>erab, aber Ijemmt itjre Bewegung nid&t meljr, nrie ber 

oorüberge^enbe Drucf in ben oor^er gebadeten fällen, ®fi tritt ber 

tiefe ©d&laf ein, mit £raum unb metft aufgehobenen Sinnesempftm 

scr e«iof ifi im bungen. — 35er natürliche ©dfjlaf, baö lefjrt bie birefte Beobachtung, 

berbXiBmäfeifler ift mit oertyältniömäfciger Blutleere oerbunben, unb wenn ber rafd> 

©Ä* aus bem ©<$laf auffpringenbe aJtettfrf) juweilen wie bie 2fawanblung 

tum ©dfjwinbel ober D^nmad^t oorübergetyenb empfinbet, ift ba* burdb 

ben fdmeUen Sfticfftrom, ben einzelne ©toefungen begleiten fönnen, 

woljl }u erflären. 

©ine weitere Beleuchtung be* Problem* oerbanft man ber, in 
woffoe ©otumen. beö Sßrofefforft Subwig ^nftitut burdf) ben Italiener SRoffo jur Äuös 

bilbung gelangten Bolumen meffenben 9Retljobe. ©s ergab ftdb, baft 

bie ßptremitäten beim ©infcblafen an Bolumen juneljmen, unb bafj ftc 

im wachen 3 u ft an ^ e um f° m ^ r lieber an Bolumen abnehmen, je 

angespannter bie 2lufmerffamfeit würbe; es naf)tn baö Bolumen beö 

Unterarms 3. B. metyr ab, wenn ©ried&ifcb als wenn Satein gelefen 

sjai ©e^im iiebt würbe, £)a§ ©eljirn jiel)t meljr Blut ju fidb, je weniger bie ©d&rift 

«nfirenBun ß b me^t iljnt geläufig ift, bie gelefen wirb. 

»tut an tf • 2g- r ro jjy en ^ ^ j U e i ner 2g a f)me^mung utd^t mir bie 2tuffaj]ung 

»«.robuftiüii bes ßinbrudfö gehört, fonberu mau mu§ ifju aud^ reprobujieren unb 

tineß (£inbrudö. • c * er- r c < '< r*> * fj. • c 

wieberertennen. &q miiB bager oon üjm eine ©pannrraft tn ber 



— 73 — 

betreffenben £imjeße verbleiben, ein SRcfi, ber mieber unb wieber bem 
Santmelort ber Ginbrücfe, bem ©elbft jugefüljrt werben tann. Um 
biefe Spannkraft, biefe 33ebung, bie fid^ bem ©elbft afe ein ©egen* 
ftanb aufcer ifym barftellt, in ber betreffenben &%* ju fijieren, fo bo§ 
fie nidf)t mit bem Slfte ber erften SBaljmebmung oerbraudfjt wirb, be* 
barf ed einer gefteigerten 2$ätig!eit, bie mit Slutjufufyr jufammen- 
(längen bürfte. aber biefe ©pannfraft fann bodf) nur fo lange jus 
geführt werben, ate bie Sebung in ber betreffenben >$tUt einer gewiffen 
Steigerung fä&ig iffc. 3ft bad 2Jtayimum ber Sabung erreicht, fo Ijört 
naturgemäß bie ßmpfänglid&feit auf. 

®er wadjje 3uftanb erforbert nadf) biefer äJorftettung eine gewiffe 
©mpfängfidjfeit berjenigen 3ieroenf örnd^en , ju benen bie gafem ber 
SmpftnbungdnerDen mit ifjren inneren (Snbigungen reiben. Söerben 
einem folgen jentralen Jleroenfömd^en meljr SWeije jugefü^rt, als eä 
aufjune^men Dermag, fo t>erfagt es ben $ienft. 3k SJejug auf biefen 
Seij würbe Unempfängfidfjfeit eintreten unb wenn biefe ficö über einen 
grofjen Xcil ber ©inneöempftnbungen verbreitet, ©d&laf. 

3laä) biefer 33orfteHung ift bad eintreten beö Ijgpnotifd&en ©dfjlafe* s« t^nott^ 
bei anljaltenber mäßiger SReijung eines gmpfinbungftneroen ju er- einjeWn ««Sa. 
Mären — fobalb nur bie Slufmerffamfeit oon ben übrigen ©inneß; i£% antwietk, 
entpfinbungen abgezogen werben fann. £er fjtjpnotifc&e ©d&laf unter* 
(Reibet ficf> oon bem gewöljnüd&en aber burd) feine ©infeitigfeit. Einige 
ber centralen ©inneöjellen finb burdf) Ueberfpannung gehemmt, bie 
anbern burdf) Sfolierung von jenem ©ammelplafc, ober jener ©elbffc 
Seile, auf bie alle übrigen &t\ltn in gewiffen Sagen inbuftioe (!) 
SBirfungen üben tonnten. SRed&anifdf) twrgeftellt tann man von einer 
gewiffen Sage ber ©elbfijette fpred^en, bie erforberlidf) ift jur ©inwirfung 
gewtffer anbrer Jlervenjellen — PlWfdjj gefprodEjen ift bie äufmerfc 
famfeit im ©piele. <3m $9PHOtiömuS fd&läft man ein wegen ber Un* 
aufmerffamfeit auf bie anbern ©inneöreije unb wegen ber Heber* 
fpannung beö SRetjcs, bem bie 2lufmerffamfeit fidfj juwenbet. 9Jun 
fann es leidet gelingen SBorfteUungen burd) 3tuge unb Cfjr wieber ju 
erregen, inbem ber 3lufmer!famfeit nadf) biefer Seite f)in etwas 3Sor= 
fd)ub geleiftet wirb. Sie anbern ©umesempftnbungen, infonberljeit 
biejenigen bes ©efüf)lsfinnes, bleiben ifoliert. 

4. 3an. — 3tQe <£rfenntnistl)eorie*) Ijat mit ben SBorbebingungen 2* enenntme. 
bes ©rfennens ju beginnen. 3lber audfj ba [äffen ftdf) bie ©lemente, '^Vemdnen 11 

(jrfafjrunfl 
beginnen. 



ber 



*) (sine pf9$o(ogif$e ©tubte über ben ^raum müfjie jeber 6rienntni3tf>eorie 
oorangefc^icft werben. &u erflären wäre, warum bie Erlernungen beS XramneS, 



_. 74 — 

erft am ©dftfufc bcr Unterfudfjung, erlernten, im ©egenfafe jur SJlat^e^ 
matif, wo jte al8 felbftoerfiänblidf) für jebeft normale 2>enfen voran- 
geftettt werben fönnen. (ftant — SJkäcal!) ©ö foHte baljer bie ®r= 
f enntniötfjeorie mit ber gemeinen Erfahrung beginnen, bie materiaUftifd) 
üerfä^rt. 3Me SWaterie als gegeben, bie SBaljrnelnnungen als von ben 
fingen felbft, nidfjt blofe t>on iliren SBorfieffungen geltenb angefefjen, 
weld&eä fiub bie materiellen SBorbebingungen alle* ©rfennenö? 
(5ut>ier übet bot SQBic meit füfjrt bie materialifttfd&e Unterfud&ung, bei ber nidjt ju 

oergeffen ift, waö ©umer im rfcgne animal in ber Anleitung fagt, 
bie uerbient in ifjren £auptfäfeen wieberljolt ju werben. 3)enn ©inner 
mad^te fdfjon Ijier eine 3ufammenfteQung, bie in furjen ©äfcen bie £ier 
geftettte aufgäbe beantwortet. 25a {jeifjt eö: 

„2)er 3Raterialtemuö ift eine um fo meljr gewagte £t>potl)efe ate 
bie Sßtyilofopljie feinen bireften 33emeiö oon ber wirflidfjen ©riftenj ber 
SRaterie ju liefern vermag, ©uo. I., pag. 40, R. A. 1839." 
unterbliebe 2lnmerfung: ©in SBergleidjj jwifdfjen Xraumbilbern unb Stamm- 

unb©a*en. gebanfen* unb SBatyrneljmungen nebft ©eifteöttyätigfeit beft 3Renfd>en 
im normalen, wadjjen 3uftanbe, ^t jweierlei Äennjeid&en ergeben für 
eine ©fiftenj, abgefetyen oon ber SBorfteffung. 

1. Stetigfett ber Senf* unb StnfdEjauungöformen. 3fm 
Xraum löfen fidfj bie Slffociationen ber SBorfteffungen rafdjj ab, t^re 
Sterfuüpfungen fjaben feine ^ntenfität unb fjaften nidfjt im ©ebädjjtnte. 
©s fdf)winben fd&nett bie fiolQen ber £raumtyanblungen, fie [äffen feine 
©ewiffenöbiffe, benn beim ©rwadfjen ober beim SBecfjfel ber Stratum 
bilber wirb bie ^olge nidfjt mefjr für möglidfj gehalten, bie ÄaufaU 
reifje lä&t fid& nid&t oerfolgen. Drt unb $t\t un b ©rfdfjemungen 
wedfjfeln unauffjaltfam, ofjne genügenben äfalafe. SBenn ftd() bagegen 
im wachen 3 u ft an ^ c bie SBorftellungen nid^t oerbrängen laffen, bie 
Staufalretyc in ©wigfeit ntd&t unterbrochen werben fann, Drt unb 3eit 
unb was fie erfüllt, nie oljne jureid&enben ®runb geänbert werben 



obwohl 2lppre(jenfion, SHeprobuftion unb SRefognttion unb 3bentität unfreS Setbft 
babei tljatig finb, feine GJegenftänbe ber richtigen Grfenntnte bieten fönnen. (£3 
bürfte ben träumen ein Clement festen, ba3 bie 3lffociation ber @rfa)eimmgen 
na$ richtiger Affinität hervorbringt, $iefe3 Clement ift ber 3ubrang ber frifdjen 
©inbrüde (Steaftionen) jur Stppre^enfion. £te frifü)en Ijemmen boö Vorbringen 
ber früheren reprobuftiblen naa) heterogener Affinität. 3)a fann ber Söiffe bie 
>2lufmerffamfeit fefjeln gerabe auf biejenigen (Sinbrücfe, bie er ju »erfolgen ft$ 
oorfefct. Ober: $)ie <3tetigfeit fommt aud betn 92ia)t:3a) unb gewinnt immer roieber 
(Erneuerung burc^ 2öieber^olung b e r f e t b e n SReaftion ^nrifc^en 34 unD ^4 t= 3^ 
of)tie we(ä)e bie Siefognihon von furjer Stauer bleibt. 



— 75 — 

fönnen, fo ift baö bic äBirhmg ber toad&en ©imte. $ie ©eele ift, auf 
fidj felbft angenriefen, außer ftanbe, eine bleibenbe SBelt barjuftellen 
— aber, fobalb üjr bie bejfiglid&en, finnlid&en 2BaI)rnel)mungen ju? 
gänglidfj ftnb, flauet fte ben unenblidljen ßimmel, mit ben um>erän* 
berli<$, für bie (Snrigfett georbneten ©ternen, oerfpürt fte bie unauös 
löfd&lidfje 23erantroortlid)feit für ifjre ßanblungen. 35iefc ifjr von außen 
fjinjugetragene geftigfeit muß oon einer äußeren aRad&t fommen, 
bie nrirflidfj ejiftiert, unb bie wir «Stoff ober SRaterie nennen. 35er 
jtoeite Unterfdf)ieb jwif^en Sraum unb 2Birflid[)feit liegt in bem £aft= 
geffiljl. ©cljon in ber 31iaö*) $eißt eö: 

„2öie man im Xxaum machtlos ben gtte^enben ftrebt ju Derforgen, 
9K<$i f)at biefet bie 9Wac$t )u entffte$n, noc$ ber 311 verfolgen: 
©o tonnt' er nu$t $afc$en im Sauf, no$ enteUete jener. 44 

ätte Seroegungen, bei benen wir 2)ru<f empfmben fotten, bringt a>a» 3>nur«efü&i 
ber iEraum unrollfommen ju ftanbe, ober gar nid)t. 3)aft SDrudk unb umkommen. 
9htöfe(gefü$l ift eben nidfjt bur<$ ^antaömen gut ju reprobujieren. 
daraus erflärt jxd(j, baß ein blinber Äfaoiertrirtuoä oft Söhifif im Xraum 
fjörte, tote er mir gefagt f)at, felbft aber nidjt fpielte. ©arauö erffärt 
ftdj bie glugberoegung im Traume, weil ber mangelnbe ©rudf auf 
bie ©ofjle ju ber ^ttufion veranlaßt, baß eine anberartige Orts* unt«web 
betoegung erfolgt ift. 35arauä erflärt fidb, baß man im £raum fo m£ sSumm als 
oft fid) nidfjt anftänbig gef leibet oorfommt, ober wenig befletbet; man erfa&runiwrft. 
reprobujiert nidfit bie ©rudfempftnbung ber ftleiber am Seibe. S)amit 
Rängen, jum 5Tcit menigftenö, bie träume jufammen, baß man nid£)t 
fertig wirb unb allerlei Verlegenheiten erlebt; bamit fjängt jufammen, 
baß man in ber Siegel nidfjt auf ber ßnfenbafjn ju fahren träumen 
fann. 3)ie furjen, erfdfjütternben, roenn audf) geringen ©töße, laffen 
fidjj nidf)t träumen. £>er ©ireftor ber franjöfifdfjen Sftorbbafin fagte 
mir einft auf meine Stnfragc: „Sonberbar! mit einem 35aHon in bie 
Suft bin idfj im £raum gefahren, roas idfj in 2öirflidf)feit niemals 
getrau ; bagegen, roaö idfj in SBirf lidf)f eit tägfidfj tljun muß, per @if en= 
baljn fahren, fyabt idfj nodfj nie im Eraum getljan." — 2)aö Sffiteber- 
ertoadfjen mürbe audE) ntdfjt gut gefingen, wenn eö nid^t geroiffe 6m- 
pfinbungen gäbe, bie barüber feinen 3™^ foff cn / & a ß fi c & cr 3ö^t 
bes Trauma nid^t angehören fönnen. ©ö erroedfen jroar Saute unb 
Sidjteinbrücfe, aber auägefdfjloffen ift nidfjt, baß fie erft guefungen, 
geringe SRuöfetbemegungen beroirfen, bie SrudE unb aKuöfelgefü^l ^er= 
oorrufen, fo baß ba§ ©rroad^en eigentlich immer burd) ben ©efül)t§= 



*) ®efang XXII, ». 199. 



— 76 — 

finn vermittelt nrirb. 1. 2)ie ununterbrochene geftigfeit ber 
ÄaufaKtät beö ganzen SBeltbübeö in un§>. — 2. $ie SRuftfct, SDrucfc 
unb 2?aftgeffil|le an und ftnb erfatyrungömäßtg leine $Taumprobufte. 
@ö ift bo^er nidjt otyne @inf dfjränf ung , baß man gelten fajfen fann, 
roaö ber 93egrünber ber mobernen Sßl>üofopl>ie in feiner ewig benfc 
roürbigen erften 33etrad>tung über bie Philosophie premi&re fagt: je 
vois si m&nifestement, qu' il n'y a point d'indices certains, par 
oil Ton puisse distinguer nettement la veille d'avec le sommeil *) ! 
— ßö gibt untrügliche 3ftdjen für baö SBadjen: geiftig bie 5tontt- 
nuität, finnlic^ baö ©efüljl. 2luö ber ©rfatyrung fenne id) 
bemnadj eine ftofflid&e 2Belt; tyre ©fiftenj ift mir fid>er, aber iljre 
xaö mim bes 33efc3baffenbeit unbetannt. 2>aö SBefen beö Stoffs ift mir gätnlid) 

Stoff«« ein , . u 

öc^eimniß. getjetmmöüou. 

Gwrier fagt weiter a. a. D. : 
3fortfeijunß Don „2)amit baö 3$ wahrnimmt , bebarf eö einer ununterbrochenen 

SWeruenoerbinbung jnriföen bem äußeren ©inneöroerfjeug unb ber 
jentralen 9Rarfmaffe. 9tur bie älenberungeu in biefen SWaffen nimmt 
baö $6) roaljr, unb eö fann ©inneöempfinbungen geben, bie in Ijo^cm 
©rabe nrirflidf) ftattfinben, bie, fei eö in ber 9iert)enba^n ober in ber 
3entralmajfe felbft entfpringen, oljne ©rregung beö äußeren Sinnet 
organö; baö finb Xräutne, Sttfionen ober genriffe jufällige Sinneö- 
empftnbungen. . . . 

„Unter 3 cntta ^ na ff e meinen nur einen %t\{ beö Jleroenfpfiemö, 
ber in bem 9Jlaße enger begrenjt ift, alö baö Xter ooWommener ift. 
3m üWenfdfjen ift eö nur ein befd&ränfter £eil beö @et>irnö, aber 
in ben Steptilien ift eö fdfpn @el)irn unb SRüdenmarf oaUftänbig. . . . 
2)ie 2luöbel)nung ift uo<$ größer in nieberen Vieren. 

„2)ie ^Jerjeption burc^ baö 3$ bringt baö Silb beö ©inneö- 
einbruefö Ijeroor. Xit Urfadfje beö ©tuneöeinbrucfö oerlegeu wir 
außer un^, unb f Raffen unö fo bie ^bee oon bem ©egenfianbe, baö 
tfjn tyeroorgebracljt fyat. Vermöge eineö nottoenbigen ©efefceö unfrer 
anteiligen} finb alle ^been förperlidjer ©egenftänbe in 9taum unb 
in 3<*t. 

„Sie oon ber SDiarfmaffe empfangenen 3)tobiftfationen ^interlaffen 
barin ©puren, bie fid) reprobujiereu, unb rufen im ©eifte bie Silber 
unb ^becn jurücf; baö madfjt baö ©ebädjjtniö auö, ein förperlid&eö 
Vermögen fefjr oeränberlicfier 3Crt nadf) 3llter unb ©cfunbtjeit. 



*) „34 f e *J e offenbar, bafe e$ feine fidleren Äenn§eidjen gibt, um mit Gferotß: 
f)eit baö 2L*ad)fein t>om Sdjlafe $u unterf Reiben." 



— 77 — 

„Sie Qbeen affo eueren ftdj nad& 2(e^nlid&feit unb ©letdfrfeitig* 
feit. Sie Drbnung, ber Umfang unb baä Sereitfte^en bicfer äffociatiou 
m«$t bie 33olIfommenl)eit beä ©ebädfjtniffe* aus. 

„Sie ^ntelligenj (einfielt) permag bie nebenfädfjlid&en Sbeen 
von ben ©egenftänben ju trennen, unb biejenigen, bie ibentifdf) in 
mehreren ©egenftänben angetroffen werben, ju einer allgemeinen $bee 
ju Bereinigen, beffen ©egenjtanb fidf) nirgenbö fxnbet unb ntd&t ate 
etwa« ©njelnes ber SBorfiellung fidf) bietet. Sa* ift bie 2lbftraftion. 

„Sa bie ©mpfinbungen meljr ober toeniger angenehm ober un= 
angenehm finb unb bemgemäfe erftrebt ober oermieben werben, ah 
[tradiert man auö tynen Regeln für ben Söillen. 

„Sa biß folgen t>on ©mpfinbungen angenehmer 2lrt unangenehme 
fein fönnen ober umgefefjrt, fo oeränbert baä bie abftrafjierten 2Bittenä= 
regeln (oermöge ber 2lffociation oon ©mpfinbung unb $olge) unb baö 
matyt bie 33orfid)t. 

„Sie Slmoenbung ber Siegeln auf bie allgemeinen (abftraften) 
3been mad&t bie Vernunft auö. 

„®ine lebhafte ©rinnerung ber ©mpfinbungen (primäre ober burd& 
2ljfociation ^injugefommene) mad&t bie ©inbilbungöfraft aus. 

„6in beoorjugteö SBefen, ber 2Kenfd&, fann feine allgemeinen 
3been (SSorftettungen) mit mifffürlid^en 3*id&en (oerfoppeln) affoeiieren." 
— Sas fü^rt jur ©pradje unb ©djrift. 

„Sie ooIHommenften £iere fte^en intetteftuell unenblidf) tief unter 
bem ÜRenfdfjen, bodf) ift eä genrifj, baß iljre anteiligen j 5Berrtdf)tungen 
»oHfüfjrt berfelben 3lrt. 

„9Rit einem SBort, in ben leeren Vieren bemerft man einen 
©rab oon Vernunft . . . ungefähr wie bei Äinbern, e^e fte ^aben 
fpred&en gelernt. 

„aber in oielen Sieren gibt es ein oon ber ^nteHtgcnj untere 
fdjjiebeneö Vermögen, baö man Qnftinft nennt. 

„2Ran fann fidf) anberö feine flare SorfteHung oom ^nftinft 
madfpn, als wenn man annimmt, bafc eö in ifjrem Senforium an= 
geborene Silber unb aSprfteHungen gibt, fonftanter 9totur . . . eine 
3lrt Eraum ober SBifion. 

„Ser ^nftinft fyat fein fidfjtlidf)eö SDierfmal im Sau beö Siereö, 
aber bie Qntettigenj, fo oiel ftdf) beobad&ten lä§t, fte^t in einem feften 
SSerffältnid gu ber ©röfje beä ©efjirnö, namentlich ber &emif paaren." 

Saß ift bie Gumerfd&e Slnfidfjt. Offenbar trennt er baä ©ebädfjt* 
nte ate ein förperlidfjes Vermögen oon ben anbern Seelenoermögen. 



— 78 — 

2iffe treten in SBirffamfett in Skranlaffung ber oon ber ©innlid&feit 
gebotenen Materialien, aber uadfj eigenen ©efefcen. 35aö ®ebädjt= 
nid gibt ben ©toff Ijer, baran bie ftntelligenj afe abflraftionö^ 
vermögen arbeitet. Sie ftnnlid&e (Smpfinbung bietet ben (Stoff, aus 
bem toieber bie ^nteffigenj SBiffenöregeln jie^t. 3)ie SBtffenSregeln, 
angetoanbt auf bie mit iljren 5°tß en jufammengefafeten (Smpftnbungen, 
erjeugen bie prudence, bie Älugljeitöregeln. ©ie &lugf>eiteregefn auf 
bie affgemeinen Qbeen, auf bie Sbeale angetoenbet, mad&t bie 35er= 
nunft auö. 

3m 2Renfd&en ift ber ©iß ber geiftigen £f)ätigfeit jirfumffripter 
ate in ben Vieren, namentlich nur auf einen £eü ber £immaffe 
befd&ränft. ßuoier meinte oieHeid&t auf bie £emifpl>ären. 



Sofjannes SRütler in feiner Sßtjpfiotogie beroeifet junädfjft, ba§ nur 
bas ©eljirn, unb fein anbrer Xcil, Drgan ber Seele ift; femer ba§, 
ba nur ein Heiner $eü ber im ©eljirn oorljanbenen Smprefftonen 
oon ber ©eele gleid&jeitig überfein werben fann, fte nid&t baö gange 
©rofftirn einnimmt. (Sr meint, mir totffen nid&t baä ©eringfie über 
3funmonen b« ben funktionellen Unterfdbieb oon grauer unb toeifier fiirnfubftan*. 

ßtduen unb tonnen 

^irniubftanj. ©eit $o\). aJUiUer Ijaben anatomifd&e arbeiten unb 33u>ifeftionen 

bodjj mefjr über bie Munitionen ber grauen unb weiften ©ubftanj ge* 
le^rt. ©ie graue ©ubftanj ift gebilbet .oon Sßrotoptoömaförperdfjen, 
9Zeroen jeden, bie burdf) Reiben in Sieroenfafern übergeben. (Sine graue 
3effe fenbet oft mehrere $äben aus, bie eine SBerbinbung tyerfteffen 
mit mehreren SReroenfafern. ®ie -Weroenfafern unter einanber ana= 
moftofieren nid&t, ftnb aber nidfjt wie bie SReroen aufter^alb oon ©Reiben 
umfd^Ioffen. SBeniger ifoliert, ift jtoifdjjen itynen eine geroiffe SBedjfeU 
toirfung, gleidjfam burdf) Qnbuftion, allerbingä oorfteffbar. 2)odfj iljr 
Siau madf)t fie toefentlidj ju Salinen für bie &\ltn ber grauen ©ub= 
fiauj, bie ©tationen unb Äreujpunfte barfteffen. 
sei tierif*« (Sä fei bemerft, im 9nf$(ufs an Guoiers Semerfung, bafj niebere 

»on ber ötö|e bee xiere mit ben überrafdbenbften ftnftinften, \. 3J. Slmeifen, lein, bem 

intelligenten ^nftinft entfpredfjenbeö gröfeereä 3*ntratyirn aufroeifen. 
(Sä bebarf, lann man fdfjüeften, für bie oererbte Qnteffigenj, als toeldfje 
bie ^nftinfte anjufe^en ftnb, jroar immer ber -Jieroenjeffen, aber ofjne 
feljr fompüjierte Sahnen. $ie menfdf)Kdfje ^ntelligenj bagegen bebarf 
oorjugsroeife eines fefjr enttotdfelten ©riftemö oon SBerbiubungen, nidfjt 
nur mit ben ber 2luftemoelt jugef ehrten ©inneäapparaten, fonbern 



— 79 — 

audfj jur SJerbinbung bcr perfdfjiebenen ©nippen grauer Subftanj unb 
if/rer Äörud&en unter einanber. 

SSorauögefefct, man würbe ein £anb betreten, bejfen Sewoljner 
für unfre Sinne nidfjt wahrnehmbar wären, barin nrir aber eine 
unenbltd&e 3Kenge von Stationen unb SBerbinbungftwegen antreffen, 
fo würben wir nid&t jweifetn, baft bie 2Bege ju Bewegungen beftimmt 
ftnb ober beftimmt waren. 3Kit berfelben Sid&erljeit fönnen wir be* 
Raupten, in ben ;Wert>enfafern beö ©eljirns bewegt fidfj ein unbefannteä 
©twaö, unb läuft aud oon SReroenjeHe unb ju SReroenjelten, ober ju 
Sinnet unb 33ewegungöapparaten. 

Dljnef)in wijfen wir, ba£ bie Sinneareije nadfj innen bringen, 
unb bafe bie 3ufantmenjie^ung ber wiHfürltd&en 2Rudfeln nadf) aufceu 
ge^t, nur fo lange bie SBerbinbungäwege mit bem ©eljirn nid&t untere 
brod&en ftnb. 

aber bewegt ftdf) nur ein SReij uon unb ju einer ruljenben Seele, 
ober ift baö, was wir Seele nennen, b. §. baö ftd& felbft fitytenbe 
unb bewegenbe mgfteriöfe SBefen, ofjne weldfjeä alles unbegreiflich bleibt, 
nid^t felbft ein Sewegteö? Sieleö fpridjjt bafür, ba§ eö ein Seelen* 
oeljifel gibt, baß felbft burdfj bie SReroenbafjnen fortf freiten fann, 
wenn audf) bie äußeren SRetje gleichfalls von benfelben Sahnen tonnen 
fortgeleitet werben. 

Sdfjon $o1). aWüller bemerft, wie nur ein Heiner £eil ber im 
©eljirn Dor&anbenen Qmpreffionen oon ber Seele in einem Moment 
fann erfaßt werben. Üäme es etwa auf ben ©inf aHöwinfel , unter 
welkem bie SReije ber Seele jugefüljrt werben, beim ©rfaffen ber= 
felben an, fo müfete baö Seelenoefjifel bafb auf ben einen, balb auf 
ben anbern SReij feine Dberfiäd&e einfteHen fönnen; eö müfete biefeö 
SSe^ifel ftd^ breiten ober in oerfd&iebenen SRidfjtungen ungleidjj ftdf) 
fpannen fönnen. 

3)ie SBorjtettung , bie man oon bem Seelenf örperdfjen ftdf) madf)t, «nfritifle &tun. 
mu£ aber aud& ber ©rfafjrung genügen fönnen, bafc eine einfeitige fl "* "' 
Slbforption ber Seelentfjätigfeit möglidfj ift. ©in ©egenftanb im ©eftd^tö= 
felbe locft bie Shifmerffamfeit ab oon ben anbern, obgleidfj aud) fie 
im ©efidjjtöfelbe ; oon 3Rufif ober audf) oon ©ebanfen benommen, wirb 
juweilen mdfjt gefe^en, was in ber günftigften Sage oor 3lugen tritt. 
SBenn man ftdfj oorftettt, baö Seelenförperdfjen beftnbet fiel) auf einer 
33aljn, t>or bem ftreujpunfte, wo bie ©efid&töreije juftrömen, wäre 
bas uerftänblidfj. ©benfo ftnb bie Ijtjpnotifdfjen ©rfd&etuungen 51t er= 
flären. 25aö Seelenförperdfjen oerliert bie leidste Seweglidftfeit. 9tad) 
ßumer* 2lnftd)t bebarf eö ber fcfjneUen Sicrgleid^iing unb SBerfnüpfung 



— 80 — 

mannigfad&er, in ber Erinnerung aufbewahrter ©inbrüdfe, um begriffe, 

SBittenöregeln, Klugheit unb Vernunft unb Gtnbilbungäfraft ju er= 

&« tn eintm ort langen. SBettit ber Seelenförper in einem Ort ftriert ift, oerliert er 

thxptx öeriiert bie meljr ober weniger biefe Vermögen; er fymbclt otyne ftrittf; jebe $or= 

s>« Sij^ttotism^« ftellung, bie in ifjm burd(> SBorte erregt wirb, ober burd& SSormadjen, 

etnsrt. fdjeint if)m richtig , jwingenb; bie 2Billen4anfpannung aller Sttudfeln 

erfd&eint als Starrframpf unb fann ntdjt ueränbert werben. 

$wotw< etne« 2)ie uollftänbige Slbwefentyett einer bominierenben Stegton im 

dttumWm. Öefjirn fprid&t befonberä für ein im ganjen &ef)itn wanbernbe* 

Seelenförperdfjen. 2Benn eine 9ten>enjeHe ber grauen ©ubftanj felbft 

biefeö Seelenförperdfjen fein follte, fo Ijätte biefe 3 e H e / nad&bem ftc 

in ber Äonfurrenj über ihresgleichen ben Vorrang erlangt , aui) ftcb 

©ine 3enttaii«ne äufeerli<ij Ijeroorragenb entwidfeln muffen, unb eine foldfje 3 c He feljlt, 

1 ©Vie ni$t et foweit bie 5 or f$ un 8 teidbt. Unter ber unenblid&en ©df)ax von £int; 

ö un m i»or en. jj^^^ ^ t f e j ncö Q j d gf| j> cr @ ec [ C JU bejetdfjnen. Aber ift bie 

Seele nidjt ein blofeeö Xtyätigfeitdjentrum, bad von allen 3 e ^ en 5 U ' 
su 6«ie toirb fammen erjeugt wirb, wie ber örennpunft von allen teilen eines 
©rcnnWmt SBrennglaf es ? @s liegen fidj aud^ bie Grfaljrungen, bie foeben burdb 
aufleoB. ^ fceweglidjes Seelenförperd&en oerftänbliti) gemalt werben füllten, 
baburdf) erflären, baft bie Seitungen ju bem Srennpunfte Ijtn geflopft 
werben, in ber Konfurrenj bie fräftigeren übrig bleiben, anbre gelähmt 
werben burdjj allerlei Umftänbe. Dann würbe es feines eigenen, 
unfid&tbaren 3eelenförperdf)ens bebürfen, bejfen annähme red&t wiber= 
finnig fdjeint. £ie Kontinuität bes 3^ tonnte in beiben ßppotfyefeu 
in berfelben SBeife erflärt werben. Gs mu% bie ©rfdjeinung 
burdfj £injutritt unb ©dfjwinben fidf) fo fliefcenb änbern, bafe 
fie fidf) in je jwei Settro^wenten, bie fidf) folgen, nodj als 
biefe Ibe weife — wenn audf) ber ttnterfd()ieb jwifd&en ben weitaus^ 
einanber liegenben 3 e itmomenten 51t grofe ift, um fiel) als basfelbe 
2Befen anerfennen ju fönnen. $as fann bei einer Sid&terfdfjeinung, 
wie j. $. ber Siegenbogen, ebenfo eintreten, wie bei bem in ber 
(Sidfjel eingefd&loffenen Keimling ber ©idje; bei einer aus aerfd&iebenen 
Komponenten Ijeroorgefyenben SRefultante ebenfo gut wie bei einem 
befonberen Körperdfjen. 
unüberwinbudje 9iur bas bleibt eine unüberminblidfje Sd&wierigfeit, bafc bie Seele 

€ceimtVorie. er bas empfinbenbe, bemegenbe, fombinierenbe Selbft fein foff. $ft fte 
eine blofee SRefultante, fo oerlegt man bie ganje X^ätigfeit in bie 
Komponenten, unb gelangt *u einer ganjen Sdjar, bie man weber 
als (Sinigungsort aller ©mpftnbungen, nod) weniger aber ate ben Si$ 
ber 2Bitten*eutl)eit unb bes Selbftbewufetfeinö oorftellen fann. Cd mufj 



— 81 — 

bie SRefultante roieber aftio gebaut werben unb burdf) 9Jet>erberation 
bie Komponenten beeinfluffen. 

So fityrt bie materialiftifdfje SSorauöfefcung auf jroei bodf) un* 
begreifliche SJorftettungen : 

1. Stuf eine ftd) fclbft perjipicrenbe unb birigierenbe Bewegung, 

2. auf ein in ben Sternenbahnen umtyerlaufenbeö, ober auö ben 
Sternenbahnen jufammenftrömenbeö Seesen. 

2>ie Sdnoierigfeit ber ©rjeugung neuer Seelen auö Xeilen ber ©«tenerjeuguna. 
Dorfjanbenen befeelten ftörper, oon ber 3ol). SDJüUcr fd&on rebet, fommt 
ftinju. Sabei ift freilieft eine $Berroedf)ölung ju oermeiben. Sie ©r* 
fa^rung jeigt, baft auö einem orgamfdfjen, aber genug unbefeelten 
Mörperdjen, wie ber befruchtete ©ifeim, bem ein Selbftgefüljl nid&t 
beigelegt werben fann, ein Seib fjeramoädftft nadf) feften ©efefcen, in 
welkem audf) bie &irnmaf[e, bie materielle SBorbebingung ber Seelen* 
tfjätigfeit, ftd) auöfonbert unb geftaltet. ü)Jan fann alfo bem be= 
fruchteten Reimt Äräfte juerfennen, bie t)on ©eftalt ju ©eftalt weiter 
treiben unb ftd) bilben, bis julefct im 9Kenfdjen bie Seelentf)ätigfeit 
ftdj entfaltet. 2Baö aber nad) ben ©efefcen beö Sleimö, unter ber 
Simoirtung günftiger Umgebung, alfo als ein Sßrobuft oon innerer 
Äraft unb äußerer ©inroirfung, entfielen fann, baö im erften fteim 
ale SSorbilbdfjen fidf) fertig ju benfen, ift nid&t ridfjtig. $ie Seele ift »jf «eeieetn 
ein 2Badf>ötumsprobuft unb toie alle 2Bad)ötumöprobufte eine Steaftion *«*»«♦• 
pifd^en inneren 3>iöpofitionen unb äußeren 2lgentien. 3Bobt 
ift man berechtigt ju fpredjen oon einer eigenen ©eftaltungöformel, 
bie jebem organifdjjen roadfofenben Teilchen eigentümlich ift. 3>er £aupt= 
fac^e nadf) maltet biefelbe ©eftaltungsformel burdf) alle Teilten beöfelben 
Dr<}aniömuö. Sßenn fie fidf) nadf) ben Legionen ju oerfdjiebenen $unf= 
tionen oerfd^iebengeftaltig entroideln unb reprobu^ieren, fo ift baö burdf) 

£emmungöoorgänge unb einfeitige 3 u f u l) r ° ön 3 uroac *$ ma t er i a ft en 8 U 
erflären. 3e noHfommener ein orgamfdfjeö SBefcn ift, um fo bifferen* 
Werter jtnb feine Teile, um fo fomplijierter bie 3lnforberungen an 
ben Ort, in meinem baö ©eftaltungögefefc ooHftänbig jum Slustrag 
gelangen fann. 2>eö 9Kenfdf)eu befristeter &eim fann nic^t an ber 
Suft ober im SBaffer bie rid&tige 3 u f u *) r erlangen, — nur baö Meim= 
blähen im @t unb bie Samenfäbdjen finb oor einer SBerbilbung 
beim 9Renfd)en bewafjrt geblieben, bie eine oollftänbige ©ntroidclung 
unmöglidj madfjt. 2llle anbern Teile beö 9Wenfdjenförperö, obgleich 
fie baöfelbe ©eftaltungögefefc in ftd) tragen, fönnen eö unter ben ge= 
gebenen Umftänben nid&t mefjr ooll betätigen. ^>rotoplaömaförperdf)en, 
fo nennt man jefct bie roadifenben organifdjen ©lemente. 3» il)«m 

*u8 bm ZaeebugMSttrrn be& trafen H. Rft^crling. 6 



— 82 — 

wefentlid&en 33eftanbteil gehören ©ubftanjen, bic ber Gljemifcr in bie 
©ruppen bes ©iweifees orbnet. 2Bie es dijeimfdfje a3erfu<$e benriefen 
fyaben, laffcn pdf) eine faum überfeljbare 9tnjaf»( t>on ©iwetfjarten nafy 
weifen, unb bie 3 u f ammen f e fe u !tg ^ rcr 2Jtolefüle befielt aus einer 
überrafd&enb großen 9ltomjaf)l non KoJ)len=, äßaffer*, ©auer* unb 
©tiefftoff, bie eine unenblid&e 3^1 non Kombinationen jufaffen. 3>al)er 
ftimmt es fe^r wotyl baju, wenn jeber SRenfdfj ein inbimbueQ anbres 
©eftaltungsgefefc in feinen ©liebem trägt unb oererbt mit Weinen 
inbitribuellen ätöänberungen. 33ei nieberen, wenig bifferenjierten SBefen 
fann jebe 3eHe bes fieibeö jtd£) t>oHftänbiger entwicfeln, burdf) ©proffung, 
Teilung u. f. w. in Suft, SBaffer ober 6rbe ju einem neuen t>olU 
ftänbigen SBefen werben. 3lber bas alles bilbet für bie ©eele bodf) 
nur ben 33oben, auf bem fie ftdf) entwtdfelt. @s ift aber fein ©runb, 
wegen ber 3 eu 9 un 9/ von c * ner Teilung ber ©eelen ju fpredjen. $er 
33oben teilt fidfj, auf bem ©eelen warfen, nidf)t bie ©eelen teilen fid). 
stoff unb Ätoft ©ntftanben fie , fo aerfdjwanben fie audfj. 35er ©toff unb bie Kraft 
u ^m Vumme!" bleiben, wie wir wiffen, in alle ©wigfeit erhalten, aber eben besfjalb 
f)<xt ifir 33eftanb, ber nidjt permefjrt ober peränbert werben fann, fein 
Seben, — fein intereffantes ©d)icffal. Ob es in biefer £yorm ober 
jener befielt, es ift baran nichts ju gewinnen ober ju nerlieren, eigene 
lief) ein totes Kapital. 

£thtn ift nur in ben ewig fidfj änbernben 3ufammenfe|ungen, in 
ben ewig fidf) faufal bebingenben Delationen. Dljne bie nor^erge^enbe 
2lenberung wäre bie folgenbe unmöglich gewefen; — feine SBeränbe^ 
rung ift folgenlos, — feine iljrer SBirfungen fann ungefdfjeljen ge= 
madf)t werben. — 9liä)t in ©toff unb Kraft ift ba§er ewiges Seben 
ju fud&en, ewiger gortfdfjritt möglich, nur in ber Drbnung. ®ie 
sjouenbuna b«r uollenbete 2Be Itorbnung ift bas hoffte Sbeal, bie unenb- 
^ufßabe ancs licpc Aufgabe alles SafetnS; btc untjollenbete Drbnung 
aber bas Safeienbe, otjne welkes eine Aufgabe, ein^beal 
nid)t fein fönnte. 



(feoif, 3(n(ier6ß($fteif, Srei^eit. 

9lad) biefer Vorbereitung feieren wir jurücf ju ben anfänglichen 
fragen nadf) ©ott, Unfterblidfjfeit unb $reif)eit. 

Sie 33ejiel)ungen in ber SBelt jwtfdEien ben SJtaffen unb Kräften 

Tai 3bcai ift fiub bas cigeiitlid^e &btn ber 2Belt. ©ie brängen einem Qbeal in 

öcßcben. infinitum 51t, bas aufgegeben ift, aber nidf)t gegeben, eine 2hif* 



— 83 — 
gäbe, fein Saturn. SBoHte man biefes Qbeal ©Ott nennen, fo §ätte sa» 3b«t - ber 

r . . /» AA unfertige ©ott. 

man etnen unfertigen ©Ott. — 

9Wan fann aber in biefen oeränberlid&en Delationen audf) oon 3n bm *etänbet. 
®efefcen fpred&en, bie unoeränberlid^ finb, ganj abgefefjen oon ityrem nnb^manbir" 
gintritt in bie 2Belt. Sie eJattgefege fönnten nicf>t eintreten g. 23., u< * e öefe *' 
wenn es nid^t (Stoffe gibt, bie fid) anjie^en ; aber fobalb bie festeren 
gegeben, roirfen bie oon ©roigfeit tyer feftgefefcten ^attgefefce. ©ab es 
einfi, wie es fdfjeint, auf ber <£rbe audf) feine äBefen mit ©eljirn, fo 
finb bie ©efefce für ben £irnmedf)anismus bodf) mcfyt erft fpäter tnU 
ftanben, fonbern oon aller &it unabhängig. 

Könnte man nun ben Äomplej ber SBeltgefefce, bie ewig unb 
unoeranberlicf) finb, toenngleidE) erft aftio, fobalb bie Delationen, an 
benen fie ©eltung befommen, eintreten, ©ott nennen? 

Sie ©ottesibee forbert aber eigentlich bie 33erbinbung beiber oor* 
ftefyenben 3been. 9Ran fönnte füglidfj fageu: ©Ott ift bas eroige 
SSeltgefefe, bas fidfj in bem 9Seltibeal realifiert. 

Einem folgen ©ott fidf) gu fügen, iljm mit allen Äräften 
311 bienen unb i^n ba^er ju lieben, roäre für ben 3Jtenfdf)en 
bas £ödf>fte unb ©dfjönfte. 

Sßor allen Singen ift aber ein foldjjer ©ott uujroeifelljaft oor~ ©ott <u§ ©eittbeai 
^anben, er ift feine tote 2tbftraftion, ba er bas fidfj in eroigem «bjttiition™ et tft 
5e6en entroicfelnbe SBeltibeat in fidf) enthält. um l t&' Mm™ 

3ßn als Schöpfer ber unoermeljrbaren Stofffräfte anjufeljen, a * b<m Wflen - 
folgt aber nid)t aus bem SSorfjergefyenben unb fjat aueb feine Se= 
beutung. 



ftommen roir nun auf bie ttnfterblid&feit ju fpredjjcn, fo fieljt es 3*3 $ Ttteben be& 
bamit fdfjled&t aus. Unter fortleben bes ^ubwtöuums wüb bodf) ge* 3nbimbuumS 
meimglid& ber gortbeftanb beö felbftberouftten Sebens an irgenb 
einer jirfumffripten Stelle in ber SBelt oerftanben. 

Sagu ift nun ganj unb gar feine Slusfidfjt, ob id(j bie Seele als 
ein unenblidf) Meines £örperdf)en , ober als ein ^robuft oon Heroen* 
ftrömen anfelje, bie, in einem Sammelort ftdf) freujeub, bas mtfteriöfe 
©ebilbe, bas feine Seroegungen felbft füljlt unb regelt, ^eroorbringen. 
Sitte SBirffamfeit biefer Ströme- unb $örperdf)en fjört mit ber 33lut~ 
riefelung im ©e^irn auf unb nadf) bem Xobe löfen fi<$ bie Deroen* 
majfen auf, unb fönnen nidjjt irgenbroo ju früherer $orm unb 3 Us 
fammenfefcung fid^ roieber oereinigen. 6s gibt aber audf) feinen Drt 
für bie abgefd&iebenen Seeleu unter, auf ober über ber @rbe. Ser 



— 84 — 

Transport ber ©eelen bur<f) bie £immeläräume ift pljijfifdf) nic^t 
DorfteHbar. 2lu8 bem fterbcnben ftörper f^eibct nic^tö ! Sie ge= 
meine Unfterblidfifeit mar au<f> eine fo fdfjmadfje 3bee, baß, als ba- 
gegen bie Seljre üon ber gleifd&eöauferftefjung auftrat, fie fidf) befdbeiben 
jurödjog. 

Sie SSatyrljeit an ber Unfterblidftfeitsibee befielt nur barin, bafe 
jebes fetbftbenmßte Qnbfeibuum ein ©tü<f in ber SBeltorbnung ift. 
35on fiel) aus realifiert ea, burdfj feine freie Sfjat, neue 3ufammens 
fegungen nadf) ewigen ©efefcen für alle golgejett. Saljer gehört in 
feinen fiebenöfreiä bie unbegrenjte 3^(unft. Saö fortleben feiner 
SBerfe, ob fie aud^ feinen SNameu nidf)t tragen, ift feine Unfterblicbfeit. 
$n biefetn ©inne ift UnfterblidEjfeit allen benjenigen SBefen beijulegen, 
bie greiljeit ljaben; f^rei^eit aber {jaben SBefen, bie burd^ nriHfürlidbe 
£anblungen in ben Verlauf ber Äaufalreifjcn eingreifen. 
Urtivit. 2öaö enbüd^ bie ^ret^eit betrifft, fo erfenne man junäd&ft an, 

baß ol)ne fie roeber baä moralifcfye, nodf) baö pl)pfifdf)e fieben t)erftänb= 
ftdf) ift. 3feneö mtjfteriöfe SBefen, baö feine öeroegungen fä^ft unb 
birigiert, mußten wir annehmen, um baö £imleben ju üerfte^en. 
3meitenö aber ift bie 2Bittensfreif)eit bie bemußte Sfiatfadfje unfres 
inneren, bie als einen trügerifdfjen ©df)ein ju beljanbeln nidfjt möglidj 
ift, otyne ben ©ang ber menfdEjlidfjen Angelegenheiten in bie äußerfte 
SBerroirrung ju bringen. 2lber ein mysterium magnum liegt bainit 
üor. 2Bie mein Sßitte eö anfängt 9trm unb 33ein ju fyeben? Surcb 
aKuöfetjufammenäiefiungen. 2Bie madf)t er biefe 3ufammenjie^imgen? 
Surdfj rutjenbe SReroenfäben , in bie ftraft geleitet tuirb. 3Jon wo 
fommt bie ftraft? 2luö Dierüen jeden. 2Bof)er nehmen bie 9?en>en= 
gellen bie Straft? 2luö ben dfjemifcfyen llmfefcungen, bie Spannfräfte 
jurüdElaffen. SBte fönnen ©pannfräfte ber 9Jert)enjeHen jur Slftiou 
fommen ober nicf)t, je nadf) meinem SBitlen? 35a reißt ber 9ßed&aniö-' 
miiÄ ab. ßö muß nur anerfannt werben, baß tyier eine £aufal= 
üerfnüpfung ber 2lrt, nrie bei ber Mitteilung ber Semegung einer 
93iHarbfugel an bie anbre, ni$t am ^fafe ift. Sie ©rfafjrung Der- 
langt an biefer ©teile eine Eraft, bie Urfad&en fdfjafft, nrie fte nidjt 
Dorfjanben maren. Ser SlUHe ift eine primäre, Ijinjutretenbe Ur- 
fad^e, unb baljer ift baö SBefen audfj bafür üerantroortlidf). 

Nebenbei fei nodbmate barauf fyingenriefen, nrie baa organifefee 
©eftaltungögefefc ttroaz gang anbreö ift, als baö Sßefen, bem ber 
SßiHe beizulegen ift; — gegenüber ben $3etrad£)tungen bes ^pftologen 
$of). Müller über Skrmefjnmg buref) Seilung unb gegenüber ben 
Sogmen ©dfjopenfjauerö. Seilten oon $ater unb Mutter enthalten 



— 85 - 

bas ©ejlaltungögef efc , baö allen biefen Xetldfjen einwohnt — ober 
3eelentf)ätigfeit, baju ber 3Bittc gehört, toofmt nid^t jebem £eil unb 
uic^t jebem Äeimbläödien mit bem ©amenfäbd&en bei. 



©Ott, Unfterblidbfeit, ftreibeit fielen feft in meiner lieber^ ©o«, unftetwidj. 
teuguna, aber bodg tn febr anbrer 2lrt, afö man eö fiep gerodet bei mw** w. 

loran aud) in 
lid) benft. a&ttKicVnbct *rt. 



13. $an. — ©eftern fjielt ©eneralfuperintenbent ©dfjulfc eine 
^rebigt über ben £e£t aus bem werten Cnmngelium 9, 4: „$$ 
mu§ roirfen, fo lange eö £ag ift, eö fommt bie •Rad&t, ba niemanb 
roirten lann!" — 9tod) bem ©obe l)ört baö SBirfen alfo auf. Qm 
i'eben nadf) bem ©obe wirb nidfjt meljr gefünbigt unb ba^er aud) nid&t 
meljr recfjt getrau. Meö ©fjuti §at ein ©nbe. ©er äötfle, ber ba o&n« amum fem 
wirft, ift ntdfjt meljr! ©in ftortbefteljen oljne nrirflidfien SBilleu, Der* 
Wbttö wirb man baö bem 9Wenfdjen buref) feligcö Stauen von 
©otteö Slntlifc unb bergleidjcn alö ein Seben begretflidf) machen wollen. 
(Sin ©afein ift es, faum tote baö einer SPftanje, meljr nrie baö eineö 
nur med^anif^^emif^en ©efefcen geijordienbeu toten ftörperö. ©ie &* 
&rfabrungötmffenfdf)aften fennen ben 2BiHen nur in Vieren unb ben »iHenHoftcn 
vernünftigen 2Btuen nur tm 9Wenfdt)en, alö ein an SRerueniubftanj ge* «t^iemuß. 
Imnbeneö ©afein. ©al;cr muß man rooljl gefielen, biefe leiten auf 
Den reinen 2lt£)eiömuö. ©enu ein ©Ott o^ne 3Biüen ift eben fein ©ott. 
auf anbern Planeten SSemunfttoefen anjuneljmen, ift nadf) Analogie 
nidjt untoaljrfd)einlid&, aber jur 2lnnaf)me eines roollenben Sßeltgeifteö, ®tn a$ott ^ 
baju fefjlt bem SRenfdfjen jebe Analogie. SBiffc oljne 9Jert)enfubfianj 
ift ber ©rfa^rung nriberfpredjenb. 

19. $an. — Smmer 'toter unb freier üon ber unnrillfürlid&en 
$eud}elet, bie mit ben SBorten unö auflebt , fudEje idf) meine ©runb? 
Überzeugungen ju formulieren: 

1. Seele ift baö mtjfteriöfe, leibliche ©ebilbe in ber SWertjen^ stammen- 
fubftanj, baö feine eigenen ^Bewegungen roafjmimmt unb 

regelt — baö mysterium magnum corporis. 

2. ©ie Seele bringt neue erfte Urfadjen in ben Verlauf ber 
ftaufalreifjeu hinein — baö ift bie SBorauöf efcung / unter 
welcher allein bie SRebe fein tann t>on bem ©irigieren ber 
eigenen 33eroegungen unb oon ber 3?eranttt)ortlidf)feit — b. I). 
t)on ^reifjeit unb Sittlidtfeit. 



— 86 — 

8. $ie Unfterblid&leit bcr (Seele bcjiefjt ftdfj nur auf Weite 

enblidfjfeit i^rer irbifdfjen SKadfjwirfung. 
4. ©ott als äßeltgefefc ift nur Delation jwifd&en ben leiblichen 
©yiftenjen unb ate (Streben ber unooHfommenen Sßelt, bas 
fidf) meljr unb metyr serwirf lid^t , audf) eigentlich nur eine 
Delation jiüifd^en ben fi$ folgenben Sßeltorbnungen. 
eumma. - *u8 Siittima. Sie blojgen ©rfaljrungswiffenfd&aften laffen bie 
<sr|a*?unQ&. ^reifjeit befielen, aber Unfterblidfjfeit unb ©Ott, fo wie fie ben 93e= 
*ttßibt n u«Ve en bürfmfjen entfpred&enb gewöfjnlidE) aorgefteHt unb t>erftanben werben, 
tofber ©ott no* [äffen ftcfi nidf)t burdb biefelben beweif en. 

Unfterbü^feit im 
fltttöfjnligen 

©inn. 



18. $ebr. — ftcfj lefe gteid^jeitig: 

1. Äuno ftifd&erö Äant II, eben in neuer Auflage erf dfjienen, für 

mi<§ ein alter Sefannter. 2tber bie neue SJeprüfung unb Sefd&auung 

alter 2Ba^rf)eiten wirft auf ntidj wotyltljätig. 

unrterbii*. 2. fieonfjarb ©d&neiber, Unfterblidftfeitsibee, 1883. 3<$ ne ^ me 

fiVo Bötntiux. eö t)or, um bie ©ntwidfelung ber Unfterblidfjfeitöibee bei ben ftird)en= 

oätem unb @d)olaftifern beffer fennen ju fernen. S)er SBerfajfer ift 

ein gläubiger, fird&lidfjer Eatyolif, aber mm Warer 3)arftellung. 3Rit 

ber SBiberlegung beä Stftoterialismuö unb -Waturaliömuö madfot er es 

fidj ntdfjt fdfower. 2)ie frönen unb treffenben ©prüdfje, bie er bei 

Saaber, ©d&elling, £ofmann, gi<$te jun. u. f. w. finbet, I)aben tyn 

felbft überrebet, unb aud& er fud&t meljr ju überreben, als mit ©rünben 

}u wiberlegen, unb meint mit folgen ©prüfen ben ©ieg über bie 

©egner }u befeftigen. Qmmer nimmt ber SKenfd^ auf biefem ©ebiet 

feine 3^ff^^t ju energifd&en ober rfjetorifdfj frönen Stuöfprüd^en, bie 

feine 3lbfid&t, Partei 311 nehmen, aufter S^eifel f e t$ e n, unb iljm bie 

Gigenfdfjaften rauben, bie man oon einem fyabüen 3 cu 9 en verlangt. 

9Bo Seweife jur £anb finb, nrie in ber SDtotfyematif, trägt man fte 

fdf)lidf)t oor; je einfadfjer fie bargefteHt werben lönnen, um fo fafelidfjer 

sie unpcrtii«^. erfdbeinen fie. 2Bo aber überrebet werben fott, ba mufi baö 2Boljl= 

meaUt rocnißcr gefallen für bie Seljauptung errungen werben, unb Styetortf ift am 

^ÄVai« ^piafe. 2Bol)f möglieft, bafe bie Unfterblidftfeitöibee 31t ben Seljren ge- 

«ufßabebetRunft. ^^ ^ ^ e ^ g Ueberrebung wirfen fann; fie ift üieHeidfjt eine 3luf= 

gäbe ber ftunft, nid&t ein Problem ber SBijfenfd^aft. ®aö befennt 
ber Splatonifdfje (Sofrateö, wenn er fd^liefelidö im Sßljäbon fabelt, um 
baö fdfjreienbe Äinb in uns einjulullen. 
2otje* to*oIo ü. 16. 3Kär3. — #. Softe, ©runbäügc ber ?}}ft)dE)ologie, ift feljr be* 

merfenswert. Söie flar wibertegt boeft § 61 bie S>orfteHung, es fönnte 



— 87 — 

bie Seele eine 9lefultante leiblidfjer Äräfte in berfelben Strt fein, wie 
üuö jwei oerfd&iebenen Bewegungen eine mittlere, einfache entfielt. 
2ludf} in ber SWedfjanif bebarf es eines gemeinfd&aftlid&en angriffe 
pxmtteä, ber in ber ©iagonale ber Straftrtdjjtungen bewegt wirb. ®ie 
Sefultante fe|t baö ju Stoibenbe — alfo analog, bie Seele oorauö, 
unb läfjt beren ©ntfteljung aus treibenben Straften unerflärt. 

25. 3Jlärj. — s Jla$ ©runbfäfeen laffen ftdfj Regeln fortbilben mnw*t 
unb überliefern, burdj Uebung ^ertigfetten bis jur 9Keifterfd&aft 
ftcigern, aber bie Ijeroorbringenbe Äraft ift unb bleibt perfönlidfje 
Gigentümlidfjfeit. Salier bleiben in ber Stunft bie ©enteö $l)cU ©eme«fönnenni«t 
nomene, bie oon feiner Sd&ule fönnen gejüdfjtet werben, unb ifjre fle| 3nM?i« tn ' 
Schöpfungen aeratten nicf)t. 35ie probuftit>e spijantafte ober t et? 9o%<Ht* in 
jd)öpf erifd&e ©inbilbungöfraft ift an* ©runbfäfeen nid£)t abzuleiten unb 
burd& ftertigfeiten nie ju erfefcen. ©in 33orwärtsfommen ber 2Renfdf)? 
ftcit in biefer Kraft ift ebenfo wenig ju erfennen, wie etwa in ber 
SRusfelfraft. 3" ölen &tittn gibt es ©injelne von überrafd&enber 
ftraft, aber bafc man es ben atmeten bes Altertums in ber ©egen* 
wart juoort^ut, ift nidfjt matjrjunefjmen. Unb bennodfj, audf) für bie 
Äunftwerfe t)on ewigem SBerte gibt es eine gefd&id&tlid&e (Stellung unb 
ftolge. SBicUcid^t ift es aber mefjr eine 9iaturgefdf)idf)te, eine ©efd&icijte 
ber Sd&öpfung, bie fidf) burdf) 3Sererbung unb 2tuSlefe bes ^affenbften 
oeroollfommnet. ©in regelmäßiges Sßorrüden ber 3Kenfdf)l)eit ift 
mef>r unb mef)r ju £age getreten im Siaturwiffen unb ben bamit 3m%atutwifjmtft 
jufammen^ängenben ©rfinbungen. SMefeS langfame aber ftete 33or* "0^«" 
rüden l>at bie SBunber ber Steligion im SSeltlauf ooffftänbig über? 
rounben, alle ©rfemttnis burdfj übernatürliche ober aufternatürltdjje ©in? 
gebungen an grudfjtbarfeit übertroffen unb bie Spifcfüfirung ber 
menfdfjlidfjen Kultur eingenommen, daneben madfjen fidf) bie fünft? 
lerifdfjen unb jjalbfünftlerifdfjen (£iftorie) Sßrobuftionen, wie ©ntlabungen 
oon Straften, ju 3 e ü cn / TO0 e * n Uebermafj bauon in ber menfdfjlidfjen 
©efefffd^aft fid) angefammelt l)at. 

18. 9Wai. — 3$ fomme jurüd auf baS, was idf) ben 16. -Dtärj, so^e \. ie. tots. 
juftitnmenb ju ßofces ©runbjügen ber ^fpd&ologie, gegen bie ©rflärung 
ber Seele als einer 9tefultante oon Kräften gefagt fjabe. Stoff unb 
Straft gibt es, aber obgleidfj nie baS eine ofjne bas anbre, bod) otyne 
ftdf> gegenfeitig Ijeroorjubringen. ©m Stäubdfjen Stoff fann aus 
Straften nie entfielen, noclj in Kräften ftdö auflöfen. ©ine Kraft fann 
burd) bie 3Raterie wanbern, aber fidf) uidjt burdö bie 3)iaterie in ber 
Xfjat minbern unb Dermefiren. Rann eö nun nidbt eine bpnamifdfje 3ft Me s«te eine 
$9P0tt)efe über bie Statur ber Seele geben? ©twaö muß fie benn swSweS 



- 88 — 

bodf) fein. 3ft fie nid^t materiell, fo ift fie eine Dgnamte. ©ine bloße 

Delation, wie §. 8. bie gattgefefce unb anbre SRaturgefefce, bie bloß 

©eltung fjaben, aber fein Dafein, fann bie ©eele nicf)t fein, wenn 

$u ®oi*.»ej)monb ftc überhaupt oorljanben ift. — Du Soi^SRepionb Ijat nad&gewiefen 

shömungJn im in ben ©mpftnbungöneroen unb in ben motorifdfjen Heroen anber* 

©e^im na«, g^^^ e (eftrifd^c Strömungen. Die eleftrifdjen Äräfte muffen 
in bem ©e^irn irgenb eine 9lrt oon Änotenpunften bilben, 
bie auf ganj unbegreiftidfje SBeife befähigt finb, bieDöcil- 
lationen iljreö btjnamifdfjen @leidf)geroid)tö felbft }u em- 
pfinben, ba^er audlj oorjufteflen unb ju beeinfluffen ober 
ju birigieren. 33on taufenb Änotenpunften ift einer ber 
fräftigfte unb abforbiert bie ©mpfinbung, 33orftellung unb 
SBollung aller anbern fünfte, ©r ift baö©elbft, tm Kampf 
um ben SBorrang mit ben anbern Knotenpunften baju ge* 
roorben. Sitte finb fie ju einem ©Aftern oerbunben unb wenig fann 
barin geänbert werben, of)ne jugleid) in bem £auptfnotenpunft ober 
bem ©elbft, baö labile ©leidfjgenridfrt ber ©pannuhgen abjuänbem. — 

a« eeete ai» 535ie ©eclc märe ein Äraftfompley, gebunben an 9teroen? 

ein Är tes fubftanj, ber in anbre Kräfte ftc$ umfefct, fobalb bie Sebingungen, 
namentlich bie Sfutberiefelung ber SMeroenfubftanj, anbre werben. 2ln 
ein gtotbeftefjen einer folgen Kraftfeele, als ©elbft, nad^ bem £obe, 
märe nid)t ju benfen. Dtefem felbftifdjjen ©elüfte ju entfagen forbert 
bie roaljre Religion. SBaö ift in ber Xljat in ber SBelt beö gort* 
föritts, beö Sefferen fä&tg? Siid^t bas emig fid) ©leid&bleibenbe, bie 

w«t«raftunb Kräfte unb ©toffe, bie oon ©roigfeit fjer im Guantum biefelben ge- 

aSnina 1 »?? toefen finb. 9tur bie gegenfeitige Lagerung unb Drbnung ift baö 
^rt^rhttV^ß. 33efferungsfäf)ige, bas jur größereu aSerooHfommnung Sluffteigenbe. 

«ufaabebet Die roaljrfjaft eble ©eele f)at für fidE) ni<f)t ju forgen. 

eb°ieS r |?e f {e. 3Son ftd) weiß fie, baß fie nur eine Kombination beö emig 
Dafeienben an ©toff unb Kraft barftellt, bie naclj furjer 
3eit jergefit. Daö ©elbft ift fein Ding an fidf) unb fann 
gar nid^t 3 roc ^ ^ cö ©trebenö fein. ©3 ift ein $P()änomen, 
baö anbern ftitUn bient. Der ©elbftjmedf liegt nur in ber 
Sßeltorbnung. 9tur inforoeit bie ©eete biefe liebt, i^r bient, 
ifyre $erbefferung begreift, erfüllt fie ben Bmedf iljreö Da- 
feins. ©U muß fieb bem ©efefc, ber Drbnung jum Seffern 
roibmen, bann erft erfüllt fie in äöafjrfjeit i^re Slufgabe. 

29. 3M. — s Jiod) ift jum Sorfteljenben ju bemerfen, baß fid^ 
auf biefe SBeifc begreift, wie im Öeljim fein ein^eitlid^eö, über^ 
mädfjtigcö Drgan augetroffen wirb. Die 3 c ^ en bt$ ©e^irnd 



— 89 — 

feljen einanber gleid). 2lbcr iljre 9faorbnung ift ber 2trt, bafe in bet 

Selbjigette burd& Qnbuftion bic Spannungen in bcn anbem 3 e 1cn 

eine ©innrirfung üben. 33tö biefe ©imoirfung erfolgt, ift alles unbe* 

nmfet. £>a ftnbe idfj bie Sebeutung bes #artmaunfd&en Unbewußten, sie »eb«utun fl b* 

Spannungen in ben untergeorbneten Bellen! ©ie fönnen alfc $attmann. 

mäljlid) jut SBirfung fommen auf baö Äraftegleid&geroidfjt ber ©elbft* 

jette. Satente Spannung ift gleidfj permanenter 33ebung. ftütfyn 

biefe ZitbimQtn ab, ober fefcen fie fidf) um, fo verlieren fie t)on iljrer 

Kraft. Sdfjroäcljung ber triebe buref) baö 93enmj3tfein ift möglicfy. 



PP»f0p#B (1883). 

26. 9Bai (1884). — 2Baf)rnefymen, Senfen unb SßoHen — biefe seeiaitbatweittfi: 
einheitliche aber breifältige ^unftion — ift bie Seelentfjätigfeit. ®aö ®<ntm. «Boa™, 
unmittelbar ©abgenommene ift. eine Selbftbetoegung, ju ber bas 
Äidfjtfelbft Urfadfje. SBetoegung fefet SRaum unb 3 e ^/ unb 2Balp 
nefjmung Äaufalität. SMefe Kategorien finb baljer in bem ©elbft 
roirtlid^ unb ebenfo in bem 9üd£)tfelbft. 2luö ber ©rfafjrung werben 
nur bie ©renjen innerhalb biefer Kategorien erfannt, — als leere 
formen muffen bie Seelenfunftionen barüber biöponieren fdfjon bei 
ber grfatyrung. — Se^e idfj rot, fobalb ein fo gefärbter ©egenftanb 
mir oorge^alten wirb, unb fjört bie SBafjrnetymung auf, fobalb ber 
Öegenfianb fortgenommen wirb, fo fiabe idf) ein unenblid^ toieber? 
ljolbares ©fperiment unb fanu ben inbuftioen fidleren Sdfjlufe barauf 
grünben, bafc baö 3?ot bur<$ ben ©egenftanb in meiner ©mpfinbung 
fjerporgebradfjt roirb. — £aö ©ef)en operierter Slinbgeborner füljrt 
nidjt bloß burdf) Setaften ju ber ©rfenntnte ber räumlichen förper= 
lidfjen SBertjältniffe, fonbern audfj burdj äJerbecfung unb SBiebererfdEjeinen 
erfennt man, was ferner liegt, unb u>a§ näljer. Xk SRaumoorfteHung 
ift junäd^ft ofjne ©rensen, unb läßt bie SBorftellung beö £intereinauber 
ftets ju. 

6. 3uli. — ©elefen babe id) oon Dr. &. Sajgioife*): Sie ßeljre s.ba§u P ag. 152. 
ftants oon ber 5\bealttat bes Staumes unb ber Reit, aflu Dr. sa&tm* üb« 

" ber 3beatität »on 

*) $a3 <Srföein6are mujj bcn SJorbebingungen aller ©rfdjeinuna, entfpredjen. 9laum unb 3«t. 
Siefe Sotbebingung finbet ftc^ im mcnfc§ liefen , tierifdjen unb jebem empirtfd^en 
3ntctte!t. Slu^et^alö beö QnteUeftä e^iftieren tyotenien, baoon aber in bie 



— 90 — 

gemein perftcmblidf) bargeftellt. Siefe Schrift l>at nadf) Urteil ber 
5ßf)itof opljieprof efforen : Saaö in Strafeburg, SBunbt unb £einje in 
&W9/ ben erften Spreiö gewonnen oon 1000 ©ulben öfterreidEjifdf), 
ben &err Quliuä ©tili* in ^Petersburg (1880) für bie befte Sdjrift 
biefer 2trt auögefefet §at. §m ©iHiä wollte burdf) Sßopufarijterung 
biefer Seiire bem fidf) ausbreiteten 2Rateriali8mu8 entgegenwirfen. 
33ei biefer ©elegenfyeit überzeuge idfj mtd& t>on neuem, bafc fidfj ein 
Se&ier ßantß in bebeutungöoolter unb entfdjeibenber $el)Ier in bie ftantfdje Sefjre t>on 
tt zS8*n* n 3 e ^ un ^ #toum eingefd(jüdf>en l>at. 

33ewiefen tyat Äant, bafe ber 9taum nidfjt eine äbftraftion auo 

ber Erfahrung ift, weil er eine Sebingung ber (frfaljrung ift, oon 

anbern jum £eil gleid^faHö unwiberleglidfjen ©rünben ju fd&weigen. 

»etßw*, um §u Sßie man es fidf> oorftetlen fann , bafe etwas in ber 6rf aljrung 

lote ^»Ä tt ln e b« Ijeroortrttt, aber nidfjt au$> ber ©rfaljrung Ijerrüljrt, mag l)ier auö 

ttuj! ob« nuStraii einem SBergleidfj erläutert werben. 33laueö fiaefmuspapier wirb rot, 

wenn Säuren barauf einwirfen. ®ie Säure ift aber eben beöfjalb 
burdfjauö nidf)t rot. S)ie Stnlage, rot ju werben, liegt melmeljr im 
Rapier, (Sbenfo was ber 9Renf$ aufbaut, ift räum lief) wegen feiner 
Slnlagen. 35iefe waren aber nid&t als SiaumoorfteHung oor aller 2fa- 
fdfjauung fertig. Site SReaftion auf bie ©rfaljrung treten fte Ijenjor. 
Sie finb ein ^robuft ber ©rfatyrung, barin jwei gaftoren, ber ßr- 
fa^renbe unb baö was erfahren wirb, jufammenwirfen. SBe^auptet 
man, ber SRaum a priori ift im ©eifte, fo fann es mtßoerftanben 
werben. @ö ift bann, als fagte man, baö Sadmuöpapier war rot 
oor ber Säuremtrfung ! ©egenftänbe, bie auf ben ©eift einwirfen, 
bringen bie SWaumoorfteHungen tyeroor, uidfjt burd) 2lbftraftion, fonbern 
burdf) transfcenbentale Äaufalität. lieber bie ©egenftänbe felbft er- 
fahren wir babei nichts, unb ebenfowenig über ben ©eift. 9hir fo 
triel ftefyt feft, ba§ bie SWaumüorfteBung ate allgemeine Sfafdfjauungfc 
form im ©eift entftanben ift. Db aber ber ©egenftanb felbft nid^t 
gleidtjfalte räumliche 2luöbel)mmg Ijaben fann? baö ift auö SWifetjer- 
ftänbnte unb mittete Xrugfdfjlüffen beftritten worben. @lje bafür Die 



6rfa)etnung nur treten fann Diejenige Sßirfung , bie 311 ben SBorbebingungen ber 
(Srfa)einung pajjt. $er SnteHeft ift ^albroegS wie ein (Sieb, ber atä bet Sfafcen* 
roelt nur jur ©rfdjeinung ober 2Ba§rnefjmung bringen fann, roaö Qtit, fflaum unb 
ßaufalität l)ai. 55Me (5rfa)emungen muffen, wie Äant entbedft §at, ben ©innefc 
unb 93erftanbeggefefcen entfprea)en, aber fte bejeidjnen bie befannten unb erlernt* 
baren (5igenfa)aften ber Singe. 3$ unb 3Ding an fia) Ijaben aufcer ber ©rfc^cinung, 
au^er ber SReaftion aufeinanber, überhaupt feine Dualität, fonbern nur Sir* 
tualität." 



— 91 — 

Öetoeife beigebracht werben, ift aber erforbertidf), bafe man eine 33or= 
fieHung unterfud&t, über roeldfje bie SJenfer, ßant nidf)t auftgefd&foffen, 
wegen ber in ber SRatljematif brauchbaren Routine }u leidjt tyinroeg* 
gegangen finb*). 

©renken. 2So baö eine aufhört unb baä anbre beginnt, ba »egrtff t*r <&r«t 3 c 
gibt es eine ©renje. 3lber bie ©renje enthält nidfjt ben minimften 
leil oon bent einen ober anbern. 3- 8. bie ©renje jiüifd&en ber 
#enfterfdf)eibe unb ber fte umgebenben Suft ift n>eber oon ©laö nodf) 
oon Suft. SBenn idf) bie Slnfdfjauungsform beö 9taumeö jur 35iö- 
pojition Ijabe, fo fann idf) feljr toofil, etwa burdf) ben SBiberftanb, ben 
mir ein Äörper teiftet, bie SJorftelhmg einer ©renje in ben SRaum 
Jjineinoerlegen, ober toenn idf) in anbrer 2Beife Dualitäten im Staunte 
roafjmeljme, bie irgenbroo aufhören ober anfangen. 3lber roenn icf) 
alle biefe ©rfafjrungen nidfjt Ijabe, oon bem, roaö ben Slaum erfüllt, 
roie fomme idf) ju ber SBorftettung einer ©renje im 9kum? — ©in 
unenblidfjeä, gleichartiges Äontinuum nriberfpridfjt oottftänbig ber 3Rög* 



*) Sergleid&e §elm$olfc: $&9fiol. Optif 1867, ©ajlufc beö § 26, pag. 441 
6tä 456. — Änerfannt ift von §elnu)olfc, bafc bie allgemeine Kaumanfa)auung 
eine urfprüngli^e gorm unfreö SBorfteHenS ift — nta)t aber fpejielle Kaum« 
anfä)auungen. <S$ ^ätte aber »erbient hervorgehoben gu »erben, bajj bie $räbid; 
pofttion jur Kaumanfü)auung nta)t, roie Äant corauSfefct, aua) ©renken liefert. 
(Sirenjen ftnb feine Zäunte: 

1. ©inegläo}e jroifd^en bifferent ausgefüllten Käumen begreift abfolut 
m$td von ber Ausfüllung, alfo aud) nta)t3 vom Kaum in fta). Äant 
irrte, wenn er in feinen $rolegomena (»uägabe üon 8. (Srbmann) §läa)e 
einen Staunt nannte. 

2. 2>tegläa)e, alö Äörpergrenje, ift beweglich, nia)t ber Kaum, ber niajt 
hingelangen fann, roo er noä) niü)t geroefen, noa) bie ©teile, roo er fta) 
beftnbet, oerlaffen. 

3. 3ufafc Don 3täa)e mefjrt ben Kaum uia)t, n>a3 boa) gefa)el)en müfjte, 
wenn giäa)e ein Kaum wäre. 

4. Slawen unb Linien fönnen o§ne @nbe ald Äbftrafta oon n>aa)fenben 
Äörpern june^men, ben Kaum aber nie teilen, b. §. fte ftnb nia)t oljne 
©renjen nie ber Kaum. 

Äant $at alfo nia)t unterfa)ieben 3tmfQ)en ben beiben Sebeutungen, in benen 
bad ©ort Kaum gebraucht wirb : einmal bebeutet e§ ben förperlofen Kaum, barin 
a&ed 9lnfa)aulia)e »erfefct toirb, — ba3 anbre 9Ral bie Dom tförper bura) Slbfonbe: 
nmg ju gewinnenbe leere ©eftalt. 3)er förperlofe Kaum liefert roeber ©renjen 
noä) Ki$tungen, — er befommt fte erft bura) bie (leeren) Äbrpergeftalten. 

SRatyematif ift »on groingenber Äraft, nia)t weil fte gän3lia) a priori, fonbern 
weil fte mit Dollftänbig überfia)tlia)en unb einfachen, »on Hörpern in ber (Srfa^rung 
abjrra^ierten unb ibealifterten Elementen fonftruierenb , a« Grgebntffen gelangt, 
bie in fketS wieber^olbarer @rfa§rung (Gjperiment) fta) rta)tig erroeifen. 



— 92 — 

untetf^icb lidfjfeit ber ©reit je! beim bie ©renje fann fidf) nur ftnben, wo ba© 

unbegroiatm Äontimwm aufhört, unb bas fann in ber transfcenbentalen 9iaum= 

»aumunb^n form nie gefd&efjen. SBir fpredfjen woljl üon aneinanber ftofcenben 

rpmuTnen. ^ nmtn ^ a k er ^ c | e m ögltdf) erweif e ftoftenben, im Staunte beweglichen 

9täume finb gang etwas anbres, als ber allgemeine Slaum. 6s jtnb 
Körper in abstracto ! an benen oon bem ftörper nur bie ©eftalt ge* 
blieben. Sßotten wir biefe Äörperräume ©eftalten nennen unb nie= 
mafs mit bem eigentlichen unbeweglichen Siaume ©ermedfjfeln, fo 
werben wir uns oon allen, ben 9taum betreff enben Antinomien, aus 
benen bewiefen n>erben follte, baft bie ©egenftänbe räumlich nid&t real 
fein fönnten, leidet befreien. 2)a man ben SRaum niemals wegbenfen 
fann (benn was foH bleiben, wo er nidfjt meljr ift? bliebe ba nid&t 
9laum, fo Ijätte er ba nie fein fönnen, — bliebe aber bort 9iaum, 
fo l>at er fiel) mdf)t fortbewegt), fo fommt audfj Bewegung nur ben 
©eftalteu ju. 2)ie ©eftalt ift umgrenjt unb umfaßt ein SRaunts 
erfüllenbes, baoon man abfegen fann. Sie ift bas SBer^alten bes 
9iaumerfüllenben eiujig unb allein in räumlicher öejie^ung. ©ie ift 
eine 2lbftraftion, bie ofjne Steft burdf) bie räumlichen Sejieljungen er- 
fdfjöpft werben fann. 3>te ©eftalt eines 2Bürfels j. 8. läßt ji$ nadfj 
allen iljren Dualitäten burdf) räumlid&e SSejieljungen ergrünben. 2>eS; 
f)alb ift bie 3Katl)ematif a priori fidler, wie Äant es lehrte. 3>cr 
2)et (unbeweßii*e) 3taum ift a priori bem ©eifte eingewadjfen, unb wenn idf) oon ben 
whrTait mftTÄ Eörpern bie räumlidfjen Regierungen aMn übrig laffe, burdf) Sbftraftion, 

fo liefern fie mir bas Rohmaterial $u beliebigen Äonftruftionen im 
Staunt, ^ftfaroeit ft* nur räumlidf) erfebeinen, wofjnt biefen Äon= 
ftruftionen bie aprioriftifcfje Stdfjer^eit bei. 3lber ju iljrer ©Übung 
beburfte es ber ©rfalirung. Obwohl bafjer bie Raumlehre ©tefter; 
fjeit Ijat, wie a priori, fo fann fie bodfj nidf)t ju ftanbe fommen 
ofjne ©renjen. ©renjen finb aber 3lbftrafta aus ber ©rfaljrung: 

1. weil fie nirfit üBebingung finb ber 9taum- unb Bcitoorftellungen, 

2. weil fie Ijinweggebadjt werben fönneu, 

X. weil fie nur SBerfjältniffe uon 9kumerfüHenbem ober oon 
Sreigniffen bejeidfjnen. 

3n anbem Porten: 9Jicf)t ber SRaum, foubern Äörper 
Ijaben ©renjen, bafjer Jiaum unb Drt ocrfdfjieben. 

£ie 3 e ^ fyat feine ©renjen, foubern nur bie ©reignijfe, 
bafjer 3^it unb $rift oerfdfjtcbeu. 



93 



Ä it Ij a n g *)• 

3. äug. 1883. — Sie ©egenftänbe ber ftnnlid&en äBaljmefymung 
für Singe ju galten, bic unabhängig von ber 3Ba^rne^mung oor= 
Ijanben finb unb oon iljnen ju glauben, baß fie fo bef Raffen finb, 
wie nrir fie bei forgfältiger Prüfung roaf)mel)men , ift bie nattir* 
lidje, in ber geroöljnlicften Grfafjrung fid& allgemein aufbrängenbe 
äuffaffung. 

Sagegen fyat baö, nadf) ben lefeten ©rünben fpürcnbe 9kdf)= 
benfen ber Sßfjilofopljen fdbroerroiegenbe Sebcnfen aufgeteilt, unb über 
baö 23emüf)en, midf) mit itjnen auöeinanber ju fefcen, ift ber 9lbenb 
meines Sebenö fjerangebrodfjen. 

3$ glaube nicfyt ju melen anbern ©rgebniffen gefommen ju 
fein, als biejenigen finb, gu benen anerlannte Senfer in unfrer 
3eit gelangt finb, unter benen idf) lieber bie großen $ßl;tjfiologen 
unb $l)i)fifer, wie einen £elmf}olfc, einen Su SBois^etjmonb nennen 
möt&te, als bie neufantifd^cn ^f)ilofopf)en, bie mir ber SBafir^eit 
gleichfalls nalje gefommen fdjeinen. 2lber bie pf)ilofopl)ifd()e 2luS= 
bnnfsroeife verleitet leidbter ju genriffen Unbeutlidftfeiten unb Urningen. 

6in 33erf)ältnis, beffen 33ebeutung eine nidfjt geringe fein 
bürfte, Ijabe idf) bennodf) in ben Schriften ber 3 c ^genoffen nid^t fo 
beftimmt erfaßt gefefyen, rote es mir felbft entgegengetreten ift, unb 
bas mir eigentlich ben 2Beg aus bem Sabprtntljc geroiefen Ijat. 

6s ift bas l*erl)ältnis ber ©renjen in Sttaum unb 
3eit: So einfadf) bie 3lbftraftion t)on ftörpern unb oon 33egeben= 
Reiten einer geroiffen Sauer ju ber SBorftellung oon ©renjen füfjrt, 
fo wenig finbet fid& in ber bloßen Kategorie bes SRaumes unb ber 
3*it, bie für alle empirifdje 2lnfdf)auung t>on Räumen unb 3citen 
eine aSorbebingung ift, irgenb etwas ron einer ©renje. Sie 33e= 
rüfirungsfladfje jroifd^en ftörpern enthält roeber etroas t)on bem SRaum, 
ben biefe Äörper ausfüllen, nodfj leeren s Jlaum jnrifdjjen tf)nen, fonbern 
wirb nur aus ber empirifdben Xfjatfad&e abftrafyiert, t>a$ bie 6igen= 
febaften ober Äörper, bie einen jirfumffripten 9iaum einnehmen, auf= 
^ören — ber SRaum felbft aber niefet. 9Kit ber 3cit ift es nid&t 
anbers. ©egenroart ift eine ©renje jroifd&en i?ergangenl)eit unb 3u= 
fünft, bie ftdf) burdf) bie Greigniffe, burdf) beu 3^tiul)alt unterfebeiben. 



*) DMgeS gragment fanb ftc§ unter ben papieren meines SJaterS. 

2lnm. b. fterauägeberin. 



— 94 — 

3n ber gauj leeren 3*** gibt eö eine foldfje unterfdjeibbare ©renje, 
eine ©egenroart ntdfjt. SBenn bie 2Ratljematif mit Räumen, mit 
Seiten unb mit einleiten (3^1en), bie au$ abgegrenjteu Reifen be~ 
fielen, operiert, fo Ijat fie m bie aprioriftifdfje Stuöbe^nung unb 
Sauer ofjne ©renjen, hineingetragen, maö nur aus begrenzen ftörpern 
unb Gegebenheiten, roie fie in ber grfatjrung gegeben finb, abftraljtert 
werben fonnte. (Sie ift (alfo) nidfjt eine roHfornmeu a priori ju 
bebujierenbe unb ju fonftruierenbe SBiffenfdfjaft, fonbem eine fold&e, 
bie mit ©lementeu, bie aus ber ©rfatyrung allein abftraljiert werben 
fönnen, bie urfprünglidfjen 2lnfdfjauungöfategorien in SSerbinbung 
bringt. 2>er Staunt unb bie 3 e ü, allgemeiu, wiberfpredfjen gerabeju 
ber Segrenjung unb Orientierung, es finb feine Dbjefte ber 2tnfdE)auung, 
fonbem nur ibeafe 3Jtöglidf)feiten, bie an ber 2lnfdf)auung erft Realität 
erlangen. 

6. (Sept.*) — einige Seit fjaben midfj wieber bie ©runblagen 

ber Eantifdfjen $pf)ilofopf)ie befdfjäftigt. ©ö fteeft große SBaljrljeit, 

aber and) große Uebertreibung barin unb es gelingt mir nidfjt, ganj 

bamit fertig ju werben. 3$ a & ne , ba$ es außer ber empirifd&en 

SRealität, eine tranöfcenbentale, nad£) Äant, eigentlich nid&t gibt. 

3>n ber transfcenbentalen Sßett gibt es nur lettenbe 3been. 

£ant behauptet für 3 e ^ un *> 9taum empirifäe SRealttät „ob mir 

aöit öaben bu jwar bie tranöfcenbentale ^bealität berfelben, b. i., baß 

'©runbfaqm" er nichts fei, annehmen". . . . 3fr nun mc^t alle Realität 

maVriJn ju eißen. empirifd^ unb alle ^bealität oljne Realität!? b. fy. nichts! — ©oUte 

es fidf) aber nid£)t fo oer^alten fönnen, baß mir, jetträumlid&e ©efd&öpfe, 
ebenfo wie bie SBefen außer uns bie jeiträumltdfje ©runbfage intetteftueH 
unb materiell ju eigen liaben? — 9Bäre 3?orftellen eine umgefefcte 
33ebuug ober ©pannfraft in £irnjellen, fo ift es notwenbig wie jebe 
^Bewegung, audf) jetträumlidf) unb jwar a priori. 3)as beljinbert oiel= 
leidet, baß es audf) eine äeiträumlidfje Stealität gibt, bie transfcenbental 
ift unb in ber fid) ber SBiberfprudf) jwtfdfjen ber Unenblidjfeit unb ber 
®nblidf)feit, ben freien Anfängen (.erften Urfad&en, SBiUen) unb ber 
fontinuirlidfjen Äaufalität nidfjt finbet, ben bie empirifdfje Realität 
nid)t beseitigen fann. 2>er empirifdfje 9taum ift unbeweglich, nidf)t 
elaftifrf), b. 1). äufammenjiefjbar unb ausbeljnungsfäljig. ©ie 3Raterie, 
3ü leem »num mnn fie ben 9iaum ganj einnehmen foll, behält feinen SRaum jur 
Äompreffion, jur 23erbidf)tung ; füllt fie ben -Naum nidf)t, fo füllt fte 
wenigftens fleinfte 9?äume mit 3ltomen, bie felbft nidf)t fomprefiibel, 



') 2(uö ben ^erfonalia 1883 TT. 



— 95 — 

aber einanber nafjer treten formten. Sßaö ift ober in ben unerfüllten 
3mif djjenräumeu ? 2Bäre es wieber ©toff, fo f)at er wteber Sßoren unb 
fd^IieBlid^ fo fort biö ju unerfüllten $oren. Slber ber Staum o^nc 
ctoff, ber leere Slaum, ift er nod) real, fann er wahrgenommen 
werben? 3$ nefjme Heber Xeüdfjen von SDtaterie an oon üeränbertidfjem 
Solumen. 



Mißtön unb vWrt»&fä* Wutitologü (1884). 

13. gebr. — 2Ber efjrlidf) unb flar beult, mu§ fdfjliefelidf) ge* 
ftefjen, baft ein ©egenfafc befielt jwifdfjen Äaufalität unb SßiHen. 
Sefdjjieljt nid&tö ofyne ganj ante ober jureidfienbe ©rünbe (33orbebingun= 
gen), fo gibt eö feinen SBitten; — SßiHe mufc ju ber SBorbebingung 
etwas fjin jubringen, road er felbft f Raffen ober auöfdfjliefeen fann. — 
3nbeö: ein anbreö ift ein Sßiberfprudj im Denfen jwifdfjen ©e= «n antra ift 
banfen, — ober ein SBiberfprud) jwifdfjen fo heterogenen gunftionen, va^^ßmhn 
tdic 2)enfen unb ftüljleu. SWemanb wuubert ficf>, bafe gefjanbelt °&$ x mS> 
wirb, ganj anberö ate gebad)t. 2)aö 35enfen gilt in ©ebanfen, — 
baä £anbeln in ber SBirtlidjfeit. 2)er SBifle ift in berfelben 2trt dou 
öebanfen ju unterfd&eiben. ©r begleitet baö £anbeln ber s Jtert>etu 
roefen, — er gehört jur Siealität. 35er 3;bee nadjj foHte er gar nidf)t 
fein, unb bie ibeafe SBelt ober abftrafte 2Belt oerftefjt nur ben S5eter= 
mintemuö. ©ö fann nidf)t etwas frei unb unfrei, in bemfelben Slft 
unb abfolut gebaut werben, — aber wof)l unfrei gebaut unb frei ge= 
füljlt werben; — ^ett unb bunfel fd&lieften ftdfj aus, aber nid&t fjell 
unb rau§. 

3)aö ßljriftentum ber ftirdje fonnte ni<$t anberö in JßeHaö unb wjentum unb 
3tom ftdt) feftfefcen, als burdf) SRteberwerfen ber Äunftwerfe. 2Benn an 
jefct bie SBunber ju Sßergamon, ber Tempel in Dfpmpia unb bie 
2Heifterwerfe in SRom unoerfetjrt wieber erftänben, wer fteljt bafür, 
bafe tynen nur bie Segeifterung ber Äünftler, nidfjt audb bie 2lnbetung 
unb ber SBunberglauben be* $olte wieber juf allen würben? 2lte bie 
fjiftorifd&e ^rabition aber ununterbrochen it)nen jur Seite ftanb, wie 
follte ba ber ütteufemittemus iljncn gegenüber fidj anberö für fidler 
galten, als burdf) Terror unb 3rcf*örung. 

26. gebr. — durchblättert man baö nmc f woljl fauber unb .xie ur^nin«- 
beutlidj rerfa&te Sudfj von ßbuarb Sßreffenfe, „Die Urfprünge", 



— 96 — 

beutfdje autorifierte 3Iudgabe, fo erfd^ridt man über bie S?iclbeit 
ber 2luäemanberfefeungen mit menfdf)lid(jen 2tnfid^ten, bic fiA unbe^ 
grenjt oermeljrt fyiben, unb eben beäfjalb nie DoHftänbig gegeben 

«ufe bn: «rffdt werben fonnten. Ga ift fein ©runb ju ber Slnnafjmc, bafe jefct eine 

n$ we ©o^tfdt ©renje in biefer 33ejiel)img aufgefunben ift. Ter 3!lerfu$, bie ein= 

fad&ften ®runbwaf)rf)eiteu ju ermitteln auö ben faltbar verbliebenen 
9teften ber Spfteme unb Sfnfidfjten ber $l)tlofopl)en, — aus bem 
©ange biefer Stnfid^ten, — fann nie abfd&liefcen unb entplt in fidb 
felbft feine ©ic^ertjeit jur Unterfdfjcibung jwifdfjen Irrtum unb SSabr- 
beiten. Dod) was am meiften oon biefem 2ßege abfd)re<ft, ift bic 
Verwicfelung. Sott a\i$ ber (Erfahrung, ber geiftigen unb finnlidljen, 
erfannt werben, was efiftiert, fo mufe es einen bireften 3Seg geben. 
Die (Erfahrungen felbft muffen barauf führen, nidjt bie Slnfidfjten über 
(Erfahrungen, bie jwar aus ber (Erfahrung gebilbet finb, aber mög= 
lid&erweife gleidfj Xraumgebilben , burdf) äterbinbungen, bie feine 
©ültigfeit für anbre unb feinen Seftanb für baö Selbft Ijaben. 

geben ©tanfleis 26. 2lpril. — Stuft ber oon Sftajor o. 2Haltife oerfaftten £eben$- 

befdjreibung be§ ©rafen Sörangel getjt fieroor, bafe fein fteifer, fird>- 
©tauben», unb lid&er ©lanbe in aller @infad)f)eit, iljm ein großer £alt gewefen. £ängt 
t i fl «t. ^ e |^ c |*ttgfeit bes Gfjarafterö nid^t jufammen mit ber 3uoerfid()t auf 
ein fünfttgeö Xebtn* Die Dürfen finb feft. — 316er ber ©dfnffbrud) 
beö ©laubenö ift nidfjt abjuwenben. ©Q muß bie ©Solution, als bao 
Uebriggebliebcne, alles erfefcen. — Der 9JienfdE) fyat feine bösere 9tuf= 
gäbe, als bie 9Kenfdf)l)eit ju förbern, unb bie uncnblid&e 3 l ^ un f t & er 
3)tenfd£)l)eit fann allein if)n richtig leiten. Die Vergangenheit fann 
leljren, bie 3 lt ^ u n f ^ a & er f°M leiten. Selbft bie Äenntniffe oon 
ber Sternenwelt Ijaben für ben SDienfdjen nur menfdfjf)eittid&en 3Bert. 
3Bas ftopernifus unb Newton erfannten, fyaben fie für bie Sftenfdf^eit 
erfannt unb bas gab iljnen bie 2l>eil)e, — nidf)t irgenb eine 3lrt oon 
Selbftjwed fann bas tljun. 3lber, fo fdjwer es mag geworben fein, 
fidfj oon ber SSorftellung los ju machen, bafj fidb bie SBelt um bie 

<** bleibt i^wer, ©rbe brefjt, fo fdbwer wirb es ben tranftfeenbenten unb bodj) 
«ott |u et^rn liebenben ©Ott *u erfefcen, burdf) bie Ijöljere Daf einsform ber 

xaieinsfonn ber Sttenfdjjljeit, 51X ber wir alle nolens volens unfern Seitrag liefern, 

burdf) ©egnerfd^aft ober 9)ittfytlfe, burd) Slufreijung ober Suftimmung. 

©ut unb 33öfe untertreiben fid) eben burd) uidfjts anbreS. 2ÖaS in 

unbegrenzter Dauer ber 9)tenfd)beit förberlid) bleibt, bas ift gut. 

dreierlei 3. -Dlai. — Dreierlei war ber ©laube über bie 3 u f un f* ^^ 

1. Äilä«! e ' menfdfjlidfjen ßinjelwefenö, — ber SJJofaifdbe, ber Slpofaftjptifd&e, ber 

l'. Äon?fo)er. er ' s {Hatomf$e. 9Rofaif$ fann bie Gwigfeit nur bem ©wigen jufommen, — 



— 97 - 

ba^er nidjt bem 2ßenfdf)en, bcr oor feiner 3 ß ugung nic^t war; nur 
fein ©ante unb 9tame finb feine 3utunft, fein Sofjn unb feine Strafe. 
— 35er apofalpptifd&e ©laube, ben ber ftoran redf)t eyflufto beibehalten, 
ift von ber materiellen 3luferfiet)ung ber SBerftorbenen burdfjbrungen. — 
2er Sßlatonifd&e glaubt an eine abtrennbare ©eefe beö menfdfjlicljen 
Seibed, bie ewig gett>efen unb eroig bleiben wirb. 

3luö bem apofaltjptifdfjen unb bem Sßlatonifd&en ©tauben bereitete 
bie dfjriftlid&e ftird&e eine 9Kifdf)ung, bie ben barbarifierten SBölfern 
(Juropaö einige 3 e ü besagt l>at. 

aber in allen <3dfjtdf)ten ber ©efeUfd&aft oerfpürt man, wie fie 
ber ganjen $rage entwarfen ift. 9hir wenige finb cö,.bie fidf) nodf) 
emftlid& bamit plagen, — gleid&fam jurücfbteibenb in bem fdf)on oer^ 
laffenen ©d&aufpietyaufe,. bie nodfj immer bem ftanbtrfpitl, trofc feiner 
einförmigen Sßieberfjolung, jufd&auen. . 

gineö aber ift oon ber (Srfalpung feftgeftellt. 9luf @rben finb 
bie ^irntiere jur £errfdfjaft berufen. Qn berfelben ^amilie liaben bie 
Slrten ber 33orwelt Heineren &irnraum. ,3m 2)urdf)fdf)nitt fjaben audf) 
bie 9Serbredf)er fleinere ©el)irne, trofc ber einjelnen 2luönal)men. 2)ie 
9Renfd&en, ober was iljre (Stelle einnehmen wirb na<$ Millionen oon 3uiunft*. 
3af)ren, werben größere ©eljirne Ijaben unb beffer benfen, füllen unb ^^tnÄft.^ 
(janbeln als je&t. 9iur foll man nid)t meinen, oon ©ofrates bis Eant 
fei oiel 3*ü uerffoffcn. 3 U *> eu Sßerioben ber ©eofogie gehalten, ift 
es nur ein 2higenblicf ; bie ^ortbilbung beö ©efjirns lägt ftdf) ba nod) 
nic^t bemeffen. 

16. $uli. — $ür ben Stealiften ift bie 2Beltorbnung nidfjt eine 
twllenbete, fonbern ein jeber Ijat an feinem Seil fie weiterjubilben, 
roirfenb unb bulbenb. 5Die abfolut oottenbete Söeltorbnung , ebenfo 
nrie ber abfohlte SBeltorbner, in 2Birfli$feit genommen, madEjen alle 
ßriftenj unbegreiflich, befonberö baä Seiben. 9iur als Aufgabe ift 
bie SBeltorbnung unb ber SBeltorbner begreiflich unb fijmpatljifd) ; alö 
abfolute Realität ift e$ ein wefenlofeä unb wiberfinnigeö 3lbftraftum. 

27. äug.*) — £>ie SBeltorbnung für SJienfd&en ift bie 
Ijödjjfte aufgäbe beö menfdf)[i<$cn Sebenö, ber menfdfjfjeitlidje Äoämoö, 
fo ju fagen. . 

©ie Drbnung ift um fo ooHftänbiger, je weniger einförmig if>r 
3n^alt. ®er einförmige ^nljalt läßt bie üBeftanbteüe in Öejug auf 
iljre 3ufammenorbnung unterfdf)ieb$loö. Die f)ödf)fte Drbnung bel;errfd)t 



*) $iefe crftc Raffung bcr SBeltorbnung wirb t>om SBcrfaffcr als §u bigrefft» 
wrroorfen, bod) Ija&e tc$ aDed beibehalten. 5lnm. b. öerauSgeberin. 

SuS ton *afldro$Mättern bcS Örafen %. Acpitrling. 7 



— 98 — 

bagegen jeben fletnften Seftanbteil unb weifet iljm feine ganj beftitntnte 
©teile an. £)ie Ijödfrfte Verfd&iebenljeit unb bie größte äbljängtgfett 
jnrifd&en bem &anitn unb jebem feiner £etle mad£)t bie työd&fte Sßelfc 
orbnung, audf) in Setreff ber SRenfdfjljeit. 

SBenn bie Aufgabe richtig fein foll, fo m\i% au% ber ©efd&ic&te 

einleuchten, bafe bie ©nttoidfelung in ber Xfyat iljrer Söfung näljer 

bringt. 

Begriff 30. 3lug. — Um Unftar^eit auöjufdfjliefjen, ift §unäd)ft nötig, ju 

t nung. er j{g ren ^ roaö jQ r t)nung bebeutet, ©ie bejetdfjnet bie Verteilung eines 

jufammengefafjten SJteljrfadfjen, bem Staunt ober ber $tit ober bem 

es <jüt »ieutiei Stange nadf). @d fann vielerlei Drbuungen berfelben ©egenftänbe 

tnunfltn. ^ en gg aö j ere( j^tigt ba, bie eine für oottfommener ju galten afe 

%m< unb «reis, bie anbre? £>ie fünfte in einer glädfje finb j. 35. nidfjt fo ooHfommen 

georbnet, wie in einem Äreife. Qn ber Jlädfje fönnen fte fefjr rer? 
fdfjiebene Stellungen einnehmen, im Äreife bagegen ift ber Drt jebeö 
fünftes beftimmt unb jeber ^Junlt bebingt nrieber baö ©anje. Unter 
ben oerfdfjiebenen Kuroen mürbe ein Unterfdjjteb ju madfjen fein nadj 
ber ©införmigfett. 35er Sßunft im Äreife mit bem einen SDfctttetpunft 
unb Stabtuö, toäre unoollfommener georbnet alö in ber @Hipf e , roo 
bie Vrennpunfte, bie oerfd&iebenen Sljen u. f. to. fjinjufommen. SMe 
Ijö^ere ©ifferenjierung unb jugleidE) oollftänbigere Vebingtfjett bes 
SKeljrfad&en untereinanber unb im Verhältnis sunt ©anjen madjjt bie 
oottfommenere Drbnung. 2)ie ^ormel Ijeijse: 
unfre Aufgabe ift: $ie Drbnung unter ben 9Wenfd&en ju oeroollfommnen, 

t>en ^e^en n iu bafür leben unb fterben mir. ©ine Ijöljere aufgäbe hat roeber 

ber ©injelne nodf) bie ©efeUfdfjaft. 
3tDcite3rQffun fl bcr 31. 2lug. — Drbnung bejeidfjnet eine beftimmte 2lrt ber Verteil 
etomung. ^^ ^^ SKefjrf adrett , bem Staunte ober ber Qüt ober bem Stange 
nad). $e oollftänbiger ber Drt jebes Seite beftimmt ift, um fo ooflk 
ftänbiger bie Drbnung; je unterfd&iebencr bie Seite jtnb, um fo un* 
erfefclidfjer finb fte, um fo weniger fönnen fte einanber oertreten unb 
finb baljer für baö ©anje unentbeljrlid&er. 
Mtte sanung btt & oerfd)iebener bie Veftanbtetle, je beftimmter unb notmenbiger 
©eitorbnunß. .^ ^ u | ammcn ^ a ng, befto oollfommener ift ifjre Drbnung. $n biefem 
©inne fyabtn bie SJienfdfjen für bie oollfommene Drbnung ju einanber 
unb ju bem ©anjen ber 2Kenfdf)f)eit ju leben unb ju fterben. ©ine 
\) öftere Aufgabe gibt eö weber für ben ©injelnen nodf) für bie 
9Jtenfd()f)eit. 

Sfjiafofogie toäre baö richtig gebilbete Söort für ©ojialleljre, fiatt 
ber gebräud&lid) geworbenen ©ojiologie. ^iafo§ = Verein, oft burdfj 



— 99 — 

SBeifjen gebilbeter herein ober mit religtdfett unb pl)ilofopf)ifdf)en 
3roecfcn, — aber au<$ gefeffiger herein. 

ßoenologie — richtig ftatt Sojiologie — Rubelt cd fidf) aber 
um erflufwe ©efefffdfjaften, befonbers mit SBetyen unb ©e^eimleljren, 
Dann ift Xfytafologie ber ridfjttge Äunftauöbrudf. 

2. ©ept. — 3fmmer nodf) ftnbc idfj bie redete ??orm, meine t>ors »iett« gfoffunö ux 
fteljenben Slnfidjten ausjufpred&en, ni<$t! SBerfud&e td) es nodf) einmal, eic^e 87 r , n 8o n wnb 
einfach unb mit SBermeibung aller langweiligen 35emonftrattonen. 81 " 

Drbnung ber SDtenfdfjen unb für bie 9Renfd)en, eine 
ijöfjere aufgäbe gibt es roeber für ben ©injefnen, nodfj für bie 
SJtenfd^ett. 3Kan fönnte biefe Drbnung ben menfdfjlidf>en ÄoSmos 
nennen. 

2)iefe Raffung beö oberften 3 ro ecfeö alles menfdilidfjen ©afeins 
ift fosiat. 

Stnbre Raffungen finb egoifttfdft unb, foroeit fxc in ©egenfafc 
treten jur Drbnung, falfdf). 

©a ift junadfjfi ber (SubämoniSmuS. Sie Suft, im nieberen ©inne, dubämonismu». 
ift bie Stuf fjebung eines Seibes unb oljne ifjr ©egenteil nidfjt oorfjanbeu ; 
baber als oberfies etljifdfjeS $rinjip eine 9hiffität; audf) ift bie SDtenfdf)* «ein 3forttö«tten 
bat barin nie »onvftttt gefommen. «at man ja n.d,t oi,ne ©runö "Ä«,"" 
bas Seben ber SRomaben als bas glücfltdfrfte gepriefen. SBirb aber 
unter Suft audf) bie Iiöfjere Sefeligung üerftanben, bie ben jenigen er* 
greift, ber feine Seftrebungen unb ^anbfungen bem SMenfte ber teeren 
menfdjljeitlidfjen Drbnung genribmet Ijat, fo ift ifjr Segriff fo fefjr ers 
roeitert, bafc fie bas DrbnungSprinjip umfaßt. 2)er ©egenfafc Ijört 
auf, aber bas Suftprinjip ift nur befdfjränft in ©eltung. 2)ie Suft 
an bem %xribtn ber SBaljrfjeit, an bem ©rfennen ber affgemeinen 
Segalität, an bem Ueben ber allgemeinen ©eredfjtigfeit, an bem %'öx* 
bem bes affgemeinen 2Bol)lS ift eitn ntdfjt meljr egoiftifdfj unb xoefy 
felnb, — fonbem fojial unb bauernb. 3 um %til ift ** bie unenbs 
fidje ober bodf) bauembere SRatur foldfjer ftitit in ber SBorfteffung, 
bie in bas aergänglidfje Seben bes 6injelmenfdf)en SRutye unb 2Bof)U 
gefügt bringt. 

Äants oberftes etbif dbeö ajrimip : Sie SHarime 3)eines£ans «ants oberju» 
belns mup fidf) jur allgemeinen ©efefegebung etgnen, — tuttia, at« 
gefunben aus ber Slnalpfe ber erfa^rungsmäfcigen SSorfteffung üon ©ut 
unb SJöfe — ift richtig, aber nur einfeitig. @s ift bie Seftrebung 
für bie affgemeine Segalität niemals anbers als gut, — aber nidfjt 
bas einzige ©ut, 6ö fann in t>erfcf)iebenen ©efefffd^aften bie Se^ 
galität eine ftrenge unb oollftänbige fein, unb bennodfj ift bie Drbnung 



4 f «OO n \ 



— 100 — 

ber einen ©efettfdfjaft tuet f)öf)er unb ballet porjüglid&er als bie ber 
®«Ran^e anbern. 3mmcrf>in ift aber ber Äantifd&e ©runbfafc aufredet ju 
oegmÄsV- galten gegenüber ben ßintoenbungen , j. 33. tote fte £erm. Softe in 
ben ©runbjügen ber praftifd&en $ljilofopl)ie (93orlefungöbiftate) neuer- 
bingö auögefprodf)en tyat. 3ft i<* bodjj bie bauembere, työljere Drbmmg 
unter -Menfdfjen baö Ijeroor ju bringenbe Out, ob mit ober ofjne 0e= 
nuß, ob mit ober o^ne ©rfenntnte feitenö beö ©inj einen. Softe 
bemerft: Dann müßte eine tljeoretifdfje unb nidfjt altgemein juju- 
mutyenbe 2lrbeit bem ©ntfdfjluß ftetö t>oran gelten; — aber ber @nt= 
fdfjluß fann automatifdjj ju ftanbe fommen, wenn audf) bie Grfennfc 
nid, auf toeldje SRajime er eigentlich fidf) jurücffüljren läßt, Slrbeit 
©erlangt. 

2Benn ferner Softe bemerft, fobalb es auf baö 9?efultat beo 
£anbelnö gar nidfjt anfommt, fönnte man j. 93. als allgemeine 3Ka|ime 
aufftellen : Gebern baö Seinige ju nehmen, — toenn audE> Unorbnung 
unb Unglüdf bie golge toäre, — fo toirb Äant mißoerftanben. 3 ur 
allgemeinen ©efeftgebung eignet ftdfj in Äanttfdfjem ©inne nicftt, 
toaö Unorbnung unb Unglüdf tyeroorbringt. 2>aö mar eine SBorau^ 
feftung bei Äant, oljne meldte oon einem „fidf) eignen" gar feine 
2u sude in ftants 9tebe fein fonnte. Softe Ijat aber freilidfj bamit auf eine Südf c in 
* ' ber Slantfdfjen 6tf)if ^ingeroiefen. 2Beldf)eä ift bie Ijöljere, allgemein 
anjuftrebenbe 9Kenf d&enorbmmg ? Siefer ?f ra 9 e * ann man n *$t ÖUÖ; 
toeid&en. Äant antwortet: @in 9teid& ber &mdt, barin jebeö ©lieb 
Oberhaupt unb Untertan jugleid), frei unb SelbftjmedE ift. 

£erbart f)at geltenb gemalt, baß baä fittlidfje ^rinjip junt 

£anbeln unmittelbar flar unb mit bestimmtem ^nfjatt erfüllt fein 

muß, nidf)t tuic bei Äant, eine bloße Formel. — 3>iefer 3nf)alt, 

geftefye mau -$u, ift notroenbig, aber nidfjt notn)enbig ift es, iljn am 

pf)ilofopljifd()en $been abzuleiten, ©r ergibt ftd^ aus ber @rfafc 

rung. 2luö ber ©umme ber Erfahrungen, bie jeber einzelne hinter 

ftdfj fjat, entftef)t — unnrillfürlid& unb unoermeiblid&, gfeidf) einem 

©aibct £raumbilbe, — ein ©elbftibeal, ein ben Stftenfd&en ftete begleitenbeö 

cntS f meTeibn. ©djattenlnlb *). $er $erbartf$e Serfudjj, ben 3n$alt Jbiefeft 3beal* 

ibwI ' aus ber ganjen älnja^l möglicher Delationen ätmfdfjen üerfdfjiebenen 

SBillen ju erfennen, ift ein SBeftreben, Erfahrung burdf) ©pefulation 

ju erfeften, baä ftete mißglücft, unb für beffen ©elingen aud& bie 

9totroenbigfeit gar nid^t ju erroetfen ift. 25>aö not ttjut, ift, einen 



*) 3)iefeS ©clbftibcat war nati) Äe^fcrüng bie ®runbr«gc bes (SJeroiffenS, b« 
Untreue gegen bosfelbe Urfa$e ber ©etoiffcnöangft. 



— 101 - 

Örunbfaft ju gewinnen, jur Älafftfijierung ber oerfdfjiebeneu Selbfc 
ibeale, uon benen bie einen ben SSorjug oerbienen ober alö fjötyere 
Stufen attjufe^en ftnb. 

Softes ©tmoenbung gegen bie Unabljängigfeit ber Sittlid&feit beö 
£anbehtö oon bem ©rfolge, ift infofern begrünbet, alö eö überall bar* 
auf anfomtnt, ob baö £anbetn für baö menfdf^eittidje Seben jerftörenb 
ober ertjaltenb, ertoeiternb ober befdfjränfenb ift. dagegen tft bie S3e= 
bmgtfjeit t>on bem egoiftifdfjen ©rf olge nidjt jujugeftefjcn. 35er Ä r e u j e & ftwujrttob 3«ju 
tob Gfjrifti ift egoifiifd) eine £fjorf}eit, — fojial bie Ijödjfte Sitt- s?oVV fojloi 
üdjfeit, unb in ber attumfaffenben SBorftettung beö ©tnjelmenfdfjen, 
metleidfjt eben beöljalb baö f)ödf)fte ©lud. 

35a Softe fcfjließlid) bie egoiftifdfje Suft mit 3ted)t ate etfjifdfjeö 
^rinjip oemurft, aber für bie ftttlidje ©rabuation bes Suftgefül)te 
nur bie Stimme beö ©enriffenä anruft unb roegen ber oernridelten 
iterfjältniffe, in bie baö #anbeln meift oerfeftt, bie Stimme beä ®e? 
tütffenö in ftonfüft mit ji$ felbft fommt, fo f eljlt eigentlich jeber etljifdie 
©runbfaft bei Softe. 3?ie Sebenöerfaljrung foH angeben, wie bie 
größtmögliche Summe bed ©uten im menfdf)lidf)en Seben ju vtxvoixh 
liefen ift! Qnbeö geminut Softe a\& ber Betrachtung ber einfachen 2o*es oberfu» 
fittlid&en ^beale bennod) alö oberfteö s $rinjip ber Sittlicijfeit : baö ©oSSiaeS. 
ffiofjttootten — unb oerfteljt banmter bie 3)iöpofttion, bie ©lüdfelig* 
fett anbrer ju erzeugen, — nidfjt bie eigene. 

SBaä Softe über bie #rei^eit beö SBiUenö fagt (britteö Äapitel), ift so%e« ^Definition 
feljr lefenöroert. 3)ie f^rei^cit beö SSiHenö bebeutet, baß er nid&t nur ©tuen* 1 
äußerlid) unabhängig ift, fonbem aud) burdf) bie früheren innerlichen 
Suftänbe ni$t erjtoungen, — aud) baß er nidf)t bloß naturgemäß ift 
b. f). ber inneren -Natur bes Subjefts gemäß, fonbem baß er burd) 
bie Sefdfjaffenfjeit beä Subjefts nid&t fdf)ou notroenbig fo unb nid&t 
anberö ift. 

ßin SBitte, ber frei ift, äußerlich unb innerlidE), tft nur fid) felbft 
Urfadje unb baljer ntcfyt begreif lief) ; eö ift ein fdjöpferifdjer 2lft. ®r 
beroeifet, falls er im ifteroenleben ber £iere unb beö SDlenfdfjen oor= 
fommt, baß es in ber Sßelt ein @tmas gibt, frei oon ben Senfgef eften ; 
nrie ftant es gefagt fjat, einen intetligiblen ß^arafter, ber in unbe? 
greifli^er 2Beife roirft. 

20. -Koü. — Surdjgelefen greub unb Seib bes ^enfdfjeugefdjlecfyts $rcub unb stib 
oon @. £. Sdfjneiber, Dr. phil. — um ju betrauten, mie fid^ bie 
Floxal u. f. n». in ben Äöpfen barftellt, bie mit ben mobernen Spencer^ 
2)anoiniftif^en $bm\ operieren. — 6ö fommt ju 33orf Triften ber 
©efc^idlic^feit unb Regeln ber Hlugfjett, um ftc^ gefunb 511 erhalten 



— 102 — 

imb gefunbe ftinbcr ju fjaben unb bergl. — 311 ©runbfäfcen bcr £ugenb 
fommt eö nidfjt. Sd)liefjlidfj wirb ein SBerfudfj gemadfjt audf) über bie 
Öitterfett beö £obeö ju beruhigen, ©a finbet fidfj nidjitö anbreö als 
bie gortfefeung in ©ante unb -Kante, — alfo bie atfyebräifd&e Seljre, 
bie alö d&riftlid&e, auö purer £eudj>elei gepriefen nrirb. — Slber ob 
bie SJortrefflid&feit meiner 9tod(>fommen midj) erfreut ober ifyct 9tieber= 
trädfjtigfeit ntii) betrübt, — ber £ob madftf allen SBorempftnbungen 
unb SRadfjempfinbungen ein ©nbe. Sie unbegrenjte UJWglidfjfeit 311 
empfinben, waö gewefen unb waö fein wirb, muß ber Sterbenbe nadj 
allem, maß finnlidf) wahrgenommen unb gebadfjt werben fann, oer= 
Heren, unb eö ift tljöridfjt, tfjn burdf) Stnpreifung beffen, waö er 

•Da* fieben o^n« ntdf)t behalten foD, ergöfcen ju wollen. $n ber ©rfatyrungöwelt ^eißt 
eö, fid^ befd&eiben. 3)aö Seben fann nur entfielen unb getragen werben 
unter ber SBorauöfefcung, bafj eö ju ©nbe geljt. (£ö ift tote ein £idjt, 
baö ni<$t leud)ten fann, oljne ju oerbrennen. SBergebenö ift ber SSer* 
fud), bie SRotwenbigfeit unb iljre #ärte ju oertufd^en. 2Baö fann ben 
2>« perbenb« auf bem ©d()ladf)tf etbe ju Xobe oenounbeten Ärieger tröfien ? Db aus 

xrofi a im ®«tt)Ä" feinem fieibe SBürmer entfielen ober @ngel, baö fann if>m bie 2luö- 

oVtJ'on ju ^aben. ftdbt für eine 3*it, ba er nid^t meljr fein wirb, weber oerberben, noefj 

oerf Tonern. 3m feften 33ewufjtf ein , feine ^Jflid&t getrau ju 
Ijaben unb ju tfjun, bis baö 3luge gebrochen, — waö aud& bie 
folgen, — barin wirb er meljr finben alö in ben SSorfpiegelungen 
beö fpäteren 2eben$ biefer SBelt. SBemt aber biefeö SSerljalten beö 
fterbenben ftriegerö £l/atfadje ift, fo ift eö audf) nidfjt redfjt auö bem 

%>\t\t abatfa^e ift fieben biefer SBelt ju begreifen. 60 ift eine Xljatfadfje, bie auf bie 
bi a e?er «Bett' en Jtotwenbigfeit l)inweifet, bie menfdfjlidfjen erhabenen ©efüfjle enttoeber 
gar nidfjt ju erflären, ober fte bur<$ eine unbegreifliche SBelt ber Qbeen 
ju erflären. 2)aö 5J3ffid&tgefü^t forbert ifttityit, — baö Siebeögefüfjl 
forbert jur ©tnigung ber ganjen SBelt ©inen ©Ott; — ber 2Jer= 
ftanb weifet bie Unmöglidfjfeit auf, bergletdfjen in ber ©rfa^rung ju 
benfen. So bleibt nur übrig eine Qbeenwelt, eine inteffigible SBelt 
nadf) Äant, — attjuerfennen, bie nidfjt ju erfennen ift. 2Uö 
$bee ift bie inbioibuelle ^ortbauer gleidjjfallö gefüljlömäfcig. SRateriell 

»crj(biebcnbd» btr auögebrücf t : £aö s Jieroenftjftem fjat feine befonberen gafern nid^t nur 

XflibtTnb r für Bewegung unb ßmpfinbung, fonbern aud^ für ben SBerftanb, bie 

jwar alle int pfijdf)ifd()en 3 e "^ um jufammenfommen unb ftclj beeim 

fluffen, aber fo wenig a\& bcr bloßen Sewegungöfafer eine ©mpfinbung 

bireft bewirft wirb, ebenf owenig fann baö ©efüfjl einen SBorgang 

WMit, ber SBerftänbniöf afern bireft oollbringen unb umgefe^rt. $f lid&t, 

öot" fmb ©ef üVis. fortleben nadf) bem £obe beö 3»^i t, ^ l,u ^ 10 / ©ott ftnD 



— 103 — 



©efüfjlöibeen, bic auf bie SJerftanbeöfafern bireft nidfjt einroirfen foten, we nt$t auf 
formen. 3)er SBerftanb fann folgen $been feine Sßafjrfjeit auftreiben, »ttfianbl»fafetn 
ober tljre SBirffamfeit auf baö ©effifjl unb t>ermittete beöfelben aufbte«HrtTi*wt. 
auf bie 2Birflic$feit bleibt*). 



(1885). 

17. ^an. — ftants Definitionen finb mir immer nüfelidje $fab* Ran« 
finber! ©elbftliebe, fo fagt er, ift SBofilrooffen, — 9trroganj — ■ 
2Bol)lgefatten am Sefbft, jumal in ber Uebertreibung. 3$ finbe, bafc 
in biefem ©inne ärroganj auf eine faum gtaublid&e SBeife bie 3 U ' s™*™* *tnbert 
leitungen üon ©rfenntniffen bef)inbert. 35ie betreffenben Äanäle 
werben fo enge, bog bie brei ©äfee eines logifdfjen ©d^Iuffeö nidjt 
metjr in ununterbrodfjener golge burdjgetyen fönnen. £)ie fiogif fann 
nidjt 3lb^ilfe fdfjaffen unb bie 2lrroganj nrirb burdf) ben Slnblid iljrer 
3lbfurbität gereifter unb weniger nachgiebig. 3)ie ©ittttd&feit märe 
baö ©egenmittet gegen bie 2lrroganj. 2lber bie ift mdf)t gut angu^ 
bemonftrieren. 2)aö SBo^lgefaHen am ©elbft muß üieffeid^t einge* 
jdjläfert werben unb bie 3 u ^ c ^ un 9 unterbeffen f<$nett auögenufct 
werben. 35ie SBaljrfieit ju erfennen, mufe ata ^5flidf)t angefefjen mer= 
ben, wenn fie audf) ber 2lrroganj, roie alle $ffidf)t, unangenehm, 
fc^merslid^ fein mujj. 

Eant fyat in ber fritifdfjen Sefeud&tung ber änafyttf ber reinen setfreiesomie 
Vernunft über bie <Sd&roierigfeiten, ben SBillen frei ju glauben, baö b« reinen 
lieffinnigfte gef dfjrieben , waö je oon Sßljitofopfjen barüber gefagt 
roorben ift. aber in bem 2lbfdf)nitt oon ben Sriebfebern ber 
praftifdjen SBernunft befennt er: „2)enn wie ein ©efefc für ftdE) 
ein unmittelbarer 33eftimmungögrunb beö SBiUenö fein fönne, baö ift 
ein für bie menfd^lid^e Vernunft unauflösliches Problem unb mit bem 
einerlei, nrie ein freier SßiHe möglich fei." 2BaS bie Vorgänge im 
©emüte fein mürben, wenn es einen freien SBillen gibt, fann aber 
unterfud&t werben. — ©o t>iel SÜlotiue ben SBiHen auä) verfodfen, fie 
fönnen feine Jlaturnotmeubigfeit für iljn abgeben. ßs ift alfo in ber «wifcriin«* 
Vergangenheit bie 2Jta<f)t ber ©rünbe niemals sureid^enb für ben freien «rnaen*. 



*) ©ie$e SBorrebe. 



— 104 - 

2BilIenöentfd)IuJ3. 3 U a ^ n erfinnlidfjen 3ßotioen muß ein SRoment 
fjinjufommen, um ben SBittenöentfdfjhiß ju oottenben. 3)iefeö £injus 
fommenbe ift ber SBille, ober SBiUensentfdfjluß felbft, ben nid&ts ber 
3eit nadf) SBorfyergeljenbeö jtoingen fann, ein Äerndjen greityett in^ 
mitten ber -Jlaturnottoenbigfeit. 

©etient^eorie. 11. 3uK. — Deöcarteä ging oom 2>enfen an*, aber baa 

©enfen ift nidjt fo einfad) ju erflären unb ju erjeugen. @ö ift bie 

s>iemoberne Ärone ber ©d(jöpfung, ntdjt bie ©runblage. 2)ie moberne realiftifdfje 

5&nfm U erf! a (Schule muß ausgeben oon ber für bie eigenen Setoegungen empfind 

ttdjen ©ubjfanj. $n folgen ©anglienförnd&en, benen metyr jugeleitet 

wirb an ©nergie, ate fortgeleitet wirb, entfielt unb erhalt fidf) ein 

molefulareä Sitbtn, unb baö ift ate baö materielle Korrelat ber @m= 

©ommtungbet pfinbung typpotljetifdf) anjunefjtnen. 3n $irntieren fiodft bie 33e^ 

©e^irabe^ö^Jren toegung in ber £irnmaffe gang anberft, ate in ben ©anglien be& 

33audf)marfö unb beö Sdftfunbneroenringefi ber Qnfeften. 2)ie ©mpfuu 
bung fließt bei ben ftnfeften burdf) bie Seitungen weiter, o^ne ftdjj 
oiel ju fammeln. ©te^enbe SßeUen, aus benen ein centraler 2Betfen= 
berg ober fyödjfter SBeHenfegel refultiert, beeinflußt t>on ber ©efamt? 
fjeit ber SBellen unb auf beren ©leidjgetoidfjt feinerfeitä eiutoirfenb, 
baö wäre baö paffenbe ©leidfjniö. 2Bie aber bie ^äijigfeit in ber 
üfteroenfubftanj fidf) bilben fann, nid>t nur frembe Setoegungen, fonbern 
bie eigenen Siegungen roa^jrjim'efjmen ? 2Sie ein ©ttoas entfielt, bem 
3mmer loiebeibai bie Seioegungen }u ©mpfinbungen werben? £aö ift bas unauflööUd&e, 

»ciTnumbWe ooit £u Sote^SRepmonb betonte Problem. 

fßrobtem. 



11. Stoß. — 3 U weldfjer ^ageöjeit neige id) befonberft jum 
<ßf)Uofoptjiereu? 2Bemt bie SDWibigfeit oon ben SBaljrneljmungen unb 
©efdf)äften gefommeu; oor bem Sd&faf fammelt man fidf) jum ®tb?t, 
unb ebenfo fd^roeifen bie ©ebanfen Ijerum in ©ebieten ber' Stöftraftion 

«btnboebonfm. oor bem ©infdf>lafen. 3ft ba3 aber nid)t ein Rtityn, & a l3 ^ öö Dualen 
mit burdfjauö unlöölidfjen Problemen, auf ©ebieten, too eö nur teere 
Segriffe, ofjne mögliche ©rfdfjeinungen gibt, einen relatioen ©dfjroädfjes 
juftanb anbeutet? 3fl baß ${)ilof optieren über genriffe fragen *"$* 
eine 2)rel)franf^eit? 3)aö ®i*perimentieren ift oiel umftänblidfjer, unb 
erforbert oiel größere Umfidfjt ate baö einfeitige unb untätige 
Spefulieren. 

unterfud^unfl 22. 2tug. — Äant: „©lüdfeligfeitösuftanb eines Der* 

bes oifltfi. nfln ^ tiflcn gjgefen*, bem adeft naä) 9Bunfc$ unb SBiüen ge^t." 



— 105 - 

Tiefes angenommen, gehört oorab jur ©lücffeligfeit 2Bunfdf> unb 
23ille. 35er 2lpatl)ifdfje fann nid)t glücffelig fein. $e heftiger 2Bunfd) 
unb aBitte, um fo meljr fann man gfücf feiig fein; — aber fann man 
e$ bleiben? 2>a fteljt eö t>erfd&iebentlid& um bie Segterben. auf 
junger folgt Sättigung unb SBibemritte gegen Speife. 55a& 3}cr= 
langen nadf) bem anbern ©ef^te^t fällt weg, fobalb eö Erfüllung 
gefunben. SBieHeidfjt gibt eft nur eine 2lrt 33egierbe, bie roa^aft unb 
anf>altenb glüdflidf) madfjen fann, — bie SBifebegierbe! SBo^l gibt e& 
$erfonen, bie ba benfen, — ob and) getaufebt unb belogen, wenn 
icf) nur beglücft bin! Setrügt miefy, aber marf)t ntief) glücflidd, rufen 
fie ifjren greunben gu. Silber anbre, über bie ber ©eift ber 3Bal)r= 
baftigfeit gefommen, fönnen es i^nen ntd&t nad&tljun. 2Baä Söa^r= 
baftigfeit ift, nic&t baß ju nriffen, aber fort unb fort ju er- 
fahren, ift ba3 einjige ©lücf, beffen fie fäljig finb. 35er Steft, fo 
herrlich unb frf)5u eö audjj fei, t^ut es nid)t. iiiebe unb @^rc unb 
iReidjtum madfjen einen geringeren ©inbruef auf fold&e ^ßerfonen. 2>iefe 
bebinbern nidfjt auf lange, bafc fie fidj gelangroeilt füllen. Sanges 
weile ift aber ein Unglücf, ba* jum Sd)led)ten jtoingt. — 2luto= 
matifdjje Stefdbäftigung, bie man gewohnt ift ald nü^lid) anjufeljen, 
wirft tooljl aud) gut gegen bie Sangeroetle. Xtn ©Item mufc man 
raten: gebt euren Äinbern nidf)t bie 3eit fieb gu langweilen, unb fie 
werben glücflidf) fein, unb nid&t auf f$ledf)te ©ebanfen verfallen. 

19. Sept. — ©in feltfamer £raum, barin mir ein, SWarie ge= ©a» bringt we 
Jjeißenea SUnb, im Stabtgetriebe oerforen geljt, mit lange fiel) fort= ftombination im 
fpinnenben Senkungen es roieber ju finben, »erantafet miefc barüber Xtaum ^ 
nadjjubenfen, nrie bie bramatifd&e, ergreif enb fombinierte^Drbnung, 
bie ber £raum oorfpiegelt, ju ftanbe .fommen fann? So oiel mag 
angenommen werben, bajs in ben Äernen ber #irnganglien ftdfj 2Uu 
orbnungen ober Spannfräfte oorftnben, bie äußere ©egenftänbe unb 
Vorgänge bem 3>d^Äern barftellen, fobalb fie ju bem ^^-Äern ge= 
langen, — feine anbern ©lementc fönnen im Xraume oorfommen, 
als foldje, bie früher in bie ©anglienfcrne unter Skrmittelung beö 
^cfcfternä geraten finb; — btefe in ben ©anglien ftedfenben ©lemente 
werben, wenn bie fieitungen frei finb, roie im Schlaf, wo feine 
frifdjen fräftigeren ©inbrücfe fie befefct galten, jidfj ju bem ^d^^Hern 
fjinbrängen; — bie fräftigeren werben bie fcbwädf)eren oerbrängen; — 
aber eine Slbfolge ber ©lemente, fo bafc auü ben t)orl;ergel;enben bie 
folgenben ju entfteljen ober fieb iljnen anjupaffen febeinen, folgt niebt 
au§ ber blofjen Ueberfegen^eit an ©nergie eines ©lements über baö 
anbre. 2Wan fönnte fieb oorftellen, baft ber Gintritt eines ©lements 



- 106 — 

in ben ^cfcEern bie 3 u ^ e ^ un 9 eweö anbern ©lementö ermöglid&t; 
nidfjt bie ©nergie im ©anglienfern, fonbern bic auöwäljlenbe Sin- 
Sterling beö 3djjs5temft würbe entfd&eiben, in weldfjer golge bic @fe 
mentc inö 33ewußtfein, in ben $fy$exn treten. 3Son bem 2BiUen 
unabhängige ©efefce ber äffociation unb faufalen Kombination würben 
bann bie 2lbfolge ber 2;raumerfdfjeinungen im 3d) s £ern befiimmen. 
3)er ScfcÄern fjätte etwa eine gewiffermafcen faleiboffopifd&e ©truftur, 
infolgebeffen bie ©lemente bramatifdf) georbnet werben; — ober nur 
bie in baö 2)rama paffenben ©lemente werben in ben QcfcKern auö 
ben ©anglienfernen Ijtneingejogen, — ober von ben unabfetjbar jafjU 
reiben, möglichen Kombinationen ber in ben ©anglienfernen ftedenben 
Elemente erfüllen nur biejenigen, bie in einer gemiffen Drbnung ftdb 
befinben unb fidfj folgen, bie 33ebingungen, um $ugang S u Pnben jum 
xtci «wotfefen. Qd&sKern ober jum Sewufctfein. ®a ftnb brei üerfdfjiebene #9potf}efen 
auögefprodfjen. 1. 2>ie Elemente au§> ben ©anglienfernen ftürjen ft<§ 
mit ©ewalt an bie £f)ore beö Qdfjö, — unb werben an ben 2$oren 
georbnet unb bie unbraud&baren uernidfjtet; 2. bie ©lemente auö ben 
©anglienfernen treffen in allen möglichen Kombinationen oljne Drb= 
nung jwar aufeinanber, aber weiter l)in ju ben Sporen beö ^dfjö 
werben nur bie in gewiffcr Drbnung oerfefcten ©lemente geleitet; 
3. baö in baö $<§ erft gelangenbe ©anglienelement bewirft in bem 
$<$), baß ein befonberö geartetes anbreö ©anglienelement angejogen 
wirb. — -Kur bei ber britten ^ppottyefe ift baö tumultuarifdfje, untere 
fdfjiebölofe 2lnbrängen ber in ben ©anglien ftecfenben Silber (wie 
auf einer pf>onograpl)ifdf)en platte, auö ber eine oor ftaljren ge^ 
fjaltene 3t,ebe wieber reprobujiert werben fann) oermieben. ©ie vev- 
bient entfdfjieben ben SBorjug. Sßunberbar unb überrafdfjenb bleibt 
aber bie unbewußt affociierenbe ober, allgemeiner gefagt, oerfnüpfenbe 
3lbänberung beö 3dE)ö. Qebeft eintretenbe ©üb erwirft in tym, baß 
oon ben unjäljligen anbern Silbern nur ein befonbereö folgen 
fann! — 
uebetftcrMi^e 1. Dft. — yhfyt bie $ßf)ilofopf)ie ^at baö Problem uon ber über= 

snbimbuums. fterblidfjen ftortbauer beö ^nbioibuumö gelöft, aber wotyl bie Statur^ 
forfdfjung burd^ baö ©inbringen in bie ©elieimniffe ber 3eugung. ^te 
grage nadf) bem überfterblidfjen Heien wäre nidjjt entftanben, wenn bie 
•äftenfdfjen nidfjt geftorben wären, Sie fterben aber nidfjt, fo lange bie 
leibliche $ortgefta(tung nadf) i^rem inbioibuellen SBefen ununterbrochen 
weiter gel)t. Steile oom Sftenfdfjenleibe gefjen oerloren, fämtlid&e öe= 
ftanbteile beö Kinbeö finb vermöge beö ©toffwed&felö lange aus bem 
Seite beö ©reifcö üerfdjwunben, — aber berfelbe 2Jienf<$ blieb; — 



— 107 — 

b. i). baä ©eftaltungögefefc, bas mit bem ftinbe jur SBelt fam, fjat 
nid^t aufgehört, eine fortlaufenbe Steige barjuftetten. 

. . . 35aö ©e^irn unb 9tücfenmarf mit allen feinen Seiftungen 
ift bas ©eifteöorgan. 6in benfenbeö 2Befen aus ^Jlatinafäben j. S. 
fann fein benfenber SRaturforfd&er für möglich galten. . . . 

1. üRod. — Sntereffant ftnb bie fjppnotifd&en ßjperimente in axn unbetonte, 
i'eipjig. . . . 3)ie Ärampfjuftänbe ftnb bewirft burdf) t>orangel>enbe 
Sorftettungen unb ftnb von längerer gortbauer afe biefe SBorftettungen. 
Saß SJorftellungen p^irftfdfje ©puren ^interlajfen, bie gelegentlich 
roteber ju SSorfieffungen werben unb führen, ift rooljl nid&tö 9?eue3, 
aber nidfjt ju oft unb ju beutlidfj ju toiebcr^olcn. 3<S glaube, man 
fönnte batnit einen guten £etl „unberou&ten SBefenö" ber (Seele oer^ 
abrieben. 



ftüxfebUrk 



31. 55ej. — 5ßl)ilofopf)ifdf) fjabe idfj midfj feljr beftärft in ber Slnftd^t, si. a>«iember. 
Die ftant nriberlegt ju $aben glaubte. 3$ Mn uon ber Konformität 
ber 35inge an pdf) mit tyrer ©rfdfjeinung mefir überjeugt. 2)ie greu 
^eit uerlege id& nid&t in eine fogenannte intettigible äßelt, fonbern in 
bie ©egenroart, bie jeitlofc, ate ©renje jroifd&en jefet unb einft, auf* 
jufajfen iji. Sei atten moralifdfjen ßanblungen ift in ber Vergangen* 
Ijett bie IXrfad^rei^e nidfjt ganj jureidfjenb. £inju ntu§ bie fimultane 
3«ftimmung fommen unb bie ift alle $eit frei, — ba fie gar nidfjt 
eine 3^it, fonbern eine ©renje ift. Sie f)ört aber auf frei ju fein, 
fobalb eft gefdfjeljen, fobalb bie ©egenroart oon ber Vergangenheit auf= 
9efogen ift. . . . 



— 108 — 



(Ssfranften übst Xtitftn untr Sferbsn. 

1882—1884. 

3)tir fjat bic patl;etifd()e Siebe, in bem Sßlutuö beö 2lrijlopl)aneö, 
mit ber bie 2lrmut von ben 2Renfdjen 2lbfd(jieb nimmt, feiner 3 C ^ 
©inbruef gemalt, ©oute aber ber £ob fidf) auf einige ^afjrjeljnte 
oon ben -äftenfdfjen oerabfdfjieben, mit weit fdjmerjlidjeren ©mpftnbungen 
müßten bie SBeifen unter uns bie 2lbfd&iebsftunbe ausfüllen. So Ijart 
unb ungerecht mir ber £ob in ber einjelnen ©rfdfjeinung Dorfommt, 
fo wo§ltl)ätig unb oerfitynenb gilt er mir als Snftitutton. ©in <2olb 
ber ©ünbe, fo Ijeifct eö, unb ift bodj ber Soljn audfj beö fdfjönften unb 
reichten ©rbenlebenö! 

©ine foldfje 33etradf)tung beweift mir, baft für baö irbifd&e 3 Us 
fammenfeben ber 3Jtenfdf)en fowte aller Organismen ber natürlid&e 2tob 
eine 2ßof)ltf)at ift. 2Bas für ben ©injelnen graufam unb ungerecht, ift 
für bie SBielljeit ober ©emeinfd&aft eine -ftotwenbigfeü. £aS begreifen, 
baä ©mpfinben biefe* 9iufcenö für bie ©emeinfd^aft, ergebt bann 
ben SWenfcfjen über bie nieberen ©efdfjöpfe. ©in jeber fann flerben in 
Siebe unb au$ Siebe für bie unenblidfje gortfcfcung unb ®emeinfd&aft 
ber äJtenfdfjen. 

2>er £ob, wenn er unter entfe$lidE)en Seiben SJlonate Ijinburd) 
erwartet wirb, ift ein qualifijierter. $n einer oernünftigen 9Belt= 
orbnung würbe er abgefrf>afft fein, gleidf) ben quafifijierten ^obeö- 
ftrafen in unfern ftriminalgefefcen. Stöer eö ift eben bie SBeltorbnung 
nidjt fertig für ben SRealiften, unb ein jeber Ijat bie ^reube unb bas 
Seib, fo triel an tym ift, an ber S?erooll!ommnung ju wirfen unb 511 
bulben. \ 

£er Sterbenbe wirb Don einer n i e für ifjn bagewef enen ©mpfiiu 
bung ergriffen, — baö geiftige SBewufctfein Ijört plöfclidfj auf. ©6 ift 
fein @ntfd)lummern, fein Uebergang in ein Traumleben, fonbem bie 
SSirflid^fett in i^rem ttefften ©ruft, ©in nie ©mpfunbeneö ergreift 
ben 9Wenfdt)en, er weift, bie Stunbe ift gefommen. 



Sie Skrftanbesfräfte nehmen ab, baö (Sebäd&tnis wirb lücfen^aft, 
bei (angem Äranffetn, — nur bie Siebe üerläftt ben SDtenfdfjen nid&t. 



— 109 — 

£ie öerroidfelten religiöfen unb pfjilofopfjifdjen SBorftellungen finb ein 
t'upie, ben fi<$ bcr ©efunbe erlauben fann. SBon bem ftranfen fallen 
fte ab unb fd&einen if)m g(eid^gü(tig. 



3tof3ei<$mmgen auö ben Qa^ren 1884—1886 mit einzelnen 3 u f&fe en auö ©tiefen. 

2Rit bem £obe, int ©injelfall, fidf) auöjufötinen, ift nun einmal 
Dem SWenfd&en unmöglidjj, fo fe^r ber £ob mir audfj alö Sinftitution 
notaienbig erfdjeint unb baö &ebtn oljne iljn unerträglich — 

9. ^uni. — £tjpnotifterenbe Äultusljanblungen, roie fte bie fatljo- 
Itfcten Ätrd&en anroenben, erzeugen oft überfd&roengltdjje ©mpfmbungen. 
©alptglücffeligfett! — aber fie oerfdfjönert baö £eben! 3beale übrigens 
fmb fein bloßer 3Ba§n. SBiflenöfreiljeit ift für ben SBerftanb, ber 
ne nidfjt begreift, ein 3beal, unb bemtodfj für bie ©mpfinbung fe^r 
real, ©eftetyt man biefcö eine Qbeal ju, fo ljaben aud) ber ibeale 
Sott, bie ibeale Unfterblid&feit 2lnfprud&, auf iljre praftifdfje Sebeutung 
geprüft ju werben, treibt man eä weiter, — ju ber bur<§ äufterlidfje 
Äultuöljanblungen ju erlangenben Seligfeit, fann man rootjl verfugt 
fein mit bem fterbenben Salbot ©dfjiHerö auöjurufen: Unfinn, bu 
negft! — 

SBor einem %eti)Tt ftarb bie auögeseid&nete ©raftn Sife S. in 
Samara, mo fte ftdf) ganj in ben SdEjofe ber (griec^ifd^fatljolifdfjen) 
ftirdje geflüchtet Ijatte, am 33ruftfrebd. SRodf) nadj) bem £obesfampf, 
ber riefe 2Bod&en ifjrem mirflid&en £obe voranging, fdfjrieb fie nidf)t 
nur über iljre leiblichen entfefelid&en plagen, fonbern aud£) über baö 
Cntfefeen cor bem £obe, ben fie nie alö einen SRufjebringer ober ate 
Uebergang ju einem glüdfeligen Seben fidfj oorftellen fonnte. 35a 
roar ba* Temperament ftärfer, alä bie übrigen^ ja audf) non f)öHifdf)en 
cdjredbilbern begleiteten Dogmen ber ftird&e. 



11. Dft. — Sie Äirdfje bietet £röftungen gegen bie <2d^redf= 
niffe ber £ölle, bie fte erfunben unb bie fie verbreitet fjat, — ben 
Cualen ber SBtrflid&feit gegenüber ift fte ol;nmädf)tig. SBon ifjren 
Sröjtungen wirb gefprodjjen in f)ergebracf)ter Uebertreibung, von ifjrcn 
cdjredfaijfen, biefer ^nt^at 511 ben menf blieben Reiben, rcirb ge= 
idmriegen. 9tur bie Siebe ju ber Drbnung ber 9Jtenfdf)en, bie baö 
Seben auf ©rben fortfefeen, 511 einer Crbnung, für bie mir felbft 



— 110 — 

tljätig eingetreten fmb, — tiue Siebe, bie fidj immer aufrichtiger 
unb umfaffenber entfaltet, — bie £rebe ju 9Wann unb SBeib, — ju 
Einb unb Volf, — bie übertrogen toirb auf tbeate ©öttlid&feit, tote 
auf ben ©ammelpunft, — biefe Siebe fann begleiten bis in 
bie Torturen beö ©terbenö unb fann linbern. 

2lber nod& Iiaben bie 3Jtenfdf)en fein Vertrauen jur 2BaI)rf>eit in 
Sejug auf ifjre ©lüdffeligfeit. Smmer benfen fte, eö ift ber Sßaljn, 
ber beglücft, unb mürbe fidf) bie SBafjrljett nidfit bei allen med&anifd&en 
Verrichtungen alö bie nüfclid&ere 3Ragb ermeifen, man mürbe i£r 
DoHenbö ben SJüdfen menben unb bem 9Worpf)iumraufdf) anheimfallen. 
3d(j aber roeife, bie SBa^r^eit roirb befielen unb road&fen, unb 
ifjre ernften Diener brausen fein anbreö perfönlid&es SDtittel. 

26. 3lov. — SBoju, rooju fotdfje Seiben? feufjen bie SRenfdjjen 
roie £iob fdfion oor $af)rtauf enben , unb finben bie 2lntmort nid&t, 
menn fie einen moralifdfjen ©dfjöpfer an ben Anfang ber faxten \)\n- 
benfen. @fjer ge^t es, menn man ifjn, alö bie ju realifierenbe Qbee, 
an ba3 ©nbe ber %t\\zn uerfefct. 2lber eigentlich ift er eine 3bee in 
ber, von aller 3 e ^ unabhängigen intelligiblen 2Belt Äantä, — an= 
3iierfennen, aber nidfjt ju erfennen, mie baö fd&on ber Siefignation 
eines £iob ju ©runbe liegt, gatalismuö ftärft ben G^arafter, meil 
man bem Unt>ermeiblid^en gegenüber feine Verfud&ung empfinben fann, 
ben Drt ju roeddfeln ober bie Umftänbe ju änbern ; oon bortljer fommt 
SRulje ins ©emüt. 

3Kan mufe oft ftiHe galten, mie ein ©olbat auf ber SBad&e, mit 
jerfdfjlagener ©eele, — ba man gar mdtjt Reifen fann. 



13. ©ej. — 2)ie quälerifd&en £obesftrafen werben naefj 9Jiafc 
gäbe ber 3u>tlifation unter & en Völfern abgerafft, aber bie 9totur 
ift eine barbarifd&e 2Kad)t; oiel Ijat ifjr ber SRenfdfj abgerungen, mit 
iljren eigenen Äräften, gegen ifjren Verlauf . £)od(> oon ©ittlidfjfeit 
ift fie, oljne baö eingreifen beö 9Jienfcf)en, nidfjt beeinflußt. Qljr Ur* 
§eber läßt ftd^ auffaffen als ber 3 e ^oa beö Stltcn £eftamentö „mit 
ben furchtbaren Vorstellungen ber 3Kadf)t unb beö Slad&eeiferö" (Rant); 
nidf)t als ber liebenbe Vater ber ßfjrtften, ober „als ber geredete 
©penber ber ©lüdfeligfeit, nadf) Maßgabe ber ©ittlidfjfeit" (Äant). 

Die ©ittlidfjfeit fommt ju ftanbe aus ber Statur, ba ber 9Renfdf> 
mit allen feinen Äräften jur Statur im weiteren ©inne gehört; aber 
aus ber ©ittlid&f eit bie Statur abjuleiten, ift eine falfd&e Umfe^rung. 



— 111 — 

So fyat beim au$ We £ljeofopl)ie mit 9iedf)t ein 2tuäfunftömittel 
an^ejöanW, nämlidf) bie 33orftettung einer erft oottfommenen, bann 
aber oon einem abgefallenen ©eifte oerborbenen ©dfjöpfung. 35ie 
Seit ift su t>erberbt, um einem oollfommenen Urheber jugef ^rieben 
,;u werben. — 35ennodf) ifi e§ fonfequenter, fie als ben ungefdfjaffenen, 
ewigen Urgrunb an juerf ennen ; aus bem fidfj baö 33ejfere, SBoflU 
fommenere, in unbegrenjter 3 u f un ft herausarbeitet. — 

35er Xob ift uns allen gleidjmäfeig befdfjieben, aber ungleichmäßig 

jtnb bie Torturen baju Unbarm^erjtge SWotroenbigfeit fjerrfdfjt 

in ber p^pfifd&en SBelt unb idf) fann nidfjt anberö, als fie für ganj 
abgetrennt t>on ber jtttlid&en SBelt anfeljen. 3l}re legten Sitk, benen 
Die pfjpfifdfje SBelt nä^er fommt, oljne je fie ju erreid&en, mögen 
suiammenftimmen mit ber moralifd&en SBelt. 3^re 2Uiögangäpunfte 
finb aber ganj oljne 3Jioral, unb ifjr SBeg ift Unenblidfjfeit. 3n ber 
ibealen 9Belt unb in ber Sodfagung oon jenem ©goiömuö, ber fid& 
felbfi für bie £auptfadfje ober für bie einjig intereffante ©ad&e in 
ber SBelt tyält, mag ber ©injelne SEroft fud&en unb finben; nidfjt aber 
in ber 3rrlel>re, bajs es fein Uebel gibt. 



12. Jebr. 1885*). $ie Dualen ertragen, benen man nidfjt ab- 
Reifen fann, anberö fann man ja nidfjt. 9lber fie Ijat eö getfjan, 
ofjne UJturren, in 2)emut gegen ©ott unb in Siebe unb in gfreunb- 
Itdlfrit gegen bie SBenfdfjen, immer geläuterter, biö jum legten Stern* 
juge, möchte man fagen, — unb baö ifi fdfjön geioefen. Gs bleibt 
roa^r am Sterbebett, roaö $auluö gefagt fjat: 55ie Siebe verfällt 
nimmer, . . . xotnn audfj Grfennen oergefjen wirb. 

%üx ben aber, ber jufdfjaut unb auZ ganjer Seele linbern möchte 
unb Reifen, fieljt es anberö. Seine 9tefignation , gegenüber Seiben, 
bie er förperlidfj nidfjt füllen fann, fjat feine Sdfjmerjen beö Seibeö 
}u übernrinben; fie märe eine mi&oerftänblicfje, oieffeicfjt in ber 2^at 
eine grfiarrung, bie nid&t ju billigen ift. SBenn er gar ftdf) anfdffidfte, 
wie bie oermeintlidf)en greunbe $iobs, mit SJerma^nungen in ben 
Seibenben ju bringen, mit bem SBerfudE), iljm bie Siebe ©otteö unb 
®eredf)tigfeit au$ feinen dualen ju bemonftrieren, — roofjl oerbiente 
Strafen in ben Seiben nad&toeifen *u motten, — bann fyöfyntt er bie 
Unglüdlid&en. Reifen, in möglidjft voller SBefonnen^eit, unb toenn 
es aus ift, feine Cfjnmadfjt, feine Unroiffenfjeit bef ennen, mit um 
erfdjütterlidjem SSertrauen ju bem (Steigen, ber es }um 

*) ®räfm 3<§neibe Äegferltng fiorb in flaifüll ben 11. gebr. 1H85- 



— 112 — 

SJcff exen f ü ^ r t , auf 2Begen, bie nidbt ju erfennen finb, — 
baö tft baö ©injige, glaube idE), roaö bcm 9ttenfdf)en $u t^un übrig 
bleibt, ber jufdjauen mufj, wie berjenige, ber ifjm in Siebe t>erbunben 
ift, gefoltert wirb bte in ben £ob. 

13. Cft. 1885. — 9Weine £odf)ter teilt mir mit, bafe bie »aroneffe 
(Sbitfja oon SHljaben*) ben 9. b. -Di. geftorben, — ben 12., geftern 
in Sßetertyof beigefefct roorben ift. 2lnber$ ift cö, ben Xob ber Sieben 
ju erwarten, anberö ifjn ju nriffen. S)en -Dtenfd&en wirb man nie 
roieberfefyen, nrie eö audf) mit feiner Seele nrirb. ®eö 9Renfdf)en fiebeti 
oljne £ob märe unerträglich, baö I^abe idfj mir oft gefagt; aber bae 
Seib ber Sebenben ift beöljalb nid^t geringer. 9Wit ©rgebung ju 
tragen, unb, fo mef man uermag, bie SBeilje bes Sdfjönen um baö 
©rab unb baä Slnbenfen ber ©eliebten ju verbreiten, baö ift bei 
iljrem Xob ber ju empf eljlenbe ©runbf afc ; — bie £roftgrfinbe fämpf en 
mit Vorauöf efcungen , bie fein Vernünftiger mefjr feftljält, roenn fie 
fagen: ber Verftorbene leibet nidEjt mefjr, — ober überf freiten ben 
üerftänbtgen Sinn, mnn eö Reifst: gönnt iljm bie SRulje, — ebenfo 
als wenn man üermafjnte, ben 9Ronb in feiner Valjn nid&t ju ftören, 
— ober enblid^, fic bienen ber Unroaljrljeit, roenn oerfid&ert mirb: 
auf SBieberfefyen. — 2Bas ein SBieberfinben fein foH in einem SJafein 
oljne 3iert)enfubftanä, oerftcfjt fein 9Renf$, aber fo triel raiffen mir, 
baft nur bilblidf) t>on einem Sef)en bann gefprod&en roirb. Vereint 
roerben mir fein in bem gleiten unb fdfjlieftlid) ntd)t nur um>ermeiD= 
liefen, fonbern audfj für baö Seben ber 3Renf$en alö unerfefclidjes 
©ut ju erfcljnenben ©übe aller irbifd&en greuben unb Seiben, aber 
biefe ©leicfyfyeit nadfj bem £obe ein ©efjen, ein güljlen ju nennen, 
ift nur ein ©feidfjniö. S)er £roft ift unb bleibt fyo^f — nur $oefte 
mit Ergebung ift £alt, benn audfj bie Religion, foroeit jte fein 3lbcr= 
glaube, ift bidfjterifd&e Erhebung unb nid&t (Srfenntniö. 

©bitlja Jifjaben l;at mit ber ©ebulb eineö ©ngelö ftiH gelitten xxnh 
feine fämersftiffenben 9)tittel gewollt, um flarcn ©eifteö ju fterben. 

Sie eroige Shilje fteljt uriö allen beoor, ju einer 3«*/ bie mir 
im ooraus alö bie redete nid)t erfennen, bie aber bodf) bie redete fein 
bürfte. Vis baliin ift baö ©efüfjl, fjier auf ßrben 311 oereinfamen, 
fd&roer. . . . 3)ian foll aber ber ungeroiffen 3 u ftwft entgegengehen, 
mit Vertrauen auf ©ott, . . . unb mit fefjr unmutigen, aber 
bodf) oom Sidfjte ber Groigfeit üerflärten Erinnerungen. 



öofbame unb langjährige Mitarbeiterin ber ®rofefürftin öelene. 



— 113 — 



Pfc«0fo>ftfe mit» ntlialmt (1886). 

9. 9Rat. — @ute Sgftematit forbert bie ftlarljeit audjj bct alt 
gemeinen aßeltanfdfjauung. Ofjne firenge Terminologie ift fd&arfe 
Stjjtematit nidfjt ju begrünben. Drganifdfj, Drgantemuö, waä ift «eneratio««- 
nid^t atteä mit biefem XuSbrudt bebaut toorben! 2)af>er todre e* d^L^^. 
flarer oon ©enerationöroefen, ftatt oon organifdf>en SBefen px 
reben; — b. $. SBefen, bie oon früheren (Generationen ctynlid&er SBefen 
flammen unb anberd gar nid£>t ju ftanbe tommetu ©e^r oerfdjjieben 
baoon ift bie 2Belt ber ftoffüd^en Serbinbungen, ber d&emifdjen unb 
medjanifd&en. Sie l>aben feine 33orfal)ren. SBenn nun unter* 
fdjieben ©erben SBefen mit 3Sorfafjren — ober ©egenftanbe otjne 
Sorfaljren, fo fann bie Jrage aufgeworfen werben, ju weisen 
btefer, bie ganje SBelt umfajfenben tf (äffen ®ott wof>l gehören tonnte. 
pr eine rein flofflid^e 33erbinbung tyn ju Ratten, ifl ber roI)efte 
Jetifd&iSmua; il)m Sorfa^ren jujuteilen, ift fjeibnifd). ©ibt ea einen 
Sott, fo mufc es etwas geben, bas toeber* eine blofee ftofftidje 93er* 
binbung ifl, nrie alles materielle Dafein, nodf) lebenbig in bem Sinne 
ber organifdjjen üffiefen. 

3Rit ber abfhraften Äraft tommt man besfjalb nid^t weiter, weil 
fte bodjj nidfjtö weiter ift, als baä materiell Sewegenbe; ade 5u!m 
ftanj ifl ja bewegt, unb alle Bewegung ifl fubftanjiett. ftraft unb *„* »•» 
5ubftan$ gefonbert gibt es nur in ber menfdjlidjen ©ebanfenfolge; /A^ 
iljnen tommt felbftanbige Realität nid)t ju. 2)ie ruljenbe Subftanj, ****"**• 
fobalb bie 3hüje mefjr als ein Stelatioes fein foff, ift nd> felbjt nriber* 
fpredjjenb. Senn bie Seioeglicljfeit unterteilet ben Stoff oom bloßen %a*4mtä 
Äaum, unb ift nidjt oor^ufteffen ofjne 3ufammenl)ang. Seroegt jtdj eine«, ©STäl^iiÜ 
fo Derbrängt es bas andre unb enbfid) erfdjüttert es bas ttnioerfum. 

aber eben barous folgt bie bisher md)t redjt geroürbigte $er* s«««*«*»** M 
fdjiebenljeit ^vifd^en fRaterie unb Slaunu Die Staterie muß 3 u ftanbe *£££* 
Gaben geringerer unb größerer äuöbefjmmg , b. t). nidjt bloß bun$ 
Dtsperfion iljrer 3Üome, fonbern burd) enger* ober SBettenoerben ber 
itome felbft, ob man immer ifjre öabnen, ifjre Drehungen für bie 
unterfdjeibenben ©>araftere ber im ©runbe gleichartigen Subftanj 
anfielt, ober ob man bie qualttatioe ßinfjettlidjfett bes ^Beweglichen 
als unnüfce ^^pot^efe perwirft. Der 9laum felbft ift erftenS un* 
beroegltdj, zweiten* unelafttfdj, brittens unenblidj teilbar; 
in biefen brei fünften gilt non ber iBaterie bat öegenteil. 



— 114 — 

SBoljin gehören nun aber bie ©renjen im Staunt? ®a fie ganj 
oljne 3 roc if c ^ l)inweggebad)t werben fönnen oon bem Orte, an bem 
ftc fidfj beftnben, aud) fomprefftbel ftnb, infofern fie fidf) sufammen^ 
Rieben faffen, fo ftnb es getnijs 2lbftrafta aus ber Sßafjrnefjmung 
bes Stoffes unb nii)t Äonftruftionen a priori. A posteriori laffen 
ftc fid) in ben Staum »erlegen, aber aus bem grenjenfofen Staunte 
md)t gewinnen, ©te bürften baljer aud> nidfjt teilbar ins Unenblidfje 
• fein. ©ie SWat^ematif, als £ef>re t>on ben ©renjen im Staunt unb 
in ber 3^it ift nw&t g a n[j a priori, ©er Staunt, ber als Vebingung 
jeber ©rfafjrung uorab jeber äußeren SBa^me^mung muß beigegeben 
werben, ift unbeftimmt feinen ©imenfionen nad), unb wiberfprid&t 
feiner Statur nadfj jeber ©renje. 

SßaS oom Staunt gilt, bas ift man gewohnt, audfj in feiner 9lrt 
in ber $t\t wieberjufinben. 3n ber 3^* Reiben M* ©efd&e^niffe 
Seitgrenjen. ©renjen; ober, ba es nur eine allgemeine 3 eit 9^t, ©efdfjeijniffe 
marfieren ben einen 9Roment jwifdfjen 3 u ^ft unb Vergangenheit. 
SBas jnrifdjen bem @nbe bes einen unb bem beginne bes* anbern 
unmittelbar folgenben Vorganges liegt, ift eine 3 e itfltenje, aber 
fein 3«itmoment. ©ie 3eitgrenje ift nid^t teilbar, fie ift nidjt 
befjnbar, fie ift nidjt aerfefcbar. ©ie ift merfwürbigerweife in 
ben beiben lefcteren Vejieljungen bem aprioriftifdfjen Staunt üerwanbter, 
als ber empirifd&en Staumgrenje. ©o fd&eint es, baß bie ©auer bas 
Stbftrafte ift, bie jeitlofe 3*ügrenje ^ber bas aprioriftifdfje ©lement! 
Steint eine fd&wiertge $ ra 9 e * 



a>« jrataii«mu* 23. $um. — 9Jtan plt fidf) ntd^t gegenwärtig, wie bie Sel>re 

Ate 1 »om freien SBoßen jur SRoral in ber «ßraps ft$ t>er$ält. SRenföen 



$to|iB. 



unb ©eften, bie fid£) jur ftrengften Sßräbeftinationsleljre, jum ftarren 
Fatalismus befennen, ftnb bodf) fefte ©Ijaraftere unb ftreng reblid&e 
3Renfdf*en gewefen. Vetyauptet man bodf), baß bie Sieligion SRotyammebs 
jur fteftigung bes ©fjarafters Vorjttge f>at vox bem weiteren ©Ijriflen- 
tum. SlUe ttnflarljeit fd&winbet, wenn man bie Freiheit unb bas 
©afein ©ottes für pure ^lluftonen erflärt, — aber es fd&winbet aud) 
Siebe unb SBürbe! 

26. $unü — 3ft a ^ notwenbig, was gefdjieljt, wegen bes 
Vorherigen, — fo ift audf) notwenbig bie VorfteHung, baß man 
es anbers Ijätte machen fotlen, wenn -aud& oergebli<$ für bas £anbetn* 
£!)eoretifd(j fann bie Vorftellung SBert f)aben. ©ie fönnte jur 6r= 
fenntnis bienen, nidfjt jur Seitung. @s muß gefdfjefjen unb es muß 



— 115 — 

erfannt werben, baö gehört ju bem Utyrwerf. @ö mufc jugered&net 
werben unb bie grage, warum ber Verbrecher beftraft wirb, fjat bie- 
felbe Antwort ju erfahren, wie biejenige, warum ber Verbrecher bie 
£fcat nidjt fyat ungefd&e^en laffen. 3 ro ang ju* ©träfe, jur ©rfenntmft, 
jum Verbrechen, — 3 TOan 9 überall! 2lber greube an nidjts unb 
Iraner um nichts, gö fommt was fommen fott, unb bie ftumpfefte 
©leid&giltigfeit wäre baö SRedfjte. VIeibt abfurb! 

10. 3uli. — , . . amt ber 2Bitten*freii»eit bin idf> inft 

Älare. ©rftenö bebeutet es, baß bie $anblung nermittelft eine* felbft- 

bewußten SBtttenö, wenn oudf) eines beterminiftifd^ bebingten SBillenä, ftejierttiiai 

ju flonbe fommt. 3Bo biefer SBitte als SWittel eintritt, ift niebt bloß *• ©iL?. 

3Redf>aniSmuS; — jweitens aber gehört bie ©egenwart nidjt jur 3*it, 

— unb ba^er ifl ein Äörnd&en freier SBttte mit Verantwortung bei 

menf dftfid&en &anb(ungen babei. ©er folgenfdjwere 3 * * t u m , ben .*>« smum b» 

bie ^lüfop^en begangen f>aben, inbem fie bie ©egenwart für «ejugVwe 

eine 3 eit unb bie ©renjen für einen 9taum gehalten fyaben, un» mi barixtu 

machte lange bie Sa^e buntel. 2Beber 3*it nodj SRaum fönnen 

sei t lirf) e ober räumliche ©renjen (jaben; biefe ©renjen gehören 

ben Vorgängen unb ben Stoffen an. Xie Vorgänge unb 

Stoffe finb begrenjbar, — 3*it unb 9taum nidjt, — 3** 

unb Staunt ftnb ins Unenbüdpe teilbar, bie Vorgänge unb ber ©toff 

nidbt, — Veränberungen betreffen ben 3 n (Kift oon 3 e it unb iWaum, 

nidbt bie lederen felbft; mögen aud) bie Urjadjen in ber Ver gangem 

Ijeit jiemlidf) jureidfjenb. fein für baS, was gefdjiefjt; — ganj unb 

immer brauchen fie es niebt ju fein. %atyx bie menfd)(td>e Verant* 

roortlid&feit. 9Jämlid) ein Moment menfdjlidjen SBillenS, bae gar 

nid^t in ber 3*it, fonbem nur auf ber ©renje *wifd)en Vergangem 

l>eit unb 3ufunft eingreift, wirft mit! 

13. ^iili. — 3i^t man bas Verhältnis ber 9te(igion©p(jUoiopl>te ***«•* 
p ben 3&aturwiffenfd)aften in Vetrad>t, fo ift eö ineüeidtf nulltet), ^üa^^tt 
wenn id^ oorab bemerfe, wie es eine naturwiiienicbaft Udje Xisupfin 
gibt unb, wie id& glaube, nur eine, Die für Den CptimiSmue \euqt, 
foweit bie Srfalyrung reicht. Xae ift Die Paläontologie, mit Dem 
Sufbedfen ber I^atiacbe, ba% eö blumentragenDe ©ewadrfe gibt, erft 
in Den geologiid) nid&t weit utrücfreidjenDen GrDoeriooen, uriö vn* 
nünftige „Vorfaljrenweien" (reit idj gern Die ©tfamtfjät ber Crsa? 
nismen in @egenfa$ tu Der unorqamfcben %6tii besetfnei in atolfr 
gifd^er 3eitredfmung, fo ui feae-n, erit feit aenern ceceien fest, lar 
aber biefe Sefen bötjer ux neuen uns, als Die ungute Si^zzt in 
Sorftufen, Daran in nirfrt mit jieii tin 3-e;»'e{ mtiy.ii. Hsn clrSct 



— 116 — 

idf>, bafj ber Dptimiömuö baö eigentlich Sleibenbe unb SBefentlidjje 
in ber JReligiojttät unb in bcn Äulturreligionen fein bürftc. 3)er 
Sßefftmiömuä mufc, bcnfc i<$, irreltgiöfe SRcfultotc liefern. — Jtoinci= 
benjen jnrifdfjen SRaturrmfienfcijaft unb 5Religionöp^tlofop^ie in ben 
Stefultaten finb möglich unb, wie mir f<$eint, nrirflidj. Slber bie 
SBege bleiben getrennt. SDic #tjpotljefe in ben Statumriffenfd&aften 
ifl bodf) etroaö fef>r SBerfdfjiebenes uon ber Sprämiffe ber 5ß^ilofop^en 
unb gar t>on ben 3)ogmen ber Sieligionen. 3)ie natumriffenfdfjaftlidfie 
£ppot£efe ift promforifdj unb Ijeuriftif <$ ; fityrt fte ju @ntbe<fungen 
oon neuen 3"f a «t^^n^ngen in ber SBelt, fo ift fxe frudfjtbar, — 
ober roiH bodfj nie unumftöjälidf) gelten, nrie eine ayiomatifdfje Sßrämiffe. 
3)er Sßf)ifofopl) mufc erflären, ber 9toturforfd&er oerfagt fidfj biefem 
SDrange, wo er ntd&t weif* ; — ber SReligümögrfinber mufe uerurteilen 
ben, ber ntdfjt glaubt; — ber iRaturforfd&er ju glauben, in bem 
©tnne beö SReligionöftifterö, verbieten! 3$ benfe, man barf ben gar 
nidfjt ju oenoifdfjenben ©egenfafc in ben 9Wetf)oben tapfer eingeben, 
— womit Uebereiuftimmung in einzelnen ©rgebniffen fe^r roofcl gu* 
fammen befielen fann. S8on einer freinrirfenben Jtaufalität j. 2J. 
erfährt ber Sftaturforfdjjer «atfirlidfj gar nidfjtö, roaö aber bie anbern 
SBege, iljre @£iftenj ju fonftatieren, nidfjt t>erfd|)tieJ3t. 



©ebanicn toäijrcnb 14. $uli. — ©pajierenb febe id& bie ©efidjjter auf ibren ®e- 
epaiinsanflefi. mütöauöbrucf ober auf i^re ©mpftnbung an; 2Bo bie Äinber fidfj 
tummeln, ift £eiterfeit, §ie unb ba mit SBeinen, bodjj baö red&t feiten, 
fiuft fefje idfj nod& in ben -Kienen frifdjjer 5 r öuen unb -Dtänner, bie 
freien fönnen unb gefreit werben fönnen. Sie eö nid&t tonnen, auä 
©djmäd&e, ©ntfagung ober 2llter, bie ergoßen ftd& nur nodf) wehmütig 
in UebeüoHer Xeilna^me ober fie ftnb nid&t me^r ju ergöfcen unb 
roanbeln in tiefem @mft ober in ©leidfjgültigfeit. 2Bie ift eft aber 
in ber Sluf erfteljung ? I. (So. 22, 30 — II. ©o. 12, 25? $a gibt 
eö feine ftinber unb feine ©efdfjledfjtöliebe. @in fold&eö 3)afein fann 
ber 2ttenfdf) als ein glüdlidjeö ftdfj gar nidfjt oorftellen. ffim mu§ 
eö ein t^öridfjtes Sraumbilb f feinen, rotnn man eine ©lücffeligfeit 
ifjm oerfjetfct, n>o er feine ftinber Ijaben fann unb nid&t lieben! 6ö 
ifl eine SftüdKe^r in bas unorganifd^e Meid). 3)ie ©teine brücfen auf 
einanber, aber baö madfjt ifjnen nidf)t Seib, nidfjt Jreub. — 

xer«otboiiiiBmu0 16. 3>uli. — 3)er römifd&e Äatljolijiämus ift politifd) 

allen SWeligionsoerbänben an einfielt überlegen. 6r Ijat juerjt er- 
fanut, wie bie ^rage nadf) ber ©räie^ungöreligion in gemifd^ten 6f)en 



— 117 — 

entfdjeibenb ift. 3ft fie bcm freien 2BiHen ber ßltern überlaffen, fo 
gibt es Eoleranj, — olpte biefelbe feine. ©öHtngerS ©tubie „über 
bie einflußreid&fte $rau in g-ranfretdf)", über bie ÜRaintenon, 
belehrt, wie eine djrifttidje ftird&e ju fanatifdfjer £errf<$aft inmitten 
ber lodferfien ©itten, meüeid^t gerabe mit Senufcung berfelben, ge* 
langen fann. ©ie d&riftüd&en ÄirdEjen finben in ber Siegel blinben 
(Stauben unb ©efyorf am leidster unb meljr bei grauen, als bei 
■Männern, ©te muffen fcaljer ben „grauenrrij" ausnufeen, jur 33e* 
einfluffung ber SWänner, — bloße ©ittenftrenge tljut es nidf>t. ©ie 
grau jnringt ben 2Rann, ber ©eiftlid&e (jumal ber unverheiratete) 
jioingt bie Jrau, — bie £ierard&ie (bei uns ju $eiten audf) ber @en* 
barm) jnringt ben ©eiftlidfjen, fo ift bie Äette fertig. Gljriftlidfjes 
$rieftertum unb SBeiblid^feit Ijaben einen Sunb jur -Jörberung gegen* 
feitiger ^errfd^aft gefdftfoffen. 2Bo bas SBeib im £arem, ober fonft 
gebrücft ift, fommt es baju nidfjt. ©as G^riftentum befreite bas 
SBeib, unb wenn es i^m nrieber bient, jaljlt es eine ©anfesfdjulb. — 
©er proteftantifd&en Äirdfje feljlt bie £ierardf>ie unb ©is*iplin im 
ftampfe mit ber fatfjolifdfjen. 3d& fagte mir, felbft [bie ©eiftlid&f eit 
unter ben ©oangelifdfjen fe^nt pdf) nad& ber Sequemltd&feit ber 2lutos 
rität, — los oon allen SRüfjfeligfeiten ber SBaljrljaftigfeit. 
6üf bir felbfi, fonji fannfit bu nidfjt gut werben, fagt im roefentlidjen 
bie eoangelifdfje Äirdbe, — bie anbre fogt, fei rufjig, id) madjje es für 
btd). aber es ifi SSafjn, — wenn audj oft poetifdjer 23af)n. 9?id)t 
bajj id) meine, ofpie SBaljn burdnufommen, aber er muß un abliebe 
\\$ fein. 

14. Sept. 1886*). — ©er Uebertritt oteler ©ften unb ©dbroeben tntfl^i«»«« bei 
öon SBormS sur griedrifdjmifnfdjen Slirdje bezeuget bie Gntgeiftigung 
bes SutljertumS. ©eine ftraft beruhte in ber Süaljrljaftigfeit, unb 
bas ifk eine Slufgabe jtoeiter Crbnung für bie Äircbent>erren unb mit 
iU oiel ©enfen unb 3^öufroanb oerbunben für bie ftirdjenlaien. Gin 
i'utljer fonnte bie £aien mit feiner 23afjrf>aftigfeit fortreißen, aber 
baä Ke§ nadj, fobalb bas offwette fcutbertum fjierardnfdjen ^roeden 
bie Ueberjeugung unterordnete, unb narre fcefjren an ©teile ber 
fteigeijttgen Eingebung uertrat. ?frei fann man nur fein, nadj 3Rafc 
9öbe bes eigenen 3?errtänDntffeS ber menidjlicfjen Seuebungen unb 
willigen ©eijordpns ber betferen ©rtenntnis gegenüber. Xieice l<er^ 

*) Um bat etütf nidjt m KTtrennen, fte$t to< Betrauung ootn 14. ZepUmbtx 
«n biefer 6teOe. 3lnm. b. ^trousg eberin. 



3BaW>afttgteit. 



— 118 — 

ftänbniö ift ber ©emeinbe verloren gegangen, roeil bie gü^rer nid)t 
frei fein fönnen, wie Sutljer eö gemefen. 916er jeber Slbfall t>om 
sproteftantiömuö ift audfj ein Siücffdjritt in Setreff ber ^ret^eit. 3>ie 
fatljolifd&en Äirdfjen forbern fte nid&t unb förbern fte audf) nid&t. 
^mtut 3w Scftft ber Sßatjrfjeit, bas muffen bie Sßroteftanten fagen, finb 
fte felbft nid&t, aber fte Ijaben banadf) ju trauten tote Sßauluö; unb 
follten ba&er bie SBeredfjtigung ber fubjeftiuen SBaljrliaftigfeit, ja, 
ber Spffidjt baju, t)erfed)ten bis in ben Xob. ©ie ©taatödjrifien unb 
£ierardf)en unter ben ^roteftanten ftnb aber t>on biefen ©runbfafcen 
abgefallen unb fjaben ben Sproteftantismuä entgeiftigt. $n feiner 
gegenwärtigen %otm ift er f ür ^ om J u e * ner trabitionett nodfc 311* 
fammenljaltenbeu ©röfce geworben, bie aber nid&t mefjr gefätjrltdf) tfl, 
unb bie, fidf) felbft überlaffen, ber Sluflöfung t>erfällt. ®anj anberö 
ftefjt bem römifdfjen ftat(oli}i&muft entgegen bie rufjtfd&-gried(Hfdje 
Äirdfje, unb SRom ifi flttg genug, um meffeid^t ben Sßroteftantiömuö 
ate ipilf3t>olf unb fyarmloferen 5Ra<f)bar ju fronen. 



20. ^uli. — £)er ©ang bes menfdfjlidfjen ©laubenS im ©rofcen 
jeigt bod^ eine Bewegung ju 2ltf)eiömuö unb jum Unglauben an ein 
fortleben ober Sßieberleben nadf) bem £obe; — aber fef)r unregel- 
mäßig. Spefulatit) finb bie Gfjmefen unb öubbljiften frül) baju ge= 
fommen. $\\ 9tom befennt fidf) ein Sßliniuö ©ecunbuö baju unb es 
fjat in ber Äaiferjeit SSiete ä^nlid&er Stiftung gegeben. Qefet ergebt 
a^eisnuis fidfj in granfreidf) ber 2ltl)etemu3 red&t allgemein unb öffentlich. @e~ 
Reimer Unglaube an ein fortleben SScrftorbener fd&eint mir bei allen 
©ebilbeten, grauen unb Scannern, verbreitet; — bie meiften ftnb 
3nbWmnti»muB ganj inbifferent in biefer 33ejief)ung. 3)te antife SBelt mit iljrent 
ebttbeten. ^j^^Q^ß^^ Unglauben unb unenbfid&em, befonberö roeiblid&en 
Aberglauben, fiel jufammen t>or ber Segeifterung beö jungen ©fjriftem 
tumö. $e%t ^at aber ber Unglaube anbre SBaffen. 3)ie Slatur^ 
nriffenf haften, befonberö in ifjrer 2lntt>enbung , fjaben meljr geleiftet, 
als bie SBunbermänner geträumt. ©3 ift nidf)t möglidf), ba§ unfre 
SBiffenfdfjaft nrieber jufammenbrid&t unter ber ^einbfdfjaft einer refi= 
giöfen Sefte. 

$u »ott- %n btx Stunbfdjau las idf) einen 2lrttfel oon 2>u Soi^SRepmonb 

** mol * > ' vom Dftober 1883 über bie £umbolbtbenfmäter. @r ift tief roafo 

aber wie id& tyn auffaffe, ntd)t ofyne Sße^mut. 2>ie Slottoenbig^ 



— 119 — 

feit, bie ftrenge Statunoijfenfdjaft ju fdfjeiben oon allen SReijen ber 
$&antafie, ift metjr unb meljr hervorgetreten. 



19. 3tug. — ©rfenntnißmäßige SJorftellungen Aber bie «enefubtr 
eltbilbung, — an Stelle ber biblifdjen SenefiS. eit«um«§. 

3?on jeljer, im grenjentofen Haum, beftefjt bewegter etoff«* 
Stoff; — Stoff unb $eioegung in unoeränberlid>etn Quantum, 
in oeränberlidjer $erbinbung. 

Stoffe oljne Seroegungen (Hebungen) jinb nid)t, — ebensowenig 
Scroegung oljne Stoff. — £as £i<b*, ba es burd> ben SBettenraunt 
jtdj fortpffanjt als eine ärt oon Seioegung, betoeiiet, ba§ ber SSelten* 
räum oon einem Stoff, bem Äetber, erfüllt ift 5tur als Präger oon 
Bewegungen ift ber Setter wahrnehmbar. 

3ebe Setoeguhg im erfüllten Staunt eines Stoffteildfjens änbert 
bie Setoegung in anftofcenben Xeilcben ins llnenblidje, unb ba© be 5 
grimbet allgemeine 9tbf)ängigfeit unb 3 u f af nmen^ang in ber Seit. 

£ie Setoegungen ober ©nergien, Die als Sidfjt, 23ärme, ©leftrijU 
tat unb 9Ragnetismus burdfj ben SBeltätljer ]ii) fortfefcen, bringen 
Bewegungen ^eroor ber ferneren Körperteile, unb es ift moglidfj füf 
uorjuftetten, bafc bie Semegungen ber ferneren Äörper ftcb oon jeljer 
Dermebrt fyabtn auf Soften ber Hetberbebungen. 9Kan fann fidfj an? 
fänglidjj einen überljifcten SBeltnebel Oorftetten, aus bem attmäbltdfj bie 
SSärme in Semegung übergebt unb bie febtoereren Körper fid) oer? 
bieten unb in ungeheuerer Semegung Sahnen Durchlaufen. ©s bauen 
ftc^ jufammen ^irfternitjfteme unD bie Jytrfteme ballen jidj mieber 
$u ^ßlanetenfgjtemen, t— Die Planeten bilden Xrabanten, — alles 
burdj 3 u f ammen 3i e ^ un Ö unb Uebergang eines Xeilö Spänne. in 8e= 
toegung. 

@ibt es nur einen Stoff, aus bem nd) bie anbem $uiammen; 
fe|en, — gibt es nur eine Äraft, Die ftd> in oeridjieOene Äräfte 
umfefet? 



- 120 — 

^DeßgeffaCfmtg. 

22. »uguft. 

<*rfte afoffung. 1. SBon jeljer ift bie SBelt. 

Erläuterung. $ie Schöpfung auä 9K<$t3 ift ein Ungebanfe für 
unfre Seit. £ann bebarf e8 au$ fcincö 6$öpfer8 au£ 9K$t3. 
©ott fann als Söeltorbner gebaut werben. 

2. ©ie SBelt befielt aus Seroegtem. 

Erläuterung. 2)ie Bewegung $at entweber Seränberung ber £age 
jur golge, ober fte 6eftcr)t in Hebungen fleinfier %exl<S)en in 
Meibenber Sage. 

3. ©aö Seroegte fteHt Stoff unb Ärajt cor. 

4. ©ie ©umme ber Straft in ber SBelt ift von jeljer ftdj gleid) 
geblieben; ebenfo bie Summe beß ©toffs. 

5. ©ie Drbnung unb bie Sejie^ungen uon ©toff unb Äraft 
in ber SBelt finb in ftetiger SBeränberung t>on jeljer be- 
griffen. 

6. SSerbinbungen unb ©ejie^ungen je fefter unb je 33erföiebe; 
nereö fie üerfnüpfen, um fo fernerer finb fte auflöölidj. 



24. Huguft. 

3»eite »offunö. 1. 2fo§ Seroegtem befielt bie förperlidje SBelt. 

2. ©enfen unterfdjeibet in Seroegtem, ©toff unb Kraft. 

3. ign ber förderlichen SBelt ift bie ©umme ber Äraft unb beö 
©toffö tum jefier fid) gleich geblieben. 

4. ©ie öejieljungen unb SSerbinbungen gtDifc^cn ben teilen 
ber ©toffe unb ber fträfte finb in ftetiger 93eränberung be- 
griffen. 

5. ©ie fernerer ftörbaren ober auflöölidjen SSerbinbungen unb 
Sejieljungen Überbauern bie anbern, unb nehmen ju in ber 
SBelt. 



Pro memoria III. 



Sit toefem flfeit fe$ß eine (Sinfeifung von meine« Vater« Sbcmb. 



mrfigiOTt imir ÜJöral (1887). 

Starroins CebenSffijje im crftcn SRoüembertyeft bcr 91cüuc b. b. Stf. 
t)on 33arignij nadf) bcm breibänbigen SBerf „geben unb 33riefe 

»attpin» teHfliöfer g^. $)artmns", Don beffen ©oljne Francis herausgegeben, fdEjübert 

bcn fanftcn unb weichen Gfjarafter btefes Sßartetmannes bcr alten 
2öeltanfdf)auung , eines ©egners bcr SBitrif ef tionen ! unb befprid&t 
fdftfiefclidf) feine religiöfen Slnftd^ten , — bic ebenfo, wie ber berühmte 
9?aturforfdf)er Äarl von 33aer t>on fidf) fagte, bei iljm nidfjt fertig ge= 
toorben finb! 2ltljeift will er nidfjt fein, fann aber biefer Folgerung 
faunt entgegen, — ßfjrift ift er nidfjt, — bas wirb entfd&ieben aus* 
gefprodjen, — ober 3)eift wollte er bleiben unb barunter wirb er 
gerechnet. @r ift oon ber größeren &rt)dben\)tit eines foldfjen ©dfjöpfers 
überzeugt, ber ben ©toff fo fdfjuf, bajs mit Sftotwenbigfeit aus \f)m 
fidf) bilbete jene jum £eit nodf) uubegriffene äufcerft jwedfbienlidfje @in= 
rid&tung, bie mir in ber SRatur bewunbernb entbedfen*). Slber wenn 
bie 3roedfbienlidf)feit aus bem Stoff entfte^en mufcte, burdfj 2hts= 
f Reibung alles weniger ^affenben, woju bebarf es ba nodf) ber 21m 
nafjme einer intelligenten Urfadfje cor bem ©toff? jumal biefe Qn* 
teHigenj, nadfjbem ber ©toff einmal twrljanben ift, ju nichts meljr 
ju gebrauten ift. 2öirb in biefer SBeife bie fdfjöpferifdfje anteiligen} 
in SRuljeftanb tjerfefct, fei es audf) in ber efjrenljafteften SBeife, fo ift 
iljre twüftänbige Sefeitigung auf ber ©dfjweüe. SBie burdfj 9Hdf>t~ 
gebraudf) Organe, bis auf bebeutungsfofe SRefte perfümmern, fo audfj 
menfd&tidfje 33orfteffungen. SDie ©ottesibee fjat in SRubimenten bei 
3)arwin jtdf) erhalten, ba er einft auf bem SBege mar ein ©eiftlidfjer 
ju werben, umfome^r, ats er ju transfeenbenten Unterfudfjungen nie 
ftdf) gebrängt füllte, unb er eine SReoifion ber ü;m in jungen ^aljren 

5Datt»in «n ®e fl necjugef (irrten SBorfteffungen überfinntirfjer 2lrt, niemals üorgenommen 

Ijaben bärfte. SBollftänbig etwas 511 burdfjbenfcn, über bie ©renjen 



*) ©te$e $artmni$mu3 ©. 138. 



— 123 — 

feiner 33erfudfje (©sperimente), ober ber möglichen äJerfudje t)inauö, 

baä war nun einmal nid)t baö ©efdfjäft biefeö großen 9taturforfdf)erö. 

So erflärt ftd& axxi), baß er bei ber $rage ber SBioifeftion nur ben 

©efü^Ien feines fanften ßerjenö folgt, ©aß bie roiffenfd&aftlid&e ober 

lernbegierige SBürifeftion an einem -Jtaturforfdfjer von Karmins $e* 

beutung einen 2Btberfadf)er, fiatt eines ftürfpredfjers finben fonnte, ifl 

gef diesen, weil fein 9Witgefüf)l in biefem Sßunft nidf)t überbaut war, 

3eit unb ßuft baju Ratten ifjm gefehlt. 2öer aber bie Äantifdfje 9ßeta= 

pfypftf ber ©itten einmal in fid) aufgenommen l)at, weiß, nrie nur 

ber SBille, unb nidfjt Suft ober ©dfmterjgefüljf, ben ftttlidjen SBert ««rterttna» 

einer ^anblung beftimmt. SRidjt bie Dualen machen bie Sefjanblung »u>t|emon. 

eines £ieres ju einer unfittlidjjen, fonbern nur bie 2lbftdf)t, baran ftdf) 

ju roeiben. ©tiergefedfjte unb &aljnenfämpfe unb oft audf) $agb, finb 

unftttlidfj, — aber bie fiernbegier, roenn fie audfj irrt, bleibt eine fitfc 

lid&e 39eftrebung. 

6. 9Rai. — ^rofeffor- Strümpell beftätigt mir, baß bie ©toa «worat, 
bie für baä praftifd&e Seben nadf^altigfie unb oerbreitetfte 5ßl)ilofop^ie * *?**! u 
getoefen ift; felbft bie Seljre ©pifurs fte^t jurüdf. Äant ift ©tfjifer 
für roenige nur geroefen. £)ie moberne Sßl)itofopf)ie fyat überhaupt 
eine bloß tfjeoretifdfje Sebeutung. — 3$ benfe, bas ßljriftentum l)at 
bie Sebensfü^rung eyftufü) beanfprudfjt ; bie lateinifdje Siird&e oerfanf 
in Unnriffenfjeit, SSpjanj übte fteinbfeligfeit gegenüber ber alten ^5f)ilo* 
fopljie; — bis fie enblicb audj in 3lt^en aufhörte, als bie betören* 
faulen aufgehoben mürben. ®er antife £empelbtenft oerbreitete 2lber= 
glauben unb forberte 2tdfjtung, — ließ aber bie ^ilofopljen für SWoral 
Jörgen. ©fjriftentum unb ^ölam erfennen feine 2Roral außerhalb ber 
firdfjlid&en £eilsleljren. 

27. Slpril. — 35u mußt gut fein! Älug fein, fdfjön — ge= 
funb — reid& fein u. bgl. ift ju münfdfjen, aber man muß nidfjt. — 
5Bas ift gut? fagt ber Sßiberpart. — 3)as wirft bu fdf)on erfahren, 
wo e« not t^ut, paffe nur auf. 2)ie pfjilofopfjifdfjen Ätügeleien oor- 
aus mürben bid^ nur nodfj meljr oermirren. 

3lIfo bas fottte bein ©ebet fein, abenbs unb morgend jum 
©roigen: idf) möchte, idE) nritt, id) muß gut fein! 

®ann wirb bir aufgeben, was eigentlich bas ©ebet bebeutet. @s ©ebeutung t»» 
ifl ©elbftoermaljnung, unb bie bebürfen mir in unfrer ©djroäd&e tags 
ßd) unb ftünblidf)! SBeber ben ©roigen werben unfre ©ebete um- 
ftimmen, nodf) ift es bloß ju eigenem SBergnügen. ©rnfte ©elbftoer- 
ma^nung, bas fott bas ©ebet fein. 



— 124 — 

Glaubens, unb 3)ie Steligionslefjrer Ijaben bas mit bem ©ut=©ein nid&t redbt 

118 * gewürbigt. £u foUft glauben, bu mufet glauben, bu mufet bie anbern 
glauben machen, bas ftetten fie poran, — unb bas tft falfdf). S>er 
•Jtaturforfdjer mujj fogar ju glauben verbieten, fo wenig l)at biefe 
Empfehlung änfprud) allgemein gültig ju fein. ®u mufct gut fein, 
bas forbert bie SBatirljaftigfett, bie ©ered&tigfeit. £)u mufet glauben, 
bas forbert aber bas ^ntereffe. 3)ann wirft bu £roft Ijaben, bann 
wirft bu glücf lid& fein, bann werben anbre bt<$ efjren, bir Reifen folgen, 
wofiltljun u. bgl. 
t>« $<mmei unb 14. 9Kai. — £er Fimmel ift bem Sluge eine er&ebenbe Sßradit, 
e $ mmc fa^tt. ^ cn @ e banfen eine unergrünblidje ©efefclidftfeit, bem ©efüljl ein ©teiefc 
nid allumfaffenber, unbegrenzter SRufje unb ©eligfeit. SQBie bas SWeer, 
Dom i'anbe gefefjen, immer erfreut, fo ber £tmmel oon ber ©rbe 
gefetjen. ©as wirb anbers, je polier über ber ©rbe man fidj ergebt. 
2Ref)r unb mefjr fommt man in eine Äälte unb Seere, bie baö Drga* 
nifdfie ausfdfjliefcen unb wo bie SSorbebingungen alles menfdjlidjen 
(SmpfinbenS unb 2>enfens fehlen. £er pfjpftfdfje ßimmel) fo viel ift 
gewife, mufc bem 2Renfdf>en als ber entfefelidfjfte unb unmöglid&fte 
SBJo^nort erfdfjeinen. ©ante perfekte ^ubas in Eis unb baö festen 
iljm ber qualooHfte JpöHenort. 6r Ijätte ifin in ben £immel üerfefcen 
fönnen, wenn if)tn beffen pfjpfifdbe Sefd^affen^eit befannt gewefen wäre. 
2Bie fommt es nun, bajj bie ©ebilbeten fidfj nid&t offen losfagen Don 
bem ®laubtn an bie £immelfatyrtsfage? Siefer, burdf) bie 2lpoftef= 
gefdbidfjte, ber unfidfjerften aller neuteftamentltd&en Seftanbteile, ein= 
geführten, unb von ba in bie ©dfjlujjworte bes jweiten unb britten 
©oangeliums nachträglich aufgenommenen lieberlief erung ? ©ebanfen- 
lofigfeit, 3 urü ^ a ^ un 9 ÜOn gefährlicher ©rgrünbung, SBerlogenljeit, 
wo ber Sßaljn anbrer uns nüfclidfjer fdfjeint als iljre äfofffärung, bie 
erwirfen es woljl alle jufammen. SSie foU man ficij aber bem Äinbe 
gegenüber oerljalten? 3ft man wafjrfjaf tig ,. fo mufe man iljm fagen, 
man fannte bamals ben pfjpfifdfjen &immel nidf)t unb fanb besf>alb 
leinen paffenberen 2lbfdfjlufe für ben SBanbel beö äuferftanbenen, als 
bie Stuffa^rt. 2lber fie ^at fid) nur auf ©leidfjnisreben ju einem 
wirtlichen ©efd^eljen in ber Sage Ijeranbilben fönnen. 3n ber Xljat 
ift fie unmöglich unb jwecflos. Cber man fann fagen: glaubt, aber 
benft ni<$t. Ober man fann in Sßiberfprudf) mit ber 2lbftdf)t bes ©r* 
jäljlerS in ber 2lpoftelgef$idf)te, fagen: ßimmel fei gar nidfjt plfljfifd|j 
ju verfielen — es fei nur ein ©leidfmis unb bebeute ewige felige 
SRufje. ©s fommt bie 3*ü unb ift fdf)on näfjer gerüdft, wo bie füllen, 
ob fie fdfjön finb ober vorteilhaft, fallen muffen, unb bie SBa^rtjaftig- 



— 125 — 

feit wirb ben Sieg erringen. Sine 3eit ber SBunber, bie alle menfdfjs 
licfce gafiungsfraft überfteigen, für bie SSergangen^eit anjunefjmen, 
gefjt nidjt nte^r. — Gine Sieligion ber SBafjrljafttgfeit mufe befreit 
werben oon allen SSorftellungen , bie als pl^ftfdf) unmöglich, alö 
nrieben>ernünftig unb alö fittüd) jroedflos von ben SMenfcljen mit 
Der 3^t erfannt roorben finb. 



9. ^uli. — Stein, von ^rofeffor Seelep, breibänbig, oon fiel)* 
mann überfefct, ausgelefen. Die Betrachtungen am Sdfjlufe bes äßerfs, 
über Steins SBer&ältniS jur Religion, geben mir ju benfen, unb mit 
Sismarcfs SSer^alten ju Dergleichen. „Den SSortrab meiner 3 ro eifel, 
ber fiel) ju weit hinaus roagt, rufe idf) jurücf !" — fo antwortete mir 
Öiömaref, ate er ©efanbter war, auf bie $rage, wie er feinen rabifalen 
Unglauben jüngerer Safyxt los geworben fei. Die 3 roe if e * werben 
nidjt befämpft unb befiegt, aber ftitt gemalt burdf) ^eroifd^en SBiHen. 
Sluf bem ©ebiete ber SReligion wirb bie (Ermittelung fixerer 2Bafjrs 
Reiten für unmbglidf) gehalten unb bas ^eft^alten ber SSorftellungen, 
bie fid& in ber ©rfaljrung für bie menfdfjlidfje @efellfdf)aft alö juträglidf) 
unb faltbar burdf) ^aljrljunberte ermiefen ^aben, für notroenbig. fieben 
naä) bem £obe in einer befferen SBelt, — SSorfefjung, bie fdftfiefclidfj 
alles jum Seften roenbet, — Offenbarung, ein bie Pflichterfüllung 
gebietenber ©Ott, — bas finb Dogmen, bie Suuerftdfjt in politifd&er 
Ser jtoeif lung ober Slot ©erleiden ; — bief e finb unbebingt notraenbig. 
3>ie foH man nidfjt erfcfyüttern unb nidfjt ju t>erf>öljnen geftatten. 3tber 
jtd^ oiel befd&äftigen mit bem 3>nljalt unb ber SWögltdfjfett biefer in 
ber Xfyat nebelhaften 3SorfteHungen, ift eine ftranKieit, in bie fold&e 
3Renfd)en verfallen, bie in ber SSelt nidfjts anbres ju tfjun l)aben, 
alö unnüfcen ©rübeleien Jjidfj ^injugeben. $n ben Stürmen biefer 
Sßelt, ben Sfofeinbungen ber geinbe gegenüber, Siebe ju feinem SBolfe, 
3uoerfid(jt ju einer gegen alle jeitlid&e Beunruhigung feften Sßofttion 
ju betoaljren, — baju genügen bie oagen 33orftettungen beffer, als 
bie fcijledfjte äBirftidfjfeit, auf bie fi<$ bie menfdfjlidje gtorfdfjung be= 
fdfränft fielet. Sie oerletyen Söeifje bem ©efüf)le unb fortreißenbe 
^oefxe iem 2luSbrudf — So ungefähr ift bie ©efinnung biefer, tief 
jittlid&en 9Äänner großer ^olitif, in religiöfer 93e$iel)ung. SBären es 
ß^inefen, mären es dürfen, — mären es 3uben ü°k ©eburt, nie 
würben fie ©giften werben aus lieber jeugung. Sie finb aber von 
ben Borfafjren Ijer fefte Gfjriften nidjt nur, fonbem audfj fefte 5ßrote= 
flanten, ba fte aus Ueberjeugung anbers ju fein nidf)t oermögen. Die 



Stein, 
ton €«Utj. 



Gtein* unb 

Stlraard» 

Serfcalttn }ur 

Religion. 



— 126 — 

SBorfafjren finb eine unabänberlid&e Xfyatfafyc, Ueberjeugungen f ömten 

»i»ma«i unb medjfeln. — ©oroofjl ber greifen: von ©tetn ate Siömardf ftnb ftreng 

nationale TOmSr nationale 9Wänner, feine SKenf d^^eitöfd^roärmer ; — audfo in ber Religion 

n »eiu 8 attfbie finb eö feine Uniüerfaliften , bie nadfj ben ewigen 2Baljrl)eiten, nad) 

«rfi«ion. e bem für alle Reiten Süchtigen ringen. Statljolijtemuö, Sßrotefiantiö= 

muö, für iljre SBeftrebungen madfjt baö nur in ber SBertoaltung Unter« 

fdf)iebe, mit benen man rennen muß. 

Sei aller SBereljrung unb greunbfdfjaft für biefe SKänner muß 
man bennodjj gefielen, baß iljnen eine Religion nidfjt genügen 
fömtte, bie 6rnft madf)t mit bem SBorte: „3Rein 9teidfj ift nid&t von 
biefer 2Belt." SDaß bie 2ßoral au& ber 9tot mit berfelben 3loU 
roenbigfeit entfielt, wie aus bem ©efälle bie Stiftung beö gluffes, 
ift überhaupt eine ßefjre ber neueften $eit. ®* e genannten SKänner 
fönnen fidf) nur eine geoffenbarte ©ittlid&feit oorfteHen. ©tein unb 
Siömarcf finb 9Ränner biefer 2Be(t, bie jur Regierung biefer 
2Belt unb jur poetifd&en SBci^c iljreä eigenen ßebens gormein ge* 
brausen, bie auf einem iljnen ganj fremben ©oben entftanben finb, 
bie aber an poetifd&em ©d&nmnge unerreicht geblieben, unb burdf> 
baö 2llter eine bewährte 3ldf>tung gewonnen fjaben, bie ftd(j nidEjt er- 
f in ben läßt! 
x<* |ö«ne auf 8. 3>uli. — ©in 9Kdf)ts in ber ©nrigfeit, bodE) ein roollenbeö — 

* ein Sßunft in ber 2Renfdf$eit, aber ein beftimmenber ! ©rößereö, als 
einen bie menfd^eitlidfje Slid&tung mitbeftimmenben unb moDenben 
$unft, gibt es auf @rben nidfjt. iftur muß ber SRenfd^ ben ©tauben 
an feinen SBillen ntd&t Der Heren. 35er gataliömuö ift vid ju ftart 
in ben SReUgionöoorftellungen vertreten. 



»«ejttauna unb 2)enfe man fidf) eine Sßelt ofjne ©epualität. Dfjne bie ©pannung 
6i»iettriebe». jnrifdfjen SRann unb Sßeib, fein Seben, fein Qbeal. Siebreij muß vor 
unb neben ber gamilienbilbung aud& einen ©pielraum ^aben, um 
nidfjt baö Seben ju unerfreulich ernft ju madjjen. 

©pielt man ja audf) mit bem (Snrigen! ©o lange man nid&t oer* 
gißt, baß es ein Spiet ift, mag es gelten. SKnberö fann man jtdd oft 
mit bem ©nrigen gar nid&t befdjäftigen, unb eö wirb oergejfen. Aber 
wenn bie ©ebilbe ber religiöfen Sßoefie Slnbem mit ©trafen aufge* 
jmungen werben fotten, wirb baö ©piel mit bem ©roigen eine ©df>änb* 
lidjfeit. 
«anofifi unb 18. 2lug. — 2lgnofiö! Verbirgt fidf) nid&t unter ber SJenennung 

„Slgnoftifer", bie ftd& SJarroin beizulegen einigermaßen bereit fd&ien, 



— 127 — 

eine 3)ofis Eleinmüttgfeit ober gar £eudjelei? 3Wan wirb, wenn man 

fidj für einen Reiften erflärt , nodf) immer für bie 2Re§rjaljt ber 

ÜRenfdfjen ein ©reuel — fein 33erbredjer gilt für fo rud&fos als ber 

©ottlofe. 3fl es aber benn meine ©d&ulb, wenn es ein foldf) perfön= 

liebes SBefen, wie bie aKeJjrjaljl unjter ber Benennung ©Ott in t>er* 

fdjwommener Sßetfe ficij benft, mdfjt geben Rollte? 2Benn unter beim 

felben tarnen oerftanben wirb, ber ununterbrochene 3 u f a rontenl)ang $« un*tf»ntt$e 

aller 3)inge in ber SBelt, baS Sanb, baS alles jufammenf}ält, fo ift ^©ott?™ 

bamit ein ttnperfönlid&es gebaut, baS nid)t benfen, nidf)t empftnben, 

nid^t lieben fann. S5as ift ja aber feineswegs, was ©ott genannt 

wirb. SSefenne idf) benn nid&t, blofe um ju tauften? $)amit man 

midf) in Stolpe lägt, bamit man mir bas Vertrauen nidEjt entjiefjt? 

ßier, wo bie rücfftd&tslofe äBafjr^aftigfeh gilt, alfo feine SBinfeljfige. 

60 wie es auf ber 6rbe feine SBorfteffung ton ©ott gab, fo lange 

ber ÜRenfd) nidfjt oorljanben war, fo würbe bie SBorftettung mit ber 

9Renfdf#eit wteber oerfd&winben. S)aS $)afein eines ^öd^ften SBefenS, 

bas benfen uub lieben fann, lägt fidf) aus ber 2tyatfadf)e, bafc bie 

2Renfdf>en ein fofd&es fidf) oorftetten, weber beweifen, nodf) wiberlegen. 

Sie abftrafte SBorfteffung eines Ijödfjften SBefenS, baß nid&t lieben, • 

nid&t leiben, nidfjt fid) freuen fann, ift ju nichts ju gebrauten, $« a^ratte ©ott 

toeber jum SBerftänbnis ber äußeren Vorgänge, nodf> jur ©ittlid&feit vltSUm*" 

in ben #anb fangen. 6s ift oielmeljr im SBiberfprudf) mit allem $orfc 

fc^ritt, mit attem ^Wereffe an bem $ortbeftel>en ber 2Belt. 3)aS allere 

Dollfommenfte SBefen l)at bas Sttteroofffornnunfte gef Raffen, unb es 

wäre £ljorf)eit, nodfj öefferes erwarten ober förbern ju motten. SÄtteS 

roafjrfjaft ©rgreifenbe fnüpft fidf) an SBeränberungen jum ©Uten ober 

}um ©glimmen. 35as enrig Unueränberltd&e, SBottenbete, ofjne 6nt= $ai en>tg 

fteljen unb 3Serge^en, ift eine %it tion o^ne jeben 9teij. ©eftelje man, LtWM f 

in 28irflidf)feit gibt es nur oeränberttdfje SBejie^ungen, bie alle ©inge tt ' 

in Sertjältnis ju einanber oerfefcen, mit fortfdjreitenber SBottfommens 

Ijeit. £>aran fann felbft ber 3Renfdf) mit feiner Meinen aRadfjt unb 

in feiner minimen Sphäre wirf f am fidf) beteiligen. 2)ie reale SBelt 

ift jur SSeroottfommnung in infinitum beftimmt, aber oottfommen ift 

jie nidjt. ©er jeweilige SBettjufammenljang, ber burdf) Sßerftftenj bes 

^affenben fidf) medf)amf<$ oeroottfommnet in infinitum, ift nidfjt oott 

lommen, er ringt banadf), es ju werben. 3Me 3Renfd^en ringen nadf) $afein». 

äSenwfffommnung ifjres $)afeins unb ben £ag, u>o biefer£rieb nidfjt nurbet 8 i?feb g iut 

me^r fein foffte, ^at bie 3Renfd^^eit feine ©afeinsberedjtigung weiter. — ® ertontommnttn ß- 

Son ben brei Stjiomen bes ^Rationalismus ift nur eines unerfd^ütter^ 

lid> für mein SHad^benfen geblieben; es t>at ftd^ immer fefter unb 



— 128 — 

sefffHounfl b« ftd&erer ausgeprägt. S)ie2Btlfenßfreiljeit §at in ber ©egenroart 
©iSSrtHn eine unbeftreitbare SDlögßdjfeit unb 33ere<$tigung gewonnen, feitbem 
bu^iSm&u b r ttX ?er i<$ tveifc, bafj es eine SBenvedfjfelung geroefen, bie ©renje einer 33e* 
3 wÄi55i um ' geben^eit für eine Qtit ju galten. @ine SBermed&felung ift eä getoefen 

ju fagen, bie gretyeit, ba fie ifl ber 3*ü unmögli<$ ift, ifl audfj in 
ber ©egentvart unmöglich 35ie ©egentvart ift eben feine 3 C ^/ f° n - 
bern eine 3 e ^9 re ^S e - 35 er perfönlidfje ©Ott, bie inbivibueffe ttnfterb* 
lidftfeit fmb biofje ^orberungen beö ©emtttä, toenn aud& gebieterifdje. 
3)ie SRoralität ift von üjnen ganj unabhängig. SBetöje Stellung idj, 
biefer Ueberjeugung nadfj, jur d&riftlidfjen Religion unb ju einer ber 
djjriftlidfjen Stirnen einzunehmen fyabt, barübet ein anbred SDtal. 
«Bai *rf*t cwu 20. 2lug. — G^riftfirdfje, roafi Reifet baö? Sfeglidfje ©emeinf$aft 
**' jur SBettje burdd baö etvige SBefen, bie entftanben ifl im 2lnfdfjlufe an 
bie SBorfteffungen, bie in ben Äirdfjen vergangener 3 e ^ M «nge* 
funben fjaben. ©eften fömten unb fonnten ftdfj abjtveigen burd& ein= 
feitige ober gegenfeitige ^ortbilbung von äJorftettungen, burdfj frembs 
artige Seimifdfjung ober 2tnbequemung , burdf) §errfdfjffid(jtigea gartet- 
intereffe. So lange fie aber bodfj nur Derivate aud ben <J>riflltdfjen 
. ftirdfjen ber SSergangen^eit ftnb, fommt iljnen bie 33ejeid^nung d&rifU 
lid(j ju. 
vtobcß» b« aSiel enger bie Gf)riftfir<f)e ju faffen, ift man oft verfugt, in ber 

«SÄÄSKbft^t, nityö SBöfeö als djriftli^ gelten ju [äffen. 3>a* 6&riflentum 
fflffen * Cftriftt tvirb in ©egenfaft gebraut mit bem viel me*r vertveltlid&ten 
(Stjriftentum ber Äirdfjen. 2tbcr baö Unhaltbare biefer engen Stuf* 
fajfung verrät ftdf) in tyren Äonfequenjen. lleberall mufften fid& bie 
Jtird&en ben Umflänben anbequemen, mit ben neuertvorbenen pljtjfi* 
fdfjen Äenntniffen jtdfj abfmben, bie in ben verfd&tvommenen 33or= 
ftettungen tnfyaittmxi SBiberfprüdfje burdEj neue Spekulationen ju über- 
tvinben verfugen, ©ine Eirdfje ßfjrifli §at ed nid&t gegeben, unb tvie 
bie Religion Gtjrtfli eigentlich getoefen, barüber ftdfj ju einigen ifl un= 
möglidjj. ©vangelien unb (Spifteln, Slpoftelgefdfjidfjte unb Offenbarung 
reiben baju nic^t auä unb enthalten fo viel Unf (areft ober anfd&einenb 
SBiberfpredjjenbes, baf$ eö eine Xfyoxfytit märe, volle Uebereinftimmung 
auf biefen ©runb Ijin erjtoingen ju motten. 6ö bleibt nichts übrig, 
afe ben verfdfjiebenartigften firdfjlidfjen ©emeinfdfjaften willig jujuge* 
flehen, bafc fie dfjrifttidf) finb. ®aju finb bann nidfjt nur bie beiben 
großen fat^olifd^en Äird^en ju rennen unb bie bauptfäd^lid^flen STrten 
ber SReformationsfirdfien, aud^ bie jum Xtü von ber ©ittlid&feit ah 
fommenben Seften, alö ba ftnb JWormonen, Selbftverftümmter u. f. tv., 
finb nur in feinblidfjer 9tbftc^t alö nidfjt d^riftlid^ mit Unred^t gefd^mä^t 



— 129 — 

roorben. Sie Seiten einer 2lrt djjriftlidfjen Äirdje formen in tyrer 
Jortbtlbung auf Irrwege geraten fein, fte fönnen fremdartige Sei* 
mif jungen in fidj aufgenommen fyaben; — getrübt, oenoorren, Der« 
borben mag man fie nennen. 2lber alö df)riftlid(j mujs mqn fte gelten 
laffen, fo lange man rid&tig urteilen will. 

ftann tdf) ju einer d&riftlidfien Äird&e in biefem weiten Sinne 
mtd& rennen, of>ne jebe ©pur von täufdfjenbem Sdfjeiuroefen, in 
Dotter SBa^rfjaftigfeit? 3)aö ift bie 5 ra 8 e / ^ e berjenige fidf) ju 
fleflen $at, ber mit ben ©rgebniffen ber -Raturforfd&ung unb ber 
®ef$id)t3forfd)ung unfrer 3 e ^ ™fy unbefannt geblieben ift. Unb ftann «tn mit tm 
roenn idfj bie SWöglidfjfeit bejahe, bafe idfj nodf) ein G^rift fein fann, Ä^amÄen 
rote mufc bie dfjriftltdlje Äirdje befdfjaffen fein, ju ber t<$ mid& ju rennen »craS?*"^? m 

Q ber tt$riftfira)e im 

trermag * twtten @mn 

©iner Äirdfje beitreten, bie baö 2Bef en in ein fraktionelles 33e* 
fenntnte verlegt, oermag tdf) mit 2BaIjrl)aftigfeit nid&t. Sollte t<Jj mtdf) 
für einen 2lugenbli<f baju überreben fönnen, fo lange idfj bem gort* 
fdjritt in meinen ©rfenntniffen midfj nidfjt tjerfdfjliefie, bin idfj nic&t 
fieser, babei ju bleiben. Grfenntniö ift bie fjöljere ^^ftanj, cor ber 
jebes 33efenntniö ftdf) mufe prüfen laffen unb beugen. 

33ie fatljolifdfjen Äirdjen behaupten jtoar über biefe Sd&roierigfeit 
ben ßaien ^inroeg ju Reifen. 2Me Äird^e glaubt unb befifct einen 
©nabenfd&afc, mit bem fte in uoHfommenfter SBeife für ben ©utjelnen 
eintreten fann. -Kur an biefe urnnberroirfenbe 9Wadf)t ber Äird&e ju 
glauben, iljrer getfttidjjen ^üljrung fidf) btinblingö anjuoertrauen, baö 
genügt. 

an bie SBunberfraft ber Äirdfje ju glauben, baö ift aber ba§ s>ie latww&e 
gerabe, roaö idfj am roenigften ju glauben im ftanbe bin. 2tudf) bie »cm^wTOmeTn! 
fatljolifdfjen Äirdfjen fjaben ein ©laubensbefemttniä, unb baburdft, bafc 
jte es ber Prüfung ber Saien entjie^en, wirb es nidfjt glaubhafter. 
3&re ©efdfjidfjte betoeifet, ba£ fte mit ben -Kitteln menfdf)lidf)er Soweit 
gefämpft unb jumeifen geftegt fjaben, baft fie aber mit ber angeblidfj 
frmmlifd&en SRadjjt nidfjtö ausrichteten. SJerfolgungSfucIjt, bis jur 2tn= 
roenbung ber grimmigften Torturen unb ber £inricljtung burdjj lebenbig 
Verbrennen, ^aben biefe Äird&en geübt. 3Son il;nen füfjle idf) mid(j 
getrieben für immer. 

22. Stug. — 3Jlit bem roas bie Religionen behaupten unb auf? $ie ne fl atit>en 
ftetten, ift aber i$r SSerbienft ntd&t erfööpft. $as, roas fie beftreiten B ÄÄ ftf 
unb abfd&affen, ift von nidfjt geringerem SB er t. 5Rur werben biefe Retißionen - 
negatipenSJerbienfte naturgemäß überfein unb oerfannt, fobalb 
mdjtä me^r ju beftreiten unb abjufd&affen übrig ift. ©egen bie ju 

Vui ben lagcbu^blättcrn Ui Grafen 9. &evferting. 9 



— 130 — 

ben ärgften 9ÄiJ3bräud)en unb bis ju unerträglichem ©eifteäbrudt ge- 
xer triebene röjnifd&e £ierardf)ie erljob fidfj ber 2}roteftanttemuö. 5>n 
Sänbern, bte ganj proteftantitdp würben, gab es feine rönufd&e §ier* 
ard&ie mefjr. 35er Kampf nadj biefer Seite war nidfjt meljr ange- 
bradfjt: ÜRan begann unter Sßroteftauten über bie fiefjrbegriffe ftdb ju 
entjweien. So §at audf) baö Gfjriftentum bem antifen ©ötterfultue 

cibSftÄum'bie 9 c 9 cnfi ^ er e * n ungeheure* SJerbienft gehabt, baö uuferm 93ewujjtfein 

«bf*affunfl bo ttid^t immer gegenwärtig ift. 93erf)inberte bie 2Rt>tf)oIogie ber ©riedjen 

tuituÄ unb lein« unb SRömer audf) feinesmegä bie gortbilbuug ber $l)ilofopl)ie, fo be= 

Veritranjm'" traf baö nur bie oberften ^ntettigenjen. ®ie ©ötter waren ju fcbön, 

um wegen rationaliftifdfjer £enbenjen oon ifjnen ju laffen. Sie waren 

patriotifdf) unb fdfjmeidfjelten bem SWationatgefüljl. ©rft baö ßfjriften; 

tum erlangte bie 9Rad)t unb ben fanatifd&en £afc, um' mit ber 316= 

götterei, mit bem £empelhiltuö nebft feinen Äunftwerfen unb SJtyjterien 

aufjuräumen. 2Bir afjnen faum, weld&er äbgrunb oon aber= 

gläubifdf)en SSerirrungen unb entf ittlic^cnbcu 23etrüge= 

3rortf*ritt bur* reien für immer gefdjloffen würbe, ©ie unfoerfelle SKenfcfe 

^ationden T lidftfeit würbe gefüllt unb erl;ob über bie Sdiranfen oon SSolf unb 

3?« «üÄ« jn Staat, ©er Sftücffdfjritt in biefer Sejieljung broljt oon neuem unb e$ 

Set mobSnen ^eit! ift jeitgemäfj an bie 33ebeutung beö G^riftentumö immer wieber ju 

erinnern. 3a, junädjft in biefer negativen 33e$iel)ung fül)le icb 
midi oollftänbig alö ein 3 u 9 e ^örtgcr ber G^riftfirdje — unb jroar 
um fo mefjr, je freier bie ftird)e von biefen {jeibnifdfjen ^enbenjen ftdb 
gehalten fyat. 3n S^anj, in SRom würbe, fobalb baö #eibentum 
alö dfjriftenfeinblidfje 3Radf)t jebe Sebeutung uerloren tyatte, ben 3le\- 
gungen ber 9Benge unb ben 9Jorteilen ber ^riefterfdfjaft 5U 35ienft, 
tuet wieber jugefaffen. ©Ott war wieber uon ^eiligen Sparen um* 
geben, in Silbern t>erfinnltdf)t, mit ©epränge in Tempeln unb Um* 
jügen gefeiert, mit Opfern befd&wid&tigt, gegen Kalamitäten }u $tlfe 
gebeten, ©ö war nidf)t mefjr ein ©eift, ben man nur im (Seifte 
unb in ber 2Ba^rf)eit anbeten foll. 

S)ie Äirdfien fydben in iljren Jöefenntnijfen von ber Sßerfoniftfation 
©otteö nidfjt loöfommcn fönnen. Sie brauchen einen ©Ott, ber lieben 
unb fiajfen, lohnen unb ftrafen fanu, oon bem ©uteö fidf) erfdjmeid)eln 
läßt, ber gereijt werben fann, wenn man iljn uernadEjläffigt u. bgl. m. 
9)ian ftnft bamit juräd in bie 3Sorftellungen beö &eibentumö uiti 
tiefer, ba bie Sdf)önf)eit fef)lt, bie bem ftronion eineö 5ß^ibiaö 9Wad6t 
über baö menfdfjlidje ©emüt uerlieb. 

3df) bebarf alfo junäc^ft einer Ätrd^e, bie eine reinere Raffung 
ber SBorftellung oom ©wigen nid^t auäfd)liefit. 



— 131 — 

ßwiges SBefen, bas ift erfannt, fommt 311: beut Stoff ober en^es »wen. 
bem öeroeglidfjen, beffen Quantum uni>eränberlidj ift, — fommt 
ebenfo ju: bem Sewegeuben, ber&raft ober ber ©nergie, bereit 
Summe in ber SBelt ft$ gleichfalls als ein Unoeränberlid^eö er* 
liefen fyat. SSeränberlidf) ift nur bie Drbnung unb Verteilung 
von Äraft unb Stoff, aber wieber nadf) unoeränberlid^en ©efefcen. 
Sas Reifet aber nicfjt fo xAti, als Ratten biefe ©efefce eine felbftänbige 
friftenj. SBenn etwas fällt, fo gelten bie gattgefefee. Sttan barf 
bie Jallgefefee mdf)t perfoniftjicrcn, ba fie nur beftimmen, welcher 2trt 
bie Sewegungen jwifdjjen beweglichen SBefen finb. SBo lein 33eweg* 
licfjeö, gelten au<# feine f^aQgef e^e , — fie geben nur relattoe SSor* 
fteHungen. 

Sin biefen 3ubel)örungen bes ewigen SBefenS !ann nid&ts verloren 
unb nidf)ts gewonnen werben, unb infofern finb fie bem 3Wenf<$en 
gleichgültig. 

äfabers fte^t eö um bie Drbnung unb Verteilung ber ©runb* «ut bie orbmmß 
lagen bes ©wtgen. 35ie finb ewiger SBeränberung unterworfen unb nur »0 b« frm 
in oerfdjjiebenen Siicfjtungen. ©ewiffe Stiftungen ftören ober Der- wwtu 
nicfjten einanber. treffen fie ben menfd)lidf)en SBillen, fo fann biefer 
tieft baburdfj be^inbert ober beförbert ftnben. Jpier erft fefct SBerk 
töäfcung ein. Qnforoeit ber menfcljlidfje SBille frei ift, fann er in 
Mereinflimmung fid) füllen ober im ©egenfafc. ©ie SBelt intereffiert. 
Sie fann fidE> f)armonifd& in ifjren teilen unb ju mir fortbilben ober 
im ©egenfafc. $a fann ber 2Weufd) mittfjuu — er fann fiel) t>er= 
pflichtet füllen ober nid&t. 

SMef e ewige Stiftung bef eitigt bie unhaltbaren Kombinationen ; ©e«*ti fl unö t*§ 
bie Ijarmonifdfjeren überleben. 3Me ßrfa^rung auf @rben, in piimemu8 - 
Seologie unb @efd)id(jte, betätigen ben tljeoretifdfjen Optimismus. 35aS 
Vertrauen ift alfo wollt begrünbet, bafe fd&liefjlidj) bas ©ute in ber 
fortgefefcten 9Udf)tung obfiegen mufe. 

35as ift ein ewiges SBefen biefer SBelt, bas man lieben, an= fcarmome bes 
beten unb bem man bienen fann. $e naturgemäßer idfj meinen mit bem .«itgm 
SSiHen (enfe, um fo fidfjerer bin idE) meiner perfönlidEjen Harmonie. 
Sas^beal, ju bem bie ewigen SSeränberungen ber SBelt fjinfteuem, 
liegt in unerreichbarer #eme — bie S3ollfommenl)eit würbe bie 33e^ sd« 
roegung, bas Seben, unnüfc ober fddäblidf) machen. 2lber bie Stiftung »üibe °baT Vkn 
liegt üor. Um im ©emüt bie Äraft ju beleben, mit ber ber ÜKenfd&en* unnü * ma * m * 
Wille folgt unb fid) unterwirft, baju fjilft bie SSerfenfung in S3etrad(j= 
tung bes ewigen, bas ©ebet, bie ©rfenntnis. 3* tiefer tdE) erfenne, 
toeldjes bie naturgemäßere Sebensfüfjrung für midf) ift, je ftrenger i<$ 



— 132 — 

midf) an bicfe ßrfenutuiö binbe, um fo fixerer bin id) ber Harmonie 
»ebürfnisbcs mit bcm ctütfleti SBefeu. Slufterbem bebarf aber ba* ©emüt nod) 

unfaßbaren c .1 ^ . 

öotteö. etnen unfaßbaren ©Ott! 

wur «ne SBeld&e Äirdfje nrirb eine fofdfje 9tuffajfung beö ewigen SBefenö 

«täSTioub biefc nicbt oerbammen , unb ben jenigen , ber fie bef ettnt , nidfjt afe einen 
(hoC! annehmen, öottlofen auö ifyrer ©emeinfdfjaft oerbammen? 

s Jiur eine proteftantifcfyc Ätrdfje, bie ifjre Slufgabe barin ftetit, bas 

■Dienfdjenleben mit ber Sßeifje beö ewigen 2Befenö 311 »crcbeln unb 

ju oerfdjönern — feineötuegs aber bar in, bie menfdiltdjen ©ebanfen 

in ber Seroegung unb ftortentroicfelung burdf) SSefenntnteformeln ju 

2>te mr*e muß bie ftören unb gurüdju galten. Sie ^ntoleranj, bie SBerfolgungöfudfjt muß 

u^icn** ©eifieS eine fold&e Äird&e Raffen, oerbammen, mit aßen SBaffen uuterbrüden. 

beiampen. g c j^ ^^ mn ^ p c Jretyeit laffeu, bao eitrige 2Befen ftd) 3U benfen, 

nrie ein jeber mag. 

Sie ^lUoleranj befämpfen, bie abgöttifd&en unb abergläubifdicn 
3Serirrungen fdionungöfos miberfegen, aber nic^t oerfofgen — bao 
ift eine belifate Aufgabe. Sen Äampf mit ben SBtaffen beö ©eifteo 
muft bie ftirdje förbern, aber ben Äampf mit ben roeftlidjen Vor- 
teilen unb Sftad&teüen, mit Srofjungen unb SBerfprednmgen , foff fie 
tjerurteifen. 
ü>ie f?freirMe in 23. 3lug. — ©erabe, roäbrenb id) midb mit biefen Gnoägunncn 

befd&äftige, fommt eine 3lntroort. Sie ÜHeoalfdje 3?itung, bie geftem 
fant, bradfjte.ben Öefd&eib 3ur ftenntniö, ben baö Petersburger ©eneraf; 
fonfiftorium auf anfrage bem SRinifterio bes 3 nne nt baräber erteilt 
fyat, ob Rubelt, bie fid) einer dfjriftlidfjen #reifirdje in Sresfau aitflc- 
fcfyloffen baben, für ßljrifien 311 galten ftnb? -Kein, tautet bie 3lnt- 
roort, weil bie t>on #errn Sieber vertretene ©emeinbe ein Sefenntnio 
nidjt Ijat, — laut ben eingesogenen ÜHadfjridjten. 3$ bagegen fage: 
ja, — weil fie in bem negativen Seif, gegenüber bem SWofatömuö mit 
feiner ©cfefceögeredjtigfeit unb gegenüber bem £eibentum mit feinen 
Cpfern vox ©ötterftatuen, aud) gegenüber bem aWofjammebanismiiö 
mit feiner Unbulbfamfcit, dfjriftKdfj ift unb weil fie ein Serioat Der 
früheren d&riftfidjen SUrd&e geblieben; — enbtidb audf) au$ bem 9?euen 
Xeftament f)auptfädf)(id& bie 25>eif)e 311 allen fteiern besiegt. — 
xae evoifle ©ejen ^d) erfenne ein eroigeö SBefen, baö alles 311m heften roenbet, 
bü» man neben |o'n unb bem fid) an3ufdf) tieften in menfdfjltdfjen Singen bie böcbfte Stuf- 
©elfte ber qabe unb bie ©eligfeit ber 9Renf d&en ift. Sie SSofffommenbeit 
ift $\el, baö Streben baf)in 9Bir!Iid)feit. 3 ul &rf)örungen beö ©lüiflen 
finb aller Stoff, äße Kräfte unb ber unenb(idf)e SHfarowmljtmfl affer 
Singe — bie finb gegeben. Sie ä>en>oHfommmmg biefee 3 l,: 



— 133 — 

fatmnenijangeö ift aufgegeben. Siefe Shifgabe ift ei« Xeil beö 
eioigen SBefenö, baö bie 9Renfd)en lieben foHen. Sie il)n anbeten, 
folfen il>n anbeten im ©eific ber SBafjrfyaftigfeit. (IV. @o. 4,24: 
Ilv£Ü|ta 6 8etfc, xal xoüc rcpoaxüvoovtac aitöv £v ffvst>|i.aTi aXijfteiac 

jrpoaxovsiv 8st. „©eift ift ©Ott, unb bie ifjn anbeten, im ©eifte ber 
23af)tf>aftigfeU fotfen fic anbeten/') $er ©eift ber 2Baf)rf)afttgfeit 
ift in auf gejwungenen , formulierten Sefenntniffen nid&t ju pnben. 
Safjer erfteö ©ebot: ®ulbung. 

24. äug. — 2Bie fdbwer bem SRenfdfjen oerftänblicf) ©yiftenj, bie ffpfteni , w« bem 

Renten DOTfiiittcbt . 

bem Genien wrangest! 2)ie ©rfatjrung lefirt, bafe ber 3Wenfd() au* 
nidjt benfenben ^ßartifeldfjen beiber ©efdfjledfiter, oft ofjne, juweilen 
gegen ben SBitten feiner ßrjeuger entftefjt. ©r ift feineöwegö ein ge* 
planteö 2Berf unb bie (Jrjeuger fennen feine Äonftruftion nidfjt. £er 
erhabene ©eban!e bilbetc nidfjt ben nieberen Stoff, fonbem auö bem 
Stoff ergebt fieb ber ©ebanfe. 

25. 3tug. — 3lber weitere Simulationen fübren in bie 3rre unb adtm 

Gpcfulatimi fü$ri 

im ftreife. £er eigentliche Sott ift tüdbt erfeunbar, nur bie in bie 3m, nur 

l'iebe fjat ifjn unb füf)lt ifjn, als eine $erjenönotwenbtg= <&ott. 

feit. — 2)a* (Swige biefer 2Be(t, bie ^erfonififation ber SKeltgefefee, 

be* 3Beltfortfdf)rittö, füfjrt nidfot fjinauö über baö finnlidje Safein. 

ä£er aber fief) barauf befdjränfcn will, oerfättt lonfequent bem 2ltfyeiö= ©ott unb 

mus. einer feclcnlofen (Swiqfeit. (*ö bleibt im wefentlid&en bei ber unfterwweit 

bleiben berechtigte 

i'ebre Hantö! ©Ott, Jyortbauer beö 3nbit>ibuumö, 2Billenö= ©«mit*, 
tretbcit Hub ©emutöforberungen beö ge^unben aJcentqjen; — 
bie lefctere ift in ber seitlichen ©egenwart aufi empirifd), ntd)t 
rein transfeenbent. 

29. Sept. — (äuo ^erfonalia.) ©eftern beantwortete idjj ben 
lebten 33rief beö ^rofefforö Strümpell unb nun erft leud&tete mir auö 
feinem Briefe ber Safe beroor: '„9ud(j baö f)abe id) erfahren, bafe bei 
unruhigem ©emüte baö Senfcu nid)t bloß abgefd&wäcbt, fonbem gleich 
fam audf) verwirrt wirb, unb cö entfielen 3wetfcl, ™° oorfjer feine 
waren, unb baö SBertrauen auf bie Öefäfjigung unb Seiftungöfä^igfeit 
beö 2)enfenö wirb geringer." — Gto fönnte aber biefer 3roeifel & es 
red)tigt fein, benn erft baö 9lfter bringt bie 3tefiguation aueb bcn= 
jenigen Sßtjilofopfyen, bie über Haut mit jugenblidjem orange fyinaufe 
gegangen finb, einjugefieljen , bafc bie wiffenfdf)aftlidf)en Örünbe, j. #. 
für bie ©jiftenj ©otteö, nidjt jwingenb finb. ^Jaöcal mufete baö freilieb 
unb no<$ baju, ba§ wenn fic ftidfjljaltig wären, fie gar nicfjt ben- 
jenigen SBert Ratten, ben man ifjnen gern beimißt. 2Baö man uer= 
langt, ift einen liebenben ©Ott, unb biefe patt)etifd^e Seite ©otteö 



— 134 — 

nnberfprid&t ber ftrif ten 9Jletl>obe, bie j. 33. bie 2ßieberfef)r eines 

£immelöförperö üorauäberedfjnet. 2)aö Slfter fjört enblidf) auf fidi 

mit ben Unlöältdfjfeiten ju plagen; es wirb aber audf) me^r jum 
9ftaterialiömuä tjingejogen. 



5. Oft. — £ie Pflege ber @f)rfurdf)t cor bem ©öttfid&cn mehrere 
taufenb %df)xz lang, fjat eä unfyeimUdj gemadjt, fidj jutn 2ltl>eiänuiö 
ju befennen. Ob er roatjr ift, mit ©leidfjmut ju prüfen, ift eine 
$Bermegenf)eit, bie I)ödf)ft feiten einzelnen 9Renfd>en beigewohnt Ijat. 
Unterbeö fyaben fidf) aber bie 'SBaffen für ben Sltfyeiömuä gewaltig ge= 
fdfjärft. ©rünbe ber reinen Vernunft für bie (S^iftens ©otteö ftnb 

e^roädjunß beft von Slant töblidj getroffen. jföm blieb aber ber $immel über bem 

t^oiofitSen 3Kenf$en unb baö Sittengefefc im bergen, um für bie praftifdfje 3>er= 

»SeinVttS nunft, mit i^rem Uebergeroidfjt im SSergfeidj) jur reinen SBernunft, ©ott 

bwr flODifTrnfSaft er,,e feftjufjalten. Seitbem bie erftaunlid) finnreidf) beregneten ©inridbtungen 

unb SBorridfjtungen biefer 2Belt, fei eö am geftirnten £immet ober im 
%5au ber organif djen Sßef en, eine m ö g l i dE) e roiffenf <$af titele 6rf förmig 
gefunben fyabeu, burd) bie üergfeidböroeife größere £altbarfeit, unter 
SSergefien ber weniger geratenen, materiellen Äombinationen im Saufe 
ber unenblidfjen ^zxt, tyat ber fogenannte pfjpfifostljeologifdfje Seroeiö 
oom ©afein ©otteö üiel an feiner SBirfung auf baö ©efüfjl verloren. 

«u«weTOoroiitat 9lnbrerfeitö, nadfjbem einmal Äant gejeigt Ijatte, ba§ bie -Koralität 

* n ^u6iej? b« b s UT * entroeber eine autonome fein mufc, ober überhaupt gar nic^t fein 

fie auf ©ebote ©otteö ftüfct. ®ie -Wotmenbigfeit beö gufammenleben*, 
audf) fo oerroorfener 9JlenfdE)en, wie eö bie meuternbe äßannföaft ber 
Sounti;, bie auf ber ^nfel ^ßitcairn im Stillen Dcean ftdfj anfiebelte, 
geroefen ift, erjroingt in einigen ©enerationen mufterljafteö, tugenfc 
Ijafteö SJerfjalten, ofjne ©efefce, benen ein göttlicher Urfprung ange; 
bietet roorben*). Un3meifelf)aft wirb baö für bie ganje 3Kenfdbboit 



*) 3" ber SReoue b. b. 9R. fyabe idj geftern mit SSergnügen einen Slrtifel 
»on SJarignn über einige Snfeln beö ©litten ÜNeereö gelefen. Sie SReuterer bes 
Sa)tffä 33ountt> fiebelten fia) auf ber von allen 6a)iff$routen abgelegenen 3 n f cI 
Spitcairn an, unb raubten fia) SBeiber von anbern Jnfeln. Sie lebten jügello^ 
unb rieben fidj auf biö auf einen, bura) bie 9tot tugenb^aft geworbenen SHeft. 
£iefe Uebriggebliebenen profperierten, unb naa) vielen S^ten rourbe ^ier ein fetir 
roo^lgeftalteter unb feljr gefttteter Stamm entberft. Grnglanb bot i^nen bie 9iorfolf* 
infel an, bie, bisher bura) bbfe Serbrea^er befd^ieft, in fa)recflia)em ftufe ftanb. 
S)ie ?Raa)fommen ber SJount«: Meuterer ^aben aud) biefe jefct in eine ^errtia)e 3«i el 



— 135 — 

ftd} ebenfo oolljiefien, fobalb ber 3ufammen$ang guriföen ben SRen* 

fdjen affgemein ebenfo grofe geworben fein wirb alö jwifdfjen ben 33e= 

iDo^nern ber Sßitcairninfel. SRapib n>äd)ft biefer 3 u fömmen^anö unb «Mfenber 

bringt in baö innere ber fteftlanbe weiter oon Qaljr }u 3a^r. ©offte bR%Si$!t 

es audfr £unberttaufenbe x>on ^aljren währen, biefe Bewegung mufj 

einft bafjin gelangen , jwifd&en allen ©rbbewoljnern einen ätynlid&en 

3ufammenljang ju f dfjaffen, wie jwifdfjen benen ber Meinen Qnfel im 

Dcean. ®ann aber wirb audf) bie 9Roralität in ttynlid&er SBeife, alö 

eine iRotwenbigfeit für baö fieben, affer ©emüter ftd) bemädjtigt tyaben. 

$ie religiöfe grömmigfeit tyat überall fidf) alö eine gebrechliche Rrüdfe 

für bie ©ittlidjfeit in ©injelfäffen ernriefen, unb weber £err D , 

nodf) »iele anbre, bie auägejeidmet f$ienen burd) SReKgiofttät, t)aben fid) 
im ©efd&äftöleben reell erwiefen, nodf) ljaben bie bigotten Röntge, wie »ißotte stinw 
bie fiubwtge in granfreid^ , iljren ftnnlidfjen ©elüften eine für bie ranTtl *' 
2Renfdj$eit fjeilfamc Stiftung gegeben. 

gö wäre niefit ein SBerftofc gegen bie ^a|)rfdf)einlidf)feit, wenn 
gegenwärtig ein Sdfjriftfteffer bie $ataftropf>e feineö SRomanö in einen 
Sefudf) oerlegte, ben feine £elbin einer ber 3lttyeiftenoerfamm hingen in 
Vonbon ober in Sßariö foffte gemalt l>aben. 2?on fefjr lebhaftem 
©eift, wirb fie oon tyx Sebtyaftigfeit ber fielen fdfjneff ergriffen unb 
oon ifyctm mutigen £erjen bewogen, ju befennen unb anjuwenben, 
roas fte für wafjr Ijält. 39iö batyin lebte fie unerfdf)üttert in ben ®e* 
bräunen unb Seiiren, mit benen fie aufgewadjfen war. ©ott Ijatte 
0ef allen, wie eö if)t oorgeftefft war, an ber Unfdfjulb, er ^atte oer= Entwurf 
boten, fidfj bem 9Kanne iljrer Siebe anberö fyinjugeben, alö in ber rinm\i%tttai 
Gf)e. 9hm aber wirb ifjr plöfclid(j ffar, wie eö mit biefer SSor* 
ftellung, ber bie 9Benfd)en göttlidfjeö SBcfen beigelegt fiaben, oon jefjer 
befd&affen gewefen ift. $n Slften badete man fidf) einen ftönig, aber 
ojjne menfdfjlid&e ©dbranfen, alö ©ott. ©uteö unb 33öfeö Ijing t>on 
feiner unbegreiflichen ©unft ober oon feinem Ginfaff ab. $\)m gegen= 
über ^ört alle SSernunft auf, unb in unerfdfjütterlid&er ©tyrfurd&t oor 
if)tn ju erfterben, ift bie einjige oberfte Siegel. $)er jorntge, unbulb* 
fame 3*baotf), — ber 2lffaty, — fie tragen baö tprannifd&e ©epräge 
beö aftatifd&en £errfdf>erö. 93ei ben ©rieben fommt eö anberö. 3)ie 
menfdftfidjje Sd^ön^eit, auf baö fjödftfte gefteigert, baö ift göttlidbeö 



mit geptieten $eroo(nem oerroanbelt. ©ie leben nur nad> trabitionett getoorbener 
Drbnung, o^ne gefc^riebene ©efe^e ; bie Käufer ftnb o^ne ^erfc^lufe, ber 3Mebfta§t 
unbefannt. 3)ie 9lot Ufytt, ofjne 3 n fP^^tion §5^erer SBefen. 2Ba3 jum Vorteil 
ber ®emeinft^aft bient unb biefe förbert, ift gut, — nicr)t aber, n>ad ben Neigungen 
bed einzelnen entfpric^t. 



— 136 — 

Sßefen, — in triefen ©öttern na$ oerfdfjiebenen ©eiten Ijin t>erförpert, — 
unb ju oberft von ber alles bewältigenben C£rf}abenf)eit ftroniond be^ 
fjerrf d)t. — 2)aju braute baö etjriftentum bie Siebe. ©Ott toutbe 
ber liebenbe SBater, ber $reube unb ©dfjmers empftnbet über ben 
©efyorfam ober über bie Unfolgfamfeit ber ftinber, ber tynen ein un* 
erfdfjöpftid&er SBo^lt^äter, aber audf) ein unoerföljnlid&er ©trafridf)ter fein 
tonn. Sefonbers baö ^ofjanneifd&e ©oangelium unb bie ^otyanneifcben 
33riefe traben auögefprodfjen, ©Ott ift bie Siebe, ©ine fanfte, fdfjmeljenbe 
@mpftnbung follte alle SDienfd&en ju einanber mit gefd&wifterlid&er ©e- 
ftnnung erfüllen. ©rbaulidfje SBorftellungen! aber feine oon tynen f)at 
fidfj in ber ©rfaljrung alöwafjrfyaftig erwiefen unb nod& triel weniger 
burdfj wiffenfdfjaftlidfje ©rüube gefeftigt. 2)ie ©ötter ber ©rieben jtnb 
als Abgötter aud ben menfd)U<#en 3?orftellungen uerbannt worben, 
unb ber ©ott ber Slftaten ift, )u einem Xeil, ben (Sfjriflen ein ©reuel 
geworben. Die 33rüberlid)feit unb bie ©ütergemeinfdfjaft Ijat fid> als 
unbur<f)füf>rbar unb afä fcinbfelig gegen bie eyortbilbung unb ©eredjtnv 
feit unter ben 9Jtenfd)en erwiefen. — ©ut, Reifet es, alle biefe s #or= 
ftetlungen t>on ©ott treffen fein SBefen ganj unooUfommen. ©r ift 
anberö; fein SMenfd) begreift ifjn. 28ie er ift, fann uiemanb wiifen, 
niemanb fagen. SIbcr liegt barin tüdjt baö ©eftänbnifj, ba§ jeber 
3nl)alt, ben nur biefer SSorfteUung beilegen fönnten, wiberfprud&sooü, 
unwahr ift? ©ott ift eine SBorftettung otyne 3nf)alt, — an tyn ju 
glauben, ift eine Uebereilung. 33iö mau iljm einen angemeffcnen 
ftnfialt wirb gef dfjaffen tyaben, fiub ber ©laube unb ber Unglaube an 
ifjn beibe oottftänbig leer. S'il n'est pas*, il faut 1'mventer, fonntc 
ber weltfluge, um SKtoörfjaftigfeit weniger, als um fein SBoljlbeljagen 
befümmertc Voltaire wi^eln. 3lber er fönnte eö nidE)t, wenn er ein* 
gefeljen ptte, bafc ©ott weber jur Sßeltorbmmg, nodjj jur £ugenb oon 
Mufyn fein fann. <£ö bleibt nid&tö übrig, ald ©Ott in etyrenoollen 
Shifjeftanb ju oerfefcen, ifjn, fo ju fagen, mit Uniform ju entlaffen*). 

9tadf)bem bie ßelbin bergleicfjen angehört, ift fie empört über bie 
Unwiffen^eit, über bie geiftige ftnecljtfdfjaft, in ber man fte biäljer 
gehalten, ben fjerrfdjenbcn ftfaffen unb Lebensaltern 511 9lu$. ^ort 
wirft fie alle 33ebenfen, bie fie bisher jurfidt gehalten, ffie Sebenö- 
jaljre ju genießen, ben 9ieft aber aufcer ad^t ju laffen, wirb ifjre 
Sebenöregel. 

föine folc^e Umwanblung il;rer Lebensführung wäre nid&t mög- 
lid^ gewefen, wenn fie oon &aufe aus in ben ernften ©runbfäfcen 



*) (5pri($roörtlid>e ftebenSart in 3lu{jfonb. 



— 137 — 

roijfenfd>aftli<ber ftorfdjung unb fütltdjer ©emeinfcbaft erlogen worben 

roäre. Sie n>üf$te, bafc eine rein menfcftlicfte Aufgabe, bie $amilien= ^amutenbubunfl 

bilbung, bie erfiabenfte unb beglttcfenbfte Aufgabe beö SBeibeö ift. »et*?».' 

Sie $at barin bie SBorempfmbung ber ganjen 3 u ' un ft beö 2Wenfd)ens 

aefc^Iecf)tö, unb eö ift ein ^rrtum / xomn fie glaubt, glücflidj, roürbig 

fein ju fönnen, ot>ne firf) barum ju fümmern, maö nadj it)r fein 

wirb. 2ßäre eö nic^t beffer geroefen, fie in ooder 2Batyrf)aftigfeit ju 

erjiefjen, anftatt ifjre Sugenb mit bid>terif d>en SBaljngebUben, mit 

tf)örid)ten Hoffnungen unb finbifdjer Stngft, um Seligfeit unb ködern 

quälen ju erfüllen. 

aber bennodd! ofjnc ® Ott feblt bem inneren 9Wenfcf>en, roie o$m©ottfe&it 
es mir föeint, bie SRulje, ber 2lbfd)luft. 2)a mu§ bod) eine anbre »u^unb 
Sorfteflung möglid&en Snfyalt für ©Ott fdjaffen. 3)aö unerreid&bar mu§ ba» sieuein 
ferne $itl ber 9Renfd$eit, beö SBeltgaujen, baö ift bie 3Sorftedung, ""Kbcn" ' 
ju ber man gelangen fod. ©Ott ift nid^t ber finnlidje 3Rad)er, aber «otr si. 3uii 
ber geiftige ^Jol ber ganjen 3öelt, bie meljr unb mebr jur SSoden* 
bung ftrebt. Uiaturgemäfceö Xtben jum ©ebenen ber SRenf^eit alö 
©anjeö, baö ift bie einzig wafirljaft göttliche Aufgabe beö 9ßenfd)en. 

Sperfönlidjfeit, baö ift eine böd)ft befdjränfte ftorm beö menfdj= qjet|Bnii*ieit. 
liefen 2)afeinö unb beö tierifdjen ebenfad«. (Ss ift ganj unmotfoiert, 
jte alö ^orberung für adeö, ober für bat 3111 aufjufaffen. $n ber 
&rfdjetnungöroelt, mo unfer Teufen unb Jvüblen befdjloffen ift, fefyen 
wir erfaljrungsmäfng, ^erfönlidbfeit, ein Selbft, mit ber Griftenj eines 
Jleroenfijftemö oerbunben. So einfach aud) bie Seele ben ^b^°f°P^ en 
gefdjienen f)at, fie ^at jur i>orbebingung ein Stjftem oou 9tenjen= 
fernen unb SReroenfäben, dou £altpunfteu unb Leitungen. Cbne 33e* 
roegungömöglidtfeit in biefem Slpparat, feine Seele, fein Selbft. & 
unoodfommener bie £altepunfte finb, um fo bunfler baö Selbftgefüf)l. 
Saö gro&e ©e^irn beö SWenfcben ermöglicht fein unbegrenjteö Selbft 
gefüf)!, — oerfü^rt ifjn aber audfj ba$u, baöfelbe für eine S?orbebingung 
©otteö unb ber SBelt ju galten, — nrie eö, in ber £bat, eine i*or= 
bebingung für fein 3<f)gefüf)[ ift- 3H>er ^ud) biefe* fä realifiert fid) 
erft in einer unenblidjen SBietyeit oon $ü)*, baoon ber einzelne ein 
Sorgefü^I, eine SBorfreube fjaben fann, baö aber fein reales ©efamt* 
3$ aufmeifen fann. ©benforoenig bebarf baö 9Ü5eltjief, baö ©ott ift, 
eineö realen ©efamt^^ö. $aö ibeale 0efamt=3d) ber 9Jtenfd)f)eit, 
ber SBelt, — baö ift ber, bie Sebenöfityrung jebeö einjefnen jum 
®uten, jur Seligfeit lenfenbe fieitftern. 

12. 9?ot). — 3)ie Sfiebe, im eigentlidbeu Sinne beö 2Borteö, xu sieb« wrionöt 

.. / o "v f ftonjetttration auf 

nnbet feine SBefriebigung , wenn fie bie äUetyeit, bie Sld^eit nid)t ju ein©efen. 



— 138 — 

einem einigen SBefen verbidjtet. Sitte SRenföen lieben, boö verlangt 

©Ott für b fl « ein 5Dlenfcfef>citötbcaI, für beffen gifrbromg man fidf) begeiftert. ©ott 

a^riftu» für bie für baö Univerfum, — Gtjriftuö für bie 3Kenf(^en auf ©rben. Slnbre, 

9Reni*^eit. ^^ vernünftigen SBefen bewohnte Sßlaneten Ijaben tyr einheitliches 

^beafivefen, — ityren Gfjriftuö nötig. 2)er jefct fo vielfadfj vertretene 

^aiionaiitätigoti. 9tationalitätenfultuö mujj aud) ft$ in einem Sbealroefen verf örpern ; t)om 

ruf fif d&en ©Ott ift in ber £I)at bie SRebe ; jebe Nationalität bef ommt auf 

biefe SBeife iljren ©ngef. Gnblidf) gilt baö aud& für bie eigene Sßerfon. 

2Bie man fein follte, baö ift wie ein Statten, ber jeben in 

3>er ©*u^n 8 ei. feinem ©eroiffen begleitet. ®aö ift ber Sd&ufcengel beö einjelnen. 

■Kur barf man am biefen 3bealen nidf)t tranöf üb jeftive SBefen machen. 

®«8w ber siebe SBegen ber Siebe fann man nid)t eine SReljrtyeit von ©Ottern 

"Siiiicii, !e annebmen. ftm ßinen fiel) verfenfenb, finbet baö ©emüt eine ge= 

soiQtbeiimut roiffe 9hif)e. Dt)ne biefe (Einheit, ob wegen 2ltl)etemuö ober Sßolptljeis: 

'*?$. rr muö, feblt eö bem ©emüt an StoOenbung; jroifd&en ben SHetyeiten 

fdfjroanft ber 3Renfd) in Unruhe, — ober Slpat^ie. 

3um <?roigen ergebe atte SWorgen beine Seele! flutte aus bem 
©eroirre ber 33eroegungen ju bem Ginjigen, ber Stube gibt bem 
©mpfmben. 



^artomtemus* 

i8*« 26. 9tov. — ©efteru erbielt idf) einen 23rief von Sßrof. Strümpell, 

barin er fragte über bie Stellung )öaerö unb feine ßinroirfung, be= 
treffenb ben Sarroinidmuö. Selbigen £age$ früb l>atte id& in meiner 
vor jeljn ^abren gehaltenen ©ebädfjtniörebe roieber nad&gelef en , toao 
id& bamalö Darüber gefagt. Seltfam ift ein fold&eö 3ufammentretfen, 
roie baö 3 u * TC ff cn üon träumen, unb beroeifet nur, bafe bie ©ebanfen- 
gänge nid)t fo unenblidb viele unb verfebiebene finb, um baö 3 U ' 
fammentreffen an bemfelben Sage auöjufdfiliejjen. 3<f) antworte nicht 
auf affeö. St., roie fo viele feiner 3 e ^3 ew °lT en * n *> er ^ßf)ilofopf)ie, 
bat ben Sdf)lüffel S»nt $crftänbniö ber Äantfdben Sefjre über Senologie 
nidjt gefunben. (*rft fiuno ftifeber bürfte eine flarere ©infxc&t in bie 
Mantfdfjen Probleme roieber verbreitet baben, unb erft nad& tym Ijaben 
Jtolfelt u. a. an biefen Problemen weitergearbeitet. 

9lber auf bie >vrage, weöbalb $acr, anftatt von 3 roe * i nfi^9 ; 
feit ju fpredben, 3 i e * f t r e b i ^ f c i t gebrauebt, antivorte i<$: um eo 



— 139 — 

unentfd)ieben ju laffen, ob eö auf eine sroedDorfteUenbe ^HteUigenj, 
neben unb aufcer ben finnlidjen ©rfdjeinungen, fief) bejieljt. 

auf bic ftrage, ob Saerfi Sßolemif bewirft Ijabe, fage id> eigene 
lief) nein. 

2)ie ftortfdjritte bed ©arnriniömuö ftnb unaufljaltfam getoefen. 
lieber ein Problem, baö nidfjt tarnt oorläupg unb lange unentfdjieben 
bleiben, gibt es ein Sdjmanfen nur, ioenn eö mehrere jiemlid) gleid)= 
roertige fiöfungen gibt. 2luf bie ftrage, wie fidj bie Slrten ^aben 
bilben fönnen, wie fidf) ifjr 33au mit fo fünftlidjen ©tnridjtungen unb 
in fo ooffenbeter 3 u f ammen P a ff un 9 M bilben fönnen, wie enblidj 
bie überrafdjenben ^nftinfte bei ben Xieren fid) fjaben feftfefeen fönnen, 
auf biefe fragen gibt eö nur eine Antwort: ©arroins 2>efcenbenj; 
leljre. Seine s ^angeneftö mufe unbead&tet bleiben. 



28. 35ej. — ©in £err Robert !Qab%, roofjnfiaft ju Sftanbau «w. 
beiSdböneberg, fjat mid) gebeten um SKitteilung meiner Xrans= 
ntutationönotijen *) im Bulletin de la Soc. g6ol. de France oom 
^aljrc 1853, unb idb fdjicfe bie betreffenben auögefdfjnittenen Statteten. 
£abei f treibe iä) aber, bafj iä) meine Slnfidjten berjenigen ©arroinö 
gegenüber infofern jurüdf genommen fyabt, afe i<$ bie d^emifd&en Um= 
roanblungen ber Äeimferne nidjt mefjr burd^ äußere ©inroirfung oon 
befonberen 3KoIefetn, fonbern burd) Xuftlefe unb Vererbung mir benfe; — 
bie Uebergänge jtoifd^en ben 3lrten ju fingieren aber nod) immer für 
unnüfc erachte, £err Stöbert £abö braud&t biefe Sadjen ju feinen 
ctubieu über Sa SWettrie. ©r glaubt einige ©teilen in beffen 
Systeme d'Epicure unb feines Homme machine erläutern ju 
fönnen, worauf £. 33üd)ner in ©armftabt ifjn fjingetmefen. Sa SKettrie 
fprid)t t>on bem ©infhift beö Chaos de divers elements, qui 
nagent dans Timmensite de l'air, auf ben 23au ber Organismen. 



*) 3n ber, feiner ,,©ntfte§ung ber 9lrten burdj natürliche 3ua)troal)r ©orauä: 
geljenben luftorifa}en ©üsae über bie ©ntfteljung ber Sitten, fagt 2)arroin: 

3m 3a§re 1853 fyat ein berühmter ©eologe, ®raf Äegferling (im „Bulletin 
de la Sociäte' geologique", 9b. X, ©. 357), bie 2lnftü)t au3gefproa)en, baß, tote 
Su oerfajiebenen 3citen neue Äranffjetten, bie, wie man annimmt, bura) irgenb ein 
Wiasma entftanben ftnb, fid) über bie ©rbe verbreitet $aben, fo aua) ju geroiffen 
3eiten bie ßeime ber bereits vorfjanbenen Slrten burd) üRolefüle von befonberer 
Art in iijrer Umgebung ajemtfa) beeinflußt roorben fein tonnten, fo baß au$ tfjnen 
neue formen hervorgegangen wären. 



— 140 — 

au* einem »rief an 3Rai 1888. — 3)tit Ijofjem ^nfcrcffe fyabe id) Tanoinö geben 
««f. gttünuHü. un ^ 2j r j e ^ fjerauögegeben von beffen Soljn, im Original gelefen, ein 

fefyr anjiefjenbeö i'ebenobüb. Gelegentlich möchte id) bie beutfdie 
Ueberfefeung fester £anb bed „Urfprungö ber 3lrten" mir anfdfjaffen. 
3d) befifce nur bie erfte englifdje 2luögabe, bie ber Serfajfer mir beim 
(£rf djeinen jufanbte. Karmin fdjreibt an £oofer, roaö id) bamal* 
baju fogte. 3d) fjabe nid)tö baoon jurfirfjuncljmcn. 



3Srief bes trafen jteo Ae^ferfing neßff einem ^ßanufßript pen 
beffen 3tafer trafen ftfesanber äepferfing über feine Stellung 

jum 3)arn>ini$mu$. 

2lm 27. £e3ember 1887 Ratten fid> in Maifüll ftreunbe unb ?fad>= 
genoffeu um meinen Satcr oerfammelt, jur Jyeier feines 50jä^rigen 
SdjriftfteUerjubiläumö. Son nerfdjiebeuen Seiten mürbe tym bamalö 
bie Sitte nahegelegt, er möchte feine ^been über bie Sebre Tanoinä 
ucröffentlidjen. 3^ f)obe fpäter oft bie Sitte üergebltdj roieberljolt, 
unb entfdjlojj mid) baljer, bie ©ebanfen unb 2lnfid)ten, bie id) ge= 
fpräcbömeife fo f)äuftg oernommen, in an ibu gerichteten Briefen 511 
formulieren, ^n feinen Slntroorteu ging mein Sater auf meine %xa$en 
nid)t ein unb war id) um fo erfreuter als id) enblid), am 7. Tejember 
1888, in Briefform nadbfteljenbe 2lbljanblung über bie Setyre Darwins 
erhielt, bie id) nunmebr, oljne irgenb eine 2lenberuug, ber Deffentlicfc 
feit übergebe. 

lieber &eo! 

Tu bift uneberljolt auf bie ^been Karmins ;u fpredben ge^ 
fommen, unb id) nriU nerfudjen, Tir in ben f olgenben 3eifen f lar $u 
überliefern, ju roelcbeu (£rgebnif|en barüber meine ©ebanfen gelangt 
finb. Ta tmtft id) aber weit auöbolen unb mit ber Aufgabe ber 
Stjftematif für ^ffanjen unb Tiere beginnen. 3 Mr fieberen 2Bieber= 
erfennuug ber 3lrten, auf nuffenfdmftlicbe SSeife, gibt ed nur ein ju* 
reidjeubeo Mittel, baö ift ein Suftem bidjunftioer Segriffe, in bas 
alle Onbimbuen, ein jebeö nur an einer juber jtt erfennenben Stelle, 
btneinpaffeu. Segriffe beftebeu am 2Werfmalen, einem ober mehreren, 
bie alö ^Jräbifate burd) ein Urteil einem Subjeft beigefegt werben. 
Tiojuuftioe Segriffe finb folebe, wo v }>räbifate, bie fi$ roedjfelfeitig 
auöfdjlieften, jroei ober mehreren Subjeften bureb bi&junftiüe Urteile 



— 141 — 

beigelegt werben. 3)ie Subjefte finb in Zoologie unb 33otanif eine 
unbeftimmte SBieljafjl von ßinjefwefeu. @s ift jwedhnägig, in ber for* 
malen Sogif bie abftraften Segriffe fief) burtf) ftgürlid&e Sd&emata Mar 
&u madfjen. 3Ban benfe ftdf) jwei groge Äreife, ber eine bebeute ^Jflanje, 
ber anbre £ter. 3)aä ©injelwefen mit X bejeid&net, wenn eö ein 
lebenbigeä 2Befen ift, gehört entweber ju ben *Pftanjen, ober, feinem 
Segriffe nadf), ju ben Vieren — entweber ju A ober ju B, wenn fo 
bie beiben Jtreife bejetdjjnet finb. <£ö fei nun ber Äreiö A in jwei 
&albfreife geteilt — Sporenpftanjen unb Samenpflanjen bebeutenb, 
fo gehört X in einen biefer £albfreife, bie mit C unb D bejeidjnet 
finb. 3)er £albfrete D, Samenpflanjen, fei mieber in jwet Dua= 
brauten für (Jlabelbäume) ©pmnofpermen, unb (Saubpffanjen) 3lngio? 
fpermen, E unb F geteilt, F roieber für SRonofotplebonen unb 3)ifo= 
tylcbonen in G- unb H, jroei Df tauten, geteilt. X wirb burdf) ein 
foldjes SBerfafyren in ben iljm juge^örigen Dftanten oerwiefen. 3)iefer 
fann nun immer roeiter unb weiter geteilt werben, fo bag ftdf) baö 
Softem als ein twn Stabien uiclfad^ geteilter ftreiö barfteUen lägt. 
©a ift bt^er oorauögefefct, bag bie Subjefte su bem bisjunftioen Urteil 
immer paarweife fidfj gegenüberstehen, fiogifdb fönnen aber eine mu 
beftimmte SKnjaljl x>on biftjunftroen 9Werf malen einanber ausfdfjliegen . 
9Iur würbe bas bem 3 ro *d, bie nötige Stelle, ba^in baö X gehört, 
3u ermitteln, weniger bienlicft fein, ©s ift, als teilte man ben Äreiö 
in 360 ober unenbltcf) meljr nebeneinanber georbnete 3 en ^ r i tü i n ^ e ^ 
mit ibren äusfdfmüten unb mügte alle burdf)tnuftern, betwr man ent= 
treibet, woljin X ju bringen ift» So triel irgenb ttyunlidE), foH man 
fief) alfo an ber ©idfjotomie, an ber einfachen 3 rae i te ^ un 9r Saugen 
laffen. 

@ö fann nun bie $rage entftetjen, ob es überhaupt eine ©renje 
gibt, an ber bie Reifung burdf) bisjunftioes Urteil mit SWotwenbigfeit 
ein ©nbc fyat, — ober ob fie unbegrenzt fönnte fortgefefct werben? 
Senfen faffen ftdfj gewig immer weitere 3erteilungen, aber in ber @r= 
fa^rung flögt man balb auf unüberwinblidfje Scftwierigfeiten. 3n ber 
2lnfdf)auung gibt es wofjl SWerfmale, an benen man feine perfönlid&en 
Sefannten, oft fd&on aus gewiffer Entfernung, an Bewegung, Haltung, 
Stimme wiebererf ennt ; aber ein bisjunftioes SRerfmal 511 ermitteln, 
baö jtd& mug in SBorte faffen faffen, unb bas fidj) unter allen anbern 
SRenfdjen unjweifelfiaft tyerausfinben liege, oermag man nid&t. (Sbenfo^ 
wenig lägt fidf) ber üerfdfjiebene $lug ber 23ögel, felbft iljr ®efang, 
in SBorten wiebergeben, wie es 311 einem bisjunftioen Segriff erfor* 
berlidf) ift. $n ber ©rfafjrung ftogen wir immer auf foldfje bisjunftiue 



— 142 — 

Segriffe, bie eine unbeftimmte Sielja^l von ©injelwefen, suroeilen uon 
fe^r augenfälliger aSerfd^ieben^cit, umfaffen, bie aber bennodfj fidf) nid>t 
burdf) biöjunftioe Urteile jerteilen laffen, weil jebeö baran waljrnel)m= 
bare 9flerfmat in fo trielen 9lbftufungen in ben jugeljörigen ^nbioibuen 
jur Seobadfjtung fommt, baß feine begriffliche 2tbgrenjung bamit jtdj 
begrünben läßt. So ift jum Setfpiel unfre ^auötaube, Col. Livia, 
burdE) ben weißen Unterrüdfen neben jwei fdjjwarjen Ouerbinben über 
bie ftlügel, von ber Col. Oenas ju untertreiben, unb bei ben auf= 
fättigften, burdfj bie 3udf)t erzeugten Sibweid&ungen treten immer roicber, 
wie Darwin es gejeigt fyrt, biefe biöjunftioen SlRerfmale unter ben 
■Jtad&fommen ^eroor. ßö ift nid&t gelungen, biöjunftfoe Segriffe für 
bie fo überaus üerfdf)iebenen &unbe j$u iljrer 3 cr * e ^ un Ö * n 2l rten J u 
bilben. Die SUtenfd&en laffen fidfj erft redf)t nidfjt nadf) Gegriffen jer- 
teilen, wie baö atö bem ©tubium beö frönen 9tanfefdf)en 2Berfe$ 
f)ert)orgef)t. Die 9lrt ift zbcn ein Segriff unb feine Slnfdjauunfl. 
9?adf) bem Sorfjergefyenben läßt fidf) nun bie richtige Definition oon 
2trt geben, bie jroar immer oon ben guten ©pftematifern eingehalten 
worben unb ba^er nidfjts weniger als neu ift; bie aber meift roeber 
jum 2tuöbrudf nodf) junt Haren Sewußtfein gefommen ift. 91 rt ift 
in einem Softem bifijunftiuer Segriffe ein unteilbarer 
lefcter Segriff, ber unbeftimmt vid ©injelwcfen umfaßt. 3lrt ift 
ebtn nichts weiter, als ein foldfjer wefentlidfjer, wiffenfd&aftlid&er 
Segriff, — fo lange leer, bis bie Stnfdfjauung ii)xn einen 3nljalt 
gibt. Die 2lnfd(jauung wieberum liefert nur £ppen, um bie benim 
bie ©injefwefen fdfjwanfen, ift aber für bie Segrenjung ber 2lrt, mit 
Stant ju fpredfjen, blinb. Der Sogelliebljaber unterfdfjetbet, wenn er 
barin ©rfaljrung f)at machen fönnen, j. S. ©proffer unb iRad&tigall, 
meift fidler; — baö Äennjeidfjen , baß bie jweite ©Zwinge bei ber 
9tadf)tigaH fürjer, bei bem ©proffer länger alö bie oierte Schwinge 
ift, leitet ifjn nidfit; unb bennodf) madf)t biefeö Äennjeidfjen ben ©rjfte* 
matifer erft fieber, baß er eö mit jwei gut unterfdf)iebenen 3lrten ju 
tfjun f)at. 5Rur wäre es oerfefyrt, von bem ©trftematifer einen Segriff 
ju erwarten, ber eine 2lnfdf)auung erfefct, ebenfo oon ber Slnfdfmmmg 
allein einen Segriff, ber bas SBefen ber 2lrt bilbet, ju forbern. 

ßfje man fid(j barüber oerftänbigt fjat, was 9lrt eigentlidjj be- 
beutet, ift eö nidfjt möglidf), bei ben Ser^anblungen über bie @nt* 
ftefjung ber 2lrten 9Jltßoerftänbniffen ju entgegen. Siele SRaturforfd&er 
fpredfjen fo, alö wären bie Xtjpeu ber 2lnfdf)auung: 3lrten, unb 
oerlaffen bamit eigentlich ben Soben ber wtjfenfdf>aftlidf)en ©trfiematif. 

©djlteßlidf) wäre bei biefen einleitenben Setradfjtungen nodf) bie 



— 143 — 

pbqfiologifdfie öebeutung ber 9lrt 311 erörtern. So nrie nur äßefen 
mit 3? or fahren unb (ber 2Röglicf)feü nad)) 9iad)fommen bie 
organifdje SBelt auömadfjen, iwtyrenb es in ber unorganifd&en 2Belt 
feine Borfaljren geben fann, fo Hegt an<f) für bie Slrt etwas (SnU 
fdjeibenbeö in tyrer gortpflanjung. ftommt es aud) ju Baftarbbtk 
bungen sroifdfjen 3nbioibuen oerfdfjiebener 2trten, — in feltenen ftätten 
im allgemeinen, — fo finb bie Saftarbe unter fi<$, erfa^rungsmäjgig, 
entmeber ganj unfrud&tbar, ober von fo gefdjroädfjter grudjtbarfeit, 
baß bie 3ngu$t unter ifjnen balb jum Xu&fterben ber 33aftarbraffe 
fü^rt. ©s ift nidfjt gelungen bur<$ 3^tungen oon metjr unb mefjr 
abgeänberten ^nbioibuen einer 3lrt Stoffen 31t bifben, bie ftdf) ju 
einanber, in ber gebadeten 93ejie^ung, wie Snbioibuen oerfdf)iebener 
ärt uerljalten; fie liefern nidfjt jur Sterilität neigenbe Hreujungös 
probufte. Der geniale ^pfiologe $ur(eg, bei allem feinem ©n* 
tbujtasmus für Darwin, fiebt barin eine bisher nodfj immer un* 
überfteigbar gebliebene Sdjroierigfeit für bie Sefjre Darwins üon ber 
Gntftefjung ber Sfrten. 

Darwins Sefjre operiert mit brei tfyatfädfjlidfjen Vorgängen, 
1. Variabilität, 2. Sluömerjung, 3. Vererbung. Damit erflärt fie 
breierfet: 1. Die @ntftef>ung neuer formen, 2. i^re 2lnpaffung an bie 
umgebenbe ©rbenwelt, 3. i^re Äonftanj. Dreierfei bagegen Ijat Darmin 
niebt erflärt ober t>erftänblid(> gemalt: 1. bie unoermittelten ©renjen 
jwifdfjen ben 2lrtcn, 2. bie oon ber Paläontologie auf ber ganjen ©rbe 
nadjgewiefene ibentifd&e Crbnung ber $ofge oon Raunen unb ftloxtn 
mit oorljerrfcfjenb äljnfid)en Sppen; 3. ben $ortfdfjritt biefer 
£t)pen in geologifdfoer 3«* *>on bem allgemeinen jum Sefonberen in 
ifjren Drganen,*OQn bem fieberen jum £öf)eren — bis fjinauf enblidf) 
511 bem SWenfcfjen mit feinem übermächtigen ©efjirn. 

(Ss fdfjeint aber bie Seljre Dar wind, ofjne wefentlidfje SHbän* 
berung ifjrer ©runblagen, redfjt wofjf bafjin ausgebilbet werben 3U 
fönnen, um audf) bas ju erftären, was bisher ber ©rflärung fehlte. 
$as foll in fotgenbem oerfudfjt werben, freilidfj nur in ©ebanfen. 
35odfj ift es wof)l ntöglidf), bafj bie ©ebanfen einft 31t Verfudfjen leiten, 
bie eine beffere ©runblage ben ©rflärungen oerleifjen, als fie 3itr 3^it 
für bie ganje fie^re 311 ©ebote fielen. 

So 3ureid^enb bie £'ef)re burd) Beobachtung unb ßrperiment be= 
grünbet ift, fo lange es fidf) um ©ntftefjung oon SHaffen unb Varietäten, 
— Slbänberung ber SfafdfjauungStypen, — fjanbelt, fo entfd&ieben wirb 
ne fjijpotljetifd), wenn fie baju fdjjreitet, bie gntftefjuug ber fpftemati- 
fd)en SHrten, — bisjunftioer Begriffe — 31t erflären; fie mufc bie fioxU 



— 144 — 

roirfung ber brcicrlci Vorgänge, über baö Styatfäd&lidbc hinaus, benfeit, 
norauöfe&en, unb bad madf)t bie fie^re ju einer ßppotljefe. 3tor in 
ber anfänglichen intetteftuetten ©fftafe tonnten Anhänger baö foroeit 
oerf ennen, bafc fie. bie fceljre in parallele ftellten nid^t mir mit ber 
bes ßopernicuö, fonbern auefj mit benen eines Äeppler unb fogar 
9leroton$. 2tuf einen -Dtittelpunft bie ©rf Meinungen ju rebujieren, 
ifjre mat^ematifd&e ©efefcmäfcigfeit nad&juroeifen — fie aud einer Äraft 
burdfr SRedjnung abjuletten, — fo baft im oorauä bie Stelle im 9taume 
angegeben roerben fann, roo ju irgenb einer beliebigen 3 e ü ein & e * 
ftimmter Äörper fidf) befinben wirb, — baö finb Stiftungen, bie bcr 
Biologie für immer oerfagt fein roerben. 2luö ben ^ßflanjen unb 
Vieren ber ©egenroart gu entnehmen, roa$ für Sßflanjen unb 2iere 
auf ber ©rbe gelebt fjaben ober leben roerben, in vergangenen ober 
jutflnftigen geologifdjen ^ßerioben, fann nur eine Stufgabe ber Äalhi; 
lation roerben. @f)er fönnte man bie ©arroinfd^e fie^re mit ber 
Hant=£aplacefd)en fttjpotljefe, mit ber 9tebulartf>eorie in parallele 
ftellen, obroofjl fie audj bei biefem SSergleidfo barin jurüdfbleibt, hak 
mau fie nidf)t aeranfcfwulid&en fann, fo leidbt roie bie dltbulattypo- 
tfyefe burd) bas ^Jlateaufcfie Grperiment. 3(Berbingö fönnte man in 
geroiffen ©attungen einjelne SReiljen oon unfi$er gegeneinanber be- 
grenzen 2lrten mit unauflöslichen 9iebelfledfen üergleicijen, f)ier un- 
fertige Slrten, roie bort unfertige Sternenroelten troraudfefcen. ©in 
fold&er 2?ergleid& üeranfcftaulidfjt aud) baö numerifd&e 3Serf>ältniö. SBegen 
ber 9?ebelfledc roirb bie Sriftenj ber unjäljligen, fdjarf gefonberten 
Sterne am £immel nidjt jroeifelljaft, roenn aud) bie ^ppotf^efe, t>a$ 
fie mdfjt alle au$ einem gemeinfamen 9iebel, a\& einem allgemeinen 
Gljaoö Ijenrorgegangen fein fönnten, bamit nid&t roiberlegt roerben fann. 
Unjäfylig, roie bie Sterne am £immel, finb bie roo 1)1 gefonberten 
2lrten, nidf)t nur in ber ^efctroelt, fonbern and^, foroeit bie $orf<ftun<j 
jurüäreidf)t, bis in bie 3*iten beö cambrtfd&en Dlcneffus. 2Bol)l bat 
uns bie Paläontologie burd> bie 2lufbe<fung tron 33inbegliebern , t>on 
Stammformen, in benen Strufturücrfjältnijfe t>erfdf)mol}cn erfd&einen, 
bie in fpäteren formen meljr ausgebilbet unb gefonbert auftreten, 
überrafd)t. 9lber es üerbient fyernorgefyoben ju roerben, baft bergleid)cn 
Öinbeglieber melmefjr jroifdjenbeu größeren Abteilungen ber Organismen, 
sroifd&en klaffen, Familien, ©attungen aufgefunben ftnb. 2Ba^afte 
3roifd^en arten, bie jroifdfjen ben bisjunfttoen G^arafteren rejenter 
9lrten Uebergänge nadbroeifen, hat man in ben tertiären Sdfjidjjten, 
trofe ifjres 9ieidf)tums an rejenten ©attungen unb ifjrer oft rounber- 
baren ©rljaltungsroeife, j. 33. im $crnftcin, bis jefet nid&t gefunben. 



— 145 — 

ßbenforoenig f)at bie (Sntomologie, trofc ber £iebl>aberei, bie bagu uer* 
anlaßt, Eaufenbe von Sammlern, ^nbioibuen berfelben 2lrt, oft ju 
ßunberttaufenben, in bie Sammlungen ju bringen, in namhafter 2ln* 
jafjl formen entbedtt, bie puffen ben 2lrten bie @ren§en unbeutlid() 
machen fönnten. $n ben einzelnen ftällen, roo es fo j?at [feinen 
fönnen, ermetft es fidf) aber bei roeitergreifenber unb metjr erfdfjöpfenber 
Unterfudfjung, ba& meljr ©runb vorliegt, oorausjufefcen, bas Softem 
fei an biefer ©teile nidbt fertig, als oon unfertigen, in SJilbung be* 
offenen Arten ju fpred&en. 

(Sin fpejiftfd&es Protoplasma oon fetyr tmpref jtonabler unb leidet 
jerftorbarer «Sufömmenfefcung, fo ift aus ber ©rfa^rung ju fdjjliefcen, 
liegt jeber 9trt, b. §. bem in ber 3tnfdfjauung oerioirf listen unteiU 
baren Segriff, — ju ©runbe. Qnbioibuelle (Eigenheiten fönnen bis ju 
einem getroffen ©rabe in biefes Protoplasma oeränbernb einbringen 
unb auf biefe SBeife fonftante SRajfen unb Varietäten bilben, aber ein 
fo tiefer (Singriff, bafc eine Umprägung bes Protoplasmas ju ber einer 
oenoanbten 3trt erfolgt, ift bisher in ben Beobachtungen nid&t betannt 
geworben. JDreifeig ^atyre eifrigen ftorfd()enS in biefer SRidfjtung finb 
»ergangen feit bem auftreten ber 3)arnnnf<$en fie^re, unb es l>at 
Heb nod) immer nichts (Sntfdfjetbenbes ermitteln laffen. 2)ie einzige 
Hoffnung bleibt nodf) im Bereite ber 33atterien ober SRifroonten. 21uö 
einer ßeubafterie wollte man, burd) Äultur in attmätjlidf) jtoärmeren 
SWebien, bie 3Riljbranbbafterien erjeugt Ijaben. 3lber bei biefen fleinften 
ffiefen ift bie Umroanblung, ber einen gorm in bie anbre, ber un* 
mittelbaren 33eobad&tung fo fdfjroer jugänglid^, bafc man bei ben fo 
oiel unterfud&ten Sacdfjarompceten (ben &efepiljen) nur ju ber SBa^r* 
fdjjeinlid&feit gelangt ift, bafe au* einer 2Irt oiele anDre entfielen tonnen, 
bei oeränberter (Srnäfjrung unb Umgebung. £at man es nur mit 
einer polymorphen ftjftematifdfjen 2lrt babei ju t^un? 

SDiefe 2Baf>rfd&einlidftfeit fdfjemt jur 3 eit bie einjige &anbl)abe, um 
über bie Äluft jnrifdfjen 3lrt unb 2lrt einen tljatfädfjltd&en Steg ju 
fdjlagen*). Senn bas tfeimpünftdfjen, aus bem bie organifdjjen Sßefen 
entfielen, ift aud& ein ÜRifrobion aufammengefefcter, t>ermutlid& immer 
Hioeigefdf>ledf>ter SWatur. $n biefem 2Rifrobion finb bie SSorbebingungen 
enthalten, nadE) meldten bas ©injeltoefen in ben aufeinanber folgen ben 
Isafen feines SebenS ju beftimmten formen fidfj ausgeftaltet ; in bem 

*) Bei müroflopiföen (? 3tcb.) Areolen auö ber Drbnung ber ßiemenfüfjer, 
SamUie ©fottfüfcer (Artemia) fyat man Umroanblung ber Art, je na$ ©aljge^att 
be* Stafferd, bann fte gehalten würben, fonftatiert Aber bie ©rföeinung läfjt 
jty atö $o(nmotp$idmu3 ein- unb berfelben 3lri, in allen biefen gätten, beuten. 

«u# ben ^agebu^biattem be« (Btafen 91. ftrfyjerUug. 10 



— 146 — 

Äetmförperd&en bes ©d&metterlingSeieS §. 89. ift enthalten bas ©efefe, 
nadfj weld&em bie SRaupe, bie Etappe, bcr ©djjmetterling, ja bcr einjelne 
^igmentftedf auf feinem Flügel ber 3trt na<$ unabänberlidf) fid^ bilben 
mufj; aber bodfj fo imprefftonabel , bafc inbimbueffe ©igenfd&aften ber 
©rjeuger burdf) biefes fteünförperd&en übertragen werben. — SBoburd) 
entfteljen biefe inbitribuellen äbwetd&ungen, bte ätortabüität, als erfier 
Vorgang, ol>ne ben es 311 ber „2luSwatyl" unb 9taffem>ererbung gar 
ni<$t fommen fönnte? ©0 triet ift ermittelt, baß bei ber SJefrucJjtung 
oon bem, bur<$ bie Sßore, burdj bie fogenannte 2Wifropt)le, in bas ©i 
tytneintretenben ©amenfäbdfjen, — in normaler Sefrudfjtung ein einjelnes 
^äbdfjen, — Äopf unb ©d&wanj, nadfjbem fie bie jum ©inbringen 
bienenben Bewegungen Dottfüljrt tyaben, als unnüfc abgeworfen werben. 
StuS einem Vortrage bes $ßrit>atbojenten-Dr. Sooeri in SWfind^en ift 
ju entnehmen, bafc bie bisherigen ^orfd&ungen fidjj ba^in jufammem 
faffen laffen, ba§ nur bie dfjromatifd&e ©ubftanj bes ©iferns unb bas 
©Ijromatin bes ©permatojoenfernes, bie ©eftaltbilbner ftnb, unb baft 
bei ber, tum tynen ausgeljenben 3 e Oteibtn0 unb 3 e KfP r °ff un 9/ ^ c 
übrigen im ©i enthaltenen ^eütn unb ©ubftanjen untergeben ober 
©erbraust werben. SMe Lagerung, ©eftaltung unb ÜRatyrung bcr in 
bem Ijeranwadfjfenben SBefen ftdf) abgliebemben neuen 3^tten ift nadf) 
beftimmten ©efefcen eine anbre, je nadf) ber Stelle unb ber ^afe ber 
SReubilbung. Sei ber SReprobuftion verloren gegangener Seile faim 
bie Steubtlbung an ber beftimmten ©teile nur äfytlid&e ©ebilbe repro? 
bujieren, wie bie oerloren gegangenen, weil an berfelben ©teile im 
Organismus audfj biefelben Sefdfjränfungen unb ^orberungen, bie ur* 
fprünglidfj beftanben fjaben, wieber jur ©eltung fommen. SRur in ben 
©enerationsorganen fommt es wieber bei allen Organismen ju einer 
3ellbilbung unter Umftänben, bie eine allfeilig ooHfommene 9tus- 
geftaltung eines ganjen Organismus nid&t beeinträchtigen. $a ade 
Organe burdfr $tüm fidf) bilben, bie uon ber erften Äeimjefle ob= 
ftammen unb ein ©ttief äfjnlid&en ^n^alts finb, fo liegt fein ©runb 
oor, anjune^m^n, bafj ibr^alt nidf)t ätyilidb, audf) aus jwetgefdfjledbts 
fidlen Seftanbteilen beftef>t. ©iet)t man j. »., wie bie 9tafe bes Sor* 
fahren bei SWenfdfjen fidf) oererbt, fo fpridf)t bas bafür, baß ber üäter- 
lidfje ©influfj, ber eben nur burdj materielle S9eimifd(jung }u ftanbe 
fommt, audfj bei benjenigen fteUtn fortgewirft §at, aus benen bie 9?afe 
entftanb. Silber je weiter bie Sßfyafe unb bie Stelle abliegt twn ber 
anfänglichen 3 e ^ e beb Organismus, um fo unäljnlid&er fann bie 
Lagerung unb ©proffung ber fttüen werben. 3 ur oblligen ©lei^eit 
würbe ^bentität wn Sßl)afe, Ort unb Umgebung für jwei Steubtlbungeti 



— 147 — 

erforberlidfj fein, wie fie anc^ bei ber ©rjeugung oon benfelben ©Item 
bei aufeinanber folgenben ftinbern niemals fid) gegeben ftnbet; bei 
3wiUingen nodfj am metften, weshalb audfj unter ifynen bie 21ef)nlic^' 
feit einen fjoljen ©rab erteilen fann. 2>as alfo ift ber ©runb ber 
inbitribueflen Variabilität, baß ftdf) bie anfänglid&en, entfd&eibenben 
©femente jweier SBefen, wenn audf) in bemfelben Organismus, not* 
roenbig an Derfd&iebenen ©teilen besfelben, mit uerfdfjiebenen ftombis 
nationen bes ©IfromatinS beiber ©efd()ledf)ter, büben. 2Ran fönnte bie 
$olge ber ©enerationen mit wieberfjolter Stuflöfung t>on Ärpftaffen 
unb wieberfjolter Slusfd&eibung aus ber fo gewonnenen ÜWutterfouge 
oergfeidfjen. ©ine foldfje wieberfjolte Operation fü^rt oft ju immer 
reineren ©ubftanjen, ju twHftanbiger 2lusfdf)eibung bes ^remben, fann 
aber audE) neue Verunreinigungen jur ftolge tyaben. 25aö Steimförper- 
tyn, inbcm es afftmiliert unb 9teubilbungen fd&afft, lägt feine ©ub= 
ftanjen burdf) jal)lfofe ©ebilbe wanbern, bis fid) ber Organismus fo 
ootfenbet auSgebilbet l)at, bafc er wieber neue Seimelemente ausfcfjeiben 
fann, bie bann nrieber in neuen SBefen 9lufföfung unb Verbreitung 
Rnben, bis fie ju neuen Äombinationen gelangt, fidfj wieber in ben 
©enerationsorganen reiner nieberf dalagen. £)ie Sßartljenogenefis läfct 
fid) fe$r woljl mit ber Dorfteljenben Sfaftdfjt Dereinigen, fie ift ftets 
nidjts weiter als eine oererbte Vefrudfjtung. 3n bem ^alle mit ben 
8ienen jeigt es ftdf), bafj in bem unbefristeten ©i bie Veftanbteüe ju 
einer £)rof}ne, ju einer männlidfjen Viene, t>or^anben ftnb. ©s tnug 
aber x>on bem männlidjjen ©fjromatin etwas fjinjutreten, um ein SBeib- 
d&en ju büben. ©S fommt aber auf bie Proportion in ben oerfd^ie= 
benen Äeimmolefeln an. Uebemriegt bas weiblidfje ©lement, fo ent* 
fielen 9ßännd^en, unb umgefetyrt. SBenn bei anbern SReprobuftionen 
ofjne Vefrudfjtung , wie $. 33. bei ben Vlattläufen, eine ganje SReifje 
wm meibKdfjen ©enerationen einanber folgen, fo ift bas fefjr wofjl mit 
bem ^atte bei ben Vienen unter ein unb basfetbe ©efefc 511 bringen. 
SDie Vererbung ber befristeten 2Beibc$en bauert bei ben Vfattläufen 
baburdfc fort, baft bie Proportion jwifdjen ben beiben gefdf)fec$tlidfj vtx* 
fd&iebenen Veftanbteilen ficf) fonfertriert, fo fange bie ©rnätyrung eine 
ooDjiänbige ifl. £ritt im £erbft eine fdfjwadfjere ©rnäfjrung ein, bann 
fommt es bei i^nen ebcnfo wie bei ben Vienen; wegen bes nidfjt ge= 
nügenb oermetyrten männlichen ©l)romatinS, $u einer ©rjeugung t>on 
SRännd&en. 

gafct man ins Stuge, bag erft mit ber Vefrudfjtung bie normale 
aBeiterbilbung oon bem Äcrn ber ©tjelle aus anhebt, fo fann man 
n>of)t ju ber Vorftellung gelangen, baft alles SBad^stum Don ber 2tn* 



— 148 — 

wefenljeit ber gefdbledfjtlidt) bifferenten SKolefeln in ber $elle abhängig 
ift unb nur burdj iljre aBedjfelwirfung es 5ur Seifung, Sproffung imD 
2lbf<Jjnürung t)on &üm fommt. Stuf ber unterften Stufe ber orga; 
nifd&en SBelt, bei ben Sßrotiften, müjjte man eine btffufe ®t)tytd)t& 
fab$an$ annehmen, bie ftdfj bei ben oorgerüdfteren SBefen btfferenjtert. 
Sei gortpffanjung burdf) Seilung, Sproffung, tropfen, Dfulieren oer= 
bleibt bie Proportion ber ferualen ÜRoIeteln ungeftört biefelbe, wie in 
ben Seütn bes Stamminbimbuums ; batjer audj) bie Varietät ftdfj roll; 
ftänbiger überträgt, ate burdf) ben befristeten Samen, ber burdj) <5in= 
wirftmg eineö bifferenten ^nbitribuumö ju ftanbe gefommen ift 5Tie 
©ifferenjen bürfen aber nur in engen ©renjen fdjroanfen. 35ie 8e= 
frud&tung einer ©lüte burdf) Selbftbefrudfjtung, fomie bie Jortpffanjung 
ber Siere nur im engften fyamtlienhreife füfjrt jur Sterilität ber Stack 
fommen. 35ie Äomponenten beö Steinte* finb in biefem %aüe ju 
homogen. 3 ro ifdf)en 2lrten, wenn es audf) ju Saftarben in feltenen 
gälten fommt, erweifi ftdf) wieber bie Paarung ju heterogen, um 
bie Fertilität ber s J>robufte md&t äu&erft ju befdfjränfen. ©ie Äreujung 
ber 2trten, bad ift a\tä ben bisherigen ©rfalirungen ju entnehmen, bat 
nidfjt jur 33ilbung befonberer neuerer 2lrten geführt, ©er &unb ift 
nidf)t üon oerfd&iebenen 3lrten von Sd&afal* unb SBölfen entftanben, 
wie eö alö Vermutung, unb in ber Verlegenheit um eine toilbe 
Stammesraffe, auögefprod&en roorben ift, — ba man bie SJomeftijtenmg 
einer 2lrt, otyne ein wilbeö ^nbioibuum übrig ju laffen, wie fie bei 
ßerbenrteren leidet eintreten fann unb beim ©romebar $. 33. vorliegt, 
nid)t glaubte annehmen 31t bürfen. 

5Diai 1889. — SMcfe unterbrochenen 3lufjeidf)mmgen 00m SJejember 
vorigen ^a^reö fortjufefeen, finb bie 3Serfud(je ju erörtern, auö einer 
Sfrt eine aubre ju machen. Sdfjon war bie Siebe t>on ben 3trt- 
fdjjwanf ungen , bie bei ben Ölattfü&erfrebödjen angeblidf) f ollen roaljr- 
genommen fein. #err Sdbmanfewitfdf) 3U Dbeffa roiff feftgefteüt 
tyaben, bah bie Artemia salina oerwanbelt wirb in Artemia Milhauseni 
burdb meljr unb meljr Saljgetjalt im SBaffer unb umgelegt, er 
will fogar bie (Gattung Artemia aDmä^lid^ in Branchipus über- 
geführt babeu. 

^vofeffor ÄJerril U\ule College Slmerifa) bemerft baju, bafe bie 
©attuugen Artemia unb Branchipus jicb überhaupt nidfjt unterfd&eiben 
laffen, wenn man bie männlidbcn ©reiforgane nid&t bead&tet, was 
eben Sdbmanfewitfcb nicht febeiut beachtet ju haben. ©ö geboren 
bie Gier biefer ©attuug aufterbem 511 benjenigen, bie jahrelang 
trodfeu im Schlamm liegen Tonnen, ober gar muffen, um fidb bei 



— 149 — 

neuem Shifgufe ju entroicfeln. Scftmanteroitfdfj t)at bei feinen 33er; 
fuc^en bie Steingut t nid)t geuügenb oerbürgt. ©inb ©ier oer= 
fdjiebener arten im ©dfjlamm oerfteeft, fo werben nadf) Umftänben 
aus bemfelben Schlamm bei oerfdfjiebener Temperatur, bei oerfd&iebes 
nem ©aljge^alt u. f. n>. balb bie eine, balb bie anbre 2trt, bie ben 
Umftänben me^r angepaßt ift, ftcb in überroiegenber 9Wenge einfinben. 
Vorläufig bleibt biefe ganje Umroanblung unfid&er, bid erneute 33er; 
fuefee mit aßen 33orjtd&temaf$regeln gemalt werben ! Gin anbrer Jyntt 
betrifft bie Umroanblung von ftarnfräutern. ^ßrofeffor Sabebecf 
beobachtet: Asplenium adulterinum Wilde beginnt in werter (Generation 
tu Asplenium viride Huds. umjufdfjlagen unb in fünfter ©eneration ftnb 
faftalle^ßflänjdben nrirf lief) viride. Asplenium Serpentini Heusler 
beginnt bei ber fünften ©eneration in Asplenium Adiantum nigrum L. 
umjufdtfagen unb in fedfjfter ©eneration finb bie Wtetyiafyl ber ^pffanjen 
mixtlii) Asplenium Adiantum nigrum. gs finb fjier bie auf ©er* 
pentinfels roadf)fenben formen burd) Kultur in anbrer Grbe in bie 
Stammformen umgefd)lagen. Siefer SRüdffdjfag fommt nidfjt burdf) 
metjr unb meJjr fyeroortretenbe Äemtjeidfjen ju ftanbe, fonbem burd) 
mefjr unb meljr ^nbioibuen, bie plöfelidf) in bie ©tammform jurüdk 
fd&lagen. ferner ift bie Umroanbelung in entgegengefefcter SKdfjtung, 
b. f). uon ben Stammformen in bie ©erpentinformen nidfjt gelungen. 
3(uö ben ©erpentinformen läftt fidf) bafjer bie Cntftef)ung ber ©tamm 5 
formen erllären, nidfjt umgefeljrt. Sittgemeiner: bie 33emmnbfung ift 
nur in einer SRidfjtung möglidf) ; ber SRücf lauf ftnbet nidfjt ftatt. 3ßenn 
mau bie Äennjeidfjen ermägt, meiere bie auf ©erpentin geroadfjfenen 
formen unterfdfjeiben follen oon ber entfpredjenben Strt, fo fann man 
ftreng genommen, feine btejunftioen Segriffe barau* entnehmen. 2>ie 
Serpeutinformen tjaben jartere, weniger Winterhärte 33lätter. Sei 
Asplenium adulterinum finb audf) bie ©Ireufdfjüppdfjen mefjr enteil* 
mit einem Sdfjemnero oerfefjen unb burdfjfidfjtiger, als bei Asplenium 
viride. ®ie Spinbet bed 33latteö ift nur an ber Spifce unb nidfjt 
weiter fjinab grün, u. f. ro. ©in 9Wefjr ober SBeniger unterfdfjeibet, 
unb baö ift es, roaö bie Urteile btejunftio macfjt. £ier bei ben ^arn^ 
fräutern fommen bemnadfj nidfjt roafjrfjaft ftjftemattfdfje Slrten in gtage, 
unb fo intereffant bie 3?orgänge finb, fie lehren nidfjt, wie roirflidje 
9(rten pdf) bilben. ©nblidfj fommt ein britter ftall in 33etradfjt, bem 
man, unb mit SRedfjt, bie meifte Sebeutung beimeffen bürfte. Vanessa 
Prorsa ift burd) eine meifte Jvfedfeubtnbe, bie mitten burdf) bie hinter* 
flügel reidfjt unb auf bie 3SorberfIügel, fjalbroegö 311 beren oorberem 
9tanbe, hinübergreift, oon ber Vanessa Levana famt ifjrer Varietät, 



— 150 — 

Prorima, biöjunf tio untcrf Rieben, f o triel idjj weiß. Sßrof eff or SB c i & 
mann (in ^reiburg) fyat aus ber V. Prorsa burdfj ©inwirfung von 
Äälte auf bic flippe, einige ju Van. Levana gemalt; aber burd) 
Sßärmeeinwirfung auf Seoanapuppen , Van. Prorsa ju machen, 
gelang tüd&t. ®ie warnte gto™, auö ??rüf)lingöeiern unb ©ommer* 
puppen, Prorsa, ift burdf) Äälte tierfdjiebbar ; bie £erbfteier mit üjren 
ber Ääfte auägefefcten puppen (Levana) ift unwanbelbar. SSor ber 
©iöjeit gab eä trieHeidfjt nur V. Prorsa ; jefct gibt es in ber gemäßigten 
3one außerbem bie 2Binterform V. Levana unb baö fjat SBallace 
©aifonbimorpljtsmuä benannt, ©ottte eine ^tit fommen, wo bie 
Sßuppen etwa burd) 9iad)tfröfte, aud) im Sommer mef)r Aalte leiben, 
als jefct, fo mürbe eö nur noeft V. Levana geben. 2)ic urfprüng= 
lidf) V. Prorsa märe ausgestorben unb bie Levana neu gefd&affen, 
gang wie bie Paläontologie von ben Slrten ber SBorwelt in triefen gfitten 
es annehmen muß. 

33is jur ©tunbe ftnb feine anbern ©yperimente mir befannt, 
bie angeblich ju neuen SKrten geführt liaben. 2luS fo bürftigen 
Xljatfacf)en laffen ftdjj gewiß allgemeine ®<f)füffe für bie ©efamtljeit 
ber Slrten gar nidf)t fliegen. 33ebeutfam bleiben fie aber für bie ^rage, 
ob bie Umwanblung ber älrten in foldfjer SBeife vorgegangen fein 
muß, baß bie bisjunftioen Gfjaraftere unmerflidje Uebergänge burefr 
laufen tjaben, fo baß bie 2lufredf)terljaltung ftjftematifd&er 3trten 
unmöglich wäre, wenn man bie Qnbbibuen in voffftänbiger Steige twr 
fidf) Ijätte! ®ie Sarwiniften neigen ju biefer SBorauSf efcung , ober 
glauben fteif unb feft baran, oljne jeben beweis; natura non fecit 
saltus, ift nun einmal ein ftd&rer ©afe. 3lber man vergißt, baß bie 
geringfte SSerfd&iebung in ben fteimelementen ju großen Abweisungen 
im weiteren Verlaufe ber ©ntwidelung unb in ben ©nbprobuften führen 
fann. ©erabe wie bie molefuläre SBeränberung in ber glüfftgfeit, 
aus ber fidfj ein Ärpftall nieberfd&lägt, eine abweidfjenbe gorm ber 
ÄrpftaUe juwege bringen fann, obne 3roifd)enformen, fo fann es bei 
ber langen SHei^e ber 3 e ß en , auö toten & aö tjollenbete Xkv ftdf) all- 
mäljlidf) aufbaut, gefdfjefyen. 3m Chromat in gab es feinen wabr- 
ne^mbaren saltus, wof)l aber in feinen ©nbprobuften. ©ine ganje 
Steige anbrer ßrfdEjeinungen fpridfjt für bie fprungweife $)ifferenjierunfj 
ber £iere unb ^flanjen. 3ft bodf) fd&on bie red&t große Srifferenj 
jwifdfjen mann tieften unb weiblid&en ^nbiüibuen, — bie, wie vorder 
gefagt, von bem ttebergewidfjt bes einen ober anbern ber 33eftanbtei(e 
im bifeyualeu Reime abfängt, — nid)t burdE) eine 9ietf)e t)on 3wttter* 
bilbungen in ber SHegel vermittelt, ßbenfo treten bie Mißgeburten 



— 151 — 

pföfcltdj auf imb bennodf) vererben fic fidf) in vielen fällen. %n bem* 
felben Sinne ift audfj bie Umwanblung bcr Vanessa Prorsa, von 
ber oben bie Siebe gewefen, bebeutfam. 3)ie Äälte %at ben 5Ber= 
bauungöprojefc in ber Sßuppe ber Prorsa, fo ju fagen, urm 
gewanbelt. Sei Snbiwtoien, wo. biefe Umwanblung eine gen)iffe 
©renje überfdfjritten tyat, ift eine Levana barauö geworben, n>o fie 
innerhalb biefer ©renjen verblieb, bleibt es bei ber urfprüngKdjen 
ftorm. $n ben fertigen organifdfjen formen liegen verfdfjiebene 
Sproffen einer £eiter, Stufen vor, bie erreicht werben nid^t burdfj 
baö Springen ber fertigen ^formen, fonbem burdfr baö £inaufranfen 
aus wenig verf$ebenen Sfafangöpunften $u verfd&iebener £ölje. lieber 
Stufen unb nidfjt über eine fdfjiefe ©bene §at fi<$ bie £ier* unb 
^ffanjenroelt auf ©rben ju immer &öl>erer unb metyr unb meljr bifferen* 
jierter Drganifation emporgehoben. 3e umfaffenber baö biäjunftive 
Systema Naturae fertig wirb, umfaffenb bie SSefen nidfjt nur ber Qefcfc 
seit, fonbern audjj ber ganjen SBormelt, um fo beutlidfjer tritt bie unver= 
mittelte Unterfdfjeibbarfeit ber Strten ^ervor. 2)er wal)re ©runb 
ber ©ntfteljung ber SKrten, tyre reale 33ebingung, ift eben ber ©kernte* 
muö ber fteimelemente. Sie befielen aus SKtomengruppen von aufcer= 
orbentlidjjer 9Rannigfaltigfeit, in Safyt un *> & a 9 e / änbern über ab, 
wie alle dfjemifdjjen SBerbinbungen , nidfjt nad& fontinuierlid&en, fon* 
bern nadj) r^t^mifd^en SSerfd&iebungen. 3Me blofc fontinuierfidfjen 
Steigerungen unb 3Winberungen mögen Slnlafc geben ju Waffen unb 
Varietäten, unb mögen ben ©intritt von r^t^mifdfjen Stenberungen ber 
Äonflitution in ben fteimelementen vorbereiten. 

©o, benfe id& mir, wirften bie von 35arwin hervorgehobenen 
brei Vorgänge: bie SBariation, Sluömerjung unb Vererbung vor* 
bereit enb, bis nad& einer langen SWei^e von immer in etwas anbrer 
Seife wieberljolter Sluflöfung unb Slusfd&eibung ber Äeimelemente, 
tyre 3ufammenfefeung an eine ©renje gelangt. $n ber bisherigen 
SBeife get)t es nid&t weiter, aufhören ober nadfj einem neuen 9^0)= 
mus fidfj fortpflanjen ift bann ber 2lusweg. 2lusfterben ober 2Retas 
morp^ofe ift bie alternative. 9Jtan fann biefelbe SBorftellung aucij 
folgenbermafcen ausbrüdfen. 2)a bie Äinber ben ©Item nie voHfommen 
gleidf) finb, fo gibt es, ftreng genommen, nie Degeneration otyne eine 
geiüiffe Siegeneration. SDiefe fü^rt fdf)lie&ltdf) ju 3 er faK ober Um* 
roanblung in eine anbre fpftematifdfje 2lrt. Db nun bie brei von 
Darwin mit SÄed&t hervorgehobenen Vorgänge, mit 9tedf)t, fo lange 
feine anbern in ber ©rfaljrung jur 33eobad)tung gefommen, ausreißen, 
um ju bem, jeber 2trt fdfjliefclidf) bevorfteljenben ©nbe ju führen, bleibt 



— 152 — 

eine offene ftrage. $aö Sntftefpn btefreter 9Crten, uadjj Darwin- 
frf>er Sprojebur, ift bidljer nid)t beobachtet, unb bie Umroanblung ber 
Sßrorf a^uppen burdf) ©inmirfung ber Halte bewetft, bafe in Meiern 
gtofle bie SSererbung unb baä lieberleben ber jroedfmäjsigeren Varietät 
e* nid^t madfjt. SBenn man an bie einfdfoneibenben SBanblungen ber 
Organismen benft, bie jioifd&en ben £auptjeitabfd>nitten ber grb- 
gefd&id&te fid) jutrugeu, begleitet von Sßanblungen in ben Sor 
gangen auet) ber unorganifd&en Statur ber ©ebin\ente unb ber 33er^ 
teilung tum fianb unb ÜWeeren, von liefen unb £ö!)en u. f. m., fo 
liegt e* na^e, an eine SBerfntipfung ju benfen. Vorbereitet waren bie 
Organismen burdf) oortyergefjenbe Degeneration, gemifj fdfjon lange. 
Qnbeö fönnten, wie bie ßälteroirfung bei ber Prorsa, fo audj anbre 
pf)t)fifalifd^e unb dfjemifdfje ©innrirfungen oon auften ben SBedtfel ber 
arten befdf)leumgen unb fd&roffer machen. 3Benn erji gegen bie 
Sertiärjeit f)in 2Wono* unb ©tfotglen ftdf) cinfteffen , an Stelle ber 
früher etflufto l)errfd&enben Äonifereu, Jlorbaften, ßpfabeen unb 
©porenpflanjen , fo wirb man ftdf) bad faum anberd, alö im 3 U ~ 
fammenljang mit flimatifdfjen SBcränberungen oorfteHen. £iefe 3Scr- 
önberungen inbes reidfjen faum atä, um and) nur bao 31uofterben 
ber in tyiftorifdljer $t\\ bagetoefenen 31rten ju erflären. Das URammut 
fyat, ebenfo wie baö ©ibirifd&e SRaöljorn, bie Äälte »ertragen, bie 
gegenwärtig am ©temeer IjerrfdEjt, unb an fjofjigen ©ewädjfen, jur 
©rnäfjrung biefer Xiere, fef>lt es nid&t. ®ie ©eefuf) ift Derfdfjnmnben, 
nidf)t bafc bie SJlenfdfjen fie ausgerottet Ratten. (Sbenforoenig fennt 
man Seroeife für 2lu$rottung burdfj bie SRenfd&en ber in ber 
lebenben SBelt nidfjt länger üorf)anbenen groften 9?ögel 3)iabaga§= 
farö (3)ubu unb Slepgornte) unb 9?eufeelanbs (3Mnorniö). Tie 
Sßrotiferation, bie nadf) SKanfe audf) bei Ijiftorifdben SBölferftämmen 
juroeilen fd&roinbet, mag Ui biefen Vieren in natürlicher SBeife er; 
fofdfjen fein. 

SRur in einer SRidfotung ift bie Sßaublung ber formen möglidj 
geroefen, — eine progrefftoe äBanblung, fo fdfjeint eö, in ben wenigen 
angeführten ©rperimenten , von einer jüngeren ©tufe jurücf ju einer 
älteren mürbe 511m 3 er faß führen. 

©0 lange pdf) nod) nme Jltome in bie gegebenen Steimelemente 
einfügen fönnen, fo fteHe idf) eö mir oor, füfjrt eö $u neuen Arten, 
— fobalb alle alten Kombinationen fidf) nidit mefjr uerjüngen fönnen, 

brängt es jum 3 er f a ß- 

3dj fomme mm auf bie (Srflänmg beffen, maß 3) arm in nicht 
fjat erflären fönnen. 



— 153. — 

1. 3Me ©ntftefjung neuer formen erflört fidf) aus bem SReaU 
gnmb ber 2frt. Sie ift bebingt pon ber dbemifd&en tfonftitution 
(pon ber gormel) ber Äeimelemente. ®urdf) beftänbige Umlagerung, 
^erignofe, werben anbersartige .ftompofttioneu ber 9ltome vorbereitet, 
zuweilen burdfj ©inwirfung neuer äußerer SUcr^ältniffe in fefjr hetero- 
gener ÜBeife ju jtanbe gebradjt. UebergangSformen jroifd&en b«n 
Hauptabteilungen bes natürlichen Stjftemö tyat es immer nur n>enig 
unb feiten geben fönnen. Sie liegen bem 3 eu taim ^ö Sgftems 
nafje, wo es wenig Spielraum gibt. 3wiföcn arten bes StjftemS 
fann es aber feine 2Wittelformen geben, weil bie Sttomifti! bie Strt 
mad&t, unb bie 2trt nur als ein lefctes ©lieb bes bisjuuftipen 
Systema Naturae beftniert werben fann. 

2. Sie ibentifdfje Orbnung, in ber fidfj bie ^loren unb Raunen 
ber ÜJorweft auf ber ganjen @rbe ablöfen unb folgen, Ijat ifjren erften 
©runb in bem gleichartigen SluSgangSpunft aller Organismen, von 
primitipen (3cttcn ober) ^ßrotoplaften. 2Benn audf) in perfdjiebenen 
©egenben ber ®rbe, bie äenberungen ber ©nbprobufte, b. f). ber 
fertigen Xiere unb ganjen nicf)t gan} gleichartig unb nid)t genau 
gleic&jeitig eingetreten finb, fo wirb in ßimberten i>on ^afjrtaufenben 
eine gewiffe Analogie fidfj bodf) geltenb machen. 3Jad^ ben erften 
fyunberttaufenb Queren, nacf) ben jweiten u. f. w. wirb bie Um* 
änberung überaß einen jiemlidf) analogen ©rab erreicht ljaben. treten 
nun fjinju anberweitige 2lenberungen , bie ju 3 e ^ en bk 9 an ä c ® r ^ c 
betrafen, Slenberungen ber Sommerwärme, ber 3 u f atnmen f e ^ un 9 von 
l'uft unb SBaffer, fo entfielen baburdf) neue Analogien. 3)ie por= 
banbenen 2lrten ftnb burd) ifjre innere Sßarigeuefe porbereitenb anbers 
geworben unb erleiben nun gemeinfam tiefgreifenbe SBeränberungen 
auf ber ganjen ©rbe. 

3. ©er ftortfdfjritt * ou uupollfommeneren SBefen mit weniger 
Organen unb eigenartigen Munitionen, — pou ^Jflanjen ot)nc SSlüten 
unb Vieren of>ne ober mit wenig ausgebilbetem 0ef)irn ju ^Jpanjen mit 
v ölütenfd&mu<f unb ju Säugetieren mit anfeljnlid&em ©efjirn, — biefer 
*ortfd)ritt ift bie notwenbige golge ber progreffipen Umänberung. £as 
ift eine Umänberung, bie immer nur in bem £tnjutreten pon Atomen 
in ben Äeimmplefeln befte^en fann, nidfot in bem Verarmen an SWolefeln, 
bas ben %erfa1L jur ^öfge l)at. So werben fiel) immer mef)r unb meljr, 
ntbm beu jum Steil pou alter 3^it f)er in peränberter #orm nodf) per= 
bleibenben formen, neue immer poöfommenere Organismen einfinben. 

3d^ refumiere fdjliefelicf) ben ©ang, wie bas natürliche Softem, 
baö wa^re Systema Naturae 311 ftanbe ju bringen ift. (£rft muffen 



— 154 — 

bie ,3ttbu>ibuen gruppiert werben nadb ber änfdjauung. Sie 
legten ©nippen fittb bie Slnfd&auungdarten , 2ppen ber Slnf djauung : 
es fd&roanfen bie ^nbioibuen um einen SIppuö; ©renjen für biefe 
2fafdf)aunngsarten fommen nidfjt jur Äenntniö. Siefe Sppen orbnet 
man nadfj Aetjnlidtfeit ju ®attungen, gamilien, Drbnungen, immer 
nadfj bloßer 2fafd(jauung jufammen, unb fyat fomit ein oerjroeigteö 
Softem gef Raffen, baö bie notmenbige Unterlage liefert für jebe weitere 
ftjftemattfdEje Bearbeitung. 

3roeitenö fudf)t man Äennjeid&en auf, bie eö geftatten, bie 81ns 
fd&auungöarten annäljernb in berfelben Drbnung, bie nadf) ber Steftn? 
lidftfeit im #abitus entworfen würbe, in ein Softem ftreng btöjunftiper 
Segriffe ju bringen. Sie lefcten Ölteber biefeö ©tjftemö finb bie 
fpftematifcfjen, wiffenfdfjaftlidf) begrünbeten, in ber ©rfafjrung gegebenen 
^rten. ßö Ijat fidb ergeben, baß bie bidjotome Einteilung im all- 
gemeinen nidjt nur bie jutn Auffinben unb 3Biebererfennen ber fpftema= 
tifd^en Arten bicnlid&ere ift, fonbern baß fte audf) bie naturgemäßere ift. 
föö fei erinnert an bie 24 fiinuefdjen ^PflanjenHaffeu, im ©egenfafc 
ju bem natürlidjjen Softem; an bie ©inteitung ber Eiere in 2BnrbeU 
tiere unb 9Zid&twirbelticre, — in ©liebertiere unb 2Beid)tiere u. f. tu. 
3Wit ben Jiennaeidfjen »ertraut, wirb man erft baö natürliche Spftem 
uid&t nur begrünben, fonbern auclj nerbeffern. Ser £abituö bat bei 
ber 3nfammenftettung nadf) ber Sfaf dfjauung oft irre geführt ; erft wenn 
man fid£) oon ben entfdjjeibenbeii Rennjeidfjen in ber Struftur tjat burefr 
bringen laffen, ift man befähigt, ju erfennen, baß bie Blmbfd&feicbe 
naturgemäß, ju ben Gibedfjfen unb nidfjt ju ben Schlangen gebort, unb 
fo in unjä^figen anbern fällen. 

$n britter Steige fann man fid) mit ben Spekulationen über 
bie Slbftammungen ber Arten, ©attungen, Familien, Drbnungen t>on= 
einanber befd&äftigen. Sa feljlt eä an ben unerläßlichen empirifd&en 
Säten unb man verfällt bamit leidet in unwiffenfdf>aftlid&e Spielereien. 
Qu 3ufammenl)ang mit bem geologifdjen Älter, mit ben ©rfaljrungen 
über bie 3 e itfolge be* Auftretens ber formen in ber ©rbgefdfji^te, 
befommt biefe Befestigung mebr ©efjalt. Sie Bergleid&enbsanatomifcbe 
Betrachtung gibt tyr gleichfalls ernfte Bebeutung. 

(Sine merte Aufgabe liegt enblidf) ber Biologie nodjj uor, aber 
oon großer Sdjjnrierigfett. Gö ift baö genaue ©tubium unb bie 
experimentelle ©rmittelung ber 3 e "g«»g un *> Gntwidfelung. Saljin 
redjne xä) j. B. bie Berfudfje über Baftarbbilbungen gwifd&en Am- 
phibien, wie fte ^ßrofeffor ^flüger in Bonn, wenn i<$ mic§ reit 
beftnne, angeftellt bat. 6* fam babei berauö, baß bie ©amenfäbc&en 



— 155 — 

(Jennifer 2trten wegen ju bidfer ftöpfe in bie Gier anbrcr Slrten nid&t 
Ijineinfdjlüpfen fönnen, ober bafc bei einigen arten bie 3 u 9 än 9 e > ^ c 
SRifroppten, ju eng finb, um von fremben Samenfabd&en befruchtet 
roerben ju fönnen. 6ä fdf) liegen fidj in biefer 2Beife geroiffe 3trten 
ab. 3Iber erft wenn man genau bie atomiftifdje ftonftitution beo 
Gfjromatinö erfannt Ijaben roirb, lägt fid) Ijoffen, bafe roir ben realen 
Srunb ber Spejififationen in ber -Matur ein wenig meljr roerben 
fennen lernen. Rety fennen wir baoon nur fo trief, ba§ bie 2Ubummate 
überrafd&enb triefatomige unb burdfj (Störungen unb anbre SBirfungen 
leicht oeränberlid&e ftörper finb, von fogenanntem labilen ©leidfj* 
genügt. So oiel Spejieö, fo oief dfjemifdf) ju d&araftertfierenbe 5ßroto- 
plaften! 2)arauf, benfe id&, wirb biefe Slufgabe Ijtnauölaufen. 

Slnmerfung. beiläufig fann Iieroorge^oben werben, bajs fo- 
lange bie Temperatur auf ber ©rbe eine gleichmäßige geroefen ift, 
in Xaged- unb Qa^reösctten unb in ben t>erfdriebenen ©reiten, bad 
Protoplasma {einen Sdfjufc gegen ben £emperaturroedfjfel beburfte. 
3n ben früfieften ©ntroitfelungfcftabien finb bie s #rotoplaften befonberö 
empfinblid). SBenn nur erft gegen Gnbe ber Jtreibeperiobe angio- 
jperme Spftanjen unb placentäre Säugetiere fid) einftnben, fo 
seigt eö an, bafe bie Temperaturen bis baljin feinen fo ftarfen Sdfjufc 
ber Steinte erforberten, al* gegenwärtig. 6in ewig umroölfter Fimmel 
hat baju beigetragen, bie ©ptreme ber 3Bärme unb Aalte abjuftumpfen, 
— bie garblofigfeit ber Slütenftänbe fprid&t für ben 9Wangel reinen 
öimmete in älterer 3eit. 2>ie SSorrid&tungeu , oermöge welker in 
Den auögebilbeten Vieren bie innere Körpertemperatur nahebei unoer- 
änberlidf) erhalten bleibt, trofe ber Sdf)roanfungen ber äußeren Tempe- 
ratur, bie fogenannten ^omöot^ermen, fehlten in ben älteren ^erioben. 
Gö gab nur Ijeterot^erme SBefen, b. I). fold&e mit faltetn 33Iut, welche 
bie Sdjwanfungen ber SBärme ber fiuft unb beö SBafferö aud) innere 
litf> mitmadSJen, lebenb in gewiffen ©renjen, über bie fjinauö fie ge= 
tötet roerben, — oljne dou innen bie Temperatur ausgleichen ju 
fönnen. 



— 150 — 



(1887). 

6in 2lrtifel von $artl)£lemt) St. £üaire in ber R. d. d. M. 
„la philosophie et les sciences", liefert mir eine« neuen 33ewei$ 
bafür, ba§ bie ^}f)ilofopf}ie feine SBiffenfdfjaft ift, bie etwa fo wie 
eine 9iaturmiffenfdjaft ober eine matfjematifcfye SMäjiplin, ber ganzen 
fultioierten 9Wenfd&f>eit einer %tit angehört. Sßieberbolt 3eigt 33artbe* 
lernt), ba§ er für tfant fein SBerftänbni* ijat. £>en Unterfd&ieb jnrifAen 
bem oorftellenben unb bem oorgeftellten $d) fennt er nid&t «. f. w. . . . 
©d gibt immer SJienfdjen, bie auf Äant in einem 9Ilter ftofjen, wo fie 
iljn nid&t mefjr fennen fernen fönnen. 2>arum fjanbelt ed ft<$ bei 
Jtant nid&t, eine £r)potf)efe ju fd&affen, ouö welcher bie 3$atfadüe ber 
©rfafjrung abjuletten wäre. $>iefe ift ifjm gegeben. @r finbet, baß 
bie 2lnfdf)auungö- unb $enfformen bei 2lnwenbung auf bas uorpe^ 
[teilte 3* unb auf bie Dorgeftellte SBelt ©eltung haben, jeboc^ über 
baä porfteüenbe ^i) unb über bie SBelt an fiel), beren (friftenj auo 
ber ©rfafjrungötfjatfadfje jit folgern ift, feine oerläftlicbe Srfenntni* 
ermöglichen. Um ftant ju wiberlegen, genügt ea nid&t, mit feinen 
©rgebniffen fidj unbef riebigt ju ertläreu, fonbem cd muft erwiefen 
werben, baft er ju oiel behauptet t)at. 3Me 9toum= unb 3 e ^9 ren ^ cn 
muffen, als SSbftrafta auö ber (Erfahrung, uon ber unbegrenjten uitö 
a priori innewofjnenben SRaumanfd&auung unterfdneben werben. So- 
lange biefe Slrbeit nidf)t gefeiftet ift, wirb weber bad Sefjarren auf 
bem ^egelfd^en ©tanbpunft, oon bem a\& bie Söieberfebr beö länflft 
für überwunben unb begrabenen Hanta unerflärlidj bleibt, nodb ftart-- 
mannö ©inmürfe über bie ftantfdjen Klippen f)inwegf)elfen. 

— Oft wirb ber ^eljler wieberfjolt, Äant fo ju beurteilen, ato 
l)abe er nidjt ber praftifdjen Vernunft baö ^rimat oinbijicrt. £arin 
fjat er ja eigentlich wie Sßaöcal gebaut, bafc er junäd&ft bie 91id)tür 
feit ber tl)eoretifdf)en Vernunft, aller 5fletapf)t)fif, feftftellte. £afi bie 
3>inge fo finb, wie idfj fie wal)rnef)me bei gefunben, machen Sinnen, 
baft bie anbern, mit ©innen begabten ©efdfjöpfe, baöfelbe alö id) 
wafjrnefjmen, bafj enblidt) idfj fefbft, midf) meinen $efdf>affenf)eiten nad) 
malzunehmen oermag, wenn babei audf) Selbfttäuf jungen mit 
unterlaufen, ftefjt für bie praftifdfje Vernunft feft. Dafj man aber 
in metapf)t)fifd)er SBeife weber über bie 2luf$enweft, nodf) über baä 
$ä) ju Jtenntniffen gelangt unb nur ju leeren formen Eintreibt, bie 



— 157 — 

als ejriftenjen ju beurteilen, ju 2Biberftnn fttyrt, baö ^at Äaut be= 
miefen. 6ö f feinen ^artmann uub mele anbre von ber £auptfad(je 
bei Äant feine SRotij nehmen ju wollen. Kant tjabe gejeigt, bafe mir 
oon ben 25ingen an fidfj unb von und felbft nid&tö troffen fönnen, 
baljer atteö nur fubjefttoe ^Hufton ift! bamit Sßunftum. Sie Ratten 
aber fagen follen, baft mir burdf) 3Wctap^pfif feine Slufflärung barüber 
erlangen fönnen, unb wären bann in ber SBaljrljeit. 

So oollftänbig anjuerfennen ift, bafc SRaum unb 3 e ü bei jeber 
(ftfatjrung, um fte ju ermöglichen, muffen üerroanbt werben, fo be* 
ftimmt ftnb baoon 2tuöbe^nungunb®auer, ate emptrtf df)e 3)aten, 
p' unterf dfjetben. 2)urdf) bie Sßafjrnetjmung beö $ä)$ fomme idf) auf 
empirifdjem SGßege ju ber SBaljrnefjmung ber 3^tgrenje, o^ne Sd&mierigs 
feit, fobalb idf) bie abfolute 3 e ^/ in bie idf) mein 35afein unb meine 
Seränberungen hinein t>erfefcen faun, jur Verfügung fyabe. #abe id) 
baö nidfjt, fo fjört bie 3Wöglid^feit, ein 3$ wafjrjuneljmen unb fomit 
jebe inbimbueHe ©pftettj, 9011 ber allein id) ©rfenntniö gewinne, auf. 
2lu* bem 9?idf)tö ber eigenen empirifd&en giften} barf iä) aber ntd&t 
fliegen auf ein SWi^tö ber Sßelt. 35ie SGBelt war unb bleibt ofync 
mtd). — Sie SRaturforfd&er, bie eine abfolute Realität uon SRaum 
unb 3*it annehmen, ftnb nidfjt baburif) ju wtber legen, bafc man be= 
Rauptet, 9laum unb 3 e ^ ftnb nid^tö °^ne ©rfdfjeinungen, b. f). 98af)r= 
nefjmungen. 9?aum unb 3^it ftnb $u jebem $orftellen nötig (picHeidfjt 
weil biefeö nur eine gtom ift Don Bewegung, unb jwar bie fidf) fefbft 
roatjrnefjmenbe Bewegung), aber baö 35 orft eilen ift nid^t nötige 
Sebingung für jebe Gyiftenj. Sie in ber SBorfteffung üerwanbten 
Saum unb 3«* fatten ro*9/ wenn ** Wne SSorftellung gibt, aber als 
ein Stbfotuteö fönnten SWaum unb 3 e *t unerfannt eyiftieren. 3)ie u\u 
erfannten Daum* unb 3^tanfd^auungen fönnten übereinftimmen mit 
ben Delationen, bie ate ©wigfeit unb Unenbli<f)feit jur SBerwenbung 
fommen, fobalb bie ©rfenntnis in bie SBelt tritt. — Dfme biefe 2ht= 
nannte fommt man aus ben Unf (arbeiten nidjt tjerauö, j. $. pag. 77 : 
„3Bir fennen nidfjtö (oon ben ©egenftänben) ate unfre 2trt, fie wal)^ 
juneljmen ... bie audf) nid&t notwenbig jebem Sßefen, objwar jebem 
SRenfdjen, jufommen mufj . . ." pag. 85: „ßö mag fein, bafj alle 
beufenben, enblidfjen SBefen hierin mit bem 2Renfdf)en notwenbig über= 
einftimmen muffen; — " f)ier liegt baö 3 u Ö e flä"^niö ber empirifdfjen 
Ungewißheit, ob anbre SBefen 3 e ^ un ^ Slaum bei if)ren 2Ba^r^ 
ne^mungen Derroenben, unb bie a priori gänjlid& unerroeiölid^e 2Sor= 
ßusfeftung, ba§ bie -äßenfdfjen allgemein eö tfiun muffen, weil idf) eö 
%n mufi. — Äant t>at nie julaffen wollen, baft man aus feiner 



— 158 — 

Sefjre folgerte, ben ßrfd&einungen entfprädfje nidfjtö, alft eigene 3>or- 
ftellungen. — ©igentlidfr teljrt Stant: baß Sbealiftifdfje alles £ranö= 
fcenbentalen, — bie Realität nur beft ßmpirifdfjen. SBenn aber bie 
empirifd&en ©rfdfjeimmgen ju SSorftellungen gemadfjt werben, fo werben 
fie #tmgefpinfte. ftant wollte ber ©mpirie bie 33af>n fid&ern, um ber 
©pefulation fie ju Der legen, ©eine inneren SSiberfprüdfre würben 
aber jum 2htSgangäpunfte erneuter, transfcenbentaler ©pefulattonen. 



21. 3Wai. — lieber bie ©td&erljeit ber ©rfenntniffe*). ©$ein 
ober Sein, £raum ober Sßirfltdfjfett, wie Ijält man bie auSem- 
anber? 
i. etetitfrft. 1. 2)urdf) bie 2öat)rnel)mung bleibenber folgen. 

2. ©ieber^oibor. 2. SJurdfj gleichmäßigen ©rfolg bei beliebig wieberljolten 

SBerfudfjen. 

3. ©reifborfett. 3 . ®urdf) 93ctaften. 

£er £raum bleibt meift fogar im ©ebäd&tnis nur wenig, fomntt 
juweilen wieber, läßt fidfj aber nidfjt nadfj ^Belieben wieberljolen unb 
feine ©eftalten laffen fidfj nidjjt greifen, @s finb bie ©inne ben 
SJ^antaSmen oerfdfjiebentlidj jugänglidfj. ©eftd&t unb ©efjör am l>auftgjlen 
unb üoDftänbigften, feiten ©erudf) unb ©efdfjmadf, am feltenften baö 
£aftgefüljt, weshalb biefer ©inn als ber realfte, als ber eigentlic&e 
SBcdcr anjufefjen ift, benn erft, wenn er unempfinblidf) geworben, fann 
©df)laf eintreten. 35ei 2lnwenbung ber brei angegebenen Unterfdjjei= 
bungSmittel gewährt jebes für fidfj fdfjon ©idfjerfjeit oor SBerwedfjfelung 
rein fubjeftioer @rfd(jeinungen, mit folgen, bie bleiben, wenn es aud) 
gar fein oorftetlenbes ©ubjeft geben würbe, ©rfenntniffe anbrer wx- 
bienen SSertrauen in bem ©rabe, als fie bie brei Unterfdfjeibung^ 
mittel angewanbt fjaben. SSenn bie Mitteilungen anbrer folgerichtig 
finb, aus wiebertyolten 23eobadfjtungen unb SBerfudfjen abgeleitet, — 
ober wenn fie greifbare ©egenftänbe betreffen, bie ber 6rjat)ler U- 
taftet fjat, — bann oerbienen feine angaben SBertrauen. SQSenn & 
aber 3Bat)met)mungen finb eines aufgeregten entfjufiaftifcijen ©emüts, 
bas fidfj für befonbers geartet ^ält, — etwa Offenbarungen; — ober 
wenn man felbft in foldfjem 3 u f an ^ e & cr ©iftafe etwas gefeljen unb 



*) Sie Einge, alö erföeinenbe, §aben $uv SBorauSfefcung nidjt Mojj trani- 
fcenbental-pljilofop§ifc§e ©innlic$!eit, fonbern aud) emptriföe ©innlic^fett. Sollte 
bie erftere bie Realität ber 25inge nic§t erroeifen tonnen, oerfuc$e man ed mit 
ber jroeiten. 



— 159 — 

gehört Ijat, roaö nidfjt beliebig mieberfjolt ober roaä nid)t geprüft roer= 
ben fann, bann fjat man es mit ^Huftonen, ^tyantasmen, ©inbilbungen 
$ü tfiun. 

3m gen>ö!)nHdf)en Seben wirb nad? ben breierlei Unterfdfjcibungö* x«r Denier »in 
mittein unb nadf) ben auf fie gegrünbeten SDlitteifungen, ber Unter* "lein nt«t eine* 
fdfjieb jmifdfjen ©dfjein unb Sein fidler gemalt. 2lber ber Genfer fln 6$ctn t» " 
verlangt, jeben 3 roc *f c * nod) darüber ju entfernen, ob nid&t baö, roas 
im gemö^nlid^en Seben für ein 35afeienbeö gilt, nur eine anbre Slrt 
oon ©d&ein fein fönnte; — ein bem menfcpd&en ^nbimbuum etwa 
bleibenber ©dfjein, ein fortgefe|ter £raum, — ben in ber iWad&t bie 
abgebrochene unb flüchtige ©attung oon £raum unterbricht, ©reif* 
barfeit, 2Bteberl)olbarfeit, £auer in i^ren folgen, mögen bie &enm 
*eidf>en bes roirflidfjen Seins im ©egenfafce ju ben Äennjeidfjen 
be* traumhaften ©dfjeins fein. 2Bad finb aber bie biefem ©egem 
fafc ju ©runbe liegenben SBorftellungen ? $aö roirfüd^e 3Mng bleibt, 
ob es audj roeber eine menfd&lidfje, nod) eine anbre Qntettigenj gibt, 
bie eö auffaßt; auclj bie 35erl)ältniffe jnrifd&en ben tmrflid&en fingen 
bleiben, oon aller anteiligen j unabhängig, bie fie erfennt, aber nid&t 
erfdfjafft, — bie oon ber anteiligen j erf d&affenen 6rf Meinungen , bie 
aufeer^alb ber 3fnteDigenj nid&t jur 2)arfteUung gefommen finb, oer* 
fdjnrinben mit ber QnteHigenj, bie fie erjeugt tjatte. Jupiter ift 
nid()t mefjr, ob audfj Statuen, bie tyn uerfmnlidfjen foßten, finb; 
ber ©laube an Jupiter mar ber ©taube an nidfjte Söirflidjeö, an 
2Bal>n unb ©cbein. ©eine Silbniffe unb Tempel waren aber roirfc 
lief). SBie fott nun meine intelligent erfahren, ba§ etwa* t>orf)anben 
ift, bad nicfjt in ber Qntelligenj allein ift, obwohl bie 3m Man mu* 
telligenj nid&t perfpürt, roaö in fie nidfet hinein tritt? ©ie mufj in urfa*enau*er$aib 
liefe, ju biefem 3 roe ^/ SBirfungen oerfpüren, bie uon Urfad&en außer* iu*«t. 
fjalb ber anteiligen} fjerrü^ren. 



1. Sunt. — SBerfudf) füqer nieberjuf ^reiben roaö jur &enntnis= 
rtjeorie mir ein wertvoller Seitrag fdfjeint: 

Äant bat unroiberleglidf) beroiefen, baft Kaum unb 3 e ^ (Km *qn» «wi m*r. 
rtdf)tungen beä Qntelleftö finb, otjne bie er feine ßrfatyrung machen 3rrtum. 
fann; — aber er irrte, wenn er bie Sd&ranfen in Kaum unb 3 e i* 
für £eitöjen von Kaum unb 3 e ^ #*& S* e finb 3lbftrafta oon ben 
in bie ©rfa^rung tretenben Äörpern unb Gegebenheiten. Sie finb 
feine Sorbebingungen ber Grfafjrung. ©ie werben entnommen bem, 
n>aö ben Kaum unb bie 3*ü in ber (Srfafjrung füllt, — bem ^nfjalt 



— 160 — 

unb nid&t ber ftotm, — bem Vielerlei, nidbt bem ßinerlei. Tie 
3)aB9« tann^on aprioriftifd^e 3eit m ^ ^ cr aprioriftifd>e Siaum ftnb ganj o&ne 
€*tan?m w«, ©d&ranfen. ©inb bic ©d&ranfen aber auä ber grfabnmg, fo ftnb bie 
Raffen. iV Urfadfjen baju nieftt im benfenben ©ubjeft. 3)aö blofee $<!>, ba co 
Mr«iSkimSt. nK feine Sdjranfen oon fidf) auö fefcen fann, bringt es ju feiner 2üiftcu- 
weit. 2)ie ©d&ranfen beweifen bie ©yifienj ber anbem SRenfdben unb 
ber SBett. ©ingebilbet, geträumt fbnnen fie ttid^t fein. 
®et «öttepamj*c 3)er Gartefianifdje 3 ro eifel an allem, außer bem ©elbft, ftüfct 
3» f«i. p^ t) arau ^ bafe im £raum bie Sd&ranfen ebenfogut erfd&etnen, wie 
im SBadfien. Stber bamit miß $e$carteö bie Außenwelt nur für 
weniger bireft jugängltdf) bem Seifte erflären, als baö ©elbft. 3 U 
bemerfen ift bagegen: 1. $er £raum reprobujiert; — nur bieÄonu 
3m Traume binationen finb barin neu. 2)ie Gigenfd&aften, formen, ifjre 5?er- 
^^BHrtcujSÄ tT fyältniffe, tyre 2lufeinanberfolge werben im Traum anberö gemifdbt 
'weST auftreten; aber ber SJlinbgeborene träumt feine färben unb ber taub- 
geborene feine 9Jhiftf. 3™ Traum erfdjeinen nur ber Sßirflidftfeit ent= 
nommene Elemente, infofern ift ber Traum real; wenn er audjj ju= 
fammenftellt, was nidjjt gegenwärtig ift, — fonbern waö einmal 
gewefen. 2. ßö gibt brei flennjeid&en, baran bie geträumte imaginäre 
Außenwelt tum einer realen ju unterf d&eiben ift. ©reif barfeit, 
®ic - brei unter. 2Sieberl)0 Ibarf eit, Untilgbarfeit, aU ein ©lieb ber Äau= 
eibunijftm t. | a [ rc j^ c ^ ^ er a [ ö c j n unt )eränbert fioxtbtftttynbt*. Tiefe Renn* 

jeid&en fommen in oollem 9Wafec nur bem Realen ju. ©reifbar filrt 
bie Traumgeftalten faum, wenn ed audj $1 luf tonen beö Taftgefübls 
geben fann. Tie ^linte gcfjt bem Qäger im Traum gar nidfjt ober 
fdfjledfjt loö, weil ber Ringer & aö Äbbrficfen nidjjt fpürt; ber blinbe 
ftlaoierfpieler Ejört Sftufif, fpielt aber felbft nidf>t; ber Steif enbe fäbrt 
im Traum nid&t auf ber ©ifenbatyn, weil baö Taftgefüljl bie eigen- 
tümliche Bewegung uid&t fpürt. Ter im Traum Um^erwanbelnbc 
fü^lt feinen ©ofjlenbrudf, unb eö finben fidb glugträume ein; ber 
ßinfdfrtafenbe träumt einen iljn erwedfenben ^aU, fobalb baä Tafc 
gefüljl wieber einfließt, u. f. w. ^ßufionen Pnb woljl bem Taft' 
gefüfjl ni<f)t fremb, aber feine reine s }tyantaömen o^ne aftuelle Urfacbe. 
Ter Tgpfjuöfranfe fpürt j. 33. ben Trucf bes einen Seind auf bao 
anbre unb fdjjicbt tyn auf einen fremben 9Wenfdf)en; bie Sippen 
berühren bie Tecfe ober einanber unb eö wirb ein Äufc geträumt. 25er- 
gleiten ^ttuftonen ftnb feine feltene ©rfdbeinung. Slber redete ©reif- 
barfeit, baö wußte fdfjon £omer, fann man ntdfjt träumen. — Tiefelben 
Umftänbe bringen biefelbe SBirfuug. Ob es Umftänbe ftnb, bie blofe 
bie öeobadfjtung ermöglidjen, ober bie eine Grfcfteinung erjeugen, — 



— 161 — 

fobalb fte bei beliebiger SBteberljolung baöfelbe liefern , ift e$ feine 
Sifion. ©in entfefelidfjeö ©reignte, ein 33erbredf>en (äffen feine bleiben^ 
ben folgen, wenn fi e 9*träumt finb. Die 9ieue fel)lt unb ber Sd&redf 
wirb fdmell t>ergeffen. 2Ba* nicht feftfifct in ber äuffaffung ber Stau- 
fafretyen, ift ntd&t real. 

Mes (Srfdfjeinenbc t)at bafjer einen realen ©runb, unb fobalb «im &xwm<ubt 
baran bie genannten brei ftennjeidfjen ejaft feftgeftellt finb, ift es örun£%oVa"bb£ 
Dortianben. $ericl>terftatter, bie eine 2$atfac$e unter biefen ©e= erottborauftoffS, 
ficbtdpunften geprüft fabelt, Derbienen ©lauben; anbre ftnb unjus *or$cin*bfn. 
©erläffig. 

3wtfdfjen ben üor^anbenen Dingen gibt eä wedjfelfeitigeö 3$er= s>ie «aturaefd* 
balteu. So weit bie Dinge in baö 9$erl)ältniä treten, gelten bafür BCtn W. 
Staturgefefce. Die 9toturgefefce gelten ewig, aber er f feinen nur 
an ben Dingen. Sie finb nidjt, fonbern fie gelten. Unter ber 
Sorauöfefcung ber Dinge, fommen fie in SBirffamfeit, fonft nid^t. 

9hm aber let^rt Eant: Dinge an fid)*) finb jwar üor^anben (wad «.m» sinn au ?i*. 
it)tn wegen feiner mangelhaften Sdf)ranfenleljre ju beweifen fdbledfjt 
gelang), aber Don iljrer Sefcftaffenfyeit wiffen wir nidfjta. Sie fyaben, 
mufe bagegen gefagt werben, feine 93efd)affenf)eit an fidfj. S3efdfjaffen= 
^eit Reifet weiter nid&tö, ate bie Sleaftion eines Dinged auf ein anbreö, 
unb umgefetyrt. Sfbgefe^en von biefen SReaftionen ftnb bie Dinge 
eigenfdfjaftdlofe ^Jotenjen, 2tbftrafta, bie in ber 95>elt befielen fönnen, 
wegen ber Steaftionen. 

Snblid^ ift bie ©mpfinbung immer mit Subftanjbewegung (33e= ©ei [««rf«»^« 
bung) t>erbunben. ©efct fiel) biefe Bewegung, bie jciträumlidj ift, in «amsÄntfiiomien. 



*) 3ebeä Dbjeft fyat jweterlei öebeutung: 1. a(3 @rfa)einung, jur @rfenntnis, 
2. olö ein 2)ing an ftc^ felbft, für JJorberungen, rate fte bie SRorat forbert. 

@rf$einungen leroorjurufen, unb gerabe bie befHmmien, bie in ber (Erfahrung 
gegeben ftnb, ift bie eine, ben fingen realiter gufommenbe SBirtung; bie roirf- 
lia)en <Stgenfa)aften bed $ingeö fommen in ber <£rfa)einung jur (SkUung. 9TOe 
€igenf$aften ber $tnge ftnb nur bejüglia) anbrer SHnge (Delation, 33erglei<$e) 
möglich. 

2)er ÄunftauSbrud „2}tng an fta)" mufj nia)t baljin »erftanben werben, bafe 
es ein $ing mit anbern <Sigenfä)aften ift al§ bie erfö)einenben , — fonbern er 
bebeutet nur, bafj neben ben erfa)einenben <5igenfd)aften in ben fingen noa) ein 
Unbefannteö, ein 2)ing an fta) anjuneljmen ift, — ein äRe$rered, auf baö bie 
(Befefee nia)t anjutoenben finb, bie auf bie @rfa)einungen fta) besiegen. 

äur§ : bie $inge ber Slufjenroelt erfrieren unb ftnb fo, wie fie erf a)einen ; — 
aber bie <Srfa)einung fann i$r SCÖefen niemals erfö)öpfen, — fie bleiben, abgefeljen 
von tyren erföetnenben @igenfa)af ten , 3)inge an fta), reine ^otenjen, oirtueQe 
Sfiefen. 

Vi» ben iagcbu^blättem bf4 trafen 91. «eyfcrlinß. 11 



— 162 — 

2Bal>rnel)mung um, fo Hebt ifjr entf Rieben baä 3 e ^ räum K^ e an - 
Seäfjalb aber ed ben fingen außerhalb beö Sd&a abjufpredfjen, baju 
oerleiteten einerfeitö bie Antinomien, — anbrerfettö boö greiljeitös 
bewußtfem, wie es burd& baö $Berantwortlidf)feitögefüt)l praftifdf) fefc 
ftefjt. Sei einer anbem Auffaffung ber Sd&ranfen ifi beibeö fym 
fällig. 2>te ©egenwart ift bie ©renje jwtfdfien ber unioerfeBen 3?er= 
gangenljeit unb 3ufanft; felbfi aber nidjt eine minimale 3 *t*. 3ft 
cö aber feine 3 e ^/ fo fjinbert midjj nid&tö, bas Äörnd&en ftxtifyeit, 
toie es für baö SSerantwortlidftfeitögefü^l genügt, in bie ©egenwart 
ju oerlegen, — ftatt wie ftant eö getrau, bafür eine intelligible Sßelt 
ju fefcen, bie oerfdfjieben ift von ber, bie wir erfennen. Ebenfo fallen 
unierttwb»on bie räumlichen Antinomien. Sie paffen nidjt auf bie 9Materie. 2Baä 
waterie. mm bem abftraften, fdfjranfenlofen SRaum gilt, lägt fidf) nid^t auf bie 
materielle SBelt unbebingt anwenben. SRaterie ift nidjt unenblidj) teil- 
bar, woljl aber ber 9taum, — SKaterie ift nid&t o^ne ©renjen, wobl 
aber ber SHaum, — SRaterie ift fompreffibel, ber Siaum nid&t, — 
■Katerie ift beweglich, ber SRaum nid&t. £>ie fttit ift oljne Anfang, 
bie Gegebenheiten aber beginnen unb enben. 2)ie ©umme aller @ufc 
ftanj unb aller fträfte ift eroig, — aber iljre t>eränberlidf)en Äom= 
binationen l)aben Anfang unb Enbe. — 2)inge an fid^ ftnb Abftrafta, 
oon allen Eigenfdfjaften abgelöfte Sßotenjen; Unbinge ftnb eä gewijfer^ 
maßen; fobalb fie reagieren, finb fte nidfjt an fid& unb folange fie 
nur an fidfj finb, beftnben fie ftd& außerhalb ber SBelt, ober nirgenbö. 
3Wit ifjnen {Mfj ju befdfjäftigen, ift ein SSerierfpiel. 



€cflcnt^eoric. 



4. ^uni. — 3Serfudf), bie orgamfdben Vorgänge unb Einrichtungen 
jur Empfinbung fidf) uor juftellen , in ©runblagc beö SSorljergetyenben 
unb ju näherer Erläuterung: 

Erfaljrungämäßig ift jebe fmnlidie SBafjrneljmmtg eineö realen 
SBefenö oerbunben mit bem herantreten eines SReijed an bie nad) 
außen gewanbten Enbapparate beö 9ieroenftjftem3. Qn ber Erinne- 
rung verbleiben bie ©efid)tä= unb ©ebörreije, fo baß fie als Gr- 
innerungdbilber ober am bem ©ebädjtniö reprobujiert werben fönnen, 
iljrer Sefdfjaffenljeit entfpredjenb. ©efdfjmacf, ©erudf), ^üljlen, laffen 
fidf) nidfjt in ber Erinnerung wieberfjolen , oljne bureft einen neuen, 
wenn audf) anbem 9ieij unterftüfct ju werben. 2ßenn ber Jpppnotifd&e 
audf) auf baö SBort fyin, baö it>m ber £i)pnotifeur fagt, glaubt, eine 
Öirne ober Sßein in fdjmedfen, fo muß er bodfj wirtlid^ eine Kartoffel 
ober SBaffer im 3Jhmbe fjaben, um bie latente Erinnerung wieber ju 



— 163 — 

beleben. ©s beftef)t bie latente ©rinnerung, aber um ins Sewufetfein 

roieber ju treten, beborf es eines SReijes besfelben Sinnes: „$as 

babe tdfj fd&on einmal gefd&mecft", bas ift bie ©mpfinbung. 2Rerf= 

roürbicj, wie biefe ©attung t)on Erinnerung beim SKnbotelj fidb jeigt. Äcfamad*. 

£at ein SRinb Delfud&en in ber Qugenb ober fpäter einen SBtnter enn «XV nnl 

über ju treffen befommen, ob audf) ber Sommer ober Qaljre ba= 

swifdjen liegen, wo eö feine Dettudjen erhielt, — gleid) fdjmedfen fie 

i^m, wenn fie itjm wieber gereift werben. 3ft es bagegen ein Xier, 

bas nodf> nie Delfudfoen erhalten, fo bebarf eö Dieler Xage ber ®e* 

wö^nung unb Änlodfung mit ©erftenme^l, um bas 3Tier ju gewönnen. 

Jticöt in ber Seele ftedft bie ©rinnerung, aber in ber £irnjelle, ju 

meiner bie gafer t>om ©nbapparat bes SReroenfyftems leitet. 2)ie 

J?afer ift bie 33aljn ber ©mpfinbung, oon aufyn bis ju einer @e- 

birn jeüe. $n lefcterer ift, burdf) bas ©rbröfjnen ber SRolefeln, eine annm unb m™ 

3>eränberung eingetreten, oerljarrenber Diatur. ©s finb Spannfräfte tt ^ rne ^ nunfl - 

in bie3ette eingetreten (Hebungen), bie bem befouberen SWeije enfc 

fpredfjen, unb bie gelegentlich immer wieber in bas Öewufctfein treten 

fönneit, mit äfynltdfiem ©ffeft, wie bas erfte SJtol. SBerben bie Jafern 

unterbrodjen, burdfjfdfonitten ober gequetfdjjt, — fönnen fie nidfjt meljr 

bie SBelle leiten, fo gibt es feine SBatyme^mung oon aufcen. 3lber 

oon innen f>er fönnen nodf) Silber ins 33ewufjtfein treten. ©er @r= 

blinbete, befonbers ber geiftig regfame, in fpäteren ^atjren ©rbftnbete, 

jtefjt im Xraum unb lieft. $as beweifet, bafe bie 33a^n aus ber 

£trnjette jum 2}ewufetfeinSorgan eine anbre ift, als bie jum ©nbs 

apparat ber Sinne, ©in SewufetfeiuSorgan f)at fidf) nidfjt auffinben 

laffen, unb es bleibt ungewiß, ob es eyifiiert, ob es etwa ein fernerer 

Äörper fein faun, ober nur etwa ein Sammelpunft oon ifteroenreijen, 

ber einem Srennpunfte oon Sidfjtftraljleu ju oergleid&en fein fönnte. 

©ine wiebertyolbare ©rfaljrung fpridf)t bagegen. 3e meljr eine 2Bafyr= 

ne^mung befprodfjeu wirb, umfomefyr bleibt fie im ©ebäcbtnis. ,$ebe 

SBiebererinnerung prägt fie fefter ein, unb um fo leidster läfct fie fidb 

fpäter jurüdfrufen. £as lagt fidb ntd&t anbers ocrftefjen, als bureb «wattetiffe 

einen SRücfftofc oon bem problematifd&en Setoufetfeinsorgan ju ber ©e= «wal^rin 11 

bäd)tniSjeHe ; bie bariu oerbliebene Spur oon bem urfprünglid&en f *? ß an. ine " 

eintritt bes Sinneseinbrucfs wirb aufgefrifdfjt. ©ine berartige 9te s 

oerberation ift aber erfaljrungsmäfng nidf)t möglich oon einem Sammele 

punft, 33rennpunft, oon bloßen 2letf)erwellen. SReperfutierenb jinb 

immer nur bie Dberfläd&en wägbarer Aiörper, unb ein fold&er fönnte 

Ijppotyetifdf) für bas öewufjtfeinsorgan angenommen werben, bis man 

bas Crgan einft in Realität wirb nad^ju weifen oermögen. ®iefes 



— 164 — 

Crgan bttrftc nur von febr geringem Umfange fein, ba e* gleicbjeitig 

fo wenig ©inbrüde auf jufaffen vermag, unb fobalb ein ©inbrud »or- 

roaltet, ber anbre fid; abfdfw>ädf)t. ©leicftjeitig finb aber bodj Der- 

f (biebene ©inbrüde barin Dorbanben, nur oerfd&iebener ^ntenjttät. 

®ie älteren werben fdjjioädier bis jum 2Jerfdfjtmnben unb bie frifdben 

Derbrängen bie früheren. 2ßie für ba$ Stuge baö fernere Heiner unb 

aiciftjeitififf fchroäcber erfdjeint, unb baburdf) eine äbfdfjäfcung ber ©ntfernung mög= 

Ät>flfftW ®p"«n lieb wirb, fo ift baö gleid&jeitige 33orf)anbenfein abgeftufter ©puren 

*jumeRen." ein Mittel, bie 3 e ^ ä u weffen. £at man j. 33., anberroeitig be= 

febäftigt, eine £urmubr fcblageu gehört, ofyne ju jaulen, unmittelbar 

Ijintcrbrein münfebt man aber ju miffen, mie Diel eß gef drfagen, fo 

gelingt cd nodjmalö ben ganjen Sdfjlagaft im Semufttfein ju rufen. 

£enu bie Spur im Setoufetfeinöorgan jebe* Dor^erge^enben Sd&lages 

unterfdjeibet fid) Dom folgenben burdj eine geringere 3>eutüd)f eit ; man 

jäljlt in ber Erinnerung bie Stufen ber £eutlid)feit. SBenn nun in 

biefer Söcifc um ben geringen Siaum bed SetDufetfeinöorganö bie 

Dielen in ben Steroenjcllcn Derbliebenen Spuren früherer ©inbrüde 

uocttftwit b«t fid) jum SiMebereintrttt ober jur 95Meberberül)rung brängen unb bie 

^puttn. fräftigeren ben Sieg baDontragen, fo müßte man ein djaotifdjeä ©e- 

menge dou ©inbrüden erwarten, fobalb dou außerhalb in bas SierDen- 

fi)ftem beä Ctganiamuft nidbt etroas t)in$utommt, maä bie alten Spuren 

Döllig auälöfcbt. $m DoDftänbigen Scblaf ift ber %aU gegeben, ba 

«ftufunb2raum. von auften niebtd binjufommt. So lange ber Sd)(af unDoHjfänbig 

ift, mifcbeu fid) noeb SSabrnebmungen ober ^Duftonen, bie dou frifebeu 
ftetjen ausgeben, ben ^bantaömen bei; ©ebanfen fnupfen ftdj ^alb 
an Realitäten, balb an ^Uuftonen unb ^bantaömen, unb es entftebt 
ein Aaotifdbeö Weroebe dou SJorfteHungen. Ter Sdjfaf bwterläfit 
bann ein unermüdliche* Wefiibl; eö ift ein fogenannter fdjtocrer 
Sd)laf. V V Dollftänbiger bagegen ber Scbtaf, um fo Doflfommener 
wirb au<b bie Traumbegebenbeit. SRit faum Derflänblid^er /vertigleit 
unb Scbnelligfeit Denocbt bie ^bantane be* Xieffdjläfera alle SfiMebei^ 
crinnerungen unb ^Uujtonen in t>a\ rounberbarften Kombinationen *u 
Wefdjebniifen, Silbern unb £anblungen, bie eine, wenn aud) oft ab= 
geriffenc evolgenreibe barfteüen, ftflef weife anfebeinenb taufal oer; 
fnttpft. ^Mangelhaft bleiben bieie Wahrnehmungen, weil bie Sßban- 
tatmcn mein einzig unb "allein Geliebte unb ßeböreinbriide roieber- 
fpiegeln, Ter Saftfinn fehlt befonberö, \\n\> ohne ihn ift bie Tcnajität 
ber neuen Kombinationen im Qebäditniö eine febr geringe. Sei 
einigen nieberen Tieren, beionberö bei ben mit nuinöerbaren ^nftinften 
UWtinft = ererbte ©riahnuni&nuireiO aii&tcriiitcten ^nfeften, imift 



— 165 — 

bie TenajtÄt beä Sleroenf pftemö eine grofte fein , bie Äapajität für $« Mtinntinm 
neue Grfal>rungen bagegen eine geringe, Von ben Ijgpnotifd&en <&Zlubu 
Schläfern toiffen wir, baft fic von iljren ^antadmen unb ^llufionen Äöp Ä t tüdr neuc 
in ber Siegel beim @m>adf)en nidju toiffen, — unb ebenfo fleljt es »ergefienbec 
mit ben Tieffcfyläfern. 9iur wenigen 2Renfdben, bie beim (Srtoadfjen ^ESm *« 
fogleidf) iljre 3iücferinnerung baju anftreugen muffen, gelingt es, oon bcm *J3[* ttTnc 
Den Träumen beß erquicfenbften Stijlafed ettoaö in Erinnerung nad) ^ notiflerten - 
Dem ©rtoadjen ju behalten. Sie toiffen, ba& gerabe Träume, bie 
Silber mit foldfoer Sidfjerljeit oorffiljren, bafe man toäfyrenb beö Schlaf* 
iljre Realität gar nidjt bejtoeifeln fann, ben erquicfenbften Sdblaf be- xie le&cnbiaften 
gleiten, — ober, wenn nic^t fogleic^ toiebererjäljlt ober niebergefefrrieben, ben fi "™uÄmöftm 
in einer falben Stunbe oergeffen toerben. 9hm fragt es fi<$, roo sw " 
fommt bie gleidjfam bramatifdf)e Bearbeitung ber Traumbtlber unb 
Traumbegebenfjeiten I>er? ©in Verantroortlid()feitögefü{)l bafür Ijat ber 
Träumer nidfjt, für bie geträumte äufjemoeft nidjt in l)öf)erem örabe, eomoM bie 
als für baö, toaö in ber loirfüdjen SBelt tfjm ofyne fein 3 u * 1) u n ^Se^iÄtu' 
erfdjetnt unb gefd)iet}t. #n beiben fällen unterfdjeibet er genau bie ^»"ewn^ort" 
eigenen £anblungen, f}tnfidf)tlid& biefer allein füfjlt er 9ieue ober 3 U; 
friebenfyeit. Tte geträumte Slufeentoelt ift ba^er ebenfotoemg ein ^3ro= 
buft feines oeranttoortltd&en 3d)d, toie bie toirflid&e 2lu&enn>elt. 9lidf)t 
bas Selbft \)<\t alfo bie bramatifd&e Verarbeitung ber Sßfyantaömen 
gemaeftt, fonbern fie ift bem Träumer a\\$ ber organifd)en Struftur 
fo geliefert, baft er fie anberö nidjt madjen fonnte. 3)ie faufalen 
Verfnüpfungen, um biefe ßauptfeite als entfdfjeibenbeö Seifptel f)er= 
oorjufjeben, werben itjtn geliefert buref) bie nrieberfyolte ftetige 6r= 
faftrung ber lüdfenlofen Slufeinanberfofge jtoeier (Srfdjeinungen. Sie 
tüdjt faufale 2lufeinanberfolge jtoeier Vorgänge ift nidf)t 51t präfumieren. 
Soweit möglidb, präfentieren fidf) bie Spuren, bie auö ben 3eß*n an 
Das 33erou&tfeinsorgan bringen, wie burdd ein Äafeiboffop georbnet; 
aber wegen ifjrer iDisparität reifet bie Äaufafreifje immer wieber balb 
ab. Xemnadfj muf* man ftdf) um baö Vewufetfeinöorgan eine #ülle 
beuten, bie als ttaufalfafeiboffop wirft. 

29. Sept. — tfant bewies, bafc 5Haum unb 3 ci * ^ C " IC ^* r; .««»«ant» 
fafjrungöbegrtffe finb, fonbern Vorbebtngungen aller Erfahrung. 9ttd)t ftenun fl <n fouintm 
Hant, aber anbre folgerten barauö bie 3bealität aller Singe, unb a V«titat an« le 
trofc melfad&en Semüfjenö gelang eö ftant nidfjt, biefer Jtonfequenj, Xtnfle 
bie i^m abfurb fc^ien, 311 wehren. 3lber id^ benfe, eö fommt anbers 
^erauö, menn man oon ber 3lpriorität beö ftaumeft unb ber S^ 
ftatt uorroärtö, rüdfmärtö fc^Iiefeen roollte. Xa Staunt unb 3*it bem 
Subjeft oor aller (Srfa^rung beimo^nett, fo muß eö felbft raumjeit= 



— 166 — 

üdfj fein, b. f). ein SBorgang ber Bewegung, bie allein raumjeitlidb 
w4taiifMc fein fann. 9Ud&t auf bie Qbealität ber Stuftenroelt, fonbem auf bie 
WitMotu, SRealität ber 2>enfberoegung ginge ber ©<$lu&. SBeif in ber <2ub= 

»cQmäTbCT^enf. ftanj, bie jene merfnriirbige (Sigenfdjaft fyat, iljre eigenen SSeroegungen 
man fl "d5?iefe°en. e ju t>erfpüren unb ju beeinfhiffen, 5Raum unb ^ext a priori fidf) finben, 
fo finb fte objeftio barin, — b. f). es finb reale 33eroegungen, bie 
alö ©mpfinbungen , ate SBiUe, als 3)enfen t>on ber merfroürbigen 
©ubftanj iJ^re fubjeftfoe ©eite fjerüorfeljren. «3ft $)enfen real eine 
SJeroegung, fo ift es anbers als jeiträutnltdf) überhaupt nidfjt mog- 
ltd), — roas Stant beroiefeu Ijat. STann ift aber audf) baä ®enfen 
gebunben an ein Gtu>as, bas ben 9taum erfüllt, aber nidjt SRaum 
ift, b. Ij. an etwas ©toffltd&es. ®ann roofint iljm aber auü) bie 
Eaufalitätsfategorie a priori bei. Denn jebe Seroegung §at eine, 

«uufecre unb tnnew t>on fidf) felbft aus ntdfjt oeränberlidfje 9?idjtung. 3ft nun eine SBer^ 
(©inen.)' änberung ber 9ftd)tung in ben, bem ©rfennen ju ©runbe liegenben 
93eioegungen jur @mpfinbung gekommen, fo ift es aus ber ©innrirfung 
einer roirfenben Urfadfje, — fei es eine frembe ober ber eigene SBitte. 
2)er SBitte ift jToar in ber 3*it nidf)t frei, aber ba bie ©renje jmifd&cn 
früher unb fünftig feine 3 e *t ift, fo ift bie greityeit möglidfo nur 
in ber ©egenroart*) unb nur in bem SKafie, als bie Vergangen- 
fjeit eine nidbt üottftänbig jureid&enbe Steige t>on Urfadfjen enthält. 
•Mamentlidf) bie innerliche 3 u ftitnmung lögt ftcft burdf) feine 3?or= 
bebingung ober ©ercatt feftlegen. 



9iad)toirfunß 
£elcarteö\ 



Xai 3$. 



16. 5Wod. — Gs ift md£)t leidet, ftdf) gen>iffen SRad&imrfungen 2>eS; 
cartes* 3U entjie^en. 35ie Unterfucfjung, ob bas 3dj e i" ©ebanfe ift 
ober ein ©toff, fommt nid&t ju einem oottgüttigen äbfdfjlufc. 3rocifeln 
of)ne 3$, ba es ein ©enfen, lägt fidf) niefit benfen. Stöer wenn bas 
£enfen (SBoffen, ©mpfinben ebenfo) ju @nbe, ift audf) bas 3d& 5" 
@nbe. 3)ie Paläontologie fütjrt uns einen 3 u f ta «^ *> or / TO0 eö ^ ne 
^d&S auf ßrben gegeben fjat. ®as $ä) fann nidjjt felbft ein ©ebanfe 
fein, ba es bie ©ebanfen erft fyeroorbringt. Silber ein Drgan fann 
es fein, unb jroar ein Organ, bas ftdf) bilbet unb nrieber üergefjt, 511= 
fammengefefct aus vielen 9iert)enjellen, bie burd^ Seitungen uerbunben 
finb, unb i^re Hebungen aufeinanber übertragen unb alle emppnben. 
^ie 9u§enioe(t bilbet ftd^ ab in ben 9Jinben3effen beö ©eljims unb 
an bem inneren Gnbe ber Seitungen; innerlid^ im ©efjirn fomntt 



*) X'xe fol^lic^ feine 3eit ift. 



— 167 — 

baa entfpred&enbe Sd&gefüfjl ju ftanbc unb fliegt ju einer (Sin^eit 
jiufammen, wegen feiner ©letdfjartigfeit. 

21. 3too. — Dem 3Raterialismus jufüljrenbe ©ebanfen ju rem- 2an e» wm* 
bieren, Ijabe i<$ mtdf) an eine erneute Seftüre bes 2. 33b. ber @e= «wattriansmus. 
föid&te bes 3Raterialtämuä pon Sänge 2. 2tufl. 1877 gemalt. SßaS 
bafelbft unter II., 2. 3bt. 2. Sudf), über Stoff unb Äraft gefagt ift, 
brängt mir bie 3*age auf, was eigentlich bas in bas Unenblidfje %t\h n»a» ip bas in» 
bare ift, wenn man 9taum unb ©toff unterf Reibet. ®er von allen llnm ^ fl f f < ? Xei1 ' 
empirifdfjen 3ufäfcen. bereinigte SRaum fennt gar feine ©renken, weber 
peripljerifdfje, nodfj im ärmeren, alle ©renjen ftnb ätöftrafta t>on bem, 
was als eine Ausfüllung, als ein 8ewegli<f>eS im 9taum twrgeftellt 
wirb. SMefe ©renjen, frei von allen nidfjt räumlid&en ^Relationen, 
lajfen ftdf) in ben reinen SRaum überall fnneinoerfefeen, unb bie t>on 
iljnen begrenjten £ofylräume laffen ftdf) in ber ßinbtlbungsfraft jer= 
teilen, ofjne jemals ju einem fo fleinen Ztil ju führen, ber nic^t noef) 
Heiner gebaut werben fönnte. ®ie fubmetapftyftfdfjen £of)lräume finb 
ins Unenbltdfje teilbar, — wäre ber präjtfe Dberfafc. 2)er 9Wittel= 
fafc müßte feigen: ein Äörper erfüllt einen metf)apl)9ftfdf>en iQüfyh 
räum, — bamit ber ©dfjluß auf Xeübarfeit in infinitum für ben 
Äörper fidf) jietyen ließe. 2)er SDlittelfafc ift aber unwahr, ba ber 
Äörper befjnbar, ber 9taum felbft aber ftarr ift. 2Baf>r ift bagegen, 
baß es notwenbig eine ©renje gibt für bie ©igenfd^aften ober Äräfte 
bes Äörpers. 3»ebe unter biefe ©renje geratenbe Teilung liebt bie 
Sebingungen ber ©jiftenj für ben Äörper auf; — ob idf) iljn als 
Vibration einer bloßen ^otenj, ober als SKtomenfornpley benfe, — 
bie ßrcteilung barf> niebt Heiner fein enttoeber als bie SSibrationö^ 
weite, ober als bas 3ltom. — ttebriqens qebört bie Seilbarfeit ins $>u %< maxun m 
Unenblidjje nidfjt in bie Sinnenwelt unb Ijat feinen 3lnfprudf) auf tÄ^tu™ 
transfubjeftioe SRealität. 

14. 3)ej. — SBergleidfjbar fönnte bas ©eiftesorgan einer 3Solta~ »er ft uid) bcö 
fd>en Säule in biefer 33e3ief)ung fein, baß an bem einen $ol bie etnlrjBou^eTi 1 * 
Außenwelt, an bem anbern bas entfpred&enbe Qdfj entfielt, $n ber 
£tjat gibt es bann eine fontimuerlidfje Steige oon ^d6s, bie für eine 
©in^eit gehalten werben wegen ifjrer ©lei^eit. ©benfo wie eine 
Äafce, bie id& jweimal fefje, nidfjt jwei Sia^tn ftnb, fo ift au<$ bas 
3$ basfelbe, obfdfjon ein fontinuierlidf) ftießenbes Sßrobuft besfelben 
Organs. Äeine SSorftetlung ift möglid^ o^ne Seigefellung bes 3^ 
ob biefes nun in berfelben &üe fid& t)oH$ief)t, in weld&er bas 9li(ftt= 
3^ pdf) einprägt, ober in einer bamit burdf) Seitung oerbunbenen oer= 
fdfiiebenen 3 e K e - ® aö Sfeibenbe wäre ein ^nftrnment (fonftant in 



— 168 — 

$orm, wedfifelnb in Stoff), baö ba benft, foroofyl baö Siic^t-^ ate 
baö 3d(). Seibcrlei SorfteHungen finb gleidfjjeüig, unjertrennluf). 3* 
ift nidf)t mefyr Subftanj alö 91id)t<$d(), baö Xranöfubjefttoe wäre 
immer mir benmßtfofer Stoff. 

16. 3)ej. — 3 ur Stanfum meiner 2tuffaffungen von Seift unb 
Stoff u. f. to. laö idb wieber burdf): 1. ben jmeiten Sanb aon Sangen 
©efdf)idf)te beö 2Waterialiömuö unb 2. ^ofyanneö Solfelt: ©rfafyrung 
unb Senfen, fritifdjje ©runblegung ber ertenntniöt^eorie. Ad. 1. 
2Ran bref)t ftdf) oergebenö. 9iur @rf Meinungen, unb baö roaö 
ba^inter ftedft, muß anberö fein, als ber 9Renfdj begreift. Senn bie 
@rfdf>einungen laufen fjinauö auf ein Sein üott Söiberfprüdfjen unb 
Unmöglid&feit. 9Udf)tö bkibt übrig, alö fic^ in eine ^bealmelt ju 
flüchten, wie Scfjiller fie in bem Sieidf) ber $beale barlegt. Sa* 
SBefen ift teerer Xrug unb bie gorm ift l>a« Sleibenbe. Sie 2Birf= 
lidf)feit muß jur Sßoefie oerflüdf)tigt werben. Sonft bleibt feine ftet- 
»oircitÄ tunq oor bem Sophiömuö. Ad. 2. Gö finben fidb im Sewußtfein 
ift bebeutenb. ©ewißfyeitdpnnjipe, bie tranöiubjeftioe Sebeutung forbern unb baran 
ju glauben nötigen; fonft mären roeber üRebenmenfdjjen nodf) Singe 
in ber 2Belt anjuuefjmen. Sie finnlidfje Söafyrnetjmung gibt bie An- 
regung, bie ©runblage, ben Stoff jum ©rfennen, aber bie togifdie 
Senfnotwenbigfeit oollenbet erft baö ©rfennen beö £ranöfubjeftit>en. — 
Sie SWettjobe, biefe Serfidjerungen barjutfyun, ift aber nidfjt baö ge= 
wöfjnlid&e Seweifen. @ö werben in ben Sewußtfeinöaften biefe ^ro* 
jeffe aufgewiefen. 3$ fttät bodb, baß bie Solfeltfdfje Sdbrift febr 
gut unb bebeutenb ift unb triele meiner 2lufid)ten berichtigt. Sdjon baö fprid&t 
bafür, baß fie fo gut paßt, um für ben Sgftematifer ärt unb ©attung 
ju unterf Reiben. 2lnfdf)auungen, Silber geben nur ^nbioibueu. gür 
bie SBiffenfd&aft ift aber nötig barauö Segriffe, beftimmt getrennte, 
ju bilben. 9lrt ift nun, müßte Solfelt fagen, wenn er praftifdjer 
Stjfiematifer märe, berjenige Segriff einer Sieljafjl non ^nbioibuen, 
ber fidf) fogifdf) nidjt weiter in getrennte Segriffe jerlegen läßt. Safe 
eö eine foldfje ©renje für bie SetUgunß gibt, ift empirifdd, burd^ 3^ 
buftion, ju ermitteln. 

•Wadf) Solfelt finb bie Äennjeidfjen , bie ity S. 158 für ba* 
Xranöfubjefttoe angegeben Ijabe, anberö ju gruppieren. Sie SBirf- 
lid()feit ift erfennbar burdf) bie geiftigen Kategorien, bie ooHftänbig im* 
erfaßbar finb unb in ber Drganifation beö Unbewußten begrünbet 
soifcit« fein muffen, ba fie im Semußtfein a priori auftreten, ©ö gibt fed&ö 
fold^e ^orberungen (Kategorien), bie baö Seilten ju ber (Erfahrung 
l)injubringt, um eine 2Birflid|feit ju ftanbe ju bringen: 1. 9tofc 



— 169 — 

wenbigfeit. 2. 21Hgemeingttltigfeit. 3. Allgemeinheit. 4. Kontinuität. 
5. Kaufalität. 6. ©efefcmäfcigfeit. 2>aö finb bie Denfforberungen, 
um SBirflid&feit ju erfennen. Die 2i>al)rnel)mungöforberungen finb 
tum mir früher angegeben. 1. Sleibenbe folgen im SBafjrnefimungös 
gebiete; 2. ©reifbarfeit ; 3. gleid&mäfciger ©rfolg bei äBieberfjolung. 

2Benn man fiefy beobachtet beim Uebergange aud ber 2Belt beö »ertoirrun fl jener 
2öadfjen3 in ben Sd&laf unb in bie Traumwelt, fo wirb man be* uebSSanoausbem 
werfen, wie in ben ©ebanfen unb aSorftettungen gerabe bie 2luf' a ii\a\. tn 
faffung ber genannten Kategorien wirr wirb, fobalb bie frifdjen 
Sinneöeinbrüde aufhören baö 3Katerial baju ju liefern. @s fdbweben 
Sleprobuftionen in ben Derfd^iebenften Reihenfolgen unb Kombinationen 
bem ©eifte oor. Die Öewufctfeinöuorgänge werben regellos bie Kaufais 
reiben unterbrochen, bie 3bentität beä ©elbft fogar unbeftänbig. Etyne 
frifefce 3 u f u r wn ©inbrüden, mit blofjen 9iemintecenjen permag baö 
Denfen eine trausfubjefttoe 2Belt gar nidfjt feft ju galten. SSolfelt fd&äfct 
niebt feiner ganjen 33ebeutung nad) bie 2lbl)äugtgfeit beö Denfenö uon ©oiteit unieri^Ht 
ber jinnlid&en SBafjrneljmung. Die Kategorien bes Denfenö finb fxd&er «WÄelt bc" 
nur bei ©reifbarfeit, SBieberfyolbarfeit, ^erfiftenj ber wahrnehmbaren Kusemocit. 
folgen, ©ibt man bem Denfen aud& bie (Erinnerungen aller früheren 
2Bat>rnefymungen , bie fidfj ja au<f) auf Dranöfubjefttoeö urfprüngltdf) 
grünbeten, fo fet>tt tynen bie 9totwenbigfett beftimmter SBerfnüpfungen. 
C?ö entfielen abenteuerliche Kombinationen unb lüdenf)afte $olgeretfyen. 
3Rögcn bie Kategorien nidrt ber Sßafjrnefjmung angehören, fonbern 
bem Renten, fobalb fie fid) nidfjt an frifdfoe SBaljrne^mungen ^eften 
fönneu, bringen fie eö ju feinem orbentlidfjen ftortfdjritt. 

24. Dej. — Das 34 muft wäfyrenb bes Sebenö fontinuierlid) &ai 3$ mu& ü* 
fein. Die ^bentität aller tym jugänglidfjen ©rinnerungßbilber fönnen al \S!i$Xn tl1 * 
es oon ber eigenen 3bentität nid)t überjeugen, wenn es feine früheren 
Ginbrflcfe verloren f)at unb nidfjt Dergleichen fann. 3ft bie Kontinuität 
bes 3df)ö audf) nur bei einer einzigen, fidf) fogar oerfd^iebenben unb 
üerwedfjf elnben , ober einförmig fidf) uuauögefefct wieberfjolenben (5r= 
innerungöoorfteUung oerblieben, Ijängenb wie an einem bünnen gaben, 
fann fie fid^ oljne Sd^mierigfett wieber über ifjr ganjes, alteä ©ebiet 
ausbreiten. Daö 3dfj brauet nidjt als Subftanj fortjubeftefjen, wenn 
es nur in ber Subftanj alö Segleitüorftellung fortbeftef)t. %n Dtyu 
mad^t, in ©djlaf, Set^argie mufe bafyer SSorftellung, wenn audf) bürf= 
tigfter 9lrt, ganj ö^ne fpätcre (Erinnerung, angenommen werben, aufjer 
in fällen, wo in ber Xljat baö 34 »erloren gegangen*); in fällen, 



*) 3«n Swflnn. 



— 170 — 

wo eö baö neue 3$ raieber oerbrängt fyaben foff, b. f). abroedfjfelnb 
jroet <3^ö fid^ abgelöft tyaben, mufe eö übertäubt gemefen fein non 
einem anbern 3<l)! Gfine befonbere Stelle ift nid&t erf orberlid) ; — 
ein (Spftem oerbunbener ftetten auö *> cr munberbaren SWaterie unb 
Struftur, bie ba& eigene Sehen empfinbet, teiftet biefelben SMenfte. 

31. 3>cj. — ÜKein Sdfjriftfletterjubifäum, boö oon bem Sßetersb 
geol. Somite, angeregt t)on bem Äfabemtfer gtfebridf) ©dfmtibt, aus- 
gegangen ift, Ijat eine oon mir gar nidfrt geahnte Stu&befjnung ge^ 
nommen. Ueberrafdf)enb ift mir in fyotym ©rabe ber Erfolg gemefen, 
ein nationaler, — ba nüdfj fämtlid&e Unioerjttäten be$ SReidfjä burd) 
feierliche 3 u f^f^ cn beehrt fyaben, — unb ein internationaler, — ha 
midfj bie Serl. pfjüof. Pfafiiltät burdf) eine intyaltoolle 3ufd>rift begrüßt, 
unb bie geolog. ©efettfdfjaft von Jranfreidf) unb oon ©nglanb gleid&fatts 
u. f. m. u. f. ro. Aber ju toeit hinter mir Hegt meine toiffenfdf)aft= 
üdfje S^ätigfeit. 3<$ Wn ber einjig überfebenbe @rbe beö 35erbtenfteö, 
baö bem großen äBerf über bie ©eognofte 9tufjlanbft beigelegt toerben 
fann, ba 9Wurdfjifon unb SBerneuü fd&on fange batjin ftnb. Aber ein 
Derftorbener ©eognoft bin idf) ja felbft unb bemerfe, bafj ben Ver- 
dorbenen ber nriffenfdfjaftlid)e G^rgeij oerlä&t. 



1. äug. 1887. — ©afton öoifjier in ber Revue des deux Mondes 
1. Aoüt: r FEdit de Milan et les premiers essais de tolerance." 
Tie berrfdbenbe rationalifHfdfje SSorauäfefcung, bafe mit bem (Hjrijtentum 
bie Xoleranj unter bie SWcnfd&en gefommen roare, in SBiberfprudj mit 
ber $iftorie, wirb l)ier bureb einige bemerfenöroerte Eitate ju ftfifeen 
»erfuebt. Tertuttian bat gefagt: non est religionis religionem cogere 
u. f. m., unb Sactanj: Sie <veinbe feiner 9tefigion toten ift ntd&t fte 

oerteibigen, — ©laubt ibr ber Sad&e ber SRelu 

gion ju bienen, roenn ibr in ibrem tarnen 9lut uergiefet, bie Torturen 
oermebrt, fo irrt ibr: „}Jid)tä muß mit größerer gfreinriffigfeit am 
geeignet werben, als eben bie Religion," — aber es gefyt nidjt anberö, 
aud) ^oiffier muü betonen, bafc 2luguftin, mit feinem cogere intrare 
ber unbeifooflfte Spifcfübrer geworben ift ber SReligionfcoerfolgungen 
aller fommenben ^abrbunberte. £er ©runbfebler bei ber rationa* 



— 171 — 

liftifd&en £olcranjlef>re ift, bajj fic t>on jebcr grünblicijen Erörterung 
über bas, roas eigentlich bic £oleran3 fein fann unb roas fic geroefen 
ift, abfielt. Soiffier namentlich Derroedtfelt Mgemeinfjeit unb ®ulbung. 
35as GJjriftentum , als eroige Sßa^rfjeit, beanfprudf)te Allgemeinheit, 
toie ber 4><*uptfacf>e nat$ ber 3RofaismuS unb ber 2)ioI)ammebaniämuS. 
Nationale ©renjen, — bie Sdfjeiberoanb greiften ©rieben unb ^uben, 
mit ^aufus ju fpredfjen, — faden. äffen SKenfdfjen, otyne Unterfdfjieb 
von Staat unb Nationalität, fott bie eroige 2Baf)rf)eit ju Xeil roerben; 
roetben ©Itern roiberroiffig gejroungen, ifire Äinber fönnen burdf) @e~ 
rootynfjeit fanatijtert roerben; fo urteilt, roer bie ©eroalt in $änben 
Ijat; es ifi Unroatyrfyeit, ju behaupten, bafc er falfdf) urteilt. ßfias, 
als er bie Saalspriefter erroürgte, — Samuel, als er ben Stönig 
Saul befeinbete, roeit er bie befiegten SBiberfacljer nidit fdf)lad(jtete, — 
©sra, als er bie gemifdf)ten (Sf)en fprengte, ftnb bie (Stempel bes 
Sllten £eftaments, an bie ju benfen ift, xvtnn man bie £oleran$= 
frage bes £ebräen>olfs unterfud&t. ^irmicius 9J?aternus, in feinen 
Ermahnungen an bie Söljne ftonftantins b. ©r., trifft richtig ben 
biblifdjen ©eift, roenn er citiert: sacrificans diis, eradicabitur. — 
SBo ift benn in ben Sdfjriften bes 9leuen Seftaments in SBiberfprudfj 
mit ber aftbiblifdjen 5fttdf)tung bie £oleranj gelehrt? 2öefdf)en ©eift 
atmet benn bie ältefte, uns aufbehaltene djriftlidbe Sd&rift, bie Dffen= 
barung? Stammt fte ja aus ben Greifen ber 3*foten. Unb bann 
folgt Paulus mit feinem ftorintf) I. 5, 3. $ä) . . . fiabe . . . ge= 
urteilt ... 5, 5 fofdfj einen bem Satan $u übergeben, jum Sßerberben 
bes ^letfd&es, bamit ber ©eift gerettet roerbe am £age bes £errn 
3efu . . . unb uorljer 3, 13 ... bas $euer roirb erproben, roie eines 
jeben 2Berf bef Raffen ift . . . 3, 15 ... er foff errettet roerben, inbes 
fo roie burdfj bas geuer." . . . SJlag ber Sinn biefer Stellen bunfel 
fein, anbers gebeutet roerben fönnen, aber es ift bltnbe ^Sarteilid&feit, 
— es ift ein jeber 6infidf)t t>erfd)(offeneS SBorurteil, — ju beftreiten, 
bafc biefe Steffen benufct roerben fönnen um bie Scheiterhaufen ber 
3nquifxtion unb ber Deformation 311 rechtfertigen. ®as 3"tentum 
l)at bie 3ntoleran3 erfunben unb bas Gf)riftentum f)at fie weit untrer 
in bie 5Belt gebraut. 3?ur um 311 befef)ren, fanu man bie Sarnu 
tyerjigfeit bes Samariters rühmen, man fann einem ungläubigen 
SSeibe von ben SBaffern bes eroigen Sebens fpred&en. 3lber roas be= 
weifen biefe SBorgänge gegenüber ben Dielen Stellen ber ©üangelien, 
bie pon ber SBernidjtung unb von ber Rettung buref) Verlieren von 
Öliebern, von bem ißinausftofjen in bic ^infternis, roo beulen unb 
3äf)nef lappern , fyanbeln, ober gar roie III. ©0. 14, 26 fagen, baft 



— 172 — 

ber wafjre 3imfler • Steter, 3Kutter, 2öeib unb Ähxb unb eigenes iitben 
Raffen muft? — Unb wo enblfö in 5 e f* uö b aö liodjgebilbete Römcr^ 
tum jufammentrifft mit bem, oon bem intoleranten 3ubentum bis 
aufs Slut ©erfolgten SßauluS? 9tuf weföer Seite fxnbct jtdb Die 
Xoleranj? (äp.söefö. 26.) — £ie Folgerung ift jutreffenber ber 
©eföföte gegenüber, bafc Religionskriege unb Religionsuerfolgungen 
ben monotfyetftiföen Religionen eyflufio angehörten. 2)ie lofalen Reli- 
gionen fallen in ben rcligiöfen Riten unb SBorfteffungen ein ©lement 
ber ftaatsbürgerlföen Drbnung; wer Staatsbürger nföt war, ben 
ging bas nidjts an. Qnner^alb bes Staats fonnte bie Äonhirrenj 
eines anbren Ritus nadfjteiltg föeinen, aujjerljalb bes Staatsgebietes 
war fie o^ne Sebeutung. 3?ie (ofalen Religionen fonnten bie Staate 
proteftion f orbern, aber aus ber Religion ein fyierarrfnföes Sßelfc 
monopol ju madfjen, — baran 311 benfen oerbot gerabe bie nationale 
Sdfjeibewanb. 

Üßie unb roann ift £oleranj wirflieb unter ben 9)tenföen mög- 
Ifö? 3$ wage nföt bie grage ju beantworten. 35ie Sßfjilofopfiien 
fangen immer oon oorn an, wie oft bie eine ober anbre yefjre auch 
geglaubt f)at, bei ber unabänber liefen SBaljrijeit angelangt ju fein 
unb bas lefcte 2Bort gefprodfjen ju fjaben. ©benfo ift es ben Religionen 
ergangen, unb aus jeber Reform ergeben ffö neue Seften unb $er* 
jweigungen ber alten Religionsgemeinföaften. 2tuf beiben ©ebieten, 
fo oiel föeint ffar, ift bie ewige Söafjr^eit, bie unoeränberKdj fein 
muft wie eine matljematiföe Grfenntnis, unmöglich; — aud) 3te 
obadjtung, bie eine uuumftöfclföe ©runblage für bie weitere ©rfenntniö 
liefert, fowie bie ©rfafjrung in ben pf)t)fiföen SBiffenföaften, ift un- 
möglich, ^b^°f°P^n unb Religionen, — ebenfo wie bas 3us, -— 
werben woljl immer opportuniftifdf) bleiben; b. f). angepaßt ber 
oeränberlföen ©ntwidelungSptjafe ber 9Renföengemeinföaft, barin fie 
entfielen. Cpportuniftifd), oor allem, ift aber bie £oleran.v 
ÜDian erfööpft bie Äräfte unb 3Rittel in ben kämpfen bes gtanattemus, 
unb bie Xoleranj entfielt blofe als eine Rot! Db fie eine Xugenb 
ift, bleibt ungewiß, ©ine abminiftratioe Drbnung wirb trielleidjt bei 
aller greifjeit ber i^eljre beizubehalten fein, wenn aud) mit mehr 
Schonung unb Söeisfjeit als bisher. . . . 35er SfeptijiSmus muß felbft 
intolerant werben, um bie unbulbfamen Religionen $u beugen; — 
benn er allein ift bie tjiftorifö bewährte, anföeinenb ewige SBabr- 
fjeit. Statt Sfeptijismus ift es melleföt genauer oon Slgnofis ju 
fpred&en. 



— 173 — 

19. Sept. 1888*). — Xrofc bcr 2lusfid)tölofigfeit follcn wir auf 
km Sanbtage nod) beraten unb befd) Heften. 3>icl fommt babei nid)t 
Ijerauö, aber, eö rauften nocfy bie Säume, oon benen ber £erbftnrinb 
bie ölätter t>ern>el)t. lieber einige fünfte Ijabe id) tjorjugöroeife na<fc 
gefonnen. 3 U Mefen gehört bie religtöfe Soleranj. <£s ift alles 
fdjon bageroefen, fagt Öen SCfiba, unb idf) glaube, juerft ber Sßrebiger 
calomo. Tagegen ^aben bie paläontologifdfjen Stubien ju bem, in 
ber Crfa^rung beffer begrünbeten ©egenfprudfj geführt. 9Ba6 einmal 
ba geroefen, fetyrt nie meljr roieber. 2ro$ SBoltaire unb beö 
(jro&en Jrifc, fdfjeütt bie meltroeife ober ftaateffuge religiöfe Xoleranj 
nur ein fdbroanfenbeä Seit über bie Äöpfe ber 2ttenfd&en fjtnroeg, unb 
bei aller Stnerfennung für bie genialen 3Weifter, bie unter bem öctfall 
ifjrer gri^genoffen barauf ju tanjen uerftanben, ifjre 3 e ü, färbte id), 
ift Dorbei. $>ad Sßenige, was idf) t>on bem Strom ber ©eifter in 
ber ©egenroart nod) n>at)rjunel)men permag, ift Diel meljr negatio ju 
ben ftunbamcnten bes Gljriftentumä, ate in irgenb einer früheren 3^t. 
3n ftranfreid) ftnb es nidjt bfoft bie Öeifter, — bie brutalen £f)at= 
fadjen fxnb es audf). 2Wafjbiö unb 2)ern>ifd)e töten unb laffen fid) 
töten in äfrifa, bei ben Öeftrebungen bort Äultur ju förbern. Tiefer 
Inpuö, ™ fwific^ immer anbren öeftaltungen, ift nidfjt auägeftorben, 
unb uralt. ©r nrirb fidfjerlid) aud) einmal ein 6nbe Ijaben, nad) 

melen 3af>rf>unberten , ^ cn ^ e *<$. 2l& er TO ^ Ergiebig ift bagegen bie 
Toleranj, bie ftd) meines 95Mffenö in ber ^eorie nid)t mal gut 
bat begrenjen unb befinieren laffen! ÜKber idf) felbft geljöre bennod) 
)u ben Ueberreften ifjrer Shtljänger unb freue mid) ber treffenben 
opportuniftifdfjen 33egrünbung, bie fie auf ben blättern, für beren 
3ufenbung id) banfe, gefunben f)at. 3 u f r ^ en ^ n *<& bamit, aber 
f)ojfnungdt>ott nicfjt. 

11. äpril 1889. — 9hir mer baö »rot ber Verfolgung, fei 
e* aud) nur in bilblid^em, geiftigem Sinne gefoftet, tann fidf) für mein 
Öemüljen, einen feften ©runb für bie Stiftung (Toleranj) ju finben, 
begeiftern, — bie 9Ref)rjaf)[ tjat aber bamit nidfjt mefjr, als etwa mit 
ben ganbfdjaften auf bem 9Wonbe ju f Raffen. 



*) Sud einem 33rief an ben Senator ®eorg oon 93repertt, HRitglieb bed 
3tei$dratd. 



— 174 - 



fttliaion (1888). 

11. $ebr. — £aa Qatjr l)abe id& mit langer ^Jaufc begonnen 

^eute t>or brei Safyxtn ftarb meine liebe J^u unb ift es einfamer 
in meinem Seben geworben, befonberö ift es ftiff in meinem &aufe. 
2tn greunblidfjfeiten unb Siebe fe^tt eö ja nid)t. 2Baö aber fefjlt, baö 
ift bie beftänbtge gürf orge, anbern baö Seben §u erleichtern, ftreube 
iljnen ju matten unb Sangeweif, Sorge iljnen ju minbern. Sefen, 
©d&reiben, £enfen, — oljne 3^/ nimmt bie leeren 3 c ^ cn - ^ er 
©elbftjwed Ijält ntd)t t>or, fobalb man nirfjt gleidfoeitig unb ausgiebig 
«iijQmwt. aJtittel fein fann für anbre. Entfernte ftinber, ^reunbe, gute Se= 
fannte, — mit benen füllt man nidfjt bie 3Kinuten unb Stunben. 
Begegnung, wie fyäufig fte audfj fein mag, Sriefweddfel, öef orgung, 
ift alles nur rudwetfe. @ö wirb füll unb fliller im Älter. Umfonft 
ift Ehrung, ber ©fjrgeij ift erlofdfjen. 3Kein $Iafc auf @rben ift mir 
gewiefen, wo idfj mein ©rab beftellt l)abe unb reo idb im Seben emfte 
i<flicf}ten l)abe. 

3n meinem 3llter ift man nidjt berechtigt überrafdjrt ju fein burd) 
ben eigenen £ob ober ben jeitgenöfftfd&er ^reunbe, aber befonberc 
Erfahrungen ^aben mid) baoon belehrt, bajs ber Xob für bad 3ltter 
als ber aufridfjtigfte greunb ju betrauten unb bafj bie 2Beisf>eit beä 
(fmigen gerabe aud) hierin ju erfennen ift. 3$ fü^le midj auf einem 
$3af)nf)of, auf bem idb in tumultuarifdjer ©efeHfdjaft anlangte; nun 
aber, ba ein 3 U 9 nac *) bem anbern bie meiften ©efäljrten abführte, 
ift eö öbe geworben, bie Siebter oerlöf dien, bie Sebienung oerjiebt 
fid), unb \6) warte auf ben tflingelfdblag, bei bem audb idb werbe ab- 
fahren tonnen. 

10. 9)Jai. — 'üMe 2Beltanfd)auungen bes 3Renfdjen finb oon $aufe 
aus autojeutrifdf), waren bis auf tf opernifus geojentrifd), würben bann 
beliojentrifd) bis ju ftant unb Saplace, unb finb feitbem bejentralifiert. 
Tit bejentralifiertc SBelt bringt eö ju feinem 3^ntralgott; — fiödrften* 
fann fie einen 3letl)ergott annehmen, ber überall oerbreitet ift unb 
ütetleidfit ibeutifd) ift mit bem ewigen unenblid&en 31et^er, bem xrager 
aller Äräfte. — 3lber ber ©Ott 2lbral)amS, war Schöpfer beö 3111*, 
— in ber SSüfte gebeizt ber 2)?onotf)eiSmus, — er fdfmf unb blieb. 
x« ücridjicbcn«! $ie inbifdbe ©ott^eit fdfjuf unb ^erteilte fid). Sie gried&ifd&en ©ötter 
Mtan!d}auu " ßW ' entfpradjen ber reidjen 3nf*hw(t; ft e waren jafjlreidb unb jeugten, 

liebten unb litten wie bie 3Jtenfdf)en. Unerwartet war, ba§ bae 



— 175 — 

Gljriftentum fo nriberftreitenbe SSorfteHungen, wie ben jübifdjen Stopfer unmtitcte 
unb ben ©rjeuger naä) SWenfdjenart, ju Derfdjmeljen oermodfjt l)at. <y*ri™n£w6. 
älber mit ber bejentralifierten Sßeltanfdjauung ift biefer SDhjtfjuS un= 
oerträglidj. 2Bir nrijfen genug oon ber Steifung ber Grbe ate 2Belt* 
förper, um fie nidfjt für ben einjigen ober ^auptfäcfylidjften ©egenftanb 
unioerfetter gfirforge ju galten, aber bte ftnblidfje erfte, autojentrifdje 
auf f affung wirb nie aufhören ! @in grofcer 5Ecil ber SWenfdjen werben 
fieb felbft ftetö ate bie 3«ttralfonne beä Unioerfumö anfeljen, unb ©Ott 
nur begreifen, ate ben SBeranftalter iljrer öegegniffe, wenn er audj 
mit anbern 2)ingen in 3Ku§eftunben ftd^ befdjäftigen mag. (Sine 
t)öd)ft gemütliche ^llufion, bie tyre 9tei}e fyaben fann unb i^re Hebend- 
«wringe ©mpfinbungöroeife ! 

21. 2Hai. — jftaAftyn ben 3Sielf|eiten ber Segeljrungen, (Smpfiiu cb mc eewu*t 
bungen, SSorfteffungen ftnbet ber 9Henfd) Siufye unb Siebe nur inftttjcwniimitbcr 
©ott, — fo fagte id); aber eö ift bpd) ein ©djlufc aus ber ®d)n>ä<$e U9enb f * wmbft ' 
auf bad 33ortyanbenfein bed 8t arten. 2Benig überjeugenb mu§ man 
gejtefjen. SBirb ber SRenfdj feine Seibenfdjaften foö, unter benen 
bie Siebe bie geroaltigfte ift, bie aber mit bem ©reifenalter abs 
nimmt*), — ift er in ftd^ felbft rutyig unb Mar geworben, fo fjört 
bie ©ültigfeit beö Argumente für tyn auf. 2Bie foH er bem 2ttl)eid= 
mus entgegen? ©ine fittfidje ©efellfdjaft ofjne ©ott, of)ne 9le= 
Iigion, in ftdj felbft feft begrünbet, märe bodf) bie ooHfommenfte. 2)ie 
ljöd)fte £ugenb befreit oon jebem ©ott, oon jebem 2lbljängigfeite= 
gefügt, oon jebem Stufjepunft außerhalb beö Innern, ©ott wirb 
in ben ^ofjanneifdjen Briefen nur nodf) ein Snnerlidjeö, eine blojse 
Siebe, bie jroifdjen 3 roe i en e i ne Station ift, obtx feine abfohlte 
Sriftenj fyaben fann. 

Unb ift baö nicfjt oietteid&t bie richtige Söfung? ©ott ift eben »ott tfi bte 
fein tranöfubjefttoes 2Befen. 2lber fo lange eö Subjefte geben wirb, 
fo lange es Siebe geben wirb, muft aud) bie ©otteöoorftellung be* 
ftefjen. ©ott ift fein ftörper, fonbern eine ßmpfinbung. (Sr ift 
nichts aU bie Siebe. 



*) 3 n lungeren Saferen feinen oiele eine naturgemäße (§6be unb glut in 
iljrer Steltgiofttät bur$jumac$en. 3$ benfe an meinen greunb * jurütf. 2Uö 
Stubent ffeptifc^ bid tum @£trem, bann in ber Siebe bem Naturtriebe offne große 
Sfrupet folgenb, muß er barin feljr ernfte unb fömerjltdje (Erfahrungen gemalt 
Ijaben. $ie Siebe maa)te tyn gläubig, er beburfte be$ religiösen ipintergrunbeS, 
um mit feinen ftürmifa)en ®efüfjlen §urea)tsufommen. 2RU bem 2Hter fa)liefen bie 
Reißen triebe ein unb meHeia)t au$ bie Slfpirationen gu einem menfä)lia) fitytenben 
Öott 2)er tiefe 3ufammeni)ang 5ioifa)en Siebe unb Religion wirb babura) erläutert. 



— 166 — 

lidj) fein, b. f). ein SBorgang ber Bewegung, bie allein raumjeitlid) 
9»*tQufbü fein fann. 9ftdf)t auf bie ^bealität ber Su&enmeft, fonbern auf bie 
*u6en»«u, Realität ber $enfbeioegung ginge ber ©d&luft. 2Beif in ber ©üb- 

»eomäirbet »enf. ftan j, bie jene merfroürbige ©igenfd&aft tyat, iljre eigenen SSeroegungen 
m?n g "5?t«§en. e ju verfpüren unb }u beeinfluffen, SRaum unb %t\i a priori ftdf) finben, 
fo finb fie objeftiü barin, — b. t>. eö finb reale Seroegungen, bie 
als ©mpfinbungen, alö Söiüe, alö Renten von ber merfnmrbigen 
Subftans ifyre fubjeftiüe ©eite fjervorfeljren. 3ft 2)enfen real eine 
SJeroegung, fo ift eö anberö als jeiträumlidfj überhaupt nid^t mög= 
lidf), — roaö Stant betmefen I;at. $ann ift aber audf) baö 2>enfen 
gebunben an ein ©troaö, baö ben 9flaum erfüllt, aber nidjt Stautn 
ift, b. \). an etroaö ©tofflid&eö. S)ann rootynt ifjm aber audf) bie 
Äaufalttätöfategorte a priori bei. föenn jebe SBeroegung §at eine, 

«eufeere unb innm üon fidfj felbft a\& nidfjt peränberlid&e Stiftung. 3ft nun eine 3Ser- 
mvitn.) änberung ber Stiftung in ben, bem ßrfennen ju ©runbe liegenben 
33en>egungen jur ©mpfinbung gefommen, fo ift eö aud ber ©innnrfung 
einer roirfenben Urfadfje, — fei eö eine frembe ober ber eigene SBiUe. 
®er SBitte ift jroar in ber 3eit nidf)t frei, aber ba bie ©renje jroifd^en 
früher unb fünftig feine $e\t ift, fo ift bie gtetyeit möglidfr nur 
in ber ©egenroart*) unb nur in bem 3JJa§e, alö bie Vergangen* 
Ijeü eine nidbt pollftänbtg jureiebenbe SKeifje t>on Urfad&en enthält. 
SRamentüdf) bie inner liebe 3 u Pitnmung läftt ftdf) burdEj feine 3?or= 
bebinguug ober ©eroalt feftlegeu. 



Sekarte*'. 



$a& 3*. 



16. SKoo. — 6ö ift nidEjt leidet, fidf) gewiffen 9iadfjtmrfungen Teö- 
carteö' ju entjietjen. 3)ie UnterfudEjung, ob baö $<$) ein ©ebanfe ift 
ober ein ©toff, fomtnt nidjt 511 einem vollgültigen 2lbfdf)lufj. Sro^fth 1 
ofjne 3df), ba eö ein 25enfen, läfct fidj) nid)t benfen. 3lber menu baö 
Denfen (SSolIen, ©mpfinben ebenfo) ju ©nbe, ift audf) baö 3d(j $u 
@nbe. $ie Paläontologie füljrt unö einen 3 u ft on & *>or, roo eö feine 
3<Jjö auf ©rben gegeben bat. £aö Qdf) fann nidfjt felbft ein ©ebanfe 
fein, ba eö bie ©ebanfen erft beroorbringt. 2lber ein Drgan fann 
eö fein, unb jtoar ein Drgan, baö fidf) bilbet unb roieber vergebt, ju= 
fammengefefct auö vielen -Jieroenjellen, bie burdf) Leitungen verbunben 
finb, unb ifjre Sebungen aufeinanber übertragen unb alle empftnben. 
2Me 9hißenroe(t bilbet fidfj ab in ben StinbenseHen beö ©efyirnö unb 
an bem inneren ßnbe ber Leitungen; tmterlid^ im ©e^irn fommt 



*) $te fol^lic^ feine 3eit ift. 



— 167 — 

baö entfpred&enbe Qd&gefütyl ju ftanbc unb fliegt ju einer ©infjeit 
jufammen, wegen feiner ©leidfjartigfeit. 

21. 3lov. — Dem aWaterialtemuö jufüljrenbe ©ebanfen ju reoi' gange* gefaxte 
bieren, \)<fot id& mtd& an eine erneute Seftüre bes 2. 33b. ber ©e^ «roattriafismus. 
fdf>id>te be$ STOaterialtemuä oon Sänge 2. Stoff. 1877 gemalt. SBaö 
bafelbft unter IL, 2. 3lbt. 2. Sudf), über ©toff unb Äraft gefagt ift, 
brängt mir bie $rage auf, was eigentlich baä in bas Unenblidfje £eil* sks in ba* in» 
bare ift, wenn man 9taum unb (Stoff unterf Reibet. Der t)on äffen Untn ^ 3:ei1, 
empirifcffen 3ufäfcen. bereinigte Staunt leimt gar feine ©renjen, weber 
peripf)erifdf)e, nod& im inneren. Slffe ©renjen finb Slbftrafta von bem, 
was afe eine Stosftiffung, als ein S3eroegli^eö im 9taum oorgeftefft 
wirb. Diefe ©renjen, frei von äffen nidf)t räumfidfjen ^Relationen, 
laffen fxd^ in ben reinen Staum überall fiineinoerf efcen , unb bie von 
iljnen begrenzen £of)lräume laffen fidf) in ber ©inbtlbungsfraft jer= 
teilen, of)ne jemals ju einem fo fleinen £eil ju führen, ber nid&t nod& 
Heiner gebaut werben fönnte. Die fubmetapfjpjtfdjen £o^lräume finb 
ins Unenblid&e teilbar, — wäre ber präjife Dberfafe. Der SRittel? 
fafc muffte liefen: ein Äörper erfüllt einen metfyap^gjtfdfjen §o$U 
räum, — bamit ber ©dfjlufc auf £eilbarfeit in infinitum für ben 
Äörper fidf) jietjen liefee. Der 2RitteIfafc ift aber unwafjr, ba ber 
ftörper bet)nbar, ber 9taum felbft aber ftarr ift. SBafjr ift bagegen, 
bafc es notwenbtg eine ©renje gibt für bie ©igenfdjaften ober Kräfte 
bes Äörpers. $ebe unter biefe ©renäe geratenbe Teilung tyebt bie 
33ebtngungen ber ©fiftenj für ben Äörper auf; — ob idf) if)n ah 
SBibration einer bloßen ^ßotenj, ober ah Sltomenfomplej benfe, — 
bie 3 ertc ^ un 9 & ar f' ™fy Keiner fein entweber ah bie SBibrationSs 
welle, ober als bas 2ltom. — Uebrigens gehört bie £eilbarfeit inft &te scMacteit in» 
Unenblidfje nidfjt in bie Sinnenwelt unb f)at feinen 9tofpru<$ auf ^•{rtlem* 
tranäfubjeftioe Realität. 

14. Dej. — SBergleidfjbar fönnte bas ©eiftesorgan einer SBolta- »ergt«* bes 
fdfjen Säule in biefer 33ejief)ung fein, bafc an bem einen 5ßol Mc^ijSfiowS 11 
Stofcenwelt, an bem anbem bas entfpredfjenbe ^ä) entfielt. 3n ber 
£f>at gibt es bann eine fontinuierlidje Steige oon 3>df)S, bie für eine 
©infjeit gehalten werben wegen i^rer ©leidf^eit. ©benfo wie eine 
&afce, bie id& jweimal fet>e, nid^t jwei Äafcen finb, fo ift audfj bas 
3$ basfelbe, obfd&on ein fontinuierlidE) ffiefcenbes <ßrobuft besfelben 
Organs. Äeine 3Sorfteffung ift möglidf) ofjne 23eigefeffung bes ^d&s, 
ob biefes nun in berfelben %tVit ftd& üoffjiefjt, in welker bas 9tidf)t= 
3$ fid^ einprägt, ober in einer bamit burdfj Seitung oerbunbenen oer= 
fd&iebenen 3 e 0f. Daö Sleibenbe wäre ein ^nftrument (fonftant in 



— 168 — 

gorm, wedf)felnb in Stoff), baS ba benft, fowoljl bas 9tid)t=3clj ate 
bas $<§. Seiberlei Sorftetlungen finb gleichzeitig, unjertrennltd). 3^ 
ift nidfjt mefjr Subftanj als 9iidjt=3d) , bas Xransfubjeftioe roäre 
immer nur bewufttfofer Stoff. 

16. 3)cj. — 3 ur Stcmfton meiner 2luffaffungen oon ©eift unb 
Stoff u. f. w. las icö wieber burd): 1. ben jweiten Sanb oon Sänge* 
©cfd)idf)te bes 9RaterialiämuS unb 2. 3o$annefi Solfeft: ©rfa^rung 
unb Senfen, frittfelje ©runblegung ber ©rfenntnistlieorie. Ad. 1. 
3Jlan breljt fidf) oergebens. Jlur ßrfd&einungen, unb bas roas 
batyinter fteeft, muß anbers fein, als ber 9Kenfd& begreift. 2)enn bic 
©rfd^einungen laufen Ijinaus auf ein Sein t>oH äßiberfprüdfjen unb 
Unmöglid&feit. 9ttd)ts bleibt übrig, als fidf} in eine 3^^lroelt äu 
flutten, wie Sd&iHer fie in bem SReidf) ber $beale barlegt. 2>as 
Söcfcn ift leerer £rug unb bie gtom ift bas Sleibenbe. ©ie SBSirf- 
lidftfeit muß jur Sßoefte t>erflüdf)tigt werben. Sonft bleibt feine 9iet= 
©oifeUö tung oor bem Sophismus. Ad. 2. ßs finben fidfj im Sewufctfein 
ift bebfutetib. ©ewifcfjeitsprinjipe, bie transfubjeftioe Sebeutung forbern unb baran 
31t glauben nötigen; fonft wären weber 9Zebenmenfdfjen nod& 3>inge 
in ber 2ßelt anjune^men. £ie finnlidfje SBatjrneljmung gibt bie Shi* 
regung, bie ©runblage, ben Stoff jum ©rfennen, aber bie logifebe 
$cnfnotwenbigfeit oollenbet erft bas (Srfenneu bes £ransfubjeftu>en. — 
35ie 3Jtetl)obe, biefe Serfidfjerungen barjutljun, ift aber nid&t bas gc= 
wöfjnlidjje Seweifen. Gs werben in ben Sewußtf einsaften biefe ^Jro- 
jeffe aufgewiefen. $<$ finbe bod), baß bie Solfeltfdfje Sdfjrift jefyr 
% rt unb bebeutenb ift unb oiele meiner 3lnfidf)ten berichtigt. Sd&on bas fpridbt 
bafür, baß fie fo gut paßt, um für ben Sgftematifer STrt unb ©attung 
ju unterf Reiben. afofd&auungen, Silber geben nur ^ubioibueu. %üx 
bie aßiffenfd^aft ift aber nötig baraus Segriffe, beftimmt getrennte, 
ju bilben. 3lrt ift nun, müßte Solfelt fagen, wenn er praftifdfjer 
Sijftematifer wäre, berjenige Segriff einer Sieljafyl aon ^nbioibuen, 
ber fidf) logifdf) ni$t weiter in getrennte Segriffe jerlegen läßt. 3>afc 
es eine foldfje ©renje für bie 3rcfegung gibt, ift empirtfd), burefy 3"~ 
buftion, ju ermitteln. 

Utodf) Solfelt finb bie Kenn jeid&en , bie idfj S. 158 für ba* 
Xransfubjeftioe angegeben fjabe, anbers ju gruppieren. 2>ie SBirf- 
lidjfeit ift erfeunbar burdfj bie geiftigen Kategorien, bie oollftänbig un- 
erfafjrbar finb unb in ber Drganifation bes Unbewußten begrünbet 
»oiftitö fein muffen, ba fie im Sewußtfein a priori auftreten. ©s gibt fedjs 
foldbe Jorberungen (Kategorien), bie bas 2)enfen ju ber ßrfatyrung 
tjinjubringt, um eine 2ßirflicf)feit 311 ftanbe ju bringen: 1. 3loU 



— 169 — 

roenbigfeit. 2. 2lllgemeingültigfeit. 3. Allgemeinheit. 4. Kontinuität. 
5. Kaufalität. 6. ©efefcmäßigfeit. £ad finb bie Denfforberungen, 
um Sßirflidtfeit ju erlernten. Die SßaljrnefMnungaforberungen finb 
Don mir früher augegeben. 1. Sleibenbe folgen im SBafyrnefymungös 
gebiete; 2. ©reif barfeit ; 3. gleichmäßiger ©rfolg bei Söieberljolung. 

9Benn man fidfj beobachtet beim Uebergange aus ber SBelt beö 8erti>irrun fl jener 
2£ad()enö in ben Schlaf unb in bie Xraumwelt, fo wirb man be= iieber fl angauBbem 
merfen, wie in ben ©ebanfen unb SBorfteffungen gerabe bie 9luf- a e5iaf. e 
fafiung ber genannten Kategorien wirr wirb, fobalb bie frifd&en 
Sinneöeinbrüdfe aufhören baö Material baju ju liefern. @s fdbweben 
ifteprobuftionen in ben Derfdjjiebenfien Reihenfolgen unb Kombinationen 
bem ©eifte oor. Die Öewußtfeinöoorgänge werben regellos, bie Kaufak 
reiben unterbrod&eu, bie ^bentität bcö Selbft fogar unbeftänbig. Ofjne 
frifc^e 3 u f w ^ r vm ©inbrüdfen, mit bloßen Steminiöcenjen oermag baö 
Deuten eine tranöfubjeftioe Sßelt gar nidfjt feft ju galten. 9SotteIt fdfjäfct 
nidbt feiner ganjen SJebeutung nadf) bie 2lbl)ängigfeit beö Dentenö oou »o«eit unterbaut 
ber finnlid&en JBaljrneljmung. Die Kategorien bes Denfenö finb ftdjjer «WÄeit m 
nur bei ©reifbarfeit, Sßieberfjolbarfeit, s J5erfiftenj ber wahrnehmbaren «ußenwett. 
folgen, ©ibt man bem Deuten audf) bie Erinnerungen aller früheren 
äßaljrnefynungen, bie jtdfj ja audf) auf XranöfubjeftioeS urfprünglidf) 
flrünbeten, fo feljlt ifynen bie 91otmenbigfeit beftimmter i?erfnüpfungen. 
Gs entftefyen abenteuerliche Kombinationen unb lüdfenfjafte $olgereif)en. 
SRögen bie Kategorien uiebt ber aßafjrnetjmung angehören, fonbern 
bem beulen, fobalb fte fid) nid)t an frifdfje 2Baf)rnef)mungen Ijef ten 
fönnen, bringen fie eö ju feinem orbentlidfjen ftortfdfjritt. 

24. De}. — Das 3$ muß wäfjrenb beö Sebenä fontinuierlid) 2>qb 3$ mu& m 
lein. Die Obwtitat aller iljm zugänglichen ©rinnerungßbilber tonnen a emSfX^ 1 
es oon ber eigenen ^bentität nid&t überjeugen, wenn es feine früheren 
Sinbrüdte üerforen Ijat unb nicfjt oergletd^en fann. 3f* bie Kontinuität 
beö {$$$ audf) nur bei einer einjigen, fidf) fogar oerfd^iebenben unb 
üenoedfjfelnben, ober einförmig fidf) unauögefefct wieberfjolenben 6r* 
innerungöüorftellung oerblieben, bängenb wie an einem bünnen gaben, 
fann fie fidf) ol)ne Sdfjwierigfeit wieber über tf)r ganjeö, altes ©ebiet 
ausbreiten. Das Qdf) braud&t nicfjt als Subftanj fortjubefte^cu, wenn 
es nur in ber Subftanj als 33egleitoorftellung fortbeftetjt. $n Dtyu 
madfjt, in Sdtjlaf, Cetljargie muß bafjer SSorftellung, wenn audf) bürf- 
tigfter 3trt, gan& öljne fpätere Erinnerung, angenommen werben, außer 
in Ratten, wo in ber Dfjat bas $d) oerloren gegangen*); in fallen, 



*) 3m grrfinn. 



— 178 — 



ßüKgion (1889). 

sBoMüicn unb 2)ie Sentförift beä SReftora von Sorpat, fpäteren Siföoffe UIU 

©r n^runaen. mann ^ g e g Cn ^ e Uwarowfdjjen 33eftrebungen, ben baltifd^cn Unterricht 

ju ruffifijieren , — ifi, wie idfj glaube, baö ^reimütigfte imb 93eftc r 
waö biö jur ©egenwart bar über gefd&rieben worben ift, aber bennod> 
f>at faum je ein ©dfjriftftücf nte^r Stäben angerichtet. 3Bie fofl man 
fold&en ©rfafjrungen gegenüber nidfjt Opportunist werben? ^mm** unb 
immer wieber fudf)e id[j in einfamen 33etrad£)tungen nad& ©runbfäfcen 
unb SBafjrljeiten , — unb immer fommt bie <Srfal)rung bajroifd&en, 
mit tyren liebenäwürbigen ober nüfclid&en 3Sermittelungen, bie aber 
falfdfj finb unb Unwahrheiten enthalten? 
(»cbet. 2Baö bie SBMrfung beö ©ebetö anbetrifft, fo jeigt gerabe bie 2ln~ 

wenbung auf bie Seiben beö Äaiferö $riebridf). ... Ob £ob ober ©e= 
nefung, nie werben bie 9Rebijiner eine SBirfung beö ©ebetö barin ju 
erlernten im ftanbe fein. 2lber woju audf) eine foldjje tranöfubjeftit>e 
SBirfung? 3ft ^ e fubjeftioe nidf)t genug? Unb gan$ fubjeftfo bleibt 
fie mdfjt. 3)aö ©ebet vor ber <5d)ladf)t begeiftert ganje £eere, itftc 
^id^t ju tfjun, wenn es audf) über ben Sieg nidfjt entfd&etbet. 



fttrdjen 



3dj benfe an Saooifierö 2Bortc, el;e er baö SdEjafott beftieg: 
üa»otjicr. „£aö rcbUc^ftc unb für bie 9Renf$f)eit nüfelid&fie Seben fdEriifct niebt 
baoor, ben Tob eineö Skrbredfjerö ju fterben. — " £aö »ergibt man 
unb l)ält für unerhört, wenn man felbft etwas Unrecht leibet. 

3lber befinnen wir und, bie Harmonie wirb bleiben in ber SBclt, 
ob wir auä) eine traurige Stunbe burdjjmad&en. 

$>ie fittlidjje 9BeItorbnung fefet fidf) burdf) gegen bie 33eftrebungen 
ber aWäd^tigen, aber fie nimmt fid) lange 3^*- 



(hwifleiü^e 1. 3Wai. — 2Bo baö Sangen unb baö Sangen nadfj ber eigenen 



fltnuini^aft. Seelenfeligfeü jum ©runbmotio beö 3Mfeinö geworben, ift eö mit ber 
uneigennützigen 9ßat)rf)eitöliebe unb SBo^lt^ätigfeit nid[)t unbebenf- 
lid|j. $ie Söerfe fönnen fo grofc fein, wie bei ben erften 3 e fuiten, 
fie bedfen ben ^trtum in ber ©runbricfytung nid^t ju. ... 2Ran mu§ 
baöjeuige uermetben, was von bem riebtigeu alten Sutfjertum mit 



— 179 — 

weitem Staunt für beu glügelfdjfag freier Seelen in tmö falutiftifd&e 
Tintfel jurüdffüljrt . . . 

,3d) fjalte gut 3 C ^ -fwt uotwenbig, au einer großen firdfjlid&en 
öemeinfd&aft f eftju^alten , obwofjl tdf) eigentlich ju bem nicäifdfjen 
atfjanafiamfdjjen 33efenutnte mid& ablefjnenb oetfialteu muß. Tie ©e- 
roif#eit ber 9taturerfenntnte, bie $eutungdbebürftigfeit aller lieber* 
lieferungen, bie bal)er unfidfjer bleiben, nötigen midj) baju. $ie 33ibel 
bietet aber audfj mir bie reicfjlic^e Duelle ju fittlidfjer ©rfjebung nidfjt 
meiner winjigen ^Jerfönlidfjfeit, aber ber fortlebenbeu 9Renfcl)f)eit. 2luf 
biefem Stoben n>äre oolle Jreifjejt für bie (Soangelifdjjen möglich . . , 



3Me otjmpatfjie beö (Sinjelnen tfjut woljl, bie tfircfye gibt bie 
3t>mpatf)ie ber ©emeinfdfjaft öffentlich. 



Xtö golbene Äreuj, l)odf) in beu fiitften, ift unter hen Symbolen, 
beneu meine calmniftifdfje ©runblage im allgemeinen abgeneigt ift, 
uodj baö befte. Sein s Jtame foll gläitjen über alle Kamen! 



10. s JWai. — ferner: lieben ber ^ßflaujen 33anb I beenbigt unb cp«mif«f*f 
auf ben nid^t erfdjeineubeu II. 8anb gefpaunt. Scheiben* „iflanjc ^M^u«^. 
\u\b tyr 2tbtn" , feiuerjeit gut aufgenommen, jeigt wie ungemein 
groß feitbem bie Jortf dritte fiub, in Söiffen unb iserftänbniö ber 
fogenannten populären SBerfe. 3^fet ljerrfdf)t bas öeftreben oon allen 
Strukturen*) unb Vorgängen, ben duften für bie ^Jffanje felbft ju 
uerftefyeu. 3>a& ein foldfjer entfdfjeibenb gewirft tjat für baö Gntfteljen 
aller Öeftalten, aller färben u. f. w., ift ein fo umfaffenb unb über* 
rafdjenb nad&gewiefener Umftanb, bafe bei Äerner eine allgemeine 2?or= 
ausfefcung barauf fid) gründet. — 3>aö @ute wirb auf bie Sänge 
uorfjerrfdjenb, ba* ift ber fittUdEje ©runbfafc, hen bie unerbittliche 
s Jtatur auf allen ©ebieten jur einfielt bringt. £ann mufete aber bad 
iltorfyergeljenbe ein Sdjledjteres fein. ©Ott unb Xeufel finb bie ^er= 
f onififationen ! Daö Scfjled^te ju perf onifijieren , diefes Öebürfniö ift 
ber gebilbeten SBelt verloren gegangen. Um aber mit bem Wüten jtdj 
511 burd&bringen, muß ber 9)tenfd) in ^rieben k& en mit bem perfonu 



*) 2öer wirb frei ben Äoleopteren in berfelljen Stfeife bie £tru!turen erflärw? 



— 18J — 

feierten ©ott, trofc bes nidjt uolljiefybaren öebantenö; — an 0ott 
muß er galten, appellieren, ju ifjm beten, 
unfetuti* 13. ÜDtoi. — ^>n guter ©efellfdfjaft, wer glaubt ernftlidf) an bcn 

inif^xrafcifl- Teufel? So fcpmm fte^t es mit bem ©lauben an ©ott nodf) nidbt. 

jeber Sadfje nur eine 2öal)rf)eit, aber ber Irrtümer unjäfjlige. So 

gibt eö nur einen ©eift beä ©uten, ben ber 3Menfdf) an jubeten bat, 

im ©eifte unb in ber 2L*al)rl}eit. SBcnn er biefen ©eift ffi&lt unb 

liebt, verbreitet fid) griebe in ifjm unb fdjroeigen bie unerfättlidbcn 

unb oerbriefelid^en öebürfniffe für einige 3 e ^- hatten fann man 

aber biefen ©eift nidfjt; er ift ein unoofljieljbarer ©ebanfe. £er ©cift 

be$ Söfen jerfällt aber in eine Unjaf)l von ©injelgeiftern unb bient 

$u fabeln unb Aberglauben, £al>er ift eö audf) uicfyt ju bebauern, 

bafi man fie allcfamt los wirb. 

*tau»iubie!titte 24. 9Jiai. — ©ennfeljeit oon einem, aufcerfyalb ber menfcblicbeu 

rciifli8iem tl Äte Jßorftellung SJefteljenben , ift auf bem religiöfen ©ebiet nid&t ju er= 

in tmfli ( Qn g en 3( u ^ fo em ©ebiete beö finnlidf) SBafjrnetym baren , bas ben 

£enfforberungen cntfpridf)t, ift fie oor^anben. Tie Religion muft 
arbeiten mit SSorftellungen otjne finnlid&e ©eroifctieit, — aber nidbt 
gegen biefe ©eroiftyeit. 3nfofcrn bie ^Religionen ed bennod) tfyun, 
oerfallen fie bem SBalin. Ser SBaljn, je oerlodfenber, um fo fdf)äb= 
lieber! ©enn bie Steigungen machen ifjn feft, fanatifdft, oerberblidb für 
3* beftmöflitfteu bie ^ortbilbung ber menfdblid&en ©efeüfdfjaft ju ben beftmö glichen 
aSer^altmffen. 

$ie Sieligion l)at nid^t baö Seligroerbcn be* Ginjetnen jur 3Iuf= 
gäbe, fonbem baö Seligmad&en ber SRcnföfpit, b. I). bie 9Meufdbl)eit 
porroärtö ju brängen ju ben beftmög liefen SBerljältniffen ber $n- 
bimbuen ju einanber unb miteinanber. 

ftreiljeit! olpie ÜWifcbraudf), für alle, ift junäd&ft eine ^orbenntg, 

bie babei in Öetrad^t fommt. 

uebeTienenfcit ber 27. 3Rai. — 3Scrglcid^c man bie 33ibel mit anberen tyeüig geachteten 

ffaipfinbuna bee unb poetifdfjen Schriften. %n ber $ibel, b. I). 9tlteö Seftament unb Steues 

citiften. Xeftament, ftnbet man eine ©mpfinbung bes ©roigen, beö ©eredfjteu, 

beö Opfers feiner ?perfönlidf)feit für baä 2öof)l ber 3Renfdbcn, 

mit einem Grnft unb in einer ergreifenben ftorm auögebrüdft, in einer 

größeren gafjl uon ©teilen ausgefprod&en, alö in ben SBebaö, in &omer, 

in d()inefifdf)en Sudlern, im Äoran u. f. n>. — 3lber eö ift bodf) aueb 

uiel Unfinn unb Unfittlidfrfett beigcmifdfjt. prüfet alleö unb mäklet 

baö öefte, fo Ie^rt bie SJibel, unb fo foll man eö mit iljr t^un. S^ie 

fird&lid&e ©emeinfd^aft, bie fid^ aufbaut auf ber freien SJe= 



— 181 — 

ii ii feit it g ber $ibe(, unbeengt wm ben :öefenntniöfdf)riften unb mit 

ooUer 2Bal>rf)aftigfeit, bü wo baö 3toturerfennen, bie einbringenbere 

Xc£tfrittf unb ©efdtfd&töforfdfjung, bie ueränberten fiebenöibeale roeiter= 

geführt fjaben, — baö ift baö beijubefyaltenbe Gfjriftentum. $n bem 5«tc $rüf un« unt 

.Hultuö ber gro&en beftebenben Äirdfjen finb bie SBanbhmgen immer auf ©tw* *et 

93 i bei. 

c^efa^rlid^. (Sin Spnobuö fottte bie notroenbigen SSeränberungen uon 
S e ^ $ u 3*ü Dowetymen, immer nur bei wenigem! Slber bie ©Iair= 
benöfreiljeit auf ©runb beö SUtcn unb SReuen Xeftamentö, ober mit 
beftänbiger Senufcung biefeö öud&eö« jur ©rbauung unb fittüdjen 
rteftigung, bie fottte obenan ftefjeu! 3)er ©eift ber Söabrljaftigfeit 
wirb erft bann gefommeu fein! 

28. SDtai. — 33ud) ber djriftlidjcn Urfeljren unb Sid&tungen, — 
fo mag man eraft bie Sibel benennen. Snwieroeit baö SBttte £eftament 
eiuerfeitö burdb baö 3teue Xeftament, anbererfeitö burdfj ben Xalmub 
fortgebilbet ift? Ta^u feblt mir eine nähere 2}efanntf<$aft mit bem 
Talmub. Gr ift pottftänbig iu franjöfifdjer Ueberfefcung erfdfuenen unb 
fo müßte id) if)u mir anfd&affen. Cb eö ein gleid&roertigeö 3itlu 
gionsbueb gibt? 3lrmfelig finb bie iittyctn beö Äoran bagegen, — 
Spielerei finb bie Sagen £omerö unb 3ubebör, — langweilig bie 
jeubaDejfri, t>ic üBebae uugeftaltig, — u. f. ro. 

16. ^uui*). — i>on l'utberö fjeifeem ^erjen ftiegen kämpfe, bie sut^r. 
feineu $U<f umnebelten. £ie Unficberfyeit feiner Grfenntniö fud^te er 
burd) 3lffeft ju überurinben. x )m ©egenfafc ju bem Haren 3roingli, 
fteifte er fieb in beut 3lbenbmat) (öftreit auf s i>orfteffungen, bie logifdf) 
fid) niebt do (Rieben ober realifieren (äffen, £ranöfubftanttation uer= 
warf er unb geiftige (Erinnerung genügte feinem in (fatfjolifdjjem) 
^tntberglauben aufgeroadjfenen Sinne niebt. (fr tyelt ji$ frampfbaft 
in einer 3ttnfd)enftellung, ofyne 511 bedeuten, baß auf fo febiefer i£btnc 
fein galten. aber bie ScbuUbeologie bat \>en £utberanern baö Unmög= 
Itdbe burdf) einige Sßiebertjolung u\x^ jpeftigfeit beniuxf) möglid) ge= 
mad)t. Sie roieberljolen und braudjen feine s )ttatf)ematif, roie 
fcutljer im ©efpräd) mit Sromftli n)ieberbo(t fagte, — b. b- fi* oer= 
sichten auf itogif. 2ßas an $alt feblte, fottte ber Terror erfefcen, 
baber ber 3<>rn. 2tnbrerfettö bat Vutber ben $überbicnft niebt alö gm« « Iam,|e 
eine Serfudfjung beö Solfö, t>a^ Cnoige xin^ ©eifttge 311 t>erbrängen, -XJPWw, j « 
fo erfannt roie 3)lofeö. Setyr befdjränft mar er alö ^olitifer. 3Jiel 

*) 35er SBaronin Ucjfüü fc^rieb mein 93ater: „3$ fenbe 3§ncn baä 5löftltnfc^c 
l'utljerbucfj. Q$ wirb mtc§ freuen, nenn Sie unb bie 3§ngen an bem lebend: 
roafjren ©Übe biefeö großen SWanneö, mit heftigem fterjen, — 35>o ^fgef alfen 
ftnbcn. 25er 9Renf$ ift mef;r a(ä fein 2)ogma. 



— 182 — 

Scbwaufung, viü £albf)eit. 6t üertrat beu Gteborfam gegen .Haifer 
unb Saubesfürft, unb glaubte mit ber Sefjre, otjne Jöaffen bie prote= 
ftantifdje Äirdje grünben unb burdjbringen ju fönnen ; — bis bie 9tot 
näfjer Jam. ©ein Qefdjmad war fo üerborben, baß if)m baö Unflätige 
Qewürj festen; unb feine Stlbung fiat baö nie $u uerbeffern ver= 
mod)t. — 2lber fein beißeö Jperj war anbrerfeits bie triebhaft, bie 
leut&crs feinen 9Kut empörte unb ftätilte, — feine ^JerfönH^feit ju einer un- 
wiberftel)lid) binreißenben, begeiftemben machte, — bie ibm eine Öiebeo- 
geroalt nerliel;, an bie fein anbrer ber ^Reformatoren reichte. Shiö 
feinem fersen feböpfte er fein unerfdjöpflidjeö 2i>irfen, feinen Jleiß 
unb baö brüdenbe ©efityl fpäterer 3abre, baß er ju untätig ge- 
worben. 
©cflenjaije ber 23. ^uni. — gröf)licb, — ober t)erbrof[en als ftinb in ber ga- 

väbaVÄer milie; — wißbegierig ober gemartert in ber Sdfjule; — ftrebfam jnr 
tettra m. ^rfenntiiid ober verbummelt als Stubent ; — probuftio ober fteril in 
SDianneäjaljren; — ruf)ig ober mißvergnügt im 3llter; — bas uiu 
gcfäljr finb bie ©egenfäfce für bie verfdjiebenen Sebenöftufen be* 
9JJanneä. Jyür bie Söfyne foHten bie Gltern aufmerffam bem befferen 
unter ben jwei Säfeen julenfen! 

Confessio solitaria, — Confessio socialis! $ie erftere bat auf 

unbebingte Sulbung Stnfprud), bie sweite nur auf bebingte. 3bre 

SHtlbung ift abbängig tum ifjrer Seeinfluffung ber Sitten, ^m ^m 

tereffe ber menfdjlidjen ©efellfdjaft muß nid)t gebutbet werben, waö 

beu natürücben unb ibealen Aufgaben ber 3ttenfd)f)ett fdjäblid) ift, 

3. 33. Sflax>enl)anbel, Vielweiberei, SSerftümmelungen, ßölibatgelübbe, 

sie Unterbrüdung ber freien gorfdjuug, Seförberung tum Steberlidjfeit 

e fonn S Jü«t ana unb ^amifienunfriebe u. f. m. @s ift bann aber in ber 2t|at bie 

un t mßt sc en. j^ or j >crui |g ^ er unbebingten Sieligionötoleranj eine Uebertreibung. £ie 

sie frftefenim meiften Religionen mit öffentlid)em Skfenntnis unb für ©emeinfdmften 
*SSffi muffen in (Ermangelung eineß Sefferen geehrt werben, weil fie Diel 
mtt w3bK!* rt ©uteö wirfen trofc safjfretdjer, ftreng genommen, nidjt gu bulbenber 
$eimifd)ungen. 

©eift ift öott unb bie iljm fid) unterwerfen, follen 
flott ift weift, eö tbun im ©etfte ber 28al)rf)aftigfcit IV. 6n. 4,24. — ^n 
bem SBorte „anbeten" ift ©ebet vorauögefefct, man fann ftd) aber tief 
unterwürfig füljlen unb bod) nid)t bitten unb beten; baö ift in bem 
@ried;ifd)en aber gefagt mit rcfjocxoveiv, besfjalb bie jefctge verbefjcrte 
Ueberfefcung. — ©eift ber SBaljrfyaftigfeit (ber unintereffterten ) 
i'iebe, bes »efferen; — bas ift Sott. Slber ber SWenfcb will ibn 
tranofubjeftit) madjen unb baö ift nur bie jeiträumlidje Sinnesroelt. 



— 183 — 

Xtx Sienföenfd&roädfje genügt cd nid)t ju roiffeu, ba& ©Ott gelten 
roirb in aller Croigfeit unb überaß , gleich ber ©ratritatton; er will 
i&n aufcer fidf) perfonifijieren ; mnn and) nid)t wie bie ©öfcenanbeter, 
in £olj, Stein unb färben , bodfj ate einen jarten 9iebel roenigftenö. 
6ö ift il)ttt fo entfefclidj) fdf>n>er, mit bem reinen ©eift fid^ ju begnügen, 
unb es fommt tym vox, ate märe baö überhaupt gar fem rechtes 
Sein; — blofe ein ©efüfjl, baö ja ein SBaljn fein fönnte, — baö 
eigentlich oljne Sfaroenbung in ber äßelt ift; — baö man abfegen 
fönnte wie eine blo&e ©eroofmtyeit, einen Aberglauben ; — ber 9Kenfc^ 
nrirb bem 2lttyeiömuö jugebrängt, unb glaubt bie Junbamente aöer 
Sitttidftfeit in ber menfd)lid)en ©efettfdfjaft erfdE)üttert. ©elbft ber t>er- 
jtnnlid&te unb setträumlidfje ©ott genügte bem ^Jerfonabertangen bes 
üßenfd&en nidfjt, er mufete fidf) einen ©ottmenfd&en f Raffen. 3)en 
tonnte er lieben, nicfyt aber maö ein ©ei ft ift ! ®er $iftorif$e 3 e fus 
würbe jum bogmatifdjjen Efjriftuö! 

„3m Äampf um bie SBeltanfdfjauung" fiat meine greunbin*) 3m stampf um bie 
"8. d. ft. mir auö bem Sluölanbe gebraut. SJiel 3ßaf)rf)eit barin! ©ifmmnk" U fin?ö 
3$ toitt überfidfjtlidj ben $\tf)alt mir ocrgegenroärtigen. ftwiogen. 

Bbfänttt 1. ®ut unb fromm. 3)te ©itttfdjfeit ftnbet ftc^ in 2Renf$en, 3 n ^ Qlt bes $ätxu* 
bie ungläubig ober gläubig ftitb. $er Religion ge§t bie ©ittlidjfeit vor, aber " nb *' itl1 
Uebenöniürbig unb geliebt wirb bie ©ittliä)feit erft reä)t bura) bie Sieligion. 

2. ®ott unb Statur. $en Söiberfpruo} groifc^cn ber unerbittlichen Statur: 
getoalt unb ber menfo$lid)en SJorfteUung von unenb(i$er ®tite <$otte3, — Ijftft 
fcer SJerfaffer für bie golge ber menfdjlidjen Söefc^ränft^eit. 3>a3 graufame Statur* 
gefefc unb bie Siebe sunt ©ittlidjen finb in ©ott ftctö Ijarmoniftt), glaubt er, 
befennt aber, bafj er nid)t im ftanbe ift, e£ ju verfielen. 9Beber bie Statur 
Ijat er begriffen, — noä) fennt er ®otteS SRatfdjtttffe. 3lber ooroärtö in bie 
<£rfenntnte §u fommen, bringt ber 2öafjr§eit näfjer, unb in ber 2ßa§rfjeit ift fein 
SBiberfprua). 

N. B. 2)er SBiberfprud^ aber ift in meiner ähiffafjung, unb eö 
ift uergeblid), ben 9Renfdfjen 51t einer Uebemrinbung beöfelben burcij 
blofcen SBitlenöaft aufjurufen. 2luö ber nieberen 9totur (oon ber 
Statur gilt: 9töm. 7,7 ... „Dom ©elüftc roufete idf) nichts, fjätte baö 
Qefefc md&t gefagt, laß bidf) nidfjt gelüften"), bie aller Sittlid^feit bar, 
entfielt erft ber reale ©eift beö ©uten, ben idf) ©ott nennen möchte. 
3wifdfjen ber aftuellen ©eltung ©otteö unb jiuifdfjen bem ^bealgott 
ift eö ferner 311 unterfdjeibeu. 2)ennodfj ift ber festere nur eine 31 uf* 
gäbe ber 9Belt, unt)oI(enbet in bem ©üblichen. s i>om Siieberen, baö 
Sluffteigen jum polieren läfit fid) »erftefien, unb baö fiefyt ber 3iatur- 



*) Baronin ^enebifte von Ue^IüU, geborene von ©tietenfron. 



— 184 — 

forfd^cr ü6eraH. £ie (Jntfteljuuß be« fieberen, beö S5fen auö bent 
£>öcf)ften unb (Buten, ift ber unlösbare ftnoten. 

3. @inftunbjefct. $ier fommt baö @ebet sur Spraa)e. 3e%t fteHt fia) 
baä (Bebet bem Cerfaffer ©or, afö roäre eä berechtigt, nur noä) al* ein (Bebet um 
geiligen (Beifi. »ber aua) um $inge unb für 3Renfa)en gu beten, betn äußeren 
£eben naa), fann er nia)t (äffen f fo flar tym ift, bafs eö oergeblia) f cin mu 6 
Sielleta)t bringt e$ bie 3ufunft anberS, jefet ift aber von bem (Bebet fia) loSfagen : 
unnatürlich. SRur naa) Gräften e$ ju oergeiftigen unb vor fa)äblia)em 3 rr: 
tum eS 3U fa)ü*en, bleibt $fltd)t. 

4. Seit unb ©nugfeit. gür ba* 3c^t fott man (eben, aber ba« 3e$t 
fott Dom 2id)t ber (Swigreit befa)ienen fein. SRit biefem (Ergebnis fa)liefet ber 
3(bfa)nitt. ©r ge$t «uö von bem (Befühl ber 9tta)tigfeit unb oon bem (Befühl einer 
$b$eren Seftimmung, »erraeilt bei bem ©egen ber Arbeit, nrieber aua) bem 
ttermften baö Sieben fa)Ön unb erfjebenb maa)t. 

5. Urteilen unb SBirfen. Son bem eigenen SBefen, ebenfo nie t>on ber 
Söelt, gäbe ia) blofe SorfteQungen. 3(jr tDafein ift nur bura) (Blauben gearifs. 
£er Sn^alt beö religiöfen (BlaubenS ift notoenbig »erfä)tebenatttg , ba man ba$ 
$öa)fte anberS fte$t, je naa) ber ©tufe, auf ber man fte§t. SWit ber ©elbfrty&tig; 
feit im (Blauben, n>äa)ft bie Serfa)iebenl)eit. $aS religiöfe (Smpfinben ift anberS 
naa) ben ©inflüffen auf unfre ^ugenb, naa) ben <Befa)äften, bie unS abgießen, 
naa) ben Anlagen, bie bei manchen fa)n>aa) ftnb (wie bei ber SRuft!!). Gin <Befü$lS: 
menfa) entjüdt bura) feine Starte in ber religidfen (Bemetnf a)af t ; — ein 2$aten= 
menfa) fua)t lieber einfam (Bort im Serborgenen. $iefe SRannigfattigfett ift bem 
gortfdjritt förberlia). 2)te <Bemeinfa)aft ift um fo me$r nötig, — ben Unmünbigeu 
gegenüber feft, in fo(a)er (Beftalt unb (Eigenheit, bie man felbft §at, — ben SRünr 
bigen gegenüber plauftbel, aur Anregung. Sielen ift grömntigFett nur in einer 
opraa)e unb (Beftalt uerftönblia). Aber ob jum SRarienbilbe, jum (Sottet 
foljn ober au bem ©inen gebetet wirb, gleia)e Steinzeit unb £iebe3maa)t fann in 
ber Seele malten. $er (Blaube maa)t nid)t feiig als Serbienft, nia)t als 3 U: 
ftimmung ju einem beftimmten SelenntniS, fonbem als Vertrauen auf ben 
inneren 3 U Ö 3 U Einern (iebenben (Boit, baö pon allen 3roeife(n befreit. 9Rag fein, 
bafj biefe roeitfjerjtge SRtlbe tm Äampfe weniger wirft, als bie fä)roffe (Einfettigfeit, 
aber ia) mufs, wo bie Partei fünbigt, nia)t mitfünbigen. Sauterfeit ber (Befmnung 
ift im Kampfe au bewahren. Sin ia) felbft noa) unfta)er, mu| ia) mia) aurücf- 
fpalten. 2öaö aber an (Brunbfäfcen im £eben fta) mir betbju)rt $at, mu^ iü) bura) 
aufe^en fua)en. Um ber ©emeinfa)aft rotUen, fann ia) felbft an unooUfommene 
formen anfnüpfen. 3(ber nie fott ia) mitt^uri, um bie Sa^n ju ^o^eren Stufen 
bed bebend unb ber ©rfenntniö ju verfperren. $te religiöfen Irrtümer ftnb beffer 
ju betämpfen bura) Darlegung ber Sßa^eiten in SBort unb %f)&t, als bur$ 9n= 
griffe unb SBibetlegungen. 

6. (S^riftentum unb Parteien. €§riftentum, bem Reifte naa) erfaßt, ift 
reinfte 6ittlia)!eit au£ reinfter, aQe Xriebe oergeiftigenber unb be§errfa)enber ®e 
finnung, — in unmittelbarer iHebe $u @ott. 9(l§ fold)ed fter)t es über allen anbern 
Religionen. @d ?am aber nia)t alö ein ^ogmenfnftem, fonbem als eine Begeben« 
fjeit in bie ^e(t. An biefe fnüpfte iübifa)>griea)ifa)e ^^ilofop^ie ein Dogmen- 
fnftem mit überoerftanblicber ^e^re, naa) benen SefuS auS bem SeHünber (BotteS 
felbft su Oott, unb aud ber ©in^eit (Lottes eine oerfünftelte S^rei^eit würbe. Stuft 



— 185 — 

einer 9Renf$$eit3religü)n mürbe eine Religion neben anbetn. 3Me (Staangelien nnb 
bie ganjc S9ibel finb SRenföenroerf, mit SBiberfprü<$en unb Sehern unb mit Sagen, 
bie fromme @(ei$m£roa$r§eiten bergen, behaftet. $a3 forbert t)ict Prüfung, um, 
von Seiaerf gefonbert, ben reinen ©eift barauS 3» faffen. G^rifiuS felbft berief ftd) 
auf bie früheren $rop$eien feine« SJolfd unb beonfprud)te nur in berfelben Seife 
Offenbarung. 3u feinem einfachen (Seift muj bie ©egenroart jurücfffteben auö 
Unnatur unb Serfünftelung, — in ^eiliger ©eiiijerjigteit. 



aWeincm Urteil nai) ift baö Sdjriftdfjen leudjtenb burdf) 2ßaf)r= 
baftigfeit unb ßofjeit. 3Beine 33orbef)alte finb tfjeoretif dj , — in 
ber 2fntoenbung ftimme idfj bem SSerfaffcr oollftänbig bei, unb er 
\)at beffer meine Ueberjeugung bargefegt ate irgenb ein anbrer, ober 
id) felbft. 

So toitt id& benn lieber bem ibealen, befd&eibeneu 9Jtanne lauften, 
als an il}m nad) 3d)tt)iid)lid)feiteii fpüren, xmh fennen Urnen möchte 
man nod> fo mand&es oon ü)m, — *. $. wie er unb roaö er betet, 
oljne (Srfdfjöpfung unb 2lbfüblung. 

ölüdltdj wäre eö für ben 3Menfd)en, fo oiel Siebe unb 8egeifte= 
ntng ju füllen für baö, wa© auper ihm unb neben töm ftefjt, bafe 
er baburd) baö dritteln in fid) unb oon aubren übenoinbet, — oljne 
an bie eigene ^erfon vkl -tu benfen. 216er audb anbre bürfen ifyn 
ntc^t 311 feljr an bie eigene v J>erfon erinnern. 



13. 9too. — 188:* bat »ifdfjof oon Mfomebien, yiji(ot$eo6 «rijen; 
nio*, einen Seil einer in ^erufalem eutbetften öanbfdbrift, — smifeben 
bem 120. unb 160. ^afjr unfrer $eit berausgegeben : „Vefjre beft £errn weumtbfdte 
burdf) bie jioölf 3fyoftel." (St^ifd^e Üitbt ju Sott, 31t ben ^ädjfteu ^S*7«i. m 
unb ju ben ^einben u. f. ro. 3Me Probleme ber fpefufatioen $eiben= 
diriften^eit fpäterer $eit eriftieren nidjt. SJon Saframenten finb nur 
laufe unb Slbenbmaf)! angeführt, dagegen finben fid) beftimmt bie 
Sd^roarmgeifteroorfteHungeu. Xaufenbjäfjriged 9teid), Erneuerung ber 
3ßelt burd^ j^euer, fteffeu bie Schrift ju benjeuigen ber bebräifierenben 
Gpigonen befi ^ßaufus. s }Jetrimfdf) unb antipaulinifd) ift ber 3Kangel 
ber iltfyvt oon ber Rechtfertigung burdj ben Glauben unb oon ber 
s JJräbeftination. — SBäre baö Gljriftentum nidjjt in ber 2t)at nunmehr 
alö eine mü oielen ÜßSa^noorftelhmgen gemifdjte Sefyre anjuerfennen? 
lebensfähig ift fte geworben burdf) bie Umbilbung, bie fie burdi baö 
Cy$ried(>ens unb SRömertum erlitt. 3fa etl)ifdf)er tteru machte fie 511 
einer ber SBeltreligionen. Unter ifyrem (S'inffuft wirb bie unoernünftige 



— 186 — 

ättenf$i)eit in einer beeren ©emeinfd&aft geleitet unb bie Sd)aml)af% 
feit, 2Wäfngfett, i'iebe, s JÄilbe gepflegt. <5ä faim bie Sßenfdfteit fo 
vernünftig werben, bafc fie atö ©infidfjt in bie ©rüube, in ooQer 
SBaljrljaftigfeit afle biefe Xugenben übt. aber fein äßafjn ift größer, 
als fdfjon gegenwärtig bie SRettföen für allgemein oernünftig 511 
galten, nnb fein $&cti)n fdjäblid&er! — 



WtofopWWl* Vfaftptotf* (1890). 

SfortDouer unb 15. gebr. — £aö 3d) ift du öegleitgefüfjl aller ©eifteötbötig- 

"ü^gefü^. feit unb entfprid)t bem in ftetiger 33ilbung begriffenen $n\)alt ber 
jeweiligen 33orfteHungen, barin nur wenig gleichzeitig Ijinjufommt ober 
auöfdjeibet. Sßerben bie HorfteDungen, üon benen ein bumpfes Qk- 
fübl und beftänbig begleitet, unb bie a\\$ bem ©ebädjtnte bem Drt 
für bas üBewufttfein im ©eljirn beftänbig juftrömen, plöfclidE) unter- 
brochen, ftatt ftetig geftärft, fo fann baö ®efül)l itjrc Seljarrlidfifeit 
niefit anerfennen, felbft wenn biefe ä$orftcHungen von anfyn wie- 
berum angeregt werben. GS fommen in biefem gaffe franfljafte gälle 
eines 3?erlufteö beö bisherigen 3^ *>or. — 33ef)arren fann nadE) bem 
Tobe weber bas ©ebädfjtnis, aus bem bie äSorfteffuugen früherer 3*i* 
juftrömen fönnten, nodf) ber löewufi tfeinSort im ©ef)irn, ju bem bie 
33orftelhmgen gefeitet werben fönnten. 2)ie gortbauer bes 3d^gefüblö 
naä) bem Tobe ermangelt ber SJorbebingungen. 

33ilblidf) ju fpredjen ift baS Sewufjtfeinsorgan im Webirn wie 
ein Dfular, unb bas ©ebädfrtnis wie ber SRefleftor eines Xeleffops, 
nur ift bas Cfular doH 91ad)bilber unb Dorn SRefleftor burdfj eine 
faleiboffopifdfje Sdjeibe getrennt. 

16. gebr. — Söas idf) geftem über baö 3dfj gef dfjrieben , will 
mir I>eute nidf)t gefallen, ßö foll ja feine SBortbefinition , fonbern 
eine ßrflärung feiner @ntftef)ung, genau nadfj ber ©rfafyrung unl> 
nid&t barüber fyinaus, gegeben werben. 
serfuftc. ba« 3* ©mpfinbung fommt ju ftanbe, wenn bie SReije ju bem ©ebirn 
ju criiören. brtngen; — von Dieter Grfa^mng fann man ausgeben. 3>ie ßim 
pfinbungeu Ijaben eine gewiffe 3eitbauer. 3n ber erften 3*it erlangen 
fie ben Ijöd&ften Örab, fd&wädben fid£) bann ab unb werben cnblicfi 
md)t meljr wahrgenommen. 2luf biefe SBeife befteben im ©ebirn 



— 187 — 

gleicbjeitig t>ielerfei ßmpfinbungen uerfdfjiebeuer ^ntenfität. 3f)re Summe 

ift nur ftetigcn, Iangfamen 33eränbenmgen unterworfen, baljer erfennt 

jie fid) ate btefelbe roieber, bie furj juoor fd&on getoefen ift. SBirb bie 

ganje Summe auf einmal auögelÖfdf)t, fo fann eine neue Cftnpfinbung so* 3$ fuu n* 

*u ber alten Summe nid&t mefjr ftinjufommen. Gine neue Summe summe ™n 

fann fid) btlben. 35aä 3$ ift alfo \>tö ©efüljl einer nur ftetig Der* einpf!nbun0cn - 

änberltd>en Summe oon ©mpftnbungen in einem ©efyirnort, an bem 

bie grinnerungöbilber nnb SReije ber 3luf?enroelt ins »enmfetfein treten. 

20. gebr. — 2lbermate genügt mir nidjt, roaä tdf) juoor über stueuet smu«. 
bas SBefen beä %$$ niebergefd&rieben f)abe. £aö 3$ ift feine Summe erfa^mu» ju r 
pon ©mpftnbungen, fonbern ein ©efüljl, baö jebe einzelne ©mpfinbung 
begleitet. Daö $(1) ift baä eine mefentfid&e ©lement jebroeber SBaljrs 3*5 3* m feine 
neljmung. (£& tarn ju ftanbe im &inbe, im Jier, mit ber erften \umm^\onStxn 
ßmpftnbung, unb fdjroanb mit ber festen. Sein ftortbeftanb mä^renb jeJct (£?Äimß. 
beä Gebens mar möglich, fo fange cö oon einer auf bie anbre ©mppnbung 
ofjne Unterbrechung übergeben fonnte. £ie wahrgenommenen (Smpftm 
bungen fonnten ganj anbre fein, ate furj juoor; baö $df) blieb, ofyne 
anberö ju werben, wie ein ftetiges £önen einer flingenben 9Rafdf)ine. 
Siidbt baö £önen madf)t bte oerfdfjiebeuen Verriebtungen ber SKafdfjine 
aus, auä) ift ba* Tonen nidfjt bie Summe ber Verrichtungen ; — eö ift 
nur ein 3lnjeidfjen bes ununterbrodfjenen ©angeö ber SKafd^ine. ßbenfo 
mit bem 3$. 3>aä Öerou^tfeinöorgan, — ob eö nun eine einjeljelle 
ift, ober eine ©ruppe, burdf) Leitungen 511 einem Äomple^r oerbunbener 
Seilen, — ift baö Sßirfenbe. Seine ÜBirfungcu finb baS ftetige xatw 
3d), fowie baä unftetige SHtd&t^d). 2tffe SBaljrneljmungcn, fo brücfte ftl wSSSJVt 
man ftdj mit ben ftantfdfjen 9?adf)folgern auö, — finb SKobififationen mm * mtlm 
bes g$a unb ©erfe^lte grünblidb bie 2Baljrf)eit. 2>as $d) bleibt fid; 
ja gleich, wie beim Spiegelbilbe ber Spiegel; bie Ȇber madfjt eben 
ber Spiegel nid)t, fonbern bie entfpred&en einer Stujsenmelt. 2Bas 
bas aßobifijierte bei bem Vorgange ift, — unb ha &inft ber Ver^ 
gleidf) mit bem Spiegel, — ift ein 3ellengebilbe im £irn, barin 
©egenbilb (ba§ jtd& gleidibleibenbe 3$) unb SBilb (bie tranafubjeftioe, 
wedjfelnbe SBelt) erfebeinen. 3Kan mufe nämlid) mit ber SWobififation 
weiter jurüdfge^en, — auf bie gemeinfame itrfadfje ber ©rfdjeinung 
im SRenfd&engeifte twn 3d) unb 2Selt. — «ergleidje übrigens, was ben 
1. unb 4. 3uni 1878 über bas Verou^tfeinöorgan notiert ift. ®em 
Slaterialtemuö wirb mein 35enfen unnad&fidbtlid^ mel)r unb me^r ju= 
aebränat. ÜRur in ben Delationen fann Seift fein, fann Sott fein, — okittiitmirinDcn 
nid^t aber in materiellen Subftanjeu ober \\\ Gräften. 



— 188 — 

Dr. e. xre«jer. 25. #ebr, — Von (Sugen Sre^er lefe id& in 9tr. 9 ber Statur^ 

nriffenfdjjaf ttid&en 9Bodpnf$rift Dom 2. 9Rär$ ©rörterungen über bie »or= 
ftefyenbe ftrage. SLUe oft gefd&ieljt eö, baft ungefähr 511 berfelben 3 e ^ 
biefelben Probleme oerfdfjiebenen SRenfdjen in entlegenen fiänbern 5U 
beuten geben! Wit Ausbreitung ber Kultur metyrt ftdfj bie Söa^r- 
fcbeinlidjjfeit folgen 3 u f a ntmentreffenö. ^^nter^in beweifet es, bafe 
wir bie 2fnjal)l ber ben 9Renfdfjen einfallenbcn Kombinationen, ifyxtx 
3al)I nacb für enblidj galten muffen. Dr. 3>reljer fagt nun: 

. . . „rootten nur noa) bemerfen, baf* nur eö nöUtg unberechtigt finben, bafc 
§ume unb Äant, lefcterer in feinen fogenannten tßaralogiömen ber tranöfeenben- 
talen ?ßf»c$ologie, bie bur$aud jnringenbe Konfequenj von $e3carte$: quo bem 
SSorfjanbenfein beS Senfenö auf ein benfenbe$ (StroaS, — auf baS 34 3 U fdjfHefjen, — 
angreifen, unb meinen, man fönnte baö 34 oua) a(S eine Summe ober ein 
^robuft von 23eroufitfeinätfjättgfeiten auffaffen." 

3d) ftnbe nidjt, baß Kant bergleidjeu, wie Ijier unterfiridjen ift, 
gefaßt l)at. Sei ber £urd)fid)t ber 2lusfül)rungen Kante über Die 
^ßaralogiömeu ber tranöfcenbentalcu ^Sfgcbofogie (Kritif ber reinen 
Vernunft), ftofce iä) in ben, in jroeiter 2diffage roeggelajfenen Cfr- 
örterungen, auf einen 2luöfprud), mit bem id) ganj einoerftanben bin. 
Crr fjeifit: 

„5>a3 tranofcenbentale Cbje!t, roelc^eö ben äußeren <grf Meinungen , — im- 
a.(eic$en baö, roaä ber inneren 2(nf4auung ju ©runbe Hegt, ift weber Sßaferie, 
uo4 ein benlenb SBefen an fi4 f clbft , fonbern ein unS unbefannter ©rimb 
ber <5rf4etnungen , bie bem empirifa)en SBegriff von ber erften foroo$l a(d ber 
3ioeiten 9lrt an bie §anb gefjen." 

«ifcruai» 3» meiner Sprache auögebrüdt, ^anbelt ed fid) beim ^d) unb 

Unfinn finb, — fonbern um empirifdfie 2Saf)rnef)mungen unb bereu 
logtfdje Verarbeitung. £a finbet fidf), ba§ ber metapfigfifdj un- 
befannte ®egeuftanb, empirifd) bas bifejuiate ^ßrotopfaflmaf(ümpd)en 
ift, baö fidf) naä) immanenten Kräften 5U einem SRenfdjen aus- 
geftalten fann. 3WoIefularben)egungen bringen, man vermag bao 
äßie nidfjt ju erflären, SBaljrneljnumgen im ®ef)im t>ert>or, ftetö in 
biöjunftiner J orni / äSal)rnef)mung be$ Selbft unb ber SBelt. ®cr 
gemeinfame ©ruub, ber baö 3d) unb bie äßelt I^eroorbringt, ift feine 
metap^fifd^e 3Katerie, aber mo^( eine empirifdie SWaterie, — bie 
mir nac^ ben Oetmj^ritdprinjipieit ber neueren (?rfenntniöle^re, a\& 
geftattet miffen .mit ©genfe^aften, bie ben Jleaftiouen ber ^irnfubftan.} 
entfpredjeu. 



1 



— 189 — 

19. aWärj. — Tte 3Materie nimmt ftdh ntdfrt felbft waljr, aber 
fie bringt f>en>or bie 3?orftellung ber 2Belt unb bes Selbft, — baö 
Selbft fdjeinbar bleibenb, wie bad Siify einer l'eudfjte, obgleich bie dma »i*ev ta« 
Derbrennenben kämpfe burdfj neue fontinuierlidf) erfefet werben. 3ft waitwUenfcm 1 
bie 3 u f u *) r i xlx SßeltüorfteBung ununterbrochen , fo fdfjeint baö Selbft u a " B 
bctyarrlid), — wie bad £idf)t ber brennenben i'eudjtc. 3Me äöelt fann 
nid&t oorgeftettt werben ofjne ein baoon unterfd&iebeues Subjeft, ba© 
^d). aber Söklt unb 3* werben oon ber SKaterie ju üBorftellungeu 
gemalt, bie eütanber entfpredöcn. So mag man htn Stoff für ben 
Urgrunb t>on Seele unb SBclt galten. 9lber eigentlich weiß man es 
nidbt unb wirb es nie erfahren. 3ft ba* fidf) felbft 2£af)met)mcube 
wie ein Ton, ber jtdfj felbft l)ört? Tie Horftellung bleibt überfd^weng= 
ltdf) fdfnoer. 

24. 3Wärj. — 3Bie naty ber 9Renf$ ift, ganj wiberfinnige (Sr^ iraum. 
fdjcinungen für wirf lidj ju galten, wirb befonberö burdjj bie Vorgänge mVim'sraum" 
im Traum natje gelegt. Xiefe 9tad)t }. 2J. träumte mir, e$ faß 3i*. f ür »Wr "&i 
in meinem Sd)laf$immer auf ber großen Toilette unb fdjwafcte. Od) 
interpellierte ityn, wa$ er ftdfj eigentlich in 3)ejug auf fein SBermögen 
oorfefete. (£r antwortete redbt Dernünftig, anbre mürben <m$ ben 
©ütern mad&en, was fid) madfoen ließe, biö er fte jurücf erwerben 
tonnte. Xann lag er wieber auf irgenb einem Sofa, unb idf) fagte 
ibm: „Oeftetyen mnb idb, baß idf) eigentlich bisher Sie gar uidjt für 
eine 2Birfßdf>teit gehalten fyabe. T>aö ift nun oorüber." Xa^u tarn 
meine (üerftorbenc) ftrau. 3>d) glaubte, trofc beö 9tnadf)roniömua ifjrer 
Gtf Meinung unb trofc meiner erften 3 roe if e l an her SBitfßd&fett, nun s« ©umt* fommt 
an bie ©egenmart SBö. 3n ber Religion fommt ber fefte ©laube ^raumÄn*™ 
wal>rfd>einlid(j .am Traumjuftänben bed ©eifteö. 9lur wer biefe 9Kög= bf * *"***' 
lidfrfeit nie uergißt, fann wafirfyaft tolerant fein. Turdf) Sdfjredt 
unb i'ift erreichen ju wollen, baß bie 9Wenfd)en ein unb benfelben 
Traum fjaben, ift borf) barer Unfinn. 



3ur 3)ia^l}eit waren wir in ^roafant, wo bie öranbftiftung »«ipiei 
befprod&en warb, — um elf Ufjr abenbö war bort fteuerfd&aben a\& n %?Ä! , ** n 
gebrochen unb ein SBirtfd&aftögebäube niebergebrannt. Ginige Stunben 
barauf erwarte meine Todfjter in Steoal mit bem Shi&ruf: „Gntfefc 
lidjjer Traum, — ed bat in ^rcumtant gebrannt!" 

3»ei (Srflärungen finb möglidb, entweber 3 u f a ß ober Meterwellen, 
bie oon 3erwaf an t a\\% angeregt biö jur Schlaf ettben bringen, trofc 



— 190 — 

fiebjig Kilometer (Entfernung. $er, abenbö oon nn^ in SReoal oer^ 
nommene blinbc fteuerfärm, fann audf) ben Xraum Deranlafjt ^aben, 
ber fo merfwürbig mit bem wirflidjjen ©reignte jufammentraf. 



^dj träumte, oor bie 2f)ür trat f)inauö unb ju meinem SBagen, 
mit bem id) in eine Stabt ful)r, ^ofjanna Siömardf, bie ftürfttn; — 
erfreut unb überrafd)t fragte idf) nad) bem dürften. „Sefjen fann 
man ibn jefct mtf)t." — ,,©ef)t es ifjm benn ni$t gut?" — „Seiber 
nid)t." — 3$ tttadfjte ab, ju fommen, fobafb er wieber üRenfdjen 
vertragen fönne. — $df) notiere biefen Xraum, unb er foll beträfen, 
baß Xräume nid&tö bebeuten. — 



Grmiibun fl eeffüf>i. 7. 9Jiai. — 2>en Schlaf erffärt man axiü ber, burdf) bie ununter^ 

brodjene Xageßleiftung ber 9tert>en entfte^enben 6rfdf)öpfung. ßs finb 
3ufuljrwege für ©innenreije. Ob man audf) ftiHe gefeffen fyat, bas 
Taft= unb 2>rucfgefüljf mar burdfj bie £aut beö gefamten Jiörpers, 
meift unbewußt, beanfprud&t. £ie s J?erpen, bie biefeö ®efüf)l feiten, 
pflanzen weniger fd&nett bie SReije fort ; — bie Srmübung ift wie eine 
)iä) anbatynenbe üWarfofe; füfjft man nidfjt mefjr, wo man jifct unb 
liegt, fo ift man unempfinblidfjer geworben. 2)aö gilt oon bem (Sin- 
ermübunßHjtfü^ bringen ber äußeren Steige auf bie SBaljmeljmung. 3lber gilt eö nidfet 
(©<brtd)tms.)»ci}e. audf) für bie Seitung ber Sorftelfungen, bie im ©ebädbtniffe aiu 

gefammelt finb? $)iefe ju birigieren, wirb mane benfattö mübe. 2>aö 

Scfyfafbebürfnis entfteljt nad) biefer SBorftelfung auö ben Anhäufungen 

in ben s )ieroeuf äben, nieftt in ben 9Zcroenf fümpdfjen. Die 9ien>eiu 

fäben feiten oon außen bie Sinneöembrücfe, — oon innen bie ©e- 

bädfjtniöoorräte unb <8orftelfungen, ju bem Sßafirnefjmungäorgan. $toti 

Manalfpfteme ober ftorriborfyfteme! 2Bäf)renb bes SBadjen* arbeitet 

«orriboritjftcm. eä in ben peripf)erifd&cn Äorriboren. $)iefe bekommen 3tu^e in ber 

9?a<f)t. 33eim Xraum arbeitet eö ungehemmt in ben inneren ÄorrU 

boren. Süie werben auögefegt, wie oon fleißigen 3Rägben, unb man 

erwadjt ffar ju frifdjer Senk unb Sinneäarbeit. — 

«a|optriid)e 15. Sept. — 3wei Umftänbe fpred&en für. bie fatoptrifdje 6in* 

^ri)imö. ndfjtung beö fttmapparateö jur SBaljrnegtmmg : 

1. £ie Spuren, bie im ©ebädjjtniö oerblciben, nidfjt im Gewußt* 
fein; — wie twn ber Üicfjtwirfung bie Jtadjwirfung auf 
p^oöp^oreösierenbeu Subftanjen. 



— 191 — 

2. 25ie ©efamtftimmung unb bie (Erinnerung , beeinflußt unb 
begünftigt burdf) Sinneöeinbrüde, bie 311m äeroufctfein nid^t 
gelangen. - — 



KtlxaiDXi (1890). 

22. 3Wärä. Unter bem Xanten ©ott fonnten bie SKenfcben feine mm 
ftd) gleich bleibenbe SJorftettung oerfte^en. üRadf) jeweiligem SBerftänbniö r «Sm. unö 
änberte fte ab. Den er^abenften Sluöbrucf fanb bie Storftettung fd&on in 
bem ^oljanneif djen Sprud[} : ©ott ift ein Seift, unb iljr, bie i^n $« erMwiie 
anbetet, betet ibn an imSeifte unb in ber Sßahrbeit. Xberdo&nnrifdlc:«?» 
bie 3Wenfdfjen Ijaben immer nrieber unter ©ott an räumliche ©eftalten ,! fm 
unb jeittidfje Hräfte gebaut. 9?un aber flehen Stoff unb ©nergie ber 
Summe nadfj enrig ftitf. 2Baö ftd) änbert, ift nur beren Sage unb 
2ßed>fefarirfung. Dem Dauernberen ftrebet Sage unb SBedfjfefarirfung 
eroig ju, unb baju bebarf es eines Sluöfdftfujfeö ber Störungen, einer 
eroigen Harmonie beö 33erfd^iebenften. 2>aö ift baö ©ute, bem bie 
cdfjöpfung jufteuert, unb baö ift ©eift, baö ift ©ott. Jvür baö @ott.beui«erakiff, 
Univerfum ift eö ©ott, — für bie 3Jtenf dbfyeit ift eö ber ^eilige 
Seift, für ben ©injelmenfdjen ober für baö 9Benfd&enpaar beffer, 
ift eö baö '^beahnmfätmpaax, ber ^Saraffet, ber ewige (nidf)t ber 
Öiftorifd^e) ßfyriftuö. Unfterblidf) unb eroig ift nur baö Streben tum 
8uten, ju ©ott, — mdf)t baö einzelne SJienfdfjenpaar. 3Jian foff feine 
eigene befdfjränfte Griftenj über baö (Sroige nergeffen, — baö 
mad&t feiig. 

2>er Sperfönlid&feit fidf) entnnnben? 3ft baö nid&t bie £enbeuj ber mu*. 
Jtefeten ? 6inf eitig, wenn bief e Xenbenj nidfjt jum Seften einer ©emein; 
iefaft oon SUienfdfjen bient; — aber ein roafjrer Äern bleibt in ber 2löfefe. sie sontenungen 
tann aber mufc biefelbe Xenbeng audf) bie Sorfteffungen beö SDienfdfjen unfterbiwtit 
mm Unfterblidftfeit, üon ©ott betreffen. 2)ie gortbauer beö einjelnen ift SfimuTberdSISt 
bie unenblid&e SBirlung feiner £f)ätigfeit, alö ©lieb ber Äaufalrei^en, 
für bie 2Renfd)f)eit ; — baö eitrige fortleben nidfjt eineö perfönlidfjen 
M*. ©ott ift nidfjt ein jürnenber, liebenber, fonbern ein ©roigeö, 
otjne 3lffeftc. 3>aö fü^rt ju einem ©tauben, ben bie ©goiften für 
3W)eiömuö unb 9Waterialiömuö erflären muffen, ber aber mit ©eroifc 
Reiten arbeitet, nidf)t mit nriberfprudfjöoollen , unoodjieljbaren 33or= 
ftellungen. £aö ßroige ift genrifc unb baö Uuenblidfje ber Äaufalreifjc. 



— 192 — 

9iur ift ber Sdjjlufj übereilt, baft e* feine ßreignifie geben tonnte, 

beten jureidjenbe Urfad&e nid&t fdfjon in ber Vergangenheit doII- 

ftänbig gegeben wäre. £a* Verantwortlidfjfeitageftiljl ift ein ©eroifc 

Ijeitaprinjip , unb tym tann nur genügt werben, wenn man fidj Hat 

madjt, bafc bie Öegenwart eine Örenjc jwifdjjen ber Öefamtbeit ber 

©cßemotttt ift ®efd)e^nif|e ber 2Belt, uid&t aber eine Sauer ift. GJegenwart ift niebt 

? ^Ä^ bM 3eit, unb nur in ber 3eit tarnt feine Urfad&e ^tnjutreten, — aber 

©egenwart ift iutelligibel, unb ba ift gretfjeit, b. i. $in}utreten 

von neuen Urfad&en. äBenn bie Vergangenheit sub specie praesentis 

betrautet wirb, f o bringen wir eine ^retyeit hinein, bie nid&t befielt ; — 

6ittu*es 3nttreffe aber bie in einer ©renje jwifdjen ben ©efamtgefeljetyniffen norftettbar 
bcr *w4tt. {)X ^ affein |bt bcr ^ iovit cin n ttKd6eÄ treffe. 



29. 2lpril 1890. — 3um 1. SRai \>at fid> bcr Kucfucf eingeteilt. 
Ter frieblid&e Slnbltcf ber lebhaft ergrünten SBiefen, bie Bieten Ahmten 
auf meinem Stlpenberge, bie jungen belaubten Säume mit ben buften- 
ben gaulbeerblüten, ftimmen milbe. 3>a* fieben in ber 3tatur wirb, 
fjoffe idfj, aud& Viötnardfe &erj ben ^rieben toiebergeben. 6ö ift mir 
fdfjwer, ju glauben, bajs er ficf) je wieber gtücf(id) füllen fann. Sßoljl 
l)atte er fdf)lidf)te 9totürltdf)feit bewahrt, als er eine SJebeutung l>atte, 
wie melleid&t feiner uttter feinen 3 e itgenoffen auf ber ganjen ©rbe. 

Qebenfatt* ift ber grofee SRann nodb wie ein oott ber £ölje in* 

SWeer geftürjter ftete, Don glitten überftrubelt unb überfdbäumt. SRan 

wirb ja erfahren, wie ba* ade* jur SRuljc fommt. 

22 SRai 
3. %uli. — Viel erlebt, — wenig gefdfjrieben. Vom -^r — - 

bi* jum 16./28. ^uni weilte idf) in griebrid&ärulje. £er gürft SMo- 
maref ift nid&t nur l)iftorifd& eine ©röfcc, er ift eö audf) für bie ©egenb 
alö ber für alle 2Kenfdf)en Iieben*würbigfte 5Dtenfdj) ber äBelt. 



Sie fortfdbrittlidbe Partei möchte ben groften SRann anbeten, 
aber in einem ^eiligenfd&rein. Unljeimlidt) wirb e* natürlich, wenn 
bie £eiligenbilber fidt> nicht ftille oerljalten. 



22. 3uü. — Sie $erjenöfröl)lid^feit, ^reiben Sie*), erhält fi# am 
beften burdfj bie Sauf barfeit gegen ®ott. 3$ fage, föott ift bie Siebe! 

*) 9tu8 einem »riefe an bie Baronin 93. »on Uetfüa. 



— 193 — 

3ol>. 14, 16 - ^üljfen Sic nidjt, ald eine Nötigung in ffixem £erjen, 
©ott ju lieben, unbebingt, ob 3f>nen bad $>ogma ber 3>reieinigfeit 
begreif lid) unb annehmbar geworben ober mdfjt? 

Raffen foll man uidf)t, audfj nidfjt bie Semiten. — £a tyat bad 
2Sort bed ©o. ^o^. fidf) ald 2öa^eit erwiefen, bafc, wer Ijafct, ein 
Wenfdjenmörber, toenn auef) fetyr inbireft, fein fann, wie bie 3uben« 
morbe in SRußlanb bewetfen. 

3n Berlin Ijaben Sie triel geiftige SRaljrung gefunben! . . . 9lber aas 
woju? tooju? 2>ad ift bie ??rage, bie man nidfjt lod wirb, aufcer im auetn * ete - 
Senif ober in Unternehmungen für etwad $ leiben b er ed, ald mir 
felbft. 3efct, auf bem Sanbe, pflanjen Sie Säume; 93effcrcö tann 
man ni<f>t tf>un für bie 3ufunft. TemGwigcn ju bienen, bamit 
es nidfjt eine botjle v J5f}rafe wirb, empfehle idf) burdfj bie 33et>or= 
sugung bed £)auernberen, wad bem SRenfdfoen bod^ mögtidf) ift. — 
Taju gehört für midfj in biefem Hugenblidf eine füfjn entworfene Stcim 
brücfe, bie ju befe^en idf) Sie oerlaffe. ' 

Wan muß befenneu, bafe ed eine wiberdf)riftli<f)e Humanität gar Humanität unb 
nidjt geben fann, cbenf omenig wie einen tnereeftgen Äreid. — ^nbed «e»in»oft. 
betreiben mir und . . . Seljr fern ftnb nodf) bie 3*iten unb faum be= 
griffen, roo bie Humanität innerlich von und oerftanben fein mirb 
unb äufjerlidfj über ben gangen Grbbatt ju einer Snerfennung ge= 
langen fönnte, wie fie jur 3 e ^ nid^t benfbar fdfjetnt. 

6d ift unenblid^ fdfjroer, auf bem religiöfen Öebiete bie Ten; 
benjen ber Wegenwart ober gar i§re ^kk 311 beurteilen. Stillftanb 
ben>or$ubringen, bad l)at bie ttirdje immer gehofft ober ftdfj angemaßt. 
Selbft ber ruffifdfien ftirdfje gelingt ed nur relatio; fie ^at weniger 
wirflid&e jjorfd&er. 

Tic Gtemeinfdjaft muft immer neu belebt werben aud bem un= 
erfd)öpflidf>en Cuell bed einzelnen 3)icnfd^en. 2>er ©inselnc 
wirb jtdf) üieHeid&t in biefc aufgäbe immer mefjr unb mefjr rerfenfen 
muffen. 2>ad ift bie Sefceutung feiner Unerfdf)öpfltdf)fcit unb 
©rot g feit. 3n ben &\ten eined gewiffen übcrftnnlid^en Tragend 
madfjte idfj mir ben Sprudf): *epierun fl * 

Selig, wer fein ©lud fugt weber im £immel «""I*»«- 
nodfj auf erben, fonbern feiner felbft oergifjt in 
bem ewigen 2Berf unb in ber Siebe. 

©d ift eine formet, bie, wie jebe formet, bad i'eben nid&t be= 
meiftert, aber bodfj Reifen fann, ed ju birigieren. 3« ber größeren 
©erneut fdfjaft ber SRenft&en auf Grben, baju füfjrt bad SBirfen bed 
Gwigen ober bad ewige 3öerf, fo oiel glaube id& aud ber öefdjidfjte 

Vii* ben 2aßebud)blätttrn bed trafen %. Äetjferliitfl. 13 



— 194 — 

erfcijcn gu fönnen, unb baljcr ftecft t>iellei$t in bem religiöfen Se^ 
paratiömuö eine oorbereitenbe 3 c ^f e fe un S- ^ e ettblid^e Einigung aus 
ben 33eftanbteüen , bie fidj ungerftörbar erwiefen fyabtn, liegt in un* 
enbltdfjer gerne! 

21. Sept. — Die aufcerorbentlidfje Sebeutung ber Siebe für bas 

Streben gum Gwigen unb für baö ©mpfinben beö ©wigen ift unter 

ben 9Kenfd)en in ber Erfahrung oft gu beobadfjten. Sie verlief), wie 

id& benfe, bem Gfjriftentum einen wefentlid&en Deil ber Äraft, mit ber 

eö baö £eibentum ,ber gried&ifdfcrömifdien 2ßelt überwunben. 

Grünbeber Dem %ülam gegenüber ift baö Gfjriftentum madjtlos, Die @e- 

«briftlntum«% 6 em fdjidjte lel)rt, baf$ fjier für unä ein fdf)wer begreiflichem Problem »or~ 

3eiom geflenu n. ^.^ 3)lol)ammebaner fönnen befiegt werben, aber nidftf belehrt. 

393e^alb? Das ßfjriftentum l)at mit feiner Siebe nidfjtö bei tynen 
auögerid&tet, meUeid^t weil bie Sübung beö 2Beibeö bei ben SSölfern 
be§ ^älam gu tief fte^t. Daä Verbot ber geiftigen ©etränfe, bemerfen 
9ieifenbe in 2lfrifa, ljat audfj bagu beigetragen, ben 38km ük* &<** 
Eljriftentum gu ftellen, ferner ber oon £eiligenanbetung, Dreieinigfeit,. 
©otteömutter u. f. w. weniger getrübte 9Konotf)eidmud, — enblidjj bie 
Gfjarafterfeftigfeit, bie a\& ber fataliftifd&en SReftgnation entfielt. 
Daufenbjäfjrige ©rfaijrung t)at gegeigt, ba§ bem Gljriftentum gegen ben 
3$lam feine überwinbenbe Äraft beiwohnt, wie bem #eibentum gegen= 
über. 2lfrifa wirb gimlifiert, aber niemals dfjriftianifiert werben. — 
SKegppten unb Äartfjago werben nie metyr Sidfjtpunfte ber Gljriftenletyre. 
werben, 
xrummonb^xa« 17. Dft. — SBir unb bas Sefte? 2Bcr finb bie 2Bir? . . . etwa 

wir, bie ba lieben. Um bas büblidf) fidf) gu oerbeutlid&en : 2Bir, bie 
wir guf ammenf lingen ! — Das ©efüljl unfreö 3 u f a romenflingens, 
unfrer Harmonie mit bem 3111 ift trielleidf>t bas Sidfjerfte, roa* 
wir von ©Ott erfahren, unb ift nid)ts weiter als bie erweiterte Siebe. 
Der Siebe gu entfagen, um ©Ott gu Heben, ift oerfefjrt! — So benfe id&. 

^rof eff or -Dlorifc Gngeltjarbt faßt f o waljr : „Die 2Belt o^ne Siebe 
wirb gu einem blofeen 2lrbeitsl)aufe." 

lieber bie Siebe (bas 33efte in ber SBelt) ljat #enrt) Drummonb 
auf ©runblage bes 13. Map. Äorintf). I. eine fd&öne 3?ebc gehalten, 
bie gum 9Jad)benfen veranlagt. Das eine ift oon ber Siebe aber 
ctiflinaiuat nodfj fjeroorgufieben : fte ift originell. Ob oon ber Siebe in ber 
nieberemSpfjäre, bie burdfj bie Begattung Grfd&öpfung finbet, bie SRebe 
ift, — ober oon jener überfd^wenglid^en Siebe gum £öl)eren, ©wigen, 
bie ein unbefriebigtes Seinen bleibt, bas in gleidfj bleibenber Span- 



»tfte in ber ©dt' 



jrQliger fiiebc. 



— 195 — 

mmg faum 24 Stunben fid) erhalten famt — was ber ßine ttjut, 

fann ber 2lnbre auf biefen ÖJebieten nidfjt fortfe^en. — 2lnbers in 

ber äBiffenföaft, in ben ftaatlid&en (Einrichtungen, in ben ©rfinbungen. x\t «uf. unb 

*ür bic 3Renfdf)f)eit ift bic Siebe, wie ber ßerjfdfjlag für ben Äörper 2kb?8S8 ™l 

eroig erneute Stuf* unb 2lbben>egung, bic aber nidfjt aus ber ©teile «Ut wr C wkkV 

fommt. £ie Siebe ift uotroenbig, um bie 3lrt ju erhalten unb um m " 

bie geiftigen Jvunftionen ju beleben unb ju ergeben; — aber um bie 

©emeinfd&aften ber 3Renfdf)en ju fjöfjerer ftultur ju förbern, baju 

genügt fie nidfjt, unb felbft fann fie jroar in einem SBefen tuet sie 2ieb«*ma*t \'t. 

fräftiger unb fdjöner afe in bem anbern auftreten, nidfjt aber in einer 

©efdfjid&töepodje mel anberö als oorfier. Sie fpricfyt ade Sprayen, 

l'agt 25rummonb, b. I). fie ift mef entließ biefelbe, ob eine Spraye bie 

flöcfeften ©eiftesblüten ber 9ftenfdf)f)eit jum 3tuöbrucf gebraut ^at, — 

ober ob fie nur nieberen 33ebürfniffen biente, — unter SBilben, wie 

unter ben 33ölfem an ber Spifce ber 9Henfdf$eit. Sie gehört ju ben 

pulfierenben Munitionen ber organifdfjen ^ubioibuen, ifjrer Slftioität 

naeö, — toenn fie audf) eine ganj paffioe 9Be(t umfaßt. £aö ift bie 

iienridjtigfte ginfd&ränfung, bie bei ben Betrachtungen über bie Siebe 

nid)t übergangen ober überfprungen werben fann. — Slufeerbem t$ut *öarmm ff . 

aber audf) eint SBarnung not. Solche Betrachtungen oerfüfjren, bie 

Suftimmung ber SJienfdfjen auf [eid&tcrem SBege ju fudjen, anftatt auf 

bem fdnoereren Sßege fie ju oerbienen. Seffing fjat es gefagt: an* 

bärtig fdfjroärmen mögen Biete fdjlaffe 2Jtcnfd)cn, weil es leichter ift, 

als gut fjanbefn, unb oon bem ßanbcln bispenfiert. — So mel t>or= 

behalten, ftimme idf) bem ^nf)alt ber £rummonbfdf)en Siebe bei. — 



Pro memoria IV. 



(Einleitung. 

3*r linUxbatiunq mit Anton mindert fi$ mit tan After &cr rowSfcffeiti^c 
3 04, öefBftttnierßafhing nann einigen €iT<i$ (ieten, venn Üc nie6er4er<c$riefcn 
wirk Befcfcränfcfe fie fi<$ auf ßfofe* 3>en*en„ xenibc fie fi$ mfTücBtigen. wie 
Crdnrat e* fäun. ünf jCefer rer?ic$fe man. Pie *©a£r6dfti$fceit iß um fe uu- 
6c6in6trfer. Per ßenrinff: BefcBaftitjnn*}. 5ie nie ei matte!: — Äfdr^eif, Mc 
bnxäf 6en forgfaraen An$ftrn<& kommi : — ^Sefeßigung im <&e6dd?tni* : — fiefcerer 
KiicfeBficfe: — (ändere tikiftesregfaraieit bnrdo bic sTeinc ti>mnnaßi6. 



Mißton (1890). 

(Sortfefcung.) 

Sänge, lange fjabe id) gefdjnriegen. £>er rege 2lnteil an ben 
Singen fdjroinbet unauf fjaltf am , wenn bie fiteben geftorben ober bas 
§am uerlaffen f)aben. £ie Siebe jum Groigen ift in ber ^eitltdjfeit 
fein ooller Grfafc unb forbert eine Spannimg, bie mit bem 3llter imb 
ben Kräften fdiurinbet. 3Jlan fott immer feine ty$id)t tl;un; wartet 
man aber auf ben eigenen Xob unb l)at nid)tä Siebes im £aufe, fo 
ift man nidjt uu^uf rieben, baö 2luff)ören ftd) uorsiiftetten. 



3$ follte pro patria wieber ben Silberftab*) ergreifen, — als 
märe idj ein SRettungsanfer. £>er Slnfer i>at feinen Slnfergrunb mefyr. 
tm s Jlanbe bes GJrabeS mof)ne id). . . . Söurbe es mir bod) oergönnt 
fein, fanften Xobes 311 fterben. 



3Rir fc^eint meine ÜJruftaffeftion ftd) ju oerjiefien. ®efyt man 
jur üHulje unb beuft an bie (Snrigfeit, muß man gefteljen, baj? man 
nichts baoon fjat, rotnn man fie nidjt perfonifi}iert. (Sroigfeit 
unb Unfterblidjfeit perfonifijieren mag nriberftnnig fein. Slber fo fteljt 
cq mit ber menfölidjen SBatttr. ©Ott ju lieben, gar nid)t ober um 
finnig, bas ift bie Sllternatioe. ©o lange ber 9Weufd) etroas anbres 
SU lieben §at, mag er 311m erfreu neigen, aber wenn if)tu gefdjnmnben, 
wenn ifjn oerlaffen, alles was er je geliebt! @ott allein bleibt ifjm — 
ober es ift ifjm nichts mel)r in ber Sßelt lieb. 



3Jid)t oiel anrühren ift oft jur Teilung oon SSunben üorfd^rift! 



*) Sgmäol ber SBürbe beä ftitierföaftSfjauptmannä. Sie§e Se6cnSffi33c 
S. XXV, 3. 33. 



— 198 — 

ätfaö 2ic von meiner SBereinfamung fagen, ift maljr. . . . 2lm 
Gnbe beö 75. Qaljreä fommen wir fdf)on in bie Legion ber Stille, 
bie und balb aufnehmen fotl. . . . 2Baö idf) im Seben nodfj $u triften 
Ijabe, fommt mir einfadf) oor unb audf) wenig. $df) werbe woljl meinen 
©ebanfen nadfjfjängen, id) glaube aber, baß ber jefctgen ©eneration 
burd) Qtitnnffi: unb anbern Sd&wafc fo rnel jugefüljrt wirb, bafc auf 
beut 3Karfte feine 9iad)frage für ©ebanfen geblieben ift. (Setreibe, 
SBoIIe unb 9Jtoftodf)fen, für bie gibt eä immer nodfj 2lbfa|, wenn audb 
ju gebrüdten greifen. $n mir aber möchte idf) bie Siebe pflegen unb 
mödfjte aud) in ber 3tbgefd&ieben^eit babei bleiben. 



30. Cft. — Vascal ift ein ©eift, ber immer wieber einbringlid&e 
33etradbtungcn uerbient unb finbet. 3" bem bieöjäfjrigeu £eft oom 
15. Oft. ber Revue des deux Mondes finbet fidf) eine bemerfenäwerte 
Stubie von 3uH9=$ßrubbomme : „Sur le Pyrrhonisuie de Pascal." 
^aöcal jweifelte nidf)t, meint ber 2lutor, an ber SBiffenfdfjaft unb an 
ber Sluftenwett; er glaubte aber audf} immer ben fielen ber Äirdfje; — 
erft, weit ber SBater fie ifjm anlernte, als ein ©ebiet, auf baö fidf) bie 

^aocai« «nafc. weltlidf)en 2ßiffenfdf)aften nid&t erftreden; — bann als 3 u ffud&t be* 
ru^elofen £erjenö, oom 21. ^aljxt ab; — enblidf) als erleuchteter, ben 
eine nädfjtlidbe efftafe einmal beglüdt Ijatte, t)om 31. ^atyre <*&• ~~~ 
Sefjr merfwürbig bleiben bie fogenannten £urdf)brüd)e, plöfelidfje innere 
©rleud&tungen, als wäre Gfjriftus bem ocrlangenben ©eifte in Sßerfon 
offenbar geworben; — gleidjwie bei ben 9lnt)äugcrn oon Sorb Stabftorf, 
bei unfern 5ßafd(jfowiten in moberner $eit, bafyin audfj unfre baftifdjen 
Grwedten gehören. Gs ift immer biefelbe erfdfjeinung wie bei ^JJaöcal, 
als er bie unjufammenljängenben 2Bortc auf ein Sillet fdfjrieb . . 
joie*), joie, pleurs de joie . . . etc. — bas auf feinem Körper beim 
Tobe wie ein 3lmulett bewahrt, gefunben würbe, unb wie bei oielen 
anbern Graftierten ber Religion, oon benen bie feftenbilbenbc 

MiMtuififlcHuiQnon. Schwärmerin, bie grunbfjäftlidje, aber bodfj besaubernbe Söitwe Stou- 

rignon aus Sitte, angeführt fei, — weil fte in SSerjüdung wie Siebet 
Umarmungen bes ©eiftes empfanb. es fd>etnt bie Siebe jum @wigen 
511 ejraltationen fidf) ju fteigern, bie einen £öfjepunft erreichen, bis 511 
feiiger erfdjlaffung. Db biefe SBerjüdungen nidfjt bei ^erfonen ftd) 
eljer einfallen, benen ein normales ©efd&led&töleben oerfagt ift? Vascal, 
na<$ bem „Discours sur Tamour" ju fdfjlieften, l;at eine feurige eble 



*) greube, greube, greubentljrftnen u. f. n>. 



— 199 — 

Webe tiefer burdjbadjt unb empfunben, alö 9)Zcnfd^cn eö gemöfinlidfj %ami rennt bie 
tbun; unb bod) tyat er n>of)f niemals einem SBetbe beigewohnt. ©d 2ieb< cbcIfltr * Tt ' 
ift bie SBerjücfung nrie ein ftelfoertretenbed fyödrfted fiuftgeffifjl, auf bem 
Gebiete bed leeren ©eifteslebenä, mit äJjnlicben 5Ren>energriff engten. 

2. 9iot>. — £er SSergleid) jnrifcfjen Sßaöcal unb Äant ift fdjon Gr fl anjun$i jum 
II. 3. 62 u. f. befprodjen; eö foll aber ergänjenb angeführt werben, |o t Äa"*unr , iStt , t 
bafe beibc bie Unmög liebfeit, bad Tafein ©otteä ju beroeifen, be= - s - 62u • f - 
Raupten; — ^ßadcal gel)t über Äant no<$ Ijinauft, wenn er bie 2Bert= 

loftgfett foldjer öeroeife, falte fie ftdj finben liegen, beleuchtet, unb auf 
bas aSerfe^lte ber SBeroeife auä ben ©nridjtungen ber Dlatur unb a\\% 
bem l'aufe ber GJeftirne Ijinroeift. 2Benn Äant eine gemiffe Sdjonung 
übt gegenüber bem pfypfifostljeologifdjen Seroeife, „bem geftirnteu 
4?immel über mir" eine geroiffc Ueberjeugungäfraft jitfdjreibt, fo opferte 
er bem 3 e ^9 e *f*- dagegen ift Äant überlegen, fefir überregen burd) 
bie $reit)eitd(ef)re unb burd) bie jufammenlKingenbe 2lusbilbung einer 
3ittlidjfeitslef)re. ^aäcal rettet ftd) in bie Empfehlung eines f)gpno= 
tifdjen 3uftanbeö. „Prätiquez, prenez de Teau benite et abetissez- 
vous; a baä finb feine berühmten SBorte. 

3. 9toü. — 9In ^padcal fyebt ©uttp-^rubtyomme fyeruor ben 3"Ö 3«ß i um ^ Mt 
jum ^ ea ^/ barand bie „religion spontan6e a unb bie Siebe jum 
3leftl)etifd)'3d)önen, ober ju ben Äünften entfielt. Sieligion unb Äunft 

baben in bem SWenfcfyen gemeinfame ©runbtriebe neben ben befonberen, 
bie fidj f)injugefellen. SBenu aber Sullt^rubtyomme auf ein (tranö= 
fubjeftweft) objefttoeä ^beal fdjliefet, roeil ber ©runbtrieb auf ein un= 
bestimmtes @troaö gerietet ift, ba* im Subjeft feljlt, fo überfielt er 
bie 93ebeutung ber ibealen Befreiung von fubjefttoen Sdjranfen. 35a$ 
<öefd)ränftc ift gegeben unb läßt fid) twffjieljcn, — baö Sdjranfenlofe 
mirb geforbert unb bleibt ein Seimen nad) bem unüotl}iel)baren Qbeal. 
tiefes Qbeal ift jroar im Subjeft nid&t anzutreffen, aber burdj bie 
Sdjranfen, von benen baä Subjeft loöfommen miß, angejeigt, roie 
burd) ein ©egenbilb. 

5. 9too. — Seron Steaulicu in feiner großen Stubtc über bie seroi) »eauiim* 
ruffifdje Äirdje fprid&t doii mijftifdjen Stiftungen fjöcbften Spiritualia- ^m\kt£W<. 
mud' unter ruffifeben Säuern. (** gäbe folcfje, bie nur in ben 2$or= 
ftellungen unb ©mpfinbungen ber s 3)tenfd)en eine (Siuftenj GJotted .fefinbet 
glauben, £aben biefe nidjt bie richtige Söfung getroffen? Äann man »ÄßÄ 
nid>t in ben fubjeftiuen öott fid> perfenfen? Äann man in biefer 
iserfenfung nidjt $xtit)e\t füllen ^on allen Hemmungen unb finnlid^en 
©elüften ber eigenen (£nb liebfeit? Jvröblidbfeit bis in ben Xob? 9?im>ana= 
feligfeit? Sßoju bann ber tranöfubjeftiue Wott, für ben fein 3lmt 



ruiftidjfii Holt. 



— 200 — 

»afant unb ben feine Xijatfadjen nadjweifen? SMan fann ben fub- 

OntxnSortmba jeftben öott aber finben in ben Porten ber (3otte*jnänner; in 

HnMmon bieten Porten fpieqelt jicfa bie Scbönheit unb baö Äeuer ber Sottet 

S empfinbung unb man fann «u* if,„en biefe muhrc /mpfinbuna »iebet 

a?craünftein feine fdjopfen. £a£ finb Offenbarungen, — aber nid>t wm Segriffen; fon= 

**" * ot - betn nur pon Gmpf inbun fl en, unb fl eaen bie $at ba* «ernünfteln 

feine Berechtigung. 

Tie bloft fubjeftfoe 3ßelt im Kopf beö einjelnen 2Wenfdjen würbe 
vergeben / wenn fie fi^ nidjt übertrage burdj 3 e ^ n un ^ Sprache. 
£urd(j Xrabttidn wirb fie mroergänglidfj, folange baä 3Wenfd)en- 
gefd&ledOt fortbeftefjt. Sine fubjeftioe SBelt mag bei leeren Zieren 
fdjon in rotyen Slnbeutungen bemerflidf) werben; ba aber eine beroufete 
Mitteilung offne Spradjje unb Schrift unter itynen feljlt, fo fangt bie 
bauernbere fubjeftioe 2Belt mit bem SHenfdjen erft an. Sie ift ein 
subjefttoe ©eu- 'ißrobuft ber l)ödjften organifdfjen Gntwicfelung auf grben, — oorbe- 
reitet auf niebrigeren Stufen. Sie fubjefttoe SSelt, von ber t|ier bie 
<pm$t - arbeit. Stebe ift, fann 3Benfd()beitöwelt genannt werben. 3 n ber fubieftroen 

dilti ff - ^kYiMif 

«füflionftnnn - 3Renfdf)f)ettöwelt treten auf ljumaneö $flidf)tgefüf)l, ftunftjinn, Religion 
mit iljren trandfcenbentalen J^orbcrungen ber ftreitjeit, beä 3beate unb 
ber ÖJottfyeit. 3)ie Sudfft, alle biefe 3bcen in bie transfubjeftroe 
5öelt $u oerfefcen, fü^rt irre. 3n ber tranöfubjeftioen ÜBelt [äffen fie 
fief) nidjt oolljietjen. $aö fpridfjt inbeö gar nidtf gegen if>r bauernbes 
Borljanbenfein in ber Subjeftüntät ber 2Renfd)l)eit. Sie finb tben 
bie intelligible 2i>elt ftantö, — bie menfdf)l)eitlicf)e Borftetlungöwelt. 

pmmaneita (Hottes @ott r im man ent in ber ©rbenwelt, bis er an* ber fyöd)ften Stufe 

in ber Grbcntoelt. , .*■ ~~ .^ ^ . ^ ^ • •,-»-*•.. - 

orgamidper Soeben Ijenwrgebt, — wegen ber ^wntanenj W x odpopfer 
511 nennen, ift mifjoerftänblidf), wenn er bodf) erft au$ ben ©efdjjöpfen 
aftit) entfielt. £aö Subjeftioe wirft Bewegungen, — wie auö bem 
(Srröteu um Borftellungen willen tyenwrgeljt, unb Bewegung beeinflußt 
bie fubjeftioe 2Belt. £er 9Wedfjaniömuö ift nod) unerflärt, aber bie 
2t;atfadf)e befteljt. 3)er 2letljer, wie er SBärme, Sid&t, eieftrijität leitet 
unb alles burdjbringt, tritt in bie 9tcroenfubftanj aud) hinein, 3n 
ifjr nimmt er ober feine Spannfräfte einen äufjerft labilen 3 u ft ail b 
an, mufe man oorausfe&en, unb bie (Smpfinbungen, Begebungen, Grr* 
fenntniffe, — jum 2eil ganj geringfügig, — fönnten genügen, um 
Spannfraft in ben $intfügeldf)en $u fammeln ober auöjulöfen unb 
burdf) bie 9Zen>enleitung nadf) oerfdf)iebenen Körperteilen ju birigiereu, 
«ott unb $rcit>«it Sic tranöfubjeftioc 2ßelt bleibt aber eine foldfje, barin ^rei^eit unb 

tranejubiefttoen ©Ott niCM tltOglldD Unb. 
SBett. 



— 201 — 

Sie üorftetyenb genannte, trabitionell fubjeftioe äßelt Ijört auf, 
burd) bie Xrabition, baä 3ni>it)ibuum jum Subjeft ju fjaben. 2Mc 
3)ienfd)fjeit wirb tyr Subjeft, mit bcren Sluöfterben fie notroenbig »er* 
fd^toinbet. Sie verdient ftatt fubjeftio, — interne äöelt, unb bie 3nterneunbe?tcrnc 
tranafubjeftfoe, bie externe SBelt ber 3Renfö$eit genannt ja werben. 
Sie aRenfdfteit l)at eine 2Mt t)on inneren SBorfteEungen, auäge&enb 
von bem ^fiid&tgefüljl mit ber ^retyeit, bis ju bem ©efü&t ber ©Ott* 
iunigfeit, bie aufcertyalb ber 3Wenfd$eit nid)t oortommt unb nid)t bar« 
Heilbar ift. Staut nafym aber eine tranö&umane, inteUigible SBelt an, ««nt. 
unb baö war roofyl nid)t begränbet. 



13. s Jlov. — Sie 2lyiomc beö inneren ber menfcfoltdjeu ®efell= 
fc&aften finb (Smpftitbungen. 3Kan (ann fie empfinben, aber nidjt ewt»!* 
wie äußere äBaljrneljmungen logget) bearbeiten. 3" ©Ott beten, fingen, «f* MipMut. /m 
entf pridjt bem ©efüfjf; — über feine 9ef$affen$eit ju benlen unb 
über bie Semeife feiner (Sriftcns ju grübeln ift vergebens, ftür 
bie trandfubjeftioe logifdje Söelt ift bie öotteäibee feine gaifjrerin, 
ba ift nur nad) ben nädjften Urfadjen mit Regreß in infinitum ju 
forden, /für bao öemütsleben ber menfd)lid>en ©efellfdjaft ift ®ott 
ba^egen, nrie für eine ranfenbe $ffan$e bie Stufte. GJott ift ba, 
im ©eifte, aber ein ©runb (Öeroete) für fein Safein ift nidjt ju 
fui ben. 3$ möchte mir bie ®abe unb ©eroo&nljeit anlegen, von &tit 
ju 3 c ü ©ebete 511 GJott ju üerfajfen. üttidjt, bafe eö beren nidjt f$on • e JSf n l , * fttbe!c 
oiel beffere gibt, — aber man foQ auf biefem ©ebiete felbftttyätig fein. i« lb i* » u Mafien. 
Sa* Jrembe füfjrt leicht ju gebanfenlofem ÜNadjfpredjen. 

18. 9tot>. — Vascal fjielt bafür, ba£ ber Wlaube um fo richtiger 
ift, je fefter er ift. Sie Religionen befeftigen aber ben ©lauben 
mit (Srfolg burd) fjppnotifierenbe 3öieber^olungen. Sütnn fefter ©laube 

glüdlid) mad)t, £t)pnotifierung äöatm befeftigt, fo fommt eö auf Söafyr; ffiü K$ t n u Sj lflm 
^eit nidjt an. 2)er ^ölam triumphiert beö^alb über bad Gfjriftentum. u,lb Wftentum. 
(Sr betynt ftd) a\i§> auf Höften beö Gf)riftentumö, weil er mefjr fana* 
tifiert, — nid)t weil er mef)r ÜÖat>rt>eit gibt. 

19. 3io». — 3$ badjte an einen Öeroeiö für baö Safein ©ottea, 
ber mir oor Dielen 3af)ren eingefallen ift. 3« Hanta ftritif ber reinen 
Vernunft finben fid), mit SBiberlegung, alle Öeroeife aufgeführt, 3ft 

mein öeroete unter einem ber brei 33en>eif e : 1. ontologifeber öetoete, — M^ 'i 10 ! 1 * 

77 ' ' ' ÄfOlrthng« tur boö 

2. foemologifc^er Öeroeid, — 8. p^fifo=tf)eologifc^er Öeroeiö, — ein= ^ a i«" ®°« fö - 
juorbnen ? 



— 202 — 

Gr lautet: 2luä ben Sikrfjeugen ber ftreaturen fann man auf 
bic 5Ratur beä Stoffö, beu fie bearbeiteten, fdfjlieften; aus ben 3äf>nen 
eines oorroeltlid&en Tieres erfennt man, ob es ^pflanjen, f^Icif c^ , 3iu 
fetten gefreffen §at, — a\x% feinen ©liebmafcen, ob eä im SBaffer, auf 
ber Erbe, auf Säumen ober in ber £uft fidf) beroegte; — auä ben 
(Sinridfjtungen beö 2tugeö (ber Trilobiteu 5. $.) Slnorbmmgen für 
£idf)tftraf)leu, bie, wie in ber ^efetmclt, SJredfjungSoorricIjtungen er- 
forberten. Tie grre&roerfjeuge laffen mit (Sidfjerljeit ben ®df)lufj auf 
ein Tafein beä entfpredfjenben 9täl)rftoffä ju, — ob auä) baa ©injeU 
tier, beffen tiefte beobachtet werben, an Sftanget fönnte ju ©runbe 
gegangen fein. 9hm fann man auö bem Drgan nodf) einen anbern 
<3d)fufi, ebenfo jnringenber SRatur sieben. Sud ben gre&roerfjeugeu 
fann man auf ben junger fdfjliefeen, — am ben ©liebmaften auf 2Je= 
megungöbebürf niö , — aus ben 2fagen auf ben Seljtrieb. äBürben 
biefe triebe 31t genriffen £f un ttionen bireft erfennbar fein, wie bie 
Drgane, fo wäre ber Scfiluft aus bem triebe auf bie SBerfjeuge unb 
auf beren Cbjefte doH bered&tigt. Ter Trieb jum Gioigen ftnbet ftdb 
nur im 9)ienfd)en; baljer ift im 9)tenfd)en ein SBerfjeug für baä 
Groige unb aud) ein entfpredfjeubeö SBefen t>orl)anben, roie eö feinem 
s HerebrungS', fturdbts unb Siebeöbebürfniö entfpricfyt. 

35er Dorftefjenbe äSerfudf) ift bem pf)t)fifostf)eologifd()en öeroeife uu 
fofern ju vergleichen, ald er oon empirifdjen (*injeltf)atfad)en anhebt, — 
enblid) aber au% bem Triebe im 9)tenfdf)en, ben er empirifd& ooraus= 
feftt, auf eine ßriftenj aufterfialb bes SDienfdfjen, — ofjne 93ered&ti= 
gung, — fdjjlie&t. 2lber wenn er ©Ott nur im 3Wenfd&en annimmt, 
fo gilt ber SBommrf nidrt. Taö eroige SBefen im ÜTOenfd&en braud&t 
roeber ein fester ©runb allea Tafeinö, nodf) ber SBeltfdfjöpfer ju fein. 
©enug, baft er immanent, i m löten) dfjen erfdjeint. ©&e rt 3Reufd)en 
gab, fönnte eine foldf)e 3;bee trifft auftauten, — aber bie älteften 
Tempel unb beiligeu lieber jeigen fein ©afein an. — 
ffijibetitflunß bee 20. Sttoo. — Tie tfritif fann in bem SJorfte^enben nur S^eiu? 

grünbe erfennen, bie, bei fdfröner ftorm beftedjenb, nitft aber beroeifeub 
fiub. 3df)öngrfinbe fönnte man fie nennen. Ter ©djlufj vom junger 
auf baö Sorfyanbenfcin oou Speife gebt auf ein Dbjeft finnlidMogi- 
fd&er SBaftneljmung, — ber 2lnalogiefcftu§ vom empirifd&en ©treben 
ju bem Tauernberen, auf baö Tafein beöfelben in ber inneren 2Belt 
ber menfdfjlicben ©efelffd&aften, auf etroas in ber Grfaftungöroelt nid&t 
©egebeneö, Ijat nieft gleiche SSerecftigung. ferner leibet er an bem 
Jyefjfer, aus einer Delation, — f)ier aufi ber Jöetjorjugung bes (fnrigen 
t)or bem Isergänglid^en burci) baö ^d), ein Subjeft ju abstrahieren, 



oUiflen ä?e\ueiico. 



— 203 — 

baö weiter cjrtfticren fott, wenn bie relatiocn Öegenftänbe- aufhören. — 

lieber Staute ftrittf finb Ijinjugef ommen bie Sluff lärungen über bie <&<me* m&n na* 

Urfadjen ber Steigung im SRenfdjen, ein göttlid^eö 2ßefcn anjuerfennen, 

bie fiubrotg geuerbad) beleuchtet t)at. 9luö ben Sd&ranfen fyinauäjiu 

fommen, ift ber (Sronb, ber ju ber 3?orftettimg wm einem unbe* 

fd&ränften SBefen brängt; nur bic Negation ber Sd&ranfcn madbt fein 

3Befen; nid)t befd&ränft roie ber 9Renfd) fott eö fein, unb mir fennen 

bie menfc^lid&cn Gtgenfdjaften, bie bas eroige SBefen uidfjt l)aben fott, 

aber nidjts oon feinen eigenen, pofitioen @igenfdf>aften. Saber tafjeu 

fidf) bie Segriffe t>on ©ott roeber realifiereu, nodf) logifdb, ofyne 9Biber= 

fprudj, benfen. ©benfo fcfyroadf) ift ber Sd&öngrunb a\& bem burdft x« Optimismus 

bie Paläontologie beroiefenen ftortfd&ritt ber Organismen. 2öaö fidf) ob« bic* 

fyerauäbilbet, befianb juoor in ber Slnfage. «3fr M* Anlage ber Drga= t>e*ieibfn. 

ntemen fo geroefen, bafe fie unter ben auf ßrben fidb oottjiefjenben 

anbern SSeränberungen ju f)öf)erer 9luöbilbung gebrängt morben, fo 

bered&tigt ba§ j$u einem geroiffen Optimismus, nid)t aber jur s #erfoni= 

fxfation eines Optimismus. 

SSon ber Siebe ift niebt 51t beftreiten, bafj aud& fie einen Srang aswungberiMcbe. 
befunbet, Sdjmerj unb i'uft mit 2lnbern, — fdfjliefjlidfj mit ber ganjen 
9SeIt ju teilen. Sic Suft, bie ber Ginjelne in Slnbern roaffrjunefymen 
uermag, inbem er 511 ifyren Steuerungen biejenigen ©mpfinbungen ge~ 
feilt, benen bei ifym biefelben Steigerungen entfpredjen, roirb tym als 
realifiert juriidf f ommen ; fie uerftärft unb oergröfeert aufccrorbentlidb bie 
eigenen ©efüfjle; fie füllt bie £eere bes ©infamen. 35od& ift aus 
bem orange nadfj Stjmpatfjie nidbt auf bie ©riftenj eines unioerfetten 
3t>mpatt)ifuS in ber Sßelt 511 fdbliefjen. 

fturj, es bleibt babei: Sie Söiffenfdbaft tjat feit meinen iiebjeiten $" ^/^^ 
oiel Stauben eingef darauf t ; bie Söunber ber d&riftlid&eu Religion finb c f in « e, "* rä " ,t ™ b 
als fijmbolifdfje Sräume ber a>olfsfeele aufgefaßt; — oon poetifd&cm bm9«ambri*cu. 
SBert, aber ofyne SRealität. Ser &lar\\ taxm nur burdf) bie SBMffeiu 
f<$aft ernüchtert roerben unb erft bann roirb bie 3 ll cb*rute jerbredjen, 
bie SWoljammeb über bie Sttenfdbfyeit gefdf)roungen tjat. 

inmitten biefes 3 u 1 a ntmenbrudfjs bleibt nur eines aufredet. Sas *«fum*. 
3$erantroortlidf>feitSgefül)l ift eine empirifd&e Weroifcbeit. Sie beroeifet 
bie 5 rc tf) c ft- ©ie greibeit ift möglief), nid>t in ber %t\i, rool)l aber 
auf ber ©renje ber 3eit, — b. I). jroifdjen Vergangenheit unb 3«= 
fünft, — in ber ©egenroart, — bie eben feine &'\t ift- £i c |)önb= 
lungen »ergangener 3 e ^ werben moralifd) beurteilt, nur roenn man 
fie sub specie praesentis, roäfjrenb ber SßtUenöentfdjjeibung betrautet. 
,Slant roottte auf bic SRoralität grünben ben (Stauben an Sott. 



— 204 — 

(So bebarf feines @rtraroefen$ jur Öeflriinbung ber moralifd&en Tonnen 
im SWettfdjengefdtfedjt. £ie 9tormen, bie bem SKenfdjen ba$ unirbtgfte 
Dafein liefern, entfielen mit 9iotroenbtflfeit au* bem 3ufaromen(eben ; 
es finb (£rfaf)nmgen be* gefeflfdjafttid)en 35afeinö, bie fi$ fammehx 
unb in jebem einjefnen ein ^beat fdjaffen, nad) roeldjem er fidfj ridjten 
muß. 35as Sitteitflefefe beroeifet nid)t baö £afein ©ottes. — 



$\t $*ftn (fbtbott. 

8. 9ion. — Die jefm ßebote unfrer 3*ü anjupaffen ift fe^r €*wteri«f«t, b« 
fcbnrierig. ©leid) baö erfte: 3<fc, ber einzig @roige, bin in ^aeiiSt bfr 
ben 3Renfd)en ber Seift, ber au$ ber #ned)tf<$aft beö ftn|u ^ fn 
Starferen bie 9ßenfd)l)eit l)erauögefütyrt I)at jutn Sefferen. 
Du follft feine aubern ©ötter neben mir Ijaben. Daö 
£auptgebot bleibt jeitgemäfj. Statt Stegtjptenlanb, bem Dienfttjaufe, 
ift allgemeiner ju fagen : ftncdjtfdjaft ber ftärferen unb böfen Segele 
lidjfeiten ber SBilbfjeit; ba bie 9Renfd)ljeit t^atfäd^Iid^ nod) feljr barin 
ftetft, fo ift nur von bem jur 3 e ^ befferen ©taube ju reben. SBenn 
eö triefe : Dein ©Ott, fo fann barunter ein nationaler ©Ott ver^ 
ftanben werben, bloß für 3*tael ober bloß für SHufclanb ; bafjcr beffer 
gefagt : innerlich, in allen SDtenfdjen, alö treibenber Drang §um©uten. — 

Das vierte, ober nadf) lutl)erifd)er ßäljlung baö britte ©ebot, 
Reifet in einem 3$erfud&, ben icf) gemalt f>abc (ber midj aber nidjt 
befriebigt), 9Rofiö jetyn ©ebote unfrer 3^t anjupajfen : „Du follft fedjö 
Dage ber SBocfje arbeiten unb ben Feiertag nidjjt mißbrauchen, — auf 
baß bu anftänbig lebft, erroirbft unb nid)t bettelft;" — gut gegen bie 
Sojialbemofraten mit ifyren vielen Strifeö, aud) gegen bie vielen ftron= 
f eiertage*). Die Äleriler ftellen ben (Sonntag voran, — benn baö 
tvar ja tyr Dag ffir allerlei Stiten unb Erbauungen, ju bem fic baö 
*pubtifum gebrauten. 3ln bie SBorbebingung, an bie fedjötägige Arbeit, 
gelten fie weniger! unb beöfjalb Reifet es beffer „nid)t mißbraudjen", 
ftatt „^eiligen", benn barunter rourbe verftanben : müßig gelten, SBirtö; 
Käufer frequentieren u. bergt., wie eö leiber überall unter ber G^riften- 
f)tit gefd&ieljt, trofc 3efu Vorgang, bei nüfclidben 33efdfjäftigungen unb 
noftvenbigen Dingen baö pf)arifäifd)e Sabbat^gebot ju mtßad)ten. — 
3m fdjnrierigften envieö fidf) baö ßljegebot. ©ö. foll nur Sittlidtfeit 
biefer SBelt anftreben, frei von aller Ueberfdjroenglidtfcit, aber audb 
von ber für unfre 3^^ . anfcftciiieub ju plumpen Raffung, — eö foll 



*) 3n Sufcfonb. 



— 206 — 

gleid)bebeutenb fein für bcibc öefd)led)ter : „Xu f oüft fein ^lebengcmabt 
tjaben unb feine Äinber außer ber &)t, — auf ba§ bie Äinber ibr 
Clternpaar für ucf) fjaben unb fie fennen (nid)t allein in ber 2£clt 
fte()en);" — ober: „Xu follft bein öemabf nicbt oernacbläffigen unb 
nidjt erniebrigen." — 2öcld)e Raffung wäre üorjujiefjen ? Strenge 3Ro; 
uogamie fann man verlangen unh befonberd n>egen ber tttnber ift es 
notwenbig. 2Wit ber etyelicben Xreue, toenigftenö ber SRänner, unb in 
befdjränfter 3°^ aU( l) ^ er grauen, l)at ed ju allen Reiten unb an 
allen Crten fo rnele Sdjroanfungen gegeben, aU wäre bie 9totur nidjt 
ganj bamit ju befriebigen unb bie Äunft erft redjt nicbt. 3lber oielleicbt 
finb bergleidjen 3Serf udje, n>ie bie oorftefjenben, nur baju gut, um ju 
jeigen, wie 9Rofed es unübertrefflich gemaebt Ijat; — ha ift ©infacb- 
beit, ftlarfyeit! — 



7. Tej. — s J)iofid jefjn GJebote unfrer 3 e ** angepaßt. 

1. 3$ bin in bir ber Groige, ber bid) ergebet über alle* i'eib. 
Xu follft feine ©ötter tjaben neben mir. 

2. Sil bniffe unb Reliquien bete nidjt an unb biene tynen nicht. 

3. SJtifjbraucfje nidjt ben tarnen bed ßroigen. 

4. 3ed)* Xage arbeite unb ben fiebenten feiere entfyaltfam. 

5. (Jljre 2>ater unb 9Kutter. 

6. Xu follft nid)t morben. 

7. Xu follft bein &tnxa\)l nidjt t>crnad)läffigen unb mit anbern 
feine tfinber f)aben. 

8. Xu follft bein Sßort galten unb roafjrfiaftig fein. 

9. £u follft nidfjt ftefjten unb jebem baö Seine laffen. 

10. Du follft bie beftmögüdjen äSerfjaftmffe förbern unb erhalten. 

10. £ej. 2)aö @f)ebrudf)$üerbot mad)t bie meiften Sd&roierigfeiten 
bei ber 2(npaffimg. 

s Jlad) ber Ueberlieferung ber (Soangelien I. II. in. Ijat 3efu* 
bie erften oier ®ebote als foldfje nid)t anerfannt. ©ie fyaben feine 
cfjriftlidje Sebeutung. 35ie Sufeinanberfolge ift nid)t biefelbe in allen 
brei (Soangelien. I. ftellt an bie Spifce „Xu follft nid>t morben", 
IL unb III. „Xu follft nicfjt cljebredfjen." 3m @o. I. fommen bie 
©ebote cor: erft in ber Sergprebtgt Aap. 5, «-**, mit freierer 
2luöfüf)rung ; namentlich baö acfjte oom ftalfdbjeugen ift erfefct bureb 
Webote oon fallen (£iben ober ©elübben; unb bann folgen anbre 



— 207 — 

(Gebote her öüdjer 3Wofte, bic aber ju ben jeljn Geboten nidf)t gehören. 
an ber jroeiten Stelle I. ©o. 19, 18_19 — ift bie 2lufjäl)lung ge= 
nauer. ©ebot 6, — 7, — 9, — 8, — 5, — 10 nadfj obiger 9htmes 
ration ift bie ^Reihenfolge. 2>aö fegte ©ebot, an ©teile beö ©ebote 
com ©elüften, ift baö ©ebot, ben s J?ädf)ften ju lieben. 3 U vermuten 
ift, bafj 3 e fwö nur ein #ünfgebot in biefen ©teilen anerfennt. 2)ann 
wäre baö ©abbatfjgebot alö trierteö befonberö ju sägten, neben bem 
Öebot: fedf)ö Xage ju orbeiten. (S\)xt SJater unb 9Jhitter fäme bann 
auf bie jroeite Xafel, unb sulefct. $m II. ©o. folgen ftdf) bie ©ebote 
in ber <parallelftel(c (II. (So. 10, »•) 7, — 6, — 9, — 8; bann 
folgt ein ©ebot, baö in biefer Raffung im 3llten Seftament fidf) nid&t 
fmbet, unb bas n>of)l rid&tiger überfefct, feigen foll: £u follft niemanb 
fdjäbigen. (Neminem laede) Sutfjer überfegt tauften „arcooTspifiastv." 
3lte fed)fleö ©ebot tritt roieber ein: $ater unb 3Jtutter eljren. 
III. eo. 18, 18 - 30 gibt bie ftofge: 7, — 6, — 9, — 8, — 5. £aä 
ift bie unjroeibeutigfte 3äfylung unb bann fällt baö ©ebot von bem 
blofecn ©elüften weg, ba eö nidjtä Sefonbereö bietet unb me^r bie 
öefinmmg in 23ejug auf frühere ©ebote angebt; unb and) baö fedf)fte 
im I. unb II. ©t>., bie baä fiiebeögebot Ijierfjer nehmen, obwohl audf) 
biefeö mefjr bie ©efinnung, bie $erjenöfteHung betrifft. 2>ie <$rift= 
licfjen fünf ©ebote wären bemnadfj 1. Sticht ef)ebredf)en , — 2. Sticht 
morben, — 3. 9tid()t ftef)len, — 4. SWidfjt falfdf) jeugeu, — 5. äkter unb 
3Kutter efjren. 



— 208 — 

Iscrfud) einer Umarbeitung ber jetyn ©ebote. 

1. 34 ber ©roige, bin bein Sott. £ir gelte alööott nur 
bad eroige Söefen. 

Cb ba* eroige 2öefen ein 3* ift, ob eö für bie Ginen ein 
Sott ift, für 2lnbre ntd^t, bas fmb aSorftellungen, bie nidit 
flar finb; ba^er „bein" nidfot roa^rtjaftig fonn gefaxt 
roerben. 

2. Xu follft bir fein Silbnio nod) irgenb ein ©leidmte mad&en. ... 
Sete fie nid)t an, unb biene tynen nidf)t. 

Xu follft Silber unb Stjmbole nidf)t anbeten 
unb ifyncn nid)t bienen. 

3. Xu follft ben 9tamen beä Groigen (beineö £erru) nid&t mifr 
braueben. 

„2)eineö £erru" roegen ber (Einengung auf einen SWational; 
gott, roegjulaffen. 

4. ©ebenfe beö Sabbatfjtageö, bafe bu it;n f)eiligeft, — müßte 
afä Ginleitung ju bem eigentlichen ©ebote angefefyen roerben. 
Taö eigentliche Gebot beginnt: fcd)d2age follft bu arbeiten,... 
aber am fiebenten £age ift ber Sabbatl) beö Groigen. — Gtne 
folcfye Jofge ift eingehalten in ben Xertroorten : Denn in fedjo 
Tagen Ijat ber Groige ben £immel unb bie Grbe gemalt . . . 
unb rufyte am fiebenten, — 9iut)e ift erft burdf) bie oorljer^ 
gegangene Arbeit berechtigt. SedfjS 2a ge ber 2Bod)e 
follft bu arbeiten, unb nid)t mef)r aU einen in 
roürbigcr Stu^e unb Unterhaltung verbringen. 

5. Xu follft beinen ätater unb beiue 3)hitter etjren — bleibt. 

6. Xu follft nid&t töten. 

7. Xu follft nidf)t efyebredfjen. Xu follft itid>t jeugen auftcr 
ber Glje. 

8. Du follft nidfjt ftet)leu. 

9. Xu follft fein falfdf) Stugniö teben roiber beinen 9tädbften. 

Xu follft nidbt lügen. 
10. fcaffe bidE) nidbt gelüften. . . . Sllleö roas bein 9tädbfter f)at. 



— 209 — 



1. 3lfe @ott gelte bir nur baö eroige 2öefen, nad) beffen ®e- 
fefcen bu leben follft, auf bafc bu nid&t in roibernatürlidfje 
2luöfdf)tt>eifungen ober ©elbftntorb oerfällft. 



2. Du follft nidfjt Silber unb ©leidfjniffe anbeten, nodf) iljnen 
bienen, auf bafc bu nidfjt SBerfudfjungen fdfjaffft jum 9lber- 
glauben, jum Xruge, ober jum £af[e. 

3. Du follft ben 9tamen beö ©nrigen fjeilig galten, auf bafc bu 
nidf)t trügcft, bie bidfj tjören. 



4. Sedfjä £age bcr 2Bodf)e follft bu arbeiten, ben Feiertag aber 
nidfjt m ig brauchen. 

Denn bu follft erwerben unb nidfjt betteln, unb anftanbig 
leben. 



5. Du follft beuten 9?ater unb beine 2Wutter eljren, unb bie 
gamilienbanbe adfjten. 

6. Du follft nidfjt morben. 

7. Du follft beuten Satten lieben als btdfj felbft, unb ftinber 
nid^t jeugen aufeer ber @tje, benn eö ift nidfjt gut, bajj 
SWenfdfjen alleine finb. 

8. Du follft nidfjt ftefjlcn, fonbern jebem baö Seine geroäfjren. 

9. Du fottft nidbt lügen. 

10. Du follft niemanb oerlefcen, fonbern fudfjen, mit ben SJienfdfjen 
unb jnnfdjjen ben SWenfdfjen bie beftmöglidfjen Sejieljungen ju 
pflegen, auf bafe bu ber ©emeinbe unb bem Sßaterlanbe bieneft 
in Öeredfjtigfeit nadfj Vermögen. 



*ul ben Zagebuftblattem brt ©rafrn 9. Atujerting. 14 



; _ 2io — 



■Kofis jefjn ©ebote nadfj 3Warttn Sutljer. 

1. 3$ Mn her &err bein ©ott; bu follfl feine anbern ©ötter 
fjaben neben mir. 

2. $u fottjl ben tarnen beined ©otteö ntdfjt unnüfefidfj führen; 
benn ber $err wirb ben nidfjt ungeftraft f äffen, ber feineu 
SWamen mifjbraudfjt. 

3. ®u foHft ben fjeicrtag ^eiligen. 

4. 2)u fottjl beinen SSater unb beine SRutter etjrcn, auf baß e* 
bir roofjt ge^e unb bu lange lebeft auf @rben. 

5. 2)u fofffi nid)t töten. 

0. 3)u foHft nidf)t eljebredfjen. 

7. $u follft ntdfjt fielen. 

8. £u follft m<f)t falfdfj ßeugnte te ^ en roiber deinen Sßädfjften. 

9. Tu follft nidfjt begehren beineö SRädtften £au$. 

10. 2>u fottft nidfjt begehren beineö Jtädtften SBeib, tfnedfjt, 2Ragb, 
SBief) ober alleö, roas fein ift. 



— 211 



1. ©ott ift nur baä Groigc unb nadfj feinen ©efefcen follft bu 
(eben, auf bafc bu nidfjt rcibernatürlid&en Stuöfdfjroeifungen ober 
bem Selbftmorbe t>erfattft. 

2. £u foOft nidf)t Silber unb ©[ei<$mffe anbeten, nodfj ifinen 
bienen, auf ba& bu niefit Verfügungen fdfmffeft jum 2lber* 
glauben, jum Truge, jum &affe. 

3. Tu follft ben Kamen beö ©toigen fjetlig galten, auf bafe bu 
nicfyt trügeft, bie btdf) fjören. 

4. Sed^ö Xage ber SBod^e follft bu arbeiten, ben 5 e ^rt a 9 a ^ 
nidfjt mifcbraudfjen, auf baft bu anftänbig lebeft, emrirbft, unb 
nidf)t bettelft. 

5. 35u follft SBater unb SUlutter eljren, auf bafe bie Siebe gebeizt 
in ber gamilie unb fidfj ausbreitet. 

6. Xu follft mö)t tnorben, auf bafc bu bie SHulje nidfjt üerlierft 
auf immer. 

7. Xu follft beinen &attm lieben roie bidj felbft unb Äinber 
nidfjt jeugen aufcer ber @f)e, — benn eö ift nidfjt gut alleine fein. 

8. Xu follft nidfjt ftefjlen, — auf ba& jebem baö Seinige Der- 
bleibe. 

9. Xu follft nidfjt fügen, — auf baft Treu unb ©lauben ficfy 
mehren fann unter ben 9Jtenfdfjen. 

10. Xu follft in ©eredfjtigfeit nadfj Vermögen bienen ber @e= 
meinbe, bem Vaterfanbe, ben ÜKenfdjen, — unb bie befc 
möglichen SJcrljältntffc pflegen mit ben SJtenfdfjen unb 
jnnfdfjen ben 2Renfdfjen, auf baf$ greunbfdfjaft unb #riebe fi$ 
mefjre im £anbe. 



ttadjtrag jnr ffioieranj- 

3>er Sßroteftanttemuä fann fidf) galten nur auf bem ©runbfafc, 
bafc bic 9Jtenfdf)en vor ©ott nidf)t in itaien unb ^ßriefter geteilt flehen. 
3tHe futb fie ^priefter, Ijat Sutfjer gelehrt, unb ber £ierar<i)ie bomit 
bie aßurjel abgefdfjnitten. 3>ie Befreiung ber Seelen üon ber 
^riefterfnedfjtfdfjaft, bad mar baä 3 e ^ en / unter ^ em bie Sßroteftanten 
fiegten. ßine auf £erroriömu§ unb fflaotfdfje ^effelung ber (Seele in 
Äirdfjenjudjt unb Hirdjjenbogmen gegränbete proteftantifdfje fiefjre ift 
eine burdf) unb burdf) abtrünnige Äirdfje; — abtrünnig Dorn £at^o= 
tigidmuft unb abtrünnig oom ^roteftantiömuö ! 



$ä) glaube, bafj mir lange md&t ju @nbe ftnb mit ben europäi- 
fdfjen -Keligionöfriegen. 2>ie 9tepublif in ^yranfreidf) ift siel ju antt* 
flerifal, um tolerant fein ju fönnen. £)er ftleruö in ^ranfreidfj ift 
mit ben gamifien )u feljr t)erwadf)fen, in gutem unb in fd&limmem 
(Sinne, um uor ben ©rünben ber greibenfer ober ben befreien ber 
©etüaltfjaber $u meinen. groifdfjen bem ©eutfd&en Äaifer unb bem 
^Sapft ift ber oerföfjnlidEje 3 U 9 wo$l beachtenswert unb merfroürbig. 
3)er fluge &atf)olijismus bürfte eublidf) cinfefyen, baft er ftdfj bem 
beutfdfjen ?ßrotcftanttemu& gegenüber fteffen follte, tote ju einem t)er= 
lorenen, aber lieben Soljne. 0anj anberö wirb cinft ber Äonflift 
jnrifd&en ber cäfariftifd^en Drientfirdfje einerfeitö, unb ber papiftifdfjen 
Sttomfirdje anbrerfeits werben. 2>er unfidfjtbare ©ott, ber imoenbtge, 
— unb ber ftultuö in SÖorten, bie ben gegenwärtigen ©ebanfen enfc 
fpredf)en, — ift }u tiefgrünbig für bie 9Kaffe ber f üblichen SBölfer; 
of)ne if)n gibt cö aber feinen ^Jroteftantiömud. 

2>aö SRed^t ber Gltern, bie Äinber in ber Religion ju erjie^en, 

bie ifjnen ?a$t, ift baö roaljre ftunbament religiöfer $reif)eit. 

©cr|*iebene örabe Untoerfafreligioncn 311 fein, fjaben bie Vielgöttereien beö 3llter- 

be ^« U no* b b tt m fett tumö wof)l nidfjt beanfprudf)t. $tym\ genügte bie £eiligfett innerhalb 

*»ei*flÄ n ber (Staatögrenjen unb unter ben (Staatsangehörigen. Sinberd bie 



— 213 — 

großen aftatifdfjen Sieligionen. Die von ben SBebaö, von ber 3 C »^ 5 
aoefta auögefjenben Religionen ber brafjmanifd&en , bubbfjiftifdfjen unb 
parfifdfjcn i'el)ren, bie bed %o, beä Gonfuchift Ratten fidf) roo^I für 
allgemein gültig, weil nur in iljnen bie 2Baf}rf)eit. ©ie tjaben 
aber feinen, baö treiben ber SRenfdjen leibenfd&aftlidf) liebenben ober 
faffenben einigen ©ott, ber fie uerpflid&tet, bie Ungläubigen ju oer= 
folgen unb ju unterbrfidfen. ©s ift bie ju ©runbc liegenbe Ootteö* 
uorftellung, bie ben ftuben, ben ßljriften unb ben aWoälem im Sßrinjip 
unbulbfam machen muß. Da biefe ©otteöüorftellung in jebcm 9Wenfd)en 
anberö jtdf) erfafyrungömäßig formt unb formen muß, fo fonnten bie 
(Gläubigen nidf)t anberö jufammengefjalten werben, als burdf) autori* 
tatioe einheitlich formulierte Dogmen. Die eigne SBorfteHung muß 
ber firdf) lidjen fid^ unterorbnen. (*ä ift nun gefdfjefjen unb fonnte 
anbera nidf)t gefdfjefjen, als baß bie 2Renfdben ifjrem eingeborenen 
s ü?at>rl>eitö= unb ^reiljeitsbrange gemäß, unb infolge ber fortfdjreitenben 
ftenntniö, mit ben firdf)lidf) autorifierten 33orftelIungen ftd^ nidfjt ge* 
nügen ließen, ©eften unb neue Sieligionen entftanben, unb verfolgten 
unb mürben verfolgt. 3" e * ner Unioerfalreligion fönnen nie führen, 
roeber 3uben, nodb G^riften, nodj 9Roölem. $)v ©ott ift unbulbfam 
für äße, bie an feiner ©riftenj unb ber tym jugefdfjriebenen SRatur 
jroeifeln. ©r fämpft um fein Dafein.. 2öaö 3^r ^Jfjilofopljen 93er* 
folgung nennt, ift nid&tö ate Jtotroeljr unfreö ©otteö, lann ein Slrbuej, 
ein Xorquemaba rufen! ©oll eä batjer eine ttniuerfalreligion geben, 
fo fann fie nidfjt anberö fein, als wie in ber tt)eofopl)ifdfjen ®e* 
fellfdf)afttn9Wabraö unb melleid^t in ber legten Jorm ber 33raljma= 
Somais9teligion in Safcutta*). 



*) 3n ber Beilage ber allgemeinen Seitung vom 27. gebruar 1891 lefe 
i$, Äarl oon ©<$erser referiert übet ein SBer!, baö bie Reifen bed (SrjljeraogS 
Seopolb gerbinanb f Gilbert unb ben Xitel fütjrt: 2ln Bftenä lüften unb gürften^öfen. 

„3n SRabraä eine neue fteligiondfefte . . . eine 3Roralpl)tlofopljie, a(8 Unioerfal-' 
religion, — mit vielen 3n>eigt>ereinen in (Suropa unb in 9torbamerifa . . . gegen 
ben 9Rateriali£mu3 . . . SBafjrljeit unb Humanität 311 pflegen . . . gegenfettige Unter; 
ftüfcung. — @$on 1830 grünbete ffiabjal) 9tam:3Ro$wm3ftai eine neue ©efie, 
9ra$ma ©omajt, barin $ulbung ÄnberSgläubiger sunt $ogma erhoben. %bf$eu 
oor ber $rißttdjen Siebe ber europäifd)en ßultunrälfer muffen bie §inbu8 empftnben 
bei ben pöbelhaften Ausbreitungen ber 3tntifemiten. 



— 214 — 



(Btüsaiktti über ton SBl&ptotmfo 

29. «prii 1887. 3n SHnlaft beö Selbftmorbea beä einjigen Sohnes . . . wirb e* 

mir Hat, ba& gegen ben Selbftmorb bie eigentlichen entfdfjeibenben 
©rünbe mir nidf)t Mar gewefen finb. ®aö Unrecht gegen feine An- 
gehörigen, gegen feine ftreunbe, gegen feine SRitmenfd^en ift ein um 
»erbejferfidfjeö. 2)ie 3«t fann eö üerbunfeln, feilen fann fte eö nidfct. 
®aö barfft bu beinen 2ßitmenfdf)en nidfjt antljun! fo mufc boö Urteil 
lauten; es ift infam, ifjre ©pmpatfjien fo graufam ju ©erleben; unb 
wer ben Selbftmörber in feinem 33lute finbet, wenbet fidfj ab von bem 
entfefcfid&en, baö ift real! 9iid&t gegen ®ott, uid)t gegen fxdf> felbft, 
gegen bie 2lnbern bift bu ju leben oerpflicfttet. 

(Sbtn barum gibt eö aber Ausnahmen ! 2ßo idE> mein Seben opfere 
für Stnbre, ba ift e§ eine eblc 2$at; ein 3(rnolb Don Söinfelrieb wirb 
gefeiert. 2lber audf) eine Sucretia wirb nidfjt oerbammt. 3f* bie ©bre 
nidf)t aud£) ein ©emeingut be$ 9JUtmenfdf)en ? Qji fie in meiner ^erfon 
fo gefdEjänbet, bafc baoon alle 9Witmenfdf)en mef)r leiben, alö t)on bem 
(Sntfefcen beö widernatürlichen Selbftmorbeö, fo ift ber Selbftmorb 
gerechtfertigt. ®ie Cbre ift fonoentioneU, fie ift baö ©rgebnis ber 
©rfa^rungen unb ber SBorfteKungen, bie fidf) in bem Sebensfreife am 
gefammelt Ijaben, bem idf) angehöre. Mann id^ biefe ©rgebniffe nid&t 
änbem, mu$ idf) midjj iljnen fügen. 

Um midfj felbft t)or ©cfaljr unb Seit) ju fd&üfcen, barf idfj niemals 
midf) morben, — audf) nidf)t um ju bienen ben ^nbhribuen, bie id) 
liebe. 3Wit ©eelengröfce unb ®emut alles über midf) ergeben ju laffen, 
ift für bie ©cfeHfdjaft ber 9Jfttmenfdfjen bejfer. Sfyntn bift bu eim 
gegliebert, unb meldte ^unftionen bu iljncn 511 letften Ijaben wirft, t>a* 
twrauöfeljen }u wollen, ift 9Ba^u. SRiemanb ift unnüfc, niemanb er= 
fefclidf), niemanb unentbefjrlidf). 

7. 9Jtai. — £er 3)2enfcf) gehört anbern; wirb er geboren, gebort 
er ben Altern, ftirbt er, gehört er benjenigen, bie ifjn anftänbig bc^ 
graben. Sein SBille fommt berbiefen 2tften nidfjt in 33etrad)t. £afi 
er aber in ber 3roifdfjen5eit immer eingefügt gewefen ift, alö ein eigen= 
artiges SBefen, jroifdfjen 3 e itgenoffen, benen er nid^t entriffen werben 
fann, ofjne ju fehlen, bis barüber bie ©rlebniffe eine £>eäc bilben, 
läjjt fid) wafyrnefjmen. $er Tyrann wirb ebenfo uermifet, wenn nidfjt 
fo betrauert, wie ber eble £errfdf)er, unb ber reid&e 2öol)ltbciter wirb 
von ben (Sienben entbehrt, wie ber (flenbe t)on feinen SSerpflegern. 



— 215 — 

Stauer ift ber Selbftmorb ein Slaub, ber Stnbern jugefügt wirb, oljne 
erjtd&tlidfjen ©enufi ober SBorteil für baö ©elbfi; — ed ift wie baö 
UWorbbrennen ; — eö entfielt barauä ein 33erluft ganj of)ne SSerljältniö 
$u bem egoiftifd&en ©ewinn. — ©ie folgen machen if)n aber nid&t 
unjtttlid^, fonbem feine 9taturwibrigfett. 2)ie 2Wayime, bie iljn be- 
geben lä^t, eignet ftet) nidfjt jum Staturgefefc, nid&t ju einem umverteilen 
SßiDen. 

21. 3Rai. — 9ttdf)tä ift fo baju angetan, bie ©runbleljre ftantö 
für bie ©ittlid&feit annehmbar ju mad&en, alö ber ©elbftmorb. 9Jidf)t 
wegen be* ©d&abenö, ben er 2fabern bringt, ift er entfefeti$, aber 
wegen beö SB i Ueno, biefen ©dfjaben ju füften. 3Ran fann Umftänbe 
benfen, wo von bem ©dfjaben laum bie SRebe ift. 2)er fidf) in %obt& 
roefjen winbet, warum fott er md&t fidfj unb 3lnbern bie Dualen um 
einige £age fürjen? 2Bie wenig achtet bodfj bie Statur ein fieben, bie 
Xaufenbe in ©efunben, burdf) (Jrbbeben j. 8., vertilgt. 3luf bad Uiu 
glücf fommt eä eben nid)t an, aber auf bie ©d&ulb. ©ic 9iatur i)at 
nie ©djulb, ber SDtenfd^ aber ift verantwortlich, ©ein SBiffe foH nidf)t 
in SBiberfprudf) fielen mit ben ©runbgefefcen alleö SBittenö. ©er 
SSiHe ift nid&t blofc ber bes Ginjelnen, fonbem jum £eil ein unb 
berfelbe für alle. Der SSiUe madfjt bie ©dfjulb, ganj abgefeiert von 
ben guten ober fdf)ledf)ten folgen. 



5. gebr. 1891. — lieber ben ©elbftmorb nadf^ubenfen , ver* 
<mtaj&te midf) geftern ein 3Jefu^> bei bem unheilbar barmeberliegen* 
ben 30. ©r erjäfjlte, wie bie 2terjte il>n, ju voller Semeffung feine* 
ttrebfcleibenö, ein ©tünbd&en in ber Gfjloroformnarfofe gehalten unb 
wie er es für beffer gehalten l)ätte, wenn fte ein wenig länger an* 
gebauert Ijätte, fo bafe eö mit ibm ganj au§ gewefen wäre. 3$ 
naljm 3Seranlaffung wieber ju fagen, was icf) fdf)on in griebridf)ö= 
ru^e in einer Unterhaltung mit bem großen Stemarcf ausgefprodfjen 
batte. ©ebenfenb beö Gleafar (II. 3Raff. 6, 18 ~ 31 ) ... ber vornefjmften 
©djriftgeletyrten einer, — ber nun 90 $af)re alt ift, erinnerte idf) 
an feine SBortc 27, barum will id) jefct fröfjlidf) fterben, weil eä mir 
altem 9Jtonne woljl aufteilt, 28 unb ber 3"9^b ein gut Gfempet 
binter mir laffen, bafe fie willig unb getroft um beö fyerrlid&en, ^eiligen 
©efefeeö willen fterbe, 30 ber $err weife eö, bafe idf) großen ©cfjmerj, 
ben idf) an meinem i*eibe trage, wof)l Ijätte mögen umgeben, wenn iä) 
gewollt Ijätte, aber ber Seele nadf) leibe idf) es gern um ©ottes willen. — 



— 216 — 

ßinterbrein fommcn mir bie Semeife nidfjt einleud&tenb genug oor, 
ba§ ber ©elbftmorb in ber Xfyat juroiber gel)t gegen baa Ijeilige ©efeft 
unb ©otteö 2BilIe. — Qn jroeiter ©teile fyabe idf> bie Äantfd&e Seljre 
angeführt, nad) welcher bie 9Rapme, fidfj be& Sebens, wenn eö jnr 
Saft nrirb, ju entlebigen, ju einer unioerfeffen ungeeignet ift ; fie fann 
nidfjt anerfannt werben, wie ein 9toturgefefc, unb ift beatyalb unftttlid). 
— 3fl es benn mirflid) fo in bem oorliegenben %aftt ? : &n 74jä^riger 
2Rann, von Äreböleiben befallen, oon ©d&merjen gequält, bie il>m un- 
erträglich fd&einen, eine Saft für alle feine iljn pflegenben Sieben, wie 
foll ber nicftt münfd&en aus bem Seben jii fdfjeiben? 

6s ift in jebem 2ßenfdf)en ein verborgenes, aber erroecfbares ©ebot, 
ji<$ felbft fo ergaben unb fo grofc wie möglidfj ju ermeifen, namentlich 
ftdjj burd) bie auf baS ©elbft befd&ränfte ÜWot nidjt übernrinben ju 
laffen. ^p^fifd^e ©dfjmerjen, bie ©orgen ber ©elbnot, bie ß^roerlufte 
unb Siebesnot, finb feine allgemeinen Kalamitäten. Snbre förbert ber 
Seibenbe in folgen Sagen roenig. <£in 3lmolb t>on SBinfelrieb, ber 
ftirbt, baS SBaterlanb ju retten; — bie g*. oon ©tieglifc ermorbet 
ftdf) füljn, in bem SBafjn, bie tragifd&e ©timmung mürbe nun iljren 
SRann jum nmljrtyaft großen 2Hdf)ter machen. 2lud> in biefem legten 
$att tlingt burd) bie Senate nie etroas anbres als fijmpattyifdfjc 
2ldf)tung burd), roenu man atid^ ben Irrtum beflagt! @S ift alfo falfcft, 
ben ©elbftmorb unbebingt für unfütlidjj ju erflären. 9tuö altruifttfdfjen 
©rünben mirb er in einer anbern Söetfe beurteilt, aber aus egotfti- 
fdfjen ©rünben, — ba jeigt ber jur 2luSfül)rung gefommene SBille (ber 
blofce SBerfudE) nicfet!) — bafc bie ©elbftad&tung bem Später abljanben 
gefommen. gs Ijanbelt fidf) um ben SBert bes 3KenfdjenfeinS im alU 
gemeinen. 3)ie Xljat bes einen oerlefet ben 2ßert in allen anbern. 
SBünfdfjen fann man fidf) ben £ob, — man fann il>n Ijeranfommen 
laffen, um feinen ©lauben, feine Gtyre u. f. ro. ju bewahren, ofjne 
ju fliegen. ätöer $anb an fidf> ju legen, bas fann man nidfjt, otme 
ftdf) x>erädf)tlidfj ju mad&en, b. f). um perfönlid&er Seiben mitten. £alte 
aus, auf baft bu nid)t oeräd&tlidf) roerbeft allen 5Wenfdf>en, 
wie bu bir felbft es geworben bift! — $5as öon ©d&merjen 
unbefiegbare ©elbft wirb ju größerer £öf)e geläutert unb ©egenftanb 
ber 33eref>rung. 3>a faft jeber 5Wenfdf> SRomente l>at, wo er in Her^ 
fudjung fommt, fidf) umzubringen, fo follte er audf) fd&on bei ber <£r- 
jie^ung mit ben magren ©rünben gegen ben ©elbftmorb befaunt gemad^t 
werben, ©old^e ©rüube aber: „2>u follft nid^t töten" fei ©ebot, — 
roobei baö £öten im Äampf unb felbft baft ^£öten beö beftegten ®c^ 
fangenen, mie Samuel eö ald ©Ott gefälliges Sßerf übte, fd^on md>t 



— 217 — 

mit inbegriffen roar, nnb worunter fidjerlidf) ber ©elbftmorb nicfjt (je? 
meint war, — ober rote ber ©ofratifd&e, ben ^Jlato im ^>l)äbon an? 
futyrt, bafe man ben ?ßla&, auf ben bie ©ötter ben SWenfdfjen l)ingeftellt 
Ijaben, nid&t oerlajfen barf, — ober, man fjat ba$ Seben fid& nidjt 
gegeben, unb barf es batjer fid^ nid)t nehmen, — ftnfa ju fd)road). 
2BoI)tn man fidf) audf) begibt, ©Ott entfliegt man ja nid&t; — unb 
roenn man audb baö 2tbtn fiel) gegeben fjätte, tonnte man eo fidf) benn 
etroa leidjter unb mit me^r SRed^t nehmen? Können bie ©Item, bie 
ba$ 2tbtn ben Äinbern geben, es etroa leidfjter iljncn roieber nehmen ? 
Volenti non fit injuria entfd&ulbigt meljr ben ©elbftmorb, als ben 
ftinbermorb j. 33. einer SWebea! 3lud^ baft ift hinfällig geworben, 
roaö icf) in jungen 3a$ren t>om äftljetifdfien ©efidfjtöpunft anführen 
lonnte: 3Ran fönnte Selbftmorbtcmpel einrid&ten, barin man in füfcer 
Gfjloroformnarfofe fanft au$ bem Heben fdfjeibet. $n iljnen fönnten 
bie Xobeöftrafen in einer Sßeife ooflfüljrt roerben, bie baö Sdfjönfyettö^ 
gefügt unb baö 9JUtgefüI)l ber Slnbern nidfjt beleibigen. 2lber auef) 
^Srioatgebraud^, gegen 3 a ^ un 9/ Wnntc für fotöje 2luögangdpforten 
aus bem Seben jugelaffen roerben. 2llö ftrafbareö SJerbredfjen läftt 
fid> ber ©elbftmorb roeber praftifdf) befjanbeln, nodjj friminal4l)eoretifdf) 
begrünben. ©ä ift eben in biefem galle nidf)t ber SBille, ber fdfjon 
fdf>ulbig madf>t. 2)er gerettete ©elbftmörber mufj unb roirb roieber 
verpflegt roerben, forgfamer alä juüor. Die 2üiffenfit^at, als aollffiljrte, 
mad&t fdfjulbig, entjiefjt aber jeber ©träfe. Aberglaube, bie priefter* 
lidfjen fielen von Unreinheit u. bergl. fyaben bie 8egräbniöef)ren bem 
©elbftmörber t>erfagt; aber biefer Aberglaube ift felbft unrein, mefjr 
alä bie £eidf>e! 2Baä foH bem ©elbftmörber bie Süfjne? roaö fott 
anbre abfdfjredfen ? 3$ erinnere midfj in ber Äorrefponbcnj üon ®te~ 
monbi, feine Steuerung gelefen ju fjaben, bafc in ber Meinung ber 
SMenfdEjen, bie ben ©elbftmorb oerbammt, nur üerlefcte ©igenliebe 
fpridfjt! @ö ttyut feine 9iot gegen ein fo naturroibrigeö beginnen, roie 
ben ©elbftmorb, nodf) 2Renfdf)engebote ju rieten; — eö bleibt eine 
oerfdfjroinbenbe Ausnahme. 3)ie Sibel Ijat red^t, nid)tö bagegen an- 
jubringen, unb nidf)t fdfjledfjte ©rünbe, roie es bie ißfjüofoptyen getrau 
^aben. „SJtadfje bidf) nidfjt aerädfjtlidf), roie es ber ©elbftmörber tfjut!" 
— fo, benfe itf), mu& ber ©runbfafc lauten, ben man ber 3ugenb ju 
lefjren ^)at; unb fyinju fann man fügen: je mefjr uiroerfdiulbete 5lot 
unb ©dfjmerjen bu erträgft, um fo työfjer fteigft bu! — 

Söie feljr biefeS etfjif$e Problem meinen Sater befa^äftigt Ijat, beroeifen 
fotgenbe am 6. gebruar an mia) gerichtete 3eilen, roelaje biefelben ©ebanfen in 
Äfirje roiebergeben : 



— 218 — 

„griif) fufyr id& naä) 9)t., um ben an entfestigen ©dfjmeräen im* 
rettbar ju @nbe gefjetiben alten -Wadfjbar etroaö gu jerftreuen. öeffer, 
meinte er, wenn er in ber langen, jnr Unterfudfjung feinet Uebelö 
angeroanbten Gfiloroformnarfofe, für immer eingef djlummert wäre ! — 
$ä) mieberf)o(te gegen ben ©elbftmorb, road idf) fdf)on öfterö gefagt 
i)abe, (3Kaff. II. 6, 30 ) . . . unb bann nadf) Äant: es fann nid^t 
allgemein, roie ein ÜKaturgefefc anerfannt unb empfohlen werben, 
beö Sebenä fidO ju entlebigen, wenn eö jur Saft wirb; unb ift es 
beöfjalb unfittlidf) unb imbematürlidf), £anb an fidf) ju legen. 3Hö id) 
fpäter allein barüber uad^bad^te, fanb idfj bodfj, bafc biefe ©rünbe gegen 
ben ©elbftmorb ben ftern nidfjt red&t treffen. 3d) benfe, eö fd^läft 
in jebem SDienfdfjen baö ®ebot, fidf) grofc, fidf) ergaben ju jeigen. ©ö 
liegt baljer in bem ©elbftmorb, um Sd&merjen mitten, um ^inanjnot, 
um Gtjroerlefcung, eine ©elbftoeradf)tung, für bie fein 9Renfdfj 3tad^fid^t 
füllen fann. £cr Seibenbe mujj bart^un, baß in itym ein ©elbft 
lebt, baö bie Sdfmterjen unb egoiftifd&en Seiben nie bejmingen fönnen. 
©ö fianbelt fiel) um ben 2Bert beö 2)tenfdf)femö unb biefer wirb, in 
allen Sßenic&en, burdf) ben ©elbftmorb beö einen ju ©djjanben ge- 
macht. 2lnberö, romn man fidj ben £ob gegeben tyat, um beä SSater- 
lanbeä mitten u. bergl. <£* ift ber ©elbftmorb baljer nid&t fo unbe^ 
bingt unfittlid); aber toof)l, wenn er um ber 9Jot mitten gefd&e^en, 
bie baö eigne ©elbft betroffen fiat. £ie ©elbftoeradfjtung, bie 
barin liegt, madfjt eben oerädjtlidf). ©elten Bergest ein Üeben, obne 
baft an ben 9ftenfdf)en bie SJerfudfmng jum Selbftmorbe herantritt, 
roenn audf> aorübergeljenb. @s ift ba^er nidf)t müfeig, bie ©eifteö- 
maffen bagegen, in ber ©rjicljung, aud& ber 3ugenb ju überliefern. 
Xie £rimalttäten bagegen, bie man ju boren befommt, finb meift fo 
menig fticbfjaltig, bafe fie auöeinauber ftieben, fobalb ernftlidf) barüber 
nad)gebad)t roirb. 



— 219 — 



pfjifojtfpflte untr ptt&jtpfodtföe M8<*i*rf*»0« (1891). 

(Sefcte SCufgei^nungen über SRaum unb 3 e i^orfteQungen.) 

• 

11. San. — 3M e ©egenwart ift bic ©renje jwifd&en allem 
aorfierigen unb nadf^erigen ©efd&e^en in ber ganzen Sßelt. ©ie 
Ijat feine Dauer unb ift bafjer feine 3 e ü- 3Sor unb nadf) gibt es 
eine Dauer; ein ©efdjetjen, baä gebauert fjat, von heften Vorfteflung, 
Vergangenheit unb 3"^ u «ft abftrafjiert finb. Die 3 e ü felbft fann 
feine ©renjen fjaben unb ift eine innere 9fafd(jauung, bie erft ermög= 
lid&t, bad ©efdjefyen in eine 3«* ju uerlegen. Die 2öiHendfreif)eit 
fann nur twrgefieüt werben in ber ©egenwart; fobalb fie ent; 
trieben tyat, fyört fie auf; baö Vergangene fann nidfjt unge* 
fdbe^en gemalt werben unb baö 3ufünftige nidbt fdfjon erfüllt werben. 
3n ber 3 e itö aue * fann nidf)te gefdjefjen obne jureid&enben ©runb in 
ber oorljergeljenbeit 3^itbauer. 2lber ba bie ©egenwart feine Sauer 
!>at, fo fann ju ben oorfiergegangenen ©rünben nodf) ein 2tnftoJ5 in 
ber ©egenwart fjmjufommen. So Hein er audf) fein mag, er genügt 
jur ©rflärung beä ©efityte ber Verantmortlidfjfeit. — 3 e ü °^ nc *w 
©efdfjefyen fjat feine ©renjen, unb batjer weber Vergangenheit nodfj 
3ufunft; biefe finb 3^tbauern, abftraf)iert an*> bem ©efdfjeljen. 



<&eif!iges IBcfcn bes &unbc$*). 

(Entnommen ben natunt>iffenfdjaftltd)en Sfafjeidjnungen oom 23. unb 

26. ge&ruar 1891.) 

Ueber 3lbftammung unb Shkfen beö £auöf)unbeö f)abe idf) geftem 
in ber neuen 2luögabe üon Vref)m£ Verleben gelefen, waö nadfj bem 
Vorgange Don ^Jallaä unb fdfjlicfjlid) nadf) ben Erwägungen von Vlafütö 
unb enblidf) twn Darwin, ate jur 3 e ^ f iir & aö 9Ba^rf(^einli(^fte über 
beffen Urfprung gelten fönnte. . . . Daö Söunberbare bleibt feine 
eminente Veanlagung jur Sgmbiofe mit bem 3Wenfd)en. &ann in 
tnelen Säubern ber 9Kcnfd) faum ofjne £unb leben, in nodf) mehreren 
Sanbem fönnte ber #unb ofme ben 9Kenfcfjen ntdf)t (eben. VefonberS 
ift bie 2tef)nlid)feit jwifdEjen 0ef köpfen, bie bem Äörper nadf) fo weit 
auseinanber fielen, wie £unb unb 5Kenfdf), in Vejug auf bie pftjdfjo? 



*) ©ie$e Sieligion 1882. 24. 9Rat. 0. 60. 



— 220 — 

logifd^en f^unftioncn redf)t eine unenträtfelte Offenbarung. 2)aö 3$er- 
efjrungöbebürfniö, wclcfted ben 9Renfdf)en jur SBorftettung über^ 
finnltdjjer 28efen gebrängt l)at, ift beim £unbe ebenfo lebhaft t)or~ 
fyanben, aber in einer glücf liieren fiage, ba eö ftdf) an bem finnlid) 
twrljanbenen ÜRenfdfjen fjat ©enüge tfjun fönnett. 2>aö 93erantwort- 
lid&feitögefüfjl ift beim £unbe einer f)of)en Studbilbung fällig, unb bic 
©runblage su einer fittlidfjen Sßürbe, wie fie ber 9ßenfdf| erflufto ftdj 
auf ©rben beizulegen gewohnt ift r fann bem #unbe nidjjt ganj ab- 
gefprodjen werben, ^nroteroeit bie ber 33eobadfjtung ml meljr ent- 
jogenen, antfjropoiben 2lffen geiftig bem £unbe gleidfi ober nodj) Ijöljer 
fielen, ift unentf Rieben ; gewiß ift inbeö, baß audf) unter iljnen feine 
3lrt jtdf) ftnbet, bie in bemfelben ©rabe, wie ber £unb, auf baö 3 U ~ 
fammenleben mit bem 3Jienfd)en gerabeju angewiefen ift. 3>aö ift es, 
waä if)t\ erhoben fyat über alles anbre ©eticr, unb es madfit, bafc 
aud& er t>erbiente, wie fiinnß ben -äRenfdjen homo sapiens nannte, 
nidfjt bloß nadb leiblichen Äennjei^en unterfdfjteben ju werben. Siadb 
feiner geiftigen Statur müßte neben ber cauda recurbata nodf) cttoa 
jur Gfjarafteriftif ftefjett: Non viget nisi homini consociatus. 

$ä) fafjre fort, Srefjms Verleben als Unterhaltung ju lefen. 
SBenn man nadfj ber Seele bes £unbes fragt, wie fte aus ben 0er 5 
fdfjiebenen Sdfiilberungen 33ref|mS fieroortritt, fo ift fie ber ©eftnnunti 
nadf) ntd^t feiten ein 3Kuftcr für ben SRenfdptt. ©einen Seruf ju 
erfüllen, fdfieut ein mutiger £unb niemals ben £ob. 2>ie Dottenbetfte 
Humanität, bic üon ©ottes Colin ober Strafe ganj abfielt, ift im 
33emfyarbiner $unbe repräf entiert ; ber berühmte 33arrtj uoran. Unter 
bem ©influß bes SJienfd^en erwarb ber £unb biefe Xugenben, unb 
bas beweifet, wie feljr bic 2Wenfdf)en ber Xugenben ber anbern SBefcn 
bebürfen. Datttt aber bürfen fie audf) felbft biefelben nidfjt oer= 
leugnen. Sem $flidf)tgebot liegt ju ©runbe, unbewußt, bas all- 
gemeine 33ebürfniS; — bem fategorifd&en ^ntperatu) ein abfolutes 
3Ser langen. 

%m 26. 2Rärj förieb mein Sater in ben „^erfonalia" : 

Seftüre fjat midf) abforbiert. 2Bunbts ^pfiologifd^e Sßftjdfjologte 
gab mir 33aron 2lle£anber Uejrfüll 31t lefen. ©f|e idd bas $ud(j burd)- 
gelefen, Ijabe idf) feine redjte 9tu^e. ßs bürfte meine 2lnfidf)ten über 
Seele, Seift, ©Ott beeinfluffen ; meine pfjitofopljifdien SBorftellungen 
über bie menfdfjlid^e ©rfenntnis erweitern. — 
üBunbte 26. 3Kärj. — SBunbtö $tyrfio!ogif$e W&ologic, 5. aufläge, 

^SSSS* muß idf) erft burdfjgelefen liaben, efje id) abfdfjließcnb fagen fann, ju 



— 221 — 

weiden 2fnfLd)ten cö midf) befefjrt l)at. 2tber fcfyon jc^t, wo tdf) 
158 Seiten beö I. SSanbeö burdf)laufen Ijabe, muft idf) fagen, bafc idf) 
feit lange nid&tö gelefen Ijabe, baä eine fb grofce Scleljrung mir ju= 
geführt ^ättc. Die ©injelljeiten in ber Xtyeorie ber 0el)örs= unb ®e* 
ftdfjtdempfinbungen fo grünblid) burd&juneljmen, bafe fie mir ofyne @r- 
perimente gegenftänblidö unb Mar geworben wären , baö Ijabe id(j 
unterlagen, — unb baju ^atte id) !ein ^nterejfe. Dennoch Ijabe tdd, 
wenn aud(j unoerftanben ober fjalboerftanbcn , aQed gelefen, weil bie 
^ßräjifron ber SRetyobe unb bad umfaffenbe ©rwägen ber benfbaren 
J?otte Ijeroorleudjjtet unb an$ief)t. 3lber ber 1. Sftfd&nitt: „33on ben 
förperltd&en ©runblagen bes Seelenoermdgenö" bot Stuffd^Iu^ über 
Diele Probleme, bie midf) befdjäftigt fjaben: ©rofc ift bie @in= 
f örmigfeit bed Saueö ber förperlidfjen ©lementarbeftanb 5 
teile ber SHeroen unb ber ©anglien. tiefem SBefunbe gegen* 
Aber mufe id(j midf) oon SBunbt überzeugen laff eit , bafc oon fpejifi= 
fdjen Gnergien ber 3cntrofteile bea •fteroenfqftcmö wenig, 
oon ber fpejififd^en (Snergic ber Heroen felbft, aber gar 
nidjtö metjr ju galten ift. Die 3Jerfd()tebenf)ett ber ®e- 
bilbe im Wef)irn fjängt ab oon ifjren ftunftionen, bie ju= 
geleiteten Sietje ju einanber t)in unb tyer ju leiten, in ber 
oerwidfelteften 2Beifc. Diefe Durcharbeitung ber 9?eije bewirft 
in gewijfen teilen bie Stnfammlung unb Sterftärfung ber ©rinnerungö? 
bilber, ber 33ewegungöfomplere u. f. to., fdfjlieftlidf) bes Denfenö. ©rofc 
birn unb ftleinljirn finb ^ot>(fpt)ärifd^e Apparate, bie fdjjlieftlidf) i^re 
s £robufte in bad verlängerte 3Kar! jufammentreten madfjen unb bort 
wof)l erft 511 Sewufjtfein fommen laffen. 2Bad burdf) bie 3lffo= 
ciationafäben unb äußeren Heroen geleitet wirb, ift 
waljrfddeinfidf) molefulare 31rbeit, bic2Rolefeln in ber ^irm 
seile rüden balb jufammen unb binben bort ©nergie, ober 
treten auseinander unb oerbraudfjen bie gebunbene 
©nergic, bie aber audf) unter beftänbigem (Sinflufc ber 
Säftejufuljr unb Slbleitung fidf) befinbet. ©ö finb bemnadf) 
oorjugöweife d&emifd)e 2ßellen, bie in ben ©anglienfernen 
ausgelöfet werben unb burdf) bie Heroen weiter gefeitet, unb oon 
einem 3^ntrafgebilbe junt anbern ju ben oerfdfjtebenarttgften Äombi= 
nationen unb Slffociationen einanber überliefert werben. Der Seib 
fjat bie Seele weniger nötig, als bie Seele ben Seib. $n iljrer 
wedfjfelfeitigen 2lbl)ängigfeit nimmt bie Seele bie fjöljere Stelle ein, 
aber ber Seib bie funbamentale. 

30. aWärj. — %n Stfimbt oorgerüdft burdf) bie Sinneöoorftellungen 



— 222 — 

bis ju @nbe ber ©efidfjtöoorftellungett. Bon bcr ^ppot^efc einer 
©ubftanj, bic Bewegungen serfpürt, fann man niemafe los* 
fommen. 33iö^er l>at fie aber Sßunbt mit ©tiHfdfjweigen bebedt. eine 
fold&e ©ubftanj angenommen, wirb baö 2)u Bote 9tet>monbfd&e ignora- 
bimus ! überfprungen. Bewegung wirb jur ©mpfinbung, ©mpftnbung 
ift eine 2lrt Bewegung unb fann in Bewegungen fidf) umfefeen. 2)aä 
©mpfunbene ift bie Bewegung; einfacher, wenn man bie Be= 
wegung in bie empftnbenbe ©ubftanj felbft ©erlegt. Bebungen fönnen 
uon allen ©innen jugeleitet werben, mm allen Sßeroen jurüdge^alten 
ober beförbert werben, fd&lteftlidj in eine ©egenb bes verlängerten 
SJiarfeö reflefttert fidf) fammeln. 2Bo ftd) bie Bebungen an* 
fammefn, unb jwar wo fie überwiegenb fidf) anfammeln, ba 
verteilen fie einem Äomplej oon üerbunbenen gellen 
bas Bewußtfetn. ©ö ift baö Bewufetfein in einem Organ 
lofalifiert, nidfjt burdf) esfluftoe, eigenartige ©truftur, fonbern 
burdf) eigenartige 9lf f ociation. ©a^er fann baö 3$ wedfjfclu, 
im Xraum, in tfranffjeiten. 3)as 3$ ift nid&t eine Stefultante t>on 
lebenbigen Äräften, fonbern bie SReaftion auf bas 9l\d)U%(f), auf 
bie ber Slufeenwelt beijumeffenben, jugeleiteten Bebungen. (Sine ganj 
unnüfce Eomplifation einer fo gewagten ^ppot^efe, — ein wahrer 
Salto mortale — ift bie 3ufyilf enafjme einer nid&t materiellen 
©ecle, bie als ßufd&auer ^ c materielle Bewegung ju beurteilen 
fjat. — Sie vom ©elbft alfo in ©mpfinbungen, unb weiter in Bor* 
ftettungen umgefefcten Bewegungen, finb ein fomplejes ^änomen. 
Quantum, duale, Stiftung, fiocuö finb oerfdEjiebene @igenfdf>aften ber 
Bewegung, bie nidf)t bie eine auz ber anbern erft abjuleiten finb. 
©o fann ber ©efidjtsfinn nidf)t feine 9teije im Staunte cinorbnen, o^uc 
burdf) 9Jhiäfelbewegungen über bie Entfernung unb SHidfjtung, in ber 
bie Dbjeftc liegen, ©rfafjnmgen gefammelt $u fiabeu. kommen biefe 
l)insu, fo gefeilt fidf) ju bem Sieije eines fünftes ber Xefeijaut bie 
(Entfernung unb föinorbnung bes gef ebenen ©egenftanbes, wie eint 
feft an ben ^ßunft gebunbene BorfteHung fjinju. S)er SRaum ift eine 
2lnfdfjauung a priori (weil Senfen Bewegung, bie 9iaum unb ^tit 
gibt), aber bie begrenjte Stusbefjmmg empirifdfj. 

1. äprit. — SBunbt II ©. 234 \ $ie äurüdbleibenben 1. ©puren 
ber BorfteDungen finb als funftioneüe SMspofitionen ju benfen. — 
2. £>ie Beränberungen, bie fidf) baburdf) (burdf) Uebungen) in ben Cr* 
ganen oottjiefjen, f)aben wir uns aber offenbar als mefjr ober weniger 
bleibenbc 3Kolefu(aranlagerungen ju benfen. — 3. 3Me au« bem Be- 
wufttfein uerfdfjwunbenen (BorfteUungen) werben pft)df)ifdf)e 3Mspofttionen 



— 223 — 

unbefannter 2lrt ju iljrer SBiebererneuerung jurüdlaffen. — 4. 2>aa 
SSenwßtfein unb bie cd begleitenben ©efjirnprojeffe . . . finb gunftionen, 
bic im Serfyättniö unabänberlidfjer Äoeriftenj ftefyen. 2)tefe Äoepftenj 
ift eine lefcte 2$atfadf)e, wie bic ©fiftenj ber 3Raterie. 2>tc unab= 
änberltdfje Äoejiftenj ift meiner Slnftdjt nadf> etwas fefjr anbreö, als 
bie ©siftenj. 2Bo jweierlei foeriftiert, ift nidjt auögef d&loffen , baß 
bas eine jum anbern im Äaufaljufammenljange ftef)t. 2BaS sub 2 
3Rolefularumänberung lieißt, ift eine pftjd&ifdje Tiöpofition unbelannter 
9lrt sub 3 genannt. 2)ie Spuren ber SBorftetlungen sub 1 finb als 
■Dtolefularumänberungen ju benfen. SBic au* ber 3Rolefufarumlagenmg 
eine ©mpfinbung entfielt, bleibt unbefannt, aber baß eine SReprobuftion 
ber SBorftellimg aus ber SWolefularumlagerung f)eroorgef)t, bleibt eine 
ben SRoniömuS begrünbenbe £ljatfad)e. 

20. 2lprü. — ©eftern, enblidjj, fyabe idfj baö große 2Bunbtfdf)e 
2Serf ju ßnbe gelefen. 9hm ift mir serftänblidf), auf roeldje 33or* 
ftettung *on ber Seele feine ftorfd&ungen geführt fjaben. Sie tnU 
imdfelt fid> in ber Subftanj. £>aä SBefen ber Subftanj muß aber, 
um baö t>erftanblid) ju machen, erweitert werben. @s muß ifym £rieb 
beigelegt werben. 3 n & er unbelebten Subftanj ift ber £rieb ber 
SÄolefeln oljne jeitlidfjeu 3 u f ammen ^ an 9- 3 n & eu fomplijierten orga* 
nifdfjen ©ebilben fammelt er fieb, unb erreicht in ber 9ten>enfubftanj 
fdjüeßlidf> jene ©inigung, bie baö Selbftbewußtfein, bie Seele, aus* 
ma<$t. Sie Seele bilbet ftd) bie Drgane, tljrem triebe gemäß; 
namentlich baö Organ ber 2lpperjeption, bed Selbftbewußtfeinö. ©s 
ift eine pfpdfjop^ijfifcfie Subftanj. 2Bo 3Bunbt metap^fifdber 
^ilofop^eme, religiöfer Dogmen gebenft, get|t er an tynen vorüber, 
als an SBorauöfc&ungen, von benen er feinen ©ebraud) fjat machen 
fönnen. SBunbt fdfjließt mit ber 2lnnaf)me: 2ßad wir Seele 
nennen, ift baö innere Sein ber nämlichen ©infjeit, bie 
mir äußerlich als ben $u ifjr gehörigen i^eib anfdjauen. 



»rief an btn »aron afexanber 2fce*ftüir, &ft. 1892. 

HattüH, ben 20. April 1891. 

Diefcr Srief, mein lieber Uerfüß, foll 3^ten jugef)en, gleich 
geitig mit bem großen ühSerf bes ^rofeffors 2ßunbt, bas idf) mit meiern 
Xant 3&nen jurüdftelle. ©ine fdiwerc Seftüre ift es gewefen. Da- 
für muß id> midf) aber entfebäbigt galten, ba idfj feit lange nichts gelefen 
fjabe, waö mir eine fo große 33elef)rimg jugefüfjrt fjätte. 



— 224 — 

2öunbt fdjlieftt mit bcr Stnnafjme: 2i?as wir Seele nennen, 
ift baä innere Sein ber nämlichen (Sinljeit, bie wir äufeer- 
tid) alö ben jn if)r gehörigen i'eib anfd&auen. Sie ift eine 
pfpdfjopljrififd&e Subftanj. Das Söefen ber Subftanj, um bad t>er~ 
ftänblidfjer ju matten, mufc erweitert werben. GS muft if>r Xricb 
beigelegt werben. 3n ber unbelebten Subftanj bleibt ber £rieb ber 
URolefüle oljne jettlid&en 3 u l"öntmen^ang. 9lnberö in ben ^öd&ft ner= 
widelten ©ebilben ber belebten SBefen. 2>a fteigert jtd> im 9len>en~ 
ftjftem bie Einigung, — im 2Jtenfdf>en bid ju bem entwidelten SelbfiU 
bewufttfein, bis ju ber 3RenfcI)enfeele. Sie bilbet fidf) tyre Crgane, 
gemafe ifjren trieben, namentlich baä Drgan ber 2tpper$eption, 
bea Selbftbewufttfcinä. ©rofc ift bie ©införmigfeit bed Stoueä ber 
förperlicfyen demente bes SReroenfyftemö. SBon ber fpejiftfdfjen ©nergie 
ber ÜReroen ift gar nidfjtä ju galten; — non berjenigcn ber SentraU 
teile launt etwas. Die aSerfd^ieben^eit ber Munitionen ber $irn« 
gebilbe entfielt burdf) bie jugeleiteten unb in ber oerwidfeltften SBeife 
jirfulierenben Steige. $>ie Verarbeitung ber 9teije bewirft in gewiffen 
^irnorganen bie Xnfammlung unb 33erftärfung ber ßrinnerungftbüber, 
ber Sewegungsfomplere u. f. m., fd&lieftlidf) bes 2)cnfens. ©rofc unb 
Älein^im finb fjoljlfpfjärifdfje Apparate, bie fcfylieftlidj i^re Sßrobufte 
in bas oerlängerte 2Warf jufammentreteu machen, unb bort wobt erft 
5um SJewujstfcm bringen. 3ßad burdf) bie Sterben unb SlffociationSs 
fäben ber GJanglienjellen geleitet wirb, ift wafjrfd&einlidfj molefuläre 
3lrbeit; bie SJtolefeln in ber £irnjeHe binben ©nergie beim 3ufammens 
rücfen, unb oerbraud&en fie wieber beim 3luseinanbertreten, unter be= 
ftänbigem ©influft ber Saftertefelung. 6s finb bemnad^ Dorjugsweife 
cfyemifdje SBellen, bie in ben ©anglienfewen ausgclöfet werben, unb, 
burcb bie Ütteroen weitergeleitet, öou einem 3^"tralgebtlbe jum anbem, 
ju ben üerfdfjiebcnartigften Kombinationen unb 3lffociationen einanber 
überliefert werben. 2>ie aus bem Sewufstfein entfdjwunbenen 3Jor s 
ftellungen f)interlaj)cn pl)i;fif^e SMspofitionen / unbefannter ärt, ju 
ifyrer SiMebererueuerung. 

33orftef)enb wollte idf) %fyntn ein Sßröbcfien geben t>on ben ©e= 
banfen, bie id) aus bem wunberbarcn Söerfe tyabe fdf)öpfen tonnen 
ober aufnehmen, äßunberbar ift bie ßinfad&ljeit ber 3JHttet, mit benen 
in ber Jtatur baö (Jrftaunlicbfte 511 ftanbe fommt. 3)ic ©ratntation 
plt bas Sternenfpftem ber ganjen 3Belt jufammen, wie fie ben Slpfel 
00m Saume fallen läfjt. 3>ie 3i™en)ation in ben fd&einbar ganj 
fraftlofen 9ieroenfäben, uon einer .Vlonftftenj, bie feinen SLMberftanb 
leiftet, ift bas 9)tittel ju ben erftaunlicbften tträften bcr menf$ß$en 



— 225 — 

©cifiedwelt. Sic be^errfd&en bie 33ert)ältniffe an ber Oberfläche ber 
©rbe unb lehren fie erfennen in ben fernften ßunmelöräumen. £>aö 
finb Seiftungen, bic fo weisen gäben unb ftlümpd&en, wie fie baö 
9ien>enft)ftem jeigt, nid)t leitet fönnen angefetjen werben. 

%ä) fürdjjte, auf biefeä fdjjwere 93udf) l)in, einen fdfjweren SSrief 
ju ftanbe gebraut ju fyaben. Sie werben bem entnehmen, bafe icf) 
ber Seftfire, bie idf) ffintn t>erban?e, nidjjt wenig ^fntcreffe entgegen* 
gebraut f>abe. $n alter greunbfd&aft . . . 



fttligion (1891). 

fiepte Aufzeichnungen über Religion. 

26. San. — ©rft war es Sott, — bann bie SSorfetyung, — nun ©ott - siebe, 
ift e$ bie 2tuömufterung, 3)arwm3 selection, franjöfifdjj triage. »cwunberoiiä- 

3um Seften füljrt eines wie bad anbre, — aber ©ott unb Sßor- U Mmntn5. 
fe^ung gemäß Don unerforfdfjlid&en unb unbegreiflichen Statfd&lüjfen, 
— bie Slufimufterung gemäß ber -Rotwenbigleit. ©ott fann mau 
lieben, — bie SBorfeljung bewunbem, — bie 3Cuömufterung Der* 
fielen. Sef Reiben mu§ man fidr, aber man fann eö mit 5ßer= 
ftänbnte, nur gegenüber ber Studmufterung. .®a& ©efü^l ber Harmonie, 
bed 3ufammenflingen$, ift bie Siebe, — inftinftit) im ©efdfjled&tfc: 
leben, — baö ©efüljl ber Harmonie mit £immet unb @rbe ift bie 
Teligiöfe ©fftafe, Schöpferin ber ^öd^ften menfdjlidfjen SBorfteHungen, 
aber nid&t SSärgin ifjrer 2Baf)rf>eit. Unter ben SWenfdben ermatten fid) 
biefe SBorfMungen fefjr lange, weil bie £rabition üjnen red&t balb 
eine älterd* unb Snualibttätdüerfid&erung gewährt. @8 ift aber für 
bie menfdfjlid&e gtatbilbung nötig, immer wieber jurüd ju fommen 
auf bad urfprünglidf)e @efüf)l ber ©rgebung, ber Siebe, unb beö 3Ser= 
trauend }u ber SBeltorbnung ; — frei oon ben ©ogmen unb 3Jtani? 
pulationen, bie au$ ben felbftgefd&affenen SBorftellungen fidf) ablagerten, 
wie ein bunfler Schlamm auf ben SBegen ber (Srfenntniä. 

©infames 35afein, oljne ©efd&äftsleben, unb o§ne müßig ©efd&wäfc 
mit Stanbe&genoffen, bleibt eine fdfjwere Aufgabe. ®as eigene @e= 
banfenleben erfd&öpft fidfj im Stlter unb erfdfjeint nidfjtsnufcig unb ein= 
förmig. SReligiöfe Kontemplation unb Äultus ber ©infiebler unb ber 
ftreng in Älöftern abgefdfjloffenen SWönd&e üben SBiebertyolungen ber 

flu* ben lagebu^blättern be* ©rofen 91. ftebjerling. 15 



— 226 — 

$anblungen, ©ebanfen unb ©mpftnbungen, — welker SBieber^ohmg 
eine mgfteriöfe Sebeutung beigelegt wirb; — es ift ein ^Huftonölebcn 
o&ne Älarljeit unb SBatyrljeit. 

ct>m vtbtt wn 1. gebr. — Df>ne ©ebet, fein Umgang mit ©ott. 2)aS SRadj? 

^&mhnu!i benfen über bas ©afein unb bie 33efdjaffenl>eit eines 2BefenS, ift jn>ar 

^umßoSJ* 1 Sef d^äftigung mit tfjm, aber nidjt Umgang. Dljne Umgang mit 

©ott verliert aber ber 9Wenfd(j, befonbers aber bas Sßeib, ben 9lüd- 

fyalt gegen bie Serfud&ungen ber ftnnlid&en SßreiSgebung in ber ^üüe 

ber Siebe. 

©ottti «uftra an ©ott beauftragte einen ber Seligen an feiner Stelle bie von ber 
«nen 6ehafn. g^ c j U j^ m auffteigenben ©ebete entgegen ju nehmen. £ie öral)= 
miften unb Subbfjiften ermübeten ifjn fefyr burdf) 2Bieberf>qlung ber= 
felben Saute unb ©ebetsformeln, oljne redfjten Sinn; — fte waren 
in ben Irrtum verfallen , man fönne ©ott jwingen, inbem man 
gormein wieberfjolt ober gar in SDWitylen bre^t, bie fe^r langweilig 
werben fönnen, wenn man fo unoorftd&tig ift, barauf ju fyören. 3^er 
Selige merfte audfj balb, bafc fie ntdjts anbres bewirten follten, ate 
bie Seter heilig machen, So unjwedfmäfjig bas STOittel festen, man 
f onnte tljnen bie Spielerei belaffen ; nur ba§ fie glaubten, bamit jeher 
moralifdjen 5ßflidf)t überhoben ju fein, war ein Uebelftanb. Sei ber 
anbern breifad^en aWenfd&enreligion, war es nid&t fo. Rüben, ©fjriften, 
^slams Ratten moraltfd&e Sorfdfjriften, — bie ©ered&tigfeit, Siebe, 
3Rilbtf}ätigfeit, — aber nidfjt gegen äfobersgläubige. 35er ©laube 
galt mefjr, als bie £ugenb. 2ludf> fte glaubten burd) Ritual, ©efang 
unb fjeilige Sßorte, — lange 9?eben, — 2fofjüge unb Slnjänben oon 
Sidfjten, ©Ott gefällig ju fein unb geneigt ju mad&en. 35arin fümmten 
äße überein, ba§ fte fefjr triel Unvernünftiges erbeteten, unb immer 
nur bas, was tyren trieben jeweilig bienen foHte. gür ben Shtfcen 
ber SJtenfdfjljeit, im ganjen, Ratten fie fein £erj, unb trafen fte etwa 
einen Sonberling, ber fidf) baju aufdfjidfte, fo Derfpotteten fte iljn, als 
ßumanitarier. — ^efet, fagte ber Selige ju bem wieber eintretenben 
©ott, t>erftef)e idf) erft: Sott man auf ©rben jum Seften regieren, 
muß man fidf) um bas befümmern, was in ben ®tbttm nid^t t>or= 
fommt; um bas 2Sol)lbefmben ber 2lHgemeint»cit ber 3Kenfdf)en. $as, 
was in ben ©ebeten oorfommt, fann man ruljig ftdj felbft überlaffen. 
9tad) Serbienfit wirb es geförbert buref) bie ©intradjt, ober gehemmt 
burdfj ben Sßiberfprudf). 

10. gebr. — junger unb Surft fann man ftd) felbft nidjt t>or= 
tauften. Offt es nid)t ebenfo mit Siebe unb Religion? Vergebens 
fagt man fidj ba: £u mu&t! Sergebens rechnet man fid& bie SBo^U 



— 227 — 

traten t>or, bie ju Siebe auft ©anfbarfeit nerpffidfjten fönnten. 9Wan 
taufet bamit fuf) unb anbre unb gerät in bie ^eud^elei. $at ber 
innere $rang jur Religion midf) per (äffen, fo muß idfj ber SBatjr* 
fjafttgfeit ju Siebe midfy mdf)t anber* anftetten, wenn audf) idf> ber 
Sitte ber 2Wenf<$en midd untcrjiet^c, um bie beftmöglid&en Schiebungen 
ju pflegen*). 

The bow is bent and drawn, make from the shaffc,**) 
Come not between the dragon and his wrath. 

2)iefer 2Bortc gebenfe idf), ba im füllen bie SSerfud&ung midf) 
befaßt, bem gewaltigen 93iämar<f ju fd&reiben. SRidjt, ba§ er in feinem 
gegenwärtigen Seben „feine redfote Sefriebigung ftnbet", — wie er 
feljr milbe ftdfj auöbrüdft, ift ifjm ju nerbenfen. 

Ah, Tarne que la gloire une fois a touchle, 
Est pour le bonheur calme ä jamais dessechee; 
Elle garde, en sa chüte, un desespoir hautain, 
Et ne peut plus rentrer dans le commtm destin ; 
Du haut de sa ruine, eile ecoute, isolee, 
L'echo retentiasant de sa grandeur croulee. ***) 

£od&tragifd) ift SiömardEö %aü. ©inen gleidfj allgemeinen 9tuf>m 
fyat bei Sebjeiten niemanb genoffen, unb faum mag eß eine milbe 
Sötterfdfjaft geben, bie aon ifjm nic^t gehört fjätte. 



93iömarcf ift miber SÖiffen tranöftguriert burdf) bie Strafen feiner 
großen SBergangenfjeit. ftür bie Heine ©egenroart, maö bleibt if)tn? 
5Jiemanb !ann if)tn bie S3itterfeit feiner Smpftnbungen nerfüften ober 
oormerfen; aber ergaben foll er fie tragen, roie einen p^nfifd&en 



*) Sßie auf ber ©ee bie SÖellen auf: unb abwogen, balb $od), balb niebrig 
ge$en, balb tiefe Steeredftitte eintritt, MS ein neuer SBinbljaud) Seroegung roedt, 
fo in ber ©eele bie ®efü§le ber Siebe gu ©ott unb ju ben 2Renfä)en, — pflegte 
mein Sater oft gu fagen. 

**) 25er Sogen ift gefpannt, entflieg bem SßfeU! — 

Xritt jn)ifü)en ben £raä)en nia)t unb feinen (Srimm! 

Äönig Sear. 
***) D! fjat einmal ber SRu$m bie ©eele ergriffen, 

3ft fte für ruhiges ®lücf für immer oerloren (oertrodfaet), 
©ie bewahrt in i$rem (Sturze fjoü)mütige SBerameiftung, 
Unb fann nia)t nrieber jurücftreten in baä gen>ölmlid}e ©ein, 
SBon ber §ölje iljrer krümmer (tljreS SRuinS) laufa)t fte vereinfamt 
$em DerfjaKenben ©a)aU tfjrer oerfaQenen ©rbfie. 



— 228 — 

©d&merj. 25aö ÜRenfdfjenleben, im einjelnen 9)tenfd&en, 
trägt bic SBürbe ber ganjen 9Kenfdfjl)eit. Äein Seiben foü 
größer fein, ate biefeö Selbft im &tbm. 3e mel>r eä ben Seiben 
gegenüber fidj unerfd&fitterlidf) jeigt, um fo meljr bewährt es feine 
4}ö§e. 2)aä ift bie Antwort auf meine ftrage*), warum bie 3Renfd>en 
ben Unfdf)ulbigen im Seiben ate baä &öd&fte fdfjäfcen, obwohl bad feinet 
roegä ein 3lbeal für fie gemefen, nadfj bem fie gcftrebt Ratten. 3n biefem 
©inne läutern bie testen, oft fo quafootten ÄranHjeiten nrirflidfj ben 
SWenfdjen. 

$df) las fürjli<$: „Saaten ber praftifd&en Siebe finb baö Äeun= 
jeidfjen ber jünger ©Ijrifti; ntd&t aber bie SEBiffenfd^aft ber ©tljtf 
fönne bie Sieligion erfe|en, bie falten 2lbftraftionen bie Segeifterung 
geben" u. f. ro. 

3ft ed aber mit ben Saaten nid&t äfjnlidf)? £aufenbe fann idj 
fieiben unb fpeifen unb fann babei ber Siebe entbehren. @ö bleibt 
mir ein grofeeö ©efjeimniö in ber Siebe. Sßeber Seljrbegriffe nod& 
2Berfe fönnen fie erfefcen ober erfdfjöpfen. 3Ruf$ nid&t ein #audf) ber 
tßoefic baä SBerf, baö nrir jum SSeften ber anbem tfjun, nodf) burdf>- 
roeljen? Ober ift baö nur eitel Sdfjein? — @s wirb baö IjödEjfte ©ein 
fein, über aUeö 35enfen fjinauö. — 33on ben 2)ogmen roenbet ftdfj in 
neuerer $eit mancher S^eologe ab, — ben 2Berfen barf er aber nidfjt 
juf allen, unb bie Siebe lägt jtdf) nidf)t feftljalten. So befdfjeibe man 
fidfj. 35aä 33ergängltdf)e ift bodf) fd&ön geroefen unb jwwi ©roigen 
fütyrt es. — 6s trnrb mir ernft unb gef Rieben mufe fein. 



„Les choses visibles durent peu," — bie fid&tbaren $)inge 

bauern fürs, — aber fie allein laffen und bas 6roige auf ßrben a^nen 
unb empfinben! 

3. 3Jiärj. — 2Bas bie ftreunblidftfeit ber 2Renfdfjen anbetrifft, fo 
erfährt man in fdfjroeren Sebenslagen bergleidjjen ju oft, um nid^t 
neben bem rabifal Söfen in ber SWenfd&ennatur au<$ ein eingepffanjtes 
©uteö roirflidf) anjuerfennen unb mit fjerjlid&em ®anf. 



*) ©te§e »i&elfteHen über bie 3ufunft ber SJerftorbenen. »Hgememer fttid 
Mief ©. 219. 2eivm 1876. (2«3 2Ronuf!ript gebrutft). 



— 229 — 



Srtjln|jL 

lieber SWoltfea £ob Reifet eö in einem an meinen 33ruber ge« 
richteten 33rief:. 

„<5r ftarb mcf>t, roenn man Siechtum unb Xobedqualen baruntet 
©erfte^t, fonbem ©ott naljm iljn fjinroeg, wie eö uon ßenodj Reifet/' 

31m Dfterfonntag, 21. Slpril, fc^rieb mir mein SBater: 

„3dj fomme eben Don unfrer ©rabfiätte. ... <£ft ift wie S5u 
fagft, bie 3^ te* ©eljnfud&t, ber ©efjnfudfjt nadfj neuem Seben. 

$er geling !am, 

2)ie §albe grünt ringsum; — 

©ein glügel 6ra($ 

Unb feine Stuft ift ftumm. 

£iefe SBorte t>on Sßaul ßeijfe geben ber roeidjen (Stimmung, bie 
im gWtfjling 3Renfdfjen, bie Diel Heben hinter ftdf) tyaben, juroeilen be* 
fd&letdf)t, ben redeten 2luöbru(f." 

3lm 8. 2Rai mar er nidf)t mefjr unter un$l 
$en ©prudfj, ben er fidj ju feiner ©rabfdfjrift ermaßt, bem er 
gelebt fjatte bis jum legten 2ltemjuge, lautet: 

„$er ©eift ber 2Baf)rf)aftigfeit 
roirb ben 3Beg eud) roeifen 
in aller 2Baljrf)aftigfeit!" 
IV. (So. 16, 1S - 

3um ©dfjfufc mögen \)itx nodf) folgenbe 2Borte axtä ben perfön= 
liefen 2lufjeic^nungen meineö SSaterö ^piafc finben. 

£ . . . s SRotijen über 2Warien3 lefcte £age gelefen. $df) muß 
mel Xljränen babei t>ergief$en. SReine Stimmung ift burdfj bie siele 
©infamfeit unb jbas 2llter meiner geworben. . . . ©dfjon aorgeftern, 
bei ber £eimfef}r aus 9ieüal, befcblidf) midfj etroaö ©igeneö. @ö ift als 
riefe midfj ber ©roige am bem unfteten oergänglid&en treiben, ©ö 
ift ber inroenbige ©ott, ber roeber in ©d&rift nodfj Siitualien offenbar 
werben fann. SZBic ein tief am £orijont leudfjtenber ^irftern, ben 
man fefjen fann, erft roenn bie fünfte unb ber ©df)immer beö £ages 
tjerfdfjumnben finb, roeiß man von bem inroenbigen ©ott nur in ber 
Stille. $ebeö SBort über iljn ftört; foll idf) ooU füllen, bafj idf) ben 
©roigen tyabe, unb baft er midf) fjat, mufc tdj redfjt allein fein, ©o 
tyat 3efuö ©ott gehabt am Celberge. 3lHer ftirdfjenbienft, alle flügelnbe 



— 230 — 

£et>re aon Geologen unb Sßfjilofopfjen, alle Sefdfjäftigung mit ber 
uergänglid&en Sßelt jerftreut. ©in eitriges, nid&t ju fagenbeö ©eljeimnid! 
SBenn idf) aber bie (Seele barauf rid&te, bann erft füfjlt fte ftd& in 
SBoHftänbigfeit unb in bem Steige ber SRufje. — 2Rag u>ol)l in meinem 
£irnleben eine pl)9fifdf)e SScränberung ^eranna^en. . . . «Smmerljin # 
eö meiner Statur jefct angemeffen, aufjufdfjauen innerlich ju bem un- 
begreiflichen ©ott. 3Renfd)en, Äirdje, 33ibel, nidf)td gibt mir ben hu 
toenbig verborgenen ©ott, vielmehr bringt atteö ba* 3erftreuung, 3Ser- 
bunfelung. ©e^e. alfo fdfjtoeigenb burdfj bie SRenfd^en unb beinahe 
baö ©e^eimniö! 2ludf) Scfuö bewahrte es bia and Äreuj. Seine 
2Borte oerjroeifelten, aber ber ©roige Ijatte i^n unb er tyatte 
ben Sroigen bis jutefct! 



Momente 35efra<$tttK$ett. 



$0fiak imt> poltfifö? 3fcagm 

©ojiale $rage! ©ine aScficrfragc trieHeidjt, rote bie $rage nadf> 
bem $inge an pdf). 

i • • • * 

35te fojiale grage ober baä Problem jroifdfjen Äapital unb arbeit, 
wirb mir t>ic£ ju fefjr t>orausgefe$t. 3>ie $anb, bie in bie ooDe 
£afd&e beö SRadfjbarö greift, fdjeint mir fein ntutz Problem aufju* 
werfen. SBenigftenö ifi es mir nidf)t geläufig barem nodb ju jtoeifeln, 
ob etwa ber 2Kann bie ©d^utb trägt, ber fidf) bie £afd&e gefüllt f>af, 
ober berjenige, meiner fie leeren "möchte. -Kur bas ift mir' Problem, 
toie roeit bie ©enoffenfdfjaft in ber öfonomifdfjen SBelt Ujre 2Birffam* 
feit mit ©rfolg ausbeljnen fann. £>ie greifjeit ber 2trbeit wirb t)on 
ben -Dtännern ber 2lrbeitöeinfteHungen oerfannt, fie brängen in bie 
fceibeigenfdfjaft jurüdf. 2)ie SBurjel alles Uebelö unb aUe$ £erroriömu& 
föeint mir aber bie 33orfteHung ju fein, baö ©lud für bie SWenge 
anjuftreben, anftatt baä ©lücf für alle. 3)aö lefctere ift nur in ber 
lüften ©eredfjtigfeit unb ©emeinfd^aft ju pnben, — ba£ erftere tor* 
übergetyenb in ber 3 er ft& run 9 a ß er gefefclid&en ©dfjranfen, bie für bie 
2Re^rjal)l beftänbig fiart bleiben werben. $>ie 2>arroimaner weifen 
eigentlich naclj, wie baö -Jtoturgefefc bie 2luämerjung ber 9Bef)rjaf)l 
oerlangt unb bie ©lite nur bleiben barf, unb wie übel angebracht jenes 
SBoljlwoHen ift, bas ade, jur £erabroürbigung aller, erhalten möchte. 



2Bad man oon bem 33ebrof)lidf)en melbet, baä in bem 2tnroadf)fen 
ber fojialbem ofratif dben Partei fidfj ju erfennen gibt, interefftert mid) 
fefyr. ^ern Dom <&d)\i$ finb meine Setrad&tungen füljf; bie Unmög* 
Iidfjfeit für bie mcnfcblidfje ©efellfdjaft, fid) auf bie fojialbemofratifdfie 
Partei ju grünben, fd&eint mir fonnenflar, unb bafjer fann roofjl eine 
oorübergeljenbe unb fe^r bebauerlid^e 3^ftörung an einjelnen Orten 



— 234 — 

bic golge foldjer SBerirrung fein; aber feine bauernbe Drbnung. ^dj 
begreife aber, wie wenig b er gleichen allgemeine SBa^rtjeiten Sd&ufj unb 
5Crofl bieten, wenn man für bie ©injeleyiftenj in eigener SRä&e 511 
Seforgniö 2lnlafj finbet. 3)en Sojialbemofraten Ijafte i<$ aber für 
ein Söefen, baä balb au&fterben mufc, wie alle Äreatur, bie nur auf 
aujsergewötynlid&e 3uftänbe beregnet, jxd) in gewöljnlid&en 3 e ^ e " ntdfjt 
galten fann, wegen mangelnber ©yiftenjbebingungen. 



©urdfj bie ganje 2Seft geljt eine, meine* SJebünfenö nadj, t>er= 
fefjrte Strömung, wenn aud£) md&t burdf) Sd&ulb, fo bodf) im ©inne 
ber Äatyeberfojialiften. SWot unb Ärantyeit wirb eä in ber 2Belt geben, 
fo lange eä eine menfd&licfje ©efeüfd&aft geben wirb, unb ba* SJerfe^rte 
fdtjeint mir, wenn ber ©taat fidE) berufen füljlt, burdf) allerlei SJorforge 
baö wegjufdtjaffen, waä nun einmal ftdf) nid&t wegfd&affen lä§t. Sie 
Äräfte unb bie ©üter finb ungleich perteilt unb oerfd&ieben }id& nadf) 
Äaufalitäten, bie 00m Staate unabhängig finb. ©eine Slufgabe bleibt 
eine ©efefcgebung, bie feinen begünftigt ober bebrängt, unb eine für 
Stile gleite ©efefcltdftfeit mit unerfd&ütterlidfjer ©cwalt fidler ju fteHen. 
©ibt er ftd& ber SBerlodung l)in, alle Unglüdflidfjen ju oerforgen, fo 
wirb er jum ©d&minbler unb fann auf bie Sänge nidjjt befteljen. SMe 
9Wanie, bie Sdfjulb oon allem ©fenb ber ©efefegebung jujuf ^reiben, 
ift bie Qtiiitanlfycxt , unb bürfte auä) bei \m$ bem 9Ul)ittemuft ju 
©runbe liegen. 

®en SJerftanb in einem Sanbe fo ju verteilen, bafc nur SWitteU 
mäfngfeiten bleiben, fönnte man eö bewirf en, fo mürbe man eö bodf) 
faum förberlidfj für bie ©efellfd&aft galten, $infuijtli$ beö 9ietdf)tum* 
fyält man aber bie gewaltigen Äontrafte für nachteilig, — bie in ben 
freien bereinigten Staaten SKorbamertfaS jtdf) gleichfalls bilben. @em 
erfenne idf) ein fjöfjeres ^ ber ©efeHfdfjaften unb ber SWenfdfjen an, 
— als ben Sietcfytum, — nämlich bie Erweiterung unb Steigerung 
ber ©emeinfd&aft, — unb fo erfenne idf) audf) gewiffe Umftänbe in 
2>eutfdf)fanb , bie ein gewiffeö Xransigieren mit ben fojialiftifd&en 
Strebungen jeitweiltg rechtfertigen mbgen. 3lber bie gormel: mög= 
lidfrft oiel SBoljl für möglidEtft oiel 2Renfdf)en, fjalte idf) für irreleitenb 
unb für unrichtig; bie Verteilung ber ©lüdtegüter l;alte iä) nidjjt für 
eine Sad&e ber ©efefegebung u. f. w. £afe unb Siebe, nidf)t gifer 
für baö ©emeinwofjl, Ijaben bie 3Raffe ber einjelmenfd^en immer, 
oieHeid^t in bemfelben ©rabe beglüdft unb unglücflicty gemalt. 



— 235 — 

ßd war mir intcreffant, rote ficf) verriebene ©pmnaften über 
bie Uniformen ber ©pmnaftaften audfprad&en. ®a gibt jtd) ber (Seift 
ju erfennen, ber bie aufgezwungene ®leid(#eit Ijöljer fd&äfct alfi bie 
Jreiljeit. Die Spulen nähren biefen 2Bal)n. Um bie Unterziehe 
jroifd&en Slrm unb SReid) ju üerroiföen, fo Reifet e«, muß bie ©djule 
gleichförmig gefleibete Schüler Ijaben. Um Don frfity auf biefen roefent- 
liefen Unterfd&ieb ju Derfte^en, ju bulben, bie gfretyeit ju etyren, fönnte 
man bas (Gegenteil per langen, ftann niefet aud) in ber ftleibung ein 
6tfld 3Roralität Hegen? — Diefe 2trt ©leidfteit Derbrängt bie ©elbfc 
befd&ränfung, unb bie Slbfonberung jnrifd&en aRenfdfjen unb Staate 
bienem, wirb ju einer 3^ fühlbar gemalt, wo bie entfpred&enben 
$fKc$ten nodf) nidjt Dor^anben finb. 



3$ gefiele, bafc mir ber ©taatöfojtaliömua meines alten ^ugenb; 
freunbeä unb beö größten 9Ranned Deutfd&tanbfi unb üieüeicfjt gegen- 
wärtig ber ganjen (?rbe, ald Doftrin um>erftänblidf) ift. 33ef>anbelt 
man bodj bie Äonfurrenj, biefen Stteb, ber bie unö befannte 9totur 
;u nmnberbarer 33oHtommenf)eit getrieben §at unb immer weiter treibt, 
ate eine ©rfinbung bea SRandjieftertuma, bie man mit gutem &erjen 
unb gut angelegten Steuern aus ber SBelt fdfjaffen fönnte. ©tnb e$ 
nid&t Utopien , wenn man bie naturnotroenbigen Uebel ber twrges 
fdjrittenen ©efeßfd&aft ald fünft (id^e <ßrobufte barftetlt, Utopien, bie ju 
Uebergriffen, SJerbred^en unb SBa^nfinn treiben? Dodfj id) befdfjeibe 
midf); baß alte Seilte tfjrer 3 c ü nid&t folgen fönnen, ift ja immer 
gewefen. 

3dfj bin ein oerftoefter ^Jarteimann bed s Jtedjtöftaateö, im ©egen= 
fafe ju bem SBofjlfatyrtaftaat. 



Die Sojialbemofratie oerbtent oertitgt ju werben, audf) o^nc 
»ttentat. 

SJerfrttppelteö unb 2Uteröfdf)macbes ift bem Untergange geweift, 
bamit bas ®efunbe unb ^ugenbfräftige Staunt gewinnt ju befferem 
@ebeiljen; fo ift bie Drbmmg ber Stotur unb bie Sieget jebeö !Qau& 
fjaltö. 2Bie lommt nun baö Deutfcbe 9teid) baju, eine fo natura 
wibrige unb unöfonomifdfje ©efefcgebung ju unternebmen, wie bie 
^noafibitätö* unb äntersoerfidjerung? Der 2lrme im 3>olf foD oon 



— 236 — 

bem (Staate greifbare Vorteile in 2luöfid)t fjaben, um mm bem (Staate 
etwas ju galten unb an i^m feft ju galten, gegenüber ben Angriffen 
oon auften unb Aufreizungen tum innen, 211$ SRobiling fc^o§, unb 
bie (Sojialiftcn meljr unb mef)t baö 3*eicft überwogen, fann man auf 
Heilmittel. Sluf bie Veleljrung burdjj bie wahren fielen, ober burd) 
bic 9lot, TDoüte man nidf>t rennen; gu fdf>merjlidf) unb ju (ang bünfte 
biefer SBeg. 2>a madfjt man nun biefen füfjnen, gewaltigen, natura 
wibrigen unb bafjer nur oorübergeljenb wirffamen Verfug. 2Rateriett 
wirb ein SRetcij burdf) fold^e ©efefce gefd&wädftf. — SBirb es aber ibeal 
mächtiger? 2)er 2termere ift erft ber tapfere. SBirb baö beutfdje 
SSolf um fo tapferer werben im Äampfe gegen SHomanen unb Slaoen? 
3ft es eine Lüftung, bie ifjres ©elbeö wert ift? 3Robem ift infolge 
ber grteidfjterung aller Verfefjrsmittel, baß bie Äonfurrenj oon bem 
©injelmenfdfjen übergebt auf SKenfdjengruppen, auf ^Rationalitäten. 
SBirb bie germanifdfje Nationalität im Äampfe gegen anbre SRationalU 
täten getoinnen? 

3n ©eutfd&lanb ift bas ©efefc für bie Ärüppel unb alten, wenn 
audE) mit geringer Majorität, burd&gegangen. $alls eö ftd& faltbar 
erweift, ift für bie menfc^lid^e ©efettfdjaft eine ganj neue ©rfinbung 
gemalt. 3m Vienenftaat ^aben bie ganje Slrbeit, unb freiließ audj 
bie ganje 9Jlad^t, fterilifierte SBeibd&en; — für Diele anbre ©efd&öpfe 
märe biefe ©inrid&tung nidjjt erträglicher Unfinn. 2He beutfdfje Staats* 
gcmeinfd&aft fönnte eine neue ^fjafe erleben, ebenfo t>erf Rieben von 
anbern (Staaten unb oon ber eigenen Vergangenheit, als bie Vienen 
oon ben SBefpen. 3lber entfdf)teben ift es nodf) nidf)t. 



$te Verirrungen bes ©ojialismus oerraten, glei<$ ben Religionen, 
fd^on burdf) i^re geograpljifdfie Verbreitung, bafc fie eine ftaatfidfje ©n^ 
ridf)tung gar nidf)t finb. S)ie dfjriftlid&e Varmfjerjigfeit füf>rt auf bie 
^orberung jurütf, bafc bie einen erwerben für anbre, bie t>erjeljren. 
(Sie finbet ifjre medfjanifcfje ©renje, fobalb im Verjeljren ein Ueber- 
gewicht eintritt. 3lber fdf)on ebc bie ©efeUfdfjaft bis an biefe ©renje 
gelangt, mürbe jte bur<$ bie @rfdj>laffung bes Triebes, für fi<$ unb 
bie (Seinigen epflufio 511 arbeiten, unb burdf) bie Unfä^igfeit jenen 
©dfjmudf bem 2)afein ju leiten, ber burdf) bie Vorliebe ber Dptimiften 
entfielt, (ber 9ieidf)tum müfete ja aufhören ober fidjj verbergen — ), 
unerträgliches (Slenb oerbreiten. 



— 237 — 

. . . Wtttyc unb metp realifiert fxdj bcr trbifd&e Unfoerfalftaat, 
unb bie Sdf)ufcjöllner fämpfen vergebens, — vergebend bie ©ewerfS- 
genoffenfdfjaften ber Stoßarbeiter. SBeber Sßroteftionismus nodfj Sojia* 
lismus fann auf bie Sänge bie öfonomifd&e ©efefcesnrirfung befjinbern. 
2)er freie, öfonomifd&e SBettfampf auf ©rben ift bas Stecht unb bas £etl! 



25ie SJetyilfe erfdfjeint beut »ebrängten auf bie Sänge niemals 
unoerbient; — fo Diel id) es bei Stipenbtaten unb Sllumnen in Setjr* 
anhalten $abe beobachten fönnen. 3tuf Slnerfennung burdf) bie Arbeiter, 
benen ber Staat etwa Pieren Soljn üerfdfjafft, barf er nid&t rennen. 
Dagegen trifft ben Staat ftd&er ber SBornmrf berjenigeu, für bie nid&t 
geforgt ift, nadfjbem ber Staat bie t)erantn>ortlidfje 3 umc ff un 9 & eö 
Arbeitslohns pdf} angemaßt fyit. Den $afe, ben er fänftigen wollte, 
äietjt er gerbet. Denn nur baö $Re$t ift gleidj für alle, — ber 
fio^n notroenbig x>erfd)ieben. — ©s meinen bie Sojialpolitifer ben 
Staat anbers nid&t fd)ü$en ju fönnen; otpte 3ugeftänbniffe l)ält fidjj 
ber Staat für ju fd^road^. Dann ift er, burdj bie Slngft vor ben 
Rauften innerlich fd&on übemmnben unb rotrb bem Kapitalisten ben 
f nebligen 3 u ft an & ntt^t fidler fteffen, mit bem er ifjn jefct föbert! 



SBoran bie Sföenfdfjen t>or lauter Klügelei irre werben: baö ift 
ben £unben flar in 33ejug auf ©igentum. ©in guter £unb 
bemalt bie ©ffeften feines £errn unb bie ©renken feines ©runbftüdfs. 
©runbbefifc unb Sefifc beweglid&er ©üter ift ifjm gleidfj üerftänbltdfj. 

Die ftinber finb Stüdfe vom fieibe beiber ©Item, wie es bie 
©ntnridfelungSgefdfjid&te enblid^ flar gelegt, Stücfe bie burdfj einen 2lft 
ber eitern, ju bem fie fidf) mdfjt nur entfdfjloffen, fonbern meift audf) 
gebrängt unb {ebenfalls gefügt Ijaben, felbftänbige ©jiftenjen geworben. 
2Ber fte felbftänbig gemalt, ift audf) oerbunben, fie bemgemäft ju 
oerforgen; unb fie erben, was t?on ben ©Itern übrig bleibt, roeil fie 
basjenige ftnb, was oon ber $perfönlidf)feit ber ©Item übrig geblieben; 
— jnnfdfjen ben Sadfjen ber ©Itern unb jtotfd&en beren 5ßerfon bauert 
bas SJerfjältnis fort, weil beibes üorljanben bleibt. 

Der Seftfc juriftifdfjer ^Jerfönlid^feiten beruht nidfjt auf berfelben 
©runblage. ©r ftefjt im 2Bege bem allgemeinen ©üteroerfeljr. Die tote 
£anb fottte fein Privateigentum Ijaben, aber moljl ©igentum für alle, 
b. §. jum Seften ber ©efeHfd^aft. Unter anbern Umftänben fann es 
anbre SSerroenbung finben. 



— 238 — 

2)a6 SSefteuerungöredfjt ftefjt eigentlich in SBiberfprucij mit beut 
Privateigentum. 2)ic ©taatöbebürfnijfe aus allgemeinem Eigentum 
ju beftrcitcn , wie eö in altftänbifd&en fiänbern gewefen, war fo übel 
nidjt. aber bagu ift baö ©taatöwefen ju groß geworben, Ein um 
oeräußerlidfjeö, allgemeines Dberetgentumßred^t bleibt bem Staate, unb 
baljer bie (Steuern, ©ie gefialten ftdf) aber nidfjt rationell. 2Bo man 
leidet unb reid&lidfj finbet, ba wirb genommen. 



. . . 3n ber beutfdfjen SRunbfdjau ift ber Strtifet von Spring, 
bem Triften, über antife ©aftfreunbfdfjaft etJjifdjj unb politifdj fc^r 
belefirenb. Stadfj ifjm ift ba* ©ittfidfje, ebenfo wie bafi Siedet, baö 
unter gegebenen Umftänben SRid&tige ; — feineöwegö ba* SBaljre. @ö 
ift veränberlidj, in ber gntwicfelung begriffen, — baö Sßaljre ift baö* 
felbe für alle $titm. ©ittlid) ift, nadf) gering, baö für baö gebeifc 
lidfje 3"fammenleben ber SWenfdfjen Unerläßliche. Unter ben antifen 
Staaten roax @aftfreunbfcf>aft bie Sebingung für ben internationalen 
£anbel unb 33erfel)r, ba übrigens ber gtombe ein fteinb war. ©eitbem 
ber ftrembe ©taatöfd^ufe genießt, gleich ben Slngcprigen beä ©taatö, 
genügen ©aftyäufer. SRußlanb neigt aber jurüdf ju ber ©leid&fefcung 
von hostis unb hospes, unb fyat aud) fein fefjr audgebilbeteö ©efüljl 
für baö ©aftredfjt. Sie ejflufioen Seftrebungen ber ©taaten für bie 
nationalen ^Jrobuftionen trüben baö SBerftänbniö für bie Vorteile beö 
internationalen ^anbete. Sie Nationen fielen fidfj wieber gegenüber 
im Statur juftanbe. ftebe Nation leibet bie anbre, nur fo weit fte 
nidf)t vermag fie auö ber SBelt ju fdfjaffen. SBäre eroiger triebe unter 
ben 9Wenfdf)en, fo roäre ein umverfeHer 3ottoerein vorteilhaft, — b. I). 
bie 3 ö Be an ben ©renjen hörten auf. Sie ginanjen roürben von 
ftabriffteuern, Monfumfteuern, bireften ©teuem u. f. ro. leben. — 3lbcr 
fo wenig wirb ber Shifcett beö ^anbete verftanben, baß man in Shifc 
laub barüber »Silagen vernimmt, baß liier gewadftfencö ©etreibe ins 
Jluölanb gef)t, ober baß bie ^Srobujenten ben £anbelömann für einen 
©df)marofcer galten. 

Sßationalpatriotiömuö ift eine eigene $ant; man fann fte nicljt 
ab- unb anjicljen. (5ö läßt ftd& woljl ein $efj barüber sieben, aber 
man finbet barunter immer bie natürliche Qaxxt 2>o<f) ber 33eruf 
fann viel umbilben. Napoleon I. roar ein antufransöfifdfj geftnnter 
tforfe, unb fpäter würbe er ein Sdfjöpfer fran3öftfdf>er gloire. 



— 239 — 

33or langen 3a^rcn fam mir ber ©ebanfe, bic $orfel>ung ruiniere 
bie bebroljlidje Uebermad&t ber ©roßmädfjte, inbent fie ben Leitern 
berfelben bie Seibenfdfjaft ber ©feidfjmadjjerei einflößt; — in SReligion, 
in Spradfje u. f. ro. 2)ie ©leid&artigfeit ber Steuerungen madfjt bie 
® Ueberung ber großen Körper unmöglich ; Sanbf örner finb gleidfjartig, 
— aber oljne Arbeitsteilung. Kein £eil ift für ben anbern not* 
roenbig ober bienlidjj. 6d §ört ber fefte 3ufamment)ang auf. Um* 
toäljungen jeber 2trt finben lofed 2Raterial in ÜRaffe oor, — ber 
SBiberftanb wirb abgefdfjmäd&t unb ber 3 u faH tritt ein. So mit ber 
römifdjen, fo mit ber fpanifd&en 2Beltmadf)t. 



3n ber ipauptftabt befdfjäftigt man jidfj auöfd^tiefetic^ mit und «us einem «riefe 
Saiten. <£d flingt fo, als wollte maji und fdfjlimmer beljanbeln, ald 
Sie ed mit ben Statten }u tt)un vorhaben. Sie motten audj fie (od 
werben, aber geben iljnen ju foften, was ifjnen roo^l fdfjmedft. Und 
gibt man, road fd()ledf)t fdfjmecft. 



6d fann jidE) meled änbern für bie epiftierenben SBereine, nur 
muffen fie bie £§orf)eit nidfjt begeben, ftdfj aufjulöfen. 9hir für bie 
Joten gibt ed auf ©rben feine Hoffnung metjr. 



Qmmebiatgefudfje ber SRitterfdfjaft finb ein raud&freied, nidfjt fnatten* 
bed spufoer, bad aber audfj nidjjt lodgeljt, roeber oon felbft, nodf) burdf) 
3ufatt. $er Siitterfdfiaftdljauptmann fann feinen befferen ©ebraudE) 
bat)on matten, atd fie in ber £af<$e Ijerum 311 tragen, bie baburdf) 
gennß feinen Schaben nimmt. 



Sie beutfdjje Spraye foU nid&t nur ald fietjrmtttel, fonbern audf> 
a(d Se^rgegenftanb oerbrängt werben, @d ift flar, baß man bie 
beutfdjje Spraye jeber Sebeutung für bie Kultur entfletben rotff, unb 
jidf) fo ftellen, ald gäbe ed im £cttifdf)en unb ©ftljnifdfjen, ebenfo gut 
einen Kant, einen ©oetfje u. f. n>. — 35er Unfinn fiegt, fagt nadfj 
Stiller ber ftcrbenbe Xalbot. 3lber bie Ueberlebenben fagen, — 
nid&t auf bie Sänge! 

Sprad&roeddfel bebeutet Sßerfonaltoedfifel in einem großen Umfange. 
Äinber anbern ©eifted fommen an bie Steige. 



— 240 — 

^ebenfalls ift eö eine arge SBerblenbung , bie Spradfjmeifterei an 
bie Spifce ju (teilen. gs ift nid^t unwaljrfdjjeinlidf), baft bie 9HI>iliften 
baS Siuffifd&e gut t>erftanben unb gefprodfjen §aben, — was aber 
bodf) nid&t befjinberte, bafc fte ber Regierung unb bem SReid&e aerberbfidfj 
gewefen. SRuglanb bebarf nid&t fo fe^t ber SBermeljrung bes ruffifd^ 
fpredfjenben ^erfonals, als ber SSermeljrung bes unterrichteten, jus 
üerläffigen unb ftttltd&en Sßerfonals. 

Slber es ift bie 3 e ^ gefommen, wo Stuftlanb fclbfi an feiner 
Sdf)wäd()ung arbeitet, unb feine ©renjlänber herunterbringt. 



SBon grünen blättern leben Staupen, von trodfenen Sßapierblättern 
bie Beamten; ^apierraupen , bie ficb leiber nie verpuppen unb ju 
Sd&metterlingen nid&t entwicfeln. 



2)er panflatnftifdje Sturm wirb fo gewaltig, bafc fein Slnfer meljr 
galten lann! gür ©lücf ift in foldfjer Sage eigentlich nicfit metyr ju 
forgen, fonbern für SBürbe. ®enn biefe ift bienlid), ob es wieber 
jum 2tbm, ober ob es jum Sterben fidf) wenbet. 



2Bie fielen unter bem 3 c ^ cn nid^t fo feljr ber 9ieaftion, als 
ber Stagnation; Ijat bie frühere ^Regierung bas Sanb mit ^Reformen 
überriefelt, fo werben nun Sämme gebilbet, hinter welken pdf) ftitte 
Söaffer ober juweüen Sümpfe bilben fönnen! 



SBer bewirft, bafi an Stelle eines einfad&en ein boppelter ©ras* 
^alm wädf)ft, fyat ftdfj um baS 2Bol)l ber aRenfdfjen üerbient gemalt, 
jebenfalls meljr, als unfer ©out>erncur, ber ftatt einfache Sßapiere ju 
beutfdjj, ©oppelpapiere ju ruffifdf) unb beutfdf), einzubürgern trautet. 



3m nädfrften 3al>re (1877), foü bie Suftijreform, fo fjeifct es 
wieber, eingeführt werben. @s ift freilidfj mit ben Beratungen ber 
^uftijreform gegangen, wie mit einer 2Renagerie, bie oft ^intereinanber 
jum lefetenmal gejeigt wirb. 



— 241 — 

35ie äfaswüd&fe bes ^Patriotismus, ber nidfjt in bcr Siebe jum 
SSaterlanbe , fonbern im £afi bes ftremben Sefriebigung ftnbet, finb 
unbered&enbar. 

„25ie Emigration", fo f treibt ber berühmte Burgen Jeff, „fyat 
bie guten ftxütytt nid)t gebracht, bie mir erwartet fyaben." Das ift 
eine faum beftrittene £fjatfad)e. £urgenjeff erflärt fie burdj bie 
ftörenben ©inflüffe gewiffer Staatsmänner bei ber ©efefcgebung, bie 
ber ©ad&e abgeneigt waren. 3Kir fdf)eint es t>ielmef)r eine ber wu 
Dermeibtid^en ftrifen, wenn man eine fo gewaltige SKaffe ein großes 
3tüd vorwärts fdjteben will unb mufc. 3luf afute $äHe war man 
gefaßt, aber es ift ein dfjronifcfjes fieiben eingetreten Don unabfe^ 
barer £auer. 

Seutfcftfanb perfudf)t es mit ber 9ieaftton. Sludf) in ber £anbels^ ^tmi« ms. 
politif madE)t fidf) biefe breit, aber idf) geftefje, baß id& auf feiten ber 
Steaftion nur bie heftigere 2BiffenSenergie, nie aber bie beffere 8e= 
grünbung unb überlegene ^ntelligenj tyabe wal)rnef)men fönnen. 2BillenS= 
ftärfe ofme Ginftdbt ober 3Billensfdf)wäd£je mit ßinftd^t, ein böfes 
Dilemma ! 

3m Saltenlanbe t>crftel)t man ntd&t, wie berfelbe Staatsmann, 
an ber Spifce bes Heilten Preußens füfjner eintrat für bie im 9tyftaber 
trieben garantierte 9teligionsfretl)eit, als er es an ber ©pifce bes 
grofeen 3>eutfdfjen 9lei^s getfjan. ^reufeen beburfte bamals eines 
^leibepunftes, um auf anbern ©ebieten fidf) freunblidje Se^anblung 
ju ftdfjern. $eutfd&lanb bagegen opfert gern allen ßufammenljang mit 
ber altbeutfdfjen öaftenfofonie, wenn bafür Siufelanb ber erlangten 
©infyeit £eutfdjfanbs mrgenbs entgegen ju würfen fortfährt; namenfc 
lidd wenn es bem reoandf)elüfternen ^ranfreidf) feinen Seiftanb leiftet. 
v 8aftenlanb wirb gern geopfert auf bem Slltar ber ©intieit Seutfd^ 
lanbs. 9tu§lanb foll babureb, fojufagen, Selbftintereffe an JDeutfd^^ 
lanbs @inl)eit befommen. Kommt bie in ©efaljr, fo wirb auf bie 
GrfüUung bes 9tyftaber Jyriebens wieber gebrängt werben. 



Sergeblidf) ift bie politifdfjc Xfjätigfeit o^ne 9)todf)t hinter fidf) unb 
oljne Hoffnung vox fiel). 



Hui ben Jageb umblättern bes ©rufen H. ftepjerüiiß. 16 



— 244 — 

bie fittlidfje Kraft, oon betn 3utoad&* an 3Wadf)t bcn regten ©ebraud) 
ju mad&en. 3ft eö nid^t fo geioefen, ate bie ©ctjiffaljrt erfunben 
würbe? Sic war lange ein -Kittel beä Seeraubs, biß eö fidf) jeigte, 
baß ber fixere #anbel baö beffere ©efdfjäft fei. 9htr burd) prompte 
SRepreffion unb oieHeidfjt burdf) 3$erautioortlidf)feit oon ©emeinfd&aften, 
oEjne ffrupulöfe öeadfjtung beö ©injelnen, laffen fid& bergleidEjen 
fojiale SBertoilberungen befämpfen. 



2öir leiben, wie idfj bie Attentate auffaffe, an einem fd&redlid&eu 
Äampf mit einer eigentümlichen Seibenfdbaft, 3Bo lange 3 e ^ c ine 
unioiberfteljlidfie 9Rad&t äußerlichen ©eljorfam unb ioof)lttyätige Drb~ 
nung erhielt, gibt eö einen ©rößenfdfjioinbel befi ©egenfafces. ©egen 
eine fold&e 9Wadf)t, gegen eine foldfje Drbnung fidf) aufzulehnen, wirb 
oon 2Baf)moifctgen für &erotemus gehalten. Vergebens forfdfjt man, 
ioad bodf) baö eigentliche 3icl unb ber Slnlaß ber Äataftroplje ift. (?$ 
ift ber ganj rticffidfttölofe unb gebanfenlofe Ijeroftratifdfjc SBafjnfinn. 



ftanatifer laffen fidf) umbringen, aber nidfjt lenfen. 



3ni«c gftafle. Xit ©rmorbung beö Staatöfefretärö oon ^rlanb, Gaoenbiff), nnb 

bcö Unterftaatöfefretärö Surfe im Subliner Sßarf, barin ber neu 
ernannte, eben eingetroffene Staatsfefretär jur Slbenbftunbe pdf) oou 
feinem Kollegen fpajieren führen lieft, oon Sftenfcben, bie in einer 
ftutfdje angefabren famen, unb nadbbem fie ibre Opfer rooljl nidbt 
otjne luftigen Stampf, mit falter 3öaffe jerfleifdfjt Ratten, unbeläftigt 
l^aben oerfdjtoinben fönnen, gibt ju emften Betrachtungen 3lnlafe. 
2ld)tung beö ©runbeigentumö ift eine unerläßliche SBorbebingung ber 
menfdtjlidfjen gefellfdfjaftlidfjen Griftenj; — baö $ermtetung$redf)t, 31t 
ben oon 9tadf)frage unb Slngebot geregelten greifen, ift roieber eine 
toefentlidfje Gigenfcbaft beö Gigentumö. 



2)ie ergreif enbfte Grfabrung fjat unfer roofjltooHenber, graufam 
Ijingemorbeter Haifer 3lleranber II. ber 2tfclt geliefert. Umgarnt doh 
ben £oftrinen SRilüttinö, oon ben Unflarljeiten ber örunbbefifcer, bie 
in ber ÜKebraabl ftetft bie ftreitjettöbefdfjränfung ber 3lrbeitöbeoölferung 
für bas vorteilhaftere ^rioilcgium galten, unb gern bafür oon tyrem 



— 245 — 

2?erfügungöred)t über ben Soben etwaö opfern, ift man von bem 
oberften ©runbfafc : frei £anb, frei arbeit, bei ber ruf jtf djen emanji* 
pation abgewichen. 3Rein ©ijftem war eö nie, id) erwartete aber, bafe 
man auf einem Umwege balb wieber in baö redfjte ©eleife würbe 
gebrängt werben, unb wenn id) audf) nie aufgehört tyabe, ber ©rofc 
fürftin Helene ju wieberfjolen, oljne $rei)flgigteit feine redete ©manjU 
pation, fo beruhigte idf) mtdf) mit fallen Hoffnungen. 35ie fjaben 
fid) nid^t erfüllt. £aö ©eelenlanb ift ber ftlofc geworben, baran bie 
leibeigenen gefdmtiebet, 5U ©aleerenarbeitern geworben finb, unb bie 
Sanbämter finb unter bem ©dfjein oon ©elbftoerwaltung, $u ©teuer* 
preffen geworben, oor benen fidj bie angeblid) üon fjrei^ett beglüdten 
Menfdfjen, im ©ouoernement SBjätfa j. 33., in bie ©dfjlupfwinfcl ber 
SBilbniö flutten. £er ftaifer fjatte eö anberö gemeint. , ßr ift ein 
Cpfer beö 3 rr tumö geworben. — 9hm enblidE) fommt ber unfeltg 
berebte ©fabftone unb überrebet baö englifd&e Parlament, bie irlän= 
bifdfjen Sßäd)ter burd) eine normierte, fair rent, wie eö f)iefc, 3U 
langer glüdlid&er Stufje ju bringen. No rent! lautet ber 2Biberf)aH 
ber irlänbtfdfjen Agitatoren unb ftatt bie einsige richtige Antwort no 
rent, no farm, ju geben, werben ©rlaffe ber Sßadfjtrüdftänbe unb 
anbre Vorteile für ben ^äc^ter, alö Sefdfjwidfjttgungömittel in Auöfid&t 
genommen. böswillige ^adjtoerweigerung Ijätte alö 33erbred(jen be~ 
fonberer Art ©egenftanb einer 33tH werben foHen. ©oldfje ^Jäd^ter 
fjatte man nad> Sßilbniffen in Australien beportieren muffen, wo fte 
ja iljren ibealen 3 u ftönb efjer oerwtrf liefen fönnten, foweit eö 511 
inbimbueüem ©runbbeftfc nodf) nid)t gefommen ift. — ©nblidb, Ijatte 
eö mit ben Unruhen ber ©rächen nidfjt eine äfjnlidEje Sewanbtniö ? — 
Qui ronge le droit du proprietaire , fait saigner, fann man mit 
mefyr Siedet fagen, alö ben Sprudf) : qui mange du pape, en meurt. 

$erroriömuö ober Aberglauben hemmten gewifc in früherer 3 e ^ «*»**■ 
bie fjodjoerräterifdje 9WorbIuft. Wan bringt biefe Mittel nidfjt meljr 
surüdf. $n Sßreufeen war bie perfönlidfje Minoritätöregierung oon 
SMömard oon Memijelmorb oielfadf) bebroljt, btö fie ftdf) alö eine grofc 
artige entfaltete. 3Jlan fann mit Minoritäten ein perfönlidjeö Sttegi* 
ment galten, aber nur fo lange man grofce ^olitif treibt. 

■Mittel gegen eine Stoöljeit, bie ©elbftoerniditung gar nidf)t fd)eut, 
gibt eö nidfjt auf bem ©trafgebiet. 2)aö Dbjeft ber S)oöl;eit fann 
aber unerreid&bar gemalt werben. Majoritäten fönnen audj mit 
fleiner ^Jolitif regieren. Minoritäten ober eirtjetne ^pcrfönlidtfeiten 
nur burdfj häufige unb großartige (Srfolge. 



HoMUng*. 



— 248 — 



Crgim* 0111 *' 



IL-*»**«*- 



ber urwcltltcben llcberrcftc Ijenwr, — unb bie entwitfelungsgefdtfdjte 
le^rt uns bie fubjianjtelle gortbauer bcr ^nbioibuen auf Grben. — 
^d) l»abe bei Storni bie aufgeftellten ©letfdjcrblöcfe ber Meinen SBiSmar^ 
Saftion fennen gelernt, — ben Sorex pygmaeus in Siatfüll entbeeft, — 
ben fubbiöjifäen 33lütenftanb üon Pinus silvestris betnerft. 



£ie Stenenjetten, meldte bie aufgäbe löfen, mit minimalem 
SRaterial marimale #ol)lräume ^et^uftetten , eine Aufgabe, bie mit 
böserer 3Ratt)emattf fidj löfen lägt, waren ein 2lngeftaunteS. £ier 
fdbien es offenbar, bafe ber (Schöpfer feinen bas £ter unb ben 3J?en- 
fdben unenblidj überragenben ©eift fixiert Ijattc , unb bie Siene be= 
wufetlos ober inftinftmäftig »ollfüfirte, was ber Sd&öpfer i^rer ©truftur 
einjuwirfen befd&loffen f)atte. $cfct erweift £err 2Rüllenl)off, bafe eine 
<£oppelfdf)icf)t oon ©eifenblafen einanber burdb $reffum genähert, genau 
biefelben 3eHen liefert. 3)en Seifenblafen fdjreibt man bodb feinen 
^nftinft j U/ fonbern bie pljrjfifalifdjen ©efefce machen ben ;Jnftinft 511 
einer Setfenblafe! $n biefem ftalle wenigstens. 3)ie Reifung ber 
Sienenföpfe an beiben Seiten ber 2Banb, meiere ben Soben ber 2Ba6e 
bilben, bewirten baö ©anje naä) p^fifalifd&eu ©efefcen unb bie übrige 
fieibesbefd&affenljeit bebingt bie prismatifeben gellen. 3mmer t>orwärt& 
gel)t es mit ber ©ntgötterung ber 9totur. 

gs ift ein Sßettwerben um bie Erweiterung unfrer Äenntniffe 
eingetreten, bie faft nie anbre, als tnelftimmige @ntbecfungen jufaffen. 



ßarmontfdjer 9Wed)anismuS wirb mifcbräudjtid) Crganis= 
mus genannt. 9hir was feinesg leiten felbft erjeugt unb in fyötyrem 
Sinne, was aus . jweicrlci ©efcbled)t fid) wiebererjeugt, aerbient 
Organismus ju Reiften. 35er Staat ift fein Organismus, weil er 
nid()t fieb reprobujtiert, mdf)t burdj -Kannten unb äBeibdjen jufammen 
gejeugt wirb, ©nblofe Spielerei wirb aber mit bem fälfdblid> fo 
genannten Organismus getrieben. 



^n ben 9iaturwiffenfd)aftcn tyabm midj angeregt bie fortgefefeten 
©eobadbtungen über bie fäfularen äkränberungen in ber Sage bcr 
magnetifdjen Aträfte bes Grbförpcrs. SBeber aus £oppelpolen, nodb 
aus folaren (Sinwirfungen laffen fte fieb red;t erflären. Es mufe in 



— 249 — 

bem ©rbinnern Diel lebenbiger tjergefjcn, als mir eö unö oorgcftcttt 
babcn. — 2lnbererfeits fjaben bie 2tmerifaner bei ©elegenfjeit ber legten 
Sonnenfinfterniö nid(jt nur t>ermeintlidf)e Planeten, einen ober jwei, 
innerhalb ber SWerfurba^n entbedt, waö nodf) )it beftätigen — fonbern 
bie großen Beränberungen, bie auf ber ©onne fidf> jutragen, feftgefteBt. 
Spelt mag redf)t fjaben, nur gegenwärtige Gräfte jur ©rflärung in ber 
©eognofie ju uerwenben; aber bie fubterranen unb folaren Äräfte 
fennen wir nodf) ju wenig. 3 U unbefriebigenb ifi erflärt, warum bie 
©ebirge von Äräften jufammengefdfjoben finb, bie in ganj anbem 
Stiftungen , alö in benen ber ©dfjwerfraft gewirft Ijaben. 3 U uner:: 
flärlidf) ift bie einjige unb oergänglidje ©iöjeit. 



3db präpariere bie Sd)äbel ber beiben Spifcmäufe unb finbe, baft 
biefe £ierdjen jef)n ©aumenfalten fjaben. ®ie brittlefcte ftalte ge~ 
wäfjrt ein Slrtfennjeidfjen. Sie oerläuft bei pygmaeus jiemlidf) un* 
unterbrod&en in einen hinterwärts fonoe^en Sogen, bei S. vulgaris 
ifi fie beutlid) oon ©eftalt einer 2lrmbruft, mitten mit einem Meinen 
SBatfel. £>er Untertiefer mit brei Hinteren gortfäfcen, ber unterfte 
$ortf afc ift bei pyginaeus wie eine! 9tabel jiemlidf) gerabe, — bei vulgaris 
gebogen, an ber 93afiö fräftiger. SBaö nüfcen neue Äennjeid^en? 6rfc 
lid> beftätigen fie bie 2lrtunterfdjeibung, jweitenä finb es Stufen jur Be- 
urteilung etwaiger 3lbftammnng, — brittenö Reifen fie ^offile erfennen. 

ärt ift jebeä lefctc ©lieb in bem alle irbifdjen fiebewefen um* 
faffenben Softem bisjunftioer Segriffe. 



2Beldfj reidjlid&en ©ebraudj) madftt man von teleologifdjen Be- 
trachtungen, feitbem ber Darwiniömuö fid) oerbreitet f)at. ©rft feit- 
bem bie 3roedmäfcigfeit alö medjanifdfje unb fatale golge beö £afeinä 
angefefjen wirb, Ijat man wieber 9Kut befommen, t)iel oon ifjr 311 
fpredfien. 

Seit lange empfinbe idf), wie bie 3ld^tung unb Siebe, bie man 
SU ben $orfd)em auf ©ebieten empfinbet, bie man felbft au§ innerem 
Berufe pflegt, alle nationalen ©egenfäfce abftreift; frei von biefen 
©egenfäfcen fidf) auf Slugenbltde ganj unb gar ju füllen, ift eine wof)U 
t^uenbc, ergreif enbe, eble (Smpfmbung. 3n ben -JJaturwiffenfdjaften 
ift fie, meiner Meinung nad), näljer liegenb, als in ben ©eifteswiffen= 
fc^aften engeren Sinne*. 



— 246 — 

©egentiber ber aWaffenbeteiltgung an ber Siritif aller Staate 
fyanblungen ift baö perfönlidje ^Regiment ber ©oben ber Attentate. 
Dumme unb jur ©faltation, atö Schwärmerei ober ©itelfeit geneigte 
Snbhribuen, werben nie fehlen. Stur jwei SWittel gibt eö bagegen, 
SRajoritätöregierung unb Sdjanbftrafen. Die Dobcöftrafe behält etwas 
SPatfyetifdjed an fiel). Sie greift in ein SJtyfterium, 2luöpeitfdf)en, — 
— Arbeit in ©felgewerben, — 3 ß H en 9 e fängmd, — wären t>ieUeic^t 
ju fombinieren. 

2ßie ift biefen benfbarft freien angriffen auf Staat unb SRenfcfc 
^ett von feiten einjelner ju begegnen? 3Wan benfe an bie triefen 
Attentate neuerer 3 c ü- @* tritt l;ier bie felbftlofe 33oöf)ett in iljrer 
©ntfefclidtjfeit fjeroor. ^räoentioe ober abfd&recfenbe ©efefee bejiefjeu 
fidf) auf baö Selbftinterejfe. ©ine 33oöbeit, bie opferluftig ift, fann 
nur bitrd) bie ©emeinfd&aft unb jmar im ©ntfteben jurücfgebrängt 
werben. 

So lange in ber ©emeinfdiaft baö Anfefjen ber faiferlidfjen 
Sßfirbe, bie Achtung beö ©retfenalterö, bie Danfbarfeit ber Kation 
für ben fjoebberjigen 9Rann, ber iljr bie nationale ©inljeit oerförpert, 
auönafmtöloö waltete, — fo Tange in feinem Greife ein SBort bagegen 
gelitten würbe, waren foldje Attentate unmöglich 

Die ©brfurd&t lögt fidE) nidbt wieber bringen. 9ieue fßrinjipien 
muffen an bie Stelle treten, ©ine SKajorität, baö ift einfeud)tenb, 
lägt fidj oon einem Ginjelnen nid&t burdfj 3Reudfjelmorb befeitigen. Die 
Majorität muß an Stelle ber ?ßerfon treten. 



<PMtHf*« ©ebe idf) bureb, wofür man in meiner ©rinnerung begeiftert ge= 

taMtami. m ^ n .^ . Q mflftte mQn . u ber ^ ofit . f bic Sc8ciftcrung ) t f ür ciu 

böfeö SBorjeidjen galten, ^ßtptyelhnifc&e 23egeifterung, — biöber ift eö 
oft redjt traurig bamit gegangen, itapobiftriaö ermorbet — ftönig 
Dtto oertrieben. 3lber mag fein, bafe eö tnel langfamer jwar alö 
erwartet würbe, aber bodf) nicfyt fehlest gebt. Daö ©riedfjenoolf ift 
tüdifd), ju Aberglauben geneigt unb bafyer firdblid^ üerbummt; fdblau, 
unreblicb; — eö ift, aber begabt unb feufcb im Familienleben, eö 
fönntc fidf) fdfjlicfclid) jioilifieren unb etwaö leiften. 

Die Segeiftemng für bie s ^olenaufftänbe, bie fo lange im 2Beften 
©uropaö allgemein war, fyat in bem falben ^abrfjunbert fefjr ab= 
genommen, ©uteö fjat fie nid)t gebraut. 



— 247 — 

Äläglidfr fd&eiterte bie Segeifterung mit ber bie Sieben pernommen 
würben, bie ftönig ^riebridj 2öil^chn IV. bei feinem 9tegienmgö* 
antritt f)ielt. 3$ mar alft junger 3Kann in Gtyarfow unb beftnne 
midi) mit weldfjem ©ntfyuftaömuö felbft ber alte ©olowfin, ein Staats- 
biener aus ben 3 eiten ßatfjarinaö unb Sßauls, von biefem jungen 
Äönige fprad&. Gr erwied ftdfj ate ein untüchtiger Sd&öngeift unb 
fcJjwäd&Ucljer Sd&wärmer in Steligion unb Altertümeleien. 

2Ba* ift auö ber Segeifierung geworben für bie Qulireoolution 
unb beren grofee Stebner? traurig würbe Souid flippe verjagt, 
unb fiamartine entjfidfte mit feinen trafen nur furje 3 C ^- 

2Baö ift aM ber 33egeifterung geworben mit ber bie Aufhebung 
ber fieibeigenfdfjaft burdfc unfern Äaifer in ber ganjen 2Belt begrüfjt 
würbe? — Sie Ijat ftiasfo gemalt in ben Slugen tyrer Urheber, unb 
ber Äaifer ift elenblidj ermorbet worben. 

3>ie 33egeifterung für bie beutfd&e ©inljeit im $df)xt 1848 leiftete 
nid&tö. 9Rit Gtfen unb 33tut mufetc fic begrünbet werben, wie SBtemarcf 
fagte unb audfj tljat. 

SBerwaltungöwiffenfdfjaft, ginanjwtffenfdbaft, legtelatorifdfjeö ®eme 
unb 3urifterei, ftriegöwiffenfd&aft unb Äunft in allen biefen gackern, 
beren bebarf es, um in ^olitif etwas ju (eiften. £aö finb aber troefene, 
ernfie, fjarte 33efd&äftigungen. 3Rit fdf)öngeiftigen 3ktradE)tungcn unb 
Ijinreifcenben, intereffanten Sieben werben fie nidf)t beftritten ! aWifetraue 
batjer in Sßolitif aller 33egeifterung ! 



©afurtoiflenjjfiaft 

SBirft man einen 33licf auf bie politifdfjen unb fojialen SBerfjälk 
niffe, fo finbet man, baft cd in allen Sd)idf)ten unruhig gärt. 3)ie 
Siaturwiffenfdbaften jebodf) unb bie fidf) baran fnüpfenben Grfinbungcu, 
finb wie ein tyerrüdjer ruhiger Strom, ber jwifdfjen aUtn biefen SBirren, 
ofyne 2lblenfung unb ungehemmt, weiter unb ins 2Bette jieljt. Gfjemie 
Ic^rt bie organifdfjen ^Jrobufte burdf) Spntljefc büben (^nbigo) unb 
eröffnet ben Slitf in bie 9)tolefuIarftrufturcn. ^pfif tefjrt mittete 
ber Speftralanalijfe unfre Stellung im SBeltgebäube beffer beurteilen; — 
£elepf)onie erweitert ben Staunt be$ fprad&lidfjen SBerfefyrö; — bie ©e= 
^eimniffe ber Schöpfung treten mit wadfifenber fttarfyeit aus bcr $üHe 



— 248 — 

ber urmeltlidben Ucbcrrcftc tyertwr, — unb bie ©ntn>idelungsgefd)id)te 
(e^rt uns bie fubftanjielle gortbauer bcr ^nbioibuen auf ©rben. — 
$d) fjabe bei SReoal bie aufgefaßten ©fetfdjcrbtöde ber f leinen 3Biamar~ 
Saftion fennen gelernt, — ben Sorex pygmaeus in Siaifüll entbedt, — 
ben fubbiöjifdfjen Slütenftanb von Pinus silvestris bemerft. 



£)ie 33ienenjellen, toeldfje bie Aufgabe löfen, mit minimalem 
•Material maximale £ol)lräume Ijerjuftellcn , eine aufgäbe, bie mit 
l)öf)erer 3Ratf)ematif fidf) löfen läßt, maren ein 2lngeftauntes. £ier 
f<$ien es offenbar, bafe ber Sd&öpfer feineu bas £ier unb ben 9Wen~ 
fd&en unenblid^ überragenbeu ©eift jtriert tjatte, unb bie 33iene be~ 
umfetlos ober inftmftmäfeig floßfüljrte, was ber Sd)öpfer iljrer Struftur 
einjuroirfen befdf)lojfen f)atte. ^c^t erroeift £err 9Jlüllenf)off, baft eine 
ftoppelfdjidjt oon Seifenblafen einanber burdb $reffum genähert, genau 
biefelben 3*ß* n liefert. 3)en Seifenblafen fdfjreibt man bodb feinen 
3nftinft ju, fonbern bie pljtrftfalifd&en ©efefce mad&en ben ^nfttnft ju 
einer Seifenblafe! 3n biefem ftalle roenigftenS. 3Me Spreffung ber 
Sienenföpfe an beiben Seiten ber 2Banb, roeldje ben öoben ber SSabe 
bilben, bewirten bas ©anje nadf) pl^fifalifcijen ©efefcen unb bie übrige 
fieibesbefdjaffenljeit bebingt bie prismatifdfjen gellen. 3mmer oonoärt* 
gefjt es mit ber föntgötterung ber 9totur. 

6s ift ein SBettioerben um bie (Erweiterung unfrer Äenntniffe 
eingetreten, bie faft nie anbre, als oielftimmige ©ntbedungen julaffen. 



CrganiSmu«. 



£armonifcfter SKedjaniSmuS wirb mifebräud&ltdf) Crganis= 
mus genannt. 9iur roaS feinesg (eidjen felbft erjeugt unb in ^öfterem 
Sinne, roas aus . jroeierlei ©efd)ledf)t fid) nnebererjeugt, oerbient 
Organismus ju Reiften. 3)er Staat ift fein Organismus, roeü er 
nid&t fidf) reprobujiert, nidfjt burdf) 3)tänndf)en unb SBeibdjen sufammen 
gejeugt wirb, ©nblofe Spielerei wirb aber mit bem fälfdbüd) fo 
genannten Organismus getrieben. 



siMinif^w. 3" ^n ÜRatunmffenfd&aften \)abm midfj angeregt bie fortgefefcten 

Seobacbtungen über bie fäfularen ^eränberungen in ber fiage ber 
magnetifd)en Gräfte bes ©rbförpers. SBeber aus £oppelpo!en, nodj 
aus folaren Ginroirfungen laffen fie fid) redjt erflären. ©s mufe in 



— 249 — 

beut ©rbinnern Diel lebenbiger fyergetycn, alö wir eö uns oorgeftellt 
Gaben. — 2Tnbererfeitö tyaben bie Slmerifaner bei ©elegentyeit ber legten 
Sonnenfinfternte nid^t nur uermeintlidje platteten, einen ober jwei, 
innerhalb ber 3Rerfurbaf)n entbedft, was nod) ju betätigen — fonbern 
bie arofcen SBeränberungen, bie auf ber Sonne ftd) jutragen, feftgefteBt. 
SijeU mag recf)t f)aben, nur gegenwärtige Äräfte jur ©rflärung in ber 
©eognofie ju t>erwenben; aber bie fubterranen unb folaren Äräfte 
fennen wir nod) ju wenig. 3 U unbefriebigenb ift erflärt, warum bie 
©ebirge von Äräften jufammengefdjoben finb, bie in ganj anbern 
Stiftungen, als in benen ber Sdjwerfraft gewirft §aben. $u unet:: 
iläxiiä) ift bie einjige unb oergänglidje ©iöjcit. 



3Ä präpariere bie Sdjäbel ber beiben Spifcmäufe unb finbe, bafe 
biefe Xierdjen jefjn ©aumenfalten ^aben. 2)ie brittletfte %aitt ge= 
wätyrt ein 2trtfennjeid)en. Sic ©erläuft bei pygmaeus jiemlicft uns 
unteTbrodjen in einen hinterwärts fonoeren Sogen, bei S. vulgaris 
ift fie beutlid) oon ©eftalt einer Sftmbruft, mitten mit einem f leinen 
SBinfel. 35er Unterfiefer mit brei Hinteren ^ortfäfcen, ber unterfte 
Jortfafc ift bei pygmaeus wie eine 1 s Jtobel jiemlidf) gerabe, — bei vulgaris 
gebogen, an ber Safte fräftiger. 2Baö nüfcen neue Eennseidjen? ßrfc 
lid) betätigen fie bie 3lrtunterfd)eibung, jweitenö finb es Stufen jur 33e= 
urteüung etwaiger Slbftammung, — brittens Reifen fie ftoffile erfennen. 

3trt ift jebes lefcte ©lieb in bem alle irbifdf)en Sebewefen um- 
faffenben Softem bxsjunftit>er Segriffe. 



. Sßeldj reid&lidjen ©ebraudj maebt man oon teleologifdjeu 33e~ 
trad)tungen, feitbem ber Darwinismus fid) verbreitet f)at. ©rft feit= 
betn bie 3roecfmäfjigfeit als med&anifcbe unb fatale gofge bes Dafeins 
angefefjen wirb, f)at man wieber 9Kut befommen, triel oon tyv ju 
fpred^en. 

Seit lange empfinbe idf), wie bie 2ldjtung unb Siebe, bie man 
ju ben $orfd)ern auf ©ebieten empfinbet, bie man felbft aus innerem 
Serufe pflegt, alle nationalen ©egenfäfce abftreift; frei oon biefen 
©egenfäfcen ftdj auf 2lugenblicfe ganj unb gar ju füllen, ift eine wof)U 
tf)uenbe, ergreif enbe, eble ßmpfinbung. 3n ben 9kturwiffenf haften 
ift fie, meiner -Dteinung nadj, näljer liegenb, als in ben ©eifteswiffetu 
fdjaften engeren Sinnes. 



— 250 — 

£ie äft^etifcfte Xeünatjme an bem (rrbabeneu in ber 3Jatur ift 
anberö, a(ä Die nriffenfcbaftlicfte (*injelforfd)ung in ben Staturobjeften. 
*£a aber bie äftyetiföe Xeilnalpne nid)t mel 3*it bebarf unb ausfüllt, 
fo fann ber 9taturforjd)er es langer mit bem SRaturgenuft galten. 



£ie natunoijfenfdjaftlidien ftenntniffe Ijaben fid) in überrafd&enber 
Söeife burd) bie popularijierenben Sudler unb 3 e * t f ( ^ r iften verbreitet, — 
bie naturroiffenfc^aftlic&en 3Ketf>oben aber merfroürbig roenig. Xatyx 
bleiben Familien, bie auf ber &öf>e ber Silbung }u ftefjen f feinen, 
bodj bem Aberglauben unb ber G^arlatanerie jugänglic^ rote im 
Mittelalter. 



Xanbtarirffttiaft 

Gz liegt in ber bireften fianbtoirtfdjaft ein ©lement, baä ernfte 
Sfatfraft unb ^>flid)tgefül)l ftärfen fann, aber audfr eine perbauerobe, 
bem reiferen Seben unjuträglid&e gefiel. 



3d) bleibe ber 3Cnfid^t, bafe eä eine 3«rttanfl)eit ift, wenn bem 
Meinen ©igentum f o erf lufio ber SSorjug gegeben urirb t>or einem gut 
geregelten unb eiugelebten 3 e itpacbtoer^ältnid. £aö Kapital, baö fidb 
mit einer fefjr geringen Stente begnügen mu§, fann ber Meine SWann 
bejfer perroerten, wenn eö mobil bleibt. 



2lud) in ber Sanbtmrtfcftaft beißt cd: 6d muft in ber 3@irtfd>aft 
maebfen unb werben, oljne Neuerung fjört \>a$ ^ntereffe auf. 



3luf unb ab geljt es mit ben @ef üblen, aud) in ber Sanbroirt- 
febaft, unb besfyalb ift ftc nid)t fo einförmig, nric jie au* ber gerne 
erfebeinen mag. Gtmaö innere Seroegung mufe ja ber 3Renfd> »er* 
fpüren, um feinem bebend fieber ju fein unb um ftd) ju freuen. 



i 



— 251 — 

@s ift eine eigene Sadfje mit bem gortfdfjritt. 6s muß burdf) 
perfrü^te 9lnwenbung oon jimlifatorifdfjen 2Werwerf jeugen bas Sebürfnis 
geroedft werben, — ober man tyat ju warten o^ne @nbe. 60 mag 
es aufy mit ber fogenannten SReife ber Sd&fifcr unb Koffer ge^en. 
2>a Reifet es, ber Sd&üler weife genug für bie IjöEjere Klaffe ober für 
bie Uniuerjttät, aber fein Gljarafter ift nidf)t feft! 22)orf>eit! 25urd^ 
3urüdfljalten auf nieberen Stufen wirb bie ßljarafterbilbung gehemmt. 
Unb ift es nidf)t mit ben SSölfern ebenfo? Um ft<$ ju beteiligen an 
ber Regierung, baju finb fie unreif, jugeftanben! 2lber wenn fie fidj) 
nidjt beteiligen, reifen fie nidit; ja, aus 9Jiangel an Uebung werben 
fie unreifer als fie es im 9Jaturftanbe waren! 



ipeute begann bas Seifutter uon Kartoffeln für BWaftrinber, fdfjon 
mit 3 u f a fe *>on ©r^fen unb Deffud&enmefjl. ©s jeigen fid) babei ©r= 
fd&eimmgen, bie auf ein lange* ©ebädfjtnis bes 9iinbes beftimmt ^in^ 
weifen. Sie Stammfjerbe, bie im oorigen äöinter Kartoffeln befam, 
frißt jte mit größter ®ier, mit Slusnatjme eines einigen Stieres 
unb gwar bes Mautenburger, aus Preußen importierten, ber in feinem 
£eben gewiß feine Kartoffeln gefreffen tjat. Unter ben -JKaftrinbern 
treffen bie Ijier eingelebten Külje unb früheren 2lrbeitSodf)f en , bie im 
oorigen Qaljre fdfjon Rartoffeln erhalten liaben, aud& am erften Sage 
ganj gern, trofc ber Seftreuung mit bem meHeid&t ungewohnten 9Rel)U 
gemifdf), — bie gelauften 3Raftodf)fen, benen bie Kartoffeln ungewohnt 
ftnb, oerfjalten fidf) meift nidf)t willig bei biefem ^utter. 2>er Stauten* 
burger Stier, ber mit Delfudfjen früher watjrfcfyeinlidf) traftiert worben, — 
frißt bie Kartoffeln, fobalb Delfudjen Ijinjufommen. ©s fjat bas ©e- 
bäd&tnis alfo an ber vorjährigen Söinterfütterung nadfjgewirft. «3ft 
folgen 2tyatfadf)en gegenüber faltbar, bas ©ebädfjtnis in bie Seele ju 
oerlegen? 3ft es nid&t vielmehr wafjrfdfjeinltd), baß ©mpfinbungen in 
gewiffen SRolefülen bes Leibes (in teilen uon SRerüenfubftanj) 2lens 
berungen fefjr anbauernber Statur fjeroorbringen , fo baß bie wieber- 
fefjrenbe ©mpfmbung an biefer bereits beftetjenben 3lenberung fidf) 
leidster anfnüpft, als wo biefe entfpredfjenbe Stcnberung felitt? 2Ran 
Ijat bie 2öal)l, gu behaupten, baß bie ©mpfinbungen bleibenbe Spuren 
tynterlaffen in bem unbewußten Seelen fein ber Cdfjfen, wobei 
biefe immaterielle Dd()fenfeele nidbt materiell gefaßt werben foll, unb 
fdfjwerlidf) realifiert fann twrgefteUt werben, — ober ju befennen, baß 
nur bas im ©ebäd&tnis ift, was materiell in ber 9leroenfubftanj fort- 
kfteljt, — fei es für jeben befonbereu ©tnbruef, als eine eigenartige 



— 252 — 

Sebung, bie fid) in eingeben fteUen feftfefet, fei es afe eine befonbere 
Sagerung ber Teilten in ber $ette. $>ie 3 c ß e wirb twn bem &n- 
brucf bcfefet gehalten, unb ber ßinbrudf wirb tum ber $tüe abforbiert. 
9lu& bem 3eße"äuftanb fann ber ©inbrucf immer wieber in baö 3cntrum 
ber 3Baf)rnel)mung (in ben Srennpunft beö Steroenlebenö) treten unb 
fo jur Seftnnung tommen. 



Unter 80 Ddfjfen gibt eö jebodb jwei, bie Startoffeln mit CcU 
fudEjen ntd^t ©ertragen ober nidEjt redjt mögen. $)er eine twn tynen 
wirb aufgebeffert mit $afer; — ber anbre bleibt jiemlid) bei £eu 
unb frißt ein wenig audf) bie Kartoffeln, ^nbhribualifteren ! xuu 
bequem, a&er überall naturgemäß. 



Le marechal Bugeaud, d'aprfcs sa correspondance intime et 
des documents intimes, par le comte H. d'Ideville I. Paris. 
Firmin Didot, muß redfjt lefenöwert fein, unb roieberum bemeifen, 
wie fefjr bie äuöübung ber Sanbwirtfdjaft jur ©taat^ 
abminiftration bie redete S8orfd&nle bilbet. 

£ie Äolonifationäoerfud&e in SUgier mißlangen , fo fange man 
ttidfjt eine fjolje ©arantie oon ben Äoloniften fidf) einjagen ließ. 5>er 
©taat, ba mögen bie Äatfjeberfojialiften fageu, was fte wollen, ift 
baju nidfit ju brausen, bie Stedfer gebulbig ju bewirtf d&af ten ; baft ift 
eine ber iubioibuellften aufgaben. 



Päiragügift* 

3n ber SHunbfdjau: £u öoiö^epmonbö gebanfenreid&en Skiff afc 
„Äulturgefdf)idf)te unb 9toturwiffenfrfjaft" gelefen. @ft regt jid& bie 
fömpfinbung, baß baö beutfd&e ©pmnafialibeal unfrer ^\i nieftt ent= 
fpricfyt. Vergebend gibt man ben Schülern immere größere Sofcn 
oon Satein unb @riedf)if ($ , nur* um fo weniger behalten fie bei |icb, 
um fo lebhafter wirb üjr ßfef. £ie 3 C ^ erlangt eine erjtefjung unb 
einen Unterriebt, g a n j auf naturwiffenf dfjaf tlidfjer Safte. S)as ift ber 
©runb, auf bem eine neue Vegetation erjeugt werben foll, frei von 



— 253 — 

fo meiern toßen Aberglauben, ben wir bis ans #ebensenbe in uns nid&t 
meftr bänbigen tonnen. 3luf bie Statut muß baS ©efunbe unb 2Wo= 
ralifd&e gegrünbet werben, unb bas Schöne auf bie ewige Statur. 

Sie Sdmle fottte me^r unb mef)r realiftifd) werben. ^>ft es 
möglieb, fo mag nebenher ber ©efd&macf für bas Sdjöne, für Spradfoe 
unb Sid&tung gepflegt werben. So verlangt es bas Heben, um nid^t 
jeben ©d&mudes beraubt, ju oergeljen. 3febod) foHte bas ^»"bament 
Tealiftifdf), b. I). matljematifdf) unb naturwijfenfdfjaftlidf) fein. 



Sie ^ßäbagogif foHte auf ©eifteswiffenfd&aft gegrünbet unb eine 
fittlidfoe Äunft fein; aber bas gilt tnelleid&t jwifdjen (Sltern unb Äinbern; 
übrigens muß fte ein ©ewerbe bleiben unb ber Stafjrung nadbgefjen, 
unb audf) politifdf) brefjieren. — 3Kan fyat ju wenig bie Sötanieren 
geartet, 6s ift einigen 3Renfd&en gegeben, burdf) freunblidfjes 2Bol>t= 
wollen ober Sienftwilligfeit ben (frjieljungsmangel auSjugtetdfjen, nicht 
allen. 2lud) ift es nidbt leidet bie ©renjen einjuljalten, — 2Ran foll 
nidjt f dfimeidfjeln , aber wo man j. 33. in Samengefetlfcbaft fommt, 
aufmerfen, unb fdfmeH bie ©elegen^eiten 511 f leinen Sienftleiftungen 
ergreifen, — bie Toiletten foll man fdE)ön ftnben unb rühmen, über 
bie Scbönljeit ber Sßerfonen foll man fdfjweigen. Siücffid&tsoott fein in 
SSijtten; fd&weigen unb nidfotsfagenbes ©efprädj unter Umftänben oer= 
beben; leine Selbftgefäffigfeit ober ©itelfeit zeigen; — in ©riefen 
prompt antworten, oerbinblidf), niemals bojierenb; — man foll nie 
oergeffen, baß bie gefdfjriebene ftritif fränft, mefir als bie gefprod&ene ; 
— unangenehme 9Kitteilungen, wenn es audf) febwer wirb, foH man, 
wo möglidb, nur münblid) machen ober empfangen, ©inige 3uoerfid)t 
in ben Bewegungen, im hinein? unb hinausgehen unb in ben 33er= 
Beugungen, in bem Sarreidjen unb ©ntgegenne^men, ja, bas. müßte 
ein 3 ermon i cnme W er * n unfern gelehrten Beulen übernehmen. Unfre 
liebe $ugenb oerliert bodf) immer mefjr bie äußere 2Bürbe unb ben 
Slnfianb; wie ein 9htbel £unbe ftürjeti fie fidj burdf) bie Straßen. 



Sie 3ugenb würbe beffer gebeil)en, wenn fie if)re ©rjie^er ftets 
neben fid& §&üe, benen fie ifjr #cr} mit oollem SSertrauen eröffnen 
fönnte. $n ber 2Belt gibt es aber mefyr ßöglinge als Crjief;er. 33e= 
fonbers oerwaift ift ber Stubent ber beutfeben unb ruffifdjen Unioer= 
fitäten. 3 U ber $eit, wo es in iljm am tollften gärt, ift niemanb bei 
ifym, ber ifjn leitete unb liebte, unb er lebt am entfernteren aller 



— 254 — 

geregelten, aller nüfclidjen £f)ätigfeit. 9lls ©djüler fjat er von täglidfjem 
S3eruf erfüllte 3ett, unb bie geiertage finb eine erfrifdf)enbe ©rljolung. 
3tlö Beamter ober ©ewerbsmann tjat er für feine ©fijienj unb für 
ben dingen anbrer ernftlidj) ju forgen. 2lls ©tubent, je meljr $äf)ig= 
feiten , um fo mefjr muß er ben ©ruef empfinben, baft feine 3 e ü 5 U 
nidfjts 9fe$tem nötig ift; feine Gräfte bienen bloß jur grjeugung bes 
ßcerfjeitsgefü^ls, bes SBeltfd&merjes. ^eber Unftnn, jebe ©djroiete, 
jeber nrilbe ©treicij ift gut genug, um üjm anjiefjenb $u erfdfjeinen. 
©idf) felbft überlaffen, betreibt er baS ©tubtum ber 2öiffenfdf)aft, bie 
im glüdfltdfjften Jade ifjn begetftert, in ber t>erfef)rtefien SBeife. 2BaS 
glaubt er nidjt alles roiffen ju muffen unb erlernen ju fönnen? SBMe 
ganj anbers märe es, wenn ein fold&er als jünger ober ©efette an 
ber Strbcit eines 9Weifters teil f>ätte, ber bafür feine ©tubien birigierte. 
9ßie t)iele geljen irre unb ju ©runbe, roeil fie aus ber ©d&uljeit gc= 
fdfjleubert werben in ben Djean ber ©innenlüfte, ofjne Stiftung unb 
3iel. ©idf> austoben! Reifet eö bann; aber roenn es einigen nidjt 
fdjabet, ber SÄenfdfj Ijält oiel aus; — beffer märe es für alle, mnn 
ifjre ^ugenbfräfte, ftets jum ©uten, ßbleren, ©efd&madtoollen unb 
$Rüfclidf)en angeleitet, bie 2luSfdf)reitungen unb SSergeubungen nie ge* 
fannt Ratten. Söarum ift ben SWenfdfjen bie ßinbljeit fo lieb? ©ie 
miffen, was fte ju tfjun fjaben i!i biefer $tit, unb fönnen es leiften. 
S)ie ©eroofjnljeit, niemals müßig ju fein, fann §ur Statur roerben, 
ebenfo mie bas Sungern bes unbefestigten Stubenten, ©in 3>ienft- 
pferb läßt man nie ins Xoben oerfallen ; benn bie Slecibioe ift roatjr; 
fd^einlid^er als bas erfte 9Wal bie 2tusfdfjreitung gemefen. 35er ©tubent 
fann lernen: faufen, ben ctjnifd&en SBenusbienft, bas gemiffenlofe 
©dfjulbenmadfjen unb SBerpraffen bes SBermögenS, bas bie Angehörigen 
oieHeid^t in 9iot unb Arbeit erfparten. 2ßie foH bas ifyn gut unb 
glücflidf) fürs £tbtn machen! 

• %ä) bin überjeugt, es mirb eine 3 e ^ fommen, mo es anbers 
werben mirb. 2)er SRifttärbienft fennt nidfjt alle biefe Uebelftänbe, 
obgleid) audf) er in SDeutfd^lanb oft eine ?|}eriobe größter grioolität 
burcf)madf)t. 3>aS £utorf Aftern ©nglanbs ift melletdfit ein Äeim, ber 
ftdf) einft ju einem fdf)ü|enben Saum entfalten fönntc! 



9ttd)ts ift oerfefjlter, als bie Setjre oom Austoben. Anwerben, 
aber auü) an 2Sief) neunte idf) roafjr, baß es, wenn es in früher 3 u ß e "& 
brutal gebänbigt unb erft roilb gemalt mürbe, ftafytz fjinbureb ben 
Stampf fortfefct. 



— 255 — 

Cb bie Srgieijitng logifdjer madfjt? 2)ie Jtacfyfommen fönnten 
profitieren, benn baa Heruenfgßem vererbt fid) mit einem Seil ber 
erworbenen ©tgenfdjaften. 

9ludf) barin finb bie 2lffen ben 2Renfd&en üergleidjbar, bafe fte ber 
Sefd&äftigung, bte nie ermattet, bebürfen, um nidtf in milber Saunen^ 
f^aftigfeit unb in ^ufttrieben ju trernrilbern unb fdjnett unterzugehen. 
£en gemöfjnltdb ganj unbänbigen SKanbriff erjog Srotfmann ju einem 
munteren, gefttteten Xier, inbem er iljn arbeiten lehrte unb ifjm feinen 
SRüfciggang geftattete. ^Bfpdfjologie ber 2lffen, — baö märe eine 2luf~ 
gäbe für einen 5pf)ilofopljen, ber aber bie SBelt bereifen müfcte. 



Unterrichten mit ber magren itebcnbigfeit unb SBeifje fann man 
nur in feiner £enf$ unb ßauöfpradfje. Unfre Sefjrer muffen roeid&en, 
roenn im ©ruft bie rufftfcfye Unterridjtöfpradje verlangt wirb. 2Ba& 
nur an £el)rern mit ruffifdfjer £enffpradf)e befd&affen fönnten, ift nad) 
ben ©rfafjrungen, bie id) alö Äurator gemalt, jämmerlid), unb fo oft 
betrunfen, bajg id) fd>on auf ben (Sebanfen geriet, baft bie 2luöfpradf)e 
beä SRuffifdden mefjr £urft erregt als anbre Sprachen. 



Um bie ©lemente einer Sßiffenfdjaft gut ju überliefern, mufj man 
fclbft ein Stfeifter in berfelben fein. 



9iur 2lfterögenofJeu ücrftefjen fid). aufmachen nur unter 9llten, 
treibt, aber entfaltet ntdjt. 

2öir geben unfern Äinbern oft eine ©rjiefjung im SDU&oerljältnte 
ju ber ©rbfdjaft, bie fie $u gewärtigen fabelt. Öeffer, man irrt nadf> 
ber anbern Seite; — man erjicf)t beffer auf ©rmerb. 



2Bie verbringt iljr bie -Kufteftunben ? — bie 2lntu>ort entf Reibet 
über ben ©rab ber allgemeinen Silbung. 



— 256 — 

£ie beutfd&e SJurfdfjifofität ift eine für bad fpätere ätben nid&t 
unfd&äblid&e SBerirrung. Ob Xro janer, ob ©ried^' ^ idfj jerma&le ofjn' 
Unterfdfjeiben. ^Jaöcal unterf cfyieb : l'esprit droit beö 9Watl)emattfer$ 
twn bem esprit fin. 3lber ber 33urfdje Ijat l'esprit gros! ober bie 
^ßlumpfjeit fd&etnt iljm bie gefunbe ©eifteafraft. 3)ie feineren Unter; 
fudfjungen oerwirren ben plumpen nidfjt, — er ljufdfjt über atteö liefere 
Ijinweg unb eö fe^tt ifjm bie Sogif. ©r operiert mit wenigen tym 
angeflogenen SBorftellungen unb oerfteljt nid&tö oon ber ©cifteöarbeit bes 
eigentlichen ftorfdfjerö. öurfdfjifofität ift eine germanifd^e 2$erirrung, 
madfjt ftumpf unb gefd&madfloä. 93iel beffer, wenn ber Stubent ju 
einem fauberen, mafcoollen, männlichen gleiß oon £aufe aud angeleitet 
werben fann. 



®cftem in ber Reyue d. d. Mondes, Don bem 15. $uli gefefen: 
Alfr. Fouillee: L'Organisation morale et sociale de l'enseigne- 
ment I. Humanites Scientifiques. SJon ben Jlörperwiffenfdjaften *), 
tüie idf) biefe „sciences" nenne, toitt er im Sefunbärunterridfit nur 
9)tatf)ematif unb ^3f)t)fif belaufen. Gr tyat oon ber Öebeutung ber 
fpftematifd^en 9taturwiffenfd(jaften feine Stynung. Um in furjem an= 
jubeuten, fei f)ier bemerft, bafe biefer Unterricht in ben ©tjmuafien 
befielen fottte in bem Selbftbeftimmen. 3Rit Sid&erbeit leitet ba nur 
baö biöjunftioe Urteil, ©in logifdfjeö SBerfaljren wirb f)ier geübt, wie 
bei feinem aubem $aä) beö Unterrichts, ®enauigfeit bed 2lu$brucf$ 
unb baö SBerftänbnte ber SBorte of)ne fubjeftioe Trübung ; es enthüllt 
bem Seifte ein Softem, barin bie ungeheure 9flanmgfaltigfeit aller 
Drganiömen einen feften ^Jtafc einnimmt; bie Sd&öpfung prt auf, als 
eine Sammlung oon realificrten ©infätlen ju erfcbemen; bem SJienfdjen 
toirb bie ifjm ftetö jur &anb liegenbe Statur eine unerfd&öpflidjje Quelle 
von 33efdf)äftigung ebler 31 rt, — b. 1). uidjt ooll33egel)rltdf)feiten. — 
33eftet)t bie SBübung in ber ®abe, feine SJhi&eftunben in 
uneigennütziger 2Beife 511 oerwenben, }u eigenem xmh ber 
9)iitmcnfd)en Vergnügen, ju Sejieljimgen mit anbern ©eifteögenoffen, 
was bient baju beffer, alö bas Sammeln t)on Siaturalien? ®enauig= 
feit ber Spraye, ber ^Beobachtung, baö Subfumieren unb differenzieren, 
©rfenntniö ber Slufteuwelt, nid;t wie man fie will, fonbem wie fie 



*) 3Rem Stoter unterfdfieb Körper- unb ©ctftcäroiffcnfd^aftcn. (Srftere Gefaffen 
fidj mit ber 33efd>affenl)ett oon Körpern unb ßörpergeftatten, rote SRaiurnriffenföaft 
unb SJtetfjematif, (entere mit ben 2)en!gefefcen (^fjüofopfjie) , ober ben SBtrfungen 
be$ 9Renfdjengeifte§, j. 93. in ber (3ef$id)te. 



— 257 — 

ift; — Duette her genu&reid&en öefdfjäftigung unb bes frö^lid^en 9Ser= 
fe^rö; — unb fo manche* anbre, baä fyat 21. f^ottill^e ntd^t in S9e* 
tradfjt gesogen. 

SBie fott man Strtcfftrumpf im Satcm fagen? tibiale acu textum wtoiogie. 
unb griedfjifd) chelioenemis, von x^o) ober x^ 6 *^ wirb xtqXsdtö^ 
ober x 7 !^ 1 ^ gebübet. 



©ott t<$ 9iat erteilen in Sejug auf ben Jjäuölidfjen Unterridjt ber 
Hnaben, fo fage idj: roeg mit att ben $ädf>em, roo ber Sefjrer be* 
ftänbig in ben ©d&üler ^ineinrebet, bis fie ftd^ gegenfeitig jur Saft 
finb . . . Sprechen , Iefcn, f djreiben, rennen, — baö wirb ber SBienf df) 
fein Sebenlang braud&en, — baö muß audj bem ©df)üler jumeift ein- 
geübt roerben, burdf) Selbfttf)ätigfeit, nid&t burtfj Sorten. 9hm aber 
fpe jtetter : 

2)ie alten ©pradfjen beginnen mit ftrifter Formenlehre, aber fobalb 
nur möglidf), mögen bie ftnaben einen flaffifd&en ©d&riftftetter oor= 
nehmen. 3>a quälen fie fidf) burdj, inbem fie ftdfj Dörfer präparieren, im 
Serifon bie 33ofabeln auftragen, ben Sinn beö Safceö {jerauöjubringen 
fudfjen, unb bie SBofabeln jur Stunbe (nidfjt jum &erfagen), fonbern 
ju eigenem ©ebraudj auöroenbig fernen. <3 n & er Stunbe geljt es 
bann an bie Ueberfefeung münblidf); ber fiefyrer läßt fonftruieren, bie 
/formen anatyfieren, unb erflärt bie ©t;ntay beiläufig ; ift baö Sßenfum 
burdbgeaefert, fo wirb ber ©d)üler aufgeforbert, eö nodfjmate laut 
unb fliegen b oorjulefen unb mit nötiger 2lccentuation unb fo oiel 
Stuöbrudf, baß ber fiefjrer burd&bören !ann, ob ber [©djüler ben 
Sinn burdfjroeg fidj oergegenroärtigt fyat. 

SBegen ber Betonung ift es iooI)I mfinfc&enftwert, neben einem 
leidsten unb forreften ^rofaifer, einen teid&ten Sidfjter oorjunebmen. 

ÜDireftor ftöfjler*) fagt mir oon einer ©dfmlauögabe beö Eorneliuö, 
bie von allen Unforreftfjeiten bereinigt ift. £ie eignet fidj mabrfdfjeins 
ltd>. 3 roe i ©tunben in ber 3Bodf)e. (5ine foldje vita !ann ber ©djüler 
in einem Strid) burd()lefen; — jroei ©tunben ©rammatif! — Doibö 
s 2Hetamorpf)ofen ober Birgit, ober erft Phaedri fabulae! — 2>aö 
iiateinfd&reiben fann fid) befdjränfen auf *bie ^ßarabigmen in ber 
©rammatif. 



*) 2angjä$riger 2)ireftor ber Somföule in SReoar, bie na$ faft 600jä§rigem 
Sefteljen infolge ber (Einführung ber rufftftfjen Unterric§t3fpra$e geföloffen würbe. 

*u§ ben lüflebucfcblatterii bes trafen < &. fteqjfrling. 17 



— 258 — 

©riedfjifdf) ebenfo. Xenopfyonft Gijropäbie unb $omer: crfte 
Seftüren. 

£ie beiben flaffifdfjen Sprayen formen alfo jroölf Stunben 
roöcftentlidf) beanfprudfjen unb ebenfomel jum einfamen präparieren 
erforbern. Stemmen wir not!) jwei Stunben 3lrit^metif unb älgebra, 
— jroei Stunben ©eometrie, — o^jne 33orbereitungen, fo gibt es fdjon 
fedfjjefjn ©tunben. 

35er ^Reft ift famerabfd}aftltdf)e 33efd(>äftigung mit beutfd&erSttteratur, 
@efd)idf)te, ©eograpfjie. Steligionöunterridbt t)on ganj jiueifelljaftem 
Sßerte. ftird)engefdjid(jte, baö wäre melleidjt baö SRüfclidjtfte. 

(Statt nun in biefer SBeife ben Unterricht anjugreifen, bilbet jtcf> 
mandjer ^rtoatlefirer ein, er foHe bem Schüler gegenüber baöjenige 
Spejialroiffen befunben, baö ein ganjeö ©tjmnafialperfonal fdfjeinbar 
in fidf) trägt, ßö lebt bann ein foldfjer £cl>rer in bet 2lngft, bie 
fd&einbaren Süden feinet SBiffenö würben entbedtt werben! Sie i?ern= 
fdfjanbe madE)t if)n bann jum 2Biffenöf)eud)ler. 



©ut ift eö, baß ber ©eutfdfje tfaifer fo iriel in Maffcl gelernt 
fjat, um bem ©öfcenbienft Don toter ©cleljrfamfeit mit begrünbeter 
Ueberjeugung entgegentreten ju fönnen. ©ineö ftnbe idf) nod& nidjt 
gehörig betont. £ote Sprachen brausen feine tötenben ju fein. 
Sie fönnen bem Ceben nä^er gebraut werben, folange ber fieljrer 
nid)t felbft ein getöteter ift. 2>aö bifföen Corner unb ^piato, baö 
mein ©ofjn mit mir gelefen §at, mar lebenbiger, bilbe idfj mir ein, 
unb fjat ifjn mefjr geförbert, alö roaö ber fenntniöreidje Ä. als ®age= 
löf)ner abarbeitete. 

%x. von £ö\)tx fagt: „2Bie föftlidf) erfrifdjt m\$ ein £runf au& 
ber reinen Guettc griedjifdjen Altertums", — barauf fe^e man ftdj 
bie Primaner ber ©tjmnafien an. 3>on beren ©rfrifäung aus ber 
gebauten Duelle ju fpredjen, fönnte man für ©pott galten. Sieben 
bem liefen, roaö Haifer Söillielm irrtümlich jur Schulreform gefprod^en 
f)at, ift eine unflare, aber berechtigte Unjufriebenf)eit mit bem jefcigen 
Sdfjulbetriebe oon ©riecfjifd) unb Latein anjuerfennen. £er Abiturient 
foll mit 6rfrifd)ung unb ©efdjmadf bie Sd)ulfdf)riftfteller beö 2llter= 
tum« lefen fönnen, — nidfjt fiberfegen. SBeld&eS litterarifd^e ÜJlcifter= 
roerf fönnte, felbft in ber SRutterf pradfje , erfrifdkn, wenn bei jebem 
3ßort gefüllt wirb, gib Sied^enfd^aft von ber bezüglichen ^orm ber 



— 259 — 

Eeflmation, Konjugation, ben ©afcregeln, — ober ed ge^t bir f<$ledf)t. 
28er nie über biefed SBorftubium Ijinauägefüljrt ift, wer nie eine ©eite 
Corner ober $piato u. f. m. unüberfefct, mit richtiger @mpfinbung A 
laut fyat oorlcfen gelernt — aller ©rammatif üergeffenb, aber mit 
poettfdfjem Serftänbnte — , fyat an* bem ©tubium ber ©rieben unb 
Körner für bie allgemeine Silbung nidjt ben entfpredfjenben ©ewinn 
gebogen. $aö liaben bie Ferren Sresfauer Sßrofefforcn gut auö= 
gefprodfjen in ifjrer ©ingabe für Beibehaltung ber flaffifd&en ©gmnajxal= 
grunblage. ftür bie ^ilologie alö SSorftubium etwa* ju treiben, ift 
Öerufdfad&e. aber ©ried&ifd) unb Satein foU gelehrt werben für jene 
Öilbung, bie außerhalb beö 9Mf)rberufö liegt, allgemein, gtir ben 
itefeoerfeljr foll ber Unterricht forgen, wenn audf) aufgegeben werben 
muß, für lateinifdfjen ober griedfjtfdien Sebenäoerfeljr auöjubilben. 35ie 
toten ©prägen follen ja beleben unb bürfen nid&t abtötenb gelehrt 
werben. 

... So lange Äinber im öilbungdjuftanbe fidj befinben, jiefyen 
fie auä ben ©ebanfen unb ©mpfinbungen ber ©Item 2cbm unb $reube. 
Sinb fie in baö 3llter ber ©elbftänbigfeit getreten, fo muß baö aufs 
I)ören. 9Mdf)t länger ftetjt eö i^nen an, fid) an bie ©Itern anjule^nen. 
£er reife ©amen mufe vom Saume abfallen, um nidfjt ju oerberben 
unb um wieber einen Saum ju mad&en. ©efjr oorfidfjtig muffen bie 
Altern werben, wenn fie ifjren ©influjj weiter üben wollen; gleidfjfam 
nur nod) fdjjüfcenben ©Ratten auf ben -Jtodfjwucijd werfen. 



<£ö ift fdfjwer, einen 3Jlann, ber burd& unfre gelehrt fein follenbe öitterarif* 



litterarifd&e SSorbilbung baliin gebraut ift, mit SBorten unb nadj äBorten 
alles für erlebigt ju galten, }u forgfamer Seobadfjtung, ^ertigfeit unb 
Prüfung in ber ©rfafjrung ju bringen. 



Cb audf) äftfyetifdfje unb intelleftuelle 33efcf)äftigungen gewiffe Na- 
turen meljr anjiefjen, afä muöfulöfe ©piefe, — um fo nötiger wirb 
es biefen, bie rein pf)i;fifd£)en gtotigfeiten fity burdfj ©ewofjnlieit an« 
jueignen, jur ^armonifd^en &eranbilbung beö 9Rannes. 



3df) mödfjte aus bem ©d)icffal ber ftamilie C. lernen, waö man 
bei feinen Äinbcrn oermeiben folf. ^nbolenj unb 3 e ^f a] () r ^^eit ate 



$i(bun&. 



— 260 — 

ben ©runb ber llebel ; — beftänbige 2kfdf)äftigung an* Sßfiicijt unb 
£rieb, unb jroar offne von bem, n>aö man vorgenommen f)at, otyne 
Erfolg abjufpringen, fann Reifen; — SKäfeigf eit ! — Umgang mit 
Samen ju geiftigem Vergnügen unb in einer ©efettfdbaft, roo ©cfdfjmadf 
unb mel SSilbung ! — $ßflid)tgefül)l ift eine grofee SdJHifcroeljr, unb oft 
ift ein äußerer öeruf, mit ©elboerbienft, tyeilfam. 



€*5ngriflt8frit. 



Sie ®df)öngeifttgfeit, entfernt oom ©emeinen, fie madfjt ben SBen* 
fc$en ju einem angenehmen ©efedfdfjafter, fie erwirbt if)m greunbe unb 
gfreunbinnen unb leitet ab von böfen Stimmungen, aber i^re bebend 
lid&en Seiten Ijat fie audf). ©ie Ijebt über ben ©rnft befi Sebenö leidbt 
fjinroeg, mad&t fdf)toadb in Saaten beö ©rtoerbenä, unb milbe im 9te= 
gieren, mef)r als gut ift; 2lufgeblafenl)eit, wenn audf) unbewußt, ift es 
bodf), wenn man ben litterarifdf) ober nriffenfdjaftlid) ungebübeten 
SRenfc^en glaubt uernadfjläffigen ju bürfen. 3m Sienfte, 3ioil ober 
Sttilitär, in fadf)männifdf)er ©eleljrtenarbeit wirb ber Sd&öngeift leidet 311 
unioerfell, — er wirb ein Dilettant, ber Slllotria feinem eigentlichen 
$eruf ooranftettt. ©inen £ang ju befämpfen, ber allgemein für löblid), 
oft für benmnberungöroürbig gilt, ift fd&roer, beftänbige ftrifte <£r= 
füttung ber $ßf!id()t ift tool)! baö (Segenmittel. Hommt nun aber baö 
leibige Unioerfitätöleben ba3roii$en, ba wirb bie Sd&öngeiftigfeit i>on 
aßen fistln ber ^Sftidjt entlebigt unb ergebt fidf) in 2ßilbf>eit juroeilen. 
3fl bie Uniocrfitätöjeit oorüber, bann fommt eine UebergangSjeit, roo 
man ju nidfjts SRcdfjtem fidf) oon £erjen entfdjeibet. 35er 3JliIitärbicnft 
ift weniger unterbrochen, ^mmerbin ift audE) ba bie allgemeine ©dfjön- 
geifterei eine SSerfudfjung , bie ^flidjt oft an* ben äugen ju laffen. 
^nbeö bleibt eö babei : Sie Sd&öngeiftigfeit mufc fultimert werben, fidb 
unb anbem baö 2zbm 311 oerebeln; — aber @bre, Xreue, Sßflicljt, 
2HoljlrooHen, ©rroerbseifer muffen baburdf) nid}t abgefdfjioäd&t werben! 



5$önfielftißteit. 



Sie ungebilbete öarbarei f)at oielleidjt SSorjüge, bie burd) bie 
3Mlbung leidet oerloren geljen. Sic Öilbung mad&t roeidfjlidf), unjuüer^ 
läffig, — bie Barbarei madfjt gemütlidjj, männlidf), treu unb jurüdt- 
fjalteub. SBie oerbinbet man bie SBorjüge beiber 3 u f tän ^ c ? 3<i9b, 
männlicher Umgang, Äampffpief, SBortfyalten, Drbnung fann nebenher 
gelten mit roiffenfdjaftlicfjen, fünftlerifdben anmutigen 33efdf>äftigungen. 
©lüdflid), bem ed fidfj fo fügt! herbeiführen ift fetyroer. 



— 261 — 

35ie beftruftioen blinben Seibenfdjaften Raufen fidlj bodf) oiel öfter ww unb m*. 
bis jur ©ntlabung in einigen Äöpfen an, als früher. Aber, roie idfj 
fdjon oft gefagt, mein auf bie Paläontologie gegrünbeter Optimismus 
ift fefi, unb wir werben bie fdfjmierige 3 e it überleben, b. % unfre 
9tad)fommen. 9tur fotten mir mefjr, als es gefd&iefjt, nadf) bem ©runbs 
fafc leben unb lehren, ba§ nur eines für jebermann notmenbig ift, 
— feine Sßflid&t ju tljun, — bafc aber, in anbrer 2Beife glücflidf) ju 
werben, burdfjaus nid&t notwenbig ift. 



QTöIibaf, ftatfityptt, <&§*. 

SMe feruetten Sejie^ungen in feinem Seben ganj of)tte 2lnfto§ 
geführt ju fjaben, wer von grauen unb gar üon 9Äänriern fann beffen 
ftdj rühmen? Aber roie ift man oollftänbig ratlos, ober trielmcljr übel 
beraten, allen 3 u fäHigfeiten in biefer Sejieljung, aßen fiodhmgen unb 
f d&roärmerif ctyen Aufregungen $reis gegeben geroef en ! 2Jtir ift eigentlidf) 
eine vernünftige (Erörterung biefer ungemein oerroorrenen Aufgabe unb 
eine Anroeifung ju ebfer SebenSfüfjrung in Anfe^>ung bes ©efdjledfjts, 
bie für bie ©efeUfdEjaft gejiemenb U!ib nidfjt utopifdfj märe, nidf)t in bie 
4?änbe gefallen, 3$ mödfjte baffer jefct, roo biefe Triebe megen meines 
Alters einen überrounbenen ©tanbpunft bitben, einiges barüber mir 
flarer madfjen. Aus feineSgleid&en (Aefjnlid&em) ju entfteljen, ift für 
alle Organismen, foroeit bisher unfre Äenntnijfe reichen, d&arafteriftifdf), 
unb jebem Organismus roofjnt bie Anlage bei, ftdf) f eiber Ael)nlidf)es 
f)ert>or$ubringcn. 3 roe i oerfdfuebenc 33eftanbteile, ber eine roeiblidfj unb 
ber anbre männlid), muffen bei allen fjöljer ftefjenben Organismen $u 
biefem 3roecfe jufammenroirfen unb werben oon oerfdfjiebenen Organen, 
— bei SBirbeltieren oon abnormen 3^ittern abgcfefjen, oon oerfd^ie^ 
benen ^nbimbuen probujiert. Auf ber Bereinigung ber ©efdf)ledf)ter 
berutjt bie gortfefcung ber 3Kenfdf)f)eit forooljl, als bie ber fjöfycren 
Tierarten. (Es fjanbelt fid& um ein ben 9Kenfdf)en burdfjaus nidf)t eigene 
tümlid^es SBerfjältniS, aber rooljl um ein oeränberlid&es, jeber Tierart 
anbers angepaßtes, fo baß bafür aurf) eine eigene, menfdfjenroürbige 
©eftaltung nidfjt fehlen fann. 

£aran l)aben überfpannte ©eifter oft gezweifelt, unb bie oolfc 
ftänbige Unterbrüdfung bes gefcfyledfjtlicfien Sebens für bas einjig ©bie 



— 262 — 

erflärt. So bie efjelofen offener, bie <$riftli<$en Drben unb t)erfdf)ie= 
bette dbrifttid&e Seften, rote bie amerifamf d&en Sljafers unb bie ruffU 
fdjen Selbftocrftümmler. Sold&e öeftrebungen führen ju mannigfachen 
SWifjbräudjen. £eud)lerifdf)er Umgang im geheimen jc., ©efunb^eits- 
ftörungen folgen biefem naturroibrigen beginnen unb freffen als ein 
©ift in ber ©efellfdjaft um fidf). äßie rnel reiner 3. 8. ftef)t bie pro= 
teftantifcfce ©eiftfidfjfeit ba, als bie ruffifdje ftloftergeiftlid&feit unb bie 
fatfjoltfdje. £te ooHftänbige Unterbrücfung einer folgen ©runblage 
bes SebenS unb fiiebens ift im SBtberfprudfj gegen bas menfdfjlid&e 
©afein unb beanfprud&t fjier nid^t weiter Sewetfe, um als unnötige 
Söfung ber menfd&lidfjen Aufgabe anerfannt ju werben. 

©ott bas 2tben ber ®efdf)fed[)ter miteinanber ftattftnbcn fowotyl 
in freier Siebe, als in gefdjloffener ßlje, ober nur in einer biefer 
©eftalten? 

Orientieren !ann man fidf) einigermaßen junädftft burcfy einen 
©lief auf bie tum untrüglid&en Qlnftinften unb ntd&t oon trügerifdfjer 
Vernunft geleiteten Siere. 

Sie liefern geroiffe SBetfpiele, bie fclbft für bas Gölibat fönnten 
angeführt roerben. 3)ie größte 2lnjat)l ber Slmeifen eines £aufens 
unb ber 33ienen eines Sdf)marmes finb wegen SSerfümmerung gewiffer 
5£eile, oon SRatur Tonnen. Sebr anbers, als bie JUofterbewobner 
ber aWeuf d^en , laftet bie Sorge für tägliches 33rot unb Seben gerabe 
auf ben ©fjetofen, wäljrenb für bie 3ubmft bes SBolfes bie ©atten 311 
forgen f)aben. 3>ie 9M)rjaf)l ber 9Wännd)en bei ben Sienen (35rofjnen) 
ftnb gejwungenerweife SNöndje, ba es ber 2Seibdf)en fo wenige gibt, 
unb if)xt Sttenge bient nur jur Sluslcfe unb jur Sicherung ber Se- 
gegnung für bie Sßeibdjen (Königinnen). Sie werben aud&, wenn bie 
fcfjöne %al)Tt*ftit mit ifjrem 9taf)rungSreid)tum oorüber ift, als unnüfce 
Treffer fjinweggeräumt. Gin Apologet bes ßölibats fönnte, auf biefes 
uon ber Statur gelieferte öeifpiel fidf) bcjicljcnb, etwa folgenbes fagen: 
SöaS bie tiertfdfje 9iatur nidf)t anbers ju ftanbe bringt, als wie burdb 
pbtrfifdfjen 3 TO ^ng unb medf>anifdf)es ©efdfjeljen, bas fann bem SDtenfdjen 
burrf) geiftige Nötigung unb fittlidfje ^5fXidbt ju üben ntdfjt für natura 
wibrig gelten. Sie 3u&wft bes 3Jtenfd)en ift bas überwiegenb 2öid)tige, 
beim Xier bagegen bie täglidbe Serf orgung. Um fidf) ber £auptauf= 
gäbe ganj Eingeben ju fönnen, muß mau oon ben aufgaben niebrigerer 
Crbnung frei bleiben. $al)er, wenn bie Grfyelofen unter ben dienen 
für bie Grnäfjrung forgen, fo muffen unter ben ÜWenfdjen bie Sorgen 
für ben ©eift mit bemfelben SRecfjt ber «öeruf ber Gfjefofen werben 
fönnen. — 3 U entgegnen ift: Sie 9taturwibrigfcit bes ßölibats für 



— 263 — 

bie SWenfd&en fctnn ntdfjt beurteilt werben nadf) beu Seiftungen ber 
Sienen, fonbern nadf) bent Scftnben ber SJtenfd&en. 35ie 3 u &wft beü 
einzelnen fann nid&t für tüid^tiger gelten als bie SReprobuftton ber 
9Wenfdf)f)eit, ba ofjne biefelbe cd mit bem ©injelnen aufhören würbe, 
©ine geträumte 3 u ' un ft S^* aufcerbem nidf)t gleidf) ben wirflidf)en ®r= 
lebniffen. 2lud) bie Xiere fjaben £öf)ereö ober ebenfo £o^eö an ber 
gortfefcung ber 3lrt alö an ber täglichen @rnäl)rung. 2)iefc wirb 
üergeffen, wäfjrenb ber £rieb 5ur gortpffanjung wirft. SRidjt bie 6^e= 
lofen unter ben 3Renf(ijen Ijaben in Äunft unb Sßiffenfd&aft bie 93er- 
efyelid&ten übertroffen, — fonbent umgefcljrt. $m Surdfjfdmitt forgen 
biejenigen, bie fidf) ber ©^elofigfeit weisen, meber gciftig nodfj förper= 
lid& bcffer für bie 2Renfd)f)ett alö bie Satten. 25a fie uon ber 9trbeit 
ber anbem ober auf Äoften t)on beren Sßa^fommen [eben, oerbienen 
fte bafi 3df)icffal ber ©rotten. 



•fttdfjt gut, bafc ber SKann alleine fei, Reifet es im 2llten Xeftament, 
unb ber ßoran fagt, oljne SBeib fann ber SWann nid^t fein. 

3)aö finb natürlidje Stimmen auf religiöfem gelbe. 

aber bie ^Bl)iIofopf)ie lägt oft biefeö fdfjwierigfte unb widfjtigfte 
Kapitel beö fittltdfjen SBerfjaltenö beifeitc. 

SBcnn junge grauen ber ©efeHfdfjaft von ©ünbe fpredfjen, fo 
fjaben fte gcwöfynlid) nur bie außereheliche Siebe 511m SDtanne im ©inne, 
unb wer nidfjt baö felbftoerftänblidf) finbet, ben galten fie für einen 
^eud^Ier ober einen 3bioten. 

SBaö ift auf biefem gelbe baö 2Jtoralifdf)e? 

SSorauägefefct ift f)ier bie 9tnerfennung ber Stf)atfad^c, baß weber 
bie @rf enntnte nod& bie Stunft bie 9Koral rerbtirgt , unb ba§ audf) bie 
Religionen bie 9Jioral nidfjt machen. SMo^ammcbaner, ^uben, ©Triften, 
rönüfd&e Reiben u. f. w. fjaben Seifpiele polier 9Woralität geliefert. 
£ie Sßtetiften fjaben in @elbgcfdf)äften fidf) alö Spifcbuben juweilen 
aufgeführt unb fidlerer geljt man, wenn man ©elb leifjt jemanbem, 
ber feinen 2ltf)etemuö befennt. Er weiß, baß biefeö eine übelberufene 
#t)POtl)ef ift; bejiefjt er fidj bennodfj auf biefelbc, fo beweift er, baß 
er nid)t betrügen will, was bei bem frommen £eudf)ter baljinftefjt. 

SSerfudfje id) furj leitenbe ©runbfäfce für baö SBer^alten jum anbem 
©efdf)Iedf)t nieberjufdfjreiben. Sftögen fie ju einer weifen ßrjie^ung unb 
Sebenöfüfjrung meiner 9tad^fommen nüfyn. 

Sdfjamfyaft unb feufd) fei bie ©rjiefjung ber 3»9^nb. $f)re pljrjftfdfje 
ßrjiefjung I;at ebenfo.$ermetdf)licf)ung wie Ueberreijungen 311 meiben. 



— 264 — 

3tegelmäfuge unb fräftige 33ef d^äf tigung , verftänbige ©gmnaftif, am 
geftrengteä (Sammeln von ^Naturalien aller 2lrt^ anlegen von Herbarien, 
Ääfer, Sdf)metterling3fammlungen, ^ßetrefaften u. f. w., — 3agb, 
Schwimmen, leiten, ^erf)tübungen für Änaben unter guter Leitung, 
fü^rt ju einer gefunben Sßljantafie. Die lefctere wirb leidet verborben 
burdf) ben Umgang mit fremben ©efpielen. 9Ran überwache ben Unu 
gang mit ber Qugenb am fremben Käufern unb gebe üjncn feine 
©elegenfjeit ju folgen Unterhaltungen, bie Ceffcntltdfjfeit ju freuen 
Ijaben. 

Schwieriger ift bie Seitung ber Sßfyantafie ber fjeranroadjfenben 
Qugenb. Verbieten allein madf)t eö nicfjt. @ö mufe gefunbe -Wahrung 
gefd&afft werben. 2luf$er ber Sefd&äftigung mit ben Jtaturwiffenfd&aften, 
glaube idj, bafc bie ©cfd)idE)te eine Duette gefunber -Wahrung für bie 
Sßjjantafie werben fann. SBon ben Sichtungen würbe tdf) bie tyeroifd&en 
bevorzugen, — bie bramatifdjen in jwettcr SReilje, — bie Iprifdfjen finb 
jum Deil unpaff enb. Der poetifdfjen Form gebührt ber SBorjug vor 
ber profaifdfjen. Unter ben Stomanen, wenn man fie nid&t gut meiben 
fann, bevor juge man bie tyiftorifd&en. ©egenüber ber gurd^t, bafj 
barauö irrige SBorftettungen über bie Vergangenheit entfielen fönnten, 
be^erjige man baö 33aconfd&e SBort, bafc bie SBafyrljeit c^cr atä bem 
Qrrtum ^ervortaudEjt alö aus ber Äonfufton ; unb, füge idE) ^inju, a 1 s 
aus ber Deilnafjmlof igfeit. Die eigentlich flaffifdjen, in ge- 
bunbener Siebe un§> überlieferten Sdjjäfce foH ja bie gebilbete $ugenb 
fennen lernen. Der 33alte Ijat es ba ju ttyun mit ber germanifdjen, 
englif <$en, f ran jöfif df)en , ruffifd&en Sitteratur, unb es müßte bei ber 
©rjiefjung viel orbentlidfjer unb vollftänbiger ber Sugenb audfo bie 
gried)ifdf)e unb lateimfdfje ^Joefie vorgeführt werben, — ben ÜRäbdfjen 
in Ueberfefcungen. 

Sdf)on frül) möge bie jiemlidf) herangereifte ^ugenb bie SBafyrfjeit 
ju fjören befommen, bafj bie fd&önfte unb l)öd)fte Aufgabe jebes 9Renfd)en 
barin befielt, ein glücflid&eö Familienleben ju begrünben. Das Sieben 
ber Verheirateten tiat viel Sorgen, — aber baö 2cbtn ber Unver- 
heirateten ift verbriefclidf) unb oft verfehlt. 

2lber bann foll ber reife 9Benfdf) aud) nid)t vergeffen, baß bie 
Familienbilbung von allen ©efdjäftcn, bie er jemals übernehmen wirb, 
gewöfjnlid) baö ernftefte unb folgenfcfywerfte ift. 2Bie wenig ift es cr^ 
fdf)öpft mit ben ßiebfofungen, ju benen bie 9totur bie Dicre jwingt 
unb bie 9Jlenfd)en neigt. Die i'iebfofungstriebe werben von ben 
Didfjtern gefeiert; bas Familienleben ift für ben bidjjterifdjen Spieltrieb 
faft ju ernft. Selbft ein ©oetfje l;at oft nur bie freie Siebe, nid)t 



— 265 — 

bie @lje poetifd) ju geftalten vermocht. 3>iefe grofje 3Serfc^iebenf)cit 
fottte bcr herangereifte 2Wenfd) fennen. 2)em Verlangen nadE) £ieb= 
fofung fann in ber &)t vollftänbig genügt werben, aber eine viel 
emftere unb bauernbere 3lufgabe fdfnoebt ifjr vor. ßinen ftanbeö= 
gemäßen £auöfjalt fall fie in it)rem Canbe, in i^rem Staate bauernb 
erhalten, unb 9todf)fommen erjietjen, womöglich in verbefferter "Sluf tage. 

9Wan foU alfo nidfjt anberö eine Familie ju grünben unternehmen, 
alö auf auöfömmltdEjer ©runblage. 2)er 3ßann vor aßen fingen mu§ 
jur ©f)e nidf)t f freiten, beoor er ertoerböfätjtg geworben. $üf)lt er, 
bafc er nidfjtö ift als ein tf onfument, fo mufe er fidf) bie fjöljere £ebznfc 
fieflung uerfagen. 2lber icf> rate, nid)t 511 ängftlidE) babei ju fein. 9Ran 
fott wagen. SRedfjt probuftiv fann aber ber 2Kann nidf)t fein vor bem 
28. 3a\)Tt. 2luö biefem unb fo mand&em anbern ©runbe rate idfj 511 
heiraten, nidjt oor bem 28., unb nidf)t fpäter alö im 36. 3af)r. 

2lnberö für 2Räbdf)en. ©ö ift fo fd^roer für ein 3Räbdf)en, unter 
t>orauöftdf)tlidf) juträglidjen SBerfjältniffen fidf) ju verheiraten, bafe fie 
ben £eiratöantrag eineö ehrenwerten 9Ranneö nid&t leiebt auöfdfjlagen 
barf. 3fl ber Slntrag ernft auögefprocben, finb bie 2Tuöfidf)ten auf ein 
auöfömmlidljeö Familienleben nidfjt ju unwafjrfdjeinlidf), ift ber 2Bibcr= 
wille nidf)t unüberwinblidf), fd&lage fie ju. Um fidf) felbft aber eineö 
folgen Slntrageö würbig ju erhalten, muft fie ein gefitteteö 3" n ö 5 
frauenleben geführt Ijaben. -Wie barf fie burdf) unterljaltenbe Siebeleien 
fidf) gebunben fjaben. Sßcnn ein 3)iann iljr etwa gefällt unb fidf) ifjr 
nähert, frage fie fid), ift er frei? — SBenn nidfjt, fo meibe fie tyn 
wie baö $euer. Xentt fie aber aud& gar nid&t an heiraten bei (jann^ 
lofer Unterhaltung mit jungen Scannern, fo beobachte fie genau bie 
©renjen. Um ber ©fje würbig ju bleiben, barf fie feine fitebfofungen 
ober vertrauliche Siebeögeftänbniffe prooojieren ober bufben. SRodfj 
beftimmter muß fie fidf) vornehmen, für eine unbeftimmte 3 u ^ in ft fid) 
nidfjt ju binben. $ugenblieben muffen nidf)t gefangen nehmen. 3Kau 
fott feine ^ugenb in ^erjenöfrei^eit unb Steinzeit ge^ 
niesen; — immer öffentlich, nidfjt ju jwei, im geheimen. — 
©lüdflidf) ift es, wenn baö junge 9J}äbdf)en, ein ober jwei $al)re wenig* 
ftenö, Sälle unb waö man bie 2Belt nennt, l)at befudfjen fönnen, elje fie 
heiratet. $or bem 2\.^aljxc ift baö 9)täbd)en eigentlich ju jung jur 
Qf)t. 3nbeö, ro Q n muß besfjalb eine gute ©elegenfjeit nidjt verfäumen. 

%k verheiratete ^frau mag liebenömürbig fein gegen jebermann, 
aber i^re ernfte Aufgabe fott fie nie barin fliegen. Sie ift ^errin im 
£aufe unb baö ift il;r heilig ju Ijaltenber Seruf. 



— 266 — 

SBon einer fofetten ^rau, bie in bcr Qugenb ald reijenbed &äfc= 
tf)tn nadE) SWännerberjen mauft urib beten Saunen eine unn>iberftel)lic&e 
©rajienmadjt audüben, Ijat man unredbt, ju f orbern, bafc fie ald 
SWatrone bad GJeroofjntgeroorbene nidf)t roettertreibt. aber, road bem 
£ünbcf)en erlaubt ift, wirb ber ftul) oern>ef)rt, unb cd ift ein Unglüd, 
bafe bei bem (menfd&lidben) Sßeibe eine rüclfdfjreitenbe SKetamorpEjofe 
oft ifjr änalogon Ijat. 9tur wenige grauen fjaben ein würbiged Sllter 
unb eine oerftänbige gfftyrung bid and ©nbc . . . 



2Bir befugten $r. o. * unb erweiterten fie, inbem wir ifjre Keinen 
<2df)önl)eitdtriumpf)e aud Ätnberjafyren anhörten. SBegen ®d)önf)eitd= 
triumpfjen empfinbet bad SBeib biö in fein Ijötfifted 3llter nie 5Reue; — 
begefjrlidf) gu fein, nidjt begierig, ift iljre natürliche 33efttmmung, bie 
nie überwunben wirb unb nid)t fott unterbrüdt werben. Der Wann 
fott wof)l begierig fein. Selbftbefjerrfdfjung mufs bie fdf)i<flidf)en ©renjen 
einhalten, ©d ift »ergebend, naef) fategorifdien ^mperatioen in biefen 
organifdjen 33ejiel;ungen ju f tieften. Sebe fo, bafe aud beinen trieben 
bie beftmöglidjen SBerfjältniffe f)eroorgef)en, — bad ift bie Sieget. 0e= 
fd)icf liebfeit, Älugljeit, 2tnftänbigfeit, Neminem laede! bad fann gelten. 
2lber jene 2ldfefe, bie baraud bad Jimbament ber 9)toral machen will, 
ift Schwärmerei unb Unnatur. 



ftn ©adfjen ber Siebe follte bad junge äRäbdjen aKed ber 3Wutter 
anvertrauen, biefe Dorftd^tig lenfen. 



Die Äeufcbbeit in ber 3u#enb unb im ^öl;ercn 3llter ift anftänbig 
unb naturgemäß, unb f fließt ben angenehmen SBerfefjr mit Damen 
nirf)t aM. 

9lbfofute Äeufdjljeit für bad 9J?äbdfjen, gefunbfjeitlidje .tteufebbeit 
für ben 9Jiann, — eljelidfjc abfolute Dreuc für beibe, bad wirb wob! 
bie richtige Sieget für bad Seben fein. 



Der Xrieb jur ftortpflanjung unb $ur oorbereitenben Siebe ift 
nicfjt böfe, aber nur ber unoernünftige Sftifjbraud). 



— 267 — 

35aö normale dbriftlidfje Familienleben unb bic Qungfräulid^feit 
bcr SRäbdfjen fann bic Kegel bleiben; — nur foHte man bie 2tufc= 
normen mit mefjr 9Zadf)ftd)t beurteilen; — jumal ber SßegfaH ber fo 
fefjr oerurteilten pfjtjfifdjen triebe ber Siebe baö unterfte gunbament 
entjiel>en würbe, bafc burcö bie poliere ©eftaltung berfelben uerbecft 
werben fott, aber bodjj für biefelbe nid&t entbehrt werben fann. 



3)ie £odE)jeit ift unter ben 2ttten, für weldjje bie Religion bie s&e. 
SBetye ju geben tyat, ber Ijeiterfte, bodfj bie ©f)e ift ernft wie ber £ob, 
unb fein fiiebeäfpiel. 

©rotiuö fjat über baö Stecht ber 23ölfer im Erieg unb ^rieben 
ein SReifterroerf gef dfjrieben, aber über bie ©^}e im Eriege unb im 
^rieben feljlt nodf) baö redjte öudfj. $ü) meine bad 3?erf)ältniö ber 
©fjeleute, wie efi fidE) ausnimmt in 3Btrflidf)feit. Sin fjeimlidfjem 3roie= 
fpalt fe^lt eö oft nid&t unb eine 9Irt ftriegörectyt, mit Sift unb Äunb= 
fdfjafterei fommt jur ©eltung. llnoermeiblid&e Uebel mufe man »oBfe 
fliegen, aber ber Söitte roofjl ju ttyun unb jum ^rieben ju verhelfen, 
bleibt, ©d fd&eint wirflid^, bafe nidfjt nur in ben erften ^aljren ber 
©fye (Sdfjnrierigfeiten fidf) ftnben, fonbem baft fie fidf) gegen bie Sßenbe 
beö ©efdf)led)tälebenö nidfot feiten t>on neuem einfteUen. ©3 ift, als 
batten bie SBerfet)lungen fidf) angefammelt unb üeranfafcten nun eine 
Spannung gegen bie, burdf) uieljctyrige Steuer t>erl)ärtete Solibarität. 



Qu einer unbefriebigenben ©fje gilt eö oon ber grau: SBenn 
nidfjt balb fttnber iljr £erj jroingen, fo bürfte eö in nidf)t gar langer 
3eit fpringen. 

©ine redete ©fje ift. bie bauembfte Duelle beö 2Wenfdf)englü<fö. 



Nidfjt trielen ift oolfeö SiebeöglüdE befdfjieben, foroofjl unter ben 
9Wännern als unter ben grauen, — aber aufter ber ©t)e finb piele 
tjollenbet elenb. 



— 268 — 



Xiittvainv. 

©ö f)errfd)t in bcr Äunft her Slealiömus, aber er mufe er^ebenb 
roirfen, — ober, fefce idE) fjinju, befreien burd) tppifdfje Sebeutung, 
mdf)t bloß burdf) oergänglidie, gemeine 2Birflidf)feit. 



,xie oon Acne«- 3dfj f)abt geftern jur -Wadfjt ben büftcren SRoman von Jßantenüift, 
»on spantemu*. ^.^ ^^ g e ß cö "^ bccnbigt. 35ic ©df)ilberung, tote es in einem Sonbe 

wirb, wenn fid^ alle 33anbe löfen, baö ift baö £f)ema. ©ilert Ärufe 
unb 2tnna Wölfen fteHen ben ^bealiömuö bar, ber in ber 9fr>t ber 
3eiten ju fd&roacfj ift unb nur gebrücft befielen fann, — bie naioe 
9laufluft ftellt Jürgen SRötfen bar, — bie ftarfen (Sfjaraftere, bie niebt 
bredjen unb nid)t biegen, in allen ifjren Seibenfdfjaften, aber bodf) mit 
einem eblen liebenben 3 u 9 e t>ermifd(jt, ftetten bie ^ebingö^eimö bar, 
— bie aUmäfjlidf) bis in ben SBerrat gebrängten Opportunitäten, bas 
jeigt ber ©tiftöarjt ftrufe unb anbre, — bie jügellofe unb fall be= 
regnete ©oö^eit ber eingeroanberten ©lüdföreiter, ftellen Syranj SonntuS 
unb bie verlaufenen Sanböfnedjte bar, — bie guttyerjige Sudlerin ift 
in Urfufa gejetd&net. ©ö ift ju wenig' @rfreulidf)eö in bem Sud&e für 
ben großen Sbfafe. @ö ift mit patriotifd&em £erjbtut gefdljrieben. 3M 
ift eine £ragif, roie in ben Nibelungen. 2lber $ranj 23onniuö, ber 
SRadfjegeift, ift feine eble Äriemljilb, unb feine Kämpfe finb bie beö 
Kaliber*. 



ftuinäniföe 
»olföpoefu. 



Carmen ©gtoa Ijat mir bie „Sieber aus bem 2)imbonHfcatf)al" }u* 
gefanbt. 3Kerfroürbig ift an biefen Siebern, ba§ fie ofine ©Ott unb 
ofjne ewiges ßmjelleben finb. ©ie f ollen uralt fein unb bas ift mir 
fonft bei uralten ^oefien nidftt üorgefommen. 



anacauiai). ©eftern beenbigte idf) bie Seftüre bes britten 33anbes ber 33io- 

graptjie 9Racaulai)S oon Sreoefpan. 3Racaulatj ift burd) unb burdj 
©nglänber unb Kcbefünftler. ©eine ©tubien fjaben bie praftifdje 
Aufgabe, fidf) unb anbre ju oergnügen, in ebler Sßeife. SBenn ÜRiebutyr 
ben 33eroeis füfjrt, baft £iüius bie älteftc ©efdbidfjte Korns nationalen 
©efängen muß entnommen tyaben, unb fidf) bamit begnügt, bie fdjönen 
£önigSgefd()id)ten auö ber ©efdf)id)te in bie ©agenroeft ju oerfefcen, fo 



— 269 — 

roirb biefe ©rfenntniö für SRacaulai) 3lnlaji, bic römifdfjen ©efänge 
ju erfinben, unb feine fianböleute in ©ntjüdfen ju oerfefeen. — 
9Racaulaij fd&reibt, roaö bie 3^itgenoffen in 2Jtaffe lefen, unb mit SJe= 
geifterung ol>ne 2Rütje lefen fönnen. Sie beutfd&e ©eletyrfamfeit tpill 
baö Softem bcö menfd^lidfjen SGBiffenö förbern, unb feljrt fid) nidfjt an 
bie SRad^froge. Seffing, glaube idfj, fagt irgenbroo: „wirb ein 33ud^ 
fogleidj) beim ©rfdjjeinen Verfehlungen, muß eö nur gebradfjt ^jaben, roaö 
fidfj eigentlich nid&t verlohnte ju bringen." ©ö war fdfjon alleö ba in 
ben SWenfdfjen. 2tber SDtacaulai), tro$ feineö auögebefjnten unb grünb; 
liefen Sßiffenö, f)ält nidf)tö von ber einfamen SBtffenfdfjaft. ©r will 
ein 93olfäf)iftorifer in ber 2lrt $omerö fein. ®r roill bejaubem unb 
burd& fdjönfelige ©mpfinbungen verebeln. Saö ift if)tn gefungen mit 
allen feinen «Schriften. 3f)m ift bie fjiftorifd&e Sßiffenfcfyaft nur bie 
Sluörüftung, beren er bebarf, ju feiner Ijinreifeenben Äunft. 



9Wit ®enufj fyabt id& mir ben Xanntiäufer von Julius SBolff mw 
vorlefen laffen. ©ö ift ein ÜWeiftenuerf, baö an 2luögeglid()enf)eit ber 
Spraye unb Äompofition bie Sd&effelfdjen poetifdfjen ©rjätjlungen 
hinter fidf> läfct. Sie ^aubii* unb £e£ennrirtfdf)aft mutet SSolff ben 
3eitgenoffen nidfjt mcfjr in ber Realität ju. ©r benufct fie nur alö 
auftegenbe ^tyantaömen unb £aHucinationen für bie -Dtenfdjjen beö 
12. «3al)rl)unbertö. ©^ö n ^ a t er aus ben Nibelungen SBolfer ben 
Siebter als einen £ppuö benufct. Sie antiflerifale Xenbenj beö 
555id^terö roirb nirgenbö verleugnet, tritt aber niemals ftörenb ba^ 
jivifd&en. 

„SBorin befielt mein GJlaube? von Seo Xolftoi, auö bem seofcoutouk 
rufjtfdfjen Sßanuffript überfefct oon Sophie $el)r;" merfroürbtgeö 33udf)! on ©iaui>Vi 
S>ie tfritif ber offtjieHen ortfjobojren tfated&iömen u. f. ro. (3. 237 f.) 
ber ruffifdjj'griedfjifdjen Äird&e, bie fidf) baran Infipft, ift vernidfjtenb. 
©ö fönnte baran ein allgemeiner 3lbfall fidE) grünben. 3lber baö an- 
fdjeinenb 3Baf)re, baö &ebtn fd^affen unb nidjt blofe bem ^alfdjen 
roefyren foll, ift auf einen SBafm gegrünbet, ber fidf) nidfjt eignet, all= 
gemein geteilt ju werben, wenn aucij rooljl feftirefierenb ju roirten. 
©ö wirb bie 3>orfteUung 311 ®runbe gelegt, als roürbe baö SReid^ 
©otteö auf ©rben ttyatfädjlidf) eintreten, fobalb man ©ruft madfjte mit 
bem (vierten Sebot nadfj Xolftoi) „S)u foUft nid^t roiberftefieu bem 
Uebel." — Safe ber S3öfe, fobalb er feinen 3Biberftanb finben roürbe, 
gut roerben roirb, — baö fann nur berjenige lioffen, ber bie ©rfalirung 



— 270 — 

in SBerjücfung aus ben 2lugen verliert, — ber ©runbfafc ift ganj uiu 
geeignet, bie menfcblidjen SSerljältniffe ju bcn beftmöglidden auf ©rben 
ju machen. Soll bod) jeber in fiel) bem S3öfen mit allen Gräften 
roiberfte^en, — unb biefelbe aRapme foQte auf anbre übertragen 
fd)ledfjt fein! £ann eben wäre fie fein unbebingteö ©efefc. 



2t. fagte von Xotftoiö 33udf)e, — eö fei ber Unjtnn etneö 2Batyn= 
finnigen. 3$ bemerfte bagegen, eö fei bie fleißige 2trbeit eines 
^rrenben, ber aber in allem ©rnft nadf) ber Sßaljrljeit beö ©Triften- 
tumö ringt. 

eiani«9. ßenrg ©tanlep im bunfelften 2lfrtfa, Hettitng oon 6min ^Safd&a, 

jroei 33änbe — geftern beenbigt. So roidjtig bie geograpljifdben 
SRefultate ftnb, baö Jpauptintereffe liegt bodf) für ben Sefer in ben 
menfd&lidfjen ©efdf)i<fen unb ©tjarafteren, bie jur SarfteHung fommen. 
@ö ift weniger eine ßrntbedfungöreife, alö ein friegerifdjjer 3^9 • 35a^er 
ift baö SBerf ein politifdfjeö, mefjr als ein befd&reibenbeö. SBergleid&en 
lägt eö ftdb mit ber 2lnabafiö beö Xenopfjon. Stanley erfdfjeint ftd& 
felbft wie aWofeö, ber fein 33olf au* 2leggpten führte. 2ludf> barin ift 
er ein 3Wofeö, baß er mit Ijartnäcfiger Älug^eit fein 3Jolf befjerrfdbt, 
unb bie Prüfungen uon Äranfljeit, junger unb geinbfeligfeit munber= 
bar trägt unb ü6em>inbet, — aber audf) barin, bafc ber Ungefyorfam 

unb Slbfall broljt, fobalb er ben 9iü<fen roenbet Stanley gebt 

auö ber ganjen Unternehmung Ijeruor, alö ein großartiger, fjelbenljafter 
£eerfüf)rer. 

2!d)cm^ctt)sftj. ÜfdEjermjfcberoöfT) ift ber langroeiligfte SRomanfdEjriftfteller, unb 

bodf) j)at er ©dfjule gemacht. 3ft ber ftanattfer nidjt in ber Siegel 
gefäljrlidf) unb langweilig jugtetet)? 



African Farm of ^ie $ürftin o. Ijat mir Semerfungen gefd&rieben über eine Meine, 

Ralph Iron f _^ . . 

(Olive shrmer). aber ticfftnutcje Diooelle: otory of an African Farm by Ralph 

Iron (Olive Shriner). SBorläufig fdjeint mir an bem 33udf>e merk 
roürbig ber überfinnlidfje Xrieb otjne überfinnlidfjen ©lauben, 
bie ganje Xenbenj ift ein fublimierter SRealiömuö ; alle fieibenfdfjaften, 
bie ba oorfommen, finb eigentlich oljne Süfternfieit. 2>er £ob fommt 



— 271 — 

in bem 93ud)e t>or immer als ein milber greunb, unb oon ben feiten 
fe^lenben pljpfifdfjen 2J?artern ift abgefe^en. $n Wefcr 33ejief)ung ift 
ber 2lutor nic^t realiftifd) unb oieHeidjt jugenblidf). 



SRcmbranbt alö ©rjic^er, 25. Auflage, fjat ber anonyme 33er- «cmbranbt ai» 
f äff er burdf) feinen 58er leger mir jugefdjicft, infofern mit @rfolg, alö <5r ^ er - 
id) fonft an ben erften Seiten genug gehabt fyätte. ^efct fefc id& eö 
burd), um ju erfahren, was ben ©rfolg beö SBerfeö erflären lann. 
Der 2lbfd&nitt „Deutfd&e Äunft" biß ©. 57 l>at eö mir nid)t oerftänb^ 
lief) gemacht. Urteile ber SBiHfür folgen barin jwar aufeinanber, aber 
nid)t auöeinanber, ju @nbe of>ne ©d&lufc. 3ft unter baö beutfdje 
Sßublihmt ein Sebürfniö oerbreitet nadf) Spielereien, in langweiliger 
SKaöfe? 93ieHetdf)t finbet fid) tocitcr etwas jur Beantwortung meiner 
ftrage. 

Die fragen, womit obiges abfd&licfct, f)abe idfj ba^in beantwortet, 
bafc bafc Sudf) bes £errn ÜJeroer: „9tembranbt als ßrjietjer" ein 
SRarrenbucfc ift. SRidfjt ber 2lutor ift ber 9tarr, aber woljl bic baoon 
25 Auflagen tauften unb fogar burdjlafen. 34 ^obe aber bas 
33ud> auf 2lnorbmmg bes Autors oon ber 33erlagsbudE)l)anblung $u= 
gefd)idt erhalten, unb Ijabe fomit bas Sudf) nicfyt getauft unb nur 
jur &ä(fte gelefen. Alfo Ijabe id& midf) nur ein Viertel fo mel alft 
anbre jum Darren galten (äffen. 



aSerfud^en will id) eine Definition bes Aberglaubens ju geben,, 
fo wie idf) iljn auffaffe. SÖunberglaube, Aberglaube, 3 au t> er 8^ au ^ e 
finb für mid) Arten einer ©attung. SDicfc ©attung fönnte man 
Ueberglaube nennen, (Ss ift ber ©laube an finnltdje Vorgänge, beren 
nädjfte Urfadfjen bie menfdfjlidje ftaffungsfraft überfteigen. SSJenn biefe 
unbegreifliche nädfifte Urfadfje ber eingriff eines guten ©ottes ift, fo 
gibt es bie erfte Art: bas äöunber. Oft es eine böfe bämonifc^e 
3)tadf)t, fo fommt bie jweite 3lrt ju ftanbe: ber 3 au ^ er flf ai| t> e - 

3Bo enblid) nur ein bliubes, ber ©innlidjfeit immanentes Jyatum 
oorausgefefct wirb, in einer bas inbioibuelle ^ntereffe bes. 



— 272 — 

■Kenfd&en bebingenbcn Sßetfe, ba lomtnt es (sens strict) ju bem 
2t b er glauben. — Aber* unb 3 a wberglaube werben jeboclj oft ju= 
fammengeworfen. 

38as nun bie ©egenmittel anbetrifft, fo wirb es immer fdfjwierig 
bleiben, wenn man nidfjt bie ©attung oertilgt, bie 33ilbung ber brei 
Arten ganj 511 be^inbem. 33is ju einem getoiffen ©rabe ift es aber 
bodf) gelungen, bie fd&wädfjere 3trt burdfj SBud&erung ber [tarieren ju 
oerbrängen. Die Hebräer ^aben }. $. oiel weniger 3 au &^ «nb 
Aberglauben gehabt, als bie Hellenen. Die Äirdfje tyat gegen ben 
Aberglauben geeifert, unb nidf)t o^ne Grfolg in ©uropa, — unb wenn 
ber SÄofaismuS im SBortfyeil geblieben, fo Ijat baju ber erflujtoe 2Rono= 
ttyeismus beigetragen. Die Unmöglidfrfeit bes ganjen ©cnus getyt nad& 
meiner Definition baraus fjeroor, bafe unbegreifliche nädifte Urfad&en 
Toeber finnlidf), no<$ burdf) ben SSerfianb wahrnehmbar fein fömten. 
"Ulan Ijat alfo nur bie Abwefenljeit begreiflicher Urfad&en fonftatiert 
xinh per contumaciam auf unbegreifliche gefdfjloffen. 9Barnm fxnb 
©lüdsfpieler, ftriegsmänner, Säger, Seefahrer unb bie oon ber 
Witterung abhängigen Sanbwirte bem Aberglauben fo jugängli^? 
SBeil i^nen ©lüdf unb Unglüdf oon 2Bedf)felfälIen abfängt, beren un= 
abfefjbare ftaufalreifyen mit iljren Äreujungen in ifjrem ©emüt un* 
abläffig quälerifdf) gefudtf werben; es ift ba ein vaeuum, bas mit 
Aberglauben gefüllt wirb, wegen einer Art horror vaeui. Die menfefc 
lid)e llnwiffenfyeit, fo natürlich fie ift, oerlefct ben menfdblidjen Dünfel 
fo fef)r, ba§ man lieber bas Uebcrnatürlidfje glaubt. 9Bürbe bas 
Unbegreifliche wirflidf) wahrnehmbar werben, alfo in bie menfdf)fidf>e 
ftaffungsfraft pofitio gerücft werben, — fo Ijörte es auf, fo tranö- 
feenbent ju fein, wie ein SBuuber es erforbert. 3ft & ur d) fold^e &r* 
fenntnis bie 9Ka<f)t bes Aberglaubens nidf)t ju befiegen, felbft in ben 
Äöpfen fef)r gebifbeter, fdEjarfer Denfer, fo erfläre idjj es mir burd) 
bie SRufye mit ber im ^nbtoibuum 2Btberfprüd)e unausgeglichen neben 
einanber woljnen, unterftüfct oft burdb bie ©infeitigfeit ber öilbung, 
wie es j. $. abergläubifdfje 3Katf}ematifer gibt. Sßenn aber bennod) 
ber Aberglaube im allgemeinen in ©uropa abgenommen fyat, fo fdbreibe 
id) es ben moberuen ©rfinbungen 311. Sie leifteten ©röteres als bie 
Söunber unb ifjre beliebige 3Bieberl)o(barfeit für jebermann jerftörte 
ben ÜWimbuS ber unbebeutenberen Vorgänge, für bie man früher über* 
natürliche UrfadEjen annahm. Der £elegrapl) $. 23. wirft buref) größere 
Siäumc, als bie Swebenborgfdje £ellfeberei u. f. w. — Dem fitt* 
fidlen ©ebot: „Du follft nid)t abergläubifd; fein", — lege idfj nur 
einen bebingten Stfert bei. 9Barum foH id) es nid()t fein? Die Hirdbe 



— 273 — 

fann antworten: „Stuft @otteöfurdf>t unb 2Bunberglaube", unb etwas 
wirft bas. Audf) ber ®eift fann fagen, baß ber Aberglaube ber 
©ottesorbnung wiberfpridfjt unb infofern für baö ©ebot eine Unter* 
läge finbet. ©er SRaturforfd&er antwortet, ber Aberglaube wiber- 
fpricijt ben burdf) taufenbfältige unb ftets wieberljolbare ©rfaljrungen 
nadjgewiefenen ©efefcen ber Sinnenwelt. 2)er ^Jfjilofop!) enbltdfj weift 
nadj, baß er einen 2Biberfprudf) in fid) enthält, ein unwal>rnel)mbarea 
SBaljrgenommeneä, nadj meiner Definition. 3um Sd&luß nod& : meine 
greunbe SJ. glauben, wenn itynen ein Sd&wein begegnet, baö bebeute 
ein Unglüdf für fie. ein 33ebürfnis liegt ju ©runbe, bie Vorgänge 
ntefjr ju mothrieren, als man es fann; biefem Sebürfniö entfpredfjenb 
*ntwtdfelt ftdf) oft fpielenbe @inbilbungsfraft 



2Bas Sie oon £. unb ben metapfiijfifd&en s }5f)ilofopl)en im alU 
gemeinen fagen, baß man an i^ren ^ßrobuftionen ju fauen fjat, als ob 
es altes ftubfleifdf) wäre, fyat midf) oergnügt, weil eben oiel 2Ba{)res 
baran. Ariftoteles, ber oft genannte unb fo wenig gelefene, ift ber 
großartigfte Seberf abrif ant *) unb nodj immer ift fein SBorrat aus= 
reidjenb, baß mand&er Jüngling ein ^?aar neue Sdfjufje fi$ barauS 
fdmeibet. 9Ketapf)t)fif wirb wofyl, ebenfo wie Sdjjutye, immer mit Seber 
gemalt werben müjfen, ba eö felbft bem ^ßlato (f. ^armenibeS u. a.) 
nid&t anbers fjat gelingen wollen. 



©UtapfofH. 



3Wir war bie ©efd&id&te ftets ein triel ju flüffiges ©lement; — 
idf) begreife ni(ftt, wie man fein Sieben lang barauf fjerumjufdfjwimmen 
fid£> entfdjließen fann. 2öo ber fefte Stoben ber wieberfyolbaren @r= 
fafyrung ober ber unabänberlidjen ©enfgefefee fefjlt, fängt für mid) 
praftifdf) bas Abenteuer, ibeell ber Vornan an. Anbre ©eifter f dfjeinen 
wieber fo organifiert, baß, wo fie auf bas Unabänberlid&e ftoßeu, bie 
Langeweile für fie anfängt, — fte bebürfen als OJrunblage ber beweg- 
lichen Smpfinbung. 

*) 2luS einem ©rief an Dr. ©etjblifc. 



Strföicbtne 
Qeifteoanlagm. 



*u* ben lagebudjblättfm bt* trafen H. ftetjferling. 



18 



eOaratteriftir. 



— 274 — 

Sßirb uns bic 2lufcenwelt ganj einerlei, bann geljt ed mit bem 
inneren £>enfen auf bie Sänge abwarte von ben gefunben 33a^nen A 
auf bie ber 9Kenfdf) angewiefen ift, wenn er audE) jidf) barüber ju er- 
fyebm meint. 

Stemard fjat einft Sasfer mit jwei SBorten unübertrefflich df)araf= 
teriftert; er nannte i^n einen ciceronifierenben ©ato, — unb mürbe, 
meine idf), bamit geregt ber £ugenb, fowie ber überfliejgenben unt> 
üon Äenntniffen ftrofcenben SRebegabe beö 9Kanneö ber Oppofition. 



33iömarcf, ber größte %itan ber Staatsmänner unb beö Cppor- 
tuntemuö ! 



um ö efet,rt. ®ie ftürftin ©. erjagte mir, wie ber alte $idE)ter $ürft SBja^ 

femöfij bis ans ©nbe ber Verliebte gegenüber ber Äaiferin mar unb 
oor Siebe nerrüdt rourbe. ttmgefeljrt, benfe idf), bie SBerrücftfjeit machte 
ifjn, ben efjrwürbigen Sid^tergreiö, verliebt. 



«moraiiidt. äöenn SWoralttät in ber menfd)(id)en ©efellfdjaft foll geförbert 

werben, ift ber ^ntetteftuaHsmuö etma gefäfjrttd;? ©ewife ift baö 33e= 
wufttfein be£ SPienfd^en ju enge, um gleichzeitig mit einer Aufgabe 
für ben ©djarfftnn unb einem Stü^rungögefü^I erfüllt ju fein. SBiff 
man feiner £fjränen #err werben, fei eö bei einem ©dfjaufpiel ober 
bei wirflidfjen ©rlebniffen, oerfudje man nur an ftdf) einen matl)c~ 
matifdjen 33eweis ober bie Ermittelung unterfdfjeibenber ©fiaraftere 
organifdjer SBefen, ober man oergegenwärtige fidf), wo etwa bie ©<f)äbe[~ 
fnod&en iljre 9Mf)te fjaben, wo 3roerd()fell unb ©ingeweibe im Stumpfe 
liegen u. f. w. — es wirb fogleidE) bas ©efüfjl gehemmt unb ver- 
bringt fein, baö bie Stützung bis gu Sljränen Ijeroorbradfite. ©ö Der= 
brängt baljer bie ©ittlidEtfctt au*> ©infidfjt biejenige au& Neigung, — 
Siebe unb Sieligton mit erfyebenben unb fcfjmeljenben ©mpfinbungen 
finb aber Slffefte unb feine ©infidfjten. 2Kan foll jugeben, baß ber 
fortfdbreitenbe QntelleftualiömuS bei ben 9Jienfdf)en bie Sieligiofität unb 
bie ©emütlidjfeit einengt unb mefjr unb meljr jurüdfbrängt. SBaö 
folgt aber barauö für bie 3Korafität? 2>ie $eittn ber religiöfen Qtx= 
regungen tjeftigfter 2lrt waren nidf)t gerabe 3 e üen tyty* Sittlidftfeit. 
^nbeö um fiel) ben 3 u fammenf)ang flarer ju madjen: benfe man fid& 



— 275 — 

eine $lafd&e beraufdfjenben $nl)alts un & b a 5" einen SRenfdfjen mit 
einem geroiffen £ange, bie glafdje ju leeren, ©ott fjat es verboten, 
fönnte ber SKo^ammebaner fagen unb ftd) enthalten. 216er mit ber 
Autorität fann man auf Stosfunftämittel finnen. ©igentlid& ift ja 
nur SWaturroein oerboten, aber 23ier, Sranntroein, Champagner, — 
bas fäfet fid) bejroeifeln. ferner $ e * i a wöglidfj, feine Uebertretungen 
ju x>erbüJ3en unb wegen ber -iKenfdjenfcfjroäcbe unmöglid), feine Ueber= 
tretungen ju begeben. daraus folgt, feine triebe malten ju [äffen 
unb Ijinterljer es gut ju machen; nur fo fommt es ju einem leben* 
bigen ©efüfjl ber ©nabe ©ottes, bas ber ftoifdfjen ©ittlidfjfeit un* 
befannt ift. 3" ber ^ra^is ift niemanb burd) Religion dou ber 
Xrunffudjt befreit roorben. SBenn aber bie Ginftdjt letjrt unb bie 
Grfatyrung es fjart ju fügten gibt, wie oerberblidj für bie ©efunbljeit 
baS Xrinfen ift, — entfielt aus ttlugfjeit, nidfjt aus SWoralität ju= 
roeilen 3 ur "^^ a ^ un 9 / — un & auö biefem erfl ^ppot^etifd^en 3m~ 
peratio fann ber fategorifcfje fid) entroicfeln. SDie Vefämpfung ber 
Völlerei burd) Ginfidjt fefteint ausfiel) tsoo Her als burd) 9teligiofität. — 
Saßt ftd) aber bas nidfjt auf bie meiften Verfügungen burdf) finnlidje 
triebe übertragen? [Xk SWoralität aus Vernunft ift bie fid&ere, ift bie 
fortfdjrittlictye. 

Xk Umftänbe mad)en bie Greigniffe erfreulich ober betrübenb, S"*! 11 ? unb 

wntpftnbung. 

unb es ift geroift roabr, bafc fie in allen 31bftufungen milbern unb 
oerfdfjärfen fönnen. Silber bie Gmpfänglicbfeit unferes Gmpftnbens ift 
ber anbre ftaftor. 3ftn ganj in unfrer ©eroalt ju fyaben, ift eine ju 
unnatürliche ^orberung, um fdjön ju fein. 3lbcr fobalb roir bie 
Xfjatigfeit bes Verftanbes ober ber äufeerlidfjen Verrichtungen a\u 
fpannen, leiten roir uon ben Gmpfinbungen unfrer Seele ab. GS 
legt fid) ber SBellenjdfjlag unfrer ©efüfjle. 



5Racb meiner 3luSlegung ift „bas 9JJäbcben aus ber ftrembe" bie »«* «m^*« «»• 
Trägerin bes fröf) lieben ^erjens. 



$t)x Vricf bringt einen roarmen 3 U 9 * n meine rointerlidjen Gnu ^«uetfeit. 
pfinbungen. Tenn föfttieb unb fet)r angebracht ift 3b* föumor. 

£er Junior befreit unb ift bem -Bienfcben gut nod) auf bem 
Schafott, Ter ernften Wcfinnung unb Vefiummg braucht er feinen 
3lbbrud) ju tfjun. 



— 276 — 

Die cheerfulness , wie bie ©nglänbcr fagen, — bas fröf}Hd>e 
$erj lögt fidf) nidf)t airoernfinfteln. SBtr Ijaben es juweilen aufcrftc^en 
gefüllt, wenn wir jufammen gewefen ftnb. 

Die £erjensfröl)lid()feit erhält fidf), wie ©ie fagen, am bcften burd) 
bie Danfbarfeit gegen ©Ott. 

3Wan fott, benfe id&, bie ßeiterfeit ^erbeinötigeu bis jum äujjerftcn ; 
— bas ift nid^t grioolität, fonbern ^ßflidf)t, uns ben Äopf freier ju 
wahren unb Sott t>ielleid)t richtiger im &erjen 511 behalten, als wenn 
man fidj in £rübfinn gefjen lägt. 



3Jtein ftreunb 33aron Sernljarb Ueyftill tyat in feiner langjährigen 
Sttinbljeit unb o^ne fielen unb gelten ju fönnen, von vielfadfjen 
©d&merjen oft ergriffen, in feiner itebensorbnung Diel SSeistyeit be~ 
wiefen. @r fjat f ein Seben . anbern nüfclid) unb fid) erträglich, ja biö= 
weilen ergöfclidf) ju mad&en gewufet burdf) einen weitfjerjigen ©ebraud) 
feines 9teid)tumS; — ntcf)t fapitaltfierenb, aber fruftifijie= 
renb! unb in beftänbiger pflege ber Sterftanbestyätigfeit. 



G^riatanismus. Dr. 9Ra<f enjic ift ein SDteifter gewefen, bis ans ©nbe ju täufdben, — 

unb für biefe Äunft pdf) fiodf) bejahen ju laffen. 

©onft beantwortete id& mir bie ^rage, weldjes bie ©ebiete bes 
GtyarlataniSmuS in oorjüglidjjftem ©rabe ftnb, mit ben brei folgenben 
©ewerben: Sieligion, Üöiebijin, ^äbagogif. Das bebarf einer ©rgänjung. 
Das ©ewerbe, t>ermittelft fimulierter SBeisfjeit fidf) unb anbre ju be= 
fdfrwid&tigen, in ©id&erfyeit }u wiegen u. f. w., ift ber ßfjarlatanismuö. 
©s ift eine Äunft, auf Äoften anbrer ju leben, bie man betört. 3Sor 
allen Dingen gehört bie Diplomatie in bie 9?ei^e biefer Stünfte. 
©lud lieft machen ift oft ber SBorwanb. ©inem Slrmen einjubilben, 
bafe er reidf) ift, unb iljm von bem ©einigen baftir ju nehmen, roirb 
niemanb für ebel galten unb für fing, ©s ift eine genaue Äenntnis 
feines SBermögensftanbes bie einjige richtige ©runblage gefunber 35er= 
mögenSwtrtfd&aft. 28as oon bem ©elbc gilt, wirb oon leeren ©ütern 
nidf)t minber gelten. Die 3Kenfdben jur Selbfterfenntnis ifyrer Un- 
wiffenfjeit anzuleiten, bas mar bie fittlid&e £anblung eines ©ofrates. 
Denn nur auf biefer ©runblage fann blcibenbe 2Bal>rfyeit erworben 
werben. Die ©cfyeinfenntnijfe, oon benen bie ^Jriefter, Doftoren, 



— 277 — 

Diplomaten unb Sßäbagogen leben, fie galten bie SRenfdjjen in Uiu 
wiffenljeit, — mit füßer Setfyörung ober mit grimmiger Verfolgung 
tmb Drofjtmg. 

3n baö gefinnungötüd&tige Setrugöoerfa^ren lebt fidfj ber fdmmdje 
2Renfdf) fo fd^ncll hinein, baß er nidf)t mefjr weiß, ob er bloß bie 
anbern ober audf) jid& felbft betrügt. 



®in guter Diplomat ift wie ein gugeritteneö Sßferb, baö mit ber= 
felben ©rajie rüdfwärts fdf>reitet ate oorwärts. ©ortfd&afoff wirb fid) 
ate2Winifter in ber reculade geigen muffen, um ben ^rieben ju f Raffen. . . . 



Die fiüge foHte bei Äinbem burdf) Vermeiben alter ©elegentyeit s%- 
baju unb burdf) -Rid&tbead^tung eingebämmt werben, — nidfjt burdfo 
offene unb fjäufige Vermaljnung. Die ©elbftad^tung muß gefront, 
gewedft werben. Die Vorauöfefcung muß burd^bliöen, baß bie ©elbfb 
erniebrigung in ber Süge ju groß ift. 



Der Sügengeift ift unermüb lid&er als ber ©ifer, feine ©rfinbungen 
jured^t ju ftellen. Die SBaljr^eit geljt nid&t oerforen, baljer i^rc Slube 
unb SBerbrängung aud bem £ageögetriebe. 



Sügen gibt baö 2Bort, unb fomit bie Vernunft beä Sügnerö ber 
Verachtung preis, — ©df)amgefüf)l : moraltfdfje Vlöbigfeit, wenn man 
babei ertappt wirb. 2lber audj ba madf)t ber SBiUe ben Untertrieb. 
6ine oergnüglidfje Did&tung unb alleö, was fidE) nidf)t mit bem 2lnfprudf) 
auf 2Baf)r{)eit probujiert, ift anberö. Sßofjnt ber ^ßoefie böfer 9Bitte 
bei, fo ift fie gewiß unfittlidE), aber oon ber eigentlid&en Süge unter* 
f Rieben. 

2Jtan fann otelleid)t in gewiffen fällen fjart fein, weil man bie 
3ßeidf)f>eit feines eigenen £erjens ju fefjr fürdf)tet, — wie man oiedeid&t 
audf) weidf) fein fann, um ber ftdf) regenben #ärte bes ^erjenö ju 
fteuem. 



Seföetben^cit. 



— 278 — 

Sie SdEjeu in feiner ©igenliebe, in feinem Gtyrgeij uerlefct $u 
werben, aerleiljt eine fdEjeinbare öefd^eiben^eit, in beren Statten ber 
£odf)tnut erft red)t gebetyen lann. 2Birflidf)e Seiftung madjt in ber 
Siegel befd&eiben, aber geplante Seiftung, aus ber nur wenig geworben 
ift, blä^t auf. Ser redete SBramarbaö gebeizt mel)r im ^rieben, ate 
im Äriege. Sie Dfftjiere, bie Sewaftopol oerteibigt Ratten, — bic 
beutfdfjen Dffijtere nadj 1870 waren emft unb befdjeiben geworben. 
Sie öffentliche ©d&ule mad^t befd&eiben, — wenn fie richtig geleitet 
ift. Sie SBatyrtjaftigfett madf)t befdjetben. 



3 fl noran8. ftitty M* Sgttoranj fjarmloö auf ben ^faben ber ^infterniö umljer, 

mag man fie md)t wiber SBittcn beleuchten. 2lnbera, wenn fie fiel) 
anmafjt, für anbre bie 23orfeljung $11 fpielen. 



sBerftanb. SBerftanb fann freiließ audf) unweife mad&en, fobalb er nur barauf 
bebaut ift, fidf) unb anbre mit Keinen unb großen Sonetten ju flber= 
raffen. 

©inigen lann eä gegeben fein, mit Sd^lau^eit burd& bie 3Belt 
ju fommen. 3ft man aber $u wenig baju beanfagt, bann follte 
man ftd& uorne^men, nie anberö als reblidfj ju fein, was au$ anbern 
©rfinben ofmefyin ftdfj empfiehlt. 



iin\>erfiQnb. Sem 9)ieufdE)en wirb oft tierifdfoer Unoerftanb jugefd&rieben unb 

er fjat bodf) an bem menfdf)lidE)en Um>erftanbe genug ju tragen! 



arunijuftt. Xrunffudjt burdf) Vernunft ju fjemmen, ift fdfjwierig, — ba muß 

baö SBolf gebilbet fein, wie erft nadf) taufenb ^afjrcu metleidfrt! — 
SJtit unoernänftigen Offenbarungen fjat ber füfterne Äriegöljelb 3Wo= 
Ijammeb eö wirffamer burd^gefe|t! 



un»enneibii«. Seinem ©efdjidf lann man nidbt entrinnen, 

leiber audfo nid)t feinem Ungefdjicf. 



fo Reifet eö, — 



— 279 — 

Die Unflarljeit nrirb oon ber Äfar^eit beriefet, wenn bie Unftar^eit un«or^u. 
für bic oage Hoffnung auf ©rfüttung t>on 3Bünfd&en eine fdfjüfeenbe 
£fiHe bilbet. 



©ö gibt 2Henfd)en, wie bic jugefd&raubten ^lafdEjen t>on ©eitert 
roaffer ober Limonade gazeuse, bie man ©ipfjon nennt. Drüdft man 
baran, fo jifdf)t immer baöfelbe ^erauä. hinein bringen aber lann 
man nidfjtö, es fei benn, man nimmt bic glafd&en auöeinanber. 



SRotlet) gehörte ju ben Naturen, bic eine Begabung in fid^ mit 
<3runb perfpüren ber geredet ju werben ifjnen nidf)t immer gelingt 
unb baö mad&t blöbe, nrie tdf) mir oorfieüe. 



83ernagt(t. 



3Kan ftnbet bic ©orte t>on SRenfdfjen bic an S3etrad^tungen scniMeu. 
©efaHen pnben, bod^ nidf)t Diel. 



Befangenheit. 



Den 2Jtenfd^cn mirb eö fd&roer, if)r Unred&t einjugefteljen, befonberö «etwabewi. 
aber in bem ^aüt, roo eine anberöroo ^errü^renbe ©egenfäfetid^feit per= 
fönlidfjer 2trt fjinjufommt. 



Äurioö ift bie mebijinifdfje Slontrooerfe über ben Slommabajittuö. 
tpettenfofer madfjt fidfj anfjcifd^ig, nidf)t nur ben Äommabajittuö in be= 
liebiger SJienge ju üerfpeifen, fonbern audf) einen -äWagenfatarrf) 311 
befferer Siejeptuutät fid^ Dörfer anzulegen. Daö erinnert an ben 
©ängerfrieg auf bcr SBartburg. Der Ueberumnbene fefct baö Seben ein. 



©ettfamtf. 



Die 2lbnafjme in ber Dtepofttion liebcooU teiljimefimen an ben 
©mpfinbungen unb SBeftrebungen unfrer 9Ritmenfdf)en, ift mir bemerk 
lidfj. Db baö Sebürfniö, burdf) gemütlidfje Xeilnafjme anbrer bic 
eigenen Seftrebungen begleitet unb gehoben ju roiffen, in gleichem 
3Rafce jurüdfgetreteu ift? — SBo aber liegen bie Urfadfjen ju folgen 
(Sejinmmgäänberungen ? ©inb eö Dampf unb @leftrijität, meldte bic 
$aben beö SBerfefjrö fo lang unb Derjroeigt gemalt fyabcn, bafc fie für 
ben nädfjften SBerfefjr bünncr geworben finb? — 



3ntenfu> unb 
eytenfu). 



— 280 — 

sicftioflatctt. ©ö gibt eine Sät bes £af)eö, roie c§ eine $eit & er Sithe 

gibt; — junfdjen eigenwilligen, ber SSermtnft unjugänglidben SWenfdien 
gibt eö faum ein 2Rittel bagegen. 



2)ie jefct fyierardfjifd) oerfinfterte, einft fo liebenäwürbtge ©räfin 8. 
tjat äße forperlidfje unb geiftige greiEjeit verloren unb bie ßmpfmbungen, 
bie ftdf) in ber ©ebunbenljeit aufbäumen, tonnen meift nur baö ©ewanb 
ber ©ntrüftung an ju$ tragen. Xraurig, aber unabänberüdf). SBer 
nidjjt nadfo ber SBafjrljeit ringt, fonbern nur nad) ber eigenen ©eligfeit, 
oerirrt fidf) um fo grünblidfjer, je größer feine ftraft, je heftiger fein 
Verlangen ift. Eine ftumpfe pljlegmatifdje 9totur bagegen bleibt in 
ben SSorftufen be$ Irrtums, gleidfjfam am SRanbe beö Sumpfes ftedten, 
unb friftet bort ein erträgliches £>afein. 



ininaf^mt. £>er Steige ftnbet meljr £eilnaljme als ber Staue; er Ijat me^r 

perloreu unb Ijat au&gebreitetere $efanntfdf)aft. 



Ottern unb 

Seteinfamuna. 



Slelter werben, baö ift nur bann ein Unglücf, wenn man ed nidfjt 
oerftefjt, ober ju fefyr oerarmt an SDfttteln beö geiftigen Sebenä, 8e= 
jie^ungen ber Siebe ober SBorfagen jur Arbeit. 



■JRand&e 33eobad)tung beftätigt meine SSorftellung, baft man rudt- 
weife altert. 

©ntfteljen große bauernbe Süden im £afein, fo bcbflrfen mir 
täglicher ^pflidEjten, bie \m§> auf feften Stegen weiter brängen unb uns 
bie 3*ü ™fy fofftn, riel ftillc ju ftefjen unb ins Seere ju ftarren. 



2Jtef)r unb mefir überfommt midi) geiftige ^nbolenj. ©s ift bie 
golge nidjt blo§ bes 2llterö, fonbern ber geiftigen SJereinfamung. . . . 
$ä) fomme nid&t meljr jufammen mit irgenb einer arbeitenben SJkr* 
fönlidfjfeit auf bem gelbe ber ©ebaufen. 



— 281 — 



ßs ift ein ^ofjeS ©lud, Qit bemfelben SffiiffenSjtoeige bis in ein 
uorgerüdtes älter fortarbeiten ju fönnen, bem man ftdfj in jüngeren 
3af)ren aus Neigung unb berufsmäßig geroibmet fjat. 



Die intetteftuellen Hilfsquellen oerfagen leiber oiel ju früf) bei 
ben meiften grauen unb 2Wännern, unb ofyne biefelben ift bas ©reifen= 
alter fd&merer, als es nötig wäre. $on <£utf)anafie ift triel bie 9tebe 
geroefen, trofc ber fpöttifdben 33emerfung SWontaignes, bafc es faum 
nötig wäre, fid) auf bas Sterben üorjubereiten, ba es bis jefct jebem 
gelungen wäre. SSon ber ©ugeroufie ift aber {ebenfalls mefjr ju 
galten. 3$ meine, bafc man fid& bie SRejepthntät, burd) Deifnafjme 
an ben gortföritten bes menfdfjlid&en SBiffens unb 33erridf)tens unb an 
ben Schöpfungen ber Äunft, nadf) llmftänben möglidfjft ju erhalten 
fud^en muß. Die Sßrobuftimtät mag bann im 3lfter immerhin jurücfs 
treten. 



©fücflidf) ift es, wenn man im 40. ftafyxe etwa in bie fonnige 
SBärme unb funftfinnige Sdjönfyeit 3 ta K enö ftdjj tauten faun. 3$ 
Ijabe roenigftenS bas ©efül)I, bafe in ber SRäfje bes 60. £ebensjaf)rcs 
ein 3luf enthalt in Italien mir bas nid&t nriebergeben fönnte, was idjj 
für biefe SBelt oerforen fyabe; bie reine Jreube an bem frönen Dafein, 
ofynt weitere 33ebürftigfeit, ftraljlt nidjt aus bem 2tuge bes leeren 
SllterS; bie einen werben ju emft, ju fcfjr oon Problemen unb 0e~ 
fdf)äften benommen, anbre ju ftumpf. 



Die alten £age finb einfam, aber wenn bie ©efunbljett nidjjt 
fefylt, bie milbeften bes CebenS. 



2öol)l mag es richtig fein, baft man bie 3Ketapf)t)fif in probuf= 
tfoer SBeife nur im fräftigften 2Rannesalter treiben fann. Sollte es 
aber nidf)t aud) baran liegen, baß fidf} bas umfidfjtigere 2Uter meift ein- 
geftef)t, ba§ es ju einer ganj etnfieitltdjen, fyftematifcfyen 2i$elfc 
anfd^auung gar nid&t bie ÜWittel befifct, tme man es in ben (Jugend 
liieren) 3^ten bes Schaffens unb Drängens fid) erft als unentbehrlich 
unb notroenbig üorgeftellt, unb bann als porljanben eingerebet 
t)at. Die irrationalen ©röfeen unb bie unvermittelten ©egenfäfce — 



— 282 — 

ja mit äßorten würben fie umtauft unb umfüllt — , aber es tritt 
mit ber 3 e ^ J u ^ a 9 e / waö fünftlid) jufammengefittetes Stücfroerf 
barau ift. 

»arranbe. ©eftern melbete bie 2lllg. 3 e ^ un 9 & cn ^°b be% ©eognoftcn 

33arranbe im 85. ^afjre. ©r Ijat in ber SBiffenfdjaft burdf) fein Stiefcm 
roerf über bie filurifd&en SBerfteinerungen Söljmcns fidf) ein 2>enfmal 
erfter ©röße gcf Raffen. ©r ift fieljrer unb fpäter 5prioatfefretär bes 
©rafen ©fjamborb geroefen, treu unb geroiffenfjaft, eraft unb naty 
faltig. Sitte tütffcnfdEjaftlid^en greunbe, 9Jteifter unb öefanntc, fo fd&eint 
es mir, finb vor mir bal)in gegangen, ©in mir frembeS @efdf)led>t 
ift auf allen ©ebieten fyerangeroad)fen. 



©rtjeba*. 



3Me SJJoft braute bie 9tad)rid&t von bem £obe meines alten 
greunbes, 2tug. ©rifebad), bes großen Sotanifers unb SJerfaffers ber 
Vegetation ber ©rbe! SUleine 3^itgenoffen r bie meine nriffenfd&aftltdfjen 
^ugenbbeftrebungen gefannt unb meine 9Rannesarbeit geteilt Ijaben, 
finb nun faft alte heimgegangen, $n fonferoatioen ^afjrljunberten 
mag ber 3urü<fbleibenbe fidf) weniger geiftig ifoliert füllen. $n unfrer 
mel)r unb mefjr von £)ampf unb ©leftrijität rabifal ueränberten 3 e ^ 
ift ber Unterfdfjieb ättnfcijen ben Vettern unb Söfmen ber ©eifteSricfc 
tung naä) roafjrfc^einlid) größer, als in geroöfjnltcben 3^*^ — unb 
ber üNadfjnmdjS fennt bie ^beale nidfjt, für bie mir fd&roärmten. 

©rifebadf) war eine feine gef<f)madfootte 9Jatur; ein richtiger ^ßrieftcr 
ber scientia amabilis. 



^rofeffot ff^nct, 2Clfo audf) ber alte Jedfjner ift f)in! es ift mir lieb, baß idfj i^n 

fietojifl. im ^aljre 1873 bei s £rofeffor Strümpell als meinen Xifdfjnadjbar 

fennen gelernt Ijabe. ©r war fo ebel fiebensroürbig, unb fd&roer mag 

es fein, Don biefem eigentümlichen ©eift ein genügenbes Gfjarafterbilb 

ju geben. — 



S8iRenf*aft. 



So lange man imffenfdfjaftlidf) arbeitet, bat man bodf) ein ganjeS 
Stütf 9Jtenfdf)l)eit ju beffen Vorrat man einen fleinen Seitrag liefern 
lann, oor fiel). 



©eiftlofe 9Kenfdf)en fönnen jünftig fdfjreiben, gut für bie Söiffen* 
fdjaft, — aber populär, bas vermögen fie nidfjt. 



— 283 — 

3)ic richtige 2trt von ©emeinfdEjaft, bie in ber 2Birffamfeit für 
bic Aufgaben ber ©egenroart im £inbli<f auf bic Buhmft befielt, gibt 
audf) bem ©injetleben ©e^aft, meljr als bie raffinierteren flüd^tigen 
©enüffe, ober fterile, wenn audf) rüfjrenbe ©ntfagung. 



(Semeinföaft. 



®ie üerfdfjiebenen Anregungen ju öffentlidjen SBorträgen finb einffus 
trielleidfjt auf bie 9ttänner ber 28iffenfdf)aft oon nidbt geringerem ©influfe 
ate auf bie 3Kaffen. Agaffij j. 33. Ijätte fid), oljne biefen Ginflufc in 
•ftorbamertfa fefjr reidfjlidf) ju erfahren, nie an bic SJefdjränfung unb 
Älar^eit gewöhnt, ju ber er gelangt ift. 



9Kan fpridf)t von ben unjäfyligen SBereinäoerfammlungen tn2)eutfdf)= »ereinsttcfeu. 
lanb. So wenig idf) für meine Sßerfon mi<f) nodf) oerfammeln möchte, 
fo ernenne id) bodE) barin einen grofeetj gortfd&ritt ber jüngeren 3 e ^- 
2)ie road&fenbe ©emeinfdfjaft unter ben 3Wenfdf)en Ijabe idf) oft für bie 
praftifdfje Aufgabe ber 9Jienfdf)ljeit in ber ©efdEjidfjte angefefjen, barin 
fommen jie oortoärtö. Ob fie beffer ober glü<flid£)er werben, ift nidtjt 
fo flar. 



Qn 33erlin tagt ein Eefegraptyenfongrefj. ©in^eitlid^c, billige 
3af|Iung in ©uropa, bas ift bas ©pofce, baö ©eneralpoftmeifter Stephan 
toieber burdfjgefefct §at. $ft bie (Steigerung ber ©emeinfdfjaft unter 
ben SDtenfdEjen, bie eigentliche Aufgabe ber SRenfd^eit, fo ijat barum 
©eneralpoftmeifter Stephan fidf) oerbient gemalt wie fein anbrer. 
£eiligfpredEmng oerbient er über alle 9)titmenfd^en. 



$erbienfle 
©tfpt>an». 



Unfre 2Bof)ltf)ätigfeit finbet ein fdEjöneö gelb unter bem 3 c ^n ® a9 Kote Äreu * 
be* SRoten Jtreuseö. ®aö ift roof)l ein fdjöner $ortf dfjritt ! 2>aö ^rinjip 
ber £ilfe für bie Seibenben, oljne Anfeilen t>on Religion unb SKationa* 
lität, ift rooljl nie in früherer 3 e ^ fo allgemein proflamiert roorben. 



$ie ®efeHfd)aft beö 9ioten Äreujeö ift ein ibealer Äeimling. . . . 
2Bie £acituö oon ben crften Gljriften, bamaligen 3u&en, fagte, baö 
erfte für fie fei, bas SBaterlanb abjulegen, fo mujs eö audf) bie ©e= 
feHfd&aft beft Stoten Ärcujea. ... Die Spitäler unb Ambulanjen 
beöfelben muffen mirflid^ international fein, oljne Vorliebe ben 33er = 



— 284 — 

wunbeten unb Äranfen aller Stationen bienen, ein wiffenfdjaftlicfc 
mebijtntfd&cr Crben müfjte eö werben, ju bem ber Seitrttt burdfc 
©elübbe erfolgte. 

oppoitunttmuf. £er uttlttarifd^c Opportunismus fann fdjwerliti) bei einer Wflefyu 

iai)i benfelben ftnfjalt fyabtn. 2Bas bem einen vorteilhaft fctjeint, ober 
in feinem ©eftd)töfreis opportun, tmt§ wegen bed ^nburibuaüdmua 
oon Qntcrcffc unb £orijont einem anbern anberä erfdfjeinen. 



«Miotitst. 2Ba* Me ÜWenfd&en bebürfen, ift ntdjt fowoljl bie ^reifjeit iljrefc 

wiberfprudteüollen öeliebenft, afe eine entfdfjcibenbe, t>on aller eigenen 
Neigung freie unb War oerftänblidEje Autorität. 



TOctii^entPüAf. ©elefen oon 9hmi: 3ol). $afob ©ieoerö. £a wirb über baa 

9hif treten beö gewefenert ©ünftlingö ber ftatferin Äatfjarina II., bc* 
©rafen ©regor Drloff, berichtet. Um biefen nodfj immer mächtigen, 
aftatifdf) oerfdiwenberifdien 2Kann, brängte man fid& in &öflingöfflnfien. 
ßr befafc bafi Rittergut Sobe. 2)ton crfd&icn bei itym in Sobifd^er 
$auerntrad)t unb fefcte fid^ jur Xafel nadf) ben Öudfjftaben , bie man 
auf ber öruft trug, fo ba& ©regor Drloff jufammengefteHt ju tefen 
mar. 6r befd&enfte mit Xaufenben. 

2Bie \)at bie franjöfifdje SKeoolution bie Xenfweife ber d^riftlid^en 
ftutturwelt umgeftaftet! 2)aö ©efü^l ber SWenfdjenwürbe barf ntdbt, 
öffentlich wenigftenö, fo oergeffen werben, um fidf) einem ganj uiu 
tätigen SWenfcfien, ber nur burdE) bie fyäfjigfett, bie Aatferin nad& iljrem 
©efdjmad einige ^ai)tt ju liebfofen, Sebeutung gehabt Ijatte, in 
Sflaoentradjt bar^ubieten. 3>ie Maden finb fteifer geworben, bie 
f)öfifd)e Unterwürfigfeit ift t>erädbtttd(j geworben, bie SBafjrljaftigfeit 
gewad&fen. — 9lber bie abfolute 2)tonardf)ie ift nid&t in itjr früheres 
9lnfcl)en wieber aufsurtdfjteu, ober aufredet ju galten. 



Wttsimf. 3lergert man fidj, bann follte man in ber Siegel brei Xage ©er- 

geben (äffen, elje man reagiert. 



£er 2Wt)ti)ud ber ßrinnijen fnüpft an bie 9)Jücfen an. 



— 285 — 



2Ben bie täglichen Gegebenheiten nur inforoeit bef dEjäf tigen , als ©er- 
neue ÜRayimen barauö hergeleitet werben tonnen, ber mufj julefct fnapp ö 8emem,runfl 
werben in feinen Gemerfungen. Die lebenbige Säuberung gef)t aus 
ber fiuft an bem ©injelfaH Ijeraor; — if)X ift bie Gerallgemeinerung 
ein töblidf>er 2lbftraftion«proje& ; — ein Abbalgen beö Gogelö. 



^eute gebt ein Heiner 2luffafc von mir über „SBalbgrunbfteuer" «nawtrit. 
an unfern Defonomiefefretär. ftd) fyabe barin für} alle meine ®e* 
banfen über bie Sad&e, unb in ber einfachen gorm auögebrticft ; für 
ben 2lufmerffamen, benfe i<f>, gar nicfjt mifcoerftänblidb. 3lber je ge* 
fd&loffener eine ©ebanfenfolge ift, um fo weniger geftattet fie ein Sb* 
fd&weifen ber 3lufmerffamfeit. 2Bteberf)olungen, um fidf) wieber juredf)t 
}u finben, fehlen, unb wer aul bem Gifenbaljnjuge ausgestiegen, fann 
nur ben 9iaud) in ber fterne nodj einige $eit oerf olgen ; — bie Steife 
madfrt er nid&t mit. 

3u fonjentrierter ©eift wirb gar nidbt, ober langfam oon ben 
9Jtenfd)en aufgenommen. 

2Baö ift au*> bem 9Mäbd)en geworben, oon bem id) ate Graut »et ß änflUd)Mt. 
fagte: fo freunblidf) wie ityre 3lugen, leuchtet ben 2Wenfdfjen fein Stern 
Dom Fimmel! 

Stütfwerf ift bas Seben, aber baö ©cfdfjreibfel nodfj tuet mef)r. 



3ft man einanber entrüdft, finbe id&, bafe nadf) meiner ©rfafyrung 
bie greunbfdfjaft immer abmagert, bo<$ aber fdöneHer, wenn fie nidfjt 
burd) ©efdfjreibfel gefüttert wirb. 



SJteine £odjter forbert midfj auf, meine jugenblidjen 2age ju be= fieben unb «unft. 
f dfjreiben. 3Barum fjabe id) feine greube an einer Slufgabe, mit ber 
fo triele fidf) oergnügt fyaben? 2)aö Seben ift fein .ftunftwerf, unb nur 
burdf) bie Geimifcbung oon Didljtung fann man eö baju machen. gtaft 
allen ©pifoben meines Sebenö, finbe idfj, lüften äterfiöfje, miftlidfje 
3ßenbungen an. 2Bo f5nntc id) Gesieljungen finben, bie fidf) auf ber 



— 286 — 

ibealcn £öf)e gehalten fjätten, offne aWifcton, bie idfj erfefjnte? 3Mc 
3ufunft, felbft im fjöfjeren älter, wirb üon bcr Hoffnung ibealiftert, — 
bie SBergangentyeit aber nur von fetbftgefättigen 3Uufionen! 



Erinnerung. Jfdljermjfcijeff berichtete mir über feine ^etfd^orareife unb braute 

mir eine Steige lanbfdfjaftlidfjer Sßljotograpljien, barunter audfj eine von 
einem alten 9Kann mit jroei Söhnen, ber met baaon ju erjagen 
gehabt fjat, baft er t>or 47 ftafyren mein gatyrer geroefen. Qd& fyabe 
if>n üergeffen, — er aber midf) nic^t; benn roo fo wenig gefdftfefyt, 
bleibt baä 3lnbenfen. 

35quct. 3 un) eilen wirb es uns roofjt bunfel oor ben 2lugen, mnn mir 

in bie 3 u funft unfreö Sanbeö unb ber Sänber Europas bfiden. aber 
es gibt immer nodf) Datetfen, an benen man fid) erfrifdfjen fann. 95Mr 
ftubieren Sterne unb ^nfeften. ^ntetteftuette gfreuben bauern Tange. 
3lber audf) bas £erj bauert lange. 35a aber gebe iä) bie ^ßalme ben 
grauen. So rein unb treu ju Heben, wie fie, fönnen bas bie SKänncr? 



Jöarum tyat midi) bie SBiffenfdjaft nid&t ganj t>ergeffen *), ber i<fy 
befd&eibene Beiträge geliefert fjabe, unb bann in Sbgefdjiebenfyeit unb 
poHftänbiger 3uriidfge3ogenf)eit von bem aftioen 2>ienft für bie 2Biffeu= 
fc^aft faft ein 3Jlenfd)enalter uerbrad&t f)abt ? . — Sie nnffen, bafj id) 
bie ganje parabore 3Weinung Ijege, bafe bas roeiblidje #erj treu ift. 
3lber enblidfj muß es bodf) fterben. ^nfofern ift bie SBiffcnfcbaft bod& 
nod^ treuer. 3Ser ifjr ein brauchbares Steinten geliefert fyat, ben 
ftreidit fie nie mef)r ganj aus ifjrcm ©ebäcbtnis. 2Ber aber für ben 
2Bol)Iftanb bcr ÜWenfd&en SSerbienfte Ijat unb für bie ^ßolitif insbefonbere, 
ber muß auf Unbanf redmen bei ben Sebenben unb auf gegenfäfcticfye 
Ungeredfjtigfeit bei ber s Jiad^toelt. SiSmarcf, ben wirb man nie oer* 
geffen, — aber wie man tyn nad) tjunbert ,3 a ^ re n beurteilen wirb, 
bas f)ängt von unberechenbaren folgen ab. £eutf$(anb fjat burcb 
ifyn für jroei 9todf)barn bie £armlofigfeit verloren. 



*) 9to# ber geter feineö 50 jährigen Sc^riftfieUerjubüäumS gef ^rieben. 



— 287 — 

•äJtannigf altige geiftige $ntereffen finb juioeilcn in fdfmnerigen ©«tKoeamtercfien. 
Sebenömomenten gleid) vielerlei Straud&roerf, baran man fi$ galten 
fann, um ben 2lbgrunb nirf^t (linuntcrjuroHen. 



©eiftige 33ef(f)äftigung Ijört nie auf bie Sage 311 üerflären. 



Siebe ift ein grofces SBort, aber ^reunblid&feit fann man fidf) swwonen. 
immer abgewinnen. 

SBärmeftrafjlen muffen jurücf geworfen werben, fonft roirfen fie ©egenuebc. 
erfältenb. 



. . . ©ine feiige ©rinnerung, bajs man fo tue! Siebe gefunbeu 
i)at\ nidEjt a\& Eigenliebe gebenft man beffen, fonbern au§ 2)anfbar= 
feit, benn man fjat es ja nidfjt t>erbient. SBerbienft unb Siebe ^abeu 
fein rechtes 33erf)ältniö 311 einanber; von t>erbienter 2itbt ju fpredfjen, 
ift eä nicfyt fo, als fpräd^c man t>on rcofjlriedfjenber 3Jlufif? 



Serbienft unb 
fiiebc. 



3fjränen finb ein befferer Äitt als Sadfjen. 25er ganjen SBelt 
iljre ©lücffeligfeit 311 jeigen, trillert bie Scrcfje if)v ^ubellieb fjodf) in 
ben Süf ten ; leibet ober ftirbt fie, üerbirgt fie fid&, wo man fie f df)tt)er 
ober gar nid)t finbet. Seine £raurigfeit, — fefjr üerf Rieben von 
$erbrie§lidf)feit, bie man allein Ijinunterfcfylucfen follte, — 311 teilen, 
fjalte idf) für ein 3 e ^ c " fierjlirfier 3^neigung. 



2f)täncn. 



2Bic anbers ift bodfj bie emfte gorm beö femitifdjen ©eiftes als 
bie fpielenbere ber Hellenen! 2tber and) biefe formen fönnen fidf) er= 
gänjen. Sie Siebe ift langmütig unb freuublidfj, fagt ^aulus, — 
unb <Sofrate$ empfiehlt, ben ©rajien 31t opfern. — 3<*, baö follen 
mir armen 3Jlenfdbeufinber unter allen Umftänben ausüben; in ber 
3ugeub finb anmutige, fjarmlofe Sänbeleien am $(a<$; — aber audf) 
ber ©ruft beö 2llterö unb ber ftrengen Sefjren fann unb foll fo fanft 
unb gefällig fein als möglidfj. 



9lnmi!t. 



— 288 — 



fiube. Sie Siebe auf ßrben bebarf einer beftänbigen Hoffnung auf 3ltu 

geftaltung um redfjteö Sieben ju fyabtn. 



Sie Gmpfinbungeu ben ©roftfinbern gegenüber finb anbre, alö 
ben ftinbern gegenüber, metleid&t freier unb jarter, tuetteidjt audfj wegen 
•beä ben Seibenfdjaften meift entrücften Sllterd, ungeftörter fgmpatfyifdfj. 



^rcunb|*oft. Sie $reunbf$aft gehört audfj ju ben ungleid) verteilten ©ütern 
biefer SBelt. 

Jreunbe Ijabe idfj treu befunben unb audfj Jreunbinnen uiel be* 
ftänbigerer 2lrt, alö man nadf) ben Urteilen in ber fittteratur über baö 
roanfelmütige SBeib üorausfefcen fönnte, benn baö 2Beib ift treu unb 
nidjjt falfd&er 2lrt, roenigftenö nidf)t in ber f^reuubfe^aft, fo müfete iä) 
nad) meinen 2Bal)rnef)mungen unb 33ejtel)ungen , oon unfrer feiigen 
Ijofjen $rau au f & em ruffifdfjen ftaifertljron tyerab biö auf bie gute 
£auömagb bie midf) bebient, urteilen. 



£aäweibii$e$frj. Saö iDcibltd^c £erj liebt twllftänbiger unb treuer, baju §at es 

bie 9iatur in l)öf)erem ©rabe beftimmt. Sie 3Kutter foll lieben, ber 
SBater befdfjüfcen unb t>erforgen. 



«öniflin eitfabet^. . . . ^becn aufjunefjmen unb mitjuteilen madjt Vergnügen unb 

bauernbereö. Sa ift ber Umgang mit Samen gleichfalls Sebürfnte. 
Sie SKänner wollen ernfte ©efd&äftömänner fein, unb roo baö ©elb 
anfängt, l;ört nidfjt nur bie ©emütltcfjfeit auf, — ed \)öxt bie £ft*"be 
an bem 2luötaufdb, an ber SJermefjruug ber 3^een auf. Sa Ijabe id> 
jüngft einen frönen 33eleg von ber Königin ©lifabetb von Rumänien 
erhalten. Selbft mofjnt fie in ber ^ioefie! ©Ott fjat ifir biefen Trieb 
gegeben, unb a\\% ifjr ftrömt es unauffjaltfam, juroeilen ju frei natür- 
lich, — bie ftetle fönnte einzelne f leine Serftöfce entfernen, aber bie 
■ftatur ift bod) fdjjön, unb t>iel Äünftelei würbe baran nur üerberben. 
©ie lief* mir einen Gttffus t>on bejaubernb anmutigen ©ebidf)ten, Ijanb- 
fdjriftlidf) aufgejeidmet, jufommen unter bem Sitel: „©efdfjidfjte einer 
Sid&tertraumfeele." 8df)on ber Sitel erinnert an tyttn, bie idj) iljr, 
als fie nodf) eine ^rinjeft oon Söieb mar, in Äarlöbab mitgeteilt 



— 2S9 — 

F 

fjatte. 3$ erörterte bamals, ob jur ©rftarung ber Drbnung in unferen 
Traumbilbern / bie t>on ber felbftbewufcten (Seele niijt ausgebt, bie 
Slnnafjme einer befonberen Traumfeele nid&t bienlidft fein fönnte. Mim 
beuten bie ©ebid&te mit unbcftimmten Umriffen t>on reijenber $axU 
beit an, was bie ©eele ber Königin burdjlebt jjat. grft ift es ein 
Moturfinb, aber es Hingt ber nie ju befriebigenbe Drang als ein un= 
bestimmtes 2Bef) burd). Co fommt bie Trauer wegen bes fterbenben 
©rubere, eines oerflärten ©dbmerjensfinbes, jum 2luSbru<f unb im 
weiteren Serlaufe ber ©dbmerj über ben Tob bes Staters unb anbrer. 
3u feiner 3 C ^ erwadfjt wof)l im jungfräulichen $et}en bie Siebe ju 
einem tyxxiiiien 9Wanne, — unb fie wirb gebrochen unb gef<f)weigt. 
Dann fommt bie glüdfficbe orbnungsmäfjige Verlobung, — enbficb 
bas 2Wuttergfü<J über ein Tödfjterdjen unb ber 3Wutterf(^mer} über 
ben SSerfuft biefcs eiujigen ÄinbeS; furj unb fyrifd), einfacb unb waljr. 
Dajwifd&en ftef)t ein SuSjug mit profaifdEjen 2luf$etd&nungen, mit bem 
©ingang: „®raf Äepferling fagt". 3 roe i 3been, bie idfj oor jwanjig 
3al)ren geäußert — unb natürlich üergeffen, werben mir twrgeffi^rt: 

1. „©in Sßeib muß einmal geliebt fjaben, oljne gfüdflicb ju 
werben, bann erft wirb es eine gute $rau." 

2. „Das geben bes 2BeibeS \)at oier ^fjafen: bis 10 V« %a\)x 
Ijarmlofe gtityßctyfrit, — bann unbegren3te Hoffnungen, 
— bann (Sntfagung, — enblid) bas Dienen." — Daju 
fdjreibt bie Äönigin: — baß redete Dienen finbet bie $rau 
erft in ber @f)e. 

2Bo wirb nun jemals ein SDJann meine flüd&tig ausgefprodjenen 
©ebanfen mit biefer Treue bewahrt Ijaben! 



©ewiffe grauen erinnern an £immelsf örper , beren 9lnnäf)erung 
Störung in bie regelrechten Sahnen bringt. 



grauen gibt es, bie tfidjtig unb freunblid) fmb, bod) nidjt ft)m= 
patfjifd). 6s fefylt ifjnen ber garte ©dbein, ber audb in bie bloße 
Unterhaltung jwifdjen Wann unb 2Beib etwas Üiebfofenbes bringt. 



Die g^auenliebe ift bodf) ein reiner Trieb; wie wenig bebeutet 
barin bie ©innlicbfeit unb wie fa(fdf) ift bie 9lnfid)t ber Männer, ba& 
)ic barauf 311 rebujieren fei. 3lus bem öoben ber ©innltcbfeit mag 

%ui Un 2agf6ud)btat1ctn beö förnfen «. ftft)j«rlmg. 19 



— 290 — 

immerhin bie Siebe entftefjen, aber weit über alle ©innfidfjfeit er- 
gaben, üerffärt pe ba* fieben biö anö ©nbe, unb je reiner fte ifi, um 
fo bauember. 

SDiefe ftifteityiungen mögen in einem 9tod)nif meines Saierd an ben 
Sftronomen $rofeffor »äbler (fte$e 3)eutf$e Äetme Suauft 1888, 6. 152) tyr 
(Snbe erreichen, (äffen fid) boc$ bie ©djlufjroorte biefeä 9tad)nifefi in vottftan SRafre 
aua) auf i$n fetbft anroenben. 

„SBaö er (2Räbler) für ben »uöbau ber 2Biffenfc$aft getrau, 
wirb fortleben, folange bie menfdjfid&e SBiffenfdjaft lebt, in reinerem 
(Slanje jum £eü, alö unter ben 3 e Ü8 en °ff c n; toaö er alö 3Reifier 
einer Haren, feffelnben ©arjteHung geleiftet, nrirb £aufenben in ber 
3uhmft ©tunben erljebenber Setradfjtung jufütyren, wie e* gefd&eljen 
in ber 33ergangen$eü. aber bie liebenöroürbige Sßerfönltvfjfeit 
beö Dortrcfflid&cn aWanneö, bie bem ©eroö^nli^en beft Alt 
tagölebens entrficfte ©efinnung, bie überall ju bem Uns 
oergänglid&en ben 33lid erljob, bie muffen wir auf ©rben 
roieberjufinben nid)t meljr Ijoffen! $ft baö fieben audfr 
ein langes geroefen unb basSBitfen ein reifes, in geroiffer 
#e&ief)ung ein uoflenbetes, wie wenig t>ermag eö bodjj ben 
unbegrenzten SReid&tum einer 3Wenf<ijenfeele ju erfd&öpfen." 






MAY l l 1938