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£.VX\^ »
Hus 6cn tEageflud?&fättertt 6cs
(trafen Eleganter Begfrrltttg*
6«6. 15. Äujul! 1815, gcfi. 6en 8. Mai 1891.
$Ut$ öen ®agdm$l>fötterti
trafen 2Ue;an6er lUifeling.
tnii einjeCnen $itfä*jeit aus ^riefen.
§«au9gcoef>en von feiner XntfyUv
JtEtfrau !|elcne to*m €aufrt.
mit einer £e6etisffii^e, uerfafjt von ®vaf £et» ^ctjferling.
: .*!( 5Jo6t6til lau*1 t^tr tinjor aultem 3«
all oul tut «onfuRm, lagt Xoon, — i*
Ölnju, all um b» Stilnabralofifilril '
erafW.RrBi.tIln
Stuttgart 1894.
Oerlag öcr 3. ö3. Cotta'fdicn 13 udjtjati Ölung
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Uffe He<$te por6e§üff ctt.
Xrud ber Union Xtutjdje ajertafllflcicUitfaft in Stuttgart.
twrfajjt toon
Äraf Jteo Aepferfing.
»,
21lejanber griebridj 3Wid^aef fieberest 2lrtl)ur ©raf Äepferling
nwrbe am 15. Sluguft 1815 ju ÄabiHen in Äurlanb geboren, ©ein
3Sater, £einrid) 2Bilf)eIm, SRajoratö^err auf Siautenburg in Oft*
preufcen, bewohnte jenes tym burd) feine g*au Slnette, geborene greiin
Don 9iolbe, jugefaßene Sanbgut. Ueber feine ©Item fdtjretbt 2lleranber
Äepferling :
„2ßein SBater war ein fjod&gebilbeter 9Rann, bte in fein 2tlter ber
alten Sprad&en funbig. 6r lad oiel englifd) nnb gab in fpäteren
3afyren feiner in geiftiger Strbeit ftetö frifdjen unb auäbauernben, l>od)
intelligenten Jrau bie erfte Anleitung jum ©tubium beö ©nglifdfjen.
Gx fpradj unb fd&rieb gut franjöftfdf) unb führte in beutfd&er Spradbe
eine ber ausgeäeidfjnetften ^ebern. @r war unb blieb bis an fein @nbe
-ein üorjüglidf)er Säger unb Sdfjüfce, Leiter unb SRoffelenfer. ?Für alle
lanbnrirtfdfjaftlid&en Sauten battt er fiel) ju einem uollenbeten 2lrdf)iteften
-auögebilbet. ©r war ein liberaler 3Jiann, t)iel in öffentlichen föe=
fdfjäften tljätig. 9ln ber 33auernemanjipation t)at er aftioen 2tnteil ges
nommen unb ift ein 4?auptbegrünber ber fturlänbifdjjen ftrebitbanf.
39ei feiner raftlofen £f)ättgfeit war iljm SJhifif bie liebfte ©rfyolung.
oelbft ein auögejeitfmeter ftlat>ierfpieler, rerfammeltc er im 3Btnter
in ÄabiHen auf 14 Xage eine ®ef eHf dfjaf t , bie fieb ausfcbliefjfidj mit
UJhifif befdfjäftigte, bei welchen 3ufammenfiinften s Jkopft 2lmenbe, ein
greunb öeetfjooenö unb SSiolinift erften langes, fyeroorragte.
— VI —
„Stein SBater war fo milbe, baß feines feiner Jttnber je ein böfes>
SBort von if)m gehört fyat. ©ern unterlieft er fidf) mit ifjnen über
ernfte ©egenftänbe, gern laufd)ten fie feinen Stuseinanberfefcungen unb
©rjäfjlungen.
„SRein SSater war ein ffarer Sefenner ber Äantfd&en ©ittlidEjfeit
unb SßfjUofopljie, unb rettete mit biefer ©rfenntms bie $rau t)on ber
pietiftifdfjen SBenbung einer franf Ijaf ten , förperlidE) aerurfadfjten 33e*
ängftigung, mit ber fte ftdf) einige ^jdf)xe ju plagen Ijatte."
Stuf bem ßanbe, im elterlichen &aufe, umgeben von einer grofeen
3al|l ©efd&wifter*) unb Äinbern oerwanbter unb befreunbeter Käufer,
bie in EabiHett am Unterrichte teilnahmen, ift atleyanber Äepferling
bis jum 19. %a\)xt aufgewadfjfen. $ür twrjüglid&en Unterricht war
ausgiebig geforgt. 35er ausgejeidmete 5ß^i(ofog unb 9Watf)ematifer
Stiemfdfjneiber, ein ^ortenfer, ber verheiratet in einem, if>m eigens ju-
gewiefenen Jßaufe lebte, leitete ben 23übungSgang ber Änaben. 6r
gehörte ju ben fettenen Sehern, bie burd) iljre fittfidf)e ^Serfönlid^feit
unb wiffenfdEjafUidfje 5Cüd^tigfeit ber Qugenb imponieren unb fie bodfj
an fidf) ju feffeln uerfteljen. 33ei ber befdjränften >$at)l feiner ©dbüter
fonnte SRiemfd&neiber je nadfj ber ^Begabung ben einen weiter förbern,
wie ben anbern. 3Hejanber fjat bei iljm nid&t nur ben £omer burdf)*
gelefen unb bie übtid&en ©dfjulttaffifer bearbeitet, er ift mit ifjm bi&
ju ben Sprifern unb ^Jinbar oorgebrungen. 2Rit Sßlato fjat er fidf)
eingefjenb befdfjäftigt unb wotjl bie meiften feiner ftiatoge gelefen.
2(udf) in ber 9Katf)emattf erwarb er ftd) weitergefjenbe Äenntniffe, ate
fie auf ben ©tjmnaften erworben werben, ©o fam es, ba& ber
19jäf)rige Jüngling, als er bas elterlid&e £aus verlieft, um bie Uni*
perfität Berlin ju .bejieljen, eine pfjüofopEjifdfje, pfjilologifdfje unb ma^
ttjematifdfje Silbung befaß, wie fie meift erft in fpäteren $af)ren er*
langt werben fann. 2)abei war er ein guter Äfatricrfpiefer unb mit
ben mobernen ©pradfjen, befonbers mit bem ^ranjöfifdfjen, fo weit
vertraut, baf$ tym audf) ber fdfjriftlidfie Sfasbrucf in biefer ©pradf)e faft
ebenfo geläufig war wie in ber 2)httterfpradf)e.
SBtüjrenb im $abittenfdf)en £aufc für ben Untertritt aufs befte
geforgt würbe, gelten es bie ©Item für ridfjtig, ben Änaben im übrigen
bie größtmögliche ^reifjeit unb ©elbftänbigfeit ju gewähren. Sie fonnten
in gewiffen, weit gejogenen ©renjen tfiun unb raffen, was fie wollten.
*) $emric$ ©raf ftegfetling, Anette t>. Stolbe.
r
Otto, £$eobor, Suife, Robert, ©buarb, Hermann, 2lmalte, SUeganber, 2ut3,
(Joeline.
— vn —
2lleranber ftegferßng war ein roeidj^erjiger Jtnabc. Dljne fe^r fräftig
ju fein, mar er bodj in pfjpfifd^er Sejieljung jäl), auöbauernb unb
unermüblidf). Jrüt) jeigte ftdj in i&m ber &ang jur Beobachtung.
}$xüf) warb ed ifjm jur ©emoljnljeit, in ber 9?atur nadjj ben ©efefcen
ju forfd&en, aus ben Seben&erfaljrungen allgemein gültige ©runbfäfee
unb Siegeln ju gewinnen. $n ber 3)iöfuffion mit feinen älteren
33riibern, oor allem mit Hermann, ber ein ungemöljnlidfj gewanbter
Tialeftifer war, erwarb er fidj eine große ©d&lagf ertigf eit , wobei er
fid) bie ©ofratifdjje Strt unb SBeife beö StaifonierenS in ^o^em ©rabe
ju eigen gemalt tyatte. 3m fpäteren Seben l>at er oon biefer SWet^obe
abgefe^en, weil es, wie er meinte, bie 9Renfdf)en ju feljr oerftimme,
jugeftefcen ju muffen, baß ftc baö nid^t wüßten, was fie ju wiffen fidf)
ben 2lnfd}ein gegeben.
2tn 3agen, SReiten unb ben übrigen fogenannten ritterlid&en Äünften
fyat er nie ©efallen gefunben. Sebürfmöloä , materiellen ©enüffen
abgeneigt, fa£ er ben Sßrüfftein magrer SJilbung in ber Art unb SBeife,
bie SRußeftunben ju t>erwenben. 3Me Vergnügungen pflegte er fd&on
in jüngeren 3a^ren in 2Renfdfjem>ergnügungen unb 2lffent>ergnfigungen
einjuteilen. ©ffen, trinfen, raupen, reiten, jagen fönne ber 2lffe aud&,
meinte er, oieUeid^t audf) bei t)orgefdf)rittener ©ntwidelung unb 25reffur
Starten fpielen. 3ur ^leubt on ^ un ft un & Sßiffenfdfjaft bagegen fönne
es ber 2lffe nid&t bringen.
3m 3^re 1834 bejog 3llepanber Äepferling bie Untoerfität 33crlin,
wo er fid) junädjjft bem ©tubium ber 3uriöprubenj wibmete. Dodjj
balb ging er, feiner Steigung folgenb, gu bem ber 9?aturwiffenfdf)aften
über. 3Bit geuereifer mad&te er fid& an bie 2lrbeit unb trat in regen
Serfeljr mit gleidfjftrebenben Jüngern feiner SBiffenfdfjaft, wie ©riefe*
badj unb Sdfjwann. SBor allen aber mar es 3 fann &einridfj Slafiuö,
mit bem er einen engen 5 rcun bfdf>aftäbunb fd)loß*). 2Wit Ölafüifc
mürbe im £erbft 1835 eine gemeinfame geograpfjifcfcgeognoftifdje Steife
in bie Äarpatljen unternommen, mit i^m ber Sßfan gefaßt, ein großem
50ologifd&ed Sßerf fyerauöjugeben : bie Siaturgefd&idfjte ber SBirbeltiere
©uropaö. Staftloö arbeiten bie beiben greunbe im joologifd^en SRufeum,
beffen 23enufcung ifjr Seljrer, ^ßrofeffor £idfjtenftein, if)nen in liberalfter
SBeife gemattete. 2lfs im 3<*f)re 1836 gUajiud jum ^ßrofeffor am neu
organifierten Collegium Carolinum nad) Sraunfdfjweig berufen würbe,
*) 3°$ önn §rinridj SHaftuS, geboren ben 7. Dftober 1809 in (Srferbadj in
9tyetnpreu£en, geftorben ben 26. 3Rai 1870 in 93raunfd)roeig alö ^rofeffor unb
$irefior bed Collegium Carolinum.
— VIII —
befdbloffen bie ^reunbe, trofe ber Trennung bie gemeinfame Strbeit
fortjufefcen. Sfafius tierfpradf) 311 fd&reiben unb im £erbft 1837 nadö
^Berlin herüber jufommen. 3Bie er beibes unterliefe, fdfjrieb iJjm Äepfer^
ling ungebulbig: „öift £u faul, unenblidE) faul. . . . Sdf)i<fe mir bie
^atrafartc, bie 55u bodfj nid&t fertig madfjen wirft. SeidE)tftnn, feurige
SBerfpredfjungen. Uebernimm nid^t arbeiten, wenn $u feine 3 e ^
fiaft. . . ." $md ^oge barauf, am 14. September, folgt ein jweiter
33rief, in bem Äepferling mitteilt, baß er nad) $3raunfdf)weig jum
ftrcunbe fommen werbe, „ftür Süd)," ruft er an berfelben Stelle aus,
„fdbeint es mir ^öd^ft notwenbtg, mit irgenb einer wiffenfdjaftlid&en
Seiftung tjenwrju treten. 2ludjj mir madfjen es perfönlidfje 9Serl)ältniffe
wünfdbenswert , bamit meine ftamilie nidf)t meine ganje Sticbtung als
nufclofen Dilettantismus mißbilligt unb midfj baoon abjubringen fudf)t.
Solche 9?ebenrü<ffid)ten barf man nidfjt außer ad)t taffen, folange man
nid&t ganj unabhängig unb felbftänbig ift. Später foBen fie midj
nidf)t befdfjäftigen unb idf) will einft in SSerfolgung ibealer 3roecfe e ^ n
ungeftörtes inneres 2?bcn führen, wobei bie Spannung unb £enbenj
ein3iger 3^ e ^ ift. ®as ^ßrobuft besfelben, bas bei jebem ^nbioilmiim
jämmerlicb Hein ift gegen bas ©anje unb bas eigene 3^, fott widf)
nidf)t weiter fümmern."
$n bcmfelben ^afjre, im Dejember, oeröffentlidfjte 2Ueranber
.Heuerling feine erfte 2lrbeit, eine Säuberung bes Uebergangs über
bie Sllpen burdf) bas aWartetttf)al in ber 9?älje bes Stilffer 3odf)es.
lieber bie Gntftebungsgefdridjte biefer Sdf)rift, bie fpäter ben 2lnfaß
31t feinem 50jäf)rigen Sdjriftftellerjubtiäum gegeben, fd&reibt 1888 ber
£odf)betagte in banfbarcr (Erinnerung: „Xex große ©eognoft Seopolb
von 23ud) war es, ber bie 9lbfaffung bcs flehten SluffafeeS anregte
unb beffen 2lbbrudf in Seon^arbs unb SJronnS ^a^rbüd^em beforgte.
<Sx fjat es getban, wabrlid) nidf)t bes 3nl> a ftö wegen, fonbem in ber
3lbftd)t, einen jungen 9Jtann, bem er reinen Gifer für bie SBiffenfdwft
jutraute, mutiger unb juoerficbtlidfjer ju mad&en. 9)Jir ift barauS für
bas £cbt\\ eine muftcrgültige Sebre erwadjfen, wie man bei ben erften
^robuftioncn, wenn fie audf) feine befonbcre $eadf)tung beanfprud&en
fönnen, bas im jugenblidjen £erjen entflammte Jyeuer für bie 23iffen=
fdfjaft beleben unb fräftigen fann."
9?id)t nur JletjferlingS tyodboereljrter Sekret Seopolb von 23ud^,
audf) Üllcjanber oon £umbolbt, ber fdfjon burd) 3)iitteilungen über bie
ttarpatbenreife auf .Heuerling aufmerffam geworben war, bejeigte
Seilnaljme. 6r babe in biefem 9luffafee ^been gefunbeu, bie ein not
wenbiges unb oft nidfjt genügenb oorljanbenes Ürforbernis retfenber
— IX —
9taturforfdfjer wären, fagtc er bem jugenblid&en Slutor, inbem er if>n
ju Steifeunternebmungen ermunterte. Seit jener 3 C ^ tf* 5üejcmber
oon ßumbolbt ftetjferlingä arbeiten ftetö mit ^ntereffc gefolgt unb
bat it)n in ber if)m eigenen großberjigen Söeife burd& Gmpfel)lungen
unb Befürwortung geförbert.
Sur<fy ben erften Grfolg in feinem Selbftbewußtfein gehoben,
arbeitet ÄepferHng weiter, meift in Berlin, juweilen in Braunfcbweig.
3)Kt feinem 2Witarbeiter Blafiuö fteljt er in regem brieflichen SSerfebr.
(?r will rafdf) jum 2lbfcf)luß fommen, wenigftens mit bem erften 2eil
be£ großangelegten SBcrfcö. Blafiuö befdfjäftigt fidb mit Sdfjäbels
meffungen. Äegferling warnt oor ju wettgetjenben Unterfucbungen,
„ba bie Strbeit ja oljneljin fdjwißt wie ber ftrofcb, ber es bem Ddfjfen
gleicbtyun miß". 2leußere Störungen läßt er fidb nid&t gefallen:
„9tur baburdf) fonntc i<b mieb Störungen, bie meine Slrbeit bemmten,
entjieben, baß idj in eine entlegene cinfamere ©egenb Berlin* jog,
benn mein $au$ mar aHmäblidf) ein fturlänber unb Sitauer $otel
geworben, worin beö treibend fein Gnbe war. Seit bem 1 . 2J?ai ift
e* gefdbeben, unb idf) arbeite wieber unb bin üergnügt genug, um einen
Brief ju fd&reiben. SBie wenig gel)ört baju, einen äKenfcfpn glüdtlidb
ju tnad&en! 6in paar Stunben mit alten Bälgen unb gebern ju=
gebraebt, unb fein ©eift ift wieber frifdf)!" Sie i'ercben, bie Sing=
t>ögel fyat Äegferling bearbeitet, — enblid) tonnen bie ftreunbe an bie
Beröffentlidfjung f (breiten. 3uerft ß*&*n fie gewijf ermaßen ein SHufter
ber Don ibnen beabfid&tigten Bebanblung ber europäifeben Tierwelt in
jwei Shiff&feen in SBiegmannö Sfrdbio für 9toturgefcbicbte : „Ueberficbt
ber ©attung^ unb 3lrtd)araftere ber europäifeben ^lebermäufe" unb
„Ueber ein joologifdfjeö Äennjeid&en ber Crbnung ber fperlmgöartigen
ober Singoögel." 25er Erfolg biefer ^Srobepfeilc entfprad) ben Cr*
Wartungen. „©ötttidi!" fdjreibt Heuerling. „2ßir baben ungeheuren
Staub aufgeregt. Sie 3lrt unb SBeife, bie ^yröjjlid^feit meiner die;
baftion be$ Singüogelauffafces bat bie Seilte bis aufs Blut gereist.
Burmeifter ift in fein SRufcum gelaufen unb bat fcbließlicb an SBieg*
mann einen Sluffafe gefebidft, worin er unfre Mitteilung für febr banfenfe
wert unb interejfant bält, mbes ibre Bebeutung mögliebft ^erabjubriiden
fud&t. ftür biefen 9Cuffa$ bereite icb eine tüchtige, aber gemeffene Ant-
wort r>or. 3ln ©logerä impertinentem 9luffafte, ber niebt ba© geringfite
wijfenfcbaftlidbe Qntereffe tyat, gebe idf) ftillfcbwcigenb DOriibcr."
Sie große 3trbeit, „Sie Wirbeltiere Europas, 1. £eü", würbe
bem Srudf übergeben, unb Heuerling txrließ am 22. Sejnnber 1839
Berlin, um bie Heimat wieder ju befueben, nadjbem er ben ruffifeben
— X —
©efanbten 33aron 3Rcpenborff auf Slaftuö aufmerffam gemalt unb fo
bcm ^reunbe bie SBege ju einer 2lnftellung bei wiffenfd&aftlidfjen 6fP es
bittonen in JRuftlanb geebnet Ijatte.
2Uej:anber Äepferltng Ijatte feine ©tubien beenbet. Gljarafteriftifdf)
für feine ©inneöart ift es, bafe er nie naefy einem äufeeren 3lb~
fd&fufj bcrfelben, etwa burdfr ßrlangung beö £oftorgrabeö, geftrebt
tjat 3^ei $dt)xe fpäter ift tym ber 6l)renboftortitel feitenö ber
Unioerfität Berlin aerlteljen worben, unb in ber ^olge audf) feitenö
ber Unioerfität 2>orpat. 2>en 2)oftortitel Ijat er nie geführt, ©ein
©inn war äußeren ©f)ren, felbft ben afabemifd&en, abgewanbt unb
nur auf wirfltdfie wiffenfdfjaftltdfje Seiftung gerietet, unb mit einer
folgen wollte er fein ©tubium abfdf)lie&en. $n feltencm ©rabe war
if)tn biefeö, im herein mit Slaftuö, gelungen. Äonnte bo<$ nad)
faft 50 Safyxm Dr. ©etjbltfc fd&reiben *) : „$ür alle ©ebiete ber
3oo(ogie roav bie burd) baä SBerf eingeführte 3)ietf>obe r weldfjc ba&
©anje ber morpljologifdfjen £l)atfad)en in ber fnappen ^orm btdjo*
tomifdj angeorbneter ©rjntfjefe barfteHt, ba^nbred^enb. ©tatt enb?
(ofer Äoorbination t>on sufammenfianglofen ©injelbeobadfjtungen unb
©injelbefdjreibungen braute biefe -Dtettjobe bie waljre oergleid^enbe
3Jiorpf|ologie ju logifdjer ©eltung, übertrug bie gorberung unfrei
2lltmeifterö $arl ßrnft oon 33aer, SJeobadjtung unb Steflefion ju oer*
binben, oom ©ebiete ber Sntwidelungögefdf)idE)te auf bas ber natür?
lidfjen Stjftematif unb madtjte biefe baburdf) ju einer logifd&en 2öiffen*
fdfiaft. Dljne biefe 2Retf)obe fyatte ftdE) bie fogenannte ©ijftemattf, weil
eben nidfjts von Softem in ifyx ju finben mar, bie Sejeidfjnungcn
,troden', ,geiftloö' u. f. m. erworben, mit berfelben aber wirb fie bes
fäfjigt, weit über bie ©reujen ber Jadfjgenojfeu ^ naU ä an ber geiftigen
©dfjulung ber <3 ll 9^nb teilzunehmen unb fo ber gansen 9RenfdE)f>eit ju
gute ju fommen."
S)eoor mir Äeijf erfing in bie £eimat folgen, möge nod& fjeruor^
gehoben werben, bafc er in Sterlin mit Otto x*. Siömard, beffen ctljtfd&e,
marfige ^>erfönlidf)feit iljn anjog, geraume 3*ü jufammen gelebt f)at
33iömardE anbrerfeitö fjatte üolleä ÜBerftänbntö für ftetrferlmgö ibeate
©inneöart. Sin bcfdfjeibeneö Stubentenleben führten bie beiben ftreunbe.
„Söenn wir bei Haffe waren, gönnten wir und in einem SHeftaurant
ein 33eeffteaE unb ein ©laö Sperrt)." £ie ©tubengenoffen trieben
jufammen ©nglifdj unb pf)ilofopf)ierten triel über ernfte £inge, bcfoiu
berö über Religion, Stomarc! liebte eö aud), Heuerlings Hlamerfpiel
*) Dr. öeorg o. <&eyblit&, Fauna baltica, bie Ääfer.
— XI —
*u fauföen. Die Sebenöpfabe her beiben SRftnner fjaben fid& mefir*
fad^ gefreujt, bodfj ift ea Äepferling nidf)t oergönnt geroefen, mit bem
^reunbe gemeinfam ju arbeiten, benn als ber grofce Äanjter ityn t>or
ftalte Ernennung jum Sultuäminifter naeft £eutfd&Ianb berufen wollte,
fdfjeiterte biefer ©ebanfe an unüberwinblidjen ©dfjwierigfeiten. Seine
©mpfeljlung SepferlingS ift von Stemardf, ber ifym bid jum £obe ein
treuer greunb blieb, unberücfficfytigt gelaffen worben.
2Bctynadf)ten 1840 t>erbradf)te Äetrferling in ©olbingen in $ur~
lanb mit feinen ßltern im Sreife ber 93erwanbten unb Jreunbe.
„2Reme Diepgen SSerbältniffe finb ibeat glfi(flid&," f treibt er
Slaftua am 5. g^bruar. „@ä fefylt mir u>eber an $reunben, nod& an
ftreunbinnen, nod& an Orot." Unb bodfj war ber 3Rann ber äBtffen-
fdfjaft bem breiten, gemütlid&en, gaftfidfjsgefetligen battifdfjen Seben fremb
geworben. „SBer fein ©iner mit frönen afi, nid&t trauernb mannen
SaB burd&fafc, ber fennt eudf) nidf)t, ityr Ijimmlifd&en 9WädE)te, — ift
eine Sedart, bie ifpre SBa^r^eit fyat," f treibt er bem ftreunbc, unb
weiter f>ei§t & mit wadbfenbem Unbehagen im folgenben 93riefe: „2lb*
gefdf)ieben von allen Sudlern unb Sammlungen, oon allem wiffen*
föaftßdjen Umgang lebe idf) in einfamer unoerftanbener Xljätigfeit,
ber meine Umgebung einen inftinftioen Stefpeft joHt. . . . $df) Ijabe
oerfudfjt, auf terfd&iebenen ^agbegfurfionen 2Wateriat 311 fammeln. @£
ift aber ungewöfjnlidfj fdfjwer, von ben fiiefigen ^agben für unfre
SBiffenfdfjaft SBorteil $u jieljen. ©ed&ö ©lenne finb gefdjoffen worben,
unb bodfe fyabe idfj feines erfdfjöpfenb bearbeiten fönnen. 3 ucr ft toottte
idj bie £iere unterfud&en, fobalb fie im JQauü gebraut werben. T>a
werben jte inbeffen oljne ^arbon in ben Seiler geworfen, abgelebert
unb jerljauen, bamit bie ftleifdfjmaffen nidftt in SJerwefung übergeben.
Sei etnbred&enber -Jtodjt treffen fie am bem 2Ba(be ein, unb ba mufr
man fte bei SpanlidE)t im bunfleu Seiler unterfudfjen. 3$ befdfjlofr
baljer im SBalbe fofort an bie 3trbeit 511 geljen, mit Sleiftift unb
Rapier, unb im Schnee bie ÜRefultate Ijinjufrifceln. Slber felbft ba ift
mir feine tu>He ©tunbe 3 e ^ ßefd^enft worben."
Setjferling trägt ftdf) mit allerlei Steifeplänen, er plant nadf) Gfjina
ober audf) um bie SBJeft 311 reifen. SBiet ift audlj von einer miffeiu
föaftlicl)=ftatiftifdE)en ©fpebition burdlj SRuftlanb bie Siebe, bie öaron
3l(eranber ajtepenborff ju unternehmen bcabfidjtigt. SBie Setjferling
eben ben C£ntf$(u& faßt, nadf) Teutfd)lanb jurftdäufeftren , fommt es
am 29. 2lpril in SKitau 51t einer pcrfönlidjcn Sefpredjuug mit SWepetu
— XII —
borff, ber auf ftegferlingd 9äunf($ 33tafius aufforbert, als Stoturforfdjer
bie (Sjrpebition ex officio mitjumad&en, wäfjrenb ftegferling, feine
^reifyeit waljrenb, unentgeltliche SKitarbeit jufagt. Sd&on am 7. 2Kai
trifft er in Petersburg ein, wo er Äarl ©rnft t>. 33aer, Sir Stoberid)
$Rur$ifon unb ©bouarb be Serneuil lennen lernt. 2>ie beiben leiteten
Ratten auf eigene ^nitiattoe un b auf eigene Äoften eine geologifdjc
#orfcf)ungsreife burdf) Stufelanb unternommen. 33lafius ift nodE) nidjt
eingetroffen. $l)m fdf)reibt ber $reunb:
„$ür bie wiffenfdfjaftlicfje Slusrüftung ber SRetjenborfffdjen (*£pe=
bitton ift erbärmlich geforgt. 2luS ben öffentlichen Äaffen ift fein
geller angewiefen worben. $ um präparieren foll ein Unteroffijier
jufommanbiert werben, ber aber bisher oergeblidj oon feinem ©pajier^
gang an bie cfyinefifdfje ®renje jurüderwartet wirb. 3$ ijabc aber
feljr faltes 33Iut. 3$ arbeite mit 9htr$ifon unb Serneuil unb bin
©eognoft, wo idf) feine £iere befomme."
9)fegenborff forbert 5Wurd)ifon unb $erneuil auf, tyre Steife mit
feiner ©jpebition ju oerbinben. ©o bradf) benn bie ganje @efeUfc$aft,
bis auf Slafius, ber fie fpäter einholte, jufammen aus Petersburg
auf. ®a bie SRe^enborfffdje ©rpebition jur Aufgabe Ijatte „@infid)t
in bie Hilfsmittel }u gewinnen, meldte bie Statur bem ©ewerbflei&c
Stufelanbs barjubieten oermöge", alfo me^r praftifdje ßroede ©erfolgte,
H)iurd)tfon unb SBerneuil bagegen, benen Lieutenant Äoffdjjarom äu=
fommanbiert war, rein geognoftifcfcwiffenfd&aftlidfje $iele im 2tuge
Ratten, fo erwies es fieb balb, bafc ein gemeinfames Steifen auf bie
Jßänge nid^t burdjfüfjrbar war. $n SBptegra trennten fidf) bie ©eognoften
von SJtegenborff unb jogen norbtoärts gen 2lrdfjangel. Äegferling
fonnte bei feiner unabhängigen Stellung nidf)t nur an 9)tei;enborffS
©rpebition, fonbem aud^ au ben 2trbeiten äRurdnfonft unb SBerneuils
ferneren ttjätigen Slnteil nehmen.
Qn 3Belify4lftjug, wo fpäter alle Steifenben jufammentrafen, er*
franfte SJlafiuS, unb Äepferling wibmete jtdj ganj ber pflege bes
$reunbes. ©aburd) unterblieb bie geognoftifcfyc ßrforfdfjung ber füblidf)
unb weftlidf) oon SJtosfau gelegenen £eile Stufelanbs, benn erft, naef)-
bem fdjou längft ber Sdmee gefallen war, betrat er biefe ©egenben.
Auf biefer Steife befdjrieben Heuerling unb 33laftus eine neue 2Büt)U
rattc (Arvicola rattieeps), leiber bie legte 3lrbeit, bie bie beiben
greunbe gemeinfdjaftlidE) veröffentlicht babeu. 9)turd)ifon unb 33erneuil
febrten im Spätfjerbft nadj ©nglanb jnriief, Slafius blieb ben äBinter
mit Heuerling in Stußlanb unb jog erft im Jyrü^jaljr 1841 wieber
nadb SJraunfdiweig.
— XIII —
3n Petersburg Ijatte tf etjferling im 2luftrage feines Hater* einen
^rojeft im Senat $u füfprcn, ber in 9Ritan burd) ben 2tboofateit
„abfurb" oerloren roorben war unb ben ganjen Sefifcftanb ber Familie
in ftrage (teilte. 2118 es Äepferling fdrien, bafe er bie Sadje ins nötige
01eis gefahren fyabe, nribmete er fidj roieber roiffenfcbaftlicben arbeiten
unb trat in ein freunbfdjaftltdjes SJerfjältniö 311 Marl Grnft t). 93acr,
SJlibbenborff unb 311 bem äfabemifer öranbt. 3)amafe fnüpften ftcf>
aueb feine Sejiefiungeu jur ©rofefürftin gefeite*), bie am Petersburger
§ofe eine einjigartige Stellung babureb einnahm, ba§ fie bemütjt mar,
ibr Calais 311 einem SMittefpuuft ^öfjerer geiftiger ^ntereffen unb ebler
Öeftrebungen ju machen.
£ie geiftooffe ftürftin, bie f}odf)f)erjige 33efcbüfeerin ber ftünfte unfc
SJiffenf haften , erfannte balb mit bem ifjr eigenen Sdwrfblidf bie
^eroorragenben Gigenfdjaften bes jungen ©elefjrten, 30g iljn in ibre
näcbfte Umgebung unb beebrte ibn mit ibrem Vertrauen, bas fie ibnt
bis an ifjr fiebensenbe (1873) bewahrt unb benriefen fyat.
iter allem aber trat fteijferling in ein freunbfcbaftficbeö SScr*
bältnis 511m ^inanjminifter Oirafen Öeorg Gancrin, in beffen $aufe
er bie roärmfte Slufnafjme fanb. £er fenntniöreiebe, geniale Staate
mann erfdjien feiten im Greife feiner Jyamilie, pflegte bodf) ber arbeit*
fame, fefjon fränf liebe 9Rann feine 2Waf)lseiteu bamals einfam 511 ge=
niefeen. 2Benn aber Äegferling fam, fo gefeilte ftd) aueb ©raf Gancrin
äu ben Seinen, ober liefe ifm 51t fieb bitten, um fidj mit ifjm in lange
tmffenfdjaftliefje ©efprädje 311 vertiefen. So bot ftd) benn tfetjferling
bie Pjelcgenfjeit auseinanbersufefcen, baft, wie fei>r aud) burd) bie oorig=
jäbrigen Grpebitionen unb bie 2Irbeiten eu^elner ftorfdjer bie geogno=
ftifdjc tfenntnis bes t'anbes uermcf)rt morben, bie geofogifdje Gr=
forfebung SHufefanbs immerbin eine nod) 311 löfenbe aufgäbe geblieben
fei. $ierburcf) bewogen ertturfte ®raf Gancrin bie faiferlidje OJe?
neljmigung ju einer großen geologifeljeu ^orfebungöreife, ju ber 9)Jurd)U
fon unb 93erneuif aufgeforbert unb reicblidie 9)iittel bewilligt mürben.
Heuerling, ber in3mifcben sum Gbrenboftor ber berliner Uniocrfität
(27. Februar 1841) ernannt worben mar, mürbe als Beamter bes
§inanjmtmfteriums für befonbere Aufträge, fpcjiell für geologifebe
Aorfdbung, in ben ruf fif eben Staatsbienft aufgenommen unb am
29. 9(pril 1841 31t ber Grpebition befolgen; sugleid) würbe if>m oon
ber Regierung bie 23erid)terftattung über bie Steife aufgetragen. Ter
*) ©rofcfürfiin §erene, Öemafjlin beS GJrofjfürften 3Ric§ael Sßarororoitfcf), Sodjter
b<« ^rinjen tyaul von SBüritemberg.
— XIV —
junge, fpäter berühmte SMineraloge, Lieutenant &offdf)arow, würbe
lüieberum ben Steifenben beigefellt. 2)urd) frühere gemeinfdE)aftlidj)e
2lrbeit an einmütiges 3ufammenwirfen gewohnt unb von bemfelben
geologifdjen animus befeelt, gelang eö ber Meinen ©dfjar, bie fid^ in
Derfdjiebene Abteilungen üerjwetgte, in unglaublidf) furjer 3 e ^ faft 9 an S
3tufelanb unb ben Ural ju burdftforfd&en, unb bie SSerf affer tonnten
mit ©tolj barauf Ijinweifen, ba§ i^r riefigeö 28erf faft burdf)gängig
<mf originalen öeobadfjtungen beruhe, „grcilidb toar eine fo fdjnette
Bewältigung biefer großen Aufgabe nur burdf) bie 2teit)ilfe ber ruffU
fd&en Regierung möglid) geworben. Qn ben £anbfteppen waren bie
DJomaben mit tfjren ^ferben längs ben SBegen ber GJeognoften l)in~
Beftetlt, an ben einfamen $(üffen waren SBöte ju if)rer aufnähme ge=
fertigt worben, ja es entftanb einmal fogar if)nen ju ftienft burd) bas
3lblaffen eines £üttenteidf>cs ein Jyhife ba, wo früher leiner twrljanbcn
war/' Slber audf) bie öeoölferung felbft, tyodf) unb niebrig, unterftüfete
"bie Steif enben, auf alle il;re gorberungen erf Raffte, wie 3Jlurd)ifon
fd()reibt, als Antwort bie üaubtxfyxmtl „moschno" (mojkho, es ift
möglid)) unb jebe Sdfjwierigfeit warb überwunben.
Anfang Cf tober 1841 teerten bie Steifenben nadf) Petersburg
jurüdf.
■Dturdnfon unb SBerneuil fonnten Äepferlings weitere SJtitarbeit
nirfjt miffen, unb fo warb er, auf 33orfdf)lag bes GJrafen Gancrin,
nadf) ßnglanb unb $ranfreid) gefd&icft, um bas Steifewerf ju ebieren
unb eine geologifdf)e Sammlung für bas 33ergforpS anzulegen, ^n
Sonbon unb $ßaris lebte Kepferling in angeftrengter wiffenfd&aft=
lieber Arbeit, in regem 33erfel)r mit ben Äortjpljäen ber 2Biffenfdjaft.
Jfaum pnbet er faxt, bk notwenbigften 23riefe ju fdfjreiben. 2)od)
bem ftreunbe SlafiuS, ber ifjm feine Verheiratung anjeigt, f treibt
-ex unb fagt bejeidjnenb: „Xu tjaft geheiratet unb fefjr wofyl baran
<jetljan. ©wige Unbefriebigung füljlt ber 33ereinfamte, täglidf) fe^e idf)
bas mefjr ein. ^n eblen Öcmütern trägt fie bas ©ewanb poettfdfjer
Trauer, in getrübten ober gemeinen bas ber i>erbriejglidf)feit unb
ÄleinlidEtfeit. $ä) felbft füfyle mid^ burd) fein fpannenbes Verhältnis
an bas anbre ©efdjledljt gebunben unb befifce in ber Vejietjung wenig
Polarität, $ä) werbe feine $rau finben, baljer ftrebe idE) nadf) ber
poetifd)en Trauer. SoSgeriffen treibe idE) burd) bie SBelt unb liebe
ben Sirius."
2lm 30. September fefjrte Äeijferling jurücf unb würbe burdij
iRangertjötjung unb ßklbbeloljnungen ausgejeidfmet. 6s erwartete tyn
•aber aud) bie &iobsbotfd)aft, ba§ ber ^?roje§ feines 33aterä im 1. ^e?
— XV —
uartement bes Senate verloren roorben fei. 2Wit $ilfe'feineft ®6nner*
Cancrin gelang es ifjm jebod), ben ^ßrojefj im Plenum ju geroinnen
unb fo feinen ßltern unb ©efdmriftcrn tyr Vermögen ju fid)ern.
3mmer intimer geftaltete fidj ftepferlings SSertyäftnis jum ißaufe beS
Örafen Gancrin, bem er ftdj 511 großem Tanf oerpfltdjtet füllte, ©ie
Gräfin Gancrin geb. SMuraroieff, eine geiftretdje leibcnfdjaftlidje <yrau,
nmnfd&te aber ben fiiebltng iljres Warme* nodf) enger an iljr ^aud
ju feffeln. $m Anfang bes ^afjres 1843 verlobte fidb 2Ue£auber
ttenferling, 5ur Jreube feiner ©Item, mit ber öräfin 3£n£ibe Gancrin,
ber älteften £od)ter bes ftinansminifters.
Sie ^od^seit mußte IjinauSgefdboben werben, roeil bie lieblidjje,
jarte Sraut von ben 9lerjten jur ©tärfimg ifjrer ©efnnb^eit nadE) 6mS
gefd)idt rourbe, unb ber Bräutigam erhielt auf feinen SBunfd) ben
faiferlid&cn Auftrag, bie wenig befannten Sßetfdboragegenben j$u er^
forden, um bie oon itym im herein mit SRurdfjifon unb Sfcrneuü
erlangte Ueberfidjt bes europäifdfjen 9iußlanbs ju ergänjen.
am 29. 3Wai 1843 um 2Witternad)t oerließ er Petersburg, be*
ßlcttet oon Sßaul 0. Ärufenftiem, ber ifjm ju topograpf)ifdben arbeiten
jutommanbiert roar, unb fefjrte am 1. Stooember Ijeim, nadbbem er bie
imbefannten SBilbniffe erforfdfjt unb bas Xtmangebirge entbedt tjatte,
wobei er etwa 7900 SSerft jurüdlegte, baoon 2000 ju 93oot unb 600
auf Märten oon Sienntieren gejogen.
9lm 9. Januar 1844 vermählte fidfj Heuerling, unb feine J^rau
erhielt oon tyrem 83ater als £odjjeitsgefdE)enf bie ©ttter Siaifütt in
Gftlanb unb tferfau mit Äönno in Ctolanb. 3unädjft blieb bas
junge ^}aar in Petersburg, ©ort ift bas ältefte Äinb, bie heraus-
geberin ber „Xagebudfjblätter" am 6. ^anwax 1845 geboren*). <£s
jeigte fid) aber balb, baß eine Ueberfiebelung auf bie ®üter ber
§rau bes a3ermögens roegen unabweisbar roar. 3lnbrerfeits mußte
bas $etfdf>oraroerf abgefdbloffen roerben. „Die Steifen", meinte tf eijfer=
* in 9, //fö^tt tro$ aller 3Hüf)feligfeiten unb Sefdjroerben meift munter
jum 3^1 unb Reiter jurüd. £ie Bearbeitung bes ©efammelten ift
bie gefafjrlid&fte Älippe, unb erft, roenn biefe umfdfrifft ift, an ber fo
triele ber Sortreff tieften f Reitern, laßt uns ein ^reubenmaljl feiern/'
*) 2)rei Äinber entfproffen biefer <S$e:
^ fcelene, geboren in Petersburg ben 6. 3amiar 1845, »ermaßt im
September 1874 mit 33aron Otto v. ZauU 31t Serroafant,
Seo, geboren in StoiluU ben 4. 3Röra 1849,
SRarie, geboren in Haifütt ben 1. 3Roi 1856, bafelbft geftorben ben
23. 3<muar 1874.
— XVI —
$m SBinter 1846 brachte baljer ftepferling grau unb Äinb aitf
ifjr Lanbgut SttaifüU, wä^renb er felbft nadf) Petersburg 3urücffet)rte,
um feine ®efd)äfte ju orbnen unb bann bie ©rofefürftin Helene ins
Shidlanb }u begleiten. (£r follte babei, rote eö in ber Drbre Ijeijit,
„bie geologifdfjc :öefd)reibung beö nörblid&en Siufjlanbö t>ert>ottftänbigen
unb bie Formationen SHufclanbö mit beucn einiger ©egenben 3)eutfd)s
lanbö Dergleichen'' .
Tie junge, frftufltcbe, in ber ©rofeftabt aufgeroad)fene Jyrau, mußte
nunmehr allein in länblidjer 3lbgefd)iebenbeit, fern oom s J}oftoerfebr
xint jeglicher mcbijinifdfien Jpilfe, in einem Sanbe, beffen Sprachen itjr
noeb unbefannt waren, in einer gänjücb fremben Söelt bie Siebten
ber Hausfrau auf bem fianbe erlernen. £odf>, gewohnt in grenjenlofer
Eingebung unb Selbftlofigfeit ju bem geliebten 3)laune auftuföaucn,
f)at fie bamalö unb in ber Folge alles leidjt getragen, roaö fie für
fein unb feiner ttiuber 2öol;lerge^en als notroenbig erfannte. 3m
ßerbft 1846 f)at SKeranber Heuerling in 2Bien fein ^etfe^oraroert
tjollenbet unb bamit beu Sd&lujsftein für bie mit 9Kurd)ifon unb 3>cr=
ueuil begonnene erfte geologifdje Crforfcbung Süifclaub* geliefert. £as
s ^etfd)oran>erf ift ftets von ben Forfdfjern unb 9ieifenben, bie Aepfcrs
lingö ^Jfaben gefolgt finb, befonbers gefdjäfct roorben.- £iefe Ijat er
audj bei 51bfaffung besfelben im 3luge gehabt. Gljarafteriftifdf) bafür
fcfjrcibt er: „diejenigen, benen eö 4)ebürfms ift, ben 3Serfaffem in
6inje(beiteu ju folgen, um bie Solibität unb bie 3Wänget ber 9Wa-
terialien, bie fie fräftigeu unt> ergänjen wollen, genau fennen ju lernen,
oerbieneu am beften bebaut ju werben, ba nur fie bie eigentlidjcn
(Srben unb gortfefeer unfrer 3Irbeit am $3au beö menfd)ltcf)en 2öiffeuö
finb. 3n einer 3 C ^/ & a bie nriffcnfd&aftltcbc Litteratur o^ueljin burdj
bie aufgefpeidjerte ©efdjroäfcigfeit ber 3 al () r fH m & erte 3 U e ^ ner # a ft Q«=
gejdjroollen ift, bie imfer üorroärtö getriebenes ®efcf)ledf)t }u rebujieren
ftd) feljnt, fdjeiut eö ein Sebürfuiö, bie roiffenfdjaftlicben opejialroerfe
triebt mcljr jum Lefen, fonbern jum ü)tad)fd)lagen einjuriebten. . . .
öonft gehörten rciffenfd)aftlid)c -Weiferoerfe jur beliebten Unterljaltungs-
leftüre, jefct wäre eine fold)e Liebhaberei weniger ju rechtfertigen.
Qewn bie 51t unterbaltenben Lefer tfurn beffer baran, ityre 3 e ^ öuf
bie neueren £anbbücber ju t>erwenben, bie i^uen baö georbnete 0an$e
einer Sttiffenfcbaft, oft in fo ansieljenber Jorm, barftelleu. äöollen
fie aber Säuberungen uon menfeblicben Xljaten, ftreuben unb Leiben,
fo mögen fie fieb an baö biftorifebe unb poettfebe Webiet unb an
bie baljin einfcblagenben Steifen galten . Aüt 9kturwiffenfd)aften
bringen bie menfcblidjen Leiben bes Sieifcnbeu unb feine ©emütöein=
— XVII —
brüdfe feinen ©ewinn. 33ei aller SBaljrljeit wiberftreben bie lefeteren
ber nnffenfd&aftlidjen ©eftaltung nidf)t weniger alö bie menfdfjlicfye
1J}()t)iiognomif."
3n einem öffentlichen Vortrage in Sßien aerfud&t er eö aber bodfj,
bie SRefultate, bie er mit ben 5 re w^ cn buxä) gemeinfame gforfdfjung
gewonnen, bem großen Sßublifum 5U erläutern. 9iadf)bem er auf bie
£auptergebniffe unb au<# auf bie praftifdf) uüfelidfje «Seite biefer wiffen*
jd&aftlidien ^orfdjungen Ijingewiefen, fjebt er fjeraor, bafe baö 9tü&ttd)s
fettöprinjip ein untergeorbneteö fei, benn oon biefem untergeorbneten
Stanbpunfte am fönnte eö bodf) mand&em erf djeinen, bafc bie Gnt=
berfung einer einjigen San! lebenber 3luftem für bie SWenfdfjen un=
flleid) wtd&ttger wäre, alö bie ©ntbeefung aller »erfteinerten 2Rufdf)et
bänfe ber SBelt. $en eigentümlichen 3 a u& e * geognoftifd&en $orfdf>enö
erläutert er mit ben SBorten: „9hir bie ©eognofic begrünbet buref)
bie Slufeinanberfolge ber Organismen, bie fie enthüllt, baö lebenbige
$enmfctfein uon einem Jortfdfjritte, unenblidf) lange 3^iten Ijinburdf), ju
immer Ijöfjerer 3Mfommen§eit. Äeine gorfd&ungen jeigen fo fetyr wie
tte geognoftifdfjen bie unbegreifliche ©eiDott beö fdfjöpferifdjjen ,2Berbe'."
SBon SBien auö fdfjicfte er ben Sßortrag bem Jyreunbe 23lafiuö
unb fd&rieb iljm: „Seit wie lange f)aben wir unö nidf)t gefdjrieben!
ttrie lange werben wir uns wieber nidfjtö fd&reiben, wenn wir nid&tö
miteinanber ju tljun Ijaben. 3Jtan fann fidf) fdjämen, aber ba wafjr*
fdjeinlidf) nid&tö weiter babei fyerauöfommt, fo fann man eö audf) unters
laffen. 3n wenig SBorten fage idfj 35ir, waö auö mir feit 1843 ge?
lüorben, 3$ reifte nadf) ber Sßetfcfyora, fottte nadfj Sibirien, geriet
aber ju einer ^rau, fo ift auö biefer Steife nid)tö geworben .- 3$
heiratete 1844. ^nfolgebeffen fanb i<$ fo me( ju tfiun, bafc idf) faft
üerjmeifelte, nodf) ein anDreö ©efdfjäft nebenbei betreiben ju fönnen. . . .
3u &aufe f freien mir %xau unb ftinb, ©ine Xocfjter! &aö ift feljr
ft&äfcenöwert, unb wäre fte mir md)t jur redeten 3 ei * 5" £ttfc 9* 5
fommen, mein ^ßetfdfiorawerf wäre nie oollenbet worben. Siö jum
3Ftoi 1846 ^atte idj eö gröfttenteilö fjerauögeprefct, alö bie liebenö=
nmrbigfte unb nobelfte ftürftin*) ber ^e&twelt mid) aufforberte, fie
auf ifjrer Steife ju begleiten. 2Bir waren fd)on auf bem Slücfwege,
als bie ®rofcfürftiu 9Warie f)ier erfranfte unb ftarb. SRur nodj eine
*) Orofcfürftm fcelene
<£Kfa&et§, »ermaßt mit 3Rarie, f 1846. Äatyarina, ocnnä^lt mit
Xbolp^ »on 9toffau, Sersog ©corg von SRcrflenburg
t 1845. 1851, f 1894,
II
— xvni -
£odfjter*) bleibt ber SWutter, bct id) bicne, unb id) roill mit alt-
beutfdfrer Sienfttreue aushalten, bis fte weniger uerlaffen ift. £ann
benfe id) nadf) £aufe ju geben unb bie ©üter meiner ftrau ju benutz
fd&aften, unb mit 9t. in bic SQBctte mein eigenes ©eroid&t an Jünger
ju probujieren, fo baß idf) es um bie liebe ©rbe t>erbienc, einft in
tyrem Sdfjofee ju ruijen. . . . 9Wit ber 2Belt bin idfj gar febr jufriebett.
öefonberö ift es eine greube um bas Sammeln von Naturalien unb
meine Stube ift t>oll von 200 2lrten aus bem SBiener 33edfen. 9tn-
genehm fiub immer bie ftbeen, bie man von ©Ott füfjlt, nur juroeilen
bleiben fie üötlig aus. . . ."
ÄerjferlingS nriffenfdjaftlidfjes Xagemerf mar in feinen 9lugen ab=
gefd^loffeu. 3Bof)l f)at er fpäter^in nocb mandfje Arbeit geliefert, bie
ftets bie 3lnerfennung feiner ?Jadf)genoffen gefunben, — Ijat bodf) ein
Sluffafc in ber Societe Geologique de France 35arn>in veranlaßt,
ifjn unter feinen Vorgängern ju nennen**) — er felbft pflegte feine
fpäteren 2trbeiten als 3lHotria, als bie roürbige Ausfüllung feiner
■JJhifeeftunben , anjufeben. @r mar ber Sfteinung, bem roeitjeDolfen
35ienft ber 2Biffenfd)aft muffe man ftd) ganj bi n 9 e & en «wb auf bie
anbern Sebensfreuben üerjidEjten. £umbolbt i)attt iljm einft gefagt:
„Sie tonnen ber Sßiffcnfcbaft große 3>ienfte leiften, nur roenn Sie
nidjt booten/' unb Stetjferling ftimmte bem Slusfprucb bei, „benn,"
fagte er, „bie @bc ift ein Seruf, ber bie pflege üon Qnbioibuen unb
bie Sorge um bie nädjftliegenbe menfd&lidjje ©efeHfdf)aft $u einer Ijofyen
fittli^en ^ftxcbt ergebt/'
fortan l;at fid) Äepferlmgs £eben in anbern Sahnen bewegt.
3m 3aljre 1847 fdfjlug er feinen ftänbigen Sßofmfifc auf feinem
£anbgute 5RaifüIl auf. £er 33eroirtfd;aftung biefes ©uteö fjat er fid),
foroeit es ibm möglieb mar, geroibmet, bot bic SSolfsfpradje, bas (B)U
ntfdfje, erlernt unb fid) eine große fad&männifd&e lanbroirtfdf)aftlidf)e
Silbung erworben. Sodf) fehlte ibm, ber als langjäbriger ^5räfibent
bes eftlänbifdjen lanbmirtfdf)aftlid)en Vereins für bie gefamte £anb=
mirtfdjaft bes &anbes anregenb unb belebenb genrirft, jum praftifdjeu
*) ©rofjfürftin flatljartne. Um bie na$ bem Sobe ifjrer 6<$roefter oerein-
famte junge ^Jrinacfftn Don tyrem Kummer abjufenfen, führte fte Äepferling in bie
beutle fiitteratur ein, inbem er Ujr bie SWeifterroerfe unferer Äraffifcr oorlaö.
$ie Ijoc^gebilbete ebre gürftin nnbmete tym feitbem eine treue greunbfäaft.
**) 6. ©. 139 Slnm.
— XIX —
Saubtöirt bie ©eroofjnfjeit, btc pljpfifcben Seiftungen anbrcr ju über*
machen, 9lnforberungeu ju [teilen, 311 berufen unb ju befehlen, meiere
©eroo&n&eit ben SRilitärbtenft in mancher £inftd&t ju einer fo au«*
geäeidfjneten SBürfd&ule für bie SanbroirtfdEjaf t mad&t. „@ö ift bie SPfftdjt
bes praftifdfjen Sanbroirtß," meinte Äepferling, „bie geiler feiner Stfenfk
teilte me&r als il>re £ugenben iljnen bemerfltdfj ju madfjen, roaa auf
bie Sänge immer fd&roerer n>trb." S&m fehlte aber oor allem nidEjt
nur ber faufmännifd&e Sinn, fonbern bie ?freube am ©rroerb. %üx
feine Sßflid&t Ijielt er eft, baö Vermögen feiner grau ju erhalten, auf
bie ßälfte feiner t>ätertid&en ©rbfdjjaft Ijat er oerjid&tet. 3^m fdfjien
es unrofirbig, ben Staatöbienft ato eine Duelle beö ©rroerbes anjufe^en,
unb als er, vom Äaifer jum Äurator ernannt, gefragt würbe, mies
Diel ©el)alt er beanfprud&e, begnügte er fidf) mit ber etatmäßigen ©age,
roaö i$n in fpäteren Qa^ren ju ber 21eußerung üeranlaßte: „06 id(j
ein guter Äurator geroefen, weiß idfj nidfjt, jebenfalfe bin idjj ber
billig fl c geroefen, ben ber rufjifd&e ©taat je gehabt. " Sßeinlidfj
genau in feinen ©efd&äften mar e* iljm ein Sebürfnifi, feine 33ermögen$~
läge ftetö Mar ju überfein, unb frü^ fd&on meiste er feine Äinber
in alle feine ©efdfjäfte ein. 2>esljalb legte er mit SRed&t ein große*
Öeroidjt auf genaue 93ud^fü^rung unb Ijatte eine von tym felbfl ber
SanbtDirtfdfjaft angepaßte boppelte öud&fü^rung auf feinen ©ütern
eingeführt unb roä^renb 40 $a§ren nie öerfäumt, feine Sudler felbfl:
abjufd&ließen. $eben 1 . 2(pril beö QaljreS befiel iljn, roie er efi nannte,
bie calculeuse. Mafilos würbe tagelang geregnet, bis ber Reinertrag
auftgemittelt unb atö ben gefunbenen ©rgebniffen bie ©dfjlußfolgerungen
für bie 3Sirtfdfjaftsfül)rung gebogen roorben. Stanf biefem Älar&eits*
bebürfniö unb feinen ^eroorragenben Äenntniffen ift eö ©raf Äepfer=
(ing gelungen, trofe feiner bem ©rroerbsleben abgeneigten ©inneäart,
als prafttfd&er Sanbroirt mefjr ju leiflen, als mandfjer fogenannte
^raftifer. ©ine auffäfjtge unb arme 8auerfd(jaft f)at er in eine redfjt*
liebenbe unb roo^fyabenbe umgeroanbelt unb baö @ut JHaifüff, trofc
fd&ledfjter SBiefen* unb 2Beibet)er^ä(tniffe, trofc bes mageren, bur<$
ertenjfoe SBirtfdfjaft oerroilberten SBobenS, o^ne Srennerei, nur burdfj
ftutterbau unb rationelle Sßirtf d&af t , in einen tyof>en Äulturjuftanb
gebraut.
3ft ben erften ^aljren feiner lanbrairtfdfjaftlidfjen Xl)ätigfeit fanb
ßegferling bie 3Ruße, fidE) oiel unb etngeljeub mit religiöfen unb p^ilo*
fopljifdfjen Problemen ju befd&äftigen. 1852 fdfjreibt er feiner ©d&roefter
(Veline Öaronin oon 8el>r nadf) Hurfanb: „3$ l)abe baö 2llte Xeftament
befonbers roieber ftubiert unb für midfj oöHig neue ©ntberfungen
— XX —
gema<$t." ©r Ijatte bamalß bie altteftamentltd&en ©Triften burcfc
gearbeitet, um ftdfj bie grage ju beantworten, waß in tynen über bie
3ufunft ber SBerftorbenen geteert werbe. @rfl tuet fpftter Ijat er bie
©Triften beß 9?euen Seftamenteß auf biefelbe grage Ijtn bearbeiten
!önnen, benn bie nädjften %af)Tt feines Sebenß waren faft ganj t>on
Politiker 3lrbeit in JKnfprudfj genommen.
1847 in bie eftlänbifdfje 2lbetßmatrifel aufgenommen, würbe
Äepferling 1850 jum Äreißbeputierten gemäfjft, wobei er nodjj baß
2lmt eines Äirdjjfpielridfjterß befteibetc. Daburdjj warb i&m bie ©e-
legenljeit geboten, bie bäuerlidfjen SBerljältniffe beß fianbeö von
©runb aus fennen ju lernen. 3»n furjer 3 e ^ fünfte er fidf) in @ft=
lanb Ijeimifcfy, woju bie brfiberltdfje 9Iufnat)me fettend ber (Jftlänber
unb tyre ©efinnung, bie felbft bei erbitterter polttifdfjer @egner=
fdfoaft bie perfönlidfjen 3?erf)ältniffe unberührt liefe, tuet beitrug, i>or
attem aber bie eigenartige, tyn fpmpatljifdfj berüljrenbe SSerfaffung
beß fianbeß.
©ftlanb würbe oon ber beutfdfjen SHittcrf c^af t , bie alß Korpo-
ration fein Vermögen befeffen unb nie nadfj Vermögen gejlrebt §at, ber
aber oom Staate bie alleinige Verfügung über bie ©runbfteuer über*
Iaffen worben, oerwaltet. 3tuf üjren Sanbtagen oertyanbelte bie 9titter=
fdjaft über baß 2öot)l unb SBe^e beß £anbeß in freiefter SBeife unb
befefcte burdfj freie Sßafyl, ofjne Seftätigung feitenß ber ^Regierung,
faft ade Soften beö ßanbeß, üon ben nieberen ^ßolijeipoßen biß ju
ben Ijödfjften Suftijpoften ber Sßrooinj.
ÜKit geringfügigen 2lußnaljmen waren alle Sttemter ©fjrenämter
unb ityre 2lnna^me obligatorifd&. 2tn ber ©pifee ftanb ber 9titter=
fc^af tßfjauptmann , ber bie 33ejief)ungen jur Staatöregierung oer=
mittelte, audfj er unbefolbet, tro| ber großen pefuniären Dpfer, bie
baß 3tmt auferlegte. 3Beber 9ieidfjtum nod(j Ijotjer Slang gab in bem
f eltf amen Sanbe Stnf eljen, f onbern nur Opferwillig! eit unb Spflidjjttreue
im SDienfte ber £eunat.
9luf ben fjoljen ^rinjipien beö @l)renpfftdf)tbienfteß unb beß frei=
wittigen ©eljorfamß benote bie SBerfaffung beß £anbeß, ju beffeu
Dienft 3llejanber Steuerung feine beften 2Ranneßjaf)re Eingegeben, unb
beffeu $üljrung if)m im Januar 1856 alö Slitterfdfjaftöfyauptmann
übergeben würbe. £rübe, fdjwere £age waren über baß Sanb §erein=
gebrochen. $>er orientalifdfje ftrieg tjatte grofee Dpfer gefoftet unb bie
©df)ulbenlaji ber StttterfdEjaft war bebeutenb gewad&fen. @ß fehlte an
©elb unb Ärebit. Heuerling gelang es, beim ftinanjminiftertum eine
anleite oon oier Millionen s JJubel ä 3 °/o für bie ritterfd&aftltdf)e 5trebit=
— XXI —
fafje (Slgrarbanf) auöjutmrfen, rooburdfr mieberum bte SKöglid&feit gc*
boten warb, bcr Canbnrirtfdjaft bittigen Ärebit ju gewähren unb fo
Die ©runblage für bcn aufblüfjenben SBofjlftanb beö Canbeö ju fdfjaffen.
£odj} nidfjt allein bic materielle Sage bes Sanbeö war eine büftere,
e$ waren 3^ten gefommen, wo bte gefamte ©elbftoerwaltung (Sftlanbs
in ftrage geftettt würbe.
3m 3aljre 1842 war üon ber eftlänbifdf)en SRitterfd&aft eine SRe-
form ber Sauergefefcgebung in angriff genommen worben, um bic
Seiftungen unb SRed&te ber im Safyxe 1816 t>on ber SeibeigenfdEjaft
befreiten Sauerfdfjaft ju regeht. 35iefeö ©efefc war nadf) garten kämpfen
§nrijd)en ben Vertretern rerfdjiebener 2lnfd)auungen unb £f)eorien auf
ben Sanbtagen ju fianbe gefommen, bann burd) £ranöaftionen mit
oerf^iebenen 9tegierung3autoritäten üeränbert, unb enblidfc 1856 be*
[tätigt worben. Sei ber praftifdjen 2lnwenbung jeigte ftd&, bafc baß
Seftreben, ©rfonnenes an ©teile beö Seftefjenben ju fefcen, ju Unju=
träglidfjfeiten führen mußte. £rofc ber Sauerucmanjipation waren bie
SJer^ältttiffe jwifdjen £errn unb Sauern bie trabittonellen, ax\$ ber
Seibeigenf dfjaft&jeit äberf ommenen , geblieben, unb follte nun biefer
größtenteils recfytlofe Soben mit einem neuen eleganten ©pftem über*
baut werben. Siefeö ©pftem beftanb bariu, ba§ bie S6gren}ung beö
ben Sauern jur 9iufcung überwiefenen Sanbes unb bie Formierung
ber gron nidfjt auf einmal, fonbern nad& einem, erft in einem 2Renfd)en-
alter burcftfüljrbaren Äatafter aUmäf)lid& gefdbefjen follte. £urd) biefen
fiatafier mürben wedfjfelnbe ffuftuierenbe 3uftänbe gefd&affen unb bie
Sauerfdfjaft, bie üon bcm ©efefce ßrleidfjterung unb fefte Siegelung
ilirer Serfyältnijfe erhofft fjatte, in Unruhe nerfefct, was auf 25 ©ütern
jur Arbeitsverweigerung führte unb auf bem ©ute 3Rarf)terö fidf) bis
)u Siuljefiörungen fteigerte. Seim ©infrfireiten bes SWilitärS mürben
ein Dffijier unb mehrere ©olbaten üon ber Seoölferung erfdEjtagen.
Cbgleid) biefer ©ewattaft Dereinjelt blieb unb bie SHufje gteidl) wteber
liergeftettt mar, mürbe ber %aü t>on ber jur ©elbftoerwaltung ber
SProoinj feinblidf) ftetyenben Partei ber Sureaufratie ausgenufct, um
bie ©d&ulb an bem ©efdfjeljencn einjig unb allein auf bie beutfdje
Äitterfdfjaft ju wätjen unb ein eingreifen ber Staatsgewalt ju t>er-
langen.
3n feinem mit großer ©ewanbttyeit gefdfjriebenen Serid&t fefete
ber mit ber Unterfud^ung ber 2Rad£)terfdf)en Unruhen betraute ©e=
neral Sffafow auseinanber: £ie 9ütterfdf)aft fyabz fowol)l ber 9te
gierung wie ben Sauern gegenüber ein boppeltes ©piel gefpielt, benn
unter bem ©dfjein, bem Sauemftanbe Erleichterungen ju fdfiaffen,
— xxn —
fyaht fie ihn nur nodfj me^r bebrfidfen imb ausnufcen wollen. Gin
33eweis bofür fei bie abftdfjtlidfje 33erfdf>leppung bcr ©efefcesbejtätigung
burdE) bie 9titterfd^aft unb bte bur$ ben großen Umfang ber 8e=
ftimmungen unb bie unKate Raffung beabftd(jtigte Unoerftänblid&feit
biefeS ©efefces, enblt<J) bie 3Berttojtgfeit ber ben Sauern gewährten
fdfjeinbaren Stonjefftonen. GS fei ^J5fTi<3^t bes Staates einzugreifen
unb ben Säuern £anb ju fd^enfen. £er Jlatfer f$rieb auf ben
Seridfjt, er fei $öd&ft bemerfenSmert, unb perwies i^n 3ur
Prüfung an bie gefefcgebenben ^nflanjen. £es ebten 3Ronard&en
Vertrauen ' jur 9titterfd&aft war erf füttert, unb es fd&ien fafl un*
auSbletblidf), baß bem Sanbe bie Regelung feiner Angelegenheiten,
bie Autonomie entzogen werben würbe. — ©raf Äepferling begab
ftdfj nadjj Petersburg unb tyatte ©elegenfjeit, in einer langen intimen
Aubienj bem Äaifcr bie Sage bes Sanbes auseinanberjufefeen. „3<i>
fonnte nid&t anbers," fdfjrieb er bamals in einem intimen $ru>at=
briefe, „als mtd& offen über bie 2Rängel ber neuen Saueruerorbnung
©fifanbs auSjulaffen, unb Ijabe barauf tyinmeifen muffen, baß otyne
erfyeblid&e Aenberungen in bem ©efefce bie 9tul)e nodf) meljrfadfj
mit ©runb in #rage geftellt werben mürbe. 3dfj fyabc gefprodfjen,
oljne inftruiert ju fein. Aber nur bie oolle SBa^rfjeit fann unfre
Korporationen bes oäterlidjen Vertrauens würbig machen, beffen mir
genießen, unb anbcrs fann unb mag i<$ nid&t uns vertreten." 35ie
tenbenjiöfen Verunflaltungen bes ©enerats Sffafom mies Äepferling
in einer Dermd&tenben ©enffd&rift jurüdf, wirflidfje Uebelftänbe erfannte
er noH an unb l)at nichts befd&önigt. So gelang es iljm, bas 33er=
trauen bes ßaiferS ber 9titterfd&aft mieber ju gewinnen. Gs mürbe
ii)t nun von ber Staatsregierung bie Aufgabe geftellt 1. eine Mare unb
fefte, gefefclidfje Drbmntg fofort in aßen bäuerlichen SSerljältniffen jur
©eltung ju bringen, 2. ju t>erl)inbern, baß eine fjöfjere unb ungleidf^
mäßigere ^ron als bie, welche burdö freiwillige, meift auf ^rabition
berufjenbe Abmachungen im Saube beflanb, jur gefefclidfjen SKorm ge-
ntadfjt mürbe.
Auf bem ©eptemberlanbtage 1858 mürben bte von ©raf ftetjfers
ling ausgearbeiteten ©efefcesoorfdfjläge von ber Siitterfd&aft angenommen
unb ber Staatsregienntg jttr 33eftätigung oorgeftellt. Qn fetner, bie
£anbtagsfd)(üffe motimerenben £enffd&rift äußert fid& ©raf Äepferling
folgenbermaßen :
„3 um ©Afoß biefer 2>enffd)rift märe meUcicftt nod) bie grage
ju beantworten, warum bie 9ittterfd)aft nid)t in 3?orfd)lag gebracht
Ijat, bem Öauernftanbe materiell ju Ijelfcn burd; ©efdjenfe unb 2öof)U
— XXIII —
traten? 3 unä ^ft müßte auf eine foldfje grage baä öefndf) folgen,
§u prüfen, ob in ben Unruhen biefe* ^aljreö bei ben Sauern fid^
gejeigt fjat, baß lofaler fanget unb £rudf bie Seranlaffung ge=
wefen. 35aä ©rgebniö einer folgen Prüfung fann lein anbreö fein,
als baß nur bie gorberungen unb bas Seftetycn auf oermeintlidjjen
Stered&tigungen babei jur ©pradfje gefommen. @ä ift bemnadfj audf)
gewiß, baß eine jebe äBo^lt^at infolgebeffen nidfjt ate fold&e, fonbern
als bie ©nräumung einer SBered&tigung beut Sauernftanbe erfdfjeinen
muß. 3Wit anbern Sßorten: man ptte bem Sauernftanbe burdj
bie S^at bewiefen, baß baö ©igentum nidjt bem Eigentümer gehört,
fonbern bem SBiberfefclidfjen. SBenn alfo fcfyon besfyalb oon mate=
riellen 2Bol)ltf)aten ntdjt bie 9?ebe fein burfte, fo mufc nodb fjenwr*
gehoben werben, baß biefe überhaupt ben freien Sauer, ftatt itjn
in feiner ©etöfiänbtgfeit ju förbern, nur an neue 2lb^ängigfeit unb
©orgfojigfeit gewönnen, leibeigene fönnen mit ©efdfjenfen erhalten
werben, weil fie unter bem Zwange ber 9tute arbeiten. $Ttfc
Seute muffen burd) bas Sebürfniö auö ber Sdf)wä<J)e unb ^nbolenj
gejogen werben."
9ftd)t burd) SBofjlttjaten , fonbern burdj ©infü^rung gefunber
Sted^töoer^ältniffe unb ber ©elbpad&t, bie jum Äauf ber 5ßad^tfteBen
führen follte, ^at ©raf Steuerung ben Sauernftanb Gftlanbö lieben
unb förbern wollen. 2>od) mar er bagegen, bie ©clbpadf)t von oben
l>er ju befretieren, benn er Ijatte ftdf) bie Aufgabe geftefft, „baä 33e*
ftefjenbe unabänberlid) jur ©runblage affer weiteren gortbübung ju
madfjen".
ßunädfrft würbe feftgeftefft, baß bie trabitioneffe altgewohnte grone
-nie mefjr er^ö^t werben burfte unb eine 9tüdtteljr oon ber ©elb*
padbt jur fixont gefefelidj) auagefdfjf offen fein foffte, woburdf) bei jeber
Steigerung ber Sßadjtfäfce bie ©elbpadjt fi<$ immer me^r einbürgern
mußte, eine SBorauöf efcung , weld&e in ooffem STOaße eingetroffen ift.
ferner würbe fofort in natura unb auf ben ©utäfarten baö £ofö=
lanb, über welches ber ©utöfjerr nad) eigenem ©rmeffen oerfügte, oon
bem Sauernlanbe abgefonbert, b. f). oon bemjenigen Teil beö ®utö-
areafe, baä ber Sefifcer nur burd) $erpadf)tung ober Serfauf an Sauern
nufcen burfte. 3>en bäuerlidjen Sßädjtern warb ein Serfaufsredjt be*
toiffigt unb iljnen auöreid&enbe gefefclid&e ®arantie für unbe^inberte
1ßad)tnu$ung gewahrt.
Um biefe Seftimmungen burdbfüfjrbar ju machen unb eine ftete
leiste Kontrolle, fowoljl feitenö ber Stcgierung, ber s Jlitterfdf)aft, ber
3uftijbet)örben, ja fogar ber Sauerngemeinbe ju ermöglidfjen, mußten
— XXIV —
einfache gormen beö Äontraftt gefunben werben, unb biefen 3roetf
verfolgten bie „Sagerbüdfjer" (Kontraf tbüd&er).
Kleber ©utöbeftfcer verpflichtete fidf), ber ^uftijbeljörbe ein Sager^
budf) einjuretdfjen, in welchem jebe cinjelne Sßadjtftefle feines $auer=
lanbes auf einem gefonberten Slattc bes Sucres verjeidmet ftanb.
3lm Anfang bes £agerbudf)es waren alle biejenigen ©efejjesbeftimmungen
aufgeführt, bie bei Slbfdfjlteftung von Sauerlanbfontraf ten für bas-
gefamte Sanb oerbinblidfj waren. 3 U biefen gehörten beifpielSweife bie
fed)öjäl)rtge ^rift bes Kontraktes, bie Seftimmungen über Vergütung
für aMiorationen unb bas 9Wa& ber juläfftgen grone. liefen Seftim-
mungen folgten bie fpejieU für bie gefamte Sauernfdfjaft beö betreff
fenben ©utes gültigen Abmachungen, fo bafc ber eigentliche Kontraft,
ba er nur bie inbimbueHen 33ejief)ungen jwifdfjen bem ©utsljerrn unb
bem jeweiligen $ßäd)ter enthielt, auf ein äRinimum rebujiert würbe..
3luf biefe SBeife war es ein leidstes, bie Sejie^ungen jwifdfjen ©uts^
Ijerrn unb dauern fortlauf enb ju fontrollieren*).
$m 3la^re 1859 würben biefe ©efefcesoorfd&läge faft ofjne 3Jcr?
änberung Merljödjft beftätigt, unb bamit ift bie Safis für bie SBeitcr-
entwidelung beö ßanbes gefdfjaffen worben. 2Benn ftd^ in @ftlanb
ein fräftiger Sauernftanb entwicfelt bat, wenn l)ier, trofc tt)öridf)ter
2Wiftgriffe, nie irlänbifd&e 3"ftänbe entftanben finb unb and) fyeute
nod(j, nadfj faft oierjig ^aljren, es nid^t gelungen ift, ben Säuern mit
bem ©utsfjerrn ju entjweien, wenn bie 3 u ftänbe auf bem Sanbe ge~
funbe geblieben finb, fo oerbanft Gftlanb btefes nid&t jum geringften
£eil ber £f)ätigfeit feines bamaligen 9?itterfdf)af tstyauptmanneä , unb
fein Anbenfen wirb bem Sauernftanbe nidf)t minber wie ber SRittcr-
fdfjaft unoergeffen bleiben.
3m Safyxt 1860 warb ©raf Kctrferling nodfjmals jum SRittcr^
fdfjaftsljauptmann gewählt. $n welkem ©inne er wäljrenb feiner
Amtsführung bie Sittterfdfjaft geleitet, bejeidfjnen bie SBorte feiner An-
trittsrebe: „2>ie Korporation ift nidfjt fiel) felbft 3 roe ä/ ft e ^ öt e t ne ft
työfjeren, bie fittlidjen gorberungen ber ©efcttfcljaft, fowett es in iljrem
33ereid;e liegt, ju oerwirflidjen. 3Mc Korporation barf nid&t jur ®ng~
Ijerjigfeit einer 3 un f* Ijerabfinfen . . . ." 2>en einjelnen s J5l)afen ber
frciljeitsförbernben £f)ätigfett Kepferlings }u folgen, ob es fidf) um
Aufhebung bes ^ienftjwanges innerhalb ber ©emeinben ober um ab?
*) 2)ie Sager&üdjer fottten jcrfaUcn: a) in einen allgemeinen %til für ba£
ganje £anb gültig; b) in einen fpe^ietten $eil für bie gefamte SBauernfa)aft bei
®utt& gültig ; c) in einen inbunbuellen für bie ^erfonalabmadjungen sroifdjen
$äd)ter unb 33erpäa)ter: baä au$8ureia)enbe Äontraf i&lati.
— XXV —
miniftrotiüe unb jurtbifdie fragen fjanbelte, würbe außerhalb be&
Saftmene bicfcr ©ftjje liegen. 6ö Riefte bie ©efdf)idf)te ©ftlanbö jener
3eit treiben unb melleidfjt audf) mefjr, benn bei feinen häufigen 2ln~
roefenljeiten in Petersburg fjat ©raf Äepferling oft ©elegcnfjeit ge=
habt, in fragen mitjuarbetten, bie weit über ben Sereid^ beö prooin?
jietten Sebenö griffen. Stur ber fonfeffioneHen grage foll ^jier gc=
bad)t werben, an ber er fo regen Anteil genommen fjat.
3n ©ftfanb Ratten feine 9Kajfenübertritte jur Drtf}oborie ftatt-
gefunben, wie in fiiolanb, bafjer mürbe ber öefenntniöjwang nid&t
fo allgemein empfunben, roie in ber ©d&mefterprooinj. $5odfj biefeö
oerfjinoerte Äerjferling nid&t, für bie if)m fjeilige ©ad&e ber Xoleranj
mit feiner ganjen ^Serfönlidfjfeit einzutreten. Gin einjelner Vorgang
bot ifjm bie ©elegenfjeit, auf biefem ©ebiete als erfter fjanbelnb ein*
jugreifen.
„£a* liülcmbifd&e Sftäbdjen 9lnn £alwi<f aus Sßoifecf warb im
13. SebenSjafjre im Stprif 1846 oon ibrer 3Jlutter in ber Dberpal)len=
f^en Slirdfie jur ^irtnefuncj gejwungen. 2lnn £alwi<f verließ, faum
erioadfjfen, iljre £eimat unter 33enufeung eines falfd&en 5|}arodf)ialfd(jeines
unb jog auf bas ©ut ^ßaggar in (Sftfanb, wo fie fidE) für bie lutf)e=
rifdfie 3Ragb 3lnn Sßontacf ausgab, lutljerifeft fonfirmiert mürbe, im
Stooember 1854 mit bem lutljerifcfjen Sauern $aan ©urm getraut
mürbe unb fpäterf)in audf) il)r ftinb lutljerifdf) taufte. SDiefen %1)aU
beftanb fjatte bie ortfjoboje ©eiftltdfjfeit ermittelt unb gegen 2lnn ©urm
bie Äriminalflage erhoben. $em ©efefce nadf) burfte ber Sut^eraner
3aan ©urm feine Einber nid^t behalten, fein 2Beib mußte ifjm ent*
riffen, oietteidf)t wegen $äffdJ un 8 un ^ Uebertretung bes SßaßgefefceS
nadj Sibirien t)erfdf)i<it werben."
©raf Äetjferling wies barauf Ijtn, baß bei ber Firmelung ber
Amt ©urm bie gefefcltdfjen SBorfdfjriften nid&t beamtet worben, baß fte
allerbingö in ber ©ewiffensangft, um ifjren ©eelenfrieben $u retten,
in äußerfter 33ebrängnis bie ©efefce übertreten, baß aber bie ftrenge
Sfamenbung ber ©efefce in biefem ftalle alle ©efüfjle ber aJienf^lid)-
feit empören müßte. Vergebens wanbte er fidf) an bie iljm xool)U
wollenben SBürbenträger bes 9ieidf)es, fclbft ©uworow, ber eben in
ber religiöfen ftrage einen Mißerfolg erlitten, mochte nid>t eintreten.
Stuf bie SReid^ögrunbgefe^e würbe Ijingewiefen, bie jebe £ilfe unmög-
lieft mad&ten. 3)a war es bie Öroßfürftin Helene, bie förüglidjc ftrau
mit bem gellen SBerftanbc unb bem weiten .öerjen, bie perfönlidb beim
Äatfer für Sinn ©urm $ürbttte tfjat unb iljre 33egnabtgung erwirfte.
38cnn fpäterljin bie fonfeffionelle ftrage oon Äaifer 2lleranbcr II. fo
■- XXVI —
DerftcmbmöDoH aufgefaßt worben ift, fo foll man nidfjt oergeffen, baß
fd&on baö Sdjicffal ber armen Öauernmagb 2lnn bem ftaifer über bie
©ewiffenönot feiner Untertanen bie äugen geöffnet §atte.
S)ic ftaatömännifd&e Begabung Äepferlingö fjatte bie 2lufmertfam=
feit feines gnäbigen 2Jtonardf)en erregt, unb im 2tpril 1862 warb er
jum Äurator bes £örptfdf)en Seljrbejirfö ernannt. 3tm 11. $e$ember
1862 legte er baö Spmbol feiner Söürbe, ben ftlbernen Stab, nieber
unb oerfudf)te feiner geliebten SKttterfd&aft in feinen Slbfdfjiebdworten
bie Sßege ju weifen, bie bie baltifdfjen fianbe in ber 3 e ^ ber großen
Reformen im Steige ju betreten Ratten.
„£aben wir in ber Äirdfje unfrer SHitterfc^aft ben ©inn auf ba*
^auernbe unb Gwige gerietet, fo f äffen mir f)ier junädfjft bie
wedf)felnbe SWid&tung ind 2(uge, bie oon ben ftd) ftetö umgeftaltenben
Aufgaben be§ raftlofen Sebenö unfrer £f)ätigfeit gewiefen ift. £>ie
großen fittUctyen Reformen, weld&e bie Stegierungsjaljre unfreö ge=
liebten £errn unb Äaifcrö in ber ebelften SBeife oerfjerrlid&en , Ijaben
Dtclfad^ SBerljältniffe betroffen, für weldje unfre Stitterfd&aft, in ben
©renjen i^red Berufs, ©orge ju tragen unb Beihilfe ju leiften Der^
pflichtet ift. Umgeftaltungen audj fold)er £eile unfres großen ©taatö-
förperö fteljen beoor, benen unfre prooinjieHen Organe in oeränberter
Söeife roieber anjupaffen fein werben. 2>ie richtige Grfenntniö ber
©tetlung, meldte bie Dftfeeprouinjen bei biefen benfwürbigen Bor=
gangen einjune^men Ijaben, ift für i^re bauembe Bebeutung t>on ber
äußerften SBidfjtigfeit unb fo fdfwnerig, baß bei ben Beratungen beö
gegenwärtigen fianbtageö in biefer Bejieljung befonbere Umftdfjt unb
2Bof)lbebädf)tigfeit erforberlidf) fein werben. Sffiir fönnen aber im £hu
blief auf bie Bergangen^eit antf) ben Aufgaben ber 3 u ft* n ft wit Ber=
trauen entgegengehen, befonberö folange wir bie beiben ©runblagen
fefttjalten, bie unfrer 9tüterfrf)aft allgemeinen SBert unb bleibenbe 6fyre
ju oer leiten im ftanbe finb. 3)ic erfte ift ber Patriotismus, ber, ge-
grünbet in ber Siebe ju unfrer engen £etmat, fiel) in unoerbrü<$-
lieber Xreue ju unferm £errfd&er bewährt unb beim hinaustreten in
weitere Äreife fidf) ju eifrigem SBirfen für Slußlanbs 2Boljl unb SBürbe
erweitert, — ber jene ßinigfeit fd&afft, bie, bei allen ©egenfäfeen in
ber eigenen 9Kittc, uns nadj außen feft unb naefy innen ju Brübern
tnacf)t. 25ie jweite (Srunblage ift bie Mäßigung im ©ebraudf) ber=
jenigen 9ted()te, bie und burdf) ^aften jugefidfjert unb buref) bie 3ßadf)t
unb Staatsweisljeit unfrei 3ftonard)en gnäbigft erhalten worben finb.
„©ollen fie bem allgemeinen ©erecbtigfeüsfinn jur Befriebtgung
unb allen Bewohnern bes Sanbes jum SBoljl gereichen, fo muffen fie
— XXVII —
nidfjt auf bic ©pifce getrieben werben. 2ßer ba meint, burdf) bie in
ber £f;at unerläftfidje Xurdjfübrung genau gegeneinanber abgewogener
Siedete unb ^Sflidfjten bem 2zbtn twttftänbig genügen ju fönnen, ber
beljanbelt es wie ein SRedjenerempel unb wirb 51t bem ©djluft gelangen,
baß baö Seben eine falfc^ angefegte matfjematifdfje Aufgabe gewefen,
wäfjrenb bodj nur fein SSerfudf), bie unenblidfjen ©egcnfäfce beö $)afeinö
in enblidjc formen ju bringen, ein aerf elfter war. SBenn wir ba^
gegen bie überlieferte Drbnung, wo fie burd) bie ^ortfd&ritte beä SebenS
3u ©djrofföeiten fü^rt, in ©in jetf allen fowoljl ate in 5prinjipien, ju
milbem unb ju änbem nriffen, fo wirb fie audf) ben fittüdjen $orbe=
rangen, bie nadj ©otteö SRatfdjfaß meljr unb mefjr in bie SBelt bringen,
lange ju bienen im ftanbe fein, unb burdj biefelben nid)t erf füttert,
fonbern gefräftigt werben.
„Die ©tetlung, bie wir bemnadfj einnehmen foHen, — in biefer
©tunbe, wo id& midf) bereite, von Stößen, teure Srüber, ju fd&eiben — ,
balte idfj es für meine ?ßflid()t, nodfj im allgemeinen 31>nen barüber
meine SJteinung ju fagen. Vorauseilen ober jurücfbleiben in
Sejug auf unfer großes 9ieicf), ift eine ^rageftellung, bie id) für bie
Vorbereitung ju einem Srugfdfjluß fjalte. £as eine fönnen wir
nidEjt, bas anbre foHetx wir nid)t. ®S gibt ein brittes, wir fjaben bas
Heber lieferte von eblen ©efid)tspunften aus eifrig fortjubilben, aber
bennod^ ju erhalten, weil wir nur baburdj) bem Steige waljrijaft ju
bienen im ftanbe finb. ©0 fefjr es eine maßlofe Anmaßung wäre,
für unfer Heines fianb bei bem fo großartigen 3luffd^wunge bes
9ieid&s bie ©pifcfüljrung ju beanfprudjen, fo wenig werben uns einjelne
wertvolle SBorjüge beftritten, bie ifjrer -Katar nai) fidf) nid&t burd) ©e=
fefce übertragen laffen. £>aju gehört bie größere Sefriebigung bei
Erfüllung als bei Umgebung bes ©efefces, bie 2ldf)tung bes eigenen
©tanbes unb feiner t)erfaf|ungsmäßigen 33efdf)lüffe, gegenfeitiges 3Ser*
ttaum f unb was bamit jufammenfjangt : einfadjer ©efdfjäftsgang,
©elbftoerwaltung u. f. w.; biefe Vorzüge muffen wir erhalten, nidfjt
nur für und, fonbern audf) ju lebenbiger Uebertragung unb 9tod)=
bilbung. ©ie finb uns aber gefiebert, folange wir nid&t laffen oon
ben gäben unfrer Ijiftorifdfjen Stedfjtsoerljältmffe, bie unfre Slultur unb
unfre ©teffung im Steige bebingen, — bie um aber aud) befjinbern,
rationette Umgeftaltungen mit berfelben fieid&tigfeit oorjunefjmen, wie
fie auf einem anbers bef dfjaff enen , aber weniger bebauten ©runbe
fefir woljl mögtief) finb."
3n ben nädfjften Sauren Ijat &ei;ferling als Äurator, ben SBünfdjen
ber Regierung entfpredfjenb, feine 2lrbeit ber Unioerfität unb ben
— xxvm —
baltifdfjen ©dfjulen gewibmet, bie afe ^Pffanjftätten beutfdfjer ffafjtfcber
ÖUbung bem großen JRetd^e 9hifcen bringen fottten.
Unter feiner Amtsführung würbe baö neue Untoerfitätöftatut,
weldfjcä auf ^a^rje^ntc fjinauö ©orpat feine felbftänbige ©riftenj ge~
wafjrt §at, ausgearbeitet. 9ieue Sprüfungäregfementö würben für bie
Uniüerfitätöeramina eingeführt, burdj Berufung Jjertwrragenber 3Ränner
ber SBiffenfdfjaft, burdf) Unterftüfeung wijfenfdjaftlidfjer Unternehmungen
bie Unioerfität geförbert. ©raf Äetjferling, ber faft auf allen ®e=
bieten über erftaunlidfieä SBijfen verfügte, ^atte nur geringe Adjtung
Dor ber unprobuftioen ©eleljrfamfeit. ©r wünfdfjte, ba§ bie Sßro=
fejforen £orpatö fidb burd) fyertwrragenbe Seiftungen auöjeidfjnetcn,
baft bic ©tubierenben meljr wijfenfdf)aft(id) arbeiteten, unb weniger
fd)ü(er()aft lernten. Gö gelang iljm, für bie ©tubentenforporationen
bie Grtaubniö auöjuwirfen, iftre Abseieben öffentlich ju tragen, benn
in ber Ceffentlicbfeit fafj er bie größte ©arantte ber aWoralität. An
jebem -Dtontagabenb pflegte er in feinem £aufe eine größere ©efeHfd&aft
3U oerfammetn, unb twllenbä ate Äarl ©rnft t>. Saer nadf) £orpat über?
fiebelte, vereinigten ftdf) bie Stoturforfdjer gern um bie beiben ^reunbe.
Auf bem gefamten ©ebiete ber ©dfjule entftanb Bewegung, ©gm*
nafien, ftreiöfdfjuten, ©lementarfd^ulen würben neu gegrünbet ober er-
weitert. Ueberaff fpriefjtc unb fprofjte frifd)eö 2ebm. ©urdf) 33er*
änberung ber Abtturientenprüfung fudjtc Eeijferüng feine ^been über
ben Sroerf ber ©tjmnafialbilbung ju t)erwirflidf)en, ber feiner 9Reinung
nadf) einzig unb allein barin beftanb, ben jungen 2ttann ju fclbftän-
biger Arbeit 311 befähigen. Sarum fegte er baö £auptgewidf)t auf
ba§ können, bie Anwenbung beö ©elernten, auf baö üerftänbnis*
looDfe Sefen ber Sllaffifer, auf baö Söfen matbemattfdf)er aufgaben,
auf bie gtiljigfeit üerftänblid&en fdjriftlicbeu ©ebanfenauöbrud eö , unb
fud)te nad) 9Jtögtidf)feit ben Unterriebt von unnüfcem ©ebädfjtniftbattaft
ju befreien.
Stein ©ebiet feiner amtlichen Sbätigfeit f)at if)tn fo triel 3Kübe,
Sorgen unb Arbeit gefoftet, wie bas 9htf fif cfye , benn bie Sefjrfräfte
waren für biefeö ?Vad) faum 311 befefjaffen. ©elbft ben Sefjrftutyl für
ruffifdje Spradje unb Sittcratur in £orpat würbig 311 befefcen, war
fdfjwierig, unb nur baburd), ba§ es geftattet warb, ben politifdf) mx*
bäd&tigten aber wiffenftfwftltd) ijenwrragenben ^rofeffor 5?otljarew$fi
nad) bem lotjafen £orpat 31t berufen, fonnte biefer i'eljrftuljl mit
einem ©eleljrten erften langes befeftt werben.
— XXIX —
üttidbt lange aber war eö ftepferling oergönnt, fd&öpferifdf) ju wirfen,
benn mit bem polnifd&en Sfafftanbe gewann bie 9Woöfaufdf)e 3 c ^ un 9
unb beten Partei, bie bie nationale galjne fyod&geljalten, naturgemäß
Oaö Uebergewidfjt in ben Ijö^eren Siegierungefdfjid&ten. 35oHenbö naef)
1866, ba Preußen nid&t mefjr als ber frühere fjarmlofe SRadfjbar am
gefeljen werben tonnte, gewann bie 2tnfdjauung immer mcfjr lieber*
banb, baö beutfe^c (Slement in ben baltifd&en ^rooinjen bringe bem
Seidje ©efa^r. ©d&ule unb Unioerfität follten nid&t Rumäne öilbungs=
wege oerfolgen, fonbern ftaatliäien, ntffififatoriföen Qtoeden bienftbar
gemacht werben. Sollen 33eftrebungen, bie Sterling ebenfo fd^äb=
lidf) fiir baö SReid^, wie für bie fßromnjen Ehielt, ift er aufs fd&ärffte
entgegengetreten. £er 2luf f orberung / bie 2Rat^)ematif in ruffifd&er
Spraye ju lehren, lim bie ftenntnis ber 9leidf)Sfprad£)e ju oermcljren,
trat er mit bem Semerfen entgegen, i^m fei wof)l befannt, baß man
©uflib als Sefjrbud) ber ©eometrie benufct Ijabe, — baß ©uflib als
griedf)ifdfjes Sefebud) jum ©rlernen ber griedf)ifcf)en Sprache gebient,
wäre ifjm neu. 2faf bie 3 umu * un 9, ben ©efdbidjtSunterricfyt burdf)
genuine Stoffen in ber SReicf)Sfpradf)e erteilen ju laffen, entgegnete er:
„©inen politifdfjen ©runb, ben bisherigen £ef)rern ben @efd&idf)tsuntcr;
ridjt, mit bem fie betraut gemefen, ju entjiefycn, wirb ber jenige nidjt
anerfennen, ber o^ne SSorurteile nad) ben ftrüdfjten urteilt, ba feine
Veranlagung geboten ift ju meinen, bie Untertfjanentreue wäre auf
unfern ©djulen erf füttert worben. 33ielmef)r ift als politifdf) fdf)äblidf)
SU eradjjten, wenn in ben gefefelidfjen SBerorbnungen gegenwärtig Unter=
triebe eingeführt werben follten jwifdfjen ben geborenen Stoffen unb
ben Angehörigen ber Dftfeegouoeruements. ©ie befyinbern bie Unter=
tfjanen, fidf) $u oerfdfjmeljen. $n einer 3 e ^/ TO0 bie Sefd&ränfungen
bei Aufteilung felbft ben Hebräern gegenüber me^r unb mefjr befeitigt
werben, ift es gewiß nid&t angemeffen, nme 9lusfdf)ließungen nadf) ben
SJolfsftämmen einjufü^ren. $n ©injelfällen würbe fogar bie @r=
mittelung feine leidste fein, ba j. 23. SBoftofow*) bodf) jebenfalls als
rufftfd^cr ©eleljrter anerfannt werben wirb, wenn er audb oon ©eburt
ein Cftfeelänber ift. ßnblid) fjaben bie Saiten, feit fie ruffifdje Unter=
tränen geworben, an allen kämpfen 9toßlanbs reblicf) mitgewirft.
Sis in bie neuefte 3 e ^/ ™ ©ewaftopol wie in SBarfdfjau, finb bie
©ingeborenen ber Dftfeelänber bei ber 23oll$ief)ung ber ©efdbidf)te
Stußfanbs in ehrenvoller SBeife beteiligt gewefen, unb nun fott es
i^nen oerweljrt fein, bie ©ef<$id£)te }u lehren, bie fie als bie tfjres
*) Berühmter ffaoop^Uer (Selefjrter, §ief$ eigentlich „Dften".
— XXX —
33aterlanbes anjufeljcn fjaben? Sßolitifdbe SJütfftdfjten fönnen nid)t
bafür fpredfjen, aber oiefleid£)t foll ber ©ef<$id)töunterri(f)t nur riw
Hilfsmittel werben, um SjJraris in ber ruffif dben Sprache ju erfangen?
£aft ber ©efd)id)tsunterridf)t barunter leiben wirb, mufc jeber jugeben.
3n ber £ljat, folange jwifcfjen i'eljrer unb ©dritter ber Spradbe
wegen eine Stfiffenfcbaft betrieben wirb, fann bie Äufmerffamfeit bes
3öglings nur ;ur £älfte fidb bem 3"^lte juwenben, bas £aupt=
intereffe nimmt bie ftorm in 2lnfprudfj. 25esf)alb, wenn es ftdb barum
banbelt, eine ©pradbe 511 erlernen, wirb es meljr nüfcen ftd& mit ben
s Dieifterwerfen ber Sttteratur ju befd&äfttgen, als einzelne SBMffenfdjaften
in btefer Sprache unooBfommen ju befyanbeln. 35ie Spraye, wenn
fie ftdf) in ben engen Areifen einer (Disziplin bewegt, wirb formelhaft
unb bie ©ubftanj bes Unterrichtes wirb geopfert."
SBofjl gelang es Aetjferling bureb foldfje unb ätjnlidfje 2lusemanber=
fefcungen bie ifjm anvertrauten Spulen oor bilbungsfeinblid&en ©iiu
griffen ju bewahren, benn es tyielt ferner, fidf) feinen ebenfo Haren
wie lauteren ©rünben ju oerfdbliefeen. — 2>af$ ifjm ein fturatorge^ilfe
fpejietf für ben rufftfcfyen Unterricht an bie Seite gefefet mürbe, ba§
nmc ganj rufftfd^e ©tjmnaficn gegräubet mürben, fonnte er nkbt oer=
fjinbern. Vergebend fd&rieb er bem 3Rinifterium : „Sei bem 2Baf)n,
als Raubte es fidf) bantm, ju oerfjinbern, baft bie Ijiefigen beutfdfjen
ftulturelemente bie (Sinfyeit bes 9teidf)es loderten, roage icfy nidfjt }u
oerweilen. ©ollte audb bie 9fatur biefer Elemente, bie nie jerfefcenb,
fonbern binbenb unb orbnenb gewtrft fjaben, ocrlannt werben, i^re
banbgreifltdfje p^tjfifdfje ©df)wädf)e fann ntd&t fo fefjr über alles
■Dtaft emftlidj überfdjäfct werben/'
©egen nationale Seibenfd&aft ift es oergeblid) mit ©rünben ju
fämpfen. ©olange aber Aetjferling es mit feinem ©ewiffen vereinbar
bielt, wollte er auf feinem Soften ausharren, unb fclbft als ,3uri
©amarin in feiner für bie in ben Cftfecprooinjen einjufd&lagenbe
^Jolitif epodfjemacbenben 3$mäf}fc(rift feine (Entfernung oom Statte
für unerläßlich erflärtc, blieb er auf bem ^piafc, unbeirrt für bas
3lHgcmeinwol)f arbeitenb. 2>em 9Jlinifterium fehlte jeber SSorwanb,
um ben oerbtenten äRamt, ben bie rufftfdfje Sßiffenfdbaft ftets fjoefc
gehalten, ju entlaffen.
Gnblid) bot fid& bie gewünfdfjte i$eranlaffung, i$m fein Sfeiben
unmöglid) ju macben.
3m SCuguft 1869 befahl ber eftlänbifcbe ©ouoerneur ©alfin, in
©runblage einer Ikrorbnung bes dürften Suworow oom ^atyre 1853,
ben lutljerifdjeu i'eljrern Jieoals an ben Aronsfetertagen ju ben Qanb
— XXXI —
gebeten in ber ortljoboren Äirdje ju erfcbcineu. ©raf Äctjferling
roonbte ftcf) an ben SJiinifter ber aSolfeaufffänmg mit einer SBorftel^
lung, in ber er junädbft nacfjwied, bag biefer Gingriff be3 eftlänbifdfjen
Qouoerneurö in fein SRcffort nidf)t gefefclid) begrünbet fei. Gr machte
ben 3Rinifter barauf aufmerffam, bafc bie finttjeraner oft freiwillig ben
Tanfgotteebienfien in ber ortljoboren Stirere beigewohnt. „3$ barf
aber nidjt oerf dbweigen ," Reifet eö weiter, „baft bie burdb SBefefjl ber
roettlidben Cbrigfeit 9lnber$gläubigen auferlegte SSerpflid^tiing, bie ort(jo=
bore Äird&e ju befugen, bie Sad&lage oottftänbig änbert. Sie 9Iiu
roefenljeit Sfaberögläubiger in ©runblage eines berartigen 93efel)l8 wirb
KU einer Sd&auftettung tf)rer Grniebrigung."
Am 16. September verfügte ber ©eljiffe beö 3)ttmfterö ber SBolfö=
aufflärung, 25eljanow, ber 33efel>[ beö eftlänbifdjen ©ouoerneurö fei
ju erfüllen, ba berartige Äirdbgänge ate fyalbpolitifelje, mefjr bienfc
lidbe als religiöfe Sßte anjufe^en feien, ©raf Ketjferling bemerfte
baju: „Gin feierliches ftirdfjengebet fann oerfdfjiebene ©egenftänbe be=
treffen, ©enefung ober Befreiung oon Äranf Reiten, 2luff)ören oon
Türre u. f. w. Gö verliert babei ntdbtö oon feinem firdblidf) rcli-
giöfen Gbarafter unb man wirb fdbwerlidj behaupten, bafc es in bem
einen %a\l <\u einem fjalbmebijinifdfjen, in bem anbem ju einem fyalb-
meteorologifeben 3lfte geworben fei. Gbenfo bürfte baö in allen oom
Staate anerfaunten Äirdjen oorgefdfjriebene ©ebet für bie geheiligte
?erfon beö SKonard&en als eine fircljlid&e ^füdjterfüllung ber jum
Öotteöbienft t>erfammelten ©laubigen anjufeben fein."
©raf Äepferling reichte feinen 2lbfdf)ieb ein unb fdfjrieb jugletdfj
an ben 3Riniftergel)ilfen 3>eljanow:
„. . . Gr tauben ©ie mir, um jebem 3Wiftf>erftänbnis oorjubeugen,.
in fonfibentieller SBeife genauer ben ^wntt ju beseitigten, ber, meiner
SnfMjt na<b, bie £auptfdf)wierigfeit bilbet. £er in Siebe ftcljenbe 3lft
ertlärt nämltd) implicite, bafc bie &zbett ber £utfyeraner, bie in ben
proteftantifdfjen Äircften für bie geheiligte ^Serfon Seiner -JKajeftät be&
Haiferö unb für bas fyofje faiferlidbe £auö oerridbtet werben, offijiell
für nidbts ju adfjten ftnb.
„£a bie ftirtfie ber Unioerfität Torpat eine lutfyerifdbe ift, fo
baben bie ^rofefforen unb ^Beamten biefer Unioerfität im guten
Glauben geftanben, bafc fte an fjotyen Feiertagen iljre reltgiöfeu ^flicbten,
foioobl gegen ©Ott als gegen ben töaifer unb ben Staat, oollftäubig
erfüllt Ratten burdf) bie ^Beteiligung an bem ©otteöbienft in ibrer
Hirdje. 3ft es ein $n:tum, übrigens ein oerjeüjlicber in einem wefent=
lief) proteftantifdfjen ©ebiet, fo f)abe idj il;n öffentlich wäfjrenb meljr
— XXXII —
atö fieben ^afjren geteilt. 9tadj einem folgen Vorgänge tann irf)
midf) ber Ueberjeugung nicfjt t)erfd()ließcn, baß nur ein anbrer Beamter
afä id) im ftanbe fein tonnte ben ©runbfäfcen bie ©w. ©jceHeuj in
öftrer Buförift üom 16 - September 1869 billigen, im äBiberfprudf) mit
ber fiter su Sanbe üerbreiteten ^rariö, ju bienen.
„2)ie ©renjen ber religiöfen Xoleranj finb fo jart, baß eö nic&t
immer leicbt fällt, jic jii ernennen. $m gegenwärtigen ^att benft
man in Petersburg melleidjjt, baß eö firf) nur barum fjanbelt, ber im
Steige tyerrfd&enben Jlircfje bas rechtmäßige Uebergewidfjt ju fiebern,
wäljrenb man fyier uidjt ofjne ©runb twrausfe|en wirb, baß ein
-mistiger ©dfjritt jur polttifdf)en äkrbrängung ber Ijiftorifd&en fianbefe
fird&e getrau ift.
„Gegenüber ,3erwürfniffen foldjer 9ktur fonn nur baö inbitris
bueHe ©ewiffen innere ©idfjerljeit unb baö rid&tige 9Jiaß für bie per*
fönlid&eu Strafte gemäßen. 3<b fyobt baljer nur mit mir felbft gu
State gefjen fönneu unb Ijabe midf) uadf) reiflicher ©rwägung ju bem
fdfjmerjficben ©df)ritt entfließen muffen, ben idf) in biefem älugenblid
t^ue, inbem idf) baö ©efudE) an bie faiferlidfje ©nabe fteHc, beö Sßoftenä
dneö Kurators enthoben 511 werben."
3lm 23. Dftober 1869 erfolgte bie erbetene ©ntlaffung.
©raf &et;ferling feljrte nadf) 9?aifütt jurüd unb wibmete fid^ ben
eigenen ©tubien, ber ^amilie, bem SDienfte ber £eimat. ©r mürbe
toieber Äreiöbcputierter, t>at alö foldfjer bei ber Reform ber 0runb=
fteuer einen maßgebenben ©inffuß ausgeübt, unb bis an fein 2ebens=
enbe im ritterfdtjaftlidfjen Slusfdmß, als Sanbrat unb als 9ftd)ter im
Sanbratsfotlegium für bas SBotjl bes Sanbes gearbeitet. 3)ie gfiljrung
besfelben von neuem $u überuebmen ift er nidjt gewillt gewefen. 3 U
Mar, um fidf) ber ^llufion l)injugeben, eö fei ber Giefcbidlid&feit eines
©injeluen möglief), bas biftorifdfje 33erf)ängnis abjuwebren, welches mit
bem in. ßuropa tyerrfcbenb geworbenen 9tationalitätSprin$ip über bie
Dftfeeprotrinjen tjereinbredjen mußte, ju ernft, um in einer s }5olitif
frudfjtlofer 9ied)tsoerwal)rungen unb ©upplifen Sefriebigung ju ftnben,
lebte er feiner 9Jta£ime: unter ben gegebenen Ü?erf)ältniffen bie beft-
möglichen 3 u f*änbe gu erftreben unb mit feinen 3Bitmenfd^en bie befc
möglichen 3)e}iei)ungen 311 unterhalten. 2>er „alte ©raf" war in (£fU
lanb eine tppifebe ßrfd^eiuung geworben, £odjgeadf)tet unb verehrt,
war er wegen ber Schärfe feiner Äritif unb feines 2Bi£es faft ebenfo
gefürd&tet. Sfjm fehlte gteidjj feinem großen Jreunbe, bem dürften 33iö=
— XXXIII —
maxi, bie Xoleranj gegen bie fuffifante 3)ummf)eit, mit ber im Seben
geredmet werben muß, unb nur wenige tonnten bie £iefe feines ©emütes.
So weit eö üjm möglich gewefen, ^atte er ftdfj flets ber ©rjieljung
{einer fttnber gewibmet. $ie ältefte £od(jter ^atte er als Kinb untere
rietet, fle in fpäteren Qa^ren in bie Äantifdfje ?Jtyüofop$ie eingeführt,
fte jur ©enofjtn feiner botanifd&en unb fprad&lid&en ©tubien gemadjjt.
W\t bem ©o$ne Ijatte er ßomer unb spiato gelefen unb jefet, nadfj*
bem er 35orpat aerfaffen, wanbte er ben größten fteit feiner $eit
an bie ©rjieljung feiner jüngflen Xofyex. Um bas befonbers für
SKujtf hochbegabte 9Räbdf)en weiter auSjubilben, jog er mit feiner
ftamilie im 3al)re 1872 nadfj SBeimar. $m barauffofgenben ^a^re
erfranfte bie Softer unb im ^a^re 1874 mußte er bas teure ftinb,
ben Siebling ber Familie, begraben. 3>ie erfte unausfüttbare Südfe
war in bem engen trauten ftreife entftanben. 2)ur<f) bte SSer^eiratung
ber älteflen Xoä)ttt mit öaron Dtto uon £aube ju Serwafant er*
toeiterte fidfj bas Familienleben. SJaron Taube war ein na^er ©utfe
nadfjbar, baburdfc iß ilepferling bas feltene ©Ifldf ju teil geworben, nie
ganj oon ber geliebten Xod&ter, ber ©enoffin feiner ©ebanfen, ge*
trennt ju werben. %n ifjren Jlinbern, unb in benen feine« ©ofcnes,
erblühte ü>m ein neues Seben, beffen 2Kittelpunft er bitbete, benn ein
eigenartiges 33erljältnis oerbanb i&n mit feinen Äinbern.
©r Ijatte fte burdf) ben 9tei($tum feines ©eifies, burdfj bie 9Wadf)t
feiner Gmppnbung fo an fid& ju feffeln üerftanben, wie faum je ein
Sater. 9iidfjt allein ber ebefjte unb befte aller 3Renfdjen — aud& ber
intereffantefte unb oerwö^nenbfte Umgang war er tynen. ©ie waren
gewohnt, aus feiner ©ebanfenffitte fiets ©rfrifd^ung ju fdfjöpfen, fidfj
an feiner ©innesart ju ergeben, ©ie lebten in fteter 3lnlef|nung an
tyn. 6r war i^nen i^re geifiige Heimat.
3lm 11. Jebruar 1885 ftarb tym bie $rau, nad& langen unfäg*
tigert fieiben. 6r gemattete nid&t, baß eines feiner Äinber ju tym
jog, nodf) Ijat er ju iljnen überfiebern ober au<$ nur eine ^PfTege feines
alters ins $aus nehmen wollen. 2)ie liebenbe t)orforgenbe Haus-
frau fonnte tym niemanb erfeften, unb er wünfd&te, baß biefes in
fid&tbarer SBeife fühlbar bliebe.
So würbe es immer einfamer in bem großen t>eröbeten £aufe.
Süßer feinen Äinbern fa^ er wenig 9Wenfd(jen. 9?ur einmal, als bie
9toturforfd&er SRußlanbS ben 3lnfioß jur fteier feines 50jä^rigen
S<$riftfiefferjubüäumS *) gegeben, unb iljre Sfofforberung bei ben (Sc*
*) 2>en 27. SDcaembcr 1887.
III
— XXXIV —
lehrten 2)eutfdf)lanb3, granfretd&a unb ©nglanbö S3erftftnbni« gefunben,
afe bic Sttaturforfdfjer nadf) Maifüll pilgerten, Ijerrfdfjte ^elle ftefteafreube
im J&aufe. S)aö eble 33anb, baö bie 9toturwiffenfd(jaft Dorn 9Wenfdf)
jum SRenfdjen f klingt, baö einft Äetjferling mit einem ftranjofen,
einem ©nglanber unb einem Stoffen*) üerbunben, um gemeütfam baö
weite SRu&lanb ju erforfdfjen, bewährte wieber feine Kraft.
3n feinem legten ifcbensjaljre üerliejj Heuerling bie ßeimat noef)
einmal auf längere 3*ü- 9trt ber grofte ftanjler geftürjt worben,
begab er fidf) nadf) griebrid(j&rul) unb Ijat mit bem einigen nodf)
lebenben feiner ^ugenbfreunbe in traulidjjem SJerfeljr einige äöodfjen
Deriebt. 3ft feinem füllen &eim t)erbradf)te er feine Sage meift mit
Sefen unb ©djreiben. Stafiloö arbeitete er an religiöfen unb p^ifo-
fopljifd&en Problemen, bie bie SRenfdföeit ewig befdjäftigen unb nie
eine Söfung finben werben. 3llö Jüngling fjatte er bem ^yreunbe ge=
fd&rieben : „3$ will einft in Verfolgung ibealer 3")e(f e ein ungeftörteö
inneres £ibtn führen, wobei bie ©pannung unb Xenbenj einziger
3wecf ift; bafi ^robuft foH mid£) nid&t weiter fümmern." 2ßona<Jj
ber Jüngling fidf> gefeint, warb bem &odj)betagten bejdhieben, baoon
jeugen bie „Sügebud&blätter", bie nie für bie Deffentlid&feit gefd&rieben
worben finb. 3lm 8./20. 3JJai ift SUe^anber ©raf Jtepferling nad(j
furjem fieiben in Statfütt geftorben.
*) floffd&arotD.
HoxvDoxt 6er &txau$$tdmn.
i)ie pfytfofopfjifdNeUgiöfen 33etradf)tungeu aus ben Xagebüd&ern
meines SSaters, bic bas innerfte Seelen^ unb ©eifteöleben beöfelbcu
offenbaren, laffe idf) nur jögernb an bie Deffentlidfjfeit treten, für bie
fie nidfjt gef Arieben waren ; idf) empfinbe es aber als eine ^Sffidjt, bie
in mehreren Sänben Derftreuten ©ebanfen ju fammefa, fjerauöjugeben
unb fomit ber 33ergeffenl)eit }u entjieljen. Sie 51t fixten, jufammens
jufaffen unb ifjnen iljre Stelle im ©efamtbübe bes SSerfiorbenen an*
juroeifen, überlaffe tdf) funbigeren ßänben. SBon ber £odjjter lann
man fdfjroertidf) eine fritifdfje Sichtung verlangen, bie ebenfofeljr ifjrem
ßerjen roiberftreben, wie ifjre Äräfte überfteigen würbe.
2Jteine urfprünglidfje 2lbfidf)t, bie religiöfen 33etradf)tungen oon ben
pf)ifofopl)ifd(jen unb p^jfiofogifdfjen ju trennen, §abt idf) nid^t burc^
gangig ausführen fönnen ; bie neueften (Sntbedfungen auf bem ©ebiete
ber ^fiofogie mobifijierten bie SBettauffaffung meines 5Baters unb
bie pfjilofopfjifdfien ©rgebniffe feines Eeufens*), roie abftraft biefe
audf) erfdfjeinen motten, übten ifjren 9Wdffdf)lag auf feine religiöfen
Snfdjauungen au$. Oft laufen bie oerfdfjiebenen ©ebanfenreifjen ge=
fonbert nebeneinanber, um ftdfj bo$ roieber in einem fßunfte ju freujen
unb ju oermeben, baf)er Ijabe idf) bie ^Betrachtungen dfjronologifdf), roie
bas Sagebudf) fie gibt, niebergef ^rieben. $n früheren ^afjren l)atte
bas Stubium „ber £raumroelt" meinen SBater befd&äftigt, unb längere
•) $iefelfcen flnb in ber Sroföüre: „einige SBorte über Baum unb 3eit"
üeröffentKdjt.
— XXXVI -
3eit trug er fidf) mit bcr 2lbfid)t, eine 2lbljaubluug über „Schlaf unb
Xraum" ju f ^reiben, ba alleö, roaö bisher barüber oeröffentltdjt
morben, iljn nid;t bef riebigte, bodf) blieb eö leiber nur bei einzelnen
Öeobad&tungen unb 3lufjeid)nungeu, bie nodj ber 3 u f a mmenftelhmg
Darren. 3 U ™ ^tt* P n ^ c W& ^ e f e * n & en £agebüd)ern mieber, unb
jmar fo eng oerfnüpft mit ben fragen über bie Statur ber (Seele,
bafc id& tynen l)ier feinen befonberen 2lbfd>nitt anroeifeu fann.
9Kit ber djronotogifdjen Reihenfolge ber 2lufjeidf)nungen in ben
Xagebudjblättern tyabe id) aud) bie Sßieberljolungen beibehalten, bie
burd^ bie oerfd&iebene Formulierung eines unb beöfelben ©ebanfenö
entfielen. Weben bod) gerabe biefe SBiebcr^oluugeu betn Sefer einen
eigenartigen ßinblicf in bie ©eifteäwerfftatt beö Verstorbenen. 3tfo
roter gaben jiefjt fidf) burdf) baö ©anje baö [Ringen ber Seele nadjj
üffia^rljeit, nad^ einer SBerftanb unb ©emüt befriebigenben 2Beltauf=
faffung, unb SBieleu wirb baö 33itb beö einfam in feinen ©ebanfeu
weiter arbeitenben SDianneö er greif enb fein.
2>ie religiös^ lofopI)ifdf)e 2Be(tanfdE)auung ift bei meinem Vater,
im ©egenfafc ju ben meiften 9Jtenfcf>en, ftets eine werbe nbe getuefeu.
« gür it)n war es dfjaraftertftifdf), bafj er nie bei ben ©rgebniffen feineö
2>enfenö ftefjen blieb, fonbern in unermüblidber ©eifteöarbeit immer
weiter formte unb prüfte, unb als ber 2ob ifjn uns plöfelidf) entrifc,
galten feine lefeten Stufseidfinungen ber pfp^ologifd^en ^bpfiologie von
SBunbt, bie nadf) feinen eigenen SBorten ifym neue ©ejtcfjtspunfte 51t
eröffnen fdf)ien. ©0 ift er, nodf) bis in feine legten Xage ftrebcnb
unb ringenb, hinübergegangen!
Sei ber fritifdjen Sdjjärfe feineö ©eifteö erfannte er jebodfj, baß
man mit betn menfd^lid^en SBerftanbe nur biß ju ben ©renjbegriffen
unfrer (Srfenntnis gelangt. (£r pflegte oft ju tabeln, bafe man bei
Slantö „ftritif ber reinen Vernunft" ftefjen bleibe unb bie ebenfo
mistige „Ärittf ber praftifcfyen Vernunft" beifeite liegen laffe. 3>afe
aber bie Vebürfuiffe bes ©emütö anbre finb afe bie gorberungen bes
Verftanbes, l>at er tief empfunben, unb baljer fetjrte er immer nrieber
jurücf }u ber alle 3Biberfprüd^e auögletdfjenben 3luffaffung bes 6uan=
geliumö ^ofjannift „@ott ift bie Siebe", bie feiner eigenen ©emütsart
am meiften entfpradj.
3um Verftänbniö ber „Tagebud&bfätter" mögen nodf) folgenbe,
einem 23riefe meines Vruberö entnommene fttiUn bienen.
— XXXVII —
„©ine Sebensregel, bie imfer 33ater und oft einprägte, roar: ber
Stenfd) muffe bem Dauern bereu leben, — unter ben mannigf adfoen
Sejieljungen unb ©eftrebungen ber 3Renfdben ftets ben bauemberen
ben äiorjug geben. Damit gab er einen ^Srüfftem für ben SBert ber
menfc^Iidjen Xljätigfeit, ob fte fid^ auf ben flüchtigen ©enu§ befd&ränfte
ober etwas Dauemberes fdfjuf. ©rjogen im ratiouaüflifd&en £aufe,
frfilj einbringenb in bie Stantfdje $pf)ilofopf)ic, bie im Repferlingfd&en
$aufe trabitionell gepflegt würbe, roar er oon Sugenb auf neben bem
Streben nadf) ©rfenntnis von einer tiefen religiöfen (Smpftnbung be?
jeclt. Sein ber Didfjtfunft jugänglidfjes ©emüt roarb frülj uon ber
gro&artigen ^ßoefie ber Öibet angejogen. Sieben ben natunmffenfd^aft=
li^en unb ptyüofoptyifdjen ©tubten fyabtn iljn ftets religiöfe Probleme
beschäftigt , unb fjat er bie ©Triften, bie fidj forootyl fritifdö als
apologettfd^ auf biefe bejogen, meift gclefen unb burd&gearbeüet.
$odf) liefe er ftdf) nidfjt baran genügen unb forfdbte felbft in ben
Urtexten ber Sibel, unb als gtadj* bk)ex ©tubien erfdf)ien im $af)re
1872 alö 2Ranuffript gebrudt ,33ibelfteHen über bie 3ufunft ber 93er=
ftorbenen 1 ."
Den „religiös=pf)ilofopf)ifd)en" ©ebanfen Ijabe idf) ©rörterungen
unb 2ludfprüd^e über üerfdbiebene anbre fragen unter bem Xitel
„allgemeine Setradfjtungen" fjinjugefügt, bie, abgefefyen uon einjetnen
ßrgänjungen aus ©riefen, gleichfalls ben Xagebüdfiern entnommen
unb. — Qdf) fd&liefee mit ben SBorten meines greunbes, bes 5ßro=
fejjors JRufforo, aus feiner jum Xobestage meines SSaters erfd^ienenen
Crinncrungsf dfjrift : *)
„So finben roir Äepferting faft bis jum lefcten Sttemjuge bei
ber arbeit, um ben Drang nadf) 2ßaljrljeit ju beliebigen, immerfort
beftrebt, bie ©eiftesfdfjäfce ber 3Jienfdf)f)eit ju mehren unb ftcf) anju-
eignen; fonft bebürfuislos, bem ©treben nadf) ßrlangung materieller
Öüter burd&aus abgeroanbt, in felbftlofem ^ntereffe bem 3ßol)le bes
Sanbes feine beften Strafte leifjenb, jebes ebte ©treben nadf) Kräften
unterflüfcenb, feinen nädfjften Angehörigen ber liebet>oHfte ©atte, SSater
unb ©rofcwtter, feinen greunben treuefter greunb. Qn ben legten
3o^ren in freigeroäljtter ©infamfeit lebenb, ben 33liä aufs ßroige
*) ©in (Sebenttlatt bem Staturforfdjer unb SRenföen. SJon (S. SRufforo, ^ro=
feffot ber »otani! an ber Unioerfttät SDorpat. ffieüal 1892.
— XXXVIII —
gerietet, crfdjeint er una in feinem atteö umfaffenben Söiffen, in
feiner botyen, lauteren Öefinnuncj ein efyrfurdjtgebietenbeä unb
erhabene* 33üb menf$[t$er öröfce unb $o((fommen;
f) ei t — ein SBeifer,
$enn hinter i§m, im wefenlofen Steine
Sag, roaS und alle bänbigt, bad ©cmcine!"
Äaffet, Februar 1894.
3tt§affet>er?eid?tti6.
6ettc
Pro memoria I. Einleitung 2
Religion (1873—75) 3
Religion (1877) 5
WpfbbgiMe $f»<$ologie (1877) 7
?$Uofop$ie (1877) 9
Xefigion (1878) 11
^fofiologiföe ?f9^ologic (1878) 17
fleligüm (1879) 20
?$ttofop$te (1878—79) 25
Anfang aum 3. 9io*ember 1878 33
»eligum (1880) 33
¥$ttofop$ie unb pfjnftologxföe ¥fee$ofogie (1880) 41
^«ofortie (1881) 46
Religion (1881) 49
Pro memoria IL Einleitung 51
3toturforfc$er=HeKgion (1881) 52
2(n$ang jur StaturforföersÄeltgum 56
»eügion (1882) 58
¥$«ofop$ie (1882) 61
$§i(ofop$if$e* ®fouben3be!enntni3 64
?fo<$oIogifc$e ?^f«^gie (1882) 66
*n$ttng. (Heber Äant) 68
^ftologiföe $fu$ofogie unb Religion (1883.) Schlaf unb bräunt, Seele 69
@ott, ttnfterbli<$!eit, greift 82
Wüofop$ie (1883) 89
3fo§ang 93
Religion unb j>§oftologifc$e $fo<$ologie (1884) 95
¥$üofop§ie unb p§nftologif<$e $f9<$oIogie (1885) 103
ÄütfMuf 107
®eban!en über Seiben unb ©terben 108
Wofortie unb Religion (1886) 113
»eltgejtoltung 120
— XL —
Grit*
Pro memoria III 121
Religion unb SRoral (1887) 122
$arn>im$muö 138
^ijilofopljie unb pljpfiologifaje $fna)ologie (1887) 156
Xolerana 170
Religion (1888) 174
Religion (1889) 178
$§ilofop$ifa)e $foa)ologie (1890) 186
Äeligion (1890) 191
Pro memoria IV. Einleitung 196
Heligion (1890). ^ortfefcung 197
$te aeljn ©ebote 205
9taa)trag gut Eoleranj 212
®eban!en über ben ©elbftmorb 214
?tytfofop$te unb pljöfiologifaje ^foajologie (1891). (Sefcte Aufaeia)nungen
über Staum unb 3eitoorftettungen) . 219
©eifrige* Söefen be« §unbe$ 219
Sefcte Aufteilungen über Religion unb 6a)lu& (1891) 225
2lHgemeine Setradjtungen 231
©ojiale unb polttifaje fragen 233
Watunmffenfdjaft 247
£anbn>irtfa)aft 250
^äbagogt! 252
Gölibat, fleufa)$eit, e$e . . 261
Sitteratur 268
Aberglaube 271
SBerfd&iebeneä • 273
SRetaplfaft! 6. 273. — SJerfdjiebene ©eifteSanlagen 273. — Gljara!te=
riftif 274. — Umgelegt 274. — SRoralität 274. — «erftanb unb
(Smpfinbung 275. — 2)a$ 9Jtöba)en au* bet grembe 275. — Reiter:
feit 275- — ©IjarlataniSmuS 276. — Süge 277. — Sefäeibenijeit 278.
-^TSgnorana 278. — «erftanb 278. — Unoerftanb 278. — fcrunf*
f ua)f»Z&>— ^ Un!lar$ett 279. — »ernagelt 279. — Senffajeu 279. —
Befangenheit 279. — 9tea)t$aberei 279. — Söettfampf 279. — gntenft©
unb ertenfto 279. — Steblofigfeit 280. — Altern unb SSereinfamung 280.
— »arranbe 282. — ^rofeffor ©rifebaa) 282. — ^rofeffor getaner 282.
— 2ßiffenfa)aft 282. — ®emetnfa)aft 283. — Einflujj ber Deffentlta>
feit 283. - 93erein§roefen 283. — »erbienfte Stephan« 283. — $>a8
Bote Äreus 283. — Opportunismus 284. — Autorität 284. - SRenfttjen*
rottrbe 284. — SHarjme 284. — Seraffgemetnerung 285. — - Änapp*
Ijett 285. — $ergänglia)!eit 285. — Seben unb äunft 2&5. —
Erinnerung 286. — $auer 286. — GJeiftige 3ntereffen 287. — Söoljls
wollen 287. — Gegenliebe 287. — SBerbienft unb Siebe 287. —
tränen 287. — Anmut 287. — Siebe 288. — $reunbfa)aft 288. —
$a3 roeiblia)e §ers 288. — Äönigin (Slifabety 288. — 9*aa)ruf 290.
Pro memoria I.
Iftotfo:
Hits be* ^CTenfc^en binnen,
Uffe* mu| von Rinnen,
<&t<$en, weinen, ßränßen, minnen,
UHe &as Gaffer mufj verrinnen.
* u * fte!l XagefoiWattern Im! Örafen «. ««wrlinß.
Einleitung.
StaüüII, 4./16. %od. 1876.
X)er £ang ju ©ebanfen ift unter ben SHenfdfjen in feljr perfdjie-
benem ©rabe verteilt. £ie Kraft ber ©ebanfen fdfjeint im allgemeinen
mit ben anbeten Sebensäufcerungen ju roadftfen unb abjune^men. Qn
ben breifeiger Sauren mag fie ifjren £ö§epunft erreichen. 3n benfelbcn
Sauren erreicht inbeö audf) bie fiebljaftigfeit ber finnlidfjen aBa^rne^
mungen unb bie £eftigfeit ber fümlidfjen SReije iljren #öl)epunft. ©a
ift bie Seit, wo ber SKenfdf) ju neuen Beobachtungen unb Unterne^
mungen am meiften aufgelegt ift. ©aö fü^rt ben lebhafteren SRaturen
eine güHe oon neuem ©toff ju ben ©ebanfen, bie bafyer immer üon
neuem bie Drbnung ju beginnen fjaben unb neuen StxfaeuuxiQen
immer mieber unterliegen. Sarauä erfenut man, toie es eigentlidfr
mit ber größeren SBeißfjeit beö Slltcrö jufammenljängt. Seils Ejat es
in ber längeren Vergangenheit meljr ©ebanfenftoff angehäuft, teils
wirb es weniger abgezogen, roeil bie fjrifd^c ber ©inneötoafime^mungcn
unb bie Eraft 511 leiblichen SBerridjtungen gefdfjnmnben ift. ©ebanfen^
fdfjroädfje mag im 3llter eine allgemeine ©rfdEjeinung fein, aber in feljr
oerfdfjiebeuem ©rabe. SBo fie fangfamer fortgefdjritten ift alö bie
2lbnal)tne ber finnlidfjen JMfte, toas in ber SRegel ber galt fd&etnt,
oerläuft bie ©ebanfenreifje ungeftörter. @s fommt Ijinju, bafc fläufig
bie SebenSoerfjältniffe fo angelegt finb, bafe bie alten Scanner iljre
3eit anbers, als mit ©ebanfen auffüllen, nidfjt in ber Sage ftnb,
unb jroar mit einfamen ©ebanfen, bie nidjt burdf) fofortige Steuerungen
unb SBerroenbungen genügenb abgeleitet werben. (Solange man {jeratu
roadfjfenbe Äiuber um fieb fjat, ober Stubieufreunbe, teilt man mit
iljnen am liebften feine ©ebanfen; — folange man eine 3 u ftwft
— 3 —
oor jtdfj fyat, bie oon ber ©nbilbungöfraft auögefdfjmüdft werben fann,
wirb man oon ber fremben Qugenb mefjr beamtet, namentlich audf)
oon ber weiblid&en, bie ein poetifd&eö Sebürfniö l)at, in ber reinften
2Beife baö fräftige, männliche SBefen ju überfdfjäfeen unb ju oerflären.
£aö fann bem Wanne in feinem ©ebanfenleben außerorbentlid) xotfyU
tljim*) unb i$m teilweife genügen. 3Rit bem jufunftöloferen älter
laßt jid> eine berartige ^SoefLe nur in feljr geringem ©rabe treiben,
l)öd>jien& av& früheren (Erinnerungen fortfefcen, mdEjt aber neu an==
fptnnen.
2>a wirb eö feljr naturgemäß, baß man in feinen alten Xagen
bie ©ebanfen nieberf treibt, nidf)t wegen beö Ijofyen Sßerteö, bie fie
Gaben fönnten, ober ben man iljnen felbft beifegt, als oielme^r beöljalb,
weil i^nen eine anbere Setfjätigung oerfagt ift. SBeniger mag biefer
ftall eintreten, wo eö oiel parlamentarifdfje SSerljanblungen unb öffent*
lidjeö Men im altgemeinen gibt. 2lber l)ier auf bem £anbe? — Da
bleibt nid&tö übrig, als ftdfj bie unnüfcen ©ebanfen entweber abjuge^
roöljnen, waö ben meifien mit ©rfolg ju gelingen fd^eint, ober, wo
eö ju fpftt baju geworben, feine ©ebanfen nieberjuf ^reiben. %n biefer
©eife gebenfe idfj bie folgenben Slätter einte 33udf)eö, baö mir bie
ftinber oor fünf Rafften gefd&enft l)aben, ju benufcen.
mcltgtün (1873-75).
. . . Religion ift für ein ©inselwefen nidf)t redjt möglief); man
fann eö in ber Qfolierung nur 51t $f)i{ofopt)ie unb Geologie bringen.
3$ oermiffe in ben mir befannten Definitionen oon Religion bie
aufnähme biefeö fojialen Gfjarafterö. Dafyer ift jeber wafjrfjaft
religiöfe 9Kann ein ^rofeltjtenmadfjer gewefen, b. \). ber probuftioe
SWann, ber bloß rejeptioe wenigftenö ein Kirchengänger. Die Smpfuu
bung beö ©wigen fann, benfe idf), erft in ber ©emeinfd&aft bie rechte $ le «ewon
Äraft erlangen. Diejenigen, weldbe feinen Deil Ijaben an biefer leben* ©mdniiSt.
bigen ©emeinfdfjaft, wie erbautidfje SßorfteHungen fie audj 31t ftanbe
bringen, finb bodf) eigentlich auögefdfjieben auö jeber Äirdfje unb auö
jeber 9tettgion. 9Jlit äftfjetifdfjen Spielereien läßt ftd) baö nid&t er*
*) SSie j. 8. Stuart 2RiH im <5>eban!enau3taufd) mit aRiftre|3 XayloT bie
gtöfcte Anregung ju feinem Sdjaffen fanb. STnm. b. fterauägeberin.
— 4 —
f efcen ; man trägt wotyl ben Xurban, um ungefähren burdjj bie Samara
ju gelten, aber es ift eben eine unfdf)öne Affommobation, b. f). tnnerlid)
lebt bagegen 9Biberfpru<f).
Aus bem ©tubium ber aWetapf^fif ftuno ftifd&ers Ijabe idfj ben
bleibenben ©eminn gejogen, ju erfennen, wie bas Unbegrenzte in
jeber SBejie^uug bie SBorbebingung, nie aber bie erft ber begrenjten
SJorfteHung gegenüberfie&enbe -Negation ($euerbad&fd(je SBorftellimg)
ober bie aus berfelben ju fianbe fommenbe Abftraftion 0&erbartfdf)e
2(nfic^t) ijt. 9ttd()t baö Abt)ängigfeitSgefül)l allein (rote ©djjleiermadf>er
es leljrt), fonbern auü) ber £rieb, über bas glüdfjtige unferer perfön*
3nnerc9iottD<nbt0. lid&en (Empftnbungen IjinauSjufommen, liegt ber Sieligion , rote mir
»dtflion. |^ e j nt ^ j U ® nm j) C j)i c brei fruchtbaren gelber bes GfjarlataniS;
mus unter ben 9RenfdE)en finb Religion, Sttebijin unb Sßäbagogif ge-
wefen, weil fie auf bie ber 3Renfdjl)eit tief eingeborenen, unabweisltdj
ju ftillenben Sebürfniffe [\6) bejietyen. $as Sojialbebürfms nadfj
Sieligion ift gerabe fo wie bas 33ebürfms nad) ©efunbfjett. @s fann
nidfjt bie tfjeoretifdfje ©rmittelung abwarten, es mufj ifjm gebtent werben
mit ©ein ober ©dfjein. 35a ift benn ber 33oben, auf bem ber Gljars
latanismus üppig wuchert, unb es tritt iljm ber abfolute 3 ro eifel tnU
gegen. Aber eö bleibt, wie XocqueoiHe gefagt f)at: „l'athee n'est
qu'un aeeident parmi les hoinmes", ebenfo, wie eö nur einjelne
geben fann, bie oon ber 9Kebi3in abfolut feinen ©ebraudf) bei fidf) unb
ben 3f)rigen julaffen wollen. — 2Benn idE) unter Aberglauben nur bie
Ueberjeugung, ba& man burdf) übernatürliche SBege, mittels refigiöfer
ober anbrer ^rojeburen finntidfje ftmdt erreicht, ocrftefje, will id)
jugeben, bafc in jeber 9ieligionsgemeinfdf)aft aberglaubifd^e 9Jtenfdf)en
fidf) finben, aber nidf)t lauter foldbe -Dienfdjen! — ©elbft Straufe wirb
etwas bange gegenüber ben Sojialiften unb ben fetner Anfielt nadf)
ju milbe beljanbelten Räubern. S3in idE) ganj oerfunfen in ber be*
fdEjränften ©mpftnbung bes eigenen 3d)S, fo gefyt ber 9Rut leidet aus,
unb ba Ijilft baö ©ebet nidjt ju einem ©renjbegriff unb ntdbt 311 einer
^Pcrfon, fonbern ju bem empfunbenen ©wigen. 9iidf)tig fdfjeint audj
ein Äuttu» tagt mir, baft man einen neuen Jiultus, eine neue gorm gemeiufdjafttid&er
c?Mn n wi. Anbadfjt nidf)t fonftruieren fann; aber bas Alte läßt fid) reinigen. @s
tjat oon ben menfdf)f)citlid)en Äulturoölfern nidfjt ein jebes bie Arbeit
oon oorn angefangen. So wenig bie $eutf$en einen $lato f)aben,
fo wenig liaben fie für bie Anregung religtöfer ©mpfmbung, was fie
ber SSibel an bie Seite ftelten fönnten . . . 2BaS ^aufuö ben Glauben
genannt l;at, muß ftd) jur mächtigen ©mpfinbung unfrer bauernben
— 5 —
©runbfage umbiiben, — ba* Sefenntni* ift ba* @efe|, baö au* bei
Seit ju troffen $au(u* fidj abmühte. £te Smpfinbung ber tffaU
fad) lieben ©nmblage be* Swigen für unö wie fär baö Untaerfum
burd) menfdjlidje @emeinf4aft ju begrunben, bad Ijalte id> für bie
Aufgabe jeber SReligionögemeinfdjaft . . .
&3 ift ein intereffante* Problem, bie Ueberjeugungen ber oer;
fdjiebenen ^tyüojop^en in Öe^ug auf bie Religion ju ermitteln. 34
ftimme mit bem 3tu*fpru4, bafe Drbnung unb @efe$ nur bemjenigen
bewußt ift, ber bie ©efefclidrfeit in feinem inneren erfannt tyxt, überein.
34 ijabe 9el>nlicf)eö, aber mgfteriöfer früher gefagt mit ben ©orten :
„2Baö ber 9Renfd) in ber Su&enwelt ju ertennen trautet, ift feinem
leiten Qitlt na4 nidjtä anbreö als bad ©eijeimniö bes eigenen enbiM w\m
£afein&". 34 glaube, bafe man, wenn aud) nidjt bie $fyüofopl>ie, *t$km™*
fo bod) ben $f>Uofopf)en erft red)t tennen lernt, wenn man fein 35er =
galten 311 biefem @e^eimniö ftdj oergegenwärtigt, unb in ber 9te(igionö-
pljüofopfjie tritt bas am naefteften (peroor.
Äritgtmt (1877)*
5. äug. — £er Äorau fielet ben (Stauben ate eine Diel unerläfc «ufttft^mtgs.
liefere $flid)t an, als baö gute £anbeln. Gr ftimmt barin mit bem flteulK im Äortt,, *
Gfjriftentum über ein, im @egenfa$ ju bem ^Rationalismus , wie tön
Sefnng fd^arf bejeidjnet Ijat. Öegenftanb be* @(aubenä, im Äoran,
ift, neben bem ©inigen Sott, ber aber ©nget unb Dämonen nidjt
wie ber 9Rofaifd)=3abbucäifd)e &injige ©Ott auöfdjliefct, ber 2luf=
erfte^ungdglaube. £anblungen tonnen oon bem 3lllbarmöerjigen
oerjieljen werben, aber ber Ölaube ^inter^er ift unmöglich unb oer-
geblid). SBer an einen legten lag allgemeiner Suferfte^ung unb 3Ser=
geltung tjier nidit glaubt, oerfallt ber ööüe. Ta% Gljriftentum tyxt
biefes entfdjeibenbe Xogma ju fefjr oon anbem Dogmen umgeben,
um feine eyfluftoe Sßidjtigfeit fo fcöarf Ijeroortreten *u laiien.
8. 2lug. — £urd> bie Seftüre bes ftorans werbe xd) reebt auf= Äcrall: ^ u .^ t
merffam auf ben ©egeniafc jwifeften ©lauben unb Sittlicbfeit ober un * £ftt;;i - 1 ;r
auf ein Surrogatoerfjältnis ;rotfd>en tynen. 2£er an Gidjorienfaifee
gewöhnt ift, finbet reinen Kaffee fdjwadj; ebenfo wer an religiöie
— 4 —
f efcen ; man trägt rooljl ben Durban, um ungefähren burd& bte Samara
ju geljen, aber cö ift eben eine unfdf)öne 2lffommobation, b. I). innerlid)
lebt bagegen 9Biberfprudf).
Sluö bem ©tubium ber 3JtetapI>t)fif Äuno ^ifd^erö Ijabe idf) ben
bleibenben ©eroinn gebogen, ju erf ernten, urie baö Unbegrenjte in
jeber Sejie^ung bte SBorbebingung, nie aber bie erfl ber begrenjten
SBorfteUung gegenüberjle^enbe Negation (#euerbad(jfdfje SSorjtellung)
ober bie aus berfelben ju ftanbe fommenbe Slbftraftion (£erbartfdje
SKnftdfjt) ifl. 9ttdf)t baö 9töf)ängigfeitageftif)l allein (wie ©df)leiermadf)er
eft lefjrt), fonbern anä) ber £rieb, über baft glüd&ttge unferer perfön*
3nnrrc92otombtg' licJjen (Empftnbungen Ijinauöjufommen, liegt ber ^Religion, nrie mir
«eiiflion. |^ ein ^ JU ® rutt t ) e. 3)ie brei fruchtbaren gelber bes G^arlataniö-
mus unter ben SRenfd^en ftnb Sieligion, SJtebijin unb Sßäbagogtf ge^
roefen, weil fie auf bie ber -Dtenfdfjfjeit tief eingeborenen, unabroefelid)
ju ftittenben Sebürfniffe fidf) bejiefjen. 3>aö Sojialbebürfnte nad)
SReligion ift gerabe fo wie baö 33ebürfniö nadf) ©efunbljeit. @S fann
nidfjt bie tfyeoretifd&e Ermittelung abwarten, eö muß iljm gebient werben
mit ©ein ober ©dfjein. 3)a ift benn ber Soben, auf bem ber 6t)ar^
latantemuö üppig roudfjert, unb ea tritt iljm ber abfolute 3 ro eifel &it*
gegen. 9lber eö bleibt, wie SocqueoiHe gefagt fjat: „PathSe n'est
qu'un aeeident parmi les hoinmes", ebenfo, wie eö nur einselne
geben fann, bie oon ber -Dtebijin abfolut feinen ©ebraudf) bei fidf) unb
ben Sftrigen julaffen wollen. — Sffienn idf) unter Aberglauben nur bie
Ueberjeugung, bafe man burdf) übernatürliche SBege, mittete religiöser
ober anbrer ^rojebureu finnlidfje 3roedfe erreicht, oerftelje, will id)
jugeben, bafe in jeber SReligionögemeinfdfjaft abergläubifdfje 9Renfd)en
fidfj finben, aber nidfjt lauter fold&e 9Renf dfjen ! — ©elbfi ©traufe nrirb
etroaö bange gegenüber ben ©o§taliften unb ben feiner 2lnfidf)t nad)
ju milbe be^anbelten Stäubern. 33in idf) ganj oerfunfen in ber be*
fdfjränfteu ©mpftnbung beö eigenen ^d&ö, fo geljt ber 3Jiut leidet aus,
unb ba tjilft baö ©ebet nidfjt ju einem ©renjbegriff unb nidfjt ju einer
Sßerfon, fonbern ju bem empfunbenen ©roigen. SRidfjtig fdfjeint aud)
Gm ftuttu* tä§t mir, baß man einen neuen Siultuö, eine mm gorm gemeinfdjaftlicfcer
e?ftn!f?i. 2lnbadf)t nidfjt fonftruieren fann; aber bae Sllte läßt fidf) reinigen. (£*
\)at oon ben menfdfjljcitltdfjen Äulturoölfern nidfjt ein jebeö bie 2lrbeit
oon oorn angefangen. So roenig bie £eutf$en einen <piato fabelt,
fo roenig Ijaben fie für bie 3lnreguug rcligtöfer ©mpfinbung, roaö fie
ber 33ibel an bie (Seite ftellen fönnten . . . 2Baö s J5auIuö ben ©lauben
genannt liat, mufc fid^ jur mächtigen ©mpfinbung unfrer bauernben
— 5 —
önmbfage umbilben, — baft ©efenntnte ift bafc ©efefc, bas aus ber
SEBcIt }u fdfjaffen Sßauluö fidfj abmühte. 25ie ©mpfinbung ber tljafc
fädjlidjen ©runblage beö @rmgen für uns wie für bas Untoerfum
burd) menfd&lid&e ©emeinfd&aft ju begrünben, bas fjalte id& für bie
aufgäbe jeber SReligionSgememfd&aft . . .
6s ift ein intereffantes Problem, bic Ueberjeugungen ber Der*
föiebenen ^ß^ilofop^en in Sejug auf bie Religion gu ermitteln. 3$
ftimme mit bem 2lusfprud>, bog Drbnung unb ©efefc nur bemjenigen
benm&t ifl, ber bie ©efefclidfjfeit in feinem inneren erfannt bat, überein.
fä Ijabe Slebnlid&es, aber mgftertöfer früher gef agt mit ben äBorten :
„SBas ber SKenfdf) in ber Sbiftenroelt ju erfennen trottet, ift feinem
legten 3ie(e nad& nidfjts anbres als bas ©eljetmuis bes eigenen enbjiet unfw
25afeins". $d& glaube, bafj man, wenn aud(j nid^t bie ^ilofop^ie, 1*?$?«^*
|o bodf) ben 5ßf)üofopl)eu erft redfjt fennen lernt, luenn man fein 93er*
galten ju biefem ©e^eimnis fidjj vergegenwärtigt, unb in ber SRcIigionö-
pt}i(ofopf)te tritt bas am naefteften tjerpor.
K*lt0i0tt (1877).
5. äug. — $>er Äoran fiefjt ben ©tauben als eine triel unerläfc « U fetfte$un fl §.
[teuere <Pfüd)t an, als bas gute £anbeln. ©r ftimmt barin mit bem flIflUbe im * oran ■
6f)riftentum überein, im ©egenfafc ju bem ^Rationalismus , wie ifju
fiefftng fd&arf bejeidjnet ^at. ©egenftanb bes ©faubens, im ftoran,
ift, neben bem ©inigen ©Ott, ber aber ©ngel unb 3)ämonen nidjt
wie ber 2Rofaifdf)=®abbucäifdf)e ©injige ©Ott ausfdfjtiefet, ber 2luf=
erfte&uugSglaube. £anblungen fönnen von bem ällbarmberjigen
öcrjie^en werben, aber ber ©laube ^inter^er ift unmöglich unb oer*
gebli$. SBer an einen legten £ag allgemeiner 2tuferftef)ung unb 33er*
geltung l>ier nidfjt glaubt, verfällt ber £öUe. $as ©fjriftentum tyat
biefeö eutfd&eibenbe 2)ogma ju feljr oon anbern 2)ogmen umgeben,
um feine ejfluftoe SBid&tigfeit fo fd^arf hervortreten ju (äffen.
8. äug. — Durdf) bie Seftüre bes Äorans roerbe idE) redf)t auf* ftoran: <ai aubc
merffam auf ben ©egenfafc jroifc^en ©lauben unb ©ittlidrfeit ober unb simi * lcit '
auf ein ©urrogatoerbältnis jroifd&en il)nen. SBer an Gidfjorienfaffee
9*roöf}nt ift, finbet reinen Äaffee fdf)ma<$; ebenfo roer an religiöfe
— 6 —
SRoral ftd) gewöhnt Ejat. $fom fd&eint alle ©ittlidftfeit o&ne Sieligion
fdfjroadf), roenn nid^t gar ein glänjenbes Safter, nacij SBorgang bes
tjeiligen SKuguftin. 3m Koran ifi beftänbig rotcbcrljolt, bafe berjenige,
ber an bie 2luferfteljung an einem befonbem Sage ber SBepgeltung
nid)t glaubt, unroieberbringlidfj oerloren ift; wer aber nid()t gut Ijanbelt,
bem bleibt bie Hoffnung, bafj ©ott aUbarmljerjig ift. 2)as ift ber
eigentliche fritifd&e Sßunft für ben Stationaltemus. 3$m ift ber ©taube
gleichgültig , wenn nur gut ge^anbelt rotrb — bem ©egner ifi baö
&anbeln unerheblich, roenn nur geglaubt wirb. S3eibe fjaben einen
fategorifdfjen Qmperatio, aber oerfdfjiebenen Qn^altö. S)u fottft glauben,
bas übrige ftnbet fidf), forbert ber SReligiöfe — unb erjroingt bie
ßeudfielei, ba man nidf)t gegen feine ©rfenntniö glauben !ann. £>u
follft gut fjanbeln, bie Religion ift gleichgültig, forbert ber Statio*
nalift — unb füfjrt jur ^rreligion. Sefftng tyat ben Sßunft unüber-
trefflich einfadf) bejeidfmet:
„Segretffi bu nun,
3öie oiel anbädf)tig fdfjroärmen leidster als
©ut fjanbeln ift.'' fiefftng ift ber SBater bes Station
nalismus.
^ie reine 20. Oft. — 2)ie reine fjebrätfdfje £ef)re l;ält als an feften $unf=
ten, an ben SSorfteHungen : 1. 2)er eroige einjige ©ott ift ber ©d^öpfer
aller 2)inge, bie ba^er nidfjt eroig finb. — 2. 3)er 2Kenfdj) f)at feine
anbre gortfefeung, als in feinen Stadftfommen. — 3. (Sin 2Beltgerid)t
ergebt über alle SBölfer, bas ber jtttlidfjen SBeltorbnung ©enüge tf)itt. —
2)ie Sßeltgefd&idfjte ift bas 2öeltgeridf)t , fagt &egel, unb nidfjt anberö
lehren bie Sßropljeten.
35ie apofaltjpttfdfjen SBorfteHungen finb metteirfjt im Äoran am
reinften aufbewahrt. 2lus bem Seidjnam entrotcfelt ftdf) einfi eine neue
lebenbige ©eftalt.
£>ie ^eHenifc§^l;ilonifd^e Sluff affung , ju ber SßauluS unb ber
oierte ©tmngelift ebenfalls gelangen, tjaben leiblofe, unerfdfjaffene ©eelen,
unjerftörbarer Statur jur SBorauSfefeung.
©oh au «nbjtei 35ie moberne 9taturforfdf)ung brangt jurücf $u ber altbibttfd&en
SBorfteHung , mit bem einigen Unterf dfjieb , bafc fie ben ©ott als ein
2öefen auffaßt, baö meljr unb meljr in ber SBelt fi<$ oerroirflidEjt, fo
bafc oon ßaufe aus ber ©dfjöpfer nidfjt als eine fertige ^erfönlid&feit
ber Schöpfung gegenüberftanb , fonbem als befttmmenbes , unenblidf)
fernes 3^ ty x oorftefjt. 35em $iel bie ©d&öpfung näljer ju bringen,
baju lebt alle Äreatur, unb barin ift fie feiig.
JBie fcfjledfjt finb alle oermeintlidfjen Offenbarungen über bie S3e*
$ebräl|$e Seftte.
bei ©$o>funa.
— 7 —
föaffenljeit beä 3enfeitö ausgefallen! £ienieben füllen wir ©eligfeit: 2>i«b«t6cu fl reiteu
1. in ber Siebe, 2. in ber Äunft, 3. in ber SBei^eit. SWit biefen * ieniebtn -
Seligfeiten nmfeten bie SReligionsftifter ifyc Sßarabieö nid&t ju fdfjmüdfen,
fonbern nur mit Sßradfjtgegenben unb Prachtbauten, Safelfreuben unb
Befreiung t>on Uebeln.
27. Dft. — 3$ badbte baran, wie bie Hebräer 2t. %. mit bem sie Hebräer
®efüf)l iljrer gortfefcuug in Samen unb SRamen fid& genügen Hegen unpetbnÄ
unb in bem Senmfctfeiu ber @emeinf<$aft mit ©Ott ftdfj $ur ©ittlidfc
feit erhoben, ofjne mm einem Seben nad(j bem £obe etwas ju £ilfe
ju nehmen. 3)aä fd&ien mir auögebrücf t in bem Sßf almperö 73, 25 : ß^er» wm
„SBemt td(j bi<$ nur ^abe, fo frage id& nidfjtö na<§ &immel unb @rbe." 9fSmlSfdi7s!is.
35aö badete i<§ mir fd&on als paffenbe ©rabfd&rtft. 3tun aber, ate
idj ben £ejt t>ergletdf>e, finbe i<f>, ba§ fiut^er es ifi, ber biefe grofc
artige ©otteägemeinfd&aft erft fytnjugebracfjt $at. „SBen tyabe idt) im
Fimmel, unb neben bir liebe idfj nichts auf ©rben, Reifet baä Dvu
ginal!" 2)as Hingt lieblos. 2>er &immet ift leer, unb auf ©rben
gibt es nidf)ts ju lieben, nur ber ©Ott im fersen bietet £roft! S)as
ift ber Sinn.
81. 3)ej. — aus bem 9tüdtblicf auf bas ^aljr 1877. a>amin»&mu« =
35aS innere fieben fpinnt fidfj immer netyer an bie „neufeimenbe neue Weüöton -
Sieligion", wie ©. von 33aer mir fdjjerjroeife ben ©arnrinismus be=
jeidfjnete. <£s festen i^m jur Siefigion bie ©emeinfdfjaft, bie Dbfer=
Danjen. aber feine eigentümliche Äosmogonie ift bodjj eine religiöfe
©runblage, auf ber fidj bas SBeitere enttoidfeln mufe.
Ptaftototffö* Kaxfi0r00iB (1877).
12. 3uni. — SDteine ©ebanfen fjaben fid) abermals ben pfpdjos seeient^eode.
logifd&en ©efyeimniffen jugetoenbet, roie fidf) biefe burdj) bie Xraum*
erfd&einungen verraten.
SReu ift mir ber ©ebanfe entgegengetreten, baf$ bie (Seele t>ie[
jutreffenber ate ein fatoptrifdfjeä 2Berfjeug üerbilblidjt wirb. Sie sie ©«u = «n
Sinne führen bie ©trafen ber Außenwelt iljr ju. SDas eigentlid&e tetD>to jSJI mxU
§irn ift ber £intergrunb, auf meldten bie Seele bie ©trafen pro*
liiert. 2)ort entfielen bauembe SWad^bilber, bie ifjre Strahlen nrieber
auf bie ©eele jurüdf werfen. Sichtbarer werben fie, mnn bie frifdfjen
— 8 —
energifd&ereu ©trollen ber ©inne audgefdjl offen finb. 35ie ewige Be^
wegung ber Sßa#ilber getagt mit ber nie fülle ftefjenben Blutriefelung
jufammen, bie balb bem einen, balb bem anbern Xeild&en biefe&
Uebergewtdfjt juffifjrt. S5aö ftärfere Bilb brängt ftc^ x>or. ®ie ©eele
orbnet wie ein Kaleiboffop bie SRaterialien, ob fie iljr geliefert werben
burdfj SReije pon ber äufjenwelt ober burd(j SReije atö ber £iefe be&
2)ie6«ietft«nP4 ©eljimö. 35ie ©eele ift ein fid& 3Bal)rnel>menbes! S)iefe nid^t weiter
sDoijrn^inenbeg. ^ ertlärenbc £ljatfad()e ift atö ftaftum anjune&men. (Smpftnbung ift
mdfjtö anbreä, alft „fid& wa&rnefjmen". $amit Ijört bie ©leidig
gältigfeit auf gegen bie Sage ber £eildf)en ober bie äfofcenwelt. 35ann
mufe ein ©treben ftdf) einfallen, biejenige Sage ^erbei jufü^ren , bie
gelegener, angenehmer, fd&merjlofer ift.
mvitn, - ba*« Stimmt baö fatoptrifd^e Sßerfjeug fidf) unb feine Bewegungen
«m^imsni. wafjr, fo wirb e& SBBitten fjaben. 2)em SBiUen entfpred&en Bewegungen
ber wiHfürlid&eu Sßuäfeln. ®ie SReroen vermitteln biefe Bewegungen.
25a* fatoptrifdfje SBerfjeug müfete 9teije auf biefelben überleiten fönnen.
SDurdf) bie 2lffojiation mit ben Silbern in ber ©eele entfielen bie
fflewflunßen tm jwedfmäfctgen Bewegungen. 2)ie Bewegungen im Traume fommen
ju ftanbe oljne ober mit geringer unwefentlidfjer SKuöfelbewegung, ba
fd&on bie BorfteUung tjinreidfjt, um im ^antasma bie Bewegungen
al» bewerffielligt erfd&etnen ju laffen.
9iot»«ibiaMt 2Bie i<$ mir aud& bie ©inneöwerfjeuge, j. B. baö 3luge, benfe,
TOoirne\menboi julefct bebarf ea irgenbwo etneö SReijeö in einer ©ubftanj, bie fxdfj
ana * felbft wahrnimmt, @ö ifl batyer nid&t eine ^ppot^efe, fonbem eine
jwingenbe ©dfjlufjfolge, bafc ju ber ©eftdfjtöempfmbung eine ftdf> xoaf)T*
ne^menbe ©ubftanj gehört — bie aber in fidj au<$ bie anbern ©inneä*
reije auf june^men fäljig ift» ©enn fonft wäre jwifd&en ber fteljenben,
^örenben u. f. w. ©ubftanj immer eine oereinigenbe nötig, um eine
einfjeitlidEje BorfteHung oon bem ©idEjfc unb hörbaren fjert)orjubringen.
©eeu. ©oweit ©mpfinbung, ift audf) ©eele, 35en Sßflanjen fann man
fie nidf)t jufdfjreiben, aber woljl allen mit 3roedbewegung unb 9ien>en
oerfefjenen Organismen.
SMefe Slnbeutungen bleiben weiterer 2luäfüf)rung unb Begrünbung
oorbefjalten.
— 9 —
Pfttfofrrtte (1877).
27. Dft. — 3df) benfe baran, meine SBeltauffaffung nieberjus sd>ema iu einer
^reiben, weil i<$ fte erft bann felbft im Bufammen&ange überfein ® eItflu ^ un ß-
fann. 3)aä Unternehmen wirb aber fdfmrierig, xotnn id) au<$ barauf
üerjidjte, bie Ueberjeugungen troffftänbig ju bebujieren, unb nur furje
Slusfprüd&e madfjen mochte, gleidfjfam Sefenntniffe. Um bie SRaffe
nidfjt burd&einanber ju mifdfjen, bebarf es einer vorläufigen Ueberfid&t
üjrer Sefianbteite. ©troa folgenbe ©intetlung ließe ftdfj verfugen:
A) ©enefiS: 1. bes 3Renfdf)en, 2. ber Organismen, 3. ber
SBeltförper, 4. ber Subftanjen.
B) ©nofts*): 1. ber 3Raterie, 2. bes ©eiftes, 3. ber 3Kenfdf)en ;
feele, 4. ©ottes.
C) Sßra£iS: 1. bes ©uten, 2. bes Sd&önen.
5. 9tou. — 3$ fyabt t>erfudf)t, meine Qbeen von ber ©enefts bes
Sßenfdfjen nieberjufd^reiben. ©s roiH nidf)t red&t fliegen.
21. 9lor>. — 3Wan muß ftdf) feinen ©Ott nadj bem eigenen Silbe ©ottt*»orftcaun ö
bauen, bacon fommt man einmal nidfjt los. SBenn aber bas 33ilb, 3<*üorfleaun ö .
ba§ nrir uns t>on uns felbft mad&en, ein ganj anbres geworben, wie
foll ©ott babei berfelbe bleiben? Unfer Seelenroefen ifl ber ©inigungSort
aller ©inneseinbrüdte, aller abftraften ©ebanfen, aller Erinnerungen.
Sag es fidf) Ijinüberfüljlt aus einem in ben anbern 9Woment, als ein
unb basfelbe, ununterbrodfjcn, bas gibt i^m erft SBert für bas Beben.
Würben foldfje 3 u fätte paffxcrcn als fjäuftge täglidfje Vorfälle, bafc %& &rinnerun 6 e.
olles Seroufctfein ber SBergangenfjeit roeggeroifdf)t mürbe — roie man «rmöK'baö
in einjelnen Äranfljeitsfällen roitt beobachtet fjaben — , bann märe es *7fflSSV*"
aus mit ber ftttlidfjen Sßerantmortlid^feit, mit bem ©rroerben oon £ennt=
niffen, mit ber freute über bie Sßrobuftionen. ©benfo: bie 2Be(t
Ijört auf, ©egenftanb eines möglichen Qntereffes als ©anjes ju fein,
roemt idfj barin nidfjt ein fidf) fortfüfjlenbes, eroiges Selbft annehme.
Sei ber anatomifd&en Unterfudjung unfers ©ef)ims, als bes Seelen-
organs, uermiffen roir aber bie bominierenbe $eüt. Sie muß ror= «amcnbi^Mt
Ijanben fein, biefe $tüe, aus einer Subftanj, bie fidE) felbft roafjrnimmt, Ten 6«"«^'
beren ©mpfinbungen bie SSorfteHung oon Seroegungen erjroingen unb ßUt * emem
barin bie SSeroegungen ju ©mpfinbungen werben, bie ifjrerfeits roieber
Seroegungen erzeugen, 2Mefe ©inljeit ift, nur bilblidf) ju fpredfjen, roie
ein Srennpunft im parabolifdjen Spiegel, roie ber btjnamifdfje Sdfjroer^ »rennpunft im
. paeaboliidjen
* 4 ffrf^«*«;a Spiegel, «naloflie
w ) (srfenntms. mit bem
— 10 —
Qfinmomifaen punft aller £irnjellen. Sie Slftronomie fyat uns ein analoges Ver-
e ttÄ. im &ä(tnis im Untoerfum entyüUt. Sie ©rrfteme ber 9Beltförper: 1. ber
planet mit feinen Trabanten; 2. bie Sonnen (giffteme) mit ifjren
Planeten; 3. bie 3=i£fternfdf)idf)t, bie mir oon ber aWildjftrafee umgürtet
felien, mit ber meUeidjt bas Unioerfum erfdfjöpft ift (ober, falls bie
auflösten SWebelfledfe , mie man gemeint fyat, Uirftcntfpftentc bar?
ftetten, bie felbft ein 3«ttrum umfreifen), — finb Sreljfd&eiben mit einem
Sdfjroerpunft. Sei ben nieberen Drbnungen, Sonnenfijftemen unb
Planeten mit Trabanten, ift ber Sdfjmerpunft materiell; bei bem Uni=
oerfum, gerabe mie bei bem SDtenfdfjen, nur turtuell. 3n biefcn
©Ott aie 6d)»er. $unft ift, na<$ unfern heutigen 2lnfd&auungen, ©Ott ju oerlegen, als
* un Jun1t S" nn ' bas Seelenroefen bes Unioerfums, bas nie fertig fein fann in Sßirfc
sd« untQumit*e ©ott, mag man ba fjerumbrefien, fo tnel man will, bleibt eine Ijofjle
«b?ra?Hon. eere 2lbftraf tion ; ber in aller Subftanj oerbreitete bagegen, ein bemufctlofer,
mie es audj ber SWenfdf) bliebe, wenn nidjt etwas ba märe, maß ben
wotn>tttbi fl !eit ©erudfjseinbrudE ebenfo mie ben beö ®ef)örs unb bes ©eftdjts t>er=
""ortMpW*' ftef)t, was Siafe, Dl)t unb Sluge für fidE) nicfit leiften. Sie Seele als
cmmsetnbrüde. ^ nttantt anju ^ cn ift ein äusbrucf, bei bem fxc$ feljr Verriebenes
benfen läftt; aber mnn man glaubt, bie gorberung eines ©inigungs-
orteS bamit abgewiefen ju fjaben, fo tjat man ftdf) eben, ofjne an baö
3iel ju gelangen, beruhigen motten. Sie moberne Sfjeologie rnufe
©ott ai» edjmer. fagen: ©ott ftfct im Sdfjwerpunft bes UnioerfumS. Sa werben alle
un"wtiumi. Vibrationen unb Dotationen ju ©mpfinbungen , bie ©mpftnbungen
mad&en alle Vibrationen wahrnehmbar, unb biefe 2Bal?rnef)mungen
werben erfte llrfadfje neuer Dotationen; gerabe fo mie in ber 9Renfdjetu
©iüe im mmtn feelc fid£) bie SBiUensäufeerungen nadf) ben 2Bal>mel)mimgen ridjjten,
an erfte ur|ft*e. a ^ er auö c jg ener © ne rgic; für bie man fid) oerantroortlid^ wei§, im
SÖiberfprudfj mit bem, an nie ju @nbe gelangenbe Äaufalität ge=
bunbenen Senfen.
unjuianQ«d)fdt 21. Sej. — $ür bas Sing an fid), für bie inteUigible 2ßelt,
bc * ^tte^ 1 *'" brausen mir gar feinen ©ott. Solche Unjugänglidfjfeiten werben
burdf) bas Einzubringen eines metap^fifd&en ©ottes weber erfennbarcr,
noii liebenswürbiger. 2Bas mir brausen, ift ein jufammenfjängenbeö
unb einigenbes äBefen in ber @rfdf)einungswelt. @s ift biefe SBelt,
bie für uns ftttlid&er SBertfd^äftung unb eroig fortroirfenben 33ewuf?t=
feins bebarf.
— 11 —
K*K0i0tt (1878),
8. äpril. — SWur ein SEafynfinniger Ijatte fidf) bei ©ntfteljimg G&rtfientum unb
M G&riftentumö oorftetfen fönnen, bafc es bie antife ftuftur jerftören eo,ialUmuft -
würbe. 3efct fteljett mir ettoa bem Sozialismus ebenfo Gegenüber?
2Birb er ben Untergang ber mobernen Äultur herbeiführen ? Äann es
mir nid&t benfen. 2)ie SBiffenfd&aft ift ber Qnbuftrie unentbehrlich
geworben, unb oljne ^nbuftrie gibt es bas 3Bof)Ueben nid&t, bas ber
Sozialismus erftrebt. S5ie inbnnbuetle grei^eit ift fdfjöpferifcljer ge=
roorben als jemals. 9lber ju oerfennen ift ber üerroanbte gug in
(Hjriftentum unb Sozialismus md&t. Les extremes se touchent.
Seltffudfjt unb 2Bettfud&t Raffen beibe bie greiljeit unb fdfjmctyen bann,
roas jidfj burd& 2Biffenfdf)aft unb Äunft felbfiänbig fütjlt unb ergebt.
3. 3uni. — 9Kaj SDtüllers SBorlefung über bie SBaljrnetymung sRajwüaeri
bes Unenblidfjen (in bem 2Waifyeft ber 9tunbfdf>au) vertritt bie 2lnfidf)t, Cor uneSbii?e! ba8
ba§ uns bas Unenbltdfje nidfjt als ein Slbftraftum, fonbem als eine
mit bem ©nblidfjen nottoenbig oerfnüpfte Stfaljrnefjmung gegeben ift.
Sie idf; mi(f) f onft ausbrüd te : bas Unenblidfje ift bas erfte, unb alles
©nblidje ift nur als eine Sdjranfe innerhalb bes urfprünglidf) Un* *a» Gnbu*e nur
begrenzen ?u erfennen. aber mir ift nridfjtiger bie Sele^rung , bie ""untnVÄ. im
3Raj 9Rütter barüber gibt, bafe eine Definition üon Religion, wenn
ne nrirflidf) umfaffen folf, roas ftd& auf biefem ©ebiet tjiftorifdf) gejeigt
fiat, ben Jtultus unb bas SSefenntnis nid&t mit aufnehmen barf. 25er
8enebiftiner;S3ifd)of ©afoabo erjagt t)on ben ©ingeborenen im meftlid&en
Auffraßen bei ber 3Wiffion SWeusSKurfta, baft fie an einen menf^en« ftuitu*ioii ö reit ber
artigen, gütigen Sdfjöpfer, SMotogon, glauben, ber inbes altersfdbroadf) *TeuXrrta Wn
geworben unb nun tot fei; — ferner an einen SdEjöpfer bes 93öfen,
Gigaga, ber um>erföf)nlidf) ift. Stauer fjaben fie toeber Äultus nod&
'öere^rung für etwas, ©obalb idfj ben ÄultuS hineinbringe, madfje idf)
aus ber religiöfen ©emeinf djaf t ein ©eljege ber ßnnetradfjt ; — bringe
id) bas Sefenntnis l)inju, fo roirb es eine ßroangsjaefe für bie SBer*
nünftigen unb ein ©trafinftrument jur 33egrünbung abergtäubifdfjer
^riefterljerrfdfjaft. 3n ber Stntage ober potentiellen ©nergie jur ©r*
fafiung bes Unenbüd&en liegt, nadf) 3tt. 3Küller, bas Söefen ber SRe^ ©den ber »eu fl ion
ligion. 3$ würbe fagen, ber £ang jit bem Dauernberen, ber jur na * Req|erUnfl -
Siebe bes ©roigen leitet, madjt bas äßefen ber Steligion au*.
3. 3uli. — 3»n %i&tl, too id^ einige Sage bei meinem erbtim ©oitdre»
beten greunbe, bem »aron «. Uerfütt, oerbrad^te, laö id) Voltaires ^Änf"
— 12 —
Traite de la Tolerance. Siefe Stö^anblung oerbient immer nrieber
gelefen ju werben. £afj bie Quben juerft Unfterblidfjfeit ber 3Menfdjen
nic^t fannten, wirb von Voltaire gut au&einanber gefefet. <S§ ift aber
biefe äbljanblung nur eine Steige jufammengefafeter @elegenl)etts=
fd&riftd&en für bie Familie Galaä k. darunter eineä für ben üWajor
Äepferling, ein Fragment ju feinem ©ebraudd in Sßolen ! Älare £>ar=
fteßungen unb öegrenjungeu beä äßefenö ber $oleranj unb ber baju
«roietam. geeigneten 3JUttel bietet SJoltaire nid&t. 3»eine ©ebanfen bleiben bei
ber gtormel fte^en: Steligiöfe SWeimmgen unb ©emeinfd&aften fottten
gleidb fein unter bem ©efefc ; jebe Sejiefiung auf 9teligiou muß bann
im ©efefc unb Staatsbubget aufhören, ba fonft bie ©leid^eit auf*
^ören mufe ober ittuforifd) nrirb.
aeiiöiöie »eaftioii 6. ftuli. — (2)eutfd^e Sßolitif.) 2>ie religiöfe SReaftion ift
m xeutj^ianb. e j n 5t un jjfo rama m ^ gewitynlidfoen SRenfdfjen, bie in Sßropfjetenfoftüm
auftreten unb fidj in ityre Stollen melleid&t I)ineinftubieren fönnen, aber
Scljaufpieler bleiben fie.
9Wac !ptüfun 8 6. ^uli. — ©eroijfe Sefenntniffe roirfen auf bie 3Benfd)en noeb
be& »t^ei«mu8. j mmer ro j e ^ tx ^ ne( ^t 9tupredf)t auf bie 2Beif)nad()tafinber, bie ftd^ mä
Dunfel flüchten, um baä ©ntfefclidjc nidjt ju fefjen. $)aju gehört an
erfter Stelle ber ätfjeiömua. Qnnerlid) entfdfnebene Streiften finb in
meinen ©eftdfotsfreis gefallen: ber ginanjminifter ©raf ©eorg ftan=
»ed)M«affene frin *), — ber Dr. S., — t>ieHeidf)t ber ©raf unb ©eneral Sß. ty. ß —
ittdftcn. ( auter gjjänuer oon entern Sdfjrot unb Äorn, benen jur Seite nur
wenige ju ftellen fein bürften. ÜDtog eö unter ben ßalunfen aud)
Steiften geben, fo ift ber 2ltljeiömuä ein fo wenig ju empfeljlenbea
Sfaafjängefd&ilb ju Subenftüdfen, baß fie ea forgfältig perbergen. 2>er
offene Streift fann bie Slbfidfot nid^t fjaben, feine 9Witmenfdf)en ju hinter-
gehen. 3Ran foHte alfo in ooHfommener 9?uf)C bie 33etradfotung beö
Sttyetemuö oor bem tmf[enfdfjaftti$en Genien unb bem fittlid&en $ü&len,
^Sollen unb £anbelu unterfudjen. 3$ bin lange innerltdf) bamit
»eügiöfe entwide. befd^äftigt unb auf oerfd&iebene Stufen bamit geraten, ofjne mit 3«=
iunn «epicrimflt. ^^ anö ^j e j ^ u g e [ an g Cn Sßieroo^l oon früljefter ^ugenb mit
3weifeln fämpfenb unb ju eutgegengefefcten ©efüljlen gebrängt,
fjerrfdjte ein naioer 3)et*mu3, mit mgftiföer SWomantif burdfrfd&offen,
in mir oor. 2>er pl)tlofopl)ifd()e ©Ott, für ben bie Seweife unter
*) Sergleidje ; 2luS ben SHeifetagbüd&ern be3 (trafen ®eorg Äanhtn, e^e=
moligen £aiferlic$ rufftfe^en ginansminifterS, auö ben Sauren 1840—1845. 3Äit
einer 2e6en8fFij3e ÄanfrinS ^erauSgegeBen üon ©raf 2lteranber Äepferltng. 93raun=
fc^weig, Verlag ber öofbud^anblung oon (Sb. fieibroef, 1865.
Stnm. b. ^erauögeberin : 2) er (SJraf ^anfrin ftammte au§ $anau in Reffen.
— 13 —
Äante Äritif auf immer oerflogen finb, mürbe mir juroiber, weil er
ber ©mpfinbung wertlos gegenüberfteljt. ©in ©Ott, ber überall ift, x« pf,\io\mmt
fann ft$ nidjt bewegen, — ber atte* roeife, fann nid&tä erfahren, — ^£fpSmi^. T
Der alle* gefdjaffen imb Derurfadjt Ijat, bem ift affeö gteidb. 2fn einem
l'ofdjen Ijotylen Segriff, ber über Siebe unb 3lot ber SWenfcfjen f)inroeg*
ftef)t, ber mit berfelben $reimblt$!ett bem JReblidjen wie bem Spifc
buben juläd&ett, fann man ftdj nidjt lange ergöften, fobalb man itjn
fdbarf ins äuge faßt. 3n ben äBunbertoerfen ber 5Ratur mar mit ber etn »rsesiftiewn.
Sorftettung eines t>or ber 9tatur epftierenben Sdböpferö nidjts ju
erforfd&en unb ju erflären. $ä) afjnte, t>or Karmin, einen anbern
Sufammenfymg. 3Bif[enfd)aftlid) ift biefer uon Karmin unb feinen
Anhängern entfjüflt. 9Kd&t auf ben Stanbpunft eineö Voltaire gerät
man, fonbern auf ben beö großen ^ßaficaf. 9lus feinen ©ebanfen fei
bier baö £ingef)örige mieberljolt *) : Ces personnes destitu£es de foi
ntdjt*
XanwnS
(Frtlärung ber
Statur.
$a«ca(d
©tanbpuntt.
*) diejenigen 9Renfa)en, benen weber Glaube noa) ©nabe innewohnt, bie
i$re gange Ginftajt aufbieten, um in ber Statur baö jenige $u finben, roa* fte jur
6rfenntni8 ©oiteä führen tonnte, finben nur 2)unfel unb gtnfterniS. liefen au
jagen, bafs fte aud ben geringften fingen tyrer Umgebung ©ort erfennen tonnen,
unb üjnen alö Seroetö für jenen großen unb wichtigen ©egenftanb nur ben Sauf
be§ SRonbeS unb ber Planeten an&ufü§ren unb babei §u behaupten, mit berartigen
Lebensarten ben ©eroeiS erfa)öpft ju fyaben, baö ift i$nen gerechten 2Inlafj jur
Meinung §u geben, bafc bie 9eroetfe für unfre Seligion rea)t hinfällig fmb, unb
ia) weiß aud <Sinfta)t unb (Erfahrung, baß nia)t3 geeigneter ift, t$re 2Jeraa)tung
^eroorjurufen. ... 34 werbe eä bafjer niü)t unternehmen, mit natürlichen ©rünben
bie Grjftenj ©otteä ober bie $reietntg!eit ber ©eele ju beroeifen . . . niajt nur,
weil ia) miä) ma)t ftarl genug fü§le, um au§ ber 9latur Setoeife au finben, bie
mftotfte Ktyetften überführen Idnnten, fonbern aua), roetl biefe Grfenntmä o§ne
(S^nfhtö unnüfc unb unfruchtbar märe. ©oHte aua) jetnanb baoon überfleugt fein,
baß bie Ser^ciftniffe unter ben Qaf)len immaterielle, ewige, von einer erften fte
begrünbenben 2Ba$rl)ett, bie wir Gott nennen, abhängige 2öa§r(jeiten feien, ia)
fönnte nta)t glauben, bafs er bamit für bad £>eil feiner Seele einen roef entließen
5ortfa)ritt gemaa)t $ätte. @$ ift §u beaa)ten, baß ein fanonifa)er ©a)riftfteller fta)
nie ber ftarur bebient fjai, um ©Ott auS i§r §u beroeifen. . . . 2)te meiapljnftfä)en
Seueife von ©otteä ^afein ftnb ben menfa)lid)en ©eban!en fo fremb unb fo oer*
»itfelt, ba^ fte roenig (Jtnbrucf maa)en; unb wenn fie aua) einzelnen nü^lia) fein
fönnten, fo wäre eö boa) nur für ben 9lugenbltcf, too fte biefe 23en>eiäfüf)rung oor
ftd) fe^en, aber eine Stunbe naa)^er füra)ten fte, fid) getäufa)t ju f>aben: r Quod
cariositate cognoverint, superbia amiserunt" . . . 2)er ©ort ber G§riften ift nia)t
etwa ein Gott, ber nia)tö netter ift alö ber Urheber geometrifa)er 2ßa§r^eiten unb
ber Drbnung ber (Elemente. . . . $>er ©ort ber Sänften ift ein ©Ott, „n>ela)er bie
Seele empfinben läjt, ba^ er i§r einjigeö ©ut — t^r ^rieben ift, unb baß eö
(eine Jreube für fte gibt, außer in ber Siebe ju i^m. diejenigen, n)ela)e behauptet
^aben, foroo^l ©Ott )u fennen, ald i§n otyne (SbriftuS beroeifen ju fönnen, Ratten
nut o§nmäa)tige 33en>eife jur &anb. 5(ber um (i^riftuö ju beroeifen, fyabtn roir
— 14 —
et de gräce, qui recherchent de toute leur lumi£re tout ce qu'ils
voient dans la nature qui peut les mener ä cette connaissance
^QScQtß (frtmnt« (de Dieu) ne trouvent qu'obscurite et tenfcbres. Dire & ceux-lä,
bcr iBemetfe ©oticö qu lls n ont qu a voir la moindre des choses qui les environnent
töret asertioPöteit et qu'ils y verront Dieu & decouvert, et leur donner pour toute
preuve de ce grand et important sujet, le cours de la lune et
des planetes, et pretendre avoir acheve sa preuve, avec un tel
discours, c'est leur donner lieu de croire, que les preuves de
notre religion sont bien faibles ; et je vois par raison et par
expärience, que rien n'est plus propre k leur en faire naitre le
mepris. ... Et c'est pourquoi je n'entreprendrai pas ici de
prouver par des raisons naturelles ou Texistence de Dieu, ou la
Trinite, ou Timmortalite de Tarne; ... non-seulement parce que
je ne me sentirais pas assez fort pour trouver dans la nature
de quoi convaincre des athees endurcis, mais encore parce que
cette connaissance, sans Jesus- Christ, est inutile et sterile. Quand
un homme serait persuade, que les proportions des nombres sont
des verites immaterielles, eternelles et dependantes d'une premiere
verite en qui elles subsistent et qu'on appelle Dieu, je ne le
trouverai pas beaucoup avance pour son salut. C'est une chose
admirable, que jamais auteur canonique ne s'est servi de la
^ascais nature pour prouver Dieu. (£iob 12 , 7 — 9 crfennt bemtodj bic
tränet. 1 SBeroetfe Dom ©afein ©otteö in ber ÜHatur feljr roofjt an. Sßaöcafe
33ibelfenntnis war eine fefyr befdjränfte unb ienbenjiöfe.) Les preuves
de Dieu metaphysiques sont si eloignees du raisonnement des
hommes, et si impliquees, qu'elles frappent peu; et quand cela
servirait k quelques-uns, ce ne serait que pendant l'instant qu'ils
voient cette demonstration ; mais une heure apr&s ils craignent
de s'etre trompes. „Quod curiositate cognoverint, superbia amise-
runt." Le Dieu des Chretiens ne consiste pas en un Dieu simple -
ment auteur des verites geometriques et de l'ordre des ele-
ments. . . . Le Dieu des Chretiens est un Dieu, qui fait sentir
k Tarne qu'il est son unique bien ; — que tout son repos est en
lui, qu'elle n'aura de joie qu'ä Taimer. Tous ceux, qui ont
pretendu connaitre Dieu et le prouver sans Jesus-Christ n'avaient
que des preuves impuissantes. Mais pour prouver Jesus-Christ,
bie ^ropfjejetungen , roeldje tfjatfä$U$e unb §anbgretflu§e Seroeife ftnb . . . ofjne
bicfc unb bic (Schrift, ofjne ©rbfünbe unb bcn notroenbigcn SJtittler Jann man
burdjauS ni<$t ®ott beroeifen, nod) eine richtige Softrin unb eine richtige HRoral
lehren.
— 15 —
nous avons les propheties, qui sont des preuves solides et
palpables. . . . Hors de lä et sans l'Ecriture, sans le peche
originel, sans mediateur necessaire, on ne peut prouver absolu-
ment Dieu, enseigner une bonne doctrine, ni une bonne morale. —
25er geniale ©laubensljelb beö 17. 3a$r$unbertft fannte bie Dljnmad&t
aller angeblichen 33eroeife für baft 2)afein ©otted unb bie SBertlojtgs
feit aller barauf gegrünbeten, tteberjeugungen. 2Baä aber erfi gegen
©nbe bed 18. ^afjrfjunbertö begann unb erft jefct jur SMenbung ge= »ibeifrittr mm
langt, ift ber Seroeid oon ber trollftänbigen Unjuoerläfftgfeit ber ».^S^etSu».
biftorifdien unb propfyetifd&en 3 cu 8 n iff e * n *> cr 33tbcl unb anberroeitig.
2)en Seroete, ben Sßaöcal übrig gelaffen fyat, ben fjaben Straufe unb
Sauer u. a. ooüfiänbig jerfiört. 3ft nun bie Sarftellung ©on einem
Safein ©otteä nid&t ein blofeeö $irugefpinft, notroenbig als eine
SBaljnDorfielhmg, bie auf ber Sntroiälimgsbafjn ber menfd&lid&en ©r?
fenntnis einen großen Staunt füllt, an bejfen ®nbe roir gegenwärtig
fielen? £aö $ntereffe, baö roir nehmen an ben ftortf ^ritten bed
3>afeinö, ift nid^t roillfürlidfj unb nidfjt entbehrlich für unfer 3>enfen
unb £l>un. ^ft aud) baö etroa ertlärbar oljne einen perfönlid&en ©Ott? w ba» 3nte«ffe
Tarauf fpifct fty bie Unterfuc^ung für mi« ju. SaWSS
7. 3uii. — 2lu$ in biefer Unterfuc^ung gibt eö nur einen 9t t^SS tl
fidleren 2Beg. ®r muß au^gefjen mm bem 33efannten unb Derbleiben obl8CT SrQflc '
in ben ©renjen beö SBorfiellbaren. 33efanut ifl baö Qntereffe jeber=
mannö an bem eigenen 2Befen, fo roeit bie ©rinnerung jurücf unb
bie Hoffnung t>orroärts reicht. Sßie ift baö möglidjj? 2)aö $<f) muß m »orftenuna.
als baöfelbe fid& empftnben unb oorftellen in SBergangenfjeit unb 3" 5 3^* mu? un" mer-
funft. SBürbe ber Sdölaf j. SB. bie gortfefcung be* »eroufetfeinö untere %"mX
brechen, fönnte man fidf) roeber burd; SBerfpred&ungen über ben ®(ftlaf
hinaus binben, nodf) meljr Sorge, als für einen 2lnbern, über bie
Sßeriobe bed SBadjens f)inaus tragen*). 6s befmt fidf) nun biefes $ie ffamme «n
3ntereffe au& auf ©attin unb Äinber. 2tuf bafc es ifmen roo^lge^c mwitfrtf8 3 *'
auf ©rben, Ijat fo mandfjer fein Seben Eingegeben. £ie Jamüie ift ©oir - erweiterte
bie gortfefeung beö ^dfjö, bie SBölfer finb bie ftortfefcung ber ftamilie; 3famUit '
bie SWenfdfjljeit ifl baä 33el)arrlid)e in ben Sölfern. 9ln biefe ©entern* mnmtit T ba*
fdfjaften tieftet fidf> baö ^ntereffe be© einjelnen, unb beunodjj glaubt er ^^Sölftn 1 ! 1 beu
nidjt an ein befonbereö $amilien=3dj, an ein WM^ifä unb an ein
^Renfd^^eitä^d^. SBoju foD er roegen beö Slnteils, ben ibm ber gort=
f(britt in ber 9latur einflößt, unb roegen ber ^atfadjc, bafc ein folc^er
*) Sticht bie (Erinnerung, ba| ein 33erfprec^en gegeben, genügt; bie (5mpfin=
bung, t>a% idj nod) immer berfelbe bin, ber eö gab, ift unentbehrlich .
— 16 —
ftortfdEjritt jtattgefunben Ijat, ein Ratur=3<f), ben t>on 3)ot>e fogenannten
Untoerfuö annehmen? $)fe tfjatfädfjlid&e görberung ta gtamilie,
©otttnber SBolf unb 9Jienfdfjl)eit genügt. Db fie t>on einer unbanfbaren Slacfi-
»«ftt«. 1t)cIt t)crtannt roiri)/ änbcrt ni( ^ t baö ©eringfte an tyrem 2Bert. Die
©rjeuger forgen für bie ©rjeugten wegen Äaufalitäts g e f ü l) I , itidbt
wegen Staufalitätöerfenntniä, fei eö ifire eigene ©rfenntnis ober
bie ber ©rjeugten. ©rfennbar ift aber freüidf) alle Staufalität, unb fte
fann bafjer immer in einem empftnbenben SBefen SBo^Igefaffen ober
9RifjfaHen erregen, unb biefe 2Jlöglid)fett mad&t baö ^ntereffe bewußter
SBefen in fijmpatljifdfjer Stteife üerjlänbttdEj für eine nidjt ju begrenjenbe
Vergangenheit unb 3 u f un f*- Wm bitbfic^ bad Verhältnis ju oerlinns
©äs ©auernbe in lidEjen : bas © a u e r n b e in ber 9Renfdf)engemeinf d&aft fann in jeber=
b fiJm^n"**{t n ' mann erwägen; es fd&läft unb träumt unb bämmert tnjwifdfjen. 3Bir
überfdfjreiten baS ©ebiet ber ©rfafjrung ntd^t, wenn mir basfelbe 9Ser=
xa« mnwt im Ijältnts auf bas Unioerfum auSbeljnen. £as ©öttlid&e ermaßt in ben
erw^tTnÄert mit @elbftwatyrnef)mung begabten Organismen unb fteigert fidf) bis ju
fl *a»J5ii U en bem bem 3Kenföen, ber mef)r unb me^r als 3ttenfd)fieit fic^ auf ber @rbe
empftnben lernt unb in bem äBeltatt ben eintyeitlidf) waftenben ?pian
unb fjortfd^ritt. ©obalb ber -Dtenfdj einen inbitribuetten ©eijt aufcer=
xas im TOeni«en fjalb bes ttnioerfums fyinjubenft, mad&t er ein ^rinjip, ein ätöftraftum
©SÄ* jur Sßerfon unb gerät auf SBiberfinniges. 3lber ein in itym felbft
erwad&enbes ©öttlid&es, ber Sttfaflriff alles Strebens jum Sßatyren,
Sdjönen unb Outen, erfennt ein jeber normale 2Wenfdf); unb biefes
©rwadjen fann fid) auf anbre 9Wenfd^en übertragen. £>as ift bie
fyerrlidje Aufgabe, in fidö unb in anbern baS ©öttlicfye ju erregen
unb burdE) bie ununterbrochene ©emeinfd&aft brennenb 511 erhalten unb
Sa* ©«bei ertoetft ju fteigern. £>as ©ebet foH bas ©öttlidfje im 3Kenfd)en erwedfen,
* a * mm™. m barin er, wie Vascal, fein einjig ©ut, feine Stille, feine wafjre Siebes*
freube empftnbet.
20. ÜRoü. — 2lHc Religionen oerbienen unter bem ©oetfjefdfjen
£itel „2)idf)tung unb Sffia^eit" jufammengefafct ju werben. $a ift
es wef entließ, bie 9Baf)rl)eit nidfjt für bloße ftidfjtung ober umgefefyrt
ju galten. Eeine Religion bietet aber bas UnterfdfjetbungSmittel. 3>ie
Offenbarung wirb um fo gewaltiger, je mefyr fie ftdf) ju bid&terifd&em
Sdfjwunge ergebt. 2)ie natürlichen ©nfidfjten, bie ^tyilofoptjie, muffen
fd^liefeticf) bie ©renäleguug ootlfübren. S)abet gibt eö aber beffagenä*
werte Sprüngen ; unb weil bie Religion behauptet, Tautere SBa^eiten
^u bieten, obwohl fie btdbtet, wirb fie für fiüge erflärt, ober wieber,
weil bie bid)terifcbe 5 orm für bloße £üUe genommen wirb, ^ört fie
auf, ju ergeben, unb wirb bürre, ort^obore 2)ogmatif.
— 17 —
23. SDej. — „3Jtit Kant ift eö, wie mit bem ©eiltanjen, baft man «<mt* wwwc
nur in bcr Qugenb erlernen tarnt." ®as 2Bort ift non Sid&tenberg, iU«™««™?
unb er fyat redjt. 3$ mürbe für bie ^rima ber ©pmnaften einen ernm '
Äurfuft Äantifd&er Sßl>ifofopl)ie als propliplaftifdfje Sefjre gegen ben
£oj}matiömuä, ben ffepttfdjen mit emgefd)lof[en, für juträgli^ polten.
Xaö Seben mirb ju ben erforberlid&en 9Jtoberattonen unb ©rroeite*
Hingen fd&on führen, audfj bogegen f<^ü|en, baf? man ©Ott, ftreifjeif,
Unfierblid&feit auf eine metapljpfifd&e äöelt befdjjränft, in ber biefe
$orfieftungen vin* burd&au* nidbtö Reifen tonnen, mä^renb mir fie in
ber grfdfjetnungawelt nid^t ober faum entbehren tonnen.
M8ftarf»0tjaie ?rßdl*»l«>ötK (1878).
15. Stpril. — lieber bie Statur ber Seele tonnte man auf 51c Natur ber
©runb ber neueren ©rtenntniffe beffer urteilen, als bie 3*Ü9*noflen m««n a <irremtt.
es tljun. 2)ie ÜJtaterie fjat ©efdfjmacf , aber f elbjl fd&mecft fte nid&t, m ?en " m M '"'
— bie Blume buftet unb tann nid&t rieben, — bie Saite fdjmingt,
aber Ijört nidjjt, — baö fiidjt ftraljtt, über fieljt nidfjt, — bie
eleftrifdje Sabung gibt einen empftnblidfjen Sdjlag, aber empftnbet
ntdjt, — baö finb bodf) aUeö Srioialitäten. Sennocij fyat fiel) bie
Sorftettung befejügt, als .tonnte bie Seele, bie fidf) felbft roat)r= «wo*» «* w< fj$
ne^menbe (Energie, bie 9iefu(tante fein aus einer großen älnja^l <*n<rai<<
jtnnlidfjer ^unttionen, bie nur auf Seitungen unb änfammlungen von
Steijen Einarbeiten. 2)er auögefdfjnittene 9Jtuäfel, mit 33lut gehörig
burcfyriefelt, lebt weiter, fein 9icrt> leitet bie 9teije, bewirft 3«ctungen.
3tber ber SRudfel empftnbet nidEjt unb ijat von feinen Bewegungen
feine SSorftettung. ©s fefjlt tym bie fidf) waljrneljmenbe ©nergie. —
2tfir fennen baö merfroürbige s lMnomen biefer ©nerqte nur in unö £«* <-'»"<»" m "fe
c» « rm> •— c l. m ~ . ~ tontinuierlt^ fein
bireft. 2Btr mitten, bafe btefe ©nergie, um ftdj in ber Befolge als
bas SJlribenbe ju füllen, eine fontinuterltdfje fein mufc. 4i> i r fd)liefeen
aus ben Bewegungen ber ÜWitmenfdfjen unb ber liere, bafe aud) in
tynen biefe Energie fein mufj. ©s ift eine fdiolaftifdje ^ee f bafj t>ie
xtere fein Selbftbewufctfein haben unb babureb t)on ben 3Kenfcften *"**** -r<*wrq:e
n . , c fmb Dir flm>:n
ftep untertreiben. #ür biete Seelenenergie finb Setter einzig unb
allein bie Sternen. $n iljnen muß ber Seelenätfjer Derbrettet fein,
befien Bebungen ben ©ebanfen in bie itörperwelt überleiten, wie bie
VnS ben Zagebu4bl&ttern bfS ©raren %. flttjferling. 2
— 18 —
Stetljerfd&nHngungen baö fieudfjten ber Sonne 51t und tragen. 216er
bie benfenbe ober uorftettenbe, empftnbenbe Energie tft ber leud&tenben
Sonne ju Dergleichen. -Kur was fte liefert, fann ber Steuer forfc
leiten, ber felbft aber feine SBorftellung, (Smpfinbung k. probugiert.
©efjen feine Hebungen Aber au$ einer Settung auf bie anbre, ofjne
»eficj. burd& bie jentrale Seele ju paffieren, fo gibt baö 9tefIeEben>egungen.
©ebun ö en . »et*« 2)ie Seele ift jene , ben Jieroenätljer erregenbe ©nergie unb jugteid)
bie }entra(e Seele . » m * i * t» r»* * rt l /-* *v <.
m$t poffleren. erregbar für Die Sebungen btefeö Settjerö. $n ben 3^tt«i ber grauen
Subfianj erhalten ftdf) bie Hebungen unb fönnen auö ifjrem 3uftanbe
blofcer Spannfräfte nrieber ju lebenbigen Hebungen roerben. Sie
fliegen toä^renb beö Sd^tafeö ab, minbern bie Spannung burdf) bie
grofce SBerroenbung ju ben Xraumoorfteffungen. 2>te ©eele ift gleid^
fam ein bioptrifdjes unb jugleidf) fatoptrifd&eä unb felbft leudtjtenbeö
2Befen. Sie empfängt bie ©inbrüdfe Don aufjen, pljotograpljtert fte
in ben ^tütn ber grauen Subftanj, oon roo fte nrieber bei offener
Leitung in bie Seele jurüdfftrafilen ; — bort erjeugen fie jenes
fieudjten, baö bie nriHfürlidfjen S3eroegungen f)ert>orbringt. $n fid)
felbft ift bie Seele eine imponberable, twllftänbig burdfjlaffenbe unb
ftetö aftioe Subflanj. Sie fann aber nichts feftfjalten, fonbern mu§
eö oon neuem immer atö ifjrer Sßljotograpljienfammlung fjeroorfud&en.
Studj ftdf) felbft nimmt fie xoafji nur im Silbe, unb jmar ununter*
brocken bis an ben £ob. Sie entftanb au$ Unbelebtem unb war
barin als Spannfraft enthalten. 3)em ©rabe ifjrer Sluslöfung naefy
unterfdfjeibet fie ftdf) oon 3Kenf^ ju 2Jtenfdfj, oon SRenfdf) ju ©mbrgo,
£ier. 9lber fie ift überall berfelben SWatur. 2>er fie leitenbe SReroen^
ite wjMLitx. ätljer ift audfj me^r ober weniger oottfommeu. 2>ennodfj ift bie Sei*
bwR"ne3"wIoil tung gehemmter ober unflarer 2c. 2>iefe ap^orifüfd^en Säfte ließen
fidf) in einen gemiffeu 3ufammenljang bringen, benfe idf), unb würben
uns eine nähere @infid)t in bie SRatur ber Seele gewähren, als
Slriftoteles fie fjaben fonnte. Unoottfommeu mürbe fte aber bleiben,
weil bie fid) roafirneljmenbe Subftanj ein ^räbifat Ijat, bas burdf)
23eroegung nidfjt $u erflären ift. ßunbertmal mögen freifenbe unb
xa» xu so», mirbelnbe fträfte fidf) burdfjfdfjneiben unb abteufen ober aufgeben, fie
# 5?orowmM-. merfen es nid)t. Db in einem $unft nur jroei Gräfte jufammen^
treffen ober taufenbe oon serfeftiebener 9tidf)tuug, fie empftnben es
nidfjt. 9luS ber Bewegung wirb feine ©mpfinbung. 3>as 2>u 33ois*
SRetjmonbfdfje „3gnorabimuS" bleibt.
sdimcri ift Der 9. 3Hai. — $n ber s J?fpd)ologie bin idf) überjeugt morben, bafe
x .1 c «mn. ^ ad @^ mer jjj e ^i i m eigenen Äörper beö^alb fo mefentlidf) t?on bem
£aftgefül)l unb ben anbern fünf Sinnen oerfebieben ift, meit eö ni(§t
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außerhalb bes ftörperö einen anbem Äörper jur SBorauöfefcung f)at.
6s bient in biefem ©inne nidf)t jum ©rfennen von Dbjeften, bie
ifoliert finb von ber Sieroenleitung, von einer SUtfjenroett, — fonbern
jum ©egenfafc jtmfdden einer finnltd&en Ernten* unb Slu&enmett. 6ö
ijl ber fedtfle ©inn, beftimmt jur SBaljrneljmung ber inneren ©inn*
li<|feit, — unjugänglidf) batyer für Sßljantaömen, bie nur bie Stefte ber
äußerlichen ©innen* ober Äörpenoelt fombinieren tonnen.
23. 2Wai. — SReine pfpd&ologifdjen ©pefufationen finben eine»erfu*«»iun!ion
GemerfenSmerte Seftätigung burefy bie ber pbpftologifd&en ©efeflfd&aft tfowuia U
511 Berlin am 15. SRärj oon £. 2Wunf gemalten -Mitteilungen, ©d&on
früher mar befannt, bafe bie Abtragung ber ©rofeljirurinbe beim
ßimbe nadf> ben brei Sappen üerfd&tebene Jörgen tyat. 3tn bem
§mterl)auptö(appen madf)t fie feelenblinb, b. i). bewirft ben äßegfall 1. e«unwinbwt.
beö ßidf)tgebäd)tmjf eö ; an bem ©djeitellappen ftört fie bie 33emegungen, *. »ew^ungi.
an bem ©dftfäfenlappen raubt fie bas Xongebädf>tniö. Xie ßunbe 3. ionv*äi\mi.
lernten aber oon neuem fe^en unb öftren, weil neue Partien ber
Ambe jum Stuffammeln ber ©inbrüdfe in aSermenbung famen. 3)urcf)
weitere 33erfudfje mürbe nad&geroiefen, bafc beftimmte 3tinbenpartien
aud) entfpredfjenben Partien ber Wttyaut entfpred&en. ©inb biefe
burcö bie Sünbeneyftirpation entfernt, fo wirb mit neuen Partien ge=
feilen, bie $ef)Ux werben (wie ber blinbe #Ied) überfein, — biö bie
ganje Partie erftirpiert ifi. <&$ gibt alfo für Sofafjeidjen im ©efjirn
regelmäjjig unb fontinuierlidjj georbnete Elemente in ber SRinbe. 2>ie
Äreujung ift beim £unb allgemein, fo bafc ben ©jrftirpationen rechte
Störungen auf ber linfen Seite entfprec^en unb umgefefjrt. Seim
äffen trat bagegen nad) grftirpation ber Sef)fpf)äre einerfeits am
fiim SHinbljeit einer £ätfte an beiben 2lugen ein, unb aroar bei
rechtzeitiger Operation ber redeten £älfte ber Retina. — öanj fo
oer^ielt e$ fidf) beim @el)ör. — Ter Stimlappen ernriee nd) beim
ßunbe a(§ gü^lfp^äre, bie oorbere Partie für ben Äopf, bie mitt-
lere für bie Sorberbeine, bie Wintere für bie Hinterbeine, — ftets
aber gefreujt. Xaffitnn, i'agegeiüfjl, Siicbtungogeffiljl ber eigenen
Öetoegungen fmb brei ueriebiebene SeftanDteile be* ©eüifjlöftnneö, z ;* *vMur-e.
bie nidfrt aDe gleichzeitig fdmrinben. Xaö iHidjtungogeiübl gel)t am m'ü^-V. «c •':<*.
leidjteften verloren unb ifit am fdiroerften roieber \n reftituieren, in
^weiter SReilje bas xaftgefüf)l; am ausfjarrenbften ift ba$ Xrutf; unb
Sagegefü^L
60 ift enoiefen, Dafj Die 3innv*neroen in Die .ftirnrinDe :Hci;e
fübren, bie ©rinnerun^sbilDcr binterlan:n, uno Die wie Durd) einen
Örennpunft, bur^ ben ßimaunasert, ba& ^<h, gleittn. 2a* OU/.ru
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ift bem Spiegel im Xeleffop jtt Dergleichen , nidfjt bem äuge. 3)ie
Äreujung ber Seitungen vermittelt bie (Einigung .
4. Slot). — 2)aa ©eljirn mit feinen j<tf)llofen ©anglien, 5Ren>en=
jcffd^en grauer Subftanj, ift einem #ol)lfpiegel ju Dergleichen, auf
weldfjem alle 9Jert>enreije fidf) abbilben, ju bem ^ 0CUÄ beb Heroen*
leben* Ijinftrafjten, biefen $ocuö aber wegen ber Störungen unb £em=
mungen burdf) anbre Strahlen, nur feiten erreichen, aber bie in ben
ftocuö bringenben 9teije werben jurüdfgemorfen unb jum £etl ge s
brod&en, aeränbert wieber bem Spiegel jugeleitet. 2)er ftocuö per*
jipiert nidfjt ben einjelnen Strahl, fonbern bie SWifd^ung oberäenbe-
rung be* twrljergeljenben burdf} ben nad&folgenben Straf)!; baä gibt
bie Kontinuität. SDaö ©ebädfjtniö befielt in ber 2Wöglid(jfeit, bie
Sahnen ju ben 3 c fcn, in benen bie ©inbrüdfe fief) befinben, frei ju
legen, ober bem goeud eine foldfje Stellung ju geben, baß er bie
3eHbilber wahrnimmt, ©in beweglicher ^oeud fteljt fief) in ber £emi=
fpfjäre leidet unb fdfjnell um, — ein träger unb fd&merfälliger üermag
nid^t loöjufommen uon feinen jebeömaligen Spiegelbilbem; in manebem
wieberfiolt ftdf) baöfelbe 33ilb bis §ur 33erbummung.
s\t !ünfiirtif«tn Unter ben Sinnen geben bloß ©eftdfjt unb ©eljör Stoff ju fünft-
lerifd&er Sßrobuftion. 3Birflidfje Scbmerjempfinbungen , j. 33. 3 a !? n5
wcf) u. f. w., fönnen mir nur mit ben bejeidfmenben SBorten be=
fpred^en, aber eine eigentliche Steprobuftion, wie }. 9. ber twrgeftellte
Eon im Stopfe be$ tauben 33eetl>ot>en, — ift eö nidf)t. 3(uf biefe Skr-
fdfjiebenfjeit ber Sinne müßte bie ©oftrin, meiner Meinung nadE), mefjr
©ewidf)t legen.
©inite.
©Bßatölt (1879).
19. aWärj. — „3>ie 3Belt ift beöorientiert", fdjreibt mir Oßxol
Sdfiirren, unb in ,bcr ©tbif fud&en melc bas Heilmittel. 9Rtd& be=
s« fdf)äftigte audf) ein etfjifd&er ©ebanfe. 3Me ßmpfinbungen werben bureb
ae?cnbe) l u^ l bcr Sffiorte nur angebeutet, fönnen aber nidfjt reprobujiert werben, £en
wo w«fj! te 3 a ^ n f^ mer J * ann ^ e 3?orftettung nidfjt erjeugen, weil es eben fein
bloßer ©ebanfe ift. ®er SDtenfdj, wie er fidE) benft, wie er ber $or*
Tai MtAcfKotc ftellung nadfj fein follte, ift fdjmerjloö; — baö bem ^nbitribuum ftetä
llb SuteS! aum twrfdfjmcbenbe Silb, wie er eigentlich fein follte in ©emeinfdfjaft mit
ben 3Witmenfdjen, bas brängt jum fittlidfj ©uten, bas Ijat ewige 9Ser*
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wMommnung, Unft erblich feit an ficf). dagegen ber ganje 3)t e n f d)
oerfpürt 3*iftänbe, bic iidj in ©ebaufen gar nid&t feftljalten laffen,
wenn aud& SBorte bafür übrig bleiben, 3ft$ e U/ ^ eren 3n^alt nid&t
Durdd SBorftellungäafte gegeben werben fann. ©er empfinbenbe 9Wenfd()
ift aud) ber porflellenbc, aber ber porgefteHte 9Wenfd& ift ein anbrer,
unb nur biefer ift ganj perftänblicb , wäfjrenb ber erftere ein <£(e*
ment enthält, baö burd) bewegte Subftanj allein nirf)t begreiflich
ift unb bafjer für ben SBerftanb ein Unfafelid&e* perbleibt. 3roifd&eu bem «ötberftreu
l'etenben 3Renfd(jen mit allen unfafeltd&en 3"ftänben unb bem von biefen f<tmbm e unb eT Sem
Suftdnben abgefonberten, oorgeft eilten 3ßenfd&en beftefct SBiberftreit. «cni*«*.
£er erftere perfpfirt freien 2BiUen, SBerantwortlid&feü für fein ßanbeln, s« borftdienb«
®ut unb 33öfe, — ber PorgefteUte 9Renfd& fann nur in unenblid&eu Ur* fSm wia«!,
fadjretyen benfen, bie nirgenbä anfangen ; unb bann f e< ber Sßunft, - r *r mit^ uu
an bem ein freier äöille anfefcen f önnte, für ben bie SBerantwortltdftfeit
tonnte getragen werben; @ut unb 33öfe finb aöa^noorfiellungen, bie
auf eine blofe med&anifd&e äßeft ntd&t paffen ; juf ünftige 3wcfe beeiu*
fluffen ben äBiUen audfj nur als gegenwärtige SSorfteßungen unb
treiben if>n mit SRotwenbigfeit in ber mittleren Stiftung ber gleich
üritigen SSorfte Ehingen, mit Ueberwiegen ber ftärferen unter i^nen;
fte jinb pon früheren 3uftftnben entftanben, entftanbeu mit SRotwenbig*
feit, nid&t nacb freier äBa^l. So ift ber reale ©ualiamud, ben ber
SBfenfdfj erfahren fann, ein Mampf jwifd&en bem feienben 9Benfdfjen
unb bem porgefteßten. Jvür ben porgefteUten ift bie Xugenb , bie pr ben
tootgcfkUtcn
freilieb nur unter 93eimifd)ung ber aud bem empfinbenben 3Kenfdf)en am*«! m w<
entlehn &reifcita>orftettuna ö eba*t «weben fann, au$ ba« *ö#e * am ^. imt
Sut, bad einjig watyrljaft ©ute. $afür einen fiofjn ju f orbern, ift
ein äBiberfmn, benn 33effereö gibt ed nid&t metjr, unb eine SBergeltungä*
Ic^rc fann nur t>on bem 39öfen, als bem einzigen Uebel, befreien.
ftant fyat an baä ©ute bie ftorberung ber ©lücffeligfett, bie bapon atudfeiiateite.
oerfc&ieben fein müßte, gefnüpft unb eine gorteyiftenj ju beren Stealis
jierung nad& bem £obe perlangt, — weil er eben in ber ßrfa^rung
ben Seweiö fanb, ba§ bas ©ute ben aWenfdjjen mdfjt glücflid& mad)t!
Gr fjätte aber unterf Reiben f ollen : ben oorgeftellt e n SJtenf eben madjt xen bor fl ej*eatm
e* in berXIjat ooHftänbig glüdflicb, — ben feienben aber nidfjt, ber *** «ute giüdii*.
aber überhaupt niebt ein ©egenftaub wa^r^after ©rfenntnis, obwohl *" * mUn * m '
fehr eneraifd^er ©mpfinbuna ift. Ginen 3luöqleidb gtoifdben ben wiber* »ie «unft Ment
- '" btn Hufifllctd]
ttreitenben Staturen permag nur bie Äunft ju bieten. 3lUe Religion iwif*cn bcib:»»
ift fünftlerifcb. 2)ie flaffifc^e 3)hjtf)ologie wurzelt in epifd^er ^ic^tung, ^olfl?) 1 ;^«
unb biefer ©^arafter ift ber europäifeben Hufturreligion perblieben, fünfturi^.
ßljriftus ift ein epifc^er $elb auf geiftigem ©ebiet. Xie v ^oefie er*
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regt 39efriebtgung gleichzeitig im empfinbenben unb in bem oor=
geft eilten -äftenfd&en. £>er ^t^lmenfd^ ©tjriftus erregt baö tieffte
3Ritgefüf}t mit feinen fd^meljenben SBe^erufen über Qerufalem, mit
feinem £obe am Streuje unb befriebigt gleidfoeitig bie fyödjfte fittlidfje
Strenge beö fdfmterjloö unb unflerblidjj gebauten 3Renfd(jen. Otyne
biefe Ijödftfte Sßoefie, bie man bisher mit Unred&t, ate märe es eine
»eiiaion unb ftnnlid&e 2Bal>rl)eit, von ber 2>idf)tung für ganj verfd&ieben erflärt $at,
* unjL bleibt baö 2Wenfdtöeitöleben ein freubenlofer flonftift. Religion
muß ba^er bem 3Renfd&en bleiben, fie muß nidfjt Unma^eiten
enthalten, benn biefe beleibigen ben ©eift, fte mufi nidfjtö Unfd&önes
bieten, benn bas t>erlefct baö ©efüfjl. Sie gröfjtmöglidfje Sd&öns
fyeit mit ber tiefften SBafyrljeit bem 2Jtenfd(jen vorzuführen, baö
ift bie Aufgabe ber Religion. Silber unb ®leid()nijfe verfdjjieben baä
2Bal)rf)eitögefül)l unb betrügen burd& SHufion. $ie bilbenben Äünfte
gehören beöfjalb nid)t in bie Äird&e*). SJhifif unb ©idfjtung in fyerr-
lidfjen Saumerfen, baä ift baß 9te<$te. 3)er vorgefteHte SKenfdf) ift ein
©lieb ber 9Renfdf$eit unb füfjrt ju ber 3Renfdf)t)eitei)orfielIung, ate ber
eigentlidEjen Aufgabe, — bie SRenfdfjtjeit ift ein ©lieb in bem 3Belt s
ganjen unb füljrt jur SBeltvorfteHung ate einer Aufgabe, biefe 2luf=
®cr unfettifle gäbe fü^rt auf einen ©Ott, ber ftdfj reafifiert unb in* ©roige ju Jjöfjerem
öott ßSbe. Äuf * 93eiüu§tfein entroidfelt, nid&t ju einem von allem SRcij entfleibeten
fertigen ©Ott, ber bie 2Belt aud) unerf Raffen ptte belaffen fönnen.
25od& alle biefe ©ebilbe ber SBorfteHungätvelt fjaben für bie 3Birf=
«otro«nbi fl wt ltdfifeit nur infomeit SBert, als fie burdf) Sßoefte, Äunft im atl=
emÄlSg. gemeinen, ju ma^mefimbarer, empfinbbarer Darftellung gelangen unb
ntd&t in ber SBüfte ber reinen Slbftraftion verbleiben.
(«Ra« ber akburt 28. ^ititi. — 2>ie £f)ätigfeit für baö ©emeimvo^l, nrie bie Äinber
teln JÄenf I8 eö vermitteln, quillt aus bem fierjen, — alles übrige arbeiten für
baö ©emeinivoljl mufj fjerauögepumpt werben burdf) bie SHfpirationen
beö ©nttyuftaömuö unb ben SDrucf ber 2Serl)ältnijfe. @rft bie 9Jhitter
erfajgt fidfj ate ein ©lieb in ber unenblid&en Siebeölette. Die @mpftn=
bung ber unenblidfjen Siebe wirb für fie 3Birflid£)feit, unb bie unenbs
lid&e Siebe ift bodf) bie einjige Oualität, bie mir ©Ott nennen bürfen.
©iefe finbet fi<$ nidfjt in ber SRatur unb nidf)t in ber SBiffenfdfjaft,
benen ja bie Siebe unverftänblidfj. ©nrige Siebe unbegrenjt ju etn-
pfinben, baä allein ift roa^re Religion**).
*) SRein Steter gehörte jur cafoimftifajsrefortmerten Äirc$e, beren ©tanbpunfi
er in biefer §infic$t teilte.
**) Wrim. b. §erau§geberin : $tefe Sluffaffung »erurteilt oottftänbig jebmeben
veligiöfen Fanatismus alö liebloö.
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3. <Dcj. — äBctyrenb meines Sfofent&alts in ber (Stabt gerieten *>\t «Blutung bes
meine ©ebanfen auf bie eigentliche ©ebeutung ber Religion für bie * ulttt8 '
©egenroart. @fi foH aber unter Steligion md&t oerftanben werben
Mofc eine £eljre, ein ©taube ober eine befonbere ©mpfinbung, fon*
bern baju gehört ein im Seben ber ©efettfe^aft anerlannter Äultus.
3n ber gebübeten d&riftlid&en ©efefffdfmft W biefer Äuituö me&r Se*
beutung für bie ^auenroelt, ate für bie 3Wänner. Qm allgemeinen
bietet ba* religiöfe ©ebiet einen SSorrat oon SßorfleBungen unb %\\&
fprüdfjen, bie fe&r geeignet finb, ©reigniffe, roie ©eburten, heiraten,
Sobesfätte, in paffenber SBeife ju feiern. 35enft man fid& jebeö Stitual
weg, roirb e$ ni$t oft an ben gefdjmadfootten ©ebanfen unb STuös
brüden in folgen fällen fehlen ? Sirmut in ben SJKttefa jur äeufces o*ne uebun fl
nmg erftidft aber aui) leidet bie ©mpftnbungen; bie Uebung fefjlt 4mÄunJ.
unb bie Äraft erlahmt. SEBie trodfen wirb aüm&f)liä) ein Seben,
tDorin bie roid&ttgfien Vorgänge für bie ^anritte gefdfwftttdf) abgemalt
werben, ofjne Slnfnüpfung an ben Äultus bes @roigen! 3)ie 33e=
beutung ber Religion ift bann für bie ©cfellfd&aft bisher
tneifi falfdf) aufgefaßt roorben. 9iid&t in befferer ©rfenntniö beruht
ftc, aud) nid>t in befferer 3Roral. aber fie oerfdfjönert baö Seben.
2>. 3*. ©traufj fagt, er fönne feinen ©efd&madf pnben an einem oer* umufömmiweu
nünftigen Äultuö, — lieber feien tym fdfjon d&riftlid&e Segenben* *nW Segen a Sen
erjäfjlungen. ®r meint mit 9tatf)an bem SBeifen unb Hermann unb
SoTOtfjea ftdf) beffer erbauen ju fönnen, als mit bem Goangelium
Rannte :c. ©ö Hegt etroaö fo Unjulömmlicljes in biefer Slnftdfjt,
bafc man 9Rül>e tyat, fie ernft ju nehmen. 3Bie foff ber burdf) ben
Job öetrübte, ober roie foH bie ju bem Satten tretenbe Jungfrau
jidj mit biefer ©attung Äunftroerf in folgen Shigenblicfen befdfjäftigen ! xer «mm» « ber
3?ur eine ©attung Äunft paßt in folgen Sagen, bie religiöfe nvßaim
$id)tung, bie fird&üdfjen @ef finge unb bie fird&lid&en feiern. 2)a
gleist ftdfj ber ©egenfafc jroifd&en bem enblidfjen beginnen unb
ßrleiben unb ber eroigen SBernunft aud burdf) bie freie 6m s
pfinbung bes ©dfjönen in Sejug auf baö Unenblid&e. &r »eftf *uitu#.
gin jeber follte ben 9Ktu« feft^af ten unb pflegen, aber nidfjt
ofjne Unterfdfjieb. $er SRituö, ber ben fjöd&flen äfiljetifdfjen 2Bert fjat,
unb ber vgn ben bloßen ftirdfjenbienem unabhängiger ift, oerbient ben
SSorjug. S)ie ftirdfje rnufc nidf)t nadf) bem ©lauften fragen, roeil baö ®otmt *« «an.
bie ©emeinfdfjaft fpaltet, fonbem ben fdfjöncn SRitufi pflegen, roeil
bie (Einigung ber SWenfdjen if^re Ijöcbfte Aufgabe ift. Oiemeinbe*
gefang, altgewohnte ^i^nt, eine auf gef (arte Sßriefterfc&aft finb l^or=
)äge ber eoangeKfd^en.
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$ie «ufaabc ber 38enn bte ftxrdfje bie SJolIeubuug ber menfdfjlid&en ©efeQfd^aft
©mrin^ift bl Ju anftreben würbe burdfo Stonbe ber Siebe unb ©dfjört&eit, würbe fie
fort™. T) i e [ cn toittfommener fein, als wenn fte ben Stnfprudf) mad&t, 3Baf>r?
Reiten ju teuren, bie ja burdf) bie 2Biffenfd&aft beffer gewonnen werben,
ober blinben ©lauben ju perbreiten, ober bie ©tttlidfjtett ju fdjwädjen.
2)ie Totalität 2)enn alles, waft bem 9Renfd&en bie SKötigung, ganj unabhängig von
JÄÄber Religion fittlidfr ju Rubeln, auftrebet, ftellt bie ©ittlicfcfeit auf
* etben - baft fd&wanfenbe ©ebiet be* ©lauben* unb «Weinen«; e* fd&wädfjt bie
gunbamente, auf ber allein bie SKoralttät ftd^er ruljen fann.
»ebeutungbet $ie SBeiblidfjfett leibet am meiften, wenn von bem 2tbtn ber
Ätt *Ä b41 ©d&mudf ber Religion abgeftreift wirb, weil tyr ßorijont me^r auf
©«Wedjt. jj| e g: am i(ienereigniffe angelegt ift. ®ie SRanner finb abforbiert von
gewerbli<f>en, fiaatltd&en, wiffenfdfjaftlidfjen öeftrebungen. Site grauen,
bie allen Sinn für Sßoefie anbrer 2lrt eingebüßt fcaben, in ber Äirtfje
finben fie eine lefete erquidfenbe fiabung.
$er braoe unb ^oc^gee^rte ©raf Sßeter Sßatjlen fiarb, oljne bie
sie tttä)« wriennt Äommunion nehmen ju wollen, mein greunb * flagte, bie 5*eunbinnen
xßitXi Ratten tym bie Äommunion aufbrängen wollen! — SDiefeä Sträuben
bei ben wa^aftigften SRenfdfjen fommt batum, bafc bie Äird&e bie
eigene Sebeutung felbft aerfannt fyat unb audf) anbern falfd) bar legt.
Das «benbma^i 3)ie Äommunion ift nid&t eine Beteuerung, bafc idf) ©Ijriftus für ©Ott
^^mrinfÄ^ölte, fonbern nur bie »eftätigung meiner ©emeinfd^aft mit ben
üerMeibln ?o5«i. SRenf dfjen burdfc einen oom 2llter geheiligten unb an bie lefcte gteunbe*?
maljljeit Qefu anfnüpfenben ©ebraudjj. #at bie Äirdfje midf) in biefe
wo^lt^uenbe ©emeinfd^aft gefefct, feit i<$ auf ber 3Belt bin, fo
follte audfj ii) baju tljun, bafj bie ©emeinfdfjaft bleibt.
unibcrfauuitui. 33on biefen angebeuteten ©ebanfen \)tx gelangt man ju bem
äuablidf auf eine Unioerf alreligion , ju ber bie 3Renfdf>ljeit fidfj ntdjt
erft ju befe^ren f)al Die oergleid&enben Steltgionöftubien fjaben ba«*
felbc ßmpfinben beß ©wigen in allen Religionen entbedft. 3n 33ejug
auf biefe ift ein gemeinfd&aftlidjjer Äultud möglich, ber oon bem Utu
frönen, SBilben, Stbergläubifdfjen befreit werben tann. 2>ie Seljren
über bie 9Jatur ©otteö unb über bie gönnen, in weldfje ber Sterbenbe
eingebt 2c, überfteigen bie aRenfd&lidftfeit; wir fönnen fie ba^in geftellt
fein laffen, unb bodf) $reube l)aben an einer weihevollen gemeinfatnen
geier beö ©wigen.
3uiQmmenfaff«nbe 4. 3)ej. — Sßorfteljenbe ©rwägungeu in einen lurjen 3luöbrucf
erwaßunfl. | U j- ammcn j U ^ cn ^i c eigentliche »ebeutung aller SReligion befte^t
in ber SBeilje, bie fie bem 3 u f a mm* n fe&eu ber 3Kenf($ett ju erteilen
fjat burd^ Sejie^ung ergreif enber gamilten=, ©taat^, SKenfd&^eitös
— 25 —
Vorgänge auf ben (Stangen mittete erhabener ©d&ön&eit. SSJie bie
Slepublif in $ranfreid& fi$ alä biejenige ©taatfcform f>erau*geftellt $at, $« «uim» eiu
bie am menigften bie SWenfdben jertrennt, fo ift ber Äultua in ber tl?%^it!
Seligton berjenige Seftanbteil, ber bie Aufgabe ber ©nigung unter
bett 3Renfd&en ungegarter erfüllen fann, — alä bloßer ©laube ober
erfenntniß ober ©ittlid&feit. @ö muffen formen gefunben werben,
bie ber gemeinfd&aftlid&en ©runblage in allen großen Religionen enU
fprecfjen unb bie ergaben finb, unb bann werben mir jene Unioerfak
religion Ijaben, bie ba* G&riftentum fein roill unb nid&t fein fann.
ebenfo finb bie 8fafprüd&e ber S*nbreligion falfd). 2)ie ©ittUdfjfeit
grimbet jid) auf bie Nötigung, ben menfd&ljeitlid&en gorberungen nid&t
aufi eigener Reigung jutotber $u fymbeln: bie (Srtenntnte ftüfet fxcf)
auf bie uriffenfdfjaftlid&e ^orfd^ung, ber Retdfjtum auf jmedfmäßtge ®e*
j^äftöt^ätigfeit u. f. m. Die Religion fann alle triefe Seiten be*
menf<^lid^en 3uf ammenlebend begünftigen unb oerf d&öneru , — aber
e$ ijl ein Ijetllofer Irrtum, fie auf eine biefer ©etteu ju befd&ränfen.
^rSBefen liegt barüber Ijinaua. (Erhabene 2üeif)e §u geben bem
menfd<d&en SiM'ammenleben, ift iljre, oon feiner anbereu
I^ätigteit §u oertretenbe Aufgabe.
WWWW* (1878-79).
3. Roo. — $ä) Ijabe bie ^Srolegomena Stantö*), in neuer ftant«
Ausgabe oon Senno (Erbmann, mit großem Qntereffe burdfjgelefen. elnn^bmann!
aber aud& in 95ejug auf Äantö Sß^itofop^ic fann man fid(j nidjjt oer=
^etilen, baß bie Änofpe weit mefjr ifjm oerfprodden , afö btöljer jtdf)
entfaltet f)at. SRid) erfrifd(jt ungemein jebe grünblid&e Seftüre eineö
ftantifd&en Söerfe. 3lber id(j fanb audj fd&ärfer auägefprocfyen, roaö idE) antum in ftant*
als offenbaren Irrtum in ber £eljre oom Räume erfannt Ijabe, bie
ber große 9Kann entbedft f)at. Da Ijetßt es pag. 14: }. 33, glädfje
ifl bie ©renje beö förperlidjen Raumes, tnbeffen bodf) felbft ein
Saum! ßinic ein Raum . . . ^Junft nocf) immer ein Ort im
Staum! — Site ftant auf ben ^Junft fommt, roagt er felbft nidjt meljr,
ü)n einen Raum ju nennen, für Jlädje ifl es tnbeö eben fo mtßlidf),
fie einen Raum ju nennen, ba ein Raum burdf) ftlädden roeber oer=
*) ®ie§e Anfang ©. 33.
— 26 —
gröfcert nodfj ocrminbcrt werben fann. §&ttt Äant aber jugeftanben,
bajs bie $lädf)e nur ein äbftraftum t>om raumerfüffenben Äörper fein
fann, fo war fie nidfjt mel)r ein reines, fonbem ein empirifdfjes ®e=
bübe. $ie 3Ratljematif wäre bann gerabe, wie bie SRaturwiffenfdfjaften,
rein, nur in öejug auf bie allgemeine Slnfd&auung: Staunt. $n
Siejug auf bie int Staunt unterfdfjeibbaren ftörpergebilbe unb bie ba?
burdd er!ennbaren ©renjen unb Derter arbeitet fie mit Slbftrafttonen
aus ber empirifdjjen 3lnfdf)auung. — 2)a Äant immer nur nadfj ben
SBorbebingungen aller ©rfaljrung forfd&t, fo ift er baoon ausgegangen,
bafs eö ein doppeltes in ber SSorftettung oon ©rfa^rung muß gegeben
Ijaben. Dlpte ein erfaljrenbes ©ubjeft unb bie ju erfaljrenben Dbjefte
fann feine ßrfafjrung norgeftettt werben, $ür bie SBelt ber 93orftel=
lung waren ba^er erfa^renbes SBcfen, ©eele, einerfeits — unb ©inge
an ftd& anberfeits als erfte SBorbebingung notwenbig; — of>ne bamit
über bie 2Belt bes SBorfteffbaren Ijinaus etwas ju behaupten.
34 Icfc jefet t)on . . . über bie ©eele ! mit wenig Sßroftt bisher.
®s ift wie ein Raufen jufammengeljarfter SHätter, bie ein jeber SBinb^
ftoft jerftreuen fönnte unb bie man bann wieber anbers padfen fönnte.
Diefe Ferren ©pradf)forfd(jer fpielen mit finnigen Sipper jeptionen, bie
SU einem feften ©efüge nidf)t nerbunben werben,
©osiftba» 13. 9too. — 3$ f)öbe midf) nodj mit Äants ^ßrolegomena
ei ß enth*e ©eibf» fo^^^ ^ c re { uc grfenntnis fü^rt nidjt ju ber ©rfenntnis irgenb
eines ©eins an fidf), ©eele, ttnfterblidftfeit, ©Ott oermag fte, bem S)a=
fein nadfj, nid)t ju behaupten. 2)ie ©rfatjrung ergebt bas 3)afein ber
©eele, b. fj. bes ^d&'s, unb bas ber $inge über alle 3 roe if e t/ a &e*
üon i^rer Sefd&affenfjeit lefjrt fie nid&ts. ©tedft nifyt benn eine ftopperei
hinter bem tvwO-i oaotöv! ©einen fieib, feine wahrnehmbaren &anb=
hmgen, bie fann man energifdfj erfennen, — über bas eigentliche ©eibft
l>at man nur (Sinbilbungen!
»enno Obmann 2. 2lpril. — 3db erhielt 33enno ©rbmanns ©dfirift über Äants
Rantsftrituumus. Stritijismus in ben beiben Auflagen ber Äritif ber reinen Vernunft,
unb es tjat midf) befdjäfttgt, fie burdfjjuneljmen, weil \6) Sßrof. ©girren
^aä xin 8 an fi^. barüber fd&reiben follte. 3$ gab mein Urteil bafjin ab, bajg ber
2tutor infofern bie 9lufgabe twUftänbig erlcbigt f)at, inbem er alle bie
Unterfdfjiebe in ben beiben ausgaben auf ibre ©ntfte^ungsgrünbe
fyiftorifdfj jurüdffüfjrt. 6s ergibt fidfj, bajg bie naiv bogmatifd&e 3ln=
nannte eines Sefte^ens, abgefeljen von feiner SBabrneljmung, alfo audj
außerhalb aller SBorftellung, in beiben ausgaben gleid&mäfjig feft=
gehalten worben ift, für bas 34 fowofjl als für bie SBelt; 3lenbe=
rungen würben von Äant nur in ben Segrünbungen angebracht,
27 —
einerfeite, um ©nwenbungen, bie injwifd&en oerlautbart worben, ju
begegnen, anberfeite, weil er an feiner Sß&üofopljie ber ©itten ge=
arbeitet l>atte. 2)ie oerüel) ben ©ingen an ftd) einen neuen SBert. ©ie
füllten in ber intettigiblen SBelt bie fjrci^eit benfbar mad&en unb bie
Sorflettung regeintägiger SBirfungen nadjj autonomen Seweggrfinben
(Die ben STnfang ju neuen Rauf abreißen abgeben fönnten, — ober
too^I Analogie, aber nid&t 2lbt)ängigfeit ber ftaufalitätöform unfere*
Senfens gegenüber fjaben) offen laffen gegenüber bem auf bie ©r* ®«ino «rbmanns
fa^rung befdfjränften ®efefc ber unenblidfjen unb alle greiljeit auö= ©e*utJn ß .
föliefeenben Retten oon Urfac&en unb SBtrfungen. 8. ©rbmann meint
juglei<i> bemiefen ju tyaben, bafe Äantö £eljre ju ben Problemen ber
^Ijilofop^ie unferer Qtxt, wiewohl biefe auf ftant gurüdfgefü^rt Ratten,
eine oiel weniger weitretd&enbe öebeutung, als man gemeiniglid& am
nimmt, Ratten. 6d gewinnt aber, meint ©rbmann, bie Seljre an
liefe, was fte an Umfang oerliert.
3)er metap^ftfd^e junger ift im SWenf^en lebenbig , f olange er a*t metap^n^
zeugungsfähig ift. 3Benn idf) baö 3lufna^meoermögen für metapl)t)fifdfje ***'
Stoffe einem 9Ragen oergleidfje, fo erinnert er an ben SKagen ber
SBiebertäuer. ©ö mufc ber (Stoff mefyc ate einmal burd&gefaut werben,
unb bennodö mufj nidf)t wenig baoon, alö unt>erbauli<$, befeitigt werben.
Gs fommt ebtn nid&t blofe auf (Srnäljrung, fonbern audf) auf Sättigung
an, unb bie verlangt ein bem SRagen entfpred&enbefi S3olumen. SBir
erreichen eö bei ben ßauötieren burdf) Begäbe *> on ©trofc. 2)er meta*
p^ftfd^e 9Ragen fann burdj maffenfjafte 3 u füf)mnq oon (Stoff eben-
falls zeitweilig ganj gefättigt werben, obne bafc bie metap^ftfd&en
Sorfteffungen eine wa^r^afte Vereiterung baburdf) erfahren Ratten.
3Rit bem SHter fdfjwinbet nun bie ©röfje beö metapftyfifd&en ÜRagenö,
unb eö wiberfte^t ifjrn leidjt bie ooluminöfe Sluseinanberfefcung feiner
befonberen SRatyrungdmittel.
SDaä führte mid& jurüä jur Seftüre ber Äantifd^en SRetapfigfif «<mt* ucta»wu
ber ©itten, mit immer neuer SBewunberung biefer Sßerle unferer pf)ito= jjerie in tf'ümad.
fop^ifd^en Sitteratur, bie idj aber gern in gefdfjmadfootterer Raffung
feljen würbe. 3ltte übrige @tf)tt bleibt bagegen fc^al unb fdfjwanfenb.
5. äEpri(. — Sei weiterem ©tubium oon ßantö ftrittf ber prak RammuiMobi.
tifc^cn SSemunft ftnbe idb, ba§ Äant redfjt fd&Iagenb ben ©inwanb
felbft wiberlegt l)at, ben «3;afobi gegen fein ©tjftem baoon hergeleitet,
bafe, ba auf 2>inge an fi<§ ftaufalität nidfjt anjuwenben ift, fie un=
möglidfj bie causa unferer primären 2lffeftionen fein fönnten, bie ja
bodj irgenbwie entfte^en muffen, bamit wir SBorftellungen gewinnen, —
nic^t aber felbft a\& SBorfteKungen erft entftefjen tonnen. Äant ^ebt
— 30 —
m* Pftjferiinß ben 9taumgrenjen, biefe nur finb atä ber S'aftempfinbung entnommen
»Qum fl renj r en e unb abftrafytert oon Äörpern. Ser förperlofe SRaum fyat feine ©renjen,
ein Vrobuft ber
laficmpfinbung. ijt nur bie leere aWöglid^feit, unb bie fjat bie ^Jerfon beöljalb in fid&,
weil fie fidfj felbft räumlidf) ffiljlt. ©in SBer^ältniö jwtfd&en Sßerfon
unb ftörper »erlegt bie Sßerfon in einen ifyx felbft analogen 9taum.
Sie SRaumanlage ifl angeboren ber felbftempfinbenben (Sub-
fianj, bie SRaumgrenjen finb aber 2lbftrafta auö ber ©rfa^
rung. Sie 2lfiome finb baljer emptriftl) unb bie SRatljematif eine
^im^oi^ni analtjtifcbe Sßtffenfdfjaft. eben baljin gelangt £elml)olfc auf anbrem
äöege. 2luä ber „pl)t)fif<ijen ©leid()wertigfeit" entwicfelt er äße Sljiome
unb macf)t bamit eine tranöfceubentale ©runblage ber SRat^ematif
ober tyre äuffaffung als eine fpnt^etifd^e a priori Sßiffenfd&aft un=
nötig. SRun weift ßelmfiolfc itö#/ bajs für ben aHenfdjen baa @eftd()tö=
felb erft burd) attmäfjlidie Uebung ridfjtig oerftanben toirb. SBir wiffen
oon ben fingen nic^tö, alö unfre ©mpfiubungen, unb eö fommt gar
mdf)t barauf an, ob bie nrirfenben Singe, b. f>. bie SBirflidfjfeit, ibea-
liftifdfj aufgefaßt wirb ober realtfiifdf). 9hir bie gefefcmäfcigcn 3len=
berungen ftnb ©egenftanb ber ©rfenntnid, unb biefe werben gar nidbt
oon ^bealtemuö unb SRealismuö getroffen. 216er baö ßaufalgefefc, baö
t^ Äaufaißeuii nimmt ßelmfjolfc ölt, ifi a priori gegeben. 3$ mödjte fjinjufügen, ba baö
ä priori fieüibni. Senf gef efc ber Äauf alität ganj bteparat ift oon ber aprioriftifdjen 3taum=
unb ßcitmögfid^feit ber 2Infdjauung, fo bleibt bie 2Birftid)feit auf bas
2lnfdf)aulidf)e befd&ränft. 28irttid) ift nur baö Slnfd&aubare. ©s
f)at SBelten gegeben unb mag oiele geben, auf benen fein SBefen woljnt,
baö aufbaut; bie ©rbe fjat eine foldjje Sßeriobe hinter ftd) unb trieHetdbt
audf) oor ftdf). %d) ptyantafiere aber fdf)lief$ltdf) ein 3 u f ammcn ^ 0mme "
aller Planeten in ber ©onue, oieHeidfjt fo fanft, bafe man auöfietgen
fann, wie aus einem SBagen. Sie glüfjenben ©onnen mögen SBefen
benfenber 3trt beherbergen, aber fdfjwebenb in foldfjer $erne, wo bie
ßifce md&t Ijinbert, nötige ©ngel. — Äraufe f)at £elm!jol& gegenüber
gan$ red&t, wenn er meint, bie Staumejrijien} muffe jur ©rfafjrung,
wie Äant eö ertoiefen fjat, t)in$ugebradf)t werben. Sagegen magren
ftdjj bie ©mpirifer oergebenö. ©ebe icf> ju, ber 3)ienfd) beginnt im
aar erfahren x>on Sunfel unb erfährt erft fpäter, wo er ft$ befinbet ; aber ba& er
burdj ib,« irgenbwo fiel) befinbet, ift ein Attribut ber felbftempfinbenben Subftanj.
— SBte wäre e$ möghe^, bafe etn Stng oon ber ©iiftenj etueö anbem
Singeö etwaö erfährt? 2tuf feinem anbem SBege alö bem ber ©hu
wirfung. ©ö ift falfcb, fidfe biefe ©inridbtung alö eine blofc befdöränfte
ju benfen, — bie blofje ßrfd)einuugen liefert, ©ine aubre ©rfenntniö
alö bie burd) ©inwirfung ober auf Grfd)einuug gegrünbete fann man
— 31 —
gar nid)t wer fielen. Qn einer anberu SBelt fann es bod) nid&t anbers
derge^en. ,3n"ner mufj *<$ bas ®W8 f puren, um es ju erfennen,
imb feine «Spur auf meinem SBa^rnetymungSfelbe ifl bas Dbjeft ber
grfenntnis; feine gefefcmäfeigen Slenberuugen führen jur 3lufftnbung
ber ftaufalgefefce. -r-
7. $uli. — SQBir ftefjen inmitten ber ©migfeit, unb innerlich fieQen vuiwm*.
m uns biefe ©roigfeit ber gortmirfung t>or. aber für biejenige ^orm * ° ° P
be*2)afeins, bie mir als 5ßerfönlidj)feit bejeidfjnen unb empfinben, für »tu bie «Mann«,
bie ©erlangen mir etwas anbres als Äauf alitat ofjne 6nbe. SBir fiie^T- n 5we^
verlangen Siebe, unb fönnen fie nur finben in ben oergänglidjjen 8e= n*Vn ®IiSS2SSen
jieljungen ju SRenfdjjen unb Vieren. 2Bir fönnen ben geftirnten ßimmet
lieben, aber ©egenliebe oom £immel ift 3Baf)n. 2Bir fönnen ©Ott
lieben; aber ift bie (Segenliebe nidjt ebenfalls ein 3Baf>n? — Sraudfjen
nur aber bie ©egenliebe? — Söoju fönnten mir fie brauchen? —
6s foltte bie Sptjilofopfjie mit ber grage beginnen, mie fann eines
bosJ)afein eines anbern oerfpüren? 9Jur burd) SBirfung, bie in bem ©ufoürennntbcB
einen ettoas änbert. fciefe Steuerung ift aber bebingt pon ber $äf)W «*"***'
feit bes einen, fidfj ju änberu. @in unbebingt anbres fann tum bem
einen unmöglich oerfpürt merben, unb bas anbre befielt nur aus
ber Summe ber 2lenberungen , bie es tyeruorrufen fann. 2lbgefefjen
dou biefen SIenberungen ift es überhaupt nicftt t>or Rauben. 2>as fo=
genannte 2)ing an fid) ift eine leere 2lbftraftion ober eine blofce m aina. an n*
s ^ßoteng jur 6rfdf)einung. <£s ift falfd), biefe ^ßotenj hinter ber Gr- V» «rt^immfl! 1
Meinung ju fudfjeu; fie fann ftd) nur in ber ©rfdjeütung entfalten.
Statt ©rfdjeinung Ijeiftt es beffer SBirfung. 9ftdf)t alle SBirfungen 6tott erf«einun fl
einer ^Jotenj fann id> mafjrnefimen ; aber bie, meldfje idf) maljrnefjme, ,T «j«i!unV. ,fl0t
ftnb tben bas 2Befen ber ©inge (^Jotenj). Mann id> fie nur räumlidj) x\<
unb jettlicf) auffaffen, fo ift if)re 2BirfungSmöglid)feit gleichfalls räumlich ©wuS™^*»
unb jettlidjj. außerhalb gibt es £irngefpinfte unb 3lbftraftionen, — xin*.
Singe aber nid>t. $ie Antinomien ftants beträfen für mid) nid^t ttnimomunftants.
me^r, als ba§ bie ©reitjen feine Zäunte ftnb, unb bafj bie ©egenroart
feine 3*it ift. grrifyer glaubte icb, fie benriefen beftimmt, bafe bie uns
angeborenen 2lnfd)auungsformen in Stfiberfprud) ftefjen mit iljrem äußer*
liefen £afein. —
$ie Sefjre ber 9Katf)ematifer ueneften Schlages oon einem Jtoum xiei'fbrfwmneijr
mit meljr als brei £imenftoneu lerne id) in einem Vortrage oon ximrriumm.
Spottisiooob ein wenig nätjer fennen. 33ejief)imgen fomntcn burdf)
bie Jormeln jum SSorfdjein, bie mit brei £imenftouen nirfjt barftellbar
finb, — aber biefe für räumliche öejtefjungeu ju erflären, fc^eint mir
eine äbfurbität. £aS f)inbert feineoioego, mit il;ncn ju operieren unb,
— 32 —
wenn fie auf emfadfjere Siegelungen jurüdfgefüljrt fütb, biefe Formeln
auf bcn SRaum anjuroenben. SBaft über biefen @ebrau<$ ber ^onnelu
mit überftnulid&er 3 a ^ * on Sejieljungeu Ijinauögeljt, fdfjeint mir eine
SBerrüdftfjett fdfjiuad&er ©eifter, bic über iljre eigenen Äunftftüdfe ben
SSerftanb vertieren. —
sDie Materie in 9. ^ult. — 2)ie SDtaterialifteu nehmen eine SRaterie an, bie
«gen o eni. ^^ ^.^ ^. ^ cr ©eburt einem äußerft f}offnungöt>otteu jungen
3Jlann t>ergletd&bar fein muß. 3)enn ber Sfalage nadfo war barin
enthalten, tdqö ftdfj entwickelt fjat. ©ntroidfelt l>at fid) unbegreiflich
oieleö, unb wir fielen t)om ßnbe ber ©ntwicfelung eben fo fem ate
ju Anfang. SBunberbar über alle 9Waßen bleibt biefe ÜWaterie, bie
eigentlich Sßotenj ober Vermögen genannt werben müßte, ©enn jur
(Erfahrung fommen nur SQBirfungen, unb aud i^nen werben ^ßotenjen, —
empfängliche unb wirfenbe, — erfd^Ioffcn. @in 9Ref)rere& in biefe
Sßotenjen fjiuein ju regen, als jur ©rfafjrung gelangt, ifi tranöfcen=
®Q§3«Wüusber bent; — bas $dj ift ein au$ ber ©rfabrung erfcbloffenes Cmpfäng-
ltdfjeä unb SRücfroirfenbeö; — außerhalb biefer 2öirfungen il>m eine
Subftanj betjulegeu, — ober ben fingen außer ifjrer ^otenj ein
SBefen jujuf ^reiben, gibt eä feinen ©runb. Sßaö wir flerfdfjiebene
Sßotenjen eines unb besfelben 2)tnges nennen, finb Spiegelungen ber-
fetben Sßotenj in oerfdfjiebenen ©ingen, j. 33. im ©erudfjsorgan , in
ben äugen u. f. n>.
wioiot>bif*et 4. 3Iug. — 3Wan fann nur eine ^ilofopfiie, fo fommt es mir
e Ä? n " üor, unb jwar im jugenblidfjen 2llter, aufnehmen . . . Saljer finbet ein
wahrer ©eneration&wedfjfel bei ben Sßfjifofopljen ftatt. ®ie Sugenb
wirb oon bem angejogen, was neu ift ober jum £eü üergeffen
war. 9Jur ift ber äBed&fel nidf)t bloße älternanj, fonbern bie SReifje
ift eine tnelglieberige unb fe^rt mit tjeränberten 5 a ^ oren lieber;
benn ju ben unwafyrften ©emcinpläfcen gehört ber 2tuöfprudfj, „baß
alles fdEjon bagewefen ober baß alles eitel fei", ©ie Paläontologie
tefyrt, baß bie uerfdfpunbene ?form nie wieberfeljrt unb baß bie
SRatur fid& nie wieberfjolt bat. Wlit jebem ^nbioibuum rüdtt fie eine
unuermerflidfje Stufe vorwärts, auf bie fie, tote idf) meine, nidf)t wieber
jurfidftnft.
— 33 —
Ättljmtg |um 3* Vlowmbzx 1878*
1. 7 + 5 ifl eine Sufgabe weiter bift 12 ju jäfjfen, ebenfo
rote 1 + 1 bid 2 ju jä^lett. 3 ä ^ en ftl* twraufc: ©renjen in 3^,
inMaum. ©renjen fefcen uoraufi: 33orgänge, Äörper; Vorgänge unb
Äörper ftnb nid^t gänjlidfj a priori. Stylen bid über 3 unb weiter
lernen Äinber beö^alb erft nad) langer ßrfafjrung, unb nid&t unglaub-
lid& ift ber Seridjt tum SSölfem, bie bei ifjrer ©ntbeefung ed ttid^t
oerjtonben. $nfofern $a1)ten nur jeiträumlidje äbflrafta ftnb, liefern
fte Säfte, bie notwenbig unb allgemein gelten; aber a priori ftnb
fie nidfjt, weit bie Operation bed Sfälml eines emptrifeijen ©ubflratö
bebarf, bauon abflraljiert werben fann.
2. ©ine gerabe Sinie ifl wie jebe Sinie ©renje; jwar von ftläd&en,
wie biefe von Äörpern; — nur burdj Stbftraftion oon bem, wad ben
Slaum erfüllt unb im SRaum beweglidfj ifl, ju gewinnen. 3)aö 33e=
roeglidje im SRaum ift nidfjt gänjlidf) a priori. 35af)er audE) bie ©erabe
unb ber fürjefte 2Beg jwet SBorftettungen ftnb, bie nur aus ber
©rfaljrung ju abftra^ieren ftnb. 2He ©erabe ifl ein Slbftraftum oom
rufjenben Äörper, bie Äürje bes 2Begö Dom bewegten Äörper ober
von an t>erfd&iebenen ©teilen befmbKdjen Äörpem. @ä ifl fein iben=
tifdjeä Urteil, wegen beö t>erfd&iebeuen ©ubflratd ber Slbflraftion.
Spntljettfdf) ifl eö, aber rufjt auf SSorauöfefcungen ber ©rfa^rung.
3. SSeränberung ber Äörperwelt, — (@ewidfjte=) Quantität ber
Äörperweft ftnb Sßorfleffungen atö ber (Srfatyruug.
ntlxgion (1880).
10. $üli. — 3lntnüpfenb an bie ©ebanfen oom 3. unb 4. 35ejember
1879 über Religion, bemerfe idf) einen Irrtum, in bem idf)- auf- frrtumbei
genmdüfen bin, wegen beö rationetten ^roteflanttemus meiner ^ugenb. ÄTaÄül
allen grnfleö Ijabe id& geglaubt, in ber SBibel unb namentlich im " ® ©Xi auT bie
3Jeuen £eflament fei ber watyre Gfjrtftenglaube enthalten unb üolk
ftänbig. £atte boc^ £utf)er auf Sßibertegung au* ber 33ibel prooojiert
unb gefagt: „2)aa 2Bort, fie fotten laffen ftaljn". 2öoju beburfte eö
aber bann ber Äonjilien? 2)ie SRationaliften gelten baö oietteidjt für
Vul ben Sagtfcu^Mätttni toe9 ©rafen «. fletjftrltng, 3
— 34 —
einen 4*or;ug, i>a§ Die Jrinitätälebre nid&t in ben eckten Sibeljiellcn
auögefprocben ift. 2lber meine Unterfud>ungen ber Sibelftellen über
bie 3 l| hinft ber iVritorbenen beroeifen, ba§ aud^ barüber eine Kare
unb abgeid&loffene, einheitliche ifebre im 9?euen Steftament fid) gar
nidjt nnbet. SRaterialien finb noch feine ©ebäube. 2>ie ^Materialien
roieberberjiellen , in ihrer urfprüngli^en Sefdjaffenljeit, Reifet ba* au*
zu *h*t *» er« iljnen aufgeführte ©ebäube *erfefcen, jerftören. 35ie Äird^e bat mit
«tsidcli c'ul *! ben 3Raterialieu be* 3Jeuen 2eftamentd eine ©laubenöleljre erft je-
feftaffen, in langer arbeit unb unter entfe^tid^en Äämpfen. £ic
Reformatoren ftnb 511m £eü 3 er ftörer / aber mit ^ilfe ber alterten
Äonjilien unb eigenen Spefulationen Saumeifter geroefen. Cfjne Sinje
fein Sefenntnis, ohne Sefenntnio feine SReligton, otyne Jrabition feine
xiereTr.KfctftirdKÄirc^e. 3* mürbe bie römitcb=fatbolifcbe Äirdje triel beffer rechtfertigen
frn-r luntfii unb ate baö fonfequente Gbriftentum barftetten fönuen, von meinem
jefcigen Staubpunfte aus, alö früher. SSeil eö feine gefd&riebene,
dfjriftlicbe Urfunbe gab, bat Gbriftus bie £rabition bureb ben £. 6.
bewirft. Siefe fjat eine oolifiänbige Religion erjeugt, wie fte in ben
fdjriftlicben Urfunben gar nicht 511 finben ift. £aö SRcid^ E^rifti roar
fofort angefagt. 3ft eö feine ^erirrung geroefen, fo muß es \>a fein.
£ie päpftlidfje Hierarchie ift baö taufenbjätjrige Reidf), barin ber im
Stapft roirfenbe ©eift Gbriftt um bie £errfd&aft ringt. Siebe meine
Betrachtungen oom 6. s Jtoo. 1876 unb wie ber 1. Äorintljerbrief*)
bie Hierarchie im fjöcbften ©rabe rechtfertigt. 2>aß aber Rom bao
Uebergeroid)t erlangte über bie SBifcboföfifce in Äonftautinopel, Sero-
fatem, 9l(eranbrien, ift eine unjroeifelljaft berechtigte ©ntroiefehmg.
Hier mar bie mädfjtigfte Urgemeinbe unter ber Radfiroirfung be$ Sßauluo
unb unter ber oorbereitenben jubendjriftlicbcn (^ßetrinifd^en) ©emeim
fdfjaft 511 ftaube gefommen. £ie Sßäpfte fd&üfcten gegen bie SBilbhett
ber Sarbaren unb gegen bie SSerberbniö ber 93pjantiner unb mürben
fittlid) unb roelt(id) gehoben. Sie faßeu im 3Hitte(punft beö alten
2£eltretd)ö unb mürben niebt jn Höflingen oerberbter Regenten ober
511 Ränfefdfjmiebeu unter einer großen 3^61 oon gtcidf)ftef)enben 33ifdf)öfen
berabgeroürbigt. Tex päpftlidj fatbolifcf) ©eftnnte ift ber fonfequentefte
Gfjrift. 3d) aber urteile unparteiifdfj, meit mieb baö Sibelroort nidbt
binbet. Gs ift nidf)t gefdfjriebeu, gleid^fam bureb unbewußte Reffer--
beroegungen, mie eine mediauifdfje 3«fP^ationoIe^rc eö forbert. So
meit eö fidf) in ber Grfaljrung unb oor ber Sogif alö richtig erroiefen
*) Gehört 3ur Scjrift: „58 i 5 e rft c 1 1 cn über bie Sufunft ber Ser*
ft r b c n e n v n Ö x a f 2C. Ä e d f c r I i n 9". 9(fö SJZanuffript gebrueft. Setpaig 1876.
— 35 —
bat, neunte idfj cd gern an; fo weit cd unübertroffen fd&ön bie
Gmpfinbung bed ©öttlidfjen barfteüt, bennmbere idjj cd imb fdfjliefee cd
ins §tvy y — roo cd aber fabeln unb tmberlicijen 3<wber üorgaufelt, «et>itttin 9 ß
oerroerfe id) cd o^ne 93eängftigung. Wir ift bie Religion bie Sleftljetif «lu&im"
bed eitrigen, — nidjt aber, n)ie für Äant, bie 2)toral unter ber gtorm ( ^ flenfa * ,tt * an1,
Des göttlichen ©ebotd ; — weil id& jufetye, toad bie 9teligton unter ben
3Renfdfjen in SBirflicfyfeit für eine Aufgabe ijat, — uid&t nmd fte nadfj
meinem t [einen ©eftd&tdfreid fein fotl! — ©iefje 3. unb 4. 5Dejember 1879.
26. 3uti. — (S&arled Äingdtep, ©eiftlidjjer ju ©oerlep, befannt ctaties stin&un.
in TOcitcftcn Ärcifen ald SBcrfaffer bed SWomand £gpatl)ia, ift eine
^erfönlidfjfeit mertoürbigfter 2lrt. ©riefe unb ©ebenfblättcr t>on
feiner SBitroe ^eraudgegeben unb von ©eil oerbeutfdfit, enthalten jroar
nur unuoHftanbige Sineamente, befonberd weil ber erbauliche 3 roec *
bei biefen jtoei 33änben aorgefyerrf dfjt fyat ; aber fo rnel ift jioifc^en ben
3eilen ju erfennen, ba& bie £eftüre ein ergreif enbed 2Jtyfterium 5um
üladfjbenfen fjinterläfct. ftingdletj mar ein leibenfd&aftlidfjer sportsman,
3?aturburd^forfd^er, ftünftler, ©idfjter, ajtenfdfjenfreunb, ©eelf orger,
gelehrter £iftorifer unb Geologe oon binreifcenber Serebfamfeit, ben
wir in einem gewaltigen fingen fe&en mit allen 3roeifcln feiner 3*it,
barin er afd fefte Safid für ben Äampf fidfj an bie englifdfje Staatd=
firdje Hämmert unb an bie geinbfd^aft gegen aHed Unredfjt unb ©lenb,
aber o^ne eine Safid für ben ^rieben ju finben. ©ein oerjeljrenbed,
mefjr ermärmenbed ald erleudjtenbed geuer muft fidf) genügten in
ritterlicher £l>ath:aft. 3>arum feine #reube am leiten, an milben
/"vudjQjagben unb feine fieibenfd^aft für ben Salmenfang. Solbaten*
btenft unb &riegerpfüdf)t jiefjt i§n ganj befonberd an. Selbft in ber
Jtoturforfcfjung ift bad Umfjerfudjen unter ©otted freiem £immel ifjm
Der ßauptreij. „©eroaltiger unb geheiligter ald ber ganje 3ttedfjanid=
mud ber SRatur ifi bie über bad 31 H ergoffene Sßoefie ber 9totur." —
£ad bleibt feine ©runbempftnbung, bie in ber Statur gefugte unb
gefuubene unaudfpred&lidfje ©fftafe bed 3Kenfdfjengeifted. Cl;ne Sebcnfen
fielet er ©pibemien ald folgen menfdfjltd&er 9Sernad^läffigung unb
ägnoran* an, bie man mit allen fträfteu ju befämpfen fjat unb Ijält
fte feinedroegd für unabiuenbbare Fügungen ©otted. ®afe ©ott fie
entioeber nidjt Ijätte bef)inbem fönnen, ober nidf)t befjinbern gewollt
f)at, biefed tfjeoretifdfje Dilemma jroifd^en einem ©ott, ber enttoeber
nic^t mefyr allmächtig ift, ober allgütig, fidf)t i(;n nidf)t an. 2öo feine
iijatfraft prot)Ojiert toirb, finb iljm alle tfjeoretifdfjen ^ntonfequen}en
oljne Sebeutung. „5Daran, fonfequent 311 fein, ift mir gar nic^td
gelegen;" — fo ungefähr ändert er ficlj an mehreren ©teilen, ©r
— 34 —
einen SBorjug, baj$ bie Sxinitätölefjre nid&t in ben eckten Sibelfietten
auögefprodieu ift. aber meine Unterfud^ungen ber 93ibelfteHen über
bie 3 u tunft ber SSerftorbenen beroeifen, bafj audjj barüber eine Kare
unb abgefdfjloffeue, einheitliche Sefjre im IWeuen Xeftament jtdfj gar
nid&t finbet. SRaterialien finb nod& feine ©ebäube. 3)ie SWaterialien
nrieberljerftellen, in iljrer urfprünglid&en 33efdfjaffenljeit, Ijeifct baö auö
xte ftit«e ^ot erfi i^nen auf geführte ©ebäube jerfefcen, jerftören. ®ie Äird^e ^at mit
cn'twitw? aul fe §" ben SRaterialien beö Reuen Xeftamentö eine ©taubenölefjre erft ge-
fdfjaffen, in langer Slrbeit unb unter entfe$lid&en Kämpfen. Sie
Reformatoren finb jum £etf $ex$bTtx, aber mit £ilfe ber älteften
ftonjilien unb eigenen ©pefulationen Saumeifter geroefen. Ctjne ftird&e
lein 33efenntniö, ofjne Sefenntnis feine Religion, o^ne £rabition feine
xn römif*« ftinfc ßirdie. 3$ mürbe bie römifd)4atf)olifd!Je Äitd&c triel beffer rechtfertigen
fonieqwntere unb alö bas fonfequente Gljriftentum barfteüen fönnen, von meinem
nftnttum. j c ^g Cn @taubpunfte aus, als früher. SBeil es feine gefdfjriebene,
dfjriftlidie Urfunbe gab, f)at ßfjriftuö bie Srabition burdf) ben £. ©.
bewirft. 2)iefe fjat eine ooHflänbige Religion erjeugt, wie jie in ben
fdf)riftltdf)en Urfunben gar nidfjt ju finben ift. £as Reidb ©fjrifti mar
fofort angefagt. 3ft es feine SSerirrung geroefen, fo muft es ba fein.
©ie päpftlid^e £ierardf)ie ift baö taufenbjäfjrige Reidf), barin ber im
Sßapft mirfenbe ©eift Gfjrifii um bie $errf$aft ringt, ©ietje meine
Betrachtungen oom 6. Roo. 1876 unb nrie ber 1. Äorintljerbrief*)
bie $ierard)ie im f)öd)ften ©rabe rechtfertigt. 25a§ aber Rom baö
Uebergeroidfjt erlangte über bie Sifd&ofsftfce in Äonftantinopel, 3eru=
fafem, 311eranbrien, ift eine unjmeifetyaft berechtigte ©nttöidelung.
fiier mar bie mäd^tigfte Urgemeinbe unter ber Radfjnrirfung bes Sßauluö
unb unter ber oorbereitenben jubendjriftltdfjen (^etrinifdfjen) ©emein-
fdfjaft ju ftanbe gefommen. 2)ie köpfte fdfjüfcten gegen bie SBilbljeit
ber Sarbaren unb gegen bie S?erberbnis ber 33t}jantiner unb mürben
fittlidf) unb meltlidf) gehoben, ©te fafjen im 9Jtittelpunft bes alten
SBeltreidfjS unb mürben nidf)t ju Höflingen oerberbter Regenten ober
ju Ränfefdfjmieben unter einer großen 3^1)1 uou gleid^fte^enben Sifd^öfen
berabgeroürbtgt. £er päpftlidE) fatbolifdf) ©eftnnte ift ber fonfequentefte
Glirift. 3^ ober urteile unparteiifd^, weil mid) baö Sibelroort mdE)t
binbet. ©s ift nidf)t gef dflrieben, gleidfifam burdf) unbewußte Reflex
beroegungen, wie eine mecfianifdfje 3ttfpüration&(eIjre es forbert. So
weit es fidf) in ber Grfafjrung unb oor ber Sogtf als richtig ermiefen
*) ®e$ört äur Schrift: „33i&e[fteIIen über btc 3«'wnft ber Ser*
ftorbcnenoonÖrafSl. Äeyfcrlin g". 2(Iö SWanufrript gebruef t. Setpjig 1876.
— 35 —
\)Q\, neunte idfj eö gern an; fo weit cd unübertroffen fd&ön bie
Cmpfmbung beö ©öttlic^en barfteüt, berounbere i$ eö unb fdfjliefje es
in* 6 er j; — wo ** ober fabeln unb uriberlidf>en 3 au & e * twrgaufelt, «epjcrtings
uenoerfe icfj es ofpte öeängfttgung. 3)?ir ift bie Religion bie 9leftt>ettf teuj&m*
Des ewigen, — nid&t aber, wie für Äant, bie SDtoral unter ber $orm * ,m|i| ,tt Äant '
Des göttlichen ©ebotö ; — weil idf) jufe^e, roaö bie Religion unter ben
äRenfd&en in 2Birflic^)!eit für eine 3tufgabe Ijat, — nid)t roaö fie nadf)
meinem f leinen ©efid&töfreiö fein foll! — ©iefje 3. unb 4. Dejember 1879.
26. 3uli. — ©tyarleö Äingölet), ©eiftlid&er }u ©oerleg, befannt etatus mnonc«.
in iceitefien Äreifen alö SBerfaffer beö Romano Qypatfya, ift eine
$erjdn(i$feit merfuriirbigfter 2lrt. ©riefe unb ©ebenfblätter von
feiner SBitroe Ijerauögegeben unb von Seil oerbeutfdbt, enthalten jtuar
nur uuooflftänbige Sineamente, befonberö weil ber erbauliche 3 roe( *
bei biefen jn>ei Sänben oorgefierrfdjt tjat ; aber fo oiel ift jttHfdjen ben
3eüen ju erfennen, baj$ bie Seftüre ein ergreif enbeö 9Kpfterium 511m
:Jtad)benfeu hinterläßt. Äingölei) war ein letbenfdjjaftlidfjer sportsman,
Äaturburd&forfd&er, Äünftler, SDid^tcr, aßenfd&enfreuub, ©eelforger,
gelehrter ^tftorifer unb Geologe oon {jinreijjjenber 23erebfamfett, ben
wir in einem gemaltigen Siingen fefjeu mit allen 3roeifeln feiner 3eit,
Darin er alö fefte 33afiö für ben Kampf ftdf) an bie englifd^e ©taatö*
firdfje flammert unb an bie geinbfdfjaft gegen aUeö Unrecht unb ©lenb,
aber oljne eine Saftö für ben ^rieben 51t finben. ©ein oerjeljrenbeö,
meljr erroärmenbeö alö erfeudjtenbeö geuer muß ft^ genügten in
ritterlicher ^atfcaft. Darum feine greube am leiten, an milben
/tud)öjagben unb feine £eibeufdf>aft für ben ©almenfang. ©olbaten=
Dienft unb Äriegerpftid&t jiefjt tyn ganj befonberö au. Selbft in ber
s Jtoturforfd>ung ift baö Umfjerfudfjen unter ©ottcö freiem $immel ifim
Der ßauptreij. „©eroaltiger unb geheiligter alö ber ganje 9Wed&aniö=
muö ber Ülatur ift bie über baö 3111 ergoffene Sßoefie ber 9tatur." —
£aö bleibt feine ©runbempfinbung, bie in ber 9?atur gefugte unb
gefunbene uuauöfpredfjlid&e ©fftafe beö 9Kenfdfjengeifteö. Cf)ne Sebenfeu
ftc^t er ©pibemien alö fiolQtn menfdfjlidfjer SBernadfjläffigung unb
3gnoranj an, bie man mit allen fträften 511 befämpfen Ijat unb tyält
fie feineömegö für unabroenbbare gügungen ©otteö. Daß ©ott fie
enttoeber ntd&t l)ätte be^inberu fönnen, ober uidf)t beljinbern gewollt
l)at, biefeö tljeoretifdfje Dilemma 3nrifcf)en einem ©Ott, ber entroeber
nidjt meljr allmädfjtig ift, ober allgütig, fidf)t ifju nidf)t an. 3Bo feine
£f)atfraft proüojiert wirb, fiub ifjm alle tljeoretifd&en ^ufoufequenjeu
o^ne Sebeutung. „Daran, fonfequent }u fein, ift mir gar nidjtö
gelegen;" — fo ungefähr äußert er fidf) an mehreren ©teilen, ©r
— 36 —
roagt es gegen bie fird&lid&en SEßettergebete ju prebigen unb wirb bafür
t>ou SNaturforfdfjern wie Dtoeu unb ßijell beglüdfwünfdfjt, bodjj von
feiner t)on il)m ftets fo toeit^erjtg aufgefaßten ©taatsfirdje Ijart be=
urteilt unb j. ö. in Drforb um bie iljm jugebad&te Softonoürbe
gebraut; — aber felbft ein foldfjer Sftttter burfte nid&t etwa baran
erinnern, baß für ben ©tntritt bes SSottmonbed nid^t gebetet wirb
unb ber ©tntritt bes Segens *on ben, wenn aud& für bie menfdfjlidje
Auffaffung ju aerwidfelten, bodfj nid^t weniger ftrengen SSorbebingungen
ebenfo beftintmt wirb, n)ie ber bes SBolImonbes. JtingSlep mußte fagen,
es fönnte ber Siegen ©pibemien, etwa ber (Spolera vorbeugen, unb
bafjer fottte man ftd& bebenfen, ob es wotjlgetljan fei, üjn wegjubeten.
©r wagte nidjjt bas SBettergebet für eine bloß ben Aberglauben auf*
munternbe, übrigens aber ganj unwirffame Sßrojebur ju erMären.
©r war nun einmal ©eiftlid&er unb ofiue ben £alt an bem gefefc;
liefen StaatsbefenntniS I>ätte er ben ©alt verloren, ben er für feine
SBirffamfeit als unentbehrlich ernannte. Aber ob er an 3n>etfler ober
entfd&tebene Atfjetften f djreibt, immer fjeißt es, bur<$gemad(jt fyabe er
äfjnlid&e Verfügungen in fdjwereu Äämpfen. — 2Bie bie ©pibemien
ifjm ein abwenbbares SföenfdSjenunredjjt erfd^ienen, ebenfo aud(j bas
aftenfd&enelenb. ©r fjält es erft mit ben ©fjarttften unb nad^bem er
cn ben fojialtfttfd&en ©ewerbeunterneljmungen irre geworben, junt
©dfjluß feines Sebeus fpridEjt er fidfj tljeorcttfd^ in ber Agrarfrage
gegen äffe ^reifyeit aus. Glebae adscriptio, t?on facJjoerftänbtgen
Autoritäten ©orgefd&riebene Sßad&ten, ein Ijalb feubales 3beal, wobei
alle unter polijeütd&er Stuffid^t jum heften würfen! — Äingslep mar
in allen Singen Stealift, — oon Ijerrticfyer S^atfraft unb wunberbarer
Begabung, ©o mar audf) fein ©fjrijtentum ein tfjätiges, me^jr als
ein gläubiges, — eine poetifd&e Segeiflerung meljr als ein tfjeorettfd&es
©tjftem. ©s ift mir ntdfjt möglidf), einen fo sielfeitigen, außerorbenfc
litten 3Rann ju überfein, idfj fann im allgemeinen iljn nur anftaunen
unb benmnbern. Aber im einjetnen tarnt i<$ f)ie unb ba bas SRätfet-
fiafte feines SBefenS $u erMären fud&eu. Als Sßrofeffor ber ©efdjjid&te
in Gambribge begeiftert er unb bas ift bie Aufgabe, bie er bei allem
ftdfj ftellt, ob er in Sßeftminfter prebigt ober in Softer eine ©efeH=
fd&aft für 9taturfunbe grünbet. £at er nid)t redjjt? Sie jugeJprtgen
ftenntniffe mag ein jeber ft<f> Idolen, wenn bie Segeifterung für
bie <3adf)e oorfjanben ift. <$ür bie Seljre ift ein SJtann wieftingslei>
ber redete, — für ben Ausbau ber SSiffenfdEjaft bebarf es einer me^r
folgerechten unb nüchternen 9)ietf>obe! £>as beftänbige 3eidf)nen, ©fij*
jieren jeigt aud& ben Realismus bei Äingslet; an. ©r wollte alles
— 37 —
in ber äufdjauung fjaben. $a$ ewige fieben, ift ea of)ne feine grau,
tarnt er gar nidftf gebrauten: „3$ tonn nur fagen, wenn \ä) nic^t
Droben mein SBeib ebenfo an Seib unb ©eele liebe wie fjier, e* über;
baupt für midfj feine 2luferfiebung be* Seibe* unb ber ©eele gibt, bafs
eben bann ein anbrer flott meiner ift, bafc i$ nid&t meljr id> bin"
— jtnb feine merf würbigen 3Borte II, 87. — Unb iji e« nidbt taufenb?
mal roafyv, bafs td) nidljt me^r idj bin, wenn idjj meinen ganzen
Äörper oerloren b^be? — £ie abftrafte ©eele im fortleben wäre «Tratte« e«ien.
ein SBefen, bejfen 9tatur oon unfrer jefcigen mefyr oerfd&ieben fein toitotWn™
müfcte, ate j. 33. fie burdfj äJerrüdttbeit oerfd&ieben wirb. Sei lefcterer
fc^It e& an ber ^unttion beö ©ebirnö nur tei(n>eife / nad) bem Xobe
fefflt eä baran ganj. $a^er überwältigte bie äuferftebung&leljre erft _ Da*«
im S^riftentum unb, nadfjbem biefeä burdfj bie ^etlenifÄe Unfterblidfj- «uferpefönaV
feiftlebre an Realität oerloren tyattt, im 3$lam bie Golfer blofeer wÄm, tSm
Unjterblidfjfeitälebre. Gegenüber bem SrabmaniömuS unb 83ubbf}te=
muö u. a. afiatifd&en Sluffaffungen f)aben bie äfoferftebung&reügionen
nur befdfjränften @rfotg gehabt, ebenfo wie gegenüber bem 2Wofaiömua.
y J!od) bat ftdj) baö ©leidfjgewid&t jwifdfjen biefen änfdbauungen unter 2>a*«witt«sebenf»
ben 3Renfd)en erhalten. ©dbliefefidjj werben fie fidjj aber voofyl alle m xaumi^n um
auflöfen muffen, in ber Haren ßrfenntnift, bafc eö nur eine 2trt $orfc <nt 9 aXttn -
(eben gibt, bie ädern Drganifd&en gemeinfame 3 cu 8 un 9- 3$ Wn
mxtl\$ in meinen ftinbern oorljanben, unb es ift eitel ©elbftfudj>t,
bie jt$ bagegen fträubt. £abe id) aber feine SRad&fommen, nun fo
lebt ber Stamm fort, an bem id? ein Statt gewefen unb für ben
audj idj mein £eil ^injugetban. Siiebe beine Äinber, bie URenfd&beit,
bie Slatur, unb bu füblft bidb fid&er beö ewigen Sebenä*)- —
©ef>r tief ift, wad Äingöleij gegen bie aöfetifd&en möndbifdjjen ftmaiteu m<* b«i
flid&tungen fagt. SRatürlidfje triebe muffen auf Ujrem eigenen ©ebiet * ,fetitmu ••
beberrfd&t ober nerbraud&t werben, nidfjt aber bürfen fte in geiftiger
mh geifüidber gorm ganj anbre ©ebiete beberrfdjjen. ©ie führen
tonft baju, bie natürlichen triebe unb fdiliefjlidf) bie ganje SWatur,
ale Jeufetewert ju fliegen.
31. 3uli. — SKidf) ergreift ber ©ebanfe beä in ber Söeltxet in ux um
roerbenben ©otteä! £aö ift eine oerftänblicbe SBorftellung. Ser loetbfnbc öott
*) 9too) mochte io) bei (Gelegenheit beS $u<$d übet Aingdlep fagen, nie
eine fotye ©tfc^einung nur in (Sngfonb mbgli^ geroe.fen. 3Me bortigen (üeip
Heften »erben oft aufgefaßt aß 'paraftten ber ©efeüfcftaft, mit Unrecht. Sie allein
geftatten ei, $aftor unb (Bentleman im »ollen (ginne ju fein. 353enn bie Äon*
fefjicmen i^rem fflerte nad) richtig rtafftfi§iert werben, je naeft bem Sterte iftrer
@etfUic^en, fo ße$t bie englifc^e etaatdliro^e unenb(io) f)od).
— 38 —
üoHenbete 2Beltfd&öpfer, am anfange, ift unbegreiflich; — am @nbc
ber Sßelt, als 3**1/ ift & anbers. ©S ift bie uolleubete, bzroufyt 2Belt=
gemetnfdfiaft, bie ©ott bann 3U nennen wäre. Auf ©rben ifl bie
SBeroollfommnung bis jum bewußten 9Wenfd(jenwefen gebieten; bie
SRenfd&en bilben eine me^r unb nte^r bie Äuget umfaffenbe ©emeüu
fdfjaft. (Sinft fönnen Planeten unb Sonne — nodfj nad& unenblid&en
SKiHionen oon Safjren Sonnen unb ^iyfterne ju näheren ©emetm
fd^aften jufammenrüdfen. SBaö wir mit ganzer Seele lieben
follen unb erftreben ift bie beftänbige Steigerung ber ®e*
meinfdfjaft, benn bas ift bie SRealifierung ©ottes, ber als Sßotenj,
ofjne 3*ü u nb Raum feinen Sufarom^MS mit 3Wenfc^cn Ijat; ba=
gegen als reales SBefen, als aufgäbe, bie metyr unb mefyr in
bie ©rfdfjetnung treten muß unb null, unterftüfct unb befämpft,
geliebt unb gefjafft werben fann. ©ott ift bann allgütig, aber md)t
allmächtig — allgegenwärtig, aber nidfjt atlwiffenb; — b. t). fo
tuet toir auf (Srben feljen, in ber 3WenfdjI)eit3gemeinfdjaft; — er ift un=
DoHenbbar, batyer ewig — er ift feine 3lbftraftion , fonbern ein ®r=
lebtes unb öleibenbes in ber ©ntwidfetung. — $as ewige Seben bes
einseinen 3Wenfd(jen ift feine Jortwirfung in ber ewigen 9Wenfd$eit,
bie jur eroigen ©ott^eit Ijinftrebt. $ie metapf)tjfifd&en unb logifd&en
^unbamente gelten bei ber SJerfnüpfung ber erfahrenen SBaljmeljmungen
unb ©mpftnbungen — aber fie entfdfjeiben niemals über bie SBirfs
lidfjfeit einer ©mpfinbung — bie gfretyeit bes SBtHenö gilt, roenn aud)
bie Staufalität bamit nidfjt in ©inflang gebraut werben fann; — fo
ift aud) ber roerbenbe, lebenbige ©ott anjuerfennen; — iljtn
ift bas ^rimat beijulegen, gegenüber bem abftraften ©ott ber 5ß^ifo=
foppen, ber jtcij aufterbem als 28iberfprud& in fidf) felbft bem Genfer
ftets erweif en wirb.
Ute «uMtfation 16. SRoo. — 35en SBattace I)abe idf) ;u 6nbe gelefen. . . . (Sr
mmml fd&liefet mit einem 93erglei<§ ber 3ü>ütfation unb beö 3 u f tö ^beö ber
gemeinwaft. 2BUben g re itmHiges befolgen ber für bie ©emeinföaft notwenbigen
•Dtoralgefefcc, ofyne bie unfruchtbaren 2Beitläufigfeiten oon Regierungen
unb ©efefceu, feien metyr bei ben 2Bilben aujutreffen. daraus müfete
man erfennen, wie ftdf) unfre Äultur auf bem richtigen SBege nidf)t
befxnbet. SStel fräftiger mufften bie f^mpat^ifc^en ©ispofittonen jroU
fd&en ben SDienfdfien entwidfelt werben, als bisher! ?c. SDiir fd&etnt
3BaHace bie fyortfd^ritte ber 2lnöbe^nung nod) nid£)t in SRed&mmg ju
bringen. S)er Sßeltpoftoertrag Ijat es ermöglicht, bajs 3Kiflud^o -äKacflap
mir oon Sataoia aus eine SBrof dfjüre juf c^idt : Um ben ©rbball tyerum
oerbreitet fieb fdjnell eine nüfclidje ©rfinbung. 3)er 3wedf ber -äRenfdf)'
— 39 —
&eit ift bie (Steigerung ber ©emetnfdfjaft qualitativ uttb quan*
tttativ. dagegen ift jeber roilbe Stamm, tyält er audfj Shifje inner*
lief), gegen alle Stadfjbarn ju gewalttätigen abenteuern aufgeregt.
5. 2>ej. — 2lm 26. SRovember ftarb meine liebe Sdfjroefter, 8a*
ronin 6veline Don 33ebr in ©broaljlen. Sie Ijatte neben einem frommen, »aromn «wu™
liebenben ©emüt, bad aber bie ortljoboje ober ptetiftifd&e Stiftung ber
9teujeit meljr tolerierte ald mitmad&te, iljre SBurjel in bem Stationalid*
mud bed ©Item^aufeö, unb es fehlte iljr nidjjt bie fjumoriftifd&e @m=
pfänglidtfeit, bie ju einem gleichmütigen unb liebendroürbtgen Seben
fo viel beiträgt. Sie ift gltidflid) ju preifen, bafe fie an einer fdfjnell
uerlaufenben Sungenentjünbung im 60, ^afjre otjue langet Sied&tum
entfälafen ift.
20. 3>ej. — ümüdoetfät Ijabe idfj mid& in ©ebanfen in bie ewi*
3ugenbjaf)re meiner verstorbenen jüngften Sc^roefter, bie mir bamald wn*aämi. (>
befonberd na^e geftanben fyat. %fyt Seben fyat im ganjen iljrer Ijars
monifdfjen 3latur entfprod&en. Sie fyatte Ijerrltd&e ©igenfdfjaften bed
Öemütd unb bed ©eifted, unb t)iel milbe unb freuublid&e ©mpftnbungen
bat jie erfahren, verbreitet unb in iljrem reiben ^amiltenfreife ge-
troffen. Sßie fdjnell vergißt ftdf) ein 3Kenfd^enIeben, aber eitel ift es
nidjt geroefen unb feine folgen roirfeu fort in bem eroigen, jum
Sefferen fortfdfjrettenben 3(0. 3Bol)l mag und bie Verteilung von
Seib unb greube im SKenfcbenleben eine unverbiente, verworrene unb
unbegreifliche erfd&einen. 9htr in bem @efül;f ber richtigen Ginorbnung
bed ©njelnen unb bed Äleinften im eroigen 91H — ob aud) vergeffen,
bennodf) bauernb — fdfjeint mir — fann man bie 33erföl)nung fudfren
unb finben. Könnten roir lange nad^ unfrer eigenen Sebendjeit unfern
ganjen Sebendgaug tiberf df>auen , ed roürbe und bamit ergeben, roie
mit mandfjem Siücfblicf auf ein überftanbened Seib. 2Bad und einft
wel>e getfym, erfdfjeint uns ju erbärmlidb Hein, um länger babei 311
verweilen. 2öad uns im Heben befümmerte unb unerträglich fd&ien,
ed ift ju unbebeutenb, um ind ©eroidbt ;u faden, fobalb roir von bem
ewigen 2111 und berührt füllen. $>ad ift rool)l bie fd&UeftKd&e 3>er-
följmmg, bie roir alle ju erwarten baben.
24. S5ej. ... bie Weine Strecfe bid jum Orte ber eroigen 9iuf)e
will id& getroft vorroärtd geljen. 2)er eroige in bem eigenen Innern
bleibt ber s ^unft r von bem aud fidf) bad Stellt verbreitet. £ie Siebe
ju ben 9Wenf eben fommt von ba. ...
25. £ej. — 3$ beenbigte eben bie Seftüre ber neueften Schrift
bed $ßl)ilofopf)en £artmann über bad Gljrifteutum : „ftriftd bed Gtjriften- «nn* m
tumd in ber mobernen £beologie." Gr bemonftriert, roie bei ben ^artmlTnV "
— 40 —
mobemftcn großen Geologen 33iebermanu , Sßfleibcrer , fiipfiua, ba*
djjriftlidfje 3^tA(bogma oon bcr ©rlöfung bur<$ (grifft fieiben, Der*
brängt wirb burd& bie ftorberung, baß ein jeber burdfc feine eigene
SReligiofttät errettet wirb. 35a« S&riftentum ifi bamit aerlaffen, aber
aud& ber ©tanbpunlt ju einer neuen, allgemein menfdfjltd&en Religion
erreicht. Daö in jebem 9Renf#en angelegte religiöfe ©runbpljänomen
ift baft 2lbl)ängigfeit3gefül)l in freier Eingebung an ©Ott, int ©egenfafe
}u ber Nötigung burdfj bie enblid&e SBelt. @ä ift aber bie ftonfequen;
biefeft @runbpl>änomens, nur an einen immanenten ©Ott (fonfreten
$antl>eiömuö unb SHonismud), nid&t aber an einen außerhalb ftefjenben,
perfönlidljen ©Ott ;u glauben. $artmann glaubt, eine auf biefem
©runbe entwtdfelte Dogmatil würbe bie tiefften Sebürfniffe bed relü
giöfen ©emüta beffer befriebigen, als alle dfjriftlid&e Dogmatil. Diefe
Dogmatil ift erft abzuwarten, bet>or ein Urteil ftdO fpredjen läßt. Db
aber ftartmann bie tiefften »ebürfniffe beö religiöfen ©emütö teilt
unb fennt, wirb jweifetyaft gegenüber einer öemerfung, bie er gegen
^attmonn ben Äultuö mad&t. 6r l)ält ibn für eine unwittfürlidbe ©efühteäufce-
©ebeutung bei rung burd) $on unb ©ebärbe, wie Kanten, ©ingen, jwedf lofeö 3Rono-
togifieren — was Darwin als jwedflofe Jpanblung aus überftrömenber
•fteroenfraft anjufefjen gelehrt §at. Sei SBilben bred&en berartige
2leußerungen am unbänbigften Ijeroor. 9Jftt bem gortfd&ritt ber ftuttur
treten fte burd) ©elbftbefyerrfd&ung jurüdE, unb lann ber Äultu« „oljne
©d&äbigung beö religiöfen ßebenö immer meljr eingefd&ränft werben".
Die IjödErfie Kultur müßte bemnarf) allen Äuttufi befeitigen. ©ie$e
bagegen meine 33emerfungen vom 4. Dejember 1879. $n einem ge*
wiffen ©inn bin audf) idf) gu bem ©tanbpuntt ber ^mmauenj, beft in
jebem 3WenfdEjeu fdjlafeuben ©otteö, gelangt, ©ietye meine 33etrad^
tungen oom 10. unb 31. Quli b. 3- — Stber ift eö nidf)t aufrichtiger,
biefen ©tanbpunft Sltljeismus ju nennen — ftatt eckten Sßantljetemud,
ober fonlreten SRoniömuö. Um ben Verwirrungen burdj) bie Äunft*
fprad&e ju entgegen, wäre ftatt fonfreter SRontemuö ju benfen: 6xm
fjeit ber ©ubftanj. in mannigfaltigen, bem 3Bef en unb nidfjt bloß bem
©djeine nadf) üerfdfjiebenen $ormen. Diefe ©infjett in aßen Dingen
ift bei ßartmann wof)l ber unbewußte abfolute SBille. Diefen für
ein (Stwaä ju galten, wirb wo^l nur innerhalb einer f leinen ©$ule
gefdfjefjen formen; allgemeingültig wirb ber unbewußte SBiUe ein
ijöljernes ©ifen bleiben, ber inö. 3lbfolute überfefct niit unfrer fon*
freten Sßelt nidjt meljr in 3 u f amt "cn^ang treten lann. — 3$ untere
fd&eibe aber Dbjefte unb objeftunerte Delationen. $(f) glaube nid)t
an bie 3Wineroa, wenn idfj gleidf) bie 2Betöljeit jur ^öcbften ©eltung
— 41 —
bringen möchte. 3ft nun nidfjt ©Ott eine Delation — bie nadfj Softes w Gott eine
glüdUic^er äfoöbrudteweife, bie ^bc^fte ©eltung f>at, aber ni$t epiftiert,
ate befonbereö ©ubjeft ober ald »eftanbteil atter Subjefte? Die ^afifc
gefefce gelten, wenn audfj nid&t* gefallen fein follte; fie f in b nid&t.
3ft nun ©Ott ein ©efamtgefefe be* Dafeind, bad au« ber 2Belt ab-
{tariert werben tann / nirf)t fowo&l ato it>r medfjanifdfjer Urgrunb,
fonbern ate tyr anjuftrebenbe* 3**1 — ift ^ e 9B*lt ^ öfi Unootts
tommene, mit bem ooüfommenen ©efe^, fo fann id) faum in bem
gewöhnlichen ©inne oon ©Ott fpredjen.
(1880).
1. 3an. — 2Bte oiel bleibt ju erforfd&en auf bem ber menfdj):
liefen Srtenntnid jugänglidf)en ©ebiet! aber o^ne p^pfifd^e arbeit unb
oljne p^9fifc|e SRtttel (offen fid) nur bie fogenannten Ijö&eren meta* o$ne »hwwe
p^ftfd^en fragen btöfutieren, unb beätyalb fd&weift ber ©eift immer ^mJäm 1
hinüber in bie unzugänglichen ©ebiete. — 2Beld&eä finb bie 93or= unttr ^ u * en -
bebingungen aller grfaljrung? auf biefe gfrage finbet Äant bie Sink
roorten, bie im ©ebiete ber abftraften SJorftettungen ©renjen gelegt
(laben :c. 3efct erft fteOen bie gorfdjer biefelbe grage auf bem ®e;
biete ber Äörperwelt. 2Beld&ed finb bie SBorbebingungen aller SBor=
fteüungen? SReroenfubftanj ift bie Antwort. 2luf$erf)alb biefer 3ufc aie*ew*nmbftanj
ftanj baft entfielen oon SBorftettungen, oon oorfä|lidj>en £anblungen &* »^Ä 1 ?.
unb pfod&ifdjjen ©mpfinbungen , anjuneljmen, ift eine mit aller <Sr=
fa^rung in SBiberftreit oerfefcenbe annähme. Die inbioibuelle ©ottyeit
unb Unfterblid&feit wirb mptyifdfj. Die inbioibuelle gretyeit unb bie
Jfartentwidfelung ber @emeinfd)aft ber 9leroenwefen ins Unenbltdfje,
finb ba* tl>atfädf)lid(je Sieftbttum. 3$ fabe bie Setoeife, bie $er$eu
fürjltd) im Äo&moö für bie pf^ftfefc Natur ber pfijdjifcben Vorgänge
gegeben, nid&t entfdjeibenb. &c fü^rt aM, weil jmifd&en SReij unb
3Ba^rne^mung 3*ü oerge^t, fo mufe bie 3ieroenbaf)n oon einer $e=
roegung burdfjlaufen werben, mit inbioibueH oariablem Söiberftanbe —
femer weil bei jeber ©inneöroafjrnefjmung im ©etyirn tarnte enfc
bunben wirb, bie nur oon Bewegung fjerrityren fann, fo ift audf) biefe
im 3wtrum bes 9teroenft)ftemä ftetö oon molefularen Bewegungen
— 42 —
**« &ncn tft *ü bewirft. Xie Folgerung : pf pdufdje Srnpfinbungen unb *unftionen
flhnr^nbimfl ei« itnb eine ärt Seioegung pon 9?eroenmo(ete(n — folgt aber nid>t! —
%tnnw>uuin. alle (Sigenfdjaften finb JReaftionen, gelten alfo nidbt an
fidj! 35as tft ein Safc, auf ben idj fomme. — £ie ftdb felbft roafyu
neipnenbe Bewegung ift eine ganj bef onbere 9trt ber Bewegung unb
Amirrtinj* moljnt tueUeidjt nur einer einjelnen centralen 3 e ^e bei. gm 8ilb
frnuaittiu. ift eine befonbers georbnete Seroegung — eine 3 e " e / We, fobalb fte
erf füttert wirb, immer roieber basfelbe gjifo vorjtttit, ifi ein ©e~
bädjjtniselement.
xu 5*^ burdj 22. 3uni. — 3ln ftant benfe iä) jurücf. 2>ie ftreibeit, als
te bf»idm UI18 ^ßofhitat ber praftifdjen Vernunft grünbet ftd^ auf bas Sd>ulbgefüf)I.
3df> benfe, man fann birefter baju fommen. £abe idj erft erfannt,
baß es ein Sßiffen gar nidf)t gibt, bem nidjjt Xbftrafttonen aus ber
Stmtenmelt beigemifdjt finb, — audf) feine ©renjen im SRaum, in ber
3eit, feine ftaufalitäts^olfle, wenn ntdfjt ju ber anläge in ber ©etfies-
ftruftur eine ßmpfinbung, bie fjineinpaftt, in ber grfaljrung funju;
fommt, femer ^abe idj erfannt, bafj SBaljrnefjmungen mdjt
tauften, fonbern Sleaftionen unbefannter ^ßotenjen ftnb, an benen aber
audf) gar nichts ju erfennen ifi, als eben biefe Sleaftionen, audf) ba§
es SDHttel gibt, s $f)antaSmen (Steaftionen oon alten Sieijen) oon gegen=
roärtigen ^Jotenjen ju unterfd&eiben (unbeirrbare Jolge unb £aftftnn!); —
fo ift bie aus ber ©rfafjrung queffenbe ©rfenntnis ebenfo ftdfjer, als
bie aus ben t>ermeintlidf)en UroorauSfefcungen. 33ei ber Xierfeele
fomme icf) ju SBafjrncfjmungen, bie üon ber medjjanifdjen ÄaufaKtät
fid& nidjjt redfjt erflären laffen. 3d& nefyme in mir bas 33erantu)ortlidf)feitös
gefügt roaljr. Dljne JJrci^cit wäre es ein £rug. 2)as ÄaufalitätS-
gefefe ift unbebingt gültig für med&anifdfje Äaufalttät. Stber in ben
3entren bes 9ten>enft)ftems gibt es pofttto bie ©mpftnbung, bag biefes
©efefc nidfjt affgemein gültig ift. S)er freie SBiffe ift burdf) bie ©mpftnbung
benriefen, unb er unterliegt ber Äaufalität nid&t, weil biefe oon nen>en~
tofen SBefen abftraljiert ift unb eine 2Inraenbung auf alles nid)t geftattet,
ba es ein Sdfjulbbenmjjtfein gibt. —
5«ten©incn legen 19. 3lug. — 5RadE)trägli(I) über ben freien äßiffen; ift es tootjl
weroemöViTbei. ©öfcenbilbung, wenn idf) bie Sßifffür unbefeelten ©egenftänben beilege.
3$ empfinbe bie SBillfür einjig unb allein in mir felbft, aber idfj
fann fie Vieren unb 9Jienfdf)en betlegen, weil iü) an iljnen 9Rienen
unb Seroegungen nja^rne^me, bie bei mir felbft beftänbig in 3ufatnmen=
fjang mit ber SBiHfürempfinbung auftreten. 3Iuf inbuftioe SBeife
gelange id) ba^in, allen mit 9ieroen begabten SBefen me^r ober
weniger SBifffür betjulegen. 3tujser^alb ber DJerüenfubftanj jenes
— 43 —
unbegreifliche SBefen, bas feine Sewegungen fül)lt, SBiHen anjunetymen,
ift, wie wenn Äinber tum einem Rapier fagen, es (ief vom 5Cifd^
herunter. —
Äommt bas offen com junger ober ber junger oom ßffen sie enttoidetung
beim SReugebornen ? 9tuf biefe 5 ra 9 e antwortete 3Wat&. ©bleiben, ÄeTwaMnU
erft gewönne bie SDlutter bem (Säugling bas 6ffen an. Kommt bas n ° 9e toar "
©efjen oom äuge, ober bas äuge, entfielt es erft burdf) bas ©eljen?
oo würbe meHeid^t bie grage i ur ©inmütigfeit führen. Senn ba
bas äuge bie äJorbebingung war, um ju feigen, fo fonnte fein Seijen
oljne äuge ein äuge erzeugen. 3)ennodf) gibt es breierlei mögliche
antworten. 1. ©ott machte bas äuge, bamit ber 2Renf<$ fefjen foD.
2. 3)urdj ©trebung jum ©eljen entftanb bas äuge. 3. SBeil man
äugen l>at, ftefjt man. Sie lefcte änttoort allein ift bie richtige unb
fdfjliefct bie (Sntwicfelung nicftt aus. 3Wag immerhin ein rotes ^ünft=
djen bie erfte ftorm f^ n / öu * &** fid) burdj unenblidfje Sransforma*
tionen bas funftooQe äuge tyerausgebilbet tyat, bie anläge ju biefem
Sßünftd&en mufete ber ©mpfängtidfjfeit für ben £idf)treij unb bem ©treben
jum ©eljen oorljergeljen. 3)ie Gntwidfelung bringt nur ans ßidfjt,
roas in ber anläge enthalten, — fie ift wefentlidfj ein anaftjtifdjer
^rojefj. —
23. äug. — ^ppot^efeu gibt es, bie ju ©ntbeefungen führen, ©erwe*™
3- 85. bie ^ppotljefe, bafj anftedenbe ftranfyeiten tum mifroffopifdfjen loielUaKier
Organismen fierrüfjren, gehört baljin. 3)abei ift ed nüfelidj gewefen,
nidjt oon einem unbegrenzten ?ßolt)morpf)ismus ber ©paltpilje ober
Safterien ausjugeljen, fonbern fefte Spezies anjunefimen, bis bas
©egenteil bemiefen. ^afteur fjat, tum feiner ßppotbefe ausgeljenb,
entbedt, wie man Sier unb SBein auf längere 3eit faltbar madf)t, —
wie ber SJliljbranb ftd& burdfj SHegenwürmer fortpflanst, inbem bie
SWitjbranbbafteribie nie aus einer anbren ärt entfielt ; — ic. . . .
Sie ßtjpot&efe, bafc bie geiftigen gamftionen bes 3)lenfd)en an Organe
ber SReroenfubftanj gebunben ftnb, ift fruchtbarer als bie £t>potljefc
einer leiblofen ©eele. 2Wunf in 33erlin finbet burd) SBioifeftionen an
£unben, bafc jebem äuge eine Setifpljäre in ber ©rofcljirnrinbe ent=
fprid&t, bie ber jentrale ©ift aller ©el)maf)rnef)mungen ift, barin bie
demente ^omolog ben 9tetinaelementeu georbnet finb. £er ©teile
bes bireften ©eljens ber Retina entfpridfjt ein großer unb jentrafer «Seiten
Xeil ber ©e^fp^äre; oon biefem £eil werben mittelbar anbers geartete '?£nfl ntf
Elemente erregt, bie $orftellungsefemente ju nennen finb, — mit blei-
bender grregung. $as finb bie Srinneruugsbilber, bie bei gegebener
93eranfaffung in bie SBafjmeljmung wieber eintreten. 9Runf f df)liefjt
— 44 —
au$ bem Sdfjroinben ber ©rinnerungabüber na* Abtragung bet jem
traten ©egenb ber Sebfpljäre unb <m$ i^rer allmählichen SReftitution,
foroeit bic periphere ©egenb unoerlefct blieb, bafc überall neben ben
2Babrnebmung*elementen audjj SSorfteflungfcelemente in ber ©e^fpljäre
belegen, in benen bie Silber latent aufbewahrt bleiben. Sollten bie
äBa^melpnungdelemente nid&t oljne bie ©ippotfjefe tum anbei* gearteten
33orftelhmgäelementen genügen? 2)ie gegenwärtige ©efidfjt&erregung
präoaliert, fie ift bie fräftigere. %m Traume feljlt fie unb bann
treten bie latenten, früher erfolgten Erregungen in bie äufmerf*
famfeit, — wie SDhmf baö Senforium nennt, mit bem 3 u f a & —
bie äufmerffamfeit ift bem 28 e Jen nadj oodftänbig unbefannt. Statt
Senforium würbe id& fagen bie fidf) felbft ma^me^menbe
©nergie, fte^e 15. äpril unb 23. 2Rai 1878. 3n biefe tritt, roürbe
idfj mit SBerüdfftcbttgung ber neuen SRunfföen Unterfud&ungen fagen,
ber jurüdfgeroorfene £eil ber ©efidjjtöerregung , bamm ein anbrer
Seil aber ald Spannfraft in bem 2Bal)rnebmungäelement Derbleibt. —
sBcfcn bet 6«ic. £tjp ot^ettf dje Seel enoorflellungen: Sie Seele ift eine
fidf) felbft roa^rne^menbe unb in geroiffen ®renjen ftd& frei mobifu
jierenbe Energie; — ober, baöfelbe räumlich audgebrüdft: fie ift ein
fidf> füljlenbes unb rooUenbeä SBibrationöelement. ©ine ftugef, beren
SLUbrationen burdd ©inbrüde mobifijiert werben, fann aerfmnltdfjen.
$!aö SBibrationäelement fann unenblidf) oiele ©eftalten annehmen,
bur$ ©inbrüdfe oon aufyn, bie aud) jurüdprallenbe innere Hebungen
fein fönnen, unb burdf) innerliche freie Strebungen.
19. Dft. — ©elefen fyabe idf> ben fdjönen Vortrag oon $ittel
^aiQoutoioflitter „über arbeit unb ^ ort f^ rirt im SBeltatt." — 3>ie Paläontologen
opitmumu«. p n ^ ^^ ^ ct ggfl^^^g ergriffen, bafc nid&t nur „Stoff unb Äraft"
baö Sleibenbe im 33ergänglidf>en ift, fonbern ber gortfd&ritt. 2Bir
baben empirifdf) für unfern Planeten ben Seroeid, baß feit ben unoor
benflid^ften 3^^en bte Jefet eine Sdfjraube burdj unfre äBelt gebt, bie
fid) trofc geroiffer Sd&roanfungen nie jurüdgebrebt b^t. Ser ^ßefftmiös
muö mag in $f)üofopfne, uTfteoIogie unb Spoefie fidf) nid>t oollftänbig
überroinben laffen, bie Paläontologie fü^rt tyn, roenigftenä für unfer
Öeobadjtungöfelb, ad absurdum.
17. 9too. — ©ö bilbet ftdfj meine Slnfid^t oon ber 9totur ber
Seele langfam roeiter a\i$. £ad ©igentfimlidbfte baran bleibt bie
©elbftroabme^mung. 2>iefe fpredf)en roir entfd^ieben ben tbnenben,
leud&tenben ober irgenbroie anbers oibrierenben Äörpern ab. Sollten
fidfj Saufenbe oon Söellen in einem fünfte audb freujen, remitieren
unb reperfutieren, eine fidf) felbft roabmebmenbe Seroegung roirb efc
— 45 —
nid&t. 3 uer f* erfahren wir nur in und felbft etwas oon bem Soor*
^anbenfetn eine* empftnbenben SBefenS. 35en äWitmenfd&en unb in
xriel geringerem ®rabe ben Vieren legen wir eine äfjnlidfie Seele bei,
weil fte eine golge von Bewegungen machen, wie wir fie felbft bei
befttmmten (Smpftnbungen uoßfüljren. — 3ft einmal ber ftnoten burdfc
fernen, unb l>aben wir bie ftdfj felbft empfmbenbe Subfianj ange-
nommen, fo ift es nidf)t mefjr etwas Stbf onberlidfjes , bafür nid)t blofe
eine qualitative, fonbern audjj eine quantitative SöaJjrnefymmg er-
faljrungSgemäfe ju ftatitieren. Sie Seele benfe icij mir als ein
Hügeld^en biefer eigentümlichen ©mpfinbungsfubftanj, oon beftimmter
Vibration; — bie SBeränberung in bem Quantum unb in ber $orm
bes von iljr erfüllten JRaumeS wirb fofort empfunben. 2)a bie
Gmpftnbung ftaum erfüllt, — 3*ü beanfprudfjt, — Urfad&en wahrnimmt,
fo wirb fte nidjts waljrnelfmen ober auffaffen tonnen, was biefen formen
bes änfdjjauens unb ©enfens nidfjt unterliegt; — j. 8. ber erfüllte
9Raum fann oeränbert werben burdf) SBerbrängung, inbem anbres ben
Waum erfüllt, nidfjt burdf) bie 3«t. Sie 3 e ü f°nn ™fy & urc & Stoum-
förper, fonbem burdfj ©reigniffe abgefd&nitten ober beanfprud^t wer ;
ben, — bie erjeugenbe Äraft wirft jwar in Staum unb 3^, aber
9iaum unb 3*ü ffl* fidE) finb feine betoegenben Urfad&en; — b. i).
SRäumlidjjes wirft auf SRaum unb 3 e üttdf)e3 auf 3 e ^- SBenn etwas
auf bie räumlidje ©mpftnbung ber Seele wirft, fo mufc es felbft räumlidfj
fein, u. f. w. — 3)ie Seele, um meine 2lnfdf>auung anjubeuten, ift
ein vtbrierenbes Äörperd&en, bas feine Vibrationen empfinbet; bie ge-
ringften Sluftenfräfte, bie herantreten, änbern bie Vibrationen ab.
2Bas fie räumlidjj abänbert, ift 9taum erfüQenb, was fie jeitlid^ be=
einfluftt, 3^ einne^menb, — was fie intenfio oeränbert, eine urfa<$=
lidfje Äraft. — £>er Seele felbft gehört ifjre ^orm bes $)enfens unb
3lnfdf)auen$ an unb fie überträgt biefelbe auf bie ©rfdfjetnungen.
ätber bas ©rfdfjeinenbe mu§ felbft gleichfalls räumltdf), jeitlidj) unb
faufat fein, um auf bie Seele wirfen ju fönnen. Seine Sieaftionen
auf bie Seele bilben bie Grfd&einungswelt, bie aber an bem ©ewölbe
ber ßtmrinbe refleftiert unb wiebertjolt reoerberiert, bafelbft Spann-
fräfte fpnterlä&t. äBenn biefe wieber bie Seele affijieren, fommt es
ju erinnerungöbilbern. Slnbre ßigenfd&aften , als biefe 9teaftionen,
fönnen bie äfofcenbinge gar nid)t Ijaben. älbgefeljen von biefen ©igen=
fd&aften finb es leere Sßotenjen, ntd^t aber reale SSefen. 2)ie 2lufeen=
weit fyat Realität, ift wie fie erfdjetnt, bie Seele ift ein ttörperdben
befonberer Slrt, ber SRaum unb bie 3^it o^nc ©renjen finb eim
geborene ^ ormen > bk ©renjen finb aber von ber Utaumerfüllung
— 46 —
unb oou ben Segebenfjeiteu abftraljiert, nidfjt aber mit bem SRaum
fd)ou gegeben. Datier finb bie 9lntinomieu Äantö feine öeroeife gegen
bie 9iealität oon 3t\t unb 9laum. 3Mefe 2tnbeutungen fixieren meine
augenblitflicfjen Slnfdiauungen. — 2)aö ftörperdjen, genannt Seele,
wirb, gleid) allem Körperlichen, eroigen Umfefcungen o^ne oöllige 33er=
mdfjtung unterliegen. 2>aö aufgeben beafelben ift eine Siebet
empfinbung; beim £obe, 31t bem ©roigen. Stur bie Siebe weifet
unfre ßmpfinbung auf baö, unfer 3^1^ 6 Ueberbauembe $in; bie
grofte ©djraube, bie fidf) immer nur oorroärtö breljt unb bie alles jum
xit siebe »«Jet Öefferen liebt, ift ©egenftanb unfrer mtjftifdjen fiiebeöempfinbung.
toiee. gg. r ^ beteiligt in bem eroigen ^fortfrf>ritt. — ©in fd&öpferifd&e*
SBirfen brauet nidf)t ein erfennenbes ju fein. (Ss fönnte einen blinben
©dfjöpfer geben. 3lber eö gibt roaljrfdfjeinlidfj fein 2)enfen, bad Körper
fd&affen fönnte. Die 9)iaterie ift eroig unb ballt fidf) jufammen nadf)
©efefcen unb bringt ein Söeltganjeö mit fteigenber ©emeinfd&aft fjeruor.
?J|W»ropfttB (1881). ■
«ct)ierun fl « 28. SHärj. — 3>er ciufod^fte Sluöbrucf für ben &auptfafe meiner
ftünHnV " erfenntniötf)eoretifd)en 2lbroeicf}ung von Kant, fann in folgenber Sßeife
ttuffaffung t»on _ ,
Kaum unb 3«t. geformt werben :
2Ba$ ber 9laum umgrenjt, fann nichts anbreö fein, alz bie 2lusk
füttung bes 3taumcö, ba ber 9taum felbft nid^t SJaumgreujen fyabexi
fann, b. \). eine ©renje, bafjinter ber Staunt aufhört, ift unmöglich
ebenfo mit ber 3^t. ©ie felbft l)ört nie auf, unb fängt nie an,
aber roaö bie $eit erfüllt, baö ©reigniö allerbingö. Daraus folgt
aber, baft begrettjte SRäume unb 3 c ü eu / unb raumseitlidfje (Einheiten,
xte Kaumstenicii von bem 2Waterial abftraljiert finb, bau ben SRaum unb bie 3 c *t
uSfftantanmSni 1 ; empirif^ erfüllet, unb ba^er nid)t a priori auö ber 2lnfdfjauung uon
10n S)tun8 cr 3 e ^ un ^ 9toum folgen, roie Kant glaubte. 9Jtatf)ematif ift aber bann
aimrabtert. ^.^ e j ne gg^^^ rein a priori, fonbern fie fombiniert bie ur~
watbemat« bai)« fprünglid^en ©eifteeanlagen für SRaum unb 3 e ^ mit ben au$ ber @r~
m4t a pnon. f a fj run g gefdjöpften 2tbftraftionen, ben ©renken ber (Stoffe unb @reig~
niffc. SBenn bie Dinge bie ©renjoorfteHungen im Raum perurfad&en,
xa* soriicacn tft fo ift iljr 2Birfen räumlich , ebenfo roie bie s JJatur beö SSorftellenö
taumti*. r äumlic^ ift. Daö oorftellenbe 3$ ift a priori raumjeitlidf), unb
— 47 —
bas oorgeftellte 3$ ift cd in berfelben SBetfe, wie alle oorgeftellten
2>ingc. 25ie SRaumjeitlid&feit f ommt bafjer ben fingen an fidfj ju, a>a« xin fl an n«.
;u tyrem Sfoffajfen unb ju tyrem Slufgefafjtroerben. $aö £)ing an
jty ift überhaupt eine, blofe ©eltung, aber nidjt Dafein Ijabenbe
Slbftraftion , ba ade ©igenfdjjaften Jteaftionen auf ein anbreö, alfo
Delationen finb, unb bad 35ing oljue ©igenfdfjaften eine nidfjt t>oll=
jtänbige Sorfieflung, o^ne 3)afein, wäre. —
29. Stug. — $on SRieljfä Äritijidmuö fjabe idfj bxt erfte Abteilung beö «mi mutu
jroeiten Sanbed flüchtig burd&gelef en , mit großer 3uftitnmung. dlux **** xmü *-
glaube icfc, baft weitete Aufarbeitung iljn 511 einer flareren unb fürjeren
ähiffajfung von SRaum unb 3 e ü führen wirb. ©d ift ba bisher
immer jtoeierlei burdfjeinanber geworfen. ©inmal finb $tit
unb 3taum nichts anbreö, als ber allgemeine ©dfjauplafc
unfrer SBaljrne^mungen. Dfjne ©dfjauplafc fein ©df)aufpiel. $n=
fofern fönnen SRaum unb 3 e ü ben 2Baljrnel)mungen ntdfjt nad&träglidfj
entnommen werben, ©ie finb urfprünglid) im 2Baf)rnef)menben aU
Anlage ju aller Sfofdfjauung ober wie Äant fagt, ald $orm oor=
fjanben. «3ft baö SKnfd&auenbe, wie icf) annehme, felbft in SRaum unb
Seit ein ©inigungöort, auögejeidfjnet oor allem, toad fonft ben SRaum
füllt, burdj) bie Sefctyigung jebe Semegung (Sebung) in ©mpfinbung
umjufefcen, fo ift eö mit SRaum^ unb 3ritiDa^me^mungen anberft and)
unmöglich S5enn in jeber Bewegung ift 9taum unb 3 e ü toefentltcf)
enthalten, unb empfunbene ^Bewegung ift 2lnfdfjauung, bie alfo in bem
Safprnetymenben Kaum unb 3 C ^ unmittelbar empfinben läfct. ©in
gan; anbreö finb aber bie ©renjen in 3laum unb $txt ®* e fwd>
Slbftrafta oon Äörpern unb ©reigniffen, unb ber 5ßunft toeber in 3*ü
ober SRaum fann felbftänbig eyiftieren (bie Sinie ift bie ©reuje jroeier
ftlädjen, — bie glädje bie ©renje jioeier fidj berüfjrenber Störper, —
ber 3ri*punft bie ©renje jnrifdEjen jtoei ©reigniffen). 2)er begrenjte
Raum ift bie abftrafte Äörperform, beweglich gleich bem Äörper, —
feljr oerfdfjieben oon bem SRaum als allgemeinem ©dEjauplafc aller
möglichen Sfafdjauung, ber toeber toeggebadfjt , nodf) fjinjugeba^t
werben fann, in meinem baljer roeber ©renken nod) Stiftungen 311
unterfdjeiben finb. 2>ic Äörper finb ntd^t SRaum, aber nehmen 9iaum
ein unb mad&en erft Unterfdf)iebe im SRaum. — ©ef)r gut finb bei
3tief)l auseinanbergefefct bie ©rünbc, bie u\i& jur ©rfenntniö jioingen, etuff fann nt*t
bafe baö Duantum oon (Stoff unb Äraft ein unoeränberlidjeö ift, — auBft Sin! tIt,kt
töe^monbt Webe.
— 48 —
unb bafj für bie Straft bie qualitativen Unterfdtfebe nur quo ber
£ranöformation beäfefben Duale ^eroorge^en, wogegen ber Stoff mdjt
rebujierbare Unterfd&iebe ber SJefdfniffenfjeit aufweifet, ©er SBerfudj,
ben Stoff atö ber ftraft absuleiten, fel>rt bie oernfinftige Crbnung
um. Gfc folgt auö btefer ©etTad&tung, tote eigentlidfj gtortfdfcitt, 3n-
tercffe, Sd&önljeit, ®efe| u. bergt, nur in ben Vertyältniffen beft ge=
©ott ift eine gebenen Stoff- unb Äraftquantums ber SBelt mögtidfj ift. @ott ift
fein Stoff, fonbern bas ooßfommenfte Verhältnis, bem bie 2Belt=
beftanbteile juftreben. —
.*>» ® oi !r. 18. Sept. — Die afabemtfdf)e Siebe oon $u 83ois=9letjmonb „über
bie fteben SBelträtfel" fönnte nid^t weniger padfenb wtrfen, als bie
Seipjiger SWebc mit bem „ignorabimus*. 9Ran mufc im allgemeinen
bie £enbenj ber 9?aturforfdf)er, t>or gewiffen Siätfctn jtdf) ju befd&eiben,
billigen.
28. Sept. — ©u SBoiSsSiepmonb fcat mit feiner Siebe „über bie
fieben 2Belträtfel" nid&t allein einige ^ßfjilofopljen, fonbern auä) einige
iftaturforfdfjer unwillig gemadfjt. Sie urteilen, er fjabe als üReuigfeit
unb ungeheure SBa^r^eit aufgetifdfjt, was für ben Äenner abgeftanbenc
®inge finb. @r wollte aber oon ewigen ^Problemen fpredfjen, bie
weber neu nodf) abgeftanben fein fönnen.
10. Dft. — 9Kit jebem SWenfdjjenfmbe tritt ein SBUbungSgefefc
eigenartig in bie SBelt, baß ift meine Ueberjeugung, wie es trofc ber
Vererbungen nie ba gewefen ift unb nie wieberfefjren wirb. 3>iefe
Ueberjeugung mag mir aus ber Sefd^äfttgung mit ber Paläontologie
erwadfjfen fein, wo bie Stimmermieberfeljr ber ausgeflogenen formen
ein @rfaljrungstef)rfa& geworben. Sin ein oergeblidfjes ©afein glaube
i$ nidjt, ba an Stelle ber ba^ingegangenen SBelten immer §öf)er
ftetyenbe getreten finb. 3lber warum äff biefe Surd&gänge, unb warum
nid&t oon änfang an bie Vottenbung? — Darüber fdfjweigt bie !Ratur=
forfd&ung. Sie SRenfdfjenfinber werben woljl audfj anfteigenbe, fid>
gegenfeitig uorbereitenbe Steigen bilben. Slber burdj mannigfache
Senkungen füljrt ber 2Beg jur £öf)e unb in mand&em Setradfjt mögen
wir wofjl gegenwärtig eine Senfung burdErf dfireiten , benn es fdfjeint
eine $eit angebrodfjen ju fein, in ber bie nationalen ©egenfäfce, bie
bas G^riftentum milberte unb abf dfjmäclite , oerfdjärft wieber ljeroor=
treten. ®ie geologifdjjen ,3eiträume fommen mir wotjl im Vergleich
SU ben 3 e üräumen ber menfdftfidjen ©efd)idf)te t>or, wie irbtfd&e ®nt=
femungen ju benjenigen ber ^firfternc, bie feine iparallaye ergeben
unb baljer audj feinen 9Kaftftab. $odj foweit bie ©rfaljrung reicht,
fefet ber gortfdjritt, trofc seitweiliger Störung unb Verarmung, immer
— 49 —
toieber ein. Sie einjclcfiftenj f>at cö freiließ in foldjen ftrifen fdfjroer,
fid) mit bem „Äantifd&en Steige ber %mdi" ju tröften , eine anbre
(jarmonifdie Sluffaffung bürfte iljr aber nid&t Derbleiben.
Iriiaimt (1881).
22. 3Kai. — Sienet ber Söafjrfjeit, unb in jroeiter Steige, bem»otanemjonman
jogeuannten Crbau(i«en in ber Religion. Severe* fann bie ®mpfin, *3S? X
bungen fräftigeu, bie falfd&en fo gut wie bie nötigen. Sradfjte ba^er
oor allem nadj ber ©rfenntniö, bie baö ftalfdfje ju untertreiben letyrt!
Tann erft wirb Rir<f>e, £ijmnus unb &tbtt gut nrirfen. —
4. Quni. — 3$ fomme auf ben ©ebanfen jurücf, maö eigentlich
bie Religion ber menfdhlidben ©efettfdbaft ©tqenartiqeö, burefi anbre «eiigton unb
m -a ir - t- * • L:^ kJr-Ä A Q «s- <™ 4 w c Äuntf. Siebe baju
XJorftelhmgägebiete nie ju ©rjefeenbeö teiltet? Sie SBetrie ber großeni9.Jwarju.3.a>ea.
fiebenöafte, ©eburt, 6f)e, £ob, ift in erfter SWeifje gewiß anjufüljren,
baö fann nid&t burdf) 2öiffenfd&aft, ©rfenntniö gef<f>el)en. Sie Ijat mit
folgen ©elegenljeüögefdjäften nidf)tö ju Raffen. Sagegen ift bie ftunji
boju immer in SSerroenbung geroefen. Sie äft^etifd^e Seite ber SRelk
flton ift in ber Stjeorie ju wenig anerfannt. Oljne Sieligion fann
ftd) bie SBiffenfdfjaft in ber menfd&lid&en ©efettfdbaft Dottftänbig ent=
falten, aber bie Äunft roofil nidfjt. Saljer, jur SSerfdEjönerung be§ s>te äuhu rann
Sebenä, ift bem fdfjönen ©efdjledfjt bie Religion unentbehrlicher als bem b^tben.
unfeijönen. Satyer fonnte bie mtjttjologifd&e Religion trofc atter 2fl>-
9efdjmacftl)eiten unb Irrtümer fo lange bei ©riedfjen unb SRömem fidfj
behaupten. —
Sie dfjriftlidfje Religion ift tiefer poetifdf)! 3iun bie 2lbfurbität
ifjrer ©nmblagen ber ©tfjönljeitaempfmbung 2lbbrudf) getfjan, im ©eifte
ber £od&gebilbeten roenigftens, fommt fie in Verfall. 316er, roas an
bie Stelle treten foff, muß nidjt nur reiner oon %abd unb 2lber*
glauben, — es muß poetifdjer, ober menigftens ebenfo poetifdf), — » wim*
t)on ben ©rajien umfdfjroebt fein, als bie dfjriftlid&e Äirdfje. 93isber ttefti^WaiS
tetjlt je ber Stnlafc baju.
15. 3uni. — Sßrofeffor $rof)fdf)ammer fjat mir feine Schrift über frmox
bie ^rinjipien bes 2triftoteles jugefdEjidft. ©leidf) beim ©ingange regt
e$ tnidfj jur Stetrifion meiner ^rinjipien an, unb idf) fann mir nidfjt
oer^len, baß id& mit bem 3llter einer 3lrt 3Jlaterialiömuö oiel näher ®ai*ttctwtTb
Vnl ben Zagebuftbt&ttent bei Örafen H. ftegferting. 4
— 50 —
rüde. 3 n >ii4> en 8nfd>auung — b. tj. ftonflift be* ßmpftnbenben mit
bcr äu&emoelt — unb blo&cm Genien erweitert fid) bic Äluft. Seele,
fBe^fdbcT ©ott, unb alle 3been Meftr Crbnung fönnen träume fein, fo febr
**"£!* * wedjfelt bic ©eftalt biefer SJorftelhmgen, fo fe^r treten fie juweilen
3?« *naiogü, ba juriid, ate wären fte au jjer uns nid>t oor^anben; bie Seljarrltd&feit
jbttfoittt* ftdKn, wotjnt bem ftnnlid) Sßaljrnefjmbaren in ^öfterem ©rabe ein, unb biefe
uerleifjt ber Ataufalttät bie geforberte Kontinuität, ^m £raum reißen
bie ftaufalreityen in ber 93orfiettung ab unb werben oon Stebenreiljen
perbrängt, eö gibt nur Succefjion unb 2lff ociation , Grflufion unb
£iff ociation. So ift e£ au<$ mit allen 3been, bie nidf)t auf 3?er^ält-
nijfe jwifdfjen 3nfd)aultcftem befdfjränft bleiben. Sie gelten, aber
ftaben feinen Sinn. ©3 feftlt iljnen alle gegenftänblidje 2Birflidf)feit
unb nidjjtö unterfdfjeibet fte x>on bloßen &irngefpinften.
«Hnwtbfr 21. 3u(i. — 2)ie SBaljrljeit ift nur eine, unb eö gibt weber
fBa'brviTfeine"' dfjriftlid&e nodfj mofjammebanifd&e u. f. w. 9Baf>rl>eiten. 3>ad fpejififd)
©jriftlicfte ift eine aufeerfjatb bea ftreifes ber 28al)rf}eiten liegenbe 3«=
tfyat. — (S^riftüd^e £ugenben nrirb es raobl ebenfowemg geben. Gift-
lidfjfeit l>at mit ber ftonfefjton feine notroenbige SBerbinbung. 2Ba$
bie £ugenb ber 2Ba^rl)eit nid)t tyat, n>irb aud) bie waljre Sugenb
nid&t Ijaben. Das ÄonfefftoneHe wirft aufcerorbentlidfj Ijemmenb auf
bie @rfenntnis unb auf bie 2Roral ber 3Wenf<f>en.
*>a* fiHUdjt 27. 3uK. — 2)as aSertrauen, ba§ es eine Außenwelt gibt, ab;
berÄnnofen«, S? gefefyen t)on meiner £f)ätigfeit unb ba§ idf) fie fo waftrneljme, wie fte
Me wttSmWen wirflidf) ift, — ba£ es mithin 2Ritmenfdf)en gibt unb baft idfj nid&t mit
ffiidjtigen Slenbwerfen ju tljun Ijabe, — follte nidfjt bloß ein intetlef-
tueHes ^ntereffe erregen. Gs follte beftimmenb roirfen auf bas fitt-
lidfje £anbeln bes 9Jtenf<$en. Der flüchtige ®enu$ bliebe ja bic
einsige Aufgabe, wenn idf) bodf) in einer Xäuf<l>ungsmafdf)ine eingefperrt
bleibe unb bie $>inge aufcer mir ganj anbers finb, als fie mir er-
fdfjeinen ober gar nidfit ftnb. Slber ber ältere ^\6)tt f jenes große $d),
ber ungefähr fo lehrte, als märe bie 9öelt nur bas Grjeugnis be*
eigenen Weiftes, mar weit entfernt baoon, epifureifdjje Sdjfüjfe aus
feiner @rfenntnistt)eorie ju jiefjen. — 3lm ßnbe ift bie 9Koral uon
ben pljilofopfjifd&en Spftemen, ju benen fidf) bie 3Renfcften bef ernten,
ebenfo unabhängig alö oon ben Religionen. —
Pro memoria IL
15. ©ftfo&er 1881.
(Einteilung.
Xeifenfc in oas ^CnBeftannfe Mirfen Jic$ nic$f jur &u$e fegen, Bevor pc
tfre 3Segegniffe tmo 3tefTexionen oarü&er iägfid? aufzeichnet §aBen. 3eber iß ein
Xeifen&er in* SfcnBefiannfe oe$ forgenoen STage*. Uerfrttnoe er ?u f<$reiBen, foflTie
er es tiicff f$nn? — TRo}u? — $i($ feCBpi Rfarer yx werten, ß<$ aw$ jn per-
gRtigen, mögfic$ern>eife auc$ einen ttadjfofgen&en Xefer . . .
Tkefatfxxfä2V-&Klx$ion (1881).
ftonn>romi6 b« 9. 9too. — £ie 9taturforfdE)er fyabtn, gleid) iljren 3ttt0tnoffcn,
9iatu^or^« mit ^ afi ^^ ^ tx Meinungen getragen unb Jyrofjnbtenfte getyan bem totU
ften Aberglauben, teils willig, teils in ber -Kot. 2lls aidf^miften
unb 2lftrologen mußten fie fid> ßingang t>erfdf)affen in bie ©efeOU
fdfjaft, beoor fie als G^emifer unb 3lftronomen, wegen wirflid&en unb
nic^t blofc wegen eingebilbeten SRufcenä ju 33rot fommen tonnten*).
SöaS bie SJiaturforfd&er als f^road^e SWenfd^en getyan, bas Ijaben
fie getrau nidfjt wegen tyrer Söiffenfdfjaft, fonbern trog berfelben, unb
fo fjaben fie benu audf) bie trabitionellen religiöfen unb ftrdf)lid&en
a3orftellungen iljrer 3eü geartet, bie tljrem &erjen juweilen in jungen
Safjren öebürfnis geworben waren, ober mit benen fie, um ber SBiffen*
fd&aft ungeftört ober geförbert fidfj ju wibmen, glaubten in ^rieben
leben ju muffen.
a>«reii ß iöfe 2So inbes ber religiöfe Fanatismus ju mächtig wirb, fanu bie
un5?Ä« mit SRaturforfd^ung nidfjt geheimen, ^efct ift fie gepflegt in ben, religiöfer
^tttumiSn^aft. ^nbifferenj jugeneigten, proteftantifdfjen ober fatfjolifdfjen Sanben. ©infl
gebiet) fie unter bem bulbfam geworbenen arabifdjen ^ölam. Sieben
bem ^rotefiantismus ^aben bie ÜRaturforfcfier fiel) immer rufjig galten
fönnen, wenn auä) oorftefitig.
3Son ber Religion ber 3kturforfdf)cr ber ©egenwart möchte fid&
in ber Siegel fageu laffen, was ber 33reöfauer s J$rofeffor 6o^n in einer
Abtjanblung über ©oetfje als 23otanifer ( s Jhmbfd>au, $uli 1881 S. 55)
Reiiflion ©oet^e« fagt : „Seine SReligion : benn ©oetfjes $l)ifofopf)ie war nidf)t f owoljl
nad? co$n. c - n - n ^ aux ©ebanfenreilje fonfequent burdfjgearbeitetes ©pftem , fxe
war fjeroorgegangen aus bem etf)ifdf)en 33ebürfnis eines tief unb warm
*) Verlangte nod& in meinen 3finglincj3ja$ren, 3. ö. in 9Witau, baS $u6Kfum
einen Äatenber mit 2Beiterpropf>eaeiuncjen, unb ba eö feinen anbern gefauft $&tte,
fo biente i$m ber hochbegabte 3Jtat§emaii!er $aucfer, unb füllte genrijj babet, welche
befdjämenbe Solle iljm aufgebrungen mar.
— 53 —
empfinbenben ©emüts. Der große £eibe, nrie fie if>n nannten, ber
gegen alles ftonfeffionelle füt)l, ja ableljnenb fid^ tierfjieft, mar bodb
eine tief religiöfe Statur, bem felbft mpftifd&e Strebungen nidfjt fremb
waren. . . . Sitte naturn>iffenfdf)aftlid&en 2lbf)anblungen ©oetljes finb
burd>roef)t von biefem ©efüljt ber Sßietät gegenüber bem gefieimnis*
oollen Urgrunb aller Dinge; „es ift bas Ijödfrfte ©lud beä aWenfd&en,"
fagt er, „bas 6rforfdf)bare erforfd&t ju ^aben unb bas Unerforfd&te
in ßf)rfurdf)t ju oerefyren." —
Unter allen Staturforfd&ern, bie idf) perfönlicfi gefannt, unb ju «pcrfönti*e
jcber 3eit Ijat es ausnafjmsmeife einjefne x>on ftrenger firdf)li<$er Db* "iJugion £x te
feroanj gegeben, fann iä) nielleid&t nur ^rofeffor 2) , ben 9laturfor! * fr -
5|}^ftologen, nennen, ©jaft in i^rer SBiffenfdbaft, bewahren foldfje in
einem abgefonberten #irnfad(j bie firdfolid&en SJorftellungen, roa^rfd&eins
lidf) ganj fefi erftarrt. ©te Ijaben nidf)ts baräber ju fagen, aber galten
auf bie Erfüllung berfelben. (So mag es audfj ber verstorbene äJolfc,
Paläontologe in Strasburg gehalten fjaben, von bem idfj nernommen
Ijabe, baß er ein ftrammer ftirdfjengänger geroefen.) ^n ber Siegel,
ob es ©nglänber ober g* a ns f en / 3)eutfdf)e, Italiener ober SRuffen
finb, ben fiumoriftifd&en SSudflanb unb ben feurigen Sebgroidf nidf)t a» ottt»bicnft.
ausgenommen, fte alle mären lieber auf bas $elb ifjrer 2Biffenfdf)aft w" & nb &3E!
gegangen, fei es in bie Statur, an ben 2trbeitstif d>, ober in bie Samnu f «Sa $!§. ba *
Jungen, als in bie Äird&e, fobalb fie bie SBa^l gehabt Ratten. ®e=
rabeju fann auSgefprod&en werben, baß ben Siaturf orf df)em , fo t)icl
idj tyrer fennen gelernt, ein öebürfnis ju gottesbienftlidfjen $ar\fr
hingen in größerer ©emeinfdfjaft twHftänbig gefehlt fjat. —
Sollte fidfj bafür nidfjt ein legitimer ©runb in tyrer 33efdf)äftigung
finben? SBenn fie nadj) ben ©efefcen fudfjen, bie in ber 2Belt unab=
änberlid) fjerrfdfjen, wenn fie bie ^ßrobutte biefer eroigen ©efefte be-
obachten unb fammeln, im reinen ©ienfte ber Söafjrljeit, l)aben fie
ba nidfjt bas Gefühl, baß fie metjr bem ©roigen bienen, als in 0e=
fangen, 3lufjügen unb im 93e^erjigen ^eiliger Sieben? 2ßaS ift es in
ber tyat, roas ben 9taturforfdf)er locft, oon ber 2BeIt oerlaffen, feine
füllen Söege ju gefjen? -Diöge fidf) fpäter beimifdfjen allerlei Selbft=
gefübl, berechtigt unb unberechtigt ; mannigfaches Streben nadf) Stel ;
lungen, bie 33rot geben unb 3lnfet)en. ©rft mar es bocfe bie reine
Jreube an ber 2luffaffung unb an bem SBerftänbniS ber Staturförper
unb Staturprojeffe, bie iljn 50g. 9iidjt wie einem Sprobuft menfdf) 5
lidjer ftunft gegenüber fann er ba fritteln, es ift alles richtig, gerabe stmft.
fo roie es tft, — nid&t roie bei einem menfd)lidf)en ©reignis, bas nie QkWMtDiffen.
tmeberfeljrt unb bas, fo lange es frifdfr ift, oon ©erüdf)ten ocrunftaltet ^ aft '
— 54 —
unb faffdf) beurteilt wirb, mufe er auö unlauteren unb unftdfjeren
Sofumenten ein ^antaftebilb fidf> fd^affen. Stein , er fjat es mit
^aturtoiffcnf^aft. nrieberfjolbaren Seobadfjtungen unb ©fperimenten 31t tljun, unb auf
bem feften Soben beftänbig geprüfter SBafjrneljmungen , erbaut er
feine SBa&rljeiten. Siidfjt feine SSafjrljeiten, fonbern 3öal>rf)eiten, bie
ber ganjen SBeft gehören unb bie if>n in ©emeinfdfjaft ermatten, mit
©ememttafts. allem, ums benfen unb erlennen fann. „Söenn idf) fdfjreibe, Ijört bie
|1?i*e?» B ganje SBelt meine SBorte, fo fteHe idf) es mir oor," fagte einft G. ©.
von 33aer in meiner ©egenmart. 25a ift ©emeinfd&aft, ba ift ein
Genien an bas ©roige, ein Sefdfjeiben bei bem ©egebenen, eine @nt=
äufeerung von ber @igenfud&t, wie fie baö ©eroerbe unb baö gamilieu*
«unn unb 8öi«en. leben erforbern. 2Ber ber Äunft ober ber SBiffenfdfjaft lebt, wirb
aftßten© *• m ^ i mmcr e { nc gcioiffc SEBet^c empfinben, bie ifju über bie 9tot bes
ab«inbetgiatur-Sebenö ergebt unb tröftet. 2lber bem 9taturforfd)er wirb mef>r Jeftig 5
we^iJlniSwtbafeit oon aufcen geboten, er ge^t getrofter unb ergebener bafjin. ©ein
»fe£Ä n Ä rechter ©ottesbienft, baö mufe er füllen, ift nid&t in ber Äird&e unb
nidjt in ber ©emeinfamfeit tjon Stufjügen, mit £i<$td&eu unb Änie*
s^ei 9iatuTforj*et8 beugungen ju fudfjen. 2>aran mag fidf) aufridfjten unb läutern, roer
©ottrtiienf" bie 3Bodf>e über im ©taube um fein Safein gerungen, — ntdjt aber,
roer ade £age nadf) bem ©roigen geflaut unb für bie menfdfjlid&e (Sv*
fenntnis gearbeitet Ijat.
$« «uitus ift ein 2)er 91aturforfdjergemeinbe futb bie Äultuß^anblungen mit ifjrem
in 3?Müf bm großen 2lufroanbe für Sauten unb ©eiftlidftfeit SRcftc ber Dpfergebräudje,
92aturforf4cr. ^ c angeblidfj ^ityeren SBefen ein* äBofjlgefallen bereiten foUten. Sfut
wirb uidfjt meljr geopfert, aber Sebenstage nodf) immer oljne 6nbe
xenno^ fonn bie unb oiel Sebensunterljalt. £odf) weiterhin roirb fidf) melleid&t in biefer
unSb?nfl? f füVbm Unterfudfjung ein anbrer ©efidf)tspunft eröffnen, ber bie Unfird&lidjfeit
getteT^weflen ttic^t unbebingt für bie 9toturforfdf)er gelten (äffen fann. äud) ftc
beS a^S?^n rfitB bebürfen ber ©cf)önf)eit, um ber 2lrmut bes menfdfjlidfjen $5erfe^rö
sirrhjiwt unb gg^ JU ge f )Cn unb um ^ c fygfeit unb SRulje ju ftnben in bem 2Biber s
ftreit snrifdfjen 2Birf(idf)feit unb 3beal. —
16. 3ioo. — 3uoor ift ober barauf fjinjuroeifen, wie bie Sefd^äfti^
gungen mit ben Jlaturroiffenf^aften im allgemeinen günftig nrirfeu muffen
auf bie (Sntroidfelung t>on anlagen, bie audf) für bie SHeligioneu teite
als ©runblagen, teils als gorberungen bie l)ödf)fte Sebeutung Ijaben. —
ptberungbea 2>aä 2lbf)ängigfeitSgefüI)l ift juroeifen für bas eigentliche $unba=
«füöiöX^bie ment aller Steligiofüät erflärt roorben. S)ie 33etrad^tung ber unermeßs
e tc a Ä n ur. m * lid^en SBelten, ber imenblidjen Vorgänge in ber Statur, benen gegen^
über ber 2JtenfdE) fid^ oerfd^roinbenb flein füllen muft, fönnen biefeö
©efü^l nur immer betätigen unb üerftärten. —
— 55 —
35ie 2ßai)rf}ettaliebe wirb auf bcn oerfd&iebenften ©ebieten mcnfd^s
lieber Xljätigfeit geforbert unb bic SRcIigion gebietet : „$u foUft fein
falfd) 3^9*"* geben!" 2lber wo ift ein ©ebiet, bad in biefer 2te
Sieljung md&t ftarfen SBerfud&ungen auöfefct, bie ben 2Renfdjen oft
ju ^att bringen. 9Mdf)t nur ber eigene SBorteü treibt jur Süge, in
ber Hoffnung, ber ©etoinn würbe eingefiridjen fein, efje bie SBa^r^eit
an ben Xaa fommt. 3Rehr Sügen erjeugt t)ieDetdf)t bie unfinnige Die suac auf
gitelfeit ber 9Wenfdf)en. 3Me Sanbnrirte pljantafteren ben 3"^ örer ^ «eMetm.
wm iljren fabelhaften ©rnten oor, — eö ift faum glaublich, nrie tuet
e$ foldjer Slgrarlügner gibt. $>ennodf) fragt man oergebenö, ob etwa
in ber S^at bie Sfige in ber fianbnrirtfdjaft irgenb einen SBorteü ge*
wäfjrt? Slnberö ift eö in ber Spolitif. 3um Seften beö SBatertanbeö
511 tilgen, barauö madfien bie großen Sßolitifer fi<# ein SBerbiettft. Db
nicöt in ber Geologie unb praftifd&en ©eelforge fidf) gleidfjfallö triet
£üge einf df)leid()t ? Sßon fiety felbft §at bad fein Sßriefter jroar gefagt, a>u su e in ber
befto häufiger aber tyat er es oon anbem fßrtcftern behauptet, unb er
mag bodf) nidfjt feiten rec^t gehabt fjaben.
SBSie ganj anber* ftefjt ba bie 9?atumriffenfdf)aft. 2>ie tfüge Ijat aie8uee*atin*r
feine äu&fid&t verborgen ju bleiben unb wäre oernid&tenb für baö 3ln= * a i^|jtS? aft
fetyen beö ©rfinberö. SBo^t mag ber -Jtoturforfdfjer [ei<f>tfinnig ein
tntereffanteö ftaftum, baä ifym ersäht wirb, annehmen, eö oieHei<f>t
in unoorftd^tiger SBeife erjagen, ofjne feine Cutelle ju nennen, ober
burdf> oberfläd&lidfte 33eobadf)tung in S^türner faden, — bafür wirb
er geredeter unb oft Berber 5lritif oerfaffen. 3lber Unwahrheiten
roijfentlid^ auftifdfjen, baö ift ju fefjr gegen bie Aufgabe, gegen bie
©rjie^ung, gegen baä ^ntereffe beö ©injelnen unb bes ©anjen, alö
baß man es oou einem 3Wanne für möglich galten foHte, ber fidf). um
bie grforfdfjung ber Statur emftlidf) bemüht.
©otteöoerefjrung unb 9toturoeref)rung fdjließen fidf) uidf)t aus. ©otte&wenp unb
3tber ©otteöbienft unb 9iaturbienft ? £er Statur bient man buref} Be-
folgung itjrer ©efefce ju gefunbem i^eben unb erster menfdbfidfjer
©trffamfeit unb burdf) gorfdfjung. 2)er ©otteöbienft bagegen beftefjt
in äeußerungen, bie fein anbreö 2?erbienft fjaben fönnen, alö menfdf)-
Hdj fdjän ju fein; bie aber mit bem Qrrtum behaftet finb, baß mau
bamit übermenfdf)ltd&en 2Befen ein ©efatten tfjut unb ifjre ©unft
erwirbt.
— 56 —
©tMtoflTaWfatf. 14. 9ioü. — 3)en crften 2lbfdf)mtt von ftrife ©dfmtfce, ?P^ilo^
erri^ e$ut*. | p^ c k cr gj a turioif[ cnf d&af tcn , 3^talter bcr naiven @rf aljrung, mit
Sefriebigung getefen. £)a ift ©pftem barin; ogl. bie ftmoptifdfjen
©dfjemata auf ©. 82 unb 83, würbtg eineö Sllaturforfdfjerö. 3toqx
lannte idfj bic 2Cuffäfce aus bem Äoömoö; aber baö 33udfj ift wert
angefdjafft ju werben. @ö t>erbient SBerbreitung.
31. SDej. 1881. — ®en legten Xag beö ^atyres notiere tdj . . .
3)aö fieben würbe entfefclidf) fein, wenn e* feinen £ob gäbe. $ft
eö aud> fdfjön gewefen, julefct wirb man bodb mübe imb fatt. SReue
©enerationen warfen fjeran, bie wenig SBerftänbnte heranbringen für
bie näd&fte SBergangenfjeit, — befonberä in fo fdfjnetttebtger $e\t, wie
bie gegenwärtige; bie ©tnfamfeit umfängt ben ©eift beö ©reifet
wenn er ftdfj audf) nidjt felbft ganj üerbunfelt.
Anfang jur Waturforfdjer-ßeligton-
(17. September 1880.)
Utopie eines 3k ber Siegel ift bcr 9Wenfdf) unjweifelijaft baju beftimmt ftdb
**$$$£* fortjupflanjen. 2lber 2luönaljmen gibt eö. ©djon wegen p$gjif$er
©ebredfjen finb einjefne auägefdjloffen. 2lnbre finb moralifdf) gelähmt.
(SnbKdjj fann eö ja audfj weld&e geben, bereu 23eruf mit bem efcelid&en
©tanbe fidE) nid^t wof)l verträgt. 9Jur müßte biefer 93eruf ein wabr*
fjaft innerer fein unb bleiben unb barüber gibt Sid&ertyeit nur ber
offene 3luögang. ©ine freie 2tffociation / barin niemanb länger 511
verbleiben gejwungen ift, alö ber eigene SStlle ifjn binbet, fann ber
Aufgabe ber menfd)licJ)en ©emeinfd&aft förberlidfj fein.
$ü) fyabt lange batwn geträumt*), bafc es angemeffen fein
fönnte, für ben betrieb ber 9iaturwiffenf<f)aften in umfajfenbfter Söeife
folcfyc Ätöfter mit offenen Pforten für ben austritt anjulegen. ^ür
ben gortfcfjritt ber SDIenfd^^eit tyaben bie 9iaturwiffenfdjaften baö tyxu
mat erlangt, nidfjt nur wegen ber von ifyv fjenwrgebradfjten jivißfato*
rifdfjen ©rftnbungen, fonbern audf) wegen ber feften unb unioerf eilen
©roberungen an ©rfenntnis unb Unterfud&ungömetljoben. tylato unb
2triftote[eö, fönnte man einwenben, SDescarteö, £ume, Äant fyahtn alö
*) ©inen 3ugenbtraum meines SJaterS finbe i$ in biefen &\Un nrieber, ben
er un§ ßinbern oft fjalb in Sd>er$ unb (ja 16 in (Srnft auszumalen pflegte.
2lnm. b. §erau3a,eberin.
— 57 —
$§i(ofop$en 2Berfe geliefert, bie ityren SBert betyaupten'werben, länger
ate irgenb ein 2Berf ber 9toturwiffenfdf)aft. Daö baben fie aber ge-
mein mit ben Werfen beö Sopljofleö unb aus ber Schule bes ^ötbiaö.
0erabe toeil auf ibreu ©runb nid&t fidler unb oiel weiter fidf) bauen
liefe, behielten fie i^rc urfprünglid&e Sebeutung. tybtt folgenbe große
$$i(ofop$ mußte t)on Dorn anfangen unb eine anbre möglid&e 3)enf-
weife ausbauen. Unter ben möglichen Denfmeifen ift bie eine ben
(Eigenheiten ber einen Nation fong.enialer, bie anbre wieber einer
anbern -Kation jugänglidfjer. So verbleiben nationale eigentümlich Nationale
feiten in jeber fß^üofopfyie. 2lußerbem wenbet fie ftdf) innerhalb jeber ^n^jrttr*"
Nation an bie Weine 3Winorität t)on 2Kännern, bie bis auf bie legten WofoW " elflen -
0rünbe juräcfjuge^en Suft unb Anlage fjaben. . 2>ie neuefte Äanfc
litteratur beweifet $. 33., baß feine 5pi)ilofopl)ie, felbft in iljren Sebren
über 3«t unb 9taum unb über baö ®ing an fidEj, gefdbweige beim
über bie ©runblagen ber @tl)if, überwältigenbe Ueberjeugungöwirfungen
auf triele übte, nur fo lange bie lebenbige 9iebe beö 9Reifterö nacfc
Reifen lonnte. Die unmittelbar folgenben großen $Philofopf)enfd)ulen
gingen oon ÜWännern auö, bie mit ben ftantifd&en SluögangSpunften
fid) gar nicht redjt auöeinanber ju fefcen Suft unb Anlage mitbrad&ten,
ober bie nur einzelne Seiten baoon ergriffen unb über bie Sdfiranfen
fortbifbeten, ju Äarifaturen oljne 2öaljrl)eit. 2>ie 9taturwiffenfdE)aften,
wenn ftc audjj in ifjren legten ©rünben nur oon ebenfo Sßenigcn, ale
bie ©runblagen ber pl)ilofopi)ifdf)en Spfteme erfaßt werben fönnen,
tbre Grgebniffe werben in ganj anbrem ©rabe ©emeingut, unb bie
ßrfatjrung beftärft in immer weiteren Streifen ben ©lauben an bie
Unfehlbarfeit ihrer 2Retboben. ^n biefem Sinne ift bie Pflege ber
Jlaturwiffenfdfjaften in f)öh erem ©rabe ein menfchheitlichcft ^ntereffe,
als eö ?p^i[ofopf;icn unb Sieligionen fein fönnen, bie ben 2lnfpruch,
bie SIRenfd&fjeit ju umfaffeu, mebrtaufenbjäbrtgeu Erfahrungen gegem
über alä bohle Anmaßung erfennen unb fallen laffen fönnten.
®ie Staturforfd^er felbft bürften aber bisfjer baö 23ebürfniö ber
9lffociation unb ber flöfterlichen Crinricbtungen nidbt emppnben. 2>er
inbioibuelle ß^rgeij finbet beffer feine Siedmung babei, wenn ein 3eber
auf feine 4?anb forfdjt unb irgenbwie haben fidf) bie Ferren ber
SBiffenfdfjaft mit ben Sdjroierigfeiten beö Sehens ftetö abgefunben.
Gö gebt, ohne befonbere nmt ©attung oon 2lft)len wiffenfcbaftlicber
Jorfcbung, rüftig oorwärtö. llnioerfitäten, 9lfabemien, ^nftttute genügen.
3>em gegenüber bleibt ju erwägen, baß gleidfjjeitig ber Umfang
unb bie Äonneyität ber 9iaturwiffenfdf)aften außerorbentlich jugenommeu
f)at unb nocft in« Unenblidöe warfen muß. £aä einzelne @ef)irn
— 58 —
bietet bafür eine 511 ffeine Äapajttät. 9Kan fjilft fxd^ burdf) ©pejialität.
£ann wirb aber ber ftram ju fleinlid), um mdf)t ate blofce £ieb=
Ijaberei unb Schnitte, Snfe^en unb Seiljilfe in ber ©efettfd^aft ein=
jubüjgen. 25as 3 er f a ß cn & er SBiffenfdjaften tann nur nadf)teilige
Sßirfungen auf fie fjaben. £er inbimbuelle ©fjrgeij treibt freiließ
an, aber in ber Äonfurrenj wirb gar Diel Äraft cergeubet unb ge*
fdfjäbigt, bie reifere grüßte bringen würbe, toenn ein liebenbes 3 U *
fammennrirfen fie gejeitigt l)ätte. £ od& ber gewidfjtigfte ©runb für
fold&e 2lfijle ber gorfdfjung ift, bafj bei bem gegenwärtigen 3 u ft a nbe
bie Saljre ber größten 2lufopferungäfreubtgfeit unb Sßrobuftimtät bei
üielen auögejei^neten Snbimbualitäten fcf)led)t auögenufct werben ober
ganj aerloren gefjen. ©ö fehlen ben ftrebfamen Jüngern bie SReifter,
ben -Dteiftern bie treuen jünger. 35ie 2lffociation müfcte eine ©e=
meinfd6aft beö Sßermögenö unb beö $orfd)en$ anftreben, mit ftrenger
2tuäwaf}l unb Utomjiat cor ber aufnähme, mit Gölibat wäfjrenb ber
ÜWttgtiebfd&aft, mit freiem unb ehrenvollem Sluötritt. Sdfjon bie 83c*
rufung auf Sefjrftüljfe würbe biefen austritt fo ^äufig machen, baft
wafjrfdjeinlid) nur eine junge Sdfjar unb einige Slltmeifter in ben
von mir geträumten unb großartige 3Hittel erforbernben 9Jaturforfd>er s
flöftern ftdfj fammeln fönnten. Sie SWaturforfdjer muffen ©r^ohmg
fudien auf SBanberungen , mdjjt aber in bem Familienleben. Sie
oerftefien ftdfj in ber Siegel fdjledfjt auf ben $auß^alt unb eine 91ns
iaf)l alter grauen mögen jur üffiirtfdfjaft im Älofter gehalten werben.
$>tefe eingefdjobene Spifobe mag alö ein 2uftfdf)lo§ t)ier aorüber*
fdjweben unb nur fo uiel befagen, bafe ju gewiffen Aufgaben unb in
gewiffen Örenjen ein prooiforif^eö ßölibat mir wünfdjjenötüert
fc^eiut.
nüxaion (1882).
10. $a\\. — Stiller wirb es um und unb md&t wenige fiebenö^
geuojfen fiub mir im Verlauf beö legten ßafyxtä bafyingegangen. Sei
einigen ift eö mir aber red)t flar geworben, bafc ber Xob, wenn auc£
uidfjt ber willfommenfte, fo bod) ber aufridf)ttgfte greunb beö alters
ift. Seine Unentbel)r(id;feit für baö l'ebeuöglüd ber 3Wenfd()en ju er*
fennen, oerföfint, otjne bie @mpfänglicf)feit für bie freunblidfjen £age
ju benehmen.
— 59 —
14. ajtörj. — 3)er £ob, wenn idj Um audb ben aufridjtiajlen »« %a> m<
greunb beä altera nenne — oft von einer fef)r umtriUommenen 2hif* <sinri$tun ß ber
rid^tigfeit — ift im ©injelfoü bod(> meift graufam unb ungerecht. ornui1 «-
£aä ift \a auä) baö SBorbilb, baö unö ber £ob $efu lef)rt. ©e^e
i<f> aber auf ba* allgemeine — ba* ©auernbe, ©roige — bann er=
icbeint er mir afe bie roeifefte unb fegenöreidfjfie (Sinrid&tung unfrer
3ßeltorbnung. 2Bie Slriftop^aneft ergreifenb bie Slbfd&ieböroorte ber
ärmut oon ben SWenfdEjen bargeflellt §at, mit größerem SRed^te fönnte
man bem £obe foldjje SBorte in ben SWunb legen. SBäre nrirfltdfj
nur 50 ftafytt lang fein (Sterben in unfrer 2Belt, man würbe ben
£ob in jeber SBcife f>er beiden. £ier märe baö ewige ßeben me^r
als ein fdf)led(jter Sdfjerj! e§ märe baö graufamfte ber ttebel. $n ber
Siebe jum ßtoigen, in ber Eingebung beö ©injelnen für baö @anit,
ifi bie Sluflöfung ju finben, — nid&t in ben träumen ber SßfjUofopfyie
unb SDtytfjoIogie von inbimbuellem fortleben. 3$ fpred^c bie lieber^
jeugung au*, ju ber midj bie eigenen (Srfafjruugen unb ©ebanfen
gebrängt tjaben. ^cfj weiß rool)[, baß i<f> bie ganje SBafirljeit nid&t
fyabt, unb fpredfje nidfjt ab über bie unbefannte SBelt. aber 9tulje
fann idf) finben, nur in ber SBaljrljett, bie mir befannt ift, unb fei
baö Stüdf berfelben nodfj fo Hein, eö ifi mir ein fefterer ^Juntt, als
ein in bie SBolfen ragenbeö ©ebirge von träumen. — 35er hinter*
grunb ber fjarmomfdfien Sfaffaffungtn bleibt bie unbebingte Siebe beö
Suten unb ftuvtrfifyt auf 33ert)o[lfommnung.
24. 3Wai. — Dtto ^Pfleiberer refümiert bie äfofid&ten über ben cito wdbmr
Urfprung ber Religion bei neueren gorfäem, um ben nmetfenben ü ^»„ ttnB
ftonfenfuö ju beroeifen.
Uroffenbarung einer DoHfommenen, fpäter aerberbten Religion
fei eine ganj antiquierte 2lnfidf)t.
geüfdf)iömuö alö Urform ber Religion anjufe^eu, mie bie
$ofitioiften eö ofjne] Rücf fidfjt auf ©pradfjbtlbung unb Spfpdfjologie motten,
oerliert mefjr unb me^r feine 2lnl)änger. 35enn bie SBorfteUung beö
©öttlid&en mußte ftdfj vorfinben, um fie an einen ©tein, Äfofc, 33ogel=
feber ju fnüpfen, in beren SWatur nidfjt ber geringfte ©runb oor^
fjanben, bergleidfjen Sßorfteffungen ju erjeugen. Umgefefjrt, burdf) lieber-
tragung ber äußerlichen formen einer Religion üon einem l;öl;eren
auf ein niebereö 33olf, roirb eö äu 5 e *ifd()i*mu§ fommen, wegen ber
$erwedf)felung beä ©pmbote unb Äultuömittetö mit bem göttlichen
Sefen felber. 2)a^er ber $etifdf)temu§ in ben ^öf)eren Religionen,
namentlich in ber ruffifd^en Ätrdfje. —
35er©otteöglaubcn, baö ergeben bie fyiftorifdfjen unb fprad^=
— 60 —
ttd&en ^orfd&ungen, ift entftanben aus bcn ©inbrüden oon £imme(,
©onne, ©ewitter u. bergt, großen SRaturerfdfjeinungen auf ben Ur-
menfdfjen. 33eu>unberung, ©rfjebung, @df)eu, treten in SBerbinbung mit
utilitarifdfjen ^Reflexionen.
3?ad) 9Ra|- SKüller entftanb barauö eine Sßafjrnefymung bes
llnenbüdjjen. iftadfj 6. oon ©d&mtbt baö 33enuißtfem einer Ijerr*
fdfjenben SBeltmadjjt unb £artmann §at bie praftifd&en Oemüts^
bebürfniffe jur gortbilbung ^injugenommen.
Sßenig mit ber Sprach unb 3)fr)t()euforfd)ung ftimmt bie 3lfe
leitung ber Religion aus bem Stfjnenfultud, ber SBerefjrung abgeworbener
©elfter (Euhemerismus), wie itjn Herbert Spencer unb QuKuS fiippert
oertreteu.
ur^runßber $em gegenüber mödjte id) auf baö angeborene aSere^rungfi-
WetSnß 1 ip bas bebürfniö, baö nur eine ?form beö Siebesbebürfniffeä ift , weld&eö fid)
bebürfnis. " audf) bereits in ber Tierwelt, namentlich beim ^unbe in feinem 23er-
tyältniö jum 2Renfdf)en oft nmnberbar ftarf erroeift, tjimoeifen. S)aö
£iebe*bebürfnis rourjeft in bem pftjdfjifdfjen Sebürfnis, feine Statur
nidfjt nur leiblidj, fonbern audf) geiftig, bauember, ber ©roigfeit ju,
auöjugeftatten. 35er 2Wenfd) würbe ^flegeoater bes ^unbeö unb ge?
meßt oft göttliche, b. I). ganj uneigennützig geworbene SBereljrung*).
©in ftarfer innerer £rieb brüdft, bis er ©egenftänbe außer ftdfj finbet,
. an bie er gelängt werben fann. Sta^n eigneten fid) oor allen bie
großartigen 9iaturerfdf)einungen, bie über baö ©rab fortgefefcte gamilieit:
liebe, aber audf) jufäHige untoürbtge ©egenftänbe. $n ben Pflege*
oerfjältnijfeu ifl notroenbtg ber eine £eü ber gepffegte. ©r fann nidbt
foroofjl pflege nriebergeben, alö t>ie(mef)r banfbare Siebfofuug; biefe
füfjrt ju ober ift fdjon ätoeljrung. 2>a$ 2Beib als Pflegerin beö
2>a8 8Bett» als
Pflegerin.
aWanneo begrünbet ben grauenfultu
9.
*) ©telje 23. unb 26. gebruar 1891. Ueber Slbftammung unb 2Befen beS
§au3§unbes.
— 61 —
MWopip* (1882).
16. 2lug. — lieber bie moberne britifdfje $f}ilofopl)ie, wie fie 6*nc«i et*«'.
Spencer in feiner großartigen, umfaffenben -Strbeit begrünbet unb
ausbilbet, gab es in ber 3lttg. &t\t. e * ne ^ e ^ c intereffanter Slrtifel.
9Ru& interefftert baran bie @tf)if. ©ie fott burd&aus auf bas ©lud*
feligfettsftreben gegrünbet merben, unb ben franjöfifd&en ^ofitioiften
gegenüber geigte le&tijin, idf) glaube Qanet, wie unjureidjenb biefer
©runb ift. Sei ©pencer fpielt bie jum ©lud erforberlid&e fojiale
Spmpat^ie bie Hauptrolle. @r toiH nur ein relatio ©uteS unb 33öfes
jur ©eltung bringen, ofjne einen SWaßftab ober ein 3i*l. 3$ glaube,
ber relatioe Sßert läßt jt$ beurteilen unb empfinben nur nadf) bem
Slbftanbe oon einem feften Spunft. ©o Diel ber SBerfudfje gemalt
werben, eine neue Sugenbleljre ju begrünben, alle fdjeinen fie mir
oon geringerem (Srfolge, als feiner &it $ ant ^ n «jiclt Ijat mit ©u»eriotitat b«*
feinem fategorifdfjen 3mperatu>. SBeldie fiefiren, frage idf) midfj, tyaben fatS>itf<Jm
bie 9Kenfd(jen in ifjrem £anbeln energifdf) geänbert, unb toeld&e anbern Sh^w."
liaben fie anfd&einenb nur intettcftuett bef d)äf tigt ? ©cfjeHing, Hegel, ^te metften »wo.
Schopenhauer traben intereffanten Äonoerfationsftoff geliefert unb °m ptoittSf
bem 33üd(jermarft unb ben Äatl)eben>orträgen gar triel fd&äfcbares
Material jugefä^rt. 35ie oon biefen Ferren gelehrte SKoral f)at toeber
fie felbft ju einer bemerfensioerten SebenSfüljrung angeleitet, nodfj
iljre ©df)üler baju begeiftert. ©ie lebten in ber getoötinlidfjen bürgere
liefen 2Belt, mit allerlei ©enüffen unb ©dfjtoädfjen. 2)urdf)f(l)mttSs
menfdjen maren es. ®ie ©toifer bes Altertums beioeifen aber, baß <we6toif«
nidf)t nottoenbig jebe ^ilofopljie für bie SebenSfütyrung fo wertlos b w&^e fl !a b B e
bleiben muß, rote es bie oon Goufin unb ©pencer fein mag, unb wie 2ebett l ^ n M cn
es bie oon ©dfjelling unb Hartmann fieser ift. ©df)on ber ©prudf):
„SBiUft bu fröfjlidfje 9Renfdf)en feljen, mußt bu 511 ben ^Seffimiflen
gef>en," beroeift, roie gering ber 3ufammenf)ang ift jroifdjen ben Sefjren
unb ber Sebensfüljrung ber mobernen $lji(ofopf)en. 25a Ijat ber
lebenbige Äant anbers geroirft. 2)ie ftrenge Drbnung feines eigenen $ra!tifäe8mrfun ft
SebenS erregte bie Äuriofität unb roofjl a\\d) bie Serounberung feiner ^3?8K8? le
3eitgenoffen. $id)te fyat oon iljm bie Segeifterung für bie ©rfüllung
ber Sßflid&t gelernt, bie er bis ju feinem 9Rärtt>rertobe bei ber Eranfen*
pflege im Hofpital aud) im Seben anioanbte. 3Rein SSater mar ju
einer ftantifd&en SebenSfüljrung, mit ben 3lbmilberungen, benen ein «ont» «ntini auf
Sebemamt fid) nid)t entjieljen fann, gefommen. er Ijatte Äant nur als baS $au?. en| * e
— 62 —
Änabe ju fetyen ©elegentyeit gefunben, unb tyatte tym Serben auf=
fagen muffen, bic er memoriert fjatte. Auf meinen ©roßoater fönnte
Äant größeren ©inftujs geübt Ijaben, ba er, freiließ nur furje 3eit, bis
511m adjten Scfyxe ben ©roßoater als £auöletyrer*), fpäter aber in
Äönigöberg als Sßrofeffor muß beeinflußt fyxben. $n metner Familie
ift von ber 3 c ü a & e ^ n geroiffer Äantifdjer 3ug in ber Sebensfüljrung
}u ertennen gemefen. SSon anbern 3Ä*8enojfen fjabe \<f) gehört, mit
meinem $eroiömu8 Sßerfonen bem fategorifdfien ^mperatü) bienten,
bie Don Äant perfönlidf) berührt geroefen. 9Zidjt meine idf>, baß Äant
bie Xugenbleljre tjoltenbet Ijätte, aber in feiner 9Retapfyt>ftf ber Sitten,
glaube idfj, Ijat er bie unnerrüdfbaren 2luögangspuufte aufgebest. 3Me
3>ic grormetn für Formeln für @ut unb 935fe tjat er gegeben; aber ben Snljalt baju
pan" oegeben. a * muß bie @rfal)rung liefern. 3tn biefer ©rfa^rung baut ein Spencer
mit Siedet fort, aber fie liefert leine gefiederten ©rfenntnijfe, wenn
fie nicfjt anfnüpft an bie ewigen ^unbamente.
21. Sept. — $)rei SBerfe fjabe idf) gelefen, bie in fe^r t>erf Rieben*
artiger 3Beife ju pljilofopljifdfien ©rtoägungen mir Slnlaß gegeben
&aben. 1. grifc Sdfjulfce: ^üofopfjie ber ÜRaturroiffenfd&aften.
— 2. ftieljl: Äritijiömuö 2. »beö 1. 2lbt. — 3. ßoffmann
(perftorbener Sßrofeffor ber Spfjttofopfjie in SBürjburg): Unfterblicfc
feitöleljre ber namhaften ^ßljilofopljen $eutf<$lanbs, —
bilbet ben adjten 23anb feiner gefamten nadf) feinem Xobe erfd^einenben
Schriften.
mw 2Baf)rl)aft förbemb für bie SBijfenfd^aft fc^eint mir Stiehl, info*
Äritijigmu». ^ cr .^ ^ cr ^^ t ^ en ^ ann bridjjt,. ben Äant begrünbet fjatte
gnrifdjen jtoei SBelten: ber äBelt ber ©rfdfjeinung für ben menfdftfidjen
©eift unb ber intetligibfen SBett. Sie lefctere Benennung ift info-
fern irrefüfjrenb, ate bie ©runbtfjatfad&en, roie bas innere Sittengefefc
be£ 3Jienfdfjen mit feiner SBorauöfefeung beä freien SBitteuö, bie fjinauö*
führen über ben menfdfjlid&eu Qntelleft unb bafyer nidjt aoßftäntng
inteDigibel finb, — baö äßefen ber intettigiblen 9Mt auömadben.
tptttaiieie 2)ie SBerroanbtfd&aft jnrifdjen ben großen ©enfern ^aöcal unb
^aicot unb Äant ift, fo oiel idf) weiß, nie Ijeroorgetyoben roorben unb rooljt au<fi
nid&t leidet 31t erlennen, wegen ber großen 83erfdf)iebenbeit beö 3Ser^
faljrenö bei ityren Sfaöeinanberfefcungen unb ber %\tU, ju benen fie
gelangen. 25er SBeg, ben fie befdfjreiten, ift anfangs bennod) berfelbe.
»ribe weifen bic 33etbe ©enfer unternehmen eö, bie Vernunft junäd^ft in enge ©renjen
*&£& iSrüd" jurüdf juroeifen unb bann bie übernriegenbe S3ebeutung t>on 2lnna^men
*) @ic^e @. 68 9ln§ang: Äant in Stauienburg.
— 63 —
•
ju beweif en, bie jmar nidf)t wiber bie SBernunft gelten, aber über fie
hinaus. 9tacl) Äant fann bie Vernunft ^reiljeit, ©ottfjeit, Unfterb=
lidtfeit in Söirflidftfeit nid&t bewetfen, aber audf) nid&t beftreiten. 2Wögs
lieb finb fie, unb baö fiebert (bie praftifd&e SBermtnft) mad&t barüber
gemife. ©benfo fud^t Sßaacal barjutyun, bafe bie menfdfolid&e Vernunft
fieb nur in Sagten beweg,*, beren Anfang unb ßnbe it)r ganj unfafc
lieb; an bie aufgaben ber ©wigfeit, beä Unenblid&en fxd^ madbenb,
perwirrt fidj bie menfdjjlidfje Vernunft, unb oerwicfelt fidf) in äBtber*
fprücf>e. ginbet Äant bie SRettung burdfj praftifd&e ^ßoftulate, fo
flüchtet Sßascal feinen nad& SBerföljnung oerfangenben ©eift in bie
©fftafe. Äant finbet Slulje in ber Stefignation jwifdien gegebenen
©renjen, v J}aäcal fud)t ben ^rieben in einer auf Offenbarung ge=
grünbeten SBeltffudbt unb Unterwerfung unter firdfjlidfje Dbferuanj.
3ud()te Äant 311 überjeugen burdf) ein ftetigeö Renten, burd) 00k
ftänbige, 3ufammenf)ängenbe Steigen von Argumenten , fo verfugt
Sßaöcal eö nur burdf) Stufruf oon SBorftetlungen, bie im menfd)lidf)en
Sewufetfein, ate fiebere 2Baf>rnef)mung otjne lange Sewetfe fo fidfjer
gegrünbet finb, bafe eö genügt, fie ju werfen. 3)ie langen 23eweife
finb naä) if>m weniger fidler, als basjenige, was fie beweif eu
follen, weil bie Sogif auf ben betreffenben ©ebieten felbft bejweifeU
bar bleibt.
Sßascals Söfung mar eine inbioibueHe. ©in asfetifdf) leibenfd^aft=
lieb gequältes ©emüt Ijat eö jur 3SorauSfefeung.
3ft ober bie Äantifd&e Söfung nicfjt ebenfalls eine inbioibueHe?
— Salanciert ntd&t audjj biefe fiöfung auf einer Sdfjneibe, jwifdben
SlbgrünbenV
Die ÜKetaptytjfif mag in krümmer geben, aber bie 3üe(t ber ©r^ $ie ©et* ux
fahrung mufi fein fiimgefpinfi fein. 2BaS bebeutet bas 3)ing an Vau&uT
4, ba* unerfannt bleibt, mm e* aud, träume erregt l,at, bie "-»Ä u " ,re '
gleichartig finb in allen menf blieben ^ntelligensen? £cl>rt und bie
ßrfa^rung nidbt etwas, bas beftanben l)at, cf)c JDtenfdfjen oorfjanben
waren, unb bas bleibt, wenn audfj bas 3Benfc^engefd^ledt)t oerfcfywinbet,
fo ijt es um ben ©rnft ber 2Belt unrettbar gefcbefjen. 3)as Sauber*
fpiel ber menfcftfid&en SJorftellungSwelt wirb ein ljof)fer Seitvextveib.
3>ergteid^en ©efüljle beweifen nid&t bas minbefte gegen bie etwaige ©amm «ant§
äßaljrfjeit ber Äantifdjen Demonftrationen. Sie erftären aber, warum mrta$JÄn m
bie nacbfolgenben Genfer fidf) bamit burdfjaus nid[)t Ijaben abfinben jurüdSefaawT u nnb
laffen. 2llle finb fte jurüdfgefallen in ben oon Äant ruinierten meta= "Wenmni*"
Pb9Jtfdf)en Dogmatismus. Sie grojje ©rfenntnis s }5asca(s unb Äants, ttUwrife tt Scriorm
bie allen metaptjtjfifdjen Träumereien bas Zlpx oerfcbliefet, gefjt tynen 8 nfl
— 64 —
jum £eil roieber vtxloren. ©in Slbfotutcfi, baran bie ^bcntttats-
p^ifofop^ie i^re enbfofen gormein fnfipft, SDtonaben, ein üben>ernünftxges
SBefen, baö ber eine ben SBillen, ber anbre baä Unbewußte nennt,
löfen einanber als JEageöorbnung ab. ©mustert fudf)t man enblicb,
»ei »ont i& fefter tooju bie SWaturforfdfjung bas 3&rige beiträgt, bei Äant roieberum
ße^w'muiöon fcftcii ©runb. (§3 bürftc aber nid^t beffer gefeit, als früher, wenn
"»trbm. rel man nidEjt ju einer weiteren gortbtlbung gefangt unb bie üanttföen
2)emonjirationen befreit Don benjemgen ©dfjroäd&en , bie feine fielen
ungenügenb gemacht fjaben.
21. Oft. — Die ©umme ber 2öeltauffaffung.
1. $n ber Unenblidftfett von 3*it unb Siaum, als Sßirftidjfeiten,
abgefefjeu t>on aller ©rfennbarfeit, — (9Watljematif),
2. beftefjt feit ewigen 3 e ü en e » ie uraeranberfiefce ©umme von
Äraft unb ©toff, beren Umfefcungen bie SBett mel>r unb
mefjr Ijarmonifdf) ma<$en, burdf) äfodlefe bes 3 ro cdEma§igen
unb 9lnöfdf)eibung ber unjroedhnäfcigen SBerbinbungen unb SBer*
tyUtntffe (5p^r)fif),
3. bie im 2Wenfdjjen, bem tJoHfommenften ber und befannten
Organismen, bie ©mpftnbung beö freien SBiüenö, im 8Biber=
fpruef) mit ber 9iotroenbtgfeit ber ununterbrochenen golge au *
ben gegebenen Sebingungen, erjeugt; — nidjjt als £rug,
fonbern als Seroeis, baft es erfte Urfadjen geben fann, in
Söiberfprudjj mit ber SBerftanbeslogif. 2luf ber Styatfad&e be*
freien SBiUcnö ru^t bie SWoralität (Sittenlehre).
4. 2luS bem äßiberfprudfj jroifdEjen ber @mpfinbung ber pfjpjtfdjjen
Vorgänge, mit ber ©mpftnbung ber freien ©ittüdfjfett, entfielt
bie gorberung ber Ausgleichung beiber ©mpfinbungen burdfj
bie äftfietifd^e 2luffaffung unb SarfteHung. Äunft unb
SRefigion, — gehören jufammen. ©ie gehören jum ©<$ön*
Ijeitsbienft.
©ott tjat, als menfd(jlid&e SBorfteüung, feine berechtigte ©teile;
auf bem ©ebiete ber Erfahrung ift er ber. eroige 3i e ^P un ^ bes
2Bettganäen.
— 65 —
30. Oft. — SBeüer gelefen in ber brüten äuögabe oon Äuno staut«
/jifdjerö Äant. Sei Gelegenheit ber aermeintlidjen SBiberlegung bei watnStumu».
SRaterialiömuö (461) bemerte ü$, bafe Äant im Sinne tyit: Äörper=
erfd&eimmg in ber Sinnlid&f eit , bie unfer Subjeft affijiert. Malier
folgerichtig mit bem aufhören bes ju affijierenben Subjefts audfj bie
WöqlifyUit von Körper aufhört. 3>aö gilt aber nid&t, fobalb man
unter Äörper ben tranöfcenbentalen ©egenftanb oerfteljt, ber im ftanbe
ift ein Subjeft ju affijieren, unb mit bem Subjeft in SJerbinbung eine
erfdpimmg (ben Äantifc^en Äörper) ju probujieren. 2)aö Sßrobuft
fjört auf, fobalb nur einer ber notroenbigen Jaftoren fe^tt, — aber
für bie anbern Jaftoren ift baö aufhören beö einen ftaftorö nodj
fein ®runb beö Sluf l>ör enö . Äant t>erftel)t unter Äörper ©rfdfjeinungen;
aber im gemöljnltd(jen Sinne perfteljt man barunter „Urfadfcn ju
€rfd>eimmgen", bie Äant übrigens als eine „unerfennbare Urfadf>e"
auäbrücflidj ftatuiert (pag. 458), um eine Südfe unferö 3Biffenö jii
bejeidfjnen. S)en 2Raterialtemuö, im geroöljnlid&en Sinne, f)at Äant
nidjt roiberlegt!
2. SRoo. — Äuno Jifdfjerö Äant beenbigt. <£ö bleibt eine grofce «uno gfti^ers
Stiftung fiifäex* unb läßt gut bie 9teoolution, bie Äant in baö &nMonm? n fli
£enfen brad&te, oerfte^en. 2lber einige ^auptinfonfequenjen \)at mmmili^m.
Äant belaffen. ©r mar eben ein SRann, ber fidj oon ber Xrabition
nidfit rabifal loömad&en lonnte. Qene unerfennbare Urfadje aller @r*
Meinungen, baö 2)ing an fidj, ober bie 2>ingc, jog er beftimmt in
bie Äaufalitätöretye hinein, — wenn audf) uielleid&t eine unö unbegreif*
liebe ärt t>on Äaufalität! @r mar aber nidfjt baju gelangt, baö 2)afein unmöfltuwt b**
biefeö tranöfeenbentalen gaftoren beroeifen ju fönnen. Äonfequenter nße *
wäre eö geroefw ju fagen, bie 3)inge an ftdE), jtnb unö erfennbar
aus i^ren SBirfungen, nid&t aber afe reine 5ßotenjen; — ober 511 be*
fyawpttn, bafe eö mit ben Singen an fidf) nidjtft fei, maö freiliefe,
ftreng genommen, ju bem Sopljiömuö füljrt, ben Äant nidfjt wollte.
$a nrtr bie 3Renf<$f>eit nur ate ©rfd^einung befannt ift, — tljr aber
an jt^ gar nidjt bie 3 eit jufommt, bie idjj iJ>r a\\*> meinem SSer*
mögen l>inju tfjue, fo bleibt eigentlich nur ber einjelne ©enter, o^ne alle
Slenfd^eitlid^feit! — 3 ro ifö e n bem ÜRaterialtömuö unb bem abfoluten
3bealiömuö beftänbtg ju balancieren, bringt melleicftt ein feljr geübter
unb baju beanlagter 9Renfd() fertig, — bie äUenfd&en im allgemeinen
bringen eö nidj>t fertig. 3" b** oon Äant begrünbeten 9Retapf)tjftf
ber grfdfreinungen fyat man red)t balb mieber eine 3)ietapbt)ftf beö
€rfd^einenben unb aBa^rne^menben an fid^ probujieren motten. $*&
ift man im 3 u 8 e ^ )em waterialiftifd&en SKoniömuö fid) 311 meinen. —
«ul ben Saflebuäbtöttem be8 ©rafeu V. ftetjjfrlinß. 5
— 66 —
«am» 9iodfj greller fdfjeint mir bte ^nfonfequenj f>en>orjutreten in ber SRoraU
taS^ppfop^ Saft ©ittengefefc gilt unbebingt unb beitrug fott cö
5w6ittu*iÄbbcbingt fein t>on bcm SJafcin ©otteft unb oon bcr Hoffnung
Älüd ' auf Unfterblid&feit. Sittlidjj ju fein ift unbebingt notwenbtg, — glüdk
lidfj ju fein ober ju werben, ijl gar md&t notweubig. 2)ennodf> foll
wegen beft rein jufaHigen ©lüdfeft bie Unfterblid&feit notwenbig werben,
unb ©ott fott ba fein, um eine moralifd&e Söelt möglich ju madfjen.
S)ie SBelt ber ®rf Meinungen ift aber feine moralifdje, fonbem eine
p^pfifd^e; baft ©ittengefefc begrünbet gar fein SBeltbafein, eö iji gar
nidjt weltlidfj, unb forbert feine moralifdje SBeft. Äurj, man fommt
bamit nidfjt auft ber ©teile.
Sie SBieberljolung Don gormein unb ©d&lagwörtern madfjt fte
ju fdfjwer ju erfd^ütternben ©laubenöfäfcen für eine große SRenge dou
sBttiung bet SKenfdfjen. Papageien finb barin glüdflidfjer beanlagt alft bie 3ßenfdfjen,
&u£S. Mn baß, wenn fie audf) nadfjfpredEjen, fie bod) nidfjt baran glauben.
VW&*ffl*P 94BfM»*i* (1882).
26. SDej. — 2Berbe idfj enblidfj feft fielen in meinen SBorfteHungen
über bie 3Renfdfjenfeele, über bie brei ©runbpf eiler ber prafttfd&en
SBemunft: gretyeit, Unfterblid&feit, ©ott!
sie 3Rentt«ifeeu 35ic Sßenfdfjenfeete ift, fo oiel idfj oerfteljen fann, ber Sftennpunft
TOlnÄifras! beft 3Kenfd^en^imft. 2)ie ßeUen grauer Subftanj finb ©ammelpunfte;
aber nidfjt burdf) ben Sid^tät^er pffanjen ftdfj iljre Hebungen fort, fon~
bern bur<$ bie 9ien>enfäben weißer ©ubftanj, nadf) unbefannten, eigem
artigen ©efefcen. ©ofdfje gäben leiten bie ©inbrüdfe von außen hinein
unb innen verbleiben fie als eine eigenartige SBibrationftform ben
©anglienjeffen einverleibt. 33on bort ftrömen fie, j. $. um Xtanm-
bilber ju geftalten, wieber in bie -Dtenfdfjenfeefe. @ft ift aber baju
erforberlidfj, baß biefe SSibrationftfpannfräfte aftiü werben, Ijinreid&enb
ftarf finb um in ber ßonfurreuj mit i^reftgleid^en fieroor5utretcn unb
baß ifjtten ber Betritt ju bem S3rennpunft, b. I). ber ©eele, nid)t
perlegt ift. $aö ©ebädfitnift ober bie Erinnerung, ift anberft mir
nidfit erf lärbar. ßeißt eft : bie ©tnbrücf e finb latent in bem unbewußten
©eelenfein aufbewahrt, unb treten oon ba gelegentlich Ijeroor, — fo
geftetye id&, baß idfj SBorte fjöre, aber unter bem unbewußten ©eelem
— 67 —
Organe.
fein, bad Äenntmffe unb Silber etnfd^liegen foll, mir nidf)t baö ®e*
ringftc oorfleffcn fann. 3Bo bic Segriffe fehlen, ftetten fidfj bie Sßorte "
ein. — @anj anbers, wenn idfj eine ©pannfraft in einer 3 e ß ß ^enfe,
bie in Stftimtat üerfefct, eigcnairtigc Hebungen bis an jenen Drt ge=
langen läßt, wo jtdj) baö ttnbegreiffid&e bitbet, — eine Bewegung
Die fidE) ffifjlt, ein Ältngen baö fic§ prt, unb baö, was am
unbegreiflichen ifi, fidfj nadfj feinen eigenen Sßünfdfjen rietet.
C^ne eine ftdfj felbft ffiljlenbe unb fid) felbft bewegenbe ©ubfianj im
3entrum, weld&e eigentlich bie ©eele ausmacht, fomme tdf) nid&t aus.
Son biefet ©eele getyen bann Hebungen wie ber ju ben SBiUenös
ganglten unb t)on ba burdfj bie motorifdfjen 3?ert)en ju ben 9Jhtftfeln.
Sie Heroen muffen burdfj tyre ft reu jung, wie in bem ©fyiaöma ber ftreujunaber
Sugennenjen, in Ijöfjerem ©rabe empfinbbar werben. SBon ber linfen UMriJwtVr
fiemifpfjare werben fie, bodf) wie optifdfje ©trafen in einer £alb=
fuget, nadfj ber redeten ©eite Eingeworfen unb umgelegt, ©a^er
entfielen burd& Verlegungen ber &emtfp^ären Störungen, immer auf
ber entgegengefefcten ©eite; bafjer ftnb bie £irngebilbe audf) paarig,
um nämlidfj burdfj Rreujung bie Sebung jur ©mpfinbung ju bringen.
2)er Drt, wo bie ©trafen ber £irnganglien fi$ einigen, wirb
eben baburefy, muß man fagen, ju einem fidf) felbft füljlenben unb
beroegenben (was immer unbegreiflich bleibt!) Drt. £>ie ©trafen
führen biefem Drt ©mpftnbungen ju, Don aerfdfjiebener Seb^aftigleit ;
bie centrale ©mpftnbung ift t>on umgebenben weniger beutlidjen @m=
pftnbungen begleitet. $)ie gegebene ©mpfinbungöweife ift wie ein
organifcjjer Äörper, ber unter ftetigem ©toffwedfjfel bod(j berfelbe bleibt.
Sie ©mpfinbungömaffe änbert fid), aber als 23eränberung beö uor=
fjanbenen 33eftanbeä. 3n feinem 2fagenblidf normalen Sebenö lifdfjt
ber Seftanb ganj axtä. @r wirb unenblid^ bürftig, — eine pdf) be*
ftanbig wieberfjolenbe (Smpfinbung fann ifjn ftunbenlang ausmachen,
aber in ben frantyaften fällen, wo ber 33eftanb gan? erlifd&t, mu§
alles oon vom gelernt werben, ©in ntu& $d) fängt an. 3lud^ eine
Spaltung beö öeftanbeö in jwei ^dfjö, bie abwecijfelnb bominieren,
ift ntdfjt auagefd&loffen.
Die ©eele, baö Sewufctfein ift mir auf biefe SBeife ein
pl)t)fifdf)er Sprojefj, wenn audfj auf ©runblage jener unbegreifc
liefen ©ubftanj, bie ifjre Bewegungen felbft empfinbet unb
bis ju einem gewiffen ©rabe birigiert.
— 68 —
Äitljcmg jrnn 16. Äuguft 1882.
»loßr^if^es Immanuel Äcmt*) ift in SRautenburg **) bis 1755 £auälel)rer
ü e? lw Äa i878 0m bei einem ©rafen Äepferling, roabrfd&etnltdf) einige Qa^re lang ge^
roefen, — eine 3eit, aus ber eigentlich nur natunmffenfd&aftlid&e
©dfjriften von üjm vorliegen. 1744 Ijatte ©eb^arbt ©raf Äepferling,
roeilanb SBolfenbfittelfd&er ©efanbter am Petersburger £ofe unb belannt
burdf) feinen Slnteil am ©turje Sironö, bie Sftautenburger ©üter bei
Xilftt gefauft***) unb biefelben mit feiner fünfjebnjäljrigen ©emablin,
Äaroline E^arlotte ©räfin £rucbfefe, balb barauf bejogen. 3Son i^ren
beiben ©öfjnen, ben 3ögüngen t)on Äant, ftarb ber ältere im 3rren-
baufe, ber jüngere 2übredf)t Qo^ann Dtto, mein ©rofetmter, erbte ba*
ÜRajorat Siautenburg. Slfe Rant -Mautenburg Herlieft, mar biefer erft
adjjt, fein älterer Sruber erft jetyn 3ab rc alt. 2lua ben gfcagmenten
Äantifdfjer ^ßäbagogif ift ju entnehmen , bafc er eö mit fefjr jungen
3öglingen ju tljun gehabt b<*ben mufc. Seine Sejiefjungen jur ©räfin
Caroline @E)ar(otte finb ftetö freunblidfje geroefen. Äant ^at gefagt
„t>on biefer 25ame ^abe er erft bie Äunft feiner Unterhaltung gelernt''.
$n einem Sriefe an tyren jroeiten ©emabl, ben 9lei<f)ägrafen £einrid&
©f)riftian von Äegf erling f), beifjt efi: „Staut bat bei mir gefpeifet." —
Selber fanben ftdf) in SRautenburg feine anbern Briefe t>or, bie
von 5tant ©rmäbmmg tljun, unb icfj sermute, n>a& t>on ben papieren
nid)t oernid^tet ift, mufe fidf) bei ben @rben ber ©räfin ftepferling, geb.
Don ÜWünfier, jroeiter ©ema^lin meines ©ro&uaters, terftreut finbentf).
@ö finben fidE> unter ben Stautenburger papieren t>erfdfjiebene
pbitofopbiföe Slbbanblungen, unb bie junge, geiftoolle ©räfin Äaroline
*) Sergt. Äuno gifa)er, ©efc^ic^te ber neueren $9Uofop$ie, 8. Staffage,
3. »b., 8. Aap., ©. 52, »togr. 9toa)r.
**) SRein Stoter §at nueberfcolt feinen älteften ©ruber, ben ©rafen Dtto
äepferftng, 9Rajorat3ljerm gu SRautenburg, befudjt, unb Bei biefer (Megenljeit 9faxa>
forfdjungen naa) Äantö 3lufent§alt bafelbft angeftettt.
***) gtir biefe Anläufe im preu{jifa)en Staate er§o& tfjn gtiebria) b. ®r. mit
feiner 2)efcenben$ in ben (Stafenftanb.
f) ©o$n bei rufftfa)en SBotfd^afterö SReia)8grafen ^ermann Statt von Kepfer-
fing, <£r lebte ben größten Seil beö 3a|)reö in Königsberg, reo er glänjenbe gefte
gab unb aua) viel mit Scannern ber 2ßiffenfa)aft t>er!el)rte, tüte Hamann, $ippe(
unb oor allem mit ftant, nroljer aua) bie grofce $ere§rung biefed ^Uofop^en in
meinem groj$öäterIitt)en unb cäterlic^en ipaufe ^erftammt.
tt) 2öa$rfd)einlia) in Äurlanb.
9lnmerlungen ber §erau8ge6erin.
— 69 —
Charlotte fc^eint baft leb^aftefte ^ntereffe für ^p^ifofop^ie gehabt ju
Ijaben, ba biefc ©dfjriften fc^r elegant abgefdfjrieben finb. 3"™ SCeil
mögen ed 2fo$jüge fein auö ©ottfcfjebfc^en Sortefungen, meHeidfjt aber
finb audfj barin Staublungen bes jungen ftant enthalten. Seiber
fehlte jeber äußere anmalt, um biefe ©Triften ftant jujuf ^reiben,
unb §u innerer SBürbigung berfelben ^at. mir bie 3*t gefehlt. 2te
fonberö merfroürbig erfdjjien mir eine 2lbf}anblung, bie üon ben Hiu
tieften ©erfd&iebener ©djriftfteDer über 3«* unb 9taum tjanbelte unb
bie re$t unterljaltenb begann. SBenn von einem 3ö0fot9 c Äairti in
Sautenburg bie Siebe fein fann, fo ift eö pddftenä bie eble au**
gejeid&nete Oräftn Äarolme G^arlotte geroefen unb ba^er roare tyre
Äorrefponbenj gewiß für biejenigen nridfjtig, bie ben ©nttmcfelungä*
pfjafen &ant* nadftfpüren.
35a mein 33ater 1794 in bie ftönigftberger Unfoerfität eintrat, *. *<*. im.
als stud. cameraL, fo fjat er ala foldfjer t>on ftant unmittelbar nidfjt
triel fyaben fönnen, um fo mefjr aber von beffen Schüler unb ftollegen
^Srof. Äraufe, ber im #aufe befi Stifters Don SRautenburg ^audle^rer
getoefen war 2Retn @roßt>ater ftubierte in ftönigfiberg
roäljrenb ber 33lüte ftantifd&er 3Sorlefungen über ©eograpljie unb
Anthropologie, bodf) uor ber ©ntbeefung ber fritifdfjen ^p^ilofop^ie.
Äant blieb ber £au*freunb ber SRutter unb bes Stiefoaterft nad)
feiner 4?auftlef)rerjeit. einigermaßen fann, benfe id&, mein ©roßüater
ein Sdfjfiler ftantö Reißen. ...
PtafMtftfffll* Pladi0l00fe im* Ksttgtmt (1883).
(Schlaf unb £raum. Seele.)*)
6. $uü. — ©ö feljlt an einer brauchbaren pfpd&ologtfdfjen ®r= $a» Bereiten b«
flärung über benjenigeu 3 u ft ai ^/ btr\ man ©dfjlaf nennen muß. äöenn *° mt m 6 * Iflf "
feine ©inbrüdfe ber, ben 9Kenfdf)en jur S^ umgebeuben SÖelt if)m
jur ftenntniä gelangen, fcfjfäft er. Sabei fann er aus ben iljm früher
jugeteiteten ©tnbrücfen, bie Spuren Ijinterlaffen Ijaben, eine befonbere
(gerinnenbe) SBelt um fid) fefjen, ber gegenüber er mit oollem ©elbfc
beroußtfetn fü^lt, tjorftellt unb null, — wenn and) in maneben 33e-
*) Um ben Stoff ni$t ju jerirennen, fjabe t$ bie 3luf§etdjnungen aut bem
9Jtonat 3uli über Sdjfaf unb bräunt öorauägefdjicft.
— 68 —
Änljcmg pwn 16. Anguß 1882.
»io0Ta^if4d «Siumauuel Äant*) ift in 9lautenburg **) bte 1755 £auälef>rcr
il e? Äi^w?" 1 bei einem ©rafen Äegferling , roaljrfdfjeinltdf) einige 3a^re lang gc-
toefen, — eine 3^*/ ÖUÖ & er eigentKd^ nur natumriffenfdjjaftlicbe
©djriften von ü>m uorltegen. 1744 tyatte @ebl>arbt ©raf ftcgferling,
roeilanb 2Bolfenbüttelf<$er ©efanbter am Petersburger £ofe unb befannt
burdf) feinen Anteil am ©turje Sttronfi, bie SRautenburger ©üter bei
Xilfit gefauft***) unb bief elften mit feiner fünfjel>njät}rigen ©emaljlin,
Äaroline Charlotte ©räftn 2xudf)fefe, balb barauf bejogen. 3?on ifjren
beiben Söhnen, ben 3 ö glingen t>on Äant, ftarb ber ältere im 3rren=
fjaufe, ber jüngere älbred&t Sodann Dtto, mein ©rojstmter, erbte ba*
SDtojorat Siautenburg. Site Äant 9toutenburg ©erliefe, mar biefer erft
adfjt, fein älterer Sruber erft jefjn 3atjre alt. äuö ben Fragmenten
Äantifdjer ^Jäbagogit ift gu entnehmen, bafj er eä mit feljr jungen
3öglingen ju tljun gehabt Ijaben mufe. ©eine Sejie^ungen jur ©räfin
Äaroline Gfjarlotte finb ftetö freunbfidje gemefen. Äant l>at gefagt
„von biefer 25ame Ijabe er erft bie Äunft feiner Unterhaltung gelernt".
$n einem ©riefe an tyren jroeiten ©emal)l, ben 9leidf>$grafen £einrid)
<Sf)riftian von Äepferling t), Reifet eö: „Äant §at bei mir gefpeifet." —
fieiber fanben fidj in 9lautenburg feine anbem ©riefe t>or, bie
Don Äant Snoitymmg tljun, unb id) vermute, roaa oon ben papieren
nid^t t>ernid)tet ift, muß fidf) bei ben ©rben ber ©räfin Äepferling, geb.
oon SKünfter, jroeiter ©emaljlin meines ©rojnmterö, üerftreut finbentf).
6s ftnben ftdf) unter ben SRautenburger papieren oerfebiebene
p^ilofopbifd^e Sbfjanblungen, unb bie junge, geiftooHe ©räfin Äaroline
*) SBergl. Äutto gfifa)er, <Stefa)ia)te ber neueren $$Uofop$ie, 3. Auflage,
3. ©b., 3. Kap., e. 52, »iogr. 9laa)r.
**) SRein Sater tyat roieber^olt feinen älteften ©ruber, ben (trafen Ctto
äegferling, SRajoratäljerrn flu SRautenburg, befugt, unb bei biefer (Gelegenheit 9toa>
forfdjungen nadj Äantö 2fafent$aft bafelbft angeftettt.
***) gür biefe 2ln!äufe im preuj$ifa)en Staate er§ob Ujn ftriebria) b. ©r. mit
feiner 2>efcenben$ in ben (Stafenftanb.
f) ©o$n bed ruffifa)en 93otfa)afterö SReia)8grafen ^ermann Äarl von Äe^fer-
ttng. ©r lebte ben größten Xeil beS 3at>re$ in Äönigäberg, too er glänjenbe gefte
gab unb aua) otel mit Männern ber Sßiffenfc^aft üerfeljrte, wie §amann, Qippel
unb cor allem mit Äant, rotier aua) bie grofje Sere^rung biefeö $$i(ofop$en in
meinem grof$üäterlia)en unb x>äterlia)en §aufe fjerftammt.
tt) 2öaljrfa)einlitt) in ßurlanb.
2lnmer!ungen ber Jperau&geberin.
— 69 —
GfKtrfotte Weint ba* lebljaftefte Qntcrcfjc für Sßt)UofopI)ie gehabt ju
Gaben, ba biefc ©driften feljr elegant abgefdfjrieben finb. 3 um ^eil
mögen eö 2tu$§üge fein auö GJottfd&ebfdfjen SBorfefungen, metteid&t aber
ftnb audj barin Staublungen be$ jungen Äant enthalten, Seiber
fehlte jeber äufeere Sln^alt, um biefe Schriften Stant jujuf d&reiben,
unb ju innerer SBfirbigung berfelben fjat. mir bie 3eit gefegt. Ste
fonber* merfrofirbig erfdfjien mir eine 3lbf)anblung, bie oon ben 2hu
ftdrten oerfd&iebcner ©dfjriftfteüer über 3eit unb 9iaum Rubelte unb
bie re$t unter^altenb begann. SBenn oon einem 3öglinge ftantfi in
ftautenburg bie Siebe fein fann, fo ift e& fyütytem bie eble aus?
gejeidfaete ©räftn Caroline Charlotte geroefen unb baljer märe tyre
Horrefponbenj geroifj für biejenigen nridfjtig, bie ben ©nttoidelungds
pfjafen ftantft nadjf puren.
$>a mein SBater 1794 in bie ftänigdberger Untoerfttät eintrat, *. *«*. 1W2.
a(ft stud. cameral., fo t>at er a(a folcf)er oon &ant unmittelbar nidjjt
oiel tyaben fönnen, um fo mtfyv aber oon beffen Schüler unb ftottegen
s ?rof. Äraufe, ber im £aufe beft Stifters oon Slautenburg £aualeljrer
getoefen war 2Rein ©rofcoater ftubierte in Äönigfiberg
roa^renb ber SHüte Äantifdber 33orIefungen über ©eograpfjie unb
Anthropologie, bod& oor ber (Sntbedfung ber fritifdfjen spijüofopfjie.
Äant blieb ber £auäfreunb ber SWutter unb bes ©tiefoaters nad)
jetner £auft(e$rerjeit. einigermaßen fann, benfe idb, mein ©rofcoater
ein ©d&filer Äantö fjeifcen.
• • •
PWctogifttl* pradlö^Ö« unb ßcligimt (1883).
(Schlaf unb Srauttt. (Seele.)*)
6. Quli. — ©s fefjtt an einer brauchbaren pftjdfjofogtfcfjen <£r* m settaitm b«
Karting über benjenigeu 3uftanb, ben man Schlaf nennen mufe. SBenn ° imu m 6 * Iof "
feine ©inbrütfe ber, ben 9Renfd(jen 3ur 3ett umgebenben 2ßelt if)m
jur Äenntniö gelangen, fd)läft er. £abci fann er auö ben tym früher
zugeleiteten ©inbrüden, bie Spuren Ijinterlaffen fjaben, eine befonbere
(gerinnenbe) SSelt um fidf) fe^en, ber gegenüber er mit ooflem ©elbfc
berou&tfein füljlt, oorftellt unb rmll, — wenn anä} in mannen Se=
*) Um ben 6toff ni$t ju jerirennen, §abe i<$ bie 2luf§eidjnuitgen aug bem
Äonat 3u(i ü&er ©c§laf unb Xraum oorauögefäitft.
— 70 —
jiefjungen nidfjt in gerooljnter 2(rt. Qmmer aber gehört jum Schlafe
Tocfcnttid^ bic gehemmte 3 u ^itung ber frifd&en ©inneäeinbrficfe. 6s
fefjlt im ©d&laf nid&t baö ©elbftbenmfctfein, ober bie bewußte ftenntnte
beö gegenwärtigen äfabern!
2luö obiger Raffung beö ©dfjlafes geljt fjeroor, nrie bie ©inne
ftd^ jum ©dfjlafe oer^alten. SDaS Sluge fann irf) fd^Itefeen ober in
3)un!el^eit »erfefeen, bas Dfjr in eine lautlofe Slbgefd&loffenfiett, an
einen Drt, roo es nid&tö ju fd&mecfen unb ju rieben gibt. SSier
©inne finb auögefd&lojfen unb bemtodf), ber ©d^Jaf ift mdjjt baburd)
Ijeruorgebradfjt. S5er fünfte ©inn, ber fid& eben nie auöfd&liefcen läßt,
eö fei benn burdf) partielle ober totale ©rmfibung, ber ©efü^tefinn
(im weiteften ©inne, bie Drudk, ©dfjmerjs unb Sßärmeempfinbungen
mit barunter begriffen), ber madfjt, bafj ber 9Renfd& roadfjt. @r ift
aas satacwi ift auä) ber ©rtoedfer, wie Sßurfinje es f dfjarffinnig in bem ^atte erf lart,
too ber faum in ©dftfaf ©efunfene ju fallen träumt. £)aö roieber
ciufd&iefcenbe £aftgefül)l erzeugte bie Qllufion, baran ftdf) ber geträumte
%aü fnüpft. @rft xotnn baö £aflgefüf)l fo ganj eliminiert ift, bafe
ber ©d&lafenbe baö 33ett, toorauf er rufjt, nicfjt meljr füljlt, baö
Älopfen feines ^erjenö ober ber 2tortiben nidfjt metyr empfinbet, ift
er red&t eingefdfjlafen.
ier »apiinn ip ©tcfcr fünfte ©inn ift besljalb in fo aufjerorbentlidjj geringem
tp^ntoimm am ©rabe Sßf)antaömen beö £räumenben jugänglidfj , wie f etjr er auif
ii$e©tnn. " QUuftonen ju ben träumen ju liefern oermag*). 6r ift ber rcefffte,
ber toenigft pfjantaömagorifdje ©inn; weil er bem ©ebädfjtnis wenig
liefert unb ftetö oon frifd&en ©inbrücfen gereijt mirb. — $)er ©eftdfjte
finn ift bagegen ein ©inn, ber am meiften im £raum in Sfamenbung
fommt.
©ö fdfjeint bamit in 9Biberfprud^ , bafc bei ben ^attucinationen
ber ©eifteöfranfen baö Dljr in erfter Steige afftjiert mirb.
«uge unb o$r. 3lber baö fommt, roeit bem SKuge beö machen ©etfteöfranfen friföe
Sinneöeinbrüdfe meljr geboten toerben, als bem Dfjr. £>ie ^aHucina*
*) 3$ fann triebet beftätigen, bafj m'ele Sorlommniffe im Xraum fta) babura)
ertfären, bafj bie ju bem Verlauf ber Vorfälle gehörigen ©efü^Ie ber §aut am-
bleiben. 3m $raum, a(d ia) )u fpät an ben $o$en ©a)nabei eineä ©c$tff§ ge-
langte, um in ba£ eben abftofcenbe SanbungSboot aufgenommen au werben, ent*
fa)tof$ ia) mia) au einem Juanen Sprung ind 3Jleev, jum Ufer f)in. 3)ex (Sprung
bura) bie £uft gelang rounberbar, aber ber @rfo(g war ^uH. 5Zia}tö empfanb i$
unb baa)te, ob baö oieUeidjt gefa)e^en, rceit ic^ umgefommen roäre. 3 nDeä beroegte
ia) mia) ba(b ganj naturgemäß auf bem Sanbunggplafe unb begegnete bort bem
(Senator ©tacfelberg u. f. ro.
— 71 —
ttotten bea 2luge$ muffen eine größere Qntenfttät geroinnen, um burdf)
bie ©eftdfjtöbilber ber ©egenroart ntd&t aerbrängt ju werben*).
21. $uli. — ©inb bie ©inne gefd&rounben, fo ift eö: ©d&laf,
wenn baä &erj weiter f d&lägt, — £ob, roenn eö ftiffe fieljt. SMe
Sinne oerbinben ben lebenbigen Seib mit ber SBelt, — bad #erj
oerbinbet bie Steile beä Seibeö miteinanber. 2)ie ©inne mad&en ben
äRenfdjen ju ©liebem einer gemeinfamen SBelt, — baö £erj mad(jt
bie Xcile ju ©liebern eines gemeinfamen Seibeö, ju einem ^nburibuum.
©Olafen unb ©terben finb ftdf) ttynlidj), roeit beibed ber um*
gebenben SBelt entrüdft; — fte ftnb fidfj aber audfj entgegengefefct, roeil
baö ©d&lafen ben 3 u f a mmen!jang bt§> fieibeö erfrifdjt unb fräftigt,
ber £ob iljn aber löfet unb jerfefct.
©todft bie S3lutriefetung, fo l)ört augenblidflidj bie SRcroent^ätigs
feit auf. 3luö biefer @rfatyrungötl)atfadfje folgt, bafc es mit ber S^ätigs
feit beö ©efjirnö ftdfj nidjjt anberä vergalten !ann. ©ie f)ätt inne,
fobalb bie Slutberoegung im ©ef)irn ftodft. 2)ie SReroentljätigfeit fe|t
immer bie SSeroegungen beö Slutes in feinen Sahnen fdfjon oorauö.
äu<f) ifl ber 93lutumlauf notroenbig für bie @ntftef)ung unb ©rnäfc
rung aller organifdfjen £eile. SBie fefjr bie SReroen ben 3 u f a ro™W 5
bang ber Seibesteile oermitteln unb jur leeren ©eftaltung unb
SMenbung beö inbioibuellen Sebenö notroenbig finb, bie 93eroegung
ber ©äfte im Äörper unb baö Jperj, als beren SKittelpunft, finb in
erjier Stelle baöjenige, roaö bte£eile oereinfjextlidEjt ju einem Seibe,
}u einem 3nbbibuum.
©rfaljrung le^rt, bafc ber gefunbe 3ßenfdf), laum breimal 24 ©tun?
ben ununterbrochen, oljne Schlaf, tljätig fein fann : SBarum aber er ©«um \*>m
föläft, barauf Ijat bie SRaturforfdfjung bisher nodf) leine ftreng ju
beroeifenbe Stntroort. ©ie mufe ft<$ begnügen, oorläuftg bie begleü
tenben 6rfdf>einungen t>on ©df)läfrigfeit unb ©djlaf ju beobachten unb
barauä roaljrfdfjeinlid&fi bie SSerurfadfjung unb SBirtung biefer ßufiänbe
abzuleiten.
*) 3n $efau)oI$, $$gflorogie beS ©eftdjtSftnneä, tefe i$ bereits ba3, xotö io$
glaubte erbaut ju $aben. $)a§ ©elbft unb baS 2lnbre ftnb ju ben @rf$einungen
fteagend unb Sgentien. ©ie $aben, abgefe^en von ben SÄeaftionen, feinerlei ©igen-
föaften. 9ta ft$ ftnb e8 nur abftra^ierte ^otenjen. 3)a^et fommen i^nen feine
anbero ©igenfäaften ju. 3)a8 $)ing unb bad ©clbft an fto$ $aben aujjer ber
ftealtion leine anbern (Sigenfd^aften. 2)er (Stoff o^ne Bewegung ift nic^t, unb bie
ftraft o^ne Stoff aufy nic^t. SBetoegung fe^t aroeierlet abftra^ierbare ^otenjen:
Stoff unb Äraft, — fomie (Srfdjeinung : ©eele unb Seib. Sie ©eele ift ein Grafts
Phänomen.
— 72 —
5rü$eK *nfld>t : (Sinft founte man wegen ber £age, bie ber 3ßenfdf> gern im
bei l uegenber i'üße Schlafen annimmt, ba fie bem äbflufc beä Bluteö aud bem Kopf
übe'SfüDunS bei weniger günftig ift, als bie aufredete Stellung, aermuten, ber ©d)laf
e * irnB * wäre wm einer oerljältniömäftigen 2tnftilhmg ber Blutgefäße be*
Äopfed begleitet. 2)rucf auf baä ©eljirn braute in feiten §ur 33e~
obadfjtung geeigneten unb gelangten fallen wirftidd Schlaf Ijeroor,
unb fdj>ien bie annähme §u betätigen, ^ftfofern ber 3)rucf eine
Stodhmg in ber Blutriefelung im ©e^im bewirft, toirb ber Drutf
gewiß audf) bie £f>ätigfeit beä ©eljirnd beeinträchtigen. ©r (ann jur
Dfinmad&t führen. 9tber bie birette Beobachtung ber ftapiHargefäfte
an ber Dberfläd&e beö ©efiirns tyat eine Beränberung biefer änftdjten
e^orofonn- notwenbig gemadfjt. Befonberö leljrreidjj ifi, bafc wäljrenb ber €f>(oro?
f ormnarfof e junäd^fi allerbingö eine SRötung ber ßtrnoberfläd&e toafn^
genommen toirb. 35ie Blutanfjäufung bärfte bie 3irfuIation erfd&weren,
unb fülpt jur Hemmung, jutn £obe, wenn bie ©inwirfung ju lange
fortgefefct wirb. $ört fte früher auf, fo ftefft fidfj bie Äeaftion ein.
3)aä aufgeftaute Blut fliegt befd&leunigt ab, eft tritt Bläffe ber &inu
oberfläd^e, oerfjältntemäjjige Blutleere ein. 3)ie bem äbflufc mitge^
teilte Bewegung fegt bie Blutmenge in ben kapillären unter bie
normale gütte l>erab, aber Ijemmt itjre Bewegung nid&t meljr, nrie ber
oorüberge^enbe Drucf in ben oor^er gebadeten fällen, ®fi tritt ber
tiefe ©d&laf ein, mit £raum unb metft aufgehobenen Sinnesempftm
scr e«iof ifi im bungen. — 35er natürliche ©dfjlaf, baö lefjrt bie birefte Beobachtung,
berbXiBmäfeifler ift mit oertyältniömäfciger Blutleere oerbunben, unb wenn ber rafd>
©Ä* aus bem ©<$laf auffpringenbe aJtettfrf) juweilen wie bie 2fawanblung
tum ©dfjwinbel ober D^nmad^t oorübergetyenb empfinbet, ift ba* burdb
ben fdmeUen Sfticfftrom, ben einzelne ©toefungen begleiten fönnen,
woljl }u erflären.
©ine weitere Beleuchtung be* Problem* oerbanft man ber, in
woffoe ©otumen. beö Sßrofefforft Subwig ^nftitut burdf) ben Italiener SRoffo jur Äuös
bilbung gelangten Bolumen meffenben 9Retljobe. ©s ergab ftdb, baft
bie ßptremitäten beim ©infcblafen an Bolumen juneljmen, unb bafj ftc
im wachen 3 u ft an ^ e um f° m ^ r lieber an Bolumen abnehmen, je
angespannter bie 2lufmerffamfeit würbe; es naf)tn baö Bolumen beö
Unterarms 3. B. metyr ab, wenn ©ried&ifcb als wenn Satein gelefen
sjai ©e^im iiebt würbe, £)a§ ©eljirn jiel)t meljr Blut ju fidb, je weniger bie ©d&rift
«nfirenBun ß b me^t iljnt geläufig ift, bie gelefen wirb.
»tut an tf • 2g- r ro jjy en ^ ^ j U e i ner 2g a f)me^mung utd^t mir bie 2tuffaj]ung
»«.robuftiüii bes ßinbrudfö gehört, fonberu mau mu§ ifju aud^ reprobujieren unb
tineß (£inbrudö. • c * er- r c < '< r*> * fj. • c
wieberertennen. &q miiB bager oon üjm eine ©pannrraft tn ber
— 73 —
betreffenben £imjeße verbleiben, ein SRcfi, ber mieber unb wieber bem
Santmelort ber Ginbrücfe, bem ©elbft jugefüljrt werben tann. Um
biefe Spannkraft, biefe 33ebung, bie fid^ bem ©elbft afe ein ©egen*
ftanb aufcer ifym barftellt, in ber betreffenben &%* ju fijieren, fo bo§
fie nidf)t mit bem Slfte ber erften SBaljmebmung oerbraudfjt wirb, be*
barf ed einer gefteigerten 2$ätig!eit, bie mit Slutjufufyr jufammen-
(längen bürfte. aber biefe ©pannfraft fann bodf) nur fo lange jus
geführt werben, ate bie Sebung in ber betreffenben >$tUt einer gewiffen
Steigerung fä&ig iffc. 3ft bad 2Jtayimum ber Sabung erreicht, fo Ijört
naturgemäß bie ßmpfänglid&feit auf.
®er wadjje 3uftanb erforbert nadf) biefer äJorftettung eine gewiffe
©mpfängfidjfeit berjenigen 3ieroenf örnd^en , ju benen bie gafem ber
SmpftnbungdnerDen mit ifjren inneren (Snbigungen reiben. Söerben
einem folgen jentralen Jleroenfömd^en meljr SWeije jugefü^rt, als eä
aufjune^men Dermag, fo t>erfagt es ben $ienft. 3k SJejug auf biefen
Seij würbe Unempfängfidfjfeit eintreten unb wenn biefe ficö über einen
grofjen Xcil ber ©inneöempftnbungen verbreitet, ©d&laf.
3laä) biefer 33orfteHung ift bad eintreten beö Ijgpnotifd&en ©dfjlafe* s« t^nott^
bei anljaltenber mäßiger SReijung eines gmpfinbungftneroen ju er- einjeWn ««Sa.
Mären — fobalb nur bie Slufmerffamfeit oon ben übrigen ©inneß; i£% antwietk,
entpfinbungen abgezogen werben fann. £er fjtjpnotifc&e ©d&laf unter*
(Reibet ficf> oon bem gewöljnüd&en aber burd) feine ©infeitigfeit. Einige
ber centralen ©inneöjellen finb burdf) Ueberfpannung gehemmt, bie
anbern burdf) Sfolierung von jenem ©ammelplafc, ober jener ©elbffc
Seile, auf bie alle übrigen &t\ltn in gewiffen Sagen inbuftioe (!)
SBirfungen üben tonnten. SRed&anifdf) twrgeftellt tann man von einer
gewiffen Sage ber ©elbfijette fpred^en, bie erforberlidf) ift jur ©inwirfung
gewtffer anbrer Jlervenjellen — PlWfdjj gefprodEjen ift bie äufmerfc
famfeit im ©piele. <3m $9PHOtiömuS fd&läft man ein wegen ber Un*
aufmerffamfeit auf bie anbern ©inneöreije unb wegen ber Heber*
fpannung beö SRetjcs, bem bie 2lufmerffamfeit fidfj juwenbet. 9Jun
fann es leidet gelingen SBorfteUungen burd) 3tuge unb Cfjr wieber ju
erregen, inbem ber 3lufmer!famfeit nadf) biefer Seite f)in etwas 3Sor=
fd)ub geleiftet wirb. Sie anbern ©umesempftnbungen, infonberljeit
biejenigen bes ©efüf)lsfinnes, bleiben ifoliert.
4. 3an. — 3tQe <£rfenntnistl)eorie*) Ijat mit ben SBorbebingungen 2* enenntme.
bes ©rfennens ju beginnen. 3lber audfj ba [äffen ftdf) bie ©lemente, '^Vemdnen 11
(jrfafjrunfl
beginnen.
ber
*) (sine pf9$o(ogif$e ©tubte über ben ^raum müfjie jeber 6rienntni3tf>eorie
oorangefc^icft werben. &u erflären wäre, warum bie Erlernungen beS XramneS,
_. 74 —
erft am ©dftfufc bcr Unterfudfjung, erlernten, im ©egenfafe jur SJlat^e^
matif, wo jte al8 felbftoerfiänblidf) für jebeft normale 2>enfen voran-
geftettt werben fönnen. (ftant — SJkäcal!) ©ö foHte baljer bie ®r=
f enntniötfjeorie mit ber gemeinen Erfahrung beginnen, bie materiaUftifd)
üerfä^rt. 3Me SWaterie als gegeben, bie SBaljrnelnnungen als von ben
fingen felbft, nidfjt blofe t>on iliren SBorfieffungen geltenb angefefjen,
weld&eä fiub bie materiellen SBorbebingungen alle* ©rfennenö?
(5ut>ier übet bot SQBic meit füfjrt bie materialifttfd&e Unterfud&ung, bei ber nidjt ju
oergeffen ift, waö ©umer im rfcgne animal in ber Anleitung fagt,
bie uerbient in ifjren £auptfäfeen wieberljolt ju werben. 3)enn ©inner
mad^te fdfjon Ijier eine 3ufammenfteQung, bie in furjen ©äfcen bie £ier
geftettte aufgäbe beantwortet. 25a {jeifjt eö:
„2)er 3Raterialtemuö ift eine um fo meljr gewagte £t>potl)efe ate
bie Sßtyilofopljie feinen bireften 33emeiö oon ber wirflidfjen ©riftenj ber
SRaterie ju liefern vermag, ©uo. I., pag. 40, R. A. 1839."
unterbliebe 2lnmerfung: ©in SBergleidjj jwifdfjen Xraumbilbern unb Stamm-
unb©a*en. gebanfen* unb SBatyrneljmungen nebft ©eifteöttyätigfeit beft 3Renfd>en
im normalen, wadjjen 3uftanbe, ^t jweierlei Äennjeid&en ergeben für
eine ©fiftenj, abgefetyen oon ber SBorfteffung.
1. Stetigfett ber Senf* unb StnfdEjauungöformen. 3fm
Xraum löfen fidfj bie Slffociationen ber SBorfteffungen rafdjj ab, t^re
Sterfuüpfungen fjaben feine ^ntenfität unb fjaften nidfjt im ©ebädjjtnte.
©s fdf)winben fd&nett bie fiolQen ber £raumtyanblungen, fie [äffen feine
©ewiffenöbiffe, benn beim ©rwadfjen ober beim SBecfjfel ber Stratum
bilber wirb bie ^olge nidfjt mefjr für möglidfj gehalten, bie ÄaufaU
reifje lä&t fid& nid&t oerfolgen. Drt unb $t\t un b ©rfdfjemungen
wedfjfeln unauffjaltfam, ofjne genügenben äfalafe. SBenn ftd() bagegen
im wachen 3 u ft an ^ c bie SBorftellungen nid^t oerbrängen laffen, bie
Staufalretyc in ©wigfeit ntd&t unterbrochen werben fann, Drt unb 3eit
unb was fie erfüllt, nie oljne jureid&enben ®runb geänbert werben
obwohl 2lppre(jenfion, SHeprobuftion unb SRefognttion unb 3bentität unfreS Setbft
babei tljatig finb, feine GJegenftänbe ber richtigen Grfenntnte bieten fönnen. (£3
bürfte ben träumen ein Clement festen, ba3 bie 3lffociation ber @rfa)eimmgen
na$ richtiger Affinität hervorbringt, $iefe3 Clement ift ber 3ubrang ber frifdjen
©inbrüde (Steaftionen) jur Stppre^enfion. £te frifü)en Ijemmen boö Vorbringen
ber früheren reprobuftiblen naa) heterogener Affinität. 3)a fann ber Söiffe bie
>2lufmerffamfeit fefjeln gerabe auf biejenigen (Sinbrücfe, bie er ju »erfolgen ft$
oorfefct. Ober: $)ie <3tetigfeit fommt aud betn 92ia)t:3a) unb gewinnt immer roieber
(Erneuerung burc^ 2öieber^olung b e r f e t b e n SReaftion ^nrifc^en 34 unD ^4 t= 3^
of)tie we(ä)e bie Siefognihon von furjer Stauer bleibt.
— 75 —
fönnen, fo ift baö bic äBirhmg ber toad&en ©imte. $ie ©eele ift, auf
fidj felbft angenriefen, außer ftanbe, eine bleibenbe SBelt barjuftellen
— aber, fobalb üjr bie bejfiglid&en, finnlid&en 2BaI)rnel)mungen ju?
gänglidfj ftnb, flauet fte ben unenblidljen ßimmel, mit ben um>erän*
berli<$, für bie (Snrigfett georbneten ©ternen, oerfpürt fte bie unauös
löfd&lidfje 23erantroortlid)feit für ifjre ßanblungen. 35iefc ifjr von außen
fjinjugetragene geftigfeit muß oon einer äußeren aRad&t fommen,
bie nrirflidfj ejiftiert, unb bie wir «Stoff ober SRaterie nennen. 35er
jtoeite Unterfdf)ieb jwif^en Sraum unb 2Birflid[)feit liegt in bem £aft=
geffiljl. ©cljon in ber 31iaö*) $eißt eö:
„2öie man im Xxaum machtlos ben gtte^enben ftrebt ju Derforgen,
9K<$i f)at biefet bie 9Wac$t )u entffte$n, noc$ ber 311 verfolgen:
©o tonnt' er nu$t $afc$en im Sauf, no$ enteUete jener. 44
ätte Seroegungen, bei benen wir 2)ru<f empfmben fotten, bringt a>a» 3>nur«efü&i
ber iEraum unrollfommen ju ftanbe, ober gar nid)t. 3)aft SDrudk unb umkommen.
9htöfe(gefü$l ift eben nidfjt bur<$ ^antaömen gut ju reprobujieren.
daraus erflärt jxd(j, baß ein blinber Äfaoiertrirtuoä oft Söhifif im Xraum
fjörte, tote er mir gefagt f)at, felbft aber nidjt fpielte. ©arauö erffärt
ftdj bie glugberoegung im Traume, weil ber mangelnbe ©rudf auf
bie ©ofjle ju ber ^ttufion veranlaßt, baß eine anberartige Orts* unt«web
betoegung erfolgt ift. 35arauä erflärt fidb, baß man im £raum fo m£ sSumm als
oft fid) nidfjt anftänbig gef leibet oorfommt, ober wenig befletbet; man erfa&runiwrft.
reprobujiert nidfit bie ©rudfempftnbung ber ftleiber am Seibe. S)amit
Rängen, jum 5Tcit menigftenö, bie träume jufammen, baß man nid£)t
fertig wirb unb allerlei Verlegenheiten erlebt; bamit fjängt jufammen,
baß man in ber Siegel nidfjt auf ber ßnfenbafjn ju fahren träumen
fann. 3)ie furjen, erfdfjütternben, roenn audf) geringen ©töße, laffen
fidjj nidf)t träumen. £>er ©ireftor ber franjöfifdfjen Sftorbbafin fagte
mir einft auf meine Stnfragc: „Sonberbar! mit einem 35aHon in bie
Suft bin idfj im £raum gefahren, roas idfj in 2öirflidf)feit niemals
getrau ; bagegen, roaö idfj in SBirf lidf)f eit tägfidfj tljun muß, per @if en=
baljn fahren, fyabt idfj nodfj nie im Eraum getljan." — 2)aö Sffiteber-
ertoadfjen mürbe audE) ntdfjt gut gefingen, wenn eö nid^t geroiffe 6m-
pfinbungen gäbe, bie barüber feinen 3™^ foff cn / & a ß fi c & cr 3ö^t
bes Trauma nid^t angehören fönnen. ©ö erroedfen jroar Saute unb
Sidjteinbrücfe, aber auägefdfjloffen ift nidfjt, baß fie erft guefungen,
geringe SRuöfetbemegungen beroirfen, bie SrudE unb aKuöfelgefü^l ^er=
oorrufen, fo baß ba§ ©rroad^en eigentlich immer burd) ben ©efül)t§=
*) ®efang XXII, ». 199.
— 76 —
finn vermittelt nrirb. 1. 2)ie ununterbrochene geftigfeit ber
ÄaufaKtät beö ganzen SBeltbübeö in un§>. — 2. $ie SRuftfct, SDrucfc
unb 2?aftgeffil|le an und ftnb erfatyrungömäßtg leine $Taumprobufte.
@ö ift bo^er nidjt otyne @inf dfjränf ung , baß man gelten fajfen fann,
roaö ber 93egrünber ber mobernen Sßl>üofopl>ie in feiner ewig benfc
roürbigen erften 33etrad>tung über bie Philosophie premi&re fagt: je
vois si m&nifestement, qu' il n'y a point d'indices certains, par
oil Ton puisse distinguer nettement la veille d'avec le sommeil *) !
— ßö gibt untrügliche 3ftdjen für baö SBadjen: geiftig bie 5tontt-
nuität, finnlic^ baö ©efüljl. 2luö ber ©rfatyrung fenne id)
bemnadj eine ftofflid&e 2Belt; tyre ©fiftenj ift mir fid>er, aber iljre
xaö mim bes 33efc3baffenbeit unbetannt. 2>aö SBefen beö Stoffs ift mir gätnlid)
Stoff«« ein , . u
öc^eimniß. getjetmmöüou.
Gwrier fagt weiter a. a. D. :
3fortfeijunß Don „2)amit baö 3$ wahrnimmt , bebarf eö einer ununterbrochenen
SWeruenoerbinbung jnriföen bem äußeren ©inneöroerfjeug unb ber
jentralen 9Rarfmaffe. 9tur bie älenberungeu in biefen SWaffen nimmt
baö $6) roaljr, unb eö fann ©inneöempfinbungen geben, bie in Ijo^cm
©rabe nrirflidf) ftattfinben, bie, fei eö in ber 9iert)enba^n ober in ber
3entralmajfe felbft entfpringen, oljne ©rregung beö äußeren Sinnet
organö; baö finb Xräutne, Sttfionen ober genriffe jufällige Sinneö-
empftnbungen. . . .
„Unter 3 cntta ^ na ff e meinen nur einen %t\{ beö Jleroenfpfiemö,
ber in bem 9Jlaße enger begrenjt ift, alö baö Xter ooWommener ift.
3m üWenfdfjen ift eö nur ein befd&ränfter £eil beö @et>irnö, aber
in ben Steptilien ift eö fdfpn @el)irn unb SRüdenmarf oaUftänbig. . . .
2)ie 2luöbel)nung ift uo<$ größer in nieberen Vieren.
„2)ie ^Jerjeption burc^ baö 3$ bringt baö Silb beö ©inneö-
einbruefö Ijeroor. Xit Urfadfje beö ©tuneöeinbrucfö oerlegeu wir
außer un^, unb f Raffen unö fo bie ^bee oon bem ©egenfianbe, baö
tfjn tyeroorgebracljt fyat. Vermöge eineö nottoenbigen ©efefceö unfrer
anteiligen} finb alle ^been förperlidjer ©egenftänbe in 9taum unb
in 3<*t.
„Sie oon ber SDiarfmaffe empfangenen 3)tobiftfationen ^interlaffen
barin ©puren, bie fid) reprobujiereu, unb rufen im ©eifte bie Silber
unb ^becn jurücf; baö madfjt baö ©ebädjjtniö auö, ein förperlid&eö
Vermögen fefjr oeränberlicfier 3Crt nadf) 3llter unb ©cfunbtjeit.
*) „34 f e *J e offenbar, bafe e$ feine fidleren Äenn§eidjen gibt, um mit Gferotß:
f)eit baö 2L*ad)fein t>om Sdjlafe $u unterf Reiben."
— 77 —
„Sie Qbeen affo eueren ftdj nad& 2(e^nlid&feit unb ©letdfrfeitig*
feit. Sie Drbnung, ber Umfang unb baä Sereitfte^en bicfer äffociatiou
m«$t bie 33olIfommenl)eit beä ©ebädfjtniffe* aus.
„Sie ^ntelligenj (einfielt) permag bie nebenfädfjlid&en Sbeen
von ben ©egenftänben ju trennen, unb biejenigen, bie ibentifdf) in
mehreren ©egenftänben angetroffen werben, ju einer allgemeinen $bee
ju Bereinigen, beffen ©egenjtanb fidf) nirgenbö fxnbet unb ntd&t ate
etwa« ©njelnes ber SBorfiellung fidf) bietet. Sa* ift bie 2lbftraftion.
„Sa bie ©mpfinbungen meljr ober toeniger angenehm ober un=
angenehm finb unb bemgemäfe erftrebt ober oermieben werben, ah
[tradiert man auö tynen Regeln für ben Söillen.
„Sa biß folgen t>on ©mpfinbungen angenehmer 2lrt unangenehme
fein fönnen ober umgefefjrt, fo oeränbert baä bie abftrafjierten 2Bittenä=
regeln (oermöge ber 2lffociation oon ©mpfinbung unb $olge) unb baö
matyt bie 33orfid)t.
„Sie Slmoenbung ber Siegeln auf bie allgemeinen (abftraften)
3been mad&t bie Vernunft auö.
„®ine lebhafte ©rinnerung ber ©mpfinbungen (primäre ober burd&
2ljfociation ^injugefommene) mad&t bie ©inbilbungöfraft aus.
„6in beoorjugteö SBefen, ber 2Kenfd&, fann feine allgemeinen
3been (SSorftettungen) mit mifffürlid^en 3*id&en (oerfoppeln) affoeiieren."
— Sas fü^rt jur ©pradje unb ©djrift.
„Sie ooIHommenften £iere fte^en intetteftuell unenblidf) tief unter
bem ÜRenfdfjen, bodf) ift eä genrifj, baß iljre anteiligen j 5Berrtdf)tungen
»oHfüfjrt berfelben 3lrt.
„9Rit einem SBort, in ben leeren Vieren bemerft man einen
©rab oon Vernunft . . . ungefähr wie bei Äinbern, e^e fte ^aben
fpred&en gelernt.
„aber in oielen Sieren gibt es ein oon ber ^nteHtgcnj untere
fdjjiebeneö Vermögen, baö man Qnftinft nennt.
„2Ran fann fidf) anberö feine flare SorfteHung oom ^nftinft
madfpn, als wenn man annimmt, bafc eö in ifjrem Senforium an=
geborene Silber unb aSprfteHungen gibt, fonftanter 9totur . . . eine
3lrt Eraum ober SBifion.
„Ser ^nftinft fyat fein fidfjtlidf)eö SDierfmal im Sau beö Siereö,
aber bie Qntettigenj, fo oiel ftdf) beobad&ten lä§t, fte^t in einem feften
SSerffältnid gu ber ©röfje beä ©efjirnö, namentlich ber &emif paaren."
Saß ift bie Gumerfd&e Slnfidfjt. Offenbar trennt er baä ©ebädfjt*
nte ate ein förperlidfjes Vermögen oon ben anbern Seelenoermögen.
— 78 —
2iffe treten in SBirffamfett in Skranlaffung ber oon ber ©innlid&feit
gebotenen Materialien, aber uadfj eigenen ©efefcen. 35aö ®ebädjt=
nid gibt ben ©toff Ijer, baran bie ftntelligenj afe abflraftionö^
vermögen arbeitet. Sie ftnnlid&e (Smpfinbung bietet ben (Stoff, aus
bem toieber bie ^nteffigenj SBiffenöregeln jie^t. 3)ie SBtffenSregeln,
angetoanbt auf bie mit iljren 5°tß en jufammengefafeten (Smpftnbungen,
erjeugen bie prudence, bie Älugljeitöregeln. ©ie &lugf>eiteregefn auf
bie affgemeinen Qbeen, auf bie Sbeale angetoenbet, mad&t bie 35er=
nunft auö.
3m 2Renfd&en ift ber ©iß ber geiftigen £f)ätigfeit jirfumffripter
ate in ben Vieren, namentlich nur auf einen £eü ber £immaffe
befd&ränft. ßuoier meinte oieHeid&t auf bie £emifpl>ären.
Sofjannes SRütler in feiner Sßtjpfiotogie beroeifet junädfjft, ba§ nur
bas ©eljirn, unb fein anbrer Xcil, Drgan ber Seele ift; femer ba§,
ba nur ein Heiner $eü ber im ©eljirn oorljanbenen Smprefftonen
oon ber ©eele gleid&jeitig überfein werben fann, fte nid&t baö gange
©rofftirn einnimmt. (Sr meint, mir totffen nid&t baä ©eringfie über
3funmonen b« ben funktionellen Unterfdbieb oon grauer unb toeifier fiirnfubftan*.
ßtduen unb tonnen
^irniubftanj. ©eit $o\). aJUiUer Ijaben anatomifd&e arbeiten unb 33u>ifeftionen
bodjj mefjr über bie Munitionen ber grauen unb weiften ©ubftanj ge*
le^rt. ©ie graue ©ubftanj ift gebilbet .oon Sßrotoptoömaförperdfjen,
9Zeroen jeden, bie burdf) Reiben in Sieroenfafern übergeben. (Sine graue
3effe fenbet oft mehrere $äben aus, bie eine SBerbinbung tyerfteffen
mit mehreren SReroenfafern. ®ie -Weroenfafern unter einanber ana=
moftofieren nid&t, ftnb aber nidfjt wie bie SReroen aufter^alb oon ©Reiben
umfd^Ioffen. SBeniger ifoliert, ift jtoifdjjen itynen eine geroiffe SBedjfeU
toirfung, gleidjfam burdf) Qnbuftion, allerbingä oorfteffbar. 2)odfj iljr
Siau madf)t fie toefentlidj ju Salinen für bie &\ltn ber grauen ©ub=
fiauj, bie ©tationen unb Äreujpunfte barfteffen.
sei tierif*« (Sä fei bemerft, im 9nf$(ufs an Guoiers Semerfung, bafj niebere
»on ber ötö|e bee xiere mit ben überrafdbenbften ftnftinften, \. 3J. Slmeifen, lein, bem
intelligenten ^nftinft entfpredfjenbeö gröfeereä 3*ntratyirn aufroeifen.
(Sä bebarf, lann man fdfjüeften, für bie oererbte Qnteffigenj, als toeldfje
bie ^nftinfte anjufe^en ftnb, jroar immer ber -Jieroenjeffen, aber ofjne
feljr fompüjierte Sahnen. $ie menfdf)Kdfje ^ntelligenj bagegen bebarf
oorjugsroeife eines fefjr enttotdfelten ©riftemö oon SBerbiubungen, nidfjt
nur mit ben ber 2luftemoelt jugef ehrten ©inneäapparaten, fonbern
— 79 —
audfj jur SJerbinbung bcr perfdfjiebenen ©nippen grauer Subftanj unb
if/rer Äörud&en unter einanber.
SSorauögefefct, man würbe ein £anb betreten, bejfen Sewoljner
für unfre Sinne nidfjt wahrnehmbar wären, barin nrir aber eine
unenbltd&e 3Kenge von Stationen unb SBerbinbungftwegen antreffen,
fo würben wir nid&t jweifetn, baft bie 2Bege ju Bewegungen beftimmt
ftnb ober beftimmt waren. 3Kit berfelben Sid&erljeit fönnen wir be*
Raupten, in ben ;Wert>enfafern beö ©eljirns bewegt fidfj ein unbefannteä
©twaö, unb läuft aud oon SReroenjeHe unb ju SReroenjelten, ober ju
Sinnet unb 33ewegungöapparaten.
Dljnef)in wijfen wir, ba£ bie Sinneareije nadfj innen bringen,
unb bafe bie 3ufantmenjie^ung ber wiHfürltd&en 2Rudfeln nadf) aufceu
ge^t, nur fo lange bie SBerbinbungäwege mit bem ©eljirn nid&t untere
brod&en ftnb.
aber bewegt ftdf) nur ein SReij uon unb ju einer ruljenben Seele,
ober ift baö, was wir Seele nennen, b. §. baö ftd& felbft fitytenbe
unb bewegenbe mgfteriöfe SBefen, ofjne weldfjeä alles unbegreiflich bleibt,
nid^t felbft ein Sewegteö? Sieleö fpridjjt bafür, ba§ eö ein Seelen*
oeljifel gibt, baß felbft burdfj bie SReroenbafjnen fortf freiten fann,
wenn audf) bie äußeren SRetje gleichfalls von benfelben Sahnen tonnen
fortgeleitet werben.
Sdfjon $o1). aWüller bemerft, wie nur ein Heiner £eil ber im
©eljirn Dor&anbenen Qmpreffionen oon ber Seele in einem Moment
fann erfaßt werben. Üäme es etwa auf ben ©inf aHöwinfel , unter
welkem bie SReije ber Seele jugefüljrt werben, beim ©rfaffen ber=
felben an, fo müfete baö Seelenoefjifel bafb auf ben einen, balb auf
ben anbern SReij feine Dberfiäd&e einfteHen fönnen; eö müfete biefeö
SSe^ifel ftd^ breiten ober in oerfd&iebenen SRidfjtungen ungleidjj ftdf)
fpannen fönnen.
3)ie SBorjtettung , bie man oon bem Seelenf örperdfjen ftdf) madf)t, «nfritifle &tun.
mu£ aber aud& ber ©rfafjrung genügen fönnen, bafc eine einfeitige fl "* "'
Slbforption ber Seelentfjätigfeit möglidfj ift. ©in ©egenftanb im ©eftd^tö=
felbe locft bie Shifmerffamfeit ab oon ben anbern, obgleidfj aud) fie
im ©efidjjtöfelbe ; oon 3Rufif ober audf) oon ©ebanfen benommen, wirb
juweilen mdfjt gefe^en, was in ber günftigften Sage oor 3lugen tritt.
SBenn man ftdfj oorftettt, baö Seelenförperdfjen beftnbet fiel) auf einer
33aljn, t>or bem ftreujpunfte, wo bie ©efid&töreije juftrömen, wäre
bas uerftänblidfj. ©benfo ftnb bie Ijtjpnotifdfjen ©rfd&etuungen 51t er=
flären. 25aö Seelenförperdfjen oerliert bie leidste Seweglidftfeit. 9tad)
ßumer* 2lnftd)t bebarf eö ber fcfjneUen Sicrgleid^iing unb SBerfnüpfung
— 80 —
mannigfad&er, in ber Erinnerung aufbewahrter ©inbrüdfe, um begriffe,
SBittenöregeln, Klugheit unb Vernunft unb Gtnbilbungäfraft ju er=
&« tn eintm ort langen. SBettit ber Seelenförper in einem Ort ftriert ift, oerliert er
thxptx öeriiert bie meljr ober weniger biefe Vermögen; er fymbclt otyne ftrittf; jebe $or=
s>« Sij^ttotism^« ftellung, bie in ifjm burd(> SBorte erregt wirb, ober burd& SSormadjen,
etnsrt. fdjeint if)m richtig , jwingenb; bie 2Billen4anfpannung aller Sttudfeln
erfd&eint als Starrframpf unb fann ntdjt ueränbert werben.
$wotw< etne« 2)ie uollftänbige Slbwefentyett einer bominierenben Stegton im
dttumWm. Öefjirn fprid&t befonberä für ein im ganjen &ef)itn wanbernbe*
Seelenförperdfjen. 2Benn eine 9ten>enjeHe ber grauen ©ubftanj felbft
biefeö Seelenförperdfjen fein follte, fo Ijätte biefe 3 e H e / nad&bem ftc
in ber Äonfurrenj über ihresgleichen ben Vorrang erlangt , aui) ftcb
©ine 3enttaii«ne äufeerli<ij Ijeroorragenb entwidfeln muffen, unb eine foldfje 3 c He feljlt,
1 ©Vie ni$t et foweit bie 5 or f$ un 8 teidbt. Unter ber unenblid&en ©df)ax von £int;
ö un m i»or en. jj^^^ ^ t f e j ncö Q j d gf| j> cr @ ec [ C JU bejetdfjnen. Aber ift bie
Seele nidjt ein blofeeö Xtyätigfeitdjentrum, bad von allen 3 e ^ en 5 U '
su 6«ie toirb fammen erjeugt wirb, wie ber örennpunft von allen teilen eines
©rcnnWmt SBrennglaf es ? @s liegen fidj aud^ bie Grfaljrungen, bie foeben burdb
aufleoB. ^ fceweglidjes Seelenförperd&en oerftänbliti) gemalt werben füllten,
baburdf) erflären, baft bie Seitungen ju bem Srennpunfte Ijtn geflopft
werben, in ber Konfurrenj bie fräftigeren übrig bleiben, anbre gelähmt
werben burdjj allerlei Umftänbe. Dann würbe es feines eigenen,
unfid&tbaren 3eelenförperdf)ens bebürfen, bejfen annähme red&t wiber=
finnig fdjeint. £ie Kontinuität bes 3^ tonnte in beiben ßppotfyefeu
in berfelben SBeife erflärt werben. Gs mu% bie ©rfdjeinung
burdfj £injutritt unb ©dfjwinben fidf) fo fliefcenb änbern, bafe
fie fidf) in je jwei Settro^wenten, bie fidf) folgen, nodj als
biefe Ibe weife — wenn audf) ber ttnterfd()ieb jwifd&en ben weitaus^
einanber liegenben 3 e itmomenten 51t grofe ift, um fiel) als basfelbe
2Befen anerfennen ju fönnen. $as fann bei einer Sid&terfdfjeinung,
wie j. $. ber Siegenbogen, ebenfo eintreten, wie bei bem in ber
(Sidfjel eingefd&loffenen Keimling ber ©idje; bei einer aus aerfd&iebenen
Komponenten Ijeroorgefyenben SRefultante ebenfo gut wie bei einem
befonberen Körperdfjen.
unüberwinbudje 9iur bas bleibt eine unüberminblidfje Sd&wierigfeit, bafc bie Seele
€ceimtVorie. er bas empfinbenbe, bemegenbe, fombinierenbe Selbft fein foff. $ft fte
eine blofee SRefultante, fo oerlegt man bie ganje X^ätigfeit in bie
Komponenten, unb gelangt *u einer ganjen Sdjar, bie man weber
als (Sinigungsort aller ©mpftnbungen, nod) weniger aber ate ben Si$
ber 2Bitten*eutl)eit unb bes Selbftbewufetfeinö oorftellen fann. Cd mufj
— 81 —
bie SRefultante roieber aftio gebaut werben unb burdf) 9Jet>erberation
bie Komponenten beeinfluffen.
So fityrt bie materialiftifdfje SSorauöfefcung auf jroei bodf) un*
begreifliche SJorftettungen :
1. Stuf eine ftd) fclbft perjipicrenbe unb birigierenbe Bewegung,
2. auf ein in ben Sternenbahnen umtyerlaufenbeö, ober auö ben
Sternenbahnen jufammenftrömenbeö Seesen.
2>ie Sdnoierigfeit ber ©rjeugung neuer Seelen auö Xeilen ber ©«tenerjeuguna.
Dorfjanbenen befeelten ftörper, oon ber 3ol). SDJüUcr fd&on rebet, fommt
ftinju. Sabei ift freilieft eine $Berroedf)ölung ju oermeiben. Sie ©r*
fa^rung jeigt, baft auö einem orgamfdfjen, aber genug unbefeelten
Mörperdjen, wie ber befruchtete ©ifeim, bem ein Selbftgefüljl nid&t
beigelegt werben fann, ein Seib fjeramoädftft nadf) feften ©efefcen, in
welkem audf) bie &irnmaf[e, bie materielle SBorbebingung ber Seelen*
tfjätigfeit, ftd) auöfonbert unb geftaltet. ü)Jan fann alfo bem be=
fruchteten Reimt Äräfte juerfennen, bie t)on ©eftalt ju ©eftalt weiter
treiben unb ftd) bilben, bis julefct im 9Kenfdjen bie Seelentf)ätigfeit
ftdj entfaltet. 2Baö aber nad) ben ©efefcen beö Sleimö, unter ber
Simoirtung günftiger Umgebung, alfo als ein Sßrobuft oon innerer
Äraft unb äußerer ©inroirfung, entfielen fann, baö im erften fteim
ale SSorbilbdfjen fidf) fertig ju benfen, ift nid&t ridfjtig. $ie Seele ift »jf «eeieetn
ein 2Badf>ötumsprobuft unb toie alle 2Bad)ötumöprobufte eine Steaftion *«*»«♦•
pifd^en inneren 3>iöpofitionen unb äußeren 2lgentien. 3Bobt
ift man berechtigt ju fpredjen oon einer eigenen ©eftaltungöformel,
bie jebem organifdjjen roadfofenben Teilchen eigentümlich ift. 3>er £aupt=
fac^e nadf) maltet biefelbe ©eftaltungsformel burdf) alle Teilten beöfelben
Dr<}aniömuö. Sßenn fie fidf) nadf) ben Legionen ju oerfdjiebenen $unf=
tionen oerfd^iebengeftaltig entroideln unb reprobu^ieren, fo ift baö burdf)
£emmungöoorgänge unb einfeitige 3 u f u l) r ° ön 3 uroac *$ ma t er i a ft en 8 U
erflären. 3e noHfommener ein orgamfdfjeö SBefcn ift, um fo bifferen*
Werter jtnb feine Teile, um fo fomplijierter bie 3lnforberungen an
ben Ort, in meinem baö ©eftaltungögefefc ooHftänbig jum Slustrag
gelangen fann. 2>eö 9Kenfdf)eu befristeter &eim fann nic^t an ber
Suft ober im SBaffer bie rid&tige 3 u f u *) r erlangen, — nur baö Meim=
blähen im @t unb bie Samenfäbdjen finb oor einer SBerbilbung
beim 9Renfd)en bewafjrt geblieben, bie eine oollftänbige ©ntroidclung
unmöglidj madfjt. 2llle anbern Teile beö 9Wenfdjenförperö, obgleich
fie baöfelbe ©eftaltungögefefc in ftd) tragen, fönnen eö unter ben ge=
gebenen Umftänben nid&t mefjr ooll betätigen. ^>rotoplaömaförperdf)en,
fo nennt man jefct bie roadifenben organifdjen ©lemente. 3» il)«m
*u8 bm ZaeebugMSttrrn be& trafen H. Rft^crling. 6
— 82 —
wefentlid&en 33eftanbteil gehören ©ubftanjen, bic ber Gljemifcr in bie
©ruppen bes ©iweifees orbnet. 2Bie es dijeimfdfje a3erfu<$e benriefen
fyaben, laffcn pdf) eine faum überfeljbare 9tnjaf»( t>on ©iwetfjarten nafy
weifen, unb bie 3 u f ammen f e fe u !tg ^ rcr 2Jtolefüle befielt aus einer
überrafd&enb großen 9ltomjaf)l non KoJ)len=, äßaffer*, ©auer* unb
©tiefftoff, bie eine unenblid&e 3^1 non Kombinationen jufaffen. 3>al)er
ftimmt es fe^r wotyl baju, wenn jeber SRenfdfj ein inbimbueQ anbres
©eftaltungsgefefc in feinen ©liebem trägt unb oererbt mit Weinen
inbitribuellen ätöänberungen. 33ei nieberen, wenig bifferenjierten SBefen
fann jebe 3eHe bes fieibeö jtd£) t>oHftänbiger entwicfeln, burdf) ©proffung,
Teilung u. f. w. in Suft, SBaffer ober 6rbe ju einem neuen t>olU
ftänbigen SBefen werben. 3lber bas alles bilbet für bie ©eele bodf)
nur ben 33oben, auf bem fie ftdf) entwtdfelt. @s ift aber fein ©runb,
wegen ber 3 eu 9 un 9/ von c * ner Teilung ber ©eelen ju fpredjen. $er
33oben teilt fidfj, auf bem ©eelen warfen, nidf)t bie ©eelen teilen fid).
stoff unb Ätoft ©ntftanben fie , fo aerfdjwanben fie audfj. 35er ©toff unb bie Kraft
u ^m Vumme!" bleiben, wie wir wiffen, in alle ©wigfeit erhalten, aber eben besfjalb
f)<xt ifir 33eftanb, ber nidjt permefjrt ober peränbert werben fann, fein
Seben, — fein intereffantes ©d)icffal. Ob es in biefer £yorm ober
jener befielt, es ift baran nichts ju gewinnen ober ju nerlieren, eigene
lief) ein totes Kapital.
£thtn ift nur in ben ewig fidfj änbernben 3ufammenfe|ungen, in
ben ewig fidf) faufal bebingenben Delationen. Dljne bie nor^erge^enbe
2lenberung wäre bie folgenbe unmöglich gewefen; — feine SBeränbe^
rung ift folgenlos, — feine iljrer SBirfungen fann ungefdfjeljen ge=
madf)t werben. — 9liä)t in ©toff unb Kraft ift ba§er ewiges Seben
ju fud&en, ewiger gortfdfjritt möglich, nur in ber Drbnung. ®ie
sjouenbuna b«r uollenbete 2Be Itorbnung ift bas hoffte Sbeal, bie unenb-
^ufßabe ancs licpc Aufgabe alles SafetnS; btc untjollenbete Drbnung
aber bas Safeienbe, otjne welkes eine Aufgabe, ein^beal
nid)t fein fönnte.
(feoif, 3(n(ier6ß($fteif, Srei^eit.
9lad) biefer Vorbereitung feieren wir jurücf ju ben anfänglichen
fragen nadf) ©ott, Unfterblidfjfeit unb $reif)eit.
Sie 33ejiel)ungen in ber SBelt jwtfdEien ben SJtaffen unb Kräften
Tai 3bcai ift fiub bas cigeiitlid^e &btn ber 2Belt. ©ie brängen einem Qbeal in
öcßcben. infinitum 51t, bas aufgegeben ift, aber nidf)t gegeben, eine 2hif*
— 83 —
gäbe, fein Saturn. SBoHte man biefes Qbeal ©Ott nennen, fo §ätte sa» 3b«t - ber
r . . /» AA unfertige ©ott.
man etnen unfertigen ©Ott. —
9Wan fann aber in biefen oeränberlid&en Delationen audf) oon 3n bm *etänbet.
®efefcen fpred&en, bie unoeränberlid^ finb, ganj abgefefjen oon ityrem nnb^manbir"
gintritt in bie 2Belt. Sie eJattgefege fönnten nicf>t eintreten g. 23., u< * e öefe *'
wenn es nid^t (Stoffe gibt, bie fid) anjie^en ; aber fobalb bie festeren
gegeben, roirfen bie oon ©roigfeit tyer feftgefefcten ^attgefefce. ©ab es
einfi, wie es fdfjeint, auf ber <£rbe audf) feine äBefen mit ©eljirn, fo
finb bie ©efefce für ben £irnmedf)anismus bodf) mcfyt erft fpäter tnU
ftanben, fonbern oon aller &it unabhängig.
Könnte man nun ben Äomplej ber SBeltgefefce, bie ewig unb
unoeranberlicf) finb, toenngleidE) erft aftio, fobalb bie Delationen, an
benen fie ©eltung befommen, eintreten, ©ott nennen?
Sie ©ottesibee forbert aber eigentlich bie 33erbinbung beiber oor*
ftefyenben 3been. 9Ran fönnte füglidfj fageu: ©Ott ift bas eroige
SSeltgefefe, bas fidfj in bem 9Seltibeal realifiert.
Einem folgen ©ott fidf) gu fügen, iljm mit allen Äräften
311 bienen unb i^n ba^er ju lieben, roäre für ben 3Jtenfdf)en
bas £ödf>fte unb ©dfjönfte.
Sßor allen Singen ift aber ein foldjjer ©ott uujroeifelljaft oor~ ©ott <u§ ©eittbeai
^anben, er ift feine tote 2tbftraftion, ba er bas fidfj in eroigem «bjttiition™ et tft
5e6en entroicfelnbe SBeltibeat in fidf) enthält. um l t&' Mm™
3ßn als Schöpfer ber unoermeljrbaren Stofffräfte anjufeljen, a * b<m Wflen -
folgt aber nid)t aus bem SSorfjergefyenben unb fjat aueb feine Se=
beutung.
ftommen roir nun auf bie ttnfterblid&feit ju fpredjjcn, fo fieljt es 3*3 $ Ttteben be&
bamit fdfjled&t aus. Unter fortleben bes ^ubwtöuums wüb bodf) ge* 3nbimbuumS
meimglid& ber gortbeftanb beö felbftberouftten Sebens an irgenb
einer jirfumffripten Stelle in ber SBelt oerftanben.
Sagu ift nun ganj unb gar feine Slusfidfjt, ob id(j bie Seele als
ein unenblidf) Meines £örperdf)en , ober als ein ^robuft oon Heroen*
ftrömen anfelje, bie, in einem Sammelort ftdf) freujeub, bas mtfteriöfe
©ebilbe, bas feine Seroegungen felbft füljlt unb regelt, ^eroorbringen.
Sitte SBirffamfeit biefer Ströme- unb $örperdf)en fjört mit ber 33lut~
riefelung im ©e^irn auf unb nadf) bem Xobe löfen fi<$ bie Deroen*
majfen auf, unb fönnen nidjjt irgenbroo ju früherer $orm unb 3 Us
fammenfefcung fid^ roieber oereinigen. 6s gibt aber audf) feinen Drt
für bie abgefd&iebenen Seeleu unter, auf ober über ber @rbe. Ser
— 84 —
Transport ber ©eelen bur<f) bie £immeläräume ift pljijfifdf) nic^t
DorfteHbar. 2lu8 bem fterbcnben ftörper f^eibct nic^tö ! Sie ge=
meine Unfterblidfifeit mar au<f> eine fo fdfjmadfje 3bee, baß, als ba-
gegen bie Seljre üon ber gleifd&eöauferftefjung auftrat, fie fidf) befdbeiben
jurödjog.
Sie SSatyrljeit an ber Unfterblidftfeitsibee befielt nur barin, bafe
jebes fetbftbenmßte Qnbfeibuum ein ©tü<f in ber SBeltorbnung ift.
35on fiel) aus realifiert ea, burdfj feine freie Sfjat, neue 3ufammens
fegungen nadf) ewigen ©efefcen für alle golgejett. Saljer gehört in
feinen fiebenöfreiä bie unbegrenjte 3^(unft. Saö fortleben feiner
SBerfe, ob fie aud^ feinen SNameu nidf)t tragen, ift feine Unfterblicbfeit.
$n biefetn ©inne ift UnfterblidEjfeit allen benjenigen SBefen beijulegen,
bie greiljeit ljaben; f^rei^eit aber {jaben SBefen, bie burd^ nriHfürlidbe
£anblungen in ben Verlauf ber Äaufalreifjcn eingreifen.
Urtivit. 2öaö enbüd^ bie ^ret^eit betrifft, fo erfenne man junäd&ft an,
baß ol)ne fie roeber baä moralifcfye, nodf) baö pl)pfifdf)e fieben t)erftänb=
ftdf) ift. 3feneö mtjfteriöfe SBefen, baö feine öeroegungen fä^ft unb
birigiert, mußten wir annehmen, um baö £imleben ju üerfte^en.
3meitenö aber ift bie 2Bittensfreif)eit bie bemußte Sfiatfadfje unfres
inneren, bie als einen trügerifdfjen ©df)ein ju beljanbeln nidfjt möglidj
ift, otyne ben ©ang ber menfdEjlidfjen Angelegenheiten in bie äußerfte
SBerroirrung ju bringen. 2lber ein mysterium magnum liegt bainit
üor. 2Bie mein Sßitte eö anfängt 9trm unb 33ein ju fyeben? Surcb
aKuöfetjufammenäiefiungen. 2Bie madf)t er biefe 3ufammenjie^imgen?
Surdfj rutjenbe SReroenfäben , in bie ftraft geleitet tuirb. 3Jon wo
fommt bie ftraft? 2luö Dierüen jeden. 2Bof)er nehmen bie 9?en>en=
gellen bie Straft? 2luö ben dfjemifcfyen llmfefcungen, bie Spannfräfte
jurüdElaffen. SBte fönnen ©pannfräfte ber 9Jert)enjeHen jur Slftiou
fommen ober nicf)t, je nadf) meinem SBitlen? 35a reißt ber 9ßed&aniö-'
miiÄ ab. ßö muß nur anerfannt werben, baß tyier eine £aufal=
üerfnüpfung ber 2lrt, nrie bei ber Mitteilung ber Semegung einer
93iHarbfugel an bie anbre, ni$t am ^fafe ift. Sie ©rfafjrung Der-
langt an biefer ©teile eine Eraft, bie Urfad&en fdfjafft, nrie fte nidjt
Dorfjanben maren. Ser SlUHe ift eine primäre, Ijinjutretenbe Ur-
fad^e, unb baljer ift baö SBefen audfj bafür üerantroortlidf).
Nebenbei fei nodbmate barauf fyingenriefen, nrie baa organifefee
©eftaltungögefefc ttroaz gang anbreö ift, als baö Sßefen, bem ber
SßiHe beizulegen ift; — gegenüber ben $3etrad£)tungen bes ^pftologen
$of). Müller über Skrmefjnmg buref) Seilung unb gegenüber ben
Sogmen ©dfjopenfjauerö. Seilten oon $ater unb Mutter enthalten
— 85 -
bas ©ejlaltungögef efc , baö allen biefen Xetldfjen einwohnt — ober
3eelentf)ätigfeit, baju ber 3Bittc gehört, toofmt nid^t jebem £eil unb
uic^t jebem Äeimbläödien mit bem ©amenfäbd&en bei.
©Ott, Unfterblidbfeit, ftreibeit fielen feft in meiner lieber^ ©o«, unftetwidj.
teuguna, aber bodg tn febr anbrer 2lrt, afö man eö fiep gerodet bei mw** w.
loran aud) in
lid) benft. a&ttKicVnbct *rt.
13. $an. — ©eftern fjielt ©eneralfuperintenbent ©dfjulfc eine
^rebigt über ben £e£t aus bem werten Cnmngelium 9, 4: „$$
mu§ roirfen, fo lange eö £ag ift, eö fommt bie •Rad&t, ba niemanb
roirten lann!" — 9tod) bem ©obe l)ört baö SBirfen alfo auf. Qm
i'eben nadf) bem ©obe wirb nidfjt meljr gefünbigt unb ba^er aud) nid&t
meljr recfjt getrau. Meö ©fjuti §at ein ©nbe. ©er äötfle, ber ba o&n« amum fem
wirft, ift ntdfjt meljr! ©in ftortbefteljen oljne nrirflidfien SBilleu, Der*
Wbttö wirb man baö bem 9Wenfdjen buref) feligcö Stauen von
©otteö Slntlifc unb bergleidjcn alö ein Seben begretflidf) machen wollen.
(Sin ©afein ift es, faum tote baö einer SPftanje, meljr nrie baö eineö
nur med^anif^^emif^en ©efefcen geijordienbeu toten ftörperö. ©ie &*
&rfabrungötmffenfdf)aften fennen ben 2BiHen nur in Vieren unb ben »iHenHoftcn
vernünftigen 2Btuen nur tm 9Wenfdt)en, alö ein an SRerueniubftanj ge* «t^iemuß.
Imnbeneö ©afein. ©al;cr muß man rooljl gefielen, biefe leiten auf
Den reinen 2lt£)eiömuö. ©enu ein ©Ott o^ne 3Biüen ift eben fein ©ott.
auf anbern Planeten SSemunfttoefen anjuneljmen, ift nadf) Analogie
nidjt untoaljrfd)einlid&, aber jur 2lnnaf)me eines roollenben Sßeltgeifteö, ®tn a$ott ^
baju fefjlt bem SRenfdfjen jebe Analogie. SBiffc oljne 9Jert)enfubfianj
ift ber ©rfa^rung nriberfpredjenb.
19. $an. — Smmer 'toter unb freier üon ber unnrillfürlid&en
$eud}elet, bie mit ben SBorten unö auflebt , fudEje idf) meine ©runb?
Überzeugungen ju formulieren:
1. Seele ift baö mtjfteriöfe, leibliche ©ebilbe in ber SWertjen^ stammen-
fubftanj, baö feine eigenen ^Bewegungen roafjmimmt unb
regelt — baö mysterium magnum corporis.
2. ©ie Seele bringt neue erfte Urfadjen in ben Verlauf ber
ftaufalreifjeu hinein — baö ift bie SBorauöf efcung / unter
welcher allein bie SRebe fein tann t>on bem ©irigieren ber
eigenen 33eroegungen unb oon ber 3?eranttt)ortlidf)feit — b. I).
t)on ^reifjeit unb Sittlidtfeit.
— 86 —
8. $ie Unfterblid&leit bcr (Seele bcjiefjt ftdfj nur auf Weite
enblidfjfeit i^rer irbifdfjen SKadfjwirfung.
4. ©ott als äßeltgefefc ift nur Delation jwifd&en ben leiblichen
©yiftenjen unb ate (Streben ber unooHfommenen Sßelt, bas
fidf) meljr unb metyr serwirf lid^t , audf) eigentlich nur eine
Delation jiüifd^en ben fi$ folgenben Sßeltorbnungen.
eumma. - *u8 Siittima. Sie blojgen ©rfaljrungswiffenfd&aften laffen bie
<sr|a*?unQ&. ^reifjeit befielen, aber Unfterblidfjfeit unb ©Ott, fo wie fie ben 93e=
*ttßibt n u«Ve en bürfmfjen entfpred&enb gewöfjnlidE) aorgefteHt unb t>erftanben werben,
tofber ©ott no* [äffen ftcfi nidf)t burdb biefelben beweif en.
Unfterbü^feit im
fltttöfjnligen
©inn.
18. $ebr. — ftcfj lefe gteid^jeitig:
1. Äuno ftifd&erö Äant II, eben in neuer Auflage erf dfjienen, für
mi<§ ein alter Sefannter. 2tber bie neue SJeprüfung unb Sefd&auung
alter 2Ba^rf)eiten wirft auf ntidj wotyltljätig.
unrterbii*. 2. fieonfjarb ©d&neiber, Unfterblidftfeitsibee, 1883. 3<$ ne ^ me
fiVo Bötntiux. eö t)or, um bie ©ntwidfelung ber Unfterblidfjfeitöibee bei ben ftird)en=
oätem unb @d)olaftifern beffer fennen ju fernen. S)er SBerfajfer ift
ein gläubiger, fird&lidfjer Eatyolif, aber mm Warer 3)arftellung. 3Rit
ber SBiberlegung beä Stftoterialismuö unb -Waturaliömuö madfot er es
fidj ntdfjt fdfower. 2)ie frönen unb treffenben ©prüdfje, bie er bei
Saaber, ©d&elling, £ofmann, gi<$te jun. u. f. w. finbet, I)aben tyn
felbft überrebet, unb aud& er fud&t meljr ju überreben, als mit ©rünben
}u wiberlegen, unb meint mit folgen ©prüfen ben ©ieg über bie
©egner }u befeftigen. Qmmer nimmt ber SKenfd^ auf biefem ©ebiet
feine 3^ff^^t ju energifd&en ober rfjetorifdfj frönen Stuöfprüd^en, bie
feine 3lbfid&t, Partei 311 nehmen, aufter S^eifel f e t$ e n, unb iljm bie
Gigenfdfjaften rauben, bie man oon einem fyabüen 3 cu 9 en verlangt.
9Bo Seweife jur £anb finb, nrie in ber SDtotfyematif, trägt man fte
fdf)lidf)t oor; je einfadfjer fie bargefteHt werben lönnen, um fo fafelidfjer
sie unpcrtii«^. erfdbeinen fie. 2Bo aber überrebet werben fott, ba mufi baö 2Boljl=
meaUt rocnißcr gefallen für bie Seljauptung errungen werben, unb Styetortf ift am
^ÄVai« ^piafe. 2Bol)f möglieft, bafe bie Unfterblidftfeitöibee 31t ben Seljren ge-
«ufßabebetRunft. ^^ ^ ^ e ^ g Ueberrebung wirfen fann; fie ift üieHeidfjt eine 3luf=
gäbe ber ftunft, nid&t ein Problem ber SBijfenfd^aft. ®aö befennt
ber Splatonifdfje (Sofrateö, wenn er fd^liefelidö im Sßljäbon fabelt, um
baö fdfjreienbe Äinb in uns einjulullen.
2otje* to*oIo ü. 16. 3Kär3. — #. Softe, ©runbäügc ber ?}}ft)dE)ologie, ift feljr be*
merfenswert. Söie flar wibertegt boeft § 61 bie S>orfteHung, es fönnte
— 87 —
bie Seele eine 9lefultante leiblidfjer Äräfte in berfelben Strt fein, wie
üuö jwei oerfd&iebenen Bewegungen eine mittlere, einfache entfielt.
2ludf} in ber SWedfjanif bebarf es eines gemeinfd&aftlid&en angriffe
pxmtteä, ber in ber ©iagonale ber Straftrtdjjtungen bewegt wirb. ®ie
Sefultante fe|t baö ju Stoibenbe — alfo analog, bie Seele oorauö,
unb läfjt beren ©ntfteljung aus treibenben Straften unerflärt.
25. 3Jlärj. — s Jla$ ©runbfäfeen laffen ftdfj Regeln fortbilben mnw*t
unb überliefern, burdj Uebung ^ertigfetten bis jur 9Keifterfd&aft
ftcigern, aber bie Ijeroorbringenbe Äraft ift unb bleibt perfönlidfje
Gigentümlidfjfeit. Salier bleiben in ber Stunft bie ©enteö $l)cU ©eme«fönnenni«t
nomene, bie oon feiner Sd&ule fönnen gejüdfjtet werben, unb ifjre fle| 3nM?i« tn '
Schöpfungen aeratten nicf)t. 35ie probuftit>e spijantafte ober t et? 9o%<Ht* in
jd)öpf erifd&e ©inbilbungöfraft ift an* ©runbfäfeen nid£)t abzuleiten unb
burd& ftertigfeiten nie ju erfefcen. ©in 33orwärtsfommen ber 2Renfdf)?
ftcit in biefer Kraft ift ebenfo wenig ju erfennen, wie etwa in ber
SRusfelfraft. 3" ölen &tittn gibt es ©injelne von überrafd&enber
ftraft, aber bafc man es ben atmeten bes Altertums in ber ©egen*
wart juoort^ut, ift nidfjt matjrjunefjmen. Unb bennodfj, audf) für bie
Äunftwerfe t)on ewigem SBerte gibt es eine gefd&id&tlid&e (Stellung unb
ftolge. SBicUcid^t ift es aber mefjr eine 9iaturgefdf)idf)te, eine ©efd&icijte
ber Sd&öpfung, bie fidf) burdf) 3Sererbung unb 2tuSlefe bes ^affenbften
oeroollfommnet. ©in regelmäßiges Sßorrüden ber 3Kenfdf)l)eit ift
mef>r unb mef)r ju £age getreten im Siaturwiffen unb ben bamit 3m%atutwifjmtft
jufammen^ängenben ©rfinbungen. SMefeS langfame aber ftete 33or* "0^«"
rüden l>at bie SBunber ber Steligion im SSeltlauf ooffftänbig über?
rounben, alle ©rfemttnis burdfj übernatürliche ober aufternatürltdjje ©in?
gebungen an grudfjtbarfeit übertroffen unb bie Spifcfüfirung ber
menfdfjlidfjen Kultur eingenommen, daneben madfjen fidf) bie fünft?
lerifdfjen unb jjalbfünftlerifdfjen (£iftorie) Sßrobuftionen, wie ©ntlabungen
oon Straften, ju 3 e ü cn / TO0 e * n Uebermafj bauon in ber menfdfjlidfjen
©efefffd^aft fid) angefammelt l)at.
18. 9Wai. — 3$ fomme jurüd auf baS, was idf) ben 16. -Dtärj, so^e \. ie. tots.
juftitnmenb ju ßofces ©runbjügen ber ^fpd&ologie, gegen bie ©rflärung
ber Seele als einer 9tefultante oon Kräften gefagt fjabe. Stoff unb
Straft gibt es, aber obgleidfj nie baS eine ofjne bas anbre, bod) otyne
ftdf> gegenfeitig Ijeroorjubringen. ©m Stäubdfjen Stoff fann aus
Straften nie entfielen, noclj in Kräften ftdö auflöfen. ©ine Kraft fann
burd) bie 3Raterie wanbern, aber fidf) uidjt burdö bie 3)iaterie in ber
Xfjat minbern unb Dermefiren. Rann eö nun nidbt eine bpnamifdfje 3ft Me s«te eine
$9P0tt)efe über bie Statur ber Seele geben? ©twaö muß fie benn swSweS
- 88 —
bodf) fein. 3ft fie nid^t materiell, fo ift fie eine Dgnamte. ©ine bloße
Delation, wie §. 8. bie gattgefefce unb anbre SRaturgefefce, bie bloß
©eltung fjaben, aber fein Dafein, fann bie ©eele nicf)t fein, wenn
$u ®oi*.»ej)monb ftc überhaupt oorljanben ift. — Du Soi^SRepionb Ijat nad&gewiefen
shömungJn im in ben ©mpftnbungöneroen unb in ben motorifdfjen Heroen anber*
©e^im na«, g^^^ e (eftrifd^c Strömungen. Die eleftrifdjen Äräfte muffen
in bem ©e^irn irgenb eine 9lrt oon Änotenpunften bilben,
bie auf ganj unbegreiftidfje SBeife befähigt finb, bieDöcil-
lationen iljreö btjnamifdfjen @leidf)geroid)tö felbft }u em-
pfinben, ba^er audlj oorjufteflen unb ju beeinfluffen ober
ju birigieren. 33on taufenb Änotenpunften ift einer ber
fräftigfte unb abforbiert bie ©mpfinbung, 33orftellung unb
SBollung aller anbern fünfte, ©r ift baö©elbft, tm Kampf
um ben SBorrang mit ben anbern Knotenpunften baju ge*
roorben. Sitte finb fie ju einem ©Aftern oerbunben unb wenig fann
barin geänbert werben, of)ne jugleid) in bem £auptfnotenpunft ober
bem ©elbft, baö labile ©leidfjgenridfrt ber ©pannuhgen abjuänbem. —
a« eeete ai» 535ie ©eclc märe ein Äraftfompley, gebunben an 9teroen?
ein Är tes fubftanj, ber in anbre Kräfte ftc$ umfefct, fobalb bie Sebingungen,
namentlich bie Sfutberiefelung ber SMeroenfubftanj, anbre werben. 2ln
ein gtotbeftefjen einer folgen Kraftfeele, als ©elbft, nad^ bem £obe,
märe nid)t ju benfen. Dtefem felbftifdjjen ©elüfte ju entfagen forbert
bie roaljre Religion. SBaö ift in ber Xljat in ber SBelt beö gort*
föritts, beö Sefferen fä&tg? Siid^t bas emig fid) ©leid&bleibenbe, bie
w«t«raftunb Kräfte unb ©toffe, bie oon ©roigfeit fjer im Guantum biefelben ge-
aSnina 1 »?? toefen finb. 9tur bie gegenfeitige Lagerung unb Drbnung ift baö
^rt^rhttV^ß. 33efferungsfäf)ige, bas jur größereu aSerooHfommnung Sluffteigenbe.
«ufaabebet Die roaljrfjaft eble ©eele f)at für fidE) ni<f)t ju forgen.
eb°ieS r |?e f {e. 3Son ftd) weiß fie, baß fie nur eine Kombination beö emig
Dafeienben an ©toff unb Kraft barftellt, bie naclj furjer
3eit jergefit. Daö ©elbft ift fein Ding an fidf) unb fann
gar nid^t 3 roc ^ ^ cö ©trebenö fein. ©3 ift ein $P()änomen,
baö anbern ftitUn bient. Der ©elbftjmedf liegt nur in ber
Sßeltorbnung. 9tur inforoeit bie ©eete biefe liebt, i^r bient,
ifyre $erbefferung begreift, erfüllt fie ben Bmedf iljreö Da-
feins. ©U muß fieb bem ©efefc, ber Drbnung jum Seffern
roibmen, bann erft erfüllt fie in äöafjrfjeit i^re Slufgabe.
29. 3M. — s Jiod) ift jum Sorfteljenben ju bemerfen, baß fid^
auf biefe SBeifc begreift, wie im Öeljim fein ein^eitlid^eö, über^
mädfjtigcö Drgan augetroffen wirb. Die 3 c ^ en bt$ ©e^irnd
— 89 —
feljen einanber gleid). 2lbcr iljre 9faorbnung ift ber 2trt, bafe in bet
Selbjigette burd& Qnbuftion bic Spannungen in bcn anbem 3 e 1cn
eine ©innrirfung üben. 33tö biefe ©imoirfung erfolgt, ift alles unbe*
nmfet. £>a ftnbe idfj bie Sebeutung bes #artmaunfd&en Unbewußten, sie »eb«utun fl b*
Spannungen in ben untergeorbneten Bellen! ©ie fönnen alfc $attmann.
mäljlid) jut SBirfung fommen auf baö Äraftegleid&geroidfjt ber ©elbft*
jette. Satente Spannung ift gleidfj permanenter 33ebung. ftütfyn
biefe ZitbimQtn ab, ober fefcen fie fidf) um, fo verlieren fie t)on iljrer
Kraft. Sdfjroäcljung ber triebe buref) baö 93enmj3tfein ift möglicfy.
PP»f0p#B (1883).
26. 9Bai (1884). — 2Baf)rnefymen, Senfen unb SßoHen — biefe seeiaitbatweittfi:
einheitliche aber breifältige ^unftion — ift bie Seelentfjätigfeit. ®aö ®<ntm. «Boa™,
unmittelbar ©abgenommene ift. eine Selbftbetoegung, ju ber bas
Äidfjtfelbft Urfadfje. SBetoegung fefet SRaum unb 3 e ^/ unb 2Balp
nefjmung Äaufalität. SMefe Kategorien finb baljer in bem ©elbft
roirtlid^ unb ebenfo in bem 9üd£)tfelbft. 2luö ber ©rfafjrung werben
nur bie ©renjen innerhalb biefer Kategorien erfannt, — als leere
formen muffen bie Seelenfunftionen barüber biöponieren fdfjon bei
ber grfatyrung. — Se^e idfj rot, fobalb ein fo gefärbter ©egenftanb
mir oorge^alten wirb, unb fjört bie SBafjrnetymung auf, fobalb ber
Öegenfianb fortgenommen wirb, fo fiabe idf) ein unenblid^ toieber?
ljolbares ©fperiment unb fanu ben inbuftioen fidleren Sdfjlufe barauf
grünben, bafc baö 3?ot bur<$ ben ©egenftanb in meiner ©mpfinbung
fjerporgebradfjt roirb. — £aö ©ef)en operierter Slinbgeborner füljrt
nidjt bloß burdf) Setaften ju ber ©rfenntnte ber räumlichen förper=
lidfjen SBertjältniffe, fonbern audfj burdj äJerbecfung unb SBiebererfdEjeinen
erfennt man, was ferner liegt, unb u>a§ näljer. Xk SRaumoorfteHung
ift junäd^ft ofjne ©rensen, unb läßt bie SBorftellung beö £intereinauber
ftets ju.
6. 3uli. — ©elefen babe id) oon Dr. &. Sajgioife*): Sie ßeljre s.ba§u P ag. 152.
ftants oon ber 5\bealttat bes Staumes unb ber Reit, aflu Dr. sa&tm* üb«
" ber 3beatität »on
*) $a3 <Srföein6are mujj bcn SJorbebingungen aller ©rfdjeinuna, entfpredjen. 9laum unb 3«t.
Siefe Sotbebingung finbet ftc^ im mcnfc§ liefen , tierifdjen unb jebem empirtfd^en
3ntctte!t. Slu^et^alö beö QnteUeftä e^iftieren tyotenien, baoon aber in bie
— 90 —
gemein perftcmblidf) bargeftellt. Siefe Schrift l>at nadf) Urteil ber
5ßf)itof opljieprof efforen : Saaö in Strafeburg, SBunbt unb £einje in
&W9/ ben erften Spreiö gewonnen oon 1000 ©ulben öfterreidEjifdf),
ben &err Quliuä ©tili* in ^Petersburg (1880) für bie befte Sdjrift
biefer 2trt auögefefet §at. §m ©iHiä wollte burdf) Sßopufarijterung
biefer Seiire bem fidf) ausbreiteten 2Rateriali8mu8 entgegenwirfen.
33ei biefer ©elegenfyeit überzeuge idfj mtd& t>on neuem, bafc fidfj ein
Se&ier ßantß in bebeutungöoolter unb entfdjeibenber $el)Ier in bie ftantfdje Sefjre t>on
tt zS8*n* n 3 e ^ un ^ #toum eingefd(jüdf>en l>at.
33ewiefen tyat Äant, bafe ber 9taum nidfjt eine äbftraftion auo
ber Erfahrung ift, weil er eine Sebingung ber (frfaljrung ift, oon
anbern jum £eil gleid^faHö unwiberleglidfjen ©rünben ju fd&weigen.
»etßw*, um §u Sßie man es fidf> oorftetlen fann , bafe etwas in ber 6rf aljrung
lote ^»Ä tt ln e b« Ijeroortrttt, aber nidfjt au$> ber ©rfaljrung Ijerrüljrt, mag l)ier auö
ttuj! ob« nuStraii einem SBergleidfj erläutert werben. 33laueö fiaefmuspapier wirb rot,
wenn Säuren barauf einwirfen. ®ie Säure ift aber eben beöfjalb
burdfjauö nidf)t rot. S)ie Stnlage, rot ju werben, liegt melmeljr im
Rapier, (Sbenfo was ber 9Renf$ aufbaut, ift räum lief) wegen feiner
Slnlagen. 35iefe waren aber nid&t als SiaumoorfteHung oor aller 2fa-
fdfjauung fertig. Site SReaftion auf bie ©rfaljrung treten fte Ijenjor.
Sie finb ein ^robuft ber ©rfatyrung, barin jwei gaftoren, ber ßr-
fa^renbe unb baö was erfahren wirb, jufammenwirfen. SBe^auptet
man, ber SRaum a priori ift im ©eifte, fo fann es mtßoerftanben
werben. @ö ift bann, als fagte man, baö Sadmuöpapier war rot
oor ber Säuremtrfung ! ©egenftänbe, bie auf ben ©eift einwirfen,
bringen bie SWaumoorfteHungen tyeroor, uidfjt burd) 2lbftraftion, fonbern
burdf) transfcenbentale Äaufalität. lieber bie ©egenftänbe felbft er-
fahren wir babei nichts, unb ebenfowenig über ben ©eift. 9hir fo
triel ftefyt feft, ba§ bie SWaumüorfteBung ate allgemeine Sfafdfjauungfc
form im ©eift entftanben ift. Db aber ber ©egenftanb felbft nid^t
gleidtjfalte räumliche 2luöbel)mmg Ijaben fann? baö ift auö SWifetjer-
ftänbnte unb mittete Xrugfdfjlüffen beftritten worben. @lje bafür Die
6rfa)etnung nur treten fann Diejenige Sßirfung , bie 311 ben SBorbebingungen ber
(Srfa)einung pajjt. $er SnteHeft ift ^albroegS wie ein (Sieb, ber atä bet Sfafcen*
roelt nur jur ©rfdjeinung ober 2Ba§rnefjmung bringen fann, roaö Qtit, fflaum unb
ßaufalität l)ai. 55Me (5rfa)emungen muffen, wie Äant entbedft §at, ben ©innefc
unb 93erftanbeggefefcen entfprea)en, aber fte bejeidjnen bie befannten unb erlernt*
baren (5igenfa)aften ber Singe. 3$ unb 3Ding an fia) Ijaben aufcer ber ©rfc^cinung,
au^er ber SReaftion aufeinanber, überhaupt feine Dualität, fonbern nur Sir*
tualität."
— 91 —
Öetoeife beigebracht werben, ift aber erforbertidf), bafe man eine 33or=
fieHung unterfud&t, über roeldfje bie SJenfer, ßant nidf)t auftgefd&foffen,
wegen ber in ber SRatljematif brauchbaren Routine }u leidjt tyinroeg*
gegangen finb*).
©renken. 2So baö eine aufhört unb baä anbre beginnt, ba »egrtff t*r <&r«t 3 c
gibt es eine ©renje. 3lber bie ©renje enthält nidfjt ben minimften
leil oon bent einen ober anbern. 3- 8. bie ©renje jiüifd&en ber
#enfterfdf)eibe unb ber fte umgebenben Suft ift n>eber oon ©laö nodf)
oon Suft. SBenn idf) bie Slnfdfjauungsform beö 9taumeö jur 35iö-
pojition Ijabe, fo fann idf) feljr toofil, etwa burdf) ben SBiberftanb, ben
mir ein Äörper teiftet, bie SJorftelhmg einer ©renje in ben SRaum
Jjineinoerlegen, ober toenn idf) in anbrer 2Beife Dualitäten im Staunte
roafjmeljme, bie irgenbroo aufhören ober anfangen. 3lber roenn icf)
alle biefe ©rfafjrungen nidfjt Ijabe, oon bem, roaö ben Slaum erfüllt,
roie fomme idf) ju ber SBorftettung einer ©renje im 9kum? — ©in
unenblidfjeä, gleichartiges Äontinuum nriberfpridfjt oottftänbig ber 3Rög*
*) Sergleid&e §elm$olfc: $&9fiol. Optif 1867, ©ajlufc beö § 26, pag. 441
6tä 456. — Änerfannt ift von §elnu)olfc, bafc bie allgemeine Kaumanfa)auung
eine urfprüngli^e gorm unfreö SBorfteHenS ift — nta)t aber fpejielle Kaum«
anfä)auungen. <S$ ^ätte aber »erbient hervorgehoben gu »erben, bajj bie $räbid;
pofttion jur Kaumanfü)auung nta)t, roie Äant corauSfefct, aua) ©renken liefert.
(Sirenjen ftnb feine Zäunte:
1. ©inegläo}e jroifd^en bifferent ausgefüllten Käumen begreift abfolut
m$td von ber Ausfüllung, alfo aud) nta)t3 vom Kaum in fta). Äant
irrte, wenn er in feinen $rolegomena (»uägabe üon 8. (Srbmann) §läa)e
einen Staunt nannte.
2. 2>tegläa)e, alö Äörpergrenje, ift beweglich, nia)t ber Kaum, ber niajt
hingelangen fann, roo er noä) niü)t geroefen, noa) bie ©teile, roo er fta)
beftnbet, oerlaffen.
3. 3ufafc Don 3täa)e mefjrt ben Kaum uia)t, n>a3 boa) gefa)el)en müfjte,
wenn giäa)e ein Kaum wäre.
4. Slawen unb Linien fönnen o§ne @nbe ald Äbftrafta oon n>aa)fenben
Äörpern june^men, ben Kaum aber nie teilen, b. §. fte ftnb nia)t oljne
©renjen nie ber Kaum.
Äant $at alfo nia)t unterfa)ieben 3tmfQ)en ben beiben Sebeutungen, in benen
bad ©ort Kaum gebraucht wirb : einmal bebeutet e§ ben förperlofen Kaum, barin
a&ed 9lnfa)aulia)e »erfefct toirb, — ba3 anbre 9Ral bie Dom tförper bura) Slbfonbe:
nmg ju gewinnenbe leere ©eftalt. 3)er förperlofe Kaum liefert roeber ©renjen
noä) Ki$tungen, — er befommt fte erft bura) bie (leeren) Äbrpergeftalten.
SRatyematif ift »on groingenber Äraft, nia)t weil fte gän3lia) a priori, fonbern
weil fte mit Dollftänbig überfia)tlia)en unb einfachen, »on Hörpern in ber (Srfa^rung
abjrra^ierten unb ibealifterten Elementen fonftruierenb , a« Grgebntffen gelangt,
bie in fketS wieber^olbarer @rfa§rung (Gjperiment) fta) rta)tig erroeifen.
— 92 —
untetf^icb lidfjfeit ber ©reit je! beim bie ©renje fann fidf) nur ftnben, wo ba©
unbegroiatm Äontimwm aufhört, unb bas fann in ber transfcenbentalen 9iaum=
»aumunb^n form nie gefd&efjen. SBir fpredfjen woljl üon aneinanber ftofcenben
rpmuTnen. ^ nmtn ^ a k er ^ c | e m ögltdf) erweif e ftoftenben, im Staunte beweglichen
9täume finb gang etwas anbres, als ber allgemeine Slaum. 6s jtnb
Körper in abstracto ! an benen oon bem ftörper nur bie ©eftalt ge*
blieben. Sßotten wir biefe Äörperräume ©eftalten nennen unb nie=
mafs mit bem eigentlichen unbeweglichen Siaume ©ermedfjfeln, fo
werben wir uns oon allen, ben 9taum betreff enben Antinomien, aus
benen bewiefen n>erben follte, baft bie ©egenftänbe räumlich nid&t real
fein fönnten, leidet befreien. 2)a man ben SRaum niemals wegbenfen
fann (benn was foH bleiben, wo er nidfjt meljr ift? bliebe ba nid&t
9laum, fo Ijätte er ba nie fein fönnen, — bliebe aber bort 9iaum,
fo l>at er fiel) mdf)t fortbewegt), fo fommt audfj Bewegung nur ben
©eftalteu ju. 2)ie ©eftalt ift umgrenjt unb umfaßt ein SRaunts
erfüllenbes, baoon man abfegen fann. Sie ift bas SBer^alten bes
9iaumerfüllenben eiujig unb allein in räumlicher öejie^ung. ©ie ift
eine 2lbftraftion, bie ofjne Steft burdf) bie räumlichen Sejieljungen er-
fdfjöpft werben fann. 3>te ©eftalt eines 2Bürfels j. 8. läßt ji$ nadfj
allen iljren Dualitäten burdf) räumlid&e SSejieljungen ergrünben. 2>eS;
f)alb ift bie 3Katl)ematif a priori fidler, wie Äant es lehrte. 3>cr
2)et (unbeweßii*e) 3taum ift a priori bem ©eifte eingewadjfen, unb wenn idf) oon ben
whrTait mftTÄ Eörpern bie räumlidfjen Regierungen aMn übrig laffe, burdf) Sbftraftion,
fo liefern fie mir bas Rohmaterial $u beliebigen Äonftruftionen im
Staunt, ^ftfaroeit ft* nur räumlidf) erfebeinen, wofjnt biefen Äon=
ftruftionen bie aprioriftifcfje Stdfjer^eit bei. 3lber ju iljrer ©Übung
beburfte es ber ©rfalirung. Obwohl bafjer bie Raumlehre ©tefter;
fjeit Ijat, wie a priori, fo fann fie bodfj nidf)t ju ftanbe fommen
ofjne ©renjen. ©renjen finb aber 3lbftrafta aus ber ©rfaljrung:
1. weil fie nirfit üBebingung finb ber 9taum- unb Bcitoorftellungen,
2. weil fie Ijinweggebadjt werben fönneu,
X. weil fie nur SBerfjältniffe uon 9kumerfüHenbem ober oon
Sreigniffen bejeidfjnen.
3n anbem Porten: 9Jicf)t ber SRaum, foubern Äörper
Ijaben ©renjen, bafjer Jiaum unb Drt ocrfdfjieben.
£ie 3 e ^ fyat feine ©renjen, foubern nur bie ©reignijfe,
bafjer 3^it unb $rift oerfdfjtcbeu.
93
Ä it Ij a n g *)•
3. äug. 1883. — Sie ©egenftänbe ber ftnnlid&en äBaljmefymung
für Singe ju galten, bic unabhängig von ber 3Ba^rne^mung oor=
Ijanben finb unb oon iljnen ju glauben, baß fie fo bef Raffen finb,
wie nrir fie bei forgfältiger Prüfung roaf)mel)men , ift bie nattir*
lidje, in ber geroöljnlicften Grfafjrung fid& allgemein aufbrängenbe
äuffaffung.
Sagegen fyat baö, nadf) ben lefeten ©rünben fpürcnbe 9kdf)=
benfen ber Sßfjilofopljen fdbroerroiegenbe Sebcnfen aufgeteilt, unb über
baö 23emüf)en, midf) mit itjnen auöeinanber ju fefcen, ift ber 9lbenb
meines Sebenö fjerangebrodfjen.
3$ glaube nicfyt ju melen anbern ©rgebniffen gefommen ju
fein, als biejenigen finb, gu benen anerlannte Senfer in unfrer
3eit gelangt finb, unter benen idf) lieber bie großen $ßl;tjfiologen
unb $l)i)fifer, wie einen £elmf}olfc, einen Su SBois^etjmonb nennen
möt&te, als bie neufantifd^cn ^f)ilofopf)en, bie mir ber SBafir^eit
gleichfalls nalje gefommen fdjeinen. 2lber bie pf)ilofopl)ifd()e 2luS=
bnnfsroeife verleitet leidbter ju genriffen Unbeutlidftfeiten unb Urningen.
6in 33erf)ältnis, beffen 33ebeutung eine nidfjt geringe fein
bürfte, Ijabe idf) bennodf) in ben Schriften ber 3 c ^genoffen nid^t fo
beftimmt erfaßt gefefyen, rote es mir felbft entgegengetreten ift, unb
bas mir eigentlich ben 2Beg aus bem Sabprtntljc geroiefen Ijat.
6s ift bas l*erl)ältnis ber ©renjen in Sttaum unb
3eit: So einfadf) bie 3lbftraftion t)on ftörpern unb oon 33egeben=
Reiten einer geroiffen Sauer ju ber SBorftellung oon ©renjen füfjrt,
fo wenig finbet fid& in ber bloßen Kategorie bes SRaumes unb ber
3*it, bie für alle empirifdje 2lnfdf)auung t>on Räumen unb 3citen
eine aSorbebingung ift, irgenb etwas ron einer ©renje. Sie 33e=
rüfirungsfladfje jroifd^en ftörpern enthält roeber etroas t)on bem SRaum,
ben biefe Äörper ausfüllen, nodfj leeren s Jlaum jnrifdjjen tf)nen, fonbern
wirb nur aus ber empirifdben Xfjatfad&e abftrafyiert, t>a$ bie 6igen=
febaften ober Äörper, bie einen jirfumffripten 9iaum einnehmen, auf=
^ören — ber SRaum felbft aber niefet. 9Kit ber 3cit ift es nid&t
anbers. ©egenroart ift eine ©renje jroifd&en i?ergangenl)eit unb 3u=
fünft, bie ftdf) burdf) bie Greigniffe, burdf) beu 3^tiul)alt unterfebeiben.
*) DMgeS gragment fanb ftc§ unter ben papieren meines SJaterS.
2lnm. b. fterauägeberin.
— 94 —
3n ber gauj leeren 3*** gibt eö eine foldfje unterfdjeibbare ©renje,
eine ©egenroart ntdfjt. SBenn bie 2Ratljematif mit Räumen, mit
Seiten unb mit einleiten (3^1en), bie au$ abgegrenjteu Reifen be~
fielen, operiert, fo Ijat fie m bie aprioriftifdfje Stuöbe^nung unb
Sauer ofjne ©renjen, hineingetragen, maö nur aus begrenzen ftörpern
unb Gegebenheiten, roie fie in ber grfatjrung gegeben finb, abftraljtert
werben fonnte. (Sie ift (alfo) nidfjt eine roHfornmeu a priori ju
bebujierenbe unb ju fonftruierenbe SBiffenfdfjaft, fonbem eine fold&e,
bie mit ©lementeu, bie aus ber ©rfatyrung allein abftraljiert werben
fönnen, bie urfprünglidfjen 2lnfdfjauungöfategorien in SSerbinbung
bringt. 2>er Staunt unb bie 3 e ü, allgemeiu, wiberfpredfjen gerabeju
ber Segrenjung unb Orientierung, es finb feine Dbjefte ber 2tnfdE)auung,
fonbem nur ibeafe 3Jtöglidf)feiten, bie an ber 2lnfdf)auung erft Realität
erlangen.
6. (Sept.*) — einige Seit fjaben midfj wieber bie ©runblagen
ber Eantifdfjen $pf)ilofopf)ie befdfjäftigt. ©ö fteeft große SBaljrljeit,
aber and) große Uebertreibung barin unb es gelingt mir nidfjt, ganj
bamit fertig ju werben. 3$ a & ne , ba$ es außer ber empirifd&en
SRealität, eine tranöfcenbentale, nad£) Äant, eigentlich nid&t gibt.
3>n ber transfcenbentalen Sßett gibt es nur lettenbe 3been.
£ant behauptet für 3 e ^ un *> 9taum empirifäe SRealttät „ob mir
aöit öaben bu jwar bie tranöfcenbentale ^bealität berfelben, b. i., baß
'©runbfaqm" er nichts fei, annehmen". . . . 3fr nun mc^t alle Realität
maVriJn ju eißen. empirifd^ unb alle ^bealität oljne Realität!? b. fy. nichts! — ©oUte
es fidf) aber nid£)t fo oer^alten fönnen, baß mir, jetträumlid&e ©efd&öpfe,
ebenfo wie bie SBefen außer uns bie jeiträumltdfje ©runbfage intetteftueH
unb materiell ju eigen liaben? — 9Bäre 3?orftellen eine umgefefcte
33ebuug ober ©pannfraft in £irnjellen, fo ift es notwenbig wie jebe
^Bewegung, audf) jetträumlidf) unb jwar a priori. 3)as beljinbert oiel=
leidet, baß es audf) eine äeiträumlidfje Stealität gibt, bie transfcenbental
ift unb in ber fid) ber SBiberfprudf) jwtfdfjen ber Unenblidjfeit unb ber
®nblidf)feit, ben freien Anfängen (.erften Urfad&en, SBiUen) unb ber
fontinuirlidfjen Äaufalität nidfjt finbet, ben bie empirifdfje Realität
nid)t beseitigen fann. 2>er empirifdfje 9taum ift unbeweglich, nidf)t
elaftifrf), b. 1). äufammenjiefjbar unb ausbeljnungsfäljig. ©ie 3Raterie,
3ü leem »num mnn fie ben 9iaum ganj einnehmen foll, behält feinen SRaum jur
Äompreffion, jur 23erbidf)tung ; füllt fie ben -Naum nidf)t, fo füllt fte
wenigftens fleinfte 9?äume mit 3ltomen, bie felbft nidf)t fomprefiibel,
') 2(uö ben ^erfonalia 1883 TT.
— 95 —
aber einanber nafjer treten formten. Sßaö ift ober in ben unerfüllten
3mif djjenräumeu ? 2Bäre es wieber ©toff, fo f)at er wteber Sßoren unb
fd^IieBlid^ fo fort biö ju unerfüllten $oren. Slber ber Staum o^nc
ctoff, ber leere Slaum, ift er nod) real, fann er wahrgenommen
werben? 3$ nefjme Heber Xeüdfjen von SDtaterie an oon üeränbertidfjem
Solumen.
Mißtön unb vWrt»&fä* Wutitologü (1884).
13. gebr. — 2Ber efjrlidf) unb flar beult, mu§ fdfjliefelidf) ge*
ftefjen, baft ein ©egenfafc befielt jwifdfjen Äaufalität unb SßiHen.
Sefdjjieljt nid&tö ofyne ganj ante ober jureidfienbe ©rünbe (33orbebingun=
gen), fo gibt eö feinen SBitten; — SßiHe mufc ju ber SBorbebingung
etwas fjin jubringen, road er felbft f Raffen ober auöfdfjliefeen fann. —
3nbeö: ein anbreö ift ein Sßiberfprudj im Denfen jwifdfjen ©e= «n antra ift
banfen, — ober ein SBiberfprud) jwifdfjen fo heterogenen gunftionen, va^^ßmhn
tdic 2)enfen unb ftüljleu. SWemanb wuubert ficf>, bafe gefjanbelt °&$ x mS>
wirb, ganj anberö ate gebad)t. 2)aö 35enfen gilt in ©ebanfen, —
baä £anbeln in ber SBirtlidjfeit. 2)er SBifle ift in berfelben 2trt dou
öebanfen ju unterfd&eiben. ©r begleitet baö £anbeln ber s Jtert>etu
roefen, — er gehört jur Siealität. 35er 3;bee nadjj foHte er gar nidf)t
fein, unb bie ibeafe SBelt ober abftrafte 2Belt oerftefjt nur ben S5eter=
mintemuö. ©ö fann nidf)t etwas frei unb unfrei, in bemfelben Slft
unb abfolut gebaut werben, — aber wof)l unfrei gebaut unb frei ge=
füljlt werben; — ^ett unb bunfel fd&lieften ftdfj aus, aber nid&t fjell
unb rau§.
3)aö ßljriftentum ber ftirdje fonnte ni<$t anberö in JßeHaö unb wjentum unb
3tom ftdt) feftfefcen, als burdf) SRteberwerfen ber Äunftwerfe. 2Benn an
jefct bie SBunber ju Sßergamon, ber Tempel in Dfpmpia unb bie
2Heifterwerfe in SRom unoerfetjrt wieber erftänben, wer fteljt bafür,
bafe tynen nur bie Segeifterung ber Äünftler, nidfjt audb bie 2lnbetung
unb ber SBunberglauben be* $olte wieber juf allen würben? 2lte bie
fjiftorifd&e ^rabition aber ununterbrochen it)nen jur Seite ftanb, wie
follte ba ber ütteufemittemus iljncn gegenüber fidj anberö für fidler
galten, als burdf) Terror unb 3rcf*örung.
26. gebr. — durchblättert man baö nmc f woljl fauber unb .xie ur^nin«-
beutlidj rerfa&te Sudfj von ßbuarb Sßreffenfe, „Die Urfprünge",
— 96 —
beutfdje autorifierte 3Iudgabe, fo erfd^ridt man über bie S?iclbeit
ber 2luäemanberfefeungen mit menfdf)lid(jen 2tnfid^ten, bic fiA unbe^
grenjt oermeljrt fyiben, unb eben beäfjalb nie DoHftänbig gegeben
«ufe bn: «rffdt werben fonnten. Ga ift fein ©runb ju ber Slnnafjmc, bafe jefct eine
n$ we ©o^tfdt ©renje in biefer 33ejiel)img aufgefunben ift. Ter 3!lerfu$, bie ein=
fad&ften ®runbwaf)rf)eiteu ju ermitteln auö ben faltbar verbliebenen
9teften ber Spfteme unb Sfnfidfjten ber $l)tlofopl)en, — aus bem
©ange biefer Stnfid^ten, — fann nie abfd&liefcen unb entplt in fidb
felbft feine ©ic^ertjeit jur Unterfdfjcibung jwifdfjen Irrtum unb SSabr-
beiten. Dod) was am meiften oon biefem 2ßege abfd)re<ft, ift bic
Verwicfelung. Sott a\i$ ber (Erfahrung, ber geiftigen unb finnlidljen,
erfannt werben, was efiftiert, fo mufe es einen bireften 3Seg geben.
Die (Erfahrungen felbft muffen barauf führen, nidjt bie Slnfidfjten über
(Erfahrungen, bie jwar aus ber (Erfahrung gebilbet finb, aber mög=
lid&erweife gleidfj Xraumgebilben , burdf) äterbinbungen, bie feine
©ültigfeit für anbre unb feinen Seftanb für baö Selbft Ijaben.
geben ©tanfleis 26. 2lpril. — Stuft ber oon Sftajor o. 2Haltife oerfaftten £eben$-
befdjreibung be§ ©rafen Sörangel getjt fieroor, bafe fein fteifer, fird>-
©tauben», unb lid&er ©lanbe in aller @infad)f)eit, iljm ein großer £alt gewefen. £ängt
t i fl «t. ^ e |^ c |*ttgfeit bes Gfjarafterö nid^t jufammen mit ber 3uoerfid()t auf
ein fünfttgeö Xebtn* Die Dürfen finb feft. — 316er ber ©dfnffbrud)
beö ©laubenö ift nidfjt abjuwenben. ©Q muß bie ©Solution, als bao
Uebriggebliebcne, alles erfefcen. — Der 9JienfdE) fyat feine bösere 9tuf=
gäbe, als bie 9Kenfdf)l)eit ju förbern, unb bie uncnblid&e 3 l ^ un f t & er
3)tenfd£)l)eit fann allein if)n richtig leiten. Die Vergangenheit fann
leljren, bie 3 lt ^ u n f ^ a & er f°M leiten. Selbft bie Äenntniffe oon
ber Sternenwelt Ijaben für ben SDienfdjen nur menfdfjf)eittid&en 3Bert.
3Bas ftopernifus unb Newton erfannten, fyaben fie für bie Sftenfdf^eit
erfannt unb bas gab iljnen bie 2l>eil)e, — nidf)t irgenb eine 3lrt oon
Selbftjwed fann bas tljun. 3lber, fo fdjwer es mag geworben fein,
fidfj oon ber SSorftellung los ju machen, bafj fidb bie SBelt um bie
<** bleibt i^wer, ©rbe brefjt, fo fdbwer wirb es ben tranftfeenbenten unb bodj)
«ott |u et^rn liebenben ©Ott *u erfefcen, burdf) bie Ijöljere Daf einsform ber
xaieinsfonn ber Sttenfdjjljeit, 51X ber wir alle nolens volens unfern Seitrag liefern,
burdf) ©egnerfd^aft ober 9)ittfytlfe, burd) Slufreijung ober Suftimmung.
©ut unb 33öfe untertreiben fid) eben burd) uidfjts anbreS. 2ÖaS in
unbegrenzter Dauer ber 9)tenfd)beit förberlid) bleibt, bas ift gut.
dreierlei 3. -Dlai. — Dreierlei war ber ©laube über bie 3 u f un f* ^^
1. Äilä«! e ' menfdfjlidfjen ßinjelwefenö, — ber SJJofaifdbe, ber Slpofaftjptifd&e, ber
l'. Äon?fo)er. er ' s {Hatomf$e. 9Rofaif$ fann bie Gwigfeit nur bem ©wigen jufommen, —
— 97 -
ba^er nidjt bem 2ßenfdf)en, bcr oor feiner 3 ß ugung nic^t war; nur
fein ©ante unb 9tame finb feine 3utunft, fein Sofjn unb feine Strafe.
— 35er apofalpptifd&e ©laube, ben ber ftoran redf)t eyflufto beibehalten,
ift von ber materiellen 3luferfiet)ung ber SBerftorbenen burdfjbrungen. —
2er Sßlatonifd&e glaubt an eine abtrennbare ©eefe beö menfdfjlicljen
Seibed, bie ewig gett>efen unb eroig bleiben wirb.
3luö bem apofaltjptifdfjen unb bem Sßlatonifd&en ©tauben bereitete
bie dfjriftlid&e ftird&e eine 9Kifdf)ung, bie ben barbarifierten SBölfern
(Juropaö einige 3 e ü besagt l>at.
aber in allen <3dfjtdf)ten ber ©efeUfd&aft oerfpürt man, wie fie
ber ganjen $rage entwarfen ift. 9hir wenige finb cö,.bie fidf) nodf)
emftlid& bamit plagen, — gleid&fam jurücfbteibenb in bem fdf)on oer^
laffenen ©d&aufpietyaufe,. bie nodfj immer bem ftanbtrfpitl, trofc feiner
einförmigen Sßieberfjolung, jufd&auen. .
gineö aber ift oon ber (Srfalpung feftgeftellt. 9luf @rben finb
bie ^irntiere jur £errfdfjaft berufen. Qn berfelben ^amilie liaben bie
Slrten ber 33orwelt Heineren &irnraum. ,3m 2)urdf)fdf)nitt fjaben audf)
bie 9Serbredf)er fleinere ©el)irne, trofc ber einjelnen 2luönal)men. 2)ie
9Renfd&en, ober was iljre (Stelle einnehmen wirb na<$ Millionen oon 3uiunft*.
3af)ren, werben größere ©eljirne Ijaben unb beffer benfen, füllen unb ^^tnÄft.^
(janbeln als je&t. 9iur foll man nid)t meinen, oon ©ofrates bis Eant
fei oiel 3*ü uerffoffcn. 3 U *> eu Sßerioben ber ©eofogie gehalten, ift
es nur ein 2higenblicf ; bie ^ortbilbung beö ©efjirns lägt ftdf) ba nod)
nic^t bemeffen.
16. $uli. — $ür ben Stealiften ift bie 2Beltorbnung nidfjt eine
twllenbete, fonbern ein jeber Ijat an feinem Seil fie weiterjubilben,
roirfenb unb bulbenb. 5Die abfolut oottenbete Söeltorbnung , ebenfo
nrie ber abfohlte SBeltorbner, in 2Birfli$feit genommen, madEjen alle
ßriftenj unbegreiflich, befonberö baä Seiben. 9iur als Aufgabe ift
bie SBeltorbnung unb ber SBeltorbner begreiflich unb fijmpatljifd) ; alö
abfolute Realität ift e$ ein wefenlofeä unb wiberfinnigeö 3lbftraftum.
27. äug.*) — £>ie SBeltorbnung für SJienfd&en ift bie
Ijödjjfte aufgäbe beö menfdf)[i<$cn Sebenö, ber menfdfjfjeitlidje Äoämoö,
fo ju fagen. .
©ie Drbnung ift um fo ooHftänbiger, je weniger einförmig if>r
3n^alt. ®er einförmige ^nljalt läßt bie üBeftanbteüe in Öejug auf
iljre 3ufammenorbnung unterfdf)ieb$loö. Die f)ödf)fte Drbnung bel;errfd)t
*) $iefe crftc Raffung bcr SBeltorbnung wirb t>om SBcrfaffcr als §u bigrefft»
wrroorfen, bod) Ija&e tc$ aDed beibehalten. 5lnm. b. öerauSgeberin.
SuS ton *afldro$Mättern bcS Örafen %. Acpitrling. 7
— 98 —
bagegen jeben fletnften Seftanbteil unb weifet iljm feine ganj beftitntnte
©teile an. £)ie Ijödfrfte Verfd&iebenljeit unb bie größte äbljängtgfett
jnrifd&en bem &anitn unb jebem feiner £etle mad£)t bie työd&fte Sßelfc
orbnung, audf) in Setreff ber SRenfdfjljeit.
SBenn bie Aufgabe richtig fein foll, fo m\i% au% ber ©efd&ic&te
einleuchten, bafe bie ©nttoidfelung in ber Xfyat iljrer Söfung näljer
bringt.
Begriff 30. 3lug. — Um Unftar^eit auöjufdfjliefjen, ift §unäd)ft nötig, ju
t nung. er j{g ren ^ roaö jQ r t)nung bebeutet, ©ie bejetdfjnet bie Verteilung eines
jufammengefafjten SJteljrfadfjen, bem Staunt ober ber $tit ober bem
es <jüt »ieutiei Stange nadf). @d fann vielerlei Drbuungen berfelben ©egenftänbe
tnunfltn. ^ en gg aö j ere( j^tigt ba, bie eine für oottfommener ju galten afe
%m< unb «reis, bie anbre? £>ie fünfte in einer glädfje finb j. 35. nidfjt fo ooHfommen
georbnet, wie in einem Äreife. Qn ber Jlädfje fönnen fte fefjr rer?
fdfjiebene Stellungen einnehmen, im Äreife bagegen ift ber Drt jebeö
fünftes beftimmt unb jeber ^Junlt bebingt nrieber baö ©anje. Unter
ben oerfdfjiebenen Kuroen mürbe ein Unterfdjjteb ju madfjen fein nadj
ber ©införmigfett. 35er Sßunft im Äreife mit bem einen SDfctttetpunft
unb Stabtuö, toäre unoollfommener georbnet alö in ber @Hipf e , roo
bie Vrennpunfte, bie oerfd&iebenen Sljen u. f. to. fjinjufommen. SMe
Ijö^ere ©ifferenjierung unb jugleidE) oollftänbigere Vebingtfjett bes
SKeljrfad&en untereinanber unb im Verhältnis sunt ©anjen madjjt bie
oottfommenere Drbnung. 2)ie ^ormel Ijeijse:
unfre Aufgabe ift: $ie Drbnung unter ben 9Wenfd&en ju oeroollfommnen,
t>en ^e^en n iu bafür leben unb fterben mir. ©ine Ijöljere aufgäbe hat roeber
ber ©injelne nodf) bie ©efeUfdfjaft.
3tDcite3rQffun fl bcr 31. 2lug. — Drbnung bejeidfjnet eine beftimmte 2lrt ber Verteil
etomung. ^^ ^^ SKefjrf adrett , bem Staunte ober ber Qüt ober bem Stange
nad). $e oollftänbiger ber Drt jebes Seite beftimmt ift, um fo ooflk
ftänbiger bie Drbnung; je unterfd&iebencr bie Seite jtnb, um fo un*
erfefclidfjer finb fte, um fo weniger fönnen fte einanber oertreten unb
finb baljer für baö ©anje unentbeljrlid&er.
Mtte sanung btt & oerfd)iebener bie Veftanbtetle, je beftimmter unb notmenbiger
©eitorbnunß. .^ ^ u | ammcn ^ a ng, befto oollfommener ift ifjre Drbnung. $n biefem
©inne fyabtn bie SJienfdfjen für bie oollfommene Drbnung ju einanber
unb ju bem ©anjen ber 2Kenfdf)f)eit ju leben unb ju fterben. ©ine
\) öftere Aufgabe gibt eö weber für ben ©injelnen nodf) für bie
9Jtenfd()f)eit.
Sfjiafofogie toäre baö richtig gebilbete Söort für ©ojialleljre, fiatt
ber gebräud&lid) geworbenen ©ojiologie. ^iafo§ = Verein, oft burdfj
— 99 —
SBeifjen gebilbeter herein ober mit religtdfett unb pl)ilofopf)ifdf)en
3roecfcn, — aber au<$ gefeffiger herein.
ßoenologie — richtig ftatt Sojiologie — Rubelt cd fidf) aber
um erflufwe ©efefffdfjaften, befonbers mit SBetyen unb ©e^eimleljren,
Dann ift Xfytafologie ber ridfjttge Äunftauöbrudf.
2. ©ept. — 3fmmer nodf) ftnbc idfj bie redete ??orm, meine t>ors »iett« gfoffunö ux
fteljenben Slnfidjten ausjufpred&en, ni<$t! SBerfud&e td) es nodf) einmal, eic^e 87 r , n 8o n wnb
einfach unb mit SBermeibung aller langweiligen 35emonftrattonen. 81 "
Drbnung ber SDtenfdfjen unb für bie 9Renfd)en, eine
ijöfjere aufgäbe gibt es roeber für ben ©injefnen, nodfj für bie
SJtenfd^ett. 3Kan fönnte biefe Drbnung ben menfdfjlidf>en ÄoSmos
nennen.
2)iefe Raffung beö oberften 3 ro ecfeö alles menfdilidfjen ©afeins
ift fosiat.
Stnbre Raffungen finb egoifttfdft unb, foroeit fxc in ©egenfafc
treten jur Drbnung, falfdf).
©a ift junadfjfi ber (SubämoniSmuS. Sie Suft, im nieberen ©inne, dubämonismu».
ift bie Stuf fjebung eines Seibes unb oljne ifjr ©egenteil nidfjt oorfjanbeu ;
baber als oberfies etljifdfjeS $rinjip eine 9hiffität; audf) ift bie SDtenfdf)* «ein 3forttö«tten
bat barin nie »onvftttt gefommen. «at man ja n.d,t oi,ne ©runö "Ä«,""
bas Seben ber SRomaben als bas glücfltdfrfte gepriefen. SBirb aber
unter Suft audf) bie Iiöfjere Sefeligung üerftanben, bie ben jenigen er*
greift, ber feine Seftrebungen unb ^anbfungen bem SMenfte ber teeren
menfdjljeitlidfjen Drbnung genribmet Ijat, fo ift ifjr Segriff fo fefjr ers
roeitert, bafc fie bas DrbnungSprinjip umfaßt. 2)er ©egenfafc Ijört
auf, aber bas Suftprinjip ift nur befdfjränft in ©eltung. 2)ie Suft
an bem %xribtn ber SBaljrfjeit, an bem ©rfennen ber affgemeinen
Segalität, an bem Ueben ber allgemeinen ©eredfjtigfeit, an bem %'öx*
bem bes affgemeinen 2Bol)lS ift eitn ntdfjt meljr egoiftifdfj unb xoefy
felnb, — fonbem fojial unb bauernb. 3 um %til ift ** bie unenbs
fidje ober bodf) bauembere SRatur foldfjer ftitit in ber SBorfteffung,
bie in bas aergänglidfje Seben bes 6injelmenfdf)en SRutye unb 2Bof)U
gefügt bringt.
Äants oberftes etbif dbeö ajrimip : Sie SHarime 3)eines£ans «ants oberju»
belns mup fidf) jur allgemeinen ©efefegebung etgnen, — tuttia, at«
gefunben aus ber Slnalpfe ber erfa^rungsmäfcigen SSorfteffung üon ©ut
unb SJöfe — ift richtig, aber nur einfeitig. @s ift bie Seftrebung
für bie affgemeine Segalität niemals anbers als gut, — aber nidfjt
bas einzige ©ut, 6ö fann in t>erfcf)iebenen ©efefffd^aften bie Se^
galität eine ftrenge unb oollftänbige fein, unb bennodfj ift bie Drbnung
4 f «OO n \
— 100 —
ber einen ©efettfdfjaft tuet f)öf)er unb ballet porjüglid&er als bie ber
®«Ran^e anbern. 3mmcrf>in ift aber ber Äantifd&e ©runbfafc aufredet ju
oegmÄsV- galten gegenüber ben ßintoenbungen , j. 33. tote fte £erm. Softe in
ben ©runbjügen ber praftifd&en $ljilofopl)ie (93orlefungöbiftate) neuer-
bingö auögefprodf)en tyat. 3ft i<* bodjj bie bauembere, työljere Drbmmg
unter -Menfdfjen baö Ijeroor ju bringenbe Out, ob mit ober ofjne 0e=
nuß, ob mit ober o^ne ©rfenntnte feitenö beö ©inj einen. Softe
bemerft: Dann müßte eine tljeoretifdfje unb nidfjt altgemein juju-
mutyenbe 2lrbeit bem ©ntfdfjluß ftetö t>oran gelten; — aber ber @nt=
fdfjluß fann automatifdjj ju ftanbe fommen, wenn audf) bie Grfennfc
nid, auf toeldje SRajime er eigentlich fidf) jurücffüljren läßt, Slrbeit
©erlangt.
2Benn ferner Softe bemerft, fobalb es auf baö 9?efultat beo
£anbelnö gar nidfjt anfommt, fönnte man j. 93. als allgemeine 3Ka|ime
aufftellen : Gebern baö Seinige ju nehmen, — toenn audE> Unorbnung
unb Unglüdf bie golge toäre, — fo toirb Äant mißoerftanben. 3 ur
allgemeinen ©efeftgebung eignet ftdfj in Äanttfdfjem ©inne nicftt,
toaö Unorbnung unb Unglüdf tyeroorbringt. 2>aö mar eine SBorau^
feftung bei Äant, oljne meldte oon einem „fidf) eignen" gar feine
2u sude in ftants 9tebe fein fonnte. Softe Ijat aber freilidfj bamit auf eine Südf c in
* ' ber Slantfdfjen 6tf)if ^ingeroiefen. 2Beldf)eä ift bie Ijöljere, allgemein
anjuftrebenbe 9Kenf d&enorbmmg ? Siefer ?f ra 9 e * ann man n *$t ÖUÖ;
toeid&en. Äant antwortet: @in 9teid& ber &mdt, barin jebeö ©lieb
Oberhaupt unb Untertan jugleid), frei unb SelbftjmedE ift.
£erbart f)at geltenb gemalt, baß baä fittlidfje ^rinjip junt
£anbeln unmittelbar flar unb mit bestimmtem ^nfjatt erfüllt fein
muß, nidf)t tuic bei Äant, eine bloße Formel. — 3>iefer 3nf)alt,
geftefye mau -$u, ift notroenbig, aber nidfjt notn)enbig ift es, iljn am
pf)ilofopljifd()en $been abzuleiten, ©r ergibt ftd^ aus ber @rfafc
rung. 2luö ber ©umme ber Erfahrungen, bie jeber einzelne hinter
ftdfj fjat, entftef)t — unnrillfürlid& unb unoermeiblid&, gfeidf) einem
©aibct £raumbilbe, — ein ©elbftibeal, ein ben Stftenfd&en ftete begleitenbeö
cntS f meTeibn. ©djattenlnlb *). $er $erbartf$e Serfudjj, ben 3n$alt Jbiefeft 3beal*
ibwI ' aus ber ganjen älnja^l möglicher Delationen ätmfdfjen üerfdfjiebenen
SBillen ju erfennen, ift ein SBeftreben, Erfahrung burdf) ©pefulation
ju erfeften, baä ftete mißglücft, unb für beffen ©elingen aud& bie
9totroenbigfeit gar nid^t ju erroetfen ift. 25>aö not ttjut, ift, einen
*) 3)iefeS ©clbftibcat war nati) Äe^fcrüng bie ®runbr«gc bes (SJeroiffenS, b«
Untreue gegen bosfelbe Urfa$e ber ©etoiffcnöangft.
— 101 -
Örunbfaft ju gewinnen, jur Älafftfijierung ber oerfdfjiebeneu Selbfc
ibeale, uon benen bie einen ben SSorjug oerbienen ober alö fjötyere
Stufen attjufe^en ftnb.
Softes ©tmoenbung gegen bie Unabljängigfeit ber Sittlid&feit beö
£anbehtö oon bem ©rfolge, ift infofern begrünbet, alö eö überall bar*
auf anfomtnt, ob baö £anbetn für baö menfdf^eittidje Seben jerftörenb
ober ertjaltenb, ertoeiternb ober befdfjränfenb ift. dagegen tft bie S3e=
bmgtfjeit t>on bem egoiftifdfjen ©rf olge nidjt jujugeftefjcn. 35er Ä r e u j e & ftwujrttob 3«ju
tob Gfjrifti ift egoifiifd) eine £fjorf}eit, — fojial bie Ijödjfte Sitt- s?oVV fojloi
üdjfeit, unb in ber attumfaffenben SBorftettung beö ©tnjelmenfdfjen,
metleidfjt eben beöljalb baö f)ödf)fte ©lud.
35a Softe fcfjließlid) bie egoiftifdfje Suft mit 3ted)t ate etfjifdfjeö
^rinjip oemurft, aber für bie ftttlidje ©rabuation bes Suftgefül)te
nur bie Stimme beö ©enriffenä anruft unb roegen ber oernridelten
iterfjältniffe, in bie baö #anbeln meift oerfeftt, bie Stimme beä ®e?
tütffenö in ftonfüft mit ji$ felbft fommt, fo f eljlt eigentlich jeber etljifdie
©runbfaft bei Softe. 3?ie Sebenöerfaljrung foH angeben, wie bie
größtmögliche Summe bed ©uten im menfdf)lidf)en Seben ju vtxvoixh
liefen ift! Qnbeö geminut Softe a\& ber Betrachtung ber einfachen 2o*es oberfu»
fittlid&en ^beale bennod) alö oberfteö s $rinjip ber Sittlicijfeit : baö ©oSSiaeS.
ffiofjttootten — unb oerfteljt banmter bie 3)iöpofttion, bie ©lüdfelig*
fett anbrer ju erzeugen, — nidfjt bie eigene.
SBaä Softe über bie #rei^eit beö SBiUenö fagt (britteö Äapitel), ift so%e« ^Definition
feljr lefenöroert. 3)ie f^rei^cit beö SSiHenö bebeutet, baß er nid&t nur ©tuen* 1
äußerlid) unabhängig ift, fonbem aud) burdf) bie früheren innerlichen
Suftänbe ni$t erjtoungen, — aud) baß er nidf)t bloß naturgemäß ift
b. f). ber inneren -Natur bes Subjefts gemäß, fonbem baß er burd)
bie Sefdfjaffenfjeit beä Subjefts nid&t fdf)ou notroenbig fo unb nid&t
anberö ift.
ßin SBitte, ber frei ift, äußerlich unb innerlidE), tft nur fid) felbft
Urfadje unb baljer ntcfyt begreif lief) ; eö ift ein fdjöpferifdjer 2lft. ®r
beroeifet, falls er im ifteroenleben ber £iere unb beö SDlenfdfjen oor=
fommt, baß es in ber Sßelt ein @tmas gibt, frei oon ben Senfgef eften ;
nrie ftant es gefagt fjat, einen intetligiblen ß^arafter, ber in unbe?
greifli^er 2Beife roirft.
20. -Koü. — Surdjgelefen greub unb Seib bes ^enfdfjeugefdjlecfyts $rcub unb stib
oon @. £. Sdfjneiber, Dr. phil. — um ju betrauten, mie fid^ bie
Floxal u. f. n». in ben Äöpfen barftellt, bie mit ben mobernen Spencer^
2)anoiniftif^en $bm\ operieren. — 6ö fommt ju 33orf Triften ber
©efc^idlic^feit unb Regeln ber Hlugfjett, um ftc^ gefunb 511 erhalten
— 102 —
imb gefunbe ftinbcr ju fjaben unb bergl. — 311 ©runbfäfcen bcr £ugenb
fommt eö nidfjt. Sd)liefjlidfj wirb ein SBerfudfj gemadfjt audf) über bie
Öitterfett beö £obeö ju beruhigen, ©a finbet fidfj nidjitö anbreö als
bie gortfefeung in ©ante unb -Kante, — alfo bie atfyebräifd&e Seljre,
bie alö d&riftlid&e, auö purer £eudj>elei gepriefen nrirb. — Slber ob
bie SJortrefflid&feit meiner 9tod(>fommen midj) erfreut ober ifyct 9tieber=
trädfjtigfeit ntii) betrübt, — ber £ob madftf allen SBorempftnbungen
unb SRadfjempfinbungen ein ©nbe. Sie unbegrenjte UJWglidfjfeit 311
empfinben, waö gewefen unb waö fein wirb, muß ber Sterbenbe nadj
allem, maß finnlidf) wahrgenommen unb gebadfjt werben fann, oer=
Heren, unb eö ift tljöridfjt, tfjn burdf) Stnpreifung beffen, waö er
•Da* fieben o^n« ntdf)t behalten foD, ergöfcen ju wollen. $n ber ©rfatyrungöwelt ^eißt
eö, fid^ befd&eiben. 3)aö Seben fann nur entfielen unb getragen werben
unter ber SBorauöfefcung, bafj eö ju ©nbe geljt. (£ö ift tote ein £idjt,
baö ni<$t leud)ten fann, oljne ju oerbrennen. SBergebenö ift ber SSer*
fud), bie SRotwenbigfeit unb iljre #ärte ju oertufd^en. 2Baö fann ben
2>« perbenb« auf bem ©d()ladf)tf etbe ju Xobe oenounbeten Ärieger tröfien ? Db aus
xrofi a im ®«tt)Ä" feinem fieibe SBürmer entfielen ober @ngel, baö fann if>m bie 2luö-
oVtJ'on ju ^aben. ftdbt für eine 3*it, ba er nid^t meljr fein wirb, weber oerberben, noefj
oerf Tonern. 3m feften 33ewufjtf ein , feine ^Jflid&t getrau ju
Ijaben unb ju tfjun, bis baö 3luge gebrochen, — waö aud& bie
folgen, — barin wirb er meljr finben alö in ben SSorfpiegelungen
beö fpäteren 2eben$ biefer SBelt. SBemt aber biefeö SSerljalten beö
fterbenben ftriegerö £l/atfadje ift, fo ift eö audf) nidfjt redfjt auö bem
%>\t\t abatfa^e ift fieben biefer SBelt ju begreifen. 60 ift eine Xljatfadfje, bie auf bie
bi a e?er «Bett' en Jtotwenbigfeit l)inweifet, bie menfdfjlidfjen erhabenen ©efüfjle enttoeber
gar nidfjt ju erflären, ober fte bur<$ eine unbegreifliche SBelt ber Qbeen
ju erflären. 2)aö 5J3ffid&tgefü^t forbert ifttityit, — baö Siebeögefüfjl
forbert jur ©tnigung ber ganjen SBelt ©inen ©Ott; — ber 2Jer=
ftanb weifet bie Unmöglidfjfeit auf, bergletdfjen in ber ©rfa^rung ju
benfen. So bleibt nur übrig eine Qbeenwelt, eine inteffigible SBelt
nadf) Äant, — attjuerfennen, bie nidfjt ju erfennen ift. 2Uö
$bee ift bie inbioibuelle ^ortbauer gleidjjfallö gefüljlömäfcig. SRateriell
»crj(biebcnbd» btr auögebrücf t : £aö s Jieroenftjftem fjat feine befonberen gafern nid^t nur
XflibtTnb r für Bewegung unb ßmpfinbung, fonbern aud^ für ben SBerftanb, bie
jwar alle int pfijdf)ifd()en 3 e "^ um jufammenfommen unb ftclj beeim
fluffen, aber fo wenig a\& bcr bloßen Sewegungöfafer eine ©mpfinbung
bireft bewirft wirb, ebenf owenig fann baö ©efüfjl einen SBorgang
WMit, ber SBerftänbniöf afern bireft oollbringen unb umgefe^rt. $f lid&t,
öot" fmb ©ef üVis. fortleben nadf) bem £obe beö 3»^i t, ^ l,u ^ 10 / ©ott ftnD
— 103 —
©efüfjlöibeen, bic auf bie SJerftanbeöfafern bireft nidfjt einroirfen foten, we nt$t auf
formen. 3)er SBerftanb fann folgen $been feine Sßafjrfjeit auftreiben, »ttfianbl»fafetn
ober tljre SBirffamfeit auf baö ©effifjl unb t>ermittete beöfelben aufbte«HrtTi*wt.
auf bie 2Birflic$feit bleibt*).
(1885).
17. ^an. — ftants Definitionen finb mir immer nüfelidje $fab* Ran«
finber! ©elbftliebe, fo fagt er, ift SBofilrooffen, — 9trroganj — ■
2Bol)lgefatten am Sefbft, jumal in ber Uebertreibung. 3$ finbe, bafc
in biefem ©inne ärroganj auf eine faum gtaublid&e SBeife bie 3 U ' s™*™* *tnbert
leitungen üon ©rfenntniffen bef)inbert. 35ie betreffenben Äanäle
werben fo enge, bog bie brei ©äfee eines logifdfjen ©d^Iuffeö nidjt
metjr in ununterbrodfjener golge burdjgetyen fönnen. £)ie fiogif fann
nidjt 3lb^ilfe fdfjaffen unb bie 2lrroganj nrirb burdf) ben Slnblid iljrer
3lbfurbität gereifter unb weniger nachgiebig. 3)ie ©ittttd&feit märe
baö ©egenmittet gegen bie 2lrroganj. 2lber bie ift mdf)t gut angu^
bemonftrieren. 2)aö SBo^lgefaHen am ©elbft muß üieffeid^t einge*
jdjläfert werben unb bie 3 u ^ c ^ un 9 unterbeffen f<$nett auögenufct
werben. 35ie SBaljrfieit ju erfennen, mufe ata ^5flidf)t angefefjen mer=
ben, wenn fie audf) ber 2lrroganj, roie alle $ffidf)t, unangenehm,
fc^merslid^ fein mujj.
Eant fyat in ber fritifdfjen Sefeud&tung ber änafyttf ber reinen setfreiesomie
Vernunft über bie <Sd&roierigfeiten, ben SBillen frei ju glauben, baö b« reinen
lieffinnigfte gef dfjrieben , waö je oon Sßljitofopfjen barüber gefagt
roorben ift. aber in bem 2lbfdf)nitt oon ben Sriebfebern ber
praftifdjen SBernunft befennt er: „2)enn wie ein ©efefc für ftdE)
ein unmittelbarer 33eftimmungögrunb beö SBiUenö fein fönne, baö ift
ein für bie menfd^lid^e Vernunft unauflösliches Problem unb mit bem
einerlei, nrie ein freier SßiHe möglich fei." 2BaS bie Vorgänge im
©emüte fein mürben, wenn es einen freien SBillen gibt, fann aber
unterfud&t werben. — ©o t>iel SÜlotiue ben SBiHen auä) verfodfen, fie
fönnen feine Jlaturnotmeubigfeit für iljn abgeben. ßs ift alfo in ber «wifcriin«*
Vergangenheit bie 2Jta<f)t ber ©rünbe niemals sureid^enb für ben freien «rnaen*.
*) ©ie$e SBorrebe.
— 104 -
2BilIenöentfd)IuJ3. 3 U a ^ n erfinnlidfjen 3ßotioen muß ein SRoment
fjinjufommen, um ben SBittenöentfdfjhiß ju oottenben. 3)iefeö £injus
fommenbe ift ber SBille, ober SBiUensentfdfjluß felbft, ben nid&ts ber
3eit nadf) SBorfyergeljenbeö jtoingen fann, ein Äerndjen greityett in^
mitten ber -Jlaturnottoenbigfeit.
©etient^eorie. 11. 3uK. — Deöcarteä ging oom 2>enfen an*, aber baa
©enfen ift nidjt fo einfad) ju erflären unb ju erjeugen. @ö ift bie
s>iemoberne Ärone ber ©d(jöpfung, ntdjt bie ©runblage. 2)ie moberne realiftifdfje
5&nfm U erf! a (Schule muß ausgeben oon ber für bie eigenen Setoegungen empfind
ttdjen ©ubjfanj. $n folgen ©anglienförnd&en, benen metyr jugeleitet
wirb an ©nergie, ate fortgeleitet wirb, entfielt unb erhalt fidf) ein
molefulareä Sitbtn, unb baö ift ate baö materielle Korrelat ber @m=
©ommtungbet pfinbung typpotljetifdf) anjunefjtnen. 3n $irntieren fiodft bie 33e^
©e^irabe^ö^Jren toegung in ber £irnmaffe gang anberft, ate in ben ©anglien be&
33audf)marfö unb beö Sdftfunbneroenringefi ber Qnfeften. 2)ie ©mpfuu
bung fließt bei ben ftnfeften burdf) bie Seitungen weiter, o^ne ftdjj
oiel ju fammeln. ©te^enbe SßeUen, aus benen ein centraler 2Betfen=
berg ober fyödjfter SBeHenfegel refultiert, beeinflußt t>on ber ©efamt?
fjeit ber SBellen unb auf beren ©leidjgetoidfjt feinerfeitä eiutoirfenb,
baö wäre baö paffenbe ©leidfjniö. 2Bie aber bie ^äijigfeit in ber
üfteroenfubftanj fidf) bilben fann, nid>t nur frembe Setoegungen, fonbern
bie eigenen Siegungen roa^jrjim'efjmen ? 2Sie ein ©ttoas entfielt, bem
3mmer loiebeibai bie Seioegungen }u ©mpfinbungen werben? £aö ift bas unauflööUd&e,
»ciTnumbWe ooit £u Sote^SRepmonb betonte Problem.
fßrobtem.
11. Stoß. — 3 U weldfjer ^ageöjeit neige id) befonberft jum
<ßf)Uofoptjiereu? 2Bemt bie SDWibigfeit oon ben SBaljrneljmungen unb
©efdf)äften gefommeu; oor bem Sd&faf fammelt man fidf) jum ®tb?t,
unb ebenfo fd^roeifen bie ©ebanfen Ijerum in ©ebieten ber' Stöftraftion
«btnboebonfm. oor bem ©infdf>lafen. 3ft ba3 aber nid)t ein Rtityn, & a l3 ^ öö Dualen
mit burdfjauö unlöölidfjen Problemen, auf ©ebieten, too eö nur teere
Segriffe, ofjne mögliche ©rfdfjeinungen gibt, einen relatioen ©dfjroädfjes
juftanb anbeutet? 3fl baß ${)ilof optieren über genriffe fragen *"$*
eine 2)rel)franf^eit? 3)aö ®i*perimentieren ift oiel umftänblidfjer, unb
erforbert oiel größere Umfidfjt ate baö einfeitige unb untätige
Spefulieren.
unterfud^unfl 22. 2tug. — Äant: „©lüdfeligfeitösuftanb eines Der*
bes oifltfi. nfln ^ tiflcn gjgefen*, bem adeft naä) 9Bunfc$ unb SBiüen ge^t."
— 105 -
Tiefes angenommen, gehört oorab jur ©lücffeligfeit 2Bunfdf> unb
23ille. 35er 2lpatl)ifdfje fann nid)t glücffelig fein. $e heftiger 2Bunfd)
unb aBitte, um fo meljr fann man gfücf feiig fein; — aber fann man
e$ bleiben? 2>a fteljt eö t>erfd&iebentlid& um bie Segterben. auf
junger folgt Sättigung unb SBibemritte gegen Speife. 55a& 3}cr=
langen nadf) bem anbern ©ef^te^t fällt weg, fobalb eö Erfüllung
gefunben. SBieHeidfjt gibt eft nur eine 2lrt 33egierbe, bie roa^aft unb
anf>altenb glüdflidf) madfjen fann, — bie SBifebegierbe! SBo^l gibt e&
$erfonen, bie ba benfen, — ob and) getaufebt unb belogen, wenn
icf) nur beglücft bin! Setrügt miefy, aber marf)t ntief) glücflidd, rufen
fie ifjren greunben gu. Silber anbre, über bie ber ©eift ber 3Bal)r=
baftigfeit gefommen, fönnen es i^nen ntd&t nad&tljun. 2Baä Söa^r=
baftigfeit ift, nic&t baß ju nriffen, aber fort unb fort ju er-
fahren, ift ba3 einjige ©lücf, beffen fie fäljig finb. 35er Steft, fo
herrlich unb frf)5u eö audjj fei, t^ut es nid)t. iiiebe unb @^rc unb
iReidjtum madfjen einen geringeren ©inbruef auf fold&e ^ßerfonen. 2>iefe
bebinbern nidfjt auf lange, bafc fie fidj gelangroeilt füllen. Sanges
weile ift aber ein Unglücf, ba* jum Sd)led)ten jtoingt. — 2luto=
matifdjje Stefdbäftigung, bie man gewohnt ift ald nü^lid) anjufeljen,
wirft tooljl aud) gut gegen bie Sangeroetle. Xtn ©Item mufc man
raten: gebt euren Äinbern nidf)t bie 3eit fieb gu langweilen, unb fie
werben glücflidf) fein, unb nid&t auf f$ledf)te ©ebanfen verfallen.
19. Sept. — ©in feltfamer £raum, barin mir ein, SWarie ge= ©a» bringt we
Jjeißenea SUnb, im Stabtgetriebe oerforen geljt, mit lange fiel) fort= ftombination im
fpinnenben Senkungen es roieber ju finben, »erantafet miefc barüber Xtaum ^
nadjjubenfen, nrie bie bramatifd&e, ergreif enb fombinierte^Drbnung,
bie ber £raum oorfpiegelt, ju ftanbe .fommen fann? So oiel mag
angenommen werben, bajs in ben Äernen ber #irnganglien ftdfj 2Uu
orbnungen ober Spannfräfte oorftnben, bie äußere ©egenftänbe unb
Vorgänge bem 3>d^Äern barftellen, fobalb fie ju bem ^^-Äern ge=
langen, — feine anbern ©lementc fönnen im Xraume oorfommen,
als foldje, bie früher in bie ©anglienfcrne unter Skrmittelung beö
^cfcfternä geraten finb; — btefe in ben ©anglien ftedfenben ©lemente
werben, wenn bie fieitungen frei finb, roie im Schlaf, wo feine
frifdjen fräftigeren ©inbrücfe fie befefct galten, jidfj ju bem ^d^^Hern
fjinbrängen; — bie fräftigeren werben bie fcbwädf)eren oerbrängen; —
aber eine Slbfolge ber ©lemente, fo bafc auü ben t)orl;ergel;enben bie
folgenben ju entfteljen ober fieb iljnen anjupaffen febeinen, folgt niebt
au§ ber blofjen Ueberfegen^eit an ©nergie eines ©lements über baö
anbre. 2Wan fönnte fieb oorftellen, baft ber Gintritt eines ©lements
- 106 —
in ben ^cfcEern bie 3 u ^ e ^ un 9 eweö anbern ©lementö ermöglid&t;
nidfjt bie ©nergie im ©anglienfern, fonbern bic auöwäljlenbe Sin-
Sterling beö 3djjs5temft würbe entfd&eiben, in weldfjer golge bic @fe
mentc inö 33ewußtfein, in ben $fy$exn treten. 3Son bem 2BiUen
unabhängige ©efefce ber äffociation unb faufalen Kombination würben
bann bie 2lbfolge ber 2;raumerfdfjeinungen im 3d) s £ern befiimmen.
3)er ScfcÄern fjätte etwa eine gewiffermafcen faleiboffopifd&e ©truftur,
infolgebeffen bie ©lemente bramatifdf) georbnet werben; — ober nur
bie in baö 2)rama paffenben ©lemente werben in ben QcfcKern auö
ben ©anglienfernen Ijtneingejogen, — ober von ben unabfetjbar jafjU
reiben, möglichen Kombinationen ber in ben ©anglienfernen ftedenben
Elemente erfüllen nur biejenigen, bie in einer gemiffen Drbnung ftdb
befinben unb fidfj folgen, bie 33ebingungen, um $ugang S u Pnben jum
xtci «wotfefen. Qd&sKern ober jum Sewufctfein. ®a ftnb brei üerfdfjiebene #9potf}efen
auögefprodfjen. 1. 2>ie Elemente au§> ben ©anglienfernen ftürjen ft<§
mit ©ewalt an bie £f)ore beö Qdfjö, — unb werben an ben 2$oren
georbnet unb bie unbraud&baren uernidfjtet; 2. bie ©lemente auö ben
©anglienfernen treffen in allen möglichen Kombinationen oljne Drb=
nung jwar aufeinanber, aber weiter l)in ju ben Sporen beö ^dfjö
werben nur bie in gewiffcr Drbnung oerfefcten ©lemente geleitet;
3. baö in baö $<§ erft gelangenbe ©anglienelement bewirft in bem
$<$), baß ein befonberö geartetes anbreö ©anglienelement angejogen
wirb. — -Kur bei ber britten ^ppottyefe ift baö tumultuarifdfje, untere
fdfjiebölofe 2lnbrängen ber in ben ©anglien ftecfenben Silber (wie
auf einer pf>onograpl)ifdf)en platte, auö ber eine oor ftaljren ge^
fjaltene 3t,ebe wieber reprobujiert werben fann) oermieben. ©ie vev-
bient entfdfjieben ben SBorjug. Sßunberbar unb überrafdfjenb bleibt
aber bie unbewußt affociierenbe ober, allgemeiner gefagt, oerfnüpfenbe
3lbänberung beö 3dE)ö. Qebeft eintretenbe ©üb erwirft in tym, baß
oon ben unjäljligen anbern Silbern nur ein befonbereö folgen
fann! —
uebetftcrMi^e 1. Dft. — yhfyt bie $ßf)ilofopf)ie ^at baö Problem uon ber über=
snbimbuums. fterblidfjen ftortbauer beö ^nbioibuumö gelöft, aber wotyl bie Statur^
forfdfjung burd^ baö ©inbringen in bie ©elieimniffe ber 3eugung. ^te
grage nadf) bem überfterblidfjen Heien wäre nidjjt entftanben, wenn bie
•äftenfdfjen nidfjt geftorben wären, Sie fterben aber nidfjt, fo lange bie
leibliche $ortgefta(tung nadf) i^rem inbioibuellen SBefen ununterbrochen
weiter gel)t. Steile oom Sftenfdfjenleibe gefjen oerloren, fämtlid&e öe=
ftanbteile beö Kinbeö finb vermöge beö ©toffwed&felö lange aus bem
Seite beö ©reifcö üerfdjwunben, — aber berfelbe 2Jienf<$ blieb; —
— 107 —
b. i). baä ©eftaltungögefefc, bas mit bem ftinbe jur SBelt fam, fjat
nid^t aufgehört, eine fortlaufenbe Steige barjuftetten.
. . . 35aö ©e^irn unb 9tücfenmarf mit allen feinen Seiftungen
ift bas ©eifteöorgan. 6in benfenbeö 2Befen aus ^Jlatinafäben j. S.
fann fein benfenber SRaturforfd&er für möglich galten. . . .
1. üRod. — Sntereffant ftnb bie fjppnotifd&en ßjperimente in axn unbetonte,
i'eipjig. . . . 3)ie Ärampfjuftänbe ftnb bewirft burdf) t>orangel>enbe
Sorftettungen unb ftnb von längerer gortbauer afe biefe SBorftettungen.
Saß SJorftellungen p^irftfdfje ©puren ^interlajfen, bie gelegentlich
roteber ju SSorfieffungen werben unb führen, ift rooljl nid&tö 9?eue3,
aber nidfjt ju oft unb ju beutlidfj ju toiebcr^olcn. 3<S glaube, man
fönnte batnit einen guten £etl „unberou&ten SBefenö" ber (Seele oer^
abrieben.
ftüxfebUrk
31. 55ej. — 5ßl)ilofopf)ifdf) fjabe idfj midfj feljr beftärft in ber Slnftd^t, si. a>«iember.
Die ftant nriberlegt ju $aben glaubte. 3$ Mn uon ber Konformität
ber 35inge an pdf) mit tyrer ©rfdfjeinung mefir überjeugt. 2)ie greu
^eit uerlege id& nid&t in eine fogenannte intettigible äßelt, fonbern in
bie ©egenroart, bie jeitlofc, ate ©renje jroifd&en jefet unb einft, auf*
jufajfen iji. Sei atten moralifdfjen ßanblungen ift in ber Vergangen*
Ijett bie IXrfad^rei^e nidfjt ganj jureidfjenb. £inju ntu§ bie fimultane
3«ftimmung fommen unb bie ift alle $eit frei, — ba fie gar nidfjt
eine 3^it, fonbern eine ©renje ift. Sie f)ört aber auf frei ju fein,
fobalb eft gefdfjeljen, fobalb bie ©egenroart oon ber Vergangenheit auf=
9efogen ift. . . .
— 108 —
(Ssfranften übst Xtitftn untr Sferbsn.
1882—1884.
3)tir fjat bic patl;etifd()e Siebe, in bem Sßlutuö beö 2lrijlopl)aneö,
mit ber bie 2lrmut von ben 2Renfdjen 2lbfd(jieb nimmt, feiner 3 C ^
©inbruef gemalt, ©oute aber ber £ob fidf) auf einige ^afjrjeljnte
oon ben -äftenfdfjen oerabfdfjieben, mit weit fdjmerjlidjeren ©mpftnbungen
müßten bie SBeifen unter uns bie 2lbfd&iebsftunbe ausfüllen. So Ijart
unb ungerecht mir ber £ob in ber einjelnen ©rfdfjeinung Dorfommt,
fo wo§ltl)ätig unb oerfitynenb gilt er mir als Snftitutton. ©in <2olb
ber ©ünbe, fo Ijeifct eö, unb ift bodj ber Soljn audfj beö fdfjönften unb
reichten ©rbenlebenö!
©ine foldfje 33etradf)tung beweift mir, baft für baö irbifd&e 3 Us
fammenfeben ber 3Jtenfdf)en fowte aller Organismen ber natürlid&e 2tob
eine 2ßof)ltf)at ift. 2Bas für ben ©injelnen graufam unb ungerecht, ift
für bie SBielljeit ober ©emeinfd&aft eine -ftotwenbigfeü. £aS begreifen,
baä ©mpfinben biefe* 9iufcenö für bie ©emeinfd^aft, ergebt bann
ben SWenfcfjen über bie nieberen ©efdfjöpfe. ©in jeber fann flerben in
Siebe unb au$ Siebe für bie unenblidfje gortfcfcung unb ®emeinfd&aft
ber äJtenfdfjen.
2>er £ob, wenn er unter entfe$lidE)en Seiben SJlonate Ijinburd)
erwartet wirb, ift ein qualifijierter. $n einer oernünftigen 9Belt=
orbnung würbe er abgefrf>afft fein, gleidf) ben quafifijierten ^obeö-
ftrafen in unfern ftriminalgefefcen. Stöer eö ift eben bie SBeltorbnung
nidjt fertig für ben SRealiften, unb ein jeber Ijat bie ^reube unb bas
Seib, fo triel an tym ift, an ber S?erooll!ommnung ju wirfen unb 511
bulben. \
£er Sterbenbe wirb Don einer n i e für ifjn bagewef enen ©mpfiiu
bung ergriffen, — baö geiftige SBewufctfein Ijört plöfclidfj auf. ©6 ift
fein @ntfd)lummern, fein Uebergang in ein Traumleben, fonbem bie
SSirflid^fett in i^rem ttefften ©ruft, ©in nie ©mpfunbeneö ergreift
ben 9Wenfdt)en, er weift, bie Stunbe ift gefommen.
Sie Skrftanbesfräfte nehmen ab, baö (Sebäd&tnis wirb lücfen^aft,
bei (angem Äranffetn, — nur bie Siebe üerläftt ben SDtenfdfjen nid&t.
— 109 —
£ie öerroidfelten religiöfen unb pfjilofopfjifdjen SBorftellungen finb ein
t'upie, ben fi<$ bcr ©efunbe erlauben fann. SBon bem ftranfen fallen
fte ab unb fd&einen if)m g(eid^gü(tig.
3tof3ei<$mmgen auö ben Qa^ren 1884—1886 mit einzelnen 3 u f&fe en auö ©tiefen.
2Rit bem £obe, int ©injelfall, fidf) auöjufötinen, ift nun einmal
Dem SWenfd&en unmöglidjj, fo fe^r ber £ob mir audfj alö Sinftitution
notaienbig erfdjeint unb baö &ebtn oljne iljn unerträglich —
9. ^uni. — £tjpnotifterenbe Äultusljanblungen, roie fte bie fatljo-
Itfcten Ätrd&en anroenben, erzeugen oft überfd&roengltdjje ©mpfmbungen.
©alptglücffeligfett! — aber fie oerfdfjönert baö £eben! 3beale übrigens
fmb fein bloßer 3Ba§n. SBiflenöfreiljeit ift für ben SBerftanb, ber
ne nidfjt begreift, ein 3beal, unb bemtodfj für bie ©mpfinbung fe^r
real, ©eftetyt man biefcö eine Qbeal ju, fo ljaben aud) ber ibeale
Sott, bie ibeale Unfterblid&feit 2lnfprud&, auf iljre praftifdfje Sebeutung
geprüft ju werben, treibt man eä weiter, — ju ber bur<§ äufterlidfje
Äultuöljanblungen ju erlangenben Seligfeit, fann man rootjl verfugt
fein mit bem fterbenben Salbot ©dfjiHerö auöjurufen: Unfinn, bu
negft! —
SBor einem %eti)Tt ftarb bie auögeseid&nete ©raftn Sife S. in
Samara, mo fte ftdf) ganj in ben SdEjofe ber (griec^ifd^fatljolifdfjen)
ftirdje geflüchtet Ijatte, am 33ruftfrebd. SRodf) nadj) bem £obesfampf,
ber riefe 2Bod&en ifjrem mirflid&en £obe voranging, fdfjrieb fie nidf)t
nur über iljre leiblichen entfefelid&en plagen, fonbern aud£) über baö
Cntfefeen cor bem £obe, ben fie nie alö einen SRufjebringer ober ate
Uebergang ju einem glüdfeligen Seben fidfj oorftellen fonnte. 35a
roar ba* Temperament ftärfer, alä bie übrigen^ ja audf) non f)öHifdf)en
cdjredbilbern begleiteten Dogmen ber ftird&e.
11. Dft. — Sie Äirdfje bietet £röftungen gegen bie <2d^redf=
niffe ber £ölle, bie fte erfunben unb bie fie verbreitet fjat, — ben
Cualen ber SBtrflid&feit gegenüber ift fte ol;nmädf)tig. SBon ifjren
Sröjtungen wirb gefprodjjen in f)ergebracf)ter Uebertreibung, von ifjrcn
cdjredfaijfen, biefer ^nt^at 511 ben menf blieben Reiben, rcirb ge=
idmriegen. 9tur bie Siebe ju ber Drbnung ber 9Jtenfdf)en, bie baö
Seben auf ©rben fortfefeen, 511 einer Crbnung, für bie mir felbft
— 110 —
tljätig eingetreten fmb, — tiue Siebe, bie fidj immer aufrichtiger
unb umfaffenber entfaltet, — bie £rebe ju 9Wann unb SBeib, — ju
Einb unb Volf, — bie übertrogen toirb auf tbeate ©öttlid&feit, tote
auf ben ©ammelpunft, — biefe Siebe fann begleiten bis in
bie Torturen beö ©terbenö unb fann linbern.
2lber nod& Iiaben bie 3Jtenfdf)en fein Vertrauen jur 2BaI)rf>eit in
Sejug auf ifjre ©lüdffeligfeit. Smmer benfen fte, eö ift ber Sßaljn,
ber beglücft, unb mürbe fidf) bie SBafjrljett nidfit bei allen med&anifd&en
Verrichtungen alö bie nüfclid&ere 3Ragb ermeifen, man mürbe i£r
DoHenbö ben SJüdfen menben unb bem 9Worpf)iumraufdf) anheimfallen.
3d(j aber roeife, bie SBa^r^eit roirb befielen unb road&fen, unb
ifjre ernften Diener brausen fein anbreö perfönlid&es SDtittel.
26. 3lov. — SBoju, rooju fotdfje Seiben? feufjen bie SRenfdjjen
roie £iob fdfion oor $af)rtauf enben , unb finben bie 2lntmort nid&t,
menn fie einen moralifdfjen ©dfjöpfer an ben Anfang ber faxten \)\n-
benfen. @fjer ge^t es, menn man ifjn, alö bie ju realifierenbe Qbee,
an ba3 ©nbe ber %t\\zn uerfefct. 2lber eigentlich ift er eine 3bee in
ber, von aller 3 e ^ unabhängigen intelligiblen 2Belt Äantä, — an=
3iierfennen, aber nidfjt ju erfennen, mie baö fd&on ber Siefignation
eines £iob ju ©runbe liegt, gatalismuö ftärft ben G^arafter, meil
man bem Unt>ermeiblid^en gegenüber feine Verfud&ung empfinben fann,
ben Drt ju roeddfeln ober bie Umftänbe ju änbern ; oon bortljer fommt
SRulje ins ©emüt.
3Kan mufe oft ftiHe galten, mie ein ©olbat auf ber SBad&e, mit
jerfdfjlagener ©eele, — ba man gar mdtjt Reifen fann.
13. ©ej. — 2)ie quälerifd&en £obesftrafen werben naefj 9Jiafc
gäbe ber 3u>tlifation unter & en Völfern abgerafft, aber bie 9totur
ift eine barbarifd&e 2Kad)t; oiel Ijat ifjr ber SRenfdfj abgerungen, mit
iljren eigenen Äräften, gegen ifjren Verlauf . £)od(> oon ©ittlidfjfeit
ift fie, oljne baö eingreifen beö 9Jienfcf)en, nidfjt beeinflußt. Qljr Ur*
§eber läßt ftd^ auffaffen als ber 3 e ^oa beö Stltcn £eftamentö „mit
ben furchtbaren Vorstellungen ber 3Kadf)t unb beö Slad&eeiferö" (Rant);
nidf)t als ber liebenbe Vater ber ßfjrtften, ober „als ber geredete
©penber ber ©lüdfeligfeit, nadf) Maßgabe ber ©ittlidfjfeit" (Äant).
Die ©ittlidfjfeit fommt ju ftanbe aus ber Statur, ba ber 9Renfdf>
mit allen feinen Äräften jur Statur im weiteren ©inne gehört; aber
aus ber ©ittlid&f eit bie Statur abjuleiten, ift eine falfd&e Umfe^rung.
— 111 —
So fyat beim au$ We £ljeofopl)ie mit 9iedf)t ein 2tuäfunftömittel
an^ejöanW, nämlidf) bie 33orftettung einer erft oottfommenen, bann
aber oon einem abgefallenen ©eifte oerborbenen ©dfjöpfung. 35ie
Seit ift su t>erberbt, um einem oollfommenen Urheber jugef ^rieben
,;u werben. — 35ennodf) ifi e§ fonfequenter, fie als ben ungefdfjaffenen,
ewigen Urgrunb an juerf ennen ; aus bem fidfj baö 33ejfere, SBoflU
fommenere, in unbegrenjter 3 u f un ft herausarbeitet. —
35er Xob ift uns allen gleidjmäfeig befdfjieben, aber ungleichmäßig
jtnb bie Torturen baju Unbarm^erjtge SWotroenbigfeit fjerrfdfjt
in ber p^pfifd&en SBelt unb idf) fann nidfjt anberö, als fie für ganj
abgetrennt t>on ber jtttlid&en SBelt anfeljen. 3l}re legten Sitk, benen
Die pfjpfifdfje SBelt nä^er fommt, oljne je fie ju erreid&en, mögen
suiammenftimmen mit ber moralifd&en SBelt. 3^re 2Uiögangäpunfte
finb aber ganj oljne 3Jioral, unb ifjr SBeg ift Unenblidfjfeit. 3n ber
ibealen 9Belt unb in ber Sodfagung oon jenem ©goiömuö, ber fid&
felbfi für bie £auptfadfje ober für bie einjig intereffante ©ad&e in
ber SBelt tyält, mag ber ©injelne SEroft fud&en unb finben; nidfjt aber
in ber 3rrlel>re, bajs es fein Uebel gibt.
12. Jebr. 1885*). $ie Dualen ertragen, benen man nidfjt ab-
Reifen fann, anberö fann man ja nidfjt. 9lber fie Ijat eö getfjan,
ofjne UJturren, in 2)emut gegen ©ott unb in Siebe unb in gfreunb-
Itdlfrit gegen bie SBenfdfjen, immer geläuterter, biö jum legten Stern*
juge, möchte man fagen, — unb baö ifi fdfjön geioefen. Gs bleibt
roa^r am Sterbebett, roaö $auluö gefagt fjat: 55ie Siebe verfällt
nimmer, . . . xotnn audfj Grfennen oergefjen wirb.
%üx ben aber, ber jufdfjaut unb auZ ganjer Seele linbern möchte
unb Reifen, fieljt es anberö. Seine 9tefignation , gegenüber Seiben,
bie er förperlidfj nidfjt füllen fann, fjat feine Sdfjmerjen beö Seibeö
}u übernrinben; fie märe eine mi&oerftänblicfje, oieffeicfjt in ber 2^at
eine grfiarrung, bie nid&t ju billigen ift. SBenn er gar ftdf) anfdffidfte,
wie bie oermeintlidf)en greunbe $iobs, mit SJerma^nungen in ben
Seibenben ju bringen, mit bem SBerfudE), iljm bie Siebe ©otteö unb
®eredf)tigfeit au$ feinen dualen ju bemonftrieren, — roofjl oerbiente
Strafen in ben Seiben nad&toeifen *u motten, — bann fyöfyntt er bie
Unglüdlid&en. Reifen, in möglidjft voller SBefonnen^eit, unb toenn
es aus ift, feine Cfjnmadfjt, feine Unroiffenfjeit bef ennen, mit um
erfdjütterlidjem SSertrauen ju bem (Steigen, ber es }um
*) ®räfm 3<§neibe Äegferltng fiorb in flaifüll ben 11. gebr. 1H85-
— 112 —
SJcff exen f ü ^ r t , auf 2Begen, bie nidbt ju erfennen finb, —
baö tft baö ©injige, glaube idE), roaö bcm 9ttenfdf)en $u t^un übrig
bleibt, ber jufdjauen mufj, wie berjenige, ber ifjm in Siebe t>erbunben
ift, gefoltert wirb bte in ben £ob.
13. Cft. 1885. — 9Weine £odf)ter teilt mir mit, bafe bie »aroneffe
(Sbitfja oon SHljaben*) ben 9. b. -Di. geftorben, — ben 12., geftern
in Sßetertyof beigefefct roorben ift. 2lnber$ ift cö, ben Xob ber Sieben
ju erwarten, anberö ifjn ju nriffen. S)en -Dtenfd&en wirb man nie
roieberfefyen, nrie eö audf) mit feiner Seele nrirb. ®eö 9Renfdf)en fiebeti
oljne £ob märe unerträglich, baö I^abe idfj mir oft gefagt; aber bae
Seib ber Sebenben ift beöljalb nid^t geringer. 9Wit ©rgebung ju
tragen, unb, fo mef man uermag, bie SBeilje bes Sdfjönen um baö
©rab unb baä Slnbenfen ber ©eliebten ju verbreiten, baö ift bei
iljrem Xob ber ju empf eljlenbe ©runbf afc ; — bie £roftgrfinbe fämpf en
mit Vorauöf efcungen , bie fein Vernünftiger mefjr feftljält, roenn fie
fagen: ber Verftorbene leibet nidEjt mefjr, — ober überf freiten ben
üerftänbtgen Sinn, mnn eö Reifst: gönnt iljm bie SRulje, — ebenfo
als wenn man üermafjnte, ben 9Ronb in feiner Valjn nid&t ju ftören,
— ober enblid^, fic bienen ber Unroaljrljeit, roenn oerfid&ert mirb:
auf SBieberfefyen. — 2Bas ein SBieberfinben fein foH in einem SJafein
oljne 3iert)enfubftanä, oerftcfjt fein 9Renf$, aber fo triel raiffen mir,
baft nur bilblidf) t>on einem Sef)en bann gefprod&en roirb. Vereint
roerben mir fein in bem gleiten unb fdfjlieftlid) ntd)t nur um>ermeiD=
liefen, fonbern audfj für baö Seben ber 3Renf$en alö unerfefclidjes
©ut ju erfcljnenben ©übe aller irbifd&en greuben unb Seiben, aber
biefe ©leicfyfyeit nadfj bem £obe ein ©efjen, ein güljlen ju nennen,
ift nur ein ©feidfjniö. S)er £roft ift unb bleibt fyo^f — nur $oefte
mit Ergebung ift £alt, benn audfj bie Religion, foroeit jte fein 3lbcr=
glaube, ift bidfjterifd&e Erhebung unb nid&t (Srfenntniö.
©bitlja Jifjaben l;at mit ber ©ebulb eineö ©ngelö ftiH gelitten xxnh
feine fämersftiffenben 9)tittel gewollt, um flarcn ©eifteö ju fterben.
Sie eroige Shilje fteljt uriö allen beoor, ju einer 3«*/ bie mir
im ooraus alö bie redete nid)t erfennen, bie aber bodf) bie redete fein
bürfte. Vis baliin ift baö ©efüfjl, fjier auf ßrben 311 oereinfamen,
fd&roer. . . . 3)ian foll aber ber ungeroiffen 3 u ftwft entgegengehen,
mit Vertrauen auf ©ott, . . . unb mit fefjr unmutigen, aber
bodf) oom Sidfjte ber Groigfeit üerflärten Erinnerungen.
öofbame unb langjährige Mitarbeiterin ber ®rofefürftin öelene.
— 113 —
Pfc«0fo>ftfe mit» ntlialmt (1886).
9. 9Rat. — @ute Sgftematit forbert bie ftlarljeit audjj bct alt
gemeinen aßeltanfdfjauung. Ofjne firenge Terminologie ift fd&arfe
Stjjtematit nidfjt ju begrünben. Drganifdfj, Drgantemuö, waä ift «eneratio««-
nid^t atteä mit biefem XuSbrudt bebaut toorben! 2)af>er todre e* d^L^^.
flarer oon ©enerationöroefen, ftatt oon organifdf>en SBefen px
reben; — b. $. SBefen, bie oon früheren (Generationen ctynlid&er SBefen
flammen unb anberd gar nid£>t ju ftanbe tommetu ©e^r oerfdjjieben
baoon ift bie 2Belt ber ftoffüd^en Serbinbungen, ber d&emifdjen unb
medjanifd&en. Sie l>aben feine 33orfal)ren. SBenn nun unter*
fdjieben ©erben SBefen mit 3Sorfafjren — ober ©egenftanbe otjne
Sorfaljren, fo fann bie Jrage aufgeworfen werben, ju weisen
btefer, bie ganje SBelt umfajfenben tf (äffen ®ott wof>l gehören tonnte.
pr eine rein flofflid^e 33erbinbung tyn ju Ratten, ifl ber roI)efte
Jetifd&iSmua; il)m Sorfa^ren jujuteilen, ift fjeibnifd). ©ibt ea einen
Sott, fo mufc es etwas geben, bas toeber* eine blofee ftofftidje 93er*
binbung ifl, nrie alles materielle Dafein, nodf) lebenbig in bem Sinne
ber organifdjjen üffiefen.
3Rit ber abfhraften Äraft tommt man besfjalb nid^t weiter, weil
fte bodjj nidfjtö weiter ift, als baä materiell Sewegenbe; ade 5u!m
ftanj ifl ja bewegt, unb alle Bewegung ifl fubftanjiett. ftraft unb *„* »•»
5ubftan$ gefonbert gibt es nur in ber menfdjlidjen ©ebanfenfolge; /A^
iljnen tommt felbftanbige Realität nid)t ju. 2)ie ruljenbe Subftanj, ****"**•
fobalb bie 3hüje mefjr als ein Stelatioes fein foff, ift nd> felbjt nriber*
fpredjjenb. Senn bie Seioeglicljfeit unterteilet ben Stoff oom bloßen %a*4mtä
Äaum, unb ift nidjt oor^ufteffen ofjne 3ufammenl)ang. Seroegt jtdj eine«, ©STäl^iiÜ
fo Derbrängt es bas andre unb enbfid) erfdjüttert es bas ttnioerfum.
aber eben barous folgt bie bisher md)t redjt geroürbigte $er* s«««*«*»** M
fdjiebenljeit ^vifd^en fRaterie unb Slaunu Die Staterie muß 3 u ftanbe *£££*
Gaben geringerer unb größerer äuöbefjmmg , b. t). nidjt bloß bun$
Dtsperfion iljrer 3Üome, fonbern burd) enger* ober SBettenoerben ber
itome felbft, ob man immer ifjre öabnen, ifjre Drehungen für bie
unterfdjeibenben ©>araftere ber im ©runbe gleichartigen Subftanj
anfielt, ober ob man bie qualttatioe ßinfjettlidjfett bes ^Beweglichen
als unnüfce ^^pot^efe perwirft. Der 9laum felbft ift erftenS un*
beroegltdj, zweiten* unelafttfdj, brittens unenblidj teilbar;
in biefen brei fünften gilt non ber iBaterie bat öegenteil.
— 114 —
SBoljin gehören nun aber bie ©renjen im Staunt? ®a fie ganj
oljne 3 roc if c ^ l)inweggebad)t werben fönnen oon bem Orte, an bem
ftc fidfj beftnben, aud) fomprefftbel ftnb, infofern fie fidf) sufammen^
Rieben faffen, fo ftnb es getnijs 2lbftrafta aus ber Sßafjrnefjmung
bes Stoffes unb nii)t Äonftruftionen a priori. A posteriori laffen
ftc fid) in ben Staum »erlegen, aber aus bem grenjenfofen Staunte
md)t gewinnen, ©te bürften baljer aud> nidfjt teilbar ins Unenblidfje
• fein. ©ie SWat^ematif, als £ef>re t>on ben ©renjen im Staunt unb
in ber 3^it ift nw&t g a n[j a priori, ©er Staunt, ber als Vebingung
jeber ©rfafjrung uorab jeber äußeren SBa^me^mung muß beigegeben
werben, ift unbeftimmt feinen ©imenfionen nad), unb wiberfprid&t
feiner Statur nadfj jeber ©renje.
SßaS oom Staunt gilt, bas ift man gewohnt, audfj in feiner 9lrt
in ber $t\t wieberjufinben. 3n ber 3^* Reiben M* ©efd&e^niffe
Seitgrenjen. ©renjen; ober, ba es nur eine allgemeine 3 eit 9^t, ©efdfjeijniffe
marfieren ben einen 9Roment jwifdfjen 3 u ^ft unb Vergangenheit.
SBas jnrifdjen bem @nbe bes einen unb bem beginne bes* anbern
unmittelbar folgenben Vorganges liegt, ift eine 3 e itfltenje, aber
fein 3«itmoment. ©ie 3eitgrenje ift nid^t teilbar, fie ift nidjt
befjnbar, fie ift nidjt aerfefcbar. ©ie ift merfwürbigerweife in
ben beiben lefcteren Vejieljungen bem aprioriftifdfjen Staunt üerwanbter,
als ber empirifd&en Staumgrenje. ©o fd&eint es, baß bie ©auer bas
Stbftrafte ift, bie jeitlofe 3*ügrenje ^ber bas aprioriftifdfje ©lement!
Steint eine fd&wiertge $ ra 9 e *
a>« jrataii«mu* 23. $um. — 9Jtan plt fidf) ntd^t gegenwärtig, wie bie Sel>re
Ate 1 »om freien SBoßen jur SRoral in ber «ßraps ft$ t>er$ält. SRenföen
$to|iB.
unb ©eften, bie fid£) jur ftrengften Sßräbeftinationsleljre, jum ftarren
Fatalismus befennen, ftnb bodf) fefte ©Ijaraftere unb ftreng reblid&e
3Renfdf*en gewefen. Vetyauptet man bodf), baß bie Sieligion SRotyammebs
jur fteftigung bes ©fjarafters Vorjttge f>at vox bem weiteren ©Ijriflen-
tum. SlUe ttnflarljeit fd&winbet, wenn man bie Freiheit unb bas
©afein ©ottes für pure ^lluftonen erflärt, — aber es fd&winbet aud)
Siebe unb SBürbe!
26. $unü — 3ft a ^ notwenbig, was gefdjieljt, wegen bes
Vorherigen, — fo ift audf) notwenbig bie VorfteHung, baß man
es anbers Ijätte machen fotlen, wenn -aud& oergebli<$ für bas £anbetn*
£!)eoretifd(j fann bie Vorftellung SBert f)aben. ©ie fönnte jur 6r=
fenntnis bienen, nidfjt jur Seitung. @s muß gefdfjefjen unb es muß
— 115 —
erfannt werben, baö gehört ju bem Utyrwerf. @ö mufc jugered&net
werben unb bie grage, warum ber Verbrecher beftraft wirb, fjat bie-
felbe Antwort ju erfahren, wie biejenige, warum ber Verbrecher bie
£fcat nidjt fyat ungefd&e^en laffen. 3 ro ang ju* ©träfe, jur ©rfenntmft,
jum Verbrechen, — 3 TOan 9 überall! 2lber greube an nidjts unb
Iraner um nichts, gö fommt was fommen fott, unb bie ftumpfefte
©leid&giltigfeit wäre baö SRedfjte. VIeibt abfurb!
10. 3uli. — , . . amt ber 2Bitten*freii»eit bin idf> inft
Älare. ©rftenö bebeutet es, baß bie $anblung nermittelft eine* felbft-
bewußten SBtttenö, wenn oudf) eines beterminiftifd^ bebingten SBillenä, ftejierttiiai
ju flonbe fommt. 3Bo biefer SBitte als SWittel eintritt, ift niebt bloß *• ©iL?.
3Redf>aniSmuS; — jweitens aber gehört bie ©egenwart nidjt jur 3*it,
— unb ba^er ifl ein Äörnd&en freier SBttte mit Verantwortung bei
menf dftfid&en &anb(ungen babei. ©er folgenfdjwere 3 * * t u m , ben .*>« smum b»
bie ^lüfop^en begangen f>aben, inbem fie bie ©egenwart für «ejugVwe
eine 3 eit unb bie ©renjen für einen 9taum gehalten fyaben, un» mi barixtu
machte lange bie Sa^e buntel. 2Beber 3*it nodj SRaum fönnen
sei t lirf) e ober räumliche ©renjen (jaben; biefe ©renjen gehören
ben Vorgängen unb ben Stoffen an. Xie Vorgänge unb
Stoffe finb begrenjbar, — 3*it unb 9taum nidjt, — 3**
unb Staunt ftnb ins Unenbüdpe teilbar, bie Vorgänge unb ber ©toff
nidbt, — Veränberungen betreffen ben 3 n (Kift oon 3 e it unb iWaum,
nidbt bie lederen felbft; mögen aud) bie Urjadjen in ber Ver gangem
Ijeit jiemlidf) jureidfjenb. fein für baS, was gefdjiefjt; — ganj unb
immer brauchen fie es niebt ju fein. %atyx bie menfd)(td>e Verant*
roortlid&feit. 9Jämlid) ein Moment menfdjlidjen SBillenS, bae gar
nid^t in ber 3*it, fonbem nur auf ber ©renje *wifd)en Vergangem
l>eit unb 3ufunft eingreift, wirft mit!
13. ^iili. — 3i^t man bas Verhältnis ber 9te(igion©p(jUoiopl>te ***«•*
p ben 3&aturwiffenfd)aften in Vetrad>t, fo ift eö ineüeidtf nulltet), ^üa^^tt
wenn id^ oorab bemerfe, wie es eine naturwiiienicbaft Udje Xisupfin
gibt unb, wie id& glaube, nur eine, Die für Den CptimiSmue \euqt,
foweit bie Srfalyrung reicht. Xae ift Die Paläontologie, mit Dem
Sufbedfen ber I^atiacbe, ba% eö blumentragenDe ©ewadrfe gibt, erft
in Den geologiid) nid&t weit utrücfreidjenDen GrDoeriooen, uriö vn*
nünftige „Vorfaljrenweien" (reit idj gern Die ©tfamtfjät ber Crsa?
nismen in @egenfa$ tu Der unorqamfcben %6tii besetfnei in atolfr
gifd^er 3eitredfmung, fo ui feae-n, erit feit aenern ceceien fest, lar
aber biefe Sefen bötjer ux neuen uns, als Die ungute Si^zzt in
Sorftufen, Daran in nirfrt mit jieii tin 3-e;»'e{ mtiy.ii. Hsn clrSct
— 116 —
idf>, bafj ber Dptimiömuö baö eigentlich Sleibenbe unb SBefentlidjje
in ber JReligiojttät unb in bcn Äulturreligionen fein bürftc. 3)er
Sßefftmiömuä mufc, bcnfc i<$, irreltgiöfe SRcfultotc liefern. — Jtoinci=
benjen jnrifdfjen SRaturrmfienfcijaft unb 5Religionöp^tlofop^ie in ben
Stefultaten finb möglich unb, wie mir f<$eint, nrirflidj. Slber bie
SBege bleiben getrennt. SDic #tjpotljefe in ben Statumriffenfd&aften
ifl bodf) etroaö fef>r SBerfdfjiebenes uon ber Sprämiffe ber 5ß^ilofop^en
unb gar t>on ben 3)ogmen ber Sieligionen. 3)ie natumriffenfdfjaftlidfie
£ppot£efe ift promforifdj unb Ijeuriftif <$ ; fityrt fte ju @ntbe<fungen
oon neuen 3"f a «t^^n^ngen in ber SBelt, fo ift fxe frudfjtbar, —
ober roiH bodfj nie unumftöjälidf) gelten, nrie eine ayiomatifdfje Sßrämiffe.
3)er Sßf)ifofopl) mufc erflären, ber 9toturforfd&er oerfagt fidfj biefem
SDrange, wo er ntd&t weif* ; — ber SReligümögrfinber mufe uerurteilen
ben, ber ntdfjt glaubt; — ber iRaturforfd&er ju glauben, in bem
©tnne beö SReligionöftifterö, verbieten! 3$ benfe, man barf ben gar
nidfjt ju oenoifdfjenben ©egenfafc in ben 9Wetf)oben tapfer eingeben,
— womit Uebereiuftimmung in einzelnen ©rgebniffen fe^r roofcl gu*
fammen befielen fann. S8on einer freinrirfenben Jtaufalität j. 2J.
erfährt ber Sftaturforfdjjer «atfirlidfj gar nidfjtö, roaö aber bie anbern
SBege, iljre @£iftenj ju fonftatieren, nidfjt t>erfd|)tieJ3t.
©ebanicn toäijrcnb 14. $uli. — ©pajierenb febe id& bie ©efidjjter auf ibren ®e-
epaiinsanflefi. mütöauöbrucf ober auf i^re ©mpftnbung an; 2Bo bie Äinber fidfj
tummeln, ift £eiterfeit, §ie unb ba mit SBeinen, bodjj baö red&t feiten,
fiuft fefje idfj nod& in ben -Kienen frifdjjer 5 r öuen unb -Dtänner, bie
freien fönnen unb gefreit werben fönnen. Sie eö nid&t tonnen, auä
©djmäd&e, ©ntfagung ober 2llter, bie ergoßen ftd& nur nodf) wehmütig
in UebeüoHer Xeilna^me ober fie ftnb nid&t me^r ju ergöfcen unb
roanbeln in tiefem @mft ober in ©leidfjgültigfeit. 2Bie ift eft aber
in ber Sluf erfteljung ? I. (So. 22, 30 — II. ©o. 12, 25? $a gibt
eö feine ftinber unb feine ©efdfjledfjtöliebe. @in fold&eö 3)afein fann
ber 2ttenfdf) als ein glüdlidjeö ftdfj gar nidfjt oorftellen. ffim mu§
eö ein t^öridfjtes Sraumbilb f feinen, rotnn man eine ©lücffeligfeit
ifjm oerfjetfct, n>o er feine ftinber Ijaben fann unb nid&t lieben! 6ö
ifl eine SftüdKe^r in bas unorganifd^e Meid). 3)ie ©teine brücfen auf
einanber, aber baö madfjt ifjnen nidf)t Seib, nidfjt Jreub. —
xer«otboiiiiBmu0 16. 3>uli. — 3)er römifd&e Äatljolijiämus ift politifd)
allen SWeligionsoerbänben an einfielt überlegen. 6r Ijat juerjt er-
fanut, wie bie ^rage nadf) ber ©räie^ungöreligion in gemifd^ten 6f)en
— 117 —
entfdjeibenb ift. 3ft fie bcm freien 2BiHen ber ßltern überlaffen, fo
gibt es Eoleranj, — olpte biefelbe feine. ©öHtngerS ©tubie „über
bie einflußreid&fte $rau in g-ranfretdf)", über bie ÜRaintenon,
belehrt, wie eine djrifttidje ftird&e ju fanatifdfjer £errf<$aft inmitten
ber lodferfien ©itten, meüeid^t gerabe mit Senufcung berfelben, ge*
langen fann. ©ie d&riftüd&en ÄirdEjen finben in ber Siegel blinben
(Stauben unb ©efyorf am leidster unb meljr bei grauen, als bei
■Männern, ©te muffen fcaljer ben „grauenrrij" ausnufeen, jur 33e*
einfluffung ber SWänner, — bloße ©ittenftrenge tljut es nidf>t. ©ie
grau jnringt ben 2Rann, ber ©eiftlid&e (jumal ber unverheiratete)
jioingt bie Jrau, — bie £ierard&ie (bei uns ju $eiten audf) ber @en*
barm) jnringt ben ©eiftlidfjen, fo ift bie Äette fertig. Gljriftlidfjes
$rieftertum unb SBeiblid^feit Ijaben einen Sunb jur -Jörberung gegen*
feitiger ^errfd^aft gefdftfoffen. 2Bo bas SBeib im £arem, ober fonft
gebrücft ift, fommt es baju nidfjt. ©as G^riftentum befreite bas
SBeib, unb wenn es i^m nrieber bient, jaljlt es eine ©anfesfdjulb. —
©er proteftantifd&en Äirdfje feljlt bie £ierardf>ie unb ©is*iplin im
ftampfe mit ber fatfjolifdfjen. 3d& fagte mir, felbft [bie ©eiftlid&f eit
unter ben ©oangelifdfjen fe^nt pdf) nad& ber Sequemltd&feit ber 2lutos
rität, — los oon allen SRüfjfeligfeiten ber SBaljrljaftigfeit.
6üf bir felbfi, fonji fannfit bu nidfjt gut werben, fagt im roefentlidjen
bie eoangelifdfje Äirdbe, — bie anbre fogt, fei rufjig, id) madjje es für
btd). aber es ifi SSafjn, — wenn audj oft poetifdjer 23af)n. 9?id)t
bajj id) meine, ofpie SBaljn burdnufommen, aber er muß un abliebe
\\$ fein.
14. Sept. 1886*). — ©er Uebertritt oteler ©ften unb ©dbroeben tntfl^i«»«« bei
öon SBormS sur griedrifdjmifnfdjen Slirdje bezeuget bie Gntgeiftigung
bes SutljertumS. ©eine ftraft beruhte in ber Süaljrljaftigfeit, unb
bas ifk eine Slufgabe jtoeiter Crbnung für bie Äircbent>erren unb mit
iU oiel ©enfen unb 3^öufroanb oerbunben für bie ftirdjenlaien. Gin
i'utljer fonnte bie £aien mit feiner 23afjrf>aftigfeit fortreißen, aber
baä Ke§ nadj, fobalb bas offwette fcutbertum fjierardnfdjen ^roeden
bie Ueberjeugung unterordnete, unb narre fcefjren an ©teile ber
fteigeijttgen Eingebung uertrat. ?frei fann man nur fein, nadj 3Rafc
9öbe bes eigenen 3?errtänDntffeS ber menidjlicfjen Seuebungen unb
willigen ©eijordpns ber betferen ©rtenntnis gegenüber. Xieice l<er^
*) Um bat etütf nidjt m KTtrennen, fte$t to< Betrauung ootn 14. ZepUmbtx
«n biefer 6teOe. 3lnm. b. ^trousg eberin.
3BaW>afttgteit.
— 118 —
ftänbniö ift ber ©emeinbe verloren gegangen, roeil bie gü^rer nid)t
frei fein fönnen, wie Sutljer eö gemefen. 916er jeber Slbfall t>om
sproteftantiömuö ift audfj ein Siücffdjritt in Setreff ber ^ret^eit. 3>ie
fatljolifd&en Äirdfjen forbern fte nid&t unb förbern fte audf) nid&t.
^mtut 3w Scftft ber Sßatjrfjeit, bas muffen bie Sßroteftanten fagen, finb
fte felbft nid&t, aber fte Ijaben banadf) ju trauten tote Sßauluö; unb
follten ba&er bie SBeredfjtigung ber fubjeftiuen SBaljrliaftigfeit, ja,
ber Spffidjt baju, t)erfed)ten bis in ben Xob. ©ie ©taatödjrifien unb
£ierardf)en unter ben ^roteftanten ftnb aber t>on biefen ©runbfafcen
abgefallen unb fjaben ben Sproteftantismuä entgeiftigt. $n feiner
gegenwärtigen %otm ift er f ür ^ om J u e * ner trabitionett nodfc 311*
fammenljaltenbeu ©röfce geworben, bie aber nid&t mefjr gefätjrltdf) tfl,
unb bie, fidf) felbft überlaffen, ber Sluflöfung t>erfällt. ®anj anberö
ftefjt bem römifdfjen ftat(oli}i&muft entgegen bie rufjtfd&-gried(Hfdje
Äirdfje, unb SRom ifi flttg genug, um meffeid^t ben Sßroteftantiömuö
ate ipilf3t>olf unb fyarmloferen 5Ra<f)bar ju fronen.
20. ^uli. — £)er ©ang bes menfdfjlidfjen ©laubenS im ©rofcen
jeigt bod^ eine Bewegung ju 2ltf)eiömuö unb jum Unglauben an ein
fortleben ober Sßieberleben nadf) bem £obe; — aber fef)r unregel-
mäßig. Spefulatit) finb bie Gfjmefen unb öubbljiften frül) baju ge=
fommen. $\\ 9tom befennt fidf) ein Sßliniuö ©ecunbuö baju unb es
fjat in ber Äaiferjeit SSiete ä^nlid&er Stiftung gegeben. Qefet ergebt
a^eisnuis fidfj in granfreidf) ber 2ltl)etemu3 red&t allgemein unb öffentlich. @e~
Reimer Unglaube an ein fortleben SScrftorbener fd&eint mir bei allen
©ebilbeten, grauen unb Scannern, verbreitet; — bie meiften ftnb
3nbWmnti»muB ganj inbifferent in biefer 33ejief)ung. 3)te antife SBelt mit iljrent
ebttbeten. ^j^^Q^ß^^ Unglauben unb unenbfid&em, befonberö roeiblid&en
Aberglauben, fiel jufammen t>or ber Segeifterung beö jungen ©fjriftem
tumö. $e%t ^at aber ber Unglaube anbre SBaffen. 3)ie Slatur^
nriffenf haften, befonberö in ifjrer 2lntt>enbung , fjaben meljr geleiftet,
als bie SBunbermänner geträumt. ©3 ift nidf)t möglidf), ba§ unfre
SBiffenfdfjaft nrieber jufammenbrid&t unter ber ^einbfdfjaft einer refi=
giöfen Sefte.
$u »ott- %n btx Stunbfdjau las idf) einen 2lrttfel oon 2>u Soi^SRepmonb
** mol * > ' vom Dftober 1883 über bie £umbolbtbenfmäter. @r ift tief roafo
aber wie id& tyn auffaffe, ntd)t ofyne Sße^mut. 2>ie Slottoenbig^
— 119 —
feit, bie ftrenge Statunoijfenfdjaft ju fdfjeiben oon allen SReijen ber
$&antafie, ift metjr unb meljr hervorgetreten.
19. 3tug. — ©rfenntnißmäßige SJorftellungen Aber bie «enefubtr
eltbilbung, — an Stelle ber biblifdjen SenefiS. eit«um«§.
3?on jeljer, im grenjentofen Haum, beftefjt bewegter etoff«*
Stoff; — Stoff unb $eioegung in unoeränberlid>etn Quantum,
in oeränberlidjer $erbinbung.
Stoffe oljne Seroegungen (Hebungen) jinb nid)t, — ebensowenig
Scroegung oljne Stoff. — £as £i<b*, ba es burd> ben SBettenraunt
jtdj fortpffanjt als eine ärt oon Seioegung, betoeiiet, ba§ ber SSelten*
räum oon einem Stoff, bem Äetber, erfüllt ift 5tur als Präger oon
Bewegungen ift ber Setter wahrnehmbar.
3ebe Setoeguhg im erfüllten Staunt eines Stoffteildfjens änbert
bie Setoegung in anftofcenben Xeilcben ins llnenblidje, unb ba© be 5
grimbet allgemeine 9tbf)ängigfeit unb 3 u f af nmen^ang in ber Seit.
£ie Setoegungen ober ©nergien, Die als Sidfjt, 23ärme, ©leftrijU
tat unb 9Ragnetismus burdfj ben SBeltätljer ]ii) fortfefcen, bringen
Bewegungen ^eroor ber ferneren Körperteile, unb es ift moglidfj füf
uorjuftetten, bafc bie Semegungen ber ferneren Äörper ftcb oon jeljer
Dermebrt fyabtn auf Soften ber Hetberbebungen. 9Kan fann fidfj an?
fänglidjj einen überljifcten SBeltnebel Oorftetten, aus bem attmäbltdfj bie
SSärme in Semegung übergebt unb bie febtoereren Körper fid) oer?
bieten unb in ungeheuerer Semegung Sahnen Durchlaufen. ©s bauen
ftc^ jufammen ^irfternitjfteme unD bie Jytrfteme ballen jidj mieber
$u ^ßlanetenfgjtemen, t— Die Planeten bilden Xrabanten, — alles
burdj 3 u f ammen 3i e ^ un Ö unb Uebergang eines Xeilö Spänne. in 8e=
toegung.
@ibt es nur einen Stoff, aus bem nd) bie anbem $uiammen;
fe|en, — gibt es nur eine Äraft, Die ftd> in oeridjieOene Äräfte
umfefet?
- 120 —
^DeßgeffaCfmtg.
22. »uguft.
<*rfte afoffung. 1. SBon jeljer ift bie SBelt.
Erläuterung. $ie Schöpfung auä 9K<$t3 ift ein Ungebanfe für
unfre Seit. £ann bebarf e8 au$ fcincö 6$öpfer8 au£ 9K$t3.
©ott fann als Söeltorbner gebaut werben.
2. ©ie SBelt befielt aus Seroegtem.
Erläuterung. 2)ie Bewegung $at entweber Seränberung ber £age
jur golge, ober fte 6eftcr)t in Hebungen fleinfier %exl<S)en in
Meibenber Sage.
3. ©aö Seroegte fteHt Stoff unb Ärajt cor.
4. ©ie ©umme ber Straft in ber SBelt ift von jeljer ftdj gleid)
geblieben; ebenfo bie Summe beß ©toffs.
5. ©ie Drbnung unb bie Sejie^ungen uon ©toff unb Äraft
in ber SBelt finb in ftetiger SBeränberung t>on jeljer be-
griffen.
6. SSerbinbungen unb ©ejie^ungen je fefter unb je 33erföiebe;
nereö fie üerfnüpfen, um fo fernerer finb fte auflöölidj.
24. Huguft.
3»eite »offunö. 1. 2fo§ Seroegtem befielt bie förperlidje SBelt.
2. ©enfen unterfdjeibet in Seroegtem, ©toff unb Kraft.
3. ign ber förderlichen SBelt ift bie ©umme ber Äraft unb beö
©toffö tum jefier fid) gleich geblieben.
4. ©ie öejieljungen unb SSerbinbungen gtDifc^cn ben teilen
ber ©toffe unb ber fträfte finb in ftetiger 93eränberung be-
griffen.
5. ©ie fernerer ftörbaren ober auflöölidjen SSerbinbungen unb
Sejieljungen Überbauern bie anbern, unb nehmen ju in ber
SBelt.
Pro memoria III.
Sit toefem flfeit fe$ß eine (Sinfeifung von meine« Vater« Sbcmb.
mrfigiOTt imir ÜJöral (1887).
Starroins CebenSffijje im crftcn SRoüembertyeft bcr 91cüuc b. b. Stf.
t)on 33arignij nadf) bcm breibänbigen SBerf „geben unb 33riefe
»attpin» teHfliöfer g^. $)artmns", Don beffen ©oljne Francis herausgegeben, fdEjübert
bcn fanftcn unb weichen Gfjarafter btefes Sßartetmannes bcr alten
2öeltanfdf)auung , eines ©egners bcr SBitrif ef tionen ! unb befprid&t
fdftfiefclidf) feine religiöfen Slnftd^ten , — bic ebenfo, wie ber berühmte
9?aturforfdf)er Äarl von 33aer t>on fidf) fagte, bei iljm nidfjt fertig ge=
toorben finb! 2ltljeift will er nidfjt fein, fann aber biefer Folgerung
faunt entgegen, — ßfjrift ift er nidfjt, — bas wirb entfd&ieben aus*
gefprodjen, — ober 3)eift wollte er bleiben unb barunter wirb er
gerechnet. @r ift oon ber größeren &rt)dben\)tit eines foldfjen ©dfjöpfers
überzeugt, ber ben ©toff fo fdfjuf, bajs mit Sftotwenbigfeit aus \f)m
fidf) bilbete jene jum £eit nodf) uubegriffene äufcerft jwedfbienlidfje @in=
rid&tung, bie mir in ber SRatur bewunbernb entbedfen*). Slber wenn
bie 3roedfbienlidf)feit aus bem Stoff entfte^en mufcte, burdfj 2hts=
f Reibung alles weniger ^affenben, woju bebarf es ba nodf) ber 21m
nafjme einer intelligenten Urfadfje cor bem ©toff? jumal biefe Qn*
teHigenj, nadfjbem ber ©toff einmal twrljanben ift, ju nichts meljr
ju gebrauten ift. 2öirb in biefer SBeife bie fdfjöpferifdfje anteiligen}
in SRuljeftanb tjerfefct, fei es audf) in ber efjrenljafteften SBeife, fo ift
iljre twüftänbige Sefeitigung auf ber ©dfjweüe. SBie burdfj 9Hdf>t~
gebraudf) Organe, bis auf bebeutungsfofe SRefte perfümmern, fo audfj
menfd&tidfje 33orfteffungen. SDie ©ottesibee fjat in SRubimenten bei
3)arwin jtdf) erhalten, ba er einft auf bem SBege mar ein ©eiftlidfjer
ju werben, umfome^r, ats er ju transfeenbenten Unterfudfjungen nie
ftdf) gebrängt füllte, unb er eine SReoifion ber ü;m in jungen ^aljren
5Datt»in «n ®e fl necjugef (irrten SBorfteffungen überfinntirfjer 2lrt, niemals üorgenommen
Ijaben bärfte. SBollftänbig etwas 511 burdfjbenfcn, über bie ©renjen
*) ©te$e $artmni$mu3 ©. 138.
— 123 —
feiner 33erfudfje (©sperimente), ober ber möglichen äJerfudje t)inauö,
baä war nun einmal nid)t baö ©efdfjäft biefeö großen 9taturforfdf)erö.
So erflärt ftd& axxi), baß er bei ber $rage ber SBioifeftion nur ben
©efü^Ien feines fanften ßerjenö folgt, ©aß bie roiffenfd&aftlid&e ober
lernbegierige SBürifeftion an einem -Jtaturforfdfjer von Karmins $e*
beutung einen 2Btberfadf)er, fiatt eines ftürfpredfjers finben fonnte, ifl
gef diesen, weil fein 9Witgefüf)l in biefem Sßunft nidf)t überbaut war,
3eit unb ßuft baju Ratten ifjm gefehlt. 2öer aber bie Äantifdfje 9ßeta=
pfypftf ber ©itten einmal in fid) aufgenommen l)at, weiß, nrie nur
ber SBille, unb nidfjt Suft ober ©dfmterjgefüljf, ben ftttlidjen SBert ««rterttna»
einer ^anblung beftimmt. SRidjt bie Dualen machen bie Sefjanblung »u>t|emon.
eines £ieres ju einer unfittlidjjen, fonbern nur bie 2lbftdf)t, baran ftdf)
ju roeiben. ©tiergefedfjte unb &aljnenfämpfe unb oft audf) $agb, finb
unftttlidfj, — aber bie fiernbegier, roenn fie audfj irrt, bleibt eine fitfc
lid&e 39eftrebung.
6. 9Rai. — ^rofeffor- Strümpell beftätigt mir, baß bie ©toa «worat,
bie für baä praftifd&e Seben nadf^altigfie unb oerbreitetfte 5ßl)ilofop^ie * *?**! u
getoefen ift; felbft bie Seljre ©pifurs fte^t jurüdf. Äant ift ©tfjifer
für roenige nur geroefen. £)ie moberne Sßl)itofopf)ie fyat überhaupt
eine bloß tfjeoretifdfje Sebeutung. — 3$ benfe, bas ßljriftentum l)at
bie Sebensfü^rung eyftufü) beanfprudfjt ; bie lateinifdje Siird&e oerfanf
in Unnriffenfjeit, SSpjanj übte fteinbfeligfeit gegenüber ber alten ^5f)ilo*
fopljie; — bis fie enblicb audj in 3lt^en aufhörte, als bie betören*
faulen aufgehoben mürben. ®er antife £empelbtenft oerbreitete 2lber=
glauben unb forberte 2tdfjtung, — ließ aber bie ^ilofopljen für SWoral
Jörgen. ©fjriftentum unb ^ölam erfennen feine 2Roral außerhalb ber
firdfjlid&en £eilsleljren.
27. Slpril. — 35u mußt gut fein! Älug fein, fdfjön — ge=
funb — reid& fein u. bgl. ift ju münfdfjen, aber man muß nidfjt. —
5Bas ift gut? fagt ber Sßiberpart. — 3)as wirft bu fdf)on erfahren,
wo e« not t^ut, paffe nur auf. 2)ie pfjilofopfjifdfjen Ätügeleien oor-
aus mürben bid^ nur nodfj meljr oermirren.
3lIfo bas fottte bein ©ebet fein, abenbs unb morgend jum
©roigen: idf) möchte, idE) nritt, id) muß gut fein!
®ann wirb bir aufgeben, was eigentlich bas ©ebet bebeutet. @s ©ebeutung t»»
ifl ©elbftoermaljnung, unb bie bebürfen mir in unfrer ©djroäd&e tags
ßd) unb ftünblidf)! SBeber ben ©roigen werben unfre ©ebete um-
ftimmen, nodf) ift es bloß ju eigenem SBergnügen. ©rnfte ©elbftoer-
ma^nung, bas fott bas ©ebet fein.
— 124 —
Glaubens, unb 3)ie Steligionslefjrer Ijaben bas mit bem ©ut=©ein nid&t redbt
118 * gewürbigt. £u foUft glauben, bu mufet glauben, bu mufet bie anbern
glauben machen, bas ftetten fie poran, — unb bas tft falfdf). S>er
•Jtaturforfdjer mujj fogar ju glauben verbieten, fo wenig l)at biefe
Empfehlung änfprud) allgemein gültig ju fein. ®u mufct gut fein,
bas forbert bie SBatirljaftigfett, bie ©ered&tigfeit. £)u mufet glauben,
bas forbert aber bas ^ntereffe. 3)ann wirft bu £roft Ijaben, bann
wirft bu glücf lid& fein, bann werben anbre bt<$ efjren, bir Reifen folgen,
wofiltljun u. bgl.
t>« $<mmei unb 14. 9Kai. — £er Fimmel ift bem Sluge eine er&ebenbe Sßradit,
e $ mmc fa^tt. ^ cn @ e banfen eine unergrünblidje ©efefclidftfeit, bem ©efüljl ein ©teiefc
nid allumfaffenber, unbegrenzter SRufje unb ©eligfeit. SQBie bas SWeer,
Dom i'anbe gefefjen, immer erfreut, fo ber £tmmel oon ber ©rbe
gefetjen. ©as wirb anbers, je polier über ber ©rbe man fidj ergebt.
2Ref)r unb mefjr fommt man in eine Äälte unb Seere, bie baö Drga*
nifdfie ausfdfjliefcen unb wo bie SSorbebingungen alles menfdjlidjen
(SmpfinbenS unb 2>enfens fehlen. £er pfjpftfdfje ßimmel) fo viel ift
gewife, mufc bem 2Renfdf>en als ber entfefelidfjfte unb unmöglid&fte
SBJo^nort erfdfjeinen. ©ante perfekte ^ubas in Eis unb baö festen
iljm ber qualooHfte JpöHenort. 6r Ijätte ifin in ben £immel üerfefcen
fönnen, wenn if)tn beffen pfjpfifdbe Sefd^affen^eit befannt gewefen wäre.
2Bie fommt es nun, bajj bie ©ebilbeten fidfj nid&t offen losfagen Don
bem ®laubtn an bie £immelfatyrtsfage? Siefer, burdf) bie 2lpoftef=
gefdbidfjte, ber unfidfjerften aller neuteftamentltd&en Seftanbteile, ein=
geführten, unb von ba in bie ©dfjlujjworte bes jweiten unb britten
©oangeliums nachträglich aufgenommenen lieberlief erung ? ©ebanfen-
lofigfeit, 3 urü ^ a ^ un 9 ÜOn gefährlicher ©rgrünbung, SBerlogenljeit,
wo ber Sßaljn anbrer uns nüfclidfjer fdfjeint als iljre äfofffärung, bie
erwirfen es woljl alle jufammen. SSie foU man ficij aber bem Äinbe
gegenüber oerljalten? 3ft man wafjrfjaf tig ,. fo mufe man iljm fagen,
man fannte bamals ben pfjpfifdfjen &immel nidf)t unb fanb besf>alb
leinen paffenberen 2lbfdfjlufe für ben SBanbel beö äuferftanbenen, als
bie Stuffa^rt. 2lber fie ^at fid) nur auf ©leidfjnisreben ju einem
wirtlichen ©efd^eljen in ber Sage Ijeranbilben fönnen. 3n ber Xljat
ift fie unmöglich unb jwecflos. Cber man fann fagen: glaubt, aber
benft ni<$t. Ober man fann in Sßiberfprudf) mit ber 2lbftdf)t bes ©r*
jäljlerS in ber 2lpoftelgef$idf)te, fagen: ßimmel fei gar nidfjt plfljfifd|j
ju verfielen — es fei nur ein ©leidfmis unb bebeute ewige felige
SRufje. ©s fommt bie 3*ü unb ift fdf)on näfjer gerüdft, wo bie füllen,
ob fie fdfjön finb ober vorteilhaft, fallen muffen, unb bie SBa^rtjaftig-
— 125 —
feit wirb ben Sieg erringen. Sine 3eit ber SBunber, bie alle menfdfjs
licfce gafiungsfraft überfteigen, für bie SSergangen^eit anjunefjmen,
gefjt nidjt nte^r. — Gine Sieligion ber SBafjrljafttgfeit mufe befreit
werben oon allen SSorftellungen , bie als pl^ftfdf) unmöglich, alö
nrieben>ernünftig unb alö fittüd) jroedflos von ben SMenfcljen mit
Der 3^t erfannt roorben finb.
9. ^uli. — Stein, von ^rofeffor Seelep, breibänbig, oon fiel)*
mann überfefct, ausgelefen. Die Betrachtungen am Sdfjlufe bes äßerfs,
über Steins SBer&ältniS jur Religion, geben mir ju benfen, unb mit
Sismarcfs SSer^alten ju Dergleichen. „Den SSortrab meiner 3 ro eifel,
ber fiel) ju weit hinaus roagt, rufe idf) jurücf !" — fo antwortete mir
Öiömaref, ate er ©efanbter war, auf bie $rage, wie er feinen rabifalen
Unglauben jüngerer Safyxt los geworben fei. Die 3 roe if e * werben
nidjt befämpft unb befiegt, aber ftitt gemalt burdf) ^eroifd^en SBiHen.
Sluf bem ©ebiete ber SReligion wirb bie (Ermittelung fixerer 2Bafjrs
Reiten für unmbglidf) gehalten unb bas ^eft^alten ber SSorftellungen,
bie fid& in ber ©rfaljrung für bie menfdfjlidfje @efellfdf)aft alö juträglidf)
unb faltbar burdf) ^aljrljunberte ermiefen ^aben, für notroenbig. fieben
naä) bem £obe in einer befferen SBelt, — SSorfefjung, bie fdftfiefclidfj
alles jum Seften roenbet, — Offenbarung, ein bie Pflichterfüllung
gebietenber ©Ott, — bas finb Dogmen, bie Suuerftdfjt in politifd&er
Ser jtoeif lung ober Slot ©erleiden ; — bief e finb unbebingt notraenbig.
3>ie foH man nidfjt erfcfyüttern unb nidfjt ju t>erf>öljnen geftatten. 3tber
jtd^ oiel befd&äftigen mit bem 3>nljalt unb ber SWögltdfjfett biefer in
ber Xfyat nebelhaften 3SorfteHungen, ift eine ftranKieit, in bie fold&e
3Renfd)en verfallen, bie in ber SSelt nidfjts anbres ju tfjun l)aben,
alö unnüfcen ©rübeleien Jjidfj ^injugeben. $n ben Stürmen biefer
Sßelt, ben Sfofeinbungen ber geinbe gegenüber, Siebe ju feinem SBolfe,
3uoerfid(jt ju einer gegen alle jeitlid&e Beunruhigung feften Sßofttion
ju betoaljren, — baju genügen bie oagen 33orftettungen beffer, als
bie fcijledfjte äBirftidfjfeit, auf bie fi<$ bie menfdfjlidje gtorfdfjung be=
fdfränft fielet. Sie oerletyen Söeifje bem ©efüf)le unb fortreißenbe
^oefxe iem 2luSbrudf — So ungefähr ift bie ©efinnung biefer, tief
jittlid&en 9Äänner großer ^olitif, in religiöfer 93e$iel)ung. SBären es
ß^inefen, mären es dürfen, — mären es 3uben ü°k ©eburt, nie
würben fie ©giften werben aus lieber jeugung. Sie finb aber von
ben Borfafjren Ijer fefte Gfjriften nidjt nur, fonbem audfj fefte 5ßrote=
flanten, ba fte aus Ueberjeugung anbers ju fein nidf)t oermögen. Die
Stein,
ton €«Utj.
Gtein* unb
Stlraard»
Serfcalttn }ur
Religion.
— 126 —
SBorfafjren finb eine unabänberlid&e Xfyatfafyc, Ueberjeugungen f ömten
»i»ma«i unb medjfeln. — ©oroofjl ber greifen: von ©tetn ate Siömardf ftnb ftreng
nationale TOmSr nationale 9Wänner, feine SKenf d^^eitöfd^roärmer ; — audfo in ber Religion
n »eiu 8 attfbie finb eö feine Uniüerfaliften , bie nadfj ben ewigen 2Baljrl)eiten, nad)
«rfi«ion. e bem für alle Reiten Süchtigen ringen. Statljolijtemuö, Sßrotefiantiö=
muö, für iljre SBeftrebungen madfjt baö nur in ber SBertoaltung Unter«
fdf)iebe, mit benen man rennen muß.
Sei aller SBereljrung unb greunbfdfjaft für biefe SKänner muß
man bennodjj gefielen, baß iljnen eine Religion nidfjt genügen
fömtte, bie 6rnft madf)t mit bem SBorte: „3Rein 9teidfj ift nid&t von
biefer 2Belt." SDaß bie 2ßoral au& ber 9tot mit berfelben 3loU
roenbigfeit entfielt, wie aus bem ©efälle bie Stiftung beö gluffes,
ift überhaupt eine ßefjre ber neueften $eit. ®* e genannten SKänner
fönnen fidf) nur eine geoffenbarte ©ittlid&feit oorfteHen. ©tein unb
Siömarcf finb 9Ränner biefer 2Be(t, bie jur Regierung biefer
2Belt unb jur poetifd&en SBci^c iljreä eigenen ßebens gormein ge*
brausen, bie auf einem iljnen ganj fremben ©oben entftanben finb,
bie aber an poetifd&em ©d&nmnge unerreicht geblieben, unb burdf>
baö 2llter eine bewährte 3ldf>tung gewonnen fjaben, bie ftd(j nidEjt er-
f in ben läßt!
x<* |ö«ne auf 8. 3>uli. — ©in 9Kdf)ts in ber ©nrigfeit, bodE) ein roollenbeö —
* ein Sßunft in ber 2Renfdf$eit, aber ein beftimmenber ! ©rößereö, als
einen bie menfd^eitlidfje Slid&tung mitbeftimmenben unb moDenben
$unft, gibt es auf @rben nidfjt. iftur muß ber SRenfd^ ben ©tauben
an feinen SBillen ntd&t Der Heren. 35er gataliömuö ift vid ju ftart
in ben SReUgionöoorftellungen vertreten.
»«ejttauna unb 2)enfe man fidf) eine Sßelt ofjne ©epualität. Dfjne bie ©pannung
6i»iettriebe». jnrifdfjen SRann unb Sßeib, fein Seben, fein Qbeal. Siebreij muß vor
unb neben ber gamilienbilbung aud& einen ©pielraum ^aben, um
nidfjt baö Seben ju unerfreulich ernft ju madjjen.
©pielt man ja audf) mit bem (Snrigen! ©o lange man nid&t oer*
gißt, baß es ein Spiet ift, mag es gelten. SKnberö fann man jtdd oft
mit bem ©nrigen gar nid&t befdjäftigen, unb eö wirb oergejfen. Aber
wenn bie ©ebilbe ber religiöfen Sßoefie Slnbem mit ©trafen aufge*
jmungen werben fotten, wirb baö ©piel mit bem ©roigen eine ©df>änb*
lidjfeit.
«anofifi unb 18. 2lug. — 2lgnofiö! Verbirgt fidf) nid&t unter ber SJenennung
„Slgnoftifer", bie ftd& SJarroin beizulegen einigermaßen bereit fd&ien,
— 127 —
eine 3)ofis Eleinmüttgfeit ober gar £eudjelei? 3Wan wirb, wenn man
fidj für einen Reiften erflärt , nodf) immer für bie 2Re§rjaljt ber
ÜRenfdfjen ein ©reuel — fein 33erbredjer gilt für fo rud&fos als ber
©ottlofe. 3fl es aber benn meine ©d&ulb, wenn es ein foldf) perfön=
liebes SBefen, wie bie aKeJjrjaljl unjter ber Benennung ©Ott in t>er*
fdjwommener Sßetfe ficij benft, mdfjt geben Rollte? 2Benn unter beim
felben tarnen oerftanben wirb, ber ununterbrochene 3 u f a rontenl)ang $« un*tf»ntt$e
aller 3)inge in ber SBelt, baS Sanb, baS alles jufammenf}ält, fo ift ^©ott?™
bamit ein ttnperfönlid&es gebaut, baS nid)t benfen, nidf)t empftnben,
nid^t lieben fann. S5as ift ja aber feineswegs, was ©ott genannt
wirb. SSefenne idf) benn nid&t, blofe um ju tauften? $)amit man
midf) in Stolpe lägt, bamit man mir bas Vertrauen nidEjt entjiefjt?
ßier, wo bie rücfftd&tslofe äBafjr^aftigfeh gilt, alfo feine SBinfeljfige.
60 wie es auf ber 6rbe feine SBorfteffung ton ©ott gab, fo lange
ber ÜRenfd) nidfjt oorljanben war, fo würbe bie SBorftettung mit ber
9Renfdf#eit wteber oerfd&winben. S)aS $)afein eines ^öd^ften SBefenS,
bas benfen uub lieben fann, lägt fidf) aus ber 2tyatfadf)e, bafc bie
2Renfdf>en ein fofd&es fidf) oorftetten, weber beweifen, nodf) wiberlegen.
Sie abftrafte SBorfteffung eines Ijödfjften SBefenS, baß nid&t lieben, •
nid&t leiben, nidfjt fid) freuen fann, ift ju nichts ju gebrauten, $« a^ratte ©ott
toeber jum SBerftänbnis ber äußeren Vorgänge, nodf> jur ©ittlid&feit vltSUm*"
in ben #anb fangen. 6s ift oielmeljr im SBiberfprudf) mit allem $orfc
fc^ritt, mit attem ^Wereffe an bem $ortbeftel>en ber 2Belt. 3)aS allere
Dollfommenfte SBefen l)at bas Sttteroofffornnunfte gef Raffen, unb es
wäre £ljorf)eit, nodfj öefferes erwarten ober förbern ju motten. SÄtteS
roafjrfjaft ©rgreifenbe fnüpft fidf) an SBeränberungen jum ©Uten ober
}um ©glimmen. 35as enrig Unueränberltd&e, SBottenbete, ofjne 6nt= $ai en>tg
fteljen unb 3Serge^en, ift eine %it tion o^ne jeben 9teij. ©eftelje man, LtWM f
in 28irflidf)feit gibt es nur oeränberttdfje SBejie^ungen, bie alle ©inge tt '
in Sertjältnis ju einanber oerfefcen, mit fortfdjreitenber SBottfommens
Ijeit. £>aran fann felbft ber 3Renfdf) mit feiner Meinen aRadfjt unb
in feiner minimen Sphäre wirf f am fidf) beteiligen. 2)ie reale SBelt
ift jur SSeroottfommnung in infinitum beftimmt, aber oottfommen ift
jie nidjt. ©er jeweilige SBettjufammenljang, ber burdf) Sßerftftenj bes
^affenben fidf) medf)amf<$ oeroottfommnet in infinitum, ift nidfjt oott
lommen, er ringt banadf), es ju werben. 3Me 3Renfd^en ringen nadf) $afein».
äSenwfffommnung ifjres $)afeins unb ben £ag, u>o biefer£rieb nidfjt nurbet 8 i?feb g iut
me^r fein foffte, ^at bie 3Renfd^^eit feine ©afeinsberedjtigung weiter. — ® ertontommnttn ß-
Son ben brei Stjiomen bes ^Rationalismus ift nur eines unerfd^ütter^
lid> für mein SHad^benfen geblieben; es t>at ftd^ immer fefter unb
— 128 —
sefffHounfl b« ftd&erer ausgeprägt. S)ie2Btlfenßfreiljeit §at in ber ©egenroart
©iSSrtHn eine unbeftreitbare SDlögßdjfeit unb 33ere<$tigung gewonnen, feitbem
bu^iSm&u b r ttX ?er i<$ tveifc, bafj es eine SBenvedfjfelung geroefen, bie ©renje einer 33e*
3 wÄi55i um ' geben^eit für eine Qtit ju galten. @ine SBermed&felung ift eä getoefen
ju fagen, bie gretyeit, ba fie ifl ber 3*ü unmögli<$ ift, ifl audfj in
ber ©egentvart unmöglich 35ie ©egentvart ift eben feine 3 C ^/ f° n -
bern eine 3 e ^9 re ^S e - 35 er perfönlidfje ©Ott, bie inbivibueffe ttnfterb*
lidftfeit fmb biofje ^orberungen beö ©emtttä, toenn aud& gebieterifdje.
3)ie SRoralität ift von üjnen ganj unabhängig. SBetöje Stellung idj,
biefer Ueberjeugung nadfj, jur d&riftlidfjen Religion unb ju einer ber
djjriftlidfjen Stirnen einzunehmen fyabt, barübet ein anbred SDtal.
«Bai *rf*t cwu 20. 2lug. — G^riftfirdfje, roafi Reifet baö? Sfeglidfje ©emeinf$aft
**' jur SBettje burdd baö etvige SBefen, bie entftanben ifl im 2lnfdfjlufe an
bie SBorfteffungen, bie in ben Äirdfjen vergangener 3 e ^ M «nge*
funben fjaben. ©eften fömten unb fonnten ftdfj abjtveigen burd& ein=
feitige ober gegenfeitige ^ortbilbung von äJorftettungen, burdfj frembs
artige Seimifdfjung ober 2tnbequemung , burdf) §errfdfjffid(jtigea gartet-
intereffe. So lange fie aber bodfj nur Derivate aud ben <J>riflltdfjen
. ftirdfjen ber SSergangen^eit ftnb, fommt iljnen bie 33ejeid^nung d&rifU
lid(j ju.
vtobcß» b« aSiel enger bie Gf)riftfir<f)e ju faffen, ift man oft verfugt, in ber
«SÄÄSKbft^t, nityö SBöfeö als djriftli^ gelten ju [äffen. 3>a* 6&riflentum
fflffen * Cftriftt tvirb in ©egenfaft gebraut mit bem viel me*r vertveltlid&ten
(Stjriftentum ber Äirdfjen. 2tbcr baö Unhaltbare biefer engen Stuf*
fajfung verrät ftdf) in tyren Äonfequenjen. lleberall mufften fid& bie
Jtird&en ben Umflänben anbequemen, mit ben neuertvorbenen pljtjfi*
fdfjen Äenntniffen jtdfj abfmben, bie in ben verfd&tvommenen 33or=
ftettungen tnfyaittmxi SBiberfprüdfje burdEj neue Spekulationen ju über-
tvinben verfugen, ©ine Eirdfje ßfjrifli §at ed nid&t gegeben, unb tvie
bie Religion Gtjrtfli eigentlich getoefen, barüber ftdfj ju einigen ifl un=
möglidjj. ©vangelien unb (Spifteln, Slpoftelgefdfjidfjte unb Offenbarung
reiben baju nic^t auä unb enthalten fo viel Unf (areft ober anfd&einenb
SBiberfpredjjenbes, baf$ eö eine Xfyoxfytit märe, volle Uebereinftimmung
auf biefen ©runb Ijin erjtoingen ju motten. 6ö bleibt nichts übrig,
afe ben verfdfjiebenartigften firdfjlidfjen ©emeinfdfjaften willig jujuge*
flehen, bafc fie dfjrifttidf) finb. ®aju finb bann nidfjt nur bie beiben
großen fat^olifd^en Äird^en ju rennen unb bie bauptfäd^lid^flen STrten
ber SReformationsfirdfien, aud^ bie jum Xtü von ber ©ittlid&feit ah
fommenben Seften, alö ba ftnb JWormonen, Selbftverftümmter u. f. tv.,
finb nur in feinblidfjer 9tbftc^t alö nidfjt d^riftlid^ mit Unred^t gefd^mä^t
— 129 —
roorben. Sie Seiten einer 2lrt djjriftlidfjen Äirdje formen in tyrer
Jortbtlbung auf Irrwege geraten fein, fte fönnen fremdartige Sei*
mif jungen in fidj aufgenommen fyaben; — getrübt, oenoorren, Der«
borben mag man fie nennen. 2lber alö df)riftlid(j mujs mqn fte gelten
laffen, fo lange man rid&tig urteilen will.
ftann tdf) ju einer d&riftlidfien Äird&e in biefem weiten Sinne
mtd& rennen, of>ne jebe ©pur von täufdfjenbem Sdfjeiuroefen, in
Dotter SBa^rfjaftigfeit? 3)aö ift bie 5 ra 8 e / ^ e berjenige fidf) ju
fleflen $at, ber mit ben ©rgebniffen ber -Raturforfd&ung unb ber
®ef$id)t3forfd)ung unfrer 3 e ^ ™fy unbefannt geblieben ift. Unb ftann «tn mit tm
roenn idfj bie SWöglidfjfeit bejahe, bafe idfj nodf) ein G^rift fein fann, Ä^amÄen
rote mufc bie dfjriftltdlje Äirdje befdfjaffen fein, ju ber t<$ mid& ju rennen »craS?*"^? m
Q ber tt$riftfira)e im
trermag * twtten @mn
©iner Äirdfje beitreten, bie baö 2Bef en in ein fraktionelles 33e*
fenntnte verlegt, oermag tdf) mit 2BaIjrl)aftigfeit nid&t. Sollte t<Jj mtdf)
für einen 2lugenbli<f baju überreben fönnen, fo lange idfj bem gort*
fdjritt in meinen ©rfenntniffen midfj nidfjt tjerfdfjliefie, bin idfj nic&t
fieser, babei ju bleiben. Grfenntniö ift bie fjöljere ^^ftanj, cor ber
jebes 33efenntniö ftdf) mufe prüfen laffen unb beugen.
33ie fatljolifdfjen Äirdjen behaupten jtoar über biefe Sd&roierigfeit
ben ßaien ^inroeg ju Reifen. 2Me Äird^e glaubt unb befifct einen
©nabenfd&afc, mit bem fte in uoHfommenfter SBeife für ben ©utjelnen
eintreten fann. -Kur an biefe urnnberroirfenbe 9Wadf)t ber Äird&e ju
glauben, iljrer getfttidjjen ^üljrung fidf) btinblingö anjuoertrauen, baö
genügt.
an bie SBunberfraft ber Äirdfje ju glauben, baö ift aber ba§ s>ie latww&e
gerabe, roaö idfj am roenigften ju glauben im ftanbe bin. 2tudf) bie »cm^wTOmeTn!
fatljolifdfjen Äirdfjen fjaben ein ©laubensbefemttniä, unb baburdft, bafc
jte es ber Prüfung ber Saien entjie^en, wirb es nidfjt glaubhafter.
3&re ©efdfjidfjte betoeifet, ba£ fte mit ben -Kitteln menfdf)lidf)er Soweit
gefämpft unb jumeifen geftegt fjaben, baft fie aber mit ber angeblidfj
frmmlifd&en SRadjjt nidfjtö ausrichteten. SJerfolgungSfucIjt, bis jur 2tn=
roenbung ber grimmigften Torturen unb ber £inricljtung burdjj lebenbig
Verbrennen, ^aben biefe Äird&en geübt. 3Son il;nen füfjle idf) mid(j
getrieben für immer.
22. Stug. — 3Jlit bem roas bie Religionen behaupten unb auf? $ie ne fl atit>en
ftetten, ift aber i$r SSerbienft ntd&t erfööpft. $as, roas fie beftreiten B ÄÄ ftf
unb abfd&affen, ift von nidfjt geringerem SB er t. 5Rur werben biefe Retißionen -
negatipenSJerbienfte naturgemäß überfein unb oerfannt, fobalb
mdjtä me^r ju beftreiten unb abjufd&affen übrig ift. ©egen bie ju
Vui ben lagcbu^blättcrn Ui Grafen 9. &evferting. 9
— 130 —
ben ärgften 9ÄiJ3bräud)en unb bis ju unerträglichem ©eifteäbrudt ge-
xer triebene röjnifd&e £ierardf)ie erljob fidfj ber 2}roteftanttemuö. 5>n
Sänbern, bte ganj proteftantitdp würben, gab es feine rönufd&e §ier*
ard&ie mefjr. 35er Kampf nadj biefer Seite war nidfjt meljr ange-
bradfjt: ÜRan begann unter Sßroteftauten über bie fiefjrbegriffe ftdb ju
entjweien. So §at audf) baö Gfjriftentum bem antifen ©ötterfultue
cibSftÄum'bie 9 c 9 cnfi ^ er e * n ungeheure* SJerbienft gehabt, baö uuferm 93ewujjtfein
«bf*affunfl bo ttid^t immer gegenwärtig ift. 93erf)inberte bie 2Rt>tf)oIogie ber ©riedjen
tuituÄ unb lein« unb SRömer audf) feinesmegä bie gortbilbuug ber $l)ilofopl)ie, fo be=
Veritranjm'" traf baö nur bie oberften ^ntettigenjen. ®ie ©ötter waren ju fcbön,
um wegen rationaliftifdfjer £enbenjen oon ifjnen ju laffen. Sie waren
patriotifdf) unb fdfjmeidfjelten bem SWationatgefüljl. ©rft baö ßfjriften;
tum erlangte bie 9Rad)t unb ben fanatifd&en £afc, um' mit ber 316=
götterei, mit bem £empelhiltuö nebft feinen Äunftwerfen unb SJtyjterien
aufjuräumen. 2Bir afjnen faum, weld&er äbgrunb oon aber=
gläubifdf)en SSerirrungen unb entf ittlic^cnbcu 23etrüge=
3rortf*ritt bur* reien für immer gefdjloffen würbe, ©ie unfoerfelle SKenfcfe
^ationden T lidftfeit würbe gefüllt unb erl;ob über bie Sdiranfen oon SSolf unb
3?« «üÄ« jn Staat, ©er Sftücffdfjritt in biefer Sejieljung broljt oon neuem unb e$
Set mobSnen ^eit! ift jeitgemäfj an bie 33ebeutung beö G^riftentumö immer wieber ju
erinnern. 3a, junädjft in biefer negativen 33e$iel)ung fül)le icb
midi oollftänbig alö ein 3 u 9 e ^örtgcr ber G^riftfirdje — unb jroar
um fo mefjr, je freier bie ftird)e von biefen {jeibnifdfjen ^enbenjen ftdb
gehalten fyat. 3n S^anj, in SRom würbe, fobalb baö #eibentum
alö dfjriftenfeinblidfje 3Radf)t jebe Sebeutung uerloren tyatte, ben 3le\-
gungen ber 9Benge unb ben 9Jorteilen ber ^riefterfdfjaft 5U 35ienft,
tuet wieber jugefaffen. ©Ott war wieber uon ^eiligen Sparen um*
geben, in Silbern t>erfinnltdf)t, mit ©epränge in Tempeln unb Um*
jügen gefeiert, mit Opfern befd&wid&tigt, gegen Kalamitäten }u $tlfe
gebeten, ©ö war nidf)t mefjr ein ©eift, ben man nur im (Seifte
unb in ber 2Ba^rf)eit anbeten foll.
S)ie Äirdfien fydben in iljren Jöefenntnijfen von ber Sßerfoniftfation
©otteö nidfjt loöfommcn fönnen. Sie brauchen einen ©Ott, ber lieben
unb fiajfen, lohnen unb ftrafen fanu, oon bem ©uteö fidf) erfdjmeid)eln
läßt, ber gereijt werben fann, wenn man iljn uernadEjläffigt u. bgl. m.
9)ian ftnft bamit juräd in bie 3Sorftellungen beö &eibentumö uiti
tiefer, ba bie Sdf)önf)eit fef)lt, bie bem ftronion eineö 5ß^ibiaö 9Wad6t
über baö menfdfjlidje ©emüt uerlieb.
3df) bebarf alfo junäc^ft einer Ätrd^e, bie eine reinere Raffung
ber SBorftellung oom ©wigen nid^t auäfd)liefit.
— 131 —
ßwiges SBefen, bas ift erfannt, fommt 311: beut Stoff ober en^es »wen.
bem öeroeglidfjen, beffen Quantum uni>eränberlidj ift, — fommt
ebenfo ju: bem Sewegeuben, ber&raft ober ber ©nergie, bereit
Summe in ber SBelt ft$ gleichfalls als ein Unoeränberlid^eö er*
liefen fyat. SSeränberlidf) ift nur bie Drbnung unb Verteilung
von Äraft unb Stoff, aber wieber nadf) unoeränberlid^en ©efefcen.
Sas Reifet aber nicfjt fo xAti, als Ratten biefe ©efefce eine felbftänbige
friftenj. SBenn etwas fällt, fo gelten bie gattgefefee. Sttan barf
bie Jallgefefee mdf)t perfoniftjicrcn, ba fie nur beftimmen, welcher 2trt
bie Sewegungen jwifdjjen beweglichen SBefen finb. SBo lein 33eweg*
licfjeö, gelten au<# feine f^aQgef e^e , — fie geben nur relattoe SSor*
fteHungen.
Sin biefen 3ubel)örungen bes ewigen SBefenS !ann nid&ts verloren
unb nidf)ts gewonnen werben, unb infofern finb fie bem 3Wenf<$en
gleichgültig.
äfabers fte^t eö um bie Drbnung unb Verteilung ber ©runb* «ut bie orbmmß
lagen bes ©wtgen. 35ie finb ewiger SBeränberung unterworfen unb nur »0 b« frm
in oerfdjjiebenen Siicfjtungen. ©ewiffe Stiftungen ftören ober Der- wwtu
nicfjten einanber. treffen fie ben menfd)lidf)en SBillen, fo fann biefer
tieft baburdfj be^inbert ober beförbert ftnben. Jpier erft fefct SBerk
töäfcung ein. Qnforoeit ber menfcljlidfje SBille frei ift, fann er in
Mereinflimmung fid) füllen ober im ©egenfafc. ©ie SBelt intereffiert.
Sie fann fidE> f)armonifd& in ifjren teilen unb ju mir fortbilben ober
im ©egenfafc. $a fann ber 2Weufd) mittfjuu — er fann fiel) t>er=
pflichtet füllen ober nid&t.
SMef e ewige Stiftung bef eitigt bie unhaltbaren Kombinationen ; ©e«*ti fl unö t*§
bie Ijarmonifdfjeren überleben. 3Me ßrfa^rung auf @rben, in piimemu8 -
Seologie unb @efd)id(jte, betätigen ben tljeoretifdfjen Optimismus. 35aS
Vertrauen ift alfo wollt begrünbet, bafe fd&liefjlidj) bas ©ute in ber
fortgefefcten 9Udf)tung obfiegen mufe.
35as ift ein ewiges SBefen biefer SBelt, bas man lieben, an= fcarmome bes
beten unb bem man bienen fann. $e naturgemäßer idfj meinen mit bem .«itgm
SSiHen (enfe, um fo fidfjerer bin idE) meiner perfönlidEjen Harmonie.
Sas^beal, ju bem bie ewigen SSeränberungen ber SBelt fjinfteuem,
liegt in unerreichbarer #eme — bie S3ollfommenl)eit würbe bie 33e^ sd«
roegung, bas Seben, unnüfc ober fddäblidf) machen. 2lber bie Stiftung »üibe °baT Vkn
liegt üor. Um im ©emüt bie Äraft ju beleben, mit ber ber ÜKenfd&en* unnü * ma * m *
Wille folgt unb fid) unterwirft, baju fjilft bie SSerfenfung in S3etrad(j=
tung bes ewigen, bas ©ebet, bie ©rfenntnis. 3* tiefer tdE) erfenne,
toeldjes bie naturgemäßere Sebensfüfjrung für midf) ift, je ftrenger i<$
— 132 —
midf) an bicfe ßrfenutuiö binbe, um fo fixerer bin id) ber Harmonie
»ebürfnisbcs mit bcm ctütfleti SBefeu. Slufterbem bebarf aber ba* ©emüt nod)
unfaßbaren c .1 ^ .
öotteö. etnen unfaßbaren ©Ott!
wur «ne SBeld&e Äirdfje nrirb eine fofdfje 9tuffajfung beö ewigen SBefenö
«täSTioub biefc nicbt oerbammen , unb ben jenigen , ber fie bef ettnt , nidfjt afe einen
(hoC! annehmen, öottlofen auö ifyrer ©emeinfdfjaft oerbammen?
s Jiur eine proteftantifcfyc Ätrdfje, bie ifjre Slufgabe barin ftetit, bas
■Dienfdjenleben mit ber Sßeifje beö ewigen 2Befenö 311 »crcbeln unb
ju oerfdjönern — feineötuegs aber bar in, bie menfdiltdjen ©ebanfen
in ber Seroegung unb ftortentroicfelung burdf) SSefenntnteformeln ju
2>te mr*e muß bie ftören unb gurüdju galten. Sie ^ntoleranj, bie SBerfolgungöfudfjt muß
u^icn** ©eifieS eine fold&e Äird&e Raffen, oerbammen, mit aßen SBaffen uuterbrüden.
beiampen. g c j^ ^^ mn ^ p c Jretyeit laffeu, bao eitrige 2Befen ftd) 3U benfen,
nrie ein jeber mag.
Sie ^lUoleranj befämpfen, bie abgöttifd&en unb abergläubifdicn
3Serirrungen fdionungöfos miberfegen, aber nic^t oerfofgen — bao
ift eine belifate Aufgabe. Sen Äampf mit ben SBtaffen beö ©eifteo
muft bie ftirdje förbern, aber ben Äampf mit ben roeftlidjen Vor-
teilen unb Sftad&teüen, mit Srofjungen unb SBerfprednmgen , foff fie
tjerurteifen.
ü>ie f?freirMe in 23. 3lug. — ©erabe, roäbrenb id) midb mit biefen Gnoägunncn
befd&äftige, fommt eine 3lntroort. Sie ÜHeoalfdje 3?itung, bie geftem
fant, bradfjte.ben Öefd&eib 3ur ftenntniö, ben baö Petersburger ©eneraf;
fonfiftorium auf anfrage bem SRinifterio bes 3 nne nt baräber erteilt
fyat, ob Rubelt, bie fid) einer dfjriftlidfjen #reifirdje in Sresfau aitflc-
fcfyloffen baben, für ßljrifien 311 galten ftnb? -Kein, tautet bie 3lnt-
roort, weil bie t>on #errn Sieber vertretene ©emeinbe ein Sefenntnio
nidjt Ijat, — laut ben eingesogenen ÜHadfjridjten. 3$ bagegen fage:
ja, — weil fie in bem negativen Seif, gegenüber bem SWofatömuö mit
feiner ©cfefceögeredjtigfeit unb gegenüber bem £eibentum mit feinen
Cpfern vox ©ötterftatuen, aud) gegenüber bem aWofjammebanismiiö
mit feiner Unbulbfamfcit, dfjriftKdfj ift unb weil fie ein Serioat Der
früheren d&riftfidjen SUrd&e geblieben; — enbtidb audf) au$ bem 9?euen
Xeftament f)auptfädf)(id& bie 25>eif)e 311 allen fteiern besiegt. —
xae evoifle ©ejen ^d) erfenne ein eroigeö SBefen, baö alles 311m heften roenbet,
bü» man neben |o'n unb bem fid) an3ufdf) tieften in menfdfjltdfjen Singen bie böcbfte Stuf-
©elfte ber qabe unb bie ©eligfeit ber 9Renf d&en ift. Sie SSofffommenbeit
ift $\el, baö Streben baf)in 9Bir!Iid)feit. 3 ul &rf)örungen beö ©lüiflen
finb aller Stoff, äße Kräfte unb ber unenb(idf)e SHfarowmljtmfl affer
Singe — bie finb gegeben. Sie ä>en>oHfommmmg biefee 3 l,:
— 133 —
fatmnenijangeö ift aufgegeben. Siefe Shifgabe ift ei« Xeil beö
eioigen SBefenö, baö bie 9Renfd)en lieben foHen. Sie il)n anbeten,
folfen il>n anbeten im ©eific ber SBafjrfyaftigfeit. (IV. @o. 4,24:
Ilv£Ü|ta 6 8etfc, xal xoüc rcpoaxüvoovtac aitöv £v ffvst>|i.aTi aXijfteiac
jrpoaxovsiv 8st. „©eift ift ©Ott, unb bie ifjn anbeten, im ©eifte ber
23af)tf>aftigfeU fotfen fic anbeten/') $er ©eift ber 2Baf)rf)afttgfeit
ift in auf gejwungenen , formulierten Sefenntniffen nid&t ju pnben.
Safjer erfteö ©ebot: ®ulbung.
24. äug. — 2Bie fdbwer bem SRenfdfjen oerftänblicf) ©yiftenj, bie ffpfteni , w« bem
Renten DOTfiiittcbt .
bem Genien wrangest! 2)ie ©rfatjrung lefirt, bafe ber 3Wenfd() au*
nidjt benfenben ^ßartifeldfjen beiber ©efdfjledfiter, oft ofjne, juweilen
gegen ben SBitten feiner ßrjeuger entftefjt. ©r ift feineöwegö ein ge*
planteö 2Berf unb bie (Jrjeuger fennen feine Äonftruftion nidfjt. £er
erhabene ©eban!e bilbetc nidfjt ben nieberen Stoff, fonbem auö bem
Stoff ergebt fieb ber ©ebanfe.
25. 3tug. — 3lber weitere Simulationen fübren in bie 3rre unb adtm
Gpcfulatimi fü$ri
im ftreife. £er eigentliche Sott ift tüdbt erfeunbar, nur bie in bie 3m, nur
l'iebe fjat ifjn unb füf)lt ifjn, als eine $erjenönotwenbtg= <&ott.
feit. — 2)a* (Swige biefer 2Be(t, bie ^erfonififation ber SKeltgefefee,
be* 3Beltfortfdf)rittö, füfjrt nidfot fjinauö über baö finnlidje Safein.
ä£er aber fief) barauf befdjränfcn will, oerfättt lonfequent bem 2ltfyeiö= ©ott unb
mus. einer feclcnlofen (Swiqfeit. (*ö bleibt im wefentlid&en bei ber unfterwweit
bleiben berechtigte
i'ebre Hantö! ©Ott, Jyortbauer beö 3nbit>ibuumö, 2Billenö= ©«mit*,
tretbcit Hub ©emutöforberungen beö ge^unben aJcentqjen; —
bie lefctere ift in ber seitlichen ©egenwart aufi empirifd), ntd)t
rein transfeenbent.
29. Sept. — (äuo ^erfonalia.) ©eftern beantwortete idjj ben
lebten 33rief beö ^rofefforö Strümpell unb nun erft leud&tete mir auö
feinem Briefe ber Safe beroor: '„9ud(j baö f)abe id) erfahren, bafe bei
unruhigem ©emüte baö Senfcu nid)t bloß abgefd&wäcbt, fonbem gleich
fam audf) verwirrt wirb, unb cö entfielen 3wetfcl, ™° oorfjer feine
waren, unb baö SBertrauen auf bie Öefäfjigung unb Seiftungöfä^igfeit
beö 2)enfenö wirb geringer." — Gto fönnte aber biefer 3roeifel & es
red)tigt fein, benn erft baö 9lfter bringt bie 3tefiguation aueb bcn=
jenigen Sßtjilofopfyen, bie über Haut mit jugenblidjem orange fyinaufe
gegangen finb, einjugefieljen , bafc bie wiffenfdf)aftlidf)en Örünbe, j. #.
für bie ©jiftenj ©otteö, nidjt jwingenb finb. ^Jaöcal mufete baö freilieb
unb no<$ baju, ba§ wenn fic ftidfjljaltig wären, fie gar nicfjt ben-
jenigen SBert Ratten, ben man ifjnen gern beimißt. 2Baö man uer=
langt, ift einen liebenben ©Ott, unb biefe patt)etifd^e Seite ©otteö
— 134 —
nnberfprid&t ber ftrif ten 9Jletl>obe, bie j. 33. bie 2ßieberfef)r eines
£immelöförperö üorauäberedfjnet. 2)aö Slfter fjört enblidf) auf fidi
mit ben Unlöältdfjfeiten ju plagen; es wirb aber audf) me^r jum
9ftaterialiömuä tjingejogen.
5. Oft. — £ie Pflege ber @f)rfurdf)t cor bem ©öttfid&cn mehrere
taufenb %df)xz lang, fjat eä unfyeimUdj gemadjt, fidj jutn 2ltl>eiänuiö
ju befennen. Ob er roatjr ift, mit ©leidfjmut ju prüfen, ift eine
$Bermegenf)eit, bie I)ödf)ft feiten einzelnen 9Renfd>en beigewohnt Ijat.
Unterbeö fyaben fidf) aber bie 'SBaffen für ben Sltfyeiömuä gewaltig ge=
fdfjärft. ©rünbe ber reinen Vernunft für bie (S^iftens ©otteö ftnb
e^roädjunß beft von Slant töblidj getroffen. jföm blieb aber ber $immel über bem
t^oiofitSen 3Kenf$en unb baö Sittengefefc im bergen, um für bie praftifdfje 3>er=
»SeinVttS nunft, mit i^rem Uebergeroidfjt im SSergfeidj) jur reinen SBernunft, ©ott
bwr flODifTrnfSaft er,,e feftjufjalten. Seitbem bie erftaunlid) finnreidf) beregneten ©inridbtungen
unb SBorridfjtungen biefer 2Belt, fei eö am geftirnten £immet ober im
%5au ber organif djen Sßef en, eine m ö g l i dE) e roiffenf <$af titele 6rf förmig
gefunben fyabeu, burd) bie üergfeidböroeife größere £altbarfeit, unter
SSergefien ber weniger geratenen, materiellen Äombinationen im Saufe
ber unenblidfjen ^zxt, tyat ber fogenannte pfjpfifostljeologifdfje Seroeiö
oom ©afein ©otteö üiel an feiner SBirfung auf baö ©efüfjl verloren.
«u«weTOoroiitat 9lnbrerfeitö, nadfjbem einmal Äant gejeigt Ijatte, ba§ bie -Koralität
* n ^u6iej? b« b s UT * entroeber eine autonome fein mufc, ober überhaupt gar nic^t fein
fie auf ©ebote ©otteö ftüfct. ®ie -Wotmenbigfeit beö gufammenleben*,
audf) fo oerroorfener 9JlenfdE)en, wie eö bie meuternbe äßannföaft ber
Sounti;, bie auf ber ^nfel ^ßitcairn im Stillen Dcean ftdfj anfiebelte,
geroefen ift, erjroingt in einigen ©enerationen mufterljafteö, tugenfc
Ijafteö SJerfjalten, ofjne ©efefce, benen ein göttlicher Urfprung ange;
bietet roorben*). Un3meifelf)aft wirb baö für bie ganje 3Kenfdbboit
*) 3" ber SReoue b. b. 9R. fyabe idj geftern mit SSergnügen einen Slrtifel
»on SJarignn über einige Snfeln beö ©litten ÜNeereö gelefen. Sie SReuterer bes
Sa)tffä 33ountt> fiebelten fia) auf ber von allen 6a)iff$routen abgelegenen 3 n f cI
Spitcairn an, unb raubten fia) SBeiber von anbern Jnfeln. Sie lebten jügello^
unb rieben fidj auf biö auf einen, bura) bie 9tot tugenb^aft geworbenen SHeft.
£iefe Uebriggebliebenen profperierten, unb naa) vielen S^ten rourbe ^ier ein fetir
roo^lgeftalteter unb feljr gefttteter Stamm entberft. Grnglanb bot i^nen bie 9iorfolf*
infel an, bie, bisher bura) bbfe Serbrea^er befd^ieft, in fa)recflia)em ftufe ftanb.
S)ie ?Raa)fommen ber SJount«: Meuterer ^aben aud) biefe jefct in eine ^errtia)e 3«i el
— 135 —
ftd} ebenfo oolljiefien, fobalb ber 3ufammen$ang guriföen ben SRen*
fdjen affgemein ebenfo grofe geworben fein wirb alö jwifdfjen ben 33e=
iDo^nern ber Sßitcairninfel. SRapib n>äd)ft biefer 3 u fömmen^anö unb «Mfenber
bringt in baö innere ber fteftlanbe weiter oon Qaljr }u 3a^r. ©offte bR%Si$!t
es audfr £unberttaufenbe x>on ^aljren währen, biefe Bewegung mufj
einft bafjin gelangen , jwifd&en allen ©rbbewoljnern einen ätynlid&en
3ufammenljang ju f dfjaffen, wie jwifdfjen benen ber Meinen Qnfel im
Dcean. ®ann aber wirb audf) bie 9Roralität in ttynlid&er SBeife, alö
eine iRotwenbigfeit für baö fieben, affer ©emüter ftd) bemädjtigt tyaben.
$ie religiöfe grömmigfeit tyat überall fidf) alö eine gebrechliche Rrüdfe
für bie ©ittlidjfeit in ©injelfäffen ernriefen, unb weber £err D ,
nodf) »iele anbre, bie auägejeidmet f$ienen burd) SReKgiofttät, t)aben fid)
im ©efd&äftöleben reell erwiefen, nodf) ljaben bie bigotten Röntge, wie »ißotte stinw
bie fiubwtge in granfreid^ , iljren ftnnlidfjen ©elüften eine für bie ranTtl *'
2Renfdj$eit fjeilfamc Stiftung gegeben.
gö wäre niefit ein SBerftofc gegen bie ^a|)rfdf)einlidf)feit, wenn
gegenwärtig ein Sdfjriftfteffer bie $ataftropf>e feineö SRomanö in einen
Sefudf) oerlegte, ben feine £elbin einer ber 3lttyeiftenoerfamm hingen in
Vonbon ober in Sßariö foffte gemalt l>aben. 2?on fefjr lebhaftem
©eift, wirb fie oon tyx Sebtyaftigfeit ber fielen fdfjneff ergriffen unb
oon ifyctm mutigen £erjen bewogen, ju befennen unb anjuwenben,
roas fte für wafjr Ijält. 39iö batyin lebte fie unerfdf)üttert in ben ®e*
bräunen unb Seiiren, mit benen fie aufgewadjfen war. ©ott Ijatte
0ef allen, wie eö if)t oorgeftefft war, an ber Unfdfjulb, er ^atte oer= Entwurf
boten, fidfj bem 9Kanne iljrer Siebe anberö fyinjugeben, alö in ber rinm\i%tttai
Gf)e. 9hm aber wirb ifjr plöfclid(j ffar, wie eö mit biefer SSor*
ftellung, ber bie 9Benfd)en göttlidfjeö SBcfen beigelegt fiaben, oon jefjer
befd&affen gewefen ift. $n Slften badete man fidf) einen ftönig, aber
ojjne menfdfjlid&e ©dbranfen, alö ©ott. ©uteö unb 33öfeö Ijing t>on
feiner unbegreiflichen ©unft ober oon feinem Ginfaff ab. $\)m gegen=
über ^ört alle SSernunft auf, unb in unerfdfjütterlid&er ©tyrfurd&t oor
if)tn ju erfterben, ift bie einjige oberfte Siegel. $)er jorntge, unbulb*
fame 3*baotf), — ber 2lffaty, — fie tragen baö tprannifd&e ©epräge
beö aftatifd&en £errfdf>erö. 93ei ben ©rieben fommt eö anberö. 3)ie
menfdftfidjje Sd^ön^eit, auf baö fjödftfte gefteigert, baö ift göttlidbeö
mit geptieten $eroo(nem oerroanbelt. ©ie leben nur nad> trabitionett getoorbener
Drbnung, o^ne gefc^riebene ©efe^e ; bie Käufer ftnb o^ne ^erfc^lufe, ber 3Mebfta§t
unbefannt. 3)ie 9lot Ufytt, ofjne 3 n fP^^tion §5^erer SBefen. 2Ba3 jum Vorteil
ber ®emeinft^aft bient unb biefe förbert, ift gut, — nicr)t aber, n>ad ben Neigungen
bed einzelnen entfpric^t.
— 136 —
Sßefen, — in triefen ©öttern na$ oerfdfjiebenen ©eiten Ijin t>erförpert, —
unb ju oberft von ber alles bewältigenben C£rf}abenf)eit ftroniond be^
fjerrf d)t. — 2)aju braute baö etjriftentum bie Siebe. ©Ott toutbe
ber liebenbe SBater, ber $reube unb ©dfjmers empftnbet über ben
©efyorfam ober über bie Unfolgfamfeit ber ftinber, ber tynen ein un*
erfdfjöpftid&er SBo^lt^äter, aber audf) ein unoerföljnlid&er ©trafridf)ter fein
tonn. Sefonbers baö ^ofjanneifd&e ©oangelium unb bie ^otyanneifcben
33riefe traben auögefprodfjen, ©Ott ift bie Siebe, ©ine fanfte, fdfjmeljenbe
@mpftnbung follte alle SDienfd&en ju einanber mit gefd&wifterlid&er ©e-
ftnnung erfüllen. ©rbaulidfje SBorftellungen! aber feine oon tynen f)at
fidfj in ber ©rfaljrung alöwafjrfyaftig erwiefen unb nod& triel weniger
burdfj wiffenfdfjaftlidfje ©rüube gefeftigt. 2)ie ©ötter ber ©rieben jtnb
als Abgötter aud ben menfd)U<#en 3?orftellungen uerbannt worben,
unb ber ©ott ber Slftaten ift, )u einem Xeil, ben (Sfjriflen ein ©reuel
geworben. Die 33rüberlid)feit unb bie ©ütergemeinfdfjaft Ijat fid> als
unbur<f)füf>rbar unb afä fcinbfelig gegen bie eyortbilbung unb ©eredjtnv
feit unter ben 9Jtenfd)en erwiefen. — ©ut, Reifet es, alle biefe s #or=
ftetlungen t>on ©ott treffen fein SBefen ganj unooUfommen. ©r ift
anberö; fein SMenfd) begreift ifjn. 28ie er ift, fann uiemanb wiifen,
niemanb fagen. SIbcr liegt barin tüdjt baö ©eftänbnifj, ba§ jeber
3nl)alt, ben nur biefer SSorfteUung beilegen fönnten, wiberfprud&sooü,
unwahr ift? ©ott ift eine SBorftettung otyne 3nf)alt, — an tyn ju
glauben, ift eine Uebereilung. 33iö mau iljm einen angemeffcnen
ftnfialt wirb gef dfjaffen tyaben, fiub ber ©laube unb ber Unglaube an
ifjn beibe oottftänbig leer. S'il n'est pas*, il faut 1'mventer, fonntc
ber weltfluge, um SKtoörfjaftigfeit weniger, als um fein SBoljlbeljagen
befümmertc Voltaire wi^eln. 3lber er fönnte eö nidE)t, wenn er ein*
gefeljen ptte, bafc ©ott weber jur Sßeltorbmmg, nodjj jur £ugenb oon
Mufyn fein fann. <£ö bleibt nid&tö übrig, ald ©Ott in etyrenoollen
Shifjeftanb ju oerfefcen, ifjn, fo ju fagen, mit Uniform ju entlaffen*).
9tadf)bem bie ßelbin bergleicfjen angehört, ift fie empört über bie
Unwiffen^eit, über bie geiftige ftnecljtfdfjaft, in ber man fte biäljer
gehalten, ben fjerrfdjenbcn ftfaffen unb Lebensaltern 511 9lu$. ^ort
wirft fie alle 33ebenfen, bie fie bisher jurfidt gehalten, ffie Sebenö-
jaljre ju genießen, ben 9ieft aber aufcer ad^t ju laffen, wirb ifjre
Sebenöregel.
föine folc^e Umwanblung il;rer Lebensführung wäre nid&t mög-
lid^ gewefen, wenn fie oon &aufe aus in ben ernften ©runbfäfcen
*) (5pri($roörtlid>e ftebenSart in 3lu{jfonb.
— 137 —
roijfenfd>aftli<ber ftorfdjung unb fütltdjer ©emeinfcbaft erlogen worben
roäre. Sie n>üf$te, bafc eine rein menfcftlicfte Aufgabe, bie $amilien= ^amutenbubunfl
bilbung, bie erfiabenfte unb beglttcfenbfte Aufgabe beö SBeibeö ift. »et*?».'
Sie $at barin bie SBorempfmbung ber ganjen 3 u ' un ft beö 2Wenfd)ens
aefc^Iecf)tö, unb eö ift ein ^rrtum / xomn fie glaubt, glücflidj, roürbig
fein ju fönnen, ot>ne firf) barum ju fümmern, maö nadj it)r fein
wirb. 2ßäre eö nic^t beffer geroefen, fie in ooder 2Batyrf)aftigfeit ju
erjiefjen, anftatt ifjre Sugenb mit bid>terif d>en SBaljngebUben, mit
tf)örid)ten Hoffnungen unb finbifdjer Stngft, um Seligfeit unb ködern
quälen ju erfüllen.
aber bennodd! ofjnc ® Ott feblt bem inneren 9Wenfcf>en, roie o$m©ottfe&it
es mir föeint, bie SRulje, ber 2lbfd)luft. 2)a mu§ bod) eine anbre »u^unb
Sorfteflung möglid&en Snfyalt für ©Ott fdjaffen. 3)aö unerreid&bar mu§ ba» sieuein
ferne $itl ber 9Renfd$eit, beö SBeltgaujen, baö ift bie 3Sorftedung, ""Kbcn" '
ju ber man gelangen fod. ©Ott ift nid^t ber finnlidje 3Rad)er, aber «otr si. 3uii
ber geiftige ^Jol ber ganjen 3öelt, bie meljr unb mebr jur SSoden*
bung ftrebt. Uiaturgemäfceö Xtben jum ©ebenen ber SRenf^eit alö
©anjeö, baö ift bie einzig wafirljaft göttliche Aufgabe beö 9ßenfd)en.
Sperfönlidjfeit, baö ift eine böd)ft befdjränfte ftorm beö menfdj= qjet|Bnii*ieit.
liefen 2)afeinö unb beö tierifdjen ebenfad«. (Ss ift ganj unmotfoiert,
jte alö ^orberung für adeö, ober für bat 3111 aufjufaffen. $n ber
&rfdjetnungöroelt, mo unfer Teufen unb Jvüblen befdjloffen ift, fefyen
wir erfaljrungsmäfng, ^erfönlidbfeit, ein Selbft, mit ber Griftenj eines
Jleroenfijftemö oerbunben. So einfach aud) bie Seele ben ^b^°f°P^ en
gefdjienen f)at, fie ^at jur i>orbebingung ein Stjftem oou 9tenjen=
fernen unb SReroenfäben, dou £altpunfteu unb Leitungen. Cbne 33e*
roegungömöglidtfeit in biefem Slpparat, feine Seele, fein Selbft. &
unoodfommener bie £altepunfte finb, um fo bunfler baö Selbftgefüf)l.
Saö gro&e ©e^irn beö SWenfcben ermöglicht fein unbegrenjteö Selbft
gefüf)!, — oerfü^rt ifjn aber audfj ba$u, baöfelbe für eine S?orbebingung
©otteö unb ber SBelt ju galten, — nrie eö, in ber £bat, eine i*or=
bebingung für fein 3<f)gefüf)[ ift- 3H>er ^ud) biefe* fä realifiert fid)
erft in einer unenblidjen SBietyeit oon $ü)*, baoon ber einzelne ein
Sorgefü^I, eine SBorfreube fjaben fann, baö aber fein reales ©efamt*
3$ aufmeifen fann. ©benforoenig bebarf baö 9Ü5eltjief, baö ©ott ift,
eineö realen ©efamt^^ö. $aö ibeale 0efamt=3d) ber 9Jtenfd)f)eit,
ber SBelt, — baö ift ber, bie Sebenöfityrung jebeö einjefnen jum
®uten, jur Seligfeit lenfenbe fieitftern.
12. 9?ot). — 3)ie Sfiebe, im eigentlidbeu Sinne beö 2Borteö, xu sieb« wrionöt
.. / o "v f ftonjetttration auf
nnbet feine SBefriebigung , wenn fie bie äUetyeit, bie Sld^eit nid)t ju ein©efen.
— 138 —
einem einigen SBefen verbidjtet. Sitte SRenföen lieben, boö verlangt
©Ott für b fl « ein 5Dlenfcfef>citötbcaI, für beffen gifrbromg man fidf) begeiftert. ©ott
a^riftu» für bie für baö Univerfum, — Gtjriftuö für bie 3Kenf(^en auf ©rben. Slnbre,
9Reni*^eit. ^^ vernünftigen SBefen bewohnte Sßlaneten Ijaben tyr einheitliches
^beafivefen, — ityren Gfjriftuö nötig. 2)er jefct fo vielfadfj vertretene
^aiionaiitätigoti. 9tationalitätenfultuö mujj aud) ft$ in einem Sbealroefen verf örpern ; t)om
ruf fif d&en ©Ott ift in ber £I)at bie SRebe ; jebe Nationalität bef ommt auf
biefe SBeife iljren ©ngef. Gnblidf) gilt baö aud& für bie eigene Sßerfon.
2Bie man fein follte, baö ift wie ein Statten, ber jeben in
3>er ©*u^n 8 ei. feinem ©eroiffen begleitet. ®aö ift ber Sd&ufcengel beö einjelnen.
■Kur barf man am biefen 3bealen nidf)t tranöf üb jeftive SBefen machen.
®«8w ber siebe SBegen ber Siebe fann man nid)t eine SReljrtyeit von ©Ottern
"Siiiicii, !e annebmen. ftm ßinen fiel) verfenfenb, finbet baö ©emüt eine ge=
soiQtbeiimut roiffe 9hif)e. Dt)ne biefe (Einheit, ob wegen 2ltl)etemuö ober Sßolptljeis:
'*?$. rr muö, feblt eö bem ©emüt an StoOenbung; jroifd&en ben SHetyeiten
fdfjroanft ber 3Renfd) in Unruhe, — ober Slpat^ie.
3um <?roigen ergebe atte SWorgen beine Seele! flutte aus bem
©eroirre ber 33eroegungen ju bem Ginjigen, ber Stube gibt bem
©mpfmben.
^artomtemus*
i8*« 26. 9tov. — ©efteru erbielt idf) einen 23rief von Sßrof. Strümpell,
barin er fragte über bie Stellung )öaerö unb feine ßinroirfung, be=
treffenb ben Sarroinidmuö. Selbigen £age$ früb l>atte id& in meiner
vor jeljn ^abren gehaltenen ©ebädfjtniörebe roieber nad&gelef en , toao
id& bamalö Darüber gefagt. Seltfam ift ein fold&eö 3ufammentretfen,
roie baö 3 u * TC ff cn üon träumen, unb beroeifet nur, bafe bie ©ebanfen-
gänge nid)t fo unenblidb viele unb verfebiebene finb, um baö 3 U '
fammentreffen an bemfelben Sage auöjufdfiliejjen. 3<f) antworte nicht
auf affeö. St., roie fo viele feiner 3 e ^3 ew °lT en * n *> er ^ßf)ilofopf)ie,
bat ben Sdf)lüffel S»nt $crftänbniö ber Äantfdben Sefjre über Senologie
nidjt gefunben. (*rft fiuno ftifeber bürfte eine flarere ©infxc&t in bie
Mantfdfjen Probleme roieber verbreitet baben, unb erft nad& tym Ijaben
Jtolfelt u. a. an biefen Problemen weitergearbeitet.
9lber auf bie >vrage, weöbalb $acr, anftatt von 3 roe * i nfi^9 ;
feit ju fpredben, 3 i e * f t r e b i ^ f c i t gebrauebt, antivorte i<$: um eo
— 139 —
unentfd)ieben ju laffen, ob eö auf eine sroedDorfteUenbe ^HteUigenj,
neben unb aufcer ben finnlidjen ©rfdjeinungen, fief) bejieljt.
auf bic ftrage, ob Saerfi Sßolemif bewirft Ijabe, fage id> eigene
lief) nein.
2)ie ftortfdjritte bed ©arnriniömuö ftnb unaufljaltfam getoefen.
lieber ein Problem, baö nidfjt tarnt oorläupg unb lange unentfdjieben
bleiben, gibt es ein Sdjmanfen nur, ioenn eö mehrere jiemlid) gleid)=
roertige fiöfungen gibt. 2luf bie ftrage, wie fidj bie Slrten ^aben
bilben fönnen, wie fidf) ifjr 33au mit fo fünftlidjen ©tnridjtungen unb
in fo ooffenbeter 3 u f ammen P a ff un 9 M bilben fönnen, wie enblidj
bie überrafdjenben ^nftinfte bei ben Xieren fid) fjaben feftfefeen fönnen,
auf biefe fragen gibt eö nur eine Antwort: ©arroins 2>efcenbenj;
leljre. Seine s ^angeneftö mufe unbead&tet bleiben.
28. 35ej. — ©in £err Robert !Qab%, roofjnfiaft ju Sftanbau «w.
beiSdböneberg, fjat mid) gebeten um SKitteilung meiner Xrans=
ntutationönotijen *) im Bulletin de la Soc. g6ol. de France oom
^aljrc 1853, unb idb fdjicfe bie betreffenben auögefdfjnittenen Statteten.
£abei f treibe iä) aber, bafj iä) meine Slnfidjten berjenigen ©arroinö
gegenüber infofern jurüdf genommen fyabt, afe i<$ bie d^emifd&en Um=
roanblungen ber Äeimferne nidjt mefjr burd^ äußere ©inroirfung oon
befonberen 3KoIefetn, fonbern burd) Xuftlefe unb Vererbung mir benfe; —
bie Uebergänge jtoifd^en ben 3lrten ju fingieren aber nod) immer für
unnüfc erachte, £err Stöbert £abö braud&t biefe Sadjen ju feinen
ctubieu über Sa SWettrie. ©r glaubt einige ©teilen in beffen
Systeme d'Epicure unb feines Homme machine erläutern ju
fönnen, worauf £. 33üd)ner in ©armftabt ifjn fjingetmefen. Sa SKettrie
fprid)t t>on bem ©infhift beö Chaos de divers elements, qui
nagent dans Timmensite de l'air, auf ben 23au ber Organismen.
*) 3n ber, feiner ,,©ntfte§ung ber 9lrten burdj natürliche 3ua)troal)r ©orauä:
geljenben luftorifa}en ©üsae über bie ©ntfteljung ber Sitten, fagt 2)arroin:
3m 3a§re 1853 fyat ein berühmter ©eologe, ®raf Äegferling (im „Bulletin
de la Sociäte' geologique", 9b. X, ©. 357), bie 2lnftü)t au3gefproa)en, baß, tote
Su oerfajiebenen 3citen neue Äranffjetten, bie, wie man annimmt, bura) irgenb ein
Wiasma entftanben ftnb, fid) über bie ©rbe verbreitet $aben, fo aua) ju geroiffen
3eiten bie ßeime ber bereits vorfjanbenen Slrten burd) üRolefüle von befonberer
Art in iijrer Umgebung ajemtfa) beeinflußt roorben fein tonnten, fo baß au$ tfjnen
neue formen hervorgegangen wären.
— 140 —
au* einem »rief an 3Rai 1888. — 3)tit Ijofjem ^nfcrcffe fyabe id) Tanoinö geben
««f. gttünuHü. un ^ 2j r j e ^ fjerauögegeben von beffen Soljn, im Original gelefen, ein
fefyr anjiefjenbeö i'ebenobüb. Gelegentlich möchte id) bie beutfdie
Ueberfefeung fester £anb bed „Urfprungö ber 3lrten" mir anfdfjaffen.
3d) befifce nur bie erfte englifdje 2luögabe, bie ber Serfajfer mir beim
(£rf djeinen jufanbte. Karmin fdjreibt an £oofer, roaö id) bamal*
baju fogte. 3d) fjabe nid)tö baoon jurfirfjuncljmcn.
3Srief bes trafen jteo Ae^ferfing neßff einem ^ßanufßript pen
beffen 3tafer trafen ftfesanber äepferfing über feine Stellung
jum 3)arn>ini$mu$.
2lm 27. £e3ember 1887 Ratten fid> in Maifüll ftreunbe unb ?fad>=
genoffeu um meinen Satcr oerfammelt, jur Jyeier feines 50jä^rigen
SdjriftfteUerjubiläumö. Son nerfdjiebeuen Seiten mürbe tym bamalö
bie Sitte nahegelegt, er möchte feine ^been über bie Sebre Tanoinä
ucröffentlidjen. 3^ f)obe fpäter oft bie Sitte üergebltdj roieberljolt,
unb entfdjlojj mid) baljer, bie ©ebanfen unb 2lnfid)ten, bie id) ge=
fpräcbömeife fo f)äuftg oernommen, in an ibu gerichteten Briefen 511
formulieren, ^n feinen Slntroorteu ging mein Sater auf meine %xa$en
nid)t ein unb war id) um fo erfreuter als id) enblid), am 7. Tejember
1888, in Briefform nadbfteljenbe 2lbljanblung über bie Setyre Darwins
erhielt, bie id) nunmebr, oljne irgenb eine 2lenberuug, ber Deffentlicfc
feit übergebe.
lieber &eo!
Tu bift uneberljolt auf bie ^been Karmins ;u fpredben ge^
fommen, unb id) nriU nerfudjen, Tir in ben f olgenben 3eifen f lar $u
überliefern, ju roelcbeu (£rgebnif|en barüber meine ©ebanfen gelangt
finb. Ta tmtft id) aber weit auöbolen unb mit ber Aufgabe ber
Stjftematif für ^ffanjen unb Tiere beginnen. 3 Mr fieberen 2Bieber=
erfennuug ber 3lrten, auf nuffenfdmftlicbe SSeife, gibt ed nur ein ju*
reidjeubeo Mittel, baö ift ein Suftem bidjunftioer Segriffe, in bas
alle Onbimbuen, ein jebeö nur an einer juber jtt erfennenben Stelle,
btneinpaffeu. Segriffe beftebeu am 2Werfmalen, einem ober mehreren,
bie alö ^Jräbifate burd) ein Urteil einem Subjeft beigefegt werben.
Tiojuuftioe Segriffe finb folebe, wo v }>räbifate, bie fi$ roedjfelfeitig
auöfdjlieften, jroei ober mehreren Subjeften bureb bi&junftiüe Urteile
— 141 —
beigelegt werben. 3)ie Subjefte finb in Zoologie unb 33otanif eine
unbeftimmte SBieljafjl von ßinjefwefeu. @s ift jwedhnägig, in ber for*
malen Sogif bie abftraften Segriffe fief) burtf) ftgürlid&e Sd&emata Mar
&u madfjen. 3Ban benfe ftdf) jwei groge Äreife, ber eine bebeute ^Jflanje,
ber anbre £ter. 3)aä ©injelwefen mit X bejeid&net, wenn eö ein
lebenbigeä 2Befen ift, gehört entweber ju ben *Pftanjen, ober, feinem
Segriffe nadf), ju ben Vieren — entweber ju A ober ju B, wenn fo
bie beiben Jtreife bejetdjjnet finb. <£ö fei nun ber Äreiö A in jwei
&albfreife geteilt — Sporenpftanjen unb Samenpflanjen bebeutenb,
fo gehört X in einen biefer £albfreife, bie mit C unb D bejeidjnet
finb. 3)er £albfrete D, Samenpflanjen, fei mieber in jwet Dua=
brauten für (Jlabelbäume) ©pmnofpermen, unb (Saubpffanjen) 3lngio?
fpermen, E unb F geteilt, F roieber für SRonofotplebonen unb 3)ifo=
tylcbonen in G- unb H, jroei Df tauten, geteilt. X wirb burdf) ein
foldjes SBerfafyren in ben iljm juge^örigen Dftanten oerwiefen. 3)iefer
fann nun immer roeiter unb weiter geteilt werben, fo bag ftdf) baö
Softem als ein twn Stabien uiclfad^ geteilter ftreiö barfteUen lägt.
©a ift bt^er oorauögefefct, bag bie Subjefte su bem bisjunftioen Urteil
immer paarweife fidfj gegenüberstehen, fiogifdb fönnen aber eine mu
beftimmte SKnjaljl x>on biftjunftroen 9Werf malen einanber ausfdfjliegen .
9Iur würbe bas bem 3 ro *d, bie nötige Stelle, ba^in baö X gehört,
3u ermitteln, weniger bienlicft fein, ©s ift, als teilte man ben Äreiö
in 360 ober unenbltcf) meljr nebeneinanber georbnete 3 en ^ r i tü i n ^ e ^
mit ibren äusfdfmüten unb mügte alle burdf)tnuftern, betwr man ent=
treibet, woljin X ju bringen ift» So triel irgenb ttyunlidE), foH man
fief) alfo an ber ©idfjotomie, an ber einfachen 3 rae i te ^ un 9r Saugen
laffen.
@ö fann nun bie $rage entftetjen, ob es überhaupt eine ©renje
gibt, an ber bie Reifung burdf) bisjunftioes Urteil mit SWotwenbigfeit
ein ©nbc fyat, — ober ob fie unbegrenzt fönnte fortgefefct werben?
Senfen faffen ftdfj gewig immer weitere 3erteilungen, aber in ber @r=
fa^rung flögt man balb auf unüberwinblidfje Scftwierigfeiten. 3n ber
2lnfdf)auung gibt es wofjl SWerfmale, an benen man feine perfönlid&en
Sefannten, oft fd&on aus gewiffer Entfernung, an Bewegung, Haltung,
Stimme wiebererf ennt ; aber ein bisjunftioes SRerfmal 511 ermitteln,
baö jtd& mug in SBorte faffen faffen, unb bas fidj) unter allen anbern
SRenfdjen unjweifelfiaft tyerausfinben liege, oermag man nid&t. (Sbenfo^
wenig lägt fidf) ber üerfdfjiebene $lug ber 23ögel, felbft iljr ®efang,
in SBorten wiebergeben, wie es 311 einem bisjunftioen Segriff erfor*
berlidf) ift. $n ber ©rfafjrung ftogen wir immer auf foldfje bisjunftiue
— 142 —
Segriffe, bie eine unbeftimmte Sielja^l von ©injelwefen, suroeilen uon
fe^r augenfälliger aSerfd^ieben^cit, umfaffen, bie aber bennodfj fidf) nid>t
burdf) biöjunftioe Urteile jerteilen laffen, weil jebeö baran waljrnel)m=
bare 9flerfmat in fo trielen 9lbftufungen in ben jugeljörigen ^nbioibuen
jur Seobadfjtung fommt, baß feine begriffliche 2tbgrenjung bamit jtdj
begrünben läßt. So ift jum Setfpiel unfre ^auötaube, Col. Livia,
burdE) ben weißen Unterrüdfen neben jwei fdjjwarjen Ouerbinben über
bie ftlügel, von ber Col. Oenas ju untertreiben, unb bei ben auf=
fättigften, burdfj bie 3udf)t erzeugten Sibweid&ungen treten immer roicber,
wie Darwin es gejeigt fyrt, biefe biöjunftioen SlRerfmale unter ben
■Jtad&fommen ^eroor. ßö ift nid&t gelungen, biöjunftfoe Segriffe für
bie fo überaus üerfdf)iebenen &unbe j$u iljrer 3 cr * e ^ un Ö * n 2l rten J u
bilben. Die SUtenfd&en laffen fidfj erft redf)t nidfjt nadf) Gegriffen jer-
teilen, wie baö atö bem ©tubium beö frönen 9tanfefdf)en 2Berfe$
f)ert)orgef)t. Die 9lrt ift zbcn ein Segriff unb feine Slnfdjauunfl.
9?adf) bem Sorfjergefyenben läßt fidf) nun bie richtige Definition oon
2trt geben, bie jroar immer oon ben guten ©pftematifern eingehalten
worben unb ba^er nidfjts weniger als neu ift; bie aber meift roeber
jum 2tuöbrudf nodf) junt Haren Sewußtfein gefommen ift. 91 rt ift
in einem Softem bifijunftiuer Segriffe ein unteilbarer
lefcter Segriff, ber unbeftimmt vid ©injelwcfen umfaßt. 3lrt ift
ebtn nichts weiter, als ein foldfjer wefentlidfjer, wiffenfd&aftlid&er
Segriff, — fo lange leer, bis bie Stnfdfjauung ii)xn einen 3nljalt
gibt. Die 2lnfd(jauung wieberum liefert nur £ppen, um bie benim
bie ©injefwefen fdfjwanfen, ift aber für bie Segrenjung ber 2lrt, mit
Stant ju fpredfjen, blinb. Der Sogelliebljaber unterfdfjetbet, wenn er
barin ©rfaljrung f)at machen fönnen, j. S. ©proffer unb iRad&tigall,
meift fidler; — baö Äennjeidfjen , baß bie jweite ©Zwinge bei ber
9tadf)tigaH fürjer, bei bem ©proffer länger alö bie oierte Schwinge
ift, leitet ifjn nidfit; unb bennodf) madf)t biefeö Äennjeidfjen ben ©rjfte*
matifer erft fieber, baß er eö mit jwei gut unterfdf)iebenen 3lrten ju
tfjun f)at. 5Rur wäre es oerfefyrt, von bem ©trftematifer einen Segriff
ju erwarten, ber eine 2lnfdf)auung erfefct, ebenfo oon ber Slnfdfmmmg
allein einen Segriff, ber bas SBefen ber 2lrt bilbet, ju forbern.
ßfje man fid(j barüber oerftänbigt fjat, was 9lrt eigentlidjj be-
beutet, ift eö nidfjt möglidf), bei ben Ser^anblungen über bie @nt*
ftefjung ber 2lrten 9Jltßoerftänbniffen ju entgegen. Siele SRaturforfd&er
fpredfjen fo, alö wären bie Xtjpeu ber 2lnfdf)auung: 3lrten, unb
oerlaffen bamit eigentlich ben Soben ber wtjfenfdf>aftlidf)en ©trfiematif.
©djlteßlidf) wäre bei biefen einleitenben Setradfjtungen nodf) bie
— 143 —
pbqfiologifdfie öebeutung ber 9lrt 311 erörtern. So nrie nur äßefen
mit 3? or fahren unb (ber 2Röglicf)feü nad)) 9iad)fommen bie
organifdje SBelt auömadfjen, iwtyrenb es in ber unorganifd&en 2Belt
feine Borfaljren geben fann, fo Hegt an<f) für bie Slrt etwas (SnU
fdjeibenbeö in tyrer gortpflanjung. ftommt es aud) ju Baftarbbtk
bungen sroifdfjen 3nbioibuen oerfdfjiebener 2trten, — in feltenen ftätten
im allgemeinen, — fo finb bie Saftarbe unter fi<$, erfa^rungsmäjgig,
entmeber ganj unfrud&tbar, ober von fo gefdjroädfjter grudjtbarfeit,
baß bie 3ngu$t unter ifjnen balb jum Xu&fterben ber 33aftarbraffe
fü^rt. ©s ift nidfjt gelungen bur<$ 3^tungen oon metjr unb mefjr
abgeänberten ^nbioibuen einer 3lrt Stoffen 31t bifben, bie ftdf) ju
einanber, in ber gebadeten 93ejie^ung, wie Snbioibuen oerfdf)iebener
ärt uerljalten; fie liefern nidfjt jur Sterilität neigenbe Hreujungös
probufte. Der geniale ^pfiologe $ur(eg, bei allem feinem ©n*
tbujtasmus für Darwin, fiebt barin eine bisher nodfj immer un*
überfteigbar gebliebene Sdjroierigfeit für bie Sefjre Darwins üon ber
Gntftefjung ber Sfrten.
Darwins Sefjre operiert mit brei tfyatfädfjlidfjen Vorgängen,
1. Variabilität, 2. Sluömerjung, 3. Vererbung. Damit erflärt fie
breierfet: 1. Die @ntftef>ung neuer formen, 2. i^re 2lnpaffung an bie
umgebenbe ©rbenwelt, 3. i^re Äonftanj. Dreierfei bagegen Ijat Darmin
niebt erflärt ober t>erftänblid(> gemalt: 1. bie unoermittelten ©renjen
jwifdfjen ben 2lrtcn, 2. bie oon ber Paläontologie auf ber ganjen ©rbe
nadjgewiefene ibentifd&e Crbnung ber $ofge oon Raunen unb ftloxtn
mit oorljerrfcfjenb äljnfid)en Sppen; 3. ben $ortfdfjritt biefer
£t)pen in geologifdfoer 3«* *>on bem allgemeinen jum Sefonberen in
ifjren Drganen,*OQn bem fieberen jum £öf)eren — bis fjinauf enblidf)
511 bem SWenfcfjen mit feinem übermächtigen ©efjirn.
(Ss fdfjeint aber bie Seljre Dar wind, ofjne wefentlidfje SHbän*
berung ifjrer ©runblagen, redfjt wofjf bafjin ausgebilbet werben 3U
fönnen, um audf) bas ju erftären, was bisher ber ©rflärung fehlte.
$as foll in fotgenbem oerfudfjt werben, freilidfj nur in ©ebanfen.
35odfj ift es wof)l ntöglidf), bafj bie ©ebanfen einft 31t Verfudfjen leiten,
bie eine beffere ©runblage ben ©rflärungen oerleifjen, als fie 3itr 3^it
für bie ganje fie^re 311 ©ebote fielen.
So 3ureid^enb bie £'ef)re burd) Beobachtung unb ßrperiment be=
grünbet ift, fo lange es fidf) um ©ntftefjung oon SHaffen unb Varietäten,
— Slbänberung ber SfafdfjauungStypen, — fjanbelt, fo entfd&ieben wirb
ne fjijpotljetifd), wenn fie baju fdjjreitet, bie gntftefjuug ber fpftemati-
fd)en SHrten, — bisjunftioer Begriffe — 31t erflären; fie mufc bie fioxU
— 144 —
roirfung ber brcicrlci Vorgänge, über baö Styatfäd&lidbc hinaus, benfeit,
norauöfe&en, unb bad madf)t bie fie^re ju einer ßppotljefe. 3tor in
ber anfänglichen intetteftuetten ©fftafe tonnten Anhänger baö foroeit
oerf ennen, bafc fie. bie fceljre in parallele ftellten nid^t mir mit ber
bes ßopernicuö, fonbern auefj mit benen eines Äeppler unb fogar
9leroton$. 2tuf einen -Dtittelpunft bie ©rf Meinungen ju rebujieren,
ifjre mat^ematifd&e ©efefcmäfcigfeit nad&juroeifen — fie aud einer Äraft
burdfr SRedjnung abjuletten, — fo baft im oorauä bie Stelle im 9taume
angegeben roerben fann, roo ju irgenb einer beliebigen 3 e ü ein & e *
ftimmter Äörper fidf) befinben wirb, — baö finb Stiftungen, bie bcr
Biologie für immer oerfagt fein roerben. 2luö ben ^ßflanjen unb
Vieren ber ©egenroart gu entnehmen, roa$ für Sßflanjen unb 2iere
auf ber ©rbe gelebt fjaben ober leben roerben, in vergangenen ober
jutflnftigen geologifdjen ^ßerioben, fann nur eine Stufgabe ber Äalhi;
lation roerben. @f)er fönnte man bie ©arroinfd^e fie^re mit ber
Hant=£aplacefd)en fttjpotljefe, mit ber 9tebulartf>eorie in parallele
ftellen, obroofjl fie audj bei biefem SSergleidfo barin jurüdfbleibt, hak
mau fie nidf)t aeranfcfwulid&en fann, fo leidbt roie bie dltbulattypo-
tfyefe burd) bas ^Jlateaufcfie Grperiment. 3(Berbingö fönnte man in
geroiffen ©attungen einjelne SReiljen oon unfi$er gegeneinanber be-
grenzen 2lrten mit unauflöslichen 9iebelfledfen üergleicijen, f)ier un-
fertige Slrten, roie bort unfertige Sternenroelten troraudfefcen. ©in
fold&er 2?ergleid& üeranfcftaulidfjt aud) baö numerifd&e 3Serf>ältniö. SBegen
ber 9?ebelfledc roirb bie Sriftenj ber unjäljligen, fdjarf gefonberten
Sterne am £immel nidjt jroeifelljaft, roenn aud) bie ^ppotf^efe, t>a$
fie mdfjt alle au$ einem gemeinfamen 9iebel, a\& einem allgemeinen
Gljaoö Ijenrorgegangen fein fönnten, bamit nid&t roiberlegt roerben fann.
Unjäfylig, roie bie Sterne am £immel, finb bie roo 1)1 gefonberten
2lrten, nidf)t nur in ber ^efctroelt, fonbern and^, foroeit bie $orf<ftun<j
jurüäreidf)t, bis in bie 3*iten beö cambrtfd&en Dlcneffus. 2Bol)l bat
uns bie Paläontologie burd> bie 2lufbe<fung tron 33inbegliebern , t>on
Stammformen, in benen Strufturücrfjältnijfe t>erfdf)mol}cn erfd&einen,
bie in fpäteren formen meljr ausgebilbet unb gefonbert auftreten,
überrafd)t. 9lber es üerbient fyernorgefyoben ju roerben, baft bergleid)cn
Öinbeglieber melmefjr jroifdjenbeu größeren Abteilungen ber Organismen,
sroifd&en klaffen, Familien, ©attungen aufgefunben ftnb. 2Ba^afte
3roifd^en arten, bie jroifdfjen ben bisjunfttoen G^arafteren rejenter
9lrten Uebergänge nadbroeifen, hat man in ben tertiären Sdfjidjjten,
trofe ifjres 9ieidf)tums an rejenten ©attungen unb ifjrer oft rounber-
baren ©rljaltungsroeife, j. 33. im $crnftcin, bis jefet nid&t gefunben.
— 145 —
ßbenforoenig f)at bie (Sntomologie, trofc ber £iebl>aberei, bie bagu uer*
anlaßt, Eaufenbe von Sammlern, ^nbioibuen berfelben 2lrt, oft ju
ßunberttaufenben, in bie Sammlungen ju bringen, in namhafter 2ln*
jafjl formen entbedtt, bie puffen ben 2lrten bie @ren§en unbeutlid()
machen fönnten. $n ben einzelnen ftällen, roo es fo j?at [feinen
fönnen, ermetft es fidf) aber bei roeitergreifenber unb metjr erfdfjöpfenber
Unterfudfjung, ba& meljr ©runb vorliegt, oorausjufefcen, bas Softem
fei an biefer ©teile nidbt fertig, als oon unfertigen, in SJilbung be*
offenen Arten ju fpred&en.
(Sin fpejiftfd&es Protoplasma oon fetyr tmpref jtonabler unb leidet
jerftorbarer «Sufömmenfefcung, fo ift aus ber ©rfa^rung ju fdjjliefcen,
liegt jeber 9trt, b. §. bem in ber 3tnfdfjauung oerioirf listen unteiU
baren Segriff, — ju ©runbe. Qnbioibuelle (Eigenheiten fönnen bis ju
einem getroffen ©rabe in biefes Protoplasma oeränbernb einbringen
unb auf biefe SBeife fonftante SRajfen unb Varietäten bilben, aber ein
fo tiefer (Singriff, bafc eine Umprägung bes Protoplasmas ju ber einer
oenoanbten 3trt erfolgt, ift bisher in ben Beobachtungen nid&t betannt
geworben. JDreifeig ^atyre eifrigen ftorfd()enS in biefer SRidfjtung finb
»ergangen feit bem auftreten ber 3)arnnnf<$en fie^re, unb es l>at
Heb nod) immer nichts (Sntfdfjetbenbes ermitteln laffen. 2)ie einzige
Hoffnung bleibt nodf) im Bereite ber 33atterien ober SRifroonten. 21uö
einer ßeubafterie wollte man, burd) Äultur in attmätjlidf) jtoärmeren
SWebien, bie 3Riljbranbbafterien erjeugt Ijaben. 3lber bei biefen fleinften
ffiefen ift bie Umroanblung, ber einen gorm in bie anbre, ber un*
mittelbaren 33eobad&tung fo fdfjroer jugänglid^, bafc man bei ben fo
oiel unterfud&ten Sacdfjarompceten (ben &efepiljen) nur ju ber SBa^r*
fdjjeinlid&feit gelangt ift, bafe au* einer 2Irt oiele anDre entfielen tonnen,
bei oeränberter (Srnäfjrung unb Umgebung. £at man es nur mit
einer polymorphen ftjftematifdfjen 2lrt babei ju t^un?
SDiefe 2Baf>rfd&einlidftfeit fdfjemt jur 3 eit bie einjige &anbl)abe, um
über bie Äluft jnrifdfjen 3lrt unb 2lrt einen tljatfädfjltd&en Steg ju
fdjlagen*). Senn bas tfeimpünftdfjen, aus bem bie organifdjjen Sßefen
entfielen, ift aud& ein ÜRifrobion aufammengefefcter, t>ermutlid& immer
Hioeigefdf>ledf>ter SWatur. $n biefem 2Rifrobion finb bie SSorbebingungen
enthalten, nadE) meldten bas ©injeltoefen in ben aufeinanber folgen ben
Isafen feines SebenS ju beftimmten formen fidfj ausgeftaltet ; in bem
*) Bei müroflopiföen (? 3tcb.) Areolen auö ber Drbnung ber ßiemenfüfjer,
SamUie ©fottfüfcer (Artemia) fyat man Umroanblung ber Art, je na$ ©aljge^att
be* Stafferd, bann fte gehalten würben, fonftatiert Aber bie ©rföeinung läfjt
jty atö $o(nmotp$idmu3 ein- unb berfelben 3lri, in allen biefen gätten, beuten.
«u# ben ^agebu^biattem be« (Btafen 91. ftrfyjerUug. 10
— 146 —
Äetmförperd&en bes ©d&metterlingSeieS §. 89. ift enthalten bas ©efefe,
nadfj weld&em bie SRaupe, bie Etappe, bcr ©djjmetterling, ja bcr einjelne
^igmentftedf auf feinem Flügel ber 3trt na<$ unabänberlidf) fid^ bilben
mufj; aber bodfj fo imprefftonabel , bafc inbimbueffe ©igenfd&aften ber
©rjeuger burdf) biefes fteünförperd&en übertragen werben. — SBoburd)
entfteljen biefe inbitribuellen äbwetd&ungen, bte ätortabüität, als erfier
Vorgang, ol>ne ben es 311 ber „2luSwatyl" unb 9taffem>ererbung gar
ni<$t fommen fönnte? ©0 triet ift ermittelt, baß bei ber SJefrucJjtung
oon bem, bur<$ bie Sßore, burdj bie fogenannte 2Wifropt)le, in bas ©i
tytneintretenben ©amenfäbdfjen, — in normaler Sefrudfjtung ein einjelnes
^äbdfjen, — Äopf unb ©d&wanj, nadfjbem fie bie jum ©inbringen
bienenben Bewegungen Dottfüljrt tyaben, als unnüfc abgeworfen werben.
StuS einem Vortrage bes $ßrit>atbojenten-Dr. Sooeri in SWfind^en ift
ju entnehmen, bafc bie bisherigen ^orfd&ungen fidjj ba^in jufammem
faffen laffen, ba§ nur bie dfjromatifd&e ©ubftanj bes ©iferns unb bas
©Ijromatin bes ©permatojoenfernes, bie ©eftaltbilbner ftnb, unb baft
bei ber, tum tynen ausgeljenben 3 e Oteibtn0 unb 3 e KfP r °ff un 9/ ^ c
übrigen im ©i enthaltenen ^eütn unb ©ubftanjen untergeben ober
©erbraust werben. SMe Lagerung, ©eftaltung unb ÜRatyrung bcr in
bem Ijeranwadfjfenben SBefen ftdf) abgliebemben neuen 3^tten ift nadf)
beftimmten ©efefcen eine anbre, je nadf) ber Stelle unb ber ^afe ber
SReubilbung. Sei ber SReprobuftion verloren gegangener Seile faim
bie Steubtlbung an ber beftimmten ©teile nur äfytlid&e ©ebilbe repro?
bujieren, wie bie oerloren gegangenen, weil an berfelben ©teile im
Organismus audfj biefelben Sefdfjränfungen unb ^orberungen, bie ur*
fprünglidfj beftanben fjaben, wieber jur ©eltung fommen. SRur in ben
©enerationsorganen fommt es wieber bei allen Organismen ju einer
3ellbilbung unter Umftänben, bie eine allfeilig ooHfommene 9tus-
geftaltung eines ganjen Organismus nid&t beeinträchtigen. $a ade
Organe burdfr $tüm fidf) bilben, bie uon ber erften Äeimjefle ob=
ftammen unb ein ©ttief äfjnlid&en ^n^alts finb, fo liegt fein ©runb
oor, anjune^m^n, bafj ibr^alt nidf)t ätyilidb, audf) aus jwetgefdfjledbts
fidlen Seftanbteilen beftef>t. ©iet)t man j. »., wie bie 9tafe bes Sor*
fahren bei SWenfdfjen fidf) oererbt, fo fpridf)t bas bafür, baß ber üäter-
lidfje ©influfj, ber eben nur burdj materielle S9eimifd(jung }u ftanbe
fommt, audfj bei benjenigen fteUtn fortgewirft §at, aus benen bie 9?afe
entftanb. Silber je weiter bie Sßfyafe unb bie Stelle abliegt twn ber
anfänglichen 3 e ^ e beb Organismus, um fo unäljnlid&er fann bie
Lagerung unb ©proffung ber fttüen werben. 3 ur oblligen ©lei^eit
würbe ^bentität wn Sßl)afe, Ort unb Umgebung für jwei Steubtlbungeti
— 147 —
erforberlidfj fein, wie fie anc^ bei ber ©rjeugung oon benfelben ©Item
bei aufeinanber folgenben ftinbern niemals fid) gegeben ftnbet; bei
3wiUingen nodfj am metften, weshalb audfj unter ifynen bie 21ef)nlic^'
feit einen fjoljen ©rab erteilen fann. 2>as alfo ift ber ©runb ber
inbitribueflen Variabilität, baß ftdf) bie anfänglid&en, entfd&eibenben
©femente jweier SBefen, wenn audf) in bemfelben Organismus, not*
roenbig an Derfd&iebenen ©teilen besfelben, mit uerfdfjiebenen ftombis
nationen bes ©IfromatinS beiber ©efd()ledf)ter, büben. 2Ran fönnte bie
$olge ber ©enerationen mit wieberfjolter Stuflöfung t>on Ärpftaffen
unb wieberfjolter Slusfd&eibung aus ber fo gewonnenen ÜWutterfouge
oergfeidfjen. ©ine foldfje wieberfjolte Operation fü^rt oft ju immer
reineren ©ubftanjen, ju twHftanbiger 2lusfdf)eibung bes ^remben, fann
aber audE) neue Verunreinigungen jur ftolge tyaben. 25aö Steimförper-
tyn, inbcm es afftmiliert unb 9teubilbungen fd&afft, lägt feine ©ub=
ftanjen burdf) jal)lfofe ©ebilbe wanbern, bis fid) ber Organismus fo
ootfenbet auSgebilbet l)at, bafc er wieber neue Seimelemente ausfcfjeiben
fann, bie bann nrieber in neuen SBefen 9lufföfung unb Verbreitung
Rnben, bis fie ju neuen Äombinationen gelangt, fidfj wieber in ben
©enerationsorganen reiner nieberf dalagen. £)ie Sßartljenogenefis läfct
fid) fe$r woljl mit ber Dorfteljenben Sfaftdfjt Dereinigen, fie ift ftets
nidjts weiter als eine oererbte Vefrudfjtung. 3n bem ^alle mit ben
8ienen jeigt es ftdf), bafj in bem unbefristeten ©i bie Veftanbteüe ju
einer £)rof}ne, ju einer männlidfjen Viene, t>or^anben ftnb. ©s tnug
aber x>on bem männlidjjen ©fjromatin etwas fjinjutreten, um ein SBeib-
d&en ju büben. ©S fommt aber auf bie Proportion in ben oerfd^ie=
benen Äeimmolefeln an. Uebemriegt bas weiblidfje ©lement, fo ent*
fielen 9ßännd^en, unb umgefetyrt. SBenn bei anbern SReprobuftionen
ofjne Vefrudfjtung , wie $. 33. bei ben Vlattläufen, eine ganje SReifje
wm meibKdfjen ©enerationen einanber folgen, fo ift bas fefjr wofjl mit
bem ^atte bei ben Vienen unter ein unb basfetbe ©efefc 511 bringen.
SDie Vererbung ber befristeten 2Beibc$en bauert bei ben Vfattläufen
baburdfc fort, baft bie Proportion jwifdjen ben beiben gefdf)fec$tlidfj vtx*
fd&iebenen Veftanbteilen ficf) fonfertriert, fo fange bie ©rnätyrung eine
ooDjiänbige ifl. £ritt im £erbft eine fdfjwadfjere ©rnäfjrung ein, bann
fommt es bei i^nen ebcnfo wie bei ben Vienen; wegen bes nidfjt ge=
nügenb oermetyrten männlichen ©l)romatinS, $u einer ©rjeugung t>on
SRännd&en.
gafct man ins Stuge, bag erft mit ber Vefrudfjtung bie normale
aBeiterbilbung oon bem Äcrn ber ©tjelle aus anhebt, fo fann man
n>of)t ju ber Vorftellung gelangen, baft alles SBad^stum Don ber 2tn*
— 148 —
wefenljeit ber gefdbledfjtlidt) bifferenten SKolefeln in ber $elle abhängig
ift unb nur burdj iljre aBedjfelwirfung es 5ur Seifung, Sproffung imD
2lbf<Jjnürung t)on &üm fommt. Stuf ber unterften Stufe ber orga;
nifd&en SBelt, bei ben Sßrotiften, müjjte man eine btffufe ®t)tytd)t&
fab$an$ annehmen, bie ftdfj bei ben oorgerüdfteren SBefen btfferenjtert.
Sei gortpffanjung burdf) Seilung, Sproffung, tropfen, Dfulieren oer=
bleibt bie Proportion ber ferualen ÜRoIeteln ungeftört biefelbe, wie in
ben Seütn bes Stamminbimbuums ; batjer audj) bie Varietät ftdfj roll;
ftänbiger überträgt, ate burdf) ben befristeten Samen, ber burdj) <5in=
wirftmg eineö bifferenten ^nbitribuumö ju ftanbe gefommen ift 5Tie
©ifferenjen bürfen aber nur in engen ©renjen fdjroanfen. 35ie 8e=
frud&tung einer ©lüte burdf) Selbftbefrudfjtung, fomie bie Jortpffanjung
ber Siere nur im engften fyamtlienhreife füfjrt jur Sterilität ber Stack
fommen. 35ie Äomponenten beö Steinte* finb in biefem %aüe ju
homogen. 3 ro ifdf)en 2lrten, wenn es audf) ju Saftarben in feltenen
gälten fommt, erweifi ftdf) wieber bie Paarung ju heterogen, um
bie Fertilität ber s J>robufte md&t äu&erft ju befdfjränfen. ©ie Äreujung
ber 2trten, bad ift a\tä ben bisherigen ©rfalirungen ju entnehmen, bat
nidfjt jur 33ilbung befonberer neuerer 2lrten geführt, ©er &unb ift
nidf)t üon oerfd&iebenen 3lrten von Sd&afal* unb SBölfen entftanben,
wie eö alö Vermutung, unb in ber Verlegenheit um eine toilbe
Stammesraffe, auögefprod&en roorben ift, — ba man bie SJomeftijtenmg
einer 2lrt, otyne ein wilbeö ^nbioibuum übrig ju laffen, wie fie bei
ßerbenrteren leidet eintreten fann unb beim ©romebar $. 33. vorliegt,
nid)t glaubte annehmen 31t bürfen.
5Diai 1889. — SMcfe unterbrochenen 3lufjeidf)mmgen 00m SJejember
vorigen ^a^reö fortjufefeen, finb bie 3Serfud(je ju erörtern, auö einer
Sfrt eine aubre ju machen. Sdfjon war bie Siebe t>on ben 3trt-
fdjjwanf ungen , bie bei ben Ölattfü&erfrebödjen angeblidf) f ollen roaljr-
genommen fein. #err Sdbmanfewitfdf) 3U Dbeffa roiff feftgefteüt
tyaben, bah bie Artemia salina oerwanbelt wirb in Artemia Milhauseni
burdb meljr unb meljr Saljgetjalt im SBaffer unb umgelegt, er
will fogar bie (Gattung Artemia aDmä^lid^ in Branchipus über-
geführt babeu.
^vofeffor ÄJerril U\ule College Slmerifa) bemerft baju, bafe bie
©attuugen Artemia unb Branchipus jicb überhaupt nidfjt unterfd&eiben
laffen, wenn man bie männlidbcn ©reiforgane nid&t bead&tet, was
eben Sdbmanfewitfcb nicht febeiut beachtet ju haben. ©ö geboren
bie Gier biefer ©attuug aufterbem 511 benjenigen, bie jahrelang
trodfeu im Schlamm liegen Tonnen, ober gar muffen, um fidb bei
— 149 —
neuem Shifgufe ju entroicfeln. Scftmanteroitfdfj t)at bei feinen 33er;
fuc^en bie Steingut t nid)t geuügenb oerbürgt. ©inb ©ier oer=
fdjiebener arten im ©dfjlamm oerfteeft, fo werben nadf) Umftänben
aus bemfelben Schlamm bei oerfdfjiebener Temperatur, bei oerfd&iebes
nem ©aljge^alt u. f. n>. balb bie eine, balb bie anbre 2trt, bie ben
Umftänben me^r angepaßt ift, ftcb in überroiegenber 9Wenge einfinben.
Vorläufig bleibt biefe ganje Umroanblung unfid&er, bid erneute 33er;
fuefee mit aßen 33orjtd&temaf$regeln gemalt werben ! Gin anbrer Jyntt
betrifft bie Umroanblung von ftarnfräutern. ^ßrofeffor Sabebecf
beobachtet: Asplenium adulterinum Wilde beginnt in werter (Generation
tu Asplenium viride Huds. umjufdfjlagen unb in fünfter ©eneration ftnb
faftalle^ßflänjdben nrirf lief) viride. Asplenium Serpentini Heusler
beginnt bei ber fünften ©eneration in Asplenium Adiantum nigrum L.
umjufdtfagen unb in fedfjfter ©eneration finb bie Wtetyiafyl ber ^pffanjen
mixtlii) Asplenium Adiantum nigrum. gs finb fjier bie auf ©er*
pentinfels roadf)fenben formen burd) Kultur in anbrer Grbe in bie
Stammformen umgefd)lagen. Siefer SRüdffdjfag fommt nidfjt burdf)
metjr unb meJjr fyeroortretenbe Äemtjeidfjen ju ftanbe, fonbem burd)
mefjr unb meljr ^nbioibuen, bie plöfelidf) in bie ©tammform jurüdk
fd&lagen. ferner ift bie Umroanbelung in entgegengefefcter SKdfjtung,
b. f). uon ben Stammformen in bie ©erpentinformen nidfjt gelungen.
3(uö ben ©erpentinformen läftt fidf) bafjer bie Cntftef)ung ber ©tamm 5
formen erllären, nidfjt umgefeljrt. Sittgemeiner: bie 33emmnbfung ift
nur in einer SRidfjtung möglidf) ; ber SRücf lauf ftnbet nidfjt ftatt. 3ßenn
mau bie Äennjeidfjen ermägt, meiere bie auf ©erpentin geroadfjfenen
formen unterfdfjeiben follen oon ber entfpredjenben Strt, fo fann man
ftreng genommen, feine btejunftioen Segriffe barau* entnehmen. 2>ie
Serpeutinformen tjaben jartere, weniger Winterhärte 33lätter. Sei
Asplenium adulterinum finb audf) bie ©Ireufdfjüppdfjen mefjr enteil*
mit einem Sdfjemnero oerfefjen unb burdfjfidfjtiger, als bei Asplenium
viride. ®ie Spinbet bed 33latteö ift nur an ber Spifce unb nidfjt
weiter fjinab grün, u. f. ro. ©in 9Wefjr ober SBeniger unterfdfjeibet,
unb baö ift es, roaö bie Urteile btejunftio macfjt. £ier bei ben ^arn^
fräutern fommen bemnadfj nidfjt roafjrfjaft ftjftemattfdfje Slrten in gtage,
unb fo intereffant bie 3?orgänge finb, fie lehren nidfjt, wie roirflidje
9(rten pdf) bilben. ©nblidfj fommt ein britter ftall in 33etradfjt, bem
man, unb mit SRedfjt, bie meifte Sebeutung beimeffen bürfte. Vanessa
Prorsa ift burd) eine meifte Jvfedfeubtnbe, bie mitten burdf) bie hinter*
flügel reidfjt unb auf bie 3SorberfIügel, fjalbroegö 311 beren oorberem
9tanbe, hinübergreift, oon ber Vanessa Levana famt ifjrer Varietät,
— 150 —
Prorima, biöjunf tio untcrf Rieben, f o triel idjj weiß. Sßrof eff or SB c i &
mann (in ^reiburg) fyat aus ber V. Prorsa burdfj ©inwirfung von
Äälte auf bic flippe, einige ju Van. Levana gemalt; aber burd)
Sßärmeeinwirfung auf Seoanapuppen , Van. Prorsa ju machen,
gelang tüd&t. ®ie warnte gto™, auö ??rüf)lingöeiern unb ©ommer*
puppen, Prorsa, ift burdf) Äälte tierfdjiebbar ; bie £erbfteier mit üjren
ber Ääfte auägefefcten puppen (Levana) ift unwanbelbar. SSor ber
©iöjeit gab eä trieHeidfjt nur V. Prorsa ; jefct gibt es in ber gemäßigten
3one außerbem bie 2Binterform V. Levana unb baö fjat SBallace
©aifonbimorpljtsmuä benannt, ©ottte eine ^tit fommen, wo bie
Sßuppen etwa burd) 9iad)tfröfte, aud) im Sommer mef)r Aalte leiben,
als jefct, fo mürbe eö nur noeft V. Levana geben. 2)ic urfprüng=
lidf) V. Prorsa märe ausgestorben unb bie Levana neu gefd&affen,
gang wie bie Paläontologie von ben Slrten ber SBorwelt in triefen gfitten
es annehmen muß.
33is jur ©tunbe ftnb feine anbern ©yperimente mir befannt,
bie angeblich ju neuen SKrten geführt liaben. 2luS fo bürftigen
Xljatfacf)en laffen ftdjj gewiß allgemeine ®<f)füffe für bie ©efamtljeit
ber Slrten gar nidf)t fliegen. 33ebeutfam bleiben fie aber für bie ^rage,
ob bie Umwanblung ber älrten in foldfjer SBeife vorgegangen fein
muß, baß bie bisjunftioen Gfjaraftere unmerflidje Uebergänge burefr
laufen tjaben, fo baß bie 2lufredf)terljaltung ftjftematifd&er 3trten
unmöglich wäre, wenn man bie Qnbbibuen in voffftänbiger Steige twr
fidf) Ijätte! ®ie Sarwiniften neigen ju biefer SBorauSf efcung , ober
glauben fteif unb feft baran, oljne jeben beweis; natura non fecit
saltus, ift nun einmal ein ftd&rer ©afe. 3lber man vergißt, baß bie
geringfte SSerfd&iebung in ben fteimelementen ju großen Abweisungen
im weiteren Verlaufe ber ©ntwidelung unb in ben ©nbprobuften führen
fann. ©erabe wie bie molefuläre SBeränberung in ber glüfftgfeit,
aus ber fidfj ein Ärpftall nieberfd&lägt, eine abweidfjenbe gorm ber
ÄrpftaUe juwege bringen fann, obne 3roifd)enformen, fo fann es bei
ber langen SHei^e ber 3 e ß en , auö toten & aö tjollenbete Xkv ftdf) all-
mäljlidf) aufbaut, gefdfjefyen. 3m Chromat in gab es feinen wabr-
ne^mbaren saltus, wof)l aber in feinen ©nbprobuften. ©ine ganje
Steige anbrer ßrfdEjeinungen fpridfjt für bie fprungweife $)ifferenjierunfj
ber £iere unb ^flanjen. 3ft bodf) fd&on bie red&t große Srifferenj
jwifdfjen mann tieften unb weiblid&en ^nbiüibuen, — bie, wie vorder
gefagt, von bem ttebergewidfjt bes einen ober anbern ber 33eftanbtei(e
im bifeyualeu Reime abfängt, — nid)t burdE) eine 9ietf)e t)on 3wttter*
bilbungen in ber SHegel vermittelt, ßbenfo treten bie Mißgeburten
— 151 —
pföfcltdj auf imb bennodf) vererben fic fidf) in vielen fällen. %n bem*
felben Sinne ift audfj bie Umwanblung bcr Vanessa Prorsa, von
ber oben bie Siebe gewefen, bebeutfam. 3)ie Äälte %at ben 5Ber=
bauungöprojefc in ber Sßuppe ber Prorsa, fo ju fagen, urm
gewanbelt. Sei Snbiwtoien, wo. biefe Umwanblung eine gen)iffe
©renje überfdfjritten tyat, ift eine Levana barauö geworben, n>o fie
innerhalb biefer ©renjen verblieb, bleibt es bei ber urfprüngKdjen
ftorm. $n ben fertigen organifdfjen formen liegen verfdfjiebene
Sproffen einer £eiter, Stufen vor, bie erreicht werben nid^t burdfj
baö Springen ber fertigen ^formen, fonbem burdfr baö £inaufranfen
aus wenig verf$ebenen Sfafangöpunften $u verfd&iebener £ölje. lieber
Stufen unb nidfjt über eine fdfjiefe ©bene §at fi<$ bie £ier* unb
^ffanjenroelt auf ©rben ju immer &öl>erer unb metyr unb meljr bifferen*
jierter Drganifation emporgehoben. 3e umfaffenber baö biäjunftive
Systema Naturae fertig wirb, umfaffenb bie SSefen nidfjt nur ber Qefcfc
seit, fonbern audjj ber ganjen SBormelt, um fo beutlidfjer tritt bie unver=
mittelte Unterfdfjeibbarfeit ber Strten ^ervor. 2)er wal)re ©runb
ber ©ntfteljung ber SKrten, tyre reale 33ebingung, ift eben ber ©kernte*
muö ber fteimelemente. Sie befielen aus SKtomengruppen von aufcer=
orbentlidjjer 9Rannigfaltigfeit, in Safyt un *> & a 9 e / änbern über ab,
wie alle dfjemifdjjen SBerbinbungen , nidfjt nad& fontinuierlid&en, fon*
bern nadj) r^t^mifd^en SSerfd&iebungen. 3Me blofc fontinuierfidfjen
Steigerungen unb 3Winberungen mögen Slnlafc geben ju Waffen unb
Varietäten, unb mögen ben ©intritt von r^t^mifdfjen Stenberungen ber
Äonflitution in ben fteimelementen vorbereiten.
©o, benfe id& mir, wirften bie von 35arwin hervorgehobenen
brei Vorgänge: bie SBariation, Sluömerjung unb Vererbung vor*
bereit enb, bis nad& einer langen SWei^e von immer in etwas anbrer
Seife wieberljolter Sluflöfung unb Slusfd&eibung ber Äeimelemente,
tyre 3ufammenfefeung an eine ©renje gelangt. $n ber bisherigen
SBeife get)t es nid&t weiter, aufhören ober nadfj einem neuen 9^0)=
mus fidfj fortpflanjen ift bann ber 2lusweg. 2lusfterben ober 2Retas
morp^ofe ift bie alternative. 9Jtan fann biefelbe SBorftellung aucij
folgenbermafcen ausbrüdfen. 2)a bie Äinber ben ©Item nie voHfommen
gleidf) finb, fo gibt es, ftreng genommen, nie Degeneration otyne eine
geiüiffe Siegeneration. SDiefe fü^rt fdf)lie<df) ju 3 er faK ober Um*
roanblung in eine anbre fpftematifdfje 2lrt. Db nun bie brei von
Darwin mit SÄed&t hervorgehobenen Vorgänge, mit 9tedf)t, fo lange
feine anbern in ber ©rfaljrung jur 33eobad)tung gefommen, ausreißen,
um ju bem, jeber 2trt fdfjliefclidf) bevorfteljenben ©nbe ju führen, bleibt
— 152 —
eine offene ftrage. $aö Sntftefpn btefreter 9Crten, uadjj Darwin-
frf>er Sprojebur, ift bidljer nid)t beobachtet, unb bie Umroanblung ber
Sßrorf a^uppen burdf) ©inmirfung ber Halte bewetft, bafe in Meiern
gtofle bie SSererbung unb baä lieberleben ber jroedfmäjsigeren Varietät
e* nid^t madfjt. SBenn man an bie einfdfoneibenben SBanblungen ber
Organismen benft, bie jioifd&en ben £auptjeitabfd>nitten ber grb-
gefd&id&te fid) jutrugeu, begleitet von Sßanblungen in ben Sor
gangen auet) ber unorganifd&en Statur ber ©ebin\ente unb ber 33er^
teilung tum fianb unb ÜWeeren, von liefen unb £ö!)en u. f. m., fo
liegt e* na^e, an eine SBerfntipfung ju benfen. Vorbereitet waren bie
Organismen burdf) oortyergefjenbe Degeneration, gemifj fdfjon lange.
Qnbeö fönnten, wie bie ßälteroirfung bei ber Prorsa, fo audj anbre
pf)t)fifalifd^e unb dfjemifdfje ©innrirfungen oon auften ben SBedtfel ber
arten befdf)leumgen unb fd&roffer machen. 3Benn erji gegen bie
Sertiärjeit f)in 2Wono* unb ©tfotglen ftdf) cinfteffen , an Stelle ber
früher etflufto l)errfd&enben Äonifereu, Jlorbaften, ßpfabeen unb
©porenpflanjen , fo wirb man ftdf) bad faum anberd, alö im 3 U ~
fammenljang mit flimatifdfjen SBcränberungen oorfteHen. £iefe 3Scr-
önberungen inbes reidfjen faum atä, um and) nur bao 31uofterben
ber in tyiftorifdljer $t\\ bagetoefenen 31rten ju erflären. Das URammut
fyat, ebenfo wie baö ©ibirifd&e SRaöljorn, bie Äälte »ertragen, bie
gegenwärtig am ©temeer IjerrfdEjt, unb an fjofjigen ©ewädjfen, jur
©rnäfjrung biefer Xiere, fef>lt es nid&t. ®ie ©eefuf) ift Derfdfjnmnben,
nidf)t bafc bie SJlenfdfjen fie ausgerottet Ratten. (Sbenforoenig fennt
man Seroeife für 2lu$rottung burdfj bie SRenfd&en ber in ber
lebenben SBelt nidfjt länger üorf)anbenen groften 9?ögel 3)iabaga§=
farö (3)ubu unb Slepgornte) unb 9?eufeelanbs (3Mnorniö). Tie
Sßrotiferation, bie nadf) SKanfe audf) bei Ijiftorifdben SBölferftämmen
juroeilen fd&roinbet, mag Ui biefen Vieren in natürlicher SBeife er;
fofdfjen fein.
SRur in einer SRidfotung ift bie Sßaublung ber formen möglidj
geroefen, — eine progrefftoe äBanblung, fo fdfjeint eö, in ben wenigen
angeführten ©rperimenten , von einer jüngeren ©tufe jurücf ju einer
älteren mürbe 511m 3 er faß führen.
©0 lange pdf) nod) nme Jltome in bie gegebenen Steimelemente
einfügen fönnen, fo fteHe idf) eö mir oor, füfjrt eö $u neuen Arten,
— fobalb alle alten Kombinationen fidf) nidit mefjr uerjüngen fönnen,
brängt es jum 3 er f a ß-
3dj fomme mm auf bie (Srflänmg beffen, maß 3) arm in nicht
fjat erflären fönnen.
— 153. —
1. 3Me ©ntftefjung neuer formen erflört fidf) aus bem SReaU
gnmb ber 2frt. Sie ift bebingt pon ber dbemifd&en tfonftitution
(pon ber gormel) ber Äeimelemente. ®urdf) beftänbige Umlagerung,
^erignofe, werben anbersartige .ftompofttioneu ber 9ltome vorbereitet,
zuweilen burdfj ©inwirfung neuer äußerer SUcr^ältniffe in fefjr hetero-
gener ÜBeife ju jtanbe gebradjt. UebergangSformen jroifd&en b«n
Hauptabteilungen bes natürlichen Stjftemö tyat es immer nur n>enig
unb feiten geben fönnen. Sie liegen bem 3 eu taim ^ö Sgftems
nafje, wo es wenig Spielraum gibt. 3wiföcn arten bes StjftemS
fann es aber feine 2Wittelformen geben, weil bie Sttomifti! bie Strt
mad&t, unb bie 2trt nur als ein lefctes ©lieb bes bisjuuftipen
Systema Naturae beftniert werben fann.
2. Sie ibentifdfje Orbnung, in ber fidfj bie ^loren unb Raunen
ber ÜJorweft auf ber ganjen @rbe ablöfen unb folgen, Ijat ifjren erften
©runb in bem gleichartigen SluSgangSpunft aller Organismen, von
primitipen (3cttcn ober) ^ßrotoplaften. 2Benn audf) in perfdjiebenen
©egenben ber ®rbe, bie äenberungen ber ©nbprobufte, b. f). ber
fertigen Xiere unb ganjen nicf)t gan} gleichartig unb nid)t genau
gleic&jeitig eingetreten finb, fo wirb in ßimberten i>on ^afjrtaufenben
eine gewiffe Analogie fidfj bodf) geltenb machen. 3Jad^ ben erften
fyunberttaufenb Queren, nacf) ben jweiten u. f. w. wirb bie Um*
änberung überaß einen jiemlidf) analogen ©rab erreicht ljaben. treten
nun fjinju anberweitige 2lenberungen , bie ju 3 e ^ en bk 9 an ä c ® r ^ c
betrafen, Slenberungen ber Sommerwärme, ber 3 u f atnmen f e ^ un 9 von
l'uft unb SBaffer, fo entfielen baburdf) neue Analogien. 3)ie por=
banbenen 2lrten ftnb burd) ifjre innere Sßarigeuefe porbereitenb anbers
geworben unb erleiben nun gemeinfam tiefgreifenbe SBeränberungen
auf ber ganjen ©rbe.
3. ©er ftortfdfjritt * ou uupollfommeneren SBefen mit weniger
Organen unb eigenartigen Munitionen, — pou ^Jflanjen ot)nc SSlüten
unb Vieren of>ne ober mit wenig ausgebilbetem 0ef)irn ju ^Jpanjen mit
v ölütenfd&mu<f unb ju Säugetieren mit anfeljnlid&em ©efjirn, — biefer
*ortfd)ritt ift bie notwenbige golge ber progreffipen Umänberung. £as
ift eine Umänberung, bie immer nur in bem £tnjutreten pon Atomen
in ben Äeimmplefeln befte^en fann, nidfot in bem Verarmen an SWolefeln,
bas ben %erfa1L jur ^öfge l)at. So werben fiel) immer mef)r unb meljr,
ntbm beu jum Steil pou alter 3^it f)er in peränberter #orm nodf) per=
bleibenben formen, neue immer poöfommenere Organismen einfinben.
3d^ refumiere fdjliefelicf) ben ©ang, wie bas natürliche Softem,
baö wa^re Systema Naturae 311 ftanbe ju bringen ift. (£rft muffen
— 154 —
bie ,3ttbu>ibuen gruppiert werben nadb ber änfdjauung. Sie
legten ©nippen fittb bie Slnfd&auungdarten , 2ppen ber Slnf djauung :
es fd&roanfen bie ^nbioibuen um einen SIppuö; ©renjen für biefe
2fafdf)aunngsarten fommen nidfjt jur Äenntniö. Siefe Sppen orbnet
man nadfj Aetjnlidtfeit ju ®attungen, gamilien, Drbnungen, immer
nadfj bloßer 2fafd(jauung jufammen, unb fyat fomit ein oerjroeigteö
Softem gef Raffen, baö bie notmenbige Unterlage liefert für jebe weitere
ftjftemattfdEje Bearbeitung.
3roeitenö fudf)t man Äennjeid&en auf, bie eö geftatten, bie 81ns
fd&auungöarten annäljernb in berfelben Drbnung, bie nadf) ber Steftn?
lidftfeit im #abitus entworfen würbe, in ein Softem ftreng btöjunftiper
Segriffe ju bringen. Sie lefcten Ölteber biefeö ©tjftemö finb bie
fpftematifcfjen, wiffenfdfjaftlidf) begrünbeten, in ber ©rfafjrung gegebenen
^rten. ßö Ijat fidb ergeben, baß bie bidjotome Einteilung im all-
gemeinen nidjt nur bie jutn Auffinben unb 3Biebererfennen ber fpftema=
tifd^en Arten bicnlid&ere ift, fonbern baß fte audf) bie naturgemäßere ift.
föö fei erinnert an bie 24 fiinuefdjen ^PflanjenHaffeu, im ©egenfafc
ju bem natürlidjjen Softem; an bie ©inteitung ber Eiere in 2BnrbeU
tiere unb 9Zid&twirbelticre, — in ©liebertiere unb 2Beid)tiere u. f. tu.
3Wit ben Jiennaeidfjen »ertraut, wirb man erft baö natürliche Spftem
uid&t nur begrünben, fonbern auclj nerbeffern. Ser £abituö bat bei
ber 3nfammenftettung nadf) ber Sfaf dfjauung oft irre geführt ; erft wenn
man fid£) oon ben entfdjjeibenbeii Rennjeidfjen in ber Struftur tjat burefr
bringen laffen, ift man befähigt, ju erfennen, baß bie Blmbfd&feicbe
naturgemäß, ju ben Gibedfjfen unb nidfjt ju ben Schlangen gebort, unb
fo in unjä^figen anbern fällen.
$n britter Steige fann man fid) mit ben Spekulationen über
bie Slbftammungen ber Arten, ©attungen, Familien, Drbnungen t>on=
einanber befd&äftigen. Sa feljlt eä an ben unerläßlichen empirifd&en
Säten unb man verfällt bamit leidet in unwiffenfdf>aftlid&e Spielereien.
Qu 3ufammenl)ang mit bem geologifdjen Älter, mit ben ©rfaljrungen
über bie 3 e itfolge be* Auftretens ber formen in ber ©rbgefdfji^te,
befommt biefe Befestigung mebr ©efjalt. Sie Bergleid&enbsanatomifcbe
Betrachtung gibt tyr gleichfalls ernfte Bebeutung.
(Sine merte Aufgabe liegt enblidf) ber Biologie nodjj uor, aber
oon großer Sdjjnrierigfett. Gö ift baö genaue ©tubium unb bie
experimentelle ©rmittelung ber 3 e "g«»g un *> Gntwidfelung. Saljin
redjne xä) j. B. bie Berfudfje über Baftarbbilbungen gwifd&en Am-
phibien, wie fte ^ßrofeffor ^flüger in Bonn, wenn i<$ mic§ reit
beftnne, angeftellt bat. 6* fam babei berauö, baß bie ©amenfäbc&en
— 155 —
(Jennifer 2trten wegen ju bidfer ftöpfe in bie Gier anbrcr Slrten nid&t
Ijineinfdjlüpfen fönnen, ober bafc bei einigen arten bie 3 u 9 än 9 e > ^ c
SRifroppten, ju eng finb, um von fremben Samenfabd&en befruchtet
roerben ju fönnen. 6ä fdf) liegen fidj in biefer 2Beife geroiffe 3trten
ab. 3Iber erft wenn man genau bie atomiftifdje ftonftitution beo
Gfjromatinö erfannt Ijaben roirb, lägt fid) Ijoffen, bafe roir ben realen
Srunb ber Spejififationen in ber -Matur ein wenig meljr roerben
fennen lernen. Rety fennen wir baoon nur fo trief, ba§ bie 2Ubummate
überrafd&enb triefatomige unb burdfj (Störungen unb anbre SBirfungen
leicht oeränberlid&e ftörper finb, von fogenanntem labilen ©leidfj*
genügt. So oiel Spejieö, fo oief dfjemifdf) ju d&araftertfierenbe 5ßroto-
plaften! 2)arauf, benfe id&, wirb biefe Slufgabe Ijtnauölaufen.
Slnmerfung. beiläufig fann Iieroorge^oben werben, bajs fo-
lange bie Temperatur auf ber ©rbe eine gleichmäßige geroefen ift,
in Xaged- unb Qa^reösctten unb in ben t>erfdriebenen ©reiten, bad
Protoplasma {einen Sdfjufc gegen ben £emperaturroedfjfel beburfte.
3n ben früfieften ©ntroitfelungfcftabien finb bie s #rotoplaften befonberö
empfinblid). SBenn nur erft gegen Gnbe ber Jtreibeperiobe angio-
jperme Spftanjen unb placentäre Säugetiere fid) einftnben, fo
seigt eö an, bafe bie Temperaturen bis baljin feinen fo ftarfen Sdfjufc
ber Steinte erforberten, al* gegenwärtig. 6in ewig umroölfter Fimmel
hat baju beigetragen, bie ©ptreme ber 3Bärme unb Aalte abjuftumpfen,
— bie garblofigfeit ber Slütenftänbe fprid&t für ben 9Wangel reinen
öimmete in älterer 3eit. 2>ie SSorrid&tungeu , oermöge welker in
Den auögebilbeten Vieren bie innere Körpertemperatur nahebei unoer-
änberlidf) erhalten bleibt, trofe ber Sdf)roanfungen ber äußeren Tempe-
ratur, bie fogenannten ^omöot^ermen, fehlten in ben älteren ^erioben.
Gö gab nur Ijeterot^erme SBefen, b. I). fold&e mit faltetn 33Iut, welche
bie Sdjwanfungen ber SBärme ber fiuft unb beö SBafferö aud) innere
litf> mitmadSJen, lebenb in gewiffen ©renjen, über bie fjinauö fie ge=
tötet roerben, — oljne dou innen bie Temperatur ausgleichen ju
fönnen.
— 150 —
(1887).
6in 2lrtifel von $artl)£lemt) St. £üaire in ber R. d. d. M.
„la philosophie et les sciences", liefert mir eine« neuen 33ewei$
bafür, ba§ bie ^}f)ilofopf}ie feine SBiffenfdfjaft ift, bie etwa fo wie
eine 9iaturmiffenfdjaft ober eine matfjematifcfye SMäjiplin, ber ganzen
fultioierten 9Wenfd&f>eit einer %tit angehört. Sßieberbolt 3eigt 33artbe*
lernt), ba§ er für tfant fein SBerftänbni* ijat. £>en Unterfd&ieb jnrifAen
bem oorftellenben unb bem oorgeftellten $d) fennt er nid&t «. f. w. . . .
©d gibt immer SJienfdjen, bie auf Äant in einem 9Ilter ftofjen, wo fie
iljn nid&t mefjr fennen fernen fönnen. 2>arum fjanbelt ed ft<$ bei
Jtant nid&t, eine £r)potf)efe ju fd&affen, ouö welcher bie 3$atfadüe ber
©rfafjrung abjuletten wäre. $>iefe ift ifjm gegeben. @r finbet, baß
bie 2lnfdf)auungö- unb $enfformen bei 2lnwenbung auf bas uorpe^
[teilte 3* unb auf bie Dorgeftellte SBelt ©eltung haben, jeboc^ über
baä porfteüenbe ^i) unb über bie SBelt an fiel), beren (friftenj auo
ber ©rfafjrungötfjatfadfje jit folgern ift, feine oerläftlicbe Srfenntni*
ermöglichen. Um ftant ju wiberlegen, genügt ea nid&t, mit feinen
©rgebniffen fidj unbef riebigt ju ertläreu, fonbem cd muft erwiefen
werben, baft er ju oiel behauptet t)at. 3Me 9toum= unb 3 e ^9 ren ^ cn
muffen, als SSbftrafta auö ber (Erfahrung, uon ber unbegrenjten uitö
a priori innewofjnenben SRaumanfd&auung unterfdneben werben. So-
lange biefe Slrbeit nidf)t gefeiftet ift, wirb weber bad Sefjarren auf
bem ^egelfd^en ©tanbpunft, oon bem a\& bie Söieberfebr beö länflft
für überwunben unb begrabenen Hanta unerflärlidj bleibt, nodb ftart--
mannö ©inmürfe über bie ftantfdjen Klippen f)inwegf)elfen.
— Oft wirb ber ^eljler wieberfjolt, Äant fo ju beurteilen, ato
l)abe er nidjt ber praftifdjen Vernunft baö ^rimat oinbijicrt. £arin
fjat er ja eigentlich wie Sßaöcal gebaut, bafc er junäd&ft bie 91id)tür
feit ber tl)eoretifdf)en Vernunft, aller 5fletapf)t)fif, feftftellte. £afi bie
3>inge fo finb, wie idfj fie wal)rnef)me bei gefunben, machen Sinnen,
baft bie anbern, mit ©innen begabten ©efdfjöpfe, baöfelbe alö id)
wafjrnefjmen, bafj enblidt) idfj fefbft, midf) meinen $efdf>affenf)eiten nad)
malzunehmen oermag, wenn babei audf) Selbfttäuf jungen mit
unterlaufen, ftefjt für bie praftifdfje Vernunft feft. Dafj man aber
in metapf)t)fifd)er SBeife weber über bie 2luf$enweft, nodf) über baä
$ä) ju Jtenntniffen gelangt unb nur ju leeren formen Eintreibt, bie
— 157 —
als ejriftenjen ju beurteilen, ju 2Biberftnn fttyrt, baö ^at Äaut be=
miefen. 6ö f feinen ^artmann uub mele anbre von ber £auptfad(je
bei Äant feine SRotij nehmen ju wollen. Kant tjabe gejeigt, bafe mir
oon ben 25ingen an fidfj unb von und felbft nid&tö troffen fönnen,
baljer atteö nur fubjefttoe ^Hufton ift! bamit Sßunftum. Sie Ratten
aber fagen follen, baft mir burdf) 3Wctap^pfif feine Slufflärung barüber
erlangen fönnen, unb wären bann in ber SBaljrljeit.
So oollftänbig anjuerfennen ift, bafc SRaum unb 3 e ü bei jeber
(ftfatjrung, um fte ju ermöglichen, muffen üerroanbt werben, fo be*
ftimmt ftnb baoon 2tuöbe^nungunb®auer, ate emptrtf df)e 3)aten,
p' unterf dfjetben. 2)urdf) bie Sßafjrnetjmung beö $ä)$ fomme idf) auf
empirifdjem SGßege ju ber SBaljrnefjmung ber 3^tgrenje, o^ne Sd&mierigs
feit, fobalb idf) bie abfolute 3 e ^/ in bie idf) mein 35afein unb meine
Seränberungen hinein t>erfefcen faun, jur Verfügung fyabe. #abe id)
baö nidfjt, fo fjört bie 3Wöglid^feit, ein 3$ wafjrjuneljmen unb fomit
jebe inbimbueHe ©pftettj, 9011 ber allein id) ©rfenntniö gewinne, auf.
2lu* bem 9?idf)tö ber eigenen empirifd&en giften} barf iä) aber ntd&t
fliegen auf ein SWi^tö ber Sßelt. 35ie SGBelt war unb bleibt ofync
mtd). — Sie SRaturforfd&er, bie eine abfolute Realität uon SRaum
unb 3*it annehmen, ftnb nidfjt baburif) ju wtber legen, bafc man be=
Rauptet, 9laum unb 3 e ^ ftnb nid^tö °^ne ©rfdfjeinungen, b. f). 98af)r=
nefjmungen. 9?aum unb 3^it ftnb $u jebem $orftellen nötig (picHeidfjt
weil biefeö nur eine gtom ift Don Bewegung, unb jwar bie fidf) fefbft
roatjrnefjmenbe Bewegung), aber baö 35 orft eilen ift nid^t nötige
Sebingung für jebe Gyiftenj. Sie in ber SBorfteffung üerwanbten
Saum unb 3«* fatten ro*9/ wenn ** Wne SSorftellung gibt, aber als
ein Stbfotuteö fönnten SWaum unb 3 e *t unerfannt eyiftieren. 3)ie u\u
erfannten Daum* unb 3^tanfd^auungen fönnten übereinftimmen mit
ben Delationen, bie ate ©wigfeit unb Unenbli<f)feit jur SBerwenbung
fommen, fobalb bie ©rfenntnis in bie SBelt tritt. — Dfme biefe 2ht=
nannte fommt man aus ben Unf (arbeiten nidjt tjerauö, j. $. pag. 77 :
„3Bir fennen nidfjtö (oon ben ©egenftänben) ate unfre 2trt, fie wal)^
juneljmen ... bie audf) nid&t notwenbig jebem Sßefen, objwar jebem
SRenfdjen, jufommen mufj . . ." pag. 85: „ßö mag fein, bafj alle
beufenben, enblidfjen SBefen hierin mit bem 2Renfdf)en notwenbig über=
einftimmen muffen; — " f)ier liegt baö 3 u Ö e flä"^niö ber empirifdfjen
Ungewißheit, ob anbre SBefen 3 e ^ un ^ Slaum bei if)ren 2Ba^r^
ne^mungen Derroenben, unb bie a priori gänjlid& unerroeiölid^e 2Sor=
ßusfeftung, ba§ bie -äßenfdfjen allgemein eö tfiun muffen, weil idf) eö
%n mufi. — Äant t>at nie julaffen wollen, baft man aus feiner
— 158 —
Sefjre folgerte, ben ßrfd&einungen entfprädfje nidfjtö, alft eigene 3>or-
ftellungen. — ©igentlidfr teljrt Stant: baß Sbealiftifdfje alles £ranö=
fcenbentalen, — bie Realität nur beft ßmpirifdfjen. SBenn aber bie
empirifd&en ©rfdfjeimmgen ju SSorftellungen gemadfjt werben, fo werben
fie #tmgefpinfte. ftant wollte ber ©mpirie bie 33af>n fid&ern, um ber
©pefulation fie ju Der legen, ©eine inneren SSiberfprüdfre würben
aber jum 2htSgangäpunfte erneuter, transfcenbentaler ©pefulattonen.
21. 3Wai. — lieber bie ©td&erljeit ber ©rfenntniffe*). ©$ein
ober Sein, £raum ober Sßirfltdfjfett, wie Ijält man bie auSem-
anber?
i. etetitfrft. 1. 2)urdf) bie 2öat)rnel)mung bleibenber folgen.
2. ©ieber^oibor. 2. SJurdfj gleichmäßigen ©rfolg bei beliebig wieberljolten
SBerfudfjen.
3. ©reifborfett. 3 . ®urdf) 93ctaften.
£er £raum bleibt meift fogar im ©ebäd&tnis nur wenig, fomntt
juweilen wieber, läßt fidfj aber nidfjt nadfj ^Belieben wieberljolen unb
feine ©eftalten laffen fidfj nidjjt greifen, @s finb bie ©inne ben
SJ^antaSmen oerfdfjiebentlidj jugänglidfj. ©eftd&t unb ©efjör am l>auftgjlen
unb üoDftänbigften, feiten ©erudf) unb ©efdfjmadf, am feltenften baö
£aftgefüljt, weshalb biefer ©inn als ber realfte, als ber eigentlic&e
SBcdcr anjufefjen ift, benn erft, wenn er unempfinblidf) geworben, fann
©df)laf eintreten. 35ei 2lnwenbung ber brei angegebenen Unterfdjjei=
bungSmittel gewährt jebes für fidfj fdfjon ©idfjerfjeit oor SBerwedfjfelung
rein fubjeftioer @rfd(jeinungen, mit folgen, bie bleiben, wenn es aud)
gar fein oorftetlenbes ©ubjeft geben würbe, ©rfenntniffe anbrer wx-
bienen SSertrauen in bem ©rabe, als fie bie brei Unterfdfjeibung^
mittel angewanbt fjaben. SSenn bie Mitteilungen anbrer folgerichtig
finb, aus wiebertyolten 23eobadfjtungen unb SBerfudfjen abgeleitet, —
ober wenn fie greifbare ©egenftänbe betreffen, bie ber 6rjat)ler U-
taftet fjat, — bann oerbienen feine angaben SBertrauen. SQSenn &
aber 3Bat)met)mungen finb eines aufgeregten entfjufiaftifcijen ©emüts,
bas fidfj für befonbers geartet ^ält, — etwa Offenbarungen; — ober
wenn man felbft in foldfjem 3 u f an ^ e & cr ©iftafe etwas gefeljen unb
*) Sie Einge, alö erföeinenbe, §aben $uv SBorauSfefcung nidjt Mojj trani-
fcenbental-pljilofop§ifc§e ©innlic$!eit, fonbern aud) emptriföe ©innlic^fett. Sollte
bie erftere bie Realität ber 25inge nic§t erroeifen tonnen, oerfuc$e man ed mit
ber jroeiten.
— 159 —
gehört Ijat, roaö nidfjt beliebig mieberfjolt ober roaä nid)t geprüft roer=
ben fann, bann fjat man es mit ^Huftonen, ^tyantasmen, ©inbilbungen
$ü tfiun.
3m gen>ö!)nHdf)en Seben wirb nad? ben breierlei Unterfdfjcibungö* x«r Denier »in
mittein unb nadf) ben auf fie gegrünbeten SDlitteifungen, ber Unter* "lein nt«t eine*
fdfjieb jmifdfjen ©dfjein unb Sein fidler gemalt. 2lber ber Genfer fln 6$ctn t» "
verlangt, jeben 3 roc *f c * nod) darüber ju entfernen, ob nid&t baö, roas
im gemö^nlid^en Seben für ein 35afeienbeö gilt, nur eine anbre Slrt
oon ©d&ein fein fönnte; — ein bem menfcpd&en ^nbimbuum etwa
bleibenber ©dfjein, ein fortgefe|ter £raum, — ben in ber iWad&t bie
abgebrochene unb flüchtige ©attung oon £raum unterbricht, ©reif*
barfeit, 2Bteberl)olbarfeit, £auer in i^ren folgen, mögen bie &enm
*eidf>en bes roirflidfjen Seins im ©egenfafce ju ben Äennjeidfjen
be* traumhaften ©dfjeins fein. 2Bad finb aber bie biefem ©egem
fafc ju ©runbe liegenben SBorftellungen ? $aö roirfüd^e 3Mng bleibt,
ob es audj roeber eine menfd&lidfje, nod) eine anbre Qntettigenj gibt,
bie eö auffaßt; auclj bie 35erl)ältniffe jnrifd&en ben tmrflid&en fingen
bleiben, oon aller anteiligen j unabhängig, bie fie erfennt, aber nid&t
erfdfjafft, — bie oon ber anteiligen j erf d&affenen 6rf Meinungen , bie
aufeer^alb ber 3fnteDigenj nid&t jur 2)arfteUung gefommen finb, oer*
fdjnrinben mit ber QnteHigenj, bie fie erjeugt tjatte. Jupiter ift
nid()t mefjr, ob audfj Statuen, bie tyn uerfmnlidfjen foßten, finb;
ber ©laube an Jupiter mar ber ©taube an nidfjte Söirflidjeö, an
2Bal>n unb ©cbein. ©eine Silbniffe unb Tempel waren aber roirfc
lief). SBie fott nun meine intelligent erfahren, ba§ etwa* t>orf)anben
ift, bad nicfjt in ber Qntelligenj allein ift, obwohl bie 3m Man mu*
telligenj nid&t perfpürt, roaö in fie nidfet hinein tritt? ©ie mufj in urfa*enau*er$aib
liefe, ju biefem 3 roe ^/ SBirfungen oerfpüren, bie uon Urfad&en außer* iu*«t.
fjalb ber anteiligen} fjerrü^ren.
1. Sunt. — SBerfudf) füqer nieberjuf ^reiben roaö jur &enntnis=
rtjeorie mir ein wertvoller Seitrag fdfjeint:
Äant bat unroiberleglidf) beroiefen, baft Kaum unb 3 e ^ (Km *qn» «wi m*r.
rtdf)tungen beä Qntelleftö finb, otjne bie er feine ßrfatyrung machen 3rrtum.
fann; — aber er irrte, wenn er bie Sd&ranfen in Kaum unb 3 e i*
für £eitöjen von Kaum unb 3 e ^ #*& S* e finb 3lbftrafta oon ben
in bie ©rfa^rung tretenben Äörpern unb Gegebenheiten. Sie finb
feine Sorbebingungen ber Grfafjrung. ©ie werben entnommen bem,
n>aö ben Kaum unb bie 3*ü in ber (Srfafjrung füllt, — bem ^nfjalt
— 160 —
unb nid&t ber ftotm, — bem Vielerlei, nidbt bem ßinerlei. Tie
3)aB9« tann^on aprioriftifd^e 3eit m ^ ^ cr aprioriftifd>e Siaum ftnb ganj o&ne
€*tan?m w«, ©d&ranfen. ©inb bic ©d&ranfen aber auä ber grfabnmg, fo ftnb bie
Raffen. iV Urfadfjen baju nieftt im benfenben ©ubjeft. 3)aö blofee $<!>, ba co
Mr«iSkimSt. nK feine Sdjranfen oon fidf) auö fefcen fann, bringt es ju feiner 2üiftcu-
weit. 2)ie ©d&ranfen beweifen bie ©yifienj ber anbem SRenfdben unb
ber SBett. ©ingebilbet, geträumt fbnnen fie ttid^t fein.
®et «öttepamj*c 3)er Gartefianifdje 3 ro eifel an allem, außer bem ©elbft, ftüfct
3» f«i. p^ t) arau ^ bafe im £raum bie Sd&ranfen ebenfogut erfd&etnen, wie
im SBadfien. Stber bamit miß $e$carteö bie Außenwelt nur für
weniger bireft jugängltdf) bem Seifte erflären, als baö ©elbft. 3 U
bemerfen ift bagegen: 1. $er £raum reprobujiert; — nur bieÄonu
3m Traume binationen finb barin neu. 2)ie Gigenfd&aften, formen, ifjre 5?er-
^^BHrtcujSÄ tT fyältniffe, tyre 2lufeinanberfolge werben im Traum anberö gemifdbt
'weST auftreten; aber ber SJlinbgeborene träumt feine färben unb ber taub-
geborene feine 9Jhiftf. 3™ Traum erfdjeinen nur ber Sßirflidftfeit ent=
nommene Elemente, infofern ift ber Traum real; wenn er audjj ju=
fammenftellt, was nidjjt gegenwärtig ift, — fonbern waö einmal
gewefen. 2. ßö gibt brei flennjeid&en, baran bie geträumte imaginäre
Außenwelt tum einer realen ju unterf d&eiben ift. ©reif barfeit,
®ic - brei unter. 2Sieberl)0 Ibarf eit, Untilgbarfeit, aU ein ©lieb ber Äau=
eibunijftm t. | a [ rc j^ c ^ ^ er a [ ö c j n unt )eränbert fioxtbtftttynbt*. Tiefe Renn*
jeid&en fommen in oollem 9Wafec nur bem Realen ju. ©reifbar filrt
bie Traumgeftalten faum, wenn ed audj $1 luf tonen beö Taftgefübls
geben fann. Tie ^linte gcfjt bem Qäger im Traum gar nidfjt ober
fdfjledfjt loö, weil ber Ringer & aö Äbbrficfen nidjjt fpürt; ber blinbe
ftlaoierfpieler Ejört Sftufif, fpielt aber felbft nidf>t; ber Steif enbe fäbrt
im Traum nid&t auf ber ©ifenbatyn, weil baö Taftgefüljl bie eigen-
tümliche Bewegung uid&t fpürt. Ter im Traum Um^erwanbelnbc
fü^lt feinen ©ofjlenbrudf, unb eö finben fidb glugträume ein; ber
ßinfdfrtafenbe träumt einen iljn erwedfenben ^aU, fobalb baä Tafc
gefüljl wieber einfließt, u. f. w. ^ßufionen Pnb woljl bem Taft'
gefüfjl ni<f)t fremb, aber feine reine s }tyantaömen o^ne aftuelle Urfacbe.
Ter Tgpfjuöfranfe fpürt j. 33. ben Trucf bes einen Seind auf bao
anbre unb fdjjicbt tyn auf einen fremben 9Wenfdf)en; bie Sippen
berühren bie Tecfe ober einanber unb eö wirb ein Äufc geträumt. 25er-
gleiten ^ttuftonen ftnb feine feltene ©rfdbeinung. Slber redete ©reif-
barfeit, baö wußte fdfjon £omer, fann man ntdfjt träumen. — Tiefelben
Umftänbe bringen biefelbe SBirfuug. Ob es Umftänbe ftnb, bie blofe
bie öeobadfjtung ermöglidjen, ober bie eine Grfcfteinung erjeugen, —
— 161 —
fobalb fte bei beliebiger SBteberljolung baöfelbe liefern , ift e$ feine
Sifion. ©in entfefelidfjeö ©reignte, ein 33erbredf>en (äffen feine bleiben^
ben folgen, wenn fi e 9*träumt finb. Die 9ieue fel)lt unb ber Sd&redf
wirb fdmell t>ergeffen. 2Ba* nicht feftfifct in ber äuffaffung ber Stau-
fafretyen, ift ntd&t real.
Mes (Srfdfjeinenbc t)at bafjer einen realen ©runb, unb fobalb «im &xwm<ubt
baran bie genannten brei ftennjeidfjen ejaft feftgeftellt finb, ift es örun£%oVa"bb£
Dortianben. $ericl>terftatter, bie eine 2$atfac$e unter biefen ©e= erottborauftoffS,
ficbtdpunften geprüft fabelt, Derbienen ©lauben; anbre ftnb unjus *or$cin*bfn.
©erläffig.
3wtfdfjen ben üor^anbenen Dingen gibt eä wedjfelfeitigeö 3$er= s>ie «aturaefd*
balteu. So weit bie Dinge in baö 9$erl)ältniä treten, gelten bafür BCtn W.
Staturgefefce. Die 9toturgefefce gelten ewig, aber er f feinen nur
an ben Dingen. Sie finb nidjt, fonbern fie gelten. Unter ber
Sorauöfefcung ber Dinge, fommen fie in SBirffamfeit, fonft nid^t.
9hm aber let^rt Eant: Dinge an fid)*) finb jwar üor^anben (wad «.m» sinn au ?i*.
it)tn wegen feiner mangelhaften Sdf)ranfenleljre ju beweifen fdbledfjt
gelang), aber Don iljrer Sefcftaffenfyeit wiffen wir nidfjta. Sie fyaben,
mufe bagegen gefagt werben, feine 93efd)affenf)eit an fidfj. S3efdfjaffen=
^eit Reifet weiter nid&tö, ate bie Sleaftion eines Dinged auf ein anbreö,
unb umgefetyrt. Sfbgefe^en von biefen SReaftionen ftnb bie Dinge
eigenfdfjaftdlofe ^Jotenjen, 2tbftrafta, bie in ber 95>elt befielen fönnen,
wegen ber Steaftionen.
Snblid^ ift bie ©mpfinbung immer mit Subftanjbewegung (33e= ©ei [««rf«»^«
bung) t>erbunben. ©efct fiel) biefe Bewegung, bie jciträumlidj ift, in «amsÄntfiiomien.
*) 3ebeä Dbjeft fyat jweterlei öebeutung: 1. a(3 @rfa)einung, jur @rfenntnis,
2. olö ein 2)ing an ftc^ felbft, für JJorberungen, rate fte bie SRorat forbert.
@rf$einungen leroorjurufen, unb gerabe bie befHmmien, bie in ber (Erfahrung
gegeben ftnb, ift bie eine, ben fingen realiter gufommenbe SBirtung; bie roirf-
lia)en <Stgenfa)aften bed $ingeö fommen in ber <£rfa)einung jur (SkUung. 9TOe
€igenf$aften ber $tnge ftnb nur bejüglia) anbrer SHnge (Delation, 33erglei<$e)
möglich.
2)er ÄunftauSbrud „2}tng an fta)" mufj nia)t baljin »erftanben werben, bafe
es ein $ing mit anbern <Sigenfä)aften ift al§ bie erfö)einenben , — fonbern er
bebeutet nur, bafj neben ben erfa)einenben <5igenfd)aften in ben fingen noa) ein
Unbefannteö, ein 2)ing an fta) anjuneljmen ift, — ein äRe$rered, auf baö bie
(Befefee nia)t anjutoenben finb, bie auf bie @rfa)einungen fta) besiegen.
äur§ : bie $inge ber Slufjenroelt erfrieren unb ftnb fo, wie fie erf a)einen ; —
aber bie <Srfa)einung fann i$r SCÖefen niemals erfö)öpfen, — fie bleiben, abgefeljen
von tyren erföetnenben @igenfa)af ten , 3)inge an fta), reine ^otenjen, oirtueQe
Sfiefen.
Vi» ben iagcbu^blättem bf4 trafen 91. «eyfcrlinß. 11
— 162 —
2Bal>rnel)mung um, fo Hebt ifjr entf Rieben baä 3 e ^ räum K^ e an -
Seäfjalb aber ed ben fingen außerhalb beö Sd&a abjufpredfjen, baju
oerleiteten einerfeitö bie Antinomien, — anbrerfettö boö greiljeitös
bewußtfem, wie es burd& baö $Berantwortlidf)feitögefüt)l praftifdf) fefc
ftefjt. Sei einer anbem Auffaffung ber Sd&ranfen ifi beibeö fym
fällig. 2>te ©egenwart ift bie ©renje jwtfdfien ber unioerfeBen 3?er=
gangenljeit unb 3ufanft; felbfi aber nidjt eine minimale 3 *t*. 3ft
cö aber feine 3 e ^/ fo fjinbert midjj nid&tö, bas Äörnd&en ftxtifyeit,
toie es für baö SSerantwortlidftfeitögefü^l genügt, in bie ©egenwart
ju oerlegen, — ftatt wie ftant eö getrau, bafür eine intelligible Sßelt
ju fefcen, bie oerfdfjieben ift von ber, bie wir erfennen. Ebenfo fallen
unierttwb»on bie räumlichen Antinomien. Sie paffen nidjt auf bie 9Materie. 2Baä
waterie. mm bem abftraften, fdfjranfenlofen SRaum gilt, lägt fidf) nid^t auf bie
materielle SBelt unbebingt anwenben. SRaterie ift nidjt unenblidj) teil-
bar, woljl aber ber 9taum, — SKaterie ift nid&t o^ne ©renjen, wobl
aber ber SHaum, — SRaterie ift fompreffibel, ber Siaum nid&t, —
■Katerie ift beweglich, ber SRaum nid&t. £>ie fttit ift oljne Anfang,
bie Gegebenheiten aber beginnen unb enben. 2)ie ©umme aller @ufc
ftanj unb aller fträfte ift eroig, — aber iljre t>eränberlidf)en Äom=
binationen l)aben Anfang unb Enbe. — 2)inge an fid^ ftnb Abftrafta,
oon allen Eigenfdfjaften abgelöfte Sßotenjen; Unbinge ftnb eä gewijfer^
maßen; fobalb fie reagieren, finb fte nidfjt an fid& unb folange fie
nur an fidfj finb, beftnben fie ftd& außerhalb ber SBelt, ober nirgenbö.
3Wit ifjnen {Mfj ju befdfjäftigen, ift ein SSerierfpiel.
€cflcnt^eoric.
4. ^uni. — 3Serfudf), bie orgamfdben Vorgänge unb Einrichtungen
jur Empfinbung fidf) uor juftellen , in ©runblagc beö SSorljergetyenben
unb ju näherer Erläuterung:
Erfaljrungämäßig ift jebe fmnlidie SBafjrneljmmtg eineö realen
SBefenö oerbunben mit bem herantreten eines SReijed an bie nad)
außen gewanbten Enbapparate beö 9ieroenftjftem3. Qn ber Erinne-
rung verbleiben bie ©efid)tä= unb ©ebörreije, fo baß fie als Gr-
innerungdbilber ober am bem ©ebädjtniö reprobujiert werben fönnen,
iljrer Sefdfjaffenljeit entfpredjenb. ©efdfjmacf, ©erudf), ^üljlen, laffen
fidf) nidfjt in ber Erinnerung wieberfjolen , oljne bureft einen neuen,
wenn audf) anbem 9ieij unterftüfct ju werben. 2ßenn ber Jpppnotifd&e
audf) auf baö SBort fyin, baö it>m ber £i)pnotifeur fagt, glaubt, eine
Öirne ober Sßein in fdjmedfen, fo muß er bodfj wirtlid^ eine Kartoffel
ober SBaffer im 3Jhmbe fjaben, um bie latente Erinnerung wieber ju
— 163 —
beleben. ©s beftef)t bie latente ©rinnerung, aber um ins Sewufetfein
roieber ju treten, beborf es eines SReijes besfelben Sinnes: „$as
babe tdfj fd&on einmal gefd&mecft", bas ift bie ©mpfinbung. 2Rerf=
roürbicj, wie biefe ©attung t)on Erinnerung beim SKnbotelj fidb jeigt. Äcfamad*.
£at ein SRinb Delfud&en in ber Qugenb ober fpäter einen SBtnter enn «XV nnl
über ju treffen befommen, ob audf) ber Sommer ober Qaljre ba=
swifdjen liegen, wo eö feine Dettudjen erhielt, — gleid) fdjmedfen fie
i^m, wenn fie itjm wieber gereift werben. 3ft es bagegen ein Xier,
bas nodf> nie Delfudfoen erhalten, fo bebarf eö Dieler Xage ber ®e*
wö^nung unb Änlodfung mit ©erftenme^l, um bas 3Tier ju gewönnen.
Jticöt in ber Seele ftedft bie ©rinnerung, aber in ber £irnjelle, ju
meiner bie gafer t>om ©nbapparat bes SReroenfyftems leitet. 2)ie
J?afer ift bie 33aljn ber ©mpfinbung, oon aufyn bis ju einer @e-
birn jeüe. $n lefcterer ift, burdf) bas ©rbröfjnen ber SRolefeln, eine annm unb m™
3>eränberung eingetreten, oerljarrenber Diatur. ©s finb Spannfräfte tt ^ rne ^ nunfl -
in bie3ette eingetreten (Hebungen), bie bem befouberen SWeije enfc
fpredfjen, unb bie gelegentlich immer wieber in bas Öewufctfein treten
fönneit, mit äfynltdfiem ©ffeft, wie bas erfte SJtol. SBerben bie Jafern
unterbrodjen, burdfjfdfonitten ober gequetfdjjt, — fönnen fie nidfjt meljr
bie SBelle leiten, fo gibt es feine SBatyme^mung oon aufcen. 3lber
oon innen f>er fönnen nodf) Silber ins 33ewufjtfein treten. ©er @r=
blinbete, befonbers ber geiftig regfame, in fpäteren ^atjren ©rbftnbete,
jtefjt im Xraum unb lieft. $as beweifet, bafe bie 33a^n aus ber
£trnjette jum 2}ewufetfeinSorgan eine anbre ift, als bie jum ©nbs
apparat ber Sinne, ©in SewufetfeiuSorgan f)at fidf) nidfjt auffinben
laffen, unb es bleibt ungewiß, ob es eyifiiert, ob es etwa ein fernerer
Äörper fein faun, ober nur etwa ein Sammelpunft oon ifteroenreijen,
ber einem Srennpunfte oon Sidfjtftraljleu ju oergleid&en fein fönnte.
©ine wiebertyolbare ©rfaljrung fpridf)t bagegen. 3e meljr eine 2Bafyr=
ne^mung befprodfjeu wirb, umfomefyr bleibt fie im ©ebäcbtnis. ,$ebe
SBiebererinnerung prägt fie fefter ein, unb um fo leidster läfct fie fidb
fpäter jurüdfrufen. £as lagt fidb ntd&t anbers ocrftefjen, als bureb «wattetiffe
einen SRücfftofc oon bem problematifd&en Setoufetfeinsorgan ju ber ©e= «wal^rin 11
bäd)tniSjeHe ; bie bariu oerbliebene Spur oon bem urfprünglid&en f *? ß an. ine "
eintritt bes Sinneseinbrucfs wirb aufgefrifdfjt. ©ine berartige 9te s
oerberation ift aber erfaljrungsmäfng nidf)t möglich oon einem Sammele
punft, 33rennpunft, oon bloßen 2letf)erwellen. SReperfutierenb jinb
immer nur bie Dberfläd&en wägbarer Aiörper, unb ein fold&er fönnte
Ijppotyetifdf) für bas öewufjtfeinsorgan angenommen werben, bis man
bas Crgan einft in Realität wirb nad^ju weifen oermögen. ®iefes
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Crgan bttrftc nur von febr geringem Umfange fein, ba e* gleicbjeitig
fo wenig ©inbrüde auf jufaffen vermag, unb fobalb ein ©inbrud »or-
roaltet, ber anbre fid; abfdfw>ädf)t. ©leicftjeitig finb aber bodj Der-
f (biebene ©inbrüde barin Dorbanben, nur oerfd&iebener ^ntenjttät.
®ie älteren werben fdjjioädier bis jum 2Jerfdfjtmnben unb bie frifdben
Derbrängen bie früheren. 2ßie für ba$ Stuge baö fernere Heiner unb
aiciftjeitififf fchroäcber erfdjeint, unb baburdf) eine äbfdfjäfcung ber ©ntfernung mög=
Ät>flfftW ®p"«n lieb wirb, fo ift baö gleid&jeitige 33orf)anbenfein abgeftufter ©puren
*jumeRen." ein Mittel, bie 3 e ^ ä u weffen. £at man j. 33., anberroeitig be=
febäftigt, eine £urmubr fcblageu gehört, ofyne ju jaulen, unmittelbar
Ijintcrbrein münfebt man aber ju miffen, mie Diel eß gef drfagen, fo
gelingt cd nodjmalö ben ganjen Sdfjlagaft im Semufttfein ju rufen.
£enu bie Spur im Setoufetfeinöorgan jebe* Dor^erge^enben Sd&lages
unterfdjeibet fid) Dom folgenben burdj eine geringere 3>eutüd)f eit ; man
jäljlt in ber Erinnerung bie Stufen ber £eutlid)feit. SBenn nun in
biefer Söcifc um ben geringen Siaum bed SetDufetfeinöorganö bie
Dielen in ben Steroenjcllcn Derbliebenen Spuren früherer ©inbrüde
uocttftwit b«t fid) jum SiMebereintrttt ober jur 95Meberberül)rung brängen unb bie
^puttn. fräftigeren ben Sieg baDontragen, fo müßte man ein djaotifdjeä ©e-
menge dou ©inbrüden erwarten, fobalb dou außerhalb in bas SierDen-
fi)ftem beä Ctganiamuft nidbt etroas t)in$utommt, maä bie alten Spuren
Döllig auälöfcbt. $m DoDftänbigen Scblaf ift ber %aU gegeben, ba
«ftufunb2raum. von auften niebtd binjufommt. So lange ber Sd)(af unDoHjfänbig
ift, mifcbeu fid) noeb SSabrnebmungen ober ^Duftonen, bie dou frifebeu
ftetjen ausgeben, ben ^bantaömen bei; ©ebanfen fnupfen ftdj ^alb
an Realitäten, balb an ^Uuftonen unb ^bantaömen, unb es entftebt
ein Aaotifdbeö Weroebe dou SJorfteHungen. Ter Sdjfaf bwterläfit
bann ein unermüdliche* Wefiibl; eö ift ein fogenannter fdjtocrer
Sd)laf. V V Dollftänbiger bagegen ber Scbtaf, um fo Doflfommener
wirb au<b bie Traumbegebenbeit. SRit faum Derflänblid^er /vertigleit
unb Scbnelligfeit Denocbt bie ^bantane be* Xieffdjläfera alle SfiMebei^
crinnerungen unb ^Uujtonen in t>a\ rounberbarften Kombinationen *u
Wefdjebniifen, Silbern unb £anblungen, bie eine, wenn aud) oft ab=
geriffenc evolgenreibe barfteüen, ftflef weife anfebeinenb taufal oer;
fnttpft. ^Mangelhaft bleiben bieie Wahrnehmungen, weil bie Sßban-
tatmcn mein einzig unb "allein Geliebte unb ßeböreinbriide roieber-
fpiegeln, Ter Saftfinn fehlt befonberö, \\n\> ohne ihn ift bie Tcnajität
ber neuen Kombinationen im Qebäditniö eine febr geringe. Sei
einigen nieberen Tieren, beionberö bei ben mit nuinöerbaren ^nftinften
UWtinft = ererbte ©riahnuni&nuireiO aii&tcriiitcten ^nfeften, imift
— 165 —
bie TenajtÄt beä Sleroenf pftemö eine grofte fein , bie Äapajität für $« Mtinntinm
neue Grfal>rungen bagegen eine geringe, Von ben Ijgpnotifd&en <&Zlubu
Schläfern toiffen wir, baft fic von iljren ^antadmen unb ^llufionen Äöp Ä t tüdr neuc
in ber Siegel beim @m>adf)en nidju toiffen, — unb ebenfo fleljt es »ergefienbec
mit ben Tieffcfyläfern. 9iur wenigen 2Renfdben, bie beim (Srtoadfjen ^ESm *«
fogleidf) iljre 3iücferinnerung baju anftreugen muffen, gelingt es, oon bcm *J3[* ttTnc
Den Träumen beß erquicfenbften Stijlafed ettoaö in Erinnerung nad) ^ notiflerten -
Dem ©rtoadjen ju behalten. Sie toiffen, ba& gerabe Träume, bie
Silber mit foldfoer Sidfjerljeit oorffiljren, bafe man toäfyrenb beö Schlaf*
iljre Realität gar nidjt bejtoeifeln fann, ben erquicfenbften Sdblaf be- xie le&cnbiaften
gleiten, — ober, wenn nic^t fogleic^ toiebererjäljlt ober niebergefefrrieben, ben fi "™uÄmöftm
in einer falben Stunbe oergeffen toerben. 9hm fragt es fi<$, roo sw "
fommt bie gleidjfam bramatifdf)e Bearbeitung ber Traumbtlber unb
Traumbegebenfjeiten I>er? ©in Verantroortlid()feitögefü{)l bafür Ijat ber
Träumer nidfjt, für bie geträumte äufjemoeft nidjt in l)öf)erem örabe, eomoM bie
als für baö, toaö in ber loirfüdjen SBelt tfjm ofyne fein 3 u * 1) u n ^Se^iÄtu'
erfdjetnt unb gefd)iet}t. #n beiben fällen unterfdjeibet er genau bie ^»"ewn^ort"
eigenen £anblungen, f}tnfidf)tlid& biefer allein füfjlt er 9ieue ober 3 U;
friebenfyeit. Tte geträumte Slufeentoelt ift ba^er ebenfotoemg ein ^3ro=
buft feines oeranttoortltd&en 3d)d, toie bie toirflid&e 2lu&enn>elt. 9lidf)t
bas Selbft \)<\t alfo bie bramatifd&e Verarbeitung ber Sßfyantaömen
gemaeftt, fonbern fie ift bem Träumer a\\$ ber organifd)en Struftur
fo geliefert, baft er fie anberö nidjt madjen fonnte. 3)ie faufalen
Verfnüpfungen, um biefe ßauptfeite als entfdfjeibenbeö Seifptel f)er=
oorjufjeben, werben itjtn geliefert buref) bie nrieberfyolte ftetige 6r=
faftrung ber lüdfenlofen Slufeinanberfofge jtoeier (Srfdjeinungen. Sie
tüdjt faufale 2lufeinanberfolge jtoeier Vorgänge ift nidf)t 51t präfumieren.
Soweit möglidb, präfentieren fidf) bie Spuren, bie auö ben 3eß*n an
Das 33erou&tfeinsorgan bringen, wie burdd ein Äafeiboffop georbnet;
aber wegen ifjrer iDisparität reifet bie Äaufafreifje immer wieber balb
ab. Xemnadfj muf* man ftdf) um baö Vewufetfeinöorgan eine #ülle
beuten, bie als ttaufalfafeiboffop wirft.
29. Sept. — tfant bewies, bafc 5Haum unb 3 ci * ^ C " IC ^* r; .««»«ant»
fafjrungöbegrtffe finb, fonbern Vorbebtngungen aller Erfahrung. 9ttd)t ftenun fl <n fouintm
Hant, aber anbre folgerten barauö bie 3bealität aller Singe, unb a V«titat an« le
trofc melfad&en Semüfjenö gelang eö ftant nidfjt, biefer Jtonfequenj, Xtnfle
bie i^m abfurb fc^ien, 311 wehren. 3lber id^ benfe, eö fommt anbers
^erauö, menn man oon ber 3lpriorität beö ftaumeft unb ber S^
ftatt uorroärtö, rüdfmärtö fc^Iiefeen roollte. Xa Staunt unb 3*it bem
Subjeft oor aller (Srfa^rung beimo^nett, fo muß eö felbft raumjeit=
— 166 —
üdfj fein, b. f). ein SBorgang ber Bewegung, bie allein raumjeitlidb
w4taiifMc fein fann. 9Ud&t auf bie Qbealität ber Stuftenroelt, fonbem auf bie
WitMotu, SRealität ber 2>enfberoegung ginge ber ©<$lu&. SBeif in ber <2ub=
»cQmäTbCT^enf. ftanj, bie jene merfnriirbige (Sigenfdjaft fyat, iljre eigenen SSeroegungen
man fl "d5?iefe°en. e ju t>erfpüren unb ju beeinfhiffen, 5Raum unb ^ext a priori fidf) finben,
fo finb fte objeftio barin, — b. f). es finb reale 33eroegungen, bie
alö ©mpfinbungen , ate SBiUe, als 3)enfen t>on ber merfroürbigen
©ubftanj iJ^re fubjeftfoe ©eite fjerüorfeljren. «3ft $)enfen real eine
SJeroegung, fo ift es anbers als jeiträutnltdf) überhaupt nidfjt mog-
ltd), — roas Stant beroiefeu Ijat. STann ift aber audf) baä ®enfen
gebunben an ein Gtu>as, bas ben 9taum erfüllt, aber nidjt SRaum
ift, b. Ij. an etwas ©toffltd&es. ®ann roofint iljm aber auü) bie
Eaufalitätsfategorie a priori bei. Denn jebe Seroegung §at eine,
«uufecre unb tnnew t>on fidf) felbft aus ntdfjt oeränberlidfje 9?idjtung. 3ft nun eine SBer^
(©inen.)' änberung ber 9ftd)tung in ben, bem ©rfennen ju ©runbe liegenben
93eioegungen jur @mpfinbung gekommen, fo ift es aus ber ©innrirfung
einer roirfenben Urfadfje, — fei es eine frembe ober ber eigene SBitte.
2)er SBitte ift jToar in ber 3*it nidf)t frei, aber ba bie ©renje jmifd&cn
früher unb fünftig feine 3 e *t ift, fo ift bie greityeit möglidfo nur
in ber ©egenroart*) unb nur in bem SKafie, als bie Vergangen-
fjeit eine nidbt üottftänbig jureid&enbe Steige t>on Urfadfjen enthält.
•Mamentlidf) bie innerliche 3 u ftitnmung lögt ftcft burdf) feine 3?or=
bebingung ober ©ercatt feftlegen.
9iad)toirfunß
£elcarteö\
Xai 3$.
16. 5Wod. — Gs ift md£)t leidet, ftdf) gen>iffen SRad&imrfungen 2>eS;
cartes* 3U entjie^en. 35ie Unterfucfjung, ob bas 3dj e i" ©ebanfe ift
ober ein ©toff, fommt nid&t ju einem oottgüttigen äbfdfjlufc. 3rocifeln
of)ne 3$, ba es ein ©enfen, lägt fidf) niefit benfen. Stöer wenn bas
£enfen (SBoffen, ©mpfinben ebenfo) ju @nbe, ift audf) bas 3d& 5"
@nbe. 3)ie Paläontologie fütjrt uns einen 3 u f ta «^ *> or / TO0 eö ^ ne
^d&S auf ßrben gegeben fjat. ®as $ä) fann nidjjt felbft ein ©ebanfe
fein, ba es bie ©ebanfen erft fyeroorbringt. Silber ein Drgan fann
es fein, unb jroar ein Organ, bas ftdf) bilbet unb nrieber üergefjt, 511=
fammengefefct aus vielen 9iert)enjellen, bie burd^ Seitungen uerbunben
finb, unb i^re Hebungen aufeinanber übertragen unb alle emppnben.
^ie 9u§enioe(t bilbet ftd^ ab in ben 9Jinben3effen beö ©eljims unb
an bem inneren Gnbe ber Seitungen; innerlid^ im ©efjirn fomntt
*) X'xe fol^lic^ feine 3eit ift.
— 167 —
baa entfpred&enbe Sd&gefüfjl ju ftanbc unb fliegt ju einer (Sin^eit
jiufammen, wegen feiner ©letdfjartigfeit.
21. 3too. — Dem 3Raterialismus jufüljrenbe ©ebanfen ju rem- 2an e» wm*
bieren, Ijabe i<$ mtdf) an eine erneute Seftüre bes 2. 33b. ber @e= «wattriansmus.
föid&te bes 3Raterialtämuä pon Sänge 2. 2tufl. 1877 gemalt. SßaS
bafelbft unter II., 2. 3bt. 2. Sudf), über Stoff unb Äraft gefagt ift,
brängt mir bie 3*age auf, was eigentlich bas in bas Unenblidfje %t\h n»a» ip bas in»
bare ift, wenn man 9taum unb ©toff unterf Reibet. ®er von allen llnm ^ fl f f < ? Xei1 '
empirifdfjen 3ufäfcen. bereinigte SRaum fennt gar feine ©renken, weber
peripljerifdfje, nodfj im ärmeren, alle ©renjen ftnb ätöftrafta t>on bem,
was als eine Ausfüllung, als ein 8ewegli<f>eS im 9taum twrgeftellt
wirb. SMefe ©renjen, frei von allen nidfjt räumlid&en ^Relationen,
lajfen ftdf) in ben reinen SRaum überall fnneinoerfefeen, unb bie t>on
iljnen begrenjten £ofylräume laffen ftdf) in ber ßinbtlbungsfraft jer=
teilen, ofjne jemals ju einem fo fleinen Ztil ju führen, ber nic^t noef)
Heiner gebaut werben fönnte. ®ie fubmetapftyftfdfjen £of)lräume finb
ins Unenbltdfje teilbar, — wäre ber präjtfe Dberfafc. 2)er 9Wittel=
fafc müßte feigen: ein Äörper erfüllt einen metf)apl)9ftfdf>en iQüfyh
räum, — bamit ber ©dfjluß auf Xeübarfeit in infinitum für ben
Äörper fidf) jietyen ließe. 2)er SDlittelfafc ift aber unwahr, ba ber
Äörper befjnbar, ber 9taum felbft aber ftarr ift. 2Baf>r ift bagegen,
baß es notwenbig eine ©renje gibt für bie ©igenfd^aften ober Äräfte
bes Äörpers. 3»ebe unter biefe ©renje geratenbe Teilung liebt bie
Sebingungen ber ©jiftenj für ben Äörper auf; — ob idf) iljn als
Vibration einer bloßen ^otenj, ober als SKtomenfornpley benfe, —
bie ßrcteilung barf> niebt Heiner fein enttoeber als bie SSibrationö^
weite, ober als bas 3ltom. — ttebriqens qebört bie Seilbarfeit ins $>u %< maxun m
Unenblidjje nidfjt in bie Sinnenwelt unb Ijat feinen 3lnfprudf) auf tÄ^tu™
transfubjeftioe SRealität.
14. 3)ej. — SBergleidfjbar fönnte bas ©eiftesorgan einer 3Solta~ »er ft uid) bcö
fd>en Säule in biefer 33e3ief)ung fein, baß an bem einen $ol bie etnlrjBou^eTi 1 *
Außenwelt, an bem anbern bas entfpred&enbe Qdfj entfielt, $n ber
£tjat gibt es bann eine fontimuerlidfje Steige oon ^d6s, bie für eine
©in^eit gehalten werben wegen ifjrer ©lei^eit. ©benfo wie eine
Äafce, bie id& jweimal fefje, nidfjt jwei Sia^tn ftnb, fo ift au<$ bas
3$ basfelbe, obfdfjon ein fontinuierlidf) ftießenbes Sßrobuft besfelben
Organs. Äeine SSorftetlung ift möglid^ o^ne Seigefellung bes 3^
ob biefes nun in berfelben &üe fid& t)oH$ief)t, in weld&er bas 9li(ftt=
3^ pdf) einprägt, ober in einer bamit burdf) Seitung oerbunbenen oer=
fdfiiebenen 3 e K e - ® aö Sfeibenbe wäre ein ^nftrnment (fonftant in
— 168 —
$orm, wedfifelnb in Stoff), baö ba benft, foroofyl baö Siic^t-^ ate
baö 3d(). Seibcrlei SorfteHungen finb gleidfjjeüig, unjertrennluf). 3*
ift nidf)t mefyr Subftanj alö 91id)t<$d(), baö Xranöfubjefttoe wäre
immer mir benmßtfofer Stoff.
16. 3)ej. — 3 ur Stanfum meiner 2tuffaffungen von Seift unb
Stoff u. f. to. laö idb wieber burdf): 1. ben jmeiten Sanb aon Sangen
©efdf)idf)te beö 2Waterialiömuö unb 2. ^ofyanneö Solfelt: ©rfafyrung
unb Senfen, fritifdjje ©runblegung ber ertenntniöt^eorie. Ad. 1.
2Ran bref)t ftdf) oergebenö. 9iur @rf Meinungen, unb baö roaö
ba^inter ftedft, muß anberö fein, als ber 9Renfdj begreift. Senn bie
@rfdf>einungen laufen fjinauö auf ein Sein üott Söiberfprüdfjen unb
Unmöglid&feit. 9Udf)tö bkibt übrig, alö fic^ in eine ^bealmelt ju
flüchten, wie Scfjiller fie in bem Sieidf) ber $beale barlegt. Sa*
SBefen ift teerer Xrug unb bie gorm ift l>a« Sleibenbe. Sie 2Birf=
lidf)feit muß jur Sßoefie oerflüdf)tigt werben. Sonft bleibt feine ftet-
»oircitÄ tunq oor bem Sophiömuö. Ad. 2. Gö finben fidb im Sewußtfein
ift bebeutenb. ©ewißfyeitdpnnjipe, bie tranöiubjeftioe Sebeutung forbern unb baran
ju glauben nötigen; fonft mären roeber üRebenmenfdjjen nodf) Singe
in ber 2Belt anjuuefjmen. Sie finnlidfje Söafyrnetjmung gibt bie An-
regung, bie ©runblage, ben Stoff jum ©rfennen, aber bie togifdie
Senfnotwenbigfeit oollenbet erft baö ©rfennen beö £ranöfubjeftit>en. —
Sie SWettjobe, biefe Serfidjerungen barjutfyun, ift aber nidfjt baö ge=
wöfjnlid&e Seweifen. @ö werben in ben Sewußtfeinöaften biefe ^ro*
jeffe aufgewiefen. 3$ fttät bodb, baß bie Solfeltfdfje Sdbrift febr
gut unb bebeutenb ift unb triele meiner 2lufid)ten berichtigt. Sdjon baö fprid&t
bafür, baß fie fo gut paßt, um für ben Sgftematifer ärt unb ©attung
ju unterf Reiben. 2lnfdf)auungen, Silber geben nur ^nbioibueu. gür
bie SBiffenfd&aft ift aber nötig barauö Segriffe, beftimmt getrennte,
ju bilben. 9lrt ift nun, müßte Solfelt fagen, wenn er praftifdjer
Stjfiematifer märe, berjenige Segriff einer Sieljafjl non ^nbioibuen,
ber fidf) fogifdf) nidjt weiter in getrennte Segriffe jerlegen läßt. Safe
eö eine foldfje ©renje für bie SetUgunß gibt, ift empirifdd, burd^ 3^
buftion, ju ermitteln.
•Wadf) Solfelt finb bie Äennjeidfjen , bie ity S. 158 für ba*
Xranöfubjefttoe angegeben Ijabe, anberö ju gruppieren. Sie SBirf-
lid()feit ift erfennbar burdf) bie geiftigen Kategorien, bie ooHftänbig im*
erfaßbar finb unb in ber Drganifation beö Unbewußten begrünbet
soifcit« fein muffen, ba fie im Semußtfein a priori auftreten, ©ö gibt fed&ö
fold^e ^orberungen (Kategorien), bie baö Seilten ju ber (Erfahrung
l)injubringt, um eine 2Birflid|feit ju ftanbe ju bringen: 1. 9tofc
— 169 —
wenbigfeit. 2. 21Hgemeingttltigfeit. 3. Allgemeinheit. 4. Kontinuität.
5. Kaufalität. 6. ©efefcmäfcigfeit. 2>aö finb bie Denfforberungen,
um SBirflid&feit ju erfennen. Die 2i>al)rnel)mungöforberungen finb
tum mir früher angegeben. 1. Sleibenbe folgen im SBafjrnefimungös
gebiete; 2. ©reifbarfeit ; 3. gleid&mäfciger ©rfolg bei äBieberfjolung.
2Benn man fiefy beobachtet beim Uebergange aud ber 2Belt beö »ertoirrun fl jener
2öadfjen3 in ben Sd&laf unb in bie Traumwelt, fo wirb man be* uebSSanoausbem
werfen, wie in ben ©ebanfen unb aSorftettungen gerabe bie 2luf' a ii\a\. tn
faffung ber genannten Kategorien wirr wirb, fobalb bie frifdjen
Sinneöeinbrüde aufhören baö 3Katerial baju ju liefern. @s fdbweben
Sleprobuftionen in ben Derfd^iebenften Reihenfolgen unb Kombinationen
bem ©eifte oor. Die Öewufctfeinöuorgänge werben regellos bie Kaufais
reiben unterbrochen, bie 3bentität beä ©elbft fogar unbeftänbig. Etyne
frifefce 3 u f u r wn ©inbrüden, mit blofjen 9iemintecenjen permag baö
Denfen eine trausfubjefttoe 2Belt gar nidfjt feft ju galten. SSolfelt fd&äfct
niebt feiner ganjen 33ebeutung nad) bie 2lbl)äugtgfeit beö Denfenö uon ©oiteit unieri^Ht
ber jinnlid&en SBafjrneljmung. Die Kategorien bes Denfenö finb fxd&er «WÄelt bc"
nur bei ©reifbarfeit, SBieberfyolbarfeit, ^erfiftenj ber wahrnehmbaren Kusemocit.
folgen, ©ibt man bem Denfen aud& bie (Erinnerungen aller früheren
2Bat>rnefymungen , bie fidfj ja au<f) auf Dranöfubjefttoeö urfprüngltdf)
grünbeten, fo fet>tt tynen bie 9totwenbigfett beftimmter SBerfnüpfungen.
C?ö entfielen abenteuerliche Kombinationen unb lüdenf)afte $olgeretfyen.
3Rögcn bie Kategorien nidrt ber Sßafjrnefjmung angehören, fonbern
bem Renten, fobalb fie fid) nidfjt an frifdfoe SBaljrne^mungen ^eften
fönneu, bringen fie eö ju feinem orbentlidfjen ftortfdjritt.
24. Dej. — Das 34 muft wäfyrenb bes Sebenö fontinuierlid) &ai 3$ mu& ü*
fein. Die ^bentität aller tym jugänglidfjen ©rinnerungßbilber fönnen al \S!i$Xn tl1 *
es oon ber eigenen 3bentität nid)t überjeugen, wenn es feine früheren
Ginbrflcfe verloren f)at unb nidfjt Dergleichen fann. 3ft bie Kontinuität
bes 3df)ö audf) nur bei einer einzigen, fidf) fogar oerfd^iebenben unb
üerwedfjf elnben , ober einförmig fidf) uuauögefefct wieberfjolenben (5r=
innerungöoorfteUung oerblieben, Ijängenb wie an einem bünnen gaben,
fann fie fid^ oljne Sd^mierigfett wieber über ifjr ganjes, alteä ©ebiet
ausbreiten. Daö 3dfj brauet nidjt als Subftanj fortjubeftefjen, wenn
es nur in ber Subftanj alö Segleitüorftellung fortbeftef)t. %n Dtyu
mad^t, in ©djlaf, Set^argie mufe bafyer SSorftellung, wenn audf) bürf=
tigfter 9lrt, ganj ö^ne fpätcre (Erinnerung, angenommen werben, aufjer
in fällen, wo in ber Xljat baö 34 »erloren gegangen*); in fällen,
*) 3«n Swflnn.
— 170 —
wo eö baö neue 3$ raieber oerbrängt fyaben foff, b. f). abroedfjfelnb
jroet <3^ö fid^ abgelöft tyaben, mufe eö übertäubt gemefen fein non
einem anbern 3<l)! Gfine befonbere Stelle ift nid&t erf orberlid) ; —
ein (Spftem oerbunbener ftetten auö *> cr munberbaren SWaterie unb
Struftur, bie ba& eigene Sehen empfinbet, teiftet biefelben SMenfte.
31. 3>cj. — ÜKein Sdfjriftfletterjubifäum, boö oon bem Sßetersb
geol. Somite, angeregt t)on bem Äfabemtfer gtfebridf) ©dfmtibt, aus-
gegangen ift, Ijat eine oon mir gar nidfrt geahnte Stu&befjnung ge^
nommen. Ueberrafdf)enb ift mir in fyotym ©rabe ber Erfolg gemefen,
ein nationaler, — ba nüdfj fämtlid&e Unioerjttäten be$ SReidfjä burd)
feierliche 3 u f^f^ cn beehrt fyaben, — unb ein internationaler, — ha
midfj bie Serl. pfjüof. Pfafiiltät burdf) eine intyaltoolle 3ufd>rift begrüßt,
unb bie geolog. ©efettfdfjaft von Jranfreidf) unb oon ©nglanb gleid&fatts
u. f. m. u. f. ro. Aber ju toeit hinter mir Hegt meine toiffenfdf)aft=
üdfje S^ätigfeit. 3<$ Wn ber einjig überfebenbe @rbe beö 35erbtenfteö,
baö bem großen äBerf über bie ©eognofte 9tufjlanbft beigelegt toerben
fann, ba 9Wurdfjifon unb SBerneuü fd&on fange batjin ftnb. Aber ein
Derftorbener ©eognoft bin idf) ja felbft unb bemerfe, bafj ben Ver-
dorbenen ber nriffenfdfjaftlid)e G^rgeij oerlä&t.
1. äug. 1887. — ©afton öoifjier in ber Revue des deux Mondes
1. Aoüt: r FEdit de Milan et les premiers essais de tolerance."
Tie berrfdbenbe rationalifHfdfje SSorauäfefcung, bafe mit bem (Hjrijtentum
bie Xoleranj unter bie SWcnfd&en gefommen roare, in SBiberfprudj mit
ber $iftorie, wirb l)ier bureb einige bemerfenöroerte Eitate ju ftfifeen
»erfuebt. Tertuttian bat gefagt: non est religionis religionem cogere
u. f. m., unb Sactanj: Sie <veinbe feiner 9tefigion toten ift ntd&t fte
oerteibigen, — ©laubt ibr ber Sad&e ber SRelu
gion ju bienen, roenn ibr in ibrem tarnen 9lut uergiefet, bie Torturen
oermebrt, fo irrt ibr: „}Jid)tä muß mit größerer gfreinriffigfeit am
geeignet werben, als eben bie Religion," — aber es gefyt nidjt anberö,
aud) ^oiffier muü betonen, bafc 2luguftin, mit feinem cogere intrare
ber unbeifooflfte Spifcfübrer geworben ift ber SReligionfcoerfolgungen
aller fommenben ^abrbunberte. £er ©runbfebler bei ber rationa*
— 171 —
liftifd&en £olcranjlef>re ift, bajj fic t>on jebcr grünblicijen Erörterung
über bas, roas eigentlich bic £oleran3 fein fann unb roas fic geroefen
ift, abfielt. Soiffier namentlich Derroedtfelt Mgemeinfjeit unb ®ulbung.
35as GJjriftentum , als eroige Sßa^rfjeit, beanfprudf)te Allgemeinheit,
toie ber 4><*uptfacf>e nat$ ber 3RofaismuS unb ber 2)ioI)ammebaniämuS.
Nationale ©renjen, — bie Sdfjeiberoanb greiften ©rieben unb ^uben,
mit ^aufus ju fpredfjen, — faden. äffen SKenfdfjen, otyne Unterfdfjieb
von Staat unb Nationalität, fott bie eroige 2Baf)rf)eit ju Xeil roerben;
roetben ©Itern roiberroiffig gejroungen, ifire Äinber fönnen burdf) @e~
rootynfjeit fanatijtert roerben; fo urteilt, roer bie ©eroalt in $änben
Ijat; es ifi Unroatyrfyeit, ju behaupten, bafc er falfdf) urteilt. ßfias,
als er bie Saalspriefter erroürgte, — Samuel, als er ben Stönig
Saul befeinbete, roeit er bie befiegten SBiberfacljer nidit fdf)lad(jtete, —
©sra, als er bie gemifdf)ten (Sf)en fprengte, ftnb bie (Stempel bes
Sllten £eftaments, an bie ju benfen ift, xvtnn man bie £oleran$=
frage bes £ebräen>olfs unterfud&t. ^irmicius 9J?aternus, in feinen
Ermahnungen an bie Söljne ftonftantins b. ©r., trifft richtig ben
biblifdjen ©eift, roenn er citiert: sacrificans diis, eradicabitur. —
SBo ift benn in ben Sdfjriften bes 9leuen Seftaments in SBiberfprudfj
mit ber aftbiblifdjen 5fttdf)tung bie £oleranj gelehrt? 2öefdf)en ©eift
atmet benn bie ältefte, uns aufbehaltene djriftlidbe Sd&rift, bie Dffen=
barung? Stammt fte ja aus ben Greifen ber 3*foten. Unb bann
folgt Paulus mit feinem ftorintf) I. 5, 3. $ä) . . . fiabe . . . ge=
urteilt ... 5, 5 fofdfj einen bem Satan $u übergeben, jum Sßerberben
bes ^letfd&es, bamit ber ©eift gerettet roerbe am £age bes £errn
3efu . . . unb uorljer 3, 13 ... bas $euer roirb erproben, roie eines
jeben 2Berf bef Raffen ift . . . 3, 15 ... er foff errettet roerben, inbes
fo roie burdfj bas geuer." . . . SJlag ber Sinn biefer Stellen bunfel
fein, anbers gebeutet roerben fönnen, aber es ift bltnbe ^Sarteilid&feit,
— es ift ein jeber 6infidf)t t>erfd)(offeneS SBorurteil, — ju beftreiten,
bafc biefe Steffen benufct roerben fönnen um bie Scheiterhaufen ber
3nquifxtion unb ber Deformation 311 rechtfertigen. ®as 3"tentum
l)at bie 3ntoleran3 erfunben unb bas Gf)riftentum f)at fie weit untrer
in bie 5Belt gebraut. 3?ur um 311 befef)ren, fanu man bie Sarnu
tyerjigfeit bes Samariters rühmen, man fann einem ungläubigen
SSeibe von ben SBaffern bes eroigen Sebens fpred&en. 3lber roas be=
weifen biefe SBorgänge gegenüber ben Dielen Stellen ber ©üangelien,
bie pon ber SBernidjtung unb von ber Rettung buref) Verlieren von
Öliebern, von bem ißinausftofjen in bic ^infternis, roo beulen unb
3äf)nef lappern , fyanbeln, ober gar roie III. ©0. 14, 26 fagen, baft
— 172 —
ber wafjre 3imfler • Steter, 3Kutter, 2öeib unb Ähxb unb eigenes iitben
Raffen muft? — Unb wo enblfö in 5 e f* uö b aö liodjgebilbete Römcr^
tum jufammentrifft mit bem, oon bem intoleranten 3ubentum bis
aufs Slut ©erfolgten SßauluS? 9tuf weföer Seite fxnbct jtdb Die
Xoleranj? (äp.söefö. 26.) — £ie Folgerung ift jutreffenber ber
©eföföte gegenüber, bafc Religionskriege unb Religionsuerfolgungen
ben monotfyetftiföen Religionen eyflufio angehörten. 2)ie lofalen Reli-
gionen fallen in ben rcligiöfen Riten unb SBorfteffungen ein ©lement
ber ftaatsbürgerlföen Drbnung; wer Staatsbürger nföt war, ben
ging bas nidjts an. Qnner^alb bes Staats fonnte bie Äonhirrenj
eines anbren Ritus nadfjteiltg föeinen, aujjerljalb bes Staatsgebietes
war fie o^ne Sebeutung. 3?ie (ofalen Religionen fonnten bie Staate
proteftion f orbern, aber aus ber Religion ein fyierarrfnföes Sßelfc
monopol ju madfjen, — baran 311 benfen oerbot gerabe bie nationale
Sdfjeibewanb.
Üßie unb roann ift £oleranj wirflieb unter ben 9)tenföen mög-
Ifö? 3$ wage nföt bie grage ju beantworten. 35ie Sßfjilofopfiien
fangen immer oon oorn an, wie oft bie eine ober anbre yefjre auch
geglaubt f)at, bei ber unabänber liefen SBaljrijeit angelangt ju fein
unb bas lefcte 2Bort gefprodfjen ju fjaben. ©benfo ift es ben Religionen
ergangen, unb aus jeber Reform ergeben ffö neue Seften unb $er*
jweigungen ber alten Religionsgemeinföaften. 2tuf beiben ©ebieten,
fo oiel föeint ffar, ift bie ewige Söafjr^eit, bie unoeränberKdj fein
muft wie eine matljematiföe Grfenntnis, unmöglich; — aud) 3te
obadjtung, bie eine uuumftöfclföe ©runblage für bie weitere ©rfenntniö
liefert, fowie bie ©rfafjrung in ben pf)t)fiföen SBiffenföaften, ift un-
möglich, ^b^°f°P^n unb Religionen, — ebenfo wie bas 3us, -—
werben woljl immer opportuniftifdf) bleiben; b. f). angepaßt ber
oeränberlföen ©ntwidelungSptjafe ber 9Renföengemeinföaft, barin fie
entfielen. Cpportuniftifd), oor allem, ift aber bie £oleran.v
ÜDian erfööpft bie Äräfte unb 3Rittel in ben kämpfen bes gtanattemus,
unb bie Xoleranj entfielt blofe als eine Rot! Db fie eine Xugenb
ift, bleibt ungewiß, ©ine abminiftratioe Drbnung wirb trielleidjt bei
aller greifjeit ber i^eljre beizubehalten fein, wenn aud) mit mehr
Schonung unb Söeisfjeit als bisher. . . . 35er SfeptijiSmus muß felbft
intolerant werben, um bie unbulbfamen Religionen $u beugen; —
benn er allein ift bie tjiftorifö bewährte, anföeinenb ewige SBabr-
fjeit. Statt Sfeptijismus ift es melleföt genauer oon Slgnofis ju
fpred&en.
— 173 —
19. Sept. 1888*). — Xrofc bcr 2lusfid)tölofigfeit follcn wir auf
km Sanbtage nod) beraten unb befd) Heften. 3>icl fommt babei nid)t
Ijerauö, aber, eö rauften nocfy bie Säume, oon benen ber £erbftnrinb
bie ölätter t>ern>el)t. lieber einige fünfte Ijabe id) tjorjugöroeife na<fc
gefonnen. 3 U Mefen gehört bie religtöfe Soleranj. <£s ift alles
fdjon bageroefen, fagt Öen SCfiba, unb idf) glaube, juerft ber Sßrebiger
calomo. Tagegen ^aben bie paläontologifdfjen Stubien ju bem, in
ber Crfa^rung beffer begrünbeten ©egenfprudfj geführt. 9Ba6 einmal
ba geroefen, fetyrt nie meljr roieber. 2ro$ SBoltaire unb beö
(jro&en Jrifc, fdfjeütt bie meltroeife ober ftaateffuge religiöfe Xoleranj
nur ein fdbroanfenbeä Seit über bie Äöpfe ber 2ttenfd&en fjtnroeg, unb
bei aller Stnerfennung für bie genialen 3Weifter, bie unter bem öctfall
ifjrer gri^genoffen barauf ju tanjen uerftanben, ifjre 3 e ü, färbte id),
ift Dorbei. $>ad Sßenige, was idf) t>on bem Strom ber ©eifter in
ber ©egenroart nod) n>at)rjunel)men permag, ift Diel meljr negatio ju
ben ftunbamcnten bes Gljriftentumä, ate in irgenb einer früheren 3^t.
3n ftranfreid) ftnb es nidjt bfoft bie Öeifter, — bie brutalen £f)at=
fadjen fxnb es audf). 2Wafjbiö unb 2)ern>ifd)e töten unb laffen fid)
töten in äfrifa, bei ben Öeftrebungen bort Äultur ju förbern. Tiefer
Inpuö, ™ fwific^ immer anbren öeftaltungen, ift nidfjt auägeftorben,
unb uralt. ©r nrirb fidfjerlid) aud) einmal ein 6nbe Ijaben, nad)
melen 3af>rf>unberten , ^ cn ^ e *<$. 2l& er TO ^ Ergiebig ift bagegen bie
Toleranj, bie ftd) meines 95Mffenö in ber ^eorie nid)t mal gut
bat begrenjen unb befinieren laffen! ÜKber idf) felbft geljöre bennod)
)u ben Ueberreften ifjrer Shtljänger unb freue mid) ber treffenben
opportuniftifdfjen 33egrünbung, bie fie auf ben blättern, für beren
3ufenbung id) banfe, gefunben f)at. 3 u f r ^ en ^ n *<& bamit, aber
f)ojfnungdt>ott nicfjt.
11. äpril 1889. — 9hir mer baö »rot ber Verfolgung, fei
e* aud) nur in bilblid^em, geiftigem Sinne gefoftet, tann fidf) für mein
Öemüljen, einen feften ©runb für bie Stiftung (Toleranj) ju finben,
begeiftern, — bie 9Ref)rjaf)[ tjat aber bamit nidfjt mefjr, als etwa mit
ben ganbfdjaften auf bem 9Wonbe ju f Raffen.
*) Sud einem 33rief an ben Senator ®eorg oon 93repertt, HRitglieb bed
3tei$dratd.
— 174 -
fttliaion (1888).
11. $ebr. — £aa Qatjr l)abe id& mit langer ^Jaufc begonnen
^eute t>or brei Safyxtn ftarb meine liebe J^u unb ift es einfamer
in meinem Seben geworben, befonberö ift es ftiff in meinem &aufe.
2tn greunblidfjfeiten unb Siebe fe^tt eö ja nid)t. 2Baö aber fefjlt, baö
ift bie beftänbtge gürf orge, anbern baö Seben §u erleichtern, ftreube
iljnen ju matten unb Sangeweif, Sorge iljnen ju minbern. Sefen,
©d&reiben, £enfen, — oljne 3^/ nimmt bie leeren 3 c ^ cn - ^ er
©elbftjwed Ijält ntd)t t>or, fobalb man nirfjt gleidfoeitig unb ausgiebig
«iijQmwt. aJtittel fein fann für anbre. Entfernte ftinber, ^reunbe, gute Se=
fannte, — mit benen füllt man nidfjt bie 3Kinuten unb Stunben.
Begegnung, wie fyäufig fte audfj fein mag, Sriefweddfel, öef orgung,
ift alles nur rudwetfe. @ö wirb füll unb fliller im Älter. Umfonft
ift Ehrung, ber ©fjrgeij ift erlofdfjen. 3Kein $Iafc auf @rben ift mir
gewiefen, wo idfj mein ©rab beftellt l)abe unb reo idb im Seben emfte
i<flicf}ten l)abe.
3n meinem 3llter ift man nidjt berechtigt überrafdjrt ju fein burd)
ben eigenen £ob ober ben jeitgenöfftfd&er ^reunbe, aber befonberc
Erfahrungen ^aben mid) baoon belehrt, bajs ber Xob für bad 3ltter
als ber aufridfjtigfte greunb ju betrauten unb bafj bie 2Beisf>eit beä
(fmigen gerabe aud) hierin ju erfennen ift. 3$ fü^le midj auf einem
$3af)nf)of, auf bem idb in tumultuarifdjer ©efeHfdjaft anlangte; nun
aber, ba ein 3 U 9 nac *) bem anbern bie meiften ©efäljrten abführte,
ift eö öbe geworben, bie Siebter oerlöf dien, bie Sebienung oerjiebt
fid), unb \6) warte auf ben tflingelfdblag, bei bem audb idb werbe ab-
fahren tonnen.
10. 9)Jai. — 'üMe 2Beltanfd)auungen bes 3Renfdjen finb oon $aufe
aus autojeutrifdf), waren bis auf tf opernifus geojentrifd), würben bann
beliojentrifd) bis ju ftant unb Saplace, unb finb feitbem bejentralifiert.
Tit bejentralifiertc SBelt bringt eö ju feinem 3^ntralgott; — fiödrften*
fann fie einen 3letl)ergott annehmen, ber überall oerbreitet ift unb
ütetleidfit ibeutifd) ift mit bem ewigen unenblid&en 31et^er, bem xrager
aller Äräfte. — 3lber ber ©Ott 2lbral)amS, war Schöpfer beö 3111*,
— in ber SSüfte gebeizt ber 2)?onotf)eiSmus, — er fdfmf unb blieb.
x« ücridjicbcn«! $ie inbifdbe ©ott^eit fdfjuf unb ^erteilte fid). Sie gried&ifd&en ©ötter
Mtan!d}auu " ßW ' entfpradjen ber reidjen 3nf*hw(t; ft e waren jafjlreidb unb jeugten,
liebten unb litten wie bie 3Jtenfdf)en. Unerwartet war, ba§ bae
— 175 —
Gljriftentum fo nriberftreitenbe SSorfteHungen, wie ben jübifdjen Stopfer unmtitcte
unb ben ©rjeuger naä) SWenfdjenart, ju Derfdjmeljen oermodfjt l)at. <y*ri™n£w6.
älber mit ber bejentralifierten Sßeltanfdjauung ift biefer SDhjtfjuS un=
oerträglidj. 2Bir nrijfen genug oon ber Steifung ber Grbe ate 2Belt*
förper, um fie nidfjt für ben einjigen ober ^auptfäcfylidjften ©egenftanb
unioerfetter gfirforge ju galten, aber bte ftnblidfje erfte, autojentrifdje
auf f affung wirb nie aufhören ! @in grofcer 5Ecil ber SWenfdjen werben
fieb felbft ftetö ate bie 3«ttralfonne beä Unioerfumö anfeljen, unb ©Ott
nur begreifen, ate ben SBeranftalter iljrer öegegniffe, wenn er audj
mit anbern 2)ingen in 3Ku§eftunben ftd^ befdjäftigen mag. (Sine
t)öd)ft gemütliche ^llufion, bie tyre 9tei}e fyaben fann unb i^re Hebend-
«wringe ©mpfinbungöroeife !
21. 2Hai. — jftaAftyn ben 3Sielf|eiten ber Segeljrungen, (Smpfiiu cb mc eewu*t
bungen, SSorfteffungen ftnbet ber 9Henfd) Siufye unb Siebe nur inftttjcwniimitbcr
©ott, — fo fagte id); aber eö ift bpd) ein ©djlufc aus ber ®d)n>ä<$e U9enb f * wmbft '
auf bad 33ortyanbenfein bed 8t arten. 2Benig überjeugenb mu§ man
gejtefjen. SBirb ber SRenfdj feine Seibenfdjaften foö, unter benen
bie Siebe bie geroaltigfte ift, bie aber mit bem ©reifenalter abs
nimmt*), — ift er in ftd^ felbft rutyig unb Mar geworben, fo fjört
bie ©ültigfeit beö Argumente für tyn auf. 2Bie foH er bem 2ttl)eid=
mus entgegen? ©ine fittfidje ©efellfdjaft ofjne ©ott, of)ne 9le=
Iigion, in ftdj felbft feft begrünbet, märe bodf) bie ooHfommenfte. 2)ie
ljöd)fte £ugenb befreit oon jebem ©ott, oon jebem 2lbljängigfeite=
gefügt, oon jebem Stufjepunft außerhalb beö Innern, ©ott wirb
in ben ^ofjanneifdjen Briefen nur nodf) ein Snnerlidjeö, eine blojse
Siebe, bie jroifdjen 3 roe i en e i ne Station ift, obtx feine abfohlte
Sriftenj fyaben fann.
Unb ift baö nicfjt oietteid&t bie richtige Söfung? ©ott ift eben »ott tfi bte
fein tranöfubjefttoes 2Befen. 2lber fo lange eö Subjefte geben wirb,
fo lange es Siebe geben wirb, muft aud) bie ©otteöoorftellung be*
ftefjen. ©ott ift fein ftörper, fonbern eine ßmpfinbung. (Sr ift
nichts aU bie Siebe.
*) 3 n lungeren Saferen feinen oiele eine naturgemäße (§6be unb glut in
iljrer Steltgiofttät bur$jumac$en. 3$ benfe an meinen greunb * jurütf. 2Uö
Stubent ffeptifc^ bid tum @£trem, bann in ber Siebe bem Naturtriebe offne große
Sfrupet folgenb, muß er barin feljr ernfte unb fömerjltdje (Erfahrungen gemalt
Ijaben. $ie Siebe maa)te tyn gläubig, er beburfte be$ religiösen ipintergrunbeS,
um mit feinen ftürmifa)en ®efüfjlen §urea)tsufommen. 2RU bem 2Hter fa)liefen bie
Reißen triebe ein unb meHeia)t au$ bie Slfpirationen gu einem menfä)lia) fitytenben
Öott 2)er tiefe 3ufammeni)ang 5ioifa)en Siebe unb Religion wirb babura) erläutert.
— 166 —
lidj) fein, b. f). ein SBorgang ber Bewegung, bie allein raumjeitlid)
9»*tQufbü fein fann. 9ftdf)t auf bie ^bealität ber Su&enmeft, fonbern auf bie
*u6en»«u, Realität ber $enfbeioegung ginge ber ©d&luft. 2Beif in ber ©üb-
»eomäirbet »enf. ftan j, bie jene merfroürbige ©igenfd&aft tyat, iljre eigenen SSeroegungen
m?n g "5?t«§en. e ju verfpüren unb }u beeinfluffen, SRaum unb %t\i a priori ftdf) finben,
fo finb fie objeftiü barin, — b. t>. eö finb reale Seroegungen, bie
als ©mpfinbungen, alö Söiüe, alö Renten von ber merfnmrbigen
Subftans ifyre fubjeftiüe ©eite fjervorfeljren. 3ft 2)enfen real eine
SJeroegung, fo ift eö anberö als jeiträumlidfj überhaupt nid^t mög=
lidf), — roaö Stant betmefen I;at. $ann ift aber audf) baö 2>enfen
gebunben an ein ©troaö, baö ben 9flaum erfüllt, aber nidjt Stautn
ift, b. \). an etroaö ©tofflid&eö. S)ann rootynt ifjm aber audf) bie
Äaufalttätöfategorte a priori bei. föenn jebe SBeroegung §at eine,
«eufeere unb innm üon fidfj felbft a\& nidfjt peränberlid&e Stiftung. 3ft nun eine 3Ser-
mvitn.) änberung ber Stiftung in ben, bem ßrfennen ju ©runbe liegenben
33en>egungen jur ©mpfinbung gefommen, fo ift eö aud ber ©innnrfung
einer roirfenben Urfadfje, — fei eö eine frembe ober ber eigene SBiUe.
®er SBitte ift jroar in ber 3eit nidf)t frei, aber ba bie ©renje jroifd^en
früher unb fünftig feine $e\t ift, fo ift bie gtetyeit möglidfr nur
in ber ©egenroart*) unb nur in bem 3JJa§e, alö bie Vergangen*
Ijeü eine nidbt pollftänbtg jureiebenbe SKeifje t>on Urfad&en enthält.
SRamentüdf) bie inner liebe 3 u Pitnmung läftt ftdf) burdEj feine 3?or=
bebinguug ober ©eroalt feftlegeu.
Sekarte*'.
$a& 3*.
16. SKoo. — 6ö ift nidEjt leidet, fidf) gewiffen 9iadfjtmrfungen Teö-
carteö' ju entjietjen. 3)ie UnterfudEjung, ob baö $<$) ein ©ebanfe ift
ober ein ©toff, fomtnt nidjt 511 einem vollgültigen 2lbfdf)lufj. Sro^fth 1
ofjne 3df), ba eö ein 25enfen, läfct fidj) nid)t benfen. 3lber menu baö
Denfen (SSolIen, ©mpfinben ebenfo) ju ©nbe, ift audf) baö 3d(j $u
@nbe. $ie Paläontologie füljrt unö einen 3 u ft on & *>or, roo eö feine
3<Jjö auf ©rben gegeben bat. £aö Qdf) fann nidfjt felbft ein ©ebanfe
fein, ba eö bie ©ebanfen erft beroorbringt. 2lber ein Drgan fann
eö fein, unb jtoar ein Drgan, baö fidf) bilbet unb roieber vergebt, ju=
fammengefefct auö vielen -Jieroenjellen, bie burdf) Leitungen verbunben
finb, unb ifjre Sebungen aufeinanber übertragen unb alle empftnben.
2Me 9hißenroe(t bilbet fidfj ab in ben StinbenseHen beö ©efyirnö unb
an bem inneren ßnbe ber Leitungen; tmterlid^ im ©e^irn fommt
*) $te fol^lic^ feine 3eit ift.
— 167 —
baö entfpred&enbe Qd&gefütyl ju ftanbc unb fliegt ju einer ©infjeit
jufammen, wegen feiner ©leidfjartigfeit.
21. 3lov. — Dem aWaterialtemuö jufüljrenbe ©ebanfen ju reoi' gange* gefaxte
bieren, \)<fot id& mtd& an eine erneute Seftüre bes 2. 33b. ber ©e^ «roattriafismus.
fdf>id>te be$ STOaterialtemuä oon Sänge 2. Stoff. 1877 gemalt. SBaö
bafelbft unter IL, 2. 3lbt. 2. Sudf), über ©toff unb Äraft gefagt ift,
brängt mir bie $rage auf, was eigentlich baä in bas Unenblidfje £eil* sks in ba* in»
bare ift, wenn man 9taum unb (Stoff unterf Reibet. Der t)on äffen Untn ^ 3:ei1,
empirifcffen 3ufäfcen. bereinigte Staunt leimt gar feine ©renjen, weber
peripf)erifdf)e, nod& im inneren. Slffe ©renjen finb Slbftrafta von bem,
was afe eine Stosftiffung, als ein S3eroegli^eö im 9taum oorgeftefft
wirb. Diefe ©renjen, frei von äffen nidf)t räumfidfjen ^Relationen,
laffen fxd^ in ben reinen Staum überall fiineinoerf efcen , unb bie von
iljnen begrenzen £of)lräume laffen fidf) in ber ©inbtlbungsfraft jer=
teilen, of)ne jemals ju einem fo fleinen £eil ju führen, ber nid&t nod&
Heiner gebaut werben fönnte. Die fubmetapfjpjtfdjen £o^lräume finb
ins Unenblid&e teilbar, — wäre ber präjife Dberfafe. Der SRittel?
fafc muffte liefen: ein Äörper erfüllt einen metfyap^gjtfdfjen §o$U
räum, — bamit ber ©dfjlufc auf £eilbarfeit in infinitum für ben
Äörper fidf) jietjen liefee. Der 2RitteIfafc ift aber unwafjr, ba ber
ftörper bet)nbar, ber 9taum felbft aber ftarr ift. SBafjr ift bagegen,
bafc es notwenbtg eine ©renje gibt für bie ©igenfdjaften ober Kräfte
bes Äörpers. $ebe unter biefe ©renäe geratenbe Teilung tyebt bie
33ebtngungen ber ©fiftenj für ben Äörper auf; — ob idf) if)n ah
SBibration einer bloßen ^ßotenj, ober ah Sltomenfomplej benfe, —
bie 3 ertc ^ un 9 & ar f' ™fy Keiner fein entweber ah bie SBibrationSs
welle, ober als bas 2ltom. — Uebrigens gehört bie £eilbarfeit inft &te scMacteit in»
Unenblidfje nidfjt in bie Sinnenwelt unb f)at feinen 9tofpru<$ auf ^•{rtlem*
tranäfubjeftioe Realität.
14. Dej. — SBergleidfjbar fönnte bas ©eiftesorgan einer SBolta- »ergt«* bes
fdfjen Säule in biefer 33ejief)ung fein, bafc an bem einen 5ßol Mc^ijSfiowS 11
Stofcenwelt, an bem anbem bas entfpredfjenbe ^ä) entfielt. 3n ber
£f>at gibt es bann eine fontinuierlidje Steige oon 3>df)S, bie für eine
©infjeit gehalten werben wegen i^rer ©leidf^eit. ©benfo wie eine
&afce, bie id& jweimal fet>e, nid^t jwei Äafcen finb, fo ift audfj bas
3$ basfelbe, obfd&on ein fontinuierlidE) ffiefcenbes <ßrobuft besfelben
Organs. Äeine 3Sorfteffung ift möglidf) ofjne 23eigefeffung bes ^d&s,
ob biefes nun in berfelben %tVit ftd& üoffjiefjt, in welker bas 9tidf)t=
3$ fid^ einprägt, ober in einer bamit burdfj Seitung oerbunbenen oer=
fd&iebenen 3 e 0f. Daö Sleibenbe wäre ein ^nftrument (fonftant in
— 168 —
gorm, wedf)felnb in Stoff), baS ba benft, fowoljl bas 9tid)t=3clj ate
bas $<§. Seiberlei Sorftetlungen finb gleichzeitig, unjertrennltd). 3^
ift nidfjt mefjr Subftanj als 9iidjt=3d) , bas Xransfubjeftioe roäre
immer nur bewufttfofer Stoff.
16. 3)cj. — 3 ur Stcmfton meiner 2luffaffungen oon ©eift unb
Stoff u. f. w. las icö wieber burd): 1. ben jweiten Sanb oon Sänge*
©cfd)idf)te bes 9RaterialiämuS unb 2. 3o$annefi Solfeft: ©rfa^rung
unb Senfen, frittfelje ©runblegung ber ©rfenntnistlieorie. Ad. 1.
3Jlan breljt fidf) oergebens. Jlur ßrfd&einungen, unb bas roas
batyinter fteeft, muß anbers fein, als ber 9Kenfd& begreift. 2)enn bic
©rfd^einungen laufen Ijinaus auf ein Sein t>oH äßiberfprüdfjen unb
Unmöglid&feit. 9ttd)ts bleibt übrig, als fidf} in eine 3^^lroelt äu
flutten, wie Sd&iHer fie in bem SReidf) ber $beale barlegt. 2>as
Söcfcn ift leerer £rug unb bie gtom ift bas Sleibenbe. ©ie SBSirf-
lidftfeit muß jur Sßoefte t>erflüdf)tigt werben. Sonft bleibt feine 9iet=
©oifeUö tung oor bem Sophismus. Ad. 2. ßs finben fidfj im Sewufctfein
ift bebfutetib. ©ewifcfjeitsprinjipe, bie transfubjeftioe Sebeutung forbern unb baran
31t glauben nötigen; fonft wären weber 9Zebenmenfdfjen nod& 3>inge
in ber 2ßelt anjune^men. £ie finnlidfje SBatjrneljmung gibt bie Shi*
regung, bie ©runblage, ben Stoff jum ©rfennen, aber bie logifebe
$cnfnotwenbigfeit oollenbet erft bas (Srfenneu bes £ransfubjeftu>en. —
35ie 3Jtetl)obe, biefe Serfidfjerungen barjutljun, ift aber nid&t bas gc=
wöfjnlidjje Seweifen. Gs werben in ben Sewußtf einsaften biefe ^Jro-
jeffe aufgewiefen. $<$ finbe bod), baß bie Solfeltfdfje Sdfjrift jefyr
% rt unb bebeutenb ift unb oiele meiner 3lnfidf)ten berichtigt. Sd&on bas fpridbt
bafür, baß fie fo gut paßt, um für ben Sgftematifer STrt unb ©attung
ju unterf Reiben. afofd&auungen, Silber geben nur ^ubioibueu. %üx
bie aßiffenfd^aft ift aber nötig baraus Segriffe, beftimmt getrennte,
ju bilben. 3lrt ift nun, müßte Solfelt fagen, wenn er praftifdfjer
Sijftematifer wäre, berjenige Segriff einer Sieljafyl aon ^nbioibuen,
ber fidf) logifdf) ni$t weiter in getrennte Segriffe jerlegen läßt. 3>afc
es eine foldfje ©renje für bie 3rcfegung gibt, ift empirtfd), burefy 3"~
buftion, ju ermitteln.
Utodf) Solfelt finb bie Kenn jeid&en , bie idfj S. 158 für ba*
Xransfubjeftioe angegeben fjabe, anbers ju gruppieren. 2>ie SBirf-
lidjfeit ift erfeunbar burdfj bie geiftigen Kategorien, bie oollftänbig un-
erfafjrbar finb unb in ber Drganifation bes Unbewußten begrünbet
»oiftitö fein muffen, ba fie im Sewußtfein a priori auftreten. ©s gibt fedjs
foldbe Jorberungen (Kategorien), bie bas 2)enfen ju ber ßrfatyrung
tjinjubringt, um eine 2ßirflicf)feit 311 ftanbe ju bringen: 1. 3loU
— 169 —
roenbigfeit. 2. 2lllgemeingültigfeit. 3. Allgemeinheit. 4. Kontinuität.
5. Kaufalität. 6. ©efefcmäßigfeit. £ad finb bie Denfforberungen,
um Sßirflidtfeit ju erlernten. Die SßaljrnefMnungaforberungen finb
Don mir früher augegeben. 1. Sleibenbe folgen im SBafyrnefymungös
gebiete; 2. ©reif barfeit ; 3. gleichmäßiger ©rfolg bei Söieberljolung.
9Benn man fidfj beobachtet beim Uebergange aus ber SBelt beö 8erti>irrun fl jener
2£ad()enö in ben Schlaf unb in bie Xraumwelt, fo wirb man be= iieber fl angauBbem
merfen, wie in ben ©ebanfen unb SBorfteffungen gerabe bie 9luf- a e5iaf. e
fafiung ber genannten Kategorien wirr wirb, fobalb bie frifd&en
Sinneöeinbrüdfe aufhören baö Material baju ju liefern. @s fdbweben
ifteprobuftionen in ben Derfdjjiebenfien Reihenfolgen unb Kombinationen
bem ©eifte oor. Die Öewußtfeinöoorgänge werben regellos, bie Kaufak
reiben unterbrod&eu, bie ^bentität bcö Selbft fogar unbeftänbig. Ofjne
frifc^e 3 u f w ^ r vm ©inbrüdfen, mit bloßen Steminiöcenjen oermag baö
Deuten eine tranöfubjeftioe Sßelt gar nidfjt feft ju galten. 9SotteIt fdfjäfct
nidbt feiner ganjen SJebeutung nadf) bie 2lbl)ängigfeit beö Dentenö oou »o«eit unterbaut
ber finnlid&en JBaljrneljmung. Die Kategorien bes Denfenö finb ftdjjer «WÄeit m
nur bei ©reifbarfeit, Sßieberfjolbarfeit, s J5erfiftenj ber wahrnehmbaren «ußenwett.
folgen, ©ibt man bem Deuten audf) bie Erinnerungen aller früheren
äßaljrnefynungen, bie jtdfj ja audf) auf XranöfubjeftioeS urfprünglidf)
flrünbeten, fo feljlt ifynen bie 91otmenbigfeit beftimmter i?erfnüpfungen.
Gs entftefyen abenteuerliche Kombinationen unb lüdfenfjafte $olgereif)en.
SRögen bie Kategorien uiebt ber aßafjrnetjmung angehören, fonbern
bem beulen, fobalb fte fid) nid)t an frifdfje 2Baf)rnef)mungen Ijef ten
fönnen, bringen fie eö ju feinem orbentlidfjen ftortfdfjritt.
24. De}. — Das 3$ muß wäfjrenb beö Sebenä fontinuierlid) 2>qb 3$ mu& m
lein. Die Obwtitat aller iljm zugänglichen ©rinnerungßbilber tonnen a emSfX^ 1
es oon ber eigenen ^bentität nid&t überjeugen, wenn es feine früheren
Sinbrüdte üerforen Ijat unb nicfjt oergletd^en fann. 3f* bie Kontinuität
beö {$$$ audf) nur bei einer einjigen, fidf) fogar oerfd^iebenben unb
üenoedfjfelnben, ober einförmig fidf) unauögefefct wieberfjolenben 6r*
innerungöüorftellung oerblieben, bängenb wie an einem bünnen gaben,
fann fie fidf) ol)ne Sdfjwierigfeit wieber über tf)r ganjeö, altes ©ebiet
ausbreiten. Das Qdf) braud&t nicfjt als Subftanj fortjubefte^cu, wenn
es nur in ber Subftanj als 33egleitoorftellung fortbeftetjt. $n Dtyu
madfjt, in Sdtjlaf, Cetljargie muß bafjer SSorftellung, wenn audf) bürf-
tigfter 3trt, gan& öljne fpätere Erinnerung, angenommen werben, außer
in Ratten, wo in ber Dfjat bas $d) oerloren gegangen*); in fallen,
*) 3m grrfinn.
— 178 —
ßüKgion (1889).
sBoMüicn unb 2)ie Sentförift beä SReftora von Sorpat, fpäteren Siföoffe UIU
©r n^runaen. mann ^ g e g Cn ^ e Uwarowfdjjen 33eftrebungen, ben baltifd^cn Unterricht
ju ruffifijieren , — ifi, wie idfj glaube, baö ^reimütigfte imb 93eftc r
waö biö jur ©egenwart bar über gefd&rieben worben ift, aber bennod>
f>at faum je ein ©dfjriftftücf nte^r Stäben angerichtet. 3Bie fofl man
fold&en ©rfafjrungen gegenüber nidfjt Opportunist werben? ^mm** unb
immer wieber fudf)e id[j in einfamen 33etrad£)tungen nad& ©runbfäfcen
unb SBafjrljeiten , — unb immer fommt bie <Srfal)rung bajroifd&en,
mit tyren liebenäwürbigen ober nüfclid&en 3Sermittelungen, bie aber
falfdfj finb unb Unwahrheiten enthalten?
(»cbet. 2Baö bie SBMrfung beö ©ebetö anbetrifft, fo jeigt gerabe bie 2ln~
wenbung auf bie Seiben beö Äaiferö $riebridf). ... Ob £ob ober ©e=
nefung, nie werben bie 9Rebijiner eine SBirfung beö ©ebetö barin ju
erlernten im ftanbe fein. 2lber woju audf) eine foldjje tranöfubjeftit>e
SBirfung? 3ft ^ e fubjeftioe nidf)t genug? Unb gan$ fubjeftfo bleibt
fie mdfjt. 3)aö ©ebet vor ber <5d)ladf)t begeiftert ganje £eere, itftc
^id^t ju tfjun, wenn es audf) über ben Sieg nidfjt entfd&etbet.
fttrdjen
3dj benfe an Saooifierö 2Bortc, el;e er baö SdEjafott beftieg:
üa»otjicr. „£aö rcbUc^ftc unb für bie 9Renf$f)eit nüfelid&fie Seben fdEriifct niebt
baoor, ben Tob eineö Skrbredfjerö ju fterben. — " £aö »ergibt man
unb l)ält für unerhört, wenn man felbft etwas Unrecht leibet.
3lber befinnen wir und, bie Harmonie wirb bleiben in ber SBclt,
ob wir auä) eine traurige Stunbe burdjjmad&en.
$>ie fittlidjje 9BeItorbnung fefet fidf) burdf) gegen bie 33eftrebungen
ber aWäd^tigen, aber fie nimmt fid) lange 3^*-
(hwifleiü^e 1. 3Wai. — 2Bo baö Sangen unb baö Sangen nadfj ber eigenen
fltnuini^aft. Seelenfeligfeü jum ©runbmotio beö 3Mfeinö geworben, ift eö mit ber
uneigennützigen 9ßat)rf)eitöliebe unb SBo^lt^ätigfeit nid[)t unbebenf-
lid|j. $ie Söerfe fönnen fo grofc fein, wie bei ben erften 3 e fuiten,
fie bedfen ben ^trtum in ber ©runbricfytung nid^t ju. ... 2Ran mu§
baöjeuige uermetben, was von bem riebtigeu alten Sutfjertum mit
— 179 —
weitem Staunt für beu glügelfdjfag freier Seelen in tmö falutiftifd&e
Tintfel jurüdffüljrt . . .
,3d) fjalte gut 3 C ^ -fwt uotwenbig, au einer großen firdfjlid&en
öemeinfd&aft f eftju^alten , obwofjl tdf) eigentlich ju bem nicäifdfjen
atfjanafiamfdjjen 33efenutnte mid& ablefjnenb oetfialteu muß. Tie ©e-
roif#eit ber 9taturerfenntnte, bie $eutungdbebürftigfeit aller lieber*
lieferungen, bie bal)er unfidfjer bleiben, nötigen midj) baju. $ie 33ibel
bietet aber audfj mir bie reicfjlic^e Duelle ju fittlidfjer ©rfjebung nidfjt
meiner winjigen ^Jerfönlidfjfeit, aber ber fortlebenbeu 9Renfcl)f)eit. 2luf
biefem Stoben n>äre oolle Jreifjejt für bie (Soangelifdjjen möglich . . ,
3Me otjmpatfjie beö (Sinjelnen tfjut woljl, bie tfircfye gibt bie
3t>mpatf)ie ber ©emeinfdfjaft öffentlich.
Xtö golbene Äreuj, l)odf) in beu fiitften, ift unter hen Symbolen,
beneu meine calmniftifdfje ©runblage im allgemeinen abgeneigt ift,
uodj baö befte. Sein s Jtame foll gläitjen über alle Kamen!
10. s JWai. — ferner: lieben ber ^ßflaujen 33anb I beenbigt unb cp«mif«f*f
auf ben nid^t erfdjeineubeu II. 8anb gefpaunt. Scheiben* „iflanjc ^M^u«^.
\u\b tyr 2tbtn" , feiuerjeit gut aufgenommen, jeigt wie ungemein
groß feitbem bie Jortf dritte fiub, in Söiffen unb iserftänbniö ber
fogenannten populären SBerfe. 3^fet ljerrfdf)t bas öeftreben oon allen
Strukturen*) unb Vorgängen, ben duften für bie ^Jffanje felbft ju
uerftefyeu. 3>a& ein foldfjer entfdfjeibenb gewirft tjat für baö Gntfteljen
aller Öeftalten, aller färben u. f. w., ift ein fo umfaffenb unb über*
rafdjenb nad&gewiefener Umftanb, bafe bei Äerner eine allgemeine 2?or=
ausfefcung barauf fid) gründet. — 3>aö @ute wirb auf bie Sänge
uorfjerrfdjenb, ba* ift ber fittUdEje ©runbfafc, hen bie unerbittliche
s Jtatur auf allen ©ebieten jur einfielt bringt. £ann mufete aber bad
iltorfyergeljenbe ein Sdjledjteres fein. ©Ott unb Xeufel finb bie ^er=
f onififationen ! Daö Scfjled^te ju perf onifijieren , diefes Öebürfniö ift
ber gebilbeten SBelt verloren gegangen. Um aber mit bem Wüten jtdj
511 burd&bringen, muß ber 9)tenfd) in ^rieben k& en mit bem perfonu
*) 2öer wirb frei ben Äoleopteren in berfelljen Stfeife bie £tru!turen erflärw?
— 18J —
feierten ©ott, trofc bes nidjt uolljiefybaren öebantenö; — an 0ott
muß er galten, appellieren, ju ifjm beten,
unfetuti* 13. ÜDtoi. — ^>n guter ©efellfdfjaft, wer glaubt ernftlidf) an bcn
inif^xrafcifl- Teufel? So fcpmm fte^t es mit bem ©lauben an ©ott nodf) nidbt.
jeber Sadfje nur eine 2öal)rf)eit, aber ber Irrtümer unjäfjlige. So
gibt eö nur einen ©eift beä ©uten, ben ber 3Menfdf) an jubeten bat,
im ©eifte unb in ber 2L*al)rl}eit. SBcnn er biefen ©eift ffi< unb
liebt, verbreitet fid) griebe in ifjm unb fdjroeigen bie unerfättlidbcn
unb oerbriefelid^en öebürfniffe für einige 3 e ^- hatten fann man
aber biefen ©eift nidfjt; er ift ein unoofljieljbarer ©ebanfe. £er ©cift
be$ Söfen jerfällt aber in eine Unjaf)l von ©injelgeiftern unb bient
$u fabeln unb Aberglauben, £al>er ift eö audf) uicfyt ju bebauern,
bafi man fie allcfamt los wirb.
*tau»iubie!titte 24. 9Jiai. — ©ennfeljeit oon einem, aufcerfyalb ber menfcblicbeu
rciifli8iem tl Äte Jßorftellung SJefteljenben , ift auf bem religiöfen ©ebiet nid&t ju er=
in tmfli ( Qn g en 3( u ^ fo em ©ebiete beö finnlidf) SBafjrnetym baren , bas ben
£enfforberungen cntfpridf)t, ift fie oor^anben. Tie Religion muft
arbeiten mit SSorftellungen otjne finnlid&e ©eroifctieit, — aber nidbt
gegen biefe ©eroiftyeit. 3nfofcrn bie ^Religionen ed bennod) tfyun,
oerfallen fie bem SBalin. Ser SBaljn, je oerlodfenber, um fo fdf)äb=
lieber! ©enn bie Steigungen machen ifjn feft, fanatifdft, oerberblidb für
3* beftmöflitfteu bie ^ortbilbung ber menfdblid&en ©efeüfdfjaft ju ben beftmö glichen
aSer^altmffen.
$ie Sieligion l)at nid^t baö Seligroerbcn be* Ginjetnen jur 3Iuf=
gäbe, fonbem baö Seligmad&en ber SRcnföfpit, b. I). bie 9Meufdbl)eit
porroärtö ju brängen ju ben beftmög liefen SBerljältniffen ber $n-
bimbuen ju einanber unb miteinanber.
ftreiljeit! olpie ÜWifcbraudf), für alle, ift junäd&ft eine ^orbenntg,
bie babei in Öetrad^t fommt.
uebeTienenfcit ber 27. 3Rai. — 3Scrglcid^c man bie 33ibel mit anberen tyeüig geachteten
ffaipfinbuna bee unb poetifdfjen Schriften. %n ber $ibel, b. I). 9tlteö Seftament unb Steues
citiften. Xeftament, ftnbet man eine ©mpfinbung bes ©roigen, beö ©eredfjteu,
beö Opfers feiner ?perfönlidf)feit für baä 2öof)l ber 3Renfdbcn,
mit einem Grnft unb in einer ergreifenben ftorm auögebrüdft, in einer
größeren gafjl uon ©teilen ausgefprod&en, alö in ben SBebaö, in &omer,
in d()inefifdf)en Sudlern, im Äoran u. f. n>. — 3lber eö ift bodf) aueb
uiel Unfinn unb Unfittlidfrfett beigcmifdfjt. prüfet alleö unb mäklet
baö öefte, fo Ie^rt bie SJibel, unb fo foll man eö mit iljr t^un. S^ie
fird&lid&e ©emeinfd^aft, bie fid^ aufbaut auf ber freien SJe=
— 181 —
ii ii feit it g ber $ibe(, unbeengt wm ben :öefenntniöfdf)riften unb mit
ooUer 2Bal>rf)aftigfeit, bü wo baö 3toturerfennen, bie einbringenbere
Xc£tfrittf unb ©efdtfd&töforfdfjung, bie ueränberten fiebenöibeale roeiter=
geführt fjaben, — baö ift baö beijubefyaltenbe Gfjriftentum. $n bem 5«tc $rüf un« unt
.Hultuö ber gro&en beftebenben Äirdfjen finb bie SBanbhmgen immer auf ©tw* *et
93 i bei.
c^efa^rlid^. (Sin Spnobuö fottte bie notroenbigen SSeränberungen uon
S e ^ $ u 3*ü Dowetymen, immer nur bei wenigem! Slber bie ©Iair=
benöfreiljeit auf ©runb beö SUtcn unb SReuen Xeftamentö, ober mit
beftänbiger Senufcung biefeö öud&eö« jur ©rbauung unb fittüdjen
rteftigung, bie fottte obenan ftefjeu! 3)er ©eift ber Söabrljaftigfeit
wirb erft bann gefommeu fein!
28. SDtai. — 33ud) ber djriftlidjcn Urfeljren unb Sid&tungen, —
fo mag man eraft bie Sibel benennen. Snwieroeit baö SBttte £eftament
eiuerfeitö burdb baö 3teue Xeftament, anbererfeitö burdfj ben Xalmub
fortgebilbet ift? Ta^u feblt mir eine nähere 2}efanntf<$aft mit bem
Talmub. Gr ift pottftänbig iu franjöfifdjer Ueberfefcung erfdfuenen unb
fo müßte id) if)u mir anfd&affen. Cb eö ein gleid&roertigeö 3itlu
gionsbueb gibt? 3lrmfelig finb bie iittyctn beö Äoran bagegen, —
Spielerei finb bie Sagen £omerö unb 3ubebör, — langweilig bie
jeubaDejfri, t>ic üBebae uugeftaltig, — u. f. ro.
16. ^uui*). — i>on l'utberö fjeifeem ^erjen ftiegen kämpfe, bie sut^r.
feineu $U<f umnebelten. £ie Unficberfyeit feiner Grfenntniö fud^te er
burd) 3lffeft ju überurinben. x )m ©egenfafc ju bem Haren 3roingli,
fteifte er fieb in beut 3lbenbmat) (öftreit auf s i>orfteffungen, bie logifdf)
fid) niebt do (Rieben ober realifieren (äffen, £ranöfubftanttation uer=
warf er unb geiftige (Erinnerung genügte feinem in (fatfjolifdjjem)
^tntberglauben aufgeroadjfenen Sinne niebt. (fr tyelt ji$ frampfbaft
in einer 3ttnfd)enftellung, ofyne 511 bedeuten, baß auf fo febiefer i£btnc
fein galten. aber bie ScbuUbeologie bat \>en £utberanern baö Unmög=
Itdbe burdf) einige Sßiebertjolung u\x^ jpeftigfeit beniuxf) möglid) ge=
mad)t. Sie roieberljolen und braudjen feine s )ttatf)ematif, roie
fcutljer im ©efpräd) mit Sromftli n)ieberbo(t fagte, — b. b- fi* oer=
sichten auf itogif. 2ßas an $alt feblte, fottte ber Terror erfefcen,
baber ber 3<>rn. 2tnbrerfettö bat Vutber ben $überbicnft niebt alö gm« « Iam,|e
eine Serfudfjung beö Solfö, t>a^ Cnoige xin^ ©eifttge 311 t>erbrängen, -XJPWw, j «
fo erfannt roie 3)lofeö. Setyr befdjränft mar er alö ^olitifer. 3Jiel
*) 35er SBaronin Ucjfüü fc^rieb mein 93ater: „3$ fenbe 3§ncn baä 5löftltnfc^c
l'utljerbucfj. Q$ wirb mtc§ freuen, nenn Sie unb bie 3§ngen an bem lebend:
roafjren ©Übe biefeö großen SWanneö, mit heftigem fterjen, — 35>o ^fgef alfen
ftnbcn. 25er 9Renf$ ift mef;r a(ä fein 2)ogma.
— 182 —
Scbwaufung, viü £albf)eit. 6t üertrat beu Gteborfam gegen .Haifer
unb Saubesfürft, unb glaubte mit ber Sefjre, otjne Jöaffen bie prote=
ftantifdje Äirdje grünben unb burdjbringen ju fönnen ; — bis bie 9tot
näfjer Jam. ©ein Qefdjmad war fo üerborben, baß if)m baö Unflätige
Qewürj festen; unb feine Stlbung fiat baö nie $u uerbeffern ver=
mod)t. — 2lber fein beißeö Jperj war anbrerfeits bie triebhaft, bie
leut&crs feinen 9Kut empörte unb ftätilte, — feine ^JerfönH^feit ju einer un-
wiberftel)lid) binreißenben, begeiftemben machte, — bie ibm eine Öiebeo-
geroalt nerliel;, an bie fein anbrer ber ^Reformatoren reichte. Shiö
feinem fersen feböpfte er fein unerfdjöpflidjeö 2i>irfen, feinen Jleiß
unb baö brüdenbe ©efityl fpäterer 3abre, baß er ju untätig ge-
worben.
©cflenjaije ber 23. ^uni. — gröf)licb, — ober t)erbrof[en als ftinb in ber ga-
väbaVÄer milie; — wißbegierig ober gemartert in ber Sdfjule; — ftrebfam jnr
tettra m. ^rfenntiiid ober verbummelt als Stubent ; — probuftio ober fteril in
SDianneäjaljren; — ruf)ig ober mißvergnügt im 3llter; — bas uiu
gcfäljr finb bie ©egenfäfce für bie verfdjiebenen Sebenöftufen be*
9JJanneä. Jyür bie Söfyne foHten bie Gltern aufmerffam bem befferen
unter ben jwei Säfeen julenfen!
Confessio solitaria, — Confessio socialis! $ie erftere bat auf
unbebingte Sulbung Stnfprud), bie sweite nur auf bebingte. 3bre
SHtlbung ift abbängig tum ifjrer Seeinfluffung ber Sitten, ^m ^m
tereffe ber menfdjlidjen ©efellfdjaft muß nid)t gebutbet werben, waö
beu natürücben unb ibealen Aufgaben ber 3ttenfd)f)ett fdjäblid) ift,
3. 33. Sflax>enl)anbel, Vielweiberei, SSerftümmelungen, ßölibatgelübbe,
sie Unterbrüdung ber freien gorfdjuug, Seförberung tum Steberlidjfeit
e fonn S Jü«t ana unb ^amifienunfriebe u. f. m. @s ift bann aber in ber 2t|at bie
un t mßt sc en. j^ or j >crui |g ^ er unbebingten Sieligionötoleranj eine Uebertreibung. £ie
sie frftefenim meiften Religionen mit öffentlid)em Skfenntnis unb für ©emeinfdmften
*SSffi muffen in (Ermangelung eineß Sefferen geehrt werben, weil fie Diel
mtt w3bK!* rt ©uteö wirfen trofc safjfretdjer, ftreng genommen, nidjt gu bulbenber
$eimifd)ungen.
©eift ift öott unb bie iljm fid) unterwerfen, follen
flott ift weift, eö tbun im ©etfte ber 28al)rf)aftigfcit IV. 6n. 4,24. — ^n
bem SBorte „anbeten" ift ©ebet vorauögefefct, man fann ftd) aber tief
unterwürfig füljlen unb bod) nid)t bitten unb beten; baö ift in bem
@ried;ifd)en aber gefagt mit rcfjocxoveiv, besfjalb bie jefctge verbefjcrte
Ueberfefcung. — ©eift ber SBaljrfyaftigfeit (ber unintereffterten )
i'iebe, bes »efferen; — bas ift Sott. Slber ber SWenfcb will ibn
tranofubjeftit) madjen unb baö ift nur bie jeiträumlidje Sinnesroelt.
— 183 —
Xtx Sienföenfd&roädfje genügt cd nid)t ju roiffeu, ba& ©Ott gelten
roirb in aller Croigfeit unb überaß , gleich ber ©ratritatton; er will
i&n aufcer fidf) perfonifijieren ; mnn and) nid)t wie bie ©öfcenanbeter,
in £olj, Stein unb färben , bodfj ate einen jarten 9iebel roenigftenö.
6ö ift il)ttt fo entfefclidj) fdf>n>er, mit bem reinen ©eift fid^ ju begnügen,
unb es fommt tym vox, ate märe baö überhaupt gar fem rechtes
Sein; — blofe ein ©efüfjl, baö ja ein SBaljn fein fönnte, — baö
eigentlich oljne Sfaroenbung in ber äßelt ift; — baö man abfegen
fönnte wie eine blo&e ©eroofmtyeit, einen Aberglauben ; — ber 9Kenfc^
nrirb bem 2lttyeiömuö jugebrängt, unb glaubt bie Junbamente aöer
Sitttidftfeit in ber menfd)lid)en ©efettfdfjaft erfdE)üttert. ©elbft ber t>er-
jtnnlid&te unb setträumlidfje ©ott genügte bem ^Jerfonabertangen bes
üßenfd&en nidfjt, er mufete fidf) einen ©ottmenfd&en f Raffen. 3)en
tonnte er lieben, nicfyt aber maö ein ©ei ft ift ! ®er $iftorif$e 3 e fus
würbe jum bogmatifdjjen Efjriftuö!
„3m Äampf um bie SBeltanfdfjauung" fiat meine greunbin*) 3m stampf um bie
"8. d. ft. mir auö bem Sluölanbe gebraut. SJiel 3ßaf)rf)eit barin! ©ifmmnk" U fin?ö
3$ toitt überfidfjtlidj ben $\tf)alt mir ocrgegenroärtigen. ftwiogen.
Bbfänttt 1. ®ut unb fromm. 3)te ©itttfdjfeit ftnbet ftc^ in 2Renf$en, 3 n ^ Qlt bes $ätxu*
bie ungläubig ober gläubig ftitb. $er Religion ge§t bie ©ittlidjfeit vor, aber " nb *' itl1
Uebenöniürbig unb geliebt wirb bie ©ittliä)feit erft reä)t bura) bie Sieligion.
2. ®ott unb Statur. $en Söiberfpruo} groifc^cn ber unerbittlichen Statur:
getoalt unb ber menfo$lid)en SJorfteUung von unenb(i$er ®tite <$otte3, — Ijftft
fcer SJerfaffer für bie golge ber menfdjlidjen Söefc^ränft^eit. 3>a3 graufame Statur*
gefefc unb bie Siebe sunt ©ittlidjen finb in ©ott ftctö Ijarmoniftt), glaubt er,
befennt aber, bafj er nid)t im ftanbe ift, e£ ju verfielen. 9Beber bie Statur
Ijat er begriffen, — noä) fennt er ®otteS SRatfdjtttffe. 3lber ooroärtö in bie
<£rfenntnte §u fommen, bringt ber 2öafjr§eit näfjer, unb in ber 2ßa§rfjeit ift fein
SBiberfprua).
N. B. 2)er SBiberfprud^ aber ift in meiner ähiffafjung, unb eö
ift uergeblid), ben 9Renfdfjen 51t einer Uebemrinbung beöfelben burcij
blofcen SBitlenöaft aufjurufen. 2luö ber nieberen 9totur (oon ber
Statur gilt: 9töm. 7,7 ... „Dom ©elüftc roufete idf) nichts, fjätte baö
Qefefc md&t gefagt, laß bidf) nidfjt gelüften"), bie aller Sittlid^feit bar,
entfielt erft ber reale ©eift beö ©uten, ben idf) ©ott nennen möchte.
3wifdfjen ber aftuellen ©eltung ©otteö unb jiuifdfjen bem ^bealgott
ift eö ferner 311 unterfdjeibeu. 2)ennodfj ift ber festere nur eine 31 uf*
gäbe ber 9Belt, unt)oI(enbet in bem ©üblichen. s i>om Siieberen, baö
Sluffteigen jum polieren läfit fid) »erftefien, unb baö fiefyt ber 3iatur-
*) Baronin ^enebifte von Ue^IüU, geborene von ©tietenfron.
— 184 —
forfd^cr ü6eraH. £ie (Jntfteljuuß be« fieberen, beö S5fen auö bent
£>öcf)ften unb (Buten, ift ber unlösbare ftnoten.
3. @inftunbjefct. $ier fommt baö @ebet sur Spraa)e. 3e%t fteHt fia)
baä (Bebet bem Cerfaffer ©or, afö roäre eä berechtigt, nur noä) al* ein (Bebet um
geiligen (Beifi. »ber aua) um $inge unb für 3Renfa)en gu beten, betn äußeren
£eben naa), fann er nia)t (äffen f fo flar tym ift, bafs eö oergeblia) f cin mu 6
Sielleta)t bringt e$ bie 3ufunft anberS, jefet ift aber von bem (Bebet fia) loSfagen :
unnatürlich. SRur naa) Gräften e$ ju oergeiftigen unb vor fa)äblia)em 3 rr:
tum eS 3U fa)ü*en, bleibt $fltd)t.
4. Seit unb ©nugfeit. gür ba* 3c^t fott man (eben, aber ba« 3e$t
fott Dom 2id)t ber (Swigreit befa)ienen fein. SRit biefem (Ergebnis fa)liefet ber
3(bfa)nitt. ©r ge$t «uö von bem (Befühl ber 9tta)tigfeit unb oon bem (Befühl einer
$b$eren Seftimmung, »erraeilt bei bem ©egen ber Arbeit, nrieber aua) bem
ttermften baö Sieben fa)Ön unb erfjebenb maa)t.
5. Urteilen unb SBirfen. Son bem eigenen SBefen, ebenfo nie t>on ber
Söelt, gäbe ia) blofe SorfteQungen. 3(jr tDafein ift nur bura) (Blauben gearifs.
£er Sn^alt beö religiöfen (BlaubenS ift notoenbig »erfä)tebenatttg , ba man ba$
$öa)fte anberS fte$t, je naa) ber ©tufe, auf ber man fte§t. SWit ber ©elbfrty&tig;
feit im (Blauben, n>äa)ft bie Serfa)iebenl)eit. $aS religiöfe (Smpfinben ift anberS
naa) ben ©inflüffen auf unfre ^ugenb, naa) ben <Befa)äften, bie unS abgießen,
naa) ben Anlagen, bie bei manchen fa)n>aa) ftnb (wie bei ber SRuft!!). Gin <Befü$lS:
menfa) entjüdt bura) feine Starte in ber religidfen (Bemetnf a)af t ; — ein 2$aten=
menfa) fua)t lieber einfam (Bort im Serborgenen. $iefe SRannigfattigfett ift bem
gortfdjritt förberlia). 2)te <Bemeinfa)aft ift um fo me$r nötig, — ben Unmünbigeu
gegenüber feft, in fo(a)er (Beftalt unb (Eigenheit, bie man felbft §at, — ben SRünr
bigen gegenüber plauftbel, aur Anregung. Sielen ift grömntigFett nur in einer
opraa)e unb (Beftalt uerftönblia). Aber ob jum SRarienbilbe, jum (Sottet
foljn ober au bem ©inen gebetet wirb, gleia)e Steinzeit unb £iebe3maa)t fann in
ber Seele malten. $er (Blaube maa)t nid)t feiig als Serbienft, nia)t als 3 U:
ftimmung ju einem beftimmten SelenntniS, fonbem als Vertrauen auf ben
inneren 3 U Ö 3 U Einern (iebenben (Boit, baö pon allen 3roeife(n befreit. 9Rag fein,
bafj biefe roeitfjerjtge SRtlbe tm Äampfe weniger wirft, als bie fä)roffe (Einfettigfeit,
aber ia) mufs, wo bie Partei fünbigt, nia)t mitfünbigen. Sauterfeit ber (Befmnung
ift im Kampfe au bewahren. Sin ia) felbft noa) unfta)er, mu| ia) mia) aurücf-
fpalten. 2öaö aber an (Brunbfäfcen im £eben fta) mir betbju)rt $at, mu^ iü) bura)
aufe^en fua)en. Um ber ©emeinfa)aft rotUen, fann ia) felbft an unooUfommene
formen anfnüpfen. 3(ber nie fott ia) mitt^uri, um bie Sa^n ju ^o^eren Stufen
bed bebend unb ber ©rfenntniö ju verfperren. $te religiöfen Irrtümer ftnb beffer
ju betämpfen bura) Darlegung ber Sßa^eiten in SBort unb %f)&t, als bur$ 9n=
griffe unb SBibetlegungen.
6. (S^riftentum unb Parteien. €§riftentum, bem Reifte naa) erfaßt, ift
reinfte 6ittlia)!eit au£ reinfter, aQe Xriebe oergeiftigenber unb be§errfa)enber ®e
finnung, — in unmittelbarer iHebe $u @ott. 9(l§ fold)ed fter)t es über allen anbern
Religionen. @d ?am aber nia)t alö ein ^ogmenfnftem, fonbem als eine Begeben«
fjeit in bie ^e(t. An biefe fnüpfte iübifa)>griea)ifa)e ^^ilofop^ie ein Dogmen-
fnftem mit überoerftanblicber ^e^re, naa) benen SefuS auS bem SeHünber (BotteS
felbft su Oott, unb aud ber ©in^eit (Lottes eine oerfünftelte S^rei^eit würbe. Stuft
— 185 —
einer 9Renf$$eit3religü)n mürbe eine Religion neben anbetn. 3Me (Staangelien nnb
bie ganjc S9ibel finb SRenföenroerf, mit SBiberfprü<$en unb Sehern unb mit Sagen,
bie fromme @(ei$m£roa$r§eiten bergen, behaftet. $a3 forbert t)ict Prüfung, um,
von Seiaerf gefonbert, ben reinen ©eift barauS 3» faffen. G^rifiuS felbft berief ftd)
auf bie früheren $rop$eien feine« SJolfd unb beonfprud)te nur in berfelben Seife
Offenbarung. 3u feinem einfachen (Seift muj bie ©egenroart jurücfffteben auö
Unnatur unb Serfünftelung, — in ^eiliger ©eiiijerjigteit.
aWeincm Urteil nai) ift baö Sdjriftdfjen leudjtenb burdf) 2ßaf)r=
baftigfeit unb ßofjeit. 3Beine 33orbef)alte finb tfjeoretif dj , — in
ber 2fntoenbung ftimme idfj bem SSerfaffcr oollftänbig bei, unb er
\)at beffer meine Ueberjeugung bargefegt ate irgenb ein anbrer, ober
id) felbft.
So toitt id& benn lieber bem ibealen, befd&eibeneu 9Jtanne lauften,
als an il}m nad) 3d)tt)iid)lid)feiteii fpüren, xmh fennen Urnen möchte
man nod> fo mand&es oon ü)m, — *. $. wie er unb roaö er betet,
oljne (Srfdfjöpfung unb 2lbfüblung.
ölüdltdj wäre eö für ben 3Menfd)en, fo oiel Siebe unb 8egeifte=
ntng ju füllen für baö, wa© auper ihm unb neben töm ftefjt, bafe
er baburd) baö dritteln in fid) unb oon aubren übenoinbet, — oljne
an bie eigene ^erfon vkl -tu benfen. 216er audb anbre bürfen ifyn
ntc^t 311 feljr an bie eigene v J>erfon erinnern.
13. 9too. — 188:* bat »ifdfjof oon Mfomebien, yiji(ot$eo6 «rijen;
nio*, einen Seil einer in ^erufalem eutbetften öanbfdbrift, — smifeben
bem 120. unb 160. ^afjr unfrer $eit berausgegeben : „Vefjre beft £errn weumtbfdte
burdf) bie jioölf 3fyoftel." (St^ifd^e Üitbt ju Sott, 31t ben ^ädjfteu ^S*7«i. m
unb ju ben ^einben u. f. ro. 3Me Probleme ber fpefufatioen $eiben=
diriften^eit fpäterer $eit eriftieren nidjt. SJon Saframenten finb nur
laufe unb Slbenbmaf)! angeführt, dagegen finben fid) beftimmt bie
Sd^roarmgeifteroorfteHungeu. Xaufenbjäfjriged 9teid), Erneuerung ber
3ßelt burd^ j^euer, fteffeu bie Schrift ju benjeuigen ber bebräifierenben
Gpigonen befi ^ßaufus. s }Jetrimfdf) unb antipaulinifd) ift ber 3Kangel
ber iltfyvt oon ber Rechtfertigung burdj ben Glauben unb oon ber
s JJräbeftination. — SBäre baö Gljriftentum nidjjt in ber 2t)at nunmehr
alö eine mü oielen ÜßSa^noorftelhmgen gemifdjte Sefyre anjuerfennen?
lebensfähig ift fte geworben burdf) bie Umbilbung, bie fie burdi baö
Cy$ried(>ens unb SRömertum erlitt. 3fa etl)ifdf)er tteru machte fie 511
einer ber SBeltreligionen. Unter ifyrem (S'inffuft wirb bie unoernünftige
— 186 —
ättenf$i)eit in einer beeren ©emeinfd&aft geleitet unb bie Sd)aml)af%
feit, 2Wäfngfett, i'iebe, s JÄilbe gepflegt. <5ä faim bie Sßenfdfteit fo
vernünftig werben, bafc fie atö ©infidfjt in bie ©rüube, in ooQer
SBaljrljaftigfeit afle biefe Xugenben übt. aber fein äßafjn ift größer,
als fdfjon gegenwärtig bie SRettföen für allgemein oernünftig 511
galten, nnb fein $&cti)n fdjäblid&er! —
WtofopWWl* Vfaftptotf* (1890).
SfortDouer unb 15. gebr. — £aö 3d) ift du öegleitgefüfjl aller ©eifteötbötig-
"ü^gefü^. feit unb entfprid)t bem in ftetiger 33ilbung begriffenen $n\)alt ber
jeweiligen 33orfteHungen, barin nur wenig gleichzeitig Ijinjufommt ober
auöfdjeibet. Sßerben bie HorfteDungen, üon benen ein bumpfes Qk-
fübl und beftänbig begleitet, unb bie a\\$ bem ©ebädjtnte bem Drt
für bas üBewufttfein im ©eljirn beftänbig juftrömen, plöfclidE) unter-
brochen, ftatt ftetig geftärft, fo fann baö ®efül)l itjrc Seljarrlidfifeit
niefit anerfennen, felbft wenn biefe ä$orftcHungen von anfyn wie-
berum angeregt werben. GS fommen in biefem gaffe franfljafte gälle
eines 3?erlufteö beö bisherigen 3^ *>or. — 33ef)arren fann nadE) bem
Tobe weber bas ©ebädfjtnis, aus bem bie äSorfteffuugen früherer 3*i*
juftrömen fönnten, nodf) ber löewufi tfeinSort im ©ef)irn, ju bem bie
33orftelhmgen gefeitet werben fönnten. 2)ie gortbauer bes 3d^gefüblö
naä) bem Tobe ermangelt ber SJorbebingungen.
33ilblidf) ju fpredjen ift baS Sewufjtfeinsorgan im Webirn wie
ein Dfular, unb bas ©ebädfrtnis wie ber SRefleftor eines Xeleffops,
nur ift bas Cfular doH 91ad)bilber unb Dorn SRefleftor burdfj eine
faleiboffopifdfje Sdjeibe getrennt.
16. gebr. — Söas idf) geftem über baö 3dfj gef dfjrieben , will
mir I>eute nidf)t gefallen, ßö foll ja feine SBortbefinition , fonbern
eine ßrflärung feiner @ntftef)ung, genau nadfj ber ©rfafyrung unl>
nid&t barüber fyinaus, gegeben werben.
serfuftc. ba« 3* ©mpfinbung fommt ju ftanbe, wenn bie SReije ju bem ©ebirn
ju criiören. brtngen; — von Dieter Grfa^mng fann man ausgeben. 3>ie ßim
pfinbungeu Ijaben eine gewiffe 3eitbauer. 3n ber erften 3*it erlangen
fie ben Ijöd&ften Örab, fd&wädben fid£) bann ab unb werben cnblicfi
md)t meljr wahrgenommen. 2luf biefe SBeife befteben im ©ebirn
— 187 —
gleicbjeitig t>ielerfei ßmpfinbungen uerfdfjiebeuer ^ntenfität. 3f)re Summe
ift nur ftetigcn, Iangfamen 33eränbenmgen unterworfen, baljer erfennt
jie fid) ate btefelbe roieber, bie furj juoor fd&on getoefen ift. SBirb bie
ganje Summe auf einmal auögelÖfdf)t, fo fann eine neue Cftnpfinbung so* 3$ fuu n*
*u ber alten Summe nid&t mefjr ftinjufommen. Gine neue Summe summe ™n
fann fid) btlben. 35aä 3$ ift alfo \>tö ©efüljl einer nur ftetig Der* einpf!nbun0cn -
änberltd>en Summe oon ©mpftnbungen in einem ©efyirnort, an bem
bie grinnerungöbilber nnb SReije ber 3luf?enroelt ins »enmfetfein treten.
20. gebr. — 2lbermate genügt mir nidjt, roaä tdf) juoor über stueuet smu«.
bas SBefen beä %$$ niebergefd&rieben f)abe. £aö 3$ ift feine Summe erfa^mu» ju r
pon ©mpftnbungen, fonbern ein ©efüljl, baö jebe einzelne ©mpfinbung
begleitet. Daö $(1) ift baä eine mefentfid&e ©lement jebroeber SBaljrs 3*5 3* m feine
neljmung. (£& tarn ju ftanbe im &inbe, im Jier, mit ber erften \umm^\onStxn
ßmpftnbung, unb fdjroanb mit ber festen. Sein ftortbeftanb mä^renb jeJct (£?Äimß.
beä Gebens mar möglich, fo fange cö oon einer auf bie anbre ©mppnbung
ofjne Unterbrechung übergeben fonnte. £ie wahrgenommenen (Smpftm
bungen fonnten ganj anbre fein, ate furj juoor; baö $df) blieb, ofyne
anberö ju werben, wie ein ftetiges £önen einer flingenben 9Rafdf)ine.
Siidbt baö £önen madf)t bte oerfdfjiebeuen Verriebtungen ber SKafdfjine
aus, auä) ift ba* Tonen nidfjt bie Summe ber Verrichtungen ; — eö ift
nur ein 3lnjeidfjen bes ununterbrodfjenen ©angeö ber SKafd^ine. ßbenfo
mit bem 3$. 3>aä Öerou^tfeinöorgan, — ob eö nun eine einjeljelle
ift, ober eine ©ruppe, burdf) Leitungen 511 einem Äomple^r oerbunbener
Seilen, — ift baö Sßirfenbe. Seine ÜBirfungcu finb baS ftetige xatw
3d), fowie baä unftetige SHtd&t^d). 2tffe SBaljrneljmungcn, fo brücfte ftl wSSSJVt
man ftdj mit ben ftantfdfjen 9?adf)folgern auö, — finb SKobififationen mm * mtlm
bes g$a unb ©erfe^lte grünblidb bie 2Baljrf)eit. 2>as $d) bleibt fid;
ja gleich, wie beim Spiegelbilbe ber Spiegel; bie Ȇber madfjt eben
ber Spiegel nid)t, fonbern bie entfpred&en einer Stujsenmelt. 2Bas
bas aßobifijierte bei bem Vorgange ift, — unb ha &inft ber Ver^
gleidf) mit bem Spiegel, — ift ein 3ellengebilbe im £irn, barin
©egenbilb (ba§ jtd& gleidibleibenbe 3$) unb SBilb (bie tranafubjeftioe,
wedjfelnbe SBelt) erfebeinen. 3Kan mufe nämlid) mit ber SWobififation
weiter jurüdfge^en, — auf bie gemeinfame itrfadfje ber ©rfdjeinung
im SRenfd&engeifte twn 3d) unb 2Selt. — «ergleidje übrigens, was ben
1. unb 4. 3uni 1878 über bas Verou^tfeinöorgan notiert ift. ®em
Slaterialtemuö wirb mein 35enfen unnad&fidbtlid^ mel)r unb me^r ju=
aebränat. ÜRur in ben Delationen fann Seift fein, fann Sott fein, — okittiitmirinDcn
nid^t aber in materiellen Subftanjeu ober \\\ Gräften.
— 188 —
Dr. e. xre«jer. 25. #ebr, — Von (Sugen Sre^er lefe id& in 9tr. 9 ber Statur^
nriffenfdjjaf ttid&en 9Bodpnf$rift Dom 2. 9Rär$ ©rörterungen über bie »or=
ftefyenbe ftrage. SLUe oft gefd&ieljt eö, baft ungefähr 511 berfelben 3 e ^
biefelben Probleme oerfdfjiebenen SRenfdjen in entlegenen fiänbern 5U
beuten geben! Wit Ausbreitung ber Kultur metyrt ftdfj bie Söa^r-
fcbeinlidjjfeit folgen 3 u f a ntmentreffenö. ^^nter^in beweifet es, bafe
wir bie 2fnjal)l ber ben 9Renfdfjen einfallenbcn Kombinationen, ifyxtx
3al)I nacb für enblidj galten muffen. Dr. 3>reljer fagt nun:
. . . „rootten nur noa) bemerfen, baf* nur eö nöUtg unberechtigt finben, bafc
§ume unb Äant, lefcterer in feinen fogenannten tßaralogiömen ber tranöfeenben-
talen ?ßf»c$ologie, bie bur$aud jnringenbe Konfequenj von $e3carte$: quo bem
SSorfjanbenfein beS Senfenö auf ein benfenbe$ (StroaS, — auf baS 34 3 U fdjfHefjen, —
angreifen, unb meinen, man fönnte baö 34 oua) a(S eine Summe ober ein
^robuft von 23eroufitfeinätfjättgfeiten auffaffen."
3d) ftnbe nidjt, baß Kant bergleidjeu, wie Ijier unterfiridjen ift,
gefaßt l)at. Sei ber £urd)fid)t ber 2lusfül)rungen Kante über Die
^ßaralogiömeu ber tranöfcenbentalcu ^Sfgcbofogie (Kritif ber reinen
Vernunft), ftofce iä) in ben, in jroeiter 2diffage roeggelajfenen Cfr-
örterungen, auf einen 2luöfprud), mit bem id) ganj einoerftanben bin.
Crr fjeifit:
„5>a3 tranofcenbentale Cbje!t, roelc^eö ben äußeren <grf Meinungen , — im-
a.(eic$en baö, roaä ber inneren 2(nf4auung ju ©runbe Hegt, ift weber Sßaferie,
uo4 ein benlenb SBefen an fi4 f clbft , fonbern ein unS unbefannter ©rimb
ber <5rf4etnungen , bie bem empirifa)en SBegriff von ber erften foroo$l a(d ber
3ioeiten 9lrt an bie §anb gefjen."
«ifcruai» 3» meiner Sprache auögebrüdt, ^anbelt ed fid) beim ^d) unb
Unfinn finb, — fonbern um empirifdfie 2Saf)rnef)mungen unb bereu
logtfdje Verarbeitung. £a finbet fidf), ba§ ber metapfigfifdj un-
befannte ®egeuftanb, empirifd) bas bifejuiate ^ßrotopfaflmaf(ümpd)en
ift, baö fidf) naä) immanenten Kräften 5U einem SRenfdjen aus-
geftalten fann. 3WoIefularben)egungen bringen, man vermag bao
äßie nidfjt ju erflären, SBaljrneljnumgen im ®ef)im t>ert>or, ftetö in
biöjunftiner J orni / äSal)rnef)mung be$ Selbft unb ber SBelt. ®cr
gemeinfame ©ruub, ber baö 3d) unb bie äßelt I^eroorbringt, ift feine
metap^fifd^e 3Katerie, aber mo^( eine empirifdie SWaterie, — bie
mir nac^ ben Oetmj^ritdprinjipieit ber neueren (?rfenntniöle^re, a\&
geftattet miffen .mit ©genfe^aften, bie ben Jleaftiouen ber ^irnfubftan.}
entfpredjeu.
1
— 189 —
19. aWärj. — Tte 3Materie nimmt ftdh ntdfrt felbft waljr, aber
fie bringt f>en>or bie 3?orftellung ber 2Belt unb bes Selbft, — baö
Selbft fdjeinbar bleibenb, wie bad Siify einer l'eudfjte, obgleich bie dma »i*ev ta«
Derbrennenben kämpfe burdfj neue fontinuierlidf) erfefet werben. 3ft waitwUenfcm 1
bie 3 u f u *) r i xlx SßeltüorfteBung ununterbrochen , fo fdfjeint baö Selbft u a " B
bctyarrlid), — wie bad £idf)t ber brennenben i'eudjtc. 3Me äöelt fann
nid&t oorgeftettt werben ofjne ein baoon unterfd&iebeues Subjeft, ba©
^d). aber Söklt unb 3* werben oon ber SKaterie ju üBorftellungeu
gemalt, bie eütanber entfpredöcn. So mag man htn Stoff für ben
Urgrunb t>on Seele unb SBclt galten. 9lber eigentlich weiß man es
nidbt unb wirb es nie erfahren. 3ft ba* fidf) felbft 2£af)met)mcube
wie ein Ton, ber jtdfj felbft l)ört? Tie Horftellung bleibt überfd^weng=
ltdf) fdfnoer.
24. 3Wärj. — 3Bie naty ber 9Renf$ ift, ganj wiberfinnige (Sr^ iraum.
fdjcinungen für wirf lidj ju galten, wirb befonberö burdjj bie Vorgänge mVim'sraum"
im Traum natje gelegt. Xiefe 9tad)t }. 2J. träumte mir, e$ faß 3i*. f ür »Wr "&i
in meinem Sd)laf$immer auf ber großen Toilette unb fdjwafcte. Od)
interpellierte ityn, wa$ er ftdfj eigentlich in 3)ejug auf fein SBermögen
oorfefete. (£r antwortete redbt Dernünftig, anbre mürben <m$ ben
©ütern mad&en, was fid) madfoen ließe, biö er fte jurücf erwerben
tonnte. Xann lag er wieber auf irgenb einem Sofa, unb idf) fagte
ibm: „Oeftetyen mnb idb, baß idf) eigentlich bisher Sie gar uidjt für
eine 2Birfßdf>teit gehalten fyabe. T>aö ift nun oorüber." Xa^u tarn
meine (üerftorbenc) ftrau. 3>d) glaubte, trofc beö 9tnadf)roniömua ifjrer
Gtf Meinung unb trofc meiner erften 3 roe if e l an her SBitfßd&fett, nun s« ©umt* fommt
an bie ©egenmart SBö. 3n ber Religion fommt ber fefte ©laube ^raumÄn*™
wal>rfd>einlid(j .am Traumjuftänben bed ©eifteö. 9lur wer biefe 9Kög= bf * *"***'
lidfrfeit nie uergißt, fann wafirfyaft tolerant fein. Turdf) Sdfjredt
unb i'ift erreichen ju wollen, baß bie 9Wenfd)en ein unb benfelben
Traum fjaben, ift borf) barer Unfinn.
3ur 3)ia^l}eit waren wir in ^roafant, wo bie öranbftiftung »«ipiei
befprod&en warb, — um elf Ufjr abenbö war bort fteuerfd&aben a\& n %?Ä! , ** n
gebrochen unb ein SBirtfd&aftögebäube niebergebrannt. Ginige Stunben
barauf erwarte meine Todfjter in Steoal mit bem Shi&ruf: „Gntfefc
lidjjer Traum, — ed bat in ^rcumtant gebrannt!"
3»ei (Srflärungen finb möglidb, entweber 3 u f a ß ober Meterwellen,
bie oon 3erwaf an t a\\% angeregt biö jur Schlaf ettben bringen, trofc
— 190 —
fiebjig Kilometer (Entfernung. $er, abenbö oon nn^ in SReoal oer^
nommene blinbc fteuerfärm, fann audf) ben Xraum Deranlafjt ^aben,
ber fo merfwürbig mit bem wirflidjjen ©reignte jufammentraf.
^dj träumte, oor bie 2f)ür trat f)inauö unb ju meinem SBagen,
mit bem id) in eine Stabt ful)r, ^ofjanna Siömardf, bie ftürfttn; —
erfreut unb überrafd)t fragte idf) nad) bem dürften. „Sefjen fann
man ibn jefct mtf)t." — ,,©ef)t es ifjm benn ni$t gut?" — „Seiber
nid)t." — 3$ tttadfjte ab, ju fommen, fobafb er wieber üRenfdjen
vertragen fönne. — $df) notiere biefen Xraum, unb er foll beträfen,
baß Xräume nid&tö bebeuten. —
Grmiibun fl eeffüf>i. 7. 9Jiai. — 2>en Schlaf erffärt man axiü ber, burdf) bie ununter^
brodjene Xageßleiftung ber 9tert>en entfte^enben 6rfdf)öpfung. ßs finb
3ufuljrwege für ©innenreije. Ob man audf) ftiHe gefeffen fyat, bas
Taft= unb 2>rucfgefüljf mar burdfj bie £aut beö gefamten Jiörpers,
meift unbewußt, beanfprud&t. £ie s J?erpen, bie biefeö ®efüf)l feiten,
pflanzen weniger fd&nett bie SReije fort ; — bie Srmübung ift wie eine
)iä) anbatynenbe üWarfofe; füfjft man nidfjt mefjr, wo man jifct unb
liegt, fo ift man unempfinblidfjer geworben. 2)aö gilt oon bem (Sin-
ermübunßHjtfü^ bringen ber äußeren Steige auf bie SBaljmeljmung. 3lber gilt eö nidfet
(©<brtd)tms.)»ci}e. audf) für bie Seitung ber Sorftelfungen, bie im ©ebädbtniffe aiu
gefammelt finb? $)iefe ju birigieren, wirb mane benfattö mübe. 2>aö
Scfyfafbebürfnis entfteljt nad) biefer SBorftelfung auö ben Anhäufungen
in ben s )ieroeuf äben, nieftt in ben 9Zcroenf fümpdfjen. Die 9ien>eiu
fäben feiten oon außen bie Sinneöembrücfe, — oon innen bie ©e-
bädfjtniöoorräte unb <8orftelfungen, ju bem Sßafirnefjmungäorgan. $toti
Manalfpfteme ober ftorriborfyfteme! 2Bäf)renb bes SBadjen* arbeitet
«orriboritjftcm. eä in ben peripf)erifd&cn Äorriboren. $)iefe bekommen 3tu^e in ber
9?a<f)t. 33eim Xraum arbeitet eö ungehemmt in ben inneren ÄorrU
boren. Süie werben auögefegt, wie oon fleißigen 3Rägben, unb man
erwadjt ffar ju frifdjer Senk unb Sinneäarbeit. —
«a|optriid)e 15. Sept. — 3wei Umftänbe fpred&en für. bie fatoptrifdje 6in*
^ri)imö. ndfjtung beö fttmapparateö jur SBaljrnegtmmg :
1. £ie Spuren, bie im ©ebädjjtniö oerblciben, nidfjt im Gewußt*
fein; — wie twn ber Üicfjtwirfung bie Jtadjwirfung auf
p^oöp^oreösierenbeu Subftanjen.
— 191 —
2. 25ie ©efamtftimmung unb bie (Erinnerung , beeinflußt unb
begünftigt burdf) Sinneöeinbrüde, bie 311m äeroufctfein nid^t
gelangen. - —
KtlxaiDXi (1890).
22. 3Wärä. Unter bem Xanten ©ott fonnten bie SKenfcben feine mm
ftd) gleich bleibenbe SJorftettung oerfte^en. üRadf) jeweiligem SBerftänbniö r «Sm. unö
änberte fte ab. Den er^abenften Sluöbrucf fanb bie Storftettung fd&on in
bem ^oljanneif djen Sprud[} : ©ott ift ein Seift, unb iljr, bie i^n $« erMwiie
anbetet, betet ibn an imSeifte unb in ber Sßahrbeit. Xberdo&nnrifdlc:«?»
bie 3Wenfdfjen Ijaben immer nrieber unter ©ott an räumliche ©eftalten ,! fm
unb jeittidfje Hräfte gebaut. 9?un aber flehen Stoff unb ©nergie ber
Summe nadfj enrig ftitf. 2Baö ftd) änbert, ift nur beren Sage unb
2ßed>fefarirfung. Dem Dauernberen ftrebet Sage unb SBedfjfefarirfung
eroig ju, unb baju bebarf es eines Sluöfdftfujfeö ber Störungen, einer
eroigen Harmonie beö 33erfd^iebenften. 2>aö ift baö ©ute, bem bie
cdfjöpfung jufteuert, unb baö ift ©eift, baö ift ©ott. Jvür baö @ott.beui«erakiff,
Univerfum ift eö ©ott, — für bie 3Jtenf dbfyeit ift eö ber ^eilige
Seift, für ben ©injelmenfdjen ober für baö 9Benfd&enpaar beffer,
ift eö baö '^beahnmfätmpaax, ber ^Saraffet, ber ewige (nidf)t ber
Öiftorifd^e) ßfyriftuö. Unfterblidf) unb eroig ift nur baö Streben tum
8uten, ju ©ott, — mdf)t baö einzelne SJienfdfjenpaar. 3Jian foff feine
eigene befdfjränfte Griftenj über baö (Sroige nergeffen, — baö
mad&t feiig.
2>er Sperfönlid&feit fidf) entnnnben? 3ft baö nid&t bie £enbeuj ber mu*.
Jtefeten ? 6inf eitig, wenn bief e Xenbenj nidfjt jum Seften einer ©emein;
iefaft oon SUienfdfjen bient; — aber ein roafjrer Äern bleibt in ber 2löfefe. sie sontenungen
tann aber mufc biefelbe Xenbeng audf) bie Sorfteffungen beö SDienfdfjen unfterbiwtit
mm Unfterblidftfeit, üon ©ott betreffen. 2)ie gortbauer beö einjelnen ift SfimuTberdSISt
bie unenblid&e SBirlung feiner £f)ätigfeit, alö ©lieb ber Äaufalrei^en,
für bie 2Renfd)f)eit ; — baö eitrige fortleben nidfjt eineö perfönlidfjen
M*. ©ott ift nidfjt ein jürnenber, liebenber, fonbern ein ©roigeö,
otjne 3lffeftc. 3>aö fü^rt ju einem ©tauben, ben bie ©goiften für
3W)eiömuö unb 9Waterialiömuö erflären muffen, ber aber mit ©eroifc
Reiten arbeitet, nidf)t mit nriberfprudfjöoollen , unoodjieljbaren 33or=
ftellungen. £aö ßroige ift genrifc unb baö Uuenblidfje ber Äaufalreifjc.
— 192 —
9iur ift ber Sdjjlufj übereilt, baft e* feine ßreignifie geben tonnte,
beten jureidjenbe Urfad&e nid&t fdfjon in ber Vergangenheit doII-
ftänbig gegeben wäre. £a* Verantwortlidfjfeitageftiljl ift ein ©eroifc
Ijeitaprinjip , unb tym tann nur genügt werben, wenn man fidj Hat
madjt, bafc bie Öegenwart eine Örenjc jwifdjjen ber Öefamtbeit ber
©cßemotttt ift ®efd)e^nif|e ber 2Belt, uid&t aber eine Sauer ift. GJegenwart ift niebt
? ^Ä^ bM 3eit, unb nur in ber 3eit tarnt feine Urfad&e ^tnjutreten, — aber
©egenwart ift iutelligibel, unb ba ift gretfjeit, b. i. $in}utreten
von neuen Urfad&en. äBenn bie Vergangenheit sub specie praesentis
betrautet wirb, f o bringen wir eine ^retyeit hinein, bie nid&t befielt ; —
6ittu*es 3nttreffe aber bie in einer ©renje jwifdjen ben ©efamtgefeljetyniffen norftettbar
bcr *w4tt. {)X ^ affein |bt bcr ^ iovit cin n ttKd6eÄ treffe.
29. 2lpril 1890. — 3um 1. SRai \>at fid> bcr Kucfucf eingeteilt.
Ter frieblid&e Slnbltcf ber lebhaft ergrünten SBiefen, bie Bieten Ahmten
auf meinem Stlpenberge, bie jungen belaubten Säume mit ben buften-
ben gaulbeerblüten, ftimmen milbe. 3>a* fieben in ber 3tatur wirb,
fjoffe idfj, aud& Viötnardfe &erj ben ^rieben toiebergeben. 6ö ift mir
fdfjwer, ju glauben, bajs er ficf) je wieber gtücf(id) füllen fann. Sßoljl
l)atte er fdf)lidf)te 9totürltdf)feit bewahrt, als er eine SJebeutung l>atte,
wie melleid&t feiner uttter feinen 3 e itgenoffen auf ber ganjen ©rbe.
Qebenfatt* ift ber grofee SRann nodb wie ein oott ber £ölje in*
SWeer geftürjter ftete, Don glitten überftrubelt unb überfdbäumt. SRan
wirb ja erfahren, wie ba* ade* jur SRuljc fommt.
22 SRai
3. %uli. — Viel erlebt, — wenig gefdfjrieben. Vom -^r — -
bi* jum 16./28. ^uni weilte idf) in griebrid&ärulje. £er gürft SMo-
maref ift nid&t nur l)iftorifd& eine ©röfcc, er ift eö audf) für bie ©egenb
alö ber für alle 2Kenfdf)en Iieben*würbigfte 5Dtenfdj) ber äBelt.
Sie fortfdbrittlidbe Partei möchte ben groften SRann anbeten,
aber in einem ^eiligenfd&rein. Unljeimlidt) wirb e* natürlich, wenn
bie £eiligenbilber fidt> nicht ftille oerljalten.
22. 3uü. — Sie $erjenöfröl)lid^feit, ^reiben Sie*), erhält fi# am
beften burdfj bie Sauf barfeit gegen ®ott. 3$ fage, föott ift bie Siebe!
*) 9tu8 einem »riefe an bie Baronin 93. »on Uetfüa.
— 193 —
3ol>. 14, 16 - ^üljfen Sic nidjt, ald eine Nötigung in ffixem £erjen,
©ott ju lieben, unbebingt, ob 3f>nen bad $>ogma ber 3>reieinigfeit
begreif lid) unb annehmbar geworben ober mdfjt?
Raffen foll man uidf)t, audfj nidfjt bie Semiten. — £a tyat bad
2Sort bed ©o. ^o^. fidf) ald 2öa^eit erwiefen, bafc, wer Ijafct, ein
Wenfdjenmörber, toenn auef) fetyr inbireft, fein fann, wie bie 3uben«
morbe in SRußlanb bewetfen.
3n Berlin Ijaben Sie triel geiftige SRaljrung gefunben! . . . 9lber aas
woju? tooju? 2>ad ift bie ??rage, bie man nidfjt lod wirb, aufcer im auetn * ete -
Senif ober in Unternehmungen für etwad $ leiben b er ed, ald mir
felbft. 3efct, auf bem Sanbe, pflanjen Sie Säume; 93effcrcö tann
man ni<f>t tf>un für bie 3ufunft. TemGwigcn ju bienen, bamit
es nidfjt eine botjle v J5f}rafe wirb, empfehle idf) burdfj bie 33et>or=
sugung bed £)auernberen, wad bem SRenfdfoen bod^ mögtidf) ift. —
Taju gehört für midfj in biefem Hugenblidf eine füfjn entworfene Stcim
brücfe, bie ju befe^en idf) Sie oerlaffe. '
Wan muß befenneu, bafe ed eine wiberdf)riftli<f)e Humanität gar Humanität unb
nidjt geben fann, cbenf omenig wie einen tnereeftgen Äreid. — ^nbed «e»in»oft.
betreiben mir und . . . Seljr fern ftnb nodf) bie 3*iten unb faum be=
griffen, roo bie Humanität innerlich von und oerftanben fein mirb
unb äufjerlidfj über ben gangen Grbbatt ju einer Snerfennung ge=
langen fönnte, wie fie jur 3 e ^ nid^t benfbar fdfjetnt.
6d ift unenblid^ fdfjroer, auf bem religiöfen Öebiete bie Ten;
benjen ber Wegenwart ober gar i§re ^kk 311 beurteilen. Stillftanb
ben>or$ubringen, bad l)at bie ttirdje immer gehofft ober ftdfj angemaßt.
Selbft ber ruffifdfien ftirdfje gelingt ed nur relatio; fie ^at weniger
wirflid&e jjorfd&er.
Tic Gtemeinfdjaft muft immer neu belebt werben aud bem un=
erfd)öpflidf>en Cuell bed einzelnen 3)icnfd^en. 2>er ©inselnc
wirb jtdf) üieHeid&t in biefc aufgäbe immer mefjr unb mefjr rerfenfen
muffen. 2>ad ift bie Sefceutung feiner Unerfdf)öpfltdf)fcit unb
©rot g feit. 3n ben &\ten eined gewiffen übcrftnnlid^en Tragend
madfjte idfj mir ben Sprudf): *epierun fl *
Selig, wer fein ©lud fugt weber im £immel «""I*»«-
nodfj auf erben, fonbern feiner felbft oergifjt in
bem ewigen 2Berf unb in ber Siebe.
©d ift eine formet, bie, wie jebe formet, bad i'eben nid&t be=
meiftert, aber bodfj Reifen fann, ed ju birigieren. 3« ber größeren
©erneut fdfjaft ber SRenft&en auf Grben, baju füfjrt bad SBirfen bed
Gwigen ober bad ewige 3öerf, fo oiel glaube id& aud ber öefdjidfjte
Vii* ben 2aßebud)blätttrn bed trafen %. Äetjferliitfl. 13
— 194 —
erfcijcn gu fönnen, unb baljcr ftecft t>iellei$t in bem religiöfen Se^
paratiömuö eine oorbereitenbe 3 c ^f e fe un S- ^ e ettblid^e Einigung aus
ben 33eftanbteüen , bie fidj ungerftörbar erwiefen fyabtn, liegt in un*
enbltdfjer gerne!
21. Sept. — Die aufcerorbentlidfje Sebeutung ber Siebe für bas
Streben gum Gwigen unb für baö ©mpfinben beö ©wigen ift unter
ben 9Kenfd)en in ber Erfahrung oft gu beobadfjten. Sie verlief), wie
id& benfe, bem Gfjriftentum einen wefentlid&en Deil ber Äraft, mit ber
eö baö £eibentum ,ber gried&ifdfcrömifdien 2ßelt überwunben.
Grünbeber Dem %ülam gegenüber ift baö Gfjriftentum madjtlos, Die @e-
«briftlntum«% 6 em fdjidjte lel)rt, baf$ fjier für unä ein fdf)wer begreiflichem Problem »or~
3eiom geflenu n. ^.^ 3)lol)ammebaner fönnen befiegt werben, aber nidftf belehrt.
393e^alb? Das ßfjriftentum l)at mit feiner Siebe nidfjtö bei tynen
auögerid&tet, meUeid^t weil bie Sübung beö 2Beibeö bei ben SSölfern
be§ ^älam gu tief fte^t. Daä Verbot ber geiftigen ©etränfe, bemerfen
9ieifenbe in 2lfrifa, ljat audfj bagu beigetragen, ben 38km ük* &<**
Eljriftentum gu ftellen, ferner ber oon £eiligenanbetung, Dreieinigfeit,.
©otteömutter u. f. w. weniger getrübte 9Konotf)eidmud, — enblidjj bie
Gfjarafterfeftigfeit, bie a\& ber fataliftifd&en SReftgnation entfielt.
Daufenbjäfjrige ©rfaijrung t)at gegeigt, ba§ bem Gljriftentum gegen ben
3$lam feine überwinbenbe Äraft beiwohnt, wie bem #eibentum gegen=
über. 2lfrifa wirb gimlifiert, aber niemals dfjriftianifiert werben. —
SKegppten unb Äartfjago werben nie metyr Sidfjtpunfte ber Gljriftenletyre.
werben,
xrummonb^xa« 17. Dft. — SBir unb bas Sefte? 2Bcr finb bie 2Bir? . . . etwa
wir, bie ba lieben. Um bas büblidf) fidf) gu oerbeutlid&en : 2Bir, bie
wir guf ammenf lingen ! — Das ©efüljl unfreö 3 u f a romenflingens,
unfrer Harmonie mit bem 3111 ift trielleidf>t bas Sidfjerfte, roa*
wir von ©Ott erfahren, unb ift nid)ts weiter als bie erweiterte Siebe.
Der Siebe gu entfagen, um ©Ott gu Heben, ift oerfefjrt! — So benfe id&.
^rof eff or -Dlorifc Gngeltjarbt faßt f o waljr : „Die 2Belt o^ne Siebe
wirb gu einem blofeen 2lrbeitsl)aufe."
lieber bie Siebe (bas 33efte in ber SBelt) ljat #enrt) Drummonb
auf ©runblage bes 13. Map. Äorintf). I. eine fd&öne 3?ebc gehalten,
bie gum 9Jad)benfen veranlagt. Das eine ift oon ber Siebe aber
ctiflinaiuat nodfj fjeroorgufieben : fte ift originell. Ob oon ber Siebe in ber
nieberemSpfjäre, bie burdfj bie Begattung Grfd&öpfung finbet, bie SRebe
ift, — ober oon jener überfd^wenglid^en Siebe gum £öl)eren, ©wigen,
bie ein unbefriebigtes Seinen bleibt, bas in gleidfj bleibenber Span-
»tfte in ber ©dt'
jrQliger fiiebc.
— 195 —
mmg faum 24 Stunben fid) erhalten famt — was ber ßine ttjut,
fann ber 2lnbre auf biefen ÖJebieten nidfjt fortfe^en. — 2lnbers in
ber äBiffenföaft, in ben ftaatlid&en (Einrichtungen, in ben ©rfinbungen. x\t «uf. unb
*ür bic 3Renfdf)f)eit ift bic Siebe, wie ber ßerjfdfjlag für ben Äörper 2kb?8S8 ™l
eroig erneute Stuf* unb 2lbben>egung, bic aber nidfjt aus ber ©teile «Ut wr C wkkV
fommt. £ie Siebe ift uotroenbig, um bie 3lrt ju erhalten unb um m "
bie geiftigen Jvunftionen ju beleben unb ju ergeben; — aber um bie
©emeinfd&aften ber 3Renfdf)en ju fjöfjerer ftultur ju förbern, baju
genügt fie nidfjt, unb felbft fann fie jroar in einem SBefen tuet sie 2ieb«*ma*t \'t.
fräftiger unb fdjöner afe in bem anbern auftreten, nidfjt aber in einer
©efdfjid&töepodje mel anberö als oorfier. Sie fpricfyt ade Sprayen,
l'agt 25rummonb, b. I). fie ift mef entließ biefelbe, ob eine Spraye bie
flöcfeften ©eiftesblüten ber 9ftenfdf)f)eit jum 3tuöbrucf gebraut ^at, —
ober ob fie nur nieberen 33ebürfniffen biente, — unter SBilben, wie
unter ben 33ölfem an ber Spifce ber 9Henfdf$eit. Sie gehört ju ben
pulfierenben Munitionen ber organifdfjen ^ubioibuen, ifjrer Slftioität
naeö, — toenn fie audf) eine ganj paffioe 9Be(t umfaßt. £aö ift bie
iienridjtigfte ginfd&ränfung, bie bei ben Betrachtungen über bie Siebe
nid)t übergangen ober überfprungen werben fann. — Slufeerbem t$ut *öarmm ff .
aber audf) eint SBarnung not. Solche Betrachtungen oerfüfjren, bie
Suftimmung ber SJienfdfjen auf [eid&tcrem SBege ju fudjen, anftatt auf
bem fdnoereren Sßege fie ju oerbienen. Seffing fjat es gefagt: an*
bärtig fdfjroärmen mögen Biete fdjlaffe 2Jtcnfd)cn, weil es leichter ift,
als gut fjanbefn, unb oon bem ßanbcln bispenfiert. — So mel t>or=
behalten, ftimme idf) bem ^nf)alt ber £rummonbfdf)en Siebe bei. —
Pro memoria IV.
(Einleitung.
3*r linUxbatiunq mit Anton mindert fi$ mit tan After &cr rowSfcffeiti^c
3 04, öefBftttnierßafhing nann einigen €iT<i$ (ieten, venn Üc nie6er4er<c$riefcn
wirk Befcfcränfcfe fie fi<$ auf ßfofe* 3>en*en„ xenibc fie fi$ mfTücBtigen. wie
Crdnrat e* fäun. ünf jCefer rer?ic$fe man. Pie *©a£r6dfti$fceit iß um fe uu-
6c6in6trfer. Per ßenrinff: BefcBaftitjnn*}. 5ie nie ei matte!: — Äfdr^eif, Mc
bnxäf 6en forgfaraen An$ftrn<& kommi : — ^Sefeßigung im <&e6dd?tni* : — fiefcerer
KiicfeBficfe: — (ändere tikiftesregfaraieit bnrdo bic sTeinc ti>mnnaßi6.
Mißton (1890).
(Sortfefcung.)
Sänge, lange fjabe id) gefdjnriegen. £>er rege 2lnteil an ben
Singen fdjroinbet unauf fjaltf am , wenn bie fiteben geftorben ober bas
§am uerlaffen f)aben. £ie Siebe jum Groigen ift in ber ^eitltdjfeit
fein ooller Grfafc unb forbert eine Spannimg, bie mit bem 3llter imb
ben Kräften fdiurinbet. 3Jlan fott immer feine ty$id)t tl;un; wartet
man aber auf ben eigenen Xob unb l)at nid)tä Siebes im £aufe, fo
ift man nidjt uu^uf rieben, baö 2luff)ören ftd) uorsiiftetten.
3$ follte pro patria wieber ben Silberftab*) ergreifen, — als
märe idj ein SRettungsanfer. £>er Slnfer i>at feinen Slnfergrunb mefyr.
tm s Jlanbe bes GJrabeS mof)ne id). . . . Söurbe es mir bod) oergönnt
fein, fanften Xobes 311 fterben.
3Rir fc^eint meine ÜJruftaffeftion ftd) ju oerjiefien. ®efyt man
jur üHulje unb beuft an bie (Snrigfeit, muß man gefteljen, baj? man
nichts baoon fjat, rotnn man fie nidjt perfonifi}iert. (Sroigfeit
unb Unfterblidjfeit perfonifijieren mag nriberftnnig fein. Slber fo fteljt
cq mit ber menfölidjen SBatttr. ©Ott ju lieben, gar nid)t ober um
finnig, bas ift bie Sllternatioe. ©o lange ber 9Weufd) etroas anbres
SU lieben §at, mag er 311m erfreu neigen, aber wenn if)tu gefdjnmnben,
wenn ifjn oerlaffen, alles was er je geliebt! @ott allein bleibt ifjm —
ober es ift ifjm nichts mel)r in ber Sßelt lieb.
3Jid)t oiel anrühren ift oft jur Teilung oon SSunben üorfd^rift!
*) Sgmäol ber SBürbe beä ftitierföaftSfjauptmannä. Sie§e Se6cnSffi33c
S. XXV, 3. 33.
— 198 —
ätfaö 2ic von meiner SBereinfamung fagen, ift maljr. . . . 2lm
Gnbe beö 75. Qaljreä fommen wir fdf)on in bie Legion ber Stille,
bie und balb aufnehmen fotl. . . . 2Baö idf) im Seben nodfj $u triften
Ijabe, fommt mir einfadf) oor unb audf) wenig. $df) werbe woljl meinen
©ebanfen nadfjfjängen, id) glaube aber, baß ber jefctgen ©eneration
burd) Qtitnnffi: unb anbern Sd&wafc fo rnel jugefüljrt wirb, bafc auf
beut 3Karfte feine 9iad)frage für ©ebanfen geblieben ift. (Setreibe,
SBoIIe unb 9Jtoftodf)fen, für bie gibt eä immer nodfj 2lbfa|, wenn audb
ju gebrüdten greifen. $n mir aber möchte idf) bie Siebe pflegen unb
mödfjte aud) in ber 3tbgefd&ieben^eit babei bleiben.
30. Cft. — Vascal ift ein ©eift, ber immer wieber einbringlid&e
33etradbtungcn uerbient unb finbet. 3" bem bieöjäfjrigeu £eft oom
15. Oft. ber Revue des deux Mondes finbet fidf) eine bemerfenäwerte
Stubie von 3uH9=$ßrubbomme : „Sur le Pyrrhonisuie de Pascal."
^aöcal jweifelte nidf)t, meint ber 2lutor, an ber SBiffenfdfjaft unb an
ber Sluftenwett; er glaubte aber audf} immer ben fielen ber Äirdfje; —
erft, weit ber SBater fie ifjm anlernte, als ein ©ebiet, auf baö fidf) bie
^aocai« «nafc. weltlidf)en 2ßiffenfdf)aften nid&t erftreden; — bann als 3 u ffud&t be*
ru^elofen £erjenö, oom 21. ^aljxt ab; — enblidf) als erleuchteter, ben
eine nädfjtlidbe efftafe einmal beglüdt Ijatte, t)om 31. ^atyre <*&• ~~~
Sefjr merfwürbig bleiben bie fogenannten £urdf)brüd)e, plöfelidfje innere
©rleud&tungen, als wäre Gfjriftus bem ocrlangenben ©eifte in Sßerfon
offenbar geworben; — gleidjwie bei ben 9lnt)äugcrn oon Sorb Stabftorf,
bei unfern 5ßafd(jfowiten in moberner $eit, bafyin audfj unfre baftifdjen
Grwedten gehören. Gs ift immer biefelbe erfdfjeinung wie bei ^JJaöcal,
als er bie unjufammenljängenben 2Bortc auf ein Sillet fdfjrieb . .
joie*), joie, pleurs de joie . . . etc. — bas auf feinem Körper beim
Tobe wie ein 3lmulett bewahrt, gefunben würbe, unb wie bei oielen
anbern Graftierten ber Religion, oon benen bie feftenbilbenbc
MiMtuififlcHuiQnon. Schwärmerin, bie grunbfjäftlidje, aber bodfj besaubernbe Söitwe Stou-
rignon aus Sitte, angeführt fei, — weil fte in SSerjüdung wie Siebet
Umarmungen bes ©eiftes empfanb. es fd>etnt bie Siebe jum @wigen
511 ejraltationen fidf) ju fteigern, bie einen £öfjepunft erreichen, bis 511
feiiger erfdjlaffung. Db biefe SBerjüdungen nidfjt bei ^erfonen ftd)
eljer einfallen, benen ein normales ©efd&led&töleben oerfagt ift? Vascal,
na<$ bem „Discours sur Tamour" ju fdfjlieften, l;at eine feurige eble
*) greube, greube, greubentljrftnen u. f. n>.
— 199 —
Webe tiefer burdjbadjt unb empfunben, alö 9)Zcnfd^cn eö gemöfinlidfj %ami rennt bie
tbun; unb bod) tyat er n>of)f niemals einem SBetbe beigewohnt. ©d 2ieb< cbcIfltr * Tt '
ift bie SBerjücfung nrie ein ftelfoertretenbed fyödrfted fiuftgeffifjl, auf bem
Gebiete bed leeren ©eifteslebenä, mit äJjnlicben 5Ren>energriff engten.
2. 9iot>. — £er SSergleid) jnrifcfjen Sßaöcal unb Äant ift fdjon Gr fl anjun$i jum
II. 3. 62 u. f. befprodjen; eö foll aber ergänjenb angeführt werben, |o t Äa"*unr , iStt , t
bafe beibc bie Unmög liebfeit, bad Tafein ©otteä ju beroeifen, be= - s - 62u • f -
Raupten; — ^ßadcal gel)t über Äant no<$ Ijinauft, wenn er bie 2Bert=
loftgfett foldjer öeroeife, falte fie ftdj finben liegen, beleuchtet, unb auf
bas aSerfe^lte ber SBeroeife auä ben ©nridjtungen ber Dlatur unb a\\%
bem l'aufe ber GJeftirne Ijinroeift. 2Benn Äant eine gemiffe Sdjonung
übt gegenüber bem pfypfifostljeologifdjen Seroeife, „bem geftirnteu
4?immel über mir" eine geroiffc Ueberjeugungäfraft jitfdjreibt, fo opferte
er bem 3 e ^9 e *f*- dagegen ift Äant überlegen, fefir überregen burd)
bie $reit)eitd(ef)re unb burd) bie jufammenlKingenbe 2lusbilbung einer
3ittlidjfeitslef)re. ^aäcal rettet ftd) in bie Empfehlung eines f)gpno=
tifdjen 3uftanbeö. „Prätiquez, prenez de Teau benite et abetissez-
vous; a baä finb feine berühmten SBorte.
3. 9toü. — 9In ^padcal fyebt ©uttp-^rubtyomme fyeruor ben 3"Ö 3«ß i um ^ Mt
jum ^ ea ^/ barand bie „religion spontan6e a unb bie Siebe jum
3leftl)etifd)'3d)önen, ober ju ben Äünften entfielt. Sieligion unb Äunft
baben in bem SWenfcfyen gemeinfame ©runbtriebe neben ben befonberen,
bie fidj f)injugefellen. SBenu aber Sullt^rubtyomme auf ein (tranö=
fubjeftweft) objefttoeä ^beal fdjliefet, roeil ber ©runbtrieb auf ein un=
bestimmtes @troaö gerietet ift, ba* im Subjeft feljlt, fo überfielt er
bie 93ebeutung ber ibealen Befreiung von fubjefttoen Sdjranfen. 35a$
<öefd)ränftc ift gegeben unb läßt fid) twffjieljcn, — baö Sdjranfenlofe
mirb geforbert unb bleibt ein Seimen nad) bem unüotl}iel)baren Qbeal.
tiefes Qbeal ift jroar im Subjeft nid&t anzutreffen, aber burdj bie
Sdjranfen, von benen baä Subjeft loöfommen miß, angejeigt, roie
burd) ein ©egenbilb.
5. 9too. — Seron Steaulicu in feiner großen Stubtc über bie seroi) »eauiim*
ruffifdje Äirdje fprid&t doii mijftifdjen Stiftungen fjöcbften Spiritualia- ^m\kt£W<.
mud' unter ruffifeben Säuern. (** gäbe folcfje, bie nur in ben 2$or=
ftellungen unb ©mpfinbungen ber s 3)tenfd)en eine (Siuftenj GJotted .fefinbet
glauben, £aben biefe nidjt bie richtige Söfung getroffen? Äann man »ÄßÄ
nid>t in ben fubjeftiuen öott fid> perfenfen? Äann man in biefer
iserfenfung nidjt $xtit)e\t füllen ^on allen Hemmungen unb finnlid^en
©elüften ber eigenen (£nb liebfeit? Jvröblidbfeit bis in ben Xob? 9?im>ana=
feligfeit? Sßoju bann ber tranöfubjeftiue Wott, für ben fein 3lmt
ruiftidjfii Holt.
— 200 —
»afant unb ben feine Xijatfadjen nadjweifen? SMan fann ben fub-
OntxnSortmba jeftben öott aber finben in ben Porten ber (3otte*jnänner; in
HnMmon bieten Porten fpieqelt jicfa bie Scbönheit unb baö Äeuer ber Sottet
S empfinbung unb man fann «u* if,„en biefe muhrc /mpfinbuna »iebet
a?craünftein feine fdjopfen. £a£ finb Offenbarungen, — aber nid>t wm Segriffen; fon=
**" * ot - betn nur pon Gmpf inbun fl en, unb fl eaen bie $at ba* «ernünfteln
feine Berechtigung.
Tie bloft fubjeftfoe 3ßelt im Kopf beö einjelnen 2Wenfdjen würbe
vergeben / wenn fie fi^ nidjt übertrage burdj 3 e ^ n un ^ Sprache.
£urd(j Xrabttidn wirb fie mroergänglidfj, folange baä 3Wenfd)en-
gefd&ledOt fortbeftefjt. Sine fubjeftioe SBelt mag bei leeren Zieren
fdjon in rotyen Slnbeutungen bemerflidf) werben; ba aber eine beroufete
Mitteilung offne Spradjje unb Schrift unter itynen feljlt, fo fangt bie
bauernbere fubjeftioe 2Belt mit bem SHenfdjen erft an. Sie ift ein
subjefttoe ©eu- 'ißrobuft ber l)ödjften organifdfjen Gntwicfelung auf grben, — oorbe-
reitet auf niebrigeren Stufen. Sie fubjefttoe SSelt, von ber t|ier bie
<pm$t - arbeit. Stebe ift, fann 3Benfd()beitöwelt genannt werben. 3 n ber fubieftroen
dilti ff - ^kYiMif
«füflionftnnn - 3Renfdf)f)ettöwelt treten auf ljumaneö $flidf)tgefüf)l, ftunftjinn, Religion
mit iljren trandfcenbentalen J^orbcrungen ber ftreitjeit, beä 3beate unb
ber ÖJottfyeit. 3)ie Sudfft, alle biefe 3bcen in bie transfubjeftroe
5öelt $u oerfefcen, fü^rt irre. 3n ber tranöfubjeftioen ÜBelt [äffen fie
fief) nidjt oolljietjen. $aö fpridfjt inbeö gar nidtf gegen if>r bauernbes
Borljanbenfein in ber Subjeftüntät ber 2Renfd)l)eit. Sie finb tben
bie intelligible 2i>elt ftantö, — bie menfdf)l)eitlicf)e Borftetlungöwelt.
pmmaneita (Hottes @ott r im man ent in ber ©rbenwelt, bis er an* ber fyöd)ften Stufe
in ber Grbcntoelt. , .*■ ~~ .^ ^ . ^ ^ • •,-»-*•.. -
orgamidper Soeben Ijenwrgebt, — wegen ber ^wntanenj W x odpopfer
511 nennen, ift mifjoerftänblidf), wenn er bodf) erft au$ ben ©efdjjöpfen
aftit) entfielt. £aö Subjeftioe wirft Bewegungen, — wie auö bem
(Srröteu um Borftellungen willen tyenwrgeljt, unb Bewegung beeinflußt
bie fubjeftioe 2Belt. £er 9Wedfjaniömuö ift nod) unerflärt, aber bie
2t;atfadf)e befteljt. 3)er 2letljer, wie er SBärme, Sid&t, eieftrijität leitet
unb alles burdjbringt, tritt in bie 9tcroenfubftanj aud) hinein, 3n
ifjr nimmt er ober feine Spannfräfte einen äufjerft labilen 3 u ft ail b
an, mufe man oorausfe&en, unb bie (Smpfinbungen, Begebungen, Grr*
fenntniffe, — jum 2eil ganj geringfügig, — fönnten genügen, um
Spannfraft in ben $intfügeldf)en $u fammeln ober auöjulöfen unb
burdf) bie 9Zen>enleitung nadf) oerfdf)iebenen Körperteilen ju birigiereu,
«ott unb $rcit>«it Sic tranöfubjeftioc 2ßelt bleibt aber eine foldfje, barin ^rei^eit unb
tranejubiefttoen ©Ott niCM tltOglldD Unb.
SBett.
— 201 —
Sie üorftetyenb genannte, trabitionell fubjeftioe äßelt Ijört auf,
burd) bie Xrabition, baä 3ni>it)ibuum jum Subjeft ju fjaben. 2Mc
3)ienfd)fjeit wirb tyr Subjeft, mit bcren Sluöfterben fie notroenbig »er*
fd^toinbet. Sie verdient ftatt fubjeftio, — interne äöelt, unb bie 3nterneunbe?tcrnc
tranafubjeftfoe, bie externe SBelt ber 3Renfö$eit genannt ja werben.
Sie aRenfdfteit l)at eine 2Mt t)on inneren SBorfteEungen, auäge&enb
von bem ^fiid&tgefüljl mit ber ^retyeit, bis ju bem ©efü&t ber ©Ott*
iunigfeit, bie aufcertyalb ber 3Wenfd$eit nid)t oortommt unb nid)t bar«
Heilbar ift. Staut nafym aber eine tranö&umane, inteUigible SBelt an, ««nt.
unb baö war roofyl nid)t begränbet.
13. s Jlov. — Sie 2lyiomc beö inneren ber menfcfoltdjeu ®efell=
fc&aften finb (Smpftitbungen. 3Kan (ann fie empfinben, aber nidjt ewt»!*
wie äußere äBaljrneljmungen logget) bearbeiten. 3" ©Ott beten, fingen, «f* MipMut. /m
entf pridjt bem ©efüfjf; — über feine 9ef$affen$eit ju benlen unb
über bie Semeife feiner (Sriftcns ju grübeln ift vergebens, ftür
bie trandfubjeftioe logifdje Söelt ift bie öotteäibee feine gaifjrerin,
ba ift nur nad) ben nädjften Urfadjen mit Regreß in infinitum ju
forden, /für bao öemütsleben ber menfd)lid>en ©efellfdjaft ift ®ott
ba^egen, nrie für eine ranfenbe $ffan$e bie Stufte. GJott ift ba,
im ©eifte, aber ein ©runb (Öeroete) für fein Safein ift nidjt ju
fui ben. 3$ möchte mir bie ®abe unb ©eroo&nljeit anlegen, von &tit
ju 3 c ü ©ebete 511 GJott ju üerfajfen. üttidjt, bafe eö beren nidjt f$on • e JSf n l , * fttbe!c
oiel beffere gibt, — aber man foQ auf biefem ©ebiete felbftttyätig fein. i« lb i* » u Mafien.
Sa* Jrembe füfjrt leicht ju gebanfenlofem ÜNadjfpredjen.
18. 9tot>. — Vascal fjielt bafür, ba£ ber Wlaube um fo richtiger
ift, je fefter er ift. Sie Religionen befeftigen aber ben ©lauben
mit (Srfolg burd) fjppnotifierenbe 3öieber^olungen. Sütnn fefter ©laube
glüdlid) mad)t, £t)pnotifierung äöatm befeftigt, fo fommt eö auf Söafyr; ffiü K$ t n u Sj lflm
^eit nidjt an. 2)er ^ölam triumphiert beö^alb über bad Gfjriftentum. u,lb Wftentum.
(Sr betynt ftd) a\i§> auf Höften beö Gf)riftentumö, weil er mefjr fana*
tifiert, — nid)t weil er mef)r ÜÖat>rt>eit gibt.
19. 3io». — 3$ badjte an einen Öeroeiö für baö Safein ©ottea,
ber mir oor Dielen 3af)ren eingefallen ift. 3« Hanta ftritif ber reinen
Vernunft finben fid), mit SBiberlegung, alle Öeroeife aufgeführt, 3ft
mein öeroete unter einem ber brei 33en>eif e : 1. ontologifeber öetoete, — M^ 'i 10 ! 1 *
77 ' ' ' ÄfOlrthng« tur boö
2. foemologifc^er Öeroeid, — 8. p^fifo=tf)eologifc^er Öeroeiö, — ein= ^ a i«" ®°« fö -
juorbnen ?
— 202 —
Gr lautet: 2luä ben Sikrfjeugen ber ftreaturen fann man auf
bic 5Ratur beä Stoffö, beu fie bearbeiteten, fdfjlieften; aus ben 3äf>nen
eines oorroeltlid&en Tieres erfennt man, ob es ^pflanjen, f^Icif c^ , 3iu
fetten gefreffen §at, — a\x% feinen ©liebmafcen, ob eä im SBaffer, auf
ber Erbe, auf Säumen ober in ber £uft fidf) beroegte; — auä ben
(Sinridfjtungen beö 2tugeö (ber Trilobiteu 5. $.) Slnorbmmgen für
£idf)tftraf)leu, bie, wie in ber ^efetmclt, SJredfjungSoorricIjtungen er-
forberten. Tie grre&roerfjeuge laffen mit (Sidfjerljeit ben ®df)lufj auf
ein Tafein beä entfpredfjenben 9täl)rftoffä ju, — ob auä) baa ©injeU
tier, beffen tiefte beobachtet werben, an Sftanget fönnte ju ©runbe
gegangen fein. 9hm fann man auö bem Drgan nodf) einen anbern
<3d)fufi, ebenfo jnringenber SRatur sieben. Sud ben gre&roerfjeugeu
fann man auf ben junger fdfjliefeen, — am ben ©liebmaften auf 2Je=
megungöbebürf niö , — aus ben 2fagen auf ben Seljtrieb. äBürben
biefe triebe 31t genriffen £f un ttionen bireft erfennbar fein, wie bie
Drgane, fo wäre ber Scfiluft aus bem triebe auf bie SBerfjeuge unb
auf beren Cbjefte doH bered&tigt. Ter Trieb jum Gioigen ftnbet ftdb
nur im 9)ienfd)en; baljer ift im 9)tenfd)en ein SBerfjeug für baä
Groige unb aud) ein entfpredfjeubeö SBefen t>orl)anben, roie eö feinem
s HerebrungS', fturdbts unb Siebeöbebürfniö entfpricfyt.
35er Dorftefjenbe äSerfudf) ift bem pf)t)fifostf)eologifd()en öeroeife uu
fofern ju vergleichen, ald er oon empirifdjen (*injeltf)atfad)en anhebt, —
enblid) aber au% bem Triebe im 9)tenfdf)en, ben er empirifd& ooraus=
feftt, auf eine ßriftenj aufterfialb bes SDienfdfjen, — ofjne 93ered&ti=
gung, — fdjjlie&t. 2lber wenn er ©Ott nur im 3Wenfd&en annimmt,
fo gilt ber SBommrf nidrt. Taö eroige SBefen im ÜTOenfd&en braud&t
roeber ein fester ©runb allea Tafeinö, nodf) ber SBeltfdfjöpfer ju fein.
©enug, baft er immanent, i m löten) dfjen erfdjeint. ©&e rt 3Reufd)en
gab, fönnte eine foldf)e 3;bee trifft auftauten, — aber bie älteften
Tempel unb beiligeu lieber jeigen fein ©afein an. —
ffijibetitflunß bee 20. Sttoo. — Tie tfritif fann in bem SJorfte^enben nur S^eiu?
grünbe erfennen, bie, bei fdfröner ftorm beftedjenb, nitft aber beroeifeub
fiub. 3df)öngrfinbe fönnte man fie nennen. Ter ©djlufj vom junger
auf baö Sorfyanbenfcin oou Speife gebt auf ein Dbjeft finnlidMogi-
fd&er SBaftneljmung, — ber 2lnalogiefcftu§ vom empirifd&en ©treben
ju bem Tauernberen, auf baö Tafein beöfelben in ber inneren 2Belt
ber menfdfjlicben ©efelffd&aften, auf etroas in ber Grfaftungöroelt nid&t
©egebeneö, Ijat nieft gleiche SSerecftigung. ferner leibet er an bem
Jyefjfer, aus einer Delation, — f)ier aufi ber Jöetjorjugung bes (fnrigen
t)or bem Isergänglid^en burci) baö ^d), ein Subjeft ju abstrahieren,
oUiflen ä?e\ueiico.
— 203 —
baö weiter cjrtfticren fott, wenn bie relatiocn Öegenftänbe- aufhören. —
lieber Staute ftrittf finb Ijinjugef ommen bie Sluff lärungen über bie <&<me* m&n na*
Urfadjen ber Steigung im SRenfdjen, ein göttlid^eö 2ßefcn anjuerfennen,
bie fiubrotg geuerbad) beleuchtet t)at. 9luö ben Sd&ranfen fyinauäjiu
fommen, ift ber (Sronb, ber ju ber 3?orftettimg wm einem unbe*
fd&ränften SBefen brängt; nur bic Negation ber Sd&ranfcn madbt fein
3Befen; nid)t befd&ränft roie ber 9Renfd) fott eö fein, unb mir fennen
bie menfc^lid&cn Gtgenfdjaften, bie bas eroige SBefen uidfjt l)aben fott,
aber nidjts oon feinen eigenen, pofitioen @igenfdf>aften. Saber tafjeu
fidf) bie Segriffe t>on ©ott roeber realifiereu, nodf) logifdb, ofyne 9Biber=
fprudj, benfen. ©benfo fcfyroadf) ift ber Sd&öngrunb a\& bem burdft x« Optimismus
bie Paläontologie beroiefenen ftortfd&ritt ber Organismen. 2öaö fidf) ob« bic*
fyerauäbilbet, befianb juoor in ber Slnfage. «3fr M* Anlage ber Drga= t>e*ieibfn.
ntemen fo geroefen, bafe fie unter ben auf ßrben fidb oottjiefjenben
anbern SSeränberungen ju f)öf)erer 9luöbilbung gebrängt morben, fo
bered&tigt ba§ j$u einem geroiffen Optimismus, nid)t aber jur s #erfoni=
fxfation eines Optimismus.
SSon ber Siebe ift niebt 51t beftreiten, bafj aud& fie einen Srang aswungberiMcbe.
befunbet, Sdjmerj unb i'uft mit 2lnbern, — fdfjliefjlidfj mit ber ganjen
9SeIt ju teilen. Sic Suft, bie ber Ginjelne in Slnbern roaffrjunefymen
uermag, inbem er 511 ifyren Steuerungen biejenigen ©mpfinbungen ge~
feilt, benen bei ifym biefelben Steigerungen entfpredjen, roirb tym als
realifiert juriidf f ommen ; fie uerftärft unb oergröfeert aufccrorbentlidb bie
eigenen ©efüfjle; fie füllt bie £eere bes ©infamen. 35od& ift aus
bem orange nadfj Stjmpatfjie nidbt auf bie ©riftenj eines unioerfetten
3t>mpatt)ifuS in ber Sßelt 511 fdbliefjen.
fturj, es bleibt babei: Sie Söiffenfdbaft tjat feit meinen iiebjeiten $" ^/^^
oiel Stauben eingef darauf t ; bie Söunber ber d&riftlid&eu Religion finb c f in « e, "* rä " ,t ™ b
als fijmbolifdfje Sräume ber a>olfsfeele aufgefaßt; — oon poetifd&cm bm9«ambri*cu.
SBert, aber ofyne SRealität. Ser &lar\\ taxm nur burdf) bie SBMffeiu
f<$aft ernüchtert roerben unb erft bann roirb bie 3 ll cb*rute jerbredjen,
bie SWoljammeb über bie Sttenfdbfyeit gefdf)roungen tjat.
inmitten biefes 3 u 1 a ntmenbrudfjs bleibt nur eines aufredet. Sas *«fum*.
3$erantroortlidf>feitSgefül)l ift eine empirifd&e Weroifcbeit. Sie beroeifet
bie 5 rc tf) c ft- ©ie greibeit ift möglief), nid>t in ber %t\i, rool)l aber
auf ber ©renje ber 3eit, — b. I). jroifdjen Vergangenheit unb 3«=
fünft, — in ber ©egenroart, — bie eben feine &'\t ift- £i c |)önb=
lungen »ergangener 3 e ^ werben moralifd) beurteilt, nur roenn man
fie sub specie praesentis, roäfjrenb ber SßtUenöentfdjjeibung betrautet.
,Slant roottte auf bic SRoralität grünben ben (Stauben an Sott.
— 204 —
(So bebarf feines @rtraroefen$ jur Öeflriinbung ber moralifd&en Tonnen
im SWettfdjengefdtfedjt. £ie 9tormen, bie bem SKenfdjen ba$ unirbtgfte
Dafein liefern, entfielen mit 9iotroenbtflfeit au* bem 3ufaromen(eben ;
es finb (£rfaf)nmgen be* gefeflfdjafttid)en 35afeinö, bie fi$ fammehx
unb in jebem einjefnen ein ^beat fdjaffen, nad) roeldjem er fidfj ridjten
muß. 35as Sitteitflefefe beroeifet nid)t baö £afein ©ottes. —
$\t $*ftn (fbtbott.
8. 9ion. — Die jefm ßebote unfrer 3*ü anjupaffen ift fe^r €*wteri«f«t, b«
fcbnrierig. ©leid) baö erfte: 3<fc, ber einzig @roige, bin in ^aeiiSt bfr
ben 3Renfd)en ber Seift, ber au$ ber #ned)tf<$aft beö ftn|u ^ fn
Starferen bie 9ßenfd)l)eit l)erauögefütyrt I)at jutn Sefferen.
Du follft feine aubern ©ötter neben mir Ijaben. Daö
£auptgebot bleibt jeitgemäfj. Statt Stegtjptenlanb, bem Dienfttjaufe,
ift allgemeiner ju fagen : ftncdjtfdjaft ber ftärferen unb böfen Segele
lidjfeiten ber SBilbfjeit; ba bie 9Renfd)ljeit t^atfäd^Iid^ nod) feljr barin
ftetft, fo ift nur von bem jur 3 e ^ befferen ©taube ju reben. SBenn
eö triefe : Dein ©Ott, fo fann barunter ein nationaler ©Ott ver^
ftanben werben, bloß für 3*tael ober bloß für SHufclanb ; bafjcr beffer
gefagt : innerlich, in allen SDtenfdjen, alö treibenber Drang §um©uten. —
Das vierte, ober nadf) lutl)erifd)er ßäljlung baö britte ©ebot,
Reifet in einem 3$erfud&, ben icf) gemalt f>abc (ber midj aber nidjt
befriebigt), 9Rofiö jetyn ©ebote unfrer 3^t anjupajfen : „Du follft fedjö
Dage ber SBocfje arbeiten unb ben Feiertag nidjjt mißbrauchen, — auf
baß bu anftänbig lebft, erroirbft unb nid)t bettelft;" — gut gegen bie
Sojialbemofraten mit ifyren vielen Strifeö, aud) gegen bie vielen ftron=
f eiertage*). Die Äleriler ftellen ben (Sonntag voran, — benn baö
tvar ja tyr Dag ffir allerlei Stiten unb Erbauungen, ju bem fic baö
*pubtifum gebrauten. 3ln bie SBorbebingung, an bie fedjötägige Arbeit,
gelten fie weniger! unb beöfjalb Reifet es beffer „nid)t mißbraudjen",
ftatt „^eiligen", benn barunter rourbe verftanben : müßig gelten, SBirtö;
Käufer frequentieren u. bergt., wie eö leiber überall unter ber G^riften-
f)tit gefd&ieljt, trofc 3efu Vorgang, bei nüfclidben 33efdfjäftigungen unb
noftvenbigen Dingen baö pf)arifäifd)e Sabbat^gebot ju mtßad)ten. —
3m fdjnrierigften envieö fidf) baö ßljegebot. ©ö. foll nur Sittlidtfeit
biefer SBelt anftreben, frei von aller Ueberfdjroenglidtfcit, aber audb
von ber für unfre 3^^ . anfcftciiieub ju plumpen Raffung, — eö foll
*) 3n Sufcfonb.
— 206 —
gleid)bebeutenb fein für bcibc öefd)led)ter : „Xu f oüft fein ^lebengcmabt
tjaben unb feine Äinber außer ber &)t, — auf ba§ bie Äinber ibr
Clternpaar für ucf) fjaben unb fie fennen (nid)t allein in ber 2£clt
fte()en);" — ober: „Xu follft bein öemabf nicbt oernacbläffigen unb
nidjt erniebrigen." — 2öcld)e Raffung wäre üorjujiefjen ? Strenge 3Ro;
uogamie fann man verlangen unh befonberd n>egen ber tttnber ift es
notwenbig. 2Wit ber etyelicben Xreue, toenigftenö ber SRänner, unb in
befdjränfter 3°^ aU( l) ^ er grauen, l)at ed ju allen Reiten unb an
allen Crten fo rnele Sdjroanfungen gegeben, aU wäre bie 9totur nidjt
ganj bamit ju befriebigen unb bie Äunft erft redjt nicbt. 3lber oielleicbt
finb bergleidjen 3Serf udje, n>ie bie oorftefjenben, nur baju gut, um ju
jeigen, wie 9Rofed es unübertrefflich gemaebt Ijat; — ha ift ©infacb-
beit, ftlarfyeit! —
7. Tej. — s J)iofid jefjn GJebote unfrer 3 e ** angepaßt.
1. 3$ bin in bir ber Groige, ber bid) ergebet über alle* i'eib.
Xu follft feine ©ötter tjaben neben mir.
2. Sil bniffe unb Reliquien bete nidjt an unb biene tynen nicht.
3. SJtifjbraucfje nidjt ben tarnen bed ßroigen.
4. 3ed)* Xage arbeite unb ben fiebenten feiere entfyaltfam.
5. (Jljre 2>ater unb 9Kutter.
6. Xu follft nid)t morben.
7. Xu follft bein &tnxa\)l nidjt t>crnad)läffigen unb mit anbern
feine tfinber f)aben.
8. Xu follft bein Sßort galten unb roafjrfiaftig fein.
9. £u follft nidfjt ftefjten unb jebem baö Seine laffen.
10. Du follft bie beftmögüdjen äSerfjaftmffe förbern unb erhalten.
10. £ej. 2)aö @f)ebrudf)$üerbot mad)t bie meiften Sd&roierigfeiten
bei ber 2(npaffimg.
s Jlad) ber Ueberlieferung ber (Soangelien I. II. in. Ijat 3efu*
bie erften oier ®ebote als foldfje nid)t anerfannt. ©ie fyaben feine
cfjriftlidje Sebeutung. 35ie Sufeinanberfolge ift nid)t biefelbe in allen
brei (Soangelien. I. ftellt an bie Spifce „Xu follft nid>t morben",
IL unb III. „Xu follft nicfjt cljebredfjen." 3m @o. I. fommen bie
©ebote cor: erft in ber Sergprebtgt Aap. 5, «-**, mit freierer
2luöfüf)rung ; namentlich baö acfjte oom ftalfdbjeugen ift erfefct bureb
Webote oon fallen (£iben ober ©elübben; unb bann folgen anbre
— 207 —
(Gebote her öüdjer 3Wofte, bic aber ju ben jeljn Geboten nidf)t gehören.
an ber jroeiten Stelle I. ©o. 19, 18_19 — ift bie 2lufjäl)lung ge=
nauer. ©ebot 6, — 7, — 9, — 8, — 5, — 10 nadfj obiger 9htmes
ration ift bie ^Reihenfolge. 2>aö fegte ©ebot, an ©teile beö ©ebote
com ©elüften, ift baö ©ebot, ben s J?ädf)ften ju lieben. 3 U vermuten
ift, bafj 3 e fwö nur ein #ünfgebot in biefen ©teilen anerfennt. 2)ann
wäre baö ©abbatfjgebot alö trierteö befonberö ju sägten, neben bem
Öebot: fedf)ö Xage ju orbeiten. (S\)xt SJater unb 9Jhitter fäme bann
auf bie jroeite Xafel, unb sulefct. $m II. ©o. folgen ftdf) bie ©ebote
in ber <parallelftel(c (II. (So. 10, »•) 7, — 6, — 9, — 8; bann
folgt ein ©ebot, baö in biefer Raffung im 3llten Seftament fidf) nid&t
fmbet, unb bas n>of)l rid&tiger überfefct, feigen foll: £u follft niemanb
fdjäbigen. (Neminem laede) Sutfjer überfegt tauften „arcooTspifiastv."
3lte fed)fleö ©ebot tritt roieber ein: $ater unb 3Jtutter eljren.
III. eo. 18, 18 - 30 gibt bie ftofge: 7, — 6, — 9, — 8, — 5. £aä
ift bie unjroeibeutigfte 3äfylung unb bann fällt baö ©ebot von bem
blofecn ©elüften weg, ba eö nidjtä Sefonbereö bietet unb me^r bie
öefinmmg in 23ejug auf frühere ©ebote angebt; unb and) baö fedf)fte
im I. unb II. ©t>., bie baä fiiebeögebot Ijierfjer nehmen, obwohl audf)
biefeö mefjr bie ©efinnung, bie $erjenöfteHung betrifft. 2>ie <$rift=
licfjen fünf ©ebote wären bemnadfj 1. Sticht ef)ebredf)en , — 2. Sticht
morben, — 3. 9tid()t ftef)len, — 4. SWidfjt falfdf) jeugeu, — 5. äkter unb
3Kutter efjren.
— 208 —
Iscrfud) einer Umarbeitung ber jetyn ©ebote.
1. 34 ber ©roige, bin bein Sott. £ir gelte alööott nur
bad eroige Söefen.
Cb ba* eroige 2öefen ein 3* ift, ob eö für bie Ginen ein
Sott ift, für 2lnbre ntd^t, bas fmb aSorftellungen, bie nidit
flar finb; ba^er „bein" nidfot roa^rtjaftig fonn gefaxt
roerben.
2. Xu follft bir fein Silbnio nod) irgenb ein ©leidmte mad&en. ...
Sete fie nid)t an, unb biene tynen nidf)t.
Xu follft Silber unb Stjmbole nidf)t anbeten
unb ifyncn nid)t bienen.
3. Xu follft ben 9tamen beä Groigen (beineö £erru) nid&t mifr
braueben.
„2)eineö £erru" roegen ber (Einengung auf einen SWational;
gott, roegjulaffen.
4. ©ebenfe beö Sabbatfjtageö, bafe bu it;n f)eiligeft, — müßte
afä Ginleitung ju bem eigentlichen ©ebote angefefyen roerben.
Taö eigentliche Gebot beginnt: fcd)d2age follft bu arbeiten,...
aber am fiebenten £age ift ber Sabbatl) beö Groigen. — Gtne
folcfye Jofge ift eingehalten in ben Xertroorten : Denn in fedjo
Tagen Ijat ber Groige ben £immel unb bie Grbe gemalt . . .
unb rufyte am fiebenten, — 9iut)e ift erft burdf) bie oorljer^
gegangene Arbeit berechtigt. SedfjS 2a ge ber 2Bod)e
follft bu arbeiten, unb nid)t mef)r aU einen in
roürbigcr Stu^e unb Unterhaltung verbringen.
5. Xu follft beinen ätater unb beiue 3)hitter etjren — bleibt.
6. Xu follft nid&t töten.
7. Xu follft nidf)t efyebredfjen. Xu follft itid>t jeugen auftcr
ber Glje.
8. Du follft nidfjt ftet)leu.
9. Xu follft fein falfdf) Stugniö teben roiber beinen 9tädbften.
Xu follft nidbt lügen.
10. fcaffe bidE) nidbt gelüften. . . . Sllleö roas bein 9tädbfter f)at.
— 209 —
1. 3lfe @ott gelte bir nur baö eroige 2öefen, nad) beffen ®e-
fefcen bu leben follft, auf bafc bu nid&t in roibernatürlidfje
2luöfdf)tt>eifungen ober ©elbftntorb oerfällft.
2. Du follft nidfjt Silber unb ©leidfjniffe anbeten, nodf) iljnen
bienen, auf bafc bu nidfjt SBerfudfjungen fdfjaffft jum 9lber-
glauben, jum Xruge, ober jum £af[e.
3. Du follft ben 9tamen beö ©nrigen fjeilig galten, auf bafc bu
nidf)t trügcft, bie bidfj tjören.
4. Sedfjä £age bcr 2Bodf)e follft bu arbeiten, ben Feiertag aber
nidfjt m ig brauchen.
Denn bu follft erwerben unb nidfjt betteln, unb anftanbig
leben.
5. Du follft beuten 9?ater unb beine 2Wutter eljren, unb bie
gamilienbanbe adfjten.
6. Du follft nidfjt morben.
7. Du follft beuten Satten lieben als btdfj felbft, unb ftinber
nid^t jeugen aufeer ber @tje, benn eö ift nidfjt gut, bajj
SWenfdfjen alleine finb.
8. Du follft nidfjt ftefjlcn, fonbern jebem baö Seine geroäfjren.
9. Du fottft nidbt lügen.
10. Du follft niemanb oerlefcen, fonbern fudfjen, mit ben SJienfdfjen
unb jnnfdjjen ben SWenfdfjen bie beftmöglidfjen Sejieljungen ju
pflegen, auf bafe bu ber ©emeinbe unb bem Sßaterlanbe bieneft
in Öeredfjtigfeit nadfj Vermögen.
*ul ben Zagebuftblattem brt ©rafrn 9. Atujerting. 14
; _ 2io —
■Kofis jefjn ©ebote nadfj 3Warttn Sutljer.
1. 3$ Mn her &err bein ©ott; bu follfl feine anbern ©ötter
fjaben neben mir.
2. $u fottjl ben tarnen beined ©otteö ntdfjt unnüfefidfj führen;
benn ber $err wirb ben nidfjt ungeftraft f äffen, ber feineu
SWamen mifjbraudfjt.
3. ®u foHft ben fjeicrtag ^eiligen.
4. 2)u fottjl beinen SSater unb beine SRutter etjrcn, auf baß e*
bir roofjt ge^e unb bu lange lebeft auf @rben.
5. 2)u fofffi nid)t töten.
0. 3)u foHft nidf)t eljebredfjen.
7. $u follft ntdfjt fielen.
8. £u follft m<f)t falfdfj ßeugnte te ^ en roiber deinen Sßädfjften.
9. Tu follft nidfjt begehren beineö SRädtften £au$.
10. 2>u fottft nidfjt begehren beineö Jtädtften SBeib, tfnedfjt, 2Ragb,
SBief) ober alleö, roas fein ift.
— 211
1. ©ott ift nur baä Groigc unb nadfj feinen ©efefcen follft bu
(eben, auf bafc bu nidfjt rcibernatürlid&en Stuöfdfjroeifungen ober
bem Selbftmorbe t>erfattft.
2. £u foOft nidf)t Silber unb ©[ei<$mffe anbeten, nodfj ifinen
bienen, auf ba& bu niefit Verfügungen fdfmffeft jum 2lber*
glauben, jum Truge, jum &affe.
3. Tu follft ben Kamen beö ©toigen fjetlig galten, auf bafe bu
nicfyt trügeft, bie btdf) fjören.
4. Sed^ö Xage ber SBod^e follft bu arbeiten, ben 5 e ^rt a 9 a ^
nidfjt mifcbraudfjen, auf baft bu anftänbig lebeft, emrirbft, unb
nidf)t bettelft.
5. 35u follft SBater unb SUlutter eljren, auf bafe bie Siebe gebeizt
in ber gamilie unb fidfj ausbreitet.
6. Xu follft mö)t tnorben, auf bafc bu bie SHulje nidfjt üerlierft
auf immer.
7. Xu follft beinen &attm lieben roie bidj felbft unb Äinber
nidfjt jeugen aufcer ber @f)e, — benn eö ift nidfjt gut alleine fein.
8. Xu follft nidfjt ftefjlen, — auf ba& jebem baö Seinige Der-
bleibe.
9. Xu follft nidfjt fügen, — auf baft Treu unb ©lauben ficfy
mehren fann unter ben 9Jtenfdfjen.
10. Xu follft in ©eredfjtigfeit nadfj Vermögen bienen ber @e=
meinbe, bem Vaterfanbe, ben ÜKenfdjen, — unb bie befc
möglichen SJcrljältntffc pflegen mit ben SJtenfdfjen unb
jnnfdfjen ben 2Renfdfjen, auf baf$ greunbfdfjaft unb #riebe fi$
mefjre im £anbe.
ttadjtrag jnr ffioieranj-
3>er Sßroteftanttemuä fann fidf) galten nur auf bem ©runbfafc,
bafc bic 9Jtenfdf)en vor ©ott nidf)t in itaien unb ^ßriefter geteilt flehen.
3tHe futb fie ^priefter, Ijat Sutfjer gelehrt, unb ber £ierar<i)ie bomit
bie aßurjel abgefdfjnitten. 3>ie Befreiung ber Seelen üon ber
^riefterfnedfjtfdfjaft, bad mar baä 3 e ^ en / unter ^ em bie Sßroteftanten
fiegten. ßine auf £erroriömu§ unb fflaotfdfje ^effelung ber (Seele in
Äirdfjenjudjt unb Hirdjjenbogmen gegränbete proteftantifdfje fiefjre ift
eine burdf) unb burdf) abtrünnige Äirdfje; — abtrünnig Dorn £at^o=
tigidmuft unb abtrünnig oom ^roteftantiömuö !
$ä) glaube, bafj mir lange md&t ju @nbe ftnb mit ben europäi-
fdfjen -Keligionöfriegen. 2>ie 9tepublif in ^yranfreidf) ift siel ju antt*
flerifal, um tolerant fein ju fönnen. £)er ftleruö in ^ranfreidfj ift
mit ben gamifien )u feljr t)erwadf)fen, in gutem unb in fd&limmem
(Sinne, um uor ben ©rünben ber greibenfer ober ben befreien ber
©etüaltfjaber $u meinen. groifdfjen bem ©eutfd&en Äaifer unb bem
^Sapft ift ber oerföfjnlidEje 3 U 9 wo$l beachtenswert unb merfroürbig.
3)er fluge &atf)olijismus bürfte eublidf) cinfefyen, baft er ftdfj bem
beutfdfjen ?ßrotcftanttemu& gegenüber fteffen follte, tote ju einem t)er=
lorenen, aber lieben Soljne. 0anj anberö wirb cinft ber Äonflift
jnrifd&en ber cäfariftifd^en Drientfirdfje einerfeitö, unb ber papiftifdfjen
Sttomfirdje anbrerfeits werben. 2>er unfidfjtbare ©ott, ber imoenbtge,
— unb ber ftultuö in SÖorten, bie ben gegenwärtigen ©ebanfen enfc
fpredf)en, — ift }u tiefgrünbig für bie 9Kaffe ber f üblichen SBölfer;
of)ne if)n gibt cö aber feinen ^Jroteftantiömud.
2>aö SRed^t ber Gltern, bie Äinber in ber Religion ju erjie^en,
bie ifjnen ?a$t, ift baö roaljre ftunbament religiöfer $reif)eit.
©cr|*iebene örabe Untoerfafreligioncn 311 fein, fjaben bie Vielgöttereien beö 3llter-
be ^« U no* b b tt m fett tumö wof)l nidfjt beanfprudf)t. $tym\ genügte bie £eiligfett innerhalb
*»ei*flÄ n ber (Staatögrenjen unb unter ben (Staatsangehörigen. Sinberd bie
— 213 —
großen aftatifdfjen Sieligionen. Die von ben SBebaö, von ber 3 C »^ 5
aoefta auögefjenben Religionen ber brafjmanifd&en , bubbfjiftifdfjen unb
parfifdfjcn i'el)ren, bie bed %o, beä Gonfuchift Ratten fidf) roo^I für
allgemein gültig, weil nur in iljnen bie 2Baf}rf)eit. ©ie tjaben
aber feinen, baö treiben ber SRenfdjen leibenfd&aftlidf) liebenben ober
faffenben einigen ©ott, ber fie uerpflid&tet, bie Ungläubigen ju oer=
folgen unb ju unterbrfidfen. ©s ift bie ju ©runbc liegenbe Ootteö*
uorftellung, bie ben ftuben, ben ßljriften unb ben aWoälem im Sßrinjip
unbulbfam machen muß. Da biefe ©otteöüorftellung in jebcm 9Wenfd)en
anberö jtdf) erfafyrungömäßig formt unb formen muß, fo fonnten bie
(Gläubigen nidf)t anberö jufammengefjalten werben, als burdf) autori*
tatioe einheitlich formulierte Dogmen. Die eigne SBorfteHung muß
ber firdf) lidjen fid^ unterorbnen. (*ä ift nun gefdfjefjen unb fonnte
anbera nidf)t gefdfjefjen, als baß bie 2Renfdben ifjrem eingeborenen
s ü?at>rl>eitö= unb ^reiljeitsbrange gemäß, unb infolge ber fortfdjreitenben
ftenntniö, mit ben firdf)lidf) autorifierten 33orftelIungen ftd^ nidfjt ge*
nügen ließen, ©eften unb neue Sieligionen entftanben, unb verfolgten
unb mürben verfolgt. 3" e * ner Unioerfalreligion fönnen nie führen,
roeber 3uben, nodb G^riften, nodj 9Roölem. $)v ©ott ift unbulbfam
für äße, bie an feiner ©riftenj unb ber tym jugefdfjriebenen SRatur
jroeifeln. ©r fämpft um fein Dafein.. 2öaö 3^r ^Jfjilofopljen 93er*
folgung nennt, ift nid&tö ate Jtotroeljr unfreö ©otteö, lann ein Slrbuej,
ein Xorquemaba rufen! ©oll eä batjer eine ttniuerfalreligion geben,
fo fann fie nidfjt anberö fein, als wie in ber tt)eofopl)ifdfjen ®e*
fellfdf)afttn9Wabraö unb melleid^t in ber legten Jorm ber 33raljma=
Somais9teligion in Safcutta*).
*) 3n ber Beilage ber allgemeinen Seitung vom 27. gebruar 1891 lefe
i$, Äarl oon ©<$erser referiert übet ein SBer!, baö bie Reifen bed (SrjljeraogS
Seopolb gerbinanb f Gilbert unb ben Xitel fütjrt: 2ln Bftenä lüften unb gürften^öfen.
„3n SRabraä eine neue fteligiondfefte . . . eine 3Roralpl)tlofopljie, a(8 Unioerfal-'
religion, — mit vielen 3n>eigt>ereinen in (Suropa unb in 9torbamerifa . . . gegen
ben 9Rateriali£mu3 . . . SBafjrljeit unb Humanität 311 pflegen . . . gegenfettige Unter;
ftüfcung. — @$on 1830 grünbete ffiabjal) 9tam:3Ro$wm3ftai eine neue ©efie,
9ra$ma ©omajt, barin $ulbung ÄnberSgläubiger sunt $ogma erhoben. %bf$eu
oor ber $rißttdjen Siebe ber europäifd)en ßultunrälfer muffen bie §inbu8 empftnben
bei ben pöbelhaften Ausbreitungen ber 3tntifemiten.
— 214 —
(Btüsaiktti über ton SBl&ptotmfo
29. «prii 1887. 3n SHnlaft beö Selbftmorbea beä einjigen Sohnes . . . wirb e*
mir Hat, ba& gegen ben Selbftmorb bie eigentlichen entfdfjeibenben
©rünbe mir nidf)t Mar gewefen finb. ®aö Unrecht gegen feine An-
gehörigen, gegen feine ftreunbe, gegen feine SRitmenfd^en ift ein um
»erbejferfidfjeö. 2)ie 3«t fann eö üerbunfeln, feilen fann fte eö nidfct.
®aö barfft bu beinen 2ßitmenfdf)en nidfjt antljun! fo mufc boö Urteil
lauten; es ift infam, ifjre ©pmpatfjien fo graufam ju ©erleben; unb
wer ben Selbftmörber in feinem 33lute finbet, wenbet fidfj ab von bem
entfefcfid&en, baö ift real! 9iid&t gegen ®ott, uid)t gegen fxdf> felbft,
gegen bie 2lnbern bift bu ju leben oerpflicfttet.
(Sbtn barum gibt eö aber Ausnahmen ! 2ßo idE> mein Seben opfere
für Stnbre, ba ift e§ eine eblc 2$at; ein 3(rnolb Don Söinfelrieb wirb
gefeiert. 2lber audf) eine Sucretia wirb nidfjt oerbammt. 3f* bie ©bre
nidf)t aud£) ein ©emeingut be$ 9JUtmenfdf)en ? Qji fie in meiner ^erfon
fo gefdEjänbet, bafc baoon alle 9Witmenfdf)en mef)r leiben, alö t)on bem
(Sntfefcen beö widernatürlichen Selbftmorbeö, fo ift ber Selbftmorb
gerechtfertigt. ®ie Cbre ift fonoentioneU, fie ift baö ©rgebnis ber
©rfa^rungen unb ber SBorfteKungen, bie fidf) in bem Sebensfreife am
gefammelt Ijaben, bem idf) angehöre. Mann id^ biefe ©rgebniffe nid&t
änbem, mu$ idf) midjj iljnen fügen.
Um midfj felbft t)or ©cfaljr unb Seit) ju fd&üfcen, barf idfj niemals
midf) morben, — audf) nidf)t um ju bienen ben ^nbhribuen, bie id)
liebe. 3Wit ©eelengröfce unb ®emut alles über midf) ergeben ju laffen,
ift für bie ©cfeHfdjaft ber 9Jfttmenfdfjen bejfer. Sfyntn bift bu eim
gegliebert, unb meldte ^unftionen bu iljncn 511 letften Ijaben wirft, t>a*
twrauöfeljen }u wollen, ift 9Ba^u. SRiemanb ift unnüfc, niemanb er=
fefclidf), niemanb unentbefjrlidf).
7. 9Jtai. — £er 3)2enfcf) gehört anbern; wirb er geboren, gebort
er ben Altern, ftirbt er, gehört er benjenigen, bie ifjn anftänbig bc^
graben. Sein SBille fommt berbiefen 2tften nidfjt in 33etrad)t. £afi
er aber in ber 3roifdfjen5eit immer eingefügt gewefen ift, alö ein eigen=
artiges SBefen, jroifdfjen 3 e itgenoffen, benen er nid^t entriffen werben
fann, ofjne ju fehlen, bis barüber bie ©rlebniffe eine £>eäc bilben,
läjjt fid) wafyrnefjmen. $er Tyrann wirb ebenfo uermifet, wenn nidfjt
fo betrauert, wie ber eble £errfdf)er, unb ber reid&e 2öol)ltbciter wirb
von ben (Sienben entbehrt, wie ber (flenbe t)on feinen SSerpflegern.
— 215 —
Stauer ift ber Selbftmorb ein Slaub, ber Stnbern jugefügt wirb, oljne
erjtd&tlidfjen ©enufi ober SBorteil für baö ©elbfi; — ed ift wie baö
UWorbbrennen ; — eö entfielt barauä ein 33erluft ganj of)ne SSerljältniö
$u bem egoiftifd&en ©ewinn. — ©ie folgen machen if)n aber nid&t
unjtttlid^, fonbem feine 9taturwibrigfett. 2)ie 2Wayime, bie iljn be-
geben lä^t, eignet ftet) nidfjt jum Staturgefefc, nid&t ju einem umverteilen
SßiDen.
21. 3Rai. — 9ttdf)tä ift fo baju angetan, bie ©runbleljre ftantö
für bie ©ittlid&feit annehmbar ju mad&en, alö ber ©elbftmorb. 9Jidf)t
wegen be* ©d&abenö, ben er 2fabern bringt, ift er entfefeti$, aber
wegen beö SB i Ueno, biefen ©dfjaben ju füften. 3Ran fann Umftänbe
benfen, wo von bem ©dfjaben laum bie SRebe ift. 2)er fidf) in %obt&
roefjen winbet, warum fott er md&t fidfj unb 3lnbern bie Dualen um
einige £age fürjen? 2Bie wenig achtet bodfj bie Statur ein fieben, bie
Xaufenbe in ©efunben, burdf) (Jrbbeben j. 8., vertilgt. 3luf bad Uiu
glücf fommt eä eben nid)t an, aber auf bie ©d&ulb. ©ic 9iatur i)at
nie ©djulb, ber SDtenfd^ aber ift verantwortlich, ©ein SBiffe foH nidf)t
in SBiberfprudf) fielen mit ben ©runbgefefcen alleö SBittenö. ©er
SSiHe ift nid&t blofc ber bes Ginjelnen, fonbem jum £eil ein unb
berfelbe für alle. Der SSiUe madfjt bie ©dfjulb, ganj abgefeiert von
ben guten ober fdf)ledf)ten folgen.
5. gebr. 1891. — lieber ben ©elbftmorb nadf^ubenfen , ver*
<mtaj&te midf) geftern ein 3Jefu^> bei bem unheilbar barmeberliegen*
ben 30. ©r erjäfjlte, wie bie 2terjte il>n, ju voller Semeffung feine*
ttrebfcleibenö, ein ©tünbd&en in ber Gfjloroformnarfofe gehalten unb
wie er es für beffer gehalten l)ätte, wenn fte ein wenig länger an*
gebauert Ijätte, fo bafe eö mit ibm ganj au§ gewefen wäre. 3$
naljm 3Seranlaffung wieber ju fagen, was icf) fdf)on in griebridf)ö=
ru^e in einer Unterhaltung mit bem großen Stemarcf ausgefprodfjen
batte. ©ebenfenb beö Gleafar (II. 3Raff. 6, 18 ~ 31 ) ... ber vornefjmften
©djriftgeletyrten einer, — ber nun 90 $af)re alt ift, erinnerte idf)
an feine SBortc 27, barum will id) jefct fröfjlidf) fterben, weil eä mir
altem 9Jtonne woljl aufteilt, 28 unb ber 3"9^b ein gut Gfempet
binter mir laffen, bafe fie willig unb getroft um beö fyerrlid&en, ^eiligen
©efefeeö willen fterbe, 30 ber $err weife eö, bafe idf) großen ©cfjmerj,
ben idf) an meinem i*eibe trage, wof)l Ijätte mögen umgeben, wenn iä)
gewollt Ijätte, aber ber Seele nadf) leibe idf) es gern um ©ottes willen. —
— 216 —
ßinterbrein fommcn mir bie Semeife nidfjt einleud&tenb genug oor,
ba§ ber ©elbftmorb in ber Xfyat juroiber gel)t gegen baa Ijeilige ©efeft
unb ©otteö 2BilIe. — Qn jroeiter ©teile fyabe idf> bie Äantfd&e Seljre
angeführt, nad) welcher bie 9Rapme, fidfj be& Sebens, wenn eö jnr
Saft nrirb, ju entlebigen, ju einer unioerfeffen ungeeignet ift ; fie fann
nidfjt anerfannt werben, wie ein 9toturgefefc, unb ift beatyalb unftttlid).
— 3fl es benn mirflid) fo in bem oorliegenben %aftt ? : &n 74jä^riger
2Rann, von Äreböleiben befallen, oon ©d&merjen gequält, bie il>m un-
erträglich fd&einen, eine Saft für alle feine iljn pflegenben Sieben, wie
foll ber nicftt münfd&en aus bem Seben jii fdfjeiben?
6s ift in jebem 2ßenfdf)en ein verborgenes, aber erroecfbares ©ebot,
ji<$ felbft fo ergaben unb fo grofc wie möglidfj ju ermeifen, namentlich
ftdjj burd) bie auf baS ©elbft befd&ränfte ÜWot nidjt übernrinben ju
laffen. ^p^fifd^e ©dfjmerjen, bie ©orgen ber ©elbnot, bie ß^roerlufte
unb Siebesnot, finb feine allgemeinen Kalamitäten. Snbre förbert ber
Seibenbe in folgen Sagen roenig. <£in 3lmolb t>on SBinfelrieb, ber
ftirbt, baS SBaterlanb ju retten; — bie g*. oon ©tieglifc ermorbet
ftdf) füljn, in bem SBafjn, bie tragifd&e ©timmung mürbe nun iljren
SRann jum nmljrtyaft großen 2Hdf)ter machen. 2lud> in biefem legten
$att tlingt burd) bie Senate nie etroas anbres als fijmpattyifdfjc
2ldf)tung burd), roenu man atid^ ben Irrtum beflagt! @S ift alfo falfcft,
ben ©elbftmorb unbebingt für unfütlidjj ju erflären. 9tuö altruifttfdfjen
©rünben mirb er in einer anbern Söetfe beurteilt, aber aus egotfti-
fdfjen ©rünben, — ba jeigt ber jur 2luSfül)rung gefommene SBille (ber
blofce SBerfudE) nicfet!) — bafc bie ©elbftad&tung bem Später abljanben
gefommen. gs Ijanbelt fidf) um ben SBert bes 3KenfdjenfeinS im alU
gemeinen. 3)ie Xljat bes einen oerlefet ben 2ßert in allen anbern.
SBünfdfjen fann man fidf) ben £ob, — man fann il>n Ijeranfommen
laffen, um feinen ©lauben, feine Gtyre u. f. ro. ju bewahren, ofjne
ju fliegen. ätöer $anb an fidf> ju legen, bas fann man nidfjt, otme
ftdf) x>erädf)tlidfj ju mad&en, b. f). um perfönlid&er Seiben mitten. £alte
aus, auf baft bu nid)t oeräd&tlidf) roerbeft allen 5Wenfdf>en,
wie bu bir felbft es geworben bift! — $5as öon ©d&merjen
unbefiegbare ©elbft wirb ju größerer £öf)e geläutert unb ©egenftanb
ber 33eref>rung. 3>a faft jeber 5Wenfdf> SRomente l>at, wo er in Her^
fudjung fommt, fidf) umzubringen, fo follte er audf) fd&on bei ber <£r-
jie^ung mit ben magren ©rünben gegen ben ©elbftmorb befaunt gemad^t
werben, ©old^e ©rüube aber: „2>u follft nid^t töten" fei ©ebot, —
roobei baö £öten im Äampf unb felbft baft ^£öten beö beftegten ®c^
fangenen, mie Samuel eö ald ©Ott gefälliges Sßerf übte, fd^on md>t
— 217 —
mit inbegriffen roar, nnb worunter fidjerlidf) ber ©elbftmorb nicfjt (je?
meint war, — ober rote ber ©ofratifd&e, ben ^Jlato im ^>l)äbon an?
futyrt, bafe man ben ?ßla&, auf ben bie ©ötter ben SWenfdfjen l)ingeftellt
Ijaben, nid&t oerlajfen barf, — ober, man fjat ba$ Seben fid& nidjt
gegeben, unb barf es batjer fid^ nid)t nehmen, — ftnfa ju fd)road).
2BoI)tn man fidf) audf) begibt, ©Ott entfliegt man ja nid&t; — unb
roenn man audb baö 2tbtn fiel) gegeben fjätte, tonnte man eo fidf) benn
etroa leidjter unb mit me^r SRed^t nehmen? Können bie ©Item, bie
ba$ 2tbtn ben Äinbern geben, es etroa leidfjter iljncn roieber nehmen ?
Volenti non fit injuria entfd&ulbigt meljr ben ©elbftmorb, als ben
ftinbermorb j. 33. einer SWebea! 3lud^ baft ift hinfällig geworben,
roaö icf) in jungen 3a$ren t>om äftljetifdfien ©efidfjtöpunft anführen
lonnte: 3Ran fönnte Selbftmorbtcmpel einrid&ten, barin man in füfcer
Gfjloroformnarfofe fanft au$ bem Heben fdfjeibet. $n iljnen fönnten
bie Xobeöftrafen in einer Sßeife ooflfüljrt roerben, bie baö Sdfjönfyettö^
gefügt unb baö 9JUtgefüI)l ber Slnbern nidfjt beleibigen. 2lber auef)
^Srioatgebraud^, gegen 3 a ^ un 9/ Wnntc für fotöje 2luögangdpforten
aus bem Seben jugelaffen roerben. 2llö ftrafbareö SJerbredfjen läftt
fid> ber ©elbftmorb roeber praftifdf) befjanbeln, nodjj friminal4l)eoretifdf)
begrünben. ©ä ift eben in biefem galle nidf)t ber SBille, ber fdfjon
fdf>ulbig madf>t. 2)er gerettete ©elbftmörber mufj unb roirb roieber
verpflegt roerben, forgfamer alä juüor. Die 2üiffenfit^at, als aollffiljrte,
mad&t fdfjulbig, entjiefjt aber jeber ©träfe. Aberglaube, bie priefter*
lidfjen fielen von Unreinheit u. bergl. fyaben bie 8egräbniöef)ren bem
©elbftmörber t>erfagt; aber biefer Aberglaube ift felbft unrein, mefjr
alä bie £eidf>e! 2Baä foH bem ©elbftmörber bie Süfjne? roaö fott
anbre abfdfjredfen ? 3$ erinnere midfj in ber Äorrefponbcnj üon ®te~
monbi, feine Steuerung gelefen ju fjaben, bafc in ber Meinung ber
SMenfdEjen, bie ben ©elbftmorb oerbammt, nur üerlefcte ©igenliebe
fpridfjt! @ö ttyut feine 9iot gegen ein fo naturroibrigeö beginnen, roie
ben ©elbftmorb, nodf) 2Renfdf)engebote ju rieten; — eö bleibt eine
oerfdfjroinbenbe Ausnahme. 3)ie Sibel Ijat red^t, nid)tö bagegen an-
jubringen, unb nidf)t fdfjledfjte ©rünbe, roie es bie ißfjüofoptyen getrau
^aben. „SJtadfje bidf) nidfjt aerädfjtlidf), roie es ber ©elbftmörber tfjut!"
— fo, benfe itf), mu& ber ©runbfafc lauten, ben man ber 3ugenb ju
lefjren ^)at; unb fyinju fann man fügen: je mefjr uiroerfdiulbete 5lot
unb ©dfjmerjen bu erträgft, um fo työfjer fteigft bu! —
Söie feljr biefeS etfjif$e Problem meinen Sater befa^äftigt Ijat, beroeifen
fotgenbe am 6. gebruar an mia) gerichtete 3eilen, roelaje biefelben ©ebanfen in
Äfirje roiebergeben :
— 218 —
„griif) fufyr id& naä) 9)t., um ben an entfestigen ©dfjmeräen im*
rettbar ju @nbe gefjetiben alten -Wadfjbar etroaö gu jerftreuen. öeffer,
meinte er, wenn er in ber langen, jnr Unterfudfjung feinet Uebelö
angeroanbten Gfiloroformnarfofe, für immer eingef djlummert wäre ! —
$ä) mieberf)o(te gegen ben ©elbftmorb, road idf) fdf)on öfterö gefagt
i)abe, (3Kaff. II. 6, 30 ) . . . unb bann nadf) Äant: es fann nid^t
allgemein, roie ein ÜKaturgefefc anerfannt unb empfohlen werben,
beö Sebenä fidO ju entlebigen, wenn eö jur Saft wirb; unb ift es
beöfjalb unfittlidf) unb imbematürlidf), £anb an fidf) ju legen. 3Hö id)
fpäter allein barüber uad^bad^te, fanb idfj bodfj, bafc biefe ©rünbe gegen
ben ©elbftmorb ben ftern nidfjt red&t treffen. 3d) benfe, eö fd^läft
in jebem SDienfdfjen baö ®ebot, fidf) grofc, fidf) ergaben ju jeigen. ©ö
liegt baljer in bem ©elbftmorb, um Sd&merjen mitten, um ^inanjnot,
um Gtjroerlefcung, eine ©elbftoeradf)tung, für bie fein 9Renfdfj 3tad^fid^t
füllen fann. £cr Seibenbe mujj bart^un, baß in itym ein ©elbft
lebt, baö bie Sdfmterjen unb egoiftifd&en Seiben nie bejmingen fönnen.
©ö fianbelt fiel) um ben 2Bert beö 2)tenfdf)femö unb biefer wirb, in
allen Sßenic&en, burdf) ben ©elbftmorb beö einen ju ©djjanben ge-
macht. 2lnberö, romn man fidj ben £ob gegeben tyat, um beä SSater-
lanbeä mitten u. bergl. <£* ift ber ©elbftmorb baljer nid&t fo unbe^
bingt unfittlid); aber toof)l, wenn er um ber 9Jot mitten gefd&e^en,
bie baö eigne ©elbft betroffen fiat. £ie ©elbftoeradfjtung, bie
barin liegt, madfjt eben oerädjtlidf). ©elten Bergest ein Üeben, obne
baft an ben 9ftenfdf)en bie SJerfudfmng jum Selbftmorbe herantritt,
roenn audf> aorübergeljenb. @s ift ba^er nidf)t müfeig, bie ©eifteö-
maffen bagegen, in ber ©rjicljung, aud& ber 3ugenb ju überliefern.
Xie £rimalttäten bagegen, bie man ju boren befommt, finb meift fo
menig fticbfjaltig, bafe fie auöeinauber ftieben, fobalb ernftlidf) barüber
nad)gebad)t roirb.
— 219 —
pfjifojtfpflte untr ptt&jtpfodtföe M8<*i*rf*»0« (1891).
(Sefcte SCufgei^nungen über SRaum unb 3 e i^orfteQungen.)
•
11. San. — 3M e ©egenwart ift bic ©renje jwifd&en allem
aorfierigen unb nadf^erigen ©efd&e^en in ber ganzen Sßelt. ©ie
Ijat feine Dauer unb ift bafjer feine 3 e ü- 3Sor unb nadf) gibt es
eine Dauer; ein ©efdjetjen, baä gebauert fjat, von heften Vorfteflung,
Vergangenheit unb 3"^ u «ft abftrafjiert finb. Die 3 e ü felbft fann
feine ©renjen fjaben unb ift eine innere 9fafd(jauung, bie erft ermög=
lid&t, bad ©efdjefyen in eine 3«* ju uerlegen. Die 2öiHendfreif)eit
fann nur twrgefieüt werben in ber ©egenwart; fobalb fie ent;
trieben tyat, fyört fie auf; baö Vergangene fann nidfjt unge*
fdbe^en gemalt werben unb baö 3ufünftige nidbt fdfjon erfüllt werben.
3n ber 3 e itö aue * fann nidf)te gefdjefjen obne jureid&enben ©runb in
ber oorljergeljenbeit 3^itbauer. 2lber ba bie ©egenwart feine Sauer
!>at, fo fann ju ben oorfiergegangenen ©rünben nodf) ein 2tnftoJ5 in
ber ©egenwart fjmjufommen. So Hein er audf) fein mag, er genügt
jur ©rflärung beä ©efityte ber Verantmortlidfjfeit. — 3 e ü °^ nc *w
©efdfjefyen fjat feine ©renjen, unb batjer weber Vergangenheit nodfj
3ufunft; biefe finb 3^tbauern, abftraf)iert an*> bem ©efdfjeljen.
<&eif!iges IBcfcn bes &unbc$*).
(Entnommen ben natunt>iffenfdjaftltd)en Sfafjeidjnungen oom 23. unb
26. ge&ruar 1891.)
Ueber 3lbftammung unb Shkfen beö £auöf)unbeö f)abe idf) geftem
in ber neuen 2luögabe üon Vref)m£ Verleben gelefen, waö nadfj bem
Vorgange Don ^Jallaä unb fdfjlicfjlid) nadf) ben Erwägungen von Vlafütö
unb enblidf) twn Darwin, ate jur 3 e ^ f iir & aö 9Ba^rf(^einli(^fte über
beffen Urfprung gelten fönnte. . . . Daö Söunberbare bleibt feine
eminente Veanlagung jur Sgmbiofe mit bem 3Wenfd)en. &ann in
tnelen Säubern ber 9Kcnfd) faum ofjne £unb leben, in nodf) mehreren
Sanbem fönnte ber #unb ofme ben 9Kenfcfjen ntdf)t (eben. VefonberS
ift bie 2tef)nlid)feit jwifdEjen 0ef köpfen, bie bem Äörper nadf) fo weit
auseinanber fielen, wie £unb unb 5Kenfdf), in Vejug auf bie pftjdfjo?
*) ©ie$e Sieligion 1882. 24. 9Rat. 0. 60.
— 220 —
logifd^en f^unftioncn redf)t eine unenträtfelte Offenbarung. 2)aö 3$er-
efjrungöbebürfniö, wclcfted ben 9Renfdf)en jur SBorftettung über^
finnltdjjer 28efen gebrängt l)at, ift beim £unbe ebenfo lebhaft t)or~
fyanben, aber in einer glücf liieren fiage, ba eö ftdf) an bem finnlid)
twrljanbenen ÜRenfdfjen fjat ©enüge tfjun fönnett. 2>aö 93erantwort-
lid&feitögefüfjl ift beim £unbe einer f)of)en Studbilbung fällig, unb bic
©runblage su einer fittlidfjen Sßürbe, wie fie ber 9ßenfdf| erflufto ftdj
auf ©rben beizulegen gewohnt ift r fann bem #unbe nidjjt ganj ab-
gefprodjen werben, ^nroteroeit bie ber 33eobadfjtung ml meljr ent-
jogenen, antfjropoiben 2lffen geiftig bem £unbe gleidfi ober nodj) Ijöljer
fielen, ift unentf Rieben ; gewiß ift inbeö, baß audf) unter iljnen feine
3lrt jtdf) ftnbet, bie in bemfelben ©rabe, wie ber £unb, auf baö 3 U ~
fammenleben mit bem 3Jienfd)en gerabeju angewiefen ift. 3>aö ift es,
waä if)t\ erhoben fyat über alles anbre ©eticr, unb es madfit, bafc
aud& er t>erbiente, wie fiinnß ben -äRenfdjen homo sapiens nannte,
nidfjt bloß nadb leiblichen Äennjei^en unterfdfjteben ju werben. Siadb
feiner geiftigen Statur müßte neben ber cauda recurbata nodf) cttoa
jur Gfjarafteriftif ftefjett: Non viget nisi homini consociatus.
$ä) fafjre fort, Srefjms Verleben als Unterhaltung ju lefen.
SBenn man nadfj ber Seele bes £unbes fragt, wie fte aus ben 0er 5
fdfjiebenen Sdfiilberungen 33ref|mS fieroortritt, fo ift fie ber ©eftnnunti
nadf) ntd^t feiten ein 3Kuftcr für ben SRenfdptt. ©einen Seruf ju
erfüllen, fdfieut ein mutiger £unb niemals ben £ob. 2>ie Dottenbetfte
Humanität, bic üon ©ottes Colin ober Strafe ganj abfielt, ift im
33emfyarbiner $unbe repräf entiert ; ber berühmte 33arrtj uoran. Unter
bem ©influß bes SJienfd^en erwarb ber £unb biefe Xugenben, unb
bas beweifet, wie feljr bic 2Wenfdf)en ber Xugenben ber anbern SBefcn
bebürfen. Datttt aber bürfen fie audf) felbft biefelben nidfjt oer=
leugnen. Sem $flidf)tgebot liegt ju ©runbe, unbewußt, bas all-
gemeine 33ebürfniS; — bem fategorifd&en ^ntperatu) ein abfolutes
3Ser langen.
%m 26. 2Rärj förieb mein Sater in ben „^erfonalia" :
Seftüre fjat midf) abforbiert. 2Bunbts ^pfiologifd^e Sßftjdfjologte
gab mir 33aron 2lle£anber Uejrfüll 31t lefen. ©f|e idd bas $ud(j burd)-
gelefen, Ijabe idf) feine redjte 9tu^e. ßs bürfte meine 2lnfidf)ten über
Seele, Seift, ©Ott beeinfluffen ; meine pfjitofopljifdien SBorftellungen
über bie menfdfjlid^e ©rfenntnis erweitern. —
üBunbte 26. 3Kärj. — SBunbtö $tyrfio!ogif$e W&ologic, 5. aufläge,
^SSSS* muß idf) erft burdfjgelefen liaben, efje id) abfdfjließcnb fagen fann, ju
— 221 —
weiden 2fnfLd)ten cö midf) befefjrt l)at. 2tber fcfyon jc^t, wo tdf)
158 Seiten beö I. SSanbeö burdf)laufen Ijabe, muft idf) fagen, bafc idf)
feit lange nid&tö gelefen Ijabe, baä eine fb grofce Scleljrung mir ju=
geführt ^ättc. Die ©injelljeiten in ber Xtyeorie ber 0el)örs= unb ®e*
ftdfjtdempfinbungen fo grünblid) burd&juneljmen, bafe fie mir ofyne @r-
perimente gegenftänblidö unb Mar geworben wären , baö Ijabe id(j
unterlagen, — unb baju ^atte id) !ein ^nterejfe. Dennoch Ijabe tdd,
wenn aud(j unoerftanben ober fjalboerftanbcn , aQed gelefen, weil bie
^ßräjifron ber SRetyobe unb bad umfaffenbe ©rwägen ber benfbaren
J?otte Ijeroorleudjjtet unb an$ief)t. 3lber ber 1. Sftfd&nitt: „33on ben
förperltd&en ©runblagen bes Seelenoermdgenö" bot Stuffd^Iu^ über
Diele Probleme, bie midf) befdjäftigt fjaben: ©rofc ift bie @in=
f örmigfeit bed Saueö ber förperlidfjen ©lementarbeftanb 5
teile ber SHeroen unb ber ©anglien. tiefem SBefunbe gegen*
Aber mufe id(j midf) oon SBunbt überzeugen laff eit , bafc oon fpejifi=
fdjen Gnergien ber 3cntrofteile bea •fteroenfqftcmö wenig,
oon ber fpejififd^en (Snergic ber Heroen felbft, aber gar
nidjtö metjr ju galten ift. Die 3Jerfd()tebenf)ett ber ®e-
bilbe im Wef)irn fjängt ab oon ifjren ftunftionen, bie ju=
geleiteten Sietje ju einanber t)in unb tyer ju leiten, in ber
oerwidfelteften 2Beifc. Diefe Durcharbeitung ber 9?eije bewirft
in gewijfen teilen bie Stnfammlung unb Sterftärfung ber ©rinnerungö?
bilber, ber 33ewegungöfomplere u. f. to., fdfjlieftlidf) bes Denfenö. ©rofc
birn unb ftleinljirn finb ^ot>(fpt)ärifd^e Apparate, bie fdjjlieftlidf) i^re
s £robufte in bad verlängerte 3Kar! jufammentreten madfjen unb bort
wof)l erft 511 Sewufjtfein fommen laffen. 2Bad burdf) bie 3lffo=
ciationafäben unb äußeren Heroen geleitet wirb, ift
waljrfddeinfidf) molefulare 31rbeit, bic2Rolefeln in ber ^irm
seile rüden balb jufammen unb binben bort ©nergie, ober
treten auseinander unb oerbraudfjen bie gebunbene
©nergic, bie aber audf) unter beftänbigem (Sinflufc ber
Säftejufuljr unb Slbleitung fidf) befinbet. ©ö finb bemnadf)
oorjugöweife d&emifd)e 2ßellen, bie in ben ©anglienfernen
ausgelöfet werben unb burdf) bie Heroen weiter gefeitet, unb oon
einem 3^ntrafgebilbe junt anbern ju ben oerfdfjtebenarttgften Äombi=
nationen unb Slffociationen einanber überliefert werben. Der Seib
fjat bie Seele weniger nötig, als bie Seele ben Seib. $n iljrer
wedfjfelfeitigen 2lbl)ängigfeit nimmt bie Seele bie fjöljere Stelle ein,
aber ber Seib bie funbamentale.
30. aWärj. — %n Stfimbt oorgerüdft burdf) bie Sinneöoorftellungen
— 222 —
bis ju @nbe ber ©efidfjtöoorftellungett. Bon bcr ^ppot^efc einer
©ubftanj, bic Bewegungen serfpürt, fann man niemafe los*
fommen. 33iö^er l>at fie aber Sßunbt mit ©tiHfdfjweigen bebedt. eine
fold&e ©ubftanj angenommen, wirb baö 2)u Bote 9tet>monbfd&e ignora-
bimus ! überfprungen. Bewegung wirb jur ©mpfinbung, ©mpftnbung
ift eine 2lrt Bewegung unb fann in Bewegungen fidf) umfefeen. 2)aä
©mpfunbene ift bie Bewegung; einfacher, wenn man bie Be=
wegung in bie empftnbenbe ©ubftanj felbft ©erlegt. Bebungen fönnen
uon allen ©innen jugeleitet werben, mm allen Sßeroen jurüdge^alten
ober beförbert werben, fd<eftlidj in eine ©egenb bes verlängerten
SJiarfeö reflefttert fidf) fammeln. 2Bo ftd) bie Bebungen an*
fammefn, unb jwar wo fie überwiegenb fidf) anfammeln, ba
verteilen fie einem Äomplej oon üerbunbenen gellen
bas Bewußtfetn. ©ö ift baö Bewufetfein in einem Organ
lofalifiert, nidfjt burdf) esfluftoe, eigenartige ©truftur, fonbern
burdf) eigenartige 9lf f ociation. ©a^er fann baö 3$ wedfjfclu,
im Xraum, in tfranffjeiten. 3)as 3$ ift nid&t eine Stefultante t>on
lebenbigen Äräften, fonbern bie SReaftion auf bas 9l\d)U%(f), auf
bie ber Slufeenwelt beijumeffenben, jugeleiteten Bebungen. (Sine ganj
unnüfce Eomplifation einer fo gewagten ^ppot^efe, — ein wahrer
Salto mortale — ift bie 3ufyilf enafjme einer nid&t materiellen
©ecle, bie als ßufd&auer ^ c materielle Bewegung ju beurteilen
fjat. — Sie vom ©elbft alfo in ©mpfinbungen, unb weiter in Bor*
ftettungen umgefefcten Bewegungen, finb ein fomplejes ^änomen.
Quantum, duale, Stiftung, fiocuö finb oerfdEjiebene @igenfdf>aften ber
Bewegung, bie nidf)t bie eine auz ber anbern erft abjuleiten finb.
©o fann ber ©efidjtsfinn nidf)t feine 9teije im Staunte cinorbnen, o^uc
burdf) 9Jhiäfelbewegungen über bie Entfernung unb SHidfjtung, in ber
bie Dbjeftc liegen, ©rfafjnmgen gefammelt $u fiabeu. kommen biefe
l)insu, fo gefeilt fidf) ju bem Sieije eines fünftes ber Xefeijaut bie
(Entfernung unb föinorbnung bes gef ebenen ©egenftanbes, wie eint
feft an ben ^ßunft gebunbene BorfteHung fjinju. S)er SRaum ift eine
2lnfdfjauung a priori (weil Senfen Bewegung, bie 9iaum unb ^tit
gibt), aber bie begrenjte Stusbefjmmg empirifdfj.
1. äprit. — SBunbt II ©. 234 \ $ie äurüdbleibenben 1. ©puren
ber BorfteDungen finb als funftioneüe SMspofitionen ju benfen. —
2. £>ie Beränberungen, bie fidf) baburdf) (burdf) Uebungen) in ben Cr*
ganen oottjiefjen, f)aben wir uns aber offenbar als mefjr ober weniger
bleibenbc 3Kolefu(aranlagerungen ju benfen. — 3. 3Me au« bem Be-
wufttfein uerfdfjwunbenen (BorfteUungen) werben pft)df)ifdf)e 3Mspofttionen
— 223 —
unbefannter 2lrt ju iljrer SBiebererneuerung jurüdlaffen. — 4. 2>aa
SSenwßtfein unb bie cd begleitenben ©efjirnprojeffe . . . finb gunftionen,
bic im Serfyättniö unabänberlidfjer Äoeriftenj ftefyen. 2)tefe Äoepftenj
ift eine lefcte 2$atfadf)e, wie bic ©fiftenj ber 3Raterie. 2>tc unab=
änberltdfje Äoejiftenj ift meiner Slnftdjt nadf> etwas fefjr anbreö, als
bie ©siftenj. 2Bo jweierlei foeriftiert, ift nidjt auögef d&loffen , baß
bas eine jum anbern im Äaufaljufammenljange ftef)t. 2BaS sub 2
3Rolefularumänberung lieißt, ift eine pftjd&ifdje Tiöpofition unbelannter
9lrt sub 3 genannt. 2)ie Spuren ber SBorftetlungen sub 1 finb als
■Dtolefularumänberungen ju benfen. SBic au* ber 3Rolefufarumlagenmg
eine ©mpfinbung entfielt, bleibt unbefannt, aber baß eine SReprobuftion
ber SBorftellimg aus ber SWolefularumlagerung f)eroorgef)t, bleibt eine
ben SRoniömuS begrünbenbe £ljatfad)e.
20. 2lprü. — ©eftern, enblidjj, fyabe idfj baö große 2Bunbtfdf)e
2Serf ju ßnbe gelefen. 9hm ift mir serftänblidf), auf roeldje 33or*
ftettung *on ber Seele feine ftorfd&ungen geführt fjaben. Sie tnU
imdfelt fid> in ber Subftanj. £>aä SBefen ber Subftanj muß aber,
um baö t>erftanblid) ju machen, erweitert werben. @s muß ifym £rieb
beigelegt werben. 3 n & er unbelebten Subftanj ift ber £rieb ber
SÄolefeln oljne jeitlidfjeu 3 u f ammen ^ an 9- 3 n & eu fomplijierten orga*
nifdfjen ©ebilben fammelt er fieb, unb erreicht in ber 9ten>enfubftanj
fdjüeßlidf> jene ©inigung, bie baö Selbftbewußtfein, bie Seele, aus*
ma<$t. Sie Seele bilbet ftd) bie Drgane, tljrem triebe gemäß;
namentlich baö Organ ber 2lpperjeption, bed Selbftbewußtfeinö. ©s
ift eine pfpdfjop^ijfifcfie Subftanj. 2Bo 3Bunbt metap^fifdber
^ilofop^eme, religiöfer Dogmen gebenft, get|t er an tynen vorüber,
als an SBorauöfc&ungen, von benen er feinen ©ebraud) fjat machen
fönnen. SBunbt fdfjließt mit ber 2lnnaf)me: 2ßad wir Seele
nennen, ift baö innere Sein ber nämlichen ©infjeit, bie
mir äußerlich als ben $u ifjr gehörigen i^eib anfdjauen.
»rief an btn »aron afexanber 2fce*ftüir, &ft. 1892.
HattüH, ben 20. April 1891.
Diefcr Srief, mein lieber Uerfüß, foll 3^ten jugef)en, gleich
geitig mit bem großen ühSerf bes ^rofeffors 2ßunbt, bas idf) mit meiern
Xant 3&nen jurüdftelle. ©ine fdiwerc Seftüre ift es gewefen. Da-
für muß id> midf) aber entfebäbigt galten, ba idfj feit lange nichts gelefen
fjabe, waö mir eine fo große 33elef)rimg jugefüfjrt fjätte.
— 224 —
2öunbt fdjlieftt mit bcr Stnnafjme: 2i?as wir Seele nennen,
ift baä innere Sein ber nämlichen (Sinljeit, bie wir äufeer-
tid) alö ben jn if)r gehörigen i'eib anfd&auen. Sie ift eine
pfpdfjopljrififd&e Subftanj. Das Söefen ber Subftanj, um bad t>er~
ftänblidfjer ju matten, mufc erweitert werben. GS muft if>r Xricb
beigelegt werben. 3n ber unbelebten Subftanj bleibt ber £rieb ber
URolefüle oljne jettlid&en 3 u l"öntmen^ang. 9lnberö in ben ^öd&ft ner=
widelten ©ebilben ber belebten SBefen. 2>a fteigert jtd> im 9len>en~
ftjftem bie Einigung, — im 2Jtenfdf>en bid ju bem entwidelten SelbfiU
bewufttfein, bis ju ber 3RenfcI)enfeele. Sie bilbet fidf) tyre Crgane,
gemafe ifjren trieben, namentlich baä Drgan ber 2tpper$eption,
bea Selbftbewufttfcinä. ©rofc ift bie ©införmigfeit bed Stoueä ber
förperlicfyen demente bes SReroenfyftemö. SBon ber fpejiftfdfjen ©nergie
ber ÜReroen ift gar nidfjtä ju galten; — non berjenigcn ber SentraU
teile launt etwas. Die aSerfd^ieben^eit ber Munitionen ber $irn«
gebilbe entfielt burdf) bie jugeleiteten unb in ber oerwidfeltften SBeife
jirfulierenben Steige. $>ie Verarbeitung ber 9teije bewirft in gewiffen
^irnorganen bie Xnfammlung unb 33erftärfung ber ßrinnerungftbüber,
ber Sewegungsfomplere u. f. m., fd&lieftlidf) bes 2)cnfens. ©rofc unb
Älein^im finb fjoljlfpfjärifdfje Apparate, bie fcfylieftlidj i^re Sßrobufte
in bas oerlängerte 2Warf jufammentreteu machen, unb bort wobt erft
5um SJewujstfcm bringen. 3ßad burdf) bie Sterben unb SlffociationSs
fäben ber GJanglienjellen geleitet wirb, ift wafjrfd&einlidfj molefuläre
3lrbeit; bie SJtolefeln in ber £irnjeHe binben ©nergie beim 3ufammens
rücfen, unb oerbraud&en fie wieber beim 3luseinanbertreten, unter be=
ftänbigem ©influft ber Saftertefelung. 6s finb bemnad^ Dorjugsweife
cfyemifdje SBellen, bie in ben ©anglienfewen ausgclöfet werben, unb,
burcb bie Ütteroen weitergeleitet, öou einem 3^"tralgebtlbe jum anbem,
ju ben üerfdfjiebcnartigften Kombinationen unb 3lffociationen einanber
überliefert werben. 2>ie aus bem Sewufstfein entfdjwunbenen 3Jor s
ftellungen f)interlaj)cn pl)i;fif^e SMspofitionen / unbefannter ärt, ju
ifyrer SiMebererueuerung.
33orftef)enb wollte idf) %fyntn ein Sßröbcfien geben t>on ben ©e=
banfen, bie id) aus bem wunberbarcn Söerfe tyabe fdf)öpfen tonnen
ober aufnehmen, äßunberbar ift bie ßinfad&ljeit ber 3JHttet, mit benen
in ber Jtatur baö (Jrftaunlicbfte 511 ftanbe fommt. 3)ic ©ratntation
plt bas Sternenfpftem ber ganjen 3Belt jufammen, wie fie ben Slpfel
00m Saume fallen läfjt. 3>ie 3i™en)ation in ben fd&einbar ganj
fraftlofen 9ieroenfäben, uon einer .Vlonftftenj, bie feinen SLMberftanb
leiftet, ift bas 9)tittel ju ben erftaunlicbften tträften bcr menf$ß$en
— 225 —
©cifiedwelt. Sic be^errfd&en bie 33ert)ältniffe an ber Oberfläche ber
©rbe unb lehren fie erfennen in ben fernften ßunmelöräumen. £>aö
finb Seiftungen, bic fo weisen gäben unb ftlümpd&en, wie fie baö
9ien>enft)ftem jeigt, nid)t leitet fönnen angefetjen werben.
%ä) fürdjjte, auf biefeä fdjjwere 93udf) l)in, einen fdfjweren SSrief
ju ftanbe gebraut ju fyaben. Sie werben bem entnehmen, bafe icf)
ber Seftfire, bie idf) ffintn t>erban?e, nidjjt wenig ^fntcreffe entgegen*
gebraut f>abe. $n alter greunbfd&aft . . .
fttligion (1891).
fiepte Aufzeichnungen über Religion.
26. San. — ©rft war es Sott, — bann bie SSorfetyung, — nun ©ott - siebe,
ift e$ bie 2tuömufterung, 3)arwm3 selection, franjöfifdjj triage. »cwunberoiiä-
3um Seften füljrt eines wie bad anbre, — aber ©ott unb Sßor- U Mmntn5.
fe^ung gemäß Don unerforfdfjlid&en unb unbegreiflichen Statfd&lüjfen,
— bie Slufimufterung gemäß ber -Rotwenbigleit. ©ott fann mau
lieben, — bie SBorfeljung bewunbem, — bie 3Cuömufterung Der*
fielen. Sef Reiben mu§ man fidr, aber man fann eö mit 5ßer=
ftänbnte, nur gegenüber ber Studmufterung. .®a& ©efü^l ber Harmonie,
bed 3ufammenflingen$, ift bie Siebe, — inftinftit) im ©efdfjled&tfc:
leben, — baö ©efüljl ber Harmonie mit £immet unb @rbe ift bie
Teligiöfe ©fftafe, Schöpferin ber ^öd^ften menfdjlidfjen SBorfteHungen,
aber nid&t SSärgin ifjrer 2Baf)rf>eit. Unter ben SWenfdben ermatten fid)
biefe SBorfMungen fefjr lange, weil bie £rabition üjnen red&t balb
eine älterd* unb Snualibttätdüerfid&erung gewährt. @8 ift aber für
bie menfdfjlid&e gtatbilbung nötig, immer wieber jurüd ju fommen
auf bad urfprünglidf)e @efüf)l ber ©rgebung, ber Siebe, unb beö 3Ser=
trauend }u ber SBeltorbnung ; — frei oon ben ©ogmen unb 3Jtani?
pulationen, bie au$ ben felbftgefd&affenen SBorftellungen fidf) ablagerten,
wie ein bunfler Schlamm auf ben SBegen ber (Srfenntniä.
©infames 35afein, oljne ©efd&äftsleben, unb o§ne müßig ©efd&wäfc
mit Stanbe&genoffen, bleibt eine fdfjwere Aufgabe. ®as eigene @e=
banfenleben erfd&öpft fidfj im Stlter unb erfdfjeint nidfjtsnufcig unb ein=
förmig. SReligiöfe Kontemplation unb Äultus ber ©infiebler unb ber
ftreng in Älöftern abgefdfjloffenen SWönd&e üben SBiebertyolungen ber
flu* ben lagebu^blättern be* ©rofen 91. ftebjerling. 15
— 226 —
$anblungen, ©ebanfen unb ©mpftnbungen, — welker SBieber^ohmg
eine mgfteriöfe Sebeutung beigelegt wirb; — es ift ein ^Huftonölebcn
o&ne Älarljeit unb SBatyrljeit.
ct>m vtbtt wn 1. gebr. — Df>ne ©ebet, fein Umgang mit ©ott. 2)aS SRadj?
^&mhnu!i benfen über bas ©afein unb bie 33efdjaffenl>eit eines 2BefenS, ift jn>ar
^umßoSJ* 1 Sef d^äftigung mit tfjm, aber nidjt Umgang. Dljne Umgang mit
©ott verliert aber ber 9Wenfd(j, befonbers aber bas Sßeib, ben 9lüd-
fyalt gegen bie Serfud&ungen ber ftnnlid&en SßreiSgebung in ber ^üüe
ber Siebe.
©ottti «uftra an ©ott beauftragte einen ber Seligen an feiner Stelle bie von ber
«nen 6ehafn. g^ c j U j^ m auffteigenben ©ebete entgegen ju nehmen. £ie öral)=
miften unb Subbfjiften ermübeten ifjn fefyr burdf) 2Bieberf>qlung ber=
felben Saute unb ©ebetsformeln, oljne redfjten Sinn; — fte waren
in ben Irrtum verfallen , man fönne ©ott jwingen, inbem man
gormein wieberfjolt ober gar in SDWitylen bre^t, bie fe^r langweilig
werben fönnen, wenn man fo unoorftd&tig ift, barauf ju fyören. 3^er
Selige merfte audfj balb, bafc fie ntdjts anbres bewirten follten, ate
bie Seter heilig machen, So unjwedfmäfjig bas STOittel festen, man
f onnte tljnen bie Spielerei belaffen ; nur ba§ fie glaubten, bamit jeher
moralifdjen 5ßflidf)t überhoben ju fein, war ein Uebelftanb. Sei ber
anbern breifad^en aWenfd&enreligion, war es nid&t fo. Rüben, ©fjriften,
^slams Ratten moraltfd&e Sorfdfjriften, — bie ©ered&tigfeit, Siebe,
3Rilbtf}ätigfeit, — aber nidfjt gegen äfobersgläubige. 35er ©laube
galt mefjr, als bie £ugenb. 2ludf> fte glaubten burd) Ritual, ©efang
unb fjeilige Sßorte, — lange 9?eben, — 2fofjüge unb Slnjänben oon
Sidfjten, ©Ott gefällig ju fein unb geneigt ju mad&en. 35arin fümmten
äße überein, ba§ fte fefjr triel Unvernünftiges erbeteten, unb immer
nur bas, was tyren trieben jeweilig bienen foHte. gür ben Shtfcen
ber SJtenfdfjljeit, im ganjen, Ratten fie fein £erj, unb trafen fte etwa
einen Sonberling, ber fidf) baju aufdfjidfte, fo Derfpotteten fte iljn, als
ßumanitarier. — ^efet, fagte ber Selige ju bem wieber eintretenben
©ott, t>erftef)e idf) erft: Sott man auf ©rben jum Seften regieren,
muß man fidf) um bas befümmern, was in ben ®tbttm nid^t t>or=
fommt; um bas 2Sol)lbefmben ber 2lHgemeint»cit ber 3Kenfdf)en. $as,
was in ben ©ebeten oorfommt, fann man ruljig ftdj felbft überlaffen.
9tad) Serbienfit wirb es geförbert buref) bie ©intradjt, ober gehemmt
burdfj ben Sßiberfprudf).
10. gebr. — junger unb Surft fann man ftd) felbft nidjt t>or=
tauften. Offt es nid)t ebenfo mit Siebe unb Religion? Vergebens
fagt man fidj ba: £u mu&t! Sergebens rechnet man fid& bie SBo^U
— 227 —
traten t>or, bie ju Siebe auft ©anfbarfeit nerpffidfjten fönnten. 9Wan
taufet bamit fuf) unb anbre unb gerät in bie ^eud^elei. $at ber
innere $rang jur Religion midf) per (äffen, fo muß idfj ber SBatjr*
fjafttgfeit ju Siebe midfy mdf)t anber* anftetten, wenn audf) idf> ber
Sitte ber 2Wenf<$en midd untcrjiet^c, um bie beftmöglid&en Schiebungen
ju pflegen*).
The bow is bent and drawn, make from the shaffc,**)
Come not between the dragon and his wrath.
2)iefer 2Bortc gebenfe idf), ba im füllen bie SSerfud&ung midf)
befaßt, bem gewaltigen 93iämar<f ju fd&reiben. SRidjt, ba§ er in feinem
gegenwärtigen Seben „feine redfote Sefriebigung ftnbet", — wie er
feljr milbe ftdfj auöbrüdft, ift ifjm ju nerbenfen.
Ah, Tarne que la gloire une fois a touchle,
Est pour le bonheur calme ä jamais dessechee;
Elle garde, en sa chüte, un desespoir hautain,
Et ne peut plus rentrer dans le commtm destin ;
Du haut de sa ruine, eile ecoute, isolee,
L'echo retentiasant de sa grandeur croulee. ***)
£od&tragifd) ift SiömardEö %aü. ©inen gleidfj allgemeinen 9tuf>m
fyat bei Sebjeiten niemanb genoffen, unb faum mag eß eine milbe
Sötterfdfjaft geben, bie aon ifjm nic^t gehört fjätte.
93iömarcf ift miber SÖiffen tranöftguriert burdf) bie Strafen feiner
großen SBergangenfjeit. ftür bie Heine ©egenroart, maö bleibt if)tn?
5Jiemanb !ann if)tn bie S3itterfeit feiner Smpftnbungen nerfüften ober
oormerfen; aber ergaben foll er fie tragen, roie einen p^nfifd&en
*) Sßie auf ber ©ee bie SÖellen auf: unb abwogen, balb $od), balb niebrig
ge$en, balb tiefe Steeredftitte eintritt, MS ein neuer SBinbljaud) Seroegung roedt,
fo in ber ©eele bie ®efü§le ber Siebe gu ©ott unb ju ben 2Renfä)en, — pflegte
mein Sater oft gu fagen.
**) 25er Sogen ift gefpannt, entflieg bem SßfeU! —
Xritt jn)ifü)en ben £raä)en nia)t unb feinen (Srimm!
Äönig Sear.
***) D! fjat einmal ber SRu$m bie ©eele ergriffen,
3ft fte für ruhiges ®lücf für immer oerloren (oertrodfaet),
©ie bewahrt in i$rem (Sturze fjoü)mütige SBerameiftung,
Unb fann nia)t nrieber jurücftreten in baä gen>ölmlid}e ©ein,
SBon ber §ölje iljrer krümmer (tljreS SRuinS) laufa)t fte vereinfamt
$em DerfjaKenben ©a)aU tfjrer oerfaQenen ©rbfie.
— 228 —
©d&merj. 25aö ÜRenfdfjenleben, im einjelnen 9)tenfd&en,
trägt bic SBürbe ber ganjen 9Kenfdfjl)eit. Äein Seiben foü
größer fein, ate biefeö Selbft im &tbm. 3e mel>r eä ben Seiben
gegenüber fidj unerfd&fitterlidf) jeigt, um fo meljr bewährt es feine
4}ö§e. 2)aä ift bie Antwort auf meine ftrage*), warum bie 3Renfd>en
ben Unfdf)ulbigen im Seiben ate baä &öd&fte fdfjäfcen, obwohl bad feinet
roegä ein 3lbeal für fie gemefen, nadfj bem fie gcftrebt Ratten. 3n biefem
©inne läutern bie testen, oft fo quafootten ÄranHjeiten nrirflidfj ben
SWenfdjen.
$df) las fürjli<$: „Saaten ber praftifd&en Siebe finb baö Äeun=
jeidfjen ber jünger ©Ijrifti; ntd&t aber bie SEBiffenfd^aft ber ©tljtf
fönne bie Sieligion erfe|en, bie falten 2lbftraftionen bie Segeifterung
geben" u. f. ro.
3ft ed aber mit ben Saaten nid&t äfjnlidf)? £aufenbe fann idj
fieiben unb fpeifen unb fann babei ber Siebe entbehren. @ö bleibt
mir ein grofeeö ©efjeimniö in ber Siebe. Sßeber Seljrbegriffe nod&
2Berfe fönnen fie erfefcen ober erfdfjöpfen. 3Ruf$ nid&t ein #audf) ber
tßoefic baä SBerf, baö nrir jum SSeften ber anbem tfjun, nodf) burdf>-
roeljen? Ober ift baö nur eitel Sdfjein? — @s wirb baö IjödEjfte ©ein
fein, über aUeö 35enfen fjinauö. — 33on ben 2)ogmen roenbet ftdfj in
neuerer $eit mancher S^eologe ab, — ben 2Berfen barf er aber nidfjt
juf allen, unb bie Siebe lägt jtdf) nidf)t feftljalten. So befdfjeibe man
fidfj. 35aä 33ergängltdf)e ift bodf) fd&ön geroefen unb jwwi ©roigen
fütyrt es. — 6s trnrb mir ernft unb gef Rieben mufe fein.
„Les choses visibles durent peu," — bie fid&tbaren $)inge
bauern fürs, — aber fie allein laffen und bas 6roige auf ßrben a^nen
unb empfinben!
3. 3Jiärj. — 2Bas bie ftreunblidftfeit ber 2Renfdfjen anbetrifft, fo
erfährt man in fdfjroeren Sebenslagen bergleidjjen ju oft, um nid^t
neben bem rabifal Söfen in ber SWenfd&ennatur au<$ ein eingepffanjtes
©uteö roirflidf) anjuerfennen unb mit fjerjlid&em ®anf.
*) ©te§e »i&elfteHen über bie 3ufunft ber SJerftorbenen. »Hgememer fttid
Mief ©. 219. 2eivm 1876. (2«3 2Ronuf!ript gebrutft).
— 229 —
Srtjln|jL
lieber SWoltfea £ob Reifet eö in einem an meinen 33ruber ge«
richteten 33rief:.
„<5r ftarb mcf>t, roenn man Siechtum unb Xobedqualen baruntet
©erfte^t, fonbem ©ott naljm iljn fjinroeg, wie eö uon ßenodj Reifet/'
31m Dfterfonntag, 21. Slpril, fc^rieb mir mein SBater:
„3dj fomme eben Don unfrer ©rabfiätte. ... <£ft ift wie S5u
fagft, bie 3^ te* ©eljnfud&t, ber ©efjnfudfjt nadfj neuem Seben.
$er geling !am,
2)ie §albe grünt ringsum; —
©ein glügel 6ra($
Unb feine Stuft ift ftumm.
£iefe SBorte t>on Sßaul ßeijfe geben ber roeidjen (Stimmung, bie
im gWtfjling 3Renfdfjen, bie Diel Heben hinter ftdf) tyaben, juroeilen be*
fd&letdf)t, ben redeten 2luöbru(f."
3lm 8. 2Rai mar er nidf)t mefjr unter un$l
$en ©prudfj, ben er fidj ju feiner ©rabfdfjrift ermaßt, bem er
gelebt fjatte bis jum legten 2ltemjuge, lautet:
„$er ©eift ber 2Baf)rf)aftigfeit
roirb ben 3Beg eud) roeifen
in aller 2Baljrf)aftigfeit!"
IV. (So. 16, 1S -
3um ©dfjfufc mögen \)itx nodf) folgenbe 2Borte axtä ben perfön=
liefen 2lufjeic^nungen meineö SSaterö ^piafc finben.
£ . . . s SRotijen über 2Warien3 lefcte £age gelefen. $df) muß
mel Xljränen babei t>ergief$en. SReine Stimmung ift burdfj bie siele
©infamfeit unb jbas 2llter meiner geworben. . . . ©dfjon aorgeftern,
bei ber £eimfef}r aus 9ieüal, befcblidf) midfj etroaö ©igeneö. @ö ift als
riefe midfj ber ©roige am bem unfteten oergänglid&en treiben, ©ö
ift ber inroenbige ©ott, ber roeber in ©d&rift nodfj Siitualien offenbar
werben fann. SZBic ein tief am £orijont leudfjtenber ^irftern, ben
man fefjen fann, erft roenn bie fünfte unb ber ©df)immer beö £ages
tjerfdfjumnben finb, roeiß man von bem inroenbigen ©ott nur in ber
Stille. $ebeö SBort über iljn ftört; foll idf) ooU füllen, bafj idf) ben
©roigen tyabe, unb baft er midf) fjat, mufc tdj redfjt allein fein, ©o
tyat 3efuö ©ott gehabt am Celberge. 3lHer ftirdfjenbienft, alle flügelnbe
— 230 —
£et>re aon Geologen unb Sßfjilofopfjen, alle Sefdfjäftigung mit ber
uergänglid&en Sßelt jerftreut. ©in eitriges, nid&t ju fagenbeö ©eljeimnid!
SBenn idf) aber bie (Seele barauf rid&te, bann erft füfjlt fte ftd& in
SBoHftänbigfeit unb in bem Steige ber SRufje. — 2Rag u>ol)l in meinem
£irnleben eine pl)9fifdf)e SScränberung ^eranna^en. . . . «Smmerljin #
eö meiner Statur jefct angemeffen, aufjufdfjauen innerlich ju bem un-
begreiflichen ©ott. 3Renfd)en, Äirdje, 33ibel, nidf)td gibt mir ben hu
toenbig verborgenen ©ott, vielmehr bringt atteö ba* 3erftreuung, 3Ser-
bunfelung. ©e^e. alfo fdfjtoeigenb burdfj bie SRenfd^en unb beinahe
baö ©e^eimniö! 2ludf) Scfuö bewahrte es bia and Äreuj. Seine
2Borte oerjroeifelten, aber ber ©roige Ijatte i^n unb er tyatte
ben Sroigen bis jutefct!
Momente 35efra<$tttK$ett.
$0fiak imt> poltfifö? 3fcagm
©ojiale $rage! ©ine aScficrfragc trieHeidjt, rote bie $rage nadf>
bem $inge an pdf).
i • • • *
35te fojiale grage ober baä Problem jroifdfjen Äapital unb arbeit,
wirb mir t>ic£ ju fefjr t>orausgefe$t. 3>ie $anb, bie in bie ooDe
£afd&e beö SRadfjbarö greift, fdjeint mir fein ntutz Problem aufju*
werfen. SBenigftenö ifi es mir nidf)t geläufig barem nodb ju jtoeifeln,
ob etwa ber 2Kann bie ©d^utb trägt, ber fidf) bie £afd&e gefüllt f>af,
ober berjenige, meiner fie leeren "möchte. -Kur bas ift mir' Problem,
toie roeit bie ©enoffenfdfjaft in ber öfonomifdfjen SBelt Ujre 2Birffam*
feit mit ©rfolg ausbeljnen fann. £>ie greifjeit ber 2trbeit wirb t)on
ben -Dtännern ber 2lrbeitöeinfteHungen oerfannt, fie brängen in bie
fceibeigenfdfjaft jurüdf. 2)ie SBurjel alles Uebelö unb aUe$ £erroriömu&
föeint mir aber bie 33orfteHung ju fein, baö ©lud für bie SWenge
anjuftreben, anftatt baä ©lücf für alle. 3)aö lefctere ift nur in ber
lüften ©eredfjtigfeit unb ©emeinfd^aft ju pnben, — ba£ erftere tor*
übergetyenb in ber 3 er ft& run 9 a ß er gefefclid&en ©dfjranfen, bie für bie
2Re^rjal)l beftänbig fiart bleiben werben. $>ie 2>arroimaner weifen
eigentlich naclj, wie baö -Jtoturgefefc bie 2luämerjung ber 9Bef)rjaf)l
oerlangt unb bie ©lite nur bleiben barf, unb wie übel angebracht jenes
SBoljlwoHen ift, bas ade, jur £erabroürbigung aller, erhalten möchte.
2Bad man oon bem 33ebrof)lidf)en melbet, baä in bem 2tnroadf)fen
ber fojialbem ofratif dben Partei fidfj ju erfennen gibt, interefftert mid)
fefyr. ^ern Dom <&d)\i$ finb meine Setrad&tungen füljf; bie Unmög*
Iidfjfeit für bie mcnfcblidfje ©efellfdjaft, fid) auf bie fojialbemofratifdfie
Partei ju grünben, fd&eint mir fonnenflar, unb bafjer fann roofjl eine
oorübergeljenbe unb fe^r bebauerlid^e 3^ftörung an einjelnen Orten
— 234 —
bic golge foldjer SBerirrung fein; aber feine bauernbe Drbnung. ^dj
begreife aber, wie wenig b er gleichen allgemeine SBa^rtjeiten Sd&ufj unb
5Crofl bieten, wenn man für bie ©injeleyiftenj in eigener SRä&e 511
Seforgniö 2lnlafj finbet. 3)en Sojialbemofraten Ijafte i<$ aber für
ein Söefen, baä balb au&fterben mufc, wie alle Äreatur, bie nur auf
aujsergewötynlid&e 3uftänbe beregnet, jxd) in gewöljnlid&en 3 e ^ e " ntdfjt
galten fann, wegen mangelnber ©yiftenjbebingungen.
©urdfj bie ganje 2Seft geljt eine, meine* SJebünfenö nadj, t>er=
fefjrte Strömung, wenn aud£) md&t burdf) Sd&ulb, fo bodf) im ©inne
ber Äatyeberfojialiften. SWot unb Ärantyeit wirb eä in ber 2Belt geben,
fo lange eä eine menfd&licfje ©efeüfd&aft geben wirb, unb ba* SJerfe^rte
fdtjeint mir, wenn ber ©taat fidE) berufen füljlt, burdf) allerlei SJorforge
baö wegjufdtjaffen, waä nun einmal ftdf) nid&t wegfd&affen lä§t. Sie
Äräfte unb bie ©üter finb ungleich perteilt unb oerfd&ieben }id& nadf)
Äaufalitäten, bie 00m Staate unabhängig finb. ©eine Slufgabe bleibt
eine ©efefcgebung, bie feinen begünftigt ober bebrängt, unb eine für
Stile gleite ©efefcltdftfeit mit unerfd&ütterlidfjer ©cwalt fidler ju fteHen.
©ibt er ftd& ber SBerlodung l)in, alle Unglüdflidfjen ju oerforgen, fo
wirb er jum ©d&minbler unb fann auf bie Sänge nidjjt befteljen. SMe
9Wanie, bie Sdfjulb oon allem ©fenb ber ©efefegebung jujuf ^reiben,
ift bie Qtiiitanlfycxt , unb bürfte auä) bei \m$ bem 9Ul)ittemuft ju
©runbe liegen.
®en SJerftanb in einem Sanbe fo ju verteilen, bafc nur SWitteU
mäfngfeiten bleiben, fönnte man eö bewirf en, fo mürbe man eö bodf)
faum förberlidfj für bie ©efellfd&aft galten, $infuijtli$ beö 9ietdf)tum*
fyält man aber bie gewaltigen Äontrafte für nachteilig, — bie in ben
freien bereinigten Staaten SKorbamertfaS jtdf) gleichfalls bilben. @em
erfenne idf) ein fjöfjeres ^ ber ©efeHfdfjaften unb ber SWenfdfjen an,
— als ben Sietcfytum, — nämlich bie Erweiterung unb Steigerung
ber ©emeinfd&aft, — unb fo erfenne idf) audf) gewiffe Umftänbe in
2>eutfdf)fanb , bie ein gewiffeö Xransigieren mit ben fojialiftifd&en
Strebungen jeitweiltg rechtfertigen mbgen. 3lber bie gormel: mög=
lidfrft oiel SBoljl für möglidEtft oiel 2Renfdf)en, fjalte idf) für irreleitenb
unb für unrichtig; bie Verteilung ber ©lüdtegüter l;alte iä) nidjjt für
eine Sad&e ber ©efefegebung u. f. w. £afe unb Siebe, nidf)t gifer
für baö ©emeinwofjl, Ijaben bie 3Raffe ber einjelmenfd^en immer,
oieHeid^t in bemfelben ©rabe beglüdft unb unglücflicty gemalt.
— 235 —
ßd war mir intcreffant, rote ficf) verriebene ©pmnaften über
bie Uniformen ber ©pmnaftaften audfprad&en. ®a gibt jtd) ber (Seift
ju erfennen, ber bie aufgezwungene ®leid(#eit Ijöljer fd&äfct alfi bie
Jreiljeit. Die Spulen nähren biefen 2Bal)n. Um bie Unterziehe
jroifd&en Slrm unb SReid) ju üerroiföen, fo Reifet e«, muß bie ©djule
gleichförmig gefleibete Schüler Ijaben. Um Don frfity auf biefen roefent-
liefen Unterfd&ieb ju Derfte^en, ju bulben, bie gfretyeit ju etyren, fönnte
man bas (Gegenteil per langen, ftann niefet aud) in ber ftleibung ein
6tfld 3Roralität Hegen? — Diefe 2trt ©leidfteit Derbrängt bie ©elbfc
befd&ränfung, unb bie Slbfonberung jnrifd&en aRenfdfjen unb Staate
bienem, wirb ju einer 3^ fühlbar gemalt, wo bie entfpred&enben
$fKc$ten nodf) nidjt Dor^anben finb.
3$ gefiele, bafc mir ber ©taatöfojtaliömua meines alten ^ugenb;
freunbeä unb beö größten 9Ranned Deutfd&tanbfi unb üieüeicfjt gegen-
wärtig ber ganjen (?rbe, ald Doftrin um>erftänblidf) ift. 33ef>anbelt
man bodj bie Äonfurrenj, biefen Stteb, ber bie unö befannte 9totur
;u nmnberbarer 33oHtommenf)eit getrieben §at unb immer weiter treibt,
ate eine ©rfinbung bea SRandjieftertuma, bie man mit gutem &erjen
unb gut angelegten Steuern aus ber SBelt fdfjaffen fönnte. ©tnb e$
nid&t Utopien , wenn man bie naturnotroenbigen Uebel ber twrges
fdjrittenen ©efeßfd&aft ald fünft (id^e <ßrobufte barftetlt, Utopien, bie ju
Uebergriffen, SJerbred^en unb SBa^nfinn treiben? Dodfj id) befdfjeibe
midf); baß alte Seilte tfjrer 3 c ü nid&t folgen fönnen, ift ja immer
gewefen.
3dfj bin ein oerftoefter ^Jarteimann bed s Jtedjtöftaateö, im ©egen=
fafe ju bem SBofjlfatyrtaftaat.
Die Sojialbemofratie oerbtent oertitgt ju werben, audf) o^nc
»ttentat.
SJerfrttppelteö unb 2Uteröfdf)macbes ift bem Untergange geweift,
bamit bas ®efunbe unb ^ugenbfräftige Staunt gewinnt ju befferem
@ebeiljen; fo ift bie Drbmmg ber Stotur unb bie Sieget jebeö !Qau&
fjaltö. 2Bie lommt nun baö Deutfcbe 9teid) baju, eine fo natura
wibrige unb unöfonomifdfje ©efefcgebung ju unternebmen, wie bie
^noafibitätö* unb äntersoerfidjerung? Der 2lrme im 3>olf foD oon
— 236 —
bem (Staate greifbare Vorteile in 2luöfid)t fjaben, um mm bem (Staate
etwas ju galten unb an i^m feft ju galten, gegenüber ben Angriffen
oon auften unb Aufreizungen tum innen, 211$ SRobiling fc^o§, unb
bie (Sojialiftcn meljr unb mef)t baö 3*eicft überwogen, fann man auf
Heilmittel. Sluf bie Veleljrung burdjj bie wahren fielen, ober burd)
bic 9lot, TDoüte man nidf>t rennen; gu fdf>merjlidf) unb ju (ang bünfte
biefer SBeg. 2>a madfjt man nun biefen füfjnen, gewaltigen, natura
wibrigen unb bafjer nur oorübergeljenb wirffamen Verfug. 2Rateriett
wirb ein SRetcij burdf) fold^e ©efefce gefd&wädftf. — SBirb es aber ibeal
mächtiger? 2)er 2termere ift erft ber tapfere. SBirb baö beutfdje
SSolf um fo tapferer werben im Äampfe gegen SHomanen unb Slaoen?
3ft es eine Lüftung, bie ifjres ©elbeö wert ift? 3Robem ift infolge
ber grteidfjterung aller Verfefjrsmittel, baß bie Äonfurrenj oon bem
©injelmenfdfjen übergebt auf SKenfdjengruppen, auf ^Rationalitäten.
SBirb bie germanifdfje Nationalität im Äampfe gegen anbre SRationalU
täten getoinnen?
3n ©eutfd&lanb ift bas ©efefc für bie Ärüppel unb alten, wenn
audE) mit geringer Majorität, burd&gegangen. $alls eö ftd& faltbar
erweift, ift für bie menfc^lid^e ©efettfdjaft eine ganj neue ©rfinbung
gemalt. 3m Vienenftaat ^aben bie ganje Slrbeit, unb freiließ audj
bie ganje 9Jlad^t, fterilifierte SBeibd&en; — für Diele anbre ©efd&öpfe
märe biefe ©inrid&tung nidjjt erträglicher Unfinn. 2He beutfdfje Staats*
gcmeinfd&aft fönnte eine neue ^fjafe erleben, ebenfo t>erf Rieben von
anbern (Staaten unb oon ber eigenen Vergangenheit, als bie Vienen
oon ben SBefpen. 3lber entfdf)teben ift es nodf) nidf)t.
$te Verirrungen bes ©ojialismus oerraten, glei<$ ben Religionen,
fd^on burdf) i^re geograpljifdfie Verbreitung, bafc fie eine ftaatfidfje ©n^
ridf)tung gar nidf)t finb. S)ie dfjriftlid&e Varmfjerjigfeit füf>rt auf bie
^orberung jurütf, bafc bie einen erwerben für anbre, bie t>erjeljren.
(Sie finbet ifjre medfjanifcfje ©renje, fobalb im Verjeljren ein Ueber-
gewicht eintritt. 3lber fdf)on ebc bie ©efeUfdfjaft bis an biefe ©renje
gelangt, mürbe jte bur<$ bie @rfdj>laffung bes Triebes, für fi<$ unb
bie (Seinigen epflufio 511 arbeiten, unb burdf) bie Unfä^igfeit jenen
©dfjmudf bem 2)afein ju leiten, ber burdf) bie Vorliebe ber Dptimiften
entfielt, (ber 9ieidf)tum müfete ja aufhören ober fidjj verbergen — ),
unerträgliches (Slenb oerbreiten.
— 237 —
. . . Wtttyc unb metp realifiert fxdj bcr trbifd&e Unfoerfalftaat,
unb bie Sdf)ufcjöllner fämpfen vergebens, — vergebend bie ©ewerfS-
genoffenfdfjaften ber Stoßarbeiter. SBeber Sßroteftionismus nodfj Sojia*
lismus fann auf bie Sänge bie öfonomifd&e ©efefcesnrirfung befjinbern.
2)er freie, öfonomifd&e SBettfampf auf ©rben ift bas Stecht unb bas £etl!
25ie SJetyilfe erfdfjeint beut »ebrängten auf bie Sänge niemals
unoerbient; — fo Diel id) es bei Stipenbtaten unb Sllumnen in Setjr*
anhalten $abe beobachten fönnen. 3tuf Slnerfennung burdf) bie Arbeiter,
benen ber Staat etwa Pieren Soljn üerfdfjafft, barf er nid&t rennen.
Dagegen trifft ben Staat ftd&er ber SBornmrf berjenigeu, für bie nid&t
geforgt ift, nadfjbem ber Staat bie t)erantn>ortlidfje 3 umc ff un 9 & eö
Arbeitslohns pdf} angemaßt fyit. Den $afe, ben er fänftigen wollte,
äietjt er gerbet. Denn nur baö $Re$t ift gleidj für alle, — ber
fio^n notroenbig x>erfd)ieben. — ©s meinen bie Sojialpolitifer ben
Staat anbers nid&t fd)ü$en ju fönnen; otpte 3ugeftänbniffe l)ält fidjj
ber Staat für ju fd^road^. Dann ift er, burdj bie Slngft vor ben
Rauften innerlich fd&on übemmnben unb rotrb bem Kapitalisten ben
f nebligen 3 u ft an & ntt^t fidler fteffen, mit bem er ifjn jefct föbert!
SBoran bie Sföenfdfjen t>or lauter Klügelei irre werben: baö ift
ben £unben flar in 33ejug auf ©igentum. ©in guter £unb
bemalt bie ©ffeften feines £errn unb bie ©renken feines ©runbftüdfs.
©runbbefifc unb Sefifc beweglid&er ©üter ift ifjm gleidfj üerftänbltdfj.
Die ftinber finb Stüdfe vom fieibe beiber ©Item, wie es bie
©ntnridfelungSgefdfjid&te enblid^ flar gelegt, Stücfe bie burdfj einen 2lft
ber eitern, ju bem fie fidf) mdfjt nur entfdfjloffen, fonbern meift audf)
gebrängt unb {ebenfalls gefügt Ijaben, felbftänbige ©jiftenjen geworben.
2Ber fte felbftänbig gemalt, ift audf) oerbunben, fie bemgemäft ju
oerforgen; unb fie erben, was t?on ben ©Itern übrig bleibt, roeil fie
basjenige ftnb, was oon ber $perfönlidf)feit ber ©Item übrig geblieben;
— jnnfdfjen ben Sadfjen ber ©Itern unb jtotfd&en beren 5ßerfon bauert
bas SJerfjältnis fort, weil beibes üorljanben bleibt.
Der Seftfc juriftifdfjer ^Jerfönlid^feiten beruht nidfjt auf berfelben
©runblage. ©r ftefjt im 2Bege bem allgemeinen ©üteroerfeljr. Die tote
£anb fottte fein Privateigentum Ijaben, aber moljl ©igentum für alle,
b. §. jum Seften ber ©efeHfd^aft. Unter anbern Umftänben fann es
anbre SSerroenbung finben.
— 238 —
2)a6 SSefteuerungöredfjt ftefjt eigentlich in SBiberfprucij mit beut
Privateigentum. 2)ic ©taatöbebürfnijfe aus allgemeinem Eigentum
ju beftrcitcn , wie eö in altftänbifd&en fiänbern gewefen, war fo übel
nidjt. aber bagu ift baö ©taatöwefen ju groß geworben, Ein um
oeräußerlidfjeö, allgemeines Dberetgentumßred^t bleibt bem Staate, unb
baljer bie (Steuern, ©ie gefialten ftdf) aber nidfjt rationell. 2Bo man
leidet unb reid&lidfj finbet, ba wirb genommen.
. . . 3n ber beutfdfjen SRunbfdjau ift ber Strtifet von Spring,
bem Triften, über antife ©aftfreunbfdfjaft etJjifdjj unb politifdj fc^r
belefirenb. Stadfj ifjm ift ba* ©ittfidfje, ebenfo wie bafi Siedet, baö
unter gegebenen Umftänben SRid&tige ; — feineöwegö ba* SBaljre. @ö
ift veränberlidj, in ber gntwicfelung begriffen, — baö Sßaljre ift baö*
felbe für alle $titm. ©ittlid) ift, nadf) gering, baö für baö gebeifc
lidfje 3"fammenleben ber SWenfdfjen Unerläßliche. Unter ben antifen
Staaten roax @aftfreunbfcf>aft bie Sebingung für ben internationalen
£anbel unb 33erfel)r, ba übrigens ber gtombe ein fteinb war. ©eitbem
ber ftrembe ©taatöfd^ufe genießt, gleich ben Slngcprigen beä ©taatö,
genügen ©aftyäufer. SRußlanb neigt aber jurüdf ju ber ©leid&fefcung
von hostis unb hospes, unb fyat aud) fein fefjr audgebilbeteö ©efüljl
für baö ©aftredfjt. Sie ejflufioen Seftrebungen ber ©taaten für bie
nationalen ^Jrobuftionen trüben baö SBerftänbniö für bie Vorteile beö
internationalen ^anbete. Sie Nationen fielen fidfj wieber gegenüber
im Statur juftanbe. ftebe Nation leibet bie anbre, nur fo weit fte
nidf)t vermag fie auö ber SBelt ju fdfjaffen. SBäre eroiger triebe unter
ben 9Wenfdf)en, fo roäre ein umverfeHer 3ottoerein vorteilhaft, — b. I).
bie 3 ö Be an ben ©renjen hörten auf. Sie ginanjen roürben von
ftabriffteuern, Monfumfteuern, bireften ©teuem u. f. ro. leben. — 3lbcr
fo wenig wirb ber Shifcett beö ^anbete verftanben, baß man in Shifc
laub barüber »Silagen vernimmt, baß liier gewadftfencö ©etreibe ins
Jluölanb gef)t, ober baß bie ^Srobujenten ben £anbelömann für einen
©df)marofcer galten.
Sßationalpatriotiömuö ift eine eigene $ant; man fann fte nicljt
ab- unb anjicljen. (5ö läßt ftd& woljl ein $efj barüber sieben, aber
man finbet barunter immer bie natürliche Qaxxt 2>o<f) ber 33eruf
fann viel umbilben. Napoleon I. roar ein antufransöfifdfj geftnnter
tforfe, unb fpäter würbe er ein Sdfjöpfer fran3öftfdf>er gloire.
— 239 —
33or langen 3a^rcn fam mir ber ©ebanfe, bic $orfel>ung ruiniere
bie bebroljlidje Uebermad&t ber ©roßmädfjte, inbent fie ben Leitern
berfelben bie Seibenfdfjaft ber ©feidfjmadjjerei einflößt; — in SReligion,
in Spradfje u. f. ro. 2)ie ©leid&artigfeit ber Steuerungen madfjt bie
® Ueberung ber großen Körper unmöglich ; Sanbf örner finb gleidfjartig,
— aber oljne Arbeitsteilung. Kein £eil ift für ben anbern not*
roenbig ober bienlidjj. 6d §ört ber fefte 3ufamment)ang auf. Um*
toäljungen jeber 2trt finben lofed 2Raterial in ÜRaffe oor, — ber
SBiberftanb wirb abgefdfjmäd&t unb ber 3 u faH tritt ein. So mit ber
römifdjen, fo mit ber fpanifd&en 2Beltmadf)t.
3n ber ipauptftabt befdfjäftigt man jidfj auöfd^tiefetic^ mit und «us einem «riefe
Saiten. <£d flingt fo, als wollte maji und fdfjlimmer beljanbeln, ald
Sie ed mit ben Statten }u tt)un vorhaben. Sie motten audj fie (od
werben, aber geben iljnen ju foften, was ifjnen roo^l fdfjmedft. Und
gibt man, road fd()ledf)t fdfjmecft.
6d fann jidE) meled änbern für bie epiftierenben SBereine, nur
muffen fie bie £§orf)eit nidfjt begeben, ftdfj aufjulöfen. 9hir für bie
Joten gibt ed auf ©rben feine Hoffnung metjr.
Qmmebiatgefudfje ber SRitterfdfjaft finb ein raud&freied, nidfjt fnatten*
bed spufoer, bad aber audfj nidjjt lodgeljt, roeber oon felbft, nodf) burdf)
3ufatt. $er Siitterfdfiaftdljauptmann fann feinen befferen ©ebraudE)
bat)on matten, atd fie in ber £af<$e Ijerum 311 tragen, bie baburdf)
gennß feinen Schaben nimmt.
Sie beutfdjje Spraye foU nid&t nur ald fietjrmtttel, fonbern audf>
a(d Se^rgegenftanb oerbrängt werben, @d ift flar, baß man bie
beutfdjje Spraye jeber Sebeutung für bie Kultur entfletben rotff, unb
jidf) fo ftellen, ald gäbe ed im £cttifdf)en unb ©ftljnifdfjen, ebenfo gut
einen Kant, einen ©oetfje u. f. n>. — 35er Unfinn fiegt, fagt nadfj
Stiller ber ftcrbenbe Xalbot. 3lber bie Ueberlebenben fagen, —
nid&t auf bie Sänge!
Sprad&roeddfel bebeutet Sßerfonaltoedfifel in einem großen Umfange.
Äinber anbern ©eifted fommen an bie Steige.
— 240 —
^ebenfalls ift eö eine arge SBerblenbung , bie Spradfjmeifterei an
bie Spifce ju (teilen. gs ift nid^t unwaljrfdjjeinlidf), baft bie 9HI>iliften
baS Siuffifd&e gut t>erftanben unb gefprodfjen §aben, — was aber
bodf) nid&t befjinberte, bafc fte ber Regierung unb bem SReid&e aerberbfidfj
gewefen. SRuglanb bebarf nid&t fo fe^t ber SBermeljrung bes ruffifd^
fpredfjenben ^erfonals, als ber SSermeljrung bes unterrichteten, jus
üerläffigen unb ftttltd&en Sßerfonals.
Slber es ift bie 3 e ^ gefommen, wo Stuftlanb fclbfi an feiner
Sdf)wäd()ung arbeitet, unb feine ©renjlänber herunterbringt.
SBon grünen blättern leben Staupen, von trodfenen Sßapierblättern
bie Beamten; ^apierraupen , bie ficb leiber nie verpuppen unb ju
Sd&metterlingen nid&t entwicfeln.
2)er panflatnftifdje Sturm wirb fo gewaltig, bafc fein Slnfer meljr
galten lann! gür ©lücf ift in foldfjer Sage eigentlich nicfit metyr ju
forgen, fonbern für SBürbe. ®enn biefe ift bienlid), ob es wieber
jum 2tbm, ober ob es jum Sterben fidf) wenbet.
2Bie fielen unter bem 3 c ^ cn nid^t fo feljr ber 9ieaftion, als
ber Stagnation; Ijat bie frühere ^Regierung bas Sanb mit ^Reformen
überriefelt, fo werben nun Sämme gebilbet, hinter welken pdf) ftitte
Söaffer ober juweüen Sümpfe bilben fönnen!
SBer bewirft, bafi an Stelle eines einfad&en ein boppelter ©ras*
^alm wädf)ft, fyat ftdfj um baS 2Bol)l ber aRenfdfjen üerbient gemalt,
jebenfalls meljr, als unfer ©out>erncur, ber ftatt einfache Sßapiere ju
beutfdjj, ©oppelpapiere ju ruffifdf) unb beutfdf), einzubürgern trautet.
3m nädfrften 3al>re (1877), foü bie Suftijreform, fo fjeifct es
wieber, eingeführt werben. @s ift freilidfj mit ben Beratungen ber
^uftijreform gegangen, wie mit einer 2Renagerie, bie oft ^intereinanber
jum lefetenmal gejeigt wirb.
— 241 —
35ie äfaswüd&fe bes ^Patriotismus, ber nidfjt in bcr Siebe jum
SSaterlanbe , fonbern im £afi bes ftremben Sefriebigung ftnbet, finb
unbered&enbar.
„25ie Emigration", fo f treibt ber berühmte Burgen Jeff, „fyat
bie guten ftxütytt nid)t gebracht, bie mir erwartet fyaben." Das ift
eine faum beftrittene £fjatfad)e. £urgenjeff erflärt fie burdj bie
ftörenben ©inflüffe gewiffer Staatsmänner bei ber ©efefcgebung, bie
ber ©ad&e abgeneigt waren. 3Kir fdf)eint es t>ielmef)r eine ber wu
Dermeibtid^en ftrifen, wenn man eine fo gewaltige SKaffe ein großes
3tüd vorwärts fdjteben will unb mufc. 3luf afute $äHe war man
gefaßt, aber es ift ein dfjronifcfjes fieiben eingetreten Don unabfe^
barer £auer.
Seutfcftfanb perfudf)t es mit ber 9ieaftton. Sludf) in ber £anbels^ ^tmi« ms.
politif madE)t fidf) biefe breit, aber idf) geftefje, baß id& auf feiten ber
Steaftion nur bie heftigere 2BiffenSenergie, nie aber bie beffere 8e=
grünbung unb überlegene ^ntelligenj tyabe wal)rnef)men fönnen. 2BillenS=
ftärfe ofme Ginftdbt ober 3Billensfdf)wäd£je mit ßinftd^t, ein böfes
Dilemma !
3m Saltenlanbe t>crftel)t man ntd&t, wie berfelbe Staatsmann,
an ber Spifce bes Heilten Preußens füfjner eintrat für bie im 9tyftaber
trieben garantierte 9teligionsfretl)eit, als er es an ber ©pifce bes
grofeen 3>eutfdfjen 9lei^s getfjan. ^reufeen beburfte bamals eines
^leibepunftes, um auf anbern ©ebieten fidf) freunblidje Se^anblung
ju ftdfjern. $eutfd&lanb bagegen opfert gern allen ßufammenljang mit
ber altbeutfdfjen öaftenfofonie, wenn bafür Siufelanb ber erlangten
©infyeit £eutfdjfanbs mrgenbs entgegen ju würfen fortfährt; namenfc
lidd wenn es bem reoandf)elüfternen ^ranfreidf) feinen Seiftanb leiftet.
v 8aftenlanb wirb gern geopfert auf bem Slltar ber ©intieit Seutfd^
lanbs. 9tu§lanb foll babureb, fojufagen, Selbftintereffe an JDeutfd^^
lanbs @inl)eit befommen. Kommt bie in ©efaljr, fo wirb auf bie
GrfüUung bes 9tyftaber Jyriebens wieber gebrängt werben.
Sergeblidf) ift bie politifdfjc Xfjätigfeit o^ne 9)todf)t hinter fidf) unb
oljne Hoffnung vox fiel).
Hui ben Jageb umblättern bes ©rufen H. ftepjerüiiß. 16
— 244 —
bie fittlidfje Kraft, oon betn 3utoad&* an 3Wadf)t bcn regten ©ebraud)
ju mad&en. 3ft eö nid^t fo geioefen, ate bie ©ctjiffaljrt erfunben
würbe? Sic war lange ein -Kittel beä Seeraubs, biß eö fidf) jeigte,
baß ber fixere #anbel baö beffere ©efdfjäft fei. 9htr burd) prompte
SRepreffion unb oieHeidfjt burdf) 3$erautioortlidf)feit oon ©emeinfd&aften,
oEjne ffrupulöfe öeadfjtung beö ©injelnen, laffen fid& bergleidEjen
fojiale SBertoilberungen befämpfen.
2öir leiben, wie idfj bie Attentate auffaffe, an einem fd&redlid&eu
Äampf mit einer eigentümlichen Seibenfdbaft, 3Bo lange 3 e ^ c ine
unioiberfteljlidfie 9Rad&t äußerlichen ©eljorfam unb ioof)lttyätige Drb~
nung erhielt, gibt eö einen ©rößenfdfjioinbel befi ©egenfafces. ©egen
eine fold&e 9Wadf)t, gegen eine foldfje Drbnung fidf) aufzulehnen, wirb
oon 2Baf)moifctgen für &erotemus gehalten. Vergebens forfdfjt man,
ioad bodf) baö eigentliche 3icl unb ber Slnlaß ber Äataftroplje ift. (?$
ift ber ganj rticffidfttölofe unb gebanfenlofe Ijeroftratifdfjc SBafjnfinn.
ftanatifer laffen fidf) umbringen, aber nidfjt lenfen.
3ni«c gftafle. Xit ©rmorbung beö Staatöfefretärö oon ^rlanb, Gaoenbiff), nnb
bcö Unterftaatöfefretärö Surfe im Subliner Sßarf, barin ber neu
ernannte, eben eingetroffene Staatsfefretär jur Slbenbftunbe pdf) oou
feinem Kollegen fpajieren führen lieft, oon Sftenfcben, bie in einer
ftutfdje angefabren famen, unb nadbbem fie ibre Opfer rooljl nidbt
otjne luftigen Stampf, mit falter 3öaffe jerfleifdfjt Ratten, unbeläftigt
l^aben oerfdjtoinben fönnen, gibt ju emften Betrachtungen 3lnlafe.
2ld)tung beö ©runbeigentumö ift eine unerläßliche SBorbebingung ber
menfdtjlidfjen gefellfdfjaftlidfjen Griftenj; — baö $ermtetung$redf)t, 31t
ben oon 9tadf)frage unb Slngebot geregelten greifen, ift roieber eine
toefentlidfje Gigenfcbaft beö Gigentumö.
2)ie ergreif enbfte Grfabrung fjat unfer roofjltooHenber, graufam
Ijingemorbeter Haifer 3lleranber II. ber 2tfclt geliefert. Umgarnt doh
ben £oftrinen SRilüttinö, oon ben Unflarljeiten ber örunbbefifcer, bie
in ber ÜKebraabl ftetft bie ftreitjettöbefdfjränfung ber 3lrbeitöbeoölferung
für bas vorteilhaftere ^rioilcgium galten, unb gern bafür oon tyrem
— 245 —
2?erfügungöred)t über ben Soben etwaö opfern, ift man von bem
oberften ©runbfafc : frei £anb, frei arbeit, bei ber ruf jtf djen emanji*
pation abgewichen. 3Rein ©ijftem war eö nie, id) erwartete aber, bafe
man auf einem Umwege balb wieber in baö redfjte ©eleife würbe
gebrängt werben, unb wenn id) audf) nie aufgehört tyabe, ber ©rofc
fürftin Helene ju wieberfjolen, oljne $rei)flgigteit feine redete ©manjU
pation, fo beruhigte idf) mtdf) mit fallen Hoffnungen. 35ie fjaben
fid) nid^t erfüllt. £aö ©eelenlanb ift ber ftlofc geworben, baran bie
leibeigenen gefdmtiebet, 5U ©aleerenarbeitern geworben finb, unb bie
Sanbämter finb unter bem ©dfjein oon ©elbftoerwaltung, $u ©teuer*
preffen geworben, oor benen fidj bie angeblid) üon fjrei^ett beglüdten
Menfdfjen, im ©ouoernement SBjätfa j. 33., in bie ©dfjlupfwinfcl ber
SBilbniö flutten. £er ftaifer fjatte eö anberö gemeint. , ßr ift ein
Cpfer beö 3 rr tumö geworben. — 9hm enblidE) fommt ber unfeltg
berebte ©fabftone unb überrebet baö englifd&e Parlament, bie irlän=
bifdfjen Sßäd)ter burd) eine normierte, fair rent, wie eö f)iefc, 3U
langer glüdlid&er Stufje ju bringen. No rent! lautet ber 2Biberf)aH
ber irlänbtfdfjen Agitatoren unb ftatt bie einsige richtige Antwort no
rent, no farm, ju geben, werben ©rlaffe ber Sßadfjtrüdftänbe unb
anbre Vorteile für ben ^äc^ter, alö Sefdfjwidfjttgungömittel in Auöfid&t
genommen. böswillige ^adjtoerweigerung Ijätte alö 33erbred(jen be~
fonberer Art ©egenftanb einer 33tH werben foHen. ©oldfje ^Jäd^ter
fjatte man nad> Sßilbniffen in Australien beportieren muffen, wo fte
ja iljren ibealen 3 u ftönb efjer oerwtrf liefen fönnten, foweit eö 511
inbimbueüem ©runbbeftfc nodf) nid)t gefommen ift. — ©nblidb, Ijatte
eö mit ben Unruhen ber ©rächen nidfjt eine äfjnlidEje Sewanbtniö ? —
Qui ronge le droit du proprietaire , fait saigner, fann man mit
mefyr Siedet fagen, alö ben Sprudf) : qui mange du pape, en meurt.
$erroriömuö ober Aberglauben hemmten gewifc in früherer 3 e ^ «*»**■
bie fjodjoerräterifdje 9WorbIuft. Wan bringt biefe Mittel nidfjt meljr
surüdf. $n Sßreufeen war bie perfönlidfje Minoritätöregierung oon
SMömard oon Memijelmorb oielfadf) bebroljt, btö fie ftdf) alö eine grofc
artige entfaltete. 3Jlan fann mit Minoritäten ein perfönlidjeö Sttegi*
ment galten, aber nur fo lange man grofce ^olitif treibt.
■Mittel gegen eine Stoöljeit, bie ©elbftoerniditung gar nidf)t fd)eut,
gibt eö nidfjt auf bem ©trafgebiet. 2)aö Dbjeft ber S)oöl;eit fann
aber unerreid&bar gemalt werben. Majoritäten fönnen audj mit
fleiner ^Jolitif regieren. Minoritäten ober eirtjetne ^pcrfönlidtfeiten
nur burdfj häufige unb großartige (Srfolge.
HoMUng*.
— 248 —
Crgim* 0111 *'
IL-*»**«*-
ber urwcltltcben llcberrcftc Ijenwr, — unb bie entwitfelungsgefdtfdjte
le^rt uns bie fubjianjtelle gortbauer bcr ^nbioibuen auf Grben. —
^d) l»abe bei Storni bie aufgeftellten ©letfdjcrblöcfe ber Meinen SBiSmar^
Saftion fennen gelernt, — ben Sorex pygmaeus in Siatfüll entbeeft, —
ben fubbiöjifäen 33lütenftanb üon Pinus silvestris betnerft.
£ie Stenenjetten, meldte bie aufgäbe löfen, mit minimalem
SRaterial marimale #ol)lräume ^et^uftetten , eine Aufgabe, bie mit
böserer 3Ratt)emattf fidj löfen lägt, waren ein 2lngeftaunteS. £ier
fdbien es offenbar, bafe ber (Schöpfer feinen bas £ter unb ben 3J?en-
fdben unenblidj überragenben ©eift fixiert Ijattc , unb bie Siene be=
wufetlos ober inftinftmäftig »ollfüfirte, was ber Sd&öpfer i^rer ©truftur
einjuwirfen befd&loffen f)atte. $cfct erweift £err 2Rüllenl)off, bafe eine
<£oppelfdf)icf)t oon ©eifenblafen einanber burdb $reffum genähert, genau
biefelben 3eHen liefert. 3)en Seifenblafen fdjreibt man bodb feinen
^nftinft j U/ fonbern bie pljrjfifalifdjen ©efefce machen ben ;Jnftinft 511
einer Setfenblafe! $n biefem ftalle wenigstens. 3)ie Reifung ber
Sienenföpfe an beiben Seiten ber 2Banb, meiere ben Soben ber 2Ba6e
bilben, bewirten baö ©anje naä) p^fifalifd&eu ©efefcen unb bie übrige
fieibesbefd&affenljeit bebingt bie prismatifeben gellen. 3mmer t>orwärt&
gel)t es mit ber ©ntgötterung ber 9totur.
gs ift ein Sßettwerben um bie Erweiterung unfrer Äenntniffe
eingetreten, bie faft nie anbre, als tnelftimmige @ntbecfungen jufaffen.
ßarmontfdjer 9Wed)anismuS wirb mifcbräudjtid) Crganis=
mus genannt. 9hir was feinesg leiten felbft erjeugt unb in fyötyrem
Sinne, was aus . jweicrlci ©efcbled)t fid) wiebererjeugt, aerbient
Organismus ju Reiften. 35er Staat ift fein Organismus, weil er
nid()t fieb reprobujtiert, mdf)t burdj -Kannten unb äBeibdjen jufammen
gejeugt wirb, ©nblofe Spielerei wirb aber mit bem fälfdblid> fo
genannten Organismus getrieben.
^n ben 9iaturwiffenfd)aftcn tyabm midj angeregt bie fortgefefeten
©eobadbtungen über bie fäfularen äkränberungen in ber Sage bcr
magnetifdjen Aträfte bes Grbförpcrs. SBeber aus £oppelpolen, nodb
aus folaren (Sinwirfungen laffen fte fieb red;t erflären. Es mufe in
— 249 —
bem ©rbinnern Diel lebenbiger tjergefjcn, als mir eö unö oorgcftcttt
babcn. — 2lnbererfeits fjaben bie 2tmerifaner bei ©elegenfjeit ber legten
Sonnenfinfterniö nid(jt nur t>ermeintlidf)e Planeten, einen ober jwei,
innerhalb ber SWerfurba^n entbedt, waö nodf) )it beftätigen — fonbern
bie großen Beränberungen, bie auf ber ©onne fidf> jutragen, feftgefteBt.
Spelt mag redf)t fjaben, nur gegenwärtige Gräfte jur ©rflärung in ber
©eognofie ju uerwenben; aber bie fubterranen unb folaren Äräfte
fennen wir nodf) ju wenig. 3 U unbefriebigenb ifi erflärt, warum bie
©ebirge von Äräften jufammengefdfjoben finb, bie in ganj anbem
Stiftungen , alö in benen ber ©dfjwerfraft gewirft Ijaben. 3 U uner::
flärlidf) ift bie einjige unb oergänglidje ©iöjeit.
3db präpariere bie Sd)äbel ber beiben Spifcmäufe unb finbe, baft
biefe £ierdjen jef)n ©aumenfalten fjaben. ®ie brittlefcte ftalte ge~
wäfjrt ein Slrtfennjeidfjen. Sie oerläuft bei pygmaeus jiemlidf) un*
unterbrod&en in einen hinterwärts fonoe^en Sogen, bei S. vulgaris
ifi fie beutlid) oon ©eftalt einer 2lrmbruft, mitten mit einem Meinen
SBatfel. £>er Untertiefer mit brei Hinteren gortfäfcen, ber unterfte
$ortf afc ift bei pyginaeus wie eine! 9tabel jiemlidf) gerabe, — bei vulgaris
gebogen, an ber 93afiö fräftiger. SBaö nüfcen neue Äennjeid^en? 6rfc
lid> beftätigen fie bie 2lrtunterfdjeibung, jweitenä finb es Stufen jur Be-
urteilung etwaiger 3lbftammnng, — brittenö Reifen fie ^offile erfennen.
ärt ift jebeä lefctc ©lieb in bem alle irbifdjen fiebewefen um*
faffenben Softem bisjunftioer Segriffe.
2Beldfj reidjlid&en ©ebraudj) madftt man von teleologifdjen Be-
trachtungen, feitbem ber Darwiniömuö fid) oerbreitet f)at. ©rft feit-
bem bie 3roedmäfcigfeit alö medjanifdfje unb fatale golge beö £afeinä
angefefjen wirb, Ijat man wieber 9Kut befommen, t)iel oon ifjr 311
fpredfien.
Seit lange empfinbe idf), wie bie 3ld^tung unb Siebe, bie man
SU ben $orfd)em auf ©ebieten empfinbet, bie man felbft au§ innerem
Berufe pflegt, alle nationalen ©egenfäfce abftreift; frei von biefen
©egenfäfcen fidf) auf Slugenbltde ganj unb gar ju füllen, ift eine wof)U
t^uenbc, ergreif enbe, eble (Smpfmbung. 3n ben -JJaturwiffenfdjaften
ift fie, meiner Meinung nad), näljer liegenb, als in ben ©eifteswiffen=
fc^aften engeren Sinne*.
— 246 —
©egentiber ber aWaffenbeteiltgung an ber Siritif aller Staate
fyanblungen ift baö perfönlidje ^Regiment ber ©oben ber Attentate.
Dumme unb jur ©faltation, atö Schwärmerei ober ©itelfeit geneigte
Snbhribuen, werben nie fehlen. Stur jwei SWittel gibt eö bagegen,
SRajoritätöregierung unb Sdjanbftrafen. Die Dobcöftrafe behält etwas
SPatfyetifdjed an fiel). Sie greift in ein SJtyfterium, 2luöpeitfdf)en, —
— Arbeit in ©felgewerben, — 3 ß H en 9 e fängmd, — wären t>ieUeic^t
ju fombinieren.
2ßie ift biefen benfbarft freien angriffen auf Staat unb SRenfcfc
^ett von feiten einjelner ju begegnen? 3Wan benfe an bie triefen
Attentate neuerer 3 c ü- @* tritt l;ier bie felbftlofe 33oöf)ett in iljrer
©ntfefclidtjfeit fjeroor. ^räoentioe ober abfd&recfenbe ©efefee bejiefjeu
fidf) auf baö Selbftinterejfe. ©ine 33oöbeit, bie opferluftig ift, fann
nur bitrd) bie ©emeinfd&aft unb jmar im ©ntfteben jurücfgebrängt
werben.
So lange in ber ©emeinfdiaft baö Anfefjen ber faiferlidfjen
Sßfirbe, bie Achtung beö ©retfenalterö, bie Danfbarfeit ber Kation
für ben fjoebberjigen 9Rann, ber iljr bie nationale ©inljeit oerförpert,
auönafmtöloö waltete, — fo Tange in feinem Greife ein SBort bagegen
gelitten würbe, waren foldje Attentate unmöglich
Die ©brfurd&t lögt fidE) nidbt wieber bringen. 9ieue fßrinjipien
muffen an bie Stelle treten, ©ine SKajorität, baö ift einfeud)tenb,
lägt fidj oon einem Ginjelnen nid&t burdfj 3Reudfjelmorb befeitigen. Die
Majorität muß an Stelle ber ?ßerfon treten.
<PMtHf*« ©ebe idf) bureb, wofür man in meiner ©rinnerung begeiftert ge=
taMtami. m ^ n .^ . Q mflftte mQn . u ber ^ ofit . f bic Sc8ciftcrung ) t f ür ciu
böfeö SBorjeidjen galten, ^ßtptyelhnifc&e 23egeifterung, — biöber ift eö
oft redjt traurig bamit gegangen, itapobiftriaö ermorbet — ftönig
Dtto oertrieben. 3lber mag fein, bafe eö tnel langfamer jwar alö
erwartet würbe, aber bodf) nicfyt fehlest gebt. Daö ©riedfjenoolf ift
tüdifd), ju Aberglauben geneigt unb bafyer firdblid^ üerbummt; fdblau,
unreblicb; — eö ift, aber begabt unb feufcb im Familienleben, eö
fönntc fidf) fdfjlicfclid) jioilifieren unb etwaö leiften.
Die Segeiftemng für bie s ^olenaufftänbe, bie fo lange im 2Beften
©uropaö allgemein war, fyat in bem falben ^abrfjunbert fefjr ab=
genommen, ©uteö fjat fie nid)t gebraut.
— 247 —
Äläglidfr fd&eiterte bie Segeifterung mit ber bie Sieben pernommen
würben, bie ftönig ^riebridj 2öil^chn IV. bei feinem 9tegienmgö*
antritt f)ielt. 3$ mar alft junger 3Kann in Gtyarfow unb beftnne
midi) mit weldfjem ©ntfyuftaömuö felbft ber alte ©olowfin, ein Staats-
biener aus ben 3 eiten ßatfjarinaö unb Sßauls, von biefem jungen
Äönige fprad&. Gr erwied ftdfj ate ein untüchtiger Sd&öngeift unb
fcJjwäd&Ucljer Sd&wärmer in Steligion unb Altertümeleien.
2Ba* ift auö ber Segeifierung geworben für bie Qulireoolution
unb beren grofee Stebner? traurig würbe Souid flippe verjagt,
unb fiamartine entjfidfte mit feinen trafen nur furje 3 C ^-
2Baö ift aM ber 33egeifterung geworben mit ber bie Aufhebung
ber fieibeigenfdfjaft burdfc unfern Äaifer in ber ganjen 2Belt begrüfjt
würbe? — Sie Ijat ftiasfo gemalt in ben Slugen tyrer Urheber, unb
ber Äaifer ift elenblidj ermorbet worben.
3>ie 33egeifterung für bie beutfd&e ©inljeit im $df)xt 1848 leiftete
nid&tö. 9Rit Gtfen unb 33tut mufetc fic begrünbet werben, wie SBtemarcf
fagte unb audfj tljat.
SBerwaltungöwiffenfdfjaft, ginanjwtffenfdbaft, legtelatorifdfjeö ®eme
unb 3urifterei, ftriegöwiffenfd&aft unb Äunft in allen biefen gackern,
beren bebarf es, um in ^olitif etwas ju (eiften. £aö finb aber troefene,
ernfie, fjarte 33efd&äftigungen. 3Rit fdf)öngeiftigen 3ktradE)tungcn unb
Ijinreifcenben, intereffanten Sieben werben fie nidf)t beftritten ! aWifetraue
batjer in Sßolitif aller 33egeifterung !
©afurtoiflenjjfiaft
SBirft man einen 33licf auf bie politifdfjen unb fojialen SBerfjälk
niffe, fo finbet man, baft cd in allen Sd)idf)ten unruhig gärt. 3)ie
Siaturwiffenfdbaften jebodf) unb bie fidf) baran fnüpfenben Grfinbungcu,
finb wie ein tyerrüdjer ruhiger Strom, ber jwifdfjen aUtn biefen SBirren,
ofyne 2lblenfung unb ungehemmt, weiter unb ins 2Bette jieljt. Gfjemie
Ic^rt bie organifdfjen ^Jrobufte burdf) Spntljefc büben (^nbigo) unb
eröffnet ben Slitf in bie 9)tolefuIarftrufturcn. ^pfif tefjrt mittete
ber Speftralanalijfe unfre Stellung im SBeltgebäube beffer beurteilen; —
£elepf)onie erweitert ben Staunt be$ fprad&lidfjen SBerfefyrö; — bie ©e=
^eimniffe ber Schöpfung treten mit wadfifenber fttarfyeit aus bcr $üHe
— 248 —
ber urmeltlidben Ucbcrrcftc tyertwr, — unb bie ©ntn>idelungsgefd)id)te
(e^rt uns bie fubftanjielle gortbauer bcr ^nbioibuen auf ©rben. —
$d) fjabe bei SReoal bie aufgefaßten ©fetfdjcrbtöde ber f leinen 3Biamar~
Saftion fennen gelernt, — ben Sorex pygmaeus in Siaifüll entbedt, —
ben fubbiöjifdfjen Slütenftanb von Pinus silvestris bemerft.
£)ie 33ienenjellen, toeldfje bie Aufgabe löfen, mit minimalem
•Material maximale £ol)lräume Ijerjuftellcn , eine aufgäbe, bie mit
l)öf)erer 3Ratf)ematif fidf) löfen läßt, maren ein 2lngeftauntes. £ier
f<$ien es offenbar, bafe ber Sd&öpfer feineu bas £ier unb ben 9Wen~
fd&en unenblid^ überragenbeu ©eift jtriert tjatte, unb bie 33iene be~
umfetlos ober inftmftmäfeig floßfüljrte, was ber Sd)öpfer iljrer Struftur
einjuroirfen befdf)lojfen f)atte. ^c^t erroeift £err 9Jlüllenf)off, baft eine
ftoppelfdjidjt oon Seifenblafen einanber burdb $reffum genähert, genau
biefelben 3*ß* n liefert. 3)en Seifenblafen fdfjreibt man bodb feinen
3nftinft ju, fonbern bie pljtrftfalifd&en ©efefce mad&en ben ^nfttnft ju
einer Seifenblafe! 3n biefem ftalle roenigftenS. 3Me Spreffung ber
Sienenföpfe an beiben Seiten ber 2Banb, roeldje ben öoben ber SSabe
bilben, bewirten bas ©anje nadf) pl^fifalifcijen ©efefcen unb bie übrige
fieibesbefdjaffenljeit bebingt bie prismatifdfjen gellen. 3mmer oonoärt*
gefjt es mit ber föntgötterung ber 9totur.
6s ift ein SBettioerben um bie (Erweiterung unfrer Äenntniffe
eingetreten, bie faft nie anbre, als oielftimmige ©ntbedungen julaffen.
CrganiSmu«.
£armonifcfter SKedjaniSmuS wirb mifebräud<df) Crganis=
mus genannt. 9iur roaS feinesg (eidjen felbft erjeugt unb in ^öfterem
Sinne, roas aus . jroeierlei ©efd)ledf)t fid) nnebererjeugt, oerbient
Organismus ju Reiften. 3)er Staat ift fein Organismus, roeü er
nid&t fidf) reprobujiert, nidfjt burdf) 3)tänndf)en unb SBeibdjen sufammen
gejeugt wirb, ©nblofe Spielerei wirb aber mit bem fälfdbüd) fo
genannten Organismus getrieben.
siMinif^w. 3" ^n ÜRatunmffenfd&aften \)abm midfj angeregt bie fortgefefcten
Seobacbtungen über bie fäfularen ^eränberungen in ber fiage ber
magnetifd)en Gräfte bes ©rbförpers. SBeber aus £oppelpo!en, nodj
aus folaren Ginroirfungen laffen fie fid) redjt erflären. ©s mufe in
— 249 —
beut ©rbinnern Diel lebenbiger fyergetycn, alö wir eö uns oorgeftellt
Gaben. — 2Tnbererfeitö tyaben bie Slmerifaner bei ©elegentyeit ber legten
Sonnenfinfternte nid^t nur uermeintlidje platteten, einen ober jwei,
innerhalb ber 3Rerfurbaf)n entbedft, was nod) ju betätigen — fonbern
bie arofcen SBeränberungen, bie auf ber Sonne ftd) jutragen, feftgefteBt.
SijeU mag recf)t f)aben, nur gegenwärtige Äräfte jur ©rflärung in ber
©eognofie ju t>erwenben; aber bie fubterranen unb folaren Äräfte
fennen wir nod) ju wenig. 3 U unbefriebigenb ift erflärt, warum bie
©ebirge von Äräften jufammengefdjoben finb, bie in ganj anbern
Stiftungen, als in benen ber Sdjwerfraft gewirft §aben. $u unet::
iläxiiä) ift bie einjige unb oergänglidje ©iöjcit.
3Ä präpariere bie Sdjäbel ber beiben Spifcmäufe unb finbe, bafe
biefe Xierdjen jefjn ©aumenfalten ^aben. 2)ie brittletfte %aitt ge=
wätyrt ein 2trtfennjeid)en. Sic ©erläuft bei pygmaeus jiemlicft uns
unteTbrodjen in einen hinterwärts fonoeren Sogen, bei S. vulgaris
ift fie beutlid) oon ©eftalt einer Sftmbruft, mitten mit einem f leinen
SBinfel. 35er Unterfiefer mit brei Hinteren ^ortfäfcen, ber unterfte
Jortfafc ift bei pygmaeus wie eine 1 s Jtobel jiemlidf) gerabe, — bei vulgaris
gebogen, an ber Safte fräftiger. 2Baö nüfcen neue Eennseidjen? ßrfc
lid) betätigen fie bie 3lrtunterfd)eibung, jweitenö finb es Stufen jur 33e=
urteüung etwaiger Slbftammung, — brittens Reifen fie ftoffile erfennen.
3trt ift jebes lefcte ©lieb in bem alle irbifdf)en Sebewefen um-
faffenben Softem bxsjunftit>er Segriffe.
. Sßeldj reid&lidjen ©ebraudj maebt man oon teleologifdjeu 33e~
trad)tungen, feitbem ber Darwinismus fid) verbreitet f)at. ©rft feit=
betn bie 3roecfmäfjigfeit als med&anifcbe unb fatale gofge bes Dafeins
angefefjen wirb, f)at man wieber 9Kut befommen, triel oon tyv ju
fpred^en.
Seit lange empfinbe idf), wie bie 2ldjtung unb Siebe, bie man
ju ben $orfd)ern auf ©ebieten empfinbet, bie man felbft aus innerem
Serufe pflegt, alle nationalen ©egenfäfce abftreift; frei oon biefen
©egenfäfcen ftdj auf 2lugenblicfe ganj unb gar ju füllen, ift eine wof)U
tf)uenbe, ergreif enbe, eble ßmpfinbung. 3n ben 9kturwiffenf haften
ift fie, meiner -Dteinung nadj, näljer liegenb, als in ben ©eifteswiffetu
fdjaften engeren Sinnes.
— 250 —
£ie äft^etifcfte Xeünatjme an bem (rrbabeneu in ber 3Jatur ift
anberö, a(ä Die nriffenfcbaftlicfte (*injelforfd)ung in ben Staturobjeften.
*£a aber bie äftyetiföe Xeilnalpne nid)t mel 3*it bebarf unb ausfüllt,
fo fann ber 9taturforjd)er es langer mit bem SRaturgenuft galten.
£ie natunoijfenfdjaftlidien ftenntniffe Ijaben fid) in überrafd&enber
Söeife burd) bie popularijierenben Sudler unb 3 e * t f ( ^ r iften verbreitet, —
bie naturroiffenfc^aftlic&en 3Ketf>oben aber merfroürbig roenig. Xatyx
bleiben Familien, bie auf ber &öf>e ber Silbung }u ftefjen f feinen,
bodj bem Aberglauben unb ber G^arlatanerie jugänglic^ rote im
Mittelalter.
Xanbtarirffttiaft
Gz liegt in ber bireften fianbtoirtfdjaft ein ©lement, baä ernfte
Sfatfraft unb ^>flid)tgefül)l ftärfen fann, aber audfr eine perbauerobe,
bem reiferen Seben unjuträglid&e gefiel.
3d) bleibe ber 3Cnfid^t, bafe eä eine 3«rttanfl)eit ift, wenn bem
Meinen ©igentum f o erf lufio ber SSorjug gegeben urirb t>or einem gut
geregelten unb eiugelebten 3 e itpacbtoer^ältnid. £aö Kapital, baö fidb
mit einer fefjr geringen Stente begnügen mu§, fann ber Meine SWann
bejfer perroerten, wenn eö mobil bleibt.
2lud) in ber Sanbtmrtfcftaft beißt cd: 6d muft in ber 3@irtfd>aft
maebfen unb werben, oljne Neuerung fjört \>a$ ^ntereffe auf.
3luf unb ab geljt es mit ben @ef üblen, aud) in ber Sanbroirt-
febaft, unb besfyalb ift ftc nid)t fo einförmig, nric jie au* ber gerne
erfebeinen mag. Gtmaö innere Seroegung mufe ja ber 3Renfd> »er*
fpüren, um feinem bebend fieber ju fein unb um ftd) ju freuen.
i
— 251 —
@s ift eine eigene Sadfje mit bem gortfdfjritt. 6s muß burdf)
perfrü^te 9lnwenbung oon jimlifatorifdfjen 2Werwerf jeugen bas Sebürfnis
geroedft werben, — ober man tyat ju warten o^ne @nbe. 60 mag
es aufy mit ber fogenannten SReife ber Sd&fifcr unb Koffer ge^en.
2>a Reifet es, ber Sd&üler weife genug für bie IjöEjere Klaffe ober für
bie Uniuerjttät, aber fein Gljarafter ift nidf)t feft! 22)orf>eit! 25urd^
3urüdfljalten auf nieberen Stufen wirb bie ßljarafterbilbung gehemmt.
Unb ift es nidf)t mit ben SSölfern ebenfo? Um ft<$ ju beteiligen an
ber Regierung, baju finb fie unreif, jugeftanben! 2lber wenn fie fidj)
nidjt beteiligen, reifen fie nidit; ja, aus 9Jiangel an Uebung werben
fie unreifer als fie es im 9Jaturftanbe waren!
ipeute begann bas Seifutter uon Kartoffeln für BWaftrinber, fdfjon
mit 3 u f a fe *>on ©r^fen unb Deffud&enmefjl. ©s jeigen fid) babei ©r=
fd&eimmgen, bie auf ein lange* ©ebädfjtnis bes 9iinbes beftimmt ^in^
weifen. Sie Stammfjerbe, bie im oorigen äöinter Kartoffeln befam,
frißt jte mit größter ®ier, mit Slusnatjme eines einigen Stieres
unb gwar bes Mautenburger, aus Preußen importierten, ber in feinem
£eben gewiß feine Kartoffeln gefreffen tjat. Unter ben -JKaftrinbern
treffen bie Ijier eingelebten Külje unb früheren 2lrbeitSodf)f en , bie im
oorigen Qaljre fdfjon Rartoffeln erhalten liaben, aud& am erften Sage
ganj gern, trofc ber Seftreuung mit bem meHeid&t ungewohnten 9Rel)U
gemifdf), — bie gelauften 3Raftodf)fen, benen bie Kartoffeln ungewohnt
ftnb, oerfjalten fidf) meift nidf)t willig bei biefem ^utter. 2>er Stauten*
burger Stier, ber mit Delfudfjen früher watjrfcfyeinlidf) traftiert worben, —
frißt bie Kartoffeln, fobalb Delfudjen Ijinjufommen. ©s fjat bas ©e-
bäd&tnis alfo an ber vorjährigen Söinterfütterung nadfjgewirft. «3ft
folgen 2tyatfadf)en gegenüber faltbar, bas ©ebädfjtnis in bie Seele ju
oerlegen? 3ft es nid&t vielmehr wafjrfdfjeinltd), baß ©mpfinbungen in
gewiffen SRolefülen bes Leibes (in teilen uon SRerüenfubftanj) 2lens
berungen fefjr anbauernber Statur fjeroorbringen , fo baß bie wieber-
fefjrenbe ©mpfmbung an biefer bereits beftetjenben 3lenberung fidf)
leidster anfnüpft, als wo biefe entfpredfjenbe Stcnberung felitt? 2Ran
Ijat bie 2öal)l, gu behaupten, baß bie ©mpfinbungen bleibenbe Spuren
tynterlaffen in bem unbewußten Seelen fein ber Cdfjfen, wobei
biefe immaterielle Dd()fenfeele nidbt materiell gefaßt werben foll, unb
fdfjwerlidf) realifiert fann twrgefteUt werben, — ober ju befennen, baß
nur bas im ©ebäd&tnis ift, was materiell in ber 9leroenfubftanj fort-
kfteljt, — fei es für jeben befonbereu ©tnbruef, als eine eigenartige
— 252 —
Sebung, bie fid) in eingeben fteUen feftfefet, fei es afe eine befonbere
Sagerung ber Teilten in ber $ette. $>ie 3 c ß e wirb twn bem &n-
brucf bcfefet gehalten, unb ber ßinbrudf wirb tum ber $tüe abforbiert.
9lu& bem 3eße"äuftanb fann ber ©inbrucf immer wieber in baö 3cntrum
ber 3Baf)rnel)mung (in ben Srennpunft beö Steroenlebenö) treten unb
fo jur Seftnnung tommen.
Unter 80 Ddfjfen gibt eö jebodb jwei, bie Startoffeln mit CcU
fudEjen ntd^t ©ertragen ober nidEjt redjt mögen. $)er eine twn tynen
wirb aufgebeffert mit $afer; — ber anbre bleibt jiemlid) bei £eu
unb frißt ein wenig audf) bie Kartoffeln, ^nbhribualifteren ! xuu
bequem, a&er überall naturgemäß.
Le marechal Bugeaud, d'aprfcs sa correspondance intime et
des documents intimes, par le comte H. d'Ideville I. Paris.
Firmin Didot, muß redfjt lefenöwert fein, unb roieberum bemeifen,
wie fefjr bie äuöübung ber Sanbwirtfdjaft jur ©taat^
abminiftration bie redete S8orfd&nle bilbet.
£ie Äolonifationäoerfud&e in SUgier mißlangen , fo fange man
ttidfjt eine fjolje ©arantie oon ben Äoloniften fidf) einjagen ließ. 5>er
©taat, ba mögen bie Äatfjeberfojialiften fageu, was fte wollen, ift
baju nidfit ju brausen, bie Stedfer gebulbig ju bewirtf d&af ten ; baft ift
eine ber iubioibuellften aufgaben.
Päiragügift*
3n ber SHunbfdjau: £u öoiö^epmonbö gebanfenreid&en Skiff afc
„Äulturgefdf)idf)te unb 9toturwiffenfrfjaft" gelefen. @ft regt jid& bie
fömpfinbung, baß baö beutfd&e ©pmnafialibeal unfrer ^\i nieftt ent=
fpricfyt. Vergebend gibt man ben Schülern immere größere Sofcn
oon Satein unb @riedf)if ($ , nur* um fo weniger behalten fie bei |icb,
um fo lebhafter wirb üjr ßfef. £ie 3 C ^ erlangt eine erjtefjung unb
einen Unterriebt, g a n j auf naturwiffenf dfjaf tlidfjer Safte. S)as ift ber
©runb, auf bem eine neue Vegetation erjeugt werben foll, frei von
— 253 —
fo meiern toßen Aberglauben, ben wir bis ans #ebensenbe in uns nid&t
meftr bänbigen tonnen. 3luf bie Statut muß baS ©efunbe unb 2Wo=
ralifd&e gegrünbet werben, unb bas Schöne auf bie ewige Statur.
Sie Sdmle fottte me^r unb mef)r realiftifd) werben. ^>ft es
möglieb, fo mag nebenher ber ©efd&macf für bas Sdjöne, für Spradfoe
unb Sid&tung gepflegt werben. So verlangt es bas Heben, um nid^t
jeben ©d&mudes beraubt, ju oergeljen. 3febod) foHte bas ^»"bament
Tealiftifdf), b. I). matljematifdf) unb naturwijfenfdfjaftlidf) fein.
Sie ^ßäbagogif foHte auf ©eifteswiffenfd&aft gegrünbet unb eine
fittlidfoe Äunft fein; aber bas gilt tnelleid&t jwifdjen (Sltern unb Äinbern;
übrigens muß fte ein ©ewerbe bleiben unb ber Stafjrung nadbgefjen,
unb audf) politifdf) brefjieren. — 3Kan fyat ju wenig bie Sötanieren
geartet, 6s ift einigen 3Renfd&en gegeben, burdf) freunblidfjes 2Bol>t=
wollen ober Sienftwilligfeit ben (frjieljungsmangel auSjugtetdfjen, nicht
allen. 2lud) ift es nidbt leidet bie ©renjen einjuljalten, — 2Ran foll
nidjt f dfimeidfjeln , aber wo man j. 33. in Samengefetlfcbaft fommt,
aufmerfen, unb fdfmeH bie ©elegen^eiten 511 f leinen Sienftleiftungen
ergreifen, — bie Toiletten foll man fdE)ön ftnben unb rühmen, über
bie Scbönljeit ber Sßerfonen foll man fdfjweigen. Siücffid&tsoott fein in
SSijtten; fd&weigen unb nidfotsfagenbes ©efprädj unter Umftänben oer=
beben; leine Selbftgefäffigfeit ober ©itelfeit zeigen; — in ©riefen
prompt antworten, oerbinblidf), niemals bojierenb; — man foll nie
oergeffen, baß bie gefdfjriebene ftritif fränft, mefir als bie gefprod&ene ;
— unangenehme 9Kitteilungen, wenn es audf) febwer wirb, foH man,
wo möglidb, nur münblid) machen ober empfangen, ©inige 3uoerfid)t
in ben Bewegungen, im hinein? unb hinausgehen unb in ben 33er=
Beugungen, in bem Sarreidjen unb ©ntgegenne^men, ja, bas. müßte
ein 3 ermon i cnme W er * n unfern gelehrten Beulen übernehmen. Unfre
liebe $ugenb oerliert bodf) immer mefjr bie äußere 2Bürbe unb ben
Slnfianb; wie ein 9htbel £unbe ftürjeti fie fidj burdf) bie Straßen.
Sie 3ugenb würbe beffer gebeil)en, wenn fie if)re ©rjie^er ftets
neben fid& §&üe, benen fie ifjr #cr} mit oollem SSertrauen eröffnen
fönnte. $n ber 2Belt gibt es aber mefyr ßöglinge als Crjief;er. 33e=
fonbers oerwaift ift ber Stubent ber beutfeben unb ruffifdjen Unioer=
fitäten. 3 U ber $eit, wo es in iljm am tollften gärt, ift niemanb bei
ifym, ber ifjn leitete unb liebte, unb er lebt am entfernteren aller
— 254 —
geregelten, aller nüfclidjen £f)ätigfeit. 9lls ©djüler fjat er von täglidfjem
S3eruf erfüllte 3ett, unb bie geiertage finb eine erfrifdf)enbe ©rljolung.
3tlö Beamter ober ©ewerbsmann tjat er für feine ©fijienj unb für
ben dingen anbrer ernftlidj) ju forgen. 2lls ©tubent, je meljr $äf)ig=
feiten , um fo mefjr muß er ben ©ruef empfinben, baft feine 3 e ü 5 U
nidfjts 9fe$tem nötig ift; feine Gräfte bienen bloß jur grjeugung bes
ßcerfjeitsgefü^ls, bes SBeltfd&merjes. ^eber Unftnn, jebe ©djroiete,
jeber nrilbe ©treicij ift gut genug, um üjm anjiefjenb $u erfdfjeinen.
©idf) felbft überlaffen, betreibt er baS ©tubtum ber 2öiffenfdf)aft, bie
im glüdfltdfjften Jade ifjn begetftert, in ber t>erfef)rtefien SBeife. 2BaS
glaubt er nidjt alles roiffen ju muffen unb erlernen ju fönnen? SBMe
ganj anbers märe es, wenn ein fold&er als jünger ober ©efette an
ber Strbcit eines 9Weifters teil f>ätte, ber bafür feine ©tubien birigierte.
9ßie t)iele geljen irre unb ju ©runbe, roeil fie aus ber ©d&uljeit gc=
fdfjleubert werben in ben Djean ber ©innenlüfte, ofjne Stiftung unb
3iel. ©idf> austoben! Reifet eö bann; aber roenn es einigen nidjt
fdjabet, ber SÄenfdfj Ijält oiel aus; — beffer märe es für alle, mnn
ifjre ^ugenbfräfte, ftets jum ©uten, ßbleren, ©efd&madtoollen unb
$Rüfclidf)en angeleitet, bie 2luSfdf)reitungen unb SSergeubungen nie ge*
fannt Ratten. Söarum ift ben SWenfdfjen bie ßinbljeit fo lieb? ©ie
miffen, was fte ju tfjun fjaben i!i biefer $tit, unb fönnen es leiften.
S)ie ©eroofjnljeit, niemals müßig ju fein, fann §ur Statur roerben,
ebenfo mie bas Sungern bes unbefestigten Stubenten, ©in 3>ienft-
pferb läßt man nie ins Xoben oerfallen ; benn bie Slecibioe ift roatjr;
fd^einlid^er als bas erfte 9Wal bie 2tusfdfjreitung gemefen. 35er ©tubent
fann lernen: faufen, ben ctjnifd&en SBenusbienft, bas gemiffenlofe
©dfjulbenmadfjen unb SBerpraffen bes SBermögenS, bas bie Angehörigen
oieHeid^t in 9iot unb Arbeit erfparten. 2ßie foH bas ifyn gut unb
glücflidf) fürs £tbtn machen!
• %ä) bin überjeugt, es mirb eine 3 e ^ fommen, mo es anbers
werben mirb. 2)er SRifttärbienft fennt nidfjt alle biefe Uebelftänbe,
obgleid) audf) er in SDeutfd^lanb oft eine ?|}eriobe größter grioolität
burcf)madf)t. 3>aS £utorf Aftern ©nglanbs ift melletdfit ein Äeim, ber
ftdf) einft ju einem fdf)ü|enben Saum entfalten fönntc!
9ttd)ts ift oerfefjlter, als bie Setjre oom Austoben. Anwerben,
aber auü) an 2Sief) neunte idf) roafjr, baß es, wenn es in früher 3 u ß e "&
brutal gebänbigt unb erft roilb gemalt mürbe, ftafytz fjinbureb ben
Stampf fortfefct.
— 255 —
Cb bie Srgieijitng logifdjer madfjt? 2)ie Jtacfyfommen fönnten
profitieren, benn baa Heruenfgßem vererbt fid) mit einem Seil ber
erworbenen ©tgenfdjaften.
9ludf) barin finb bie 2lffen ben 2Renfd&en üergleidjbar, bafe fte ber
Sefd&äftigung, bte nie ermattet, bebürfen, um nidtf in milber Saunen^
f^aftigfeit unb in ^ufttrieben ju trernrilbern unb fdjnett unterzugehen.
£en gemöfjnltdb ganj unbänbigen SKanbriff erjog Srotfmann ju einem
munteren, gefttteten Xier, inbem er iljn arbeiten lehrte unb ifjm feinen
SRüfciggang geftattete. ^Bfpdfjologie ber 2lffen, — baö märe eine 2luf~
gäbe für einen 5pf)ilofopljen, ber aber bie SBelt bereifen müfcte.
Unterrichten mit ber magren itebcnbigfeit unb SBeifje fann man
nur in feiner £enf$ unb ßauöfpradfje. Unfre Sefjrer muffen roeid&en,
roenn im ©ruft bie rufftfcfye Unterridjtöfpradje verlangt wirb. 2Ba&
nur an £el)rern mit ruffifdfjer £enffpradf)e befd&affen fönnten, ift nad)
ben ©rfafjrungen, bie id) alö Äurator gemalt, jämmerlid), unb fo oft
betrunfen, bajg id) fd>on auf ben (Sebanfen geriet, baft bie 2luöfpradf)e
beä SRuffifdden mefjr £urft erregt als anbre Sprachen.
Um bie ©lemente einer Sßiffenfdjaft gut ju überliefern, mufj man
fclbft ein Stfeifter in berfelben fein.
9iur 2lfterögenofJeu ücrftefjen fid). aufmachen nur unter 9llten,
treibt, aber entfaltet ntdjt.
2öir geben unfern Äinbern oft eine ©rjiefjung im SDU&oerljältnte
ju ber ©rbfdjaft, bie fie $u gewärtigen fabelt. Öeffer, man irrt nadf>
ber anbern Seite; — man erjicf)t beffer auf ©rmerb.
2Bie verbringt iljr bie -Kufteftunben ? — bie 2lntu>ort entf Reibet
über ben ©rab ber allgemeinen Silbung.
— 256 —
£ie beutfd&e SJurfdfjifofität ift eine für bad fpätere ätben nid&t
unfd&äblid&e SBerirrung. Ob Xro janer, ob ©ried^' ^ idfj jerma&le ofjn'
Unterfdfjeiben. ^Jaöcal unterf cfyieb : l'esprit droit beö 9Watl)emattfer$
twn bem esprit fin. 3lber ber 33urfdje Ijat l'esprit gros! ober bie
^ßlumpfjeit fd&etnt iljm bie gefunbe ©eifteafraft. 3)ie feineren Unter;
fudfjungen oerwirren ben plumpen nidfjt, — er ljufdfjt über atteö liefere
Ijinweg unb eö fe^tt ifjm bie Sogif. ©r operiert mit wenigen tym
angeflogenen SBorftellungen unb oerfteljt nid&tö oon ber ©cifteöarbeit bes
eigentlichen ftorfdfjerö. öurfdfjifofität ift eine germanifd^e 2$erirrung,
madfjt ftumpf unb gefd&madfloä. 93iel beffer, wenn ber Stubent ju
einem fauberen, mafcoollen, männlichen gleiß oon £aufe aud angeleitet
werben fann.
®cftem in ber Reyue d. d. Mondes, Don bem 15. $uli gefefen:
Alfr. Fouillee: L'Organisation morale et sociale de l'enseigne-
ment I. Humanites Scientifiques. SJon ben Jlörperwiffenfdjaften *),
tüie idf) biefe „sciences" nenne, toitt er im Sefunbärunterridfit nur
9)tatf)ematif unb ^3f)t)fif belaufen. Gr tyat oon ber Öebeutung ber
fpftematifd^en 9taturwiffenfd(jaften feine Stynung. Um in furjem an=
jubeuten, fei f)ier bemerft, bafe biefer Unterricht in ben ©tjmuafien
befielen fottte in bem Selbftbeftimmen. 3Rit Sid&erbeit leitet ba nur
baö biöjunftioe Urteil, ©in logifdfjeö SBerfaljren wirb f)ier geübt, wie
bei feinem aubem $aä) beö Unterrichts, ®enauigfeit bed 2lu$brucf$
unb baö SBerftänbnte ber SBorte of)ne fubjeftioe Trübung ; es enthüllt
bem Seifte ein Softem, barin bie ungeheure 9flanmgfaltigfeit aller
Drganiömen einen feften ^Jtafc einnimmt; bie Sd&öpfung prt auf, als
eine Sammlung oon realificrten ©infätlen ju erfcbemen; bem SJienfdjen
toirb bie ifjm ftetö jur &anb liegenbe Statur eine unerfd&öpflidjje Quelle
von 33efdf)äftigung ebler 31 rt, — b. 1). uidjt ooll33egel)rltdf)feiten. —
33eftet)t bie SBübung in ber ®abe, feine SJhi&eftunben in
uneigennütziger 2Beife 511 oerwenben, }u eigenem xmh ber
9)iitmcnfd)en Vergnügen, ju Sejieljimgen mit anbern ©eifteögenoffen,
was bient baju beffer, alö bas Sammeln t)on Siaturalien? ®enauig=
feit ber Spraye, ber ^Beobachtung, baö Subfumieren unb differenzieren,
©rfenntniö ber Slufteuwelt, nid;t wie man fie will, fonbem wie fie
*) 3Rem Stoter unterfdfieb Körper- unb ©ctftcäroiffcnfd^aftcn. (Srftere Gefaffen
fidj mit ber 33efd>affenl)ett oon Körpern unb ßörpergeftatten, rote SRaiurnriffenföaft
unb SJtetfjematif, (entere mit ben 2)en!gefefcen (^fjüofopfjie) , ober ben SBtrfungen
be$ 9Renfdjengeifte§, j. 93. in ber (3ef$id)te.
— 257 —
ift; — Duette her genu&reid&en öefdfjäftigung unb bes frö^lid^en 9Ser=
fe^rö; — unb fo manche* anbre, baä fyat 21. f^ottill^e ntd^t in S9e*
tradfjt gesogen.
SBie fott man Strtcfftrumpf im Satcm fagen? tibiale acu textum wtoiogie.
unb griedfjifd) chelioenemis, von x^o) ober x^ 6 *^ wirb xtqXsdtö^
ober x 7 !^ 1 ^ gebübet.
©ott t<$ 9iat erteilen in Sejug auf ben Jjäuölidfjen Unterridjt ber
Hnaben, fo fage idj: roeg mit att ben $ädf>em, roo ber Sefjrer be*
ftänbig in ben ©d&üler ^ineinrebet, bis fie ftd^ gegenfeitig jur Saft
finb . . . Sprechen , Iefcn, f djreiben, rennen, — baö wirb ber SBienf df)
fein Sebenlang braud&en, — baö muß audj bem ©df)üler jumeift ein-
geübt roerben, burdf) Selbfttf)ätigfeit, nid&t burtfj Sorten. 9hm aber
fpe jtetter :
2)ie alten ©pradfjen beginnen mit ftrifter Formenlehre, aber fobalb
nur möglidf), mögen bie ftnaben einen flaffifd&en ©d&riftftetter oor=
nehmen. 3>a quälen fie fidf) burdj, inbem fie ftdfj Dörfer präparieren, im
Serifon bie 33ofabeln auftragen, ben Sinn beö Safceö {jerauöjubringen
fudfjen, unb bie SBofabeln jur Stunbe (nidfjt jum &erfagen), fonbern
ju eigenem ©ebraudj auöroenbig fernen. <3 n & er Stunbe geljt es
bann an bie Ueberfefeung münblidf); ber fiefyrer läßt fonftruieren, bie
/formen anatyfieren, unb erflärt bie ©t;ntay beiläufig ; ift baö Sßenfum
burdbgeaefert, fo wirb ber ©d)üler aufgeforbert, eö nodfjmate laut
unb fliegen b oorjulefen unb mit nötiger 2lccentuation unb fo oiel
Stuöbrudf, baß ber fiefjrer burd&bören !ann, ob ber [©djüler ben
Sinn burdfjroeg fidj oergegenroärtigt fyat.
SBegen ber Betonung ift es iooI)I mfinfc&enftwert, neben einem
leidsten unb forreften ^rofaifer, einen teid&ten Sidfjter oorjunebmen.
ÜDireftor ftöfjler*) fagt mir oon einer ©dfmlauögabe beö Eorneliuö,
bie von allen Unforreftfjeiten bereinigt ift. £ie eignet fidj mabrfdfjeins
ltd>. 3 roe i ©tunben in ber 3Bodf)e. (5ine foldje vita !ann ber ©djüler
in einem Strid) burd()lefen; — jroei ©tunben ©rammatif! — Doibö
s 2Hetamorpf)ofen ober Birgit, ober erft Phaedri fabulae! — 2>aö
iiateinfd&reiben fann fid) befdjränfen auf *bie ^ßarabigmen in ber
©rammatif.
*) 2angjä$riger 2)ireftor ber Somföule in SReoar, bie na$ faft 600jä§rigem
Sefteljen infolge ber (Einführung ber rufftftfjen Unterric§t3fpra$e geföloffen würbe.
*u§ ben lüflebucfcblatterii bes trafen < &. fteqjfrling. 17
— 258 —
©riedfjifdf) ebenfo. Xenopfyonft Gijropäbie unb $omer: crfte
Seftüren.
£ie beiben flaffifdfjen Sprayen formen alfo jroölf Stunben
roöcftentlidf) beanfprudfjen unb ebenfomel jum einfamen präparieren
erforbern. Stemmen wir not!) jwei Stunben 3lrit^metif unb älgebra,
— jroei Stunben ©eometrie, — o^jne 33orbereitungen, fo gibt es fdjon
fedfjjefjn ©tunben.
35er ^Reft ift famerabfd}aftltdf)e 33efd(>äftigung mit beutfd&erSttteratur,
@efd)idf)te, ©eograpfjie. Steligionöunterridbt t)on ganj jiueifelljaftem
Sßerte. ftird)engefdjid(jte, baö wäre melleidjt baö SRüfclidjtfte.
(Statt nun in biefer SBeife ben Unterricht anjugreifen, bilbet jtcf>
mandjer ^rtoatlefirer ein, er foHe bem Schüler gegenüber baöjenige
Spejialroiffen befunben, baö ein ganjeö ©tjmnafialperfonal fdfjeinbar
in fidf) trägt, ßö lebt bann ein foldfjer £cl>rer in bet 2lngft, bie
fd&einbaren Süden feinet SBiffenö würben entbedtt werben! Sie i?ern=
fdfjanbe madE)t if)n bann jum 2Biffenöf)eud)ler.
©ut ift eö, baß ber ©eutfdfje tfaifer fo iriel in Maffcl gelernt
fjat, um bem ©öfcenbienft Don toter ©cleljrfamfeit mit begrünbeter
Ueberjeugung entgegentreten ju fönnen. ©ineö ftnbe idf) nod& nidjt
gehörig betont. £ote Sprachen brausen feine tötenben ju fein.
Sie fönnen bem Ceben nä^er gebraut werben, folange ber fieljrer
nid)t felbft ein getöteter ift. 2>aö bifföen Corner unb ^piato, baö
mein ©ofjn mit mir gelefen §at, mar lebenbiger, bilbe idfj mir ein,
unb fjat ifjn mefjr geförbert, alö roaö ber fenntniöreidje Ä. als ®age=
löf)ner abarbeitete.
%x. von £ö\)tx fagt: „2Bie föftlidf) erfrifdjt m\$ ein £runf au&
ber reinen Guettc griedjifdjen Altertums", — barauf fe^e man ftdj
bie Primaner ber ©tjmnafien an. 3>on beren ©rfrifäung aus ber
gebauten Duelle ju fpredjen, fönnte man für ©pott galten. Sieben
bem liefen, roaö Haifer Söillielm irrtümlich jur Schulreform gefprod^en
f)at, ift eine unflare, aber berechtigte Unjufriebenf)eit mit bem jefcigen
Sdfjulbetriebe oon ©riecfjifd) unb Latein anjuerfennen. £er Abiturient
foll mit 6rfrifd)ung unb ©efdjmadf bie Sd)ulfdf)riftfteller beö 2llter=
tum« lefen fönnen, — nidfjt fiberfegen. SBeld&eS litterarifd^e ÜJlcifter=
roerf fönnte, felbft in ber SRutterf pradfje , erfrifdkn, wenn bei jebem
3ßort gefüllt wirb, gib Sied^enfd^aft von ber bezüglichen ^orm ber
— 259 —
Eeflmation, Konjugation, ben ©afcregeln, — ober ed ge^t bir f<$ledf)t.
28er nie über biefed SBorftubium Ijinauägefüljrt ift, wer nie eine ©eite
Corner ober $piato u. f. m. unüberfefct, mit richtiger @mpfinbung A
laut fyat oorlcfen gelernt — aller ©rammatif üergeffenb, aber mit
poettfdfjem Serftänbnte — , fyat an* bem ©tubium ber ©rieben unb
Körner für bie allgemeine Silbung nidjt ben entfpredfjenben ©ewinn
gebogen. $aö liaben bie Ferren Sresfauer Sßrofefforcn gut auö=
gefprodfjen in ifjrer ©ingabe für Beibehaltung ber flaffifd&en ©gmnajxal=
grunblage. ftür bie ^ilologie alö SSorftubium etwa* ju treiben, ift
Öerufdfad&e. aber ©ried&ifd) unb Satein foU gelehrt werben für jene
Öilbung, bie außerhalb beö 9Mf)rberufö liegt, allgemein, gtir ben
itefeoerfeljr foll ber Unterricht forgen, wenn audf) aufgegeben werben
muß, für lateinifdfjen ober griedfjtfdien Sebenäoerfeljr auöjubilben. 35ie
toten ©prägen follen ja beleben unb bürfen nid&t abtötenb gelehrt
werben.
... So lange Äinber im öilbungdjuftanbe fidj befinben, jiefyen
fie auä ben ©ebanfen unb ©mpfinbungen ber ©Item 2cbm unb $reube.
Sinb fie in baö 3llter ber ©elbftänbigfeit getreten, fo muß baö aufs
I)ören. 9Mdf)t länger ftetjt eö i^nen an, fid) an bie ©Itern anjule^nen.
£er reife ©amen mufe vom Saume abfallen, um nidfjt ju oerberben
unb um wieber einen Saum ju mad&en. ©efjr oorfidfjtig muffen bie
Altern werben, wenn fie ifjren ©influjj weiter üben wollen; gleidfjfam
nur nod) fdjjüfcenben ©Ratten auf ben -Jtodfjwucijd werfen.
<£ö ift fdfjwer, einen 3Jlann, ber burd& unfre gelehrt fein follenbe öitterarif*
litterarifd&e SSorbilbung baliin gebraut ift, mit SBorten unb nadj äBorten
alles für erlebigt ju galten, }u forgfamer Seobadfjtung, ^ertigfeit unb
Prüfung in ber ©rfafjrung ju bringen.
Cb audf) äftfyetifdfje unb intelleftuelle 33efcf)äftigungen gewiffe Na-
turen meljr anjiefjen, afä muöfulöfe ©piefe, — um fo nötiger wirb
es biefen, bie rein pf)i;fifd£)en gtotigfeiten fity burdfj ©ewofjnlieit an«
jueignen, jur ^armonifd^en &eranbilbung beö 9Rannes.
3df) mödfjte aus bem ©d)icffal ber ftamilie C. lernen, waö man
bei feinen Äinbcrn oermeiben folf. ^nbolenj unb 3 e ^f a] () r ^^eit ate
$i(bun&.
— 260 —
ben ©runb ber llebel ; — beftänbige 2kfdf)äftigung an* Sßfiicijt unb
£rieb, unb jroar offne von bem, n>aö man vorgenommen f)at, otyne
Erfolg abjufpringen, fann Reifen; — SKäfeigf eit ! — Umgang mit
Samen ju geiftigem Vergnügen unb in einer ©efettfdbaft, roo ©cfdfjmadf
unb mel SSilbung ! — $ßflid)tgefül)l ift eine grofee SdJHifcroeljr, unb oft
ift ein äußerer öeruf, mit ©elboerbienft, tyeilfam.
€*5ngriflt8frit.
Sie ®df)öngeifttgfeit, entfernt oom ©emeinen, fie madfjt ben SBen*
fc$en ju einem angenehmen ©efedfdfjafter, fie erwirbt if)m greunbe unb
gfreunbinnen unb leitet ab von böfen Stimmungen, aber i^re bebend
lid&en Seiten Ijat fie audf). ©ie Ijebt über ben ©rnft befi Sebenö leidbt
fjinroeg, mad&t fdf)toadb in Saaten beö ©rtoerbenä, unb milbe im 9te=
gieren, mef)r als gut ift; 2lufgeblafenl)eit, wenn audf) unbewußt, ift es
bodf), wenn man ben litterarifdf) ober nriffenfdjaftlid) ungebübeten
SRenfc^en glaubt uernadfjläffigen ju bürfen. 3m Sienfte, 3ioil ober
Sttilitär, in fadf)männifdf)er ©eleljrtenarbeit wirb ber Sd&öngeift leidet 311
unioerfell, — er wirb ein Dilettant, ber Slllotria feinem eigentlichen
$eruf ooranftettt. ©inen £ang ju befämpfen, ber allgemein für löblid),
oft für benmnberungöroürbig gilt, ift fd&roer, beftänbige ftrifte <£r=
füttung ber $ßf!id()t ift tool)! baö (Segenmittel. Hommt nun aber baö
leibige Unioerfitätöleben ba3roii$en, ba wirb bie Sd&öngeiftigfeit i>on
aßen fistln ber ^Sftidjt entlebigt unb ergebt fidf) in 2ßilbf>eit juroeilen.
3fl bie Uniocrfitätöjeit oorüber, bann fommt eine UebergangSjeit, roo
man ju nidfjts SRcdfjtem fidf) oon £erjen entfdjeibet. 35er 3JliIitärbicnft
ift weniger unterbrochen, ^mmerbin ift audE) ba bie allgemeine ©dfjön-
geifterei eine SSerfudfjung , bie ^flidjt oft an* ben äugen ju laffen.
^nbeö bleibt eö babei : Sie Sd&öngeiftigfeit mufc fultimert werben, fidb
unb anbem baö 2zbm 311 oerebeln; — aber @bre, Xreue, Sßflicljt,
2HoljlrooHen, ©rroerbseifer muffen baburdf) nid}t abgefdfjioäd&t werben!
5$önfielftißteit.
Sie ungebilbete öarbarei f)at oielleidjt SSorjüge, bie burd) bie
3Mlbung leidet oerloren geljen. Sic Öilbung mad&t roeidfjlidf), unjuüer^
läffig, — bie Barbarei madfjt gemütlidjj, männlidf), treu unb jurüdt-
fjalteub. SBie oerbinbet man bie SBorjüge beiber 3 u f tän ^ c ? 3<i9b,
männlicher Umgang, Äampffpief, SBortfyalten, Drbnung fann nebenher
gelten mit roiffenfdjaftlicfjen, fünftlerifdben anmutigen 33efdf>äftigungen.
©lüdflid), bem ed fidfj fo fügt! herbeiführen ift fetyroer.
— 261 —
35ie beftruftioen blinben Seibenfdjaften Raufen fidlj bodf) oiel öfter ww unb m*.
bis jur ©ntlabung in einigen Äöpfen an, als früher. Aber, roie idfj
fdjon oft gefagt, mein auf bie Paläontologie gegrünbeter Optimismus
ift fefi, unb wir werben bie fdfjmierige 3 e it überleben, b. % unfre
9tad)fommen. 9tur fotten mir mefjr, als es gefd&iefjt, nadf) bem ©runbs
fafc leben unb lehren, ba§ nur eines für jebermann notmenbig ift,
— feine Sßflid&t ju tljun, — bafc aber, in anbrer 2Beife glücflidf) ju
werben, burdfjaus nid&t notwenbig ift.
QTöIibaf, ftatfityptt, <&§*.
SMe feruetten Sejie^ungen in feinem Seben ganj of)tte 2lnfto§
geführt ju fjaben, wer von grauen unb gar üon 9Äänriern fann beffen
ftdj rühmen? Aber roie ift man oollftänbig ratlos, ober trielmcljr übel
beraten, allen 3 u fäHigfeiten in biefer Sejieljung, aßen fiodhmgen unb
f d&roärmerif ctyen Aufregungen $reis gegeben geroef en ! 2Jtir ift eigentlidf)
eine vernünftige (Erörterung biefer ungemein oerroorrenen Aufgabe unb
eine Anroeifung ju ebfer SebenSfüfjrung in Anfe^>ung bes ©efdjledfjts,
bie für bie ©efeUfdEjaft gejiemenb U!ib nidfjt utopifdfj märe, nidf)t in bie
4?änbe gefallen, 3$ mödfjte baffer jefct, roo biefe Triebe megen meines
Alters einen überrounbenen ©tanbpunft bitben, einiges barüber mir
flarer madfjen. Aus feineSgleid&en (Aefjnlid&em) ju entfteljen, ift für
alle Organismen, foroeit bisher unfre Äenntnijfe reichen, d&arafteriftifdf),
unb jebem Organismus roofjnt bie Anlage bei, ftdf) f eiber Ael)nlidf)es
f)ert>or$ubringcn. 3 roe i oerfdfuebenc 33eftanbteile, ber eine roeiblidfj unb
ber anbre männlid), muffen bei allen fjöljer ftefjenben Organismen $u
biefem 3roecfe jufammenroirfen unb werben oon oerfdfjiebenen Organen,
— bei SBirbeltieren oon abnormen 3^ittern abgcfefjen, oon oerfd^ie^
benen ^nbimbuen probujiert. Auf ber Bereinigung ber ©efdf)ledf)ter
berutjt bie gortfefcung ber 3Kenfdf)f)eit forooljl, als bie ber fjöfycren
Tierarten. (Es fjanbelt fid& um ein ben 9Kenfdf)en burdfjaus nidf)t eigene
tümlid^es SBerfjältniS, aber rooljl um ein oeränberlid&es, jeber Tierart
anbers angepaßtes, fo baß bafür aurf) eine eigene, menfdfjenroürbige
©eftaltung nidfjt fehlen fann.
£aran l)aben überfpannte ©eifter oft gezweifelt, unb bie oolfc
ftänbige Unterbrüdfung bes gefcfyledfjtlicfien Sebens für bas einjig ©bie
— 262 —
erflärt. So bie efjelofen offener, bie <$riftli<$en Drben unb t)erfdf)ie=
bette dbrifttid&e Seften, rote bie amerifamf d&en Sljafers unb bie ruffU
fdjen Selbftocrftümmler. Sold&e öeftrebungen führen ju mannigfachen
SWifjbräudjen. £eud)lerifdf)er Umgang im geheimen jc., ©efunb^eits-
ftörungen folgen biefem naturroibrigen beginnen unb freffen als ein
©ift in ber ©efellfdjaft um fidf). äßie rnel reiner 3. 8. ftef)t bie pro=
teftantifcfce ©eiftfidfjfeit ba, als bie ruffifdje ftloftergeiftlid&feit unb bie
fatfjoltfdje. £te ooHftänbige Unterbrücfung einer folgen ©runblage
bes SebenS unb fiiebens ift im SBtberfprudfj gegen bas menfdfjlid&e
©afein unb beanfprud&t fjier nid^t weiter Sewetfe, um als unnötige
Söfung ber menfd&lidfjen Aufgabe anerfannt ju werben.
©ott bas 2tben ber ®efdf)fed[)ter miteinanber ftattftnbcn fowotyl
in freier Siebe, als in gefdjloffener ßlje, ober nur in einer biefer
©eftalten?
Orientieren !ann man fidf) einigermaßen junädftft burcfy einen
©lief auf bie tum untrüglid&en Qlnftinften unb ntd&t oon trügerifdfjer
Vernunft geleiteten Siere.
Sie liefern geroiffe SBetfpiele, bie fclbft für bas Gölibat fönnten
angeführt roerben. 3)ie größte 2lnjat)l ber Slmeifen eines £aufens
unb ber 33ienen eines Sdf)marmes finb wegen SSerfümmerung gewiffer
5£eile, oon SRatur Tonnen. Sebr anbers, als bie JUofterbewobner
ber aWeuf d^en , laftet bie Sorge für tägliches 33rot unb Seben gerabe
auf ben ©fjetofen, wäljrenb für bie 3ubmft bes SBolfes bie ©atten 311
forgen f)aben. 3>ie 9M)rjaf)l ber 9Wännd)en bei ben Sienen (35rofjnen)
ftnb gejwungenerweife SNöndje, ba es ber 2Seibdf)en fo wenige gibt,
unb if)xt Sttenge bient nur jur Sluslcfe unb jur Sicherung ber Se-
gegnung für bie Sßeibdjen (Königinnen). Sie werben aud&, wenn bie
fcfjöne %al)Tt*ftit mit ifjrem 9taf)rungSreid)tum oorüber ift, als unnüfce
Treffer fjinweggeräumt. Gin Apologet bes ßölibats fönnte, auf biefes
uon ber Statur gelieferte öeifpiel fidf) bcjicljcnb, etwa folgenbes fagen:
SöaS bie tiertfdfje 9iatur nidf)t anbers ju ftanbe bringt, als wie burdb
pbtrfifdfjen 3 TO ^ng unb medf>anifdf)es ©efdfjeljen, bas fann bem SDtenfdjen
burrf) geiftige Nötigung unb fittlidfje ^5fXidbt ju üben ntdfjt für natura
wibrig gelten. Sie 3u&wft bes 3Jtenfd)en ift bas überwiegenb 2öid)tige,
beim Xier bagegen bie täglidbe Serf orgung. Um fidf) ber £auptauf=
gäbe ganj Eingeben ju fönnen, muß mau oon ben aufgaben niebrigerer
Crbnung frei bleiben. $al)er, wenn bie Grfyelofen unter ben dienen
für bie Grnäfjrung forgen, fo muffen unter ben ÜWenfdjen bie Sorgen
für ben ©eift mit bemfelben SRecfjt ber «öeruf ber Gfjefofen werben
fönnen. — 3 U entgegnen ift: Sie 9taturwibrigfcit bes ßölibats für
— 263 —
bie SWenfd&en fctnn ntdfjt beurteilt werben nadf) beu Seiftungen ber
Sienen, fonbern nadf) bent Scftnben ber SJtenfd&en. 35ie 3 u &wft beü
einzelnen fann nid&t für tüid^tiger gelten als bie SReprobuftton ber
9Wenfdf)f)eit, ba ofjne biefelbe cd mit bem ©injelnen aufhören würbe,
©ine geträumte 3 u ' un ft S^* aufcerbem nidf)t gleidf) ben wirflidf)en ®r=
lebniffen. 2lud) bie Xiere fjaben £öf)ereö ober ebenfo £o^eö an ber
gortfefcung ber 3lrt alö an ber täglichen @rnäl)rung. 2)iefc wirb
üergeffen, wäfjrenb ber £rieb 5ur gortpffanjung wirft. SRidjt bie 6^e=
lofen unter ben 3Renf(ijen Ijaben in Äunft unb Sßiffenfd&aft bie 93er-
efyelid&ten übertroffen, — fonbent umgefcljrt. $m Surdfjfdmitt forgen
biejenigen, bie fidf) ber ©^elofigfeit weisen, meber gciftig nodfj förper=
lid& bcffer für bie 2Renfd)f)ett alö bie Satten. 25a fie uon ber 9trbeit
ber anbem ober auf Äoften t)on beren Sßa^fommen [eben, oerbienen
fte bafi 3df)icffal ber ©rotten.
•fttdfjt gut, bafc ber SKann alleine fei, Reifet es im 2llten Xeftament,
unb ber ßoran fagt, oljne SBeib fann ber SWann nid^t fein.
3)aö finb natürlidje Stimmen auf religiöfem gelbe.
aber bie ^Bl)iIofopf)ie lägt oft biefeö fdfjwierigfte unb widfjtigfte
Kapitel beö fittltdfjen SBerfjaltenö beifeitc.
SBcnn junge grauen ber ©efeHfdfjaft von ©ünbe fpredfjen, fo
fjaben fte gcwöfynlid) nur bie außereheliche Siebe 511m SDtanne im ©inne,
unb wer nidfjt baö felbftoerftänblidf) finbet, ben galten fie für einen
^eud^Ier ober einen 3bioten.
SBaö ift auf biefem gelbe baö 2Jtoralifdf)e?
SSorauägefefct ift f)ier bie 9tnerfennung ber Stf)atfad^c, baß weber
bie @rf enntnte nod& bie Stunft bie 9Koral rerbtirgt , unb ba§ audf) bie
Religionen bie 9Jioral nidfjt machen. SMo^ammcbaner, ^uben, ©Triften,
rönüfd&e Reiben u. f. w. fjaben Seifpiele polier 9Woralität geliefert.
£ie Sßtetiften fjaben in @elbgcfdf)äften fidf) alö Spifcbuben juweilen
aufgeführt unb fidlerer geljt man, wenn man ©elb leifjt jemanbem,
ber feinen 2ltf)etemuö befennt. Er weiß, baß biefeö eine übelberufene
#t)POtl)ef ift; bejiefjt er fidj bennodfj auf biefelbc, fo beweift er, baß
er nid)t betrügen will, was bei bem frommen £eudf)ter baljinftefjt.
SSerfudfje id) furj leitenbe ©runbfäfce für baö SBer^alten jum anbem
©efdf)Iedf)t nieberjufdfjreiben. Sftögen fie ju einer weifen ßrjie^ung unb
Sebenöfüfjrung meiner 9tad^fommen nüfyn.
Sdfjamfyaft unb feufd) fei bie ©rjiefjung ber 3»9^nb. $f)re pljrjftfdfje
ßrjiefjung I;at ebenfo.$ermetdf)licf)ung wie Ueberreijungen 311 meiben.
— 264 —
3tegelmäfuge unb fräftige 33ef d^äf tigung , verftänbige ©gmnaftif, am
geftrengteä (Sammeln von ^Naturalien aller 2lrt^ anlegen von Herbarien,
Ääfer, Sdf)metterling3fammlungen, ^ßetrefaften u. f. w., — 3agb,
Schwimmen, leiten, ^erf)tübungen für Änaben unter guter Leitung,
fü^rt ju einer gefunben Sßljantafie. Die lefctere wirb leidet verborben
burdf) ben Umgang mit fremben ©efpielen. 9Ran überwache ben Unu
gang mit ber Qugenb am fremben Käufern unb gebe üjncn feine
©elegenfjeit ju folgen Unterhaltungen, bie Ceffcntltdfjfeit ju freuen
Ijaben.
Schwieriger ift bie Seitung ber Sßfyantafie ber fjeranroadjfenben
Qugenb. Verbieten allein madf)t eö nicfjt. @ö mufe gefunbe -Wahrung
gefd&afft werben. 2luf$er ber Sefd&äftigung mit ben Jtaturwiffenfd&aften,
glaube idj, bafc bie ©cfd)idE)te eine Duette gefunber -Wahrung für bie
Sßjjantafie werben fann. SBon ben Sichtungen würbe tdf) bie tyeroifd&en
bevorzugen, — bie bramatifdjen in jwettcr SReilje, — bie Iprifdfjen finb
jum Deil unpaff enb. Der poetifdfjen Form gebührt ber SBorjug vor
ber profaifdfjen. Unter ben Stomanen, wenn man fie nid&t gut meiben
fann, bevor juge man bie tyiftorifd&en. ©egenüber ber gurd^t, bafj
barauö irrige SBorftettungen über bie Vergangenheit entfielen fönnten,
be^erjige man baö 33aconfd&e SBort, bafc bie SBafyrljeit c^cr atä bem
Qrrtum ^ervortaudEjt alö aus ber Äonfufton ; unb, füge idE) ^inju, a 1 s
aus ber Deilnafjmlof igfeit. Die eigentlich flaffifdjen, in ge-
bunbener Siebe un§> überlieferten Sdjjäfce foH ja bie gebilbete $ugenb
fennen lernen. Der 33alte Ijat es ba ju ttyun mit ber germanifdjen,
englif <$en, f ran jöfif df)en , ruffifd&en Sitteratur, unb es müßte bei ber
©rjiefjung viel orbentlidfjer unb vollftänbiger ber Sugenb audfo bie
gried)ifdf)e unb lateimfdfje ^Joefie vorgeführt werben, — ben ÜRäbdfjen
in Ueberfefcungen.
Sdf)on frül) möge bie jiemlidf) herangereifte ^ugenb bie SBafyrfjeit
ju fjören befommen, bafj bie fd&önfte unb l)öd)fte Aufgabe jebes 9Renfd)en
barin befielt, ein glücflid&eö Familienleben ju begrünben. Das Sieben
ber Verheirateten tiat viel Sorgen, — aber baö 2cbtn ber Unver-
heirateten ift verbriefclidf) unb oft verfehlt.
2lber bann foll ber reife 9Benfdf) aud) nid)t vergeffen, baß bie
Familienbilbung von allen ©efdjäftcn, bie er jemals übernehmen wirb,
gewöfjnlid) baö ernftefte unb folgenfcfywerfte ift. 2Bie wenig ift es cr^
fdf)öpft mit ben ßiebfofungen, ju benen bie 9totur bie Dicre jwingt
unb bie 9Jlenfd)en neigt. Die i'iebfofungstriebe werben von ben
Didfjtern gefeiert; bas Familienleben ift für ben bidjjterifdjen Spieltrieb
faft ju ernft. Selbft ein ©oetfje l;at oft nur bie freie Siebe, nid)t
— 265 —
bie @lje poetifd) ju geftalten vermocht. 3>iefe grofje 3Serfc^iebenf)cit
fottte bcr herangereifte 2Wenfd) fennen. 2)em Verlangen nadE) £ieb=
fofung fann in ber &)t vollftänbig genügt werben, aber eine viel
emftere unb bauernbere 3lufgabe fdfnoebt ifjr vor. ßinen ftanbeö=
gemäßen £auöfjalt fall fie in it)rem Canbe, in i^rem Staate bauernb
erhalten, unb 9todf)fommen erjietjen, womöglich in verbefferter "Sluf tage.
9Wan foU alfo nidfjt anberö eine Familie ju grünben unternehmen,
alö auf auöfömmltdEjer ©runblage. 2)er 3ßann vor aßen fingen mu§
jur ©f)e nidf)t f freiten, beoor er ertoerböfätjtg geworben. $üf)lt er,
bafc er nidfjtö ift als ein tf onfument, fo mufe er fidf) bie fjöljere £ebznfc
fieflung uerfagen. 2lber icf> rate, nid)t 511 ängftlidE) babei ju fein. 9Ran
fott wagen. SRedfjt probuftiv fann aber ber 2Kann nidf)t fein vor bem
28. 3a\)Tt. 2luö biefem unb fo mand&em anbern ©runbe rate idfj 511
heiraten, nidjt oor bem 28., unb nidf)t fpäter alö im 36. 3af)r.
2lnberö für 2Räbdf)en. ©ö ift fo fd^roer für ein 3Räbdf)en, unter
t>orauöftdf)tlidf) juträglidjen SBerfjältniffen fidf) ju verheiraten, bafe fie
ben £eiratöantrag eineö ehrenwerten 9Ranneö nid&t leiebt auöfdfjlagen
barf. 3fl ber Slntrag ernft auögefprocben, finb bie 2Tuöfidf)ten auf ein
auöfömmlidljeö Familienleben nidfjt ju unwafjrfdjeinlidf), ift ber 2Bibcr=
wille nidf)t unüberwinblidf), fd&lage fie ju. Um fidf) felbft aber eineö
folgen Slntrageö würbig ju erhalten, muft fie ein gefitteteö 3" n ö 5
frauenleben geführt Ijaben. -Wie barf fie burdf) unterljaltenbe Siebeleien
fidf) gebunben fjaben. Sßcnn ein 3)iann iljr etwa gefällt unb fidf) ifjr
nähert, frage fie fid), ift er frei? — SBenn nidfjt, fo meibe fie tyn
wie baö $euer. Xentt fie aber aud& gar nid&t an heiraten bei (jann^
lofer Unterhaltung mit jungen Scannern, fo beobachte fie genau bie
©renjen. Um ber ©fje würbig ju bleiben, barf fie feine fitebfofungen
ober vertrauliche Siebeögeftänbniffe prooojieren ober bufben. SRodfj
beftimmter muß fie fidf) vornehmen, für eine unbeftimmte 3 u ^ in ft fid)
nidfjt ju binben. $ugenblieben muffen nidf)t gefangen nehmen. 3Kau
fott feine ^ugenb in ^erjenöfrei^eit unb Steinzeit ge^
niesen; — immer öffentlich, nidfjt ju jwei, im geheimen. —
©lüdflidf) ift es, wenn baö junge 9J}äbdf)en, ein ober jwei $al)re wenig*
ftenö, Sälle unb waö man bie 2Belt nennt, l)at befudfjen fönnen, elje fie
heiratet. $or bem 2\.^aljxc ift baö 9)täbd)en eigentlich ju jung jur
Qf)t. 3nbeö, ro Q n muß besfjalb eine gute ©elegenfjeit nidjt verfäumen.
%k verheiratete ^frau mag liebenömürbig fein gegen jebermann,
aber i^re ernfte Aufgabe fott fie nie barin fliegen. Sie ift ^errin im
£aufe unb baö ift il;r heilig ju Ijaltenber Seruf.
— 266 —
SBon einer fofetten ^rau, bie in bcr Qugenb ald reijenbed &äfc=
tf)tn nadE) SWännerberjen mauft urib beten Saunen eine unn>iberftel)lic&e
©rajienmadjt audüben, Ijat man unredbt, ju f orbern, bafc fie ald
SWatrone bad GJeroofjntgeroorbene nidf)t roettertreibt. aber, road bem
£ünbcf)en erlaubt ift, wirb ber ftul) oern>ef)rt, unb cd ift ein Unglüd,
bafe bei bem (menfd&lidben) Sßeibe eine rüclfdfjreitenbe SKetamorpEjofe
oft ifjr änalogon Ijat. 9tur wenige grauen fjaben ein würbiged Sllter
unb eine oerftänbige gfftyrung bid and ©nbc . . .
2Bir befugten $r. o. * unb erweiterten fie, inbem wir ifjre Keinen
<2df)önl)eitdtriumpf)e aud Ätnberjafyren anhörten. SBegen ®d)önf)eitd=
triumpfjen empfinbet bad SBeib biö in fein Ijötfifted 3llter nie 5Reue; —
begefjrlidf) gu fein, nidjt begierig, ift iljre natürliche 33efttmmung, bie
nie überwunben wirb unb nid)t fott unterbrüdt werben. Der Wann
fott wof)l begierig fein. Selbftbefjerrfdfjung mufs bie fdf)i<flidf)en ©renjen
einhalten, ©d ift »ergebend, naef) fategorifdien ^mperatioen in biefen
organifdjen 33ejiel;ungen ju f tieften. Sebe fo, bafe aud beinen trieben
bie beftmöglidjen SBerfjältniffe f)eroorgef)en, — bad ift bie Sieget. 0e=
fd)icf liebfeit, Älugljeit, 2tnftänbigfeit, Neminem laede! bad fann gelten.
2lber jene 2ldfefe, bie baraud bad Jimbament ber 9)toral machen will,
ift Schwärmerei unb Unnatur.
ftn ©adfjen ber Siebe follte bad junge äRäbdjen aKed ber 3Wutter
anvertrauen, biefe Dorftd^tig lenfen.
Die Äeufcbbeit in ber 3u#enb unb im ^öl;ercn 3llter ift anftänbig
unb naturgemäß, unb f fließt ben angenehmen SBerfefjr mit Damen
nirf)t aM.
9lbfofute Äeufdjljeit für bad 9J?äbdfjen, gefunbfjeitlidje .tteufebbeit
für ben 9Jiann, — eljelidfjc abfolute Dreuc für beibe, bad wirb wob!
bie richtige Sieget für bad Seben fein.
Der Xrieb jur ftortpflanjung unb $ur oorbereitenben Siebe ift
nicfjt böfe, aber nur ber unoernünftige Sftifjbraud).
— 267 —
35aö normale dbriftlidfje Familienleben unb bic Qungfräulid^feit
bcr SRäbdfjen fann bic Kegel bleiben; — nur foHte man bie 2tufc=
normen mit mefjr 9Zadf)ftd)t beurteilen; — jumal ber SßegfaH ber fo
fefjr oerurteilten pfjtjfifdjen triebe ber Siebe baö unterfte gunbament
entjiel>en würbe, bafc burcö bie poliere ©eftaltung berfelben uerbecft
werben fott, aber bodjj für biefelbe nid&t entbehrt werben fann.
3)ie £odE)jeit ift unter ben 2ttten, für weldjje bie Religion bie s&e.
SBetye ju geben tyat, ber Ijeiterfte, bodfj bie ©f)e ift ernft wie ber £ob,
unb fein fiiebeäfpiel.
©rotiuö fjat über baö Stecht ber 23ölfer im Erieg unb ^rieben
ein SReifterroerf gef dfjrieben, aber über bie ©^}e im Eriege unb im
^rieben feljlt nodf) baö redjte öudfj. $ü) meine bad 3?erf)ältniö ber
©fjeleute, wie efi fidE) ausnimmt in 3Btrflidf)feit. Sin fjeimlidfjem 3roie=
fpalt fe^lt eö oft nid&t unb eine 9Irt ftriegörectyt, mit Sift unb Äunb=
fdfjafterei fommt jur ©eltung. llnoermeiblid&e Uebel mufe man »oBfe
fliegen, aber ber Söitte roofjl ju ttyun unb jum ^rieben ju verhelfen,
bleibt, ©d fd&eint wirflid^, bafe nidfjt nur in ben erften ^aljren ber
©fye (Sdfjnrierigfeiten fidf) ftnben, fonbem baft fie fidf) gegen bie Sßenbe
beö ©efdf)led)tälebenö nidfot feiten t>on neuem einfteUen. ©3 ift, als
batten bie SBerfet)lungen fidf) angefammelt unb üeranfafcten nun eine
Spannung gegen bie, burdf) uieljctyrige Steuer t>erl)ärtete Solibarität.
Qu einer unbefriebigenben ©fje gilt eö oon ber grau: SBenn
nidfjt balb fttnber iljr £erj jroingen, fo bürfte eö in nidf)t gar langer
3eit fpringen.
©ine redete ©fje ift. bie bauembfte Duelle beö 2Wenfdf)englü<fö.
Nidfjt trielen ift oolfeö SiebeöglüdE befdfjieben, foroofjl unter ben
9Wännern als unter ben grauen, — aber aufter ber ©t)e finb piele
tjollenbet elenb.
— 268 —
Xiittvainv.
©ö f)errfd)t in bcr Äunft her Slealiömus, aber er mufe er^ebenb
roirfen, — ober, fefce idE) fjinju, befreien burd) tppifdfje Sebeutung,
mdf)t bloß burdf) oergänglidie, gemeine 2Birflidf)feit.
,xie oon Acne«- 3dfj f)abt geftern jur -Wadfjt ben büftcren SRoman von Jßantenüift,
»on spantemu*. ^.^ ^^ g e ß cö "^ bccnbigt. 35ic ©df)ilberung, tote es in einem Sonbe
wirb, wenn fid^ alle 33anbe löfen, baö ift baö £f)ema. ©ilert Ärufe
unb 2tnna Wölfen fteHen ben ^bealiömuö bar, ber in ber 9fr>t ber
3eiten ju fd&roacfj ift unb nur gebrücft befielen fann, — bie naioe
9laufluft ftellt Jürgen SRötfen bar, — bie ftarfen (Sfjaraftere, bie niebt
bredjen unb nid)t biegen, in allen ifjren Seibenfdfjaften, aber bodf) mit
einem eblen liebenben 3 u 9 e t>ermifd(jt, ftetten bie ^ebingö^eimö bar,
— bie aUmäfjlidf) bis in ben SBerrat gebrängten Opportunitäten, bas
jeigt ber ©tiftöarjt ftrufe unb anbre, — bie jügellofe unb fall be=
regnete ©oö^eit ber eingeroanberten ©lüdföreiter, ftellen Syranj SonntuS
unb bie verlaufenen Sanböfnedjte bar, — bie guttyerjige Sudlerin ift
in Urfufa gejetd&net. ©ö ift ju wenig' @rfreulidf)eö in bem Sud&e für
ben großen Sbfafe. @ö ift mit patriotifd&em £erjbtut gefdljrieben. 3M
ift eine £ragif, roie in ben Nibelungen. 2lber $ranj 23onniuö, ber
SRadfjegeift, ift feine eble Äriemljilb, unb feine Kämpfe finb bie beö
Kaliber*.
ftuinäniföe
»olföpoefu.
Carmen ©gtoa Ijat mir bie „Sieber aus bem 2)imbonHfcatf)al" }u*
gefanbt. 3Kerfroürbig ift an biefen Siebern, ba§ fie ofine ©Ott unb
ofjne ewiges ßmjelleben finb. ©ie f ollen uralt fein unb bas ift mir
fonft bei uralten ^oefien nidftt üorgefommen.
anacauiai). ©eftern beenbigte idf) bie Seftüre bes britten 33anbes ber 33io-
graptjie 9Racaulai)S oon Sreoefpan. 3Racaulatj ift burd) unb burdj
©nglänber unb Kcbefünftler. ©eine ©tubien fjaben bie praftifdje
Aufgabe, fidf) unb anbre ju oergnügen, in ebler Sßeife. SBenn ÜRiebutyr
ben 33eroeis füfjrt, baft £iüius bie älteftc ©efdbidfjte Korns nationalen
©efängen muß entnommen tyaben, unb fidf) bamit begnügt, bie fdjönen
£önigSgefd()id)ten auö ber ©efdf)id)te in bie ©agenroeft ju oerfefcen, fo
— 269 —
roirb biefe ©rfenntniö für SRacaulai) 3lnlaji, bic römifdfjen ©efänge
ju erfinben, unb feine fianböleute in ©ntjüdfen ju oerfefeen. —
9Racaulaij fd&reibt, roaö bie 3^itgenoffen in 2Jtaffe lefen, unb mit SJe=
geifterung ol>ne 2Rütje lefen fönnen. Sie beutfd&e ©eletyrfamfeit tpill
baö Softem bcö menfd^lidfjen SGBiffenö förbern, unb feljrt fid) nidfjt an
bie SRad^froge. Seffing, glaube idfj, fagt irgenbroo: „wirb ein 33ud^
fogleidj) beim ©rfdjjeinen Verfehlungen, muß eö nur gebradfjt ^jaben, roaö
fidfj eigentlich nid&t verlohnte ju bringen." ©ö war fdfjon alleö ba in
ben SWenfdfjen. 2tber SDtacaulai), tro$ feineö auögebefjnten unb grünb;
liefen Sßiffenö, f)ält nidf)tö von ber einfamen SBtffenfdfjaft. ©r will
ein 93olfäf)iftorifer in ber 2lrt $omerö fein. ®r roill bejaubem unb
burd& fdjönfelige ©mpfinbungen verebeln. Saö ift if)tn gefungen mit
allen feinen «Schriften. 3f)m ift bie fjiftorifd&e Sßiffenfcfyaft nur bie
Sluörüftung, beren er bebarf, ju feiner Ijinreifeenben Äunft.
9Wit ®enufj fyabt id& mir ben Xanntiäufer von Julius SBolff mw
vorlefen laffen. ©ö ift ein ÜWeiftenuerf, baö an 2luögeglid()enf)eit ber
Spraye unb Äompofition bie Sd&effelfdjen poetifdfjen ©rjätjlungen
hinter fidf> läfct. Sie ^aubii* unb £e£ennrirtfdf)aft mutet SSolff ben
3eitgenoffen nidfjt mcfjr in ber Realität ju. ©r benufct fie nur alö
auftegenbe ^tyantaömen unb £aHucinationen für bie -Dtenfdjjen beö
12. «3al)rl)unbertö. ©^ö n ^ a t er aus ben Nibelungen SBolfer ben
Siebter als einen £ppuö benufct. Sie antiflerifale Xenbenj beö
555id^terö roirb nirgenbö verleugnet, tritt aber niemals ftörenb ba^
jivifd&en.
„SBorin befielt mein GJlaube? von Seo Xolftoi, auö bem seofcoutouk
rufjtfdfjen Sßanuffript überfefct oon Sophie $el)r;" merfroürbtgeö 33udf)! on ©iaui>Vi
S>ie tfritif ber offtjieHen ortfjobojren tfated&iömen u. f. ro. (3. 237 f.)
ber ruffifdjj'griedfjifdjen Äird&e, bie fidf) baran Infipft, ift vernidfjtenb.
©ö fönnte baran ein allgemeiner 3lbfall fidE) grünben. 3lber baö an-
fdjeinenb 3Baf)re, baö &ebtn fd^affen unb nidjt blofe bem ^alfdjen
roefyren foll, ift auf einen SBafm gegrünbet, ber fidf) nidfjt eignet, all=
gemein geteilt ju werben, wenn aucij rooljl feftirefierenb ju roirten.
©ö wirb bie 3>orfteUung 311 ®runbe gelegt, als roürbe baö SReid^
©otteö auf ©rben ttyatfädjlidf) eintreten, fobalb man ©ruft madfjte mit
bem (vierten Sebot nadfj Xolftoi) „S)u foUft nid^t roiberftefieu bem
Uebel." — Safe ber S3öfe, fobalb er feinen 3Biberftanb finben roürbe,
gut roerben roirb, — baö fann nur berjenige lioffen, ber bie ©rfalirung
— 270 —
in SBerjücfung aus ben 2lugen verliert, — ber ©runbfafc ift ganj uiu
geeignet, bie menfcblidjen SSerljältniffe ju bcn beftmöglidden auf ©rben
ju machen. Soll bod) jeber in fiel) bem S3öfen mit allen Gräften
roiberfte^en, — unb biefelbe aRapme foQte auf anbre übertragen
fd)ledfjt fein! £ann eben wäre fie fein unbebingteö ©efefc.
2t. fagte von Xotftoiö 33udf)e, — eö fei ber Unjtnn etneö 2Batyn=
finnigen. 3$ bemerfte bagegen, eö fei bie fleißige 2trbeit eines
^rrenben, ber aber in allem ©rnft nadf) ber Sßaljrljeit beö ©Triften-
tumö ringt.
eiani«9. ßenrg ©tanlep im bunfelften 2lfrtfa, Hettitng oon 6min ^Safd&a,
jroei 33änbe — geftern beenbigt. So roidjtig bie geograpljifdben
SRefultate ftnb, baö Jpauptintereffe liegt bodf) für ben Sefer in ben
menfd&lidfjen ©efdf)i<fen unb ©tjarafteren, bie jur SarfteHung fommen.
@ö ift weniger eine ßrntbedfungöreife, alö ein friegerifdjjer 3^9 • 35a^er
ift baö SBerf ein politifdfjeö, mefjr als ein befd&reibenbeö. SBergleid&en
lägt eö ftdb mit ber 2lnabafiö beö Xenopfjon. Stanley erfdfjeint ftd&
felbft wie aWofeö, ber fein 33olf au* 2leggpten führte. 2ludf> barin ift
er ein 3Wofeö, baß er mit Ijartnäcfiger Älug^eit fein 3Jolf befjerrfdbt,
unb bie Prüfungen uon Äranfljeit, junger unb geinbfeligfeit munber=
bar trägt unb ü6em>inbet, — aber audf) barin, bafc ber Ungefyorfam
unb Slbfall broljt, fobalb er ben 9iü<fen roenbet Stanley gebt
auö ber ganjen Unternehmung Ijeruor, alö ein großartiger, fjelbenljafter
£eerfüf)rer.
2!d)cm^ctt)sftj. ÜfdEjermjfcberoöfT) ift ber langroeiligfte SRomanfdEjriftfteller, unb
bodf) j)at er ©dfjule gemacht. 3ft ber ftanattfer nidjt in ber Siegel
gefäljrlidf) unb langweilig jugtetet)?
African Farm of ^ie $ürftin o. Ijat mir Semerfungen gefd&rieben über eine Meine,
Ralph Iron f _^ . .
(Olive shrmer). aber ticfftnutcje Diooelle: otory of an African Farm by Ralph
Iron (Olive Shriner). SBorläufig fdjeint mir an bem 33udf>e merk
roürbig ber überfinnlidfje Xrieb otjne überfinnlidfjen ©lauben,
bie ganje Xenbenj ift ein fublimierter SRealiömuö ; alle fieibenfdfjaften,
bie ba oorfommen, finb eigentlich oljne Süfternfieit. 2>er £ob fommt
— 271 —
in bem 93ud)e t>or immer als ein milber greunb, unb oon ben feiten
fe^lenben pljpfifdfjen 2J?artern ift abgefe^en. $n Wefcr 33ejief)ung ift
ber 2lutor nic^t realiftifd) unb oieHeidjt jugenblidf).
SRcmbranbt alö ©rjic^er, 25. Auflage, fjat ber anonyme 33er- «cmbranbt ai»
f äff er burdf) feinen 58er leger mir jugefdjicft, infofern mit @rfolg, alö <5r ^ er -
id) fonft an ben erften Seiten genug gehabt fyätte. ^efct fefc id& eö
burd), um ju erfahren, was ben ©rfolg beö SBerfeö erflären lann.
Der 2lbfd&nitt „Deutfd&e Äunft" biß ©. 57 l>at eö mir nid)t oerftänb^
lief) gemacht. Urteile ber SBiHfür folgen barin jwar aufeinanber, aber
nid)t auöeinanber, ju @nbe of>ne ©d&lufc. 3ft unter baö beutfdje
Sßublihmt ein Sebürfniö oerbreitet nadf) Spielereien, in langweiliger
SKaöfe? 93ieHetdf)t finbet fid) tocitcr etwas jur Beantwortung meiner
ftrage.
Die fragen, womit obiges abfd&licfct, f)abe idfj ba^in beantwortet,
bafc bafc Sudf) bes £errn ÜJeroer: „9tembranbt als ßrjietjer" ein
SRarrenbucfc ift. SRidfjt ber 2lutor ift ber 9tarr, aber woljl bic baoon
25 Auflagen tauften unb fogar burdjlafen. 34 ^obe aber bas
33ud> auf 2lnorbmmg bes Autors oon ber 33erlagsbudE)l)anblung $u=
gefd)idt erhalten, unb Ijabe fomit bas Sudf) nicfyt getauft unb nur
jur &ä(fte gelefen. Alfo Ijabe id& midf) nur ein Viertel fo mel alft
anbre jum Darren galten (äffen.
aSerfud^en will id) eine Definition bes Aberglaubens ju geben,,
fo wie idf) iljn auffaffe. SÖunberglaube, Aberglaube, 3 au t> er 8^ au ^ e
finb für mid) Arten einer ©attung. SDicfc ©attung fönnte man
Ueberglaube nennen, (Ss ift ber ©laube an finnltdje Vorgänge, beren
nädjfte Urfadfjen bie menfdfjlidje ftaffungsfraft überfteigen. SSJenn biefe
unbegreifliche nädfifte Urfadfje ber eingriff eines guten ©ottes ift, fo
gibt es bie erfte Art: bas äöunber. Oft es eine böfe bämonifc^e
3)tadf)t, fo fommt bie jweite 3lrt ju ftanbe: ber 3 au ^ er flf ai| t> e -
3Bo enblid) nur ein bliubes, ber ©innlidjfeit immanentes Jyatum
oorausgefefct wirb, in einer bas inbioibuelle ^ntereffe bes.
— 272 —
■Kenfd&en bebingenbcn Sßetfe, ba lomtnt es (sens strict) ju bem
2t b er glauben. — Aber* unb 3 a wberglaube werben jeboclj oft ju=
fammengeworfen.
38as nun bie ©egenmittel anbetrifft, fo wirb es immer fdfjwierig
bleiben, wenn man nidfjt bie ©attung oertilgt, bie 33ilbung ber brei
Arten ganj 511 be^inbem. 33is ju einem getoiffen ©rabe ift es aber
bodf) gelungen, bie fd&wädfjere 3trt burdfj SBud&erung ber [tarieren ju
oerbrängen. Die Hebräer ^aben }. $. oiel weniger 3 au &^ «nb
Aberglauben gehabt, als bie Hellenen. Die Äirdfje tyat gegen ben
Aberglauben geeifert, unb nidf)t o^ne Grfolg in ©uropa, — unb wenn
ber SÄofaismuS im SBortfyeil geblieben, fo Ijat baju ber erflujtoe 2Rono=
ttyeismus beigetragen. Die Unmöglidfrfeit bes ganjen ©cnus getyt nad&
meiner Definition baraus fjeroor, bafe unbegreifliche nädifte Urfad&en
Toeber finnlidf), no<$ burdf) ben SSerfianb wahrnehmbar fein fömten.
"Ulan Ijat alfo nur bie Abwefenljeit begreiflicher Urfad&en fonftatiert
xinh per contumaciam auf unbegreifliche gefdfjloffen. 9Barnm fxnb
©lüdsfpieler, ftriegsmänner, Säger, Seefahrer unb bie oon ber
Witterung abhängigen Sanbwirte bem Aberglauben fo jugängli^?
SBeil i^nen ©lüdf unb Unglüdf oon 2Bedf)felfälIen abfängt, beren un=
abfefjbare ftaufalreifyen mit iljren Äreujungen in ifjrem ©emüt un*
abläffig quälerifdf) gefudtf werben; es ift ba ein vaeuum, bas mit
Aberglauben gefüllt wirb, wegen einer Art horror vaeui. Die menfefc
lid)e llnwiffenfyeit, fo natürlich fie ift, oerlefct ben menfdblidjen Dünfel
fo fef)r, ba§ man lieber bas Uebcrnatürlidfje glaubt. 9Bürbe bas
Unbegreifliche wirflidf) wahrnehmbar werben, alfo in bie menfdf)fidf>e
ftaffungsfraft pofitio gerücft werben, — fo Ijörte es auf, fo tranö-
feenbent ju fein, wie ein SBuuber es erforbert. 3ft & ur d) fold^e &r*
fenntnis bie 9Ka<f)t bes Aberglaubens nidf)t ju befiegen, felbft in ben
Äöpfen fef)r gebifbeter, fdEjarfer Denfer, fo erfläre idjj es mir burd)
bie SRufye mit ber im ^nbtoibuum 2Btberfprüd)e unausgeglichen neben
einanber woljnen, unterftüfct oft burdb bie ©infeitigfeit ber öilbung,
wie es j. $. abergläubifdfje 3Katf}ematifer gibt. Sßenn aber bennod)
ber Aberglaube im allgemeinen in ©uropa abgenommen fyat, fo fdbreibe
id) es ben moberuen ©rfinbungen 311. Sie leifteten ©röteres als bie
Söunber unb ifjre beliebige 3Bieberl)o(barfeit für jebermann jerftörte
ben ÜWimbuS ber unbebeutenberen Vorgänge, für bie man früher über*
natürliche UrfadEjen annahm. Der £elegrapl) $. 23. wirft buref) größere
Siäumc, als bie Swebenborgfdje £ellfeberei u. f. w. — Dem fitt*
fidlen ©ebot: „Du follft nid)t abergläubifd; fein", — lege idfj nur
einen bebingten Stfert bei. 9Barum foH id) es nid()t fein? Die Hirdbe
— 273 —
fann antworten: „Stuft @otteöfurdf>t unb 2Bunberglaube", unb etwas
wirft bas. Audf) ber ®eift fann fagen, baß ber Aberglaube ber
©ottesorbnung wiberfpridfjt unb infofern für baö ©ebot eine Unter*
läge finbet. ©er SRaturforfd&er antwortet, ber Aberglaube wiber-
fpricijt ben burdf) taufenbfältige unb ftets wieberljolbare ©rfaljrungen
nadjgewiefenen ©efefcen ber Sinnenwelt. 2)er ^Jfjilofop!) enbltdfj weift
nadj, baß er einen 2Biberfprudf) in fid) enthält, ein unwal>rnel)mbarea
SBaljrgenommeneä, nadj meiner Definition. 3um Sd&luß nod& : meine
greunbe SJ. glauben, wenn itynen ein Sd&wein begegnet, baö bebeute
ein Unglüdf für fie. ein 33ebürfnis liegt ju ©runbe, bie Vorgänge
ntefjr ju mothrieren, als man es fann; biefem Sebürfniö entfpredfjenb
*ntwtdfelt ftdf) oft fpielenbe @inbilbungsfraft
2Bas Sie oon £. unb ben metapfiijfifd&en s }5f)ilofopl)en im alU
gemeinen fagen, baß man an i^ren ^ßrobuftionen ju fauen fjat, als ob
es altes ftubfleifdf) wäre, fyat midf) oergnügt, weil eben oiel 2Ba{)res
baran. Ariftoteles, ber oft genannte unb fo wenig gelefene, ift ber
großartigfte Seberf abrif ant *) unb nodj immer ift fein SBorrat aus=
reidjenb, baß mand&er Jüngling ein ^?aar neue Sdfjufje fi$ barauS
fdmeibet. 9Ketapf)t)fif wirb wofyl, ebenfo wie Sdjjutye, immer mit Seber
gemalt werben müjfen, ba eö felbft bem ^ßlato (f. ^armenibeS u. a.)
nid&t anbers fjat gelingen wollen.
©UtapfofH.
3Wir war bie ©efd&id&te ftets ein triel ju flüffiges ©lement; —
idf) begreife ni(ftt, wie man fein Sieben lang barauf fjerumjufdfjwimmen
fid£> entfdjließen fann. 2öo ber fefte Stoben ber wieberfyolbaren @r=
fafyrung ober ber unabänberlidjen ©enfgefefee fefjlt, fängt für mid)
praftifdf) bas Abenteuer, ibeell ber Vornan an. Anbre ©eifter f dfjeinen
wieber fo organifiert, baß, wo fie auf bas Unabänberlid&e ftoßeu, bie
Langeweile für fie anfängt, — fte bebürfen als OJrunblage ber beweg-
lichen Smpfinbung.
*) 2luS einem ©rief an Dr. ©etjblifc.
Strföicbtne
Qeifteoanlagm.
*u* ben lagebudjblättfm bt* trafen H. ftetjferling.
18
eOaratteriftir.
— 274 —
Sßirb uns bic 2lufcenwelt ganj einerlei, bann geljt ed mit bem
inneren £>enfen auf bie Sänge abwarte von ben gefunben 33a^nen A
auf bie ber 9Kenfdf) angewiefen ift, wenn er audE) jidf) barüber ju er-
fyebm meint.
Stemard fjat einft Sasfer mit jwei SBorten unübertrefflich df)araf=
teriftert; er nannte i^n einen ciceronifierenben ©ato, — unb mürbe,
meine idf), bamit geregt ber £ugenb, fowie ber überfliejgenben unt>
üon Äenntniffen ftrofcenben SRebegabe beö 9Kanneö ber Oppofition.
33iömarcf, ber größte %itan ber Staatsmänner unb beö Cppor-
tuntemuö !
um ö efet,rt. ®ie ftürftin ©. erjagte mir, wie ber alte $idE)ter $ürft SBja^
femöfij bis ans ©nbe ber Verliebte gegenüber ber Äaiferin mar unb
oor Siebe nerrüdt rourbe. ttmgefeljrt, benfe idf), bie SBerrücftfjeit machte
ifjn, ben efjrwürbigen Sid^tergreiö, verliebt.
«moraiiidt. äöenn SWoralttät in ber menfd)(id)en ©efellfdjaft foll geförbert
werben, ift ber ^ntetteftuaHsmuö etma gefäfjrttd;? ©ewife ift baö 33e=
wufttfein be£ SPienfd^en ju enge, um gleichzeitig mit einer Aufgabe
für ben ©djarfftnn unb einem Stü^rungögefü^I erfüllt ju fein. SBiff
man feiner £fjränen #err werben, fei eö bei einem ©dfjaufpiel ober
bei wirflidfjen ©rlebniffen, oerfudje man nur an ftdf) einen matl)c~
matifdjen 33eweis ober bie Ermittelung unterfdfjeibenber ©fiaraftere
organifdjer SBefen, ober man oergegenwärtige fidf), wo etwa bie ©<f)äbe[~
fnod&en iljre 9Mf)te fjaben, wo 3roerd()fell unb ©ingeweibe im Stumpfe
liegen u. f. w. — es wirb fogleidE) bas ©efüfjl gehemmt unb ver-
bringt fein, baö bie Stützung bis gu Sljränen Ijeroorbradfite. ©ö Der=
brängt baljer bie ©ittlidEtfctt au*> ©infidfjt biejenige au& Neigung, —
Siebe unb Sieligton mit erfyebenben unb fcfjmeljenben ©mpfinbungen
finb aber Slffefte unb feine ©infidfjten. 2Kan foll jugeben, baß ber
fortfdbreitenbe QntelleftualiömuS bei ben 9Jienfdf)en bie Sieligiofität unb
bie ©emütlidjfeit einengt unb mefjr unb meljr jurüdfbrängt. SBaö
folgt aber barauö für bie 3Korafität? 2>ie $eittn ber religiöfen Qtx=
regungen tjeftigfter 2lrt waren nidf)t gerabe 3 e üen tyty* Sittlidftfeit.
^nbeö um fiel) ben 3 u fammenf)ang flarer ju madjen: benfe man fid&
— 275 —
eine $lafd&e beraufdfjenben $nl)alts un & b a 5" einen SRenfdfjen mit
einem geroiffen £ange, bie glafdje ju leeren, ©ott fjat es verboten,
fönnte ber SKo^ammebaner fagen unb ftd) enthalten. 216er mit ber
Autorität fann man auf Stosfunftämittel finnen. ©igentlid& ift ja
nur SWaturroein oerboten, aber 23ier, Sranntroein, Champagner, —
bas fäfet fid) bejroeifeln. ferner $ e * i a wöglidfj, feine Uebertretungen
ju x>erbüJ3en unb wegen ber -iKenfdjenfcfjroäcbe unmöglid), feine Ueber=
tretungen ju begeben. daraus folgt, feine triebe malten ju [äffen
unb Ijinterljer es gut ju machen; nur fo fommt es ju einem leben*
bigen ©efüfjl ber ©nabe ©ottes, bas ber ftoifdfjen ©ittlidfjfeit un*
befannt ift. 3" ber ^ra^is ift niemanb burd) Religion dou ber
Xrunffudjt befreit roorben. SBenn aber bie Ginftdjt letjrt unb bie
Grfatyrung es fjart ju fügten gibt, wie oerberblidj für bie ©efunbljeit
baS Xrinfen ift, — entfielt aus ttlugfjeit, nidfjt aus SWoralität ju=
roeilen 3 ur "^^ a ^ un 9 / — un & auö biefem erfl ^ppot^etifd^en 3m~
peratio fann ber fategorifcfje fid) entroicfeln. SDie Vefämpfung ber
Völlerei burd) Ginfidjt fefteint ausfiel) tsoo Her als burd) 9teligiofität. —
Saßt ftd) aber bas nidfjt auf bie meiften Verfügungen burdf) finnlidje
triebe übertragen? [Xk SWoralität aus Vernunft ift bie fid&ere, ift bie
fortfdjrittlictye.
Xk Umftänbe mad)en bie Greigniffe erfreulich ober betrübenb, S"*! 11 ? unb
wntpftnbung.
unb es ift geroift roabr, bafc fie in allen 31bftufungen milbern unb
oerfdfjärfen fönnen. Silber bie Gmpfänglicbfeit unferes Gmpftnbens ift
ber anbre ftaftor. 3ftn ganj in unfrer ©eroalt ju fyaben, ift eine ju
unnatürliche ^orberung, um fdjön ju fein. 3lbcr fobalb roir bie
Xfjatigfeit bes Verftanbes ober ber äufeerlidfjen Verrichtungen a\u
fpannen, leiten roir uon ben Gmpfinbungen unfrer Seele ab. GS
legt fid) ber SBellenjdfjlag unfrer ©efüfjle.
5Racb meiner 3luSlegung ift „bas 9JJäbcben aus ber ftrembe" bie »«* «m^*« «»•
Trägerin bes fröf) lieben ^erjens.
$t)x Vricf bringt einen roarmen 3 U 9 * n meine rointerlidjen Gnu ^«uetfeit.
pfinbungen. Tenn föfttieb unb fet)r angebracht ift 3b* föumor.
£er Junior befreit unb ift bem -Bienfcben gut nod) auf bem
Schafott, Ter ernften Wcfinnung unb Vefiummg braucht er feinen
3lbbrud) ju tfjun.
— 276 —
Die cheerfulness , wie bie ©nglänbcr fagen, — bas fröf}Hd>e
$erj lögt fidf) nidf)t airoernfinfteln. SBtr Ijaben es juweilen aufcrftc^en
gefüllt, wenn wir jufammen gewefen ftnb.
Die £erjensfröl)lid()feit erhält fidf), wie ©ie fagen, am bcften burd)
bie Danfbarfeit gegen ©Ott.
3Wan fott, benfe id&, bie ßeiterfeit ^erbeinötigeu bis jum äujjerftcn ;
— bas ift nid^t grioolität, fonbern ^ßflidf)t, uns ben Äopf freier ju
wahren unb Sott t>ielleid)t richtiger im &erjen 511 behalten, als wenn
man fidj in £rübfinn gefjen lägt.
3Jtein ftreunb 33aron Sernljarb Ueyftill tyat in feiner langjährigen
Sttinbljeit unb o^ne fielen unb gelten ju fönnen, von vielfadfjen
©d&merjen oft ergriffen, in feiner itebensorbnung Diel SSeistyeit be~
wiefen. @r fjat f ein Seben . anbern nüfclid) unb fid) erträglich, ja biö=
weilen ergöfclidf) ju mad&en gewufet burdf) einen weitfjerjigen ©ebraud)
feines 9teid)tumS; — ntcf)t fapitaltfierenb, aber fruftifijie=
renb! unb in beftänbiger pflege ber Sterftanbestyätigfeit.
G^riatanismus. Dr. 9Ra<f enjic ift ein SDteifter gewefen, bis ans ©nbe ju täufdben, —
unb für biefe Äunft pdf) fiodf) bejahen ju laffen.
©onft beantwortete id& mir bie ^rage, weldjes bie ©ebiete bes
GtyarlataniSmuS in oorjüglidjjftem ©rabe ftnb, mit ben brei folgenben
©ewerben: Sieligion, Üöiebijin, ^äbagogif. Das bebarf einer ©rgänjung.
Das ©ewerbe, t>ermittelft fimulierter SBeisfjeit fidf) unb anbre ju be=
fdfrwid&tigen, in ©id&erfyeit }u wiegen u. f. w., ift ber ßfjarlatanismuö.
©s ift eine Äunft, auf Äoften anbrer ju leben, bie man betört. 3Sor
allen Dingen gehört bie Diplomatie in bie 9?ei^e biefer Stünfte.
©lud lieft machen ift oft ber SBorwanb. ©inem Slrmen einjubilben,
bafe er reidf) ift, unb iljm von bem ©einigen baftir ju nehmen, roirb
niemanb für ebel galten unb für fing, ©s ift eine genaue Äenntnis
feines SBermögensftanbes bie einjige richtige ©runblage gefunber 35er=
mögenSwtrtfd&aft. 28as oon bem ©elbc gilt, wirb oon leeren ©ütern
nidf)t minber gelten. Die 3Kenfdben jur Selbfterfenntnis ifyrer Un-
wiffenfjeit anzuleiten, bas mar bie fittlid&e £anblung eines ©ofrates.
Denn nur auf biefer ©runblage fann blcibenbe 2Bal>rfyeit erworben
werben. Die ©cfyeinfenntnijfe, oon benen bie ^Jriefter, Doftoren,
— 277 —
Diplomaten unb Sßäbagogen leben, fie galten bie SRenfdjjen in Uiu
wiffenljeit, — mit füßer Setfyörung ober mit grimmiger Verfolgung
tmb Drofjtmg.
3n baö gefinnungötüd&tige Setrugöoerfa^ren lebt fidfj ber fdmmdje
2Renfdf) fo fd^ncll hinein, baß er nidf)t mefjr weiß, ob er bloß bie
anbern ober audf) jid& felbft betrügt.
®in guter Diplomat ift wie ein gugeritteneö Sßferb, baö mit ber=
felben ©rajie rüdfwärts fdf>reitet ate oorwärts. ©ortfd&afoff wirb fid)
ate2Winifter in ber reculade geigen muffen, um ben ^rieben ju f Raffen. . . .
Die fiüge foHte bei Äinbem burdf) Vermeiben alter ©elegentyeit s%-
baju unb burdf) -Rid&tbead^tung eingebämmt werben, — nidfjt burdfo
offene unb fjäufige Vermaljnung. Die ©elbftad^tung muß gefront,
gewedft werben. Die Vorauöfefcung muß burd^bliöen, baß bie ©elbfb
erniebrigung in ber Süge ju groß ift.
Der Sügengeift ift unermüb lid&er als ber ©ifer, feine ©rfinbungen
jured^t ju ftellen. Die SBaljr^eit geljt nid&t oerforen, baljer i^rc Slube
unb SBerbrängung aud bem £ageögetriebe.
Sügen gibt baö 2Bort, unb fomit bie Vernunft beä Sügnerö ber
Verachtung preis, — ©df)amgefüf)l : moraltfdfje Vlöbigfeit, wenn man
babei ertappt wirb. 2lber audj ba madf)t ber SBiUe ben Untertrieb.
6ine oergnüglidfje Did&tung unb alleö, was fidE) nidf)t mit bem 2lnfprudf)
auf 2Baf)r{)eit probujiert, ift anberö. Sßofjnt ber ^ßoefie böfer 9Bitte
bei, fo ift fie gewiß unfittlidE), aber oon ber eigentlid&en Süge unter*
f Rieben.
2Jtan fann otelleid)t in gewiffen fällen fjart fein, weil man bie
3ßeidf)f>eit feines eigenen £erjens ju fefjr fürdf)tet, — wie man oiedeid&t
audf) weidf) fein fann, um ber ftdf) regenben #ärte bes ^erjenö ju
fteuem.
Seföetben^cit.
— 278 —
Sie SdEjeu in feiner ©igenliebe, in feinem Gtyrgeij uerlefct $u
werben, aerleiljt eine fdEjeinbare öefd^eiben^eit, in beren Statten ber
£odf)tnut erft red)t gebetyen lann. 2Birflidf)e Seiftung madjt in ber
Siegel befd&eiben, aber geplante Seiftung, aus ber nur wenig geworben
ift, blä^t auf. Ser redete SBramarbaö gebeizt mel)r im ^rieben, ate
im Äriege. Sie Dfftjiere, bie Sewaftopol oerteibigt Ratten, — bic
beutfdfjen Dffijtere nadj 1870 waren emft unb befdjeiben geworben.
Sie öffentliche ©d&ule mad^t befd&eiben, — wenn fie richtig geleitet
ift. Sie SBatyrtjaftigfett madf)t befdjetben.
3 fl noran8. ftitty M* Sgttoranj fjarmloö auf ben ^faben ber ^infterniö umljer,
mag man fie md)t wiber SBittcn beleuchten. 2lnbera, wenn fie fiel)
anmafjt, für anbre bie 23orfeljung $11 fpielen.
sBerftanb. SBerftanb fann freiließ audf) unweife mad&en, fobalb er nur barauf
bebaut ift, fidf) unb anbre mit Keinen unb großen Sonetten ju flber=
raffen.
©inigen lann eä gegeben fein, mit Sd^lau^eit burd& bie 3Belt
ju fommen. 3ft man aber $u wenig baju beanfagt, bann follte
man ftd& uorne^men, nie anberö als reblidfj ju fein, was au$ anbern
©rfinben ofmefyin ftdfj empfiehlt.
iin\>erfiQnb. Sem 9)ieufdE)en wirb oft tierifdfoer Unoerftanb jugefd&rieben unb
er fjat bodf) an bem menfdf)lidE)en Um>erftanbe genug ju tragen!
arunijuftt. Xrunffudjt burdf) Vernunft ju fjemmen, ift fdfjwierig, — ba muß
baö SBolf gebilbet fein, wie erft nadf) taufenb ^afjrcu metleidfrt! —
SJtit unoernänftigen Offenbarungen fjat ber füfterne Äriegöljelb 3Wo=
Ijammeb eö wirffamer burd^gefe|t!
un»enneibii«. Seinem ©efdjidf lann man nidbt entrinnen,
leiber audfo nid)t feinem Ungefdjicf.
fo Reifet eö, —
— 279 —
Die Unflarljeit nrirb oon ber Äfar^eit beriefet, wenn bie Unftar^eit un«or^u.
für bic oage Hoffnung auf ©rfüttung t>on 3Bünfd&en eine fdfjüfeenbe
£fiHe bilbet.
©ö gibt 2Henfd)en, wie bic jugefd&raubten ^lafdEjen t>on ©eitert
roaffer ober Limonade gazeuse, bie man ©ipfjon nennt. Drüdft man
baran, fo jifdf)t immer baöfelbe ^erauä. hinein bringen aber lann
man nidfjtö, es fei benn, man nimmt bic glafd&en auöeinanber.
SRotlet) gehörte ju ben Naturen, bic eine Begabung in fid^ mit
<3runb perfpüren ber geredet ju werben ifjnen nidf)t immer gelingt
unb baö mad&t blöbe, nrie tdf) mir oorfieüe.
83ernagt(t.
3Kan ftnbet bic ©orte t>on SRenfdfjen bic an S3etrad^tungen scniMeu.
©efaHen pnben, bod^ nidf)t Diel.
Befangenheit.
Den 2Jtenfd^cn mirb eö fd&roer, if)r Unred&t einjugefteljen, befonberö «etwabewi.
aber in bem ^aüt, roo eine anberöroo ^errü^renbe ©egenfäfetid^feit per=
fönlidfjer 2trt fjinjufommt.
Äurioö ift bie mebijinifdfje Slontrooerfe über ben Slommabajittuö.
tpettenfofer madfjt fidfj anfjcifd^ig, nidf)t nur ben Äommabajittuö in be=
liebiger SJienge ju üerfpeifen, fonbern audf) einen -äWagenfatarrf) 311
befferer Siejeptuutät fid^ Dörfer anzulegen. Daö erinnert an ben
©ängerfrieg auf bcr SBartburg. Der Ueberumnbene fefct baö Seben ein.
©ettfamtf.
Die 2lbnafjme in ber Dtepofttion liebcooU teiljimefimen an ben
©mpfinbungen unb SBeftrebungen unfrer 9Ritmenfdf)en, ift mir bemerk
lidfj. Db baö Sebürfniö, burdf) gemütlidfje Xeilnafjme anbrer bic
eigenen Seftrebungen begleitet unb gehoben ju roiffen, in gleichem
3Rafce jurüdfgetreteu ift? — SBo aber liegen bie Urfadfjen ju folgen
(Sejinmmgäänberungen ? ©inb eö Dampf unb @leftrijität, meldte bic
$aben beö SBerfefjrö fo lang unb Derjroeigt gemalt fyabcn, bafc fie für
ben nädfjften SBerfefjr bünncr geworben finb? —
3ntenfu> unb
eytenfu).
— 280 —
sicftioflatctt. ©ö gibt eine Sät bes £af)eö, roie c§ eine $eit & er Sithe
gibt; — junfdjen eigenwilligen, ber SSermtnft unjugänglidben SWenfdien
gibt eö faum ein 2Rittel bagegen.
2)ie jefct fyierardfjifd) oerfinfterte, einft fo liebenäwürbtge ©räfin 8.
tjat äße forperlidfje unb geiftige greiEjeit verloren unb bie ßmpfmbungen,
bie ftdf) in ber ©ebunbenljeit aufbäumen, tonnen meift nur baö ©ewanb
ber ©ntrüftung an ju$ tragen. Xraurig, aber unabänberüdf). SBer
nidjjt nadfo ber SBafjrljeit ringt, fonbern nur nad) ber eigenen ©eligfeit,
oerirrt fidf) um fo grünblidfjer, je größer feine ftraft, je heftiger fein
Verlangen ift. Eine ftumpfe pljlegmatifdje 9totur bagegen bleibt in
ben SSorftufen be$ Irrtums, gleidfjfam am SRanbe beö Sumpfes ftedten,
unb friftet bort ein erträgliches £>afein.
ininaf^mt. £>er Steige ftnbet meljr £eilnaljme als ber Staue; er Ijat me^r
perloreu unb Ijat au&gebreitetere $efanntfdf)aft.
Ottern unb
Seteinfamuna.
Slelter werben, baö ift nur bann ein Unglücf, wenn man ed nidfjt
oerftefjt, ober ju fefyr oerarmt an SDfttteln beö geiftigen Sebenä, 8e=
jie^ungen ber Siebe ober SBorfagen jur Arbeit.
■JRand&e 33eobad)tung beftätigt meine SSorftellung, baft man rudt-
weife altert.
©ntfteljen große bauernbe Süden im £afein, fo bcbflrfen mir
täglicher ^pflidEjten, bie \m§> auf feften Stegen weiter brängen unb uns
bie 3*ü ™fy fofftn, riel ftillc ju ftefjen unb ins Seere ju ftarren.
2Jtef)r unb mefir überfommt midi) geiftige ^nbolenj. ©s ift bie
golge nidjt blo§ bes 2llterö, fonbern ber geiftigen SJereinfamung. . . .
$ä) fomme nid&t meljr jufammen mit irgenb einer arbeitenben SJkr*
fönlidfjfeit auf bem gelbe ber ©ebaufen.
— 281 —
ßs ift ein ^ofjeS ©lud, Qit bemfelben SffiiffenSjtoeige bis in ein
uorgerüdtes älter fortarbeiten ju fönnen, bem man ftdfj in jüngeren
3af)ren aus Neigung unb berufsmäßig geroibmet fjat.
Die intetteftuellen Hilfsquellen oerfagen leiber oiel ju früf) bei
ben meiften grauen unb 2Wännern, unb ofyne biefelben ift bas ©reifen=
alter fd&merer, als es nötig wäre. $on <£utf)anafie ift triel bie 9tebe
geroefen, trofc ber fpöttifdben 33emerfung SWontaignes, bafc es faum
nötig wäre, fid) auf bas Sterben üorjubereiten, ba es bis jefct jebem
gelungen wäre. SSon ber ©ugeroufie ift aber {ebenfalls mefjr ju
galten. 3$ meine, bafc man fid& bie SRejepthntät, burd) Deifnafjme
an ben gortföritten bes menfdfjlid&en SBiffens unb 33erridf)tens unb an
ben Schöpfungen ber Äunft, nadf) llmftänben möglidfjft ju erhalten
fud^en muß. Die Sßrobuftimtät mag bann im 3lfter immerhin jurücfs
treten.
©fücflidf) ift es, wenn man im 40. ftafyxe etwa in bie fonnige
SBärme unb funftfinnige Sdjönfyeit 3 ta K enö ftdjj tauten faun. 3$
Ijabe roenigftenS bas ©efül)I, bafe in ber SRäfje bes 60. £ebensjaf)rcs
ein 3luf enthalt in Italien mir bas nid&t nriebergeben fönnte, was idjj
für biefe SBelt oerforen fyabe; bie reine Jreube an bem frönen Dafein,
ofynt weitere 33ebürftigfeit, ftraljlt nidjt aus bem 2tuge bes leeren
SllterS; bie einen werben ju emft, ju fcfjr oon Problemen unb 0e~
fdf)äften benommen, anbre ju ftumpf.
Die alten £age finb einfam, aber wenn bie ©efunbljett nidjjt
fefylt, bie milbeften bes CebenS.
2öol)l mag es richtig fein, baft man bie 3Ketapf)t)fif in probuf=
tfoer SBeife nur im fräftigften 2Rannesalter treiben fann. Sollte es
aber nidf)t aud) baran liegen, baß fidf} bas umfidfjtigere 2Uter meift ein-
geftef)t, ba§ es ju einer ganj etnfieitltdjen, fyftematifcfyen 2i$elfc
anfd^auung gar nid&t bie ÜWittel befifct, tme man es in ben (Jugend
liieren) 3^ten bes Schaffens unb Drängens fid) erft als unentbehrlich
unb notroenbig üorgeftellt, unb bann als porljanben eingerebet
t)at. Die irrationalen ©röfeen unb bie unvermittelten ©egenfäfce —
— 282 —
ja mit äßorten würben fie umtauft unb umfüllt — , aber es tritt
mit ber 3 e ^ J u ^ a 9 e / waö fünftlid) jufammengefittetes Stücfroerf
barau ift.
»arranbe. ©eftern melbete bie 2lllg. 3 e ^ un 9 & cn ^°b be% ©eognoftcn
33arranbe im 85. ^afjre. ©r Ijat in ber SBiffenfdjaft burdf) fein Stiefcm
roerf über bie filurifd&en SBerfteinerungen Söljmcns fidf) ein 2>enfmal
erfter ©röße gcf Raffen. ©r ift fieljrer unb fpäter 5prioatfefretär bes
©rafen ©fjamborb geroefen, treu unb geroiffenfjaft, eraft unb naty
faltig. Sitte tütffcnfdEjaftlid^en greunbe, 9Jteifter unb öefanntc, fo fd&eint
es mir, finb vor mir bal)in gegangen, ©in mir frembeS @efdf)led>t
ift auf allen ©ebieten fyerangeroad)fen.
©rtjeba*.
3Me SJJoft braute bie 9tad)rid&t von bem £obe meines alten
greunbes, 2tug. ©rifebad), bes großen Sotanifers unb SJerfaffers ber
Vegetation ber ©rbe! SUleine 3^itgenoffen r bie meine nriffenfd&aftltdfjen
^ugenbbeftrebungen gefannt unb meine 9Rannesarbeit geteilt Ijaben,
finb nun faft alte heimgegangen, $n fonferoatioen ^afjrljunberten
mag ber 3urü<fbleibenbe fidf) weniger geiftig ifoliert füllen. $n unfrer
mel)r unb mefjr von £)ampf unb ©leftrijität rabifal ueränberten 3 e ^
ift ber Unterfdfjieb ättnfcijen ben Vettern unb Söfmen ber ©eifteSricfc
tung naä) roafjrfc^einlid) größer, als in geroöfjnltcben 3^*^ — unb
ber üNadfjnmdjS fennt bie ^beale nidfjt, für bie mir fd&roärmten.
©rifebadf) war eine feine gef<f)madfootte 9Jatur; ein richtiger ^ßrieftcr
ber scientia amabilis.
^rofeffot ff^nct, 2Clfo audf) ber alte Jedfjner ift f)in! es ift mir lieb, baß idfj i^n
fietojifl. im ^aljre 1873 bei s £rofeffor Strümpell als meinen Xifdfjnadjbar
fennen gelernt Ijabe. ©r war fo ebel fiebensroürbig, unb fd&roer mag
es fein, Don biefem eigentümlichen ©eift ein genügenbes Gfjarafterbilb
ju geben. —
S8iRenf*aft.
So lange man imffenfdfjaftlidf) arbeitet, bat man bodf) ein ganjeS
Stütf 9Jtenfdf)l)eit ju beffen Vorrat man einen fleinen Seitrag liefern
lann, oor fiel).
©eiftlofe 9Kenfdf)en fönnen jünftig fdfjreiben, gut für bie Söiffen*
fdjaft, — aber populär, bas vermögen fie nidfjt.
— 283 —
3)ic richtige 2trt von ©emeinfdEjaft, bie in ber 2Birffamfeit für
bic Aufgaben ber ©egenroart im £inbli<f auf bic Buhmft befielt, gibt
audf) bem ©injetleben ©e^aft, meljr als bie raffinierteren flüd^tigen
©enüffe, ober fterile, wenn audf) rüfjrenbe ©ntfagung.
(Semeinföaft.
®ie üerfdfjiebenen Anregungen ju öffentlidjen SBorträgen finb einffus
trielleidfjt auf bie 9ttänner ber 28iffenfdf)aft oon nidbt geringerem ©influfe
ate auf bie 3Kaffen. Agaffij j. 33. Ijätte fid), oljne biefen Ginflufc in
•ftorbamertfa fefjr reidfjlidf) ju erfahren, nie an bic SJefdjränfung unb
Älar^eit gewöhnt, ju ber er gelangt ift.
9Kan fpridf)t von ben unjäfyligen SBereinäoerfammlungen tn2)eutfdf)= »ereinsttcfeu.
lanb. So wenig idf) für meine Sßerfon mi<f) nodf) oerfammeln möchte,
fo ernenne id) bodE) barin einen grofeetj gortfd&ritt ber jüngeren 3 e ^-
2)ie road&fenbe ©emeinfdfjaft unter ben 3Wenfdf)en Ijabe idf) oft für bie
praftifdfje Aufgabe ber 9Jienfdf)ljeit in ber ©efdEjidfjte angefefjen, barin
fommen jie oortoärtö. Ob fie beffer ober glü<flid£)er werben, ift nidtjt
fo flar.
Qn 33erlin tagt ein Eefegraptyenfongrefj. ©in^eitlid^c, billige
3af|Iung in ©uropa, bas ift bas ©pofce, baö ©eneralpoftmeifter Stephan
toieber burdfjgefefct §at. $ft bie (Steigerung ber ©emeinfdfjaft unter
ben SDtenfdEjen, bie eigentliche Aufgabe ber SRenfd^eit, fo ijat barum
©eneralpoftmeifter Stephan fidf) oerbient gemalt wie fein anbrer.
£eiligfpredEmng oerbient er über alle 9)titmenfd^en.
$erbienfle
©tfpt>an».
Unfre 2Bof)ltf)ätigfeit finbet ein fdEjöneö gelb unter bem 3 c ^n ® a9 Kote Äreu *
be* SRoten Jtreuseö. ®aö ift roof)l ein fdjöner $ortf dfjritt ! 2>aö ^rinjip
ber £ilfe für bie Seibenben, oljne Anfeilen t>on Religion unb SKationa*
lität, ift rooljl nie in früherer 3 e ^ fo allgemein proflamiert roorben.
$ie ®efeHfd)aft beö 9ioten Äreujeö ift ein ibealer Äeimling. . . .
2Bie £acituö oon ben crften Gljriften, bamaligen 3u&en, fagte, baö
erfte für fie fei, bas SBaterlanb abjulegen, fo mujs eö audf) bie ©e=
feHfd&aft beft Stoten Ärcujea. ... Die Spitäler unb Ambulanjen
beöfelben muffen mirflid^ international fein, oljne Vorliebe ben 33er =
— 284 —
wunbeten unb Äranfen aller Stationen bienen, ein wiffenfdjaftlicfc
mebijtntfd&cr Crben müfjte eö werben, ju bem ber Seitrttt burdfc
©elübbe erfolgte.
oppoitunttmuf. £er uttlttarifd^c Opportunismus fann fdjwerliti) bei einer Wflefyu
iai)i benfelben ftnfjalt fyabtn. 2Bas bem einen vorteilhaft fctjeint, ober
in feinem ©eftd)töfreis opportun, tmt§ wegen bed ^nburibuaüdmua
oon Qntcrcffc unb £orijont einem anbern anberä erfdfjeinen.
«Miotitst. 2Ba* Me ÜWenfd&en bebürfen, ift ntdjt fowoljl bie ^reifjeit iljrefc
wiberfprudteüollen öeliebenft, afe eine entfdfjcibenbe, t>on aller eigenen
Neigung freie unb War oerftänblidEje Autorität.
TOctii^entPüAf. ©elefen oon 9hmi: 3ol). $afob ©ieoerö. £a wirb über baa
9hif treten beö gewefenert ©ünftlingö ber ftatferin Äatfjarina II., bc*
©rafen ©regor Drloff, berichtet. Um biefen nodfj immer mächtigen,
aftatifdf) oerfdiwenberifdien 2Kann, brängte man fid& in &öflingöfflnfien.
ßr befafc bafi Rittergut Sobe. 2)ton crfd&icn bei itym in Sobifd^er
$auerntrad)t unb fefcte fid^ jur Xafel nadf) ben Öudfjftaben , bie man
auf ber öruft trug, fo ba& ©regor Drloff jufammengefteHt ju tefen
mar. 6r befd&enfte mit Xaufenben.
2Bie \)at bie franjöfifdje SKeoolution bie Xenfweife ber d^riftlid^en
ftutturwelt umgeftaftet! 2)aö ©efü^l ber SWenfdjenwürbe barf ntdbt,
öffentlich wenigftenö, fo oergeffen werben, um fidf) einem ganj uiu
tätigen SWenfcfien, ber nur burdE) bie fyäfjigfett, bie Aatferin nad& iljrem
©efdjmad einige ^ai)tt ju liebfofen, Sebeutung gehabt Ijatte, in
Sflaoentradjt bar^ubieten. 3>ie Maden finb fteifer geworben, bie
f)öfifd)e Unterwürfigfeit ift t>erädbtttd(j geworben, bie SBafjrljaftigfeit
gewad&fen. — 9lber bie abfolute 2)tonardf)ie ift nid&t in itjr früheres
9lnfcl)en wieber aufsurtdfjteu, ober aufredet ju galten.
Wttsimf. 3lergert man fidj, bann follte man in ber Siegel brei Xage ©er-
geben (äffen, elje man reagiert.
£er 2Wt)ti)ud ber ßrinnijen fnüpft an bie 9)Jücfen an.
— 285 —
2Ben bie täglichen Gegebenheiten nur inforoeit bef dEjäf tigen , als ©er-
neue ÜRayimen barauö hergeleitet werben tonnen, ber mufj julefct fnapp ö 8emem,runfl
werben in feinen Gemerfungen. Die lebenbige Säuberung gef)t aus
ber fiuft an bem ©injelfaH Ijeraor; — if)X ift bie Gerallgemeinerung
ein töblidf>er 2lbftraftion«proje& ; — ein Abbalgen beö Gogelö.
^eute gebt ein Heiner 2luffafc von mir über „SBalbgrunbfteuer" «nawtrit.
an unfern Defonomiefefretär. ftd) fyabe barin für} alle meine ®e*
banfen über bie Sad&e, unb in ber einfachen gorm auögebrticft ; für
ben 2lufmerffamen, benfe i<f>, gar nicfjt mifcoerftänblidb. 3lber je ge*
fd&loffener eine ©ebanfenfolge ift, um fo weniger geftattet fie ein Sb*
fd&weifen ber 3lufmerffamfeit. 2Bteberf)olungen, um fidf) wieber juredf)t
}u finben, fehlen, unb wer aul bem Gifenbaljnjuge ausgestiegen, fann
nur ben 9iaud) in ber fterne nodj einige $eit oerf olgen ; — bie Steife
madfrt er nid&t mit.
3u fonjentrierter ©eift wirb gar nidbt, ober langfam oon ben
9Jtenfd)en aufgenommen.
2Baö ift au*> bem 9Mäbd)en geworben, oon bem id) ate Graut »et ß änflUd)Mt.
fagte: fo freunblidf) wie ityre 3lugen, leuchtet ben 2Wenfdfjen fein Stern
Dom Fimmel!
Stütfwerf ift bas Seben, aber baö ©cfdfjreibfel nodfj tuet mef)r.
3ft man einanber entrüdft, finbe id&, bafe nadf) meiner ©rfafyrung
bie greunbfdfjaft immer abmagert, bo<$ aber fdöneHer, wenn fie nidfjt
burd) ©efdfjreibfel gefüttert wirb.
SJteine £odjter forbert midfj auf, meine jugenblidjen 2age ju be= fieben unb «unft.
f dfjreiben. 3Barum fjabe id) feine greube an einer Slufgabe, mit ber
fo triele fidf) oergnügt fyaben? 2)aö Seben ift fein .ftunftwerf, unb nur
burdf) bie Geimifcbung oon Didljtung fann man eö baju machen. gtaft
allen ©pifoben meines Sebenö, finbe idfj, lüften äterfiöfje, miftlidfje
3ßenbungen an. 2Bo f5nntc id) Gesieljungen finben, bie fidf) auf ber
— 286 —
ibealcn £öf)e gehalten fjätten, offne aWifcton, bie idfj erfefjnte? 3Mc
3ufunft, felbft im fjöfjeren älter, wirb üon bcr Hoffnung ibealiftert, —
bie SBergangentyeit aber nur von fetbftgefättigen 3Uufionen!
Erinnerung. Jfdljermjfcijeff berichtete mir über feine ^etfd^orareife unb braute
mir eine Steige lanbfdfjaftlidfjer Sßljotograpljien, barunter audfj eine von
einem alten 9Kann mit jroei Söhnen, ber met baaon ju erjagen
gehabt fjat, baft er t>or 47 ftafyren mein gatyrer geroefen. Qd& fyabe
if>n üergeffen, — er aber midf) nic^t; benn roo fo wenig gefdftfefyt,
bleibt baä 3lnbenfen.
35quct. 3 un) eilen wirb es uns roofjt bunfel oor ben 2lugen, mnn mir
in bie 3 u funft unfreö Sanbeö unb ber Sänber Europas bfiden. aber
es gibt immer nodf) Datetfen, an benen man fid) erfrifdfjen fann. 95Mr
ftubieren Sterne unb ^nfeften. ^ntetteftuette gfreuben bauern Tange.
3lber audf) bas £erj bauert lange. 35a aber gebe iä) bie ^ßalme ben
grauen. So rein unb treu ju Heben, wie fie, fönnen bas bie SKänncr?
Jöarum tyat midi) bie SBiffenfdjaft nid&t ganj t>ergeffen *), ber i<fy
befd&eibene Beiträge geliefert fjabe, unb bann in Sbgefdjiebenfyeit unb
poHftänbiger 3uriidfge3ogenf)eit von bem aftioen 2>ienft für bie 2Biffeu=
fc^aft faft ein 3Jlenfd)enalter uerbrad&t f)abt ? . — Sie nnffen, bafj id)
bie ganje parabore 3Weinung Ijege, bafe bas roeiblidje #erj treu ift.
3lber enblidfj muß es bodf) fterben. ^nfofern ift bie SBiffcnfcbaft bod&
nod^ treuer. 3Ser ifjr ein brauchbares Steinten geliefert fyat, ben
ftreidit fie nie mef)r ganj aus ifjrcm ©ebäcbtnis. 2Ber aber für ben
2Bol)Iftanb bcr ÜWenfd&en SSerbienfte Ijat unb für bie ^ßolitif insbefonbere,
ber muß auf Unbanf redmen bei ben Sebenben unb auf gegenfäfcticfye
Ungeredfjtigfeit bei ber s Jiad^toelt. SiSmarcf, ben wirb man nie oer*
geffen, — aber wie man tyn nad) tjunbert ,3 a ^ re n beurteilen wirb,
bas f)ängt von unberechenbaren folgen ab. £eutf$(anb fjat burcb
ifyn für jroei 9todf)barn bie £armlofigfeit verloren.
*) 9to# ber geter feineö 50 jährigen Sc^riftfieUerjubüäumS gef ^rieben.
— 287 —
•äJtannigf altige geiftige $ntereffen finb juioeilcn in fdfmnerigen ©«tKoeamtercfien.
Sebenömomenten gleid) vielerlei Straud&roerf, baran man fi$ galten
fann, um ben 2lbgrunb nirf^t (linuntcrjuroHen.
©eiftige 33ef(f)äftigung Ijört nie auf bie Sage 311 üerflären.
Siebe ift ein grofces SBort, aber ^reunblid&feit fann man fidf) swwonen.
immer abgewinnen.
SBärmeftrafjlen muffen jurücf geworfen werben, fonft roirfen fie ©egenuebc.
erfältenb.
. . . ©ine feiige ©rinnerung, bajs man fo tue! Siebe gefunbeu
i)at\ nidEjt a\& Eigenliebe gebenft man beffen, fonbern au§ 2)anfbar=
feit, benn man fjat es ja nidfjt t>erbient. SBerbienft unb Siebe ^abeu
fein rechtes 33erf)ältniö 311 einanber; von t>erbienter 2itbt ju fpredfjen,
ift eä nicfyt fo, als fpräd^c man t>on rcofjlriedfjenber 3Jlufif?
Serbienft unb
fiiebc.
3fjränen finb ein befferer Äitt als Sadfjen. 25er ganjen SBelt
iljre ©lücffeligfeit 311 jeigen, trillert bie Scrcfje if)v ^ubellieb fjodf) in
ben Süf ten ; leibet ober ftirbt fie, üerbirgt fie fid&, wo man fie f df)tt)er
ober gar nid)t finbet. Seine £raurigfeit, — fefjr üerf Rieben von
$erbrie§lidf)feit, bie man allein Ijinunterfcfylucfen follte, — 311 teilen,
fjalte idf) für ein 3 e ^ c " fierjlirfier 3^neigung.
2f)täncn.
2Bic anbers ift bodfj bie emfte gorm beö femitifdjen ©eiftes als
bie fpielenbere ber Hellenen! 2tber and) biefe formen fönnen fidf) er=
gänjen. Sie Siebe ift langmütig unb freuublidfj, fagt ^aulus, —
unb <Sofrate$ empfiehlt, ben ©rajien 31t opfern. — 3<*, baö follen
mir armen 3Jlenfdbeufinber unter allen Umftänben ausüben; in ber
3ugeub finb anmutige, fjarmlofe Sänbeleien am $(a<$; — aber audf)
ber ©ruft beö 2llterö unb ber ftrengen Sefjren fann unb foll fo fanft
unb gefällig fein als möglidfj.
9lnmi!t.
— 288 —
fiube. Sie Siebe auf ßrben bebarf einer beftänbigen Hoffnung auf 3ltu
geftaltung um redfjteö Sieben ju fyabtn.
Sie Gmpfinbungeu ben ©roftfinbern gegenüber finb anbre, alö
ben ftinbern gegenüber, metleid&t freier unb jarter, tuetteidjt audfj wegen
•beä ben Seibenfdjaften meift entrücften Sllterd, ungeftörter fgmpatfyifdfj.
^rcunb|*oft. Sie $reunbf$aft gehört audfj ju ben ungleid) verteilten ©ütern
biefer SBelt.
Jreunbe Ijabe idfj treu befunben unb audfj Jreunbinnen uiel be*
ftänbigerer 2lrt, alö man nadf) ben Urteilen in ber fittteratur über baö
roanfelmütige SBeib üorausfefcen fönnte, benn baö 2Beib ift treu unb
nidjjt falfd&er 2lrt, roenigftenö nidf)t in ber f^reuubfe^aft, fo müfete iä)
nad) meinen 2Bal)rnef)mungen unb 33ejtel)ungen , oon unfrer feiigen
Ijofjen $rau au f & em ruffifdfjen ftaifertljron tyerab biö auf bie gute
£auömagb bie midf) bebient, urteilen.
£aäweibii$e$frj. Saö iDcibltd^c £erj liebt twllftänbiger unb treuer, baju §at es
bie 9iatur in l)öf)erem ©rabe beftimmt. Sie 3Kutter foll lieben, ber
SBater befdfjüfcen unb t>erforgen.
«öniflin eitfabet^. . . . ^becn aufjunefjmen unb mitjuteilen madjt Vergnügen unb
bauernbereö. Sa ift ber Umgang mit Samen gleichfalls Sebürfnte.
Sie SKänner wollen ernfte ©efd&äftömänner fein, unb roo baö ©elb
anfängt, l;ört nidfjt nur bie ©emütltcfjfeit auf, — ed \)öxt bie £ft*"be
an bem 2luötaufdb, an ber SJermefjruug ber 3^een auf. Sa Ijabe id>
jüngft einen frönen 33eleg von ber Königin ©lifabetb von Rumänien
erhalten. Selbft mofjnt fie in ber ^ioefie! ©Ott fjat ifir biefen Trieb
gegeben, unb a\\% ifjr ftrömt es unauffjaltfam, juroeilen ju frei natür-
lich, — bie ftetle fönnte einzelne f leine Serftöfce entfernen, aber bie
■ftatur ift bod) fdjjön, unb t>iel Äünftelei würbe baran nur üerberben.
©ie lief* mir einen Gttffus t>on bejaubernb anmutigen ©ebidf)ten, Ijanb-
fdjriftlidf) aufgejeidmet, jufommen unter bem Sitel: „©efdfjidfjte einer
Sid&tertraumfeele." 8df)on ber Sitel erinnert an tyttn, bie idj) iljr,
als fie nodf) eine ^rinjeft oon Söieb mar, in Äarlöbab mitgeteilt
— 2S9 —
F
fjatte. 3$ erörterte bamals, ob jur ©rftarung ber Drbnung in unferen
Traumbilbern / bie t>on ber felbftbewufcten (Seele niijt ausgebt, bie
Slnnafjme einer befonberen Traumfeele nid&t bienlidft fein fönnte. Mim
beuten bie ©ebid&te mit unbcftimmten Umriffen t>on reijenber $axU
beit an, was bie ©eele ber Königin burdjlebt jjat. grft ift es ein
Moturfinb, aber es Hingt ber nie ju befriebigenbe Drang als ein un=
bestimmtes 2Bef) burd). Co fommt bie Trauer wegen bes fterbenben
©rubere, eines oerflärten ©dbmerjensfinbes, jum 2luSbru<f unb im
weiteren Serlaufe ber ©dbmerj über ben Tob bes Staters unb anbrer.
3u feiner 3 C ^ erwadfjt wof)l im jungfräulichen $et}en bie Siebe ju
einem tyxxiiiien 9Wanne, — unb fie wirb gebrochen unb gef<f)weigt.
Dann fommt bie glüdfficbe orbnungsmäfjige Verlobung, — enbficb
bas 2Wuttergfü<J über ein Tödfjterdjen unb ber 3Wutterf(^mer} über
ben SSerfuft biefcs eiujigen ÄinbeS; furj unb fyrifd), einfacb unb waljr.
Dajwifd&en ftef)t ein SuSjug mit profaifdEjen 2luf$etd&nungen, mit bem
©ingang: „®raf Äepferling fagt". 3 roe i 3been, bie idfj oor jwanjig
3al)ren geäußert — unb natürlich üergeffen, werben mir twrgeffi^rt:
1. „©in Sßeib muß einmal geliebt fjaben, oljne gfüdflicb ju
werben, bann erft wirb es eine gute $rau."
2. „Das geben bes 2BeibeS \)at oier ^fjafen: bis 10 V« %a\)x
Ijarmlofe gtityßctyfrit, — bann unbegren3te Hoffnungen,
— bann (Sntfagung, — enblid) bas Dienen." — Daju
fdjreibt bie Äönigin: — baß redete Dienen finbet bie $rau
erft in ber @f)e.
2Bo wirb nun jemals ein SDJann meine flüd&tig ausgefprodjenen
©ebanfen mit biefer Treue bewahrt Ijaben!
©ewiffe grauen erinnern an £immelsf örper , beren 9lnnäf)erung
Störung in bie regelrechten Sahnen bringt.
grauen gibt es, bie tfidjtig unb freunblid) fmb, bod) nidjt ft)m=
patfjifd). 6s fefylt ifjnen ber garte ©dbein, ber audb in bie bloße
Unterhaltung jwifdjen Wann unb 2Beib etwas Üiebfofenbes bringt.
Die g^auenliebe ift bodf) ein reiner Trieb; wie wenig bebeutet
barin bie ©innlicbfeit unb wie fa(fdf) ift bie 9lnfid)t ber Männer, ba&
)ic barauf 311 rebujieren fei. 3lus bem öoben ber ©innltcbfeit mag
%ui Un 2agf6ud)btat1ctn beö förnfen «. ftft)j«rlmg. 19
— 290 —
immerhin bie Siebe entftefjen, aber weit über alle ©innfidfjfeit er-
gaben, üerffärt pe ba* fieben biö anö ©nbe, unb je reiner fte ifi, um
fo bauember.
SDiefe ftifteityiungen mögen in einem 9tod)nif meines Saierd an ben
Sftronomen $rofeffor »äbler (fte$e 3)eutf$e Äetme Suauft 1888, 6. 152) tyr
(Snbe erreichen, (äffen fid) boc$ bie ©djlufjroorte biefeä 9tad)nifefi in vottftan SRafre
aua) auf i$n fetbft anroenben.
„SBaö er (2Räbler) für ben »uöbau ber 2Biffenfc$aft getrau,
wirb fortleben, folange bie menfdjfid&e SBiffenfdjaft lebt, in reinerem
(Slanje jum £eü, alö unter ben 3 e Ü8 en °ff c n; toaö er alö 3Reifier
einer Haren, feffelnben ©arjteHung geleiftet, nrirb £aufenben in ber
3uhmft ©tunben erljebenber Setradfjtung jufütyren, wie e* gefd&eljen
in ber 33ergangen$eü. aber bie liebenöroürbige Sßerfönltvfjfeit
beö Dortrcfflid&cn aWanneö, bie bem ©eroö^nli^en beft Alt
tagölebens entrficfte ©efinnung, bie überall ju bem Uns
oergänglid&en ben 33lid erljob, bie muffen wir auf ©rben
roieberjufinben nid)t meljr Ijoffen! $ft baö fieben audfr
ein langes geroefen unb basSBitfen ein reifes, in geroiffer
#e&ief)ung ein uoflenbetes, wie wenig t>ermag eö bodjj ben
unbegrenzten SReid&tum einer 3Wenf<ijenfeele ju erfd&öpfen."
MAY l l 1938