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Full text of "Lehrbuch der Physiologie des Menschen"

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LEHRBUCH 

DEK 

PHYSIOLOGIE  DES  MENSCHEN 

VON 

C.  LUDWIG, 

PROFESSOR  AN  DER  JOSEPHSAKADEMIE  IN  WIEN. 


ZWEITER,  BANTD. 

AUFBAU  UND  VERFALL  DER  SÄFTE  UND  GEWEBE.    THIERISCHE  WÄRME. 


LEIPZIG  UND  HEIDELBERG. 

C.  F.  WINTERSCHE  VERLAGSHÄNDLUNG. 


1861. 


Verfnssor  und  Voilogor  bclinlten  sich  das  Recht  der  Uebersetzung  In  ftemde  Sprachen  vor. 


Inhalt  des  zweiten  Bandes. 


Sechster  Abschnitt. 

Seite. 

Physiologie  der  Ernälirang   i 

I.  Blut 

Blutzusaminensetzung   .1 

Blutbewegung   44 

II.  Absonderungen   202 

Epithelien   234 

*Nägel   240 

Haare   244 

Elastisches  Gewebe   249 

Bindegewebe    251 

Seröse  Häute   256 

Hornhaut   260 

Augenwasser    264 

Glaskörper   265 

Linse   265 

Knorpel   269 

Knochen   272 

Zähne   281 

Fettzellen   284 

Nervenröhren   289 

Hirn  und  Rückenmark   291 

Muskeln   294 

Blutgefässwandungen    297 

Milz   299 

Thymus   306 

Leber  •      .     .     .     .  308 

Speicheldrüsen   33G 

Schleimdrüsen                                                                            .  348 

Thräncndrüsen     349 


•VT  Inhalt 

Bauchspeicheldrüse   350 

Magendrüsen    355 

Fettdrüsen  -   365 

Sch  Weissdrüsen     .      .      .    '   307 

Nieren   373 

Männliche  Geschlechtswerkzeuge    434 

^      Weibliche  Geschlechtswerkzeuge   442 

Milchdrüsen   448 

Athmung   402 

Besondere  Athemwerkzeuge   479 

Lungen    .     .     .     .     "   541 

Hautathmung   550 

Umsetzung  des  Blutes  in  den  Gefässen   560 

III.  Blutbildung   561 

Aufsaugung  aus  den  Geweben   561 

Aufsaugung  yon  den  Blutgefässen  ^  563 

Aufsaugung  durch  die  Lymi)hgefässe    567 

Zufuhr  durch  die  Speisen  (Verdauung)   583 

IV.  Vergleichung  dos  Verlustes  und  Gewinnes  an  wägbaren  Stoffen       .  .671 

Siebenter  Abschnitt. 

Thierisclie  Wärme   7i9 


Sechster  Abscliiiitt. 


Physiologie  der  Ernährung. 


I.  Blut. 

Zusammensetzung  des  Blutes. 

Die  Gefässröliven ,  die  vom  Herzen  aus  und  zu  ihm  zurück- 
gehen, sind  im  Leben  mit  einem  verwickelten  Gemenge  fester  und 
flüssiger  Stoffe,  dem  Blute,  gefüllt,  das  nach  Zusammensetzung  und 
Eigenschaften,  mit  der  Zeit  und  dem  Orte  seines  Aufenthalts  wechselt; 
um  eine  Uebersicht  zu  gewinnen,  werden  wir  zuerst  die  am  besten 
gekannte  Blutart  mögUchst  genau  beschreiben  und  dann  die  Ab- 
weichungen der  übrigen  angeben. 

Hautaderblut  der  Erwachsenen. 

Die  anatomische  ZergUederung  zerlegt  das  Blut  des  Lebenden 
in  eine  Flüssigkeit ,  das  Plasma ,  und  in  Festes ,  Aufgeschwemmtes, 
welches,  je  nach  seiner  Gestalt,  Blut-  und  Lymphkörperchen, 
Elementarkörnchen,  Faserstoffscholle  u.  s.  w.  genannt  wird. 

A.    Blutflüssigkeit,  Plasma. 

Die  bekannten  Bestandtheile  derselben  sind:  Faserstoff,  Eiweiss, 
Casein,  Oxyprotein,  Lecithin,  Cerebrin,  Olein,  Margarin,  Cholestearin, 
Zucker,  Margarin-,  Oel-,  Butter-,  Milch-,  Hippur-  und  Harn-Säure, 
Kroatin,  Harnstoff,  braune  Farbstoffe,  Kah,  Natron,  Kalk,  Magnesia, 
Eisenoxyd,  Wasser,  Salz-,  Schwefel-,  Phosphor-,  Kiesel-  und  Kohlen- 
säure, Fluor,  Sauerstoff-  und  Stickgas. 

1.  Faserstoff  Aus  100  Theilen  Blut  gewinnt  man  ungefähr 
0,2  bis  0,3  TheU. 

Beim  Pferd  enthält  nach  Lehmann  das  Blut  der  Vena  jugularis  0,45 ,  das  der 
Finger-  und  Sporader  0,04  Faserstoff.    Daraus  zu  schliesson,  dass  das  Blut  während 
seines  Laufes  aus  den  kleinem  in  die  grössem  Venen  Faserstolf  einbüsst,  entbehrt  jeg- 
licher Grundlage,  so  lange  nicht  feststeht,  ob  der  Pasorstoirgohalt  der  kleinen  Venen, 
Ludwig,  Physiologie  II.   %  Aullngc.  ^ 


2 


Faserstoff. 


aus  denen  sich  das  Drosseladerblut  sammelt,  sich  gerade  so  verhält,  wie  jener  der  vor- 
hin erwähnten.  Gesetzt  aber,  es  sei  dieses  bewiesen,  so  würde  diese  Thatsache  immer 
noch  nicht  aussagen,  dass  sich  der  Faserstoff  vermindert  hätte;  denn  wir  müssen  den 
Faserstoff  als  einen  Bestandtheil  des  Plasmas  ansehen ,  da  aber  Blut  aus  Plasma  und 
Köi-perchen  besteht,  so  könnte  ein  abweichendes  Verhältniss  des  Faserstoffs  auch  auf 
eine  Aenderung  der  Relation  zwischen  jenen  beiden  Gemengbestandtheilen  bezogen  werden. 

Zur  Qewichtsbestimmung  wird  der  Faserstoff  auf  zwei  "Weisen  gewonnen.  Ent- 
weder man  lässt  das  aus  der  Ader  getretene  Blut  ungestört  gerinnen;  da  in  diesem 
Falle  das  durch  die  ganze  Masse  des  Bluts  fest  gewordene  Fibrin  die  Blutflüssigkeit 
und  Blutkörperchen  in  sich  schliesst,  indem  sich  der  sog.  Blutkuchen  bildet,  so  muss 
man  dasselbe  nachträglich  von  diesen  Beimengungen  befreien.  Zu  diesem  Behuf  zer- 
schneidet man  den  Blutkuchen  in  kleine  Stücke,  füllt  diese  in  ein  leinenes  oder  sei- 
denes Tuch  und  spült  sie  so  lange  mit  Wasser  aus,  als  dieses  noch  eine  Spur  rother 
Farbe  zeigt;  durch  Aufhängen  des  Beutels  in  destillirtes  "Wasser  sucht  man  endlich 
auch  die  letzten  Spuren  löslicher  Stoffe  zu  entfernen,  ein  Unternehmen,  das  jedoch  oft 
wegen  der  eintretenden  Fäulniss  des  Faserstoffs  nicht  zum  vollkommenen  Ziele  geführt 
werden  kann.  —  Oder  man  schlägt  auch  mit  einem  Glasstab  das  aus  der  Ader  gelas- 
sene Blut,  wobei  sich  der  Faserstoff  in  Flocken  ausscheidet.  Das  geschlagene  Blut 
flltrirt  man  durch  eine  feine  Leinwand  und  befreit  den  zurückbleibenden  Faserstoff  von 
den  anhängenden  übrigen  Blutbestandtheilen  wie  oben.  Den  auf  eine  von  beiden 
Arten  gewonnenen  Faserstoff  spült  man  vorsichtig  von  der  Leinwand  ab,  trocknet  ihn 
bei  120"  C.  mit  aller  für  hygroskopische  Stoffe  nöthigen  Vorsicht.  Darauf  pulvert 
man  denselben ,  zieht  eine  gewogene  Menge  mit  Aether  aus  und  trocknet  von  Neuem ; 
der  Gewichtsunterschied  vor  und  nach  dem  Aethcrauszug  gibt  den  Fettgehalt  des 
Faserstoffs.  Schliesslich  verbrennt  man  den  entfetteten  Anthcil,  um  seinen  Aschen- 
gehalt festzustellen.  Diese  Methode  selbst  mit  aller  Sorgsamkeit  ausgeführt,  gibt  nur 
ungenaue  Ergebnisse,  weil  durch  das  Leinwandfilter  feine  Flocken  dringen,  und  weil 
der  Faserstoff,  auf  die  eine  oder  andere  Art  gewonnen,  immer  Blut-  und  Lymphkör- 
perchen  einschliesst,  die  durch  das  Waschen  nicht  entfernt  werden  können.  Dieser 
Einschluss  bedingt  es,  dass  man  aus  demselben  Blute  verschiedene  "Werthe  des  Faser- 
stoffgehaltes erhält,  je  nachdem  man  denselben  durch  Schlagen  oder  aus  dem  Blut- 
kuchen gewonnen  (v.  Gorup,  Hintcrbeger,  Moleschott)  *). 

"Wenn  sich  die  Erfahrung  von  Marchai,  dass  das  Blut  in  höherer  Temperatur 
mehr  Faserstoff  ausscheidet  als  in  niederer,  bestätigte,  so  müsste  man,  was  bisher  nicht 
geschehen,  auch  Rücksicht  auf  die  Qerinnungstemperatur  nehmen.  Lehmann  bestreitet 
übrigens  den  Eiufluss  der  Temperatur  auf  die  Menge  des  abgeschiedenen  Faserstoffs. 

Wenn  das  Blutplasma  (oder  auch  das  Gesammtblut)  einige 
Zeit  hindurch  nicht  mehr  unter  dem  Einfluss  der  lebenden  Wand 
eines  Blutgefässes  steht,  fällt  aus  ihm  ein  Gemenge  oder  eine  Ver- 
bindung eines  Eiweissstofifes  mit  Kalk  und  Magnesiasalzen,  der  sog. 
Faserstoff  nieder  (Tackrah,  Brücke**).  Demnach  wird  Blut, 
ohne  dass  wir  eine  Veränderung  an  demselben  wahrnehmen,  ge- 

•)  y.  Gorup,  Vcrglelcheudo  Untersuchungen  etc.  Erlnngen  1850  p.  8.  -  Molcschott,  Phy- 
.lologlo  des  Stoffwecheel,.  Erlangen  1851  p.  202  „.  236.  -  Lohmann,  physiolog.  Chemie  I.  300. 

l«RR       p',   .  ,  "^"'"^  -  Llstor  Edinburgh  medieal  Journ.  Apr. 

1868.  ^  Hiehardson  the  cause  of  tho  Conguhuion  of  the  Blood;  London  1868. 


Faserstoff. 


3 


rinnen,  wenn  es  aus  der  Ader  gelassen  wird,  oder  in  Gefässen  von 
grossem  Durehmesser  vollkommen  ruht,  oder  von  Gefässen  um- 
schlossen wird,  dessen  Wandungen  die  Eigenschaft  einbUssten,  welche 
man  mit  einem  vorläufigen  Ausdruck  lebendige  nennt;  aber  obwohl 
Blut  unter  diesen  Umständen  sich  selbst  Uberlassen  sicher  gerinnt, 
so  geschieht  diess  doch  nicht  momentan  und  nicht  unter  allen  Be- 
dingungen gleich  rasch,  auch  können  chemische  Zusätze  die  Ge- 
rinnungsfähigkeit des  Blutes  ganz  vernichten.  Der  Gerinnungs- 
beginn  wird  hinausgeschoben:  durch  die  Entfernung  des  im  Blute 
aufgelösten  Sauerstoffs,  eine  niedere  dem  Nullpunkt  nahe  positive 
Temperatur,  durch  einen  dem  normalen  Maximum  sich  annähernden 
Salzgehalt  des  Plasmas,  ferner  kann  er  auf  Stunden  hin  verzögert 
werden  durch  einen  Zusatz  von  einigen  Neutralsalzen  mit  alkalischer 
Basis,  von  Zucker  und  Gummi,  durch  eine  geringere  Zugabe  von 
kaustischem  Kali  und  Ammoniak  und  endlich  durch  Eintröpfeln  von 
soviel  Essig-,  Salpetersäure  u.  s.  w.,  dass  das  Blut  schwach  sauer 
reagirt;  durch  Neutralisation  des  angesäuerten  Blutes  mit  Ammoniak 
wird  die  Gerinnbarkeit  vollkommen  aufgehoben.  (Brücke.)  Der 
Gerinnungseintritt  wird  näher  gerückt  durch  einen  die  Blutwärme 
um  etwas  übersteigenden  Temperaturgrad,  durch  Berührung  des 
Blutes  mit  mineralischen  Stoffen  Luft,  Erden,  Metall,  durch  Bewe- 
gung des  aus  der  Ader  gelassenen  Blutes.  Unabhängig  ist  dagegen 
der  Gerinnungseintritt  einer  weit  verbreiteten  Ansicht  entgegen  von 
dem  Gehalt  des  Blutes  im  Faserstoff  (Brücke),  wie  nach  dem 
Bestehen  oder  Verlust  der  Nerven-  und  Muskelerregbarkeit  (Brücke, 
List  er)  und  —  da  zu  diesen  bekannten  auch  noch  unbekannte 
in  dem  Blut  selbst  gelegene  Gründe  den  Zeitpunkt  der  Gerinnung 
bestimmen,  so  lässt  sich  derselbe  nicht  allgemein  gflltig  festsetzen. 
Meist  jedoch  gerinnt  jedoch  das  abgelassene  Blut  wenige  Minuten 
nach  der  Entfernung  aus  der  Ader,  das  in  der  Leiche  zurück- 
bleibende aber  hält  sich  stunden-  und  tagelang  flüssig.  Ebenso 
kann  Pferdeblut  eine  Temperatur  von  0°  bis  -\-  V  ausgesetzt 
stundenlang  flüssig  bleiben. 

Den  Vollendeten  Beweis  für  den  durch  Tackrah  walirschoinlicli  gemacliten  Satz, 
dass  die  Gefässwandung  die  Blutgerinnung  verhindere,  erbrachte  Brücke;  er  nahm 
Blut  aus  den  Gefässen.  bei  einer  Temperatui-  von  nahe  0",  setzte  es  der  atmosphärischen 
Luft  ungefähr  15  Minuten  lang  aus,  füllte  dann  das  Blut  in  das  Herz  oder  ein  grosses 
Gefäss  des  eben  getadteten  Thiercs  zurück,  und  hing  das  wohl  zugebundene  Gefäss 
in  einen  mit  Wasserdampf  gesilttigtcn  Luftraum  von  mittlerer  Zimmerwärme.  Auf 
diese  Welse  erhält  sich  das  Blut  der  Säugcthiore  im  Herzen  derselben  vier  bis  fünf 
Stunden  hindurch  d.  h.  so  lange  flüssig  als  das  Herz  seine  En-egbarkeit  behauptet, 

1* 


^  Faserstoff. 

und  es  gerinnt  mit  dem  Erlöschen  des  letzteren.  Dasselbe  leisten  Venen  und  arterielle 
Blutgefässe.  Lünger,  bis  zu  acht  Tagen  bleibt  das  Blut  der  Kaltblüter  im  ausge- 
schnittenen Herzen  flüssig,  also  länger  als  sich  die  Beweglichkeit  des  Herzens  erliält. 
Den  Unterschied  der  Gerinnungszeiten  zwischen  beiden  Blutarten  begründet  ihr  Tem- 
peraturunterschied und  ihre  verschiedene  IJeigung  zu  gerinnen ;  denn  in  dem  auf  30»  C. 
erwärmten  Amphibienherzen  erfolgt  zwar  die  Gerinnung  früher,  aber  immer  noch  um 
viele  Stunden  später  als  im  Säugethierherzen,  und  anderseits  ist  auch  das  Amphibien- 
herz  nicht  befähigt  die  Gerinnung  des  in  dasselbe  eingefüllten  Säugethierbluts  aufzu- 
halten, obwohl  das  Herz  einer  Amphibienart  alles  andere  Amphibienblut  flüssig  erhält. 
Die  starke  Neigung  des  Säugethierblutes  zum  Gerinnen  wird  auch  dadurch  bethätigt, 
dass  es  in  dem  Herzen  sehr  zählebiger  Thiere  wie  z.  B.  des  Igels  schon  um  ein  Kurzes 
früher  fest  geworden  ist  als-  das  Absterben  der  Muskeln  vor  sich  gegangen.  Dass  nun 
aber  bei  dieser  Aufbewahrungsniethode  die  Gerinnung  in  Polge  einer  Wirkung  von 
Seiten  der  Waiid  ausbleibt,  ergiebt  sich:  weil  ein  jeder  Tropfen  Blut,  der  aus  dem 
wie  oben  zubereiteten  Qcfass  genommen  war,  alsbald  gerinnt;  ferner  bringt  man  Luft, 
Quecksilber  u.  s.  w.  zu  dem  Blut  in  das  Gefdss,  so  geiinnt  nur  der  kleine  in  der  un- 
mittelbaren Nachbarschaft  des  fremden  Körpers  liegende  Blutantheil ;  schliesst  man 
endlich  einen  Theil  des  im  Gefäss  enthaltenen  Blutes  dadurch  ab ,  dass  man  in  das 
Blut  ein  Glasrohr  schiebt  so  findet  man  nur  den  Inhalt  des  (an  beiden  Seiten  offenen) 
Glasrohrs  geronnen.  Diese  letzteren  Erfahrungen  beweisen  auch,  dass  man  sich  nicht 
etwa  so  ausdrücken  dürfe :  alle  Stoffe,  die  Gefässwandung  ausgenommen,  erzeugen  durch 
ihre  Berührung  mit  dem  Blut  die  Gerinnung,  denn  dann  dürfte  das  um  den  fremden 
Körper  vor  sich  gehende  Festwerden  nicht  local  bleiben  und  noch  mehr  es  müsste 
in  einem  Gefäss  voll  ruhenden  Blutes  die  Gerinnung  nicht  rascher  erfolgen  als  in 
einem  bewegten.  Da  dieses  aber  geschieht,  so  bedarf  das  Blut  zum  Flüssigbleiben 
der  Waudberührung.  Den  Beweis  hierfür  hat  List  er  noch  durch  die  Thatsache  ver- 
vollständigt, dass  das  gerinnbare  Leichenblut  in  engen  Gefässen  länger  flüssig  bleibt 
als  in  den  weitem.  Eicha rdson,  welcher  die  durch  Athmungsversuche  längst  be- 
kannte Thatsache  bestätigt  fand,  dass  sich  aus  dem  Blut  bei  einer  Berührung  mit  Luft 
Ammoniak  entwickelt,  und  sich  ebenfalls  davon  überzeugt,  dass  eine  Zumischung  von 
einer  sehr  geringen  Ammoniakmenge  zum  Blut,  die  Gerinnung  desselben  zu  verzögern 
vermag,  glaubt  sich  darum  berechtigt,  die  Ursache  der  Gerinnung  auf  den  Vorlust  der 
äusserst  geringen  Menge  von  Ammoniakdunst  schieben  zu  düi-fen,  welchen  das  gelassene 
Blut  erleidet.  Wenn  man  auch  die  von  ihm  in  den  Vordergrund  geschobenen  That- 
sachen  als  richtig  anerkennen  muss.  so  darf  man  dennoch  seiner  Folgerung  nicht  bei- 
treten, weil  es  eine  ebenfalls  ganz  bekannte  Erscheinung  ist,  dass  das  mit  Ausschluss 
aller  Luft  aus  der  Ader  unter  Quecksilber  aufgefangene  Blut  dort  gerinnt;  hierzu  kommt, 
dass  Lister,  der  seinen  eigenen  Beobachtungen  entgegen  der  Unterstellung  von  Kichard- 
son  anhängt,  das  in  dem  Gefässe  einer  Leiche  zurückgehaltene  Blut  flüssig  erhielt, 
wenn  er  auch  Luft  mit  ihm  in  Berührung  brachte,  oder  wenn  er  eine  blutgefüllte  Veno 
eines  eben  getödteten  Thieres  der  Luft  so  lange  aussetzte,  dass  sich  das  dunkle  Blut 
hellroth  färbte.  Im  noch  voUkoramneron  Widerspruch  mit  liiehardson's  Annahme 
steht  endlich  der  von  List  er  ausgeführte  Versuch,  dass  das  Blut  in  den  Gefässen 
eines  lebenden  oder  eben  getödteten  Thieres,  deren  Wandungen  er  mit  kaustischen 
Ammoniak  bestrich,  gerann;  dieses  erläutert  sich  nach  Brücke  einfach  daraus,  dass 
die  Lebenseigenschaften  der  Gefasswand  zerstört  worden  sind. 

Wie  die  der  Blutgefässe  wirkt  auch  die  Wand  der  Lymphgcfässe  der  Gerinnung 
des  Faserstoffs  entgegen;  die  serösen  Häute  und  die  Darmschleimhaut  thun  es  nicht. 


■paserstoff.  5 

Da  der  Faserstoff  aus  der  Blutflüssigkeit  und  nicht  aus  den 
Körperchen  ausfällt,  (J.  Müller*)  so  setzte  man  ihn  auch  schon 
im  Plasma  als  einen  besonderen  Stoff,  als  flüssiges  Fibrin  voraus. 
Brücke  zeigte  jedoch,  dass  zu  der  letzteren  Annahme  kein  Grund 
vorhanden  sei,  indem  ein  Blutplasma,  welches  durch  Zusatz  von 
Essigsäure  und  einen  nachträglichen  von  Ammoniak  am  Gerinnen 
verkindert  wurde,  gerade  so  viel  durch  Hitze  coagulabeles  Eiweiss 
mehr  enthält,  als  es,  wenn  es  geronnen  wäre,  an  Faserstofl  aus- 
geschieden hätte.  Demnach  wäre  es  am  wahrscheinlichsten,  dass 
im  flüssigen  Blute  der  Faserstoff  als  Blutalbumin  nie  vorhanden  ist. 
Als  Grund  dafür,  dass  ein  Antheil  des  Bluteiweisses  in  der  Form 
von  Faserstoff  zum  Gerinnen  kommt,  würde  sich  dann  am  unge- 
zwungensten darbieten,  dass  ein  Theil  des  Albumins  nach  seiner 
Entfernung  aus  dem  Gefässe  mit  irgend  einem  anderen  Stoffe  des 
Plasmas  eine  natürliche  Verbindung  eingeht,  deren  Entstehen  u.  A. 
auch  durch  eine  verdünnte  Säure  verhütet  würde.  Hierfür  spricht 
einmal  der  negative  Beweis,  dass  die  Gerinnung  nicht  darum  ge- 
schieht, weil  das  Blut  mit  Albumin  übersättigt  war,  weil,  wenn 
einmal  die  Faserstoffgerinnnng  beendet  ist,  weder  durch  Abkühlen 
des  Blutes,  noch  durch  einen  Wasserverlust  eine  neue  Abscheidung 
bewerkstelligt  werden  kann,  und  positiv  lässt  sich  für  jene  An- 
schauung von  Brücke  anführen,  dass  in  dem  niedergefallenen 
Gerinnsel  immer  noch  basisch  phosphorsaurer  Kalk  und  Talk  ent- 
halten ist. 

Unter  der  soeben  entwickelten  Unterstellung  lässt  sich  auch  ein  Mechanismus 
denken,  dessen  sich  die  Gefässwand  zur  Flüssigerhaltung  des  Blutes  bedient;  denn 
dann  wäre  es  nur  n'dthig  anzunehmen ,  dass  eins  der  chemischen  Produkte ,  die  sich 
fortwährend  in  der  Gefässwand  bilden,  in  das  Blut  diffundire,  und  dort  das  Ent- 
stehen dpr  gerinnenden  Eiweissverbindung  verhüte ;  dieser  Stoff  müsste  aber  selbst  im 
Blute  verändert  werden,  so  dass  nur  in  dem  Maasse,  in  dem  er  sich  umsetzt,  auch  die 
Gerinnung  vor  sich  gehen  könnte.  Mit  dieser  freilich  noch  gewagten  Hypothese  steht 
es  aber  im  Einklang,  dass  die  Gerinnung  nicht  momentan,  sondern  erst  einige  Zeit 
nach  der  Trennung  des  Bluts  von  der  Gefässwand  beginnt,  und  dass  sie  verzögert 
wird  durch  die  Bedingungen ,  welche  den  Blutumsatz  mindern ,  also  durch  Tcm- 
peraturcmiedrigung ,  Salzlösungen ,  Sauerstoffmangel ;  diese  Hyi)othcse  gibt  auch  einen 
Hinweis  auf  neue  Untersuchungen  über  die  Beziehungen  der  Gefässwand  zur  Blut- 
gerinnung. Die  Versuche  von  Joh.  Müller,  auf  die  oben  hingedeutet  wurde,  be- 
stehen darin,  dass  man  zum  Blute  Zucker  oder  Glaubcrsalzlösung  fügt,  und  es  Rllrirl 
oder  sich  die  Körperchen  zu  Boden  senken  lässt,  die  Gerinnung  geht  in  der  körper- 
chenfreien  Flüssigkeit  vor  sich. 


•)  Handbuch  der  Physiologie  4.  Aufl.  I.  Bd.  p.  117. 


6 


Albumin. 


Nachdem  sich  der  Faserstoif  fest  ausgeschieden  hat,  erfährt 
er  einige  Zeit  hindurch  noch  fortlaufende  Veränderungen,  die  sich 
augenfällig  dadurch  äussern,  dass  er  aus  einem  lockern  ein  festes 
Gefüge  annimmt,  und  dadurch,  dass  er  sich  aus  einen  grösseren 
auf  ein  kleineres  Volumen  zusammenzieht.  Diese  Erscheinung 
macht  den  Eindruck,  als  ob  sich  der  QuellungscoefTizient  des  Faser- 
stoffs während  des  Zeitraums,  der  unmittelbar  auf  die  Gerinnung 
folgt,  ändere.  Brücke  verweistauf  die  Aehnlichkeit,  die  in  dieser 
und  in  anderen  Beziehungen  der  Faserstoflf  mit  dem  Eiweissstoff 
besitzt,  der  durch  Auswaschen  des  Kalialbuminats  mit  verdünnten 
Säuren  erhalten  werden  kann.  Von  den  elementaren  Formen  des 
Faserstoffgerinnsels  handelt  Bd.  I.  pag.  42. 

2.  Albumin.  Das  Eiweiss  soll  auf  zweierlei  Art  in  der  Blut- 
flüssigkeit vorkommen,  als  freies  und  als  neutrales  Natron  eiweiss. 
Als  freies  Eiweiss  bezeichnet  man  dasjenige,  welches  durch  Erhitzung 
der  Blutflüssigkeit  ohne  vorgängigen  Säurezusatz  zum  Gerinnen  ge- 
bracht werden  kann.  Dieses  Eiweiss  enthält,  nach  den  überein- 
stimmenden Angaben  von  Rüling  und  Mulder,  1,3  pCt.  Schwefel 
und  ist  somit  um  0,3  bis  0,4  pCt.  schwefelärmer  als  das  Hühner- 
eiweiss.  Durch  Erwärmen  mit  Kali  ist  aus  dem  Bluteiweiss  die 
Hälfte  des  Schwefels  abscheidbar,  aus  dem  Hühnereiweisse  dagegen 
kaum  ein  Viertel,  so  dass  das  letztere  fast  noch  einmal  so  reich 
an  festgebundenem  Schwefel  ist,  als  das  erstere.  —  Als  Natron- 
albuminat  (eiweisssaures  Natron)  sieht  man  die  Eiweissmeuge  an, 
welche  aus  dem  Blutserum  erst  durch  Erhitzung  abscheidbar  ist, 
nachdem  man  die  alkalisch  reagirende  Blutflüssigkeit  genau  neu- 
tralisirt  hat. 

Die  Behauptung  von  C.  Schmidt*),  dass  das  freie  Eiweiss  in  der  Blutflüssig- 
keit mit  dem  Chlornatrium  iu  einer  Verbindung  ähnlich  dem  Kochsalz-Zucker  vorhan- 
den sei,  stützt  sich  darauf,  dass  der  geronnene  Faserstoff  in  einer  wässerigen  Lösung 
von  Kalisalpeter  zu  einer  dem  Bluteiweiss  ähnlichen  Substanz  umgewandelt  werde, 
und  dass  das  Blut  nach  der  beti'ächtlichen  Entleerung  seiner  salzartigen  Bestandtheile, 
welche  es  in  der  epidemischen  Cholera  erleidet,  von  seinem  NaCl  noch  ungefähr  so 
viel  zurückhält,  als  nach  gewissen  wenig  begründeten  Annahmen  nöthig  ist,  um  mit 
dem  Eiweiss  die  bezeichnete  hypothetische  Verbindung  zu  bilden. 

Der  Gehalt  der  Blutflüssigkeit  an  Eiweiss,  freiem  und  an 
Natron  gebundenem,  schwankt  zwischen  7,9  bis  9,8  pCt. 

Das  Eiweiss  wird  aus  der  Blutflüssigkeit  entweder  durch  Gerinnung  in  der  Hitze 
oder  mittelst  dos  Polarisationsapparates  quantitativ  bestimmt.  —  Bedient  man  sich  der 
ersteren  Methode ,  so  muss  das  Blut ,  bevor  es  erhitzt  wird ,  durch  Essigsäure  genau 
neutralisLrt  werden  (Scherer).    Das  Coagulum  wird  filtrirt,  gewaschen  und  bei  120"  C. 


*)  1.  c.  p.  1.50. 


Andere  Eiweissstottb  dor  Blutflüssigkeit. 


7 


getrocknet;  darauf  wird  ein  Antlieil  gepulvert  mit  Aether  ausgezogen,  um  seinen  Fett- 
gehalt zu  ermitteln,  und  endlich  verbrannt,  wodurch  der  Aschenrückstand  gegeben 
wird.  Die  Anwendung  dieser  Vorsichtsmaassregeln  schützt  aber  doch  noch  nicht  vor 
Fehlern,  weil  das  Eiweiss  bei  seiner  Gerinnung,  ausser  Na  Cl,  2NaO  PO^  *)  und  Fetten, 
auch  noch  andere,  von  dem  Gerinnsel  nicht  mehr  zu  sondernde  Stoffe  einschliesst,  wie 
z.  B.  die  Hüllen  der  Lymphkörperchen,  organische  Salze,  Farbstoffe  u.  s.  w.  Die  Ge- 
rinnungsmethode würde  aber  als  ganz  unsicher  zu  verlassen  sein,  wenn  sich  die  An- 
gabe von  Lieberkühn**)  bestätigte,  wonach  nicht  allein  Albumin,  sondern  auch 
Casein  aus  neutralen  oder  sauren  Salzlösungen  durch  Kochen  gefällt  wird.  —  Das  Ver- 
fahren von  Becquerel  die  Drehung  der  Polarisationsebene  zur  quantitativen  Eiweiss- 
bestimmung  zu  benutzen,  ist  von  F.  Hoppe  ***)  aufgenommen  und  verbessert  worden. 
Statt  des  Apparates  von  So  1  eil  wendet  er  den  von  Yentzke  an,  und  bedient  sich 
statt  der  sehr  viel  längeren  Eiweissschicht  von  Becquerel  einer  von  100  Mm.,  bei 
gelbgefärbtem  Serum  sogar  nur  einer  von  25  Mm.  Dicke.  Das  flüssige  Eiweiss  dreht 
nach  F.  Hoppe  ungefähr  in  dem  Maasse  links ,  in  welchem  der  Eohrzucker  rechts 
dreht.  — 

Da  der  Zucker  je  nach  der  Spezies  (Rohr-,  Trauben-,  Frucht-,  Syrupzucker  u.  s.  w.), 
der  er  angehört,  der  Zeit,  während  welcher  er  gelöst  war,  der  Temperatur,  in  der  er 
sich  findet,  und  den  Zusätzen,  die  zu  seiner  Lösung  geschehen,  bald  rechts,  bald  links 
oder  auch  gar  nicht  dreht ,  so  müsste  das  Eiweiss  und  seine  Modifikationen ,  welche 
im  Blut  vorkommen,  ebenfalls  mit  Rücksicht  auf  die  bezeichneten  Bedingungen  geprüft 
werden.  Einen  Theil  der  hierher  gehörigen  Versuche  hat  Hopp e  angestellt;  nach  diesen 
behauptet  er,  dass  sich  das  Drehungsvermögen  des  gelösten  Eiweisses  in  der  Zeit,  in- 
sofern keine  Zersetzung  eintrete ,  nicht  ändere :  trete  eine  solche  ein ,  die  sich  durch 
Trübung  der  Lösung  anzeigt,  so  mindere  sich  das  Drehungsvermögen.  Durch  einen  die 
Flüssigkeit  aufhellenden  Zusatz  von  Essigsäure  kann  die  frühere  Drehkraft  wieder  her- 
gestellt werden.  Durch  einen  Zusatz  von  Natron  zum  Bluteiweiss  wird  sein  Drehungs- 
vermögen  vermehrt,  durch  Kochen  mit  demselben  wird  es  anfangs  vermindert,  dann 
aber  bleibe  es  constant.  —  Zur  Graduirung  der  Ablenkungen  braucht  er  die  Bestim- 
mung durch  Ausfällung  in  der  Hitze;  er  erklärt  sich  danach  für  berechtigt  anzuneh- 
men, dass,  wenn  man  die  quantitative  Genauigkeit  nicht  über  0,1  p.  C.  treiben  wolle, 
das  entgegengesetzte  oder  gleichgerichtete  Drehungsbestreben  anderer  in  dem  Blutserum 
gelöster  Stoffe  nicht  zu  berücksichtigen  sei.  Er  bestätigt  dieses  noch  dadurch,  dass 
er  das  Blut  mit  Aether  und  NaCOä  schüttelt,  wodurch  das  Eiweiss  vollends  abgeschie- 
den, die  andern  drehenden  Bestandtheile  des  Serums  aber  in  Lösung  bleiben.  Dieser 
flüssige  Rückstand  lenke  die  Polarisationsebene  nur  um  ein  Unbedeutendes  ab. 

3.  Anderweite  Eiweissstoff e  der  Blutflüssigkeitf). 
In  der  Flüssigkeit,  aus  der  man  noch  so  vorsichtig  und  vollkommen 
nach  den  angegebenen  Verfahren  Faserstoff  und  Eiweiss  heraus- 
geschlagen, bleiben  Stoffe  zurück,  die  nach  den  Resultaten  der 
Elementaranalyse  und  ihren  ßeactionen  zu  der  Gruppe  der  eiweiss- 

♦)  Roser,  Liebigs  Annaion.  Bd.  73  p.  334. 
")  Poggendorf,  Annalen.  86.  Bd.  p.  117  u.  298. 
•♦•)  Vir  c  ho  WS  Archiv  XI.  Bd.  p.  547. 

t)  Mulder,  Versuch  einer  allg.  phys.  Chemie.  Braunschwelg  1851  p.  1107.  —  Molesohot t, 
Physiologie  de»  StoRwechsels.  Erlangen  1861  p.  240.  —  P  a  n  u  m  ,  Archiv  flir  patholog.  Anatomie. 
V.  Virchow,  III.  Bd.  261. 


8 


Fette  und  Extracto. 


artigen  gehören.  Ueber  die  besondere  Natur  derselben  bat  man 
sehr  verschiedene  Meinungen  aufgestellt,  bald  hält  man  sie  für 
Natronalbuminat,  bald  ftir  Käsestoff,  bald  für  Proteinbioxyd  und 
endlich  erklärt  man  sie  auch  für  ein  Gemenge  der  genannten  und 
noch  anderer  eiweissartiger  Stoffe.  Bei  dem  sich  stets  klarer  heraus- 
stellenden Mangel  an  unterscheidenden  Kennzeichen  zwischen  den 
einzelnen  Gliedern  der  Eiweissgruppe  und  den  wenigen  genauen 
Untersuchungen  über  die  fraglichen  Körper  scheint  eine  Entschei- 
dung zwischen  den  Tagesraeinungen  sehr  gewagt.  —  Nach  eigenen 
Untersuchungen  kann  ich  versichern,  dass  zu  allen  Zeiten  ein  Stoff 
in  der  Blutflüssigkeit  vorkommt  von  der  prozentischen  Zusammen- 
setzung, wie  sie  Bd.  1.  p.  38.  C.  angegeben  wurde.  Der  in  diesem 
Stoffe  enthaltene  Schwefel  ist  gleich  demjenigen  des  Proteins  durch 
Erwärmen  in  Kaliaufiösung  nicht  abscheidbar.  — 

4.  Fette*),  wahrscheinlich  fette  Säuren,  werden  nur  in  sehr 
geringer  Menge  aus  der  Blutflüssigkeit  gewonnen;  sie  sind,  wie 
man  vermuthet,  entweder  an  die  Alkalien  des  Bluts,  mit  denen 
sie  Seifen  darstellen,  gebunden  gewesen,  oder  sie  sind  Zersetzungs- 
produkte der  phosphorhaltigen  Fette  (Gobley).  Man  erhält  sie, 
wenn  man  die  Flüssigkeit,  welche  nach  Gerinnung  des  Eiweisses 
durch  die  Hitze  zurückbleibt,  filtrirt,  eindampft  und  mit  Aether 
auszieht.  —  Ausserdem  enthalten,  wie  erwähnt,  Faserstoff  und 
Eiweiss,  wenn  sie  niedergefallen  sind,  Fette,  über  deren  Ursprung 
wir  im  Unklaren  sind ;  vielleicht  waren  sie  in  den  Blut-  und  Lymph- 
körperchen  eingeschlossen,  welche  jene  Stoffe  beim  Coaguliren  mit 
sich  rissen.  — 

5.  Fett  ähnliche  Stoffe**).  Das  Cholestearin,  welches  in 
der  Blutflüssigkeit  vorkommt  (Marcet),  soll  in  den  Seifen  der- 
selben gelöst  sein.  —  Das  Gemenge  fettartiger,  für  sich  in  Wasser 
unlöslicher  Körper,  welchem  Boudet  den  Namen  Serolin  gab,  ist 
später  häufig  vriedergefunden;  über  seine  Zusammensetzung  und 
die  Art,  wie  es  im  Blutwasser  gelöst  ist,  fehlt  eine  Angabe.  Gobley 
zählt  unter  die  Bestandtheile  des  Serolin :  Lecithin,  Cerebrin,  Olein, 
Margarin,  eine  Angabe,  die  eine  weitere  Bestätigung  erwartet.  — 

6.  Der  Zucker  des  Plasma's  ist  gährungsfähig,  und  wahr- 
scheinlich Traubenzucker.  Nach  der  Nahrung,  und  den  Zuständen 
der  Leber  kann  sich  der  Zuckergehalt  des  Hautvenenblutes  von 


•)  Marcet  in  Licbigs  und  Kopps  Jahresbericht  für  1851.  587. 
*»)  Verdoil  und  Marcet  iu  Liebigs  und  Kopps  Jahresbericht  ftir  1851,  p.  588.  — 
loy  ibid. 


G  ob. 


Minerale. 


9 


0,5  pCt  bis  zum  gänzlichen  Verschwinden  ändern;  für  gewöhnlich 
scheint  sein  Prozentgehalt  den  Werth  von  0,15  nicht  zu  übersteigen. 

Die  quantitative  Bestimmung  gescliieht  entweder  durch  Titrireii  mit  Kupfcrlösung 
oder  durch  Gährung,  beides  nach  vorgängiger  Ausfällung  der  Eiweissttoffe  mit  Alkohol. 
Diese  Methoden  geben  nur  angenäherte  Werthe.  —  Die  Sitzungen  in  den  Pariser  Aka- 
demien sind  in  den  Jahren  1855  und  56  häufig  durch  Besprechungen  über  den  Zucker- 
gehalt des  Bluts  ausgefüllt  worden,  an  dem  sich  einerseits  Longet,  Collin,  Figuier 
und  anderseits  Cl.  Bernard,  Lehmann,  Poggiale,  Moleschott,  Leconte, 
Delore  betheiligt  haben.  Bei  dem  Leberblut  und  der  Leber  werden  wir  auf  diese 
meist  unfruchtbare  Diskussion  zurückkommen. 

7.  Harnstoff.  Nach  Picard**)  enthält  das  !Blut  ganz 
gesunder  Menschen  von  0,014  bis  0,017  im  Mittel  0,016  pCt.  dieses 
Körpers;  nach  einer  der  Gesundheit  nicht  wesentlich  beeinträchti- 
genden Unterdrückung  der  Regeln  ohne  bestehende  Schwangerschaft 
steigt  er  bis  zu  0,030  pCt.  Diese  Zahlen  würden  nach  den  Angaben 
V,  Recklingbau sen's  kein  Zutrauen  verdienen. 

Picard  fällt  das  Eiweiss  des  Bluts  mit  Alkohol ,  presst  den  schwach  angesäuer- 
ten Niederschlag  wiederholt  aus  und  verdampft  dann  die  filtrirten  Flüssigkeiten.  Der 
Rückstand  wird  mit  Alkohol  ausgezogen,  noch  einmal  verdunstet  und  das  Eesiduum 
abermals  mit  einem  Gemenge  von  Aether  und  Alkohol  extrahirt ;  dieser  Auszug  wird 
abgedampft  und  sein  Rückstand  in  Wasser  gelöst;  aus  dieser  Lösung  werden  die  noch 
vorhandenen  Extrakte  mit  Blei  gefällt.  Nachdem  der  Bleiüberschuss  mit  SH  entfernt 
wurde,  bestimmt  er  endlich  den  Harnstoff  durch  eine  titrirte  Lösung  von  salpetersaurem 
Quecksilberoxyd  nach  Lieb  ig.  Der  Quecksilberniederschlag  enthält  keinen  andern 
organischen  Körper  als  Harnstoff.  Trotz  der  vielen  mit  der  Harnstofflösung  vorgenom- 
menen Operationen  soll,  wie  sich  Picard  überzeugte,  bei  der  Arbeit  kein  nennens- 
werther  Verlust  vorkommen.  —  Mit  dieser  Angabe  steht  eine  Mittheilung  von  Reck- 
11  ng  hausen  in  grellem  Widerspruch,  welcher  in  dem  durch  die  Lieb  ig' sehe  Flüssig- 
keit erzeugten  Niederschlag  des  Blutextractes  Ammoniak  und  Natron  antraf,  und  der 
in  den  aus  solchem  Blut  zum  Titriren  bereiteten  Lösung  noch  ClNa  vorfand. 

8  — 12.  Kreatin,  Kreatinin,  Harn-,  Hippur-undMilch- 
säure  enthält  das  Blutwasser  in  sehr  geringer  Menge.  Die  hier  auf- 
gezählten Stoffe  machen,  den  Zucker-  und  den  Harnstoff  einge- 
schlossen, wesentlich  das  aus,  was  man  als  den  organischen  Theil 
des  Spirituosen  Blutextractes  bezeichnet,  ein  Namen,  der  darum 
aufzugeben  ist,  weil  die  einzelnen  Glieder  des  Gemenges,  weder 

'  quantitativ,  noch  qualitativ  sich  gleich  bleiben.  — 

13.   Die  mineralischen  Bestandth eile  der  menschlichen 

'  Blutflüssigkeit  hat  man  bis  dahin  meist  aus  der  Asche  ihres  ein- 
getrockneten Rückstandes  bestimmt,  aus  diesem  Grunde  müssen 
den  Angaben  Fehler  anhaften  über  den  Gehalt  an  Chlor,  Schwefel- 
und  Phosphorsäure;  und  da  man  bei  der  Aschendarstellung  die 

')  Do  la  pr^sence  de  Vur^e  dans  lo  gung.  Strasbourg  1866.  —  v.  Reokllnghaii.sen,  Vireliow.i 
'  Archiv  1868. 


10 


Minerale. 


Vorichtsmassregeln  nicht  in  Anwendung  brachte,  welche  nach  den 
Versuchen  von  Er  dm  aun,  Strecker*),  H.  Rose**),  Mitscher- 
lich  und  Heintz***)  nothwendig  sind,  so  ist  auch  der  Gehalt  an 
Kalium  und  Natrium  fehlerhaft  bekannt  geworden. 

Die  Veränderungen,  welche  mit  den  Blutmineralen  bei  der  Aschenbereitung  vor 
sich  gehen,  bestehen  darin,  dass  die  Menge  der  SO3  und  unter  Umständen  die  der 
PhsO^  vermehrt  wird,  in  Folge  einer  Oxydation  des  Schwefels  der  eiweisshaltigen 
und  des  Phosphors  der  fettartigen  Körper.  Die  überschüssige  Schwefelsäure  wird 
aber  Cl  austreiben,  was  auch  schon  durch  die  überschüssige  Kohlen-  und  die  bei  der 
Verbrennung,  sich  bildende  Cyansäure  geschehen  kann.  In  höheren  Temperaturen  ver- 
flüchtigen sich  die  Chloralkalien.  Die  vorhandenen  phosphorsauren  Salze,  mit  zwei 
Atomen  fixer  Basis,  werden  durch  die  neugebildete  Schwefelsäure  zum  Theil  in  saure 
verwandelt ,  aus  denen  die  Phosphorsäure  durch  die  Kohle  zu  Phosphor  reduzirt  und 
dann  verflüchtigt  wird;  oder  es  kann  auch  in  höheren  Temperaturen  das  erwähnte 
phosphorsaure  Salz  sich  in  ein  solches  mit  3  Atomen  fixer  Basis  umwandeln,  wenn 
nämlich  gleichzeitig  ein  kohlensaures  vorhanden  ist. 

Verfahrungsarten,  die  Salze  ganz  oder  theilweise  ohne  Einäscherung  zu  bestimmen, 
geben  Millon****)  und  Heintz  t)  an. 

Aus  der  grossen  Anzahl  bekannt  gewordener  Aschenanalysen 
,von  Denis,  Lecanu,  Marcet,  Marchand,  Nasse,  Weber, 
V  erdeil  und  Schmidt  ff)  wählen  wir  die  des  letztern  Beobach- 
ters aus ;  sie  kann ,  wie  die  übrigen ,  nur  als  eine  Annäherung  an 
die  Wahrheit  angesehen  werden;  denn  die  ihr  zu  Grunde  liegende 
Asche  ist  nach  einem  Verfahren  gewonnen,  welches  dem  älteren 
R  0  s  e 'sehen  ttt)  sehr  ähnlich  sieht.  Immmerhin  scheint  sie  aber 
doch  die  zuverlässigste. 

Nach  Schmidt  gewinnt  man  aus  lÜO  Th.  Blutflüssigkeit  0,85  Th. 
Asche;  diese  bestehen  aus:  Cl  =  0,533,  803=0,013,  PhO^  =0,032, 
CaO  =  0,016,  MgO  =  0,0]0,  Ka  =  0,031,  Na  =  0,341,  0  =  0,045. 

Diese  Asche  zählt  nicht  zu  denjenigen,  welche  alle  die  mine- 
ralischen Bestandtheile  enthält,  die  schon  von  andern  Chemikern 
in  der  Blutflüssigkeit  gefunden  sind.  Namentlich  fehlen  die  häufig 
vorgefundenen:  COj  und  Eisenoxyd  und  die  seltener  vorhandenen: 
Kieselsäure f ttt),  Mangan,  Kupfer,  Blei,  und  endlich  das  von  Mar- 
chand angegebene  Ammoniak. 

*)  Liebigs  Annalen.  73.  Bd. 
**)  Poggend.  Annalen.  79.  Bd. 
•»»)  Zoochemie,  Berlin  1853.  p.  868, 

Annales  de  chimie  et  de  physique  3ieme  s^r.  XIX.  (de  la  pr^sencs  normal  etc.) 
t)  1.  o.  858, 
tt)  1.  c.  p.  19.  p.  31. 

ttt)  Poggendorfs  Annalen  76.  Bd.  u.  81.  Bd.  410. 

tttt)  Kieselsäure  fand  Weber  im  Ochsen  -,  Henneberg,  Enderlin  und  G  o  r  u  p  im  Vogel- 
blut. Da  unter  die  Bestandtheile  des  Menschenhaars  Kieselsäure  gehört  (v.  Laer),  so  mn«»  sie  auch 
im  Menschenblut  vorkommen. 


Minorale.  H 

Diese  Bestandtheile  werden  nun  nach  bekannten  Prinzipien 
zu  Salzen  zusammengeordnet;  man  giebt  nämlich  der  stärksten 
Säure  die  stärkste  Base  bei,  und  berechnet  ausserdem  die  phosphor- 
sauren Salzen  als  solche  mit  3  Atomen  fixer  Basis.  So  erhält  man 
KOSO3  =0,028;  KCL  =  0,036 ;  Na Cl  =  0,554;  SNaOPhO^  =0,032; 
SCaOPhOs  =0,030;  3MgOPli05     0,022;  NaO=0,093 

Da  diese  Berechnung  namentlich  in  Beziehung  auf  die  Verbin- 
dungen der  Phosphorsäure  mit  Alkalien  ganz  willkühiiich  ist,  so 
kann  sie  nicht  in  der  Absicht  angestellt  worden  sein,  um  den 
wahren  Ausdruck  des  Salzgemenges  in  der  Blutasche  zu  geben. 
Aber  dennoch  ist  sie  von  Wichtigkeit,  denn  sie  zeigt  1)  dass  die 
fixen  Säuren  SO3,  PhOj,  CIH  nicht  hinreichen,  um  alle  Basen  zu 
sättigen.  Dieses  Resultat  ist  nicht  in  Uebereinstimmung  mit  den 
Angaben  anderer  Aschenanalytiker ;  denn  wenn  man  auch  niemals  • 
saure  Blutaschen  beobachtete,  so  fand  man  doch  öfter  auch  solche, 
in  denen  die  Basen  grade  zur  Neutralisirung  der  angegebenen 
Säuren  hinreichten.  2)  Die  Natronsalze  überwiegen  ausserordentlich, 
und  unter  diesen  wieder  das  NaCl  in  der  Art,  dass  die  Summe 
aller  übrigen  sich  zu  dem  Kochsalz  wie  3  und  5  verhält.  —  Auf 
dieses  Verhalten  hat,  wie  es  scheint,  Denis  zuerst  die  Aufmerk- 
samkeit gelenkt. 

Hiernächst  entsteht  nun  die  viel  wichtigere  Frage,  in  welcher 
Verbindung  die  in  der  Asche  gefundenen  Minerale  in  der  Blut- 
flüssigkeit enthalten  sind.  Leider  befinden  wir  uns  nicht  in  der 
Lage,  über  diesen  wesentlichsten  Theil  der  Aufgabe  Aufschluss  zu 
geben;  denn  1)  wissen  wir  überhaupt  nicht,  in  welchen  gegenseiti- 
gen Anziehungen  sich  die  Bestandtheile  mehrerer  Salze  befinden, 
die  neben  einander  gelöst  sind,  mit  andern  Worten,  ob  z.  B.  ClKa 
und  2NaOPh05,  und  wenn  sie  in  ein  und  derselben  Flüssigkeit 
gelöst  werden,  in  dieser  noch  als  solche  befindlich  sind,  2)  kennen 
wir  die  Verbindungen  der  organischen  Säuren  des  Blutes  nicht, 
insbesondere  ist  uns  die  Stellung  der  eiweissartigen  Stoffe,  welche 
nach  Wurtz  und  Lieberkühn  schwache  Säuren  darstellen,  zu 
den  Basen  unbekannt,  3)  Ist  bis  jetzt  noch  keine  Angabe  geschehen, 
ob  in  der  Blutflüssigkeit  schwefelsaure  Salze  vorkommen  und  in 
welcher  Menge.  4)  Wie  mehrt  sich  mit  der  Verbrennung  die  Menge 
der  Phosphorsäure?  Angesichts  dieser  Bedenken  lässt  sich  nur  Fol- 
gendes aussprechen. 

Ein  Theil  des  KO  oder  NaO  ist  mit  den  eiweissartigen  Stoffen 
verbunden,  da  wie  schon  erwähnt,  diese  zum  Theil  durch  Zusetzen 


12  Minerale. 

einer  Sänre  ziiui  Serum  und  zwar  entweder  sogleich,  oder  nacii 
vorgängigem  Kochen  gelallt  werden. 

Die  phosphorsaure  Kalk-  und  Bittererde  ist  mit  den  Eiweiss- 
körpern  verbunden,  und  zwar  wahrscheinlich  als  dreibasisch  phos- 
phorsaure. Diese  Annahme  gTündet  sich  darauf,  dass  in  einer 
alkalisch  reagirendcn  Flüssigkeit,  wie  sie  das  Blut  darstellt,  die 
erwähnten  Salze  nur  dann  löslich  sind,  wenn  sie  mit  Eiweissstoffen 
»verbunden  vorkommen;  die  mit  dem  Eiweisstoffe  des  Blutserums 
verbundene  phosphorsaure  Kalk  erde  (und  Magnesia?)  ist  aber 
nach  Heintz  dreibasische. 

Die  Blutflüssigkeit  enthält  wahrscheinlich  kohlensaure  Alkalien.  ^ 
Denn  w.eun  man  aus  der  Blutflüssigkeit  durch  Kochen  und  die 
Luftpumpe  alle  mechanisch  eiugemengte  CO,  entfernt  hat,  kann 
durch  eine  zugesetzte  Säure  eine  neue  Quantität  CO,  unter  der 
Luftpumpe  aus  ihr  erhalten  werden*). 

Die  Gründe,  aus  denen  Lieb  ig  und  Enderlin  die  Anwesenheit  der  kohlen- 
sauren Salze  läugneten,  scheinen  wiederlegt  zu  sein.  Jene  Chemiker  stützten  sich, 
darauf,  das.s  die  Blutasche  des  Menschen  und  der  Fleischfresser  j[wohl  aber  die  der 
Grasfresser)  mit  Säuren  Übergossen  ,  nicht  brausst.  Wir  haben  schon  angegeben ,  dass 
die  kohlensäurehaltige  oder  kohlensäurenfreie  Asche  weder  die  Abwesenheit,  noch  Ani^- 
Wesenheit  von  kohlensauren  Salzen  in  der  Blutflüssigkeit  beweisen  kann.  —  Lieb  ig 
macht  ausserdem  geltend ,  dass  die  gekochte  und  filtrirte  Blutflüssigkeit  bei  Einträui- 
fein  von  fixen  Säuren  keine  CO2  entwickle.  Diese  Thatsache  ist  aber  ebenfalls  nicht 
schlagend,  weil  die  COj  -  freie  Flüssigkeit  begierig  die  in  ihr  entwickelte  CO2  absorbirt, 
wie  Marc  band  und  Mulder  darthaten,  indem  sie  zeigten,  dass,  selbst  wenn  ein. 
Zusatz  von  NaO  OOj  zum  Blut  gemacht  war,  starke  Säuren  keine  Kohlensäure  aus  ilu4 
frei  machten. 

Von  dem  phosphorsauren  Natron  der  Blutflüssigkeit  behauptet 
man  bald,  dass  es  zweibasisches  (PhOj ,  2NaO,  HO),  bald,  dass 
es  dreibasisches  (PhO 5,  3NaO)  sei.  Für  die  letzte  Meinung  spricht 
die  Asche,  welche  kein  pyrophosphorsaures  Natron  enthält.  Hiergegen 
lässt  sich  einwenden,  dass  das  zweibasisch  phosphörsaure  NaO  sich 
beim  Glühen  mit  kohlensaurem  Salze  in  dreibasisches  umwandelt, 
woraus  sich  zur  Genüge  die  Abwesenheit  von  phosphorsaurem 
Natron  in  der  Asche  erklärt,  selbst  wenn  zweibasisches  Salz  in 
der  Flüssigkeit  vorkommt.  Die  Vertheidiger  des  zweibasisch  phos- 
phorsauren Natrons  behaupten  noch  dazu,  dass  im  Blut,  d.  i.  in 
einer  mit  Kohlensäure  geschwängerten  Flüssigkeit,  gar  kein  drei- 


*)  Marchand,  Journ.  für  pr.  Chomio  37.  Bd.  p.  321.  —  Deber  die  Controverse  siehe  aaaaSt 
der  alten  Literatur  von  Gmelin,  Ticdemaiin  ,  v.  Ensehut  u.  s.  w.  —  Liehig,  Annalen  S".  Bd. 
126.  —  L  eh  ma  nn  ,  Journal  für  pr.  Chemie.  40.  Bd.  133.  —  Mulder,  Schelk.  Onderzoek.  V. 
Deel.  435. 

4 


Kohlensäure. 


13 


basisch  phosphorsaiires  Natron  bestehen  könne,  indem  es  augen- 
blicklich in  zweibasisches  und  kohleusam-es  Salz  zerlalle.  Da  auch 
diese  letztere  Behauptung  nicht  durch  unwidersprechliche  That- 
sachen  erwiesen  ist,  so  muss  die  ganze  Frage  dahin  gestellt  bleiben. 

Die  Gegenwart  von  NaCl  und  KaCl  ist  wohl  niemals  geläugnet 
worden.  Die  Kieselsäure  muss,  wenn  sie  vorhanden,  in  Verbindung 
mit  Alkalien  vorkommen. 

lieber  die  Art  und  Weise,  wie  die  Metalle,  namentlich  die 
häufigen.  Eisen  und  Mangan  und  die  seltenen,  Blei  und  Kupfer,  ge- 
bunden sind,  wissen  wir  nichts. 

Den  hier 'angezweifelten  Beweis  für  die  Zusammenorclnung  der  einfachen  Bestand- 
theile  zu  complizirten  glaubt  C.  Schmidt  durch  Vergleichung  des  beobachteten  und 
des  hypothetischen  spezifischen  Gewichtes  der  Flüssigkeit  gegeben  zu  haben.  Das 
hypothetische  spezifische  Gewicht  der  Blutflüssigkeit  lässt  sich  aber  nach  seinen  Vor- 
aussetzungen ableiten ,  wenn  man  weiss ,  um  wie  viel  die  bekannten  Volumina  des 
Wassers  und  eines  löslichen  festen  Stoffs  bei  wirklich  geschehener  Lösung  dieses  letz- 
teren abnahmen,  mit  andern  Worten:  wenn  man  die  Verdichtungscoefficienten  kennt. 
Nachdem  er  diese  letzteren  bestimmt  hat  für  alle  die  Stofi'e ,  welche  seiner  Voraus- 
setzung naeh  in  dem  Blutwasser  gelöst  sind,  macht  er  die  weitere  Annahme,  die  Ver- 
dichtung bleibe  dieselbe  selbst  für  den  Fall,  dass  die  einzelnen  Stoffe,  statt  in  Wasser, 
in  einem  solchen  Salz  -  Gemenge ,  wie  es  die  Blutflüssigkeit  darstellt,  gelöst  seien.  — 
Diese 'Voraussetzung  ist  nun  freilich  willkührlich ;  man  könnte  sie  jedoch  dicssmal  eine 
glückliche  nennen  in  Anbetracht  der  von  ihm  gefundenen  Ueberstimmung  zwischen 
dem  hypothetischen  und  dem  wirklich  beobachteten  spezifischen  Gewichte.  Bei  ge- 
nauerer Ueberlegung  ist  aber  gerade  diese  TJebereinstimmung  geeignet.  Misstrauen  zu 
erregen.  Denn  es  sind  die  von  ihm  angenommenen  Stoße  der  Blutflüssigkeit :  KO  SO3  ; 
KaCl;  NaCl;  2NaOPh05;  NaO;  SCaOPhOs;  2MgOPh05;  Albumin,  Pibrin.  —  Wie 
man  sogleich  sieht,  sind  diese  Stoffe  zum  Theil  offenbar  gar  nicht  im  Blute  vorhan- 
den, wie  z.  B.  KOSO'';  NaO,  und  andere  übersehen  wie  das  Albumin-Natron,  die  Fette 
u.  8.  w. ,  Umstände,  welche  im  günstigsten  Falle  beweisen,  dass  für  die  Salzbestand- 
theile  die  vorgeschlagene  Controle  nichts  leistet. 

14.  Die  Kohlensäure  nimmt  der  Menge  und  ihres  beson- 
deren Verhaltens  wegen  den  ersten  Platz  unter  den  difl'usiblen 
Gasarten  der  Blutflüssigkeit  ein.  Auf  die  Menge  schliessen  wir  in 
Ermangelung  einer  genügenden  Analyse  aus  dem  grossen  Absorp- 
tionsvei-mögen  (der  faserstofffreien)  Blutflüssigkeit*),  welche  unter 
denf  Atmosphärendruck  mit  CO,  gesperrt  das  anderthalbfache  bis 
doppelte  ihres  Volumens  von  dem  Gas  aufninmit  (Schcrcr  **), 
Mul der )***).  Da  H.  Nasse  diese  Beobachtung  dahin  erweitert 
hat,  dass  ein  Blut  um  so  mehr  CÜj  absorbirt,  je  reicher  seine 


')  Nucliilcm  Sic  vorher  durch  Stehen  rtn  der  tuft  Ihre  verdunstlmrc  COa  verloren  f 
••)  Licbigs  Annaion.  00.  Bd.  p.  30. 
")  Physlolof.  Chemie,  Brnnn.schwcig  llS.'i. 


14 


Sauerstoff'  und  Serum. 


Asche  an  NaOCO»  ist;  da  nach  der  vollkommenen  Sättigung  mit 
CO5,  die  Flüssigkeit  noch  alkaliseh  reagirt,  und  da  die  gesättigte 
Blutflüssigkeit  mit  fixen  Säuren  versetzt,  die  Hälfte  ihrer  CO4  selbst 
in  einer  kohlensäurehaltigen  Atmosphäre  verliert,  so  kann  man 
nicht  im  Zweifel  sein,  dass  dieser  CO,  —  Antheil  durch  eins  der 
alkaUsch  reagirenden  Blutsalze  NaOCO^  oder  2NaOPh05  auf- 
genommen und  verdichtet  wurde.  Vergleiche  die  Gase  des  Ge- 
sammtblutes. 

15.  Die  Gegenwart  des  Stick-  und  Sauerstoffs  vermuthen 
wir,  weil  die  Blutflüssigkeit  als  eine  wässerige  Lösung  beide  Luft- 
arteu  in  geringen  Mengen  aufnimmt.  Wir  haben  keinen  Grund,  anzu- 
nehmen, dass  die  Gasarten  anders  als  difFundirt  darin  enthalten  seien, 

16.  Der  Wassergehalt  der  Blutflüssigkeit  ist  im  Mittel  auf 
90  bis  93  pCt.  gefunden  worden. 

Serum.  Derjenige  Antheil  der  Blutflüssigkeit,  welcher  zurück- 
bleibt, nachdem  der  Faserstoff  ausgeschieden  ist,  wird  altem  ärzt- 
lichem Herkommen  gemäss  Serum  sanguinis  genannt.  Dieses 
Serurn  ist  von  praktischer  Bedeutung  für  die  Blutaualytiker ,  weil 
nur  diese,  nicht  aber  das  gesammte  Plasma  der  Untersuchung  so 
weit  zugänglich  ist,  dass  spez.  Gewicht,  Farbe,  Consistenz  u.  s.iw. 
beobachtet  werden  können. 

Da  in  der  That  die  Menge  des  ausfallenden  Faserstoffs  sehr 
gering  ist,  und  die  Eigenschaften  desselben,  so  lange  er  in  Lösimg 
befindlich,  soweit  wir  wissen,  sich  nicht  von  denjenigen  der  übrigen 
Eiweissstoffe  unterscheiden,  so  Würde  eine  Uebereinstimmung  in 
den  physikalischen  Verhältnissen  von  Plasma  und  Serum  statuirt 
werden  dürfen,  wenn  dieses  letztere  nur  hinreichend  rein  erhalten 
werden  könnte.    Dies  ist  aber  nur  selten  der  Fall. 

Das  Serum  gewinnt  man  entweder  so ,  dass  man  das  aus  der  Ader  gelassene  Blut 
sogleich  gerinnen  lässt.  Der  durch  die  ganze  Masse  des  Blutes  vertheilte  Faserstoff 
sehliesst  hei  seiner  Gerinnung  sämmtliche  Blutkörperchen  sammt  der  Blutflüssigkeit 
ein,  so  dass  unmittelbar  nach  derselben  das  Blut  einen  zusammenhängenden,  sehr 
lockereu  Kuchen  bildet.  Nach  einiger  Zeit  aber  beginnt  die  Zusammenziehung  des 
Faserstoffs ,  so  dass  nun  die  Blutflüssigkeit  aus  dem  Kuchen  ausgetrieben  wird ,  wäh- 
rend ein  sehr  grosser  Theil  der  Körxierchen  des  Blutes,  welcher  auf  dem  Faserstoff"^ 
balken  aufgelagert  ist,  den  Bewegungen  derselben  folgt  und  in  dem  Kuchen  einge- 
schlossen bleibt.  So  unternimmt  das  Blut  selbst  eine  Filtration ,  die  wir  vergebena 
künstlich  nachzuahmen  versuchen.  —  Begreiflich  ist  aber  auch  diese  Filtration  keine 
vollkommene  und  namentlich  tritt  ein  aufgeschwemmter  Bestandthoil,  der  dem  Faser* 
stoiT  weniger  stark  zu  adhäriren  scheint,  die  sog.  Lymphkörperchen ,  mit  dem  Serum 
aus  dem  Kuchen.  Diese  Körperchen  sind  nun  entweder  spez.  leichter  als  das  Serum,' 
sie  treten  nach  oben  (und  können  zum  Theil  wenigstens  abgehoben  werden  .>)  oder  sie 


Blutscheiben. 


15 


sind  von  gleicher  Eigenschwere;  diese  verunreinigen  also  das  Serum.  Da  das  Filter, 
welches  dem  Blutserum  noch  den  Durchtritt  gestattet,  sie  nicht  eufückhält,  so  werden 
sie  nicht  von  der  Blutflüssigkeit  getrennt  und  bilden  immer  vorkommende  Verunrei- 
nigungen derselben.  —  Zuweilen  zieht  man  es  vor,  das  Blut  nach  dem  Austritt  aus 
der  Ader  sogleich  zu  schlagen  zur  Abscheidung  des  Faserstoffs  und  die  zurückbleibende 
Flüssigkeit  sich  selbst  zu  überlassen ;  bei  vollkommener  Euhe  derselben  senken  sich 
dann  die  rothen  Körperchen  desselben  allmählig  zu  Boden.  Das  auf  die  eine  oder 
andere  Art  geschiedene  Serum  hebt  man  dann  vorsichtig  mit  der  Pipette  vom  Boden- 
satz oder  dem  Blutkuchen  ab. 

Das  spez.  Gewictt  des  meist  gelblich  gefärbten  Serums  wird 
im  Mittel  zu  1028,  das  des  Wassers  =  1000  gesetzt,  angegeben. 

B.   Aufgeschwemmte  Blutb estandtheile. 

Zu  ihnen  gehören  die  Blutscheiben,  die  Lymphkörperchen,  die 
Molekularkörnchen  und  FaserstotfschoUen. 

a.  Die  Blutscheiben  sind  im  Blute  ungemein  zahlreich 
vertreten,  indem  nach  den  Zählungen  von  Vierordt*)  und 
H.  Welker**)  in  einem  Cubikmillimeter  Blut  4  bis  5,5  Millionen 
Stück  enthalten  sind. 

Die  Zählung  der  Blutkörperchen  in  einem  genau  gemessenen  Blutvolumen  ist  zu- 
erst von' Vierordt  ausgeführt;  diese  mühsame  Arbeit  ist  durch  die  "Welk er' sehen 
Verbesserungen  der  Technik  wesentlich  vereinfacht  worden.  Sie  würde  nach  diesem 
letzteren  Autor  zu  einer  verhältnissmässig  sehr  leichten  werden,  wenn  sich  die  An- 
nahme desselben  bestätigte ,  dass  die  färbende  Kraft  des  Bluts  in  einer  festen  Be- 
ziehung zu  der  Zahl  seiner  Körperchen  stände.  Wäre  dieses  der  Fall  so  würden  die 
Körperchen  in  einem  C.-Mm.  Blut  gezählt,  und  zugleich  ein  anderes  bestimmtes  Volum 
desselben  Bluts  mit  einem  gemessenem  Volum  einer  farblosen  Flüssigkeit  z.  B.  ver- 
dünntem Alkohol  zu  vermischen  sein ;  sollte  nun  der  Blutkörperchengehalt  einer  andern 
Blutprobe  ermittelt  werden,  so  verdünnt  man  diese  so  lange  mit  derselben  farblosen 
Flüssigkeit,  bis  sie  die  Farbe  der  ersten  Mischung  angenommen.  Die  Blutkörperehen- 
zahlen  verhalten  sich  wie  die  Volumina  der  Zusatzflüssigkeiten. 

1.  Anatomisches  Verhalten  ***).  Die  Blutscheiben  sind  kleine 
Zellen,  deren  Inhalt  roth  oder  grün  (Brücke)  gefärbt  ist;  obwohl 
ihre  Form  keineswegs  als  eine  beständige  anzusehen  ist,  so  stellt 
doch  die  weitaus  grösste  Zahl  derselben  Rundscheiben  dar,  die  auf 
der  Fläche  liegend,  sich  wie  eine  oben  hohle  Linse  ausnehmen, 
während  sie  auf  dem  Rande  stehend  das  Ansehen  eines  Biscuits 
darbieten.  Auf  eine  Vertiefung  der  obern  Fläche  schliessen  wir 
aus  der  Vertheilung,  die  hier  das  Licht  eines  Büschels  erfährt, 
welches  von  der  untem  Fläche  her  mit  parallelen  Strahlen  in  die 
Blutscheiben  eingedrungen  ist;  bekanntlich  erscheint  beim  durch- 

•)  Archiv  f.  physlol.  Hellkunde.  XI.  20.  327.  854.  Xm.  259. 
••)  Prager  Vlerteljahrsclirlft.  XLIV.  11. 
•••)  Kölliker,  Handbuch  der  Oowebol'ehrc.  5.  08.  —  Vierordt,  Archiv  filr  pliysiolog.  Heil- 
kunde. XI.  864. 


16 


Blutscheiben. 


falleudeii  Licht  die  helle  Mitte  des  Blutköi-perchens  von  eine 
leichten  Verdunklung  umgeben,  auf  die  nach  aussen  ein  helle i 
Ring  folgt;  analysirt  man  aber  den  Gang  der  parallelen  Strahlen 

1234  Fig.  I.  durch  die  plancocavi 
Linse  aa.,  so  wird  man  sogleicli 
sehen,  dass  auf  der  oberen  Fläche 
die  Mitte  hell,  der  ausgebogen« 
Theil  lichtschwach,  und  der  Kam 
wieder  lichtstark  erscheinen  muss 
—  Die  Biscuitform  der  auf  dei 
Kante  stehenden  Blutscheiben  be 
weist,  dass  der  Rand  nicht  überall 
/    i  3        s  2    /  gleich  breit  ist,  denn  sonst  mUsstt 

diese  Ansicht  ein  Rechteck  darstellen.  —  Ausser  dieser  häufigstei 
Gestalt  kommen  noch  andere  vor,  zuweilen  steht  die  Vei-tiefun;; 
excentrisch,  oder  die  Seheibe  ist  auf  beiden  Flächen  erhaben,  oder 
die  Ränder  tragen  Zacken. 

Die  Blutkörperchen  der  ersten  Form  kann  man  in  ein  kugeliges  Gebüde  verwan- 
deln, wenn  man  die  Blutflüssigkeit,  in  der  sie  schwimmen,  mit  Wasser  verdünnt,  wo- 
durch  wahrscheinlich  in  Folge  einer  Diifusionsströmung  der  Inhalt  vermehrt  wird.  — 
Die  Zackenform  erhalten  die  Körperohen,  wenn  sie  in  eine  concentrirte  Lösung  von 
Glaubersalz,  Zucker  u.  s.  w.  gebracht  werden.  Uebor  andere  Formveränderungen  siehe 
bei  Lind  wurm  *),  D  on  ders,  Mo  1  e  s  cho  1 1  **) ,  Stannius  ***),  Lehmann  f) 

Der  Inhalt  der  Blutscheiben  ist  bald  mehr,  bald  weniger  tiel 
gefärbt,  bald  ist  er  klar,  bald  noch  mit  Körnchen  und  Krümeln 
gefüllt. 

2.  Chemische  Beschaffenheit.  Um  das  Blutkörperchen  behufs 
seiner  quantitativen  Zerlegung  vom  Plasma  zu  sondern,  hat  F. 
Hoppe  tt)  einen  schon  von  Z  i  m  m  e  r m  an  n  ff f)  angedeuteten  Wer 
eingeschlagen.  Er  ist  ausführbar  an  Blut,  dessen  Körperchen  sicli 
schon  merklich  gesenkt  haben,  bevor  die  Gerinnung  des  Faserl•toff^ 
eingetreten.  Von  einem  solchen  Blut  schöi)ft  man  das  über  dem 
rothen  Theil  stehende  Plasma  ab,  und  bestimmt,  nachdem  die  Ge 
rinnung  in  den  beiden  gewogenen  Portionen  (der  farblosen  und 
der  gefärbten)  eingetreten,  den  Faserstoff.  Da  man  den  Faserstofi 
als  nur  dem  Plasma  angehörig  ansehen  darf,  so  gewinnt  man  au^- 


*)  ZeitBohrlft  v.  Henle  u.  Pfouffor.  VI.  Bd.  2GG. 
•  *)  Hol  Und,  Beiträge  p.  3G0  ii.  Illustr.  med.  Zcitg.  III.  70. 
*»•)  Bcolmclitg.  Uber  Vorjiingungsvorgängo.    Rostock  1853. 
t)  Pliysiolog.  Chemie.  II.  1G4. 
tt)  Archiv  fiir  physlolog.  Heilltundo.  XI.  298. 
tft)  Vircliows  Archiv  XII.  Bd.  48.'). 


Blutscheiben. 


17 


der  bekannten  Verhältnisszalil  zwischen  Plasma  und  Faserstoff  und 
dem  bekannten  Faserstoff  des  Blutkuchens,  den  Plasmagehalt  des 
letztern  durch  Proportionsrechnung.  Wäre  nun  der  Blutkuchen  und 
das  reine  Plasma  weiter  zerlegt,  so  würde  man  auch  die  Zusammen- 
setzung des  im  Blutkuchen  enthaltenen  Plasma's  finden  können, 
und  es  würde  durch  Subtraction  der  ihm  angehörigen  Stoffe  von 
den  entsprechenden  im  gesammten  Blutkuchen  gefundenen  die  Zu- 
sammensetzung der  Blutkörperchen  zu  berechnen  sein. 

Diese  Methode  verlangt,  was  besonders  zu  betonen  ist,  dass  die  Scbeidung  von 
Plasma  und  dem  gefärbten  Blutantheil  vorgenommen  wird ,  bevor  die  Gerinnung  ein- 
trat; denn  ohne  diess  würde  man  das  wahre  Verhältniss  zwischen  Plasma  und  Faser- 
stoff nicht  finden,  weil  nach  Ausscheidung  des  letztern  augenblicklich  das  difFusive 
Gleichgewicht  zwischen  den  rothen  Scheiben  und  der  umgebenden  Flüssigkeit  gestört 
sein  würde.  —  F.  Hoppe  fordert  auch,  und  zwar  mit  Eecht ,  eine  noch  viel  ge- 
nauere Bestimmung  des  Faserstoffs  als  die  bisher  gebräuchliche ,  bei  der  man  weder 
die  geformten  Einschlüsse  in  das  Gerinnsel,  noch  auch  dieses  selbst  ohne  Zersetzung 
auswaschen  kann.  Würde  das  Verfahren  zu  einem  wirklich  strengen  erhoben,  so  müsste 
es  als  ein  grosser  Fortschritt  begrüsst  werden.  Diese  Hoffnung  steigt  um  so  mehr, 
als  Brücke  uns  das  Blut  sehr  langsam  gerinnen  lehrte.  —  Alle  andern  Methoden, 
welche  zur  Sonderung  der  Blutkörperchen  vorgeschlagen  sind ,  beruhen  entweder  auf 
unrichtigen  Voraussetzungen  oder  die  an  und  für  sich  richtigen  Vorschläge  sind  un- 
ausführbar.   Sie  sind  der  Eeihe  nach  aufgezählt: 

1.  Filtration.  Versetzt  man  ein  von  Faserstoff  befreites  Blut  mit  seinem 
mehrfachen  Volum  einer  concentrirten  Glaubersalzlösung,  und  leitet  durch  dasselbe, 
nachdem  es  auf  ein  Papierfilter  gebracht  worden.  Sauerstoffgas,  so  wird  nicht  allein 
die  Mehrzahl  der  Körperchen  zurückgehalten,  sondern  es  lässt  sich  auch  durch  Glauber- 
salz der  Rückstand  so  vollkommen  auswaschen,  dass  die  Waschflüssigkeit  kein  ClNa 
und  keine  organischen  Bestandtheile,  namentlich  kein  Eiweiss  mehr  enthält.  (Berze- 
lius,  Dumas*),  Lecanu**)).  Diesen  ausgewaschenen  Rückstand  haben  einzelne 
Chemiker  für  reine  Blutkörperchen  angesehen,  eine  Meinung,  welche  sowohl  die  phy- 
.sikalische  Ueberlegung  wie  auch  das  optische  Verhalten  als  unrichtig  erweist,  indem 
die  Körperchen,  wie  wir  schon  erfuhren,  unter  dem  Einfluss  der  Salzlösung  ver- 
jchrurapfen  und  ihre  Form  ändern;  diese  Formänderung,  namentlich  das  Schrumpfen 
lerselben,  ist  nothwendig,  wenn  man  bedenkt,  dass  der  Inhalt  durch  die  für  wässrige 
Lösungen  durchgängige  Membran  auf  diffusivem  Wege  der  Glaubersalzlösung  einen 
rheil  seiner  Bestandtheile  abgeben  und  dafür  andere  empfangen  muss.    Einen  weiteren 

'Beweis  für  diese  Behauptung  wird  man  zu  liefern  im  Stande  sein,  wenn  man  eine 
'iolche  mit  Glaubersalzlösung  gewaschene  Blutkörperchenmasse  einige  Zeit  in  dieser 
jösung  aufbewahren  und  diese  letztere  auf  ihre  Bestandtheile  untersuchen  würde.  Diese 
üinwcndungen  können  natürlich  dem  Filtrations verfahren  seinen  grossen  Werth  für  die 
•  ualitativc  Untersuchung  des  Blutkörperchens  nicht  rauben. 

2.  Man  behauptete  zu  verschiedenen  Zeiten  (Dumas-Prevost,  C.  Schmidt***), 
f-ass  ein  oder  der  andre  Stoft"  nur  der  Blutflüssigkeit  oder  dem  Serum,  nicht  aber  den 

*)  Compt.  rend.  XXTI.  900. 
")  ibid.  XXV.  11. 
1.  c.  p.  18. 

hiiilwifr,  l'liysiologiu  11.    2.  Autlago,  2 


18 


Blutscliciben. 


Körperclieil  eigen  sei.  So  liiclten  Dumas  und  1'  v  c  v  n  s  t  dafür ,  die  Blutkörpcrclien 
seien  mit  Serum  durchtränkte  und  gefüllte  Säcke ;  indem  somit  das  Eigcnthümliche 
der  Blutseheibe  nur  in  ihrer  Haut  bestehen  sollte,  sprachen  sie  ihr  allen  Wassergehalt 
ab.  Diese  Annahme  ist  aber  durch  mancherlei  Thatsachen,  insbesondere  durch  die 
Untersuchung  der  filtrirten  Blutkörper  widerlegt.  —  C.  Schmidt*)  nimmt  an, 
dass  das  Chlor  der  Blutscheiben  mit  Kalium ,  das  des  Serums  mit  Natrium  verbunden 
sei,  so  dass  also  dem  einen  Bestandtheil  das  Chlorkalium,  dem  andern  das  Kochsalz 
abgebe.  Diese  Annahme  ist  aber  voUkomen  willkürlich,  weil  selbst  nach  seinen  Beob- 
achtungen neben  NaCl  und  KaCl  noch  die  Anwesenheit  von  NaO  in  den  Blutscheiben 
und  von  KaO  in  dem  Serum  feststeht.  — 

3.  Zimmermann  und  Vierordt  haben    vorgeschlagen,    ein    Gemenge  von 
Serum  und  Scheiben  einem  Stoff  von  beliebiger  Zusammensetzung  beizumischen ,  für 
welchen  die  Blutscheibeuhülle  undurchdringlich  sei  und  der,  obwohl  er  sich  im  Wasser 
löse ,  weder  Wasser ,  noch  irgend  einen  andern  Bestandtheil  des  Blutscheibeninhaltes 
au  sich  ziehe.    Gäbe  es  einen  solchen  Körper,  so  würde  die  Aufgabe  gelöst  sein :  den 
Gehalt  einer  beliebigen  Blutmenge  an  Serum  und  Scheiben  und  daraus  die  Zusammen 
Setzung  der  letztern  zu  bestimmen.    Denn  man  hätte  zu  einem  bekannten  Gewicht  Blut 
eine  gewogene  Menge  des  fraglichen  Stoffs  zu  setzen,   aus  diesem  Blut  Serum  zu  ge 
Winnen  und  den  prozentischen  Gehalt  desselben  an  dem  zugesetzten  Stoff  zu  ermit 
teln;  offenbar  würde  dann  aus  der  eingetretenen  Verdünnung  die  Masse  des  anwesen- 
den Serums  gefolgert  werden  können.    Dieser  einfache  Vorschlag  scheitert  aber  daran 
dass  es  schwerlich  einen  Stoff  von  den  verlangten  Eigenschaften  giebt ;  nach  den  bis 
dahin  vorliegenden  Thatsachen  über  Diffusion,  würde  nur  der  Zusatz  die  verlangten 
Eigenschaften  besitzen ,  dessen  Zusammensetzung  mit  der  des  Serums  zusammenfielen 
mit  andern  Worten :  ein  solcher ,  der  sich  schon  diffusiv  mit  dem  Dihalt  der  Blutkör- 
perchen ausgeglichen.    Dieser  Zusatz  würde  uns  aber  nichts  helfen,  denn  damit  würde 
die  prozcntischo  Zusammensetzung  des  Serums  nicht  umgeändert  und  auf  dieser  Um 
Wandlung  beruht  die  Brauchbarkeit  des  Verfahrens. 

4.  Man  hat  auch  den  Versuch  gemacht,  das  Volum  der  Blutkörperchen  oder  de 
Serums  zu  bestimmen,  entweder,  indem  man  die  Blutkörperchen  eines  bekannten  Volum 
Blut  zählte  und  die  Zahl  mit  dem  Volum  eines  Blutkörperchens  multiplizirte ,  desse 
Durclimesser  man  unter  dem  Mikroskop  bestimmt  hatte,  oder  indem  man  Scheiben  a 
dem  Blutkuchen  schnitt  und  die  Zwischenräume  zwischen  den  einzelnen  Blutkörperche 
zu  messen  suchte  u.  s.  w.  Man  kann  kaum  der  Meinung  sein,  dass  es  mit  diese 
Vorhaben  Emst  gewesen  sei. 

Von  quantitativen  Bestimmungen  liegt  nur  die  des  Wassergehal 
der  Blutkörperchen  vor.  Er  betrug  im  Blute  eines  Pferdes,  desse 
Serum  in  100  Theilen  =  90,824  Wasser  enthielt  =  56,5  pC 
(F.  Hoppe)  **). 

An  andern  bis  dahin  nur  qualitativ  bestimmten  StofiFen  sind  di 
Blutscheiben  eigen: 


»)  1.  c.  p.  18. 

•»)  Hoppe  rechnet  nach  seinen  Beobaohtungszahlen  02,98  pCt.  Wasser  aus ,  wozu  slo  ab 
uicht  fUUrcu. 


Bliitschoibon. 


19 


Eiweissstoffe*)  und  zwar  als  Hülle  der  Blutkörperchen  in 
fester  und  im  Inhalt  derselben  in  flüssiger  Fonn  (Globulin).  Die 
chemischen  Eigenschaften  und  die  Zusammensetzung  lässt  sich  nicht 
angeben,  da  keiner  von  beiden  rein  genug  dargestellt  ist. 

Haematin.  Der  rothe  Stofl",  gewonnen  nach  dem  Verfahren 
von  Lecanu,  Gmelin  und  Wittich**)  scheint  weder  rein  noch  un- 
verändert zu  sein,  doch  steht  er  den  unveränderten  mindestens  sehr 
nahe,  denn  er  kann  wie  der  Blutfarbstoif  den  dichroitischen  Zustand 
annehmen,  d.  h.  er  erscheint  bei  aulfallendem  Lichte  roth  und  bei 
durchfallendem  grün,  wenn  seine  ammoniakalische  AlkohoUösung 
mit  viel  Wasser,  oder  mit  Kali,  Natron,  NaoCO,,  KOCO^, 
Amo.  COj  oder  CO 2  versetzt  wird  (Brücke)***).  Ausserdem  theilt 
er  mit  dem  frischen  Blutfarbstoff  die  Eigenschaft,  die  Guajactinktur 
blau  zu  färben,  wenn  er  ihr  gemeinsam  mit  altem  Terpenthinöl 
oder  Wasserstoffsuperoxyd  zugesetzt  wird.  Dieses  Verhalten  stellt 
ihn  in  die  Reihe  der  Körper,  welche  den  gewöhnlichen  Sauerstoff 
in  Ozon  umwandeln  (His  ****),  Schönbein). 

Haematin  und  Globulin  im  Gemenge  (Haemin  und  Hacmatocrystallin)  sind  neuer- 
dings vielfach  auf  ihre  Krystallisationserscheinungen  untersucht  worden  von  Kunde, 
Funke,  Lehmann  f)»  Teichmann  ff),  M e c k e  1  ftt)-  Diese  ungemein  interes- 
santen Thatsachen  sind  leider  noch  von  keiner  tüchtigen  chemischen  Hand  benutzt 
worden,  ma  uns  Aufklärung  über  die  chemische  Natur  der  genannten  Stoffe  zu  ver- 
schaffen. —  WesentUiche  Fehler  in  den  Eesultaten  der  Lecanu'  sehen  f-l-ft)  Unter- 
suchung über  die  Eigenschaften  desselben  Gemenges  weist  "Wittich  nach;  dem  ent- 
sprechend verlieren  auch  die  Dumas 'sehen  Elementaranalysen  der  filtrirten  und  ge- 
trockneten Körperchen  ihren  letzten  Werth. 

Ein  phospho rhaltiges  Fett;  der  ätherische  fettartige  Aus- 
zug der  mit  Glaubersalz*  filtrirten  Scheiben  hinterlässt  22pCt.  einer 
sauren  phosphorsauren  Kalkasche. 

Die  Asche  der  Blutkörperchen  ist  reicher  an  Eisenoxyd  und 
phosphorsauren  Alkalien  und  reicher  an  Kali  (H.  Nasse  §), 
Schmidt  §§),  Weber§§§)  und  die  Summe  der  Kalien  und  Erden 

•)  Oondcm  und  Mcleschott  in  den  U  o  1  lä  n  d  i  sc  ho  ii  Beitrügen  p.  10  und  ebendaselbst 
p.  360.  —  Lehmann,  physiolog.  Chemie.  11.  Bd.  1G&. 

»•)  Journ.  f.  prakt.  Chemie.  61.  Bd.  11.  —  Pharmaz.  Centrulbl.  1854.  Nr.  22. 
••*)  SitznnBBberlcht  der  Wiener  Akademie.  XI.  Bd.  1070.    Pharninz.  Centralbl.  1854.  Nr.  14. 
••*•)  Vir  che  w«  Archiv  X.  Bd.  499. 

t)  Leipziger  akadcm.  Berichte.  18r)2  p.  23  und  28.  1053  p.  III.  Ausgezogen  im  Journal  für 
prakt.  Chemie.  — 

tt)  Zeitschrift,  Hcnlc  und  Pfenffor  N.  F.  UI.  375. 
ttt)  Ueber  Uacmatoglobulln ,  Deutsche  Klinik  1862. 
tttt)  l'harmaz.  Centralbl.  1852.  708. 

§)  Wagners  Handwörterbuch.  1.  Bd.  177  u.  180. 
SS)  1.  c.  p.  30. 

HS)  Pogg.  Annal.  81.  Bd.  9). 

'2* 


20 


Blutscheiben. 


ist  in  gleichen  Gewichtstheilen  Blutkörperchen  geringer  als  in  dem 
Serum,  — 

Die  Blutkörperchen  enthalten  endlich  auch  auf  mechanischem 
Wege  abscheidbare  Gase,  insbesondere  Sauerstoffgas,  da  die  Volum- 
einheit eines  Gemenges  von  Körperchen  und  Serum  mehr  Sauerstoff 
zu  absorbiren  vermag  als  die  des  Serums.  (J.  Davy,  H.  Nasse*) 
Da  die  Volümeinheit  des  Gesammtbluts  noch  weniger  CO^  aufnimmt 
als  die  des  Serums,  so  beweist  diess,  dass  die  Körperchen  wenig 
oder  gar  keine  COj  aufsaugen.  Leitet  man  Sauerstoffgas  durch 
Blut,  so  nimmt  es  eine  hellrothe  Farbe  an ;  fügt  man  während,  die 
Einleitung  von  0  fortdauert,  dem  Blute  Rohrzucker,  Weinstein  oder 
essigsäurefreien  Alkohol,  oder  ameisensäurefreien  Methylalkohol 
oder  ölsaures  Natron  oder  kohlensaures  Ammoniak  zu,  so  findet 
man  nach  21  bis  22  Stunden  den  Rohrzucker  und  Weinstein  gar 
nicht  die  Oelseife  nur  theilweise  wieder,  statt  des  Alkohols  und 
Essigsäure  und  statt  des  Methyls  Ameisensäure  und  statt  des  Am 
moniaks  Salpetersäure.  Trägt  man  unter  gleichen  Bedingungen 
die  oben  erwähnten  Stoffe  in  das  Serum  ein,  so  findet  man  sie 
unverändert  (K  e  t  z  i  n  s  k  y  **).  Hieran  schliesst  sich  die  Betrachtung 
von  Schönbein***),  dass  eine  mit  Terpenthiuöl  oder  Wasserstoff- 
superoxyd vermengte  Guajactinktur  durch  einen  Zusatz  von  Blut, 
nicht  aber  durch  Serum  blau  gefärbt  wird.  Diese  Eigenschaft  ist 
vom  Eisengehalt  der  Körperchen  abhängig,  da  weder  Fäulniss 
noch  Siedehitze,  wohl  aber  Entziehung  des  Eisens  die  Erscheinung 
aufhebt.  —  Nach  Lothar  Meyer  f)  kann  der  in  das  Blut  aufge- 
nommene Sauerstoff  durch  Kochen  leicht  wieder  aus  ihm  entfernt 
werden;  setzt  man  aber  dem  Blut  bis  zum  schwachen  Ansäuren 
Weinsteinsäure  zu,  so  wird  der  Ostoff  zum  grössten  Theil  so  fest 
gebunden,  dass  er  nicht  wieder  ausgetrieben  werden  kann.  — 
Endlich  beobachtete  Harlayff)  dass,  wenn  man  mit  geschla- 
genem Blut  atmosphärische  Luft  24  Stunden  hindurch  in  Berührung 
lässt,  dieses  Ostoff  bindet  und  CO,  in  mehr  als  doppelt  so  grosser 
Quantität  ausgiebt,  als  das  Serum  unter  gleichen  Umständen 
Alle  diese  Thatsachen  zeigen,  dass  die  Blutkörperchen  nicht  allein 
eine  ausgesprochene  Verwandschaft  zum  Sauerstoff  besitzen,  son- 


•)  1.  c.  177. 

*•)  Scherer' s  Jahresbericht  für  physiolog.  Chemie  für  1854.  p.  104. 
**•)  Münchner  aluidemische  Denkschriften  und  Schriften  der  naturforgchenden  Gesellschaft 
Ilnsel  1858.  II.  9. 

t)  Henle's  und  Pfeuffer's  Zeitsclirlft.  N.  F.  VUI.  Bd. 
•jt)  Scher  er,  Jnhresberidit  für  physiolog.  Clieniio  nir  IHW;  p.  1.')7. 


Lymphkorperchen. 


21 


dem  noch  mehr,  dass  sie  dieses  Element  auch  befähigen,  chemische 
Verbindungen  einzugehen,  die  ohne  ihre  Vermittelung  nicht  zu 
Stande  gekommen  wären. 

Schüttelt  man  das  Blut  einige  Minuten  lang  mit  CO^,  so  nimmt 
es  eine  dunkle  Farbe  an,  und  wird  dichi'oitisch.  Diese  Doppel- 
farbigkeit  kann  ihm  durch  Berührung  mit  Ogas  wieder  entzogen 
werden  (Brücke).  Schüttelt  man  das  stark  mit  Wasser  verdünnte 
Blut  dagegen  ]0  — 15  Minuten  lang  mit  CO,,  so  wird  das  Blut 
braun  und  die  rothe  Färbung  kann  ihm  durch  Zufuhr  von  Sauer- 
stoffgas nicht  wieder  gegeben  werden  (Heidenhain)*). 

Kohlenoxyd  treibt  das  mit  den  Körperchen  verbundene  Ogas  aus  und  färbt  die- 
selben kirschroth,  diese  Färbung  kann  durch  0,  COi,  Kochen  und  das  Vacuum  nicht  ent- 
fernt werden,  woraus  in  Verbindung  mit  der  allbekannten  Erfahrung,  dass  das  Athmen 
dieses  Gases  zur  Erstickung  führt,  zu  schliessen  ist,  dass  die  Verbindung  des  Blut- 
roths mit  CO  die  Aufnahme  von  0  verhindert.  (F.  Hoppe)**),  Gl.  Bernard, 
L.Meyer.) 

b  —  d.  Lymphkorperchen,  Molekularkörnchen,  Fa- 
serstoffschollen finden  sich  neben  den  farbigen  Körperchen  im 
Blut  aufgeschwemmt;  da  weder  über  die  chemische  Zusammen- 
setzung und  noch  weniger  über  die  physiologischen  Beziehungen 
dieser  Stoffe  etwas  bekannt  geworden,  so  unterlassen  wir  es  hier, 
ihre  Form  darzustellen,  welche  ausfühi'lich  in  den  Lehrbüchern 

;der  mikroskopischen  Anatomie  behandelt  wird.  Diese  Gebilde 
zeigen***)  (Wharton,    Jones,    Robin,   Lebert,  Lieber- 

;ktihn,  Ecker,  Häckel)  sehr  langsame  Bewegungen,  in  Folge 

i deren  sie  aus  der  Kugel-  in  die  Stern-  und  noch  manche  andere 

•  Formen  übergehen. 

Die  Zahl  der  farblosen  Körperchen  ist  viel  geringer  als  die 

■  der  farbigen ;  nach  den  Zählungen  von  W  e  1  k  e  r  f)  sind  in 
1  Cubikmillimeter  Blut  zwischen  8000  bis  13000  enthalten,  so  dass 

|nach  zwei  vergleichenden  Zählungen  auf  350  bis  500  rothe  1  farb- 

I  loses  kam.  lieber  die  wechselnden  Mengenverhältnisse  der  Lymph- 
korperchen sind  die  Artikel:   Milz,  Leberblut,  Blut  während  der 

j  Verdauung  nach  gewissen  Nahrungsmitteln ,  und  über  die  Bezie- 

,  hung  zwischen  Blut  und  Lymphkorperchen  ist  der  Abschnitt  über 

'  Lymphe  nachzusehen.  — 


•)  DIsqaisItiones  criticae  et  o.^pcrinieiitaloa  ilo  snnguiiiis  r]uaiititnto.  IlaUe  1857.  p.  32. 
'•)  Virchow»  Archiv  XI.  Bd.  288. 

'*)  Müllers  Archiv  1857.  610.    Wiirzbnrifer  Vorhandlungen  Dezember  1886.  — 
t)  1.  c.  p.  34. 


22 


Blutanalyso. 


C.  Gesamratblut. 

1.  Eine  erschöpfende  quantitative  Analyse  des  Gesammtbluts 
kann  erst  dann  zur  Ausführung  Icommen,  wenn  es  gelungen  ist, 
die  Blutkörperchen  von  der  Blutflüssigkeit  scharf  zu  trennen  und 
vi^enn  uns  nicht  allein  alle  Blutbestandtheile,  sondern  auch  eine- 
quantitative Bestiraraungsmethode  jedes  einzelnen  bekannt  ist.  In 
Ermangelung  einer  solchen  begnügt  man  sich  mit  der  annährend 
richtigen  Bestimmung  einzelner  Bestandtheile  des  Bluts,  und  nament- 
lich ermittelt  man  den  Wassergehalt,  die  Summe  der  im  kochenden 
Wasser  unlöslichen  Bestandtheile  (Hüllen  der  Blutkörperchen,  Eiweiss- 
stoffe  der  Körperchen  und  der  Flüssigkeit  mit  eingeschlossenen 
Salzen),  der  in  Aether,  in  kochendem  Alkohol  und  in  Wasser  lös 
liehen  und  der  unverbrennlichen  Bestandtheile,  sowie  ferner  des 
Wassergehaltes  der  Blutkörperchen.  Obwohl  man  auf  der  von 
Hoppe  verfolgten  Bahn  noch  weiter  vordringen  könnte,  so  kann 
doch  aus  diesen  Beobachtungen  niemals  die  ganze  Bedeutung  des 
Bluts  und  seiner  Veränderungen  gefunden  werden.  Damit  ist  nicht 
ausgeschlossen,  dass  die  gewonnenen  Erfahrungen  über  diesen  odei 
jenen  Punkt  Aufschluss  gewähren. 

Unter  den  Methoden,  welche  Phisma  und  Blutkörperchen  bestimmen  wollen,  ist  nac! 
Princip  und  Ausführung  zugleich  die  einzig  richtige  schon  erwähnte,  welche  Zimmer  man  i 
vorschlug ;  allen  übrigen  gelingt  es  nur  die  Bestandtheile  im  G-anzen  zu  bestimmen 
ohne  dass  sie  auf  das  Plasma  oder  die  Körperchen  bezogen  werden  könnten.  Untt  : 
diesen  beschränkteron  Vorfahrungsarten  zeichet  sich,  nach  übereinstimmenden  Angaben 
die  von  Prevost  und  Dumas,  welche  Scherer*)  verbessert  hat,  aus.  Letzterei 
fängt  zwei  Portionen  Blut,  jede  von  Tingefähr  60  Gr.  gesondert  auf.  Aus  einer  der 
selben  gewinnt  er  Serum  und  bestimmt  in  diesem  das  Wasser,  das  Eiweiss,  die  Ex- 
trakte und  die  in  Wasser  löslichen  Bestandtheile  der  Asche,'  aus  der  andern  das  Wasser 
den  Faserstoff,  das  Gemenge -der  in  kochendem  Wasser  unlöslichen  Bestandtheile  dc- 
Blutkörperchen  und  des  Serums,  die  Extrakte,  das  Pett  und  die  in  Wasser  löslichei 
Bestandtheile  der  Asche  im  Gesammtblut.  —  Indem  er  dann  der  Annahme  von  Pre 
VC  st  und  Dumas  folgt,  dass  die  Blutkörperchen  aus  unlöslichen  Stoffen  bestehen 
welche  von  Serum  durchdrungen  in  dem  Blute  schwimmen,  berechnet  er  aus  dem  bekanntet 
Wassergehalt  des  gesammten  Bluts  und  des  Serums  die  sogenannten  trocknen  Blutkörperehen 
Obwohl  schon  dargethan  ist,  dass  diese  letztere  Berechnung  nicht  mehr  zulässig  ist 
so  wollen  wir  doch  noch  einmal  in  ganz  populärer  Eorm  unsem  Gegenbeweis  wieder 
holen.  Wenn  die  Flüssigkeit,  welche  die  Blutscheiben  durchtränkt,  eine  andere  Zu 
sammensetzung  als  die  des  Serums  besitzt,  so  kann  aus  dem  bekannten  Wassergehnl 
des  Serums  und  des  Blutes  derjenige  der  Blutkörperchen  nicht  abgeleitet  wcrdei 
Offenbar  nämlich  kann  z.  B.  ein  Blut,  das  in  100  Theilen  20  Theile  Rückstand  im 
dessen  Serum  in  100  Theilen  10  Theile  Rückstand  lässt,  auf  million-fache  Weise  zu 

•)  Sohorer,  patliolog.  chemische  Unteisiichiingcn.  llacsers  Archiv  184S.  —  A.  Otto  Bei 
trag  zu  den  Analysen  des  gesunden  Bluts.  WUrzburg  1848.  —  Gorup-Besanez.  Vorpleichentl 
Untersuchungen  etc.   Erlangen  1850. 


Blutanalyso. 


23 


saramengosetzt  gedacht  werden  und  so  u.  A.  einmal  in  der  Art,  dass  100  Theile  aus 
25  Theilen  Serum  und  75  Theilen  Blutkörperchen  mit  23,33  pCt.  Kückstand  oder  aus 
75  Theilen  Serum  und  25  Theilen  Blutkörperchen  mit  54,0  pCt.  Kückstand  bestehen. 
In  beiden  Fällen  würde  aber  das  Serum  10  pCt.  und  das  Gesammtblut  20  pCt.  Rück- 
stand gegeben  haben.  —  Dieser  Einwurf  behauptet  also ,  dass  innerhalb  eines  Serums 
von  gleicher  Zusammensetzung  Blutkörperchen  des  allerverschiedenartigsten  Wasserge— - 
haltes  schwimmen  können.  —  Dieser  Einwurf  ist  aber  nicht  im  Entfenitesten  unwahr- 
scheinlich, einmal,  weil  ein  und  dasselbe  Blutkörperchen  von  seinem  Auftreten  in  dem 
Blut  bis  zu  seinem  Verschwinden  wahrscheinlich  mancherlei  Umänderungen  in  seiner 
Zusammensetzung  erfährt  und  dann,  weil  selbst  unter  der  Voraussetzung,  dass  alle 
gleichzeitig  vorhandenen  Blutkörperchen  mit  einer  wässrigen  Flüssigkeit  von  derselben 
Zusammensetzung  durchtränkt  wären,  doch  das  Verhältniss  dieser  Flüssigkeit  zu  den 
Fetten  und  der  Hülle  sehr  veränderlich  sein  kann.  Darum  gilt  auch  die  Ausflucht 
nicht,  welche  man  zur  Festhaltung  der  Dumas-P  r  ev  os  t' sehen  Berechnung  benutzt 
hat,  die  nämlich:  dass  wenn  das  Serum  gleich  zusammengesetzt  wäi-e,  so  müsste  auch 
jedes  Blutkörperchen  gleiche  Zusammensetzung  tragen  und  demgemäss  könnten ,  wenn 
die  Eückstandsprozente  zweier  Blutarten  mit  gleich  zusammengesetztem  Serum  ver- 
schieden ausfallen,  die  Unterschiede  nur  bedingt  sein  durch  die  ungleiche  Zahl  der 
Blutkörperchen.  Dies  vorausgesetzt,  geben  die  Analysen  allerdings  keinen  Aufschluss 
über  die  absolute  Quantität  dieser  letztem,  wohl  aber  über  das  Verhältniss  derselben 
zwischen  den  beiden  Blutai'ten ,  und  som^t  sei  die  Berechnung  auch  von  relativem 
Werth.  —  Diese  erst  noch  zu  beweisende  Annahme  wird  aber  ganz  willkührlich, 
wenn  wie  gewöhnlich  gar  auch  noch  Blutarten  verglichen  werden ,  deren  Serum  von 
ungleicher  Znsammensetzung  ist.  In  diesem  Fall  kann  unbezweifelbar  die  Auslegung 
auf  verschiedene  Weise  geschehen,  auf  die  nämlich,  dass  bei  gleicher  Zusammensetzung 
die  Zahl,  oder  bei  gleicher  Zahl  die  Zusammensetzung^  oder  Zahl  und  Zusammen- 
setzung der  Scheiben  in  den  beiden  Blutarten  abweiche. 

Dem  Vorschlag  von  Vierordt*)  folgen  wir,  da  er  unausführbar  ist,  nicbt  in 
seinen  vielfältigen  Verwicklungen ,  sondern  begnügen  uns,  die  theoretische  Grundlage 
desselben  an  einem  Beispiel  klar  zu  machen;  der  Einfachheit  wegen  denken  wir  uns 
statt  des  Serums  reines  Wasser  und  statt  der  Blutkörperchen  eine  mit  Wasser  gefüllte 
Seifenblase  in  ihm  schwimmend,  von  so  zarter  Constitution,  dass  sie  ohne  zu  zerreissen 
nicht  aus  dem  umgebenden  Wasser  genommen  werden  könnte.  Um  zu  bestimmen,  wie 
viel  Wasser  ausser  -  und  innerhalb  der  Seifenblase  gelegen  wäre,  hatte  man  nach  Vier- 
ordt 80  zu  verfahren,  dass  man  einen  beliebigen  Stoff  in  dem  äussern  Wasser  auflöste, 
der  die  Eigenthümlichkeit  besässe,  weder  durch  die  Seifenhaut  hindurch  in  das  innere 
Wasser  zu  dringen ,  noch  auch  durch  diese  Wasser  an  sich  zu  ziehen.  Gäbe  es  einen 
solchen  Stoff,  so  würde  dies  Verfahren  einfach  zum  Ziele  führen;  denn  hätte  man 
z.B.  1  Gr.  des  Stoffs  in  die  äussere  Flüssigkeit  geworfen  und  nähme  man ,  nachdem 
dieses  Gramm  gelöst  und  gleichmässig  vertheilt  wäre,  einen  gewissen  Antheil,  z.  B. 
20  Gr.  aus  der  Flüssigkeit  heraus  und  fände  bei  der  Untersuchung  derselben  0,25  Gr. 
des  Satzes  darin,  so  müsste  die  ganze  Menge  der  Flüssigkeit  79  Gr.  betragen  haben.  — 
Nttn  ist  aber  sogleich  ersichtlich,  dass  es  aus  bekannten  Gründen  der  Diffusion  einen 
golchen  Stoff  nicht  geben  kann,  vorausgesetzt,  dass  er  nicht  mit  der  umgebenden  Flüs- 
sigkeit gleich  zusammengesetzt  wäre.    Ein  solcher  Ötoff  müsste  nämlich  die  Eigen- 


•)  Archiv  fUr  physlolog.  Heilkunde.  XI.  24  u.  547. 


24 


Blutanalyse. 


Schaft  haben ,  zu  dem  Wasser  der  Blase  keine  ,  zu  dem  der  flüssigen  Umgebung  aber 
Verwandtschaft  zu  zeigen. 

Wem  es  anliegt  eine  voUkonimeno  Einsicht  in  die  Unzugänglichkeit  der  bis  dahin 
aufgozfthlten  Methoden  zu  gewinnen,  den  verweisen  wir  auf  die  gediegene  Diskussion 
unseres  Gegenstandes,  welchen  P.  du  Bois*)  vom  ganz  allgemeinen  Standimnkt  an- 
gestellt hat. 

Parchappo**)  und  Zimmermann***)  versuchen  die  Blutkörperchen  einfach 
durch  Filtration,  resp.  durch  Abtropfen  des  Blutserums  von  den  Blutkügelchen  zu  sondern. 
Natürlich  wird  Niemand  glauben ,  dass  das  auf  dem  Leinwandfiltor  liegende  Blutkör- 
perchen bis  zur  ehem.  Reinheit  von  Serum  befreit  werde.  Die  Analyse  kann  also  nur 
in  der  Hoffnung  unternommen  sein,  dass  bei  verschiedenen  Blutarten  immer  ein  relativ 
gleicher  Antheil  von  Serum  an  dem  Kuchen  zurückbleibe.  Diese  etwas  unwahrschein- 
liche Unterstellung  kann  nicht  bewiesen  werden. 

"Wir  fühlen  uns  ausserdem  noch  veranlasst  zu  bemerken,  dass  auf  die  Arbeiten 
von  Becquerel  und  Kodier  keine  Rücksicht  genommen  wurde.  Den  Grund  dafür 
findet  man  auf  Seite  4  ihrer  neuen  Untersuchung,  übersetzt  von  Eisenmann.  Er- 
langen 1847. 

a)  Zusammensetzung  des  Gesammtblutes.  Nach  F.  Hoppef) 
enthielt  das  Blut  eines  Pferdes  in  100  Theilen: 


Gesamratblut.  Körperchen. 
Plasma       67,38     Festen  Rtickstand  43,50 
Körperchen  32,62     Wasser    .    .    .  56,50 
Diese  Zahlen  betrachtet  Hoppe  selbst  nur 
als  Annäherungen  an  die  Wahrheit. 


Plasma. 


Faserstoff 
Albumin 
Fette 
Extracte 
lösl.  Salze 
unlösl.  Salze  0,17 
Wasser  90,84 
Für  das  Menschenblut  fanden  Sc  her  er  und  Otto  folgende 
Zahlen. 


1,01 
7,76 
0,12 
0,40 
0,64 


Sc 

her  er: 

Serum. 

Gesammtblut. 

,  91,04 

78,31 

.  7,41 

Fibrin  

0,23 

.  0,59 

In  kochendem  Wasser) 

20,32 

0,51 
0,88 
0,17 

Lösliche  \Salze    .  . 

.  0,87 

unlösliche  Bestandtheile) 

Lösliche  Salze   .    .  . 
Fett  

»)  Henle  und  Pfeuffors  Zeitschrift.  N.  Folge  IV.  Bd. 
••)  Gazotto  medlcalo  1856.  p.  273. 
*»•)  Die  Methode  der  Blutanalyse.  Hamm  1866. 
i-)  V 1  rc  h  0  w  8  Archiv  XII.  485. 


Blutanalyse. 


25 


Otto: 

Serum.  Gesammtblut. 


I. 

II. 

I. 

II. 

Wasser  .    .  . 

90,36  — 

91,64 

80,57  — 

80,34 

Albumin     .  . 

8,03- 

6,77 

Fibrin  

0,15  — 

0,21 

Extracte     .  . 

0,45  — 

0/4 

In  kochendem  Wasser) 

17,83  — 

18,01 

Lösliche  Salze 

1,16- 

0,95 

unlösl.  Bestandtheile) 

Extracte  .... 

0,54  — 

0,67 

Lösliche  Salze    .  . 

0,78  — 

0,80 

Als  Mittelzahlen  der  Wägungen  von  Scher  er  und  Otto  be- 


rechnen sich: 

Serum.  Gesammtblut. 

Wasser  ......  90,66        Wasser   79,06 

Albimiin   7,76        Fibrin   0,20 

Extracte     .    .    .    .    .  0,51  In  kochendem  Wasser)  -iq  aa 


Lösliche  Salze    .    .    .     0,94  unlösliche  Theile    S  ' 

Extracte  0,48 

Lösliche  Salze  ....  0,83 

Diese  Beobachtungen  lassen  erkennen,  dass  das  Gesammtblut 
in  100  l'heilen  sehr  viel  mehr  feste  Bestandtheile  enthält,  als  das 
Serum,  dass  diese  Vermehrung  aber  nicht  gleichmässig  für  alle 
Stoffe  gilt,  und  dass  namentlich  das  Blut  relativ  weniger  lösliche 
Salze  und  Extracte  enthalte,  als  das  Serum.  — • 

Bei  der  geringen  Ausbeute,  die  diese  Thatsachen  für  die  Phy- 
siologen liefern,  übergehen  wir  die  ähnlichen  Arbeiten  von  Popp, 
Andral  u.  s.  w.  u.  s.  w.  —  Eine  Zusammenstellung  der  älteren 
Beobachtungen  findet  sich  in  He  nie 's  rationeller  Pathologie  II.  Bd. 
und  eine  solche  der  neueren  in  den  Jahresberichten  von  Scher  er 
für  physiolog.  Chemie. 

b.  Die  Asche  des  Gesammtblutes  hat  Verdeil*)  nach  einer 
nicht  vollkommen  tadelfreien  Methode  dargestellt  und  analysirt. 
100  Theile  Asche  bestehen  nach  ihm  aus: 


I. 

n. 

I. 

II: 

KO 

12,70 

11,24 

Fe.Og  -8,06 

8,68 

Na 

24,49 

21,87 

Gl  37,50 

33,70 

NaO 

2,03 

6,27 

SO3  1,70 

1,64 

MgO 

0,99 

1,26 

PhO^  9,35 

11,10 

CaO 

1,68 

1,85 

CO,"  1,43 

0,95 

")  Lieblgs  Annalen.  69.  Bd.  89. 


26 


Blutanalyse. 


Die  Asche  1.  war  aus  dem  Blute  eines  Mannes,  die  II.  aus 
dem  eines  Mädchens  bereitet. 

Verdeil  hat,  um  die  Asche  darzustellen,  das  Blut  bei  nicht  zu  hoher  Tempe- 
ratur an  der  Luft  verkohlt ,  die  Kohle  in  der  Muffel  geglüht  und  den  Eest  derselben 
endlich  durch  Zufügen  von  salpetersaurem  Ammoniak  verbrannt. 

c.  Die  Gasarten  des  Gesammtblutes.  Ausser  den  ziemlich 
aphoristischen  Angaben*)  über  den  Gehalt  und  die  Beziehung  von 
gasförmigem  Sauerstoff,  Kohlensäure  und  Stickstoff  zu  dem  Plasma 
und  den  Körperchen  haben  wii-  noch  sehr  gründlichen  Aufschluss 
über  das  Verhalten  dieser  Gase  zum  Gesammtblut  von  M  a  gn  u  s  **) 
und  Lothar  Meyer***)  erhalten.  Ihre  Angaben,  gleichviel,  ob 
sie  sich  auf  venöses  oder  arterielles  Blut  beziehen,  sind  hier  zusam- 
mengestellt. 

Nach  Magnus  und  Meyer  konnte  aus  100  Vol.  arteriellen 
Bluts  durch  Schütteln  mit  CO^  oder  durch  Kochen  im  luftleeren 
Raum  mit  und  ohne  Zusatz  von  Weinsäure  ausgetrieben  werden 


Beobachtungsthiere. 


freies 
Gas. 


N. 


o 
o 


cm 

CD 

o  § 


o 


3  t!- 


ganzes 
Gas. 


Beobachter. 


Carotidenblut  eines 
alten  Hundes 

Carotidenblut  eines 
jungen  Hundes 


Defibrinirtes  Kalbs-  5 
blut 

6 

Arterielles  Pferde-  - 
blut 


20,88 
25,50 


28,24 
17,04 


12,43 

14,29 
(3,79) 

18,42 
11,55 

(5,81) 

10,5 
bis  10,2 


2,83 

5,04 
(2,94) 

4,55 
4,40 

(4,12) 

2,0  bis 
3,3 


5,62 
6,17 


5,28 
1,09 


28,61 
28,58 


20,97 
18,12 


34,23 

34,75 
(27,10) 

26,25 
19,21 

(21,56) 


49,49 

54,08 
(33,84) 

49,21 
35,16 

(31,94) 


L.  Meyer 


Magnus. 


Die  Gasvolumina  sind  auf  0"  und  0,76  M.  Druck  berechnet, 
bei  1,  2,  4,  5  wurde  das  Blut  erst  durch  mechanische  Mittel  luft- 
leer gemacht,  und  dann  erst  durch  Weinsäure  von  seiner  gebun 
denen  CO,  befreit. 

L.  Meyer  liess  das  Blut  der  Hunde  aus  der  A.  Carotis  direkt  in  das  10  bis 
20  fache  Volum  luftfreien  Wassers  fliessen,  setzte  über  die  Mischung  von  Wasser  einen 
luftleeren  llaum.  und  erwännte  das  Blut  gelind,  aber  bis  zum  Kochen  f)  so  lange,  als 
bis  aus  ihm  reiner  Wasserdamijf  emporstieg,  also  bis  alle  Gase  aus  ihm  verdrängt 


*)  J.  Müller,  Lehrbuch  dor  Physiologie.  IV.  Aufl.  I.  'MS. 
*»)  Po  Egendorf,  Annalcn.  40.  Bd.  p.  588.  und  66.  Bd.  p.  177. 
•»»)  Ilenle's  und  Pfeuffor's  Zeitschrift.  N.F. 
f)  Was  bei  dem  geringen  Druck  in  einer  Temperatur  unter  dorn  Coaguliitionigrad  de»  Eiwelssos 
geschehen  kann. 


Gasarten  des  Bluts. 


27 


sind;  darauf  setzte  er  mit  besondern  Vorsichtsmassregeln  einige  grosse  Krystallo  von 
Weinsäure  au  dem  Blut,  legte  ein  neues  luftleeres  Gefäss  vor,  und  kochte  von  Neuem. 
Die  erhaltenen  Gase  werden  nach  der  Methode  von  Bunsen  analysirt.  Die  genauere 
Darstellung  des  Verfahrens  ist  in  der  Abhandlung  von  L.  Moyer  nachzusehen. 

Von  den  Blutgasen  ist  der  Stickstoff  wahrscheinlich  nur  absor- 
birt,  von  der  CO,  und  dem  0  ist  dagegen  ein  Theil  absorbirt  und 
ein  anderer  chemisch  gebunden,  und  zwar  ist  von  der  durch  Kochen 
abscheidbaren  Kohlensäure  der  kleinste  Theil  gebunden,  der  grössere 
diftundirt,  während  es  sich  umgekehrt  mit  dem  Sauerstoffgas  ver- 
hält. Den  Beweis  dafür  liefern  Absorptionsversuche  mit  unver-- 
mischtem  gasfrei  gemachtem  Blut ;  die  von  denselben  aufgenommenen 
Sauerstoff  -  und  Kohlensäuremengen  wachsen  nämlich  mit  dem 
Druck,  unter  dem  die  Aufnahme  vor  sieh  geht,  aber  nicht  in  dem 
Maass,  in  welchem  der  Druck  ansteigt,  was  dem  Dalton-Bun- 
sen' sehen  Gesetz  gemäss  geschehen  müsste,  wenn  die  Gase  nur 
als  solche  im  Blut  aufgelöst  wären.  Bei  Absorptionsversuchen  unter 
variablem  Druck  steigt  aber  die  aufgenommene  CO^  rascher  an, 
als  der  Sauerstoff,  woraus  sich  auf  das  angegebene  Verhalten 
schliessen  lässt  (Magnus).  L.  Meyer  hat  in  einer  eignen  Ver- 
suchsreihe den  Antheil  der  gebundenen  und  freien  Gase  be- 
stimmt. 

Machen  wir  die  Unterstellung,  dass  von  der  in  der  gesanimten,  in  der  Volura- 
einheit  Blut  aufgenommenen  Gasmenge  (A)  ein  Theil  durch  chemische  Verwandtschaft 
gebunden  werde,  dass  ein  anderer  dagegen  diffundirt  sei,  so  wird  die  Menge  des  ersten 
Antheils  x,  weil  sie  nur  von  der  chemischen  Verwandtschaft  bedingt  ist,  unabhängig 
von  dem  Luftdruck  sein ,  unter  welchem  das  Gas  absorbirt  wurde ;  die  Menge  der 
zweiten  wird  aber  mit  dem  Druck  wachsen ;  wäre  also  y  der  Absorptionscoeffizient 
des  Bluts  für  das  zu  betrachtende  Gas,  so  wih'de  die  absorbirto  Menge  yP  sein,  wenn 
P  den  Absorptionsdruck  darstellt.  Demnach  wäre  also  A  =  x-j-yP.  Führt  man  bei 
verändertem  Druck  mehrere  Absorptionsversuche  aus,  so  wird  man  so  viel  verschiedene 
Gleichungen  erhalten,  als  man  Beobachtungen  anstellt,  und  daraus  x  und  y  mit  grosser 
Genauigkeit  berechnen  können.    Dieses  ist  von  L.  Meyer  für  COj  und  0  geschehen. 

Verhalten  der  CO,  zum  Blut.  Die  Volumeinheit  frischen,  unver- 
mischten,  von  seinen  Gasen  befreiten  Kalbs  -  oder  Rindsblutes  nahm 
in  einer  Atmosphäre  von  reiner  CO,  bei  einer  Temperatur  von 
11"  bis  120  C.  und  0,76  M.  Druck  =  1,783  Vol.  CO,  auf;  hiervdn 
waren  einfach  diffundirt  1,151  Vol.  nud  gebunden  0,630  Vol.  — 
Merkwürdiger  Weise  ist  der  Absorptionscoeffizient  des  Blutes  für 
CO,  (1,151)  bei  12o  ganz  derselbe,  welchem  Bunsen  für  reines 
Wasser  bei  dieser  Temperatur  gefunden.  Es  würde  nun  interessant 
sein  zu  wissen,  wie  sich  dieser  Coeffizient  mit  der  Temperatur 
ändert.   Diese  Frage  hat  Meyer  nicht  direkt  erledigt. 


28 


ßasarton  des  Blutn. 


Wenn  das  aus  der  Ader  genommene  Blut  vollkommen  mit  CO, 
gesättigt  wird,  so  kann  der  chemisch  gebundene  Antheil  der 
aufgenommenen  CO,  nicht  allein  zur  Umwandlung  des  etwa  vor- 
handenen einfach  kohlensauren  Natrons  in  doppelt  kohlensaures  ver- 
wendet worden  sein.  Wahrscheinlich  hat  sich  ein  Theil  mit  dem  2  NaO 
PhOg  vereinigt,  welches  bekanntlich  CO,  chemisch  verbinden  kann. 

Den  vorstehenden  Satz  beweist  L.  Meyer  folgendermassen.  Nachdem  er  Blut 
in  luftleerem  Raum  von  Gase  befreit  hatte,  thoiltc  er  dasselbe  in  zwei  Portionen.  Aus 
der  ersten  trieb  er  durch  Weinsäure  die  ehemisch  gebundene  COs  aus;  dieselbe  betrug 
auf  1  Vol.  Blut  =  0,338  Vol.  —  Die  zweite  Portion  sättigte  er  in  einer  reinen  COi- 
Atmosphäre  mit  diesem  Gas  und  bestimiute  dann  mittelst  des  auf  der  vorigen  Seite 
geschilderten  Verfahrens,  wieviel  von  dieser  CO«  chemisch  gebunden  war;  er  fand  dabei, 
dass  noch  0,630  Yol.  COj  mit  Blut  sich  verbunden  hatte.  Wäre  nun  alle  vor  der  Ab- 
sori)tion  chemisch  gebunden  vorhandene  COj  mit  dem  Natron  zu  einfach  kohlensaurem 
Salz  vereinigt  gewesen,  so  hätte  das  Blut  nur  noch  einmal  0,338  Vol.  COj  binden 
können ;  da  dasselbe  aber  in  der  That  viel  mehr  in  chemischen  Verband  überführte,  so 
folgt  daraus  die  Richtigkeit  der  obigen  Schlussfolge. 

So  eben  Avurde  vorausgesetzt,  dass  die  gebundene  CO ,  im  lebenden 
Blut  als  NaO  CO^  vorkomme;  dieses  lässt  sich  nicht  beweisen,  wohl 
aber  lässt  sich  wider  alles  Erwarten  darthun,  dass  kein  Na02C0j 
vorkommt.  Wir  sagen  wider  alles  Erwarten,  weil  L.  Meyer  gezeigt 
hat,  dass  eine  Lösung  von  Soda  aus  einer  Atmosphäre,  welche  mehr 
als  1  pCt.  COj  enthält,  so  lange  dieses  Gas  anzieht,  bis  die  ganze 
Sodamenge  der  Lösung  in  doppelt  kohlensaures  Salz  verwandelt 
ist.  Nun  enthält  aber  die  Lungenluft  immer  mehr  als  1  pCt.  des 
genannten  Gases,  also  hätte  man  allerdings  das  Na02C0s  im  Blut 
emarten  sollen.  Seine  Abwesenheit  in  demselben  geht  aber  daraus 
hervor,  dass  das  für  sich  gekochte  frische  Blut,  nachdem  es  einmal 
rasch  die  vorhin  erwähnte  CO , -Menge  abgegeben,  selbst  während 
darauf  folgenden  Sstündigen  Kochens  keine  CO»  mehr  fahren  lässt. 
Diese  Thatsache  ist  aber  darum  mit  der  Anwesenheit  des  NaO  200, 
unvereinbar,  weil  dieses  Salz  ein  Atom  CO»  der  Art  gebunden  hält, 
dass  es  zwar  durch  Kochen  von  ihm  getrennt  werden  kann,  aber 
nicht  durch  ein  vorübergehendes  Aufwallen,  sondern  erst  durch  ein 
längeres  Kochen  abzuspalten  ist. 

Verhalten  gegen  Sauerstoffgas.  1  Volum  defibrinirtes  gasfreies 
Kalbsblut  nahm  aus  reinem  Sauerstoff  bei  21,50C.  =  0,092  bis  0,095 
Vol.  dieses  Gases  auf,  wenn  der  Druck  des  Gases  auch  zwischen 
0,835  und  0,587  M.  schwankt.  Die  aufgenommene  Menge  war  also 
innerhalb  der  Fehlergrenzen  unabhängig  vom  Druck.  Wenn  L.Meyer 
dennoch  aussagt,  dass  neben  dem  gebundenen  auch  noch  absor- 
birtes  Sauerstoffgas  im  Blute  vorhanden  sei,  so  geschieht  dieses 


Spezifisches  Gewicht  u.  Wärme  des  Blutes. 


29 


einmal  darmn,  weil  das  Wasser  des  Blutes  einen  Absorbenten  dar- 
stellt, und  dann  auch  -weil  das  mit  Wasser  verdünnte  Blut  in  der 
That  Sauerstoff  absorbirt,  obwohl  es  daneben  noch  immer  die  Menge 
von  Sauerstoff  bindet,  die  der  mit  Wasser  vermischte  Blutantheil 
fllr  sich  allein  verschlingen  würde.  Wie  der  Sauerstöff  im  Blute 
gebunden  ist,  bleibt  unbekannt,  man  kann  sich  ebensowohl  denken, 
dass  er  auf  den  Oberflächen  der  Blutkörperchen  verdichtet  ist,  als 
dass  er  irgendwie  anders  aufgehoben  wird,  etwa  wie  das  Chlor 
im  Wasser,  welches  nach  Roscoe  darin  ebenfalls  theilweise 
gebunden  und  theilweise  diäundirt  ist, ,  —  Sehr  auffallend  ist  es, 
dass  ein  Zusatz  von  Weinsäure  zum  Blut  den  sonst  so  locker 
gebundenen  Sauerstoff'  soweit  befestigt,  dass  er  nun  zum  grössten 
Theil  durch  Kochen  nicht  mehr  auszutreiben  ist.  Siehe  die  Tafel 
Seite  (26)  Beobachtung  3  und  6,  in  welchen  die  unter  der  Rubrik  0 
eingeklammerten  Zahlen  diejenigen  0-Volumina  bedeuten,  welche 
nach  Zusatz  von  Weinsäure  ausgetrieben  werden  konnten.  Hierbei 
entsteht  aber,  wie  sich  L.  Meyer  überzeugte,  keine  COj. 

Der  Absorptionscoeffizient  des  Stickgases,  der  am  wenigsten 
genau  bestimmbar,  beträgt  nach  L.  Meyer  etwa  0,02  Vol.  für  die 
Volumeinheit  Blut. 

lieber  den  Unterschied  im  Gasgehalt  des  venösen  und  arteriellen  Blutes  versuchte 
sich  Magnus  zu  unterrichten  durch  Analyse  eines  nur  geringen  Antheils  der  ganzen 
Blutluft.  Zu  dem  Ende  fing  er  Blut  über  Quecksilber  auf,  defibrinirte  es  dort,  schraubte 
eine  luftleere  Flasche  über  das  Blut  und  analysirte  den  in  diese  Flasche  gedrungenen 
Gasantheil.  Indem  er  vermuthete,  dass  die  Luft  in  diesem  Vacuum  ungefähr  die- 
selbe prozentische  Zusammensetzung  habe,  wie  die  des  Bluts,  konnte  er  hoffen,  den 
Unterschied  in  der  prozentischen  Zusammensetzung  der  Venen  -  und  Arteriengase  zu 
finden.  Diese  Annahme  hat  sich  aber  nicht  bestätigt ;  nichts  destoweniger  dürfte  sich  die 
Mittheilung  der  voti  Magnus  gefundenen  Zahlen  rechtfertigen,  weil  sie  zeigen,  dass 

<  die  COi  weniger  fest  als  der  Sauerstoff  am  Blute  hafte.  —  Die  Luftblase  aus  venösem 
Blut  des  Kalbes  enthielt  in  100  Theilen  =  76,7  COj;   13,6  0  und  9,7  N.  —  aus 

'  arteriellem  Blute  72,1  COj;  18,8  0;  9,1  N. 

Das  spezifische  Gewicht  des  Bluts  giebt  man  imMittel  zu 
^  1055  (das  des  Wassers  =  1000)  an.  —  Die  Bestimmung  dieser  Eigen- 
•  Schaft  ist  bei  einem  so  complizirten  Gemenge  wie  das  Blut  im  Allge- 
meinen von  untergeordnetem  Werth,  da  bei  gleichem  spez.  Gewicht 
eine  bedeutende  Variation  in  der  chemischen  Zusammensetzung 
eintreten  kann,  je  nachdem  sich  spez.  leichte  und  spez.  schwere 
Bestandtheile  mit  einander  ausgleichen ;  demnach  kann  ein  Ab- oder 
Zunehmen  des  Eigengewichtes  zahlreiche  Auslegungen  erfahren. 

Der  Wärraegrad  des  Blutes  in  den  Hautvenen  schwankt  um 
Unehre  Grade-  der  hunderttheiligen  Scala;  der  Abschnitt  von  der 


30 


Vorgleichuiig  der  Blutarten. 


thicrischeii  Wilrmc  wird  darauf  eingehen,  der  auch  die  Wärme  der 
andern  Blutarten  behandelt.  —  Die  Wämiekapazität  des  Blutes  ist 
von  J.  Davy*)  nach  der  Miscliungs-  und  Abkühlung-sniethode  be- 
stimmt worden  und  nach  der  ersteren  zu  0,83  und  nach  der  zweiten 
zu  0,93  gefunden.  Die  Versuche  scheinen  aber  kaum  mit  der 
nöthigen  Vorsicht  ausgeführt  zu  sein. 

Die  cliemischen  Pathologen  bescliäftigen  sich  vielfach  noch  mit  einigen  Erschei- 
nungen, z.  B.  wie  fest  und  wie  rasch  der  Blutkuchen  geronnen  sei,  auf  welclies  Volum 
er  sich  zusammenzieht,  wie  rasch  die  Blutkörperclien  sinken  u.  s.  w.  Unzweifelhaft 
deuten  diese  Erscheinungen  auf  besondere  Zustände  des  Bluts;  aber  es  gewähren 
uns  die  bis  dahin  gewonnenen  Erfahrungen  keine  Einsicht  in  das  Innere  des  Blutes. 
Henle**)  und  Lehmann***)  sind  hierüber  nachzusehen. 

Vergleicbung  anderer  Blutarten. 

Um  festzustellen,  ob  die  Abweichungen,  welche  das  Blut  von 
dem  so  eben  geschilderten,  je  nach  den  verschiedenen  Gefässen, 
Altersstufen,  Geschlechtern  u.  s.  w.  bietet,  in  Wahrheit  abhängig  sind 
von  dem  Fundort  und  den  andern  so  eben  berührten  Verhältnissen, 
niUssten  begreiflich  entweder  alle  übrigen  Bedingungen,  die  auf 
die  Blutzusammensetzuug  Einfluss  üben,  gleich  gemacht  werden, 
oder  es  niüsste  das  Mittel  so  zahlreicher  Analysen  verglichen  werden, 
dass  man  mit  Wahrscheinlichkeit  die  Annahme  machen  könnte,  es 
sei  die  jeder  Blutart  unwesentliche  Eigenthümlichkeit  durch  gegen- 
seitige Compensation  eliminirt  worden.  Diese  Forderungen  sind 
nicht  überall  erfüllt  und  es  bleibt  schon  aus  diesem  Grunde  in  den 
folgenden  Mittheilungen  manches  Schwankende.  Noch  mehr  aber 
aus  einem  andern.  Das  Blut  ist  ein  Gemenge  aus  aufgeschwemmten 
und  flüssigen  Theilen  die  nicht  alle  in  ein  und  demselben  Behälter 
sorgfältig  gemischt  werden  können,  bevor  die  Probe  zur  Analyse 
herausgenommen  wird.  Also  liegt  von  vorneherein  der  Verdacht 
nahe,  dass  sich  die  Mischung  von  Plasma  und  Scheiben  in  ein  und 
demselben  Gefäss  in  sehr  kurz  aufeinander  folgenden  Zeiten  merk- 
lich geändert  hat.  Bedenkt  mau  dazu,  dass  sich  in  dem  Strom 
des  Blutes  der  Flüssigkeit  ganz  andi-e  Widerstände  entgegensetzen 
als  den  Körperchen,  so  muss  sogar  die  so  eben  gemachte  Unter- 
stellung eintreten,  und  es  muss  sich  oft  genug  ereignen,  dass  das 
aus  einer  beliebigen  Arterie  ausgegangene  und  dort  gleichmässig 
gemengte  Blutvolum  in  den  Venen  ungleichgemischt  anlange,  indem 
je  nach  der  Geschwindigkeit  des  Stroms,  aus  dem  das  Blut  ge- 


*)  Sc  hw  e  i  gg  er's  Journal  für  Clioiuie  und  Phys.  XV.  462. 
Rationolle  Pathologie  II.  15. 
•»•)  Physlolog.  Chem.  II.  U7. 


Arterienblut. 


31 


uoramen,  dieses  bald  reicher  und  bald  ärmer  au  Blutkörpercbeu, 
also  in  der  Veue  uud  Arterie  constant  verschieden  sein  muss ;  daraus 
folgt,  dass  die  zu  denselben  Zeiten  an  verschiedenen  Orten  oder  zu 
verschiedenen  Zeiten  an  demselben  Ort  aufgefangenen  ßlutmengen 
sehr  verschieden  an  Zusammensetzung  sind,  ohne  dass  irgend  welche 
chemische  Alteration  mit  dem  Plasma  oder  den  Scheiben  und  Lymph- 
körperchen  vorgegangen  ist.  Da  nun  aber  die  zur  Vergleichung 
benutzten  Analysen  des  Gesammtblutes  die  Scheiben  und  Plasma 
nicht  gesondert  zerlegt  haben,  so  ist  aus  der  ungleichen  procentischen 
Zusammensetzung  des  Bluts  nicht  zu  entscheiden,  ob  ein  Unterschied 
an  Faserstotf,  Salzen,  Fetten,  Wasser  auf  Kosten  der  veränderten 
chemischen  Constitution  eines  oder  beider  Mischtheile  oder  auf  ein 
anderes  Verhältniss  zwischen  den  Gemengtheilen  zu  schieben  sei. 
Die  Erfahrung,  dass  verschiedene  Portionen  an  ein  und  demselben 
Ort  unmittelbar  hintereinander  gelassenen  Bluts  ungleich  zusammen- 
gesetzt sind,  giebt  von  Seiten  der  Erfahrung  den  vorgebrachten 
Bedenken  Gewicht. 

Der  den  vergleichenden  Blutanalysen  gemachte  Einwand  gilt 
aber  nicht  mehr  den  vergleichenden  Zerlegungen  des  Serums;  hier 
lassen  sich  die  etwa  vorgefundenen  Unterschiede  nur  auf  eine 
Aenderung  der  chemischen  Constitution  beziehen.  Dieser  Aufschlusg 
ist  mchtig,  aber  er  lässt  sich,  wenn  nicht  noch  andere  Hilfsmittel 
aufklärend  eintreten,  nicht  benutzen,  um  die  Ursache  der  Ver- 
änderung aufzufinden;  denn  so  lange  die  Menge  und  die  Zusammen- 
setzung der  Blutkörperchen  unbekannt  bleibt,  kann  man  jene  che- 
mische Umfoi-mung  ableiten  aus  dem  Eintritt  oder  Austritt  von 
Fltissigkeit  oder  aus  dem  Gefäss  oder  aber  aus  einer  veränderten 
Zusammensetzung  der  Körperchen. 

A  rterienblut. 

Das  in  den  Ai-terien  enthaltene  Blut  des  Menschen  kann  nur 
selten  gewonnen  werden;  alle  ausführlichen  Untersuchungen  sind 
darum  am  Thiere  unternommen  worden.  Die  Vergleichungen  be- 
ziehen sich  auf  dieselbe  Spezies  und  womöglich  dasselbe  oder  die- 
selben Individuen. 

Das  Blut  der  Arterien*)  ist  in  100  Theilen  reicher  an  Fibrin 
als  das  Blut  der  Vena  jugularis  (Pferd)  und  Vena  renalis  (Hund) 


•)Nagsc,  Arlikel  Blut,  Wagners  Handwörterbuch.  I.  Bil.  Iü8.  —  Lehmann,  physlolog. 
Chemie.  II.  Bd.  228.  —  Pharmazeutisches  Centraiblatt  185«.  p.  43a.  —  Wiss,  Virchow,  Archiv. 
I.  Bd.  256.  —  Funke,  Henles  und  Pfeuffers  Zeltschrift,  Neue  Folge  I.  Bd.  172.  —  Cle- 
■  ment  compt.  rend.  XXI.  289. 


32 


Artorienblut. 


ärmer  dagegen  als  das  Blut  der  Yen.  abdominal,  externa,  digitalis 
und  cephalica  (Pferd).  Das  venöse  Fibrin  ist  durch  seine  Löslich- 
keit in  Salpeterlösung  vor  dem  arteriellen  ausgezeichnet.  Die  arte- 
rielle Blutflüssigkeit  enthält  etwas  mehr  Wasser,  Extracte  und  Salze 
als  die  venöse,  an  Albumin  ist  es  bald  weniger  und  bald  ebenso  reich. 

Diese  Angaben  stützen  sich  vorzugsweise  auf  die  Untersuchungen  von  Nasse, 
von  Lehmann,  (das  Blut  der  Verzweigung  der  A.  carotis  und  der  Vonae  jugularis, 
cephalica,  digitalis,  abdominalis  externa  des  Pferdes)  und  von  Wiss  (das  Blut  der 
A.  carotis  und  Vena  renalis  vom  Hunde).  —  Die  Unterschiede  in  den  einzelnen  Be- 
standtheilen  sind  wie  folgend  gefunden  worden:  100  Theile  des  Blutes  der  Arterien 
vom  Pferde  enthalten  im  Mittel  0,57  pCt.,  aus  der  Drosselvene  aber  0,49  pCt.  Paser- 
stoff (Lehmann),  das  Blut  der  Venae  abdominalis,  cephalica  und  basilica  enthielt 
im  Mittel  0,53  pCt.,  das  der  Art.  carotis  derselben  Thiere  im  Mittel  nur  0,35  pCt.; 
100  Theile  des  Bluts  vom  Hunde,  (Carotiden) ,  enthalten  0,20  bis  0,22  pCt.  und  das 
der  Nierenvene  0,16  Paserstoff  (W  i  s  s).  Dasselbe  bestätigt  Nasse  aus  Untersuchungen 
am  Menschen.  —  100  Theile  Serum  vom  Pferdeblut  gaben  Eiweiss  aus  der  Arterie 
9,22  pCt.,  aus  der  Vene  11,42  pCt.  (Lehmann);  in  neuern  Beobachtungen  findet 
derselbe  Blutanalytiker  im  »Serum  aus  den  Venae  jugularis,  abdominalis,  digitalis  und 
cephalica  im  Mittel  7,02  pCt. ,  in  den  Carotiden  der  entsprechenden  Thiere  im  Mittel 
7,01  pCt.  Die  Extrakte  fi.nden  sich  im  Mittel  im  Serum  der  Venae  jugularis,  cepha- 
lica, digitalis  und  abdominalis  0,71  pCt. ,  im  arteriellen  aber  0,91  (Lehmann).  — 
Salze  gab  das  Serum  der  genannten  Venen  0,83,  das  der  Arterien  0,86,  Fette,  das 
erstcrc  0,26,  das  letztere  0,39  pCt.  (Lehmann).  —  Derselbe  Chemiker  fand  früher 
'im  Serum  der  jugularis  86,82,  in  dem  der  Art.  teniporalis  89,33  pCt.  Wasser;  nimmt 
man  das  Qeneralmittel  aus  seinen  neuern  Versuchen  so  stellt  es  sich  für  das  Serum 
aller  oben  aufgezählten  Versuche  zu  91,428,  in  dem  der  Arterien  zu  91,205.  Es  un- 
terscheidet sich  also  nur  der  Gehalt  um  wenige  Zehntheile  eines  Prozentes.  Werden 
nach  Lehmann  die  Verhältnisse  verglichen,  in  welchen  Albumin,  Salze  und  Extracte: 
Sei-um  der  Venen  (jugularis,  abdom.  externa,  cephalica,  digitalis)  und  Arterien  vor- 
kommen, so  ergeben  sie  in  100  Theilen  trocknen  Rückstands  der 

Arterien  Venen  Der  Eiweissgehalt  hat  sich  nach  dem  Durchgang 

Album.  78,47    .    .    .    82,11  durch   die  Capillaren  relativ  erhöht,    der  Salz- 

Salze       9,94    .    .    .      9,39  gehalt    um  ein  Geringes,   die  Extracte  um  ein 

Extr.     11,73    .    .    .      8,89  Bedeutendes  vermehrt.    Da  auf  dem  bezeichneten 

Wege  schwerlich  Eiweiss  in  das  Serum  gekommen  ist,  so  würde  diese  Zusammenstel- 
lung auf  einen  absoluten  Verlust  an  Extracten  hindeuten.  Natürlich  lässt  es  diese  Zu- 
sammenstellung ungewiss,  ob  nicht  auch  Eiweiss  und  Salze  aus  dem  Serum  getreten  sind. 

Das  Resultat,  welches  aus  dem  Gesammtmittel  aller  Beobachtungen  gezogen  ist, 
stimmt  übrigens  nicht  durchweg  mit  dem  Ergebniss  der  Eüizclbeobachtuugen ,  in  dem 
unter  ihnen  auch  Pälle  erscheinen,  in  welchen  die  Eiweissprozentc  des  festen  llück- 
standes  aus  dem  Veuenserum  niedriger,  und  die  Extractprozente  höher  sind  als  im 
Serum  der  entsprechenden  Arterie. 

Die  Behauptung,  dass  die  arteriellen  und  venösen  Blutkörper- 
chen sich  rücksichtlich  ihrer  Zusammensetzung  von  einander  unter- 
scheiden, ist  nicht  erwiesen,  da  noch  niemals  ein  reines  Blutkör- 
perchen untersucht  werden  konnte. 


Milzaderblut. 


33 


Angaben  Uber  die  vergleichende  Zusammensetzung  des  Ge- 
samratblutes  giebt  Lehmann;  wegen  des  zweifelhaften  Werthes 
solcher  Bestimmungen  müssen  wir  den  Leser  auf  die  Abhandlung 
selbst  verweisen. 

Beispielsweise  erwähnen  wir,  dass  der  feste  Eückstand  des  Gesammtblutes  der  Vena 
abdoni.  externa  im  Mittel  um  3,C  pCt.,  der  digitalis  u.  cephal.  im  Mittel  um  7,0  pCt.  ' 
geringer  war  als  der  der  A.  carotis ;  die  festen  Stoffe  des  Blutes  der  Vena  jugularis 
waren  einmal  ura  6,0  pCt.  niedriger,  und  ein  andermal  um  1,4  pCt.  höher  als  in  dem 
Carotidenblut 

Die  arteriellen  Blutkörperchen  sind  im  Gegensatz  zu  den  venösen 
hellroth  und  entbehren  des  Dichroismus.  Diese  Veränderung  ihrer 
Farbe  verdanken  sie  dem  vermehrten  Gehalt  an  Sauerstoff  und  dem 
veiminderten  an  COj ,  da  man  das  Blut  eben  so  wohl  durch  Zusatz 
von  COa  als  durch  Auspumpen  des  Sauerstoffs  dunkel  und  dich- 
roitisch  machen  kann.  —  Wie  im  ungemischten  Blut  verhält  sich 
auch  das  Roth  eines  stark  mit  Wasser  versetzten  Blutes.  Bruch*). 

Die  Volumeinheit  des  aus  der  Ven.  jugularis  genommenen  Blutes 
giebt  mit  Wasser  vermischt  eine  tiefere  rothe  Farbe  als  die  Volum- 
einheit des  Carotiden- Blutes  mit  derselben  Wassermenge.  Dieser 
Unterschied  besteht  auch  dann  noch,  wenn  das  venöse  Blut  durch 
Schütteln  vorher  hellroth  gemacht  wurde.  H  e  i  d  e  n  h  a  i  n  **)  schliesst 
daraus  auf  einen  grossen  Gehalt  des  venösen  Bluts  an  Haematin, 
respective  an  Blutkörperchen. 

Picard  fand  im  arteriellen  Blut  des  Pferdes  =  0,029  pCt. 
Harnstoff,  im  venösen  desselben  Thieres  0,035  pCt. 

Blut  der  Milzader***). 

Die  zahlreichen  Untersuchungen  über  diese  Blutgattung  sind 
^an  dem  Inhalt  der  Milzgef  ässe  eben  getödteter  Thiere,  insbesondere 
der  Pferde  angestellt. 

Die  rothen  Scheiben  des  Milzvenenblutes  sind  kleiner  als  die 
Mes  Milzarterienblutes  (Funke),  oft  nicht  mehr  rund  sondern  zackig 
und  oft  sehr  hellroth  bis  zum  Verschwinden  aller  Färbung  (Gray). 
Ihr  Inhalt  krystallisirt  vorzugsweise  leicht.  An  farblosen,  kugeligen 
[  Elementen  (Lymphkörperchen,  Körachenzellen)  ist  das  Milzvenen- 
blut sehr  reich,  namentlich  im  Verhältniss  zu  den  rothen  Zellen. 

Hirt  zählt  im  Milzarterienblut  auf  1  farbloses  2179  gefärbte, 
'in  den  Milzvenen  aber  auf  1  der  erstem  iiur  70  der  letztern.  In 

•)  Zeitschrift  für  wissciiscliaftllcho  Zoologie.  IV.  878. 
••)  DIsqiiisitlones  critlcae  u.  s.  w.  Ilallo  1857.  ' 

•■*)  Funke,  Henle's  und  PfeulTcrs  Zeltschrift.  N.  F.  I.  172.  —  Beolard,  Annales  do  chlm.  et 
>hyg.  3.  Bör.  XXI.  606.  —  H.  G  r  a  y ,  on  the  strncturo  and  use  of  thc  splcon ;  Londonl864.  p  13»  sq.  - 
lirt,  Müllers  Archiv  1850.  -  Vlorordt,  Ileiilo's  Jahresbericht  für  18M  p.  4.'). 
Ludwig,  Pliysiologle  II,  3 


34 


Milzadnrblut. 


dem  ans  der  Milz  gedrückten  Blut  eines  Hingerichteten  fand  V  i  e  r- 
ordt  gar  nur  auf  4,9  gefärbte  1  farbloses.  —  Weiter  weist  das 
Mikroskop  hier  auch  dunkelroth  bis  schwarz  gefärbte  Pigmentkör- 
perchen  nach,  die  frei  und  dann  entweder  einzeln  oder  zu  KlUmpchen 
geballt  oder  auch  in  Zellen  eingeschlossen  vorkommen.  Auch  er- 
scheinen Epithelialzellen  (Faserstoffschollen)  in  dem  Milzvenenblute. 

Das  Serum  des  Milzvenenblutes  unterscheidet  sich  in  seiner 
Zusammensetzung  den  nachstehenden  Zahlen  gemäss  wenig  oder 
gar  nicht  vou  den  andern  Blutarten.  Die  Beobachtungsthiere  sind 
Pferde: 


Arterien. 

Wasser. 

Eiweiss. 

Extracte. 

Fette. 

Salze. 

Beobachter. 

Arterialienalis 

91,3 

6,7 

1,  0 

0,8 

1  Funke. 

Vena  lienalis 

91,4 

6,1 

1,  3 

1,0 

Aorta 

90,5 

8,3 

1,0  ' 

0,03 

0,8 

Vena  jugularis 

90,9 

7,7 

1,2 

0,05 

0,7 

1  Gray. 

Vena  lienalis 

90,7 

7,9 

1,1 

0,10 

0,7 

Den  einzigen  ([ualitativen  Unterschied  begründet  Gray  durch 
die  tiefrothbraune  Färbung  des  eingedampften  Serumrückstandes. 
Sehr  auifallend  weicht  dagegen  das  Gesammtblut  von  dem 


anderer  Gefässe  ab.  Zuerst  durch  einen  höheren  Faserstoffgehalt 
(F unke,  Gray);  denn  während  er  in  dem  Aorten-  und  Milzarterien- 
blut »wischen  0,17  bis  0,49,  in  der  Vena  jugularis  zwischen  0,23  bis 
0,62  schwankte,  bewegte  er  sich  im  Blut  der  Milzvenen  zwischen 
0,28  bis  1,15  pCt.  In  ähnlicher  Weise  wie  der  Gehalt  des  Faser- 
stoffs zeigte  sich  auch  der  des  Wassers  höher  (Beclard,  Gray). 
Denn  während  er  im  Aortenblut  zwischen  71,9  bis  83,0  pCt.  lag, 
steigt  er  in  der  Vena  splenica  auf  88,0  pCt.  Als  Mittel  aus  zahl- 
reichen Bestimmungen  giebt  Gray  folgende: 

Aorta.    V.  jugidar.  V.  splenica. 


0,22 

0,41 

0,65 

In  kochendem  Wasser  unlöslich 

19,9 

19,8 

15,1 

Fette  und  Extracte  

1,0 

1,1 

1,0 

78,9 

79,3 

83,0 

Die  einfachste  Erklärung,  welche  dieser  Thatsache  zu  Grund 
gelegt  werden  kann,  namentlich  unter  Berücksichtigung  d(?r  gleich 
zeitigen  Vermehrung  d'es  Wassers  und  des  dem  Plasma  augehöri 
gen  Faserstoffs  ist  die,  dass  in  Folge  des  im  Sterbeakt  veränderte 
Blutsti-oms  die  rothen  Blutkörperchen  in  der  Milz  zurückgehalte 
werden,  während  das  Plasma  und  die  farblosen  Körperchen  noc 


Pfortaderblut. 


35 


anstreten  konnten.  Andere  ErkUirangsweisen  dieser  jedenfalls  be- 
aclitenswerthen  Thatsachen  sind  bei  der  Milz  emähnt. 

Eine  bestimmte  Beziehung  zwischen  der  Zeit,  in  welcher  die  Nahrung  aufgenom- 
men wurde,  und  der  Zusammensetzung  des  Bluts  ist  von  Gray  nicht  aufgefunden  worden. 
Wenn  man  bis  dahin  im  Extrakt  keinen  Zucker,  Harnstofi',  noch  Harn-  und  Gallcn- 
säure  fand,  so  wird  dieses  zum  Theil  wenigstens  mit  "Wahrscheinlichkeit  daher  rühren, 
dass  die  zur  Prüfung  angewendeten  Bliitmengen  zu  gering  waren.  Das  Beobachtungs - 
ergebniss  zeigt  aber  wenigstens,  dass  jene  Stoffe  nicht  in  sehr  reichlichem  Maasse  ver- 
treten sind. 

Blut  der  Pfort-  und  Leberader*). 

An  Faserstoff  enthält  nach  Lehmann  das  Pfortaderblut  der 
Pferde  0,42  bis  0,59  pCt. ,  das  der  Hunde  0,45  pCt.,  während 
das  der  Lebervene  beider  Thierspezies  ganz  frei  davon  sein  soll.  — 
Das  Serum  beider  Blutarten  verglichen,  ergab  für  das  Pferd: 


Pferd  5  Stunden  nach  der 
Fütterung  getödtet. 

Pferd  10  Stunden  nach  der 
Fütterung  getödtet. 

Pfortader. 

Leberader. 

Pfortader. 

Leberader. 

Salze  

Extracte  und  Fette 

Die  Zusammen! 
des  war: 

Fett  

Extracte  u.  lösl.  Salze 

Für  den  Hund 

92,26 

6,20 

0,78 
■  0,76 

äetzung  von 

3,61 
14,50 
81,96 

89,30 
7,47 
0,70 
2,53 

100  Theilei 

2,68 
25,95 
71,37 

92,17 
6,01 

0,83 
0,98 

1  festen  Ser 

3,76 
13,50 
82,73 

89,42 
7,70 
0,88 
2,00 

umrückstan- 

2,50 
22,33 
75,12 

In  100  Theilen  Serum. 

In  100  Theil.  Serumrückstand. 

Pfortader. 

Leberader. 

Pfortader. 

Leberader. 

Extracte  und  Fette  . 

Die  Extracte  d 

89,86 
8,29 
0,97 
0,92 

er  Pfortader 

^7,48 
8,83 
0,87 
3,17 

enthalten , 

81,21 
9,51 
9,28 

wie  Cl.  Be 

70,52 
6,90 
23,54 

rnard  ent- 

> während  die  der  Leberader  sehr  reich  daran  sind.  So  fand  Leh- 
mann in  100  Theilen  trockenen  Rückstandes  vom  Pfortaderblut 
der  Pferde  höchstens  0,01  bis  0,05  pCt.  Zucker,  wälnend  die  gleiche 


•)  Lehmann,  Leipziger  BcrlclUe ;  niallienint.  pliysik.  Kinase.  III. 
Iilatt  185C.  433. 


I.'ll. 


Plinnimzeut.  Central- 


36 


Düiindarmadorblut. 


Menge  trockenen  Rückstandes  der  Leberader  0,63  bis  0,89  pCt. 
gaben.  Bei  Hunden  fand  er  nach  48  stündigem  Hungera  im  Leber- 
venen-Blut 0,7  pCt.,  nach  2tägiger  Fleischfüttening  0,8  pCt.  und 
nach  2tägiger  Kartotfelkost  0,8  pCt.  Zucker.  In  allen  Fällen  ent- 
hielt die  Pfortader  nichts  oder  nur  Spuren  von  diesem  Stoffe. 
Dieser  Punkt  findet  noch  einmal  eine  ausführlichere  Berücksich- 
tigung bei  der  Leber, 

Die  farbigen  Zellen  des  Lebervenenblutes  sind  kleiner  und 
mehr  kugelig,  als  die  der  Pfortader;  sie  werden  vom  Wasser  weniger 
leicht  ausgedehnt.  Neben  diesen  veränderten  farbigen  kommen  im 
Leberaderblut  sehr  viele  farblose  Zellen  vor.  Nach  Hirt  kommen 
auf  ein  farbloses  Körperchen  in  der  Pfortader  524  farbige,  in  der 
Leberader  aber  136. 

Das  Gesammtblut  der  Thiere,  von  denen  die  Serumanalyse 
mitgetheilt  wurde,  enthielt  in  100  Theilen: 

L  n. 

Pfortader.  Leberader.    Pfortader.  Leberader. 
Pferd.      Wasser    76,92       68,64  86,23  74,31 

Hund.  „        79,24       71,55  13,76  25,69 

Der  Eisengehalt  in  100  Theilen  Rückstand  des  Gesammtbluts 
schwankte  bei  Pferden  in  der  Pfortader  zwischen  0,213  bisO,164pCt., 
in  der  Leberader  zwischen  0,140  und  0,112.  Der  Fettgehalt  des- 
'  selben  Rückstandes  betrug  im  Mittel  aus  der  Pfortader  3,4  pCt., 
aus  der  Leberader  2,1  pCt.  Beim  Hunde  in  der  Pfortader  5,0  in 
der  Leberader  3,0  pCt. 

Das  Blut  aus  der  Pfortader  wurde  schon  öfter  aus  dem  Blutstrora,  meist  aber  dem 
eben  getödteten  Thier  genommen;  das  der  Leberader  wurde  immer  dem  todten  Thier 
entzogen,  in  welchem  also  die  diffusive  Ausgleichung  zwischen  den  Flüssigkeiten  der 
Leber  und  des  Blutes  weiter  als  im  Leben  vorgeschritten  sein  dürfte.  —  Namentlich 
beziehen  sich  die  angegebenen  Untersuchungen  von  Lehmann  auf  das  Blut  getödteter 
Thiere.  —  Um  die  Vermischung  der  Blutarten  in  den  Gefässen  während  des  Auffangens 
zu  hindern,  muss  man  nach  C'l.  Beriiard,  vor  dem  Auslassen  des  Pfortaderblutes 
erst  ihre  in  die  Leber  gehenden  Zweige,  und  vor  dem  Entleeren  der  Leberader  die 
Vena  cava  ober-  und  unterhalb  der  Vena  hepatica  unterbinden.  Rein  wird  dann  das 
Lebervenenblut  immer  noch  nicht  sein.  — 

Blut  der  Dtinndarmader*). 

Vergleichende  Bestimmungen  des  Hundebluts  aus  der  Vena 
jugularis  und  mesaraica  gaben  (Wiss): 


»)  Virchow's  Arcliiv.  I.  250. 


Niercnaderblut  —  Veränderung  der  Blutzusaramenseteung  mit  der  Nahrung.  37 


Serum. 

Gesammtblut. 

Darmader. 

Halsader. 

Darmader. 

Halsader. 

91,65 

92,23 

78,71 

78,79 

Eückstand  .... 

8,35 

7,77 

21,28 

21,20 

Blut  der  Nierenader. 

Der  Wasser-  und  Faserstoffgehalt  des  Blutes  der  Nierenader 
(beim  Hunde),  verglichen  mit  dem  der  Carotis  und  der  Nierenarterie 
gaben  (Wiss): 


Gesammtblut. 


Serum. 


Carotis. 

Nierenader. 

Carotis. 

Nierenader. 

91,38 

91,17 

79,15 

78,43 

Feste  Bestandtheile.  . 

8,62 

8,83 

20,08 

21,57 

Faserstoff  .... 

0,25 

0,16 

Nierenarterie. 

Nierenader. 

Nierenarterie. 

Nierenader. 

92,68  ^ 

92,25 

77,97 

78,45 

Feste  Bestandtheile  . 

7,34 

7,75 

22,02 

21,54 

Faserstoff  .... 

0,15 

0,15 

Picard  traf  beim  Hunde  in  der  Nierenarterie  0,036  und  0,040, 
in  der  Nierenvene  0,018  und  0,02  Harnstoff. 
Blut  der  untern  Hohlvene. 

Nach  Lehmann  enthalten  100  Theile  Serum  vom  Pferde: 


1  Wasser. 

Albumin. 

Salze. 

Extracte. 

Der  Hohlvene  .  . 

{  90,56 

7,42 

0,82 

Ijl6 

Der  Arterie  .    .  . 

1  90,51 

T,17 

0,84 

1,13 

Das  Verhalten  des  Gesammtblutes  dieser  Vene  belegt  Lehmann  am  citirten  Orte 
ebenfalls  mit  Zahlen. 

Die  Veränderung  der  Blutzusammensetzung  mit 
der  Nahrung**). 

Bei  den  Worten  Vermehrung  und  Verminderung  ist  fortlaufend 
ider  procentische  Werth  zu  suppliren. 

Der  F  a  s  e r  s  1 0  f  f  g  eh  a  1 1  des  Hundeblutes  nimmt  nach  Fleisch- 
genuss  in  den  ersten  sieben  Stunden  eher  ab  als  zu  (Andral, 
^Nasse).  Nach  anhaltender  Fleischnahrung  wird  der  Faserstoff 
beträchtlich  vermehrt  (Lehmann,  Nasse),  rein  vegetabilische 


•)Niissc,  üebcr  den  Elnfluss  der  Nntirnngsiiiittül  auf  tlns  Blut.  1880.  Pogglnlo,  compt. 
renil.  XXV.  IIU.  Vardeil,  Lieblgg  Annaion.  C9.  Bd.  p.  89,  —  Thomson,  London  medical. 
Ciazetto  WT). 


38  Verändüruug  der  Blutzusamnicnsetzun^  mit  der  Nahrung. 

vermindert  ihn  (Lehmann).  Hungern  soll  nach  Andral  ihn  ver- 
mehren, nach  Nasse  vermindern;  der  letztere  Autor  leitet  den 
Widerspruch  zwischen  diesen  Beobachtungen  aus  den  häufigen 
(Faserstoffvermehrung  bewirkenden)  Aderlässen  her,  welche  Andral 
an  seinen  Thieren  behufs  der  Untersuchung  ausführte. 

Der  Serumrückstand  (Eiweiss,  Salze  und  Fett)  nimmt  einige 
Zeit  nach  der  Anfüllung  des  Magens  mit  verdaulichen  Stoffen  zu. 
Nach  anhaltender  vegetabilischer  Nahrung  und  besonders  nach 
Zucker  ist  er  höher,  als  nach  ausschliesslicher  Fleischnahrung; 
durch  Hunger  vermindert  (Nasse). 

Nach  Fleischnahrung  enthält  das  Serum  den  aus  dem  ver- 
dünnten Blut  durch  Essigsäure  fällbaren  Eiweisstoff  in  grösserer 
Menge  (Nasse). 

Der  Fettgehalt  des  Serums  steigert  sich  vorzugsweise  nach 
dem  Genuss  von  Schweinefett,  Knochenmark  und  Butter;  weniger 
nach  Oel,  Seife,  Talg.  —  Schliesst  man  aus  der  Trübung  des 
Serums  durch  Fettpartikelchen  (Serum -Rahm)  auf  vennehrten 
Fettgehalt,  so  beginnt  die  Vermehrung  des  Fettes  eine  halbe  Stunde 
nach  der  fettreichen  Mahlzeit;  nach  12  Stunden  ist  das  Ansehen 
des  Serums  meder  zu  seiner  normalen  Beschaffenheit  zurückge- 
kehrt. Zusatz  von  Mineralsäuren  und  kohlensaurem  Natron  ver- 
spätet, von  phosphorsaurem  Natron  beschleunigt  den  Eintritt  der 
Seramtrtibung  nach  fettreicher  Nahrung.  —  Das  klare  Serum  kann 
aber  auch  fettreich  sein;  das  Fett  des  trüben  ist  flüssiger  und  ver- 
seifbarer, als  das  des  klaren  Serums. 

Nach  Genuss  von  Brod  erscheint  im  Blute  Traubenzucker; 
kurze  Zeit  nach  dem  Essen  ist  Zucker  deutlicher  nachweisbar,  als 
sonst  (Thomson). 

Die  Zahl  der  Lymphkörperchen  nimmt  bei  hungernden 
Fröschen  im  Verhältniss  zu  den  rothen Blutkörperchen  ab  (Wagner, 
D 0 n d e r s  und  Mole  schott);  ebenso  bei  Kaninchen.  —  Beim  Men- 
schen steigert  sich  die  Zahl  nach  der  Mahlzeit  und  nimmt  wenige 
Stunden  nach  derselben  beträchtlich  ab  (Harting,  Kölliker). 
Hirt  giebt  folgende  Verhältuisszahlen  zwischen  weissen  und  rotheu 
Körperchen,  die  Zahl  der  ersteren  als  Einheit  gesetzt: 

Fi^,  nüchtern  10  bis  12  Stunden  nach  dem  Abendessen  716; 
V2  Stunde  nach  dem  Frühstück  347;  2'/2  bis  3  Stunden  nach  dem 
Frlihstück  1514;  10  Minuten  nach  dem  Mittagessen  1592;  7-2  Stunde 
nach  dem  Mittagessen  429;  27-2  bis  4  Stunden  nach  dem  Mittag- 


Veräiiilorunj;  der  JUutzusaiumensotzung  mit  der  Nalnung. 


39 


essen  1481 ;  '/i  Stande  nach  dem  Abendessen  544;  2'/)bis3'/2  Stunde 
nach  dem  Abendessen  1227. 

Das  allgemeine  Kesiiltat  dieser  Zählungen  bestätigen  Mar- 
fels*)  und  L orange**). 

In  der  TabeUe  von  Hirt  fällt  es  auf,  dass  nach  dem  Schlafe  die  Verhältnisszahl 
eine  kleinere  ist  als  vor  demselben,  daraus  würde  folgen,  dass  die  Zeit,  welche  seit 
der  letzten  Mahlzeit  verstrich ,  nicht  allein  über  die  Verhältnisszahl  entscheidet.  — 
üeber  die  Veränderung  der  Verhältnisszahl  nach  dorn  Gebrauch  von  China,  Myrrhe, 
Eisen  und  Quecksilber  siehe  die  citirten  Abhandlungen,  über  die  Veränderungen 
der  absoluten  Zahl  rother  Körperchen  S  töl  zi  n  g***). 

Der  Wassergehalt  des  Ge sammtbluts  ist  nach  Fleischkost 
geringer,  als  nach  Brod-  und  Kartoffelnahrung.  Im  Mittel  betrug 
der  Wassergehalt  nach  Fleischdiät  78,4  pCt.  und  nach  Pflanzen- 
kost 79,2  pCt.  —  Entziehung  jeglicher  (fester  und  flüssiger)  Nahrung 
vermindert  in  den  ersten  Tagen  den  Wassergehalt.  Entziehung 
der  festen  Nahrung  bei  Wassergenuss  vermehrt  in  den  ersten  Tagen 
den  Wassergehalt,  später  aber  vermindert  er  sich  bei  dieser  Lebens- 
weise ebenfalls  (Simon,  H.  Nasse).' —  Vermehrung  des  Wasser- 
genusses bei  gleichbleibender  Menge  fester  Nahrungsstoffe  ist  ohne 
Einfluss  auf  den  Wassergehalt  des  Blutes,  Durch  Vermehrung  der 
festen  Nahrungsbestandtheile  soll  der  Wassergehalt  des  Bluts  zu 
Vennindern  sein.  —  In  den  ersten  acht  bis  neun  Stunden  nach  der 
Mahlzeit  soll  der  Wassergehalt  im  Abnehmen  und  dann  wieder  im 
Zunehmen  begriffen  sein  (H.Nasse).  Nach  Poggiale  undPlou- 
vier  soll  durch  reichlichen  Kochsalzgenuss  der  Wassergehalt  bei 
den  Wiederkäuern  und  dem  Menschen  abnehmen,  eine  Thatsache 
welche  Nasse  für  das  Hundeblut  ungültig  fand. 

Der  Fettgehalt  des  Gesammtbluts  verhielt  sich  der  Nahrung 
entsprechend  folgendermassen  beim  Hunde:  nach  4tägigem  Hungern 
0,26;  nach  Brodnahrung  0,31;  nach  Fleisch  0,38;  nach  Schmalz 
und  Stärkemehl  0,41  (H.  Nasse).  Diese  Angaben  findet  Bous- 
singault  bei  Vögeln  nicht  bestätigt.  —  Nach  Pflanzenkost  ist  das 
Blutfett  fester  und  weisser,  als  nacTi  Fettnahrung  (Nasse). 

.  Das  Kochsalz  vermehrt  sich  nach  Kochsalzgenuss ;  dieser  Salz- 
überschuss  verschwindet  b;ild  wieder  (Poggiale,  Nasse);  die 
Phosphorsäure  ist  reichlicher  nach  Fleischkost,  als  nach  Pflanzen- 
nahrung (Verdeil,  Nasse);  Magnesia  und  Kalk  mehr  nach 
Pflanzen-,  als  nach  Fleischkost.    Durch  Hunger  werden  der  Kalk 


•)  Molcschott,  Dntersiicliungen  zur  Naturlohro  I.  61. 
*•)  Virchows  Archiv  XII.  Bd.  117. 
•'•)  Valentins  Jahresbericht  für  1856.  p.  102. 


40 


Blut  verschicdoncr  GeBclilechtcr  und  Lobeiisalter.  Bhitmengo. 


und  die  kohlensaureu  Alkalien  nicht  geändert.  —  Der  Salzgehalt 
im  Ganzen  ist  bei  der  Fleischnahrung  grösser  als  bei  Pflanzen- 
nahmng.  —  Ueber  relative  Veränderungen  des  Salzgehaltes  in  der 
Asche  siehe  Verdeil  1.  c. 

Das  Blut  der  nüchteren  und  einige  Stunden  vorher  gespeisten 
Menschen  ist  gleich  reich  an  Harnstoff  (Picard). 

Die  Angaben  von  H.  Nasse  beziehen  sieb,  sämmtlich  auf  das  Hundeblut ;  die 
Vorsichtsmassregeln,  die  bei  den  Untersuchungen  über  die  Variation  der  Blutzusammen- 
setzung mit  der  Nahrung  zu  nehmen  sind,  siehe  bei  diesem  Schriftsteller. 

Die  Veränderungen,  welche  das  Blut  durch  einen  Aderlass  erfährt,  sind  hier  noch 
namentlich  der  Untersuchungsraethoden  des  Bluts  wegen  zu  erwähnen.  Das  Serum 
des  Bluts  in  den  verschiedenen  Partien  eines  Aderlasses  zeigt  ungefähr  dieselbe  Zu- 
sammensetzung; um  ein  geringes  mehrt  sich  sein  procentisches  Wasser  und  dafür  min- 
dern sich  Eiwciss  und  Extracte  (Loh mann).  —  Im  Gesammtblut  soll  der  Wasser- 
und  i'aserstofTgehalt  des  Bluts  vermehrt  werden.  (Zimmermann,  Nasse,  Poppe, 
Lehmann*).  —  Im  Gegensatz  hierzu  findet  Brücke**),  dass  der  Procentgehalt  des 
Bluts  an  Paserstoff  in  4  bis  5  hintereinander  aufgefangenen  Blutproben  eines  verblu- 
tenden Hundes  von  0,224  pCt.  bis  0,068  pCt.  abnahm.  —  Die  Lymphkörperchen  sollen 
sich  im  Verhältniss  zu  den  fai'bigen  JCörperchen  sehr  vermehren  (Remak)  und  die 
Zahl  der  farbigen  absolut  abnehmen  (  V  ierordt***).  Was  mit  der  Angabe  der  unver- 
änderten Zusammensetzung  des  Serums  .bei  -steigendem  Wassergehalt  des  Gesammtblutes 
übereinstimmt. 

Blut  verschiedener  Geschlechter  und  Lebensalter. 

Das  Blut  im  kindlichen  Alter  soll  am  reichsten,  das  im  höhern 
Alter  am  ärmsten  an  festen  Bestandtheileu  sein. 

Das  Blut  der  Frauen  fand  man  im  Allgemeinen  reicher  an 
Wasser  und  Fett  und  änner  an  löslichen  Salzen,  als  das  der 
Männer. 

In  der  Schwangerschaft  soll-  das  Blut  faserstoff-  und  wasser- 
reicher, dagegen  eiweissärmer  als  gewöhnlich  sein. 

Blutmengef). 

Die  Blutmenge  des  Menschen  wird  sich  im  Allgemeinen  mit 
dem  Gewicht  des  letztern  verändern;  fraglich  bleibt  es  aber,  ob 
selbst  innerhalb  der  Grenzen  der  Gesimdheit  die  Verhältnisszahl 
zwischen  Blut-  und  Körpergewicht  eine  constante  bleibt,  da  offen- 
bar die  verschiedenen  Organe  des  Menschen  sich  einer  sehr  ungleichen 
Blutfillle  erfreuen  und  die  verschiedenen  Individuen  sich  von  ein- 


•)  Pharmazeut.  Centralblatt  1856.  444. 
»»)  Vircliows  Archiv  XII.  179. 
»*»)  Archiv  f.  pliysiol.  Heilkunde.  XIII.  459. 
I)  Welltor,  Prager  Viertcljahrscluift  1854.  4.  Bd.  —  Dcrsolbe,  Heiile's  ii  PfoufTer's  Zcltschr. 
3.  R.  IV.  Bd.  146.        Heiden  haln,  Dlsqiiisitlones  criticae  de  sanguinis  quantitatc  1857.  —  Valen- 
tin, Physiologie.  2.  Aufl.  I.  494.  —  Veit,  Obsorvattonum  de  sanguinis  quantitatc  rccensio  1848. 


Blutiiiengc. 


41 


ander  abheben  durch  ein  ungleiches  Verhältniss  der  einzelnen  Organe 
zu  einander. 

Nach  den  vorliegenden  Beobachtungen  am  erwachsenen  Men- 
schen selbst  enthalten  100  Gr,  desselben  12,5  Gr.  (Ed.  Weber» 
und  Lehmann)  bis  7,7  Gr.  (Bisch off),  der  Neugebornen  aber 
5,2  Gr.  (Welker)  Blut.  —  Nach  ausgiebigeren  Bestimmungen  von 
Säugethieren  enthielten  100  Theile  der  folgenden  Thiere  die  bei- 
geschriebenen Blutmengen.  Maus  7,2  —  8,0  (Welker);  Kanineben 
6^08  —  4,81,  im  Mittel  5,5;  ein  schwangeres  Thier  ohne  Junge  6,7 
(Heidenhain);  die  junge  Katze  6,2  (Welker);  Hund  6,6  bis 
8,1,  im  Mittel  7,4  (Heidenhain).  Bei  Hunden,  welche  durch 
anhaltende  Nahrungsentziehung  20  bis  30  pCt.  von  ihrem  ursprüng- 
lichen Gewicht  eingebiisst  hatten,  blieb  die  Verhältnisszahl  zwischen 
Blut  und  Gesammtkörper  dieselbe,  nämlich  8,1  bis  7,8  (Heiden- 
hain). Wesentlich  abweichende  Zahlen  giebt  Valentin,  indem 
er  den  100  Theilen  Hund  20  bis  25  Theile  Blut  zuschreibt. 

Zur  Bestimmung  der  Blutmenge  giebt  es  drei  Methoden :  1)  Verfahren  von 
"Welker  mit  Verbesserungen  von  Heidenhain,  Sie  benutzt  die  Färbekraft  des 
Bluts,  d.  h.  den  Farbenton,  den  eine  bestimmte  Menge  von  Blut  einer  bestimmten 
Menge  von  Wasser  ertheilen  kann.  Sind  zwei  verschiedene  Blutvolumiua  a  u.  u.  a' 
desselben  Individuums  mit  bekannten  Wassermengen  b  u.  b'  so  gemischt,  dass  beide 
Mischungen  denselben  Farbenton  geben,  so  werden  sich  vorausgesetzt,  dass  die  Färbekraft 
der  beiden  Blutproben  dieselbe  war,  in  beiden  Mischungen  gleiche  Verhältnisse  zwischen 

a  a' 

Blut  und  Wasser  finden,  also  sein.    Sind  drei  Werthe  dieser  Gleichung  be- 

a 

kannt,  z.  B.  a,  b  u.  b',  so  wird  a'=^b'  sein.    In  der  Ausführung  wird  sich  also 

die  Welker'sche  Blutbestimmung  so  gestalten,  dass  man  ein  gegebenes.  Gewicht 
reinen  Bluts  mit  einer  gegebenen  Wassermenge  vermischt,  dann  den  gesammten  Blut- 
farbstoff des  Individuums  (durch  Verbluten ,  Ausspritzen  und.  Auspressen  desselben) 
sich  verschafft,  und  diesen  so  lange  mit  Wasser  verdünnt,  bis  sein  Farbenton  der 
zuerst  bereiteten  Blutmischung  gleich  ist.  Die  Sicherheit,  welche  dieses  Verfahren 
■  bietet,  wird  abhängig  sein :  a*  von  der  Genauigkeit,  mit  welcher  die  Messungen  der  Vo- 
lumina anzustellen  sind;  diese  können  durch  Anwendung  genau  graduirter  Maassge- 
fässe,  respektive  einer  guten  Waage  die  Grenzen  wissenschaftlicher  Genauigkeit  über- 
haupt erreichen ;  b"  von  der  Befähigung  des  Auges ,  den  Farbenunterschied  aufzu- 
1  decken;  diese  ist  zwar  eine  sehr  grosse,  aber  nach  Heidenhain  selbst  nach  erlangter 
I  Uebung  unter  Anwendung  möglichst  günstig  ausgewählter  Bedingungen  (nämlich  im 
Verhältniss  des  Bluts  zum  Wasser  =  1:500  und  1 : 1 000 ;  eine  Dicke  der  7,5  CM.  Lösungs- 
schicht; eine  Yergleichung  der  Farben,  während  die  mit  den  Blutlösungen  gefüllten 
Flaschen  vor  eine  weisse  Fläche  gehalten  werden)  eine  beschränkte.  Unter  diesen 
Voraussetzungen  konnte  sich  der  Fehler  belaufen  nuf  2,5  bis  4  pCt.,  d.  h.  es  wurde 
•eine  Lösung,  welche  auf  100,000  Wasser  100  Theile  Blut  enthielt,  gleichgefärbt 
■erachtet  mit  einer  solchen  von  102,5,  resp.  104,0  Tlieilon  Blut.  c".  Es  fragt  sich,  ob 
die  beiden  verglichenen  Blutproben  gleiclie  Färbekraft  besitzen.    Dieses  würde  unzwei- 


42 


Dlutniengi 


telhatt  der  i'all  sein,  wenn  man  das  gan^se  Blut  des  Tliieres,  vor  der  Vermischung 
mit  Wasser  gleichinässig  mengen  könnte ,  so  dass  Uberall  das  Verliältniss  zwischen 
Piasraa  und  Xörperchen  dasselbe  wäre.  Statt  dessen  muss  man  sich  begnügen, 
aus  einem  oder  dem  andern  Gofäss  eine  Blutprobe  zur  Vergleichung  mit  dem  ausge- 
'waschenen  Blut  zu  nehmen.  Hier  erscheint  es  nun  bekannte  Thatsache  und  einer 
cigends  ausgeführten  Bestimmung  von  Heidenhain  gegenüber  nicht  gleichgültig, 
ob  man  das  Blut  aus  der  Vena  jugularis  oder  aus  der  Arteria  carotis  wählte;  das 
letztere  besass  weniger  färbende  Kraft  als  das  erstere.  Da  nun  jedes  Gefäss  Blut  von 
spczif.  Eärbokraft  besitzen  wird,  so  würde  zu  verlangen  sein  eine  Kcnntniss 
der  Färbekraft  aller  einzelnen  Blutarten,  namentlich  der  Venen  (Vena  hepatica, 
lienalis,  renalis  u.  s.  w.)  und  zugleich  der  Blutmengen  in  den  einzelnen  Gefässab- 
schnitten.  Stattdessen  begjiügtc  sich  Heidenhain  mit  dem  Mittel  aus  dem  Färbungs- 
vermögen des  Venen-  und  Arterienbluts  am  Halse,  zur  Vergleichung  mit  dem  des  ent- 
leerten Blutes.  Durch  dieses  Verfahren  ist  der  Fehler  vermindert,  aber  nicht  aufgehoben, 
namentlich  weil  das  venöse  Blut  viel  reichlicher  vorhanden  ist  als  das  arterielle. 
Heiden  Ii  ain,  der  mit  Sorgfalt  diese  Fehler  in  Betracht  zieht ,  giebt  an ,  dass  er 
die  Blutmenge  des  Thieres,  wenn  er  sie  auf  Grundlage  der  arteriellen  Probe  bestimmte, 
bis  zu  13  pCt.  höher  fand,  als  wenn  dieses  mittelst  der  venösen  geschah.  — 
d"  Das  Blut  muss  immer  möglichst  auf  das  gleiche  Both  zurückgebracht  werden,  durch 
Schütteln  mit  Luft.  —  e"  Das  zum  Mischen  angewendete  Wasser  muss  immer  gleiche 
Eigenschaften  besitzen ,  also  dostillirtes  sein.  —  f  Die  Blutproben  müssen  wegen  der 
raschen  Veränderung  ihres  Farbstoft's,  die  um  so  eher  eintritt,  wenn  das  Blut  schon 
mit  Wasser  verdünnt  war,  möglichst  bald  nach  der  Entleerung  aus  den  Gefässen  ver- 
glichen werden.  —  g"  Zur  Erschöpfung  des  Leichnams  von  Blutfarbstoff  lässt  man  das 
Thier  erst  wie  gewöhnlich  verbluten,  dann  spritzt  man  rasch,  und  zwar  möglichst  vor 
der  Blutgerinnung,  die  Gefässe  mit  Wasser  durch,  und  nun  erst  zerkleinert  man  das 
Thier  und  laugt  es  in  der  Presse  mit  Wasser  aus.  Die  durchgespritzten  und  ausge- 
pressten  Flüssigkeiten  werden  filtrirt.  Dieser  Theil  des  Verfahrens  würde  die  Angaben 
über  Blutmenge  eher  zu  gross  als  zu  gering  machen ,  da  dabei  ein  Verlust  an  Blut- 
farbstoff kaum  zu  fürchten-  ist,  während  andere  thiorische  Farbstoffe  sicher  in  die 
Lösung  übergehen.  Die  Umständlichkeit  dieser  Operation  erschwert  die  Anwendung 
auf  grosse  Individuen,  so  dass  nur  Welker  und  Bischoff  die  Beobachtungen  auf 
den  Menschen  ausdehnen  konnten.  —  Aus  diesen  Bemerkungen  wäre  zu  schliessen,  dass 
sich  allerdings  Welkers  Methode  um  eine  noch  nicht  genau  angebbare  Zahl  von  Pro- 
zenten ii-ren  könne,  dass  sie  aber  dennoch  eine  grössere  Genauigkeit  gibt,  als  die 
andern  bis  dahin  angewendeten. 

2)  Valentin  geht  bei  der  Blutbestimmung  von  folgender  Betrachtung  aus:  Ge- 
setzt, es  sei  X  die  Menge  des  Rückstandes,  welchen  das  gesammte  eingetrocknete  Bl 
eines  Thieres  hinterlassen  würde ,  und  Y  das  Wasser  dieses  Bluts ,  so  würde  Y  -\- 
die  Blutmasso  dieses  Thieres  darstellen.    100  Theile  dieses  Bluts  würden  eingctroekn  , 

hinterlassen  R  = (1).    Fügt  man  nun  zu  der  Blutmasse  X-|-Y  ein  bekannt" 
X-f- Y 

Gewicht  destillirten  Wassers  a,  so  wird  die  in  den  Blutgefässen  vorhandene  Flüssigk 
jetzt=  X  +  Y  +  a.  u.  R'  =  ^^y^^  (2). 

a  R  R'         ^  ^      (100  — R)    R'a       .  „.  .  , 

Wii-  iintfnTi  sntiiit  X  =    und  Y  =  '  r-,  ZW«  Gleichuii 

Wir  Jiatten  somu  a  jqO  (R  — R')  100' 

gen,  welche  zu  lösen  sind,  wenn  R  und  R'  bekannt  geworden;  um  sie  bekannt 


BlutllltMlgO. 


43 


machen,  entzieht  man  einem  Thiere  eine  kleine  Blutmenge,  injizirt  darauf  in  die  geöff- 
nete Vene  ein  bekanntes  Gewicht  destillirtou  Wassers  und  entzieht  nach  einiger  Zeit 
abermals  Blut.    Dann  bestimmt  man  durch  Eintrocknen  den  Gehalt  beider  Blutarten 
,  an  festen  Bestiuidtheilen.  —  Valentin  und  Veit*)  führten  eine  Keilic  solcher  Unter- 
|y  suchungen  an  Hunden ,  Katzen ,  Schafen ,  Ziegen  und  Kaninchen  aus.    Da  sich  die 
!?  Blutmengen  der  Hunde  ziemlich  übereinstimmend  zu  '/4  bis  Y5  des  Körpergewichts 
berechneten,  so  hielt  man  das  Eesultat  für  ein  richtiges.    Statt  dessen  könnte  man 
»aber  sagen,  die  Fehler  der  Methode  sind  constant,  ohne  dass  man  über  ihre  Grösse 
r  Etwas  auszusagen  im  Staude  wäre.  —  Die  Fehler ,  welche  man  ihr  vorwirft ,  sind  fol- 
,  gende:    Einmal  glaubt  man,  dass  das  blutverdünuende  Wasser  in  den  Gefässen  nicht 
ii  zurückgehalten  werde,  sondern  durch  die  Nieren,  Speicheldrüsen,  serösen  Häute  u.  s.  w. 
austrete.    Dieser  Vorwurf  ist  nicht  so  gegründet,  wie  er  auf  den  ersten  Blick  erscheint-, 
1  mindestens  geht  in  der  ersten  halben  Stunde  nach  der  Wassereinspritzung  keine  Stei- 
;  gerung  der  Conzentration  des  Blutes  vor  sich ,  selbst  wenn  das  Blut  bedeutend  ver- 
i  dünnt  worden  war  (Veit,  Kierulf).  —  Dann  kann  sich  das  verdünnte  Blut  durch 
[Diffusion  in  das  Gleichgewicht  setzen  mit  der  UrÄgebung ,  also  wird  es  auch  feste 
«Stoffe  aufnehmen  (Donders).  —  Wichtiger  erscheint  der  Einwand,  dass  die  Mischung 
von  Blut  und  Wasser  nicht  gleichmässig  sein  könne ,  da  das  Wasser  nicht  auf  einmal 
mit  dem  ganzen  Blute  durchgeschüttelt  werde.  —  Endlich  aber,  und  dieses  dürfte  bei 
Bestimmungen  des  Wassergehaltes    vom  Gesammtblut   am    schwersten  iu  die  Wag- 
schale fallen,  sind  wegen  der  ungleichen  Mischung  von  Körperchen  und  Plasma  alle 
>  Wasserbestimmungen  am  Gesammtblut   illusorisch.    Irgend    welche  Geschwindigkeits- 
:  änderung  im  Strom  des  Gefässes ,  aus  dem  der  Aderlass  kam ,  kann  hier  grössere  Ab- 
i  weichungen  erzeugen  als  die  Wasserinjoction. 

3.  Ed.  Weber  Hess  Verbrecher  vor  und  nach  der  Enthauptung  wägen.  Den 
Unterschied  gab  das  nach  der  Enthauptung  entleerte  Blut  und  zu  gleicher  Zeit  be- 
tstimmte er  den  prozentigen  Werth  des  festen  Kückstandes  in  dem  ausgeflossenen  Blut, 
i  Ausserdem  spritzte  er  so  lange  in  die  Arterien  des  Kopfs  und  Rumpfs  Wasser ,  als 
iius  den  Venen  noch  eine  rothgefärbte  Flüssigkeit  drang.  Diese  Flüssigkeit  vordampfte 
rer  zur  Trockne  und  wog  ihren  Rückstand.  Aus  dem  Gewicht  dieses  letztern  und  dem 
•  bekannten  Gehalt  des  Bluts  an  festen  Bestandtheilen  konnte  berechnet  werden,  wie 
;riel  Blut  durch  das  eingespritzte  Wasser  ausgespült  war. 

Heidenhain  hat  später  gefunden,  dass  selbst  ein  vorsichtiges  Ausspritzen' 
lamentlich  in  den  Knochen ,  Nieren ,  Leber  u.  s.  w.  Blut  zurücklässt ;  und  ausserdem 
■  .st  längst  bekannt,  dass  durch  Wasserinjection  Oedem  eintritt,  dass  also  ein  Theil,  der 
nit  fester  Masse  geschwängerten  Flüssigkeit  in  die  Gefässe  tritt.  Man  hätte  also  er- 
warten sollen,  dass  diese  Methode  weniger  Blut  als  die  Welker 'sehe  haben  würde 
ind  doch  verhält  es  sich  umgekehrt. 

Andere  Methoden  zur  Ermittelung  des  Blutgchaltes  sind  entweder  sichtlich  un- 
■follkoramen,  oder  sie  führen  zu  etwas  ganz  Anderem,  als  beabsichtigt.  —  Dahin  ge- 
rt  die  Wägung  einer  erstarrenden  Masse ,  welche  in  das  Qofässsystem  eingespritzt 
i ;  man  erhält  hieraus  begreiflich  nur  eine  Aussage  über  die  Räumlichkeit  der  Ge- 
isse bei  einer  bestimmten  Spannung  der  Wände. 


•)  Obuorvationum  de  »angainlg-quantltAte  rccciisio.   Hallo  1848. 


44 


Blutbeweguiig.  Einleitung. 


Blutbeioegung . 

Einleitung  *). 

1.  Physikalischer  Begriff  des  Wassers.  Die  Beobachtung  lehrt:  dass,  wenn  wir 
eine  Wassermasse  zusammendrücken  das  Volum  desselben  sich  mindert  und  zwar  in 
dem  Maasse,  in  welchen  der  Druck  steigt.    Der  relative  Worth  dieser  Volumvermin- 

derung  — ,  wo  v'  die  Volumverminderung,  v  das  Volum  des  Wassers  vor  der  Zusam- 
menpressung bedeutet,  ist  aber  ein  so  geringer,  dass  man  ihn  mit  einer  für  das  all- 
tägliche Leben  genügenden  Genauigkeit  vernachlässigen,  also  das  Wasser  als  unzusam- 
mendrückbar  ansehen  kann.  Auch  nimmt  die  Flüssigkeit  ihr  früheres  Volum  wieder 
ein,  wenn  sie  dem  Druck,  der  auf  ihr  lastete,  entzogen  wird.  —  Die  Erfahrung 
lehrt  ferner ,  dass  der  einer  ruhenden  Wassermasse  beigebrachte  Druck ,  wenn  er  auch 
nur  einseitig  wirkt,  sich  nach  allen  Richtungen  hin  gleichmässig  fortpflanzt,  so  dass, 
wenn  z.  B.  ein  Druck  senkrecht  auf  das  Wasser  erfolgte,  er  sich  in  diesem  auch  nach 
der  wagrechten  Richtung  ausbreitet.  —  Ferner  steht  es  fest,  dass  die  Flüssigkeit  durch 
eine  Zunahme  ihrer  Temperatur  sich  allseitig  gleichmässig  ausdehnt  und  umgekehrt,  dass 
sie  bei  Abnahme  derselben  sich  allseitig  gleichmässig  zusammenzieht.  —  Die  verschie- 
denen Querschnitte  einer  Wassermasse  hängen  mit  einer  beträchtlichen,  und  dazu  mit 
einer  nach  allen  Richtungen  gleichgrossen  Kraft  zusammen ,  dabei  sind  aber  die  ver- 
schiedenen Schichten  im  Innern  der  Wassermasse  mit  Leichtigkeit  aneinander  verschieb- 
bar. Endlich  kann,  wie  die  Lehre  von  der  Lösung  und  Diffusion  zeigt,  in  dem  Raum, 
der  scheinbar  schon  vollkommen  vom  Wasser  erfüllt  war,  noch  ein  anderer  flüssiger 
Körper  eingeführt  werden,  so  dass  eine  solche  Lösung  angesehen  werden  muss  als  eine 
nach  allen  Richtungen  gleich  beschaffene  Schichtung  von  Wasser  mit  dem  aufgelösten 
Stofl^.  —  Alle  Erfahrungen ,  welche  sich  auf  die  allgemeinen  physikalischen  Eigen- 
schaften des  Wassers  beziehen ,  gelten  auch  für  die  Lösung  nur  mit  dem  Unterschied, 
dass  die  Coeffizienten  der  Verdichtung,  der  Ausdehnbarkeit,  der  Temperatur  und  der 
Cohäsion  andere  sind,  und  dass  die  Ausgleichung  des  Druckes  im  Innern  des  Flüssig- 
keitsvolums in  einzelnen  Lösungen  z.  B.  bei  der  des  Eiweisses,  des  Zuckers,  Gummis 
u.  s.  w.  nicht  momentan  erfolgt,  sondern  dass  eine  unter  Umständen  merkliche  Zeit 
dazu  gehört,  bis  diese  Lösungen  die  Form  angenommen  haben,  welche  der  Bedingung 
einer  allseitigen  Druckausgleichung  entsprechen.  Solche  Lösungen  nennt  man  zäh  oder 
dickflüssig. 

Diese  unbestreitbaren  Thatsachen  führen  ungezwungen  zu  einer  Vorstellung  über 
die  mechanische  Anordnung  des  Wassers  und  der  wässerigen  Lösungen.  Nach  ihr  be^ 
steht  das  Wasser  aus  kleinsten  Theilchen,  welche  sich  nicht  unmittelbar  berühren, 
sondern  in  einem  gewissen  Abstand  voneinander  stehen ;  der  mittlere  senkrechte  Ab- 
stand zweier  Nachbartheile  ist  nach  allen  Richtungen  derselbe,  und  bei  gegebener  Tem- 
peratur und  gegebenem  Druck  ein.  fest  bestimmter,  er  mindert  sich  dagegen  mit  der 
abnehmenden  Temperatur  und  dem  steigenden  Druck,  dagegen  bleibt  der  Ort,  oder 


»)  Franken  heim,  Dio  Cohäsion.  1835.  —  Krystalllsation  und  Amorphie.  Breslau,  ohne  Jahr- 
xahl  (1851).  —  Dove,  Reportorium.  I.  Bd.  85.  98.  112  u.  f.  ,  ibid.  VII.  Bd.  —  Berliner  Berichto. 
II.  Jahrg.  p.  14  u.  f.  —  Poisson,  ^quntions  ge'ne'ralea  de  l'dqnillbre  et  du  mouvomcnt  etc.  Jour- 
nal de  l'(!cole  polytechuique.  20.  Iloft.  —  Weissbach,  Ingenieur  und  Maschincnmochanil«,  3.  Aufl. 
1866.  —  Darcy,  sur  le  mouvoment»  des  fluides  dans  tuyaux.  Paris  1857.  —  C  Lnd-n-ig  und 
Stefan.  Wiener  akadem.  Berichte.  April  1858.  —  Magnus,  Poggondorfs  Amialen  80.  Bd. 


Spannung  des  Wassers. 


45 


anders  ausgedrückt  die  Eichtung,  in  welcher  sich,  ein  Theilchen  zum  andern  stellt,  un- 
bestimmt, so  dass  das  eine  relativ  zum  andern  unzählige  Lagen  annehmen  kann,  wenii 
nur  der  immer  gleiche  Abstand  zwischen  beiden  gewahrt  wird. 

Man  verlässt   dagegen  das  Gehiet  der  Thatsachen  und  begiebt  sich  auf  das  der 
Hypothese,  wenn  man  bestimmte  Yoi-stellungen  über  die  Bedingungen  ausspricht,  von 
■  welche  die  allseitige  gleiche  Elastizität  des  Wassers  abhängig  ist.    Solcher  Hypothesen 
lassen  sich  mehrere  bilden ;  wir  wählen,  als  für  unsere  Zwecke  genügend,  die  von  ihnen, 
welche  sich  am  leichtesten  aussprechen  lässt,  ohwohl  sie  gerade  nicht  die  wahrschein- 
!  liebste  ist;  nach  ihr  sind  die  Theilchen  mit  anziehenden  und  abstossenden  Kräften 
begabt,  welche  bei  einer  bestimmten  Entfernung  der  Theilchen  im  Gleichgewicht  stehen. 
Aendert  sich  der  Zwischenraum,  so  kann  dieses  nur  geschehen,  indem  anziehende  oder 
sabstossende  Kräfte  frei  werden. 

2.  Spannung  des  AV assers.    Ueberlassen  wir  die  Flüssigkeit  den  Anziehungen 
lund  Abstossungen ,  welche  zwischen  ihr-en  Theilchen  wirken,  so  ordnet  sich  dieselbe 
SSO  an,  dass  ein  Gleichgewichtszustand  zwischen  jenen  Kräften  eintritt;  vermindern 
oder  vemehren  wir  den  Abstand  der  Theilchen,  den  sie  in  dieser  Gleichgewichtslage 
einnehmen,  so  werden  wir  in  ihnen  das  Bestreben  hervorrufen,  sich  wieder  bis  auf 
die  frühere  Lage  zu  nähern  oder  zu  entfernen ;  dieses  Bestreben  nennen  wir  Spannung. 
Die  Grösse  dieser  Spannung  wächst  mit  der  Entfernung  von  der  Gleichgewichtslage, 
und  es  müsste  somit  die  Spannung  durch  diese  Entfernung  gemessen  werden.  Da 
dieses  aus  technischen  Gründen  unthunlich   ist,   so   benützen  wir  statt  dessen  das 
Höhenmaass  einer  M''assersäule,  welche  auf  die  Flüssigkeitsschieht  gesetzt  werden  muss, 
um  dieser  letzten  die  verlangte  Zusammenpressung  zu  ertheilen»    Die  Berechtigung 
hierfür  erweisst  sich  folgendemiassen :  Die  zwischen  den  Theilchen  des  Wassers  ent- 
ivickelte  Kraft   kann  man  natürlich  durch  jede  andre  messen,  welche  derselben  das 
Gleichgewicht  hält,  also  auch  dm-ch  das  Gewicht  P,  mit  welcher  man  die  Flächenein- 
leit  der  Wasserschicht  belasten  muss,  damit  zwischen  den  Theilchen   die  verlangte 
Spannung   geweckt   werde.     Als  Gewicht  kann  man  nun  oifenbar  ein  Wasservolum 
Hufgesetzt  denken,  dessen  Basis  gleich  ist  der  Flächen- 
jinheit  (Q),  und  dessen  Höhe  (H)  unter  Berücksichtigung 
ties  spezifischen  Gewichts  (S)  des  Wassers  so  hoch  ge- 
•ommen  werden  muss,  dass  P  =  QHS  wird.    Gesetzt  wir 
lätten  dieses  gethan,  und  wir  hätten  ferner  das  spezi- 
>.sche  Gewicht  des  Wassers  wie  gewöhnlich  =  1  ange- 
lommen,  so  würden  wir  jetzt  auch  von  dem  Faktor  Q, 
Ubsehen  können,  und  nur  die  Höhe  des  drückenden  Was- 
t  ervolums  als  Spannungsmaass  in  Betracht  zu  ziehen  haben. 
3ie  Hechtfertigung   hierfür  liegt  in  der  Eigenschaft  des 
Vassers,  den  von  einer  Seite  empfangenen  Druck  allseitig 
ortzupflanzen.     Gesetzt,   es   laste  auf  der  sehr  dünnen 
Vasserschicht  ab  cd  (Fig.  2.)  das  Gewicht  des  prismati- 
chen  Wasservolums   abcdcfgh.     Ueberlcgen  wir  nun, 
/eiche  Wirkung  ein  beliebiges  Längenstück  dieses  Volums, 
twa  a  e  i  k  1  m  ,  in  der   unmittelbar  unter  ihm  liegenden 
btheilung  der  Wasserschicht  erzeugen  werde,  so  finden  wir, 
«88  es  die  dort  befindlichen  Theilchen  einander  nähern 
•ird,  so  lange  bis  ihre  Spannungen  jenem  Druck  das  Gleichgewicht  halten  werden, 
le  hierdurch  erzeugte  Spannung  theilt  sich  nun  aber  sogleich  auch  allen  übrigen  in 


4G 


Druckmaass  des  'Wasacrs.    Arbcitsmaoss  der  Spannung. 


ab  cd  enthaltenen  Thcilchen  mit,  gerade  so  als  ob  auch  noch  der  Best  des  drückenden 
Prisma's  efghabcd  gewirkt  hätte.  Wenn  wir  sie  uns  also  noch  wirksam  denken,  so 
wird  dadurch  keine  Spannungsverraehrung  einti-eten.  Nun  können  wir  aber  die  Grund- 
fläche des  wirksam  gedachten  Trisnia  aeiklm  so  klein  annehmen,  als  wir  wollen,  ohne 
an  dem  spannenden  Effekt  desselben  etwas  zu  ändern,  d.  h.  also,  es  ist  die  Spannung 
des  Wassers  in  der  gedrückten  Schicht  hur  abhängig  von  der  Höhe  der  Säule  und 
dem  spezifischen  Gewichte  ihres  Inhalts,  dagegen  unabhängig  vom  absoluten  Gewichte 
derselben. 

3.  DruckmaassderSpannung.  Von  dem  Spannungsmaass  des  Wassers  müssen 
wir  unterscheiden  das  Druckmaass  desselben.  Ist  eine  gespannte  Flüssigkeit  in  einem 
Behälter  mit  unnachgiebigen  Wänden  eingeschlossen,  so  wird  sie  vermöge  ihrer  Elasti- 
zität auf  die  letzteren  einen  Druck  ausüben.  Dieser  aber  wird  wachsen  mit  der 
Höhe,  der  die  Spannung  ausdrückenden  Wassersäule  H  und  der  Fläche  F,  welche  das 
Wasser  benetzt.  Also  ist  der  Dnick  D  =  HP  d.  h.  gleich  dem  Gewicht  eines  Was- 
servolums, dessen  Grundfläche  durch  die  Ausdehnung  der  gedrückten  W.mi  und  dessen 
Höhe  durch  die  spannende  Säule  bestimmt  ist.  Demnach  ist  auch  der  Druck  unab- 
hängig von  dem  Gewicht  des  Wassers  welches  in  der  That  auf  die  Wände  geschichtet 
ist;  dieses  kann  gleich,  grösser  oder  kleiner  als  das  Produkt  HP  sein. 

4.  Arbeits maass  der  Spannung.  Die  Arbeit,  welche  eine  gehobene  Wasser- 
säule liervorbringen  kann,  ist  gleich  dem  Gewicht  des  gehobenen  Wassers  (p)  multipli- 
zirt  mit  der  Höhe  (h") ,  auf  welche  dieses  Gewicht  gehoben  wurde ,  also  =  ph  oder, 
da  das  Gewicht   gleich   ist  der  Masse  (ni)  multiplizirt  mit  der  Beschleunigung  der 

Die  Rechtfertigung  für  die  Einführung  dieser  Werthe  in  das 
wenn  man  bedenkt,  dass  die  Arbeit  das  Produkt  einer  con- 
stanton  Xraft  mit  dem  Weg  ist,  den  ihr  Angrifia- 
punkt  im  Sinne  der  Kraft  während  einer  beliebigen 
Zeit  zmilcklcgt.  Es  kann  also  von  der  Arbeit  der 
Spannung  nur  insofern  die  Hede  sein ,  als  sie  sich 
in  Geschwindigkeit  umwandelt.  Indem  sie  dieses 
thut  ist  aber  ersichtlich,  dass  die  Wirkung,  die  sie 
dabei  ausübt,  proportional  sein  muss  der  Anzahl 
■von  schweren  Theilchen,  also  der  Masse  (m),  dann 
aber  auch  die  Grösse  des  Zuges,  welchen  die  Schwere 
(g)  auf  jedes  einzelne  Theilchen  ausübt  und  endlich 
der  Anzahl  von  Elemementarzügen ,  resp.  der  Zeit- 
dauer, während  welcher  die  beschleunigende  Kraft 
wirkte,  bevor  wir  sie  in  Betracht  zogen,  also  der 
Höhe  (h),  aus  welcher  die  Flüssigkeit  herabge* 
fallen  ist.  Dieser  Auseinandersetzung  entsprechen"* 
würde  die  Flüssigkeit  zweier  Behälter  A  und 
(Fig.  3.),  die  wir  uns  gefüllt  denken ,  zwar  an  de 
Boden  gleiche  Spannung  besitzen ,  und  auf  dies 
gleichen  Druck  ausüben ,  aber  dennoch  eine  gan« 
verschiedene  Arbeit  leisten.  '  Denn  zur  Gleichheit  des  Dnickes  und  der  Spannung 
ist  nur  nöthig,  dass  A  und  B  einen  Boden  von  gleicher  Grundfläche  und  eine  Seiten- 
wand von  gleicher  Höhe  darbieten.  Daneben  kann  sie  aber,  wie  die  Figuren  zeigen, 
ganz  verschiedene  Wassermassen  beherbergen,  Nehmen  wir  nun  an,  es  werde  am 
Boden  beider  Behälter  eine  glcichgrossc  Oeffnung  angebracht,  so  worden  aus  beiden 


Schwere  (g)  auch  =  mgh. 
Arbeitsmaass  ergiobt  sich, 
Fig.  3. 

A 


Beziehung  zwischen  Spannung  und  Geschivindigkeit. 


47 


Gefiissen  die  ersten  ausfliessenden  Tropfen  mit  gleicher  Geschwindigkeit  hervorgehen 
und  also  auch  gleiche  Arbeit  leisten,  aber  bald  wird  die  Höhe  in  beiden  Gefiissen 
merklich  verschieden  sein,  weil  sich  der  schmale  Hals  des  Gefässes  A  rascher  entleert 
als  der  weite  Bauch  von  B,  und  nun  wird  aus  dieser  letztern  mehr  und  zugleich  dies3fe 
Mehr  mit  einer  grössern  Geschwindigkeit  ausfliessen  als  aus  A.  Also  leistet  A  von 
jetzt  an  mehr  Arbeit  als  B. 

5.  Beziehung  zwischen  Spannung  und  Geschwindigkeit.  Eine  ge- 
(  drückte  Flüssigkeit  kann  in  Spannung  oder  in  Bewegung  kommen ;  ob  das  eine  oder 
1  das  andere  geschieht,  ist  nicht  vom  Druck,  sondern  davon  abhängig,  ob  die  Plüssig- 
I  keit  dem  Druck  ausweichen  oder  nicht  ausweichen  kann.  Findet  eine  gedrückte  Flüs- 
sigkeit gar  keinen  Widerstand,  so  geräth  sie  in  Bewegung,  und  zwar  in  der  Art,  dass 
i  die  bisher  vorhandene  Spannung  verschwindet  und  die  ganze  drückende  Kraft  zur  Er- 
zeugung von  Geschwindigkeit  verwendet  wird.  Die  Geschwindigkeit  v,  welche  eine 
i  Flüssigkeit  unter  dem  Drucke  einer  Säule  von  der  Höhe  h  erlangt,  ist  bekanntlich  v=  j/2gh, 
1  wo  g  wieder  die  Schwerkraft  bedeutet.  Diese  Beziehung  zwischen  Druckhöhe,  Schwere  und 
'  Geschwindigkeit  ergiebt  sich  aus  den  bekannten  Fallgesetzen,  die  ihre  Anwendung  finden, 

•  weil  die  bewegende  Kraft  auch  hier  die  Schwere  ist,  und  weil  die  Höhe ,  die  in  dem 
;  freien  Fall  in  Betracht  kommt,  wegen  der  Zeit,  während  welcher  der  Körper  herabsinkt, 

•  hier  bei  der  unter  einem  Druck  bewegten  Flüssigkeit  als  die  Zahl  der  gleichzeitig  von 
;  der  Schwere  angegriffenen  Theilchen  zu  nehmen  ist.  Im  physikalischen  Vorgang  be- 
?  steht  also  der  Unterschied,  dass  schwere  Körper  beim  Fall  die  Orte  successiv  erreichen, 
«  welche  in  der  drückenden  Säule  gleichzeitig  von  schweren  Massen  erfüllt  sind,  und 
C  dass  im  fallenden  Körper  die  vorhergegangenen  Anziehungen  sich  als  Geschwindig- 
Ikeiten  zu  den  folgenden  addiren,  während  die  in  der  drückenden  Flüssigkeit  über- 
f  einandergeschichteten  schweren  Massen  der  Eeihe  nach  ihre  Spannungen  zu  einander 
a  addiren.  Bei  einer  somit  gleichhäufigen  Wirkung  einer  gleichstarken  Kraft  muss  ein 
uund  dasselbe  Endergebniss  zum  Vorschein  kommen. 

Bei  einer  gedrückten  Flüssigkeit  muss  es  auch  vorkommen  können,  dass  der 
V Widerstand,  welcher  dem  Druck  entgegensteht,  zwar  geringer  als  dieser,  aber  doch 
»immer  noch  merklich  vorhanden  ist,  so  dass  sich  die  in  Bewegung  gesetzte  Flüssig- 
tkeit  selbst  noch  in  einem  Spannungszustand  befindet.  In  diesem  Fall  hat  sich  also 
Rein  Theü ,  der  durch  die  drückende  Säule  hervorgebrachten  Spannung  in  Geschwin- 
idigkcit  umgesetzt,  während  ein  anderer  noch  der  Spannung  verblieb.  Die  ursprüng- 
liliche  Spannung  h  ist  somit  als  eine  Summe  zweier  anderer  Zustände  vorhanden,  deren 
IKräfte  im  Spannungsmaass ,  also  durch  drückende  Säulen  h'  und  h"  ausgedrückt 
rwerden  können.  Zwischen  den  Höhen  der  ganzen  Säule  und  ihren  Antheilen,  die  als 
/Geschwindigkeit  h'  und  Spannung  h"  der  geschwinden  Masse  vorhanden  sind,  muss 
-natürlich  die  Beziehung  bestehen,  dass  h  =  h'  +  h"  ist.  Mit  andern  Worten  der 
izur  Geschwindigkeit  verbrauchte  Kraftantheü  der  ursprünglichen  Spannung  (die  Gc- 
tschwindigkeitsliöhe)  und  der  noch  als  Spannung  übrig  gebliebene  (die  Widerstands- 
höhe)  sind  gleich  der  ursprünglichen  Druckhöhe.    Daraus  folgt  auch,  dass  h— h"  =  h'. 

0.  Arbeitsmaass  für  die  bewegte  Masse;  lebendige  Kraft.  Wenn 
;3in  Gewicht  p  =  mg  unter  dem  Druck  h  in  Bewegung  kommt,  so  dass  die  Masse 
ihre  ganze  Spannung  in  Geschwindigkeit  v  umsetzt,  so  muss  die  Arbeit,  welche  die 
•jespannte  Masse  ausführen  kann,  gleich  sein  der,   welche  von  der  bewegten  zu  ver- 

lachten  ist.    Dieses  führt  zu  dem  Ausdruck  mgh  =  ^ ;  diese  Gleichung  leitet  sich 


48 


Die  bewegte  Flüssigkeit. 


daraus  ab ,  dass  v  =  j/2  gh  also     =  ^  is*  J  setzt  man  ^  statt  das  Ii  in  nigh ,  so 

göht  dieses  über  in  -—  oder  in  — .    Also  ist  in  den  beiden  Gliedern  der  obigen 

Gleichung  derselbe  Kraftwerfch  durch  verschiedene  Zeichen,  entsprechend  den  verän- 
derten physikalischen  Bedingungen  ausgedrückt. 

7.  Die  bewegte  Flüssigkeit.    Die  Bahnen,  welche  die  einzelnen  Thcilchen 
einer  bewegten  Flüssigkeitsraasse  beschreiben,  sind  entweder  geradlinig  oder  krumm- 
linig fortschreitende;  im  letzten  Fall  können  die  Bahnen  in  sich  zurücklaufen;  solche' 
Bahnen,  die  entweder  geschlossen  oder  nahezu  geschlossen  sind,  nennt  man  Kreis-, 
Wirbel-,  unter  Umständen  Wellenbahn.  — 

Die  Geschwindigkeit  des  einzelnen  Theilchens  kann  mit  der  Zeit  und  dem  Orte 
der  Bahn  veränderlich  oder  nicht  veränderlich  sein.    Ist  sie  unabhängig  von  der  Zeit, 
so  dass  die    während  der  ganzen  Stromdauer  an   ein  und  demselben  Orte  befind- 
lichen Theilchen  dieselbe    Geschwindigkeit  haben,    so  gehört  die  Bewegung  einem 
Strome  an,    der  in  den  Beharrungszustand  getreten.      Dieses  kann  sich  nur  dann 
ereignen ,  wenn  die  auf  die  Bewegung  der  Thcilchen  wirkenden  Beschleunigungen  und 
Hemmungen  gleich  gross  sind.     Denn  nähmen  mit  wachsender  Zeit  die  Beschleu-  j 
nigungon  zu ,  so  müsste  die  Geschwindigkeit  der  durch  den  betrachteten  Ort  gehen- 
den Thcilchen  steigen ,  und  nähmen  umgekehrt  die  Hemmungen  zu ,  so  müsste  die  j 
Geschwindigkeit  mit  der  Zeit  sinken.  —  Verändert  sich  dagegen  die  Geschwindig-  j 
keit  der  Theilchen,  die  durch  ein  und  denselben  Querschnitt  des  Stromes,  oder  den-), 
selben  Stromfaden  zu  verschiedenen  Zeiten  gehen  und  zwar  in  der  Art,  dass  die  Ge-i 
schwindigkeit  nach  einer  regelmässigen  Periode  steigt  und  fällt,  so  nennt  man  die  Be- 
wegung eine  wellenförmige. 

Die  bewegende  Kraft,  welche  die  Masseneinheit  der  bewegten  Flüssigkei 
besitzt ,  kann  auf  der  Bahn  gleich  bleiben,  zu  oder  abnehmen.  Bleibt  die  bewegende 
Kraft  constant,  so  kann  dennoch  die  Geschwindigkeit,  oder  die  Spannung  in  einem 
Zu-  oder  Abnehmen  begriffen  sein.    Denn  da  die  ganze  bewegende  Kraft  durch  k  =  p 

(ySv 
h  -j — ~J  gemessen  wird,  wo  p  die  Gewichtseinheit,  h  ihre  Spannung,  g  die  Schwer^ 

(also  —  die  Masse  m)  und  v  die  Geschwindigkeit  bedeutet,  so  kann  die  ganze  bew 
g 

gende  Kraft  der  Masseneinheit  dieselbe  bleiben,  selbst  wenn  z.  B.  v  abnimmt,  vorausgeset 
nur  dass  so  viel  Kraft,  als  die  Geschwindigkeit  verlor,  verwendet  wurde  zur  Erhöhun  ' 
der  Spannung.  Ein  solcher  Austausch  von  Spannung  und  Geschwindigkeit  kann  sich  sowo'^ 
bei  donstantem  als  beim  wellenförmigen  Strom  ereignen;  hei  einer  stehenden  Welle  z.  B 
in  der  Art,  dass  die  Summe  der  bewegenden  Kräfte  eines  jeden  in  einem  bestiramto^ 
Bahnschnitte  befindlichen  Theilchens  zu  allen  Zeiten  dieselbe  bleibt,  so  dass,  wenn  na" 
einer  gewissen  Periode  die  Geschwindigkeit  desselben  abnimmt,  die  Spannung  n' 
derselben  Periode  wächst  und  umgekehrt.  —  Bei  einem  gleichförmigen  Strom,  desse 
Merkmal  in  einer  zu  allen  Zeiten  stets  gleichen  Geschwindigkeit  auf  einem  gewiss" 
Bahnabschnitt  besteht,  kann  die  Bedingung  gleicher  Kräfte  trotz  ungleicher  Geschwin 
digkeit  nur  für  jedes  Theilchen  bestehen,  während  dasselbe  verschiedene  Orte  der  Ba 
durchläuft.    Betrachten  wir  z.  B.  als  Masseneinheit  einen  Gubikraillimeter  und  denke 
wir  uns,  dass  dieselbe  beim  Durchgang  durch  die  Strombahn  bald  einen  Quersohnit 
von  einem  und  bald  von  zwei  Quadratmillimotern  auszufüllen  habe,  so  wird  die  Ge 
schwindigkeit  eines  joden  Theilchens  in  dem  Maasse  abnehmen,  in  welcher  der  Quer 


Mittheilung  der  Bewegung  des  Stromes  über  seine  Grenzen. 


49 


schnitt  der  Strombahn  zunimmt;  dieses  aber  wegen  der  Bedingung,  dass  diB  Flüssig- 
keitsraenge,  welche  in  derselben  Zeit  durch  die  verschiedenen  Querschnitte  eines  con- 
itanten  Stromes  hindurchgeht  dieselbe  sein  muss ;  eine  Bedingung ,  welche  sich  durch 
lie  Cohäsion  und  Unzusammendrückbarkeit  des  Wassers  begründet.  Bleiben  also  der 
^obersten  Forderung  gemäss  die  bewegenden  Kräfte  des  Theüchens  auf  dem  Quer- 
schnitt von  1  und  2  □  M.M.  gleich ,  so  muss  in  dem  Maasse ,  in  welcher  die  öe- 
Hchwindigkeitshöhe  abnimmt,  die  Spannung  zunehmen. 

Aus  der  soeben  geführten  Erörterung  lässt  sich  für  den  Fall,  wobei  die  Ki-äfte 
uuf  der  Strombahn  in  Abnahme  begriffen  sind,  ableiten,  dass,  wenn  die  Geschwindig- 
it  auf  allen  Orten  eines  Stromfadens  dieselbe  ist,  die  Abnahme  der  Kräfte  durch 
Abnahme  an  den  Spannungen  gemessen  wird ,  so  dass ,  wenn  der  Spannungsunter- 
ihied,  der  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden  Querschnitten  besteht,  bekannt  ist, 
lieser  den  Kraftverlust  der  Flüssigkeit  von  einem  zum  andern  Querschnitt  ausdrückt. 
iVSre  umgekehrt  die  Spannung  auf  allen  Orten  eines  Stromfadens  dieselbe ,  so  kann 
ilie  Abnahme  der  Kräfte  durch  den  Geschwindigkeitsunterschied  zweier  auf  einander 
bigenden  Querschnitte  ausgedrückt  werden.  —  "Wenn  dagegen  Spannung  und  Geschwin- 
;ligkeit  von  Querschnitt  zu  Querschnitt  wechseln,  so  kann  der  Kraftunterschied  nur 
ilann  hervorgehen,  wenn  man  aus  den  in  jedem  Querschnitt  vorhandenen  lebendigen 
f  ind  spannenden  Kräften  eine  Summe  bildet  und  die  eine  von  der  andern  abzieht.  Der 
•  Unterschied  bildet  jetzt  den  Kraftverlust,  welchen  der  Strom  vom  einem  Querschnitt 
;  iuni  andern  erlitten  hat. 

Zieht  man  statt  der  Geschwindigkeit  nur  ehies  Theüchens  oder  der  eines  sehr' 
1  einen  Fadens,  die  eines  Stroms  von  endlicher  Ausdehnung  in  Beti'acht,  auf  dem  alle 
:. ■'heile  gleiche  Eichtung  verfolgen,  so  findet  man  für  gewöhnlich,  dass  die  Geschwin-' 
iligkeit  an  verschiedenen  Orten  eines  Stromquerschnittes,  der  senkrecht  gegen  die  Strom-- 
iichtung  geht,  ungleich  ist.    Der  Grund  für  die  ungleiche  Geschwindigkeit  kann  ent- 
■'cder  darin  liegen,  dass  die  Flüssigkeit  in  die  verschiedenen  Orte  des  ersten  Strom- 
.  uerschnitts  mit  ungleicher  Geschwindigkeit  einströmte ,  oder  darin ,  dass  sich  beim 
'ortgang  des  Stroms  den  verschiedenen  Fäden  ungleiche  Widerstände  entgegensetzten, 
.  rodurch  ungleiche  Kraftverluste  erzeugt  wurden.    In  solchen  Fällen  hat  es  also  keinen 
'inn  mehr,  von  einer  einzigen  Geschwindigkeit  auf  diesem  Querschnitt  zu  sprechep, 
:  enn  man  damit  nicht  den  besondem  Begriff  der  mittlem  Geschwindigkeit  verbindet, 
.  h.  derjenigen,  welche,  wenn  sie  allen  vorhandenen  Fäden  untergelegt  würde,  durch 
en  Querschnitt  gerade  so  viel  Flüssigkeit  fördern  würde,  als  es  in  der  That  beim 
iestehen  der  besondem  Geschwindigkeit  jedes  einzelnen  Fadens  geschieht.    Da  diese 
littlere  Geschwindigkeit  sehr  viel  leichter  zu  messen  ist,  als  die  Geschwindigkeit  der 
inzelnen  Stromfäden ,  und  ihre  Bestimmung  zm-  Lösung  vieler  hydraulischer  Aufgaben 
enttgt,  80  ist  dieser  Ausdruck  sehr  in  Gebrauch  gekommen. 

8.  Mittheilung  der  Bewegung  des  Stromes  über  seine  Grenzen. 
.  Geht  der  Strom  in  ein  gleichartiges  Mittel  von  andern  Bewegungszuständen,  z.  B 
Q  eine  ruhende  Flüssigkeit,  so  höhlt  sich  der  Strom  in  dieser,  nicht  etwa  durch  Fort- 
chieben  der  vor  ihm  liegenden  Theile  ein  Bett  aus,  dessen  Querschnitt  mit  dem  des 
•tromes  übereinkommt,  sondern  er  verändert  sein  Bett,  seine  Geschwindigkeit  und 
3ine  Masse.  Die  Massenveränderang  des  Stroms  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  ein 
.■heil  des  letztem  in  die  mhende  Flüssigkeit  und  umgekehrt  Theile  dieser  in  den 
■trom  dringen  (Magnus).  Die  Nothwendigkeit  dieser  Erscheinung  leitet  sich  aus 
'er  Cohäsion,  und  der  Unzusammendrückbarkeit  der  Flüssigkeit  ab.  Aus  der  Massen 
'inahme  des  Stromes  folgt  dann,  dnss  seine  Geschwindigkeit  proportional  der  Voi'- 
Lndwig,  Pliysiologie  II.  2.  Anfinge.  4 


50 


Mittheilung  der  Bewegung  des  Stromes  über  seine  Grenzen. 


grösserung  des  Stromquersehnittes  abnimmt.  —  Was  nun  für  den  Strom  in  eine  rubende 
Flüssigkeit  gilt,  findet  auch  seine  Anwendung  auf  zwei  sich  berührende  Stromfäden 
von  gleicher  Richtung  aber  ungleicher  Geschwindigkeit. 

jijg  4  Nehmen  wir  an  ,  es  seien  in 

Fig.  4    AA'    BB'    CC  drei 
y4'     flüssige    Fäden,    jede  enthalte 
drei  Molekeln  in  dem  gegensei- 
tigen Abstand,  welchen  die  gerade 
'£       vorhandene   Spannung  verlangt. 

Denken  wir  nun,  es  seien  A  und  C 
^,  eine  gleiche  und  B  eine  doppelt 
so  grosse  Geschwindigkeit  er- 
theilt,  so  wird  z.  B.  das  Theil- 
chen  5  nach  6'  gehen,  während  im  obern  Faden  1  und  2  zu  1'  und  2',  und  im 
untern  7  und  8  zu  7'  und  8'  gelangen.  Damit  wird  sieh  aber  der  Abstand  von  6 
zu  1'  und  7'  vergrössert  und  zu  2'  und  8'  vermindert  haben;  träte  dieses  aber  ein, 
so  würde  vermöge  der  allgemeinen  Eigenschaften  der  Flüssigkeit  6  an  1'  und  7' 
ziehen,  auf  3  und  9  aber  drücken;  mit  andern  Worten,  es  wird  ein  Theil  der  Ge- 
schwindigkeit von  6'  auf  die  Nachbarn  übergehen.  Ueberlegt  man  sich  unter  Voraus- 
setzung dieses  Annahme  den  Gang  der  Flüssigkeit  noch  weiter,  so  müsste  man 
erwarten,  dass  eine  ungleiche  Geschwindigkeit  zweier  benachbarter  Fäden  überhaupt 
gar  nicht  bestehen  könnte,  weil,  wenn  ein  gradliniger  Weg  aller  Schichten  verlangt 
wird  ,  die  in  ihr  entlialtenen  Thcilchcn  nur  dann  bei  der  Bewegung  in  gleichem  Ab- 
stand bleiben,  wenn  sie  alle  dieselbe  Verschiebung  erleiden.  Da  aber  ungleiche  Ge- 
schwindigkeiten benachbarter  Schichten  in  der  That  vorkommen,  so  muss  eine  der 
Bedingungen ,  die  wir  in  unserm  Beispiel  unterlegt  haben ,  die  Gradlinigkeit  des 
Wegs,  als  unverträglich  mit  der  Unzusammendrückbarkeit  der  Flüssigkeit  für  den 
wirklich  vorkommenden  Strom  keine  Geltung  haben,  dann  aber  muss  das  Theil- 
chcn  eines  Fadens  bei  dem  Fortschreiten  um  die  Achse  des  Fadens  hin  lind  her 
schwingen,  wodurch  Abweichungen  von  der  geraden  Linie  des  Wegs  vorkommen,  die 
allerdings  entsprechend  dem  geringen  Abstand  der  Nachbartheilchen  für  unsere  Beob- 
achtungsmittel unmerklich  sind.  —  Jedenfalls  geht  aus  unsem  Betrachtungen  hervor, 
dass  durch  eine  ungleiche  Geschwindigkeit  benachbarter  Fäden  eine  andere  Vertheilung 
der  bisher  bestandenen  Spannungen  und  damit  eine  TJebertragung  von  Kräften  ein- 
treten muss. 

Eine  andre,  mit  der  eben  erörterten  innig  zusammenhängenden  Frage  ist  die,  ob 
bei  dieser  Gegenwirkung  ungleich  geschwinder  Stromfäden  auf  einander  bewegende 
Kraft  verloren  geht.  Wäre  die  Flüssigkeit  vollkommen  elastisch  und  ihre  Theilchen 
vollkommen  aneinander  verschiebbar,  so  könnte  kein  Kraftverlust  eintreten,  indem 
dann  jedesmal  die  Einbusse  an  Kraft,  welche  das  eine  Theilchen  erleidet,  dem  andern 
zu  Gute  kommt.  Da  es  aber  Lösungen,  wie  z.  B.  die  des  Eiweisses,  Schleims,  Zuckers 
ü.  s.  w.  giebt,  welche  unzweifelhaft  diesen  Bedingungen  nicht  entsprechen,  so  ist 
die  Möglichkeit  eines  Kraftverlustes  durch  die  sogenannte  innere  Reibung  nicht  zu  be- 
streiten.   Die  Erfährung  hat  ihn  jedoch  noch  zu  bestätigen. 

b.  Bewegt  sich  die  Flüssigkeit  gegen  einen  festen  ruhenden  Körper,  so  über- 
trägt sie  auf  diesen,  insofern  er  der  Richtung  des  Stroms  entgegensteht,  immer  Ge- 
Bchwindigkeiti  Diese  letzte  wird  entweder  in  Spannung  der  Flüssigkeit  oder  auch  des 
festen  Körpers  umgesetzt,  welche  unter  veränderten  Umständen  der  Bewegung  der  Flüs- 


Constanter  Strom  in  Röhren; 


öl 


igkeit  wieder  zu  gute  kommen  kann.  —  Dass  die  verlorne  ßeschwindigkeitsliöhe  sich 
uf  die  bezeichnete  Weise  umsetzen  kann ,  ist  aus  der  Elasticität  der  Flüssigkeit  und 
r  er  Widerstand  leistenden  Körper  begreiflieh ;  daraus  folgt  auch,  dass  die  herbeigeführte 
;pannung  auf  den  Strom  wieder  übertragbar  ist.    Um  der  Anschauung  zu  Hilfe  zu 
ommen,  wollen  wir  uns  vorstellen,  dass  ein  Strom  in  einen  schon  mit  Flüssigkeit  er- 
iillten,  aber  durch  diese  nicht  ausgedehnten  elastischen  Beutel  geschehe.    Der  Strom 
rird  in  diesen  Beutel  also  nur  insofern  eindringen  können  als  er  ihn  ausdehnt  und 
aarum  nur  so  lange,  bis  die  Wandspannung  desselben  den  Sti-omkräften  das  Gleich- 
r'Bwicht  hält.    Würde,  nachdem  dieses  geschehn,  der  einfliessende  Strom  unterbrochen, 
I )  würde  nun  aus  der  Oefiilung  des  elastischen  Sackes  ein  Flüssigkeitsvolum  austreten, 
e.elches  gleich  wäre    dem   Eäumlichkeitsunterschied    des  Beutels  bei  gespannten  und 
iflgespannten  Wandungen.    Vorausgesetzt,  dass  die  Elasticität  des  Beutels  vollkommen 
iäre,  würde  dieses  Flüssigkeitsvolum  auch  den  ganzen  Werth  der  Kräfte  mitnehmen, 
fsn  es  früher  als  Strom  besass,  und  dann  als  Spannung  in  die   elastischen  Wände 
eiederlegte.  —  In  Wirklichkeit  erleidet  aber  der  Strom  beim  Anstoss  an  feste  Körper 
»ne  wirkliche  Einbusse  an  Kraft,  indem  sich  die  Bewegung  der  wägbaren  Masse  ent^ 
»eder  in  Wärme  umsetzt,  die  beim  Zusammendrücken  der  festen  und  flüssigen  Massen 
titwickelt  wird;  oder  der  Kraftverlust  geschieht  dadurch,  dass  die  auf  den  festen 
•Örper  übertragene    Geschwindigkeit  diesem  verbleibt  oder    durch  ihn  hindurch  auf 
adre  Massen  übergeht.    Dieser  ganze  Verlust    oder,    wie  man  gewöhnlich  sagt,  die 
iissere  Reibung,    ist  abhängig  von  der  Geschwindigkeit  des  Stroms,    nicht  aber  von 
rjr  Spannung  desselben,  von  dem  Winkel,  unter  welchen  die  Stromrichtung  die  wie- 
rirstehende  Fläche  trifl't,  von  der  Berührungsfläche  zwischen  Strom  und  festem  Kör- 
rr,  von  der  Elasticität  und  0berilächenbe8chafi"enheit  der  letzten  (die  Benetzbarkeit 
Ilageschlossen),  von  der  Temperatur  und  chemischen  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit. 

Die  Beziehungen  zwischen  dem  festen  Körper  und  der  Flüssigkeit  müssen  sich  aber 
Ksentlich  ändern,  wenn  die  bisherigen  Annahmen  dahin  umgestaltet  werden ,  dass  der 
ite  Körper  sich  mit  der  Flüssigkeit  bewegt.   Denn  dann  machen  sich  ausser  den  schon 
[rfgezählten  Umständen  noch  die  Eigenbewegungen  des  schwimmenden  Körpers  gel- 
ad.    Diese  können  sich  darstellen  als  Drehungen,  die  von  asymetrischer  Vertheilung 
r  Dimensionen  um  den  Schwerpunkt  des  schwimmenden  Körpers,  oder  von  unglei- 
«r  Geschwindigkeit  der  auf  seine  Oberfläche   treffenden  Stromfäden  bedingt  sind, 
«r  als    ein  Auf-  oder  Niederstreben  des  Körpers,   bedingt  durch  ein  von  der 
srigkeit  abweichendes  Eigengewicht. 

9.  Constanter  Strom  in  Rohren.  Ausser  den  schon  hervorgehobenen  allge* 
inen  Eigenschaften  eines  jeden  Stromes,  kommen  bei  einem  solchen  in  Röhren  noch 
iiige  besondere  zum  Vorschein,  die  durch  die  Gestalt  und  die  Oberflächenbeschaffen- 
.t  der  Wand  bedingt  sind.  —  Die  Spannung  eines  jeden  in  dem  cylindrischen  Sti-om 
thaltenen  Fadens,  ändert  sich  mit  der  Entfernung  des  In  ihm  betrachteten  Punktes 
n  Ursprung  des  Stroms;  je  nachdem  die  Spannung  mit  dem  wachsenden  Weg  ab- 
ramt,  wird  der  Unterschied  der  Spannung,  zweier  auf  einander  folgender  Punkte  ein 
oder  abnehmender  genannt,  und  zwar  ist  der  Spannungsunterschied  nach  dem  ge-" 
'fanlichen  Sprachgebrauch  abnehmend,  wenn  die  Spannung  mit  dem  wachsenden  Wog 
1  mindert,  im  umgekehrten  Falle  ist  er  zunehmend.  Denkt  man  sich  die  auf  ein^ 
1er  folgenden  Spannungen  eines  Stromfadens  ausgedrückt  durch  Flüssigkeitssäulen, 
l  errichtet  man  dann  Fig.  5  auf  dem  Stromfaden  A  E  als  Abszisse,  die  jedem 
kikt  desselben  angehörige  Spannung  als  Ordinate,  h  ä'  /<"  A"'  so  stellt  die  Ver» 
dungslinie  aller  obem  Endpunkte  dieser  Ofdinatcn  die  Curve  der  Spannungen  dar. 

4* 


52 


Constanter  Strom  in  Eöhren. 


Diese  Curvc  kann  entweder  eine  gerade  Linie  sein;  in  diesem  Fall  bleibt  der  vor 
handene  Spanimngsunterschied  für  die  Längeneinheit  des  Stromes  also  ha,  hib  der 
selbe,  oder  es  kann  die  Curve  eine  gebogene  Linie  sein,  wo  also  der  Spannungsnnter 

Fig.  5. 


schied  in  zwei  auf  einander  folgenden  Längeneinheiten  der  Strombahn  ab  oder  zunimm 
wie  bei  /»"c  hP^d,  Endlich  kann  die  Curve  sogenannte  ausgezeichnete  Punkte  b 
sitzen,  wo,  wie  bei  und  A'",  der  Spannungswerth  sich  plötzlich  ändert;  obwo' 
auch  hier  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden  Punkten  des  Stromfadens  ein  albnäh. 
liger  Uebergang  in  der  Spannung  stattfinden  wird,  so  sieht  man  doch  für  gewöhnlio" 
die  Spannungsänderung  als  eine  plötzliche  an.  — 

Betrachtet  man,  statt  der  mit  der  Länge  veränderlichen  Spannung  eines  Strom 
fadons,  diejenige  der  vielen  Fäden,    welche   auf  einem  Querschnitt  enthalten  sind 
der  senkrocht  gegen  die  Stromrichtung   geführt  wurde,  so  gewahrt  man,  dass  di 
Spannung  auf  einer  solchen  Normalfläche  selbst  wieder  veränderlich  ist.    So  kommt  e 
z.  B.  vor,  dass  die  der  Eöhrenachse  näher  gelegenen  Stromfäden  mit  einer  geringe 
Spannung  behaftet  sind,  als  die  gegen  die  Wand  hirigelegenen.    Demnach  wird  m" 
die  Spannungscurve  der  Normalfläche  einzustellen  haben,  welche  man  erhält,  wenn  m" 
sich  auf  einem  beliebigen  Eadius  derselben  als  Abszisse,  alle  Spannungen  der  Stro^ 
fäden  als  Ordinaten  aufgerichtet  denkt,  welche  der  Eadius  bei  seinem  Hingang' vo 
Mittelpunkte  nach  der  Peripherie  hin  schneidet.     Die  Spannungsfläche  des  Norm" 
Schnittes  wird  man  aber  erhalten,  wenn  man  sich  die  Spannungscurve  desselben  um  d" 
Mittelpunkt    der  Röhre    im  Kreis  bewegen  lässt.    Dieses  Verhalten    der  Spann 
auf  dem  Querschnitt  verlangt  die  Sonderung  der  Begriffe  von  Theü-  und  Gesamm 
Spannung.    Unter  der  ersten  versteht  man  die  Spannung  eines  einzelnen  Fadens,  d 
in  einem  gegebenen  gradlinigen  Abstand  vom  Mittelpunkte  die  Normalfläche  schneide 
Bei  vollkommener  Symmetrie  des  Stroms  werden  die  auf  einer  Kreislinie  einschne 
denden  Stromfäden,  die  mit  demselben  Radius  aus  dem  Mittelpunkte  des  Stromquerschni 
beschrieben  wurde ,  unter  einander  gleich  sein.    Der  Gesammtschnitt  kann  also  in 
zählige  Kreise  gleicher  Spannung  zerlegt  werden.    Centraispannung  würde  die  gena 
werden,  wo  der  Radius  den  Werth  0,  Wandspannnng  die,  welche  in  dem  Kre' 
herrscht,  dessen  Radius  gleich  dem  des  Röhrenlumens  wäre.  —  Die  Gesammtspann" 
oder  mittlere  Spannung  der  Norraalfläche  würde  man  erhalten,  wenn  man  alle  auf  d 
Normalfläche  vorhandenen  Einzel  -  oder  Theilspannungen  addirte  und  die  Summe  d- 
den  Flächeninhalt  dividirte. 

Die  Geschwindigkeit  eines  jeden  Stromfadens  in  seinem  Verlauf  durch  die  Röhre 
tat,  alles  Uebrige  gleich  gesetzt,  mit  dem  Flächeninhalt  des  Querschnitt.<i  veränderlich 


Constanter  Strom  in  Röhren. 


53 


oleibt  dieser  gleich,  so  Terhält  sich  auch  die  Geschwindigkeit  durch  den  ganzen  Strom- 
K'aden  hindurch  unverändert,  wächst  aber  der  Querschnitt,  so  soll  in  demselben  Maass 
lüe  Geschwindigkeit  abnehmen.  Die  umgekehrte  Behauptung  spricht  man  bei  der  Ver- 
kleinerung des  Querschnitts  aus. 

Die  Geschwindigkeit  der  Fäden,  welche  gleichzeitig  eine  beliebige  Normalfläche 
■nrehsetzen,  ist  immer  ungleich,  die  Centraifäden  sind  immer  geschwinder  als  die 
rVandfäden.  Man  unterscheidet  also  auch  hier  die  Theil-  und  die  Gesammtgeschwin- 
ifigkeit.  Unter  Gesammt-  oder  mittlerer  Geschwindigkeit  würde  man  aber  dem  Frühern 
gemäss  die  zu  verstehen  haben,  welche,  wenn  sie  allen  Fäden  des  Normalschnitts  gleich- 
seitig mitgetheilt  würde,  durch  diese  in  der  Zeiteinheit  gerade  soviel  Flüssigkeit  führte, 
sls  durch  ihn  vermöge  der  wirklich  vorhandenen  Theilgeschwindigkeit  getrieben  wird. 

Methoden  zur  Bestimmung  der  Spannung  und  Geschwindigkeit 
lines  ßöhrenstroms. 

Die  Spannung  misst  man  mit  dem  Druckmesser  (Mano  -  oder  Piezometer) ,  d.  h. 
korch  Eöhren,  deren  Lumen  mit  dem  der  Stromröhre  communizirt  und  die  senkrecht 
KCgen  die  Achse  der  Stromröhre  aufsitzen;  ihrer  Form  nach  sind  sie  entweder  gerade 
lider  heberförmig  gebogen;  gerade,  wenn  man  eine  positive  Spannung  des  Stroms  durch 
ansteigen  der  in  sie  eingehenden  Flüssigkeit  messen  will;  heberförmige  Instrumente 
iber  gebraucht  man  entweder,  v^enn  man  negative  Spannung  durch  gleichartige  oder  die 
♦■osilive  eines  Wasserstroms  durch  eine  Quecksilbersäule  messen  will.  Um  die  Mano- 
meteröffnung mit  jedem  beliebigen  Faden  des  Querschnitts,  auf  dem  er  steht,  in  Berüh- 
long  bringen  zu  können,  muss  der  Druckmesser  an  seiner  Durchbruchsstelle  durch  die 
tVaad  der  Stromröhre  verschiebbar  sein. 

Zur  Auswerthung  der  Geschwindigkeit  wird  benutzt  1'  das  Flüssigkeitsvolum,  wel- 
i'hes  in  der  Zeiteinheit  aus  einem  Eohr  von  bekanntem  Querschnitt  ausfliesst.  Da  ofFen- 
uar  das  ausgeflossene  Volum  v  =  c  q  ist,  wenn  c  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  dem 

y 

s.uerschnitt  q  ist,  so  wird  die  mittlere  Geschwindigkeit  c  =  — .  —  2*  Man  misst  den 

(feg,  welchen  ein  sichtbar  gemachter  Abschnitt  des  Stroms  in  der  Zeiteinheit  durch- 
iinÜ.  Dieses  geschieht,  indem  man  die  Geschwindigkeit  eines  im  Strom  schwim- 
menden festen  Körpers  misst.  Durch  diese  Methode  kann  nach  Umständen  die 
iirtielle  oder  auch  die  mittlere  Geschwindigkeit  gefunden  werden,  vorausgesetzt, 
Jiss  der  Körper  rücksichtlich  seiher  Bewegung  angesehen  werden  darf  wie  ein  Theil- 
len  des  Stromfadens,  in  dem  er  schwimmt,  wenn  er  also  dasselbe  specifische  Gewicht, 
id  dieselbe  Adhäsion  an  den  Flüssigkeitstheilchen  besitzt,  die  diesen  unter  einander 
iikommt,  und  endlich  wenn  er  ohne  Drehbewegungen  auszuführen  im  Strom  fort- 
uhreitet.  Diese  Bedingungen  werden  entweder  nur  von  Flüssigkeit  selbst  erfüllt  oder  von 
»munetrisch  geformten  Körperchen,  welche  sich  nur  über  Stromfäden  von  möglichst 
rieicher  Geschwindigkeit  erstrocken  und  dabei  aus  einem  Stoff  bestehen,  der  möglichst 
iinig  von  der  Flüssigkeit  des  Stromes  durchtränkt  wird.  —  Benutzt  man  als  Index 
■ix  die  Geschwindigkeit  des  Stromfadens  ein  in  ihm  schwimmendes  festes  Körperchon, 
)  genügt  es  den  Weg  zu  bestimmen,  welchen  dieses  in  der  Zeiteinheit  zurücklegt, 
(edient  man  sich  dagegen  zur  Geschwindigkeitsmessung  einer  in  den  Strom  gebrachten 
Uttasigkeit,  so  muss  man  vor  Allem  auf  ein  Mittel  denken,  um  diese  Flüssigkeit  sicht- 
:ir  zu  machen  und  zwar  entweder  während  der  ganzen  oder  zu  Endo  der  Beobach- 
«ngszeit.  Hering  verfährt  auf  die  letztere  Weise;  er  bringt  an  einen  bestimmten 
"tromort  zu  einer  gegebenen  Zeit  einen  Tropfen  aufgelösten  Blutlaugonsalzcs ,  und 
aprägnirt  einen  andern  Stromort,  mit  der  Lösung  eines  ISisonialzes,  welches  mit  Cyau- 


54 


Constanter  Strom  in  llöhrcn. 


cisoiikaliuin  einen  blauen  Niederschlag  giebt.  Leobachtet  man  nun  den  Zeitjiunkt,  in  wel- 
phom  der  Niederschlag  eintritt,  und  kennt  man  den  Abstand  zwischen  den  Applicaüons- 
orten  von  Blutlaugen-  und  Eisensalz,  so  hat  man  damit  die  Grundlagen  für  die  ver- 
langte Messung.  —  Yolkmann  schaltet  dagegen  in  den  Strom  eine  gefärbte  Flüssigkeit, 
z.  B.  in  den  rotten  Blutstrom  eine  farblose  Wassersäule  von  beträchtlicher  Länge  und 
von  einem  dem  Strom  möglichst  gleichen  Querschnitt  ein.  Indem  der  Stroni  die  Säule 
vor  sich  her  schiebt,  ist  man  im  Stande  das  Fortschreiten  der  Grenze  von  gefärbter 
und  farbloser  Flüssigkeit  zu  beobachten.  Die  Methode  von  Volkmann  hat  hierbei 
mit  dem  Uebelstand  zu  kämpfen,  dass  sich  die  Grenze  nicht  scharf  erhält,  theils  we- 
gen des  ungleichen  specifischen  Gewichts  der  F'lüssigkeit ,  theils  wegen  des  unglei- 
chen Fortschreitens  der  Wand-  und  Mitteifadon.  —  3*  Zur  Goschwindigkeitsbestimmung 
benutzt  man  femer  das  Gewicht,  mit  dem  man  eine  gegen  den  Strom  gestellte  Fläche 
belasten  muss,  um  sie  in  einer  senkrecht  zur  Stromrichtung  gehenden  Lage  zu  erhal- 
ten; oder  man  hängt  ein  constantes  Gewicht  von  bestimmter  Gestalt  derartig  in  den 
Strom,  dass  es  vom  Strom  um  einen  gegebenen  Mittelpunkt  gedreht  werden  kann  und 
bestimmt  aus  dem  Ablenkungswinkel,  den  es  durch  den  constanten  Strom  erfährt,  die 
Geschwindigkeit  des  letztern.  Von  diesen  beiden  erwähnten  Verfahrungsarten  hat  nur 
die  letztere  eine  Anwendung  in  der  physiologischen  Hydraulik  gefunden,  und  zwar 
unter  der  Form  des  sogenannten  Stromquadranten,  dem  in  der  Wasserbaukunde  be- 
sonders Eytelwein  und  Gerstner*)  Eingang  verschafft  haben.  Der  Stromquadrant 
oder  Stronipcndcl  besteht,  wie  die  Fig.  6  zeigt,  aus  dem  Viertel  einer  Kreisfläche,  die 


Fig.  ß. 


an  dem  Umfang  in  Grade  gethcilt  ist;  an  einem  im  Mit- 
telpunkt geschlagenen  Stift  hängt  ein  steifer  Faden, 
{a  b),  der  an  seinem  entgegengesetzten  Ende  eine  Kugel 
hält.  Will  man  das  Instrument  anwenden ,  so  bringt 
man  es  zuerst  in  eine  solche  Stellung,  dass  der  Faden 
desselben  auf  der  Null  der  Theilung  einspielt;  über- 
giebt  man  nun  die  Kugel  dem  Strom,  so  wird  sie, 
etwa  nach  c  abgelenkt;  die  Theorie  verlangt,  dass  die 
'Tangente  des  Ablenkungswinkels  (bac)  sich  verhalten 
solle  wie  die  Stosskräfte,  und  da  diese  sich  verhalten, 
wie  die  Quadrate  der  Geschwindigkeit,  so  würden 
diese  letzteren,  wie  die  Wurzel  aus  der  Tangente  des 
Ablenkungswinkels  wachsen,  vorausgesetzt,  dass  immer 
dieselbe  Kugel  in  Anwendung  gekommen  ist.  Diese  Voraussage  bestätigt  die  Erfah- 
rung nicht  und  es  sind  somit  von  der  Theorie  nicht    alle  Bedingungen  in  Rechnung 


Fig.  7. 


gebracht;    das   Instrument  verlangt  also, 
brauchbar  zu  werden,  einer  empirischen  Gradui- 
rung,  und  es  misst  mit  dieser  die  durch  die 
eingesetzte    Kugel    veränderte  Geschwindigkeit 
der  Stromfäden ,  in  welche  sie  gehalten  wird. 
Vierordt,    der  den  Apparat  in  der  Physio 
logie  einführte,  mit  der  Absicht,  die  mittlere 
Geschwindigkeit  auf  dem  Sti-omquerschnitt  z 
erhalten,  brachte  das  Pendel  p  (Fig.  7.)  in  ei 
kubisches  Kästchen  K  K;  auf  ungleichen  Höhe 


»)  Aninnerkugen  Uber  dss  liydromctr.  Pendel.   Prag  1819. 


Constanter  Strom  in  Köhren. 


55 


zweier   gegenüberstehender  Seiten   desselben   öffnen   sich   zwei    cylindrische  Köhren 
Bit.    Dieses  Instrument  nennt  Vierordt  Tachometer;  die  Figur  giebt  es  in  natür- 
licher Grösse  wieder.    Seinen  Apparat  aicht  er  dadurch,    dass  er  die  cylindrischen 
Ansätze  Bit  in  einen  Strom  von  gegebenem  Querschnitt  einschaltet  und  einerseits 
die  Ablenkung  des  Pendels,  andererseits  aber  die  Ausflussmenge  aus  dem  Ende  des 
Stromrohrs  und  damit  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  dem  letzteren  bestimmt.  Hier- 
iiirch  gewinnt  er  eine  Beziehung  zwischen  der  mittleren  Geschwindigkeit,  die  im  Kohr 
besteht,  während  das  Instrument  eingeschaltet  ist,  und  der  Pendelablenkung.  Fraglich 
bleibt  nur,  was  durch  Versuche  entschieden  werden  könnte,  ob  Ströme  von  ungleichen 
Durchmessern,  aber  gleichen  mittleren  Geschwindigkeiten  dieselbe  Ablenkung  erzeugen, 
■".eil  es  zweifelhaft  ist,  ob  die  Störung,  die  der  Apparat  veranlasst,  nur  sich  ändert 
mit  der  mittleren  Geschwindigkeit,  nicht  aber  mit  dem  Querschnitt,  in  welchen  er 
eingefügt  ist.    Ein  anderes  Bedenken  bieten  Ströme ,  deren  mittlere  Querschnittsge- 
schwindigkeit mit  der  Zeit  sich  fortwährend  ändert,  so  dass  dem  Pendel  dann  niemals 
eine  Kuhelage  vergönnt  wird,  sondern  hin  und  her  schwankt.  Denn  in  diesem  Fall  kommt 
^ser  der  Schwere  auch  noch  die  Geschwindigkeit  der  Pendellinse  in  Betracht.  Vier- 
'irdt  glaubt  für  den  arteriellen  Blutstrom,  welcher  mit  einer  veränderlichen  Geschwin- 
digkeit begabt  ist,  jenes  Bedenken    beseitigt  zu  haben.      Siehe  die  Geschwindigkeit 
des  Blutstroms.  —  4*  Die  Geschwindigkeitsmessung  wurde  auch  durch  das  Kohr  von 
ntot  versucht.    Dieses  ist,  wie  ^Fig.  8  zeigt,  eine  mit  einer  rechtwinkligen  Biegung 
versehene  Glasröhre;  die  Schenkel  derselben 
sind  ungleich  lang;  der  kürzere  wird,  wenn 
die  Messung  ausgeführt  werden  soll,  der  Art 
in  das  Stromrohr  gesetzt,  dass  die  Fläche  sei- 
r;er  Mündung  senkrecht  auf  der  Stromrich- 
'.ung  steht.    "Wenn  die  in  diesen  Schenkel 
mündenden  Fäden  des  Stroms  vollkommen  zur 
Ruhe  gebracht  würden,  so  müsste  nach  der 
B  ernoulli'schen  Theorie  die  Flüssigkeit  in 
ni  langen  Schenkel  zu  einer  Höhe  (H)  emporsteigen,  welche  dem  Druck  entspräche» 
ri  die  botreffenden  Fäden  vermöge  ihrer  Spannung  (h)  und  ihrer  Geschwindigkeit  (h') 
ausüben  können;  es  wäre  also  H:  =  h-|-h'.  Aus  dieser  Gleichung  ist  h'  oder  die  Ge- 
L  hwindigkeitshöhe  zu  finden,  wennh  oder  die  Spannungshöhe  bekannt  ist ;  diese  letztere 
sann  aber  auch  durch  ein  senkrecht  auf  den  betreffenden  Stromfaden  gesetztes  Ma- 
aometer  gefunden  werden.    So  oft  bis  dahin  dieses  Verfahren  für  den  Strom  in  Köhren 
lin  Anwendung  kam,  wie  z.  B.  in  der  ausgedehnten  Arbeit  von  Darcy,  hat  man  die 
Pitot'sche  und  das  Manometerrohr  nicht  in  dieselben,  sondern  in  verschiedene  Strom- 
föden  gesetzt  und  die  an  beiden  Instrumenten  gefundene  Druckdifferenz  als  Geschwindig- 
-fceitshöhe  angesehen;  diese  Unterstellung  ist  aber  den  neueren  Untersuchungen  gemäss 
nicht  mehr  annehmbar,  somit  sind  die  bis  dahin  erworbenen  Kesultate  nicht  zu  ge- 
brauchen.   Aber  selbst  eine  Verbesserung  dieses  Fehlers  würde  immer  noch  nicht  zum 
Ziel  fuhren,  da  die  Bedingung,  dass  die  in  den  kurzen  Schenkel  derKöhre  eindringen- 
den Fäden  vollkommen  ruhen  sollen,  sich  nicht  herstellen  lässt  und  namentlich  bei 
gleicher  Stromgeschwindigkeit,  aber  ungleicher  Form  der  Mündung  die  Höhe  des  An- 
Uteigens  sich  ändert.    Aus  diesem  Grunde  haben  die  Wassorbaumeister  schon  seit  du 
IBuat,  das  Verfahren  entweder  bei  Seite  gesetzt,  oder  sie  graduircn  jedes  Kohr  be- 
sonders.   Zweckmässige  Formen  des  Rohrs  siehe  bei  Weissbach  und  Darcy. 


56 


Geschwindigkeit  in  geraden  Cylinderrohr. 


Die  Ersclioinungon  dos  constanton  Stromes  in  Röhren  sind  aber  wiederum  verän- 
derlich mit  der  Form  und  Ecschaflenheit  der  letztern.  In  Folgendem  sind  die  wich- 
tigsten Fälle  behandelt. 

10.  Wagorechto,  gerade,  überall  gleichweite  Röhren.  —  Die  Regeln,  nach  welchen 
der  Strom  in  geraden  Röhren  verläuft,  haben  dis  dahin  nur  unter  der  Bedingung  er- 
mittelt werden  können ,  dass  ein  bestimmtes  Verhältniss  zwischen  der  Länge  und  dem 
Durchmesser  der  Röhre  bestand.  Insbesondere  musste  die  Länge  der  Röhre  in  Verhält- 
niss zu  ihrem  Durchmesser  um  so  beträchtlicher  werden,  je  bedeutender  der  letztere  war. 
(Girard,  Poiseuille)*).  Mengt  man  der  strömenden  Flüssigkeit  sichtbare  Theilchen 
bei,  so  bemerkt  man  in  Röhren  von  genügender  Länge,  dass  die  Theilchen  nahezu  geradlinig 
und  mit  den  Wandungen  parallel  gehen,  während  sie  geschlängelt  in  den  zu  kurzen  Röhren 
verlaufen.  Dem  entsprechend  hält  man  dafür,  dass  der  Strom  in  langen  Röhren  aus  gera- 
den Fäden  bestehe.    Für  diesen  geradlinigen  Strom  gelten  die  folgenden  Ermittlungen. 

Geschwindigkeit.  Die  mittlere  Geschwindigkeit  ist  auf  allen  Querschnitten 
die  senkrecht  zur  Röhrenachse  gelegt  werden  können  dieselbe,  dieses  folgt  mit  Noth- 
wendigkeit  aus  der  Cohäsion  und  Unzusammendrückbarkeit  der  Flüssigkeit.  Die  Ge- 
schwindigkeit der  Fäden  aber,  welche  auf  einem  (.Querschnitt  senkrecht  stehen,  ist  mit 
ihrem  Abstand  vom  Mittelpunkt  veränderlich.  Zerlegt  man  den  Querschnitt  in  unzäh- 
lige concentrische  Kreise,  die  sämmtlich  vom  Mittelpunkt  der  Röhre  aus  mit  Radien 
beschrieben  sind,  die ,  von  Null  an  bis  zum  ganzen  Werth  des  Röhrendurchmessers 
wachsen,  so  wird  ein  jeder  solcher  Kreis  von  Stromfäden  gleicher  Geschwindigkeit 
durchsetzt,  und  zwar  nehmen  die  Geschwindigkeiten  von  den  kleinen  nach  den  grossen 
Kreisen  oder  vom  Centrum  nach  dem  Umfang  hin  ab.  Das  Gesotz,  nach  welchem  diese 
Geschwindigkeiten  in  der  bezeichneten  Richtung  abnehmen,  ist  unbekannt.  Namentlich 
verdient  es  der  Erwähnung,  dass  die  Beobachtungen  von  Darcy**)  nicht  zu  dem 
gewünschten  Ziel  geführt  haben.  Dagegen  ist  es  wahrscheinlich ,  dass  die  über  einen 
Röhrendurchmesser  aufgetragene  Curve  der  Theilgesehwindigkeitcn  veränderlich  ist  mit 
der  Weite  und  WaudbeschafTenheit  der  Röhre,  ferner  mit  der  mittleren  Geschwindig- 
keit, der  chemischen  Eigenschaft,  und  der  Temperatur  der  strömenden  Flüssigkeit.  In 
ein  und  demselben  Strom  soll  jedoch  die  Curve  der  Geschwindigkeiten,  bezogen  auf 
den  Durchmesser  der  Röhre  für  alle  Querschnitte  dieselbe  sein ,  d.  h.  es  soll  die 
Geschwindigkeit  eines  Stromfadens  vom  Beginn  bis  zu  seinem  Ende  unveränderlich 
bleiben ;  demnach  würde  der  gradlinige  Strom,  welcher  ein  cyUndrisches  Rohr  ausfüllt, 
zusammengesetzt  sein  aus  zahlreichen  in  einander  steckenden  Cylinderraänteln ,  von 
denen  jeder  einzeln  eine  constante  Geschmndigkeit  besitzen  würde. 

Von  der  mittlem  Geschwindigkeit  gilt  erfahrungsgemäss  folgendes:  l"  die  Ge- 
schwindigkeit steigt,  wie  die  Druckhöhen,  welche  auf  den  Flüssigkeiten  lasten,  so 
dass  entgegen  dem  Ausfluss  aus  Mündungen  durch  dünne  Platten  bei  einem  Aufsteigen 
der  Druckhöhen  von  1  zu  4  zu  9  zu  16  u.  s.  w. ,  die  Geschwindigkeiten  wie  diese 
Zahlen  und  nicht  wie  1,  2,  3,  4  u.  s.  w.  anwachsen.  —  2"  Alles  andere  gleichgesetzt, 
nimmt  die  mittlere  Geschwindigkeit  ab,  wie  die  Längen  der  Röhren  zunehmen.  — 
30  Weniger  einfach  ist  die  Beziehung  der  mittleren  Geschwindigkeit  zu  dem  Durch- 
messer; im  Allgemeinen  ist  durch  mannigfache  hydraulische  Beobachtungen,  insbeson- 
dere durch  die  von  Gerstner,  Young,  Girard,  Poiseuille  und  Volkmann 


»)  M^moires  de  l'Institut  1813—16.  285.  —  Poegendorf,  Annnlon  1.  c. 
••)  Rocherchoa  oxpdrlmontHlcs  relatives  nu  niouvemcnt  etc.  Par,  1857.  (XV.  Bd.  der  Memoiren 
der  Pariser  Altudcmie.) 


Spannung  in  geraden  Cylindcrröhren. 


57 


festgestellt,  dass  in  weiten  Eöhren  die  Geschwindigkeit  geradezu  abnimmt  wie  der 
Durchmesser,  in  sehr  engen  aber  wie  das  Quadrat  des  Durchmessers ;  in  Eöhren  mitt- 
eten Kalibers  nimmt  die  Geschwindigkeit  nach  irgend  einer  andern  Potenz  des  Durch- 
nessers,  die  in  der  Mitte  zwischen  den  erwähnten  liegt,  ab.  Die  Grenzen  der  Durch- 
nesser,  für  welche  die  eine  oder  andere  Angabe  giltig  ist,  sind  nicht  ermittelt  worden.  — 
[°  Die  Geschwindigkeit  nimmt  zu,  wenn  die  Temperatur  der  Flüssigkeit  wächst,  und 
-.war  in  engen  Röhren  beträchtlicher,  als  in  weiten.  Diese  Beobachtung  Gerstners*) 
ist  von  Girard,  insbesondere  aber  für  sehr  enge  Eöhren  von  Hagen  und  Poi- 
ieuille  erweitert  worden,  welche  für  Wasser,  in  Glas  und  Kupfer  strömend,  den 
jmpirischen  Coefflzienten  des  TVachsthums  gefunden  haben.  Dieser  letztere  kann  jedoch 
lur  auf  die  erwähnten  Stoffe  und  nur  für  sehr  enge  Eöhren  angewendet  werden,  da 
lach  Girard  mit  der  Flüssigkeit  und  bei  weiten  Eöhren  mit  dem  Durchmesser  sich 
uuch  der  von  der  Temperatur  abhängige  Geschwindigkeitsverlust  ändert.  —  5"  Die  Ge- 
chwindigkeit  ist  ferner  veränderlich  mit  der  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit;  Du- 
iiuat,  Girard**),  Poiseuille***).  Wesentlich  unterscheiden  sich  die  Flüssigkeiten, 
e  nachdem  sie  die  Eöhxenwand  benetzen,  oder  dieses  nicht  thun.  Wir  berücksichtigen 
lur  die  ersteren.  Für  sie  ist  festgestellt;  a)  die  Geschwindigkeit  in  jeder  Flüssigkeit 
unter  Voraussetzung  gleicher  Druckhöhen  und  Eöhrenweiten)  ist  unabhängig  von  dem 
UoiF,  aus  dem  die  Eöhrenwand  besteht;  namentlich  hat  Poiseuille  Glas,  Metall 
ind  die  Membranen  der  Blutgefässe  hierauf  untersucht.  —  b)  Die  verzögernde  Kraft 
ider,  wie  man  gewöhnlich  sagt,  die  Eeibung  einer  Flüssigkeit  ist  unabhängig  von  dem 
pezifischen  Gewicht,  der  Dünnflüssigkeit,  der  Capillarattraction  u.  s.  w.  —  c)  Die 
teibung  des  Wassers  oder  Blutserums  wird  wesentlich  geändert  durch  geringe  Bei- 
aengung  von  Salzen,  Basen  oder  Säuren.  —  Von  den  besonderen  Bestimmungen  Poi- 
eeuille's  heben  wir  hervor:  das  Serum  des  Ochsenbluts  fliesst,  alles  Uebrige  gleich- 
i-esetzt,  nahebei  noch  einmal  so  langsam,  als  reines  Wasser,  und  faserstofffreies  (Blut- 
örperchen  haltendes)  Ochsenblut  fliesst  dreimal  langsamer,  als  Serum.  —  Im  Allge- 
leinen  erniedrigt  ein  Zusatz  von  Neutralsalzen  zum  Wasser  die  Eeibung,  wahrend  sie 
lurch  Zusätze  von  Basen  und  von  Säuren  (eine  Ausnahme  machen  unter  letztem  nur 
lausäure  und  Schwefelwasserstofl)  erhöht  wird ;  ein  Zusatz  von  Ammoniak  zum  Serum 
erniedrigt  dagegen  die  Eeibung  desselben.  — 

Spannung.    Man  hatte  bis  dahin  angenommen,  dass  der . Seitendruck  aller  der 
tromfäden  gleich  sei ,  welche  einen  und  denselben  senkrecht  zur  Strorarichtung  ge- 
ihrten  Querschnitt  ausfüllen;  diese  Annahme  hat  sich  jedoch  als  fehlerhaft  erwiesen; 
enn  wenn  man  ein  Manometer,  dessen  dem  Strom  zugekehrte  Mündung  senkrecht  gegen 
ie  Eichtung  desselben  steht,  von  der  Wand  aus  gegen  die  Stromachse  führt,  so  sinkt 
er  Druck  hiebei  sehr  auffallend  (Darcy,  C.  Ludwig  und  Stefan)  f);  ebenso  kann 
uan  durch  ein  Eohr,  welches  die  Wand  -  und  Achsenfäden  eines  und  desselben  Strom- 
bhnittes  verbindet,  wie  es  die  Fig.  9  (s.  folg.  Seite)  angiebt,  ein  Fliessen  des  Wassers 
on  der  Wand  zum  Eöhren-Centrum,  in  der  Eichtung  des  Pfeiles  erzielen,  und  endlich 
ann  man  auf  zwei  diametral  entgegengesetzten  Wandstellen  verschiedene  hoho  Wasser- 
läulen  aufsetzen,  ohne  dass  sich  der  Druck  durch  den  Strom  hindurch  ausgleicht, 
Ludwig  und  Stefan). 


•)  Gilberts  Annalen  <lcr  Physik.  V.  üd.  100,  —  Die  Uoboroinstimmung  zwisclicii  dorn  Coeffl- 
enton  von  Hagen  und  Po  i  s  e  u  1 11  e  ist  dargelegt  in  Dovos  Kepcrtorium.  V.  Ud,  p.  135. 
•*)  M^inoires  de  l'Institiit.  1816. 
••)  Annalcs  de  clilm.  et  piiysifiun.  III.  S^r.  Hd.  7. 
t)  Wiener  Sitzungsbericlito  XXXU.  Bd.  1858. 


58 


Spannung. 


Bis  dahin  ist  es  noch  nicht  gelungen,  das  Gesetz  der  Druckabnahme  von  der 
Wand  gegen  das  Centrum  in  ihrer  Abhängigkeit  von  den  Dimensionen  und  Geschwin- 
digkeiten des  Stroms  hinzustellen,  weil  die  in  den  Strom  geführten  Manometer  in 
diesem  selbst  den  wahren  Druck  sehr  merklich  ändern ;  nur  ganz  im  Allgemeinen  lässt 

Pig.  9. 


sich  sagen:  bei  gleichem  Stromdurchmesser  wächst  der  Unterschied  des  Seitendrucks 
zwischen  "Wand  und  Achsenfaden  mit  der  mittlem  Geschwindigkeit;  denkt  man  sich 
ferner  den  Durchmesser  der  Köhre  in  beliebig  viele,  aber  unter  einander  gleiche 
Stücke  zerlegt,  so  ist  immer  das  der  Wand  zunächst  gelegene  Ende  eines  solchen 
Abschnitts  mit  einem  hohem  Drack  versehen,  als  das  dem  Centrura  zugewendete,  und 
der  Unterschied  des  Drucks,  den  beide  Enden  gewahren  lassen,  ist  um  so  grösser,  je 
näher  sich  das  in  Betracht  gezogene  Stück  an  der  Wand  befindet,  d.  h.  es  fällt  der 
Druck  in  der  Nähe  der  Wand  rascher  als  gegen  die  Röhrenachse  hin  ab ;  femer  ist 
OS  wahrscheinlich,  dass  die  Curve  der  Seitendrücke,  aufgetragen  auf  die  Eöhrenläng« 
als  Abszissenachse,  in  ein  und  demselben  Strom  für  alle  Plüssigkeitsfäden  parallel 
bleibt,  oder  anders  ausgedrückt,  dass,  wie  entfernt  auch  der  Querschnitt  eines  Stromes, 
den  man  beobachtet,  von  der  Einflussmündung  sein  mag,  doch  immer  der  Unter- 
schied des  Seitendrucks  zwischen  Wand  und  Achsenstrom  gleich  gross  ist.  Da  nun 
der  Wanddruck ,  mag  er  an  der  Einflussmündung  noch  so  hoch  gewesen  sein ,  an  der 
Ausfiussmündung  Null  wird,  der  Unterschied  zwischen  Achsen  und  Wanddruck 
aber,  je  nach  der  mittlem  Geschwindigkeit,  auf  hunderte  von  Millimeter  steigete 
kann,  so  muss  es  im. Verlauf  des  Stroms  immer  einen  Punkt  geben,  an  welchem  der 
bis  dahin  positive  Seitendruck  des  Achsenfadens  durch  Null  hinduroh  zu  einem  nega- 
tiven Werth  gelangt,  der  um  so  mächtiger  anschwillt,  je  mehr  sich  der  Strom  seineiü 
Ende  nähert. 

Da  man  bisher  allgemein  annahm,  dass  die  einen  und  denselben  Querschnitt  durch- 
setzenden Stromfäden  gleiche  Spannung  besässen,  so  hat  man  sich  in  allen  altem  Beob" 
achtungen  begnügt,  dem  Seitendruck  des  Wandfadens,  den  man  sicher  und  leicht  be^ 
stimmen  konnte,  zu  messen  und  seine  Veränderungen  aufzusuchen;  aus  den  bis  dahin 
gewonnenen  Messungen  ergiebt  sich  nun :  l*  die  Spannungen  des  Wandfadens  nehmen 
vom  Anfang  bis  zum  Ende  des  Stromes  nach  einer  geraden  Linie  ab;  graphisch  würd 
sich  dieses  folgendennassen  ausdrücken  lassen:  gesetzt  es  läge  (Fig.  10)  bei  A  der  An 
fang  und  bei  E  das  Ende  des  gradlinigen  Wandstroms  A  E  und  man  errichtete  auf  ih-l 
hei  A,  a,  a' ,  a"  und  ^Manometer,  so  würde  z.  B.  die  den  Druck  messende  Plüssigkeits- 
säule  in  yl  bis  3,  in  a  bis  b,  in  a'  bis  b',  in  a"  bis  b"  und  in  ^  um  eine  nicht 
mehr  messbare  Höhe  steigen.  Verbindet  man  die  obem  Enden  aller  dieser  Höhen  durch 
eine  Linie,  so  würde  man  finden,  dass  dieselbe  eine  gerade  wäre.  Hätte  man,  wie  es 
hier  geschehen,  die  Manometer  in  gleiche  Abstände  gestellt,  so  würden  also  die  Höhen' 


Spaimimg. 


59 


unterschiede  des  Wasserstandes  in  je  zwei  auf  einander  folgenden  Manometern  BC,  bc, 
b'e',  b"c"  einander  gleich  sein.    Es  bedarf  nach  diesem  kaum  der  Erinnerung,  dass 


rig.  10. 


C 


h 

c' 

a' 

der  Spannungsunterschied  zwischen  den  Manometern  am  Anfang  und  Ende  geradezu 
vächst,  wie  die  Länge  der  letztern.    2"  Die  Steilheit  des  Abfalls  dieser  Graden,  oder, 
was  dasselbe  sagt,  der  Spannungsunterschied  für  die  Längeneinheit  wächst  mit  der  mitt- 
fieren  Geschwindigkeit  des  Stroms.  Nennen  wir  den  Spannungsunterschied  auf  der  Längen- 
iiinheit  w  und  die  mittlere  Geschwindigkeit  v,  so  lässt  sich  rücksichtlich  der  Beziehung 
fler  beiden  Grössen  noch  aussagen :  Wenn  die  Geschwindigkeit  des  Stromes  von  0  bis 
löO  M.M.  in  der  Sekunde  wächst,  so  ist  der  Spannungsunterschied  w  =  ar,  d.  h. 
leich  der  mittleren  Geschwindigkeit  multiplizirt  mit  einem  empirisch  zu  bestimmenden 
Koeffizienten,  der  kleiner  als  die  Einheit  ist.    Wenn  dagegen  die  Geschwindigkeit  über 
00  M.  M.  anwächst,  so  ist  der  Spannungsunterschied  w  =  av  -)-  bv^,  d.  h.  gleich  der 
jeschwindigkeit  multiplizirt  mit  dem  frühem  Coeffizienten  mehr  dem  Producte  aus 
lern  Quadrate  der  Geschwindigkeit  in    eine  andere    ebenfalls   empirisch  zu  bestim- 
nende  Zahl,  die    kleiner   als    die    Einheit  ist.    —    3°  Der  Spannungsunterschied 
lindert  sich  femer  mit  der  mechanischen  Beschaffenheit  der  Wandfläche ,  an  der  der 
l>trom  hingeht.    Wenn  ein  Strom  von  mehr  als  100  M.M.  Geschwindigkeit  an  einer 
inebenen  Wand  hingeht,  so  verschwindet  aus  der  Gleichung  für  w  das  erste  Glied  der 
echten  Seite,  so  dass  w  =  bv^  wird.    Diese  Erfahrung  scheint  zu  bedeuten,  dass  der 
/'oef&zient,  welcher  mit  dem  Quadrat  der  Geschwindigkeit  multiplizirt  in  die  Gleichung 
bür  w  eintritt,  abhängig  ist  von  den  Stössen,  welche  die  Flüssigkeit  gegen  die  Her- 
orragung  in  der  Wand  ausführt.  —  Das  Verschwinden  von  av  oder  das  von  bv-  aus 
er  Gleichung  für  w  will  natürlich  nichts  anderes  sagen,  als  dass  in  dem  einen  oder 
ndem  Fall  der  Coeffizient  a  oder  b  gegen  den  andern  so  klein  wird,  dass  das  ihn 
nthaltendc  Glied  in  der  Rechnung  ohne  Schaden  gegen  das  andere  vernachlässigt  wer- 
ben kann.  —  4"  Von  der  chemischen  Beschaffenheit  der  Röhrenwand,  vorausgesetzt, 
asB  nur  ihre  Glätte  gleich  ist,  ist  der  Spannungsunterschied  unabhängig.  —  5"  Der 
pipannungsunterschied  wächst,  alles  andere  gleich  gesetzt,  wenn  der  Durchmesser  der 
•löhre,  in  welcher  der  Strom  geht,  abnimmt..    Die  ältere  Foi-mel  von  Prony  erörternd, 
aat  Darcy,  nach  seinen  ausgedehnten  Untersuchungen  für  dieses  Abhängigkeitsvorliält- 
iss,  folgende  Regel  aufgestellt ;  bezeichnet  R  den  Halbmesser  der  Röhre  und  ist  in  dem 


lusdruck  av  das  a  =  a-f       und      ^,y2        b  =  a'  -j-  — ,  wo  «,  /S,  a'  und  /9'  em- 


R 


R' 


t irisch  zu  bestimmende  Zahlen  bedeuten,  so  gestaltet  sich  das  Abhängigkeitsvorhält- 

iss  zwischen  w,  R  und  v  so,  dass  Rw  =        -j-  0  v  +         +  v*  wird. 

Aus  dieser  Regel  lässt  sich  auch  eine  physiologisch  wichtige  Ableitung  machon. 
lena  wenn  der  Strom  langsam  durch  eine  glatte  Röhro  läuft,  so  ist  dem  obigen  (2») 


60 


Verlust  des  Stromes  an  Arbeit. 


entsprechend  Rw  =  ^«  -|-        y.    Wird  nun  die  Röhre  eng  also  R  sehr  klein,  wie 

dieses  z.  B.  in  den  Capillargefässen  des  Menschen  geschieht,  so  gewinnt  in  der  Rech- 
ß 

nung  das  —  ein  solches  Uebergewicht  über  «,  dass  das  letztere  ohne  Schaden  ver- 
nachlässigt werden  kann;  es  geht  also  die  Gleichung  in  Rw  =  |-  v  über,  oder  es 

R 

ß 

wird  w  =  ^  V.    Das  heisst  in  Worten ,  der  Spannungsunterschied  wächst  in  engen 

glatten  Röhren  und  bei  Strömen  geringerer  Geschwindigkeit  umgekehrt,  wie  das  Qua- 
drat des  Röhrendurchmessers,  ein  Ausdruck,  welchen  die  Erfahrungen  von  Girard, 
Hagen  und  Poiseuille  bestätigt  haben.  Wird  dagegen  die  Röhre  weit  und  der 
Strom  rasch,  so  verschwindet  (nach  2")  das  erste  Glied  der  rechten  Seite  und  es  ist 

(ß'\  ß' 
«'  "H  ^7  )         Da  nun  aber,  wenn  R  gross  wird  ^  gegen  a' zum  Verschwin- 


der  Spannungsunterschied  umgekehrt  wie  der  einfache  Durchmesser.  —  6"  Der  Span- 
nungsunterschied ist  endlich  von  der  Temperatur  und  der  chemischen  und  mechanischen 
Zusamraonaetzung  der  Flüssigkeit  abhängig  und  zwar  wächst  er  mit  den  die  Reibung 
befördernden  Eigenschaften  der  Flüssigkeit,  worüber  die  bei  der  Geschwindigkeit  des 
Stroms  in  geraden  Röhren  unter  5"  mitgetheilten  Erfahrungen  zu  vergleichen  sind. 

Verlust  des  Stroms  an  Arbeit.  Der  Strom  erleidet  beim  Durchgang  durch 
die  Röhre  einen  Vorlust  an  Kräften;  die  Grösse  dieses  Verlustes  auf  der  Längenein- 
heit ergiebt  sich  aus  dem  Unterschied  der  Ki'äfte,  welche  die  den  Querschnitt  erfül- 
lende Masse  &vx  Beginn  und  am  Ende  der  Längeneinheit  besitzt.  Um  den  Werth  der 
Arbeit  an  beideu  Orten  zu  finden  inuss  man  daselbst  die  Masse,  die  mittlere  Geschwin- 
digkeit und  die  mittlere  Spannung  des  Stroms  kennen.  Setzen  wir  die  Masse,  welche 
wegen  der  Gleichheit  des  Querschnitts  an  beiden  Orten  dieselbe  ist,  =  m,  die  mittlere 
Geschwindigkeit  am  Anfangsquerschnitt  und  am  Endquerschnitt,  welche  ebenfalls  dieselben 
sein  müssen,  gleich  v,  unij,  nennen  wir  die  Spannung  des  Anfangschnitts  h  und  die  des 
Endschnitts  h'  und  endlich  die  Beschleunigung  der  Schwere  g,  so  wird  der  Verlust  an 

Arbeit  x  =  m  -\-  gh^  —  m  — [-  gh'^  =  mg  (h  —  h')   sein,    oder  in 

Worten,  es  war  die  Einbusse  an  Arbeit  gerade  zu  durch  den  Unterschied  der  mittleren 
Spannungen  auf  beiden  Querschnitten  gegeben.  Wollte  man  nun  aber  dazu  schreiten, 
für  einen  bestimmten  Fall  den  Kraftverlust  auszuwerthen,  so  würde  ein  solches  Unter- 
nehmen daran  scheitern,  dass  wir  die  mittlere  Spannung  auf  einem  Querschnitt  nich 
anzugeben  vermöchten. 

Die  Anordnung  der  Masse  im  Innern  eines  Stromes  hat  man  sich  nach  den  g 
machten  Mittheilungen  so  verwickelt  zu  denken,  dass  man  vorerst  darauf  verzichte 
muss,  nähere  Angaben  über  dieselbe  zu  machen.  Die  am  meisten  auffallende  Thatsach 
dass  der  Strom  nicht  durchweg  von  den  Orten  höheren  zu  denen  niederen  Druck 
gerichtet  ist,  kann  wie  es  scheint  ihre  Erklärung  nur  in  der  Trägheit  der  die  Flüssi 
keit  zusammensetzenden  Massen  finden. 

2.   Gleichweite,  gebogene  Röhren.    Zu  den  bei  geraden  Röhren  betrachte 
ten  Hemmungen  der  Geschwindigkeit  kommen  noch  die  Stösse,  welche  der  Stro 
gegen  die  Wandungen  ausübt  und  die  von  der  Centrifugalki-aft  herrührenden  Pressun 


den  kommt,  so  ist  hier  Rw  =  « 


'  v^  und  w  =  ^  V*  d.  h.  es  wächst  in  weiten  Röhren 


Gleichwoite,  gobogeno  Röhren. 


61 


;eTi.  Der  Einfluss  dieses  letztern  Momentes  wächst  bekanntlich  wie  das  Quadrat  der 
Jeschwindigkeit,  und  umgekehrt,  wie  der  Durchmesser  des  durchlaufenen  Ki-eisbogens. 
.)ie  Grösse  der  Hemmung  aber,  welche  von  dem  Stoss  gegen  die  winklig  gebogene 
Tandung  abhängt,  ist  veränderlich  a)  mit  der  Gradzahl  des  Winkels,  in  der  Art,  dass, 
.  eiin  er  von  0"  auf  1800  steigt,  der  Widerstand  von  einem  Maximum  auf  ein  Mini- 
lum  abfällt.  Mit  welcher  Funktion  des  Winkels  dieses  aber  geschieht,  ist  unbe- 
annt  •) ;  b)  zum  zweiten  wächst  aber  die  Stromhemmung  in  der  Winkelbiegung  mit 
lern  Quadrat  der  Geschwindigkeit,  was  nach  dem  Frühem  keiner  Erörterung  bedarf.  — 
)iä  Hemmung  ist  eine  beträchtlich  geringere,  wenn  die  Biegung  statt  eine  plötzliche 
u  sein,  sehr  allmählig  geschieht.  Der  Grund  für  diese  Erscheinung  liegt  darin,  dass 
lei  plötzlichen  Biegungen  (2  3  in  der  Eöhre  A  E  Fig  11.)  hinter  der  vorspringenden 

Fig.  11. 


.ante  eine  wirbelnde  Stelle  entsteht,  die  an  der  Strömung  keinen  Antheil  nimmt;  es 
rerengert  sich  demnach  das  Sti'omrohr  gleichsam.  — 

Dieser  verlangsamten  Bewegung  entsprechend  wird  die  Flüssigkeit  in  den  auf  die 
Öhre  gesetzten  Manometern  ansteigen  und  zwar  werden,  wenn  man  die  Manometer 
ifsetzen  würde  in  1,  2,  3,  4  die  Steigungen  nach  dem  Gesetz  der  unter  der  Eöhre 
Bzeichneten  Curve  geschehen.    Beginnen  wir  vom  Ende  des  Eohrs  (^),  so  würde  von 
nach  3  dem  Frühem  gemäss,  je  nach  der  Eöhrenweite  und  Stromgeschwindigkeit, 
Aufsteigen  mehr  oder  weniger  allmählig  auf  der  geraden  Linie  a  h  erfolgen,  dann 
L-ürde  plötzlich  in  der  Winkelbiegung  von  h  nach  c  ein  sehr  rasches  Aufsteigen  ge- 
ühehen,  in  Folge  der  besondem  Widerstände,  die  sich  hier  häufen,  und  hinter  dieser 
legung,  wenn  das  Rohr  wieder  gerade  fortläuft,  wird  sich  auch  das  allmählige  Auf- 
»igen  c  d  wieder  einstellen.    In  dem  Gang  der  Linie,  welche  die  Nivoaux  der  Flüs- 
fcgkeit  in  den  verschiedenen  Manometern  verbindet,  findet  sich  also  ein  plötzlicher 
mick,  oder  wie  man  auch  sagt,  ein  ausgezeichneter  Punkt.  — 


•)  Siehe  hierüber  fUr  einzelne  Fälle  empirischer  Gesetze:  Ton  du  Bunt,  bei  Eytelwoin, 
»«ndbnch  der  Meclinnik  und  Hydraulik.  3.  Aufl.  1843.  172.  —  Volkmiinn,  Hnemodyimmlk.  p.  61. 
^WeisHbach,  Lehrbuch  der  Ingenieur  -  und  Mnschinenmochnnlk.  1.  Bd.  18.50.  548. 


62 


Unglcichwoito  Röhren. 


3.  Ungloicli  w  oite  llöhreu.  Wir  beaclirttiikeii  uus  auf  die  Betrachtung  der 
beiden  Fälle,  wo  eine  Erweitung  in  eine  Verengung  übergeht,  und  wo  eine  Erweite- 
rung von  zwei  verengten  Stellen  eingeschlossen  wird. 

a.  Die  Erweiterung  mit  darauffolgender  Enge  (Fig.  12).  Die  mittlere  Geschwin- 
digkeit im  KohrstUck  £  wird  zu  der  in  A  in  dem  umgekehrten  Verhältniss  ihrer  Quer- 


Fig.  12. 


a 


schnitte  stehen.  Diese 
verhalten  sich  aber  wie 
die  Quadrate  der  Durch- 
messer. Beim  Ueber- 
gang  aus  dem  weiten  in 
das  enge  Bohr  schiessen 
die  Flüssigkeitsstrahlen 
allseitig  zusammen ;  wo- 
bei sich  die  Strömung 
in  den  Ecken  des  gros- 
sen Rohrs  in  Wirbel  d 
umsetzt.  —  Die  Curvc 


b  d  e 

der  Spannung  aufgetragen  auf  die  Eöhrenachse  wird  in  JB  von  e  bis  d  gleichmässig 
aufsteigen,  von  d  bis  b  ungleichmässig ,  aber  rascher  als  in  d  e,  wegen  des  erwähnten 
Zusammenstosses  der  Theilchen  und  von  b  bis  a  gradlinig,  aber  viel  allmähliger,  als 
in  e  d.  —  Der  absolute  Werth,  welchen  die  Spannung  in  dem  Abschnitt  d  b  gewinnt, 
ist  abhängig  von  der  Triebkraft  der  Flüssigkeit  und  von  dem  Verhältniss  der  Quer- 
schnitte von  A  und  B. 

b.  Erweiterung  zwischen  zwei  Verengerungen  (Fig.  13.)-  Die  Bahnen,  welche  die 
flüssigen  Theilchen,  so  weit  man  darauf  schliessen  kann,  aus  den  in  dem  Strom  ge- 
worfenen Bärlappsamen,  sind  in  der  Fig.  13.  durch  die  getüpfelten  Linien  angedeutet; 
nachdem  die  Stromfäden  im  Rohr  A  parallel  der  Achse  verliefen,  erweitert  der  fort- 
schreitende Strom  nur  allmählig  sein  Bett  bis  er  das  ganze  Rohr  ausfüllt;  in  dem 


Fig.  13. 


d 

e 

,  •  1 

5 

Trichter,  der  zwischen  der  Einflussmündimg  in  das  weite  Rohr  bis  zum  Anschluss  d 
Sti-oms  an  die  Wandungen  der  letztern  liegt,  bewegen  sich  die  Theilchen  nicht  bloss 
in,  sondei-n  auch  senkreht  gegen  die  Richtung  des  Stroms,  indem  sie  annähernd  senk- 
recht zur  Eöhrenachse  auf  und  abschwingen.  Zwischen  dem  Trichter  und  der  Wand 
liegen  aber  stehende  Wirbel,  deren  Längenschnitt  bimförinig  nach  Art  der  gezeichne- 
ten Figuren  w  w'  sich  darstellt.    Am  Uebergang  der  Erweiterung  in  die  Verengung 


Verzweigte  llöliren. 


63 


erhalten  sich  die  Bewegungsrichtungen,  wie  sie  auch  schon  in  der  vorigen  Figur  an- 
ägeben  wurden.  —  An  der  Grenze  des  engen  und  weiten  Rohrs,  bis  zur  grössten 
r  rweiterung  des  Stromtrichters ,  gestaltet  sich  der  Druck  in  einer  zur  Eöhrenachse 
i:  nkrechten  Eichtung  so,  dass  er  innerhalb  der  beiden  Grenzwirbel  beträchtlich  höher 
(,3  im  Stronitrichter  ist.  Setzt  man  aber  fortlaufend  auf  die  Wand  den  Manometer  a 
•defg,  so  erhält  man  Druck,  welcher  nach  dem  in  der  Curve  1,  2,  3  ...  7  darge- 
'.?Uten  Gesetz  sich  ändert.    Eine  Theorie  für  dieselbe  läset  sich  nicht  geben. 

Aus  diesen  Mittheilungen  lassen  sich  mancherlei  Folgerungen  ziehen,  von  denen 
rir  zwei  wegen  ihrer  praktischen  Bedeutung  hervorheben.  Sie  beziehen  sich  auf  die 
'aränderungen ,  welche  ein  Strom  in  einer  Eöhre  erfährt,  dessen  Aus-  oder  Einfluss- 
uiindung  verengert  worden  ist. 

Setzen  wir  also,  es  sei  in  einem  überall  gleichweiten  Eohr  Spannung  und  mittlere 
rtschwindigkeit  bestimmt  worden,  und  es  werde  nun  plötzlich  die  Ausflussmünduug 
■  s  Eohrs  verengert,  während  die  am  Einfluss  desselben  wirksamen  Kräfte  unverändert 
toalten  würden ,  so  wird  offenbar  in  dem  Eohr  die  Stromgeschwindigkeit  abnehmen 
dd  dafür  sich  die  Spannung  erhöhen.  In  der  verengten  Ausflussmündung  muss  da- 
IS|en  die  Geschwindigkeit  steigen,  jedoch  nicht  in  dem  Verhältniss,  in  welchem  der 
Me^sohnitt  abgenommen  hat ,  so  dass  der  nun  raschere  Strom  aus  der  engen  OelFnung 
kiht  soviel  Flüssigkeit  fördert,  als  dieses  der  langsamere  aus  der  weiten  vermochte. 
6  Nothwendigkeit  dieses  letztern  Ergebnisses  sieht  man  gleich  daraus  ein ,  weil  in 
1  m.  Theil  der  Eöhre ,  dessen  Durchmesser  unverändert  erhalten  wurde ,  die  Strorage- 
nwindigkeit  abgenommen  hat.  Der  physikalische  Grund  hierfür  ist  aber  darin  zu 
sjhen,  dass  die  Flüssigkeit  in  der  engen  Mündung  durch  Eeibung  mehr  an  ihrer 
elendigen  Kraft  einbüsst,  als  dieses  in  der  weiten  geschah.  —  Verengert  man  aber, 
uhrend  in  dem  Eohr  von  den  bezeichneten  Eigenschaften  die  Ausflussmündung  un- 
iiändert  erhalten  wurde,  die  Einflussmündung,  so  wird  in  dem  unveränderten  Stück 
unnung  und  Geschwindigkeit  abnehmen,  und  zwar  darum,  weil  die  lebendigen  Kräfte 
jbs  einzelnen  eintretenden  Theilchens  durch  Eeibung  mehr,  als  früher  abgeschwächt 
cfden,  und  weil  zugleich  die  Masse  der  Flüssigkeit,  welche  an  der  Einflussmündung 
fragt  wird,  abnimmt. 

4.  Verzweigte  Eöhre n.  Von  den  zahlreichen  Formen,  welche  durch  die 
fzweigung  der  Ströme  hergestellt  werden  können,  berücksichtigen  wir  nur  diejeni- 
,  ,  bei  denen  ein  ursprünglich  einfaches  Eohr  sich  theilt  und  wieder  in  ein  ein- 
«es  Busammenläuft.  Die  mitgetheilten  Thatsachen  sind  von  Volk  mann  beobachtet. 

Vergleicht  man  die  Erscheinungen  eines  Stroms  im  verzweigten  Eohr  mit  denen 
1  unterzweigten ,  so  kann  man  behaupten,  dass  ein  und  dieselbe  Menge  Flüssigkeit, 
tehe  mit  gleichen  lebendigen  Kräften  begabt,  an  der  Einflussmündung  anlangte,  auf 
um  Lauf  durch  ein  gleich  langes  Wegstück  des  verzweigten  Eohrs  mehr  von  ihren 
wndigcn  Kräften  einbüsst,  als  in  einem  uuverzweigten.  Dieses  ergiebt  sich  sogleich, 
I  Iii  man  bedenkt,  dass  im  verzweigten  Eohr  im  Verhältniss  zum  Inhalt  eine  grössere 
dodflächc  vorhanden  ist,  als  im  unverzweigten,  und  ferner,  dass  im  verzweigten 
ir  nothwendig  Winkelbiegungen  vorhanden  sein  müssen,  die  dem  unverzweigten 
t.en  können.  Dieser  einfachen  Betrachtung  entsprechend  wird  die  Hemmung  in 
um  Eöhrensystem  von  gleichem  Querschnitt  und  gleicher  Länge  in  einem  raschen 
Mltniss  steigen  mit  der  Anzahl  der  Einzelröhron ,  auf  welchen  dieser  Querschnitt 
«heilt  ist.  / 

f  Eücksichtlich  des  Verhältnissos  der  Geschwindigkeit  gilt  in  einem  verzweigten 
►rensystcm  allen  das,  was  fUr  das  un verzweigte  behauptet  wurde,  d.  h.  es  nimmt  in 


64 


Verzweigte  Röhren. 


dem    Strom    die  Geschwindigkeit    ab,    wenn    der  Querschnitt    zunimmt  und  un 
gekehrt. 

a.  Ebenmässig  verzweigte  Köhren  (Fig.  14).  Wir  nehmen  an,  dass  die 
einzelnen  Stromglieder  ABOB  von  tiberall  gleichem  Querschnitt  seien  und  dass  die 
Schenkel  B  und  C  gleiche  Krümmung  und  gleiche  Länge  besitzen.  —  Da  der  Strom 

grosses  Bett,  als  in  A  oder  B  hat,  so  wird  er  in  dem 


in  BC  ein  noch  einmal  so 


letzten  Abschnitt  doppelt 
so  geschwind  wie  in  B 
und  C  laufen.  —  Ver- 
folgen wir  die  Curve  der 
Spannung ,  indem  wir 
hierbei  vom  Ende  di - 
Stückes    B  ausgehci. 
so  werden  wir  finden 
dass  sie  in  B  aUmählig  i 
anwächst  (von  /  bis  e),  1 
dann  hinter  der  Müii 
dungsstelle  beider  KöL 
ren  in  dem  einfachei 
Hohr  (bei  d  e)  plötzlich 
ansteigt,  weil  hier  die 
Ströme  zusammenstossen ;  durch  C  und  das  gleichartige  B  wächst  sie  aUmählig  wegen 
der  geringen  Geschwindigkeit  {d  bis  c).    Bei  b  c  kreuzen  sich  nun  die  Einflüsse;  ein- 
mal nämlich  stösst  sich  der  aus  A  kommende  Sti-om  an  die  entgegenstehende  Wanduni 
und  darum  muss  die  Spannung  hier  steigen,  dann  aber  erweitert  sich  auch  der  Strou 
plötzlich  und  darum  muss  an  diesem  Orte  die  Spannung  sinken ;  je  nach  dem  Ueber-i 
gewicht  des  einen  oder  andern  Momentes  muss  also  hier  eine  Steigerung  oder  eiii 
Sinken  der  Spannung  resultiren.    In  der  gezeichneten  Curve  ist  darum  dieser  Abschnit] 
mit  einer  horizontalen  Linie  dargestellt.    In  dem  Stücke  A  endlich  muss  die  Spannu 
wieder  wie  in  B  anwachsen. 

b.  Asymetrische  Eöhren Verzweigung  (Fig.  15  und  Fig.  16).  —  In  den 
ersten  Fall  geben  wir  allen  Eöhrenstücken  gleiche  "Weite.    Um  Wiederholungen  zu  ver 

meiden,  betrachten 
nun     das  verzweigt^ 
Stück  von  dem  Punkt  < 
bis  zu  b,  d.  h.  von  ded 
Stellen,    wo    sich  di^ 
Ströme  trennen,  bis 
dem,  wo  sie  aufeinanl 
derstossen.  —  An  de 
beiden      Enden  de| 
Schlinge    ist  offenba 
die  Spannung  der  aui 
beiden  Köhren  komme: 
den  Flüssigkeitsmassel 
ausgeglichen.  Geset 
es  sei  uns  der  Werth  dieser  Spannung  bei  a  und  b  gegeben,  so  würden  wir 
zwei  Abszissenachsen  von  der  Länge  der  Röhren  B  und  C  =  ab  und  ab'  legen,  un 


Verzweigte  [{öliren. 


65 


uf  Jen  Endpunkten  a,  b,  b'  die  gegebenen  Spannungen  auftragen.     Eine  Verbin- 
ungslinie  von  b  und  b'  nach  a  würde  eine    ungefähre  Vorstellung    von  dem  Ver- 
ruf der    Spannung  auf   dem  langen  und  kurzen  Rohrstück  geben.    Wir  sagen  eine 
ifigenäherte  Vorstellung,    weilin  dieser  Curve  einige  besondere  Punkte  nicht  berück- 
chtigt  sind,  welche  sich  durch  Zusaramenstoss  und  Auseinanderweichen  der  Flüssig- 
eiten  u.  s.  w.  bilden.  —  Das  Verhältniss  der  Geschwindigkeit  in  den  beiden  Armen 
it  dadui-ch  bestimmt,  dass  die  Curve  der  Spannung  in  dem  Röhrenstück  C  steiler  aus- 
illt ,  als  in  B ;  sie  muss  in  C  grösser  sein ,  als  in  B ,  weil  im  Rohre  von  gleichem 
uuerschnitt  die  Steilheit  der  Spannungs-Curve  wächst  mit  der  Geschwindigkeit. 

in  dem  andeni  Fall  (Fig.  15.)  ist  den  verzweigten  Stücken  gleiche  Länge,  aber 
n  ungleicher  Durchmesser  gegeben  worden. 

Bei  einer  ähnlichen  Anordnung,  welche  Volk  mann  beobachtete,  fiel  die  Curve 
er  Seitendrücke  von  a  nach  d  in  B  zuerst  (zwischen  a  und  e)  allmählig  und  gegen 
HS  Ende  (zwischen  c  und  d) 
Rohrs  sehr  steil  ab ; 
C  fiel  sie  zuerst  sehr 
feil,  dann  langsamer  als 
.  B  und  schliesslich  wie- 
\vc  sehr  steil ,  aber  aber- 
als  weniger  rasch  als  in 
ir  entsprechenden  Stelle 
)n  B  ab. 

Die  vorliegenden  Beob- 
htungen    genügen ,  um 
zuleiten ,    was  eintritt, 
nun  man  in  einem  ver- 
'feigten    Rohr  plötzlich 
neu  Ast  verstopft,  oder 
•  neu  bis  dahin  verstopften  öffnet;  vorausgesetzt,  dass  die  Kräfte,  welche  an  der  Ein- 
issstelle  wirksam  sind,  unverändert  bleiben.    Wir  wollen  zur  beispielsweisen  Betrach- 
ng  ein  symmetrisches  pjg 
)hr  (Fig.  17.)  wählen, 
f  enn  dem  Strome  beide 
ihren  geöffnet  sind,  so 
.rd    die    Curve  der 
«annung  bekanntlich 
Fig.  14.)  das  durch 
■»  e  d  dargestellte  Ge- 
iz, inne  halten,  wobei 
.8   Stück  bc  gleich- 
ässig   für  die  beiden 
t38te    B  und  C  gilt. 
■3rschlie88t    man  dar- 
f  den  Anfang  von  0 
i  Z,   so    muss  der 
rom    nun    durch  B 

hen  und  die  Flüssigkeit  in  O  zur  Ruhe  kommen  ;  in  diesem  letztern  Schenkel  wird 
mnach  die  Spannung  überall  einen  gleichen  Werth  annehmen  und  zwar  denjenigen, 
Ludwig,  Physiologie  II.    2.  Aiiilnge.  6 


66 


Elastische  Röhren. 


welchen  der  Strom  ABB  &  n  der  Stelle  besitzt  wo  der  todte  Schenkel  6'  in  ihn 
mündet;   pr  wird  sich  ganz  wie  ein  Manometer  verhalten.    In  dem  Rohr  ABL  wird 
nun  der  Strom,  da  er  in  einem  überall  gleichweiten  Bett  fliegst,  eine  Spannung  an- 
nehmen, die  annähernd  vom  Anfang  bis  zu   Ende  nach  einer  geraden  Linie  etwa  wie 
ad  abfällt;  das  einzige  unbestimmte ,  welches  nun  noch  bleibt,  liegt  in  der  Steilheit, 
mit  welcher  a  d  absteigt.    Die  Erfahrung  hat  nun  dafür  entschieden  (Volkmann), 
dass,  wenn  im  unverstopften  Rohr  die  Spannungscurve  wie  a  bc  d,  sie  im  verstopften 
wie  aed  läuft,  d.h.  es  ist  nach  der  Verstopfung  die  Spannung  in  allen  den  Röhren-| 
atflcken,  die  zwischen  der  Einflussmündung  und  dem  verstopften  Orte  liegen,  erhöht,] 
und  es  erstreckt  sich  diese  Erhöhung  auch  noch  ein  Stück  jenseits  der  letzten  Stelle;! 
von  da  ab  fällt  dann  die  Spannung  unter  diejenige,  welche  der  Strom  im  unverstopf-l 
ten  Rohr  besass.    Die  theoretische  Rechtfertigung  hierfür  ist  dadurch  gegeben,  dassl 
die  Stromgeschwindigkeit  in  dem  unverstopften  Rohr  wegen  der  relativ  geringeren! 
Menge  von  Hemmungen  grösser  als  in  dem  verstopften  ist.    Bleiben  sich  aber  in  bei-l 
den  Fällen  die  an  der  Einflussmündung  wirkenden  Kräfte  gleich ,  so  muss  der  Kraft-l 
antheil,  der  zuerst  auf  die  Geschwindigkeit  verwendet  wurde ,  nun  als  Spannung  auf-j 
treten. 

Bei  einigem  Nachdenken  dürfte  es  nun  gelingen ,  auch  andere  verwickelte  PällS 
abzuleiten,  wenn  die  Bedingungen  derselben  mit  hinreichender  Genauigkeit  gegeH 
ben  sind. 

5.  Ströme  durch  elastische,  leicht  dehnbare  Röhren*).  Bis  dahinl 
sind  nur  Ströme  durch  Röhren  in  Betracht  gezogen,  deren  Wandungen,  wenn  ausU 
elastisch,  doch  so  wenig  ausdehnbar  angenommen  werden  konnten,  dass  die  VeränH 
derung  des  Durchmessers,  welche  sie  durch  die  Spannung  der  strömenden  PlüssigkeiS 
erfuhren ,  vernachlässigt  werden  konnte.  Anders  verhalten  sich  die  Ströme,  welche  im 
Rohr  mit  ausdehnbaren  Wandungen  verlaufen.  Indem  wir  zu  diesen  letztem  übew 
gehen,  werden  wir  aber  nicht,  wie  bisher,  unsere  Untersuchung  beschränken  aiu 
Ströme  von  einer  während  der  Beobachtungsdauer  gleichbleibenden  Spannung  und  Qe-j 
schwindigkeit ,  sondern  zugleich  Ströme,  in  denen  diese  beiden  Eigenschaften  verätt] 
derlich  sind,  in  Betracht  ziehen. 

a.  Gleichmässige  Ströme  in  ausdehnbaren  Röhren.  Wenn  wir  vorJ 
aussetzen,  dass  das  elastische  Rohr  vor  Beginn  des  Stroms  in  Ruhe  gewesen  sei,  mil 
andern  Worten ,  dass  es  den  Durchmesser  und  die  Länge  angenommen  habe ,  welchJ 
ihm  in  Folge  seiner  elastischen  Kräfte  zukonunen,  so  muss  mit  dem  Beginn  des  StioJ 
mes  sich  der  Dnrchmesser  und  die  Länge  des  Rohrs  ändern ,  und  zwar  in  Folge  dei 
Spannung,  welche  sich  jedesmal  in  einer  Flüssigkeit  entwickelt,  die  sich  in  eine 
von  Wandungen  umgebenen  Raum  bewegt.  Der  Umfang  dieser  Ausdehnung  wird  ab« 
abhängen  von  der  Grösse  der  Spannung,  der  Ausdehnung  der  Wandung  und  dem  Wen 
ihres  Elastizitätscoefflzienten. 

Die  Grösse  der  Spannung  in  der  Flüssigkeit  ist ,  wie  wir  wissen ,  zu  bemesse 
nach  den  Triebkräften ,  welche  die  Flüssigkeit  in  Bewegung  setzen ,  ihrer  Reibungl 
ihrem  Anstoss  gegen  die  Röhrenwand  u.  s.  w.  - —  Die  Ausdehnung  der  Röhrenfläche 
Icommt  aber  in  Betracht,  weil  hierdurch  die  Summe  der  Drücke,  oder  anders  ausgej 
''  ■   

iji,'  *)>E.  H^mnd.W.  Weber,  Wellenlelire  nncli  Versuche».  Leipzig  1825.  —  H.  Frey 
'  einer ./lliÄfi^aS'äWellenb^  ........    u.... 


;"SS*p''?80.  — i^^H.iAV  e  b  e'i'"'{^^  Anwendung  der  Wellenlehre 

*■  oische  Cla3He™K 


Versucl 

MUllers  Archiv.  1845.  —  Volk  mann,  HaemodynamU 
Leipziger  Berichte.  Matheniat.  phJ 


Ungleichinässiger  Strom  in  dehnbaren  Eöhren. 


67 


drückt,  das  Gevricht  bestimmt  wird,  welches  die  Röhrenwand  nach  Länge  und  Quere 
zieht;  denn  es  ist  dieses  Gewicht  gleich  dem  Produkt  der  Spannung  in  der  Flächen- 
j  ausdehnung ,  auf  welche  der  Druck  wirkt.  —  Dass  schliesslich  die  Ausdehnbarkeit  in 
i  Betracht  gezogen  werden  muss ,  versteht  sich  von  selbst.    Insbesondere  ist  aber  auch 

•  noch  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  Veränderlichkeit  derselben  mit  der  wachsenden 
Spannung  (siehe  Bd.  I.  p.  53.)  und  auf  die  Ungleichheit  der  Ausdehnbarkeit  nach  ver- 

sschiedenen  Richtungen  (der  Länge  und  dem  Umfang  des  Rohrs),  wie  sie  sich  in  un- 
V gleich  angeordneten,  festen  Massen  immer  vorfindet.  —  Die  Gestalt,  welche  die  ge- 

•  spannte  Röhre  annimmt  und  die  Ausdehnung,  welche  sie  unter  einer  gegebenen  Span- 
:!nung  erfährt,  hat  Ad.  Fick*)  unter  besonderen  Bedingungen  in  Erwägung  gezogen. 

Von  dem  Augenblick  an,  in  welchem  der  Strom  in  dem  ausdehnbaren  Rohr  zu 
«seinem  Beharrungszustand ,  d.  h.  zu  der  Spannung  und  Geschwindigkeit  gelangt  ist, 
«welche  ihm  während  seiner  Dauer  gleichmässig  eigen  sein  soll,  wird  er  sich  nun  ver- 
bhalten wie  in  einem  festen  Rohr  von  gleichen  Dimensionen  und  gleichem  Reibungs- 
i'.coeffizienten.  —  Der  Unterschied  zwischen  einem  Strom  in  der  ausdehnbaren  und 
micht  ausdehnbaren  Röhre  bezieht  sich  also  wesentlich  auf  die  dem  Strom  sich  anpas- 
iisende  Ausdehnung  des  Rohrs.  Dieses  schliesst  die  Folge  in  sich,  dass  das  Ausströmen 
iaus  dem  Röhrenende  nicht  in  dem  Momente  erfolgt,  in  dem  das  Einströmen  in  den 
»Röhrenanfang  geschah,  und  ebenso,  dass  nicht  in  dem  Augenblick  das  Ausströmen  aus 
l«dem  Röhrenende  aufhört,  in  dem  das  Einströmen  in  den  Röhrenanfang  unterbrochen 
rwird.  Man  sieht  den  letzten  für  uns  bemerkenswerthen  Erfolg  sogleich  ein,  wenn  man 
rerwägt ,  dass  der  Strom  aus  der  Röhre  auch  nach  geschlossener  Einflussmündung  erst 
kdann  aufhören  kann,  wenn  sich  dasselbe  wieder  um  soviel  verkürzt  und  verengert  hat, 
Iiis  es  durch  den  von  der  Einflu.ssmündung  her  erregten  Strom  erweitert  und  verlängert 
t  worden  war. 

b.  Ungleichmässiger  Strom  in  ausdehnbaren  Röhren.  Ein  Strom 
lin  leicht  dehnbaren  Röhren  kann  aus  vielerlei  Gründen  und  auf  mannigfache  Art  un- 
:  gleichförmig  werden.  Indem  wir  uns  vom  physiologischen  Bedürfniss  leiten  lassen, 
"beschränken  wir  uns  auf  die  Betrachtung  der  Fälle,  in  denen  eine  rhythmisch  wieder- 
i'kehrende  Steigerung  oder  Minderung  der  an  der  Ein-  oder  Ausflussmündung  des 
IRohrs  wirkenden  Kräfte,  die  Geschwindigkeit,  Spannung  und  den  Querschnitt  des 
iJJtroms  nach  einer  regelmässigen,  wiederkehrenden  Zeitfolge  ändern.  Unsere  etwas 
'f erwickelte  Betrachtung  zergliedern  wir  in  der  Art,  dass  wir  die  Erscheinungen, 
rwelche  an  der  Wandung  beobachtet  werden,  gesondert  schildern  von  denen,  welche 
Ider  Flüssigkeit  eigen  sind.  Hierbei  behandeln  wir  jedesmal  gesondert  die  Vorgänge, 
welche  in  zeitlicher  Reihenfolge  in  ein  und  demselben  Wandumfang  oder  Stromquer- 
«jchnitt  auftreten  und  darauf  diejenige,  welche  gleichzeitig  an  verschiedenen  Orten  des 
ötromrohrs  sich  geltend  machen. 

«.  Die  Voraussetzungen,  die  wir  zuerst  als  erfüllt  annehmen,  bestehen  darin, 
«dasB  in  die  Einflussmündung  eines  am  Ausflussende  stets  offenen  Rohrs  eine  mit  der 
iwachsendcn  Zeit  veränderliche  Flüssigkcitsmengo  einströme.  Insbesondere  soll  die  ein- 
atrömende  Menge  mit  der  Zeit  so  veränderlich  gedacht  werden,  dass  während  der  be- 
liebigen Zeiteinheiten,  in  welche  die  ganze  Stromdauer  zerfällt  werden  kann,  die  in 
das  Rohr  gelangende  Flüssigkeitsmenge  mit  dem  Beginn  einer  jeden  Zeiteinheit  Null 
ist,  von  da  bis  zur  Hälfte  der  Zeiteinheit  zu  einem  Maximum  anwächst,  und  dann  in 
der  zweiten  Hälfte  der  Zeiteinheit  wieder  bis  zu  Null  abnimmt.    Die  Kraft,  welche 


•)  Med.  Hiyitik  |i.  7«. 

5* 


68 


Wellenbewegung  im  elastischen  Kohr. 


während  dieser  Zeit  jeder  in  das  Kohr  geworfenen  Masseneiuheit  zukommt,  soll ,  wenn 
nicht  das  Gegentheil  angegeben,  als  gleich  gross  angesehen  werden.  —  Die  hier  ver- 
langten Bedingungen  würden  u.  A.  verwirklicht  sein,  wenn  man  einen  horizontalen 
Schlauch  aus  vulkanisirtem  Xautschouk  au  eine  steife  Eöhre  gebunden  hätte,  welche 
in  einen  grossen  Wasserbehälter  mündete.  Das  Verbindungsstück  zwischen  dem  Was- 
serbehälter und  dem  Kautschouk  müsste  noch  mit  einem  Hahn  versehen  sein,  der  in 
regelmässiger  Zeitfolge  geöfiriet  und  geschlossen  würde ,  während  das  Niveau  der  Flüs- 
sigkeit in  dem  Behälter  unveränderlich  bliebe. 

Erfahrungsgemäss  erweitern  und  verlängern  sich  die  der  Eiuüussmündung  zunächst 
gelegenen  Röhrenabschnitte,  während  ein  solches  Einströmen  geschieht,  mit  dem 
Ansteigen  der  eingeworfenen  Flüssigkeitsmenge;  sie  verkürzen  und  verengem  sich  da- 
gegen wiederum  bis  zu  ihrem  ursprünglichen  Umfang,  wenn  in  der  zweiten  Hälfte 
der  Zeiteinheit  das  eingeworfene  Wasserquantuni  wieder  abnimmt.    Auf  dieser  letztem 
Lage  verharren  sie  ruliig,  vorausgesetzt,  dass  sie  nicht  durch  einen  neuen  Stoss  aus 
derselben  getrieben  werden.    In  Folge  dieser  Bewegung  der  Wandtheilchen  von  dem 
Ort,  den  sie  bisher  einnahmen,  zu  einem  andern  und  ihrer  Rückkehr  zu  der  alten 
Stelle,  verändert  sich  zugleich  die  Spannung  zwischen  zwei  zunächst  gelegenen  Theil- 
chen,  entsprechend  der  Ausdehnung  und  dem  Ausdehnbarkeitsmaass  der  erweiterten 
Wandungen.  —  Die  so  eben  geschilderte  Bewegung  in  den  Wandtheilchen,  welche  der 
Einflussmündung  zunächst  gelogen  sind,  pflanzt  sich  nun  allmählig  durch  das  ganze 
Rohr  hindurch  fort  in  der  Art,  dass  die  von  der  Eiuflussmündung  entfernten  Theil- 
chen  immer  etwas  später  gerade  dio  Wegrichtung  einschlagen ,  in  welcher  kurz  vorher 
die  vor  ihnen  liegenden  gingen ,  so  dass  nach  der  Ausflussmündung  hin  die  Wand 
immer  noch  in  Bewegung  begriffen  ist,  wenn  sie  au  der  Eiuflussmündung  schon  zur 
Ruhe  kam.    Bekanntlich  nennt  man  eine  solche  Bewegung  eines  jeden  Punktes  eine 
Schwingung,  die  Gesamnitheit  aller  durch  einen  Stoss  von  bestimmter  Dauer  gleich-, 
zeitig  in  Bewegung  gesetzter  Theilchen  aber  eine  Welle.  —  Die  Länge  des  Wegs  (der 
Schwingungsumfang) ,  welchen  jeder  einzelne  Wandtheil  bei  einer  Wellenbewegung  zu- 
rücklegt ,  wächst  mit  der  Nachgiebigkeit  der  Röhrenwand ,  mit  der  Geschwindigkeit^ 
und  dem  Volum  der  eingestosscnen  Flüssigkeit  (d.  h.  der  Stärke  des  Stesses,  den  dasi 
Theilchen  empfangen  kann)  und  den  Widerständen  für  die  Fortbewegung  der  letztere!« 
im  Rohre.  —  Obwohl  sich  nun ,  wie  wir  erfuhren ,  die  Schwingung ,  vTelche  ein  ein-S 
/.eines  Theilchen  ausführt ,  mit  der  Zeit  verbreitet  über  alle  übrigen ,  so  erreicht  sie« 
doch  nicht  überall  denselben  Umfang;  insbesondere  steht  fest,  dass  die  Röhrenstücke,! 
welche  von  der  Flüssigkeit  zuerst  gestossen  werden ,  eine  grössere  Ausdehnung  erfah-  I 
ren,  als  diejenigen,  welche  gegen  die  Ausflussmündung  liegen ;  oder  anders  ausgedrückt, 
es  nimmt  die  Excursion  der  Welle  von  der  Einfluss-  zur  Ausflussmündung  des  Rohrs 
allmählig  ab.    Diese  Abflachung  der  Welle  bei  ihrem  Fortschreiten  ist  in  engen  und 
gespannten  Bohren  merklicher,  als  in  weiten  (E.  H.  Weber).  —  Die  Zeit,  welche 
vergeht  zwischen  dem  Auftreten  der  Bewegung  an  einem  gegebenen  Orte  und  einem 
andern  von  bekannter  Entfernung  (Fortpflanzungsgeschwindigkeit)  scheint  nur  innerhalb 
enger  Grenzen  abhängig  zu  sein  von  der  Spannung  der  Wandung.    Man  schliesst  hier- 
auf aus  den  Beobachtungen  von  E.  H.  Weber,  wonach  in  einem  vulkauisirten  Kaut- 
schoukrohr  von  27,5  MM.  Durchmesser  der  von  der  Wellenbewegung  in  der  Sekunde 
durchlaufene  Weg  11,470  Meter  betrug,  gleichgiltig ,  ob  das  Rohr  unter  dem  Dmck 
einer  3,5  oder  0,008  Meter  hohen  Wassersäule  gespannt  war.    In  einem  Schaafdann 
fand  er  dagegen  dio  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  so  gering,  dass  der  Wcitergaiig  der 
Welle  mit  dorn  Auge  beobachtet  werden  konnte;  ähnlich  wie  im  letzteren  Fall  vorhält 


Bewegung  der  Wassertheilchen  in  den  Schlauchwellen.  69 

sich  auch  die  Sache  in  einer  weiten,  dünnwandigen  Kautschoukröhrc.  — .  Die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit ist,  wie  besonders  hervorzuheben,  an  den  dickwandigen  Kaut- 
.schoukröhren  unabhängig  von  dem  Volum  und  der  Geschwindigkeit  der  in  das  Eohr 
;-?estossenen  Flüssigkeit.  —  Die  Länge  der  Welle,  oder  der  Abstand  jener  Wandtheil- 
.:hen,  welche  genau  in  derselben  Bewegungsphase,  z.  B.  auf  dem  Maximum  ihrer  Er- 
loebung ,  begriflen  sind,  ist  abhängig  von  der  Zeitdauer,  während  welcher  der  Stoss 
iffirksara  ist,  und  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit. 

Die  Kichtung,  nach  welcher  sich  die  Wassertheilchen  in  Folge  des  wellen- 
nrzeugenden  Stesses  in  der  Röhre  bewegen,  kann  niemals  der  Längenachse  dieser  letz- 
eeren  parallel  laufen ,  weil  sich  die  Eöhre  erweitert  und  verengert,  indem  die  Flüssig- 
keit in  sie  und  aus  ihr  dringt;  die  Abweichung  der  Bewegungsrichtung  von  der  grad- 
r.inigen  wird  aber  nur  in  dem  besondern  Fall  bedeutend  sein,  wenn  die  Widerstände, 
riirelche  die  Flüssigkeit  nach  der  Längenachse  des  Eohrs  findet ,  auffallend  sind ,  wäh- 
rend zugleich  die  Wand  sehr  nachgiebig  ist.  —  Die  Geschwindigkeit,  welche  dem 
ninzelnen  Theilchen ,  während  es  in  einer  Welle  schwingt,  zukommt,  ist  eine  mit  der 
lieit  veränderliche.    In  allen  Fällen  nimmt  die  Geschwindigkeit  der  Wassertheilchen  an 
«ler  Grenze  zwischen  dem  elastischen  und  dem  steifen  Zuflussrohr  mit  der  steigenden 
Oeffnung  des  Hahns  zu  und  mit  der  beginnenden  Schliessung  wieder  ab.    Diese  von 
"füll  zu  einem  Maximum  aufsteigende  und  von  da  wieder  zu  Null  abfallende  Geschwin- 
.ligkeit  verbreitet  sich  nun  allmählig  durch  den  Inhalt  des  Rohrs  und  zwar  den  Ge- 
setzen der  Stossübertragung  entsprechend ,  so  dass  in  dem  Maasse ,  in  welchem  neue 
«fassen  nach  der  Seite  der  Ausflussmiindung  hin  -in  die  Bewegung  eintreten ,  andere 
a)isher  in  ihr  begrifiene  zur  Ruhe  kommen.    Indem  sich  nun  die  Bewegung  vom  An- 
fang zum  Ende  des  Wellenrohrs  fortpflanzt,  ändern  sich  aber  die  Unterschiede  in  der 
iJesch windigkeit,  welche  dem  einzelnen  Theilchen  zu  verschiedenen  Zeiten  zukommen, 
End  zwar  beobachtungsgemäss  in  der  Art,  dass  mit  dem  Fortschreiten  der  Bewegung 
tas  Maximum  der  erreichten  Geschwindigkeit  geringer  wird ,  mit  andern  Worten ,  es 
i  ähert  sich  die  ungleichförmige  Bewegung  mehr  und  mehr  der  gleichförmigen  an ; 
äese  Umwandlung  der  Bewegungsart  geschieht,  sovveit  wir  wissen,  in  engen  Röhren 
•  oUkommener ,  als  in  weiten.  —  Die  Grösse  des  Wegs ,  welchen  ein  Theilchen  nach 
■  er  Längenachse  des  Rohrs  zurücklegt ,  ist  abhängig  von  dem  Verhältniss  des  einge- 
worfenen Flüssigkeitsvolums  zu  der  Räumlichkeit  des  Röhrenquerschnitts.    Da  nun  das 
'ber  die  Wellenlänge  und  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Wandtheilchen  Aus- 
esagte  zusammenfällt  mit  demjenigen  des  Röhreninhalts ,  indem  die  betrefi'enden  Ver- 
lältnisse  der  letzteren  die  der  ersteren .bedingen,  so  ist  es  klar,  dass  die  einzelnen 
Ittssigkeitstheilchen  in  der  Zeiteinheit  einen  viel  kürzeren  Weg  zurücklegen,  als  die 
Teile  selbst.    So  wird  z.  B. ,  wenn  wir  annehmen ,   es  sei  in  einer  Sekunde  so  viel 
lüssigkeit  in  das  Rohr,  wie  es  Weber  benutzte,  geworfen,   dass  sein  Inhalt  um 
1,1  M.  vorwärts  geschoben  worden  wäre,  in  dieser  Zeit  die  Bewegung  durch  Mitthei- 
tmg  des  Stesses  von  einem  zum  andern  Querschnitt  um  Ii, 7  M.  fortgeschritten  sein. 
-  Mit  der  Bewegung  der  Flüssigkcitstheilchen  findet  sich  aber  zugleich  auch  eine 
-pannung  zwischen  ihnen  ein ,  die  aus  bekannten  Grundsätzen  mit  der  steigenden  Ge- 
;jhwindigkeit  zunimmt.    Somit  wandert  auch  durch  die  Flüssigkeit  allmählig  eine  zu- 
•nd  abnehmende  Spannung,  wenn  eine  Wellenbewegung  durch  dieselbe  läuft. 

Nachdem  wir  uns  das  Wesentlichste  des  Thatsächlichen  bemerkt  haben,  welches 
1  einem  möglichst  einfachen  Wellenschlauch  vorgeht,  wenn  er  von  einer  sog.  Berg- 
elle durchlaufen  wird,  wollen  wir  den  inneren  Zusammenhang  der  Erscheinungen, 
isofem  er  für  die  Welle  des  Schlauchs  ein  besonderer  ist,  klar  zu  machen  suchen. 


70 


Theorie  der  Schlauchwcllcn. 


—  Die  erste  Frage,  welche  wir  uns  vorlegen,  besteht  darin,  warum  und  wie  erweitert 
sich  durch  die  eingeworfene  Flüssigkeit  der  Schlauch ,  und  auf  welchem  Wege  kommt 
das  Fortschreiten  der  Erweiterung  zu  Stande,  während  die  zuerst  bewegten  Stellen 
annähernd  in  ihre  erste  Lage  zurückkehren,  um  dort  in  Kuhe  zu  verharren. 

Nehmen  wir  an,  es  sei  in  die  schon  angefüllte  Röhre  aa'  kk'  (Fig.  18.)  von 
Neuem  Flüssigkeit  eingcstosscn ,  welche  im  Beginn  des  Einflusses  über  den  ersten,  in 
Fig-  18.  horizontaler   Richtung  nicht 

verschiebbaren  Querschnitt  aa' 
hinaus  nach  e  e'  gedrungen 
sei,  so  muss  sich  aus  bekann- 
ten Gründen  eine  von  e  nach 
a  zunehmende  Spannung  ent- 
wickeln. Dem  entsprechend 
wird  sich  das  Wandtheilchen 
a  auf  den  Weg  nach  c  hin 
O  begehen  und  nach  Beendigung 
des  ersten  Augenblicks  etwa 
in  b  angelangt  sein.  Dringt  nun  im  zweiten  Augenblick  abermals  ein  Strom  durch 
den  Querschnitt  66'  so  muss  sieh  zwischen  6  und  e  die  Flüssigkeit  beträchtlich  mehr 
spannen,  als  dieses  im  ersten  Augenblick  der  Fall  war.  Denn  einmal  bestehen  alle 
frühem  Gründe  für  das  Entstehen  der  Spannung  und  dann  aber  ist  auch  jetzt  die 
Wand  schräg  gegen  die  Stromrichtung  gestellt.  Indem  also  6  wiederum  gegen  c  auf- 
steigt, wird  es  während  derselben  Zeit- in  dieser  Richtung  einen  grossem  Weg  zurück- 
legen, als  vorher;  wie  wollen  annehmen  es  gelange  auf  ec'.  Die  nothwendige  Folge 
dos  andauernden  Einströmens  von  a  her  ist  aber  die ,  dass  sich  die  Flüssigkeit  über 
ec'  etwa  nach  hh'  hin  verbreitet;  auch  in  diesem  Abschnitt  des  Stroms  wird  sich 
eine  Spannung  einstellen,  welcher  im  zweiten  Augenblick  des  Stroms  ungefähr  der 
Werth  zukommen  wird,  den  66'  ec'  im  ersten  bosass. — 

,„  Gesetzt,  wir  hätten  nun  aber,  als  das 

Flg.  19.  ' 

Bohr  in  Fig.  19.  die  Gestalt  cf/i  cfh 

angenommen  hatte,  die  Einflussmündung 
bei  cc  geschlossen,  so  ist  es  zunächst  klar, 
dass  ein  Strom  in  der  Richtung  des  Pfeils 
statt  finden  muss ,  da  bei  c  c  eine  be- 
trächtliche, bei  hh  aber  gar  keine  Span- 
nung stattfindet.  Ueberlegt  man  sich  aber 
genauer,  wie  sich  die  Kräfte  verhalten  in 
den  Querschnitten,  die  man  durch  die 
Punkte  c  c,  ff,  h  h,  des  Rohrs  legen  kann, 
sieht  man  ein,  dass  die  Unterschiede  der  Spannungen  zwischen  //'  und  cc'  grösser,  aU 
zwischen  Jih'  und  //'  sind.  Da  sich  nun  auch  zugleich  das  Rohr  von  o  nach  /*  ver- 
engt, so  ist  auch  die  Mündung,  durch  welche  die  Flüssigkeit  von  c  nach  /  strömt^ 
weiter  als  die,  durch  welche  sie  von  /  nach  i  ausfliesst.  Es  sind  also  hinreichende 
Gründe  dafür  vorhanden,  dass  mehr  Wasser  nach  /hin-,  als  von  /  wegströmt. 

Wenn  sich  somit  die  Flüssigkeit  in  /  anhäuft,  so  muss  auch  der  Punkt  /  nach  g 
hin  steigen,  während  c  gegen  a  hin  zurückgeht.  —  Dieses  Zurückgehen  des  Punktes 
von  c  nach  a  und  das  Aufsteigen  des  Punktes  /  nach  g  hin  muss  aber  so  lange  dauern, 
bis  in  dem  Querschnitt  /  /  die  in  der  Richtung  von  a  c  wirksamen  Kräfte  denen 


Theorie  der  Schlauchwellen. 


71 


ler  Richtung  e  h  thätigen  das  Geichgewicht  halten.  Dieses  ist  aber  offenbar  noch 
tcht  eingetreten,  wenn  die  elastische  Spannung  des  Kreisumfangs,  auf  dem  //  liegen, 
leioh  ist  derjenigen,  welcher  c  c  angehören.  Denn  es  haben  dann  noch  die  Punkte  c  c 
ime  Geschwindigkeit  nach  der  Köhrenachse  hin ,  während  die  Punkte  //  eine  solche 
ach  g  g  hin  besitzen,  so  dass  demnach  wegen  der  Beharrung  beide  Stücke  noch  eine 
«itlang  in  entgegengesetzter  Eichtung  gehen.  Dem  entsprechend  wird  sich  die  Röhre 
'  Form  a  g  i  annähern.  —  Hat  nun  aber  einmal  das  Rohr  diese  Stellung  (Pig.  20.) 
<igenommen,  so  wird  die  Yertheilung  der  Kräfte  in  ihm  etwa  folgende  sein.  Auf 
lam   Querschnitt   b  b   kommt   der  Flüssigkeit  Pig.  20. 

qegen   des  ursprünglich    empfangenen  Stesses 

»ne    Geschwindigkeit    zu    in    der    Richtung         —   -A. 

S38  Pfeils,  und  ausserdem  hat  sie  eine  Span- 

nng ,  Tennögen  deren  sie  ebensowohl  nach  a  a,   

s  nach  cc  getrieben  wird.    Die  Strömung  nach   ^ 

%  wird  gehemmt  durch  die  in  entgegengesetzter       äCZ  --^^c 

dehtung  wirkende  Geschwindigkeit,  die  Strö- 

;nng  nach  cc  wird  dagegen  durch  dieselbe  Ge-  ^ 

k.h.windigkeit  unterstützt  und  es  wird  somit  ein 

-jschleunigter  Strom  nach  cc  gehen,  während  die  Flüssigkeit  in  ««  zur  Ruhe  kommt. 
•  ie  an  diesem  Ort  beruhigte  Flüssigkeit  wird  jedoch  einen  merklichen  Grad  von  Span- 
ang  mehr  besitzen,  als  er  ihr  vor  Einleitung  des  Stroms  eigen  war,  und  darum  wird 
cach  das  Rohr  hier  um  etwas  weiter  bleiben,  wenn  auch  die  Bewegung  von  da  nach 
■em  Eöhrenende  weiter  fortgeschritten  ist. 

Eine  zweite  Erscheinung,  auffallend  für  eine  Beugungswelle  des  Wassers,  besteht 
nrin,  dass  die  Fortleitungsgeschwindigkeit  unabhängig  von  dem  Volum  der  einge* 
NOBsenen  Flüssigkeit,  von  der  Geschwindigkeit  des  einzelnen  Flüssigkeitstheilchen,  und 
weiten  Grenzen  auch  unabhängig  von  der  Wandspannung  ist.  Wir  sind  hiermit 
Rzwnngen,  das  Rohr  und  seinen  Inhalt  als  ein  zusammengehöriges  Stück  aufzufassen, 
dem  die  Welle  nach  Art  der  Schallwellen  fortschreitet.  Wie  man  sich  das  Zustande- 
HHunen  dieser  Erscheinung  aber  zu  denken  habe,  ist  schon  früher  Bd.  1.  p.  355  aus- 
knandergelegt.  Wenn  aber  das  Rohr  sehr  nachgiebig  wird,  sodass  gleichsam  das  in 
m  enthaltene  Wasser  mit  einer  freien  Oberfläche  versehen  ist,  so  müssen  nun  auch 
tf  das  Fortschreiten  der  Welle  im  Wasser  die  Gesetze  giltig  sein,  welche  E.  H.  und 
'.  Weber  in  ihrer  Wellenlehre*)  dafür  entwickelt  haben. 

Die  Gründe,  weshalb  sich  die  Welle  während  ihres  Fortgangs  durch  das  überall 
eichgestaltete  Rohr  abflacht,  können  allgemein  nur  darin  liegen,  dass  die  Geschwin- 
gkeit  der  Wassertheilchen ,  welche  sich  jeweilig  an  einer  Welle  betheiligen,  in  einer 
bnahme  begriffen  ist,  denn  nur  hiervon  kann  eine  Aenderung  in  der  Spannung  ab- 
»ingig  sein.    Diese  Verminderung  der  Geschwindigkeit  kann  und  wird,  wie  es  scheint, 
Iif  zweifache  Weise  zu  Stande  gebracht  werden.  Einmal  verlangsamt  sich  das  schwin- 
mde  Theilchen  darum,  weil  sich  wegen  der  Aenderung  des  Röhrenquerschnitts  das 
olum  der  Welle  beim  Fortgang  durch  das  Rohr  vergrössert;  da  nun  aber  die  Welle 
tir  über  ein  bestimmtes  Kraftmaass  disponirt,  so  muss  nothwendig  die  Geschwindig- 
rit  des  einzelnen  Theilchens  abnehmen,  wenn  die  Zahl  der  bewegten  zunimmt.  Neben 
■esem  Grunde,  der  auf  einer  andern  Yertheilung  der  lebendigen  Kräfte  beruht,  steht 
n  anderer,  der  sich  von  einem  Verlust  an  Kräften  herschreibt.    Dass  bei  der  Bewe- 


•)  p.  166. 


72 


Mittlere  Spannung  und  Geschwindigkeit  der  Schlauchwelle. 


gung  des  Wassers  in  einem  Wcllensclilauch  Verlust  an  Kraft  stattfinden  iiiuss,  ergiebt 
sich  daraus,  weil  auch  hier  eine  Forthewegung  dos  Wassers  an  den  Wandungen,  also 
Reibung,  statt  findet,  Aveil  sich  die  einzelnen  Wassertheilchen  im  Innern  des  Rohrs 
mit  ungleicher  Geschwindigkeit  bewegen,  sich  also  von  einander  losreissen  müssen 
und  endlich,  weil  sich  die  Theilchen  der  Wandung  gegeneinander  bewegen,  wobei 
ebenfalls  Kräfte  durch  innere  Reibung  verbraucht  werden.  —  In  Ermangelung  einer 
Theorie  hat  Volk  mann  Versuche  angestellt,  um  die  Beziehungen  zu  ermitteln,  welche 
bestehen  zwischen  der  mittleren  Spaminung  und  der  mittleren  Geschwindigkeit.  Zu 
diesen  bediente  er  sich  der  in  Fig.  21.  dargestellten  Einrichtung.    K  stellt  einen 


Fig.  21. 


Wasserbehälter  vor,  in  dessen  einer  Seitenwand  nahe  über  dem  Boden  ein  mit  ei 
Hahn  verschliessbares  Rohr  H  eingefügt  ist;  an  dieses  Rohr  ist  ein  Damistück  I)  ein- 
gebunden, in  dessen  Seitenwand  eine  senkrechte  Glasröhre  angebracht  ist,  deren  Lumen 
sich  in  der  Darmhöhle  öffnet.  An  das  Ende  des  Danns  S  ist  ein  messingenes  Ausflussrohr 
eingefügt.  Nachdem  der  Behälter  bis  zu  einer  beliebigen,  aber  genau  bekannten  Höhe 
mit  Wasser  gefüllt  ist,  öffnet  und  schlicsst  man  in  regelmässiger  Wiederkehr  den  Hahn, 
sodass  das  Wasser  in  steigender  und  abnehmender  Menge  in  den  Darm  eindringt 
Wenn  der  Spiegel  des  Wassers  auf  gleicher  Höhe  erhalten  wird  und  die  Umdrehung 
des  Hahns  nach  einer  sich  gleichbleibenden  Regel  geschieht,  so  geht  durch  den 
Schlauch  eine  Reihe  gleichgearteter  Wellen,  und  in  Folge  dessen  wird  die  Spannung, 
welche  in  H  abgelesen  werden  kann ,  und  der  Äusfluss  aus  der  Mündung  S  innerhalb 
bestimmter  Grenzen  schwanken.  Kennt  man  nun  das  Flüssigkeitsvolum,  welches  in  der 
Zeiteinheit  aus  dem  Rohr  strömt,  so  erhält  man  daraus  auch  sogleich  die  mittlere  Ge- 
schwindigkeit der  Flüssigkeit  in  der  OefFnung.    Indem  man  die  Mitte  nimmt  aus  dem 


Thalwellcn. 


73 


sten  und  niedersten  Stand  der  i'lüssigkeit  in  der  spaunungsanzeigenden  ülasröhre, 
hilt  man  auch  zugleich  die  mittlere  Spannung  in  dem  Darm  an  der  Stelle,  in  wel- 
ilie  Glasröhre  eingefügt  war.    Indem  Volkmann  diese  beiden  mittleren  Warthe 
.  erschiedonen  mittleren  Geschwindigkeiten,  oder  was  dasselbe  bedeutet,  für  ungleich 
■!,■  AVasserstände  in  dem  Xasten  verglich,  kam  er  zu  der  Regel,  dass  sich  für  jedes 
iiohr  zwei  Cocffizienten  a  und  b  finden  lassen,  welche  die  Spannung  in  diesem 
lien,  wenn  man  den  einen  von  ihnen  mit  der  einfachen  Geschwindigkeit  und  den 
li  rn  mit  dem  Quadrat  derselben  multiplizirt.    Mit  Zeichen  ausgedrückt  war  also, 
■nn  ü)  den  mittleren  Spannungsunterschied  in  der  Längeneinheit  und  v  die  mittlere 
liwiudigkeit  bedeutet,  oj  =  a  v  -|-  b  v*.    Es  kann  demnach,  wie  man  sieht,  der 
iimenhang    z'wischen  Spannung    und  Geschwindigkeit    auf  scheinbar  denselben 
:-druck    gebracht    werden,    welcher    ihn    auch    für  steife  Röhren  und  parallele 
1 'ine  darstellte.  —  Diese  Uebereinstimmung  hat  insofern  nichts  Auffallendes,  als 
!   wie  dort  die  hemmenden  Ursachen  (Reibung  und  Stösse)  zugleich  in  dem  ein- 
n    und    dem    quadratischen    Verhältniss    der    Geschwindigkeit   steigen.  Der 
'  schied    zwischen    beiden  Vorgängen'  rauss  dagegen  in  dem  Coeffizienten  gele- 
.  sein. 


ß.  Die  zweite  Bedingungsreihe,  durch  welche  wir  eine  Flüssigkeitsbewegung  in 
lem  dehnbaren  Schlauche  ungleichmässig  zu  machen  gedachten,  würde  z.  B.  erfüllt 
in  :  durch  die  Anwesenheit  eines  durch  Flüssigkeit  ausgedehnten  elastischen  Schlauchs, 
r  an  beiden  Enden  verschlossen  wäre,  aber  an  einem  von  beiden  auf  beliebige  Weise, 
B.  durch  einen  eingesetzten  Hahn,  vorübergehend  geöffnet  werden  könnte;  oder 
'ch  dadurch,  dass  man  an  der  Ausflussmündung  eines  elastischen  Rohres,  welches 
n  einem  constanten  Strom  durchflössen  wird,  wechselnd  eine  Erweiterung  oder  Ver- 
gärung von  beträchtlichem  Umfang  anbringt.  Der  Einfachheit  wegen  wenden  wir 
s  zu  dem  Apparat  mit  ursprünglich  ruhender,  aber  gespannter  Flüssigkeit.  Gesetzt, 
^  sei  das  bis  dahin  geschlossene  Rohr  AA,  BB  (Fig.  22.)  bei  5  JS  plötzlich  geöffnet, 


Fig.  22. 


11  — 


Fig.  23. 


id  nachdem    eine   kleine  F^üsssig 

itsmenge  ausgeflossen   sei,  wieder 

schlössen  worden,  so  nimmt  das 
bihr  erfahrungsgemäss  während  der 

irzen  Zeit  des  Ausfliessens  die  Form 

Ä,  C'C  an.    Nach  dem  Schluss  der 

indung  strömt  nun  aus  dem  nächst 

.egenen  Stück  des  Rohrs,  welches 

her  als  das  Ende  gespannt  ist, 

assigkeit  in    dieses  abgespannte 

ide,  sodass,  während  sich  dieses 

■ztere  wieder  anfüllt,  das  erstere 

sammenfällt.   Es  geht  somit,  wie 
!  Flg.  23.  dargestellt  ist,  die  Abspannung  in  der  Richtung  des  Pfeils  AA  durch  die 

hrenwand  fort ,  während  die  Flüssigkeit  durch  das  Rohr  in  der  entgegengesetzten 
fcchtung  nach  der  des  Pfeils  B  weiter  bewegt  wird.    Diese  Welle,  welche  im  Gegon- 

a  zu  der  früher  beschriebenen  mit  einer  Einbiegung  des  Rohrs  verbunden  ist,  nennt 

.n  die  negative  oder  die  Thalwelle.    Die  Erscheinungen,  welche  diese  Welle  aussor- 

m  noch  bietet ,  und  somit  auch  die  Theorie  derselben ,  treffen  ganz  zusammen  mit 
men  der  Bergwelle,  wie  man  nach  einer  kurzen  Uebcrlegung  einsehen  wird. 


74 


E.  H.  Webers  Schema  des  Blutkreislaufs. 


Da  auf  die  Wellen  des  Schlauches  alle  allgemeinen  tirundsätüc,  nach  welchen  die 
Wellenbewegung  zu  beurthoilen  ist,  anwendbar  sind,  so  müssen  nothwendig  auch  die 
Eeflexion,  die  Beugung  und  das  Durcheinanderschreiten  beobachtet  werden.  In  dem 
letztem  Fall  wird  eine  Steigerung  oder  Verminderung  des  Bergs  oder  des  Thals  ein- 
treten können,  je  nachdem  durch  das  Jlohr  gleichartige  oder  ungleichartige  (Berg-  und 
Thalwellen)  laufen. 

E.  H.  Webers  Schema  des  Blutkreislaufs.  — 

Nach  allem  diesen  wird  es,  bevor  wir  die  Erscheinungen  des  Blutlaufs  selbst 
schildern,  noch  von  Nutzen  sein,  das  lehrreiche  Schema  desselben,  welches  E.  H.  Weber 
gegeben  hat,  zu  erklären.    Dieses  (Fig.  24.)  setzt  sich  aus  zwei  elastischen  Röhren  zu- 


Fig.  25. 


sammen,  einer  kürzeren  a  e 
und  einer  längeren  Ärfe.  Jede 
dieser  beiden  Köhren  ist  an 
dem  einen  ihrer  Enden  mit 
einem  Röhrenventil  versehen, 
dessen  Einrichtung  durch 
Fig.  25.  dargestellt  wird.  Ein 
solches  Ventil  wird  hergestollt,  indem  man  zwei  steife  Röhren  a  und  b  ineinander 
steckt;  an  die  innerste  derselben  tia  ist  ein  Darmstück  c  angebunden,  von  dessen  freiem 
Rand  die  Fäden  ausgehen,  die  an  der  äussern  Röhre  angeknüpft  sind;  verläuft  in  den 

Fig.  24. 


4 


Röhren  ein  Wasserstrom,  so  wird  er  je  nach  seiner  Richtung  das  Ventil  cc  schliessen 
oder  öffnen,  und  zwar  wird  das  letztere  geschehen,  wenn  der  Strom  nach  der  Rich- 
tung des  Pfeiles  /,  das  erstere ,  wenn  er  in  umgekehrter  Richtung  geht.  Damit  bei 
diesen  verschiedenen  Strömen  der  Rand  des  Ventils  nicht  in  b  eingestülpt,  oder  genau 
an  angepresst  werde,  sind  die  Fäden  an  Ränder  angeknüpft,  welche  dem  Spielraum 
der  Bewegung  gewisse  Grenzen  anweisen.  Kehren  wir  nun  zurück  zu  Fig.  24.  Die 
beiden  Darmstücke,  das  kürzere  und  das  längere,  werden  so  in  einander  gesteckt,  dass 
die  Ventile  einen  fortlaufenden  Strom  durch  den  in  sich  zurücklaufenden  Bogen  acd 
gestatten ,  wie  ihn  in  unserer  Figur  die  kleinen  Pfeile  anzeigen.  Darauf  wird  durch 
eine  verschliessbare  Seitenöffinung ,  z.  B.  den  Trichter  bei  a ,  der  Darm  bis  zu  einem 
bestimmten  Grade  mit  Wasser  gefüllt.  Drückt  man,  nachdem  dieses  geschehen  ist,  das 
freiliegende  Stück  v  der  kurzen  Darmabtheilung  zusammen,  so  wird  sein  Inhalt,  da  er 
nach  e  hin  nicht  ausweichen  kann,  durch  c  in  die  grosse  Röhre  treten  und  in  dieser 
eine  fortschreitende  Bergwelle  erzeugen,  welche  in  der  Richtung  des  Pfeils  nach  a  hin 
laufend,  successiv  die  Flüssigkeit  in  dieser  Richtung  weiter  führt.  Löst  man  nun 
aber  den  Druck,  welchen  man  auf  v  angebracht  hatte,  plötzlich,  so  wird  die  Flüssig- 
in  diesen  Raum  von  der  gosammten  Umgebung  eingedrängt;  dieses  wird  aber,  wegen 
der  Ventile,  nur  von  a  nach  e  gelingen,  und  dadurch  wird  eine  Beugungswelle  erzengt, 
die  von  a  durch  d  nach  e  fortschreitet  und  demnach  die  Flüssigkeit  in  der  Richtung 


E.  H.  Webers  Schema  des  Blutkreislaufs. 


75 


i,  c  nach -rt  fortführt;  d.  h.  in  derselben,  in  welcher  sie  auch  durch  die  Bergwelle, 
von  e  nach  a  lief,  getrieben  wurde.  So  kann  also  durch  eine  Wellenbewegung  die 
esigkeit  in  einer  in  sich  geschlossenen  Köhre  herumgeführt  werden.  Vorausgesetzt 

,  dass  das  Lumen  des  Darmrohrs  überall  von  normaler  Weite  sei ,  so  werden  sich 
.  in  ihm  erregten  Wellen  sehr  rasch  durch  das  ganze  Eohr  hindurch  verbreiten  und 

.  somit  auch  die  Ungleichheit  in  der  Spannung,  welche  durch  das  Zusammenpressen 
V  eingetreten  war,  ausgleichen.  Bringt  man  dagegen  irgendwo  im  Lichten  eine 
Hcngerung  an,  z.  B.  dadurch,  dass  man  bei  d  einen  Badeschwamm  einlegt,  so  wird 
'  Ton  e  herkommende  Flüssigkeit  nur  sehr  allmählig  über  die  verengerte  OefFnung 
OTsdringen ;  die  Welle  aber  wird,  wenn  die  Oeflhungcn  in  dem  Badeschwamm  eng 

.  wenig  zahlreich  sind,  sich  gar  nicht  über  d  fortpflanzen.  Wenn  aber  die  Flüssig- 
ssmenge,  welche  in  das  Eöhrenstück  e  d  geworfen  ist,  sich  nicht  sogleich  wieder 
.  üun  entleeren  kann,  so  muss  sie  sich  in  seinem  Eaum  vertheüen  und  die  Spannung 
e.er  Wand  erhöhen.  Umgekehrt  muss  dagegen  in  dem  Stück  de  die  Spannung  ab- 
nnen,  weil  dieses  einen  Theil  seines  Inhalts  in  das  vorhin  entleerte  «  geworfen  hat. 
■nöge  dieses  Spannungsunterschiedes  wird  nun  auch  ein  Strom  durch  d  hindurch, 
<  ed  nach  de  gehen  und  zwar  so  lange,  bis  die  Spannung  beider  gleich  geworden 
i  ein  Strom,  der  somit  auch  noch  fortdauert,  wenn  längst  die  Welle  verschwunden  ist. 

In  dem  Kohr  besteht,  bevor  irgend  eine  Welle  darin  erregt  worden  ist,  durch  die 
LniUung  desselben  eine  Spannung,  die  in  jedem  Ort  der  Köhre  und  somit  auch 
»rall  in  der  AVandung  gleich  ist,  Die  Summe  dieser  Spannungen,  welche  auf  der 
.nd  lastet,  wird  demnach  zu  finden  sein,  wenn  der  auf  ihrer  Flächeneinheit  ausgeübte 

ick  (p)  multiplizirt  wird  mit  der  Anzahl  der  Flächeneinheiten  (q),  die  sie  enthält. 

rd  nun  eine  Welle  erregt  dadurch,  dass  die  Wand  an  einer  Stelle  zusammengepresst 
id,  so  muss  sich  diese  an  andern  erweitem;  und  weil  eine  Ausdehnung  oder  ein 
Lammendrücken  der  Wand  gleichbedeutend  ist  mit  einer  Ent-,  resp.  einer  Belastung, 
nmüssen  nun  die  Spannungen,  die  auf  verschiedenen  Orten  der  Wandung  liegen, 
ileich  werden.    Belegen  wir  nun  die  verschiedenen  Spannungen  mit  p',  p"  u.  s.  w. 

die  Wandflächen,  auf  denen  die  bezeichneten  Spannungen  vorkommen,  mit  q',  q" 
.  i.  w.  —  so  wird  die  Summe  der  veränderten  Spannungen  gleich  sein  der  Summe 

+  q"  P"  1.  s.  w.  —  Es  ist  nun  die  Frage,  ob  q'  p'  +  q"  p"  =  p  q  sei, 

< 

•f  mit  Worten,  ob  die  Summe  der  Spannungen  in  dem  Rohre  nach  der  eingeleiteten 
llenbewegung  im  Vergleich  zur  früher  bestandenen  sich  unverändert  erhalten,  ver- 
•äsert  oder  verkleinert  habe.    Diese  Frage  ist  leicht  zu  entscheiden.    Da  die  wässe- 
'!n  Flüssigkeiten  sich  nicht  merklich  zusammendrücken  lassen,  so  wird  das  Volum 
•  selben  vor  und  nach  ihrer  Lagen  Veränderung  unverändert  geblieben  sein.  Setzen 
also  voraus,  dass  R  der  mittlere  Durchmesser  des  Kohrs  vor  der  Umlagerung  der 
•ssigkeit  gewesen  sei,  und  dass  L  die  Länge  desselben  sei,  dass  aber  R  +  r  und  1 
gleichen  Bedeutungen  für  das  durch  die  Umlagerung  erweiterte;  R  —  (>  und  1' 
r  dieselben  Eigenschaften  des  abgespannten  Stückes  besitzen,  so  muss  (R —  p)*  n  V  -\- 
-f-r)*™  1  =  R*  n  L  sein.    Nehmen  wir  nun  der  Einfachheit  wogen  an,  dass  1  =  1'*) 
i  somit  L  =21  sei,  so  ändert  sich  nach  Weglassung  von  1  und  n,  welche  allen  Glie- 
n  zukommen,  die  Gleichung  in  (R  —  p«)  -]-  (R  -)-  r)2  =  2  R".    Setzt  man  in 


•  •)  Eine  Unterstellung,  die  wegen  der  annähernd  gloiclicn  Liingo  des  Venen-  und  Aitorien- 
«enw  für  das  Schema  des  monschliclicii  Kroislnufs  gemacht  werden  darf. 


76 


Inhalt  der  Herzkammern. 


diesem  Ausdruck  q  =  r,  so  führt  derselbe  zu  der  widersinnigen  Behauptung,  das« 
o  =  2  r-  sei.  Daraus  geht  also  hervor,  dass  die  Zunahme  der  Peripherie  in  der  ge- 
spannteren Seite  nicht  so  gross  sein  kann  als  die  Abnahme  in  dem  abgespanntem 
Führt  man  nun  die  Betrachtung  in  ähnlicher  Weise  weiter ,  so  kommt  man  auf  die 
Folgerung,  dass  wenn  die  Radien  der  beiden  Stücke  von  Anfang  an  ungleich  gewesen 
sind,  und  dann  aus  dem  engern  Eohr  Flüssigkeit  in  das  weitere  geworfen  wird,  ij 
diesem  letzteren  eine  absolut  geringere  Zunahme  des  Umfangs  stattfindet,  als  die  Ahr 
nähme  des  engem  Rohrs  beträgt,  während  im  \imgekehrten  Fall  (bei  grossen  Unteri 
schieden)  natürlich  das  Umgekehrte  Statt  finden  kann.  Setzt  man  nun  die  Elastizitäts- 
coeffizienten  der  Wandung  des  engern  und  weiteren  Rohrs  einander  gleich,  so  würde 
daraus  folgen,  dass  beim  Uebertritt  der  Flüssigkeit  aus  dem  engen  in  das  weite  Rohr 
jedenfalls  weniger  spannende  Kräfte  verbaucht  wurden,  als  im  umgekehrten  Fall.  Aui 
dieser  Betrachtung  werden  wir  demnächst  ableiten,  dass  beim  Uebertritt  des  Bluts  aui 
dem  weitern  Venensystem  in  das  engere  arterielle  ein  beträchtlicher  Antheil  der  Hcra- 
kraft  zur  Spannung  des  Bluts  verbraucht  werden  muss. 

In  den  zunächst  folgenden  Stücken  werden  im  Gegensatz  zu 
einer  natürlichen  Anordnung  des  Stoffs,  das  Herz  und  die  Gefässe 
vorab,  losgetrennt  aus  dem  logischen  Zusammenhang  behandelt 
Da  dieses  ohne  Eintrag  für  das  Verständniss  geschehen  kann,  so 
mögen  Gründe  der  Zweckmässigkeit  die  Inconsequenz  entschuldigen. 

Das  Herz  und  seine  Bewegungen. 

1.  Inhalt  der  Herzkammern.  Das  Blut,  welches  die  bei 
den  Herzkammern  eines  Erwachsenen  im  erschlaiften  Zustand  faf? 
sen  kann,  schätzt  man  nach  den  genauesten  Messungen  von 
Krause*)  auf  170  Gr.  Volkmann**)  bestimmt  die  Blutmenge, 
welche  durch  eine  Zusammenziehung  von  mittlerem  Umfang  aus 
einem  Ventrikel  von  mittlerer  Räumlichkeit  in  die  Gefässe  entleert 
wird,  bis  zu  188  Gr.,  Vi  er  or  dt***)  zu  180  Gr.  In  Anbetracht 
dessen,  dass  es  sich  hier  nur  um  Mittelzahlen  handelt,  ist  die  Uebei- 
einstimmuug  derselben  um  so  bemerkenswerther ,  als  die  drei  ge 
nannten  Beobachter  auf  wesentlich  verschiedenen  Wegen  zu  ihrem 
Ziele  gelangten.  —  In  welchen  Grenzen  dieses  Verhältniss  zwi 
sehen  dem  mittlem  Kammerinhalt  und  dem  Körpergewicht  schwan 
ken  und  in  wieweit  der  Kammerinhalt  vom  sogenannten  mittlem, 
ohne  die  Gesundheit  zu  gefährden,  abweichen  kann,  bleibt  nocli 
zu  ermitteln. 

Den  Inhalt  der  Kammer  bestimmt  man  meistentheils  durch  AnfüUung  derselben 
mit  Flüssigkeit.  Da  das  Herz  einen  elastischen  Beutel  darstellt,  so  wird  sein  Inhal' 
veränderlich  sein  mit  dem  Druck,  unter  dem  es  gefüllt  ist,  der  Ausdehnung,  der  Dicke 
dem  Elastizitätscoeffizienten  seiner  Wandung  und  endlich  mit  dem  Widerstand  seiner 


•)  Krause,  Hnndbuch  der  mensdilichen  Anatomie,  i.  Aufl.  I.  787. 
•»)  Hnemodynamik  nacli  Versuclien.    Leipzig  1850.  p.  206. 
•»•)  Die  Erscheinungen  und  Gesetze  der  Stromgescliwlndlgkeiten.  1858.  p.  1Ü3. 


Inhalt  dor  Herzkammern. 


77 


iTL-bung.    Sollten  also  die  Ausmessungen  des  Cubikinhaltes  seiner  Höhle  werthvoll 
1  1,  so  mUssten  sie  am  todteu  aber  noch  nicht  todtenstarreii  Herzen  als  eine  Funktion 
ser  Umstände  bestimmt  werden  und   darauf  müsste  man  zu  ermitteln  versuchen, 
er  welchem  Druck  u.  s.  w,  das  lebende  Herz  gefüllt  wird ,  wenn  man  die  Er- 
;nisse   des   todten    auf    das    lebende   Herz  übertragen   wollte.     Dieses  ist  bis 
i'in  nicht  geschehen,  somit  geben  die  Beobachtungen  nur  angenäherte  Werthe.  — 
Ikmann*),    der,  wie  wir  erfahren  werden,    die  mittlere  Geschwindigkeit  des 
ites  in  der  Aorta  schätzen  lehrte,  benutzte  diese  Beobachtung  zui-  Erledigung  der 
;htigeren  Frage,  wieviel  Blut  mittelst  eines  jeden  Herzschlags  aus  der  linken  Kam- 
■  getrieben  wird.    Kennt  man  nun  die  Weite  der  Aorta,  die  Geschwindigkeit,  mit 
eher  sich  das  Blut  in  ihr  bewegt,  so  weiss  man  natürlich,  wie  viel  Blut  das  Herz 
äiner  gegebenen  Zeit,  z.B.  in  der  Minute,  entleert;  daraus  berechnet  sich  nun  auch 
.:ch  die  Menge,  welche  jeder  einzelne  Herzschlag  liefert,  wenn  man  die  Zahl  der 
;'zschläge  in  dieser  Minute  gezählt  iat.    Nachdem  er  eine  grössere  Zahl  von  solchen 
bachtungen  an  Hunden,  Schafen ,  Ziegen  und  Pferden  ausgeführt  hatte ,  verglich  er 
I  Gewicht  einer  Yentrikelentleerung  mit  dem  eigends  ermittelten  Gesammtgewicht 

•  Beobachtungsthiere.  Diese  Vcrgleichung  führte  zu  dem  Ergebniss ,  dass  mit  Aus- 
■  me  von  zwei  ganz  abweichenden  Fällen  das  aus  dem  linken  Ventrikel  entleerte 
-tgewicht  den  0,003  bis  0,002ten  im  Mittel  also  den  0,0025ten  Theil  vom  Gesammt- 
icht  des  Thiers  ausmachte.  Erlaubt  mau  sich  nun  diese  Verhältnisszahl  auf  den  mitt- 
.  erwachsenen  Menschen  zu  übertragen,  dessen  Gewicht  zu  75  Kilogramm  angenommen 
■den  kann,  so  gelangt  man  zu  obiger  Annahme. —  Vierordt  legt  seiner  Schätzung 
Grunde  die  von  ihm  bestimmte  mittlere  Geschwindigkeit  der  Carotis,  und  die  von 
luse  und  ihm  gemessenen  Querschnitte  der  Art.  carotis,  subclavia,  anonyma  und 

.iArc.  aortae,  des  Menschen  und  die  Voraussetzung,  dass  sich  die  mittleren  Geschwin- 
cieiten  umgekehrt  wie  die  Querschnitte  verhalten. 

Ueber  das  Verhältniss  des  Rauminhaltes  der  beiden  Kammern 
'es  und  desselben  Herzens  lässt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  aus- 
ren,  dass  die  rechte  Kammer  etwas  mehr  Blut  zu  fassen  ver- 
;ge,  als  die  linke.    Hierfür  sprechen  wenigstens  die  Ausmessun- 
.  des  todten  Herzens,  denn  wenn  die  beiden  Herzhälften  selbst 
er  Wasser,  also  mit  Vermeidung  alles  Druckes,  gefüllt  wurden, 
ergab  sich  doch  constant  ein  Ueb ergewicht  des  rechten  Inhaltes 
IT  den  linken.  —  Dagegen  muss  der  Theil  des  Inhalts,  welcher 
larend  des  Lebens  in  das  Gefässsystem  strömt,  für  beide  Ventrikel 

•  selbe  sein;  denn  es  entleert  sich  ja  mit  mancherlei  Umwegen 
iliesslich  der  eine  Ventrikel  in  den  andern,  und  somit  würde  eine 
aäufung  des  Bluts  rechts  oder  links  geschehen,  wenn  nicht  fort- 
brend  aus  beiden  Höhlen  gleichviel  ausgestossen  würde.  — 

2.    Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelröhren**). 
I  Vorhöfe  werden  bekanntlich  von  einer  dünnen,  nicht  überall 


)  Haemodynamlk  nach  Vorsuchen.  Leipzig  185U.  p.  206. 

')  C.  Ludwig,  Ilenle  u.  Pfouffcrs  Zeitschrift.  VII.  189.  —  Donders  Pliysiologle  des 
choii  I.  Bd.  I.  png.  II.  h.  f.  —  K  ii  1 1 1  1«  p  r  ,  iniluo.tkopisclie  Aii.ilninic.  II.  »d.  48:!.  —  Cli  a- 


78 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muskolröhrcn  des  Herzens. 


vollständigen  Lage  von  Muskelmasse  umzogen,  die  an  keinem  Orii 
in  die  Muskeln  der  Kammern  übergeht  (Donders);  an  einzelne) 
Stellen  läuft  die  Faserung  annähernd  parallel,  an  andern  senki-ecli: 
mit  der  Längenachse  des  Herzens,  nur  an  wenigen  Orten  kommeiii- 
gleichzeitig  Fasern  von  beiden  Richtungen  vor.    Die  Fasern  beidenl 
Vorhöfe  gehen  an  der  vordem  Fläche  ineinander  über.   An  deil 
Venenmündungen  finden  sich  Ringfasern.    Nach  allen  diesen  müslr 
sen  bei  der  Muskelverkürzung  die  Vorhöfe  zusammengezogen  wer  ' 
den;  die  Höhle  eines  jeden  einzelnen  Vorhofs  kann  nicht  überal: 
in  zwei  aufeijiander  senkrechten  Ebenen  verengert  werden;  de 
Durchmesser  der  Venenmündungen  wird  verkleinert,  derjenige  de« In 
arteriellen  (ostia  atrioventricularia)  bleibt  dagegen  unverändert.  p 

Die  Kammern,  a.  Ihre  Fasern  gehen  nur  in  Sehnen  überiL 
entweder  geradezu  in  dem  fibrösen  Kranze,  welcher  die  an  de: 
Kammerbasis  gelegenen  Oeffnungen  umgiebt,  oder  in  solche,  welcli 
in  diesem  Kranze  ein  Ende  nehmen.  Zwischen  diesem  Anfang  um 
Ende  umspannen  sie  jedesmal  eine,  öfter  auch  zwei  Kammern,  si 
bilden  also  Schleifen,  die,  wie  die  freilich  unvollkommene  Her/ 
präparation  wahrscheinlich  macht,  häufig  sogar  in  sich  zurücklaufei 


Fig.  26  A.  Fig.  26  S. 


indem  Ursprung  und  Ende  einer  Faser  an  demselben  Ort  zu  lit 
gen  scheinen.  —  b.  Für  sehr  viele  Fasern  ist  es  sehr  wahrscheii 
lieh,  dass  sie  nicht  blos  mit  einfacher,  sondern  mit  doppelte 
Schlinge  den  Herzkegel  umschliessen,  indem  sie  einen  8  förmige 


veauu.  Falvre.  Gazette  mMicnle  de  Paris  1856.  407.  —  H  a  ni  m  e  r  n  i  l{ ,  das  Herz  u. 
wegungen.  Prag  18ö8. 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelröhren  des  Herzens. 


79 


lugang  machen  wie  dieses  die  schematischen  Figuren  26  A.  und  B. 
iideuten.  Die  von  links  nach  rechts  gehenden  Richtungen  dieser 
asern  liegen  im  Allgemeinen  näher  gegen  die  äussere  Herzober- 
iche,  die  umgekehrt  laufenden  aber  näher  gegen  die  Höhlenober- 
lehe.    Zu  dem  scheint  noch  die  Anordnung  zu  gelten,  dass  die 

erflächlichsten  Fasern,  welche  rings  an  der  Herzbasis  (gleichgil- 
j ,  ob  von  dem  Rand  des  Ostiura  venosum  dextrum,  oder  sinistrum) 
uspringen,  durch  den  an  der  Spitze  des  linken  Herzens  gelegenen 

iibel  hindurch  auf  die  innere  Oberfläche  des  linken  Ventrikels 
iiigen,  und  an  dieser  emporlaufen.  —  c.  Die  zunächst  den  Herz- 
)erflächen  gelegenen  Fasern  laufen  am  meisten  steil,  und  sie  sind 
e  einzigen,  welche  die  Herzspitze  erreichen,  die  Fasern  aber, 
eiche  mehr  im  Innern  der  an  der  Basis  dickern  Herzwand  liegen,  ver- 
uf'en  weniger  steil.  —  d.  Aus  dem 
sher  angegebenen  Verhalten  folgt, 
\ss  an  allen  Orten  der  Kammer- 
andung  sich  Fasern  von  der  ver- 
■hiedensten   Richtung   finden,  wie 
eses  an  dem  in  Fig.  27.  dargestellten 
•hema  durch  die  gezeichnete  Faser 
IS   versinnlicht  wird.    Die  Fasern 
n  der  Richtung,  welche  a  enthält, 
rlaufen  zunächst  unter  dem  Pericar- 
Luii,  diejenigen,  welche  dem  Zuge 
l'olgen,  grenzen  an  das  Endocardium 
1.  —  e.  Ein  grosser  Theil  von  den 
|.'isem,    welche  der  Herzhöhle  zu- 
gehst laufen,  erreicht  sein  Ende  in 
ihnen,  welche  erst  durch  die  Klap- 
Bn  hindurch  zu  den  sehnigen  Rän- 
ra  der  venösen  Kammermtindungen 
«langen.  —  Mehrere  solcher  auf  der 
•nern  Herzfläche  frei  hervorragender 
•Qskelenden  (Papillarmuskeln),  deren 
•isammenhang  mit  den  äussern  Fa- 
'rn  Fig.  28.  erläutert,  convergiren 
•geneinander  (a  6).  Sie  können  somit 
}  Stücke  eines  unvollkommen  vor- 
ndenen  inneren  Herzkegels  angesehen  werden,  der  seine  Spitze 
ch  der  Basis  des  äussern  kehrt.     Die  Sehnen  dieser  Muskeln 


/ 


Fig.  28. 


80 


Aiiordmiiig  und  Wirkung  der  Muskel  röliren  des  Herzens. 


welche  in  die  Klappen  dringen,  fahren  nach  verschiedenen  Rieh 
tungen  hin  auseinander  und  enden  niemals  säuimtlich  in  einei 
sondern  jedesmal  in  zwei  benachbarten  Klappen,  wie  dieses  durch 
Fig.  29.  dargestellt  ist.    Jeder  Hauptlappen  einer  Klappe  empfänK* 


durch  die  Betrachtung  der  gegenseitigen  Lagerung  beider  Herz 
höhlen;  auf  einem  zur  Längenachse  des  Herzens  senkrechtei 
Querschnitt  erscheint  nemlich  die  rechte  um  die  linke  herum  gt 
krümmt.  Die  auf  der  zur  rechten  Herzhöhle  zugewendeten  Scheide 
wandfläche  verlaufenden  Fasern  verhalten  sich  aber  zum  linkei 
Herzen  wie  diejenigen,  welche  auf  der  Herzoberfläche  verlaufen. 

Ein  System  so  verwickelter  Muskelröhren,  wie  das  beschric 
bene,  wird  bei  seiner  Zusammenziehung  je  nach  der  Vertheiluii; 
seiner  Masse,  der  relativen  Verkürzung  einzelner  Theile  u.  s.  w 
die  mannigfachsten  Erscheinungen  bieten,  die  sich  bis  in  ihre  Ein 
zelheiten  in  keinem  Falle  werden  voraussagen  lassen,  theils  wei 
die  Verflechtung  der  Fasern  zu  complizirt,  theils  auch  noch  t 
wenig  bekannt  ist,  um  sie  mittelst  der  mechanischen  Theorie  z 
behandeln.  Wir  sind  darum  auf  die  Beobachtung  des  lebende 
Herzens  angewiesen,  wenn  wir  erfahren  wollen,  wie  es  sich,  ^viil 
rend  es  im  Kreislauf  thätig  ist,  bewegt.  Die  Beobachtung  di 
Bewegung  wird  aber,  weil  die  Untersuchung  rein  im  technif^i  in 


Fig.  29. 


somit  aus  zwei  Papilla: 
muskeln  seine  Chorden 
auf  denen  er  im  ausgi 
spannten  Zustand  wie  au 
einem  Kniegebälke  rulii 
(Fig.  29.  a  a  im  Durcli 
schnitt).  —  f.  Der  bei  wei 
tem  grösste  Theil  der  Fa 
Sern,  welche  sich  in  dei 
freien  Wand  des  rechte  i 
Ventrikels  vorfinden,  i> 
schon  einmal  Bestandthei 
der  freien  Wand  des  lin 
ken  Ventrikels  gewesen 
sodass  die  Muskelschleifei; 
welche  sich  um  die  rechtt 
Kammer  begeben,  auch  di' 
linke  einschliessen.  Diese 
Verhalten  wird  schon  kla 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelröhren  des  Herzens. 


i;iteresse  uuternommen  wird,  nur  dann  werthvoll  sein,  wenn  sie 
iater  den  mittleren  Bedingungen  des  normalen  Lebens  angestellt 
t.  Dahin  zählen  wir  aber:  einen  ungestörten  Kreislauf  des  Bluts, 
me  ungeschwächte  Muskelkraft  und  eine  der  Norm  möglichst  an- 
cnäherte  Lage. 

Die  Erscheinungen,  die  das  bewegte  Herz  für  sich,  abgesehen 
i>n  .'der  Veränderung  seiner  Gesammtlage,  bietet,  sind:  a.  die 
?erzkammer  übt  bei  ihrer  Zusammenziehung  auf  ihren  Inhalt 
derall,  ausgenommen  von  der  arteriellen  Mündung  her,  einen 
iruck  aus.  Die  Möglichkeit,  dass  das  zusammengezogene  Herz 
üch  von  seiner  venösen  Mündung  her  gegen  den  Inhalt  drückt, 
;  durch  die  PapiUarmuskeln  und  deren  Anheftung  an  die  venösen 
sappen  gegeben.  Denn  da  der  Papillarmuskel  frei  in  die  Herz- 
bhle  ragt,  so  wird  er  bei  seiner  Verkürzung  sich  gegen  die  Wand 
rrückziehen  und  somit  einen  Zug  von  innen  und  oben  nach 
•■tssen  und  unten  gegen  die  Klappen  üben.  Da  aber  jede  Klappe 
t?ei  PapiUarmuskeln  besitzt,  welche  einander  gegenüberstehen,  so 
■  rd  der  aus  beiden  Zügen  resultirende  Weg  der  Klappe  gerade 
:gen  die  Mitte  der  Herzhöhle  fallen.  Wenn  z.  B.  in  Fig.  30.  AA 
iien  freien  Klappenrand  der  linken  venösen  Herzmündung  dar- 
lillt,  so  werden  sich  die  beiden  PapiUarmuskeln  mit  zwei  einan- 
rr  entsprechenden  Sehnen  nach  dem  Schema  a  b  und  c  an  ihn 
Usetzen.    Ziehen  sich    die  PapiUarmuskeln  Fig.  30. 

isammen,  in  der  Ai-t,  dass  sie  ihren  Sehnen 
der  Richtung  von  b  nach  a  und  d  nach  c 
«en  Zug  ertheilen,  so  wird  die  Klappe  in 
•r  Piichtung  des  PfeUs  p  gehen,  wie  dieses 
r  Grundsatz  vom  ParaUelogramm  der  Kräfte 
Hangt.   Das,  was  hier  für  die  zugehörigen 
ihnen     zweier    PapiUarmuskeln  bewiesen 
rjde,   gilt  bei   dem   symmetrischen  Ansatz 
tfselben  auch  für  aUe  übrigen.   Die  Papil- 
muskeln  werden  aber  durch  ihre  Sehnen 
Q  Klappen  nur  dann  einen  Zug  mittheilen  können,  wenn  diese 
Izteren  in  einer  annähernd  senkrechten  Richtung  zur  Längen- 
i-ise  des  Herzens  stehen,  wenn  also,    um  mit  den  Aerzten  zu 
den,  die  Klappen  gestellt  sind.    Denn  nur  in  diesem  Falle  span- 
1  sich  die  winklig  abgehenden  Sehnen  (zweiter  und  dritter  Ord- 
41g)  zwischen  Klappe  und  Papilhiramskel  aus.  —  b.  Indem  sich 
)  Ilcrz  allseitig   verkürzt   und    verschmälert,  sucht  es  dabei 

Ludwig,  Thyolologie  II.  2.  Auflage,  (J 


Anordnung  und  Wirkung  der  Muskelröliren  dos  Herzens. 

zugleich  eine  ganz  bestimmte  Form  auzunebraen.  Die  Basis  des 
Herzens  wird  nemlicii  auf  dem  Querschnitt  annähernd  kreislomig, 
und  die  Spitze  sucht  sich  dem  Mittelpunkt  dieses  Kreises  in  einem 
ganz  bestimmten  Abstand  gegenüber  zu  stellen,  mit  einem  Worte, 
das  Herz  zieht,  sich  selbst  überlassen,  sich  zu  einem  regelmässigen 
Kegel  zusammen.  Hierbei  wird  das  Herz  zugleich  sehr  hart,  so  dass 
nur  durch  beträchtliche  Drücke  die  Form  des  zusammengezogenen 
Herzens  merklich  geändert  werden  kann.  —  Der  Grund  fUr  die 
Erhärtung  des  zusammengezogenen  Herzens  liegt  in  der  besonde- 
ren Muskelanordnung,  vermöge  deren  die  einzelnen  Fasern  sich 
nach  einer  Richtung  hin  unterstützen,  nach  der  andern  aber  hem- 
men, oder  anders  ausgedrückt,  sich  gegenseitig  spannen.  Diess 
ist  ohne  weitere  Auseinandersetzung  sogleich  einleuchtend,  wenn 
man  die  Wirkungen  zweier  oder  mehrer  nebeneinanderliegender 
Fasern  des  Schemas  (Fig.  27.)  zergliedert.  —  Die  Kegelgestalt 
des  zusammengezogenen  Herzens  wird  wahrscheinlich  dadurch 
veranlasst,  dass  vom  ganzen  Umfang  der  Herzbasis  Fasern  gegen 
die  Spitze,  zusammenlaufen,  welche  durch  ihre  Gegenwirkungen 
dieser  letzteren  eine  bestimmte  Stellung  zu  der  ersteren  anweisen 
müssen.  Zugleich  darf  im  Allgemeinen  vorausgesetzt  werden,  dass 
die  mehr  gegen  die  Spitze  liegenden  Muskelmassen  das  Herz  ver- 
kürzen, während  die  an  der  Basis  gelegenen  seinen  Umfang  min- 
dern; denn  dort  läuft  die  überwiegende  Zahl  .annähernd  parallel 
und  hier  annähernd  senkrecht  gegen  die  Längenachse  des  Her- 
zens. —  Die  Zusammenziehung  beengt,  soweit  aus  der  Beobachtung 
ersichtlich,  die  arteriellen  Mündungen  nicht;  es  ist  noch  nicht  klar, 
wie  diess  geschieht. 

Da  die  Bewegungen  des  Herzens  sehr  rasch  erfolgen  und  der  zusammengezot; 
Zustand  desselben  nur  sehr  kurze  Zeit  anhält,  so  ist  es  unmöglich,  die  Form  des 
samraengozogenen  Säugethierherzens   anders   aufzufassen,    als  mittelst  Einrichtungen, 
welche  alle  oder  einige  Punkte  desselben  graphisch  fixiren.  Eine  der  vielen  möglichen 
solcher  Einrichtungen  ist  von  mir  zur  Bestellung  der  obigen  Thatsachen  benutzt  wor- 
den.   Ein  ungefähi-es  Bild  des  Hergangs  kann  man  sich  auch  an  einem  frisch  heraus»! 
geschnittenen ,  noch  schlagenden  Säugethierherzen  verschaffen.    Hebt  man  ein  solche»! 
.scliwebend,  indem  man  es  mit  der  Pinzette  an  dem  Vorhofe  oder  den  grossen  Gefässe^ 
fasst,  so  sieht  man,  wie  sich  die  Spitze  der  Basis  nähert;   legt  man  es  dagegen  au 
die  Basis,  so  dass  die  Spitze  der  erschlafften  Kammern  herabfällt,   so  entfernt  sici 
jedesmal  bei  der  Zusammenziehung  die  Spitze  von  der  Basis,  sodass  sie  sich  steit| 
emporstellt.    Legt  man  es  aber  auf  eine  ebene  Unterlage,  wobei  in  der  Erschlaffung' 
die  Wandungen  an  der  Peripherie  zusammenfallen,  sodass  sich  der  Durchmesser  def.'l 
Basis  nach  der  einen  Ilichtung  verlängert  und  nach  der  andern  verschmälert,  währeudj 
die  SpitM  schief  gegen  die  Unterlage  fällt,  dann  wölbt  sich  wäJirend  der  ZusammeiiVl 
y.u']nms  die  zusaramongefallene  Wand  an  der  Basis,  indem  ihr  Querschnitt  aus 


Herzstoss. 


83 


.lliptischen  Form  in  die  runde  übergeht  und  zugleich  hebt  sich  die  Spitze  um  etwas 
on  der  Unterlage  ab.  —  Die  Angaben,  welche  das  blutleere,  aus  der  Bi-usthöhle  ge- 
rhnittene  oder  auf  besondere  Weise  in  ihr  befestigte  Herz  über  die  Form  macht, 
reiche  es  in  der  Zusamraenziehung  annimmt,  sind  brauchbar  auch  für  das  normal 
lelagerte  und  gefüllte  Herz,  weil  sich  bei  der  Zusammenziehung  die  Herzfasem  gegen- 
■oitig  spannen  und  somit  ihre  Form  selbst  bestimmen.  Die  einzige  Voraussetzung, 
•elohe  von  den  oben  verlangten  hier  bestehen  muss,  ist  also  die,  dass  die  Erregbar- 
tüit  des  Herzens  auf  einer  normalen  Stufe  steht. 

Herzstoss.  Während  der  Zusammenziehung  verändert  das 
terz  seine  Lage  und  drückt  dabei  auf  die  Theile  seiner  Umgebung, 
reiche  sieh  dieser  Lagenveränderung  entgegensetzen,  und  nameut- 
ceh  übt  es  einen  flihlbaren  Stoss  gegen  die  Brustwandung  aus. 
üeser  letztere,  der  sogenannte  Herzstoss,  wird  unter  sonst  gleichen 
Bedingungen  mit  der  Ausgiebigkeit  der  Herzzusanunenziehung  und 
i  der  Exspirationsstellung  des  Brustkorbes  stärker  empfunden.  — 
i»ie  Bewegungen,  welche  das  Herz  hierbei  ausführt,  werden  bald  als 
nrtschreitende  und  bald  als  drehende  geschildert.  Wenn  das  Fort- 
bhreiten  gleichzeitig  alle  Theile  des  Herzens  ergreift,  so  soll  es 
üon  oben  und  hinten  nach  vorn  und  unten  geschehen;  beschränkt 
»ch  die  Bewegung  nur  auf  einzelne  Herzstücke,  so  soll  sie  bald 
iir  die  Spitze  gegen  die  feststehende  Basis  hinaufführen  oder  um- 
fekehrt,  es  soll  die  Basis  gegen  die  Spitze  wandern,  oder  es  sollen 
jdi  an  der  Basis  die  beiden  Wände  von  einander  entfernen.  Bei 

Drehbewegungen  liegt  die  Achse  entweder  in  dem  Längen-  oder 

iem  Querschnitt  des  Ventrikels,  im  letztern  Fall  kreuzt  sie  die 
e,  welche  die  Centra  der  beiden  arteriellen  Mündungen  verbindet. 
Vergegenwärtigt  man  sich,  dass  die  Masse,  (wegen  der  ver- 
srlichen  Anfüllung  der  Höhlen),  die  Lage  des  Schwerpunkts,  die 
tizität  und  die  Unterstützungsflächen  des  Herzens  fortwährenden 
inderungen  unterworfen  sind,  so  versteht  es  sich  von  selbst, 
die  Lagenverschiebungen  dieses  Organs  unzähhge  sein  kön- 
,  so  dass  es  hier,  wie  es  scheint,  nur  von  Interesse  ist,  ganz 
jmein  die  Bediogungen  aufzusuchen,  von  welchen  die  Verschiebung 
ängig  sein  kann.  Wären  sie  allseitig  erkannt,  so  würde  man 
n  vielleicht  die  einzelne,  gerade  beobachtete  Veränderung  auf 
Q  wahren  Grund  beziehen  können.  In  dieser  Richtung  sind 
ende  Fortschritte  gemacht  worden:  1"  als  eine  Verschiebungs- 
,che  sind  anzusehen  die  Form  und  Elastizitätsänderung,  welche 
Herz  durch  die  Verkürzung  und  Ausdehnung  der  Muskeln  er- 
t.  Wenn  das  Herz  an  der  Brustwandung  nicht  insgesanunt  fort- 
eilet, sondern  nur  theilweise  Verschiebungen  und  Drehungen 


\ 

-  .  HerzstoKS.  J 

erfährt    so  lässt  sich  aus  dem  ebengenannten  Umstand  sein  An 
schlagen  an  die  Brustwand  leicht  erklären.    Nun  findet  aber  be' 
Säugethieren,  namentlich  bei  Kaninchen,  das  eben  Angeführte  statt 
wie  dieses  nach  dem  Vorgang  von  Kiwis  eh  dadurch  zu  beweise 
ist    dass  man  lange  Nadeln  durch  die  am  kräftigsten  gestossene 
Stelle  der  Brustwand  in  das  Herz  einsticht,  ihre  Bewegung  wäh- 
rend des  Herzschlags  beobachtet  und  nach  dem  Tod  den  Ort  des 
Herzens  aufsucht,  in  welchen  die  Nadel  eingedrungen  ist.  Die; 
Nadel  trifft  entweder  den  Umfang  der  Basis  oder  die  Spitze.  Ist! 
das  Letzte  geschehen,-  so  beschreibt  das  freie  Ende  der  senkrech 
eingestochenen  Nadel  weder  einen  Bogen  nach  oben  oder  unten,  so» 
dern  bleibt  senkrecht,  also  hat  die  Spitze  während  des  Herzstosse 
sich  an  der  Brustwand  nicht  verschoben.  Ein  ähnliches  Verhalten  wie' 
wenn  auch  nicht  mit  derselben  Sicherheit  Jos.  Meyer*)  am  Me 
schenherzen  nach;  bei  sterbenden  Menschen  färbte  er  die  vo 
Herzstoss  emporgehobene  Stelle  und  nach  dem  Tode  senkte 
durch  den  markirten  Ort  eine  Nadel  in  das  Herz;  dieses  Verfahre 
leidet  darum  an  einer  gewissen  Unsicherheit,  weil  sich  nach 
gäbe  einer  im  Leben  eingestochenen  Nadel  die  Lage  des  Herze" 
beim  Kaninchen  wenigstens  mit  dem  Tode  ändert.    Lässt  man  di 
von  Ki wisch  gewonnenen  Voraussetzungen  gelten  und  erw" 
man,  dass  die  schlaffen  und  weichen  Wandungen  der  nicht  zusa" 
mengezogenen  Kammern  innerhalb  weiter  Grenzen  formverände 
den  Einflüssen  folgen,  und  dass  die  Kammern  insbesondere  in  de 
menschlichen  Brustraum  geformt  werden  durch  den  Dnick  des  e' 
strömenden  Bluts,   die  eigene  Schwere  und  die  drückenden  u 
ziehenden  Wirkungen  der  umgebenden  Brustwand,  so  dtii-ften 
der  Diastole  die  Herztheile  eine  andere  Lage  zu  einander  ann 
men,  als  sie  ihnen  durch  die  Zusammenziehung  des  Herzens  geh 
ten  wird.   Stellen  sich  danach  die  Brustwandungen  den  Formv 
änderungen  entgegen,  welche  das  Herz  in  Folge  seiner  Zusamm 
Ziehung  anzunehmen  strebt,  so  wird  letzteres  bei  seiner  Verk 
zung,  wenn  es  sonst  nicht  ausweichen  kann,  die  Brustwand  Vi 
sich  hertreiben.  Dieser  Druck  gegen  den  Zwischenrippenraum  vr  \ 
alles  Uebrige  gleichgesetzt,  um  so  fühlbarer  sein,  je  inniger  sich 
Herz  an  die  Brust  anlegt.  Aus  diesem  Grunde  wird  in  der  Insj^ 
ration  (wobei  die  Lungen  die  vordere  Herzfläche   zum  grossd 
Theil  von  der  Brustwand  trennen),  der  Stoss  diese  letzteren  weil 


*)  Virchows  Aicliiv  III.  2r,r,. 


■6 


Horzstoss. 


85 


Fig.  31. 


r.r  heftig  treflfen,  als  in  der  Exspiration.  —  Nach  den  von  Ki- 
isch,  Jos.  Meyer  ii.  A.  gemachten  Angaben  und  aus  der  be- 
mnten  Form  des  zusammengezogenen  Herzens  muss  man  sich 
SS  Zustandekommen  des 
srzstosses  nun  auf  fol- 
mde  Art  denken.  —  — 
Stoss  durch  die 
lammerbasis.  —  Das 
ihlafiFe  Herz  wird  durch 
P3  Brustwandung  (Fig.  31.) 
:B  so  zusammengedrückt, 
Gtss  seine  Peripherie  eine 
ijpse  H  H  darstellt,  de- 
II  kleiner  Durchmesser 
rrzer  ist,  als  derjenige 
Kreises  K,  welchen 
r  Kammergrund  bei  seiner  Zusammenziehung  einzunehmen 
ibt;  es  muss  dieser  also  die  Brustwand  aufwölben.  Auf  diese 
t  hat  Fr.  Arnold  zuerst  den  Herzstoss  erklärt. —  b.  Spitz en- 
3 SS.  Drückt  dagegen  (Fig.  32.)  die  Brustwandung  die  Herz- 
;ze  während  der  Erschlaffung  nach  unten  und  hinten,  so  dass 
nicht  mehr  senki'echt  über  dem  Mittelpunkt  der  Kammerbasis 
t,  so  wird,  indem  bei  der  Zusammenziehung  die  Herzfoiiji  aus 
IH  S  in  HRP  überzugehen  sucht,  die  Spitze  sich  gegen  die 
instwand  mit  Gewalt  andrängen  (C.  Ludwig).  Gegen  diese 
»einandersetzung  wendet  Hammernik*)  ein,  dass  die  Herz- 
ize  an  der  menschlichen  Brustwand  nie  anschlagen  könne,  weil 
II  zwischen  beide  immer  Lungengewebe  einschiebe. 

Zur  Aenderung  der  Herzlage  kommt  weiter  in  Betracht  der 
ick,  welchen  die  den  Arterienmündungen  gegenüber  liegenden 
Hidflächen  zu  ertragen  haben,  wenn  das  gespannte  Blut  aus  ihren 
pnungen  ausfliesst — Rückstoss —  (Gutbrod,  Scoda,Hiffels- 
im).  Aus  der  physikalischen  Anschauung  heraus  hat  man  die 
^lichkeit  eines  solchen  Rttckstosses  bestritten,  weil  es  undenkbar 
dass  die  hinter  dem  Blutstrom  herschreitende  und  ihn  eben 
veranlassende  Herzwand  zugleich  vom  Blut  in  entgegenge- 
ter  Richtung  bewegt  werden  solle;  dieser  Einwurf  würde  richtig 
i,  wenn  die  den  Ostia  arteriosa  gegenübergelegenen  Wandflächen 


86 


Hurastoss. 


gerade  so  rasch  ibrtschrittcn  wie  das  Blut  in  der  Mündung;  da,  die- 
ses aber  nicht  eintrifft,  also  in  der  Arterienmlindung  die  Spannung 
immer  niederer  sein  muss  als  zwischen  dem  Blut  und  der  Herz- 

Fig.  32. 


wand,  so  wird  auch  der  Rückstoss  nicht  ausbleiben  können;  Hi 
fei s heim  ■=)  der  das  Herz  durch  einen  unter  Druck  gefilUten  Gumm 
schlauch  und  die  Aorta  durch  ein  aus  ihm  heiTorgehendes  Gum 
rohr  ersetzte,  zeigte  denn  auch  in  der  That  sein  Bestehen  nnt 
diesen  den  Herzbewegungen  sehr  analogen  Bedingungen.    Bei  d 
Bewegungen,  welche  das  Herz  vom  Rückstoss  getrieben  ausfü" 
mussen  also  die  gesammten  Herzkammern  in  einem  dem  Blutstro^, 
entgegengesetzten  Sinne  fortschreiten ;  S  c  o  d  a  und  D  o  n  d  e  r  s  habeÄ 
m  der  That  an  freiliegenden  Herzen  des  Menschen  und  Hundes  dieatf 

•)  Compt.  rend.  D^comb.  1854.  AoQt.  1855. 


Reihenfolge  der  Herzbewegung. 


87 


pewegung  gesehen;  am  Kaninchen  konnte  ich  bis  dahin  keine 
lolche  Bewegung  darstellen,  selbst  wenn  das  Herz  nach  Eröffnung 
[iBmes  Beutels  auf  einer  sehr  leicht  beweglichen  an  langen  Fäden 
Bängenden  Unterlage  ruhte,  und  seine  Spitze  auf  passende  Weise  mit 
mem  Fiihlhebel  in  Verbindung  stand.  Ebenso  vermissten  sie 
iaivre  und  Chauveau*)  beim  Pferde.  —  Wenn  nun  aber  bei 
fldern  Thieren  als  dem  Kaninchen  die  Wirkung  des  Rückstosses 
«cht  bestritten  werden  kann,  so  darf  man  aber  auch  nicht  ver- 
»ennen,  dass  füi-  gewöhnlich  das  Herz  nicht  einmal  vorzugsweise, 
US  diesem  Grunde  gegen  die  Brustwand  stösst,  da  es  auch  blut- 
ser  diesen  Druck  kräftig  ausführt.  —  c.  Das  Verlängerungsbestreben 
»r  dm'ch  die  Systole  gefüllten  grossen  Arterienstämme,  die  aus 
iem  Herzen  hervorgehen,  soll  die  Ventrikel  nach  unten  verschie- 
«n  (Bamberger**).  Da  die  Art.  pulmonalis  und  Aorta  auch 
»iralig  gewunden  sind  um  eine  Achse,  die  annähernd  mit  dem 
Dngsten  Durchmesser  der  Ventrikel  parallel  läuft,  so  sollen  sie  bei 
nrer  An-  und  Abschwellung  auch  das  Herz  um  seine  Längsachse 
relien,  vorausgesetzt,  dass  die  Zahl  der  Winkelgrade,  welche  die 
ipiralwindungen  einschliessen  bei  der  Anfüllung  vennehrt  werden, 
idt  andern  Worten,  dass  sich  die  Spirale  bei  der  Herzsystole  zu- 
«d  bei  der  Diastole  abwickelt  (Kornitzer***),  Diese  Achsen- 
«dingung  bedarf  vor  Allem  einer  genauem  Untersuchung,  ehe  sie 
i&  berechtigt  aufgenommen  wii'd.  Gegen  die  alleinige  Abhängig- 
«it  des  Herzstosses  von  diesen  Bedingungen  gilt  abermals  der  aus 
wn  blutleeren  Herzen  hergenommene  Einwand.  —  d.  Neben  diesen 
m  dem  Herzen  und  seinen  Gefässen  abgeleiteten  Verschiebungs- 
»sachen  ist  genaue  Rücksicht  zu  nehmen  auf  den  Zustand  der 
ungen,  der  Brustwand  und  des  Zwerchfells,  weil  diese  die  Lage 
«8  Herzens  wesentlich  mit  bestimmen;  es  ist  hierauf  um  so  mehr 
dringen,  als  dasselbe  Verschiebungsmoment  dem  Herzstoss  eine 
inz  verschiedene  Stärke  ertheilen  kann,  je  nach  der  Lage,  in 
rr  sich  das  Herz  befindet ;  und  dieser  Umstand  scheint  gerade  für 
«ztliche  Zwecke  von  Bedeutung. 

3.   Rhythmus  der  Herzbewegungf).    Die  Muskeln  des 
»öenden  Herzens  gerathen  nach  einer  ganz  bestimmten,  örtlichen 


■  •)  Gazette  m^d.  de  Paris  1866.  469. 

Vlrchow'g  Archiv.  IX.  Bd.  .•J28.  ^ 
"••)  Wiener  Akad.  Hltzungsbcrlclite  XXIV.  Bd.  12(1. 

tt)  Volkmann,  Hacmodynnmlk.  p.  369.  —  Ludwig  und  Hoff  a,  H  c  n  I  e  u.  Pf  e  u  f  f  er's 
»faichrift,  IX.  Bd.  102.  —  Stsnnins,  Mililers  Archiv.  1862.  p.  85.  —  Bidder,  ibidem.  1852. 
168  Wagner,  Handwörterbuch  d.  Physiologie.  HI.  Bd.  1.  Abtholl.  407.  —  Holdonhaiii, 


88 


Reihenfolgo  dor  Herzbowegung. 


und  zeitlichen  Keihenfolge  in  Zusammenziebungen ,   welche  von 
Zeiten  der  Erschlaffung  unterbrochen  werden. 

a.  Reihenfolge  der  Bewegungen.  Der  Schlag  des  Herzens 
von  einem  vollkommen  lebenskräftigen  Thiere  beginnt  nach  voraus- 
gegangener Ruhe  aller  seiner  Theile  mit  der  gleichzeitigen  Zusara- 
menziehung  beider  Vorhöfe;  nach  der  Beendigung  oder  kurz  vor 
der  Beendigung  ihrer  Bewegung  tritt  dann  jedesmal  die  Zusammen- 
ziehung beider  Kammern  ein.  Diese  verlassen  darauf  ebenfalls 
nach  kurzer  Zeit  den  verkürzten  Zustand,  so  dass  schliesslich  wie- 
der ein  Zeitraum  besteht,  in  welchem  alle  Theile  des  Herzens,  Vor- 
höfe und  Kammern,  sich  in  Ruhe  befinden.  Den  Akt  der  Zusam- 
menziehung belegt  man  gewöhnlich  mit  dem  Namen  der  Systole 
(Vorhof-  und  Kammersystole),  den  der  ErschlaflFung  mit  dem  der 
Diastole  oder  Pause.  Diese  ebengeschilderte  Reihenfolge  der  Be- 
wegungen ist  jedoch  keine  nothwendige;  denn  es  können  erfah- 
rungsgemäss,  namentlich  wenn  das  Herz  im  Absterben  begriffen 
ist,  entweder  mehrere  Bewegungen  der  Vorhöfe  hintereinander  fol- 
gen, ohne  von  einer  Bewegung  der  Kammern  unterbrochen  zu  wer- 
den, so  dass  in  gleichen  Zeiten  die  Vorhöfe  zwei-,  drei-  und  mehr-  ' 
mal  so  viel  schlagen,  als  die  Kammern;  oder  es  kann  gar  auch 
vorkommen,  wie  namentlich  nach  Einträufeln  von  Opiumtinktur  in  : 
die  Höhlen,  dass  nach  der  Ruhe  des  ganzen  Herzens  zuerst  die 
Herzkammeni  und  dann  erst  die  Vorhöfe  in  Zusammenziehung  kom- 
men, so  dass  sich  die  Reihenfolge  der  Bewegungen  umkehrt 
(Hoffa,  C.  Ludwig).  Die  Gründe  sind  nicht  anzugeben,  aus 
welchen  die  Nothwendigkeit  der  einen  oder  andern  Reihenfolge  der  | 
geschilderten  Bewegungen  hervorginge.        '  | 

b.  Relative  Dauer  der  Bewegung  und  Ruhe  von  Kammer  und  i 
Vorhof.  Da  das  Herz  in  der  Minute  eine  beträchtliche  Zahl  von 
Schlägen  ausführt,  so  wird  die  Dauer  eines  jeden  einzelnen  Be- 
wegungsaktes sehr  kurz  ausfallen,  und  offenbar  im  Allgemeinen  um 
so  kürzer,  je  häufiger  die  Herzbewegung  in  der  Zeiteinheit  vdeder- 
kehrt.  Wegen  der  so  sehr  verschiedenen  Zahl  der  Herzschläge  in 
der  Zeiteinheit,  ist  es  unmöglich,  eine  allgemein  giltige  Angabe 
über  die  absolute  Dauer  der  Zusammenziehung  und  der  Erschlaf- 
fung zu  machen.   Es  hat  dagegen  einen  Sinn,  die  relative  Bewe- 


Disquisitiones  de  nervis  etc.  centrallb.  cordis.  Berlin  1854.  —  Eckhard.  Beiträge  zur  Anatomie  u. 
Physiologie,  Glessen  1858.  p.  145.  -t.  Bezold,  Vlrchow's  Archiv  XIV.  Bd.  -  A r  n  o  1  d  ,  di« 
physiol.  Anitalt  der  Universität  Heidelberg  1858.  p.  98, 


Erregbarkeit  des  Herzons. 


89 


unngs-  und  Ruhezeit  der  einzelnen  Herzabtheilungen  zu  messen. 
\  olkmann,  der  in  dieser  Richtung  genaue  Beobachtungen  am 
Menschen  angestellt  hat,  giebt  an,  dass  die  Zeit,  während  welcher 
lic  Ventrikel  im  zusammengezogenen  Zustand  verharren,  genau  so 
rioss  ist,  als  diejenige,  welche  die  Zusammenziehung  der  Vorhöfe 
nd  die  Erschlaffung  des  ganzen  Herzens  umfasst.    Diesem  Be- 
l)achtungsresultat  dürfte  jedoch,  wenn  die  hier  in  Betracht  kom; 
iienden    Erscheinungen  bei    Menschen   und    Säugethieren  an- 
uihernd  sich  gleich  verhalten,  keine  allgemeine  Giltigkeit  zuzu- 
i'hreiben  sein,  da  sich  bei  letztern  mit  einem  Wechsel  in  der 
'.eschleunigung  des  Herzschlags  dieses  Verhältniss  ändert,  indem 
lei  langsamem  Herzschlag  die  Zeit  der  Herzpause  beträchtlich 
iberwiegt  über  die  der  Ventrikularkontraktion,  während  umgekehrt, 
lei  sehr  beschleunigter  Herzbewegung  auch  die  Zeit  der  Kammer- 
usammenziehung  die  der  Herzpause  übertreffen  kann  (C.  Lud- 
vig).    Mit  andern  Worten,  es  schwankt,  wenn  sich  die  Zahl  der 
lerzschläge  beträchtlich  ändert,  der  Zeitraum  der  Diastole  viel  be- 
leutender,  als  derjenige  der  Kammernsystole.  —  Die  Dauer  der 
v'orhofssystole  ist  immer  nur  ein  kleiner  Bruchtheil  von  derjenigen 
,  ler  Kammerzusammenziehung. 

Volkmann  benutzte  zu  seinen  Messungen  die  Töne,  welche  das  Herz  bei  seinen 
Bewegungen  hervorbringt,  ein  anwendbares  Verfahren,  da  der  erste  beim  Herzschlag 
».örbare  Ton  gerade  so  lange  anhält,  als  die  Kammersystole.    Die  Dauer  des  ersten 

i. 'ons  maass  er  aber  dadurch,  dass  er  einen  Pendel  mit  verschiebbarer  Linse  so  lange 
einstellte,  bis  seine  Schwingungszeit  gerade  so  lang  war,  als  die  des  (mit  dem  Ste- 
(tioskop)  gehörten  Tons.  —  Eine  andere  Methode  (Fühlhebel  und  rotirender  CyUnder), 
e'elche  am  blossgelegten  Herzen  des  Thieres  angewendet  wurde,  s.  bei  Ludwig*). — 

c.  Erregbarkeit  des  Herzens.  Man  pflegt  sie  zu  schätzen : 

ii.  iirch  die  Zahl  der  Schläge  in  der  Zeiteinheit,  durch  den  Umfang 
luf  den  sich  der  Herzmuskel  zusammenzieht,  und  zwar  entweder 
mrch  jeden  der  beiden  Umstände  für  sich  allein  oder  durch  Combi- 
«lation  beider,  so  dass  ein  Herz,  welches  schnell  und  wenig  aus- 
giebig schlägt,  ftir  ebenso,  wenn  nicht  für  weniger  erregbar 
l^ilt,  als  ein  solches,  welches  seltener,  aber  jedesmal  kräftiger 
Ichlägt.  Man  beraisst  die  Erregbarkeit  ferner  nach  der  Intensität 
'.er  Erreger,  die  nothwendig,  um  ein  schon  zur  Ruhe  gekommenes 
flerz  wieder  in  Bewegung  zu  setzen,  und  endlich  nach  der  Zeit- 
i.auer,  während  welcher  ein  Herz  seine  Schlagfähigkeit  zubewahren 


•)  1.  c.  p.  108. 


90 


Erregbarkeit  dos  Herzens. 


vermag  unter  Umständen,  die  seinen  Lebenseigenschaften  erfahrungs- 
gemäss  entgegenwirken. 

Da  ein  ausgeschnittenes  Herz,  auch  ohne  dass  es  von  aussen 
her  gereizt  wird,  fortführt  zu  schlagen  mit  andern  Worten,  da  es 
also  ausser  erregbaren  Nerven  und  Muskeln  auch  noch  reizende 
(automatische)  Einrichtungen  besitzt,  so  umfasst  nach  den  obigen 
Auseinandersetzungen  der  Begriff  der  Erregbarkeit  die  Arbeits- 
fähigkeit der  automatischen  und  reflektorischen  Organe  gleich- 
zeitig mit  denen  der  Nerven  und  Muskelröhren.  Die  Aufgabe,  die 
Erregbarkeit  eines  jeden  dieser  Organe  gesondert  zu  schätzen,  ge- 
lingt nur  für  den  Fall,  dass  die  Nerven  und  Muskeln  ihre  Erreg- 
barkeit behaupten,  während  sie  die  automatischen  Massen  einbüssen, 
denn  nur  hier,  nicht  aber  beim  umgekehrten  Verhalten  giebt  es 
Prüfungsmittel  für  die  erregbar  zurückgebliebenen  Bestandtheile. 

Viele  der  Bedingungen,  durch  welche  die  Erregbarkeit  der 
cerebrospinalen  Muskeln  und  Nervenmassen  erhalten  wird,  wirken 
in  gleicherweise  auf  das  Herz;  so  verlang-t  das  letztere  namentlich 
sauerstoffhaltiges  Blut,  gewisse  Temperaturgrenzen,  eine  gewisse 
Andauer  der  Ruhezeiten  zwischen  den  vollführten  Anstrengungen; 
das  ausgeschnittene  Herz  schlägt  in  einem  mit  Wasser  gesättigten 
Räume  länger  als  in  trocken  erhaltener  Luft  u.  s.  w. 

Ein  ausgeschnittenes  oder  das  in  der  Brusthöhle  befindliehe  Herz  eines  Säuge- 
thiers, dessen  Hirn  und  Rückenmark  abgestorben  ist,  schlägt,  sich  selbst  überlassen, 
nur  noch  kurze  Zeit  fort;  die  Zeitdauer  seiner  Bewegungen  kann  aber  beträchtlich 
vergrössert  werden,  wenn  man  entweder  in  die  Lungen  des  getödteten  Thieres  Luft 
einbläst,  oder  aber  wenn  man  durch  die  Kranzgefässe  des  ausgeschnittenen  Herzens 
einen  arteriellen  Blutstrom  leitet  (C.  Ludwig)*).  Ein  ausgeschnittenes  Proschherz 
erhält  dagegen  seine  Bewegungen  stundenlang  nur  mit  Zuthun  des  Bluts  oder  der 
Ernährungsflüssigkeit,  welche  in  seinem  Gewebe  enthalten  ist.  Bringt  man  ein  sol- 
ches Herz  in  eine  reine  Sauerstoflatmosphäre,  so  schlägt  es  um  viele  Stunden  länger 
und  kräftiger,  als  in  der  atmosphärischen  Luft  (Gas teil),  führt  man  es  dagegen  in 
den  luftleeren  Raum  (Pontana,  Ti e d e m an  n **),  Pickford)***),  in  Wasserstoffgaa 
(Schulzf),  Castell)tt),  Stickgas,  Kohlensäure,  Schwefelwasserstoff  und  luftleeres' 
Wasser  (Gas teil),  so  hört  das  Herz  früher  zu  schlagen  auf.  Während  seines  Auf- 
enthaltes in  den  beruhigenden  Mitteln  haben  die  gewöhnlichen  Erreger  der  Nerven 
ihre  Wirkungskräfte  verloren;  bringt  man  aber  dann  das  Herz,  dessen  automatisch»' 
Erregung  und  dessen  Erregbarkeit  ganz  verloren,  wieder  an  die  atmosphärische  Luf^' 
so  beginnt  die  selbstständige  Bewegung  von  Neuem.    Beiläufig  ist  iier  noch  zu  be- 


*)  Henlo  u,  Pfeufer.  1.  Heihc.  V.  Bd.  p.  76. 
*»)  Müllers  Archiv.  1847,  490. 
'*•)  Henle  u,  Pfeufer.  Neue  Folge.  I.  Bd.  240. 

■f)  De  motu  coidis  ranao.  Berlin  1849. 
tt)  Müllers  Arcliiv.  1854.  226. 


Eigenthüiiilichkeiton  der  Herzerregbarkeit. 


91 


merken,  dass  die  erwähnten  Umstände  und  Gase  nicht  in  gleichen  Zeiten  die  Bew6- 
.gung  unterbrechen.    Länger  dauert  der  Herzschlag  in  Stick-  und  Wasserstoffgas,  kür- 
zer in  Kohlensäure  und  Schwefelwasserstoff;  ebenso  schlägt  das  Herz  länger  unter  der 
ILuftpumpe,   wenn  in  den  Eezipienten  noch  ein  Behälter  mit  ausgekochtem  Wasser 
■steht ;  kürzer  wenn  ein  Gefäss  mit  CaCl  darin  enthalten  ist.   (Arnold).    Das  ausge- 
ichnittene  Herz  eines  Frosches,  welches  zwischen  zwei  aufeinandergepassten  Uhrglä- 
iem  liegt,  verlangsamt  seine  Schlagfolgo  um  ein  Beträchtliches ,  wenn  man  es  auf  Eis 
letat,  während  es  umgekelu't  dieselbe  sehr  beschleunigt,  wenn  man  es  auf  einen  er- 
nränuten  Gegenstand  bringt.  —  Aus  ähnlichen  Gründen  hat  auch  Bezold  einen  durch 
aus   der  Vergessenheit  gezogenen  Versuch  Humboldts  zu  erklären  gewusst. 
(in  Herz,  das  an  den  zugebundenen  Arterien  aufgehängt  ist,  schlägt  rascher  und  läiger, 
ein  solches,  das  unter  gleichen  Bedingungen  auf  eine  Glastafel  so  gelegt  wird, 
ass  seine  Sinus  mit  den  Unterlagen  in  Berührung  sind.    Die  Ursache  dieses  verschie- 
enen  Verhaltens  liegt  in  der  Ansammlung  schädlicher  Flüssigkeiten  in  der  Nähe  der 
Sinus  und  nicht  in  der  Lage  als  solcher,  wie  Bezold  durch  verschiedene  Versuche 
.arthut.  —  Verlängert  man  die  Herzpausen  durch  Erregung  der  NN.  vagi  und  leitet 
arauf  durch  Berührung  des  Herzens  eine  Bewegung  ein ,  so  ist  diese  dem  Anschein 
,ch  kräftiger  als  vor  der  Vagusreizung,  wo  die  Herzschläge  schneller  aufeinander- 
'olgten.    Wenn  man  aber  umgekehrt  mittelst  des  Elektromotors  die  Herzschläge  sehr 
iOBchleunigt,  so  wird  jeder  einzelne  derselben  so  schwach,  dass  sich  trotz  seiner  un- 
lählbaren  Schlagfolge    das  Herz   immer  weiter  ausdehnt,  bis   es  endlich  stillsteht. 
Auf  diese  Weise  gelingt  es  leicht  ein  Thier  zu  tödten.  ( C.  Ludwig.)    Ein  andres 
eispiel  hierfür  giebt  Bezold;  wenn  ein  Herz  im  Absterben  begriffen  ist,  so  schlägt 
'emeinigUoh  der  Ventrikel  seltener  als  die  Vorkammern ;   werden  nun  durch  Vagus- 
eizung  beide  Herzabtheilungen  für  einige  Zeit  zur  Buhe  gebracht,  so  kommt  beim 
iederbeginn  der  Schläge  auf  jeden  Vorhof  auch  eine  Kammerzuckung,  und  zugleich 
Igen  jetzt  die  Schläge  des  ganzen  Herzens  so  rasch  aufeinander  wie  vor  der  Vagus- 
;nng   die  der  Vorhöfe ;  während  der  längeren  durch  Vagusreizung  eingeleiteten 
.uhezeit  hat  sich  also  die  Erregbarkeit  der  Vorkammer  erhöht.  —  Hierher  scheint 
saeh  die  Beobachtung  von  Czermak  u.  Piotrowsky*)  zu  gehören,  welche  fanden, 
ass  das  ausgeschnittene  Herz  des  Kaninchens  seine  Schläge  später  einstellt,  wenn 
cor  dem  Tode  des  Thieres  die  NN.  vagi  gereizt,  früher,  wenn  sie  vorher  durchschnitten 
aren.    In  welchem  Verhältniss  mit  der  Ruhezeit  die  Erregbarkeit  steigt,  ist  unbe- 
lannt;  unter  günstigen  Verhältnissen  genügen  zur  Wiederherstellung  der  letztern  sehr 
nrze  Pausen,  wie  z.  B.  nach  Durchschneidung  der  NN.  vagi  sehr  kräftige  Schläge 
der  sehr  rasch  folgen. 

d.  Eigenthümlichkeiten  der  Herzerregbarkeit.  Neben 
en  genannten  Uebereinstimmungen  bietet  aber  die  En'egbarkeit 
es  Herzens  aucb  viel  Abweichungen  von  andern  Nerven  und  Mus- 
ieln.  Dahin  gehört;  1)  die  Schläge  eines  Induktionsapparats,  welche 
enügend  sind,  jeden  andern  Nerven  und  Muskel  in  Starrkrampf  zu 
ersetzen,  vermögen  das  lebende  noch  vom  nomalen  Blut  durch- 
ömte  Herz  nur  zu  beschleunigten  Bewegungen  zu  veranlassen. 
0  verhindern  die  Erregbarkeitszustände  des  Herzens,  dass  es 


•)  wiener  Akäd.  8itzong»berlchte  XXV.  431. 


gg  Erregung  des  Herzons. 

in  Tetanus  kommen  könne.  Diese  Erscheinung  ist  um  so  auffal- 
lender; als  man  durch  heftige  Induktionsschläge  an  einzelnen  Ab- 
schnitten des  Herzens  weisse  wulstförmige  Hervorhebungen  erzeugen 
kann,  welche  anscheinend  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  lokalen  Te- 
tanus der  Rumpf-  und  Darm-Muskeln  darbieten.  2)  Ein  constan- 
ter  elektrischer  Strom,  gleichgiltig  in  welcher  Richtung  er  durch 
das  Herz  fliesst,  vermag  den  bestehenden  Herzschlag  nicht  zu  be- 
ruhigen ;  im  Gegentheil  regt  er  das  durch  Ausschneidung  der  Vor- 
hofsscheidewand beruhigte  Herz  wieder  zu  Bewegungen  an  (Eck- 
hard*). Da  das  Herz  in  seiner  Gesammtheit  durch  ein  anhalten- 
des Erregen  nicht  tetanisch  wird,  und  da  anderseits  Pflüg  er 
nachgewiesen,  dass  auch  ein  constanter  Strom  von  sehr  geringer 
Intensität  einen  Rückenmarksnerven  und  zwar  tetanisch  erregt,  so 
könnte  man  geneigt  sein,  statt  eines  Gegensatzes  durch  diese  That- 
sache  eine  Uebereinstimmung  zwischen  den  Erregbarkeiten  des  Her- 
zens und  anderer  Nerven  zu  finden.  Hierbei  wäre  nur  zu  bedenken, 
dass  jene  Ströme,  welche  das  ruhende  Herz  erregen,  zu  den  kräf- 
tigen gehören,  welche  auch  die  Rückenraarksnerven  vollkommen 
in  Ruhe  lassen,  resp.  je  nach  ihrer  Richtung  die  Wirkungen  an- 
derer Erreger  herabsetzen.  3)  Curare,  welches  die  motorischen 
Nerven  der  Skeletmuskeln  lähmt,  geht  an  dem  des  Herzens  ohne 
alle  Wirkung  vorüber  (Kölliker,  Bernard.)  ' 

d.  Erregung  des  Herzens.  «.  Die  Zahl  der  Herzschläge 
in  der  Zeiteinheit  ändert  sich  mit  den  Zuständen  der  Selbsterreger 
im  Herzen.  Unzweifelhaft  geht  überhaupt  von  einer  im  Herzen  ent- 
haltenen an  besondern  Orten  eingebetteten  Vorrichtung  die  Anre- 
gung zur  Bewegung  aus,  da  einerseits  das  ausgeschnittene,  blut- 
leere, den  von  aussen  her  dringenden  Reizen  entzogene  Herz 
noch  in  regelmässiger  Zeitfolge  schlägt  und  da  anderseits  ein  aus- 
geschnittenes Herz  oft  bis  zum  vollkommenen  Absterben  in  Ruhe 
bleibt,  aber  augenblicklich  einen  regelrechten  Schlag  ausführt,  wenn 
irgend  ein  Theil  seiner  Oberfläche  mit  einer  Nadel  berührt  wird. 
Wie  der  erstere  Erfahrungssatz  den  Beweis  dafür  liefert,  dass  im 
Herzen  selbst  alle  Bedingungen  für  das  Eintreten  seiner  Bewegungen 
enthalten  sind,  so  thut  der  zweite  dar,  dass  das  Bestehen  der 
Nerven-  und  Muskelerregbarkeit  für  sich  noch  nicht  gentigt,  um 
die  rhythmische  Bewegung  einzuleiten. 


•)  Beiträge  zur  Anatomie  u.  Physiologie  I.  Bd.  p.  146. 


Erregung  des  Herzens.  93 

lieber  den  erregenden  Vorgang  selbst  sind  wir  vollkommen  im 
lünklaren;  den  Ort,  an  denen  er  sich  entwickelt,  verlegen  dagegen 
odie  meisten  Physiologen  in  die  GangHenhaufen  des  Herzens,  na- 
imentlich  in  die  am  Beginn  der  Arterien  und  Kammern  gelegeneu. 
((Bidder,  Bezold.) 

Nach  den  vorliegenden  Beobachtungen  am  Proschherzen  sind  vorzugsweise 
;lie  Ganglienhaufen  am  Beginne  der  Scheidewand  des  Vorhofs  und  an  der  Furche 
ii<wisch9n  letzterm  und  dem  Ventrikel  als  die  Stätten  des  selbsteri'egenden  Vorganges 
[anzusehen.  Denn  ein  Ventrikel,  der  unterhalb  der  letzten  Grenze  abgeschnitten  ist, 
ibleibt,  wenn  er  nicht  von  aussen  her  gereizt  wird,  meist  bewegungslos  bis  zum  Tod 
Stiegen.  Diese  Erscheinung  erleidet  jedoch  zahlreiche  Ausnahmen ;  wii-d  ein  solcher 
•Stumpf  in  Froschblut  zwischen  zwei  luftdicht  schliessenden  Ulirgläseni  aufgehoben 
und  dann  etwa  V«  bis  Vi  Stunde  nach  seiner  Trennung  von  den  Ganglienhaufen  mit 
•einer  Nadel  bestrichen,  so  kehrt  sehr  häufig  rhythmische  Bewegung  durch  längere  Zeit 
Hindurch  wieder  (Hoffa).  Obwohl  diese  Erfahrung  darthut,  dass  die  abgeschnittenen 
uonglien  nicht  allein  die  automatischen  Organe  sind,  so  bleibt  es  doch  immer  bemer- 
Kenswerth,  1"  dass  sehr  viele  Herzen  ohne  Zuthun  äusserer  Eeize  bewegungslos  ab- 
sterben, wenn  man  die  Ganglien  an  den  obem  Theil  der  Scheidewand  durch  einen 
umgelegten  Faden  gequetscht  (Stannius),  oder  ausgeschnitten  (Bidder),  oder  galva- 
'lokaustisch  (Eckhard)  zerstört  hat;  2°  dass  aber  nach  Unterbindung  der  Scheide- 
\andganglien  die  Bewegung  für  längere  Zeit  wiederkehrt,  wenn  man  einen  Faden  um 
lie  Gegend  von  Vorhof  und  Herzkammer  schnürt  (Stannius).  Siehe  hierüber  noch 
!  leidenhain  und  Eckhard  1.  c. 

I  ß.  Die  Zahl  der  Herzschläge  mindert  sich,  wenn  der  n.  vagus, 
.foevor  er  in  das  Herz  tiitt,  erregt  wird  (Ed.  Weber). 

Hier  sind  die  Thatsachen  zusammenzustellen,  welche  sich  auf 
bine  Veränderung  des  Herzschlags  durch  Erregung  des  Vagus  be- 
|ii  iehen.  —  1)  Die  Bewegungen  des  Herzens  werden  um  so  anhal- 
iit ender  unterbrochen,  je  intensiver  die  Erregungen  des  n.  vagus 
iiind.    Diese  Behauptung  begiUndet  sich  dadurch,  weil  ein  Erre- 
;  Lr  ungsmittel  von  sehr  geringer  Stärke,  das,  auf  den  ungeschwächten 
'  ;i .  vagus  angewendet ,  noch  eine  Verlängerung  der  Pause  erzeugt, 
jiiich  in  dem  ennüdeten  nicht  mehr  als  wirksam  erweist;  weil  inner- 
halb enger  Grenzen  je  nach  der  Stärke  des  Erregers  eine  kürzere 
i  der  länger  dauenide  Pause  erzeugt  wird,  weil  dasselbe  Erreguugs- 
i  littel  von  immer  gleicher  Intensität,  wie  z.  B.  die  elektrischen 
^  ichläge,  zuerst,  so  lange  das  zwischen  den  Drahtenden  liegende 
!  [ervenstück  noch  unversehrt  ist,  die  Pause  des  Herzens  beträchtlich 
i  erlängert,  während  mit  andauernder  Erregung,  d.  h.  mit  steigen- 
er  Veränderang  des  durchströmten  Nervenstückes  die  Herzpause 
lehr  und  mehr  an  Dauer  abnimmt  u.  s.  w.    Demnach  kann  man 
•i  einer  passenden  Anordnung  der  Erregungsmittel  die  Herzpause 
IS  zur  Dauer  vieler  Sekunden  verlängern,  z.  B.  wenn  man  an 


Erregung  des  Herzens. 

einem  langhaJsigen  Hunde  den  nerv,  vagus  dermaassen  in  den 
Kreis  eines  Induktionsstroms  bringt,  dass  man  das  vom  Strom 
durehfiossene  Stück  ganz  allmäblig  und  stetig  verlängert,  so  dass 
fortwälirend  neue  von  der  durchströmenden  Elektrizität  noch  nicht 
umgewandelte  Nervenelemente  in  den  Kreis  aufgenommen  werden. 
—  2)  Die  gleichzeitige  Erregung  der  beiden  n.  vagi  scheint,  alles 
Andere  (Stärke  des  En-egers,  der  Erregbarkeit  und  die  Länge  des 
erregten  Nervensttickes)  gleichgesetzt,  die  Zusamraenziehung  des 
Herzens  anhaltender  zu  unterbrechen,  als  die  eines  einzigen.  Zur 
Bestätigung  dieses  Satzes  bedarf  es  jedoch  noch  genauerer  Ver- 
suche. 3)  Hat  man  die  n.  vagi  eines  Säugethiers  6  bis  15  Mi- 
nuten mittelst  des  elektrischen  Induktionsstromes  erregt,  so  hört 
mit  der  Entfernung  der  stromführenden  Drahtenden  nicht  momentan 
die  in  Folge  der  Erregung  vorhandene  Verlangsamung  des  Herz- 
schlages auf,  sondern  es  verbleibt  noch  eine  mehrere  Minuten  an- 
dauernde Nachwirkung,  so  dass  erst  nach  Verfluss  derselben  die 
Herzschläge  wieder  mit  derselben  Geschwindigkeit  einander  folgen, 
die  sie  vor  aller  Erregung  besassen  (Hoffa).  —  4)  Hieran  reiht 
sich,  dass  eine  Anzahl  von  elektrischen  Schlägen,  die  viel  zu  selten- 
aufeinander  folgen,  um  in  einem  gewöhnlichen  Muskelnerven  Teta- 
nus zu  veranlassen,  einen  dauernden  (tetanischen)  Ruhezustand  des 
Herzens  durch  den  n.  vagus  einleiten  können;  70  — 120  einfache 
Oeifnungs-  und  Schliessungsschläge  in  der  Minute  brachten  ein 
Froschherz  auf  mehre  Minuten  zur  Ruhe.  Diese  letztere  tritt  jedoch 
nicht  plötzlich  ein,  sondern  mit  dem  Beginn  und  dem  Fortschritte 
der  Reizung  werden  zunächst  die  Pausen  zwischen  je  zwei  Herz- 
schlägen länger  und  länger.  Daraus  folgt  nicht  allein,  dass  ein  je- 
der einzelne  Reiz  eine  Nachwirkung  hiuterlässt,  die  sich  noch  jen- 
seits einer  ausgeführten  Herzbewegung  erstreckt,  sondern  auch,  dass 
sich  die  von  mehrern  aufeinander  folgenden  Reizen  heiTührenden 
Nachwirkungen  summiren.  (Bezold).  —  Für  die  Zwecke  des  Ex- 
perimeutirens  folgt  aus  dieser  Beobachtung,  dass  man  den  n.  vagus 
am  schonendsten  durch  solche  seltener  aufeinander  folgende  Schläge 
reizt.  —  5)  Die  Anzahl  der  einzelnen  elektrischen  Schläge,  welche 
in  der  Zeiteinheit  nothwendig  ist,  um  die  Pause  auf  Minutenlänge 
zu  steigern,  sinkt,  wenn  die  Elektrizitätsmenge,  die  sich  durch 
jeden  Schlag  ausgleicht,  wächst.  Die  Anzahl  der  Reizungen  muss 
sich  mehren  in  dem  Maasse,  in  welchem  die  natürlich  vorhan- 
denen Thiere  Zusammenziehung  erweckenden  Vorgänge  des  Her- 
zens überwiegen  über  die  beruhigenden;  ^ilso  ist  beim  Bestehen 


Erregung  des  Herzens. 


95 


üner  grossen  Zahl  energischer  Herzkontraktionen  eine  grössere  Zahl 
«ra  Einzelreizen  in  der  Zeiteinheit  nöthig,  als  bei  einem  im  Absterben 
legriltenen  Herzen.  (Bezold).  —  6)  Erregt  man  mittelst  des  Induk- 
lonsstroms  den  Vagus  nach  seinem  Eintritt  in  das  Herz,  so  ver- 
lingert  sich  nicht  die  Pause  aller  Öerztheile.     In  unveränderter 
teschwindigkeit  schlagen  nemlich  die  Theile,  welche  ihre  Nerven 
HS  dem  Stücke  des  u.  vagus  erhalten,  das  oberhalb  des  erregten 
nrtes  liegt,  während  die  Pausen  aller  der  Herzabtheilungen  sich 
BrlängeiTi,  deren  Nerven  erst  unterhalb  des  erregten  Ortes  aus  dem 
tamme  treten  (Hoffa).  —  7)  Wenn  man  während  einer  durch 
te  Erregung  des  n.  vagus  verlängerten  Pause  die  Herzoberfläche 
tOckt,  elektrisch  schlägt  u.  s.  w.,  so  erfolgt  jedesmal  eine  Systole, 
«araus  folg-t  auch,  dass,  wenn  man  durch  die  Oberfläche  des 
lerzens  elektrische  Schläge  dringen  lässt,  die  hierdurch  hervorge- 
hen en  Bewegungen  durch  Vaguserregung  nicht  beruhigt  werden 
tonen.  —  8)  Im  gewöhnlichen  Verlauf  des  Lebens  ist  bei  Hun- 
Vt,  Pferden  u.  s.  w.  innerhalb  des  Hirns  der  n.  vagus  einer  ge- 
iden  EiTCgung  ausgesetzt.    Wir  schliessen  hierauf, .  weil  bei  den 
irwähnten  Thieren    nach  Durchschneidung  des  n.  vagus,  oder 
eJoh  Einleitung    eines  lähmenden    Stroms  (Heidenhain)  der 
srzschlag  plötzlich  ausserordentlich  viel  rascher  wird,    als  vor 
•rselben.    Nach    der    soeben    (ß.  4)    mitgetheilten  Erfahrung, 
«BS  zeitlich  gesonderte  Erregungen  des  Vagus  den  Zustand  des 
»rzens  dauernd  ändern  können,    ist  es  erlaubt  zu  vermuthen, 
ass  auch  vom  verlängerten  Mark  nicht  stetige,   sondern  durch 
«rkliche  Zeiträume  unterbrochene  Erregungen   in    den   n.  va- 
?s  gelangen.  (Bezold).  —  9)  Einen  besondem  Abschnitt  ver- 
»nen  die  Eeizungs-  und  Durchschnei dungsversu che  am  Frosch- 
rrzen.  Zu  ihrem  Verständniss  diene,  dass  die  NN.  vagi  die  einzigen 
«rvenstämme  sind,  die  von  aussen  her  in  das  Froschherz  verfolgt 
irden  können ;  sie  laufen  auf  den  Ingularvenen  bis  zu  den  Stamm 
ff  venae  pulmonales,  durchbohren  neben  diesen  den  Venensack, 
id  gelangen  dann  auf  die  linke  Fläche  der  Vorhofsscheidewand, 
iler  tauschen  sie  neben  der  Einmlindungsstelle  der  vena  pulmonalis 
isern  aus  und  gehen  von  da  in  zwei  gesonderten  Strängen  zum 
iheftnngsort  der  Scheidewand  in  die  Kammerbasis,  um  dort  in 
13  Kammei-fleisch  Itberzutreten.  Auf  diesem  Wege  geben  sie  zuerst 
Bte  an  den  Venensack,  die  mit  einzelneu  Ganglienkugeln  belegt 
dd;  neben  der  Lungenadermllndung  in  den  Winkeln,  ans  denen 
•  Fasern  zum  Plexus  hervorgehen,  treten  dngegen  zuerst  massen- 


gg  Erregung  des  Herzens. 


I 


hafte  Gaiiglieiuinliäul'u ugeu  auf  und  ebenso  sind  die  Stämme  auf  der 
Herzscheidewand,  wie  die  Zweige,  welche  von  hieraus  in  Vorhofs- 
muskehi  gehen,  reichlich  mit  Ganglienkörpern  versehen,  die  endlich 
wieder  zu  grösseni  Haufen  vereinigt  in  der  Furche  zwischen  Kammer 
und  Vorhof  aufti-eten,  wo  die  Stämme  der  Vagi  aus  der  Scheide- 
wand in  das  Kammerfleisch  Ubergehen;  auch  sind  die  Aeste  für 
das  letzte  am  Beginn  wenigstens  mit  Ganglien  versehen. 

Eine  festzugeschnürte  Schleife  um  die  obersten  Vorhofgang- 
lien  (Stannius)  oder  ein  Ausschneiden  derselben  (Bidder)  be- 
dingt einen  5  — 10  Minuten  langen  Stillstand  des  ganzen  Herzens. 
Schneidet  man  statt  auf  einmal  successiv  den  Venengack  ab,  so 
verlangsamt  sich  mit  dem  Fortschreiten  des  Schnittes  die  Herzbe- 
wegung, aber  erst,  wenn  man  die  Grenze   zwischen  Venensack 
und  Vorhof  überschiitten  hat,   tritt  plötzlich  der  Stillstand  ein 
(Bezold).  —  Wenn  nach  Austilgung  der  obern  Vorhofsganglienl 
und  während  des  dadurch  erzeugten  Stillstandes  eine  Schnur  um  die 
Grenze  zwischen  Kammer  und  Vorhof  gebunden  wird  (Stannius) 
oder  wenn  in  der  Begrenzungsfm-che  die  Kammer  abgeti-agen  wird, 
so  beginnt  die  Kammer  von  Neuem  zu  schlagen,  während  der  Vor 
hof  ruht.    Wird  dagegen  unter  denselben  Umständen  der  Schnitt! 
unterhalb  der  Trennungsfurche  im  Kammerfleisch  selbst  geführt,] 
so  beginnen  meist  der  mit  dem  Vorhof  in  Verbindung  gebliebem 
Fleischring  der  Kammer  und  der  Vorhof  ihre  Bewegungen  wiedei 
und  zwar  in  solcher  Reihenfolge,  dass  zuerst  der  Kammerrest  um 
gleich  nachher  der  Vorhof  schlägt.  —  Ein  Reiz,  der  das  Herz  trifft, 
während  es  in  Folge  eines  Schnittes  unterhalb  der  obern  Vorhofs 
ganglien  stillsteht,  bedingt  eine  totale  Zusammenziehung,  die  meisj 
an  der  Herzabtheilung  beginnt,  welche  vom  Reiz  (einen  Nadelstich' 
getroffen  wurde.  —  Die  ganze  Reihe  der  Erscheinungen  lässt  sich  a; 
dem  Herzen  eines  Frosches  hervorbringen,  der  mit  Curare  vergiftet  is' 

y.    Die  Zahl  der  Herzschläge  mehrt  sich,   wenn  diejenige] 
Einflüsse,  welche  früher  als  nervenerregende  bezeichnet  wurden, 
wenn  auch  beschränkt,  auf  das  Herz  wirken,  •  also  nach  elektrischen, 
mechanischen,  einer  bestimmten  Zahl  chemischer  Eingriffe,  Temp 
raturerhöhungen  u.  s.  w. 

Der  Beweis,  dass  die  angegebenen  Mittel  das  Herz  zur  B 
wegung  anregen,  ist  entweder  nur  so  zu  geben,  dass  sie  zu  einer 
Zeit  ihre  Wirksamkeit  für  das  Herz  entfalten,   in  der  das  Her 
ohne  ihre  Gegenwart  still  stehen  würde  (z.  B.  in  der  langen  Pausi 
während  der  Vaguserregung,  oder  kurz  vor  dem  vollkommene! 


Erregung  des  Herzens. 


97 


^Absterben  des  Herzens),  oder  dass  sie  die  Zahl  der  Herzschläge 
ifHr  längere  Zeit  beträchtlich  zu  vermehren  im  Stande  sind.  —  Mit 
ißücksicht  auf  die  Wirkung  der  genannten  Erreger  ist  noch  zu  be- 
uiierken:  1)  Der  Werth   ihrer  erregenden  Wirkung  wechselt  mit 
lern  Ort,  auf  den  sie  angewendet  werden;  so  erzeugt,  namentlich 
jach  ßidder,  ein  Nadelstich  sicherer  eine  Herzbewegung,  wenn 
i-r  auf  die  äussere  Fläche  der  Ventrikel,  als  auf  die  der  Vorhöfe 
ingewendet  wird;  im  Allgemeinen  erweckt  ein  Erregungsmittel,  auf 
lie  inneren  Flächen  des  Herzens  gebracht,  leichter  Bewegung,  als 
iou  den  äussern  her.  —  2)  Eine  einmalige,  sehr  vorübergehende 
lurreguug  des  Herzens  (auch  wenn  es  ausgeschnitten  und  blutleer 
«t)  ist  nicht  allein  im  Stande  eine  einmalige  Zusammenziehung 
desselben  zu  erregen,  sondern  auch  längere  Zeit  hindurch  die  Pause 
iiu  verkürzen,  mit  andern  Worten,  die  Zahl  der  Herzschläge  in  der 
t'eiteinheit  zu  vermehren.  Diese  Erscheinung  tritt  in  sehr  auffallen- 
eier  Weise  öfter  an  dem  Ventrikel  des  Froschherzens  auf,  der  in 
ler  Querfurche  von  den  .Vorhöfen  getrennt  ist.    Ohne  Zuthun  eines 
nlrregers  liegt  derselbe  meist  vollkommen  ruhig ;  bestreicht  man  ihn 
■>,ber  mit  der  Spitze  einer  Nadel,  so  geräth  er  in  viele  rasch  auf- 
linander  folgende  Zusammenziehungen.  Wie  hier  ein  rasch  vortiber- 
^ehender  Erreger  eine  Nachwirkung  hinterliess,  so  kommt  diese 
le  mter  andern  Umständen  erst  zum  Vorschein,  wenn  der  Erreger, 
ir  las  Herz  längere  Zeit  hindurch  angegriffen.  So  muss  ein  möglichst 
IC  libenskräftiges  Herz  anhaltend,  mehrere  Sekunden  hindurch  von 
■en  Schlägen  eines  starken  Induktionsstromes  getroffen  werden, 
's-  eenn  auch  das  Herz  nach  der  Entfernung  desselben  die  ausser- 
lät  ordentliche  Zahl  von  Schlägen  (bis  zu  600  in  der  Minute)  zeigen 
Dil,  die  der  Strom  bei  seiner  Anwesenheit  erweckt.  —  3)  Eine 
u  iidauernde  elektrische  Erregung,  die  in  allen  andern  Muskeln  teta- 
•ische  Krämpfe  erzeugt,  bringt  das  Herz  im  Ganzen  nur  zu  schnel- 
fj  nren  Bewegungen,  aber  nicht  in  eine  tetanische  Zusammenziehung. 
jB  dagegen  wird  die  Muskelsubstanz  in  einem  beschränkten  Umfang 
n  den  BerUhrungsstellen  des  Herzens  mit  den  Poldrähten  zu  einer 
'.tanischen  Zusammenziehung  veranlasst,  welche  sich  noch  viele  Mi- 
mten nach  Entfernung  des  Erregungsmittels  erhält.  —  4)  DieAuflö- 
ung  vieler  chemischer  Stoffe,  namentlich  des  Opiums,  Strychnins,  des 
Ukohols  u.  8.  w.,  welche  in  die  Herzhöhle  gebracht  wurden,  be- 
|Ähleunigt  für  kürzere  Zeit  den  Herzschlag,  verlangsamt  ilm  aber 
üi^^P'  endlich  das  vollkommene  Absterben  des  Herzens 

Aedingt.  —  Ein  Froschherz  >  welches  in  eine  reine  Sauerstoff'atmo- 

■    Ludwig,  Physiologie  H.   2.  Annage,  7 


gg  Krrcgung  (los  Iferüens. 

Sphäre  gebracht  wird,  schlägt  rascher  (C asteil).  Ein  Gemenge 
von  Ct)j  nnd  atmosphärischer  Luft  soll  den  Herzschlag  kräftigen 
(Brown-S6quard). 

Aus  den  niitgetheilten  Beobachtungen  sind  einige  Ableitungen 
über  die  Abhängigkeit  der  rhythmischen  Herzzusamrnenziehung  von 
den  in  ihm  eingebetteten  Nerven  hervorgegangen,  welche  wenigstens 
als  Ausgangspunkte  neuer  Untersuchungen  erwähnenswerth  sind.  - 

f)'.    Die  Ruhe  sowohl  wie  die  Zuckung  des  lebenden  Herzens 
sind  Folgen  einer  im  Herzen  stattfindenden  Erregung;  beide  Er 
regungsarten  sind  an  räumlich  getrennte  Organe  geknüpft,  welche 
wahrscheinlich  durch  die  Ganglienkörper  dargestellt  werden.  Im 
Froschherzen,  das  aus  Venensack,  Vorhof  imd  Kammer  besteht, 
überwiegen  die  Organe,  welche  Zuckung  erregen;  in  der  Combi 
nation,  die  nur  noch  aus  Vorhof  und  Kammer  besteht,  halten  sich 
die  bewegenden  und  beruhigenden  das  Gleichgewicht;  in  der  los- 
getrennten Kammer  endlich  überwiegen  wieder  die  bewegenden 
Kräfte.    Dieses  folgert  man :   weil  ein  Reiz ,  der  das  gesammte 
Herz  trifft,  nicht  tetanus,  sondern  wechselnde  Bewegung  erzeugt, 
obwohl  die  einzelnen  Muskelfasern  tetanisirt  werden  können;  weil 
der  Anschnitt  der  obern  Vorhofsganglien  Ruhe,  und  das  Ab- 
schneiden des  Vorhofs  wieder  Erregung  erzeugt.    Setzt  man  hinJ 
zu,  dass  durch  einen  starken  constanten  elektrischen  Strom  niJj 
die  beruhigenden  Nervenmassen  in  ihrer  Erregbarkeit  beeinträclM 
tigt  werden,  so  würde  es  auch  begreiflich,  warum  ein  solchdj 
Zuckungen  einleitet.  —  jl 

Die  Eigenthümlichkeit,  dass  ein  vorübergehender  Reiz  ava 
das  Herz  Avie  auf  den  n.  vagus  in  grösserer  Zahl  aufeinander  fol-j 
gender  Bewegungen  oder  die  eine  längere  dauernde  Ruhe  erzeugt! 
soll  sich  ableiten  aus  der  Verbindung  jener  Nerven  mit  den  GangJ 
lien,  da  es  gegen  die  Analogie  verstösst,  dem  Nervenrohr  diesel 
Eigenthümlichkeit  zuzuweisen.  Das  Nähere  geben  die  angezogeneJ 
Schriften  von  Bidd er,  Eckhard,  Bezold,  Hoffa,  Heidenhainl 

£.  Eine  auffallende  Beschleunigung  des  Herzschlags  soll  erJ 
zeugt  werden  durch  Erregung  der  in  das  Herz  tretenden  ZweigJ 
des  n.  sympathicus,    oder  seiner  Ursprünge    in    dem  Hirn  un/ 
Rückenmark.    Diese  Behauptung  scheint  nicht  für  alle  Thiere  in 
gleicher  Weise  zu  gelten.     Mit  Sicherheit  lässt  sich  behaupten, 
dass  eme  Erregung  des  Grenzstrangs  am  Halse  und  in  der  obern 
Brustgegend  beim  Kaninchen  den  Herzschlag  nicht  beschleunig' 


Erregung  des. .Herzens. 


99 


-  (Weinniann).  Henle*)  hat  beim  Menschen  und  Cl.  Ber- 
nard**) beim  Hunde  nach  Reizung  des  ersten  Brustganglions 
eine  Beschleunigung  gefunden.  Budge  endlich  konnte  beim 
Frosch  die  im  Erlöschen  begriffene  Herzbewegung  wieder  anregen 
durch  Reizung  des  vom  Schwanzbein  bis  in  die  Nähe  des  Herzens 
verlaufenden  Grenzstranges,  vorausgesetzt  dass  vorher  die  vagi 
dunihschnitten  oder  die  med.  oblongata  zerstört  war.  Don- 
ders***)  bestätigt  diese  sehr  merkwürdige  Erscheinung.  Die 
entgegengesetzte  Ansicht,  welche  R.  Wagnerf)  vertritt,  die  nem- 
lich,  dass  die  Erregung  des  Sympathicus  eine  Verlangsamung  er- 
zeugen kann,  ist  weder  durch  Wein  mann,  noch  durch  Heiden- 
hain auf  dem  Wege  des  Versuchs  bestätigt  worden. 

Die  älteren  Versuche,  welche  in  der  Absicht  angestellt  wur- 
den, um  den  Beweis  zu  liefern,  dass  mit  der  Bewegung  des  Hiras, 
Rückenmarkes  oder  des  sympathischen  Grenzstranges  die  Herzbe- 
wegung beschleunigt,  oder  mit  Zerstörung  der  emähnten  Theile 
verlangsamt,  resp.  vernichtet  werde,  leiden  an  so  vielfachen  Feh- 
1  lern,  dass  es  vollkommen  unmöglich  ist,  ihnen  noch  irgend  wel- 
«  eben  Einfluss  auf  die  Bildung  eines  Urtheils  zu  gestatten.  Zu- 
I  nächst  übersah  man  meist,  dass  das  blossgelegte  Herz  eines 
:  absterbenden,  mangelhaft  oder  gar  nicht  mehr  athmenden  Thieres 
aus  Gründen,  die  zunächst  in  der  veränderten  Zusammensetzung 
des  einströmenden  Blutes  liegen,  in  sehr  unregelmässiger  Weise 
schlägt.  Volkmannft)  hat  hierauf  zuerst  die  Aufmerksamkeit 
gelenkt.  —  Da  nun  auch  ausserdem  den  Vivisectoren  bis  auf  Ed. 
Weber  und  Budge  die  besondere  Art  des  Einflusses,  welche  der 
n.  vagus  auf  das  Herz  übt,  entgangen  war,  so  befanden  sie  sich 
ausser  Stande,  zu  entscheiden:  ob  die  Veränderung,  welche  nach 
Erregung  oder  Zerstörung  einzelner  Theile  des  Hirns,  Rücken- 
markes oder  des  peripherischen  Nervensystems  eintritt,  die  Folge 
einer  directen  Beziehung  zwischen  jenen  Theilen  und  dem  Herzen 
waren,  oder  ob  sie  es  nur  mit  einer  Veränderung  zu  thun  hatten, 
welche  an  den  Ursprungsstellen  des  n.  vagus  auf  irgend  welchem 
Umweg  erzeugt  war. 


•)  Henle  In  seiner  und  Pfeufers  Zeitsclirlft.   Neue  Folge.  II.  Bd.  p.  300. 
••)  Le^ona  de  Physiologie  exporlmentale  II.  430. 
•")  Physiologie  dos  Menschen.  Lcipüig  185U.  p.  55. 
■f)  Güttinger  gelehrte  Anzeigen.  IKSl.  5121. 
tt)  MUllers  Archiv.  1845. 

7* 


]f)0  U"!""'        Häufigkoit  (IcR  Herzschlags  beim  Mcnsolicii. 

Eine  ausftihrlicliere  Bespreclnmg  der  älteren  Versuche  von 
Humboldt.,  Legallois,  Brächet  u.  s.  w.  siehe  bei  Johann 
Müller  und  Longet*). 

TJeber  die  Häufigkeit  des  Herzschlags  beim  Men- 
ge jjen.  —  Da  die  Orte  des  Hirns, 'aus  welchen  der  n.  vagus  sei- 
neu Ursprung  nimmt,  durch  Seelenzustände,  Reflexe  oder  N'erän- 
derungen  in  der  BlutzusammensetzAing  in  vielfach  abgestufte  Erre- 
gung kommen  können,  da  die  wechselnde  Zusammensetzung  des 
Bluts,  die  Bewegung  des  Brustkastens,  der  verschiedene  Wider- 
stand des  vom  und  zum  Herzen  strömendeu  Blutes  u.  s.  w.  man- 
nigfache Grade  der  Erregung  und  Erregbarkeit  des  Herzens  selbst 
bedingen  können,  so  lässt  sich  voraussehen,  dass  die  Zahl  der 
Schläge,  welche  das  Herz  des  lebenden  Menschen  in  gegebener 
Zeit  vollführt,  keine  sich  gleichbleibende  sein  wird.  Eine  sorg- 
samere Beobachtung  der  Herzschläge  des  lebenden  Menschen  hat 
nun  in  der  That  nicht  allein  die  Schwankungen  in  den  Zahlen  der 
Pulsschläge  erwiesen,  sondern  auch  diese  zu  gewissen  Lebensver- 
hältnissen in  Beziehungen  zu  bringen  gewusst,  so  namentlich,  dass 
die  Beschleunigung  des  Pulses  veränderlich  sei  mit  dem  Genuss 
der  Nahrungsmittel,  der  Muskelbewegungen,  dem  Alter,  Geschlecht, 
der  Körpergrösse,  dem  Blutgehalt  u.  s.  f.  —  Nach  dem  Mechanis- 
mus, durch  den  diese  Umstände  den  Herzschlag  umändern,  hat 
man  bis  dahin  nicht  weiter  gesucht,  und  es  ist  dämm  nicht  zu 
entscheiden,  durch  welche  der  eben  bezeichneten  Weisen  sie  wirk- 
sam sind  und  ob  dieselben  die  einzigen  sind,  welche  den  Herz- 
schlag eines  lebenden  Menschen  umändern  können. 

Da  der  Pulsschlag  für  den  Arzt  von  grosser  Bedeutung  ist, 
so  wird  die  Angabe  der  Regeln,  nach  welchen  die  Pulsverändenuig 
zu  beurtheilen  ist,  nothwendig  sein.  — 

1.  Die  Zahl  der  Pulse  in  der  Minute  ändert  sieh  mit  der  Tageszeit,  und  zwar 
unabhängig  von  der  Nahrung  und  den  Körperbewegungen.  Fröhlich  und  Lichten- 
fels*) fanden,  dass  frühmorgens,  10  Stunden  nach  dem  letzten  Essen,  die  Pulszahl  der 
Minute  69,3  betrug,  16  Stunden  nach  dem  letzten  Essen  war  sie  auf  50  gesunken 
und  20  Stunden  nach  dem  bezeichneten  Zeitpunkt,  war  sie  wieder  auf  53,.3  gestiegen. 
Die  genauere  Veränderlichkeit  der  Pulszahl  mit  der  Zeit  an  dem  Hungertage  giebt 
die  beistehende  Curve  (Fig.  33);  auf  die  y  sind  die  Pulszahlen,  auf  die  x  die  Zeiten 
in  Stunden  nach  der  letzten  Nahrungsaufnahme  verzeichnet. 


du  »"v,,t?^"'  deux.  p.  192.  211.  347.  -  Anatomie  et  ptn-siologie 

uu  systftme  nerveux.  II.  597.  ^ 

*•)  Wiener  Ak«dcm.  Denkschriften.  III.  121. 


Uebor  die  Häufigkeit  des  Herzschlags  beim  Menschen. 


101 


Fig.  33. 


2.  Die  Zahl  der  l'ulsschläge  ändert  sich  mit  dorn  Genuss  der  Nahrungsmittel. 
Fröhlich  und  Lichtenfels  geben  an,  dass  nach  dem  Genuss  eines  Frühstücks  aus 

Kaffee  der  Puls  rasch  ansteige,  dann  allmäh- 
lig  bis  zum  Mittagsessen  sinke,  von  hier 
wieder,  jedoch  nicht  so  hoch  wie  früher, 
ansteige,  bis  zum  Abendbrot  falle,  nach  die- 
sem abermals  steige  u.  s.  f.  Dieser  Gang 
wird  durch  die  Curye  (Fig.  34.)  genauer  dar- 
gestellt. In  dieser  Curve  sind  auf  der  Achse 
X  die  Zeiten  nach  Stunden  aufgetragen,  in 
der  Art,  dass  zugleich  die  Zeitendes  Essens 
angegeben  sind ;  auf  die  erste  0  fällt  das 
Frühstück ,  auf  die  zweite  das  Mittagsessen 
auf  die  dritte  der  Abendkaffee  und  auf  die 
letzte  das  Nachtessen ;  unter  diesen  die  Essens- 
stunde bezeichnenden  Zahlen  sind  die  fortlau- 
fenden Tagesstunden  aufgetragen  von  7,5  Uhr 
Morgens  bis  11,5  Uhr  Abends.  Auf  der 
Achse  y  ist  die  Anzahl  der  Schläge  aufge- 
zeichnet, um  welche  sich  in  der  Minute  der 
Puls  zu  der  bezeichneten  Zeit  vermehrt  oder 
rermindert  hatte.  Um  die  ganze  Zahl  der  Pulsschläge  zu  finden,  muss  man  also  je- 
desmal die  in  der  Curve  verzeichneten  zufügen  oder  abziehen  zu  oder  von  denen, 
welche  sich  nach  lOstündigem  Enthalten  von  aller  Nahrung  vorfanden.  In  dem  vor- 
gezeichneten Beispiel  betrug  dieselbe  aber  69,3  Schläge.  Aehnliche  Beobachtungen 
giebt  Vierordt*). 

Fig.  34. 


3 

— 



8 — 



^ — 

9 — 

y — 

» — 

»— 

ar. 

r  i 

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y  1 

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s  n, 

'/,S 

Mit  einer  Verlegung  der  Mahlzeiten  muss  diese  Curve  natürlich  sehr  verschiedene 
Gestalten  annehmen.  —  Ein  jedes  Nahrungsmittel  wirkt  aber  nicht  auf  gleiche  Weise. 


•)  Vierordt,  Physiologlo  d.  Atlimons.  1845.  p.  6«. 


102 


Ucber  dio  Ilnufigkeit  des  Herzschlags  beim  Menschen. 


Bei  Fleischnahrung  soll  der  Puls  rascher  sein,  als  bei  vegetabilischer  (öuy).  -  Nach 
dorn  Goimss  von  Alkohol  (Bier,  Wein,  Branntwein)  steigt  in  den  ersten  Minuten  die 
Zahl  der  Pulsschläge  weit  unter  diejenige  vor  dem  Genuss  dieser  Mittel,  in  den  darauf 
folgenden  aber  erhebt  sie  sich  hoch  über  die  ursprüngliche  Zahl,  sinkt  und  steigt 
wieder,  und  kehrt  so  allmählich  mit  Schwankungen  zu  der  alten  Zahl  zurück.  —  Koh- 
lensäure (nach  Genuss  von  Brausepulver)  bringt  den  Puls  gegen  20  Minuten  lang  zum 
Sinken,  ebenso  kaltes  Wasser,  während  warmes  Getränk,  namentlicli  Kaffee,  umgekehrt 
ihn  zunächst  steigen  macht  u.  s.  w.  —  Weitere  Beobachtungen  über  Arzneistoffe  siehe 
bei  Lichtenfels  und  Fröhlich,  Blacke*),  Stannius**),  Lenz**»),  Brun- 
ner t)  und  Traubett)-  Indem  wir  die  ausführliche  Erwähnung  dieser  Beobachtungen 
den  Lehrbüchern  der  Heilkunde  überlassen  müssen,  können  wir  uns  nicht  versagen, 
hervorzuheben,  dass  durch  die  genauen  Versuche  von  Traube  dem  Digitalin  eine 
eigenthümliche  Stellung  angewiesen  ist.  Dieses  Gift  erzeugt,  wenn  es  in  kleinen  Dosen 
in  den  Kreislauf  eingebracht  wird,  eine  Verlangsamung,  wenn  es  aber  in  grossen  Dosen 
gegeben,  so  bedingt  es  eine  Beschleunigung  des  Herzschlags;  Traube  erläutert  diese 
Erscheinung  daraus,  dass  das  Digitalin  vermöge  seiner  besondern  Verwandtschaften  auf 
die  Hirnabtheilung  wirkt,  von  welcher  die  Herzzweige  des  n.  vagus  erregt  werden. 
In  kleinen  Mengen  soll  nun ,  nach  Analogie  vieler  chemischer  Erregungsmittel ,  das 
Gift  erregend,  in  grossen  Gaben  vernichtend  wirken,  so  dass  das  Herz  im  erstem  Fall 
unter  dem  Einfluss  des  erregten ,  im  letztem  unter  dem  Einfluss  des  Vagus  schlüge, 
der  seiner  normalen  Erregung  entzogen  wäre.  —  Diese  Erklärang  wird  bestätigt  durch 
die  Erfahrung,  dass  die  den  Puls  verlangsamende  Wirkung  des  Digitalins  meistentheils 
augenblicklich  aufgehoben  wird  nach  einer  Durchschneidung  der  n.  vagi.  Neben  dieser 
Wirkung  durch  den  n.  vagus  hindurch  besitzt  das  Gift  noch  eine  zweite,  direkt  ge- 
gen das  Herz  gehende,  wie  uns  dieses  die  Versuche  von  Stannius  und  Traube 
bestätigen. 

3.  Die  Zahl  der  Pulsschläge  ändert  sich  mit  den  Zustäden  aller  übrigen  Muskcl- 
masscn  des  zugehörigen  Individuums,  resp.  mit  ihrer  Ruhe,  Zusammenziehung,  Emiü- 
dung.  —  Fröhlich  und  Lichtenfels  geben  an,  dass,  wenn  die  Muskelmasse  des 
Armes  durch  das  Anhängen  eines  Gewichtes  von  10  Pfund  ausgedehnt  worden,  der 
Puls  um  ein  weniges  steigt;  um  mehr,  wenn  man  den  Arm  bis  zur  Ermüdung  ge- 
streckt hält;  und  noch  beträchtlicher,  wenn  man  ein  schweres  Gewicht  möglichst  rasch 
hin-  und  hcrsehwingt.  Diese  Steigerungen  erhalten  sich  nur  kurze  Zeit,  minutenlang, 
während  sie  stundenlang  andauern  nach  starken  Ermüdungen  der  Muskulatur  des  Geh- 
apparates. Daraus  ergiebt  sich,  dass  der  Puls  im  Stehen  ein  anderer  ist,  als  im  Sitzen 
und  hier  ein  anderer,  als  im  Liegen.  Bei  vielen  Menschen  wird  schon  durch  Kiefer- 
bewegung der  Pulsschlag  beschleunigt.  ~  Nach  Guy*)  soll  mit  passiven  Bewegun- 
gen des  Körpers  die  Zahl  der  Pulsschlägo  wachsen  und  durch  Niederhängen  des 
Kopfes  abnehmen.  Im  Schlaf  nimmt  aus  hier  zum  Theil  entwickelten  Gründen  die 
•Zahl  der  Pulsschläge  ab. 


•)  Archive  gene'ral.  1839.  VI.  Bd. 
•»)  Arcliir  f.  pliysiolog.  Heilkunde.  X.  Bd. 

•»•)  Experimentu  de  raüono  intor  piilsus  froriucntiam  otc.  Dorpat,  1853. 
t)  Ueber  mittlere  Spannung  im  Gcfässsystcm.  Ziiricli  185i. 
tt)  Annalen  des  Charitc'ltrnnkenhausos.  1851  u.  1852. 
ttt)  Valentins  Jalircsbcricht  Uber  Physiologie.  1848.  p.  123. 


lieber  die  Häutigkeit  des  HerzschlaRs  beim  Menschen. 


103 


4.  Ein  Sturz-  oder  Kcgenbad  von  -f-  4  3o  bis  23»  C.  u.  von  kurzer  Dauer  än- 
rt  den  Puls  nicht;  in  einem  solclien  von  kurzer  Dauer  mit  Wasser  von  -)-  8"  C. 
1  I  ii  der  Puls  klein,  aber  er  ändert  seine  Zahl  nicht.  —  Bei  einem  anhaltend  wirken- 
n  Sturzbad  von  -|-  llo  bis  21»  wird  der  Puls  zunächst  schwach,  langsam  und  unre- 
liiiässig;  tritt  in  Folge  des  Bades  allgemeines  Zittern  ein,  so  wird  der  Puls  schwach, 
-setzend  und  zuweilen  unfiihlbar.  Diese  Erscheinungen  bleiben  aus,  oder  mit  andern 
•  irten  der  Puls  bleibt  nach  Zahl  und  Stärke  unverändert,  wenn  statt  der  allgemeinen 

uchc  nur  der  Arm  gespritzt  oder  gebadet  wird,  wie  auch  die  Temperatur  des  Was- 
, »  beschaffen  sein  mag  (Bence  Jones  und  D  i  c  k  i  n  s  o  n)  *). 

5.  Bei  höhern  Temperaturen  der  Umgebung  wird  die  Pulsfolge  rascher  als  bei 
lern. 

().  Nach  Yolkmann**)  und  Guy  nimmt  in  den  ersten  Jahren  die  mittlere 
ilszahl  rasch  ab,  dann  aber  allmählig  bis  zur  Zeit  der  Pubertät  zu,  von  da  an  er- 
It  sie  sich  constant  bis  in  das  höhere  Greisenalter,  wo  sie  sich  wieder  um  etwas 
l't.  Die  Beobachtungen,  welche  diesen  Behauptungen  zu  Grunde  liegen,  sind  sämmt- 
h  im  Sitzen  vor  dem  Mittagsmahl  genommen ;  wie  lange  nach  dem  Genuss  von 
ihrung  oder  nach  Bewegungen ,  ist  nicht  angegeben.  Ueber  den  Puls  Neugebomer 
he  Seux«**). 

7.  Mit  der  Körperlänge  nimmt  der  Puls  ab,  so  dass  namentlich  das  grössere 
!»or  zwei  gleich  alten  Individuen  einen  langsameren  Puls  hat,  als  das  kleinere.  Ver- 
i  he ,  Pulszahl  und  Körperlänge  durch  eine  empirische  Formel  in  Zusammenhang  zu 
ingen,  siehe  bei  Volkmannf),  Rameaux  und  Serrusft)  etc. 

8.  Der  Puls  der  Frauen  ist  im  Allgemeinen  schneller,  als  der  der  Männer  bei 
iihheit  des  Alters,  der  Lebensart  und  KÖrpergrösse.  Im  Kindesalter  tritt  die  Dif- 
nz  weniger  zu  Tage,  als  im  spätem. 

9.  Nach  einem  voluminösen  Aderlasse  belebt  sich  die  Schlagfolge  des  Herzens 
1 1km  an n)  tt+)- 

lieber  die  Beziehungen  zwischen  Athemzügen  und  Pulsschlägen,  siehe  die  Athem- 
wegungen. 

4.  Ueber  die  Gleichzeitigkeit  der  Bewegung  in 
i  n  Elementartheilen  der  einzelnen  Abtheilungen  des 
erzen 8.  —  Da  das  Herz  aus  einer  grossen  Zahl  getrennter  nur 
Berührung  befindlicher  nervöser  und  muskulöser  Elementartheile 
steht,  so  kann  die  gleichzeitige  Bewegung  der  beiden  Vorhöfe 
id  der  beiden  Kammern  sich  nur  erläutern  aus  einer  gegensei- 
ien  Mittheilung  der  inneren  Zustände  der  Elementartheile,  aus 
'  Ichen  sich  die  erwähnten  Abtheilungen  zusammensetzen.  Die 
>  (lingungen,  welche  zum  Zustandekommen    dieser  gegenseitigen 


•)  Brown  Sdquard,  Journal  de  la  Physiologie.  I.  Bd.  72. 
•  •)  Haemodynnmik.  p.  433. 

")  Valentina  Jahresbericht  Uber  Physiologie  für  1855.  p.  89. 
^)  I.  c.  p.  4.10. 

^)  Bulletin  de  l'academie  dcBruxcllea,  1839. 
tt)  1.  c.  p.  371. 


, ,  Herztöne. 
104 

Mittheilung  gehören,  bestehen:  a.  In  der  unmittelbaren  Berührung 
der  einzelnen  Theile.  Schneidet  man  nemlich  ein  schlagendes 
Froschherz  in  mehrere  Theile,  so  pulsirt  jeder  derselben  zwar  fort, 
aber  die  einzelnen  Stücke  bewegen  sich  nicht  mehr  gleichzeitig,, 
(Volkmann*)). —  b.  Die  einzelnen  Abtheilungen  müssen  sich  in 
annähernd  gleichem  Erregungsznstande  befinden,  denn  es  verlieren 
auch  an  dem  unversehrten  Herzen  die  einzelnen  Muskelbündel  der 
Kammern  die  Gleichzeitigkeit  ihrer  Bewegung,  wenn  man  schäd 
liehe  Einflüsse  in  beschränkter  Ausdehnung  auf  sie  wirken  Hess 
Namentlich  geschieht  dieses,  wenn  man  anhaltend  elektrisches 
Schläge  durch  die  Kammern  sendet;  hierdurch  zieht  sieh  bald  die- 
ser und  bay  jener  Theil  der  letztern  zusammen,  ohne  Betheiligung 
der  übrigen.  —  c.  Die  Orte,  an  denen  diese  Uebertragung  statt- 
findet, lassen  sich  nicht  angeben;  es  ist  nur  zu  behaupten,  dass 
sie  sehr  verbreitet  im  Herzen  vorhanden  sein  müssen,  da  jedes 
Stück  eines  zerschnittenen  Herzens  in  Folge  einer  beschränkten 
Berührung,  z.  B.  eines  Nadelstichs,  noch  in  eine  totale  Zusammen- 
ziehung gerathen  kann. 

Herztöne**).  —  Das  mit  Blut  erfüllte,  noch  in  normaler 
Verbindung  mit  seinen  Arterien  befindliche  Herz  erzeugt  bei  sei'- 
ner  Zusammenziehung  zwei  Töne,  welche  ebensowohl  bei  unver- 
sehrter Brustwandung  gehört  werden,  wenn  man  das  Ohr  in  der 
Nähe  des  Herzens  auf  die  Brustwand  legt,  als  auch,  wenn  man 
nach  eröffneter  Brusthöhle  das  Ohr  mit  dem  freigelegten  Herzen 
in  Berührung  bringt.  — 

Der  erste  dieser  Töne,  von  dumpfem  Klang,  hält  gerade  so. 
lange  an,  als  die  Zusammenziehung  der  Kammern  währt,  der 
zweite  aber  ist  höher  und  kürzer,  und  erscheint  als  ein  heller 
Nachschlag  zum  ersten,  also  gerade  nach  Schluss  der  Kammer- 
systole. Die  beiden  Töne  ändern  sich,  wenn  die  venösen  und 
arteriellen  Klappen  der  Ventrikel  irgend  welche  Umwandlung  ihrer 
Form  oder  ihrer  Elastizität  erfahren  haben,  und  namentlich  soll 
der  erste  mit  der  Veränderung  der  venösen,  der  zweite  mit 
derjenigen  der  arteriösen  (Semilunar-)  Klappe  nach  Klang  und 
Höhe  wechseln.    Daraus  schliesst  man,  dass  der  erste  Ton  ent- 


•)  Müllers  Archiv.  1844.  -  Biddcr,  Ibitlem.  1852.  p.  163. 
••)  Kiwiscli  T.  Rotternu,  Würzburger  Berichte.   I.  Bd.  9.  — 
nlss  n.  a.  w.   Breslau  1852. 


NegB,  Beiträge  zur  Kennt- 


Blutgefässe. 


105 


tehe  durch  Wellenbewegungen,  die  das  strömende  Blut  in  den 
>v läppen  und  Chorden  einleitet,  welche  die  venösen  Mündungen 
lecken,  der  zweite  aber  durch  das  plötzliche  Zusammenschlagen 
1er  arteriellen  Klappen,   die,  wie  wir  später  erfahren  werden, 

I  der  That  am  Ende  der  Systole  entfaltet  werden.  Diese  Annah- 
len  werden  auf  excUisivem  Wege  bestätigt  durch  die  Erfahrung, 
ass  sich  innernalb  eines  Stroms  tropfbarer  Flüssigkeit,  der  in 
teifen  Wänden  durch  unebene  Oetfnungen  dahin  geht,  nur  sehr 
chwer  Töne  erzeugen;  im  Herzen  liegt  somit  gar  keine  andere 
lögUchkeit  des  Tönens  vor.  Zudem  finden  sich,  wie  es  scheint, 
iie  Sehnen  und  Klappen  in  einer  zum  Tönen  hinreichenden 
>pannung. 

Blutgefässe. 

Vom  hydraulischen  Gesichtspunkte  aus  sind  die  Wandungen 
lud  die  Binnenräume  der  Gefässe  bedeutungsvoll. 

1.  Bau  der  Wandungen.  —  Sie  sind,  wenn  ihr  Bau  die 
iTösste  Complikation  zeigt,  ein  Geftige  aus  elastischem,  zelligen 
md  muskulösem  Gewebe,  das  auf  der  dem  Lumen  zugekehrten 
'lache  mit  Epithelien  versehen  ist  (Henle).  —  a.  Das  ela- 
tische  Gewebe  ist  insofern  der  Grundtheil  der  Gefässwandun- 
,en,  als  es  keiner  Abtheilung  desselben  fehlt  und  einzelne  wie 
.  B.  die  meisten  Capillaren,  nur  aus  demselben  gebildet  sind.  — 
)ieses  Gewebe  zeichnet  sich  durch  seine  Dichtheit,  Dehnbarkeit 
ind  seine  Fähigkeit  aus,  sowohl  in  Faser-  als  in  Plattenform  er- 
cheinen  zu  können.  Unter  Dichtheit  (oder  Porosität)  verstehen 
vir  den  Widerstand,  den  es  dem  Durchritt  von  Flüssigkeit  ent- 
egenstellt,  welche  auf  dem  Wege  der  Filtration,  also  in  Folge 
ines  beliebigen  Druckes,  durch  das  Gewebe  getrieben  werden 
ollen.    Rticksichtlich  dieser  wichtigen  Eigenschaft  ist  es  noch  nie- 

II  als  einer  genauen  Untersuchung  unterworfen  worden,  die  mit  be- 
ondern  Schwierigkeiten  verknüpft  ist,  weil  wir  bis  jetzt  noch 
vcinen  Fundort  eiinittelt  haben,  an  dem  man  grössere  Stücke  ho- 
iiogener,  nicht  von  groben  Löchern  durchbrochener  Platten  gewin- 
icn  konnte.  Wir  wissen  nur,  dass  selbst  sehr  dünne  Platten  der 
ogenannten  innersten  Arterienhaut  einen  nicht  unbeträchtlichen 
Jruck  einer  überstehenden  Wassersäule  vertragen,  bevor  Wasser 
iiit  einer  merklichen  Geschwindigkeit  durch  sie  dringt,  und  dass 
)ci  gleichen  Drücken  die  Durchgangsfähigkeit  der  Membran  mit 
1er    chemischen  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit  wechselt  und 


I^^ß  Blutgefässe. 

dass  namentlich  Salz-  und  Eiweisslösungen  schwieriger  filtriren, 
als  reines  Wasser.  —  Die  elastischen  Eigenschaften  des  homogenen 
Gewebes  haben  ebenfalls  aus  Mangel  desselben  noch  nicht  unter- 
sucht werden  konneu.  Aus  Versuchen,  die  mit  möglichst  reinen 
Fasernetzen  angestellt  worden  sind,  darf  man  schliessen,  dass  das 
durchfeuch'tete  elastische  Gewebe  Theil  nimmt  an  den  bemerkens- 
werthen  Eigenthümlichkeiten  vieler  durchtränkter  thierischer  Sub- 
stanzen, die  auf  p.  109  dieses  Bandes  erörtert  sind.  —  Mit  der 
Abnahme  des  Wassergehalts,  oder  der  Gegenwart  von  Salzlösung 
in  seinen  Poren  ist  der  absolute  Werth  der  Coeffizienten  in  einer 
Zunahme  begriffen.  —  Bei  der  Beurtheilung  der  elastischen  Eigen- 
schaften eines  besondern  Stückes  unseres  Gewebes  kommt  es 
natürlich  auch  darauf  an,  ob  dasselbe  aus  einer  homogenen 
Platte,  oder  aus  Fasern  besteht;  in  dem  letzten,  dem  häufigst 
vorkommenden  Falle,  Avird  namentlich  zu  berücksichtigen  sein, 
nach  welchen  Richtungen  die  Fasern  verlaufen,  und  wie  die 
Unterbrechungen  angeordnet  sind.  —  Da  endlich  das  elastische 
Gewebe  ebensowohl  als  eine  vollkommen  gleichartige  Platte  wie 
auch  als  ein  Netz  von  Fasern  der  verschiedenartigsten  Feinheit 
erscheinen  kann,  so  ist  dasselbe  geeignet,  einerseits  vollkommen 
geschlossene  Röhren  von  beliebigem  Durchmesser  und  andrerseits 
auch  ein  die  Wandungen  derselben  verstärkendes  Netzwerk  dar- 
zustellen. 

ß.  Die  Muskel  sc  hiebt*)  der  Gefässe  besteht  überall  aus 
der  muskulösen  Faserzelle;  da  die  Eigenschaften  derselben  schon 
abgehandelt  sind  (I.  Bd.  p.  474.),  so  werden  wir  uns  hier  zu  be- 
schränken haben  auf  die' Folgen,  welche  aus  der  besondern  An- 
ordnung derselben  an  den  Gefässen  hervorgehen.  Zunächst  ist 
hervorzuheben,  dass  die  Muskeln  nicht  an  allen  Gefässen  vor- 
kommen; namentlich  fehlen  sie  vielen  Venen  und  durchgreifend 
den  allerfeinsten  Röhren.  Wo  sie  erscheinen,  kommen  sie  ent- 
weder nur  als  Ringlagen,  wie  in  den  Arterien  (Henle),  oder 
nur  als  Längsschicht,  wie  in  den  Venen,  oder  zugleich  in  beiden 
Lagerungen  vor,  wie  in  den  meisten  mitteldicken  Venen  (Köl- 
liker).  — 

Das  Bindegewebe  und  die  Epithelien  der  Gefässe  geben  zu 
keiner  weitern  Betrachtung  Veranlassung. 


•)  KöUikcr,  lliindbucli  der  Gewebelehre.  18D2.  p.  555.  u.  f. 


Verknüpfung  der  Gewebe  unter  einander. 


107 


Verknüpfung  der  Gewebe  unter  einander.  Auf 
de  schwierige  Frage,  wie  diese  Baumittel  in  der  Gefässwand  zu- 
lammengefiigt  sind,  hat  zuerst  Henle*)  Antwort  gegeben. 

Alle  Gefiisse,  weite  wie  enge,  Arterien  und  Venen,  enthalten 
ine  Lage  gleichartiger  elastischer  Substanz,  welche  an  das  Lumen 
'sr  Röhre  entweder  unmittelbar  angrenzt,  z.  B.  in  den  Arterien 
fsten  Ranges,  oder  nur  durch  das  Epithelium  von  ihm  geschieden 
It ;  sie  stellt  gleichsam  das  Grundrohr  dar,  an  welches  sich  die 
iodera  StotFe  anlehnen.  Zu  diesen  kommen  in  den  Arterien 
öch  weitere  Lagen  von  elastischen  Netzen  und  Muskeln.  Die 
jastischen  Netze  enthalten  um  so  breitere  Fasern  und  demnach 
m  so  geringere  Mengen  von  Oeffnungen,  je  weiter  nach  dem 
anern  sie  liegen;  diese  dichten  Lagen  sind  im  Ganzen  als  innere 
sefässhaut  beschrieben  und  ihre  einzelnen  Blätter  hat  man  als 
'jensterhäute  u.  s.  w.  bezeichnet.  Je  grösser  der  Durchmesser  der 
tefässe,  um  so  stärker  ist  auch  im  Allgemeinen  diese  Haut, 
tfeiter  gegen  den  Umfang  hin  finden  sich  weitmaschige  Faser- 
tetze,  welche  zuerst  von  Muskeln  und  dann  weiter  nach  aussen 
lon  Bindegewebe  durchzogen  sind.  Bekanntlich  nennt  man  die 
me  dieser  Schichten  die  mittlere  Arterienhaut,  oder  auch  t.  mus- 
hlo-elastica ;  die  andere  aber  die  Zellhaut  oder  auch  t.  elastico- 
»njunctiva.  Die  Mächtigkeit  dieser  beiden  letztern  Gewebeabthei- 
mgen  zusammengenommen  wächst  im  Allgemeinen  mit  dem 
ixirchmesser  der  Arterienhöhle,  eine  Regel,  die  nur  dann  eine 
aisnahme  erleidet,  wenn  das  Gefäss,  statt  wie  gewöhnlich  in 
naer  Umgebung  von  lockerem  Bindegewebe,  durch  steife,  wider- 
landleistende  Substanzen,  z.  B.  durch  Knochen  dahin  läuft.  Im 
mzelnen  soll  dagegen  die  Dicke  der  beiden  Schichten  im  umge- 
fehrten  Verhältniss  stehen,  so  dass,  wenn  die  mittlere  Haut  ab- 
■nmt,  die  äussere  im  Zunehmen  begriffen  ist '(Kölliker). 

8.  Menge  der  Muskeln.  Schliesslich  sind  die  Schwankungen 
'  den  relativen  Mengen  der  Muskeln  und  elastischen  Substanz  zu 
Rwähnen.  Im  Allgemeinen  überwiegt  in  den  Arterien  geringsten 
nrchmessers  in  der  mittlem  Haut  die  Muskelsubstanz  in  einem 
sieben  Grade,  dass  man,  ohne  merklichen  Fehler,  sie  geradezu 
i  eine  Muskelhaut  bezeichnen  kann,    während  in  den  stärkeren 


Allgemeine  Aimtomlc.  Leipzig  1841.  p.  4yO  u.  f.  -  Doiiders  und  Jansen,  Arcliiv  für 
Wolog.  Hellknnde.  VI.  p.  361. 


108 


rhysikalischo  Eigonschafton  der  Gcfässwand. 


Geissen  f^'c  elastische  Schicht  ebenfalls  beträchtlich  vertreten  ist. 
In  den  letzten  Gelassen,  den  sogen.  Arterienstämmen  und  Zweigen 
erster  Ordnung  finden  sich  jedoch  mannigfache  Verschiedenheiten; 
nach  Don  der  s  und  Jansen  Uberwiegt  in  den  aa.  aorta,  ano- 
nyraa,  carotides,  subclaviae,  axillares  und  iliacae  die  elastische, 
in  den  aa.  vertebrales,  radiales,  ulnares,  coeliaca,  mesaraicae,  re 
nales,  crurales,  popliteae  die  muskulöse  Substanz. 

Die  feinsten  Gefässe,  oder  Capillaren  enthalten  in  der 
Grundhaut  noch  eine  Kernschicht.*) 

In  den  Venen**)  sind  die  elastischen  und  muskulösen  Be- 
standtheile  in  viel  geringerer  Menge  enthalten,  als  in  den  Arterien 
von  entsprechendem  Durchmesser;  aber  auch  hier  gilt  die  Regel, 
dass  die  Wandungsdicke  im  Zunehmen  begriffen  ist,  wenn  der 
Durchmesser  des  Lumens  wächst.  Zudem  sind  die  Wandungen 
der  Venen  in  der  unteren  Körperhälfte  im  Allgemeinen  denen  in 
der  obern  überlegen.  Die  weiten  Venen  enthalten  auch  verhält- 
nissmässig  weniger  Muskeln,  als  die  engern;  nach  Wahlgren 
haben  in  allen  grössern  Venen  die  nach  der  Länge  des  Gefässes 
laufenden  Muskeln  das  Uebergewicht,  in  der  Art,  dass  nur  die 
vena  portarum,  pulmonalis  und  die  grösseren  Extremitätenvenen 
merkliche  Lagen  von  Quermuskeln  tragen.  Alle  Venen  unter 
1  MM.  Durchmesser  sind  dagegen  von  Längsmuskeln  vollkommen 
entblösst. 

Muskelfrei  sind  nach  KöUiker  die  Venen  und  Sinus  der 
Retina  und  der  Schädelhöhle,  der  corpora  cavernosa  penis  lind  der 
Milz.  Der  Bau  der  Klappen,  av eiche  allen  Venen  zukommen,  mit 
Ausnahme  der  in  den  Lungen,  dem  Darm  und  dem  Hirn  vorhan- 
denen, kann  als  bekannt  vorausgesetzt  werden. 

2.  Physikalische  Eigenschaften  der  Gefässwand.  — 
Da  die  Ableitung  der  Eigenschaften  des  Gemenges  aus  denen  der 
einzelnen  Bestandtheile  nicht  geschehen  kann,  so  hat  man  zuweilen 
versucht,   die  der  Gefässhaut  insgesammt  zu  bestimmen  und  na- 


•)Herr  Prof.  Meissner  hat  in  seinem  danlvcnswertiien  Jahresbcriclit  fiir  185C.  p.  305  gcgtjn 
den  in  der  ersten  Anfinge  des  Werkes  [frUlier  molir  als  jetzt]  gebraucliten  Aiisdrnck  Epitlielial- 
8  Olli  cht  fiir  Zellen  oder  Kerne,  welche  durch  eine  elastische  Platte  oder  Faser  verschmolzen  sind, 
lebhaft  protestirt.  Die  Form  seines  Auftretens  wird  er  mindestens  bedauern,  wenn  er  S.  76,  Zeile  W 
von  unten  in  der  1.  Auflage  dieses  Werkes  gelesen. 

•)  Schrant,  ovcr  do  aderligko  blootv.itcn  u.  s.  w.  —  Wahlgren,  frainstäUning  af  Voncn- 
systenis  alltnUnna  anntomie.  Beide  in  Ilonle's  Jahresbericht  für  1851.  p.  31.  u.  as. 


Elastizittttscoefüzieiit. 


109 


ontlich  -  den  Reibinigscoeffizienten,  der  zwischen  der 
iiern  Membran  und  einer  vorUbergleitenden  Flüssigkeit  bestellt, 
an  vermutliet,  dass  er  bei  der  Glätte  und  der  vollkommenen 
Dehnbarkeit  derselben  nicht  beträchtlich  sei.  —  Die  Cohäsion  der 
lenen  fand  Werth  he  im  viel  beträchtlicher,  als  die  der  Arterien, 
Mch  hat  er  beim  Menschen  nur  die  vena  saphena  und  arteria 
Hnoralis  verglichen;  da  er  die  Untersuchung  begann,  als  dieMus- 
sln  schon  in  Fäulniss  begriffen  waren,  so  möchten  seine  Angaben 
«rade  nicht  sehr  werthvoll  sein.  Seinen  Beobachtungen  wider- 
«richt  auch  Volkmann*). 

Elastizitätscoeffizient.  Bei  einem  Gewebe,  dessen  Ela- 
izität,  weil  es  vorzugsweise  durch  diese  Eigenschaft  wirksam  ist, 
dederholt  der  Gegenstand  eigner  Untersuchungen  geworden,  dürfte 
1  erlaubt  sein,  die  neuen  Angaben  von  Wundt**)  über  die  Ela- 
lizität  der  thierischen  Stoffe  überhaupt  einzuschalten. 

Wenn  ein  bis  dahin  unbelastetes  Gewebe  durch  ein  angebängtes  Gewicht  ver- 
Qgert  wird,  so  nimmt  es  die  Länge,  welche  ihm  unter  dem  Einfluss  des  Gewichtes 
.kommt,  nicht  augenblicklich,  sondern  nur  allmählig  an,  wie  schon  Bd.  I.  p.  430  für 
n  Muskel  erörtert  wurde.  Demnach  unterscheidet  man  eine  augenblickliche  (Anfangs-), 
e  eine  nachträgliche  (Schluss-)  Dehnung.  Dieser  Ausdruck  darf  jedoch  nicht  zu 
r  Annahme  TerfUhren,  dass  die  Bewegung,  welche  in  der  elastischen  Masse  die 
rmreränderung  bedingt ,  in  zwei  zeitlicli  getrennten  Absätzen  geschehe ;  da  im 
gentheil  die  Bewegung  eine  fortlaufende  ist,  deren  Geschwindigkeit  mit  der  fort- 
nreitenden  Zeit  ungemein  rasch  abnimmt,  offenbar  darum,  weil  die  Widerstände, 
liehe  sich  in  der  Masse  der  Form  Veränderung  entgegensetzen ,  mit  der  steigenden 
hnung  sehr  rasch  zunehmen.  Entlastet  man  die  gedehnte  elastische  Masse ,  so 
irebt  sie  ihrer  alten  Form  wieder  zu,  und  erreicht  dieselbe  auch,  vorausgesetzt,  dass  die 
.sdehnung ,  welche  die  Längenheit  der  Masse  erfuhr ,  nicht  allzu  beträchtlich  ge- 
gen, oder  wenn,  wie  man  sich  gewöhnlich  ausdrückt,  die  Elastizitätsgrenze  durch  die 
sdehnung  nicht  überschritten  wurde.  lieber  den  zeitlichen  Verlauf  dieser  Dehnung 
;ilt  Wundt  mit:  1.  Wird  eine  eingeleitete  aber  noch  nicht  vollendete  elastische 
wegung  durch  einen  Einfluss  unterbrochen,  der  in  einem  zur  bestehenden  Bewegung 
igegengesetzten  Sinne  wirkt,  wird  also  z.  B.  die  Belastung  entfernt,  bevor  der  Kör- 
•  die  Länge  angenommen,  welche  dem  Gewicht  entspricht,  und  umgekehrt,  so  ändert 
I  in  Folge  des  vorher  vorhandenen  Einflusses  bestehende  Bewegungsbestreben 
i  Gang  der  neuen  Bewegung  nach  einem  noch  unbekannten  Gesetz  ab.  —  2.  Der 
thche  Verlauf  der  hin-  und  der  rückgehenden  Bewegung  entspricht  sich  nnr  dann 
iiau,  wenn  von  dem  belasteten  Körper  erst  das  Gewicht  abgenommen  wurde,  als  er 
Gleichgewichtslage  vollkommen  erreicht  liatte ,  welche  ihm  in  Folge  der  Last  zu- 
n.  Im  andern  Fall  Uberdauert  die  Zeit  der  Verkürzung  die  der  Ausdehnung.  — 
Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Pormveränderung  fortschreitet,  ist  nicht  pro- 

I*  •)  Haemodynamik.  289  u.  290. 


110 


Elastiüitätscot'ffiiciont. 


portional  doii  Unterschied  der  Längen,  welche  der  ausgedehnte  Körper  schon  ange- 
nommen und  derjenigen,  welche  er  dem  angehängten  Gewicht  gemäss  annehmen  sollte.  — 
4.  Die  Geschwindigkeit  ist  abhängig  von  der  schon  vorhandenen  Dehiiung,  so  dass, 
wenn  zwei  gleiche  Gewichtszusätze  dieselbe  schliessliche  Ausdehnung  erzeugen ,  diesi 
IVilher  erreicht  wird,  wenn  die  Bewegung  vom  Ruhezustand,  später,  wenn  sie  von 
der  Dehnung  durch  ein  schon  vorhandenes  Gewicht  ausgeht. 

Soll  also  der  Elastizitätscoeffizient ,  d.  h.  das  Gewicht  gefunden  werden,  weichet 
die  Querschnittseinheit  eines  Köi-pers  zu  seiner  doppelten  Länge  ausdehnen  würde,  so 
muss  die  gesammte  Dehnung  abgewartet  werden.  Da  dieses  bei  thierischen  Geweben 
wegen  ihrer  grossen  Veränderlichkeit  nicht  angeht,  so  hat  man  sich  mit  einem  Kähe- 
runicsverfahren  zu  begnUgeu,  indem  man  den  Schluss  der  Dehnung,  dann  als  einge- 
treten ansieht,  wenn  sich  während  fünf  Minuten  selbst  durch  das  Mikroskop  kein 
Längenzuwachs  mehr  nachweisen  lässt;  dieses  Mittel  ist  aber  nur  unter  der  Voraus- 
setzung anwendbar,  dass  bei  jeder  Belastung  von  demselben  Euliezustand  ausgegangen 

yifiri,         Ausserdem  ist  bei  der  grossen  Ausdehnbarkeit  der  thierischen  Gewebe  noch 

zu  bedenken,  dass  man,  um  ein  Elastizitätsmaass  innerhalb  der  Elastizitätsgrenze  zu  finden, 
sich  nur  kleiner  Belastungen  zu  bedienen  hat.  Denn  die  Elastizitätsgrenze  kann  nur 
innegehalten  werden  innerhalb  gewisser  Formveränderungen ;  sie  ist  also  allgemein 
nicht  von  der  Grösse  des  Gewichts,  sondern  von  der  Ausdehnbarkeit  abhängig.  lieber 
die  Einzelnheiten  der  Methode  ist  auf  die  Abhandlung  von  Wundt  zu  verweisen. 

Die  von  AVundt  den  feuchten  thierischen  Geweben  allgemein 
zugeschriebeneu  elastischen  Eigenschaften  sind:  1°  Innerhalb  ge- 
wisser Grenzen  ist  die  Verlängerung  den  dehnenden  Gewichten 
proportional.  Dieser  Satz  widerspricht  den  von  "Werthheini 
(1.  Bd.  p.  52.)  aufgestellten;  der  Widerspruch  scheint  wesentlich 
darin  begründet,  dass  der  letztre  Physiker  nur  die  augenblickliehe 
Dehnung  gemessen  und  wahrscheinlich  nicht  jedesmal  von  der- 
selben Ruhelage  aus  gemessen  hat.  —  Als  Beispiel  flir  das  Ela- 
stizitätsmaass für  1  □  M.  M.  Querschnitt  giebt  Wundt  für  die  Ar- 
terienhaut 72  Gr.,  für  die  Sehne  1669  Gr.,  den  Nerven  1090  Gr.,  den 
todtenstarren  Muskel  273  Gr.,  die  drei  ersten  dieser  Zahlen  be- 
ziehen sich  auf  Theile  des  frischgetödteteu  Kalbes,  die  letzten  auf 
einen  Muskel  des  Rindes.  —  2"  die  Elastizitätsgrenzen  sind  flir  ver- 
schiedene Gewebe  verschieden,  gross  fth-  Sehne  und  Venenhaut, 
klein  für  den  Muskel.  —  3"  Alle  Gewebe  sind  durch  eine  grosse 
Dehnbarkeit  und  eine  beträchtliche  elastische  Nachwirkung  und 
zugleich  durch  die  grosse  Veränderlichkeit  derselben  ausgezeich- 
net. —  40  Jenseits  dfer  Elastizitätsgrenzen  nimmt  wie  bei  allen 
Stoffen,  die  Ausdehnbarkeit  mit  den  wachsenden  Gewichten  ab.  — 

Die  für  den  quergestreiften  Muskel  insbesondere  geltenden  Gesetze  würden  für 
unsern  Fall  von  Belang  sein,  wenn  die  Gleichartigkeit  des  Verhaltens  zwischen  ihm 
und  dem  glatten  Muskel  feststünde.  In  Ermangelung  dieses  Nachweisses  dürfte  es  ge- 
rathcn  sein ,  nur  den  einen  Umstand  hervorzuheben ,  dass  der  vom  Blut  durchstriJmte 


Einüuss  der  Muskeln. 


III 


t'roschmuskel  ein  geringes  Elastizitätsmaoss  besitzt  ,  als  das  vom  Blut  befreite ,  wenn 
auch  noch  reizbai-e  Fleisch.  Diese  Thatsache  muss  gegen  den  Werth  aller  vorliegen- 
:.n  Bestimmungen  den  ElastizitütscoL'flizienten  der  gcsainmten  Gcfiisshaut  Zweifel  er- 
logen. Die  Ausdehnbarkeit  der  Ärterienhaut  und  insbesondere  der  Aorta  fand  Har- 
le ss*)  nach  Länge  und  Breite  gleich  gross,  während  andere  Beobachter  und  nanient- 
iih  Yolkmann  die  Arterienhaut  nach  der  Länge  ausdehnbarer  antrafen,  als  nach 
'icT  Quere.  Von  der  Menge,  welche  ein  Gefäss  unter  steigendem  Druck  fassen  kann, 
liandeln  Donders**)  u,  öunning. 

Sichere  Angaben  über  die  Ausdehnbarkeit  der  freien  Gefäss- 
wand  würden  übrigens  noch  nicht  hinreichen,  um  einen  Schluss 
auf  ihre  Wideratandsfähigkeit  innerhalb  des  Körpers  zu  ermög 
liehen,  da  offenbar  diese  ebenso  durch  die  mehr  oder  weniger 
i;rosse  Nachgiebigkeit  der  Umgebung  des  Gefässes  wie  durch  den 
zeitweiligen  Verkürzungsgrad  der  Muskeln  in  der  Gefässwand  be- 
ilingt  ist. 

Aus  allen  vorliegenden  Thatsachen  kann  aber  mindestens 
(las  abgeleitet  werden,  dass  die  Arterien  von  grösserem  Quer- 
schnitt, bevor  sie  zerreissen,  einen  stärkern  Druck  zu  ertragen 
vermögen,  als  alle  übrigen  Gefässe,  und  zugleich  werden  sie  den 
rtltrirenden  Flüssigkeiten  den  bedeutendsten  Widerstand  entgegen- 
setzen. 

3.  Einfluss  der  Muskeln.    Eine  von  dem  Druck  des  In- 
li altes  und  der  Umgebung  unabhängige  Veränderung  ihres  Durch- 
messers werden   nur  die  Gefässe  erleiden  können,    welche  mit 
Muskeln  versehen  sind***).    Dem  anatomischen  Befunde  entspre- 
'  hend,    verengern  sich  nun  in  der  That  unter  dem  Einfluss  der 
elektrischen  Schläge  eines  Induktionsapparates  die  Capillaren  gar 
nicht   (vorausgesetzt,  dass  sie  nicht  in  muskelhaltigem  Gewebe 
sich  verbreiten),    wenig  die  Venen  und  grossen  Arterienstämme, 
im  meisten  aber  die  engeren  und  engsten  Arterienstämme,  welche 
ich    bis    zum    vollkommenen  Verschwinden   ihres  Lumens  con- 
lahiren    können   (E.  H.  und   Ed.  Weber).    Diese  Zusammen- 
'iehungen  der  Gefässe  treten,  den  Eigenschaften  der  Muskeln  eut- 
prechend,  in  Folge  der  erregenden  Einwirkungen  nur  sehr  allmäh- 
iig  ein  und  erhalten  sich  auch  noch  lange  Zeit  nach  Entfernung 
les  EiTegers.  —  Die  Muskeln  sind  übrigens  nicht  allein  von  Be- 


•)  Valentins  Jahresbericht  für  1858.  p.  ^M. 

"*l  "olliiiKlischen  von  Tlieile.  Leipzig  J85ß. 

)  Hilrto  brau  (Iis  Anatomie,  Ansgabc  von  E.  H.  Weber.  UI.  Bd.  7».  -  E.  II.  «.  Ed 
l      ;  *,'.!! 'T'  -  KUlUker  n.  Vlrchow  in  den  Wilrzbnrgor  Verband- 


112 


Nerven  der  GefiisswanduTiK. 


deutung  durch  ihre  Fälligkeit,  sich  zu  verkürzen,  sondera  auch 
durch  ihre  elastischen  Kräfte;  denn  die  vorzugsweise  muskelhal- 
ti"-en  Gefässe  werden  durch  denselben  Blutdruck  in  ganz  verschie- 
dener Weise  ausgedehnt,  je  nachdem  ihre  Muskeln  in  Folge  einer 
heftigen  und  anhaltenden  Zusammenziehung  ermüdet  waren,  oder 
je  nachdem  sie  im  vollkommen  erregbaren  Zustand  sich  befanden. 
Entsprechend  der  Beobachtung,  dass  der  Elastizitätscoeffizient  der 
ermüdeten  Muskeln  niedriger  ist,  als  der  erregbaren,  dehnt  sich  in 
den  erstem  der  bezeichneten  Fälle  das  Gefäss  durch  denselben 
Druck  viel  weiter  aus,  als  in  letzteren  (E.  H.  und  Ed.  Weber). 
Diese  Thatsache  könnte  allerdings  neben  dieser  auch  noch  die 
andere  Auslegung  erfahren,  dass  die  Nerven  desselben  für  ge- 
wöhnlich eine  tonische  Erregung  in  die  Muskeln  senden;  ja  es 
wird  diese  letztere  Annahme  sehr  viel  wahrscheinlicher  in  Anbe- 
tracht des  Umstandes,  dass  Gefässe  deren  Nerven  durchschnitten 
sind,  sich  auf  die  Dauer  ausweiten.  —  Indem  aber  die  Muskeln 
zeitweise  in  den  Zustand  einer  stärkeren  Zusammenziehung  treten, 
werden  sie  zugleich  die  bleibende  Verlängerung  oder  Reckung 
auflieben,  welche  in  allen  elastischen  Stoffen  vorkommt,  die  einem 
Constanten  Druck  ausgesetzt  sind;  denn  während  einer  Zusammen- 
ziehung der  Muskeln  werden  die  elastischen  Gewebe  gleichsam 
entlastet,  und  es  wird  ihnen  somit  Zeit  gegeben,  sich  wieder  auf 
ihre  wahre  Länge  zu  verkürzen.  Alle  Gefässe,  deren  Muskeln, 
resp.  Nerven,  den  natürlichen  Erregern  entzogen  sind,  werden 
darum  sich  allmählig  erweitern. 

4.  Die  Nerven  der  Gefäss  wand  ung*).  Die  cerebrospi- 
nalen  Bahnen  derselben  sind:  die  n.  n.  trigeminus,  facialis  ('?),  va- 
gus  (■?),  spinales,  sympathicus.  Aus  dem  Trigeminus  giebt  es 
Aeste  für  die  Gefässe  der  conjunct.  bulbi  und  Iris,  vielleicht  auch  für 
die  der  Schleimhautdecke  des  Oberkiefers  (Magendie).  —  Aus  dem 
facialis  für  die  Haut  des  Ohrs  (?)  (Bernard).  —  Aus  dem  Va- 
gus für  Ohr  (Schiff)  und  Lungengefässe  (?)  —  Aus  dem  plex. 
cervicalis  zuweilen  Haut  des  Ohrs  und  Hinterhaupts  (Schiff).  -' 
Aus  dem  plex.  brachialis  für  die  Gefässe  von  Haut  und  Muskeln 


•)  Günther,  Untersuchungen  und  Erfuhrungen  im  Gebiete  der  Anatomie  etc.  Hannover 
1837.  —  Cl.  Beruard  Recherches  experimentalos  sur  le  grand  Sympntliique.  Paris  1884.  — 
Pflliger,  Allgemeine  mediz.  Centralzcitung  1855.  Stiicli.  68  u.  76.  1856.  StUcl«.  32.  —  Schiff 
ncurolog.  Untersucliungen.  Frnnitfnrt  1855.  —  Sn  eilen,  Archiv  flir  hoüünd.  Beiträge.  Utrech 
18D7.  I.Bd.  20«.  Gunning,  ibid.  305.  -  Bernard,  Gazette  niddicale  1858.  p.428.—  v.Bezold 
Ueber  die  gckreutzten  Wirltungen  des  Rückenmarks.  Zeitsclirift  für  wl,s.  Zoologie  1858. 


Nerven  der  Qefässwandung. 


113 


ider  obern  Extremität  (Schiff).  —  Aus  den  Dorsal-  und  Lumbal- 
nerven die  Gefässc  der  Eumpfhaut  (?)  —  Aus  denen  der  plex. 
inbalis  und  sacralis  die  Gefässe  der  untern  Extremität  (Pf lii- 
er, Schiff).  —   Aus  dem  Sympathieus    und  zwar  dem  Hals- 
strang fiir  die  Gefässe:  der  Hirnhaut  (Donders)  der  Conjunctiva 
and  Chorioidea  bulbi,  (Sn eilen)  der  Iris  (?),  der  Kopf-  und  Ge- 
ichtshaut    (Budge,  Bernard,  Waller),    der  Speicheldrüsen 
Bernard).  —  Aus  dem  Bruststrang  für  die  Gefässe  der  obern 
xtremität  (Schiff)  und  die  Zweige  der  a.  coeliaca.  —  Aus  dem 
endenstrang  für  die  Darm-,  (Pflüger)  Nieren-,  Leber-,  Milz-, 
enisgefässe  (Günther).  —  Aus  dem  Kreuzbeinstrang  für  die 
etasse  der  untern  Extremitäten. 

Die  in  den  spinalen  und  sympathischen  Bahnen  enthaltenen 
efässnerven  lassen  sich  durch  das  Rückenmark  hindurch  bis  in 
as  verlängerte  Mark  hinein,  aber  nicht  darüber  hinaus  verfolgen 
Nasse,  Budge,  Br  o  wn  -  Sequard,  Schiff,  Pflüger,  Be- 
old) ;  denn  nur  eine  Durchschneidung  des  Rückenmarkes  trennt  sie 
on  ihren  natürlichen  Erregern.  Schiff  giebt  an,  dass  die  Gefäss- 
leiTcn  der  Füsse  und  Unterschenkel  in  das  Rückenmark  eintreten 
nd  dort  auf  derselben  Seite  bis  in  das  verlängerte  Mark  lau- 
n;  die  füi-  den  Oberschenkel  sollen  wahrscheinlich  erst  in  das 
liiTistmark    eingehen;    die  Gefässnerven   für  den  Kopf  und  die 
bere  Extremität  treten  in  das  obere  Brust-  und  das  untere  Hals- 
aark.  (Budge).    Im  verlängerten  Mark  selbst   sollen  sie  nach 
chiff  so  liegen,  dass  die  des  Kopfs,  des  Vorderarms  und  Unter- 
chenkels,  der  Vorder-  und  Hinterfüsse  auf  der  gleichnamigen,  die 
es  Rumpfes,  der  Schultern   des  Oberarms   und  Unterschenkels 
ber  auf  der  entgegengesetzten  Markhälfte  zu  finden  seien.  Be- 
old  bestreitet,  dass  es  nöthig  sei,  eine  gekreuzte  Lage  der  zu- 
tzt  genannten  Gefässnerven  im  Mark  anzunehmen. 

Als  Kennzeichen  für  die  Abhängigkeit  eines  Gefässbezii-ks  vom  betreffenden  Ner- 
n  diente  die  mit  blossem  Auge  oder  durch  das  Mikroskop  sichtbare  Verengung  der 
efiissstämme ,  oder  die  Entleerung  des  aus  jenen  Stämmen  gespeisten  Capillarbezirkes 
Irblassen),  Beides  in  l'olgc  einer  bestehenden  En-egung  der  zugehörigen  Nerven  (Budge, 
er).    Abgesehen  von  den  allgemeinen  Vorsieh tsmaassregeln  gegen  die  bei  der 
lg  sich  einschleichenden  Fehler  ist  hier  noch  für  besondere  Fälle,  namentlich  die 
xtremitäten  zu  beachten,  dass  auch  ein  zusammengezogener  Skelet-Muskel  einen  grossen 
ifiisastamm  zusammendrücken  und  dadurch  das  Erblassen  des  von  jenem  Stamm  ab- 
ngigen  Gefässgaues  erzeugen  könnte.    Man  muss  sich  also  zu  vergewissern  suchen, 
SS  in  solchen  Fällen  das  Erblassen  auch  noch  eintritt,  ohne  dass  eine  Zusammon- 
hung  solcher  Muskeln  ins  Spiel  kommt  (T  flüger).  —  Als  Merkmal  der  Abhängig- 
it  dient  femer,  dass  einige  Zeit  nach  erfolgter  Durchschncidung  die  feinsten  Aeste 
•Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Annage.  8 


114 


Nerven  der  Gefässwandung. 


des  zugoMrigen  Gefässbaumes  sich  strotzend  füllen  (Hausmann),  so  dass  ihre  Ge- 
biete nach  kleinen  Verletzungen  (Nadelstichen)  stark  bluten  (Türck),  und  diese  letz- 
tern auch  das  Blut  warm  erhalten  trotz  solcher  EinflUsse,  die  in  wie  gewöhnlich  durch- 
strömten Bezirken  eine  merkliche  Abkühlung  erzeugen  (Bernard).  Letzte  beiden 
Hilfsmittel  gewähren  bei  undurchsichtiger  Oberhaut  scliätzbare  Auskunft.  —  Mit  der 
Steigerung  der  Temperatur  in  den  Provinzen,  deren  Qefässnerven  durch  den  Schnitt 
gelähmt  sind,  geht  meist  eine  Abkühlung  der  gleichnamigen  in  der  entgegengesetzten 
Körperseite  Hand  in  Hand.  —  Versorgen  gleichzeitig  zwei  Qefässnerven  ein  Körperstück, 
und  sind  dessen  Gefässe  der  unmittelbaren  Anschauung  zugängig,  so  soll  man  dadurch 
ein  Resultat  gewinnen,  dass  die  beiden  Nerven  nicht  unmittelbar  nacheinander,  son- 
dern nach  einer  grossem  Zwischenzeit  durchschnitten  werden ;  die  Gefässcrwciterung 
und  ihre  Folgen,  welche  nach  der  Durchschneidung  des  ersten  Nerven  eintreten,  ver- 
schwinden nämlich  unter  dem  Einfluss  des  noch  vorhandenen  und  kommen  nun  erst 
wieder  nach  Durchschneidung  des  zweiten  und  zwar  verstärkt  und  dauernd  zum  Ver- 
schwinden (Schiff).  —  Eine  eigenthümliche  Verwicklung  bietet  die  Durchschneidung 
des  obersten  Halsmarkes;  sie  ist  begleitet  von  dem  Steigen  der  Temperatur  in  den  End- 
theilen  der  gleichseitigen  Gliedmaassen ,  während  die  Temperatur  des  Eumpfs ,  des 
Oberarms  und  der  Oberschenkel  auf  der  verletzten  Seite  etwas  unter  die  der  ent- 
gegengesetzten sinkt.  Schiff  schloss  hieraus  sogleich,  dass  alle  wärmern  Theile  ihre 
Gefässnerven  aus  der  durchschnittenen  Markhälfte  empfingen,  die  kälteni  aber  aus  der 
entgegengesetzten.  B  e  z  o  1  d  giebt  mit  Recht  zu  bedenken ,  dass  die  abgekühlte  Haut 
über  Muskeln  sich  ausbreite,  welche  durch  den  Markschnitt  gelähmt  und  somit  niedri- 
ger temperirt  sind ,  so  dass  sich  die  Tcmperatureniiedrigung  der  Haut  auch  aus  der 
Berührung  mit  der  kühlem  Unterlage  erklären  lasse. 

Die  Erregungen  welche  die  Gefässnerven  im  gewöhnlichen 
Verlauf  des  Lebens  empfangen,  sind  ihrem  zeitlichen  Verlaufe 
nach  tonische  oder  vorttbergehende.  Dafür  dass  der  Durchmesser 
der  Gefässe,  wie  er  beim  mittleren  Stand  des  Lebens  erhalten 
wird,  in  der  That  von  einer  dauernden  Nervenerregung  abhäug-t, 
spricht  unwiderleglich  die  Thatsache,  dass  nach  Durchschneiduiig 
eines  Gefässnerven  die  von  ihm  abhängigen  Gefässe  sich  erweiten), 
ohne  dass  etwas  Aehnliches  in  andern  Gefässen  mit  unverletzten 
Nerven  vorgeht.  Die  Veranlassung  zur  tonischen  Erregung  geht  in 
allen  uns  bekannten  Fällen  vom  centralen  Mark  und  nicht  von  den  in 
die  Gefässnerven  eingesti-euten  Ganglien  aus,  da  sich  der  Erfolg 
der  Lähmung  gleichbleibt,  ob  man  das  verlängerte  Mark,  oder  die 
Nerven  unmittelbar  nach  dem  Austritt  aus  letzterem,  oder  nach 
ihrem  Durchgang  durch  die  Ganglien  durchschneidet.  —  Die  tonische 
Erregung  der  Nerven  für  die  Gefässe  der  Cutis  macht  Dondei^ 
abhängig  von  der  Temperatur  des  Bluts;  mit  der  steigenden 
Wäi-me  desselben  sinkt  und  mit  der  abnehmenden  steigt  die  Zu- 
sammenziehung der  Gefässmuskeln.  Aber  dieser  Erfolg  ist  kein 
nothwendiger;  denn  im  Kältestadium  des  Wechselfiebers  ist  die 
Blutwärme  gestiegen  und  zugleich  ein  heftiger  Krampf  in  den 


Nerven  der  Gefässwandung. 


115 


lUutgefiissen  der  Haut  zugegen.  —  Die  voriibergeliende  Reizung 
»der  Mindernng  der  tonischen  Erregung  kommt  zu  Stande  ent- 
weder «)  automatiscli;  das  deutlichste  Beispiel  liefert  hierfür  das 
il>hr  des  Kaninchens,  in  welchem  die  Gefässe  nach  einer  sehr  un- 
jgelmässigen  Zeitfolge  sich  verengern  oder  erweitern;  diese  rhyth- 
mische Erregung  findet  sich  am  leichtesten  ein,  wenn  die,  Gefäss- 
nuskelu  in  einem  mittleren  Grad  von  Zusammenziehung  sind,  also 
iicht  am  blassen  und  auch  nicht  am  gepurpurten  Ohr  (Schiff); 
)  durch  leidenschaftliche  Erregung,  wie  Jedennann  z.  B.  die  Angst- 
ässe  bekannt  ist;  —  y)  durch  Mitbewegung,  d.  h.,  wenn  die 
t'erven  willktihrhcher  Muskeln  erregt  werden,  so  ziehen  sich  auch 
iie  Gefässe  zusammen,  deren  Nerven  in  einem  gemeinsamen 
;amme  mit  denen  jener  Muskeln  laufen.  Diese  Zusammenziehung 
schieht  au  Orten,  an  welchen  sie  nicht  durch  ein  Zusammen- 
cken  von  Seiten  der  Muskeln  erklärbar  wird,  z,  B.  nach  Be- 
egung  der  Schenkelmuskeln  ip  der  Schwimmhaut  des  Frosches 
iGunning).  Siehe  hierüber  noch:  Muskelernährung.  —  ß)  Auf 
iflektorischem  "Wege  nach  Erregung  der  sensiblen  Nerven,  welche 
i  der  Nähe  eines  Gefässbaums  enden.  So  z.  B.  die  Gefässe  im 
ihr  des  Kaninchens  nach  vorgängigem  Kneifen  dieses  Organs 
3 n eilen);  es  würde  vielleicht  für  den  Praktiker  von  Belang  sein, 
e  reflektorischen  Beziehungen  der  einzelnen  Gefässgauen  festzu- 
üen. 

Die  bisher  geschilderten  Erregungen  erzeugen  sämmtlich  eine 
rengerung  der  Gefässe  wie  sie  die  Zusammenziehung  ihrer  ring- 
igen Muskeln  verlangt.    Wenn  diese  Zusammenziehung  längere 
feit  hindurch  in  hohem  Grade  bestand,  so  folgt  gewöhnlich  eine 
üdung  der  Nerven  und  Muskeln  und  in  Folge  dessen  eine  über 
Iis  gewöhnliche  Maas  hinausgehende  Erweiterung  der  Gefässe. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  nachträglichen  beschreibt  Gl.  Ber- 
ard  auch  eine  ursprüngliche  Erweiterung  der  Gefässe  unter  dem 
usse  der  Nervenreizung.    Sie  ereignet  sich,    wenn  die  vom 
m  ling.   trigemini   zur   Unterkieferspeicheldrüse  veriaufenden 
rven  gereizt  werden,  und  äussert  sich  durch  ein  rascheres  Aus- 
ömen  von  Blut  aus  den  Speichelvenen.    Wenn  diese  Erschei- 
,ng  eine  unmittelbare  Folge  der  Nervenreizung  ist,  so  konnte  sie 
ir  durch  die  Erschlaffung  der  gewöhnlich  tonisch  angespann- 
Q  Muskeln  nach  Analogie  der  Vaguswirkung  auf  das  Herz  erklärt 
rden.    Unter  diesem  Gesichtspunkt  kommen  viele  Gefässerwei- 
ngen,  wie  z.  B.  die  Schaamröthe,  die  Röthung  des  Pankreas 


116 


Gefiissräumlichkoit. 


während  seiner  Absonderungszeit,  die  Hautreithungen  bei  Neural- 
gien u.  s.  w.  in  ein  neues  Licht.  — 

Ausser  den  durch  Vermittlung  des  Hirn-  und  Rückenmarkes 
erzeugten  Gefässveränderungen  treten  viele  in  Folge  örtlicher  Ein- 
wirkungen auf;  die  Zuriickflihrung  derselben  auf  ihre  wahre  Ur- 
sache ist  oft  schwierig,  weil  sich  neben  der  unmittelbaren  Betbei- 
ligung  der  Nerven  und  Muskeln  auch  noch  die  Wirkungen  des  , 
veränderten  Blutstroms  einstellen;  dieser  letztere  kann  aber  durch 
Umstände  alterirt  werden,  welche  zugleich  Nerven-  und  Muskel- 
reize sind,  wie  z.  B.  durch  Wärme,  die  den  Reiz  mindert;  durch  | 
Salze,   welche  die  Blutflüssigkeit  verdicken  (Virchow);  durch  i 
Säuren  und  Alkali,  welche  die  Gefässwand  tödten  und  das  Blut  j 
gerinnen  u.  s.  w.     Es  ist  daher  für  unsere  Zwecke  nothwendig,  i( 
bei  örtlicher  Anwendung  der  Reize  zuerst  den  Blutstrom  durch  Un- 
terbindung grösserer  Gefässe  zu  beseitigen,  wie  dieses  von  H.  We- 
ber  und  Gunning  geschehen.    Von  den  auf  diesem  Gebiete  ge- 
wonnenen noch  spärlichen  Erfahrungen  heben  wir  hervor,  dass  nach 
örtlicher  Anwendung    der  Electrizität    die  Zusammenziehung  der 
Gefässe  öfter  peristaltisch  weiterschreitet,  und  nach  Entfernung  des 
Reizes    oft   noch    länger    als    eine  halbe  Stunde  stehen  bleibt 
(Wharton,  Jones,  Gunning).  — 

Eine  ganz  eigenthümliche  zeitweise  wiederkehrende  Bewegung 
bemerkte  Gunning  in  der  Schwimmhaut  junger  Frösche;  sie  er- 
regt dadurch  unsre  Aufmerksamkeit,  dass  sie  auch  in  einem  Thiere 
beobachtet  wurde,  welchem  14  Tage  vorher  der  plex.  ischiadicus 
und  die  sympathischen  Zweige  durchschnitten  waren. 

5.  Gefässräumlichkeit.  So  wenig  es  von  Belang  sein 
würde,  den  mittleren  Gesammtraum,  der  von  den  Gefässwänden 
umschlossen  wird,  und  die  Veränderungen  desselben  durch  den 
steigenden  Druck  des  Inhalts  oder  die  Zusammenziehung  der 
Wand  anzugeben,  ebenso  wichtig  dürften  die  Fragen  sein:  wie 
verhält  sich  der  Inhalt  der  einzelnen  Gefässarten  zu  einander,  der 
Arterien  zu  den  C.apillaren,  zu  den  Venen;  oder  wie  stellt  sieb 
zueinander  die  Räumlichkeit  der  einzelnen  Abtheilungen  des  Ge- 
fässsystems,  z.  B.  der  Lungen-  zu  den  Körpergefässen,  zu  den 
Darm-,  den  Nieren-,  Leber-,  Hirn-  u.  s.  av.  Gefässen;  in  welchem 
Verhältniss  variirt  die  Räumlichkeit  der  einzelnen  Gefässarten  und 
Abtheilungen  mit  dem  veränderlichen  Drucke  der  einströmenden  j 
Flüssigkeit  u.  s.  w. 


Lumenve'rändorung  mit  der  Gofässyörtheilung. 


117 


Die  hier  berührten  Fragen  sind  wiederholt  aufgeworfen,  num  Theil  ist  sogar  ihre 
l.(isuug  versucht,  aber  mit  nicht  hinreichenden  Hilfsmitteln.  Namentlich  hat  man 
er  die  Gofiisse  mit  erstarrenden  Massen  ausgespritzt  und  aus  der  Menge  und  dem 
/ifischen  Gewicht  dos  hierzu  verbrauchten  Materials  das  erfüllte  Volum  berechnet. 
>ieso  Versuche,  die  man  meist  zu  andern  Zwecken  angestellt  hat,  würden  für  den 
Inliegenden  brauchbar  sein,  wenn  man  darauf  bedacht  gewesen  wäre,  entweder  das 
anzo ,  oder  nur  eine  bestimmte  Abtheilung  des  Gefässsystems  vollkommen  zu  füllen 
lul  wenn  man  den  Druck,  unter  dem  die  Füllung  geschehen  wäre,  gemessen  hätte  *).  — 

Dem  Augenschein  nach  ist  im  Körperkreislauf  ganz  unzwei- 
elhaft  das  Gesammthimen  der  venösen  Gefässe  dem  der  Arterien 
usserordentlich  überlegen,  da  die  Länge  der  den  beiden  Abtheilun- 
,en  zukommenden  Gefässe  mindestens  gleich,  die  Stämme  und 
veste  im  Venenbereich  aber  zahlreicher  vorhanden  und  zugleich 
i>n  grösserem  Durchmesser  sind;  da  die  Venen,  mit  den  Arterien 
erglichen,  dünnwandiger  sind,  und  da  ein  sehr  beträchtlicher 
rheil  derselben  in  der  Haut,  d.  h.  in  ein  sehr  nachgiebiges  Ge- 
vebe  eingebettet  ist,  so  werden  hydrostatische  Drücke  von  glei- 
hem  Werth  die  Venen  weiter  ausdehnen,  als  die  Arterien.  —  Im 
jingenkreislauf  sind  dem  Augenschein  nach  die  Unterschiede  zwi- 
chen  dem  Venen-  und  Arterieninhalt  nicht  so  beträchtlich;  nach 
!en  Messungen  von  Ahegg  soll  hier  sogar  die  venöse  Abtheilung 
.  eniger  räumlich,  als  die  arterielle  sein. 

Wie  sich  die  Räumlichkeiten  der  Capillaren  verhalten  mögen, 

I  gt  ganz  im  Unklaren.    Jedenfalls  muss  die  Veränderlichkeit  der- 
Iben  in  der  innigsten  Beziehung  stehen  zu  der  Nachgiebigkeit 
i  s  Gewebes,  in  dem  sie  verlaufen,  da  sie  sich  an  das  Lager  eng 
ischliessen,  in  das  sie  eingebettet  sind. 

Veränderung  des  Lumens  mit  der. Vertheilung  der 
c fasse.  Eine  dem  Hydrauliker  ntttzUche  Beschreibung  der  Ge- 
sslumina  fehlt  noch  gänzlich;  es  lassen  sich  nur  wenige  wichti- 
■le  Bemerkungen  aus  den  bis  dahin  gelieferten  Beschreibungen 
(  hen.   a.  Die  mittlere  Länge  eines  Gefässes  ist  im  Allgemeinen 

II  so  geringer,  je  kleiner  sein  mittlerer  Durchmesser  ist.  —  Aus 
t'sem  Gesetz  folgt,  dass  die  Capillaren  nach  beiden  Seiten  hin 

kurze  Stämmchen  zusammenlaufen,  welche  möglichst  rasch  zu 
iiner  weitern  und  längern  sich  vereinigen;  die  relative  Länge  der 
nzelnen  Stücke  ist  noch  nicht  gemessen  worden.  —  ß.  Bei  der 

rästclung  der  Arterien  gilt  die  Regel,  dass  jeder  Zweig,  der  aus 


')  Lilcrntiir  siehe  bi-i  Valentin,  Lehrbuch.  I.  Bd.  U.  Aull.  ji.  VH  u,  iWo.  iiiul  Abbog  in 
Icntlns  Jahresbericht  Uber  Physiologie  fUr  1848,  p.  l'^O, 


118 


Lumonveränderung  mit  der  Gcfdssvcrtheilung. 


einem  Stamme  hervortritt,  einen  geringeren  Durchmesser  besitzt, 
als  dieser.  Zählt  man  dagegen  die  Querschnitte  sämmtlicher  Aeste 
zusammen,  welche  von  einem  Stamme  abgehen,  so  ist  die  hieraus 
hervorgehende  Summe  grösser,  als  der  Querschnitt  des  Stammes 
vor  der  Verästelung.  Von  dieser  Regel  sollen  nach  Paget,  Ben- 
ders und  Jansen*)  nur  eine  Ausnahme  machen:  das  Aortaende 
und  die  iliacae,  indem  von  dem  erstem  zu  den  iiiacis,  und  von  den 
iliac.  commun.  zur  externa  und  interna  das  Lumen  enger  werden 
soll.  Die  Zahlen  der  folgenden  Tabelle,  welche  das  Verhältniss 
der  Querschnitte  ausdrücken,  verdeutlichen  dieses. 


Bogen  der  Aorta 

zu 

den  Aesten 

=  1 

1,055 

Carotis  communis 

=  1 

1,013 

Subclavia 

» 

)} 

=  1 

1,055 

Hiaca  commun. 

=  1 

0,982 

Innominata 

=  1 

1,147 

Carotis  extern. 

=  1 

1,190 

Aorta  abdominalis) 

V 

=  1 

0,893 

über  den  Iliacae) 

Hiaca  extern. 

)) 

=  1 

:  1,150 

Das  erwähnte  verhalten  des  Strombettes  an  der  Gabel  der 
Bauchaorta  fand  auch  Polmer**)  ausnahmslos  bestätigt;  er  be- 
streitet dagegen,  dass  bei  allen  andern  Theilungen  ebenso  aus 
nahmslos  die  Erweiterung  gelte;  so  fand  er 

das  Plussbett  der  anonyma  in    9  Fällen  durch  Theilung  nur    8  mal  vergrössert 
„'        „      carotis  comm.  in  14     „         „  „         „    4  ,, 

„        „      iliaca  comm.  in  18      „         „  „         „     3  „ 

„         „      cruralis         in  12      „         „    _      „         „10  „ 
II        „      coeliaca  u.  renalis  in  allen  untersuchten  Fällen  vergrössert. 

Der  Gesammtquerschnitt  der  Capillaren  übertrifft  höclist  wahr- 
scheinUch  den  des  Arteriensystems  im  Beginn  um  ein  sehr  Be- 
trächtliches. In  den  verschiedenen  Körpertheilen  stellt  sich  aber 
offenbar  das  Verhältniss  der  Querschnitte  zwischen  den  zuführett- 
den  Arterien  und  den  aus  ihnen  hervorgehenden  Capillaren 
sehr  verschieden.  Innerhalb  des  Capillarsystems  selbst,  d.  h.  so 
lange  jedes  einzelne  Gefäss  seinen  mittleren  Durchmesser  nicht 
verändert,  finden  sich,  wie  später  im  Einzelnen  dargethan  werden 
soll,  offenbar  ebenfalls  Schwankungen  im  Gesammtquerschnitt.  — 
Bei  der  Sammlung  der  vielen  Einzelquerschnitte  in  die  wenigen 


•)  Dondors  u.  Baiidiiin,  Handlciding  tot  do  natuurkundc.  II.  a.  p.  91.  — 
'•)  Valentina  Jahresbericht  für  185C.  etc. 


Lumenveränderung  mit  der  Qefassyertheilung. 


119 


der  grössern  Venen  sollen  sich  die  Verhältnisse  gestalten  wie  in 
den  Arterien,  d.  h.  es  sollen  in  der  Richtung  nach  den  grössern 
\'enenstämmen  hin  die  Gesammtquerschnitte  in  einer  Abnahme  be- 
!;iiften  sein. 

Den  Gefassquerschnitt  findet  man  am  todten  oder  mindestens  am  blossgelegten 
lefäss  entweder  aus  dem  Umfang  des  aufgeschnittenen  oder  aus  dem  Durchmesser  des 
,  I  schlossenen  durch  Blut  ausgedehnten  oder  mit  einer  Pinzette  plattgedrückten  Gefässes. 
Im  letztem  Fall  zieht  man  von  der  Bruttozahl  die  doppelte  "Wanddicke  ab.  Zur 
Krmittlung  der  letztem  bedient  sich  Vierordt  einiger  besonderer  Hülfsmittel.  — 
t'denfalls  würden  solche  Messungen  der  Wissenschaft  noch  nützlicher  sein,  wenn  sie 
Uitt  eines  die  verschiedenen  Werthe  des  Durchmessers  angäben,  welchen  das  Gefäss 
hei  wechselndem  Druck  und  bei  gleichem  Erregungszustand  der  Muskeln  oder  bei 
jjleichem  und  wechselndem  Zusammenziehungsbestreben  der  letztern  annimmt.  —  Den 
Durchmesser  der  lebenden  und  zugleich  bedeckten  Gefässe  sucht  Vierordt*)  durch 
Rechnung  und  Messung  auf.  —  Im  erstem  Fall  setzt  er  auf  eine  Schlagader,  die 
über  einen  Knochen  hingeht,  ein  leichtes  Plättchen  mit  einem  senkrecht  gehaltenen  Stab 
auf,  und  bestimmt,  um  wieviel  sich  das  obere  Ende  des  letzteren  senkt,  wenn  nun  das 
Plättchen  soweit  belastet  wird,  dass  sich  die  innern  Gefässwandungen  berühren. 
Obwohl  dieses  Verfahren  vom  Erfinder  selbst  nur  als  Schätzung  bezeichnet  wird ,  ist 
PS  doch  unzweifelhaft  namentlich  als  Fingerzeig  von  Werth.  —  Die  zweite  Methode 
zieht  den  Satz  zu  Hilfe ,  dass  sich  innerhalb  eines  Köhrensystems  von  veränderlicher 
Weite  an  den  verschiedenen  Abschnitten  desselben  die  Geschwindigkeiten  eines  sie 
ilurchkreisenden  Stromes  umgekehrt  verhalten  müssen,  wie  die  Querschnitte.  Würde 
also  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  der  Aorta  oder  einem  beliebigen  Arterienstamm 
bekannt  sein,  und  ferner  der  Durchmesser,  der  ihr  während  der  beobachteten  Strora- 
;,-eschwindigkeit  zukommt ,  und  zugleich  die  Geschwindigkeit  eines  Stroms,  welcher  zu 
derselben  Zeit  in  allen  Aesten.  der  Aorta  oder  des  beliebigen  Stammes  vorkäme,  so 
könnte  man  daraus  die  Gesammtquerschnitte  dieser  Aeste  berechnen.  Alle  diese  Vor- 
kenntnisse, so  weit  sie  vorhanden,  sind  aber  mit  so  grossen  Fehlern  behaftet,  dass 
faktisch  die  Methode  nicht  anwendbar  ist. 

Die  kleinern  Abtheilungen  des  thierischen  Körpers  (Organe 
und  Gliedstücke)  erhalten  aus  verschiedenen  Stämmen  oder  Aesten 
der  Arterien  gleichzeitig  Gefässe;  diese  Gefässe  verbinden  sich 
nun  entweder  (wie  im  Hirn,  der  Hand,  den  Mesenterien),  bevor 
sie  zur  Capillarvertheilung  schreiten,  so  dass  aus  den  grossen  Ver- 
bindungsbogen  erst  die  Arterien  der  letztern  Ordnungen  ausgehen, 
oder  es  verästeln  sich  die  einzelnen  Arterien  isolirt  bis  zu  den 
letzten  Zweigen,  die  dann  erst  unmittelbar  vor  oder  innerhalb  des 
Capillarsystems  sich  verbinden.  In  der  ausgedehntesten  Weise 
l)ilden  sich  dagegen  Capillar-  und  Venennetze.  —  Ö.  Da  der  Blut- 
stroni  nur  vDn  einem  Ort  ausgeht  und  wieder  zu  ihm  zurück- 
kehrt, da  die  Aeste  auf  ihrem  Wege  noch  anastomosiren ,  so  müs- 


•)  Die  Erscheinungen  u.  Gcaetzo  der  Stromgcschwindlglieit.  Frankf.  1858.  64.  ti,  1.  c.  p.G5.  u.  f. 


120 


Von  dorn  Vorhalten  des  Blutes  in  den  Gofasscn. 


seil  in  dem  Geflisssystem  unzählige  Bogen  und  Winkel  liegen, 
deren  Wcrthc  veränderlich  werden  mit  den  Körperstellungen  und 
den  Spannungen  innerhalb  des  Gefässsystems.  Man  rnuss  sich 
darüber  verständigen,  dass  diese  Bogen  und  Winkel  und  deren 
Variationen  unter  den  bezeichneten  Verhältnissen  mit  wenigen  Aus- 
nahmen nicht  messbar  sind,  dass  aber  die  Bestimmung  dieser  we- 
nigen zu  keinen  für  die  physiologische  Hydraulik  wichtigen  Auf- 
schlüssen führen  kann.  — 

Von  dem  Verhalten  des  Blutes  in  den  Gefässen, 

1.  Spannung  des  ruhenden  Blutes  in  den  Gefässen. 
—  Wenn  alle  Bewegungsursachen  des  für  gewöhnlich  bestehenden 
Blutstroms  ausser  Wirksamkeit  gesetzt  sind,  so  muss  nach  Verfluss 
einer  gewissen  Zeit  unzweifelhaft  im  Gefässsystem  ein  Zustand  der 
Ruhe  eintreten,  der  sich  dadurch  markirt,  dass  die  Spannung  des 
Blutes,  insofern  sie  nicht  von  der  Schwere  abhängig  ist,  überall 
die  gleiche  ist.  Es  fragt  sich  nun,  ob  nach  dem  Eintritt  dieser 
Ruhe  sich  das  Blut  an  jedem  beliebigen  Ort  in  der  Spannung  be- 
finde, welche  ihm  vermöge  der  Schwere,  resp.  der  auf  ihm  lasten- 
den Blutsäule,  zukommt,  oder  ob  diese  Spannung  eine  höhere  oder 
niedrigere  sei.  —  Diese  wichtige  Frage,  welche  E.  H.  Weber 
angeregt  hat,  kann  einer  bestimmten  Erledigung  am  lebenden  Thier 
entgegen  gehen,  wenn  man  im  Stande  ist,  die  Spannung  des  Bluts 
zu  messen,  während  man  die  Bewegung  des  Brustkastens,  des 
Herzens  und  der  Gliedmassen  zum  Stillstand  gebracht  hat.  An- 
nähernd gelingt  dieses  wenn  man  die  unteren  Enden  der  durch- 
schnittenen nervi  vagi  mittelst  elektrischer  Schläge  erregt,  während 
die  Thiere  durch  Opium  oder  Chloroform  in  den  Schlaf  versetzt 
worden  sind.  — 

Die  Ausführung  dieses  Versuchs  lässt  erkennen,  dass  das 
Blut  auch  in  der  Ruhe  noch  einer  Spannung  unterworfen  ist, 
welche  aber  nach  den  Ergebnissen  der  Beobachtung  und  der 
Ueberlegung  keineswegs  für  ein  und  dasselbe  Thier  von  gleichem 
Werthe  ist  (Brunner)*).  —  Der  Grund  dieser  Spannung  ist 
nemlich  nur  darin  zu  suchen,  dass  der  Cubikinhalt  des  inneren 
Gcfässraumes,  vorausgesetzt,  dass  seine  Wandungen  in  elastischem 
Gleichgewicht  sind,  kleiner  ist  als  das  in  Wirklichkeit  in  ihnen 
enthaltene  Blutvolum,  so  dass  dieses  letztere  nur  nach  einer 
vorausgegangenen  Ausdehnung  der  Gefässwand   im  Gefässraum 


•)  Debcr  ilio  mittlere  Spannung  Im  Gefässsystem.  Zürich  1851. 


Spannung  des  ruhenden  Blutes. 


121 


Hund  von  mitt- 
lerer Grösse 


Platz  linden  Itann.  Unter  dieser  Voraussetzung  ist  die  Grösse 
der  Spannung  in  den  Gcfässen  abhängig  a)  von  dem  Verhältniss 
des  Gefässraums  und  des  Blutvoluniens,  und  insbesondere  muss 
bei  ein  und  demselben  Tliier  die  Spannung  mit  seiner  Blutmenge 
abnehmen.  Die  Beobachtung  ergab  folgende  Spannungen  des 
Bluts  in  der  Carotis  von  Hunden,  deren  Vagi  erregt  M^urden,  wäh- 
rend sie  mit  Opium  narkotisirt  waren: 

Spannungen  des  Bluts 
Tliier.  in  MM.,  Quecks.  Bemerkungen. 

110,4  Unveränderte  Blutmenge. 

19,0  Nach  Injektion  von  280  Gr.  Blut. 

8,5  Nach  Entziehung  von  256  Gr.  Blut. 

15,2  Unveränderte  Blutmenge. 

22,0  Nach  Injektion  von  487  Gr.  Blut. 

12,5  Nach  Entziehung  von  609  Gr.  Blut. 

Die  Blutmenge,  die  das  Gefässsystem  aber  beherbergt,  muss  in 
der  Zeit  veränderlich  sein,  weil  zu  dem  vorhandenen  Blute  mittelst 
der  Ernährung  stets  neue  Massen  zugeführt  und  aus  ihm  auf  dem 
\  Wege  der  Absonderung  andere  entfernt  werden.  Je  nach  dem 
l  Uebergewicht  des  einen  oder  andern  Hergangs  wird  also  auch  die 
I  Blutmenge  zu-  oder  abnehmen.  —  b.  Die  Spannung  in  der  Ruhe  ist 
kbei  gleicher  Anordnung  der  Gefässröhren  von  der  Ausdehnbarkeit 
der  Röhrenwand  abhängig ,  indem  sich  nach  dieser  die  für  die 
verlangte  Ausdehnung  nöthigen  Drücke  bestimmen.  Weil  nun  die 
Gefäss Wandung  im  engern  und  weitern  Wortsinn  wegen  ihres  Ge- 
haltes an  Muskeln  die  verschiedenartigste  Dehnbarkeit  darbietet, 
je  nachdem  diese  letzteren  zusammengezogen  oder  erschlafft  sind, 
nnd  je  nachdem  wir  den  Gliedmassen  diese  oder  jene  Stellung  ge- 
geben haben,  so  kann  die  Spannung  des  Bluts  bei  unveränderter 
Menge  derselben  sich  nicht  unverändert  erhalten.  Die  Aufgabe  des 
Versuchs  mit  Rücksicht  auf  diese  Fakten  stellt  sich  also  dahin,  die 
Spannung  zu  bestimmen,  einmal  während  die  Gefässhöhlen  durch 
Muskehvirkung,  soweit  als  dieses  überhaupt  möglich,  beengt  und 
zugleich  die  Wandungen  möglichst  Aviderstandsfähig  sind,  und  das 
anderenial  während  gerade  das  Gegentheil  beider  Umstände  vor- 
handen ist,  weil  mit  diesen  Angaben  die  Grenzen  der  möglichen 
Spannung  gegeben  wären.  Die  Bedingungen  für  diesen  Versuch 
ind  aber  nicht  mit  genügender  Schärfe  zu  erhalten  und  zudem 
irdc  sein  Ergebniss  doch  nur  individuelle  Giltigkeit  haben.  — 
US  diesen  und  ähnlichen  Gründen  müssen  wir  es  ableiten,  wenn 


122 


Spannung  dos  ruhenden  Blutes. 


bei  ein  tind  demselben  Thier,  während  seine  Blutmasse  ungeän- 
dert  bleibt,  der  Werth  der  Spannung  wechselt^  je  nachdem  es  nur 
mit  Opium,  welches  die  Nerven  nicht  lähmt,  oder  mit  Chloroform 
in  den  Schlaf  gebracht,  oder,  durch  letzteres  Mittel  getödtet,  dem 
Versuch  unterworfen  würde. 


Thier. 


Spannung  in  MM.  Quecks. 
Carotis. 


Hund 


Bemerkungen. 

Mit  Opium  eingeschläfert. 
Chloroforminhalation, 
Im  Augenblick  des  Todes. 

Wir  müssen  wegen  der  Einzelheiten  des  Verfahrens  auf  die  Brunner' sehe  Ar- 
beit verweisen.    Hier  soll  nur  der  allgemeinen  Wichtigkeit  wegen  die  Bestimmung 


27,5 
21,8 
2,8 


Fig.  35. 


des   Blutdrucks  über- 
haupt angegeben  wer- 
den. —  Haies,  wel- 
cher den  Blutdruck  zu- 
erst bestimmte,  bediente 
sich    des  Verfahrens, 
welches    die  Hydrauli- 
ker bei  Wasserströmen 
gewöhnlich   anwenden , 
einer  einfachen,  geraden 
Glasröhre.   Diese  etwas 
gröbliche  Methode  wurde 
von  Poiseuille  zu- 
erst  dahin  verbessert, 
dass  er  die  in  das  Ge- 
fäss    eingefügte  Glas- 
röhre (a  b  c  Fig.  35.), 
deren  Schenkel  ab  und 
b  c  gleichen  Durchmes- 
ser besassen ,  hebertor- 
mig  bog.  In  die  Schen- 
kel füllte  er,  etwa  so- 
weit   der  schwarzbe- 
zeichilcte    Inhalt  des 
Eohres  geht,  Quecksil- 
ber, und  auf  dieses  in 
dem    kürzern ,  dessen 
Ende  mit   einem  Mes- 
singhahn  versehen  ist, 
kohlensaures  Natron.  — 
Darauf    fügt    er  die 
Dille  d,  während  der 
Hahn    geschlossen  ist, 
in  das  BlutgefEiss,    in  dem  er  die  Spannung  messen  will ,  stellt  das  Rohr  senkrecht 


Eichtung  eines  dauernden  Blutstroms. 


123 


und  öffnet  nun  den  Hahn,  so  dass  das  Lumen  des  Gefässes  und  des  gebogenen  Rohres 
communiziren.  Iif'diesem  Moment  suchen  sich  auch  die  Spannungen  der  Flüssigkei- 
ten in  beiden  Eöhrensystemen  in  das  Gleichgewicht  zu  setzen ,  so  dass,  wenn  die 
Spannung  des  Blutes  höher  als  die  des  Röhreninhaltes  ist,  Blut  aus  dem  Gefäss  in 
das  gebogene  Messrohr  eindringt,  und  das  Quecksilber  aus  dem  kurzen  in  den  langen 
Schenkel  eintreibt.  Man  erhält  dann,  mit  Hilfe  einiger  Correkturen,  aus  dem  Niveau- 
unterschied des  Quecksilbers  in  beiden  Schenkeln  den  Druck,  den  das  Blut  ausübt. 
Da  nun  aber  der  Blutdruck  im  Verlaufe  der  Zeit  oft  so  beträchtliche  Veränderungen 
erfährt ,  dass  das  Auge  der  auf-  und  absteigenden  Quecksilbersäule  nicht  zu  folgen 
vermag,  so  verband  C.  Ludwig  mit  den  Messröhren  ein  Schreibzeug,  vermöge  ' 
dessen  die  in  der  Zeit  veränderlichen  Quecksilberdrüeke  sich  selbst  aufzeichneten. 
Diese  Einrichtung  beruht  auf  einem  Prinzip,  welches  der  berühmte  Mechaniker  ..Watt 
zuerst  in  Anwendung  gebracht  haben  soll.  Man  setzt  nämlich  auf  den  Spiegel  des  im 
Schenkel  h  'c  vorhandenen  Quecksilbers  einen  schwimmenden  Stab  cf  auf,  dessen  freies 
Ende  an  einem  Querholz  einen  Pinsel  g  trägt ,  der  sich  sanft  gegen  einen  Cylinder  A 
anlegt;  dieser  wird  mittelst  des  Uhrwerkes  ii  in  gleichmässiger  und  bekannter  Ge- 
schwindigkeit herumgedreht.  Da  der  mit  Papier  überzogene  Cylinder  während  des 
Umgangs  fortlaufend  andere  Orte  mit  dem  Pinsel  in  Berührung  bringt,  so  schreibt 
dieser  seine  etwaigen  auf-  und  absteigenden  Bewegungen  in  Form  einer  Curve  auf. 
Das  Genauere  dieses  Verfahrens,  das  in  seinen  Einzelheiten  zahlreicher  Modificationen 
fähig  ist,  siehe  bei  Volkmann*),  der  einige  wesentliche  Verbesserungen  in  der 
ersten  Angabe  angebracht  hat.  Inwiefern  der  Apparat  zur  Messung  rasch  veränderlicher 
Spannungen  dient,  siehe  bei  den  absoluten  "Werthen  der  veränderlichen  Spannungen  des 
Blutstroms.  — 

Bei  der  besonderen  Anwendung  füi-  die  Spannung  der  Ruhe  muss  man  annehmen, 
dass  das  Gleichgewicht  im  Gefässsysteme  hergestellt  ist,  wenn  entweder  der  Pinsel 
längere  Zeit  hindurch  eine  horizontale  Linie  auf  das  Papier  des  Cylinders  anschreibt, 
oder,  was  wegen  der  langsamen  Ausgleichung  niederer  Drücke  durch  die  Capillaren 
hindurch  sicherer  ist,  wenn  der  Druck  in  einer  Vene  und  Arterie,  die  beide  dem 
Herzen  möglichst  nahe  liegen  (carotis  und  vena  jugularis),  derselbe  geworden  ist. 

2.  Von  der  Eichtung,  welche  ein  dauernder  Strom 
im  Gefässsystem  nehmen  muss.  Das  Gleichgewicht  der 
Spannung,  von  dem  soeben  die  Rede  war,  besteht  im  Blute  des 
Lebenden  niemals,  da  fortlaufend  Umstände  auf  dasselbe  einwir- 
ken, welche  seine  Spannung  an  verschiedenen  Orten  ungleich 
machen.  Diese  Ungleichheiten,  wie  und  wo  sie  auch  entstanden 
sein  mögen,  können  zur  Ausgleichung  gelangen  durch  einen  Strom 
von  nur  einer  Richtung,  eine  Richtung,  die  demgemäss  ein  jeder 
in  dem  Gefässsystem  erregte  Strom  einschlägt.  Diese  Erschei- 
nung ist  begründet  in  der  Anwesenheit  von  Klappen,  welche 
sämmtUch  so  gestellt  sind,  dass  sie  durch  den  Stoss  nach  der 
einen  Richtung  geöffnet  und  durch  den  entgegengesetzten  zuge- 
schlagen werden.   Diese  Richtung  geht  nun,  wenn  wir  von  der 


')  Hacmodynamik.  p.  148. 


J;24  Störungen  dos  Gleichgewiclits  der  Spannung. 

linken  Herzkammer  «  (Fig.  36.)  beginnen,  durch  die  grosse  Blulr 
bahn,  d.  h.  die  Capillarcn  und  Venen  des  Körpers,  zu  dem  rech- 
ten Vorhof  b  und  tritt  dann  in  die  kleine  Blutbahn  über,  indem 
sie  in  die  rechte  Kammer  c  und  von  dort  durch  Arterien,  Capil- 
pjg  3^  laren,  Venen  der  Lungen  zurück  in 

den  linken  Vorhof  d  kommt.  —  In- 
dem man  das  beistehende  Schema 
betrachtet,  in  welchem  der  Einfach- 
heit wegen  die  Venenklappen  weg- 
geblieben und  nur  die  gleichgerich- 
ten  Ventile  der  Herzmündung  aß  yS 
dargestellt  sind,  sieht  man,  dass  sich 
diese  letztern  sämmtlich  nach  der 
Richtung  des  Pfeils  öffnen.  Würde 
also  durch  irgend  welchen  Umstand 
ein  Strom  in  der  entgegengesetzten 
Richtung  eingeleitet,  so  würde  sich 
dieser  nur  bis  zur  nächsten  Klappe 
erstrecken  können,  da  durch  diese  Strömung  jene  geschlossen 
würde.  Der  Strom  würde  dann  von  dieser  Klappe  reflektirt  wer- 
den und  in  umgekehrter  Richtung,  durch  nichts  gehindert,  weiter 
schreiten,  so  lange  noch  eine  Strömungsursache  vorläge. 

Gewöhnliche  Veranlassungen  zur  Störung  des 
Gleichgewichts  der  Spannung.  —  Zu  den  wichtigeren  zählt 
man  die  Bewegungen  des  Herzens,  der  Brust-  und  Bauchwandun- 
gen, zu  den  untergeordneteren  die  Bejveguugen  der  Gliedmaassen 
und  der  Gefässwaudungen,  die  Schwere  des  Bluts,  den  Lymph- 
strom aus  dem  ductus  thoracicus  und  die  Absonderung  in  den 
Drüsen. 

3.  H  e  r  z  b  e  w  e  g  u  n  g.  Indem  wir  die  Bedeutung  des  Herzens 
für  den  Blutsti-om  erläutern,  gehen  wir  von  den  Voraussetzungen 
des  lebenden  Zustandes  aus.  Dieser  verlangt  aber,  dass  ein  ste- 
tiger Strom  von  Seiten  der  Venen  gegen  die  Vorhöfe  gehe  und 
dass  die  Aorta  stets  mit  Blut  gefüllt  sei. 

a.  Vorkammern.  Die  Erscheinungen,  welche  sich  während 
des  Blutkreislaufs  innerhalb  der  Vorhöfe  ereignen,  sind  für  beide 
nur  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  dieselben.  —  Nachdem  sie 
während  ihrer  Diastole  durch  den  Venenstrom  strotzend  mit  Blut 
gefüllt  sind,  ziehen  sie  sich  in  der  früher  beschriebenen  Weise  zu- 
sammen und  treiben  damit  ihren  Inhalt  sowohl  gegen  die  venösen 


Störungen  des  Gleichgowiclits  dov  Spannxiiig. 


125 


wie  gegen  die  ventrikiilfiren  Mündungen.  Dieser  Stoss  erzielt  an 
;  beiden  Orten  verscliiedene  Effekte.  —  In  den  venösen  Mündungen 
;  trifft  unser  neuer  Strom,  der  vom  Vorhof  gegen  die  Venen  dringt, 
Ii  auf  den  alten  entgegengesetzt  verlaufenden,  und  es  wird  darum 
j;  jedenfalls  die  Flüssigkeit  am  äussersten  Ende  der  Venen  in  eine 
Lgesteigerte  Spannung  gerathen.  Zu  gleicher  Zeit  wird  auch  ihre 
Htrömung  verändert  und  zwar  jedenfalls  in  der  Geschwindigkeit, 
(  vielleicht  auch  in  der  Richtung.  Denn  es  wird,  selbst  wenn  der 
i'Vorhofsstoss  unbedeutend  ist,  jedenfalls  die  Geschwindigheit  des 
[■alten  Venenstroms  vermindert;  sind  dagegen  die  Kräfte  des  Vor- 
I  liofs  bedeutend,  so  wird  das  Blut  in  die  Venen  zurückgeschleudert 
iiuud  es  kehrt  sich  also  die  alte  Stromrichtung  um.  Erfahrungs- 
[-gemäss  dürfte  häufiger  das  letztere  als  das  erstere  eintreten,  und 
es  würde  sich  für  gewöhnlich  der  Rückstrom  des  Bluts  bedeutend 
, geltend  machen,  wenn  sein  Querschnitt  an  der  Venen-Vorhofsgrenze 
nicht  beschränkt  würde.  Dieses  besorgen  aber  die  muskulösen 
(  Ringe  der  Venen,  welche,  indem  sie  sich  mit  den  Vorhofsmuskeln 
[  gleichzeitig  zusammenziehen,  die  Mündungen  jener  verengen.  Die 
1  Wü-kung  dieser  Verengerung,  also  die  Hemmung  des  Rückstroms, 
;  wird  an  dem  rechten  Herzen  durch  die  Klappen  unterstützt, 
[  welche  entweder,  wie  in  der  vena  cava  superior,  etwas  entfernt 
j  vom  Herzen  in  dem  Venenlumen  liegen ,  oder,  wie  an  der  vena 
!  cava  inferior  und  coronaria  cordis,  unmittelbar  im  Herzen  sitzen. 

Diese  letzteren  beiden  Klappen  sind  namentlich  darauf  berechnet, 
i  die  Mündungen  der  erwähnten  Venen  zu  schliessen,  wenn  die- 
selben schon  um  einen  gewissen  Antheil  ihrer  Weite  verengt 
-sind,  und  ausserdem  sind  sie  mit  kleinen  Haftfäden  versehen  (ge- 
vwöhnlich  beschreibt  man  sie  als  durchlöchert),  welche  es  verhüten, 
I  dass  der  Vorhofstoss  die  Falten  in  die  Venenöffnung  hereiutreibt. 
!  —  Wir  schreiten  zur  Beti-achtung  der  Vorgänge,  welche  die  Vor- 
j  hofszusammenziehung  gegen  die  Ventrikularmündungen  veranlasst. 
I  Die  Kammern  sind,  wenn  die  Zusammenziehung  des  Vorhofs  be- 
1  ginnt,  ebenfalls  schon  mit  Blut  angefüllt,  und  zwar  muss  das  Blut 
I  aus  naheliegenden  Gründen  in  den  Vorhöfen  und  Herzkammern 
I  dieselbe  oder  wenigstens  annähernd  dieselbe  Spannung  besitzen. 
I  Wenn  nun  plötzlich  das  Blut  in  den  Vorhöfen  eine  höhere  Pres- 
{  sung  erleidet,  so  wird  ein  Strom  von  diesem  gegen  die  Hcrzkam- 
i  mer  geschehen,  der  eine  merkliche  Dauer  haben  wird,  weil  die 
1  Kamnierwandungen  ausdehnbar  sind.  Er  kann  also  so  lange  an 
!  halten,   bis  die  elastische  Spannung,   welche  diese  Wandungen 


126 


Zusammonziehung  der  Vorhöfe. 


vermöge  ihrer  Ausdehnung  annahmen,  gleich  dem  Druck  ist,  den 
die  Muskehl  des  Vorhofs  dem  Blute  mittheilen.  Da  aber  die 
Ausdehnbarkeit  mit  der  Dicke  der  Wandung  abnimmt  und  umge- 
kehrt mit  dem  Querschnitt  des  Muskels  die  von  seiner  Zusammen- 
ziehung  ausgehende  mechanische  Leistung  wächst,  so  ist  es  von  Be- 
deutung ,  dass  der  linke  Vorhof,  der  den  dickwandigem  linken 
Ventrikel  auszudehnen  hat,  auch  stärkere  Muskelmassen  besitzt, 
als  der  rechte  Vorhof,  der  auf  die  dünnwandige  rechte  Kammer 
wirkt.  —  Die  Zusauimenziehung  der  Vorhöfe  wird  nun,  entspre- 
chend allen  uns  bekannten  Muskelwirkungen,  nicht  während  der 
ganzen  Dauer  ihres  Bestehens  mit  einer  gleichen  Kraft  geschehen; 
sie  wird  im  Gegentheil  allmählig  gegen  ein  Maximum  anwachsen 
und  ebenso  allmählig  von  diesem  Maximum  absinken;  demgemäss 
wird  sie  ihrem  Inhalt  eine  allmählig  steigende  und  dann  auch 
wieder  abnehmende  Spannung  mittheilen,  und  somit  wird  zuerst 
das  Blut  in  den  Ventrikel  einströmen,  dann  wird,  wenn  die  Vor- 
hofskontraktion nachlässt,  die  elastische  Spannung  des  Ventrikels 
das  Blut  wieder  gegen  den  Vorhof  zurücktreiben,  wobei  sich  aber 
die  Zipfelklappen  der  Ventrikelmündungen  schliessen  werden 
(A.  Baumgarten)*).  Hierbei  wird  also  ein  geringer  Theil  des 
Blutes,  der  aus  dem  Vorhofe  in  die  Herzkammer  getrieben  wurde, 
wieder  in  sie  zurückgehen.  Die  Bedeutung,  welche  den  Vorhöfen 
gegenüber  den  Herzkammern  zukommt,  wird  also  eine  zweifache 
sein.  Sie  machen  nemlich  einmal  den  Füllungsgrad  dieser  letz- 
tern unabhängig  von  der  bald  grössern  oder  geringem  Geschwin- 
digkeit und  Spannung,  welche  dem  Strom  zukommt,  der  von  den 
Venen  in  das  Herz  hinein  geschieht,  so  dass  von  diesem  Ge- 
sichtspunkte aus  mit  E.  H.  Weber  die  Vorhöfe  als  Regulatoren 
der  KammerfUllung  angesehen  werden  dürfen.  Zum  andern  aber 
besorgen  sie  den  Klappenschluss  an  der  Venenseite  der  Ventrikel, 
so  dass  sogleich  mit  dem  Beginn  der  Ventrikularzusammenziehung 
sein  Inhalt  auch  eine  Pressung  von  Seiten  dieser  Mündung  er- 
fahren kann. 

Wenn  nun  die  Zusammenziehung  der  Vorhöfe  ganz  nachlässt, 
so  wird  sich  wegen  der  Entleerung  eines  Theils  von  ihrem  Inhalt 
auch  ihre  elastische  Spannung  erniedrigt  haben,  so  dass  dann  die 
in  den  Venen  gespannte  Flüssigkeit  mit  Leichtigkeit  in  den  Vor- 
hot einströmt.    Diese  plötzliche  Entleerung  wird  aber  eine  Beu« 


')  Commentntio  de  meelianismo,  quo  Talvulae  vcnosne  etc.  Marbnrgi  J843. 


Zusammonziehung  der  Herzkammern. 


127 


imgswelle  in  den  Venen  erzeugen,  die  sich  von  dem  Herzen  ge- 
eii  die  Peripherie  fortpflanzt.  Diese  Beugungswelle  soll  später 
ühaudelt  werden. 

b.  Herzkammern.  Die  Betrachtung  der  Ventrikel  beginnen 
ir  mit  der  Zeit,  in  welcher  ihre  Höhle  noch  auf  dem  Maas  der 
usdehnung  beharrt,  die  sie  durch  die  eben  beendigte  Zusammen- 
chung  der  Vorhöfe  erhalten ;  dann  decken  auch  gerade  die  venö- 
■n  Klappen  ihre  zugehörigen  Mündungen  der  Art,  dass  die  win- 
L'lförmig  gebogenen  Sehnen,  welche  ans  den  Papillarmuskeln  in 
ie  Klappensegel  treten,  ausgespannt  sind.  In  diesem  Augenblick 
nd  während  des  Lebens  auch  die  halbmondförmigen  Klappen 
schlössen,  da  von  der  Arterienseite  her  noch  ein  stärkerer 
'l  uck  auf  ihnen  lastet,  als  von  der  Herzseite.  So  wie  dieser  Zu- 
and  eingetreten  ist,  beginnt  aber  sogleich  auch  die  Zusammen- 
lehung  der  Kammermuskeln,  welche  dem  Inhalt  von  überall  her, 
lit  Ausnahme  der  arteriellen  Mündung,  einen  erhöhten  Druck  mit- 
leilt.  Diese  Pressung  schleudert  den  Inhalt  in  die  Arterie  nach 
»efirrnng  der  halbmondförmigen  Klappen  und  drückt  sie  zugleich 
egen  die  Wand  der  Sinus  Valsalvae,  wodurch  in  der  Regel  die 
[ündungen  der  aus  den  Sinus  entspringenden  Art.  coronariae 
eschlossen  werden.  Dieser  letztere  Umstand  gewährt  den  mecha- 
i  sehen  Vorth  eil,  dass  die  Muskelfasern  während  ihrer  Bewegung 
egen  die  Höhle  hin  nicht  zugleich  durch  die  vom  Blutdruck  aus- 
espannten  Herzcapillaren  nach  entgegengesetzter  Richtung  hin  ge- 
■rrt  werden. —  Ob  sich  bei  seiner  Systole  der  Ventrikel  ganz  entleert, 
ird  abhängig  sein  einerseits  von  dem  Umfang  oder  der  Kraft  seiner 
iisammenziehung  und  andrerseits  von  dem  Widerstand,  den  das  Blut 
i  der  Ai-terienmündung  findet.  Wenn  dann  die  Zusammenziehung 
achlässt,  so  werden,  weil  in  den  Arterien  jetzt  die  Spannung  des  Bluts 
lösser,  als  in  den  Ventrikelhöhlen  ist,  die  Semilunarklappen  sich 
or  die  ostia  arteriosa  der  Vorkammer  legen,  so  dass  aus  den 
rterien  kein  Rückfluss  in  den  Ventrikel  geschieht.  Hiermit  wer- 
en  aber  die  Mündungen  der  Coronararterien  sich  öffnen,  und  sich 
un  ein  Strom  durch  sie  bis  in  die  Capillaren  ergiessen.  Von 
(iiten  der  Vorhöfe  wird  dagegen  mit  dem  Eintritt  der  Er- 
•lilaff"ung  des  Ventrikels  ein  Strom  in  dieselben  gelangen;  denn 
nmal  haben  sich  die  Zipfelklappen,  nachdem  das  ausspannende,  ,  " 
.11  den  Ventrikeln  gegen  die  Vorhöfe  drängende  Blut  entfernt  ist, 
■öffnet,  und  dann  hat  sich  das  Blut  in  den  Vorhöfeu  während 
er  Ventrikulaikontraktion    angesammelt,    so   dass  jene  nun  im 


128 


Zusammenziehuiig  der  HerzkaniTncni. 


Maximüm  ihrer  Ftilluug  sich  hefinden.  Die  ausgedehnten  Vorhöfe 
treiben  somit  das  Blut  in  den  schlafi^n,  widerstandslosen  Ventrikel, 
dessen  Erweiterung  noch  begünstigt  wird  durch  die  gerade  jetzt 
stattfindende  Ausdehnung  der  Blutcapillaren  (Marshall  Hall, 
Brücke)*). 

Die  Annalmie,  flass  sich  die  Klappen  während  der  Kammersystole  in  den  Sinus 
Valsalvae  bis  zum  Verschluss  der  Kranzai-teric  einlegen ,  hat  man  aus  mehrern  Grün- 
den bestritten.  Zuerst  sollte  der  Urspning  der  art.  coronariae  aus  dem  Sinus  nicht 
tief  genug  erfolgen ,  um  noch  von  den  Klappen  gedeckt  werden  zu  können.  Nun  er- 
giebt  sich  aber,  dass  nur  bei  vier  bis  fünf  pC.  aller  bisher  untersuchten  Aorten  jene 
Gefässe  über  den  Sinus  Valsalvae  entspringen ,  eine  Beobachtung ,  die  gerade  zcigt^ 
dass  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle,  die  Klappe  hoch  genug  hinaufreicht.  ~ 
Aber  selbst,  wenn  die  Arterie  den  gewöhnlichen  tiefen  Ursprung  nehmen,  kann  die 
Klappe  am  todtenstarrcn  Herzen  nicht  bis  über  die  MünduTig  der  Kranzarterie  hin- 
aufgezogen werden  ;  hierauf  dient  zur  Antwort,  dass  dieses  nur  bei  den  Klappen  nicht 
gelingt,  wo  der  Grund  ganz  oder  halb  an  das  Herziieisch  angewachsen  ist,  während 
mit  den  freien  dieses  leicht  auszuführen  ist.  Solcher  angewachsener  Klappen  haben  nur 
einzelne  Säugethiere ,  wie  z.  B.  das  Schwein  nur  eine,  andere  wie  der  Hund  zwei. 
Hier  ist  nun  leicht  einzusehen ,  dass  das  weiche  lebende  Fleisch  der  Klappen  eine 
Beweglichkeit  erlaubt,  die  das  todtenstaiTC  unmöglich  macht,  so  dass,  eine  Nachgiebig- 
keit dos  Fleischgrundcs  vorausgesetzt,  auch  hier  die  Deckung  möglich  wird.  —  Auch 
sollte  die  Klappenfläche  nicht  genügen,  um  sich  dem  durch  den  systolischen  Blutdruck 
ausgedehnten  Sinus  überall  anzupassen,  und  namentlich  sollte  der  freie  Klappenrand 
nach  Art  einer  Chorda  durch  den  ausgedehnten  Sinus  hergezogen  sein  (Hyrtl,  Ru- 
dingo r).  Die  Entscheidung  hierfür  ■  kann  nur  durch  eine  .Messung  des  Längenver- 
hiiltnisscs  zwischen  den  freien  lländcrn  und  dem  Sinusumfange  gegeben  werden  während 

einer  Stellung ,  wie  sie  durch  eine  hohe 
Spannung  verlangt  wird.  Zu  dem 
Zwecke  füllte  Brücke  in  menschliche 
Aorten  flüssigen  Gyps  unter  Dräcken 
von  0,18  bis  3,17  M.  und  zwar  so, 
dass  sich  die  Taschen  entfalten  muss- 
ten.  Nachdem  der  Gyps  erhärtet  war, 
lösste  er  die  Ärtericuhaut  vorsichtig 
ab ,  und  schnitt  am  Bulbus  der  Aorta 
eine  dreiseitige  Pyramide  an,  deren 
Kanten  gebildet  wurden  durch  die  Be- 
rührungslinie je  zweier  Klappen,  de- 
ren Flächen  bestimmt  waren  durch  die 
Ebenen,  in  welcher  die  fi-eien  Ränder  je 
einer  Klappe  lagen ,  und  deren  Spitze 
endlich  am  Vereinigungspunkt  der  drei 
Klappen   lag;   die    Fig.  37    giebt   eine    Anleitung   zur  Führung   der  Schnitte. 


»)  E.  B  r  ii  ck  e;  Verschluss  der  Krnnzsclilng.idoni  rtiircli  il.  Aortcuklnppen.  Wien  1855;  J.  H  yrtl  Hb. 
a.  Selbststeuerung  il.  Herzens.  Wien  1855.  —  W  i  tt  ich  ;  Posners  Allg.  med.  Centrnlztg.  1857.  5.  Stck. 


Verschluss  dnr  Kranzarterien  durch  die  Semiluiiar-Klappen. 


129 


Fig.   38    (welche   die   Pyramide    von    der  Spitze   gesehen  darstellt)    muss  also 
c  -|-  c  b  grösser  oder  so  gross  wie  a  b  sein  ,  wenn  der  freie  Klappenrand  die  Sinus- 
ncht  ausfüllen  soll.    Diese  Länge  wird  jener  Rand  aber  nur  dann  erreichen,  wenn 
lie  Spitze  c  über  der  Ebene  des  Sinusringes  a  b  her- 
orsteht,  und  zwar  natürlich  um  so  eher,  je  weiter  sie 
unaustlillt;    in  dorn  Maasse ,  in  dem  dieses  geschieht, 
ird  aber  auch  der  Winkel  ach  kleiner  werden.  Nach- 
lem  Brücke  durch  Rechnung  gefunden,  dass  der  Winkel 
cb  nicht  über  111  —  112"  steigen  dürfe,  wenn  a  c  -|- 
b  gleich  lang  mit  a  b  bleiben  soll,  fand  er,  dass  in  der 
nter   so    verschiedenem    Druck    gefüllten    Aorta  der 
.Vinkel    sich    zwischen  92 — 100"   bewegte  und  diesen 
rCerth  niemals  überschritt.    Hierbei   stellte    sich  auch 
och  heraus,  dass  der  Winkel  keineswegs  in  den  be- 
leiehneten  Grenzen  mit   dem  Füllungsdruck  wuchs,    sondern   dass  er  öfter  kleiner 
ar  bei  geringerem  als  bei  grösserem  Druck.    Somit  genügt  auch  die  Ausdehnung  der 
iLlappen  von  rechts  nach  links,  um  den  Sinus  auszukleiden.  — 

Diese  aus  dem  Bau  hergenommenen  Beweise  für  die  Möglichkeit  des  Klappen- 
chlnsses  hat  Wittich  durch  einen  einfachen  Versuch  vervollständigt,  in  welchem  der 
trom  des  Blutes  aus  der  Kammer  in  die  Aorta  möglichst  nachgeahmt  wird.  Ich 
ehme  mir  die  Erlaubniss ,  den  Versuch  so  zu  beschreiben ,  wie  ich  ihn  wiederholt  in 
orlesungen  und  Cursen  mit  günstigem  Erfolg  ausgefühi't  habe. 

An  einem  (absichtlich  zu  gross  gezeichneten)  ßchweineh erzen  in  Fig.  39  bindet  man 
16  art.  coron.  destra  zu  und  setzt  ein  Röhrchen  (b)  in  die  linke  ein  ,  vor  welcher 
ine  freie  Klappe  steht.    Hierauf -fügt  man  ,an  das  Ende  des  Bogens  der  Aorta*) 
m  Gummirohr  (c)  etwa  von  der  Weite  der  Aorta  und  in  den  linken  Vorhof  endlich 
jtzt  man  ein  Rohr  (d),   das  durch  einen  Hahn  verschliessbar  ist.    Derselbe  hat  eine 
aderthalb fache  Bohrung,  vermöge  welcher  bald  ein  Strom  nach  der  Längenrichtung  des 
ohres  und  bald  ein  solcher  senkrecht  auf  dieselbe  durch  die  freien  Mündungen  e  e 
der  Seitenwand  des  Rohres  gehen  kann.    Es  soll  hier  gleich  bemerkt  werden,  dass 
lese  letztere  Einrichtung  dazu  dient,  bald  um  das  Herz  durch  den  Strom  aus  einem 
asserbehälter  zu  füllen,  bald  um  den  vom  Wasserbehälter  abgeschlossenen  Vorhof 
ieder  theilweise  zu  entleeren,  weil  dieses  wegen  des  Schlusses  der  Semilunarklappen 
die  Aorta  nicht  möglich  ist.    Dieses  so  vorgerichtete  Herz  stellt  man  dann  nach  An- 
litung  der  Fig.  39  auf;  in  dieser  bedeutet  f  ein  kleines  Holzgefäss  zur  Aufnahme 
s  Ventrikels,  g  einen  Halter  zur  Fixirung  des  Aortenstumpfs,  h  h  ein  (mit  Einschluss 
8  Hahnrohres)   1,9  M.  langes  Zuflussrohr,  das  aus  einem  obem  Behälter  gespeisst 
rden  kann ,  und  i  einen  Wasserzuber,  der  um  einen  halben  Meter  über  dem  Aorten- 
fang erhaben  ist  und  auf  dessen  Boden  sich  eine  Schicht  Wasser  befindet,  unter 
dches  das  Rohr  c  mündet.    Oeffnet  man  nun,  nachdem  alles  mit  Wasser  gefüllt  ist, 
tn  Hahn  d,  so  dass  der  volle  Strom  das  Herz  durchsetzt  und  rasch  aus  dem  Kaut- 
«oukrohr  in  den  Wasserzuber  fliesst,  so  tritt  nichts  aus  dem  Röhrchen  b,  welches 
8  der  Kranzarterie  hervorgeht,  während,  wenn  man  den  Hahn  schliesst,  plötzlich  ein  Strahl 
8  der  Coronaria  hervorgeht,  der  durch  den  Druck  des  erhobenen  Kautchoukrohres 
■igcleitet  wird,  ein  Druck,  unter  dem  sich  auch  die  Aortenklappen  entfallen.  Dieser 

•)  Wird  die  Aorta  nicht  am  Bogen  sondern  kürzer  nbgcsclniittcn,  so  gelingt  der  Versucli  meist 
ibt. 

Ludwig,  Physiologie  II.   2.  Aullago.  9 


130 


Verschluss  der  Kranzarterien  durch  die  Klappen. 


sehr  schlagende  Versuch  gelingt  jedoch  nicht  immer  und  zwar  versagt  er,  was  heson- 
ders  zu  erwiihuen,  zuweilen  an  einem  Herzen,  an  dem  er  so  eben  noch  gelungen 
war    uud  nn  dem  er  sich  dann  auch  später  wieder  erfolgreicli  lierstellen  lässt.  Eg 
Fig.  39.  scheint,  als  ob  kleine  Verän- 

derungen in  der  Klappenstel- 
lung durcli  ZeiTcn,  Zusam- 
menschieben u.  s.  w.  die 
Schuld  an  dem  Misslingen 
tragen.  Dieser  Versuch  be- 
seitigt auch  die  wiederholt 
ausgesprochene  Bcilirchtuiir;, 
als  ob  die  an  den  Sinus- 
rand angelegte  Klappe  durch 
den  Rückstoss  des  Bluts  aus 
der  Aorta  nicht  ■wieder  her- 
vorgeholt werden  könnte. 

Eine  Hindeutung  darauf, 
dass  sich  auch  während  des 
Lehens  die  Klappen  an  die 
obeni  Begrenzungen  der  Si- 
nus anlegen,  findet  Brücke 
endlich  in  den  Klnppenspuren, 
kleinen  linearen  Eindrücken  an 
der  Innern  Fläche  jener  Si- 
nus ,  in  welche  die  Klappen- 
ränder mit  ihren  kleinen 
Vertiefungen  und  Erhaben- 
heiten oft  auf  das  genaueste 
hineinpassen,  die  also  ver- 
muthlich  durch  das  An- 
sclilagen  der  Klappen  an  die 
Sinuswand  entstanden  sind. 

Das  einzige  Unbestimmte, 
was  dem  beschriebenen  Vor- 
gang noch  anklebt,  be- 
zieht sich  auf  die  Zeit,  in 
welcher  das  Anlegen  der 
Klappen  an  die  Sinus  vollen- 
det ist  und  die  Vorgänge,  welche  in  dieser  Schliessungszeit  eintreten.  Denn  wenn  diese 
Zeit  eine  merkliche  ist,  so  bleibt  in  dieser  dem  Blut,  welches  zwischen  Klappe  und 
Sinus  steht,  ausser  dem  Weg  in  die  Aorta,  auch  noch  ein  andrer  in  die  a.  coronaria 
übrig.  Ganz  in  TJcbereinstimmung  mit  dieser  Unterstellung  sieht  man  zuweilen  bei 
dem  Versuch  mit  dem  todten  Herzen,  dass  in  dem  Moment  des  beginnenden  Stroms 
durch  die  Aorta  nicht  auch  sogleich  der  Strahl  aus  der  art.  coronaria,  sondcni  merk- 
lich später  unterbrochen  wird.  In  andern  Fällen  hört  dagegen  momentan  mit  der 
Drehung  des  Hahnes  d  der  Strahl  aus  der  coronaria  auf,  woraus  hervorgeht,  dass  die 
zum  Anlegen  nöthigo  Zeit  sich  merklich  verschieden  stellen  rauss. 


Folgen  der  Herzbewegung  in  den  Gefiissen. 


131 


Nach  allen  diesen  Beweisen  und  Einsichten  halte  ich  die  Bestätigung  oder  "Wider- 
•'.jung  der  Annahme  von  Marshall  und  Brücke  durch  die  Vivisektion  nicht  allein 
r  unnöthig,  sondern  sogar  für  unthunlich,  da  schon  die  geringsten  Verzerrungen 
I  lud  Verschiebungen  des  blosgelegten  Herzens  den  Erfolg  gefährden  können. 
ii       Die  Annahme,  dass  sich  die  Höhle  der  Hcrzventrikel,  bevor  diese  in  die  Todton- 
itarre  übergegangen  sind,  beim  Eintritt  der  Diastole  auch  ohne  Beihilfe  des  einströ- 
(iwnden  Bluts ,  etwa  in  Folge  der  Elastizität  ihrer  Wandungen ,  erweitern  kann ,  ist 
im  bündigsten  durch  L.  Fick*)  widerlegt.    Im  wahren  Wortsinn  genommen,  giebt 
s  also  keine  Aspiration  der  Vorhöfe.    Die  Erscheinung,  welche  zu  ihrer  Annahme 
ihrt,  und  die  neuerdings  genauer  von  Wey  rieh  und  Bidder  untersucht  wurde, 
Irird  insofern  dieses  nicht  schon  bei  der  Betrachtung  des  Stroms  durch  die  a.  coronaria 
:eschehen,  noch  Bei-ücksiehtigung  finden.  —  Das  tuberculum  Loweri,  ein  Muskelhöcker, 
er  an  der  Scheidewandsilnche  zwischen  vena  cava  superior  und  inferior  liegt,  soll 
.ureh  Ablenkung  des  ursprünglich  senkrechten  Stroms  beider  Venen  aufeinander  be- 
eutsam  sein ;  er  soll  verhüten ,  dass  wenn ,  wie  wahrscheinlich ,  eine  Ungleichheit  in 
.er  Geschwindigkeit  und  Spannung  des  Bluts  in  den  beiden  Strömen  besteht,  die 
itesultante  ihrer  Geschwindigkeiten  nicht  in  eins  der  beiden  Venenlumina,  sondern  ge- 
^en  den  Vorhof  gerichtet  ist.    Diese  Annahme  steht  auf  zweifelhafter  Basis.  — 

c.  Folgen  der  Herzbewegiing  in  den  Gefässröhren.  Die  Blut- 
mengen, welche  der  Ventrikel  in  die  grossen  Arterien  wirft,  wer- 
den dort  einen  Strom  erzeugen,  der  die  in  Fig.  3ß  gegebene 
Ülichtung  einhält.  Da  sich  die  beiden  Herzkammern  immer  gleich- 
leitig  zusammenziehen,  so  erscheint  die  stromerzeugende  Ur- 
lache  innerhalb  des  Gefässsystems  immer  zugleich  an  zwei  Orten, 
lemlich  dem  Anfang  der  grossen  und  kleinen  Blutbahn.  Bei  einer 
lolchen  Anordnung  stellt  sich,  abgesehen  von  allen  übrigen  Eigen- 
Ichaften,  die  Forderung,  dass  aus  jeder  Herzhälfte  immer  gleich- 
riel  Blut  ausströmen  müsse,  weil  der  eine  Ventrikel  dem  andern 
(üe  Flüssigkeit  zusendet,  so  dass,  wenn  dem  nicht  Genüge  ge- 
"teistet  würde,  sehr  bald  die  eine  Abtheilung  ihren  Gesammtinhalt 
1  die  andere  entleert  haben  würde. 

Der  Strom,  welcher  vom  Herzen  aus  erregt  wird,  pflanzt  sich 
i  der  entsprechenden  Gefässabtheilung  bis  zum  Herzen  zurück 
turch  Wellenbewegungen,  Spannungsunterschiede  und 
las  Beharrungsvermögen  fort.  Obwohl  diese  Vorgänge 
■amentlich  in  den  Arterien,  durcheinander  greifen,  so  müssen  sie 
och  gesondert  behandelt  werden.  Zunächst  wenden  wir  uns  zu 
;en  Wellen. 

Da  an  der  Grenze  des  Herzens  und  der  grossen  Gefässe  die 
ledmgungcn  für  die  Wellenbewegungen  vorhanden  sind,  welche 
rfe  theoretische  Auseinandersetzung  (p.  G7.)  für  ihre  Entstehung 


•)  L.  Fick,  MUllcrg  Archiv.  1849.  p.  283. 


9» 


132 


BlutrwcUen,  Simnnungsunterschiedo. 


verlangte,  so  mllssen  sie  auch  entstehen.    Und  zwar  hildet  sich 
eine  Bergwelle  in  den  Arterien  gegen  die  Capillareu,  hinter  der 
im  Arteriensystem  keine  Thalwelle  herschreitet;  in  den  Venen  da- 
gegen bildet  sich  eine  Thalwelle,  die  wiederum,  ohne  dass  eine 
Spannuugswelle  auf  sie  folgte,  gegen  die  Capillaren  hinschreitet. 
Der  Grund,    aus  dem  die  Thalwelle  nach  der  Arterienseite  hin 
ausbleibt,  liegt  darin,  dass  die  Semiluuarklappe  die  Höhlung  der 
Arterien  und  des  Herzeus  abschliesst,  sodass  keine  Entleerung  dt  i 
Arterien  gegen  das  Herz  hin  stattfinden  kann;  nach  der  Venen- 
seite kann  aber  vom  Herzen  aus  keine  Bergwelle  erregt  werden, 
weil  das  in  die  Ventrikel  eingestürzte  Blut  wegen  des  Schlusses 
der  Zipfelklappen  nicht  wieder  direkt  in  die  Vene  zuriickgeschlcu- 
dert  werden  kann.    Das  Hervorstechende  für  die  Bewegung  der 
Flüssigkeit  in  einer  solchen  Welle  bestand  darin,  dass  jedes  m 
dem  elastischen  Rohr  enthaltene  Theilchen  in  der  Richtung  der 
Längenachse  des  Rohrs  eine  Geschwindigkeit    erhielt,    die  vou 
einem  Minimum  zu  einem  Maximum  anwuchs  und  dann  wieder 
absank.    Diese  verschiedenen  Stadien  der  Geschwindigkeit  erlang- 
ten nun  aber  die  Theilchen  nicht  sämmtlich  gleichzeitig,  sondeni 
successive,  sodass,  wenn  z.  B.  die  dem  Herzen  zunächst  gelegeneu 
FlUssigkeitsabschnitte    eine    erhöhte  Geschwindigkeit  empfangen 
haben,  diese  den  entfernteren  noch  nicht  zukommt,   und  umge- 
kehrt, dass,  wenn  die  vom  Herzen  entfernteren  noch  mit  irgend 
welcher  geringem  oder  grossem  Geschwindigkeit  begabt  sind,  die 
dem  Herzen  näher  liegenden  schon  zur  Ruhe  gekommen  waren. 
Durch  eine  solche  Welle  rücken  nun  alle  Theilchen  um  eine  ge- 
wisse Wegstrecke  in  dem  Lumen  der  Gefässe  weiter,  und  zwar  ge- 
langen sie  durch  die  Bergwelle  in  den  Arterien  von  dem  Herzen 
gegen  die  Capillaren,  durch  die  Thalwelle  in  den  Venen  von 
den  Capillaren  gegen  das  Herz  hin.    Obwohl  demnach  beide  Wel- 
len eine  Bewegung  der  Flüssigkeit  in  gleichem  Sinne  erzeugen, 
reichen  sie  doch  erfahrungsgemäss  nicht  zur  Erhaltung  des  Stromes 
in  den  Gefässröhren  hin,  da  sie  auf  ihrem  Wege  durch  dieselben 
vernichtet  werden.    Der  Grund  dieser  Vernichtung  liegt  in  dem 
Kraftverlust,  der  durch  den  kraftübertragenden  Stoss  und  die  Rei-  ; 
bung  an  den  Wandungen  bedingt  wird.    Da  in  unserem  Röhren-  | 
werke  aber  die  Biegungen,  Theilungeu  und  der  Umfang  der  Wand-  ] 
flächen  selbst  gegen  die  Capillaren  hin  in  ausserordentlicher  Zu-  | 
nähme  begriffen  sind,  so  müssen  auch  die  in  der  Welle  vorhandenen  : 
Bewegungen  der  Flüssigkeit  in  den  unmittelbar  an  die  Capillaren 


Blutwellen,  Spannungsuntorschiede. 


133 


grenzenden  Arterienstttcken  auf  gleich  langen  Stücken  viel  be- 
I iichtlicber  abnehmen,  als  in  den  grossem  Gefässen.  Und  weil 
ie  Kräfte,  welche  die  Welle  in  der  Arterie  erzeugen,  sehr  viel 
cdeutendev  sind,  als  die,  welche  das  Zusammenfallen  der  Venen- 
ufänge  erzeugt,  so  wird  die  arterielle  Welle  kräftiger  sein,  als 
ie  venöse,  und  diese  somit  auch  eher  (d.  h.  entfernter  von  den 
apillaren)  schwinden,  als  die  erstere.  — 

Wenn  die  Wellenbewegung,  welche  den  Theilchen  des  Inhalts 
1  den  grossen  Arterien  eigen  war,  gegen  die  Capillaren  hin  er- 
seht, so  müsste  offenbar,  wenn  die  Blutbewegung  allein  abhängig 
,iire  von  der  Wellenbewegung,  der  Herzinhalt  nur  bis  zu  den 
apillaren,  aber  nicht  durch  sie  hindurchdringen;  und  aus  dem- 
Ahen  Grunde  könnte  die  Beugungswelle  das  Blut,  welches  sie 
ihliesslich  in  das  Herz  wirft,  nicht  aus  den  Capillaren  beziehen, 
leides  trifft  nun  aber  nicht  ein,  indem  thatsächlich  in  den  Capil- 
ueu  ein  ruhiger  und  gleichmässiger  (nur  unter  ganz  besondern  - 
luständen  ungleichförmig  beschleunigter)  Strom  von  den  Arterien 
u  den  Venen  dringt.  Die  erste  Veranlassung  dieses  Stroms  liegt 
1  den  Spannungsunterschieden,  Avelche  den  Flüssigkeitsth  eil  eben 
uf  den  verschiedenen  Abschnitten  der  Bahn  vom  Herzen  aus  bis 
urück  zu  ihm  zukommen.  Dieselben  entstehen  aber  folgender- 
laassen:  Durch  die  Herzmiindung  dringt  mit  jeder  Zusammen- 
iehung  der  Kammermuskeln  in  einem  kurzen  Zeitraum,  also  mit 
osser  Geschwindigkeit,  der  Herzinhalt  ein,  und  da  dieser  auf 
einem  Wege  bis  zu  den  Capillaren,  seine  Geschwindigkeit  einbtisst, 
0  muss  er  sich  in  dem  arteriellen  System  anhäufen.  Dieses  kann 
uu  aber  nur  durch  eine  Ausdehnung  des  Plohlraums  der  Arterien, 
Iso  durch  eine  Ausspannung  ihrer  Wandungen  geschehen,  welche 
■Tztere  aber  relativ  eine  sehr  beträchtliche  sein  muss,  da  der  In- 
alt  der  Arterien  im  Verhältniss  zu  dem  der  Ventrikel  nicht  gerade 
edeutend  ist;  bedenkt  man  noch,  dass  der  bedeutendste  Theil  der 
rteriellen  Gefässwandung  wegen  ihrer  Dicke  weniger  ausdehnbar 
't,  so  ist  ersichtlich,  dass  Kräfte  von  einem  nicht  unbedeutenden 
G  erthe  dazu  gehören,  um  die  arterielle  Gefässhöhle  bis  zu  dem 
mfang  zu  enveitern,  dass  sie  zu  ihrem  normalen  Inhalt  auch 
nch  den  des  Herzens  aufnehmen  kann.  Mit  andern  Worten,  es 
erden  die  ausgedehnten  Membranen,  weil  sie  nach  der  Ausdeh- 
iing  wieder  ihren  ursprünglichen  Flächenranm  einzunehmen  stre- 
cn,  einen  Druck  auf  ihren  Inhalt  ausüben,  der  den  Druck  im 
i'.lienden  Blut  beträchtlich  tibersteigt.  —  Im  umgekehrten  Verhält- 


134 


Spannungen  dos  strömenden  Bluts. 


nisse  finden  sich  nun  gerade  die  Venen.  Durch  die  l^lntmenge, 
welche  nach  der  Ilerzkontraktion  aus  ihnen  strömt,  wird  ihre  ur- 
sprüngliche Spannung  vermindert,  eine  Verminderung,  die  nach 
einer  einmaligen  Zusnmmenziehung  allerdings  nicht  sehr  auffällig 
sein  kann,  da  der  Inhalt  des  Herzens  im  Vergleich  zu  dem  der 
Venen  sehr  unbeträchtlich  ist. 

Nun  kann  aber  in  der  sonst  gleichbeschaffenen  Flüssigkeit 
innerhalb  eines  zusammenhängenden  Röhrenwerks  kein  ungleicher 
Druck  bestehen,  ohne  das  Bestreben  einer  Ausgleichung  zu  wek- 
ken,  d.  h.  ohne  dass  die  gespanntere  Flüssigkeit  gegen  die  minder 
gespannte  hinsrömte,  und  somit  muss  von  den  Arterien  durch  die 
Capillaren  hindurch  eine  Strömung  eintreten,  welche  auch  dann 
noch  fortdauert,  wenn  schon  die  Herzkontraktion  beendet  ist. 

Der  einmal  eingeleitete  Strom  verfolgt  aber  seine  ursprüng- 
liche Richtung  der  Trägheit  wegen  weiter,  selbst  wenn  die 
Drücke  in  den  Stromrichtungen  zunehmen,  statt  abzunehmen,  wie 
dieses  in  der  allgemeinen  Einleitung  gezeigt  wurde  (p.  60).  — 
Dieser  Umstand  muss  sich  also  auch  im  Kreislauf  geltend  machen, 
wie  wir  noch  sehen  werden.  —  Da  nun  aber  die  vorhandene  Ge- 
schvdndigkeit  im  Blutstrom  immer  vorher  als  Spannungsunter- 
schied bestand,  so  können  wir  diese  im  Allgemeinen  auch  als  die 
wesentliche  Bedingung  des  Stroms  ansehen. 

d.  Spannungen  des  strömenden  Blutes.  Was  von  ihnen 
bekannt  ist,  bezieht  sich  immer  nur  auf  die  Wandspannung,  da 
man  bis  dahin  noch  nicht  daran  denken  konnte,  die  mit  dem 
Querschnittsort  veränderliche  Spannung  zu  bestimmen.  Obwohl 
diese  Lücke  vom  theoretischen  Gesichtspunkte  aus  zu  beklagen 
ist,  so  ist  sie  doch  für  den  praktischen  Physiologen  weniger  fühl- 
bar. Die  wichtigsten  Folgen  des  Drucks,  die  Berührangsfläche  des 
Bluts  mit  den  Geweben  (Ausdehnung  der  Gefässwände  und  ihrer 
Poren),  und  der  Einfluss  der  Spannung  auf  die  Bewegungen  der 
Flüssigkeit  innerhalb  der  Poren  sind  von  dem  Wanddruck  ab- 
hängig. 

Die  Spannung,  die  in  einem  jeglichen  Gefässabschnitt  herrscht, 
ist  unzweifelhaft  abhängig  von  der  Ausdehnbarkeit  seiner  Wandung 
und  der  Ausdehnung,  die  seine  Wandung  wirklich  erfahren,  mit 
andern  Worten:  bei  gegebenem  Elastizitätscoeffizienten  von  dem 
Flüssigkeitsvolum,  das  er  mehr  enthält,  als  er  im  Ruhezu- 
stand fassen  kann.  Die  Ausdehnbarkeit  wechselt  an  demsel- 
ben Gefässquerschnitt  mit  dem  Zustand   (der  Erschlaffung  oder 


Spannung  in  dem  Anfang  des  Artorionwerkes. 


135 


^iisammenzielmug)  der  Waudmuskelu  und  noch  mehr  in  dem  Ver- 
;iaf  des  Systems  von  einem  Ort  zum  andern.    Das  Volum  des 
'liissig'keitszuvvacLses  ist  abhängig  von  dem  Vcrhältniss  zwischen 
'lufhiss  und  Abfluss.  —  Der  Zufluss  ist  bedingt  durch  die  Zahl 
md  den  Umfang  der  llerzzusammenziehungen,  der  Abfluss  durch 
lie  Widerstände  in  dem  betreffenden  Abschnitt  und  an  den  Gren- 
cn  desselben,  das  will  sagen:  durch  die  Spannungsunterschiede, 
velche  bestehen  an  der  Einfluss-  und  Ausflussmündung  des  betrach- 
ten Abschnitts  und  das  Verhältniss  der  Ein-  und  Ausflussöffnung. 
Aus  allem  diesen,  in  Combiuation  mit  dem,  was  schon  über 
ion  Bau  des  Gefässsystems,  die  Herzschläge  und  deren  Variation 
itigebracht  ist,  ergiebt  sich,  dass  die  Mannigfaltigkeit  der  Span- 
lungeu,  welche  in  dem  Gefässsystem  eines  Menschen  entweder 
deichzeitig  an  verschiedenen  Orten,  oder  an  demselben  Orte  zu 
verschiedenen  Zeiten  erzeugbar  sind,   unendlich  sein   kann;  zu- 
;leich  ist  ersichtlich,  dass  eine  theoretische  Voraussicht  der  ein- 
zelnen Fälle  unmöglich  ist. 

Sehr  zahlreiche  Erfahrungen,  die  über  die  durch  den  Herz- 
^ehlag  veränderten  Spannungserscheinungen    vorliegen,  erlauben 
iber  dennoch  einige    allgemeine  Bemerkungen    von  praktischer 
Wichtigkeit;  wir  werden  bei  ihrer  Aufzählung  den  Weg  einschla- 
en,  dass  wir  an  verschiedenen  Orten  der  Keihe  nach  die  mit  den 
icrzzuständen  wechselnden  Spannungen  in  das  Auge  fassen,  — 
Die  Thatsachen  werden  in  der  anschaulichen  Form,  in  der  sie  ge- 
-vonnen  sind,  der  Betrachtung  zu  Grunde  gelegt,  nemlich  als  Cur- 
v  eu,  wie  sie  der  in  Fig.  35.  dargestellte  Spannungszeichner  He- 
erte.  Die  Achse  der  X  von  dem  Coordinatensystem,  in  dass  sie 
■iugetragen  sind,  giebt  die  Zeit,  die  der  Y  dagegen  die  Spannun- 
gen an,  gemessen  durch  die  in  Millimetern  ausgedi-ückte  Höhe 
iner  Quecksilbersäule. 

A.  Anfang  des  arteriellen  Systems;  insbesondere 
Ja.  carotis  oder  a.  cruralis.  Zuerst  werden  wir  den  Fall  be- 
(handeln,  in  welchem  sehr  kräftige  Herzschläge  in  langen  Pausen 
leinander  folgen,  wie  man  sie  erhält,  wenn  man  die  nervi  vagi  in 
eine  gelinde  En-egung  versetzt;  und  zwar  darum,  weil  die  Folgen 
tder  Herzwirkung  an  ihnen  am  deutlichsten  hervortreten.  Mässigt 
iman,  nachdem  die  n.  vagi  so  anhaltend  und  kräftig  erregt  sind, 
dass  das  Herz  längere  Zeit  vollkommen  stillstand  und  das  Quck- 
lailber  des  Manometers  endlich  auf  einer  Höhe,  die  sich  für  längere 
*Zeit  constant  erhielt,  anlangte,  die  Schläge  des  Induktionsappa- 


136 


Spannungswechsol  boi  verschiedener  Schlagfolge  des  Herzens 


rates,  so  schreibt  der  Druckzeicliner  die  Curven  von  beistehender 
Foiin.  Mit  dem  Eintritt  des  ersten  Herzschlags  erhebt  sich  der 
Druck,  von  dem  der  Kuhe  (Fig.  40.)  y',  und  zw^ar  zuerst  sehr 

rasch,  dann  aber  allmähli- 
ger,  bis  er  auf  das  Maxi- 
mum seines  Werthes  ange- 
langt ist;  von  hier  fällt  er 
dann,  und  zwar  zuerst 
rasch,  dann  aber  immer 
langsamer,  je  näher  er  der 
Höhe  kommt,  von  vyelcher 
der  Druck  bei  Beginn  des 
Herzschlags  ausging ,  wie 
dieses  an  den  Unterschie- 
den der  Ordinaten  ah  cd.  efrj 
in  den  gleichen  Zeitabstäuden  1234567  zu  sehen  ist.  Folgen 
nun  die  Herzschläge  in  nicht  gar  zu  langen  Pausen  aufeinander, 
so  werden,  bevor  die  Einwirkungen  des  ersten  von  ihnen  ver- 
schwunden sind,  die  des  zweiten  eintreten  und  das  Ansteigen,  das 
der  zweite  veranlasst,  somit  von  einem  höhern  Druck  beginnen. 
Bleibt  sich  nun  der  Umfang  und  der  zeitliche  Abstand  dieser  und 
der  folgenden  Zusammenziehungen  gleich,  so  wird  dieses  auch 
mit  den  im  zeitlichen  Verlauf  erscheinenden  Drücken  der  Fall  sein. 
Genauer  ausgedrlickt  wird  also  die  constante  Gefässspannung 
von  ?/o  bis  y'"  vorhanden  sein,  so  dass  sie  unter  diesen  Werth  zu 
keiner  Zeit  herabsinkt;  ausserdem  aber  wird  in  constanten  Gren- 
zen von  y"  bis  y""  ein  variabler  Ueberdruck  vorhanden  sein,  des- 
sen Maximum  und  Minimum  für  jeden  Pulsschlag  dasselbe  bleibt, 
und  endlich  wird  die  mittlere  Spannung*)  y"  y'",  die  sich  aus 
den  Spannungsschwankungen  von  einem  zum  andern  Herz- 
schlag berechnen  lässt,  für  alle  Herzschläge  o  t,  t  t"  u.  s.  w. 
gleich  sein. 

Wenn  sich  nun  die  Herzschläge  statt  des  bisher  innegehalte- 
nen Rhythmus  sehr  beträchthch  beschleunigen  (was  jedesmal  ein- 
tritt, wenn  man  nach  den  vorigen  Versuchen  die  Erregung  des 


*)  Mittlere  Siiannung  bedeutet  also  hier  die  Spiinnung,  welche  man  erhalten  würde,  wenn  niBii 
die  in  den  einzelnen  Zeittheilchon  bestchehcndc  Spannung  addirte  und  durch  die  Summe  der  Zelt- 
thellchen  dividirte.  — 


in  den  grossem  Arturien. 


137 


.  vagus  beendet),  so  erscheint  die  Ciirve,  welche  Fig.  41.  wiedcr- 
liebt.  Bei  einer  Vergleichung-  derselben  mit  der  vorhergehenden 
it  sogleich  einleuchtend,  dass  der  constante  Druck  ?/o  7/"  ganz 
Hisserordeutlich  gewachsen  ist  im  Ver- 
Jeich  zum  variablen;  die  Folge  davon 
t  u.  A.  auch  die,  dass  die  Werthe  des 
itteldrucks  und  des  constanten  Drucks 


¥ig.  41. 


7\/^/\/\/^/^/A/\/v 


ch  sehr   nahe  kommen,    indem  die 

i  renzen  des  schwankenden  Ueberdrucks 

'  berhaupt  sehr  nahe  bei  einander  lie- 

:  sn.  —  Was  die  Form  der  Curven- 
iicke,  die  während  je  eines  Herz- 
•hlags  erzeugt  werden,  anlangt,  so  be- 
erkt  man,  dass  sie  sich  sehr  derjeni- 
en  des  Gipfels  in  Fig.  40.  annähert; 
enn  der  kurze  aufsteigende  Theil  Avird 
'gleich  stark  convex  nach  oben  und 
cY  absteigende  besitzt  nur  den  steil  ab- 
illenden  Abschnitt. 

Die  zwischen-  diesen  beiden  Exti-emen  liegenden  Pulszahlen 
■zeugen  Curven,  welche  sich  mehr  und  mehr  von  der  letztern 
u-  erstem  Form  annähern,    so   dass  man,  wenn  die  Zahl  Üer 
nlsschläge  gegeben,   ungefähr  die  Keihenfolge  der  in  der  Zeit 
chselnden  Spannungen  angeben  kann. 

Wir  haben  demnach  die,  allgemeine  Form  der  zeitlichen  Span- 
ingscuiTe  abhängig  gefunden  von  der  Zahl  der  Herzzusammen- 
.'hungen.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  absoluten  Werthen  der 
)annnngen  und  namentlich  derjenigen,  welche  wir  mit  dem  Na- 
en  der  mittleren  belegt  haben;  sie  wechseln  an  demselben  Thier 
)tz  einer  gleichen  Zahl  von  Herzschlägen.  Mit  Sicherheit  lässt 
ch  angeben,  dass  der  Werth  der  mittlem  Spannung,  alles  übrige 
cichgesetzt,  steige,  wenn  sich  die  AufüUung  des  Gefässsystems 
it  Flüssigkeit  überhaupt  mehrt;  wenn  die  Widerstände  zwischen 
r  beobachteten  Stelle  und  den  Capillaren  zunehmen;  wenn  der 
iiifang  oder  die  Intensität  der  Herzzusammenziehungen  sich  stei- 
■ra.  Den  Nachweis  für  diese  Behauptungen  kann  man  sehr 
icht  führen,  weil  man  mittelst  einer  vorsichtig  geleiteten  Erre- 
lug  der  n.  vagi  die  Zahl  der  Schläge  annähernd  auf  einer  he- 
mmten Zahl  festhalten,  zugleich  aber  durch  Ablassen  oder  Ein- 
llen  des  Bluts  aus  den  Gelassen,  duich  Unterbindung  einiger 


138 


Spannungswechsol  bei  verschiedener  Schlagfolgc^  dos  Herzens. 


Artcrienstämrae  u.  s.  av.  die  Normalspannung  und  den  Widersland 
in- einem  Tliier  verändern  kann.  Weil  nun  aber  trotz  gleichblei- 
bendem Widerstaude  und  unverändertem  Normaldruck  und  gleicher 
Zahl  der  Herzschläge  die  mittlere  Spannung  steigt,  so  schliessen 
wir  daraus,  dass  auch  der  Umfang  der  Zusammenziehung  des 
Herzens  wechselvoll  sein  möge. 

Wenn  ein  Mitteldruck  von  bestimmtem  Werth,  welcher  wäh- 
rend einer  gewissen  Zeit  hindurch  unverändert  bestand,  übergeht 
in  einen  solchen  von  anderm  Werth,  so  muss  nothwendig  während 
dieser  Uebergangszeit  der  Mitteldruck  von  einem  Herzschlag  zum 
andern  in  einer  Schwankung  begriffen  sein;  dieser  Uebergang,  mj 
mannigfaltig  er  auch  sein  kann,  führt  aber  doch  jedesmal  zu  einem 
neuen  Zustand  dynamischen  Gleichgewichts,  bei  dem  nemlich  der 
Mitteldruck  für  die  Zeit  eines  jeden  Herzschlags  gleich  ist;  dem- 
nach darf  man  behaupten,  es  bestehe  für  eine  jede  Combination 
von  Herzzusammenziehungen,  Widerständen  und  Gefässfüllungen 
ein  Zustand,  in  dem  die  Menge  der  in  der  Zeiteinheit  zu  den  Ar- 
terien strömenden  Masse  das  Gleichgewicht  hält  der  ausströmen- 
den, so  dass  mit  der  Geschwindigkeit  des  Zuflusses  auch  die  des 
Abflusses  steigt. 

B.  Ende  des  arteriellen  Systems.    Wie  sich  in  den 
feinen  Arterien  während  der  einzelnen  Phasen  des  Herzschlags  die 
Spaunungscurve  gestaltet,  hat  noch  nicht  untersucht  werden  kön- 
nen. —  Mit  Sicherheit  ist  dagegen  ermittelt,  dass  die  der  Systole 
Kg-  42.  und  Diastole   des  Her- 

zens entsprechenden  Mar 
xima  und  Minima  der 
Spannungswerthe  sich  ein- 
ander immer  mehr  nähern, 
je  enger  die  Arterien 
sind,  in  welche  der 
Strom  eindringt,  bis  end- 
lich in  den  Capillar- 
netzen  die  Unterschiede 
ganz  schwinden,  so  dass 
an  diesem  Ort  während 
der  ganzen  Herzschlags- 
dauer die  Spannung  im-  \ 
verändert  dieselbe  bleibt.  Um  eine  Vorstellung  von  dieser  Tliatsachc 
zu  erhalten,  hat  Volkmanu  die  nebenstehende  Cm've  (Fig.  42.) 


Aufhören  dos  Pulses  in  den  kleinsten  Arterien. 


139 


«ntworfen.    Es  ist  dieselbe  in  ein  Coordinatensystem  eingetragen 
lassen  Abszissenachse  A  x  die  Achse  eines  Gefässrohrs  von  sei- 
1  cm  Beginn  am  Herzen  bis  zu  den  Capillareu  hin  darstellt,  so  dass 
;.  I>.  bei  A  der  Wandi)unkt  des  Durchmessers  von  einem  beliebi- 
gen Stück  Aorta,  bei  D  derjenige  eines  kleinsten  Arterienastes 
elegen  wäre.  —  Die  Ordinaten  Y  bedeuten  die  Wandspannungen 
ach  der  schon  früher  festgestellten  Uebereinkunft.     Wenn  nun 
ic  Spannung  in  der  Aorta  in  Folge  einer  Herzzusammenziehung 
Ulf  A  Y  gestiegen  wäre,  so  würde  sie  in  einem  Aste  ersterer 
»idnung  hierdurch  etwa  auf  B  Y,  in  einem  Aste  dritter  Ordnung 
(her  nur  auf  C  Y  und  in  einem  Aste  letzter  Ordnung  endlich  nur 
Ulf  D   Y  kommen.    Während  der  darauf  folgenden  Herzpause 
vürde  in  A  die  Spannung  bis  auf  A  y  herab  gehen,  in  den  Aesten 
ister  Ordnung  schon  um  weniger  und  in  den  darauf  folgenden 
loch  weniger,  bis  endlich  bei  V  die  Spannungen  der  Systole  und 
Diastole  zusammenfallen.  —  Mit  dieser  Abnahme  der  Spaunungs- 
lifferenzen  nimmt  aber  zugleich  die  mittlere  Spannung  ab.  Die 
ingefahre  Lage   dieser  Mittelspannung  ist  durch  die  Ordinaten. 
\  M,  BM,  CM  angedeutet.  — 

Mit  Eücksicht  auf  diese  Thatsacheu  wäre  nun  zuerst  zu  tiber- 
egen:  Woher  rührt  dieses  Verschwinden  der  Spannungsunter- 
'■liiede,  oder  anders  ausgedrückt,  warum  strömt  in  den  Quer- 
chnitt  bei  D  zu  jeder  Zeit  so  viel  ein  als  aus,  obwohl  am  Röhren- 
uifang  ein  unterbrochenes  Einströmen  stattfindet.  Wenn  die 
^pannungsunterschiede  daher  rühren,  einmal,  das  plötzlich  alle 
l'lieilchen  eines  Querschnitts  einen  Stoss  bekommen,  der  sie  gegen 
liejenigen  eines  nächstgelegenen  hineinzudrängen  suchte,  und 
usserdem  daher,  dass  in  einen  Querschnitt  plötzlich  mehr  Flüs- 
igkeit  eingeschoben  werden  konnte,  als  aus  ihm  austreten  konnte, 
')  wird  unsere  Erscheinung  erklärt  sein,  wenn  sich  zeigen  lässt, 
l;iss  die  Wellenbewegung,  d.  h.  die  von  Molekel  auf  Molekel 
ortgepflanzten  Stösse  im  Verlauf  des  Röhrensystems  verschwin- 
Icn,  und  wenn  ausserdem  nachgewiesen  wird,  wie  sich  das  tu- 
iinltuarische  Einströmen  der  Flüssigkeit  in  den  Beginn  des  Arte- 
icnsystems  in  diesem  allmählig  in  einen  gleichförmigen  Strom 
uiiwandclt,  —  Beides  ist  aber  in  der  allgemeinen  Betrachtung  der 
"lüssigkeitsbewegung  durch  elastische  Röhren  geschehen  (vergl. 
).  60  u.  f.).  Denn  es  ergab  sich  dort  schon,  dass  die  lebendige 
xraft,  welche  die  Welle  besass,  von  Beginn  gegen  das  Ende  des 
Johres  hin  abnehmen  musste,  weil  die  Welle  mit  einer  Bewegung 


140 


Die  Abnahme  der  mittleren  Spannung. 


der  in  ihr  enthaltenen  Theilchen  verknüpft  war,  so  dass  eine  Rei- 
bung und  damit  ein  Vcrhist  an  Kräften  entstand.  —  Zugleich  ist 
aber  auch  ersichtlich,  dass  eine  jede  Geschwindigkeit,  bevor  sie 
in  dem  Rohr  eine  constante  geworden  ist,  sich  beim  Verlauf  der 
Flüssigkeit  durch  die  Röhrenlänge  verlangsamen  muss;  dieses 
Avürde  also  die  nothwendige  Folgerung  in  sich  schliessen,  dass, 
wenn  ein  und  dasselbe  Flüssigkeitsquantum  durch  denselben 
Querschnitt  strömt,  es  am  Ende  des  Rohrs  hierzu  längere  Zeit  nö- 
thig  hat,  als  am  Beginn  desselben.  Wendet  man  diese  Betrach- 
tung auf  die  arteriellen  Röhren  an,  so  würde  die  eben  vorgelegte 
Thatsache  nichts  anderes  sagen,  als:  Es  ist  die  Geschwindigkeit 
der  Flüssigkeit  am  Ende  des  Arteriensystems  so  verlangsamt,  dass 
vom  Beginn  eines  Herzschlags  zum  andern  durch  den  viel  grössern 
Gesaramtquerschuitt  gerade  so  viel  strömt,  als  während  der  Dauer 
einer  Herzzusammenziehung  durch  die  AortcnmUndung  floss.  In- 
dem dieses  geschieht,  muss  aber  endlich  eine  Geschwindigkeit  der 
in  einen  beliebigen  Querschnitt  einströmenden  Flüssigkeit  erreicht 
.werden,  welche  gerade  so  gross  ist,  als  die  der  ausströmenden.  — 
Der  Ort  im  Gefässystem,  an  Avelchem  sich  der  Strom  mit  steigen- 
der und  fallender  Spannung  umsetzt  in  einen  solchen  mit  gleich- 
förmiger, hat  erfahruugsgemäss  keine  feste  Lage;  er  rückt  unter 
Umständen  nicht  allein  weiter  hinaus,  z.  B.  in  das  Capillarensy- 
stem  hinein,  sondern  es  kommt  zuweilen  ein  Ort  gleichförmiger 
Spannung  gar  nicht  zu  Stande.  Die  Theorie  behauptet,  es  müsse 
das  liinausrücken  des  Ortes  von  gleichmässiger  Spannung  ge- 
schehen entweder,  wenn  bei  gleichbleibenden  Verhältnissen  an  der 
Herzraündung  die  Widerstände,  die  sich  dem  Abfluss  in  die  Ca- 
pillaren  und  Venen  entgegensetzen,  vermehrt  werden,  oder  wenn 
bei  gleichbleibenden  Widerständen  an  letzterer  Stelle  der  Umfang 
und  die  Geschwindigkeit  der  Herzschläge  in  der  Weise  sich  än- 
dern, dass  in  gleichen  Zeiten  mehr  Flüssigkeit  in  die  Aorta  dringt. 
In  der  That  wird  dieses  von  der  Erfahrung  bestätigt,  insofern 
z.  B.  Arterien  plötzlich  zu  pulsiren  beginnen,  die  es  vorher  nicht 
thaten,  wenn  entweder  ihre  Abflussröhren  verstopft  sind  (bei  sog. 
Entzündungen),  oder  wenn  das  Herz  in  grosser  Aufregung  sich 
bewegt.  — ■  Die  Erscheinung,  dass  irgendwo  im  Gefässrohr  ein 
Ort  gleichbleibender  Spannung  zum  Vorschein  kommt,  muss  dage- 
gen ganz  ausbleiben,  wenn  die  Herzschläge  so  spärlich  aufeinan- 
der folgen,  dass  es  Zeiten  giebt,  in  denen  überhaupt  keine  Bewe- 
gung im  Gefässrohr  mehr  stattfindet.    Dieses  tritt  aber  gewöhnlich 


Folgen  der  Herzbewegung.  Spannung  in  den  Capillarcn  und  Venen. 


141 


■ist  beim  Absterben  eines  Thieres  ein,  weshalb  auch  dort  noch 

in  wenn  auch  schwaclier  Puls  in  den  Capillarcn  beobachtet  wird. 

Die  Curve  (Fig.  42.)  thut  demnächst  dar,  dass  die  mittlere 
■Spannung  in  den  Arterien  von  der  Aorta  nach  den  Capillarcn  in 
Vbnahme  begriffen  sei.    Diese  Thatsache  ist  sogleicli  begreiflich, 

enn  man  erwägt,  dass  die  mittlere  Spannung  nichts  anderes  ist, 
Is  ein  Ausdruck  für  das  Maass  der  spannenden  Kräfte,  welche  in 

■m  gerade  betrachteten  Querschnitt  von  einer  zur  andern  Zeit 
\  irksam  sind.  Dass  sie  dieses  aber  bedeutet,  geht  aus  der  Deli- 
ition  der  mittleren  Kraft  selbst  hei-vor.  Denn  sie  wird  gefunden, 
>  enn  man  alle  die  verschiedenen  Spannungen  addirt,  welche  an 
inem  Ort  während  einer  bestimmten  Summe  von  Zeiteinheiten  be- 
toheii,  und  die  hieraus  gebildete  Gesammtzahl  dividirt  durch  die 
'umme  der  genannten  Zeiteinheiten.  Nun  sind  aber  alle  Ordina- 
en  unserer  Curve  aus  gleichlangen  Zeiten  abgeleitet,  d.  h.  es  sind 
ille  die  Spannungssummen  dividirt  worden  durch  dieselbe  Zahl; 
las  Verhältniss  zwischen  den  mittleren  Spannungen  verschiedener 
'rte  ist  also  gleich  demjenigen  der  Spannungssummen.  In  einem 
eden  Strom  nehmen  aber  die  bewegenden  und  damit  auch  die  span- 
rnden  Ki-äfte  von  dem  Anfang  zum  Ende  hin  ab,  wegen  des 

erlustes  durch  Keibung  u.  s.  w.  Der  Verlauf  dieser  mittleren 
urve  bedeutet  also,  dass  der  Strom  im  Arteriensystem  unter  die- 
i;s  allgemeine  Gesetz  fällt.  Wir  kommen  hierauf  bei  einer  andern 
Gelegenheit  noch  zurück. 

Unsere  Curve  lässt  endlich  schliessen,  dass  es  Zeiten  geben 
liisse,  in  welchen  die  Spannung  in  den  vom  Herzen  entfernter 
i'genden  Gefässabschnitten  eine  höhere  sei,  als  diejenige,  welche 
leichzeitig  in  den  dem  Herzen  näher  liegenden  Theilen  vorkom- 
itn.  Wir  brauchen  nur  anzudeuten,  dass  diese  Erscheinung  mit 
■r  Wellenbewegung  und  der  Trägheit  in  Verbindung  steht,  indem 
<■  die  Folge  einer  raschen,  durch  das  System  fortschreitenden 
■••wegung  ist. 

C.  In  den  Capillarcn  und  den  Venen,  wenn  letztere  nicht 
11  zu  nahe  amHerzen  liegen,  leitet  die  Herzbewegung  einen  gleich- 
■  ässigen  Strom  ein,  der  nach  allgemeingiltigen  Regeln  in  seinem 
I  laufe  mehr  oder  weniger  rasch  an  Spannung  verliert,  je  nach 
'11  Widerständen,  die  er  in  den  einzelnen  Abtheilungen  findet. 
'<.r  absolute  Werth  der  Spannung  in  jedem  Querschnitt  wird  na- 
11  lieh  bestimmt  durch  die  bewegenden  Kräfte  des  Stroms  am  Be- 
nin des  Capillarsystems.  —  In  den  Venen  dagegen,  welche  nahe 


142         Folgen  der  Hcrzliowoguiig.  Spannung  in  den  Capillaren  und  Venen. 


am  Herzen  gelegen  sind,  wird  jedesmal  während  der  beginnenden 
Herzerschlaffimg  eine  Tlialwelle  erregt,  welche  nach  der  Peripherie 
hin  fortschreitet.  Sie  wird,  offenbar  weil  ihre  lebendigen  Kräfte  ge- 
ring sind,  rasch  zerstört,  so  dass  sie  selbst  mit  feinen  Mitteln  nicht 
jenseits  der  grossen  Kopf-  und  Armvenen  sichtbar  zu  machen  ist 
Diese  Thalwelle  hat  man  früher  davon  ableiten  wollen,  dass  sich 
das  Organ  nach  seiner  Zusammenziehung  vermöge  seiner  elastischen 
Kräfte  erweitere.  Diese  Eigenschaft  kommt  aber  in  der  That  dem 
Herzen  nicht  zu,  und  zudem  liegen  andere  Erklärungen  auch  nalie. 
Während  der  Vorhofszusaramenziehung  sind  die  Venen,  weil  sie 
sich  nicht  entleeren  können,  bedeutender  gespannt  worden.  Löst 
sich  nun  die  Zusammenziehung  des  Vorhofs  und  rasch  hinterher 
die  der  Kammern,  so  wird  die  gespannte  Flüssigkeit  in  den  wenig 
Widerstand  bietenden  Raum  plötzlich  herausstürzen,  wodurch  in 
hydraulischer  Beziehung  dasselbe  erzielt  wird,  als  ob  sich  das 
Herz  erweitert  habe. 

In  allen  Fällen,  in  welchen  die  Semilunar-Klappeu  die  Mün- 
dungen der  Kranzarterien  während  der  Systole  des  Herzens  ver- 
schlicssen,  kann  nach  Beendigung  der  letztern  eine  plötzliclie 
Ausdehnung  der  Herzhöhle  entstellen  durch  das  Blut,  welches  nach 
Entfaltung  der  Klappen  plötzlich  in  die  kleinen  Aeste  der  Kranz- 
arterien eindringt.  Diese  Wirkung  des  Stroms  lässt  sich  an 
einem  todten  schlaifen  Herzen  nachahmen  in  dessen  Coronararte- 
rien  Flüssigkeit  unter  einem  Drucke  gefüllt  wurde,  der  dem  ge- 
wöhnlichen der  Aorta  gleichkommt.  (Brücke). 

Wie  sich  die  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  imter  dem 
Einflüsse  des  Herzens  allein  gestalten  würde  ist  uns  unbekannt. 

2.  Bewegungen  des  Brustkastens  und  seiner  Ein- 
geweide*). Da  das  Herz  und  die  grossen  Gefässe  von  den 
Lungen  und  demnächst  von  den  Brustwandungen  umschlossen 
werden,  so  müssen  deren  Spannungen  und  Bewegungen  von  einem 
wesentlichen  Einfluss  auf  den  Blutlauf  sein.  — 

a.  Die  Beziehung  der  elastischen  Kräfte  der  Luugensubstanz 
auf  den  Blutstrom  erläuterten  wir  zunächst  für  den  Zustand  des 
Brustkastens,  in  welchem  er  sich  findet,  nach  der  Ex-  und  vor  der 
Inspiration,  in  welchem  er  also  die  Stellung  eingenommen  hat,  die 


*)  Dondorg,  Honlo's  und  Pfeufor's  Zeifsclirift.  N.  P.  HI.  287.  und  dessen  wichtige  Ab- 
handlung, ibid.  IV.  Bd.  241.  —  Ilnndlelding.  II.  Cd.  a.  .SOG.  —  C.  Ludwig,  Müllers  Archiv. 
1847.  p.  242.  —  Ed.  Weber,  Lcipz.  Berichte;  mnthemat.  physik.  Clnsse.  1850.  p.  29. 


Einfluss  der  Brustbewegung  auf  den  Bliitstrom. 


143 


hm  vermöge  der  elastischen  Kräfte  seiner  Bestandtbeile  zukommt. 
In  dieser  Zeit  wiril  auf  die  Lungenoberfiäcbc  von  Seiten  der  Brust- 
\and  kein  Druck  ausgeübt;  denn  es  feblt  jede  selbstständige  Be- 
vegung  des  Brustkastens,  und  es  ist  ausserdem  die  Wandung  des- 
t'lben  steif  genug,  um  nicbt  bewegt  zu  werden  von  einem  mässi- 
on  Unterschied  des  Luitdrucks,  der  auf  der  innern  und  äussern 
lache  der  Brustwand  etwa  vorhanden  wäre.  Die  Lungenober- 
(iiche,  welche  an  der  Brustwand  anruht,  ist  darum  nur  zwei  Kräf- 
L'U  ausgesetzt :  dem  Luftdruck  und  den  elastischen  Spannungen 
1er  Lungensubstanz.  Diese  beiden  Kräfte  wirken  aber  in  entge- 
ceugesetzter  Kichtung.  Die  Luft  neralich,  die  nur  durch  die 
Trachea,  nicht  aber  von  Seiten  der  innern  Brustfläche  drückt,  ent- 
erut  die  Oberfläche  von  der  Wurzel  der  Lunge,  indem  sie  die 
junge  entfaltet.  Die  elastischen  Kräfte  der  Lungensubstanz  wir- 
ken dagegen  von  der  Oberfläche  der  Lunge  gegen  die  Wurzel 
lin;  sie  suchen  die  entfaltete  Lunge  zusammenzudrücken.  Der 
leweis  dafür,  dass  diese  Kraft,  und  zwar  in  der  angegebenen 
;ichtung,  vpirkt,  liegt  darin,  dass  eine  möglichst  gesunde  Lunge, 
velche  man  aus  der  Brusthöhle  herausgenommen  und  zu  dem  Vo- 
nm  aufgeblasen  hat,  das  sie  in  der  Brusthöhle  einnimmt,  augen- 
)licklich  zusammenfällt,  sowie  man  die  Trachea  öffnet,  d.  h.  den 
.utldruck  aller  Orten  gleichmacht.  Die  Lunge  kann  in  ihrer  na- 
iirliohen  Lage  also  nur  darum  ausgespannt  erhalten  werden,  weil 
1er  Luftdruck  das  Uebergewicht  besitzt  über  die  elastischen  Kräfte 
1er  Lunge.  Dieses  Uebergewicht  ist  durch  Messungen  nachge- 
wiesen, indem  Donders  durch  ein  besonderes  Verfahren  ermit- 
clte,  dass,  im  hydrostatischen  Maasse  ausgedrückt,  die  elastischen 
vi  äfte  der  Lunge  im  Maximum  30  MM.  Quecksilber  betragen,  wäh- 
end  der  Luftdioick  in  den  bewohnten  Gegenden  sich  meist  über 
'00  MM.  hält.  —  Aus  allem  diesen  folgt  nun,  dass  die  Theile, 
velche  innerhalb  des  Brustkastens  an  der  von  der  Pleura  umklei- 
leten  Lungenfläche  anliegen,  einen  geringem  als  den  Luftdruck  zu 
■itragen  haben,  und  zwar  einen  um  das  Maas  der  elastischen 
>ungenkräfte  veiminderten  Luftdruck.  Diese  Verminderung  des 
Druckes  vnrd  sich  an  der  Grenze  zwischen  Brustwand  und  Lunge 
inr  als  Spannung  äussern  können,  da  jene,  wie  erwähnt,  zu  steif 
st,  um  durch  einen  Druckunterschied  von  wenigen  MM.  Hg.  be- 
vegt  zu  werden.  —  Anders  gestalten  sich  dagegen  die  Dinge  an 
Icr  Grenze  zwischen  den  Lungen  und  dem  Herzen  mit  seinen  Ge- 
assausläufern.    Der  Inhalt  dieser  hohlen  Organe  steht  nemlich 


144 


Einathiiiungsbewogunu. 


unter  dem  Luftdruck,  da  er  in  unmittelbarer  Berührung  steht  mit 
dem  Blut,  welches  sich  in  den  Geiassen  ausserhalb  des  Brustka- 
stens findet,  die  diesem  Drucke  zugänglich  sind,  und  ausserdem 
ist  er  noch  in  einer  Spannung,  welche  von  der  Ueberflillung  der 
Gefilssröhren  mit  Blut  herrührt.  Von  diesen  Kräften  wirkt  nun  der 
Luftdruck  demjenigen  entgegen,  welclier  von  der  LängenoberfläcLe 
her  auf  das  Herz  trifft;  sie  würden  sich  also  aufheben,  vorausge- 
setzt, dass  beide  Drücke  gleichen  Werth  besässen.  Da  nun  aber 
der  von  der  Lunge  her  treibende  Luftdruck  vermindert  ist  um  den 
Werth  der  elastischen  lü-aft  in  der  Lunge,  so  gewinnt  der  von 
dem  Blutbehälter  her  wirkende  Druck  das  Uebergewicht.  Er 
sucht  somit  diese  letztern  auszudehnen.  Da  zu  diesen  ausdehnen- 
den Kräften  sich  auch  noch  die  hinzuzählen,  welche  von  der 
Spannung  des  Bluts  in  den  Gefässen  herrühren,  so  müssen  unzwei- 
felhaft die  in  den  Lungen  eingebetteten  Blutbehälter  ein  Ausdeh- 
nungsbesü-eben  besitzen.  Diesem  Bestreben  kann  aber  in  diesem 
Falle  Folge  geleistet  werden,  da  die  Wandungen  der  Herz-  und  Ge- 
fässhöhleu  in  der  That  sehr  nachgiebig  sind.  Der  Bewegung,  welche 
durch  diese  Mittel  eingeleitet  wird,  ist  erst  dann  eine  Grenze  ge- 
setzt, wenn  unsere  Gefässe  so  weit  durch  Blut .  ausgedehnt  sind, 
dass  die  elastische  Spannung,  in  die  ihre  Wandungen  treten,  den 
ausdehnenden  Kräften  das  Gleichgewicht  hält.  Zu  diesem  Grade 
der  Spannung  scheinen  aber  die  venösen  Wandungen  der  Gefässe 
niemals  zu  kommen,  indem  aus  ihnen  nach  jeder  Herzbewegung 
schon  wieder  Blut  entleert  wird,  bevor  es  sich  in  dem  verlangten 
Maasse  aufgehäuft  hat.  Wir  schliessen  hierauf,  weil  im  Leben 
immer  Luft  durch  die  vena  jugularis  in  das  Herz  eindringt,  wenn 
man  sie  biosgelegt  und  ihre  Wand  so  durchschnitten  hat,  dass  die 
Oeffnung  klaffen  kann;  es  muss  also  die  Spannung,  welche  ihrem 
Inhalt  zukommt,  niedriger  sein,  als  die  der  Luft.  Um  diese  für 
den  Kreislauf  bedeutungsvolle  Einrichtung  zur  Anschauung  zu  brin- 
gen, ist  die  Fig.  43.  gezeichnet  worden,  welche  ohne  weitere  Er- 
klärung verständlich  sein  muss.  Die  Pfeile  in  der  Herzhöhle  und 
auf  der  Lunge  deuten  die  Richtung  an,  nach  welcher  die  ela- 
stischen Kräfte  der  Lunge  wirksam  sind,  den  Lungeninhalt  pres- 
sen und  den  Herzinhalt  auseinanderziehen. 

Diese  Saugkraft  der  Lunge  muss  aber  den  Blutstrom,  welcher 
schon  in  Folge  der  Herzthätigkeit  besteht,  modifiziren,  und  zwar 
dadurch,  dass  sie  alle  Strömungen  aus  dem  Brustkasten  hemmt, 
indem  sie  die  Zusammenziehung  der  Aorta  hindert,  dagegen  alle 


Bedeutung  der  Einathmuug  für  den  Blutatrom. 


Fig.  43. 


-Strömung  nach  dem  Brustkasten  fördert,  indem  sie  in  die  Venen 
lesselben  den  Ort  der  niedrigsten  Spannung  legt,  wohin  selbst 
lanu  noch  Flüssigkeit  läuft,  wenn  auch  die  vom  Stoss  des  Her- 
/.cns  und  der  Spannung  der  Gefässwände  herrührenden  Kräfte  ver- 
zehrt sind.  —  Nun  ist  aber  nicht  zu  verkennen,  dass  der  letztere 
Kflect  seinem  Werth  nach  das  Ueb  ergewicht  über  den  ersteren 
hat;  denn  da  die  Venen  eine  grössere  Flächenausdehnung  haben, 
als  die  Arterien,  so  muss  ihr  Hohlraum  durch  dieselben  Zugkräfte,  die 
III  mehreren  Orten  wirken,  offenbar  vielmehr  erweitert  werden,  als 
1er  der  Arterien;  zudem  sind  die  Ai'terienwandungen  auch  viel 
4(;ifer,  als  die  der  Venen.  Man  kann  also  sagen,  es  werde  die 
l'.lutströmung  durch  diese  Einrichtung  unterstützt. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Anfinge.  10 


146 


BedoutuDK  der  Aiisatlimutig  für  den  Blutstroiii. 


b.  Einathmungsbewegung.  Diese  Bewegung  verbreitert  und 
verlängert  den  Brustrauni;  sie  wird  auf  verBchiedene  Weise  ftlr 
die  grossen  Blutbehälter  in  der  Brust  wirksam.  1)  Da  das  Herz 
und  die  Gefässe  an  der  Brustwand  selbst  angewachsen  sind,  so 
werden  sie  geradezu  durch  die  Bewegungen  ausgespannt.  2)  Die 
Lungenoberfläche  folgt  der  innern  Brustfläche,  und  damit  mindert 
sich  noch  der  Widerhalt,  den  die  Lunge  den  grossen  Gefässen  bie- 
tet. Diese  Verminderung  des  Widerhalts  rührt  nun  nicht  etwa 
daher',  dass  während  der  Einathmung  eine  merkliche  Differenz  der 
Dichtigkeit  in  der  äussern  und  innern  Luft  vorhanden  wäre.  Denn 
in  der  That  ist  die  Verbindung  der  äussern  mit  der  Lungenluft 
ergiebig  genug,  um  es  dahin  zu  bringen,  dass  in  dem  Moment, 
in  welchem  eine  Luftverdünnung  in  den  Lungen  einti-itt,  sie  auch 
durch  Nachströmen  aus  der  Atmosphäre  ausgeglichen  wird.  J'^s 
rührt  die  Verminderung  des  Widerstandes,  welche  die  äussere 
Gefässfläche  erfährt,  vielmehr  von  der  grössern  Ausdehnung  der 
Lunge  her.  Denn  in  Folge  dieser  Ausdehnung  wird  auch  ihre 
zusammenziehende  Kraft  vermehrt  und  darum  vernichtet  sie  einen 
grössern  Antheil  des  Luftdruckes,  der  durch  ihre  Oberfläche  hin 
durch  auf  die  äussern  Gefässflächen  wirkt.  Diese  beiden  Gründe 
vereinigen  sich  somit  wiederum,  den  Strom  des  Bluts  aus  der 
Brust  zu  hemmen  und  den  nach  der  Brusthöhle  hin  zu  för- 
dern. —  Donders  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  diese 
Folge  ebenso  giltig  ist  ftir  den  kleinen,  als  für  den  grossen  Kreis 
lauf,  da  in  beiden  Fällen  die  Capillaren  desselben  in  Flächen  lau 
fen,  die  unmittelbar  dem  Luftdruck  ausgesetzt  sind.  —  Von  be- 
sonderer Wichtigkeit  wird  aber  die  Inspirationsbewegung  ftir 
den  Kreislauf  in  der  Unterleibshöhle,  weil  mit  der  Erweiterung 
der  Brusthöhle  der  Inhalt  der  Unterleibshöhle  zusammengepresst 
und  hierdurch  vorzugsweise  die  Enleerung  der  Bauchvenen  be- 
günstigt wird. 

c.  Ausathmungsbewegnng.  Da  diese  Bewegung  im  Gegensatz 
zur  Inspiration  den  Brustkasten  zusammendrückt,  so  wird  sie  auch 
für  die  grossen  Blutbehälter  der  Brust  im  entgegengesetzten  Sinne 
wii'ken,  indem  sie  nicht  allein  die  Ausdehnungsfähigkeit  derselben 
beschränkt,  sondern  auch  geradezu  dieselben  auspresst.  In  Folge 
davon  wird  das  Blut  durch  die  Arterien  mit  gesteigerter  Kraft  aus 
dem  Brustkasten  geworfen  und  zugleich  auch  in  die  Venen  zu- 
rückgeschleudert, resp.  wegen  der  anwesenden  Klappen  gestaut 
werden.  —  Unter  günstigen  Umständen  kann  durch  diese  Stauung 


Einwirkung  der  Bauchwiindc  und  der  Schwere  auf  den  Blutstrom.  147 

iine  so  vollkommene  Unterbrechung  des  Einströmens  von  Blut  in 
ne  Brusthöhle  stattfinden,  dass  dadurch  für  längere  Zeit  eine  voll- 
ommene  Unterbrechung  des  Kreislaufs  bedingt  vs^ird.  Dieses  tritt 
i«ch  Ed.  Weber  ein,  w^enn  man  tief  inspirirt,  die  Stimmritze 
fehliesst  und  dann  eine  kräftige  Ausathmungsbewegung  ausführt, 
we  comprimirte  Luft  kann  die  Venen  vollkommen  zuschliessen. 
lan  wird  nach  diesen  Auseinandersetzungen  erkennen,  dass  die 
Bewegungen  des  Brustkastens  im  Ganzen  und  Grossen  ganz  das- 
felbe  leisten,  was  auch  die  Herzbewegung  vermag,  denn  auch  sie 
pmpen  das  Blut  aus  den  grossen  Stämmen  gegen  die  Peripherie, 
■eben  dem  unwesentlichen  Unterschied,  dass  für  gewöhnlich  die 
irustbewegungen  länger  anhalten  und  seltener  wiederkehren,  als 
lie  des  Herzens,  besteht  aber  noch  der  eingreifendere,  dass  sie  an 
En  Arterien  und  Venen  jedesmal  in  gleichem  Sinn  die  Spannung 
mdem;  denn  die  Inspiration  minderte,  die  Exspiration  mehrte  sie 
i  beiden,  während  das  Herz  für  beide  gerade  im  ungleichen 
änne  wirksam  war.  —  Die  besondern  Hergänge,  welche  die 
■nrch  die  Brustbewegung  veränderten  Spannungen  in  dem  Blut- 
crom  einleiten,  sind  nach  den  früher  mitgetheilten  Regeln  zu  be- 
Hheilen.  Versuche,  die  den  Einfluss  der  Respirationsbewegung 
fif  das  Blut,  gesondert  von  der  des  Herzens,  bestimmen,  sind 
icht  ausgeführt. 

3.  Die  Verkürzung  oder  Erschlaffung  der  Bauchmus- 
ßln,  wodurch  der  Inhalt  der  Unterleibshöhle  sehr  verschiedene 
|)annungen  erfährt,  muss  natürlich  auch  unterstützend  oder 
limmend  auf  den  Blutstrom  wirken,  da  in  der  Unterleibshöhle 
rosse  Gefässe  eingeschlossen  sind.  Die  Beurtheilung  der  Ver- 
Ütaisse  bietet  keine  Schwierigkeit.  Auf  einige  kleine  Besonder- 
sten werden  wir  noch  später  die  Rede  bringen,  z.  B.  bei  der 
feher. 

4.  Die  Schwerkraft.  Man  sollte  auf  den  ersten  Blick 
Bnken,  dass  durch  eine  Lagenveränderung  einzelner  Theile  eines 
Öhrenwerks  von  den  Eigenschaften  des  Blutgefässsystems  gar 
eine  Bewegung  erzeugt  werden  könnte.  Betrachten  wir  in  der 
ihat  ein  System  (Fig.  44.),  welches  sich  dadurch  hervorhebt,  dass 
m  demselben  Punkte ,  dem  Herzen  II  aus,  Röhren  ausgelin  und 
i  ihm  zurückkehren,  so  kann,  vorausgesetzt,  dass  die  Wandungen 
nnachgiebig  sind,  keine  Bewegung  dadurch  eingeleitet  werden, 
asK  die  einzehien  oder  die  Gesammtzalil  der  Röhren  in  eine 
kdere  Lage  übergeht.    Setzen  wir  z.  B.,  dass  der  Röhrenbogeu 

10* 


148 


Jiliit.strömniiKcii  in  Folge  der  Schwerkraft. 


Fig.  44. 


A  V  aus  der  gehobenen  Lage  /  in  die  gesenkte  II  tibergellt,  so 
wird  nun  allerdings  die  Flüssigkeit  der  Spitzen  bei  II,  die  vdr 
her  keine  Last  von  Seiten  der  Schwere  zu  ertragen  hatte,  ge- 
drückt werden  durch  eine  Säule  von  der  senkrechten  Höhe  o  q. 
Aber  dieser  Druck  wird  mit  gleichem  Werth  ebensowohl  durch 
den  Zweig  A  als  durch  den  von  V  hindurch  auf  die  Spitze  ausge- 
übt, und  somit  ist  die  Bewegung  unmöglich.  Wenn  aber,  wie  in 
unserm  Röhrensystem,  die  Wandungen  ausdehnbar  sind,  so  muss 
beim  Uebergang  aus  der  einen  in  die  andere  Stellung  unzweifel- 
haft eine  Bewegung  auftreten;  denn  in  der  ersten  Stellung  lastete 
auf  der  Spitze  des  Röhrensystems  kein  Druck,  wohl  aber  auf  dem 
Beginn  desselben  ein  solcher  von  dem  Warthe  o  p.  Gerade  umge- 
kehrt verhält  sich  die  Sache  bei  der  Stellung  von  II,  wo  die 
Spitze  unter  dem  grössern  und  der  Anfang  der  Schlinge  unter  dem 
geringeren  Druck  steht;  somit  wird  sich  in  dem  erstem  Fall  der 
Anfang,  in  dem  letztern  die  Spitze  erweitera,  und  dieses  geschieht 
dadurch,  dass  beim  Uebergang  aus  /  in  II  ein  Strom  von  dem 
Anfang  gegen  das  Ende  der  Schlinge  und  bei  Ueberragung  aus 


Blutstlönie  durch  Wirkung  der  Gefässmuskeln. 


149 


/  in  I  das  umgekehrte  eintritt.    Dieser  Strom  kann  jedoch  nur 

0  lange  andauern,  bis  die  beta-effende  Stelle  zu  einer  dem  Druck 
iitsprechenden  Erweiterung  oder  Verengerung  gekommen  ist. 
ibensowenig  kann,  wenn  die  neue  Vertheihmg  des  Inhalts  einmal 
eschehen  ist,  durch  den  eben  betrachteten  Uebergang  aus  einer 

1  die  andere  Stellung  einer  andern  Bewegungsursache,  die  an  der 
liindung  eines  ßohrs  wirkt,  eine  Hemmung  oder  Begünstigung 
iigefiigt  Averden,  da  die  Schwere  immer  nur  gerade  so  viel  die 
ndern  treibenden  Kräfte  in  dem  absteigenden  Röhrenstück  Stei- 
erl, als  sie  dieselben  in  dem  aufsteigenden  mindert. 

5.  Verkürzung  der  Muskeln  in  der  Gefäs s wan d  und 
11  den  Umgebungen  der  Gefässe.  Diese  Muskeln  können  . 
lotz  ihrer  verschiedenen  Lagerung  ihrer  Wirkung  nach  doch  ge- 
neinsam behandelt  werden,  wegen  der  zahlreichen  Analogien  in 
lieser  Richtung.  —  Die  Zusammenziehung  dieser  Muskeln  erzeugt 
unächst  in  allen  Fällen  eine  Verengerung  des  Gefässlumens,  und 
nsofern  müssen  durch  dieselbe,  vorausgesetzt,  dass  sie  sich  nicht 
il)er  das  ganze,  sondern  nur  über  einen  grössern  oder  kleinern 
rheil  der  Gefässe  erstrecken,  Blutbewegungen  eingeleitet  werden, 
reiche  ganz  den  Charakter  der  durch  die  Herzbewegung  einge- 
•  iteten  tragen.  Denn  es  ist  ersichtlich,  dass  durch  eine  mehr  oder 
veniger  plötzliche  Verengerung,  die  die  Gefässe  in  beschränkter 
Vusdehnung  erleiden,  eine  Welle  entstehen  muss,  dass  ferner  we- 
ren  eintretender  Spanuungsungleichheit  ein  Strömen  beginnt,  und 
nidlich  dass  wegen  der  Ventile,  die  in  das  Röhrenwerk  gelegt 
ind,  der  Strom  die  der  Blutbewegung  allgemein  zukommende  Rich- 
ung  annehmen  muss.  —  Trotz  alle  dem  muss  aber  doch  dem 
■^trom  aus  diesen  Gründen  eine  nur  untergeordnete  Bedeutung  zu- 
rcschrieben  werden.  Denn  einmal  erfolgen  diese  Bewegungen  zu 
-inregelmässig,  und  namentlich  fehlen  sie  oft  lange  Zeit,  wie  z.  B. 
iin  Schlaf  u.  s.  w.  Dann  aber  erfolgen  die  Bewegungen  der 
I  befasse,  da  sie  von  glatten  Muskeln  ausgeführt  werden,  sehr  all- 
luählig,  und  noch  mehr  die  einmal  eingetretene  Verkürzung  bleibt, 
wie  die  nun  schon  sehr  zahlreichen  Erfahrungen  an  theils 
l)los8gelegten,  theils  durch  die  Haut  sichtbaren  Gefässen  erwei- 
sen, sehr  lange  stabil,  so  dass  eine  dauernde  Veränderung  des 
l>nmens  besteht.  Endlich  aber,  und  dieses  ist  besonders  zu  beto- 
nen, hemmen  die  verengerten  Stellen  den  von  dem  Herzen  aus- 
-xhenden  Strom,  so  dass  die  Zusammenziehungen  eher  als  Be- 
^chränkungs-,  denn  als  Förderungsmittel  des  Blutstroms  anzusehen 


150     Strömung  wegen  ilos  AuBtritU  v<iii  Flüssigkeiten  durcli  die  Gefasswand. 


siud.  Diese  Beuierkuugen  schliessen  den  bekannten  Satz  nicht 
aus,  dass  die  Gefässmuskeln  von  Wichtigkeit  für  die  Blutver- 
theilung  sind. 

6,  Ein-  und  Austritt  von  Flüssigkeiten  in  die  6e- 
fässlumina.  Während  des  Lebens  treten  ununterbrochen  in  die 
Gefässröhren  Flüssigkeiten;  am  hervorragendsten  geschieht  diese« 
durch  einen  bald  stärkern,  bald  schwächern  Einfluss  in  die  venae 
jugulares  aus  den  Lymphgängen,  und  durch  Diffussion  in  die 
Darmvenen  während  der  Verdauung.  Nicht  minder  entlässt  auch, 
insbesondere  durch  Verdunstung  auf  Lungen  und  Haut  und  durcli 
flüssige  Entleerung  in  den  Nieren-,  Speichel-,  SchweissdrUsen  u.  s.  1., 
das  Gefässlumen  einen  merklichen  Theil  seines  Inhalts.  Durch 
den  Eintritt  wird  unzweifelhaft  an  dem  einen  Orte  die  Spannung 
erhöht  und  durch  den  Austritt  an  dem  andern  erniedrigt,  und  so- 
mit mtlsste  auch  ohne  Zuthun  anderer  Hilfsmittel  ein  Sti'om  von 
den  ersteren  zu  den  letzteren  Stellen  gehen.  Diese  Strömungen 
können  aber  neben  den  andern  intensiven  Störungen  des  Gleich- 
_gewichts  nur  von  untergeordneter  Bedeutung  werden,  um  so  mehr, 
als  der  Zu-  und  Abfluss,  den  sie  veranlassen,  nur  sehr  allmählig 
geschieht.  Sie  sind  dagegen,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde, 
entscheidend  für  die  Erhaltung  der  Gesammtspannung  der  Strom- 
röhren, resp.  ftir  die  Anftillung  derselben  mit  Flüssigkeit  über- 
haupt. 

Ausser  diesen  Hilfsmitteln ,  welche  mit  messbaren  Kräften  zur  Erhaltung  des 
Kreislaufs  beitragen ,  glauben  viele  Schriftsteller  älterer  und  neuerer  Zeit  noch  zu  der 
Annahme  anderer  gezwungen  zu  sein.  Sie  begründen  diese  Forderung  entweder  mit 
einem  physikalischen  Missverständniss ,  oder  durch  meist  sehr  verwickelte,  zum  Theil 
pathologische  Vorgänge.  Ein  physikalisches  Missverständniss,  auf  welches  hier  ange- 
spielt wird,  liegt  der  Behauptung  zu  Grunde:  dass  die  Kräfte  des  Herzens  und  des 
Brustkastens  niclit  hinreichen,  um  die  Keibungs-  und  sonstigen  Widerstände  zu  über- 
winden, welche  sich  dem  Blutstrom  in  den  kleinsten  Gefässen  entgegensetzen.  Indem 
man  dieses  aussprach ,  bedachte  man  nicht ,  dass  alle  Widerstände ,  welche  sich  in 
einer  beliebigen  Röhre  am  Strom  entgegenstemmen,  mit  den  lebendigen  Kräften  dieses 
letztern  steigen  und  fallen,  so  dass  ein  langsam  und  mit  geringer  Spannung  fliesscnder 
Strom  auch  geringe  Widerstände  zu  überwinden  hat.  Dorum  kann  behauptet  werden, 
dass  die  Bewegungen  der  Herz-  und  Bmstmuskeln,  auch  wenn  sie  tausendmal  weniger 
Kraft  entwickelten ,  als  sie  in  der  That  ausüben ,  doch  einen  Strom  vom  Herzen  bis 
zurück  zu  ihm  erzeugen  würden,  vorausgesetzt  nur,  dass  diese  Bewegungen  hinreichten, 
um  einen  Spannungsunterschied  der  Flüssigkeit  im  arteriellen  und  venösen  System 
hervorzurufen.  Der  ßtrom  wüi-de  dann  freilich  mit  einer  viel  geringeren  Geschwindig- 
keit und  Spannung  dahin  gehen.  —  Eine  andere  Reihe  von  Autoren  giebt  jenen 
Grund  preis ,  beruft  sich  aber  auf  den  reiclilicheren  Zufluss  von  Blut ,  welcher  zu  den 
Körpertheilen  zu  Stande  kommt,  in  denen  eine  vermehrte  Absonderung  von  Flüssig- 


Uebcr  aiidero  Strömiingsursachoii.  1  51 

kuit,  eine  gestoigorte  Neubildung  von  Gewcbsbestandthoilen ,  oder  eine  Entzündung 
vorkommt.  Man  glaubt  diese  Steigerung  der  Blutzufuhr  erklären  zu  müssen  aus  einer 
Anziehung,  welche  sich  entweder  zwischen  dem  thätigern  Gewebe  und  dem  Blute  neu 
entwickelt  hat,  oder  aus  der  Steigerung  einer  schon  bis  dahin  nur  im  schwächeren 
Grade  bestehenden  Verwandtschaft.  Wenn  man  nicht  in  ganz  -willkührliche  Annahmen 
\ orfallen  will,  so  kann  man  mit  dieser  Verwandtschaft  entweder  nur  eine  partielle 
Stockung  des  Blutstroms  erklären,  oder  eine  sehr  unbedeutende  Vermehrung  des 
Stroms  von  den  Arterien  zu  den  Capillaren,  verbunden  mit  einer  Schwächung  dessel- 
ben von  den  letztern  Gefässen  zu  den  Venen.  Das  erstere  würde  eintreten,  wenn  die 
auf  das  Blut  wirkende  Anziehung  ihren  Sitz  an  der  inneni  Wandfläche  des  Gefässes 
besässe;  sie  würde  die  unmessbar  dünne  Wandschicht  des  Stromes  hemmen,  die  Mittel- 
schicht desselbeli  dagegen  ungestört  strömen  lassen,  da  alle  chemischen  Anziehungen 
nur  in  unmessbar  kleinen  Entfernungen  wirken.  —  Der  andere  I'all  aber  wüi-de  ein- 
iroten,  wenn  die  anziehende  Substanz  an  der  äussern  Wandfläohe  gelegen  wäre;  sie 
würde  dann  aus  der  Wand  die  betretfenden ,  in  sie  eingedrungenen  Blutbestandtheile 
anziehen ,  und  ihre  Wand  würde  sich  dann  wieder  aus  dem  Blute  mit  Flüssigkeit 
tränken  und  somit  einen  Zweigstrom  durch  die  Wand  hindurch  bedingen.  Hierdurch 
würde  die  Spannung  des  strömejulen  Bluts  an  der  Stelle  des  Eohrs  erniedrigt,  an 
welcher  der  Austritt  von  Flüssigkeit  stattgefunden,  und  somit  auch  der  Widerstand, 
welcher  sich  dem  vom  Herzen  nachdrückenden  Blut  entgegensetzt.  Zugleich  aber  wür- 
den mit  der  Wegnahme  bewegter  Flüssigkeit  aus  dem  Eohr  die  lebendigen  Kräfte  der 
Müssigkeit  innerhalb  der  absondernden  Eöhren  vermindert  und  damit  die  Triebkraft  für 
<len  Strom  von  dieser  Stelle  aus  geschwächt.  —  Wollte  man  beides,  einen  gesteigerten 
Zu  -  und  Abfluss  erklären  mit  Hilfe  solcher  Kräfte ,  die  au  und  in  der  Wand  thätig 
sind,  so  wäre  man  genöthigt,  anziehende  und  abstossende  Wirkungen  in  kurz  aufeinan- 
derfolgenden Zeiten  abAvechselnd  von  demselben  Orte  ausgehen  zu  lassen.  —  Bevor 
man  nun  die  einfacheren  Wege ,  welche  zu  einer  Erklärung  führen ,  verlässt  und  sich 
zu  dunklern  wendet ,  wäre ,  wie  billig,  der  Hergang,  der  zu  solchen  Annahmen  führte, 
Rcnauer  zu  untersuchen  gewesen.  Da  man  diese  Bedingung  bis  dahin  nur  sehr  mangel- 
liaft  befriedigt  hat,  so  lässt  sich  der  einen  nur  die  andere  Hypothese  entgegenstellen. 
Indem  man  sich  hierzu  versteht,  kann  man  wahrscheinlich  machen,  dass  die  An- 
ziehungen^ (ihr  Bestehen  vorausgesetzt)  gar  nicht  im  Stande  sind,  den  Blutstrom  in  der 
iiuffallenden  Weise  zu  verändern,  in  der  dies  raeist  in  entzündeten,  hypertropischen, 
-tark  absondernden  Organen  gcscliehen  ist.  —  Zuerst  übersehen  wir,  indem  wir  die 
Abhängigkeitsverhältnisse  zwischen  Stromwandung  und  anziehenden  Kräften  überlegen, 
'liiss  der  Strom  in  den  Arterien  in  dem  Maasse  an  Geschwindigkeit  zunehmen  musste, 
in  welchem  durch  die  Anziehung  Flüssigkeit  aus  dem  Gefässlumen  herausgezogen  wird- 
Wir  sehen  nun  aber  sogleich,  dass  in  den  meisten  Fällen,  besonders  in  allen  Ent- 
zündungen fester  Theile ,  die  aus  der  Gefäs.shöhle  gefülu-te  Flüssigkeitsmenge  nur  sehr 
.;enng  .sein  kann  und  dass  sie  unter  allen  Umständen  verschwindet  gegen  das  Flüssig- 
kcitsvolum,  was  aus  andern  Gründen  durch  das  Stromrohr  geführt  wird.  Also  muss 
auch  die  beschleunigende  Wirkung  der  Anziehung  verschwinden.  —  Dann  aber 
ist  ersichtlich,  dass  die  Spannung  in  der  zufülirenden  Arterie  in  den  erwähnten 
Fällen  immer  niedriger  als  im'  Normalzustände  sein  müsste,  wenn  in  Folge  der  An- 
ziehung Blutflüssigkeit  aus  den  Capillaren  ontleei-t  würde ,  und  dass  sie  nur  um  ein 
iinmessbarcs  erhöht  sein  dürfte,  wenn  durch  die  Anziehung  die  stockende  Wandschicht 
des  Stroms  an  Durchmesser  zunähme.  Nun  sehen  -wir  aber,  dass  auch  Absonderungen 
insofern  sie  von  einer  Aenderung  dos  Blutstroms  begleitet  sind,  immer  eine  erhöhte 


152 


Wesentliche  und  unwesentliche  Triebkräfte. 


Spannung  in  dun  zviführcndon  Artorion  mit  sich  bringen.  Diese  Erscheinung  macht 
also  sogleich  die  Anziehungshypothose  unwahrscheinlich,  indem  sie  ihren  Folgerungen  / 
widovspricht.  —  Viel  annehmbarer  erscheint  darum  die  Behauptung,  dass  die  Ver- 
änderung des  Stroms  sich  erst  einfindet,  wenn  aus  irgend  welchen  Gründen  eine  Ver- 
engerung oder  Erweiterung  der  leicht  beweglichen  Gefässröhren  des  entzündeten  oder 
absondernden  Organos  eingetreten  ist.  Dass  aber  hieraus  wesentliche  Veränderungen 
dos  gewöhnlichen  Stromes  entstehen  können,  werden  wir,  soweit  dieses  nicht  schon 
geschehen  ist,  demnächst  noch  zu  sehen  Gelegenheit  haben. 

Wir  haben  einem  alten  Gebrauch  zufolge*)  wesentliche  und  un- 
wesentliche Triebkräfte  des  Blutstroms  unterschieden.  Nach  unserer! 
Mittheiluugen  kann  sich  diese  Trennung  nur  beziehen  auf  den  An 
theil,  welchen  die  einzelneu  Bewegungsursachen  an  der  Gesammt- 
kraft  des  Stromes  besitzen ,  so  dass  wir  die  Kräfte ,  denen  der  Sti-om 
den  grössten  Theil  seiner  Spannung  und  Geschwindigkeit  verdankt, 
die  wesentlichen  nennen.  Als  wesentliche  wurden  aber  bezeichnet 
die  Herz  -  und  Brustbewegung,  weil  erfahrungsgemäss  der  Blutstrom 
den  bei  weitem  grössten  Theil  seiner  Spannung  und  Gcsclnvindig- 
keit  verliert,  so  wie  diese  bewegenden  Kräfte  ausfallen.  Die  Ver- 
suche, auf  welche  sich  dieser  Ausspruch  stützt,  sind  vollkommen 
beweisend,  wenn  sie  auch  nicht  bis  zu  dem  Grade  von  Genauig- 
keit geführt  werden  können,  um  den  Einfluss  eines  jeden  einzelnen- 
Einflusses  in  scharfem  Maasse  anzugeben.  —  Denn  wenn  man 
z.  B.  durch  Vaguserregung  das  Herz  zum  Stillstand  zwingt,  so 
sinkt  alsbald  die  Spannung  in  den  Arterien  fast  bis  zur  Spannung  ' 
der  Ruhe,  der  Strom  in  den  Capillaren  wird  so, langsam,  dass  in 
ihnen  keine  Bewegung  zu  sehen,  selbst  wenn  die  etwa  bestehende 
Geschwindigkeit  durch  das  Miki-oskop  um  mehrhundertfach  ver- 
grössert  wird,  und  die  Spannung  in  den  Venen  mehrt  sich  in  der 
Ruhe,  Spannuugsunterschiede  und  Geschwindigkeiten  kelu-en  aber 
wieder  zurück  in  dem  Maasse ,  in  welchem  die  Herzschläge  wieder- 
kehren. Nichts  ähnliches  tritt  ein,  wenn  wir  die  Gliederbeweguug 
aussetzen,  die  Diffussionen  und  Absonderungen  beschränken,  wäh- 
rend das  Herz  schlägt.  —  Nächst  dem  Herzen  setzen  wir  den 
Brustkorb,  einmal  darum,  weil  für  gewöhnlich  dieses  Gebilde  in 
die  Gefässbahn  einen  Ort  von  sehr  niederer  Spannung  bringt,  dann 
aber  auch,  weil  die  Bewegungen  des  Brustkastens,  wenn  sie  ener- 
gisch sind,  dem  Blut  sehr  kräftige  Stösse  zu  geben  im  Stande  sind, 
wie  uns  das  die  Messungen  noch  zeigen  werden.  Wir  sind  leider 
nicht  im  Stande,  die  kräftigen  einander  rasch  folgenden  Brustbe- 


')  Volkmnnn,  Haomodynamik.  p.  292. 


Absolute  Wcrthe  dor  Stroitispaiinmig.  153 

\  eg-ung-cn  herbeiznftiliren,  wenn  der  Herzsehlag  steht.  —  Aehnliclie, 
!l)cr  schon  untergeordnete  Wirkungen  zeigen  die  Bewegungen  der 
Iiiskeln  am  Bauch,  den  Gliedmaassen  und  den  Gefässwänden.  — 
\'enig  einflussreich  können  der  Natur  der  Sache  nacli  auch  die 
j-ätte  sein,  welclie  durch  die  Gcfässwandungen  hindurch  Flüssig- 
(it  aus  dem  Gefässsystem  ausziehen   oder  in  dasselbe  treiben, 
ic  gross  diese  Kräfte  auch  an  und  für  sich  sein  mögen,  sie  sind 
r  den  Blutstrom  nm-  in  so  fern  von  Bedeutung,  als  sie  im  Stande 
id,  den  Inhalt  der  Gefässröhren  zu  mehren  oder  zu  mindern,  oder 
iiders  ausgedrückt,  durch  die  Geschwindigkeit  und  den  Umfang 
OS  Stroms,  welchen  sie  durch  die  Gefässwand  führen,   denn  es 
lan  von  den  übrigen  Gefässproviuzen  in  die  absondernden  nur 
1  viel  einfliessen,  als  aus  diesen  letzteren  durch  die  Absonderung 
itfernt  wird.    Nun  treten  in  der  That  aus  den  Nieren  oder  den 
iingen  täglich  nur  einige  Tausend  Cubikcentimeter  Flüssigkeit 
US,  der  Blutstrom  führt  durch  diese  Organe,  wie  uns  eine  über- 
•hlägliche  Rechnung  zeigt,  aber  täglich  Millionen  von  Cubikcenti- 
.>ter  Blut;  es  verschwindet  also  der  Sekretionsstrom  gegen  den, 

I  iehen  die  andeni  Kräfte  erzeugen. 

Man  bat  zuweilen  neben  diesem  hier  hervorgehobenen  Unterschied  die  erzeugen- 

II  Kräfte  des  Blutstroms  auch  danach  geschieden ,  ob  sie  im  Stande  wären ,  den 
m  nur  durch  einzelne,  z.  B.  die  Arterien,  Venen  u.  dgl. ,  oder  auch  sämmtliche 

-Lhnitte  des  Gefässtystems  zu  führen.  Dieser  Unterscheidung  ist  aber  kein  Werth 
izulegen,  da  jede  Kraft,  welche  zwei  Orten,  die  durch  eine  Klappe  getrennt,  eine 
-leichc  Spannung  zu  ertheilen  vermag,  auch  einen  Strom  durch  das  ganue  System 
lieiführen  muss.    Es  würde  hierzu  also  eben  so  wohl  die  Saugkraft  der  Brust  als 

Stosskraft  des  Herzens  hinreichen,  weil  im  kommunizirenden  Eöhrensystem  sich 

ungleichen  Spannungen  des  Inhalts  ausgleichen. 

Die  absoluten  Werthe  der  Spannungen  im  Blutstrom. 
Die  Versuche,  welche  die  Spannungen  im  Blutstrom  und  die 
•ränderungen  in  der  Zeit  zu  messen  oder  zu  schätzen  trachteten, 
id  meist  so  angestellt  worden,  dass  der  Autheil,  den  die  ein- 
Inen  stromerzeugenden  Kräfte  an  ihnen  nehmen,  nicht  gesondert 
bemessen  ist.  —  Die  Hilfsmittel,  welche  man  beim  Menschen 
Rathe  ziehen  kann,  um  den  Werth  der  bestehenden  Spannung 
messen ,  sind  so  imvoUkommen ,  dass  sie  niemals  mehr  als  ganz 
)be  Unterschiede  zweier  verschiedenen  Werthe  erkennen  lassen; 
er  die  absoluten  Werthe  der  verglichenen  Spannungen  erhalten 
r  aber  durch  .sie  gar  keinen  Aufschluss.    Genaue  aber  weitaus 
ht  überall  genügende  Messungen  dieser  Verhältnisse  lassen  sich 
ich  das  Manometer  bei  Thieren  gewinnen.  —   Gewisse  Eigen-  ' 


154 


MoKsuiit;  der  Stromspannung;  Sphygmograpli. 


thiiniliclikcitcn  der  zeitlichen  Veränderungen  in  den  Drücken  sind 
dagegen  beim  Mensclien  und  in  noch  ausgedehnterem  Maasse  bei 
Thieren  scharf  zu  bestimmen. 

Ueber  die  Spannung  des  menscbliclien  Blutes  kann  man,  seltene  Ausnahmen  abgc- 
i-uchnet,  nur  Erfahrungen  sammeln  durch  die  Veränderungen,  welche  in  Folge  dessel 


FiR.  15. 


ben   die  Gefässwandungen    erleiden.  —   Hierzu  bedient 
man  sich  am  schmucklosesten  des  Fingers ,  welcher  den 
Widerstand  schätzt,  den  ein  Gefäss  der  Zusammenpressung 
entgegenstellt ,  oder  auch  der  sichtbaren  Ausdehnung  und 
Farbenveränderung  gewisser  Gefassregionen.    Diese  Beob- 
achtungsweise hat  man  zu  vervollkommnen  getrachtet  durcli 
die  Auwendung  eines  Glasröhrchens, .  das  an  seinem  obern 
Ende  zu  einer  offenen  Capillare  ausgezogen,  an  seinem 
untern  aber  mit  einer    nachgiebigen    Blase  geschlossen 
war.    Man  soll  dieses  Gefäss  mit  Flüssigkeit  füllen,  die 
Blase  auf  die  Haut  setzen,  welche  über  eine  Arterie  weg- 
läuft, andrücken,  und  das  Spiel  der  Flüssigkeit,  welches 
durch  das  Klopfen  der  Arterie  herbeigeführt  wird,  in  dem 
engen  Ausläufer  vergrössert  beobachten  (Herls son).  — 
Weit  vollkommener  als  hierdurch  gelingt  die  Nachweisung 
wesentlicher  Eigenschaften  des  Pulses  durch  den  schreiben- 
den Fühlhcbel,  dem  Vierordt*)  als  Sphygmograph 
(Fig.  45)    folgende  Einrichtung    gegeben  hat.     Auf  die 
Haut,  welche  eine  leicht  zugängliche  Arterie  bedeckt,  legt 
er  ein  Plättchen  («),  von  dem  ein  Stäbchen  senkrecht  zu 
dem  Ende  des  kurzen  Arms  eines  Fühlhobels  bc  aufsteigt, 
an  dem  es  sich  befestigt.    Der  lange  Arm  des  Hobels  de, 
der  die  Ausschläge  dos  kurzen  10  bis  30  mal  vergrössert, 
ist  am  freien  Ende  mit  einer  der  zarter  gehenden  Vorrich- 
tungen in  Vorbindung,   welche  die  Kreisbewegung  die- 
ses Endes  in  eine  gradlinige  übersetzen ;  diese  Einrichtung 
trägt  ein  Menschenhaar  c,  das  die  Auf-  und  Abgänge  des 
•  Hebels  auf  ein  bcrusstes  Papier  fixirt ,  welclies  über  den 
b'infang  eines  mit  bekannter  Geschwindigkeit  sich  drehen- 
den Cylinders  gespannt  ist. 

Um  den  Gang  des  Hebels  von  mancherlei  andern 
Bewegungsursachen  unabhängig  zu  machen,  die  sich  hier 
einmischen  könnten,  gicbt  Vierordt  zahlreiche  Vorschrif- 
ten; so  stellt  er  die  Gliedmaasse  fest,  welche  die  Arterie 
trägt,  und  überzeugt  sich  durch  ein  sicheres  Verfahren, 
dass  ihm  dieses  gelungen;  die  Schwingungen  in  Folge 
der  Trägheit  beseitigt  er  dadurch,  dass  er  sowohl  die 
üesammtmasse  des  Hebels  durch  Auflegen  von  Gewichten 
als  auch  den  Druck,  welche  dieselbe  auf  das  Gefäss  ausübt, 
so  lange  (durch  Ac,|«iUvriren  des  entgegengesetzten  Armes)  regelt,  bis  der  Hebel  mit 
der   gewünschten  Geschwindigkeit  aufgehoben   wird.     Nicht  mindere  Aufmerksamkeit 


*)  Dio  Loliiu  vom  Ailciieniiuls.  Braunsuliweib'  IBü». 


Uebcr  die  Messung  durch  das  registrirendc  Manometer. 


155 


schenkt  er  der  Verbindung  zwischen  Haut  und  Plättchen,  um  die  erste  so  nachgiebig 
zu  machen,  dass  das  letztere  jeder  Pulslage  auch  wii-klich  folgen  könne.    Eine  Ein- 
richtung ist  Vierer  dt  jedoch  noch  nicht  gelungen,  nämlich  die  Herstellung  einer 
solchen  Verbindung,  dass  in  zwei  verschiedenen  Versuchen  aus  der  Grösse  des  Hebel- 
Ausschlages    die  Durchmesser- Vermehrung    der  Arterien    abgeleitet  werden  könnte. 
Unter    vorsichtiger  Benutzung    in  sachverständigen  Händen    wird    dieses  Instrument 
ebensowohl  den  Zeitraum  bestimmen,  der  zur  Vollendung  sei  es  einer  ganzen  oder  nur 
der  auf-  oder  absteigenden  Pulsbewegung  verbraucht  wird,  und  unter  Umständen  auch 
die  Abhängigkeit  darstellen,  in  welcher  das  AVachsthum  des  Arterien-Durchmessers  zur 
Zeit  steht.    Dieses  ist  natüi-lich  niclit  gleiclibedeutend  mit  dem  Wachsthum  des  Blut- 
drucks, wegen  der  bekannten  Eigenschaft  der  Arterienwand,  sich  nicht  direkt  proportinal 
mit  der  steigenden  Belastung  auszudehnen,  vorausgesetzt,  dass  diese  letztere  nur  kürzere 
Zeit  hindurch  einwirkt.    Aus  diesen  und  andern  Gründen  ist  das  Instrument  auch 
nicht  geeignet,  relative  oder  absolute  Angaben  über  den  Blutdruck  zu  machen,  voraus- 
gesetzt, man  wollte  über  die  Angaben  hinausgehen,  dass  einem  grösseren  Durchmesser 
der  Arterie  eine  höhere  Blutspannung  entspreche  als  einem  geringeren. 

In  einzelnen  Fällen  ist  es*  auch  vortheilhaft  gewesen,  das  Metronom  zu  ge- 
brauchen, um  ein  ungefähres  Maass  für  den  zeitlichen  Abstand  zweier  Pulsschläge  °zu 
erhalten.  Donders  stellt  das  Instrument  so  ein,  dass  die  Schläge  desselben  mit 
denen  des  Pulses  zusammenfallen.  Wird  nun  durch  irgend  welchen  Umstand  die 
Schlagfolge  des  Herzens  vorübergehend  geändert,  so  ist  aus  der  Vergleichung  mit  dem 
Metronom  leicht  anzugeben,  ob  die  Herzpausen  verlängert  oder  verkürzt  sind. 

Zur  Messung  der  Spannungen  bei  Thieren  bedient  man  sich  auch  hier  des  Druck- 
zeichners (Fig.  35).  Er  hat  vor  allen  übrigen  denkbaren  Instmmenten  den  Vorzug 
dass  die  Blutspannung  durch  eine  Flüssigkeit  gemessen  wird,  so  dass  die  Angaben  de.s 
Messinstruments  sogleich  brauchbar  sind,  ohne  irgend  welchen  Umsatz  in  ein  anderes 
Maass  erfahren  zu  müssen. 

Wenn  nun  aber  das  registrirende  Manometer  dazu  benutzt  wer- 
den soll,  um  Drücke  zu  messen  und  aufzuschreiben,  die  mit  der 
steigenden  Zeit  in  sehr  auffallendem  Grade  wachsen  und  sinken 
so  ist  eme  besondere  Betrachtung  nöthig,  ob  die  vom  Instrument 
gegebene  Curve  das  wahre  Spiegelbild  des  Vorgangs  in  dem  Ge- 
fasse  ist,  mit  andern  Worten  ob  in  der  That  der  in  jedem  Augen- 
bhck  aufgezeichnete  Druck  auch  im  Gefäss  als  solcher  vorhanden 
ist.  Diese  Voraussetzung  würde  erfüllt  sein,  wenn  der  Druck  im 
Blute  und  im  Glasgefäss  sich  momentan  ausgleichen  könnte  und 
wenn  das  Quecksilber  sich  nur  unter  dem  Einfluss  des  jeweilig 
vorhandenen  Blutdruckes  bewegte. 

Indem  wir  zuerst  den  letzten  Punkt  ins  Auge  fassen,  leuchtet 
sogleich  em,  dass  das  Quecksilber,  welches  bisher  unter  dem  Ein- 
tluss  cler  stets  geänderten  Blutdrücke  auf-  und  abgeht,  vermöge 
semer  iragheit  auch  noch  dann  mit  seiner  bisherigen  Geschwindig- 
keit tortschreiten  würde,  selbst  wenn  es  dem  Einflüsse  des  Blut- 
druckes entzogen  wäre.  Demnach  würde  also  die  wahre  Bewegung 


156 


Das  registrirondo  Manometer. 


die  das  Quecksilber  in  jedem  Augenblick  annimmt,  abhängen  von 
dem  Stoss,  den  es  in  ihm  empfäng-t  und  dem  Bewegungsbestreben, 
welches  ihm  seiner  Trägheit  wegen  noch  anklebt.  Hieraus  leuchtet 
sogleich  weiter  ein ,  dass  die  Bewegung  des  Quecksilbers  nur  dann 
dem  Gange  des  Blutdruckes  entspricht,  wenn  es  gelingt,  den  ihm 
Avegen  der  Trägheit  anhaftenden  Stoss  der  bewegenden  Kräfte  ver- 
schwindend klein  zu  machen  gegen  denjenigen,  der  hervorgeht  aus 
dem  in  jedem  Augenblicke  neu  hinzukommenden  positiven  oder 
negativen  Spannungszuwachs.  Diese  Forderung  lässt  sich  aber 
auf  genügende  Weise  befriedigen.  Zu  dem  Ende  rauss  die  Masse 
des  im  Manometer  aufgehäuften  Quecksilbers  möglichst  gering  ge- 
nommen werden;  eine  Älaassregel,  die  jedoch  bald  darin  ihre  Grenze 
findet,  dass  die  Länge  der  Quecksilbersäule  nicht  unter  einen  be- 
stimmten Werth  herabsinken  darf,  soll  sie  anders  dem  Blutdrucke 
noch  das  Gleichgewicht  halten,  und  dass  sich  der  Anwendung 
des  zeichnenden  Schwimmers .  Schwierigkeiten  in  den  Weg  setzen, 
wenn  ihr  Querschnitt  unter  2 — 4  Mm.  Durchmesser  absteigt.  Daraus 
folgt,  dass  in  die  Röhre  25  bis  50  Gr.  Quecksilber  gefüllt  werden 
müssen.  In  der  That  kann  aber  au(;h  bis  zur  letzten  Gewichtsmenge 
gestiegen  werden,  vorausgesetzt,  dass  man  den  Blutdi-uck  einer 
grösseren  Arterie  bei  Hunden  von  mittlerem  Körpergewicht  messen 
will.  —  Zweitens  müssen  die  Wandungen  der  Verbindungsröhre 
zwischen  Blut  und  Quecksilber  aus  steifen  Stoffen  (Messing,  Blei 
oder  Zinn)  gebaut  und  ihr  Hohlraum,  durchaus  nur  mit  tropfbarer 
Flüssigkeit  gefüllt  und  somit  alle  Luftblasen  veimieden  sein.  Der 
Vortheil ,  welchen  diese  Verbindungsart  bietet ,  besteht  darin ,  dass  [ 
sich  dann  das  Quecksilber  nur  in  so  weit  bewegen  kann,  als  Blut 
aus  den  Gefässröhren  nachdringt  oder  dorthin  ausweicht.  Hierdurch 
vsard  aber  offenbar  die  Bewegung  des  Quecksilbers  mit  allen  den 
bewegungsverzelii-enden  Widerständen  behaftet,  welche  sich  dem 
Blutstrom  selbst  entgegen  stellen.  Es  würde  darum  sehr  fehlerhaft 
sein ,  wenn  man  Luftblasen  in  dem  Instrument  dulden  oder  gar 
das  Blutgefäss  mit  dem  Glasrohr  durch  einen  leicht  in  Schwingungen  i 
zu  versetzenden  Kautschoukschlauch  verbinden  wollte.  —  Endlich  \ 
muss  in  das  Verbindungsrohr  zwischen  Blut  und  Quecksilber  ein 
Hahn  eingesetzt  werden,  um  die  Ausgleichungsgeschwindigkeit  desi 
Drucks  zwischen  den  beiden  genannten  Flüssigkeiten  gewisse  Gren- 
zen nicht  Ubersteigen  zu  lassen;  denn  offenbar  ist  es  eine  Be- 
dingung für  die  brauchbare  Messung,  dass  die  Geschwindigkeit,  | 
mit  der  das  Quecksilber  im  Glasrohr  ansteigt  oder  absinkt,  niemal-1 


Beseitigung  der  Einwände  gegen  den  Druckzeichnor.  157 

einen  allzubeti-ächtlichen  Werth  annimmt.  Die  Erfahrung  hat  ge- 
lehrt, dass  eine  Spiegeländerung  von  20 — 40  Mm.  in  0,3  bis  0,4  Secd. 
unschäcUich  ist;  man  könnte  aber  durch  Stellung  der  Hahnötfnung 
das  Ansteigen  und  Absinken  noch  weit  langsamer  geschehen  lassen. 

AVendet  man  diese  selbstverständlichen  Vorsichtsmaassregeln 
an,  so  wird  man  sicher  sein,  dass  sich  das  Quecksilber  im  Mano- 
meter und  der  Druck  in  den  Arterien  immer  im  gleichen  Sinne 
ändern,  und  dass  namentlich,  wie  man  behauptet,  im  Manometer 
niemals  mehr  Wendepunkte  des  Drucks,  als  Pulsschläge  geschehe;! 
sind,  vorkommen.    Um  mich  zu  überzeugen,  dass  diese  Vorsichts- 
maassregeln genügen,  um  den  Gang  des  Quecksilber-  und  Blut- 
iruckes  in  zeitliclie  Uebereinstimmung  zu  bringen ,  wendete  ich  in 
Heiner  vor  12  Jahren  erschienenen  Arbeit  über  den  Druckzeichuer 
mehrere  Prüfuugsmittel  au.    So  legte  ich  zwischen  die  innere  Bi-ust- 
wandfläche  und  das  Herz  des  Thieres,  dessen  Blutdruck  untersucht 
«Verden  sollte,  ein  kleines  mit  Wasser  gefülltes  Bläschen  luftdicht 
ein,  führte  aus  demselben  ein  steifes  Rohr  in  ein  mit  Quecksilber 
eftilltes  Manometer,  dessen  Schwimmer  auf  die  rotirende  Trommel 
schreiben  konnte.  'Da  sich  das  Herz  bei  der  Systole  der  Brustwand 
lähert,  bei  der  Diastole  von  ihr  entfernt,   so  wird  das  Bläschen 
lazu  dienen  können,  Senkungen  und  Erhebungen  des  Quecksilbers 
m  Manometer  zu  veranlassen,  die  gleichzeitig  mit  dem  Steigen  und 
-fallen  des  Druckes  in  der  Arterie  gehen.    Hat  man  nun  gleich- 
'.eitig  aus  dem  Bläschen  und  einer  Arterie  zwei  Curven  schreiben 
assen,  und  legt  man  dann  die  zu  einander  gehörigen  Stücke  der 
)eiden  Curven  übereinander*),  so  ist  die  Zeit,  welche  zur  Vollendung 
äner  Herzbewegung  gehört,  in  der  Herz-  und  Arteriencurve  ganz 
dieselbe.   Es  finden  sich  dagegen  Unterschiede  rUcksichtlich  der 
lüittheilung  dieser  Gesammtzcit  auf  den  auf-  und  absteigenden 
fheil  einer  jeden  Herzcurve,  was  nicht  anders  sein  kann~  da  sich 
n  dem  arteriellen  Blut  noch  die  Respirationsstösse  ausprägen,  die 
n  dem  auf  das  Herz  gelegten  Beutelchen  nicht  ganz  fehlen,  aber 
I  loch  weniger  merklich  sind.    Da  nun  aber  die  Excursionen  der 
om  Herzen  geradaus  gezeichneten  Curve  oft  um  das  neunfache 
■••'ngcr  smd,  als  die  des  arteriellen  Manometers,  so  folgt  eben 
n-aus,  dass  die  Vollendungszeit  einer  Schwankung  unabhängig 
■ir  von  der  Elongation,  die  sie  besass.  —  Eine  andere  Probe 
'vvanu    ich    dadurch,    dnss    ich  gleichzeitig   auf  Carotis  und 


•)  I.  <■.  In  Mllll,.r.ArHMv  1«.(7.  p.  -im.  Die  Znhlen  ,lor  Tnl.oll,.  XIII.  Kl«.  21  ,,.  T.if.  XT.  Fip.  l:). 


158 


Tlieorie  des  Druckzeichners. 


Cruralis  oder  zwei  Carotiden  u.  s.  vv.  zwei  Manometer  mit  ungleichen 
Quecksilbermeng-en  und  Hahnöifiiungen  einsetzte;  hierdurch  erhielt 
ich  Curveii,  deren  variable  Ordinaten  sehr  ungleich  hoch  waren, 
und  doch  deckten  sich  beide  zeitlich  vollkommen*). 

Diesen  aus  der  Erfahrung  geschöpften  Beweis  flir  die  Be- 
hauptung, dass  der  Druck  des  Blutes  und  des  Quecksilbers  gleich- 
viel Hebungen  und  Senkungen  macht,  hat  Redtenbacher **)  auf 
theoretische  Betrachtungen  gestiizt,  angezweifelt.  Die  N'oraus 
Setzungen  seiner  Rechnung  fallen  aber  mit  denen  des  Manometei.s 
nicht  zusammen.  Denn  während  das  Insti-ument  gerade  auf  einer 
vorsichtigen  Benutzung  der  Reibung  des  Bluts  im  Gefässsystem  und 
auf  der  Regelung  der  Ausgleichungszeiten  der  Drücke  in  dem  Gefäss 
und  Glasrohr  beruht,  wendet  er  auf  dasselbe  die  elementaren  Sätze 
an,  welche  ftir  die  ^Verflechtung  zweier  Schwingungsursachen  giltig 
sind.  Demgemäss  muss  er  zu  Folgerungen  kommen,  die  ein  passeud 
eingerichtetes  Manometer  niemals  bestätigen  kann.  —  Ad.  Fick  ***) 
hat  das  Versehen  von  Redten ba eher  in  so  fern  verbessert,  als 
er  in  seine  Formel  einen  die  Reibung  bezeichnenden  Ausdruck  ein- 
setzt, wodurch  sich,  wenige  Umformungen  abgerechnet,  die  Betrach- 
tung gerade  so  gestaltet,  wie  sieSeebeckf)  für  die  Trommelfell- 
bewegung gegeben  hat.  Unter  dieser  ganz  allgemeinen  Voraus- 
setzung stimmt  nun  auch  schon  Erfahrung  und  Rechnung  besser.  — 
Vom  praktischen  Standpunkt  aus  hat  V  i  e  r  o  r  d  t  und  nach  ihm  Va  1  en- 
tin Bedenken  gegen  das  Manometer  erhoben;  unbestreitbar  giebt 
es  Einrichtungen,  die  nicht  das  Gewünschte  leisten,  obwohl  sie 
nach  dem  Schema  der  Manometer  gebaut  sind.  Bevor  also  eine 
Besprechung  jener  Bedenken  fruchtbar  werden  könnte,  müsste  der 
Bau  und  die  Anwendungsweise  ihrer  Instrumente  bekannt  seiu. 
Vi  er  or  dt  gebührt  jedoch  das  Verdienst,  gezeigt  zu  haben,  dass 
das  Manometer  nicht  in  Jedennanns  Hand  ntitzlich  werden  muss; 
er  hat  damit  hoifentlich  den  Gebrauch  des  Instruments  heilsam 
eingeschränkt.  — 

Die  bisherigen  Betrachtungen  haben  ungesucht  den  Beweis  ge- 
liefert, dass  die  Quecksilberdrücke  den  jeweilig  vorhandenen  Blut- 
drücken nicht  entsprechen,  weil  absichtlich  die  Ausgleichung  der 


»)  1.  c  Taf.  14.  FIp.  2C. 

Vicrorilt,  Lelire  fmw  Arterlenpuls  p.  11,  ^ 
***)  Med.  Physik  p.  4C8. 
1)  Dieses  Lehrbiicli  I.  Ril.  p.  3G3. 


Beobachtete  Spannungen  in  den  Arterien. 


159 


)rtlaufencl  sich  ändernden  Bhitditicke  gehemmt  wurde;  es  wird 
Iso  die  Hg-säule  im  Manometer  nie  so  hoch  steigen  und  sinken, 
Is  der  Bhitdruck  fordert.  Dieser  Umstand  verhindert  es  aber  nicht, 
ass  aus  den  forthiufend  veränderten  Höhen,  welche  das  Queck- 
Iber  erreicht,  der  wahre  Mitteldruck  des  Bhits  gefunden  werden 
ann ,  weil  nämlich  die  Einflüsse,  welche  die  Ausgleichung  hindeini, 
ch  in  ganz  derselben  Weise  für  das  Auf-  wie  das  Absteigen  gel- 
ind machen. 

Aus  der  gelieferten  Curve  findet  man  nun  den  Mitteldruck  ent- 
eder  durch  Wäguug  des  Papierstückes,  welches  die  Curve  um- 
grenzt oder  durch  das  Planimeter,  Avorüber  auf  die  medicinische 
ihysik  von  Ad.  Fick*)  zu  vei-weisen  ist. 

Ueber  die  Verbindungen  des  Manometers  mit  dem  Gefäss  je  nach  der  Messung 
3  Seiten-  oder  Achsendrueks  und  je  nach  der  Messung  in  Arterien  und  Venen  siehe 
Ludwig  und  Volkmann**). 

Beobachtete  Spannungen  in  der  grossen  Blutbahn. 
Arterien. 

1.  Puls.    Jede  Zusammenziehung  des  Herzens  bedingt  in  den 
«rterien  eine  rasch  vorübergehende,  durch  das  ganze  System  fort- 
iufende  Erweiterung,  welche  als  Folge  der  Welle  angesehen  wer- 
üu  muss,  die  vom  Herzen  erregt  wird.  —  Die  Ausdehnung  der 
terie  geschieht,  wie  dieses  namentlich  an  einem  blos  gelegten 
■tässe  sichtbar  wird,  eben  so  wohl  nach  der  Länge  als  nach  dem 
u  chmesser.    Die  Auswellung  nach  der  letztern  Richtung  ist  jedoch 
'uiger  augenfällig,  .als  die  Verlängerung,  welche  sich  durch  eine 
w  egung  der  bisher  gestreckten  Gefässe  besonders  einleuchtend 
>sert.   Dieser  Unterschied  ist  einmal  begründet  in  der  meist  ge- 
.i^ern  Dehnbarkeit   nach  der  queren  Richtung  und  nächstdem 
'lurch,  dass  das  blossgelegte  Gefäss  nach  der  Länge  hin  in 
isserer  Ausdehnung  sichtbar  ist,  als  sie  der  Peripherie  der  Ar- 
ie zukommt;  wenn  also  die  Ausdehnung,  welche  die  Arterien- 
iid  nach  beiden  Richtungen  hin  erfährt,  relativ  gleich  gross  ist, 
wird  doch  die  nach  der  Länge  absolut  bedeutender  sein. 

I'oiseuille***)  hat  in  einigen  Fällen  bei  Thieren  die  Vermehrung  der  Rüumlicli- 
gemessen,  welche  ein  aliquoter  Absclinitt  einer  Arterie  erführt ;  leider  iehlen  gleich- 
ige Druckbestimraungen ,  so  dass  das  Rosultat  auf  kein  allgemeines  Interes.se  An- 
xli  maclien  kann.  —  Ueber  den  Streit,  ob  die  Ausdehnung  noch  der  Länge  allein 
nach  beiden  liichtungen  erfolge,  siehe  E.  H.  Weberf). 

)  p.  464. 

•)  M.igk,  Henlc  u.  Pfcufer'«  Zeitschrift.  III.  11,1.  ^-  HucmodynR.i.lk.  14.'). 

Valentin,  Lchrbiicli  iler  Physiologie.  2.  Aull.  I.  p.  HH. 
>  llililebrBnil'»  Annlonile.  III.  Bd.  p.  73. 


160 


Beobachtete  Spannungen  in  den  Arterien  der  grossen  Blutbahn. 


Wenn  die  Erweiterung  der  Arterien  beim  Pols  die  Folge  der 
fortschreitenden  Wellenbewegung  ist,  so  muss  derselbe,  wie  dieses 
auch  thatsächlich  der  Fall,  in  jedem  dem  Herzen  näher  gelegenen 
Arterienabschnitt  früher  erscheinen,  als  in  den  entfernteren.  Kennt 
man  nun  die  Zeit,  welche  nothweudig,  damit  das  Maximum  der 
Erweiterung  von  einem  Ort  zu  einem  andern  von  bekannter  Ent- 
fernung fortschreitet,  so  ist  damit  die  Geschwindigkeit  des  Fort- 
schreitens der  Welle  im  Arteriensystem  gegeben.  E.  H.  Weber*) 
hat  mit  der  Tertienuhr  eine  solche  Bestimmung  an  sicli  ausge- 
lülirt  und  gefunden,  dass  die  Welle  in  1  Sekunde  um  11,250  Me- 
ter =  34,5  Fuss  fortschreitet.  Bemerkenswerther  Weise  stimmt 
diese  Fortleitungsgeschwindigkeit  mit  der  von  ihm  am  Kautschouk- 
rohr  beobachteten  ilberein,  —  Macht  rann  nun  die  Annahme,  dass 
in  einer  Arterie  die  Wellen  von  einem  zum  andern  Herzschlag  an- 
dauern, so  muss  die  Wellenlänge  gefunden  werden,  wenn  man 
diese  Zeit  mit  der  Fortleitungsgeschwindigkeit  multiplizirt.  Aus 
einer  solchen  Bechnung  geht  hervor,  dass  selbst  bei  einem  sehr 
rasch  auf  einander  folgenden  Herzschlag  die  Länge  der  Arte- 
rienwelle die  des  menschlichen  Körpers  weit  übertrifft. 

2.  An  einer  und  derselben  Gelassstelle  erscheint  die  Wider- 
standsfähigkeit der  pulsirenden  Arterie  dem  drückenden  Finger 
veränderlich  mit  der  Blutfülle  des  ganzen  Gefässsystems,  mit  der 
Zahl  und  Kraft  der  Athem-  und  Herzbewegungen,  mit  dem  Ein- 
tritt von  Stromhemmnissen  im  Allgemeinen,  oder  solchen,  die  dies- 
seits und  jenseits  der  untersuchten  Stelle  gelegen  sind. 

Den  genauen  Ausdruck  für  diese  Thatsachen  liefert  der  Druck- 1 
Zeichner;  die  folgenden  Beobachtungen  beziehen  sich  auf  die  ait  ! 
carotis,  wenn  nicht  das  Gegentheil  bemerkt  wird. 

a.  Veränderlichkeit  des  Mitteldrucks  eines  Blut- 
stroms mit  der  Blutfülle**).  Nach  einer  Injection  von  er- 
wärmtem und  geschlagenem  Blut  eines  Thiers  in  die  Adern  eines 
gleichartigen  andern  pflegt,  wie  Volkmann,  Göll  u.  A.  erwiesen 
haben,  die  mittlere  Spannung  des  Stroms  in  der  Carotis  zu  stei- 
gen, während  sie  abnimmt  nach  grossen  Aderlässen.  Dieser  Er- 
lbig muss  jedoch  nicht  nothwendig  eintreten,  da  eine  Vermehrung 
oder  Verminderung  in  der  Beschleunigung  und  in  dem  Umfang  der 


*)  Leipziger  Berichte.  Mnthemntisch-pliysischo  Clnsso.  1861.  lOG  u.  118. 
»•)  V  (1 1  It  Hin  11 11 ,  IlneiiiiKlyiiaiiiilc.  p.  4M.  —  Göll,  H  o  ii  1  c  ii.  Pfc  u  fcr '  s  Zeitschrift. 
IV.  p.  78.  —  Bruiinor,  I.  c, 


I 


Veränderlichkeit  der  Stromspannung  mit  der  Athcmhewegiin,!?. 


161 


Herzscliläge  corapensirend  auftreten  kann.    Diese  Compensation 
mnss  jedoch  innerhalb  gewisser  Grenzen  eingeschlossen  sein,  die 
ich  aber  vorerst  nicht  näher  bezeichnen  lassen. —  Während  eines 
Vderlasses  mnss  nach  den  Versuchen,  welche  Volkmann  an 
tarren   Eöhren    anstellte,     die   Spanmingsabnahme    am  gross- 
en sein  in  den  Gefässen,  welche  der  Oeffnung  zunächst  liegen, 
and  namentlich  in  denjenigen,  welche  zwischen  diesen  letzfern  und 
en  Capillaren  sich  befinden. 

Nach  einer  merkwürdigen  Beobachtung  von  |Vierordt  und 
\.berle*)hat  die  a.  radialis  der  lebenden  Menschen  vor  dem  Mittags- 
kissen  einen  geringeren  Durchmesser  als  nach  demselben ;  das  bela- 
itete  Stäbchen  (p.  154)  fand  im  Mittel  den  Durchmesser  der  Arterie 
lach  Tisch  =  2,9  MM.;  vor  Tisch  aber  =  2,3  MM.  Dieses  Span- 
mngswachsthum  des  Bluts  kann  abgeleitet  werden  aus  einem 
urch  die  Verdauung  vermehrten  Inhalt  des  Gefässsystems ,  aus 
1er  Stammg,  welche  die  zu  jener  Zeit  zahlreich  vorhandenen 
arblosen  Blutkörperchen  in  den  Capillaren  erzeugen,  oder  sie 
Kann  Folge  einer  Mischung  beider  Ursachen  sein. 

b.  Wie  sich  unter  dem  Einfluss  der  veränderten  Herz- 
»ewegung  die  Spannung  ändert,  ist  schon  früher  mitgetheilt 
worden,  siehe  pag.  131. 

c.  Veränderlichkeit  der  Spannij^ng  mit  den  Athem- 
ewegungen**).  Der  Einfluss  der  Athembewegung  auf  die  Span- 
ung  des  arteriellen  Blutes  fällt  bei  verschiedenen  Thiergattungen 
nd  bei  denselben  Individuen  unter  abweichenden  Umständen  sehr 
erschieden  aus.  Wii-  betrachten  hier  als  Prototype  die  Erschei- 
ungen  beim  Hund  und  dem  Pferd. 

Hund.  Hier  ist  zu  unterscheiden:  a.  Jeder  einzelne  Akt  einer 
.tbembewegung  (eine  In-  und  eine  Exspiration)  besitzt  die  Dauer 
lehrer  Herzschläge;  die  Zahl  dieser  letztern  in  der  Minute  ist 
ine  mittlere  (keine  beschleunigte).  —  In  diesem  Fall  gewinnt  die 
ipannungscun  e  das  in  Fig.  46.  wiedergegebene  Ansehen.  Mit  der 
■eginnenden  Exspiration  folgen  die  Zusammenziehungen  des  Her- 
ens einander  sehr  rasch  (1  bis  6).  In  dieser  Zeit  (^E  bis  K) 
teigt  die  mittlere  Spannung  sehr  beträchtlich,  so  dass  selbst  wäh- 
8nd  der  zwischen  zwei  Zusammenziehungen  gelegenen  Erschlaf- 
mg  des  Herzens  entweder  gar  kein  oder  ein  nur  sehr  nnbedeu- 


Die  Messung  .Ics  Artfirlcii.Iurclimesscr.  Tlibingun  185«. 
*•)  C.  Lu.lwig,  MUllei's  Archiv.  1847.  —  üoiiilors  nn  den  nugefülirton  Orten. 
Ludwig,  Physiologie  II.   2.  Auflnge.  11 


1()2  EinihiBs  der  Atheinbeweguiig  beim  Iluud. 

tencles  Sinken  der  Spannung  zu  Stande  kommt.  Jeder  neue  Herz- 
sclilag  trifft  also  eine  höhere  Spannung  an,  als  der  vorhergehende. 
Mit  Vollendung  der  Exspirationsbewegung  (R),  wenn  der  verengte 
Thorax  zu  seiner  normalen  Weite  zurückkehrt,  tritt  nun  plötzlich 
eine  lange  Herzpause  ein,  während  welcher  die  Spannung  sehr  he- 
i'ig.  46  beträchtlich  herabsinkt;  auf 

diese  folgen  dann  die  Herz- 
schläge seltener.  In  der  dar- 
auf eintretenden  Inspiration 
(  7")  ereignet  es  sich  nun,  dass 
während  jeder  Herzsystole  die 
Spannung  weniger  steigt,  als 
sie  in  der  zugehörigen  Dia- 
stole sinkt,  so  dass  jeder  fol- 
gende Herzschlag  die  Span- 
nung auf  einem  niederen 
^  — 7  ■   Grade  antrifft,  als  der  vorher- 

gehende. ■ —  Um  eine  Vor- 
stellung davon  zu  erhalten,  wie  sich  der  Mitteldruck  von  eineiu 
Herzschlage  zum  andern  in  einer  vollendeten  Respirationsbewegung 
ändert,  ist  es  notliwendig,  die  Curve  MM  aus  der  unmittelbar  ge- 
wonnenen dadurch  zu  construiren,  dass  man  aus  den  während- 
einer  Ilerzzusammenzieliung  bestehenden  Spannungen  das  Mittel 
nimmt,  diese  mittleren  Werthe  auf  die  halbe  Zeit  zwischen  Anfang 
und  Ende  der  Ilerzbewegung  aufträgt  und  darauf  die  Punkte 
durch  eine  Linie  verbindet. 

Diese  Werthänderungen  der  mittleren  Si)annung  hängen  nach- 
weisslich  von  zwei  Umständen  ab,  einmal  von  den  Herzkräften 
und  dann  von  dem  Spannungszuwachse,  welchen  das  Blut  in  der 
Brusthöhle  durch  die  Bewegungen  der  Brustwandungen  erhält.  Der 
Beweis  für  die  Behauptung,  dass  den  Bewegungen  der  Brustwan- 
dung ein  Antheil  an  den  Veränderungen  der  mittleren  Spannung 
zugeschrieben  werden  müsse,  liegt  schon  darin,  dass  eine  Propor- 
tionalität besteht  zwischen  den  Spaunungsveränderungen  des  In- 
halts der  Brust  und  der  Arterien;  denn  erfahrnngsgemäss  steig' 
die  arterielle  Spannungscurve  gerade  so  lange  an,  als  die  Exspi- 
rationsbewegung anhält,  und  nicht  minder  steigt  und  sinkt  dieselbe 
um  so  beträchtlicher,  je  umfänglicher  die  Aus-  oder  Einathmniig 
geschieht.  —  Den  Zuwaclis,  welchen  die  mittlere  Spannung  des 
Bluts  während  der  Dauer  einer  Ausathmung  erfährt,  kann  man 


Einfluss  dor  Athcmbo-wegung  beim  Pferd. 


163 


^  sich  aber  nicht  allein  abhiingig  denken  von  dem  Druck  der  zu- 
[•  sammenfallenden  Brust.    Dieses  vorausgesetzt,  mflsste  offenbar  die 
|- Spannung,  welche  vt^ährend  der  Exspiration  zwischen  Brust  und 
der  äussern  Fläche  der  Gefässwand  besteht,  gleich  sein  dem  Zu- 
wachs der  Spannung  in  den  Binnenräumen  der  Gefässe.  Dieses 
'ist  aber  nicht  der  Fall;  denn  eine  Messung  dieser  Spannung  in 
dem  verschlossenen  Brustkasten  ergab,  dass  diese  immer  geringer 
lals  der  Spanmmgszuwachs  in  den  Arterien  war  (C.  Ludwig).  — 
Die  Veränderung  in  der  Zahl  der  Herzschläge  kann  bedingt  sein 
entweder  von  einem  erregenden  Einfluss,  welchen  der  zusammen- 
fallende Brustraum  auf  das  ausgedehnte  Herz  übt,  oder  von  Erre- 
:gnngen  des  n.  vagus.    Die  Annahme,  dass  der  zuletzt  erwähnte 
^Nen-  hierbei  im  Spiel  sei,  wird  durch  die  Thatsachen  des  folgen- 
den Satzes  bestätigt. 

ß.  Jeder  einzelne  Akt  einer  Athembewegung  besitzt  die  Dauer 
mehrerer  Herzschläge,  die  Zahl  der  letzteren  ist  eine  beschleunigte. 
Diesen  Fall  kann  man  künstlich  erzeugen,  Fig.  47. 

wenn    man  die  n,  vagi  durchschneidet. 
»Die  Erscheinungen,    welche  in  Fig.  47. 
;dargestellt  sind,    unterscheiden  sich  von 
den  vorhergehenden  dadurch,    dass  die 
"Dauer  und  die  Intensität  der  einzelnen 
Serzschläge  in  der  Ausathmung  von  denen 
n  der  Einathmung  nicht  abweichen;  der 
jpannungszuwachs  ist  somit  nur  abhängig  von  dem  Druck  der 
Si-ustwandung,  was  die  direkten  Messungen  bestätigen. 

y.  Die  Athem-  und  Herzbewegungen  sind  ungefähr  gleich  an 
'nhl;  bei  dieser  Combination  sind  an  der  arteriellen  Spannungs- 
urve  die  einzelnen  Phasen  der  Athembewegung  nicht  mehr  zu  er- 
vcnnen,  obwohl  ihr  Einfluss  offenbar  noch  vorhanden  sein  muss. 

Pferd.  Bei  diesem  Thiere  gestalten  sich  die  Erscheinungen 
larum  sehr  viel  einfacher,  weil  die  regelmässige  Wiederkehr  des 
Icrzschlags  durch  die  Bedingungen,  welche  die  Athembcwegungen 
■inleiten,  nicht  wesentlich  beeinträchtigt  wird.  Es  bezichen  sich 
lenmach  die  durch  die  letzteren  erzeugten  Veränderungen  in  der 
i  tencllen  Spanmmgscurve  nur  auf  eine  Steigerung  oder  Minderung 
'T  durch  die  Hcr/kräftc  erzeugten  Dilicke,  so  dass  während  der 
lerzpaiise  die  Spannung  beträchtlich  abnimmt,  wenn  sie  sich  zu 
iner  Inspirationsbewegung  gesellt,  während  keine  oder  nur  eine 

11* 


104 


Eiiifluss  dor  Athcimbcwegimg  Iioiiii  Monsclicn. 


geringe  Abnahme  bemcrklicla  ist,  wenn  eine  Herzpause  und  eine 
Exspirationsbewegung  zusammentreffen.  Das  Umgekehrte  aber 
gilt  von  dem  Steigen  während  der  Herzzusammenziehung.  —  Diese 
Alteration  der  arteriellen  Spannungscurve  ist  nun  aber  bemerkens- 
werther  Weise  nur  dann  wahrzunehmen,  wenn  die  Herzzusammen- 
ziehungen wenig  umfangreich  sind  und  rasch  aufeinander  folgen 
und  zugleich  die  Athembewegungen  sehr  intensiv  werden.  Im  an- 
dern Falle  ist  ein  Eiufluss  der  Bewegungen  der  Brustwandung 
nicht  bemerklich. 

Mensch.  Bei  ruhigem  ungehemmtem  Athmen  sind  die  am  Puls  zu 
beobachtenden  Aenderun^en,  wenn  sie  vorkommen,  was  aber  nicht 
immer  geschieht,  so  geringfügig,  dass  sie  nur  der  schreibende  Fühl- 
hebel darthun  kann.    Sie  beziehen  sich  auf  die  Pulsdauer  (die 
Geschwindigkeit  der  Pulsfolge),  auf  die  Pulsschnelle  (das  Verhält- 
niss  Zöschen  Ausdehnungs-  und  Verengerungszeit  des  Gefässes),- 
und  auf  die  Pulsgrösse  (Durchmessoründerung).  — -   Verändert  sich 
die  Pulsfolgc,  so  beschleunigt  sie  sich  in  der  beginnenden  Exspi- 
ration am  meisten,  wälirend  sich  mit  der  beginnenden  Inspiration 
das  Gegentheil  ereignet,  und  es  fallen  die  Unterschiede  bei  lana 
sanier  Athemfolge  mehr  in  das  Auge  als  bei  rascherer.    In  den 
extremsten  Fällen   ist  die  kürzeste  exspiratorische  Pulsdauer  97, 
wenn  die  längste  inspiratorische  100  ist.  —  Erleidet  die  Aüsdeh- 
nungsgeschwindigkeit  des  Pulses  eine  Aenderung,   so  geschiebt 
dieses  immer  so,  dass  sie  in  der  ersten  Hälfte  der  Exspiration  am 
grössten  und  in  der  gleichen  Hälfte  der  Inspirationsdauer  am  ge- 
ringsten ist.    Benutzt  man  als  Maass  der  PulsschneUe  den  Bruch, 
der  aus  der  Division  der  Ausdehnungszeit  in  die  Verengerungszeit 
der  Arterie   hervorgeht,     so    verhalten    sich    die  beobachteten 
Extreme    der  Pulsschnelle  wie  1,00:  1,05  —  Was  endlich  die 
Umfangsänderung    des  Pulses    anlangt,    so  ist  sie  in  der  In- 
spiration   grösser    als  in  der  Exspiration.     Diese  von  Vier- 
ordt*)  hingestellten  Thatsachen  sind,    soweit  eine  Vergleichuug 
^ulässig   ist ,    in  voller   Uebereinstimmung  mit  den  am  Hund 
beobachteten.  —  Bei  sehr  tiefer  und  angehaltener  Athmung  stel- 
len sich   die  Erscheinungen  nach   den  Erfahrungen    und  Erör- 
terungen von  Donders  und  Ed.  Weber  merklich  anders.  —  Bei 
sehr  tiefer  Inspiration  wird  der  Puls  langsamer  und  weniger  ftihl- 


♦)  Die  Lehre  vom  Ai-lci  ieiipuls.  Brnunschwelg  1ST>!>,  p.  lUd, 


I 


Einfluss  der  angehalteneu  Einathmunf?- 


165 


bar,  indem  häufig  der  Herzschlag  so  schwach  wird,  dass  man  seine 
Töne  mittelst  des  aufgelegten  Ohrs    nicht  mehr  zu  hören  ver- 
mag.   Diese  Erscheinungsreihe  wird  beobachtet,  gleichgültig,  ob 
iMund  und  Nase  während  der  Erweiterung  des  Brustkorbs  ge- 
schlossen oder  geöffnet  war.  —  Geht  nun  eine  Inspiration  in  eine 
Exspiration  über,  so  wird  der  Pulsschlag  schneller  und  voller,  vor- 
lausgesetzt,    dass   aus  dem  verengten  Brustkorb    die  Luft  ent- 
(weichen  konnte.    Schliesst  man  dagegen    nach  einer  tiefen  In- 
.spiration  Mund    und  Nase,   und  presst  dann  die  Luft  in  der 
^ Brusthöhle  mittelst  einer  Exspirationsbewegung  zusammen,  ohne 
ida^s  sie  entweichen  kann,    so  wird  der  Puls   zwar  ebenfalls 
•schneller,    aber    die    Herzschläge   werden    dabei    so  schwach, 
idass  bei  vielen  Individuen  Puls  und  Herztöne  gänzlich  zum  Ver- 
schwinden kommen.    Der  innere  Zusammenhang,  der  den  zuletzt 
mitgetheilten  Thatsachen  gemäss  zwischen  Athem-  und  Herzbe- 
iwegungen  besteht,  ist  noch  nicht  überall  klar;  so  viel  scheint  je- 
doch festzustehen,  dass  er  zum  grossen  Theil  bedingt  wird  durch 
die  veränderten  Pressungen,  unter  welche  die  Blutbehälter  des 
;  Brustkastens  gesetzt  werden,  —  In  der  tiefen  Inspiration  werden 
die  Saugkräfte  der  Lungen  vermehrt;  indem  sich  nun  das  Herz 
izusammenzieht,  muss  der  linke  Ventritel  nicht  allein  die  Gewalt 
überwinden,  mit  welcher  das  in  der  Aorta  gespannte  Blut  die  ar- 
terielle Mündung  zupresst,  sondern  auch  noch  den  Unterschied  des 
.Luftdrucks,  welchem  die  äussern  Herzflächen  und  der  Aorteninhalt 
ausgesetzt  sind.    Es  ist  denkbar,  dass  die  Summe  dieser  beiden 
'Drücke  gross  genug  wird,  um  die  Entleerung  des  Plerzens  unmög- 
lich zu  machen.  —  In  der  Exspiration,  und  insbesondere  wenn  die 
Zusammenziehung  des  Brustkastens  energisch  ist,    während  die 
Stimmritze  geschlossen  und  die  Lungen  mit  Luft  erfüllt  sind,  wird 
eine  so  starke  Pressung  auf  die  grossen  Körpervenen  in  dem 
Brust-  und  Bauchraum  ausgeübt,  dass  es  denjenigen  des  Bluts  in 
den  grossen  Kopf-  und  Extremitätenvenen  übertrifft;  das  Blut  wird 
also  aus  ihnen  nicht  mehr  nachströmen  können,  und  wenn  dann 
das  Herz  den  Vorrath  an  Blut,  den  es  in  der  Brusthöhle  findet, 
erschöpft  hat,  so  wird  es  bei  weiteren  Zusammenziehungen  kein 
Blut  mehr  aus  der  Brusthöhle  entleeren  können,  so  dass  dann  der 
*Puls8chIag  verschwinden  muss. 

Die  Beschleunigung,  welche  die  Herzschläge  erfahren,  kann 
kman  sich  abhängig  denken  zum  Theil  von  den  Erregungen,  welche 
Idas  Herz  durch  das  Zusammendrücken  des  Brustkastens  empfängt, 


166 


Spannungsänderuiig  nach  Artcricnuntorbindung. 


zum  Tlieil  aber  auch  von  den  Reflexen,  welche  der  n.  vagus  iu 
Folge  der  veränderten  Erregungsverhältnisse  seiner  peripheren 
Enden  auslösst.  ^ 

d.  Der  Verschluss*)  einer  oder  mehrerer  Arterien 
ändert,  selbst  wenn  alle  andern  Strombedingungen  dieselben 
bleiben  den  Mitteldruck  im  ganzen  Arterienbereich.  Im  Allgemei- 
nen wird  in  der  unterbundenen  Arterie  zwischen  Herz  und  der 
Unterbindungsstelle  und  ebenso  in  allen  andern  nicht  unterbundenen 
Ai-terien  der  Wanddruck  steigen,  während  er  in  der  geschlossenen 
Arterie  und  ihren  Aesten  zwischen  der  Ligatur  und  Capillarver- 
theilung  abnehmen  wird.  —  Die  einfachste ~  Ueberlegung  lässt 
erwarten,  dass  in  der  Aorta  und  ihren  Zweigen  die  Druckvermeh- 
rung wachsen  werde  mit  der  Zahl  und  dem  Umfang  der  geschlos- 
senen Arterien  d.  h.  mit  der  Ausdehnung  der  verödeten  Abzugs- 
röhren. Magendie  und-Goll  haben  diese  Voraussicht  thatsäch- 
lich  bestätigt;  so  fand  u.  A.  der  Letztere,  dass  in  der  Art.  carotis' 
des  Hundes  der  Druck  von  122  MM.  zu  157  MM.  aufstieg,  als 
gleichzeitig  beiderseits  die  Carotiden,  die  Schenkelarterie,  die  linke 
Unterschllisselbeinarterie  und  die  rechte  quere  Halsarterie  unter: 
bunden  Avurden;  nach  Lösung  aller  dieser  Ligaturen  ging  der 
Druck  auf  129  MM.  zurtick.  —  Da  bestätigende  Versuche  fehlen, 
so  lässt  sich  weiterhin  nur  als  wahrscheinUch  aussagen,  dass  der 
di'ucksteigernde  Einfluss  der  Unterbindung  um  so  grösser  sein 
wird,  je  näher  der  in  Beziehung  hierauf  untersuchte  Stromort  dem 
geschlossenen  Querschnitt  liegt;  so  dass  z.  B.  nach  Unterbindung 
der  Carotis  die  Spannung  in  dieser  höher  gebracht  wird  als  iu  der 
andern  a.  carotis  oder  gar  in  der  a.  cruralis ;  denn  es  ist  wohl  an- 
zunehmen, dass  sich  der  Blutüberschuss  welcher  der  Aorta  wegen 
VerSchliessung  einer  Abzugsröhre  verbleibt  sich  vorzüglich  auf  die 
der  letztem  nahestehenden  und  noch  offen  verbliebenen  Arterien 
vertheilt.  —  Fragen  wir  noch  etwas  näher  nach  der  Druckver- 
mehi-ung,  welche  im  geschlossenen  Gefäss  vor  dem  Unterbindungs- 
faden eintritt,  so  wird  man  im  Allgemeinen  behaupten  dürfen,  dass 
sie  um  so  grösser  ausfalle,  je  geschwinder  der  Strom  war,  der 
durch  die  Unterbindung  zum  Stillstand  gebracht  Avurde,  und  je 
grösser  bei  noch  bestehendem  Strom  der  Druckunterschied  zwischen 
dem  nun  unterbundenen  Gefäss  und  demjenigen  ist,  aus  welchem 
es  gespeist  wurde.   Die  erste  Position  gilt  darum,  weil  sich  in  der 


•)  Spengler,  Milllor's  Archiv.  1844.  —  Volkmnnn,  1.  c.  p.  44Ü.  —  Göll,  1.  c.  p. 


Spannungsänderuiig  in  clor  gescMossenen  Ärtorie. 


167 


Unterbindung-  die  Kraft,  welche  sieh  bis  daliin  in  Geschwindig- 
.  keit  äusserte,  in  Spannung  umsetzt,  und  die  andere  desshalb,  weil 
das  unterbundene  Gefäss  ein  todter  Anhang  der  nächst  höherge- 
legenen wu-d,  so  dass  seine  Spannung  nun  gleich  wird  dem  in 
:  dem  ersteren  Gefäss  A^orhandenen  Seitendruck.  Die  bis  dahin  vor- 
liegenden Beobachtungen  machten  es  wahrscheinlich,  dass  die  Un- 
terbindung in  kleineren  Arterien  eine  beträchtlichere  Druckstei- 
,  gerung  hervorbrächten  als  in  grösseren;  weil  man  nämlich  voraus- 
.  setzen  nmste,  dass  der  Druckunterschied  zwischen  dem  Strom  in ' 
einer  Arterie  erster  und  zweiter  Ordnung  geringer  sei,  als  zwi- 
schen dem  in  Arterien  zweiter  imd  dritter,  dritter  und  vierter  u.  s.  w. 
und  weil  der  geringe  aus  der  Geschwindigkeitsunterdrückung  her- 
vorgehende Spannungszuwachs  überhaupt  der  Messung  nicht  mehr 
zugänglich  sei.  Den  thatsächlichen  BcAveis  für  diese  Unterstellung 
fand  man  darin,  dass  kleine  Arterien,  wenn  sie  durch  Schnürfaden 
oder  Blutpfröpfe  verstopft  waren  viel  lebhafter  als  früher  pulsirten, 
während  Spengler  ausgesagt  hatte,  dass  der  Mitteldruck  in  dem 
Herzende  der  Carotis  sich  nicht  änderte,  mochte  sie  unterbunden 
oder  offen  sein.  Diese  letztere  Angabe  scheint  aber  auf  der 
mangelhaften  noch  ohne  Schreibschwimmer  ausgeführten  Manometer- 
beobachtung zu  beruhen,  da  der  Druckzeichner  jedesmal  angiebt, 
dass  die  Spannung  merklich  steigt,  wenn  man  die  bis  dahin  offene 
Carotis  gegen  die  Capillaren  hin  abschliesst.  In  einer  von  W. 
Müller  und  mir  gemeinsam  ausgeführten  Beobachtung  stieg  der  ' 
i  Mitteldruck  der  Carotis  des  Hundes  beim  Schliessen  von  105  Mll, 
auf  128  MM.  und  bei  demselben  Hund  ein  anderes  Mal  von  115  MM. 
auf  131,  also  um  23  resp.  16  MM.  Bei  einem  zweiten  Hund  än- 
derte sich  unter  denselben  Bedingungen  der  Mitteldruck  von 
124  MM.  auf  135,  also  um  11  JIM.  Dieses  Resultat  ist  in  der 
That  so  constant  und  auffällig,  dass  ich  seit  mehren  Jahren  den 
Versuch  unter  die  in  der  Vorlesung  aufzeigbaren  aufgenommen 
habe.  Die  Entscheidung  der  obigen  Alternative  muss  also  einst- 
weilen dahingestellt  bleiben.  — 

Im  Gegensatz  zum  bisherigen  nimmt  dagegen  der  Druck  un- 
terhalb der  Unterbindungsstelle,  d.  h.  zwischen  dieser  und  den 
Capillaren  ab.  Diese  Druckminderung  wird  abhängen  von  dem 
Spannungswerth,  welchen  der  Strom  in  dem  Gefäss  vor  der  Unter- 
bindung besass,  und  von  dem  Querschnitt  und  der  Spannung  der 
arteriellen  Strömungen,  welche  unterhalb  der  Unterbindung  aus 
dem  noch  wegsamen  in  den  verödeten  Bezirk  fülu-en.    Ein  gutes 


168 


Veränderung  des  Mittoldrucks  mit  der  Entfernung  vom  Herzen. 


Beispiel  für  dieses  Vorkommen  liefert  das  Hchlagaderwerk  des 
Kopfes,  welches  aus  den  beiden  Carotiden  und  einem  Antheil  der 
Subclavien  gespeist  wird.  Aus  einer  mit  W.  Müller  angestellten 
Versuchsweise  führe  ich  an,  dass:  der  Seitendruck  in  der  a.  caro- 
tis des  Hundes  vor  der  Unterbindung  108  MM.  betrug,  unmittel- 
bar nach  Anbringung  der  Ligatur  in  einem  dem  Herzen  näher  ge- 
legeneu Ort  sank  der  Druck  auf  88  MM.  und  nach  Unterbindung 
der  entgegengesetzten  Carotis  auf  78  MM.  —  Bei  einem  andern 
Hund  ergab  sich:  Seitendruck  der  wegsamen  Carotis  =  120  ÄIM., 
nach  Unterbindung  des  Herzendes  derselben  —  76;  nach  Schlies- 
sung der  entgegengesetzten  carotis  =  71  MM.  Unterbindet  man 
nach  Schliessung  einer  oder  beider  Carotiden  derKeilie  nach  noch 
die  Aeste,  welche  aus  der  Carotis  hervorgehen,  deren  Druck  beob- 
achtet wurde,  so  steigt  nach  der  Ligatur  der  einen  der  Druck 
wieder  an  und  nach  der  der  andern  mindert  er  sich  wieder.  Die- 
ser Gegensatz  kann  wohl  nur  dadurch  bedingt  sein,  dass  die 
Aeste,  deren  Verschluss  das  Steigen  im  Carotidenstumpf  erzeugt, 
vorzugsweise  Blut  nach  den  Capillaren  hin  abführen,  während 
die  sich  entgegengesetzt  verhaltenden  überwiegend  Verbindungs- 
zweige mit  den  lebendigem  Stromarmen  sind. 

e.  Veränderlichkeit  des  Mitteldrucks  mit  der  Ent- 
fernung des  Arterienquerschnitts  vom  Herzen*).  Die 
Versuche,  durch  welche  man  festzustellen  sucht,  welche  Spannun- 
gen gleichzeitig  in  verschiedenen  Arterien  bestehen,  gehören  zu 
den  schwierigem;  nach  eigenen  vielfachen  Erfahrungen  ist  nur 
denjenigen  Resultaten  ein  Werth  beizulegen,  welche  mittels  des 
Druckzeichners  gewonnen  sind,  und,  wie  sich  von  selbst  A^ersteht, 
nur  denjenigen,  bei  welchen  die  untersuchten  Arterien  in  gleichem 
Niveau  gelegen  sind,  so  dass  die  von  der  Schwere  des  Bluts  her- 
rührenden Spannungsungleichheiten  als  eliminirt  anzusehen  sind. 
Die  unter  diesen  Bedingungen  gewonnenen  Erfahrungen  sind  noch 
sehr  wenig  zahlreich.  —  Aus  ihnen  scheint  aber  mit  Sicherheit 
hervorzugehen,  dass  in  den  grossen  Arterien  mit  der  wachsenden 
Entfernung  vom  Herzen  die  Spannung  sehr  wenig  abnimmt,  wäh- 
rend in  den  Arterien  kleinen  Kalibers  dieselbe  sehr  merklich  ab- 
nimmt im  Vergleich  zu  der  in  den  grössern.  Insbesondere  ist 
festgestellt,  dass  die  Spannung  in  der  art.  cruralis  trotz  ihrer  be- 
trächtlichen Entfernung  vom  Herzen  doch  eben  so  gross  ist,  als  in 


•)  C.  Ludwig,  1.  c.  p.  224  und  300.  —  Volkmnnn,  Hncmodynaniik.  p.  173  u.  f. 


Schlüsse  über  Spannung  aus  dem  Pulsfühlen.  169 

er  art.  carotis.  Die  Erläuterung  dieser  Erscheinung  hat  keine 
ehwierigkeit,  wenn  man  erwägt,  dass  der  Strom  in  den  Arterien 
eder  sehr  rasch  ist,  noch  auch,  dass  die  Stösse  und  die  Reibun- 
en  in  der  Aorta  bis  zur  art.  cruralis  hin  sehr  beträchtlich  sind, 
i  Anbetracht  der  Thatsache,  dass  das  Blutgefässwerk  ein  sehr 
jrwickeltes  Zweigsystem  darstellt,  lässt  es  sich  sogar  denken, 
ass  der  Druck  in  der  Cruralis  noch  höher  als  in  der  Carotis  sei, 
ie  dieses  in  der  That  wiederholt  beobachtet  wurde.  In  den  kiel- 
en Arterien  findet  sich  dagegen  nach  Volk  mann  die  Spannung 
)nstaut  sehr  viel  niedriger  als  in  den  grössern;  aber  auch  hier 
illt  sie  keineswegs  in  dem  Maasse,  in  welchem  der  Abstand  des 
efässes  vom  Herzen  zunimmt.  Beispielsweise  führen  wir  an,  dass 
;i  einem  Kalb  der  Mitteldruck  in  der  a.  carotis  165,5  MM.  und 
eichzeitig  in  der  a.  metatarsi  146  MM.  Quecksilber  betrug. 

f.  Ueber  die  Ergebnisse  des  Pulsfiihlens.    Ein  ge- 
tbter  Beobachter  soll  mit  dem  Finger  ausser  der  Häufigkeit  der 
iederkehr  an  dem  Puls  unterscheiden:  ob  er  rasch  oder  allmäh- 
;  anschwillt  (p.  celer  und  tardus);  wie  weit  dabei  die  Arterie 
jsgedehnt  sei  (plenus  und  vacuus)  und  in  welchem  Grade  von 
t'ttlerer  Spannung  sich  hierbei  das  Gefäss  befindet  (p.  moUis  und 
irus).    Wenn  der  Arzt  das  Zugeständniss  macht,  dass  selbst  ein 
iir  feiner  Finger  nur  grobe  Unterschiede  feststellen  kann,  so  wird 
jrjenige,  welcher  den  Strom  mit  scharfen  Mitteln  zu  messen  ge- 
nhnt  ist,  in  der  That  nichts  einwenden  gegen  die  Glaub wüi'dig- 
it  der  Behauptung;  um  so  weniger,  weil  die  obigen  Angaben 
Zeichnungen  wirklich  vorkommender  Zustände  enthalten.  —  Denn 
er  oder  tardus  kann  der  Puls  werden,  wie  die  Curven  des 
uckzeichners  darthun;  der  ansteigende  oder  absteigende  Curven- 
;  braucht  zu  einer  gleichen  Erhebung  oder  Senkung  oft  sehr 
rschiedene  Zeit.   Der  Puls  muss  aber  darum  celer  oder  tardus 
;rden  können,  weil  z.  B.  das  Herz  erfahrungsgemäss  einen  glei- 
3n  Umfang  der  Verkürzung  zu  verschiedenen  Zeiten  in  ungleich 
Igen  Zeiten  durchläuft.  —  Dass  die  pulsirende  Arterie  bald  ge- 
I  It  und  bald  leer  sein  kann,  versteht  sich  nach  einer  ganzen 
?  ihe  von  Mittheilungen  Uber  den  Puls  von  selbst.    Dass  aber  die 
•x  terien  in  gefülltem  Zustande  auch  weich  und  im  leeren  auch 
i  -t  sein  können,  lässt  sich  nicht  bestreiten,  weil  der  Spannungs- 
f.  id,  abgesehen  von  der  Füllung,   auch  abhängig  ist  von  dem 
I.  .stizitätscoeffizientcn  der  Wandung,  so  dass,  wenn  die  Getass- 


170 


Untorsucliuiig  des  Pulsos  durph  den  Sphygraograph. 


Wandung  schon  an  und  für  sich  steif  ist,  auch  die  wenig  gefüllte 
Arterie  sich  sehr  hart  anfühlen  kann. 

Der  Pulshebel  von  Vierordt*)  hat  unser  empirisches  Wissen 
über  den  Puls  beträchtlich  bereichert;  er  lieferte  darüber  Nach- 
weise, 1)  dass  unter  scheinbar  gleichen  Verhältnissen  die  Dauer 
der  einzelnen  unmittelbar  aufeinander  folgenden  Schläge  eine  merk- 
lich ungleiche  sein  kann;  2)  dass  das  Verhältuiss  zwischen  der 
Ausdehnungs-  und  Zusammenziehungszeit  zweier  Pulse  wesentlich 
von  einander  abweichen  kann,  selbst  wenn  ihre  Gesammtdauer  die- 
selbe war;  3)  dass  er  annähernd  das  Gesetz  entwickelte,  nach  wel- 
chem sich  die  Ausdehnung  sowohl  wie  die  Zusammenziehung  der  Ar- 
terienwand mit  der  wachsenden  Zeit  ändert.  Endlich  lehrte  er 
4)  auch  Beziehungen  kennen  zwischen  der  Dauer  der  Celerität 
und  dem  Wachsthumsgesetz  des  Pulses,  worüber  die  Abhandlung 
von  Vierordt  nachzusehen. 

Aus  Yierordts  Werk  haben  wir  folgende  den  Gesunden  betreffende  Zahlen: 
Setzt  man  die  Dauer  des  kürzesten  Pulses  =  1,  so  ist  die  des  längsten  im  Mittel  zu 
1,37,  in  den  Extremen  zu  1,17  und  zu  1,62  gefunden  worden.  In  einer  jeden  vom  Puls- 
hebel geschriebenen  Curvo  liegen  Unregelmässigkeiten  der  Pulse  vor;  sie  scheinen  aber 
bei  raschem  Puls,  z.  B.  nach  Tisch,  sich  in  engere  Grenzen  einzuschliessen,  als  bei  lang- 
samem Puls.  —  Die  Yorgleichung  aller  Erweiterungszeiten'  und  andererseits  aller  Ver- 
cngerungszoiten  einer  Pulsroiho  unter  einander  ergiebt,  dass  die  ersten  grösseren  Un- 
regelmässigkeiten unterworfen  sind  als  die  letzteren.  —  Die  relative  Schlagfertigkeit 
des  Pulses  (Celeritas)  drückt  Vierordt  so  aus ,  dass  er  die  Erweiterangszeit  immer 
=  100  setzt,  also  drückt  er  die  Variation  der  relativen  Geschwindigkeit,  mit  weichet 
die  Erweiterung  vollendet  wird,  durch  die  Veränderung  der  Verengungszeit  aus,  woraus 
folgt,  dass  mit  der  wachsenden  Verhältnisszahl  die  relative  Erweiterungsgeschwindigkeit 
zunimmt.  Verfolgt  man  nun  die  Resultate,  so  stellt  sich  heraus ,  dass  im  Allgemeinen 
die  Erweiterungszeit  kürzer  dauert  als  die  Verkürzungszeit,  dass  aber  auch  das  umge- 
kehrte Verhältniss  eintreten  kann.  Die  Mittelzahl  für  die  Schlagfcrtigkeit  ist  106;  ihre 
Grenzen  liegen  von  86  bis  143  ;  während  der  Verdauung  und  des  angestrengten  Athmens 
ist  die  relative  Pulsschnelle  am  grössten.  Je  kürzer  die  ganze  Pulsdauer,  um  so  grösser  ist 
auch  die  relative  Schnellkraft  des  Pulses,  d.h.  es  nimmt  bei  rascher  Pulsfolge  die  Dauer 
der  Verengung  weniger  ab  als  die  der  Erweiterung.  Vierordt  theilt  die  Erwcitcrungs- 
und  Verengerungszeiten  der  Pulse  (die  Abszissen  der  Curven)  in  je  5  Theile  und 
misst  den  positiven  oder  negativen  Durchnicsserzuwachs  der  Arterion  in  einem  solchen 
Zeitraum.  Die  hier  gefundenen  Werthe  zeigen,  dass  die  positive  und  negative  Aus- 
dehnungsgcschwindigkeit  bis  zu  jenen  3  Zeiträumen  wächst,  dann  aber  abnimmt.  — 
jn  diesem  letzten  Gebiet  dürfte  der  Sphygmograph  an  die  Grenze  seiner  Leistungsfähig- 
keit gelangt  sein.  ^ 

g.  lieber  die  zeitliche  Abhängigkeit  der  Herz-  und 
Puls  Schläge;  pulsus  dicrotus.   Alle  Betrachtungen,  die  wir 


•)  Dio  Loliio  vom  Ailcrionpiils.  Braiinschwcig  1855. 


Tulsus  dicrotus. 


171 


bis  daliiu  anstellten,  führten  darauf,  dass  in  bestimmten  Zeitab- 
schnitten die  grössern  Ai-terien  mindestens  so  vielmal  piilsiren 
müssen,  als  während  derselben  das  Herz  geschlagen  hat.  Diese 
Behauptung  wird  so  sehr  durch  die  Erfahrung  bestätigt,  dass  Alles, 
was  früher  über  die  Schlagfolge  des  Herzens  angemerkt  ist,  auch 
für  die  Pulsfolge  der  Aiierien  gilt.  Diese  Behauptung  schliesst 
aber  die  Möglichkeit  nicht  aus,  dass  auf  einen  Herzschlag  mehrere 
Pulsschläge  fallen,  eine  Möglichkeit,  die  erfahrungsgemäss  besteht, 
indem  sehr  häufig  bei  einzelneu  Thieren  (z.  B.  beim  Pferd)  und 
zuweilen  wenigstens  beim  Menschen  auf  je  einen  Herzschlag  zwei 
Pulsschläge  beobachtet  werden,  von  denen  der  eine  gewöhnlich 
weniger  kräftig  und  kürzer  dauernd  ist,  als  der  andere.  Diese 
Erscheinung  ist  unter  dem  Namen  des  pulsus  dicrotus  berühmt.  — 
Diejenigen  Eigenthümlichkeiten  dieses  Doppelschlags,  welche  be- 
kannt sein  müssten,  wenn  der  Mechanismus  ihres  Zustandekom- 
mens erklärt  werden  sollte,  sind  leider  noch  nicht  beobachtet.  Es 
bleibt  also  nichts  übrig,  als  einige  Möglichkeiten  zu  erörtern  und 
daraus  abzuleiten ,  auf  welche  Eigenthümlichkeiten  sich  künftighin 
die  Aufmerksamkeit  zu  richten  hat. 

Mit  Hilfe  des  Apparats,  der  Seite  72  abgebildet  wurde,  lassen  sich  für  eine 
•Hahnöffnung  auf  verschiedene  Weise  Doppelschläge  in  dem  pulsirenden  Rohr 
tiervorbringen.    1)  Die  zweite  Erhebung  des  Doppelschlags  ist  die  Folge  der  elastischen 
^Xachwirkung  des  ersten.    Diese  Nachschwingung  ereignet  sich  jedesmal  in  einer  aus- 
[' geprägten  Weise,  wenn  man  den  Wasserbehälter  bis  zu  der  Höhe  von  ungefähr  1  Meter 
i  nit  Wasser  gefüllt,  das  elastische  Eohr  und  den  Wasserbehälter  mittelst  eines  Hahns 
l  roxi  weiter  OefFnung  in  Verbindung  gebracht  und  diesen  letzteren  sehr  rasch  geöffnet  hat. 
«Oer  Lehre  von  der  Erhaltung  der  lebendigen  Kräfte  und  der  Trägheit  gemäss  muss  die 
Flüssigkeit  in  der  Schlauchwelle  zu  einer  höhern  Spannung  als  in  dem  Wasserbehälter 
'  fclangen.  In  Folge  hiervon  wird  sich  die  Schlauchwand  mit  einer  grossen  Geschwindig- 
>  leit  ausdehnen-  und  ebenso  rasch  wieder  zusammenfallen ;  wenn  nun  die  Schlauchwand 
lach  der  einen  Seite  hin  vermöge  der  Beharrung  sich  über  den  Grad  von  Ausdehnung 
ipannte,  der  ihr  vermöge  des  Drucks  aus  dem  Wasserbehälter  her  zukam,  so  fällt  sie 
luch  bei  dem  Eückgang  aus  dieser  Spannung  beträchtlicher  zusammen,  als  es  ihr,  ohne 
lic  grosse  Geschwindigkeit  ihrer  Bewegung,  die  Widerstände  der  umliegenden  Wand- 
;hcile  möglich  machen  würden.    Hat  sich  aber  die  Geschwindigkeit  eben  in  Folge 
lieser  Widerstünde  erschöpft,  so  wird  sie  durch  die  Spanuung  der  Umgebung  nun 
vieder  aufwärts  getrieben;  dann  erst  entleert  sich  das  liöhrenstück,  vorausgesetzt,  dass 
Icr  Hahn  geschlossen  bleibt,  allmählig.    Der  zweite  Schlag  ist  also  jedesmal  weniger 
ncrgisch,  als  der  erste.  —  Würde  nach  Analogie  dieses  Vorgangs  der  pulsus  dicrotus 
aftretcn,  so  müsston:  die  Herzschläge  nicht  allzurasch  einander  folgen,  damit  sich  die 
irteric  während  der  Herzpause  bedeutend  abspannen  könnte,  so  dass  die  BoAvcgung 
er  Artcrienwand  vom  Boginn  bis  zum  Ende  des  Herzschlags  eine  grosse  Goschwindig- 
oit  zu  erlangen  vermöchte ;  die  Herzzusammenziehung  selbst  niüsste  aber  sehr  umfänglich 
Jid  dabei  rasch  vollendet  sein;  der  zweite  Schlag  müsste  dorn  ersten  an  Kraft  nach- 


172 


Pulsus  dicrotus. 


stelioii  und  in  den  vom  Herzen  entfernteren  Ärlcriensliicken  suLwächer  als  in  den  iliin 
nülioren  gefühlt  werden.  —  2)  In  dem  elastischen  llolir  erfolgt  ein  Doppelschlag,  wenn 
die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  der  Hahn  geöffnet  wird,  eine  ungleichförmige  ist. 
Also  z.  B.  wenn  man  die  erste  Hälfte  der  Hahnmündung  geschwind  öffnet,  dann  sclir 
kurze  Zeit  langsamer  weiter  dreht  und  darauf  zur  frühem  Umdrehungsgeschwindigkeit 
zurück  kehrt.  In  Folge  dieser  Art  zu  drehen,  steigt  die  Spannung  in  dem  Köhrun- 
umfang  in  kurzer  Zeit  zuerst  sehr  bedeutend ,  dann  vermindert  sich  die  Plötzlichkeit 
derselben,  um  beim  letiten  Akt  der  Halmdrcliung  wieder  rasch  zu  steigen.  Damit  er- 
hält der  Sohlauchpuls  eine  fühlbare  Einbiegung ,  die  unter  günstigen  Umständen  einen 
deutlichen  Doppclschlag  zum  Vorschein  bringt.  —  Wenn  sich  im  menschlichen  Kreislauf 
dieses  ereignen  sollte,  so  müsste  die  Zusammenzichung  der  Kammern  mit  einer  während 
ihrer  Dauer  variablen  Geschwindigkeit  erfolgen ;  die  Erscheinung  würde  wahrscheinlich 
sehr  deutlich  hervortreten.  Man  würde  auf  diesen  Mechanismus  des  pulsus  dicrotus 
schliossen  dürfen,  wenn  der  erste  Schlag  desselben  die  Arterien  zu  einer  geringem 
Spannung  führte,  als  der  zweite,  so  dass  er  gleichsam  als  ein  Vorschlag  des  ersten  er- 
schien. Eine  Bestätigung  für  die  Annahme,  dass  der  pulsus  dicrotus  auf  diese  Wii  - 
erzeugt  sei ,  würde  darin  liegen ,  dass  der  erste  Herzton ,  der  durch  die  Zusammeu- 
ziehung  der  Kammern  ensteht,  sehr  anhaltend  und  mit  schwankender  Intensität  gehört 
würde.  —  3)  Endlich  kann  man  durch  Wellenreflexion  einen  Doppelschlag  hervorbringen, 
vorausgesetzt  nämlich,  dass  man  in  das  Eohr  einen  Widerstand,  z.  B.  einen  das  Lumen 
desselben  zum  grossen  Theil  erfüllenden  und  zugleich  feststehenden  Körper  einfügt, 
der  die  Bcrgwellen  zurückzuwerfen  vermag.  Auch  in  diesem  Fall  ist  der  zweite  Schlag 
schwächer,  als  der  erste,  er  folgt  aber  diesem  um  so  rascher,  je  näher  das  Eöhrcn- 
stück  an  dem  rcflcktircndon  Widerstand  liegt.  Durch  diese  letztere  Eigenschaft,  durch 
den  Nachweis  dos  roüektironden  Widerstandes,  und  schliesslich  dadurch,  dass  der  pulsus 
dicrotus  nur  einzelnen,  nicht  aber  allen  Arterien  zukäme,  würde  sich  im  Leben  diese 
Art  von  Entstehung  eines  Doppelpulses  erkennen  lassen.  —  Volkmann*)  hat  die 
unter  den  Bedingungen  l)und  2)  entstehenden  Doppelschläge  verrauthungsweise  abgeleitet 
aus  Interferenzen  zweier  ungleich  rasch  fortgepflanzter  W ellensysteme,  deren  Vorhanden- 
sein er  -im  Schlauehe  statuirte.  Der  eine  von  diesen  Wellenzügcn  sollte  in  der  Schlauch- 
wand y  der  andere  in  der  Flüssigkeit  fortschreiten.  Abgesehen  davon,  dass  überhaupt 
kein  Grund  zur  Annahme  gesonderter  Wellensystemo  vorliegt,  bleibt  dieselbe  immer 
^  noch  die  Erklärung  dafür  schuldig ,  warum  nur  unter  den  geschilderten  Bedingungen 
die  Welle  des  Schlauchs  und  der  Flüssigkeit  unabhängig  von  einander  werden.  —  Die 
älteren  Pathologen ,  welche  der  Ansicht  zuneigten  ,  dass  die  Muskeln  der  Gefässwand 
sifh  ebenso  rythmisch  contrahirten ,  wie  die  des  Herzens,  erklärten  den  pulsus  dicrotus 
aus  einem  eigenthümlichen  Ilythmus  der  Gefässbewegung.  Diese  Annahme  bedarf  keiner 
Widerlegung  mehr,  seitdem  die  BcAvegungen,  welche  in  der  arteriellen  Gefässwand  vor- 
kommen können,  genauer  untersucht  worden  sind.  — 

2.  Mittelzahlen  für  die  Spannung  des  Bluts  in 
den  gros  Sern  Arterien**).  Aus  zahlreichen  Beobachtun- 
gen ,  welche  sich  meist  auf  eine  minutenlange  Beobachtmigs- 
zeit  beziehen,  geht  hervor,  dass  der  Mitteldruck  schwankte  beim 


*)  Hacmodyiiiimik.  118  ii,  f. 

*»)  Volk  mu  n  n  ,  1.  c.  p.  177.  —  II  o  ii  t  n  or  ,  Hcn  1  o  und  Pfouf  er's  Zdtscliria.  Neiio Folge. 
II.  Blind. 


Zahlenangaben  über  mittlere  Spannung. 


173 


Pferd  zwischen  321  bis  110  MM.  Hg.,  beim  Schaaf  zwischen 
20ß  bis  98  MM.,  beim  Hund  von  172  bis  88  MM.  Hg.,  bei  der 
Katze  von  150  bis  71  MM.  Hg,  beim  Kaninchen  von  90  bis  50  MM. 
Hg.*).  —  Diese  Erfahrungen  lehren,  dass  zwar  im  Allgemeinen 
die  Grösse  des  Thiers  und  der  mittlere  Blutdruck  in  der  a.  carotis 
abnehmen,  aber  keineswegs  so,  dass  das  bei  einer  kleinern  Thier- 
art beobachtete  Maximum  unter  das  bei  dem  grösseren  gefundene 
Minimum  herabsinkt.  Die  auf  den  ersten  Blick  auffallende  Er- 
scheinung, dass  Thiere  von  sehr  verschiedener  Grösse,  wie  Katzen 
und  Pferde,  einen  so  annähernd  gleichen  Blutdruck  darbieten,  be- 
Aveist,  dass  in  ihnen  die  den  Blutdruck  bestimmenden  Umstände: 
Herzkraft,  Blutmenge,  Gesammtblut  der  Arterien,  Wandungsdicke 
im  Verhältuiss  zum  Lumen,  Widerstände  u.  s.  w.  in  den  Kreis- 
laufsapparaten der  einzelnen  Thiere  jedesmal  in  der  Weise  gegen- 
einander geordnet  sind,  dass  aus  ihnen  ein  annähernd  gleicher 
Werth  des  mittleren  Druckes  resultirt. 

Es  darf  nun  als  wahrscheinlich  angenommen  werden,  dass  der 
absolute  Werth  des  Mitteldrucks  in  der  a.  carotis  des  Menschen 
ebenfalls  in  die  für  die  Säugethiere  festgestellten  Grenzen  fällt; 
ndem  man  dieses  anerkennt,  wird  man  aber  zugleich  die  Unmög- 
ichkeit  des  schon  öfter  unternommenen  Beginnens  einsehen,  eine 
Wir  den  Menschen  allgemein    giltige  Zahlenangabe  zu  machen; 
!Ienn  offenbar  wird  beim  Menschen  gerade  wie  in  den  einzelnen 
rhiergattungen  der  Spannuugswerth  innerhalb  sehr  weiter  Gren- 
zen schwanken  können.    Um  sich    unmittelbar  von  der  Rich- 
i  igkeit  jener  Voraussetzungen  zu  überzeugen,  führte  Faivre**) 
nit  Zustimmung  der  Aerzte  des  Hotel-Dieu  in  Lyon  Versuche  an 
Irei  amputirteu  Männern  aus.    Die  arter,  brachialis  eines  hinfäl- 
igen  Alten  von  60  Jahren  und  die  a.  femoral,  eines  muskelkräf- 
:igen  Mannes  von  30  Jahren  zeigen  übereinstimmend  einen  unge- 
ahren  Mitteldruck  von  120  MM.  mit  Respiration sschAvankungen 
/on  10  bis  20  MM.  u.  Herzschwankungen  von  2  bis  3  MM.  —  An 
ler  Annarterie  eines  23jährigen  durch  tumor  albus  herabgekom- 
nenen  Mannes  erhob  sich  die  Säule  auf  etwa  110  MM.    Wie  gross 
lier  Blutverlust  vor  der  Einfügung  des  Instrumentes  gewesen,  ob, 


*)  Dem  weniger .  Oclibleii  wird  iler  betriielitliclio  Wertli   der  Drücke,  iiin  die  es  sicli  linndcll, 
iellciclit  lebhafter  werden,  wenn  er  sich  den  Quecksilber-  in  den  Wasserdruck  tibersetzt,  was  in 
idem  Fall  geschieht,  wenn  er  die  obigen  Zahlen  mit  VJ,l,  IMM.  multipMzirt. 
••)  Oaüetlc  nu'dicnic  185«  p.  727.  u  f. 


174 


Spannung  in  den  Haargcfässcn. 


wie  doch  wahrscheinlich,  Chloroforainarkose  verbanden  gewesen 
ist  nicht  angegeben. 

lieber  Spannungsminderungen  nach  dem  Einfuhren  von  Arz- 
neistoffen (Neutralsalzen,  Digitalin,  Chloroform,  Brechweinstein) 
geben  die  schon  erwähnten  Arbeiten  von  Blake,  Brunner  und 
Lenz  Aufschluss. 

Spannung  in  den  Haargefässen. 

Ihre  durch  Gesicht  und  Gefühl  bestimmbare  Ausdehnung,  oder, 
was  dasselbe  sagt,  die  Spannung  ihres  Inhalts  in  ein  und  der- 
selben Provinz  wechselt  mit  dem  Blutdruck  in  den  Arterien  und 
Venen,  mit  dem  Durchmesser  der  Arterien  und  Venen  und  nament- 
lich der  zu-  und  abführenden,  mit  der  Widerstandsfähigkeit  und 
den  Bewegungen  der  sie  umschliessenden  Gewebe.  Dem  ent- 
sprechend strömt  wahrscheinlich  für  gewöhnlich  das  Blut  in  den 
verschiedenen  Abtheilnngen  des  Capillarsystems  unter  verschiede- 
nen Spannungen. 

a.  Wenn  die  Spannung  in  den  Arterien  steigt,  so  ist  damit 
zugleich  die  Kraft  gewachsen,  welche  den  Einfluss  in  die  Capil- 
laren  bestimmt,  und  damit  nach  bekannten  Grundsätzen  die  Span- 
nung des  Bluts  in  diesen  selbst.  Bestätigungen  hierfür  finden  wir  an 
leicht  ausdehnbaren  Gefässregionen ;  so  dehnen  sie  sich  aus,  d.  h. 
die  von  ihnen  versorgten  Hautstücke  röthen  sich,  wenn  das  Herz 
rascher  und  intensiver  schlägt,  oder  wenn  in  anderen  als  den  zu- 
führenden Arterien  der  Strom  unterbrochen  ist;  nach  einem  Ader- 
lass  dagegen  werden  die  Capillarprovinzen  blass  u.  s.  av.  —  Gestützt 
auf  die  Theorie ,  dürfen  wir  vermuthen,  dass  die  Spannung  in  den 
Capillaren  nicht  direkt  proportional  mit  derjenigen  in  den  grösse- 
ren Arterien  steige,  sondern  immer  weit  hinter  derselben  zurück- 
bleibe. Denn  wenn  in  Folge  eines  Spannungszuwachses  in  den. 
Arterien  das  Einströmen  in  die  Capillaren  auch  beschleunigt  wird, 
so  kann  dieses  doch  nicht  in  dem  Maasse  geschehen,  in  dem  der 
Druck  gestiegen  ist,  da  in  den  engen  und  gebogenen  Zuleitungs- 
röhren (den  feinsten  Arterien)  der  Widerstand  mit  der  steigenden 
Stromgeschwindigkeit  ungeheuer  wächst. 

b.  Steigt  dagegen  die  Spannung  in  den  Venen,  so  muss  in 
demselben  Verhältuiss  auch  diejenige  in  den  Capillaren  wachsen, 
welche  die  betreffenden  Venen  als  Abflussröhren  benutzen.  Dieses 
ist  sogleich  einleuchtend  für  den  Fall,  dass  alle  Venen,  die  den 
Abfluss  aus  einem  Capillarengau  besorgen,  verstopft  sind,  denn  Mti 
dann  werden  offenbar  die  Capillaren  ein  blindes  Anhängsel  an  den  1m\ 


Spannung  in  den  Haargofässen. 


175 


zuflilircnden  Arterien  darstellen  mid  es  rauss  darum  hier  die 
"Spannung  so  hocli  steigen,  als  sie  in  der  Arterie  selbst  stebt.  Da 
wir  nun  aus  der  Tbeorie  scbliessen  dürfen,  dass  im  nonnalen  Zn- 
sstand in  den  Capillaren  die  Spannung  eine  viel  niedrigere  sei,  als 
sselbst  in  den  letzten  Arterieuästen ,  so  muss  unter  den  bezeichne- 
iten  Umständen  die  Spannung  in  den  erstem  sehr  beträchtlich  an- 
wachsen. In  vollkommener  Uebereinstimmung  hiermit  sehen  wir 
.denn  auch,  dass",  wenn  einigermaassen  beträchtliche  Hemmungen 
in  den  abführenden  Venen  eines  "  Capillarcusystems  eintreten,  die 
Spannung  in  diesem  ungemein  ansteigt;  so  schwellen  z.  B.  die 
l-Fiuger  nach  Umlegung  einer  Ligatur  um  dieselben  sehr  beträcht- 
lich an. 

c.  Mit  der  Verengerung  des  Durchmessers  der  kleinen  in  das 
Capillarensystem  führenden  Arterien  muss  unzweifelhaft  die  Span- 
nung in  den  erstem  niedriger  werden,  weil  unter  diesen  Umstän- 
den die  in  dasselbe  strömende  Blutmasse  abnimmt;    der  Grund 
hierfür  liegt  in  der  bekannten  Thatsache,    dass  eine  strömende 
Flüssigkeit  beim  Durchgang  durch  enge  Röhren  an  ihren  leben- 
digen Kräften  mehr  einbüsst,  als  beim  Fliessen  durch  weite.  Diese 
theoretische  Folgerung  hat  man  gewöhnlich  bestritten  unter  An- 
iführung  der  ebenfalls  feststehenden  Beobachtung,  dass,  wenn  man 
innerhalb  eines  Röhrensystems  statt  eines  vorher  vorhandenen  wei- 
lten Stückes  ein  enges  einfügt,  während  man  die  Kräfte,  welche 
Idie  Flüssigkeit  in  den  Anfang  des  Röhrensystems  eintreiben,  un- 
i^erändert  erhält,   in  dem  engen  Stück  die  Flüssigkeit  nun  ge- 
schwinder fliesst.    Die  obige  Behauptung  steht  aber  in  gar  keinem 
'Widerspruch  mit  dieser  letzten  Thatsache;  denn  die  aus  dem  engen 
•Stück  hervorti-etende  Flüssigkeitsmenge  ist  ein  Produkt  aus  dem 
.Querschnitt  der  Röhre  in  die  Geschwindigkeit  des  in  ihnen  vor- 
gehenden Stroms,   und  sie  behauptet  darum  nur,  dass  die  Ge- 
schwindigkeit nicht  in  dem  Maasse  steigt,  wie  der  Röhrenquerschnitt 
abnahm,  eine  Annahme,  welche  durch  die  hydraulischen  Untei'- 
f  suchungen  als  vollkommen  feststehend  anzusehen  ist.  —  Hieraus 
mUsste  man  nun  folgern,    dass,    wenn  eine  Verengerung  in  den 
kleinen  Arterien  einträte,  die  zu  ihnen  gehörigen  Capillaren  leerer 
ind  die  von  ihnen  durchsetzten  Gewebe  somit  blasser  werden 
iiüssten.    Dieser  Erfolg  würde  unmöglich  ausblcil)cn  können,  wenn 
las  Blut  statt  eines  Gemenges   aus  flüssigen  lind  festen  Stoffen 
.'on  ungleicher  Figenschwere  eine  homogene  Flüssigkeit  darstellte. 
3ei  der  berührten  mechanischen  Zusammensetzung  kann  aber  eine 


176   Spannungen  nacli  Ypriinderungen  im  Durchmesser  kleiner  Arterien  und  Venen. 


verminderte  Spannung,  selbst  wenn  sich  die  Zuflussrühren  veren- 
engert  haben,  nur  kurze  Zeit  bestehen,  und  zwar  bis  zu  einem 
gewissen  Grad  um  so  kürzere  Zeit,  je  beträchtlicher  die  kleinen 
Arterien  verengert  sind.  Denn  in  dem  langsamen  Strom,  der  dann 
durch  das  Capillarsystem  geht,  müssen  sich  die  schweren  Blutköi- 
perchen  anhäufen  und  zusammendrängen,  also  muss  wegen  des 
gesteigerten  Widerstandes  die  Spannung  wieder  steigen.  Diese 
Folgerung  ist  zuerst  von  Brücke*)  gezogen  worden,  obwoli! 
schon  Poiseuille**)  den  Hergang  mit  dem  Mikroskop  beobach- 
tet hat,  als  er  künstlich  den  Zufluss  in  ein  Capillarsystem 
minderte. 

Mit  der  Erweiterung  der  kleinen  Arterien  muss  dagegen  die 
Spannung  des  Bluts  der  Capillaren  zunehmen,  da  hiermit  sich  die 
Menge  der  in  sie  einströmenden  Flüssigkeit  mehrt.  Diese  Stei- 
gerung der  Spannung  scheint  beträchtlich  werden  zu  können, 
wie  man  dieses  z.  B.  nach  Durchschneiduug  der  Gefässnerven 
sieht.  —  Verbinden  sich  Arterienerweiterungen  und  ein  kräftiger 
Herzschlag,  wie  dieses  bei  Uebernährung  des  Herzens  beobachtet 
wird,  so  ereignet  es  sich  zuweilen,  dass  sich  der  Pulsschlag  noch 
bis  in  die  Capillaren  fortsetzt,  so  dass  jedesmal  unmittelbar  nach 
einer  Herzzusammenziehung  eine  vermehrte  Röthuug  derjenigen 
llautstellen  eintritt,  in  welche  sich  die  Capillaren  mit  erweiterten 
Zuflussröhren  begeben. 

Die  Erscheinungen  werden  sich  nun,  wie  ohne  weiteres  klar 
sein  wird,  gerade  in  umgekehrter  Weise  einfinden  müssen,  wenn 
sich  die  kleinen  Venen,  in  die  die  Capillaren  übergehen,  verengern 
oder  erweitern;  denn  oifeubar  wird  in  dem  erstem  Fall  der  Ab- 
fluss  beschränkt,  in  dem  letztern  begünstigt  und  somit  die  Span- 
nung in  dem  einen  steigen,  in  dem  andern  aber  sinken  müssen. 

Bei  den  wichtigen  Folgen,  die  eine  veränderte  Spannung  des 
Bluts  in  den  Capillaren  für  die  Absonderungserscheinungen  und 
den  Wärmeverlust  mit  sich  führt,  ist  es  von  Bedeutung,  dass  ge- 
rade die  den  Capillaren  zunächst  gelegenen  Arterien  und  Venen 
mit  Muskelfasern  begabt  sind,  mit  deren  Zusammenziehuug  und 
Erschlaffung  der  Durchmesser  dieser  Gefässe  beträchtlichen 
Schwankungen  unterworfen  ist;  hierdurch  ist  ein  regulatorischer 
Apparat  gegeben,  der  den  Stromlauf  in  der  einen  oder  andern 


»)  Uebor  die  Mechanik  des  EntzUndungsprozesscs.  ArcliiT  f.  pliysiolog.  Heilkunde.  IX.  Bd.  493. 
•*)  Reoherclics  sur  lea  causes  du  mouvoment  du  snng  ilnns  les  viilsseaux  caplllaires.  Purls.  1835. 


Spannung  in  der  vena  jugularis. 


177 


Capillareuabtlieilimg  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unabhängig- von 
allen  übrigen  erhalten  kann;  und  in  Wirklichkeit  deuten  viele  Er- 
scheinungen, die  p.  III  bis  115  schon  erwähnt  wurden,  darauf  hin, 
dass  er  diese  Aufgabe  auch  erfüllt. 

d.  Die  steigende  oder  abnehmende  Widerstandsfähigkeit  der 
Gewebe,  in  welchen  die  Capillaren  verlaufen,  ändert  nothwendig 
I  den  Durchmesser  ihres  Querschnitts  und  dem  entsprechend  nach 
'  bekannten  Gnindsätzen  ihren  Strom.    Beispiele  für  dieses  Verhal- 
;ten  hefert  die  Gänsehaut,  Verlust  der  Epidermis,  Erschlaffungen 
der  Haut,  Wasserergüsse  in  das  Bindegewebe  u,  s.  w. 

Die  Annahme,  dass  an  den  verschiedenen  Orten  desselben 
i  Capillarensystems,  und  noch  mehr,  dass  in  verschiedenen  Capilla- 
rrensystemen  die  Spannungen  wechseln,  gründet  sich  weniger  auf 
messende  oder  schätzende  Versuche  am  Strom  selbst,  als  auf  die 
Vergleichung  der  Formen  der  Capillaren  und  auf  die  Anwendung- 
hydraulischer  Prinzipien  für  diese;  bei  den  einzelnen  Organen  wer- 
den wir  des  genauem  hierauf  eingehen. 

Zu  Messungen  über  den  wahren  Werth  der  Spannung  des 
Blutes  in  den  Haargefässen  fehlt  es  bis  dahin  an  einer  Methode. 
Beobachtete  Spannung  in  den  Venen. 
Die  Spannung  in  den  Venen  ist  erfahrungsgemäss  veränder- 
lich mit  der  Blutfülle,  der  mittleren  Spannung  im  arteriellen  System 
lund  ausserdem  noch  mit  den  Herzschlägen,  den  Respirationsbe- 
wegimgen,  den  Bewegungen  und  Stellungen  der  GHeder;  da  aber 
i diese  Umstände  nicht  in  jeder  Vene  sich  gleich  geltend  machen, 
so  werden  wü-  ihre  Folgen  zunächst  in  einer  derselben,  der  vena 
1  ugularis  externa  angeben  und  darauf  die  Variation  der  Erschei- 
:aung,  so  weit  sie  an  andern  Venen  beobachtet  ist,  folgen  lassen. 
Wir  bemerken  im  Voraus,  dass  über  die  Folgen  der  veränderlichen 
;Blntftüle  zu  den  wiederhx)lt  mitgeth eilten  Bemerkungen  nichts  Wei- 
teres zuzufügen  ist. 

Vena  jugularis.  a.  Wenn  die  vena  jugularis  sich  in 
Mittlerer  Fülle  befindet  und  die  Herzschläge  kräftig  sind,  so  ist 
iin  ihr  jede  Vorhofsbewegung  sichtbar,  indem  die  Vene  mit 
1er  beginnenden  Zusammenziehung  an-  und  mit  der  eintretenden 
Diastole  abschwillt;  in  allen,  selbst  in  den  günstigsten  Fäl- 
en,  ist  die  sichtbare  Veränderung  in  dem  Gefässdurchmesser 
^dcht  eben  beträchtlich.    Wey  rieh*)  fand,  dass  die  Spannungs- 


•)  De  cordio  adspirutlono  cxperlmontn.  Doipnt.  1853. 
LndwlB,  Physiologie  U.  2.  Auflngo. 


12 


178 


Spannung  in  der  v.  jugularis. 


abnähme,  welche  während  der  Diastole  des  Herzens  eintritt,  höch- 
stens einigen  MM.  Quecksilber  entspricht.  Hammernik*)  giebt 
an,  dass  die  Erweiterung  der  Venen  bei  der  Vorhofszusammen- 
ziehung  am  Halse  des  Menschen  niemals  merklich  sei,  vorausge- 
setzt, dass  die  Klappen  in  den  Gefässen  hinreichend  schliessen. 

b.  Die  analogen  Wirkungen  der  Brustbewegungen  treten  be- 
deutsamer hervor,  indem  die  Vene  bei  kräftiger  Exspiration  jedes- 
mal deutlich  anschwillt,  während  sie  in  der  vorhergehenden  Inspi- 
ration ebenso  bedeutend  zusammenfällt.  Das  Uebergewicht  dieser 
Schwankungen  über  die  vorhergehenden  prägt  sich  nun  auch  in 
dem  mit  dem  Lumen  der  Venen  communizirenden  Manometer  aus. 
Es  schwankt  nemlich  bei  einer  gewöhnlichen  Einathmung  der 
Druck  um  das  doppelte  und  bei  einer  tiefen  Inspiration  um  mehr 
als  das  vierfache  von  dem,  um  welches  ihn  die  Herzbewegung  ver- 
änderte. Schwerlich  dltrfte  es  jedoch  gelingen,  den  absoluten 
Werth  der  Druckschwankungen  zu  erhalten,  da  sie  meist  in  zu 
rascher  Folge  wechseln,  als  dass  eine  vollständige  Ausgleichung 
der  Spannung  im  Manometer  und  in  der  Vene  erreicht  werden 
könnte. 

c.  Die  eben  erwähnten  Wirkungen  des  Herzschlags  und  der 
Athembewegung  geschehen  offenbar  unmittelbar  durch  die  hohlen 
und  ungenannten  Venenstämme  auf  die  Drosselvene.  Von  der 
anderen  Seite  her  durch  die  Capillaren  und  die  Venenzweige  nie- 
derer Ordnung  müssen  sich  dagegen  beide  Bewegungen  geltend 
machen,  insofern  sie  die  Spannung  in  den  Arterien  bestimmen. 
Auf  diesem  Wege  erzeugen  sie  allerdings  ebenfalls  Druckverän- 
derungen in  dem  Blute  der  Jugularvene,  jedoch  keineswegs  solche, 
welche  zeitlich  oder  der  Grösse  nach  genau  den  in  den  Arterien 
bedingten  entsprechen,  so  dass  man  noch  die  einzelnen  Herz- 
schläge und  Respirationsbewegungen  unterscheiden  könnte.  Im 
Allgemeinen  ändert  sich  nur,  wenn  während  längerer  Zeit  hindurch 
eine  mittlere  Spannung  in  der  Ai-terie  constant  bleibt,  auch  die- 
jenige der  Vene.  Als  eine  im  Wesentlichen  richtige  Regel  kann 
hier  nach  den  Untersuchungen  von  Brunn  er  angegeben  werden, 
dass,  wenn  längere  Zeit  hindurch  'die  Spannung  in  den  Arterien 
herabsinkt,  sie  in  der  Jugularvene  zunimmt  und  umgekehrt;  der 
absolute  Werth,  um  welchen  die  Spannung  in  den  Venen  hierbei  ge- 
ändert wird,  ist  immer  sehr  gering  gegen  den,  um  welchen  sie  in 


•)  Prager  Vlcrteljahrsclirlft..  1863.  III.  Bd.  p.  08. 


Einfluss  der  Brust-  und  Herzbewegung  auf  dieselbe. 


179 


den  Arterien  schwankt.  So  wurde  z.  B.  der  mittlere  Druck  in  der 
art.  carotis  eines  Hundes,  dessen  n.  vagi  durchschnitten  waren,  auf 
122,4  MIVI.  Quecksilber,  der  gleichzeitige  in  der  Vene  über  dem 
Stenium  zu  1  bis  1,9  MM.  Quecksilber  bestimmt.  Als  nun  die  mit 
den  Herzen  in  Verbindung  stehenden  Enden  der  n.  vagi  ungefähr 
30  Sekimden  hindm-ch  erregt  wurden,  so  dass  in  dieser  Zeit  gar 
keine  Herz-  (und  auch  keine  Athem-)  Bewegung  zu  Staude  kam, 
fiel  der  Druck  in  der  Arterie  auf  13,3  MM.,  in  der  Vene  stieg  er 
aber  auf  3,8  ÄIM.  Während  er  also  in  der  Carotis  um  109,1  MM. 
gesunken,  hatte  er  sich  in  der  Vene  nur  um  2,8  bis  1,9  MM.  er- 
hoben. Diese  Erscheinung  ist  daraus  erklärlich,  dass  die  Anfül- 
lung  des  arteriellen  Hohlraums  nur  auf  Kosten  des  venösen  ge- 
schehen kann  und  umgekehrt;  es  muss  also,  wenn  der  Druck  in 
dem  einen  System  sinkt,  nothwendig  im  andern  ein  Steigen  eintre- 
ten (Ed.  Weber).  Dieser  Verlust  der  einen  Seite  kann  aber  dem 
Gewinn  auf  der  andern  nicht  gleich  sein,  weil  das  arterielle  Ge- 
sämmtlumen  im  Vergleich  zum  venösen  enger  ist,  so  dass,  was  dort 
eine  beträchtliche  Quote  des  Gesammtinhalts  darstellt,  hier  nur  als 
eine  geringe  beti-achtet  werden  muss,  und  weil  eine  Ausdehnung 
ides  arteriellen  Lumens  wegen  seiner  starken  elastischen  Wandun- 
:gen  mehr  Kraft  erfordert,  als  die  dünne  Venenwand  verbraucht. 

d.  Die  Bewegungen  der  Muskeln  in  den  Fortsätzen  des 
i Rumpfs,  dem  Hals,  Arm  u.  s.  w.  bringen  eine  merkliche  Steigerung 
'der  Spannung  in  der  Jugularvene  hei-vor;  diese  ist  um  so  bedeu- 
::ender,  je  gefüllter  die  Venen  der  bewegten  Körpertheile  sind,  und 
'ie  rascher  und  je  mehr  ihre  Lumina  durch  die  Bewegungen  zu- 
i'jammengedrückt  werden. 

Die  Spannungserscheinungen  in  den  übrigen  Ve- 
len. Die  mittlere  Spannung  nimmt  in  den  Venen  von  den  Zwei- 
i;en  gegen  die  Stämme  hin  nach  Versuchen  an  Pferden,  Kälbern, 
Ziegen  und  Hunden  ab. 

In  der  Hohlvene  des  Hundes  selbst  ist  die  mittlere  Spannung 
;ermger  als  der  Luftdruck  gefunden  worden  (Volkmann,  C. 
-.udwig)*),  eine  Thatsache,  die  in  vollkommener  Uebereinstim- 
nung  steht  mit  der  von  Donders  gegebenen  Entwickeluug  über 
•lie  Spannung  in  der  Brusthöhle  ausserhalb  der  Lungen  (p.  143.); 
•teim  Hunde  schwankt  nach  zahlreichen  Versuchen  der  Mitteldruck 
•a  der  vena  jugularis  von  2  bis  zu  15  MM.  Hg,  in  den  venae 


')  Haemodynamik.  p.  356. 


12» 


180 


Spannungen  anderer  Körpervencn. 


brachialis  und  cruralis  von  10  bis  zu  30  MM.  Hg  Mogk*);  Volk- 
mann**) fand  ihn  in  der  ven.  facialis  der  Ziege  zu  41  MM.  Hg 
und  gleichzeitig  in  der  vena  jugularis  desselben  Thiers  aber  zu 
18  MM.  Hg. 

Die  Wellen,  welche  der  Herzschlag  von  den  Vorhöfen  her  er- 
zeugt, erstrecken  sich  beobachtungsgemäss  niemals  weit  in  die 
Zweige  der  obern  Hohlader  hinein;  sie  sind  z.  B.  nur  in  seltenen 
Fällen  bis  in  die  vena  axillaris  zu  verfolgen.  —  In  grösserer  Aus- 
dehnung sind  aber  die  von  den  Brustbewegungen  abhängigen 
Spannungen  nachweisslich ,  namentlich  beobachtet  man  sie 
noch  in  den  Hirnvenen  (Ecker***),  Donders)!)  und  in  der 
vena  cruralis,  auf  welche  wahrscheinlich  die  mit  dem  Ath- 
men  zusammenhängenden  Bewegungen  der  Baueheingeweide  ver- 
mittelnd wirken.  Dass  ihre  Wh-ksamkeit  sich  beim  Menschen 
nicht  weniger  weit  erstreckt,  geht  daraus  hervor,  dass  die  Kopf- 
und  Halsvenen  bei  tiefer  Exspiration  anschwellen  und  bei  tiefer 
Inspiration  zusammenfallen.  Das  Volum  des  Arms  soll  ebenfalls 
bei  tiefer  Inspiration  geringer  werden.  Hammernik ff).  —  Zu- 
samnienpressungen  der  Venen  durch  die  Muskeln  der  Glieder,  in 
welchen  sich  dieselben  verbreiten,  mtissen  selbstverständlich  vor 
zugsweise  in  den  Venen  der  Extremitäten  und  der  Rumpfwandun- 
gen vorkommen.  Diese  Pressungen  werden  nun  offenbar  den 
Röhreninhalt  zugleich  nach  dem  Herzen  und  den  Capillaren  hin- 
treiben; dieser  letzte  Weg  wird  dem  Strom  aber  durch  die  Klap- 
pen abgeschnitten,  die  in  den  erwähnten  Venen  besonders  zahl- 
reich vorkommen. 

Beobachtete  Spannungen  innerhalb  der  kleinen 
Blutbahn. 

1.  Die  Spannungswerthe  des  arteriellen  Blutes  in  den  Lungen 
können  gemessen  werden:  a)  nachdem  der  Brustkasten  vorher  er- 
öffnet ist  und  der  zum  Leben  nothwendige  Luftwechsel  in  den 
Lungen  durch  einen  in  die  Luftröhre  eingesetzten  Blasebalg  (künst- 
liche Athmung)  erhalten  wird  (Beutner) fff),  b)  Ein  Troicart 
wird  durch  die  sonst  unverletzte  Brustwandung  in  die  art.  pul- 


»)  Honle  und  Pfeufor.  m.  Bd.  p.  73. 
••)  1,  c.  p.  173. 

•»•)  physiologlscho  Untersuchungen  über  dlo  Bowogungen  des  Gehirns  etc.  Stuttg.  1845. 
t)  Do  bowegingen  der  horsenen.  Noderl.  lancct  2-  Serie.  1850. 
tt)  1.  c.  p.  57. 

ttt)  Ilonlo's  und  Pfoufor's  Zeitschrift.  N.  F.  II.  Bd. 


Spannungen  in  der  kleinen  Blutbahn. 


181 


monalis  gestochen;  nach  Entfernung  des  Stichels  wird  in  die  lie- 
.  gengebliebene  Scheide  der  Druckmesser  eingesetzt  (Chaveau). — 
tc)  Durch  die  vena  jugularis  dextra  schiebt  man  einen  mettallenen 
iCatheter  in  das  ost.  venosum  des  rechten  Ventrikels  (Faivre*). — 
.  d)  an  einem  Thier,  dessen  Herz  in  Folge  eines  Bildungsfehlers 
wor  der  Brustwand  liegt,  konnte  das  Verbindungsrohr  zwischen 
IBlut  und  Messwerkzeug  unmittelbar  durch  das  Herzfleisch  in  die 
Wentrikelhöhle  gebracht  werden  (Hering**).  —  Vermöge  der  be- 
ssondern  An  wen  dungs  weise  des  Druckmessers  im  erstem  und  letz- 
ttern  Verfahren  erhalten  wir  keinen  Aufschluss  über  die  span- 
rnenden  Wii'kungen  des  Brustkastens,  sondern  nur  über  die  des 
i  Herzens.  Nicht  minder  liegt  ausser  besondern  Fehlern  in  allen 
[Fällen  der  Verdacht  nahe,  dass  wesentliche  Störungen  in  der  Herz- 
thätigkeit  eingeführt  werden;  darum  muss  jedesmal  gleichzeitig 
mit  dem  Druck  in  den  Lungenkreislaufe  der  in  der  Carotis  be- 
stimmt werden,  so  dass  die  Spannungen  beider  mit  einander  ver- 
glichen werden  können. 

Als  Beutner  den  Dnickmesser  gleichzeitig  in  die  artt.  pul- 
monahs  und  carotis  einsetzte,  fand  er  das  Verhältniss  des  Mittel- 
idi'ucks  in  der  a.  pulmonalis  zur  a.  carotis  bei  Kaninchen  wie,  1:4, 
»bei  Katzen  wie  1  :  5,  bei  Hunden  wie  1:3.  —  In  diesen  Ver- 
suchen näherte  sich  die  Spannung  in  der  a.  carotis  deijenigen  sehr 
lan,  welche  man  auch  bei  unerötFneter  Brusthöhle  erhält;  darum 
'darf  angenommen  werden,  dass  mindestens  die  Herzkräfte  keine 
; Schwächung  erlitten  hatten;  dagegen  war  durch  Einsetzung  der 
Ganüle  in  einen  grossen  Ast  der  Pulmonalarterie  offenbar  die 
•Spannung  in  dieser  weit  jenseits  der  normalen  Grenzen  gesteigert. 
Demnach  kann  man  wohl,  ohne  einen  zu  grossen  Fehler  zu  be- 
gehen, 'behaupten,  dass  eine  über  das  gewöhnliche  Mittel  gestei- 
gerte Spannung  in  der  Lungenarterie,  so  weit  diese  von  der  Herz- 
kraft abhängig  ist,  sich  verglichen  habe  mit  der  annähernd  nor- 
malen in  der  Carotis.  — 

Die  für  den  Mitteldruck  gefundenen  Zahlen  beti-ugen  an  Kanin- 
chen 22  MM.,  an  Katzen  17  MM.,  an  Hunden  29  MM.  Queck- 
silber. 

Beutner  hat  auch  für  einen  Fall  die  Spannung  in  den  Luu- 
?envenen  der  Katzen  untersucht  und  sie  zu  10  MM.  Hg.  ge- 
unden. 


•)  Gazette  mddicale  de  Piiris  1856.  p.  729. 
••)  Archiv  für  phyglolog.  Heilkunde.  IX.  Bd. 


182 


Siiannnngcn  in  der  kloinen  Blutbalin. 


Hering,  welcbev  seine  Beobachtungen  an  einem  Kalbe  an- 
stellte, das  die  angegebene  Bildungsbemmung  (ectopia  cordis) 
zeigte,  brachte  seine  Messröhren  unmittelbar  in  die  linke  und 
rechte  Herzkammer.  In  diesen  Röhren,  welche  wasserdicht  von  der 
Muskelsubstanz  umschlossen  wurden,  stieg  die  Flüssigkeit  in  einem 
Verhältniss  von  1  :  1,7,  die  grössere  Zahl  gehörte  dem  linken  Ven- 
trikel an. 

Faivre,  der  sich  der  Methode  vonChaveau  bediente,  giebt 
an,  dass  beim  Pferd  der  Druck  in  der  a.  pulmonalis  etwa  ein 
Drittheil  von  dem  in  der  a.  carotis  betragen  habe. 

Da  nun  der  Einfluss  der  Brustbewegung  auf  den  Lauf  des  Lun- 
genblutes dem  Versuch  noch  nicht  zugängig  gewesen  ist,  so  können 
Avir  zur  Aufhellung  dieser  wichtigen  Verhältnisse  nur  gelangen 
durch  theoretische  Schlüsse  über  die  Verändeiningen ,  welche  die 
Athembewegungen  an  dem  Verhalten  der  Gefässe  erzeugen.  — 
Mit  Rücksicht  hierauf  ist  zweierlei  zu  unterscheiden.  Einmal 
nemlich  ändert  sich  die  Länge  der  Gefässe  und  insbesondere  der 
Capillaren  dadurch,  dass  sich  die  Lungenbläschen  bei  der  Inspi- 
ration ausdehnen,  während  sie  bei  der  Exspiration  zusammen- 
fallen; die  wesentliche  Frage,  ob  sich  hierbei  die  Widerstände  än- 
dern, indem  mit  der  Ausdehnung  der  Lungenbläschen  sich  die 
Capillaren  verlängern  und  verengen,  hat  Pols  euille  auf  verschie- 
dene Art  zu  erledigen  gesucht.  Zuerst  injicirte  er  mit  einer  in  der 
Kälte  erstarrenden  Masse  die  erwärmten  Lungengefässe,  dann  bües 
er  einen  Lappen  der  Lunge  durch  den  Bronchus  auf  und  unterband 
den  letztern;  die  andern  blieben  im  zusammengefallenen  Zustand. 
Die  mikroskopische  Messung  der  Capillaren  in  der  erkalteten 
Lunge  ergab  einen  grösseren  Durchmesser  für  die  zusammenge- 
fallenen, einen  kleineren  für  die  aufgeblasenen  Lungenmassen.  — ■ 
Dann  bestimmte  er  die  Ausflussgeschwindigkeit  eines  Sti-omes,  der 
unter  constantem  Druck  in  die  Lungenarterie  ein-  und  durch  die 
Lungenvene  ausging.  In  der  zusammengefallenen  Lunge  war  der 
Strom  geschwinder  als  in  der  massig  aufgeblasenen  und  m  dieser 
wiederum  rascher  als  in  der  stark  aufgeblasenen.  Auf  diese  That- 
sachen  kommt  die  Respirationslehre  noch  einmal  zurück.  —  Nächst- 
dem  ändert  sich  aber  auch  mit  der  Brustbewegung  die  Spannung 
der  grossen  Lungengefässe,  welche  ausserhalb  des  Pleurasackes 
gelegen  sind.  Auf  sie  ist  nemlich  offenbar  alles  das  anwendbar, 
welches  für  die  grossen  Gefässe  des  Aortenwerkes  innerhalb  der 
Brusthöhle  galt,  so  dass  in  den  Venen  und  Arterien  der  Lungen 


Geschwindigkeit  des  Blutstroms. 


183 


die  Spannung  mit  der  Exspiration  steigt,  mit  der  Inspiration  aber  • 
abnimmt. 

2.  Verbindung  zwischen  Lungen  und  Körperkreislauf.  Eine 
besondere  HeiTorhebung  verdient  schliesslich  noch  die  eigenthtim- 
liche  Verbindung,  welche  zwischen  dem  Aorten-  und  Lungenwerk 
durch  die  a.  bronchialis  besteht ;  diese  bezieht,  wie  bekannt,  ihr  Blut 
aus  der  Aorta  und  liefert  es  theilweise  wenigstens  unmittelbar  in 
die  V.  pulmonalis.  Diese  Gefasse  dürften  vielleicht  angesehen  wer- 
den als  Mittel,  durch  welche  relative  Ueberfüllungen  der  einen 
oder  andern  Abtheilung  ausgeglichen  werden  können. 
Die  G-eschwindigkeit  des  Blutstroms. 
Die  Geschwindigkeit,  welche  den  einzelnen  im  Blutsti-om  krei- 
senden  Theüchen  zukommt,  wechselt  mit  der  Zeit  und  dem  Ort 
und  dem  Aggregatzustand  des  Strömenden.  —  Zunächst  ist  es 
offenbar,  dass  von  den  Theilchen,  welche  gleichzeitig  in  einem  und 
demselben  Sti*omquerschnitte  enthalten  sind,  diejenigen,  welche  an 
der  Köhrenwand  laufen,  sich  langsamer  bewegen,  als  die  in  der 
Mitte  gelegenen,  weil  ausnahmslos  in  allen  Röhren  die  Wand- 

!  Schicht  an  Geschwindigkeit  der  Mittelschicht  unterlegen  ist.  Zu- 
dem ist  die  Anwendbarkeit  dieses  Grundsatzes  auf  den  Blutlauf 

<  erfahi-ungsgemäss  festgestellt.  —  Ein  und  dasselbe  Theüchen  wird 
aber  eine  verschiedene  Geschwindigkeit  empfangen,  je  nachdem 
es  in  den  Stämmen  oder  Aesten  der  Arterien  und  Venen,  oder  in 
den  Capillaren  sich  bewegt,  und  dieses  wird  selbst  noch  gelten, 
wenn  auch  das  Theilchen  immer  in  derselben  relativen  Stellung 

:  zu  der  Wand,  z.  B.  in  der  Mittelschicht,  bleibt.  Denn  da  die 
Querschnitte  der  gesammten  Blutbahn  auf  ihrem  Verlauf  bald 
grösser  und  bald  kleiner  werden,  da  trotzdem  durch  jeden  Quer- 
schnitt der  Gesammtbahn  immer  gleich  viel  Blut  sti-ömmen  muss, 
80  wird  in  den  grössern  Querschnitten  die  Geschwindigkeit  sich 
vermindern  müssen.  —  Mit  der  Zeit  verändert  sich  aber  die  Ge- 

>  sehwindigkeit,  weil  die  treibenden  Kräfte,  oder  anders  ausgedrückt, 
die  Spannungsunterschiede  zweier  unmittelbar  aufeinanderfolgender 

'  Querschnitte  mit  der  Zeit  wechseln.  Dieser  Wechsel  ist  nun  aber 
tür  die  einzelnen  Gefässabtheilungen,  wie  wir  wissen,  nicht  gleich. 
Im  normalen  Blutstrom  sind  diese  Unterschiede  in  merklicher  Weise 
und  zwar  ununterbrochen  vorhanden  in  den  grossen  Arterien,  insbe- 

>  sondere  des  Aortensystems,  dann  in  den  grossen  Körpei-venen,  am 
wenigsten  ausgesprochen  sind  dagegen  die  erwähnten  zeitlichen 

I  Veränderungen  in  den  Capillaren. 


184      Goscbwindiiikeitsmcssujig  nach  E.  II.  Weber,  Viorordt,  Wagner,  Woller. 


Wenn  man  also  die  Blutströmuug  messen  will,  so  muss  man 
sich  vor  .Allem  darüber  verständigen,  ob  man  eine  Partialgeschwin- 
digkeit,  d.  h.  die  an  einem  Ort  und  zu  einer  begi'enzten  Zeit  be- 
stehende, oder  ein  Mittel  aus  den  zeitlichen  und  örtlichen  Varia- 
tionen zu  bestimmen  gedenkt.  Dieses  hervorzuheben  ist  um  so 
weniger  unnütz,  als  in  der  That  die  verschiedenen  bis  dahin  be- 
kannt gewordenen  Methoden  bald  das  eine  und  bald  das  andere 
Ziel  verfolgen. 

a.  Die  Ceiitralgeschwindigkoit  des  Capillarenstroms  *)  kann  durch,  die  sichtbare 
Bewegung  der  Blutkörperchen  gemessen  ■werden.  Dieses  geschieht  1.  nach  E.  H.Weber 
durch  mikroskopische  Ausmessung  der  Wegstrecke,  welche  ein  Blutkörperchen  in  der 
Zeiteinheit  zurücklegt.  Um  aus  diesen  Daten  die  wahre  Geschwindigkeit  zu  finden, 
muss  man  den  durchlaufenen  Weg  durch  die  Vergrösserungszahl  des  Mikroskops  di«- 
diron,  wie  sich  von  selbst  versteht.  Als  vorzügliche  Beobachtungsorte  empfehlen  sich  die 
Schwimmhaut,  und  das  Mesenterium  der  Frösche  (E.  H.  Weber),  das  Mesenterium  junger 
Siiugothiüre  (Volkmann,  11.  Wagner),  das  luxirte  pigmentfreie  Auge  kleiner  Nage- 
Ihiere  (Waller).  —  Die  Beobachtung  selbst  ist  schwer;  auf  die  AufsteUung  der  zu 
beobachtenden  Theile  unter  das  Mikroskop  ist  die  grössto  Sorgfalt  zu  verwenden,  damit 
die  Beobachtung  nicht  durch  örtliche  Störungen  vereitelt  werde.  —  2.  Ein  anderes  am 
Menschen  anwendbares  Verfahren,  auf  welches  schon  in  der  ersten  Auflage  dieses  Lehr- 
buches hingewiesen  wurde,  konnte  Vierordt  ausführen,  weil  er,  wie  Seite  353  des 
I.  Bandes  erwähnt  wurde,  sich  den  eigenen  lletinalkreislauf  sichtbar  machen  kann. 
Um  diesen  Versuch  zu  dem  vorliegenden  Zwecke  zu  benutzen,  projizirt  er  die  Gefäss- 
figur  auf  eine  von  hinten  stark  erleuchtete  Milchglasscheibe,  die  in  genau  gekannter 
Entfernung  vom  Auge  steht;  dann  notirt  er  die  Zeit,  in  welcher  ein  Körperchen  eine 
gradlinige  Bahn  von  gemessener  LÜTige  durchläuft.  Ist  a  der  Abstand  der  Müch- 
glasebene  vom  vordem  Knotenpunkt  des  Auges,  b  der  der  Retina  von  hintern  und  c 
die  vom  Blutkörperchen  auf  der  Milehglasscheibe  durchlaufene  Wegstrecke,  so  ist  die 

b  e 

auf  der  Retina  durchlaufene  =  — .  —  3.  Vierordt  schlägt  endlich  auch  die  rotiren- 

a 

den  Scheiben  von  Plateau  und  Doppler  als  Mittel  für  die  Messung  an  durchsichtigen 
thierischen  Theilen  vor.  — 

Da  nun  bekanntlich  die  rothen  Körperchen  im  Centraistrom  der  Capülaren  lau- 
fen und  da  des  geringen  speciflsehen  Gewichtsunterschieds  wegen  ihre  Geschwindigkeit 
mit  der  der  Blutflüssigkeit  übereinstimmt,  so  leistet  die  Messung  ihrer  Geschwindigkeit 
wahrscheinlich  mit  hoher  Vollkommenheit  das  Verlangte. 

b.  Das  Dromometer  von  Volkmann**)  findet  seinem  Bau  gemäss  einen  Mittel-; 
Werth  aus  den  auf  dem  Querschnitt  eines  grösseren  Gefässes  nach  Zeit  und  Raum  ver- 
änderlichen Geschwindigkeiten.  Mit  andern  AVorten,  es  misst  die  Geschwindigkeit, 
welche,  wenn  sie  während  der  ganzen  Beobachtungsdauer  auf  allen  Orten  des  Gefäss- 
schnittes  gleich  wäre,  gerade  soviel  Blut  durch  den  letzten  fördern  würde,  als  in  der 


•)  Müller«  Archiv.  1838.  Viororilt.  Die  Gesetze  der  Stromgoschwiiidigkciton.  Frankfurt 
1858.  p.  33  11.  f.  —  W  aller  Compt.  rcnd.  Ud.  43.  p.  659.  —  n.  Wag  n  er  in  Valentins  Jaluesbe- 
rloht  fUr  185«.  p.  78.  — 

•»)  Hacmodynnmik.  p.  185.  —  Lenz,  expcrimouttt  do  raliono  intcr  pulsus  frequcntnm  ii''- 
Dnrpat  1853.  p.  11.  Vierordt  1.  c.  p.  7. 


Geschwindigkoitsmessung  nach  Vierordt  und  Volkmaiin. 


185 


That  durch  ihn  läuft,  während  die  Geschwindigkeit  von  der  Wand  gegen  das  Röhren- 
centrum  und  in  jedem  einzelnen  Faden  wiedoruni  mit  dem  Schlag  und  der  Ruhe  des 
Herzens  veränderlich  ist.    l)io  besondere  Anwendung  dos  Dronioraoters   für  den  Blut- 
stroiu  erläutert  die  Fig.  (48).    In  ihr  bezcichuen  aa  die  Enden  des  durchschnittenen 
Gefiisses ,   in  welche   das  Haomodromometer   b  c  ä  c  h 
eingebunden  ist.    Dieses  letztere   hat  einen  geraden 
Schenkel   b  c  o  b    aus  Messing   und    einen  gebogenen 
cd  c  aus  Glas.    An  den  Orten  c  c ,  wo  die  Arme  des 
gläsernen  Eohrs  in  das  gerade  münden ,    sind  zwei 
Hähne  mit  anderthalbfacher  Durchbohrung  angebracht, 
die  in  der  Zeichnung  im  Grundriss  dargestellt  sind; 
[die  durchbohrten  Gänge  sind  schwarz  schraffirt.  Man 
erkennt,    dass,   wenn  die    durchbohrten    Theile  der 
tHähne  die  gezeichnete  Stellung  einnehmen,  das  Blut 
laus  dem  Gefässe   a  unmittelbar    durch  den  geboge- 
nen Schenkel  c  d  c  dringt ,  während  der  gerade  abge- 
schlossen ist;  werden    dagegen    die  Hähne  um  90" 
gedreht,  so  ist  umgekehrt  der  gerade  Schenkel  für 
den  Blutsfcrom  eröffnet  und  der  gebogene  ihm  verschlos- 
sen.   An  diesen  Hähnen  ist  endlich  noch  die  hier  nicht 
angegebene  Einrichtung  angebracht,    dass  immer  mit 
[dem  einen  Hahne  sich  der  andere  zugleich  umdrehen 
niuss,  so  dass  in  sehr  kurzen  Zeiten  der  Strom  b  c  o  b 
!  in  den  von  b  e  d  c  b  umgesetzt  werden  kann.  —  Will 
»man  eine  Messung  ausführen,  so  füllt  man  das  Haema- 
Liromometer  mit  Wasser  und  bringt  einen  seiner  Hähne 
cji  eine  solche  Stellung,  dass  das  einströmende  Blut  durch 
l«ien  geraden  Schenkel  b  c  cb  dringen  muss.  Hierauf 
(ireht    man    zu   einer    genau    bestimmten    Zeit  die 
[i  lähne   plötzlich    um ,    so   dass  nun    das  Blut  nur 
üurch  den  gläsernen  Schenkel  einen  Ausweg  £ndet.    Das  in  ihn  eindringende  Blut 
r-Teibt  das  Wasser  vor  sich  her.    Dieses  geschieht  jedoch  nicht  in  der  Weise,  dass  un- 
nittelbar  die  dunkle  Farbe  des  Bluts  sich  absetzte  gegen  die  helle  des  Wassers,  son- 
dern es  mischen  sich  beide ,  so  dass  hierdurch  auf  einer  Wegstrecke  alle  Aöglichen 
Abstufungen  des  Blutroths  vom  Wasser  bis  zum  reinen  Blut  hin  vorkommen.    Da  die 
Längenausdehnung  dieser  Mischung  keineswegs  verschwindet  gegen  die  von  dem  Blut 
während  der  Beobachtungszeit  durchlaufene  Bahn,  so  muss  man  sich  darüber  verstän- 
digen, welche  Tinte  man  als  Marke  wählen  wül,  oder  anders  ausgedrückt,  wie  tief  die 
Farbe  der  am  Ende  des  Eohrs  ankommenden  Mischung  sein  muss,  wenn  mau  die  Be- 
jbachtung  für  geschlossen  erklären  will;  Volkmann  wartete  jedesmal  so  lauge,  bis 
die  tiefste  Farbe,  die  des  ungemischten  Blutes,  an  dem  Grenzstrich  angelangt  war.  Er 
versichert,  dass  unter  Berücksichtigung  dieses  Umstandes  und  bei  der  von  ihm  gewählten 
Art,  die  Zeit  zu  bestimmen,  die  Geschwindigkeit  in  der  Köhro  bis   auf   0,9  ihres 
:rahien  Werthcs  genau  gemessen  werden  kann,  so  dass  von  dieser  Seite  der  Fehler  in 
(lie  Grenzen  +  eines  Zchntheils  vom  ganzen  Werth  eingeschlossen  sei. 

Einige  Willkührlichkeiten ,  die  in  dieser  Annahme  liegen,  sucht  Vierordt  zu 
beseitigen,  indem  er  vorschlägt,  die  Zeit  zu  messen,  welche  jedesmal  zur  Vollendung 
rler  Hahnumdrehung  verbraucht  wird,  und  indem  er  darauf  dringt,  den  Blutanthcil  zu 


186 


Qeschwindigkoitsmossung  nach  Yolkmann  und  Yierordt. 


bestimmen ,  Avelchor  auf  joder  beliebigen  Strecke  der  gebogenen  Köhrc  in  das  Wasser 
eingedrungen  ist.  Ebenso  maclit  er  darauf  aufmerksam,  dass  das  Dromometer  in  An- 
betracht der  kurzen  Beobachtungsdauer,  die  es  zulässt,  nur  bei  rascher  Pulsfolgc  brauch- 
bar sei,  da  es  natürlich  nicht  möglich  sei,  die  Beobachtung  mit  der  Phase  der 
Herzbewegung  zu  schliessen,  mit  welcher  sie  begonnen.  —  Die  etwas  schwierige  Zeit^ 
raessung  Volkmanns  hat  Bidder  vereinfacht  und  zugleich  verschärft. 

Gesetzt  nun  aber,  es  sei  die  Geschwindigkeit,  welche  im  Dromometer  während 
der  Beobachtung  bestand,  mit  hinreichender  Schärfe  gemessen  worden,  so  bleibt  noch 
zu  erforschen,  in  welchem  Verhältniss  die  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  in  der  Glas- 
röhre zu  derjenigen  steht,  welche  in  dem  Blutgefäss  vorhanden  gewesen  wäre,  ohne 
dass  die  Einführung  des  Instruments  stattgefunden  hätte.  Gleich  kann  die  Geschwin- 
digkeit in  beiden  Umständen  nicht  sein,  da  das  Verhältniss  zwischen  Widerstand  und 
Triebkraft  nicht  dasselbe  geblieben  ist.  —  Die  Triebkraft  des  Bluts  ist  nämlich  für 
beide  Fälle  gleich ;  denn  in  ihr  würden  nur  dann  Veränderungen  eingetreten  sein,  wenn 
sich  durch  das  Instrument  zwischen  dem  Herzen  und  seinem  EinfUgungsorte  etwas  um 
gestaltet  hätte,  was  aber  nicht  geschehen  ist.  Dagegen  sind  die  Widerstände,  die  der 
Strom  findet,  vermehrt ;  denn  es  hat  sich  mit  der  Einsetzung  des  Instruments  die  Blut 
bahn  nach  den  Capillaren  hin  verlängert  und  auch  verengert,  weil  unter  allen  Um 
ständen  das  Lumen  der  eingebundenen  Glasröhre  dem  der  Arterien  nicht  gleich  kommen 
kann ;  demgemäss  muss  die  Flüssigkeit  langsamer  strömen.  Zu  dieser  Betrachtung  fügt 
nun  aber  Volkmann  die  Behauptung,  dass  die  Verlangsamung  des  Stroms  nicht  sehr 
bedeutend  sei,  weil  der  Widerstand  aus  den  Capillaren  her  in  beiden  Fällen  gemeinsam 
soiund  gegen  diesen  der  in  der  Glasröhre  verschwinde.  Zur  Kräftigung  seiner  Annahme  *) 
hat  er  den  Widerstand  ermittelt ,  der  sich  in  einem  Dromometer  entwickelt ,  welches 
in  eine  Arterie  eingefügt  ist;  dieses  geschah  auf  die  gebräuchliche  Weise,  indem  er 
einen  Druckmesser  am  Beginn  und  am  Ende  des  Droraometers  einsetzt.  In  der  Thai 
bestätigt  sich  seine  Ansicht  durch  den  Versuch  mindestens  in  so  weit,  dass  der  Wider- 
stand im  Dromometer  gering  ist  gegen  den  jenseits  desselben.  Zu  gleicher  Zeit  gfr 
winnt  man  aber  auch  bei  diesen  Beobachtungen  die  Ueberzeugung,  dass  die  Eöhren  des 
Dromometers  nicht  wohl  länger  und  enger  hätten  sein  dürfen. 

Aus  den  Erläuterungen  Volkmann's  zu  seinem  Verfahren  geht  hervor,  dass 
das  Mittel,  welches  er  aus  den  verschiedenen  zeitKchen  und  örtlichen  Geschwindigkeitei 
findet,  um  einen  nicht  näher  anzugebenden  Bruchtheil  niedriger  ist,  als  das  wahre 

c.  Das  Tachometer  von  Vierordt  bestimmt  nach  den  Erörterungen,  welch^l 
ihm  auf  Seite  54  zu  Theil  geworden  sind,  das  Mittel  aus  den  verschiedenen  Geschwind 
digkeiten  eines  grossem  Gefässquerschnitts,  und  durch  eine  besondere  Einrichtung,  die  ihni| 
gegeben  wurde,  auch  noch  die  Variationen,  die  diese  mittlere  Geschwindigkeit  während, 
des  Schlags  und  der  Kuhe  des  Herzens  erfahrt.  Denn  das  Pendelehen,  welches  in  demj 
Blutstrome  hängt,  entfernt  sich  während  der  Systole  des  Herzens  um  einen  grösseren 
Winkel  aus  seiner  Ruhelage,  als  während  der  Diastole.  Um  die  Vermuthung  abzu- 
schneiden, dass  die  Geschwindigkeit,  welche  der  Pendel  bei  diesen  Bewegungen  em- 
pfange, in  die  Geschwindigkeitsbestimmung  des  Stroms  störend  eingreife,  erwähnt 
Vierordt,  dass  die  Zahl  und  Zeit  der  Pendelschwingungen  genau  denen  des  Herz- 
schlages entsprechen.  Um  diese  raschen  veränderlichen  Stellungen  des  Pendels  aufzu- 
fassen, setzt  Vierordt  auf  die  äussere  Seite  des  Qlaskästchens,  in  welchem  der  Pendel 
geht,  einen  beweglichen  Zeiger,  der  um  eine  Achse  mit  der  Hand  so  hin  und  her  g«' 


•)  1,  c.  p.  233  u.  f. 


Geschwindigkoitsmossung  nacli  Hering. 


187 


dreht  werden  kann,  dass  er  mit  dem  Pendel  immer  genau  gleick  geht.  Mit  diesem 
Zeiger  ist  schliesslich  ein  leicht  beweglicher  Eahmen  verbunden,  der  mittelst  eines  an 
seinem  freien  Ende  befindlichen  Pinsels  die  Ausschläge  auf  eine  rotirende  Trommel 
schreibt.  —  Bei  den  Vorzügen,  welche  das  Tachometer  in  der  vorliegenden  Einrichtung 
ibesitzt  und  in  Anbetracht  der  Sorgfalt,  vrelche  ihm  Vierördt  zugewendet  hat,  würden 
inoch  einige  Prüfungen  auf  den  Umfang  seiner  Brauchbarkeit  wünschenswerth  sein.  Um 
aufzuhellen,  in  wie  weit  der  Widerstand  von  Bedeutung  sei,  den  das  Instrument  indem 
G^lass  erzeugt,  in  welches  man  es  setzt,  hätte  man  sich  ein  verzweigtes  Eöhrensystem 
herstellen  können ,  in  welchem  der  Strom  bei  ähnlicher  Druckkraft  mit  änhnlichen 
Widerständen  wie  im  Gefässsysteme  zu  kämpfen  gehabt  hätte ;  dann  würde  aus  einem 
der  Zweige  die  mittlere  Geschwindigkeit  zu  bestimmen  gewesen  sein,  bevor  und  nach- 
dem das  Pendelkästchen  in  ihn  eingeschaltet  gewesen.  Ein  anderer  Zweifel  Hesse  sich 
dadurch  beseitigen,  dass  man  in  einen  Strom,  der  das  Pendelchen  trifft,  die  mittlere 
Geschwindigkeit  rasch  und  in  bekannter  Weise  änderte  und  dann  nachsähe,  ob  der 
Pendel  bei  jeder  Geschwindigkeitsänderung  die  verlangte  Stellung  einnähme. 

d.  Vierordt  benutzt  auch  die  aus  einer  künstlichen  Gefässmündung  fliessende 
Blutmenge  zur  Messung  der  mittleren  Geschwindigkeit.  Um  die  letztere  durch  die 
künstliche  Ausflussöffiiuug  nicht  zu  erhöhen,  setzt  er  in  das  an  seiner  Capillarenseite 
zugebundene  Gefäss  ein  Manometer  und  lässt  durch  die  Gefässöfihung  nur  so  viel  Blut 
strömen ,  dass  die  Spannung  im  Gefäss  immer  der  normalen  angenähert  bleibt.  Der 
^Erfinder  betrachtet  diese  Methode  einstweilen  noch  als  eine  solche,  die  wesentlicher 
Terbesserungen  fähig  sei. 

e.  Hering  erdachte  einen  sinnreichen  und  praktisch  wichtigen  Versuch,  dessen 
iErfolg  aufs  Innigste  an  die  Stromgeschwindigkeit  gebunden  ist;  der  Versuch  beab- 
sichtigt ,  die  Zeit  festzustellen ,  welche  verstreicht  zwischen  der  Einspritzung  einer 
•ialzlösung  in  einen  bestimmten  G'tfässort  und  dem  Erscheinen  der  ersten  nachweisbaren 
':5puren  der  Lösung  in  dem  Blute  eines  andern  Gefässortes.  Da  diesem  Versuche  die 
i>  iVeglänge  unbekannt  bleibt,  so  bestimmt  er  nicht  die  Geschwindigkeit,  sondern  nur  die 
.' Jebertragungszeit  der  eingespritzten  Masse  von  einem  Gefässquerschnitt  zu  einem  andern; 
u'uid  insofern  er  den  Zeitwerth  misst ,  welcher  zum  Hinüberschaffen  der  ersten  Spuren 
ijehört,  bestimmt  er  die  Uebertragungszeit,  welche  nahebei  aus  der  mittleren  Centralge- 

ch windigkeit  *)  zwischen  den  beiden  Gefässorten  hervorgeht.  Die  Ausführung  des  Ver- 
suchs verlangt  einmal  die  Anwendung  eines  Salzes,  welches  ohne  Schaden  in  denKreis- 
;  auf  gebracht  und  doch  in  der  geringsten  Menge  schon  mit  Sicherheit  nachgewiesen 

werden  kann;  als  solches  führt  Hering  eine  verdünnte  Lösung  blausäurefreien  Bin  tlau- 
tjensalzes  ein.  Zweitens  verlangt  der  Versuch  eine  genaue  Bestimmung  des  Zeitraumes 
'swischen  den  Einführungen  des  Salzes  an  den  einen  und  dem  Erscheinen  an  den  andern 
rOrte.   Diesem  Erfordemiss  hat  Vierordt  mit  grosser  Genauigkeit  dadurch  Genüge 

jeleistet,  dass  er  die  zum  Auffangen  des  entleerten  Blutes  bestimmten  Töpfchen  auf  den 
iümfang  einer  rotirenden Scheibe  stellt,  welche  letztere  in  0,6  See.  je  eins  der  orsteren 


■)  Ver>achc,  die  Schnelligkeit  des  Blutlaufs  zu  bestimmen.  Zoitsclirlft  fUr  Physiologie  von  Tio- 
temann  und  Trcviranus.  III.  Bd.  —  Ibidem.  V.  Bd.  —  Archiv  fUr  physiolog,  Heilkunde. 
511.  Bd.  p.  112.  —  Vierordt,  Stromgoschv/indigkciten  des  Blutes,  p.  18. 

••)  d.  h.  eine  Geschwindigkeit  welche  dasselbe  leistet,  wie  die  mit  Zeit  und  Kaum  vcräiulcr- 
Iche  Geschwindigkeit  in  der  Achse  der  Röhronströmo,  welche  den  Einsprizungs-  und  AufTnngungs- 
»rt  nrit  einander  verbinden. 


188 


Goscliwimligkoitsmossung  nach  Hering. 


vor  der  Gefiissöffiiung  voriiberfükrte,  und  dass  er  die  Naohweisung  des  Blutlaugensalzes 
verscliärfto.  —  Mit  diesen  Mitteln  geht  nun  der  Versuch  so  vor  sich :  Man  legt  zwei 
Gefässo  bloss;  in  das  eine  dorselton  setzt  man  nach  der  Richtung  des  Stromes  eine 
Spritze  mit  der  nöthigen  Salzlösung  gefüllt ;  in  das  andere  setzt  man  ein  mit  einem 
Hahne  versehenes  Köhrchcn;  die  Mündung  dieses  Eöhrchens  steht  über  dem  llande  der 
Scheibe ,  so  dass  das  aus  ihm  strömende  Blut  sich  in  das  gerade  vorübergeführte 
Xiistchen  crgicsst.  Nachdem  man  die  Scheibe  in  Bewegung  gesetzt,  spritzt  man  die 
Lösung  ein  und  öfEnet  gleichzeitig  den  Hahn  des  Ausflussröhrchens ,  dessen  Strahl  nun 
die  gewünschte  Zahl  von  Töpfchen  füllt,  worauf  man  den  Hahn  wieder  schliesst. 
Hierauf  prüft  man  der  EeUie  nach  den  Inhalt  der  Töpfe  auf  ihren  Blutlaugensalz- 
gehalt. Aus  der  Zahl  der  Töpfchen,  die  vom  Beginn  des  Versuchs  bis  zu  dem,  welches 
die  erste  Spur  des  Salzes  enthält,  gefüllt  sind,  ergiebt  sich  die  gesuchte  Zeit,  indem 
man  0,6  See.  mit  jener  Töpfchenzahl  multiplizirt.  — 

Diesem  Versuch  hat  man  die  Einwendung  gemacht,  er  gebe  nicht  die  wahre  Ueber- 
tragungszeit  an,  einmal  weil  durch  die  Oefifuung  im  Gcfässsystomc  der  normale  Druck- 
unterschied zwischen  dem  Zu- und  Abflussort  und  also  auch  die  Geschwindigkeit  zwischen 
beiden  geändert  werde  (Volk  mann).  Dieser  Einwurf  verliert  erfahrungsgemäss  indem 
Maasso  an  Gewicht,  als  man  aus  der  Gefässöifnung  ungefähr  nur  soviel  ausströmen 
lässt,  als  für  gcwölmlich  durch  den  Querschnitt  des  ungeöffneten  abströmen  würde 
(Hering).  —  Poiseuillc  stützt  eine  Einsprache  gegen  die  Anwendbarkeit  des  Ver- 
fahrens auf  die  Aenderungcn ,  welche  nachweislich  ein  Salzzusatz  in  der  Blutreibung 
hervorbringt.  Diese  Ausstelluiig  scheint  aber  allerdings  bedeutungslos  zu  werden, 
wenn  dorn  Blute  so  wenig  Salz  zugefügt  wird,  wie  dies  neuerlichst  Vierordt  gethan. 
Vielleicht  Hesse  sich  die  Frage  durch  den  Versuch  entscheiden,  ob  sich  proportional 
dem  vermehrten  Zusatz  die  Uebertragungszoit  verkürzte  oder  verlängerte. 

Im  Gegensatz  zu  iler  vorliegenden  Betrachtungsweise  sehen  Hering  und  Vierordt 
die  Uebertragungszoit  nielit  als  eine  Funktion  der  grössten  Geschwindigkeit  in  der  Bahn, 
sondern  als  eine  der  mittleren  an.  Der  Versuch  würde  zu  ihrem  Gunsten  entscheiden, 
wenn  die  aufgefangene  Blutprobe  ungefähr  so  viel  Salzprozente  enthielt,  als  ihr  zu- 
kommen würde  unter  der  Voraussetzung ,  dass  eine  gleichmässige  Mischung  des  einge- 
spritzten Salzgowichtes  mit  der  Blutmenge  stattgefunden  hätte ,  die  in  den  Gefässen 
enthalten  war,  durch  welche  das  Salz  strömte.  So  müsste  z.B.,  wenn  das  Salz  in  di 
linke  v.jugularis  eingespritzt  wurde  und  von  da  zum  rechten  Herzen,  zur  Lunge  und  dem 
linken  Herzen,  durch  den  Kopf  zur  Ven.  jugul.  dcxtr.  gekommen  wäre ,  die  Blutprobe 
eine  so  intensiv  gefärbte  Eeaktion  geben ,  als  sie  sich  von  einer  gleichgrossen  Probe 
erzielen  lässt ,  die  einem  Gemenge  entnommen  würde ,  das  aus  ebensoviel  Blut  und 
Blutlaugensalz  besteht,  wie  im  Versuchsthiere  enthalten  war.  Da  dieser  oder  ein  ähn- 
licher Beweis  noch  nicht  geliefert  ist,  so  wurde  der  ersten  Anschauungsweise  der 
Vorrang  gestattet,  und  zwar  darum,  weil  das  Blut  gerade  in  den  Gefässen  am  läng- 
sten verweilt,  in  welchen  die  Wand  die  mittlere  Geschwindigkeit  am  meisten  ernie- 
drigt, und  in  welchen  keine  Pulsbewegu^  die  centralen  und  die  wandständigen  Schich- 
ten des  Inhalts  mischt. 

Für  die  Berechnung  der  mittleren  Geschwindigkeiten  in  verschiedenen  Blutgefässen 
und  einiger  daraus  ableitbaren  Werthe  bedient  man  sich  einiger  Voraussetzungen,  welche 
jedoch  nm*  da  zulässig  sind ,  wo  es  sich  nicht  um  eine  grosse  Genauigkeit  handelt.  — 
Wollte  man  z.  B.  die  mittlere  Geschwindigkeit  in  der  aufsteigenden  Aorta  berechnen, 
so  würde  dieses  thunlich  sein,  wenn  Gefässquerschnitto  und  Stromgeschwindigkeiten 
der  Acste    also  der  Carotiden,  Subelavicn  und  der  absteigenden  Aorta  bekannt  wären. 


Sondergescilwindigkeit  auf  demselben  Querschnitt. 


189 


IDa  aber  nur  die  Geschwindigkeit  in  der  Carotis  bestimmt  ist,  so  macht  man  die  An- 
nnahme,  in  allen  andern  Aesten  sei  die  Geschwindigkeit  dieselbe.  Hierauf  misst  man 
dden  Querschnitt  aller  in  Betracht  konxmenden  Bahnen  und  findet  daraus  die  Menge  von 
FFlüssigkeit,  welche  in  der  Zeiteinheit  dieselbe  durchsetzt.  Da  nun  aber  dieses  Blutvolum 
iin  derselben  Zeit  durch  die  aufsteigende  Aorta  gegangen  sein  muss,  und  da  man  auch 
ilihren  Querschnitt  annähernd  messen  kann,  so  ergiebt  sich  nun  auch  die  mittlere  Ge- 
^sch windigkeit  in  ihr.  —  Auf  diese  Art  hat  man  nicht  allein  (s.  p.  76.)  das  mit  jedem 
tHerzschlag  entleerte  Blutvolum  geschätzt,  sondern  man  hat  auch,  indem  man  auf  die 
»angegebene  Weise  zu  schliessen  fortfuhr,  die  Geschwindigkeit  des  Stroms  in  den  Aesten 
-der  absteigenden  Aorta  und  endlich  auch  mit  Zuhülfenahme  anderer  Daten  die  Quer- 
^.ächnitte  einzelner  nicht  mehr  messbarer  Gefässabtheilungen  berechnet.  —  Siehe  über 
idiese  Art  von  Betrachtungen  in  Yierordt's  Gesetzen  der  Stromgescbwindigkeiten, 
pp.  69.  103.  112.  — 

1.  Von  den  Sondergeschwindigkeiten  auf  demselben 
,Querschnitt. 

a.  Die  Centraifäden  des  Sti-öms  in  den  Blutgefässen  bewegen 
sich  rascher  als  die  Wandfäden,  gerade  so  wie  dieses  in  allen 
cjlindrischen  Strömen  vorkommt.    Den  Beweis  hierfür  liefert  die 
mikroskopische  Erfahrung,  dass  die  im  Centrum  kleiner  Gefässe 
hingehenden  Körperchen  viel  rascher  laufen,  als  die  unmittelbar 
;an  der  Wand  hinstreichenden.  —  Da  sich  die  letztern  rollend  be- 
megen,  so  giebt  die  bekannte  Geschwindigkeit  ihres  Fortschreitens 
ikeinen  Aufschluss  über  die  Geschvsdndigkeit  der  Flüssigkeitsschicht, 
bin  der  sie  einhergehen.  —  b.  Die  Lymphkügelchen,  Blutscheiben 
lund  das  Plasma  des  Blutes  sind  in  dem  Blutstrom  nicht  überall  gleich- 
imässig  vertheilt,  und  die  in  analogen  Querschnittsorten  verschiedener 
; Gefässe  enthaltenen  flüssigen  Massen  bewegen  sich  nicht  gleich 
^geschwind.   Die  Erfahrung  sagt  hierüber  Folgendes  aus:   1"  Das 
i  Venenblut  enthält  in  100  Theilen  im  Allgemeinen  mehr  Körperchen 
lals  das  der  Arterien  (Heidenhain,  Vierordt);  wahrscheinlich 
ist  das  Pfortaderblut  am  reichsten  an  aufgeschwemmten  Theilen. 
Drückt  man  diese  Erfahrung  mit  Rücksicht  auf  die  Strömung  und 
auf  den  selbstverständlichen  Grundsatz  aus,  dass  in  die  Arterie 
soviel  Köi-perchen  eintreten  müssen,   als  aus  den  Venen  hervor- 
;8trömen,  so  heist  sie:  die  Blutscheiben  nahmen  in  der  Arterie  die 
■relativ  geschwinder,    in   den  Venen  dagegen  die  relativ  lang- 
samer strömenden  Orte  des  Querschnitts  ein.  —  2 "  In  den  kleinsten 
dem  Mikroskop  zugänglichen  Arterien  des  Aortenwerks  schwimmen, 
wenn  die  Stromgeschwindigkeit  sich  über  einer  nicht  näher  zu  be- 
zeichnenden Grenze  hält,  die  rothen  Körperchen  immer  nur  in  der 
centralen,  niemals  in  der  Wandschicht,  so  dass  ein  solches  Gefäss 
in  der  Projektion  auf  die  Ebene  aus  einem  rothen  Centralfadcn, 


190 


Vertheilung  der  Körperchen  im  Blutstrom. 


der  von  zwei  farblosen  Streifen  umgeben  ist,  zusammengesetzt  er- 
scheint. In  dem  Theile  der  farblosen  Schicht,  welcher  die  Wand 
unmittelbar  bertihrt,  bewegen  sich  die  Lyraphkügelchen  theils  foi-tr 
schreitend  und  theils  rollend  (E.  H.  Weber,  Acherson).  — 
Nimmt  die  Geschwindigkeit  ab,  so  wird  der  rothe  Centralfaden 
breiter  und  die  Lymphkügelchen  häufen  sich  in  der  farblosen  Schicht 
an  ("Acherson);  sinkt  endlich  die  Geschwindigkeit  noch  mehr, 
so  dringen  auch  die  rothen  Scheiben  in  den  Wandsaum,  mit  an- 
dern Worten,  das  Gefäss  scheint  durchweg  mit  rothen  Massen  er- 
füllt, so  dass  der  farblose  Raum  verschwindet.  —  3"  In  den  kleinen 
Venen  des  Aortenwerks  verhalten  sich  die  Dinge  wie  in  den  kleinen 
Ai-terien,  nur  ist  im  Allgemeinen  in  den  erstem  der  rothe  Mittel- 
faden im  Verhältniss  zur  farblosen  Wandschicht  breiter  als  in  den 
letztem  (Acherson).  —  4°  In  den  kleinen  Arterien  und  Venen 
des  Lungenwerkes  schwimmen  unter  Umständen  im  centralen  Theile 
Blutscheiben  und  Lymphkügelchen  unter  einander  vertheilt,  so  dass 
der  farblose  Wandsaum  ganz  frei  von  Körperchen  ist  (R.Wagner), 
unter  andern  verhalten  sie  sich  wie  im  Aortencapillaren  (Gunning). 
—  5"  In  den  Capillaren  nehmen  Blut-  und  Lymphkörperchen  den 
mittlem  Theil  des  Sti'oms  ein,  die  letztern  schreiten  jedoch  lang- 
samer vorwärts  als  die  erstem;  die  Dichtigkeit,  mit  welcher  die 
Körperchen  einander  folgen,  ist  mit  der  Zeit  sehr  veränderlich.  — 
Die  Erklärung  dieser  Thatsachen  ist  enthalten  in  der  beson- 
dern Vertheilung  der  Stromkräfte  auf  dem  Gefässquerschnitt,  in 
dem  spezifischen  Gewicht,  der  Form  und  der  Masse  der  Körper- 
chen. —  Insofern  das  spezifische  Gewicht  der  Flüssigkeit  und  des 
in  ihr  schwimmenden  Körperchens  ungleich  ist,  vrird  das  letztere 
von  dem  Stosse  der  Sti-omfäden  und  daneben  auch  noch  von  dein, 
Zuge  der  Schwere  angegriffen  werden.  In  einem  horizontal  ver^ 
laufenden  Strome  wird  also  das  Körperchen,  je  nachdem  es  spe^ 
zifisch  leichter  oder  schwerer  als  die  Blutflüssigkeit  ist,  gegen  die 
obere  oder  untere  Wand  hinstreben ,  und  zwar  mit  um  so  grösserer 
Geschwindigkeit,  je  merklicher  jener  Gewichtsunterschied  ist.  Dem 
Zuge  der  positiven  oder  negativen  Schwere  wirkt  direkt  entgegen 
der  Unterschied  der  Seitendrücke,  welchen  die  einzelnen  Stromfäden 
ausüben.  Denn  je  näher  der  Peripherie  ein  Stromfäden  liegt,  um  so 
grösser  ist  sein  Seitendruck,  also  treibt  dieser  ein  aus  dem  Centrum. 
sich  bewegendes  Körperchen  wieder  dahin  zurück,  und  zwar  mit; 
um  so  grösserer  Kraft,  je  geschwinder  der  Strom  fliesst,  weil  hier- 
mit auch  die  Unterschiede  der  genannten  Seitendrücke  wachsen.  — • 


Ursachen  der  besondem  Vertheilung  und  Bewegung  der  Körperclien.  191 


Die  Unterschiede  der  Geschwindigkeit,  welche  die  Stromfäden 
«eigen,  je  nachdem  sie  im  Centrum  oder  an  der  Wand  fliessen, 
bedingen,  insofern  das  Körperchen  sich  nicht  im  Centrum  bewegt, 
mgleiche  starke  Stösse  diesseits  und  jenseits  seines  Schwei-punktes 
md  hiennit  eigenthiimliche  Bewegungsformen  der  schwimmenden 
Masse.  — 

Diese  Erörterungen  machen  es  begreiflich,  warum  sich  die 
,j}'Tnphkörperchen  rascher  aus  dem  centralen  Strom  ausscheiden, 
äis  die  Blutscheiben,  und  warum  erst  der  Strom  sich  sehr  ver- 
langsamt haben  muss,  bevor  auch  die  letztern  in  die  Wandschicht 
-reten. 

Ebenso  erklärlich  ist  es,  dass  jede  rothe  Scheibe  sish  mit 
hi-em  schmalen  Rand  gegen  die  Stromrichtung  stellt  und  zwar  so, 
3ass  ihr  Schwerpunkt  womöglich  in  die  Stromachse  fällt,  so  dass 
üe  dem  Stoss  ausgesetzten  Flächen  des  Körperchens  sich  symme- 
risch  um  die  Achse  vertheilen.    Denn  befände  sich  die  Scheibe 
lusserhalb  der  Stromachse  und  zugleich  so  gelagert,  dass  ihre 
ijrundfläche  senkrecht  gegen  die  Stromrichtung  läge,  so  würde 
iae  von  den  raschern  mehr  gegen  das  Centrum  gelegenen  Strom- 
laden  stärker  als  von  den  Wandfäden  gestossen  werden,  weshalb 
iich  die  Scheibe  so  lange  drehen  würde,  bis  sie  ihren  schmalen 
iland  gegen  den  Strom  kekrt;  denn  dann  wäre  der  Unterschied 
i'ler  Stosskraft  auf  die  Flächen  diesseits  und  jenseits  der  Schwer- 
iiiunktsebene  ein  Minimum.  Liegt  nun  die  Scheibe  einmal  mit  ihrer 
:!;rösseni  Fläche  parallel   der  Stromrichtung,  aber  so,  dass  ihr 
i'Chwerpunkt  ausserhalb  des    Centralfadens  fällt,    so    wird  sie 
i  vegen  des  von  der  Achse  gegen  die  Wand  wachsenden  Seiten- 
Iruckes  von  der  letzteren  Seite  her  einen  gTössern  Druck  als  von 
ler  ersteren  her  auszuhalten  haben,  und  darum  muss  sie  gegen 
las  Centrum  geführt  werden,  wo  sie  fortan,  ohne  sich  zu  drehen, 
I  veiter  schwimmt.  — 

i  Kugelige  Körperchen,  wie  es  die  farblosen  sind,  müssen,  wenn 
l'iie  einmal  aus  der  Wandschicht  ausgeschieden  wurden,  sich  drehen 
Jvegen  der  ungleich  starken  Stösse,  die  sie  in  der  Stromrichtung 
^jmpfangen  (Don der s),  und  sich  langsamer  als  die  Flüssigkeit  be- 
i  vegen,  weil  durch  die  Drehung  immer  ein  Theil  der  Kugelmasse 
!  intgegengesetzt  der  Stromrichtung  geht.  Desshalb  mlissen  auchfort- 
■  chreitend  verlaufende  Blutscheiben  an  ihnen  vortiberstreichen,  selbst 
^enn  sie  in  denselben  Stromfäden  vorhanden  sind,  und  es  werden, 


192  Mittloro  Quersclinittsgoscliwindigkoit  und  ihre  Aondcrungen. 


wie  G  uiming'*)  aiisfiiiirliclier  entwickelt,  auch  darum  die  KUgel- 
cheu  au  die  Wand  angedrückt. 

2.  Die  mittlere  Quersclinittsgeschwindigkeit  ändert 
sich  in  weiten  Grenzen  mit  den  Phasen  der  Bewegungen  des  Herzens 
(Systole  und  Diastole),  mit  dem  Umfang  und  der  Folge  seiner  Zu- 
sammenziehung, mit  der  Tiefe  und  der  Zahl  der  Athemzüge,  mit  der 
Blutmenge,  dem  Orte  des  betrachteten  Querschnitts,  dem  Spannuugs- 
unterschiede  auf  der  Läugeneinheit,  mit  der  Temi^eratur  u.  s.  w. 

a.  Die  Mittel-  und  Grenzwerthe  der  bis  dahin  gefundenen 
mittleren  Querschnittsgeschwindigkeit  zählt  die  nachstehende  Ta- 
belle auf;  die  Zahlen  bedeuten  die  MM.,  welche  in  der  Secunde 
durchlaufen  wurden. 


Gefäss. 

Geschwindigkeit, 
geringste.  |    grösstö.    |  mittlere. 

Beobachter. 

Carotis  des  Hundes  . 

106 

342 

264 

Yolkmann,  Lenz,  Vierordi 

„       „    Pferdes  . 

220 

431 

•  303 

„      der  Zioge  .  . 

240 

358 

203 

1  Volkniann 

„      des  Schaafs  . 

241 

.  350 

280 

,,       ,,    Kalbs  .  . 

02 

431 

295 

Volkmann,  Lenz 

Cruralis  des  Hundes  . 

114 

237 

162 

Vierordt,  Lenz 

Maxillaris  d.  Pferdes  . 

99 

232 

165 

1  Volkmann 

Metatarsca  d.  Pferdes  . 

56 

Die  mittlere  Querschnittsgeschwindigkeit  in  der  carotis  ver- 
schiedener Thiere  steht  sich  demnach  ungefähr  in  ähnlicher  Weise' 
nahe,  wie  es  daselbst  mit  den  Wanddriicken  der  Fall  war. 

Die  Geschwindigkeit  mit  welcher  die  Blutkörperchen  in  detf 
Capillaren  laufen  ist: 

Ort  geringste 

Retina  der  Menschen 
Schwanz  der  Froschlarve 
Schwimmhaut  d.  Frosches 
Mesenterium  d.  Hundes  —  — 

Diese  letztern  auf  die  Capillaren 
drücken  offenbar  nicht  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  Strom- 
aus;  nach  welcher  Richtung  sie  abweichen,  ist  unbekannt. 

b.  Ueber  Geschwindigkeitsunterschiede  zur  Zeit  der  voUeude- 
ten  Systole  und  Diastole  in  Carotis  und  Cruralis  des  Hundes  er- 
hielten wir  durch  Vierordt**)  Aufschluss;  so  war: 


0,  6 
0,45 
0,17 


größste  mittlere 

0,9  0,75 

0,67  Oj57 

1,11  0,51 


Beobachter 

Vierordt 
E.  H.  Weber 
Valentin  ' 
0,80  (?)  Volkmann. 
sich  beziehenden  Zahlen 


»)  Archiv  fUr  hoUänd.  Roitiiigo.  I.  Bd.  320. 
Slromgescliwindigkeit  ji.  144  ii.  SOG. 


Die  Geschwindigkeitsändorung  des  Blutstroms  mit  dem  HerzscWag. 


193 


Carotis,     zu  Ende  der     zu  Endo  der     Cruralis     zu  Ende  der     zu  Ende  der 
Diastole  Systole  Diastole  Systole 

215  297  140  239 

Der  systolische  Zuwachs  zur  diastolischen  Geschwindigkeit 
etrug  im  ersten  Falle  39  p.  c,  im  zweiten  70  p.  c.  In  fünf  an- 
eru  Fällen  lag  der  systolische  Zuwachs  zwischen  1 4  bis  25  p.  c.  — 
iese  in  den  grossen  Arterien  so  sichtbare  Geschwindigkeitsän- 
erung  verliert  sich  allmälig  gegen  die  kleinen  Gefässe  hin  und  end- 
ch  vollständig  da,  wo  auch  die  aus  gleichen  Gründen  herrührenden 
•ruckschwankungen  unsichtbar  werden,  also  in  den  kleinsten  Ar- 
irien.  Eine  Ausnahme  machen  hiervon  die  kleinsten  Gefässe  der 
etina*)  deren  Arterien  (Ed.  Jaeger)  und  Venen  (v.  Tright, 
occius)  sehr  häufig  wenigstens  pulsiren. 

c.  Eine  der  wesentlichsten  Bedingungen  für  die  Strombe- 
3hleuniguug  ist  gegeben  durch  die  Menge  und  die  Geschwindig- 
eit  des  Zuflusses  in  das  arterielle  System,  also  durch  Zahl,  Umfang 
id  Schnelligkeit  (Kraft)  der  Herzzusammenziehungen.  In  der  That 
ürde  die  mittlere  Geschwindigkeit  eines  jeden  Gesammtquer- 
Lhnitts  des  Gefässsystems  geradezu  mit  jenen  Vorgängen  wach- 
en, wenn  nicht  mit  ihnen  zugleich  die  Blutspannung  und  die  Di- 
mensionen der  Gefässe  in  einer  Zunahme  begriffen  wären,  so 
wss  der  dem  vermehrten  Zufluss  entsprechende  Abfluss  durch  eine 
l  eigerung  der  Geschwindigkeit  und  des  Querschnitts  zugleich  er- 
licht  wii'd. 

,  Eine  andere  Seite  gewinnt  unsere  Frage  durch  die  Betrach- 
lüg,  ob  vielleicht  zwischen  der  Folge,  dem  Umfang  und  der  Ge- 
ihwindigkeit  der  Zusammenziehungen  gewisse  Beziehungen  be- 
bhen,  so  dass  z.  B.  jedesmal  mit  der  beschleunigten  Schlagfolge 
5  Stromgeschwindigkeiten  zu-  oder  abnehmen.  Aus  den  hierher 
/.hörigen Versuchen  von  Lenz  geht  hervor,  dass  allerdings  häufig 
it  der  Pulszahl  die  Geschwindigkeit  in  einem  freilich  ganz  unbe- 
(Jumbaren  Verhältniss  zunimmt,  dass  aber  dieses  keineswegs  noth- 
endig  ist,  namentlich  bei  Variationen  der  Schlagzahl  in  den  mitt- 
cm  Grenzen,  indem  hier  oft  genug  der  Fall  eintritt,  dass  die  Ge- 
'hwindigkeit  mit  sinkender  Pulszahl  sich  mehrt  oder  umgekehrt 

it  steigender  sich  mindert. 

Leni  Tariirte  die  Schlagfolge  mittelst  Durchschneidung  und  Heizung  dos  n.  vagus. 
I  zu  vergleichen,  musstcn  jedesmal  an  demselben. Thiere  mehrere  Gescliwindigkoits- 
ssTingen  hinter  einander  angestellt  werden ;  vor  jeder  derselben  führte  er  eiue  dem  Inhalt 

'•)Donders,  Ondcrzooklngen  in  hct  laborntor  oto.  UtrooM  1864—56.  p.  90. 
Ludwig,  Phygiologlo  II.   2.  Auflage. 


Dio  Qoscliwindigkeit  des  Blutstroms  steigt  mit  dem  Druckunterechied. 


des  Volkmannschen  Dromometers  entsprechende  Natronmonge  in  das  Blut  und  in  Folge 
dessen  wurde,  wie  bekannt,  die  Kraft  der  Hcrzzusammonziehungen  sehr  gemindert. 
Da  nun  demnacli  in  den  Versuchen  ausser  der  aufzufindenden  Zahl  der  Herzschläge 
noch  zwei  andere  unbestimmbare  Variable  (Umfang  und  Intensität  der  Zusammenziehung) 
enthalten  sind,  so  ist  die  Auskunft,  welche  sie  geben,  selbst  eine  unbestimmte.  Dass 
mit  der  steigenden  Beschleunigung  in  der  Schlagfolge  der  Umfang  jeder  einzelnen  Herz- 
zusammenziehung abnimmt,  ist  einleuchtend  aus  der  geringen  Geschwindigkeit  des 
Stroms  in  den  zum  Herzen  führenden  Venen,  welcher  immer  einer  gewissen  Zeit  bedarf, 
um  das  Herz  anzufüllen.  Mit  Berücksichtigung  dieses  Umstandes  lässt  sich  einsehen, 
dass  bis  zu  einem  gewissen  Grad  mit  der  Beschleunigung  des  Herzschlages  auch  die 
Stromgeschwindigkeit  zunehmen  muss,  während  sie  bei  noch  weiter  zunehmender  Schlagzahl 
in  der  Zeiteinheit  wieder  abnimmt.  —  Eine  besondere  Berücksichtigung  verdient  die 
Energie  der  Vorhofszuckung,  weil  auch  von  ihr  die  Menge  des  Bluts  abhängt,  dio  in 
die  Kammer  eingeworfen  wird. 

d.  Die  Atliembewegung  muss  in  ihrem  Einfluss  auf  die  Strom- 
geschwindigkeit ähnlich  beurtheilt  werden  wie  die  Herzbewegung, 
was  sich  schon  daraus  ergiebt,  dass  sie  vor  Allem  den  Blut- 
reichthum der  grossen  zum  Herzen  führenden  Venenstämme  be- 
stimmt. 

6.  Die  mittlere  Querschnittsgeschwindigkeit  steigt  nicht  mit  der 
Spannung  auf  einem  Querschnitt,  wohl  aber  mit  Unterschied  der 
Spannung  zweier  auf  einander  folgender  Querschnitte.  —  Für  den 
ersten  Theil  dieser  Behauptung  sind  mancherlei  Belege  beizubringen. 
Wir  haben  gesehen,  dass  mit  der  steigenden  BlutfuUe  des  ge- 
sammten  Gefässwerks  die  Spannung  des  Bluts  stieg,  denn  ein 
Aderlass  mindert  den  Druck  des  Bluts,  gleichgiltig  ob  dieses  in' 
der  Ruhe  oder  in  der  Bewegung  war,  und  eine  Einspritzung  von 
Blut  in  das  Getässsystem  mehrte  ihn;  unter  diesen  Umständen 
mehrt  oder  mindert  sich  aber  nach  Volkmann  und  Hering  die 
Geschwindigkeit  nicht.  Eine  kurze  Ueberlegung  zeigt  sogar,  dass 
die  GeschvTindigkeit  des  Stroms  Null  werden  müsse,  wenn  die  An- 
füUung  der  gesammten  Gefässhöhlen  mit  Blut  zu  einem  gewissen 
Werthe  angestiegen  wäre.  Dieser  Werth  würde  erreicht  sein, 
wenn  das  Gefässsystem  so  weit  durch  seinen  Inhalt  ausge- 
dehnt wäre,  dass  die  aus  dieser  Auhdehnung  hervorgehende  Span- 
nung der  Gefässwände  hinreichend  wäre,  um  allen  den  Drückea 
das  Gegengewicht  zu  halten,  welche  vom  Herzen,  dem  Brustkaste 
u.  s.  w.  ausgehend  dieselben  noch  weiter  auszudehnen  oder  zu 
sammenzupressen  strebten.  —  Lenz  hat  eine  grosse  Zahl  vo 
Beobachtungen  gesammelt,  in  welchen  der  Druck  und  die  Ge 
schwindigkeit  mit  einem  Dromometer  bestimmt  wurden;  er  bestätigte 
ebenfalls  die  oben  ausgesprochene  Behauptung. 


Gleich-  und  ungleichförmige  Geschwindigkeit  im  Blutstrom.  195 


Das  auffallendste  Beispiel  für  die  Unabhängigkeit  der  Ge- 
schwindigkeit von  dem  absoluten  Werthe  der  Spannungen  eines 
oder  des  andern  Querschnitts  eines  Gefässes  gewährt  die  Betrach- 
tung des  Lungen-  oder  Körperkreislaufs.  In  den  Anfängen  beider, 
in  der  a.  pulmonalis  und  der  a.  aorta,  muss  die  Geschwindigkeit 
gleich  sein,  weil  der  Durchmesser  beider  Gefässe  nicht  wesentlich 
von  einander  abweicht  und  beide  gleich  viel  Blut  aus  dem  Herzen 
befördeni  müssen.  Und  dennoch  sind  die  Spannungen  in  beiden 
Gefässen  so  ungemein  verschieden. 

Anders  aber  verhält  sich  die  Geschwindigkeit,  wenn  man  die 
Spannungsunterschiede  in  zwei  aufeinander  folgenden  Gefässab- 
schnitten  zu  ändern  versteht.   So  sinkt  bekannthch  die  Spannung 
in  den  Ai-terien  nach  einer  EiTCgung  der  nervi  vagi  sehr  bedeu- 
tend, und  sie  nimmt  in  den  grossen  Venen  zu,  während  nach 
Durchschneidung  der  erwähnten  Nerven  das  Umgekehrte  eintritt. 
Dem  entsprechend  fand  Lenz  die  Geschwindigkeit  in  der  Carotis 
verlangsamt  im  ersten  und  erhöht  im  zweiten  Fall.  —  Augenschein- 
hch  beschleunigt  jede  Zusammenpressung   einer  oberflächlichen 
i  Vene  den  Strom  aus  derselben  und  umgekehrt  strömt  mit  grosser 
I'  Geschwindigkeit  das  anliegende  Blut  in  eine  entleerte  Vene.  — 
Mit  Rücksicht  auf  den  Spannungsunterschied  zweier  aufeinander- 
|i  folgender  Querschnitte  verhalten  sich  nun,  wie  bekannt,  die  Ge- 
1  fasse  unseres  Körpers  sehr  verschieden.   In  den  grossen  Arterien 

•  und  Venen  ist  dieser  nemlich  mit  der  Zeit  ununterbrochen  verän- 
'  derlich ,  in  den  Röhren  kleinern  und  kleinsten  Lumens  kommt 

es  dagegen  vor,  dass  die  Spannungsunterschiede,  die  nach 
'der  Länge  derselben  bestehen,  unabhängig  von  der  Zeit  sind. 

Dieses  Avurde  schon  früher  ausführlicher  auseinandergesetzt.  Un- 
•sere  Behauptung  verlangt  also,  dass  in  den  Gefässen  grössern 
i  Durchmessers  auch  die  Geschwindigkeit  einem  stetigen  Wechsel 
1  unterworfen  ist,  während  sie  in  den'  kleinsten  Gefässen  eine  gleich- 
f  förmige  sein  muss.  So  verhält  sich  die  Sache  auch  in  der  That, 
^wie  die  angeführten  Beobachtungen  von  Vierordt  in  Arterien- 

•  Stämmen  und  die  mikroskopische  Betrachtung  kleiner  Gefässe 
;j  r  darthut. 

|i  Diese  Erfahrungen  eröffnen,  wie  es  scheint,  die  Aussicht,  auch 
jl  im  Blutstrora  die  gesetzmässige  Beziehung  zwischen  der  Geschwin- 
\  digkeit  und  dem  Spannungsunterschiedc  zweier  Querschnitte  fest- 
:)  l'  zustellen ;  aber  leider  triibt  sich  dieselbe  sogleich,  wenn  man  be- 
I  denkt,   dass  mit  einer  veränderten  Spannung  auch  alle  andern 

13* 


196 


Qeschwindigkeitsändorung  mit  dem  Querschnitt,  der  Ecibung  etc. 


Verhältnisse,  die  auf  die  Geschwindigkeit  einen  Einfluss  üben,  sich 
umgestalten,  und  so  insbesondere  die  Weite  und  Länge  der  Röh- 
ren. So  lange  man  nun  weder  die  Grösse  dieser  Umgestaltung 
noch  den  Einfluss  derselben  auf  den  Widerstand  festzustellen  ver- 
mag, wird  es  unmöglich  sein,  die  soeben  hingestellte  Aufgabe  zu 
lösen.  — 

f.  Die  Geschwindigkeiten  in  verschiedenen  Durchschnitten  der 
gesammten  Strombahn  verhalten  sich  umgekehrt  wie  die  Flächen- 
inhalte der  Querschnitte.  Wenn  also  ein  Querschnitt  durch  den 
Aortenbeginn  einen  geringeren  Flächeninhalt  besitzt  als  ein  sol- 
cher durch  alle  Aeste  des  Aortenstammes,  so  muss  die  mittlere  Ge- 
schwindigkeit in  diesem  letzteren  um  so  viel  geringer  sein,  als  ihr 
Flächeninhalt  den  des  erwähnten  Aortenquerschnitts  übertrifft. 
Diese  Behauptung  findet  ihre  Bestätigung  in  den  Beobachtungen 
von  Volkmann,  welcher  die  Geschwindigkeit  bedeutender  in  der 
a.  carotis  als  in  der  a.  facialis,  und  in  dieser  wieder  grösser  als 
in  der  a.  metatarsea  fand;  in  der  vena  jugularis,  wo  sich  das 
Strombett  wieder  verengt  hat,  war  auch  die  Geschwindigkeit 
wieder  gestiegen.  —  Ein  ähnliches  Resultat,  wie  diese  Versuche 
mit  dem  Dromometer,  giebt  auch  die  mikroskopische  Untersuchung 
der  kleinsten  Arterien  und  Capillaren.  Man  erkennt  sogleich  auch 
ohne  genaue  Messungen,  dass  der  Achsenstrom,  dem  die  rothen 
Blutkörperchen  folgen,  sich  in  den  kleinen  Arterien  viel  rascher 
als  in  den  Haargefässen  bewegt.  —  Alles  dieses  ist  aber  die  noth- 
wendige  Folge  der  allgemeinen  Bewegungsgesetze,  wonach  bei 
demselben  Vorrath  an  lebendiger  Kraft  die  Geschwindigkeit  ab- 
nimmt, wenn  die  bewegte  Masse  zugenommen  hat. 

g.  Mit  einer  Veränderung  in  den  Bedingungen,  welche  die 
Reibung  bestimmen,  verändert  sich  auch  die  Geschwindigkeit  des 
Blutstroms.  Zu  den  Beweisen  ..für  diesen  Satz  wären  zu  zählen  die 
Erfahrungen  von  Poiseuille,  wonach  in  erkalteten  Gefässen  die 
Geschwindigkeit  viel  geringer  ausfällt,  als  in  denjenigen  von  nor- 
maler Temperatur.  Diese  Erscheinung  muss  nach  demselben  Be- 
obachter*) abgeleitet  werden  aus  der  bekannten  Erfahrung,  dass 
eine  kalte  Flüssigkeit  sich  bedeutender  reibt  als  eine  wanne;  zu 
dieser  Erklärung  muss  man  sich  hier  darum  wenden,  weil  wäh- , 
rend  der  durch  die  Abkühlung  eines  beschi-änkten  Gefässreviers 


*}  Sur  les  CAUS08  etc.  p.  68.  u.  f. 


Abhängigkeit  der  Stronizweigo  von  einander. 


197 


erzeugten  Stromhemmung  nicht  auch  gleichzeitig  eine  Veränderung 
im  Durchmesser  der  beobachteten  Gefässe  zu  Stande  kam.  —  Cl. 
Bernard  verdanken  wir  ebenfalls  einige  hierher  einschlagende 
Bemerkungen.    Er  fand,  dass  das  Venenblut,    welches  aus  den 
Capillaren  der  Gesichtshaut  zurückkommt,  deren  zuführende  Arte- 
:  rien  in  Folge   der  Durchschneidung  des   sympathischen  Grenz- 
:  Stranges  erweitert  sind,  noch  arterielle  Eigenschaften  besitzt;  es 
:  scheint  demnach ,  als  ob  das  Blut  so  rasch  durch  die  erweiterten 
'  Gefässe  geflossen  sei ,    dass  ihm  die  Zeit  zu  seiner  Umwandlung 
j  gefehlt  habe.    Dasselbe  ereignet  sich  an  den  Venen  der  Speichel- 
( di'üsen,  Nieren  u.  s.  w.,  wenn  diese  letztern  Drüsen  in  der  Abson- 
( deruug  begriifeu  sind.    Hier  lässt  sich  zugleich  durch  Messung 
1  nachweisen,   dass  das  Blut  während  der  Absonderung  rascher 
(•strömt  (Cl.  Bernard).*) 

h.  In  einem  so  vielfach  verzweigten  System,  wie  das  der 
1  Blutgefässe ,  müssen,  gleiche  Ausflussmengen  aus  dem  Herzen  vor- 
aausgesetzt,  zwischen  den  Geschwindigkeiten  der  einzelnen  Abthei- 
llungen Compensationen  bestehen,  so  dass,  wenn  dieselbe  in  einem 
!-  oder  einigen  Aesten  der  Aorta  sinkt,  sie  in  andern  zunimmt,  und 
kaingekehrt.    Andeutungen  für  das  Bestehen  solcher  Verhältnisse 
»besitzen  wii'  in  der  That ;  so  bleibt  z.'  B.  bei  einem  Kaninchen,  an 
Mem  einseitig  der  Grenzstrang  des  Halses  durchschnitten  ist,  der 
Druck  in  beiden  Carotiden  derselbe,  trotzdem  nimmt  die  Anfüllung 
Ider  Gefässe  auf  der  Seite  des  durchschnittenen  Nerven  zu  und  in 
iden  der  andern  ab.    Diese  Erscheinung  ist  nur  daraus  erklärbar, 
Idass  durch  die  Verbindungsäste  beider  Gesichtshälften  der  Strom  von 
ider  Seite   des  unverletzten  auf  diejenige  des  verletzten  Nerven 
rgeht  (Cl.  Bernard).  —  In  gleicher  Weise  kann  man  die  Gefäss- 
tfülle  aUer  übrigen  Theile  mindern,    wenn  man   durch  Anlegung 
siner  Saugpumpe  um  ein  Glied,  z.  B.  durch  Anbringung  des  soge- 
nannten Schröpfstiefels,  den  Luftdruck  auf  dieses  Glied  herabsetzt, 
indem  sich  damit  die  Gefässe  des  Gliedes  erweitern,  nimmt  der 
Widerstand  in  den  Strombahnen  desselben  ab ,    und  darum  be- 
schleunigt sich  der  Strom  hier,  während  er  anderswo  sich  verlang- 
samt. —  Es  würde  »unbezweifelhaft  von  grosser  Wichtigkeit  sein,  das 
Verhältniss  der  mittleren  Geschwindigkeit  in  den  einzelnen  grösse- 
?*en  Gefässabtheilungen ,  z.  B.  den  Darm-,  Nieren-,  Hirn-,  Muskel- 
nrterien  zu  kennen,    weil  uns    mit  Pjerücksichtigung  des  Quer- 


•)  B  r  o  w  II  -  S  c  q  u  ar  cl ,  Journel  du  la  riiyslolORic  1.  23:1, 


198 


Uobcrtragungs/iCit  von  Salzlösungen 


Schnitts  daraus  mannigfaclie  Aiifscbltisse  erwachsen  würden  über 
den  Stoffwechsel  in  den  von  diesen  Gefässen  versorgten  Organen. 
Leider  sind  wir  aber  hierüber  noch  vollkommen  im  Unklaren. 
Siehe  einige  Annahmen  hierüber  bei  Vierordt.  *) 

2.  Die  Versuche  nach  dem  Verfahren  von  Hering  geben 
allerdings  weder  geradezu  die  mittlere  Längengeschwindigkeit, 
noch  auch  nur  eine  proportionale  für  den  Mittelwerth  aus  den  ver- 
schiedenen mittleren  Längengeschwindigkeiten,  welche  zwischen 
den  salzempfangenden  und  salzabgebenden  Querschnitt  vorkom- 
men; aber  sie  erbringen  doch  jedenfalls  eine  Angabe,  die  aufs 
innigste  zusammenhängt,  mit  irgend  einer  der  wirklich  vorkom- 
menden mittleren  Längengeschvsdndigkeiten.  Indem  man  die  frei- 
lich nicht  zu  beweisende  Voraussetzung  macht,  dass  in  den  ver- 
schiedenen Gefässabtheilungen  desselben  Thiers  oder  in  derselben 
Abtheüung  verschiedener  Thiere  immer  dieselbe  Beziehung  zwischen 
der  gemessenen  und  dem  Mittelwerth  der  mittlem  Längengeschwin- 
digkeit bestehe,  liefert  die  Uebertragungszeit  des  Salzes  Angaben 
über  die  Aenderung  der  mittlem  Längengeschwindigkeit  mit  Zeit 
und  Ort. 

a.  Die  folgende  Tabelle  verzeichnet  die  Zeit  in  Sekunden, 
welche  das  Salz  verbraucht  um  aus  der  vena  jugularis  durch  das 
rechte  und  linke  Herz  in  das  in  der  zweiten  Columne  verzeichnete 
Gefäss  zu  gelangen. 


Thier. 

Bahn. 

Mittel- 
•werth. 

geringster 
Werth. 

gröster 
Werth. 

Beobachten 

Pferd 

zur  Vena  jugularis  later.opp. 

28,8 

17,5 

32,5 

i  't 

„  Vena  thorac.  externa. 

26,5 

„  ven,  saph.  magna. 

17,5 

^  Hering  •  ■), 

» 

„  Vena  masseter. 

22,5 

15,0 

30,0 

>» 

„  vena  maxill.  externa. 

17,5 

12,5 

22,5 

t» 

„  arter.  metatars. 

30,0 

20,0 

40,0 

)> 

„  Vena  metatars. 

32,0 

20,0 

45,0  / 

Hund 

„  vena jugular.  later.opp. 

15,2 

10,4 

19,8  1 

)) 

„  Vena  cruralis 

18,1 

13,5 

23,3  ^ 

.  Vierordt 

Kaninchen 

„  vonajugular.later.opp. 

6,9 

6,8 

,  7.2 

Diese  Tabelle  sagt  nun  aus  dass  das  Salz  zum  Uebergang 
aus  den  Arterien  in  die  Venen  des  Fusses  niemals  mehi-  als 


*)  Gosct/.e  der  Stromgeschwindigkeit  p.  103. 
••)  Die  unter  dioKem  Nnnmn  citirtcn  Zahlen  sind  mit  Ausnahme  der  beiden  letzten  Reihen  ao» 
dem  Werke  von  Vi  erord  l  genommen,  der  sie  mit  einer  CoiTection  von  2,5  See.  versehen  hat. 


aus  einem  Gefäss  in  ein  anderes. 


199 


6  Sekunden,  zuweilen  aber  auch  eine  so  kurze  Zeit  braucht,  dass 
sie  der  etwas  unvollkommenen  Zeitbestimmung  von  Hering  ent- 
geht; femer  dass  der  Weg  zur  Schenkelvene  meist  etwas  längere 
Zeit  in  Anspruch  nimmt  als  der  zur  entgegengesetzten  Drossel- 
ader; der  Quotient  beider  Zeiten  nähert  sich  zwar  der  Einheit, 
aber  er  ist  kein  constanter;  dieses  führt  eine  Reihe  von  Vier  or  dt 
noch  weiter  aus. 

Zur  ven.  jugular.  —  arter.  crural.  =  Quotient 
18,9  21,8  0,87 

18,0  20,5  0,88 

15,0  16,7  0,90 

13,5  13,5  1,00 

Der  geringe  absolute  Zeitunterschied  für  den  Durchgang  durch 
Bahnen  von  so  wesentlich  verschiedenen  Längenunterschieden  be- 
.  greift  sich  aus  Folgendem.   Die  mittlere  um  wie  viel  mehr  die 
.  centrale  Geschwindigkeit  in  den  grösseren  Arterien  ist  im  Verhält- 
iniss  zu  ihrer  Länge  eine  beträchtliche,  d.  h.  es  werden  Arterien- 
!  strecken  von  der  Länge  des  menschlichen  Körpers  in  wenigen  Se- 
ikunden durchlaufen.   Daraus  folgt  unmittelbar,  dass  wenn  ein  glei- 
a  chen  Widerstand  leistendes  Capillarensystem  am  Herzen  und  an  den 
Füssen  bestände  und  man  die  Zeit  bestimmen  wollte,  welche  zwei 
gleichzeitig  vom  Herzen  ausgehende  Bluttheilchen  verbrauchten,  um 
dm'ch  das  eine  und  das  andere  in  die  Venenanfänge  zu  gelangen, 
die  durch  die  entferntem  Systeme  laufenden  Theilchen  nur  um  we- 
nige Sekunden  später  dort  anlangen  würden,  als  das  durch  die 
inähern  gehenden.   Aehnliches  wie  von  den  Arterien  dürfte  von  den 
{;grossen  Venenstämmen  gelten. 

Die  obigen  Erfahrungen  bedeuteten  also  auch,  dass  das  Blut 
■in  allen  Fällen  den  grössten  Antheil  der  Uebertragungszeit  in  den 
iGefässen  geringerer  und  geringster  Lichtung  zubringt. 

So  gering  die  absoluten  Zeitunterschiede  sind,  so  merklich 
weichen  die  Quotienten  der  Geschwindigkeit  von  der  Einheit  ab 
innd  Vi  er  or  dt  vermuthet  mit  Recht,  dass  dieses  in  noch  höherm 
IlMaasse  geschehen  sein  würde,  wenn  man  das  aus  der  untern  Ex- 
tremität kommende  Blut  statt  aus  der  cruralis  so  nahe  am  Herzen 
aufgefangen  hätte,  wie  an  der  entgegengesetzten  jugularis.  Da  aber 
gerade  bei  der  Vergleichung  der  Leistungsfähigkeit  zweier  Organe 
Was  Verhältniss,  in  welchem  ihr  Blut  emeuert  wird,  in  Betracht  kom- 
anen  dürfte,  so  ist  es  eine  nicht  zu  vernachlässigende  Aufgabe  des  Ver- 
•SUchs,  noch  so  kleine  Geschwindigkeitsunterschiede  sicher  zu  stellen 


200 


Uobor  einige  Constante  dos  Blutstroms. 


b.  Zieht  ni;iii  bei  Berücksichtigung  der  Uebertragungszeit  noch 
andere  Umstände  in  dem  sich  die  Thiere  finden  in  Betracht,  so 
ergiebt  sich:  1°.  In  erwachsenen  Thieren  gleicher  Gattung  nimmt 
mit  dem  Gewicht  auch  die  Uebertragungszeit  zu.  V  i  e  r  o  r  d  t  giebt 
hierfür  folgende  Zahlen  vom  Hund. 


Körpergewicht.  Uebertragungszeit  zur  ven.  jugular. 
1,8  Kilo  10,4" 
6,8  14,3 
8,8  15,7 
22,5  19,4 


2"  Von  Einfluss,  doch  nicht  von  immer  gleichem  ist  auch  die 
Schlagfolge  des  Herzens;  namentlich  fand  Hering  an  denselben 
Pferd,  welches  bis  dahin  geruht  hatte,  36  Pulsschläge  mit  der  Ueber- 
tragungszeit von  22  See.  War  das  Thier  im  Trab  herumgetrieben, 
so  erhob  sich  die  Pulszahl  auf  100  in  der  Minute  und  die  Ueber- 
tragungszeit sank  auf  17,5  See.  —  3"  Aderlässe  mehren  und  min- 
dern die  Uebertragungszeit  entsprechend  dem  bei  der  mittleren 
Querschnittsgeschwindigkeit  Erörterten. —  4"  Poiseuille  giebt  an, 
dass  ein  Zusatz  von  essigsauren  Ammoniak  und  salpetersaurem 
Kali  in  sehr  verdünnter  Lösung  dem  Blut  zugesetzt,  die  Ueber- 
tragungszeit des  Salzes  aus  einer  in  die  andere  jugularis  des  Pfer- 
des kürzt,  ein  Zusatz  von  Alkohol  sie  verlängert.  Diesen  Erfolg 
sah  er  aus  seinen  Versuchen  über  Aenderung  der  Reibung  eines 
Wasserstroms  in  Röhren  voraus. 

Den  Einfluss  der  Athmung,  des  Alters  und  Geschlechts  bespricht 
ebenfalls  Vierer  dt;  die  zu  Grunde  gelegten  Versuche  sind  an  Zahl 
zu  gering,  um  zu  allgemein  gihigen  Resultaten  zu  führen. 

I.  Ueber  die  Beziehungen  der  Constanten  des  Blut- 
stroms zum  Körpergewicht. 

Vierordt  benutzt  die  von  ihm,  Hering,  Volkmann  u.  A.  gefundenen  ZaMon 
zur  Bildung  von  Mittel werthen  für  das  Körpergewicht  (k),  die  Blutmenge  (b),  die 
Dauer  (t)  und  den  Umfang  (v)  eines  Herzschlags  und  die  Uebertragungszeit  (T)  des 
Salzes  von  einem  dem  rechten  Herzen  nahen  Orte  bis  zurück  zu  ihm,  nachdem  es  den 
kleinen  und  grossen  Kreislauf  durchwandert  hat.    Indem  er  den  derart  beobachteten 

2 

Werth  der  zuletzt  genannten  Zeit  nach  einer  ihm  annehmbaren  Ueberlegung  um  — 

erhöht  hat,  betrachtet  er  dieselbe  als  das  Maass  für  die  Zeit,  welche  nothwendig  ist, 
um  ein  der  Gesammtracnge  des  Blutes  gleiches  Volum  durch  das  Herz  zn  führen.  Die 
Mittelzahlen  und  Beziehungen,  die  sich  darnach  orgeben,  sind  für  den  J[cnschen,  den 
Hund,  das  Ziegenböckchen  und  Kaninchen  folgende:  k=13,5b;  b  =  2(},5  v;  k  =  353  v; 

Tv       T  T  b 

T  =  26,5  t.    Demnach  ist  ^  =       =  13,3;        =  -  =  26,5,  und  somit  TT=bt. 

Bezeichnet  man  für  ein  Thier  die  Werthe  mit  T,  t,  t,  k  und    für  ein  anderes 


Ii 


Verfügbare  und  verlorne  Arbeitskräfte  im  Blutstrora. 


201 


Tv  Tv  T'v' 

mit  T',  v',  t',  k',  so  muss,  weil  —  eine  Constante  ist,  —  =  — —  sein;   deshalb  ist 

t  K  t  K         t  & 

Tvk'  rv'k 

auch    =  7— n — >  also  vk'  =  v  k  u.  s.  vr. 

t  t 

Die  Zahl  der  Betrachtungen,  aus  welchen  jene  Mittel  berechnet  wurden,  ist  eine 
sehr  geringe,  was  um  so  mehr  ins  Gewicht  fällt,  als  die  wirklich  beobachteten  Wertho 
in  sehr  weiten  Grenzen  auseinander  liegen. 

II.  Von  den  verfügbaren  und  verlornen  Arbeitskräften 
im  Blutstrom*). 

Um  eine  Summe  aus  den  Kräften  zu  bilden,  die  zu  irgend  einem  Zeitmoment 
1  dem  bekannten  Inhalt  eines  beliebigen  Gefässabsclinitts  zukommt,  muss  man  die  Kraft 
.  dieses  Blutvolums  erst  unter  gleiche  Benennung  bringen.  Dieses  geschieht,  wenn  man 
I  nach  den  schon  früher  (p.  47)  entwickelten  Regeln  die  der  Masse  zukommende  mittlere 
I  Geschwindigkeit  in  die  entsprechende  Spannung  umsetzt.  Diese  Spannung  addirt  mau 
■  dann  zu  derjenigen,  welche  als  solche  schon  in  jenem  Blutgewicht  enthalten  ist,  und 
I  mnltiplizirt  endlich  das  letztere  mit  jener  Spannungssumme.  — 

Geht  man  mit  diesen  einfachen  Regeln  an  die  thatsächliche  Auswerthung,  so  stellt 

*  sich  seihst  in  den  am  genauesten  untersuchten  Gefässabtheilungen  überall  ein  Mangel 
i  an  empirischen  Daten  heraus.  Denn  wenn  es  auch  annähernd  möglich  ist,  den  Inhalt 
1  eines  jeden  Gefässrohrs  anzugeben,  und  ebenso  nach  Yierordt  sogar  annähernd  die 
1  mittlere  Geschwindigkeit  für  jede  einzelne  Herzphase  gegeben  werden  kann ,   so  gilt 

•  dieses  doch  nicht  mehr  für  die  Spannungen,  da  uns  in  einem  jeden  Gefässe  nur  die 
^  Wand-,  nicht  aber  die  Centraispannung  bekannt  ist ;  wir  können  also  nicht  das  Mittel 
aaus  allen  Spannungen  in  einem  solchen  Blutvolum  bilden;  und  dieses  müsste  doch 

offenbar  der  Rechnung  zu  Grunde  gelegt  werden.  Dieser  Ausfall  ist  aber  nicht  zu  ver- 
nachlässigen, weil  gerade  in  der  Spannung  die  grösstcn  Kraftantheile  liegen,  wie  man 
s.  sogleich  sieht ,  wenn  man  z.  B.  den  in  der  Carotis  -  oder  Jugularengeschwindigkeit  ver- 
grabenen Kraftantheil  mit  der  dort  vorhandenen  Wandspanmmg  vergleicht.  Setzt  man 
!z.  B.  als  mittleren  Werth  für  die  Geschwindigkeit  in  der  Carotis  292  Mm.  in  der 
>Secde ,  so  wird  die  daraus  berechnete  Geschwindigkeitshöhe  =  0,44  Mm.  Hg.  Diese 
'/.Zahl  ist  aber  nur  der  0,004.  Theil  von  HO  Mm.  Hg.,  wodurch  die  mittlere  Wand- 
■.  Spannung  an  jenem  Orte  ausgedrückt  wird.  Aber  selbst  in  der  vena  jugularis,  wo  doch 
1;  die  Wandspannung  sehr  abgenommen ,  stellt  sich  das  Verhältniss  für  praktische  Be- 
i diirfnisse  auch  nicht  wesentlich  anders.  Nach  einer  Bestimmung  von  Volkmann  ist 
idagelbst  die  mittlere  Geschwindigkeit  =  225  Mm.  Dieses  giebt  eine  Geschwindig- 
keitshöhe von  0,26  Mm.  Hg.;  dieses  ist  der  0,030.  Theil  der  mittleren  8,5  Mm.  be- 
rtragendcn  Wandspannung. 

Beabsichtigt  man  statt  der  lebendigen  Kräfte  der  Blutmassen,  die  in  einem  Zeit- 
momcnt  in  einem  Gefässabschnitt  enthalten  sind,  diejenigen  festzustellen,  welche 
durch  einen  Querschnitt  in  einer  beliebigen  Zeit,  z.  B.  während  der  Dauer  einer  Herz- 
bowegung,  fliessen,  so  würde  man  das  Mittel  aus  den  zeitlichen  und  räumlichen 
>Dmck-  und  Geschwindigkeitswerthen  zugleich  zu  verwenden  haben.  Nun  ist  uns  ein 
»solches  Mittel  zwar  für  die  Geschwindigkeit  und  die  Waudspannung  in  einzelnen  Fällen 
gegeben,  aber  dieses  genügt  nach  dem  schon  Erwähnten  nicht.    Früher,  als  man  noch 


*)  Diose«  Lehrbuch  2.  Ud.  ].  Aii/I.  p.  138.  —  J.  1(.  Mayor,  Aicliiv  ftir  iiliysiol.  Ilellkuntla 
aX;  und  X.  Bd.  —  Ad.  Fick  Mcdlcliiische  Physik  p.  13», 


202 


Die  Absonderungen. 


unbekannt  war  mit  der  Vcränderliclikeit  des  Drucks  auf  demselben  Stromquerscbnitt, 
setzte  man  nach  dem  Vorgang  von  J.  E.  Mayer  die  während  einer  Herübewegung 
durch  die  Aorta  strömende  Blutmengo  etwa  =  0,175  Kilogramm,  die  mittlere  Ge- 
schwindigkeit ungefähr  =  0,4  Meter  und  das  Mittel  aus  den  zeitlichen  Spannungg- 
änderungen  =  2,24  Meter;  hieraus  berechnen  sich  0,406  Kilogrammeter  als  ungefährer 
Schätzungswerth  für  die  disponible  Arbeitskraft  der  Blutmenge,  welche  während  der 
Dauer  eines  ganzen  Herzschlages  (systole  und  diastolo)  durch  den  Aortabogen  geht. 

Um  endlich  den  Kraftverlust  oder  iraftgewinn  auf  irgend  einer  Wegstrecke  zu 
erfahren,  muss  der  Unterschied  der  an  jedem  Orte  zur  Verfügung  stehenden  Arbeits- 
kraft bekannt  sein.  Wäre  also  z.  B.  die  Summe  der  Qeschwindigkeits-  und  Spannungs- 
höhe des  in  der  Zeiteinheit  durch  die  Yorhofsmündung  strömenden  Blutvolums  bekannt 
und  dasselbe  von  der  in  der  Zeiteinheit  durch  die  Aortamündung  fliessenden  Blutmasse, 
so  ..würde  aus  dem  Unterschiede  beider  die  Arbeit  hervorgehen,  welche  das  Herz  in 
das  Blut  gelegt  hat  (A.  Pick).  Man  kann  in  diesem  letzten  Falle  vor  und  hinter  dem 
Herzen  wiederum  den  auf  die  Geschwindigkeit  entfallenden  Antheil  als  verschwindend 
gegen  den  durch  die  Spannung  dargestellten  ansehen,  und  dann  ergiebt  sich,  dass  der 
Gewinn  an  Arbeitskraft  durch  das  Herz  für  gleiche  Volumina  mit  dem  Unterschied  zwi- 
schen der  mittleren  Wandspannung  des  Yorhofs  und  der  Aorta  proportional  geht. 


II.   Von  den  Absonderungen. 

Die  Bewegungen  der  flüssigen  Bestandtheile  des  Blutes  be- 
schränken sich  nicht  blos  auf  die  Bahnen,  welche  ihnen  durch  die 
Gefässröhren  vorgezeichnet  sind,  sondern  sie  durchbrechen  auch 
die  unverletzte  Gefässwand.  Diesem  Vorgang,  den  man  als  Ab- 
sonderung (secretio)  bezeichnet,  steht  ein  anderer,  die  Auf- 
saugung (resorptio),  entgegen,  welcher  Flüssigkeiten,  die  die  Ge- 
fässröhren umspülen,  in  diese  selbst  hineinführt.  Diese  beiden 
Bewegungen  von  entgegengesetzter  Kichtung  erscheinen  häufig 
gleichzeitig  an  demselben  Orte,  häufig  auch  getrennt  von  einander. 
Die  Vermischung  und  Sonderung  derselben  ist  wohl  Veranlassung 
geworden,  dass  man  diese  Prozesse  zum  Theil  vereint,  zum  Theil 
getrennt,  gerade  wie  sie  im  Organismus  erscheinen,  abgehandelt 
hat.  Wir  werden  im  Nachfolgenden,  dem  Gebrauch  der  physio- 
logischen Lehrer  folgend,  zwar  vorzugsweise  die  Hergänge  be- 
sprechen, welche  mit  einer  Bewegung  der  flüssigen  Blutbestand- 
theile  von  der  Innern  auf  die  äussere  Gefässwand  verbunden  sind; 
dabei  beschränken  wir  uns  aber  nicht  auf  diese  Betrachtung,  son- 
dern wir  verfolgen  auch  die  ausgetretenen  Säfte  in  ihren  weiteren 
Schicksalen  und  nehmen  zugleich  die  Untersuchung  einer  umge- 


Die  bei  der  Absonderung  thätigcn  Bedingungen. 


203 


kehrten  Saftbewegimg,  einer  Aufsaugimg  mit  auf,  wenn  sie  innig 
mit  der  Absonderung  verbunden  sein  sollte. 
Allgemeiner  Theil. 

Die  allgemeinsten  Forderungen,  welche  nach  gewonnener  Ein- 
;  sieht  in  die  Eigenschaften  des  Gefässinhalts  gestellt  werden  müs- 
sen, wenn  wir  die  Absonderungserscheinungen  begreifen  sollen, 
verlangen :  dass  wir  zu  erfahren  trachten  die  Eigenschaften  der 
Flüssigkeit  (Säfte,  Sekrete),  welche  auf  der  äussern  Gefässwand 
l'zum  Vorschein  kommen,  die  Beschaffenheit  der  Wege,  auf  welchen 
I  die  Säfte  durch  die  Gefässwand  dringen ,  und  endlich  die  Wir- 
'  kungsweise  der  Kräfte ,  welche  die  Säfte  aus  den  Gef ässröhren 
1  herausbefördern,    lieber  die  Eigenschaften  der  Säfte  lässt  sich, 
hwie  es  scheint,  nichts  allgemein  Gütiges  sagen,  vorausgesetzt,  es 

•  wollte  die  Aussage  darüber  hinausgehen,  dass  dieselben  tropfbar 

•  oder  gasförmig  sein  mtissten.   Anders  verhält  es  sich  dagegen  mit 
den  beiden  andern  Punkten. 

1.  Die  Häute,  durch  welche  die  Absonderung  stattfinden  soll, 
1  müssen  unzweifelhaft  von  Oeffnungen  durchbrochen  sein,  weil  sonst 
(der  Durchgang  einer  Flüssigkeit  geradezu  unmöglich  sein  würde. 
liDie  Umstände,  dm-ch  welche  die  Häute  auf  die  Absonderung  von 
]  Einfluss  werden,  lassen  sich  somit  zurückführen  auf  die  Eigenschaf- 
tten  der  Poren. 

Gestützt  auf  unsere  bisherigen  Erfahrungen  über  die  mecha- 
inische  Zusammensetzung  einer  endlichen  festen  Masse  überhaupt 
innd  die  der  thierischen  Scheidewände  insbesondere,  wird  man  ge- 
I neigt  sein,  zu  unterscheiden  zwischen  wesentlichen  und  zu- 
ffälligen  Poren.  Unter  wesentlichen  würden  diejenigen  zu  ver- 
BStehen  seien,  welche  mit  jedem  Stoffe  an  und  für  sich  gegeben 
»wären;  sie  würden  also  die  Zwischenräume  darstellen,  welche  die 
^Molekülen  einer  jeden  endlichen  festen,  noch  so  gleichartigen  Masse 
ttrennen.  Die  zufälligen  Poren  würden  dagegen  da  zu  finden  sein, 
i-wo  sich  einzelne  Stücke  gleichartiger  oder  ungleichartiger  Massen 
■berühren.  Während  also  die  Form  und  Grösse  der  wesentlichen 
Poren  nur  abhängig  wäre  von  den  Molekularkräften  innerhalb 
ider  gleichartigen  Masse,  würden  die  zufälligen  bedingt  sein  durch 
idie  Gestalt  der  gleichartigen  oder  ungleichartigen  Massenhäufchen, 
innd  den  Druck,  unter  dem  sie  zusammengeballt  wären.  —  Die 
tmikroskopischen  Aufschlüsse  die  wir  über  die  meisten  tliicrischen 
fHäute  und  die  der  Gefässe  insbesondere  besitzen,  deuten  dar- 
»auf  hin,  dass  die  zufälligen  Poren  sehr  verbreitet  vorkommeu, 


204 


Die  bei  der  Absonderung  thätigen  Bedingungen. 


weil  sie  in  Platten,  Fasern,  Kerne,  Zellen  u.  s.  w.  zerlegt  werden 
können. 

Daneben  wäre  es  aber  inöglicli,  dass  in  Hauttheilen,  die  uns  unsern  optischen 
Hilfsmitteln  nach  gleichartig  erscheinen ,  namentlich  insofern  sie  aus  eiwoissartigen  und 
leimgebenden  Stoffen  zusammengesetzt  sind ,  noch  zufällige  Poren  vorkommen.  Diese 
Annahme  liegt  dai-um  nahe,  weil  es  immer  noch  zweifelhaft  ist,  ob  die  sogenannten 
Lösungen  jener  Stoffe  aus  einer  bis  zur  Spaltung  des  chemischen  Atoms  gehenden  Ver- 
theilung  im  Lösungsmittel  oder  aus  einer  Aufseh%yemmung  sehr  feiner  Klümpchen  jener 
Stoffe  bestehen.  Wäre,  wie  oft  behauptet  wird,  das  letztere  der  Fall,  so  wäre  es 
auch  fraglich,  ob  ein  Niederschlag  aus  dieser  in  Wasser  fein  zertheüten  Masse  zur 
Darstellung  einer  homogenen  Haut  führen  könnte. 

Ein  Flüssigkeitsstrom  durch  jede  Art  von  Poren  wird  sich 
aber  regeln  nach  der  Form  und  den  Ausmessungen  der  Porenlichte 
und  nach  dem  Werth  und  der  Richtung  der  Kräfte,  welche  von  der 
Porenwand  in  die  Lichtung  hineinwirken;  wobei  es  vorerst  noch 
gleichgiltig  ist,  ob  wir  uns  die  Waudmolekulen  bewegt  oder  ruhig 
denken.  Die  Untersuchungen  hätten  also  die  ganze  oder  wenig- 
stens die  relative  Veränderung  jener  Grössea  mit  den  variablen 
Bedingungen  zu  bestimmen. 

Die  Mittel,  welche  uns  über  die  ■  vorgenannten  Eigenschaften  unterrichten  sollen, 
bestehen,  insofern  die  Porosität  dem  Mikroskop  unzugänglich  ist ,  in  dem  polarisirten 
Licht,  der  Qucllung,  der  Filtration,  der  Diffussiou,  und  insbesondere  werden  alle  diese 
Mittel  bei  verschiedenen  Zuständen  der  Haut,  als  da  sind  Spannung,  Volumsänderung, 
Temperatur  u.  s.  w. ,  angewendet. 

Das  polarisirto  Licht  giebt  den  Nachweis ,  ob  die  Häute  ganz  oder  theilweise 
doppelt  oder  cinfachbrechende  Substanzen  enthalten ;  es  entdeckt  also  noch  dort  Un- 
gleichartigkeiten ,  wo  uns  die  Betrachtung  mit  gewöhnlichem  Licht  im  Stich  lässt. 
Dasselbe  Mittel  bei  verschiedenem  Quellungsgrad  in  Anwendung  gebracht,  zeigt  unter 
Voraussetzung  einer  gemischten  Struktiu",  ob  die  durch  die  Quellung  erzeugte  Aus- 
dehnung sich  vorzugsweise  auf  die  einfach  oder  doppeltbrechendon  Stoffe  erstreckt 
u.  s.  w.  —  Dieses  Mittel  ist  noch  zu  wenig  benutzt  worden.  —  Das  Flüssigkeitsvolum, 
welches  bei  der  Filtration  dxirch  die  Flächeneinheit  einer  Membran  strömt,  giebt 
Andeutungen  über  die  relative  Porenweite,  Porenlänge  und  den  Eeibungscoeffizienten, 
insofern  bei  gleichem  Druck  und  gleicher  Temperatur  die  durchgehende  Menge  nur  von 
jenen  Bedingungen  abhängt;  ändert  man  die  Temperatur  der  durchgehenden  Flüssig- 
keit, die  Quellung  und  den  Spannungsgrad  der  Haut,  so  giebt  sie  auch  Aufklärungen 
über  die  Veränderlichkeit  jener  Poreneigenschaften  mit  den  erwähnten  Variablen.  Da 
insbesondere  der  Zustand  der  Poren  von  der  Quellung  abhängig  ist,  und  diese  letztre 
mit  der  Temperatur  und  der  Zusammensetzung  der  filtrirteu  Flüssigkeit  Hand  in  Hand 
geht,  so  sind  die  beim  FUtratlons versuch  gewonnenen  Thatsaehen  nur  dann  zur  Erklärung 
der  Lebenseigenschaften  zu  verwenden,  wenn  sie  sich  rücksichtlich  der  erwähnten  Be- 
dingungen aufs  genaueste  den  im  Leben  vorkommenden  angeschlossen  haben.  —  Die 
Flüssigkeitsbewegung,  welche  die  Diffussion  einleitet,  unterscheidet  sich  von  der 
durch  dun  hydrostatischen  Druck  (Filtration)  erzeugten  dadurch,  dass  sie  sich  auph 
noch  in  Porcnräunie  erstreckt,  in  welchen  bei  der  letztem  die  Flüssigkeiten  in  Kuhe 
bleiben.    Sie  vervollständigt  somit  die  Angaben  der  Filtration.  —  Da  der  Grad  der 


Poren  der  Häute. 


205 


Quellung  endlich  einerseits  von  den  Verwandtschaften  der  eingedrungenen  Flüssigkeit 
in  die  Porenwand  und  andrerseits  von  der  Cohäsion  der  festen  Massentheilchen  zu 
einander  abhängt,  so  lassen  ihre  Ergebnisse  Schlüsse  über  die  Eigenschaften  der 
Haut  zu. 

Die   kurze  Auseinandersetzung  dessen,  was  die  genannten 
Mittel  leisten,  lässt  erkennen,  dass  sie  mit  einziger  Ausnahme  des 
polarisirten  Lichtes  nur  sehr  indirekte  Aufschlüsse,   die  grössten 
Theils  dazu  noch  mehrdeutig  sind,  über  die  Poreneigenschaften 
i  geben.    Sie  sind  also  mehr  von  praktischer  als  von  theoretischer 
i  Bedeutung.    Sollte  aber  die  Verwicklung  der  Bedingungen  auch 
i  hier  die  Theorie  für  immer  illusorisch  machen,  so  vv^ürde  es  um  so 
I  dringender  nothwendig  sein ,  auf  dem  Wege  des  Versuchs  vorzu- 
>■  schreiten,  da  ohne  eine  genaue  Kenntniss  dessen,  was  der  Porus 
7 zur  Absonderung  beiträgt,   das  Eindringen  in  die  letztere  unmög- 
llich  ist. 

Da  unsre  gegenwärtigen  Vorstellungen  über  die  thierischen 
,1  Poren  vorzugsweise  aus  der  Diffusions-  und  Filtrationslehre  ge- 
schöpft sind,  so  würde  es  im  allgemeinen  Theil  zu  Wiederholungen 

Ehren,  wenn  man  die  Thatsache  mit  Rücksicht  auf  die  Porosität 
er  zusammenstellen  wollte.    Wir  gehen  also  sogleich  zu  den 
räften  über,  welche  Absonderung  erzeugen.    RUcksichtlich  einiger 
fEinzelheiten  verweisen  wir  auf  die  besondern  Häute,  die  Epi- 

[demis,  Gefäss-,  Darmschleimhaut  u.  s.  w. 
2.  Die  Kräfte,  welche  die  Flüssigkeiten  und  Gase  des  Bluts 
liurch  die  Poren  treiben,  bestehen  nachweislich  in  Spannungsunter- 
wchieden  der  Flüssigkeit  auf  den  beiden  Seiten  der  Gefässhaut 
TFiltration  und  Gasdiffusion),  in  Anziehungen  zwischen  den  Stof- 
een,  die  ausserhalb  und  innerhalb  der  Gefasse  liegen  (Hydrodif- 
tiision),  und  endlich  in  eigenthtimlichen  Wirkungen  der  erregten 
iiJerven  auf  den  Gefässinhalt. 

Daraus,  dass  uns  keine  weiteren  Absonderungskräfte  bekannt 
i'.ind,  schliessen  wir  natürlich  nicht,  dass  ihre  Aufzählung  mit  die- 
een  dreien  erschöpft  sei. 

a.  Filtration.*)  Unter  diesem  Vorgang  versteht  man  einen 
t5trom  von  Flüssigkeit,  welchen  ein  hydrostatischer  Druck  durch 


•)  Lieblg,  Untersuchungen  Uber  einige  Ursachen  der  Siiftbowogung.  1848.  G.  —  Wisting- 
'•niien,  cxperimcnta  quacd.  endosmotica.  Dorp.  1861.  —  C.  II  off  m  n  n  n  ,  über  die  Aufnahme 
\t»  Quecksilbers  und  der  Fette.    WUrzburg  1854.  —  W.  Schmidt  Poggendorfs  Annalcn 

•  Bd.  337.  —  Eclchard,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Physiologie  1858.  p.  07.  —  Valentin, 
'lehrbnch  der  Phyhiologie    2.  Auflage.  1847.  I.  Bd.  p.  69.  —  Wittich,   Virchow's  Archiv 

I.  Bd.  337. 


206 


Absonderung  durch  Druckunterschied. 


die  capillaren  Porenräumc  der  Membran  hindurchtreibt.  Mit 
Sicherheit  sind  solche  Ströme  bis  dahin  nur  an  Häuten  beobachtet 
worden,  welche  aus  gesondert  unterscheidbaren  anatomischen  Ele- 
menten gewebt  sind,  wie  die  Harnblase,  der  Herzbeutel,  das  Bauch- 
fell u.  s.  w.  Der  Nachweis  wäre  darum  noch  zu  Uefern,  ob  auch 
durch  homogene  Häute  Filtration  eingeleitet  werden  könnte  und 
ob  dies  namentlich  möglich  wäre  mittelst  der  verhältnissmässig 
niedrigen  Drücke,  deren  Anwendung  die  thierischen  Massen  we- 
gen ihrer  geringen  Festigkeit  gestatten. 

Am  Filti-ationstrom  kann  gegenwärtig  nur  zweierlei  Gegen- 
stand der  Untersuchung  sein,  nämlich  die  chemische  Zusammen- 
setzung der  strömenden  Flüssigkeit  vor  und  nach  ihrem  Durch- 
gang durch  die  Membran  und  das  Flüssigkeitsmaas,  welches  in  der 
Zeiteinheit  durch  die  Flächeneinheit  der  Membran  geht. 

statt  des  letzteren  Ausdruckes  kann  deijenige  der  relativen  mittlem  Geschwindig- 
keit darum  nicht  gewählt  werden,  weil  die  Ausmaase  der  Poren  sich  mit  den  Be- 
dingungen selbst  ändern,  die  auf  die  Geschwindigkeit  von  Einfluss  sind;  denn  wegen 
der  unvollkommenen  Elastizität  der  Haut  ändern  sich  die  Poreneigenschaften  mit  dem 
Wertho  und  der  Dauer  des  wirksamen  Druckes,  wegen  der  Quellbarkeit  geschieht 
dasselbe  mit  der  Zusammensetzung  und  der  Temperatur  der  Flüssigkeit  u.  s.  w. 

Aber  selbst  wenn  man  nur  beabsichtigt,  das  Volum  der  filtrirten  Flüssigkeit  als 
Folge  der  gleichzeitigen  Aenderung  in  der  Stromgeschwindigkeit  und  der  Porendimension- 
zu  messen,  ist  es  sehr  schwer,  vergleichbare  Versuche  zu  erhalten,  weil  ausser  der 
willkührlich  und  raessbar  eingeführten  Aenderung  im  Druck,  der  Temperatur,  der  Zu- 
sammensetzung der  Flüssigkeit  u.  s.  w.  und  der  davon  abhängenden  nicht  weiter  zu 
bestimmenden ,  aber  gesetzmässig  erfolgenden  Porenänderung  auch  noch  ganz  andere 
Umstände,  die  sich  weder  bewältigen,  noch  ermessen  lassen,  auftreten  und  einen  Ein- 
fluss auf  das  Beobachtungsresultat  erhalten.  Dahin  gehört  die  Selbstzersetzung  det, 
Häute ,  das  Löslich  -  oder  Unlöslichwerdcn  einzelner  Bestandtheile  derselben  durch  die 
strömende  Flüssigkeit,  ferner  die  Umänderung,  welche  die  Haut  in  den  physikalischen 
Zuständen  erfährt,  je  nachdem  sie  vor  dem  Versuch  kürzere  oder  längere  Zeit  einge^ 
trocknet  war  u.  s.  w.  ' 

Wir  stellen  hier  die  Thatsachen  zusammen,  welche  bei  künst- 
lich eingeleiteter  Filtration  beobachtet  sind.  w 

1"  Bei  gleichem  Druck  und  gleicher  Membran  nimmt  die  durchfliessende  Menge' 
von  einem  zum  andern  Versuche  ab,  wenn  zwischen  den  beiden  die  Membran  einige 
Zeit  hindurch  im  eingetrockneten  Zustand  verweilt  hatte.  "War  sie  dagegen  in  der 
Zwischenzeit  feucht  erhalten  worden,  und  war  sie  vor  Beginn  des  zweiten  Versuchs 
einem  hohen  Druck  ausgesetzt  gewesen ,  so  nimmt  die  durchgehende  Menge  zu.  — 
2"  Bei  gleichem  Druck  und  gleichem  Quellungszustand  nimmt  bei  einem  über  längere 
Zeit  sich  erstreckenden  Filtrationsversuch  die  durchgehende  Menge  mit  der  Zeit  zu. 
(Liebig,  Wist  i  ng  shaus  en,  Schmidt.)  Im  Qegentheil  fand  Eckhard,  der  wie 
Schmidt  mit  destillirtem  Wasser  arbeitete ,  dass  in  der  ersten  Zeit  eines  solchen 
Filtrationsversuchs  mit  einer  vollkommen  aufgequollenen  Membran  die  durchgehende 


Filtration  duixli  todte  Häute. 


207 


Menge  wechselnd  steigt  und  fällt ;  bei  der  weiteren  Dauer  des  Versuchs  nimmt  aber 
dann  die  durchgehende  Menge  mit  der  Zeit  ab.  Entlastet  man,  nachdem  die  Wegsam- 
koit  der  Membram  merklich  gesunken,  diese  fiii-  einige  Zeit  und  bewahrt  sie  im  ge- 
quollenen Zustand  auf  und  beginnt  dann  den  Versuch  von  Neuem,  so  ist  die 
durchgegangene  Menge  wieder  gestiegen,    wenn  auch  nicht   zu   dem  ursprünglichen 

■^gj-tjie.         Für  andere  Flüssigkeit  als  destillirtes  Wasser  dürfte  nach  Analogie  der 

Vorgänge  an  Papierflltem  mit  der  dauernden  Filtration  sich  immer  eine  Verminderung 
,  der  Wegsamkeit  einfinden.  —  3"  Alles  andere  gleich,  wächst  das  durchgehende  Volum 
1  mit  der  Spannung,    die  man  der  Haut  beim  Aufbinden  gegeben   (Schmidt).  — 
4"  Nicht  in  allen,  wohl  aber  in  einzelnen  Fällen  verändert  sich  die  durchgehende  Menge 
mit  der  Seite,  welche  die  Membran  gegen  die  Druckrichtung  wendet ;  so  z.  B.  bei  dem 
Eischaalenhäutchen  (Meckel).  —  5"  Mit  der  Temperaturerhöhung  der  Membran,  also 
1  auch  deijenigen  der  durch  letzti-e  wandernden  Flüssigkeit,  steigert  sich  die  Durchfluss- 
!  menge.    Das  Gesetz,  nach  welchem  die  letztere  wächst,  lässt  sich  in  einen  empii-ischen 
.Ausdruck  fassen,  der  dem  ähnlich  ist,  welchen  Poiseuille  und  Hagen  für  die 
.  unter  gleichen  Umständen  eintretende  Geschwindigkeitssteigerung  in  Capillan-öhren  ent- 
1  werfen  haben  (Schmidt).  —  6"  Mit  dem  steigenden  Druck  wachsen  die  durchlaufenden 
'  Mengen  jedoch  nicht  so ,  wie  es  für  Capillan-öhren  gilt,  dass  sich  die  bei  verschiedenen 
:  Drücken  durchgehenden  Volumina  verhalten  wie  diese ;  sondern  so,  dass,  wenn  der  Druck 
.um  dieselben  Unterschiede  wächst,  auch  die  Ausflussmengen  jedesmal  um  einen  constanten 
1  Unterschied  wachsen.    Daraus  folgt,  dass ,  wenn  man  die  durchfliessenden  Volumina  als 
l  Ordinalen  auf  die  als  Abszissen  geltenden  Drücke  aufrichtet,  die  Abhängigkeit  zwischen 
bbeiden  durch  eine  gerade  Linie  dargestellt  wird.    Die  gegenwärtigen  Versuche  machen 
ees  ausserdem  wahrscheinlich,  dass  der  Druck  erst  zu  einem  gewissen  Werthe  ange- 
» wachsen  sein  muss,  bevor  er  ein  Durchfliessen  einleiten  kann  (Schmidt).    Ueber  die 
»sorgsame  Methode,  durch  -svelche  dieses  Ergebniss  gefunden  wurde,  ist  die  Abhand- 
lüung  von  Schmidt  nachzusehen.  —  7"  Ueber  den  Einfluss  der  Zusammensetzung  der 
Sfiltrirenden  Flüssigkeit  gilt  Folgendes :   Bei  Anwendung  verschiedener  gehaltvoller  Lö- 
üaungen  desselben  Salzes  sinkt  in  allen  Fällen  die  durchgehende  Menge ,   wenn  die 
CConcentration  von  0  bis  5  pCt.  steigt;  jenseits  dieser  Grenze  steigt  die  Menge  bei 
^Anwendung  von  KONO5  und  NaOSOa,  sie  sinkt  noch  weiter  aber  langsamer  bei  NaONOs 
uand  Na  Cl.  (Schmidt).    Diese  Ergebnisse  weichen  in  wesentlichen  Punkten  ab  von 
Wen  durch  Poiseuille  an  steifen  Capillarröhren  gefundenen.  —  Aus  einem  Gemenge 
»jener  Salze  gehen  Eesultate  hervor,  die  im  Allgemeinen  zwar  in  der  Mitte  zwischen 
Idenen  liegen,  welche  die  Componenten  hervorgebracht  haben  wüi'den;  aber  sie  lassen 
ifflich  nicht  mit  Genauigkeit  im  Voraus  berechnen  (Schmidt).  — ■  Rücksichtlich  einiger 
anderer  Flüssigkeiten  stellt  Wi  stin  gsh aus en  die  Eegel  auf,  dass  der  Druck,  welcher 
naothwendig  sei ,  um  in  gleichen  Zeiten  eine  merkliche  Menge  von  Flüssigkeit  durch 
Bine  Haut  zu  treiben,  in  dem  Maasse  abnehme,  in  welchem  das  Quellungsverhältniss 
Kimehme.    In  der  That  ist  es  eine  bekannte  Erfahrung,  dass  man  den  Druck  der  lleihe 
nach  steigern  muss,  wenn  man  durch  Harnblasenwand  oder  Peritonäalhaut  in  gleichen 
leiten  annähernd  gleich  viel  "Wasser,  Salzlösung,  Gel,  Alkohol  (Quecksilber?)  hindurch 
CTMben  will.    Wie  aber  Wasser  zur  Filtration  den  niedrigsten,  Alkohol  den  höchsten 
Oinck  verlangt,  so  quellen  auch  die  erwähnten  Membranen  viel  mehr  in  Wasser  als  in 
ÄJkohol  auf.  —  8"  Durch  die  Anwesenheit  einer  Flüssigkeit  in  den  Poren  kann  der 
öurchtritt  einer  andern  erschwert  oder  erleichtert  werden;  so  giebt  z.B.  die  Auweson- 
Weit  von  Gel  in  einer  Hamblasenwand  eine  Hemmung  für  den  Durchgang  von  Wasser, 
ttUd  umgekehrt  hindert  das   eingedrungene  Wasser  den  Durchtritt   des  Gels.  Der 


208 


Cheinisclie  Sclieidung  durch  Filtration 


Grund  dieser  Erscheinung  wird  zum  Thoil  wenigstens  abhängig  sein  von  der  Spannung, 
in  welche  die  einander  zugekehrton  Oberflächen  zweier  sich  berührenden,  aber  nicht 
mischenden  Flüssigkeiten  gerathen  müssen,  weil  die  auf  der  Berührungefläche  gelegenen 
Theilchcn  von  Seiten  der  gleichartigen  einen  starkem  Zug  empfangen,  als  von  Seiten 
der  ungleichartigen.  Diese  Spannung  drängt  die  Theilchen  der  Oberfläche  zusammen, 
so  dass  jede  derselben  gleichsam  mit  einer  Haut  überzogen  ist,  welche  ihr  den  Eintritt 
in  den  Perus  verwehrt.  Die  Festigkeit  dieser  Haut  wird  sieh  aber  steigern  mit  dem 
Unterschied  der  Züge  nach  der  einen  und  der  andern  Richtung ,  indem  diese  alle  mög- 
lichen Werthe  zwischen  einem  Maximum  und  einem  Minimum  annehmen  kann ;  je  nach- 
dem die  beiden  Flüssigkeiten  entweder  gar  keine  oder  eine  merkliche  Anziehung  zu 
einander  zeigen ,  wird  auch  die  Oberflächenspannung  sehr  verschiedenartig  ausfallen. 
Es  scheint  nun,  als  ob  auf  diesem  Wege  eine  Veränderung  in  der  Dichtigkeit  der 
einander  berührenden  Oberflächen  zweier  sich  nicht  mischender  Flüssigkeiten,  z.  B.  des 
Oels  und  Wassers,  dadurch  erzeugt  werden  könnte,  dass  man  in  dem  Wasser  gewisse 
Salze ,  z.  B.  gallensaures  Natron ,  auflöst.  Denn  es  sollen  Fette  durch  eine  mit  einer 
wässerigen  Lösung  dieses  Salzes  getränkte  Haut  hindurchtreten  können  (Ochlenowitz, 
Hoffmann).  — 

Die  Frage,  ob  mittelst  der  Filtration  durch  eine  thierische 
Haut  in  einer  homogenen  Flüssigkeit  eine  chemische  Scheidung 
veranlasst  werden  könne,  ist  durch  die  bisherigen  Versuche  je 
nach  der  Natur  der  aufgegossenen  Flüssigkeit  verschieden  beant- 
wortet. —  Wird  eine  leichtflüssige  Lösung  wie  z.  B.  der  neutralen 
Salze  und  des  Zuckers  auf  das  Filter  gebracht,  so  zeigte  die 
durch  das  letztere  gedrungene  Flüssigkeit  die  Zusammensetzung 
der  aufgegossenen.  Diese  Erscheinung  ist  besonders  dann  auf- 
fallend, wenn  man  die  Flüssigkeiten  auf  die  Membran  bringt, 
welche  von  dieser  scheinbar  gar  nicht  unverändert  aufgenommen 
werden  können,  wie  z.  B.  conzentrirte  Lösungen  von  Glauber-  und 
Kochsalz.  Diese  Thatsache  scheint  in  Verbindung  mit  anderen 
einmal  zu  erweisen  (Bd.  I.  p.  72.),  dass  die  in  die  Poren  der  auf- 
quellenden Häute  eingedrungenen  Flüssigkeiten  dort  auf  eine  ver- 
schiedene Weise  angeordnet  sind,  und  dann,  dass  die  Drücke, 
welche  man  zur  Erzeugung  des  Filtrationsstromes  angewendet  hat, 
gerade  nur  hinreichen,  um  die  Mittelschicht,  nicht  aber  die  Wand- 
schicht der  eingedrungeneu  Lösung  zu  bewegen.  Sollte  sich  in 
der  That  ein  allgemeiner  Beweis  für  die  Behauptung  erbringen 
lassen,  dass  die  Drücke,  welche  thierische  Häute,  ohne  zu  zerrei- 
sen  ertragen  können,  nicht  genügten,  um  die  Wandschicht  in  Be- 
wegung zu  setzen,  so  würde  damit  dargethan  sein,  dass  die  Fil- 
tration durch  eine  thierische  Haut  keine  chemische  Scheidung  in 
einer  wahren  Lösung  veranlassen  könnte.  Jedenfalls  müssen  wir, 
so  lange  ein  empirischer  Gegenbeweis  fehlt,  an  diesem  Grundsatz 


Filtration;  chemisolie  Scheidung  durch  dieselbe. 


209 


festhalten.  Mit  dieser  Vorsicht  ist  man  freilich  nicht  immer  zu 
Werke  gegangen,  indem  man  sich  auf  die  Ergebnisse  der  Filtra- 
tion durch  Kohle,  Ziegelsteine  u.  s.  w.  berief,  bei  denen  in  der 
That  die  Zusammensetzung  der  durchgegangenen  und  der  aufge- 
gossenen Lösung  verschieden  sein  können.  Man  übersah  aber 
hierbei,  dass  die  Kohle  nur  durch  ihre  Vemandtschaft  zu  den  im 
Filtrat  fehlenden  Bestandtheilen  jene  Scheidung  erzeugt.  Denn 
der  Stoff,  welcher  der  durchgelaufenen  Flüssigkeit  fehlt,  ist,  wie 
die  chemische  Untersuchung  des  Kohlenfilters  erweist,  in  ihm  zu- 
rückgehalten worden.  Aus  diesem  Grunde  ist  eine  beliebige 
Menge  von  Kohle  auch  nur  so  lange  als  Scheidungsmittel  brauch- 
bar, als  sie  sich  nicht  mit  jenem  Stoff  gesättigt  hat;  so  wie  dieses 
geschehen,  geht  auch  die  aufgegossene  Flüssigkeit  unverändert 
durch  dieselbe.  Käme  nun  in  der  That  den  thierischen  Häuten, 
d^m  Blut  oder  andern  Flüssigkeiten  gegenüber,  eine  ähnliche 
Eigenschaft  zu,  so  würde  dadurch  doch  keine  chemische  Scheidung 
bewirkt  werden  können.  Denn  die  thierischen  Häute,  welche  sich 
an  der  Sekretion  betheiligen,  sind  sehr  dünn,  und  die  Filtrations- 
ströme gehen  in  gleicher  Weise  sehr  lange  Zeit  durch  sie  hin- 
'  durch,  so  dass  der  Stoff  ihrer  Poren  Wandungen  sehr  bald  mit  dem 
Blutbestandtheüe,  den  sie  zurückhalten  könnten,  gesättigt  sein  würde, 
j  Dauerad  würden  sie  nur  dann  als  chemisches  Scheidungsmittel  zu 
benutzen  sein,  wenn  ihnen  die  Eigenschaft  zukäme,  gewissen  Bc- 
;  standtheilen  einer  aufgegossenen  Flüssigkeit  geradezu  den  Eintritt 
in  ihre  Poren  zu  vemehren. 

Anders  soll  sich  der  Erfolg  gestalten,  wenn  durch  Papier  filtrirte 
I  Lösungen  von  Gummi  und  Eiweiss  noch  einmal  durch  eine  thierische 
Haut  geti-ieben  werden.  Valentin  und  Schmidt  stimmen  (im 
•Gegensatz  zu  Wittich?)  darin  überein,  dass  die  durchgegangene 
1  weniger  Eiweiss  enthalte  als  die  aufgegossene  Flüssigkeit.  Valen- 
'tin  giebt  beispielsweise  an,  dass  Hühnereiweiss ,  welches  mit  dem 
^6  bis  7 fachen  Volum  Wasser  verdünnt  war,  auf  dem  Filter  1,027, 
t  unter  ihm  aber  1,023  specifischen  Gewichtes  besass.  Die  beiden 
•  Autoren  widersprechen  sich  aber  insofern,  als  Valentin  behauptet, 
i'dass  der  Dichtigkeitsunterschied  l)eider  Flüssigkeiten  mit  dem  stci- 
igendenDruck  abnehme,  während  Schmidt  das  Umgekehrte  aussagt; 
«nach  ihm  soll  auch  der  Unterschied  mit  der  Temperatur  wachsen. 

Die  physiologische  Bedeutung  des  Filtrationsstroms  über- 
»haupt  erhellt,  wenn  man  bedenkt,  dass  innerhalb  des  Thicrleibs 
-sehr    häufig    Flüs.sigkciten    von    einem    merklich  verschiedenen 

Ludwig,  I'liyHi'ilofc-ie  U.  2.  Aulliigp.  14 


210 


Physiologisclios  Vorkommen  der  Filh-fttion. 


Spannungsgrad  durch  oft  äusserst  dünne  Scheidewände  getrennt 
sind.  Als  ein  naheliegendes  Beispiel  hierfür  dient  die  Blutflüssig- 
keit im  Gegensatz  zu  den  die  Gefässe  umsi)ülenden  Säften;  denn 
für  gewöhnlich  überwiegt  die  Spannung  der  erstem  die  der  letz- 
tern; darum  sehen  wir  sehr  häufig  eine  Absonderung  lebhafter 
werden,  wenn  der  Unterschied  der  Drücke  zwischen  beiden  er- 
wähnten Flüssigkeiten  im  Steigen  begriffen  ist.  Diese  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  der  Filtration  zugeschriebene  Flüssigkeitsbewe- 
gung tritt  den  Voraussetzungen  entsprechend  ein,  wenn  bei  gleich- 
bleibender Spannung  des  Bluts  diejenige  erniedrigt  wird,  welche  den 
Lösungen  ausserhalb  der  Gefässe  zukommt,  wie  z.  B.  nach  Ent- 
leerung der  vordem  Augenkaramer,  dem  Abzapfen  der  Cerebro- 
spinalflüssigkeit,  der  Entfernung  oder  Lockerung  des  Epitheliums, 
der  Minderung  des  Luftdrucks  u.  s.  f.  Dasselbe  ereignet  sich, 
wenn  bei  gleichbleibender  Spannung  in  der  Umgebung  der  Ge- 
fässe die  des  Bluts  sich  steigert,  sei  es  durch  Vennehrung  des  ge- 
sammten  Blutvolums  oder  durch  Einführung  von  Stromhemranissen 
u.  s.  w.  —  Von  nicht  geringer  Bedeutung  würde  bei  dem  häu- 
figen Vorkommen  von  Eiweisslösungen  die  Thatsache  sein,  dass 
diese,  selbst  wenn  noch  so  sehr  der  Anschein  des  Gegentheils  vor- 
liegt, doch  keine  wahren  Lösungen  sind,  so  dass  seine  in  dem 
Wasser  schwimmende  und  durch  dasselbe  aufgelockerte  Molekular- 
haufen zum  Theil  zu  gross  wären,  um  sich  durch  die  engen  Poren 
der  thierischen  Gewebe  durchzwängen  zu  können.  Denn  damit 
würde  je  nach  der  Porendimension  und  der  Vertheilung  des  Ei- 
weisses  ein  sehr  einfaches  Mittel  gegeben  sein,  um  Flüssigkeiten 
mit  ganz  verschiedenem  Prozentgehnlt  an  Eiweiss  aus  derselben 
Mutterlösung  zu  erhalten  und  in  den  Gewebssäften  zu  vertheilen. 

b.  Diffusion.  Die  Theorie  der  HydrodifFusion  und  insbe- 
sondere der  Endosmose  hat  seit  dem  Erscheinen  des  entsprechen- 
den Abschnittes  im  1.  Bd.  nennenswerthe  Fortschritte  gemacht.*) 

Die  Veränderlichkeit  der  thierischen  Haut,  welche  das  Ge- 
winnen gesetzmässiger  Erscheinungen  erschwert,  die  Ueberzcugnng, 
dass  die  Diifussion  durch  Poren  gleichartiger  Häute  (wir  nannten 
sie  die  wesentlichen)  sich  anders  gestalten  müsse,  als  durch  die 
zufälligen  Poren  solcher  Stoffe,  die  aus  sichtbar  verschiedeneu  Ge- 


•)  A.  FIck  hl  Molescholtts  ünlcrauchungen  III.  2!t4.  —  W.  Schmidt,  Popgpiidorfs  Aiiiialen 
B.  102.  p.  122.  —  Eckhard,  HeitiÜRc  zur  Anatomie  uiui  Pliysiolngic.  2  lieft.  18r)8.  112.  — 
E.  Hoff  mun  n,'  das  ctidosniot.  Aequiv.  des  Glauborsalzes.  Gicssen  1858.  Meissner,  .Inliresbc- 
richt  nir  1867.  196. 


Diffusion  durch  Thon  -  Collodium  -  Herzbeutclplatton. 


211 


\ve))stbeilen  zusammengesetzt  waren,  führte  theils  zur  Anwendung 
\oi\  ScLcitlcwänden  nxis  gebranntem  Thon  im  Gegensatz  zu  sol- 
chen aus  Collodium  (Buchheim,  A.  Fick),  theils  zur  Anwen- 
;lung  der  Linsenkapsel  als  einer  möglichst  gleichartigen  thierischen 
laut  (Witt  ich,  Vir  che  w,  Meissner),  ferner  zur  Aufsuchung 
1er  Veränderungen,  welche  verwickelter  gebaute  Häute,  wie  z.  B. 
der  Herzbeutel  selbst  unter  solchen  Umständen  erfahren,  die  man 
:)isher  für  einflnsslos  gehalten  hatte  (Eckhard,  W.  Schmidt.) 

Die  sehr  feinen  Collodiumhäute ,  welche  A.  Fick  zu  seinen  A*^ ersuchen  brauchte, 
impfehlen  sich  dadurch,  dass  sich  an  ihnen  höchst  wahrscheinlich  nur  ein  Strom  durch 
i(ie  wesentlichen  Poren  geltend  macht ;  immerhin  kann  aber,  wenn  man  ihre  Enstehung 
lilurch  Verdunstung  berücksichtigt,  nicht  geleugnet  werden,  dass  sie  auch  zufällige  Poren 
mthalten  möchten,  dargestellt  durch  feine  Spalten ,  welche  bei  ungleichmässigem  und 
vngleichzeitigera  Eintrocknen  im  Innern  der  Haut  entstehen  müssen,  während  das  äusserste 
.  latt  schon  fest  geworden  ist.  Für  das  Vorhandensein  dieser  oder  ähnlicher  Unregelmässig- 
Heiten  spricht  insbesondere  der  Umstand,  dass  der  Widerstand,  welchen  sie  dem  Diffus- 
.  onsstrom  bieten ,  nicht  mit  der  Dicke  wächst.    Unerwarteter  als  diese  Erfahrung  ist 
lie  andere,  dass  beim  Aufenthalt  in  SaMö,sungen  (Na  Cl)  sich  ihre  Durchgängigkeit 
Ar  das  Salz  mehrte  (A.  Pick),  während  sie  sich  für  das  Wasser  unverändert  erhält. — 
iiie  Veränderungen,  welche  der  Herzbeutel  mit  der  Versuchszeit  eingeht,  bewirken  eine 
i  ivli  rung  der  Quellungsfähigkeit,  der  Wegsamkeit  für  den  Salzstrom  imd  die  Aenderung 
i  ndosmotischen  Aequivalents.-    Wendet  man  ein  frisches ,  nur  mit  Wasser  ausge- 
laschenes,  aber  vor  Beginn  des  Versuchs  nicht  getrocknetes  Stück  an,  so  gewinnt  man 
vit  ihm  (für  NaCl  und  NaO  SO3)  sehr  übereinstimmende  endosmotische  Aequivalente, 
I  lbst  wenn  man  die  Häute  aus  ganz  verschiedenen  Thicren  benutzt  hat.  Eingctrock- 
t:te   und  wieder  aufgeweichte  Häute   geben  ein  höhers  endosmotisches  Aequivalent 
Eckhard),  was  wahrscheinlich  von  einer  Vermehrung  des  Widerstandes  für  den  Salz- 
rrom  abhängt  (Schmidt).    Gerade  wie  bei  Uollodiumhaut  wird  aber  auch  hier  durch 
engeren  Aufenthalt  in  der  Lösung  eines  Salzes  die  Wegsamkeit  für  das  letztere  erhöht- 

Statt  dem  bisherigen  Gebrauch  gemäss  nur  das  Verhältniss 
er  Ströme,  die  von  den  beiden  Grenzflächen  ausgehen  (das  en- 
osmot.  Aequivalent),  zu  messen,  haben  die  neuereu  Arbeiten  indem 
t-e  Zeitbestimmungen  mit  aufnahmen,  die  absolute  Geschwindigkeit 
•er  einzelnen  Ströme  festgestellt.  Solche  Ge^chwindigkeitsmessun- 
'sn  sind  ausgeführt  an  Strömen,  die  nach  der  einen  Richtung 
/asser,  nach  der  andern  Kochsalz,  Glaubersalz,  Chlorkalcium  und 
rackcr  mitnahmen. 

Der  Wasser  Strom  gewinnt  an  Geschwindigkeit  1"  mit 
er  Temperatur  der  diflundirenden  Massen  (Fick,  l^ckhard)  und 
var  am  Herzbeutel  nach  einem  Gesetze,  welches  durch  dieselben 
togffizienten  dargestellt  wird,  das  den  Filtrationsstrom  durch 
ieselbe  Haut  regelt.  —  2»  Seine  Geschwindigkeit  wächst  mit 
ein  Unterschied  des  Gehaltes  an   den  Stoflen  in  den  beider- 

14» 


212 


Diffusion;  Geschwindigkeit  des  Salz  -  und  Wasserstroms. 


seitigen  Flüssigkeiten.  Versteht  man  unter  Gehalt  den  Bruch  aus 
dem  Gewicht  des  aufgelösten  Salzes  (s)  durch  das  Gewicht  der 
gesammten  in  der  Lösung  vorhandenen  Einzelgewichte  des  Was 

sers  (w)  und  des  Salzes  s  also  so  gilt  für  Collodiumhaut  und 

V  /  s+  w '  ° 

Na  Cl  Lösung,  dass  der  Wasserstrom  um  ein  weniges  langsamer  steigt 

als  der  Gehalt  (A.  F  i  c  k) ;  für  Herzbeutel  und  Na  0  SO:i-Lösunf; 

steigt  die  Geschwindigkeit  des  Wasserstroms,  wenn  der  Gehalt  dei 

Lösung  von  0  bis  zu  etwa  1  p.  c.  anwächst,  dann  sinkt  sie  rascli 

und  wächst  bei  weiter  steigendem  Gehalt  abermals  und  zwar  bis 

zum  möglichen  Maximum  des  Salzgehaltes  proportional  der  Dich 

tigkeit.    Befindet  sich  ungelöstes  Glaubersalz  auf  der  Membran. 

so  steigt  abermals  die  Geschwindigkeit  plötzlich  (W.  Schmidt).  — 

Riicksichtlich  der  niedern  Conzentration  verhält  sich  der  Wasser 

Strom,  der  durch  eine  Thonseheidewand  zum  NaCl  geht,  ähnlicli, 

indem  die  Geschwindigkeit  bei  dem  Wachsen  der  Conzentration  von 

0  bis  0,2  p.  c.  sehr  rasch  zunimmt,  von  da  bis  1,0  p.  c.  wieder 

rasch  abnimmt  und  von  da  ab  wieder  bis  zu  26,5  p.  c.  stetig  mit 

der  Conzentration  steigt  (A.  Fick,  Graham).  —  3"  Wenn  der 

Wasserstrom   welcher  durch  eine  Collodiumhaut  zum  Kochsalz 

geht==l  gesetzt  wird,  so  ist,  gleicher  Prozeutgehalt  der  entgegen 

stehenden  Lösung  vorausgesetzt,  die  Geschwindigkeit  des  Stroms 

zum  Zucker  =  0,15  und  zum  Chlorkalciura  =  0,7.  (A.  Fick). 

Die  Geschwindigkeit  des  Salzstroms  steigt  1"  mit  der  Tem 
peratur  genau  wie  der  Wasserstrom  (Schmidt);  2"  mit  dem  Ge 
halte  der  Lösung  und  zwar  bei  Anwendung  von  Na  Cl  und  Thor 
Scheidewand  oder  NaOSOn  und  Herzbeutel  direkt  wie  das  Wachs 
thum  des  Gehaltes  (A.  Fick,  W.  Schmidt);  3"  bei  frischen 
Collodiurahäuteu  und  getrockneten  Herzbeuteln  mit  der  Aufenthalts 
zeit  in  der  betreffenden  Lösung. 

Aus  diesen  Erfahrungen  leitet  sich  ab  1"  dass  das  endosmot. 
Aequivalent  von  der  Temperatur  unabhängig  ist;  2«  dass  es  sicli 
für  Koch-  und  Glaubersalz  mit    der  Conzentration    ändert  und 
zwar  für  Glaubersalz  und  Herzbeutel  ganz  nach  der  von  C.  Lud 
wig  angegebenen  Weise  (Schmidt);  3o  dass  die  Aequivalentc  beil 
Anwendung  getrockneter  Herzbeutel  und  frischer  Collodiumhaut) 
höher  sind  als  bei  langer  Zeit  in  der  betreffenden  L<)sung  aufirc 
weichten;  hierzu  fügt  Eckhard,  dass  es  für  den  Werth  der  endi's 
motischen  Aequivalentes  gleichgültig  sei,  ob  mnn  die  freie  oder  di''  I 
angewnchsene  Fläche  des  Pericardiums  gegen  die  Salzlösung  wcnd* 

1 


Physiologischus  Vorkoiumon  der  Diffusion. 


213 


i  iuul  ebenso  ob  der  Salzstrom  nuf-  oder  absteigend  durch  die  Mem- 
bran gehe. 

Auf  dem  Wege  der  Diffussion  müssen  unzweifelhaft  Bkitbe- 
staudtheile  aus  den  Gefässröhren  in  die  umgebenden  Gewebe  ge- 
!  tlilu-t  werden,  weil  diese  letztern  mit  wässerigen  Flüssigkeiten  er- 
rftillt  sind,  deren  Zusammensetzung  von  der  Blutflüssigkeit  abweicht, 
l lieber  diese  Strömungen  lässt  sich  im  Allgemeinen  angeben:  1)  Sie 
l^werden  nach  den  Prinzipien  für  die  endosmotischen  Strömungen  zu 
Ihbeurtheilen  sein,  weil  die  beiden  Flüssigkeiten  durch  eine  thie- 
(rische  Haut  getrennt  sind.  —  2)  Die  Ströme  werden  während  der 
uganzen  Lebensdauer   ununterbrochen  fortbestehen,   weil  nemlich 
«zahlreiche  Einrichtungen  angebracht  sind,  welche  es  verhüten,  dass 
Idie  Flüssigkeiten  an  den  beiden  Seiten  der  Membran  eine  gleiche 
/Zusammensetzung  erlangen.    Diese    ununterbrochene  Dauer  des 
^Stroms  schliesst  aber  natürlich  ein  Steigen  oder  Fallen  seiner  Ge- 
«schwindigkeit  nicht  aus ,  im  Gegentheil,  es  wechselt  aus  verschiede- 
iinen  Gründen  die  mittlere  Geschwindigkeit  der  Diifusionsströme  mit 
ider  Zeit  sehr  merklich.  —    3)  Die  Flüssigkeit,   welche  sich  in 
Idem  Strom  bewegt,  kann  niemals  die  Zusammensetzung  des  Blu- 
tites  haben;  denn  es  besitzen  die  einzelnen  Blutbestandtheile  eine 
>ganz  ausserordentlich  ungleiche  Difhisionsgeschwindigkeit,  ein  Un- 
te'schied,  der  namentlich  zu  gross  zu  sein  scheint,  als  dass  er 
lidurch  die  ungleichen  Prozentgehalte    wieder  compensirt  werden 
kkönnte.  —  4)  Die  Ströme,  welche  an  verschiedenen  Orten  des 
'ihierischen  Körpers  vorkommen ,    werden  Flüssigkeiten  von  ganz 
labweichender  Zusammensetzung  führen.    Dieses  geschieht  nach- 
wcisslich  darum,  weil  die  auf  der  äussern  Gefässfiäche  dem  Blute 
.entgegengesetzten  Stoife  nicht  überall  dieselben  sind.    So  ist  z.  B. 
»an  dem  einen  Orte  das  Gefäss  von  Luft,  an  dem  andern  aber  von 
wässeriger  Feuchtigkeit  umgeben  und  demnach  tritt  dort  eine  Gas- 
end hier  eine  Hydro ditfusion  ein.    Dabei  bleibt  aber  der  Unter- 
tschied  nicht  bestehen,  sondern  es  finden  sich  auch  bedeutende  Ab 
weichungen  in  den  die  Gefässhaut  umgebenden  wässerigen  Lösun- 
:gen.    Je  nachdem  also  der  eine  oder  andere  Stoif  in  der  Lösung 
vorkonmit,  wird  auch  bald  dieser  oder  jener  Blutbestandtheil  leb- 
ihaftcr  angezogen  werden  oder  auf  seinem  Wege  durch  die  Haut 
imehr  oder  weniger  Widerstand  finden.   —  Zu  diesen  nachweis- 
;lichen  Gründen  für  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  in  der  Zusanmicn- 
"Setzung  der  aus  dem  Blute  tretenden  Säfte  fügt  man  vermuthungs- 
»weisc  noch  einen  andern,  den  ncmlicli,   dass  die  verschiedenen 


214 


Absondorung  durch  Norvonerregung. 


thieriscben  Häute  wegen  der  ursprünglichen  Abweichung  in  ilirer 
Zusammensetzung  oder  in  ihrer  sonstigen  molckubiren  Anordnung 
eine  ungleiche  Durchgangsfähigkeit  für  dieselben  Flüssigkeiten  be- 
sitzen sollen.  Diese  Vermuthung  stützt  man  auf  die  im  I.  Bd. 
p.  79.  3  angeführten  Versuche,  welche  allerdings  noch  einer  wei- 
tern Bestätigung  bedürfen,  die  Meissner*)  zu  geben  verspricht. — 
5)  Die  auf  Diffusion  beruhenden  Absonderungen  sind  jedesmal  mit 
einem  Strom  im  umgekehrten  Sinn,  mit  einer  Eesorption,  verbun- 
bunden. 

c.  Nervenerregung **).  Eine  beschränkte  Zahl  von  Drü- 
sen (und  dieLympbgefässanfänge?)  bringen  die  Absonderung  ihrer 
Säfte  zu  Stande  unter  Mitwirkung  der  in  sie  eintretenden  Nerven. 
Der  Mechanismus,  durch  welchen  der  erregte  Nerv  die  Abson- 
derung einleitet,  ist  unbekannt;  keines  Falls  aber  ist  der  Nerv 
dadurch  wirksam,  dass  er  den  Blutdruck  innerhalb  der  Gefässe, 
welche  die  Drüse  durchsetzen,  partiell  steigert,  indem  er  die 
Durchmesser  jener  Gefässe  verändert.  Dieses  wird  darum  zur  Ge- 
wissheit, weil  der  Druck,  unter  welchem  der  abgesonderte  Saft  in 
den  Diüsengang  einströmt,  weit  grösser  ist,  als  der,  unter  welchem 
gleichzeitig  der  Inhalt  der  Blutgefässe  gespannt  ist;  ja  noch  mehr, 
es  kann  der  erregte  Nerv  auch  noch  zu  einer  Zeit  die  Abson- 
derung hervorrufen,  in  welcher  das  in  der  Drüse  enthaltene  Blut 
weder  strömt,  noch  überhaupt  gespannt  ist. 

l'ig.  49.  Dej.  Absonderungsdruck   wird  dadurch  gemessen, 

dass  man  in  den  Ausführungsgang  einer  Drüse  A  (in 
der  schematiscben  Fig.  49.)  ein  Manometer  B  einbin- 
det. Dringt  riüssigkoit  durcb  die  Poren  der  Drüsen- 
wand  }ih  in  das  Innere  des  Drüsenbläscbeus,  so  wird 
sie  allmählig  auch  in  das  den  Äusführungsgang  ver- 
schliessende  Manometer  dringen  und  das  Quecksilbeit 
desselben  so  lange  emporheben,  bis  der  Druck,  den  die 
Quecksilbersäule  ausübt,  gross  genug  ist,  um  der  Qe^ 
walt,  mit  welcher  der  Drüsensaft  durch  die  Poräi 
ß  strömt,  das  Gleichgewicht  zu  halten.  Der  Abso'ü- 
derungsdruck  ist  also  nichts  anderes,  als  die  in  cintÄr 
beliebigen  Flüssigkeit  ausgedrückte  Druckhöhe,  untet 
welcher  die  abgesondurteii  Säfte  in  die  Diü-se  gepresst 
werden. 

Obwohl  die  Absonderung  unabhängig  yom  Blutstrom  eintreten  kann ,  so  veniiaff 
sie   sich   doch   nicht  ohne  Zuthun    desselben   auf  die  Dauer   zu  erhalten.     So  hat 


*)  Jnhrcsbericlit  Uber  Physiologie  für  l.V>7.  • 
•*)  C.  Ludwipr  in  Honle's  und  Pfcufei's  ZeitBclirift.  N.  F.  I.  Bd.  -  Czcrmnk,  Wiener 
Sitzungsbericlite  Bd.  XXV.  —  C.  Ludwig  und  A.  Splcss,  Wiener  Sitzungsberichte. 


Eigenschaften  dur  nervösen  Absonderung. 


215 


iCzermak  gefunden,  dass  die  Erregung  der  zur  gl.  submaxillaris  gehenden  synipathi- 
-  sehen  Zweige  die  Speichelabsonderung,  Tv-elche  durch  die  gleichzeitige  Erregung  des 
'  Astes  von  ll&m.  lingualis  eingeleitet  war,  ziemlich  rasch  zu  unterdrücken  vermag ;  die 
'  Beizung  des  Sympathicus  bringt  aber  auch  zugleich  eine  auffallende  Verlangsamung, 
jtt  eine  vollständige  Stockung  des  Blutstroms  lierA'or.  Umgekehrt  pflegt  sieh  zu  jeder 
ira  gesunden  Tliier  einti'etenden  Absonderung  auch  eine  raschere  Blutströmung  durch 
i:die  Drüsen  zu  gesellen.  (Gl.  B  ern  a  rd).  Die  von  Czermak  gefundene  Thatsache  lässt 
f  freilich  auch  noch  andere  Erklärungen  zu. 

Den  Eigenschaften  der  Nerven  entsprechend  wird  die  von 
i  ihnen  abhängige  Absonderung  keine  stetige,  sondern  eine  durch 
(längere  oder  kürzere  Zeiten  unterbrochene  sein,  sie  wird  nur  ein- 
ttreten  können,  wenn  der  Nerv  erregbar  ist.  In  der  That  tritt  sie 
saber,  die  Erregbarkeit  der  Nerven  vorausgesetzt,  nur  dann  ein, 
vwenn  der  Drüsennerv  wirklich  erregt  wird;  dieses  geschieht  aber, 
^soweit  wir  wissen,  ganz  unter  denselben  Umständen,  unter  denen 
•auch  der  Muskelnerv  zur  Erregung  kommt;  und  es  wächst  dann 
die  Geschwindigkeit  der  Absonderung,  alles  andere  gleichgesetzt, 
pmit  der  Intensität  der  Erregung. 

Mit  dem  Eintritt  der  Absonderung  erhöht  sich  jedesmal  die 
ITemperatur  der  Drüse,  denn  es  sind  die  aus  ihr  hervorkommen- 
(iden  Speichel-  und  Blutmassen  höher  erwärmt  als  das  eintretende 
ilBlut.  Dieser  Wärmezuwachs  scheint  mit  dem  Erregungswerth  der 
IDrüsen  zuzunehmen  (C.  Ludwig,  A.  Spiess). 

Die  Säfte,  welche  durch  dieses  Hilfsmittel  dem  Blute  entzogen 
pwerden,  sind  erfahrungsgemäss  durchaus  anders  zusammengesetzt, 
aals  die  Blutflüssigkeit.  Ob  sie  aber  in  allen  dem  Nerveneinfluss 
Quntenvorfenen  Drüsen  gleich  oder  ungleich  sind,  lässt  sich  nicht 
;iangeben.  Allerdings  weicht  die  Zusammensetzung  der  einzelnen 
^Nel•vensekrete,  wie  z.  B.  Thränen  und  Speichel,  von  einander  ab, 
laber  es  kann  diese  Thatsache  nicht  als  ein  Beweis  dafür  ange- 
>8ehen  werden,  dass  durch  Vermittelung  des  Nerven  in  die  beiden 
Drüsen  verschiedenartige  Säfte  geführt  worden  seien,  und  zwar 
idarum  nicht,  weil  es  sich  nicht  darthun  lässt,  ob  nicht  noch  an- 
idere  Sekretionsursachen,  z.  B.  eine  Diffusion,  sich  an  der  Bildung 
tvon  Thränen  oder  Speichel  betheiligt  haben. 

Um  den  Einfluss  der  Nerven  auf  die  Absonderung  zu  erklären ,  hat  man  die 
■Führung  der  Flüssigkeit  durch  den  elektrischen  Strom  zu  Hilfe  genommen.  Obwohl 
sich  sehr  viele  Wahrscheinlichkeitsgründe  zur  Unterstützung  dieser  Annahme  zusammen- 
finden lassen,  so  fehlt  doch  noch  viel,  bevor  es  erlaubt  sein  dürfte,  dieses  ganz  neue  Er- 
klärungsprinzip in  einem  Lehrbuch  zu  erörtern. 

3.  Weitere  Veränderungen  der  abgeschiedenen  Säfte.  Die 
Pllissigkeiten ,  welche  durch  irgend  eine  der  bezeichneten  Kräfte 


21(5  Clicmischo  Uniscteung  der  ausgeschiedenen  Säfte. 

aus  dem  Blutstroiu  auf  die  äussere  Fläche  der  Gefässbaut  beför- 
dert sind,  gelangen  dort,  je  nach  dem  Organ,  in  welchem  die  Ab- 
sonderung vor  sich  ging,  unter  besondere  Bedingungen,  welche  bei 
aller  sonstigen  Verschiedenheit  doch  darin  tibereinstimmen,  dass 
sie  eine  Veränderung  der  ausgeschiedenen  Säfte  anbahnen  und 
vollenden ;  diese  Veränderungen  betreffen  ebensowohl  die  chemische 
Zusammensetzung,  als  auch  den  Aggregatzustand  derselben. 

a.  Chemische  Umsetzungen  der  ausgeschiedenen 
Stoffe.  Die  Thatsachen,  ai;f  welche  eine  theoretische  Uebersicht 
derselben  gebaut  werden  könnte,  sind  gegenwärtig  noch  in  keinem 
Falle  mit  genügender  Schärfe  festzustellen.  Hierzu  gehörte  vor 
Allem  eine  genaue  Einsicht  in  die  Zusammensetzung  ebensowohl 
der  ursprünglich  ausgeschiedenen  als  auch  der  später  veränderten 
Flüssigkeiten,  und  nicht  minder  eine  Kenntniss  aller  der  Umstände, 
durch  welche  der  jedesmal  in  Betracht  gezogene  Ort  eine  che- 
mische Umwandlung  einzuleiten  vermöchte.  Der  organischen 
Chemie  kann  es  nicht  zum  Vorwurf  gereichen,  dass  sie  die  Schwie- 
rigkeiten, welche  sich  der  Lösung  einer  solchen  Aufgabe  entgegen- 
stellen, bis  dahin  nicht  zu  heben  vermochte. 

Wir  vermuthen  mit  einem  hohen  Grade  von  Wahrscheinlich- 
keit, dass  die  chemischen  Umsetzungen,  welche  in  den  ausge- 
schiedenen Blutbestandtheilen  vor  sich  gehen,  sich  erstens  vorzugs- 
weise beziehen  auf  die  organischen  Substanzen  derselben  und 
insbesondere  auf  die  eiweiss-  und  fettartigen  Stoffe.  Diese  Vermu- 
thung  entspringt  aus  der  nicht  unbeträchtlichen  Zahl  von  Erfah- 
rungen über  die  Zusammensetzung  einzelner  in  den  thierischen 
Geweben  vorkommender  Stoffe;  diese  letztern  bestehen  nemlich 
fast  sämmtlich  aus  Atomen,  welche  nur  mittels  des  Eiweisses  oder 
der  Fette  in  die  Gewebe  gelangt  sein  können.  Die  einzigen  Aus- 
nahmen von  dieser  Regel  bilden,  so  weit  wir  wissen,  die  Salzsäure 
des  Magens  und  einige  Verbindungen  organischer  Säuren  mit  Na- 
tron, welche  durch  die  Zersetzung  des  Chlornatriums  imd  des 
kohlensauren  Natrons  entstanden  sein  müssen. 

Wir  geben  sogleich  ein  Verzeichniss  derjenigen  Stoffe,  welche 
aus  einer  Umsetzung  des  Eiweisses  und  der  Fette  abgeleitet  wer- 
den müssen.  Aus  dieser  Aufzählung  schliessen  wir  jedoch  alle 
diejenigen  Produkte  aus,  die  uns,  wie  das  Lecithin,  Excretin,  Xau- 
thoglobulin,  einige  Farbestoffe  u.  s.  w.,  nur  nach  ihren  Verwandt- 
schafts- oder  Crystallisationseigenschaften ,  nicht  aber  nach  ihrer 
Zusammensetzung  l)ekannt  sind. 


Abköiumliiit'o  dor  Fotto  und  dos  Eiwcisscs. 


217 


Die  in  die  Tabelle  aufgenommenen  Stolfe  sind  in  zwei  Spalten 
:geordnet,  von  denen  die  eine  alle  diejenigen  Atomgruppen  enthält, 
\'welclie  man  mit  Gemssheit  oder  Wahrscheinlichkeit  als  Abkömra- 
!'Iinge  des  Eiweisses  ansieht,  während  die  andere  die  AbkömmHnge 
der  Fette  enthält.  —  Die  Atoragruppen  der  ersten  Spalte  sind 
!:iüit  wenigen  Ausnahmen  nach  ihrem  relativen  Gehalt  an  Stickstoff 
iiin  der  Art  geordnet,  dass  die  an  diesem  Elemente  ärmeren  voran- 
[igestellt  wurden. 


Zersetzungsprodukte,  an  deren  Bildung  betlieiligt    Zersetzungsprodukte,  an  deren  Bil- 
war  Ei  weiss  =  €74  Hgc  Ni)  Oa?  S|   (Lieber-     dung  bctboiligt  wird  Stearin  = 
kübn),  Verhältuiss  des  C  :  N  =  8  :  1.  CiuHiu  Oiu  u. Olein  =  C42  HmOs. 


tCfiiiucn  der  Abkümmliiige. 

Zusammensetzung. 

Verliält- 
nissznhl 
zwischen 
C- und  N- 
atoiTiGii  * 
N-=l.' 

Niimcn  der  Abkömmlinge. 

Zusammen 
Setzung. 

r —  "  " 

tZucker  (Amylon) 

C12  H|j  O12 

Margarinsäure 

C34H34O4 

ifilchsiiure 

CeHe  Oe 

Palmitinsäure 

C32  H32  O4 

'  l^henylsäurc 

CijH?  O2 

Capronsäure 

Cl2H,2  04 

ruurylsäuro 

Cu  H«  Oj 

Buttersäure 

C8H8O4 

lalursäure 

Ct4Hl2  04 

Propionsäure 

GiUi  O4 

iDC'bolsäurc 

C52  H45  Ni  0,4  S2 

52 

Ameisensäure 

C2H2O1 

.lilycoc  holsäure 

C52  H43  N|  O12 

52 

Oxalsäure 

C2O3 

llndican 

C52H35Ni03ü 

52 

Bernsteinsäure 

C4  H3  0, 

y'Oercbrin  (Müller) 

C34H33N1OC 

34 

Glyccrin 

CjHgO« 

ri'yrosin 

CisHiiNiO« 

18 

Cbolestcarin 

C28  H24  0 

ädippursKure 

Cl<  Hg  N,  0,i 

18 

Kohlensäure 

CO2 

j'JUiverdin 

CioHgNiOs 

IG 

Wasser 

HO 

niliphain 

CsäHigNaOo 

16 

(  Müller 

CgHqN,  O4 

8 

nieucinrcibe  <  Qorup 

C12H13N1  O4 

12 

( gewöhnl. 

CoHuNi  O4 

10 

'  lydrotsäure 

CioHgNiOi, 

10 

ndrigen 

C32H2(iN4  0|4S(?) 

8 

.uislischer  Stoff 

C52H40N7O14 

7,4 

iJoUa 

C13H10N2O5 

G,5 

Oystin 

CßHcNi  O4S2 

0 

Paurin 

CiHTN.OnSa 

4 

t.nosinsäure 

CioIItNjOh 

5 

iircatin 

C8HgN3  04 

2,G 

itrcatinin 

C8H-N3O2 

2,G 

1  lypoxantliin  (Sarkin) 

C5H2N2O 

2,5 

1  Janisäuru 

CnH^NjOs 

2,5 

Vlan toin 

C8ll(;N4  0c, 

2 

l.lamstoff 

C4H4N2  02 

1 

rriiiictbylaminin 

G 

Ammoniak 

II3N, 

'Hickgas 

N 

'khwcfelsäurü 

SO3 

tolilcnHÜurc 

CO. 

iV  asscr 

HO 

218 


Abkömmlinge  erster  und  zweiter  Ordnung. 


Die  Arbeiten  der  Chemiker  haben  uns  die  wichtige  Aul 
kUlrung  verschafft,  dass  zwisclicn  den  verschiedenen  Gliedern  die 
ser  c,'rossen  Reihe  eine  eigenthündiche  Beziehung  besteht,  die  darin 
liegt,  dass  alle  Abkömmlinge  des  Eiweisses  innerhalb  des  thic 
riseheu  Leibes,  so  verschieden  sie  auch  ursprünglich  gewesen  sein  | 
mögen,  sich  doch  schliesslich  verwandeln  in  Harnstoff,  Ammoniak 
Stickgas,  Schwefelsäure,  Kohlensäure  und  Wasser,  und  diejenigen  i 
der  Fette  in  Kohlensäure  und  Wasser.    Diese   eben  erwähnteuj 
Stoffe  haben  die  eine  physiologische  Eigenthündichkeit  gemein, 
dass  sie  sämmtlich  in  die  Organe  (Lunge,  Haut,  Niere)  abge- 
sondert werden,    deren  Inhalt  im  regelmässigen  Verlaufe  des 
Lebens  aus  dem  thierischen  Körper  wieder  entleert  wird.  Darum 
ist  man  auch  übereingekommen ,  sie  mit  dem  Namen  der  Auswürf- 
linge zu  bezeichnen. 

Zwischen  den  Fetten  und  dem  Eiweiss  einerseits  und  den 
Auswürflingen  oder  den  letzten  Produkten  des  thierischen  Stoff- 
wechsels anderseits  liegt  somit  eine  grosse  Zahl  von  Atomgruppen 
in  der  Mitte,  welche  man  als  die  allmähligen  Uebergänge  der  we 
sentlichen  Bestandtheile  des  Bluts  in  die  des  Harns,  der  Lungei 
und  des  Hautdunstes  ansehen  kann.  Diese  Mittelprodukte  ver 
dienen  hier  noch  einige  Aufmerksamkeit. 

Rücksichtlich  ihrer  Entstehung  kann  als  gewiss  angesehei 
werden,  dass  die  Bedingungen  für  diese  Umsetzungen  erster  Ord 
nung,  wie  wir  sie  nennen  wollen,  sich  nicht  gleichmässig  dm-cl 
den  ganzen  Körper  hindurch  vertheüt  finden,  so  dass  in  einem  je 
den  Organe  ein  jedes  dieser  Produkte  zum  Vorschein  kommer 
könnte,  im  Gegentheil,  es  knüpfen  sich  an  bestimmte  Organe  aucl 
ganz  bestimmte  Umsetzungsprozesse.  In  diesem  Sinne  kann  alsc 
ein  jedes  Organ  als  ein  specifischer  chemischer  Herd  betrachte 
werden.  So  wird  u.  A.  gebildet  im  Hirn :  Cerebrin,  Lecithin,  Krea 
tin,  Milchsäure,  flüchtige  Fettsäuren  aus  der  Gruppe  CiuHonOj 
Cholestearin  (?)  (Frem,  Gobley,  W.  Müller);  in  den  Muskeln 
die  niedern  Glieder  der  Fettsäurenreihe  von  der  Buttersäure  ab 
wärts ;  Milchsäure,  Inosinsäure,  Hypoxanthin,  Kroatin,  Kreatinin  un( 
Muskelzucker  (Liebig  und  Scher  er);  in  der  Leber:  Biliphain  un( 
Biliverdin  (Heintz),  Haematoidin  (Valentin er),  Gl3'C0-  um 
Taurocholsäure  (Strecker),  Tyrosin  und  Leucin  (Frerichs  un( 
S t  a e d e  1  e r),  Amylon ,  Traubenzucker  (B e r n  a r d) ;  Inosit (Ol o e  tt a) 
in  der  Milz  und  dem  Pankreas:  Leucin  (Frerichs,  Staedelcr 
V i  r  c  h  0  w),  Hypoxanthin,  Harnsäure  (S  c  h  e r  e  r)  und  Inosit  (C 1  o  e 1 1  a) 


Oxydation  der  Mittolproducte. 


219 


in  der  Lunge:  Tanrin  Harnsäure,  Inosit(CloetJ;a);  in  den Synovial- 
. Säcken,  Schleim-  und  Speiclieldrüsen :  Sclileimstoff ;  in  den  Milch- 
drüsen :  Casein  und  Milchzucker ;  in  dem  Bindegewebe  und  den  Knochen 
(  Collagen;  in  dem  elastischen  Gewebe:  elastischer  StolF;  in  den  Knor- 
peln: Chondrin  (J.Müller);  in  den  Epithelialzellen  und  den  Haa- 
;ren:  eine  sehr  schwefelreiche  Atomgruppe  (Mulder)  u.  s.  w. 

Der  Mechanismus,  durch  welchen  in  den  bezeichneten  Orten 
idie  Umsetzung  eingeleitet  wird,  ist  nun  freilich  noch  in  Finsterniss 
•gehüllt,  welche,  so  tief  sie  auch  sein  mag,  uns  doch  wenigstens 
t  erkennen  last,  dass  die  aufgezählten  Produkte  aus  Fetten  und 
l  Eiweiss  gebildet  wurden,  entweder  mittelst  einer  blossen  Umlegung 
i  ihrer  Atome  ohne  gleichzeitige  Veränderung  ihrer  Zahl,  oder  durch 
eeine  einfache  Spaltung,  oder  durch  eine  Spaltung  mit  nachfolgen- 
tlder  Wiedervereinigung  einzelner  Spaltungsprodukte,  oder  endlich 
i  durch  eine  Spaltung,  welche  von  einer  theilweisen  Oxydation  be- 
-gleitet  wurde.    Es  wird  erst  die  Aufgabe  der  besondern  Abson- 
i  dernngslehre  sein  können,  im  einzelnen  Fall  auf  die  wahrschein- 
Uichste  Entstehungsweise  der  einzelnen  Produkte  hin  zu  deuten; 
iim  Allgemeinen  lässt  sich  aber  hier  gleich  einsehen,   dass  das 
'  ichzeitige  Erscheinen  von  stickstofffreien    und  stickstoffreichen 
ndcr  schwefelfreien  und  schwefelreichen  Atomgruppen  in  einem 
iml  demselben  Organe  sich  am  einfachsten  erklärt  durch  eine 
^|Kiltung  der  Eiweissatome. 

Die  Zusammensetzung  der  Auswürflinge  oder  derjenigen 
vStoffe,  welche  als  Abkömmlinge  aus  der  ersten  Umsetzung  anzu- 
wehen sind,  deutet  auf  eine  einfachere  Entstehungsweise.  Sie 
nragcn  nemlich  sämmtlich  den  Stempel  des  Oxydationsprozesses, 
lindem  sie  entweder ,  wie  das  HO,  CO2,  SO3  und  Harnstoff,  selbst 
^iehr  sauerstoffreiche  Atome  darstellen ,  oder ,  wie  H3N  und  N  gas, 
lÄU  den  Produkten  gehören,  welche  bei  einer  energischen  Oxy- 
liation  der  eiweissartigen  Stoffe  immer  auftreten.  Da  nun  die 
:i;esammteu  aus  dem  Blut  ergossenen  und  dem  Umsatz  anheim- 
:'5egebenen  Eiweiss-  und  Fettstoffe  schliesslich  in  diese  Verbren- 
mungsproduktc  übergehen,  so  ist  es  erlaubt,  den  thierischen 
'Stoffunisatz  im  Ganzen  mit  einem  Verbrennungsprozess  zu  ver- 
;;Ieichen;  dieser  Oxydation  muss  aber  immer  erst  eine  anderweite 
^ierlegung  der  wesentlichen  Blutbestandthcile  vorausgegangen  sein, 
■welche  ihr  die  Brennstoffe  liefert. 

Dieser  letzte  Akt  des  thierischen  Stoffumsatzes,  die  Verbren- 
nung, findet  seine  Bedingungen  deumach  auch  im  tliierisohen  Körjier 


220 


Oxydation  der  Mitlelproduktc. 


häufiger  vor  als  der,  welcher  die  Bildung  jedes  einzelnen  der  Zer- 
setzungsprodukte erster  Ordnung  veranlasst,  denn  es  muss  überall, 
wo  überhaupt  eine  Zersetzung  statt  findet,  auch  die  Verbrennung 
sich  einfinden,  vorausgesetzt  nur,  dass  dem  mit  Sauerstoff  ge- 
schwängerten Blutstrom  Zutritt  zu  dem  Herde  der  Umsetzung  ge- 
stattet ist.  Aber  selbst  die  erstere  der  eben  aufgestellten  Be- 
dingungen braucht  nicht  einmal  erfüllt  zu  sein.  Denn  es  werden 
auch  Zersetzungsprodukte  nach  den  Orten,  welche  selbst  keine  er- 
zeugen konnten,  hingeführt  werden  müssen;  viele  derselben  sind 
nicht  allein  löslich,  sondern  sie  diflfundiren  auch  leicht  durch  die 
Gefässliäute,  so  dass  sie  mit  dem  Blute  tiberall  hindringen.  Mög- 
licher Weise  stellen  sich  sogar  in  diesen  Orten  die  Bedingungen 
für  die  weitere  Umsetzung  günstiger  als  in  den  Ursprungsstätten,  so 
dass  man  sagen  kann,  es  führe  das  zweite  Organ  die  Zersetzung 
weiter,  welche  das  erste  eingeleitet  hatte. 

Diese  allgemeinen  Betrachtungen  können  vielleicht  zu  zwei 
irrthlimlichen  Schlussfolgerungen  verleiten ;  man  könnte  erstens 
zu  der  Annahme  verführt  werden,  dass  erst  dann  eine  Zer- 
setzung der  wesentlichen  Blutbestandtheile  möglich  sei,  nachdem 
sie  ausserhalb  des  Gefässraums  getreten  wären.  Dieses  ist  aber 
weder  zu  beweisen,  noch  auch  wahrscheinlich;  denn,  wenn  man 
auch  von  allen  andern  Grltnden  absieht,  die  erst  später  verständ- 
lich sind,  so  ist  doch  mindestens  sogleich  einleuchtend,  dass  im 
Blute  die  leicht  oxydablen  Abkömmlinge  der  Fette  und  des  Ei- 
weisses  eben  so  gut  der  Verwesung  anheimfallen  müssen,  als  in 
diesem  oder  jenem  Organe  um  so  mehr  als  das  Blut  ein  nach- 
weissliches  Ferment  enthält.  —  Im  Gegensatz  hierzu  könnten  die 
obigen  Bemerkungen  zu  der  Behauptung  veranlassen,  dass  alles 
Eiweiss  und  alle  Fette,  welche  einmnl  die  Blutgefässe  verlassen 
hätten,  auch  nothwendig  eine  Beute  des  Umsatzes  würden,  so  dass 
die  Atome,  welche  dieses  Eiweiss  zusammensetzten,  nicht  eher 
wieder  in  das  Blut  zurückkehren  könnten,  bis  sie  sich  zu  Zer- 
setzungsprodukten erster  oder  zweiter  Ordnung  umgestaltet  hätten. 
Diese  Annahme  würde  aber  mit  der  Erfahrung  nicht  übereinstim- 
men, dass  aus  allen  Organen,  und  insbesondere  aus  deren  Binde- 
gewebsräumen,  eigenthümliche  Kanäle,  die  Lymphgefässe,  entsprin- 
gen, welche  neben  andern  Stolfen  auch  Eiweiss  und  Fett  aus  deu 
Geweben  in  das  Blut  zurückleiten. 

b.  Veränderungen  im  Aggregatzustandc  der  aus- 
geschiedenen Säfte.     Die  flüssigen  Bestandtthcilc  der  Säfte 


VcriinJerunt;en  dos  Aggrogatzustandoa  in  den  Säften. 


221 


iicliiiien  Je  nach  ilircr  Natur  und  den  Umständen,  in  die  sie  s^- 
lanf;en,  den  gasloi  niigen  oder  den  festen  Aggregatxustand  an.  Die 
erstere  Uniforinung  erfolgt  unter  den  einfachen  Bedingungen,  die 
wir  jedesmal  bei  einer  Verdunstung  auftreten  sehen.  Da  diese 
aller  Orten  und  namentlich  auch  wiederholt  schon  in  diesem  Werke 
niitgetheilt  sind  und  noch  mitgctheilt  werden  sollen,  soweit  sie 
sich  cigenthümlich  gestalten,  so  wird  ihnen  hier  keine  weitere 
^Aufmerksamkeit  geschenkt.  Anders  verhält  es  sich  aber  mit  dem 
f  Festwerden  des  Flüssigen. 

Der  feste  Aggregatzustand,  wo  er  auch  entstehen  mag,  führt 
lim  thierischen  Körper  jedesmal  zur  Bildung  eigenthümlicher  For- 
:men.  So  weit  diesell)en  mit  unseren  Vcrgriisserungsgläscrn  zerlegt 
iv werden  können,  sind  dieselben  so  beschaffen,  dass  sie  aus  allge- 
r  raein  wiederkehrenden  Massenanordnungen,  die  man  gemeinhin  als 
\  Korn,  Faser  und  Haut  bezeichnet,  aufgebaut  sind.  Körner,  Fasern 
und  Häute  sind  nemlich,  entweder  jedes  für  sich  oder  in  Verbin- 
dung mit  einander  und  zugleich  mit  Flüssigkeit,  benutzt  zur  Her- 
iätellung  eigenthündich  begrenzter  Gebilde,  der  Zellen,  Köhren  Fa- 
-äcrnetze  u.  s.  w.,  welche  immer  noch  von  mikroskopischer  Grösse 
■von  den  Anatomen  als  Elementarformen  der  Organe  oder  als  Ge- 
*webselemcnte  bezeichnet  werden.  Solche  Elementarformen  grup- 
ipiren  sich  endlich  in  sehr  verschiedenartiger  Weise  zu  Organen. 

Wir  wenden  unsere  Blicke  zuerst  zu  den  Elementarformen ; 
lifiier  gewahren  wir  zunächst,  dass  einer  jeden  derselben  eine  bc- 
'Sondcre  Lebensgeschichtc  zukommt,  deren  sichtbarster  Inhalt  zu- 
nächst darin  besteht,  dass  sich  ein  jedes  Gewebsclement  aus  der 
nUssigkeit  allmählig  hervorbildct  x\nd  dann  unter  stetiger,  yvenn 
anch  oft  sehr  langsamer,   Veränderung  seiner  Form  wieder  zu 
'crrunde  geht;  mit  der  letztem  verändert  sich  auch  zugleich  die 
chemische  und  physikalische  Beschaffenheit  der  Stoffe,  aus  wel- 
chen sie  gebaut  ist. 

Belegt  man  die  gesammte  Summe  dieser  Veränderungen  mit 
'lern  Namen  der  Entwickelungsgeschichte,  so  muss  zur  vollendeten 
I Herstellung  derselben  nicht  blos  die  Formfolge,  sondern  auch  die 
Umgestaltung  der  andern  Eigenthümlichkciten  gegeben  sein.  Sehen 
svie  zu,  was  in  dieser  IJeziehung  unsere  gegenwärtigen  Methoden  zu 
eisten  vermiigen. 

Form  folge.  Die  Darlegung  des  Formwechscls,  den  ein  Ge- 
lilde  während  seiner  Lebensdauer  erfährt,  setzt  voraus,  dass  die 
■i'stalt  eines  mikroskoi)ischen  Gegenstandes  Uberhaupt  erkannt  sei. 


222 


Festor  Aggregatzustand  ,  l'"onn  folge. 


Insofern  man  hierbei,  wie  es  gewöhnlich  geschieht,  zugleich  ermit- 
teln will,  wovon  das  verschiedene  Lichtbrechungsvermögen  der  ein- 
zelnen Stücke  eines  solchen  Gebildes  abhängig  ist,  ob  yon  der 
Anordnung  des  Aggregatzustandes,  der  chemischen  Zusammensetzung, 
der  besondern  Gestalt  der  Oberflächen,  genügt  die  einfach  mikros- 
kopische Betrachtung  der  nach  verschiedenen  Richtungen  gefüluien 
Durchschnitte  des  Gegenstandes  nicht,  sondern  sie  ist  mit  beson- 
dern Hilfsmitteln  zu  verbinden ,  wie  z.  B.  mit  der  Prüfung  auf  die 
Cohäsion,  durch  Druck  oder  Zerrung  mit  der  Anwendung  schrum- 
pfender und  quellender,  theilweise  lösender,  färbender  die  Unterschiede 
der  Lichtbrechung  steigernder  oder  mindernder  Reageutien.  Seitdem 
diese  Einsicht  einen  praktischen  Einfluss  gewonnen,  hat  sich  das 
Urtheil  über  viele  Formen  anders  gestellt,  imd  manchem  dürfte 
noch  ein  ähnliches  Schicksal  bevorstehen.  Nach  einer,  wie  es 
meist  geschehen,  genügenden  Lösung  dieses  Problems,  erhebt  sich 
die  zweite,  viel  schwieriger  zu  befriedigende  Forderung,  die  Reihen- 
folge der  Gestalten,  welche  ein  Gebilde  während  seiner  ganzen 
oder  eines  Thcils  seiner  Lebenszeit  erfährt,  auszumitteln.  Da  man 
beim  Thier  auf  die  bei  einzelneu  Pflanzen  anwendbare  Methode 
verzichten  muss,  die  verschiedenen  durch  das  steigende  Alter  be- 
stimmten Forraunterschiede  eines  und  desselben  Objekts  zu  er- 
kennen, so  ist  man  genöthigt  die  verlangte  Reihenfolge  dadurch 
zu  gewinnen,  dass  man  sie  aus  der  Formen  verschiedener  Indivi- 
duen zusammenreimt,  deren  Alter  durch  irgend  ein  Kennzeichen 
mehr  oder  weniger  genau  festgestellt  ist. 

Bei  diesem  Verfahren  kommt  es  also  durchaus  noch  darauf 
an,  unverfängliche  Kennzeichen  für  das  Alter  der  betrachteten  Ge- 
genstände zu  gewinnen,  ferner  die  Beobachtungen  ihrer  zeitlichen 
Reihenfolge  nach  möglichst  zu  häufen,  und  endlich  dafür  zu  sor- 
gen, dass  die  verschiedenen  Formen,  welche  man  als  zueinander 
gehörige  ansieht,  auch  wirklich  dieser  Bedingung  entsprechen. 

Als  Kennzeichen  für  die  Lebensdauer  dient  einmal  das  be- 
kannte Alter  des  Thieres  aus  dem  das  mikroskopische  Objekt  ge- 
nommen ist,  oder  die  Lagerungsstätte,  welche  eine  Elementarfoim 
einnimmt;  so  namentlich  die  Entfernung,  um  welche  die  letztere 
von  dem  Orte  der  ersten  Erzeugung  durch  neu  gebildete  Formen 
verschoben  ist;  dieses  gilt  u.  A.  für  die  Zellen  in  den  verschie- 
denen Lagen  des  Pflasterepithels;  oder  der  Abstand,  in  wel- 
chem ein  Gebilde  von  dem  Ausgangspunkt  eines  formgestaltenden' 
Vorgangs   liegt,   der  sich  nach  dieser  oder  jener  Richtung  fort- 


Mischungsfolgc. 


223 


pflanzt;  liierlicr  gehören  z.  B.  die  Formen,  welche  wllhreiid  der 
Verknöcherung  vom  Orte  schon  vollendeter  Knochenbiklung  bis  zimi 
innveränderten  Bindegewebe  oder  Knorpel  hingestreckt  sind.  Die 
aus  dieser  Betrachtung  hervorgehenden  Schlüsse  sind  so  lange  un- 
i-erfänglich,  als  auf  demselben  Orte  nur  die  verschiedene  Umbil- 
iluugsstufe  ein-  nnd  derselben  Formate  vorfindig  sind.  Sie  hören 
öS  auf  zu  sein,  wenn  wie  es  meist  der  Fall,  gleichzeitig  und 
klurcheinander  verschiedene  in  auf-  und  absteigender  Ordnung  wach- 
tjende  Gebilde  vorkommen.  Der  Beweis,  dass  eine  im  spätem 
.jcbensalter  beobachtete  Form  wirklich  die  weitere  Umwaudlungs- 
t5tufe  einer  andern  früher  gesehenen  ist,  kann  dann  nur  durch  be- 
tioudere  Hilfsmittel  geführt  werden,  wie  z.  B.  dadurch,  dass  sich 
üine  chemische  oder  funktionelle  Identität  herstellen  lässt,  oder 
l;lass  das  Zahlenverhältniss  der  verschiedenen  Formen  in  aufeinan- 
i.lerfolgender  Alterstufe  dasselbe  geblieben  ist,  oder  dass  man  so 
iele  und  rücksichtlich  des  Zeitabstandes  einander  so  nahe  ge- 
•  jgene  Formstufen  untersucht  hat ,  dass  sich  durch  sehr  uahe- 
aegende  Uebergäuge  der  Stammbaum  entwickeln  lässt  u.  s.  w. 
))a  diesen  letztern  Bedingungen  in  zahkeichen  Fällen  nicht  genügt 
ri^urde  oder  nicht  werden,  konnte,  so  haftet  vielen  sogenannten  Ent- 
fdckelungsvorgängen  ein  solcher  Grad  von  Unsicherheit  an,  dass 
sach  dem  Ausspruch  He  nies  der  unermüdlichsten  und  überlegen- 
sten kritischen  Autorität  auf  diesem  Gebiete  die  Veröffentlichung 
wn  Beobachtungsresultaten  über  Formfolge  nur  noch  die  Geltung 
iiiner  Abstimmung  hat.*) 

Mischungsfolge.  Obwohl  mm  dem  Mikroskop  noch  viel 
1 1  thun  übrig  bleibt,  so  sind  doch  noch  immer  seine  Aufklärungen 
eit  voraus  denen,  die  uns  die  chemische  und  physikalische  Durch- 
'•»rschung  leisten  müssen.  Wir  haben  in  keinem  Falle  eine  klare 
'orstellung  von  der  ganzen  chemischen  Zusammensetzung  der 
l'lementarformen  zu  irgend  einer  Zeit,  geschweige  denn  von  der 
uemischen  Entwickelung  der  Gewebe,  ebenso  ist  uns  nur  sehr 
fieilweise  Ijekannt  der  atomistische  Bau  der  Flüssigkeiten ,  in  wei- 
nen jene  Elementargebildc  wachsen  oder  vergehen,  und  noch  weniger 
(ie  Dehnbarkeit,  Festigkeit,  die  (iuelhmgsfähigkcit,  die  Spannung, 
m  Lichtbrechungsvermögen  und  deren  Aenderungen  in  der  Zeit. 

Da  aber  mindestens  alle  diese  Fragen  beantwortet  sein  müssten, 
m  auch  nur  den  Versuch  einer  Theorie  der  Gewebsentwickelungen 


•)  Aiiiitoinlsclicr  .Inlircsbnricht  fiir  ISöC.  Leipzig  u.  Ilclilollicrg  IHM.  p.  1. 


224 


Entstehung  (los  tosten  Aggregatzustandes. 


möglicli  zu  machen,  so  folgt  sogleich,  dass  uns  fUr  jetzt  nichts 
übrig  bleibt,  als  nach  neuen  Angriffspunkten  für  die  Beobachtung 
zu  suchen.    Hierher  dürfte  Folgendes  zu  rechnen  sein. 

«.  Zur  Entstehung  eines  jeden  Formelements  ist  zunächst  die  i 
Umwandlung  des  flüssigen  in  den  festen  Aggregatzustand  nötliig, 
also  wird  auch  zuerst  zu  fragen  sein  aus  welchen  Gründen  ent 
steht  in  den  Flüssigkeiten  des  thierischen  Leibes  ein  Niederschlag? 
Indem  wir  zur  Aufzählung  der  Hülfsmittel  schreiten,  welche  der 
Organismus  besitzt,  um  den  flüssigen  Aggregatzustand  seiner  Be 
standtheile  in  den  festen  zu  verkehren,  darf  die  Bemerkung  nicht 
unterdrückt  werden,  dass  sie  uns,  so  weit  wir  sie  kennen,  nicht 
etwa  durch  besondere  auf  diesen  Punkt  gerichtete  Untersuchungen 
aufgeschlossen  wurden.    Sie  sind  im  Gegentheil  nur  ein  beiläufiger 
Erwerb  anderer  Beobachtungsreihen,  die  mit  den  chemischen  Bc 
standtheilen  des  Thierleibes  inner-  und  ausserhalb  dieses  letzteren 
angestellt  wurden.    Diese  Mittheilung  bürgt  hinlänglich  dafth-,  dass 
die  folgenden  Angaben  nur  einen  sehr  kleinen  Theil  der  wirklich 
vorhandenen  Mittel  umgreifen. 

Die  Salze  mit  alkalischer  und  ammonikalischer  Basis,  ferner 
Ca  Gl,  Mg  Gl,  Zucker,  Milchsäure,  Harnstoff,  Kroatin,  die  niedem 
Glieder  der  Fettsäurenreihe,  sind  immer  flüssig  im  thierischen  Or- 
ganismus vorhanden;  dieses  steht  in  Uebereinstinimung  mit  unse- 
ren Einsichten  in  die  chemischen  Eigenschaften  der  aufgezählten 
Körper,  da  wir  in  der  That  keine  Veranlassung  anzugeben  wüss- 
ten,  warum  das  überall  vorhandene  Wasser  sein  Vermögen,  sie  zu 
lösen,  einbüssen  sollte. 

Da  die  freien  kohlensauren  und  phosphorsauren  Kalksalze  nur 
in  Säuren  lösUch  sind,  so  müssen  sie  aus  ihren  Lösungen  auSr 
fallen,  so  wie  die  fi-eie  Säure  neutralisirt  oder  gar  übersättigt 
wird.  —  Die  gewöhnliche  Verbindung  mit  eiweissartigen  Stoffen, 
in  der  die  phosphorsaure  Kalkerde  in  den  thierischen  Säften  ge- 
löst vorkommt,  ist  nur  flüssig  mit  Hülfe  eines  alkalischen  oder| 
schwaohsauren  Zusatzes.  Um  sie  zu  fällen,  genügt  also  eine  Neil: 
tralisation  der  einen  oder  andern  Reaktion. 

Die  Fette  und  ihre  Säuren  werden  entweder  fest,  indem  aus 
einem  Gemenge  derselben  die  leichtschmelzbaren  Tbeile  (die  Oel- 
fette)  entfernt  werden,  so  dass  nur  noch  die  zurückbleiben,  welche 
bei  der  Temperatur  des  thierischen  Körpers  erstarren;  oder  es 
werden  durch  stärkere  Säuren  die  löslichen  Kali-  und  Natrouver- 


Entstehung  dos  festen  Aggregatzustandes  und  der  Coliäsion. 


225 


bindungen  der  an  und  für  sich  unslöslichen  fetten  Säuren  zersetzt, 
-iso  dass  nun  diese  letztern  ausgeschieden  werden. 

Die  Eiweisskörper,  welche  vorzugsweise  iu  Betracht  kommen, 
.  da  aus  ihnen  und  ihren  Zersetzungsprodukten  die  meisten  thie- 
i  rischen  Fonnen  zum  weitaus  grössten  Theil  bestehen,  können  auf 
ssehr  vielfältige  Art  fest  werden  und  Festes  erzeugen.  Einmal  er- 
t eignet  sich  dieses,  wenn  sie  in  unlösliche  Modificationen  verwan- 
i-delt  werden,  in  Folge  der  Umsetzungsprozesse,  welche  sie  in  dem 
1  Lebenshergang  erfahren.  Als  Beispiele  hierfür  sind  vorzuführen 
;  die  Entstehung  des  Faserstoffs  aus  dem  flüssigen  Bluteiweiss,  dieUm- 
V  Wandelung  des  letztern  in  Proteinbioxyd,  in  die  leimgebenden  und 
iin  den  elastischen  Stoff.  Dann  kann  die  Fällung  geschehen  durch 
ceine  Veränderung  in  den  Eigenschaften  der  lösenden  Flüssigkeit. 
1  Hierher  wäre  zu  rechnen  die  Ausfällung  des  Eiweisses  aus  alka- 
f  lisch  oder  schwach  sauer  reagirenden  Flüssigkeiten  durch  Neutra- 
lisation, durch  Zusatz  von  conzentrirten  Salzlösungen  oder  auch 
(durch  sehr  reichliche  Verdünnung  mit  Wasser,  So  wird  z.  B. 
idurch  Zusatz  einer  beliebigen  verdünnten  Säure  zu  Lösungen  von 
iCasein  und  Natronalbuminat,  durch  Zusatz  von  fetten  Säuren  zu 
IHühnereiweiss  und  Blutserum  (Witt ich)*)  ein  Niederschlag  ge- 
't bildet;  fernerhin  erzeugt  ein  reichlicher  Zusatz  von  Kochsalz  zu 
1  Blutserum  und  zu  dem  Inhalt  seröser  Säcke  eine  Fällung  (Vir- 
cchow)**),  endlich  trübt  eine  reichliche  Beimengung  reinen  Wassers 
Odas  Blutserum  (Scher er)  und  den  Inhalt  der  Furchungskugelu 
((Bisch off).  —  Drittens  ifet  es  möglich,  die  eiweiss artigen  Stoffe 
Bonlöslich  zu  machen  durch  Herbeiführung  einer  Verbindung  der- 
Helben  mit  andern  chemischen  Körpern.  Fälle,  welche  unter  dieser 
»letzten  Rubrik  aufzuzählen  wären,  sind  uns  in  den  Vorkommnissen 
ßdes  thierischen  Lebens  nicht  bekannt.  Sie  könnten  sich  möglicher 
Weise  ereignen  durch  Elektrolyse  des  Na  Cl  in  der  Verbindung  des 
ifreigewordenen  Chlors  mit  dem  Eiweiss. 

ß.  Eine  zweite  Frage  von  nicht  minderem  Interesse  würde  zu 
wissen  verlangen,  wovon  der  Grad  der  Cohäsion  in  dem  Nieder- 
wchlag  abhängig  sei.  Beim  Mangel  aller  einschlagenden  Unter- 
isuchungen  wäre  nur  an  die  bekannte  Thatsache  zu  erinnern,  dass 
sein  und  derselbe  Eiweisskörper  je  nach  der  Dichtigkeit,  der  sauren 
»oder  alkalischen  Reaktion  seiner  Lösung  beim  Niederfallen  in 


•)  L  ieblgs  Aniinlcn.  01.  Rd.  3ni. 

>*)  Do  hyiuenügenhi  albuminis.  Rcglomontii  18&0. 

Ludwig,  Physiologie  II.   2.  Auflage. 


15 


226 


Ki-ystallinisches  und  amorphes  Gefüge. 


festzusarameuliängeutleu  oder  in  ki-Umlichen   Niederschlägen  er 
scheint. 

Wovon  sind  die  Gestalten  der  primären  Niederschläge  ali 
hängig?  Die  geometrischen  Eigenschaften  der  Flächen,  welcli 
einen  Niederschlag  begrenzen,  müssen  entweder  hervorgerufen  seil  | 
von  Kräften,  welche  innerhalb  seiner  Masse  thätig  sind,  also  vo 
Innern,  oder  von  Umständen,  welche  mit  Rücksicht  auf  die  Mas.si 
aus  welcher  der  Niederschlag  besteht,   äussere  zu  nennen  sind 
Da  im  ersten  Fall  der  Niederschlag,  wie  gross  oder  klein  er  au(  t 
erscheinen  mag,  immer  mit  einer  bestimmten  Form  auftreten  mus 
weil  diese  ja  von  den  Eigenschaften  seiner  (wäg-  und  unwägbare) 
Substanz  abhängig  ist,  so  nennt  man  alle  Massen,  zwischen  derc 
Molekeln  formbestimmende  Kräfte  sich  geltend  macheu,  geformt ^ 
alle  andern  dagegen,   deren  Gestalt  sich  nach  den  Umständi 
richtet,  die  von  aussen  her  auf  ihre  Grenzen  wirken,  formlo.se 
Die  Erfahrung  hat  nun  längst  Kennzeichen  aufgestellt,  aus  wcl 
chen  entschieden  werden  kann,  ob  eine  Masse  zu  der  einen  odr 
andern  Kategorie  zu  stellen  sei.    Die  Richtkräfte  nemlich,  welcL 
die  Molekeln  der  geformten  Masse  anordnen,  führen  jedesmal  zi 
Bildung  von  Krystalleu,  d.  h.  zu  Figuren,  die  von  Ebenen,  welcli 
unter  bestimmten  Winkeln  zusammenstossen ,  begrenzt  sind;  zi 
gleich  sind  die  Molekeln  innerhalb  der  Krystalle  mindestens  i 
zwei  aufeinander  senkrechten  Richtungen,  welche  dm-ch  die  so: 
Krystallachsen  bestimmt  werden,  in  einer  ungleichen  Anordnuii 
enthalten,  vermöge  deren  die  Widerstände  für  den  Durchgang  de 
Lichtes,  der  Wärme  und  Elektiizität  und  ebenso  die  Cohäsion  uii 
Elastizität  nach  der  einen  der  bezeichneten  Richtungen  grössi 
sind,  als  nach  der  andern.  —  Gerade  umgekehrt  verhalten  sir  , 
die  formlosen  StotFe;  in  ihnen  findet  Licht,  Wärme  imd  Elektrizitii  I 
den  Weg  nach  allen  Richtungen  hin  auf  gleiche  Weise  gebahnl 
und  ebensowenig  ist  die  eine  Dimension  vor  der  andern  diuT 
Elastizität  und  Cohäsion  bevorzugt. 

Der  Versuch,  das  GefUge  der  festen  Massen  des  menschliche  • 
Körpers  unter  die  beiden  grossen  Gruppen  zu  vertheilen,  sieht  si( 
gezwungen  zu  unterscheiden  zwischen  den  Formen  der  nicht  mel 
sichtbaren  Molekeln  und  denjenigen   der  sichtbaren  Molekula 
häufen. 

Unzweifelhafte  Krystallmolekeln  kommen  sehr  verbreitet  vo 
Wir  dürfen  ihre  Anwesenheit  voraussetzen  in  den  als  solchen  sich:  ^ 
baren  Kiystallindividueu  des  kohlensauren  Kalks,  der  neutrale 


GefUge  der  sichtbaren  und  unsichtbaren  Formen. 


227 


und  sauren  Fette,  des  jCholestearins ,  der  Harnsäure.  Nächstdem 
deckt  uns  das  polarisirte  Licht  krystallinische  Molekeln  auf,  die 
zwischen  andere  amorphe  Stoffe  eingestreut  sind  in  mannigfachen 
im  Allgemeinen  nicht  krystallinischen  Elementarformen,  so  in  den 
•Muskelrohren,  Bindegewebsfasern  u.  s.  w. *)   (Boek,  Erlach, 
Brücke,  His).  —  An  einem  andern  nicht  minder  reichlich  vertre- 
(tenen  Antheil  der  thierischen  festen  Masse  kann   dagegen  bis 
idahin  durch  kein  Hilfsmittel  eine  krystallinische  Molekularstruktur 
■erkannt  werden.    Man  wird  sie  also   einstweilen  aus  kleinsten 
iTheilchen  von  unbestimmter  Form  zusammengesetzt  ansehen,  dabei 
laber  nicht  vergessen,  dass  aber  auch  das  Gegentheil  möglich  ist. 
Für  eine  krystallinische  Struktur  einzelner  unter  ihnen  würde  z.  B. 
liie  Befähigung  des  Fibrins  sprechen,  beim  Festwerden  in  Fasern 
tKU  gerinnen,  was  darauf  hindeutet,  dass  die  in  der  Masse  wirk- 
i;3amen  Anziehungskräfte  nach  der  einen  Richtung  hin  bevorzugt 
1  >ind.    In  allen  übrigen  könnte  man  auch  mit  Frankenheim**) 
jin  sehr  inniges  Gemenge  von  unregelmässig  gelagerten  und  sehr 
verschiedenartigen  Krystallmolekeln  mit  gleicherEigenschwere  und 
[»rosser  gegenseitiger  Adhäsion  voraussetzen. 

Die  Kräfte,  welche  sich  an  der  Formung  der  sichtbaren  Mo- 
sekularhaufen  betheiligen,  sind  in  einigen  seltenen  Fällen  dieselben, 
welche  die  krystaUinischen  Molekeln  gestalteten.    Denn  diese  sicht- 
«aren  Gruppen  stellten  selbst  wieder  Krystalle  vor  wie  z.  B.  die 
Wehörsteine,  der  krystallinische  Inhalt  der  Fettzellen,  das  Chole- 
btearin  in  serösen  Flüssigkeiten  u.  s.  w.  —  Für  weitaus  die  grösste 
Mehrzahl  der  Elementarfonnen  gilt  dieses  jedoch  nicht,  da  die  Be- 
rrenzungsflächen  der  hier  zusammengeballten  Molekeln,  mögen  sie 
plbst  krystallinisch  oder  nicht  krystallinisch  sein,  nicht  mehr  die 
iücnschaften  der  krystallartigen  ti-agen.    Der  Grund  dafiir,  dass 
I  ie  Kräfte ,  welche  den  Aufbau  der  Molekeln  besorgen ,  nicht  mehr 
(  laassgebend  sind  für  die  Bildung  der  sichtbaren  Gestalten  von  der 
I  itzteren  Art,  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  in  den  Eigenschaften  der 
i  usammengefligten  Stoffe  selbst  zu  suchen;  denn  erfahningsgemäss 
1  irken  auf  die  gröbern  Gestaltungen  welche  das  Eiweiss,  der  Faser- 
I  toff,  der  Leim  u.  s.  w.  beim  Gerinnen  annehmen,  Bedingungen  ein, 
I  eiche  die  sichtbaren  Krystallgestalten  entweder  gar  nicht  oder 
enigstens  nicht  in  der  Weise  beeinflussen. 

■)  MUllors  Archiv  1847.  313.  —  Donkschriften  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  XV.  Bd. — 
'a(<c  znr  Histologie  der  Hornhaut  v.  W.  Hls  IfiSG. 
•>  Cryatallisntion  und  Amorphie.  Ureslau  1851. 

15* 


228 


Prägung  der  formlosen  Massen. 


Zur  Erläuterung  des  Gesagten  diene,  dass  die  Krystall- 
formen  des  Margarins,  Stearins,  des  kohlensauren  Kalkes  u.  s.  w. 
in  keinem  Fall  sicli  ändern  mit  den  Gestalten  des  Tropfens  oder 
der  Dichtigkeit  der  Lösung,  aus  der  sie  herauskrystallisirten ;  alles 
dieses  hat  aber  Einfluss  auf  die  Gestalt,  welche  das  Eiweiss  oder 
der  Faserstoff  beim  Gerinnen  annimmt;  aus  verdünnten  Lösungen 
fallen  Flocken,  aus  conzentrirten  compakte  Massen  heraus;  sie  ge- 
rinnen hautartig  oder  zu  mannigfach  geformten  Gebilden,  je  nach 
der  Zahl,  der  Anordnung  und  dem  zeitlichen  Wirken  der  Be- 
rührungspunkte des  Eiweisses  mit  einer  andern  Flüssigkeit,  welche 
die  Gerinnung  erzeugt;  Eiweiss  und  Faserstoif  nehmen  beim  Ge- 
rinnen die  Gestalt  der  Gefässe  an,  in  der  dasselbe  vor  sich  ging 
u.  s.  w. 

Daraus  folgt  mit  Nothwendigkeit,  dass  auch  die  besondeni 
Gestalten,  welche  jene  Stoife  beim  Festwerden  im  Thierleib  an- 
nehmen, die  Folgen  einer  gestaltgebenden  Einrichtung,  wir  wollen 
kurz  sagen,  einer  Prägung,  sein  müssen. 

Um  diesen  Satz,  der  von  den  Eigenschaften  der  Stoffe  herge- 
leitet ist,  welche  vorzugsweise  zu  dem  Aufbau  der  thierischeu 
Formen  verwendet  sind,  aus  dem  Bereich  der  Probabilität  zu  be- 
heben, müssten  wir  im  Stande  sein,  die  besondern  prägenden  Ein- 
richtungen, die  bei  der  Gewebsbildung  thätig  sind,  nachzuweisen. 
Dieses  ist  freilich  bis  dahin  nicht  möglich.  Die  folgende  Dar- 
stellung muss  sich  deshalb  darauf  beschränken,  den  Begriff  der 
Prägung  in  den  aüerallgemeinsten  Zügen  hinzustellen,  und  die 
Möglichkeit  ihres  Bestehens  aus  den  Einrichtungen  des  thierischen 
Körpers  nachzuweisen. 

Da  die  einfachsten  Formen  des  thierischen  Körpers,  die  Platte, 
die  Faser,  das  Korn  sich  nur  durch  ihre  Dimensionen  unterscheiden, 
so  werden  die  Bedingungen,  ob  die  eine  oder  andere  Form  erscheint, 
sich  im  Allgemeinen  leicht  zusammen  lassen.  Zunächst  kommt  in 
Betracht,  ob  die  Niederschläge,  welche  aus  der  Berührung  zweier 
Flüssigkeiten  hervorgehen,  cohärent  sind  oder  nicht,  ein  Umstand, 
der  wohl  von  der  chemischen  Natur  der  Flüssigkeit  abhängt.  Bei 
Gleichheit  der  chemischen  Natur  der  Niederschläge,  resp.  der  erzeu- 
genden Flüssigkeiten  vrird  die  Ausdehnung  der  Berührungsflächen 
zwischen 'den  beiden  sich  niederschlagenden  Lösungen  in  Betracht  j 
kommen ,  und  endlich  bei  Gleichheit  der  beiden  genannten  Beding- 
ungen Avird  die  Zeitdauer,  Avährend  welcher  die  Fällung  geschieht, 
und  der  Umstand,  ob  die  Flüssigkeiten  ruhen  oder  in  Bewegung  sind, 


Prägung  besonderer  Gestalten. 


229 


bestimmend  wirken.    Diese  einfachen  Bedingungen,  deren  Folgen 

i  iicli  von  selbst  verstehen,  werden  oft  genug  erfüllt  sein  in  dem  formen- 
veichen  Organismus,  der  mit  ruhenden  und  bewegten  und  zugleich 

ii  erschiedenartig  zusammengesetzten  Flüssigkeiten  durchtränkt  ist. — 
sl^icht  minder  lassen  sich,  wenn  einmal  irgend  welche  Formen  ge- 
:^eben  sind,  aus  den  tiberall  gebotenen  Einrichtungen  Gründe 
(ibleiten,  welche  den  Häuten  oder  Fasern  noch  besondere  Gestal- 
een  geben,  oder  die  schon  vorhandenen  verändern.  Hier  bieten 
[lieh  zu  beliebiger  und  mannigfaltiger  Verwendung  die  Quellungs- 
ti-'ähigkeit,  die  Elastizität,  die  ungleiche  Spannung,  die  Zersetzung 
llurch  den  elektrischen  Strom,  die  Vorgänge  der  Gährung,  die 
ITropfenspannung,  die  ungleiche  Cohäsion  der  festen  Theile  dar.  Je 
nachdem  man  tiber  diese  Bedingungen  disponii-t,  können  Ver- 
dickungen, Auflösungen,  ein-  oder  allseitiges  Wachsthum,  Spaltun- 
'?en  eines  festen  Körpers  herbeigeführt  werden,  und  es  kann  hier- 
bei noch  die  Aufgabe  gelöst  werden  auf  sehr  beschränkten  Räu- 
unen  ganz  betrogene  Vorgänge  einzuleiten.  Obwohl  ganz  unzwei- 
felhaft mit  der  Aufzählung  der  obigen  Bedingungen  die  der  wirk- 
lich vorhandenen  noch  nicht  erschöpft  ist,  so  geben  sie  doch 
iüchon,  wie  ein  km-zes  Nachdenken  zeigt,  unzählige  prägende  Ein- 
iichtungen  an  die  Hand.  Die  Versuchung,  die  Tragweite  dieser 
ausserordentlich  biegsamen  Principien  für  die  Gestaltungen  des 
hhierischen  Körpers  weiter  zu  verfolgen,  liegt  in  der  That  so  nahe, 
dass  sie  nur  durch  die  Befürchtung  tiberwunden  werden  kann,  hier- 
ii'ci  in  eben  so  nahe  liegende  Willktihrlichkeiten  und  in  Ausein- 
undersetzungen  zu  verfallen,  die  der  Natur  nicht  entsprechen 
DQöchten. 

Wir  kehren  nach  dieser  nur  auf  Wahrscheinlichkeiten  beruhen- 
den Auseinandersetzung  zu  denThatsachen  zurtick.  Dieselehren,  dass 
lie  Platten,  Fasern,  und  Körnchen  von  eigenthtimlicher  Form  nicht 
I  ogleich  vollkommen  fertig  aus  der  Fltissigkeit  hervorgehen,  sondern 
l;lass  den  Kugel-  und  Cylindermänteln,  denBtindeln  und  Netzen  aus 
^faser  u.  s.  w.  erst  Gestalten  vorausgehen,  welche  für  jene  genannten 
obmigebend  wirken.  Zu  diesen  ursprtinglichen,  formgebenden  Werk- 
«eugen  zählt  die  anatomische  Beobachtung  vor  allen  die  Zelle. 

Die  Gestalten  welche  man  wegen  ihres  prägenden  oder  fornibil- 
•lenden  Einflusses  unter  dem  Namen  der  Zellen  zusammenstellt,  zeigen 
«war  rücksichtlich  ihrer  Form  gewisse  Aehnlichkeitcn ,  aber  auch 
i'eichliche  Unterschiede.  So  lassen  sich  namentlich,  abgesehen  von 
den  Abweichungen  in  den  Grössen,  in  den  Verhältnissen  der  Durch- 


230 


Bedingungen  für  die  Zellenbildunt;. 


messer  nach  verschiedenen  Richtungen,  der  Durclisichtigkeit  u.  s.w. 
als  besondere  Zellenarten  hinstellen  die  freien  Kerne,  kernhaltige  Zeilen 
und  Furchungskugeln ;  diese  letztere  Gattung  ist  nach  der  Angabe 
vieler  Embrologen  insofern  von  dem  Typus  der  Schwann  sehen  Zeih 
sehr  abweichend,  als  weder  der  Kern,  noch  die  äussere  Begrenzung 
mit  einer  Haut  umzogen  ist. 

Ueber  die  chemische  Anordnung  der  thierischen  Bildungszelle 
sind  wir  nur  durch  einige  mikrochemische  Reaktionen  unterrichtet; 
diesen  entsprechend  kommt  ihr  mindestens  ein  Vertreter  aus  einer 
jeden  der  grössern  chemischen  Gruppen  zu,  welche  im  Blute  des 
Menschen  vorkommen,  also  Eiweissstoffe,  Fette,  Salze,  Wasser,  und 
ausser  diesen  in  der  Hülle  und  im  Kern  noch  andere  dem  Blut 
wahrscheinlich  nicht  angehörende  Köi-per.  Ausserdem  ist  bekannt, 
dass  die  festen  eiweissartigen  Stoffe  der  äusseren  Hülle  und  des 
Kerns  nicht  dieselben  Reaktionen  darbieten  und  dass  in  einzelnen 
Zellen  für  die  verschiedenen  Schichten  der  äusseren  Hülle  sogar 
ein  Gleiches  gilt.  —  Von  sonstigen  physikalischen  Eigenthümlich 
keiten  ist  uns  nur  bekannt,  dass  die  Hülle  quellungsfähig,  elastisch 
und  meist  durch  den  Inhalt  gespannt  ist.  Zudem  sind  an  einzel- 
nen rhythmische  Bewegungen  des  Inhalts  erkannt  worden,  was 
vielleicht  nocif  allgemeiner  geschehen  sein  würde,  wenn  man  die 
Objekte  genügend  frisch  und  uiiter  möglichst  normalen  Bedingun- 
gen hätte  untersuchen  können. 

Die  Entsehung  einer  solchen  Zelle  setzt  eine  bestimmt 
zusammengesetzte  Flüssigkeit  und  gewisse  nicht  sehr  weit  ge- 
zogene Temperaturgrenzen  voraus ;  ausserdem  aber  muss  diese' 
Flüssigkeit  nach  den  Angaben  von  Remack,  Virchow,  Ley-If 
dig  u.  A.  jedesmal  in  einer  andern  Zelle  enthalten  sein,  während 
Schwann,  Hehle  u.  A.  nur  verlangen,  dass  in  der  Mutterlauge 
der  Zellen  andere  schon  fertige  enthalten  sind.  Den  Gegensatz 
dieser  Meinungen  bezeichnet  man  gewöhnlich  durch  die  Ausdrücke 
der  innem  und  der  freien  Zellenbildung. 

Die  Entstehung  der  Zellen  aus  einer  andern  schon  vorgebil- 
deten geschieht  dm-ch  Theilung,  Knospenbildung  oder  Eiuschach- 
telung.  In  jedem  dieser  Fälle  zergeht  zunächst  der  Kern  in  zwei 
oder  mehrere  kleinere,  die  sich,  in  dem  sie  sich  von  einander  ent- 
fernen vergrössern.  Ist  dieses  bis  zu  einem  gewissen  Grade  voll- 
filhrt,  so  faltet  sich  bei  der  Knospenbildung  die  Haut  um  einen 
jeden  Kern,  so  dass  die  alte  Zelle  unmittelbar  vor  dem  Abfall  der 
neuen  das  Ansehen  einer  Traube  bekommt,  deren  einzelne  Beeren 


Innere  und  freie  Zollonbildung. 


231 


11 1  sehr  feinen  Stielen  sitzen.  Bei  der  Theilung  wächst  zwischen 
011  neuen  Kernen  eine  Scheidewand,  welche  sich  von  der  äussern 
laut  durch  die  ganze  Zelle  hindurch  erstreckt;  indem  die  Scheide- 
ivand  zerfällt,  gehen  aus  der  alten  zwei  oder  mehrere  neue  her- 
tor.  Bei  der  endogenen  Bildung  endlich  umhüllt  sich  jeder  Kern 
lüt  einem  Antheil  des  zähen  Zelleninhalts ,  und  dieser  wieder  mit 
iiner  eigenen  rings  geschlossenen  Haut.  Hiernach  kann  die  Haut 
eer  alten  die  neu  entstandene  umschUessenden  Zelle  entweder  fort- 
eestehen  oder  sich  auflösen. 

Die  freie  Zellenbildung  soll  entweder  um  einen  schon  vorhan- 
eenen  in  einer  fertigen  Zelle  vorgebildeten  Kern  geschehen,  oder  es 
»11  sieh  auch  dieser  selbstständig  entwickeln.    Bei  dem  Wachsthum 

ier  Zellen  um  den  vorgebildeten  Kern  geht  der  Aufbau  derselben 
wesentlich  nach  den  Regeln,  die  iür  die  endogene  Entstehung  hin- 
•estellt  wurden,  nur  dass  hier  die  umschliessende  Mutterhaut  fehlt; 
3t  der  Kern  nicht  vorgebildet,  so  soll  entweder  der  Ausgangspunkt 
.er  Zellenentwickelung  durch  einen  freien  Tropfen  gegeben  sein,  der 
1  einer  homogenen  Flüssigkeit  schwimmt,  —  indem  sich  die  Be- 
Üiührungsfläche  der  beiden  Flüssigkeiten  durch  einen  hautartigen  Me- 
li erschlag  abgrenzt,  ist  der  Tropfen  zu  einer  Zelle  umgewandelt,  — 
kder  es  soU  auch  eine  kleine  oder  grosse  Menge  von  Körnchen 
iie  in  einer  Flüssigkeit  schwimmen,  sich  zu  einem  Klümpchen  zu- 
äammenballen  und  auf  der  Oberfläche  entweder  durch  einen  nen- 
otstandenen  Niederschlag  oder  durch  Verschmelzung  der  Grenz- 
iieilchen  eine  Zellenhaut  entstehen. 

Auch  ohne  eine  tiefer  gehende  Kritik  leuchtet  ein,  dass  die 
inhänger  der  Innern  Zellenbildung  nicht  im  Stande  sind,  die  Un- 
tatthaftigkeit  der  freien  zu  beweisen.  Andererseits  ist  es  auch  klar, 
»ass  die  Vertreter  der  letztern  Meinung  so  lange  nicht  auf  allge- 
iieine  Zustimmung  rechnen  können,  als  sie  nicht  die  Neubildung 
[lon  Zellen  in  einer  vollkommen  zellenfreien  Flüssigkeit  darthun, 
Jder  so  lange  sie  nicht  den  scharfen  Beweis  beibringen,  dass  die 
jorhandenen  Zellen  sich  zu  keiner  Zeit  ihres  Bestehens  mit  ihrer 
(orm  an  der  Neubildung  betheiligten. 

Gesetzt,  wir  Hessen  nun,  wie  es  neuerlichst  bei  den  Ana- 
»men  Brauch  geworden,  die  Zeugung  der  neuen  nur  in  alten 
oben  vorhandenen  Zellen  zu,  so  würde  sich  sogleich  fragen  las- 
en wie  und  warum  mehrt  sich  die  Masse  des  Kerns,  warum  und 
i'ie  zerfällt  sie  in  zwei  andre  Massen  von  kleinerem  Umfang,  warum 
("eichen  diese  beiden  auseinander  u.  s.  w.    Würde  man  den  Ver- 


232 


Einfluss  der  Zelle  auf  ilire  Umgebung. 


such  machen,  wie  weit  man  sich  clei-  Lösung  jedes  einzelnen  Ilei- 
ganges  nähern  könne,  so  würde  man  dabei  dann  auch  erfaliren,  wie,* 
weit  sich  die  Zellen  und  wie  weit  sich  die  in  ihrer  Umgebung 
vorhandenen  Bedingungen  an  jenen  Vorgängen  betheiligten.  Dagg 
diese  letzteren  nicht  gleicligültig  sind,  kann  nicht  bezweifelt  werden^ 
denn,  wenn  auch  dem  Begriff  der  innern  Zellenzeugung  gemäss 
selbst  die  Stoffe  und  die  Wärrae,  welche  zum  Erscheinen  der  Zeu- 
gung nöthig  sind,  der  ältern  Zelle  angehört  haben  müssen,  so  wird 
die  letztere  nicht  jedes  Rohmaterial  für  einen  gleich  brauchbaren 
Baustein  erachten  und  noch  weniger  wird  sie  sich  die  nöthige 
Wärme  selbst  erzeugen.  Die  kürzeste  Umschau  in  diesem  Gebiete 
zeigt  gleich,  dass  auch  hier  dem  Chemiker  und  Physiker  der 
grösste  Arbeitsantheil  zufällt  und  dass,  wenn  ihr  Licht  tiefer  diingt, 
erst  mit  den  Versuchen  begonnen  werden  kann,  welche  die  Vollen- 
dung der  Theorie  versprechen.  Wären  wir  erst  Herr  der  Bedingungen, 
durch  welche  wir  Eiweis  in  diesen  oder  jenen  beliebigen  Fennent 
körper  umwandeln,  oder  überhaupt  derjenigen,  durch  welche  wir 
das  Eiweiss  in  jedes  abgeleitete  und  zum  Zellenwachsthum 
brauchbare  Atom  umsetzen,  könnten,  durch  welche  wir  elek- 
trische Gegensätze  in  ihnen  zu  entwickeln  im  Stande  wären  u. s.w., 
so  würde  aucli  die  künstliche  Bildung  und  Entwickelung  der  Zella 
nicht  lange  auf  sich  warten  lassen;  dann  aber  erst  würde  man  diq 
nöthigen  Bedingungen  so  veränderlich  machen  können,  dass  man 
den  Einfluss  aller  einzelnen  Bildungsvorgänge  genau  ermitteln 
könnte,  eine  Aufgabe,  die  die  blosse  Beobachtung  voraussichtlict  B 
nie  lösen  kann.  I 

Die  soeben  angestellte  Betrachtung  sucht  also  den  verwickelter  i 
Begriffen  Zellenfunktion,  Zellenfortpflanzung  u.  s.  w.  die  einfacher 
Erklärungsgründe  unterzuschieben,  so  dass  man  am  Ende  der  Un 
tersuchuug  sagen  könnte,  so  weit  betheiligt  sich  an  der  NeubiU 
dung  Haut,  Kern  und  Flüssigkeit  der  Zelle,  und  die  Haut  wiedei 
so  weit  mit  ihrer  Elastizität,  ihrer  Durch dringlichkeit,  ihrer  cheniii 
sehen  Anregung,  die  Flüssigkeit  aber  durch  diese  oder  jene  ihrei 
Stoffe,   durch  ihren  Zähigkeitsgrad;  und  noch  weiter  diese  un( 
jene  Eigenschaft  vdrd  gesteigert  oder  gemindert  durch  die  Ein 
flüsse  des  Aufenthaltsortes. 

Eine  fertige  Zelle  ist  aber  nicht  bloss  die  Mutter  neuer,  son 
dem  sie  selbst  verändert  sich  weiter.  Diese  Eigenschaft  führt  ü 
unserer  Betrachtung  begreiflich  keine  neue  prinzipielle  Schwierigkeit 
ein,  da  wir  die  Zelle  einmal  als  einen  in  Bewegung  begriffenen  Me 


Einfluss  der  Umgebung  auf  die  Zelle. 


233 


lianismus  kennen  gelenit  haben.    Diese  Bewegung  muss  je  nacli- 
cni  sie  zu   einem  bestimmten  Gleichgewichtszustand  gelegt  oder 
111  zu  erreichen  gehindert  wird,  zu  den  verschiedenartigsten  Fol- 
eii  führen.    Allgemein  lässt  sich  wohl  aussagen ,  dass  bei  den 
teschränkten  Mitteln    der  Zelle    imd  bei    ihrer  Berührung  mit 
Bödern  bcAveglichen  Theilen  ihre  Bewegungen  bald  zur  Euhe  kom- 
men würden,  wenn  sie  nicht  von  aussen  neue  Anregungen  em- 
tfing,  Anregungen  die  nachweisslich  zum  grossen  Theil  durch  die 
ns  der  Umgebung  eintretende  Wärme  und  durch  die  Diffusion 
ü.s.siger  und  luftförmiger  Stoffe  bewerkstelligt  werden.  Anders 
irasgedrUckt  würde  dies  heissen,  dass  die  Entwickelung  von  der 
fmgebung  wesentlich  bestimmt  werde. 

So  gefasst,  wird  man  es  nun  ebenso  begreiflich  finden,  warum 
rrsprünglich  gleichartige  Zellen  wie  die  Bildungszellen  des  Eies 
ich  zu  verschiedenen  Geweben  entwickeln ;  denn  dazu  gehört  nur, 
rass  sie  in  räumlich  geti'ennte  Gruppen  geschieden  werden,  wo- 
rurch  die  Möglichkeit  gegeben  ist,  sie  mit  ungleichen  Wärmemengen 
rad  verschiedenartig  zusammengesetzter  Flüssigkeit  in  Berührung 
m  bringen  u.  s.  w.  Andrerseits  können  aber  auch  unmittelbar  an- 
iinander  grenzende  Zellen  einen  ungleichen  Bildungsgang  einschla- 
fen, da  schon  in  der  ersten  Einrichtung,  die  sie  mitbringen,  der 
mmd  liegen  kann,  warum  zwei  Zellen  von  denselben  Einflüssen 
ua  ganz  verschiedenen  Aeusserungen  bestimmt  werden. 

Wie  endlich  die  Zellen  von  ihren  Umgebungen  Masse  und 
Bewegungen  empfangen,  so  geben  sie  offenbar  diesen  auch  beides 
imd  zwar  durch  die  innere  Arbeit  der  Zelle  umgeändert  zurück 
lüd  aus  diesem  Grunde  kann  man  sagen,  wirke  die  Zelle  auch 
iildend  auf  ihre  Umgebung ;  wie  und  inwieweit  sie  dieses  vermag, 
fegt  jedoch  noch  ganz  im  Dunkeln,  so  viel  man  auch  schon  von 
>  ellenregion,  Aneignung  der  Nachbarschaft  u.  s.  w.  u.  s.  w.  [ge- 
prochen  hat. 

Es  würde  nicht  schwer  sein,  an  der  Hand  allgemein  mecha- 
iischer  Betrachtung  noch  Mancherlei  zu  sagen,  aber  Alles  wtirde 
foch  unbefriedigend  bleiben,  so  lange  nicht  von  speziellen  Mecha- 
bismen  ausgegangen  werden  kann;  dazu  gehört  aber  erst  die 
ntthsame  Spezialforschung.  Ob  und  wann  diese  in  Angriff  genom- 
•len  wird,  dies  wird  von  dem  Talente  der  Arbeitskräfte  abhängen, 
welche  das  Geschick  unserer  Wissenschaft  besonders  und  zunächst 
Juf  dem  chemischen  Gebiete  zufühi-en  wird. 


234 


Geschichtete  Bpithelien. 


Spccieller  Theil. 
Oberhäute,  Epithelien. 

Die  anatomischen  Elemente  der  Oberhäute  sind  Zellen,  deren 
Form  sich  der  kugeligen,  cylindrischen  oder  plattenartigen  annähert. 

Geschichtete  Pflasterhäute.    Sie  bedecken  die  CutisjO 
und  die  Fortsetzungen  derselben  in  die  Mund-,  After-,  Harn  und 
Geschlechtsötfnung. 

1.  Anatomische  Eigenschaften*).     Um  ihre  Aufhellung  hat 
sich  He  nie   besondere  Verdienste  erworben.    Die  geschichteten 
Pflasterhäute  enthalten  längliche,  kugelige  und  platt enförmige  Zel-^ 
len.    Die  zuerst  genannte  Formation,  welche  meist  mit  länglichen 
Kernen  versehen  ist,  sitzt  mit  einer  ihrer  schmalen  Flächen  un- 
mittelbar auf  der  Cutis  auf  (Kölliker)  ihre  Anwesenheit  ist  am  i 
Gaumen  (Szontagh)  an  der  Vaginalportion  des  Uterus  (Wag-ii 
ner)  und  an  der  Cutis  (Leydig)  bestätigt.    Reichert  erklärt  ti 
sie  jedoch  überall  für  eine  durch  die  Präparation  erzeugte  Täu-  ^ 
schung.    Ueber  dieser  finden  sich  mehrere  Lagen  von  kleinen  Ku-  f 
gelzellen,  die  immer  einen  relativ  grossen  Kern  einschliessen,  wel 
eher  nahebei  den  ganzen  Binnenraum  der  Zellen  ausflillt;  in  den  || 
noch  weiter  nach  aussen  gelegenen  Schichten  trifft  man  dann 
grössere  Zellen,  deren  Form  zwischen  der  Kugel  und  Platte  die 
Mitte  hält,  und  endlich  sind  die  äussersten  Lagen  aus  Plättchen 
gebildet;   der  geringe  Binnenraum  in  diesen  platten  Zellen  ist 
durch  einen  Kern  ausgefüllt,  welcher  an  Grösse  den  der  kugeligen 
kaum  übertrifft.     In  den  äussersten  Zellenlagen  der  Epidermis 
scheint  jedoch  der  Kern  zu  fehlen  (Moleschott).  —  Zwischen 
den  Zellen  der  tieferen  Schichten  findet  sich  noch  etwas  Flüssig- . 
keit  ergossen,  die  zwischen  den  oberflächlicheren  fehlt. 

Die  Gesammtzahl  der  Zellen,  welche  in  einem  senkrecht  ge- 
gen die  Cutis  geführten  Schnitte  übereinander  liegen  (oder  die 
Dicke  der  Epidermis),  und  ebenso  die  Verhältnisszahl  zwischen 
cylindrischen  und  kugeligen  einerseits  und  plattenförmigen  ande-^ 
rerseits  ist  veränderlich  mit  den  Hautstellen,  deren  Bedeckung  sie 
bilden.  Diese  mit  dem  Standort  veränderlichen  Verhältnisse  prSn 
gen  sich  schon  im  fötalen  Leben  aus  (Alb in,  Krause),  so  dass 
sie  als  eine  Folge  der  eingeborenen  Bildungsmechanismeu  angea 
sehen  werden  mlissen.    Die  Messungen  von  Krause,  Kölliker 

•)  Kiaiise,  „Hiiut"  inWagncr's  llRiidwürtorbucli.  H.  Bd.  —  Harting,  Bcchorches  niicro- 
ra'etriqucs.  Utrecht  1845.  p.  47.  —  KöUikor,  Mikroskop.  Anatomie.  II.  Bd.  I.  Abthcil.  p.  15.  — 
Uonlc,  Jahresbericht  Uber  alldem.  Anatomie  für  1850.  p.  20. 


Ajiatomischer  niul  chemischer  Bau  der  Epithelicn. 


235 


md  Wen  dt  stellen  heraus,  dass  die  Dicke  der  gesammten  Ober- 
jaut  am  mächtigsten  in  der  Fusssohle  und  den  Handtellern,  am 
>3ringsten  an  dem  Kinn,  den  Lippen,  der  Stirn,  den  Wangen,  den 
migenlidern  und  dem  äussern  Gehörgang  ist.  In  einzelnen  Fällen 
nertriflft  die  Zahl  der  über  einander  geschichteten  Cylinder  und 
lugelzellen  (rete  Malpighi)  diejenige  der  plattenförmigen  (Horn- 
bhicht) ;  für  gcM^öhnhch  gilt  jedoch  das  umgekehrte. 

Die  Grösse  der  einzelnen  Zellen  ist  unabhängig  vom  Lebens- 
tter  ihres  Trägers;  diejenigen  des  Neugeborenen  sind  eben  so 
•oss  wie  die  des  Erwachsenen  (Harting). 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Die  bisherigen  Unter- 
iiichungen  scheinen  zu  ergeben,  dass  die  verschiedenen  morpholo- 
sschen  Bestandtheile,  die  Kerne,  die  Zellenwand  und  der  die  Zel- 
v.n  mit  einander  verbindende  Stoff  aus  irgend  wie  verschieden 
'•3schaffenen  Atomen  gebaut  sind.  Denn  der  verklebende  Stoff  ist 
-slich  in  Ammoniak,  Kupferoxydammoniak  und  in  einer  Kalilauge, 
telche  25  bis  35  p.  c.  KOHO  enthält;  -vaelleicht  auch  beim  Kochen 
11  Papinschen  Topf.  —  Die  Kerne  der  Honischicht  sind  löslich  in 
•  •  p.  C.  und  die  Zellenwäude  endlich  in  5  p.  C.  Kalihydratlösung. — 
US  der  letztren  Lösung  kann  durcli  Essigsäure  ein  Körper  der 
■■•oteingruppe  gefällt  werden  (Donders  Moleschott).  —  Die 
'jllenwand  besitzt  in  verschiedenen  Altersstufen  nicht  dieselben 
?3aktionen ;  die  der  Schleimschicht  ist  im  Gegensatz  zu  der  in  der 
9)rnschicht  in  Essigsäure  löslich  (Henle). 

TJeber  die  Hornschicht  ini  Ganzen  ist  noch  Folgendes  bekannt:    Kaltes  Wasser 
bht  aus  derselben  eine  salzhaltige,  sauer  reagircnde  Flüssigkeit  aus,  welche  nach  ' 
E3m  Analysen  aus  Verbindungen  von  Ammoniak,  Natron,  Kali,  Eisenoxyd  mit  Essig- 
ii.re,  Milchsäure,  Phosphorsäure  und  Chlor  bestehen  soll  (Berzelius).  Kochendes 
iissor  löst  unter  Schwefelwasserstoffentwicklung  einen  leimartigen  Körper  auf  (John); 

hlossberger  erhielt  dagegen  aus  lehthyosisschuppen  durch  dreistündiges  Kochen 
einem  Druck  von  3  Atmosphären  ■\vohl\  ein  Extract,  aber  keinen  Leim.  Alkohol 
ii  Aether  entziehen  ihm  Ectt.  —  Das  nach  dieser  Behandlung  zurückbleibende  Ge- 
ingc  (der  sog.  Hornstoff)  gab  bei  der  Verbrennungsanalyse  von  Scher  er  und  Mul- 
rr  in  100  Theilen:  C50,3;  H6,7;  Nn,2;  027,0;  S0,7.  —  Mit  Salpetersäure  gc- 
innt  man  die  sog.  Xanthoproteinsäuro  aus  derselben ;  bei  der  Auflösung  der  Epidermi- 
■len  in  Kali  bildet  sich  SH  und  NH3  neben  dem  schon  erwähnten,  dem  Protein  nach 
'•zcntischcr  Zusammensetzung  und  llcaktionon  ähnlichen  Stoff.  Beim  Verbrennen  ont- 
iikeln  sie  den  Geruch  eiwcissartiger  Stoffe.  —  Die  verbrannten  Hornzellen  hinter- 

äen  eine  Asche,  welche  bis  zu  2  p.  C.  der  trockenen  Substanz  ausmacht  und  aus 


*  *)  Haider,  Versuoli  einer  allgemolnon  phystolog.  Ohomlo.  Brnunsohwelg.  p.  548.  —  S  c  h  1  o  k  s- 
rger:  allgemeine  Thiorchemie,  Leipzig  186G.  265.  —  Moluschott  In  dessen  Untersucliiingon 
■  Naturlohre  IV.  97. 


236 


Quollungserscheinungen  der  Epithclien. 


SCaOPOä  und  FojOs  besteht.  —  In  der  Asche  der  IcMhyosisschuppen  fand  SchlosB- 
b  orger  NaO,  KCl,  CaOSOa,  SiOs,  und  3  (Mgo,  CaO,  Fei  O3)  PhOs. 

3.  Quellungsei'sclieiriungen*).  Reines  Wasser  dringt  sehr 
schwer  in  die  Epidermis  ein;  legt  man  dickere  Stücke  derselben 
in  Wasser,  so  findet  man  selbst  nach  tagelanger  Einwirkung  nur 
die  obersten  Lagen  der  Hornschicht  aufgeweicht.  In  einer  aul 
diese  Weise  behandelten  Deckhaut  ist  der  Zusammenhang  zwi 
sehen  den  Zellen  gelöst,  der  Umfang  dieser  letzteren  selbst  aber 
nur  um  ein  Unbedeutendes  vergrössert.  —  Bindet  man  einen  mit 
Epidermis  bedeckten  Hautlappen  über  die  eine  Mündung  eines 
Glasrohrs  und  füllt  dieses  letztere  bis  zu  beträchtHcher  Höhe  mit 
Wasser  an,  so  dringt  dieses  durch  die  Lederhaut  und  hebt  die 
Epidermis  von  derselben  ab,  so  dass  sich  die  letztere  in  Form 
einer  Blase  auftreibt.  —  Als  endosmotische  Scheidewand  aufge 
stellt,  verwehrt  die  Epidermis,  so  weit  wir  wissen,  durchgreifend 
die  Ausgleichung  zwischen  Wasser  und  wässerigen  Salzlösungen: 
sie  erlaubt  dieselbe  dagegen  zwischen  Wasser  und  verdünnten 
Säuren;  wie  zwischen  Alkohol,  alkoholischen  oder  ätherischen 
Salzlösungen  und  Wasser;  in  beiden  Fällen  geht  der  stärkere 
Strom  y(fm  Wasser  zum  Alkohol  (Krause). 

Die  Epidermis  ist  im  trocknen  und  feuchten  Zustand  für  Grase 
jeder  Art  durchgängig. 

Krause  reinigt  die  als  Filtrations-  oder  Düfusionsmembran  angewendete  Epider- 
mis mit  Wasser,  Seife  und  Aether ;  es  könnte  auffallend  erscheinen,  dass  die  Schweiss- 
kanülchen  (die  von  ihm  angewendeten  Stücke  waren  aus  dem  Handteller  genommen) 
sich  nicht  eröffnet  und  einen  raschen  und  beliebigen  Diffusionstrom  erlaubt  haben 
Dieses  geschah  wahrscheinlich  darum  nicht,  weil  Krause  den  Flüssigkeitsdruck  auf 
der  einen  Seite  höher,  als  auf  der  andern  machte,  wodurch  die  schieflaufenden  Gänge 
sammengepresst  werden. 

Ueber  den  Durchgang  der  tropfbaren  und  gasaiügen  Flüssig- 
keiten durch  die  unverletzte  Epidermis  des  lebenden  Menschen  in 
die  Flüssigkeiten  resp.  die  Blutgefässe  der  Cutis,  sind  zahlreiche 
Versuche  von  Aerzten**)  angestellt.  Der  Unterschied  zwischen 
diesen  und  den  erwähnten  Versuchen  von  Krause  leuchtet  einl 


*)  Krause,  1.  c.  153.  —  KöUiker,  I.  0.  p.  69. 
•*)  Die  älteren  Beobachtungen  von  Young,  Madden,  Collard,  Emmert  u.  s.  iv.  sieh» 
bei  Krause  1.  c.  Ausserdem  Oesterlen  in  Hcnlo's  und  Pfeufor's  Zeltschrift.  T.  Bd.  484. 
Gossel  in,  Gazette  niddicale  1850.  Nr.  20.  —  K.  Volt  Pliysiolog.-chemische  üntcrsuchungen  1867. 
p.  45.  —  Braune,  De  cutis  fnciiltato  jodum  rcsorbondi.  Archiv  Tür  patholog.  Anatomie  XI.  Bd. 
295.  —  Klclz  Insky,  Wochenblatt  der  'Wiener  Aoizto.  1864.  Nr.  28.  und  1855.  Nr.  21.  —  Du- 
riauj  llecherches  oxpferimentales  sur  1'  «bsorptlon  eto,  Paris  185(i.  (E.  Meissners  Jahresbericht 
243.)  —  Poulet  Compt.  rond.  Bd.  42.  S.  435. 


Durchdringbarkcit  der  Epidennis  am  Lebenden. 


237 


-enn  man  bedenkt,  dass  die  endosmotische  Scheidewand  zwischen 
eil  auf  die  Körperoberfliiche  gebrachten  Stoffen  und  den  in  der 
.eilerhaut  enthaltenen  Flüssigkeiten  offenbar  durch  die  Epidermis 
icht  mehr  allein  dargestellt  wird,  sondern  dass  auch  durch  die 
lit  Schweiss  und  andern  Flüssigkeiten  erfüllten  Schweisskanälchen 
i'ie  Ausgleichung  erfolgen  muss.  —  Die  hierhergehörigen  Versuche 
iieten  meist  so   grosse  Schwierigkeiten,  dass  man  sich  für  ge- 
wöhnlich mit  einer  qualitativen  Antwort  befriedigen  musste,  w^elche 
rwohl  etwas  tiber  das  Zustandekommen,  nichts  aber  über  die  Ge- 
cchwindigkeit  des  Dm'chgangs  der  betreffenden  Substanzen  aus- 
jagte. —  Aus  den  vorliegenden  Beobachtungen  scheint  sich  zu 
rrgeben,  dass  von  aussen  nach  innen  eindringt:  Wasser,  und  zwar 
uues  besser  als  heisses,  die  in  der  Fleischbrühe  und  Milch  ge- 
gasten Stoffe  (?),  verdünnte  Schwefel-,  Salz-,  Salpetersäure,  ver- 
dünnte Lösungen  von  Chlorbaryum,  Brechweinstein,  Quecksilber- 
hlorid;  Blutlaugensalz,  Jodkalium,   Crotonöl,  aromatische  Oele, 
i/antharidin,  unter  Umstihiden  Jod  und  Quecksilber.  Umgekehrt 
teht  aus  der  Haut  Kochsalz  in  ein  Wasserbad  über;  nach  Barrai 
iatte  ein  Bad  aus  174  Kilogr.  von  37"  C  während  einer  Stunde 
Gr.  dieses  leztern  Salzes  aus  der  Haut  ausgewaschen. 

Dem  Durchtritt  der  Gasarten  stellt  die  mit  der  lebenden  Haut 
11  Verbindung  stehende  Epidennis  ebensowenig  einen  Widerstand 
mtgegen,  als  die  von  ihr  losgelöste. 

Der  Uebergang  eines  Stoffes  durch,  die  Epidermis  des  lebenden  Menschen  lässt 
tch  jedesmal  leicht  feststellen ,  wenn  er  im  Beginn  des  Versuchs  entweder  im  Or- 
lanismus  oder  in  dem  die  Oberhaut  umgebenden  Bade  fehlte.     Hierzu  bietet  die  che- 
iische  Eeaktion  meist  genügende  Hilfsmittel,    und   wo  diese  nicht  mehr  anwendbar, 
■litt  oft  eine  physiologische  an  ihre  Stelle;  dieses  gilt  z.  B.  unter  den  oben  angeführ- 
i-n  Stoffen  für  Crotonöl,  Cantharidin  u.  A.,  welche  im  Blute  anwesend  eigenthümliche 
rrzneiwirkungen  bedingen.    Schwieriger  ist  der  Nachweis  für  den  Uebertritt  solcher 
t  toffe,  welche  schon  im  Organismus  vorkommen,  oder  gar  die  genaue  qauantitative  Bc- 
1  immung  der  übergetretenen  Mengen.    Um  diese  zu  gewinnen,  wie  z.  B.  die  des  über- 
ihondcn  Wassers,  muss  man  entweder  den  Gewichtsverhist  des  Bades  oder  die  Qe- 
iclitszunahrae  des  thierisehen  Körpers  feststellen.    Beide  Wägungen  sind  aber  inso- 
wn  der  ganze  Körper  gebadet  wurde,  mit  zahlreichen  Fehlerquellen  behaftet;  denn 
umnal  nimmt  der  menschliche  Körper  während  des  Bades  auch  an  Gewicht  ab  durch 
'ie  Lungen ausdünstung,  diese  müsste  also  während  dos  Bades  bestimmt  werden,  weil 
t.e  mit  der  Temperatur  des  Bades  veränderlich  ist.     Nächstdera  möchte  man  einem 
■[cnscben  die  Haut  nicht  gerade  soweit  wieder  abtrocknen  können,  wie  sie  vor  dem  Badi: 
'ar.  Hie  Wägung  des  Bades  führt  Unsichcrlieit  ein  wegen  der  Verdunstung  der  i-'lüssig- 
eit  während  des  Abtrocknens ,  des  Hängenbleibens  derselben  an  der  Haut  u.  s.  w. 
!-lrössere  Sicherheit  kann   bei  localen  Bädern  bewirkt  worden,  siehe  hierüber  Kl  et- 


238 


Ernährung  der  Bpidarmis. 


zinsky  1.  c.  —  Den  Eintritt  yon  QuecksilberkUgelchen  nach  Einreiben  von  grau«  : 
Salbe  beweist  Yoit  durch  das  Mikroskop  nach  dem  Tode. 

4.  Auch  ohne  dass  eine  besondere  Untersuchung  vorliegi 
kann  die  Epidermis  ein  schlechter  Wärmeleiter  genannt  werden 
Dem  elektrischen  Strom  setzt  sie  einen  beti'ächtlichen  Widerstam 
entgegen;  dieser  verringert  sich  mit  ihrer  Dicke,  ihrer  Dui-cli 
feuchtung  mit  gut  leitenden  Flüssigkeiten,  ihrer  Erwärmung  (Kit 
ter,  Ed.  Weber,  du  Bois)*) 

Ueber  die  Methode  den  Widerstand  für  den  galvanischen  Strom  zu  bestiinmei; 
siehe  du  Bois  1.  c. 

5.  Von  der  Ernährung  der  Epidermis.  —  Den  Muttersaft  dci 
Pflasterzcllen  liefern  die  oberflächlichsten  Gefässe  der  Cutis.  Au 
ihm  entstehen  zunächst  die  Zellen,  welche  in  den  tiefsten  Schiel i 
ten  der  Oberhaut  enthalten  sind.    Der  Beweis  hierfür  liegt  in  dc  i 
bekannten  Erfahrung,  dass  eine  Lücke,  die  man  in  die  Epidermi 
geschnitten,  sich  nicht  dadurch  ausfüllt,  dass  auf  der  freien  Obei 
fläche  der  Lücke  neue  Zellenlagen  entstehen,  sondern  in  der  Weis, 
dass  sich  der  Boden  derselben  allmählig  erhebt,  durch  einen  voi 
der  Cutisoberfläche  her   erfolgenden  Nachschub  von  Zellen.  — « 
Die  Ursachen *der  Absonderung  jenes  Bildungssaftes  sind  uns  un 
bekannt,  und  nicht  minder  die  Zusammensetzung  der  ursprünglic 
ergossenen  Flüssigkeit.  —  Zwischen  der  Absonderuugsgeschwin 
digkeit  des  Muttersaftes  und  der  Zellenbildung  scheint  das  Ab 
hängigkeitsverhältniss  zu  bestehen,  dass  sich  nur  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  die  Bildung  neuer  Zellen  mehrt  mit  der  Menge  dei 
abgesonderten  Flüssigkeit;  steigert  sich  die  Absonderuugsgeschwin- 
digkeit  noch  weiter,  so  hört  alle  Bildung  von  Epidermis  auf.  — - 
Diesen  Satz  stützen  wir  damit,  dass  eine  Erweiterung  der  Capil 
largefässe  in  der  Cutis,  also  eine  vermehrte  Spannung  des  Blut 
in  ihnen,  wie  wir  sie  nach  gelindem  Druck,  höheren  Erwärmimge 
u.  dgl.  gewahren,   die  Epidermisbildung  mehrt  (Schwielen  de< 
Hand-  und  Feuerarbeiter);  eine  weiter  getiiebeue  Ausdehnung  deit 
Gefässe,   die  in  kurzer  Zeit  den  Austritt  grösserer  Mengen  voi 
Flüssigkeit  zur  Folge  hat,  hebt  dagegen  die  Epidermis  ab,  und  ir 
der  Blasenfltissigkeit  entstehen  keine  Epithelien;  ihre  Bildung  b<' 
ginnt  erst  wieder  mit  dem  Austrocknen  der  Blase.    In  der  Tha' 
scheint  ein  grosser  Theil  der  oberhautbildenden  Mittel  der  Acrzti 


*)  Ed.  Webor,  Qunestiones  physiologlcae  do  phaeuom.  otc.  1836.  —  duBoisKeyinon>l 
Beiliiicr  nkadem.  Monatsberichte.  1852,  t5.  Mürz, 


Ernährung  der  Epidermis. 


239 


Äe  Aufgabe  zu  haben,  das  Maass  der  Absonderung-  zu  regeln,  in- 
eni  sie  entweder  auf  die  Erböliung  des  Elastizitätscoeffizienten 
er  Getusshäute  (Blei-,  Silbersalpeter)  oder  auf  die  Verringerung 
•as  Gefässdurchmessers  (Einwickelungen)  hinzielen.  —  Der  che- 
iische  und  mechanische  Vorgang,  der  die  Ueberführung  der  Fltis- 
^gkeit  in  die  Zelle  bedingt,  ist  unbekannt.  Man  behauptete  mit 
iiticksicht  auf  den  letztern  früherhin,  dass  in  dem  Muttersaft  zuerst 
IIS  irgend  welchem  Grunde  Zellenkerne  entstünden,  welche  sich 
•it  einer  Haut  umhüllten  (He nie).  Neuerlichst  bestreitet  man 
eses  und  setzt  an  die  Stelle  der  alten  Hypothese  eine  andere, 
tonach  die  tiefsten,  cylindrisch  geformten  Zellen  sich  an  ihrem 
eeien,  von  der  Cutis  abgewendeten  Ende  abschnüren  und  damit 
iiir  Entstehung  der  kleinen  Kugelzellen  Veranlassung  geben  sollen 
^CöUiker).  Billroth*)  der  die  Epithelialbildung  auf  vernar- 
«nden  Wunden  studirte,  stellt  sogar  die  Möglichkeit  hin,  das  die 
eilen  aus  einer  Zerspaltung  der  amorphen  Schicht  hervorgehen, 
welche  die  Granulation  vor  beginnender  Vernarbung  zu  bedecken 
liegt.  —  Die  Zellen  der  Hornschicht  gehen  unzweifelhaft  aus  de- 
!3n  der  Kugelschicht  hervor,  was  sich  ohne  Weiteres  durch  die 
aagerungsverhältnisse  beweisen  lässt.  Man  stellt  sich  das  Zu. 
aandekommen  der  Abplattung  in  der  Weise  vor,  dass  die  im  Zel- 
inraume  enthaltenen  löslichen  Bestandtheile  allmählig  unlöslich 
iürden,  worauf  das  Wasser  durch  Diffusion  oder  Verdunstung 
Hitfernt  wiii'de.  Gesetzt,  diese  Meinung  wäre  bewiessen,  so  müsste 
im  noch  gezeigt  werden,  warum  das  Zusammenfallen  der  Wand 
der  Richtung  des  Dickendurchmessers  der  Oberhaut  erfolgt.  — 
naerklärt  ist  es  ferner,  womit  sich  der  Zusammenhang  der  Zellen 
hidert;  nachweisslich  schuppen  sich  (durch  Verlust  dieses  Zusam- 
tenhangs)  unter  gewissen,  nicht  näher  bestimmten  Umständen  die 
werflächlichsten  Lagen  leichter  ab.  Aus  dem  Verhältniss  zwisclien 
feubilduug  und  Abschuppung  ist  natürlich  auch  die  Dicke  der 
ipidermis  an  den  verschiedenen  Körperregionen  zu  erklären.  In 
Besem  Sinne  ist  es  bemerkenswerth,  dass  aller  Orten  eine  Grenze 
rr  die  Dicke  der  Epidermis  besteht,  und  dass  eine  über  das  Nor- 
>ale  gehende  Dicke  derselben,  wie  wir  sie  bei  SchAvielenbildung 
'Jobachten,  meder  auf  den  gewöhnlichen  Werth  herabsinkt,  wenn 
e  Ursachen  verschwinden,  welche  eine  reichlichere  Absonderung 
>i»  Muttersaftes    veranlassten.  —  Ob    in    der  ausgewachsenen 


')  Untersuchungen  Uber  Entwlckelnng  der  Blutgefässe.  Berlin  18DG.  p.  34. 


240 


Nägol. 


Plattenzelle  ein  Stoffumsatz  geschiebt,  wissen  wir  nicht;  flir  einen 
solchen  spricht  das  Verschwinden  der  Kerne,  gegen  ihn  die  Wider 
Standsfähigkeit  der  Plättchen  gegen  die  chemischen  Angriffe,  wel 
chen  sie  im  normalen  Leben  ausgesetzt  sind. 
Nägel. 

•1.  Anatomische  Eigenschaften.  Der  Nagel  ist  ein  Gebildt 
aus  Zellen  von  derselben  Form  und  Anordnung  wie  in  den  g( 
schichteten  Pflasterhäuten.  Vor  diesen  ist  er  ausgezeichnet  eiiinia 
dadurch,  dass  alle  Zellen  Kerne  enthalten,  ferner  durch  das  Vei 
hältniss  zwischen  der  Dicke  der  Horn-  und  Schleimschicht,  Inden 
an  den  Nägeln  die  erstere  ganz  ausserordentlich  die  letztere  über 
trifft,  und  endlich  dadurch,  dass  die  Zellen  in  der  Hornschicht  de> 
Nagels  noch  trockner,  fester  und  inniger  mit  einander  vereinig! 
sind.  ) 

2.  Chemische  Eigenschaften.  Am  Nagel  ist  bis  dahin  nur  di« 
Hornschicht  untersucht;  ihre  Eigentbümlichkeiten  stimmen  im  All 
gemeinen  mit  denen  der  Pflasterhaut  tiberein. 

Der  sogenannte  Homstoff  des  Nagels  besteht  nach  S  c  h  e  r  e  r  und  M  u  1  d  e  r  ii 
100  Theilen  aus  C51,0;  H6,9 ;  Nn,5;  021,7;  S2,8.  Sein  Sgehalt  ist  also  dem  da 
Epidermis  überlegen;  verbrannt  hinterlässt  er  1  pCt.  Asche  aus  3CaOPO.  ' 

3.  Von  der  Ernährung.  —  Die  Bildung  des  Nagels  geht  nm 
dann  vor  sich,  wenn  ein  besonders  geformter  Boden  der  Cutis,  da 
Nagelfalz  und  das  Nagelbett,  vorhanden  ist.  Diese  Einrichtung 
worin  auch  sonst  noch  ihre  Wirkungen  bestehen  mögen,  hat  jeden 
falls  die  Folge,  dass  die  neugebildeten  Zellen  sich  durch  das  Ent 
gegenwachsen  von  zwei  verschiedenen  Seiten  her  zusammen 
pressen.  Durch  die  Aufschichtung  von  Zellen  im  Falz  wird  dii 
Längenzunahme  und  durch  diejenige  im  Nagelbett  zum  Theil  miä 
destens  das  Wachsthum  nach  der  Dicke  bestimmt  (E.  H.  Wej 
ber).  —  Nach  Berthold*)  wachsen  die  Nägel  in  der  Jugen( 
und  im  Sommer  rascher  als  im  Winter,  an  der  rechten  Hant 
mehr  als  an  der  linken;  unter  allen  Fingern  geht  am  mittlerei 
das  Wachsthum  am  raschesten  und  in  abnehmender  ReihenfolgJ 
am  Ring-,  Zeige-,  Ohrfinger  und  Daumen  vor  sich.  Schneiden  d« 
Nägel  befördert  die  Zellenneubildung;  wenn  man  dieselben  nie 
mals  verklirztj  so  erreichen  sie  eine  bestimmte,  nicht  weiter  veü 
änderliche  Länge. 


•)  A.  Bcrtliold,  Beobachtungen  Uber  das  quantitative  Verhältnisa  der  Nagel-  und  HaattH 
dung.  Göttingen  1860.  J 


Eilifacliere  Deckhäuto.  —  Pliinmerliaaro. 


24] 


Beispielsweise  sei  erwähnt,  dass  sich  nach  Berthold  der  Nagel  in  11  Tagen 
m  etwa  1  MM.  verlängert. 

Einfachere  Deck  häute.  An  diese  Pflasterepithelien  voll- 
onimenster  Ausbildung  schliessen  sich  nun  eine  Reihe  anderer  Ober- 
läute  an ,  welche  entweder  nur  aus  einer  oder  aus  mehreren  der  be- 
jhriebenen  Zellenformen  zusammengesetzt  sind.  Die  einfachsten 
l'berhäute  sind  die  einschichtigen ;  sie  bestehen  immer  nur  aus  einer 
sage  und  zwar  entweder  aus  platten,  wie  z.  B.  in  den  serösen 
läuten,  oder  aus  cylindrischen  Zellen,  wie  im  Darmkanal  u.  s.  w. 
-  Die  comphzirteren  enthalten  dagegen  entweder  kugelige  und 
ylindrische  (Bronchialschleimhaut)  oder  cylindrische,  kugelige  und 
ilatte  (Mundschleimhaut).  Die  letztern,  welche  der  Epidermis  am 
iichsten  stehen,  unterscheiden  sich  jedoch  meist  wesentlich  dadurch, 
iiss  ihre  platten  Zellen  nur  stellenweise  und  zwar  im  Ueberzug 
':3r  pap.  filiformes  als  dünne  Hornschtippchen  erscheinen. 

Diese  Gebilde  bieten  unter  dem  Mikroskop  annähernd  dieselben 
rrscheinungen,  wie  die  Epidermiszellen. 

Nach  Gorup*)  enthält  das  Plattenepithelium  der  Mundschleimhaut  der  Wall- 
fßhe  2,5  pCt.  Schwefel ,  also  so  viel  wie  die  Nägel  des  Menschen ;  ob  dieses  auch 
rf  die  Oberhaut  unserer  Mundschleimhaut  gilt? 

Die  Durchdringlichkeit  der  weniger  ausgebildeten  Oberhäute 
rr  gasförmige  und  namentlich  flüssige  Stoffe  ist  Adel  beträchtlicher 
?3  die  der  Epidermis;  am  leichtesten  durchgängig  sind  diejenigen, 
eslche  nur  aus  einer  Zellenlage  bestehen;  zum  Theil  mag  dieses 
ilher  rühren,  dass  in  den  Zwischenräumen  zwischen  je  zwei  Zellen 
)iiren  gelegen  sind,  die  der  Diffusion  weniger  Widerstand  bieten, 
rm  Theil  aber  sind  die  Zellen  selbst  leichter  durchgängig.  Ueber 
e3  "Wachsthumserscheinungen  der  einfachen  Epithelien  ist  nur  be- 
■,nnt,  dass  sich  auch  hier  Uebergangsstufen  zwischen  den  kugeligen 
'd  den  cylindrischen  Zellen  finden  finden.  Die  kugeligen  Zellen 
lllen  sich  durch  Theilung  fortpflanzen**). 

Flimmerhaare. 

Auf  einzelnen  Standorten  tragen  die  Cylinderzellen  gegen  ihre 
feie,  von  Flüssigkeit  oder  Luft  begrenzte  Fläche  feine  weiche, 
aarförmige  Anhänge,  die  Wimper-  oder  Flimmerhaare. 

Diese  Haare  sind  unter  gewissen  Umständen,  und  namentlich 
Ehrend  ihres  Aufenthaltes  im  lebenden  Körper  in  einer  Bewegung, 
i  der  ihre  Spitze  ungefähr  ein  Viertel  von  der  Peripherie  eines 
s'eises  zurücklegt,  welcher  mit  der  ganzen  Länge  als  Radius  be- 

•  •)  Joarn.  für  prnkt.  Chemie.  39.  Bd.  p.  244. 

'*•)  Kölllker,  Handbuch  der  Gowcbclohre.  1852.  p.  34S. 

L  Ludwig,  Physiologie  U.  2.  Auflage. 


242 


Fliniraerhaare ;  Beschleunigung  ihrer  Bewegung. 


schrieben  wird.  Genauer  betrachtet,  verhält  sich  nun  diese  Be- 
wegung so,  dass  ein  Haar,  welches  soeben  gegen  den  Boden, 
auf  dem  es  eingepflanzt  ist,  senkrecht  stand,  plötzlich  zusammen- 
knickt und  sich  dabei  mit  seiner  Spitze  gegen  den  Boden  biegt, 
kaum  hier  angelangt,  wieder  aufsteht,  um  von  Neuem  die  eben 
vollendete  Bahn  umgekehrt  zu  durchlaufen.  Diese  Bewegungen 
folgen  sehr  rasch  aufeinander,  so  dass  namenthch  an  den  Wende 
punkten  keine  Zeiten  des  Stillstandes  zu  beobachten  sind,  und  nicht 
minder  werden  die  Bewegungen  rasch  vollendet,  indem  nach  dei 
Messungen  von  Valentin  und  Krause  ein  Haar  zu  einem  Auf 
und  Niedergang  0,2  bis  0,8  See.  nöthig  hat.  —  Die  Kraft,  mit 
welcher  die  Schwingung  geschieht,  ist  nicht  nach  beiden  Richtungen 
gleich,  sondern  nach  der  einen  bedeutender  als  nach  der  andern. 
Dieses  erkennt  man  aus  der  einseitigen  Strömung,  welche  das  flim 
mernde  Haar  in  einer  sie  bedeckenden  Flüssigkeit  zu  erzeugen 
vermag,  eine  Strömung,  welche  statt  einer  einseitigen  offenbar  eben- 
falls eine  pendelnde  sein  mtisste,  wenn  die  Stösse,  welche  ihr  von 
dem  Haar  nach  den  verschiedenen  Richtungen  hin  mitgetheilt  werden, 
an  Kraft  einander  gleich  kämen.  —  Die  Richtung  der  Schwingun 
ist  zwar  nicht  auf  den  Zellen  verschiedenen,  wohl  aber  auf  denen 
desselben  Standortes  gleich,  sodass  alle  Haare  der  Bronchial-,  de 
Tubenschleimhaut  u.  s.  w.  immer  nach  derselben  Seite  hin  zusam= 
menfallen  und  somit  auch  aufstehen. 

Von  den  Haaren  auf  den  Epithelien  der  Muschelkiemen  behauptet  Valenti 
jedoch  das  Qegcntheil,  sie  sollen  unter  Umständen  plötzlich  ihre  Schwingungsrichtu 
ändeni. 

Die  Beschleunigung  der  Bewegung  ist  nach  den  Beobachtungc" 
von  Purkinje,  Valentin,  Sharpey,  Galliburces  und  Vir^ 
chow  *)  abhängig  1)  von  der  chemischen  und  mechanischen  Unj 
versehrheit  des  einzelnen  Wimperhaars ;  ist  diese  erhalten,  so  kan: 
die  Zelle  von  ihrem  natürlichen  Standort  entfernt,  oder  gar  bis  z"' 
Zerstörung  der  benachbarten  Haare  verstümmelt  sein,  ohne  das 
die  Bewegung  erlischt.  —  Wird  dagegen  das  Haar  durch  conzeD 
trirte  Säuren,  Alkalien,  Salze,  durch  •  Eintrocknen  u.  s.  w.  zerstört 
so  ist  die  Befähigung  zur  Bewegung  verloren;  sie  kehrt  namen' 
lieh  auch  nicht  wieder,  wenn  man  das  einmal  eingetrocknete  Haa 
wieder  aufweicht.  —  2)  Die  Schlagfähigkeit  der  Haare  auf  solche 
Zellen,  welche  aus  ihrem  natürlichen  Standort  entfenit  sind,  wir 


•)  Valoutin,  Lehrb.  der  Pliyslol.  Hl.  a.  19  ii.  b.  611.  —  Virchow's  Arohiv.  VI.  Bd. 


Fliramerhaare ;  Beschleunigung  ihrer  Bewegung. 


243 


Fig.  50. 


verlängert,  wenn  sie  in  Lymphe,  Blutserum  oder  in  verdünntem 
iiühnereiweiss  aufgehoben  werden.  —  3)  Die  verlangsamte  oder 
„luch  kurze  Zeit  erloschene  Bewegung  kann  wieder  belebt  werden 
imch  verdünnte  Kalilauge.  (Virchow).  —  Auch  soll  die  verlang- 
,;amte  Bewegung  wieder  beschleunigt  werden  können  durch  mecha- 
nische Erschütterungen  (Valentin  und  Purkinje).  —  4)  Die  Be- 
fvegung  erhält  sich  nur  zwischen  bestimmten  Temperaturgrenzen, 
kvelche  nach  Valentin  durch  +  6"  und  -f-^  81  C.  gegeben  sind, 
iahl  (und  Intensität)  der  Schläge  in  der  Zeiteinheit  wird  bedeutend 
termehrt  durch  die  steigende  Temperatur.  (Calliburces)  *). 

Um  die  Veränderlichkeit  der  Wimperbewegung  durch  die  Temperatur  zu  beweisen, 
sendet  Calliburces  den  Apparat  an,  von  dem  Fig.  50  ein  Schema  giebt.  Zwei  Punkte 
oon  zwei  gegenüberliegenden  Seiten 
iiines  cubischen  Glasgefässes  ABC 
»erbindet  er  durch  die  leicht  dreh- 
oare  Achse  aus  Aluminium ,  die  in 
:inen  sehr  leichten  hohlen  Glascylin- 
:er   eingeschmolzen  ist  iS  M.  Die 

.chse  trägt  auf  der  Seite,  an  welcher 
ee  über  die  Wand  des  kubischen  Ge- 
iiisses  hervorragt,  einen  Zeiger  /  /, 
reicher  auf  einen  in  der  Glaswand 
Jügeätzten  getheüten  Kreis  zeigt ;  der 
Ipunkt  des  Kreises  liegt  im  Be- 
.  i  ungspunkt  der  Achse  mit  der  Glas- 

anJ.  Gegen  die  im  Ganzen  73  Mgr. 
i  iegende  Eolle  lasst  sich  mittelst  einer 
ii-.er  nicht  gezeichneten  Mikrometer- 
Lhraube  eine  ebene  Platte  P  F  be- 
legen, und  somit  auf  immer  gleichen 
Ibstand  von  der  Eolle  einstellen.  Auf 

:eser  Platte  ist  ein  Stück  Schleim- 
iint  S  S   des  Froschrachens  aufge- 

lannt,  so  dass  die  Cilien  derselben  gegen  den  Cylinder  schlagen  und  ihn  drehen. 

ist  ein  Thermometer,  welcher  den  hermetisch  schliessenden  Deckel  des  Gefässes  durch- 
jhrt.  Die  Zeit,  welche  der  Cylinder  zu  einer  ganzen  Umdrehung  verbrauchte,  war  im 
1  Ittel  ans  52  Versuchen  bei  12  bis  -|-  19»  C.  =  22  Min.  3  See,  —  bei  +  28"  C. 

Min.  7  See. 

5)  Inhalation  von  Aether  hebt  die  Bewegungen  der  Haare  so 
nnge  auf,  als  die  Aethernarkose  andauert  (Clemens,  Gosselin**); 
-  6)  Je  nach  dem  Standorte  erlischt  die  Bewegung  mehr  oder 
'eniger  rasch  nach  dem  Tode  des  Individuums  oder  in  Folge  der 


•)  Compt.  rend.  47.  Bil.  ß.  Oktbr. 

•*)  Cl,  Bernard,  gur  les  effcU  des  subatADcei  loxiquos  1857.  42.3. 


lü' 


244 


Anatomische  und  chemischo  Eigenschaften  des  Haars. 


veränderten  Temperatur.  Am  empfindlichsten  sind  die  Haare  in 
den  Geschlechtstheilen.  —  7)  Als  negative  Charakteristik ,  den 
Muskel-  und  Nervenmassen  gegenüber,  ist  bemerkenswerth ,  dass 
durch  verdünnte  Lösungen  von  Blausäure,  Opium,  Strychnin,  Kreosot 
u.  s.  w.  und  durch  elektrische  Ströme  die  Bewegungen  weder  be- 
schleunigt, noch  verlangsamt  werden. 

Von  den  Emährungserscheinungen  der  Flimmerhaare  ist  nichts 
bekannt. 

Haare. 

1.  Anatomische  Eigenschaften  *).  Der  Haarknopf,  oder  der 
Theil  des  Haars,  welcher  unmittelbar  an  die  Warze  grenzt,  be- 
steht durchweg  aus  kugeligen,  kernhaltigen  Zellen  und  freien 
Kernen  (?),  ähnlich  denen,  welche  in  der  Oberhaut  auf  den  Cylin- 
derenden  ruhen.  Im  Haarschaft  treten  dagegen  drei  wesentlich 
verschiedene  Formen  auf;  die  Oberfläche  desselben  wird  rings  um- 
kleidet von  einer  mehrfachen  Lage  ,  dachziegelfönnig  übereinander- 
geschichteter  kernloser  Hornschlippchen ,  welche  durch  quellende 
Flüssigkeiten  bis  jetzt  nicht  in  Bläschen  umgewandelt  werden 
konnten;  dieses  Haarepithelium  schliesst  eine  mehrfache  Schicht 
bandartiger  Fasern  ein,  von  denen  jede  einzelne  aus  länglichen 
kernhaltigen  Hornschuppen  besteht,  welche  an  ihren  schmalen  Seiten 
mit  einander  verwachsen  sind;  die  auf  einer  Peripherie  des  Haars 
liegenden  Fasern  sind  jedoch  ebenfalls  untereinander  zu  Cylinder- 
mänteln  verklebt;  im  Centrum  der  Faserschicht  endlich  liegt  das 
Haarmark.  In  dieses  ragen,  so  weit  das  Haar  noch  in  dem  Balg 
versteckt  liegt,  Fortsätze  aus  der  Haarwarze,  die  auch  häufig  noch 
eine  Blutgefässschlinge  in  sich  fassen,  und  ausserdem  ist  es  aus 
kugeligen  Zellen  gebildet,  die  jedoch  an  dem  freistehenden  Theile 
des  Haars  vertrocknen  und  somit  zur  Bildung  lufthaltiger  Lücken 
Veranlassung  geben.  Zur  Einsicht  in  den  Bau  des  Haars  rmd 
seines  gleich  zu  erwähnenden  Säckchens  haben  uns  vor  Allem  die 
Arbeiten  von  Heusinger,  E.  H.  Weber,  Gurlt,  Henle, 
H.  Meyer,  Steinlin  und  Kölliker  verholfen.  '  x 

2.  Chemische  Zusammensetzung  **).  Die  festen  Theile  des 
Haars  sind  innerhalb  des  Balgs  mit  wässerigen  und  ausserhalb 
desselben  mit  öligen  Flüssigkeiten  durchtränkt.  Diese  letztem 
sind  ein  Gemenge  aus  Olein  und  Margarin,  Olein-  und  Margarin- 


•)  Kö  Iii  kor,  Handbuch  der  Geweboleliro.    8.  Anfluge,  Leipzig  1859.  p.  12!). 
•*)  Muldor,  pliysiol.  Uliemio.  BrauuScliwcig.  p.  570.  —  Loyer  u.  Kölliker,  Licbig's 
Annaien.  83.  Bd.  p.  332.  —  Gorup,  ibid.  CG.  Bd.  p,  321. 


1 


Physikalische  Eigenschaften  und  Ernährung  des  Haars.  245 

säure.  —  Die  geformten  Bestandtheile  des  Markes,  der  Rinde  und 
1er  Deckschicht  sind  von  ungleichartiger  Zusammensetzung  und 
■3henso  sind  die  Zellenindividuen  einer  jeden  Formation  ein  Ge- 
iinenge  mehrerer  Substanzen;  man  schliesst  dieses  aus  dem  Ver- 
nähen jener  Fomen  gegen  Kali,  Schwefel  und  Essigsäure.  —  Eine 
F^ilemeutaranalyse  des  mit  Wasser,  Alkohol  und  Aether  ausgekochten 
[Haars  gab  nach  v.  Laer  und  Scher  er  in  100  Theilen:  C  50,6; 
fl  6,4;  N  17,1;  0  20,8;  S  5,0.  Da  die  diesen  Zerlegungen  unter- 
flvorfenen  Haare  aus  ganz  verschiedenen  Orten  stammten,  so  deutet 
kene  Uebereinstimmung  darauf  hin,  dass  das  Haar  ein  constantes 
B^emenge  aus  den  verschiedenen  Stoffen  darstelle.  Die  Zersetzungs- 
Dirodukte  des  Haars  mit  Schwefel-,  Salpetersäure  und  Kali  stellen 
fe'est,  dass  dasselbe  Substanzen  enthalte,  welche  zur  Gruppe  der 
üiweissartigen  Körper  gehören. 

Durch  Behandlung  mit  wanner  verdünnter  Kalilauge  gewinnt  man  aus  ihm  sog. 
't'rotein  und  Proteinbioxyd  unter  Abscheidung  von  S  und  NH3  (M  u  1  d  e  r).  Durch  SO3 
^;ann  man  Tyrosin  und  Leucin  aus  dem  Haar  gewinnen  (Leyer  und  Koller),  und 
s'^Os  verwandelt  sie  zum  Theil  in Xanthoproteinsäure  (Mulder).  Es  bedarf  kaum  des 
Hinweises  auf  den  grossen  S-gehalt,  am  den  Unterschied  zwischen  Haar  und  Epider- 
läis  deutlich  zu  machen.  Nach  Chovreul*)  soll  das  Haar  seinen  Schwefel,  ohne 
itStrukturänderungen  zu  erleiden,  verlieren  können. 

Der  Gehalt  des  Haares  an  Asche  wechselt  zwischen  0,5  bis 
,8  pCt.    Sie  besteht  aus  Eisenoxyd,  Kieselsäure,  phosphorsaurem 
LLalk  und  Magnesia  (v.  Laer  und  Gorup). 

3.  Physikahsche  Eigenschaften.  Im  trocknen  Zustand  zieht  das 
Haar  begierig  Wasserdampf  an  und  condensirt  ihn ;  in  Wasser  gelegt 
lifuillt  es  ein  wenig  auf.  Mit  Fetten  durchtränkt  sich  das  trockene 
Haar  ebenfalls  leicht.  In  welchem  Verhältniss  seine  Adhäsions- 
;Lräfte  zum  Fett  und  Wasser  stehen,  ist  unbekannt.  —  Das  durch 
"'""ett  und  Wasser  getränkte  Haar  ist  sehr-  dehnbar,  und  dehnbarer 
ÜB  im  trocknen  Zustand.  Die  wenigen  über  Elastizität  und  Cohä- 
i  ion  des  Haars  vorliegenden  Beobachtungen  **)  geniigen  nicht,  um 
fcine  Vorstellung  Uber  die  hierauf  bezüglichen  Kräfte  desselben  zu 
[gewinnen.  —  Das  Haar  ist  ein  schlechter  Leiter  der  Wärme  und 
iiin  Isolator  der  Elektricität. 

4.  Ernährung  des  Haares.  —  Die  Anordnung  der  Zellen  in 
der  Form  des  Haars  geschieht  für  gewöhnlich  mit  Hilfe  einer  eigen- 
ihtlmlichen  in  die  Cutis  eingelagerten  Vorrichtung,  die  Haarwarze 
nnd  den  Haarbalg.    Die  Warze  ist  ein  kugelförmiger  Auswuchs 


•)  Schlossbergor,  allgemeina  Thier -Chomie;  Horngowcbo  281. 
••)  E.  H.  Weber,  Allgemeine  Anatomie.    Stuttgart  1844.  p.  216. 


246 


Ernährung  des  Haars.  Säckchen. 


auf  dem  Boden  des  Haarsäckcliens,  in  welchen  eine  Gefässschlinge 
einkehrt;  aus  ihrer  Oberfläche  dringt  der  Saft,  welchen  die  Zellen 
des  Haarknopfs  verbrauchen.  Die  Höhle  des  Haarsäckchens  stellt 
einen  kolbenförmigen  Raum  dar,  der  sich  überall  auf  das  innigste 
an  das  Haar  anlegt,  so  dass  es  entsprechend  den  Durchmessern 
dieses  letztern  unten  am  Knopf  desselben  weiter  und  oben  gegen 
den  Schaft  hin  enger  wird.  Die  Wfind,  welche  den  engern,  dem 
Kolbenhals  entsprechenden  Theil  der  Höhle  umschliesst,  ist  aus 
sechs  Schichten  gebaut;  zählt  man  von  aussen  nach  innen,  so  trifft 
man  zuerst  auf  eine  Lage  von  dem  anatomischen  Bau  der  Cutis, 
nemlich  auf  ein  Gemenge  von  elastischem  und  Bindegewebe;  dann 
folgt  eine  einfache  Lage  von  kerntragenden  Fasern,  welche  die 
kreisförmige  Peripherie  des  Balgs  umschlingen.  Diese  Fasern 
schliessen  eine  strukturlose  Haut  ein,  auf  welcher  zuweilen  fein- 
streifige Netzformen  aufsitzen ;  sie  wird  wiederum  bedeckt  von  einer 
Lage  kugeliger  Zellen,  welche  an  der  Mündung  des  Säckchens  in 
die  Schleim  Schicht  der  Oberhaut  übergehen  und  darum  als  tiefste 
Lage  vom  Epithelium  angesehen  werden;  auf  sie  folgen  mehrere 
Schichten  innig  mit  einander  verbundener  Hornschüppchen  und 
schliesslich  eine  Lage  von  Platten,  welche  denen  vollkommen  glei- 
chen, die  als  sog.  Oberhaut  des  Haars  die  Faserschicht  der- 
selben einschliessen.  —  Nahe  an  der  Ausmündung  des  Haarbalgs 
öffnen  sich  in  denselben  die  Gänge  kleiner  Fettdrüsen,  welche  auf 
der  äussern  Seite  des  Balgs  gelegen  sind.  An  den  Grund  des 
Sackes  geht  ein  kleiner,  aus  Faserzellen  zusammengesetzter  Mus- 
kelstreifen, der  in  den  oberflächlichen  Schichten  der  zunächst  ge- 
legenen Cutis  entspringt. 

Der  Hergang,  durch  den  die  Kugelzellen  des  Knopfs  aus  der 
Flüssigkeit  entstehen,  welche  sich  aus  den  Gefässen  der  Warze 
ergiesst,  ist  hier  wie  überall  unbekannt;  es  ist  sogar  noch  zweifel- 
haft, wie  die  Form  beschaffen  sei,  welche  ursprünglich  auftritt. 
Einige  Autoren,  namentlich  He  nie,  stellen  die  Behauptung  auf, 
dass  in  den  die  Warze  unmittelbar  begrenzenden  Schichten  des 
Haarknopfs  nur  Gebilde  von  der  Form  der  Kel-ne  jener  Kugelzellen 
enthalten  seien;  sie  sind  geneigt,  aus  dieser  Beobachtung  abzu- 
leiten, dass  zuerst  diese  Kerne  und  mit  Beihilfe  derselben  dann 
erst  die  fertigen  Zellen  entstehen.  Andere  Mikroskopiker,  nament- 
lich Kölliker,  läugnen  aber  die  beständige  Anwesenheit  dieser 
Kerne.  —  Unzweifelhaft  gehen  aber  die  ausgebildeten  Zellen  des 
Haarknopfs  in  die  Hornschüppchen  der  Faserschicht  und  die  ver- 


Ernährung  des  Haars,  Spitzenwachsthum. 


247 


lü'ockneten  Markzellen  Uber,  während  die  Plättclien  des  Oberhäut- 
chens  aus  der  oberfiäcblicbsten  Epitbelienlage  des  Haarbalgs  ab- 
istammen,  die  das  emporwachsende  Haar  an  sieh  klebt  und  mit 
iäieh  emporschiebt.  —  Rinde  und  Mark  des  Haares  ist  somit  nichts 
anderes,  als  ein  Epithelialübergang  der  Warze,  der  insofern  eigen- 
bhümlich  ist,  als  nur  die  Rindenzelleu  verhornen,  während  die  Mark- 
Lzellen,  ehe  sie  zu  dieser  Umwandlung  gekommen  sind,  vertrocknen, 
i30  dass  sich  in  den  Epithelialfortsatz  die  mumifizirten  Zellen  der 
iSchleimschicht  hinein  erstrecken.  —  Aus  den  Eigenschaften  der 
Warze  ist  es  begreiflich,  dass  das  Haar,  gleich  ihr,  an  seinem' 
matürlichen  Ende  zugespitzt  ist;  aus  dem  für  die  Blutflüssigkeit 
landm-chdriuglichen  Epithelialübergang  des  Haarbalgs,  im  Gegen- 
isatz  zu  der  für  sie  durchgängigen  Warzenoberfläche,  wird  es  er- 
iklärlich,  dass  das  Haar  nur  von  der  letzteren  aus  neue  Zellen  an- 
isetzen  kann,  und  endlich  ist  einleuchtend,  dass  der  Hals  des  Balges 
iden  am  Knopfe  breitern  Querdurchschuitt  des  Haars  beim  Ueber- 
;gang  desselben  in  den  Schaft  zusammenpresst  und  soweit  wenig- 
istens  mit  dazu  beiti-ägt,  dass  die  Kugelzellen  in  längliche  Schüpp- 
chen umgewandelt  werden.  Die  Stärke  des  Haarschaftes  muss 
fiarum  bestimmt  sein  von  dem  Durchmesser  des  Hohlraums,  wel- 
cchen  der  Balg  umschliesst. 

Neben  der  so  eben  geschilderten  stellt  Engel*)  nach  seinen  Beobachtungen  noch 
raine  andere  Entstehung  des  Haars  hin,  die  von  der  Schnittfläche  eines  abgeschnitte- 
laen  Haars  ausgeht.    Da  dieselbe  bis  dahin  noch  keinem  andern  Beobachter  zu  Gesicht 
gekommen,  so  würde  daraus  folgen,  dass  sie  nicht  allen  Haaren  gemein  ist.    Den  Be- 
meis ,  dass  die  Haare  Tom  Schnittende  auswachsen ,  findet  Engel,  Tora  mikroskopi- 
Kächen  Verhalten  abgesehen,  darin,  dass  sich  an  der  Schnittfläche  oft  eine  knopfrditaige 
i4nschwellung  bildet,  auf  welcher  eine  Spitze  anwächst ;  schneidet  man  die  neue  Spitze 
'  -IS  über  jenem  Kolben  weg,  so  entsteht  ein  zweiter  Knopf  und  von  da  aus  erhebt 
1  u  abemjals  eine  Spitze  u.  s.  f.    Hier  dient  also  die  mit  blossem  Auge  sicht^jare  erste 
liAnschwellung  als  Markt  dafür,  dass  die  neue  Spitze  in  der  That  aus  der  Haarwunde 
'  prungen  ist.    Diese  neugebildete  ,  oft  linienlange  Haarspitze  enthält  alle  Elemente 
aus  dem  Säckchen  gebildeten  Haarschaftes.    Ueber  die  hierbei  auftretende  Form- 
lolge  verweisen  wir  auf  die  Abhandlung;  begreiflich  würde  eine  Bestätigung  der  von 
tE  n  g  e  1  mitgetheilten  Thatsachen  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Zellentheorie  sein. 

Nach  Donders**)  hat  jedes  Haar  nur  eine  gewisse  Lebens- 
ildauer,  hat  es  diese  erreicht,  so  stirbt  es  ab  und  wird  durch  ein 
nneues  ersetzt.  So  lange  es  lebt,  wächst  es  aber  mit  ungleicher 
I  Geschwindigkeit. 


*)  Wiener  akad.  Monatsberichte  1856.  Februarheft.  —  Henle's  Jahresbericht  fUr  1866.  p.  61.— 
Förster  ,  Vlrcho  w'g  Archiv  XII.  569. 

*•)  Archiv  flir  Ophthalmologie  von  Arlt,  Dondere,  Grnefe,  IV.  Bd.  J.  Abthlg. 


248 


Lebensdauer  des  Uaars. 


Die  Cilien,  deren  Wachstlmm  von  Donders  genauer  verfolgt 
wurde,  verhalten  sich  nach  folgenden  Angaben.  Das  Lebensalter 
ist  von  dem  Zeitpunkt  an  gerechnet,  wo  die  erste  Spur  des  Haars 
aus  dem  Balg  hervortrat. 


Lebensalter  in 
Tagen. 


Tägl.  Waohsth, 
in  Mm. 


0—21  0,21 
22—28  0,18 
29—52,55 1  0,12 


Gesammtlänge 
in  Mm. 


4,50 
5,75 
8,75 


53—140  I  0,02  !  11,0 
Diese  Zahlen  zeigen,  dass  die  Geschwindigkeit  des  Wachs- 
thums mit  dem  steigenden  Alter  abnimmt.  Kürzere  Cilien  en-eichten 
auch  nur  eine  kürzere  Lebensdauer.  Insofern  man  diese  schönen 
Beobachtungen  verallgemeinern  darf,  wofür  das  stete  Ausfallen  der 
Kopf-  und  Barthaare  genügende  Berechtigung  zu  geben  scheint 
(Langer),  so  würde  sich  die  typische  Länge,  welche  die  Haare 
auf  den  verschiedenen  Körperorten  (Kopf-,  Lippenhaut  u.  s.  w.) 
erreichen,  dadurch  erklären,  dass  jedem  eine  bestimmte  Lebens- 
dauer gegönnt  wäre. 

Auf  die  Geschwindigkeit  des  Haarwachsthums  soll  einen  Ein- 
fluss  üben :  das  Abschneiden ,  was  Donders  an  den  Cilien  nicht 
bestätigt  fand;  ferner  das  Lebensalter  der  Individuen  und  die 
Tages-  und  Jahreszeit,  indem  bei  jugendlichen  Menschen,  bei  Tag 
und  im  Sommer  die  Längenzunahme  in  der  Zeiteinheit  grösser  sei, 
als  im  Alter,  bei  Nacht  und  im  Winter  (Berthold). 

,  Der  Stoffwechsel  in  dem  fertigen  Haar  ist  gering,  aber  nicht 
immer  gänzlich  fehlend.  Einmal  nemlich  wird  das  Haar  durch  die 
Säfte,  welche  aus  den  Fettdrüsen  der  Haarbälge  austreten,  eingeölt; 
dieses  Oel  muss  natürlich  in  dem  der  Luft  ausgesetzten  Schafte 
verwesen,  und  der  daraus  erfolgende  Abgang  wird  wenigstens  in 
allen  fetten  Haaren  durch  neues  aus  dem  Balge  nachdringendes 
ersetzt.  —  Auf  eine  Umwandlung  der  Stoffe  des  fertigen  Haares 
deutet  das  Ergrauen  derselben;  dieses  kommt  durch  eine  Vermeh- 
rung seines  Luftgehaltes  zu  Stande,  indem  sich  derselbe  nicht  mehr 
auf  das  Mark  beschränkt,  sondern  auch  auf  die  Rinde  ausdehnt. 
Diese  merkwürdige  Lückenbildung  in  der  Rinde  tritt  nemlich  häufig 
auch  in  den  Theilen  des  Haares  ein,  welche  den  Balg  schon  ver- 
lassen haben  (Ergrauen  der  Spitzen).  —  Ueber  pathologische  Lufil^ 
bildung  in  den  Haaren  handelt  A.  Spiess  *). 

•)  Henlc's  und  Pfcufer's  Zeitschrift.  3.  Roilic.  V.  Bd.  1. 


Elastisches  Gewebe. 


249 


Uebor  den  periodischen  Haarwechsel  der  Thiero  und  insbesondere  über  das  anato- 
loische  Verhalten  der  Warze  und  der  aus  ihren  Flüssigkeiten  herrührenden  Zellen  hat 
äteinlin*)  sehr  genaue  Beobachtungen  mitgetheilt.  Siehe  hierüber  auch  Kölliker 
und  Langer. 

^  Die  Bewegungen  des  Haars  (das  Haarsträuben)  bestehen,  wie 
SS  die  Lagerung  des  Balgmuskels  emarten  lässt,  in  einem  Auf- 
iichten  des  schiefgeiegten  Haares. 

Elastisches  Gewebe. 

1.  Seine  elementare  anatomische  Anordnung**)  ist  mannig- 
aaltig;  bald  erscheint  es  als  homogene  oder  auch  als  durchlöcherte 
Haut,  bald  in  schmalen  oder  breiten  Fasern,  die  einfach  geschlängelt 
lind  verästelt  oder  mit  nebenliegenden  zu  Netzen  verbunden  sind, 
iiind  endlich  soll  es  auch  in  feinen,  einfachen  oder  verästelten 
^vöhren,  die  mit  den  anliegenden  zu  einem  feinen  Gefässwerk  ver- 
« chmolzen  sind,  auftreten  (Virchow,  Donders). 

2.  Chemische  Beschaffenheit.  Die  Zusammensetzung  der  Flüssig- 
keit, welche  die  festen  Theile  des  elastischen  Gewebes  durchtränkt 
(der  zwischen  den  Lücken  und  Höhlen  desselben  enthalten  ist, 
tennen  wir  nicht.  Die  feste  Masse  selbst  zeichnet  sich  aus  durch 
ure  LTnlöslichkeit  in  kalten  verdünnten  Mineralsäuren  und  ihre 
«chwerlöslichkeit  in  Kalilauge.  Mit  Säuren,  Kali,  Aether,  Alkohol 
ind  Wasser  gereinigt,  zeigt  der  Stoff  die  im  L  Bd.  p.  56  ange- 
ilhrte  prozentische  Zusammensetzung. 

3.  Physikalische  Eigenschaften,  a)  Im  durchfeuchteten  Zustand 
it  seine  Elasticität  sehr  vollkommen  und  sein  Elasticitätscoeffizient 
iin  niedriger.  Seine  Cohäsion  ist  unter  allen  Umständen  beträcht- 
csh,  sie  scheint  dabei  jedoch  nach  verschiedenen  Richtungen  hin 
licht  gleichmässig  zu  sein.  —  Seine  endosmotischen  Eigenschaften 
ind  sehr  unvollkommen  bekannt.  Es  zieht  begierig  "Wasser  an, 
aaillt  in  kaltem  Wasser  bedeutender  als  in  heissem  auf ;  im  Gegen- 
utz  zum  Bindegewebe  wird  es  durch  Essigsäure  nicht  aufgeschwellt. 
Us  Scheidewand  zwischen  diffundirende  Flüssigkeit  aufgestellt, 
ferhält  es  sich  unter  Umständen  eigenthümlich ;  so  verwehrt  z.  B.  nach 
I rücke  das  aus  elastischem  Stoff  bestehende  Schaalenhäutchen 
!e8  Hühnereies  dem  flüssigen  Eiweiss  den  Durchgang;  dasselbe 


•)  Henle'B  und  Pfeufer's  ZeiUchrlft.  I.  Reihe.  IX.  Hd. 
■•»)  Kölliker,  Oowebelchre.  3.  Aiinngo.  p.  68.  —  Virchow,  WUrzburgor  Verhandlungen, 
l  Bd.  p.  150.  —  He  nie,   Im  Jahresbericht  Uber  nllgem.  Anatomie  für  1861   p.  28  und  1862 
20. 


250 


ElastiBches  Gewebe. 


leistet  die  innere  Avterienliant ,  wenn  sie  vorher  in  einer  zweipro- 
zeutig-en  Kochsalzlösung  gelegen  (C.  Ludwig).  Eine  genauere 
Untersuchung  der  hier  einschlagenden  Eigenschaften  wäre  insbe- 
sondere wtinschenswerth ,  wenn  sich  die  Vemuthung  rechtfertigt, 
dass  die  Haut  der  Blutgefässcapillaren  und  die  der  feinsten  Drüsen- 
gänge aus  elastischem  Gewebe  gebildet  ist. 

4.  Ernährung,    a)  Die  Zusammensetzung  des  festen  Stoffs  be- 
weist, dass  er  aus  eiweissartigen  Atomen  hervorgegangen  sein  muss; 
eine  Hindeutung  auf  die  hierbei  vorkommende  chemische  Umsetzung  ^ 
gewährt  die  (Bd.  1.  p.  56)  mitgetheilte  Erfahrung  von  ZoUikofer, 
welche  darthut,  dass  aus  dem  Eiweiss,  indem  es  in  elastisches  t 
Gewebe  übergegangen,  die  Atomgruppe  entfernt  wurde,  aus  derl 
Tyrosin  bei  der  durch  Schwefelsäure  eingeleiteten  Zersetzung  her- II 
vorgehen  kann.  —  Die  Formfolge,  welche  bei  der  Hervorbildung  J 
des  elastischen  Stoffs  aus  der  Flüssigkeit  aufti-itt ,  ist  bis  dahin  noch  ■ 
Gegenstand  des  Streites;  einige  Anatomen,  unter  ihnen  Schwann,! 
Kölliker,  Virchow  und  Donders,  behaupten,  dass  es  ein' 
Umwandlungsprodukt  vorgängig  entstandener  Zellen  sei,  während 
H  e  n  1 6  *)  aus  der  Untersuchung  des  Nackeubrandes  die  Berechti- 
gung für  eine  solche  Annahme  bestreitet.   Bei  der  bekannten  Gründ- 
lichkeit beider  Parteien  kann  die  Ursache  der  AbAveichung  nur 
in  der  noch  mangelhaften  Methodik  gefunden  werden.   Die  elasti-i 
sehen  Gewebsformen  gehören  zu  denjenigen,  welche  sich  auch  im 
ausgewachsenen  Organismus  neu  bilden  können.  —  b)  Von  den 
Veränderungen  des  einmal  aufgebauten  Gewebes  ist  wenig  bekannt. 
Seine  Armuth  an  Blutgefässen  lässt  schliessen,  dass  sein  Umsatz 
während  des  Lebens  gering  sei ;  hiermit  in  Uebereinstimmung  steht 
die  Thatsache,  dass  es  bei  Abmagerung  aller  übrigen  Körper- 
bestandtheile  an  Gewicht  und  Umfang  nicht  beträchtlich  abnimmt. 
Von  einer  jeglichen  Veränderung  während  des  Lebens  ist  es  jedoch 
nicht  ausgeschlossen,  denn  es  kann  an  einzelnen  Orten  unter  gün' 
stigen  Umständen    schwinden,    wie   dieses  thatsächlich  an  den 
Wandungen  solcher  Gefässe  feststeht,   deren  Lumen  verschlossea 
wurde.  —  Einen  besondern  Weg  würde  die  sich  in  ihm  verbreitende 
Flüssigkeit  finden ,  wenn  die  Röhrennatur  der  sog.  Kernfasern  fesir 
gestellt  würde ;  in  diesem  kleinen  geschlossenen  Canalsystem  würde 
sich  die  Flüssigkeit,  nachdem  sie  in  dasselbe  auf  endosmotischem 
Wege  eingedrungen  wäre,  weiter  verbreiten  können. 


»)  L.  c.  1851.  p.  29. 


II 


Bindegewebe. 


251 


Bindegewebe. 

1.  Das  Mikroskop  in  Verbindung*)  mit  der  chemischen  Zer- 
e^ung  weist  in  dem  Bindegewebe  nach:  leimgebende  Fasern  und 
''ibrillen,  einen  eiweissartigen  Zwischenstoflf ,  elastische  Fasern  und 
iellenartige  Gebilde  (Jordan,  Henle,  Baur,  Rollet).  Die 
eeimgebenden  Faserzlige,  welche  den  weitaus  grössten  Theil  des 
Bindegewebes  ausmachen,  können  entweder  (in  Sehnen,  Aponeurosen, 
Bänden! ,  der  Selerotica)  sogleich  in  sehr  feine  Fäden  auseinander- 
l^ezerrt  werden,  oder  die  mechanischen  Hilfsmittel  zerlegen  sie  (in 
ier  Lederhaut,  im  formlosen  Bindegewebe,  in  der  tunica  con- 
üunctiva,  advcntitia,  submucosa)  vorerst  nur  in  breite  Fasera,  welche 
i,ich  durch  Kalk-  oder  Barytwasser  schliesslich  ebenfalls  in  Fibrillen 
ipalten  lassen.  Die  breitern  und  feinern  Fasern  sind  zu  Bündeln 
yereinigt,  indem  eine  grössere  Zahl  paralleler  Fasern  durch  eiweiss- 
artigen Bindestoff  verklebt  ist.  Diese  Bündel  werden  von  einander 
ijeschieden  durch  strukturlose  Scheiden  (Reichert,  Henle)  oder 
iiuch  durch  umspinnende  und  zum  Theil  in  die  Bündel  eindringende 
ifaserzüge  (Rollet,  Henle).  In  und  zwischen  diese  leimgebenden 
'  i'aserzüge  sind  eingebettet  feine,  oft  zu  Netzen  verbundene  elastische 
'  i'asern  und  eine  besondere  Art  von  Körperchen ,  welche  zusammen- 
;i;efallenen  Zellen  ähnlich  sehen ,  die  nach  zwei  Seiten  hin  in  feine 
' ''äden  auslaufen.  Ausser  diesen  allgemein  anerkannten  Einlagerungen 
Banden  sich  Virchow  und  nach  ihm  Leydig  u.  A.  veranlasst, 
iiind  zwar  in  Folge  der  Bilder,  welche  ein  senkrecht  gegen  die 
Ilichtung  der  Faserbündel  geführter  Schnitt  zum  Vorschein  bringt, 
iioch  sternförmig  verästelte  Zellen  zwischen  den  Bündeln  anzu- 
itrehmen.  Da  diese  sternförmig  verästelten  Zellen  bis  dahin  noch 
iiicht  gesondert  dargestellt  werden  konnten,  so  lassen  andere 
imatomen  (Henle,  Rollet)  die  sternförmigen  Figuren,  welche 
lie  Annahme  von  Zellen  hervorriefen,  nur  als  einen  Ausdruck  für 
üe  Lücken  gelten,  welche  zwischen  den  Bündeln  übrig  blieben. 
))ie  Bündel  sind  mannigfach  angeordnet,  bald  verlaufen  sie  an- 
läherad  parallel,  bald  durchfleehten  sie  sich  nach  den  verschieden- 
tten  Richtungen  und  zuweilen  so  innig,  dass  wie  z.  B.  an  der  Ober- 
iläche  des  Coriums  und  der  Cornea  der  Anschein  einer  strukturlosen 
ochicht  entstehen  kann  (Rollet).  —  Die  molekulare  Struktur  der 
'^''asern  scheint  eine  sehr  eigenthümliche  zu  sein,  denn  die  Fasern 


■    ■)  Siehe  die  Literatur  des  olastisclien  Gewebes  und  ausserdem  —  Henle,  Jaliresbericlit  für  1857 
.35.  —  Roliet,  Wiener  altad.  Sitzungsberiolite.    XXX.  Bd.  p.  37.  —  Alb,  Baur,   die  Ent- 
^cklung  der  Bindesabstanz.  Tübingen  1858. 


252 


Chemische  Eigenschaften  des  Bindegewebes. 


brechen  das  Licht  doppelt,  eine  Eigenschaft,  die  sie  im  gequollenen 
Zustand  entweder  aufgeben  oder  beibehalten  (W.  Müller).  Dem' 
entsprechend  ist  die  Formänderung,  welche  die  Fasern  bei  der 
Quellung  annehmen,  eine  verschiedene,  indem  sie  durch  gewisse 
Mittel  nur  nach  einer,  und  durch  andere  nach  verschiedenen  Seiten 
sich  ausdehnen.  So  dehnen  sie  sich  durch  Essigsäure  allseitig  (?), 
durch  ClCa  nur  nach  der  Breite  aus,  durch  kochendes  Wasser 
werden  sie  verkürzt  u.  s.  w. 

2)  Chemische  Beschaffenheit.  Die  Formbestandtheile  des  Bindet 
gewebes  sind  im  Leben  mit  einer  Feuchtigkeit  durchtränkt,  und 
ausserdem  liegt  in  den  Lücken  zwischen  den  Blättern  und  Faser- 
bündeln Feuchtigkeit  eingeschlossen.  Ihre  Zusammensetzung  ist 
unbekannt.  —  Die  festen  organischen  Bestandtheile  bieten,  mit 
Alkohol,  Aether  und  Wasser  gereinigt,  die  prozentische  Zusammen- 
setzung des  Leims  dar  (Scher er  und  Winkler).  Wenn  man 
aus  dieser  Thatsache  schliesst,  dass  sich  das  Bindegewebe  beim 
Kochen  ohne  Veränderung  seiner  Zusammensetzung  in  Leim  auf- 
löse, so  ist  damit  nur  ausgesprochen,  dass  die  Analyse  dieses 
Körpers  nur  in  sehr  weiter  Fehlergrenze  das  Richtige  trifft.  Ohne 
dieses  mUsste  man  nemlich  gerade  das  Entgegengesetzte  behaupten, 
weil  Bindegewebe  selbst  da,  wo  es  am  reinsten  vorkommt,  einen 
in  Kalk-  und  Barytwasser  löslichen  Eiweissstoff  (Rollet)  und 
zudem  immer  noch  bedeutende  Mengen  von  solchen  Geweben  en^ 
hält,  welche  sich  beim  Kochen  nicht  auflösen.  Zellinsky*)  fand 
den  unlöslichen  Rückstand  der  4 — 6  Tage  lang  gekochten  Sehnen 
zu  4 — 5  pCt. 

Man  hat  sich  erlaubt,  auf  die  chemische  Beschaffenheit  der  Bindegewebsflüssigkeit, 
zu  schliessen  aus  deijenigen ,  welche  beim  Zellgewebsödem  das  Bindegewebe  erfüllt 
oder  gar  aus  dem  Safte,  welcher  in  Folge  von  Entzündungen  aus  den  Gefässen  des 
Bindegewebes  austritt**).  Diese  letzte  Annahme  verdient  keine  Berücksichtigung.  Die 
Oedem  erzeugende  Flüssigkeit,  vrelche  nach  Schmidt  stark  alkalisch  reagirt,  besteht 
in  100  Theilen  aus  0,36  pCt.  organischer  Bestandtheile  (die  vorzugsweise  Eiweiss,  aber 
keinen  Faserstoff  enthalten),  aus  0,77  Salzen  und  98,87  Wasser.  —  Die  Annahme  einer 
Uebereinstimmung  zwischen  dieser  und  der  normalen  Zellgewebsfeuchtigkeit  dürfte 
darum  gewagt  erscheinen,  weil,  so  weit  wir  wissen,  ein  Oedem  nur  eintritt,  wenn 
eine  wesentliche  Veränderung  in  der  Zusammensetzung  des  Bluts  vor  sich  gegangen, 
oder  wenn  der  Strom  in  den  Blutgefässen  des  Bindegewebes  in  Folge  einer  Hemmung 
desselben  in  den  Venen  unter  einer  erhöhten  Spannung  fliesst. —  Viel  wahrscheinlicher 
ist  es ,  dass  die  Lymphgefässe ,  und  namentlich  ehe  sie  in  die  Drüse  eintreten ,  den 
Saft  der  Zellgewebslücken  enthalten,  welchem  wir,  gestüzt  auf  die  Quellungserschei- 


»)  Henle's  Jahresbericht  fllr  nllgem.  Anatomie  für  1853.  p.  28. 
•»)  C.  Schmidt,  Charakteristik  der  epidem.  Cholera.   MItau  1850.  123. 


Eniähning  des  Bindegowobcs. 


253 


.ungen,  nicht  ohne  Weiteres  dieselbe  Zusammensetzung  zuschreiben  dürfen  mit  dem- 
•migen ,  der  die  feste  Masse  selbst  durchfeuchtet. 

3.  Ernäln-uugserscheinungen.  Das  leimgebende  Bindegewebe 
intsteht  unzweifelhaft  aus  eiweissartigen  Stoffen,  denn  es  enthalten 
!8lut  und  Eier  keinen  oder  wenigstens  nur  sehr  sehr  selten  Leim, 
iind  die  Analogie  in  der  Zusammensetzung  und  der  chemischen 
;Jonstitution  bürgt  dafür,  dass  der  Leim  ein  umgewandeltes  Eiweiss 
}8t.  Hiermit  befindet  sich  die  Thatsache  nicht  im  Widerspruch, 
kass  die  sog.  Granulationsgebilde,  welche  im  Begriff  stehen,  zu 
iiindegeweben  zu  werden,  und  ebensowenig  das  in  der  Bildung 
itegriffene  schon  deutliche  Faserung  zeigende  Bindegewebe  beim 
fCochen  keinen  Leun  liefern  (Güterbock,  Schwann,  Drum- 
piond)  *).  Wie  diese  Umwandlung  des  Eiweisses  in  Leim  vor 
itich  geht,  kann  nicht  einmal  veiiuuthungsweise  ausgesprochen 
hyerden;  der  gewöhnliche  Ausdruck,  dass  dieser  Vorgang  zu  den 
Oxydationsprozessen  zähle,  begi-ündet  sich  dadurch,  dass  100  Theile 
i/cim  mehr  Sauerstoff,  als  das  Eiweiss  enthalten. 

Das  Bindegewebe**)  gehört  zu  den  festen  Bestandtheilen  des 
Thierkörpers,  welche  sich  während  des  Wachsthums  und  auch  in 
rrwachsenem  Zustande  sehr  leicht  neu  bilden.  Die  Formen,  welche 
aan  an  den  Orten  findet,  an  welchen  neues  Bindegewebe  entsteht, 
iind  mannigfache,  und  zwar:  1)  eine  gedrängte  Masse  von  rund- 
ichen  Zellen,  deren  Wand  in  Essigsäure  unlöslich  ist  und  die  im 
Qinem  eine  durchsichtige  Flüssigkeit  und  eine  oder  zwei  stark 
cchtbrechende  Kügelchen  enthalten ;  2)  zwischen  diesen  Zellen  oder, 
!i.emen  ist  eine  gallertartige,  formlose  Substanz  eingebettet ,  3)  oder 
iine  homogene  zähe  Masse,  in  der  einzelne  Zellen  liegen,  deren 
iVandungen  mit  jener  Masse  verschmolzen  sind;  4)  kernhaltige 
•  eilen,  von  deren  Wand  Ausläufer  abgehen,  die  mit  den  ent- 
prechenden  Verlängerungen  der  benachbarten  Zellen  verschmelzen 
md  somit  Zellennctze  darstellen;  in  dem  Raum,  den  diese  Netze 
nottschliessen,  ist  eine  formlose  Masse  eingebettet;  5)  eine  gedrängte 
lasse  von  platten,  oblongen  oder  aber  von  spindelförmigen  Kör- 
eerchen ,  die  einen  sog.  Zellenkern  enthalten.    Die  schmalen  Enden 

•)  J.  Vogel,  Pathol.  Anatomie,  p.  143.  —  Sclilossberger,  Allgemeine  Thierchemie, 
i^ndegewebe  120. 

•*)  He  nie,  Rationelle  Pathologie.  II.  1.  Abth.  p.  7IC  ii.  f.  ii.  821.  —  Reichert,  Bcmcr- 
'ingen  zur  vergl.  Natiirforschnng.  Wir>.  p.  lüG.  —  Köllil«or,  Handbuch  der  Gewebelelire.  2.  Aiif- 
f-ge.  p.  71.  —  Henle'9  Jahresbericht  Uber  allgem.  Anatomie  für  1852.  p.  20.  —  Kcmak,  Mill- 
•«i'a  Archiv.  1862.  p.  63.  —  Thierfolder,  Do  regeneratlono  tendluum.  Misonae  1852.  — 
Meyer,  Annalcn  der  Charltö.  IV.  Bd.  —  A.  Baur,  die  Entwicltlimg  der  Bindesubstanz, 
äbtngen  1858. 


254 


Forrafolge  dos  Bindogowebes. 


dieses  Gebildes  sind  öfter  mit  den  entsprechenden  Rändern  d» 
anstossenden  verwachsen. 

Je  nachdem  man  diese  Thatsachen  verknüpft,  lassen  sich  vei 
schiedene  Vorstellungen  bilden  Uber  die  Formfolge  des  entstehende 
Bindegewebes.    Man  hat  u.  A.  nachstehende  Zusammenstellungci 
versucht:  1)  Das  Bindegewebe  geht  hervor  aus  den  vergrössertii 
und  verschmolzenen  Zellhäuten.    2)  Die  freien  Kerne,  welche  ! 
der  formlosen  Grundmasse  liegen,  bestimmen  ihre  nächste  Uu. 
gebung  dahin,  sich  loszureissen  von  den  Nachbarorten,  so  das^j 
damit  die  Grundmasse  in  einzelne  Plättchen  oder  Fasern  zerfällt  a 
3)  Die  Auslaufer  der  verästelten  Zellenhäute  verwandeln  sich  ii  | 
Bindegewebsstränge.    4)  Die  ursprünglich  strukturlose  gallertartig! 
Masse  wird  zähe,  faltet  oder  fasert  sich  aus,  die  eingesprengte 
Kerne  verschmelzen  mit  derselben.    5)  Die  strukturlose  Masse  vei 
ändert  sich,  wie  unter  4.  angegeben  wurde,  und  die  verästelte; 
Zellen  stellen  die  V  i  r  c  h  o  w '  sehen  Bindegewebskörper  dar.  6)  Au 
den  Zellen  gehen  Formen  hervor,  welche  mit  dem  Bindegeweb 
im  engern  Wortsinn  nichts   gemein  haben,   wie  z.  B.  Gefäss 
elastische  Fasern  u.  dergl.  —  Es  dürfte  kaum  anzugeben  se 
welche  Meinung  das  Uebergewicht  über  die  andere  hat,  oder  o 
gleichzeitig  mehrere  oder  vielleicht  keine  von  ihnen  berechtigt  is 

Rücksichtlich  der  übrigen  Erfordernisse  für  die  Neubildung  voi 
Bindegewebe  steht  fest,  dass  sich  dasselbe  nur  in  denjenigei 
flüssigen  Absonderungen  bildet,  welche  sich  in  geringer  Meng 
zwischen  den  festen  Theilen  des  thierischen  Körpers  finden;  das 
sich  aber  niemals  die  festen  Massen,  welche  frei  in  einer  Flüssi 
keit  schwimmen ,  zu  Bindegewebe  umformen.  So  tintt  z.  B.  an  di 
Stelle  eines  Blutpfropfs,  der  sich  in  einer  unterbundenen  Arteri 
findet,  mit  der  Zeit  eine  Bindegewebsmasse,  während  eine  Floc 
von  Faserstoff,  die  in  einer  Flüssigkeit  schwimmt,  welche  in  einei 
serösen  Sacke  ausgetreten  ist,  niemals  zu  Bindegewebe  wird,  un 
ebenso  bilden  sich  auf  dem  Boden  einer  eiternden  Fläche  Bindi 
gewebsmassen ,  aber  die  Eiterkörperchen  selbst,  welche  im  Eitej 
serum  suspendirt  sind,  wandeln  sich  nicht  darin  um.  —  Eine  and 
Frage,  die  man  öfter  erhoben,  aber  niemals  mit  Sicherheit  bea; 
wertet  hat,  besteht  darin,  ob  die  Flüssigkeit  Faserstoff  enthalt 
müsse,  wenn  sie  zur  Entstehung  neuen  Bindegewebes  Veranlassu; 
geben  solle. 

lieber  den  Umsatz  des  einmal  fertigen  Bindegewebes  ist  w« 
bekannt.    Die  gewöhnliche  Annahme  geht  dahin,  dass  es  sich 


Bindegewebe ;  Narbenscbrumpfung. 


255 


irerändert  erhalte  oder  mindestens  sehr  wenig  verändere.  Die 
■Gründe  daflir  findet  man  darin,  dass  dasselbe  nach  dem  Tode 
iangsamer  als  die  Muskeln  und  Nerven  fault;  darin,  dass  bei  einer 
iintretenden  Abmagerung  die  vorzugsweise  aus  Bindegewebe  be- 
ttehenden  Theile,  wie  z.  B.  die  Sehnen,  wenig  an  ihrem  Umfang 
terlieren;  und  endlich  darin,  dass  viele  der  Bindegewebsorgane 
jßehnen,  Unterhautzellgewebe,  seröse  Häute)  mit  nicht  sehr  zahl- 
eeichen Gefässen  versehen  sind.  —  Chirurgischen  Erfahrungen  zu- 
lolge  verhält  sich  das  neugebildete,  in  Narben  eingelagerte  Binde- 
gewebe oft  eigenthümlich,  da  es  häufig  nicht  für  die  Dauer  besteht, 
Dondern  kaum  gebildet ,  auch  wieder  verschwindet.  Auf  diese  Weise 
tleutet  Eos  er*),  und  wie  es  scheint  mit  Recht,  die  bekannte  That- 
aache  der  Narbenschrumpfung,  die  darin  besteht,  dass  die  Narben- 
laasse,  welche  die  mit  Gewebsverlust  verbundenen  Wunden  aus- 
ilillt,  allmählig  wieder  und  zwar  so  weit  aufgelöst  wird,  dass  sich 
ilie  Ränder  der  unverletzten  Haut,  welche  bis  dahin  auseinander- 
;;ehalten  wurden ,  wieder  aneinander  legen.  Diese  Verschrumpfung 
rrfolgt  nach  Roser  nur  dann,  wenn  die  Haut  bis  zum  Unterhaut- 
liiindegewebe  zerstört  war,  und  unter  diesen  Bedingungen  am 
eeichtesen  bei  kräftig  constituirten  Menschen  und  da,  wo  die  Narbe 
(on  einer  leicht  dehnbaren  und  nachgiebigen  Haut  umgeben  wii'd. 
^Vo  sie  aber  auch  eintritt,  erfolgt  sie  nach  gewissen  Richtungen 
?3ichter,  als  nach  andern,  so  am  Hals,  am  Penis,  der  hintern 
Wand  der  Scheide,  vorzugsweise  nach  der  Längenachse  jener 
»rgane.  Die  grosse  Bedeutung  dieses  Vorgangs  als  Heilmittel  hat 
tioser  wiederholt  heiTorgehoben. 

Die  Anordnung  des  Bindegewebes  aus  verschieden  gerichteten 
mgleich  starken  FaserzUgen  müssen  die  Entstehung  vieler  Lücken 
veranlassen,  welche,  insofern  sie  nicht  zusammengepresst  werden, 
iich  mit  Flüssigkeit  füllen  können,  wie  diess  in  ungewöhnlich  reich- 
cchem  Maasse  beim  sog.  Oedem  beobachtet  wird.  Diese  besondere 
struktur  wird  also  unter  allen  Umständen  der  aus  dem  Blut  in 
aas  Bindegewebe  eingetretenen  Flüssigkeit  die  Bewegung  erleich- 
lern.  —  Ausser  diesen  durch  die  zufälligen  Poren  vorgezeichneten 
iVegen  weisen  einige  Physiologen  der  Bindegcwebsflüssigkeit 
noch  einen  andern  an,  nemlich  durch  die  unterstellten  Höhlungen 
der  netzföi-mig  vei-flochtencn ,  feinen  elastischen  Fasern  in  dem 
mit  feinen  Ausläufern  versehenen  zellenartigen  Gebilde;  diese  An- 


•)  Schriften  der  Gesellschaft  der  Natunvlssenschaften  zu  Marburg.  VIII.  Bd.  1857.  281. 


I 


256  Gemenge  aus  elastischem  und  Bindegewebe.    Seröse  Häute. 

Ii 

sieht  wird  von  dem  Tage  an  sehr  belangreich  werden,  wo  die 
behauptete  anatomische  Thatsache  sicher  gestellt  ist. 

Gemenge  aus  elastischem  und  Bindegewebe. 

Aus  einer  Verbindung  des  elastischen  und  des  Bindegewebes 
bei  der  bald  das  eine  und  bald  das  andere  überwiegt,  sind  sehi 
zahlreiche  Platten,  Stränge,  Beutel,  Falten  u.  s.  w.  aufgebaut.  Wii 
erinnern  hier  nur  an  die  Cutis  mit  dem  panniculus,  die  Schleim 
häute  mit  der  tunica  nervea,  die  Faszien,  die  weiten  und  engei 
Gefäss-,  Muskel-  und  Sehnenscheiden,  die  Sehnen,  die  seröser 
Häute,  die  Sclerotica,  Cornea  u.  s.  w.  Woher  die  auffallender 
Abweichungen,  die  sich  beziehen  auf  das  Uebergewicht  entweder 
des  Binde-  oder  des  elastischen  Gewebes,  die  Anordnung  und  Ge 
drängtheit  der  Bindegewebsbündel  u.  s.  w. ,  rühren,  ist  unbekannt, 
Je  nach  dem  Gefässreichthum  und  ihrer  Einordnung  in  andere 
Gewebe  und  Flüssigkeiten  werden  ihre  Lebenseigenschaften  mannig- 
fach verschieden  sein,  Verschiedenheiten,  die  wir  an  mancherlei 
Orten  hervorgehoben  haben  und  noch  hervorheben  werden. 

Die  Rolle,  welche  die  auf  diese  Art  zusammengesetzten  Ge- 
bilde spielen,  ist,  so  weit  wir  wissen,  meist  bedingt  durch  ihre 
cohäsiven  und  elastischen  Eigenschaften.  Unter  diesem  Gesichts- 
punkte haben  wir  Sehnen  und  Faszien  schon  erwähnt;  wir  weisen 
noch  hin  auf  die  Cutis,  welche  einmal  ein  elastischer  Ueberzug-j 
über  alle  andern  tiefer  gelegenen  Organe  darstellt,  und  dann  als 
Lager  der  Haarbälge,  der  Gefässe  flir  die  Absonderung  der  Ober- 
haut, der  Schvveiss-  und  Fettdrüsen  und  endlich  als  ein  Hilfswerk- 
zeug tür  den  Tastsinn  hervorragt. 

In  anderer  Weise  als  die  bisher  aufgezählten  Gebilde  sind  die 
serösen  Häute,  die  Sehnenscheiden  und  die  Cornea  wichtig. 

Seröse  Häute. 

1.  Anatomische  Beschaffenheit.     Die  serösen  Häute  bestehen 
bekanntlich  aus  elastischem  und  Bindegewebe,  auf  ihrer  freien' 
Fläche  sind  sie  meistentheils  mit  einem  Epithelium  besetzt,  das  I 
bald  ein  einschichtiges  und  bald  ein  mehrschichtiges  ist.    Die  Zellen  S 
selbst  gleichen  denen  in  der  mittleren  Lage  der  Epidermis.  Nach 
einzelnen  Autoren  (Todd  und  Bowmann)  sitzen  diese  nicht  mi 
mittelbar  auf  dem  Bindegewebe,  sondern  auf  einer  sehr  dünnen 
glashellen,  strukturlosen  Membran,  die  sich  zwischen  die  Deck 
Zellen  und  das  Bindegewebe  einschiebt.    Hier  wie  an  der  Cutis 
und  Cornea  dürfte  diese  Strukturlosigkeit  nur  eine  scheinbare  sein 
und  das  Bindegewebe  bis  zum  Epithelium  reichen. 


Hirnwasser. 


257 


2.  Seröse  Flüssigkeiten.  In  der  Höhle  der  serösen  Säcke  ist 
uine  Flüssigkeit  enthalten,  die  an  den  verschiedenen  Orten  nach 
liusammensetzung  und  Menge  Abweichungen  bietet.  Die  Beding- 
i-isse  dieser  Abweichungen,  insbesondere  die  von  dem  Ort,  der 
Ibsonderungsfläche,  dem  Druckunterschied  in  dem  serösen  Sack 
and  dem  Blntstrom,  der  Aufenhaltsdauer  im  Körper  u.  s.  w.  könnte 
licht  Gegenstand  genauer  Versuche  an  Thieren  werden. 

a.  Hirnwasser*).  In  den  Lücken  zwischen  Arachnoidea 
iid  der  Hirn-  und  Eückenmarksfläche,  wenn  man  will  in  den 
saschen  der  oberflächlichsten  Gefässhautschichten,  liegt  eine  Flüssig- 
'äit,  welche  aus  Eiweiss,  Extraktivstoffen  und  den  Salzen  des 
iluts  besteht.  —  Die  quantitative  Zusammensetzung  derselben 
Iheint  bei  verschiedenen  Individuen  und  selbst  dann,  wenn  sie  in 
•ankhaft  vermehrter  Menge  abgesondert  wird,  wenig  Verschieden- 
st zu  bieten. 

Nach  den  Analysen  von  Tennant,  Bestock,  Marcet, 
»assaigne,  L'höritier,  Barruel,  Haldat,  Berzelius, 
lulder.  Landerer,  C.  Schmidt  und  Schlossberger  liegt  ihr 
Vassergehalt  zwischen  98,0  und  99,1  pCt.  Unter  den  festen  Be- 
landtlieileu  findet  sich  1,3  bis  0,05  Eiweiss,  0,4  bis  0,2  Extrakte; 
eesen  kommt  ein  Bestandtheil  zu,  welcher  CuO  reduzirt  (Bussy), 
1,  er  jedoch  mit  Fermenten  keine  CO2  liefert,  so  kann  es  kein 
Kcker  sein  (Turner);  Gl.  Bernard  **)  findet  dagegen  in  allen 
tt  genährten  Thieren  das  Hirnwasser  zuckerhaltig;  verschwindet  in 
illge  von  Nahrungsentziehung  der  Zucker  aus  der  Leber,  so  ist  er 
(ch  an  unserm  Ort  nicht  mehr  zu  finden.  Endlich  enthält  das  Hirn- 
iiisser  1,0  bis  0,5  pCt.  Salze;  unter  ihnen  ist  das  Na  Gl  vorwiegend. 
!3  Beispiel  geben  wir  eine  vollkommene  Analyse  von  G.  Schmidt: 
»asser  =  98,67;  organ.  Subst.  =  0,37;  2  NaOPOs  =  0,06;  KOSO3 
0,01;  NaO  =  0,18;  KaGl  =  0,22;  NaGl  =  0,44;  SGaOPOö' 
äd  SMgOPOö  =  0,03.  Nach  den  Beobachtungen  von  Schmidt 
III  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den  in  der  Hirnhöhle 
lid  den  auf  der  Hinioberfläche  enthaltenen  Flüssigkeiten  bestehen. 
:e  erstere  soll  constant  nm-  Spuren  von  Eiweiss  zeigen,  während 
!  letztere  ciwcisshaltiger  ist.  Die  Wahrscheinlichkeit,  dass  diese 
»sammeusetzung  den  Flüssigkeiten  während  des  Lebens  angehöre 

'*)BcrzoHns,  Handbuch  d.  Chemie.  IX.  Bd.  p.  198.— L' h(Srlt  I  er,  chlmio  pnthol.  p.  578. — 
ndercr,  Bnchner's  Hcpcrtorium.  25.  Bd.  —  Tennant,  Journnl  do  chlmie  mddic.  1838.— 
imldt,  Charakteristik  der  epidemischen  Cholera,  p.  110  n.  f.  —  Valentin,  Lehrbuch  I.  Bd. 

•26. —  Schlossberger,  allgemeine  Thlerchcmle.  Nervensystem  p.  140. 

'       Lepons  de  Phyniologie  1855.  1.  Hd.  p.  Iii). 

Ludwig,  Phyglologle  II.  2.  Auüagc.  17 


258 


Herz-,  Brust-,  Bauchwasser. 


und  namentlich  nicht  in  der  Leiche  wesentliche  Veränderungen  ei  i 
fahren  habe,  wird  begründet  durch  die  gleichlautende  Analyse  dt 
Hirnwassers,  was  man  durch  Punktion  von  lebenden  Wasserköpfe ; 
(Landerer,  Schmidt,  Schlossberger)  oder  aus  lebendei. 
Thieren  gewonnen  (Lasseigne,  Schmidt).    Wenn  die  Flüssig 
keit  durch  Punktion  entleert  wird,  so  bildet  sie  sich  rasch  voi 
Neuem,  und  es  zeigt  die  neue  Flüssigkeit  die  Zusammensetzuni 
der  frühern  (Schmidt). 

b.  Herz  Wasser  *).  Der  flüssige  Inhalt  des  Herzbeutels  isi 
bei  gesunden  Enthaupteten  von  Lehmann  undGorup  untersucht 
In  100  Theilen  wechselte  das  Wasser  zwischen  95,51  bis  99,2,  dai 
Eiweiss  zwischen  2,47  bis  0,1,  die  Salze  zwischen  0,73  bis  0,1 
Ein  faserstofiTialtiges  Gerinnsel  fiel  unter  den  drei  Beobachtungei 
nur  einmal  aus  die  Flüssigkeit. 

Krankhafte  Ansammlungen  sind  häufiger  und  mit  sehr  wechselnden  Besul taten  untei 
sucht  worden;  sie  erwiesen  sich  ebenfalls  bald  faserstoffhaltig  und  bald  faserstofFfre: 
Unter  den  Salzen  überwog  immer  das  Kochsalz. 

c.  Brustwasser  **).  Der  Inhalt  der  Pleura  ist  noch  nich 
aus  dem  lebenden  gesunden  Menschen  oder  Thier  untersucht  worden.— 
Wenn  das  Brustwasser  krankhaft  vennehrt  ist  und  dann  abgelassei 
wird,  so  ersetzt  es  sich  rasch  wieder,  vorausgesetzt,  dass  sich  dii 
Lunge  nicht  mehr  bis  zur  vollständigen  Ausfüllung  des  Brustraumi 
ausdehnen  kann.  Wird  dann  die  Flüssigkeit  wiederholt  abgelassen 
so  besitzt  sie  jedesmal  annähernd  dieselbe  Zusammensetzung  (Vogel 
Scherer,  Schmidt). 

d.  B  a  u  ch  w  a  s  s  e  r.  Dasselbe  ist  nur  dann  untersuch! 
wenn  es  in  krankhafter  Menge  abgeschieden  war.  Man  fand  i 
ihm  constant  Eiweiss,  Extrakte  und  die  Blutsalze;  in  einzelne! 
Fällen  Faserstoif,  Harnstoff  (bei  Nierenleiden?),  Zucker,  Fette  un( 
Gallenpigment.  —  Wird  die  Flüssigkeit  entleert,  so  entsteht  si 
meist  rasch  vneder  und  behält  die  Zusammensetzung,  die  sie  uij 
sprünglich  besass  (Schmidt,  J.  Vogel). 

Vergleichung  der  Flüssigkeiten  aus  der  Hirn-,  Brust-  und  Bauchhöhle.  Aus  ein( 
grösseren  Zahl  von  Beobachtungen  des  Hirn-,  Brust-  und  Bauch wassers  an  Terschii 
denen  Individuen  und  einer  gleichzeitigen  an  den  drei  Flüssigkeiten  desselben  Mensel 
zieht  Schmidt  einige  allgemeine  Schlüsse.  —  a.  Der  Eiweissgehalt  der  wässrii 
Ergtisse  in  den  genannten  Höhlen  erreicht  niemals  den  des  Blutserums.  —  b.  Findi 
gleichzeitig  in  einem  Individuum  eine  vermehrte  Absonderung  in  den  drei  Hö! 

•)  L'hdrltier,  1.  c.  —  Lehmann,  Lehrbuch  der  physiol.  Chemie.  II-  Bd.  309.  —  Gort 
Jahresbericht  von  So  her  er  für  1861.  p.  97. 

»•)  L'hiSritier,  I.e.  —  J.  Vogel,  Patholog.  Anatomie,  p.  26.  —  Scherer,  Cheraisd 
Untorsuchungen  zur  Patliologie.  1843.  IOC  u.  f.  —  Schmidt,  1.  c.  p.  12J. 


llodenwassor ,  öelenisciiraiere. 


tfttt,  so  ist  in  dem  Hirnwasser  am  wenigsten  und  in  dem  Brustwasser  am  meisten 
üweiss.  —  F.  Hoppe*)  bestätigt  diesen  Satz  mit  dem  Beifügen,  dass  die  wässerige 
..nsammlung  im  Bindegewebe  (Oedem)  ärmer  au  Albumin  als  das  Brust-  und  Bauch.- 
/asser  sei.  Damit  sich  jedoch  die  Flüssigkeiten  der  genannten  Eeihenfolge  v.  Schmidt 
:',nfiigen,  müssen  sie  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  gebildet  sein  und  gleich  lange  an  der 
iatürlichen  Lagerungsstätte  verweilt  haben. 

e.  Hodenwasser.  Die  Flüssigkeit  der  vagina  testis  propria, 
iiie  mir  bei  krankhafter  Vermehrung  derselben  untersucht  wurde, 
tnthält  ausser  den  wiederholt  aufgezählten  Bestandtheilen  der  übrigen 
serösen  Säfte  meist  noch  Cholestearin  in  reichlicher  Menge  und 
JJernsteinsäure  (W.  Müller)  "■'•*).  Die  Verhältnisse,  in  denen  die 
[genannten  Stoffe  gemischt  sind,  und  namentlich  die  Menge  des 
Ijiweisses  und  Cholestearins  wechselt  ohne  bekannte  Veranlassung 
90  ausserordentlich,  dass  die  Zusammenstellung  von  Zahlenwerthen 
iür  Flüssigkeiten,  die  aus  verschiedenen  Menschen  genommen  wurden, 
hne  Bedeutung  ist. 

W.  M  ü  1 1  e  r  fand  in  einer  Hydroceleflüssigkeit,  die  zu  vier  verschiedenen  Zeiten  dem- 
alben  Menschen  entzogen  wurde,  Folgendes  (die  Zusammensetzung  ist  in Proz.  ausgedrückt) : 


lilntleerung. 


1. 
2. 
3. 
4. 


Anwesenheitsdauer  in 
der  Scheidenhaut. 


Menge  d.  Flüs- 
sigkeit. 


210  CG. 
180  CG. 
215  G.G. 
Ueber  250 G.G. 


Eiweiss. 


4,87 
4,38 
4,79 
5,17 


Salze. 


Wasser. 


f. 


0,97 
0,82 
0,85 
0,92 

sind 


93,56 
94,01 
93,65 
93,40 

diejenigen, 


unbestimmt. 
18  Tage. 
33  „ 
52  „ 

Gelenkschmiere.  Ihre  Bestandtheile 
i 'eiche  den  serösen  Flüssigkeiten  überhaupt  zukommen,  und  ausser- 
dem noch  Schleimstoff  und  unter  aUen  Umständen  abgestossene 
i',pithelialzellen.  Die  quantitative  Zusammensetzung  soll  nach  Fre- 
iichs***) mit  dem  Alter  und  dem  Bewegungszustande  des  Gelenkes 
■wechseln;  er  stützt  sich  hierbei  auf  die  Untersuchung  je  eines  Falles. 
Nach  Frerichs  enthält  die  Synovia: 

Im  Stall 
gemästeter  Ochse. 

96,99 


Kalb. 

¥asser  96,56 


chleim  und  Epithelien  . 

►'ett  

iiiweiss  und  Exti-akte  . 
^aOCl,  KOSOa,  CaOC02, 
phosphorsaure  Salze 


0,32 
0,06 
],99 

1,06 


0,24 
0,06 
1,57 

1,13 


»)  Vlrchow'g  Archiv.  IX.  Bd.  245. 
••)  Henlo'g  und  Pfeufei's  Zeitüclii-lft.    N.  F.    Vm.  Bd.  130. 
••')  Wagncr's  Haudwörterb.  III.  5.  p.  4G8. 


Ochse,  der  auf  der  Weide 
zugebracht  hatte. 

94,85 
0,56 
0,08 
3,51 

1,00 


17- 


260 


Sehnonscheiden  und  Schleimbeutel,  Hornhaut. 


Die  Gelenke  des  jungen  und  des  ruhenden  Thiers  enthielten 
mehr  Flüssigkeit  als  die  des  sich  bewegenden.  —  Die  abgestossenen 
Epithelialschuppen  sollen  sich  nach  Frerichs  mit  Hinterlassung 
der  Zellenkerne  in  der  alkalisch  reagirenden  Gelenks cluniere  auf- 
lösen ,  und  diese  Auflösung  soll  die  Quelle  des  Schleims  sein.  Nach 
Luschka  *)  dagegen '  soll  sich  die  Höhlung  der  Zellen  mit  Fett 
flillen,  worauf  diese  selbst  allmählig  zu  Grunde  gehen. 

Sehnenscheiden  und  Schleimbeutel.  Die  Wand  dieser 
Höhlungen  schliesst  sich  den  serösen  Säcken  insofern  an,  als  sie 
aus  einer  Grundlag.e  von  Bindegewebe  und  einer  diesem  aufsitzenden, 
nach  der  Höhlung  gerichteten  einfachen  Pflasteroberhaut  besteht; 
die  vollkommene  Uebereinstimmung  wird  aber  getrübt,  einmal  da- 
durch, dass  die  Bindegewebshaut  der  meisten  Schleimbeutel  und 
alle  Sehnenscheiden  keinen  vollkommenen  Sack  von  den  anliegenden 
Bindegewebsräumen  abschliesst,  und  nächstdem  auch  durch  die 
unvollkommene  Ueberkleidung  der  vorhandenen  Wände  mittelst 
Oberhaut.  —  Die  schleimige,  nach  dem  äussern  Ansehen  der  Ge- 
lenkschmiere ähnliche  Flüssigkeit,  welche  in  diesen  Höhlen  ent- 
halten ist,  hat  noch  keine  Untersuchung  erfahren.  In  ihr  setzen 
sich  häutig  durchscheinende,  gelbliche  Klümpchen  eines  stark  mit 
Flüssigkeiten  durchtränkten  Stoffes  ab.  Nach  Virchow  **)  reagiren 
sie  stark  alkalisch,  lösen  sich  nur  theilweise  in  Wasser,  hinter- 
lassen verbrannt  eine  stark  alkalische  Asche  und  stellen  sich  durch 
ihre  Reaktion  unter  die  eiweissartigen  Stoffe.  Mit  Schleim  sind  sie 
nicht  identisch. 

Hornhaut. 

Die  anatomischen  Elemente  ***)  der  Hornhaut  im  engern  Wort- 
sinn sind  Fasern  und  zellenartige  Gebilde.  Die  erstem  sind  platt 
und  lassen  sich  nicht  in  Fibrillen  zerspalten;  indem  sich  eine  grosse, 
Zahl  derselben  mit  je  ihrer  breitern  Fläche  zusammenlegt,  entstehen 
aus  ihnen  bandartige  Bündel,  in  denen  also  die  breite  Seite  der 
Fasern  senkrecht  auf  der  breitern  Fläche  des  Bündels  steht.  In 
den  mittlem  und  innern  Schichten  des  Hornhautkörpers  laufen  diö 
Bündel  parallel  der  Hornhautwölbung,  wobei  sich  die  in  derselben 
Ebene  liegenden  nach  Art  einer  Matte  verflechten.  Hiernach  besteht' 
der  genannte  Theil  der  Cornea  aus  vielen  conzentrischen  Lagen, 
von  denen  jede  einzeln  wieder  aus  jenem  Fasergeflecht  hervorgeht. 

•)  Structur  der  serösen  Häute.   Tübingen  1851.  p.  13. 
"•)  Würzburger  Verhandlungen.  IX.  Bd.  p.  281. 
•••)  His,  Beiträge  zur  Histologie  der  Hornhuut.    Basel  1850.  —  Henle's  Jaliroabericbte  TOB 
1852  an.  —  Rollet,  Wiener  akiid.  Sitzungsbericlite.  XXXllI.  516. 


I 


Hornhaut. 


261 


■^Nahe  der  vordem  Grenze  der  Cornea  neigen  sich  die  Bündel  auch 
.^egen  die  Honihnutfläche,  so  dass  hier  wegen  allseitiger  Faserndurch- 
;krenzTing  eine  innige  Verfilzung  zu  Stande  kommt,  welche  den  An- 
kichein  einer  homogenen  Platte,  die  sog.  vordere  Glaslage  der  Hom- 
laaut  erzeugt  (Rollet).  Zwischen  den  Netzplatten  der  Hornhaut 
ittind  zellenartige  Gebilde  eingelagert,  welche  nach  mehreren  Seiten 
iiin Fortsätze  schicken  (Toynbee,  Virchow,  His).  Der  hintern 
•'Häche  der  Hornhaut  schliesst  sich  eine  wahre  Glashaut  (membrana 
ilescemetii),  der  vordem  ein  Epithelium  an ,  welches  in  den  gleich- 
namigen Theil  der  conjunctiva  übergeht.  —  Blutgefässe  besitzt  die 
[Hornhaut'  nur  am  äussersten  Rande.  Ihre  Nerven  empfängt  sie 
ittum  Theil  aus  dem  hintern  Ciliarnerven,  zum  Theil  aus  dem  der 

I  ionjunctiva ;  sie  verbreiten  sich  vorzugsweise  in  den  vordem  Lagen 
der  Hornhaut;  Lymphgefässe  sind  nicht  mit  Sicherheit  beobachtet. 

Die  Formen  der  Hornhaut  im  engem  Sinne  gewinnen  je  nach  der  Präparations- 
rveise ein  verschiedenes  Ansehen.    Die  obige  Schilderung  ist  nach  den  Angaben  von 

I I  o  11  e  t  entworfen  ,  welcher  sich  des  übermangansauren  Kalis  als  Zerlegungsmittel  be- 
liente,  in  welchem  die  Hornhaut,  ohne  wesentlich  zu  quellen  und  zu  schrumpfen,  in 
wne  Fasern  zerfallt.  He  nie  trocknet  die  Hornhaut  und  weicht  ihre  feinen  Schnitte 
Frieder  auf;  Virchow  und  His  härteten  sie  in  Holzessig. 

2.  Chemische  Eigenschaften.  Das  Fasergewebe  giebt  beim 
[Lochen  einen  Leim,  der  sich  den  Reaktionen  nach  dem  Chondrin 
iinnähert  (J.  Müller),  ohne  mit  ihm  identisch  zu  sein  (His). 
))ie  eingelagerten  Zellen  und  ihr  Inhalt  geben  die  Reaktionen  auf 
^iiweisskörper ;  die  Flüssigkeit,  welche  die  Hornhaut  durchtränkt, 
iit  nach  Funke  eiweiss-  und  caseinhaltig.  Durch  längeres  Liegen 
an  übermangansaurem  Kali  werden  ihr  alle  Bestandtheile  entzogen, 
rrelche  die  Reaktionen  des  Eiweiss  zeigen  (Rollet).  Die  tunica 
ilescemetii  zeigt  im  Wesentlichen  die  Reaktionen  des  Elastins.  — 
))ie  epitheliumfreie  Hornhaut  des  Ochsen  enthält  nach  His  in 
«00  Theilen  78  bis  74  TheUe  Wasser,  20,4  Chondrigen;  2,8  Zell- 
.'.nd  Glashaut,  1,0  Salze. 

Quantitative  Analysen  der  menschlichen  Augenkapsel  (Cornea  und  Sclerotica)  theilt 
tchneyder*)  mit. 

3.  Physikalische  Eigenschaften  **).  Für  humor  aqueus  ist  sie 
.0  durchgängig,  dass  derselbe  unter  einem  Druck  von  200 — 300  Mm. 
dg  tropfenweise  durch  sie  tritt  (His).  —  Die  Hornhaut  schrumpft 
IQ  Lösungen  von  Koch-  und  Glaubersalz  ein,  und  zwar  so,  dass 


•)  Cliem.  Untersuchungen  vergclileiletior  Augen.  Froiburg  Im  13.  1855. 
■•)  Archiv  nir  Ophthalraolngio  1857.    III.  Bd.  1.  16«. 


262 


Quellung  der  Hornhaut. 


mit  der  steigenden  Dichtiglieit  das  Volum  abnimmt.  Hierbei  ii^i 
es  bemerkenswerth,  dass  ein  schon  sehr  geringer  Salzgehalt  da^ 
Schrumpfen  sehr  merklich  machen  kann.  In  Essigsäure  schrunipit 
dagegen  die  Hornhaut  zuerst  mit  steigendem  Säuregehalt  und  dann 
quillt  sie  wieder  auf  mit  noch  weiterer  Zunahme  des  prozeutischen 
Gehaltes  an  Säure.  In  Salzsäure  erreicht  sie  dagegen  mit  stei 
gendem  Prozentgehalt  zwei  Ausdehnungsminima ,  zwischen  denen 
ein  Ausdehnungsmaximum  gelegen  ist  (Donders). 

Folgende  Tabellen  sind  der  Abhandlung  von  Donders  entnommen.    Die  Aus-I 
dehnung   wurde  bestimmt  durch  Messung  einer  Dimension   eines   feinen  Hornhau 
Schnittes,  der  in  die  betreffende  Flüssigkeit  gelegt  war;  die  Angaben  ühex  die  Ausdeh-J 
nung  sind  Verhältnisszahlen. 


Best.  Wasser. 

Na  Cl  Lösung  inProz. 

Dest.  Wasser. 

NaO  SO3  Lösung  inProz. 

118 

0,003 

0,030 

0,300 

129 

0,0037 

0,0370 

0,3700 

102 

78,5 

72,5 

118,5 

109 

70,5 

Dest. 
Wasser. 

22,5 


Essigsäure  in  Prozenten. 


0,005  I  0,020 


22,5  10,0 


1,0  1  100,0 


59,0  66,5 


Dest. 
Wasser. 

21,0 


CIH  in  Prozenten. 


0,025  10,005 


26,5 


0,020 


82,0 


1,0  20,(1 


17 


Die  herausgeschnittene  epithelienfreie  Hornhaut  quillt  merk 
würdiger  Weise  auch  im  Augenwasser  auf;  so  nahm  eine  solche^ 
als  sie  90  Stunden  im  humor  aqueus  lag,  um  nahe  das  öfachtBi 
Gewicht  zu  (His)*)  —  Bei  der  Quellung  ereignet  es  sich  auch  ail 
diesem  Gewebe,  dass  es  bald  nach  der  Fläche  und  bald  nach  deij 
Dicke  an  Ausdehnung  zunimmt. 

Die  lebende  Hornhaut  ist  durchgängig  für  Jodkali,  Aetzkalk^, 
der  in  ihr  theilweise  als  kohlensfiurer  Kalk  niedergeschlagen  wird^j 
salpetersaures  Silber,  das  als  Chlorsilber  niederfällt  und  dann  re-| 
duzirt  wird,  für  verdünnte  Säuren,  Atropin  und  Farbstofflösuugei^ 
(Coccius,  His,  Gosselin)  **). 

Die  Durchsichtigkeit  der  Cornea  ist  bedingt  sowohl  durch  dei 
Quellungszustand  als  auch  durch  die  Natur  der  quellenden  Flüssig 
keit;  denn  sie  vdrd  durch  Trocknen  und  durch  ein  jedes  Schrumpfung 
erzeugende  Mittel  ti'üb;  bei  einer  über  das  Normale  gehender 
Quelluug  kann  sie  dagegen  durchsichtig  bleiben  (Essigsäure)  odöi 
sich  trüben  (Wasser).    Ihre  Fasern  brechen  das  Licht  doppelt. 


•)  L.  0.  1).  24. 
•*)  Meissners  Jahresbericht  für  1856.  p.  190. 


Ernälirungsorscheinungen  der  Hornhaut. 


263 


die  optische  Achse  derselben  scheint  mit  der  Längenachse  der  Fasern 
/usammenzufallen.  So  hinge  in  der  Fötalperiode  der  Cornea  die 
l'asening  fehlt,  bricht  sie  einfach  (His).  —  Ueber  den  Brechimgs- 
üoeffizienten  siehe  Bd.  1.  262, 

4.  Ernährimgserscheiniingen.  Die  Hornhaut  sehr  junger  Em- 
)bryonen  scheint  aus  ovalen  und  rundlichen  Kernen  zu  bestehen. 
LDurch  Zerzupfen  soll  sie  sich  in  runde  oder  spindelförmige  Zellen 
jzerlegen  lassen,  welche  jene  Kerne  einschliessen.  In  einem  etwas 
»spätem  Zeitraum  des  Embryonallebens  finden  sich  die  Kerne  in 
^deutlichen  Zellen,  diese  sind  abgeflacht  und  in  Schichten  gelegt, 
nand  obwohl  noch  klein,  doch  schon  mit  Ausläufern  versehen ;  hieraus 
pgeht  hervor,  dass  schon  ZwischenzellstoflF  vorhanden.  In  der 
zzweiten  Hälfte  des  fötalen  Lebens  wird  der  letztere  aber  erst  doppelt 
ibrechend  (also  faserig),  die  Zellen  und  ihre  Ausläufer  sind  grösser 
^geworden.  Im  Neugeborenen  ist  die  Cornea  immer  noch  relativ 
•zellenreicher  als  im  Erwachsenen,  und  die  Ausläufer,  von  je  einer 
-Zelle  meist  vier,  bilden  ein  dichtes  Maschenwerk  (His).  —  Die 
ttunica  descemetii  nimmt  mit  den  steigenden  Jahren  an  Dicke  zu 
((H.  Müller,  Donders). 

Im  ausgewachsenen  Kaninchen  kann  sich  ein  aus  der  Cornea 
lausgeschnittenes  Stück  wieder  vollkommen  herstellen.  Auf  der 
^verletzten  Oberfläche  erscheinen  zuerst  kleine  Fetttröpfchen,  dann 
Ikugelige  Kernzellen,  die  sich  nach  wenigen  Tagen  schon  in  ein 
(deutliches  Epithelium  umgewandelt  haben.  Von  der  kugeligen 
/Zellenschicht  aus  sieht  man  dann  die  Entstehung  neuer  Hornhaut- 
fschicbten  vor  sich  gehen,  die  genau  das  optische  Verhältniss  der 
iälteren  darbieten.  Gefässbüdung  wurde  hierbei  nicht  beobachtet 
((Donders)  *). 

Die  Art  und  der  Umfang  der  Stoffbewegung  in  der  fertigen  Horn- 
Ihaut  ist  unbekannt.  Die  zu  einer  solchen  nöthigen  Zu-  und  "Wegfuhr 
UässtmaninErmangehmg  anderer  Wege  durch  die  Lücken  oderZellfort- 
^sätze  geschehen,  welche  zwischen  denFasenietzen  der  Hornhautblätter 
Iiiegen.  Die  Flüssigkeit,  die  sich  hier  bewegt,  kann  ihren  Ursprung 
!  nehmen  aus  den  Thränen,  dem  humor  aqueus  und  dem  Blut,  welches 
iin  den  Randgefässen  der  Hornhaut  strömt.  Je  nach  dem  Druck, 
runter  dem  das  Augen-  und  Blutwasser  liegt,  der  Verdunstung  auf 
'  der  freien  Oberfläche  der  Cornea  oder  der  nachweislich  veränder- 
'  liehen  Zusammensetzung  des  humor  aqueus  kann  der  Strom  bald 


•)  HoUändl»ohe  Beiträge.  1848.  p.  387. 


264 


Augenwasser. 


nach  dieser,  bald  nach  jener  Seite  ins  Uebergewicht  kommen. 
Wie  es  sich  aber  im  Einzelnen  gestaltet  und  welche  Folgen  sie  für 
das  normale  Bestehen  der  Hornhaut  haben,  bleiljt  unbekannt.  So 
viel  ist  nur  einleuchtend  bei  der  Wegsamkeit  der  Hornhaut  für 
filtrirende  und  ditfundirende  Flüssigkeiten  und  bei  ihrer  grossen 
Quellungsempfindlichkeit,  dass  jede  wesentliche  Abweichung  in  der 
Zusammensetzung  der  einen  oder  andern  Flüssigkeit  sogleich  eine 
Aenderung  der  Durchsichtigkeit  und  des  Volums  der  Hornhaut  er- 
zeugen muss. 

Eine  eigen thümli che  Rollo  sollen  die  Zellen  der  Hornhaut  dadurch  gewinnen, 
dass  sie  mit  eigenthümlichem,  an  die  Reizbarkeit  von  Muskeln  und  Nerven  erinnerndem 
Vermögen  begabt  seien,  wonach  sie  jede  Art  von  Störung,  die  ihren  normalen  Zustand 
betrifft,  mit  derselben  Aeusscrung  beantworten  (Virchow,  His).  Bevor  man  sich  zu 
dieser  Annahme  verstehen  kann  ,  muss  ermittelt  sein ,  ob  nicht  darum  die  pathologi- 
schen Veränderungen,  die  nach  dem  Einziehen  eines  Fadens,  dem  Brennen  und  Aetzen 
einti'eten,  sich  gleich  bleiben,  weil  alle  diese  Eingriffe  zn  demselben  nächsten  Erfolg 
führen ,  neralich  zur  Bildung  eines  fremden  Körpers  (Brand  und  Aetzschorf)  mit  Auf- 
hebung des  Hornhautzusammenhangs. 

Au  gen  Wasser.  Diese  Flüssigkeit  enthält  Eiweiss,  Harn- 
stoff*), Extrakte,  Chlornatrium  und  geringe  Mengen  der  andern 
Blutsalze  in  Auflösung.  Nach  einer  Analyse  von  Berzelius  **) 
und  zwölfen  von  Lohmeyer  ***)  schwanken  in  Kalbsaugen  ihre 
festen  Bestandtheile  zwischen  1,07  und  1,50  pCt.,  der  organische 
Antheil  derselben  bewegt  sich  zwischen  0,38  und  0,59  (=  28,1  bis 
45,4  pCt.  des  Rückstandes).  —  Zieht  man  aus  allen  Analysen 
Loh m eye r 's  das  Mittel,  so  erhält  man:  Wasser  =  98,60;  feste 
Bestandtheile  =  1,31;  davon  organische  =  0,467;  unorganische 
=  0,846;  Natronalb.  =  0,122;  Extrakte  =  0,421 ;  NaCl  =  0,689; 
KaCL  =  0,011;  KOSO3  =  0,022;  phosphorsaure  Erden  =  0,021; 
Kalkerde  ==  0,026. 

Die  Untersuchungen  von  Schneyder  beziehen  sich,  insofern  sie  Mensehenaugen 
betreffen,  auf  Solche,  welche  mehr  als  48  Stunden  nach  dem  Tode  ausgeschnitten 
wurden.    Sie  stimmen  jedoch  annähernd  mit  den  Angaben  Lohmeyer' s. 

Wenn  das  Augenwasser  durch  Punktion  der  Hornhaut  entleert 
wird,  so  sammelt  es  sieh  rasch  wieder  an;  die  neu  entstandene 
Flüssigkeit  enthält  häufig  so  viel  Faserstoff,  dass  sie  nach  der 
Entleerung  durchweg  gerinnt.  —  Die  Gefässe,  aus  denen  sie  aus- 


•)  Millen,  Compt.  rend.  XXVI.  121.  —  Schneyder,  Chem.  üntersuchungcn  Terschiedcner 
Angen.  1855. 

*•)  Handbuch  der  Chemie.  IX.  Bd.  p.  530. 

«••)Henle's  und  Pfeufer's  ZeiHchr.  V.  Bd.  —  Doncan,  ondorzockingen  etc.  üir. 
1850—54.  171. 


Glaskörper.  Linso. 


265 


«geschieden  wii'd,  gehören  wahrscheinlich  der  Iris  und  den  Ciliar- 
ortsätzen  an,  weil  mit  einer  Stockung  des  Blutlaufs  in  denselben 
idch  die  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit  so  weit  ändern  kann, 
jlass  in  ihr  Eiterkörperchen  entstehen.  Nach  Gosselin  nehmen 
euch  die  Thrähen  an  ihrer  Bildung  Antheil. 

Glaskörper. 

In  Chromsäure  gehärtet,  zeigt  er  auf  äquatorialen  Durch- 
ochnitten  eine  Streifung,  welche  von  der  Glashaut  gegen  den  von 
rem  nach  hinten  gezogenen  Durchmesser  (die  Glaskörperachse) 
rasammenläuft  (Hannover).  Häute,  die  in  dieser  Richtung 
eerlanfen,  können  nicht  aufgefunden  werden  (Donders).  Da- 
eegen  erkennt  man  in  ihm  Fasernetze,  unregelmässig  gelegene, 
trukturlose  Hautstückchen,  Zellen  mit  und  ohne  Ausläufer,  die 
aald  einzeln  laufen  und  bald  zu  Gruiipen  vereinigt  sind  (Bow- 
lan,  Virchow,  Doncan).  —  In  den  Zwischenräumen ,  welche 
idese  feste  Masse  einschliessen,  liegt  eine  wässerige  Lösung  von 
iiweiss,  Harnstoff  (Millon,  Wöhler,  Marchand),  Extrakten 
und  Salzen.  Nach  den  Beobachtungen  von  Berzelius,  Frerichs 
md  Lohmeyer  schwankt  der  Wassergehalt  des  Glaskörpers 
(wischen  98,23  und  98,86  pCt. ;  der  feste  Rückstand,  welcher  im 
littel  1,36  pCt.  beträgt,  enthielt  von  0,39  bis  0,48  pCt.  organische 
testandtheile.  Aus  seinen  Analysen  leitet  Lohmeyer  die  mitt- 
rre  Zusammensetzung  des  Glaskörpers  ab:  Wasser  =  98,64; 
iäute  =  0,02;  Natronalbuminat  ==  0,14;  Fettspuren;  Extrakte 
-  0,32;  NaCl  =  0,77;  KaCl  =  0,06;  KaSOa  =  0,01;  3  (MgO, 
aaO,  Fe203)P05  =  0,02;  CaO  =  0,01. 

Die  Schwankungen  in  der  Zusammensetzung  lassen  die  endos- 
•  otischen  Beziehungen  zwischen  der  Blut-  und  der  Glasflüssigkeit 
Vkennen;  eine  Erklärung,  welche  durch  die  Erfahrung  bestätigt  wird, 
088  die  mit  Krapproth  gefütterten  Thiere  eine  gefärbte  Glasflüssig- 
;3it  besitzen.  —  Wird  der  Glaskörper  nach  der  Geburt  zerstört, 
|>  bildet  er  sich  nicht  wieder. 

Virchow  giebt  an,  dass  der  Glaskörper  Schleim  enthalte;  eine  Thatsache,  die 
!n  verschiedenen  Seiten,  u.  A.  von  Schlossbergcr  bestritten  wird. —  Nach  Loh- 
Jeyer  enthält  derselbe  nicht  immer  Harnstoff.  lieber  den  Brechungsindex  siehe 
IBd.  p.  262. 

Linse. 

1.  Anatomische  Eigenschaften.  Die  strukturlose  Linsenkapsel 
ijägt  auf  der  Innenfläche  ihrer  Vorderwand  eine  Decke  von  kern- 


266 


Zusammensetzung  der  Linse. 


I 


haltigen  Pflasterzellen  (He nie)  *),  an  der  sich  noch  weiter  nacli 
Innen  unmittelbar  die  Linsenröhren  mit  ihren  feinen  Wandungen 
und  sehr  durchsichtigem  Inhalt  anschliessen.  An  dem  Rand  zwischen 
hinterer  und  vorderer  Fläche  befinden  sich  nach  Kölliker**) 
Uebergänge  zwischen  den  Epithelialzellen  und  Linsenröhren.  Dei 
Kern  enthält  keine  deutlichen  Röhrenelemente  mehr.  Die  Schich- 
tung der  Linsenfaserung  führt  zu  Blättern,  welche  der  Kapselwand 
gleich  laufen. 

2.  Chemische  Zusammensetzung.  Von  der  Kapselhaut  wehh 
man  bis  dahin  nur,  dass  sie  sich  bei  anhaltendem  Kochen  in  zwei 
durch  ihre  Reaktionen  verschiedene,  in  Wasser  lösliche  Stoffe  um 
setzt  (Strahl).  —  Die  Wand  der  Linsenröhre  besteht  aus  einem 
im  Wasser  unlöslichen  Stoff.  Der  Röhreninhalt  hält  einen  Stoff  ii 
Auflösung,  der  nach  Mulder 's  Analyse  zu  den  eiweisshaltigei 
mit  locker  gebundenem  Schwefel  gehört;  seiner  Reaktion  nach  stelli 
ihn  Berzelius  zum  Globulin.  Vintschgau***)  zeigte  jedoch 
dass  er  mit  Albumin  identisch  sei.  Fällt  man  denselben  durch  Er 
hitzen  aus  der  Fltissigkeit ,  so  soll,  wie  Berzelius  berichtet,  ein^ 
saure  Exti-aktflüssigkeit  zurückbleiben,  welche  in  ihren  Eigenschafter 
an  die  Fleischflüssigkeit  (?)  erinnert.  Nach  Lohmeyer  kommt  ir 
der  Linse  ziemlich  viel  Cholestearin  vor.  Die  Menge  der  in  Wassci 
unlöslichen  Linsenbestandtheile  (der  Röhrenwand)  ist  sehr  gering 
fügig.  Der  Wassergehalt  der  Linse  nimmt  von  aussen  nach  inneni 
ab.  Rayen  f)  giebt  folgende  prozent.  Zusammensetzung  für  dit 
Linse  der  Ochsen: 

Aeussere  Schicht.    Mittlere  Schicht.    Innere  Schich; 

Wasser   70,50,  54,88,  45,74. 

In  Wasser  unlösl.  Faser  .    0,002,  0,033,  0,027. 

Sie. enthält  0,35  pCt.  Asche,  also  nur  etwa  halb  so  viel,  a^ 
im  humor  aqueus  vorhanden  ist. 

Fremy  und  Valenciennesft)  behaupten  eine  Verschiedenheit  des  im  Kern  ent 
haltenen  Albumins  von  dem  in  den  äussern  Schichten  vorkommenden.  Diese  Angab 
■widerlegt  Payen.  Eine  viel  grössere  Zahl  =  3,5  pCt.  giebt  Schneyderftt 
den  Röhrenwänden  der  Menschenlinsen ;  vielleicht  darum,  weil  er  die  Linse  vor  Begin' 
der  Analyse  trocknet. 


*)  Hcnle's  nnd  Pfcufer's  Zeitschrift.  N.  F.  V.  Bd. 
*»)  Handbach  der  Gewebelehre.  II.  Bd.  731. 
»»«)  Wiener  nkad.  Sitzungsberichte.  XXIV.  493. 
■{■)  Gazette  m^dicale.  1857. 
tt)  Compt.  rend,  44.  Bd.  Juni, 
ttt)  h.  c.  p.  35. 


Wachstliunx  der  Linse. 


267 


3.  Physikalische  Eigenthtimlichkeiten.  Die  Kapselhaut  ist  sehr 
histisch,  aber  nicht  sehr  fest,  sie  ist  für  Wasser  und  NaCl  leicht 
liuchgängig.  —  Das  spez.  Gewicht  der  Faserung  beträgt  an  dem 

/jinsenumfiing  =  1,076  und  im  Linsenkern  =  1,194  (Chevenix). 
'Zu  den  brechenden  und  polarisirenden  Eigenschaften  der  Linse,  die 
«chon  früher  erwähnt  sind,  fügt  Valentin*),  dass  jedes  aus 
mehreren  Lagen  zusammengesetzte  Linsenstück  sich  wie  ein 
Hiegativ  einachsiger  Krystall  verhalte ;  die  doppeltbrechenden  Eigen- 
4jchaften  treten  in  frischen  Linsen  weniger  hervor  als  in  getrübten 
»der  getrockneten.  —  Die  Füllung  der  Linsenröhren  mit  einer  con- 
«entrirten  Eiweisslösung  kommt  unzweifelhaft  der  Durchsichtigkeit 
iKU  Gute.  Diese  Flüssigkeit  wirkt  hier  ganz  nach  demselben  Prinzip, 
nach  welchem  Brücke  mit  einer  ähnlichen  die  Darmhaut  zu 
mikroskopischen  Untersuchungen  durchsichtig  machte.  Die  Gegen- 
iwart  des  Eiweissstoflfes  hebt  nemlich  den  Unterschied  der  Brechungs- 
3oeffizienten  zwischen  Wasser  und  den  Häuten  der  Linsenröhren  auf. 

4,  Die  Linsenernährung.  —  Bei  der  Vergrösserung  der  Linse 
während  des  Wachsthums  nimmt  die  Zahl,  nicht  aber  der  Umfang 
Her  Röhren  zu  (Harting).  Die  Linsenröhren  bilden  sich  nur 
unter  Beihülfe  der  Kapsel,  wie  von  Valentin**)  durch  Versuche 
Jim  Kaninchen,  von  Sömmering  und  T e x t ö r  durch  Beobachtungen 
um  Menschen  erwiesen  ist.  Die  Formfolge,  welche  bei  ihrer  Ent- 
iStehung  vorkommt,  beschreibt  H.  Meyer***)  in  der  Art,  dass 
Li'.unächst  Epithelialzellen  auftreten,  welche  allmählig  zu  Röhren  aus- 
wachsen  und  sich  dabei  über  die  vordere  und  hintere  Linsenfläche 
rjleichzeitig  hinüberschlagen.  Die  jüngsten  Schichten  der  Linse  sind 
llemnach  auf  der  vorderen  mit  Epithelien  bedeckten  Wand  zu 
liiuchen,  während  die  ältesten  den  Kern  einschliessen.  Die  Kapsel- 
'vand  ist  also  die  Form,  in  welche  die  Linse  gegossen.  —  Daraus 
"olgt,  wie  Valentin  bestätigt,  dass  die  Schichtung  der  Linse, 
welche  sich  in  einer  entleerten  Kapsel  neu  bildete,  Unregelmässig- 
lieiten  zeigen  muss,  da  die  Vorderwand  der  letztern  durch  den 
■Einschnitt  theilweise  zerstört  und  jedenfalls  verbögen  ist.  Die 
chemischen  Umsetzungen,  welche  diese  Entstehung  begleiten,  sind 
unbekannt;  der  zur  Bildung  führende  Stoff  wird  bei  dem  ersten 
\A.ut"treten  aus  einem  Blutgefässnetz  geliefert,  welches  in  der  Fötal- 


•)  Graefc's  Archiv  fUr  Ophthalmologie.  III.  2.  p.  227. 
»•)  Honlc's  nnd  Pfeufer'n  ZelUchrlft.  U.  Bd. 
•»»)   M  U 1 1  e  r '  g  Archiv.  1852. 


268  Ernährung  der  Linse. 

periode  bis  zu  der  Kapsel  reicht.    Bei  der  Regeneration  der  aus 
gesclinittenen  Linse  rauss  er  durch  die  wässerige  Feuchtigkeit  hin 
durchwandern.  —  Verwundungen  der  Kapsel  heilen  beim  Thierc 
leicht,   schwerer  beim  Menschen  (Dieter ich),  aber  sehr  voll 
kommen  (Benders)*).    Die  ausgebildete  Linse  soll  während  dei 
Lebensdauer  in  Umsetzungen  begriffen  sein.    Für  diese  Behauptung 
fehlt  allerdings  das  beweisende  Maass,   aber  sie  ist  sehr  wahr 
scheinlich.    Denn  einmal  ist  die  Natin-  der  flüssigen  Linsensubstan^^ 
zur  Umsetzung  geneigt ,  und  die  von  Berzelius,  wenn  auch  nocl 
so  unvollkommen  beobachteten  Extrakte  deuten  auf  das  Bestehei 
einer  solchen  Umsetzung  hin.    Dabei  braucht  man  aber  nicht  noth 
wendig  an  ein  stetiges  Auflösen  und  Neubilden  von  Linsenröhrei 
zu  denken ,  obwohl  dieser  Vorgang  vorkommen  könnte.    Man  fühl 
sich  sogar  veranlasst,  an  ihn  zu  denken,  weil  nur  die  Vorderfläche 
der  Linsenzellen  und  der  Linsenränder  Mittelstufen  zmschen  dies^ 
und  ausgebildeten  Röhren  tragen.     Analog  der  Epithelienlagei 
kommen  also  die  Jüngern  Formen  an  der  Seite  vor,  wo  die  Linsi 
mit  einer  Gefässschicht,  in  unserm  Fall  mit  den  hintern  Irisgefässei 
und  den  Ciliarfortsätzen,  in  Berührung  ist.  —  Die  eigenthümlicht 
Lagerung  der  Linse  scheint  auch  eine  Regeneration  der  Eiweiss- 
stoflPe  zu  verlangen;  denn  es  sind  diese  in  dem  Wasser  der  vor- 
dem Augenkammer  und  in  der  Glasfeuchtigkeit  löslich  (Auflösung 
der  Linse  bei  der  Zerstückelung),   die  Kapselhaut  erlaubt  ihr^D 
Durchgang,  also  müssen  sie  in  diese  Flüssigkeiten  diffundiren,  un( 
weil  sie  hier  nicht  vorkommen,  so  müssen  sie  auch  wieder  von  daB 
entfernt  werden,  so  dass  die  Diffusion  zwischen  Linseniuhalt  und 
umgebenden  Flüssigkeiten  unverändert  fortdauert.  Vergiftet  man  nach 
Kunde  einen  im  Trocknen  aufbewahrten  Frosch  mit  Kochsalz, 
so  trübt  sich  die  Linse ,  wobei  das  Eiweiss  in  den  Röhren  niederge- 
schlagen wird  und  die  lösende  Flüssigkeit  als  durchsichtige  Tropfen 
Inden  Röhi-en  zurückbleibt.  Diese  Trübung  schwindet,  Avenn  sich  der 
Frosch  wieder  erholt.    Dieselbe  Erscheinung  lässt  sich  erzeugen, 
wenn  man  einen  Frosch  unter  0"  aufbewahrt,  wobei  er  gefriert; 
lebt  das  Thier  in  höherer  Temperatur  wieder  auf,  so  kehrt  die 
Durchsichtigkeit  wieder.  —  An  der  ausgeschnittenen  Linse  der! 
Säugethiere  lassen  sich  durch  Kochsalz  und  Gefrieren  die  gleichen  j 
Resultate  erzielen  (Kunde)  **).  i 


*)  Onderzoekingen  in  het  physiologisch  Laboratorium.   Juar  VII.  (1855 — 56.)  p.  173. 
••)  Würzburger  Verhandlungen.    VII.   Bd.    1866.   —   Archir    für    Ophthalmologie.    III.  Bd- 
3.  375. 


Knorpel. 


269 


Knorpel. 

1.  Die  anatomische  Beschreibung*)  theilt  dem  Knorpel  Zellen 
ad  eine  Grundmasse  zu;  durch  die  Besonderheit  dieser  letztern 
;iterscheidet  sieh  der  durchscheinende  (hyaline)  und  der  Netz-  oder 
laserknorpel.  Die  Grundmasse  des  hyalinen  Knorpels  ist  durch- 
iiheiueud  gleichartig,  elastisch  härtlich;  in  sie  sind  Höhlen  ein- 
agraben,  welche  in  frischem  Zustande  vollkommen  erfüllt  werden 
m  einer  zartwandigen  Zelle ,  die  einen  Kern  und  eine  bald  klare, 
üld  mit  Körnchen  oder  Fetttröpfchen  getrübte  Flüssigkeit  ein- 
i;hliesst.  Ausser  diesem  Befund  lä«st  zuweilen  der  frische  oder 
!Br  mit  Schwefelsäure  behandelte  Knorpel  in  der  Grundmasse 
>och  einen  Umriss  sehen,  der  in  geringer  Entfernung  von  der 
morpelhöhle  läuft.  Daraus  schliesst  man,  dass  die  Knorpelhöhlen, 
lelche  die  Zelle  einschliesst ,  selbst  wieder  eine  von  der  Grund- 
nasse  gesonderte,  aus  dem  chemischen  Stoff  dieser  letztern  ge- 
ildete  dicke  Hülle,  die  Knorpelkapsel,  besitzt.  In  häufigen 
allen  ist  aber  die  Grundmasse  des  hyalinen  Knorpels  nicht  gleich- 
ttig,  sondern  von  Krümeln  (Kalkerde)  durchsetzt,  welche  bis  in 
ee  Knorpelkapsel  reichen,  oder  es  sind  unregelmässige  Höhlen  in 
rr  vorhanden,  welche  mit  Fettzellen  und  Blutgefässen  (Knorpel- 
äark)  erfüllt  sind.  —  Im  Faserknorpel  finden  sich  die  Kjiorpel- 
lUen  und  Knorpelkapseln  eingebettet  in  eine  faserige  Grundlage, 
rre  Fasern  können  bald  steif  und  geradlinig  begrenzt,  bald  aus 
in  fein  gewellten  Bindegewebsfibrillen ,  bald  endlich  aus  den  netz- 
rrmigen,  elastischen  Fasern  gebildet  sein.  An  den  Orten,  an 
;jlchen  die  Grundsubstanz  durch  elastisches  Gewebe  gebildet  wird, 
lllen  von  der  Wand  der  umschliessenden  Zellen  feine  Fasern 
fslaufen. 

2.  Chemische  Zusammensetzung**).  —  Die  durchscheinende, 
i»rnige  oder  glattfaserige  Zwischenmasse  ist  vorzugsweise  Chon- 

'  •)  Henle,  Allgemeine  Anatomie.  Leipzig  1842.—  Mulder,  Physiologische  Chemie,  p. 597.— 
»Meyer,  Der  Knorpel  und  seine  Verknöcherung.  —  Müller 's  Archiv.  1849.  —  Donders, 
r.ro8kopi9Che  und  mikrochemische  Untersuchungen  thier.  Gewebe.  Holländische  Beiträge.  2G0.  — 
irgelbe,  Zeitschrift  fUr  wissenschaftliche  Zoologie.  III.  Bd.  .348.  —  Virchow,  Verhandlungen 
■physlkal.  mediz.  Gesellschaft  in  Würzburg.  II.  Bd.  p.  162.  —  Remak,  Ueber  extracellulare 
•atehung  thlorlscher  Zollen.  -  Müller 's  Archiv.  1852,  53  u.  65;  Entstehung  des  Binrtcgcwebos 

1  Knorpels,  ibid.  58.  —  Rh  ein  er,  Beiträge  zur  Histologie  des  Kehlkopfs.  Würzburg  1852.  — 
'rgmann,  DIsqnlsitlones  microscop.  de  cartilaginibus.  Dorp.  1850.  —  Bruch,  Boitriige  zur 
•cwickeluiigsgeschlchto  des  Knochensystems.  Basel  1851.  p.  29  u.  f.  —  Brandt,  DIsquisitionos 
>  osiificationis  processu.    Dorpat  1852.  —   KöUiker,   Handbuch  der  Gewebelehre.    3.  Aufl. 

9.  63.—  Aeby,  Göttinger  Nachrichten.  1867.  —  FUrstonberg,  MÜIIer's  Archiv.  1867.— 
•eund.  Beitrüge  zur  Histologie  der  RIpponknorpel.    Breslau  1858. 

"•^  Simon,  medizinische  Chemie.  II.  Bd.  510.  —  Mulder,  pliysiolog.  Chemie.  697.  — 
Bibra,  Chem.  üntersucliiingen  über  Knochen  und  ZUlino  des  Menschen.    Schwciufurt  1844.  — 


270 


Knorpel. 


drigeii.    Denu  es  wird  beim  Kochen  nur  die  Grundsubstanz  auf- 
gelöst, während  die  Zellen  ungelösst  zurückbleiben  (Mulder, 
Douders).     Die  Wand  der  Knorpelzellen  soll  annähernd  die 
Reaktionen  des  elastischen  Gewebes  und  der  Eiweisskörper  dar- 
bieten;  der  Inhalt  der  Knorpelzellen  führt  Fett.  —  Der  hyaline 
Knorpel  hinterlässt  beim  Verbrennen  eine  Asche,  die  aus  Gl,  SO3, 
PO5,  CO2,  MgO,  CaO,  NaO  besteht,  sie  enthält  also  kein  KO.  — 
Von  diesen  Mineralbestandtheilen  bildet  sich  die  SO3  zum  Theil 
aus  dem  Schwefel  der  Chondrigens ;  die  ganze  Menge  dieser  Säure 
soll  jedoch  zu  gross  sein,  als  dass  sie  aus  dem  Schwefel  des  ge- 
nannten Körpers  abgeleitet  werden  könnte  (Schlossberger). 
Die  PO5,  welche  mit  CaO  verbunden  ist,  scheint  in  dem  Chondrigeu' 
enthalten  zu  sein;  denn  jede  Chondrinlösung  führt  phosphorsaurfr 
Kalkerde.    Die  prozentische  Zusammensetzung  des  Knorpels  ist 
sehr  variabel,  wie  es  schon  die  mikroskopischen  Ansichten  desselben' 
erwarten  lassen.    Bibra  fand  in  100 Theilen  menschlichen  Knoi-pels' 
festen  Rückstand  30  bis  46,  und  in  diesem  Asche  2  bis  7  Theile.  — 
Der  Knorpel  mit  einer  Grundmasse  aus  Bindegewebe  liefert  beim^ 
Kochen  Colla;  ob  auch  Chondriu,  ist  zweifelhaft.    Man  erhält  dieses' 
letztere  dagegen  aus  elastischem  Knorpel;  da  sich  hierbei  di 
Knorpelzellen  erhalten  und  nur  insofern  sich  verändern ,  als  ihr 
Wand  sich  verdünnt  (Mulder,  Donders,  Hoppe),   so  muss 
Chondrigen    in  den  Verdickungsschichten  enthalten  sein.  Das 
Zwischengewebe  der  zuletzt  erwähnten  Knorpelart  ist  elastischer  Stoff. 

Zu  den  über  Chondrin  mitgetheilten  Thatsachen  (Bd.  V.  p.  56)  ist  nach  neuem 
Beobachtungen  noch  hinzuzufügen,  dass  Rochleder  und  Mayr*)  das  Chondrin  aus 
Albumin  dargestellt  haben ,  welches  in  einer  saucrstofl'freien  Atmosphäre  mit  Salzsäure 
oder  Baryt  warm  behandelt  wurde. 

3,  Wachsthum  und  Ernährung.  In  der  Fötalperiode  werden 
die  einfachen  Bilduugszellen  an  den  Orten,  die  späterhin  Knorpel 
enthalten,  allmählig  grösser  und  nehmen  statt  der  kugeligen  eine 
Eiform  an,  dabei  verdickt  sich  die  Wand  und  es  mehi-t  sich  die 
Zwischenmasse.  Zugleich  nimmt  die  Zahl  der  Zellen  in  der  Weise 
zu,  dass  sie  nach  vorgängiger  Spaltung  des  Kerns  sich  theilen, 
worauf  dann  ein  Fortsatz  der  Zwischenmasse  zwischen  die  beiden 
ursprünglich  zusammengehörigen  Gebilde  sich  einschiebt  (Virchow, 


Hoppe,  Viroll  GW 's  Archiv.  V.  Bd.  —  Derselbe,  Journal  für  prakt.  Chemie.   56,  Bd.  159.— 
Zellineky  in  Henle's  Jahresbericht  für  1863.  p.  67.  —  Scheter,  Llobig's  Annalen.  40. Bd. 
p.  49.  —  Schlossberger,  allgemeine  Thierchemie.  I.  Bd. 
•)  Wiener  Akud.  Sitzungsberichte.  XXiV.  39. 


Waclisthuiu  des  Knorpels. 


271 


Aeby).  Die  Veränderungen  im  wachsenden  Knorpel  der  Gebo- 
tenen sind  nicht  an  allen  Oertlichkeiten  tibereinstimrnend.  —  Ver- 
ijleicht  man  die  Eippenknorpel  eines  Neugeborenen  und  Erwachsenen, 
00  zeigt  sich,  dass  die  Gesammtsumme  der  Höhlen  im  erwachsenen 
ivDorpel  abgenommen,  die  Höhlungen  selbst  grösser  geworden  und 
iurch  eine  stärkere  Einlagerung  von  Grundgewebe  auseinander 
gedrängt  sind  (Harting)*).  Fügt  man  zu  diesen  Erfahrungen 
^ilie  allerdings  noch  zu  beweisende  Voraussetzung,  dass  die  einmal 
h;ebildete  Knorpelzelle  während  der  ganzen  Lebensdauer  Bestand 
faat,  so  würde  gefolgert  werden  müssen,  dass  Zellenraum  und 
prundgewebe  gleichzeitig  an  Ausdehnung  zunehmen;  zugleich  aber 
Warf  die  Einlagerung  auf  der  einen  und  die  Auflösung  auf  der 
andern  Seite  nicht  gleichen  Schritt  halten;  namentlich  muss  die 
iV.uflösung  öfter  so  weit  sich  erstrecken,  dass  zwei  Knorpelhöhlen 
miteinander  verschmelzen,  weil  sonst  die  Zahl  derselben  im  Er- 
.vachsenen  nicht  geringer  als  in  der  Jugend  sein  könnte.  Neben 
len  geschilderten  Wachsthumserscheinungen  ti-eten  in  den  hyalinen 
ivnorpeln  noch  andere  sichtbare  Veränderungen  auf.  Insbesondere 
rvird  die  Grundsubstanz  körnig,  faserig,  zuweilen  auch  so  erweicht, 
lass  sich  kleinere  unregelmässige  Höhlen  bilden ,  die  sich  mit  Fett- 
rröpfchen,  Blutgefässen,  Bindegewebe  füllen  (H.  Meyer,  Don- 
lers). —  In  den  Faserknorpeln  dagegen,  namentlich  in  der  lig- 
mtervertebralia  und  den  Synchondrosen  sind  ausnahmslos  die  Zellen- 
öhlen  des  spätem  Lebens  kleiner  als  die  des  frühern;  da  die 
iltere  Wand  aus  conzentrischen  Schichten  besteht,  so  scheint  es 
aast ,  als  sei  die  Zellenhöhle  durch  periodisch  auf  die  innere  Wand- 
äÄche  erfolgende  Absätze  verengert  Avorden  (Donders). 

Der  Knorpel  gehört  zu  den  Formbestandtheilen,  welche  sich 
:,uch  im  Erwachsenen  neu  bilden  können.  Um  so  auffallender 
«ät  es,  dass  Knorpelwunden  durch  Bindegev^ebe  heilen  (Red- 
.ern)**). 

Da  der  Knorpel  nur  äusserst  selten  mit  Gefässen  durchzogen 
>st,  so  müssen  die  Flüssigkeiten  durch  Diffusion  fortschreiten,  welche 
lie  Atome  ein-  und  ausführen  zum  Vortheil  des  Stoffumsatzes, 
iler  nach  den  anatomischen  Beobachtungen  imzweifelhaft  vor- 
aanden  ist. 

Das  Wenige,  was  wir  über  physikalische  Eigenschaften  kennen, 
ist  schon  früher  emähnt  (Bd.  I.  p.  492). 


")  Rcchcrches  micrometr.  p.  76. 

'•)  Henle'B  Jahresbericht  fUr  18ßl.  p.  52. 


272 


Knochen. 


Knochen.  { 
1.  Anatomische  Beschaffenheit*).  Die  Knochenmasse  setzt 
sich  aus  dünnen  mit  einander  verwachsenen  Platten  zusammen, 
welche  in  conzentrischeu  Lagen  um  die  mikroskopischen  Röhren 
geschichtet  sind,  die  als  Leitungsröhren  der  Blutgefässcapillaren 
den  Knochen  netzförmig  durchziehen.  Die  Substanz  der  Knochen- 
plättchen  (also  die  knöchernen  Wandungen  der  Gefassröhren),  welche 
öfter  optisch  homogen,  zuweilen  aber  auch  gekörnt  erscheint,  ist 
abermals  von  einem  besondern  Höhlensystem,  den  Knochen-  oder 
Strahlenkörperchen  und  ihren  Ausläufern,  durchbrochen.  Ein  jedes 
dieser  Strahlenkörperchen  ist  nemlich  nichts  anderes,  als  eine  ei- 
förmige Lücke  in  der  Knochensubstanz,  von  welcher  eine  grössere 
oder  geringere  Zahl  hohler  Ausläufer  ausstrahlt;  die  Ausläufer  be- 
nachbarter Knoehenkörperchen  anastomisiren  mit  einander,  und 
diejenigen,  welche  unmittelbar  an  die  Gefassröhren  und  an  die 
Knochenoberfläche  grenzen,  münden  frei  in  die  ersteren  und  unter 
das  Periost,  so  dass  durch  jeden  Knochen  ausser  dem  Netz  der 
Gefässröhren  noch  ein  zweites  ausserordentlich  viel  feineres,  aber 
dafür  dichteres  und  verbreiteteres ,  herläuft.  Da  die  Knochen- 
körperchen  in  den  Knochenschichten  in  ziemlich  regelmässigen  Ab- 
ständen gelagert  sind,  so  bilden  die  Verbindungslinien  derjenigen 
von  ihnen,  welche  in  einer  Horizontalebene  liegen  und  zu  einem' 
der  conzentrisch  gelagerten  Knochenplättchen  gehören,  eine  ähn- 
liche Form  wie  die  Coutur  der  Knochenplättchen  selbst,  d.  h.  die 
Zellenhöhlen  liegen  abermals  in  mehreren  Lagen  conzentiisch  um 
die  Gefässröhren.  Zu  den  beiden  eben  beschriebenen  Lücken- 
systemen kommt  endlich  noch  ein  drittes  sehr  unregelmässig  ge- 
staltetes, welches  vorzugsweise  das  Innere  des  Knochens  durch- 
zieht, wo  es  als  Markhöhle,  diploetisches  oder  spongiöses  Gewebe  t 
bekannt  ist.  —  Jede  der  drei  Höhlenarten  schliesst  nun  auch  be-  t 
sondere  WeichgebUde  ein.  Die  strahlenförmigen  Höhlen  sind  bis  ii 
in  ihre  letzten  Zweige  nach  Virchow  **)  ausgekleidet  mit  einem  ij 
ihren  Wandungen  eng  anliegenden  Häutchen;  fasst  man  also  die 
Haut  der  eiförmigen  Höhle  als  einen  Zellenkörper  und  die  der  Aus- 
läufer als  Zellenstrahlen  auf,  so  kann  man  sich  auch  dahin  aus- 
drücken, dass  der  Knochen  von  einem  Netz  strahlig  verästelter, 


•)  H.  Meyer,  der  Knorpel  und  seine  Vcrknocliung.  Müll  er 's  Archiv.  1849.  —  Köllikcf, 
mikroskopische  Anntomie.  II.  Bd.   1.  Abthl. 

••)  Würzburger  Verhandlungen.  IT.  Bd.  150.  —  Hoppe,  Vlrchow's  Archiv.  V.  Bd.  174.— 
Virchow,  ibid.  p.  440. 


Chemische  ZusammensetzuTig  der  Knochen. 


273 


tnastomisirender  Zellen  durchzogen  sei.  Jedes  Körperclien  schliesst 
Lusserdem  noch  ein  anderes  kleines  Zellengebilde,  einen  sog'.  Kern, 
md  Flüssigkeiten  in  sich.  Die  Gefässkanäle  umschliessen  die  Blut- 
:efässe,  Bindegewebe,  Nerven,  und  in  den  Marklücken  ist  ein 
lemenge  von  Bindegewebe,  Fetttropfen,  Fett-  und  Markzellen, 
»lutgefässen  und  wässerigen  Feuchtigkeiten  enthalten.  Die  Knochen- 
berfläche  ist  schliesslich  von  einer  Bindegewebshaut,  dem  Periost, 
herzogen,  in  welcher  die  Gefässe  und  Nerven  laufen,  bevor  sie 
1  die  Gefässkanälchen  des  Knochens  eindringen. 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Der  Analytiker  bereitet 
(ich  das  Knochengewebe  so  vor,  dass  er  einen  Knochen  pulvert, 
aas  Flockige  durch  Schlemmen  wegschafft,  den  schweren  Boden- 
latz  mit  Wasser  und  Alkohol  und  Aether  vollkommen  erschöpft, 
iiieser  Rest  ist  meist  frei  von  Bindegewebe,  Zell  -  und  Gefässhäuten, 
:nd  das  Wasser  hat  offenbar  manche  dem  Knochengewebe  ange- 
örige  Bestandtheile  entfernt.  —  Dieses  sog.  Knochengewebe  enthält 
DQ  organischen  Bestandtheilen  solche,  die  leicht  in  Säure  löslich  sind 
tFremy)  und  andere  darin  schwer  lösliche;  diese  letztere  nennt 
ian  Knochenknorp el,  sie  geben  bei  der  Verbrennungsanalyse 
te  prozentische  Zusammensetzung    der  CoUa,    nemlich  050,1; 

7,1:  N18,4;   0  und  S  24,3  (v.  Bibra).  —  Die  Knocheuerde, 
eelche  durch  Einäscherung  eines  Knochen  dargestellt  wird,  besteht 
US  Fluorcalcium,  CaOC02,  SCaOFOs,  SMgOPOs  (Heintz).  — 
dem  Waschwasser  des  Knochens  oder  in  der  Asche  nicht  voll- 
)')mmen  ausgewaschener  Knochen  ist  noch  enthalten  Na  Gl,  NaO  CO2, 
^Ns,  Fe2  03. —  Nach  den  Analysen  von  Heintz,  den  genauesten, 
fälche  wir  besitzen,  bestehen  100  Theile  Knochenerde  aus  CaO  CO2 
9,1;  aCaOPOs  =  85,7;  SMgOPOö  =  1,7;  Ca  Fl  =  3,0.  Alle 
wigen  Analysen,  welche  Ausstellungen  man  auch  sonst  an  ihnen 
achen  kann,  bestätigen  doch,  dass  immer  die  phosphorsaure  Kalk- 
ide weit  überwiegt,  und  dass  das  Verhältniss  zwischen  den  ein- 
ilnen  Erdsalzen  durchaus  kein  gleichbleibendes  ist.  Nur  wenn  man 
!ijh  mit  einem  Ungefähr  befriedigt,  kann  die  Annahme  vonFremy 
istehen,   dass  auf  1  Aeq.  Kohlensäure  3  Aeq.  Phosphorsäure 
nmmen.  —  Der  Knorpel  und  die  Erden  sind  innig  nebeneinander- 


••)  Berzelius,  Lehrbuch  der  Chemie.  IX.  Bd.  1840.  —  Marchand,  physiolog.  Chemie.  Berlin 
2.  81.  —  V.  Blbni,  ehem.  Untersuchungen  etc.    Schweinfurt  1844.  —  Heintz,  Uber  die  Zu- 

nmensetzung  der  Knochenerde.    Berliner  Monatsberichte.  1849,   I.Heft.  —  Regnauld  und 

.»»elin,  Archiv,  gtfn^rul.  de  m^d.  1849.  Jullheft.  —  Mulder,  physiolog.  Chemie,  p.  010.  — 
emy,  Annales  de  chlmic  et  physique  1855.  Bd.  43.  p.  47.  —   v.  Ree  kll  n  gb  a  u  s  on  ,  Archiv 

■■  p«tholog.  Chemie.  XUI.  Bd. 

i  Ludwig,  Physiologie  II.   2.  Auflage. 


274 


Veränderlichkeit  der  Knochenssusammensotzung. 


gelegt,  aber  nicht  nach  Aequivalenten  verbunden.  Man  kann  bc 
kanntlich  aus  dem  Knochen  die  Erde  durch  Säuren  und  den  Knorpel 
durch  Kalieu  ausziehen,  ohne  dass  die  anatomische  Elementar- 
straktur  verloren  geht. 

Das  Verhältniss,  in  dem  die  organischen  (Knochenknorpel, 
Bindegev^ebs  -  und  Gefässreste)  und  unorganischen  Stoffe  im  Knochen 
enthalten  sind,  ist  nicht  constant.  —  a)  Ordnet  man  die  substantia 
dura  der  trockenen  Knochen  der  Erwachsenen  nach  ihrem  Gehalt  , 
an  Erde,  so  erhält  man  folgende  Reihe:  os  temporum,  humerus,  l 
femur,  ulua,  radius,  tibia,  fibula,  os  ilium,  clavicula,  vertebrac 
costae,  sternum,  os  metatarsi,  scapula.    Das  os  tempor.  enthiel 
63,5,  die  scapula  54,5  pCt.  Knochenerde  (Kees)*). —  Bibra  fand 
beim  Weib  eine  etwas  andere  Reihenfolge:  humerus,  femur,  tibia,, 
fibula,  ulna,  radius,  metacarpus,  os  occipitis,  clavicula,  scapula,, 
Costa,  08  ilium,  vertebrae,  sternum;  in  dem  ersten  Glied  69  undi 
in  dem  letzten  51  pCt.  Knochenerde.    Diese  Unterschiede  sind,  wie* 
wohl  zu  merken,  nur  giltig  füi*  die  Knochen  des  Geborenen,  nichti 
aber  für  die  des  Foetus  (v.  Bibra).  —  b)  Die  spougiöse Knochen-^ 
Substanz  enthält  einige  Prozente  feuerfilichtiger  Bestandtheile  mehn 
als  die  compakte  (Rees,  Fremy).    Theilt  man  willkiuiich  eiuea 
Röhrenknochen  seiner  Dicke  nach  (vom  Periost  zur  Markhaut)  in» 
mehrere  Schichten,  so  hinterlässt  die  äussere  zuweilen  um  1  bis 
2  Prozent  weniger  Asche,  als  die  innere,  zuweilen  ist  der  Knocheal 
auch  durchweg  gleich  zusammengesetzt  (Fremy).  Der  Unterschiedl| 
zwischen  schwammigen  und   festen  Knochen   verschwindet  unBj 
so  mehi-,  je  sorgsamer  die  anhängenden  Gefässe  und  Bindegewebs-^ 
theile  entfernt  werden  (Reckling hausen).  —  c)  An  einer  undlL 
derselben  Knochenstelle  soll  der  Gehalt  an  Kalkerde  mit  dem  AlteÄ 
zunehmen;  so  betrag  er  z.  B.  in  dem  Femur  männlicher  IndividueA 
beim  Foetus  =  59  pCt. ,  beim  dreivierteljährigen  Kinde  =  56,4« 
beim  fiinfjähr.  67  pCt.  und  endlich  beim  25 jähr.  Indiv.  68  pCt.  —4, 
Das  Steigen  des  Kalkgehaltes  geht  nun  aber  keinesweges  in  allöÄi 
Knochen  gleich  rasch  vor  sich.    So  nähert  sich  u.  A.  die  KuochenÄ 
Substanz  in  den  obern  Gliedmaassen  früher  ihrem  höchsten  WertlM, 
als  in  den  untern  (v.  Bibra).    Im  Gegensatz  hierzu  führteA 
die  Beobachtungen  von  Fremy  und  ReckliughaUsen  über« 
haupt  zu  keinem  Altersunterschied.   Die  Knochenpunkte  am  FemuÄ 


•)Berz8lius  vermuthet ,  dnss  die  von  Re  es  untersuchten  Knochen  nicht  volll^onimen 
trocknet  gewesen  seien. 


Ernährung  dor  Knochen. 


275 


les  Foetus  und  den  gleichnamigen  Knochen  des  Erwachsenen  und 
Preises  fand  Fremy  annähernd  gleich  reich  an  Erden.  —  d)  Ein 
)emerkenswei"ther  Unterschied  zwischen  dem  prozentischen  Erd- 
,-ehalt  in  den  gleichnamigen  Knochen  des  Mannes  und  des  Weibes 
»at  sich  nicht  herausgestellt. 

Das  Knochenmark  unterscheidet  man  seinem  Ansehen  nach  in 
in  fettes  und  ein  gelatinöses.  Das  erstere  besteht  vorzugsweise 
i;us  einem  sehr  oleinhaltigen  Fett  und  daneben  aus  einer  eiweiss- 
lud  salzhaltigen  Flüssigkeit,  den  Hüllensubstanzen  der  Mark-  und 
t  ettzelleu ,  aus  Gefässen  und  Bindegewebe.  Das  gelatinöse  enthält 
aagegen  überwiegend  die  salz  -  und  eiweisshaltige  Lösung  und  sehr 
teringe  Mengen  von  Fett;  die  beiden  Markarten  scheinen  also  Ge- 
nenge  derselben  Stoffe  in  verschiedenen  Verhältnissen  zu  sein.  — 
•as  Periost  enthält  die  Bestandtheile  des  Bindegewebes  und  der 
lastischen  Faser.  Die  Flüssigkeit,  welche  neben  den  Gefässen 
i(ie  Gefässröhren  und  die  Zellenräume  füllt,  ist  unbekannt.  Einige 
lingaben,  die  über  den  Gehalt  des  Gesammtknochens  an  Wasser 
lorliegen,  sind  ohne  Bedeutung,  da  dieser  mit  zahlreichen,  zu- 
Llligen  Umständen,  z.  B.  dem  Markgehalt,  der  Menge  der  Zellen 
iid  Gefässröhren  u,  s.  w.,  wechseln  muss. 

3.  Das  Wenige,  was  von  den  physikalischen  Eigenschaften  des 
mochens  bekannt  ist,  wurde  schon  Bd.  I.  p.  491  mitgetheilt. 

4.  Ernährung*).    Wo  sich  wahres  Knochengewebe  bilden  will, 
ti  entsteht  jedesmal  zuerst  in  der  Nähe  oder  im  Umfang  eines  Blut- 
?3fässes  eine  homogene  oder  faserige,  wahrscheinlich  coUagene 
rrandlage,  in  welche  sich  sternförmig  verästelte  Zellen  einbetten, 
arauf  schlägt  sich  in  der  Grundlage  Knochenerde,  und  zwar  so 
eeder,  dass  sie  ein  homogenes,  in  feinen  Schnitten  durchschei- 
;ndes  Ansehen  annimmt.     Die  Zellenhöhle   und  ilu-e  Wände 
teiben  dagegen  nicht  allein  von  der  Inkrustation  verschont,  son- 
ism  es  wachsen  sich  sogar  die  Fortsätze  der  benachbarten  Zellen 
"weit  entgegen,    bis  sie  mit  einander  in  Verbindung  treten 
iharpey,  Virchow,  H.  Müller,  A.  Baur). 

Die  besondern  Gestalten,  die  das  Knochengewebe  in  den 
celettheilen  —  den  sog.  Knochen  der  Osteographen  —  annimmt, 
rrd  dennoch  abhängig  sein  von  den  Formen,  in  welchen  die  weiche 
irundlage  des  Knochens  auftritt.    Diese  letztere  wird  aber  hingelegt 


?  •)  Köllikor,  Handbuch  der  Gewebelohre.  3.  Auflage,  p.  83.  —  Baur,  die  Bliulcsubutanz 
«Ingen  1858.  —  H.  Müller,  Zeitschr.  fllr  wis».  Zoologie.  IX.  Bd.  —  Bruch,  BciträRe  zur  Ent- 
-keluDg3ge»chiulite  de«  Knochensystoms.    UenkscUrlfleu  der  achwelzer.  uaturf.  Gesellschaft.  II.  Bd. 

18* 


276 


Entstellung  der  Knochenform. 


unter  dem  Einfluss  von  bestimmt  begrenzten  und  gebauten  Gebilden, 
nemlich  dem  fötalen  Knorpelskelet  mit  seinem  Perichondrium  und  • 
der  faserbäutigen  Vorstufe  der  meisten  Gesicbtsknocben  und  dci 
Schädeldecke.    Wo  die  Knochenbildung  unter  dem  Einfluss  de,-- 
knorpeligen  Skelets  vor  sich  geht,  da  entwickelt  sich  zugleich  dit 
verknöchernde  Grundlage  im  Innern  des  Knorpels  und  an  seinei 
Obei-fläche,  zwischen  ihm  und  dem  Perichondrium.    Hiebei  hat  mai 
Folgendes  beobachtet:  Wenn  die  Bildung  des  Knochens  im  Innen 
eines  Knorpels  stattfinden  soll,  so  vergrössern  sich  zuerst  an  einei 
beschi-änkten  Stelle  die  Knorpelhöhlen  und  ordnen  sich  in  Reihei 
oder  Strahlen  an,  je  nachdem  der  Knorpel  eine  röhrige  oder  ge  ■ 
ballte  Form  besitzt;  es  mehren  sich  ferner  die  in  den  Höhlen  eut  i 
haltenen  Zellen  und  darauf  lagert  sich  eine  erdige  Masse  in  das-t 
Knorpelgrundgewebe  ab  (Knorpelverkalkung).    Zu  derselben  Zeiii 
oder  etwas  früher  haben  sich  auch  im  Knorpel  Kanäle  gebildet  . 
welche  von  der  Knorpeloberfläche,  resp.  dem  Perichondrium  zi 
den  verkalkten  Stellen  hinziehen.    Diese  Kanäle  enthalten  Zellen 
die  denen  des  Knorpels  ähneln,  in  einer  mehr  oder  weniger  sti-ei 
figen  Grundlage,  dann  weiche  markähnliche  Zellen  mit  bindegeweb^ 
artiger  Zwischenmasse,  und  endlich  Blutgefässe,  welche  mitdencLt 
des  Perichondrium    in  Verbindung   stehen.     Die  Knorpelcanälal 
leiten  die  Auflösung  des  Knorpels  und  die  Entstehung  des  Knochenflli 
ein.    Sie  dringen  nemlich  in  den  Knorpel  bis  an  und  durch  die  VerB 
kalkungsstelle,    verflüssigen  die  feste  Grundmasse,   welche  öim 
Knorpelhöhlen  scheidet,  und  bewerkstelligen  es  somit,  däss  die8a| 
letztern  Höhlen  zu  einem  mannichfach  ausgebuchteten  Systeme  volÄ 
Lücken  zusammenfliessen.    Ein  Theil  dieser  Lücken  wird  mit  BindeÄ 
gewebe,  Fett,  Markzellen  und  Gefässen  ausgefüllt  und  stellt  damn 
die  spätem  Markräume  dar,   in  einem  andern  werden  dagege» 
sti-ahlige  Zellen  und  die  gleichartige  Grundlage,  welche  sich  wm 
wirklichen  Knochen  umwandeln,  eingelegt.    Der  Knorpel  wände» 
sich  also  nicht  in  Knochen  um,   sondern  er  |wird  zerstört  nwm 
seinen  Ort  nimmt  die  Knochenmasse  ein  (A.  Baur,  H.  MülleF« 
Das  neugebildete  Knochengewebe  bleibt  nun  aber  auch  nicht  immei 
bestehen,  sondern  es  löst  sich  oft  von  Neuem  auf,  und  dann  erSÄ 
findet  sich  statt  seiner  der  bleibende  Knochen  ein.  —  Dieser  ebeiÄ 
geschilderte  Vorgang  geht  nun  im  Knorpel  nicht  überall  gleichzeitigH 
vor  sich,  sondern  er  beginnt,  wie  schon  erwähnt,  an  einem 
-  mehreren  Punkten;   um  diese  sind  alle  Uebergangs stufen  rotfH 
vollendeten  Knochen  bis  zum  hyalinen  Knorpel  zu  finden.  —  Eifl 


Wachsthum  der  Knochen  nach  der  Geburt. 


277 


«eher  als  im  Innern  ist  die  Entstehimg  des  Knochens  zwischen  der 
Oberfläche  des  Knorpels  und  dem  Perichondrium;  denn  hier  lagert 
«ich  gleich  in  conzentrischen  Schichten  um  die  Gefässe  eine  weiche 
•leichartige  oder  gestreifte  Schicht  ab,  welche  verästelte  Zellen 
mschliesst  und  darauf  inkrustirt.  —  Mit  dem  Vorgang  im  Peri- 
ihondrium  stimmt  auch  der  überein,  welcher  in  der  häutigen  Grund- 
lage der  Schädel-  und  Gesichtsknochen  beobachtet  wird. 

Das  Fortwachsen  der  Skeletstticke  nach  der  Geburt  geschieht 
Bon  zwei  Orten  aus,  nemlich  von  den  knorpeligen  Rändern  (inso- 
fern diese  nicht  an  Synovialflächen  stossen)  und  von  dem  Periost 
Dus.  Die  erste  Art  des  Wachsthums  ereignet  sich  also  an  den 
Röhrenknochen  in  den  Epiphysen,  an  den  Schädelknochen  zvrischen 
cen  Nähten.  Diese  Ai-t  der  Vergrösserung  bedingt  immer  die  An- 
iiildung  neuer  Knochenschichten,  die  den  Knorpelflächen  gleichläufig 
egen,  mit  einem  Worte  das  Längenwachsthum,  während  die  vom 
erlöst  aus  eingeleitete  Verknöcherung  die  Verdickung  bedingt.  Um 
een  Vorgang  zu  verdeutlichen,  hat  zuerst  H.  Meyer  ^.^ 
aas  Schema  eines  sich  vergrössernden  Röhren- 
mochens  (in  Fig.  51)  entworfen.  Wenn  12  2  1 
imen  Röhrenknochen  der  Neugeborenen  und  darin 
2  das  Mittelstück ,  12.  und  2  1  die  Endstücke, 
in  II  I  dagegen  den  gleichnamigen  Knochen  des 
rmachsenen  darstellt,  so  ist  2  11  durch  Wachs- 
am und  Verknöcherung  des  Knorpels,  aa  hh  durch 
Dttflagerung  aus  dem  Periost  entstanden.  DieNeubü- 
iingimKnoi-pel  sowohl  wie  die  von  der  Knochenhaut 
IIS  geschieht  ganz  nach  denselben  Regeln,  die  auch 
ir  das  fötale  Leben  giltig  waren,  also  in  den 
Sähten  und  Epiphysen  dadurch,  dass  fort  und  fort 
inorpelzellen  und  Zwischenmasse  entstehen,  dass 
tese  letztere  verkalkt,  dass  dann  von  den  blut- 
fässführenden  Kanälen  des  Knochens  der  ver- 
ulkte Knoi-pel  wieder  angefressen  wird ,  dass  sich 
die  Knorpelhöhlen  sternfönnige  Zellen  und  eine 
rmkturlose  Grundlage  hinlegen,  welche  letztere 
adlich  von  Knochenerde  durchsetzt  wird.  Auf 
'3r  Grenze  zwischen  Knochen  und  Periost  erscheinen 
agegen,  ohne  dass  Knorpel  vorausgeht,  die  stern- 
)nnigen  Zellen  und  die  verknöchernde  Zwischen- 
t^asse. 


278 


Bedingungen  dea  Knochenwachsthum 


Ueber  die  Bedingungen  *),  welche  dem  Knochenwachsthum  eini 
Ende  setzen  und  zugleich  die  Stoffbewegung  in  den  Räumen  des 
fertigen  Knochens  regeln,  ist  Folgendes  bekannt:  1)  Die  Knochen 
hören  meist  auf  nach  der  Länge  zu  wachsen,  wenn  ihre  knor 
peligen  Verbindungsstücke  verknöchert  sind,  also:  die  Eöhren  nacl 
vollkommener  Verknöcherung  der  Epiphysen,  die  Schädeldecken 
nach  Verwachsung  der  Nähte  (H.  Weber).    Ob  diese  Regel  ein( 
ausnahmslose  ist,  steht  dahin,  und  ebenso  darf  sie  keinenfall 
dahin  verstanden  werden,  dass  das  Wachsthum  nicht  eher  aufhöre i 
kann,  bevor  nicht  jene  Verknöcherungen  zu  Stande  kamen,  d. 
die  Röhrenknochen  der  Zwerge  z.  B.  trotz  bestehenden  Empiphysei 
ihr  Wachsthum  einstellen  (Virchow).  —  2)  Schneidet  man  bc 
jungen  Thieren  die  Kaumuskeln  aus  oder  entleert  mau  die  Augen 
flüssigkeit,  so  verdicken  sich  die  Knochen,  welche  die  Höhlen  bc 
grenzen,  nach  diesen  letztern  hin,  nicht  aber  gegen  die  Schädel-il 
höhle.    Dieselbe  Operation  führt  bei  erwachsenen  Thieren  zu  keine« 
Knocheuwucherung  (L.  Eick).  —  3)  Nach  einer  einseitigen  Zer|li 
Störung  der  Kieferschliesser  wird  der  Kieferast  derselben  Seit(j 
kürzer  und  sein  Gelenkkopf  dicker  (L.  Eick).  —  4)  Wenn  die 
Muskeln  einer  Extremität  vor  der  Pubertät  gelähmt  werden,  S( 
bleibt  der  Knochen  derselben  kürzer  und  dünner.  —  5)  Wenn  siel 
die  Muskeln  vor  oder  nach  der  Pubertät  kräftig  entwickeln,  8( 
nimmt  der  Knochen  und  namentlich  an  den  Muskelansätzen  ai 
Masse  zu.  —  6)  In  dem  Maasse,  in  welchem  die  vom  Schäde 
umschlossenen  Weichtheile  (Hirnfaser,  Ganglienkörper,  Blutgefässe! 
Hirnwasser)  wachsen,  dehnen  sich  auch  die  Schädelknochen  meh^ 
oder  weniger  aus.    Hierbei  geschieht  jedoch  das  Wachsthum  nich 
in  allen  Nähten  gleichmässig,  sondern  bald  in  der  einen  und  bali 
in  der  andern  mehr,  so  dass  der  Schädel  verschiedener  Individue 
trotz  gleichen  Hirnvolums  doch  ganz  verschiedene  Formen  darbietet, 
weil  nemlich  das  geringere  Wachsthum  in  einer  Naht  durch  eiij 
grösseres  in  einer  andern  ausgeghchen  wird  (H.  Meyer,  Virchow). 
7)  Nimmt  das  Markfett  zu,  wie  dieses  bei  künstlicher  Mästung  de; 
Thiere  vorkommt ,  so  vergrössern  sich  unter  Abnahme  der  Knochei 


»)  Virchow,  Entwickeluiig  des  ScUädelgundcs.  Berlin  1S57.  —  L.  Fick,  Ueber  die 
Sache  der  Kpochonformen.  Göttingen  1857.  —  Derselbe,  Neue  Beiträge.  Marburg  1858, 
H.Meyer,  Henlo's  Zeitschrift.  N.  F.  III.  Ud.  105.—  Schiff,  Neurolog.  Untersuchung« 
Frankfurt  1855.  I.  p.  122.  —  Freund,  Hiatoiogic  der  RIppcnknorpel.  Breslau  185S.  —  Hein« 
Graofo's  und  Walthor's  Journal.  1836.  —  B o u ssi nga «  1 1 ,  Aunnlos  de  chimie  et  physiqi(i 
3.  Sor.  XIV.  Bd.  419.  —  Olli  er,  Compt.  rend.  De'combre  1SÖ8.  —  Die  ältere  Literatur  Ubi 
Koochenornährung  siehe  bei  S  ch  1  o  s  s  b  e  r  gor  Dp.  citat.  Knochen  u.  Knorpel. 


L Bedingungen  des  Knochcnwachsthums.  279 
sse  die  centralen  Markhöhlen  (Boussinga ult).  —  8)  Jeder 
Druck,  der  anhaltend  auf  eine  bestimmte  Stelle  der  Knochenober- 
fläche wirkt,  bringt  hier  den  Knochen  zum  Schwinden.  Dieses 
ereignet  sich  z.  B.  wenn  Weichtheile  gegen  die  innere  Schädel- 
Uäche  wachsen,  wo  Arterien  den  Knochen  aufliegen,  wenn  man 
Aletallplatten  zwischen  den  Knochen  und  das  Periost  legt  u.  s.  w.  — 
•  j)  Einer  Lähmung  der  Gefässnerven  folgt  an  den  Stellen,  welche 
von  jenen  Gefässen  versorgt  werden,  eine  Knochenwucherung 
iSchiff).  —  10)  Reizungen  des  Periosts,  die  eine  Erweiterung 
tieiner  Blutkapillaren  zur  Folge  haben,  bedingen  Knochenwucherung.  — 
.1)  Umgekehrt  führt  eine  Zerstörung  des  Periosts  zu  einem  Ab- 
Gterben  des  zugehörigen  Knochens.  —  12)  Nach  einer  Zerstörung 
loder  Entfernung  des  Knochens  mit  Erhaltung  des  Periosts  bildet 
iiich  der  Knochen  von  Neuem  (Knochenbrüche,  Ausschälung  der 
tRippen  aus  dem  Periost).  (Heine.) —  13)  Ueberpflanzt  man  das 
r* erlöst  eines  jungen  ^hieres  aus  seiner  normalen  Lage  in  eine 
»oeliebige  andere,  gleichgiltig  ob  dabei  die  Gefässe  desselben  in 
i7erbindung  mit  den  alten  bleiben  oder  mit  neuen  sich  ^usammen- 
iinden,  so  wird  immer  an  einer  seiner  Flächen  eine  Knochen- 
iieubildung  eingeleitet.  Bei  schon  erwachsenen  Thieren  gelingt  der 
i7 ersuch  ebenfalls ,  doch  ist  die  neugebildete  Knochenmasse  weniger 
reichlich  (Ollier).  —  14)  Bei  Mangel  an  Kalksalzen  in  der  Nah- 
rang erweichen  die  schon  gebildeten  Knochen,  und  umgekehrt  be- 
(chfeunigt  ein  reichlicher  Kalkzusatz  zur  Nahrung  nach  einem 
[oiochenbruch  die  Knochenneubildung  (Milne  Edwards). 

Aus  diesen  Thatsachen  scheint  sich  ableiten  zu  lassen,  dass 
He  Ausdehnung,  welche  der  Knochen  einnimmt,  die  Resultirende 
Sit  einerseits  aus  einer  Summe  von  Bedingungen,  die  wii-  kurzhin 
ie  knochenbildenden  nennen  wollen,  und  andererseits  aus  den  Wider- 
ttänden,  die  sich  an  seinen  Grenzen  einfinden. 

Daraus  folgt,  dass  die  Knoclienraasse  die  Augenhöhle  nicht  ausfüllt,  so  lange  der 
rnrch  die  gespannten  Augenmuskeln  in  die  Höhle  gezogene  Bulbus  wie  ein  Presskegel 
.•irkt,  und  weiter,  dass  die  Muskeln,  welche  nicht  mehr  wachsen,  durch  ihre  senk- 

jcht  auf  die  Epiphysen  wirkenden  Zugkräfte  das  Längenwachsthum  der  Röhren  hin- 
■em,  oder  dass  die  Knochennoubildung  in  der  Markhöhle  gehemmt  wird,  wenn  die 

larkmassc  reichlich  wächst,  und  umgekehrt  werden  die  Weichtheile  verdrängt  bei 
l  ebhafter  Knochcncntwickelung,  wie  bei  Exostenbildung  u.  s.  w. 

,      Und  ferner,  dass  obwohl  uns  weitaus  die  meisten  Faktoren 
i^mbekannt  sind,  welche  die  Knochenbildung  fördern  und  hemmen, 
■u  ihnen  doch  zu  zählen  ist:  der  Zustand  der  Capillargefässe  in 
flen  Knochenkanälen  und  im  Periost,  indem  alle  Umstände,  welche 


i 


280 


Bedingungen  dea  Ejiochenwachstbumi 


die  Erweiteruug  derselben  begünstigen,  die  Knochenentwickelung 
fördern  und  die  entgegengesetzten  sie  hemmen. 

Darauf  führen  hin  die  Erfahrungen  über  gesteigertes  Knochenwachsthum:  bi 
Reizungszustand  des  Periosts,  der  von  Gefässerweiterung  begleitet  ist,  ebenso  in  Folg 
kräftigeren  Zuges  der  Muskeln  an  den  Ansatzpunkten,  und  ferner  bei' Ausspannung  de 
Schädelnähte  durch  das  wachsende  Hirn  und  nach  Durchschneidung  der  Gefässnervea 
Die  umgekehrten  Fälle  finden  sich  aus  den  obenstehenden  Nummern  leicht  heraus. 

Weiter  wird  das  Knoehenwachsthum  begünstigt  durch  die  Eigen 
Schäften,  welche  gewisse  Lebensalter  mit  sich  führen. 

Dieses  crgiebt  sich  daraus,  dass  der  jugendliche  Knochen  in  die  von  "Weich theilei 
befreiten  Gruben  hineinwächst,  während  der  ausgewachsene  dieses  unterlägst. 

Ferner  wird  bei  sonst  günstigen  Verhältnissen  die  Knochen 
bildung  durch  reichliche  Anwesenheit  der  Kalksalze  im  Blut  ge 
fördert,  so  wie  durch  das  Gegentheil  gehemmt,  und  endlich  folgt  aui 
Allem,  dass,  weil  der  Knochen  von  Geweben  durchzogen  und  um 
geben  ist,  die  einen  veränderlichen  und  dazu  an  verschiedenen  Ortei 
von  einanander  unabhängig  veränderlichen  Druck  ausüben  können 
sich  in  dem  Räume,  den  er  einnimmt,  abwechselnd  Aufsaugung 
und  Neubildung  einstellen  muss ,  so  oft  sich  solche  Druckvariationen 
einfinden.  Daraus  wird  es  wahrscheinlich,  dass  während  des  ganzeij 
Lebens  nicht  bloss  ein  intermolekularer,  sondern  ein  auf  gross« 
Strecken  ausgedehnter  Knochenwechsel  besteht. 

Die  chemischen  Vorgänge  bei  der  Entstehung,  Auflösung  und 
der  Erhaltung  des  Knochens  sind  uns  fast  durchweg  unbekannt' 
Durch  die  Untersuchungen  von  Baur  und  Müller  über  die  Um 
Wandlung  des  vorgebildeten  Knorpels  im  Knochen  ist  festgesteUt]! 
dass  hierbei  nicht  wie  man  früher  annahm,   das  Chondrigen  icl 
collagenes  Gewebe  umgewandelt  wird,  sondern  dass  sich  das  letzterdf 
sogleich  als  solches  hinlegt. 

Die  Knochenkörperchen  und  ihre  Ausläufer  führen  einen  Safti 
man  betrachtet  sie  darum  als  Vermittler  des  Stoflfaustausches  zwischec 
Blut  und  Knochenmasse.  ; 

Die  Markumbildung  soll  nach  Freund  unterstützt  werden  durch  Verseifung  de 
kohlensauren  Kalkerde,  welche  diu-ch  das  Knochenfett  unter  ßeihülfe  des  kohlensaurei 
Natrons  und  Amnfoniaks  der  Knochen  eingeleitet  würde. 

Nach  Krapp fütterung  färbt  sich  der  Knochen,  und  zwar  zumeist  um  die  Gefäss 
röhren;  die  Hoffnung,  dass  man  durch  solche  Färbungen  dem  Knochenumsatz  nähe 
kommen  kann,  hat  sich  nicht  bestätigt. 

Der  Knochen  gehört  zu  denjenigen  Geweben,  welche  sieh  in 
Erwachsenen  neu  bilden,  und  zwar  auch  an  solchen  Stellen,  di( 
ursprünglich  keine  Knochenaulagen  enthalten,  wie  H.  Meyer 


Zähne. 


281 


Wagner,  Wittich  u.  A.  nachweisen,  welche  wahre  Knochen- 
oildung  in  der  Haut,  der  Linse,  dem  Glaskörper  aufdeckten. 

Der  Fettgehalt  des  Knochenmarkes  schwankt  sichtlich  mit  dem 
ides  ganzen  Körpers. 

Zähne. 

1.  Die  anatomische  Beschreibung*)  unterscheidet  an  ihnen  die 
^chmelzoberhaut ,  den  Schmelz,  das  Zahnbein,  den  Kitt  und  das 
Dü  der  Zahnhöhle  liegende  Mark.  —  Das  Schmelzoberhäutchen  ist 
fttiü  dünner,  sehr  harter  und  strukturloser  üeberzug  des  Schmelzes; 
lilieser  selbst  setzt  sich  aus  kurzen  und  breiten  auf  dem  Querschnitt 
,t  echseckigen  Fasern  zusammen,  die  dichtgedrängt  ohne  verbinden- 
den Stofif  an  einander  und  nahezu  senkrecht  auf  der  Oberfläche 
der  Krone  des  Zahnbeins  aufstehen.  —  Das  Zahnbein,  welches 
den  weitaus  grössten  Theil  von  Wurzel  und  Krone  einnimmt,  ist 
aus  einem  homogenen  Grundgewebe  aufgeführt,  welches  von  zahl- 
t eichen  feinen  Röhren,  den  Zahnröhrchen ,  durchzogen  wird.  Diese 
[löhrchen  beginnen  mit  einer  offenen  Mündung  in  der  Zahnhöhle 
jind  laufen  von  ihr  nach  allen  Seiten  gegen  die  äussere  Begrenzung 
tes  Zahnbeins ;  auf  diesem  Wege  theilen  sie  sich  unter  sehr  spitzen 
tVinkeln  in  einige  Hauptäste,  und  aus  diesen  Aesten  gehen  zahl- 
eeiche  Zweige  ab,  welche  theils  mit  den  Nachbarn,  theils  auch 
iiit  den  Ausläufern  der  Knochenhöhlen  des  Kitts  anastomisiren. 
lieben  den  Zahnröhren  finden  sich  auch  noch  spärliche  kugelige 
Hohlräume  in  dem  Zahnbein.  —  Der  Kitt  endlich  ist  ein  feines 
^Cnochenlager,  welches  die  Wurzel  überzieht.  —  Der  Kern  des 
iiiahnmarkes ,  in  dem  sich  Gefässe  und  Nerven  verbreiten,  ist  aus 
mdeutlichen  Fasern  mit  eingestreuten  Kernen  gewebt  und  an  seiner 
eegen  die  Höhlenwand  gekehrten  Oberfläche  mit  einer  mehrfachen 
fchicht  cylindrischer ,  kernhaltiger  Zellen  überzogen,  die  von  dem 
Jiahnbein  durch  ein  strukturloses  Häutchen  abgegrenzt  werden,  so 
lass  die  Mündungen  der  Zahnröhren  nicht  direkt  auf  die  Zellen- 
lbei*fläche  treffen.  —  Zur  Befestigung  des  Zahns  in  den  knöchernen 
/iahnfächern  dient  das  Periost  dieses  letztern  und  das  Zahnfleisch. 

2.  Chemische  Zusammensetzung**).  Schmelzoberhaut,  Schmelz, 
»lahnbein  nnd  Kitt  besitzen  eine  weiche  Grundlage,  in  welche 
ilrden  eingelagert  sind.  Die  von  letzteren  befreite  Schmelzober- 
laut  nähert  sich  ihrer  Reaktion  nach  dem  elastischen  Gewebe;  die 


•)  KöUikcr,  Hanilbuch  der  Gewebelehre.  2.  Aufl.  388. 

Berzclius,  Chemie.  1840.  IX.  Bd.  551  —  v.  Bibra,  Chemische  üntorsuolningcn  Uber 
hnoehen  nnd  Zähne.  1844.  —  Hoppe,  Vlrchow'a  Archiv.  V.  Bd.  185. 


282 


Chemische  Zusammensetzung  der  Zähne. 


der  Schmelzprismen  aber  den  Epithelialstoffen  (Hoppe);  das  erl 
weichte  Zwischengewebe  im  Zahnbein  und  Kitt  ist  Collagen,  dir- 
nächste  Umgebung  der  Röhren ,  Kugelräume  und  Knochenkörperchei 
aber  eine  besondere  in  kochendem  Wasser  unlösliche  Stubstaii/ 
(Hoppe).  —  Die  in  diesen  Substanzen  eingelagerten  Salze  ent 
halten  nach  Berzelius  phosphorsauren  Kalk  und  Talk,  kohlen 
sauren  Kalk,  Fluorcalcium  und  Talk;  die  phosphorsaure  Kalkerd« 
tiberwiegt  hier  in  derselben  Weise  wie  im  Knochen.  Die  Verhält 
nisse ,  in  welchen  die  organischen  und  unorganischen  Bestandtheil< 
in  den  einzelnen  der  erwähnten  Gebilde  enthalten  sind,  wechseln 
In  der  Oberhaut  und  den  Prismen  des  getrockneten  Schmelzei 
fand  V.  Bibra  zwischen  3,6  bis  6,0  pCt.  organische  und  94,0  bi« 
96,4  pCt.  unorganische,  in  dem  Zahnbein  21,0  bis  29,4  pCt.  or 
ganische  und  79,0  bis  70,6  unorganische  Bestandtheüe.  Aus  dei 
Flüssigkeit,  welche  das  Zahnmark  durchti-änkt ,  kann  durch  Essig 
säure  ein  schleimartiger  Körper  gefällt  werden ;  das  Streifengeweb( 
desselben  reagirt  dem  Bindegewebe  nicht  in  allen  Stücken  ähnlich 

3.  Ernährung.  Der  Entstehung  des  Zahns  muss  der  Aufbaw 
eines  besondern  Werkzeugs  vorausgehen,  das  aus  einem  SäckchenJ 
den  Zahn-  und  Schmelzkeimen  besteht.  Das  Säckchen  ist  ein» 
Aushöhlung  in  den  Zahnrändern  des  Kiefers,  die,  von  einer  derb enl 
Haut  umgeben,  nach  der  einen  Seite  von  dem  Knochen  und  nacnl 
der  andern  von  dem  knorpelharten  Zahnfleisch  begrenzt  wird.  Ailf 


den  entgegengesetzten  Wandungen  des  Säckchens  treten  die  beideiji 
Keime  in  die  Höhle  hervor  und  zwar  der  Zahnkeim  von  der  Al  l 
veolarseite  und  der  des  Schmelzes  von  der  Zahnfleischseite  defäl 
Säckchens.  Damit  ist  zugleich  ausgedrückt,  dass  der  erste  nuwi 
einen  kleinen  Theil  von  der  Wandung  des  Zahnsacks  bedecktÄ 
während  der  zweite  dem  weitaus  grössten  Theil  der  Innern  Wand« 
fläche  anliegt.  Umgekehrt  wie  der  Querschnitt  verhält  sich  ditfi 
Höhe  beider  Auswüchse,  denn  während  der  Zahnkeim  wie  einm 
starke  an  dem  freistehenden  Theil  verbreiterte  Warze  in  den  Zahn<i 
sack  hineinragt,  bildet  der  Schmelzkeim  nur  eine  niedrige  Lage.  — jl 
Beide  Keime  liegen  in  dem  Sack  so,  dass  sie  mit  ihren  freien  inll 
die  Höhle  schauenden  Oberflächen  unmittelbar  wider  einander  liegenB 
Sie  füllen  ihn  jedoch  nicht  vollkommen  aus,  indem  zwischendem  UitjH 
fang  der  Zahn-  und  Schmelzgrenze  ein  kleiner  mit  Eiweiss-  uifl 
Salzlösung  gefüllter  Hohlraum  übrig  bleibt  (Meissner,  Magitot)*» 


*)  Archivcs  g^ne'ralos  do  Mddicino  1868.  1.  Bd.  p.  48flgdc. 


Formfolge  bei  der  Entstehung  der  Zähne. 


283 


Oer  Scbmelzkeim  besteht  nun,  vom  Zahnsäckchen  aus  gerech- 
laet,  aus  einer  Schicht  Bindegewebe  mit  Gefässen,  dann  einer 
ptärkera  Lage  schwammigen  Gewebes,  das  von  verästelten 
•md  communizirenden  Zellen  durchzogen  und  mit  einer  eiweiss- 
tialtigen  Flüssigkeit  durchtränkt  ist,  auf  diesem  sitzt  ein  Cylinder- 
[  ;pithelium,  dessen  Oberfläche  von  einer  strukturlosen  Haut  bedeckt 
kvird,  auf  der  endlich  die  Schmelzprismen  stehen.  —  Der  Zahn- 
xeim  ist  an  die  Wand  des  Säckchens  geheftet  durch  eine  faserige 
►bindegewebsartige  Masse ,  welche  von  Blutgefässen  durchzogen  ist ; 
auf  ihm  sitzt  ein  Zellenlager,  welches  gegen  den  Schmelz  hin  in 
Hange  Aeste  auswächst,  zwischen  denen  eine  strukturlose  Aus- 
iäillungsmasse  liegt.  Diese  Ausläufer  stossen  unmittelbar  an  die 
wchmelzprismen.  Zahnbein  und  Schmelz  wachsen  sich  somit  ent- 
■i^egen  und  werden  zusammengepresst  durch  den  Druck,  welchen 
ilie  Blutgefässe  und  die  aus  ihnen  geschiedenen  Stoffe  in  dem  ge- 
schlossenen Säckchen  erzeugen.  An  der  Grenze  von  Schmelzfasern 
imd  Zahnröhren  beginnt  nun  auch  jedesmal  die  Verkalkung  und 
p.war  gleichzeitig  in  beiden  Gebilden;  Wachsthum  der  Grundlagen 
imd  Verknöcherung  derselben  schreitet  dann  in  dem  Schmelz  und 

ii^ahnbein  nach  entgegengesetzten  Richtungen  fort.  Da  das  Säckchen 
linen  starken  Widerstand  leistet,  so  muss  die  in  dasselbe  abge- 
londerte  Masse  allmählig  die  eintretenden  Gefässe  zusammendrücken; 
üeses  wird  aber  zuerst  denen  des  Schmelzkeims  begegnen,  weil 
ibire  zuftihrenden  Arterien  enger  und  darum  auch  der  Strom  in 
lünen  schwächer  ist;  die  Schmelzbildung  ist  dann  natürlich  ge- 
(chlossen.  Wenn  dieses  geschehen  ist,  so  verlängert  sich  das 
Üäckchen  gegen  die  Alveolarhöhle  aus  unbekannten  Gründen;  das 
liiahnbein,  welches  in  dieser  Verlängerung  entsteht,  kann  aber  na- 
törlich  nicht  mehr  mit  Schmelz  überzogen  sein,  es  stellt  die  spätere 
^Vurzel  dar;  da  die  ihn  umkleidende  Wand  des  Säckchens  zum 
"eriost  der  Alveolarhöhle  wird,  so  scheidet  dieses  nun  nach  zwei 
leiten  Knochensubstanz  aus,  nemlich  auf  den  Zahn  als  Kitt  und 
ausserdem  in  den  Alveolarrand.  So  wie  nun  der  Wurzeltheil  des 
-Jahns  gegen  den  Kieferknochen  sich  andrängt,  muss  bei  noch 
'(reiterm  Wachsen  das  nachgiebigere  Zahnfleisch  ausgespannt  nnd 
Peine  Gefässe  zusammengedrückt  werden,  und  darum  wird  der 
i'ahn  dasselbe  durchbrechen,  wobei  die  zuerst  gebildete  Krone 
tlurch  die  allmählich  sich  entwickelnde  Wurzel  vorgeschoben  wird.  — 
..fiin  grösserer  Theil  der  zuerst  hervorbrechenden  Zähne,  die  Milch- 
itähne,  fallen  bekanntlich  in  der  Kindheit  wieder  aus,  um  durch 


284 


Fettzellen. 


neue  ersetzt  zu  werden.  Die  neuen  Zähne  entstehen  aber  genau 
wie  die  Milchzähne  in  Säckchen,  welche  schon  in  der  Fötalperiode 
gebaut  wurden.  Indem  sie  sich  entwickeln,  schieben  sie  nicht 
einfach  den  alten  Zahn  vor  sich  her,  sondern  sie  leiten  eine  Auf- 
lösung der  Wurzel  ein. 

Von  den  Milchzähnen  brechen  zuerst  die  Innern  und  dann  die 
äussern  Schneidezähne  durch,  hierauf  die  ersten  Back-,  dann  die 
Eck-  und  schliesslich  die  zweiten  Backzähne.  Der  erste  von  diesen 
Zähnen  pflegt  gegen  den  7.,  der  letzte  gegen  den  30.  Monat  nach 
der  Geburt  hervorzukommen.  Von  den  bleibenden  Zähnen  erscheint 
zuerst  der  dritte  Backzahn,  darauf  die  Innern  Schneidezähne  und 
die  übrigen  in  einer  ähnlichen  Reihenfolge  wie  die  Milchzähne 
Das  zweite  Zahnen  beginnt  mit  dem  7.  und  endet  mit  dem  18.  Jahre 

Die  Veränderungen,  welche  die  ausgewachsenen  Zähne  dar-, 
bieten,  sind  äusserst  unbedeutend.  Sie  beschränken  sich,  abgör 
sehen  von  Krankheiten ,  auf  eine  Abnutzung  der  Krone  beim  Kauen 
und  die  Einlagerung  von  Kalksalzen  in  die  Zahnhöhle,  die  im 
hohen  Alter  oft  sehr  verengt  angetroffen  wird.  —  Die  Zahnröhren 
fähren,  wie  es  danach  scheint,  keine  Flüssigkeit,  die  umsetzend 
auf  das  Zahnbein  wirkt;  ihre  Wirksamkeit  beschränkt  sich  wahr' 
scheinlich  darauf,  das  Zahnbein  gleichmässig  zu  durchfeuchten, 
wodurch  die  Sprödigkeit  desselben  vermindert  wü-d. 

Das  Periost  des  Zahnfächers  kann  dagegen  mancherlei  Ver* 
änderungen  in  der  Zahnstellung  herbeiführen.  Namentlich  kann 
es  einen  locker  gewordenen  oder  gar  schon  einmal  ausgezogenen 
Zahn  wieder  befestigen  durch  Anlagerung  von  neuem  Kitt;  mit 
seiner  Hilfe  sollen  sich  sogar  die  Nerven  und  Blutgefässe  des 
Zahns  wieder  herstellen.  Das  Periost  kann  aber  auch  schwinden, 
so  dass  der  Zahn  in  dem  Fächer  gelockert  wird,  oder  aber  es 
kann  von  ihm  die  Knochenbildung  in  den  Fächer  hinein  so  weit 
vorschreiten,  dass  der  Zahn  ausgedrängt  wird. 

Die  Caries  der  Zähne  wird  durch  den  deutschen  Namen  Fäule  gut  bezeichnet, 
da  sie  in  einem  der  Fäulniss  ähnliehen  yon  Pilzbildung  begleiteten  chemischen  Pf?? 
zess  besteht. 

Fettzellen. 

Geraenge  von  neutralen  und  saureu  Fetten  sind  im  mensch- 
lichen Körper  sehr  verbreitet,  sie  durchtränken  die  Hornstoffe, 
schwimmen  als  Tröpfchen  oder  Kügelcheu  in  wässerigen  Flüssig-- 
keiten ,  die  entweder  frei  (seröse  Säfte ,  Galle ,  Speichel  n.  s.  w.) 
vorkommen,  oder  die,  mit  eiweissartigen  Stoffen  gemengt  oder  veß 


Anatomische  und  chemische  Zusammensetzung  der  Fettzellen.  285 


lounden,  Nerven  und  Muskelröhren  füllen.  Ausserdem  aber  sind 
;}ie  abgelagert  in  zahlreichen  Zellen,  welche  von  den  Anatomen 
als  Fettzellen  bezeichnet,  in  dem  lockern  Bindegewebe  zu  grossen 
oder  kleinen  Haufen  vereinigt  vorkommen;  diese  sollen  hier  be- 
sprochen werden. 

1.  Anatomische  Beschaffenheit*).  In  die  strukturlose  Zellen- 
laaut  soll  immer  ein  wandständiger  Kerne  ingelagert  sein ,  der  aber  ge- 
vvöhnlich  nur  dann  sichtbar  wird ,  wenn  die  Zelle  durch  Entfernung 
hhres  trüben  Inhalts  durchsichtig  gemacht  wird.  Der  Binnenraum  ist 
mtweder  strotzend  mit  Fett  erfüllt,  das  bei  der  Normaltemperatur 
[lies  Menschen  (36'^  bis  39*^  C.)  halb  und  auch  ganz  flüssig  ist, 
oder  er  enthält  neben  einer  wässerigen  Flüssigkeit  Tropfen  oder 
iQ-ystaUe  eines  Fettes,  oder  endlich  die  zusammengefallene  Zelle 
lichliesst  nur  wässerige  Flüssigkeit  in  sich.  Die  Zellen  sind  an  Grösse 
war  sehr  variabel  sowohl  an  den  gleichen  als  an  verschiedenartigen 
-jagerungstätten;  aber  an  einzelnen  Orten  doch  durch  dieselbe  ans- 
:<;ezeichnet ;  so  enthält  z.  B.  das  Bindegewebe  in  den  Markhöhlen 
l'les  Knochens  constant  eine  kleine  Art  von  Fettzellen  (Markzellen) 
iKölliker,  Eobin).  Die  einzelnen  Zellen  eines  Fettklümpchens 
iind  gewöhnlich  durch  eine  strukturlose  Haut  zusammengekettet; 
m  dieser  verlaufen  Blutgefässe. 

2.  Chemische  Zusammensetzung**).  Die  Membran,  welche 
ide  Zellen  zu  einem  Träubchen  vereinigt,  zeigt  die  Eigenschaften 
«es  Bindegewebes.  —  Die  Haut  der  Zelle  selbst  nähert  sich,  so 
iveit  dieses  aus  ihrer  chemischen  Reaktion  geschlossen  werden 
.;.ann,  dem  elastischen  Stoff  (Mulder).  —  Der  fette  Antheil  des 
nnhalts  besteht  aus  Tristearin,  Palmitin,  Olein  und  einem  andern 
Uartigen  Fette  (Chevreul,  Heintz).  Das  Verhältniss,  in 
ivelchem  die  einzelnen  Bestandtheile  dieses  Gemenges  zu  einander 
itehen,  bewegt  sich  in  weiten  Grenzen.  Lassaigne  giebt  nach 
iiner  allerdings  ungenauen  Methode  an,  dass  z.  B.  beim  Rind  das 
l^etzfett  das  der  Nierenkapsel  und  dieses  das  der  Kreuzbeingegend 
i-n  Stearingehalt  übertreffe.  Aus  der  Erfahrung  von  Berzelius, 
lass  das  Nierenfett  des  Menschen  bei  25",  das  Zellgewebsfett  und 
«las  der  Wade  aber  erst  bei  15"  C.  erstarrt,  würde  man  auf  einen 

")  KöIUker,  Handbuch  der  aewebclelirc.  3.  Audago.  1859.  p.  103  u.  223. 
•*)  Mnldcr,  Physlolog.  Chemie.  Braunschweig.  p.  019.  —  Ileintz,  Lehrbuch  der  Zoochemie. 
•crllD  1853.  p.  386  und  436.  —  Derselbe,  Berichte  der  Berliner  Aliademie.  1854.  p.  207  und  484. 
>ld.  1857.  p.  417.  —  Derselbe,  Journ.  für  priikt.  Chemie.  66.  Bd.  I.  —  R  e  d  t  e  n  b  acha  r,  L  le- 
■  Ig'g  Annalen.  50.  Bd.  41.  —  Lassaigne,  Pharmaz.  Ceutr.  1851.  701.  —  Berzelius,  1.  c. 
t.  Bd.  060. 


286 


■Wachsthum  der  Zollenhaut. 


grössern  Oelgehalt  des  letztem  schliessen  dürfen,  wenn  Heintzit 
nicht  dargethan  hätte,   dass  die  Fette  ihi'e  Schmelzbarkeit  voll- 
kommen ändern  nach  dem  Verhältniss  ihrer  Gemengtheile. 

Seit  Chevreul  wurde  auch  noch  die  Anwesenheit  des  Margarins  im  Mcnschen- 
fctt  als  feststehend  angesehn.  Heintz,  welcher  die  Margarinsäure  künstlich  darstellti', 
konnte  nachweisen,  dass  die  aus  dem  sog.  Märgarin  des  Menschenfetts  gewonnene 
Säure  ein  Gemisch  aus  Palmitin  und  Stearinsäure  sei)  welches  wohl  hinsichtlich  seineslH 
Schmelzpunktes,  nicht  aber  seiner  andern  Eigenschaften  mit  der  reinen  Margarinsäure 
übereinstimmt.  — 

Die  Zusammensetzung  der  Flüssigkeit,  welche  entweder  nur 
die  Zellenhaut  durchtränkt,  oder  auch  einen  Theil  des  Inhalts  aus- 
macht, ist  noch  nicht  untersucht;  in  strotzend  mit  Fett  gefüllten' 
Zellen  ist  sie  nur  in  sehr  geringer  Menge  vorhanden  (Berzelius). 

Von  den  wesentlichen  physikalischen  Eigenschaften  der  in  den  Fett- 
zellen enthaltenen  Fettgemenge  ist  schon  früher  (Bd.  Lp.  30)  gehandelt. 

3.  Ernährung*).  Die  Fettzellen  entwickeln  sich  aus  Bildungs-j| 
Zeilen.  Beim  Wachsthum  des  Kindes  scheint  der  Umfang  des  Fett- 
gewebes weniger  durch  eine  Neubildung  von  Zellen  als  vielmehi-* 
durch  ein  Wachsthum  der  vorhandenen  zuzunehmen  (Harting). 
Wahrscheinlich  kann  jedoch  im  spätem  Leben  eine  Neubildung 
derselben  vor  sich  gehen. 

Der  Fettgehalt  des  Zellenraums ,  der  sich  bekanntlich  während 
des  Lebens  beträchtlich  ändert,  wechselt  a)  mit  der  Nahrung.  Ein 
Futter,  welches  die  Thiere  mästen  soll,  muss  enthalten:  Eiweiss- 
körper,  Amylon  und  Fette;  fehlt  einer  dieser  Bestandtheile 
und  namentlich  der  letztere,  so  lagert  sich  kein  Fett  ab  (Bous- 
singault);  zudem  müssen  aber  auch  die  aufgezählten  Nahrungs- 
mittel in  einem  gewissen  Verhältniss  gereicht  werden,  wenn  die 
Mästung  überhaupt  oder  wenigstens  auf  die  vortheilhafteste  Weise 
gelingen  soll.  So  bedingt  ein  überreichlicher  Fettzusatz  zur  Nah-t 
rung  eine  Abmagerung  aller  Fettzellen,  der  des  Netzes  ausge- 
nommen (Emanuel).  Aehnliches  gilt  für  Amylacea.  Wenn  die 
eiw  eissartigen  Stoffe  Ys  der  Amylacea  ausmachen,  so  gelingt  die  Mast 
am  besten,  sinken  sie  bis  auf  Ys,  so  misslingt  die  Feistung,  wiee 
reichlich  man  auch  das  Futter  geben  mag  (Fürstenberg).  — ■ 

»)  Harting,  Kecherches  micrometr.  UtrechtlS45.  51.  —  Cliossat,  Recherchos  exp^riment.  sorH 
rinanition.  Paris  1843.  —  Schuchardt,  Quaedam  de  effectu,  quem  privatio  etc.  Marburg  1847.  unflH 
Valentin 's  Jaliresbericlit  für  1848.  —  Emanuel,  Quaedam  de  effectu  ,  quem  olea  etc.  Mar-H 
bürg  1847.  und  Valentin's  Jahresbericht  für  1848.  —  Liebig  in  seinen  Annaleu.  41.  Bd.  278.H 
46.  Bd.  112.  48.  Bd.  126.  —  Dumas,  Annales  de  chimie  et  physique.  ,VIII.  Bd.  ß3.  und  XI.  B*-— H 
Letollier,  Observation  sur  i'aetlon  du  euere,  ibid.—  Person,  L'institut.  1844.  N.  673.—  Bons'H 
singttult,  Roohorches  expdrlmeatales  sur  le  ddveloppement  de  graisse.  Annales  de  chimie  etH 
de  physique.  XIV.  —  Hoppe,  Archiv  für  pathol.  Anatomie.  X.  Bd.  144.  H 


Füllung  der  Fettzellen. 


287 


Oie  Fettmenge,  um  welche  die  Thiere  zunehmen,  übersteigt  den  Fettge- 
aalt der  Nahrungmittel  (Gundlach,  Liebig,  Boussingault). — 
liei  gänzlicher  Entziehung  der  Nahrung  schwindet,  das  Wasser 
ausgenommen,  kein  Bestandtheil  unseres  Körpers  so  rasch,  als 
:ias  Fett  (Chossat,  Schuchardt).  —  b)  Unter  sonst  günstigen 
Tmständen  häuft  körperliche  Ruhe  das  Fett,  während  es  durch 
lluskelanstrengung  verzehrt  wird.  —  c)  Das  Auftreten  neuer  oder 
jie  Steigerung  bestehender  fetthaltender  Absonderungen  (Eiter, 
llilch  u.  s.  w.)  bedingt  ein  Schwinden  des  fettigen  Zelleninhalts.  — 
, )  Das  spätere  Lebensalter,  insbesondere  bei  Frauen  die  Zeit  jen- 
peits  der  Menstrualperiode,  sind  der  Fettablagerung  günstig. 

Um  den  Einfluss  irgend  einer  Bedingung  auf  die  Fetterzeugung  zu  bestimmen, 
iählt  man  nach.  Chossat  und  Boussingault  möglichst  gleiche  Exemplare  eines  und 
csselben  Wurfs  oder  derselben  Brut  heraus,  in  denen  man  denselben  Fettgehalt  voraus- 
;)tzen  darf.  Tödtet  man  ein  Thier  vor  Beginn  und  das  andere  nach  Vollendung  der 
f^ersnchsreihe ,  so  stellt  der  absolute  Unterschied  des  Fettgehaltes  beider  Thiere,  der 
.  enigstens  annähernd  zu  finden  ist ,  die  Zu  -  oder  Abnahme  des  Fettes  in  dem  der 
Versuchsreihe  unterworfenen  Thiere  dar.  Dieser  Unterschied  stellt  nun  aber  offenbar 
t.cht  die  ganze  Monge  des  Fetts  dar,  welches  von  Beginn  bis  zu  Ende  des  Versuchs 
den  Fettzollen  niedergelegt  wurde;  denn  der  zuletzt  gefundene  Grad  ihrer  FüUung 
blrfte  nichts  anderes  sein,  als  der  Unterschied  der  während  der  Versuchszeit  in  ihnen 
an-  und  ausgetretenen  Mengen.  Auf  die  Gegenwart  eines  solchen  stetigen  Verkehrs 
«Uten  nemlich  obige  Thatsaclien  von  selbst  hin. 

Die  Anhäufung  des  Fetts  in  den  Zellen  geht  gewissermaassen 
iiit  einer  Auswahl  des  Orts  von  Statten.  Die  meiste  Anziehung 
lun  Fett  haben  die  Zellen  der  Augenhöhle,  die  Wangenlücken, 
lanniculus  adiposus  der  Fusssohle  und  der  Fingerspitzen  und  die 
.arkhöhlen ,  welche  selbst  in  der  äussersten  Abzehrung  nie  fettleer 
fäfunden  werden.  Mehrt  sich  das  Fett,  so  tritt  es  zuerst  im  pan- 
kculus  der  Hinterbacken,  dem  Baueh,  den  Waden,  der  Brust  und 
•leichzeitig  oder  noch  früher  in  der  Umgebung  des  Kniegelenks 
iid  in  den  spongiösen  Gelenkenden  auf;  erst  wenn  hier  die  Fül- 
ing  einen  gewissen  Grad  erreicht  hat,  schwellen  auch  die  Zellen 
138  Bauchfells  und  der  Nierengegend. 

Nach  den  Erfahrungen  von  Lieb  ig  und  Gundlach,  welche 
«oussingault  bestätigt  hat,  kann  kein  Zweifel  darüber  sein, 
lass  das  Fett  des  Zelleninhaltes  nicht  unter  allen  Umständen  seinen 
rrsprung  dem  mit  der  Nahrung  eingeführten  Fett  verdanken  kann ; 
■18  welchen  Atomen  es  nun  aber  entspringt,  ob  aus  Amylon  oder 
•weissartige  nStoffen,  lässt  sich  nicht  angeben.  —  Nochw  eniger  ent- 
tjhieden  ist  die  Frage,  ob  das  Fett  in  die  Zellen  aus-  und  eingeführt 
'erde,  oder  ob  es  in  ihnen  selbst  entstehe  und  vergehe.  —  Nach- 


288  Mechanismus  zur  Füllung  der  Fettzellen.  ; 

dem  nemlich  einmal  die  Möglichkeit  der  Entstehung  des  Fettes  auH 
andern  in  Wasser  löslichen  Atomgruppen  des  Thierleibes  nicht  mehr 
bestritten  werden  kann,  so  gewinnt  die  Annahme,  dass  dieselbe 
innerhalb  der  Fettzellen  vor  sich  gehe,  an  Wahrscheinlichkeit,  na- 
mentlich wenn  man  die  Schwierigkeiten  erwägt,  welche  sich  dem 
Uebergang  des  Fettes  aus  den  Nahrungsmitteln  in  die  Fettzellen 
entgegenstellen;  kaum  ist  es  nemlich  aus  dem  Darmrohr  auf  einem 
wie  es  scheint,  bequemen  Weg  in  die  Lyraphgefässe  eingegangen, 
so  wird  jedes  kleinste  Tröpfchen  mit  einer  von  Wasser  geti-änkten 
Haut  umgeben.  Um  aus  dem  Blut  in  seine  neue  Lagerstätte  zu 
kommen,  muss  das  Fett  die  Hülle  der  Lymphkörperchen,  die  Wan- 
dung der  Capillargefässe  und  die  Häute  der  Fettzellen  durch- 
brechen. Dazu  kommt  noch,  dass  in  der  That  bei  einer  reich- 
lichen Fettnahrung  nur  die  Zellen  des  Netzes ,  wohin  das  Fett  un- 
mittelbar aus  den  Lymphgefässen  gedi'ungen  sein  könnte,  sich 
mit  Fett  füllen.  Hiergegen  lässt  sich  allerdings  einwenden,  dass 
es  Stoffe  giebt,  welche  dem  Fette  auch  den  Durchgang  durch 
Wasser  erleichtern,  wohin  namentlich  die  Seifen  und  die  Galle 
zählen.  Ausserdem  könnte  man  für  die  Hypothese  von  der  ein- 
fachen Ueberführung  auch  noch  die  Thatsache  anführen,  dass  die 
Steigerung  der  Butterausscheidung  u.  dergl.  die  Fettablagerung  in 
dem  Bindegewebe  hemme;  bei  genauerer  Ueberlegung  zeigt  sich 
aber  sogleich,  dass  diese  Beobachtung  nur  dafür  einsteht,  dass 
das  Fett  der  Butter  und  des  Eiters  einerseits  und  des  Bindegewebes 
anderseits  ihr  Bildungsmaterial  aus  einer  Quelle  ziehen.  —  Zur 
Entscheidung  können  auch  nicht  die  Versuche  von  R.  Wagner*),  , 
Burda  eh  und  Witt  ich**)  dienen,  aus  denen  hervorgeht,  dass  ^ 
eine  Gry  stalllinse,  Muskelstücke,  HoUundermark  u.  dergl,  welche 
in  die  Unterleibshöhle  geschoben  werden,  nach  einiger  Zeit  sich, 
in  Fette  umgewandelt  oder  damit  durchtränkt  haben.  Denn  selbst 
das  Fett,  welches  in  das  HoUundermark  abgesetzt  war,  kann  aus 
Stoffen  abstammen,  welche  in  wässerigen  Lösungen  in  dasselbe^ 
eingedi'ungen  und  dort  erst  verändert  sind.  Siehe  hierüber  noch 
Michaelis***). 

Das  Schwinden  des  Fettes  in  den  Zellen  lässt  sich  ebenfalls 
nach  Analogie  bekannter  Fettzersetzungen  wohl  erklären,  aber  es' 
fehlt  uns  ein  Beweis  für  das  Bestehen  eines  solchen  Prozesses  in 


•)  Mlttheilungon  einer  einfachen  Methode  etc.  Göttinger  gelehrte  Anzeigen  1851. 
•»)  W.  Burdach,  experimenta  quaedam  de  commutatione  etc.  Königsberg  1863. 
«*•)  Präger  Vierteljahrschilft.  1853.  m.  Bd. 


Chemischo  2itsaniinelisetzung  der  Nervcnrülireu. 


289 


1er  Fettzelle.  Man  könnte  nemlicb  veraussetzen,  dass  in  dieser 
etztern  nach  Art  der  oxydirenden  Fettgährung  die  neutralen  Fette 
irst  in  Glycerin  und  fette  Säuren  und  diese  dann  wieder  durch 
•Jhuählige  Abspaltung  in  C2H2  und  C0>,  HO  und  eine  fette  Säure 
iiiederer  Ordnung  zerfelen.  Um  dieser  Hypothese  Eingang  zu  ver- 
ebaffen,  fehlt  selbst  der  Nachweis  von  Capron-,  Capryl-,  Baldrian-, 
ijuttersäure  u.  s.  w.  in  dem  Fettgewebe. 
Nervenröhren. 

1.  Die  anatomischen  Eigenschaften  derselben  sind  schon  früher 
r8d.  I.  p.  85)  auseinandergesetzt. 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Die  mikrochemische  Unter- 
iichung,  deren  Ergebnisse  ebenfalls  schon  früher  erwähnt  sind, 
lisst  die  Scheide  des  Rohrs  aus  elastischem  Gewebe  und  den  In- 
iialt  desselben  aus  einem  Gemenge  von  Fetten,  Eiweissstoffen, 
»alzen  und  Wasser  bestehen,  v.  Bibra  hat  die  Fette  und  Salze 
;er  Nerven  und  ebenso  einige  quantitative  Verhältnisse  derselben 
m  Grossen  untersucht;  die  Fette  bestehen  nach  ihm  aus  Olein 
3Qd  Margarin,  Cerebrinsäure ,  Cholestearin  und  einigen  andern 
«cht  näher  bestimmbaren  festen  und  flüssigen  Fettarten;  die  Asche 
iithielt  Eisen,  Kochsalz  und  Verbindungen  der  Phosphorsäure  mit 
sali,  Natron,  Kalk-  und  .Talkerde. 

Die  quantitative  Schärfe  wird  beeinträchtigt  durch  den  Mangel  an  Reinheit  des 
(twebes,  welches  nur  mit  Bindegewebe  und  u.  s.  w.  vermischt,  der  Zerlegung  zu- 
nngig  ist.  —  Quantitativ  sind  bestimmt  worden  die  in  Aether  löslichen  und  unlös- 
Ihen  Bestandtheile ,  das  Wasser  und  die  Aschen  am  nerv,  opticus ,  brachialis ,  cru- 
iis,  ein  oberer  und  unterer  Abschnitt  des  ischiadicus  bei  Menschen  von  3  bis  93  Jahren, 
^nnlichen  und  weiblichen  Geschlechts.    Diese  Beobachtungen  lassen  erkennen ,  dass 
13  analytische  Object  von  sehr  variabler  Natur  ist  und  in  keiner  Abhängigkeit  zum 
Wer  des  Menschen  und  der  Localität  des  Nerven  steht.    So  schwankt  z.  B.  der  Aether- 
Bzug  in  100  Theilen  des  n.  cruralis  zwischen  13  und  38  pCt. ,  im  n.  brach,  zwischen 
lund  30  pCt. ,  im  obem  Stück  des  n.  ischiadicus  zwischen  18  und  26  pCt.  und  im 
itern  zwischen  11  und  24  pCt.    An  Wasser  enthielt  ein  Hingerichteter  im  n.  ischia- 
i;us  oberer  Hälfte  rechter  Seite  72,4  pCt.,  linker  Seite  68,2  pCt.,  unterer  Hüfte  rechter 
lite  69,7  pCt.,  linker  Seite  68,6  pCt.   In  einer  andern  auf  gleiche  Weise  dargestellten 
«che  gab  der  n.  crualis  linker  Seite  63,6  pCt. ,  rechterseits  64,0  pCt.  Wasser  (Birk- 
rr).    Aehnliehe  Unterschiede  zeigt  der  Gehalt  der  in  Aether  unlöslichen  Bestand- 
iiile.    Dabei  kommt  auch  kein  bestimmtes  Verhältniss  zwischen  dem  Wassergehalt 
Ii  dem  Aetherauszug  heraus;  die  Nerven  mit  der  geringsten  Menge  Aetherexti-act  er- 
äaen  sich  allerdings   am   wasserreichsten,   aber  sehr  häufig  ist  der  Wassergehalt 
fiier  Nerven  annähernd  einander  gleich,  während  ihr  Gehalt  an  Aetherextract  weit 
i  einander  abweicht.  —  Die  prozentische  Aschenmenge  steigt  dagogegen  mit  der- 


—  Bibra,  Llcblgs 


19 


290 


Ernäliruiig  der  Nen'enröhren. 

I 


jenigen  der  in  Aether  unlöslichen  Stoffe.    Sie  wechselt  zwischen  1,2  bis  0,6  des  feuchten 
Nerven.  —  Die  Zusamniensetzung  der  Fette  ist  ebenfalls  qualitativ  und  quantitatiN 
wechselvoll;  gewöhnlich  überwiegt  Margarin  und  Olein,   das  bis  zu  94,9  pCt.  d. 
trockenen  ätherischen  Auszugs  sich  erhebt.    Die  Asche  besteht  wesentlich  aus  pho 
phorsauren  Salzen,  unter  denen  bald  die  phosphorsauren  Alkalien  und  bald  die  Erdti 
überwiegen.    In  100  Theilen  Asche  hält  sich  das  Chlornatrium  zwischen  18  und  27  pCt 
und  das  Eisen  zwischen  1  und  2  pCt.  —  Der  n.  cruralis  und  ischiadicus  einer  eii 
seitig  gelähmten  78jährigen  Frau  waren  beiderseits  selir  fettreich,  der  n.  brachiali- 
welcher  nur  auf  der  gelähmten  Seite  untersucht  wurde,  dagegen  keineswegs. 

3.    Ernährung.   Die  entstehenden  Nervenröhren  sollen  aus  ver- 1 
längerten  und  mit  einander  verwachsenen  Bildungszellen  hervorgehen.^ 
Eine  vollkommene  Neubildung  ist  auch  im  erwachsenen  Menschen^ 
möglich  fVirchow)*),  obwohl  sie  selten  vorzukommen  scheint. fc 
Der  Wiederersatz  eines  ausgeschnittenen  Stücks  Nervenrohr  mit| 
der  Wiederherstellung  eines  Kanals  ist  dagegen  sehr  häufig  be-? 
obachtet  und  tritt,  obwohl  sehr  langsam,  im  gesunden  Individuun 
jedesmal  ein,  vorausgesetzt,  dass  die  beiden  zugehörigen  Enden  det 
durchschnittenen  Nerven  dm-ch  einen  Zwischenraum  von  nicht  mehi 
als  höchstens  3  — 12  Linien  getrennt  und  mit  ihren  Schnittflächen 
einander  zugekehrt  sind.    Diese  Thatsachen  in  Verbindung  mil 
den  Ergebnissen,  welche  die  mikroskopischen  Beobachtungen  von 
Kölliker  und  Valentin**)  lieferten,  lassen  darauf  schHesseni 
dass  die  beiden  Enden  wieder  mit  einander  verwachsen.   Im  Gegen 
satz  hierzu  behauptet  Walther***),  dass  das  peripherische  voi 
seiner  Verbindung  mit  Hirn  oder  Rückenmark  getrennte  Stück  gana| 
absterbe  und  sich  an  der  Stelle  desselben  ganz  neue  NeiTenröhrei 
entwickelten,  die  mit  denen  im  centralen  Stumpf  enthaltenen  siclj 
verbinden.    Hierzu  würden  die  Erfahrungen  in  der  Rhinoplast 
stimmen,  welche  zeigen,  das  ein  aus  der  Stirnhaut  auf  die  Nas^ 
gesetzter  Lappen  nach  Jahren  wieder  als  ein  Theil  der  Nase  er 
pfunden,   also    von   den   Nervenstämmchen   der    letzteren  aa 
versorgt  wird  (Dieffenbach)f). —  Die  Zahl  der  Röhren,  welch 
von  gleichnamigen  Nervenstämmen  eines  Kindes  und  eines  Ei 
wachsenen  eingeschlossen  werden,  ist  annähernd  gleich,  der  mittler 
Querschnitt  der  kindlichen  Nervenröhren  ist  dagegen  viel  geringei 
als  im  spätem  Lebensalter  (Harting).   Daraus  darf  wohl  gefo 
gert  werden,  dass  sich  beim  Wachsthum  des  Körpers  nicht  die  Zal 
len,  sondern  nur  die  Dimensionen  der  Nervenröhren  vergrössen 


•)  Würzburger  Verhandlungen  II.  Bd.  141. 
••)  Lehrbuch  der  Physiologie.  2.  Aufl.  p.  716. 
»»•)  Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  2.  Aud.  386. 

t)  Romberg,  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten.  I.  1.  Aufl.  213. 


Hirn  und  Rückenmark. 


291 


Im  ausgewachsenen  Nerven  setzt  man  einen  lebhaften  Stoff- 
rvechsel  voraus;  dieses  gründet  man  in  Ermangelung  chemischer 
Ideweise  darauf,  dass  ein  Nerv  seine  Fähigkeit,  lebendige  Kräfte 
BU  entwickeln,  rasch  einbüsst,  wenn  ihm  die  Blutzufuhr  abgeschnitten 
rvii'd,  und  sie  ebenso  rasch  nach  dem  Zutritt  von  Blut  wieder  ge- 
rvinnt.  —  Die  einzigen  sicheren  Erfahrungen  über  die  inneren  Um- 
eetzungen  des  Nerven ,  hat  die  mikroskopische  Anschauung  geliefert. 
•Sie  lehrt,  dass  ein  Nerv  der  längere  Zeit  den  Zustand  der  Erre- 
i;ung  entbehrt  hat,  blass  und  zusammengefallen  ist  nnd  zuweilen 
^.it  kleinen  kernhaltigen  in  Aether  unlöslichen  Zellen  (Marfels)*) 
der  kleinen  Fetttröpfchen  gefüllt  ist  (L.  Fick,  Kölliker,  Vir- 
1  how).  Diese  Veränderung  kann  aber,  so  lange  als  die  Verbin- 
lung  des  Nei"ven  mit  dem  Hirn  nnd  Rückenmark  noch  besteht, 
nieder  aufgehoben  werden;  denn  ohne  diese  Annahme  würde  es 
r.nerklärlich  sein ,  dass  die  atrophischen  Muskeln  und  Nerven  eines 
jlumpfusses  wieder  in  normale  Funktion  treten,  nachdem  durch  eine 
fassende  orthopädische  Behandlung  die  Beweglichkeit  des  Gliedes 
fergestellt  ist.  lieber  Nervenhypertrophie  berichtet  H.  Müller**). — 
»ie  mikroskopische  Untersuchung  thut  ausserdem  dar,  dass  ein 
(on  den  nervösen  Centren  getrennter  Nei*v  rasch  seine  Struktur 
iinbüsst,  indem  namentlich  das  Mark  gerinnt  und  die  doppelten 
tlontouren  verloren  gehen.  Diese  Beobachtungen  zeigen,  dass  der 
Verv,  um  seine  chemische  Zusammensetzung  zu  behaupten,  eben- 
[owohl  der  Beihilfe  des  Blutes ,  als  auch  der  Einwirkungen  bedarf, 
'reiche  vom  Hirn-  und  Rückenmark  aus  auf  sie  zu  geschehen 
flflegen.  Ob  diese  in  noch  etwas  anderm,  als  in  der  von  dort  aus- 
eehenden  Erregung  bestehen,  ist  nicht  bekannt. 

Von  den  Eraährungsverhältnissen  der  übrigen  nervösen  Ele- 
r.entarfonnen ,  z.  B.  der  Ganglienkugel,  der  Stäbchenschicht  u.  s.w., 

•  eiss  die  Physiologie  noch  nichts  dem  betreffenden  Inhalt  der 
istologischen  Lehrbücher  zuzusetzen. 

Hirn  und  Rückenmark. 

1.  Chemische  Zusammensetzung***).  Der  wässerige  Auszug 
«8  Hims  enthält  mehrere  Eiweisstoffe,  Kreatin,  Mensch  (W.  Mtil- 
jr),  Hund,  Taube  (StaedSler),  nicht  aber  das  Rind  (W.  Mül- 
jr),  viel  Milchsäure  (Bibra,  W.  Müller)  und  geringe  Menge 

^  •)  Archiv  (Hr  patholog.  Anatomie.  XI.  Bd.  200. 

•  *•)  0  r  a  e  f  e  '  s  Archiv  fUr  Ophthahnologlo. 

•"•)  Fremy,  Annales  de  chlm.  et  phyg.  8  slime  s^r.  2.  Bd.  463.  —  Berzolius,  Lohrb.  d. 
••«nie.  IX.  Bd.  —  v.  B 1  b  r  a  .  Vergleichende  Untersuchungen  Uber  das  Gehirn  des  Menschen, 
'innh.  1854.  —  Derselbe  In  Llebig'g  Anuulcn.  'Jl.  Bd.  —  Hauff  u.  Walther,  Archiv  fUr 

19« 


292 


Chornische  Zuaammensetzimg  von  Hirn  und  Ilückcnmark. 


flüchtiger  Fettsäuren  von  der  allgemeinen  Formel  Can  H2n  O4  (W.  Mül 
1er),  phosphorsaure  neben  Spuren  von  scliwefel-  und  Salzsäuren 
Alkalien  (Bibra).    Im  Hirn  einer  Choleraleiche  fand  Voit  Harn- 
stoff.   Im  Aetherauszug  hat  man  gefunden:  einen  indifferentent 
Körper,  das  Cerebrin  =  C34H33NOß  (W.  Müller),  das  also  den  ältc 
sten  Angaben  entgegen  weder" Ph.  enthält,  noch  eine  Säure  ist,  Gly 
cerinphosphorsäure  (?),  viel  Cholestearin ,  Olein,  Margarin  (?)  und 
ein  Gemenge  anderer  nicht  näher  untersuchter,  fettartiger  Stoffe. 
Der  nach  Behandlung  mit  Wasser  und  Aether  verbleibende  Rück 
stand  enthält  unlösliche  Eiweisskörper ,  die  Bestandtheile  der  Ge 
fasse  und  des  Bindegewebes  Eisen,  Kieselsäure,  phosphorsauren 
Kalk  und  Talk.  —  Das  Verhältniss,  in  welchem  diese  Stoffe  in 
den  verschiedenen  Hirntheileu  vorkommen,  ist  nicht  gleich.  John 
und  Lassaigne  hatten  schon  gefunden ,  dass  die  weisse,  nur  au> 
Nervenröhren  zusammengesetzte  Substanz  viel  reicher  an  in  Aether 
löslichen  Stoffen  und  dagegen  viel  ärmnr  an  Wasser  sei,  als  die 
graue.    Diese  Beobachtung  ist  durch  eine  ausgedehnte  Versuchs 
reihe  von  Hauff,  Walther  und  v.  Bibra   bestätigt  worden 
welche  in  der  weissen  Substanz  69,9  bis  70,6  pCt.,  in  der  grauei: 
dagegen  nur  84,8  bis  86,4  pCt.  Wasser  fanden,  während  die  er 
stere  14,9  bis  17,0  pCt.,  die  letztere  dagegen  4,8  bis  5,1  pCt.  Aether 
exti-act  enthielt.    Schlossberge r  fügt  hierzu  die  Erfahrung,  dass 
diese  Unterschiede  zwischen  weisser  und  grauer  Substanz  in  deu) 
Hirn  von  Neugeborenen  noch  nicht  bestehen ,  indem  beide  zwischen 
88,5-  und  89,8  pCt.  Wasser  und  ;-i,5  bis  S,S  ätherisches  Extraci 
enthalten.    Die  KUckstände  der  ätherischen  Auszüge  aus  beiden 
Substanzen  unterscheiden  sich  dadurch,  dass  in  der  weissen  dat- 
Cerebrin ,  in  der  grauen  dagegen  die  Fettarten  überwiegen.  Chole 
Stearin  scheint  in  beiden  ungefähr  gleich  viel  zu  sein  (v.  Bibra). 
Die  Asche  der  beiden  Hirnmassen  ist  weder  eine  gleich  reichliche 
noch  eine  gleich  zusammengesetzte.    Die  weisse  Substanz  liefert 
um  95  pCt.  weniger  Asche,  diese  ist  stark  sauer,  während  die  der 
grauen  alkalisch  reagirt  (Lassaigne,  Schlossberger).  Der 
Grund  tlir  die  saure  Beschaffenheit  der  Asche  des  Markstoffes  ist 
gelegen  in  dem  starken  Gehalt  des  letzteren  an  phosphor-  (?)  und 
phosphorsäurehaltigen  Fetten. 


physlolog.  Helkunde.  1853.  100.  —  Schlossberger,  Llebigs  Annalin.  8G.  Bd.  119  und  ibid. 
90.  Bd.  381.  —  Breed,  ibid.  80.  Bd.  124.  —  W.  Müller,  ibid.  103.  p.  131  und  106.  Bd.  361.- 
Staedeler,  Chem.  Centralblott.  1868.  112.  —  Schlossberger,  allgemeine  Thierchemie.  I.  Bd. 
Nervengewebe. 


Capillaren  im  Hirn  und  Kückenraark. 


293 


Beliebige  Stücke  der  Hirnsubstanz,  die  man  ohne  Sonderung 
^er  weissen  und  grauen  Masse  ausgeschnitten  hatte,  sind  demnach 
begreiflich  nicht  überall  gleich  zusammengesetzt.  Vauquelin 
k-eobachtete ,  dass  medulla  spinalis  und  oblongataram  meisten  Aether- 
\xtract  liefern,  und  Bibra;  der  dieses  bestätigt,  setzt  hinzu,  dass 
^•on  den  aus  weisser  und  grauer  Masse  gemischten  Hirntheilen  mit 
Abnehmendem  Gehalt  an  jenem  Extract  der  Reihe  nach  folgen:  die 
ikosshirnhemisphären ,  cerebellum  und  pons,  crura  cerebri,  corpora 
iiriata  und  thalami  optici.  Diese  Reihe  ist  nach  Schlossberger 
leeine  constante.  Der  ätherische  Exti-actgehalt  ist  bei  Embryonen 
und  jungen  Kindeni  geringer,  späterhin,  namentlich  jenseits  der 
nubertät  ist  er  unabhängig  vom  Alter;  vielleicht  dass  im  Greisen- 
nmm  der  Gehalt  an  in  Aether  löslichen  Stoffen  ab-,  und  der  an 
Yasser  wieder  zunimmt;  dieselbe  Unabhängigkeit  gilt  von  dem 
e'etti-eichthum  des  übrigen  Körpers,  indem  magere  und  fette  Per- 
onen  ganz  dieselbe  Menge  von  Aetherextract  bieten  (v.  Bibra).  — 
'm  einen  Begriff  von  der  Zusammensetzung  der  mineraHschen 
limbestandtheile  zu  geben,  fügen  wir  eine  Analyse  derselben  von 
ireed  bei.  100  Theile  frischen  Hiras  hinterliessen  0,027  Asche, 
reiche  in  100  Theilen  aus  55,24  pyrophosphorsaurem  Kali;  22,93 
jyroph.  Natron;  1,23  pyro.ph.  Eisen;  1,62  pyroph.  Kalk;  3,4  pyroph. 
iagnesia;  4,74  Chlornatrium ;  1,64  schwefelsaurem  Kali ;  9,15  Phos- 
üorsäure  und  0,42  Kieselsäure  bestanden.  Analysen  der  ent 
ttteten  Hii'nmasse  theilt  v.  Bibra*)  mit. 

Der  Reichthum  der  Nervencentren  an  Capillargefässen  ist  mit 
ejr  Elementarstruktur  des  versorgten  Orts  veränderlich;  die  weisse 
rasse  enthielt  weite  nach  der  Länge  des  Faserverlaufs  gestreckte 
laschen,  die  Körnerschicht,  die  dichtesten  und  engsten  Netze, 
t'.e  Zellenschicht  steht  an  Gefässreichthum  in  der  Mitte  zwischen 
•  örner-  und  Zellenschicht;  die  äusserste  Oberfläche  des  Kleinge- 
rjns  ist  frei  von  Capillargefässen  (0  e  g  g ,  G  e  r  1  a  c  h)  **).  Die  grosse 
eenge  von  Gefässen  in  der  grauen  Substanz  emeckt  die  Ver- 
r.uthung,  dass  dort  eine  lebhafte  chemische  Thätigkeit  stattfinden 
'öge;  diese  Anschauung  wird  unterstützt  durch  die  bekannte  Er- 
hhrung,  dass  das  Hirn  rasch  abstirbt,  wenn  der  Strom  des  ar- 
rriellen  Blutes  zum  Hirn  oder  Rückenmark  nur  kurze  Zeit  unter- 
i.'ochen  ist.  Gegen  die  obige  Annahme  spricht  scheinbar  die  mehr- 
r.ch  bestätigte  Erfahrung  Chossat's;  dass  das  Hirn  verhungerter 

•)  Yergl.  UntorauchnngOD  u.  s.  w.  p.  75. 
'  •*)  Oer  lach,  Mikroskop.  Studion,  Erlangen  1868.  p.  J8. 


294 


Ernährung  des  Hirns  und  Kückenmarks. 


Thiere  im  Gegensatz  zu  Fett,  Muskeln  u.  s.  w.  einen  nur  unbe- 
deutenden Gewichtsverlust  erlitten  hat;  eine  kurze  Ueberlegung 
fuhrt  uns  aber  sogleich  noch  eine  andere  Erklärung  dieser  Er- 
scheinung zu;  denn  es  steht  uns  nichts  entgegen,  anzunehmen, 
es  sei  das  Hirn  mit  so  energischer  Verwandtschaft  zu  den  Blut- 
bestandth eilen  begabt,  dass  es  auch  noch  aus  dem  Blut  des  hun- 
gernden Thiers,  gleichsam  auf  Kosten  der  übrigen  Organe,  den 
Verlust  ersetze,  welchen  es  während  seines  Bestehens  fortdauernd 
erleidet.  —  Wie  das  Hirn  nach  der  Geburt  sein  Wachsthum 
fortsetzt,  ist  unbekannt.  Ob  alle  Elemente  vor  derselben  schon 
angelegt  sind,  oder  ob  nach  der  Geburt  noch  neue  entstehen,  bleibt 
unermittelt.  Für  die  letztere  Annahme  könnte  man  geltend  machen, 
dass  sich  in  seltenen  Fällen  graue  Hirnmasse  an  solchen  Stellen 
und  unter  solchen  Umständen  gefunden  hat,  die  aut  eine  patho- 
logische Neubildung  schliessen  lassen  (Virchow)*).  —  Da  die 
chemische  Zusammensetzung  des  Hirns  nicht  überall  dieselbe  ist. 
so  wird  es  daraus  wenigstens  ganz  im  Groben  erklärlich,  warum 
Gifte,  insbesondere  Kohlensäure  und  Narkotika  nicht  alle  Orte 
desselben  gleichmässig  angreifen,  so  dass  z.  B.  Digitalin  die  Ur* 
Sprünge  des  n.  vagus,  Opium  die  mit  dem  Bewusstsein  in  Ver- 
bindung stehenden  Stellen,  Strychnin  die  reflector.  Apparate  ab* 
tödtet,  resp.  aufregt.  —  Dabei  könnten  allerdings  noch  ändert 
Bedingungen  als  die  ehem.  Zusammensetzung  in  Frage  kommen,  wie 
dieses  zu  vermuthen  ist  aus  einer  merkwürdigen  Versuchsreihe  von 
Kunde**):  über  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Entwicklung 
des  Strychnintetanus.  * 

Er  bringt  frisch  eingefangne  Frösche  in  Strychninlösung  und  lägst  sie  hier  86 
lange  verweilen  bis  die  allerersten  Spuren  erhöhter  Eeflexthätigkeit  eintreten.  Setsrt 
er  sie  dann  in  warmes  Wasser  (SS^C),  so  stellt  sich  Tetanus  ein.  Hierauf  entfernt  er  sie 
aus  dem  warmen  Wasser  und  hält  sie  in  feuchtem  Eaume  bei  gewöhnlicher  Zimmerr 
temperatur,  wo  sie  sich  vollkommen  erholen  und  nach  24  Stunden  ohne  Zeichen  der 
Vergiftung  herumhüpfen.  Sie  gerathen  dagegen  alsbald  in  Tetanus,  wenn  man  sie  reji 
dem  Bücken  auf  ein  Eisstück  legt. 

Muskeln. 

Der  anatomische  und  chemische  Bau  der  glatten  und  gestreiften 
Muskelröhre  ist  schon  abgehandelt***).  Zu  den  dort  gegebenen  Mit^ 
theilungen  über  chemische  Zusammensetzung  hat  Kühnef)  die 


•)  Gesammelte  Abhandlnngen.  1856.  Nr.  998. 
•*)  Würzburger  Verhandlungen.  VIII.  1857. 
*»•)  I.  Bd.  p.  421. 
f)  Posnor,  Mediz.  Contralzeitung.  1858. 


Formfolge  der  Muskeln. 


295 


Jßeobachtung  gefügt,  dass  aus  einem  in  Zuckerwasser  aufbewahrten 
Troschmuskel  der  lange  gesuchte,  flüssige  und  erst  später  gerin- 
laende  Faserstoff  ausgepresst  werden  kann;  Bloxam*)  hat  aus 
der  Ocbsenfleischbrühe  eine  neue  stickstoffhaltige  Säure  und  eine 
Kieue  Base  =Ci3HiiN3  05  aufgefunden.  Das  Vorkommen  der  Butter- 
jiäure  hat  er  bestätigt.  Scher  er**)  erklärt  sein  Hypoxanthin 
dir  identisch  mit  Streckers  Sarcin.  —  Bei  der  Quellung  nimmt  der 
eebende,  noch  unter  dem  Nerveneinfluss  stehende,  aber  seines  Blut- 
Btroms  beraubte  Muskel  20  pCt.  Wasser  weniger  auf  als  der  todte 
■Arnold)***). 

Der  letztere  Versuch,  gestaltet  sich  so,  dass  mau  die  Gefässe  des  Froschgastrocnemius 
ajiterbindet  und  das  Thier  nach  aufgeschlitzter  Wadenhaut  in  Wasser  setzt.  Nach- 
dem voraussichtlich  die  Gewichtszunahme  des  Wadenmuskels  aufgehört  hat  (nach  24  Stun- 
den) schneidet  man  denselben  aus,  wägt  und  legt  ihn  von  Neuem  in  Wasser.  lieber  an- 
dere Eigenthiimlichkeiten  der  Muskelquellung  siehe  a.  a.  0. 

1.  Ernährun gsersch einungen  t).  An  der  ersten  Formung  der  Mus- 
iielröhre  betheiligt  sich  nach  übereinstimmenden  Aussagen  die  Bil- 
liungszelle;  das  "Wie  ist  dagegen  streitig.  —  Nach  der  einfachsten 
Si^imahme  verlängert  sich  nach  einer  Richtung  hin  die  Zelle,  ihr 
Kem  theilt  sich  mehrmals  und  der  Hohlraum  füllt  sich  von  der 
'f*eripherie  nach  dem  Centrum  mit  dem  Inhalt.  Eine  andere  An- 
schauung lässt  die  Muskelröhre  aus  verlängerten  und  mit  ihrer 
iiichmalen  Seite  verwachsenen  Zellen  hervorgehen.  Eine  dritte  An- 
nahme lässt  den  Inhalt  der  Muskelröhre  und  zwar  jede  sog.  Fi- 
»rille  aus  einer  Zelle  heiTorgehen,  mehrere  solcher  vereinigen  sich 
üur  Bildung  eines  Bündels,  das  dann  mit  einer  Haut  umlagert 
^vird.  —  In  der  Fötalperiode  entsteht  ein  Muskelrohr  nur  dann, 
wenn  die  ihm  zugehörigen  Nerven  vorhanden  sind  (E.  H.  und  Ed. 

•)  Kopp's  Jahresbericht  für  1857.  p.  658. 
••)  Scherer,  Jahresbericht  für  1857.  p.  173. 
•••)  Die  physiolog.  Anst.  d.  Univ.  Heidelberg.  1858.  104. 
t)  Ans  einer  während  des  Druckes  dieses  Bogens  erschienenen  wichtigen  Abhandlung  Uber  Bau 
nnd  Entwicklung  der  Muskeln  von  Marge  (Wiener  Sitzungsberichte  XXV.  Bd.)  hebe  ich  Folgendes 
lus.  —  Das  Sarcoleinma  ist  keine  Zelleiunerabran  imd  auch  nicht  durch  Verschmelzung  von  Zellen- 
snembranen  entstanden;  es  bildet  sich  aus  dem  homogenen,  fibrilliiren  Bindestofif  in  Gestalt  eines 
^dastischenBegrenznngshäutchens. —  Die  contraktile  Substanz  ist  das  Product  eigenthlimlicher  Zollen, 
"reiche  sich  durch  Theilnng  der  Kerne  und  Endogenese  vermehren.  Ihr  Inhalt  wandelt  sich  inFleisch- 
•tofTum;  dieses  geschieht  so,  dass  sich  im  homogenen  Inhalt  der  Zelle  anfangs  sehr  kleine,  stark 
ichtbrechonde  Körperchen  hervorheben,  die  sich  allmälilig  in  Querroihen  längs  der  Zellenwaud  ab- 
lagern; dieses  Letztere  wiederholt  sich  so  oft,  bis  derlnhnlt  vollkommen  mit  Floischmnsse  erfüllt  ist. 
n  diesem  Zustand  stellen  die  öarcoplustcn  mehr  oder  weniger  abgestutzte  und  gebogene  Cyiinder- 
iplndeln  dar  mit  deutlicher  Querstreifung;  sie  enthalten  oft  1  —  2  hello  Bläschen;  Zcllenhaut  ist  so 
'ollständig  mit  dem  Inhalt  verwachsen ,  dass  sie  nicht  gesondert  nachgewiesen  worden  kann.  Die 
äarcoplasten  können  Fortsätze  treiben  in  einfachen  Reihen  (mit  der  schmalen)  oder  in  mehrfaciien 
[mit  der  schmalen  und  langen  Wand)  mit  einander  verwachsenen.  —  Die  ursprlingliclio  Längen- 
and  Dickenzunuhme  der  Mnskeirolire  geschieht  durch  Anfügung  von  Sarooplastcn. 


296 


Ernährung  der  Muskeln. 


i 


Weber)  *).  Im  erwachsenen  Menschen  gehört  ihre  Neubildung  ebenso 
wie  die  Verheilung  eines  durchschnittenen  Ilohres  mit  Muskelsubstanz 
zu  den  höchsten  Seltenheiten;  sie  ist  nur  wenigemal  von  Roki-j 
tansky,  Virchow  und  Bill roth**)  beobachtet  worden;  ob  sich 
mit  ihr  gleichzeitig  Nerven  entwickelten?  —  Bei  dem  Wachs- 
thum der  menschlichen  Muskeln  nimmt  nicht  die  Zahl,  sondern  der 
Umfang  der  in  ihnen  enthaltenen  Röhren  zu  (Harting,  Hepp)***). 
Damit  in  Uebereinstimmung  fand  Lieb  ig,  dass  verdünnte  Salz- 
säure, welche  die  Röhrenwände  und  Scheiden  zurlicklässt,  das  Röhren- 
mark aber  löst,  aus  den  Muskeln  alter  Thiere  einen  grössern  proportio- 
nalen Antheil  auflöst,  als  aus  denen  junger.  —  Bei  den  Wirbelthiereu 
gestaltet  sich  die  Sache  anders,  indem  beim  Auswachsen  des  jungen 
Thiers  sich  auch  die  Zahl  der  Röhren  mehrt  (Budge,  Margo)t). 

Im  Gastrocncmius  eines  Thiercs,  dessen  ßumpflängo  =  13,0  M.  M.  gefunden 
■ffurde,  betrug  die  Zahl  der  Köhren  1053  und  in  einem  andern  dagegen,  dessen  Eumpflängt 
80,0  M.  M.  betrug,  war  die  Kölu-enzahl  =  5710.  Auch  bei  Abmagern  der  Prösche 
soll  die  Köhrenzahl  sich  mindern  und  bei  der  Fütterung  sich  wieder  mehren;  dabei 
ändert  sich  aber  auch  gleichzeitig  der  Rölirenumpfang  (Budge). 

Die  glatte  Muskelz  eile  entsteht  durch  Auswachsen  der  Bil- 
dungszelle; im  spätem  Leben  bildet  sie  sich  sehr  leicht  nach  ihre^ 
Zerstörung  wieder,  ohne  dass  die  gleichzeitige  Entwickelung  voe 
Nerven  beobachtet  wird. 

Der  Inhalt  des  lebenden  Muskelrohrs  kommt  niemals  zu  einem 
chemischen  Gleichgewicht,  wie  aus  den  früheren  Mittheilungen 
hierüber  hervorgeht.  Ueber  die  Geschwindigkeit  des  Stoffwechsels 
fehlen  Angaben ;  etwas  weniges  ist  uns  nur  bekannt  über  das  Ver- 
hältniss  der  zu-  und  abgehenden  Strömung.  Die  Zufuhr  überwiegt 
den  Abfluss,  Avenn  bei  hinreichender  und  insbesondere  bei  fleisch- 
haltiger  Nahrung  die  Muskeln  häufig  und  angestrengt  in  Verkür- 
zung gerathen.  In  diesem  Falle  nehmen  nemlich  die  Muskeln  an 
Umfang  zu.  —  Umgekehrt  verhalten  sich  die  Dinge  bei  Entziehung 
der  Nahi'ung;  namentlich  verdünnen  sich  die  Muskelröhren  auch, 
wenn  die  Thiere  nur  mit  Eiweiss  gefüttert  werden,  so  dass  sie 
aus  Mangel  an  Fett  oder  Amylon  verhungeni.  Doch  ist  die  Ab- 
nahme derselben  dann  geringer,  als  wenn  sie  umgekehrt  durch 
Entziehung  des  Ei  weisses  verhungern  (Schuchardt)  ff).  Die  Mus- 
—  —   i 

•)  Leipziger  Berichte.  1849.  p.  130.  " 
••)  Kö  Hilter,  Handbuch  der  Gewebelehre.  3.  Aull.  p.  200. 

»»•)  Harting,  i.  c.  —  Hepp,  Honle's  und  Pfcufer'n  Zeitschrift.  N.  F.  IV.  257. 
I)  Compt.  rond.  47.  Bd.  587. 
|j)  Quaedam  de  effectu  quem  prlvatio  etc.  Marburg  1847. 


Blutgefdsswände. 


297 


;eln  nehmen  auch  an  Gewicht  ab,  wenn  sie  bei  noch  so  guter 
rlrnähnmg  lange  Zeit  in  dem  verlängerten  Zustand  verharren,  hierbei 
tst  es  gleichgiltig,  ob  dasselbe  bedingt  war  durch  Abwesenheit  der 
[ervenerregung,  Zerstörung  eines  Gelenkes  u.  s.  w.  Die  Um- 
etzung  der  Stoffe  im  Rohr  wird  damit  auch  qualitativ  geändert,  da 
iiie  verkümmerten  Muskeln  sehr  reich  an  Fett  werden,  was  jedoch 
'.f.  Weber  bestreitet  und  Böttcher  wenigstens  nicht  bestätigt. 

Die  Lückensysteme,  welche  im  Innern  des  Muskelrohres 
peobachtet  sind,  müssen  für  die  Leichtigkeit  der  Zufuhr  vom  Muskel 
nm  Blut  jedenfalls  bedeutungsvoll  sein,  gleichgiltig,  ob  die  Lücken, 
.'ie  Böttcher*)  will,  Ausläufer  sogen.  Bindegewebskörper  sind 
dder  nicht.  —  Für  den  Zusammenhang  zwischen  Muskelernäh- 
nng  und  Muskelzusammenziehung  sind  die  Angaben  von  Gun- 
iing**)  belangreich;  Nach  ihm  zieht  sich  in  Folge  einer  gleich- 
zeitigen Nervenerregung  mit  dem  Muskel  auch  die  Wand  der  Blut- 
tefässe  in  demselben  zusammen,  so  dass  der  verkürzte  Muskel 
Ii  eniger  Blut  erhält.  Nach  beendigter  Zusammenziehung  des  Muskels 
vschlafft  auch  gleichzeitig  die  Gefässwand,  so  dass  nun  die  Berührung 
wischen  Blut  und  Muskel  eine  ausgedehntere  und  zugleich  der  Blut- 
rrom  ein  rascherer  wird.  Hiermit  stimmt  es,  dass  Gl.  Bernard  ***) 
las  Blut,  welches  aus  dem  zusammengezogenen  Muskel  kommt, 
unkler  findet,  als  das  aus  dem  ruhenden  zurückkehrende. 

Die  Muskeln  sind  öfter  auch  im  Ganzen  analysirt  worden  f);  bei  einem  Mangel 
genügenden  Hilfsmitteln,  um  Bindegewebe,  Gefässe,  Pett,  Muskelröhren ,  Blut  und 
1  iskelsäfte  zu  scheiden ,  sind  diese  Beobachtungen  natürlich  unvollkommen ;  für  die 
niysiologie  der  Muskelemährung  sind  sie  auch  noch  nicht  yon  Bedeutung  geworden; 
f^egen  nehmen  sie  ihren  wahren  Platz  ein  in  den  Verzeichnissen  der  Nahrungs- 
t-ttel.  —  Das  einzige ,  was  vielleicht  schon  hier  bemerkt  werden  musste ,  ist  die 
'obachtung  von  Schottin,  nach  welcher  das  Blutserum  eines  Thiers  10  pCt.  Wasser 
tihr  enthält,  als  die  Muskeln,  welche  möglichst  von  Fett  und  Bindegewebe  befreit 
'  d.  Damit  kommt  nun  allerdings  die  Erfahrung  von  Schlossberger  und  Bibra 
::ht  tiberein,  wonach  die  Muskeln  junger  Thiere  um  2  pCt.  wasserhaltiger  sind,  als 
!  der  altern.  —  Foetale  Muskeln  sind  sehr  viel  wasserreicher  (Schlossberger). 

Blutgefässwandungen. 

Die  anatomischen  Eigenschaften  der  ausgebildeten  Gefässwan- 
iingen  sind  auf  Seite  105  u.  f.  dieses  Bandes  beschrieben. 

2.  Die  chemische  Zusammensetzung  ff)  der  Gefässhaut  wechselt 
tit  ihrer  anatomischen  Struktur;  je  nach  dieser  bietet  sie  bald  die 

•)Vircho-w'g  Archiv.  XIII.  Bd. 
"••)  Archiv  für  holländ.  Beiträge.  I.  334. 
"•*)  Lc^on»  snr  les  propri(5t(Ss  de»  liquides.  1859.  1.  p.  816. 
'  t)  .SchloBsberger,  allgem.  a.  verg.  Thlcrcheinie.  I.  Bd.  Muskelgewebe, 
•tt)  Schultze,  Liebig's  Annalen.  71.  Bd.  277.—  Lehmann,  physiolog.  Chcralo.  3.  Bd.  p.  64. 


298 


ErnShrung  der  Blutgofdsswiindo. 


I 


Eigen thümlichkeiten   des   elastischen   oder  eines  Gemenges  aus 
elastischem,  Muskel-  und  Bindegewebe  dar.  Die  Flüssigkeit,  welchf 
die  grossen  Ai-terien  durchti-änkt ,  reagirt  alkalisch  und  enthäh  | 
ausser   den  Bestandtheilen  der  Fleischflüssigkeit  einen  eiweiss-  | 
artigen  Körper,  welcher  seiner  Reaktionen  wegen  für  Casein  an- 
gesprochen wird  (Schulze,  Lehmann). 

3.  Ernährungserscheinungen.  Die  ersten  Anlagen  der  Gefässe*) 
bestehen  nachKölliker  und  Eemak  aus  trüben  Strängen,  welche 
sich  aus  Zellen  zusammensetzen,  von  denen  jedesmal  mindestens 
drei  auf  dem  Querschnitt  eines  Stranges  liegen.  Die  auf  der  Aussen 
fläche  des  Stranges  gelegenen  Zellen  verwachsen,  die  gegen  das 
Centrum  liegenden  werden  aufgelöst.  Die  primitive  Röhrenwand 
ist  also  immer  nur  aus  Zellen  zusammengesetzt;  ihren  spätem 
Platten,  Fasern,  Zellen  sollen  zeUige  Auflagerungen  auf  die  äussere 
Fläche  der  primitiven  Wand  vorausgehen.  Beim  Auftreten  aller 
spätem  Gefässe  im  Fötus  und  Gehörnen  und  namentlich  auch  de^ 
jenigen,  welche  sich  bei  der  Vernarbung  von  Wunden  u.  dgL 
bilden,  zeigt  sich  dagegen  eine  ganz  andere  Formfolge.  Die  fe^ 
tigen  Gefässröhren  werden  nach  Remak  und  J.  Meyer  da,  wo 
eine  Neubildung  im  Werke .  ist ,  verbunden  durch  sehr-  feine  und 
solide  Faden,  welche  von  einem  stumpfen  Ende  eines  bestehenden 
Gefässes  ihren  Anfang  nehmen;  der  Faden  wird  breiter  und  za^ 
gleich  erweicht  sich  sein  Inhalt,  so  dass  eine  Höhle  in  ihm  ent- 
steht, welche  sich  in  die  anfänglich  noch  viel  weiteren  Gefässröhren 
öffnet,  und  dann  sich  bis  dahin  ausweitet,  dass  ihr  Binnenraui^ 
Blutkörperchen  aufnehmen  kann.  Schwann  und  nach  ibm 
Kölliker  u.  A.  beschreiben  im  Gegensatz  zu  diesen  Erfahrungen 
an  den  Orten,  wo  neue  Gefässe  auftreten,  sternförmig  verästelte 
Zellen ;  die  benachbarten  Aeste  der  Zellen  en-eichen  sich  zum  Thefl 
und  verschmelzen  vollkommen,  so  dass  die  Höhlungen  derselben 
sich  einander  öffnen ;  andere  Ausläufer  treffen  dagegen  auf  die  Wal- 
dungen schon  fertiger  Capillargefässe,  mit  denen  sie  verwachsen; 
an  diesen  Verwachsungsstellen  verschwindet  endlich  auch  die 
Scheidewand  zwischen  Zellen  und  Gefässhöhlen ,  so  dass  nun  die 
Blutflüssigkeit  aus  der  letztern  in  die  erstere  eindringt  und  den 
Binnenraum  derselben  erweitern  kann.  Ausser  diesen  Bildungen, 
die  er  sämmtlich  gelten  lässt,  beschreibt  Billroth  noch  zwei  andere; 


•)  Kölliker,  mikroskopische  Anatomie.  U.  2.  Abtheilg.  —  Remak,  Untersuchungen  ilb^ 
Entwickeluiig  der  Wirbelthicre.  Berlin  1851.  13.  —  Jos.  Meyer,  Annaion  der  Berliner  CharltSj 
IV.  Bd.  p.  41.  —  Billroth,  Untersuohunifen  über  Entwlckelung  der  BlutgeflUse.  Berlin  1866.  m 


Milz. 


299 


;iiich  der  eiAen  sollen  reihenweise  aneinander  gelagerte  Zellen  an 
hrenBertÜiungsstellen  verwachsen,  die  ihre  Höhle  trennende  Scheide- 
ivaud  soll  verschwinden  und  der  Inhalt  der  Zellen  sich  in  Blut  um- 
vaudeln.    Nach  der  andern  verwachsen  zwei  Reihen  spindelförmiger 
'eilen  erst  untereinander  und  dann  die  eine  Reihe  mit  der  andern, 
edoch  so,  dass  eine,  der  Längenrichtung  der  Reihe  parallele  Höh- 
iiüg  (also  ein  Zwischenzellenraum)  übrig  bleibt.  —  Die  fertigen 
kapillaren  wandeln  sich  nun  unter  gewissen  Bedingungen  in  Ge- 
Kisse  höherer  Ordnung  um,   indem  sich  ihre  Höhle  ausweitet 
«nd  ihre  "Wand  durch  Auflagerung  von  elastischem  und  musku- 
[iösem  Gewebe  verdickt.    Dem  Anschein  nach  spielt  hierbei  der 
Blutdiiick  selbst  eine  Rolle,  in  der  Art,  dass  wenn  derselbe  zu- 
nimmt ,  auch  die  Höhle  und  "Wandung  umfänglicher  werden.  Diese 
Meinung  gi-tindet  sich  auf  die  Erfahrung,  dass  sich  die  Aeste  eines 
«tammes  erweitem,  wenn  dieser  letztere  unterbunden  wurde,  eine 
iCrscheinung,  welche  bei  den  Chirurgen  unter  dem  Namen  derEnt- 
rnckelung  des  Collateralkreislaufes  bekannt  ist. 

Die  eiweissartigen  Bestandtheile  der  Gefässwand  und  wahr- 
(cheinhch  diejenigen  der  Muskelzellen  setzen  sich  während  des 
.iSbens  in  andere  Atome  um,  wie  dieses  aus  der  Untersuchung  der 
iie  durchti-änkenden  Flüssigkeit  hervorgeht.  Unter  welchen  Be- 
iingungen  dieser  Stoffwechsel  steigt  und  fällt  und  wie  umfangreich 
rr  überhaupt  ist,  wissen  wir  nicht.  Man  könnte  vermuthen,  dass  er 
iicht  unbedeutend  wäre ,  wenn  man  die  zahlreichen  Capillaren,  welche 
lieh  in  der  Wand  der  grössern  Arterien  verbreiten,  bedenkt.  —  DieAn- 
rfesenheit  dervasavasorum  gewährt  ausserdem  noch  Interesse,  weil  sie 
feigt,  dass  die  tunica  elastica  der  grösseren  Gefässe  die  Stoffe,  welche 
iiur  Muskelernährung  nothwendig  sind,  nicht  in  genügender  Menge 
Lurchlässt ,  obwohl  das  Blut  unter  einem  hohen  Druck  in  ihnen  strömt. 

Die  Neubildung  Ton  Gefässen  in  Geborenen  ist  von  Bruch,  Eokitansky' 
'Tedl*)  u.  A.  abweichend  von  den  gegebenen  Mittheilungen  dargestellt  worden, 
'orüber  die  untenstehende  Literatur  und  die  auf  sehr  genaue  Untersuchungen  ge- 
•'.ützten  Gegenbemerkungen  von  J.  Meyer  und  He  nie  nachzusehen  sind. 

Die  Milz, 

1.  Anatomische  Zusammensetzung**).  In  den  Bau  der  Milz 
eehen  ein :  die  Kapsel  mit  ihren  Fortsätzen  (die  sog.  Balken),  Blut- 

•)  Bruch,  Diagnose  der  bösnrtigon  GesoliwUlsto.    Mainz  1847.  —  Ko  It  i  tan  s    y ,  patliolog. 
iJiatomie.  l.Bd.  Wien  1846.  p  271.  —  Wedl,  Zcltsclir.  d.  Wiener  Aerzto.  IX.  Jalirg.  I.  Bd.  4i35.  — 
ngel,  Zcitschr.  d.  Wiener  Aerzte.  IV.  Jahrg.  I.  Bd.  1.  —  Hcnle,  Jahresbericht  für  18B1.  p.  41. 
••)  Eclcer,  Wagn  er' g  Handwörterbuch.  IV.  Bd.  130.—  Köililtor,  Handbuch  der  Go- 
' .ebelehre.  3.  Aufl.  1859.  454.  —  Derseibe,  WUrzburgor  Verhandlungen.  VII.  Bd.  —  Hlasak  , 
ä  itroctur«  llonla.  Dorpat  1852.  —  Gray,  on  thc  stracture  and  use  of  the  spieen.  1854. 


300 


Bau  der  Milz. 


und  Lymphgefässe,  Nerven,  die  Milzbläschen  und  das  Mark.  — 
Kapsel  und  Balken  sind  aus  den  Elementen  des  Bindegewebes  ge- 
formt. Die  Kapsel,  welche  die  übrigen  anatomischen  Bestandtheile 
der  Milz  einschliesst ,  sendet  von  ihrer  Innern  Fläche  zahlreiche 
Fortsätze  aus,  die  sich  vielfach  verästeln  und  sich  untereinander 
verbinden,  so  dass  im  Hohhaum  der  Kapsel  ein  Netzwerk  mit 
weitern  und  engern  Maschen  entsteht.  —  Die  Blutgefässe  stülpen 
an  ihren  Eintiittsstellen  die  Kapselwand  in  den  Hohlraum ,  oder  mit 
andern  Worten,  sie  überziehen  sich  mit  einer  Scheide,  welche  letztere 
die  grossen  Stämme  der  Venen  und  Arterien  nebst  Lymphgefässen 
und  Nerven  umkleidet,  und  schliesslich,  indem  sie  den  feinen 
Arterienzweigen  folgt,  mit  eingeht  in  das  Balkenwerk  der  Milz. 
Die  Arterien  zerfallen  nach  ihrem  Eintritt  in  den  Milzraum  sehr 
rasch  und  vertheilen  sich  schliessUch,  ohne  dass  ihre  Aeste  vorher 
communiziren  in  Capillaren.  Diese  letztern  gehen  zum  Theil  in 
die  Kapsel,  zum  Theil  auf  und  in  die  Milzbläschen  (KöUiker, 
Gray)  und  die  übrigen  endlich  unter  Verlust  ihrer  selbsständigen 
Wandungen  in  die  Räume,  welche  zwischen  der  zu  Häufchen  ge- 
ballten Pulpa  verbleiben  (Gray).  Die  Venen  entspringen  theils 
aus  den  Capillaren  der  Kapsel,  theils  sammeln  sie  sich  in  reich- 
lichen Netzen  auf  der  Oberfläche  der  Milzbläschen  und  endlich  gehen 
auch  feine  Aeste  aus  den  Räumen  hervor,  in  welche  die  Pulpa  ein- 
gelagert ist  (Hlasek,  Gray).  Mit  Rücksicht  auf  die  letzteren  Ge- 
fässe  wäre  es  erlaubt,  die  von  den  Balken  umschlossenen  Räume  als 
sehr  erweiterte  Gefässhöhlen  anzusehen,  die  mit  Milzmark  gefüllt 
und  mit  feinen  Ein-  und  Ausmündungen  von  Gefässen  begabt  wären. 

Die  Wandungen  der  Blutgefässe  sind  im  Allgemeinen  dünn; 
auf  ihrer  innem  Fläche  mit  einer  Oberhaut  aus  Spindelzellen  be- 
kleidet und  in  ihrer  Media  mit  Muskelzellen  versehen.  —  Die 
grössern  Lymphgetässstämme  folgen  den  Blutgefässen;  über  ihre 
Anfänge  steht  nur  so  viel  fest,  dass  ein  Theil  derselben  aus  dem 
Mark  und  ein  anderer  von  der  Milzoberfläche  sich  sammelt.  —  Die 
Nerven,  zum  kleinsten  Theil  aus  doppeltrandigen  Röhren,  zuiä' 
grössten  aus  Remak' sehen  Fasern  zusammengesetzt,  folgen  den 
Arterien,  an  deren  feinsten  Zweigen  sie  noch  aufzufinden  sind ;  Avie 
und  wo  sie  enden,  ist  noch  aufzudecken. —  Die  Milzbläschen  smd 
kleine  kugelartige  Kapseln,  welche  vorzugsweise  von  L}Tnph- 
körperchen,  freien  Kernen  und  einer  geringen  Menge  von  Flüssig- 
keit ausgefüllt  sind,  zwischen  denen  sich  ein  Capillarnetz  aus  Blut- 
gefässen ausbreitet;  dieses  zieht  seinen  Ursprung  aus  einem  be- 


Chemische  Zusammensetzung  der  Milz. 


301 


sondern  kleinen  Arterienästchen ,  welches  die  Kapsel  des  Bläschens 
durchbohrt.  Das  Blut  sammelt  sich  dann  wieder  in  dem  schon 
oben  erwähnten  Venennetz,  Die  Milzbläschen,  welche  ihre  Lagerungs- 
stätte in  den  Scheiden  an  den  Aesten  der  Arterienpinsel  haben, 
sollen  ihren  Hohlraum  in  die  Lymphgefässe  öffnen.  Diese  An- 
lahme,  welche  aus  ihrem,  den  Lymphdrüsen  analogen  Bau  hervor- 
:;egangen  ist,  würde,  wie  es  scheint,  bewiesen  sein,  wenn  sich  die 
Beobachtung  von  Gerlach  bestätigte,  welcher  die  in  ihre  Arterien 
mjizirte  Leimmasse  in  die  Lymphgefässe  übergehen  sah,  wenn  die 
'Brsteren  in  Folge  des  injektionsdruckes  gerissen  waren.  —  Das 
Mark,  welches  mit  vorsichtiger  Vermeidung  der  Milzbläschen  heraus- 
t^enommen  wurde,  enthält  ausser  Gefässen  undBälkchen:  die  Deck- 
Mellen  der  Gefässwand,  Lymphköi-perehen ,  freie  Kerne  (?) ,  kleinere 
mnd  grössere  farblose  Zellen  entweder  mit  einem  und  mehr  Kernen 
toder  auch  nur  mit  Körnchen  im  Inhalt,  in  reichlicher  Menge  sehr 
meinen  Molekularstaub ;  ausser  den  bis  dahin  aufgezählteii  farblosen 
pormbestandtheilen  kommen  noch  vor:  reichlich  rothe  Blutscheibe, 
imregelmässig  geformte,  an  umgewandelte  Blutkörperchen  erinnernde 
Zellen,  bräunliche  und  rothbräunliche,  einzeln  oder  geballt  lie- 
rende  Körnchen  von  sehi-  ungleicher  Grösse  entweder  frei  oder 
m  Zellen  eingeschlossen,  und  endlich  auch  zmveilen  bei  Menschen 
Blutkörperchen  haltende  Zellen.  Ob  die  Hülle,  welche^  ein  solches 
Häufchen  von  Blutkörperchen  umgiebt,  eine  wohlorganisirte  Zellen- 
faut,  oder  nur  ein  verbindendes  Faserstoffgerinnsel  ist,  lassen  einige 
i^natomen  dahingestellt  sein. 

In  dem  Mark  einiger  sehr  junger  TMere  fand  Kölliker  noch  kleine,  gelbliche, 
een  Blutkörperchen  sehr  ähnlich  geformte  Zellen,  dann  fein  granulirte  Zellen  mit  4  bis 
l'O  Kernen  und  bisquitförmige  Zellen  mit  zwei  Kernen. 

Die  farblosen  Gestalten  machen  meist  und  namentlich  in  wohl- 
venährten  Thieren  die  Hälfte  bis  bei  zwei  Dritttheile  des  Milzgewebes 
ms  (Gray).  Wenn,  vne  es  in  solchen  Fällen  meist  vorkommt,  zu- 
Ueich  das  Gesammtgewicht  der  Milz  gewachsen  ist,  so  kann  daraus 
Ihne  Weiteres  auf  eine  Vermehrung  der  farblosen  Gebilde  geschlossen 
'Verden.  Im  hungeraden  Thier  nimmt  mit  dem  Milzgewicht  zugleich 
de  Verhält nisszahl  der  farblosen  zu  den  farbigen  ab  (Gray). 

2.  Chemische  Zusammensetzung*).  Die  Zusammensetzung  des 
iiilzblutes  ist  schon  S.  33  abgehandelt;  dort  wurde  auch  auf  den 

*)  Sclierer,  AVUrzbnrger  VcrlinndUmgeii.  Bd.  II.  208.  —  Gray,  on  tlie  slruclure  etc.  1864.— 
Idtmann,  die  anorganischen  BeatanUtlioilc  der  Lober  und  Milz.  Linnich  1868.—  Gorup,  Lie- 
fg's  Annalen.  98.  Bd.  1.  —  Cioettn,  ibid.  »9.  Bd.  —  Frerichs  und  Staodeler,  Vorhand- 
*ngen  der  natur  .  Gescliscliari  in  Zlirirb.  IV.  Bd. 


302 


Eigenthlimlicho  Stoffe  der  Milz,  Milzasche. 


Einfluss  des  Blutstroms  auf  die  Zusammensetzung  hingewiesen.  — 
Das  Milzmark,  wie  es  der  Chemiker  untersucht,  stellt  ein  Gemenge 
aus  Blutgefässwandungen,  Balken,  dem  Inhalt  der  Blut-,  der  Lymph- 
gefässe  und  der  Milzbläschen  und  endlich  aus  Pulpa  im  anato- 
mischen Sinne  dar.  Diesem  entsprechend  kann  es  nur  von  Belang 
sein,  ob  in  ihm  ausser  den  bekannten  Bestandtheilen  des  Blutes  u.s.w. 
noch  andere,  der  Lymphe,  dem  Blut  u.  s.  w.  gar  nicht,  oder  wenigstens 
nicht  in  solcher  Menge  zukommende  Stoffe  enthalten  sind.  In  der  Thal 
wurden  als  solche  aufgefunden:  Inosit  (Cloetta),  Milch-,  Butter-, 
Essig-,  Ameisen-,  Harnsäure,  Sarcin  (Scherer),  Leucin  (Fre- 
richs  und  Staedeler),  ein  Homologon  des  Leucins  (Gorup), 
einige  andere  noch  unbestimmbare  stickstoffhaltige  Krystalle 
(Cloetta),  Cholestearin ,  ein  eisenreicher  eiweissartiger  Körper 
(Scher er),  mancherlei  Farbstoffe.  —  Die  Milzasche  fand  Oidt- 
mann  in  100  Theilen  bestehend  aus: 


Mann. 

Weib. 

Neugeborner. 

Cl 

0,55 

1,31 

33,03 

PhOs 

27,11 

18,87 

9,53 

SO3 

2,54 

1,43 

0,50 

SiOs 

0,07 

0,72 

0,95 

KO 

9,19 

17,41 

j  43,87 

NaO 

43,30 

35,12 

CaO 

7,50 

7,26 

3,35 

MgO 

0,39 

1,02 

0,20 

Fe2  03 

7,27 

16,20 

MgO 

0,08 

0,04 

CuO 

0,01 

0,40 

PbO 

0,03 

« 

Bemerkenswerth  ist  der  geringe  Gehalt  an  Cl  und  der  grosse 
an  Phosphorsäure  und  Eisenoxyd.  Dieses  Verhalten  geht  auch 
aus  einer  schon  früher  angestellten  Analyse  von  Gray  hervor,  welche 
insofern  abweicht,  als  sie  mehr  Kali  als  Natron  findet. 

Ueber  quantitative  Bestimmungen  des  Wassers,  der  Extrakte,  der  Eiweisskörppr, 
des  Aschegehaltes  der  frischen  Milz  siehe  Gray  und  zum  Theil  Oidtmann. 

In  den  Milzbläschen  beobachteten  Virchow*)  und  Meckel  einen  Stoff,  welcher 
nach  Zusatz  yon  Schwefelsäure  und  Jod  hellroth  oder  blassblau,  nach  Zusatz  von 
Schwefelsäure  und  Jod  schön  blau,  ähnlich  wie  die  Stärke,  gefärbt  wird;  er  wider- 


»)  Virchow,  Archiv  f.  patholog.  Anat.  VI.  Bd.  p.  135.  2G8.  416.  —  Luschka,  Ibid.  27: 
Do  Uders,  Nederlnnd.  Laucet.  1863.  p.  278.  —  H.Meckel,  Änmilen  der  Berliner  Charit^, 
p.  2G4. 


Blutstroin  in  der  Milz. 


303 


steht  der  Fäulniss  viel  längere  Zeit,  als  die  meisten  eiweissai-tigen  Körper ,  und  ist  in 
tvether  unlöslich  (Naegeli).    Dieser  Körper,  den  man  für  Cholestearin  oder  einen 

tärkeartigen  Stoff  ansah,  ist  von  Kokule  durch  die  Elementaranalyse  in  die  Eiweiss- 

äihe  gewiesen  worden. 

Die  Milzlymphe  unterscheidet  sich,  so  weit  bekannt,  dadurch 
lon  anderer,  dass  sie  häufiger,  und  zwar  ebensowohl  während  der 
("erdauungsperiode  (Tiedemann,  Gmelin),  als  auch  während 
ees  Hungers  (H.  Nasse)  Blutkörpel-chen  enthält. 

3.  Der  Blutstrom  in  der  Milz*).  Das  Sti-ombett  des  Milzblutes 
mdert  sich  mit  der  Erregung,  welche  die  Muskelnerven  in  der 
llilz  trifft;  denn  unter  der  Voraussetzung,  dass  der  Blutstrom  un- 
eerändert  vor  sich  geht,  zieht  sich  die  Milz  nach  Reizung  ihrer 
[(erven  zusammen  und  nach  Durchschneidung  vergrössert  sie  sich 
lUaschko  wiz).  Die  Zusammenziehungen  geschehen  jedoch  so 
lUmählig,  dass  die  Zunahmen  der  Geschwindigkeit,  welche  das  Blut 
iiurch  die  Muskelbewegung  als  solche  erfährt,  kaum  in  Betracht 
lOmmen  können.  —  Ausser  der  hierdurch  gebotenen  Veränderung 
i  der  Spannung  und  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  wird  auch 
ine  solche  eintreten  je  nach  der  Gestaltung  der  Widerstände  in 
ien  Capillargefässen  des  Magens ,  Darms  und  des  Pankreas.  Denn 
fas  Blut ,  welches  aus  allgemeinen  im  Kreislauf  überhaupt  gelegenen 
rründen  in  die  Arteria  coeliaca  eindringt,  muss  durch  die  Capillaren 
esr  Milz  und  der  so  eben  genannten  Organe  abfliessen.  Es  wird 
cch  also  die  Spannung  und  Geschwindigkeit  des  Blutes  und  damit 
j)r  Umfang  der  Milz  mehren,  wenn  die  Durchgängigkeit  der  andern 
ns  der  A.  coeliaca  hervorgegangenen  Capillaren  verringert  ist, 
üährend  sich  im  umgekehrten  Falle  die  Milz  verkleinern  wird.  — 
iiese  Bemerkung  verdient  deshalb  eine  Berücksichtigung,  weil 
te  Milz  in  den  Verdauungszeiten  Veränderungen  ihi-es  Volums 
«igt ;  bliebe  der  Erregungszustand  der  Milznerven,  also  die  Wider- 
sandsfähigkeit der  Milz  sich  gleich,  so  müsste  sie  während  der 
«steigerten  Absonderung  des  Magensaftes  und  Bauchspeichels  zu- 
iimmenfallen ,  denn  zu  dieser  Zeit  sind  die  kleinen  Arterien,  resp. 
te  Capillaren  am  Magen  und  Pankreas  erweitert;  nach  dem  Ver- 
lass  der  genannten  Zeit  müsste  sie  dagegen  schwellen.  Ob  und 
wie  weit  diese  Bedingung  den  Umfangsveränderungen  der  Milz 
i  Grunde  liegt,  ist  unbekannt.  —  Die  in  die  Milz  wirklich  ein- 
»etende  Blutmenge  vertheilt  sich  auf  ihre  drei  verschiedenen  Capillar- 


•)  MUUer's  Handbuch  der  Phygiologio.  4.  Auflage.  488.  — 
tehlT.  XI.  Bd.  235.  —  L.  F 1  o  k ,  Archiv  fUr  Phyg.  18B9.  . 


Jas  hkowitz,  Vlrchow'g 


304 


Stoffbowogung  in  der  Milz. 


Systeme.  Gehen  immer  dieselben  Bruchtheile  des  Blutes  durcl^ 
jedes  der  drei  Gefässarten?  —  Höchst  eigenthUmlich  muss  dei 
Strom  in  den  Lücken  der  Pulpa  sein,  insofern  er  hier  wirklich  ohm 
besondere  Wände  verläuft;  denn  dann  werden  Blut-  und  Lympli 
körperchen  des  Blutsstroms  hängen  bleiben  und  dafür  Zellen  de^ 
Markes  ausgesplilt  werden.  Darauf  deuten  nun  allerdings  die  Ei 
fahrungen,  dass  in  dem  Milzaderblut  Formbestandtheile  der  Pulj);! 
vorkommen.  Je  nach  der  Fonn  der  Lücken  und  dem  Gehalt  de- 
Blutes an  aufgeschwemmten  Theilen  müssen  verschiedene  Mengen 
der  letzten  hängen  bleiben,  wodurch  ebenfalls  eine  Schwellung  de- 
ganzen Organs  möglich  wäre,  ebenso  wie  nach  Ausschwemmung 
der  Pulpa  in  die  Arterien  und  einer  davon  abhängigen  Wegräumung 
der  Stromhindernisse  die  Milz  zusammenfallen  müsste. 

4.  Stoffbewegungen  im  Milzparenchym. 

a)  Der  Inhalt  der  Bläschen  ist  unzweifelhaft  in  einer  chemi- 
schen Bewegung,  veränderlich  nach  Art  und  Grösse,  begriffen.  Be 
Thieren  findet  man  dieselben  nemlich  bald  prall  und  bald  nur  wenig 
gefüllt.    Gray  fand  sie  bei  Thieren  zuweilen  so  ausgedehnt,  dass 
sie  nach  ungefährer  Schätzung  ein  Viertel  des  Milzvolums  ein- 
nahmen ;  in  andern  Fällen  sind  sie  kaum  oder  gar  nicht  mit  blossem 
Auge  sichtbar;  ihr  Volum  beträgt  dann  kaum  die  Hälfte  von  dem 
eben  erwähnten.    Dieser  Unterschied  stellt  sich  nach  Ecker  aucli 
dann  noch  heraus,  wenn  man  die  Gefässe,  welche  aus  dem  Hilus 
der  Milz  austreten,  nach  dem  Tode  sogleich  unterbunden  hat.  Da 
sich  der  Inhalt  der  Bläschen  immer  rasch  minderte,  wenn  diese 
Vorsichtsmaassregel  unterlassen  wurde,  so  sind  nur  die  Beobach 
tungen  brauchbar ,  bei  welchen  die  Grösse  der  Bläschen  unter  ähn- 
lichen Bedingungen  mit  einander  verglichen  wurde.   Unter  die  Um 
stände,  welche  den  Bläschenumfang  verändern,  zählt  Gray  1)  den 
allgemeinen  Ernährungszustand  des  Körpers;  je  günstiger  derselbe, 
um  so  grösser  sind  sie.    Bei  abgemagerten  Thieren  werden  sie 
dem  blossen  Auge  unsichtbar.    Ecker  fand  im  Gegentheil  bei 
hungernden  Katzen  die  Bläschen  auffallend  deutlich.  —  2)  Die  Art 
des  Futters;  bei  einer  Nahrung  aus  Fett  und  Fleisch,  Milch  und 
Brod,  gekochtem  Eiweiss  waren  die  Körperchen  gross  und  bei 
reichlichem  Wassergenuss  (eingeweichtem  Brod)  zerfliesslich.  Klein 
waren  sie  dagegen  nach  Genuss  von  trockenem  Brod,  Fett  und 
Gelatine  oder  Faserstoff.    Die  Grösse  und  Zerfliesslichkeit  der 
Bläschen  nach  reichlichem  Wassergenuss  behauptet  auch  Spring.— 
3)  Die  Verdauungsperiode ;  einige  Stunden  nach  vollendeter  Magen- 


Stolfbewegung  in  der  Milz. 


305 


erdauung  (15  Stunden  nach  eingenommener  Nahi'ung)  sollen  sie 
m  geschwollensten  sein  Dieses  gilt  jedoch  nur  für  gut  ernährte 
hiere;  bei  bedeutend  abgemagerten  zeigt  sich  kein  Einfluss  der 
.erdauungszeit.  —  Auf  eine  Verschiedenartigkeit  des  chemischen 
[msatzes  weist  die  wechselnde  Consistenz  und  Färbung  des  Bläscheri- 
ihaltes  hin;  Ecker  und  Giesker  fanden  ihn  zuweilen  zu  einem 
Ilümpchen  geronnen,  Spring  und  Ecker  zuweilen  röthlich  oder 
'3lb,  während  er  von  den  tibrigen  Beobachtern  als  farblos  an- 
!.3geben  wird.  In  menschlichen  Leichen  ist  das  Milzbläschen  ge- 
röhnlich  nur  dann  deutlich  sichtbar,  wenn  der  Tod  plötzlich  oder 
iiährend  der  Verdauung  erfolgte  (v.  Hessling);  seine  häufige  Ab- 
eesenheit  erklärt  sich  entweder  aus  einer  rasch  eintretenden  Fäul- 
sss,  oder  aus  der  dem  Tod  vorangegangenen  Abmagerung. 

b)  Das  Mark  der  Milz  im  engern  Sinne  scheint  ein  Ort  zu 
i)in,.  in  welchem  flir  gewöhnlich  eine  Neubildung  und  unter  Um- 
bänden auch  eine  Zerstörung  von  Blutkörperchen  angebahnt  und 
lUendet  wü-d.     Für  die  Neubildung  spricht  (nach  Ger  lach, 

Funke  u.  A.)  die  reichliche  Anwesenheit  farbloser  Zellen  im 
ilzvenenblut.  Bedenken  gegen  diesen  Grund  wurden  schon  bei  der 
tisammensetzung  des  Milzbluts  erwähnt.  —  Ferner  enthält  das  Milz- 
ark  alle  möglichen  Formübergänge  von  den  farblosen  zu  den  rothen 
♦rperchen,  und  endlich  spricht  füi-  eine  Zellenneubildung  auch  das 
BsserordentlicheUebergewicht  der  farblosen  BlutzeUen  und  dasZurüek- 
f;ten  der  farbigen,  welches  nach  Virchow  mit  einer  eigenthüm- 
hhen  Krankheit  der  Milz,  dem  Tumor  derselben,  Hand  in  Hand 
bht.  In  der  That  ist  nach  den  Beobachtungen  unseres  berühmten 
tthologen  das  Missverhältniss  beider  Blutzellenarten  so  gross,  dass 
»•3  Blut  statt  der  normalen  rothen  eine  weisse  Farbe  annimmt. — 
ir  die  Zerstörung  der  Blutkörperchen  in  der  Milz  führen  Ecker 
ci  KöUiker  die  häufig  gefundenen  verschrumpften  Körperchen, 

i  Pigmenthäufchen  und  die  reichliche  Anwesenheit  eines  eisen- 
ttigen  Aschenbestandtheils  an.    Beide  Behauptungen  könnten  in 

•  That  bei  den  Eigenthümlichkeiten  des  Blutstroms  in  der  Milz 

ii  der  Bildung  des  Milzmarkes ,  das  einer  Lymphdrüse  nicht  ganz 
iihnlich  ist,  wohl  neben  einander  bestehen. 

c)  Milz  im  Ganzen.  Ueber  die  Bedingungen  und  den  Ort  der 
eenthümlichen  ehem.  Umsetzungen  in  der  Milz,  von  deren  Gegen- 
rrt  Scherer,  Cloetta,  Frerichs  und  Staedeler  Zeuguiss 
eegen,  ist  man  ganz  im  Unklaren.    Da  das  Blut,  welches  aus 

•  an  Milchsäure  reichen  Milz  zurückkehrt,  alkalisch  reagirt,  so 

■  Ludwig,  Physiologie  II.  2.  AuHage.  '  '^^ 


306 


Milz,  Thymus. 


kann  wenigstens  mit  Bestimmtheit  behauptet  werden,  dass  dif 
Säure  entweder  in  den  Zellen  des  Marks  oder  in  der  Flüssigkeit  ( 
Balkengewebes  entsteht. 

d)  Die  ganze  Milz  eines  wohlgefütterten  (nicht  aber  des  magci  i 
Thieres  soll  nach  Gray  10  bis  15,  nach  Schönfeld*)  ai 
5  Stunden  nach  der  letzten  Fütterung  am  schwersten  sein.  D 
diese  Schwellung,  welche  durch  Wägen  der  ausgeschnittenen  i\i 
ermittelt  wurde,  nicht  von  einem  Mehrgehalt  an  Blut  überhau > 
herrühre,  scheint  sich  aus  dem  geringen  Cl-Gehalt  der  Milzas^ 
zu  ergeben. 

e)  VergHchen  mit  dem  Körpergewicht,  nimmt  sievomNeugeborii  i 
(1  :  350)  bis  zum  Erwachsenen  (1  :  320  bis  400)  nicht  wesentli 
zu  oder  ab,  im  höheren  Alter  soll  sie  relativ  klein  werden  (1 : 70 
(Gray). 

Die  Ausschneidung  der  ganzen  Milz  erzeugt  keine  merklic' 
Folgen,  wie  schon  im  Alterthum  Plinius  wusste  und  in  neu 
Zeit  Czermak,  Quittenbaum,  Bardeleben  u.  A.  genai 
beobachteten.  Die  Erfahning,  dass  nach  dieser  Operation  die  weiss 
Blutkörperchen  sich  mehren  und  die  Lymphdrüsen  anschwellen, 
nicht  constant.    Bemerkenswerth  scheint  es,  dass  die  Thiere 
Operation  schwieriger  überstehen,  wenn  ihnen  vorher  die  Schi} 
drüse  genommen  war.    Siehe  noch  Thymus. 

Die  Literatur  giebt  Simon  •*).  —   lieber   eigenthümliche  Folgen    der  ld| 
eistirpation  bei  Fröschen,  welche  Q erlach  und  Eberhard  ausführten,  siehe 
letzteren. 

Thymus. 

1.  Ein  Gertist  ***)  aus  Bindegewebssträngen  fasst  zahlrei 
ringsum  abgeschlossene  Säckchen  in  sich.  In  dem  Gerüst 
laufen  NeiTen,  Lymph-  und  Blutgefässe;  der  Hohhaum  der  S 
chen  ist  gefüllt  mit  einem  Capillarnetz  von  Blutgefässen ,  in  des 
Zwischenräumen  neben  wenig  Flüssigkeit  Fettmoleküle,  fr 
Kerne  oder  Kernzellen  und  conzentiisch  geschichtete  kugelige  Kör 
gelegen  sind.  In  den  um  die  grössera  Gewebe  hegenden  Bin 
gewebssti'ängen  sind  nicht  immer,  aber  doch  häufig  grosse  cai 
artige  Lücken  enthalten,  die  entweder  nm*  den,  die  beiden  Drüi 


»)  Meissner' s  Jahresbericht  für  18B6.  p.  235. 
•*)  Die  Exstirpntion  der  Milz  am  Menschen.  Giessoii  1857. —  Eberhard,  Beiträge  zur  Hol 
und  Funltt.  d.  Milz.    Erlangen  1855. 

»**)  K  ii  1  Ii  Ic  e  r  ,  Handbuch  der  Gewebelohre.  8.  Aufl.  1859.  p.  488.  -  Jendrassil5,'W| 
alcad.  Sitzungsberichte.  XXIl.  70.  —  Ecker,  Handwörterb.  d.  Physiologie.  IV.  Bd.  —  Ber' 
Arohiv  fUr  HoUBnd.  Beiträge.  1867.  1.  Bd.  232. 


Chemische  ßestandtheilo  der  Thymus. 


307 


iiälften  verbindenden  Bindegewebsstrang,  oder  auch  die  seitlichen 
iSindegewebsäste  aushöhlen.  In  diesen  sog.  Centi-al-  und  Neben- 
iiöhlen,  die  weder  durch  eine  eigene  Haut,  noch  durch  ein  Epithelium 
ibgegrenzt  sind,  kommen  dieselben  Elementartheile  wie  in  den 
»Bläschen  vor  (Simon,  Ecker,  Kölliker,  Jendrassik).  Die 
i'Jerven  stammen  nach  Durchschneidungsversuchen  aus  dem  Ganglion 
oervicale  infim.  und  thorac.  1.  (Friedleben). 

Eestelli  und  nach  ihm  Friedleben  fanden  in  dem  Blut  der  vena  thymica 
iiie  Kerne  aus  dem  Inhalt  der  Thymussäckchen.  Daraus  würde  zu  schliessen  sein,  dass 
fde  Gefässhöhlen  mit  denen  der  Säckchen  in  offener  Verbindung  standen. 

2.  Ausser  dem  Collagen*),  Elastin  u.  s.  w.  des  Gerüstes  und 
|ter  Gefässe,  den  Eiweisskörpera  und  Fetten  des  Bläscheninhaltes 
rrurde  gefunden  Ammoniak,  Leucin  (Frerichs  und  Staedeler), 
llypoxanthin,  Bernstein-,  Milch-,  Essig-,  Ameisensäure  (Gorup), 
fiiUcker  (Friedleben).  —  Die  lösliche  Asche  enthält  vorzugs- 
yesie  Kali,  weniger  Natron,  Basen,  die  meist  an  PhOs,  zum  ge- 
lingeni  Theile  an  Cl  und  nur  in  sehr  kleinen  Mengen  an  SO3  ge- 
lunden  sind  (Staedeler  und  Frerichs,  Gorup).  Fried- 
eeben fand  in  100  Theilen  der  gesammten  Asche 


KO 

NaO 

CaO 

MgO 

Cl 

Ph05 

SO3 

32,8 
32,3 

16,6 
23,7 

10,4 
6,7 

4,3 
2,4 

5,4 
2,0 

30,0 
32,4 

0,6 
0,6 

ialb  von  3  Wochen 
ündvon  12  Monaten 

Die  ganz  frische  Thymus  reagirt  nach  Staedeler  und  Frerichs  neutral; 
löäter  reagirt  sie  sauer;  dieser  Widerspruch  lösst  sich  vielleicht  dadurch,  dass  der 
iicker  der  Thymus  in  Milchsäuregahrung  übergeht.  —  Die  Ausstellungen,  welche 
iriedleben  an  den  Beobachtungen  von  Staedeler,  Frerichs  und  Gorup  macht, 
Bad  unverständlich ;  selbst  durch  Kochen  mit  Kali  konnte  er  aus  der  Drüse  keine  Ak 
hhalten ;  eben  so  wenig  fand  er  Leucin ,  dessen  Entstehung  er  durch  Fäulniss  eines 
kkoholischen  Auszugs  erklärt  u.  s.  w.  —  Quantitative  Analysen  der  gesammten  Thymus 
kben  Morin,  Dowler,  Miller,  Friedleben,  die  bei  dem  letzten  nachzusehen, 
rerselbe  handelt  auch  über  die  Aenderung  der  Asche  mit  dem  Alter. 

3.  Emährungserscheinungen.  Ihre  Elementarformen  entstehen 
jof  die  dem  Bindegewebe,  den  Gefässen  und  den  Zellen  eigene 
Teise;  über  die  Formfolge  der  geschichteten  Körper  ist  man  im 
inklaren.  Nach  der  Geburt  mehren  sich  anfänglich  noch  die  Bälge 
ittd  ihr  Inhalt,  etwa  bis  zum  zweiten  Jahr,  von  da  wächst  zwar 
»ie  Thymus  noch  bis  zur  vollendeten  Pubertät,  aber  es  mindert 
c.ch  die  Füllung  der  Bälge  und  es  tritt  statt  ihrer  mehr  Binde- 
ewebe  auf,  so  dass  trotz  zunehmender  Länge  das  absolute  Ge- 

.  "*)  Prietlloben,  Die  Physiologie  d.  Tliymiisdrlise.  Franlcfurt  1858.  —  Frerichs  und 
•laedeler,  Züricher  Mittheliungen.  IV.  Bd.  1856.  —  Gorup,  Lloblg's  Anniiloii.  98.  Bd. 

20* 


308 


Thymus,  Nebenniere,  Thyreoidea,  Leber. 


wicht  uamentlich  zwischen  dem  15.  bis  25.  Jahre  sehr  abnii 
(Friedleben).  Nach  vollendetem  Wachsthum  des  Gesamr 
körpers  schwindet  sie  vollständig,  indem  ihr  Gewebe  derber,  fet 
und  bindegewebsreicher  wird,  die  Arterien  obliteriren  und  die  Nerve 
in  fettige  Umwandlung  eingehen.  —  In  wohlgenährten  Thieren  si 
Kapseln  der  Thymus  gespannter  und  reicher  an  Zellen.  —  Das  iu| 
Blut  übergeführte  Ferrocyankalium  soll  nicht  in  der  Drüse  zu  finde 
sein  (Haugsted). —  Um  ihren  Eingriff  in  das  Gesammtieben  d( 
Thiere  zu  finden,  hat  man  die  Thjmus  exstirpirt  (Rest eil: 
Friedleben).  Diese  Versuche  bestätigen  das  Ergebniss  einig( 
zufälliger  Beobachtungen  an  Menschen,  welchen  dia  Thymus  fehlte 
ohne  dass  ihr  Mangel  während  des  Lebens  bemerklich  gewese 
wäre  (Bischoff,  Friedleben). 

Ins  Genauere  suchte  Fried  leb  en  zu  dringen,  indem  er  an  Thieren,  deren  Thymi 
allein  oder  Thymus  und  Milz  exstirpirt  war,  die  Menge  des  ausgeschiedenen  COj,  d 
Harnstoffs,  die  Temperatur,  Blutzusammensetzung  u.  s.  w  bestimmte,  worüber 
diesem  Autor  nachzusehen. 

Die  physiologischen  Nachrichten  über  die  Nebenniere  un 
die  Thyreoidea  lauten  noch  sehr  unbefriedigend.  Die  Structi 
und  das  Wenige,  was  über  ihre  Zusammensetzung  bekannt  is 
geben  die  Lehrbücher  der  mikroskopischen  Anatomie. 

Leber. 

Der  anatomische  Bau*)  der  Leber  ist  vorzugsweise  aufgehell 
durch  die  Untersuchungen  von  Kiernan,  E.H.Weber,  Schrö 
der  V.  d.  Kolk,  Henle,  Kölliker  und  Beale.  In  die  Lebe 
strömt  das  Blut  durch  den  Stamm  der  vena  portarum,  durch  einl 
kleine  gesonderte  Vene,  welche  aus  Zweigen  der  pyloricae  un< 
pancreaticae  entspringt,  neben  dem  Gallengang  herläuft  und  endlic 
in  die  Pfortader  übergeht  (Devalez)  und  durch  die  Arteri 
hepatica.  Alles  dieses  Blut  wird  durch  die  vena  hepatica  ausg< 
geführt.  —  Das  durch  die  Venen  eingehende  Blut  vertheilt  sie 
ohne  Ausnahme  sogleich  in  das  Capillarsystem  der  Leberinseh 
oder  anders  ausgedrückt  in  dasjenige,  welches  die  Anfänge  de 
gallenbereitenden  Wandungen  umfasst;  es  gelangt  hierhin  auf  di 
Weise ,  dass  sich  die  vena  portarum  und  ihre  Aeste  zunächst  bäum 
förmig  verzweigen  und  schliesslich  in  kleine  bogenfönnig  auseinande 


•)  Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelohre.  3.  Aufl.  1859.  p.  435.  —  H.  E.  Weber,  ZatSik 
Ka  seinen  Untersuchungen.  Leipziger  Berichte;  mathemat.-physische  Klasse.  1849.  p.  151.  —  Der 
selbe,  ibid.  1850.  p.  15.  —  Gerlach,  Handbuch  der  Gewebelehre.  Mainz  1849.  —  Beale 
Philosophlcnl  Transactlons.  1856.  I.  Bd.  —  Vir  oh  o  w,  dessen  Archiv.  XI.  574. 


Anatomischer  Bau  der  Leber. 


309 


anfende  Aestchen  enden;  mehrere  solche  Aestcben  (die  Ring-  oder 
vlwischenlappenvenen),  welche  in  ein  und  derselben  Ebene  liegen, 
umschliessen  einen  Raum,  die  Leberinseln,  welcher  von  eng- 
laaschigen  Capillarnetzen  durchzogen  wird,  die  aus  den  Ringvenen 
eervorgehen.  In  der  Mitte  eines  solchen  Raumes  sammeln  sich 
lann  wieder  ziemlich  plötzlich  die  feinen  Lumina  zu  einem  grossem, 
eer  Mittelvene  (vena  centralis),  welche  nach  der  vollbrachten  Ver- 
ündung  mit  den  benachbarten  als  vena  hepatica  auf  dem  kürzesten 
[7ege  gegen  den  Ort  der  vena  cava  zu  dringen  sucht,  wo  sie  sich 
liit  dem  Zwerchfell  kreuzt.  —  Die  Art.  hepatica  geht  zum  Theil 
lait  seinen  Aestchen,  welche  der  vena  portarum  bis  zu  den  Ring- 
P3nen  folgen,  geradezu  in  das  Gefässnetz  der  Leberinseln  über, 
pim  Theil  versorgt  sie,  ehe  sie  ihr  Blut  dorthin  schickt,  vorerst  die 
7andung  der  Gallen-  und  Blutgefässe ,  die  Kapsel  und  den  serösen 
(r'eberzug  der  Leber.  Das  auf  diese  Weise  in  Capillaren  über- 
'3flihrte  Blut  sammelt  sich,  und  zwar  theilweise  durch  eigene  Venen, 
11  der  vena  portarum,  um  dann  durch  die  Capillaren  der  Leber- 
Kseln  zu  den  Mittelvenen  zu  gelangen. 

Die  Lücken,  welche  zwischen  den  Capillaren  der  Leberinseln 
orig  bleiben,  werden  ausgefüllt  durch  ein  anderes  netzförmig  ver- 
undenes  Höhlensystem,  das  umschlossen  wii'd  von  einer  sti'uktur- 
ssen  Haut,  die  meist  untrennbar  mit  der  der  Blutcapillarehwand 
!3rwachsen  ist  und  die  nur  an  den  Umgrenzungen  der  Insel  ge- 
ändert dargestellt  werden  kann.  Der  Hohlraum  dieses  Anfang- 
ützes  der  Gallengänge  ist  ausgefüllt  mit  den  Leberzellen,  grossen 
Jimhaltigen,  von  Flüssigkeit  strotzenden  Zellen.  Wenn  diese  eben- 
«schilderten  netzförmigen  Gänge  gegen  die  Umgrenzung  der  Leber- 
Bseln  gekommen  sind,  so  lagert  sich  auf  ihrer  nun  selbstständig 
«wordenen,  bis  dahin  strukturlosen  Haut  eine  Epithelialschicht 
f);  da,  wo  dieses  geschieht,  verengert  sich  ihr  Hohlraum  sehr  be- 
achtlich und  zugleich  verschwinden  aus  ihm  die  Leberzellen.  Da 
lan  die  letztern  als  die  Stätte  ansehen  muss,  in  welcher  die  Galle 
Breitet  wird,  so  unterscheidet  man  die  Gänge  innerhalb  der  Leber- 
«seln  als  gallenbereitende  von  den  gallenausflihrenden,  ausserhalb  der 
aseln  verlaufenden.  Die  ausführenden,  ursprünglich  sehr  engen, 
hben  den  Ringvenen  gelegenen  Gallengänge  vereinigen  sich,  indem 
le  immer  neben  den  Pfortaderästen  laufen,  zu  grössern;  in  die 
iTandung  der  letztern  lagert  sich  zu  den  vorhergehenden  Bestand- 
ieilen  ein  streifiges  Bindegewebe,  elastische  Fasern,  einzelne 
raskulöse  Faserzellen,  und  endlich  ist  die, innere  Fläche  statt  des 


310 


Förment  und  Amyloid  der  Leber. 


frühern  mit  einem  deutlichen  Cylinderepithelium  überzogen.  I 
ähnlicher  Weise  ist  auch  die  Wand  der  Gallenblase  gebaut,  m 
dem  Unterschied  jedoch,  dass  die  Muskelmassen  eine  vollkomraei) 
Haut  um  die  Gallenblase  bilden,  und  dass  ihr  Epithelium  dem  d 
Darmschleimhaut  gleicht. 

In  die  grössern  Ausführungsgänge  [die  Gallenblase  mit  eii 
gerechnet?  — )  münden  noch  andere  Oeifnungen,  die  theils  in  kleii 
traubenförmige  Drüschen  (Schleimdrüsen),  theils  in  längere  ne' 
förmig  verbundene  cylindrische  Kanäle  (abortive  Zellengänge)  führe 

Aus  der  Leber,  und  zwar  an  der  Oberfläche  sowohl  als  aus  d 
Porta,  ti-eten  zahlreiche  Lymphgefässe  hervor. 

In  die  Leber  gelangen  aus  dem  plex.  coeliac.  NeiTcnzweig] 
die  nach  angestellten  Vivisectionen  zunächst  aus  dem  n.  splanchnici 
und  in  letzter  Instanz  vom  Boden  der  vierten  Himhöhle  kommq 
und  in  die  Gefässe  der  Leber  eingehen  (Gl.  Bernard,  Graef 
Hensen). 

2.  Chemischer  Bau  der  Leber.  Das  Gerüst  der  Leber,  in 
besondere  die  Häute  der  Blut-  und  Gallengefässe,  besteht  aus  d 
gewöhnlichen  Stoffen  dieser  Formelemente.  Die  Flüssigkeit,  welcl 
aus  der  zerquetzschten  Leber  erhalten  wird,  ist  ein  Gemenge  d( 
Inhaltes  der  Blutgefässe,  der  Leberzellen,  Lymphgefässe  und  Schleii 
drUsen.  Ausser  den  zu  erwartenden  Bestandtheilen  jener  Flüssi 
keiten  kann  der  Lebersaft  noch  enthalten :  a)  Einen  wahrscheinli< 
eiweissartigen  Fermentkörper,  welcher  Amylon  in  Zucker  umwa 
delt  (Bernard,  Hensen).  Nach  einer  längern  Entziehung  v( 
Nahrung  scheint  das  Fennent  zu  schwinden.  —  b)  Einen  de 
Amylon  ähnlichen,  in  Wasser  löslichen  Stoff  (Bernard)*).  Na 
Kekulö*)  hat  er  die  Zusammensetzung  C12H10O10,  nach  E.  Pelou: 
C12H12O12.  Derselbe  verwandelt  sich  durch  kochende  Mineralsäun 
und  durch  das  Ferment  der  Leber,  des  Bluts,  des  Kopf-  ui 
Bauchspeichels  in  Zucker  um.  Der  Gehalt  der  Leber  an  diese 
Stoff  steht  in  Beziehung  zu  dem  allgemeinen  Emährungsstand  ä 
Thiers,  und  namentlich  wächst  er  mit  demselben;  gleichgiltig  ( 
derselbe  mittelst  eines  von  Zucker  und  Amylon  befi-eiten  oder  d 
mit  behafteten  Futters  erzeugt  wurde,  er  scheint  jedoch  im  letzten 
Falle  reichlicher  vorhanden  zu  sein.  Die  Menge  des  Amylons  nimi 
dagegen  um  so  mehr  ab,  je  rascher  seine  Umwandlung  in  Zuck 
erfolgt.  —  c)  Einen  in  Wasser  unlöslichen,  Zucker  bildenden  Stc 

•)  Ol.  Bernard,  Le90u3  aur  les  propridt€B  des  fluides.  1859.  n.  [).  89  ff. 
»»)  Chemisches  Centralblntt,  1858.  p.  300. 


Traubenzucker  der  Leber. 


311 


7011  unbekannten  Eigenschaften.  Auf  seine  Anwesenheit  schliesst 
Jensen*)  aus  der  Beobachtung,  dass  auch  solche  Lebern  mit 
^'erment  oder  Salzsäure  behandelt  Zucker  geben,  aus  welchen  durch 
(Wasser  weder  Zucker  noch  Amylon  ausgezogen  werden  kann. 

Nach  Schiff**)  soll  bei  Fröschen  der  Zucker  gebende  Stoff  als  Körnchen  in 
iwn  Leberzellen  zu.  finden  sein. 

d)  Traubenzucker***).  Ueber  seine  Menge  im  Leber- 
t^ewebe  giebt  ausser  der  Zerlegung  dieses  letzteren  auch  noch  der 
liuckergehalt  des  Leberblutes  und  des  Harns  Aufschluss,  voraus- 
t-esetzt,  dass  man  im  ersten  Falle  weiss,  wie  viel  Zucker  die  Pfort- 
i'.der  führte,  und  im  zweiten  Falle  nachweisen  kann,  dass  der 
Uarnzucker  nur  aus  der  Leber  entsprungen  ist.  —  1)  Ein  gesundes 
Individuum,  das  hinreichende  Nahrung  erhält,  gleichgiltig ,  ob  die 
■etztere  aus  Fleisch  allein  oder  neben  diesem  auch  aus  Amylaceen 
(esteht,  hat  eine  zuckerhaltige  Leber.  Wird  die  Fütterung  unvoll- 
ständig, so  kann  der  Zuckerreichthum  der  Leber  gleich  bleiben, 
'ich  mindern  oder  auch  ganz  verschwinden.  Das  letztere  kann 
lintreten,  wenn  man  den  Thieren  alles  Futter  entzieht,  so  dass 
•ie  auf  ihr  eigenes  Fleisch  und  Blut  angewiesen  sind.  In  den 
rrsten  Tagen  der  Hungerzeit  findet  sich  jedoch  immer  noch  Zucker, 
10  dass  erst  in  einem  spätem  Zeitpunkt,  der  dem  vollkommenen 
iiungertode  sich  jedoch  bis  auf  Stunden  nähern  kann,  der  Zucker 
rollständig  verschwindet  (Bernard,  Stokvis).  Füttert  man 
DQSschliesslich  mit  Wasser  und  Leim  oder  Wasser  und  Amylon,  so 
i.nkt  der  Zucker  kaum  unter  die  Nonnalmenge;  durch  alleinige 
:fahrung  von  Fett  und  Wasser  sinkt  der  Zucker  beträchtlich.  — 
))  Einige  Stunden  nach  einer  reichlichen  Mahlzeit  steht  derZucker- 
Eehalt  der  Leber  am  höchsten  (Bernard).  —  3)  Nach  einer 
lunktförmigen  Verletzung  in  der  Mittelfurche  der  vierten  Himhöhle 
zwischen  dem  Ursprung  des  n.  acusticus  und  n.  vagus,  selbst  wenn 
orgängig  der  n.  vagus  am  Hals  durchschnitten  wurde,  mehrt  sich 
f er  Zuckergehalt  (Cl.  Bernard).  Dasselbe  geschieht  nach  Durch- 
•shneidung  der  n.  splanchnici  (Graefe,  Hensen).  In  beiden 
i 'allen  sind  die  Gefässe  der  Unterleibshöhle  erweitert.  —  4)  Wenn 
tei  Fröschen  das  Rückenmark  gereizt  wird,  so  wird  der  Harn 


•)  Vlrchow's  Archiv.  XI.  Bd.  39G. 

••)  Schiff  in  Melasner's  Jahresbericht  fUr  1857.  p.  258. 
'  »*•)  01.  Bernard,  Le9ons  de  Physiologie.  1854—1856.  Paris  1855.  —  Moos,  Pharmaz.  Central- 
Intt.  1858.  273.  —  Stoltvis,  Wiener  med.  Wochenschrift.  1857.  285.—  Sanson,  Journal  de 
'Physiologie  par  Brown-SdqOard.  1.  Bd.  p.  244.  —  D  e  r  sei  b  o,  Pogglalo  otc.  ibidem  549' 


312 


Traubenziiolccr  der  Leber. 


zuckerhaltig,  eine  Ersclieiuung,  welche  ausbleibt,  wenn  vorgäug 
die  Blutgefässe  der  Leber  unterbunden  waren  (Schiff,  Moos). 
5)  Nach  der  Durchschneidung  des  Rückenmarks  unterhalb  d4j 
Halsanschwellung  verschwindet  der  Zucker,  aber  das  Amyloid  i 
noch  nachweisbar.  Da  die  Temperatur  des  Säugethieres  nach  dies^ 
Operation  sehr  beträchtlich  (auf  24 "C.)  herabsinkt,  so  war  Bernai- 
geneigt,  den  Gnind  für  die  Abwesenheit  des  Zuckers  darin  /. 
finden,  dass  die  Te&peratur  nicht  genügt,  um  eine  reichliche  Uii 
Wandlung  des  Glycogens  in  Zucker  unter  dem  Einfluss  der  Gäl 
rung  zu  ennöglichen.    Dieser  Erklärung  widerspricht  die  Erfahruu, 
dass  in  der  todten  Säugethierleber  auch  noch  bei  einer  viel  niedi 
geren  Temperatur  die  Umsetzung  vor  sich  geht  und  dass  ein  gleiche 
Erfolg  nach  Durchschneidung  des  Froschrückenmarkes  von  Moo 
beobachtet  wurde.    Nach  Durchschneidung  des  Rückenmarkes  üb( 
der  Halsanschwellung  verschwinden  Zucker  und  Amyloid  aus  de 
Leber  (Bernard).  —  6)  Nach  Durchschneidung  des  n.  vagus  ai 
Halse  mindert  sich  der  Leberzucker  sehr  auffallend  (Bernard] 
jedoch  nicht  immer  bis  zum  vollkommenen  Verschwinden ,  wen 
der  Tod  ungefähr  29  Stunden  nach  der  Vervsoindung  eintrat  (Moos ' 
Der  letzte  Beobachter  ist  geneigt,  die  Ursache  der  Abnahme  i 
dem  Allgemeinleiden  zu  suchen,    welches   die  Durchschneidun 
mit  sich  führte.  —  Durchschneidung  der  vagus  unter  der  Brusthöhl 
soll  den  Leberzucker  unverändert  lassen;  Reizung  des  centrale! 
Stumpfes    eines    am  Hals    durchschnittenen   vagus   ihn  mehrei 
(Bernard). —  7)  In  fieberhaften  Krankheiten  verliert  sich,  voraus 
gesetzt,  dass  die  Thiere  sich  der  Nahrung  enthalten,  der  Zucke 
vollkommen.    Nehmen  die  fieberkranken  Thiere  Futter  zu  sich,  wi( 
dieses  z.  B.  die  Pferde  thun,  so  verschwindet  zwar  der  glycogen« 
Stoff  aus  der  Leber,  nicht  aber  der  Zucker  (Bernard). —  8)  Di( 
Leber  eines  Thieres,  das  bis  zur  Todeskälte  (18 — 20  C.)  abgektihl 
ist,  verliert  den  Zucker,  behält  aber  das  Amyloid.    Wird  das  Thiei 
wieder  erwärmt,  so  kehrt  der  Zucker  wieder.    Ein  auf  50 — 60* 
erwärmtes  Thier  büsst  das  Amyloid  und  den  Zucker  ein  (Bernard).— 
9)  Zur  Zeit  der  bestehenden  Milchabsonderung  in  den  Brüsten  sol 
der  Leberzucker  nach  Moos  vermehrt,  nach  Bernard  in  Menge 
unverändert  sein.  —  10)  In  dem  sog.  Diabetes  mellitus  ist  der 
Zuckergehalt  der  Leber   vermehrt   (Bernard,    Stokvis).  — 
11)  Der  Leberzucker  ist  reichlicher  vorhanden  nach  Vergiftung  mit 
Curare,  vorausgesetzt,  dass  eine  künstliche  Athmung  eingeleitet 
wurde  (Bernard).    Dasselbe  geschieht  nach  Einspritzung  von 


Traubenzucker  der  Leber. 


313 


Aether  und  verdünnter  Ammoniaklösung  in  die  Pfortader  (Harley) 
und  nach  Einathmung  von  Aetherdämpfen  (Reynoso). 

Für  die  ausgesprochenen  Behauptungen  stehen  die  Thatsachen  der  folgenden 
Tabelle  (wenigstens  theilweise)  ein : 


Beobachtnngs- 
^egenstand. 


Mensch. 


Hund. 


iln  diesen  Be- 
'')bachtiingen 
»wurden  die 
rrhiere  gleich 

nach  der 
;  Fütterung 

getödtet. 

Hund. 


/l. 
2. 
[3. 
14. 

je. 
[7. 

8. 

ö" 

10. 

11. 

12. 
13. 


Bemerkungen. 


Plötzl.Tod;  nüchtern. 

„      „      im  Magen 
Speisen. 

„     „     2  Tage  nach 
dem  Tode 
untersucht. 
Magen  leer. 

„     „  Diabet.mell 

„     ,,  Diabet.mell. 

Magen  voll 
Speisen.  40 
Stund,  nach 
dem  Tode 
untersucht. 

„     „  Verdauungs- 
zeit. 

Fleischnahmng. 

»)  >j 
Brod  und  Fleisch. 


Drei  Tage  nur  mit  Mehl 

und  Zucker. 
Sechs  Tage   allein  mit 
Mehl. 

Nahrung  aus  ungesalz. 
Speck. 
„       aus  Schweine 

schmalz. 
„       aus  Leim. 
„       aus  HammelS' 
füssenfett. 
Mehl. 
Kartoffeln ,  Amylon, 

Zucker. 
Stägiger  Hunger. 
Nach    8  tägig.  Hunger 
Fleisch. 


Prozentgehalt  an  Zucker 


in  dem  Leber- 
gewebe. 


Kaninchen. 


0,79 
2,14 

1.1 


2,3 
1,79 


1,55 

1,9 
1,4 
1,7 
1,3 
1,3 
1,9 

1,5 

0,9 

0,6 

1,33 
1,65 

1,25 
1,88 

0 

1,3 


in  der  Pfort- 
ader. 


in  der  Leber- 
ader. 


Beobachter. 


'Bemard. 


'  Stokvis. 


>C1.  Bemard 


>  Stokvis. 


2,17 
2,70 

Nach  Moos  gaben  500  6r.  Kaninchen  normal  0,7  Gr.  Zucker,  milchgebend 
5,3  Gr.,  nach  Vagus  Durchschnitt  (Tod  nach  23  Stunden)  im  Mittel  0,  l  Gr.—  500  Gr. 
innd  unter  den  letzten  Bedingungen  (Tod  nach  29,75  Stunden)  0,09  Gr.  Zucker. 

e)  Ino8it(Cloetta)*).  —  f)  Milchsäure  (v.  Bibra)**).— 
)  h)  i)  Olein,  Margarin  (Stearin  und  Palraitin),  Chole- 

•)  LIebig's  Annalcn.  99.  Bd.  289. 

**)  V.  Bibra,  Cbemlacho  Fragmente  Uber  Leber  und  Galle.  Brannuchw.  1849. 


314 


Fette  und  andere  Bestandtheile  der  Leber. 


I 


Stearin.    Der  Gehalt  der  Leber  an  Fetten  kann  sehr  veränd' 
lieh  sein.    In  der  gesunden  Leber  scheint  er  mit  dem  allgemein 
Fettreichthum  des  Körpers  zu  wachsen;  jedenfalls  mehrt  er  sii 
mit  dem  Fetti-eichthum  der  Nahrung.    Diesen  letzten,  schon  vo 
Magendie,  Gray,  Laue  u.  A.  behaupteten  Satz  beweist  Fr« 
richs*)  dadurch,  dass  er  Hunde,  denen  er  ein  Stückchen  Leb< 
ausgeschnitten,  mit  fettreicher  Nahrung  füttert;  22  Stunden  naq 
Beginn  der  letztem  steigt  schon  der  Fettgehalt  der  Leber  merklich  ai 
und  nach  8  X  24  Stunden  ist  die  Leber  mit  Fetten  aufs  Reicl 
liebste  erfüllt.    Wh-d  dann  umgekehrt  fettarme  Nahrung  gereich 
so  schwinden  nach  einiger  Zeit  die  Leberfette  wieder.    Die  Fet 
werden  in  das  Innere  der  Leberzellen,  welche  sich  dabei  vergrössei 
als  Körnchen  und  Tröpfchen,  zuweilen  auch  als  Krystalle  abi^ 
lagert.    Wenn  die  Füllung  der  Leber  mit  Fett  im  Steigen  begrifit 
ist,  so  scheinen  sich  zuerst  die  Zellen,  welche  in  der  Nähe  d( 
Ringvenen  liegen,  und  dann  erst  die  Nachbarn  der  Mittelvenen  nj, 
Fett  zu  sättigen.  —  Ausser  in  den  Zellen  soll  auch  das  Fett 
den  Gallengängen  frei  vorkommen  (Vogel,  Wedl),  ein  Verhalte 
das  wegen  des  Fettgehaltes  der  Galle  schwerlich  bestritten  werdi 
kann.    Krankhafter  Weise  häuft  sich  auch  bei  sonst  abgemagerfc 
Individuen  Fett  in  der  Leber  an.  —  k)  Gallensäuren**).  S 
finden  sich  jeder  Zeit  in  der  Leberflüssigkeit;  da  sie  im  Pfortad( 
und  Lebervenenblut  der  Säugethiere  fehlen  (Lehmann)  und  l 
Fröschen  im  Blut  auch  nach  Ausschneidung  'der  Leber  nie 
beobachtet  werden  (Kunde),  selbst  dann  nicht,  wenn  jeneThie 
die  Ausschneidung  ihrer  Leber  21  Tage  überlebt  haben  (Mol 
Schott),  so  sind  sie  unzweifelhaft  als  eine  chemische  Neubilduj 
der  Leber  anzusehen.    Die  mikrochemische  Reaktion  hat  sie  i 
einen  Bestandtheü  des  Leberzelleninhaltes  nachgewiesen.  —  1)  Ein' 
in  Chloroform  löslichen  und   daraus  in  rothen  KrystaUen  ai 
schiessenden  Farbstoff  (Valentiner  ***).    Nach  dem  Entdeck 
dieses  Verhaltens  mit  Haematoidin,   nach  Brücke   sicher  ii 
Gallenbraun  identisch.  —  m)  Andere  im  Weiteren  unbekani 
Farbstoffe;  die  letztern  insgesammt  werden  in  den  Leberzellen  i 
getroffen  —  n)  Harnsäure  (Cloetta).  —  o)  Xanthogl 
bulin  (Scherer)  t).  —  In  kranken  Lebern,  insbesondere  1 

*)  Klinik  der  Leberlirankheiten.  I.  Bd.  285  ff. 

*•)  Kunde,  De  liepatis  ranarum  exstlrpatlone.   Berlin  1850. —  Moleschott,  Arch.  für  pl 
Heilkunde.  XI.  Bd.  479.  —  Honle's  Allgom.  Anatomie.  1841.  903. 
••»)  GUnsburg's  Zcitsclirift.  Dezember  1858.    Wiener  akad.  Berichte.  März  188». 
t)  Würzburger  Verhandlungen.  VII.  Bd.  262. 


Salze  der  Leber. 


315 


Typhus,  Pyaemie,  bösartigen  Wechselfiebern  u.  s.  w.  Leu  ein, 
Tyrosin  (Freriehs,  Staedeler)  *),  Sarkin  und  zuweilen 
Cystin  (Scher er).  Wenn  diese  letzteren  vier  Körper  reichlich 
auftreten,  so  ist  meist  die  Zucker-  und  Gallenbildung  beeinträchtigt. — 
p)  Die  Leberasche  **)  ist  von  Oidtmann  zerlegt;  die  folgenden 
:Zahlen  sind  von  denselben  Individuen  hergenommen,  welche  schon 
idie  Milzasche  lieferten  (p.  302).  In  100  Theilen  enthält  die  Leber  . 
imd  die  Leberasche: 


Mann. 

Kind. 

Wasser  .... 

74,0 

82,50 

Anorgan.  Stoße  .  . 

1,1 

0,91 

Chlor  

2,50 

4,21 

PhOs  

49,37 

42,75 

SO3  

0,91 

0,91 

SiOs  

0,27 

0,18 

KO  

25,17 

34,72 

NaO  

14,47 

11,27 

CaO  

3,02 

0,33 

MgO  

0,19 

0,07 

FeaOs  

2,75 

2Mn03    .    .•  .  . 

0,10 

CuO  

0,05 

1  5,45 

Pb  

0,01 

Phosphorsaure  Erde 

Die  Asche  reiht  sich  an  die  der  Blutkörperchen,  Milz,  Muskeln 
I  urch  ihren  Gehalt  an  KO  und  PhOa.    Eigen  ist  ihr  Reicbthum  an 

und  Pb.  Nach  Ftitterung  mit  unschädlichen  Kupfersalzen 
•Stearin  und  margarinsaures  CuO)  kann  das  CuO  zu  0,02  pCt.  der 
' Buchten  Leber  steigen  (Staedeler).  Im  jugendlichen  Individuum 
inthält  die  Leber  weniger  Cu  als  im  Erwachsenen  (Devergie, 
llunk). 

Quantitative  Analysen  der  ganzen  Leber  siehe  bei  Bibra. 

3.  Vergleichung  des  Blutes  in  der  Pfort-  und  Leberader.  Das 
^'fortaderblut  ist  bis  dahin  in  seiner  qualitativen  Zusammensetzung 
yenig  abweichend  von  dem  der  andern  Venen  gefunden  worden. 


■)  Fre rieh g,  Klinik  der  Leberkrnnkhelten  181. 
'  ••)  Oidtmann,  die  anorgan.  Beatandthelle  der  Leber  und  Milz,   Linnich  1858.—  Bibra, 
'  e- —  Lan  gen  beck  und  Staedeler,  Ucbcr  die  Wirkung  der  Verbindungen  dos  Kupferoxyds 
itt  fetten  Säuren.   ZUricher  Mltthellnngen.  1865.  —  Münk  ,  De  onpro  In  organlca  etc.  obvlo.  1856. 


316 


Blut  der  Pfort-  und  Loberader. 


Dieses  gilt  selbst  für  das  Blut,  welches  zur  Zeit  der  Verdauung  l| 
den  ausgedehnten  Wurzeln  der  Pfortader  vom  Darminhalt  umspi 
worden  ist.    Wenn  man  diese  Erfahrungen  nicht  auf  die  Mang' 
haftigkeit  der  analytischen  Hilfsmittel  schieben  will,  so  bleibt  nii 
die  Annahme  übrig,  dass,  ganz  günstige  Fälle  ausgenommen,  dl 
Menge  von  Flüssigkeit ,  welche  durch  den  Dififusionsstrom  aus  de  \ 
Darmkanal  in  die  Gefässröhren  gefördert  wird,  verschwindet  geg< 
die,  welche  der  Blutstrom  selbst  in  sie  führt.    Mit  dieser  letzt<) 
Annahme  stimmt  auch  die  quantitative  Zusammensetzung  des  Serum 
welches  5  und  10  Stunden  nach  der  Fütterung  analysirt,  gleicl 
Zusammensetzung  bot  (Lehmann).    Auffallender  Weise  gab  d; 
gegen  diesem  letztern  Beobachter  das  gesammte  Pfortaderblut  d» 
Pferde  10  Stunden  nach  der  Fütterung  0,4  pCt.  Extrakte  und  di 
ungeheure  Quantität  von  8,6  pCt.  Wasser  mehr  als  5  Stunden  na^ 
derselben.    Diese  Abweichung,  welche  bei  gleicher  Zusamme 
Setzung  des  Serums  nur  bedingt  sein  könnte  durch  eine  Veränd 
rung  in  der  Menge  der  Blutkörperchen,  verdient  mit  Zuhilfenahi 
der  Färbekraft  bestätigt  zu  werden.  —  Unter  Hinweisung  a 
p.  33  d.  B.    dürfte  hier   noch  Folgendes  hervorzuheben  sei 
a)  Die  rothen  Scheiben  im  Blut  der  Lebervenen  sollen,  wie  1. 
schon  geschildert  wurde ,  in  Gestalt  und  ehem.  Reaktion  von  deiii 
des  Pfortaderinhaltes  abweichen;  ebenso  sei  auch  ihre  Zahl  i 
Verhältniss  zu  den  farblosen  geringer.    Daraus  hat  man  theils  ai 
eine  Neubildung,  theils  auf  eine  Entfärbung  vorhandener  Körpc 
eben  schliessen  wollen.    Seitdem  man  jedoch  die  durch  den  Blr 
sti-om  selbst  herbeigeführte  Vertheilung  der  Körperchen  in  den  V( 
schiedenen  Gefässstücken  genauer  berücksichtigte,  ist  man  geneii 
jene  Thatsachen  dahin  zu  deuten,  dass  sich  wegen  des  langsami 
Stroms  .in  der  Leberader  die  rothen  und  weissen  Körperchen  dort  a 
häufen  möchten.  Eine  Unterstützung  hierfür  zieht  man  aus  den  Beobac 
tungen  von  Lehmann,  nach  welchen  der  Wassergehalt  des  Pfoi 
aderblutes  den  des  Leberblutes  um  8  bis  9  pCt.  übertriflft.  "Dei 
nähme  man  in  der  That  an,  dass  in  der  Leberader  die  Körperchi 
gerade  so  rasch  strömten,  als  in  der  Pfortader,  so  würde  d 
Unterschied  des  Wassergehaltes  nur  aus  einem  Verlust  an  Was* 
in  der  Leber  abgeleitet  werden  können,  und  wohin  sollte  es  si( 
dort  verloren  haben?  (p.  31.)  —  b)  Früher  glaubte  man,  gestüt 
auf  die  Angaben  von  Bernard,  dass  unter  allen  Umständen,  m 
selbst  nach  reichlichem  Genuss  von  Zucker  nur  ausnahmsweii 
dieser  Stoff"  im  Pfortaderblut  gefunden  werde.    In  dieser  Ausde 


Blut  der  Pfort-  und  Leborader. 


317 


nung  ist  jedoch  die  Sache  nicht  bestätigt  worden.  Allerdings  finden 
Leconte,  Lehmann  und  Poggiale  nach  Hunger  und  Fleisch- 
nahrung für  gewöhnlich  keinen  Zucker  in  der  Pfortader ,  aber  nach 
Fütterung  niit  Amylon  und  Zucker  ist  der  letztere  Körper  von  allen 
Beobachtern  übereinstimmend  gefunden  worden,  und  dazu  ist  von 
Sansou  nicht  allein  im  Blut  überhaupt,  sondern  auch  in  den 
Muskeln,  der  Lunge  u.  s.  w.  ein  dextrinartiger  Körper  nachge- 
wiesen ,  welcher  durch  Gährung  in  Zucker  verwandelt  wird.  Dieses 
bestätigten  Bensen,  Bernard  und  Poggiale  für  den  Fall,  dass 
die  Thiere  kurz  vor  dem  Tode  reichlich  mit  Amylon  gefüttert 
wurden.  Das  Amyloid  fehlt  dagegen  sowohl  im  Blut,  als  auch  in 
allen  andern  Organen,  die  Leber  ausgenommen,  wenn  die  Thiere 
allein  mit  Fleisch  oder  einer  schwach  amylonhaltigen  Nahrung  ge- 
gittert werden  (Bernard,  Poggiale,  Sanson).  Endlich  ist 
auch  gefunden  worden ,  dass  das  arterielle  Blut  meist  mehr  Zucker 
untbält,  als  das  der  Haut-  und  Muskelvenen  (Harley,  Chaveau), 
i!0  dass  möglicher  Weise  auch  das  der  Arteria  hepatica  noch  Zucker 
flihrt,  wenn  er  selbst  dem  Blut  der  Vena  portarum  fehlt.  Fasst  man 
Alles  zusammen,  so  ergiebt  sich,  dass  es  Fälle  giebt,  in  welchen 
;las  zur  letzteren  strömende  Blut  vollkommen  frei  an  Kohlenhydrat 
}8t,  während  das  aus  ihr  hervorgehende  zuckerhaltig  ist,  und  dass 
Da  andern  Fällen  der  Leber  zwar  Kohlenhydrate  zugeführt  werden^ 
liass  diese  aber  an  Menge  dem  Traubenzucker  nachstehen,  welche 
ii;urch  das  Lebervenenblut  abströmen.  —  Die  Kohlenhydrate  und 
aasbesondere  Rohrzucker,  welcher  durch  die  vena  portarum  ein- 
ttrömt,  soll  in  der  Leber  in  Traubenzucker  umgewandelt  werden, 
i'idem  die  Lebervene  nur  diesen  letztern  enthält  (Bernard).  — 
))  Brown-Sequard  *)  bestätigt  dieAngabevon  Lehmann,  dass 
>.as  Lebervenenblut  des  Hundes ,  wenn  es  am  lebenden  ,  gallen- 
Öt.bsondeniden  Thier  aufgefangen  wird,  nicht  mehr  von  selbst  ge- 
[linnt.  Zuweilen  gerinnt  es  jedoch  noch,  und  zwar  dann,  wenn 
me  Brown-Sequard  venmuthet,  die  Gallenabsonderung  unter- 
rrückt  ist.  Das  aus  dem  todten  Thier  gewonnene  Blut  ist  meist 
;eronnen. 

Ueber  die  Zusammensetzung  des  Bluts  in  der  Leberarterie  und 
ttsbesondere  über  seine  Veränderungen  beim  Durchgang  durch  die 
»eher  ist  nichts  bekannt. 

4.  Von  dem  Strom  des  Leberblutes.  Die  Richtung  des  Stroms 
1  den  Blutgefässen  der  Leber  wird  für  gewöhnlich  von  der  Porta 

*)  Journal  de  la  Physiologie.  I.  p.  2U8. 


318 


BlutstrojD  in  der  Leber. 


ZU  der  Lebervene  gehen ;  doch  ist  wegen  der  Abwesenheit  aller  Klapi)  i 
in  den  Leber-  und  Pfortadei*venen  und  der  leichten  Ausdehnbark^ 
der  Darmgefässe  auch  das  Umgekehi-te  möglich.  —  Die  Geschwind! 
keit  des  Stroms  in  der  Pfortader  muss  unter  Voraussetzung  gleich 
Widerstände  in  und  jenseits  der  Leber  veränderlich  sein;  d< 
einmal  sind  die  Durchmesser  der  Blutgefäss capiUaren  in  den  W 
düngen  der  Unterleibsdrüsen  veränderHch,  wie  die  in  diesen  Orgau 
vor  sich  gehende  Saftbildung,  die  insbesondere  zunimmt  zur  Z 
der  Verdauung;  da  nun  in  den  weiteren  Röhren  die  Reibung 
lativ  zur  durchgehenden  Blutmasse  geringer  ist,  als  in  den  engei 
so  muss  während  der  Verdauungsperiode  das  Blut  mit  grosse 
Kraft  in  die  Pfortader  einsti'ömen,  als  in  anderen  Zeiten.  Da 
vnrd  aber  auch  bei  jeder  nicht  allzutiefen  Inspiration  die  schln 
Masse  des  Bauchinhaltes   zusammengedi-ückt ,    entsprechend  ■ 
lü'aft,  mit  welcher  das  Zwerchfell  sich  zusammenzieht,  und  die 
Druck  muss  nothwendig  das  Blut  in  der  Pfortader  beschleunig* 
das  dm-ch  die  steife  Leber  seinen  ungehemmten  Ausweg  findet. 
Aber  auch  bei  gleicher  Triebkraft  muss  die  Geschwindigkeit  v 
änderlich  sein,  weil  die  Lebergefässe  selbst  unter  dem  Einfli 
ihrer  ungleich  erregten  Nerven  verschiedene  Durchmesser  annelm 
und  weU  die  Widerstände  namentlich  jenseits  der  Leber  in  ( 
Brusthöhle  gar  nicht  unbeträchtUch  variabel  sind.    Bei  jeder 
spiration  mindert  und  bei  jeder  Exspiration  mehrt  er  sich  bekan 
lieh.    So  deuten  also  alle  Umstände  darauf  hin,  dass  in  der 
wöhnlichen  Ausathmung  das  Fliessen  langsamer  und  in  der  E 
athmung  rascher  ist.  —  Aehnliches  gilt  auch  für  den  Strom  in  ( 
Leberarterie.  —  Ueber  das  Verhältniss  der  .Geschwindigkeiten 
den  beiden  Gefässen  pflegt  man  sich  gewöhnlich  dahin  aus 
dx'ücken,  dass  die  Strömung  in  der  Leberarterie  viel  rascher 
in  der  Pfortader  sei,  weil  die  lebendige  Ki-aft  des  frisch  aus  d 
Herzen  dringenden  Arterienblutes  weit  bedeutender  sei ,  als  die  ( 
Pfortaderblutes,  das  aus  den  Darmcapillaren  zurückkehrt,  währe 
die  Hemmungen,  welche  beiden  in  der  Leber  bevorstehen,  vi 
kommen  gleich  seien.    Man  bedenkt  dabei  nicht,  dass  auch 
grosser  Theil  des  Blutes  der  a.  hepatica  durch  zwei  Capillar 
netze,  die  beide  in  der  Leber  liegen,  wandern  muss.  Zudem 
es  fraglich ,  ob  das  Blut  in  den  Damcapillaren  sehr  bedeutend  , 
hemmt  wird;  denn  das  Bett  der  Darmarterien  erweitert  sich  d 
Anschein  nach  beim  Uebergang  in  das  Capillarensystem  der.Dai 
und  Drüsenwände  viel  beträchtUcher,  als  das  der  Leberarterie 


Blutstrom  in  der  Leber. 


319 


ihrer  Vertheilung  in  vasa  vasorum.  Unter  dieser  Voraussetzung 
würde  aber  nach  bekannten  hydraulischen  Grundsätzen  der  Theil 
des  Leberarterienblutes,  welcher  durch  die  vasa  vasorum  ginge, 
mehr  gehemmt ,  als  das  Blut  in  den  Darmcapillaren.  Endlich  wirkt 
i  auch  das  Blut  der  Pfortader  hemmend  auf  das  der  Leberarterien, 
1  denn  beide  münden  in  dasselbe  Capillarnetz. 

Die  absoluten  Werthe  der  Geschwindigkeit  sind  nicht  bekannt; 
iman  vermuthet,  dass  der  Strom  in  der  vena  portae  sehi'  langsam 
;  sein  möchte.    Dafüi-  spricht  aber  nicht  einmal  die  Theorie ;  denn 
:  gesetzt ,  es  besässe  das  Pfortaderblut  nur  schwache  lebendige 
Kräfte ,  so  würden  sie  doch  hinreichen ,  um  bei  geringen  Wider- 

•  ständen  in  der  Leber  immer  noch  eine  Geschwindigkeit  zu  erzeugen, 
idie,  verglichen  mit  der  des  Kreislaufes  überhaupt,  beti-ächtlich  ge- 
jnannt  werden  könnte.  Nun  spricht  die  enorme  Zahl  der  Leber- 
icapillaren  und  demnach  der  langsame  Strom  in  ihnen  sehr  dafür, 
idass  das  Blut  in  der  Leber  wenig  Hindernisse  erfährt,  und  die 

Einfügung  der  Lebervene  in  die  untere  Hohlvene  geschieht  an  einer 
iso  günstigen  Stelle,  dass  jenseits  der  Leber  dem  Strom  die  mög- 
1  liehst  geringe  Hemmung  entgegensteht.  Mit  dieser  Anschauung 
r  stimmt  die  Erfahrung  von  Volk  mann,  welcher  den  Centi-alstrom 
lin  den  Mesenterialcapillaren  eines  Hundes  gerade  so  geschwind 
Ifand,  als  Vierordt  den  der  Retinacapillaren. 

In  den  Capillaren  der  Leberinseln  wird  der  Strom  jedenfalls 
1  langsam  sein  aus  schon  angeführten  Gründen,  aber  trotzdem  wird 

•  dennoch  durch  die  Gesammtsumme  derselben  sehr  viel  Blut  gehen, 
ida  die  Räumlichkeit  eines  Durchschnittes  durch  ihr  Gesammtlumen 
'den  grössten  Querschnitt  der  Leber  um  Vieles  übertreffen  muss; 
•denn  von  der  Fläche  eines  jeden  Partialschnitts  derselben  gehört 

den  Gefässöffnungen  mindestens  ein  Dritttheil  zu;  und  wie  oft  kann 
Mich  bei  dem  geringen  Durchmesser  und  dem  kurzen  Längsverlauf 
(der  Capillaren  dieser  Antheil  in  der  dicken  Leber  wiederholen. 

Die  Spannung  des  Blutstroms  muss  dem  Vorstehenden  gemäss 

gewiss  ebenfalls  variiren;  unter  Umständen  steigert  sich  diefselbe 
iin  den  Lebercapillaren  so  beträchtlich,  dass  eine  sehr  merkliche 
»-Ausdehnung  der  Leber  erzeugt  wird  (Anschoppungen  der  Leber). 
lUeber  ihren  absoluten  Werth  ist  nichts  bekannt. 

5.  Galle  im  engern  Wortsinn.  Die  Flüssigkeit  in  den  gi-össern 
l  Lebergängen  und  der  Gallenblase  ist  ein  Gemisch  des  Absonde- 
f  rungsproduktes  der  Leberzellen  und  der  Schleimdrüsen.  Aus  diesem 
'  Gemenge  lassen  sich  zum  Theil  nur  vermuthungsweise  die  Bestand- 


320 


Leber;  öalle. 


theile  ausscheiden,  welche  aus  dem  Inhalt  der  Leberzellen  au 
getreten  sind.   Wir  zählen  zu  ihnen :  taurocholsaures  (und  glycocho 
saures)  Natron,  Lecithin  (Gobley)*),  Cholestearin ,  Olein,  Mai 
garin,   Biliphain  und  Biliverdin,   Traubenzucker**)  (Stokvis, 
Frerichs),  Chlornatrium,  kohlensaure  und  phosphorsaure  Kalk 
und  Talkerde,  Eisenoxyd,  zuweilen  Kupferoxyd,  Wasser. —  Diesi 
Lösungsgemenge  reagirt,  vorausgesetzt,  dass  ihm  kein  Schlei i 
beigemengt  ist,  neutral. 

Gorup  ***)  spricht  der  Menschengalle  die  Glycocholsäure  ab,  weil  er  unter  dui 
Zersetznngsprodukten  der  Galle  kein  Glycin  fand.  Strecker  f)  zeigte  schon  frühi' 
dasselbe  Verhalten  für  die  Hundegalle.  Unter  dieser  Voraussetzung  würde  das  Au 
treten  von  Hippursäure  im  Harn  schwer  begreiflich  sein ,  da  sich  diese  im  Blut  unti 
Zuhilfenahme  des  Glycins  der  Glycocholsäure  bildet  (Kühne  und  Hallwachs).  - 
Galle ,  welche  unmittelbar  aus  den  Lebergängen  oder  nur  nach  kurzer  Anwesenheit  i 
der  Blase  aufgefangen  wird,  enthält  nur  Gallenbraun,  aber  kein  Gallengrün.  D( 
letztere  Farbstoff  geht  also  erst  während  des  Aufenthalts  der  Galle  in  der  Blase  ai 
dem  erstem  hervor,  eine  Umwandlung,  welche  nach  den  Untersuchungen  von  Heintzf- 
auf  einer  Oxydation  beruht,  indem  l  Atom  Gallenbraun  (CajHigNsOo)  unter  Aufnahn 
von  1  Atom  Sauerstoff  in  2  Atome  Gallengrün  (CioHgNOs)  zerfällt.  — 

In  der  frischen  Galle  des  Hundes  findet  Bernard  keinen  Zucker;  Mösl  er  bi 
merkte  ihn  hier  erst  dann,  wenn  grössere  Mengen  in  das  Blut  eingespritzt  waren.  W: 
in  den  Harn,  so  geht  auch  in  die  GaUe  der  Eohrzucker  leichter  über  als  der  Traube) 
Zucker,  d.  h.  es  müssen  grössere  Mengen  von  der  letzteren  Zuckerart,  als  von  di 
ersteren  im  Blut  vorhanden  sein,  wenn  er  in  der  Galle  gefunden  werden  soll.  —  1 
der  Menschengalle,  selbst  in  der  möglichst  frischen,  bemerkten  Zucker  Stokvis  un 
Frerichs;  Bernard  vermuthet,  dass  er  durch  eine  nach  dem  Tod  eingetretei 
Diffusion  aus  der  Leber  dorthin  gekommen  sei.  —  Aus  dem  Blut  gehen  ausserdei 
wenn  sie  dort  vorhanden  sind,  in  die  Galle  über:  KJ  und  CuOSOs;  es  treten  dageg( 
nicht  über :  E.0  NOs  ,  2  Hg  Gl ,  Chinin ;  Benzoesäure  erscheint  in  der  Galle  nicht  a 
Hippursäure  (Mosler). 

a.  Die  Zusammensetzung  der  Galle  f ff)  ist  veränderlich :  1)  mi 
der  Nahrung.  Ein  reichlicher  Zusatz  von  Wasser  zu  einer  hi: 
reichenden  Brot-  oder  Fleischkost,  und  ebenso  Entziehung  d( 
Nahrung  mindert  den  Prozentgehalt  der  festen  Bestandtheil 
(Bidder,  Schmidt,  H.  Nasse,  Arnold). —  2)  Bei  genügende] 
Nahrung  aus  Fleisch  ist  die  Galle  reicher  an  festem  Rückstanc 


•)  Chemisches  Centraiblatt  1856.  p.  879. 

*»)  Stokvis,   Wiener  med.  Wochenschrift.  1857.  p.  238.  —  Frerichs,  Klinik  der  Lebe 
krankheiten.  I.  Bd.  90.  —  Mosler,  Deber  den  üebergang  von  Stoffen  aus  dem  Blut  in  die  GaUi 
Glessen  1867.  —  Bernard,  Legons.  I.  Bd.  1857.  p.  94. 
•»»)  Prager  Vierteljahrsschrift.  1851.  HI.  Bd.  86. 
t)  Liebig's  Annalen.  70.  Bd.  149. 
tt)  Lehrbuch  der  Zoochemie.  Berlin  1853.  p.  791. 
ttt)  Bidder  und  Schmidt,  Die  Verdauungssäfto.    Leipzig  1852.  p.  125  und  212.  —  H.  Nasse 
Commentatio  de  bilis  quotidie  a  cane  »ecreta  etc.    Marb.  1851.  —  Arnold,  Die  physiologlseh 
Anstalt  Heidelbergs.  1858.  p.  91. 


Leber;  Galle,  Voräiulerlichkeit  der  Zusammensctzimg. 


321 


als  bei  genügender  Brodualming  (Arnold).  Hierbei  versteht  man 
unter  gentigender  Nahrung  eine  solche,  bei  welcher  das  mittlere 
Körpergewicht  sich  gleich  bleibt.  —  3)  Die  Galle  verliert  dm-ch 
einen  längern . Aufenthalt  in  der  Blase  Wasser,  und  zwar  in  einem 
solchen  Grade,  dass  die  Blasengalle  in  100  Theilen  meist  doppelt 
}0  viel  festen  Rückstand  enthält,  als  die  aus  den  Lebergängen  auf- 
lufgefaugene.  —  In  der  Blase  ändert  sich  die  braune  Farbe  der  Galle 
n  die  grüne  (Bidder,  Schmidt).  Auch  soll  sich  in  ihr  die 
Grallensäure  in  harzige  Produkte  umsetzen  (Mulder).  —  4)  Der 
ff'assergehalt  der  Galle,  welche  bei  Nacht  abgesondert  wird,  ist 
itwas  niedriger,  als  der  am  Tage  gelieferte  (H.  Nasse).  —  5)  Die 
ochwankungen ,  welche  die  Prozente  des  festen  Rückstandes  be- 
reffen,  rühi-en  vorzugsweise  von  einer  Veränderlichkeit  der  organi- 
chen  Bestandtheile  her,  während  der  Prozentgehalt  an  Salzen  sich 
imnähernd  gleich  bleibt  (H.  Nasse).  —  6)  Der  Gehalt  der  Galle 
i.n  festen  Bestandtheilen  steht  in  keiner  nothwendigen  Beziehung 
m  der  Geschwindigkeit  der  Absonderug,  so  dass  z.  B.  der  erstere 
II  dem  Grade  abnimmt,  in  welchem  der  letztere  zunimmt. 

Die  Schwankungen  des  Prozentgehalts  der  Galle  an  festen 
tiestandth eilen  wechseln  nach  Bidder  und  Schmidt  bei  Säuge- 
niereu  zwischen  1,2  bis  11,0  pCt. 

Ueber  die  quantitative  Zusammensetzung  der  schleimhaltigen 
lenschengallen  besitzen  wir  Untersuchungen  von  Frerichs*)  und 
'  orup  **).  Das  Beobachtuugsmaterial  bezog  Gorup  aus  den 
(eichen  zweier  Hingerichteten. 


Gallensaures  Natron 


Margarin  und  Olein  .  . 
Schleim-  und  Farbstoff 


3MgO 
3  CaO 


POö  

h  

FeiO\i  Spuren, 


Frerichs. 

Gorup. 

85,92  — 

89,81—82,27 

.    9,14  — 

5,65—10,79 

■  0,26) 
.  0,92) 

3,09—  4,73 

.    2,98  — 

1,45—  2,21 

0,20\ 

0,25i 

0,28>  0,77  — 

0,63—  1,08 

0,04] 

'  •)  Schercr's  Jnliresbericlit  für  physiologische  Chemi«  für  1846,  p.  HS. 
")  L.  c. 

Lnüwlg,  Physiologie  II.  ü.  Auflage.  2^ 


322  Geschwindigkeit  der  Gallenabsondorung.  j 

Diese  Zahlen  deuten  zwar  auf  kein  festes  Verhältniss  zwiscl 
den  einzelnen- Stoffen  der  festen  Bestandtheile  hin,  doch  schein)! 
die  Salze  ungefähr  wie  die  Gallensäuren  zuzunehmen.    Die  an;i'l 
tische  Methode  der  Galle,  welche  von  Frerichs  herrührt,  sie 
bei  Heintz  *). 

b.  Geschwindigkeit  der  Gallenabsonderung.     Wir  verstel 
hierunter  den  Quotienten  aus  dem  Lebergewicht  in  die  Gall 
menge,   welche  während  einer  beliebigen  (aber  jedesmal  fest 
setzten)  Zeiteinheit  aufgefangen  wurde;   dieser  Ausdi-uck  ist  ai, 
auch  gleichbedeutend  mit  der  Galleubildung  in  der  Einheit  d| 
Leb erge wich ts.    Wenn  man  nach  einem  Mittel  sucht,  um  die 
verschiedenen  Thieren  gewonnenen  Beobachtungen  vergleichbar 
machen,  so  verdient  der  soeben  aufgestellte  allgemeine  Maasssi 
jedenfalls  den  Vorzug  vor  dem  gebräuchlichen  Quotienten  der  Galla 
menge  in  das  Körpergewicht.    Denn  es  bildet  sich  nicht,  wie 
z.  B.  mit  der  Kohlensäure  der  Fall,  an  allen  Orten  des  Organ 
mus  Galle ,  sondern  nur  in  der  Leber.    Darum  dürfte  statt  des  G 
wichts  der  Leber  nur  dann  da  des  Gesammtkörpers  substituirt  werde 
wenn  ein  bestimmtes  Verhältniss  zwischen  diesen  beiden  letzt 
Gewichten  nachgewiesen  wäre;  bekanntlich  ist  dieses,  wie  zu  < 
warten,  nicht  der  Fall**).  —  Da  nun  aber  gerade  in  den  grün 
liebsten  und  ausführlichsten  Beobachtungen  über  Gallenmenge,  welc 
Bidder  und  Schmidt  angestellt  haben,  das  Lebergewicht  fei 
und  selbst  da,  wo  es  bestimmt  wurde,  dieses  nach  ihrer  eigen 
Aussage  nicht  mit  allen  Cautelen  geschah,    so  ist  man  für  c 
meisten  Fälle  beschränkt  auf  den  Vergleich  zwischen  den  versch 
denen  Absonderungsmengen  eines  und  desselben  Thieres. 

Die  Galle  gehört  zu  denjenigen  Säften,  welche  während  c 
ganzen  Dauer  des  Lebens  gebildet  werden,  so  lange  die  norn 
gebaute  Leber  vom  Blut  durchströmt  ist.  Sehr  zu  beachten  ist  « 
dass  nach  Abschliessung  des  Pfortaderblutes  die  Absonderung  nie 
aufhört,  vorausgesetzt,  dass  die  Leberarterie  noch  wegsam 
(Gintrac,  Ore,  Andral,  Frerichs)***).  In  den  beobachtet 
Fällen  bleibt  es  freilich  wegen  der  von  Devalez  beschrieben 
Verbindung  der  Pfort-  und  Zwölffingerdannader  ungewiss,  ob  all 
Pfortaderblut  von  der  Leber  abgeschnitten  war.  —  Die  ünterbi 


•)  L.  c.  p.  930. 

•*)  Bidder  und  Schmidt,  1.  c.  p.  152. 

***)  Frerichs,  Klinik  der  Leberliranliheiteli.  257.  —  Ot6,  Conipt.  relid.  43.  Bd.  Sept.  1856. 
Bornard,  Levons  sur  les  liquides.  II.  Bd.  1859.  196. 


Abhängigkeit  der  Gallenabsondoriing  von  der  Nahrung. 


323 


dnng  der  Leberarterie  bei  Kaninchen  scheint  dagegen  die  Abson- 
derung Zinn  Stillstand  zu  bringen  (Kottmeyer)*).  Für  das  Gegen- 
thcil  wird  Ledieu  citirt,  welcher  nach  Obliteration  der  Arterie 
beim  Menschen  die  Absonderung  fortdauern  sah. 

Die  Absonderungsgeschwindigkeit  der  Galle  ist  jedoch  beträcht- 
lichen Aenderungen  untemorfen.  1)  Fester  Rückstand  der  Galle.  ^ 
la)  Nach  gänzlicher  Entziehung  der  Nahrung  nimmt  die  Menge  der- 
selben beti'ächtlich  ab;  aber  selbst  Katzen,  die  10  Tage  lang  ge- 
hungert hatten,  entleerten  noch  Galle.  Arnold**),  der  am  Hund 
die  Gallenabsonderung  von  der  18.  bis  42.  Stunde  der  Hungerzeit 
■Stunde  um  Stunde  verfolgte,  fand,  dass  der  feste  Rückstand  auf-  und 
»abschwankte;  namentlich  erreichte  Morgens  und  Abends  die  Menge  der 
festen  Galle  ein  Maximum  und  Mittag  und  Mitternacht  ein  Minimum. — 
b)  Der  Einfluss  der  genossenen  Nahrung  macht  sich  in  der  Weise 
>geltend,  dass  einige  Zeit  nach  derselben  die  Absonderung  der  festen 
! Gallenstoffe  steigt  und  nach  Verfluss  von  einer  (Arnold)  ***),  von 
izwei  bis  vier  (Voit)  oder  gar  bis  zu  14  Stunden  (Bidder  und 
•Schmidt)  ihr  Maximum  erreicht  und  von  da  zuerst  rascherund  dann 
langsamer  absinkt.  Diese  Unbestimmtheit  für  die  Zeit  des  eintretenden 
k>faximums  ist  wahrscheinlicher  Weise  bedingt  durch  die  Verdau- 
ilichkeit  der  Speisen  und  die  Energie  der  Verdauungsorgane.  —  Der 
iWerth  des  beobachteten  Maximums  steig-t  mit  der  Menge  der  ge- 
onossenen  Nahningsmittel,  woraus  diese  auch  bestehen  mögen, 
rrorausgesetzt  nur,  dass  sie  befähigt  sind,  das  Leben  zu  unter- 
hhalten  (H.  Nasse).  —  Von  einem  sehr  eingreifenden  Einfluss  er- 
weisst  sich  endlich  die  Art  der  Nahrung.  Ganz  unwirksam  auf 
Ilie  Steigening  der  Abscheidung  ist  der  ausschliessliche  Genuss  von 
i't'etten  (Bidder  und  Schmidt),  so  dass  sich  hierbei  die  Gallen- 
mbsonderung  verhält,  wie  bei  gänzlichem  Nahrungsmangel;  eine 
ivrein  vegetabilische  Nahrung  (Brod  und  Kartoffeln)  steigert  die  Ab- 
■onderung  weniger,  als  eine  reine  Fleischkost  (Schmidt,  Bidder, 

i.  Nasse,  Arnold),  mageres  Fleisch  weniger  als  fetthaltiges, 
Jnd  ein  Zusatz  von  Leber  zur  Nahrung  scheint  noch  eingreifender 

ils  der  von  Fetten  zu  wirken  (Bidder  und  Schmidt).  Zusatz 
I 'On  kohlensaurem  Nntron  (H.  Nasse)  oder  Quecksilberchlorür 

II.  Nasse,  Kölliker  und  H.  Müller)  f)  zur  Nahrung  mindern 

•)  Zur  Kenntniss  der  Leber.  Wtirzbnrg  1867.  —  Ledieu  bei  F  r  e  r  i  c  h  a  ,  1.  c. 
"*)  Das  physiologische  Institut  Heidelbergs.  1868. 

"*)  Zur  Physiologie  der  Galle.    Mannheim  1854.  —  Volt,  Physlolog.-cliom.  Untersuchungen. 
■Iburg  1857.  p.  41. 

t)  Würzburger  Verhandlangen.  V.  Bd.  231. 

21  • 


324 


AbsonderungsgCBchwindigkeit  des  Gallenwassers. 


den  günstigen  Einfluss  anderer  Speisen,  —  Beim  Uebergang  v 
einer  Kost  zur  andern  tritt  die  entsprechende  Wirkung  dersclb 
nicht  sogleich ,  sondern  erst  einen  Tag  nach  dem  Nahrungswechl 
hervor.  —   2)  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Wassers  c| 
Galle  ändert  sich  in  dem  Versuche  von  Arnold  mit  vollkommeri 
Entziehung  der  Nahrung  ungefähr  ähnlich,  wie  die  der  fest' 
Gallenbestandtheile.  —  Nach  dem  Genuss  von  Wasser  mehrt  si 
auch  das  der  Galle;  der  Zeitraum,  welcher  verfliesst  zwischen  d 
Eindringen  des  Wassers  in  den  Magen  und  dem  Erscheinen  in  d< 
Lebergang  ist  sehr  wechselnd  befunden  worden.    Ein  Zusatz  a 
anderthalbfach  kohlensaurem  Natron  zum  Wasser  vermindert  d| 
Ausscheidung  dieses  letztern  durch  die  Galle  (H.  Nasse). 

Hiermit  ist  die  Aufzählung  der  Bedingungen  für  die  GeschAMi 
digkeit  des  Absonderungsstroms  der  Leber  zwar  noch  nicht  beend«! 
aber  sie  kann  nur  durch  die  unbefriedigenden  Worte  weiter  f 
gesetzt  werden,  dass   entweder  die  Individualität  des  Gesami 
Organismus  oder  die  der  Leber  ihn  bestimmen  helfe.    Dass  d 
erste  nothwendig,  ergiebt  sich  schon  aus  einer  Ueberlegung  d 
mitgetheilten  Thatsachen ;  denn  die  Nahrung  wird,  theilw eise  wen  i 
stens,  dadurch  von  Bedeutung  für  die  Gallenabsonderung  werdi 
dass  sie  zunächst  die  Blutzusammensetzung  ändert.    Diese  ist  at 
nicht  blos  eine  Funktion  der  Nahrung,  sondern  sie  ist  auch  s 
hängig  von  den  Zusätzen  und  den  Verlusten,  die  dem  Göfässinh: 
in  den  verschiedenartigen  Organen  des  Körpers  zugefügt  werd« 
Insofern  nun  nicht  in  jedem  Thier  die  Massen  und  Kräfte  der  V( 
schiedenen  Organe  in  demselben  Verhältniss  zu  einander  steht 
muss  auch  das  Resultat  aus  ihren  Wirkungen  verschieden  ausfalle 
d.  h.  trotz  gleicher  Nahrung  wird  die  Zusammensetzung  des  Blut 
und  damit  auch  die  Gallenabsonderung  in  verschiedenen  Thier 
abweichen.    Aus  einer  ähnlichen  Betrachtung  könnte  nun  aber  au 
die  Individualität  des  Lebergewebes  abgeleitet  werden,  und  ( 
unter  dessen  Einfluss  die  Gallenabsonderung  vor  sich  geht, 
muss  sich  die  Geschwindigkeit  derselben  auch  mit  den  Besond( 
heiten  der  Leber  verändern. 

Um  die  Galle  um  enge  zu  erfahren,  -welclie  in  der  Zeiteinheit  abgesondert  wi 
legt  man  nach  dem  Vorgang  von  Schwann  meist  permanente  Fisteln  der  Qallenljli 
an,  nachdem  man  den  gemeinschaftlichen  Gallengang  unterbunden  hat.  Die  Beob« 
tung  beginnt  man  erst  dann ,  wenn  die  Wunde  vollkommen  veniarbt  und  die  in  Fol 
des  operativen  Eingriffs  eingeti-etene  Bauchfellentzündung  gelioben  ist.  Bei  Anwendp 
dieses  allerdings  unschätzbaren  Verfahrens  hat  man  zu  berücksichtigen:  1)  Der  J 
schluss  der  Galle  von  dem  Darmrohr  verändert  die  Verdauung  insofern,  als  sie  < 


t 


Gallenfisteln;  Bestimmung  des  LeborgowicLts. 


325 


Aufnalime  der  genossenen  Fette  iu  das  Bhit  hindert  oder  mindestens  erschwert ;  zu- 
gleich aber  wird  die  Galle ,  welche  unter  nonnalen  Verhältnissen  in  den  Darmkana^ 
ergossen  und  von  dort  wieder  in  das  Blut  zurückgeführt  worden  wäre,  jetzt  aus  dem 
Itrcislauf  des  Lebens  entfernt.  Aus  beiden  Gründen  magern  die  Thiore,  vorausgesetzt^ 
dass  man  ihnen  das  Maass  der  im  gewöhnlichen  Leben  hinreichenden  Kost  giebt,  so 
beträchtlich  ab,  dass  sie  in  Folge  davon  zu  Grunde  gehen.  Man  muss  also,  um  diesen 
Ausfall  zu  decken,  das  Gewicht  ihrer  Nahrung  steigern;  aber  eine  einfache  Deckung 
desselben  scheint  nach  den  Beobachtungen  von  Arnold  nicht  zu  genügen ,  sondern  es 
,muss  ein  sehr  beträchtlicher  Ueberschuss  gegeben  werden.  Wenn  sich  diese  interessante 
;Entdeckung  bestätigt,  so  kann  sie  nur  durch  die  Annahme  erklärt  werden,  dass  bei 
•der  Anwesenheit  der  Gallenbestandtheüe  im  Blut  der  Stoffumsatz  im  thierischen  Körper 
ilangsamer  als  bei  ihrer  Abwesenheit  vor  sieh  geht.  Daraus  resultirt  aber,  dass  die 
quantitativen  Verhältnisse  der  Gallenabsondening  nicht  die  normalen  sein  können. 
Arnold  ist  geneigt  anzunehmen ,  dass  sie  wegen  der  reichlichen  Fütterung  gesteigert 
isein  möchte.  —  2)  Die  Zustände  der  Leber  oder  des  Körpers  überhaupt  scheinen  sich 
sich  während  des  Bestehens  der  Fistel  allmählig  dahin  zu  ändern,  dass  aus  denselben 
ijine  Verminderung  der  Gallenabsonderung  resultirt;  es  ist  also  die  Gallenabsonderung 
oei  ein  und  demselben  Thier  zu  Anfang  und  zu  Ende  einer  länger  dauernden  Beobach- 
eungsreihe  nicht  vergleichbar  (H.  Nasse). 

Diesen  Uebelständen  suchten  Bidder  und  Schmidt  dadurch  aus  dem  Wege  zu 
^ehen,  dass  sie  temporäre  Gallenfisteln  benutzten,  indem  sie  einige  Stunden  nach  der 
linlegung  derselben,  und  namentlich  bevor  entzündlinhe  Erscheinungen  im  Unterleibe 
iiingetreten ,  die  Galle  auffingen.  So  sehr  es  nach  den  vorliegenden  Beobachtungen 
iilen  Anschein  hat,  als  ob  dieses  freilich  nur  für  kurze  Zeiträume  verwendbare  Ver- 
jähren die  obigen  Bedenken  ausschliesst,  so  wäre  es  doch  wünschenswerth ,  an  einem 
iiind  demselben  Thiere  beide  Methoden  zu  benutzen,  um  sich  von  ihrem  relativen 
\iVerthe  zu  überzeugen.  —  3)  Der  Ableitung  und  dem  Auffangen  der  Galle  aus  der 
L-'istelöffnung  muss  endlich  die  grösste  Aufmerksamkeit  geschenkt  werden.  Wird  sie 
dächt  sorgsam  entleert,  und  verstopft  sich  namentlich  die  Fistelölfnung ,  so  dass  der 

ilt  der  Gallengefässe  unter  eine  erhöhte  Spannung  kommt,  so  tritt  ein  Theil  und 
.   r  Umständen  die  ganze  Galle  in  das  Blut  zurück  (Kölliker  und  Müller),  so 
ilass  aus  der  Fistel,  selbst  wenn  sie  nun  eröffnet  wird,  gar  keine  Galle  zum  Vorschein 
r.ommt.    Um  diesen  Ausfluss  zu  reguliren,  sind  verschiedene  Canülen  angegeben,  unter 
■'Tinn  die  von  Arnold  empfehlenswerth  zu  sein  scheint,    indem  ihre  Anwendung 

\  ortheil  gewährt,  dass  die  ausgetretene  Galle  in  einen  vor  Verdunstung  geschützten 

zu  liegen  kommt.  —  Ein  ganz  eigenthümlicher  Fehler  wird  in  die  Gallenbestim- 

Ä  noch  dadurch  eingeführt,  dass  der  unterbundene  und  durchschnittene  Gallengang 
häufig  wieder  herstellt,  so  dass  sich  dann  die  Galle  ganz  oder  theilweise  wieder 
n  Darmkanal  ergiessen  kann.    Im  zweifelhaften  Fall  kann  am  lebenden  Thier  die 
\  K  lierherstellung  des  Gallengangs  ermittelt  worden  durch  eine  Injektion  der  Gallen- 
'  läse  mit  Wasser,  in  dem  gefärbte  Partikolchen  aufgeschwemmt   sind.  Erscheinen 

■  im  Koth  wieder,  so  war  dfcr  Gang  natürlich  wieder  hergestellt;  meistentheils 
i.stet  den  Dienst  des  eben  vorgeschlagenen  Mittels  schon  der  Qallenfarbstofl'. 
;  Das  Lebergewicht  wissen  wir  bis  dahin  noch  auf  keine  sichere  Weise  zu 
i  iiaerm  Zweck  zu  bestimmen ;  es  würde  natürlich  für  die  Bildung  dos  vorhin  erwähnten 
|luotienton  eigentlich  nothwendig  sein,  entweder  das  Gewicht  der  Lebcrzellen  für  sich 
'  1  kennen,  oder  die  Leber  jedesmal  vor  der  Wägung  in  einen  solchen  Zustand  zu  ver- 

';n,  dass  das  Gewicht  derselben  jenen  Zollen  proportional  wäre.    Da  nun  aber  aller 


I 


326 


Zahlen  über  die  Qallenmcngen 


Wahrscheinlichkeit  nach  die  Gewichte  der  Qallengäng  -  und  Blutgefässhäuto  mit  detn 
der  Leberzellen  proportional  steigen,  so  wäre  nur  dafür  zu  sorgen,  dass  der  Inha. 
der  Gallengänge  und  Blutgefässe  yor  der  Wägung  bis  auf  ein  Minimum  entfernt  wird.] 

Um  eine  Anschauung  von  dem  Umfang  der  Absonderungs-Schwankungen  zu  ver- 
schaffen ,  welche  oben  erwähnt  wurden ,  geben  wir  einige  Zahlen ;  wir  beschränken  uns, 
bei  der  Auswahl  unter  den  vorhandenen  auf  die  Beobachtungsresultate  an  Hunden  und 
Katzen ,  weil  nachweislich  die  Galle  der  Grasfresser  anders  zusammengesetzt  ist ,  als 
die  des  Menschen. 

Die  folgende  Tabelle  ist  nach  Bidder  und  Schmidt  entworfen;  die  Beobach- 
tungsthiere  sind  Katzen ,  die  Fisteln  temporäre ,  die  Beobachtungszeit  immer  drei 
Stunden. 


Citat 

Termin  der  letzten 

Beobachtete  Menge. 

Leber- 
gewicht. 

Quotient  des 
festen  Rückst, 
in  das  Leber- 
gewicht. 

Quotient  de! 
Wassers  in 
dos  Leber- 
gewlcht. 

des 
.  Versuchs. 

Fütterung  v,  dem 
Versuch. 

Fester 
Rückstand. 

Wasser. 

2 

2,5  St. 

0,190  Gr. 

2,751  Gr. 

52,66  Gr. 

0,0036 

0,0522 

A 

4 

iJ,U  „ 

0,364  „ 

6,893  „ 

a9,i  „ 

u^uuou 

u,uoyo 

5 

2,0  St.  V.  Beginn 
d.  Versuchs  100 
Gr.  Wasser  ein- 
genommen. 

0,362  „ 

3,574  „ 

85,6  „ 

0,0042 

0,0417 

7 

12  St. 

0,432  „ 

6,806  „ 

97,0  „ 

0,0044 

0,0701 

8 

12  „ 

0,306  „ 

5,125  „ 

61,5  „ 

0,0050 

0,0833 

9 

14  „ 

0,323  „ 

6,463  „ 

120,2  „ 

0.0027 

0,0537 

10 

14  „ 

0,591  „ 

7,238  „ 

97,5  „ 

0,0060 

0,0742 

12 

24  „ 

0,277  „ 

6,606  „ 

151,6  „ 

0,0018 

0,0436 

14 

24  „ 

0,168  „ 

1,574  „ 

67,86  „ 

0,0025 

0,0232 

15 

48  „ 

0,171  „ 

2,729  „ 

112,0  „ 

0,0019 

0,0243 

16 

48  „ 

0,209  „ 

2,063  „ 

109,8  „ 

.  0,0019 

0,0188 

18 

168  „ 

0,131  „ 

1,293  „ 

65,65  „ 

0,0023 

0,0197 

19 

168  St.  Thier 
schwanger. 

0,081  „ 

1,415  „ 

120,0  „ 

0,0008 

0,0139 

20 

240  St. 

0,094  „ 

1,033  „ 

83,97  „ 

0,0010 

0,0123 

Sehen  wir  von  Versuch  9  ab,  welcher  stark  aus  der  Reihe  fäUt,  so  führen  di 
Eesultate  dieser  Beobachtungen  auf  die  Behauptung,  dass  die  Absonderungsgeschwin( 
keit  der  festen  Gallenbestandtheile  von  der  2.  bis  zur  14.,  ja  17.  Stunde  nach  der  Essenszf 
im  Waohsthum  begriffen  ist ,  dass  sie  von  da  ab  aber  absinkt  und  sich  von  der  24.  bi 
168.  Stunde  in  annähernd  gleichem  Werthe  erhält  und  von  da  bis  zur  240.  Stun« 
sich  sehr  allmählig  erniedigt.  —  Die  Absonderung  des  Wassers  geschieht  dagegen  nacl 
einem  sehr  unregelmäasigen  Modus. 

Die  folgenden  Beobachtungen  sind  (die  vier  ersten  von  H.  Nasse,  die  letatc 
von  Arnold)  an  Hunden  mit  permanenten  Fisteln  gewonnen;  die  Beobachtungszc. 
ist  24  Stunden. 


nach  Bidder,  Schmidt,  Arnold,  Nasse. 


327 


Gewicht  des 
Hundes. 

f  utter. 

Rückstand 

Wasser 

Leb  er- 
gewicht. 

Quotient 
aus  festem 

UUCKStO,  U. 

Quotient 
aus  dem 
Wasser  u. 

der  Galle. 

Leber- 
gewicht. 

Lober- 
gewicht. 

3,08  Kilo. 

1,75  Kilo  Fleisch. 

6,74-2  Gr. 

174,258  Gr. 

299,5 

0,0225 

0,5818 

3,54  „ 

Brod    und  Kartoffeln 
nach  Belieben. 

6,252  ,, 

164,548  „ 

,,  ,, 

0,0209 

0,5494 

p 

1,4  Kilo  Fleisch. 

6,168  „ 

167,234  „ 

0,0206 

0,5583 

3,89  „ 

0,78  Küo  Brod. 

4,490  „ 

104,110  „ 

0,0150 

0,3476 

J,75  „ 

0,75  Kilo  Fleisch  und 
0,340  Kilo  Wasser. 

2,89  „ 

88,03  „ 

460,0 

0,0063 

0,1914 

j,00  „ 

0,47  Kilo  Brod  und 
0,45  Kilo  Wasser. 

2,64  „ 

60,38  ,, 

,,  ,, 

0,0057 

0,1313 

Eine  Vergleichung  dieser  Beobachtungen  ergiebt  ausser  den  im  Text  mitgetheilten 
lesultaten,  dass  die  Absonderungsgeschwindigkeit  in  dem  Hunde,  ■welchen  Nasse 
i-eobachtete ,  um  das  3  bis  4 fache  diejenige  in  dem  von  Arnold  beobachteten  Hunde 
Lbertraf.  Der  Grund  ist  theilweise  wenigstens  darin  zu  suchen,  dass  der  erste  Hund 
m  einem  Zustand  starb,  der  mit  grosser  Magerkeit  und  Blutleere  verbunden  war,  in 
■'olge  dessen  wohl  das  Gewicht  der  Leber  geringer  ausgefallen  ist;  wahrscheinlich  war 
»as  Lebergewicht  zur  Beobachtungszeit,  welche  zu  Beginn  der  ganzen  Versuchsreihe 
f.el,  beträchtlich  höher  gewesen*).  —  Vergleichen  wir  nun  aber  auch  den  Arnold - 
[•eben  Hund  mit  den  von  Katzen  gelieferten  Zahlen,  so  finden  wis,  dass  die  mittlere 
iigliche  Absonderungsgeschwindigkeit  der  festen  Bestandtheile  bei  Hunden  das  tägliche 
llaximum  derselben  bei  den  Katzen  erreicht  und  übertrifft.  Es  muss  dahin  gestellt 
1  leiben ,  ob  dieses  eine  Folge  der  Verschiedenheit  der  Thiere  oder  der  grossem  re- 
iitiven  Futtermenge  ist,  welche  bei  Anwesenheit  permanenter  Fisteln  verzehrt  wird, 
li'ie  Geschwindigkeit  der  Wasserabsonderung  ist  bei  Hunden  sehr  viel  bedeutender,  als 
«ei  den  Katzen. 

Aus  den  neueren  Mittheilungen   von  Arnold  ist  femer  hervorzuheben,  dass 
Kilogr.  Hund  täglich  gab : 

bei  58  Gr.  Brodnahrung  (auf  den  Kilo  Thier)  9  Gr.  Galle  mit  0,26  Gr.  Rückstand, 
bei  96  Gr.  Kindfleisch       „     „     „       „    11,6,,       „     „    0,54  „  „ 
bei  Eiemahrung    .    .    .  -  „     „     „      „     9    „      „     „    0,26  „  „ 

Berechnet  man  den  festen  Eückstand  der  Galle  auf  100  Theile  fester  Nahrung, 
I)  ergab  sich,  dass  von  100  Theilen  trockenem  Eindfleisch  1,99  trockene  Galle  und 
>on  100  Theilen  getrockneten  Brodes  0,87  trockene  Galle  hervorgeht. 

Der  Versuch ,  aus  den  vorliegenden  Beobachtungen  an  Thieren 
ÜB  Geschwindigkeit  für  die  Gallenabsonderung  des  Menschen  ab- 
ixileiten,  möchte  freilich  gewagt  erscheinen;  behält  man  aber  im 
lUge,  dass  das  Tagesmittel  derselben  auch  bei  Menschen,  je  nach 


'•)  Bidder  u.  Schmidt  beobachteten  n.A. unter  sehr  verschiedenen  Bedingungen  und  zu  den 
nrschiedcnsten  Tageszeiten  einen  Hund  8  Woclien  hindurch.  Aus  dem  Vorsucli  leiten  sie  ab,  dass 
tir  Hund  im  Mittel  täglich  8,45  Rlicltgtand  und  155,30  Wasser  -  entleert  habe.  Die  Lober  des 
"^90  Gr.  schweren  Thieros  wog  278  Gr.  Dieses  würde  einer  AbsonderungsgeBchwindIgkeit  von  gar 
HOZW  fUr  die  festen  Stoffe  und  von  0,5625  filr  das  Wasser  entsprociien. 


328 


Chemisoho  Vorgänge  in  der  Lebcrzello. 


iE 

i 


Individualität  und  Lebensart,  bedeutend  schwanken  mag,  so  kam 
man  immerhin  die  bei  Hunden  beobaehteten  Grenzfälle,  welchi 
für  die  Absonderungsgeschwindigkeit  der  festen  Bestandtheil 
==  0,0225  und  0,0057  waren,  auch  für  solche  annehmen,  die  ein 
mal  beim  Menschen  vorkommen  können.  Um  mit  Hilfe  derselbe] 
den  absoluten  Werth  der  täglichen  Gallenmengc  des  Menschen  ab 
zuleiten,  hat  man  darauf  nur  nöthig,  die  obigen  Zahlen  mit  de: 
mittleren  Lebergewicht  des  Menschen  (nach  Huschke,  offenba 
zu  hoch,  =  2500  Gr.)  zu  multipliciren.  Das  Ergebniss  diese 
Operation  würde  sein,  dass  aus  der  Menschenleber  täglich  zwische 
.  13  bis  45  Gr.  fester  Substanz  austreten.  Da  nun  die  Mensche 
gallen  nach  Frerichs  und  Gorup  (nach  Abrechnung  von  1  bi 
bis  2  pCt.  Schleim)  zwischen  8  und  16  Procent  fester  Bestandtheil] 
enthalten,  so  würde  die  angenommene  Menge  des  festen  RUe 
Standes  entsprechen  einem  Gallengewicht,  das  zwischen  80  un 
600  Gr.  liegt.  Da  nun  aber  die  Galle,  welche  jene  Analytiker  zei 
legten,  Blaseugalle  war  und  diese  nach  Nasse  ungefähr  noc 
einmal  so  conzentiürt  ist,  als  die  Galle  des  Lebergangs,  so  würd 
man  diese  Gewichte  verdoppeln  können  u.  s.  w.  —  So  schwanken 
unsere  Grundlagen  aber  auch  sind,  sie  flihren  jedenfalls  zu  dej 
Ueberzeugung ,  dass  die  Masse  von  Flüssigkeit,  welche  aus  de 
Lebergängen  ausgeflihrt  wird,  keine  sehr  beträchtUche  ist. 

6.  Chemische  Vorgänge  in  der  Leberzelle.  Die  Leberzell 
darf  als  eine  chemische  Werkstätte  angesehen  werden,  dere 
Thätigkeit  nicht  allein  an  Umfang,  sondern  auch  an.  Art  vei 
schieden  ausfallen  kann.  Insofern  man  die  Art  der  Umsetzun, 
in's  Auge  fasst,  gewinnt  es  den  Anschein,  als  ob  sich  zwei  gan 
verschiedene ,  gegenseitig  ausschliessende  Vorgänge  hier  entwickel j 
könnten.  Wollte  man  dieselben  durch  ihre  Endproducte  kenr 
zeichnen,  so  könnte  man  den  einen  Bildungsakt  den  von  Galleun 
Zucker,  den  andern  den  von  Leucin,  Tyi-osin  und  Cystin  nenner 
Diese  Unterscheidung  rechtfertigt  sich  durch  die  Erfahrung,  dass  i: 
dem  Maasse,  in  welchem  die  ersten  Stoffe  in  der  Leber  gefunde; 
werden,  die  zweiten  darin  fehlen  und  umgekehrt.  —  Da  der  erst 
Vorgang  der  gesunde  ist,  so  werden  sich  die  folgenden  Betracl 
tungen  vorzugsweise  auf  ihn  beziehen. 

Die  oft  behandelte  Frage,  ob  in  der  That  die  Galleusäure 
der  Gallenfarbstoff,  das  Amyloid  oder  der  Traubenzucker  in  de» 
Leber  aus  andern  in  sie  eingeführten  Atomen  ihren  Ursprun,:j 
nehmen,  scheint  tinbedingt  bejaht  werden  zu  müssen.  FürdieEnfl 


Chornische  Vorgänge  in  der  Loberzello. 


329 


itehmig  der  Gallensänre  in  unserm  Organ  erheben  sich  der  Mangel 
m  Gallensänre  in  dem  zuströmenden  Blut,  und  vor  Allem  das  von 
{nnde  entdeckte  und  von  Moleschott  bestätigte  gänzliche  Ver- 
chwinden  der  Gallenstoffe  aus  dem  thierischen  Körper,  welcher 
lit  ausgeschnittener  Leber  längere  Zeit  fortlebt.    Für  die  Neubil- 
.ung  von  Gallenfarbstoff  insbesondere  spricht  ausserdem  noch  die 
ilinische  Erfahrung,  dass  nach  einer  chronischen  Verödung  der 
icberzellen  die  Darmentleerungen  wenig  braun  gefärbt  sind,  ohne 
lass  sich  Gelbsucht  einfindet  (Frerichs). —  Die  Entstehung  der 
Kohlenhydrate  (der  löslichen  und  unlöslichen  Amyloider,  des  Trauben- 
lückers,  des  Inosits  und  der  Milchsäure)  wird  bezeugt  durch  die 
(enge  von  Traubenzucker,  welche  mit  dem  Lebervenenblut  fort- 
i;römt,  ohne  dass  überhaupt  eine  Zufuhr,  oder  wenigstens  keine  an 
(enge  entsprechende,  von  Kohlenhydraten  stattfände.  —  Da  nun 
ie  zuckerreiche  und  gallenbildende  Leber  noch  andere  Stoffe ,  ins- 
!esondere  Harnsäure,   das  der  Zusammensetzung  nach  so  nahe- 
tehende  Hypoxanthin  und  auch  Cholestearin  enthält,  so  erscheint 
u  annehmbar,    dass    auch  diese  Atomgruppen  in    der  Leber 
rren  Ursprung  nehmen.     Unzweifelhaft  erschöpft  diese  Aufzäh- 
ing  (Gallensäure,  Gallenfarbstoff,  Kohlenhydrate,  Harnsäure,  Hy- 
)3xanthin,  Cholestearin  (?)  noch  nicht  die  Reihe  von  Neubildungen ; 
?;nn  einmal  haben  wir  Andeutungen  dafür,  dass  der  Leber  ein 
eirmentkörper  eigenthümlich  sei ,  dann  spricht  die  Erfahrung,  dass 
Iis  Lebei-venenblut  wärmer  als  alles  übrige  ist,  dafür,  dass  hier 
ssydationen  irgendwelcher  Art  vor  sich  gehen,  und  endlich  ist  das 
!jrhalten  der  Fette  in  der  Leber  eigenthümlich  genug,  um  es  min- 
'.'Stens  fraglich  erscheinen  zu  lassen,  ob  sich  nicht  dort  etwas  beson- 
rres  mit  ihnen  ereignet.    Man  könnte  allerdings  die  Erfahrung, 
.sss  nach  dem  Genuss  von  Fetten  die  Leber  sich  strotzend  mit 
Besem  Stoff  füllt,  darauf  deuten,  dass  der  feinkörnige  Rahm  des 
ttreichen  Blutes  in  die  Leberzellen  filtrire,  um  so  mehr,  als  be- 
inntei-maassen  die  Galle  ein  Beförderungsmittel  für  den  Durch- 
rng  der  Fette  durch  wassergetränkte  Häute  ist;  aber  dieser  Deu- 
ing  stehen  doch  auch  Hindernisse  entgegen,  denn  das  Fett  er- 
iheint  im  Blut  nicht  in  freien  Tropfen,  sondern  umschlossen  von 
wer  mit  Wasser  durchfeuchteten  Haut ;  durch  sie  hindurch  gelangt 
nicht  in  Anfänge  der  gallenführenden  Kanäle,  sondern  in  die 
m  diesen  eingeschlossenen  Lebcrzellcn,  und  zwar  dort  in  eine 
üssigkeit,  mit  welcher  es  sich  nicht  mischt,  sondern  gegen  die  es 
'Opfenspannung  entwickelt.    Dazu  kommt  endlicli,  dass  das  Fett 


330 


Chemische  Vorgänge  in  der  Leberzelle. 


dort  so  mächtig  werden  kann,  dass  die  ausgedehnten  Zelici 
die  kleinen  Blutgefässe  bis  zum  Verschwinden  ihres  Hohlraum 
zusammendrücken.  Diese  Thatsachen  insgesammt  thun  dai 
dass  hier  zum  mindesten  kein  Durchsickern  des  Fettes  in  Fol^ 
höheren  Druckes  von  Seiten  des  Inhaltes  der  Blutgefässe  stat; 
finden  kann. 

Zu  den  Stammatomen,  aus  welchen  Taurocholsäure,  Hanisäui 
und  Zucker  hervorgehen,  müssen  unzweifelhaft  die  Eiweisskörpei 
.gehören,  da  nur  sie  von  allen  Blutbestandtheilen  Schwefel  und  s 
viel  Sticktoff  mitbringen,  als  zur  Darstellung  der  Gallen-  und  Harr 
säure  nöthig  ist.  Die  Kohlenhydrate  führen  allerdings  jene  Ui 
Sprungszeugen  nicht  mit  sich,  aber  statt  dessen  lässt  sich  gelten^ 
raachen,  dass  beim  Fleischfresser  kein  anderes  Atom  reichlic 
genug  vorhanden  ist,  um  zur  Entstehung  von  so  viel  Zucker  Vei 
anlassung  zu  geben.  Dann  ist  auch  die  Entstehung  der  Gallei 
säure  an  die  des  Leberzuckers  sehr  innig  geknüpft,  indem,  wi 
wir  schon  sahen,  Gallensäuren  und  Zucker  zu  derselben  Zeit  un 
in  immer  proportionaler  Menge  auftreten;  so  steigerte  namentlic 
ein  reichliclies  Mahl  aus  Fleisch  die  Bildung  des  Zuckers  und  dt 
Galle  zugleich.  Woher  der  Gallenfarbstoff  kommt,  bleibt  ungewiss 
man  hat  ihn  aus  dem  Blutfarbstoff  (Kühne)  oder  auch  aus  de 
GallensUuren  (Frerichs  und  Staedeler)  abzuleiten  gesucht.  Di 
Thatsachen,  welche  man  zum  Beweis  bringt,  werden  bei  der  Au 
Scheidung  des  Farbstoffs  und  der  Säure  der  Galle  durch  den  Har 
besprochen  werden.  —  Wenn  nun  auch  feststeht,  dass  die  Eiweis; 
Stoffe  in  den  vorliegenden  Zersetzungsprozess  eingehen,  so  bleil 
natürlich  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  sich  nicht  noc 
andere  Atomgruppen,  wie  z.  B.  die  Fette,  an  der  Neubildung  bi 
theiligen.  Ob  und  wie  dieses  geschieht,  wird  sich  erst  darthu 
lassen ,  wenn  einmal  die  Zusammensetzung  sämmtlicher  neuer  Atom 
und  das  Mengenverhältniss ,  in  dem  sie  auftreten,  bekannt  is 
Dann  erst  wird  sich  eine  chemische  Gleichung  von  wahrem  AVerl 
entwickeln  lassen.  Um  einen  Fingerzeig  für  ihre  Auffindung  2 
gewinnen,  wird  es  am  nächsten  liegen,  annähernd  die  Menge  vo 
Harnsäure  und  Hypoxanthin  der  Leber  im  Vergleich  zu  den  nei 
gebildeten  Kohlenhydraten  zu  bestimmen. 

Selbstverständlich  kann  man  nicht  über  Vermuthungen  hinaul? 
gehen,  wenn  man  Rechenschaft  geben  will  von  den  Bedingungei|i 
welche  jenen  Umsetzungsprozess  einleiten.  Unter  diesen  dürfto*' 
aber  wohl  eine  Kolle  spielen  die  Fermente,  welche  in  dem  Gewel 


Chemische  Vorgänge  in  der  Leberzclle.  331 


ind  dem  Blut  der  Leber  beobachtet  wurden;  diese  Annahme  geht 
üsotern  über  die  blosse  Wahrscheinlichkeit  hinaus ,  als  die  Betbei- 
.gung  der  Fermente  an  der  Umwandlung  des  Amyloids  in  Zucker 
rwiesen  ist.  Neben  den  Fermenten  mischt  sich  unzweifelhaft  der 
<auerstoffgehalt  des  Blutes  ein ,  weil  ohne  ihn  die  durch  die  Wärme- 
dldung  erwiesene  Oxydation  nicht  möglich  wäre;  in  der  That  ist 
mch,  wenn  man  aus  der  Farbe  schliessen  darf,  das  Lebervenen- 
jlut  sauerstofffrei.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  gewinnt  einmal  das 
ilinströmen  von  arteriellem  Blut  in  die  Gefässe  der  Leberinseln 
tedeutung,  und  zugleich  wäre  es  möglich,  daraus  zu  erklären, 
rarum  zur  Verdauungszeit ,  wo  das  Blut  in  den  Darm-  und  Drüsen- 
lapillaren  des  Unterleibs  rascher  und  demnach  noch  sauerstoff- 
altiger  in  die  Pfortader  fliesst,  die  Gallen-  und  Zuckerbildung, 
issp.  der  Umsetzungsprozess  in  der  Leber  mächtiger  wird.  Diese 
mschauung  scheint  unterstützt  zu  werden  durch  die  ganz  ähnlichen 
lolgen,  welche  nach  Durchschneidung  der  Gefässnerven  eintreten. 

Die  Steigerung  der  Umsetzungen  nach  einer  reichlichen  Mahl- 
sit  könnte  'man,  wie  es  wiederholt  geschehen,  aber  auch 
äarauf  zurückführen,  dass  zu  dieser  Zeit  die  fermentirenden 
Säfte  der  Kopf-  und  Bauchspeicheldrüsen  im  Pfortaderblut  reich- 
:cher  vertreten  seien.  —  Keben  den  Wirkungen ,  die  man  aus  der 
üufuhr  des  Sauerstoffs  und  des  Fermentes  ableitet,  steht  es  aber 
roch  fest,  das  der  Blutstrom  während  der  Verdauung  geradezu 
och  Stoffe  in  die  Leber,  die  sich  zur  Gallenbildung  zu  eignen 
scheinen,  ablagert,  da  nach  Bidder  und  Schmidt  sich  zu  dieser 
eeit  das  Gewicht  der  Leber  mehrt;  diese  Gewichtserhöhung  stellt 
(ch  schon  eine  bis  mehrere  Stunden  vor  dem  Eintritt  der  gestei- 
eerten  Absonderung  ein.  Für  einen  in  der  Leber  auftretenden 
i ährungsvorgang  führt  Bernard  auch  das  von  ihm  beobachtete 
perschwinden  bald  nur  des  Zuckers  und  bald  des  Zuckers  und 
imylons  an,  wenn  die  Temperatur  des  Thieres  um  mehr  als  10 ^ 
^ach  oben  oder  unten  von  der  normalen  abweicht.  Es  wäre  sehr 
ItrÜTischenswerth,  auch  das  Verhalten  der  andern  Leberbestandtheile 
iQter  diesen  Umständen  zu  untersuchen.  —  Ob  ausser  der  schon 
lagedeuteten  Wirkung  auf  den  Blutstrom  die  Nerven  noch  ander- 
feit in  die  chemischen  Vorgänge  der  Leber  eingreifen,  ist  unbe- 
lannt.  —  Die  Annahme,  dass  das  Pfortaderblut  sich  noch  durch 
i-ndere  als  Fermentstoffe  an  der  Gallenbildung  betheilige,  />.  B.  durch 
^estandtheile,  die  es  aus  der  Milz  u.  s.  w.  mitführe,  empfangt  min- 
•estens  keine  Bestätigung  durch  die  Erfahrung,  dass  nach  langsam 


332  Lcborlymphc. 

voi'schreitender  Verstopfung  der  Pfortader  die  normalen  chemische 
Umsetzungen  sogar  bis  zum  Erscheinen  des  Diabetes  melliti 
(Andral)  bestehen  können. 

Seit  wir  durch  die  abschliessenden  Versuche  von  Strecker  über  die  Zusamme 
Setzung  und  Atomgliederung  der  Gallensäure  aufgeklärt  worden  sind,  hat  man 
Versuche  gemacht ,  die  Atomgruppen  genauer  zu  bezeichnen,  welche  sich  an  ihrer  Ei 
stehung  betheiligen.  Man  scheint  mit  Beziehung  darauf  allgemein  der  Ansicht  zu  se 
dass  jede  der  beiden  Säuren  aus  zwei  Gruppen,  die  vorher  getrennt  waren,  herv( 
gehen,  einerseits  aus  der  Cholsäure  und  anderseits  aus  Taurin  oder  Glycin. 
Die  Cholsäure  glaubt  Lehmann  *)  aus  der  Oelsäure  ableiten  zu  können ,  welc 
einen  andern  Atomcomplex  (CiiHßOe)  aufgenommen  habe.  In  der  That  ist  Oelsät 
(C3oH3303  +  HO)  +  (Ci2H806)  =  CholsSure  (CwKsflOa -j- HO) ;  diese  Annahme  begr 
dete  er  durch  die  Beobachtung  von  Redtenbacher,  welcher  durch  NO5  aus 
Cholsäure ,  gerade  so  wie  aus  der  Oelsäure ,  alle  Glieder  der  Reihe  (C|,Hj)  n04  von  c 
Caprinsäure  abwärts  und  daneben  andere  Produkte  erhielt,  die  sich  nicht  aus  d 
Oelsäure  ableiten  lassen,  und  u.  A.  auch  ein  solches,  in  welchem  C,  H  und  0 
ähnlichem  Verhältniss  stehen,  wie  in  dem  oben  supponirten  Paarling ;  er  macht  aussi 
dem  geltend,  dass  ein  Zusatz  von  Fett  zu  den  Nahrungsmitteln  die  gallenbilden 
Kraft  derselben  erhöht.  —  Frerichs  und  Staedeler  scheinen  zu  vennuthen ,  di 
das  Glycin  aus  Tyrosin,  dem  bekannten  Zersetzungsprodukto  des  Eiweisses,  entstel 
Tyrosin  (CisHtiNO«)  =  (C4H5NO4  +  2H0+ C14H8O4) ;  Tyrosin  haben  sie  aber,  wie  sch 
erwähnt,  in  solchen  Lebern  aufgefunden,  deren  Gallenbildung  gehemmt  war; 
scheinen  zu  vermuthen,  dass  der  Abfall  des  Tyrosius  in  das  Blut  übergehe,  denn 
sind  Verbindungen  der  Salicylgruppe  im  Harn  mit  Sicherheit  nachgewiesen. 

7.  Leberlymphe.  Sie  ist  eine  vollkommen  wasserhelle  Flüssij 
keit,  welche  gar  keine  Körperchen  enthält  (Kölliker)  **). 
ist  zuckerhaltig  (Bernard),  ob  mehr  als  andere  Lymphe,  ist  u 
bekannt.  Dem  Anschein  nach  sind  die  Gefässe  zur  Zeit  der  le 
haften  Gallenabsonderungen  strotzender  gefüllt  als  sonst.  Woh 
die  Lymphe  ihren  Ursprung  nimmt,  ob  aus  dem  Blut  oder  aus  d 
Flüssigkeit  der  Leberzelle,  ist  nicht  bekannt. 

8.  Ausfuhr  der  neugebildeten  Stoife  aus  der  Leber.  Der  Inhf 
der  Leberzellen  entleert  sich  mindestens  nach  zwei  Seiten  hi 
nach  der  einen,  dem  Blut,  geht  der  Zucker  und  die  sticksto 
reichen  Bestandtheile,  nach  der  andern,  den  Lebergängen 
Galle.  Diese  Scheidung  erfolgt  jedoch  nicht  zu  allen  Zeiten.  Wei 
die  Gallengänge  gegen  den  Darm  hin  unwegsam  sind,  so  tritt  aul 
die  Galle  in's  Blut  über,  und  wenn  das  Blut  sehr  zuckerreich  ijj 
so  enthält  auch  die  frische  Galle  Zucker.  —  Der  Uebergang 
Galle  in  die  Gallengänge  könnte  durch  Filtration  geschehen. 
Uebergang  des  Zuckers  in  das  Blut  kann  weder  durch  Filtratic 


•)  Physiolog.  Chemio.  2.  Aull    I.  Bd.  131. 

Zeitschrift  für  wissenscliaftl.  Zoologie.  Vn.  Bd. 


Ausfuhr  der  neugebildeten  Stoffe  aus  der  Leber. 


333 


locli  durch  gewöhnliche  Diifusion  vor  sich  gehen.  Denn  nach 
ilossler  ist  selbst  dann  noch  die  Galle  zuckerfrei,  wenn  selbst 
licht  imbeträchtliche  Mengen  von  Zucker  in  dem  gesammten  Blut 
mthalten  sind.  Verbreitete  er  sich  auf  dem  Wege  der  Diffusion 
der  Filti-ation ,  so  müsste  er  gleichzeitig  in  das  Blut  und  die  Galle 
ingehen.  Einmal  in  die  letztere  Flüssigkeit  gelangt,  könnte  er 
icht  aus  ihr  bis  zum  vollständigen  Verschwinden  in  das  Blut 
lurückkehren ,  denn  dann  würde  er  in  den  von  Mo  ss  1er  beobach- 
Bten  Fällen  aus  der  verdünnteren  in  die  dichtere  Lösung  diffun- 
iiren.  Man  sieht  sich  also  genöthigt,  an  eine  Anziehung  zu  denken, 
Ae  auf  irgend  eine  Weise  vom  Blut  ausgeht. 

Der  Zucker  tritt  mit  dem  Lebervenenblut  in  das  Herz  und  von 
:oi*t  in  die  Lungen.  Auf  diesem  Wege  verschwindet  er  rasch,  so 
ass  oft  schon  in  dem  linken  Herzen  nur  noch  Spuren  desselben 
»achweisbar  sind,  wenn  nicht  grosse  Mengen  von  Zucker  aus  der 
teber  ti-aten  (Cl.  Bernard,  Pavy). 

Die  Galle  kommt  in  die  Lebergänge  und  wird  in  diesen 
reiter  befördert  durch  die  Kräfte,  welche  sie  in  den  Anfang  der- 
jjlben  einpressten.  Wir  sind  zu  dieser  Vermuthung  gedrängt  durch 
iie  AbAvesenheit  von  Muskelfasern  in  den  Wänden  der  Gänge ,  oder 
iit  andern  Worten  durch  die  Unmöglichkeit,  den  Strom  durch  die 
iänge  anders  zu  erklären.  —  Anders  verhält  es  sich  mit  dem 
llaseninhalt;  er  kann  nicht  durch  die  von  den  Wurzeln  der  Leber- 
fifässe  herrührenden  Drücke  aus  ihr  gepresst  werden.  Man  ist 
äirum  geneigt,  ihrer  Muskelschicht  die  Austreibung  der  Galle  zu- 
Mschreiben,  und  zwar  um  so  mehr,  als  man  zuweilen  wenig- 
ceus  Zusammenziehungen  derselben  gesehen  hat  (H.  Meyer*), 
..  Brücke)**).  Jedenfalls  geschieht  aber  diese  Zusammen- 
Eehung  in  grossen  Intervallen,  ähnlich  den  Darmmuskeln.  Wie 
)  scheint,  fallen  die  Zeiten  lebhafter  Gallenabsonderung  zusammen 
iit  denen  der  erhöhten  Erregbarkeit  in  den  Blasenniuskelu;  denn 
i  fanden  Bidder  und  Schmidt***)  die  Blase  bei  hungernden 
ihieren  immer  gefüllt,  bei  gefütterten  dagegen  leer.  —  Auch  kann 
tn  heftiger  Druck  auf  die  Bauchmuskeln  die  Gallenblase  entleeren, 
^rerichs  fand  sie  bei  Hunden,  die  an  Erbrechen  gelitten. 
Ilaer  leer. 


•)  De  imisculln  In  ductn  effer.  glanduliir.    Herollnl  1837.  p.  2!) 
*)  Sitzungsberichte  der  Wiener  AknUeinie.  IHfil.  420. 
'*)  L.  c.  p.  2U». 


384 


Lobersohleim. 


Die  Galle  gelangt  nun  weiter  aus  den  Gängen  in  den  Da 
kanal.    Hier  geht  abermals  eine  Scheidung  mit  ihr  vor;  die  gall 
sauren  Salze,  die  Fette,  zum  Theil  der  Farbstoff,  die  alkaliscl 
Mineralsalze  und  das  Wasser  gehen  in  das  Blut  über,  der  and 
Theil  des  Farbstoffs,  das  Cholestearin  (?)  und  die  mit  dem  Schleim 
verbundenen  Erdsalze  werden  mit  dem  Faeces  entleert.  —  1 
in  das  Blut  tibergegangene  Theil  unserer  Flüssigkeit  tritt  zum  Th(J 
im  Hanl  aus,  insbesondere  begegnet  dieses  dem  Farbstoff  und  > 
Gallensäure,  wenn  sie  sehi-  reichlich  im  Blut  vorhanden  sind, 
z.  B.  bei  Gelbsucht  und  nach  Einspritzung  einer  Lösung 
krystallinischer  Galle.    Für  gewöhnlich  werden  sie  im  Blut  rat 
zerlegt,  so  dass  es  nicht  gelingt,  sie  dort  aufzufinden.  Dage, 
finden  sich  Producte  dieses  Umsetzungsprozesses ,  und  zwar  Tau 
in  dem  Lungen-  und  Nierengewebe  (Cloetta)*)  und  Hippursä 
im  Harn,  welche  dadurch  entstand,  dass  sich  das  aus  der  G 
cocholsäure  abgespaltene  Glycin  mit  der  vorhandenen  Benzoesäi 
paarte  (Ure,  Wöhler,  Frerichs,  Kühne,  Hallwachs)'' 
Wenn  die  Benzoesäure  in  nicht  genügender  Menge  vorhanden,  so  m 
das  Glycin  auf  einem  andern  uns  unbekannten  Wege  verschwind 
Die  aus  der  Tauro-  und  Glycocholsäure  abgespaltene  Cholsä 
bleibt  wahrscheinlich  in  Verbindung  mit  dem  Natron  und  geht 
kohlensaures  Natron  Uber  (Kühne)  ***).  —   Eine  andere  l 
Setzung  der  Gallensäuren  vermuthen  Frerichs  f)  undStaedel 
sie  sollen  sich  zu  Gallenfarbstoff  umwandeln,  der  mit  dem  H 
(siehe  diesen)  austritt. 

8.  Der  Leberschleim.  Der  Saft,  welchen  die  Schleimdrü 
in  die  Lebergänge  und  Gallenblase  ergiessen,  mengt  sich  für 
wohnlich  mit  der  Galle,  und  somit  ist  es  bis  dahin  unmöglich 
wesen ,  seine  Zusammensetzung  und  seine  Absonderungsverhältn: 
zu  ergründen.  —  Um  Beides  mögUch  zu  machen,  wäre  es 
nöthig,  den  Blasengang  zu  unterbinden  und  darauf  eine  Blas 
fistel  anzulegen;  es  dürfte  sich  dann  leicht  herausstellen,  ( 
mancherlei  Veränderungen  in  der  Absonderung,  die  man  jetzt 
die  Vorgänge  in  den  Leberzellen  schiebt,  in  den  Schleimdrü 
begründet  sind;  namentlich  deutet  die  stärkere  Anschwell 
der  Blasenblutgefässe  zur  Zeit   der  Verdauung  (Bidder 


•)  Journal  für  prakt.  Chemie.  G6.  Bd. 
Archiv  für  patholog.  Anatomie.  XII.  Bd. 
•••)  Ibidem.  XIV.  Bd. 
t)  Klinik  der  Leberkrankheiteii,  I.  Bd.  404. 


Ernähi'ung  der  Leber. 


335 


Schmidt)  darauf  hin,  dass  auch  dann  diese  Drüsen  rascher  ab- 
sondern. 

Das  Wenige,  was  wir  von  dem  Schleimsaft  wissen,  beschränkt 
sich  darauf,  dass  er,  wie  die  ihm  verwandten  Säfte,  einen  Körper 
enthält,  der  alkalisch  reagirt  (Bidder  und  Schmidt*)  und  die 
Eigenschaften  und  die  Zusammensetzung  des  Mucins  (Gorup)**) 
rägt.  Da  er  mit  der  Galle  in  den  Darm  entleert  wird,  so  theilt 
:;r  doit  die  Schicksale  des  übrigen  Darmschleims. 

9.  Ernährung  der  Leber.  Beim  Fötus  nimmt  den  Ort  der 
[.päteren  Leber  zuerst  ein  kleines,  mit  dem  Darmrohr  communi- 
i;ii-endes  Hohlgebilde  ein,  dessen  Wandungen  aus  verschiedenen 
^ellenlagen  bestehen,  von  denen  die  eine  in  die  Epithelialschicht 
jnd  die  andere  in  die  Zellenfaserschicht  der  Damwandung  über- 
seht ;  an  der  einander  zugekehrten  Grenze  beider  Lagen  treten  mit 
uem  steigenden  Alter  des  Fötus  aus  der  Epithelialschicht  neue 
ilellen  auf,  welche,  indem  sie  sich  zu  netzförmig  verbundenen 
i.{älkchen  anordnen ,  die  ebenfalls  an  Zahl  zunehmenden  Zellen  der 
?aserschicht  vor  sich  hertreiben,  so  dass  diese  letztem  immer  die 
lusseren  Flächen  der  Epithelialschicht  umkleiden.  Aus  den  Bälkchen 
vehen  die  Gallengänge  und  Leberzellen,  aus  den  umkleidenden 
Mellen  die  Nerven,  Gefässe  und  das  Bindegewebe  der  Leber  hervor 
IBischoff,  Remak),  —  Beim  Wachsthum  der  Leber  verhalten 
iich  die  Gefässe  und  das  Bindegewebe  derselben,  so  weit  be- 
;annt,  wie  an  allen  anderen  Orten;  wie  sich  dagegen  die  Um- 
ungszunahme  der  Leberzellenregionen  gestaltet,  ist  noch  nicht  hin- 
ejichend  klar;  am  wahrscheinlichsten  ist  es  nach  den  Messungen 
(on  Harting  allerdings,  dass  nicht  die  Zahl,  sondern  der  Umfang 
fer  Zellen  zunimmt.  Denn  es  verhalten  sich  nach  ihm  die  Durch- 
^.lesser  der  Leberzellen  des  4  monatlichen  Fötus  zu  denen  des  Er- 
rrachsenen  wie  1  :  4. 

Die  Veränderungen,  welche  die  festen  Bestandtheile  der  aus- 
gewachsenen Leber  und  namentlich  die  Wandungen  der  Gefässe 
Weiden,  scheinen,  in  Anbetracht  des  reichlichen  Capillarnetzes 
laf  ihnen,  nicht  unbeträchtlich  zu  sein.  Dieser  Schluss  ist  aller- 
rings  gewagt,  da  das  arterielle  Blut  der  Leber  auch  in  die  Capillaren 
»er  Schleimdrüsen  eingeht.  —  Der  Umfang  der  Leber  wechselt  bei 
linem  und  demselben  Erwachsenen,  wie  es  scheint,  nicht  unbe- 


'  •)  L.  c.  p.  214.  « 
'••)  Lieblg,  Aonaleii.  69.  Bd.  102. 


33ß  EmäliruTig  der  Leber.  SpeicheldrüBen. 

trächtlicli ;  namentlich  nimmt  sie  beim  Hungeiu  ab  und  bei 
Mästung  sehr  zu. 

Hierüber  giebt  folgende  Zusammenstellung  Aufschluss: 


Beobaclittingsgogenstnnd. 


Mann  von  27  Jahren  .  . 

,,  „    36  „ 

>)  )>    25     ,,      .  . 

Frau  „    33  „ 

Katzci  

11   

»j   

)>   

Bei  chronischem  Hunger,  wie  ihn  Strioturen  des  Oesophagus  mit  sich  bring 
nähert  sich  nach  Frerichs  das  Yerhältniss  mehr  wieder  der  Norm;  er  fand  im  Mit 
von  4  Fällen  =  1  :  29,5. 

Der  Zusammenhang  zwischen  der  Umfangsänderung  und  d 
G-allenbildung  ist  schon  erwähnt;  ebenso  dass  bei  einer  Auhäufu 
des  Fettes  im  thierischen  Körper  der  Inhalt  der  Leberzellen  si 
beträchtlich  mästet*),  und  zwar  so  weit,  dass  die  durch  F 
weit  ausgedehnten  Zellen   die   Blutgefässe   zudrücken.  —  D 
öfter  ausgesprochene  Annahme,  dass  die  Lebei-zellen,  welche 
die  Gallengänge  grenzen,  aufgelöst  und  an  ihrer  Stelle  neue  gebild 
werden,  entbehrt  vorerst  noch  der  Begründung,  die  um  so  me 
uöthig,  als  die  Leberzellen  der  Säugethiere  in  Galle  unlösli 
sind  (Kühne). 

Speicheldrüsen. 

1.  Anatomischer  Bau.  Ein  Abguss  der  Speicheldi-üsenhöhl 
besitzt  bekanntlich  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  einer  sehr  die 
und  feinbeerigen  Weintraube  (E.  H.  Weber,  Joh.  Müller). 
Grösse  derselben,  oder  was  dasselbe  bedeutet,  die  Zahl  der  Beer 
und  die  der  Nebenstiele,  welche  in  den  Hauptstiel  einmünden, 
sehr  veränderlich.  —  Die  Röhrenwände  bestehen  in  den  Endbläsch 
aus  einer  sehr  feinen,  durchsichtigen  Grundhaut  und  einem  E 
thelium.  Die  Zellen  des  letztern ,  welche  man  Speichelzellen  nenn 
könnte,  sitzen  dicht  gedrängt  und  sind  liberall  kugelig,  kernhal" 
Sie  füllen  die  Höhle  des  Blächens  fast  vollkommen  aus.  In 


Zeit  nach  der  I.  Mahlzelt 
In  Stunden. 

Verhältnisszahl 
zwischen  Leber- 
und 

Körpergewicht. 

Xurz  nach  der  Mahlzeit. 

1  :  26,5 

)j      »)      ))  jt 

1  :  37 

72  Stunden. 

1  :  40 

168       „  . 

1  :  50 

3  „ 

1  :  30 

12—15  Stunden. 

1  :  25 

24-48  „ 

1  :  31 

168  Stunden. 

1  :  37 

Beobachter 


Frerichs. 


Bidder 

und 
Schmidt. 


*)  Loreboullct,  Mdmoiro  sur  la  structure  intime  do  la  foio  etc.  Paris  18G3. 


niut  und  Blutstrora  in  der  Speichel-,  insbesondere  der  Unterkieferdrüse.  337 


'arotis  weicht  ihr  Inhalt  von  dem  in  den  übrigen  Speicheldrüsen 
ttwas  ab,  es  fehlt  ihm  das  körnige,  getrübte  Ansehen,  und  er 
FÜ-d  durch  Wasser  und  Essigsäurezusatz  nicht  gefällt  (D  o  n  d  er  s  )  *). 
n  den  grössern  Drüsengängen  ist  die  Grundmasse  der  Wand  aus 
lastischem  Bindegewebe  gebildet,  in  das  meist  sehr  sparsame  und 
ar  in  den  ünterkieferdrüsengängen  häufigere  Muskelzellen  ein- 
estreut  sind  (Kölliker).  Die  Epithelialzellen  der  grossen  Gänge 
esitzen  einen  viel  geringeren  Durchmesser  als  diejenigen  der  End- 
iäschen.  Man  könnte  die  letztern  Speichel  bellen  nennen.  — 
i»ie  Arterien  der  Speicheldrüsen  verästeln  sich  auf  den  Bläschen 
ar  Bildung  eines  weitmaschigen  Netzes.  Die  kleinsten  zuführenden 
rterien  sind  mit  sehr  kräftigen  Muskellagen  versehen.  —  Nerven- 
dden  erhalten  die  Speicheldrüsen  aus  den  nn.  trigeminus,  facialis, 
vmpathicus ;  in  ihrem  Verlauf  durch  die  Drüse  sind  sie  mit  Ganglien- 
lageln  belegt;  die  Primitivröhren  verästeln  sich  auf  ihi-em  Verlauf 
lie  in  den  Skeletmuskeln  (Donders).  Ihre  Enden  sind  der  ana- 
I mischen  Zerghederung  noch  unbekannt;  der  physiologischen  Er- 
Ihrung  zufolge  verzweigt  sich  der  Sympathicus  in  den  Gefässmuskeln 
Ozermak,  Cl.  Bernard). 

Die  chemische  Kenntniss  der  Speicheldrüsen  beschränkt  sich 
rif  die  Notiz,  dass  das  Gewebe  Leucin  und  Schleimstoffe  enthält 
Btaedeler). 

2.  Blut  der  Speichel-,  insbesondere  der  Unterkieferspeicheldrüse. 
Tährend  der  bestehenden  Speichelabsonderung  wurde  Blut  aus  den 
iiiträchtlichsten  Diüsenvenen  und  zugleich  aus  einem  den  Drüsen- 
tterien  benachbarten  Zweig  der  Carotis  aufgesammelt.  Das  erste 
nthielt  74,6,  das  zweite  78,0  pCt.  Wasser.    Das  Blut  kam  aus 

vVene  hellroth  hervor;  es  hatte  also  sehr  rasch  die  Drüse  durch- 
It,  C.  Bernard**). —  Während  der  Absonderung  des  Speichels 
|:eigt  die  Temperatur  des  Venenblutes  (,C.  Ludwig). 

I  Der  Unterschied  von  3,4  pCt.  Wasser  im  arteriellen  und  venösen  Blut  dürfte 
rr  aus  einem  ungleichen  Köri)erchengehalt  beider  Blutadern  zu  erklären  sein. 

3.  Der  Blutstrom  durch  die  Speichel-,  insbesondere  die  ünter- 
.cferdrüse.  Ueber  die  Veränderungen  des  Strombettes  von  den 
^•terien  durch  die  Capillaren  zu  den  Venen  und  von  dem  absoluten 
;'erthe  der  Geschwindigkeit  Und  Spannung  in  den  einzelnen  Ab- 
I  eilungen  ist  nichts  bekannt.  Die  starken  Muskellagcn  der  kleinen 
['rterien  können  Veranlassung  zu  wesentlichen  Aenderungen  des 

'j  Onderzooklngcn  gedan  In  het  pliyslol.  laborat.    Utrecht  1852—53.  p.  61. 
■  '•)  Le^ong  8Ur  Ic»  liquides.  I.  Bd.  362. 
-  Lndwig,  Pliysiologie  II.  2.  Auflage. 


338 


Speichelbestandtheilo  der  Untcrkieferdrüsc. 


Stromquerschnittes  geben ,  welcher  die  Capillaren  speisst.  NameJI 
lieh  weist  CI.  Bernard  nach,  dass  während  der  Reizung  M 
Sympathicus  das  Blut  aus  den  Hauptdrlisenvenen  nur  sehr  langsÄ 
und  dunkelroth,  nach  Durchschneidung  jenes  Nerven  aber  rasi 
und  hellroth  kommt.  Bei  Reizung  des  ram,  lingualis  strörpt  dl 
Blut  rasch  und  hellroth,  und,  wenn  noch  gleichzeitig  der  n.  sympalp 
durchschnitten  ist,  oft  selbst  pulsirend  aus  der  Vene. 

Beispielsweise  füti-t  Bernard*)  an,  dass  während  der  Reizung  des  n.  lingi 
das  Blut  aus  der  Drüasnvene  um  4 mal  rascher  ausgeflossen  sei,  als  bei  Buhe 
selben.  —  Die  Erscheinungen  bei  Reizung  und  nach  Durchschneidung  des  n.  sympathii 
erklären  sich  auf_  bekannte  Weise.    Die  Gcfässerweiterung  auf  Reizung  des  n.  lingu 
ist  schwieriger  z   erklären .  weil  uns  eine  Muskulatur ,  welche  vermöge  ihrer  Zusamm 
Ziehung  die  Gefasse  erweitert,  unbekannt  ist;  die  Erklärungsgründe  können  also  nur 
Erschlaffung  der  Kreismuskulatur  berücksichtigen ;  diese  aber  könnte  eingeleitet  wer 
entweder  durch  eine  ähnliche  Beziehung  des  ram.  lingualis  zu  den  Circularmusk 
wie  sie  der  Vagus  zum  Herzen  besitzt,  oder  durch  die  Temperaturerhöhung,  wel 
nach  Reizung  der  Nerven  im  Blut  und  in  der  Drüse  eintritt  (?).  —  Bernard, 
die  erste  Erklärung  hinstellt ,  glaubt ,  dass  ununterbrochen  von  beiden  Nerven  T 
kungen  auf  die  Gefässe  ausgehen  und  dass  in  Folge  dessen  ein  Gleichgewicht  eintr 
welches  jedoch  zu  Gunsten  bald  dieses  und  bald  jenes  Nerven  aufgehoben  werde. 

4.  Speichel.  Er  gehört,  wie  im  Voraus  zu  bemerken, 
den  Säften,  welche  nur  dann  fliessen,  wenn  die  zur  Drüse  gehenc 
Nerven  geradaus  oder  reflectorisch  gereizt  werden  (C.  Ludwig 
Die  qualitative  chemische  Zusammensetzung  des  Speichels  aus  c 
verschiedenen  Speicheldrüsen  stimmt  allerdings  zwar  in  den  meist 
aber  nicht  in  allen  Stücken  überein. 

a.  Der  Speichel  der  Unterkieferdrüse**)  enthält  unter  al 
Umständen  Wasser,  Mucin,  einen  eiw eissartigen  Extraktivstoff,  desE 
Eigenschaften  von  der  Darstellungsart  (nach  Berzelius,  Gme 
oder  G.  Mitsclierlich)  abhängig  sind***),  einen  in  Alkohol  1 
liehen  Exti-aktivstolf,  eine  Kaliseife,  Chlorkalium,  Kochsalz,  phosph 
saure  Salze,  Rhodankalium  und  Wasser,  zuweilen  fiihrt  er  ai 
schwefelsaures  Kali.  —  Die  quantitative  Mischung  f)  des  Speich 
ist  veränderlich:  1)  mit  der  Zeitdauer  der  Reizung,  resp.  ( 
Speichelabsonderung.  Beginnt  nach  einer  längern  Ruhe  die  Speiet 
absonderung  wieder,  so  ist  jedesmal  der  erste  Tropfen  dui 
Molekularkörnchen  getrübt.  Hält  man  die  Absonderung  eine  Stui 
und  mehr  im  Gange  und  fängt  den  in  je  10  oder  15  Minuten  a 


»)  Le90ns  sUr  Ies  liquides,  n.  Bd  270. 
*»)  B 1  (1  d  e  r  und  .Schmidt,  Verdanungssüfte.  p, 
*•»)  Lehmann,  pliysiolog.  Chemie.  U.  Bd.  17. 
t)  Ilcintz,  Zoochemie,  p.  827. 


Veränderung  der  Speichelbestandtheilo  der  Unterkieferdrüse.  339 


retendeu  Speichel  gesondei-t  auf,  so  findet  sich,  dass  der  im  Be- 
!;inn  einer  solchen  Speichelungsperiode  austretende  Saft  reicher  an 
«steu  Bestandtheilen  ist,  als  der  später  erscheinende ;  es  nimmt  also 
oit  der  Dauer  der  Speichelung  der  prozentische  Gehalt  an  festen 
{estaudtheilen  ab.  Diese  Verdünnung  unseres  Saftes  ist  vorzugs- 
weise bedingt  durch  die  Verminderung  der  organischen  Bestand- 
üeüe;  denn  diese  werden  in  einer  langen  Speichelungszeit  bis  zur 
lälfte  oder  zum  Viertel  des  ursprünglichen  Gehaltes  herabgedrückt, 
/ährend  der  Salzgehalt  sich  entAveder  gar  nicht,  oder  jedenfalls 
im  viel  weniger  als  die  Hälfte,  verändert  (C.  Ludwig,  Becher)*). — 
)  Diese  Erscheinung  muss  abhängen  von  irgend  einer  Aenderung, 
reiche  in  der  Drüse  durch  die  Absonderungsdauer  eingeleitet  wird, 
t'cnn  wenn  man  erst  die  Drüse  einer  Seite  so  lange  reizt,  bis  der 
msfliessende  Saft  arm  an  organischen  Bestandtheilen  geworden  ist 
lad  dann  mit  der  Reizung  der  Drüse  an  der  andern  Seite  beginnt, 
')  gewinnt  man  dort  anfänglich  einen  Speichel ,  der  eben  so  reich 
II  organischen  Bestandtheilen  ist,,  wie  es  der  Anfangsspeichel  der 
aerst  gereizten  Drüse  war,  und  es  nimmt  mit  dauernder  Reizung 
isr  verbrennliche  Rückstand  gerade  so  ab,  wie  vorher  an  der 
bsten  Drüse  (Setschenow,  C.  Ludwig). —  3)  Die  Zusammen- 
rtzuug  ändert  sich  mit  dem  gereizten  Nerven**).  Nach  Bernard, 
(ckhard  und  Adrian  ist  Speichel,  der  nach  Reizung  des  Sym- 
lathicus  abgesetzt  wird,  zäher  als  der,  den  die  Reizung  des 
ucialis  und  Trigeminus  hervorbringt.  —  Der  auf  Geschmacks- 
Iflexe  ausfliessende  Speichel  soll  weniger  zäh  sein  als  der  durch 
ee  direkte  Reizung  des  ram.  lingualis  ausfliessende  (B  er  nard)  ***). — 
■  Mit  einer  bedeutenden  Steigerung  des  Kochsalzgehaltes  im  Blut 
PBhrt  sich  der  Salzgehalt  des  Speichels  um  ein  Geringes ;  die 
tganischen  Bestandtheile  erhalten  sich  unverändert. —  Auffallender 
''eise  erleidet  dagegen  die  Zusammensetzung  des  Speichels  keine 
merkliche  Veränderung  durch  eine  beträchtliche  Vermehrung  der 
K'ozentischen  Menge  des  Blutwassers,  welche  man  durch  eine  Ein- 
»■iritzung  von  Wasser  in  die  Venen  erzeugt  hat  (E.  Becher, 
I  Ludwig).  —  6)  Ebenso  unabhängig  ist  auch  die  Zusammen- 
ftzung  von  der  Absonderungsgeschwindigkeit;  der  in  der  spätem 
niit  der  Speichelungsperiode  gewonnene  Speichel  ist  immer  äimer 


•  *)  E.  Becher  und  C.  Ludwig,  Hcnle's  Und  Pfcüfer'a  ZelUchrift.  N       1- Bd.  278. 
■*•)  Bernard,  Le(;oii«  sür  les  liquide».  1859.  II.  Bd.  276.—  Eckhard,  BeitrBgo  zur  Anatomlü 
J  Physiologie,  n.  Bd.  p.  86. 
*•**)  1.  c.  p.  261. 

22* 


340 


Ohr-,  Uiitei'zungen  -  und  Munddrüsenspoichel. 


an  festen  Theilen  als  der  früher  abgesonderte,  gleichgiltig  ob  der 
eine  oder  der  andere  rasch  oder  langsam,  also  bei  grosserer  oder 
geringerer  Nervenerregung  abgesondert  wurde  (C.  Ludwig, 
Setscheno  w). 

Nach  den  bis  dahin  bekannt  gewordenen  Bestimmungen 
schwanken  beim  Hunde  in  100  Theilen:  der  Rückstand  von  1,98 
zu  0,39,  die  Salze  von  0,79  bis  0,24,  die  organischen  Bestandtheil« 
von  1,26  zu  0,15.  —  Ein  Speichel  von  annähernd  mittlerer  Zu- 
sammensetzung enthielt  nach  C.  Schmidt:  Wasser  =  91,14; 
organische  Stoffe  =  0,29;  Ka  und  Na  Gl  =  0,45;  Kalksalze  =  0,12, 

b.  Der  Speichel  der  Ohrdrüse  unterscheidet  sich  von  dem  vor- 
hergehenden nur  dadurch,  dass  er  Harnstoff  (Poiseuille  und 
Gobley)  *)  und  kohlensauren  Kalk  enthält,  während  er  di 
Mucin  entbehrt  (Gurlt);  darum  fehlt  ihm  der  fadenziehend 
Aggregatzustand;  seine  quantitative  Zusammensetzung  zeigt  ebei 
falls  grosse  Variationen;  eine  derselben  besteht  darin,  dass  durd 
dauernde  Absonderung  das  spezifische  Gewicht  erniedrigt,  durd 
Ruhe  aber  erhöht  wird  (Lehmann)  **). —  Nach  Mitscherlic 
bewegt  sich  beim  Menschen  der  Prozentgehalt  der  festen  Stoffe  voi 
1,6  zu  1,4,  von  diesen  letzteren  waren  0,9  verbrennlich  und  0,5  ui< 
verbrennlich ;  beim  Hunde  schwankt  nachGmelin  und  Mits eher; 
lieh  der  Rückstand  zwischen  2,6  bis  0,5  pCt.  —  lieber  das  ur*' 
gefähre  Verhältniss  der  Salze  zu  einander  giebt  die  nachstehend' 
Analyse  von  C.  Schmidt  Rechenschaft:  Wasser  =  99,53;  orgai 
Stoffe  =  0,14;  Ka  und  Na  Gl  =  0,21;  GaOG02  =  0,12. 

c.  Der  Speichel  der  Unterzungeudrüse  enthält,  wenn  er  durd 
Druck  entleert  wird,  die  sogen.  Speichelkörperchen,  kleine,  kugelig( 
gekörnte,  kernhaltige  Zellen  (D  onders)  ***). 

d.  Mundspeichel.    Der  Speichel  der  Sublingual-,  Lingual 
Lippen-  und  Backendrüsen  ist  noch  nicht  gesondert  untersucl 
worden.     Trotzdem  lässt  sich  aussagen,  dass  seine  Zusammei 
Setzung  nicht  wesentlich  abweiche  von  derjenigen  der  untersuchte] 
Speichelsorten,  weil  nämlich  der  Mundspeichel,  oder  das  Gemen] 
aus  den  Säften  aller  Speicheldrüsen,  wie  es  aus  der  Muudhö' 
gewonnen  werden  kann,  annähernd  gleich  mit  jenen  constituirt  is| 
Die  einzigen  wesentlichen  Unterschiede,  die  sich  finden,  besteh« 
nach  Berzelius,  Gmelin,  Schmidt,  Frerichs,  L'h6ritie| 


•)  Compt.  rend.  Bd.  49.  p.  164. 
••)  Physlolog.  Chemie,  n.  Bd.  p.  12. 
»•)  Physiologie  des  Meuschen.  Leipzig  185C,  1.  181. 


Ungewöhnliche  Speichelbostandtheile ,  Speichelwärme. 


341 


id  Lehm  ann  darin,  dass  der  Mundspeichel  losgestossene  Epithelial- 
illcn  der  Mundschleimhaut  (Speichelzellen)  und  phosphorsaures 
a,tron  enthält. 

Der  Mundspeichel,  welchen  man  zu  A^erschiedenen  Zeiten  auf- 
ngt,  kann  nach  den  schon  mitgetheilten  Erfahrungen  nicht  gleich- 
■tig  zusammengesetzt  sein;  dieses  haben  in  der  That  Cl.  Bernard, 
Schmidt,  Wright  und  Donders  bestätigt.  Donders*) 
it  den  Speichel  der  Mundhöhle  vor  und  nach  dem  Fressen  auf- 
äfangen  und  aus  der  Analyse  desselben  das  unerwartete  Resultat 
halten,  dass  der  erstere  weniger  feste  Bestandtheile  enthielt  als 
ür  letztere.  Ebenso  giebt  Wright  an,  dass  der  menschliche 
«eichel  nach  dem  Essen  specifisch  schwerer  sei  als  vor  demselben. 

In  100  Theilen  wechselt  sein  fester  Rückstand  zwischen  1,35 
15  0,35. 

Ungewöhnliche  Speichelb estandtheile.    Wenn  man  in  das  Blut  Jodkalium  bringt, 
zeigt  sieh  dieses  im  Speichel  wieder,  und  zwar  sehr  bald  (Cl.  Bernard)**).  — 
itlaugensalz  kommt  unter  gleichen  Bedingungen  nicht  in  ihm  vor  (Saugst  edt***), 
Bernard).    Wurde  das  Blutlaugeusalz  in  die  Höhlung  der  Speicheldrüse  selbst 
([gespritzt,  so  verschT^;and  es  nach  kurzer  Zeit  (Cl.  Bernard).  —  Zucker  geht  nie- 
lis  in  den  Speichel  über,  selbst  nicht  bei  Diabetes  (Cl.  Bernard). 

5.  Speichelwärme.  Der  nach  Reizung  des  ram.  lingualis  aus 
rr  Unterkieferdrüse  fliessende  Speichel  ist  mit  dem  Thermometer 
!)  zu  1,5''  C.  wärmer  gefunden  worden  als  das  im  Ursprung  der 
(derseitigen  Carotis  fliessende  Blut;  der  Temperaturunterschied  zu 
unsten  des  Speichels  war  um  so  grösser,  je  rascher  derselbe  aus 
^  Gange  floss  (C.  Ludwig,  A.  Spiess). 

I  Bei  der  Messung  der  Temperaturen  wurde  auf  folgende  Weise  verfahren  (siehe 
istehend  Fig.  52): 


'•)  Onderzockingen  gedan  in  het  physiologish  laboratoriam.  Utrecht.  1852—53.  p.  66. 
•"•)  Le^ons  8ur  les  liquides  etc.  II.  250. 

Friedleben,  die  Physiologie  der  Thymusdrüse.  1858.  98, 


342  Bestimmung  der  Speichelwärme ;  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Speichels. 


Fig.  52. 


Der  Hg -Behälter  ein 
feinen,  in  Vio"  getheili 
Thermometers  a  wird 
den  senkrechten  Schenkel 
des  X  förmigen  Röhrchei 
eingesetzt.  In  den  voj 
Thermometergefäss  freigc 
lassen  en  fast  capilläre 
Baum  dieses  Schenkel 
dringt  der  Speichel  au 
dem  Arm  c,  der  in  da 
Drüsenende  des  Ganges  ga 
bunden  ist,  und  er  fliess 
aus  dem  gebogenen  Ann 
weiter.  Der  Arm  e  de 
horizontalen  Schenkels  ia 
ein  solider  Stift,  der  i 
das  Mundende  des  Speiche] 
ganges  eingebunden  wird 
um  die  Lage  der  Canül 
zu  sichern.  Ein  zweitei 
genau  mit  dem  Speichel 
thermometer  verglichena 
Wärmemesser  wird  in  di 
Carotis  bis  zum  Brustbeil 
eingeschoben  und  dort  eii| 
gebunden.  Die  zahlreicheji 
Vorsichtsmaassregeln ,  dj| 
dieser  Versuch  verlangl 
werden  an  einem  ander  ^' 
Orte  TeröfTentlicht  werdei  ; 


6.  Absonderuüga 
geschwindigkeit 
Speichels.  Der  Spe 
chel  fliesst  aus  de 
Drüsen -Bläschen 
dieAusfiihrungsgän 
nicht  zu  allen,  so: 
dern  nur  zu  gewissei 
Zeiten  über.  Insofern 
darf  man  die  Absoii 
derung  eine  periodi 
sehe  nennen.  Ei 
könnte  jedoch  auc^. 


Absonderungsgescliwindigkeit  des  Speichels. 


343 


öglich  sein,  dass  während  der  sogen.  Speiclielruhe  ein  oder 
ehrere  Stoife  aus  dem  Blut  in  den  Driisenraum  abgesetzt  würden, 
te  dort  so  lange  venveilten,  bis  sie  von  dort  mit  Hülfe  derjenigen 
loeichelbestandtheile  ausgewaschen  würden,  welche  nur  zeitweise 
ds  dem  Blut  abgeschieden  werden.  Dann  würde  man  sagen,  die 
)bsonderung  einzelner  Speichelstoffe  ist  eine  zwar  langsame,  aber 
;etige,  diejenige  anderer  eine  raschere,  aber  nur  zeitweilige.  Ist 
fese  letztere  Unterscheidung  begründet,  so  müssen  alle  oder 
!3nigstens  Antheile  der  organischen  Stoflfe  zu  jenen  gehören,  welche 
>stig  abgesondert  werden,  während  das  Wasser  und  die  alkalischen 
;entralsalze  die  zeitweilig  erscheinenden  Stoffe  sind.  Die  so  eben 
cngestellte  Annahme  findet  ihren  bedeutendsten  Rechtfertigungsgrund 

der  Thatsache,  dass  die  beim  Beginn  des  periodisch  eintretenden 
Deichelausflusses  hervortretende  Flüssigkeitsmenge  in  100  Theilen 
tcher  an  organischem  Rückstände  sind,  als  die  später  hervor- 
Ihenden;  somit  könnte  man  annehmen,  dass  die  zu  jener  Zeit  in 
;e  Drüse  tretende  Salzlösung  den  schon  früher  vorhandenen  lös- 
ihen  organischen  Stoff  ausgewaschen  hätte.  Dabei  bleibt  es  aber 
odenklich,  dass  die  Ausflussgeschwindigkeit  des  Speichels  aus  den 
iingen,  oder  anders  ausgedrückt,  dass  die  Zeit  des  Verweilens 
]ier  Lösung  in  den  Drüsenbläschen  ohne  Einfluss  auf  die  Zu- 
immensetzung  ist.  Jedenfalls  ergiebt  sich  aber  aus  dem  Vor- 
ühenden,  dass  die  Ausscheidung  der  organischen  Stoffe  einerseits 
id  die  der  Salze  und  des  Wassers  anderseits  nicht  mit  gleicher 
!;sch windigkeit  erfolgt  und  dass  uns  nur  über  die  Absonderungs- 
sschwindigkeit  der  letzteren  etwas  auszusagen  möglich  ist. 

Die  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Wassers  und  der  Salze 

abhängig  von  einer  bestimmten,  aber  noch  nicht  näher  be- 
i  .nnten  Anordnung  der  Dräsenelemente,  der  Zusammensetzung  des 
rats  und  der  EiTegung  gewisser  Nerven  (C.Ludwig)*),  a)  Die 
s^rven,  deren  Ei-regung  die  Absonderung  beeinflusst,  verlaufen  im 
m.  III.  n.  trigemini  (ram.  lingualis,  auriculo-temporalis  (?) 
Hahn)  **)  und  mylohyoideus  (Gl.  Ber n ard)  ***);  ferner  im 

facialis  (chorda  tympani,  rami  parotidei  posteriores)  (Rahn) 


■  •)  Henic's  und  Pfeufor's  Zeitachrlft.   Zweite  Folge.  I.  Ü56. 
"»)  ibidem.  285. 

Le^ons  gur  ll'uiides.  II.  Bd.  303.  —  Der  l)OrUlimte  Pariser  Akademiker  boschreibt  seit  Jahren 
-suche,  welche  längst  vor  Ihm  von  Dr.  Rahn  in  meinem  Laboratorium  ausgeführt  sind.  D» 
T  Bernard,  wie  er  wiederholt  gezeigt,  einen  feinen  Sinn  fUr  literarisches  Eigenthum  besitzt, 

l««nn  «ein  Stillschweigen  Uber  die  waliren  Urheber  jener  Versuche  nur  aus  «einer  Unbekannt- 

aft  mit  jenen  Beobachtungen  abgeleitet  werden. 


344 


Absondoruiigsgoschwindigkcit  des  Speichels. 


und  im  Halsstrang  des  n.  sympathicus  (C.  Ludwig,  Czermak ; 
im  nervus  glossopharyngeus  (Kahn). —  b)  Von  diesen  Nerven  wirki 
einige  geradezu  auf  die  Drüse ,  d.  h,  die  Absonderung  wird  hei-vr. 
gerufen,  auch  wenn  ihr  vom  Hirn  oder  RUclcenmark  getrennl 
Stamm  gereizt  wird;  die  hier  gehörigen  Nerven  verlaufen  in  d 
Bahn  des  n.  trigeminus,  facialis  und  sympathicus  und  enden 
den  Drüsen  selbst.  Ein  anderer  Theil  der  vorhin  genannten  Nervi 
wirkt  reflectorisch ,  es  sind  die  in  der  Mundschleimhaut  sich  V( 
breitenden  sensiblen  Aeste  des  n.  trigeminus  und  glossopharyngeus. -t 

c)  Wird  einer  der  geradaus  wirkenden  Nerven  durch  den  tetan 
sirenden  Induktionsstrom  gereizt,  so  beginnt  nicht  sogleich  mit  d^ 
Reizung  die  Absonderung,  und  nach  Schluss  der  Reizung  hört  sj 
nicht  immer  alsbald  auf.  Die  Dauer  der  Nachwirkung  scheint  ni 
dem  Erregbarkeitsgrade  der  Drüsen  zu  wachsen  (C.  Ludwig).- 

d)  Gleichstarke  Induktionsschläge  erzeugen  nicht  von  allen  Nerve 
aus  gleichstarke  Absonderung.    Am  mächtigsten  wirkt  durch  di 
Unterkieferdrüse  der  n.  facialis,  am  schwächsten  der  n.  sympathicu 
(C.  Ludwig).  —  e)  Werden  gleichzeitig  der  ram.  lingualis  und  ddl 
n.  sympathicus  gereizt,  so  wird  zuerst  die  Absonderung  in  d« 
Unterkieferdrüse  rascher,  alsbald  aber  viel  weniger  rasch  als  nac 
Reizung  jedes  einzelnen  Nerven  (Czermak).  —  f)  Die  normalf 
Erregungen  der  Speichelnerven  treten  willkürlich  zugleich  mit  de 
Kaubewegungen  und  reflectorisch  nach  Geschmacksempfindung« 
ein.    Die  Kaubewegungen  sollen  vorzugsweise  die  gl.  parotis,  d 
Geschmacksreflexe  die  gl.  submaxillaris  zur  Absonderung  verai 
lassen  (Gl.  Bernard).  —  g)  Elekti-ische  Schläge,  die  geradez 
in  die  Drüsen  eintreffen,  erzeugen  keine  Absonderung.  —  h)  Thier 
die  mit  Curare  vergiftet  sind  und  durch  künstliche  Respiration  ai 
Leben  erhalten  werden,  speicheln  ununterbrochen  (Bernard 
Kölliker**)  fand  dieses  nicht  bestätigt.  —  i)  Die  Anwesenhe 
von  sauerstoffhaltigem  Blute  unterstützt  die  Absonderung;  hält  ma 
die  stärkste  der  Venen,  welche  aus  der  gl.  submaxillaris  hervo 
gehen,  zu,  und  erregt  gleichzeitig  den  ram.  lingualis,  so  hört  äJ 
mählig  die  Speichelabsonderung  auf ;  öffnet  man  die  Vene,  so  fließ 
ein  schwarzes  (also  sauerstofffreies)  Blut  aus;  hat  sich  dieses  en 
leert  und  ist  durch  anderes,  aus  der  Arterie  nachrückendes  ersetz 
so  lockt  die  Nervenreizung  den  Speichel  wieder  hervor.   Aus  diese 
Gründen  kann  die  Beschleunigung  des  Blutstroms,  namentlich  de 


•)  Wiener  akadem.  Sitzungsbexiohte.  XXV.  8. 
*•)  Virchow's  Arcliiv.    X.  Bd.  20. 


Absondcrungsgeschwindigkeit  dos  Speichels;  Speichelbereitung.  345 


ladurch  herbeigeführte  Bhitwechsel,  die  Absonderungsgeschwindig- 
/.eit  steigern. 

Die  Absondorungsgeschwindigkcit  bestimmte  man  eiit-weder  durch  Wägen  des  in 
er  Zeiteinheit  abfliesscnden  Speichels,  oder  durch  Messung  des  ausfliessenden  Volums 
corch  ein  getheiltes  Kohr,  das  man  an  die  Speichelcanüle  setzt.  Genauer  endlich  misst 
«an  die  Aenderungen  der  Absonderungsgeschwindigkeit  durch  den  in  Fig.  52  gezeich- 
fieten  Apparat.  —  Der  Speichel  entleert  sich  aus  dem  Ilöhrehen  c  d  in  den  Kaut- 
■bhukschlauch  /  und  von  da  gegen  die  Decke  des  umgestürzten  Glases  ff.  Das  Glas 
iblbst  ist  mit  Quecksilber  gefüllt;  dieses  wird  durch  den  eintretenden  Speichel  ver- 
rirängt  und  fliesst  durch  das  Röhrchen  h  aus.  Die  ausfallenden  Tropfen  gelangen 
lurch  den  Trichter  i  in  das  Kölbchen  k.  Dieses  Kölbchen,  welches  in  einer  senk- 
«chten  Führung  {II)  geht,  hängt  an  einer  Spiralfeder  aus  Messing  m  m.  In  dem 
[faasse,  wie  Speichel  ausfliesst,  mehrt  sich  also  das  Gewicht  des  Kölbchens  und  damit 
iiie  Ausdehnung  der  Feder;  die  Verlängerung  der  Feder  misst  also  das  Speichelvolumen, 
)3rausgesetzt ,  dass  man  das  Verhältniss  zwischen  Federausdehnung  und  Gewichtsver- 
iiehrung  kennt.  Die  zur  Fixirung  der  Absonderungsgeschwindigkeit  nöthige  Zeitbestim- 
mung giebt  die  kreisende  Trommel,  auf  welche  die  Kielfeder  o  schreibt;  sie  ist  am 
■  ölbchen  befestigt.  —  Alle  auf  dem  einen  oder  andern  "Wege  gefundenen  Zahlen  sind 
inr  vergleichbar,  insofern  sie  aus  einer  Drüse  genommen  sind.  —  Der  Versuch,  all- 
(Bmein  vergleichbare  Zahlen  zu  erhalten,  indem  man  die  jeweilig  ausgeflossene  Menge 
larch  das  Gewicht  der  nach  dem  Tode  gewogenen  Speicheldrüse  dividirt  hätte,  ist 
las  leicht  begreiflichen  Gründen  unterblieben. 

Die  mittlere  tägliche  Speichelmenge  ist  unzweifelhaft 
?ehr  verschieden  nach  der  Festigkeit,  Schmackhaftigkeit,  Menge  der 
l'peisen  u.  s.  w.  Um  ungefähre  Anhaltepunkte  zu  gewinnen,  dient 
ias  Folgende: 

Mitscherlich  konnte  aus  einer  Fistel  des  duct.  stenonianus  eines  kränklichen, 
i)hr  mässig  lebenden  Mannes  täglich  ungefähr  100  Gr.  auffangen.  Bidder  und 
ichmidt  waren  im  Stande,  in  einer  Stunde,  während  welcher  sie  •rf'eder  schmeckten 
voch  kauten,  100  —  120  Gr.  aus  dem  Munde  zu  entleeren.  Wenn  während  der  ganzen 
seit  des  Wachens  (17  Stunden)  ihre  Speichelabsonderung  mit  derselben  Geschwindig- 
•eit  vor  sich  geht,  so  würden  sie  täglich  mindestens  1700  bis  2000  Gr.  Speichel  ab- 
gesondert haben.  In  welchem  Maasse  die  Bewegungen  der  Kiefer-,  Zungen-  und 
iiippenmußkeln  erhöhend  auf  die  Absonderung  wirkten,  wie  sich  die  Absonderung  wäh- 
ßnd  des  Essens  steigert,  ist  nicht  zu  ermitteln. 

4.  Speichelbereitung.  Die  organischen  Bestandtheile  und  ins- 
esondere  das  Mucin  des  Speichels  sind  nicht  im  Blute  vorgebildet, 
lau  muss  sie  darum  als  eine  Neubildung  im  Innern  des  Drüsen- 
lanms  ansehen.  Da  man  nun  das  Mucin  in  den  Epithelialzellen 
[•.er  Drüsenbläschen  aufgefunden  hat,  so  ist  Donders  *)  geneigt 
-nzunehmen,  dass  sich  das  Mucin  durch  Auflösung  der  Zcllenwan- 
tung  in  dem  alkalisch  reagirenden  Speichel  bilde;  er  stützt  seine 


•)  1.  C.  p.  67. 


■1 

] 

i 


346  Speicholbereitung. 

Meinung  durch  eine  Beobachtung  von  Fr  er  Ichs,  wonach  verdünni 
alkalische  Lösungen  im  Stande  sind,  die  Epithelien  zu  einer  schli 
migen  Flüssigkeit  zu  lösen;  ferner  darauf,  dass  frischer  Speicl 
bei  370  C.  in  24  Stunden  die  in  ihn  gebrachten  Epithelialzellei 
aus  den  Bläschen  der  Speicheldrüsen  vollständig  löse,  währen 
mit  Essigsäure  neutralisii'ter  Speichel  sie  unberührt  lasse;  für  sein 
Ansicht  spricht  auch  die  Erfahrung  von  Staedeler*),  dass  b 
der  Zersetzung  mit  SO3  kein  Körper  der  Eiweissgruppe  so  vii 
Tyrosin  liefert,  als  die  Epithelialzellen  und  der  gereinigte  Schlei 
Stoff.  Hiergegen  wäre  das  Bedenken  zu  erheben,  dass  di^ 
Parotis  kein  Mucin  liefert,  obwohl  die  Wandung  ihrer  Epithelial 
Zellen  und  die  aus  ihr  hervortretende  Salzlösung,  so  weit  wir  ei 
wissen,  nicht  abweicht  von  der  Mucin  liefernden  Submaxillaris.  — 
Die  alkalisch  reagirende  Salzlösung  des  Speichels  wird  offenbar 
direkt  aus  dem  Blute  bezogen.  Der  Uebertritt  derselben  aus  de: 
Blutgefässen  in  die  Drüsenräume  wkd  angeregt  durch  die  Nerven] 
und  zwar  muss  man  annehmen,  dass  sie  eine  Veränderung  di 
Drüsensubstanz  bewirken,  welche  einen  Flüssigkeitsstrom  aus  de: 
Blute  in  den  Drüsenanfang  zu  bewerkstelligen  vermag.  Diese  Bi 
hauptung  gründet  sich  darauf,  dass  bei  anhaltender  Nervenerregung 
aus  den  Ausführungsgängen  in  ununterbrochenem  Strom  ein  die 
Drüse  weit  übertreffendes  Volum  von  Speichel  ausfliesst  (E.  Becher , 
C.  Ludwig),  also  kann  der  etwa  in  der  Drüse  enthaltene  Safl 
nicht  ausgedrückt  worden  sein.  Und  ferner  ist  auch  der  Druck, 
unter  dem  die  Flüssigkeit  in  die  Drüse  geliefert  wird,  oft  sehi*  viel 
höher  als  derjenige,  welcher  zur  Zeit  in  der  a.  carotis  besteht,  und 
noch  mehr,  es  kann  selbst,  die  Erregbarkeit  der  Nerven  voraus-» 
gesetzt,  Speichel  abgesondert  werden  aus  der  Parotis  eines  ab-> 
geschnittenen  Kaninchenkopfes,  also  wenn  der  Blutstromll 
vollkommen  still  steht  (C.  Ludwig).  Daraus  geht  heiTor,  dasi 
der  Blutdruck  nicht  die  Ursache  der  Flüssigkeitsströmung  in  dii 
Drtisenanfänge  sein  kann.  Zu  diesem  Vorgang  steht  vielleicht 
näherer  Beziehung  die  chemische  Umsetzung,  welche  in  der  Dill» 
zugleich  mit  der  Speichelabsonderung  auftritt,  eine  Umsetzung,  di 
sich  dui'ch  die  gesteigerte  Wärmebildung  als  eine  Oxydation  an 
kündigt.  Diese  letztere  wird  wahrscheinlich  begünstigt  durch  diel 
Beschleunigung  des  Blutstroms,  welche  ebenfalls  zugleich  mit  der 
Speichelabsonderung   eingeleitet  wird.     Sie  versorgt  die  Drüset 


•)  Cliemisolies  Centralblatt.  186Ü.  p.  710. 


Speichelboroitung ;  Ausstossung  des  Speichels. 


347 


llets  mit  so  viel  arteriellem  Blut,  class  trotz  des  gesteigerten 
Lauerstolfverbraucbs  das  Blut  noch  hellroth  aus  der  Vene  fliesst, 
^eides,  der  vennehrte  SauerstoliVerbrauch  und  die  arterielle  Farbe, 
l'lso  ein  vermehrter  Sauerstofifgehalt  des  Venenblutes,  ist  möglich, 
[tenn  während  der  Absouderungszeit  die  Geschwindigkeit  des  Blut- 
teroms  rascher  zunimmt  als  der  Sauerstoflfverbrauch. 

Nehmen  wir,  um  den  letztem  Satz  zu  erläutern,  an,  es  ströme  zu  allen  Zeiten 
r.  die  Drüse  ein  Blut  mit  15  pCt.  Sauerstoff.  Nehmen  wir  nun  den  von  Bernard 
wobaehteten  Fall  als  Paradigma  an ,  wonach  während  der  Drüsenruhe  aus  der  Drüsen- 
itne  5  C.  C,  während  der  Speichelabsonderung  aber  20  C,  C.  Blut  ausflössen.  Nehmen 
iiir  weiter  an,  das  langsam  strömende  Blut  komme  mit  0,0  pCt.  0  in  die  Vene, 
iihrend  der  Absonderungszeit  aber  noch  mit  8  pCt.,  wobei  das  Blut  noch  arteriell 
issieht.  Im  ersten  Fall  würden  dann  in  der  Drüse  0,75  C.  C,  im  letzten  dagegen 
44  C.  C.  0  verbraucht  sein.  JedenfalU  würde  es  in  Anbetracht  der  gesteigerten  Wärme 
'wagt  sein,  die  helle  Farbe  des  Venenblutes  von  einem  verminderten  Sauerstoff- 
rrbrauch  abzuleiten. 

Dass  die  von  Bernard  beobachtete  Aenderung  des  Blutstroms 
i.cht  wesentlich  für  die  Speichelbildung  ist,  geht,  abgesehen  von 
llem  Uebrigen,  daraus  hervor,  dass  die  Reizung  des  Sympathicus 
iie  des  Lingualis  die  Speichelung  hervorrufen,  obwohl  die  eine 
!3n  Blutstrom  verlangsamt,  die  andere  ihn  belebt. 

Die  von  Czermak  beobachtete  Thatsache,  dass  gleichzeitige 
feizung  des  r.  lingualis  und  n.  sj'mpathicus  die  Absonderung  still 
eellt,  erklärt  man  durch  Interferenz  der  Nervenerregung,  oder  durch 
Lockung  des  Blutstroms  und  endlich  durch  Verstopfung  der  Speichel- 
iinge  mittelst  des  zähen  Saftes  nach  der  Sympathicusreizung. 
wischen  diesen  Probabilitäten  kann  noch  nicht  entschieden  werden. — 
nhne  jeglichen  Erklärungsversuch  sind  bis  dahin  die  behaupteten 
ihatsachen  geblieben,  dass  Curarevergiftung  die  Speichelabson- 
irung  beschleunigt  und  dass  sich  mit  der  Art  des  gereizten  Nerven 
ee  chemische  Zusammensetzung  des  Speichels  ändern  soll. 

5.  Die  Austreibung  des  Speichels  aus  den  Bläschen  und  Gängen 
ird  unzweifelhaft  besorgt  durch  die  Kräfte,  welche  ihn  in  erstere 
ntreiben;  denn  einmal  fehlt  den  Drüsenelementen  jede  selbst- 
ändige Beweglichkeit,  und  dann  genügt  der  Absonderungsdruck 
er  Aufgabe  vollkommen,  da  er  unter  Umständen  einer  Säule  von 
ehr  als  200  M.M.  Hg-Druck  das  Gleichgewicht  hält. 

Nachdem  der  Speichel  in  die  Mundhöhle  getreten,  wird  er 
arch  Schlingbewegungen  in  den  Magen  niedergebracht,  wo  er 
'össtentheils  in  das  Blut  zurücktritt.  Wir  Averden  ihn  bei  der 
erdauungslehre  auf  diesem  Wege  wieder  aufsuchen. 


348  Eniährungsersolieinungcn  des  Drliscngewcbos ;  Schleimdrüsen. 


ß.  Die  Ernährungserscheinungen  des  fertigen  Drüsengeweb^B 
bieten  die  Aehnlichkeit  mit  denen  der  Muskeln,  dass  dasselbe  bS 
einer  dauernden  Hemmung  der  Absonderung,  wie  sie  z.  B.  in  FolgB 
der  Unterbindung  der  Ausführungsgänge  auftritt,  allmählig  zu  GrundÄ 
geht;  namentlich  wird  ihm  die  Fähigkeit  geraubt,  Speichel  zw 
liefern.    Etwas  weiteres  ist  nicht  bekannt.  | 

Schleimdrüsen.  . 

Zu  ihnen  zählt  man  die  Schleimdrüsen  der  Mundhöhle,  de| 
Rachens,  der  Speiseröhre,  der  Gallengänge,  die  Brunn 'schei 
Drüsen;-  die  Drüsen  der  Schneid  er' sehen  Haut,  des  Kehlkopfea 
der  Bronchien,  der  Harnblase,  der  Harnröhre  (Cowper'sche  unc 
Littre'sche)  und  der  Scheide. 

1.  Diese  Gebilde  haben  in  der  Anordnung  ihrer  Höhlen  wedei 
etwas  Gemeinsames,  noch  etwas  Charakteristisches.  —  Eine  grossen 
Zahl  derselben  gehört  nämlich  zu  den  traubigen  Drüsen,  die  danr 
auch  in  allen  Stücken  den  Speicheldrüsen  gleichen;  ein  anderei 
Theil,  wie  die  der  Harnblase,  sind  einfache  Schlauchdrüsen,  unc 
die  Littre' sehen  endlich  nähern  sich  in  ihrer  Form,  durch  di« 
Weite  und  den  gezogenen  Verlauf  der  Endbläschen  den  Samen 
drüsen  an.  —  Die  Struktur  der  Wandungen  ist  dagegen  bei  alle« 
diesen  Drüsen  diejenige,  welche  den  Speicheldrüsen  zukommt! 
Diesen  Mangel  an  anatomischer  Charakteristik  ersetzte  bis  voi 
Kurzem  scheinbar  ein  gemeinsames  physiologisches  Merkmal,  die 
Absonderung  eines  eigenthümlichen  Stoffes,  des  Schleims;  dieses 
ist  aber  ebenfalls  durch  genauere  Beobachtungen  aufgehoben.  Alle 
diese  Drüsen  sondern  allerdings  Schleimstotf  ab,  aber  diese  Eigen- 
schaft theilen  sie  mit  noch  andern ,  z.  B.  der  gl.  submaxillaris,  unc 
sogar  mit  Flächen,  welche  gar  keine  Drüsen  enthalten,  wie  die 
Synovialhaut. 

2.  Schleimsaft*).  In  den  Absonderungen  der  erwähnten 
Drüsen  hat  man  constant  gefunden:  Schleimstofif,  Exti-akte,  sämmt 
liehe  Salze  des  Bluts  und  Wasser,  zuweilen  auch  Eiweiss.  —  Die 
quantitative  Zusammensetzung  der  einzelnen  Säfte  ist  aber  zu  wenig 
untersucht,  um  bestimmen  zu  können,  wie  sie  sich  zu  verschiedenen 
Zeiten  verhalten  und  ob  oder  wie  die  verschiedenen  Drüsensäfle 
von  einander  abweichen. 


•)  Berzelius,  Chemie.  IX.  Bd.  534.  —  L'hdritier,  1.  c.  581  und  642.  —  Scliorer. 
Chemische  Untersuchungen,  p.  93.  —  Tilanus,  De  saliva  et  muco.  Amst.  1840.  p.  86.  —  Leh- 
mann, Physiol.  Chemie.  U.  Bd.  354.  —  Nasse,  Journal  f.  prakt.  Chemie.  XXLX.  59.  » 


ThränendrUsen, 


349 


Die  Schwierigkeiten ,  dio  sich  der  Untersuchung  entgegenstellen ,  sind  ausser  den 
.Igemcinen  noch  vorzugsweise  darin  zu  suchen ,  dass  es  thoils  nicht  gelingt,  dio  Säfte 
•in  zu  erhalten.  Der  Nasenschleim  mischt  sich  z.  B.  mit  den  Thränen,  der  des 
;undcs  mit  dem  Speichel  u.  s.  w. ;  theils  aber  wird  der  Schleim  in  zu  geringer  Menge 
^gesondert ,  um  fiir  Analysen  hinzureichen  ,  so  namentlich  in  der  Scheide.  Wir  ver- 
lebten darum  auf  weitere  Angaben  und  verweisen  auf  die  Analysen  von  Berzelius, 
lasse,  Scherer  und  L'heritier. 

Thränendrüsen, 

1.  Anatomischer  Bau  *).  Zu  dieser  Drüsen gattung  zählt  man 
ie  über  der  äussern  Seite  des  bulbus  oculi  gelegenen  Drüsen, 
reiche  das  obere  Augenlid  durchbohren  und  sich  auf  der  Con- 
mctiva  ölfnen,  und  die  Krause 'sehen  Drüsen,  welche  unter  der 
conjunctiva,  und  zwar  an  ihrer  Umbiegungsstelle  vom  Bulbus  auf 
lie  Lider  liegen,  Sie  gleichen  in  ihrem  Bau  den  Speicheldrüsen 
ollkommen.  Ihre  Nerven  empfangen  sie  aus  dem  ersten  (und 
weiten?)  Aste  des  Trigeminus  und  dem  n.  patheticus  (Curie)**). 

2.  Thränen***).  Sie  bestehen  aus  einem  eiweissartigen  Stoff, 
chleim,  Spuren  von  Fett  (welches  aus  den  Epithelien  der  Drüsenröhre 
;.ammt),  NaCl,  phosphorsaureu  Erden  und  Alkalien  und  aus  Wasser, 
iie  Reaktion  der  Flüssigkeit  ist  alkalisch.  Nach  Frerichs  ent- 
ielten  Thränen,  welche  in  reichlicher  Menge  abgesondert  wurden, 
wischen  0,8  und  0,9  feste  Bestaudtheile  in  Lösung;  die  Asehen- 
rcozente  varihien  zwischen  0,42  und  0,54,  welche  vorzugsweise  aus 
iaCl  und  aus  sehr  geringen  Mengen  phosphorsauren  Alkalien  be- 
tehen  (Vauquelin,  Fourcroy,  Frerichs).  Die  Erdphosphate 
laren  an  den  eiweiss'artigen  Stoff  gebunden.  In  100  Theilen  einer 
US  der  Thi-änendrüse  von  Arlt  f)  aufgefangenen  Flüssigkeit  fand 
terch  98,2  Wasser;  1,3  NaCl;  0,02  NaOC02,  CaOS03  und 
[OaOPOs;  0,5  Albumin. 

3.  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  der  Thränen  variirt  mit 
iidenschaftlichen  Erregungen  der  Seele  und  reflektorischen  Er- 
'igungen,  die  von  der  Oberfläche  der  Conjunctiva,   der  Innern 

asenfläche  und  dem  Opticus  (?)  ausgehen.  Sie  ist  vermehrt  bei 
mfällen  von  Trigeminusschmerz ,  während  des  Absterbens  der 
Ihiere  nach  Curarevergiftung  (Cl.  Bernard)  oder  nach  dem 
aackenstich;  letzteres  besonders  bei  Pferden. 


•)  W.  Krause,  Henle's  und  Pfenfer's  Zeitschrift.  N.  F.  IV.  Bd.  337. 
'  **)  B  r  o  wn-.Sßqnn  rd ,  Journ.  de  phys.  I.  8U5. 

•••*»)  Frerichs,  Wa(?ncr's  Ilaiidwürterbuch  der  Physiologie,  m.  Bd.  1.  Ahthl.  Cl".  —  Ar 
•chiv  für  Ophthalmologie.  I.  2.  137. 
t)  Archiv  für  Ophthalmologie.  I.  2.  13C. 


350 


ThränendiÜBcn ;  Pankreas. 


Da  die  Drüse  analog  der  Speicheldrüse  gebaut  ist,  da  di 
Thränen  wesentlich  mit  dem  Parotisspeichel  übereinstimmen  unf 
die  gesteigerte  Absonderung  unter  denselben  Bedingungen  wie  i: 
der  Speicheldrüse  auftritt,  so  kann  man  nicht  anstehen,  imser 
Drüsen  für  eine  Modifikation  der  Speicheldrüsen  zu  halten. 

4.  Die  aus  den  Ausführungsgängen  getretenen  Thränen  ''I 
verbreiten  sich  über  die  Gonjunctiva,  gelangen  in  den  sogen.  Thränet 
see  und  von  da  durch  die  Thränenpunkte  in  den  Thränensack. 

Heber  die  Weise,  wie  sie  zu  den  letztern  kommen  und  von  ihnen  gehen,  1 
Bd.  I.  p.  347  nachzusehen.  Zu  dem  dort  Gemeldeten  ist  noch  nachzutragen  eine  aorj 
same  Arbeit  von  H  o  n  k  e ,  welche  nachweist ,  dass  das  ligam.  palpcbrale  intern,  in  d( 
Euhelage  des  m.  orbicular.  palpebar.  der  Grube  des  Thränenbeins  ausfüllt  und  dam 
zugleich  die  Höhle  des  Thränensacks  zum  Verschwinden  bringt.  Diese  Lage  kann  de: 
Ligamentum  angewiesen  werden  durch  die  Elastizität  des  Bandes,  oder  durch  die  Z\ 
sammenziehung  des  Horner'  scheu  Muskels,  der  bekanntlich  Ton  dem  Kamm  des  Thräncij 
beins  entspringt  und  an  der  hintern  Fläche  des  Sacks  theils  zum  lig.  palpeb.  intern.,  thei: 
auf  die  hintere  und  vordere  Fläche  des  Tarsus  läuft,  so  dass  seine  Fasern  die  Thräner 
röhrchen  zwischen  sich  aufnehmen.  Aufnahme  und  Ausstossung  der  Thränen  in  un 
aus  dem  Sack  stellt  man  sich  denigemäss  so  vor:  bei  der  Zusammenziehung  de 
m.  orbicularis ,  wie  sie  beim  Lidschlag  erfolgt ,  liebt  sich  das  innere  Augenlidbändchel 
aus  der  Thrünengnibe  nach  vorn  und  aussen  hervor,  und  damit  auch  die  vorder 
Fläahe  des  Thränensacks ,  die  mit  dem  Bändchen  verwachsen  ist.  Dadurch  öffnet  gicl 
die  Höhle  dos  Sacks  und  saugt  die  Thränen  an  (Kos  er).  Dieser  Satz,  den  die  anato 
mische  Anordnung  verlangt,  wird  noch  bewiesen  durch  die  Erfahrung,  dass  de 
Tropfen,  welcher  in  einer  Thränenflstol  steht,  gegen  die  Höhle  des  Sacks  emporsteigi 
wenn  das  Lid  geschlossen  wird  (Eos er),  und  dass  bei  sonst  ganz  normalen  VerhäM 
nissen  Thränenträufeln  eintritt,  wenn  der  m.  orbicularis  gelähmt  ist  (Avlt).  JJ. 
Thränen,  welche  in  den  Sack  gelangt  sind,  werden  von  dort  wieder  weggeschafft,  st 
wie  sich  die  vordere  Wand  des  Sackes  der  hintern  nähert.  Dieses  soll  geschehen,  wij 
Henke  will,  durch  eine  Zusammenziehung  dos  Horner'schen  Muskels,  die  jedcsras 
nach  Lösung  der  Verkürzung  des  m.  orbicular.  palpebrar.  eintreten  soll ;  fUr  diese  Kn 
nähme  liegt  jedoch  kein  Beweis  vor;  ebenso,  wenn  nicht  wahrscheinlicher,  ist  es  an 
zunehmen,  dass  das  bei  der  Zusammenziehung  des  Augenlidschliessens  gespannt| 
Bändchen  nach  dem  Nachlass  des  letztern  durch  seine  Elastizität  wieder  in  die  Höhl^ 
zuräckschnappt  und  die  Thränen  in  die  Nase  schiebt.  Dort  verdunsten  sie  in  de« 
Luft ,  welche  bei  der  Einathmung  durch  die  Nase  strömt. 

Ein  Eindringen  von  Nasenschleim  in  den  Thränencaual  wiri 
verhütet  durch  eine  Klappe ,  die  sich  an  der  Mündung  des  letzterei 
in  der  Nase  vorfindet. 

Bauchspeicheldrüse. 

1.  Der  anatomische  Bau  des  Pankreas  gleicht  im  Wesentlichen 
dem  der  Kopfspeicheldrüsen ;  unterschieden  ist  er  dadurch,  dass  dia! 

»)  Henke  in  -Graefe's  Archiv  für  Oplitlmlmologie.  IV.  Bii.  Abth.  II.  —  Henle,  Miiskel-t« 
lehre.  140.  —  Maier,  Ueber  den  Bau  der  Thränenorgnne.  1866.  —  Ärlt,  Arohiv  für  Oiihth«!-*^ 
mologie.  I.  2.  18C. 


1 


Chemische  Zusammensetzung  des  Pankreas;  Bauchspeichel.  351 


eiden  Aiisflihrungsgänge  der  Drüsen  vor  ihrer  Ausinlindung  com- 
inniziren  (Verneuil).  —  Die  Nerven  erhält  es  aus  den  plex. 
Deliaciis,  hepaticiis,  lienalis,  mesenteric.  superior.  (Verneuil)*). 

2.  Chemische  Zusammensetzung  der  Drüse**).  Aus  dem  wäs- 
■erigen  Auszug  derselben  wird  gewonnen:  Ty  rosin,  Leu  ein  (Fre- 
tchs,  Staedeler,  Virchow),  ein  Homologon  des  Leucins 
DioHu  NO4,  Gorup),  Guanin  (C10H5N5O2,  Scherer),  flüchtige 
otte  Säuren  und  Milchsäure  (Gorup). 

In  dem  während  eines  bis  zu  mehren  Tagen  sich  selbst  überlassenen  Auszug  kommt 
ii  Körper  vor,  der  ausser  andeim  Beaktionen  sich  mit  Chlorwasser  oder  salpetriger 
liure  roth  färbt.  Einen  Stoff  mit  ganz  denselben  Eigenschaften  stellte  B  ö  d  e  k  e  r 
is  Eiter  und  Exsudatflüssigkeiten  dar;  er  erklärt  diesen  Körper,  den  er  seiner  sauren 
pgensehaften  wegen  Chlorrhodinsäure  nennt,  für  identisch  mit  dem  des  Pankreas  und 
mes  Saftes. 

3.  B  a  u  c  h  s  p  e  i  c  h  e  1  ***).  Seiner  chemischen  Zusammensetzung 
uch  besteht  er  aus  einem  besondern  eiweissartigen  Fermentkörper, 
;3r  gekochtes  Amylon  in  Dexti-in  umwandelt  und  aus  Butyrin 
luttersäure.  darstellt,  einem  butterartigen  Fett,  Leucin,  Chlor, 
•jhwefelsäure,  Phosphorsäure,  Kohlensäure,  Kali,  Natron,  Kalk, 
itsenoxyd  und  Wasser.  —  Er  stellt  eine  klare,  klebrige,  alkaliseh 
lagirende,  mit  Säuren  brausende  Flüssigkeit  dar.  —  Die  quan- 
:;;ative  Zusammensetzung  des  Bauchspeichels  ist,  so  weit  wii'  wissen, 
KS  zu  einem  gewissen  Punkte  veränderlich  mit  der  Absonderungs- 
üschwindigkeit;  die  Veränderungen  betreffen  vorzugsweise  das 
ejrhältniss  zwischen  dem  Wasser  und  den  organischen  Stoffen, 
ler  prozentisclie  Gehalt  an  Wasser  nimmt  innerhalb  gewisser 
1  reuzen  mit  der  Absonderungsgeschwindigkeit  zu,  jenseits  derselben 
iilt  er  sich  aber  unverändert,  wie  auch  die  Saftmenge  anwachsen 
sag.  So  fiel  beim  Hunde  der  prozentische  Wassergehalt  von  98 
iif  94,  als  die  in  der  Minute  abgesonderte  Saftmenge  von  0,5  Gr. 
>s  zu  0,05  Gr.  abnahm;  und  es  hielt  sich  dagegen  der  Wasser- 
ühalt  unverändert  auf  98,  als  das  Gewicht  des  in  der  Minute  ab- 


^razette  m^dicalo.  1851.  No.  26  und  2C. 
•')  Frerichs  und  Staedeler,  Zlirlchcr  Veilinndlungcn.  IV.  Bd.  1855.—  Virchow,  dessen 
fchU:  VII.  Bd.  —  Gornp,  Cliom.  Ccntrnlblatt.  1856.  385.  —  Schcrer,  Virchow'd  Arohiv. 
Gl.  Bernard,  L09ons  de  phyniologle.  II.  Bd.  186C.  p.  245  sqq.  und  362.  —  Biidoker, 
's  und  Pfcufcr's  Zeitschrift.  N.  F.  VI.  Bd.  198. 
••j  Bldder  und  Schmidt,  die  Verdnuungssüfte ,  Mitau  1862.  240.  —   Frerichs,  Artilcol 
ridaunng  InWngner's  Handwörterbuch.  UI.  a.  842.  —   Bcrzelius,  Handbuch  der  Chemie. 
.Bd.— Wcinmann,  Henlc*»  und  Pfcufcr's  Zeitschrift.  N  F.HI.Bd.  247.—  C.  Schmidt, 
■ebig's  Annalen.  92.  Bd.  33.  —  Kröger,  de  succo  pancrcatioo.  Dorpat.  1864.  —  KöUikor 
[a  Müller,  zweiter  Bericht  Uber  die  physiologische  Anstalt.  WUizbnrg.  185C.  —  Iloppo» 
Iiow's  Archiv.  XI.  Bd.  06.  —  Cl.  Bcrnard,  M(<müiro  siir  Ic  pnncrcas  et  sur  lo  rolc  du 
'  r($atiqiie  etc.   Paria.  1856. 


352 


Panlcreos ;  Bauchspcichel. 


gesonderten  Saftes  von  0,5  auf  2,2  Gr.  wuchs  (Weinmann). 
Aebnlich  den  beim  Kopfspeichel  beobachteten  Verhältnissen  komnj 
auch  hier  die  Veränderlichkeit  des  Rückstandes  vorzugsweise  au 
Rechnung  der  organischen  Bestandtbeile.  Denn  in  den  von  Gm  elin 
Frerichs  und  Schmidt  veröffentlichten  Analj^sen  des  Saftes  vo| 
Hund,  Schaaf  und  Esel  wechselte  der  Gehalt  an  organischen Rticlj 
Standsprozenten  von  9,0  bis  zu  1,3,  und  derjenige  der  Salzmasis 
nur  zwischen  1,0  bis  0,7.  —  Die  Zusammensetzung  gestaltet  sicj 
in  den  Grenzfällen  nach  Schmidt  (beim  Hunde  I.  und  H.)  un 
nach  Frerichs  (beim  Esel  HI.)  folgendermaassen : 


0,0 
0,8 
0,1 


I. 

n. 

in. 

Wasser  .  .  = 

90,08 

98,04 

Organ.  Stoffe = 

9,04 

1,27 

Organ.  Stoffe.  .  = 

Mit      ( Natron  .  .  .  = 

0,06 

0,33 

Lösliche  Salze  .  = 

d.   Ferment  <  CaO   .  .  .  .  = 

0,03 

Unlösliche  Salze  = 

verbunden.    ( MgO  ....  = 

0,01 

NaCl   .  .  .  = 

0,74 

0,21 

KaO  .  .  .  .  = 

Spuren 

0,07 

3CaOP05  .  = 

0,01 

0,04 

SMgOPOs  .  = 

Spuren 

0,01 

3NaOP05  .  = 

Spuren 

Aus  dem  stark  erweiterten  Gang  der  Pankreas  einer  stark  ikterischen  Perso 
sammelte  F.  Hoppe  5,6  Gr.  Saft,  der  in  100  Theilen  2,6  pCt.  festen  Rückstand  un 
darunter  0,12  pCt.  Harnstoff  enthielt.  Hoppe  wirft  die  Frage  auf,  ob  der  letzte! 
nicht  beständig  im  Pankreassaft  vorkomme. 

4.  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Bauchspeichels  is 
a)  von  der  Nahrung  abhängig,  jedoch  nicht  in  dem  Grade,  di 
sie  bei  vollkommener  Entziehung  derselben  Null  ■^vtirde.  Wei 
mann  beobachtete,  dass  ein  Hund  in  der  ersten  Stunde  nach  eina| 
reichlichen  Nahrung  =  97,8  Gr.  Pankreassaft,  nach  45stündigeE 
Hungern  aber  in  derselben  Zeit  nur  0,48  Gr.  lieferte.  Kroege 
fand  die  Saftmenge  des  Hundes  für  je  eine  Stunde  in  der  erstet 
Stunde  nach  der  Nahrung  =  24,9  Gr.;  in  der  2ten  =  17,58;  i 
der  3ten  bis  6ten  =  14,6;  in  der  7ten  bis  9ten  =  11,43;  in  de 
lOten  bis  14ten  =  10,7;  in  der  19ten  bis  24sten  =  6,66.  —  9i 
Beschleunigung  der  Absonderung  macht  sich  so  rasch  geltend,  das 
V4  bis  y-i  Stunde  nach  dem  Genuss  von  fester  Nahrung  und  einig 
Minuten  nach  dem  Genuss  von  Wasser  (Weinmann)  schon  dai^ 
Maximum  der  Geschwindigkeit  erreicht  ist;  der  absolute  Werth  de 
erzeugten  Geschwindigkeitserhöhung  scheint  der  Menge  der  genossene! 


Pankreas;  Absonderungsgescliwindigkeit  des  Saftes. 


353 


fabi  ung  proportional  zu  gehen  und  ist  nach  dem  Fressen  bedeutender, 
Is  nach  dem  Saufen.  In  Folge  dieser  Erfahrungen  statnirten  Bidder 
nd  Schmidt  die  Beziehungen  zwischen  der  Absonderung  des 
iikalischen  Bauchspeichels  und  des  sauren  Magensaftes,  dass  mit 
er  steigenden  Bildung  des  letzteren  auch  die  des  ersteren  zu- 
ehme.  —  b)  Während  der  Brechbewegung  stockt  die  Abson- 
erung  des  Bauchspeichels  (Weinmann,  Cl.  Bernard). —  c)  Die 
;bsonderungsgeschwindigkeit  wird  weiterhin  bestimmt  durch  ge- 
iisse,  nicht  näher  gekannte  Zustände  der  die  Bauchspeicheldrüse 
mgebenden  Organe,  wie  sie  insbesondere  erzeugt  werden  durch 
■röffnung  der  Unterleibshöhle;  nach  einer  solchen  Operation  stockt 
le  Absonderung  fast  vollständig. 

Zur  Gewinnung  des  Saftes  legt  man  entweder  temporäre  (Tiedemann,  Leuret 
ad  Lassaigne,  Frerichs  u.  s.  w.)  oder  dauernde  (C.  Ludwig)  Fisteln  des 
rirsung'sclien  Ganges  an.  Uujp.ttelbar  nach  der  Operation  erliält  man  nur  bei 
■.•asfressem  reichliche  Saftmengen.  Bei  Hunden  fliesst  in  den  ersten  Tagen  nach  der- 
Iben  nur  sehi;' wenig  eines  an  ^ganischen  Bestandtheilen  sehr  reichen  Saftes  aus,  und 
"it  später  wird  der  Ausfluss  reichlicher.  Darum  eignen  sich  temporäre  Fisteln  gar 
iiht  zur  Untersuchung  der  Absonderungserscheinungen.  Das  ümgekchi-te  behaupten 
urnard  und  Longet,  indem  sie  dauernde  Fisteln  für  ungeeignet  halten ;  sie  nehmen 
tmlich  an,  dass  der  Saft,  welcher  einige  Tage  nach  der  Operation  ausfliesst,  von 
wer  kranken  Drüse  abgesondert  werde.  Hierfür  liegen  jedoch  keine  Beweise  Tor, 
Uli  aber  für  das  Gegcntheil  ihrer  Meinung.  Von  vorne  herein  ist  es  schon  viel 
J.hrscheinlicher ,  dass  die  üntcrleibsorgane  des  Hundes  unmittelbar  nach  der  Operation 
SMtprt  sind,  und  dafür  bürgt  auch  die  zu  jener  Zeit  ganz  erloschene  Fresslust.  Dafür, 
der  später^  abgesonderte  Saft  aus  einer  gesunden  Drüse  komme  und  normal  sei, 
^■echen  zunächst  die  Beobachtungen  von  C.  Schmidt,  denen  gemäss  der  aus  per- 
i  nc  Ilten  Fisteln  fliessende  Saft  seiner  qualitativen  Zusammensetzung  nach  als  ein  nor- 
k  r  ßauchspeichel  angesehen  werden  muss,  denn  er  emulsionirt  und  zerlegt  neutrale 
|Hte  und  verdaut  Amylon ,  wie  ich  bestätigen  kann.  Das  Bedenken  der  französischen 
■  '  ilogen  wird  ferner  widerlegt  durch  die  Beobachtung  (Weinmann),  dass  der- 
llund  je  nach  dem  Fiillungszustande  seines  Magens  bald  mehr,  und  zwar  verdünnten, 
)«.d  weniger,  und  zwar  conzentrirten  Saft  absondert.  Zudem  findet  sich  bei  der  Sektion 
(■\\i'.v  Hunde,  die  dauernde  Fisteln  getragen,  auch  nicht  eine  Spur  von  anatomischer 
i  weichung  im  Pankreas ,  und  ebenso  beseitigt  die  Fresslust  und  die  normale  Koth- 
idung,  welche  Hunde  mit  Pankreasfisteln  darbieten,  die  Annahme,  dass  eine  Krank- 
:.t  der  Verdauungsorgane  bestehe.  Auch  ist  die  Menge  des  Abgesonderten  in  gar 
tnem  Missverhältniss  zum  Umfang  der  Drüse. 

Ein  absoluter  Werth  für  die  Geschwindigkeit  der  Absonderung  (Quotient  aus  dem 
«wicht  des  Pankreas  'und  des  in  der  Zeiteinheit  abgesonderten  Bauchspeiehels) 
lan  nicht  gegeben  werden.  Statt  dessen  substituirt  man  etwas  willkürlich  den 
ioticnt  aus  dem  Gewiclit  des  ganzen  Thieres  in  das  Gewicht  des  in  der  Zeiteinheit 
Llieferten  Saftes.-.  Nimmt  man  nach  Schmidt  unter  Anwendung  dieser  Berechnungs- 
tise  das  Mittel  aus  sämmtlidicn  zu  verschiedenen  Zeiten  und  bei  verschiedenen 
Lndwig,  Physiologie  II.   2.  Auflage. 


354 


Pankreas ;  Bereitung  dos  Bauchspeichclü. 


Fütterungsarten  angestellten  Beobachtungen  oiuos  und  desselben  Thieres,  so  erhält 
für  die  drei  Hunde,  deren  Saft  er  aus  permanenten  Fisteln  auffing: 


Nr.  des 
Versuchs. 

Körper- 
gewicht. 

Mittlere 
Saftmongo 
in  der 
Stunde. 

pCt.-Gehaltdes  Saftes 

1  Kilogr.  Thier  liefert  stiindlicli 

an  festen 
Stoffen. 

an  Organ. 
Stoffen. 

Saft. 

RUckstd. 

Organ. 
Stoffe. 

^lnorga 
Stofft 

1.  Hund. 

8  Kilogr. 

40,24 

2,16 

1,27 

5,03  Gr. 

0,106 

0,063 

0,04 

2.  „ 

18  „ 

55,98 

1,99 

1,11 

3,1  i  „ 

0,061 

0,035 

0,02 

3.  „ 

20  „ 

67,74 

2,45 

1,58 

2,99 

0,730 

0,047 

0,08 

Ans  dieser  Zusammenstellung  geht  hervor,  dass  ein  Thier  von  geringem  Korj' 
gewicht  verhältnissmässig  mehr  Wasser  durch  das  Pankreas  ausgiebt,  als  ein  solcl 
von  grossem ,  und  dass  diese  Beziehung  zwischen  den  festen  Bestandtheilcn  nicht  1 
steht.  —  Unter  diesen  Umständen  möchte  es  gewagt  sein ,  die  Beobachtungen  am  Th 
auf  den  Menschen  zu  übertragen.    (Siehe  auch  Müller  und  Kölliker  1.  c.) 

5.  Die  Bereitung  des  Bauchspeicliels.  Der  fermentartige  Kör]; 
dürfte  in  den  Zellen  des  Epitbeliums  entstehen;  wenigstens  ist 
durch  mikrochemische  Eeaktion  in  diesem,  bis  dahin  aber  no 
nicht  im  arteriellen  Blut  nachgewiesen.  Zu  den  vielfachen  Aeh 
lichkeiten  zwischen  der  Absonderung  des  Kopf-  und  Bauchspeiche 
welche  schon  erwähnt  sind,  kommt  noch  die  fernere,  da 
in  den  Zeiten,  in  welchen  die  Ausscheidung  des  paukreatisch^ 
Saftes  lebhaft  ist,  die  Drüse  von  den  erweiterten  Capillaren  röthli 
gefärbt  ist,  Avähreud  zur  Zeit  der  Absonderungsruhe  die  Färbuij 
eine  blasse  ist.  Aber  auch  hier  führt  die  Gefässei-weiterung  nie 
nothwendig  zur  Saftbildung;  denn  wenn  man  die  Drüse  ein 
Thieres,  das  in  der  Magenverdauung  begriften  ist,  blosslegt, 
findet  mau  sie  wohl  roth ,  aber  es  fliessen  kaum  einige  Tropf 
von  Saft  aus  ihrem  Gange. 

Alle  diese  Uebereinstimmungen  machen  es  wahrscheinlich,  da 
die  Absonderung  im  Pankreas  auf  ähnliche  Weise  wie  in  der  Ko] 
Speicheldrüse  geschieht,  und  dass  sich  namentlich  die  Schleimha 
des  Magens,  resp.  die  seines  Pförtnertheils,  ähnlich  zum  Paukre 
verhält,  wie  die  der  Mundhöhle  zu  den  Kopfspeicheldi-üsen.  Ein 
Grund  gegen  diese  Annahme  könnte  man  schwerlich  daraus  nehm 
wollen,  dass  es  bisher  noch  nicht  gelaug,  die  Absonderungsnerv 
des  Pankres  aufzufinden.  Denn  es  setzen  sich  der  Lösung  dies 
Aufgabe  darum  besondere  Schwierigkeiten  entgegen,  weil  na 
Erötfnung  der  Bauchhöhle  die  Absonderung  aus  noch  unbekannti 
Gründen  überhaupt  stockt.  Uebrigens  ist  Grund  zur  Vermuthu 
vorhanden,  dass  die  Reizung  des  n.  vagus  hierbei  eine  Rolle  spi 
denn  wenn  man  an  einem  Thier,  das  eine  pankreatische  Fi 


Aiisstossung  des  Bauchspeichels ;  Eniahrung  der  Drüsen ;  Magendrüsen.  355 


ägt,  den  centralen  Stumpf  des  dmclisehnittenen  n.  A^agiis  durch 
idiiktionsschläge  reizt,  so  stockt  sogleich  der  Ausfluss  des  Saftes. 

6.  Ausstossung  des  Bauchspeichels.  Den  Gängen  fehlen  Muskeln, 
so  muss  die  Austreibung  des  Saftes  durch  die  Kräfte  geschehen, 
eiche  ihn  in  die  Drüsen  führen,  welche  oft  stark  genug  sind,  um 
II  in  einem  Strahl  austreten  7A\  lassen.    In  dem  Duodenum  mengt 

sich  mit  dem  sauren  Magensaft,  wird  neutralisift  und  wirkt  ver- 
demd  auf  die  Speisen.    Da  dem  Koth  der  Fermentkörper  fehlt, 

muss  dieser  in  das  Blut  zurückkehren,  zugleich  mit  den  reich- 
hen  Wassermengen,  welche  er  mit  führt ;  indem  sich  das  Ferment 
m  Blut  der  Pfortader  beimengt,  soll  es  in  der  Leber  verändernd 
f  die  Amyloide  derselben  wirken ;  diese  Anschauung  ist  noch  hypo- 
Btisch.    Die  Bedeutung,  welche  er  für  die  Verdauung  gewinnt, 

später  zu  behandeln. 

7.  Ueber  die  Ernährung  der  Drüsen  ist  ausser  der  Formfolge 
.  der  ersten  Entwickelung  wenig  bekannt.  Die  unterbundenen 
ii  durchschnittenen  Drüsengänge  stellen  sich  leicht  wieder  her. 

Magendrüsen. 

In  die  Magenwände  sind  zwei  Drüsenarten  eingebettet,  die 
Ih  durch  ihre  Form  wenig,  durch  ihre  absondernden  Kräfte  aber 
Ueutend  imterscheiden  (Wassmanu). 

A.  Labdrüsen. 

1.  Anatomischer  Bau*).    Die  Labdrüsen  erstrecken  sich  von 

Cardia  bis  zum  Pförtner.  In  dieser  Ausdehnung  ist  die  Schleim- 
et  des  Magens  ausgehöhlt  von    so    dichtgedrängten  Drüsen- 

'äiichen,  dass  von  der  Substanz  nur  äussert  wenig  übrig  bleibt. 

Lichtung  dieser  Drüsen  ist  nahe  an  der  Innern  Mageuoberfläche 
! ndrisch;  gegen  die  Bindegewebshaut  des  Magens  hin,  wo  die 
nie  blind  endigt,  ist  sie  seitlich  mit  rundlichen  Ausbuchtungen 
Heben  (Sprott  Boyd,  'Henle).  Meist  sind  die  Höhlen  vom 
tnd  bis  zur  Mündung  hin  einfach,  und  nur  zuweilen,  namentlich 
öder  unmittelbaren  Nähe  der  Cardia,  münden  mehrere  solcher 
ssenschläuche  durch  eine  Oeffnung  in  den  Magen  aus  (Bisch off, 

Iliker).  —  Die  Wand  ist  durchweg  durch  eine  strukturlose 
at  dargestellt,  deren  innere  Fläche  nahe  an  der  Drüsenmündung 

)  Henlc,  in  »eiuer  und  Pfcnfer'«  ZoiUclirift.  N.  V.  U.  Bd.  290.  -  E.  Brllokc,  Bericlito 
Viener  Akudcmle.  1851.  —  II.  Frey,  Hcnlc's  und  Pfeufcr's  Zeitschrift.  IX.  Ud,  8ir).  — 
ilkcr,  Handbuch  der  Gcwcbelelire.  3.  Aull.  423.  —  Doudors,  Ondcrzoeltingen  in  lict  phya. 
»«Hot.  to  Utrcclit.  1852—53.  p.  70. 

23* 


356 


Labdrüsen ;  Labsaft. 


von  einem  Cylinderepithelium  und  von  da  ab  bis  zum  blinden  En 
mit  einer  kugeligen  Zellenformation,  den  Labzellen,  bedeckt  i 
Der  Binnenraum  dieser  letztern  ist  ausgefüllt  durch  einen  Kern  u: 
und  eine  tilibe  Flüssigkeit.  In  dem  Grunde  der  Drüsen  findet  si 
statt  der  Labzellen  öfter  auch  nur  eine  körnige  Masse  mit  e 
gestreuten  kleinen  Zellen,  welche  dem  Ansehen  nach  den  Kern 
der  Labzellen  vollkommen  gleichen  (SprottBoyd,  Frerichs) 
Um  die  Drüsen  ist  in  der  Schleim-  und  Zellhaut  des  Magens 
langer,  glatter  Muskel  geschlagen;  er  besteht  aus  einem  Geflec 
von  Muskelzellen ,  welche  theils  nach  der  Längen-  und  theils  na 
der  Querrichtung  der  Drtisenschläuche  verlaufen  und,  unmittell 
an  die  strukturlose  Haut  derselben  sich  anschliessend,  sie  bis 
die  Schleimhaut  hinein  verfolgen  (E.  Brücke).  —  Die  Blutgefä 
beziehen  ihr  Blut  'aus  den  Arterien,  welche  in  die  Zellhaut  t 
Magens  eindringen;  aus  dieser  treten  feine Aestchen  empor  mit  ( 
allgemeinen  Eiohtung  gegen  die  Magenoberfläche.  Indem  sie  s 
an  die  Drüsen  anschmiegen,  zerfallen  sie  in  feine  Capillaren,  welc 
netzförmig  sich  verbiudend,  die  Drüsenschläuche  umspinnen.  Di( 
Netze  schicken  darauf  stärkere  Zweige  gegen  die  Schleimhautob 
fläche,  wo  sich  dieselben  von  neuem  zu  grössern  Maschen  anordn 
aus  denen  endlich  die  Venen  hervorgehen  (H.  Frey). 

2.  Labsaft*).  Obwohl  die  Gewinnung  des  reinen  Labsaftes 
grösserem  Maasstab  bis  dahin  nicht  gelungen  ist,  so  hat  man  de 
vermocht,  einige  chemische  Eigenthümlichkeiten  desselben  na 
zuweisen. 


Den  Labsaft,  resp.  einzelne  seiner  Bestandtheile  gewinnt  man  auf  zwei 
scMedene  Weisen.  1)  Man  sclineidet  die  Stellen  der  Magenschleimbaut ,  in  we 
die  Labdrüson  eingebettet  sind,  aus,  spült  sie  mit  Wasser  und  presst  dann 
weder  die  Flüssigkeit  ab,  oder  man  zieht  die  Stücke  mit  Wasser  aus;  oder 
knetet  unter  Wasser  die  letztem  zwischen  Leinwand,  durch  die  Maschen  gehen 
Labzellen  hindurch ;  diese  setzen  sich  im  Wasser  zu  Boden  und  können  dann  w( 
behandelt  werden.  Auf  diesen  Wegen  erhält  man  vorzugsweise  das  Pepsin  (Schwa 
Brücke).  —  2)  Man  legte  hei  Thieren  Magcnfisteln  an  (Blondlot)  oder  benii 
die  seltenen  Fülle,  in  denen  bei  Menschen  Magenfisteln  vorkommen  (Beaumo 
Smith,  Schmidt).  Da  nun  aber  in  dem  Magen  enthalten  sind  :  Speisereste,  Speii 
Schleim  aus  den  Drüsen  des  Oesophagus  und  des  Magens  selbst,  so  gewinnt  man  i 


i. 


•)  Berzelius,  Lehrbuch  der  Chemie.  IX.  Bd.  1840.  205.  —  Frerichs,  Artikel  Verdai 
In  Wagncr's  Haudwiirterlmch.  III.  Bd.—  Lehmann,  Physiol.  Chemie.  II.  Bd.  p.  39.  —  Bid 
und  Schmidt,  Vcrdaunngssäfte.  p,  29.  —  Schmidt,  Licbig's  Annalen  92.  Bd.  42 
Urünewaldt,  Succi  gastrici  liumani  indoles.  Dorp.  1853.  p.  42.  —  Schröder,  Succi  gai 
humani  vis  digestiva.  Dorp.  1853.  p.  34.  —  F.  Smith,  Journal  de  Physiologie  par  Bro! 
S(!(inard,  I.  HC.  —  E.  Brücke,  Wiener  akadem.  Sitzungsberichte.  27.  Bd.  131.  —  Bu 
Virchow's  Archiv.  XIV.  Bd. 


Labsaft. 


357 


;uf  diesem  Wege  den  Labsaft  iiic)it  rein.  Um  ihm  aber  wenigstens  das  Uebergewicht 
bber  die  andern  Gemengtheile  zu  verschaffen,  hat  man  den  Inhalt  des  Magens  bei 
lungernden  Thieren  aufgefangen,  nachdem  man  Torgängig  von  der  Fistelöffnung  aus 
ten  Magen  mit  Wasser  ausgespült  hatte.  Dadurch  sicherte  man  sich  vor  allzugröb- 
cchen  Verunreinigungen  mit  Speisen  (Bidder  und  Schmidt,  Hointz). —  Um  den 
^peichel  ganz  oder  theil weise  zu  eliminiren,  legte  Bardelebon  neben  der  Magen- 
ntel  auch  noch  eine  Speiseröhrenfistel  an,  durch  welche  der  verschlungene  Speichel 
Mch  aussen  abfloss ,  oder  es  wurden  die  Ausführungsgänge  der  wesentlichen  Speichel- 
trüsen  unterbunden  (Bidder  und  Schaidt).  —  Eine  Ausschliessung  des  Magen- 
snd  Spciserphrenschleims  aus  dem  Labsaft  ist  also  noch  nicht  versucht  worden.  In 
«ainemFall  genügt  daher  die  gewonnene  Saftart,  um  alle  Eigenschaften  der  Labflüssig- 
eeit  festzustellen,  aber  sie  reicht  hin,  um  diejenigen  derselben  aufzudecken,  welche 
uun  vor  dem  Schleim  und  Speichel  zukommen ,  und  zwar  so  weit ,  als  uns  die  Zu- 
iiunmensetzung  dieser  letztem  bekannt  ist. 

Dem  Labsaft  kommen  als  eigenthlimliche  Stoffe  zu:  ein  beson- 
eerer  Körper,  das  Pepsin,  welches  in  Ermangelung  anderer  Kenn- 
eeichen  dadurch  Charakter isirt  wird,  dass  es  unter  Betheiligung  ver- 
ilinnter  Säuren  feste  Eiweisskörper  sehr  rasch  löst  (Eberle, 
ichwann);  der  Labsaft  enthält  ferner  Salmiak,  Chlorcalcium  und 
feie  Säuren,  namentlich  Salz-,  Milch-  und  Buttersäure;  Salzsäure 
lit  entweder  allein  oder  mit  wenig  Milchsäure  vermischt  gefunden 
Vörden  in  dem  Saft,  der  aus  dem  seit  vielen  Stunden  nüchternen 
Ifagen  genommen  wurde  (Gmelin,  Prout,  Schmidt).  War 
aagegen  der  Saft  aus  dem  gefüllten  Magen  gewonnen,  so  ist  immer 
[[ilchsäure,  zuweilen  mit  Buttersäure  vermischt,  vorhanden;  die 
;alzsäure  fehlte  dann  entweder  ganz,  oder  es  waren  nur  Spuren 
terselben  vorhanden  (Lehmann,  Schmidt,  Heintz,  Bernard 
ind  Barreswil,  Smith).  Dieser  Befund  blieb  nun  derselbe, 
lleichgültig  ob  der  Magen  mit  entfetteten  Knochen,  Amylaceen  oder 
ileisch  geftillt  war;  auch  blieb  der  Erfolg  unabhängig  von  der 
•attung  des  untersuchten  Individuums.  Man  könnte  sich  ent- 
■shliessen ,  den  Unterschied  der  Säure  des  gefüllten  und  nüchternen 
l[agens  dadurch  zu  erklären,  dass  man  annähme,  es  werde  ur- 
iiprünglich  immer  nur  Salzsäure  abgesondert,  dass  diese  aber  nur 
aann  als  solche  erscheinen  könnte,  wenn  nicht  zufällig  andere 
nalze  im  Magen  vorhanden  seien,  die  von  der  Salzsäure  nicht  an- 
fegriflFen  würden.  Da  nun  nach  dem  Genuss  von  Fleisch  und 
'fehlspciscn  milchsaure  Salze  im  Magen  nothwendig  vorkommen 
iiUssen,  so  würde  sich  aus  ihrer  Zersetzung  durch  das  CHI  die 
i'Cständige  Anwesenheit  der  Milchsäure  erklären  lassen.  Woher 
r-ommt  aber  diese  Säure  bei  der  Nahrung  aus  entfetteten  Knochen  ? 
»ieser  Gegenstand  verlangt  also  eine  neue  Untersuchung. 


358 


Labdrüson ;   Absonderungsgoschwiudigkeit  des  Saftes. 


Das   Pepsin  ist    geradezu  in   dorn  Inhalt    der  Labzellen    aufgefunden  wo|H 
(Frerichs),  und  zwar  in  neutralem  Zustande  (Brücke).  —  Um  eine  Vorstel^H 
von  dorn  relativen  Gehalt  eines  beliebigen  Saftes  an  Pepsin  zu  gewinnen,  verf^B 
Brücke  folgenderraaassen.     Er  ermittelt  die  Zeit,   welche  die  Volumseinheit  dl 
sehr  verdünnten  Lösung  mit  dem  Säuregehalt  von  0,1  pCt.  bedarf,  um  einen  WhB 
aus  geronnenem  Eiweiss  von  bekannten  Dimensionen  zu  lösen.    Diese  Pepsin-Lösi 
betrachtet  er  als  Normalflüssigkeit ,  er  setzt  ihren  Pepsingehalt  gleich  dem  der  Einh 
Um  nun  zu  bestimmen ,  um  wie  viel  reicher  eine  andere  Flüssigkeit  an  Pepsin 
verdünnte  er  ein  bekanntes  Maass  derselben  so  lange  mit  Säure  von  0,1  pCt. ,  bis 
Volumeinheit  den  bekannten  Eiweisswürfel  wieder  gerade  so  geschwind  .auflöst, 
die  Normallösung.     Das  Volum  verdünnter  Säure ,  welches  er  zur  Volumeinheit 
verglichenen  Lösung  setzen  musste,  um  ihre  Verdauungskraft  auf  diejenige  der  Nom 
lösung  herabzudrücken ,  giebt  an ,  um  wie  vielmal  der  Pepsingehalt  der  ersten  Löst 
den  der  Normallösung  übertrifft. —  Ueber  die  häufige  Anwesenheit  der  Salzsäure  in  c 
Labsaft  der  Menschen  und  Thiere  kann  nach  den  Versuchen  von  C.  Schmidt  k 
Zweifel  mehr  bestehen;  er  bestimmte  nämlich  aus  der  frischen  Flüssigkeit  die  Me 
des  Chlors  und  Ammoniaks  und  aus  der  Asche  des  eingetrockneten  Saftes  die  Me 
der  Basen.    Es  reichte  der  Gehalt  an  Ammoniak  und  festen  Basen  nicht  hin,  um 
ganze  Gewichts  des  Chlors  zu  sättigen;  er  zeigt  zugleich,  dass  gewöhnlich  keine  and 
freie  Säure  vorhanden  gewesen  sein  konnte,   indem  zur  Neutralisation  des  frisc' 
sauren  Saftes,  dessen  Gehalt  an  freier  Salzsäure  er  kannte,  gerade  so  viel  Basis  nöt 
war,  als  die  freie  Salzsäure  zur  Darstellung  eines  neutralen  Salzes  bedurfte.  —  Li 
mann  dagegen  fand  Milchsäure  im  Magen  von  Hunden,  die  er  nach  vorgängid 
Hungern  mit  entfetteten  Knochen  gefüttert  und  10  bis  15  Minuten  danach  getöc 
hatte.     Ueber  die  Natur  der  von  ihm  gefundenen  Säure  kann  kein  Zweifel  besteh 
weil  sie  durch  die  Elementaranalyse  festgestellt  wurde.    Ebenso  traf  Heintz  in  ei 
erbrochenen  Flüssigkeit  Milchsäure  an,  und  Schmidt  selbst  konnte  in  dem  mit  Zucl 
Eiweiss  u.  s.  w.  verunreinigten  Magensaft,   welcher  aus  der  von  ihm  beobachte 
Magenfistel  eines  Menschen  genommen  war,  keine  freie  Salzsäure,  wohl  aber  Buttll 
und  Milchsäure  auffinden;  Smith  fand  Milchsäure  und  Spuren  von  Salzsäure.  I 

Ob  und  wie  die  ZusammensetzuDg  des  reinen  Labsaftes  vil 
änderlich  ist,  mnss  dahingestellt  bleiben;  die  Thatsache,  dass  cl 
Mageninhalt  bald  sauer  und  bald  alkalisch  reagirt,  kann  ihr 
Grund  begreiflich  eben  so  gut  finden  in  einer  veränderlichen  2 
sammensetzung  des  Labsaftes,  als  auch  in  einer  ungleich  rei( 
liehen  Absonderung  der  verschiedenen  (alkalischen  und  saure 
Säft;e,  welche  in  den  Magen  entleert  werden. 

3.  Absonderungsgeschwindigkeit.    Da  man  zu  allen  Zeiten 
dem  Magen  Pepsin  und  nur  zeitweise  eine  fi-eie  Säure  anti-iift, 
wäre  es  möglich,  dass  sich  das  erstere  fortwährend  bildet ;  die  A 
sonderung  der  Säure  geschieht  dagegen  offenbar  nur  periodisc 
Die  Menge  von  saurer  und  pepsinhaltiger  Flüssigkeit,  welche 
der  Zeiteinheit,  und  zwar  sichtlich  aus  den  zu  Tage  gelegten  inne 
Wandflächen  des  Magens  ausgestossen  wird,  ist  sehr  veränderlic 
Zur  Zeit,  in  welcher  der  Magen  leer  oder  nur  mit  verschluckte 


Labdrüsen ;  Bereitung  des  Saftes. 


359 


■jpeichel  gefüllt  ist,  wird  gar  kein  Saft  aus  den  Drüsenmündungen 
>;eliefert.  Dieses  geschieht  aber  sogleich,  wenn  in  den  leeren 
Ilagen  beliebige  feste  oder  flüssige  nervenerregende  Stoffe  (Speisen, 
öteine,  Pfeffer,  Kochsalz  u.  s.  w.)  eingebracht  werden,  ja  nach 
llidder  und  Schmidt  *)  selbst  dann,  wenn  man  hungrigen  Thieren 
iideren  Speichelgänge  unterbunden  waren)  Nahrungsmittel  vorhält, 
Ihne  sie  ihnen  zum  Fressen  zu  geben.  Daraus  schliessen  wir  nun, 
iiass  die  Absondernngsgeschwindigkeit  mit  der  bestehenden  Nerven- 
rrregung  des  Magens  steigt.. 

Wenn  man  dagegen  statt  der  sanften  mechanischen  Erregung 
iine  heftigere  eintreten  lässt  (Beaumont),  oder  noch  mehr,  wenn 
iian  den  Cardiatheil  des  Magens  durch  elektrische  Schläge  dahin 
n-ingt,  dass  er  Erbrechen  einleitet,  so  hört  augenblicklich  eine 
iis  dahin  bestandene  Absonderung  des  Magensaftes  auf ;  also  scheint 
iie  Drüse  auch  ihre  Hemmungsnerven  zu  besitzen. 

Die  täglich  ausgeschiedene  Menge  von  Pepsin  und  Säure  ist 
licht  einmal  schätzungsweise  zu  bestimmen. 

Der  von  Bidder  und  Sctmidt  ausgegangene  Vorschlag,  aus  dem  verdauenden 
rarmögen  von  Pepsin  und  Säure  und  der  Menge  der  wirklicli  im  Magen  verdauten 
»)eisen  auf  die  Menge  des  täglich  abgesonderten  Saftes  zu  schliessen,  ist  im  Prinzip 
iihaltbar  (vid.  1.  Aufl.  II.  Bd.  248).  Denn  es  ist  indess  von  Brücke  erwiesen,  dass 
»c  verdauende  Kraft  des  Magensaftes  nicht  bloss  von  seinem  Gehalt  an  Pepsin  und 
i'iure,  sondern  auch  noch  von  andern  Beimengungen,  z.  B.  der  des  löslichen  Ei- 
'isses,  abhängig  ist. 

4.  Bereitung  des  Labsaftes,  a)  Das  Pepsin  geht  aus  den  Lab- 
iöllen  hervor;  denn  dort  finden  wii'  es  schon  reichlich,  und  zwar 
!>s  neutralen  Körper  vor  (Frerichs,  Brücke).  Ausserdem  aber 
■"••scheint  es  in  keinem  Körpertheil  mehr,  ausgenommen  in  den 
Ilüssigkeiten  des  Magens,  welche,  bevor  sie  auf  die  Magenober- 
iiche  gelangen,  die  Drüsen  durchsetzten.  Der  Vorrath  von  Pepsin, 
f  elcher  in  der  Drüse  angehäuft  liegt,  ist  ein  relativ  sehr  bedeutender 
Brücke);  denn  es  kann  ein  geschlemmter Magen,  oder  statt  dessen 

aus  ihm  ausgeknetete  Zellenmasse  einer  sehr  grossen  Menge  von 
liltissigkeit  verdauende  Fähigkeiten  verleihen.  In  schwach  an- 
wsäuertem  "Wasser  (mit  0,1  pCt.  Säure)  ist  es  reichlicher  löslich 
i».8  in  reinem  Wasser  (Brücke).  —  Da  das  reine  Pepsin  uns  un- 
'3kannt  ist,  so  verhält  es  sich  natlirlich  gerade  so  mit  der  Mehr- 
ihl  seiner  chemischen  Beziehungen  und  seiner  Zusammensetzung. 


1.  c.  p.  32. 


360 


Bereitung  dos  Pepsins  und  der  Magensäuren. 


Dennoch  hat  man  sich  angewöhnt,  es  als  ein  Glied  oder  wenia 
stens  als  einen  Abkömmling  der  Eiweissgruppe  anzusehen,  un 
zwar  nur  darum,  weil  viele  Fermente,  und  für  ein  solches  hä 
man  auch  das  Pepsin,  aus  den  EiweissstolFen  hervorgehen. 


II 


Man  hat  behauptet,  dass  Pepsin,  welches,  mit  verdünnter  Salzsäure  versets 
längere  Zeit  hindurch  mit  einem  Eiweisskörper  in  Berührung  blieb ,  diesen  letzte] 
allmälig  in  Pepsin  umwandle.  Wäre  dieses  der  I'all,  so  müsste  man,  wie  dieses  mit  d 
Hefe  möglich  ist,  im  Stande  sein,  in's  Endlose  Pepsin  zu  erzeugen  mit  Hülfe  ein 
geringen  Menge ,  die  ursprunglich  aus  dem  Magen  genommen  wurde.  Brücke  zeig 
jedoch,  dass  diess  nicht  der  Fall  ist;  denn  indem  er  Pepsin  mit  Fibrin  und  verdünnt 
Säure  mischte  und  dann  nach  einiger  Zeit  einen  Theil  dieses  ersten  Gemisches  wicd( 
zu  Fibrin  und  verdünnter  Säure  brachte ,  und  darauf  wieder  einen  Theil  dieses  zweitt 
zum  drittenmal  zu  einer  sauren  Flüssigkeit  mit  den  Fibrinflocken  goss  u.  s.  f.,  sah  e 
dass  in  der  zweiten  Uebergiessung  schon  viel  langsamer  verdaut  wurde  als  in  di 
ersten,  und  in  der  dritten  langsamer  als  in  der  zweiten,  und  dass  endlich  ein  Gl 
späterer  Ordnung  gefunden  wurde,  in  welchem  die  Säure  das  Fibrin  gar  nicht  mel 
gelöst  hatte. 

b)  Magensäure.    Wenn  der  Labsaft  freie  Salzsäure  enthält,  s 
kann  diese  nur  aus  der  Zerlegung  einer  neutralen  Chlorverbindun 
hervorgegangen  sein;  wie,  bleibt  problematisch,  da  die  verschi( 
deutlich  ausgesprochene  Annahme,  es  finde  eine  elektrolj'^tisch 
Zerlegung  eines  Chlorsalzes  im  Magen  statt,  doch  immer  nur  ein 
wahrscheinliche  Unterstellung  ist.  —  Eine  andere  Säure,  welch 
Brücke  nach  dem  Tode  in  den  bis  dahin  neutralen  Drüsen  en 
stehen  sah,  ist  vielleicht  Michsäure;  denn  es  bildet  sich  die  g 
nannte  Säure  an  sehr  vielen  Orten  des  todten  und  lebenden  Thieres 
also  gehört  sie  zu  denen,  auf  welche  zu  achten  wäre.  Dringendel 
macht  sich  Folgendes  geltend:  als  Brücke  den  wohl  ausgewaschc 
nen  DrUsenmagen  der  Vögel  mit  verdünnter  Schwefelsäure  kocht i 
gewann  er  aus  ihm  einen  Stoff,  der  sich  in  seinen  reduzirendt 
Eigenschaften  ganzi  wie  Zücker  verhielt;  damit  wäre  also  im  Magei? 
ein  Körper  aufgedeckt,  der  zur  Bildung  von  Milchsäure  Veran| 
lassung  geben  könnte. 

Der  Ort,  an  welchem  sich  die  freie  Säure  des  Magens  während  d 
Lebens  meist  und  ausschUesslich  aufhält,  ist  die  Magen  Oberfläche  (Gl 
Bernard,  Brücke).  Dieses  wird  einfach  dadurch  bewiesen,  da^^ 
die  vorsichtig  ausgeschnittenen  Drüsenkörner  des  selbst  mit  saun 
Flüssigkeit  gefüllten  Magens  neutral  oder  sehr  schwach  sauer  reagirc 
(Brücke).  Es  kommt  jedoch  auch  der  Fall  vor,  dass  die  Drüsen 
körner  stark  sauer  sind,  trotzdem  dass  die  Magenoberfläche,  wu 
z.  B.  nach  Injection  von  Magnesiamilch,  vollkommen  neutral  is( 


i 


Wo  bildet  sich  die  Säure?  Nervencinfluss  auf  die  Absonderung  des  Saftes.  361 


emnach  muss  die  Säure  entweder  nur  auf  der  Magenoberfläche 
äbildet  werden,  oder  wenn  dieses  im  Innern  der  Drüse  geschieht, 
.  muss  sie  nach  ihrer  Bildung  rasch  aus  der  Drüse  gestossen,  oder 
£6  dort  verbleibende  muss  durch  die  Alkalien  des  Blutes  wieder 
•seh  neutralisirt  werden.  Die  Säure,  welche  man  einige  Zeit  nach 
fm  Tode  in  den  Drüsen  der  in  Verdauung  begriffenen  Thiere 
idet,  ist  also  dahingekommen  entAveder  in  Folge  von  Leicheninfil- 
iition,  oder  in  Folge  einer  Neubildung  nach  dem  Tode,  und  sie 
itt  jetzt  dort  frei  auf,  weil  die  neutralisirenden  Alkalien  fehlen. 

Die  Absonderung  des  Labsaftes  ist  eine  periodische;  sie  wird 
jgeregt,  oder,  wenn  sie  vorhanden  war,  unterdrückt  durch  Um- 
iinde,  welche  wir  als  Nervenreize  kennen.  Daraus  schliessen  wir, 
iss  die  Absonderung  von"  irgendwelchen  Nerven  aus  eingeleitet 
'3rde;'  wo  diese  Nerven  verlaufen,  ist  unbekannt.  Nach  Durch- 
ihneidung  der  n.  vagi  am  Hals  hat  man  allerdings  öfter  Gelegen- 
iiit,  Verdauungsstörungen  zu  beobachten;  aber  es  steht  aus  zahl- 
cchen  Versuchen  auch  fest,  dass  beiThieren,  welche  jene  Operation 
iiger  überlebten,  der  Mageninhalt  noch  sauer  reagirt,  und  dass 
!3  in  den  Magen  eingebrachten  Speisen  verdaut  werden.  Panum*) 
Ih  auch  durch  die  Magenfistel  die  Absonderung  10  Stunden  nach 
iirch schneidung  des  n.  vagus  wiederkommen. 

Während  der  Absonderung  des  Saftes  füllen  sich  die  Blut- 
ffässe  des  Magens,  so  dass  sich  die  neutrale  Oberfläche  des 
zztera  schön  roth  färbt;  diese  Füllung  kann  als  ein  Förderungs- 
tttel,  nicht  aber  als  die  Ursache  der  Absonderung  betrachtet 
wurden,  denn  es  ist  oft  der  Magen  stark  roth  gefärbt,  ohne  dass 
ilbsaft  abgesondert  wird. 

i  5.  Die  Ausstossung  des  Saftes  aus  den  Drüsen  kann  min- 
f5tens  unter  dem  Einfluss  der  Brücke 'sehen  Muskelschicht  ge- 
liehen. Frerichs  hat  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  bei  der 
!tleerung  des  Saftes  die  Labzellen  in  den  Magen  gespült  würden ; 
rrch  die  Untersuchungen  von  Kölliker  und  Donders  ist  die- 
Ibe  dahin  beschränkt  worden,  dass  die  Ausführung  der  ganzen 
Kien  nicht  zu  den  nothwendigen  Ereignissen  gehöre,  da  nach 
i^chlossener  Verdauung,  also  zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  reich- 
iistcn  Ausleerungen  aus  den  Drüsen  stattgefunden  haben  raüssten, 
Drüsen  noch  durchweg  mit  Zellen  gefüllt  sind.  —  Der  Saft, 
•Icher  in  den  Magen  gelangte,  wird  dort  mit  den  andern  Säften 


'*)  Moissner's  Jahresbericht  fUr  186C.  361. 


362  Schleimdrüsen  des  Magens;  Magensaft. 

und  den  durch  ihn  veränderten  Speisen  in  den  Zwölffingerda; 
geführt.  , 

B.  Schleimdrüsen  des  Magens. 
Der  anatomische  Bau  dieser  Drüsen  nähert  sich  sehr  dem  v 

her  beschriebenen  an;  der  wesentlichste  Unterschied  zwisch 
Beiden  besteht  einmal  in  dem  Mangel  seitlicher  Ausbuchtungen  t 
schlauchförmigen  Höhle  und  der  Epithelialbildung  auf  der  Gru 
haut;  in  den  Schleimdrüsen  ist  sie  nämlich  mit  einem  Cylind 
epithelium  belegt,  welches  dem  in  der  Innern  Magenfläche  v( 
kommen  gleicht  (Wassmann).  Gegen  den  Pylorus  ist  der  e 
fache  Schlauch  öfter  getheilt,  d.  h.  es  münden  durch  eme  Oetfnu 
mehrere  Drüsenröhren  in  den  Magen;, diese  Anordnung  bildet  c 
allmähgen  Uebergang  zu  den  Brunn' sehen  Drüsen  des  Duo.denu 
(Douders). 

Der  Saft,  welchen  sie  absondern,  enthält  Mucin,  das  na 
Sehr  an  t  und  Donders  aus  den  sich  allmälig  auflösenden  £ 
thelialzellen  hervorgeht;  Pepsin  sondern  sie  nicht  ab  (Wassman 
Göll)  und  wahi'scheinlich  auch  keine  freie  Säure. 

C.  Der  Magensaft. 

Das  Gemenge  aus  dem  Speichel,  dem  Schleim  und  dem  L 
saft,  welche  sich  in  den  Magen  ergiessen,  verdient  als  ein  wi^ 
tiges  Verdauungsmittel  noch  der  Erwähnung. 

Die  chemische  Zusammensetzung  desselben  ist  natürlich 
mannigfach  veränderlich,  je  nachdem  der  Erguss  des  einen  o( 
andern  Drüsensaftes  überwiegt,  dass  sich  allgemeine  Regeln  ü): 
dieselbe  selbst  dann  nicht  aufstellen  lassen,  wenn  auch  eine  Ve: 
reinigung  durch  Speisen  fern  gehalten  worden  ist.  Das  Einzi 
was  man  constant  beobachtet  hat,  besteht  darin  (Schmie 
Bidder  und  Grünewaldt),  dass  nach  längerem  Entbehren  v 
Nahrung,  beim  Menschen  also  jedesmal  nach  dem  Erwachen  d|s 
dem  Schlafe,  der  Magen  eine  stark  schleimhaltige ,  alkalis 
reagirende  Flüssigkeit  in  sich  fasst,  während  nach  dem  Gern 
von  Speisen  oder  irgendwelchen  andern  festen  Körpern  eine  sai 
Flüssigkeit  in  ihm  vorkommt.  Schmidt  hat  bei  der  schon  i 
wähnten  Frau  mit  einer  Magenfistel  die  Flüssigkeit  aufgefanj 
und  zerlegt,  welche  in  dem  Magen  enthalten  war,  nachdem 
Frau  Morgens  nüchtern  einige  Erbsen  verschlungen  hatte. 
Mittel  aus  zwei  wenig  von  einander  abweichenden  Analysen  ergj 
sich :  Wasser  ==  9i^,44 ;  Fennent  mit  Spuren  von  Ammoniak  =  0,. 


i 


Menge  des  stündlichen  Magensaftes. 


363 


Eilzsäiire=0,02;  Chlorcalcium  =  0,01 ;  Kochsalz  =  0,15;  pl^osphor- 
lure  Erden  ==  0,06. 

Die  mittlere  Menge  des  Saftes,  welche  stündlich  im  Magen 
)gesondei-t  wird,  schätzt  G.rünewaldt  bei  der  vorgenannten, 
J  Kilo  schweren  Frau  auf  0,584  Kilo,  und  somit  in  24  Stunden 
if  14,0  Kilo.  Zu  dieser  Zahl,  die  ihrer  Grösse  wegen  Aufsehen 
■regte,  gelangt  er  folgendermaassen.  Er  führte  durch  die  Fistel- 
Fnung  62  mal  in  A^erschiedenen,  von  dem  zuletzt  genommenen  Mahl 
igleich  weit  abstehenden  Zeiten  ein  Röhrchen  ein,  liesS  dieses 
ährend  ungleich  langer,  aber  jedesmal  bekannter  Zeit  liegen,  wog 
IS  Ausgeflossene,  berechnete  dann  aus  jeder  Beobachtung  unter 
)raussetzung,  dass  das  Ausströmen  gleichmässig  angedauert  haben 
iiirde,  die  stün'dliche  Ausflussmenge  und  zog  endlich  aus  den 
berechneten  Stunden  das  stündliche  Endmittel.  Von  diesem  zog 
65  Gr.  ab ,  weil  es  ihm  aus  anderm  Grunde  wahrscheinlich  war, 
fss  die  Frau  in  der  Stunde  so  viel  Speichel  gebildet  und  ver- 
oluckt  hatte.  —  Die  verbleibenden  0,584  Kilo  hält  er  nun  eher 
•  ein  zu  geringes,  als  für  ein  zu  hohes  Maass  des  stündlichen 
tftes;  denn  wenn  auch  das  während  der  Beobachtungszeit  Aus- 
tflossene  nicht  sämmtlich  während  derselben  abgesondert  wäre, 
RQdern  zum  Theil  aus  dein  Vorrath  stamme,  der  von  frühem  Ab- 
Qiderungen  und  von  den  genossenen  Speisen  herrühre,  so  werde 
e3h  das  hieraus  abzuleitende  Mehr  weithin  dadurch  ausgeglichen, 
dem  Mageninhalt  zum  Ausfliessen  neben  der  engen  ^Mündung 
)\  Röhrchens  noch  die  Aveite  Oeflfhung  des  Pylorus  übrig  bleibe; 

viel  fremde  Zumischung  zu  dem  Magensaft  durch  das  Röhrchen 
«yachse,  so  viel  reiner  Magensaft  werde  also  auch  mindestens 
vch  den  Pfortnermund  davongehen. 

Diese  Betrachtungen  werden  aber  widerlegt  durch  die  Beobach- 
^gszahlen  von  Grünewal  dt  selbst.  Unter  54  seiner  Beobach- 
(gen  (die  andern  sind  nicht  zur  Erörterung  geeignet)  finden  sich 
Mit  einer  Beobachtungszeit  von  5  Minuten;  5  mit  einer  solchen 

10  Min.;  14  von  15  Min.;  27  von  30  Min.  Berechnet  man  für 
[■3  der  genannten  Zeit  die  mittlere  stündliche  Ausflussmenge,  so 
tt  hervor  aus  der  5  Minuten  langen  Reihe  =  2,20  Kilo,  aus 

lOrainutlichen  =  0,91  Kilo,  aus  der  15min.  =  0,52  Kilo,  aus 

30  min.  =  0,30  Kilo,  Die  einzige  Erklärung  für  dieses  Ver- 
<;en,  dass  das  Stundcnmittel  mit  der  abnehmenden  Beobachtungs- 

wächst,  liegt  darin,  dass  die  aus  dem  aufgehäuften  Vorrath 
ezapftc  Flüssigkeitsmenge  das  während  der  Beobachtung  wirk- 


« 


364  Kritik  der  Annahmen  über  die  mittlere  Magensaftmenge. 

lieh  Abgesonderte  weitaus  übertrolfen  habe.    Jedenfalls  müssen 
aus  der  kurzen  Beobachtungszeit  berechneten  Werthe  bei  der 
dung  des  Gesammtmittels  ganz  vernachlässigt  werden.  VerwencJ 
man  demnach  nur  die  30  Minuten  langen  Beobachtungen  zur  A 
leitung  der  täglichen  Saftmenge,  so  gewinnt  man  unter  Beibeh 
tung  der  Grünewaldt' sehen  Speichel-Correction  in  24  Stund 
5,6  Kilo,    also  etwa  ^'a  seines  Tagesmittels.    Aber  auch  die 
Zahl  ist  noch  viel  zu  gross,  und  zwar,  abgesehen  von  andern,  a 
folgendem  Grunde:    Busch   hatte  Gelegenheit,    eine  Frau 
beobachten,  die  im  obersten  Theil  des  Dünndanns  eine  Fistel  v 
solcher  Art  besass,  dass  das,  was  den  Magen  verlassen  hat 
sammt  der  Galle  und  dem  Bauchspeichel  durch  sie  entleert  wurc 
In  diesem  Fall  konnte  man  dasselbe  gewahren,*  was  vom  Hun 
schon  längst  bekannt  ist,  dass  nämlich  der  Ausfluss  aus  dem  Mag 
viele  Stunden,  namentlich  aber  in  der  Nacht  ganz  unterbroch 
war.    Also  darf  man  zur  Herstellung  des  täglichen  Mittels  nicht 
verfahren ,  dass  man  das  während  der  Absonderungszeit  gefunde 
Stundenmittel  mit  24  vervielfacht.    Aus  alle  dem  folgt,  dass  m 
die  tägliche  Magensaftmenge  selbst  bei  der  von  Grüne wal 
beobachteten  Frau  nicht  kennt  und  sie  auch  nicht  einmal,  seit 
wenn  man   sehr  gewagte  Voraussetzungen  machen  wollte, 
leiten  kann. 

Analysen  von  möglichst  speichelfreiem  und  von  stark  speichelhaltigem  Magena 
des  Hundes  gaben  Bidder  nnd  Schmidt. 

1.  Mittel  aus  9  Analysen;  die  Hunde  waren  in  8  Fällen  mit  Meisch  gefütt* 
die  wesentlichsten  Speichelgänge  unterbunden ;  der  Saft  wurde  aus  dem  leeren  Maj 
nach  vorgängiger  Erregung  des  Magens  durch  mechanische  Mittel  aufgefangen. 

2.  Bei  einem  wie  vorher  behandelten  Hund,  dessen  n.  vagi  durchschnitten  war 

3.  Mittel  aus  3  Analysen  bei  Fleisch-  und  Pflanzendiät;  Speichelgänge  ni- 
unterbunden. 

4.  Spcichelgänge  nicht  unterbunden;  12  bis  24  Stunden  vorher  die  n.  t' 
durchschnitten.  i 

Wasser    Ferment     Cm       KaCl      NaCl      CaCl     NH.,C1     aCaOPOa  MgOPOs  Fe-iOaf 

1.  97,30      1,71     0,31      0,11     0,25     0,06     0,05       0,17        0,02  0,Olif 

2.  97,18     1,57     0,20     0,08     0,14     0,01     0,45       0,30        0,04  0,03{ 

3.  97,12      1,73     0,23     0,11      0,31     0,17     0,05       0,23        0,03  0,0|^ 


4.  97,11  1,72  0,19  0,13  0,49  0,04  0,07  0,23  0,04  0,01^ 
Die  mittlere  Menge  des  stündlich  aus  dem  Hundemagen  zu  erhaltenden  Bat 
schätzen  Bidder  und  Schmidt  zu  4,6  Gr.  für  ein  Kilogr.  Thier,  indem  sie,  "< 
es  scheint,  voraussetzen,  dass  Nahrungsbedürfniss  und  Drüsenoberfläche  anwachi 
wie  das  Körpergewicht, 


ScHauclifdnnige  Darmdrüsen ;  Fettdrüsen. 


365 


Schlauchförmige  Darmdrüsen. 

Ihrem  Bau  nach  stimmen  sie  ganz  über  ein  mit  der  einfacheren  Foi-m 
nr  Magenschleimdi-lisen.  —  In  die  Dünndarmhöhle  des  Menschen 
i«d  Hundes ,  die  für  die  Säfte  des  Magens  und  der  grossen  Bauch- 
iüsen  unzugängig  gemacht  waren,  wird  eine  zähe,  dem  Nasenschleim 
mliche  Flüssigkeit  in  geringer  Menge  ergossen;  sie  reagirt  alkalisch 
Nidder  und  Schmidt)  und  soll  in  100  Theilen  zwischen  7,4 
nd  3,8  Theile  festen  Rückstand  enthalten  (Busch).  Man  darf 
rnnuthen,  dass  die  schleimigen  Antheile  dieses  Saftes  aus  dem 
thalt  des  Epithelialcylinders  des  Darms  und  vorzugsweise  der 
bhlauchfönnigen  Drüsen  kommt,  da  diese  mit  Schleim  gefüllt  sind. 

Busch  gewann  das  Object  seiner  Untersuchung  dadurch,  dass  er  in  eine  Fistel 
:  menschlichen  Darms  einen  bei  100"  C.  getrockneten,  wohlgereinigten  Badeschwamm 
II  bekanntem  Gewicht  einführte ;  die  Gewichtszunahme  desselben  bestimmte  er  nach 
cn  Herausziehen  vor  und  nach  dem  Trocknen.  Die  Fistel  besass  einen  Bau,  der  den 
ttritt  der  Säfte  aus  dem  obern  Theil  des  Dünndarms  in  den  untern  verhinderte, 
iilcher  den  Schwamm  aufgenommen  hatte.  —  Biddor  und  Schmidt  suchten  den 
irmsaft  zu  gewinnen  aus  einer  Darmfistel  des  Hundes ,  nachdem  sie  vorher  Gallen- 
II  Pankreasgänge  unterbunden  hatten.  Sie  erhielten  jedoch  auch  auf  diesem  Wege 
fc  so  geringe  Menge  einer  alkalisch  reagirenden  Flüssigkeit,  dass  sie  nicht  hin- 
:3hte,  um  eine  Analyse  damit  anstellen  zu  können.  Aus  dem  Dickdarm  erhielten 
.  auch  nicht  einmal  dieses  geringe  Quantum.  —  Frerichs  untersuchte  eine  Flüssigkeit, 
er  für  ein  normales  Absonderungsprodukt  jener  Drüsen  hält,  aus  dem  Katzendarm. 
,  i  sie  aufzufangen ,  hatte  er  ein  Darmstück  durch  zwei  Ligaturen  von  den  benach- 
tten  Stellen  abgeschnürt,  nachdem  dasselbe  vorher  von  seinem  Inhalt  durch  Streichen 
; ;  den  Fingern  möglichst  befreit  worden.  Die  Flüssigkeit  reagü-te  stark  alkalisch  und  ent- 
lit  in  100 Theilen:  Wasser  =  97,6;  unaufgelösto  Stoffe  0,9;  löslichen  Schleim  =  0,5; 
U  =  0,2 ;  Salze  =  0,8.  Die  Flüssigkeiten  des  Dünn  -  und  Dickdarms  waren  gleich 
lommengesetzt.  Bidder  und  Schmidt  konnten  auf  diesem  Wege  keinen  Darmsaft 
idlten. 

Nach  Bidder  und  Schmidt  soll  sich  immittelbar  nach  dem 
ftassertrinken  die  Absonderung  etwas  veraiehrt  haben. 

Fettdrüsen. 

Zu  dieser  Drüsengattung  rechnet  man  die  HautfoUikel  (Haar- 
llgdrüsen),  die  Meibom 'sehen  Bälge  und  die  Ohrenschmalz- 
ösen. Die  Berechtigung  für  die  Zusammenstellung  dieser  in  vielen 
7ziehungen  von  einander  abweichenden  Werkzeuge  findet  man  in 
um  grossen  Fettgehalt  des  von  ihnen  abgesonderten  Saftes, 
iiwohl  dieser  Grund  mehr  als  nichtssagend  ist,  wollen  wir  doch 
i>8  Wenige,  welches  von  diesen  Drüsen  bekannt  ist,  hier  zu- 
(mmenstellen. 


366  Haarbalg-,  Meiboia'sche  und  OhrenschraabsdrÜBcn. 

1.  Haarbalgdrtlsen*).  Ihre  Höhle  besitzt  entweder  d 
Gestalt  eines  einfachen  birnförmigen  oder  die  eines  verästelte 
Schlauchs.  Die  Wand  besteht  nach  aussen  aus  Bindegewebe,  d 
auf  ihrer  inneren  Pläche  ein  Epithelium  trägt,  dessen  einzeh 
Zellen  einen  grossen  oder  mehrere  kleinere  Fetttröpfchen  ui 
schliessen.  Gegen  das  Centrum  des  Drüsenbalges  folgen  dai 
Zellen,  die  reichlicher  mit  Fett  gefüllt  sind,  vermischt  mit  frei( 
Oeltröpfchen,  welche  letzteren  gegen  die  Mündung  des  Balges  hin  di 
Uebergewicht  bekommen.  —  Die  freie  Oeffnung  des  Schlauchs  g 
schiebt  immer  in  einen  Haarbalg  hinein,  und  der  einzige  Untc 
schied,  der  in  dieser  Beziehung  zwischen  den  verschiedenen  Tal 
drUsen  besteht,  liegt  darin,  dass  bald  der  Haarbalg  an  Grösse  d 
Fettdrüse  und  umgekehi-t  bald  die  letztere  den  erstem  übertrifft.  - 
Das  Fett,  welches  aus  den  Drüsen  zum  Vorschein  kommt,  ist  e 
Gemenge  von  Elain  und  Margarin.  Ausserdem  kommt  in  ihre 
Sekret  vor:  ein  eiweissartiger  Stoff,  Cholestearin ,  Margarin-  ui 
Elainseifen,  Kochsalz,  Salmiak,  etwas  phosphorsaures  Nati-on  ur 
Wasser.  —  Der  fettige  Antheil  geht  raeist  in  die  Haare  über. 

2.  Meibom 'sehe  DvUsen**).  Sie  schliessen  sich  rüc' 
sichtlich  ihrer  Form  und  des  Baues  von  Wandung  und  Höhle  a 
die  Talgdrüsen  an.  Ihr  Sekret  ist  noch  nicht  untersucht;  sieliefei 
dasselbe  auf  die  Augendlidränder,  welche,  mit  dem  fettigen  Sa 
bestrichen,  den  Thränen  den  Uebertritt  auf  die  Wangen  erschwere] 

3.  Ohrenschmalzdrüsen.  In  dem  äussern  Gehörgan 
kommen  zwei  Drüsenarten  vor,  die  eine,  welche  in  die  Haarbälg 
mündet  und  somit  den  Talgdrüsen  vollkommen  gleichartig  gebai 
ist,  und  eine  andere,  die  OhrenschmAlzdrtisen  im  engern  Wortsini 
welche  dem  Bau  ihrer  Höhlung  und  Wandung  nach  den  m 
Muskeln  versehenen  Schweissdrüsen  sehr  ähnlich  ist.  Der  einzig 
Unterschied,  welcher  zwischen  Schweiss-  und  Ohrenschmalzdrüse 
besteht,  wird  durch  das  Epithelium  gegeben,  welches  in  den  letzter 
durch  seinen  fetthaltigen  Inhalt  ausgezeichnet  ist  (Kölliker)  *** 

Die  Bestandtheile  des  Ohrenschmalzes  f),  das  vorzugsweise  de 
zuletzt  erAvähnten  Drüse  seinen  Ursprung  verdanken  möchte,  sin« 
Olem,  Margarin ,  eine  eiweisshaltige  Materie,  ein  in  Wasser  löm 
licher,  gelbgefärbter,  bitterschmeckender  Köi-per  und  die  gewöhi  n 

•)  KöUiker,  Gewebelohre.  2.  Auflnge,  p.l75.—  Lehmann,  Physiologische  Chemie.  U.B« 
p.  372. 

*»)  K  ä  Ui  It  e  r  ,  1.  c.  p.  053. 
*•»)  1.  c.  p.  171. 
t)  BerzeliuB,  Lehrbuch  der  Chemie.  IX.  Bd.  637. 


Schweissdrüsen ;  Schweiss. 


367 


hen  Blutsalze.  —  Die  quantitative  Zusammensetzung  des  Ohren- 
imalzes  ist  unzweifelhaft  sehr  variabel,  da  es  einmal  dunkel  und 
;t,  das  auderemal  sehr  hell  und  mehr  wasserhaltig  abgesondert  wird. 

Schweissdrüsen. 

1.  Anatomischer  Bau*),  Das  röhrenförmige  Lumen  der  Schweiss- 
Isen  mündet  auf  der  EpidermisoberflächC;  dringt  spiralig  durch 
1  Epidermis  zur  Cutis,  verengert  sich  innerhalb  derselben  und 
it  dann  gestreckt  bis  in  die  tiefsten  Schichten  der  Haut,  wo  es 
h  abermals  etwas  erweitert,  dann  knaulförmig  aufwindet,  um 
iliesslich  blind  zu  enden.  An  den  grösseren  Schweissdrüsen, 
IB.  denen  der  Achselhöhle,  theilt  sich  das  Rohr  in  mehrere  Aeste, 
ii  denen  ein  jeder  sich  verhält  wie  eine  einfache  Drüse.  Die 
ind  der  Drüse  besteht,  wo  sie  auch  vorkommen  mag,  so  lange 

durch  die  Cutis  läuft,  aus  einer  strukturlosen  Grundhaut 
iircbow).  Diese  fehlt  aber,  wenn  das  Drüsenlumen  die  Epi- 
™is  erreicht  hat,  so  dass  sich  der  Canal  zwischen  den  Zellen 
sselben  hinzieht.  Auf  der  Innern  Fläche  der  Grundhaut  sitzt  ein 
ithelium,  das  in  den  Drüsen  von  mittlerer  und  geringerer  Grösse 

einer  einfachen  Lage  rundlicher  Zellen  besteht,  deren  Binnen- 
im  ausser  dem  Kern  meist  auch  Fettti'öpfchen  enthält.  In  den 
iTweissdrüsen  der  Achselhöhle,  der  Peniswurzel  und  der  Schäm- 
ten kommt  dazu  eine  trübe,  fettige  Masse,  welche  Körnchen, 
iinere  und  grössere  Zellen  in  sich  schliesst.  Auf  der  äussern 
Kche  der  Grundhaut  tragen  die  zuletzt  erwähnten  Drüsen  eine 
licht  längs  verlaufender  Muskelzellen,  und  an  diese  schliesst 
n.  eine  streifige  Bindegewebshülle  an,  welche  in  allen  andern 
■isen,  denen  die  Muskeln  fehlen,  sich  unmittelbar  an  die  Grund- 
tt  anlegt.  —  Das  dichte  Netz  von  Blutgefässen,  welches  den 
.senknäuel  umspinnt,  entsteht  aus  den  Arterien  des  Unterhaut- 
ilegewebes  und  geht  durch  Verbindungszweige,  welche  dem 
iführungsgang  entlang  laufen,  in  das  Netzwerk  der  Cutis- 
iisse  über. 

Nerven  hat  man  in  die  Schweissdrüsen  noch  nicht  verfolgen 
inen. 

2.  Schweiss**).  Der  Saft  der  Schweissdrüsen  ist  im  voU- 
iimeü  reinen  Zustande  vielleicht  noch  keinmal  Gegenstand  einer 


')  Kiilli  kcr,  Handbuch  der  Ocwcbcleliro.  2.  Aufl.  1856.  1G2. 

)  An  »el  in  ino  (u.  L.  Gmelin),  Zeitschrift  von  Tiedcman  n  und  Ti  cv  ir  iinus.  U.13d. — 
■'ttin,  Zeitschrift  fflr  physlolog.   Ilcilluiiidi).  XI.  Ud.  —  I''iv  v  r  o ,  eompt.  rend.  XXXV.  721. 


368 


Schweissdrüsen ;  Aufsammluiig  des  Schweisses. 


Untersuchung  gewesen;  vielleicht  ist  ihm  verdichteter  Hautdui 
jedenfalls  aber  immer  Hautschmiere  und  Epidermisschuppenextrs» 
beigemengt  gewesen ;  zuweilen  hat  man  sich  auch  mit  der  Analy 
des  festen  Rückstandes  jenes  Flüssigkeitsgemenges  begnügt. 

Je  nachdem  man  alle  oder  nur  einzelne  Theile  des  Schweisses  auffangen  w 
verfährt  man  auf  verschiedene  Weise.     Im  ersten  Falle  wird  entweder  der  nac 
Mensch  im  Dunstbad  auf  eine  metallene  Wanne  gelegt  und  der  abfliessende  Schw« 
gesammelt,  oder  es  wird  nur  eine  Qliedmaasse  (Arm  oder  Bein)  in  einen  luftdich 
Beutel  eingebunden.    Die  aufgefangene  Flüssigkeit  wird  zwar  als  reiner  Schweiss 
gesehen;  sie  kann  verunreinigt  sein  mit  dem  Wasserauszug  der  Oberhautschuppen, 
Hautschmiere  und  mit  verdichtetem  Hautdunst,  d.  h.  mit  Wasser,  das  sich  an  < 
Wänden  des  Sackes  aus  dem  Dunst  niedergeschlagen  hat,  der  emporgestiegen  ist 
der  Epidermis  zwischen  den  Schweissdrüsenmündungen.    Die  erstem  Verunreinigun; 
können  durch  vorsichtiges  Reinigen  der  Haut  vor  Beginn  des  Versuchs  sehr  vermind 
werden ,   und   die  letztere  ist  ganz  zu  beseitigen ,    wenn  man  der  Wand  des  x 
schliesscnden  Sacks  die  Temperatur  der  Haut  zu  geben  versteht.    Uebrigens  dürfte 
auch  ohnodiess  veniachlässigt  werden ,  wenn  die  Schweissabsonderung  lebhaft  gei 
ist ,  um  die  ganze  Oboriläche  des  eingeschlossenen  Gliedes  mit  einer  Flüssigkeitsschi 
zu  überziehen.     Mittelst  dieses  Verfahrens  würden  zahlreiche  Aufschlüsse  gewon: 
werden  können ;  z.  B.  über  die  Abhängigkeit  der  Zusammensetzung  des  Schweisses 
der  Absonderungsgeschwindigkeit  desselben,  und  ferner  über  die  Abhängigkeit  beit 
Veränderlichkeiten  von  der  Ernährung ,  der  Tcnipcratui' ,  der  Muskelbewegung  des  > 
sammtkörpers ,  der  Blutfülle,  der  elektrischen  EiTegung,  dem  Luftdruck  von  und 
die  absondernde  Hautstelle  selbst,  der  Abso7\dcrungsdauer  des  Schweisses  u.  s.  w. 
Um  über  einzelne  Eigenschaften  des  Scliweisses  Nachricht  zu  bekommen,  hat  man  e 
weder  nur   einzelne  wenige  Tropfen   des  gewöhnlich  abgesonderten  Schweisses  c 
gefangen,  oder ,  war  es  nur  um  den  Schweissrückstand  zu  thun ,  so  umhüllte  man 
schwitzenden  Glieder  mit  gereinigter  Leinwand ,   die  später  mit  destillirtem  Was 
ausgelaugt  wurde,  oder  man  spülte  auch  nur  die  Haut  ab,  auf  welcher  ein  Schwe 
rückstand  sass. 

Der  Schweiss,  welcher  aus  dem  gesunden  Blut  abgeschiet 
wird,  scheint  nach  den  vorliegenden  Betrachtungen  beständige  v 
unbeständige  Stoffe  zu  enthalten.  Zu  den  ersten  zählen :  ein  eiwei 
artiger  Körper,  ein  ölartiges  Fett,  Cholestearin ,  Harnstoff,  Mil 
und  Schweissäui-e  (Hydi-otsäure,  Cio,  NHs,  On;  HO),  Kali,  Natn 
Kalk,  Eisenoxyd,  Chlor,  Schwefelsäure,  Phosphorsäure,  Kohl 
säure  (Anselmino ,  Favre,  Schottin,  O.Funke).  Die  neue! 
Untersuchung  des  Schweisses  von  Funke  ignorirt  die  Schwei  i 
säure  und  bestreitet  die  Milchsäure ;  wohl  nur  darum,  weil  sie  si 
auf  viel  geringere  Saftmengen  bezieht  als  die  Arbeit  von  Favr 

und  Ai-chiv.  g£n6r.  Juillet  1853.  —  Gillibert  d'Hercourt,  Valpntin's  Jahresbericht  i  [ 
Physiologie  für  1853.  p.  168.  —   0.  Fiinlce,  Meies chott's  Untersuchungen  zur  Nftturlc^ 
IV.  Bil.  36.  —  Schiff,  neurolog.  Unter.suehuiigen,  I.  Bd.  p.  105  und  189.  —  Schnh,  Wocll 
blatt  der  Gesellschaft  der  Wiener  Aerztc.  1857.  321.  —  V  i  ale  und  L  a  t  i  n  I,  8  eher  er 's  Jahti 
bericht  für  1855.  202. 


Aondorung  des  Schweisses  mit  der  Absonderungsgeschwindigkeit. 


369 


la  den  imbeständigen  gehören:  Ammonicak,  feste  Fette  und  flilch- 
^ge  Säuren,  namentlich  Butter-,  Essig- undAmeisensäure  (S chottin, 
lunke,  Gillibert). 

Die  Aenderungen  in  der  Schweisszusammensetzung,  welche 
HS  dahin  beobachtet  wurden,  scheinen  abzuhängen  von  der  Ab- 
lunderungsgeschwindigkeit,  der  Absonderungsdauer,  der  Lage  der 
bhweisserzeugenden  Fläche,  vielleicht  auch  von  der  Menge  des 
ßnossenen  Getränkes  und  der  Individualität  des  Schwitzenden. 

a)  Mit  der  Absonderungsgeschwindigkeit  ändert  sich  die  Zu- 
»mmensetzung  in  der  Art,  dass  der  Gehalt  des  Schweisses  an 
rrgani sehen  Stoffen  ujn  ein  Weniges  abnimmt,  wenn  die  Schweiss- 
eenge von  einem  Minimum  bis  zu  einem  gewissen,  nicht  allzu- 
»hen  Werth  anwächst;  dass  aber,  wenn  dieser  letztere  erreicht 
t,  die  Zusammensetzung  des  Schweisses  unverändert  bleibt,  wie 
i«ch  von  diesem  Grenzwerth  an  die  in  der  Zeiteinheit  abgesonderte 
uftmenge  wachsen  mag.  Dieses  Gesetz  scheint  sich  aus  den 
tthlen  von  0.  Funke  ableiten  zu  lassen. 


Beobachtuugsort 
und 

Versuchsnammer. 


Uiann  A. 


Vorderarm 
:70  aCtra.  Fläche. 


1. 
2. 
3. 

4.  ' 

5.  ^ 
6. 
7. 


IMann  B. 

Vorderarm. 

MMann  C. 

Vorderarm. 


Schweissgewicht 
in  Gr.  auf  die 
.  Stunde. 

Rückstand 
in 

Prozenten. 

Asclie 
in 

Prozenten. 

Harnstoff. 

4,46 

1,44 

5,99 

1,36 

0,24 

12,65 

0,79 

0,199 

17,68 

1,17 

30,20 

0,84 

0,31 

33,04 

0,70 

1,112 

36,41 

0,82 

47,96 

0,86 

0,36 

3,12 

2,56 

0,63 

6,80 

1,13 

6,90 

1,17 

10,62 

0,84 

Für  den  Theil  unseres  Satzes,  dass  von  einer  gewissen  Grenze 
jigefangen  die  Zusammensetzung  des  Schweisses  unabhängig  von 
niner  Absonderungsgeschwindigkeit  sei,  sprechen  auch  die  Zahlen 
»n  Favre.  Der  Schweiss,  auf  den  sie  sich  beziehen,  ist  ge- 
(onnen  von  der  Gesammthaut  eines  Mannes,  der  in  einem  Dunst- 
auf  einer  Metallrinne  lag.    Die  Beobachtungszeit  scheint  aller- 

24 

'  Ludwig,  Pliyniologie  II.  2.  AufInge. 


370      Aonderung  des  Schwoisses  mit  der  Absonderuiigs-Daucr ,  -Fläclie  etc. 


cliiigs  niclit  in  allen  Beobachtungen  gleich  lang  gewesen  zu  scii 
sie  wird  annähernd  auf  IV2  Stunde  angegeben.  —  In  8  versclii' 
denen  Tagen  schwankte  die  in  V/2  Stunde  aufgefangene  Schwei 
menge  zwischen  2559  und  1521  Gr.    Die  RUckstandprozente  wardä 
in  beiden  Fällen  gleich  0,5.  —  Unter  diesen  Umständen  mag  ffl 
erlaubt  sein,  die  Zahlen  einer  vollkommenen  Schweissaualyse  «n 
F  a  V  r  e '  s  Abhandlung  auszuschreiben.    Sie  ist  mit  14  Liter  Schwei .  1 
angestellt  und  auf  1000  berechnet, 

Na  Gl     2,230  Natronphosphat 
KaCl     0,244  Erdpliosphat 
KOSO,i  0,011     KalialbuTuiTiat  .  0,005 

b)  Der  erste  Schweiss,  welcher  nach  einer  längern  Drüsenrul 
hervortritt,  ist  sauer,  dauert  die  Absonderung  längere  Zeit,  so  wi: 
sie  neutral  und  alsbald  alkalisch ;  die  zuerst  ausströmende  Flüssigk< 
enthält  auch  mehr  flüchtige  Fettsäure  und  mehr  des  eiweissartig( 
Körpers  (?)  als  die  spätere  (Gillibert,  Favre).  Der  letzte 
Beobachter  spaltete  die  in  IV2  Stunde  abgeflossene  Menge 
3  Theile,  von  denen  jeder  in  je  72  Stunde  aufgefangen  wa 
100  Theile  enthielten: 


Spuren 


Milchsaurcs  K.0  0,317 
Schweissaures  KO  1,502 
Harnstoff   ....  0,044 


l'ettc  . 
AVasser 


.  .  0,0 

995,5 


Wasser  

In  absolut.  Alkohol  lösliche  Best. 
In  absolut.  Alkohol  unlösliche  Best. 


Aus  dci'  ersten 
>|2  Stunde. 


99,66 
0,17 
0,16 


Aus  der  zweiten 
1/2  Stunde. 


99,53 
0,11 
0,29 


Aus  der  dritten 
','2  Stunde. 


99,08 
0,15 
0,22 


Demnach  waren  in  der  ersten  Masse  die  mineralischen  Sah 
am  geringsten  vertreten. 

c)  Auf  eine  Veränderung  des  Schweisses  mit  der  erzeugende 
Fläche  deutet  der  Geruch  hin,  den  der  Schweiss  aus  einzelne 
Oertlichkeiten  vor  dem  anderer  voraus  hat.  Auch  scheinen  die  Salz| 
sich  zu  ändern.    So  liefert  u.  A.  das  Individuum,  welches  Funk 
untersuchte,  einen  Fussschweiss  mit  1,37  Rückstand,  darunter  wal 
0,40  Asche ;  ein  Armschweiss  von  gleichen  Rückstaudsprozenten  g;i 
nur  0,24  pCt.  Asche.  —   Nach  einer  Angabe  von  Schottin  wa  i 
wenn  das  Na  der  Asche  ==  100  gesetzt  wird,  das  Ka  im  Arn 
schweiss  =  39  und  im  Fussschweiss  =  57. 

d)  Der  Schweiss,  welchen  Favre  sammelte,  enthielt,  wi: 
schon  erwähnt,  nie  mehr  als  0,68  pCt.  Rückstand;  der  von  Funk 
nie  weniger  als  0,70.    Hier  war  verschieden  der  Ort  des  Aut 
fangens,  die  Individualität  und  die  Diät;  und  die  letztere  \m 


Absondorungsgeschwiiidigkoit  dos  Schwcisses. 


371 


besondere  darin,  dass  der  Mann,  welcher  Favre  den  Schweiss 
-erzeugte,  während  des  Dunstbades  etwa  2  Liter  Wasser  trank. 

Innerlich  genommen  gelin  in  den  Schweiss  über :  Bernstein-,  Weinstein  Benzoe- 
säure;  es  erscheinen  dagegen  nicht:  Jod,  Chinin,  Salicin  (Schottin). 

3.  Abson'derungsgeschwindigkeit.    Der  Schweiss  wird  nur  zeit- 
ivweise  abgesondert;  bekanntlich  kann  seine  Bildung  Monate  lang 
amterdrückt  sein.    Die  Bedingungen,  von 'denen  sein  Eintritt  und 
^die  Lebhaftigkeit  seines  Fliessens  abhängen,  sind,  so  weit  bekannt, 
tffolgeude:  1)  die  Haut  beginnt  zu  schwitzen,  wenn  die  Temperatur 
derselben  über  eine  noch  näher  zu  bestimmende  Grenze  steigt, 
iiiorauf  dürfte  zurückzuführen  sein  der  Eintritt  des  Schweisses  nach 
')Muskelanstrenguugen ;   bei  Anfällen   von  Hyperästhesie,  die  mit 
llRöthimg  der  Haut  verbunden  sind ;  nach  Durchschneidung  von  Ge- 
ffässnerven,  namentlich  bei  Pferden  (Dupuy,  Mayer,  Colin); 
ibei  Aufenthalt  in  warmer,  mit  Wasserdunst  gesättigter  Luft.  — 
B)  Der  Schweiss  fliesst,  alles  Andere  gleich  gesetzt,  stärker  nach 
[Genuss  von  warmen  wässerigen  Getränken  und  einigen  flüchtigen 
^zneistoflfen  (?).  —  Die  Anwesenheit  der  bis  dahin  aufgezählten 
Bedingungen  genügt  jedoch  nur  dann,  wenn  noch  andere  unbe- 
iiannte  Bestimmungen  schon  vorhanden  sind.    Dieses  geht  aus  den 
lirztlichen  Erfahrungen  hervor,  dass  öfters  von  einer  sehr  warmen, 
mit  Blut  gefüllten  Haut  trotz  des  reichlichsten  Genusses  von  warmem 
IWasser  kein  Schweiss  erzielt  werden  kann.    Umgekehrt  schwitzt 
auch  oft  ein  Individuum  mit  relativ  kalter  Haut,  und  zu  Zeiten, 
m  denen  es  sich  längere  Zeit  des  Trinkens  enthalten  hat.  —  3)  Die 
.ujebhaftigkeit  der  Absonderung  sinkt  mit  der  Absonderungsdauer 
Gillibert,  Eunice).    Nach  den  Angaben  des  erstem  Beob.ach- 
eers  hört  der  Schweiss,  wenn  er  während  einer  gewissen  Zeit  ab- 
;<;esondert  wurde,  zu  sti-ömen  auf,  selbst  wenn  das  Individuum  unter 
leichlichem  Wassertrinken  im  Dunstbad  verbleibt.  —  4)  Einzelne 
Oertlichkeiten  der  Haut  sind  vor  andern  bevorzugt  durch  ihre  Be- 
»"ähigung  in  Schweiss  zu  gerathen  und  bei  gleichen  schweisstreibendeu 
Jrsachen  mehr  Flüssigkeit  als  andere  zu  liefern;  es  scheint,  als 
»b  hierzu  die  Orte  gehörten,  die  sich  entweder  durch  zahlreichere 
)der  durch  grössere  Drüsen  vor  andern  auszeichnen  (Stirn,  Hand- 
eller, Achselhöhle  u.  s.  w.). 

Ausser  einigen  Angaben  von  Favre,  Gillib ert  und  Funk e ,  in  denen  gloich- 
.eitig  die  Muskelbewegungcn ,  die  Temperatur  und  die  Diilt  verändert  wurden,  liegen 
■ür  die  soeben  ausgesprochenen  Sätze  keine  i;ahlenbeispicle  vor ;  i"  der  Unbestimmtheit, 
n  der  sie  hingesteUt  sind,  genügen  jedoch  auch  zu7n  Beweis  derselben  die  Thatsachen 
"ler  tägUchen  Erfahrung. 

24* 


372 


Statistik  des  Scliweiascs ;  Schweissbildung. 


Die  Statistik  des  Scli weisses,  d.  h.  die  Frage,  wie  viel  dieser 
Flüssigkeit  von  der  gesummten  Haut  unter  gewissen  Umständen 
abgesondert  werde,  konnte  noch  nicht  in  Angriff  genommen 
werden,  da  es  an  einem  HUlfsmittel  fehlt,  um  unter  gewöhnliche) 
Verhältnissen  den  Schweiss  gesondert  vom  Hautdunst  aufzufangen 
Eine  Aussicht  hierzu  würde  sich  bieten,  wenn  es  sich  herausstellte,! 
dass  innerhalb  gewisser  Grenzen  der  Absondenmgsgeschwindigkeit, 
das  Verhältniss  zAvischen  festen  und  flüssigen  Bestandtheilen  un- 
veränderlich und  aller  Orten  dasselbe  Aväre;  dann  würde  mau  aus 
dem  auf  der  Haut,  beziehungsweise  ihren  Bedeckungen  verblei- 
benden Rückstand,  auf  die  Menge  der  abgesonderten  Flüssigkeit 
schliessen,  und  also  auch  Versuche  über  Schweissmengen  bei  ge- 
wöhnlicher Bekleidung  anstellen  können.  Sollten  die  Thatsachen 
diese  Unterstellung  widerlegen,  so  müsste  sich  die  Statistik  auf 
die  Bestimmung  der  festen  Stoffe  beschränken.  —  Um  einen  Maass- 
stab zu  gewinnen,  wie  hoch  unter  günstigen  Umständen  die  Schweiss- 
menge  der  gesammten  Haut  anwachsen  kann,  dienen  die  Erfah- 
rungen von  Favre.  Er  gewann  in  l'/2  Stunde  bis  zu  2560  Gr. 
Schweiss ;  bei  einer  so  reichlichen  Erzeugung  erschöpft  sich  jedoch 
die  Absonderung  nach  einiger  Zeit  (Gillibert). 

4.  Schweissbereitung.  Die  fetten  und  die  flüchtigen  Säuren 
gehen  unzweifelhaft  aus  den  Epithclicn  hervor,  da  namentlich  die 
Drüsen ,  welche  einen  starkriechenden  Schweiss  hervorbringen, 
reichlich  mit  Fett  gefüllte  Zellen  bergen.  —  Die  Absonderung  der 
Flüssigkeit  würde  man  wegen  ihres  periodischen  Aufti'ctens,  und 
auch  darum,  weil  leidenschaftliche  Erregungen  öfter  mit  Schweiss- 
bildung gepaart  sind,  wohl  bereitwillig  von  "^einer  Beihülfe  dei 
Nerven  ableiten,  wenn  nur  irgend  eine  Art  von  Nerv  zu  den  Drüsen 
verfolgt  werden  könnte.  —  Da  die  von  Blut  strotzende  Haut  leicht 
und  die  zusammengezogene  nicht  schmtzt,  so  wäre  daran  zu 
denken,  dass  eine  Erschlaffung  der  Gefassmuskeln  und  die  darausB 
entspringende  Erweiterung  des  Gefässlumens  eine  nothwendige  Be- 
dingung zur  Einleitung  der  Schweissbildung  sei.  Damit  ist  es  aber 
nicht  zu  vereinigen,  dass  die  Absonderung,  welche  schon  einge- 
treten war,  auch  wieder  zurücktritt,  trotz  der  noch  bestehendem 
Blutflille.  Sollte  etwa  die  Haut  der  Schweissdrtisen  sich  unab- 
hängig von  Nerven  und  Muskeln  verändern? 

Der  'Widersprueli*)  gegen  ^ie  gangbare  Ansicht,  wonach  der  Schweiss  aus  deni 
Driisen  und  nicht  aus  der  zwischen  ihnen  gelegenen  Oberhaut  hervorkomme ,  wird  sichj 


•)  Meisau  er's  Jahresbericht  fiir  1866.  j).  285. 


Hnrnwerkzouge ;  anatomischer  Bau  der  Nieren. 


373 


,  hwerlich  Gelhing  verschaffen ;  denn  es  gelingt  dem  mit  der  Loupo  bewaffneten  Auge 
licht,  den  Tropfen  aus  den  Driisenmündungen  hervorkommen  zu  sehen. 

5.  Aus  den  Drüsen,  Avelcben  Muskeln  fehlen,  kann  der  Inhalt 
nur  durch  die  absondernden  Kräfte  selbst  ausgetrieben  werden ;  die 
Muskeln  in  den  grössern  Drüsen  sind  vielleicht  geeignet,  den  zäh- 
tliissigen  Inhalt,  der  auf  ihrem  Grund  sitzt,  zu  entleerren.  —  Der 
auf  die  Hautoberfläche  ergossene  Saft  wird  uns  bei  der  thierischen 
Wärme  noch  einmal  Veranlassung  zu  Bemerkungen  geben. 

Harnwerkzeuge. 
A.  Nieren. 

1.  Anatomischer  Bau.  Ein  jedes  Harnkanälchen  beginnt  in 
der  Nierenrinde  mit  einem  kugeligen  Säckchen  und  geht  dann  in 
einen  engen  Schlauch  über,  der  gewunden  durch  die  Rinde,  gestreckt 
durch  das  Nierenmark  hinläuft.  Auf  diesem  Wege  verbindet  sich 
vorerst  ein  jedes  unter  einem  spitzigen  Winkel  mit  einem  benach- 
barten Röhrchen ,  und  der  aus  beiden  zusammengeflossene  Schlauch 
läuft  wieder  mit  einem  ähnlich  entstandenen  Nachbar  zusammen. 
Diese  Verbindungen  wiederholen  sich  öfter,  so  dass  schliesslich 
eine  grosse  Anzahl  von  Röhren  in  eine  einzige  zusammenmündet,  die 
auf  der  Papille  sich  öffnet.  Das  Gesammtlumen  der  Harnröhren 
nimmt  auf  dem  Wege  von  der  Rinde  zur  Papille  zuerst  sehr  rasch 
und  dann  allmäliger  ab,  da  die  aus  den  ersten  Zusammenflüssen 
entstandenen  Röhren  von  demselben,  die  durch  die  spätem  Ver- 
einigungen entstandenen  von  nicht  sehr  bedeutend  grösserem  Durch- 
messer sind,  als  jede  der  einzelnen  vor  der  Vereinigung.  —  Die 
Wandung  des  Harncanälchens  ist  aus  einer  strukturlosen,  sehr 
feinen,  aber  festen  Haut  gebildet,  auf  deren  Innenfläche  eine  ein- 
fache Lage  von  Kernzellen  aufsitzt,  die  mit  Flüssigkeit  mässig  ge- 
füllt sind.  —  Witt  ich'*)  beschreibt  das  Element  der  Deckhaut 
als  ein  kugeliges  Häufchen  feinkörnigen  Stoffes  mit  einem  Kern 
in  der  Mitte;  eine  umkleidende  Haut  soll  ihnen  fehlen.  —  Die 
Papille,  auf  welche  das  bis  dahin  beschriebene  Harncanälchen  zu- 
gleich mit  vielen  andern  aus  der  Niere  in  den  Kelch  tritt,  ist  eine 
kegelförmige  Warze,  die  mit  der  Basis  an  den  Nieren  festsitzt  und 
mit  der  Spitze  frei  in  den  Kelchraum  ragt. 

Die  art.  renalis  zerfällt  in  Zweige  für  die  Capsel,  die  Rinde, 
das  Mark.    Die  weitaus  grösste  Menge  der  Aeste  gebt  in  die  Rinde 

•)  Vlrchow'8  Archiv.  X.  Bei.  927. 


374 


Hamwerkzeiigo ;  Blutgefässe  der  Nieren. 


und  läuft  dort  in  kurze  Arterien  von  schon  mikroskopischem  Durch- 
messer aus.  Diese  durchbrechen  nis  sogen,  vasa  afferentia  die 
Wand  des  sackartigen  Anfangs  der  Harngänge  und  zerfahren  inner- 
halb dieser  Höhle  in  ein  Bändel  von  feinsten  Gefässen  (glomerulus). 
Diese  sammeln  sich  wieder  in  ein  grösseres  Gefäss,  das  vas  efferens, 
welches  den  Hohlraum  des  Harnganges  alsbald  verlässt,  indem  es 
seine  Wand  abermals  durchbricht.  Der  Blutstrom  biegt  also  in 
die  Höhlung  des  Harncanälchens  ein  und  aus  (Bowmann).  Die 
Gefässe  des  Nierenkorns  (glomerulus)  sind  unter  einander  durch 
eine  strukturlose  Masse  verklebt,  und  auf  seiner  freien  Oberfläche 
hat  man  oft  eine  Lage  zellenartiger  Gebilde  gefunden.  —  Wenn 
das  ausführende  Blutgefäss  wieder  zwischen  die  Harncanälchen  ge- 
treten ist,  so  zerspaltet  es  sich  noch  einmal  zu  einem  weitmaschigen 
Netze,  das  in  Verbindung  mit  den  Verästelungen  der  umliegenden 
vasa  eflPerentia  die  Harncanälchen  auf  ihren  gewundenen  Und  geraden 
Wegen  umspinnt  und  aus  dem  die  Wurzeln  der  Nierenvenen  ihren 
Ursprung  nehmen.  Dieser  Beschreibung  entsprechend,  würde  das 
für  die  Rinde  bestimmte  Blut  der  a.  renalis  durch  ein  doppeltes 
Capillarensystem  laufen,  von  denen  das  erste  in  das  Lumen  des 
Harncanälchens  ragt  und  das  zweite  ausserhalb  auf  der  Wandung 
desselben  liegt.  Die  Veränderung  des  Lumens,  welche  die  Gefässe 
in  der  Binde  und  insbesondere  von  den  zuführenden  Gefässen  des 
Nierenkorns  nach  abwärts  erfahren,  verhält  sich  sehr  wahrschein- 
lich in  der  Art,  dass  der  Querschnitt  in  dem  zuführenden  und  ab- 
führenden Gefässe  sehr  viel  kleiner  ist,  als  derjenige,  welcher  von 
der  Summe  der  Gefässe  des  Knäuels  dargestellt  wird;  die  Summe 
der  Querschnitte  sämmtlicher  Capillaren  des  zweiten  Netzes  dürfte 

Fig.  53. 


• 


grösser  sein,  als  diejenige  des  ausführenden  Gefässcs.  Das  Schema 
dieser  Anordnung  des  Lumens  drückt  Fig.  53  aus;  a  entspricht 


Hftmwerkzeugo ;  Gofässo  des  Marks  \mi  der  Rinde  der  Nieren. 


375 


i  iii  vas  afferens,  p  sind  die  vereinigten  Querschnitte  der  einzelnen 
(.tlisse  im  Glomerulus,  e  passt  auf  das  vas  efferens  und  v  auf 
zweite  Netz  und  die  Venenwurzeln. 

Die  Capillaren  flir  das  Mark  gelien  zum  Theil  aus  den  Maschen 
«s  zweiten  Netzes  der  Rindengefässe  hervor,  zum  Theil  entstehen 
fe  selbstständig  aus  den  grösseren  Aesten  der  Nierenarterie 
Virchow)*).  In  welchem  Verhältniss  die  Summe  ihrer  Lich- 
tngen  zu  der  der  vasa  afferentia  in  den  Knäueln  steht,  ist  un- 
bkannt,  aber  jedenfalls  überlegt  die  Gesammtlichtung  der  vasa 
FFerentia  jene  um  das  Vielfache.  —  Ein  kleiner  Rest  der  Arterien- 
rveige  endlich,  welche,  von  dem  Mark  zur  Rinde  aufsteigend,  die 
Asa  afferentia  abgegeben  haben,  gelangt  schliesslich  auf  die  Ober- 
iiche  der  Niere,  wo  sie  sogleich  in  ein  Netz  zerfallen,  das  die 
upsel  auskleidet.  Die  Venen  dieser  Gefässe,  verstärkt  durch  Zu- 
Hsse  ans  der  Fettcapsel,  bilden  den  Anfang  der  Stämme,  welche 
üis  Blut  ans  der  Niere  fortführen. 

Von  dem  Bau  der  Häute  ist  hervorzuheben,  dass  das  vas  af-  und 
Pferens  Muskelzellen  tragen,  ferner,  dass  die  äusserste  Wandschicht 
US  Nierenvenenstammes  mit  einer  starken  Muskellage  ausgestattet 
tt  nnd  dass  in  ihre  Höhlung  öfter  eine  Klappe  ragen  soll.  —  Aus 
!3r  Niere  ti-itt  eine  nicht  sehr  beträchtliche  Zahl  von  dünnen  Lymph- 
lifässen  aus,  die  ebensowohl  aus  der  Tiefe  wie  von  der  Ober- 
iiche  ihren  Zufluss  beziehen.  —  In  die  Niere,  und  zwar  längs  der 
nrterie  gehen  Nerven  ein,  welche  aus  dem  plex.  coeliacus  stammen ; 
fö  sind  aus  wenigen  breiten  und  vielen  Remak 'sehen  Fasern 
Lisammengestellt  und  werden  auf  ihrem  Wege  mit  kleinen  Ganglien- 
laufen  belegt;  die  Anordnung  ihrer  anatomischen  Elemente  inner- 
lilb  der  Nieren  ist  noch  nicht  dargelegt.  Der  Ursprung  derselben 
t  th eilweise  wenigstens  unzweifelhaft  in  dem  Hirn  zu  suchen,  da 
f e  Verletzung  derselben  sehr  schmerzhaft  empfunden  wird.  —  Alle 
rese  Gebilde  sind  in  der  Niere  selbst  eingebettet  in  eine  geringe 
eenge  sturkturloser  Zwischenmasse  und  umschlossen  von  einer 
fsten  Bindegewebscapsel. 

2.  Chemischer  Bau  der  Nieren**).  Die  strukturlose 
?embran  der  Harncanälchen  nähert  sich  nach  ihren  chemischen 


•)  Dessen  Archiv.  XII.  310. 

•*)Slnioii,  Mcdiz.  Chemie.  Berlin  18«.  II.  lld.  5:1.1.—  0.  Lang,  Do  ndipe  in  urina  cl 
libu».    Dorpnt  1852.  —  Frerlchs,  Bright'Hche  Kranlchoit.    Brnunschw.  1851.  42.  —  Cloötta, 

«hlg's  Annalcn.  80.  Bd.  280.—  O.  Beckmann,  Virchow's  Archiv.  XI.  Bd.  127.  —  Hor- 
» n  n  ,  Wiener  altadcm.  Sitznngsbcrlchto,  XXXVI.  349. 


) 


376  Chemischer  Bau  und  Blut  der  Niere. 

i 

Reaktionen  dem  elastischen  Gewebe.    Der  Inlialt  der  Deckzelle;  i 
besteht  aus  Eiweiss  (?),  zuweilen,  namentlich  bei  Vögeln,  atj-' 
Harnsäure,  aus  Fetten  (vorzugsweise  nach  Fett-  und  Fleischnalia 
rung).  —  Die  Gefässhäute  zeigen  die  bekannten  Eigenschaften.  - 
Aus  dem  wässerigen  Ausziug  der  Niere  ist  bis  dahin  ausser  deji 
Bestandtheilen  des  Bluts  und  Harns  dargestellt  worden:  Inosi« 
Taurin,   Cystin  (Cloetta),  Sarkin  (?)  (Cloetta,   0.  Bechl 
mann),    Leucin  und  Tyrosin  (Beckmann),    Kreatin  (He^ 
mann).    Alle  diese  Stoffe  kommen  jedoch  nicht  immer  zusammd 
vor.  —  In  der  frischen ,  bis  zum  Tod  thätigen  Niere  des  Menschq 
und  Ochsen  wurde  Inosit,  und  in  der  gleichbeschaffenen  Niere  d^ 
letzten  Thieres  ein  dem  Xanthin  oder  Sarkin  ähnlicher  Körper  nx\ 
entweder  Cystin  oder  statt  dessen  Taurin  gefunden.  —  Aus  d^ 
menschlichen  Niere  (wie  lange  nach  dem  Tode?)  wurde  Sarkij 
Zucker,  Leucin  und  daneben  zuweilen  auch  Tyrosin  gewonnen.  -| 
In  der  Niere  von  Hunden,  deren  Ureter  2  bis  24  Stunden  untej 
bunden  war,  fand  sich  Kreatin.    Blieb  der  Ureter  mehrere  Ta^ 
lang  geschlossen,  so  war  das  Kreatin  verschwunden  und  statt  dessei 
trat  neben  andern  krystallinischen,  auch  ein  dem  Leucin  ähnliq 
sehender  Körper  auf.  —  Welches  die  natürlichen  Bildungs-  od^ 
Lagerstätten  dieser  Verbindung  sind,  bleibt  unentschieden;  in  welchJ 
Beziehung  sie  zu  einander  stehen,  lässt  sich  um  so  weniger  sageil 
als  ausser  den  genannten  gewiss  auch  noch  andere  eigenthümlichl 
Stoffe  vorkommen.  1 
3.   Das  Blut*),  welches  aus  der  absondernden  Niere  fliessil 
ist  hellroth,  dem  arteriellen  ähnlich,  gefärbt;  es  enthält  mehr  0  unl 
weniger  COj  als  das  dunkle  venöse  (Bernard);  auch  ist  es  frei  vol 
Faserstoff,  oder  wenigstens  arm  daran  (Simon).    Aus  der  ruher 
den  Niere  kommt  das  Blut  dunkel  (Bern ard)  und  faserstoffhalti, 
(Brown-Söquard).  Das  Blut  derNierenarterie  soll  mehr  (0,038  pCt, 
Harnstoff  enthalten  als  das  venöse  (0,010  pCt.)  Picard;  nach  der 
Angriff  auf  Picards  Methode  (v.  Recklinghausen)  dtirfte  dieseJ 
Satz  weniger  durch  die  aufgeführten  Zahlen  als  vielmehr  durch  di " 
Erfahrung  bewiesen  sein:  dass  nach  Ausrottung  der  Niere  (Dürnast 
Prout)  oder  Unterdrückung  der  Harnabsonderung  (Babington 
der  Harnstoffgehalt  des  Bluts  überhaupt  zunimmt;  also  hat  si( ' 
das  arterielle  Blut  beim  Durchgang  durch  die  Niere  eines  Theili 
seines  Harnstoffes  entledigt. 


^)  CI.  Bernard,  Le<;ons  sur  les  liquides  de  rorganisme.  Paris  1859.  II.  Bd.  U~  u.  f- 
Poiseuille  und  Gubler,  Compt.  rend.  49.  Bd.  164. 


Blut   und  Blutstrora  der  Niere. 


377 


Die  25ahlen,   -welche  Bernard  über  den  Gasgehalt  des  hell-  und  dunkelrothen 
Iiiisen  und  arteriellen  Blutes  mittheilt,  sind  nicht  genau  vergleichbar,  da  über  das 
altniss  ihres  Körperchengehaltes  nichts  hekannt  ist,  und  noch  mehr,  weil  Bernard 
'  lewinnungsmethode  des  Gases  selbst  als  eine  provisorische  bezeichnet.  Beispiels- 
■  mögen  gelten-: 


Arteria 

■Vena  renalis 

hellroth. 

dunlcelroth. 

0  

19,4 

17,2 

6,4 

COj  

3,0 

3,13 

6,4 

Die  Zahlen  bedeuten  Volumen-Prozente  eines  Gases  von  unbekannter  Dichtigkeit. 

Das  Blut  oder  überhaupt  die  Körpermasse  eines  Thieres,   dem  man  die  Nieren 
■iiraen  hat,  enthält  nach  den  Angaben  von  Bernard,  Barreswill*)  und  Stan- 
s  **)  immer  auffallend  viel  -weniger  Harnstoff,  als  in  der  Zeit,  -während  welcher 
p  Xieren  fehlten,    durch  diese  ausgesondert  sein  -würde.     Dieses  wird  erklärlich, 
nn  man  annimmt,  dass  der  zurückgehaltene  Harnstoff  sich  in  kohlensaures  Ammoniak 
■-  'tzt,  das  durch  an  dere  Secretionen,  z.  B.  die  des  Magens  und  Darms,  ausge- 
len  wird.     In  der  That  hat  sich  in  dem  Magen  der  entnierten  Hunde  eine 
.imoniakalische   Flüssigkeit   gefunden  (Bernard).  —    Der  Angabe    von  Picard 
tjtgegen  geben  Gubler  und  Poiseuille  an,  dass  das  Blut  der  Nierenvene  öfter 
sbhr  Harnstoff  enthält,  als  das  der  Nierenarterie.    Da  ihr  analytisches " Verfahren  von 
^ttrz  erfunden  und  erprobt  ist,  so  dürfte  es  wohl  von  den  Fehlem  des  Picard 'sehen 
«i  sein ;    aber  nicht  weniger    sicher  ist  es  auch ,    dass  das  von  ihnen  gefundene 
»rhalten  der  beiden  Blutarten  zu  einander  nicht  das  normale  ist,  denn  die  Nieren 
lud  im  "Wesentlichen  die  einzigen  Organe,  welche  Harnstoff  entleeren,  und  durch  sie 
rrd  im  Allgemeinen  fast  sämmtlicher  durch  die  Nahrung  eingebrachte  Stickstoff  wieder 
$8  dem  thierischen  Körper  entfernt. 

4.  Blutstrom  durch  die  Niere***).  Wie  viel  Blut  überhaupt  in 
:3r  Zeiteinheit  durch  die  Niere  geht,  wird  bei  unveränderlichem 
)3annungsunterschied  zwischen  dem  Inhalt  der  Arterie  und  Vene 
»hängig  von  den  Widerständen  in  der  Niere.  Diese  sind  aber 
.atsächlich  veränderlieh;  denn  es  durchsetzt  meist  während  der 
!3Stehenden  Harnabsonderung  und  nach  Durchschneidung  der  Ge- 
Rssnerven  das  Blut  die  Niere  so  rasch,  dass  es  in  den  Venen  noch 
!3llroth  anlangt,  während  es  umgekehrt  dort  dunkel  ankommt, 
penn  die  Absonderung  ruht  oder  die  Nierennerven  gereitzt  werden 
iBernard).  —  Bei  dem  grossen  Durchmesser  der  Nierenarterie 
•od  dem  jedenfalls  nicht  unbedeutenden  Spaunungsunterschiede 


•)  Archivea  gdnrfrnles.  1847. 
•       Scheven,  üeber  die  Ausschncidung  der  Niere  und  deren  -Wirkung.  Rostock  1848. 

C.  Ludwig,  Artikel  Hnrnabsondcrnng  in  -Wagner's  Handwörterbuch  der  Physiologie.  — 
■  Virchow,  in  dessen  Archiv.  XII.  Bd.  310.  —  Cl.  Bernard,  Lccfons  sur  los  liquides  de 
»rg«nisme.  Pari«  1869.  p.  147  u.  ff. 


378 


Blutstroni  der  Nicro ;  Harn. 


zwischen  der  Arterie  und  Vene  kann  bei  geringem  Widerstan 
sehr  viel  Blut  durch  die  Niere  gehen.  Wenn  aber  der  Wida 
stand  bedeutend  geworden,  so  kann  auch  die  Blutmenge  gerin 
werden. 

Das  Blut  kann  durch  die  Niere  auf  drei  Wegen  in  die  Veu 
zurückgehen.  Der  Antheil,  den  jede  Abtheilung  von  der  Gesamrn 
heit  durchlässt,  wird  abhängen  von  dem  Verhiiltniss  der  Qua 
schnitte  und  Bahnlängen  zu  einander.  Offenbar  kann  man  soglei( 
sagen,  dass  das  Netz  der  Capsel  immer  sehr  wenig  Flüssigk 
abführt.  Es  kommen  also  nur  die  Verhältnisse  zwischen  dem  Au 
maass  au  den  Rinden-  und  Markgefässen  in  Betracht.  Diese  sind  ab( 
wegen  der  Muskeln  au  den  kleinen  Arterien  (vasa  af-  und  efferenti 
des  Niereukornes  und  die  arteriolae  rectae  des  Marks)  nicht  unveräi 
derlich ,  und  somit  wird  der  Antheil  des  durch  das  Mark  gehende 
Blutes  auf  Kosten  des  flindenstroms  wachsen ,  wenn  die  Muskel 
der  Gefässe  des  Nierenkorns  zusammengezogen  und  die  des  Mart 
unverändert  oder  umgekehrt  die  Durchmesser  der  letzten  Zuflusi 
röhren  erweitert  und  die  der  Rinde  unverändert  sind.  Wie  viel  Bh 
aber  hierdurch  von  der  Riode  abgeleitet  werden  kann,  ist  wege 
der  Unbekanntschaft  mit  den  in  Frage  kommenden  Ausmaasse 
nicht  einmal  schätzungsweise  anzugeben. 

Das  ungefähre  Gesetz  ftir  die  Fo 
men  der  Spannungscurve  innerha 
der  beiden  aufeinanderfolgenden  Ci 
pillarnetze  in  der  Rinde  kann  nac 
den  Angaben  über  die  fortlaufend 
Veränderung  des  Lumens  (Fig.  53 
hingestellt  werden.  Sie  muss,  en) 
sprechend  den  Grundsätzen,  welchi 
Seite  64  u.  f  entwickelt  sind,  die  i\ 
Fig.  54  angegebene  annehmen. 

Cl.  Bernard  giebt  an,  dass  man  die  von  ihm  beobachteten  Erscheinungeil 
welche  die  Veränderlichkeit  des  Blutstroras  durch  die  Niere  beweisen ,  am  besten  all 
Thieren  sehen  kann,  die  mit  Curare  vergiftet  und  durch  künstliche  Respiration  anj 
Leben  erhalten  worden.  ' 

5.   Harn.    Die  Flüssigkeit,  welche  aus  den  Harncanälchi 
ausgeschieden  wird,  enthält  sehr  verschiedene  Stoffe  in  Lösung,  ; 
nach  der  Lebensart,  den  Nahrungsmitteln  und  besonderen  allg^ 
meinen  körperlichen  Zuständen.    Man  hat  darum  bestimmt,  den), 
jenigen  Harn  als  den  normalen  anzusehen,  welcher  entleert  wir»» 


Harn ;  HnmstofF. 


379 


gänzlichem  Enthalten  von  Nahrang  oder  bei  Aufnahme  einer 
ihen,  welche  wesentlich  aus  eiweissartigen  Körpern,  Fetten,  Amy- 
,  den  gewöhnlichen  Blutsalzen  und  Wasser  besteht.  Unter  dieser 
laussctzung  erscheinen  im  Harn :  Harnstotf,  Kreatinin,  Harnsäure, 
ipm-säure,  Farbstoffe,  Zucker,  Fette,  Ammoniak,  NaO,  KO, 
,  MgO,  CIH,  CO2,  PO5,  SO3,  dazu  eine  geringe  Menge  orga- 
^hev  Stoffe  von  unbekannter  Zusammensetzung  (Extrakte)  und 
Ixasform  aufgelöst  N,  0,  CO2. 

Je  nach  dem  Ziel,  das  der  Harnanalytiker  verfolgt,  hat  man 
rreder  allen  Harn,  der  in  24  Stunden  gelassen  wurde,  in  ein 
üss  vereinigt,  gewogen  und  ein  oder  mehr  Proben  dieses  Durch- 
«ittsharns  zerlegt;  oder  es  wurde  von  einer  zur  andern  und 
rr  jedesmal  bekannten  Zeit  der  Harn  besonders  entleert,  ge- 
een  und  zerlegt.   Die  erste  Beobachtung  giebt  die  Menge  der 
ch  entleerten  Hamb estandth eile ;  die  zweite  giebt  die  mit  der 
eeszeit  veränderliche  Menge  der  letztern.  —  Um  die  von  ver- 
öden schweren  Individuen  ausgegebenen  Gewichte  an  Harn- 
Bndtheilen  vergleichbar  zu  machen,  hat  man  die  letztern  durch 
Körpergewicht  dividirt,  d.  h.  man  hat  die  von  der  Einheit  des 
wergewichts  gelieferten  Harnbestandtheile  aufgesucht.    Die  in 
her  Zeit  und  von  gleichem  Thiergewicht  gelieferte  Stoffmenge 
1  man  als  Maass  ftir  die  Bildungs-,  resp.  Absonderungsgeschwin- 
feit  ansehen.     Dieser  Berechnung  Hegt  die  wahrscheinliche 
ussetzung  zu  Grunde,  dass,  alles  Andre  gleichgenommen,  die 
lichte  des  bildenden  Thierleibes  und  der  gebildeten  Harnbestand- 
ini geraden  Verhältniss  miteinander  wachsen. 
Harnstoff*).  Er  kommt  im  Harn  frei,  vielleicht  auch  mit  NaCl 
AmCl  verbunden  vor.    Die  Bedingungen  für  die  Harnstoflfaus- 
dung  durch  den  Harn  dürften  gelegen  sein :  in  dem  Umfang  und 
xeschAvindigkeit,  in  und  mit  welcher  er  gebildet  und  auch  wieder 
er  zerlegt  wird  (z.  B.  in  AmO  u.  s.  w.) ,  ferner  in  der  Thätigkeit, 
ihe  Haut  und  Niere  entwickeln,  um  ihn  aus  dem  Körper  zu 

I  Lehmann,  Physiolog.  Chemie.  H.  Bd.  107.  —  Frorich's,  MüUer's  Archiv.  1818.  4(i7.— 
Ir  nnd  S  ch  mldt ,  Die Verdauungssäftc  nnd  der  Stoffwechsel.  1852.  p.  292  u.  f.  —  Schorer, 
LMger  Verhandlungen.  II.  Bd.  180.  —  Bise  hoff,  Der  Harnstoff  als  Maass  des  Stoffwechsels, 
i  1853.  —  Barrai,  Statique  chlm.  des  anlmftn.x.  Paris  1850.  437.  —  H.  Becher,  Studien 
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rar  phys.  Heilkunde.  1866.  p.  385.  u.  1850.  p.  125.  —  Voit,  Physiol.-chem.  Untersuchungen. 
in  1857.  —  Bei  gel,  Untersucliungen  Uber  Harn  nnd  Harnstoffmengen,  nova  acta.  Hd.  XXV. 
■ltdruck.).  -  Hermann,  Wiener  akad.  Bericlite.  Bd.  XXXVI.  349.  —  Gcnth,  Unlersuchungen 
3n  Einnuss  des  Wassertrinkons.   Wiesbaden  1868.  —  .Schirks,  Valontin's  Jahrcsljcricht 
T.  p.  84.  —  Botkln,  Vlrchow'g  Archiv.  XV.  380. 


380     Vorändorlichkeit  do.s  täglichen  Harnstoffs  von  der  Gewichtseinheit  Thier. 


schaffen.    Dieses  Alles  ist  an  sich  klar,  weil  nur  üherhaupt  f 
Harnstoff  ausgeführt  werden  kann,  der  im  thierischen  Körper 
bildet  und  dort  nicht  auch  sogleich  weiter  zerlegt  ist.    Von  die 
Harnstoff  kann  aber  nur  der  dem  Harne  zu  Gute  kommen,  welJ 
nicht  durch  die  Haut  abströmt;  der  noch  übrige  Rest  muss  i 
nicht  nothwendig  durch  die  Niere  abfliessen,  denn  dieses 
schiebt  nur  so  weit,  als  es  dieses  Werkzeug  gestattet;  was  ef 
Harnstoff  zurücklässt,  vertheilt  sich  in  den  Säften  des  thieris( 
Körpers.  . 

Täglicher  Harnstoff  von  der  Gewichtseinheit  Thier.  Ni 
lieh  war  es  bis  dahin  unthunlich ,  auch  nur  den  Versuch  zu  wa 
den  Harnstoff  des  täglichen  Harns  aus  dem  mittleren  Harnstoffge 
unserer  Säfte  und  der  Arbeitskraft  der  Niere  herzuleiten.  Man 
statt  dessen  die  Abhängigkeit  desselben  von  andern  Umstän 
untersucht,  welche  in  jedem  Fall  aus  mehrfachen  Gründen,  je  x 
den  Zuständen  des  thierischen  Körpers  aber  sogar  in  entgej 
gesetzter  Richtung  auf  die  Harnstoffausseheidung  wirken  kön 
Nach  diesen  vorläufigen  Bemerkungen  zählen  wir  auf: 

1)  die  Harnstoffausscheidung  bei  Entziehung  aller  Nahr^ 
die  Ausscheidung .  des  genannten  Stoffes  durch  den  Harn  geht 
zum  eintretenden  Hungertode  des  Thieres  fort;  sie  geschieht  ; 
aus  dem  Inhalt  des  hungernden  Thieres  (Lassaigne,  Schej 
Becher,  Schmidt,  Frerichs,  Bischoff).  Da  nun  der  H 
Stoff  offenbar  nur  aus  den  Leim-  und  Eiweissköi-pern  hei 
gehen  kann ,  so  wird  sich  seine  Menge  richten  nach  der  Zusami 
Setzung  des  hungernden  Thiers  (seinem  Fett-,  Fleisch-,  Bind 
webe-,  Knochengehalt),  nach  seiner  Lebensweise,  der  Temperi 
seiner  Umgebung  etc.  —  Andeutungen  für  solche  Variationen  li< 
darin,  dass  gemästete  Thiere  mehr  Harnstoff  liefern  als  ma, 
(Bischoff);  dass  mit  der  Dauer  des  Hungers  sich  die  Ham!| 
abscheidung  ändert.  Das  Gesetz,  nach  welchem  dieses  letztere  geschj 
zeigt  im  Allgemeinen  ein  Abfallen  des  Harnstoffs ;  wie  dieses ' 
aber  im  Einzelnen  gestaltet,  wird  von  mannigfachen  Umstä| 
abhängen.  I 

2)  Veränderlichkeit  der  Harnstoffausscheidung  mit  der  Art  f 
Menge  der  festen  Nahrung.  Man  suchte  natürlich  meist  die  ' 
Ziehungen  zwischen  der  chemischen  Zusammensetzung  der  Nalu' 
und  den  ausgeschiedenen  Harnstoff  auf.  Soll  hierbei  die  wirH' 
in  die  thierische  Umsetzung  eingegangene  Nahrung  in  Betil* 
kommen,  so  kann  dieselbe  nur  dann  für  übereinstimmend  mith 


Harnstoffabsonderung  abhängig  von  der  Nahrung. 


381 


;vnommeuen  angesehen  werden,  wenn  bei  ilirem  Genuss  durch 
aie  Zeit  nicht  allein  das  Körpergewicht,  sondern  auch  die  Ge- 

"icit  unverändert  geblieben;  denn  dann  wird  wohl  auch  die 
utische  Zusammensetzung  des  Thierkörpers  sich  gleich  geblie- 

>ein.  Wenn  dagegen  bei  der  Nahrung  das  Körpergewicht  zu- 
r  abnimmt,  so  bleibt  die  Zusammensetzung  des  Stoffgemenges 
iin  die  thierische  Zersetzung  einging,  unbekannt.  —  Aber  auch 
wehen  der  mit  bekannter  Zusammensetzung  in  die  lebendige  Um- 
Hung  eingehenden  Nahrung  und  dem  ausgeschiedenen  Harnstoflf 
;ceine  feste  Beziehung  zu  erwarten;  denn  Eiweiss-  und  Leimatome 
»allen  nicht  sogleich  in  Harnstoff,  sondern  zunächst  in  Produkte, 
: als  solche  entleerbar  sind,  wie  in  Harnsäure  und  Kreatin  u.s.  w 
jaer  gehen  sie  th eilweise  gar  nicht  in  Harnstoff  über ,  sondern  in 
teusäure,  Farbstoffe  und  vielleicht  auch  geradezu  oder  mindestens 
(dem  Harnstoff  nur  als  Durchgangspunkt  in  andre  gasförmig  oder 
lüig  entleerte  stickstoffhaltige  Atome.  Ob  und  wie  viel  von  N  der 
irung  zur  Harnstoff bildung  verwendet  wird,  ist  demnach  ab- 
^ig  von  der  Arbeit  mannichfacher  Körperstücke.  Aus  diesem 
End  können  die  Versuche  an  Thieren  mehr  dazu  dienen,  die 
eenthümlichkeiten  des  inneren  Zersetzungsganges  bei  denselben 
umstellen,  als  dazu  um  aus  ihnen  einen  Schluss  auf  die  Harn- 
fabscheidung  des  Menschen  zu  ziehen.  —  Da  aber  die  Versuche 
Ihrt  haben,  dass  nicht  bloss  der  Eiweiss-  und  Leimgehalt  der 
irung,  sondern  auch  der  Antheil  an  Wasser,  Fetten,  Zucker, 

Salzen  die  Art  der  Umsetzung  bedingt ,  so  dürfte  es  bei  zukünf- 
Qü  Versuchen  unerlässlich  sein,  diese  genau  zu  bestimmen,  was 

bekanntem  Grunde  nur  dann  möglich  wäre,  wenn  man  die 
i/sen  aus  künstlichen  Gemengen  chemisch  reiner  Nahrungsmittel 
itellte. 

Aus  den  bekannt  gewordenen  Beobachtungen  geht  hervor: 
Fett  und  Amylon  mindern  die  Harnstoffabscheidung ,  so  dass 
i-jelbe  Thier  weniger  Harnstoflf  liefert  beim  ausschliesslichen  Ge- 
m  von  Wasser  und  Fett,  oder  selbst  bei  einem  reichli(;hen 
i:er  aus  Amylon  und  Fett  mit  einem  schwachen  Zusatz  eiweiss- 
:'?er  Stoffe,  als  bei  vollständiger  Nahrungsentziehung.  Eine  aus 
I  I,  Fett  und  Fleisch  gemischte  Nahrung  erzeugt,,  gleiche  Nieren- 
jgkeit  vorausgesetzt,  weniger  Harnstoff,  als  dieselbe  Menge  von 
•8ch  für  sich  allein  genommen  hervorbringt  (Bisch off,  Hoppe, 
•tkin).  —  b)  Eine  Nahrung  von  Eiern,  Muskelfleisch,  leimgeben- 
<  Gewebe  steigert  die  Harnstoflfbildung  (Bisch off,  Lehmann), 


382         Bo:jiGliung  dos  Harustoffu  zum  N-  und  Wassorgehalt  der  Nahrung. 

und  zwar  nimmt  das  tägliclie  Ilarnstoffgewicht  annähernd  in  d 
Maasse  zu,  in  dem  die  Menge  jener  Nährstoffe  wächst,  gleichgi. 
ob  unter  dem  Einfluss  der  Fütterung  das  Körioergewieht  des  T| 
res  zunimmt  oder  sich  gleich  bleibt.  —  Nach  Voit  kann  bei  H 
den  nahezu  der  ganze  N-GehaltderNahrung  mit  Abzug  dessen,  welc( 
im  Koth  verbleibt ,  also  der  N  des  Futters ,  welches  wirklich  ins  ü 
überging,  durch  den  Harnstoff  entleert  werden;  dieses  gilt  natUrlj 
nur  für  den  Fall,  dass  sich  das  Gewicht  des  Thieres  während  i 
Versuchszeit  unverändert  hielt.    Diese  Erscheinung  trifft  jedoch  i 
der  allgemein  für  den  Hund,  noch  weniger  aber  für  den  Mensel 
•ein,  denn  für  gewöhnlich  enthält  der  ausgeschiedene  Harnstoff  1 
neswegs  den  ganzen  Stickstoff,  welcher  mit  der  Nahrung  einge 
wurde  (Boussin  gault,  Lehmann,  Barrai,  Bischoffj,  sei 
dann  nicht ,  wenn  sich  das  Körpergewicht  durch  die  Nahrung  ni 
mehrt.    Der  Unterschied  zwischen  den  Stickstoffmengen,  welq 
mit  der  Nahrung  ein-  und  durch  den  Harnstoff'  ausgeführt  werdj 
ist  nach  Bischoff  beim  Hund  in  weiten  Grenzen  unabhängig  | 
funden  worden  von  dem  Nahrungsmaasse ,  so  dass  er  bei  eiij 
kärglichen  und  übermässig  reichlichen  Fleischfütterung  sich  glei 
blieb.    Dieses  würde  daraufhindeuten,  dass  in  den  von  Bische 
beobachteten  Thieren  neben  einer  mit  der  Fleischmasse  veränd 
liehen  Harnstoffbildung  eine  andere  von  dem  Fleischgenuss  un» 
hängige,  immer  gleichmächtige  Umsetzung  des  Eiweisses  stattfäu« 
Diese  nicht  in  Harnstoff  ausmündende  oder  über  ihn  hinausgehe) 
Umwandlung  des  Eiweisses  wird  aber  beschränkt,  wenn  dem  Flei^ 
noch  Kochsalz,  Fett  oder  Wasser  so  zugesetzt  werden,  dass  si 
das  Volum  des  täglichen  Gesammtharns  mehrt;  denn  dann  ste 
der  Harnstoff  und  nähert  sich  der  Grenze,  die  ihm  durch  den  Sti 
Stoffgehalt  der  Nahrung  gezogen  ist.  —  c)  Der  Wassergehalt  ■ 
Nahrung  beeinflusst,  gleichbeschaffene  und  gleichviel  feste  Spc 
vorausgesetzt,  die  Harnstoffausscheidung;   seine  Wirkung  ist 
änderlich  mit   der  Wassermenge,    welche  aus  dem  Getränk 
den  Harn  übergeht,  mit  der  Tageszeit,  in  welcher  sie  geno 
und  mit  dem  Wasser,  das  in  der  vorhergegangenen  Zeit  in 
Nahrung  vorhanden  war.    Die  vorliegenden  Untersuchungen 
gen,   dass  bei  gleichbleibender  Nahrung  und  Muskelanstrengö 
der  tägliche  Werth  des  Harnstoffs  zunimmt,  wenn  sich  das  Hai. 
maass  mehrt  CBisch off,  Becher,  Kaupp,  Genth  u.  s.  w.).  D 
reichlicher  gelassene,  an  Harnprodukten  ärmere  Harn  entführt  ine 
Harnstoff  als  der  sparsamer  ausgeschiedene,  aber  an  Harnstoffp» 


* 


Beziehung  des  Harnstoffs  zum  Harnvolum. 


383 


|ukten  reichere  Harn.  Dieses  gilt  selbst  füi-  den  Harn,  der  zu 
jerselbeu  Zeit  aus  den  beiden  Nieren  desselben  Thiers  bervorge- 
iingeu  ist  fHermannJ.  Legt  man  den  Ureter  beiderseits  bloss 
lüd  laugt  den  Harn  auf,  so  zeigt  sich,  dass  die  Nieren  zu  gleichen 
weiten  ungleiche  Harnvolumina  absondern  (Göll)  und  zwar  wech- 
\]sxd  bald  die  eine  und  bald  die  andere  mehr.  Wenn  eine  der 
ißiten  merklich  mehr  Harn  entleert ,  so  fördert  sie  dann  auch  mehr 
Birnstoff  zu  Tage.  Aus  der  Beobachtung,  dass  der  prozeutische 
larnstoffgehalt  mit  dem  abnehmenden  Harnmaass  und  zwar  un- 
ggelmässig  wächst,  geht  jedoch  hervor,  dass  kein  festes  Verhältniss 
mschen  den  beiden  genannten  Werthen  besteht.  —  Diese  Vorbe- 
t«rkung  zeigt,  dass  der  Genuss  von  Wasser  nur  dann  die  Harn- 
vjffabscheidung  mehrt ,  wenn  das  Wasser  nicht  durch  Dann,  Haut, 
unge,  sondern  durch  den  Harn  entleert  wird.  Nur  insofern,  als 
II  Allgemeinen  bei  einem  grösseren  Wassergehalt  der  Nahrung 
i4ch  das  tägliche  Harnvolum  wächst  und  zwar  meist  in  dem  Maasse, 
welchem  die  Wassernahrung  zunimmt,  ist  es  auch  erlaubt,  ge- 
idezu  die  Steigerung  des  Harnstoifes  von  der  des  Getränkes  ab- 
ingig  hinzustellen. 

Aber  gleiche  Mengen  fester  und  flüssiger  Nahrung  erzeugen 
tter  sonst  gleichen  Bedingungen  nicht  gleichviel  Harnstoff.  War 
J3  Nahrung  zuerst  relativ  trocken  gewesen  und  wurde  sie  dann 
tt  Wasser  versetzt,  so  wirkt  dieselbe  Menge  Wasser  viel  mehr 
;;igernd,  als  wenn  längere  Zeit  hindurch  die  Nahrung  schon 
iisserreich  war  (Mösl er).   Darausfolgt,  dass  wenn  nach  einem 
!i)bergang  von  wenig  zu  mehr  Wasser  die  letzte  Lebensweise  an- 
lltend  eingehalten  wird,  der  Gang  des  Harnstoffes  sich  folgender- 
liiassen  stellt:   seine  Menge  erhebt  sich  von  ihrem  niedern,  der 
"ckenen  Nahrung  entsprechenden  Werth  plötzlich  beträchtlich,  und 
wie  der  Nahrungswechsel  eintritt,  dann  sinkt  sie  während  einiger 
■fge  langsam  herab  und  schwankt  nun  während  der  Zeit,  in 
ilcher  das  Getränk  sich  gleich  blieb,  in  engeren  Grenzen  um  einen 
Ctleren  Werth  (Genth),   der  jedoch  höher  ist,  als  er  ohne  den 
)-mehi-ten  Wasscrgenuss  sein  würde.    Geht  der  Versuch  umge- 
lart  von  der  wasserreichen  zur  trockenen  Diät  über,  so  erniedrigt 
ih  die  HaiTistoffmenge  an  dem  Tage  des  Nahrungswechsels  unter 
1  Werth,  welcher  sonst  der  trockenen  Diät  zukommt;  während 
4ger  Tage  erhebt  sich  dann  der  Harnstoff  wieder  auf  den  Durch- 
unitt,  welcher  vor  der  Wasservermehrung  in  der  Nahrung  vorhanden 
r  (Becher).  —  Wird  das  Wasser,  welches  man  der  Nahrung 


384  Harnstoff  im  Harn  und  KONOB,NaCl,  Harnstoff  und  Harnsäure  in  der  Nahrung.  [ 

zusetzt,  auf  eiumal  mit  deu  trockenen  Speisen  genommen;  so  Ii:' 
dasselbe  für  die  Harnstoftaussclieidung  einen  grossem  Erfolg,  : 
wenn  es  erst  nach  der  Verdauung  der  festen  Speisen  getrimk^ 
wird  (Genth).  t 
Wie  das  reichliche  Trinken  einerseits    durch  Anregung  d«| 
Nierenthätigkeit  die  Ausscheidung  des  Hamstofis  mehrt,  so  steige  i 
sie  anderseits  auch  die  Harnstoff bilduug.    Dafür  sprechen  folgen 
Aussagen:  bei  vielem  Trinken  von  Wasser  verschwindet  aus  äi 
Harn    die  Harnsäure  (Genth);    es    nimmt  während  länger 
Wassergebrauchs    das  Körpergewicht   trotz    einer  unveränderte 
festen  Nahrung  ab;  es  genügt  zur  Stillung  des  Hungers  die  Na 
rung  nicht  mehr,    welche  ohne  die  Wasserdiät   hinreichte;  i 
nimmt  das  Körpergewicht  nach  Aussetzung  des  Wassergebraucl 
durch   die  unveränderte  Menge  fester  Speisen  zu  (Beneek< 
Genth,  Mosler). 

In  Folge  von  Kalt  -  und  Wamiwasserbädern  kann  sich  die  tägliche  Hamsto 
ausscheidung   mehren  und   mindern  (Neubauer,   Genth,  J.  Lehmann)*), 
nachdem  das  Bad  auf  die  Absonderungen  durch  die  Haut  gewirkt  hat. 

d)  Ein  Salpeter-  und  Kochsalz -Mehr  in  der  Nahrung  erhöh] 
den  Harnstoff  (Boussingault,  Barrai,  Bischoff,  Kaupi 
Schirks).  —  Diese  Wirkung  des  Kochsalzes  schlägt  in  das  Gege 
theil  um,  wenn  die  Kochsalz-Nahrung  ohne  Vermehrung  des  Trin 
Wasser  längere  Zeit  andauert  (Botkin). 


Als  hamstoömindernd  sieht  man  auch  den  Kaffeeaufguss  an  (Bock er,  J.  Lei 
mann).  —  Die  Hamstotfabscheidung  wird  noch  geändert  dnrch  Darreichung  eini{ 
chemischer  Präparate,  und  zwar  wird  sie  vermehrt  durch  die  Einnahme  von  Har 
Stoff  (Wöhle r,J"rerichs**),  Gallois***),  vorausgesetzt,  dass  er  nicht  in  sf 
beträclitlicher  Menge  gegeben  wird,  denn  dann  ist  er  ein  Gift.  Schon  30  bis  40  Minuil 
nach  Einführung  von  5  Gr.  Harnstoff  in  den  Kaninchenmagen  beginnt  die  vemiehi 
Abscheidung;  sie  ist  erst  nach  60  bis  70  Stunden  beendigt. — ■  Vepnehrend  wirkt  art 
Harnsäure  (Wöhler,  J'rerichs,  Neubauer  f).  Die  Art  ihrer  Wirkung  ven 
Bchaulicht  der  folgende  Versuch  von  Neubauer.  Ein  Kaninchen  gab  mit  der  bestii 
Menge  Kübenfutter  täglich  1,34  Gr.  Urin.  Als  es  daneben  in  2  Tagen  24  Gr.  Har 
säure  empfing,  lieferte  es  nun  in  3  aufeinander  folgenden  Tagen  5,3,  8,5,  6,2  Gr.  i 
Am  4.  Tag  kam  es  erst  wieder  zu  1,33  Gr.  In  jenen  3  Tagen  waren  also  16,0  ( 
Harnstoff  mehr,  als  die  Kühen  liefern,  ausgeschieden ;  die  Harnsäure  hatte  1 7,  l  Gr.  Hai 
Stoff  geben  können.  —   Gallois  fand  dagegen  nach  Einverleibung  von  harnsaun 


•)  Meissner' s  Jahresbericht  für  185G.  300  und  326, 
*•)  Liebig's  Aiiiialen.  65.  Bd.  335. 
•••)  Gazette  m^dicale  de  Paris.  Juin  1857. 
t)  Liebig's  Aimalen.  99.  Bd. 


* 


Aonderung  der  Hamstoffausscheidung  mit  der  Temperatur,  Körperbewegung  etc.  385 

i  keine  HanistofFvermehrung.  —  Vid.  Oxalsäure  des  Harns.  —  Aehnlich  wirken 
Bjiin  (Kerner)*),  wclclies  sicli  jedoch  nicht  so  vollständig  wie  Harnsäure  in  Harn- 

f  umzusetzen  scheint;  Thein  und  Theobroniin  (Frerichs,  Wühler,  Lehmann); 
lebeu  und Cantharidentinktur  (Sigmund)**),  wobei  sich  jedoch  nach  Beckmann 
\ Verhältnisse  sehr  .verwickeln  ;  Ol.  terebinth.  aether.  (Beckmann),  Digitalis  sollen 
1  Hamstoffausscheidung  mindern  (Sigmund,  Becher). 

2)  Gleiche  Lebensart  führt  bei  höherer  Lufttemperatur  zu  et- 
53  weniger  Harastoflf  als  bei  niederer  (Kaupp). 

3)  Alles  Andere  gleich,  wii-d  die  tägliche  Hanistoffmeuge 
i*as  geringer,  wenn  die  Blase  selten,  grösser,  wenn  sie  ö^ers 
ieert  wii-d  (Kaupp).  —  Bei  den  unter  2  und  3  hei-vorge- 
loenen  Umständen  änderte  sich  das  Harnvolum  durch  Hebung  der 
'Weissbildung  und  Minderung  des  Harnwassers. 

4)  Muskelansü'engung  mehrt  die  Harnstoifausscheidung,  wenn 
für  die  genossene  Nahi-ung  erreichbare  Maximum  noch  nicht 

r/onnen  ist,  selbst  dann,  wenn  sich  das  Harnvolum  nicht  ändert; 
1)  bei  einer  Kost  von  mittlerem  Wassergehalt  wird  die  Harn- 
[fausscheidung  reichlicher,  wenn  die  Muskeln  anhaltend  gebraucht 
(den;  ist  dagegen  die  Kost  sehr  wasserreich,  so  mindert  die 
[!;ukommende  Bewegung  den  Harnstoff  eher,  als  dass  sie  ihn  mehrt. 
i:nth,  Mösl  er).  Da  sich  zugleich  das  Hamvolum  bei  der 
rregung  gemindert  hat,  so  würde  die  Beobachtung  sagen,  dass 
Muskelbewegung  die  Harnstoflfausscheidungen  nicht  so  weit  ge- 
Igert  habe,  dass  der  durch  die  Schweissbildung  erzeugte  Ver- 
habe  gedeckt  werden  können. 

5)  In  allen  bis  dahin  beobachteten  Individuen,  wie  sehr  auch 
Lebensweise  mit  Rücksicht  auf  den  Genuss  von  festen  und  flüssi- 
Speisen,  Körperbewegung  und  Temperatur  geregelt  war,  stellte 
die  tägliche  Harnstofiinenge  nicht  von  einem  zum  andern  Tage 

kommen  gleich  her,  sondern  sie  schwankte  auf  und  ab  in  mehr 
weniger  regelmässigen  Perioden  und  Abständen.  Diese  Thai- 
len fordern  die  Annahme,  dass  die  an  der  Bildung  oder  Aus- 
flidung  des  llanistoflfes  betheiligten  Vorgänge  aus  inneren  in  demthie- 
hen  Haushalt  begründeten  Einrichtungen  veränderliche  Werthe  sind. 

Bei  gel  fand  in  zweiFäUen  wahrend  der  Menstruation  weniger  Harnstoff ,  als  un- 
Abar  vor  und  nachher;  da  vor  der  Menstruation  weniger  Harn  (mit  mehr  Harnstoff), 
während  derselben  geliefert  wurde,  so  wäre  daraus  zu  schliesscn,  dass  bei  diesem 
»nd  die  Hamstoffbildung  vermindert  sei.  —  Auch  in  einigen  Krankheiten,  z.  B.  dem 
iU8,  ist  die  Hamstoffausscheidung  vormehrt,  in  anderen,  z.  B.  der  Bright'schen 


)  Vlrchow' 8  Archiv.  VI.  Bd.  24S. 

)  Meimincr's  Jahresbericht  für  1857.  313. 

■ndwlg,  Physiologie  II.  2.  Anfinge. 


i 


386  Einfluss  der  Tageszeiten  auf  die  Hanistoffansscheidung. 

Nierendegeneration  und  dem  gelben  Fieber,  mindert  sich  die  Menge  dos  ausgegi 
denen  Harns  sehr  merklich.  In  dem  ersten  Fall  (Nierendegeneration)  häuft  er  siel 
Blute  an;  der  Grund  der  Verminderung  liegt  darum  nur  in  dem  ausscheidenden  Appi 

Eine  Vergleichung  der  täglichen  AbsonderungsgeschwindigJ 
des  Harnstoffs  in  verschiedenen  Lebensaltern  und  Geschlecht] 
hat  Thatsachen  ergeben,  welche,  wie  es  scheint,  in  vollkomme 
Uebereinstimmung  mit  den  Ableitungrn  aus  dem  bis  dahin  Mii 
theilten  sind,  insofern  im  Allgemeinen  Männer  und  Kinder 
essen  und  sich  bewegen,  als  Frauen  und  Greise.  —  1)  Bei  I 
derii  ist  die  Bildung  des  Hanistoffs  lebhafter,  als  bei  Erwachsei 
sehr  bedeutend  gehemmt  ist  sie  im  Greiscnalter  (Lee am 
Scher  er**),  Bischoff).  2)  Beim  männlichen  Geschlecht  soll 
Allgemeinen  die  Harnstoff  bildung  in  gTösserem  Maassstab  vor  f 
gehen,  als  beim  weiblichen  ( B  e  c  q  u  e  r  e  1  ***)  Lecanu,  Bischo 
lieber  die Harnstoffabscheidung  schwangerer  Frauen  s.  Bücke] 

B.  Aenderung  des  Harnstoffs  mit  den  Tageszeiten.  1) 
ruhenden  und  hungernden  Individuum  bleibt  die  Geschwindig 
der  Harnstoffausscheidung  nicht  fortwährend  gleich.  In  einer 
Becher  an  sich  selbst  gewonnenen  Beobachtung  ging  Harn 
Harnstoffmenge  vom  Morgen  bis  in  die  späteren  Nachmittagsstun 
unter  Auf-  und  Abschwankungen  der  höchsten  Erhebung  zu 
sank  von  da  wieder.  Diese  Erscheinung  schliesst  sich 
ähnlichen  der  Gallen-  und  COi-Ausscheidung  durch  Leber  und  Lu 
an,  und  zeugt  für  den  schaukehiden  Gang  der  Umsetzungen 
Ausscheidungen  aus  einem  uns  unbekannten  Grunde.  —  2)  B 
speisenden  Individuum  macht  sich  die  Zeit,  in  der  feste  und  flüsi 
Speise  genommen  wird,  merklich.  Fig.  55  und  56(unastehend). 
Speisezeit  ist  in  dem  Abrisse  durch  einen  Strich  angedeutet; 
Mahl  hatte  einen  beträchtlichen  Fleischantheil.  Die  erste  Curve 
nach  Becher 's,  die  zweite  nach  Voit's  Angabe  entwor 
Kurze  Zeit  nach  der  Fleischmahlzeit  steigt  der  Hai-nstoffgelj 
erreicht  etwa  nach  sechs  Stunden  seinen  Höhepunkt  und  s: 
dann  wieder.  Sinken  und  Steigen  geht  mit  Schwankungen 
eine  mittlere  Linie  vor  sich.  —  Auch  der  blosse  Genuss  von  Was 
steigert  nach  Mosler  die  Harnstoffmenge.  —  Legt  man  glet 
zeitig  die  Curve  der  stündlichen  Aenderung  des  Gesammtharns 


*)  Journal  de  pharmncie.  XXV.  Bd.  1839. 
•»)  Würzburger  Verhandlungen.  Ifl.  Bd.  180. 
•••)  Der  Urin.  Leipzig  1842.  2fi. 
t)  Sclierer's  Jahresbericht  für  1848.  93. 


Einfluss  der  Tageszeiten  auf  die  Harnstoffausscbeidung. 
Vig.  55  und  56. 


387 


Harnvolum  inC.C. 


Utas 
Essen, 


e3  des  Harnstoffes,  so  ist  ersiclitlich ,  dass  beide  Linien,  unter- 
lordnete  Ausnahmen  abgerechnet,  gleichzeitig  zu  steigen  und  zu 
den  beginnen.  Dabei  ist  jedoch  der  Gang  durchaus  Itein  pro- 
nrtionaler.  Dieses  erklärt  sich  insbesondere  bei  den  Curven  der 
"eisetage  sehr  leicht,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  der 
asser-  und  Harnstoffgehalt  des  thierischen  Körpers  nicht  in  einem 
stimmten  Verhältniss  stehe;  wäre  also  nach  Tische  das  Wasser 
sr  Organe  und  des  Blutes  rascher  vennehi-t  als  ihr  Harnstoff,  so 
ttrde,  gleiche  Nierenthätigkeit  vorausgesetzt,  jetzt  mehr  Wasser, 
Bniger  Harnstoff,  später  mehr  Harnstoff"  und  weniger  Wasser  aus- 
«schieden. 

Einige  Mittelzahlen  aus  Beobachtungen  am  Menschen  sind 
Ilm  Beleg  der  aufgestellten  Regeln  in  der  folgenden  Tafel  ver- 
iichnet. 


25« 


388 


Mittelzahlon  der  Harnstoffaueschcidung. 


Geschlecht 
und 
Alter. 


Männl.  35  J. 


Männl.  24  J. 


Männl.  45  J. 
Weibl.  43  J. 
Männl.  16  J. 
Weibl.  18J. 
Männl.3,  5J. 
„  7J. 

22  J. 

38  J. 


Körper- 
gewicht i. 
laio. 


108 

89,75 

48,5 

65,6 

38,6 
135,0 


Nahrung. 


[Fleisch  u.Eier 

^gemischte 

jPflanzenkost 

[Zucker 

/gemischte 

ohne  Nahrung 

[gemischt  mit 
10,8Lt.Was8. 

fl  Tag  nachher 
dieselbeKost 
ohne  Wasser, 

'2  Tage  nach- 
her idem 

^reichl.höherer 
Stände 


>  gemischt 


Ilarnmgo. 
in  C.C. 
whd.24St. 


1662,7 

951,2 
741,6 
723,3 


71,16 
40,36 


47,79 

37,7 

25,3 

19,9 

20,9 

12,98 

18,29 

27,00 

29,82 


Harnsttr 
f.  1  Kilo 
Krprgw. 


0,35 
0,28 
0,41 
0,32 

0,81 
0,42 


Bemerkungen, 


Beobacliii^ 


»Lehmai 


•Becher 


Bischol 


»Scherei 


In  den  nun  folgenden  Versuchen  war  die  Kost  eine  geregelte,  gemischte;  jede 
Beobachtete  genoss  zwar   eine  von  der  andern  Terschiedenc,  aber  während  de 
Versuchsdauer  immer  dieselbe. 


Männl.  39  J. 


74,40 
74.56 

|u.  ohne  Wass. 

1252 
1259 

40,21 
44,99 

0,54 
0,60 

mit  vermehrter 
Körperbeweg. 

74,04 

/und  2  Liter 

3251 

46,60 

0,62 

d.  Wasser  auss. 

74,19 

(  Wasser 

3175 

50,12 

0,68 

der  Mahlzeit 

73,99 

/und    4  Liter 

5514 

54,26 

0,73 

währ.  d.  Mahlz. 

73,68 

j  Wasser 

5075 

52,13 

0,71 

ohne  Bewegung 

74,35 

und    1  Liter 

2325 

46,38 

0,62 

mit  Bewegung 

Wasser 
Dieselbe  Kost 

u.  33,6  Gr.NaCl 

2309,6 

35.80 

0,53 

67,0 

u.  1,5  Gr.  NaCl 

2162,0 

33,50 

0,50 

gemischte  \ 

1369,1 

37,77 

0,56 

12  (  Harnentl. 

Kost  ) 

1348,6 

34,75 

0,52 

2jin24Std. 

65,0 

gemischte  ) 
Kost  1 

898 
954 
997 

27,17 
24,70 
28,39 

0,42 
0,38 
0,44 

jfd.  Men- 
wahrd)  .  , 
,    1  struat. 
nach  ) 

geraischt.Kost 

4723 

41,0 

0,85 

ruhig  zu  Hause 

u.  2500  kalt. 

3977 

46,17 

0,95 

Beweg.  i.Freien 

44,5 

Wasser. 

gemischt.Kost 

4943 

52,25 

1,08 

ruhig  zu  Hause 

u.2500warm. 

3663 

54,0 

1,12 

Beweg.  i.Freien 

Wasser. 

^Kaupp. 


>Beigel. 


Männl.  26  J. 


WeibL  30  J. 


Männl.  20  J. 


Zur  quantitativen  Bestimmung  des  Harnstoffs  dürften  von  nun  an  nur  noch 
Methoden  von  Liebig,  Bunsen  oder  Heintz  angewendet  werden,  da  die  alt 
Verfahrungsarten  zu  Verlusten  führen.  Die  Zahlen  von  Bischoff,  Scherer 
Becher,  welche  nach  Liebig's  Vorschrift  analysirten,  sind  dämm  nicht  vergleiohl 
mit  den  Lohmann'schen. 


■Genth. 


Kreatin;  Harnsäure. 


389 


Kreatin*)  und  Kreatinin  können  fast  immer  aus  dem 
larn  dargestellt  werden  (Heintz,  Pettenhofer,  Liebig).  Da 
as  letztere  sich  sehr  leicht  in  das  erstere  umwandelt,  so  ist  man 
eneigt,  alles  Kreatin  aus  dem  Kreatinin  abzuleiten.  Seine  Menge 
sechselt;  es  ist  reichlicher  im  Harn  Fleisch-  (resp.  Milch-)  fressender 
iiiere,  z.  B.  der  Kälber  (Socoloff),  der  Hunde  (Lieb ig), 
»orzugsweise  reich  ist  der  Harn  an  Kreatin,  welcher  nach  ein-  bis 
eehrstündiger  Unterbindung  eines  Ureters  aus  der  bis  dahin  ruhen- 
sn  Niere  ausgeschieden  wird  (Hermann). 

Dessaignes  fand  in  100  C. C.  Menschenham  0,2  Gr.  Kreatinin. 

Harnsäure*).  Das  2NaO,  HO,  POs  des  Urins  soll  sie  flüssig 
1-halten,  indem  dieses  Salz  durch  freie  Harnsäure  in  NaO,  2H0,  PO5  und 
«a02Ur  verwandelt  wird  (Lieb ig);  auch  sollen  die  Harnfarbstoffe 
ur  Lösung  der  Harnsäure  beitragen  (Duvernoy).  Hierdurch  er- 
lärt  es  sich,  warum  der  Harn  so  viel  mehr  Harnsäure  gelöst  ent- 
iilt  als  das  Wasser  von  gleicher  Temperatur. 

Die  Harnsänre-NiederscMäge  im  gelassenen  Harn  sind  veranlasst  entweder  durch, 
ibkühlung  der  aus  der  Blase  entleerten  Flüssigkeit  oder  durch  eine  in  Folge  der 
lamgährung  eintretende  Säurebildung,  die  die  Löslichkeit  der  Harnsäure  um  so  mehr 
leeinträchtigt ,  -fffnn  sie  auch  die  lösenden  Farbstoffe  zerstört. 

Das  Maximum  der  täglichen  Harnsäureausscheidung,  zu  welchem, 
!?  der  gesunde  Mensch  bringt,  ist  nach  absolutem  Maass  immer 
Dor  ein  geringes;  die  Schwankungen  aber,  die  jene  Absonderung 
i  ihren  (engen)  Grenzen  erleidet,  sind  verhältnissmässig  bedeutend; 
idese  Schwankungen  treten  zum  Theil  scheinbar  unbegründet,  d.h. 
i'ährend  ganz  unveränderter  Lebensumstände  auf;  diese  Unregel- 
iiässigkeiten  werden  aber  geringer,  wenn  man  statt  der  täghchen 
lusscheidungen  mehrtägige  miteinander  vergleicht  (Ranke).  Eine 
».enderung  der  Ausscheidung  bewirkt  die  Ernährungsweise;  der 
ifungernde  entleert  wenig  Harnsäure  und  zwar  mit  der  steigernden 
t'astenzeit  weniger  (Ranke).  Fleischnahrung  giebt  am  meisten, 
'•/eniger  Pflanzenspeise,  »och  weniger  eine  Kost  aus  Zucker  (Leh- 
iiann,  Ranke).  Ganz  verschwindet  sie  nach  sehr  reichlichem 
4enuss  von  "Wasser  (Genth),  dagegen  sollen  alkoholische  Ge- 
iränke  sie  vennehren.  Geringe  Körperbewegungen  sollen  sie  mindern, 


•)  Heintz,  Zooohcmie  1863.  192.  —  Lieblg,  dessen  Annalen.  Bd.  108.  —  Dessaignes, 
Messen.  Jahresber.  18.57.  543.  —  Hermann,  Wiener  akadem.  Berichte.  1.  o. 

")  Llcblg,  Annalen.  50.  Bd.  IGl.  —  Bcncc  Jones,  rhllosopliical  trangactions.  1849.  250.— 
;anke,  Vcber  die  Ausscheidung  der  Harnsäure.  München  1868.—  Hocker,  Virch  ow's  Archiv. 
'  a.  226. 


390 


Harnsäure ;  Xantliin. 


kräftige  sie  mehren  (RankeJ;  das  Letztere  soll  auch  durch  MinqB^, 
rung  der  Hautausdünstung  erreicht  werden,  vorausgesetzt,  dass  <]K 
Harnmaass  dadurch  entsprechend  gesteigert  ist  (Marcet),  —  S<l| 
tionen  von  Kindern,  die  innerhalb  einiger  Wochen  nach  der  Gebil 
gestorben  sind,  zeigen  öfters  Nieren,  deren  Canälchen  mit  Hail, 
säm-ekrystallen  gefüllt  sind  (Cless).    Ob  dieses  allen  gesund! 
Neugebornen  eigen  ist,  wann  nach  der  Geburt  die  Harnsäure  | 
scheint  und  wie  lange  sie  besteht,  ob  dabei  eine  Vermehrung  tl 
Harnsäure  eintritt,  ob  die  Harnsäure  die  Nieren  als  solche  verläit 
oder  dort  vorher  verändert  wird,  darüber  geben,  wenn  auch  noBT 
unbestimmte  Aufklärung,  die  Beobachtungen  von  Virchow,  H 
dann,  Hecker.  , 

In  Krankheiten,  namentlich  in  fieberhaften,  ist  die  tägliche  Harnsäuremcnge 
ungewöhnlich  vermehrt ;    auch  im  Icterus  ist  sie  reichlicher  vorhanden  ( K  U  h  n  (  l" 
ebenso  in  der  Leukämie  (Virchow,  Ranke).  —    Vermindert  soll  sie  werden  m  fBi 
Chiningobrauch  (Ranke). 

Das  Mittel  der  täglichen  Menge  setzt  Becquerel  auf  0,.  5 

Bence  Jones  von  0,4  bis  0,6  Gr.  —  Lehmann  fand  bei  Fleisc  ];i 
kost  1,5  Gr.,  bei  gemischter  Kost  1,2  Gr.,  bei  Pflanzennahi-ung  1,0  G 

bei  Zuckerftitterung  0,74  Gr.  —  Ranke  bei  Pflanzennahrung  i  jr 

Mittel  0,7  Gr.,  bei  Fleischnahrung  0,9  Gr.  je 

Die  Veränderung  der  Harnsäureausscheidung  mit  der  Tag€  i 

zeit  wird  bestimmt  durch  die  Vertheilung  des  Essens;  bei  ein  jf 

täglichen  Hauptmahlzeit  fällt  das  Maximum  der  stündlichen  Au  f! 

Scheidung  einige  Stunden  hinter  dieselbe,  das  Minimum  aber  u  i^, 
mittelbar  vor  sie. 

Vielen  Thieren,  z.  B.  den  Hunden,  den  Katzen,  den  Wiederkäuern,  fehlt  t 
Harnsäure  zwar  nicht  immer,  aber  doch  meist;  andere,  wie  Vögel,  Schlangen  u.  s.  \  .. 
entleeren  sie  massenhaft.    Die  Lagening  der  Harnsäure  bei  Vögeln  und  Schnecken  i  ^ 
Innern  der  Zellen,  welche  die  Hamcanälchen  auskleiden  (Busch,  TVittich),  hat  d 
Aufmerksamkeit  erregt. 

Man  unterstellt  eine  enge  Beziehung  zwischen  Harnsäure  un  " 
Harnstoff,  indem  man  die  erste  als  eine  Webergangsstufe  zum  Han 
Stoff  bei  der  Zersetzung  von  Leim  und  Eiweiss  ansieht.  Ausser  de 
Wahrscheinlichkeitsgründen,  welche  die  chemischen  Formeln  i 
die  bekannten  Zerfällungsprodukte  der  Harnsäure  darbieten,  ii 
anzuführen,  dass  die  eingenommene  Harnsäure  als  Harnstoff  auf 
tritt,  und  dass  sie  in  den  Geweben  auch  solcher  Thiere  zu  finde 
ist,  deren  Harn  frei  von  unserer  oder  einer  ihr  älmUchen  Säure  isi 

Xanthin.  In  sehr  geringer  Menge  (Strahl,  Lieberkühn 
Strecker;  zuweilen  als  Harnstein  (Marcet,  Liebig,  Wöhler) 


Hippursäure. 


391 


k      Hippursäure*).    Sie  wird  durch  das  2NaO,  HO,  PO5  des 
f  larns  gelöst  erhalten.    Sie  bildet  einen  meist  noch  geringem  An- 
,^  ?eil  des  Menschen -Harns  als  die  Harnsäure;  nach  Ranke,  Du- 
.[j.  11  ek  u,  A.  soll  sie  häufig  ganz  fehlen.  —  Vermehrt  wh-d  ihre  täg- 
j  bhe  Menge  in,  erster  Linie  durch  den  Genuss  von  Benzoesäure 
ittd  solchen  Nahrungs-  und  Arzneimitteln,  die  sie  und  ihre  Salze, 
Her  solche  Benzoylverbindungen  enthalten,  die  sich  leicht  zu  Ben- 
loesäure  oxydiren.     Ihr  mehrender  Einfluss  ist  jedoch  in  enge 
jlrrenzen  geschlossen  (Ure,  Wöhler,  Frerichs).     Nimmt  ein 
rMaiin  von  mittlerer  Grösse  täglich  mehr  als  2  Gr.  Benzoesäure,  so 
ijs-scheint  ein  Theil  der  letztern  als  solche,  und  nicht  zu  Hippur- 
liure  vei-wandelt,  im  Harn  (Duchek).    Vermehrt  wird  die  Hippur- 
iiure  ferner  durch  den  Genuss  von  Zimmtsäure  (CisHsOiJ  (Mar- 
lhand), Bernsteinsäure,  wie  Buch  he  im  und  Kühne  behaupten, 
eenen  jedoch  Hall  wachs  entgegentritt,  und  endlich  durch  den 
renuss  von  Gräsern,  Gemüsen,  Früchten,  die  nur  sehr  wenig  oder 
rach  gar  keine  Benzoylverbindungen  enthalten  fH  allwachs,  Weiss- 
iiann,  Duchek).    Vermindert  wird  sie  dei  Grasfressern  durch 
irodnahrung  (Weissmann),  beim  Menschen,  Hunden,  Kälbern 
lurch  Fleischnahruug;  Ranke",  Wurtz  und  K ü h n e  sahen  sie  nach 
üeser  Kost  ganz  schwinden.   Bei  der  Harai-uhr  kommt  sie  jedoch 
luch  während  ausschliesslicher  Fleischkost  vor.    Nach  der  Beobach- 
isingen  von  Roussin,  die  Hallwachs  im  Allgemeinen  bestätigt, 
;^eben  Arbeitspferde  mehr  Hippursäure  als  Luxuspferde.   Die  beiden 
JJeobachter  legen  den  Grund  für  das  Mehr  in  die  stärkere  Mus- 
[;elanstrengung;  ob  ihn  nicht  das  Futter  bedingt? 

Hallwachs  fand  bei  gemischter  Diät  bis  zu  1  Gr. Hippursäure  täglicli;  "Weiss- 
iiaann  nach  einer  weniger  genauen  Scheidungsart  bei  gemischter  Kost  zu  2,4  bis  3,4, 


Da  die  Hippursäure  aus  der  Summe  der  Atome  der  Benzoe- 
iääure  und  des  Glycins  weniger  2  At.  Wasser  besteht,  da  sich 
^aus  den  genannten  Stoffen  die  Hippursäure  darstellen  und  diese 
«sich  auch  wieder  in  Benzoesäure  und  Glycin  zerlegen  lässt  (Des- 
"Saignes),  so  darf  man  wohl  behaupten,  dass  sich  die  genossene 
[Benzoesäure  mit  dem  im  thierischen  Körper  voi-findigen  Glycin 

•)  H.  Ranke,  Physlolog.  -  chemische  Untersuchungen  etc.  Erlniigon  1851.  —  Roussin, 
Compt.  rend.  42.  Bd.  683.  —  Hall  wachs,  Ucber  den  Ursprung  der  Hippursäure  Im  Harn  der 
Pflanzenfresser.  1857.  —  Welssraann,  Ueber  den  Ursprung  der  Hipp,  im  Harn  der  Pflanzen- 
fresser. 1857.  —  Klihne  und  Hallwach«,  Archiv  fiir  pathol.  Anatomie.  XIl.  Bd.  38G.  — 
KUhne,  Ibid.  396.  —  Mcissnor's  Jahresbericht  für  1866.  271.  —  Duchek,  Chemisohos  Centrai- 
blatt 18.%.  300.  ^ 


392 


Hippursäure;  Kohlenliydrato. 


paare.    Dieses  letzte  liefert  die  Leber  in  der  Glycocholsäure  und 
Paarung  geht  im  Blute  vor  sicli  (Kühne,  Hall  wachs). 

K.  und  H.  geben  in  einer  durchdachten  Arbeit  folgende  Gründe  für  ihre 
hauptung.    Benzoesäure  allein  in  das  Blut  gespritzt  geht  alsbald  wieder  als  solcht 
den  Harn  über,  die  plötzliche  Mehrung  dieses  Atoms  im  Blut  entspricht  keiner  gleie! 
des  Glycins;   spritzt  man  aber  Benzoesäure  und  zugleich  eine  entsprechende  Me: 
glyoocholsaures  Natron  ein,    so  wird  der  Harn   entsprechend  hippursäurehaltig. 
Bringt  man  Benzoesäure  in  den  Magen,  -  so  entsteht,  weil  sie  nur  langsam,  und  z 
der  Glycinbildung  in  der  Leber  gemäss,   zum  Blut  kommt,  auch  Hippursäure,  sei 
dann  noch,  wenn  man  eine  Gallenfistel  anlegt,  die  alle  Galle,  welche  zur  Blase  ki 
nach  aussen  führt ;  also  geht  die  Paarung  nicht  im  Darm ,  sondern  im  Blut  vor 
Die  Bildung  der  Hippursäure  steht  aber  still,  wenn  man  nach  dem  Eingeben 
Benzoesäure  die  Gallen-  und  Blutgefässe  im  Hüus  der  Leber  unterbindet;  also  lie: 
die  Leber  das  Glycin.  —  Dunkel  ist  es  noch ,  woher  die  Benzoesäure  kommt ,  wi 
im  Futter   keine  Benzoylverbindungen   enthalten    sind.    Man  hat  verschiedene  T 
muthungen  über  ihren  Ursprung  festgestellt;  so  glaubte  man  sie  u.  A.  ableiten 
können  aus  der  lebendigen  Umsetzung  des  Eiweisses  und  Leimatome,  weil  sie  d 
Oxydation  der  letztem  künstlich  dargestellt  werden  kann.    Wenn  es  sich  bestätigt, 
die  Hippursäure  mit  Hülfe  der  Bernsteinsäure  entstehen  könnte,  so  würde  um  so  e. 
die  letzte  Ursache  ihrer  Bildung  im  thierischen  Stoffwechsel  gesucht  werden  müss^B^' 
als  Bernstoinsäure  schon  im  lebenden  Körper  gefunden  wurde.    Auf  denselben  Urspru 
deutet  auch  die  Beobachtung  von  L  e  hm  a  n  n ,   dass  diabetische  Kranke  nach  vi( 
tägiger  Fleischkost  noch  Hippursäure  ausharnen. 

•  Die  Bedingungen,  welche  die  Entstehung  der  Hippursäure  aus  ihren  Comp 
nenten  veranlassen,  sind  unbekannt.  Durch  gleichzeitige  Digestion  von  Blut,  Lebe: 
Galle  und  Benzoesäure  bei  der  normalen  Säugothierwärme  kann  sie  nicht  erzeu] 
worden,  auch  dann  nicht,  wenn  durch  jenes  Gemenge  ein  SauerstolFstrom  geleitet  wi 
(Kühne). 

Nach  einer  belangreichen  Beobachtung  von  Kühne  geht  be 
gelbsüchtigen  Menschen  oder  Hunden,  deren  duct.  choledochu 
allein  unterbunden  war,  die  eingegebene  Benzoesäui'e  als  solch 
in  den  Harn  über,  obwohl  dieser  letztere  dann  Cholalsäure  enthält 
Also  muss  bei  der  in  jenem  Falle  bestehenden  Gallenstauung  di^ 
Bildung  des  Glycins  in  d^r  Leber  unterbrochen  sein. 

Kohlenhydrate.    Im  Ham  sind  aus  dieser  Classe  beobach- 
tet worden:  Trauben-,  Rohr-,  Milchzucker,  ein  nicht  krystallisü-endecl 
gährungsfähiger,  die  Polarisationsebene  links  di'ehender  Zucker*),  Ino- 
Sit,  Mannit,  Milchsäure. 

Der  Trauben-  oder  Leberzucker**).  Gl.  Bernard  hält 
die  beiden  nicht  für  gleichartig  wegen  ihres  ungleichen  Widerstandes 


•)  Löwig,  Chemie  dor  orgnn.  Verbindungen.  1846.  I.  422. 
*•)  E.  Brüclce,  Wiener alcart.  Ritziingsber.  28. u.'29.Bcl.  286.  —  Bl  o  t ,  Compt.rend.  48.  Bd. p. G76.— 
Leconte,  iliid.  44.  Bd.  Juin.  —  Wie  de  r  Ii  ol  d ,  Chcm.  Ccutnai)!.  1857.  —  Meissner,  Ilonle's 


Traubon  -  oder  Lcborzucker. 


393 


,gen  die  zersetzenden  Einflüsse  des  thierischen  Körpers.  Dieser  Zucker 
ümmt  fast  regelmässig,  jedoch  in  sehr  veränderlichen  Mengen,  im 
im  vor;  er  scheint  in  dem  Maasse  durch  die  Niere  zu  treten,  in 
üilchem  er  im  arteriellen  Blut  enthalten  ist.  —  Im  Harn  eines  auf 
«wohnliche  Weise  ernährten  Menschen  fand  ihn  Brücke  jedoch 
SSO  geringer  Menge ,  dass  das  durch  ihn  bei  der  Trommerschen 
)obe  zu  Oxydul  reducirte  Oxyd  sich  im  Ammoniak  des  Harns  löste; 
iem  man  diese  Wirkung  des  Ammoniaks  nicht  beachtete,  tiber- 
n  man  bisher,  dass  der  gesunde  Harn  Zucker  enthält.  —  In  ver- 
ehrter Menge  wii'd  er  nach  einer  reichlichen  Mahlzeit  beobachtet, 
mentlich  wenn  diese  viel  Zucker  führt  und  genossen  vrurde,  nach- 
DQ  ein  24  bis  36sttindiges  Fasten  vorausgegangen  wa,r  (Gl.  Ber- 
ird).  —  Vermehrt  ist  er  ferner  bei  Säugenden  (Blot),  was  von 
(conte,  Meissner  u.  A.  jedoch  ohne  genügenden  Gegenbeweis 
ttritten  wii'd;  namentlich  vennehrt  ist  er  bei  Säugenden  nachUnter- 
(  ckung  derMilchabsondening.  Ferner,  Avenn  die  Bildung  des  Zuckers 
Jier  Leber  lebhafter  ist,  also  beim  diabetes  mellitus,  nach  einem 
;}h  in  die  Mittellinie  des  verlängerten  Markes,  nach  der  Durch- 
meidung  des  nervus  splanchnicus  in  der  ünterleibshöhle ;  die  in 
fge  der  beiden  letzten  Verwundungen  gesteigerte  Zuckerausschei- 
i^g  verschwindet,  wenn  das  Thier  sonst  gesund  bleibt,  nach 
iireren  Stunden  wieder  (Gl.  Bernard).    Der  Harnzucker  ver- 
iirt  sich  ferner  nach  Gurare -Vergiftung,  wenn  das  Leben  durch 
istliche  Respiration  erhalten  wird  (Gl.  Bernard),  ferner  nach 
sspritzung  von  Aether  und  verdünnter  Ammoniaklösung  in  die 
rrtader  (Harley),  nach  Einathmunng  von  Aetherdämpfen  (Rey- 
no).  —  Endlich  erscheint  er  reichlicher,  wenn  eine  Traubenzucker- 
11  ng  in  das  Blut  gespritzt  wird.    Um  eine  deutliche  Vermehrung 

Harnzuckers  zu  erzielen,  mussten  Hunden  von  etwa  6700  Gr, 
rncht  10  bis  13  Gr.  Zucker  injicirt  werden;  es  gingen  dann  in 

Harn  etwa  1,4  bis  0,2  Gr.  Zucker  über;  die  Ausscheidung  ge- 
ah  in  den  ersten  flinf  auf  die  lünspritzung  folgenden  Stunden, 
■nur  5  bis  7  Gr.  Zucker  injicirt  waren,  hatte  sich  der  des 
ras  nicht  merklich  vermehrt  (Falk,  Limpert).  Aehnliche  Er- 
ningen  machten  am  Kaninchen  Gl.  Bernard,  Lehmann, 
le,  Becker. 


'Pfeufer'B  Zeitschrift.  —   Boedckcr,  Ibid.   3.  R.  Vn.  Bd.  —  Llmport  tind  Falk  In 
how'a  Archiv.  9.  Bd.  60,  wo  auch  die  Literatur  Uber  Zuckereinsprltziingen  zu  tlnden.  — 
■ernard,  L09ong  sur  Ic»  liquides,  n.  Bd.  74  ff.  —  Heynsius,  Archiv  flir  liolländ.  Bel- 
1857.  I.  Bd.  243.  —  S.  auch  die  Literatur  auf  S.  311  dieses  Bandes  unter  »•*). 


394 


ßolirzucker;  Inosit;  Milchsäure. 


Ausser  dor  im  Text  erwälinton  verdeckenden  Eigenschaft  des  Ammoniaks  entl 
der  Harn  noch  zwei  andere  Vorbindungen ,  welche  zu  Fehlern  in  der  ZuckerbeB)|| 
mung,  und  zwar  nach  der  entgegengesetzten  Richtung  hin,  führen  können.  Der 
Sohunck  im  Hanl  aufgefundene  indigobildende  Stoff  giebt  sehr  leicht  den  mit 
gepaarten  Zucker  ab  und  die  Harnsäure  reducirt  ebenfalls  das  Kupferoxyd.    Um  die 
Täuschungen  zu  entgehen,  stellte  Brücke  aus  dem  frischen,   nicht  eingedamp 
Harn  durch  Zusatz  von  viel  Alkohol  und  von  etwas  reinem  Kali  Zuckerkali  dar;  die  in 
alkoholischen  Flüssigkeit  unlöslichen  Krystalle  löste  er  in  Wasser  auf;  dann  bei 
er  die  Abwesenheit  der  Harnsäure  durch  den  negativen  Erfolg  der  Murexidprobe 
die  Anwesenheit  des  Zuckers  durch  die  nun  gelingende  Trommer' sehe  Reaktion 
durch  die  Reduktion  des  basisch  salpetersauren  Wismuthoxyds.  —  Nach  diesen  neu 
Erfahrungen  verlieren  ebensowohl  die    quantitativen  Zuckerbestimmungen  des  H: 
durch  die  Fehling 'sehe  Flüssigkeit  ihren  Werth,  als  auch  die  Angabe,  die 
gemacht  hat  über  die  Grenzen,  innerhalb  deren  sich  der  Zuckergehalt  des  Blutes 
wegen  könne,  bevor  der  Harn  zuckerhaltig  werde.  —  Die  Angabe  von  Blot, 
Säugende  häufig  zuckerreichen  Urin  entleeren,  wird  von  den  Fehlern,  welche  so 
erwähnt  wurden,  nicht  berührt,  weil  er  ausser  der  Tromme r'schen  auch  noch 
Probe  durch  Gährung  in  Anwendung  brachte. 

Rohrzucker  findet  man  im  Ham  öfter  aber  nicht  imi 
nach  reichlichem  Genuss  desselben,  und  dann  nach  Injektion  ( 
selben  ins  Blut.    Unter  den  letzten  Umständen  gilt  das  Glei 
vom  Milchzucker.    Doch  besteht  nach  Gl.  Bernard,  Fj 
und  Limpert  zwischen  den  Erfolgen,  die  das  Einspritzen 
Rohr-  und  Milchzucker  nach  sich  ziehen,  der  Unterschied,  c  ^ 
mehr  Milchzucker  dem  Blut  zugesetzt  werden  muss,  wenn  ei||j, 
den  Harn  übergehen  soll,  und  dass  von  gleicher,  in  das  Blut 
gefUhrten  Menge  Rohr-  und  Milchzuckers  von  letzterem  ein  geringe 
Antheil  in  den  Harn  übergeht.   Es  steht  also  der  Milchzucker  rt 
sichtlich  seiner  Ueberftxhrbarkeit  in  den  Harn  und  seiner  Zers 
barkeit  in  dem  Blut  in  der  Mitte  zwischen  Trauben-  und  Rf 
zucker. 

Inosit,  der  in  der  Niere  selbst  enthalten  ist,  wurde  nur 
mal  von  Cloetta  im  Harn  bei  Brightscher  Entartung  beobach 
im  gesunden  Harn  fehlt  er.  —  Mannit  geht  aus  dem  Mager 
den  Harn  über,  aber  nur  zunj  kleinen  Theil,  zum  grössern,  w|  ., 
er  in  das  Blut  gespritzt  wird.    Der  Unterschied  soll  davon 
hängen,  dass  das  Mannit  im  Darmkanal  schon  in  Milchsäure  i 
umsetzt  (Bidder,  Witte)*). 

Milchsäure  fehlt  dem  Harn  füi- gewöhnlich ,  sie  soll  zuwe 
nach  zuckerhaltiger  Kost  zugleich  mit  oxalsaurem  Kalk  vorko: 
(Lehmann).    In  dem  aus  der  Niere  getretenen ,  in  der  Blase  Ijti^ 


K! 


irr 


36  Wt 


•)  M  ei  8  Sil  er' s  Jahresbericht  für  1856.  273. 


HarnfarbstofFe ;  Urhaematin;  Gallenfarbstotl'. 


395 


Wenden  oder  in  schon  gelassenem  Hara  entsteht  sie  bei  der  sauern 
»hrung  desselben. 

Farbstoffe*).  Der  Harn  kann  roth,  gelb,  grün,  blau, 
uun,  schwarz  gefilrbt  sein.  Von  den  diese  Färbungen  bedingenden 
bffen  sind  uns  bekannt 

a)  der  Urhaematin,  Haruroth;  es  enthält  Eisen  (Harley) 
!iN(Scherer)  und  zeigt  auch  Aehnlichkeit  in  seinen  Reaktionen 
;  Blutroth ;  vielleicht  stimmt  es  vollkommen  mit  ihm  überein.  Im 
rm  mehrt  es  sich,  wenn  im  Blute  das  Roth  von  den  Körperchen 
'  das  Plasma  übertragen  wird,  z.  B,  nach  Einspritzungen  in  die 
utgefässe  und  zwar  von  Gallensäuren  fDusch,  Frerichs),  die 

Blutkörperchen  lösen  (Hünefeld,  Kühne),  oder  von  Wasser, 
ilches  die  Blutkörperchen  auswäscht  (Kieruli,  Hartner). 

b)  Brauner  Gallenfarbstoff,  welcher  mit  NO5  Übergossen 
Ii  bekannte  Farbenspiel  giebt,  erscheint  im  Hai'n,  wenn  er  aus 

Galle  in  das  Blut  tiitt,  z.  B.  nach  Hemmungen  des  Gallen- 
llusses;  ferner  wenn  farblose  Galle  in  das  Blut  gespritzt  wird 
rrerichs);  seine  Anwesenheit  im  Harn  ist  dann  constant,  aber 
ne  Menge  nicht  im  Verhältniss  zu  der  der  eingesprizten  Gallen- 
iren ;  es  erscheint  am  meisten  Farbstoff,  wenn  mit  sehr  geringen 
ragen  von  Galle  zugleich  eine  Lösung  von  Haematoglobulin  ein- 
ipritzt  wird.    Ebenso  entleeren  Hunde,  die  durch  Unterbindung 

Gallengänge  ikterisch  wurden,  einen  ungewöhnlich  gallenfarb- 
ffreichen  Harn,  wenn  man  in  ihr  Blut  eine  Auflösung  des  Blut- 
jpercheninhalts  einspritzt  (Kühne). 

Die  Erklärungen  für  das  Auftreten  des  Farbstoffs  nach,  der  Einspritzung  von 
eensäure  in  das  Blut  sind  doppelt.    Prcrichs  und  Staedeler  lassen  aus  den 
cen  genannten  Säuren  selbst  enthaltenen  Atomen  die  Farbstoffe  entstehen.    Denn  es 
II  nach  Staedeler  durch  SO3  aus  der  Glycocholsäure  ein  Körper  hergestellt  werden, 
an  der  Luft  ein  ähnliches  Farbenspiel  zeigt ,  wie  der  Gallenfarbstoff  mit  NO5. 
rieh  8  unterstützt  seine  Meinung  noch  dadurch,  dass  er  im  Harn  von  Hunden 
I  Gallensäure  nicht  wiederfinden  konnte ,  wenn  er  diese  letztere  dem  Blut  der  ge- 
lten Thiere  beigemischt  hatte.    Mit  dem  genauen  Verfahren  von  F.  Hoppe  ist  es 
:ch  Kühne  gelungen,  im  berogten  Fall  immer  Gallensäure  im  Harn  nachzuweisen. 
;  man  damit  zusammen,  dass  niemals  ein  der  eingespritzten  Gallenmcnge  auch  nur 
'srnt  sich  annäherndes  Farbstoffgewicht  im  Harn  vorkommt,  ja  dass  Frerichs 
35  pCt.  seiner  Beobachtungen  gar  keinen  Farbstoff  fand,  so  muss  man,  um  die 
lahmo  des  Letzteren  zu  halten,  sagen,  dass  es  noch  besonderer,  nicht  immer  gloich- 

')  Harley,  WUrzbnrger  Berichte.  V.  Bd.  April.  —  Fr«richs,  Klinik  der  Leberkrankheiton. 
■  nnd  404.  —  KUhne,  VIrchow's  Archiv.  XIV.  310.  —  Scliuiick,    Chcni.  Contrnlblatt. 

957.—  Virchow,  Wlirzb.  Berichte.  II.  Bd.  303.—  Simon,  BcitrUge.  I.  Bd.  118.  — 
«al,  Pharmazeut.  Centraiblatt.  1854.  256  und  768.  —  Schorcr,  Liobig's  Annalen. 
id.  131. 


396  Hamfarbstoffe ;  Indigo;  Ammoniak. 

massig  erfüllter  Bedingungen  bedürfe,  damit  die  Gallensäure  zum  Farbstoff  we; 
könne.  —  Kühne  sieht  dagegen  das  Blutroth  als  den  Stamm  des  Gallenfarbsto: 
und  betrachtet  die  Galle  nur  insofern  an  der  FarbstoflTbildung  betheiligt,  als  sie 
Blutroth  aus  den  Körperchen  befreie.  Wollte  man  dieser  Unterstellung  auch  crli 
zu  erklären ,  warum  das  Blutroth  erst  die  Körperchen  verlassen  müsse ,  um  sich 
zugestalten ,  so  würde  sie  doch  immer  noch  angeben  müssen ,  warum  fast  immer  I 
roth  unverändert  in  den  Harn  übergeht,  ohne  dass  der  Harn  für  gewöhnlich  Gal 
färbst,  enthält,  warum,  wie  Kühne  selbst  gefunden,  eine  Lösung  von  Haematoglob 
für  sich  dem  Harn  keine  Gallenfarbe  bringt,  und  warum  dieses  erst  geschieht, 
dem  der  einzufüllenden  Masse  Gallensäure  zugefügt  wird. 

c)  Im  Harn  kommt  öfter  Indigo  vor  (Prout,  Martin, 
scher  lieh  u.  A.).  Dieser  entsteht  aus  einem  andern  indigobilc 
den  Stoff,  den  Schunck  im  Harn  gesucht  und  auch  häufig  ( 
gefunden  hat.  Dieser  Stoff"  zerlegt  sich  durch  Säuren  (und  Gährun 
in  Zucker  und  Indigo;  der  Harn  wii'd  also  nui"  dann  blau,  w 
jener  Indigopaaiiing  zerlegt  ist. 


III 
itri 


Ii: 


Sollte  jener  Indigobildner  mit  dem  Indican  von  Schunck  gleich  sein,  so  wü 
sieh  aus  seiner  Zersetzung  noch  andere  Verbindungen  im  Harn  herleiten  lassen,  die 
auch  schon  dort  gefunden  hat ,  namentlich  Harze ,  Leucin ,  Ameisen  -,  Essig  -,  Proj 
säure,  und  das  Indiggluzin  (CiäHioO«)  würde  sich  durch  Gährung  in  Essigsäure 
wandeln  können ,  ohne  vorher  Alkohol  gewesen  zu  sein. 

In  Ermangelung  einer  Abscheidungsmethode  bedient  sich  J.  Vogel*)  der 
benden  Kraft  des  Urins,  um  die  relativen  Mengen  von  Farbstoff  zu  finden,  welch  ^ 
zwei  Hamen  vorhanden  sind.    Da  nach  seinen  Beobachtungen  die  dunkeln  von 
hellen  Harnen  sich  nicht  durch  eine  besondere  Art,  sondern  durch  eine  stärkere 
zentration  des  Farbstoffs  unterscheiden ,  so  stellte  er  Normalfärbungen  (Farbensl 
her  und  zugleich  die  Verdünnung  fest,  welche  die  tieferen  Farben  erfahren  mm 
um  in  die  helleren  überzugehen. 

Ammoniak.  Der  frische  Harn  entwickelt  immer  Ammoni 
selbst  bei  Anwendung  eines  analytischen  Verfahrens,  welches 
Harnstoffzersetzung  vermeidet  (Boussingault,  Neubauer)' 
Je  nach  Umständen  scheint  es  als  AmO,  CO2  oder  als  Am  Gl  ^ 
zukommen.  Da  auch  Ammoniak  ausgeathmet  wird,  so  kann  k 
Zweifel  sein,  dass  ein  Theil  des  Harnammoniaks  schon  aus  d 
Blute  der  Niere  abgeschieden  wird;  unzweifelhaft  bildet  sich  ai^ 
auch  unter  Umständen  im  Harn  Ammoniak. 

Neubauer  und  Genth  fanden  die  Ammoniakmengen  ^ 
Tag  zu  Tag  veränderlich;   die  Grenzen  lagen  zwischen  0,3 
1,2  Gr.  Arn.  =  1,4  bis  3,8  Salmiak.   Nach  Genth  scheint  es 


•)  Arohiv  des  Vereins  für  wissenscli.  Arbeiten.  I.  Bd.  p.  9G. 
••)  Annales  do  chimie  et  pliysique.  XXIX. 472. (1851).  —  Ptiarmazeut.  Ccntrnlbi.  18.55. 257  u.  28| 
Genth,  Ueber  den  Einüuss  des  Wassertrinkens.  1856.  — ^Dessaigln  es ,  Compt.  rcnd.  43.  Bd 


Harze;  Extrakte;  Chlor. 


397 


viel  Wasser  in  der  Nahrung  die  Ammoniakmengen  mehi-e.  Sal- 
ak  geht  aus  den  Speisen  leicht  und  vollständig  in  den  Harn 
er.  —  Im  Harn  ist  auch  dreifach  Methyl-Ammoniak  (Trimethyl- 
•iiin)  gefunden  worden  (Dessaignes). 

Harze*)  (Omychmyl);  sie  erinnern  nach  Scharling  durch  ihre 
zentische  Zusammensetzung  an  die  Körper  der  Salicylgruppe ; 
im  und  wie  ihre  Menge  im  Harn  steigt  und  fällt,  ist  noch  un- 
iaunt. 

Extrakte.  Farbstoff,  Harnharze,  die  Spuren  der  flüchtigen 
uien  des  Harns**)  (Staedeler)  und  wahrscheinlich  noch  einige 
kre  Körper,  die  man  nicht  von  einander  scheiden  kann,  be- 
ut man  gewöhnlich  zusammen  und  nennt  dann  dieses  Gemenge 
trakte.  Nach  Lehmann  sollen  die  täglich  entleerten  Mengen 
limen  bei  vegetabilischer  Kost;  Scher  er  fand  relativ  zum 
i  [)  ergewicht  im  Harn  zweier  Kinder  (3  und  7  Jahi-e)  weniger 
trakte,  als  bei  Erwachsenen. 

Das  Chlor  des  Harns  ist  an  mehrere  Basen  gebunden;  man 
rnn  es  je  nach  seiner  und  der  Menge  der  letzteren  zutheilen  dem 
ittrium,  Kalium,  Calcium,  Ammonium.  Die  alte  Annahme,  das 
BS  Na  geniige,  um  alles  Cl  zu  binden,  hat  Genth  für  den  Haro 
cßh  gewöhnlicher  Kost  nicht  bestätigt  gefimden. 

Wie  viel  Chlor  täglich  aus  der  Niere  fliesst,  wird  bestimmt 
rrch  den  Sättigungsgrad  der  thierischen  Säfte  mit  Chlorsalzen 
dd  durch  das  Maass  der  Nierenthätigkeit,  oder,  was  dasselbe  sagt, 
rrch  die  Grösse  der  Zufuhr  mit  Abzug  dessen,  was  durch  Koth 
od  Schweiss  austiitt. 

Das  Chlor  ist  nicht  in  dem  Sinne  Auswürfling  wie  Harnstoif,  Hippur-,  Sehwefel- 
tire  u.  8.  w.  Was  über  seine  Ausscheidung  und  seine  Stellung  im  Thierleib  bekannt  ist, 
rrt  ungezwungen  zu  der  Annahme, .  dass  der  gesammte  Chlorbesitz  desselben  seiner 
lleutung  nach  zerfalle  in  einen  das  Leben  erhaltenden,  sesshaften,  und  in  einen  dem 
">en  nicht  nothwendigen ,  fliegenden  Antheil.  Haut  und  Niere  sind  also  in  erster 
iie  angewiesen  auf  das  fliegende  Chlor  mit  der  besondem  Aufgabe ,  dahin  zu 
Iken,  dass  sich  das  Chlor  nicht  bis  zu  einem  die  Gesundheit  stö*enden  Maasse  an- 
Jife.  Die  Grenze,  welche  hiermit  dem  ausscheidbaren  Chlor  gezogen  wird,  ist  jedoch 
»ne  feste,  indem  es  scheint,  als  ob  der  sesshafte  Antheil  desselben  keine  im  Ver- 
»tniss  zum  Körpergewicht  unveränderliche  Grösse  sei,  sondern  dass  er  je  nach  der 


••)  Lleblg's  Annalen.  42.  Bd.  296, 
"*)  I.  Bd.  p.  32. 

Bischoff,  Der  Harnstoff  als  Maass  des  Stoffwechsels.  Oiessea  1863.  —  Derselbe,  Lic- 
r'»  Annalen.  88.  Bd.  109.  —  Biddcr  und  Schmidt,  Vordnuungssäfte.  1862.  312.  —  llcgar, 
lerer's  Jahresbericht  Uber  physiolog.  Chemie  Hlr  1862.  p.  121.  —  Wundt,  Ibid.  fUr  1853. 
135.—  Htnkelbeln,  Uebergang  des  NaCl  In  den  Harn.  Marburg  1869.—  Ausserdem  Genth; 
■npp,  Mosler,  Veit  J.  clt. 


398 


Voründorlichkeit  der  OMorausschoidung  mit  der  Zufuhr. 


Chlorzufuhr  innerhalb  gewisser  Grenzen  steige  und  sinke.  Man  würde  die  hie: 
Frage  kommenden  JErachoinungcn  auch  so  erklären  können:  wenn  der  Chlorgehalt 
Säfte  unter  eine  gewisse  Grenze  sinkt,  so  setzt  sich  seiner  Ausscheidung  durch 
Niere  ein  Widerstand  entgegen,  der  mit  der  Verminderung  des  Chlorgehaltes  im 
wächst.  Als  Maass  für  die  Grosso  dieses  Widerstandes  kann  aber  nicht  der  n£ 
Quotient  aus  dem  Chlor  und  dem  Körpergewicht  gelten,  weil  auch  eine  Chlonnäs 
stattfinden  kann.  Nach  allem  Diesen  wäre  es  zunächst  wünschcnswcrth ,  die  St 
der  Chlorausschoidung  mit  dem  Chlorgehalt  des  Blutes  zu  vergleichen. 

1)  Veränderlichkeit  mit  der  Zufuhr.  Wird  der  Katze  alle  Nahri 
entzogen ,  so  verschwindet  nach  einigen  Tagen  das  Cl  voUkomn 
aus  dem  Harn  (C.  S  chmidt).  —  Nach  Genuss  einer  zumLebensun 
halt  sonst  genügenden,  aber  von  Chlor  vollkommen  befreiten  (?)  N 
i'ung  blieb  beim  Menschen  bis  zu  dem  am  5.  Tage  erfolgten  Sehl 
der  Versuche  der  Harn  chlorhaltig;  seine  tägliche  Menge  mind( 
sich  jedoch  von  Tag  zu  Tag,  erst  rasch,  dann  langsamer.  V 
Abend  des  3.  Tages  an  enthielt  der  Harn  Eiweiss  (Wundt). 
Bei  einer  bestehenden  Chlorzufuhr  ändert  sich  der  Chlorgehalt  < 
Hains  im  Allgemeinen  wie  der  der  Nahrung,  doch  ist  die  tägU^ 
Menge  ausgeschiedenen  Cl's,  nicht  gleich  der  verspeisten.  Diese  TI 
Sachen  sind  von  Bischoff  und  Barrai,  am  genauesten  aber 
Kaupp  verfolgt  worden.  Aus  einer  68  Tage  umfassenden  Beobaj 
tungsreihe  des  Letzteren  sind  die  folgenden  Zahlen  ausgeschrieb 
Zu  dieser  Tabelle  ist  zu  bemerken:  Alles  Cl  ist  als  NaCl  bere 
net,  wie  es  auch  im  Harn  enthalten  sein  mochte ;  die  auf'  24  St 
den  bezüglichen  Zahlen  sind  das  Mittel  aus  einer  je  zwölf  Tj 
dauernden  Versuchsreihe;  die  Zahlen  der  letzten  Columuc  stel 
den  Unterschied  dar,  der  nach  Verlauf  von  zwölf  Tagen  zwiscl 
der  Einnahme  von  Kochsalz  und  der  Ausgabe  desselben  durch  ( 
Harn  stattfand;  der  Unterschied  wurde  als  positiv  bezeichnet,  w( 
die  Einfuhr,  als  negativ,  wenn  die  Ausgabe  überwog.  —  Die  J 
nähme  konnte  ohne  Störung  der  Kothbildung  nicht  über  33  ' 
täglich  gesteigert  werden.  Die  Versuche  wurden  in  der  Eeih 
folge  angestellt,  in  der  sie  hier  niedergeschrieben  wurden. 


1^ 


Mittlere 
Temperatur. 


THgl. 
Na  Cl-Aufnahme, 


+  8,25  0 
9,8 
16,5 
16,1 
12,5 
16,5 
14,2 


33.6  Gr. 

28.7  „ 
19,0  „ 
14,2  „ 

9,3  „ 

1,5  „ 

23,9  ,, 


Tägl. 

Tiigliclies 

Verliältniss  zwi- 

Unterschic 

schen  Ein- ii.Aus- 

der  Na  Cl-Aui 

Na  Cl-Au3sohei- 

Harnvolumen 

fulir  desNaCl. 

Einfuhr  > 

dung. 

in  C.  C. 

Zufuiir=l. 

in 

12  Tage| 

27,3 

2309 

0,76 

-75,6g| 

24,06 

2278 

0,79 

-56,4  ,, 

17,05 

2455 

0,89 

-24,0  ,1 

13,57 
10,08 

2056 

0,96 

-  7,2  , 

2534 

1,06 

-  9,6  , 

3,77 

2162 

2,46 

—  27,6  , 

+  75,6 

17,63 

2384 

0,72 

Veränderlichkeit  der  Chloransscheidung  mit  der  Zufuhr.  399 

Diese  Zahlen  ergeben;  dass  im  Allgemeinen  mit  der  Aufnahme 
rch  die  Ausscheidung  des  Chlors  ansteigt,  jedoch  nicht  so,  dass 
umer  gerade  so  viel  entleert  wird,  als  verzehrt  war.  Geht  man 
m  den  grössten  Chlormengen  abwärts,  so  ergiebt  sich,  dass  an- 
iQglich  die  Auinahme  die  Ausscheidung  überwiegt,  dass  dann  'ein 
ankt  kommt,  in  welchem  sich  beide  das  Gleichgewicht  halten  und 
sss  bei  noch  weiter  vermindertem  Chlorgehalt  der  Nahrung  der 
SS  Harns  tiberwiegt.  Betrachtet  man  dann  das  Verhältniss,  in 
iblchem  das  Cl  der  Nahrung  und  des  Harns  zu  einander  stehen 
lol.  6),  so  zeigt  sich,  dass  relativ  zur  Nahrung  um  so  weniger 

durch  die  Niere  'geht,  je  reichlicher  es  in  den  Speisen  vertreten 
nr.  Inwieweit  das  beträchtliche  Missverhältniss,  welches  die  erste 
srsuchsreihe  zwischen  dem  Cl  der  Nahrung  und  des  Harns  auf- 
!3ist,  abhängig  ist  von  einer  Anhäufung  des  Chlors  in  den  Säften 
4er  von  einer  vermehi*ten  Ausgabe  durch  Schweiss  und  Koth,  diess 
aiss  wegen  mangelnder  Beobachtung  unentschieden  bleiben.  Jeden- 
Os  wird  ein  Theil  des  nichterscheinenden  Chlors  dazu  verwendet, 
IQ  den  Gehalt  der  Säfte  an  Chlor  zu  steigern.  Denn  es  ist  die 
eenge  des  Harnchlors,  welche  an  einem  beliebigen  Tage  beobach- 
tt  wird,  nicht  aliein  abhängig  von  der  Chlormenge  der  Nahrung, 
i  diesem  Tag,  sondern  auch  von  der  in  den  vorhergehenden  ge- 
»ssenen.  Dieses  zeigt  sich  am  klarsten,  wenn  man  von  einer 
wchsalzarmen  Kost  zu  einer  kochsalzreichen  übergeht.   Dann  wird 

den  ersten  Tagen  nach  dem  Wechsel  weniger  entleert  als  später, 
eenn  die  neue  Kost  einige  Tage  hindurch  gleichbleibend  inne- 
lähalten  wurde.  Das  Umgekehrte  gilt  bei  einer  umgekehrten  An- 
»dnung  des  Versuchs.  Da  diese  merkwürdige  Erscheinung  aus 
un  Mittelzahlen  der  obigen  Tabelle  nich^  zur  Genüge  einleuchtet, 
I)  dient  das  folgende  Beispiel  aus  den  Zahlen  von  Kaupp  zur 
eeitem  Erläuterung. 

Nachdem  12  Tage  lang  je  28  Gr.  NaCl  genossen  wurden,  wurden 
larauf  12  Tage  lang  nur  je  19  Gr.  verzehrt.  In  den  ersten  Tagen 
!3r  letzten  Reihe  wurden  21,38  Gr.,  in  den  letzten  derselben  Reihe 
*i,79  Gr.  NaCl  entleert.  Und  als  12  Tage  hindurch  1,5  Gr.  NaCl 
!3nossen  waren  und  dann  während  der  12  folgenden  Tage  auf 
!5,9  gestiegen  wurde,  entleerte  der  Harn  am  ersten  Tage  der  letzten 
feihe  13,2  Gr.,  am  letzten  Tage  derselben  Reihe  18,6  Gr.  NaCl. 

Für  eine  festere  Bindung  eines  Theils  des  thierischon  Chlors,  wie  sie  oben 
-iangprucht  wurde,  tritt  ein  das  ungemein  rasche  Absinken  dos  Chlors  im  Harn  nach 
■Jier  an  diesem  Element  magern  Nahrung.    Da  die  meisten  thierischon  Säfte  mehr 


400 


Vcrändorlichkoit  der  Chloraussclieidung  aus  andern  Gründen. 


als  0,5  pCt.  CMorsalzo  enthalten,  so  kann  in  ihnen  glicht  in  dem  J^aause  wie  im 
das  Chlor  abgenommen  haben ;  also  mindert  sich  die  Ausscheidung  nicht  dirukl  i 
portional  dem  Cl-Gehalt  des  Thieres.  —  IHir  irgendwelche  Verwandtschaft 
Chlors  zum  Blut  spricht  auch  die  Beobachtung,  dass  der  Harn,  der  mehrere  Stunc 
in  dem  zugebundenen  Ureter  eingefangen  blieb,  einen  viel  geringeren  prozentischen  Gel 
an  Chlor  besass,  als  dem  Blut  gewöhnlich  eigen  ist;  dieses  ist  aus  den  bekann 
Kegeln  über  Diffusion  unerklärlich  (Hermann). 


2)  Bei  gleichbleibender  Kochsalzkost  gelten  dieselben  Rege 
welche  flir  die  Harnstoffausscheidung  entwickelt  sind.   Es  mel  ^ 
sich  das  NaCl  mit  dem  ausgeschiedenen  Harnvolum,  mit  der  a 
nehmenden  Wärme  der  Atmosphäre,  mit  der  Häufigkeit  der  Hai 
entleerungen  aus  der  Blase,  und  es  macht  sich  auch  hier  die 
dividualität  der  Niere  geltend.    Körperbewegungen  machen, 
nachdem  sie  Schweiss  oder  keinen  bedingen,  die  Ausscheidui 
geringer  oder  stärker.    Die  Tabelle  giebt  hierliber  einige  Mitt' 
zahlen. 


1  i 


Nahrung. 

Harnmonge 
in  CO. 

Ol  in  Gr. 

Bemerlrangen. 

Beobachte 

Dieselbe  ohne  Wasser  . 

(  1252 

7,78 

Gemischte  „         o  • 

(  1259 

7,68 

mit  Bewegung. 

Nahrung  mit  2000  CG. 

(  3251 

9,01 

Wasser  ausser)  der  Mahl- 

'Genth. 

Wasser  .  .  . 

1  3175 

9,48 

„  während)  zeit. 

„       mit  4000  C.  C. 

j  5514 

9,48 

Wasser  .  .  . 

\  5070 

8,33 

mit  Bewegrung. 

Der  Veränderung  des  Harnchlors  mit  den  Tageszeiten  ist  no( 
wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden.   Hegar  giebt  an,  dai 
er  bei  gewöhnlicher  Kost  in  je  einer  Stunde  abschied:  Nacl  e 
mittags  von  1  bis  10  Uhr  =  0,807  Gr.,  Nachts  von  10  bis  7  Ul 
=  0,280  Gr.  und  Morgens  von  7  bis  1  Uhr  =  0,783  Gr.  —  Yoi 
hat  den  Kochsalzgehalt  seines  Harns  von  Stunde  zu  Stunde  an  dem  Tag 
bestimmt,  an  welchem  er  dasselbe  für  den  Harnstoff  unternahm  (p.  386 
Construirt  man  aus  einer  Zahl  die  Curve  der  Kochsalzschwankunj 
so  sieht  man  sie  ungefähr  der  des  Haruvolums  gleichlaufen,  uanien 
lieh  zeigt  sich,  dass  wenige  Stunden  nach  dem  Essen  schon  eil 
grosser  Theil  des  damals  aufgenommenen  Kochsalzes  wieder  aiv 
tritt.    Aehnliches  fand  Hinkelbein;  die  Steigerung  der  stiinu  j 
liehen  Entleerung  nimmt  nach  dem  letztern  Beobachter  auch  mii 
dem  Salz  der  Nahrung  zu,  doch  nicht  in  dem  Maasse  wie  dai| 
letztere. 


Schwefelsäure;  ihre  Beziehung  zum  Harnstoff. 


401 


Die  Schwefelsäure*)  des  Harns  ist  an  Alkalien  gebunden, 
ae  Scliwefelsäure,  welche  dem  Blut  zugebracht  wird,  geht  ohne 
iiifeuthalt  von  dort  wieder  weiter ,  denn  man  findet  daselbst  immer 
rr  sehr  wenig  aufgehäuft;  dabei  steht  jedoch  nicht  Zeit  um  Zeit 
rr  Zu-  und  Abgang  im  Gleichgewicht,  sondern  es  übemiegt  er- 
^rungsgemäss  in  engen  Grenzen  bald  der  Zu-  und  bald  der  Ab- 
58S.  —  Das  Blut  wird  in  Folge  zweier  Vorgänge  mit  SO3  ge- 
isist, nämlich  durch  Umsetzung  der  Leimbildner  und  der  Eiweiss- 
ten,  oder  durch  Aufnahme  von  kahschen  Verbindungen  des  Schwefels 
?3r  der  Schwefelsäure  aus  dem  Inhalt  des  Darmes.    Was  den 
tten  Hergang  betrifft,  so  wird  nicht  aller,  sondern  nur  der  grösste 
teil  des  eingewachsenen  Schwefels  in  SO3  umgesetzt;  ein  andrer 
llt  mit  den  Haaren  und  Hautschuppen  ab,  ein  noch  andrer  geht 
'Taurin  durch  den  Darmkanal  fort.  Trotzdem  kann  man  den  Satz 
tten  lassen,  dass  die  SO3  dem  Blut  in  dem  Maasse  zuwächst,  in 
Uchem  Eiweiss  aus  Leimbildnern  zersetzt  werden.   Mit  der  Nah- 
ig nehmen  wir  zwar  S-  und  SOs-Verbindungen  nicht  absichtlich, 
ihl  aber  in  zufälliger  Beimischung  auf;  da  auch  ausserdem  die 
iannten  Stoffe  zu  den  Arzneimitteln  zählen,  so  könnte  der  Zu- 
lag  der  Schwefelsäm-e  zum  Blut  nicht  allein  sehr  veränderlich,, 
(dem  er  würde  auch  unter  Umständen  sehr,  gross  sein,  wenn  sie 

I  ihre  Verbindungen  ohne  merkliche  Hindernisse  die  Darmwand 
fchdringen  könnten.  Diese  letztern  bedingen  es,  dass  der  grösste 
;}il  der  genossenen  SO3  aus  dem  After  wieder  austritt.  —  Die 
uwefelsäure ,  die  durch  das  Blut  hindurch  auswandert ,  thut  dieses 

II  gi-össten  Theil  durch  die  Niere ,  zum  kleinsten  durch  die  Haut. 
Der  Inhalt  der  vorstehenden  Einleitung  verlangt ,  dass  die  täg- 

ce  Menge  der  SO3  1)  mit  der  Harnstoffausscheidung  wachse  und 
ee  und  dass  das  entleerte  SO3-  und  Hamstoffgewicht  ein  be- 
lamtes  Verhältniss  zu  einander  einhalten,  vorausgesetzt,  dass 
11  die  Nahning  unverändert  erhält.  Die  Gleichläufigkeit  von  SO3 
[  Harnstoff  ist  aber  nur  dann  zu  erkennen ,  wenn  man  den  Harn 
mehreren,  statt  aus  nur  einem  Tage  zur  Bildung  von  Mitteln 
tutzt.  Denn  Eiweiss-  und  Leimbildner  zerfallen  nicht  gleich  so, 
>8  ihr  S  und  N  in  SO3  und  Harnstoff  eingehen,  sondern  sie  bethei- 

I)  Simon,  Mediz.  Chemie.  H.  Bd.  p.  474.  —  Dumas,  Clilmle  pliysiologlque.  Paris  1840. 
19.—  Ornner  in   Sc  Ii  er  er' s  Jaliresb.  fUr  pliysiolog.  Chemie,  f.  1862.  p.  122.—  Buch- 

n,  ibid.  1854.  109.  —  Bence  Jones,  Philosophlcal  transiicticms.  1849.  n.  Tlil.  p.  262  und 
.  1850.   p.  «61.  —    Bldder  und  Schmidt,  Veidaiiiingssiifto.  p.  290  und  313.  —  Ciarc, 

entin's  Jahresbericht  fUr  1865.  103.—  Ausserdem  die  öfter  genannten  Abhandlungen  von 

Ith  und  M  Osler. 

iliudwig,  Physiologie  Ii.   2.  Auflage. 


402 


Schwefelsäure ;  ihre  Beziehung  sium  8-Qehalt  der  Nahrung. 


ligen  sich  erst  noch  an  der  Bildung  von  andern  Atomgruppen  , 
unabhängig  von  einander  das  letzte  Ziel  erreichen.     Also  k; 
trotz  gleichen  Ausgangspunktes  wechselnd  bald  die  SO3  und  b 
der  Harnstoff  den  Vorsprung  im  Laufe  zu  den  Nieren  haben. 

Je  nach  der  Nahrung,  dem  Tauringehalt  des  Kothes  u.  s.  w.  wird  sich  die 
hältuisszahl  zwischen  dem  HamstofF  und  der  Schwefelsäure  ändern;  bei  Genth 
sie  in  5  miteinander  vergleichbaren Keihcn  zwischen  14,5  bis  16,5;  bei  Mos  1er  in 
längeren  Reihen  der  Versuchspersonen  10.  11.  12.  zwischen  13,3  und  14,1.  Die 
weichungen  sind  in  Anbetracht  der  grossen  Schwierigkeit  und  der  geringen  Aus 
nung  der  Untersuchung  wenig  beträchtlich.  Vergleicht  man  das  Verhältniss  srwischen 
N  und  dem  S  in  den  genannten  Stoffen  des  Harns  mit  dem  in  dem  Eiweiss  und 
Leimbildnern,  so  sieht  man,  dass  es  etwa  dem  des  Caseins  gleichkommt;  es  liegt 
in  der  Mitte  zwischen  der  Verhältnisszahl  der  genannteil  Stoffe  in  Albumin  und  1 
wie  zu  erwarten  war. 

Da  die  Ausscheidungsmittel  von  SOs  und  Harnstoff  um  so 
nauer  einander  parallel  laufen,  je  mehr  sich  die  Beobachtungszai 
den  wahren  Mitteln  annähern,  so  kann  rücksichtlich  der  Aenderun^ 
die  die  tägliche  Schwefelsäuremenge  des  Harns  erfährt,  durch 
auf  den  Harnstoff  hingewiesen  werden.   Ausgenommen  sind  na 
lieh  die  Fälle,  in  welchen  der  Harnstoff  nach  dem  Verspeisen 
S-freien  Atomen  auftritt.  —  Die  Uebereinstimmung  ist  dm-ch 
'Beobachtungen  von^  B.  Jones,    Gruner,  Lecanu,  Gen 
Mosler,  Cläre  u.  A.  bewiesen.  —  2)  Die  Zunahme  der  SO; 
dem  Harn  nach  der  Zumischung  einer  löslichen  Salzverbind^jj] 
zu  den  Speisen  ist  grösser,  wenn  MgO  und  NaOSOs,  als  w 
verdünnte  S03,KaS,  oder  reiner  Schwefel  genommen  wird  (B. 
nes).    Ihre  Menge  mehrt  sich,  wenn  die  Aufenthaltsdauer 
Salze  im  Darmkanal  verlängert  wird;  durch  das  wülkürUche 
halten  des  Stuhls  oder  durch  Opium,  welches  die  laxii-ende  Wirki 
des  NaOSOs  aufhebt  (Buch  he  im). 

Die  folgenden  Mittelzahlen  sind  aus  der  Abhandlung  von  Gei 
genommen,  die  feste  Nahrung  war  immer  dieselbe  gemischte  K< 


111.1 

äc 

ll 

W 
% 


Wasserzusatz 

Tägl. 

zur 

Körperbeweg. 

Harnvolumen 

Schwefelsaure 

Nahrung  in  C.  C. 

in  C.C. 

in  Gr. 

geringer 

1252 

2,5 

stärker 

1259 

3,1 

4000 

geringer 

5514 

3,3 

Itl 


i 


zeigt,  dass  erst  einige  Stunden  nach  dem  Genuss  von  schwej 
sauren  Salzen  sowohl,  wie  dem  des  Eiweisses  der  SOa-Gehalt  i 
Harns  sich  mehrt  (Bence  Jones);  dasselbe  geschieht  in  Foj 


Phosphorsäuro ;  Einleitung. 


403 


i  Körperbewegungen.  Nach  G runer  ist  Nachmittags  (das  Haupt- 
een  zwischen  2  und  1  Uhr  vorausgesetzt)  die  Abscheidung  in  der 
iteiuheit  am  stärkten,  schwächer  in  der  Nacht,  am  schwächsten 
rmittags. 

Phosphorsäure*).    Mit  Kali,  Natron,  Kalk  und  Magnesia 
dt  sie  im  Harn  basische,  neutrale  und  saure  Salze  dar. 
Der  Thierleib  beherbergt  einen  grossen  und  ständigen  Vorrath 
POö  und  dazu  wird  täglich  mit  der  Nahrung  neue  eingeführt; 
(vird  es  möglich ,  dass  das  Maass  der  Ausscheidung  und  der  Zu- 
sich  während  einer  längeren  Zeit  nicht  zu  entsprechen  brauchen, 
rohl  diess  fiir  gewöhnlich  der  Fall  ist.  —  Die  mit  Kalk  und  Bitter- 
verbundene  Phosphorsäure  kann  nur  geschöpft  werden  aus  den 
mbildnera  und  Eiweissstoffen  entweder  unserer  Nahrung  oder 
esres  Leibes,  denn  diese  Erdsalze  können  erfahrungsgemäss  aus 
II  Darmkanal  nur  dann  in  das  Blut  kommen,  wenn  sie  mit  den 
Bannten  organischen  Körpern  in  Verbindung  sind.    Demnach  hat 
'line  gewisse  Wahrscheinlichkeit  füi-  sich,  dass  die  täglich  aus- 
ibhiedenen  phosphorsauren  Erden  den  Leim-  und  Eiweissstoffen 
eshört  haben,  welche  zur  Zeit  zerstört  worden  sind;  somit  würde 
Entleerung  durch  die  Niere  ungefähr  nach  den  bei  der  SO3 
Harns  aufgestellten  Grundsätzen  zu  beurtheilen  sein.  Anders 
liält  es  sich  mit  den  phosphorsauren  Alkalien;  sie  sind  gelöst 
ßlute,  namentlich  in  dessen  Körperchen,  im  Muskelsaft  u. s. w., 
.•sie  überall  für  das  Leben  thätig  sind,  und  ausserdem  gehen 
lleicht  aus  dem  Dann  in  das  Blut  über.   Auf  sie  würde  also 
beim  Na Cl  Gesagte  anwendbar  sein;  es  besteht  nur  der  Unter- 
eed,  dass  die  aus  der  Nahrung  in  Verbindung  mit  Alkalien 
(iefühi'te  Phosphorsäure  sich  vollständig  durch  den  Harn  entleert, 
sti  ist  die  Steigerung,  welche  das  phosphorsaure  Natron  des 
iQS  in  Folge  eines  vermehi'ten  Genusses  erfahren  kann,  enger 
ibei  NaCl  begrenzt,  indem  es  stärker  abführend  wirkt;  die 
mwand  scheint  nicht  befähigt,  den  Tag  über  mehr  als  4  bis  8  Gr. 
krystallwasserfreien)  2NaOHOP05  zum  Blute  durchzulassen. 
Im  Einzelnen  lässt  sich  über  die  tägliche  Mengen  sagen:  l)wenn 
veder  gar  keine  feste  Nahrung  oder  eine  Nahrung  von  gleicher 
idtativer  Zusammensetzung  in  ungleichen  Mengen  denselben  oder 
i  verschiedenen  Individuen  gegeben  wird,  so  ändert  sich  zwar 

iri^i7räe8»enl.nnalcn.  60.  Bfl.  p.  180.  -  Bencc  Jones,  Phllosophical  transnctlons. 
.p.  335.  -  Winter,  In  Scherer'B  Jahresberiobt  fUr  1662.  p.  322,  -  Moaler,  ibid.  für 

p.  134.  —  lirecd,  L  ie  big '8  Anualeii.  78  Bd.  p.  150.  -   DunlUcnbcrg,  Ibid.  98.  Bd. 

—  K 1  c  1 7. 1  n  8  ]<.  y  ,  in  S  c  Ii  er  e  r'  s  Jnlu-esberlcht  Uber  pbyslol.  Clicftile.  1862.  125. 

'26* 


404 


Tägliche  Menge  der  Phosphorsäuro  im  Harn. 


die  absolute  Menge  der  PO5,  aber  ihr  Verhältniss  zum  Harns 
bleibt  annähernd  dasselbe.  Diese  Regel  findet  jedoch  nur  d 
ihre  Bestätigung,  wenn  man  die  Mittelzahlen  aus  verschiede 
Beobachtungsreihen,  von  denen  jede  mehrere  Tage  umfasst, 
einander  vergleichen  kann.  Demnach  finden  alle  für  Haras 
ausscheidung  entwickelten  Regeln  auch  hier  ihi-e  volle  Anwendi 
den  Fall  nattirlich  ausgeschlossen,  in  welchem  der  Harnstoff 
phosphorsäurefreiem  Rohstoff  gebildet  wird. 

Bei  verschiedener  Nahrung  muss  die  Verhältnisszahl  zwischen  POs  und  '. 
Stoff  noch  viel  mehr  sich  ändern,  als  unter  den  gleichen  Umständen  bei  SO3,  w 
der  grossen  Abweichungen  der  Eiweiss-  und  Leimstoffe  an  phosphorsauren 
mengungen.  Beseitigt  man  in  der  Beobachtungsreihe  von  C.  Schmidt*)  die  bi 
ersten  Tage,  weil  sie  noch  die  Nachwirkung  der  Pütterung  enthalten,  und  theil' 
übrige  Zeit  bis  zum  Hungertode  in  3  Theile  und  zieht  aus  jedem  das  Mittel,  so 
hält  sich  in  den  zwei  ersten  5  Tagen  der  Harnstoff  zur  PO5  =  17:1,  und  in 
letzten  5  Tagen  =  19:1.  In  5  mit  einander  vergleichbaren  Eeihen  von  ß  e 
schwanken  die  Verhältnisse  zwischen  1:10,8  bis  13,5;  bei  den  Mosler'schen 
sonen  10.  11.  12.  zur  Zeit  des  reichlichen  Wassertrinkens  zwischen  1:7,2  bis  7,7. 

2)  Das  mit  der  Nahrung  in  das  Blut  aufgenommene  phosp 
saure  Natron  wird  in  dem  Maasse  durch  den  Harn  ausgeschiei 
in  dem  es  aufgenommen  wurde;  nur  dann  tritt  in  der  vom  N 
und  von  derSOs  her  schon  bekannten  Weise  ein  Defizit  oder  ein  üe 
schuss  ein,  wenn  von  einer  bisher  an  PO5  armen  Nalu-ung  zu  e 
daran  reichen  oder  umgekehrt  übergegangen  wird,  indem  sich 
Folgen  einer  Kost  auch  noch  einige  Tage  hindurch  geltend  mac 
wenn  man  sie  auch  schon  verlassen  hat,  weil  unter  ihrem  Einl^, 
der  VoiTath  des  thierischen  Körpers  an  Phosphorsäure  sich  änd( 


Tägl.  PO5  des 
Harns  in  Gr. 


3,7 
3,6 
3,8 
4,0 
5,1 
4,5 


Feste  Nahrung. 


dieselbe 
gemischte 
Kost 

reichlich 
mässig 


Wasser. 


2000  C.C. 
4000  „ 


Körperbewg. 


weniger 

mehr 

weniger 

weniger 

mehr 

weniger 


Tägl.  Harn- 
menge in  C.C. 


1252 
1259 
3175 
5514 
3000 
1700 


Körpergew. 
in  Kilo. 


74,5 


67 


Beobac 


Genth 


Mösle: 


In  den  nun  folgenden  Beobachtungen  wurde  der  Nahrung  2NaOP05  zugesetzt  j, 


3,0 
4,1 
5,3 
6,1 


dieselbe 


"iGr.POsin 
„>dem  tägl. 
3i2NaO,P05 


>  dieselbe 


2774 
2988 
3010 
3058 


58 


Sick. 


Nach  Kaupp  und  Sick  soll  Nacht  und  Tag  die  PO5 
Scheidung  gleichmässig  vor  sich  gehen;  nach  Mos  1er,  Vo; 
Winter  wächst  nach  der  Hauptmahlzeit  das  stündhche  Mittel 


»)  Biddtr  und  Schmidt,  Verdainnigsgiifte.  p.  310. 


Verhältniss  der  phosphorsauren  Erden  zu  den  gleichnam.  Alkalien ;  Oxalsäure.  405 

icht  wenige  Stunden  nach  demselben  seinen  Gipfel  und  fällt 
in  wieder  durch  Nacht  und  Morgen  bis  zum  Mittagsessen.  Die 
1  Vogel  aufgeführten  Zahlen  widersprechen  eben  so  oft  seiner 
•ol,  als  sie  dieselbe  bestätigen. 

Vach  Dunklenberg  giebt  die  Methode  von  Liebig,  nach  welcher  die  mit- 
fon  Bestimmungen  geschehen  sind,  zu  hohe  Werthe. 

,  lieber  das  Verhältniss  der  phosphorsauren  Erden  zu  den  gleich- 
migen  Alkalien  sagen  die  vorliegenden  Untersuchungen  aus ,  dass 
ri  die  letztern  gradezu  mehren,  wie  der  Gehalt  der  Speisen  an 
fön  zunimmt  (Sick),  und  zwar  soll  sich  das  phosphorsaure  Kali 
Harns  mehren  nach  dem  Genuss  von  phosphorsaurem  Natron 
(öcker).  —  Die  phosphorsauren  Erden  des  Harns  nehmen  zu, 
nn  sich  das  Leben  auf  Kosten  der  Eiweissstoffe  erhält,  also 
Ih  Fleischkost  (Bence  Jones,  Lehmann)  und  nach  Muskel- 
ttrengungen  ( M  o  s  1  e  r  ).  Unter  sonst  gleicher  Nahrung  und  Muskel- 
Regung  nehmen  die  erdigen  Phosphorverbindungen  im  Harn 
ein  Geringes  ab,  wenn  die  alkalischen  daselbst  zunehmen 
ick).  —  Das  Verhältniss  zwischen  der  Magnesia  und  dem  Kalk 
fsehr  wechselnd. 

Als  Beispiele  für  das  Vorstehende  können  dienen:  Lehmann  entleerte  bei 
iihnlicher  Kost  täglich  1,1  Gr.,  bei  Fleischkost  3,6  Gr.  phosphorsaure  Erde.  Als 
Harn  Ton  Sick  2,1  Gr.  HO,  2NaO, PO5  enthielt,  kamen  0,69  phosphorsaure 
len  darin  vor;  als  das  erstere  6,1  Gr.  betrug,  sanken  die  Erden  auf  0,41. —  N eil- 
te r  fand ,  dass  im  Mttel  auf  l  Aeq.  3  CaO  PO5  etwa  3  Aeq.  2  MgO  PO5  entleert 
Men.  Im  einzelnen  Fall  weicht  jedoch  das  Verhältniss  sehr  bedeutend  von  dem 
hhnten  ab.  ' 

Kieselsäure  in  geringer  Menge  (Berzelius,  Dunklenberg). 

Oxalsäure*).  Mit  Kalk  in  Lösung  zwar  häufig,  aber  in  ge- 
;';er  Menge;  das  Salz  ist  im  sauren  phosphorsauren  Natron  des 
^•ns  gelöst;  dann  mit  Kalk  in  fester  Form  und  zuweilen  auch  mit 
aalien  verbunden. 

Man  leitet  die  Säure  ab  aus  der  Verwesung  der  Eiweisskörper 
.  insbesondere  aus  der  eines  ihrer  Abkömmlinge,  der  Harnsäure.  — 
"dein  beständigen  und  häufigen  Vorkommen  dieser  letztern  Säure  in 

Geweben  mUsste  demnach  die  Oxalsäure  sehr  reichlich  im  Hai-n 
imden  werden,  wenn  sich  nicht  noch  besondere  Bedingungen 
;Kufinden  hätten,  vermöge  welcher  die  bei  der  Oxydation  der 
msäure  entstehende  Oxalsäure  in  CO2  umgewandelt  wurde.  — 
IQ  behauptet,  dass  die  Erscheinung  der  Oxalsäure  im  Harn  begünstigt 


")  C.  Schmidt,  1^.0.  388.  —  Lehmann,  Phys.  Chem.  I.  Bd.  47.  —  Noubnuor,  Analyse 
lirtam«.  3. Auflage.  104.  —  Plotrowsky,  Meissncr's  Jahresber.  für  1866.  269. 


406 


Kohlensäure;  feuerbeständige  Basen  des  Harns. 


3(1 


werde  durch  den  Genuss  kohlensäurehaltiger  Getränke  (Dnn  i 
Wilson,  Lehmann).  —  Man  führt  2.  die  Oxalsäure  des  II:, 
zurück  auf  die  oxalsauren  Salze  der  Nahrung  (Piotrowsky) 

Wöhle r,  Frerichs,  Neubauer,  Galloie  haben  bei  ihren  schon  crwäl 
Fütterungen  mit  Harnsäure  nur  zuweilen  eine  Vermehrung  der  Oxalsäurebildung 
gewöhnlich  aber  keine  solche  gefunden ;  also  muss  auch  die  auf  diesem  Wege 
gedrungene  Säure  in  Harnstoff  und  CO2  zerfallen. 

Kohlensäure*).    Der  Harn  enthält  verdunstbare  und  ge 
dene  CO2;  über  beide  siehe  bei  den  Gasarten  des  Harns. 

Die  feuerbeständigen  Basen**)  des  Harns  (Kali,  Nat 
Kalk,  Magnesia).    Ohne  genauere  Untersuchungen,  als  sie  bi 
erfahren,  lässt  sich  über  ihre  Aenderung  im  Harn  wenig  allget 
Gültiges  sagen. —  1)  Die  SO3,  CIH,  Oxalsäure  kommen  im  Harn  im 
mit  Basen  und  zwar  zu  neutralen  Salzen  verbunden  vor; 
mehren  sich,  vorausgesetzt,  dass  der  Ammoniakgehalt  des  H 
ungeändert  bleibt,  mit  jenen  Säuren  auch  die  Basen.  —  Für 
PO5  gilt  aber  auch  dieses  nicht  einmal,  da  sie  in  neutralen 
sauren  Verbindungen  auftritt.  — .  2)  Die  Säuren  können  mit  a 
fixen  Basen  verbunden  sein,  also  sagen  die  bekannten  Verhältn 
der  erstem  zueinander  nichts  aus  über  diejenigen  der  Basen. 
Hiervon  macht  vielleicht  die  SO3  eine  Ausnahme,  die  man  bi 
noch  nicht  mit  CaO  vereinigt  fand,  aber  wohl  nur  darum,  wei 
Verhältniss  zur  Menge  der  Basen  immer  nur  wenig  SO3  in  den  E 
übergeht.  —  3)  Im  Allgemeinen  wird  zwar  jede  der  Basen  in 
^laasse  aiisgeschieden ,  in  welchem  sie  in  das  Blut  geführt  v 
und  soweit  wir  wissen,  gilt  dieses  ausnahmslos  für  die  Erden 
Auch  soll  durch  eine  Vermehrung  des  löslichen  Kalks  in  der  1 
rung  sich  die  Magnesia  des  Harns  und  durch  eine  Steigening 
Magnesia  die  des  CaO  nicht  mehren  (Wagner).  Andres 
in  dieser  Beziehung  von  den  fixen  Alkalien,  denn  es  soll  di 
einen  vermehrten  Genuss  von  Natronsalzen  das  Kali  (Böck 
und  nach  einem  gleichen  von  Ammoniaksalzen  das  Natron  und 
vermehrt  ausgeschieden  werden ,  daraus  könnte  man  folgern  wo 
dass  eine  lebhaftere  Bildung  von  Ammoniak  im  Thierleibe  s 
aus  diesen  alle  oder  wenigstens  den  grössten  Antheil  seiner  fl| 
Kalien  austreiben  könnte.    Hiergegen  spricht  freilich  der  sta 
Gehalt  vieler  Gewebe    nicht  allein  an   fixen  Alkalien,  sond 
sogar  an  Kali  oder  Natron.   Also  muss  jener  Tausch  nur  in 


Di' 

tni 


•)  Marchand,  Journal  für  prakt.  Chemie.  44.  Bd.  250, 
•»)  Wilde,  Va!  entin's  Jahreaber.  für  185C.  p.  97.  —  W  «  gn  c  r ,  ibid.  p.  08.  —  DaiM 


bei  den  Säuren  angezogenen  Schriften. 


Verhältniss  zwischen  Säuren  und  Basen  des  Harns. 


407 


läränkten  Grenzen  möglicli  sein.  —  4)  Man  sollte  erwarten,  dass 
Boh  dem  gesteigerten  Eindringen  von  solchen  Säuren  in  den  Thier- 
ib,  deren  Salze  dort  keine  bleibende  Stätte  finden,  die  Alkalien, 
fclche  aus  dem  stetigen  Vorratli  des  thierischen  Körpers  zur  Bin- 
mg  derselben  benutzt  wurden,  auch  vermehrt  ausgeschieden  würden, 
jigegen  erheben  sich  aber  Versuchsreihen  von  Buchheim» (bei 
iilde),  der  nach  Genuss  von  SO3,  PO5,  Oxal-  und  Weinstein- 
aare, so  wie  nach  dem  von  MgO  SO3,  welche  ebenfalls  die  SO3  des 
nrns  mehrte,  keine  Steigerung  der  Harnalkalien  gewahr  wurde. 

Das  Verhältniss  der  Säure  zu  den  Basen*).  Die  An- 
tben  über -das  Uebergewicht  der  Säure  oder  Alkalien  im  Harn 
fcen  natürlich  keine  Auskunft  über  das  tägliche  oder  stündliche 
ihren  des  einen  oder  des  andern  Atoms;  denn  es  konnte  ebenso 
tt  im  sauren  wie  im  alkalischen  Harn  die  tägliche  Säuremenge 
Tmehrt  oder  vermindert  sein.  Die  Resultate  der  Untersuchung 
eer  die  Reaktionen  des  Harns  sind  nichtsdestoweniger  und  beson- 
rrs  für  den  Arzt  von  Belang. 

Die  saure  Reaktion  des  Harns  rührt  vorzugsweise  von  sauren 
Uzen,  insbesondere  von  saurem  phosphorsauren  Natron  her,  sie 
mn  aber  auch  von  ungebundenen  Säuren  abhängen.  Da  die 
iiwachen  Säuren  des  Harns,  namentlich  die  Hippur-,  Harn-, 
Wüensäure,  aus  dem  neutralen  phosphorsauren  Natron  ein  Atom 
tsis  abspalten  und  saures  phosphorsaures  Natron  zurücklassen, 
kommt  es  auf  das  Verhältniss  jener  Säm-en  zum  phosphorsauren 
ttron  an,  ob  die  saure  Reaktion  von  dem  letztern  Salz  oder  von 
DQ  genannten  oder  auch  vielleicht  von  andern  Säuren,  z.B.  derMilch- 
mre  abhänge.  —  Der  saure  Har;i  wird  beobachtet  nach  dem  Ge- 
m  von  freien  Säuren,  namentlich  der  SO3,  PO5,  NO5,  CIH,  Ci- 
men-,  Weinstein-,  Bernstein-,  Benzoesäure,  dann  nach  der  Ein- 
iirung  von  Ammoniaksalzen,  selbst  nach  AmO CO2,  aber  nur  dann, 
«nn  der  Ammoniak  sich  im  thierischen  Körper  in  NO5  umwandelt 
.  Jones);  ferner  nach  dem  Genuss  von  Brod,  Obst,  Gemüse, 
(cker,  insofern  sie  die  Bildung  von  Milch-  und  Hippursäure  ver- 
llassen, femer  nach  einer  Fleischkost.  Aus  diesen  letzten  Mit- 
üilungen  geht  hervor,  dass  der  Harn  des  gutgenährten  Menschen 
»ist  sauer  ist.  —  Die  saure  Reaktion  kann  ferner  bedingt  sein 
rrch  die  sogen,  saure  Gährung  des  Harns,  welche  schon  in  der 


•)  Phllosophlcal  trannactions.  1849.  p.  2^7,  nnd  1860.  669.—  .7.  Vogel,  in  Neubauor's 
ilytc  des  Harns.  3.  Aufl.  289.  —  Eylnndt,  Cläre  und  C.  Wagner,  In  Valentln'a 
resberioht  Uber  Physiolog.  fUr  1855. 


408  Rcaction  des  Harns. 


bei 


Blase  ihren  Anfang  nimmt,  und  endlich  soll  sie  ein  Zeichen  fl 
die  Güte  der  Muskelkraft  und  der  Grösse  der  Muskelanstrengun 
des  Menschen  sein  (J.  Vogel).  —  Die  tägliche  Schwankung  di 
freien  Säure  im  Harn  soll  nach  gemischter  Kost  so  geschehen,  dai 
sie  kurz  vor  Tische  ein  Minimum  erreicht,  nach  Tische  anstei( 
und  in  der  Nacht  den  höchsten  Werth  erreicht  (J.  Vogel).  Da 
entgegen  fand  B.  Jones  bei  einer  immer  regelmässigen  Diät  at 
Fleisch  und  Kaffee  oder  aus  Fleisch,  Eiern,  Kartoffeln  und  Kaffe( 
dass  die  freie  Säure  ihr  Maximum  vor  dem  Essen  erreicht,  währen 
zur  Zeit  der  lebhaftesten  Magen -Verdauung  der  Harn  alkalisch  wa 
Die  alkalische  Reaktion  des  Harns  kann  abhängen  von  a 
kaiisch  reagirenden  Natron-  oder  Ammoniaksalzen.  —  Sie  tritt  ei 
nach  dem  Genuss  von  kaustischen  und  kohlensauren  Alkalien.  Ui 
sie  zu  erzeugen,  werden  für  verschiedene  Menschen  ungleich 
Mengen  jener  Stoffe  erfordert;  zuweilen  sind  ihre  Wirkungen  sei 
anhaltend,  so  dass  sich  die  alkalische  Reaktion  einen  Tag  uni  e 
mehr  nach  dem  Wiederaufhören  des  Natrongebrauehs  noch  fori  li 
erhält.    Auch  tritt  die  Wirkung  schnell  ein,  so  dass  z.  B.  eini  s 
Stunde  nach  der  Einnahme  von  NaO  CO2  der  Harn  alkalisch  ist  1 : 
Sie  tritt  ferner  ein  nach  dem  Genuss  von  essig-,  äpfel-,  Weinstein  -  cii 
citronensaurem  und  andern  pflanzensauren  Natronsalzen;  ferner  nacl  ( 
dem  Gebrauch  solcher  Stoffe,  die  in  thierische  Körper  in  pflanzen  ir 
saure   und   dann  in   kohlensaure  Alkalien   übergeführt  werdej  >- 
können ;  aus  diesem  Grunde  entleeren  die  gut  gefütterten  Pflanzen  1 
fresser  einen  alkalischen  Harn.    Doch  erzeugt  die  Pflanzennah runsl 
diesen  Erfolg  nicht  nothwendig,  namentlich  kommt  das  Gegenthei 
zum  Vorschein,  wenn  sie  nicht  die  nothwendigen  Alkalien  mit 
bringt,    oder  wenn  sich  aus  ihr  Säuren  erzeugen,  welche  nicli ) 
in  CO2  tibergeflihrt  werden  können.  —  Die  alkalische  Reaktior 
kann  ferner  bedingt  sein  durch  die  alkalische  Gährung  des  Hain^ 
in  der  Blase;  sie  soll  endlich  muskel-  und  nervenschwachen  Indi 
viduen  eigen  sein. 

Don  Gehalt  an  freier  Säure  bestimmte  B.  Jones  und  Winter  nach  der  Meng« 
von  Kali,  welche  zur  Neutralisation  des  Harns  nothwendig  war. 

Wasser*).  Seine  tägliche  Menge  ist  sehr  veränderlich.   1)  Die  ' 
Niere  regelt  vorzugsweise  den  Abfluss  des  Wassers  aus  den  Thier 
leib,  sie  bestimmt  so  zu  sagen  den  mittlem  Prozentgehalt  des  Ge- 


»)  J.  Vogel,  Archiv  für  gemeinschaftliche  Arbeiten.  I.  Bd.  p.  9G.  —  Scheffcr,  Valentin'« 
Jahresbericht  fiir  1853.  p.  1B7.—  Falle,  Archiv  für  physiologische  Hcillcnndc.  XI.  Bd.  126  n.  754.-' 
Derselbe,  ibid.  Xn.  Bd.  ISO.  —  Klerulf,  Henle's  und  Pfeufor's  ZeiUohrift.  N.  F.  III.  273- 


Wasser  des  Harns. 


409 


imtthieres  an  Wasser.   Demnach  wird  das  Maass  ihrer  Wasser- 

i  heidrmg  in  erster  Linie  bestimmt  durch  den  Flüssigkeitsrest, 
Ii  er  bleibt,  wenn  man  von  dem  Wasser  der  Getränke  und 
iten  Speisen  dasjenige  abzieht,  was  durch  Haut,  Lunge  und 

"1  weggeht.    Dieser  Rest  — und  somit  das  Haravolum —  kann 
lieh  umfangreich  sein  trotz  einer  grossen  Thätigkeit  der  andern 

-<erausscheider,  er  kann  klein  sein  trotz  einer  Ruhe  der  letztern; 

kann  sich  endlich  im  quantitativen  Gegensatz  zu  dem  durch 
e  und  Haut  austretenden  Wasser  befinden.   Indem  nicht  alle 

liehen,  sondern  nur  die  zuletzt  erwähnten  Fälle  berücksichtigt 
1  den,  kam  man  dazu  einen  sog.  Antagonismus  zwischen  Lungen- 
.  Hautthätigkeit  einerseits  und  der  Nierenarbeit  anderseits  hin- 
ttellen.  Dieser  Ausdruck  entspricht  nicht  den  Thatsachen ,  wenn 
Ibedeuten  soll,  dass  Haut,  Lunge  und  Niere  nicht  gleichzeitig 
iag  sein  könnten;  es  ist  dagegen  nichts  gegen  ihn  einzuwenden, 
im  er  nur  sagen  will,  dass  die  genannten  Werkzeuge  ihr  Wasser 

derselben  Quelle  beziehen,  so  dass  sich  ihre  Ausgaben  gegen- 
iig  beschränken.  —  Obwohl  sich  nun  das  Maass  von  Wasser, 
iches  durch  die  Niere  wandert,  im  Allgemeinen  anpasst  dem 
Ifang,  in  dem  Wasser  genossen  und  an  andern  Orten  aus- 
[ohieden  wird,  so  geschieht  dieses  doch  nicht  so,  dass  man  sagen 
mte,  es  sei  wie  in  einem  mit  Zu-  und  Abflussrohr  versehenem 
ssserbehälter  Eintritt  oder  die  Anwesenheit  von  Wasser  auch  die 
aache  des  Austritts ,  mit  einem  Wort ,  beide  Vorgänge  entsprechen 
einander  nicht  mit  Rücksicht  auf  die  Zeit.   Denn  bald  entleert 

.  in  Stunden  oder  Tagen  mehr  und  bald  weniger  als  aufgenommen 
•  de;  so  dass  der  Wassergehalt  des  Gesammthieres  um  einen  be- 
iimten  Mittelwerth  von  einer  zur  andern  Zeit  auf  -  und  abschwankt, 
rrdurch  werden  aber  offenbar  selbst  wieder  Kräfte  rege  gemacht, 

zhe  den  Einfluss  des  genossenen  Wassers  verstärken  oder  ab- 
wächen,  so  dass  z.  B.  ein  reichlicher  Trunk,  den  ein  relativ 
i-serarraes  Individuum  thut,  weniger  auf  den  Harn  wirkt,  als 
m  er  in  ein  wasserreicheres  einging.  Kurz  es  kommt  hier  auf  die- 
een  Regeln  hinaus ,  die  wir  für  die  Ausscheidung  von  Na  Cl  u.  s.  w. 
m  kennen  lernten.  —  2)  Wie  di&  Menge  der  täglichen  festen  Harn- 
«andtheile  mit  demWassergenuss  wuchs,  so  bestimmt  umgekehrt  die 
iige  der  festen  löslichen  Stoffe  die  täglich  aus  der  Niere  gehen ,  das 
TichtdesHaniwassers;  dieses  beweist  sich  dadurch,  dass  die  Menge 
Jgelösten  Stoffe,  die  täglich  abgesondert  werden,  sich  richtet  nach 

i  Maasse,  in  welchem  sie  der  Niere  geboten  werden,  und  dass 


410  Wasser  des  EarsB. 

dabei  der  prozentische  Gehalt  des  Harns  an  festen  Stoffen 
obere  Grenze  nicht  llbersteigt;  so  wurde  namentlich  beim  Mensel 
noch  iiein  Harn,  der  über  9  pCt,  feste  Stoffe  in  Lösung 
Tjeobachtet ;  dieses  Verhältniss  würde  also  verlangen ,  dass  fUr  ei 
Gewichtstheil  Festes  mehr,  mindestens  täglich  9  flüssige  mehr 
geschieden  würden.  —  Damit  scheint  jedoch  die  obere  Grenze 
festen  Prozentgehaltes  noch  nicht  gegeben  zu  sein,  da  man  sc 
aus  dem  filtrirten  Hundehara  bis  zu  15  pCt.  Rückstand  gewaj 
Zudem  haben  wir  Ursache  zu  vermuthen,  dass  die  Mengen 
Wasser,  welche  zur  Entleerung  der  Gewichtseinheit  des  Festen  n  il 
wendig  ist,  mit  der  chemischen  Natur  des  letztern  sich  ändert, 
dass  namentlich  dieselbe  Menge  Wasser  mehr  Harnstoff  als  Zuc^lsi 
Na  Gl,  2NaOP05  u.  s.  w.  entleeren  könnte.  —  Beispiele  für 
Abhängigkeit  des  HarnAvassers  von  den  harnfähigen  festen  Sto: 
liegen  darin  vor,  dass  nach  Entziehung  aller  Flüssigkeit  doch  n 
Harn  abgeschieden  wird ,  dass  nach  Salzkost  oder  nach  vermeh 
Bildung  des  Leberzuckers  eine  Harnruhr  eintritt.   In  diesen  Fa 
wecken  die  bei  der  Ausscheidimg  des  Festen  thätigen  Vorgä 
eine  lü'aft,  die  genügend  ist,  um  den  Geweben  ihr  Stammwail« 
zu  entziehen,  mit  andern  Worten,  der  ^arn  führt  so  viel  und 
solchen  Orten  Wasser  mit  sich ,  dass  er  einen  lebhaften  Durst  her 
ruft;  wie  auch  umgekehrt  das  durch  Trinken  hervorgebrachte  \ 
harnen  Hunger  erzeugte. 

Viele  Diuretica  sollen  vorzugsweise  dadurch  wirken ,  dass  sie  den  Hamrüeks 
und  damit  das  Wasser  mehren  (Krämer).  —  Insofern  die  festen  Bestandtheile 
Harns  ungelöst  ausgeschieden  werden  (wenn  z.  B.  in  Krankheiten  die  Harnsäurf  jj, 
die  Stelle  des  Harnstoffs  tritt) ,  geht  nur  wenig  Wasser  aus  der  Niere  fort. 

3)  Um  die  schon  erwähnte  Erscheinung  zu  erklären ,  dass  o' 
einen  in  den  äusseren  Umständen  nachweissbaren  Grund  sich 
Tag  zu  Tag  die  Wasserausscheidung  ändert,  hat  man  schon 
lange  eine  Veränderlichkeit  der  in  der  Niere  selbst  liegenden 
dingungen   vorausgesetzt.     Dass    auch   in   der  That  jene 
dingungen,  sagen  wir  kurzweg  die  veränderliche  Nierenthätigi 
bestimmend  auf  die  Wasserausscheidung  eingreifen  kann,  dj)| 
sprechen  verschiedene  Erscheinungen.    Wird  die  Blutflüssigkeit 
dünnt  entweder  dadurch,  dass  der  nüchterne  Magen  mit  Wi 
angefüllt  wird  (Falk)  oder  noch  besser  durch  mehrere  in  10 
15  Minuten   aufeinander   folgende  Einspritzungen  von  massig 
Wassermengen  (Westphal),  so  wird  nicht  alsogleich,  sondl 
erst  nachdem  ein  Stunde  und  mehr  seit  der  ersten  EinspritzU 


lei 
ler 


Wasser  des  Harns.  4U 

rrflossen,  die  Haraausseheidung  gesteigert;  das  nun  folgende 
i'iwachsen  gestaltet  sich  aber  nicht  etwa  so,  dass  die  Harn- 
ssouderung  sich  steigend  bis  zu  einem  Maximum  und  dann  wieder 
tmählig  sinkend  bis  auf  den  Werth  vor  der  Einspritzung  sich  be- 
ugte, bis.  die  gesammte  Menge  des  neuhinzugekommenen  Wassers 
Beert  ist;  im  Gegentheil  es  steigt  die  Absonderung  regellos  auf 
cd  ab.  —  Hat  man  sich  gleichzeitig  beide  Ureteren  blosgelegt 
cd  fäng-t  den  Harn  jeder  Niere  gesondert  auf,  so  sieht  man  bald 
ibhts  nnd  bald  links  mehr  Harn  hervortreten;  hier  war  aber  das 
mt,  welches  durch  beide  Drüsen  strömt,  gleich  zusammengesetzt, 
cd  die  Ungleicheit  der  Absonderung  konnte  auch  nicht  in  einem 
ttstehenden  Unterschied  der  einen  von  der  andern  Seite  begründet 
in,  weil  dieselbe  auf  den  beiden  Nieren  in  der  Zeit  wechselte 
'oll,  Hermann).  Versuche  von  Hermann  lehrten  auch  die 
eerenthätigkeit  willkührlich  anzuregen.  Wenn  man  nach  ihm  den 
eeter  der  einen  Seite  unterbindet,  ihn  längere  Zeit,  etwa  1  bis 
•Stunden  geschlossen  lässt  und  ihn  dann  öfinet,  so  beginnt  nun 
rreh  längere  Zeit  hindurch  eine  profuse  Absonderung  eines  sehr 
Asserhaltigen  Harns,  während  die  Niere  der  andern  Seite  den 
im  in  gewöhnlicher  Weise  ausströmen  lässt.  — ■  Die  innern  in  der 
eere  für  die  Hamabsonderung  wirksamen  Bedingungen  sind  uns 
m  allerdings  wesentlich  unbekannt;  wir  haben  jedoch  die  Wahr- 
weinlichkeit  in  hohem  Grade  für  uns,  wenn  wir  zu  ihnen  zählen 
lerseits  den  von  den  Nerven  abhängigen  Zustand  der  Gefäss- 
fskeln,  wodurch  der  Querschnitt  des  in  die  Capillaren  führenden 
iitstroms,  also  auch  der  Druck  desselben  auf  seine  Wandungen 
dd  die  Berühnmgsfläche  desselben  mit  den  Harnkanälchen  geändert 
Yd ,  und  anderseits  dürfen  wir  dazu  rechnen  den  Widerstand,  den 

in  die  Harnkanälchen  ergossene  Harn  beim  Abfliessen  findet.  — 
iäre  der  erste  Theil  unserer  Voraussetzung  richtig,  so  würde  die 
asserausscheidung  steigen  mit  der  Erschlaffung  der  Gefässmuskeln. 
^8  dem  zweiten  Theil  würde  sich  dann  vielleicht  die  von  Kaupp 
■obachtete  Thatsache  erläutern,  dass  die  tägliche  Wasseraus- 
iieidung  sich  mindert,  wenn  der  in  der  Harnblase  angehäufte 
Jim  seltener  entleert  wird. 

4)  Bei  Krampfkrankheiten  soll  zuweilen  die  Wasserausschei- 
r:ng  durch  die  Nieren  vennehrt  werden.  —  5)  Cl.  Berard  fand 
a  vermehrt,  wenn  er  das  verlängerte  Mark  etwas  unter  der 
•eile  verletzte,  von  welcher  aus  die  Zuckerbildung  der  Leber  an- 
»regt  werden  kann. 


'1 


412 


Gase  des  Harns. 


Bei  gewöhnlicher  Lebensweise  ist  die  Wasserabsonderung 
Harns  am  niedrigsten  während  der  Nacht,  sie  steigt  des  Morgi 
an  und  erreicht  nach  dem  Mittagsessen  ein  Maximum.  — 
Grenzen,  innerhalb  der  bei  gesunden  Erwaehsenen  das  tägli 
Harnwasser  variirt,  liegen  zwischen  500  und  25,000  Gr.  —  N; 
Becquerel  und  Vogel  liegt  bei  jungen  Männern  das  Tagesmi' 
zwischen  1200  und  1600  Gr. 

Gase  des  Harns*).    Die  Bestimmungsstücke  ftir  den  ( 
halt  des  Hanis  an  Gasen  werden  sein :  die  Absorptionscoeffizienl 
des  Harns  ftir  jede  einzelne  der  in  ihm  vorkommenden  Gasait 
der  Druck,  unter  welchem  jede  derselben  in  der  Blutflüssigkj|"^' 
steht,  aus  welcher  der  Harn  abgesondert  wurde ,  die  Veränderungi 
welche  der  Harn  an  seinen  Gasen  anbringt  durch  seine  eigei 
chemischen  Umsetzungen  und  diejenigen,  welche  an  ihnen  v 
kommen,  vermöge  der  Diffusion  zwischen  den  Gasen  des  Bin  n 
und  des  in  der  Blase  verweilenden  Harns.  —  Alles  dieses  sind 
wechselnde  Grössen,  dass  sich  namentlich  in  Beti-acht  der  wei 
zahlreichen  Untersuchungen  über  die  hier  in  Frage  kommenc 
Elemente  nichts  im  Voraus  wird  aussagen  lassen. 

Die  Thatsachen,  die  über  den  Gehalt  des  Harns  an  Gasen  v 
liegen,  beschränken  sich  auf  einige  schätzenswerthe  Angaben  v 
Planer.    Sie  sind  in  der  folgenden  Tabelle  zusammengestellt. 


ei-. 


Harngattung. 


Fünf  Stunden  nach,  dem  Früh- 
stück 

Vierzehn  Stund,  nach  der  letzten 
Mahlzeit  Wasser  genommen 

Zwei  Stunden  nach  dem  Mittags- 
mahl 

Nachdem   4   Stunden  vorher 

13,1  Gr.  KO  2Tä  u.  500  Gr. 

HO  genommen 
Nachdem   5    Stunden  vorher 

8,7  Gr.  KO  Tä  und  500  Gr. 

HO  genommen 


Spezlf. 
Gew.  des 
Harns. 


Harnstoff- 
Prozente. 


1,0154 
1,0113 
1,0213 
1,0132 

1,0093 


1,54 
1,37 
2,43 
1,44 

0,68 


100  Theile  Harn  enthalten  an  Gast 
von  0«  C.  und  0,7fi  Meter  Drnck 


N. 


0,87 
0,80 
0,78 
1,09 

1,28 


0. 


0,06 
0,02 
0,05 
0,08 

0,04 


freie  CO2. 


4,54 
4,41 
9,96 
12,5 

6,22 


gebui 
CO, 


i, 


2,0 
IM 


5,2!  8 
2,7( 

keini 


Aus  diesen  Beobachtungen  geht  hervor: 
Die  verdunstbare  CO2  ist  im  Harn  des*  Menschen  weniger  rei( 
lieber  vertreten  als  ini  Blut,  vorausgesetzt,  dass  das  letztere 


•)  Planer,  Zeitclirift  der  Gesellschaft  der  Aerzte  zn  Wien.  1859.  466.  —  Cl-  Bernard, 
les  liquides  de  Torgan.  X.  347. 


t 

Gase  des  Harns. 


413 


(h  an  dieser  Gasart  ist,  wie  Setsclienow  das  der  Hunde 
1(1.    Dieser  Unterschied  hat  aber  selbst  bei  der  Gültigkeit  der 
/tereu  Unterstellung  nichts  Auffallendes.    Denn  der  grösste  Theü 
\  erdunstbaren  CO2  des  Bluts  ist  nicht  im  engern  Wortsinn  ge- 
.  sondern  an  alkalische  Salze  gebunden.    In  so  fern  also  dem 
111  diese  alkalisch  reagirenden  Salze  fehlen,  kommt  für  ihn 
•h  nur  die  vom  Blute  wahrhaft  absorbirte  CO2  in  Betracht, 
scheint  aber  in  der  That,  wie  beim  Athmen  weiter  erläutert 
en  soll,  sich  in  den  Grenzen  zu  bewegen,  die  auch  der  Harn- 
.  gesteckt  sind.    Eine  andere  mögliche  Erklärung  flir  den  Unter- 
\wd  hat  Planer  widerlegt.    Man  konnte  es  nämlich  für  wahr- 
K  iulich  halten,  dass  der  Harn  als  eine  harnstoff-  nnd  salz- 
rhere  Flüssigkeit  wie  das  Blut  einen  niederem  Absorptionscoeffizien- 
:  für  CO2  besässe,  als  die  letztere.   Nach  den  Untersuchungen 
n  Planer  nimmt  aber  der  Harn  ungefähr  ebensoviel  CO2  auf 
ee  Wasser,  resp.  wie  Blut. 

Der  Gehalt  des  Harns  an  verdunstbarer  CO2  ist  grösser  wäh- 
itd  der  Verdauungszeit;  dieses  entspricht  dem,  was  wir  über  das 
rrhalten  des  Bluts  unter  gleichen  Umständen  wissen.  —  Die 
rdunstbare  CO2  mehrt  sich  auch  noch  durch  Genuss  von  doppelt- 
iinsteinsaurem  Kali,  nicht  aber  nach  dem  von  einfachwein- 
urem. 

Der  Harn  ist  arm  an  fixer  CO2  gefunden  worden;  wenn  der 
iir  untersuchte  Harn  sauer  reagirt,  so  hat  die  Thatsache  nichts 
fffallendes.  Nach  Genuss  von  einigen  pflanzensauren  und  nach 
hhlensauren  Alkalien  soll  er  reich  an  fixer  CO2  sein  (Wohl er, 
i'hmann.). 

Der  Gehalt  des  Harns  an  Sauerstoff  ist  sehr  gering;  dieses 
mnte  auffallend  sein,  weil  während  der  Harnabsonderung  selbst 
88  aus  der  Niere  kommende  Blut  noch  reich  an  0  war 
IL  Bernard).  Aber  auch  der  Sauerstoff  ist  sowohl  in  den  Blut- 
rrperchen  (L.  Meyer)  wie  in  der  Blutflüssigkeit  (Fern et)  ge- 
mden,  so  dass  nur  ein  sehr  kleiner  Theil  des  Blutsauerstoffs 
ii  der  Diffusion  in  Frage  kommt;  es  steht  also  die  in  der 
;ere  abgesonderte  Flüssigkeit  unter  einem  sehr  niedern  Sauer, 
fcffdruck. 

AehnUches  gilt  für  das  N-gas. 

Cl.  Bernard  hat  noch  die  Zusammensetzung  eines  Gasgemengos  veröffentlicht, 
.  aus  dem  Harn  gewonnen  war;  es  enthielt  in  100  Theilen:  COj  78,8;  N  18,ö ; 
.2,5. 


414  Gesammtliarn. 

Gesammtharn*).  Nach  den  eingehenden  Betrachtnngi 
die  jedem  einzelnen  Bestandtheile  gewidmet  wm-den,  ist  über  ( 
chemische  Zusammensetzung  des  Harns  im  Ganzen  nur  noch  wer 
zu  ergänzen.  Die  tägliche  Menge  jedes  einzelnen  Bestandthei 
oder  was  ganz  auf  dasselbe  hinausläuft,  die  prozentische  ZusamnK 
Setzung  des  täglichen  Gesammtharns  kann  von  einem  Tag  zi 
andern  sehi-  verschieden  sein ;  Beides  gilt  in  noch  erhöhterem  Maat 
vom  Stundenharn.  Diese  Voraussetzung  bestätigt  die  Erfahrung 
sehr  ausgedehnter  Weise.  Daraus  folgt,  dass  es  keinen  Norm 
harn,  d.  h.  einen  solchen  giebt,  welcher  dem  Gesunden  überhai 
eigen  sein  müsse;  da  es  eben  eine  Eigenschaft  der  Gesundheit  w 
dass  sie  den  Harn  den  Lebensbedingungen  anpasste. 

Verlangt  man  also  zu  beliebigen  Zwecken  einen  Musterha: 
so  muss  man  hinzufügen,  wie  die  Umstände  beschalfen  waren, 
derselbe  gebildet  wurde,  und  dann  lässt  sich  aus  den  gegeben  ?f' 
Mittheilungen  über  die  Abscheidungsgesch windigkeit  jedes  einzeln 
Harnbestandtheils  unter  diesen  Bedingungen  eine  ungefähre  Anga 
über  den  Musterharu  machen.  —  Unter  diesen  Geschichtspunkt  j^, 
kann  man  denn  auch  viel  weiter  ins  Einzelne  gehen  und  die  Mitt 
zahlen  für  noch  andere  Kategorien  angeben  als  für  Morgen-,  Mitta 
Nacht-,  Sommer-  und  Winter  - Haisn ,  oder  für  den  Harn  armer  u; 
reicher,  junger  und  alter,  männlicher  und  weiblicher  Individuf 
Denn  wenn  die  Zunahme  des  Körpergewichts  (ob  sie  null  oc 
merklich    sein  soll)  und    die  Beschaffenheit   der  Getränke  u: 
festen  Speisen,  die  Anordnung  der  Essensstunden,  die  Art  u:ln 
Menge  der  Haut-  und  Darmausscheidungen  bekannt  ist,  so  kai 
danach  der  zu  den  gegebenen  Bedingungen  gehörige  Harn  ej 
wickelt  Vierden.    Für  ärztliche  Zwecke  wären  hier  allerdings  shi 
gemeine  Regeln  und  auch  Mittelzablen  für  besondere  Fälle  wünschet  i. 
Werth,  um  so  mehr,  weil  es  vielleicht  möglich  wäre,  Harnmenge  11 
die  nicht  den  ganzen  Tag,  sondern  nur  in  bestimmten  Tagesa  gel 
schnitten  gelassen  sind,  zur  Diagnose  zu  benutzen. 

Beispielsweise  fiita-en  wir  an:  der  Harn  der  Säuglinge  ist  immer  sehr  reich  ^ 
Wasser,  weil  sie  stets  eine  flüssige  Nahrung  geniessen ;  von  den  festen  Theilen  der  Ni 
rung  wird  aber  ein  merklicher  Theil  zum  Aufbau  der  Organe  benutzt.  Hcidenhai 


•)  J.  Vogel,  Archiv  filr  gemeinsame  Arbeiten.  I.  Bd.  p.  79.—  Becqnercl,  Der  Urin,  üb 
setzt  von  Nouber.  —  Millon,  Compt.  rend.  XXVI.  120.—  Trapp,  Beiträge  zur  Kenntniss  u.s,  ^ 
Qiessen  1850.  —  Hacser  und  Vogel,  Aichiv  f.  gem.  Arbeiten.  I.  Bd.  p.  267.  —  Heubotil» 
und  Vogel,  Analyse  des  Harns.  3.  Aufl.  1858. 


Physikalische  Eigenschaften  des  Harns.  415 

fppe,  Hecker  fanden  in  ihm  0,8pCt.  feste  Bestandtheile  überhaupt.—  Nach  dem 
auss  von  Fleisch  wird  sich  Harnstoff,  SO3  und  PO5  zugleich  mehren,  war  das 
,sch  gesalzen,  auch  das  Na  Cl ;  und  insofern  es  frisch  und  wasserreich  war,  oder  gar 
>  Getränk  versetzt  wurde ,  auch  die  Wassermenge.  Aber  diese  Stoffe  werden  nicht 
-hzeitig  aus  der  Niere  gehen;  zuerst  läuft  überwiegend  das  Wasser  und  mit  ihm 
ids  NaCl  ab,  dann  kommen  SO3  und  Harnstoff  an  die  Reihe  und  am  spätesten  die 
wphorsäure.  Nimmt  ein  Bettlägeriger  den  Tag  über  öfter  nnd  jedesmal  wenig  Nah- 
;j,  so  wird  die  Absonderung  ziemlich  gleichmässig  von  Stunde  zu  Stunde  gehen 
»sen,  oder  ist  sie  die  eine  Stunde  erniedrigt,  so  muss  sie  in  der  andern  ent- 
cchend  erhöht  werden  u.  s.  w. 

Die  Färbung  des  Hains  ist  im  normalen  Zustand  zwischen 
ihgelb  und  hellgelb  der  Vogel' sehen  Farbenskala.  Die  dunk- 
ln Nuancen  sind  im  Allgemeinen  dem  sparsam  gelassenen  Harn 
een;  darum  ist  der  Morgenharn  (während  der  Nacht  bereitet) 
iikler  als  der  Getränk-  und  Mittagsharn.  —  Kinderharn  ist  im 
j?emeinen  heller,  als  der  der  Erwachsenen, 

Durchsichtigkeit.  Schwachsaurer  und  schwachalkalischer 
rm  ist  meist  klar ;  eine  starke  Reaktion  nach  der  einen  oder  der 
lleiTi  Seite  ist  meist  von  Niederschlägen  begleitet.  Diese  bestehen 
alkalischen  Harn  meist  aus  phosphorsaurer  Kalkerde  und  Mag- 
iia;  im  sauren  aus  harnsaurem  Ammoniak  oder  Natron,  zuweilen 
slh  aus  reiner  Harnsäure. 

Das  spezifische  Gewicht  des  mittleren  täglichen  Harns 
p;t  bei  1020  (Vogel).  Da  es  in  inniger  Beziehung  zu  den  gelösten 
tflfen  steht,  so  muss  es  natürlich  sehr  variiren,  und  namentlich 
td  bei  reichlicher  Harnentleerung  das  spez.  Gewicht  niedriger  als 

sparsamer  Ausscheidung  des  Harns  sein.  —  Man  hat,  um  den 
i^ammenhang  zwischen  spez.  Gewicht  und  dem  Gehalt  an  festen 
'ffen  festzustellen,  empirische  Regeln  aufgestellt  (Becquerel, 
lUon,  Trapp,  Haeser).  Wir  erwähnen  hier  nur  dieTrapp'sche 
rjel,  wobei  wir  die  von  ihm  selbst  gegebene  Bemerkung  wiederholen, 
«8  sie  nur  eine  Annäherung  an  die  Wahrheit  gebe.  —  Setzt  man 

Einheit  des  spezifischen  Gewichts  (die  des  Wasser)  =  1000, 

soll  man  von  dem  gefundenen  spez.  Gewicht  des  Harns  diese 
ihheit  abziehen;  die  hintere  Zahl  des  Restes  soll  man  durch  ein 
Mnma  abschneiden  von  der  vordem  und  dann  den  Rest  verdoppeln. 
!}  hier  ausgefundene  Zahl  drückt  den  Prozentgehalt  des  Harns 

festen  Stoffen  aus;  wäre  also  z.  B.  das  gefundene  spezifische 
iwicht  eines  Harns  ==  1020,  so  würde  sein  prozentischer  Rtick- 
and  ==  4,0  sein. 


* 


416 


Seltenere  Bestandtheile  des  Harnü. 


Seltenere  Harnbestandtheile. 

Eiweissartigo  Stoffe  *).    Die  Abwesenheit   von  Blutungen  vorauBge 
gehen  öfter  in  den  Harn  über : 

Faserstoff  wird  bald  flüssig  (gerinnbarer  Harn)  und  bald  schon  geronnen 
leert.    Sein  Vorkommen  scheint  meist  durch  Nierenleiden  bedingt  zu  sein. 

Albumin  kommt  im  Harn  vor  sowohl  weil  der  Strom  und  die  Zusarar 
Setzung  des  Bluts  ,  als  auch  weil  die  Nieren  verändert  sind  Es  findet  sich  nach 
jection  von  verdünntem  Hühnereiweiss  in  das  Blut.  Cl.  Bernard  sah  es  ausblci 
wenn  er  das  Eiweiss  statt  in  die  v.  jugularis ,  in  die  v.  portarum ,  und  zwar  sehr 
mälig  einbrachte;  nach  Injeotion  von  Serum  desselben  oder  eines  andern  Säugethi 
(Ol.  Bernard);  häufig  bleibt  es  jedoch  nach  dem  Einbringen  dieser  Eiweissart 
(Cl.  Bernard,  Bouchardat,  Sandras,  Schiff).  Ausbleiben  soll  es  auch  i 
der  Einspritzung  von  etwas  wenigen  künstlich  verdünnten  Eiweisses  und  von  Flei 
albumin  (Corvisart,  Schiff).  —  Der  Harn  wird  ferner  eiweisshaltig  nach  A 
lässen  (Hayden),  noch  mehr ,  wenn  nach  vorgängigem  Aderlass  das  zurückbleibi 
Blut  durch  ein  grosses  Volum  Wasser  verdünnt  wird  (Kierulf);  die  eiweisstreib( 
Wirkung  des  blutverdünnenden  Wassers  bleibt  aus ,  wenn  ihm  Na  Cl  zugefügt  ' 
(H  artner). —  Der  Harn  enthält  femer  Eiweiss :  nach  Injection  von  gallensaurem  Na 
in's  Blut,  und  zwar  häufig,  aber  nicht  immer  (Frerichs);  nach  Einathmung 
ArsenikwasserstofT  (J.  Vogel);  nach  mehrtägigem  Kochsalzhunger  (Wundt),  je( 
nicht  immer  (üaupp);  nach  Athembeschwerden  (Köhler);  zuweilen  nach  Ur 
drückung  der  Milchsekretion ,  nach  Escessen  im  Essen.  —  Im  Harn  erscheint  i 
Eiweiss  bei  bestehender  Herzhyperti-ophie ,  nach  Unterbindung  der  Nierenvene 
Hohlader  (H.  Meyer);  nach  leidenschaftlichen  Aufregungen  mit  lebhaftem  H 
schlag;  bei  besondern  Veränderungen  des  Nierenbaues,  Losstossung  des  Epitheliums  et( 
Ferner  nach  einer  selbst  vorübergehenden  Störung  des  Blutlaufes  in  den  Nii 
(Brächet,  Peipers,  Müller),  und  endlich  nach  Verletzung  des  vierten  H 
Ventrikels,  etwas  über  dem  Ort  des  sogen.  Zuckerstichs  (Bernard).  Das  Pankr 
ferment  geht  in  das  Blut  eingespritzt  mit  allen  seinen  Eigenschaften  in  den  I 
über  (01.  Bernard). 

Fette  **).  Menschen  und  Säugethiere ,  welche  anhaltend  mit  fettreicher  1 
rung  gefüttert  werden,  entleeren  fetthaltigen  Harn  (Lang). 

Gallensäuren  ***).  Nach  Inj  cction  von  gly  cocholsaurem  Natron  erscheint  Gl 
cholsäure;  nach  Unterbindung  des  Gallengangs  und  bei  Gelbsucht  Cholsäure  (Kühl 

Eisensalzet)    sind  zuweilen   nach  vermehrtem  Genuss  derselben  gefui 
worden;  häufig  aber  fehlten  sie  auch  dann  (Wöhler,  Aldrige,  H.  Müller 
KöUiker);  nach  Injection  von  Wasser  in  das  Blut  (Hartner). 

Leucin,  Tyrosin  fanden  Frerichs  und  Staedeler  im  Harn  der  Hi 
und  Menschen,  z.  B.  bei  gelber  Lebererweichung,  in  welcher  jene  Stoffe  reichlicl 
der  Leber  u.  s.  w.  vorkommen. 


»)  Frerichs,  Die  Bright'scheNierenkninklieit.  BraunschweiglSSl.  180 n.  276.—  H.Me 
Zeitschrift  für  physiologische  Heilkunde.  1844.  p.  114.  —  Hartner,  Beiträge  zur  Phys.  der 
absondcrung.  1358. —  Vogel  u.  Neubauer,  Analyse  des  Harns.  3.  Aufl.  1858.  —  Cl.  Bern 
Sur  les  liquides.  I.  136.  386. 

Lang,  De  adipe  in  urlna  et  renibus.  Dorpat  1852. 
••»)  Kühne,  Virchow's  Archiv.  XTV.  Bd.  460. 
t),Seherer,  Jahresber.  für  physiolog.  Chemie.  1844.  p.  125.  —  Hartner,  Beiträge 
Physiologie  etc.  Erlangen  1858.—  MUH  er  und  Kölliker,  zweiter  Bericht  der  physiolog.  Ans 
1856.  Resorption  von  Eisensalzen. 


Seltenere  Bestandtheile  des  Harns. 


417 


.Ällantoin*).  Wenn  einem  erwachsenen  Hunde  so  viel  Oel  in  die  Lunge  ein- 
ipritzt  wurde ,  üooo  «inp.  beti-ächtliche  Atliemnoth  entstand ,  oder  auch  nach  anhal- 
idem  Einathmen  von  Chlor  wurde  Allanioin  im  Harn  gefunden  (Staedeler, 
bhler). 

Cystin  **)  zuweilen  als  Harnstein,  öfter  auch  gelöst. 

Veränderung  des  Harns  durch  einen  ungewöhnlichen  Speisezusatz. 

Von  den  löslichen,  mit  Blut  überführbaren  Stoffen  erscheinen  einige  im  Harn  nicht 

•  solche  wieder,  wenn  sie  verschlungen  wurden.  Die  Veränderungen,  die  sie  er- 
«en ,  geschahen  entweder  schon  im  Darmcanal ,  oder  in  dem  Gesammtblut ,  oder  nur 
üBlut  einzelner  Organe ;  wie  und  wieviel  von  den  einzelnen  Stoffen  zersetzt  wurde, 
[Igt  ab  von  der  Verbindung  und  der  Menge ,  in  der  sie  aufgenommen  wurden ,  von 

Aufenthaltsdauer   im  thierischen  Körper  und   von  dem  jeweiligen  Zustand  des 
iteren.  —  Andere  Stoffe  erscheinen  unverändert  im  Harn  wieder.    Es  ist  von  Wichtig- 
diesen  Untersuchungen  nachzugehen,  weil  ihre  Ergebnisse  das  chemische  Leben 
Organe  und  die  absondernden  Eigenschaften  der  Nierenhäute  beleuchten. 

A.  Umgewandelt  erscheinen: 

Salicin***)  =  CsßHigOii,  es  liefert  spiroylige  Säure  =  üinRuOt  (M  il  1  o  n  und  Le  - 
»an).  Diese  Säure  ist  hervorgegangen  aus  einer  Spaltung  des  Salicins,  die  schon 
.Speichel  bewirkt  (Staedeler);  unter  Aufnahme  von  2  At.  Wasser  =  CjeHaoOio 
iällt  es  in  Zucker  =  CiäHisOia  und  Saligenin  =  C11H8O4,  welches  letztere  nach 
btritt  von  2H  in  spiroylige  Säure  übergeht. 

Gerbsäuret)  =  CisHgOia  erscheint  im  Harn  als  Gallussäure  =  ChHcOio  und 
uizgallussäure  =  CisHeOe  (Wöhler  und  Prerichs).    Diese  Umwandlung  ist  die- 
te,  welche  Gerbsäui-e  u.  A.  in  schwach  alkalischen  Lösungen  erleidet;  sie  geschieht, 
man  sieht,  unter  Abscheidung  nur  von  C4H2O2,  oder  gleichzeitig  von  2CO2. 

Harnsäure  ft)  =  CsHaNsO.i  bewirkt  das  Erscheinen  von  CO2,  etwas  Oxalsäure  C2O 
Harnstoff  C4H4Nj0s  (Wöhler  und  Frerichs);  um  in  diese  Stoffe  zerfallen  zu 
Man,  muss,  abgesehen  von  der  Bildung  anderer  Zwischenproducte ,  die  Harnsäure 
User  und  0  aufnehmen. 

Guanin  =  C10H5N5O2,  AUantoin  =  C1H3N2O3 ,  AUoxanthin  =  CgHsNsOio  er- 
iiiinen  nicht  als  solche;  jedesmal  mehren  sie  dagegen  den  Harnstoff;  AUantoin  mehrt 

•  nicht,  wie  man  erwartete,  die  Oxalsäure. 

Thiosinammin  =  NjCgHsS-i  gab  Rhodanamraonium  =  N2C2H4S2;  aus  Hera  ersten 
i  also  C4H4  ausgeschieden  worden. 

Eine  Reihe-ttt)  von  Säuren:  Benzoe-,  Zimmet-,  Toluyl-,  Salicyl-,  Nitrobenzoe- 
ce,  paaren  sich  mit  dem  Glycin  der  Galle;  Benzoesäure  geht  in  Giycobenzoesäure 
■•opnrsäure)  über;  Zimmetsäure  (C18H8O4),  welche  unter  Aufnahme  von  HO  in  Essig- 
Benzoesäure  zerfällt,  bildet  ebenfalls  Hippursäure  (Marchand,  Chiozza,  Ber- 
::nini).  —  Salicylsäure  =  CnHeOe  bildet  Salieylursäure  =  CigHnN  Ob  (Ber- 
,  * 

'«)  Staedelernnd  Frerichs,  Miiller's  Archiv.  1854.—  H  e  r  m  n  11 11  K  U  h  1  0  r  .  Je  allan 
o ,  illgscrtatio.  1857. 

'  ")Nenbaucr,  Harnanalyse.  3.  Aufl.  108. 

'•*)  Mulder,  1.  c.  1279.  —  Staedeler,  Ghemlgchos  Centralblatt.  ISiiS.  10!). 

■  t)  L 1  e  1)  i  (f '  8  Annalen.  «5.  Bd. 

'  tt)  Siehe  die  Literatur  bei  HamstofTmehrung  p.  384. 

■H)  AutHcr  der  Literatur  l)ei  llippurstture  p.  391  noch:  Neubauer,  Harnanalyse,  p.  121.  — 
••tagnlni.Cmpt.  rcml.  XXXL  490.  _  U  e  r  s  e  I  bo ,  Li  0  h  i  t?' h  Annalen.  ISMi.  Fd.ruar. 

27 

Lad w ig,  Pliyniologie  U.  2.  Auflage. 


418 


Seltenere  Bestandtheilo  des  Harns ;  Hambercitung. 


tagnini).  —  Toluylsäure  =  C10H8O4  bildet  Tolursäure  ==  CjoHnNOs  (Kraut) 
Nitrobenzocsüure  geht  in  Nitrohippursäure  =  CigHgNiOio  Uber  <BoTt  agnin  i). 

Essigsäure  (C4H4O4) ,  AoDfclsäuro  (0411305),  Weinsäure  (C4n30o),  Citronenai 
(CoH407),  Oxalsäure  (CjH04),  frei  oder  in  Verbindungen  gegeben,  gehen  je  nach 
genossenen  Menge  ganz  oder  theilweise  in  den  Hiirn  über;  erscheinen  sie  gar  nicht 
nur  theilweise  als  solche,  so  enthält  der  Harn  kohlensaure  Verbindungen  (Wohl 
Buchheim,  Millon).  Die  Umwandlung  der  essig-,  äpfel -,  Weinstein-,  citronensai 
Salze  geht  schon  im  Darmcanal  vor  sich  durch  Gährung  (Buchner,  Buchheim). 
Bemsteinsäure  (C4H3O4)  ist  bald  gar  nicht,   bald  in  COj,  bald  in  Hippursäure  v 
wandelt  wiedergefunden  worden  (Buchheim,  Kühne,  Hallwachs,  Wühler) 

Ammoniakvcrbinduiigen  *)  mit   organischen  Säuren  kommen  im  Harn  als 
wieder  (Bence  Jones);  Salmiak  als  solcher  (Neubauer). 

Schwefelkalien  theils  als  Schwefelsäure,  theils  unverändert. 

Ferrocyanid  kommt  im  Harn  als  Ferrocyanür  wieder,  in  Folge  einer  von  ( 
Harnsäure  ausgeübten  Desoxydation  (Buch heim)  **). 

Nach  dem  Verschlingen  von  Amygdalin  fand  Eanke  Ameisensäure,  nach  g 
spritzungen  in  das  Blut  fanden  Kölliker  und  Müller  den  unveränderten  Stoff  wied 

Thein,   Tlieobromin,  Anilin,    Alcoholaether  und  mehrere  Farbstoffe  treten 
Harn  nicht  unverändert  auf.    Ihre  Schicksale  sind  zweifelhaft. 

B.  Unverändert  erscheinen  im  Harn :  Chinin ,  Morphin ,  Strychnin  ,  Leucin  (i 
Blut  injicirt),  Campher-,  Anis-,  Amrainsäure  (Bertagnini,  W.  Hoffmann),  Be4 
steinsäure  (?),  Arsen,  Gold,  bor-,  chlor-  und  salpetersaure  Alkalien,  Jod,  Hhodi 
kalien,  Quecksilber,  Wismuth,  Blei,  Zinn,  Blutlaugensalz  und  viele  Färbst» 
z.  B.  der  des  Ehabarbers ,  des  Lakmus ,  der  Cochenille  u.  s.  w. 

Harnbereitung.    Thatsächlich  scheint  Folgendes  zu  sei 
1)  zur  Herstellung  des  Harns  entnimmt  die  Niere  dem  Blute  ri 
der  wässerigen  Salzlösung  zugleich  auch  den  Harnstoff,  das  Ki'a 
tin  und  Kreatinin,  die  Harn-  und  Hippursäure,  die  Zuckerart 
und  die  Farbstoffe;  sie  führt  also  die  genannten  Blutbestandthe 
unverändert  in  den  Harn  tiber***). 


Bewiesen  soll  dieses  sein:  1)  durch  die  Erfolge  der  Nierenausrottung;  wäre 
der  That  die  Niere  nicht, an  der  Bildung,  sondern  nur  an  der  Ausscheidung  der 
nannten  Stoffe  betheiligt ,  so  müsstc  sich  nach  der  Nierenausrottung  so  viel  von  ihil 
im  thierischen  Körper  anhäufen ,  als  das  unverletzte  Thier  in  der  entsprechenden  Z 
durch  den  Harn  entleert  hätte  (Prevost  und  Dumas).    Der  Versuch  hat  ergeh 
dass  nach  jener  Operation  mehr,  aber  auch  weniger  Harnstoff  im  Blut  vorkommt, 
man  in  dem  Blut  des  gesunden  Thieres  findet,  ja  dass  er  auch  ganz  fehlen  kl 
(Stannius,  Bernard,  Barreswil).     Wegen  der  mit  einem  namhaften  Verl 
verknüpften  Bestimmungsweise  des  Harnstoffs  haben  die  Resultate  allerdings  kci: 
vollgiltigen  Werth,  aber  immerhin  haben  alle  Beobachter  den  Eindruck  empfangen 
ob  die  Anhäufung  keineswegs  der  hypothetischen  Entleerung  entspräche.    Um  trotzd^i 


1 


»)  Procedlngs  of  thc  royal  Society.  Vol.  VU.  1)4.  —  Licbig'8  Annalen.  78.  Bd.  251.  —  Ne 
b  a  uor ,  1.  0.  p.  120. 

•»)  Mayer,  De  ratione  qua  forrum  rautetur  in  corpore.  Uorp.  1850. 

••»)  Stannius,  Arcliiv  für  physiologisclie  Heilicunde.  IX.  Bd.  201.  —  Bernard  und  B« 
reswil,  Arctiiv.  gdncSr.  1847.  449.—  Stralil  und  Licbericlilin,  Harnsäure  im  Blut.  Berlin  18- t 


Folgen  der  Nierenausrottung  und  des  Nierenumsatises. 


419 


L  luibhängigkeit  der  HamstoflFbildung  von  der  Niere  festzuhalten ,  muss  man  an- 
■1 ,  die  JieuDllOung  soi  entweder  durcli  die  zuinickgehaltenen  Hambestandtheüe 
uiter  der  Norm  gehalten,   oder  der  nicht  ausgeschiedene  Harnstoff  sei  weiter 
worden.    Bernard  und  Barreswil  finden  das  Letztere  dämm  wahrscheinlich, 
■  niercnlosen  Hunde  mehr  Magensaft  als  sonst  abscheiden,  der,  obwohl  er  sauer 
eil  viel  Ammoniaksalüo  enthält.  —  Dass  eine  Anhäufung  von  Harnstoff  im  Blut 
in  den  Gewebsflüssigkeiten  nach  gänzlicher  oder  theilweise  aufgehobener  Ham- 
lung  beim  Menschen  nichts  für  die  Frage  beweist,  ist  sogleich  ersichtlich,  weil 
Xiere  noch  anwesend  ist.  —  Ausser  dem  Harnstoff  ist  nur  noch  die  Harnsäure 
I  nierenfreier  Thiere,  und  zwar  mit  einem  der  vorstehenden  Hypothesen  gün- 
Krfolg  gesucht  worden  (Strahl,    Lieberkühn).   —    2)  Durch  die  Yer- 
iiS  des  Nierenvenenblutes  mit  .dem  der  Arterie.    Nach  Picard  soll  das  erstere 
n  Harnstoff  sein  als  das  letztere.    Solche  Vergleiche  sagen  aber  dai-um  nichts» 
gegenübergestellten  Blutmassen  niemals  denselben  Gehalt  an  Plasma  und  Kör- 
1  ICH  haben  und  der  Hanistoff  doch  wohl  nicht  über  beide  gleich  vertheilt  ist.  — 
fsrdem  warnt  Recklinghausen  vor  der  Methode  von  Picard,  und  Gubler 
rPoiseuille  geben  an ,  dass  oft  gerade  das  Gegentheil  von  dem ,  was  Picard 
,  statt  hat.  —  3)  Einen  andern  Beweis  für  die  blosse  Ausscheidungsthätigkeit  der 
tsn  erbringt  man ,  indem  man  die  Entstehungsorte  der  ausgeharnten  Stoffe  auf- 
.;.    Dieses  gelingt  für  Kreatin  (Muskeln ,  Hii-n) ,  Zucker  (Magen ,  Leber) ,  Ham- 
1  (Milz,  Lunge,  Leber),  Hippiu'säiu'e  (Leber  und  Blut),    die  Farbstoffe  (Leber, 
Aber  immer  bleiben  noch  Bedenken ,  ob  die  Entstehung  an  jenen  Orten  die 
i'ildung  einiger  der  aufgezählten  Stoffe  in  der  Niere  ausschliesst ;  so  verdient  es 
iAufmerksamkeit ,  dass   sich  in  einer  Niere ,   deren  Ureter  unterbunden  ist ,  viel 
•Ereatin  anhäuft,  als  während  der  Unterbindungszeit  entleert  worden  wäre ;  ferner, 
'  die  Nieren  Inosit  enthalten.    In  den  seltenen  Fällen  also,  in  welchen  jene  Zucker- 
r.m  Harn  vorkommt,  ist  ihr  Ursprung  ungewiss.  —    Dem  Harnstoff  endlich  kann 
keinen  Erzeugungsort   mit  Sicherheit   zuweisen;    wahrscheinlich  ist   es,  dass 
iin   =   C10N5H5O,    Sarkin   ==   CsNsHaO,    Xanthin   =    CsNiHaOi,  Harnsäure 
s'sNoHaOa  zu  seiner  Bildung  beitragen;  ob  diess    aber  die  einzigen  Uebergangs- 
nn  von  dem  Eiweiss  und  Leim  zu  ihm  sind,  und  ob  sie  an  dem  Orte,  wo  sie 
landen,  auch  zu  Harnstoff  umgeformt  werden,  ist  nicht  einmal  der  Vermuthung 
i.iglich.    Jedenfalls  steht  es  fest,   dass  die  in  die  Niere  gelangte  Harnsäure  sich 
weiter  dort  zerlegen  kann,  Avenn  sie  in  Folge  der  Uretcrenunterbindung  längere 
dort  festgehalten  wird  (Beckmann).  —  4)  Weil  so  viele  Stoffe,  die  mit  den 
iTUigsmitteln  in  den  Thierleib   gelangen ,  verändert   oder  unverändert  dureh^  die 
3  auatreten,  so  war  man  geneigt,  die  Nieren  überhaupt  nur  als  Ausscheidungs- 
ie anzusehen;  diese  Unterstellung  ist  aber  nicht  mehr  in  dem  alten  Umfang  fest- 
Iten,  seit  man  mancherlei  der  Niere  eigenthümliche  Umsetzungsprodukte  kennen 
'  e. 

2)  Das  Nierengewebe  oder  die  an  einzelnen  Orten  desselben 
»geschlossenen  Flüssigkeiten  erfahren  eigenthümliche  chemische 
"Setzungen.  Daftir  spricht  die  Anwesenheit  des  Tanrins  oder 
iJtins  und  des  Inosits  (Cloetta),  Stoffe,  welche  trotz  ihrer 
fjenwart  im  Nierengewebe  nur  selten  in  den  Harn  übergehen; 
ler  die  Farbenänderung,  welche  das  Blut  in  der  Niere  erfährt; 


420 


Einfluss  des  Spannungsunterschiedes  zwischen  Blut  und  Harn. 


ferner  die  Umsetzung,  welche  der  Harn  erleidet,  der  durch  Ui 
bindung  des  Ureters  in  der  Niere  zurückgehalten  wird.  Wo 
Flüssigkeiten  gelegen  sind,  welche  die  emähnten  nicht  in 
Harn  übergehenden  Stoffe  enthalten,  ob  in  der  Masse  zwiscl 
den  Gelassmaschen  der  glomeruli  oder  in  den  Zellen  der  Canäld 
ist  ebenso  unbekannt,  wie  es  die  Vorgänge  sind,  welche  die  chi 
Umsetzung  einleiten  und  die  Stammatome,  welche  davon  erg: 
werden. 

Der  chemische  Vorgang  in  der  Niere  kann  übrigens  ebensowl 
dazu  dienen,  die  Bestandtheile  des  Harns  zu  mehren,  wie  die 
Scheidung  des  Harns  aus  dem  Blut  zu  unterstützen. 

Zerlegt  sich  unter  Zutritt  des  dem  Blut  entzogenen  Sauerstoffs  das  Taurin 
weiter,  so  würden  endlich  die  beiden  Hambestandtheile  SO3  und  AmO  zuraVorscl  |, 
kommen.    Aus  Inosit  könnte  man  Milchsäure  ableiten  und  sich  so  erklären ,  wa:  «: 
der  saure  Harn  aus  dem  alkalischen  Blut  kommt,  aber  in  dem  Harn  ist  diese  Si 
eine  Seltenheit. 

3)  Mit  dem  Unterschied  der  Spannung,  welche  Blut  und  Hi 
in  der  Niere  besitzen,  ändert  sich  die  Absonderung;  innerhalb 
wisser  Grenzen  ändert  sich  mit  dem  Druckunterschied  nur  4 
Menge  des  abgeschiedenen  Harns,  jenseits  dieser  aber  auch 
Art  der  Stoffe,  welche  in  ihn  übergehen,  a)  Bei  ungehindert^ 
Abfluss  mindert  sich  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  ein  gesun( 
Harn  ausgeschieden  wird,  während  der  Reizung  der  n.  vagi  u 
nach  einem  Aderlass;  sie  steigt  dagegen  nach  Durchschneidung  der 
vagi;  ebenso,  wenn  die  Blutmasse  eines  Thiers  dadurch  gerne 
wird,  dass  man  in  den  Blutgefässraum  desselben  das  aus  derAi 
gelassene  Blut  eines  gleichartigen  Thieres  einfüllt;  endlich  ai 
dadurch,  dass  man  in  der  Nierenarterie  den  Druck  erhöht  v 
mittelst  des  Verschliessens  einiger  grösserer  Abzugsröhren  aus  c 
Aorta,  so  z.  B.  nach  Unterbindung  der  aa.  carotides,  subcla' 
crurales.  —  Eine  Blutdiaicksteigerung  jenseits  gewisser  Grenz] 
bedingt  aber  auch  den  Uebergang  von  Eiweiss  in  den  Harn; 
diese  Weise  erklärt  man  sich  wenigstens  das  Aufti-eten 
genannten  Stoffes  nach  Unterbindung  der  Aorta  unterhalb 
Nierenarterien,  b)  Bei  unverändertem  Blutdruck  wird  die 
schwindigkeit  des  Harnabflusses  aus  der  Niere  wesentlich  beschr 
durch  Hindernisse,  welche  in  den  Ureter  eingebracht  werden.  Lo 
hell  gab  an,  dass,  wenn  der  Druck  der  im  Ureter  angesammelt 

»)  OoU,  Hcnle's  und  Pfeufer's  Zelteclirift.  2.  Reihe.  III.  Bd. 
»»)  Vnlcutln's  Jaliresbericht  für  1849.  157. 


Nerveneinfluss  auf  die  Harnbereitung. 


421 


igkeit  während  der  Miiskelriihe  dieses  Rohrs  auf  7  bis  10 Mm  Hg. 
tiegen  sei,  so  höre  das  Nachfliessen  von  Harn  schon  auf.  In 
That  kann  man  sich  leicht  davon  überzeugen,  dass  ein  Hg- 
mmeter,  das    in  den  Harnleiter  mündet,  in   den  ersten  Mi- 
11  rasch  auf  den  genannten  Werth  oder  auch  um  einige  M.-M. 
;   steigt  und  dann  viel  Minuten  hindurch  immer  wieder  auf 
-t  lbe  Höhe  herunteifallt,  nachdem  es  während  der  sich  häufiger 
ulen  Ureterenbewegungen  bedeutend  emporgedrtickt  war.  L  o  e  - 
1  schloss   daraus,  dass  ein  Gegendruck  von  dem  genannten 
rill  die  Harnabsouderung  zum  Stocken  bringen  könne.  —  Als 
nuann  mit   besonderen  Vorsichtsmaasregeln  ein  Manometer 
.  Icn  Ureter  brachte,  der  zwei  Stunden  lang  geschlossen  gewesen 
■•,  so  trieb  sein  Inhalt  das  Quecksilber  um  40  M.-M.  empor, 
rraus  würde  man  folgern  dürfen ,  dass  der  Harn  auch  noch  trotz 
;3S  viel  höhern  Gegendrucks,  als  Loebell  meinte,  abgesondert 
vde,  wenn  in   der  That  der  Inhalt  der  ausgedehnten  Nieren- 
liiälchen  ein  Harn  im  gewöhnlichen  Wortsinn  gewesen  wäre, 
sses  schien  aber  nicht  der  Fall  zu  sein,  denn  die  Flüssigkeit 
ihielt  keinen  Harnstoff,  sondern  relativ  viel  Kreatiu.  Demnach 
also  die  Harnbildung  jedenfalls  aufgehört  bei  einem  Gegen- 
eck ,  der  unter  40  M.  M.  lag.    Die  hohe  Lage ,  welche  der  Niere 
thierischen  Körper  über  der  Harnblase  gegeben  ist,  wodurch 
HaiTiabfluss  so  sehr  begünstigt  wird,  ist  jedenfalls  vortheilhaft 
das  ungestörte  Bestehen  der  Absonderung. 
4)  Veränderungen  in  der  Harnabsondening  wurden  beobachtet 
)h  Verletzung  des  vierten  Ventrikels  (vermehrte  Wasser-,  Zucker-, 
freissabscheidung),  nach  Reizung  und  Durchschneidung  der  n. 
lanchnici  und  renales,  nach  Einsetzung  der  Enden  einer  thätigen 
uuctionsroUe  in  die  Nierengegend,  nach  allgemeinen  Krämpfen. 
'5  allem  Diesen  muss  man  schliessen,  dass  die  Nerven  die  Ab- 
(iderung  beeinflussen.    Theilweise  geschieht  dieses^  wie  z.  B.  bei 
•  Zuckerausscheidung ,  auf  bekannten  Umwegen ,  zum  Theil  viel- 
hht  dadurch,  dass  die  Strömung  des  Bluts  in  der  Niere  geändert 
cd.    Die  letztere  Vermuthung  gründet  sich  darauf,  dass  sich 
;  dem  Blutdrücke  die  Harnabsouderung  ändert,  dass  sich  der 
iitstrora  in   der  Niere  unabhängig   von  dem  Gesammtkreislauf 
lllen  kann,  weil  die  kleinsten  Arterien  der  Niere  stark  niuskel- 
itig  sind.    Mit  diesem  allgemeinen  Nachweise  schliesst  sich  aber 
•3h  unsere  Kenntniss;  denn  bis  dahin  sind  alle  Versuche  über  die 
irliegende  Frage  noch  sehr  mangelhaft. 


422  Einüuss  der  Blutzusammensetzung  auf  die  Harnbereitung. 

Bei  neuen  Keizungsversuclien  über  die  Abhängigkeit  der  Hamabsonderung  f 
den  Nerven  ist  zu  beachten,  dass  für  sie  Zeit  und  Umstäudo  zu  wählen  sind,  in  dttj 
die  aus  unbekannten  Gründen  eintretenden  Schwankungen  der  Harnabsonderun 
gar  zu  gross  sind ;  dann  müssen  als  unbrauclibar  alle  die  Versuche  ''ei  Seit' 
werden,  die  einen  blutigen  oder  eiweisshaltigen  Harn  liefern;  die  Fehler,  wcl' 
der  ungleichen  Füllung   und  Bewegungsfolge    der  Uretoren    hervorgehen,  smu 
meiden  und  die  Reizmittel  selbst  sind  mit  den  allgemein  bekannten  Vorsichten  ai 
wenden.  —  Auch  die  hoffnungsvollen  Versuche  der  Nervendurchschneidung  am  spUi  ki 
nicus  und  plex.  renalis  sind  bis  dahin  wegen  der  Abkühlung  der  Nieren,  der  ;  J[ 
rungen  und  Zusammenpressungen  der  Gefasse,  des  darauf  eintretenden  Blutharncns  u.f 
noch  unbrauchbar.  —  Von  dem  Einfluss  der  Nervenreizung  auf  Verminderung  der  H; 
absonderung  kann  man  sich  leicht  überzeugen ,  wenn  man  durch  eine  feine  Oeffn 
in  den  Bauchdecken  inducii'bare  Drähte  bis  in  die  Nähe  der  Nierengefasse  schiebt 
den  Harn  in  getheilte  Köhren  fliessen  lässt,  welche  in  den  Ureter  gebunden  wa 
Mit  dem  Beginn  der  Schläge  stockt  oder  verlangsamt  sich  der  Hamstrom. 

5)  Die  Zusammensetzung  des  Blutes  greift  unzweifelhaft  bestj  s 
raend  in  die  Art  und  in  das  Maass  des  Harns  ein ;  aber  das  Genau«  ' 
des  Abhängigkeitsverhältnisses  ist  fast  vollkommen  dunkel;  die< 
gilt  namentlich  auch  für  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  sich 
Blutänderung  im  Harn  zeigt;  denn  wenn  auch  einige  Stoffe  f1 
augenblicklich,  nachdem  sie  in  das  Blut  gekommen  sind,  im  Hai  :if 
wieder  erscheinen,  so  rufen  andere  erst  längere  Zeit,  nachdem 
dem  Blute  beigemengt  waren,  in  der  Niere  den  ihn  zukommend! 
Erfolg  hervor.    Dieses  letztere  gilt  z.  B.  für  das  in  das  Blut  e 
gespritzte  Wasser,  welches  häufig  nicht  allsogleich,  sondern  e 
nach  einer  Stunde  die  Harnausscheidung  vermehrt;  hier  scheint 
also  fast,  als  ob  erst  vorgängig  Blut  oder  Niere  vorbereitet  wer 
müssten,  damit  die  Harnbildung  lebhafter  werden  könne. 

Eine  andere  Betrachtung  knüpft  sich  an  das  Verhalten 
Eiweissstoffe  zum  Harn.    Olfenbar  kann  die  Niere  nicht  dem 
weiss  überhaupt  den  Eingang  in  den  Harn  wehren;  sondern 
vermag  es  nur  so  lange,  als  das  Blut  seine  normale  Zusammi 
Setzung  beha^iptet.    Denn  der  Harn  wird  sogleich  eiweisshall 
wenn  das  Blut  j)lötzlich  mit  viel  Wasser  verdünnt  vnrd,  wenn 
weiss-  oder  solche  Stoffe,  wie  z.  B.  gallensaures  Natron,  ei 
gespritzt  werden,  welche  die  Blutkörperchen  auflösen.  Fast  sollte  mi 
denken,  dass  hier  die  Kochsalzverdünnung  von  Einfluss  sei ;  denn  ä| 
eingespritzte  Wasser  treibt  kein  Eiweiss  mehr  aus ,  wenn  ihm  N* 
beigemengt  wird  (Hartner)  und  nach  NaCl-hunger  sah  Wun^ 
seinen  Harn  mit  Eiweiss  beladen.    Muss  nun  die  Niere  oder  d; 
Eiweiss  geändert  werden,  damit  das  Letztere  ein  Harnbestandtho 
werden  könne? 


I: 


Beziehung  zwischen  Abflugs  und  Zusammensetzung  des  Harns. 


423 


fi)  Beziehung  zwischen  der  Zusammensetzung  des  Harns  und 
Gescliwindigkeit  seines  Abströmens  aus  der  Niere.    Fängt  man 
!  Harn  jeder  Niere  gesondert  auf,  so  gewahrt  man  für  gewöhn- 
,  dass  bald  aus  dem  einen  und  bald  aus  dem  andern  Ureter 
Abfliiss  beschleunigter  wird.    Obwohl  diessmal  der  Harn  aus 
•selben  Blut  hervortrat,  so  weicht  doch  die  beiderseitige  Zu- 
iimensetzung  noch  beträchtlich  von  einander  ab  und  zwar  um  so 
hl-,  je  grösser  der  Unterschied  des  gleichzeitig  entleerten  Harn- 
iinis  ist.    So  weit  bekannt,   bezieht  sich  die  chemische  Ver- 
ledenheit  der  beiden  Harnsorten  vorzüglich  auf  die  Verhält- 
zwischen  den  einzelnen  Harnbestandtheüen.    Namentlich  ist  in 
11  langsam  austretenden  Harn  der  Quotient  aus  Wasser  in  dem 
nistoff"  grösser  als  bei  rascher  hervorgehendem,  umgekehrt  ver- 
t  es  sich  vielleicht  mit  dem  Verhältniss  zwischen  Wasser  und 
Ii;  sicher  ist  dagegen  der  Quotient  aus  Na  Gl  in  den  Harnstoff 
m  rascher  gelassenen  Harn  kleiner  als  in  dem  andern.  —  Man 
te  die  Annahme  machen,  dass  der  Harn  ursprünglich,  wie  er 
n  aus  dem  Blut  in  die  Canälchen  trat,  sich  in  beide  Nieren 
Ii  verhalten  habe,  und  dass  die  verschiedene  Aufenthaltsdauer 
Jen  Canälchen  ihn  geändert  habe;  dann  müsste  also  aus  dem 
-pi  iinglichen  Harn  mehr  Wasser  und  Na  Gl  als  Harnstoff  ver- 
bunden sein.   Folgt  man  dieser  Voraussetzung,  so  muss  an  der 
^.jtretenen  Veränderung  die  Diffusion  einen  Antheil  haben;  aber 
kann  dieselbe,  vorliegenden  Thatsachen  entsprechend,  nicht 
eein  bedingen.  —  Anderseits  Hesse  sich  aber  auch  behaupten, 
fss  auch  schon  im  Augenblick  der  ersten  Bildung  der  beiderseitige 
iftm  ungleich  gewesen  sei,  weil  die  Möglichkeit  nicht  bestritten 
mlen  kann,  dass  jeder  Werth  der  absondernden  Kräfte  an  und 
sich  ein  anderes  Verhältniss  zwischen  den  Harnbestandtheilen 
rdere. 

i  Die  Diffusion  wurde ,  abgesehen  davon ,  dass  sie  die  einfachste  Erklärung  der 
»'Ogten  Erscheinung  giebt,  in  Betracht  gezogen,  weil  sie  erklärt,  warum  der  Gehalt 
I  i  Harns  an  festen  Bestandtheilen  gewisse  Grenzen  nicht  übersteigt  und  in  dem 
k  sungsgemenge  ein  Stoff  den  andern  zu  ersetzen  venuag  und  weshalb  der  Harn  fast 
"ckcn  wird,  wenn  die  festen  Bestandtheile  des  Harns  unlöslich  sind,  wie  es  z.  B.  ge- 
i  lieht,  wenn  der  auszuwerfende  N  statt  durch  Harnstoff,  durch  Harnsäure  aus- 
i-schieden  wird.  Die  Zurücknahme  des  Wassers,  welches  die  Harnsäure  durch  die 
mt  der  Gefässe  überführte,  wurde  natürlich  zur  Nothwendigkeit,  so  wie  diese  in 
r  Niere  aus  dem  gelösten  in  den  ungelösten  Zustand  übergegangen  war. 

Andere  Erfahrungen  scheinen  jedoch  zu  zeigen,  dass  die  Diffusion  nicht  mehr 
r  Erklärung  ausrciclit.  Denn  der  Harn,  welcher  sich  nach  einstündiger  ünterbin- 
mg  des  Ureter»  in  diesem  letztem  anhäuft,  enthält  in  100  Theilen  weniger  Na  Ol 


424 


Eigenthätigkeit  der  Niere. 


als  das  Blut  und  als  der  Harn,  wolcher  vor  und  nach  der  Unterbindung  auf  dcrBtiLi, 
Niere  und  gleichzeitig  auf  der  entgegengesetzten  abgesondert  wurde ;  ja  öfter  ist 
dem  zurückgehaltenen  Harn  daa  Na  Ol  nur  noch  spurweise  enthalten.  —  Dieses  verstoß 
aber  gegen  die  Grundgesetze  aller  DLffusion.  —  J.Hoppe  hat  noch  auf  einen  zweit 
Umstand  hingewiesen;  nähme 'man  an,  meint  er,  dass  der  Harn  auf  dem  Wege 
Diffusion  von  Blutserum  conzentrirt  werde ,    so  müsse ,  wenn  man  einen  gesättigt 
Harn  durch  eine  Scheidewand  vom  Blutserum  desselben  Thieres  trennte ,  kein  Wasi 
aus  dem  Serum  zum  Ham  übergehen;  dieses  geschah  jedoch,  als  er  den  Versuch 
führte.    Bevor  diese  Thatsache  mit  den  Erscheinungen  in  der  Niere  verglichen  wer4 
darf,  raüsste  man  wissen,  ob  die  Haut,  welche  Hoppe  anwendete,  gleiche  end« 
motische  Eigenschaften  wie  jene  der  Nierencanälchen  besass;  würde  die  todte  Ha 
für  Eiweiss  und  Harnstofi'  durchgängiger  gewesen  sein ,  so  müsste  auch  eine  ande 
Vertheilung  der  Stoffe  auf  beiden  Seiten  eintreten.     Der  Grund ,    warum  in 
Beobachtung  das  Harnvolum  zunahm,  könnte  also  erst  nach  einer  genaueren  Zergliederui 
des  Vorgangs  begriffen  werden. 

7)  Die  nach  Maass  und  Art  ungleiche  Absondening,  welcl 
in  derselben  Zeit  die  gleichscliweren  Nieren  desselben  Thiers  da 
bieten,  könnte  man  yvohl  erklären  aus  Ungleichheiten  des  Blutstrom, 
die  veranlasst  vi^ären  durch  den  jeweiligen  Zustand  der  Muske 
in  den  kleinsten  Arterien,  oder  auch  durch  die  veränderliche  Leic' 
tigkeit  des  Harnabflusses ;  abei-  man  kann  sie  zum  Theil  wenigsteijin: 
auch  andern  in  der  Niere  vorkonmienden  mit  der  Zeit  veränderliche 
Umständen  zuschreiben.    Das  Vorkommen  dieser  letztern  wird  wah; 
scheinlich  gemacht  dadurch,  dass  bei  sonst  gesunden  Hunden  o 
Stunden,  Ja  Tage  lang  gar  kein  Harn  abgesondert  wird,  dass  Opium  di 
llarnabsonderung  öfter  wenigstens  verlangsamt,  Curare  (Kölliker 
Terpenthin,  Canthariden  u.  s.  w.  sie  beschleunigen.    Zur  Gewisshe  «- 
wird  diese  Vermuthung  durch  die  Beobachtung  von  Hermann 
dass  nach  Lösung  einer  Unterbindung  des  Ureters,  die  wenigsten 
eine  Stunde  lang  bestanden,  der  Harn  so  ungemein  reichlich  zunT 
Vorschein  kommt.    Untersucht  man  eine  solche  Niere  bevor  da)* 
Unterband  geöffnet  wurde,  so  findet  man  sie  sehr  angeschwolleB 
so  dass  sie  an  Maass  und  Gewicht  die  entgegengesetzte  bedeuten« 
übertrifft;  die  Canälchen  sind  mit  Flüssigkeit  geftillt,  die  Epithel 
ausgedehnt,  die  Venen  beengt,  was  daraus  hervorgeht,  dass  dii 
auf  der  Kapsel  verlaufenden,  durch  die  Niere  zur  ven.  ren.  treten] 
den  Zweige  beträchtlich  ausgedehnt  sind,  und  in  der  Umgeba; 
der  Niere  Oedem  veranlasst  haben. 

Hartner  fand  die  Epithelien  solcher  Nieren,  die  in  Eolge  von  Wasserein-tl 
spritzungen    in  das  Blut  reichlich   abgesondert   hatten ,    eben^Us    beträchtlich  aus-(  : 
gedehnt;    ob  dieses  Folge  oder  Ursache  der  gesteigerten  Hambildung  war,  ist  un-. 
bekannt. 


Hypothesen  zur  Erklärung  der  Hambereitung. 


425 


Da  sich  die  Thatsachen  noch  nicht  ziisammenreihen  zur  Er- 
irnng  der  Harnabsonderung:,  so  hat  man  sich  bemüht,  das  Feh- 
de durch  Hypothesen  zu  ergänzen,  in  der  Absicht,  um  durch 
zu  neuen  Versuchen  geflihrt  zu  werden.    Die  Anforderungen ,  die 
n  an  ein  solches  Unternehmen  mit  Recht  stellen  darf,  bestehen 
in,  Rechenschaft  zu  geben,  wodurch  die  dem  Harn  eigenthüm- 
'  len  Bestandtheile  aus  denen  des  Bluts  ausgelesen  werden,  weiter, 
durch  sie  in  die  Canälchen  tibergefUhrt  werden ,  ob  sie  dort  sich 
I  ider  verändern  und  wodurch  dieses  geschieht,  denn  es  erscheint 
Li  vorneherein  und  insbesondere  im  Hinblick  auf  den  eigenthüm- 
iien  Bau  der  Nieren  unmöglich,  dass  ein  so  verwickeltes  und  so 
•■änderliches  Lösungsgemenge  wie  der  Harn  ohne  Zuthun  viel- 
her  Bedingungen  bereitet  würde. 

1)  Da  nach  Toriibergehender  Unterbindung  der  Nierengefässe  und  Nierennerven 
Harn   blutig  und  oft  sogar  die  Niere    zerstört  •wurde  (Brächet,  Müller, 

iipers)*),  so  war  man  geneigt,  die  Hambildung  den  Nerven  zuzuschreiben.  So 
rr  es  zu  wünschen  wäre,  dass  der  Grund,  warum  nach  jener  Operation  die  Niere 
lötört  wird ,  einer  neuen  Untersuchung  unterworfen  würde ,  so  wenig  berechtigt  die 
tannte  Thatsache  zu  der  Annahme,  dass  die  Nerven  in  der  unverletzten  Niere  die 
iiwahl  des  Harns  aus  dem  Blut  und  seine  Ueberführung  in  die  Canälchen  besorgen. 

ist  im  Gegentheil  wahrscheinlicher,  dass  durch  die  Quetschung,  welche  Vene  und 
terie  erleiden,  der  Blutstrom  in  der  Niere,  wenn  auch  nicht  plötzlich,  so  doch  all- 
i  lig  verändert  werde  und  dann  Nierenbrand  eintrete ,  der  durch  die  besondern  chemi- 
fen  Einrichtungen  der  Niere  eine  besondere  Gestalt  annimmt.  Die  letztere  Unter- 
i.lung  ist  darum  die  wahrscheinlichere,  weil  die  Zerstörung  der  Nieren  noch  nicht 
Ibaehtet  ist,  wenn  die  Nerven  ohne  Quetschung  der  Blutgefässe  durchschnitten 
rrden. 

Andere  Beziehungen,  die  man  zwischen  der  Nervenerregung  und  der  Harn- 
ilung  beobachtete,  lassen  darauf  schliessen,  dass  die  erstere  den  Blutstrom  regelt; 
im  sich  der  Einfluss  der  Nerven  darauf  beschränkt,  so  würde  mau  sagen  können, 
sei  befähigt,  den  Gang  der  Ahsonderungsmechanik  einzuleiten  und  zu  ver- 
rkcn,  aber  nicht  in  den  innem  Zusammenhang  der  letztern  einzugreifen.  —  Dafür, 
t.s  der  Nerv  in  die  chemischen  Hergänge  eingerechnet  sei,  welche  zur  Hambildung 
lören ,  liegt  kein  Beweis  vor.  —  Donders  deutet ,  indem  er  die  Möglichkeit  des 
ätem  vor  Augen  hat,  auf  die  Analogie  zwischen  Magen  und  Niere  hin,  die  beide 
i  e  saure  Flüssigkeit  abscheiden. 

2)  Die  Epithclialzellcn  der  Harncanälchen  ziehen  die  festen  Bestandtheile  des  Harns 
)  dem  Blut  an,  und  diese  werden  ausgewaschen  durch  das  Wasser,  welches  aus  den 
Omerulis  abgeschieden  wird  (Bowman).  In  dieser  Form  befriedigt  die  Hypo- 
►588  nicht  und  die  Thatsachen  sprechen  nicht  für  und  nicht  wider  sie.  Nachdem 
isch  in  den  Zellen  der  Hamorgane  bei  Schnecken  und  AVittich  in  dem  der  Vögel 
imsäure  aufgefunden,  gab  der  letzte  Physiolog  der  genannten  Hypothese  folgende 


•)  Milller's  Handbuch  der  Physiologie.  4.  Aufl.  Hd.  1.  )).  37C  u.  f.  —  0.  Ludwig, 
t'b  Handwörterbuch.  U.  628.  —  Schultz,  Valentin 's  Jahresbcr.  fUr  1861.  p.  134. 


426 


Hyptheso  von  Bowman-Wittich. 


Gestalt:  die  Zellen  der  Yogelniuro  ziehen  aus  dem  Blut  neutrales  hanisaures  Kuli 
dieses  wird  in  den  Zellen  durch  die  anwesenden  Eiweisakörpor  oder  die  vorhandfi^ 
Kohlensäure  in  saures  harns.  Kali  zerlogt,  welches  in  fester  Form  niederfällt.    Dus  In  j 
gewordene,  mit  dem  Eiweiss  oder  der  CO»  in  Verbindung  gekommene  Kali  ncrsl 
die  Zolle,   so  dass  die  feste  hamsaure  Vorbindung  in  die  Höhle  des  Canälchens 
langt  und  durch  don  Strom  von  Flüssigkeit  ausgespült  wird,  welcher  sich  in 
Glomerulis  absondert.    Diese  Flüssigkeit  ist  aber  ursprünglich  dem  Blutserum  glei 
zusammengesetzt ;  sie  kann  durch  die  Diffusion  verändert  werden ,  aber  immer  wird 
ciweisshaltig  bleiben.  —  Da  der  Harn  der  Säugethicre  kein  Eiweiss  enthält,  wei 
stens  nicht  in  merklichen  Mengen,  so  kann  die  letzte  Unterstellung  überhaupt  ni 
für  sie  gelten.  —  Nehmen  wir  sie  aber  in  der  Grenze ,  in  der  sie  aufgestellt  wiui 
nämlich  für  die  Vögel  an ,   so  lässt  sich  Folgendes  für  und  wider  sagen :    Der  Bew| 
dafür,  dass  die  Zellen  die  harnsauron  Salze  anziehen,  soll  darin  liegen,  dass  sie  di 
gefunden  werden ;  offenbar  ist  mit  diesem  Vorkommen  noch  nicht  bewiesen ,  dass 
aus  dem  Blut  zunächst  in  die  Zellen  dringen  und  von  da  erst  dann  in  die  ßö 
lichtung  gelangen,  wenn  sich  die  Zellen  damit  überfüllt  haben.    Eben  so  gut  köi 
die  hanisauren  Salze    in  verdünnter  Lösung    aus  den  Glomerulis  in  die  Canälcl 
kommen;  sie  können  dort  die  Zellen  durchtränken,  sich  in  ihrem  Verlauf  durch 
Röhrchen  sowohl  in  der  Lichtung  der  letzteren,  wie  in  den  Zcllenhöhlen  verdichi 
und  niederfallen.    Da  die  in  den  Zellen  enthaltenen  Niederschläge  durch  diese  letzl 
selbst  festgehalten  werden ,  so  kann  es  sich  auch  ereignen ,  dass  die  in  der  Lichl 
enthaltenen  harnsauren  Verbindungen  ausgeschwemmt  werden ,  während  die  ersi 
liegen  bleiben.    Diese  Erklärung  gewinnt  im  Gegensatz  zu  der  von  Wittich  gegebefi] 
an  Gewicht  durch  die  Beobachtung,  dass  die  zugebundenen  Vogelnieren ,  statt  sich 
Harnsäure  zu  füllen,  sie  im  Gegentheil  verlieren  (Beckmann).    Jedenfalls  tritt 
Thatsache  sehr  entschieden  gegen  die  Harnsäureanziehung  der  Zellen  auf.  —  Um 
Uebergang  der  Harnsäure  in  die  Eöhrenhöhlung  zu  erläutei-n,  nimmt  Wittich 
dass  die  Zellen  zerstört  würden.    In  dieser  Annahme  liegt  insofern  etwas  Logis^ 
als  sich  entweder  das  Anziehende  oder  das  Angezogene  verändert  haben  muss ,  wi 
die  aus  dem  Blut  stammende,  in  der  Hamröhrenlichtung  enthaltene  Flüssigkeit 
Stoffe  wieder  aus  den  Zellen  an  sich  nehmen  soll ,  die  ihr  so  eben ,  als  sie  noch 
Blut  war,    durch  die  Zellen   entzogen  wurde;    dieses  gilt  um  so  mehr,  als 
Wittich  jene  Flüssigkeit  Blutserum  sein  soll.    Denn  dächte  man  sich  in  den  Zi 
anziehende  Wirkungen  und  die  von  ihnen  angezogenen  Stoffe  unverändert ,  so  köniii 
die  letzteren  nicht  wieder  aus  den  Zellen  entfernt  worden  durch  die  Flüssigkeit, 
sei  denn ,   man  wolle  annehmen ,  dass  die  anziehenden  Kräfte  der  Flüssigkeit 
grösser  und  bald  kleiner  als  die  der  Zellen  seien ,  je  nachdem  sie  in  den  Blutgeßil 
oder  in  den  Harncanälchen  gelegen  sei.  —  Nimmt  man  nun  an,  dass  die  Zelle  ze; 
wird,  so  müsste  sich  dieses  bei  der  grossen  Menge  von  Harnsäure  im  Vogelbarn 
oft  ereignen ,  und  demnach  müssten  sich  auch  sehr  viele  Zellen  neu  bilden ;  fit» 
sich  nun  in  der  Niere  Formstufen ,  die  auf  einen  solchen  Vorgang  hinweisen  ?  — 
Flüssigkeit,    welche   die   festen   Bestandtheile    des    Vogelharns   entfernt,  soll 
Wittich  darum  aus  den  Glomerulis  ausgeschieden  werden,    einmal  weil  die  Gi 
schlingen  unter  Berücksichtigung  des  Druckes  doch  etwas  aussondern  müssen ,  das 
gesonderte  könne  aber  keine  Harnsäure  sein,  weil  die  Gefässe  nicht  mit  Zellen  S 
kleidet  seien  und  weil  die  Zellen  in  der  Nähe  der  Müll  er' sehen  Capsel  keine  hsn 
sauren  Niederschläge  enthalten;  ferner  auch  darum  nicht,  weil  hier  der  Druck  »1 
Absonderungsursache  wirken  müsse,  der,  da  ihm  keine  chemische  Kraft  innenwohne; 


Hypothese  toh  0.  Ludwig. 


427 


■  lindertes  Sorum  zum  Vorschein  bringen  werde.  —  Begreiflich  lässt  sich  aber  auch 
Vbwesenheit  clor  Niederschläge  in  den  Zellen  nahe  an  den  Glomerulis  dadurch  be- 
n  ,  dass  hier  die  Harnsäure  führende  Flüssigkeit  noch  nicht  die  Dichtigkeit  oder 
aupt  noch  nicht  die  Veränderungen  erlitten  hatte,  die  zum  Pestwerden  jener  Ver- 
.adungen  nöthig  sind.     Aus  allem  Diesen  geht  hervor,  dass  die  thatsächlichc  Nöthi- 
rflg,    sich    der   B  o  wm  an  -  W  i  t  ti  ch' sehen   Annahme   anzuschliessen ,    noch  sehr 
iring  ist. 

Die  Gründe,  aus  welchen  man  so  allgemein  die  Anziehungshypothese  festhält, 
»ssen  also  tiefer  liegen ;  vorzugsweise  scheint  darauf  zu  wirken  die  Erfahrung,  dass  an  so 
den  Orten,  namentlich  in  der  Leber,  in  den  Speichel-,  Schleim-,  Samendrüsen  u.s.w., 
•  frühere  Zelleninhalt  einen  wesentlichen  Theil  des  späteren  Drüsensaftes  ausmacht, 
m  setzte  also  auch  Gleiches  in  der  Niere  voraus,  indem  man  stillschweigend  unter- 
lUte,  es  sei  der  allgemeine  Charakter  der  Zellen,  eine  lebhafte  chemische  Thätigkeit 
.entwickeln;  eine  kurze  Umschau  über  die  verschiedenen  Zellenarten  lässt  aber  bald 
nennen,  dass  statt  dieser  nicht  allgemein  gültigen,  eine  andere  allgemeine  Leistung 
ggestellt  werden  muss,  die  nämlich,  dass  die  Zelle  einen  eigenthümlichen  chemischen 
rgang  abgrenzen  kann,  wo  ihr  ein  solcher  gegeben  ist. —  Indem  man  nun  die  Nieren 
tt  den  andern  Drüsen  verglich,  konnte  man  nicht  übersehen,  dass  die  Nieren  nicht 
raugsweise  bilden,  sondern  nur  ausscheiden,  also  wurde  hier  der  Zelle  statt  eines 
r«eugungs-  ein  Anziehungsvermögen  zugetheilt.  Hierdurch  entstehen  aber  neue 
nwierigkeiten ,  denn  was  soll  das  für  ein  Stoft'  in  der  Zelle  sein,  der  Säuren,  Basen, 
isi  und  indifferente  Körper  aus  allen  Naturreichen  gleich  gnt  anzieht.  Und  wenn  es 
f.en  solchen  gäbe,  wie  würden  die  von  ihm  angezogenen  Körper  wieder  frei.'  Für 
Ii  Letztere  lägen  zwei  Möglichkeiten  vor,  entweder  die  angezogenen  Stoffe  änderten 
th  und  btissten  dann  ihre  Verwandtschaften  ein ,  oder  der  anziehende  Stoff  ginge  zu 
sonde.  Beides  müsste  eine  Folge  zurücklassen,  die  im  Harn  sichtbar  wäre.  Zählt 
tai  hinzu,  dass  nach  Unterbindung  der  Niere  bei  Säugethieren  (Hermann)  und 
ggeln  (Beckmann)  die  Niere  frei  von  Hambestandtheilen  wird,  so  ist  man  schwer- 
11  geneigt,  die  Zellen  als  Sammler  der  letzteren  anzusehen. 

Wenn  man  die  Zelle  als  eine  Einrichtung  ansieht,  die  in  ihrem  geschlossenen 
lanenraum  einen  chemischen  Vorgang  isoliren  kann ,  so  wird  man  leicht  zu  der  Be- 
Duptung  kommen,  dass  wo  ein  Binnenraum  sei,  auch  ein  eigenthümlicher  chemischer 
rrgang  stattfinde ,  weil  das  Erstere  ohne  das  Letztere  unnütz  sei.  Jeder  Kenner  der 
[janischen  Natur  wird  diesen  Grund,  obwohl  er  kein  strenger  ist,  gelten  lassen; 
mit  würde  aber  auch  die  Zelle  einen  Antheil  an  der  Harnbildung  gewinnen,  der  ihr 
•inzipiell  auch  nie  abgesprochen  wurde,  der  aber  factisch  unbekannt  ist.  Man  sagt 
<«  etwas  Selbstverständliches  aus,  wenn  man  hervorhebt,  dass  die  Haut  des  Harn- 
laälchens  ohne  die  Zelllage  andere  endosmotische  Eigenschaften  haben  würde,  als  sie 
'  t  derselben  hat,  und  dass,  wenn  chemische  Neubildungen  in  dem  Zelleninhalt  statt- 
'.den,  diese  den  durch  die  Eöhre  wandernden  Harn  ändern  würden. 

3)  Eine  andere  Hypothese  zieht  in  Betracht  die  eigenthümliche  Art  des  Blut- 
'.•oms  durch  die  Nieren  und  die  Erscheinung,  dass  die  Wandung  zahlreicher  Capillar- 
■steme  des  thierischen  Körpers  für  eiweissartige  Stoffe  und  Fette  endosmotisch  undurch- 
inglich  ist.  Von  diesem  Boden  ausgehend,  stellt  sie  nun  die  Vermutliung  auf,  es 
ichte  der  Blutdruck,  welcher  auf  der  innern  Fläche  der  Gofässe  des  Glomerulus 
ht,  das  gesamrate  Blutserum,  weniger  Eiweissstoffe ,  Fette  und  die  mit  denselben 
rbnndenen  Salze  durch  die  Blntgefässwandungen  in  das  Lumen  der  Hamcanälchen 
'ntrciben.    Die  hier  angelangte  Flüssigkeit  würde  allmälig  durch  die  Hamcanälchen 


428 


Hypothese  von  C.  Ludwig. 


treten  und  auf  diesem  Wege  in  endosmotisohe  Beziehung  kommen  zu  dem  conzentHrt»/ 
Blut,  welches  in  den  Capillaren  läuft,  die  jenseits  der  Glomeruli  die  Hamcanälohij 
umspinnen  (C.  Ludwig).  Im  Einklang  mit  dieser  Hypothese  ist  zuerst  die  Beobacll 
tung,  dass  die  Geschwindigkeit  der  Harnabsonderung  in  einer  unbezweifclbaren  Ji»» 
Ziehung  zum  Spannungsunterschied  zwischen  dem  Inhalt  der  Harn-  und  Bluti.' 
steht;  —  sie  wird  unterstützt  durch  die  Thatsachen,  welche  das  Eingreifen  der  Dill  um 
in  die  Hambildung  darthun;  weiter  dadurch,  dass  wenn  von  zwei  Nieren,  die  gleii 
jseitig,  und  somit  aus  demselben  Blut  Harn  erzeugen,  die  eine  mehr  Wasser  abgo! 
dert  als  die  andere,  sie  auch  mehr  Harnstoff  aus  dem  Blut  nimmt;  die  Hypothese  ei 
klärt  endlich  ohne  Schwierigkeit,  warum  das  Blut  so  vielerlei  und  so  verschied« 
Stoffe  durch  die  Nieren  entlässt  und  nur  wenige  zurückhält. 

Um  zu  erklären ,  warum  die  in  den  Harn  übergehenden  Bestandtheile  in  ihm 
einem  ganz  andern  Verhältniss  vorkommen  als  im  Blut,  giebt  es  verschiedene  Wi 
Setzt  man  voraus,  dass  die  in  den  Glomerulis  ausgeschiedene  Flüssigkeit  Plasma,  weni| 
Ei  weiss  und  die  damit  verbundenen  Salze  sei,  so  muss,  da  auch  die  Häute  der 
canälchen  in  ihrem  weitem  Verlaufe  für  Eiweiss  undurchgängig  sind,  zunächst 
Bestreben  entstehen,  das  Wasser  aus  dorn  daran  sehr  reichen  Harn  in  das  Blut 
führen,  und  zwar  so  lange,  bis  die  Kraft,  mit  welcher  das  Wasser  diesseits  und  ji 
seits  der  Haut  festgehalten  wird,  gleich  wäre,  vorausgesetzt,  dass  der  Harn  lan{ 
genug  in  den  Canälchen  verweilte.  Indein  dieses  geschieht,  werden  aber  auch  sehr  bi 
die  Harnstoffe  und  Salzprozente  dos  Harns  höher  sein,  als  die  des  Blutes,  und 
wird  also  die  endosmotische  Ausgleichung  auch  durch  den  Uebergang  jener  Stoffe 
werkstelligt.  Die  Menge  jedes  einzelnen  dieser  Stoffe ,  die  in  den  Canälchen  zurü( 
bleibt,  würde  dann  abhängig  sein  von  dem  Unterschiede  ihrer  Dichtigkeit  im  H( 
und  Blut  und  von  der  DifTusionsgeschwindigkcit ,  die  ihr  zukommt  in  Anbetracht  d{ 
besondern  Uebergangswiderstandes ,  den  die  trennende  Haut  entgegensetzt.  Da  nun  bi 
kanntlich  durch  die  bis  dahin  untersuchten  Häute  das  Na  Cl  viel  rascher  geht  als  KO  Kjl 
und  2NaOHOP05,  so  würde  es  damit  in  Ueboreinstimmung  sein,  dass  trotz 
grossem  Dichtigkoitsunterschiedes  der  beiden  letzten  Salze ,  sie  sich  doch  im  VerhSIl 
niss  zum  NaCl  viel  reichlicher  im  Harn  als  im  Blut  finden  können.  Anders  beim  HartI 
stoff;  nach  Hoffmann  diffundirt  durch  den  Herzbeutel  eine  50  (r)prozentige  Harnstoff 
lösung  noch  einmal  so  geschwind  als  eine  2(3,5  proz.  Kochsalzlösung ;  also  dürften  bei4i 
Stoffe  bei  gleicher  Dichtigkeit  etwa  gleiches  Diffusionsvevmögen  besitzen ,  und  sonÄj 
würde  man  bei  dem  geringem  Harnstoff-  als  NaCl-Gehalt  des  Blutes  vorausse' 
müssen,  dass  der  Harnstoff  im  Harn  sich  nie  wesentlich  anhäufen  dürfe.  Soi 
bleibt  unter  Aufrechterhaltung  der  andern  Bedingungen  entweder  nur  übrig ,  eine 
sondere  Struktur  in  der  Canälchenwandung  anzunehmen ,  die  die  Diffusionsgeschwim 
keit  herabsetzt ,  oder  zu  unterstellen ,  dass  das  Na  Cl  unter  Umständen  duixh 
der  chemischen  analoge  Kraft  in  das  Blut  zurückgenommen  werde. 

Aus  den  oben  hingestellten  Annahmen  lässt  sich  auch  ersehen,  warum  das  in  das  Blut 
eingespritzte  Wasser  nicht  sogleich  die  Absoheidung  desselben  durch  den  Ham  mehrt 
das  Wasser  wurde  nämlich  ,  insofern  sich  nicht  auch  gleichzeitig  der  Gehalt  des  In- 
halts der  Canälchen  an  festen  Bestandtheilen  gemehrt  hatte ,  wieder  in  das  Blut  zurück- 
genommen. Es  wüi'de  die  Mehrausscheidung  von  Harn  also  erst  dann  beginnen  können 
wenn  sich  durch  eine  von  dem  Wasser  eingeleitete  Diffusion  zwischen  Geweben  unJ 
Blut  die  Salze  des  letzteren  vermehrt  hätten. 

Eine  Frage  von  besonderer  Art,   die  durch  die  vorstehenden  Hypothesen  gsr 
nicht  gelöst  wird,  ist  die,  warum  wird  das  Eiweiss  nicht  in  die  Hamcanälchen  über 


Ausstossung  des  Harns  aus  der  Niere;  Ernährung  der  Niere. 


429 


it?  Dcim  wenn  auch  nach  Valentin  und  Schmidt  bei  der  Filtration  von 
isslösungen  die  durchgegangene  Flüssigkeit  weniger  Albumin  enthält,  als  die  auf- 

^sL'ue,  so  enthält  sie  doch  Albumin,  und  ebenso  enthält  bei  einer  möglichst  bald 
sh  dem  Tode  angestellten  Filtration  von  Blut  durch  die  Niere  in  die  Harncanälchen 
-rgehende  Flüssigkeit  Eiweiss  (Loebcll).  Zur  Aufhellung  dieser  dunkeln  Seite 
;  eres  Vorgangs  dienen  vielleicht  die  neuerlichst  entdeckten  chemischen  Vorgänge  im 
tiern  der  Niere,  durch  welche  möglicher  Weise  das  Eiweiss  ausgeschlossen  werden 
imte.  Heynsius  glaubt  in  der  That  den  Umstand,  der  dieses  ausführt,  schon  ge- 
dden  zu  haben,  und  zwar  in  der  Säure,  welche  das  Nierengewebe  immer  und  nament- 
i  auch  das  solcher  Thiere  enthält,  deren  Harn  schon  imCalyx  alkalisch  reagirt.  Die 
aeidekraft  der  Säm-en  hält  er  aber  darum  für  feststehend,  weil  diffundirendes  und 
virendes  Blut  durch  eine  Amnios-Haut  mehr  Eiweiss  entlässt  in  destillirtes 
isser,  als  in  Harn  oder  in  ein  durch  Essigsäure  angesäuertes  Wasser.  Es  wäre  zu 
uischen,  dass  diese  wichtige  Beobachtung  zu  Gunsten  der  Harnabsondeining  noch 
mrch  erweitert  würde,  dass  sie  wo  möglich  mit  der  Säure,  welche  der  Niere  eigen- 
■mlich,  angestellt  würde,  wobei  zugleich  zu  bestimmen  wäre,  ob  diese  Säure  in 
rer  so  grossen  Verdünnung ,  wie  sie  in  der  Niere  vorkommt ,  noch  wirksam  wäre.  — 

Wahrscheinlichkeit  aber,  dass  der  chemische  Vorgang  in  der  Niere  sich  an  der 
«Schliessung  des  Eiweisses  betheiligt ,  wird  noch  dadurch  erhöht ,  dass  einige  im 
jsser  lösliche  Bestandtheile  des  Nierenextraktes  nicht  in  den  Harn  übergehen ;  sollten 
vielleicht  ähnlich  wie  in  der  Leber  auch  hier  in  das  Blut  eintreten  Die  Epithelial- 
le  ist  hier  wie  überall  zu  Hülfe  genommen,  um  die  Abwesenheit  des  Eiweisses  zu 
Wären.  Dieser  Satz  wird  dadurch  gestützt ,  dass  im  Eiweissharn  zuweilen  Epithelial- 
fen  der  Harncanälchen  gefunden  werden;  er  bedarf  keiner  Widerlegung. 

Die  Ausstossung.  des  Harns  aus  der  Niere  ge- 
uielit  unzweifelhaft  durch  den  aus  den  Blutgefässen  nachdringen- 
rn  Harn;  ist  er  einmal  aus  der  Papille,  oder  besser  gesagt, 
?3  der  leicht  zusammendriickbaren  Verlängerung  der  Harnkanälchen 
eer  die  Nierenoberfiäche  getreten,  so  kann  er  in  die  Niere  nicht 
eeder  zurückkehren ;  denn  die  Papille  wirkt  genau  wie  ein  Röhreu- 
mtil  (E.  H.  Weber). 

Ernährung  der  Niere.  In  der  fertigen  Niere  geht  ein 
;bsständiger  Stoffwechsel  vor  sich ,  wie  die  beim  chemischen  Bau 
örterten  Thatsachen  beweisen.  —  Nach  reichlicher  Fettnahrung 
l  len  sich  namentlich  bei  der  Katze  die  Zellen  der  Harnkanälchen  mit 
ttt  (Lang).  Krankhafter  Weise  schuppt  sich  häufig  das  Epi- 
ijlium  ab  und  es  mehrt  sich  der  formlose  Bindestoif  zwischen 
am-  und  Blutgefässen.  —  Nach  Unterbindung  der  Nierenarterie 
ibwinden  unter  vorgängiger  Erweichung  (Brand)  die  Nieren  häufig 
rasch,  dass  36  Stunden  nach  vollendeter  Operation  keine  Spur 
bhr  von  denselben  aufzufinden  ist  (Schultz).  Die  Erweichung 
.ginnt  in  der  Cortikalsubstanz  und  ergreift  zuerst  die  Gefässhaut 
r  Glomeruli.  —  In  der  fertigen  Niere  bilden  sich  zerstörte  Hara- 
ld Blutkauäle  nicht  wieder. 


430 


Ureter;  Harnblase. 


Beckenneigung. 


Horizont. 


llarnröliro . 


B.  Ureteren  und  Blase*). 

1)  Das  untere  Ende  des  Ureters  durchbohrt  die  Blasen wai 
schief,  so  dass  er  auf  einer  kurzen  Strecke  zwischen  Schleim- 
Muskelhaut  hingeht.    Die  nothweudige  Folge  dieser  so  oft 
Organismus  wiederkehrenden  Verbindungsart  von  Canal  und  Bj 

hälter  besteht  darin,  dass  bei  eine 
jeden  Druck,  der  von  der  innei] 
Blasenfläche  hei-  wii'kt,  der  Uret 
geschlossen  wird ;  mit  eiuemWor 
es  ist  dadurch  ein  Ventil  gegebeij 
welches  den  Sti-om  des  Harns  w 
vom  Ureter   zur  Blase  möglic 
macht.  —  Au  dem  Uebergang 
Blase  in  die  Harnröhre  A  (Fig.  5'i 
faltet  sich  die  vordere  Blasenwag  j 
B  zu  einer  Grube  ein.  Daraif 
würde  folgen,  dass  bei  gefölltd 
Blase  die  Harnröhre  ohne  Zuth" 
eines  Muskels  geschlossen  werde 
kann  (Kohlrausch). 

2)  Die  Muskeln  des  Ureters  sind  bekanntlich  quer-  und  län 
laufende;  ihre  Nerven  treten  aus  dem  Lendengrenzstraug ;  der 
Sprung  derselben  soll  nach  Valentin  und  Kilian  bis  in  die  S 
hügel  hinauf  verfolgt  werden  können.    Die  Bewegungen,  welch 
sie  einleiten,,  sind  immer  peristaltische ,  nie  antiperistaltische,  d. 
es  laufen  dieselben  immer  in  der  Richtung  von  der  Niere  zur  Bla 
Wenn  man,  während  eine  Bewegung  im  Fortschreiten  begriffen  i 
ein  beliebiges  Stlick  Muskelsubstanz  an  der  Zusammenziehun 
z.  B.  durch  einen  Druck  auf  dieselbe,  hemmt,  so  steht  die 
wegung  an  der  gedrückten  Stelle  still;  durchschneidet  man  d" 
Ureter  des  Hundes,  so  geht  die  Bewegung  nur  bis  zum  Sei 
(Vulpian).    Im  normalen  Verlaufe  des  Lebens  kommen  die  N 
ven  nur  zeitweise  in  Erregung;  die  Pausen  zwischen  den  Zeit 
der  Erregung  verkürzen  sich,  wenn  aus  der  Niere  viel  Haru  er 
leert  wird;  aber  selbst  wenn  gar  kein  Harn  entleert  wird,  komm 
doch  dann  und  wann  fortlaufende  Zusammenziehungen  zu  Staude. 
Die  Zusammenziehungen  erfolgen  nicht  nothwendiger  Weise  gleic 
zeitig  in  den  beiderseitigen  Ureteren ,  so  dass  die  Nerven  eines  jede- 
von  besonderen  Orten  aus  erregt  werden  müssen.  —  Ein  aiis-l 


")  K  0  Ii  I  r  11  u  sch,  Anfttomic  uiul  l'liysiologie  der  ÜCikenoigmic.  18S4. 


Bewegung  der  Harnblase. 


431 


i  liiiittener  Ureter  bewegt  sieb  niclit  mebr,  weder  peri-  noch 
L listaltisch  (Donders)*). 

Am  todtcn  Thier  ist  die  Urctcreiibewcgung  sichtbar,  wenn  künstliche  Athiiuing 
»leitet  wird  (Yulpian);  auch  ohne  diese  ist  sie  am  Meerschwein  zu  beobachten. 

Die  Muskeln  der  Blase,  der  Detrasor  und  Spliincter,  stehen 
ih  Kohl  rausch  in  der  Beziehung  zu  einander,  dass  sich  die 
den  des  ersteren  in  die  Züge  des  letzteren  einflechten;  es  ver- 
;  sich  also  der  die  Blase  verengende  Detrusor  zugleich  als  ein 
Blasenmündung  umgebender  Radialmuskel,  der  bei  seiner  Zu- 
iimenziehung  die  Harnröhrenöffnung  erweitert.    Die  Nerven  der 
i^enmuskeln  treten  aus  dem  Grenzstrang  der  Lenden  (und  des 
Buzbeins?);  ihre  Ursprünge  sind  nacbBudge**)  mit  Leichtigkeit 
lin  das  Lendenmark  nachzuweisen,  nach  Kilian  und  Valen- 
sollen sie  durch  das  Rückenmark  hindurch  bis  in  das  Hirn 
>';in  zu  verfolgen  sein.  —  Die  Erregungen  des  m.  detrusor  treten 
.dllkührlich  und  wahrscheinlich  auf  reflectorischem  Wege  ein, 
Hientlich  immer  nach  Anfülluilg  der  Blase,  öfter  auch  nach  ver- 
tteten  Hauterregungeu ,  z.  B.  nach  allgemeinen  Bädern.  Durch 
iahrung  der  Blasenschleimhaut  in  der  Nähe  der  Ureterenmün- 
igen  kann  nach  Ch.  Bell***)  am  leichtesten  die  Zusaramen- 
nung  des  Detrusor  ausgelöst  werden ;  man  vermuthet  darum,  dass 
Druck,  welcher  bei  gleichzeitiger  Anfüllung  der  Blase  und  der 
iteren  auf  jene  8chleimh  autnerven  ausgeübt  werde,  die  gewöhnliche 
sinlassung  zur  reflectorischen  Erregung  abgebe.    Wenn  die  Ner- 
des  Detrusor  einmal  erregt  sind,  so  veranlassen  sie  einige 
hindurch  Harndrang;   dieser  verschwindet  jedoch  allraählig 
üer,  selbst  wenn  die  Blase  nicht  entleert  wurde.    Die  harnaus- 
oende  Wirkung  des  m.  detrusor  kann  durch  die  Zusammenziehung 
Bauchmuskeln  unterstützt  werden.    Der  Sphinctcr  des  Blase 
willkührlich  beweglich.    Reflectorisch  erregbar  ist  er  von  der 
lleimhaut  in  der  Blasenmündung  und  in  dem  Beginn  der  Harn- 
•e  (Cl.  Bell).  —  Die  Ursache,  warum  der  Harn  nicht  stetig 
•äufelt,  sondern  in  der  Blase  zurückgehalten  wird,  soll  liegen  in 
schon  erwähnten  ventilartigen  Hervorragung  der  Blasenmündung 
'Ohlrausch),  in  der  Elastizität  des  Sphincters  und  der  Prostata 
iittich)t)  und  endlich  nach  einer  verbreiteten  Ansicht  in  der 


)  Onderzoekingen  etc.  Jaar  h.  p.  62. 
)  Virchow'n  Archiv.  XV.  Bd. 

')  Romberi;,  Lehrbuch  der  Nervenkrankheiten.  I.  Bd.  40«. 
•)  Medizin.  Jahrbucli.  Bd.  II.  12. 


432 


Veränderung  dos  Harns  in  der  Blase. 


tonischen  Zusammenziehung  des  letztern  Muskels.    Da  die  todi 
Blase  den  in  ihr  augehäuften  Harn  zurückhält,  so  ist  unzweifelh; 
auch  ohne  Muskelhilfe  der  Blasenschluss  möglich.    Der  Druck, 
die  Oeffnung  der  todten  Blase  erzwingen  soll,  muss  nach  WittichJ 
und  Rosenthal  bis  zu  900  M.-M.  Wasser  ansteigen,  nach  Heideil 
hain**)  und  Colberg  bei  weiblichen  Hunden  auf  ] 30  M.-M., 
männlichen  auf  380  M.-M.     Die  letzteren  Beobachter  beweia 
auch,  dass  die  lebende  Blase  einen  viel  höhern  Druck  als  die  to 
ertragen  kann ,  bevor  sie  sich  entleert.  —  Wie  hoch  der  Druck 
unter  dem  im  unversehrten  Thier  der  Harn  für  gewöhnlich  stell 
ist  unbekannt.    Also  bleibt  es  ungewiss ,  ob  eine  tonische  Erregt 
des  Sphincters  zum  Schliessen  der  Blase  nothwendig ;  noch  wenig 
ist  entschieden,  ob  eine  solche  besteht.  «i 

Die  Schleimhaut  der  Ureteren  und  der  Blase  ist  mit  eine 
geschichteten,  aus   cylindrischen  und  platten  Zellen  zusamme] 
gefügten  Epithelium  bekleidet.    In  der  Umgebung  der  Blasenmt 
dung  sind  in  die  Schleimhaut  einfach  traubige  Drüsen  eingebettd 
welche  einen  schleimhaltigen  Saft  absondern.  .jj 

Veränderung  des  Harns  in  der  Blase,    a)  Harngi 
rung.  Während  des  Aufenthaltes  in  und  nach  seiner  Entfernung 
der  Blase  verändert  der  Harn  durch  Selbstzersetzung  seine  Reaktijj 
entweder  zu  einer  stark  alkalischen  oder  zu  einer  stark  sauren. 

Die  alkalische  Reaktion  ist  abhängig  von  einer  Umwandln 
des  Harnstoifs,  welcher  unter  Aufnahme  von  Wasser  in  kohle 
saures  Ammoniak  übergeht.    In  Folge  dieser  Ammoniakbilduäp 
wird  der  Harn  durch  einen  Niederschlag  von  phosphorsaurem  Ki 
getrübt.    Sie  ereignet  sich  in  der  Blase  selten  und  scheint  vorzu^ 
weise  bei  Rtickenmarkslähmungen ,  bei  denen  sich  auch  eine  rei^ 
liehe  Blasenschleimabsonderung  einstellt,  beobachtet  zu  werdi^ 
In.  diesen  Fällen  geht  die  Umsetzung  des  Harnstoffs  so  rasch 
sich,  dass  sie  selbst  eintritt,  wenn  der  Harn  nur  kurze  Zeit  in 
Blase  verweilte,  nachdem  diese  vorher  mit  lauem  Wasser  wie4| 
holt  ausgespült  worden  war  (Smith)***).  —  Im  gelassenen  Hä 
kommt  zu  einer  gewissen  Zeitperiode  diese  Umsetzung  immer  vOi| 

Die  saure  Gährungf)  wird  eingeleitet  durch  den  Harnblase 
schleim  und  durch  Luftzutritt,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  sie|l 


•)  Rosenthal,  de  tono  musonloniin  imprimis  sphinctenim.   Königsberg  1857. 
•»)Müller's  Archiv.  1858.  437. 
•**)  Uomberg,  1.  c.  p.  73.5. 

t)  Scherer,  Liebig's  Annslen.  42.  Bd^  171.—  Liebig,  ibid.  50.  Bd.  Ifil.  —  Virclionf 
Archiv  fiir  |)iithol.  Anatomie.  VI.  Bd.  25!).  —  Lehmnnn,  Pliysiolog.  Chemie.  II.  Bd.  401. 


Veränderung  des  Harns  in  der  Blase  durch  Diffusion. 


433 


tax  gelassenen  Harn  unterbrochen  werden  kann,  wenn  er  vor 
m  Luftzutritt  bewahrt  und  der  Schleim  von  ihm  abfilträt  wird, 
.den  späteren  Stadien  derselben  entstehen  aber  auch  Gährungs- 
ize  ( S  c  h  e  r  e  r ,  V  i  r  c  h  o  w ,  Lehmann).  Ihre  hervoiTagendsten 
M)dukte  sind  Essig-,  Benzoe-,  Oxal-  und  Milchsäure.  An  der 
dung  der  ersten  betheiligt  sich  wahrscheinlich  der  Farbstoff 
ich  er  er,  Lieb  ig),  während  die  Benzoesäure  aus  der  Zer- 
rung der  Hippursäure ,  die  Milchsäure  wahrscheinlich  aus  dem 
räker  hervorgeht.    Ist  die  saure  Gährung  ausgeprägt  vorhanden, 

I  trübt  sich  der  Harn  duüch  Ausscheidung  von  Harnsäure  oder 
irem  harnsauren  Natron.  Scher  er  macht  darauf  aufmerksam, 
*s  dieser  Prozess  Veranlassung  zu  Harnsäureconisretionen  geben 
un.  —  Im  diabetischen  Harn  entsteht  durch  Gährung  Buttersäure 
Dönberg,  Scherer)  und  .  Essigsäure  neben  CO2  und  Am 
ceubauer  *). 

b)  Veränderung  durch  Diffusion  **).  Bei  den  Nummern,  welche 
Harnstoff,  Na  Gl,  Wasser  u.  s.  w.  handeln,  wurde  schon  be- 
Ikt,  dass  nach  Kaupp  der  tägliche  Harn  eines  auf  gleiche 
iise  lebenden  Menschen,  wenn  er  zwölf  Mal  des  Tags  entleert 
(de,  mehr  von  den  genannten  Stoffen  enthält,  als  wenn  er  nur 
iiimal  täglich  aus  der  Blase  gelassen  wurde. 

Um  die  Unterschiede,  die  hier  eintreten,  ersichtlicher  zu  machen, 
ten  wir  folgende  Zahlenreihe  hin,  welche  durch  die  grosse, 
wissenschaftlicher  Begeisterung  geleitete  Untersuchung  Kaupp's 
■onnen  ist.    Die  Zahlen  bedeuten  das  mittlere  Uebergewicht, 
}jhes  die  verzeichneten  Werthe  in  dem  in  12  Stunden  12  Mal 
eeerten  Harn  über  den  nur  2  Mal  entleerten  gewonnen  hatten. 
Wasser  .  87,3  C.  C.        PO5  .  .  .  .  0,17  Gr. 
Harnstoff.  0,93  Gr.        SO3  ....  0,06  „ 
Na  Gl.  .  .  0,79  „         Feste  Best.  2,12  „ 
Dieser  Verlust,  welchen  der  Harn  bei  längerem  Aufenthalt  in 
Blase  erleidet,  kann  abhängen  von  einer  Diffusion,  welche 
lächen  dem  Blut-  und  dem  Blaseninhalt  eintritt,  aber  er  kann 

II  bedingt  sein  dadurch,  dass  die  gefüllte  Blase  den  Ab'fluss 
Harns  aus  dem  Ureter  hindert.    Um  diese  Alteraative  zu  ent- 

eiden,  würden  die  Versuche  fortzuführen  sein,  welche  Kaupp 
tHunden  begonnen,  denen  "er  Harn  von  bekannter  Zusammen- 


)  Llebig'B  Annalen.  Fcbrunr  1856. 
I  Archiv  fllr  phy».  Heilkunde.  1856. 

ndwig,  Pliygiologlo  II.  2,  Aulloge. 


28 


434 


Miiimlicho  Geschlechtswerkzeugn ;  ftnatomischcr  Bau  der  ITodcn. 


Setzung  in  die  leere  Blase  einspritzte,  während  die  Ureteren 
bunden  waren. 

Männliche  Geschlechtswerkzeuge. 

A.  Hoden.  •» 
1.  Anatomischer  Bau.    Das  Charakteristische  der  Samenk 
chen  besteht  darin,  dass  ein  jedes  sich  ununterbrochen  schlän 
und  oft  anastomosirt ,  bevor  es  in  das  vas  deferens  ausläuft 
dass  jedes  einzelne  der  zahlreich .  vorhandenen  von  verhäl 
mässig  weitem  Lumen  ist,  während  ^er  Gang,  in  dem  alle  R 
chen  ausmünden,  ein  verhältnissmässig  sehr  schwaches  Kaliber 
sitzt;  es  verengert- sich  also  das  Gesammtlumen  der  Samenrö' 
vom  Anfang  zum  Ende  des  Hodens.   Diese  Verengung  scheint 
keineswegs  eine  stetig  fortschreitende,  sondern  eher  eine  auf- 
absteigende  zu  sein;  so  hat  es  offenbar  den  Anschein,  als  ob 
in  den  ductus  efferentes  so  ungemein  verschmälerte  Bett  der  (~ 
einigt  gedachten)  Samenröhrchen  in  den  coni  vasculosi  sich  wi 
erweiterte  und  gegen  das  vas  deferens  wieder  verengere.  — 
Wand  der  Samenkanälchen  ist  aus  elastischen  muskelfreien  B"' 
geweben  gebildet,    dessen  innere  Fläche  mit   kugeligen  D 
Zellen  belegt  ist;    ebenso  sind  die  Wände  der  ductuli  efferefi 
gebaut,  mit  der  Ausnahme  jedoch,  dass  das  Epithel  ans  e" 
Lage  konischer  Zellen  besteht,  welche  zu  allen  Zeiten,  also  a 
im  unreifen  Hoden,  Wimperfäden  tragen.   Die  Haut  der  S: 
kegel  und  die  des  Nebenhodenkanals  enthält  ausser  dem  elastis 
Bindegewebe  auch  noch  Muskelzellen  und  ihr  Epithel  ist  aus  . 
mehrfachen  Lage  von  cylindrischen  und  dünnwandigen  Zellen' 
baut,  die  sich  zur  Zeit  der  Geschlechtsreife  mit  sehr  langen 
pem  versehen  (0.  Becker)*).  —  Die  Wand  der  Nebenhoden 
steht,  von  aussen  nach  innen  gezählt,  aus  einer  elastischen  B' 
gewebshaut,  aus  drei  Lagen  von  Muskelzellen,  nämlich  einer 
leren  Kreis-  und  einer  äusseren  und  einer  inneren  Längenschi 
ferner  aus  einer  Schleimhaut  mit  zahlreichen  Grübchen  und  en 
aus  einer  Lage  von  Plattenepithelium.  —  Die  Capillargefässe' 
Hodens,  welche  aus  der  langen  und  engen  art.  spermat.  entsp 
gen,  sind  nicht  zahlreich;  sie  sammeln  sich  in  ein  vielfach  an 
mosirendes  Netz  von  weiten  Venen.' —  Aus  den  Hoden  gehen  se 


*)  Moleschott,  üntersnchüngeii.  II.  Bd.  71.—  KBllikcr,  Handbuch  der  Geweb«" 
lU.  Auflage.  514. 


Samen. 


435 


aminöse  Lymphgefässe  hervor.  —  Die  Nerven  des  Hodens  und 
Desondere  des  vas  deferens,  welche  aus  dem  Lenden-  und  Sa- 
dtheil  des  Grenzstraugs  hervortreten,  sollen  ebenfalls  bis  in 
Hirn  zu  verfolgen  sein.  —  Auf  der  inuern  Fläche  der  tunica  vagi- 
ss  communis,  wo  sie  den  Hoden  mid  Nebenhoden  umschliesst, 
►  zwischen  ihm  und  der  tunica  propria  findet  sich  eine  Lage  von 
ibkelzellen  (Kölliker) ;  von  diesen  aus  sollen  sich  Muskeläste 
rrecken  gegen  die  tunica  albuginea  und  in  die  Scheidewand 
ischen  die  Läppchen  des  Hodens  (Kouget). 

lieber  die  cliemischen  Eigcnthümlichkeiten  des  Hodens  liegen  nur  Notizen  vor. 
?odeler  gewann  aus  den  Hoden  des  Hundes  Krystalle,  die  dem  Kreatin  ähnlicli 
u;  Berthelot  giebt  an,  dass  das  Hodengewebe  rascher  als  Caseiu,  Fibrin  und 
,1  das  Glycerin  und  den  Mannit  in  Zucker  umwandelt. 

2.  Samen*).  Eine  mechanische  Scheidung  zerlegt  den  von 
II  Hoden  abgesonderten  Saft  in  einen  flüssigen  und  in  einen  aufge- 
iwemmten  Theil.  Dieser  letztere  enthält  bestimmt  geformte  Gebilde, 

zwar  entweder  Samenfäden  und  Samenzellen  zugleich  oder  auch 

Samenzellen.    Das  zuletzt  erwähnte  Vorkommen  f Anwesenheit 

Samenzellen  bei  Mangel  an  Samenfäden)  findet  sich  ganz  all- 
i*ein  vor  den  Pubertätsjahren  (in  dem  sogen,  unreifen  Samen) 

häufig,  aber  keineswegs  immer,  in  sehr  hohem  Alter  und  zu- 
ken  in  chronischen  Krankheiten  (Duplay). 

Aus  den  Canälen  des  reifen  Hodens  ist  meist  das  Epithelium 
iiichwunden  und  statt  dessen  findet  sich  der  Hohlraum  der  Röhr- 
[iQ  ausgefüllt  mit  Samenzellen ,  die  von  1  bis  zu  10  und  20  Kerne 
r;eu;  geht  man  in  denCanälchen  weiter  gegen  die  ductus  eflferentes, 
;'.ommen  neben  den  genannten  auch  Samenzellen  vor,  welche  statt 

rundlichen,  verlängerte  Kerne  enthalten  und  noch  weiter  sieht 
II  den  Kera  birnfönnig,  an  dem  spitzen  Ende  mit  einem 
inen  Ausläufer  versehen ,  der  endlich  zum  Schwanz  des  Samen- 
'ins  auswächst,  während  der  Kern  vollkommen  die  Form  des 
laenfadenkörpers    annimmt,    worauf  sich  die  Sam'enfäden  in 

Höhle  der  Zellen  zu  regelmässigen  Bündeln  zusammenlegen, 
langen  die  so  veränderten  Zellen  in  die  ductus  efferentes ,  so  platzt 

Haut   derselben   und  es  werden  die  Samenfäden   frei,  so 


)  Külliker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  3.Aufl.  620.  —  Duplay,  Archives  g(Sn(frnles.  Ddo. 

—  Valentin,  Lehrbuch  der  Physiologie.  2.  Aufl.  II.  Dd.  1.  Abthlg.  p.  41.  —  Leukart 
•Frerichs),  Todd,  Cyklopnedia.  IV.  I3d.  p.  540.  -  M  o  1  osch  o  tt  und  Ulohe  ttl.  Wiener 

Jinlache  Wochenschrift.  IHr,!,.  274.-  Ankermann,  Zeitschrift  für  Wissenscham.  Zoologie, 
i  Bd.  —  Kölliker,  ibidem.  Vn.  Bd. 

28* 


436 


Bewegung  der  Samcnfiidcji. 


dass  im  Schwanz  des  Nebenhodens  und  im  vas  deferens  sich 
diese  letzteren  neben  geringen  Beimengungen  von  Körnchen  u 
Zellen  finden  (Kölliker). 

In  dem  frischen,  aus  dem  lebenden  Thier  genommenen  Ho< 
zeigen  alle  die  Fäden  Bewegungen,  welche  sich  jenseits  der  vi 
efferentia  befinden ,  keineswegs  aber  die ,  welche  in  den  Canälcl 
und  den  genannten  Gängen  enthalten  sind  (0.  Becker).  Es  körn 
jedoch  alle  Fäden,  also  auch  diejenigen,  welche  an  ihrer  nat 
liehen  Lagerstätte  ruhig  sind,  durch  passende  Mittel  zu  Bewegung 
veranlasst  werden ,  in  günstigen  Fällen  selbst  noch  am  diitten  Ta 
nach  dem  Tode  des  Thiers,  dem  der  untersuchte  Hoden  angehöi 
Diese  Bewegungen  gehen  ursprünglich  von  dem  Schwanz,  nii 
aber  vom  Kopf  aus,  denn  Kölliker  hat  gefunden,  dass  der 
getrennte  Schwanz  sich  noch  bewegt,  der  abgetrennte  Kopf  alJ 
ruht.  Der  von  dem  platten,  nach  vorn  etwas  zugespitzten  Ko| 
ausgehende  lange  fadenförmige  Schwanz  krümmt  sich  bei  die«! 
Bewegungen  ohne  regelmässige  Folge  bald  da,  bald  dort  hin 
her  und  streckt  sich  rasch  wieder;  hierbei  entwickelt  derselbe  hj'^' 
reichende  Stosslu'äfte,  um  eine  Ortsbewegung  des  ganzen  Fadi 
zu  veranlassen ,  welche  denselben  in  einer  Sekunde  um  0,27  MM. 
gerader  Linie  weiterschieben  kann  (He nie).  Bei  diesen  Be 
gungen  weichen  die  Fäden  Hindernissen  aus,  die  ihnen  eutge^*^ 
treten,  so  dass  es  den  Anschein  gewinnt,  als  ginge  in  den 
wegungsakt  eine  sinnliche  Wahrnehmung  und  eine  Schätzung 
bevorstehenden  Hemmung  ein. 

Die  Bewegungen  können  für  längere  Zeit  erlöschen  und  daj 
unter  günstigen  Bedingungen  wieder  kommen;  sie  scheinen 
möglich  zu  sein  in  den  Temperaturgrenzen  von  12  bis  46"  C,  fe^ 
nur  so  lange,  als  die  Samenfäden  sich  in  einem  gewissen  Grad  ^^i- 
Quellung  und  in  einer  bestimmten,  nicht  näher  zu  bezeichnend» 
chemischen  Verfassung  befinden.    Die  Bedingungen,  unter  dem 
die  ruhenden  Fäden  wieder  zur  Bewegung  gebracht  werden  a 
die  bewegten  beruhigt  werden,  sind  nicht  überall  mit  denen  gl 
durch  welche  der  reizbare  Nerv  und  Muskel  erregt  werden  fc 
oder  seine  Erregbarkeit  einbüsst. 

Die  Bewegung  erhält  sich  unverändert  in  allen  thierischen  Flüssigkeiten  yon 
lerer  Conzentration  und  schwach  alkalischer  Reaktion;  sie  verschwindet  dagegen, 
die  Säfte  sauer  oder  durch  ammoniakalische  Beimischungen  stark  alkalisch  sind. 
Bewegung  erhält  sich  ferner  in  1  prozentigen  Lösungen  von  NaCl,  KCl,  AmCl,  NaO 
KONO5,    und  in  5— 10  prozentigen  Lösungen  von  2NaOHOP05,  NaOCGj,  NaOS' 
MgOSOs,  BaCl;  ferner  in  mittelstarken  Lösungen  von  Zucker,  essigsaurem  Morphii 


Absonderungsgeschwindigkeit  des  Samens. 


437 


lium  und  Stryohnin  (Valentin,  E.  Wagner,   Krämer,  Ankermann, 
.chott,  KölUker).    Alle,  die  genannten  Lösungen  heben  dagegen  die  Be- 
;en  auf,  entweder  wenn  sie  so  wässerig  sind,  dass  die  Samenfäden  darin  stark 
ion,  oder  so  conzentrirt,  dass  sie  schrumpfen.     Im  ersten  Fall  kann  ein  Zusatz 
z,  im  letzten  Fall  ein  Zusatz  von  Wasser  die  Bewegung  wieder  hervorrufen 
■vc-rmann).     Sind  die  Bewegungen  in    den  günstig  wirkenden  Lösungen  der 
Hinten  Stoffe  erloschen,  so  können  sie  oft  noch  vorübergehend  durch  Aetzkali  her- 
»rufen  werden.  —  Die  Bewegung  sowohl  wie   die  Fähigkeit    dazu  erlischt  un- 
rerbringlich  entweder  augenblicklich,  oder  nach  wenigen  Minuten  in  Lösungen  von 
rroz.  CIH,  in  sehr  verdünnten  Lösungen  von  Metallsalzen  (z.  B.  Sublimat  von 
pCt.)   und  allen  Säuren ,    in  Chloroform ,  Alkohol ,  Aether ,   foeosot  u.  s.  w. 
ingen  von  Gummi  und  Dextrin  verhalten  sich  wie  reines  Wasser  (Ankermann 
Iliker).    Elektrische  Schläge  haben  keinen  Einfluss  auf  die  Bewegungen,  ein 
tanter  Strom  wirkt  nur  durch  seine  elektrolytischen  Ausscheidungen.  —  Die  Be- 
i.chkeit  der  Samenfäden  von  Vögeln,  Amphibien  und  Fischen  verhalten  sich  zu  den 
unten  Eeagentien  nicht  immer  wie  die  der  Säugethiere  und  der  Menschen.    Siehe  . 
hber  KS  Iliker  1.  c. 

Ueber  die  chemisclien  Eigenschaften  des  Inhaltes  des  Hodens 
des  vas  deferens  ist  Folgendes  bekannt:   Die  Samenfäden 

Säugethiere  können  nicht  vollständig  gelöst  werden  durch  con- 
mrte  SO3,  NO5,  Ac;  sie  sind  ferner  unlöslich  in  kohlensaurem 
rron;  in  kalter  Lauge  von  50  pCt.  KO  quellen  sie  stark  auf,  in. 
imer  lösen  sie  sich  (Kölliker).    Die  mit  Wasser  ausgewasche- 

Samenzellen  des  Hodens  enthalten  einen  eiweissartigen  Körper, 

Samenfäden  auf  gleiche  Weise  behandelt,  einen  in  Kali  lös- 
nu  Eiweissstoff,  ein  butterartiges  Fett  und  phosphorsauren  Kalk.. 

Die  Samenflüssigkeit  ist  im  Inhalt  des  Hodens  nur  in  geringer 
:ge  da,  sie  ist  klebrig,  reagirt  alkalisch  und  enthält  einen  in 
■5ser  löslichen,  durch  Kochen  nicht  gerinnenden  Eiweisskörper 
iilliker)  oder  Schleim  und  NaCl  (Frerichs). 

Sperma  aus  den  Nebenhoden  und  vas  deferens  des  reifen  Ochsen  gab  Kölliker 

00  Theilen:   82,09  Wasser,    15,26    organische   Stoffe   (darunter  2,16  Fett)  und 
Salze.  —  Das  Sperma  des  unreifen  Stieres  gab  88  pCt.  Wasser. 

3.  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  des  Samens.  Vor  der 
lertät  geht  die  Bildung  des  unreifen  Samens  zuerst  äusserst 
■jsam  vor  sich;  denn  in  dieser  Zeit  wird,  so  weit  wir  wissen, 

kein  Saft  aus  dem  Hoden  entleert.  —  Nachdem  mit  den  Puber- 
iahren  die  Absonderung  eines  vollkommenen  Samens  zu  Stande 
ommen,  kann  sie  bis  in  das  hohe  Alter  bestehen;  Duplay 

1  in  den  Hoden  SOjähriger  Greise  noch  Samenfäden;  übrigens 
l  nach  demselben  Beobachter  bei  Hochbejahrten  di^  Samenfäden 
«t  spärlicher  vorhanden,  und  fehlen  auch  nicht  selten  gänzlich, 


438  Samon-Borcitung  und  -Entleerung;  Beiwerkzeuge  des  Hodens. 

oder  sie  sind  mindestens  missgestaltet.  Man  vermuthet,  dass  ei 
öftere  Entleerung  des  Samens  die  Neubildung  desselben  beschli 
nige.  —  Bei  Individuen  mittleren  Alters  fehlen  zuweilen  die  Sann 
Täden;  die  Beziehungen,  welche  man  zwischen  gewissen  krai 
haften  Störungen  der  allgemeinen  Ernährungsprozesse  und  der  ai 
bleibenden  Bildung  von  Samenfäden  vermuthet,  haben  sich  dur 
die  Untersuchungen  von  Duplay  nicht  bestätigt. 

4.  Samenbereitung.  Die  Formfolge  bei  der  Entmcklung  t 
Samenfäden  ist  schon  soeben  nach  der  Angabe  von  Kölliker  { 
schildert  worden.  Danach  ist  ihre  Bildungsstätte  die  Samenze) 
Die  gekrümmten  und  langen  Wege,  die  häutigen  Anastomosen  U 
endlich  die  Enge  des  vas  deferens  bedingen  eine  hinreichend  Isü 
same  Bewegung  des  Samens  von  den  Anfängen  zu  den  Enden  ( 
Hodens,  um  die  zur  Formentwicklung  nothwendige  Zeit  zu  { 
Winnen.  —  Die  Bedingungen  für  die  Entstehung  des  Samenfade 
müssen  theils  in  der  Blutzusammensetzung  und  theils  in  Zustand 
des  Hodens  selbst  gesucht  werden.  Für  den  letzteren  Satz  spi-9 
vor  Allem  die  Beobachtung  von  Duplay,  dass  bei  demselben 
dividuum  in  dem  einen  Hoden  der  Samen  fadenhaltig  und 
•andern  fadenfrei  sein  kann.  Worin  diese  Bedingungen  liegen,  ^ 
unbekannt,  sicherlich  nicht  in  dem  Säftereichthum  desselben  üb 
haupt,  da  Hoden,  welche  einen  normalen  Samen  erzeugen, 
Mittel  nicht  schwerer  sind,  als  diejenigen,  welche  dieses  nicht  v 
mögen  (Duplay). 

5.  Die  Entleerung  des  Hodens  kann  möglicher  Weise  vera 
lasst  werden  durch  die  in  der  tunica  vaginalis  comm.  vorhanden» 
Muskeln;  die  Anwesenheit  eines  serösen  Sackes  (tunica  vaginä 
propria)  deutet  mindestens  auf  eine  Verschiebung  der  beiden  Bläi 
'desselben,  also  auf  selbstständige  Hodeubewegungen  hin.    Die  A 
treibung  des  Sperma  aus  den  Nebenhoden  muss  dagegen  begüu 
werden  durch  die  von  Becker  nachgewiesenen  Cilien,  welil 
einen  Strom  vom  Hoden  zum  vas  deferens  einleiten.  —  Der  in 
vas  deferens  entleerte  Samen  vdrd  durch  die  Muskelbeweguni 
dieses  Schlauchs ,   nicht  aber  durch  die  Zusammenziehungen,  d 
m.  cremaster  (L.  Fick)  gegen  die  Samenbläschen  hin  ausgestossi 
wo  er  mit  andern  Drüsensäften  vermischt  und  endlich  in  die  Hi 
röhre  entleert  wird.  Seinen  weiteren  Weg  verfolgt  die  Zeugungsiel 

B.  Beiwerkzeuge  des  Hodens. 

Das*  Weliige,  was  über  die  Absonderungserscheinuiigen  d< 
serösen  Hodenhaut  bekannt  ist,  wurde  schon  S.  259  erwähnt.  - 


iiii' 


Accessorische  Samendrüson  ;  Erektion  des  männlichen  Gliedes. 


439 


Muskel  des  Samenstranges  (Cremastei)  ist  ein  unwillkürlich 

■  veglicher.—  Die  tunica  dartos,  welche  aus  einer  Lage  gekreuzter 
skelzellen  besteht,  verkürzt  sich  meist  nur  dann,  wenn  sie  ab- 
kühlt oder  mit  Elektrizität  geschlagen  wird.    Zuweilen  auch  unter 

Einwirkung  eines  Druckes  auf  dieselbe,    lieber  eine  Art  von 
tbmischer  Bewegung  in  derselben  siehe  Betz*). 

C.  Accessorische  Samendrüsen  (vas  deferens,  Samen- 
sen,  Prostata.) 

lieber  ihre  Ernährung  und  die  in  ihnen  vorgehende  Säftebildung 
so  gut  wie  nichts  bekannt.    Die  beiden  ersten  Gebilde  sondern 

■  e  den  Hodensaft  verdünnende  Flü^igkeit  ab  (E.  H.  Weber)  **); 
m  es  ist,  wie  das  Mikroskop  lehrt,  die  Zahl  der  Samenfäden 
^^•leichen  Portionen  Inhalts  der  vasa  deferentia  viel  bedeutender,  als 

denjenigen  der  vesiculae  seminales.  Da  man  keinen  Grund  hat 
uiuehmen,  dass  sich  Samenfäden  in  den  Bläschen  auflösen,  so 
in  die  Erscheinung  nur  aus  einer  Verdünnung  des  Hodensaftes 
■ch  Zusatz  neuer  Flüssigkeit  erklärt  werden. 

D.  Das  männliche  Glied. 

Nachdem  schon  an  verschiedenen  Stellen  von  den  Schweiss- 
11  Schleimdrüsen  des  Penis  gehandelt  wurde,  beschränken  wir 
hier  auf  die  Erektion  und  die  Betheiligung  des  Gliedes  an 
men-  und  Harnentleerung. 

1.  Die  Erektion***)  ist  abhängig  von  einer  Veränderung  des 
itstr^ms  im  Penis ,  die  durch  die  Nerven  des  letzteren  eingeleitet 
d.    Die  Lumina  der  Gefässröhi-en  sind  nämlich  in  dem  Penis 
angeordnet,  dass  sehr  enge  spiralig  gewundene  Arterien  in 
itiv  weite,  von  Balken  durchzogene  Säcke  (corpora  cavernosa) 
nden,   welche  wieder  in  enge  Venen  übergehen.    In  diesem 
iirenwerk  strömt  das  Blut  nun  entweder  in  der  Art,  dass  sein 
tendruck  nicht  genügt,  um  die  Cavernen  auszuspannen,  oder 
■is  er  beträchtlich  genug  wird,  um  sie  stratf  zu  pressen  gegen  die 
•Ösen  Häute  bis  zur  vollkommenen  Steifung  des  Gliedes.  Der 
(äammenhang  dieser  Strömungsänderungen  und  der  Penisnerven 


')  Ilenle's  und  Pfenfer's  Zeitschrift.  N.  F.  I.  Bd.  331. 

)  Zusätze  zur  Lehre  vom  Bnuo  und  den  Vorrichtungen  der  Geschlechtsorgnne.  Leipzig  1846.  397. 
!••)  Krause,  MUllcr'g  ArcliiT.  1837.  p.  1.  —  Günther,  Untersuclmngen  und  Erfahningen 
■jebiete  der  Anatomie  u.s.w.  Hannover  1837.—  Arnold,  Anatomie  acsMcn.schen.  —  Kobelt, 
Wollustorgan.  Frcihurg  1844.  —  Kohlrausch,  Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Bcckcn- 
inc.  Leipzig  18!H.  —  Kölliker,  Würzburger  Verhandlungen.  II.  Bd.  N.  8  u.  a.  —  Ilaus- 
nn,  Heber  die  Zeugung  und  Entstehung  dos  wahren  woiblichen  Eies  u.s.w.  Hannover  1840.— 
Iget,  Rechcrclies  sur  les  organes  ereotilcs  de  1«  femmo  In  Brow  n  -  Sdiiuard's  Journal  de 
Biologie.  I.  Bd.  p.  32ü. 


440 


Mechanismen  der  Erektion. 


ist  dui'ch  die  Folgen  ihrer  Zerschneidung  bei  Pferden  erwiej 
worden  (Günther);  diese  Operation  beschränkt  nämlich  eba 
sowohl  die  vollkommene  Steifung,  als  die  vollkommene  ErschlaflFa' 
-des  Gliedes.  Der  Strom  scheint  eine  mittlere  Spannung  anz 
nehmen. 

Der  Mechanismus,  welcher  diese  Stromveränderung  einleitet,  wird  verschied 
artig   aufgefasat.  —    a)  Die  StromMndernisse   in   den  Arterien  werden  vermind- 
(Hausmann)  z.  B.  durch  Erschlaffung  ihrer  Wandung;  daraus  würde  natürlich  e' 
Erweiterung  ihres  Querschnitts  entstehen.    Gründe  für  diese  oft  ausgesprochene  Behau 
tung  giebt  es  keine.    Als  einen  Gegengrund  für  dieselbe  .könnte  man  den  Erfolg 
Nervendurchschneidung  am  Penis  selbst  ansehen;  denn  indem  die  Gefässnerven  hier 
mit  verletzt  und  somit  die  zuführende»  Arterien  ausgedehnt  werden,  müsste  nach  i. 
Operation  Erektion  eintreten.     Dieses   geschieht  aber,  nicht.  —   b)  Steigerung  d 
Stromhemmnisse  in  den  ausführenden  Röhren.    Die  Vertheidiger  dieser  Ansicht  ha'_ 
zwei  Möglichkeiten  aufgestellt.     Entweder  es  werden  zusammengepresst  die  Yen 
Stämme  (dorsalis,  bulbosae,  plexus  venosus  santorini)  durch  die  musc.  ischio- 
bulbocavemosus  und  adductor  prostatae) *).    Abgesehen  davon,  dass  diese  Muskeln 
erwähnten  Venen  zu  comprimiren  vermögen,  führt  diese  Vermuthung  für  sich  an: 
Anwesenheit  tonischer,  oder  klonischer  Krämpfe  in  den  Muskeln  während  der  Erek'" 
und  nächstdem  die  Beobachtung,  dass  bei  einer  Injection  dünnflüssiger  Massen  in  d' 
todten  Penis  die  Stoifung  desselben  erst  dann  zu  Wege  gebracht  werden  kann ,  wen 
man  die  Venen  desselben  ganz  oder  theilweise  zuschnürt  (Krause).    So  annehmt; 
von  disser  Seite  diese  Vorstellung  ist,  so  darf  andererseits  nicht  verkannt  werd 
dass  man  willkürlich  die  erwähnten  Muskeln  zusammenziehen  kann,   ohne  damit 
Erektion  zu  Stande  zu  bringen.  —  Im  Anschluss  an  diese  Annahme  steht  die  and 
dass  sich  die  Oeffnungen,  welche  die  Cavemen  und  die  ausführenden  Venen  verbind 
selbst  verengern  und  bei  einer  weit  gediehenen  Anfüllung  des  Penis  sogar  ganz  v.7_ 
schliessen  möchten.    Diese  Hypothese  wird  für  die  corpora  cavemosa  penis  sehr  wah 
scheinlich  angesichts  der  leicht  zu  constatirenden  Thatsache ,  dass  die  Injectionsm- 
oder  Luft,  die  man  durch  eine  künstliche  Oeffnung  geradezu  in  die  Hohlräume 
spritzt,  nicht  in  die  ausführenden  Venen  übergeht,  selbst  wenn  man  einen  bedeutend 
Druck  anwendet,    ünläugbar  verlangt  dieses  Verhalten  die  Anwesenheit  von  Her 
nissen  an  der  Grenze  von  Cavemen  und  Venen ,  wenn  sich  die  letztern  ausgeda'^ 
haben ,  obwohl  noch  der  anatomische  Nachweis  derselben  fehlt  (Kobelt,  Koh- 
rausch).    Die  Schwierigkeiten,   welche  diese  Erklärungsart  der  Erektion  mit 
führt,  liegen  nun  aber  darin,  dass  sie  einmal  nicht  feststellt,  wodurch  die  Cave 
zuerst  zu  dem  Grade  von  Anfüllung  kommen,  der  nöthig   ist,  damit  die  klapp' 
ähnlichen  Apparate  in  Wirksamkeit  treten  können ;  dann  aber  lässt  sie  uuerörtert , 
der  Penis  wieder  abschwillt,  da  seine  Klappen  ununterbrochen  wirken,  wie  man 
der  Leiche  sieht.  —  Auf  keinen  Fall  können  aber,  wie  schon  erwähnt  wurde,  ähn- 
liche Vorrichtungen  wirksam  sein  bei  der  Anschwellung  der  corp.  cavernos.  urethral 
und  der  Eichel,   da  die  in  ihre  Höhlen  eingeblasene  Luft  den  Ausweg  leicht  durcli 
die  Venen  findet.  —  c)  Die  dritte  Annahme ,  welche  KÖUiker  in  weitester  Ausdeh- 
nung vertritt,  behauptet,  dass  die  Mündungen  der  zu  und  von  den  Caverncn  füh- 


•)  Das  ist  der  vordere  Theil  des  muskulösen  Bcckenzworchfells, 


Ausstossung  von  Harn  und  Samen  aus  der  Harnröhre. 


441 


denGefässe  wesentlicli  unrerändert  bleiben,  dass  aber  die  Uaverncnwandungen  nach- 
jiger  würden,  so  dass  sie  von  dem  einströmenden  Blute  leichter  als  früher  zu  er- 
,;ern  wären.  Die  Ursache  der  Erschlaflfung  finden  Kölliker  und  Kohlrausch 
der  Erregung  der  Penisnerven,  welche  zu  ihren  Muskeln  in  einem  ähnlichen  Ver- 
rniss  stehen  sollen  ,  wie  die  nn.  vagi  zum  Herzmuskel.  Mit  Gewissheit  kann  allor- 
5  8  die  Behauptung  ausgesprochen  werden,   dass  eine  kräftige  Zusammenziehung  der 

Kölliker  und  Valentin  in  den  corpora  cavemosa  entdeckten  .Muskeln  die 
iition  gerade  unmöglich  machen  ,  weil  sie  so  angelegt  sind ,  dass  ihre  Verkürzung 
\Volum  des  Penis  minderte;  so  sah  es  Kölliker,  als  er  den, Penis  eines  Hin- 
ibhteten  mit  elektrischen  Schlägen  behandelte,  und  so  ist  das  abgekühlte  Glied, 
wn  Muskeln  zusammengezogen  sind,  immer  sehr  klein  und  derb.  Damit  ist  aber 
trlich  nicht  die  Behauptung  erwiesen ,  dass  die  Muskeln  des  Penis  ein  dem 
Lis  und  Herzmuskel  analoges  Verhalten  zeigen.  Kücksichtlich  des  letztern  Punktes 
um  so  grössere  Vorsicht  nöthig,  als  es  sehr  wahrscheinlich  ist,  dass  der 
jis  nicht  geradezu  den  Herzmuskel  erschlafft,  sondern  andere  auf  ihn  wirkende 
jgungsursachen  ausser  Wirksamkeit  setzt ;   zudem  widerspricht  der  Annahme  von 

liker  der  Umstand,  dass  eine  Injection  von  Flüssigkeit  in  den  todten,  voll- 
'nen  schlaffen  Penis  erst  dann  die  Steifung  erzeugt,  wenn  der  Abfluss  der  Flüssig- 

durch  Verengerung  der  Venen  gehemmt  ist. —  d)  Arnold  weist  endlich  auf  die 
lichkeit  hin,  dass  das  Strombett  des  Blutes  in  dem  gesteiften  Penis  ein  ganz 
rres  sei ,  als  in  dem  schlaffen ;  er  glaubt  sich  nämlich  überzeugt  zu  haben ,  dass 
BBlut  auf  zwei  Wegen  aus  den  Arterien  in  die  Venen  gelangen  könne;  einmal  durch 
Haren ,  welche  auf  den  Wänden  der  Cavernen  verlaufend  in  die  Venen  einmünden, 
rdann  durch  Zweige,  welche  direkt  in  die  Cavemen  übergehen.    Diese  Möglichkeit 

80  lange  bestritten  werden  müssen,  bis  diese  beiden  Wege  genauer  dargestellt  sind. 
Ueber  die  vorübergehende  Erektion  der  Eichel  und  die  mannichfachen  Erregungs- 
t!)l  der  Erektion  handeln  Kobelt  und  Valentin  ausführlich. 

2.  Ausstossung  von  Harn  und  Samen  aus  der  Harnröhre.  Da 
üe  Urethra  die  Ausführungsgänge  der  Samen  -  und  Hanibehälter 
(  den ,  ohne  dass  die  eine  der  beiden  Flüssigkeiten  in  die  Wege 

andern  eindringt,  so  müssen  Vorrichtungen  bestehen,  welche 

beiden  Säften  immer  nur  einen  Weg  anweisen.  Als  Schutz- 
fei der  Samenwege,  welches  den  Eintritt  des  Harns  in  dieselben 
i.indert,  ist  anzusehen  der  schiefe  Gang,  welchen  die  samen-' 
Öhrenden  Röhren  durch  die  Wand  der  Urethra  nehmen.  Als 
Hemmung  für  den  Weg  des  Samens  in  die  Harnblase  be- 
ihtet  Kobelt  das  caput  gallinaginis ,  welches  ebenfalls,  mit 
wellkörpern  versehen ,  zur  Zeit  der  Erektion  die  Blasenmtindung 
'topft.  —  Da  nun  aber  auch  bei  abwesender  Schwellung  der 
Pen  nicht  in  die  Harnblase  gelangt,  so  muss  schon  der  normale 
renschluss  als  Hinderaiss  genügen.  —  Der  Harn  wird  schon  in 

Urethra  mit  hinreichender  Kraft  getrieben,  um  aus  der  Mün- 
derselben  in  einem  Strahl  befördert  zu  werden.  Anders  ver- 
es  sich  mit  dem  Samen,  der  durch  die  schwachen  Muskeln 


I 


442  Woiblicho  GoBchlcchtsorgano;  anatomischor  Bau  des  Eierstocks. 

der  Samenbläschen  nur  bis  in  die  Harnröhre  getrieben  wird;  ai 
dieser  befördern  ihn  die  Ziisammenziehungen  des  m.  bulbocavt 
nosus.  —  Bei  der  Steifung  des  Gliedes  ist  das  Eindringen  d 
Samens  in  die  Harnröhre  noch  besonders  erleichtert,  da  diese  ; 
jener  Zeit  in  Folge  der  Ausspannung  ihrer  Wände  ein  geöffnet 
Lumen  besitzt.  Der  Harn  findet  aber  zu  dieser  Zeit  an  dem  g 
schwollen en  Schnepfenkopf  ein  Hinderniss,  so  dass  er  durch  de 
gesteiften  Penis  nur  schwach  abfliesst. 


Weibliche  Geschlechtswerkzeuge.  * 
A.  Eierstock. 


1.  Anatomischer  Bau.  Das  Stroma  des  Eierstocks  besteht  a 
Bindegewebe,  glatten  Muskelfasern  (?)  und  Blutgefässen;  in  di§ 
Massen  sind  eingebettet  unreife,  reife  und  zerstörte  Eikapseln,  t| 
das  Ganze  (Stroma  und  Eitheile)  ist  umzogen  von  einer  fibrös 
Hlille.  Die  Blutgefässe  des  Eierstocks  haben  an  derjenigen  sein 
langen  Seiten,  welche  von  der  Trompete  abgewendet  ist,  einen  Ba 
wie  er  in  Schwellkörpern  gefunden  wird.  Zwischen  diese  Gefä| 
treten  Muskeln  in  das  Ovarium,  welche  in  Verbindung  stehen 
den  Muskelztigen ,  die  im  Kg.  uteri  latum  verlaufen  und  von  da 
das  lig.  uteri  rotuudum,  den  Uterus  und  die  Tuben  übergelfi 
(Rouget)*)  —  Die  reife  Eikapsel  ist  ein  kugeliger  Sack,  dern 
Flüssigkeit  (Eiwasser)  geflült  ist.  Die  Wand  dieses  Sackes  best( 
nach  aussen  hin  aus  Bindegewebe,  dann  folgt  eine  strukturlö 
Haut  und  auf  diese  eine  mehrfache  Lage  von  Zellen  (Körnerhai 
und  in  dieser  liegt  das  Eichen,  Die  Elemente  der  Körnerhaut,  i 
sammengedrückte,  getrübte,  kernhaltige  Zellen,  liegen  zum  gröss| 
Theil  in  einer  nur  mehrfachen  Schicht  auf  der  strukturlosen 
des  Sackes  an,  an  einer  Stelle  aber  sammeln  sie  sich  so  zahlreid 
dass  sie  einen  kleinen  Hügel  bilden  (Keimhügel),  und  in  dimj 
ruht  das  Eichen  eingebettet.  Dieses  selbst  besteht,  vom  Gen 
an  gerechnet,  aus  einer  hellen  Zelle  mit  dunklen  Pünktchen  (K 
bläschen  und  Keimfleck),  diese  liegt  in  einem  trüben  Tröpfol 
(Dotterkugel),  welches  endlich  von  einer  breiten,  durchsichtig! 
zähen  Schaale  (Dotterhaut,  Eiweissschicht)  umgeben  wird. 

2.  Chemische  Beschaffenheit  **).    Die  Grundmasse  des 
Stocks  besitzt  wahrscheinlich  die  Zusammensetzung  des  elastisdi« 


•)  Journal  elc  Physiologie  par  Brown -Sdq II ard.  1.  320. 
*•)  Gobley,  rharmazcut.  Centrallilatt  1S47.  —  Dersclhc,  Journal  rto  pliarmacie.  ""^J 
XVn.  und  XVni.  Bd.         Fremy  und  Valonoionncs,  Journal  de  pharmacie.  3me  Se'r.  XXW 


Chemische  Beschaffenheit  des  Eierstocks;  Eibildung. 


443 


ulegewebes.    Die  Eigenschaften  der  strukturlosen  Eikapsel,  der 
iiibrana  granulosa  und  des  Eiwassers  sind  ganz  unbekannt.  Die 
iiuraensetzung  des  menschlicbeu  Eies  können  wir  seiner  Klein- 
wegen nicht  durch  direkte  Untersuchung  in's  Klare  bringen, 
die  Bestandtheile  des  reifen  menschUchen  Eies  schliessen  wir 
um  nur  aus  der  Untersuchung  des  thierischen.    Unter  Be- 
iakungen  halten  wir  uns  hierzu  berechtigt,  weil  die  Unter- 
hungen  von  GQ,bley,  Valenciennes  und  Eremy  gezeigt 
)eu,  dass  wenigstens  analoge  Bestandtheile  das  Ei  sehr  ver- 
icdener  Thiere.  zusammensetzen.     Die  quantitative  Zusammen- 
hang ist  in  den  verschiedenen  Eiern  durchaus  ungleich. 

Nach  Gobley,  Valenciennes  und  Premy  findet  sich  in  den  Eiem  aller 
hbelthiere  Albumin,  Margarin,  Olein,  phosphorhaltige  Fette  und  die  gewöhnlichen 
•;salze.  Dazu  kommt  bei  den  Vögeln  ein  eigenthümlicher  eiweissartiger  Körper,  das 
I  Hin ,  welches  bei  den  Knochenfischen  durch  Ichtidin  und  bei  den  Knorpelfischen 
■.:h  lehthin  vertreten  wird.  —  Um  eine  Vorstellung  von  der  grossen  Complikation 
Zusammensetzung  des  Hühnereies  zu  geben,  zählen  wir  seine  Bestandtheile  auf: 
umin,  ViteHn  (C  52,8,  H  7,2,  N  15,1,  0  26,16),  Margarin,  Olein,  Cholestearin, 
tthin,  Cerebrin,  Zucker,  Na  Gl,  KCl,  NH4CI,  KOSO3,  SCaOPOs,  SMgOPOs,  NaOCOa, 
,.,  ein  rother  eisenhaltiger  und  ein  gelber  Farbstoff,  Wasser. 

3.  Bildung  und  Ausstossung  des  Eies  *).  Ueber  die  Form- 
;je  des  entstehenden  Eies  ist  uns  Einiges  bekannt.  Zuerst  tritt 
fauf  als  eine  grosse,  durchsichtige,  kernhaltige  Zelle ,  welche  im 
iitrum  eines  Haufens  kleiner,  mit  trüblichem  Inhalt  gefüllter 
Ren  liegt  (Steinlin).  Diese  letztern  Zellen  gleichen  schon 
uz  denen  der  spätem  membrana  granulosa.  In  einer  zweiten 
imstufe  umgiebt  eine  strukturlose  Haut  die  Zellenmasse;  auf  die 
>sere  Fläche  dieser  Hüllenanlage  setzt  sich  später  das  Binde- 
f,'ebe  an,  auf  die  innere  die  membrana  granulosa. 

Die  Bedingungen  zur  Bildung  von  Eiern  können  während  des 
iizen  Lebens,  vielleicht  mit  Ausnahme  einiger  Krankheiten  (z.  B.  der 
i Ichsucht)  und  der  des  höheren  Alters,  vorhanden  sein,  denn  es 
'len  sich  selbst  in  den  Eierstöcken  der  Embryonen  schon  An- 
;en  von  Eikapseln.   Ihi-e  vollkommene  Ausbildung  erlangen  aber 


)Cr,  Poggcndorf's  Annalen.  7!).  Bd.  308.  —  Barroswill,  Schcror's  Jalircsbcricht  Uber 
.Chemie  fUrl849.  p.  100.  —  Winkler,  Glossener  Jahresbericht  über  Chemie.  18-17  u.  48.  868.— 
SC,  Llebig's  Annalen.  Bd.  «4.  p.  127. 

■)BiHchoff,  Entwiolteliingsgeschichtc  der  .Säugetliiorc  und  des  Menschen.  Leipzig  18-12. — 
^  selbe,  Beweis  der  von  der  Begattung  unabliiingigcn  Losstossung  der  Eier.  Oicsson  1844.  — 
ckart,  Zeugung  in  Wagncr's  Handwörterbuch.  VX.  Bd.  —  Bisohoff,  lienlo's  und 
ufer'B  Zeitaclirifl.  N.  F.  IV.  Band.  129.  —  StelnUn,  ZUrlcher  Mltthollungon.  1849.— 
llfcer,  Gewebelehre.  3.  Aufl.  63«. 


I 


444  Ausstossung  dos  Eies ;  Eileiter. 

die  Eier  nur  während  eines  bestimmten  Lebensabschnittes 
Frauen,  der  in  unsern  Gegenden  mit  dem  14.  bis  15.  Jahre  begini 
und  nach  dem  40.  schliesst.  Einzig  während  dieser  Periode  werde: 
auch  die  Eier  aus  dem  Ovarium  ausgestossen ;  dieses  geschieli 
dadurch,  dass  in  den  Binnenraum  der  Kapsel  mehr  und  raeh 
Flüssigkeit  eindringt,  so  dass  diese  endlich,  nachdem  sie  das  m 
gebende  Gewebe  verdrängt  und  sich  über  der  Oberfläche  des  Ei^ 
Stockes  erhoben  hat,  platzt.  Die  aus  der  Kapsel  hervorstürzend 
Flüssigkeit  spült  dabei  das  locker  angeheftete  Eichen  auf  die  frd 
Fläche  des  Eierstockes.  Dieser  Hergang  erfolgt  bei  Thieren,  vri 
Bischoff  nachgewiesen,  nur  zur  Zeit  der  Brunst  und  beim  Mensch« 
nur  zur  Zeit  der  Menstruation ;  er  bleibt  beim  Menschen  wahrscheia 
lieh  jedesmal  nur  auf  ein  oder  mehrere  Eier  beschränkt.  WähreiiS 
der  Dauer  der  Schwangerschaft  ist  die  Ausstossung  der  Eier  unt^ 
brochen.  —  Nachdem  das  Säckchen  das  Ei  ausgestossen,  schrum|| 
es  unter  Faltenbildung  zusammen,  ohne  dass  jedoch  dadurch  de 
ganze  Hohlraum  zum  Verschwinden  kommt.  Dieser  letztere  fllli 
sich  anfänglich  mit  Blut  und  allmälig  mit  einer  von  der  Haut  aw 
gehenden  Zell-  und  BindegewebsAvucherung.  Diese  Rückbildui^ 
geht  langsamer  zur  Zeit  der  Schwangerschaft  vor  sich,  als  olm( 
dieselbe.  Darum  findet  man  eine  mit  mehr  oder  weniger  weit  zßx 
setztem  Blut  gefüllte  Capsel  (corpus  luteum)  deutlich  bei  den  wäh 
rend  der  Schwangerschaft  gestorbenen  Individuen  (Meckel 
Bischoff.) 

B.  Eileiter. 

Der  Eileiter  empfängt  seine  physiologische  Bedeutung  daduri 
dass  er  die  Eier  aus  dem  Ovarium  in  den  Uterus  überführt.  Di 
Wenige,  was  wir  über  seine  Lebenserscheinungen  wissen,  beziel 
sich  auf  diesen  Vorgang,  beziehungsweise  auf  die  dabei  stattfifl' 
denden  Bewegungen.     Diese    letzteren   werden  entweder  duri 
Muskeln  oder  durch  ein  Flimmerepithelium  ausgeführt. 

Die  Muskeln  gehören  zu  den  glatten ;  die  Nerven ,  unter  de! 
Einfluss  sie  stehen,  verlaufen  in  den  unteren  Partien  des  Gr 
Strangs.    Die  Muskeln  bedingen  je  nach  ihrer  Anordnung  einen  v( 
schiedenen  Erfolg.  —  Diejenigen,  welche  sich  vom  freien  Ende  d^J 
Tuben  zu  den  Ovarien  erstrecken,  nähern  bei  ihrer  ZusammeD-j 
Ziehung  die  beiden  genannten  Theile.    Rouget  vermuthet,  di 
sie  sich  in  Folge  reflektorischer  Anregung  zusammenziehen,  wenni 
das  Eichen  reif  und  sein  Sack  zu  platzen  im  BegrilF  ist.    Es  würde 
dann  durch  sie  das  Anlegen  der  Fimbrien  an  den  Eierstock  nnJ 


L 
irii 
w 


Eileiter;  Fruohthälter ;  Mensti-uation.  445 

s  Eindringen  des  Eies  in  die  TubenhöMe  ermöglicht.  —  Die 
Hskeln,  welche  die  Höhlung  der  Tuben  selbst  umschliessen,  werden 

Stande  sein,  sie  zu  ändern.  Die  Bewegungen,  die  man  an 
ften  beobachtet,  sind  immer  fortschreitende;  das  Weiterschreiten 
im  ebensowohl  A'Om  Eileiter  zum  Fruchthälter  als  in  der  um- 
kehrten Kichtung  geschehen.  Diese  Bewegungen,  welche  durch 
wanische  und  mechanische  Erregungsmittel  hervorgerufen  werden 
Qunen,  ti'eten  häufig  auch  ohne  nachweisliche  Veranlassung 
f,  und  zwar  geschieht  dieses  Letztere  ebensowohl,  wenn  der 
eeiter  noch  in  seinen  normalen  Verbindungen   sich  vorfindet, 

wenn  er  gemeinschaftlich  mit  dem  Uterus  ausgeschnitten  ist. 
!j  eigenen  Muskeln  des  Eileiters  verhalten  sich  also  ähnlich  denen 
i!  Darms. 

Die  Flimmerzellen  der  Eierstöcke,  deren  Faden  in  der  Art 
lawingen,  dass  sie  einen  Strom  von  dem  Ovarium  nach  dem 
;3rus  hin  veranlassen,  zeichnen  sich  vor  allen  übrigen  durch  ihre 
yserordentliche  Empfindlichkeit  gegen  schädliche  Einflüsse  aus. 

Die  Fortbewegung  der  Eier  durch  die  Tuben  geschieht  nach 
11  Beobachtungen  von  Bischoff  und  Hyrtl  ausserordentlich 
fgsam,  indem  5  bis  8  Tage  (beim  Menschen  und  Hund)  nöthig 
(d,  um  sie  durch  den  Eileiter  hindurchzufördern.  Dm'ch  welche 
urichtungen  die  Bewegung  so  verlangsamt  wird,  ist  nicht  be- 
unt;  denn  sie  müsste  rascher  vor  sich  gehen,  wenn  das  Ei  dem 
oam  der  Flimmerhaare  oder  der  peristaltischen  Bewegung  der 
sskeln  folgte. 

C.  Fruchthälter. 

Die  Wand  des  Uterus  ist  zusammengesetzt  aus  Muskelfasern, 
»Iche  so  laufen,  dass  die  Höhle  des  Fruchthälters  allseitig  zu- 
nmengepresst  werden  kann;  ferner  besteht  sie  aus  Blutgefässen, 
tlche  sich  im  Körper  des  Uterus  zu  einem  wahren  Schwellgewebe 
»talten  (Rouget),  und  aus  einer  Schleimhaut,  die  im  Cervix 

Pflaster-,  im  Fundus  mit  Flimmerepithelium  besetzt  i^.  Die 
mpem  sind  jedoch  erst  in  der  mannbaren,  nicht  aber  in  der 
eeifen  Gebärmutter  vorhanden. 

Menstruation.  Vor  der  Pubertät  macht  sich  der  Uterus 
»oig  bemerklich,  und  nach  derselben  auch  nur  zur  Zeit  der 
uwangerschaft  und  der  Regeln.  Unter  diesen  letztern  versteht 
■n  bekanntlich  eine  in  vierwöchentlichen  Zwischenräumen  wieder- 
irende  blutige  Ausscheidung  aus  der  Gebärmutterhöhle. 


446  Chemischo  Zusammonsetzung  dor  MonstrualflUssigkeit;  Erscheinen  derselben. 


1.  Chemische  Zusammensetzung  der  Menstrualflüssigkeit  *)  & 
stellt  ein  Gemenge  von  flüssigen  und  festen  Körpern  dar.  Die 
geschwemmten  Massen  bestehen  aus  Blut-  und  Lymphkörperchs 
Epitheliumzellen ;  die  flüssigen  enthalten  "Wasser,  Eiweiss,  Fas' 
stofiV  Fette  und  alkalisch  reagirende  Salze.  ,4 

Ueber  den  Faserstoifgehalt  bestehen  Controyersen ;  Simon,  Vogel  und  f 
auch  Denis  fanden  das  Blut,  welches  aus  dem  Uterus  ausgetreten,  weder  gerin" 
noch  enthielt  es  Paserstoifflocken.    Nach  E.  H.  Weber**),  der  in  dem  Uterus  8" 
Person,  die  wähi-end  der  Menstruation  gestorben  war,  Faaerstoifgerinnsel  fand, 
dieses  nur  darum  der  Fall,  weil   das  Blut  kurz  nach  seinem  Austi-itt  auf  die  Ute- 
fläche gerinnt  und  aus  diesem  Gerinnsel  Blutkörperchen  und  Serum  austreten,  währ* 
der  Pasertolf  wenigstens   zeitweilig  zurückgehalten   wird.  —  Mit   dieser  Anna 
stimmen  neue  Untersftchungen  von  Denis  und  He  nie  überein,  welche  im  Menstr" 


blut  Gerinnung  beobachteten. 


Ueber  die  quantitative  Zusammensetzung  des  Mensti-ualblu 
besitzen  wir  Angaben  von  Simon,  Denis  und  J.  Vogel; 
Mittheilungen  des  letztem  Autors  dürften  darum  am  zuverlässigs 
sein,  weil  er  die  Flüssigkeit  unmittelbar  aus  der  vorgefaUenen 
bärmutter  sammelte.    Nach  ihm  enthielten  zwei  Portionen  des  A ' 
flusses,  von  denen  die  eine  zu  Beginn  und  die  andere  zu  Ende 
Menstruation  aufgefangen  war,  in  100  Theilen  gleich  viel  Wass" 
nämlich  83,9  pCt.;  ein  Serum,  das  aus  diesem  Ausfluss  gewonn' 
war,  enthielt  in  100  Theilen  93,5  Wasser;  unter  6,5  pCt.  fes 
Bestandtheilen  befanden  sich  0,65  pCt.  feuerbeständiger  Salze.  Di 
wenigen  Thatsachen  scheinen  doch  hinzureichen  zu  dem  Schlu" 
dass  die  untersuchte  Flüssigkeit  kein  reines  Blut  gewesen  sei.  i 

2.  Das  Erscheinen  der  Menstruation***)  ist  von  verschiede' 
Umständen  abhängig,  a)  Die  Menstruation  kommt  nur  dann 
Stande,  wenn  sich  aus  dem  Ovarium  ein  Ei  ablöst.  Der  Be 
für  diese  Behauptung  liegt  darin,  dass  man  jedesmal,  so  oft- 
möglich war,  die  Leiche  einer  während  der  Menstruation  vers^ 
benen  Person  zu  untersuchen ,  in  dem  Eierstock  entweder  eine  r 
oder  so  eben  geplatzte  Eikapsel  fand,  und  ferner  darin,  dass  ket 
Frau  menstruirt  ist,  der  in  Folge  einer  Operation  oder  der 
sprünglichen  Entwickelung  die  Eierstöcke  fehlten.  Die  Verknüpf 
beider  Vorgänge  ist  jedoch  insofern  keine  nothwendige,  als  es 
gekehrt  beobachtungsgemäss  möglich  ist,   dass  ein  Eiaustritt 


•)  Litzmann,  Artikel  Soliwangerschaft  inWagner's  Handwörterb.  Ill.l.—  Lcuckart,'Ii 
*•)  1.  c.  p.  il8. 

*•»)  Tilt,  Valentin's  JiihiesbericlitUberPhysiol.  für  1860. 132.  —  Hannover,  ibid.  1851.189' 
S  z  u  k  i  t  s  ,  Zeitschrift  der  Wiener  Aerzte.  1857. 


Dauer  und  Geschwindigkeit  dos  Mensti'ualflusses. 


447 


;onkann,  ohne  dass  die  Regeln  in  merklicher  Weise  eintreten. — 
Die  Regeln  können  nur  erscheinen,  wenn  ein  gewisses  Lebens- 
'3r  erreicht  und'  ein  anderes  nicht  überschritten  ist.  Das  Alter, 
feh  dessen  Vollendung  die  Menses  auftreten,  wechselt  mit  dem 
ma  und  der  Lebensweise.  Nach  statistischen  Beobachtungen 
tt  der  mittlere  Eintritt  derselben  im  nördlichen  Deutschland  in 

I  16.,  im  südlichen  Frankreich  in  das  13.  und  in  den  ti-opischen 
iddern  in  das  11.  bis  9.  Jahr.    Die  Städterin  soll  im  Durchschnitt 

ein  Jahr  früher  menstruii't  sein,  als  die  Bewohnerin  des  Landes. 
her  das  Alter,  in  dem  die  Menstruation  verschwindet,  sind  We- 
ier allgemeine  Regeln  festgestellt;  in  unsern  Gegenden  hört  die 
msti-ualblutung  gewöhnlich  mit  dem  40.  bis  45.  Jahre  auf  oder 
tt  von  da  an  nur  sehr  unregelmässig  ein.  —  c)  Wenn  eine  Men- 
iialblutuug  stattgefunden  hat,  so  muss  ein  gewisser  Zeitraum 
-streichen,  bevor  eine  neue  eintreten  kann.  Die  Zeit,  welche 
•ischen  je  zwei  Reinigungen  liegt,  beträgt  gewöhnlich  4  bis  4 

II  eine  halbe  Woche.  Abgesehen  davon,  dass  sich  hier  indivi- 
'jlle  Verschiedenheiten  finden,  soll  sich  auch  der  ünteiischied  der 
imate  geltend  machen,  und  namentlich  giebt  man  an,  dass  in 
«dlichen  Gegenden  die  Menstruationen  seltener  aufeinander  folgen, 

in  südlichen.  —  d)  Endlich  ist  es  eine  Regel,  die  nur  seltene 
^nahmen  erleidet,  dass  nur  das  ungeschwängerte  Weib  der 
tnatlichen  Reinigung  unterworfen  ist. 

3.  Die  Dauer  und  die  Geschwindigkeit  des  Blutflusses  sind 
rr  variablen  Werthes ,  indem  namentlich  die  Dauer  des  Ausflusses 

den  verschiedenen  Fi-auen  zwischen  einem  bis  zu  acht  Tagen 
'wankt.  —  Im  Allgemeinen  soll  bei  magern,  lebhaften  und  süd- 
idisciien  Frauen  die  Geschwindigkeit  des  Ausflusses  grösser  sein, 

bei  fetten,  trägen  und  denen  des  Nordens. 

Zahlenangaben  wie  die,  dass  die  norddeutschen  Prauen  und  die  Engländerinnen 
!ois  105  Gr.,  die  süddeutschen  240  Gr.,  die  Italienerinnen  und  Spanierinnen  360  Gr. 
die  Frauen  der  Tropen  600  Gr.  Flüssigkeit  verliefen  sollen,  müssen  mit  einem 
enommen  werden. 

4.  Die  Veränderungen,  welche  man  in  dem  Uterus  während 
Dauer  der  Menstruation  beobachtet  hat,  bestehen  in  einer  An- 

*'wellung  seiner  Wand ;  diese  soll  bedingt  sein  durch  eine  Füllung 
•  Bchwellgewebes ,  welche  gleichzeitig  mit  der  eintritt,  die  in 
iD  Ovarium  bei  Loslüsung  eines  Eies  aus  demselben  beobachtet 
u'd.   Die  Steifung  beider  Schwellkörper  findet  aber  ihren  nach- 


448  Mochanismus  des  Blutflussos ;  anatomischer  Bau  der  Brustdrüse. 


sten  Grund  in  der  Hemmung  des  Blutstroms  ihrer  abführenden  VeUijE 
welcher  veranlasst  wird  durch  die  Zusammenziehung  der  die  lezteri 
umgebenden,  im  lig.  latum  verlaufenden  Muskeln.  In  Folge  dies 
Steifling  mehrt  sich  auch  die  Spannung  des  Bluts  im  Uterus  lu 
zwar  soweit,  dass  sie  den  Eintritt  des  Blutflusses  bedingt  (Rouge 
Neben  diesen  im  Innern  der  Wand  stattfindenden  Vorgängen  änd( 
sich  auch  die  Schleimhaut;  namentlich  fällt  das  Flimmerepitheliu 
ab,  und  ihre  Masse  selbst  schwillt  an,  so  dass  sich  häufig,  wö 
auch  nicht  immer  (Bischoff),  die  Uterindrüsen  vergrössern.  Q 
schiebt  dieses  letzte,  so  schwitzt  auf  die  gesammte  innere 
fläche  des  Uterus  eine  weiche  weisse  Haut  aus,  die  Decidua. 

5.  Die  Ausstossung  der  in  die  Gebärmutterhöhle  ausgeti'eteiK 
Flüssigkeit  wird  wahrscheinlich  auf  verschiedenen  Wegen  besorg 
Zum  Theil  mag  die  Flüssigkeit  einfach  ausfliessen ,  zum  Theil  ab 
wird  sie  sicher  durch  die  Bewegungen  des  Uterus,  die  als  wehe 
artige  Schmerzen  empfunden  werden,  in  die  Scheide  befördai 
auf  dem  letztern  Wege  muss*  offenbar  auch  die  Entfernung  d 
festen  Masse  (des  Faserstoffgerinsels  und  der  etwa  gebildeten  Q 
cidua)  geschehen,  Bemerkenswerther  Weise  bleiben  diese  letzta 
oft  sehr  lange  in  der  Gebärmutter  liegen,  so  dass  sie  mehre 
Wochen  nach  Beendigung  der  Regeln,  in  der  sogeu.  weissen  M.^ 
struation,  mit  Schleim  vermischt  entleert  werden. 

Ueber  die  Erektion  der  Scheide  siehe  Kobelt  in  dessen  Wfi 
lustorgan  und  die  Gegenbemerkungen  dazu  bei  Rouget;  die  F^ 
und  Schleimdrüsen  der  Vagina  sind  schon  früher  emähnt. 

Milchdrtisen. 

1.  Anatomische  Beschaffenheit  der  weiblichen  Brustdrüse 
Ihre  Höhlen  sind  im  Allgemeinen  angeordnet  wie  die  einer  tn 
bigen  Drüse  mit  mehreren  Ausführungsgängen,  z.  B.  der  Thräna 
drüse;   der  Milchdrüse  eigenthümlich  sind  die  länglichen  E 
terungen  in  den-  grösseren  Ausfuhrungsgängen  kurz  vor  deren  M 
dung.    Die  Wandung  enthält  durchweg  eine  strukturlose  Groi 
läge,  auf  der  Innern  Seite  derselben  liegt  in  den  Endbläschen 
vieleckiges  und  in  den  grössern  Gängen  ein  cylindrisches  Epithi 
lium.    Auf  der  äussern  Seite  ist  die  strukturlose  Wandschicht  in  d 
stärkeren  Gängen  mit  einer  Lage  glatter  Längsmuskeln  belegt,  dii 


■4 


*)  Kölliker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  2.  Aufl.  550.—  He  nie,  Jahresbericht  über 
skoplsche  Anatomie  für  1850.  31.  -  Reinhardt  im  Arohiv  fUr  pathol.  Anatomie.  I.  Bd- 
Eckhardt,  Beitrüge  zur  Anatomie  und  Physiogielo.  1855.  1. 


Milch.  Muttermilch. 


449 


K)ch  nicht  bis  in  die  Brustwarze  hinreichen.  —  Die  Gefässe  um- 
iinen  mit  den  gewöhnlichen  Maschen  in  traubigen  Drüsen  die 
jcheu;  in  der  Milchperiode  nimmt  der  Durchmesser  derselben 
^klieh  zu.  —  Die  Nerven ,  welche  in  das  Innere  der  Drüsen 
'3n,  sind  nicht  sehr  zahlreich;  sie  kommen  zum  Theil  aus  dem 
ten  bis  sechsten  Intercostalnerven ;  ein  anderer  Theil  unbekann- 
l Ursprungs  geht  mit  den  Blutgefässen.  Die  erstem  enden  theil- 
«je  in  den  Muskelmassen  der  Drüse  (Ekhard).  —  Die  ganze 
jse  ist  in  einen  muskulösen  Hautbeutel  eingeftillt;  die  Muskeln 
tielben  ziehen  sich  zwischen  den  Läppchen  der  Drüsen  durch 
:.as  Bindegewebe,  welches  die  Läppchen  scheidet. 
:  Die  männliche  Brustdrüse  gleicht  der  weiblichen ,  ausgenommen 
ii  ihre  Endbläschen  viel  weiter  und  dafür  sparsamer  vorhanden 
und  dass  den  Ausführungsgängen  die  Erweiterung  kurz  vor 
Mündung  abgeht. 

2.  Milch*).  Die  Drüse  liefert  ihren  Saft  gewöhnlich  nur  bei 
jjebornen  beiderlei  Geschlechts  und  bei  schwangern  und  nieder- 
»ammenen  Frauen ,  sehr  selten  auch  bei  Männern.  Wir  schildern 
sist  die  Eigenschaften  der  Muttermilch,  d.  i.  deijenigeh,  welche 
IFrauen  und  Mutterthieren  kurz  vor  oder  nach  dem  Gebären 
".sondert  wird. 

IDie  Muttermilch  ist  ein  bläulich  weisser  Saft,  der  schwach 
rr  oder  neutral  oder  auch  schwach  alkalisch  reagirt,  sein  spez. 
licht  schwankt  zwischen  1018  und  1045.  —  Das  Mikroskop 
erkennen,  dass  er  aus  aufgeschwemmten  Stoffen  (Milchkügel- 
.,  Colostrumkörperchen  und  Epithelialzellen)  und  aus  einer 
säigkeit  besteht.  Eine  Scheidung  beider  Bestandtheile  behufs 
'  chemischen  Untersuchung  hat  noch  nicht  gelingen  wollen. 

.Der  reichlichste  Theil  der  aufgeschwemmten  Bestandtheile,  die  Milchkügelchen 
i-ettreich,  die  Flüssigkeit  ist  eine  wässerige  Lösung  von  Salzen  und  Eiweissstoffen ; 
lollte  demnach  erwarten,  dass  sich  das  Serum  und  die  Kügelchen  der  Milch  in 
ihres  spezifischen  Gewichtsunterschiedes  trennton.  Dieses  geschieht  aber  selbst 
■monatelangem  Stehen  nicht  vollkommen;  die  grösseren  der  Milchkügelchen  gehen 
■nach  oben  (Oberes,  Eahm),  aber  die  kleineren  und  kleinsten  bleiben  inmitten 
Iflüasigkeit.  —   Nicht  viel  weiter  fühi-t  die  Filtration  der  frischen  Milch  durch 


>Schcrcr,  Milch  in  W  ag  n  er' s  Handwörterbuch.  II  Ud.—  Clemm,  Inquisitlonea  chemlcae 
•;ro8cop.  etc.   Göttingen  1840.—  Bensch,  Llebig's  Annnlen.  Gl.  Bd.  221.—  Gornp, 

nir  pliyslolog.  Heilltundc.  VlU.  717.  —  Griffith,  Chem.  Gozette.  ISiS.  1Ü2.  —  Wilson, 
•860.  See.  —  A.  BccquerelctVernois.Do  lait  chesi  la  femme.  Paris  1850.  —  Wilden- 

,  Jonmnl  ftir  prakt.  Clicmic.  68.  Bd.  28.  —  v.  Eueren,  Ondcrüookingca  gedaaii  in  hot 
i»og.  Laborator.  1848—49.  91.  —  Dumas,  Compt.  rend.  XXI.  Bd.—  F.  Hoppe,  Vlrchow'i 

.  XVH.  417.— Ausserdem  die  LehrhHcher  von  Dumas,  Simon,  Lehmann,  L'höritler. 

idwig,  Physiologie  II.   2.  Auüagc.  29 


450 


Muttermilch;  Milch-  und  Colostrumkügelchen. 


d 


starkes  Papier  (Quevenne);  auf  dem  Filter  bleiben  keine  reisen  Milchkugeln 
durch  dasselbe  gehen  noch  immer  sehr  viele  Molekularkörnchen.  Dio  letateren  sollen 
Hoppe  im  Filtrat  vermieden  werden,  wenn  man  die  frische  Milch  durch  eine  thie 
Haut  presst.     Die  gewonnene  Flüssigkeit  soll  aber  ärmer  an  gelösten  Eiweisss 
sein ,  als  das  unfiltrirte  Milchserum.    Ausser  der  Analogie  liegt  hierfür  kein  Bei 
vor.  —   Versetzt  man  die  Milch  mit   conzentrirter  NaCl-Lösung,  so  lässt  sie 
leichter  filtriren,  und  die  E.ügelchen,  welche  auf  dem  Filter  zurückbleiben,  lassenk 
mit  Na  Gl- Wasser  auswaschen  (Dumas);  es  ist  wahrscheinlich,  dass  diese  Kügen 
von  der  normalen  Zusammensetzung  abweichen;  aber  wie  weit,  ist  unbekannt. 

Die  Milchkligelchen  sind  kugelige  Körperchen ;  der  Durchm 
der  kleinsten  ist  unmessbar,  der  der  grössten  =  0,025  M.M 
sind  Fettti-opfen ,  welche  von  einer  Hülle  umzogen  werden, 
nach  seinen  Reaktionen  aus  einem  dem  Casein  nahe  stehenden 
weisskörper  gebildet  ist  (Henle,  E.  Mitscherlich,  Dums 
Die  Kügelchenhiille  soll  in  der  frischen  Milch  schwächer  sein 
in  der  seit  Längerem  entleerten  (Filhol  und  Joly)*).'  — 
fettige  Inhalt  der  Kügelchen  (Butter)  aus  der  Kuhmilch  (also  wi 
scheinlich  auch  aus  der  Frauenmilch)  kann  zerlegt  werden  in  0^ 
und  andere  neutrale  Fette.  Aus  diesen  geht  durch  Verseifung  I 
vor:  Eutin-  (C.10H40O4)  (?),  Stearin  -  (C36H36O4),  Palmitin-  (C32H32jjä^ 
Myristin-  (C2SH28O4),  Caprin-  (C20H20O4),  Capryl-  (C16H16O4), 
pron- (C12H12O4)  und  Buttersäure  (CsHs04)  (L  er ch,  Heintz).  I 
gegebenen  Formeln  nach  gehören  diese  Säm-en  s'ämmtlich  zur  Gru 
der  Fettsäuren  von  dem  Typus  2{CJi^)0i,  von  welchen  abefl 
der  Butter  nur  die  Glieder  vertreten  sind,  deren  Kohlen 
Wasserstoffatomzahl  durch  4  theilbar  ist.  Dem  Gewicht  nach 
steht  die  Butter  vorzugsweise  aus  Olein  und  Palmitin. 

Da  die  Milchkügelchen  aus  zwei  StoiTen  bestehen ,  von  denen  der  eine  (0 
ein  grösseres  und  der  andere  (Fette)  ein  geringeres  spezifisches  Gewicht  hat 
Milchsäure,  so  erklärt  es  sich,  dass  ein  Theil  jener  Kügelchen  über  das  letzterei 
während  ein  anderer  in  ihm  schweben  bleibt.  In  den  Rahm  müssen  nämlid 
Kügelchen  gehen,  welche  im  Verhältniss  zum  Casein  das  meiste  Fett  enthalten^jj 
wahrscheinlich  die  grösseren.  Demnach  wird  die  Rahmbildung  nicht  allein  vom', 
gehalt  der  Milch  überhaupt,  sondern  auch  von  der  Art  der  Fettvertheilung  abhffiu 

Die  Colostrumktigelchen  bestehen  wesentlich  aus  einem/] 
sammengeballten  Häufchen  sehr  kleiner  freier  Fetttropfen; 
sammengehalten  werden  die  Tröpfchen  entweder  durch  die  Hi 
einer  Zelle,  in  deren  Hohlraum  das  Häufchen  eingelagert, "  ^ 
durch  eine  die  Tröpfchen  verklebende  (caseinhaltige  ?)  Zwisch" 


*  Melsuner's  Jahresbericht  ftir  1857.  325. 


Milchscrura  ;  chemische  Zusanimflnsetzung. 


451 


östauz,  so  dass  sie  auch  dann  noch  zusammenhalten,  wenn  die 
lUiaut  v  erschwunden  ist. 

Das  Milchsemm  enthält  in  Lösung  einen  oder  mehrere  eiweiss- 
[tige  Körper,  das  Casem  und  das  Albumin.  Weil  aus  der 
tchen  Milch  nur  ein  Theil  der  gelösten  Eiweissstoflfe  durch  Er- 
nten auf  750  C.  und  ebenso  auch  nur  ein  Theil  durch  Lab  ge- 
tt  wii-d,  so  ist  man  geneigt,  anzunehmen,  dass  der  erste  Eiweiss 
II  letzterer  Casein  sei.  Das  Verhältniss,  in  welchem  die  auf  die  eine 
«r  andere  Weise  gefällten  Mengen  zu  den  nicht  gefällten  stehen, 
iert  sieh  in  derselben  Milch ,  aber  mannigfach.  So  wird  aus  der 
iten  frischen  Milch  durch  Lab  weniger  gefällt  als  aus  der  ge- 
ihten  (Heynsius);  und  aus  der  neuti-alisirten  oder  schwach 
[gesäuerten  Milch  wird  durch  Kochen  mehr  gefällt  als  aus  der, 
Lche  schwach  alkalisch  reagirt  (Scher er).  War  die  frische 
ich  durch  Lab  in  der  Kälte  gefällt,  so  wird  aus  der  abfiltrirten 
llke  ein  weiter  Theil  abgeschieden,  wenn  sie  über  40  bis  zu  80*' 
iltzt  wü-d  (Schübler,  Scherer),  der  ganz  die  Eigenschaften 
Caseins  besitzt.  Aus  der  frischen  Milch  wird  durch  CO2  nichts 
Sällt,  wohl  aber  aus  der  gekochten  oder  aus  der,  welche  einige 
tt  gestanden  (Hoppe).  Lieberkühn*)  giebt  sogar  an,  dass 
kalte  wässrige  Auszug .  eines  Milchrückstandes ,  der  darch  Ab- 
oQpfen  der  Milch  bei  der  Siedehitze  bereitet  wurde,  einen  Eiweiss- 
ff  enthält,  welcher  beim  Erhitzen  gerinnt.  Aus  alledem  geht 
wor,  dass  die  eine  oder  die  andere  Abscheidungsweise  keine 
aarfen  Trennungszeichen  giebt.  Zudem  stehen  sich  Albumin  und 
!«ein ,  wenn  sie  möglichst  von  ihren  Beimischungen  befreit  wurden, 
nahe,  dass  es  unthunlich  ist,  sie  zu  unterscheiden.    Trotzdem  wer- 

wir  in  Folgendem  den  Sprachgebrauch  Albumin  und  Casein 
jehalten,  um  durch  ein  Wort  andeuten  zu  können,  ob  die  Siede- 
le einen  grössern  oder  geringem  Antheil  der  gelösten  Eiweiss- 
ife  aus  der  Milch  ausfällt.  —  Das  Milchserum  enthält  ferner 
ßhzucker,  öfter  Milchsäure ,  Extrakte,  Kali,  Natron,  Kalk,  Mag- 
iia,  Eisenoxyd,  Salz-,  Phosphor-,  Kohlensäure,  Spuren  von  Kie- 
-  nnd  Flusssäure.  Der  phosphorsaurc  Kalk  und  die  phosphoi- 
rre  Magnesia  sind  an  die  Eiweisskörper  gebunden. 

Picard  theilt  der  Milch  auch  Harnstoff  zu;  Hoppe  fand  denselben  nicht. 

Von  den  Veränderungen,  welche  die  Zusammensetzung  der 
ch  darbietet,  hat  man  bis  dahin  vorzugsweise  nur  die  prozen- 


')  Poggendorf  8  Annnlen.   Pfi.  Idl.  117. 


29* 


452  Veränderungsbediiigungen  der  Milch. 

tische  berücksichtigt;  man  suchte  und  fand  dieselbe  verändcili 
mit  folgenden  Bedingungen :  dem  Alter,  der  Constitution,  der  Ha: 
färbe,  den  Gemtithszuständcn ,  der  Nahrung  der  Mutter,  femi 
ob  die  letztere  während  der  Milchabsonderung  schwanger,  oder  ( 
wann  sie  niedergekommenen ;  ob  sie  menstrualfahig  oder  nicht 
wenn  ersteres,  ob  sie  menstruirt  oder  nicht  raenstruirt  war,  ob 
eine  Erst-  oder  Mehrgebärende,  wie  entwickelt  die  Brustdrüse  s'e 
endlich  untersuchte  man  die  Milch  je  nach  der  verschieden  lauj 
Aufenthaltszeit  in  der  Brustdrüse,  und  ob  die  in  verschiede! 
Orten  des  Brustdrüsenraumes  enthaltene  anders  zusammengeSi 
sei.    Die  bei  diesen  Untersuchungen  gewonnenen  Zahlen  hat 
gewöhnlich  nur  zur  Ausrechnung  der  prozentischen  Zusammi 
Setzung  der  Gesammtmilch  benutzt.  Da  die  Fette  nur  aufgeschwe 
und  unabhängig  von  den  flüssigen  Stoffen,  veränderlich  sind, 
würde  es  nöthig  sein,  auch  die  prozentische  Zusammensetzung 
Milchserums  anzugeben;  denn  ohne  diese  ist  die  Vergleichung  di 
gelösten  Bestandtheile   zweier  Milcharten   von   gleichem  Bu 
gehalt  untbunlich.    Weil  aber  das  Serum  nicht  abscheidbar 
würde  es  vielleicht  angemessen  sein,  CaseYn,  Zucker,  Salze 
Wasser  mit  Ausschluss  der  Fette  auf  100  zu  berechnen,  und  ds 
das  Verhältuiss  der  Fette  zudem  einen  oder  andern  Bestandtheile  oi 
der  Gesammtmilch  anzugeben.  —  So  wichtig  die  Kenntniss  der 
zentischen  Zusammensetzung  ist,  so  ist  es  doch  zur  Entscheidq 
vieler  Fragen  nicht  genügend,  zu  wissen,  wie  die  Milch  zusaram( 
gesetzt  sei,  die  man  ein  oder  mehrmals  am  Tage  entnommen 
Denn  da  sich  unter  Tags  die  Milchzusamraensetzung  bald  n 
massig  und  bald  unregelmässig  ändert,  so  muss  man  selbstversti 
lieh  die  ganze  tägliche  Milch  sammeln  und  eine  Portion  dersell 
zerlegen,  wenn  es  sich  darum  handelt,  den  Einfluss  einer  steti, 
tagelang  fortwirkenden  Bedingung  auf  die  Absonderung  hiuzuste 
Dieses  ist  nur  wenige  Male  geschehen.  —  Zur  Zerlegung  hat 
jeder  Beobachter  ein  anderes  analystisches  Verfahren  gewählt, 
sämmtlich  mit  spezifischen  Fehlern  behaftet  sind;  somit  sind 
Zahlen  von  verschiedenen  Beobachtern  nicht  miteinander  vergleiJ 
bar.  —  Bedenkt  man  zu  Allem,  dass  die  obigen  Fragen  mehr 
die  Milchzucht  und  Ammenwahl  als  für  Aufklärung  des  Absonderungs 
Vorgangs  von  Belang  sind,  so  wird  man  von  den  folgenden  Aaf 
Zählungen  nicht  allzuviel  erwarten.  ^- 
Wir  berücksichtigen  zuerst  die  Milch,  welche  nach  dem  öe 
bären  geliefert  wird. 


Äenderung  des  KHsogehalts  der  Milch  mit  der  Nahrung  eto. 


453 


'a.  Die  aufgeschwemmten  Bestandtheile  der-  Milch  erscheinen 
Iden  ersten  Tagen  nach  der  Geburt  vorzugsweise  unter  der  Form 
( Colostrumkörpercheu  und  erstspäter  als Milchkügelchen  (Donn6, 
lutrepont);  die  Colostrumkörperchen  kehren  mehr  oder  we- 
'?.r  zahlreich  wieder;  wenn  sich  fieberhafte  Zustände  des  ganzen 
j-pers  einstellen. 

b.  Der  Gehalt  der  Frauenmilch  an  Ei  weiss  st  off  im  Allge- 
raen  und  an  Käse  insbesondere  ist  unter  gewöhnlichen  Ver- 
missen von  den  frühern  Beobachtern  zwischen  1,0  und  7,1  pCt. 
linden  worden;  nach  Vernois  und  Becquerel  liegt  er  im 
fiel  bei  3,92  pCt.  —  Filhol  nnd  Joly,  die  eine  andere  analy- 
ihe  Methode  befolgten,  legen  die  physiologische  Schwankung 
Ilie  Grenzen  von  0,6  bis  2,3  pCt.  und  das  Mittel  auf  0,98  pCt. 
tte  in  der  That  der  Unterschied  nur  in  der  Methode  begründet  sein, 
würden  alle  folgenden  Angaben  von  sehr  geringem  Werth  sein. 

Veränderung  mit  der  Nahrung.  Hier  wäre  zu  scheiden  der 
iiuss  der  Menge  und  der  Art  derselben.  Beim  Menschen  zeigte 
.Art  derselben  eine  nur  untergeordnete  Bedeutung.  Simon  sah 
h  dem  Uebergang  von  einer  nothdürftigen  vegetabilischen  zu 
ir  reichlichen  fleischhaltigen  Kost  den  Caseingehalt  der  Milch 

3,5,  resp.  3,9  pCt.  auf  3,7,  resp.  4,0  pCt.  steigen.  Becquerel 

Vernois  geben  den  mittleren  Gehalt  an  Casein  und  Extrakten 
:21  Beobachtungen  bei  mangelhaft  gespeisten  Frauen  zu  3,7  pCt., 
;gut  gefütterten  aber  (aus  61  Beobachtungen)  zu  4,0  pCt.  an.  — 

sich  die  tägliche  Milchmenge  mit  der  reichlichen  Kost  mehrt, 
vvürde  auch  die  tägliche  Caseinmenge  damit  wachsen. 

Nach  Peligot  stieg  der  Caseingehalt  der  zu  derselben  Tageszeit  entleerten 
.  einer  Eselin  von  1,2,  resp.  1,6  auf  2,3,  als  sie,  statt  mit  Hafer,  Kartoffeln  oder 
:n  Eüben,  mit  rothen  Rüben  gefüttert  wurde.  —  .Bei  Kühen  bemerkte  Boussin- 
'.t  keinen  Unterschied  weder  an  Menge,  noch  an -prozentischer  Zusammensetzung, 
iten  sie  mit  grünem  oder  trockenem  Futter,  mit  Eüben,  Kartoffeln  (?)  oder  Hafer 
äst  werden.  —  Beim  Hunde  fand  Young,  dass  die  Milch  der  mit  Fleisch  ge- 
•ten  Thiere  durch  Stehen  nicht  gerann,  und  Dumas,  dass  sie  beim  Kochen  ge- 
;  diese  letztere  Eigenschaft  verschwindet,  wenn  statt  dos  Fleisches  Brod  gegeben 

(Filhol,  Joly).  Beim  Kostwechsel  ändert  sich  auch  der  Prozentgelialt  der 
ilemilch  an  Eiweisskörpern ;  es  sanken  Eiweissstoffo  und  Salze  von  16,8  pCt.  auf 
i  herab,  als  von  Fleisch  zu  Brod  und  Fettsuppen  übergegangen  wurde  (Dumas). 

In  dem  ersten  Monat  nach  dem  Gebärakt  soll  die  Milch  etwa 
-pCt.  weniger  Casein  enthalten ,  als  später  (Simon).  Hiergegen 
bben  sich  die  Beobachtungen  von  Griffith,  Vernois  und 
squerel. 


454      Voränderung  dos  Käsegohalts  mit  dor  Häufigkeit  dor  Entleerung^  etc. 


Wird  die  Frau  während  der  Milchabsonderung  geschwängei  ^ 
so  nimmt  der  Käsegehalt  um  etwa  0,5  pCt,  gegen  den  frühem  a 
(Becquerel  und  Vernois^.  , 

Die  Wiederkehr  der  Menstrualpcriode  hat  keinen  oder  eia 
gering  steigernden  Eiufluss  in  den  Zeiten,  in  welchen  sie  ni^ 
gerade  eingetreten  ist;  während  der  bestehenden  Menstrualblutig 
ist  dagegen  der  Caseingehalt  immer  verändert,  aber  bald  in  aq 
und  bald  in  absteigender  Linie. 

Wird  die  Brustdi-üse  rascher  hintereinander  entleert,  so  ist  ^ 
Milch,  die  sie  liefert,  reicher  an  Casein,  als  wenn  sie  lange  Z( 
in  der  Brustdrüse  verweilte  (Peligot,  L'h^ritier).  Eine  Prj 
welche  wähi-end  mehrmaliger  Entleerung  des  Tags  über  eine 
mit  1,4  pCt.  gegeben  hatte,  lieferte,  als  40  Stunden  lang  4 
Brustdrüseninhalt  zurückgehalten  war ,  eine  Flüssigkeit  mit  0,2  |J| 

Bei  der  Eselin  fand  Peligot  folgende  Zahlen:  1,5  Stunde  nach  dem  vofii 
gegangenen  Melken  =  3,5  pCt.  Casein;  6  Stunden  nach  demselben  =  1,5  pCL  4 
24  Stunden  nachher  =  1,0  pCt.  —  Die  Milch  derselben  Kühe  enthielt  bei  ^ 
maligem  Melken  des  Tags  4,5,  bei  zweimaligem  4,4  pCt.  Casein  (Trommer). 

Wird  die  gefüllte  Mutterbrust  in  einer  Sitzung  entleert,  so  ist^ 
Milch,  die  in  den  verschiedenen  Abschnitten  der  Mahlzeit  entlfl| 
wird,  ungleich  reich  an  Casel'n,  und  zwar  ist  bald  die  anfäng]| 
und  bald  die  später  ausgestrichene  die  caseiureichere  (Rei^ 
Vernois  und  Becquerel),    Die  Unterschiede  sind  gering, 
0,2  pCt. ;  vielleicht  in  Fehlern  der  Methode  begründet  (Heynsiui 
Stark  entwickelte  Brustdrüsen  liefern  im  Durchschnitt  eine 
mit  0,3  pCt.  mehr  Casein,  als  schwach  ausgebildete.  Damit 
Zusammenhang  steht  vielleicht  die  Erfahrung,  dass,  wenn  die 
lere  tägliche  Absonderung  reichlich  und  leicht  von  statten  geht,. 
Milch  um  etwa  0,4  pCt.  reicher  an  Casein  sei,  als  wenn  das 
gentheil  stattfindet.  Fiü-  ein  und  dasselbe  Individuum  hat  dieses, 
es  scheint,  keine  Geltung,  vorausgesetzt,  dass  die  Drüse  gleich' 
entleert  wurde.   Boussing ault  fand  nämlich  die  Milch  der  ß 
gleich  reich  an  Casein ,  gleichgiltig  ob  sie  täglich  3  oder  12  K 
Milch  gaben. 

Die  Milch  der  Kuh,  welche  während  der  Nacht  abgesondert  wird,  soll 
Casein  halten ,  als  die  Tagesmilch  (Plaifayr).    Diess  bestreitet  Go  rup,  und  Str 
mann  findet   sogar  umgekehrt  in   der  den  Morgen  entleerten  Milch  um  0,1  W 
weniger  als  in  der  am"  Abend  entleerten  Milch.  —  Diese  Unterschiede  konnte  WiC 
an  dor  Ziege  nicht  bestätigen. 

Variabel  wurde  der  Caseingehalt  femer  gefunden  mit  dem  Alter  der  Säugendi 
insofern  bei  15-  bis  20juhrigeu  die  Milch  durchschnittlich  5,5  pCt.,  also  mehr  al« 


Veränderung  im  Buttorgehalt  mit  der  Nahrung  etc. 


455 


il,  enthielt,  jenseits  dieses  Termins  zeigt  sich,  keine  Beziehung  zwischen  dem 
uud  dem  Casei'ngehalt  (Becquerel  und  Vernois). 

Constitution.    NachBecquerel  und  Vernois  sollen  blonde  oder  othhaarige 
3n  mit  weisser  Haut  und  schlaffer  Musculatur  (schwache  Constitution)  eine  Milch 
3,9  pCt.  Casein  und  Frauen  mit  dunklem  Haar,   brauner  Haut  und  lebhaftem 
oeraraent  (starke  Constitution)  eine  solche  von  2,9  pCt.  Casem  liefern.  —  Bei 
n  und  Schafen  prägt  sich  trotz  gleichen  Futters  u.  s.  w.  der  Unterschied  der 
in  dem  Caseingehalt  der  Milch  sehr  bedeutend  aus  (Becquerel,  Vernois, 
lol,  Joly).  —   Frauen,  die  bei  sonst  gleich  kräftigem  Aussehen  blondhaarig 
sollen  Milch  mit  1,61  pCt.  liefern,  dunkelhaarige  dagegen  2,56  pCt.  (L'he- 
•:er).  —  Dieses  fanden  Becquerel  und  Vernois  nicht  bestätigt. 

c.  Der  Buttergehalt  beläuft  sich  im  Mittel  auf  2,66  pCt.; 

Minimum  wurde  zu  0,6;  sein  Maximum  zu  8,9  gefunden. 

Reichliche  Nahrung,  gleichgiltig  ob  sie  aus  Fleisch  oder  Brod 
i;eht,  mehrt  die  Butter  und  kärgliche  setzt  sie  herab;  die  Unter- 
tede  betragen  2  bis  3  pCt.  (Dumas,  Simon,  Becquerel 

Vernois).   Die  Folge  der  bessern  Nahrung  macht  sich  schon 

ersten  Tage  nach  dem  Genuss  derselben  geltend  (Simon). 

Mütter  zwischen  15  und  20  Jahren  geben  im  Allgemeinen  etwas  butterreichere 
lii  als  ältere  (Becquerel  und  Vernois). 

In  den  ersten  5  Tagen  nach  dem  Gebärakt  ist  die  Milch  ärmer  an 
It,  als  in  den  folgenden  10  Tagen;  der  Unterschied  liegt  in  der 
ue  von  0,5  pCt.  In  den  spätem  Monaten  zeigt  sich  kein  Ab- 
igigkeitsverhältniss  zwischen  dem  Buttergehalt  und  der  Zeit  seit 
11  Beginn  der  Absonderung,  im  Allgemeinen  ist  aber  der  Butter- 
:  alt  geringer ,  als  in  den  ersten  5  Tagen. 

Wird  die  Frau  während  der  bestehenden  Milchabsonderung  ge- 
wvängert,  so  wird  der  Buttergehalt  gesteigert,  in  den  untersuchten 
llen  betrug  im  3.  Schwangerschaftsmonat  das  Mehr  gegen  früher 

pCt. 

Nicht  menstruirte  Frauen  liefern  Milch  mit  demselben  Butter- 
iialt,  wie  menstrualfähige  in  den  Zeiten,  die  zwischen  der  Blu- 
l-g  liegen;  während  des  Bestehens  der  letztern  wird  der  Butter- 
iialt  bald  auf-  und  bald  absteigend  alterirt,  die  positiven  Ver- 
llerungen  stiegen  bis  zu  4,5  pCt.  (Becquerel  und  Vernois). 

War  bei  Thieren  das  Euter  seit  mindestens  4  Stunden  nicht 
lleert  worden,  und  wurde  dann  der  ausgestrichene  Inhalt  der- 
ben absatzweise  aufgefangen ,  so  ist  der  zuletzt  abgezogene  Theil 

zum  lOfachen  reicher  an  Fett,  wie  der  zuerst  gewonnene  (Pe- 
;ot,  Reiset).  Man  erklärt  sich  dieses  aus  dem  Aufsteigen  des 
•ttes  in  den  Höhlen  des  herabhängenden  Euters.  Beim  Menschen 
den  sich  nicht  immer  (Vernois  und  Becquerel),  aber,  häufig 


456 


Vorändorungen  im  Zuckor-  und  Salzgehalt. 


ähnliche,  wenn  auch  geringere  Unterschiede  (Reis et,  Heynsingj 
Der  zuletzt  genannte  Beobachter  erklärt  sich  dieses  durch  die 
nähme,  dass  in  den  engern  Gängen  der  Drüse  die  butterreicl 
Flüssigkeit  aufbewahrt  sei. 

Die  am  Abend  entzogene  Milch  ist  bis  zum  Doppelten  reici 
an  Butter,  als  die  Morgenmilch  (Gor up,  Struckmann,  Wie] 

Eine  Frau,  welche   dm-ch  den  plötzlichen  Tod  ihres  Kindes  eine  lebhafte 
müthserregung  erlitt,  sonderte  alsbald  eine  viel  butterrcichere  Milch  ab.  —  Schw^ 
und  starke  Constitutionen  in  dem  unter  b.  genannten  Sinne  zeigten  sich  einflussj 
blonde  Frauen  gaben  nach  L'häritier  eine  Milch,  die  etwa  2  pCt.  Butter 
führen  soll,  als  die  Milch  dunkelhaariger  Mütter.    Vornois  und  Be'cquerel  laug 
dieses.  —  Die  Eace  der  Schafe  und  Kühe  hat  einen  sehr  grossen  Einfluss  auf  ' 
Buttergehalt  (Becquerel,  Vernois,  Filhol,  Joly). 

d.  Die  Grenzwerthe  des  Zuckergehaltes  fallen  auf  1,2 
6,0  pCt. ;  das  Mittel  liegt  bei  4,3.    Bei  Hunden  ist  nach  Fütterung  i 
einer  reinen  Fleischkost  der  Zuckei-gehalt  zwar  sehr  verändert  (D  ums 
Heynsius),  aber  nicht  gänzlich  verschwunden  (Bensch).  — 
den  ersten  14  Tagen  nach  dem  Gebären  ist  die  Milch  nach  Sim( 
zuckerreicher,  eine  Thatsache,  welche  Vernois  und  Becquer( 
nicht  bestätigt  fanden. 

Ob  die  Frau  menstrualfähig  sei  oder  nicht,  ist  gleichgült 
während  der  fliessenden  Regeln  ändert  sich  der  Zuckerwerth 
und  ab  um  je  ein  Prozent. 

Bei  absatzweiser  Entleerung  der  Brustdrüsen  findet  sich  in  di^ 
ersten  Portion  der  ausgesogenen  Flüssigkeit  0,2  pCt.  Zucker  weni^ 
als  in  der  zweiten.  —  Wenn  die  tägliche  Menge  der  ausgeschiedene 
Milch  grösser  wird,  so  nimmt  der  Zuckergehalt  zu. 

Ohne  Einfluss  auf  den  Zuckergehalt  ist  das  Alter  der  milchgebenden  Frau, 
wiederkehrende  Schwangerschaft,  der  Umfang  der  Brustdrüse.  —  Die  Milch  von  Fran 
mit  schwacher  Constitution  enthielt  im  Durchschnitt  4,3  pCt. ,  diejenige  von  Frau 
mit  starker  3,2  pCt.  Zucker.  —  Dunkelhaarige  Frauen  geben  zuckerreichere  Milch  ab 
blonde  (L' he riti er ).    Dieses  läugnen  Vernois  und  Becquerel. 

e.  Salze.  Nach  einer  von  Wildenstein  ausgeführten  Analj'sc 
der  menschlichen  Milchasche  besteht  dieselbe  in  100  Tb  eilen  aus: 
Na  =  4,2;  Ka  =  31,6;  CaO  =  18,8;  MgO  =  0,9;  FeaOs  =  0,1; 
Gl  =  19,1;  PO5  =  19,1;  SO3  =  2,6  und  einer  Spur  von  Kiesel- 
säure. Eine  ähnliche  Zusammensetzung  trägt  nach  R.  Weber*) 
und  Hai  dien  auch  die  Milchasche  der  Kuh,  so  dass  namentlich 
der  grosse  Gehalt  an  Kalium  im  Gegensatz  zum  Natrium  ein  con- 


•)  Pogpendorf's  Annalen.  81.  Bd.  1U2. 


■Wassergehalt  der  Milch;  Qesammtmilch. 


457 


uter  zu  sein  scheint.  —  Kohlensäure,  welche  in  der  obigen 
alyse  fehlt  und  wahrscheinlich  durch  die  während  der  Verbren- 
ni;-  entstandene  SO3  ausgetrieben  wurde,  ist  in  der  frischen  Milch 
lumden  (Lehmann),  und  zwar  kann  sie,  ähnlich  wie  im  Blut, 
ihveise  durch-  Aenderung  des  Drucks  und  theils  durch  stärkere 
cn  abgeschieden  werden,  —  Der  mittlere  Gehalt  der  Milch  an" 
lie  variirt  zwischen  0,05  und  0,3  pCt.,  so  dass  sie  ungetähr 
f  't.  des  trockenen  Milchrückstandes  ausmacht.    Die  Abhängig- 
,[  der  Veränderungen  von  den  früher  aufgezählten  Bedingungen 
noch  nicht  genügend  festgestellt,  oder  es  verdienen  wenigstens 
i  mitgetheilten  Zahlen  noch  geringes  Zutrauen. 

f.  Wassergehalt.    Er  schwankt  zwischen  80,9  und  94,8^pCt. 
SS  Mittel  fällt  auf  88,9  pCt.  —  Die  vorliegenden  Mittheilungen 
ssen  schon  erkennen,  dass  der  Wassergehalt  der  Milch  unter 
i  Mittel  fällt  bei  Fi'auen  zwischen  15  und  20  Jahren,  bei 
iwacher  Constitution,  in  den  ersten  Tagen  nach  dem  Gebärakt, 
eingetretener  Schwangerschaft,  bei  braunhaarigen  Frauen  (?), 
sehr  guter  Nahrung,  bei  reichlicher  Milchabsonderung,  und  dass 
umgekehrt  über  das  Mittel  fällt  bei  starker  Constitution,  bei 
»ndhaarigen  (?),  schlechter  Nahrung,  beschränkter  Milchabson- 
Tung,  und  dass  er  während  der  ausfliessenden  Regeln  bald  über 
Ii  bald  unter  den  Mittelwerth  geht. 

Feste  Beziehungen  im  prozentischen  Gehalt  zwischen  den  ein- 
raen  Bestandtheüen  der  Milch  sind  noch  nicht  aufgefunden,  was 
;rnois  und  Becquerel  dadurch  ausdi'ücken,  dass  sie  die  von 
fen  untersuchten  Ammen  in  Casein-  und  Butterammen  ein- 
iilen. 

Die  Zusammensetzung .  der  mittlem  Frauenmilch  in  lOOTheilen 
rrde  sich  nachVernois  und  Becquerel  folgendermaassen  aus- 
iimen:  Wasser  =  88,91;  Zucker  =  4,36;  Käse  und  Extrakte 
3,92;  Butter  =  2,67;  Asche  =  0,14.  Nach  Scher  er  und 
pcmm  aber:  Wasser  =  89,10;  Zucker  und  Extrakte  =  3,85; 
»e  =  3,37 ;  Butter  =  3,71 ;  Asche  =  0,17. 

'Um  zu  bestimmen,  ob  die  Milch,  welche  kranke  Säuglinge  genossen,  an  dem 
tel  dieser  letzteren  schuldig  oder  unschuldig  sei,  analysirtcn  Becquerel  undVer- 
■8  die  betreffende  Milch  und  fanden  eben  so  häufig  Abweichungen  von  dem  Mittel, 
'ein  Bestehen  desselben.  Daraus  wird  es  allerdings  wahrscheinlich,  dass  etwas 
■r  oder  weniger  des  einen  oder  andern  Bestandtheils  nicht  die  Ursache  des  Leidens 

Säuglinge  war.  Viel  eher  dürften  die  nicht  untersuchten  und  bis  dahin  auch 
••it  untersuchbaren  qualitativen  Unterschiede  der  einzelnen  Bestandtheile  anzu- 
t;eii  sein. 


Drüsensaft  der  Schwängern. 


Aus  der  Nahrung  gehen  in  die  Milch  über  die  ätherischen  Oeli 
des  Knoblauchs,  des  Anis  und  der  Cruciferen,  der  Bitterstoff  ii 
Absynth  etc. ;  von  mineralischen  Bestandtheilen  Jod  (sehr  langsam 
aber  es  haftet  lange)  (Lewald),  Wismuth,  Arsenik,  Antimon,  Blei 
Zink,  Eisen,  Quecksilber,  Siehe  hierüber  Lewald  und  H  a  r  n  i  e  r 

Nach  Wasserinjectionen  in  das  Blut  enthält  die  Milch 
Eiweiss  (Eckhard). 

Die  Milch  **),  oder  besser  gesagt  der  DrUsensaft,  welcher  wi 
rend  der  Schwangerschaft,  also  vor  der  Geburt,  abgesondert 
muss  den  Angaben  von  Lassaigne,  Simon,  Clemm 
V.  Eueren  zufolge  im  Ansehen  und  der  Zusammensetzung  in 
schiedenen  Fällen  sich  sehr  abweichend  verhalten.  Wir  wiedi 
holen  hier  zuerst  den  Inhalt  der  Beobachtungen  von  Scher  er 
Clemm  und  lassen  die  abweichenden  Angaben  folgen.  Ni 
diesen  ist  die  aus  der  menschlichen  Brustdrüse  gewonnene  Flüssl 
keit  von  seifenwasserartigem  oder  gelblichem  Ansehen,  zuwei 
mit  Blutstreifeu  durchzogen,  klebrig,  reagirt  fast  neuti-al  und 
beim  Stehen  an  freier  Luft  bald  sauer.  Das  Mikroskop  m. 
ColostrumkUgelchen  und  Fetttropfen ,  zuweilen  veränderte  Epithelii 
Zellen  nach,  Casein  fehlt ,  seine  Stelle  wurde  durch  Eiweiss  yi 
treten.   Die  Zerlegung  ergab  bei  derselben  Schwangern: 


28  Tage  vor 
der  Geburt. 

18  Tage  vor 
der  Geburt. 

11  Tage  vor 
der  Geburt. 

4  Tage  vor 
der  Geburt. 

ITag  V.  der 
Geb.*»«). 

85,20 

85,17 

85,18 

85,85 

87,05 

4,13 

3,02 

2,35 

■ 

3,10 

Milchzucker  u.  Woingelst- 

3,94 
6,79 

4,37 
7,37 

3,64 
7,91 

>  14,81 

4,83 
5,16 

In  Wasser  lösliche  Salze 

0,33 

0,34 

0,38 

In  Wasser  unlösliche  Salze 

0,11 

0,11 

0,16 

1  Tag! 
derGeU 


84,2 


}  15j( 


Am  zweiten  Tage  nach  der  Geburt  war  erst  das  Eiweiss  vös 
schwunden  und  der  Saft  hatte"  die  Eigenschaften  der  Milch  ang 
nommen.    Eine  Vergleichung  der  einzelnen  Tage  lehrt,  dass  bö 
zui-  Geburt,  den  letzten  wegen  der  Nahrung  nicht  mehr  vergleich- 


•)  Harnier,  quaedam  de  transitu  medicamentornm  in  lac.  Marburg  1847.  —  Lew'i 
Untersuchungen  Uber  den  Uebergang  von  Arzneimitteln  in  die  Milcli.  Breslau  1857.  —  Späth  i 
Schauenstein.    Zeitschrift  der  Wiener  Aerzte  1859. 

*•)  Simon,  Mediz.  Chemie.  II.  Bd.  280.  —  Clemm,  1.  c.  —  v.  Eueren,  Ondcrzoeklngf 
gedaau  In  het  physiologisch  Laboratorinm  etc.  1818—49.  166.—  M o  1  e  s  ch  o  tt ,  Archiv  für  pV' 
siolog.  Heilkunde.  XI.  Bd.  696.  , 
"*)  Die  gewöhnliche  Kost  war  am  Tage  vorher  mit  einer  vegetabilischen  vertauscht  worden«» 


Drilsensaft  der  Sch'VTangern. 


459 


en  Tag  ausgenommen,  die  Butter  im  Abnehmen  und  dasEiweiss 
steigen  begriffen  war;  Zucker,  Salze  und  Wasser  variirten  da- 
on  wenig,  oder  mindestens  ohne  Regel.  —  Van  Eueren  fand 
Drüsensaft  stark  alkalisch,  gelblich,   eiweissfrei  und  dafür 
.11-  und  stark  fetthaltig,  und  neben  den  Colostrumkügelchen 
feinkörnigem  Fett  erfüllte  Epithelialzellen.  —  Simon,  welcher 
1  Drüsetisaft  der  Eselinnen  untersuchte,  erhielt  14  und  8  Tage 
der  Geburt  eine  Flüssigkeit,  welche  Albumin,  Casein,  Butter 

I  nur  Spuren  von  Zucker  enthielt.  —  Die  Säfte  des  Kuheuters 
lliessen  sich  nach  den  Beobachtungen  von  Lassaigne,  Mole- 
ii'ott  und  Clemm  an  die  der  menschlichen  Brustdrüsen,  inso- 

II  sie  nur  Eiweiss  und  kein  Casein  führen,  dagegen  waren  sie 
rr  rahmh  altig. 

Fast  alle  Neugeborenen*),  männliche  und  -weibliche,  sondern  aus  der  Brustdrüse 
r^e  Tage  nach  der  Geburt  einen  Saft ,  die  Hexenmilch ,  ab.  Sie  erscheint  meist  am 
'ag  nach  der  Geburt,  erreicht  am  8.  ihr  Maximum  und  ist  nur  noch  selten  nach 
'iuss  eines  Monats  zu  finden.  Die  Hexenmilch  enthält  nach  Schlossberger  und 
iL  Hot  Müchkügelchen  und  nach  Donne  auch  Colostrumkörperchen.  Schloss- 
,ger,  der  ein  solches  Produkt  analysirte,  fand  in  100  Theilen  Wasser  =  96,75; 

=  0,82;  Casein,  Extrakte  und  Zucker  =  2,38;  Asche  =  0,3.  Sie  verhält  sich 
II  diesem  Analytiker  wie  gewässerte  Milch.  Quevenne  zerlegte  ein  Produkt,  das 
ner  an  festen  StoiFen  war. 

Bei  erwachsenen  Männern**)  und  männlichen  Säugethieren  stellt  sich  in  sehr 
inen  Fällen  ohne  nachweisbare  Ursachen  Milchabsonderang  ein.  Schlossberger 
fegte  die  Müch  eines  Bockes;  diese  war  um  einige  Prozent  reicher  an  Casein  und 
*  so  ärmer  an  Milchzucker  und  Butter,  als  es  die  Ziegenmilch  nach  den  vorliegenden 
tersuohungen  von  Chevalier,  Clemm  und  Henry  ist. 

3.  Die  Absohderungsgeschwindigkeit  der  einzelnen  MilchstofFe 
unabhängig  von  einander,  wie  sie  sich  aus  der  relativen  Zu- 
iiamensetzung  der  Milch  ergiebt.  Das  Maass  der  täglich  abge- 
lederten Gesammtmilch  nimmt  bei  Kühen  bekanntlich  von  der 
■iderkunft  an  bis  zum  ersten  Monate  nach  derselben  zu  und  von 
an  in  den  folgenden  Monaten  ab  bis  unter  das  Quantum,  welches 
<i  Thier  unmittelbar  nach  dem  Gebären  gab.  Zahlenbelege  für 
-se  alte  Erfahrung  giebt  Boussin gault.  —  Es  scheint  ferner, 

ob  die  Menge  der  Absonderung  in  Beziehung  stehe  zur  Häufig- 
tit  der  Brustentleerung.  Jedenfalls  wird  der  Milchfluss  bei  Frauen 
<ter drückt,  wenn  das  Kind  aufhört  zu  saugen.    Dazu  behauptet 

••)  Scnnzoni,  Wilrzbnrger  Verhandlungen.  U.  Bd.  p.  300.  —  Schlossborger,  Lleblg's 
•alen.  87.  Bd.  324.  -  Natalis  Gtilllot,  Gazotto  mddloale  1863.  p.  686.  -  Van  Eueren, 
p.  15.3. 

•••)  Schlossberger,  Lleblg's  Annalcn.  51.  Bd.  -  Donder»,  Ondcrzockingon  godaan  In 
'  Uboratorinm  etc.  1848-4».  p.  15-3.  Todd,  Cyclopnedea.  Artikel  Sooretio.  IV,  405. 


460 


Absonderungsgosoli-wiiidigkoit  dor  MilchstolTo ;  Milchbercitung. 


man  auch,  dass  die  Milch  reichlicher  werde,  wenn  das  Kind  h 
figer  sauge.    Das  Saugen  könnte  übrigens  auch  durch  etwas  Ander 
als  die  blosse  Entleerung  der  Drüse  wirken,  was  wahrscheinli 
wird  im  Hinblick  auf  die  Fälle,  in  welchen  die  monatelang  un' 
drückte  Absonderung  durch  Saugen  wieder  erweckt  werden  konn 
Gubler)*). —  Die  stockende  Absonderung  kann  feiner  wieder 
Gang  gebracht  werden ,  wenn  man  öfter  durch  feuchte  oder  trocke 
Elektroden  mehrere  Minuten  hindurch  die  Schläge  eines  Induction 
apparates  auf  die  Drüse  wirken  lässt  (Auber,  Becquerel)**). 
Die  Milch  bleibt  weiter  aus,  wenn  die  Dntse  durch  einen  Druc 
vert)and  zusammengepresst  wird.  —  Eine  genaue  Zergliederu 
verdient  auch  der  Fall  von  plötzlicher  Milchstockung  in  fieberhaft 
Krankheiten  u.  s.  w. 

Nach  Bestimmungen   mit   einer  Saugpumpe   schätzt  La 
periörre***)  die  tägliche  mittlere  Milchmenge  aus  beiden  Brüst 
auf  1350  Gr. 

4.  Milchbereitung.  Ueber  die  Formfolge f)  bei  der Entwick 
lung  der  Milchkügelchen  ist  uns  Einiges  durch  Henle,  Nass 
Will,  H.  Meyer,  van  Eueren  und  Reinhardt  bekannt  g 
worden.    Macht  man  die  Voraussetzung,  dass  die  Bildung  all 
geformten  Massen  nur  von  der  Drüsenwand  ausgeht,  so  ist  a' 
feststehend  anzusehen,   dass   die  C ol ostrumkörper eben  a 
dem  umgewandelten  Inhalt  der  Deckzellen  des  Drüsenbläsehen  he 
vorgehen.    Denn  an  der  strukturlosen  Wand  derselben  liegen  z" 
Zeit  der  Colosti-umabscheidung  zunächst  kleine  Zellen  an,  welch« 
nach  der  Terminologie  der  Cytoblastenhypothese  als  Kerne  b 
zeichnet  werden;  auf  diesen  ruhen  grössere  kernhaltige  Zellen  a 
deren  Binnenraum  zum  Theil  mit  durchsichtigen,  zum  Theil  m 
Fetttröpfchen  gefüllt   ist;    diese  letzteren  sind  in  eine  kömi| 
Zwischensubstanz  eingebettet  und  um  den  Kern  herum  grupp' 
Noch  weiter  gegen  das  Centrum  des  Drüsenbläschens  liegen  Häufche 
von  Fettti-öpfchen,  welche,  zusammengehalten  durch  eine  körnig 
Zwischensubstanz  und  von  keiner  gemeinsamen  Zellenhaut  me'' 
umgeben ,  ganz  das  Ansehen  der  Colostrumkörperehen  tragen.  Zti 
weilen  soll  sich  in  der  Mitte  eines  solchen  Häufchens  noch'e' 


*)  Valentin,  Jahresbericht  filr  1852.  221. 

*•)  Meissncr's  Jahresbericht  fdr  1856  p.  359  und  fUr  1857  p.  383. 
•»«)  Lohmann,  Physiologische  Chemie,  n.  Bd.  p.  338  und  32G. 
t)  H.  Moycr,  Züricher  Mitthellungcn.  1819.  I.  Bd.    2.  Hea.  p.  70.  —  Will,  Ueber  Ifflcb 
absondprung.  Erlangen  1850. —  Van  Eueren,  I.  o.  —  Reinhardt,  Virchow's  Archiv.  I.  Bd 
p.  52  u.  f. 


Milchbereitung. 


461 


bilde  mit  den  optischen  Eigenschaften  des  Zellenkerns  vorfinden; 
!  den  grösseren  Gängen  endlich,  wohin  die  Drüsenbläschen  ihren 
alt  entleert  haben,  sind  die  Häufchen  zerfallen,  und  es  liegen 
>■  einzelnen  Fetttröpfchen  oder  Milchkügelchen  frei  in  der  Flüssig- 
:t.    Diese  Reihenfolge  von  Formen  findet  sich  aber  nur  zur  Zeit 
Colostrumabsonderung  und  in  den  Brüsten  der  Neugeborenen, 
liiieswegs  aber  in  der  milchgebenden  Frauenbrust  (Reinhardt)**), 
I  dass  es  daraus  wahrscheinlich  wird ,  es  möchten  die  Milchkügel- 
K'u  auch  noch  unter  einer  andern  Formfolge  entstehen. 

Eine  Vergleichung  der  Blut-  und  Milchstoffe  zeigt  sogleich, 
ISS  der  Milchzucker  in  der  Drüse  entstanden  sein  muss,,  weil  er 
lljst  dann  noch,  obwohl  vermindert,  in  der  Milch  beobachtet 
nd,  wenn  sich  die  Säugenden  jeder  Art  von  Zucker-  und  Mehl- 

iilirung  enthalten,  und  weil  auch  in  den  an  andern  Orten  des 
hierleibes  (Leber,  Muskeln)  bereiteten  Zuckerarten  kein  Milch- 

ncker  vorhanden  ist.  Jedenfalls  wird  jedoch  seine  Entstehung  be- 
instigt  durch  den  Genuss  von  Amylaceen.  —  Ob  das  Casein  und 
le  Fette  aus  dem  Blut  abgesetzt  oder  in  den  Drüsen  enstanden 
nd,  muss  einstweilen  dahin  gestellt  bleiben.  Geschähe  das  erstere, 
I  würden  in  der  Drüse  jedenfalls  auch  noch  andere  chemische 
rodukte  bei  der  Umsetzung  der  Blutbestandtheile  in  Fette  u.  s.  w. 
^fallen,  die  dann  in  das  Blut  zurückkehrten.  —  Für  einen  innigeren 

iusammenhang  zwischen  der  Fettbildung  im  Gesammtkörper  und 
;r  Butterausscheidung  spricht  die  den  Landwirthen  bekannte  That- 

iiche,  dass  Kühe,  welche  eine  butterreiche  Milch  liefern;  trotz 
Ilten  Futters  mager  bleiben,  und  umgekehrt,  dass  die  Milch  bei 

I :  ntretender  Mästung  mager  bleibt. 

\      Die  Milchbildung  kann  ungestört  vor  sich  gehen,  auch  ohne 
I  uthun  der  Intercostalnerven,  wie  die  Durchschneidungsv ersuche 
!  jn  Eckhard  beweisen.    Da  aber  die  Absonderung  beschleunigt 
I  ird  durch  elektrische  Schläge  auf  die  Brust  selbst  (und  durch  das 
I  ;flektorisch  wh-kende  Saugen?),  so  ist  die  Betheiligung  von  con- 
■  aktilen  Elementen  nicht  zu  bestreiten.    Ihr  Antheil  an  der  Milch- 
ildung  könnte  sich  aber  beschränken  auf  die  Erzeugung  von 
pannungsunterschieden  zwischen  dem  Blutstrom  und  dem  Drüseu- 
lialt,  eine  Vermuthung,  die  man  auszusprechen  wagt,  weil  die 
Ii  Häufung  der  Milch  in  der  Drüse,  resp.  die  steigende  Spannung 
Inhalts  ihrer  Gänge  einen  störenden  Einfluss  auf  die  Abson- 
i  iing  übt. 

'>  1.  C.  J).  Cl. 


462  Ausstossung  der  Milch;  Ernälirung  der  Brustdrüse;  Athmung;  Einleitung. 


5.  Die  Ausstossung  der  Milch  kann  geschehen  durch  . 
Kräfte,  welche  sie  in  die  Gänge  treiben,  und  sie  kann  beschleu- 
werden  durch  die  Muskeln,  welche  in  der  Haut  und  dem  Bin 
gewebe  der  Brustdrüse  liegen.  Meist  geschieht  dieses  aber  nie 
so  dass  nur  durch  Aussaugen  die  Entleerung  zu  Stande  kommt. 

6.  Die  Milchdrüse  des  Neugeborenen  ist  aus  mehre 
flaschenförmigen  Höhlen  zusammengesetzt,  die  sich  nach  aussen 
dieBrustwarze  öffnen ;  die  einzelnen  Flaschen  entsprechen  den  späte 
grösseren  Ausführungsgängen.    Bis  zur  eintretenden  Pubertät  ge' 
beim  weiblichen  Geschlecht  aus  den  blinden  Enden  allmählig 
ersten  Anlagen  der  Drüsenbläschen  hervor,  die  wähi-end  der  e 
getretenen  Pubertät ,  namentlich  aber  zur  Zeit  der  ersten  Schwan 
Schaft,  ihre-  volle  Ausbildung  erlangen.    Nach  dem  Schluss 
Menstruationsfähigkeit  schwinden  die  Drüsenbläschen  wieder, 
dass  in  dem  höheren  Alter  an  ihre  Stelle  ein  fetthaltiges  Bin 
gewebe  getreten  ist  (Langer)*).   Die  Ausbildung  der  Drüse  u 
der  andern  weiblichen  Geschlechtswerkzeuge  muss  aber  bekanntii 
nicht  nothwendig  gleichläufig  sein,  da  Mütter  mit  mangelhaft  e 
wickelten  Brustdrüsen  gerade  nicht  zu  den  Seltenheiten  zählen. 

Athmung. 
Einleitung. 

AUe  thierischen  Flüssigkeiten  enthalten  Luftarten,  und 
Grenzen  des  thierischen  Körpers  sind  entweder  dauernd  und  üb 
all  (Haut  und  Lungen)  oder  nur  zeit-  und  theilweise  (Darmkan 
mit  Luft  umzogen.  Zwischen  den  -Gasen  der  einzelnen  Flüs 
keiten  sowohl  als  auch  zwischen  ihnen  und  der  umgebenden  Ii' 
findet  ein  steter  Austausch  statt.  Diesen  Luftwechsel  zwischen  d 
thierischen  Flüssigkeiten  nennt  man  die  innere,  den  zwisch 
den  letzteren  und  der  Umgebung  die  äussere  Athmung.  Bei 
Vorgänge  sind  so  innig  mit  einander  verknüpft,  dass  der  mittle 
Umfang  des  Verkehrs  an  permanenten  Gasen  in  beiden,  wenn  au 
nicht  immer  gleich,  doch  wenigstens  immer  propoi-tional  ist.  Dies 
rührt  daher,  weil  das  Gas,  welches  die  äussere  Athmung  in  d 
Blut  führt,  und  von  dort  in  die  beim  inneren  Gasaustausch  betheiligt 
Flüssigkeiten  geht,  hier  sich  verändert  und  dann  ganz  oder  theilwei 
wieder  in  den  äusseren  Luftraum  zurückkehrt.  Die  so  eben  g 
schilderte  Beziehung  erklärt  und  verlang-t  die  Eigenthümlichke 


•)  Denkschriften  der  k.  Akndemle  der  Wissenschaften  in  Wien.  ITt.  Bd. 


Aeussere  Athmung;  Luftkreis. 


463 


;iss  an  allen  athmenden  Orten  zwei  Gassti-öme  in  entgegengesetzten 
;iclitnngen  gehen,  einer  aus  der  Luft  in  das  Gewebe  und  ein  an- 
eier  von  dem  letztern  zu  der  erstem.  Wegen  der  geringen  Kennt- 
iss  der  Innern  Athmung  lohnt  es  sich  nicht,  ihr  einen  eigenen  Ab- 
iniitt  zu  widmen;  die  wenigen  auf  sie  bezüglichen  Erfahrungen 
>llen  an  passenderem  Orte  eingepflochten  werden. 

Aeussere  Athmung. 

Die  Gase,  welche  im  normalen  thierischen  Leben  durch  die 
lachen ,  welche  Blut  und  Luft  trennen  (durch  die  Athmungsflächen) 
tröraen,  sind  Sauerstoff,  Kohlensäure,  Stickstoff,  Wasserdampf 
in  sehr  geringen  Mengen  Wasserstoff  und  Ammoniakdampf. 
)ic  Bewegung  der  CO2  und  des  Wasserdampfes  ist  vom  Blut  zur 
!ift,  die  des  Sauerstoffs  umgekehrt  gerichtet;  das  N-gas  kann  je 
h  Umständen  bald  nach  der  einen  und  bald  nach  der  andern 
K-htung  gehen. 

Diese  Luftsti-ömungen  von  und  zu  dem  Blut  bestehen  während 
er  ganzen  Lebensdauer;  daraus  entspringt  die  Forderung  eines 
:etigen  Vorraths  und  eines  stetigen  Vergehens  der  Gasarten  in 
em  einen  und  dem  andern  Räume;  in  der  That  sind  auch  hiezu 
[ittel  genug  vorhanden;  dahin  zählen:  die  ungeheure  Ausdehnung 
er  irdischen  Luft  und  die  stetige  Reinigung  derselben  von  CO2 
lul  Wasserdampf,  die  stets  fortgehende  Entstehung  von  COj  in 
en  thierischen  Geweben  aus  dem  C  der  Nahrungsmittel  und  dem 
'  der  Luft,  der  wiederkehrende  Genuss  von  Wasser,  der  Unter- 
hied  der  Temperatur  und  der  Wechsel  von  Luft  und  Blut  in  und 
uf  den  Athmungsflächen. 

Da  diese  Bedingungen  für  die  Beschleunigung  der  Luftsti-ömung 
lUen  verschiedenen  Athmungs-  oder  Respirationswerkzeugen  gleich- 
lässig  zu  Gute  kommen,  so  werden  wir  hier  sogleich  im  All- 
t'emeinen  auf  sie  eingehen. 

Der  Luftkreis. 

Bis  zu  einer  endlichen,  wenn  auch  nicht  gemessenen  Höhe, 
iFird  der  Raum  um  unsere  Erde,  wie  bekannt,  ausgefüllt  durch 
»in  Gemenge  permanenter  und  corapressibler  Gasarten,  unter 
sleoen  für  unsern  Zweck  N,  0,  CO2,  HO -gas  zu  nennen  sind. 
Oiese  Gasarten  äussern  unter  den  Bedingungen  ihres  Aufenthaltes 
n  der  Atmosphäre  keine  Verwandschaft  zu  einander,  und  somit 
'Iben  sie,  wenn  sie  in  den  statischen  Zustand  gelangt  sind,  auch 


464 


Stickstoff-  und  Sauerstoffatmosphäre. 


keinen  gegenseitigen  Druclc  aus*);  man  könnte  sagen,  jeder  ei 
zelnen  Gasart-  sei  die  Gegenwart  der  andern  vollkommen  gleichg: 
Wir  würden  also  in  der  Luft  mehrere  vollständig  von  einander 
abhängige  Atmosphären  zu  betrachten  haben.    Wir-  behandeln  ab 
des  mannigfach  Uebereinstimmenden  wegen   die  Luftkreise  vi 
Stick-  und  Sauerstoff  gemeinsam,  die  von  CO2  und  Wasserda; 
dagegen  gesondert. 

1.  Stickstoff-  und  Sauerstoffatmosphäre.  Die  aus  diesen  beidi 
Luftarten  gebildeten  Atmosphären  können  gemeinsam  betrachl 
werden,  weil  sie  sich  in  ihren  gegenseitigen  quantitativen  Verhäl 
nissen-  kaum  ändern.   Der  Sauerstoffgehelt  der  Luft  ist  allerdinj 
nach  Regnaul t**)  und  Bunsen  veränderlich;  aber  die  Schwai 
kungen  seines  prozentischen  Werthes  sind  für  unsere  Bedürfnis 
nicht  in  Anschlag  zu  bringen ;  sie  liegen  zwischen  21,0  und  20,9 
Der  atmosphärische  Sauerstoff  erfährt  dagegen  sehr  häufig  ei 
quantitative  Veränderung,  indem  er  sich  in  Ozon  umwandelt  (Schö 
bein).    Diese  Veränderung  erstreckt  sich  allerdings  auf  einen  ni 
sehr  kleinen  Antheil  der  Luft,  denn  es  kommen  in  100  Ltr.  L 
nur  zwischen  0,01  bis  0,002  Milligramm  Ozon  vor  (Pless,  Pierr 
Z  eng  er)***),  aber  dennoch  ist  sie  von  Bedeutung  für  das  Wo 
befinden  des  Menschen. 

l)a  die  quantitative  Bestimmung  des  Ozons  sehr  umständlich  ist,  so  hat  mi 
sich  zunächst  begnügt ,  sein  Wachsen  und  Sinken  in  der  Atmosphäre  zn  schätzei 
Hierzu  bedient  sich  Schönbein  eines  mit  Jodkalium  getränkten  Stärkepapierchens. 
tiefer  sich  dieses  der  freien  Luft  ausgesetzte  Probepapierchen  in  der  Zeiteinheit  färb 
um  so  reicher  ist  die  Luft  an  Ozon.  Nach  Beobachtungen,  welche  auf  den  Sten 
warten  Ton  Bern,  Kremsmünster  und  Krakau  durch  "Wolff,  Relshuber  und  Kaj 
I  i  n  s  k  i  unternommen  sind ,  ist  man  über  den  relativen  Ozongehalt  zu  folgenden  Säte 
gelangt:  bei  östlichen  Winden  ist  er  kleiner,  als  bei  westlichen;  im  Winter  ist  er  b( 
östlichen  Winden  grösser,  als  im  Sommer;  umgekehrt  verhält  es  sich  mit  westliche 
Winden ,  die  im  Sommer  mehr  Ozon  erzeugen ,  als  im  Winter.  Bei  hohem  Barometei 
stand  ist  der  Ozongehalt  kleiner,  als  bei  niederem,  bei  hoher  Temperatur  kleiner, 
bei  tiefer;  an  feuchten  und  trüben  Tagen  grösser,  als  an  trockenen  und  heitern fl) 
Eegenwolken  grösser,  als  bei  Cimis  und  Circocumulus ;  in  der  Nacht  höher,  als  b 
Tag.  Während  Schneefalls  erreicht  er  sein  Maximum.  Der  Werth  dieser  Angab 
wird  sehr  beschränkt  durch  die  übereinstimmenden  Veraicherungen  von  Cloe« 
Houzeau,  Borigny,  Pierre,  Pless,  Zenger  u.  s.  w.,  dass  die  Jodstärke 
papierchen  ein  sehr  unsicheres  Prüfungsmittel  seien.  Dagegen  scheinen  sich  glück 
lieber  Weise  die  Angaben  von  Cloez  nicht  bestätigt  zu  haben,  weicherden  Angaben  de 
Jodstärkepapierchens  alle  Glaubwürdigkeit  absprach.  Siehe  hierüber  Bineau,  Bechanip 


•)  1.  BU.  p.  CO. 

•*)  Annales  de  chimie  et  physiqne.  3me  Sdrie.  3G.  Bd.  (t862). 
••»)  Wiener  nkadem.  Berichte.   XX&  211.  nnd  XXIV.  78. 


Stickstoff-  und  Sauerstoffatmosphäre. 


465 


Scoutteten  *).  —  Andere  die  Stärkepapierchen  ersetzende  Methoden  haben  vor- 
jesclilagen  Ploss,  Ho  uze  au  u.  s.  w.    Die  einfachste  besteht  darin,  dass  man  ein 

iiaures  Lakmuspapier  mit  Jodkalium  tränkt;  das  mit  Hilfe  des  Ozons  freigemachte  KO 

.jläut  das  Papierchen  **). 

Die  Stick-  und  SauerstofFantlieile  der  Gesammtluft  machen  den 
cröösten  Theil  derselben  aus  und  tiberwiegen  namentlich  die  an- 
ileru  permanenten  Gase  des  Luftraums  in  einem  solchen  Grade, 
[i&ss  man  den  Stick-  und  Sauerstoff  mit  der  trockenen  Atmosphäre  für 
il;leichbedeutend  erklären  kann.    Unter  dieser  letztern  versteht  man 
bor  den  Theil  der  Luft,  welcher  übrig  bleibt,  wenn  man  den 

I  V'asserdampf  von  der  Gesammtluft  abgezogen  hat, 

Spannung  und  Wärme  der  trockenen  Atmosphäre  erfahren  mit 
eleit  und  Ort  mancherlei  Veränderungen,  die  beide  für  uns  nicht 
ihne  alle  Bedeutung  sind.  Da  wir  aber  die  Temperatijrverhält- 
idsse  der  gemässigten  Zone  nach  ihren  wesentlichen  Charakteren 
As  bekannt  voraussetzen  können ,  so  gehen  wir  nur  auf  die  Druck- 
mderungen  der  trockenen  Luft  ein,  welche  das  Barometer  sicht- 
lar  macht. 

Der  Barometerdruck  der  gemässigten  Zone  ist  veränderlich***):  1)  mit  den 
jigeszeiten  (täglicher  Sonnengang).  D  o  v  e  zeigte ,  dass  sich  der  Druck  der  trockenen 
jtmosphäre  zwischen  einem  täglichen  Maximum  und  Minimum  bewegt ,  deren  Eintritt 
um  Gang  der  Sonne  abhängig  ist.  Das  Minimum  ercheint  in  Folge  der  Erwärmung 
»usdehnung  und  seitliches  Abströmen),  das  Maximum  in  Folge  der  Abkühlung  der 
Mt  (Verdichtung  und  seitliches  Zuströmen).  Der  Werth  des  Unterschiedes  ist  mit 
rr  Breite,  den  Jahreszeiten  u.  ,s.  w.  verschieden;  da  er  in  der  gemässigten  Zone 
cchstens  nur  wenige  Zehntheile  einer  Linie  beträgt,  so  gehen  wir  nicht  weiter  auf 

II  ein.  — .2)  Mit  den  Jahreszeiten  (jährlicher  Sonnongang)  ;  im  Sommer  ist  der 
:ttlere  Barometerstand  etwas  niederer  als  im  Winter,  entsprechend  den  Wärme- 
:  terscliieden  und  den  daraus  folgenden  Verdichtungen  und  Verdünnungen  der  Luft. 

unserem  Klima  fällt  das  Maximum  auf  den  Januar ,  das  Minimum  auf  den  August, 
t  r  Unterschied  beträgt  etwa  3  MM.  —  3)  Mit  den  Winden  (Temperaturunterschiede 
i  Erdballs);  diese  Schwankungen  sind  bei  uns  weitaus  die  bedeutendsten,  Südwest 
i'.ngt  den  niedrigsten ,  Nord  den  höchsten  Barometerstand.  Da  die  Temperatur  -  und 
tinabcwegungen  im  Winter  viel  unruhiger  als  im  Sommer  sind,  so  kommen  dort 
ich  die  grössten  Schwankungen  des  Barometerstandes  vor;  in  unsern  Gegenden  geht 

r  Unterschied  höchsten  und  niedrigsten  Standes  im  Winter. bis  zu  29  MM.,  im 
•mmer  aber  nur  bis  zu  13  MM.  —  4)  EndHch  ist  der  Druck  variabel  mit  der  senk- 
i-hten  Höhe  des  Beobachtungsortes  über  dem  Meeresspiegel ;  wir  brauchen  nur  an 

i  bekannte  Faktum  zu  erinnern,  dass  der  Druck  mit  dem  Aufsteigen  in  einer  geo- 
ftrischen  Proportion  abnimmt. 


;■  •>  Compt.  rend.  Bd.  43.  p.  38  —  p.  102  —  p.  388  —  p.  21  ü. 
••»)  Compt.  rend.  Bd  45.  p.  873.  —  Bd.  40.  p.  070. 

■**)  K  ä  m  t  z ,  LchrbucU  der  Meteorologie.  2.  Bd.  p.  230.  —  D  o  v  e ,  Rcportor.  IV.  Bd.  p.  232. 
•Imtz  Im  Handwörterbuch  der  Physik  vom  August  u.  s.  w.   Berlin  1842.  I.  Bd.  246. 
LLndwig,  PliyBiologie  II.  2.  Auflage.  30 


466 


Kotlensäure  und  Wassordampf  des  Luftkreises. 


2.  Kohlensäure*).    Der  geringe  Gehalt  des  Luftraums  ad 
Kohlensäure  soll  nach  Saussure  Schwankungen  untemorfen  semj 
so  soll  insbesondere  auf  hohen  Berggipfeln,  in  der  Nacht,  übej| 
gefrorenem  Boden  mehr  CO2  vorkommen,  als  in  der  Ebene,  be 
Tag  und  über  feuchtem  Boden.    Boussingault  bestreitet  deJ 
Unterschied  in  der  Tag-  und  Nachtluft.    Eine  Bestimmung  der  C( 
m  den  bevölkertsten  Strassen  von  Paris,  in  welchem  täglich  ui 
gefähr  3  Millionen  Cubikmeter  CO2  entwickelt  werden,'  gab 
100  Theile  Luft  im  Mittel  =  0,032  pCt.  und  gleichzeitige  Beobacl 
tungen  auf  dem  Lande  0,030  pCt.,  also  keinen  Unterschied.  DiJ 
Grenzen,  in  welche  Saussure  und  Boussingault  den  prozer 
tischen  Gehalt  eingeschlossen  fanden ,  liegen  zwischen  0,03  und  0,05 

3.  Wasserdampf.  Der  in  der  Atmosphäre  zerstreute  Wasse) 
dampf  muss  den  Forderungen  der  Theorie  gemäss  mit  Zeit  un 
Ort  sehr  beträchtlich  wechseln,  theils  wegen  der  ungleichen  Vei 
theilung  des  Wassers  Uber  die  Erdoberfläche,  aus  welcher  de  ■  ' 
Wasserdunst  seineu  Ursprung  nimmt,  theils  auch  wegen  der  ve: 
änderlichen  Temperatur,  welche  das  Fassungsvermögen  des  Luf 
raums  für  den  Wasserdunst  bestimmt.  Das  erstere  ist  an  und  ft 
sich  klar,  wir  wenden  uns  also  sogleich  zur  Abhängigkeit  df 
Dunstraenge  von  der  Wärme. 

Der  Wasserdampf  kann  wie   alle    Gasarten  durch,  einen  Druck,  Tvelclier 
Tlieilclicn  desselben  zusammenpresst,  zu  einer  Flüssigkeit  verdichtet  werden,  und  di 
Druck,  der  hierzu  nöthig  ist,  muss  grösser  und  grösser  werden,  wenn  die  Temperati 
des  Dampfes  ansteigt.    Dasselbe  kann  man  auch  so  aussprechen ,  dass  die  Dichtigkel 
des  Wassordunstes  (die  Zahl  seiner   Theilchen    in  der  Raumeinheit)  um  so  grössa 
werden  könne,  je  wärmer  derselbe  sei.     Und  weil  mit  der  Dichtigkeit  des  Wasse^ 
darapfes  auch  die  abstossenden  Kräfte  zunehmen,  welche  zwischen   seinen  Theilche 
wirksam  sind ,  also  die  Drücke  steigen ,  welche  er  auf  seine  feste  oder  flüssige  Un 
gebung  auszuüben  vermag ,    so    drückt  man  die  vorgeführte  Erfahrung  gemeiniglic| 
dahin  aus,  dass  die  Spannkräfte  (Tensionen)  des  Wasserdampfes  durch  die  Wärme  vermeh 
werden.    Zieht  man  nun  den  andern  bekannten  Satz  zu  Hülfe,  dass  von  mehreren 
einem  beliebigen  Räume  zerstreuten  Gasarten  nur  die  gleichartigen  Theilchen  einel 
Druck  auf  einander  ausüben,  so  kommt  man  sogleich  zu  der  Ableitung,  dass  mit  da 
Temperatür  (oder  den  Spannkräften)  die  in  der  Rauiueinheit  enthaltene  Dampfmeng 
(die  Dichtigkeit  des  Dampfes)  steigen  müsse.     Denn  in  dem  Luftraum  sind  ja  ke 
andern  zusammenpressenden  Kräfte  zur  Umwimdelung   des  Dampfes  in  Wasser  TO 
banden,  als  diejenigen,  welche  durch  die  anwesenden  Wasserdünstc  eingeführt  wurded 

Demnach  würde  man  mit  Hülfe  .  der  in  den  Lehrbüchern  del 
Physik  gegebenen  Spannungstabellen  des  Wasserdampfs  **)  für  jedj 


»)  Th.  de  Saussure,  Poggendorf's  Annnlen.  19.  Bd.  —  Bonssingnult,  Annales  "J 
chtmle  et  physlque.  3me  Sdrie.  X.  Bd.  4.56.  —  BonssingnuU  und  Lcwy,  Ibid.  470. 
••)  J.  Müller,  Lohrbuch  der  Physik.  4.  Aufl.  II.  Bd.  p.  490  H.  f. 


lieber  den  Wechsel  des  atmosphärischon  Wasserdainpfs.  467 


I  liebige  Temperatur  der  Luft  den  Dampfgehalt  der  letztern  an- 
1  geben  im  Stande  sein,  wenn  in  der  That  die, Luft  immer  mit 
W  assel"  gesättig-t  wilre.  Dieses  ist  aber  niclit  der  Fall,  tlieils  weil 
lic  Verdunstung  des  "Wasser  langsam  vor  sieb  gebt,  ^nd  tbeils 
,\  eil  Winde  häufig  die  feuchte  Luft  wegführen  (z.  B.  in  die  höhern 

■  'cgionen)  und  durch  trockene  ersetzen.  Aus  diesem  Grunde  müssen 
.vir  rücksichtlich  des  Dampfgehaltes  der  Luft  unterscheiden: 
lie  absolute  und  die  relative  Dampfmenge.    Unter  der  letztern  ver- 

hen  wir  das  Verhältniss  zwischen  dem  wirklich  vorhandenen 
Miust  und  demjenigen,  welchen  die  Luft  bei  der  gegebenen  Tem- 
ifiatur  zu  fassen  vermöchte. 

a)  Die  absolute  Menge  des  atmospharisclien  Wasserdampfs  wechselt  mit  der 
lesnähe,  der  Bodenerhebung,  der  Tages-  und  Jahreszeit  und  den  Winden.  1)  Am 
resufer  steigt  dieselbe  von  der  kältesten  Stunde  des  Tages  allmälig  bis  zu  der 
nisten  Stunde  und  senkt  sich  von  da  an  wieder  ab  (Dove).  —  2)  Im  ebenen 
uenland  steigt  sie  dagegen  ■  von  Sonnenaufgang  an  bis  gegen  Mittag ,  dann  nimmt 
bis  zum  Abend  hin  ab ,  steigt  abermals  im  Beginn  der  Nacht  und  sinkt  dann  bis 
i  Sonnenuntergang.  —  Der  Gnind  der  Verschiedenheit  beider  Lokalitäten  ist  darin 

vu  suchen ,  dass ,  wenn  am  Mittag  die  erwärmten  untern  Luftschichten  aufsteigen ,  in 
tler  Meeresnähe  die  weggehenden  feuchten  Luftmassen  ersetzt  werden  durch  andere 
t'enchte ,  welche  vom  Meere  her  eindringen,  während  in  den  Binnenländern  statt  ihrer 
r.Tockene  Luft  eingeschoben  wird.    Darum  kann  am  Nachmittag  der  Wasserdampf  erst 

■  rieder  zunehmen,  wenn  der  aufsteigende  Luftstrom  an  Mächtigkeit  verloren  hat.  — 
{)  Auf  hohen  Bergen  fehlt  desshalb  wieder  das  Sinken  um  Mittag,  weil  zu  dieser  Zeit 
•ler  aufsteigende  Strom  die  'Feuchtigkeit  aus  der  Ebene  emporführt.  (Kämtz, 
IJaussure).  • —  4)  Im  Juli  ist  die  mittlere  tägliche  Dampfmenge  während  des  Jahres 
i.ra  höchsten ,  im  Januar  am  niedrigsten.  Dieser  Unterschied  ist  in  der  Nähe  der 
iiCüsten  hervortretender,  als  im  Innern  der  Continente. —  5)  Bei  Ostwinden  im  Winter 
^st  die  Dampfmenge  am  niedrigsten,  bei  Südwestwinden  im  Sommer  am  höchsten.  Die 
' Jnterschiede ,  die  der  Nord-  und  Südwestwind  herbeiführen,  sind  im  Winter  weniger 
ledcutend  gefunden  worden ,  als  im  Sommer  (Daniel). 

b)  Die  relative  Menge  des  Dampfs.  1)  Das  stündliche  Mittel  der  relativen 
IVIenge  des  Wasserdampfs  in  der  Ebene  ist  Mittags  am  geringsten,  bei  Sonnenaufgang 
Mm  grössten ;  diese  Unterschiede  treten  weniger  im  Winter  als  im  Sommer  hervor.  — 
l)  Die  relative  Dunstmenge  ist  auf  hohen  Bergen  meist  geringer  als  in  der  Ebene 
'Käratz).  —  3)  Im  Juli  und  August  ist  die  Luft  relativ  trockener,  als  im  Januar. — 
,1)  Bei  Nord-  und  bei  allen  Ostwinden  (Süd-  bis  Nordost)  ist  die  relative  Feuchtigkeit 
^5e^inger,  als  bei  Süd-  und  Westwinden. 

Vergleicht  man ,  wo  und  wann  die  absolute  und  relative  Luftfeuchtigkeit  am 
fjrSssten  und  kleinsten  sei,  so  findet  man  sogleich,  dass  meist  die  Luft  relativ  um 
to  trockener  ist, 'je  mehr  Wassergas  (nach  absolutem  Maass  gemessen)  sie  enthält. 
Diese  Bemerkung  wird  uns  mehrfach  von  Wichtigkeit  seip.  —  Beispielsweise  geben 
«Tr  noch  einige  Tabellen,  welche  dem  Werke  von  Kiimtz  entnommen  sind;  in  ihnen 
'ist  der  prozentische  Wassergehalt  der  Luft  durch  eine  nach  MM.  gemessene  Qucck'silbcr- 
»sänle,  also  durch  die  Spannung  ausgedrückt,  die  der  in  ilir  entlialtonc  Wasserdunst 

30* 


468 


Absolute  und  relative  Dampfmenge  in  der  Luft. 


ausübt.  Um  aus  diesem  Angabe  das  Gewicht  des  Wasserdarapfs  zn  finden ,  welcher 
der  Eauiüoinhcit  Luft  enthalten  ist,  dienen  die  an  vielen  Orten  mitgetheilten  l'eucL  • 
keitstabcllen  *).  Die  unter  der  Colunmo  „relative  Dampfmenge"  stehenden  Zahlen  g(  t 
die  Prozent^  an,  welche  die  wirklich  vorhandene  Dampfmenge  von  der  ausma' 
welche  bei  der  bestehenden  Temperatur  hätte  vorhanden  sein  können. 


I.  Tabelle. 


Zürich. 

F  aulhorn. 

Tageszelt. 

Absolute 

Relative 

Absolute 

Relative 

Dampfmenge. 

Dampfmenge. 

Dampfmenge. 

Dampfmenge. 

Mittag 

10,92  MM. 

58,9  «/o 

4,88  MM. 

73,40/0 

4h 

10,97  „ 

60,9  „ 

4,94  „ 

80,8  „ 

8h 

11,35  „ 

76,3  „ 

4,01  „ 

76,1  „ 

Mitternacht 

10,94  „ 

85,3  „ 

3,72  „ 

73,7  „ 

4h 

10,56  „ 

90,0  „ 

3,50  „ 

72,1  „ 

■  SU 

11,12  „ 

76,9  „ 

3,79  „ 

69,8  „ 

II.  Tabelle.    Beobachtungsort  Halle. 


Monat. 

Absolute 
Dampönenge, 

Relative 
Dampfmenge. 

4,51  MM. 

85,0  0/0 

4,75  „ 

79,9  „ 

5,11  „ 

76,4  „ 

6,25  „ 

71,4  „ 

7,84  „ 

69,1  „ 

10,84  „ 

69,7  ., 

Juli  '  

11,62  „ 

66,5  „ 

10,70  „ 

66,1  „ 

September  

9,56  „ 

72,8  „ 

7,87  „ 

78,9  „ 

November  '. 

5,64  „ 

85,3  „ 

Dezember  

5,60  „ 

86,2  „ 

III.  Tabelle.    Beobachtungsort  London. 


Winde. 

Absolute  Dampfmenge. 

Winter. 

Frühjahr. 

Sommer. 

Herbst. 

NO 

5,01  MM. 

7, 10  MM. 

10,36MM. 

8,53  MM. 

SO 

6,86  „ 

9,77  „ 

13,76  „ 

10,79  „ 

sw 

8,17  „ 

9,37  „ 

13,83  „ 

11,67  „ 

NW 

6,14  „ 

7,56  „ 

11,45  „ 

8,67  „ 

4.  Der  Einfluss,  den  diese  Veränderungen  auf  die  Atlimuugei , 
im  Allgemeinen  üben,  gestaltet  sich  folgendermaassen.  —  a)  Der' 
Druckschwankungen'  der  trockenen  Atmosphäre  (nicht  aber  des 


•)  MUller's  Lehrbuch  der  Physik.  •!.  Aull.  2.  Bd.  p.  U09. 


Einfluss  der  Luftveränderungen  auf  das  Atlimen. 


469 


iWasserdcampfs)  entsprechend ,  wird  die  Dichtigkeit  des  im  Blut 
Üiflfiindirten  Sauerstoff-  und  Stickstoffgases  sich  mehren  oder  min- 
dern nach  dem  bekannten  Grundsatz,  dass  sich  der  Druck  aus- 
l^leicht  zwischen  zwei  Antheilen  eines  gleichartigen  Gases,  von 
fienen  der  eine  in  der  Flüssigkeit  absprbirt  ist  und  der  andere  frei 
darüber  steht.  Ob  diese  geringen  atmosphärischen  Dichtigkeits- 
inderungen für  die  Athmung  des  N-gases  von  namhafter  Bedeutung 
lind,  ist  zweifelhaft.  Für  den  absorbirten  0  könnte  sie  es  nur  insofern 
>ein,  als  dadurch  die  Geschwindigkeit  beeinflusst  wird,  mit  welcher 
derselbe  aus  dem  Luftkreis  zu  den  Blutkörperchen  kommt.  — 
)i)  Da  in  der  freien  Luft  die  CO2  nur  unwesentliche  Veränderungen 
■irfährt,  so  wird  die  Dichtigkeit  der  atmosphärischen  die  der  im 
Ülut  diffundirten  CO2  nicht  wesentlich  ändern.  Da  nun  aber 
mzweifelhaft  ein  grosser  Theil  der  verdunstbaren  CO2  des  Blutes 
iicht  bloss  diffimdirt,  sondern  durch  irgendwelche  andre  Hilfen 
eerdichtet  ist,  so  wäre  es  wenigstens  denkbar,  dass  der  Barometer- 
rmck  der  Gesammtluft  von  Bedeutung  ist  für  die  Geschwindigkeit, 
liiit  der  diese  CO2  verdunstet.  —  c)  Der  Wasserdampfgehalt,  die 
Temperatur  und  die  Gesammtspannung  (Barometerstand)  der  At- 
mosphäre werden  sich  sämmtlich  geltend  machen  für  die  Verdun- 
4üng  des  Wassers.  Was  zunächst  den  Dampfgehalt  der  Atmo- 
iphäre  anlangt,  so  ist  seine  Bedeutung  für  den  Wasserverlust  bei 
eer  Athmung  verschieden,  je  nachdem  die  Luft,  in  welcher  die 
Verdunstung  geschieht  bei  der  Athmung  auf  die  Normaltemperatur 
ees  menschlichen  Körpers  gebracht  wird,  oder  ob  sie  diejenige 
eer  Atmosphäre  behält.  Im  ersten  Fall,  der  sich  z.  B.  mit  der  in 
ide  Lungen  aufgenommenen  Luft  ereignet,  wird  um  so  mehr  ver- 
tnnsten  können,  je  geringer  der  absolute  Wassergehalt  der  ein- 
fenommenen  Luft  ist,  also  ceteris  paribus  am  meisten  im  Winter, 
eei  Sonnnnaufgang ,  auf  hohen  Bergen,  bei  Nordostwind.  Dieses 
pedarf  keiner  Erläuterung;  weil  die  Luft  in  der  Lunge  auf  etwa 
C.  erwärmt  und  nahezu  für  diese  Temperatur  mit  Wasserdampf 
fesättigt  wird,  also  muss  die  vorher  trockenere  Luft  mehr  Wasser 
rasführen,  als  die  fi-tiher  feuchtere.  —  Gerade  umgekehrt  verhält 
«eh  dagegen  der  Wasserverlust  beim  Hautathmen ;  dieser  wird  um 
^0  bedeutender  sein,  je  gi-össer  die  Capazität  der  umgebenden  Luft 
Hr  Wasserdampf  ist  und  je  entfernter  diese  Luft  von  ihrem  Sät- 
igungspunkt  steht  (bei  niedrigem  relativen  Dampfgehalt).  Da  sich 
axra  beide  Zustände  erfahrungsgemäss  zur  Mittagszeit  und  im  hohen 
'jommer  ereignen,  während  im  Winter  die  Luft  fast  vollkommen 


Eiufluss  des  Darapfgohaltes  und  Baroraetordruckcs  auf  die  Athmung. 


mit  Waäserdampf  gesättigt  ist,  so  finden  sich  die  Verdunsturi: 
gescliwindigkeiten  von  Lunge  und  Haut  in  einem  zeitlichen  Gegi 
satz.  ■ —  Der  Barometerstand,  selbst  wenn  er  auch  durch  eine  V.| 
änderung  eines  Druckes  der  trockenen  Atmosphäre  bei  gleichbl 
bender  Spannung  des  Waaserdanipfes  gesteigert  oder  erniedi 
wird ,  übt  immer  einen  Einfluss  auf  die  Verdunstung.  Denn 
drückt  auf  das  Wasser  als  solches  jede  Luftärt,  und  dieser  Drr 
bestimmt,  wie  wir  wissen,  die  Geschwindigkeit  der  Verdunstiu 
Erniedrigt  sich  also  der  Barometerstand ,  so  wird  die  DampfbildiU| 
beschleunigt,  und  umgekehrt  wird  sie  bei  steigendem  Luftdniii 
verlangsamt.     Indem   man  diese  Regel  auf  die   wirklich  a 
kommenden  Verhältnisse  anzuwenden  versucht,  darf  man  natürli 
niemals  vergessen,  neben  dem  Barometerstand  die  gleichzeitig  \ 
handene  relative  Dampfmenge  der  Luft  mit  in  Rechnung  zu  bringr  i 
So  ist  z.  B.  auf  hohen  Bergen  die  Geschwindigkeit  der  Dam)  I 
bildung  A-^ermehrt  wegen  des  niederen  Luftdruckes  und  gemind< 
wegen  der  dort  öfter  vorhandenen,  relativ  grösseren  Dampfmen 
so  dass  das  Resultat  dieser  zusammenwirkenden  Umstände  m 
lieber  Weise  doch  dem  in  der  Ebene  vorhandenen  gleich  sein  kai, 
wo  die  relative  Dampfmenge  gering  und  der  Barometerdruck  gross  15 

Lieber  den  Gewinn  und  Verlust  des  Bluts  an  Gase 
durch  die  Oxydation  der  lebendigen  Atome  und  den  Austausch  d 
verbrennenden  und  verbrannten  Produkte  zwischen  Blut  und  Gewebe 

Wie  in  der  Atmosphäre,  so  müssen  auch  im  Blute  Umstäm 
wirken,  die  die  Zusammensetzung  seiner  Luft  gleich  zu  erhalt« 
trachten.  Denn  wenn  der  schon  geschilderte  Gasstrom  ununte 
brochen  von  und  zu  dem  Blute  geben  soll,  so  muss  der  eingetretei 
Sauerstofi"  fortwährend  wieder  verschwinden  und  die  ausgeschiedei 
CO2  ebenfalls  wieder  ersetzt  werden,  denn  sonst  würde  das  Bli 
bald  vollkommen  frei  von  CO2  und  statt  dessen  bis  zur  SättiguD 
mit  0  beladen  sein,  womit  denn  der  Gasaustausch  zwischen  Ln 
und  Blut  sein  Ende  erreicht  hätte.  H 

Beides,  die  Neubildung  von  CO2  und  das  Verschwinden  vo 
0,  geschieht  nun  in  der  Regel  durch  die  sogen,  thierische  Ve 
brennung.  Hierunter  versteht  man  aber  einen  Vorgang,  bei  welchei 
die  organischen  Atome  des  thierischen  Körpers  mit  Hülfe  des  sa 
der  Luft  aufgenommenen  Sauerstoffs  umgewandelt  werden  in  C0s 
N,  HO  und  in  die  festen  organischen  Bestandtheile  des.  Harns  um 
Schweisses.  Von  der  Lebhaftigkeit  dieser  Oxydation  hängt  es  also  in 
letzten  Ende  ab,  welchen  Umfang  der  Gasaustausch  auf  den  Athmungs 


1 


lieber  den  Gewinn  und  Verlust  des  Blutes  an  Gasen. 


471 


I liehen  uuter  sonst  günstigen  Umständen  annehmen  kann.  Betrach- 
ci  man  nun  dieselbe  mit  Rücksicht  auf  die  Grösse  des  Gasstromes? 
len  sie  einleitet,  so  ist  bald  Zweierlei  ersichtlich;  zuerst,  dass  die 
ilenge  des  in  der  Zeiteinheit  hin-  und  hergeführten  Gases  sich  mit 
lern  Verlauf  der  Umstände  bedeutend  ändert,  und  zweitens,  dass 
'ir  gleiche  Mengen  eingebrachten  Sauerstoffs  sehr  ungleiche  Mengen 
•on  CO2  ausgeführt  werden. 

Was  zuerst  den  letztern  Punkt  anlangt,  so  ist  aus  der  che- 
uischen  Zusammensetzung  der  verbrennlichen  Atome  einleuchtend, 
lass  100  Vol.-Th.  Sauerstoff,  die  zum  Verbrennen  von  Zucker  be- 
mtzt  werden,  wieder  100  Vol.-Th.  CO2  liefern,  während  aus  ihnen 
mr  etwa  70  Vol.  CO2  enstanden  wären,  wenn  sie  Tristearin  oxy- 
t.  lirt  hätten.    Denn  der  Zucker  (Ci2Hi2  0i2)  besitzt  bekanntlich  ge- 
;iug  0,  um  allen  seinen  H  vollkommen  zu  Wasser  zu  verbrennen, 
ivährend  bei  der  Verbrennung  des  Tristearin's  (Ciu  H104  O12)  immer 
.  loch  ein  grosser  Theil  des  atmosphärischen  Sauerstoffs  zur  Oxy- 
dation des  Wassers  verwandt  werden  muss. 

Wie  bei  der  Umsetzung  des  Fettes  mehr  0  eingenommen  war, 
als  in  der  ausgeschiedenen  CO2  von  diesem  Element  enthalten,  ist, 
•  ;o  könnte  möglicher  Weise  auch  in  beschränkten  Zeiträumen  mehr 
/JO2  ausgeschieden  werden,  als  Sauerstoff  absorbirt  war.   Denn  es 
'.verfallen  die  thierischen  Atome,  so  weit  wir  wissen,  nicht  beim 
irsten  Angriff  in  CO2,  HO  u.  s.  w. ,  sondern  vorerst  in  noch  ver- 
i,nckeltere  Verbindungen;  zur  Herstellung  derselben  ist  Sauerstoff 
uöthig,  welcher  der  CO2 -Bildung  erst  dann  zu  Gute  kommt,  wenn 
!:lie  genannten  Spaltungsprodukte  vollkommen  verbrennen;  also  ist 
iler  Sauerstoff,  der  schon  früher  aufgenommen  wurde,  erst  später 
mit  der  CO2  wieder  fortgegangen.    Aehnlich  kann  auch  die  Ver- 
änderlichkeit der  Reaktion  einzelner  Gewebe,  wie  namentlich  der 
so  sehr  verbreiteten  Muskeln ,  wirken.    Denn  wenn  die  saure  Reak- 
tion durch  das  eintretende  Uebergewicht  einfachkohlensauren  oder 
basischphosphorsauren  Natrons  in  das  basische  überschlägt,  so 
muss  ein  Theil  der  damals  in  den  Muskeln  gebildeten  CO2  zurück- 
halten werden,  welcher  erst  dann,  wenn  die  saure  Reaktion 
lederkehrt,  ausgetrieben  wird.  Dieses  Ueberwiegen  des  ausgeschie- 
denen CO2- Volums  über  das  eingeführte  0  kann  aber  immer  nur 
auf  kurze,   niemals  auf  längere  Zeit  bestehen.     Denn  wir  ge- 
messen in  der  Regel  keine  sauerstoffhaltigere  Nahrung  als  den 
Zucker,  und  diesen  niemals  Mllein,  sondern  gemischt  mit  andern, 
viel  sauerstoffärmeren  Verbindungen.    Bei  der  Verbrennung  des 


472 


Innere  Respiration. 


Zuckers,  ist,  wie  schon  erwähnt,  das  Volumen  der  gehildeten  COH 
gerade  dem  des  verbrauchten  Sauerstoffs  gleich;  bei  der  VerbreiH 
nung  aller  andern  Atome  ist  aber  immer  das  erstere  kleiner  afl 
das  letztere.  Weil  nun  im  Lebenden  Zucker,  Fette  und  AlbumiB 
zugleich  verbrannt  werden,  so  muss  auch  ein  grösseres  VolumeB 
an  Sauerstoff  ein-,  als  an  CO2  ausgeathmet  werden.  m 

Mehr  noch  als  das  Verhältniss  zwischen  aus-  und  eingehende^ 
Gasen  ändert  sich  der  Gesammtverkehr  derselben  in  der  ZeiteiJ 
heit.  Denn  die  thierische  Verbrennung  geht  nicht  zu  allen  ZeiteÄ 
gleich  lebhaft  vor  sich;  dieses  ergiebt  sich  schon  daraus,  dasi 
nicht  in  jeder  Zeiteinheit  des  Tags  gleichviel  Wärme  und  gleich vieB 
Harnstoff  entsteht,  zwei  Produkte,  die  unzweifelhaft  eine  Folg« 
der  thierischen  Verbrennung  sind.  Der  letzte  Grund  dieser  YsM 
riation  ist  darin  zu  suchen,  dass  die  Oxydation  nicht  so  langÄ 
gleichmässig  fortschreitet,  als  0  und  brennbare  Stoffe  vorbände« 
sind,  sondern  dass  die  Blut-  oder  Organbestandtheile  erst  eine« 
Vorbereitung  bedürfen ,  bevor  sie  den  Angriffen  des  O's  zugängi J 
sind.  Diese  wird  ihnen  aber  zu  Theil  entweder  in  Folge  der  Teml 
peratur  der  Luft  oder  einer  veränderten  Mischung  unserer  SäfteJ 
z.  B.  nach  der  Nahrungsaufnahme,  oder  auch  durch  die  Erregungl 
der  Nerven,  Muskeln,  Drtisen,  wobei  wahrscheinlich  eine  Spaltung! 
von  chemisch  trägen  in  leicht  veränderliche  Atome  eintritt.  !| 

Zwischen  dem  Gasverkehr  auf  den  Athemflächen  und  der  Um- 
setzung der  Gase  in  der  thierischen  Oxydation  liegt  aber  noch  einji 
Vorgang  in  der  Mitte,  den  man  als  die  innere  Kespiration  be-[ 
zeichnen  könnte.  Ihm  fällt  die  Aufgabe  zu,  den  0  aus  dem  Blute 
an  den  Ort  der  Verbrennung,  und  umgekehrt,  die  bei  der  letztem 
gebildeten  Gase  in  die  Blutflüssigkeit  zurückzuführen.  Da  wir  nun 
aber  nicht  einmal  mit  Sicherheit  den  Ort  kennen,  wo  die  Verbren- 
nung geschieht,  so  können  wii*  auch  nicht  den  Mangel  an  empi- 
rischen Daten  ersetzen  durch  Ableitungen  aus  bekannten  Eigen- 
schaften der  hier  in  Betracht  kommenden  Flüssigkeiten  und  Gase. 
Wir  wissen  nur  so  viel  mit  Sicherheit,  dass  das  mit  0  durchtränkte 
Blut  sehr  viel  länger  hellroth,  d.  h.  sauerstoffreich  bleibt,  wenn  es 
für  sich  bei  der  Temperatur  des  thierischen  Körpers  aufgehoben 
wird,  als  wenn  es  durch  die  Capillaren  des  lebenden  oder  des  so  eben 
getödteten  Thiers  läuft.  Also  begünstigt  die  Berührung  des  Blutes 
mit  den  Wandungen  der  Capillaren  beziehungsweise  mit  den  sie 
umgebenden  Flüssigkeiten  und  Geweben,  die  Umwandlung  des. 
0- Stoffs.    Ob  nun  aber  aus  den  Capillaren  der  Sauerstoff  in  die 


Wo  wird  die  CO«  gebildet?  473 

ijvehe  tritt,  dort  CO)  bildet  und  dann  erst  wieder  in  das  Blut 
(iekkehrt,  oder  ob  sich  der  0- Stoff  in  den  Capillaren  in  Ozon 

.  wandelt  oder  ob  leicht  oxydable  Körper  aus  den  Geweben  durcb 
*  Capillarenwand  in  das  Blut  übertreten ,  die  sich  dort  sogleich 
'  0- Stoff  verbinden,  ist  vollkommen  unbekannt.  —  Hier  ist  also 
ih  ein  ganz  neuer  Abschnitt  der  Athmungslehre  zu  schaffen. 

Einige  wenige  Thatsachen,  die  sich  auf  die  innere  Athmung  beziehen,  sollen  hier 
immengestellt  werden,  mehr  um  Fragen  aufzuwerfen,  als  zu  lösen.  —  Ausgeschnittene, 
(creie ,  noch  reizbare  Muskeln  fahren  fort ,  CO»  zu  bilden ,  wenn  sie  in  einer  sauer- 
taaltigen  Atmosphäre  aufgehängt  sind.  Daraus  könnte  man  schliessen ,  dass  der 
«el  auch  ohne  Zuthun  des  Blutes  verbrennt ,  oder  mit  Eücksicht  auf  das  Vor- 
itnde,  dass  der  Ort,  an  dem  die  COj  gebildet  wird,  in  dem  Muskel  und  nicht  in 
in  Blutgefässen  zu  suchen  ist.  Da  ferner  die  Muskeln  und  Nerven  nur  so  lange 
car  sein  sollen ,  als  sie  freien  0  enthalten ,  so  müsste  man  auf  die  Anwesenheit  des 
nm,  also  auch  auf  die  COa-Bildung  in  Nerv  und  Muskel  schliessen  aus  einer 
KBohtung  von  Set'schenow.  Diese  besteht  darin,  dass  Thiere  noch  Athem- 
fgungen  und  Herzschläge  .  erkerinen  lassen ,  wenn  selbst  ihr  Blut  vollkommen  frei 
'rardunstbarem  0  ist.  Diese  Thatsache  würde  unter  der  obigen  Voraussetzung  noch 
»anz  besondern  Betrachtungen  Veranlassung  geben  über  das  Verhältniss  der  Ver- 
ctschaften  der  Muskelstoffe  und  der  Blutkörperchen  zu  freiem  Sauerstoff.  Aber 
>;enaueres  Eingehen  in  den  Gegenstand  erscheint  nicht  gerathen ,  so  lange  die 
ifjchtung  von  Bernard  aufrecht  steht,  dass  das  Blut,  welches  aus  den  Venen  der 
ädernden  Speicheldrüse  hellroth  zurückkommt,  sehr  viel  rascher  dunkelt,  als  das 
feile,  vorausgesetzt,  dass  beide  bei  gleicher  Temperatur  aufbewahrt  wurden.  Denn 

Thatsache  verlangt  im  Gegensatz  zu  den  frühem  die  Annahme,  dass  ein  leicht 
(lannlicher  Stoff  dem  Blute  in  der  Drüse  beigemengt  wurde. 

'  Wenn  die  COj  in  den  Geweben  gebildet  wird  und  von  dort  in  das  Blut  tritt, 
•MS  die  Spannung  der  CO2  in  der  erstem  grösser  als  in  der  letztern  sein.  Da 
tiinn  aber  Grund  haben  zu  vermuthen  ,  dass  der  Absorptionscoeffizient  für  CO2  in 
Gewebsflüssigkeit  und  im  Blut  derselbe  ist  (vom  Harn  wissen  wir  dieses  gewiss  durch 

ier),  so  müsste  demnach  auch  der  Gehalt  an  freier  CO2  in  den  Gewebsflüssig- 

i  höher  als  im  Blut  sein,  insofern  das  Gas  von  dort  hierher  treten  sollte.  In- 

1  man  den  Ham  als  einen  Gewebesaft  der  Niere  ansieht,  müsste  also  auch  dasselbe 
i'in  gelten.    Dieses  scheint  aber  wenigstens  nach  den  Beobachtungen  von  Planer 

12)  nicht  der  Fall  zu  sein,  da  er  unter  Umständen  nur  4,4  pCt.  COa  in  dem  Ham 
d.  h.  so  wenig,  wie  noch  niemals  im  arteriellen  Blut  beobachtet  wurde. 
iMit  der  Zeit  und  mit  den  Gewebsarten  ändert   sich  das  Sauerstoffbedürfniss. 

8  ist  eine  Thatsaehe ,  die  sieh  vor  Allem  aus  der  chemischen  Zusammensetzung, 
'Värmebildung  und  der  physiologischen  Arbeit  verschiedener  Gewebe  ergiebt. 
'  Zahlcnwerthe  für  den  0 -Verbrauch  in  den  verschiedenen  Geweben  würde  man 
i'üch  finden  ,  wenn  man  die  Blutmengo  kennte ,  welche  ein  Gewebe  in  der  mitt- 
'  Zeiteinheit    durchsetzte,    und   den   mittlem  Sauerstoft'gehalt   des    venösen  und 

eilen  Blutes.  Zu  einer  proportionalen  Messung  dos  Sauorstoff'verbrauchs  in  der 
•nheit  würde  die  Bestimmung  des  Saucrstoffgchnltes  zweier  Venonblutartcn  genügen, 

oit  gleicher  Geschwindigkeit  durch  ihre  zugehörigen  Capillaren  gegangen  sind, 
'War  darum,  weil  man  voraussetzen  darf,  dass  das  artoriollo  Blut  überall  und  zu 


474: 


Berührung  clor  Luft  inner-  und  aussorhall)  des  Blutes. 


allen  Zeiten  ungefähr  gleichviel  Sauerstoff  mitbrachte.  —    Bestände  die  Bodn 
gleicher  Geschwindigkeit   und   enthielten  die  verglichenen  Venenblutartcn  gleic 
Körporchon,  so  würde  man  zu  dem  vorgesetzten  Ziel  auch  dadurch  gelangen, 
man,  statt  den  Sauerstoffgelialt   der  verschiedenen  Venenblutarten  zu  messen, 
mittclte,  wie  weit  eine  jede  Art  der  letztern  von  ihrer  vollkommenen  Sättigung 
0  entfernt  wäre;  es  würde  offenbar  der  SauerstoftVcrbrauch  auf  einer  beliebigen 
um  so  grösser  gewesen  sein,  je  mehr  Sauerstoff  dem  aus  ihr  hervortretenden 
wieder  zugesetzt  werden  müsste,  um  dasselbe  vollkommen  mit  jenem  Gas  zu  sättigt 
Gl.  Bernard  hat  einige  der  zuletzt  erwähnten  Bestimmungen  ausgeführt  und  fol( 
Zahlen  erhalten: 

100  Volum  Blut  bedurften  zur  vollen  Sättigung 

aus  Volumina  0 

der  Pfortader    .    .    .    23,0  Vol.  —  19,3  Vol.  —  30,0  Vol. 
dem  rechten  Herzen  .    21,0  „    —  17,6  „    —  21,1  „ 
der  vena  jugul. .    .    .    16,0  „    —  14,0  „    —  16,6  „ 
Diese  Zahlen  sagen  natürlich  nichts  aus  über  den  relativen  0 -Verbrauch  ii 
Darm-  und  Kopfgefässen ,  da  weder  der  Umfang  und  die  Geschwindigkeit  des 
Stroms  in  ihnen,  noch  auch  der  Körperchengehalt  jener  Blutarten  bekannt  isl 
Einen  andern  ähnlichen  Versuch  hat  Bernard  angestellt,  in  welchem  er  bestii 
wie  riel  0  zur  Sättigung  das  Blut  in  der  vena  jugularis  brauche,  bevor  und  währenc 
nerv,  syrapathicus  gereizt  war,  also  je  nachdem  Blut  sich  kürzer  oder  länger  in  denCapil! 
aufgehalten  hatte.  100  Theile  Blut,  welches  ausströmte,  bevor  der  Nerv  gereizt  wurde 
durften  5,7  Vol.  0;  das,  welches  ausfloss,  während  der  Nerv  gereizt  wurde,  verlangte  7,' 
Wenn  nun  einmal  das  verschiedene  Sauorstoflfbedürfniss  in  verschiedenen  2l 
und  Orten  feststeht,  so  ist  es  auch  nothwendig,  dass  die  Geschwindigkeit  undi 
Ausbreitung  des  Blutstroms  und  namentlich  seiner  Körperchen  mit  jenen  Umstä 
wechsele,  damit  immer  den  veränderlichen  Anforderungen  genügt  wird.    Hierfür  Ii 
wir  nun  zahlreiche  Andeutungen ,  indem  die  Drüsenadern  während  ihrer  Absende: 
und  die  Muskeln  nach  ihrer  Zusammenziehung  von  mehr  Blut  durchsti'ömt  werde 
sonst;  ferner  darin,  dass  das  Blut  der  vena  portar.  reicher  an  Körperchen  ist,  all 
der  V.  jugularis  u.  s.  w.    Mit  Rücksicht  auf  diese  i'rage  verdient  der  Blutstrom 
eine  genauere  Untersuchung. 

Wir  brauclien  kaum  zu  erwähnen,  dass  das  abdunstende  Wa 
mit  den  Speisen  geradewegs  wieder  eingefülirt  wird,  dass  es  i 
auch,  zum  freilich  geringsten  Theil,  durch  Oxydation  wassera 
haltiger  Atomcomplexe  entsteht. 

Berührung  zwischen  den  Luftärten  der  Erd-  i 
Blutatmosphäre. 

Die  Geschwindigkeit  und  der  Umfang  des  Austausches 
Gasarten  hängt,  alles  Andere  gleichgesetzt,  ab  von  der  Fläche, 
welcher,  und  von  der  Zeit,  während  welcher  die  Berührung 
schiebt.  Der  Einfluss  der  ersten  Bedingungen  bedarf  gar  ke 
Erwägung ;  rüeksichtlich  des  letzteren  erwähnen  wir  dagegen,  i 
es  zur  Unterhaltung  der  Athmung  keineswegs  genügt,  Luft' 
Blut  überhaupt  in  Berlihrung  zu  halten,  sondern  dass  ftir  ei 


Uerülirung  der  Luft  innor-  und  ausserhalb  dos  Blutes.  475 

(^ebenen  und  constanten  0-  und  COa-Gehalt  des  Luftkreises  und 
•  Gewebsflüssigkeiten  das  mögliche  Maximum  in  der  Austau- 
jinngsgesch windigkeit  der  Gase  nur  dann  zu  erreichen  ist,  wenn 

in  Berührung  befindlichen  Theile  des  Bhites  und  der  Luft  mög- 
est genau  so  viel  und  so  wenig  0  und  CO2  besitzen,  als  einer- 
»s  die  Flüssigkeit  der  Gewebe,  aus  denen  das  Blut  hervorging, 
l  anderseits  die  nicht  mit  dem  Körper  in  Bertihung  stehende, 
►p.  nicht  in  seinen  Höhlungen  eingefangene  Luft.  Diese  Be- 
rgung ist  aber  nur  dann  befriedigt,  wenn  ein  möglichst  rascher 
tt-  und  Gaswechsel  eingeleitet  wird,  wenn  also  das  Blut  aus 
I  Athemflächen ,  mit  Sauerstoff  geschwängert,  rasch  durch  die 
■2-Region  dringt  und  von  dort,  bevor  noch  sein  Sauerstofifgehalt 
iächtlich  gesunken ,  wie  derin  eine  möglichst  rein  eatmosphärische 
Ii  zurückeilt.  —  Venveilen  dieselben  Bluttheilchen  längere  Zeit 
(demselben  Orte  in  den  Geweben,  so  wdrd  der  Unterschied  der 
sarten  des  Blutes  und  der  Gewebe  sich  ausgleichen  und  damit 
bh  der  Gasstrom  zwischen  beiden  Lokalitäten  immer  langsamer 
fden.  Dasselbe  gilt  natürlich  auch  für  den  Gasstrom  zVischen 
n  Blut  und  der  Luft,  wenn  der  Antheil  dieser  letztern,  welcher 
.Athmungsflächen  berührt,  nicht  im  Wechsel  begriffen  ist ;  daraus 
i;em  wir,  dass  mit  der  Geschwindigkeit  des  Blutstroms,  der  der 
e.emzüge  und  der  die  äussere  Körperoberfläche  berührenden  Winde 
l'h  die  Geschwindigkeit  des  Gasaustausches  wächst. 

Von  dem  hier  berührten  Prinzip  macht  der  Athmungsmechanis- 
16  jedesmal  Gebrauch,  wenn  das  Blut  mit  CO2  überladen  ist;  die 
sstbewegungen  folgen  rasch  aufeinander;  er  benutzt  es  ferner, 
lim  lokale  Nöthigungen  zu  grösserem  Sauerstoffverbrauch  ein- 
fen;  dann  wird,  wie  in  den  Speicheldrüsen  während  der 
:retion  u.  s.  w.,  der  Blutstrom  durch  den  thätigern  Ort  leb- 
tter.  —  Die  uothwendige  Folge  dieses  vermehrten  Zuströmens 
1  Luft  oder  Blut  ist  die,  dass  der  prozentische  Gehalt  an  CO2 
ider  abströmenden  Flüssigkeit  geringer  wird,  obwohl  die  Summe 

in  der  Zeiteinheit  ausgeführten  COa-Menge  gemehrt  ist.  Der 
md  für  das  Letztere  liegt  darin,  dass  die  Geschwindigkeit  des 

1-  oder  Blutstroms  mehr  gewachsen  ist,  als  die  des  ausführenden 

2-  Stroms. 

Die  Absorptionsfähigkeit  des  Blutes. 
_  Diese  greift  endlich  als  eine  allgemeine  Bedingung  in  die 
imung  ein,  weil  das  Blut  die  Uebertragung  des  Sauerstoffs  aus 

Luft  in  die  Gewebe  und  diejenige  der  Kohlensäure  in  der  um- 


476 


Absorptionsfiihigkdit  des  Blutes  nach  iSctschenow  und  Fernet. 


gekehrten  Richtung  vermittelt.    Die  Mittheilungen  Uber  Absorpli 
fähigkeit  des  Blutes  (p.  13  und  26  d.  Bd.)  sind  noch  weseni 
von  Setschenow*)  vervollständigt.    1)  Aus  arteriellem  Blut  ig 
wickelt  ein  neues  Abscheidungsverfahren  der  Gase  mehr  SauerBjl 
als  man  bisher  daraus  erhalten.    Der  möglichen  Erklärung,  cl 
dieses  Sau erstoif- Mehr  abhängig  sei  von  einem  reichlichen  Gern 
des  Blutes  an  Körperchen,  kann  entgegnet  werden,  dass  jedesiB 
wenn  Blut  aus  der  gleichnamigen  Arterie  verschiedener  IndividÄ 
derselben  Thiergattung  untersucht  wurde,  es  mit  dem  neuen  « 
fahren  mehr  0  gab  als  mit  dem  alten.  —  2)  Das  Blut  enthält  ml 
CO2  als  man  bisher  glaubte,  insbesondere  aber' gilt  dieses  für 
Verhältnisszahl  zwischen  der  verdunstbaren  und  der  chemisch 
bundenen,  d.  h.  der  nur  durch  fixe  Säuren  austreibbaren  CO2;  d( 
während  es  bisher  galt,  dass  das  Maass  gebundener  CO-2  etwa  ; 
das  vier-  bis  sechsfache  grösser  sei  als  das  der  verdunstbaren,  stej 
sich  umgekehrt  heraus,  dass  auf  10  Theile  freie  1  Theil  gebundi 
kommt.    Also  enthält  auch  das  Blut  der  Hunde  jedenfalls  nur 
wenig  liohlensaures  Natron.  —  Da  aber  nach  Meyer  ein  Tl 
der  verdunstbaren  CO2  in  einer  Salz  Verbindung  enthalten  ist, 
bleibt  zur  Herstellung  einer  solchen  nur  noch  das  HO,  2NaOI 
übrig,  welches  nach  Fernet  bei  Gegenwart  überschüssiger  ( 
für  je  1  Atom  Salz  2  Atome  CO2  aufnehmen  kann;  daraus  wlii 
man  folgern  müssen,  dass  der  nicht  zusammendrückbare  Antl 
der  verdunstungsfähigeu  CO2  vorzugsweise  an  den  Bhitkörpercl 
hafte ,  da  diese  vorzüglich  die  phosphorsauren  Natronsalze  enthali 
sollen.    Dieser  Folgerung  sind  die  Beobachtungen  von -Fern  et' 
über  die  freie  CO2  des  Serums  und  des  Gesammtblutes  vom  Oehf 
nicht  günstig,  aber  sie  widerlegen  sie  auch  nicht;  denn  er  fsu 
dass  gleiche  Maasse  von  Serum  und  von  Gcsammtblut  ungefS 
ebensoviel  CO2  im  strengen  "Wortsinn  absorbiren,  wie  das  Wa8S( 
der  anderweitig  gebundene  Antheil  der  freien  CO2  war  im  Gesami 
blut  nur  um  ein  weniges  grösser  als  im  Serum.   —  3)  Das  ( 
sammtblut  enthält  etwas  mehr  N-  Gas  als  ein  gleich  grosses  Wasßl 
volum  absorbiren  kann.  '  | 

Nach  den  Beobachtungen  von  Setschenow  gewinnt  ml 
aus  100  Theilen  arteriellen  Hundebluts  im  Mittel  Vol.  0  =  I5,7l 
Vol.  N  =  1,19;  Vol.  freie  CO2  =  29,46;  Vol.  gebundene  CO2  =  2,4| 
Die  Gase  sind  auf  0"  und  1  Meter  Hg-Druck  berechnet.  . 


»)  Wiener  akart.  Sitzungsberichte  XXXVI.  293  . 

'*)  Annales  tlcs  sclences  naturelles.  Tom.  VlU.  1867. 


Methode  der  Gasgewinnung  von  C.  Ludwig. 


477 


Nach  Fern  et  bedürfen  100  Theile  gasfreien  Serums  oder  Bluts 
Rindes  folgende  Gasmengen  zur  vollen  Sättigung: 


Luperatur 
mm  .  .  . 
t  .  .  .  . 


0 

absorbirt,  anderw.  gbdn. 

16,80  C. 


2,9 


0,1 


CO2 

absorbirt,  anderw.  gbdn. 

16,0»  C. 
98,9  47,1 
96,4  49,1 


N 


15,8"  C. 
1,41 


Fig.  58. 


  2,9  9,5 

Die  Gase  sind  auf  760  Millimeter  Druck  und  0"  C.  berechnet. 
Nach  Setschenow  absorbiren  100  Theile  gasfreien  Bluts  des 
ödes  18,87  Vol.  0. 

Das  Verfahren,  welches  Setschenow  benutzte,  um  aus  dem  frischen  Blut  die 
zu  gewinnen,  gründet  sich  auf  die  Anwendung  der  Toriz  eUi'schen  Leere;  der 
■jst  ist  von  C.  Ludwig  construirt;  er  ist 
laatisch  in  Fig.  58  dargestellt.    Er  besteht 
hinem  U-förmigen  Eohr  ABB,  welches  bei 
( C  D  offen  ist.    Auf  die  Oeffnung  bei  A  ist 
üurch  eine  Klemme  verschliessbares  Kautschuk- 
■f  gesetzt ;  aus  B  geht  hervor  ein  senkrechtes, 
800  MM.  langes  Glasrohr  B  F,  dessen  untere 
liung  F  ebenfalls  mit  einem  verschliessbaren 
ochukrohr  versehen  ist;  das  Ende  F  taucht 
a  mit  Quecksüber  gefülltes  Gefäss.    An  der 
ong  C  sitzt  mittelst  Kautschuk  der  Blut- 
tter.     Auch  diese  Kautschukverbindung  ist 
i  eine  Klemme  verschliessbar.    Auf  der  Mün- 
jD  endlich   sitzt  mittelst  Kautschuk  und 
»me  ein  oben'  geschlossenes  und  graduirtes 
airohr.    Zur  Ausführung  des  Versuchs  wird 
t  das  Blutgefäss  gefüllt,  und  zwar  aus  der 
des  Thieres  unter  Quecksilber  mit  Ausschluss 
Luft;  nachdem  sein  Kautschukansatz  unter 
«über  durch  die  Kiemrae  geschlossen  ist, 
es  an  C  gesetzt.    Darauf  werden  alle  Rohrs 
.uftfreiem  Quecksilber  gefüllt ,  während  die 
me  bei  F  geschlossen  ist,  und  hierauf  werden 
andern  Klemmen  geschlossen  und  die  bei  F 
'■  Quecksilber  geöffnet.    Indem  dieses  letztere 
esst,  entsteht  zwischen  G  und  B  ein  luftleerer 
■  ;  ist  das  Quecksilber  unter  die  Mündung  C 
Igt,  so  wird  F  wieder  geschlossen  und  die 
une  bei  ü  geöffnet  und  das  Blut  in  einem 
»erbad  von  40  "bis  50  "  C.  erwärmt.  Augen- 
ich kocht  das  Blut  in  dem  luftleeren  Räume, 
nan  dieses  Kochen  einige  Zeit  unterhalten, 
hliesst  man  wieder  C,  füllt  durch  A  Queck- 
'  nach  und  presst  somit  das  in  dem  Räume 


478 


Veränderungen  der  Absorptionsfähigkeit  des  Blutes. 


C  J)  enthaltene  Gas  zusammen.    Wenn  es  nahezu  auf  die  normale  barometrischift ; 
nung  gekommen ,  ööuet  man  die  Klemme  bei  D,  worauf  das  Gas  in  das  Sammt 
übertritt.    Nachdem  man  L  geschlossen ,  wiederholt  man  den  Versuch,  und  zw 
oft,  bis  man  aus  dem  Blut  keine  Luft  mehr  erhalten  kann. 

Pernet  nimmt  an,  dass  das  von  ihm  zu  Absorptionsbeohachtungen  benutzte 
an  Prozenten  enthalten  habe:  0,25  NaO  CO2  und  0,03  2NaOP05.  100  Theilc  auf 
"Weise  zusammengesetzte  Lösung  absorbiren  unabhängig  vom  Druck  47,1  Vol.  COj 
nahe  zusammentrifft  mit  der  von  ihm  am  Serum  wirklich  beobachteten  Zahl ; 
Unterstellung  gilt  aber  nicht  für  das  von  Setschenow  untersuchte  Blut,  w( 
seiner  geringen  Menge  fixirter  CO2  nach  noch  nicht  0,01  pCt.  NaCOj  enthalten  k( 
Da  das  Blutserum  ebenfalls  ein  wenig  0  unabhängig  vom  Druck  absorbirt,  was 
Lösung  der  Blutsalze  nicht  thut ,  so  glaubt  F  e  r  n  e  t  den  Eiweisskörpcrn  des  S( 
eine  Verwandtschaft  zum  Sauerstoff  zuschreiben  zu  müssen.  War  das  von  ihn 
gewendete  Serum  frei  von  Blut-  und  Lymphkörperchen ?  —  Auf  die  abweid 
Eigenschaft  des  Blutes ,  so  viel  CO2  und  0  im  wahren  Wortsinn  zu  absorbirei 
besonders  aufmerksam  zu  machen.  100  Vol.  Th.  .Blut  (von  1055  spez.  Gew.  und  8( 
Wasser)  enthalten  nur  etwa  84  Vol.  Th.  Wasser  und  absorbiren  doch  so  viel  wie  10 
Wasser;  entweder  erhöhen  also  die  Eiweisskörper  den  Absorptionscoeffizienten  desWa 
oder  sie  verhalten  sich^im  flüssigen  Zustande  selbst  wie  Wasser.  —  Die  NaCl-Ai 
rungcn,  welche  dem  gesunden  Blut  eigen  sind,  scheinen  keinen  Einfluss  auf' 
Absorption  zu  üben ,  was  trotz  der  gegenthoiligen  Versicherungen  aus  F  e  r  n  I 
Beobachtungen  hervorzugehen  scheint.  1 

Ganz  besonders  müssto  noch  untersucht  werden,  wie  sich  die  Geschwindig 
mit  welcher  die  COj  das  Blut  vcrlässt,  änderte  mit  dem  variablen  Unterschied  de 
Blut  absorbirten  und  der  in  der  darüber  stehenden  Luft  enthaltenen  COj-M 
Namentlich  wäre  es  wissenswürdig,  wie  tief  der  COj-Druck  der  Umgebung  gest 
sein  muss ,  bis  die  vom  phosphorsauren  Nati'on  aufgenommene  COj  entlassen  werden 

Untevsueliungen  über  Veränderungen  der  Absorptionsfällig 
und  ihren  Einfluss  auf  die  Atbmung  liegen  nicht  vor.  —  Voraussi 
lieh  wird  mit  der  Abnahme  der  rothen  Körperchen  der  Sauersi 
austausch  beschränkt  (Aderlass,  Bleichsucht,  Leukämie?).  — 
das    Serum   zwischen    dem  Sauerstoff  der  Gewebe  oder  4 
der  Luft  und  demjenigen  der  Blutkörperchen  den  Vermittler  sp 
so  müssen  Veränderungen  in  seiner  Zusammensetzung,  welche 
Aufnahme  des  Sauerstoffs  beeinflussen,  auch  die  Geschwindig 
fernerer  Uebertragung  von  und  zu  den  Körperchen  bestimmen. 
Für  den  Austausch  der  CO2  dürfte  ihr  in  der  Flüssigkeit  gelö 
Antheil  genügen,  und  noch  mehr,  er  dürfte  sich  allein  an  demsel 
betheiligen.    Einen  teleologischen  Beweis  könnte  man  dafür  fin 
wollen  in  der  Leichtigkeit,  mit  welcher  das  Na02C02  und  2NaO 
in  den  Harn  tibergehen ;  noch  mehr  dürfte  die  Ueberlegung  me^ 
dass  die  an  die  Salze  gebundene  CO2  erst  dann  austreten  ks 
wenn  die  leichter  gebundene  und  absorbirte  erschöpft  ist; 
wii'd  aber  niemals  eintreten.    Von  Wichtigkeit  füi'  die  innere  i 

I 


Besondere  Athemwerkzeuge  ;  Lungonatlimung ;  Lüftungswerkzouge.  479 


Ii;;  könneu  die  Salzverbinduugen  dann  werden,  wenn  plötzlich 
CO)  entsteht.    Dann  entlasten  sie  die  Gewebe  von  der  freiem 

misch  wirksamem  CO2. 
Besondere,  Athemwerkzeuge. 

Rlicksichtlich  des  in  den  Vordergrund  gestellten  Gasaustausches 
iilen  sich  die  Athenrorgane  durch  die  Ausbreitung  der  Bertih- 
usHächen  zwischen  Luft  und  Blut,  durch  die  chemische  Zu- 
iinensetzung  und  die  Mächtigkeit  der  flüssigen  Schicht,  welche 
lUut,  resp.  dessen  Körperchen  von  der  Luft  trennt,  und  end- 
■  liirch  die  Geschwindigkeit  des  Blut-  und  Luftwechsels  in  den 
iLuflächen. 

A.  Lungenathmung. 

Die  an  ihr  betheiligten  Werkzeuge  zerfallen  wir  in  lüftende 
l  luft verändernde ;  zu  den  ersteren  gehören  Brust-  und  Bauch- 
ladungen,  Nase,  MundöfFuung,  Kehlkopf,  Luftröhre  bis  in  ihre 
Jisten  Verzweigungen.    Zu  den  letzteren  zählen  wir  die  Häute 

Lungenbläschen  und  der  Blutgefässe,  welche  auf  und  in  den 
ttern  liegen,  und  die  Flüssigkeiten,  welche  diese  Häute  durch- 
laken  oder  von  diesen  umschlossen  sind. 

Ltiftungs  Werkzeuge. 

Da  wir  schon  zu  wiederholten  Malen  auf  diese  Organe  die 
imerksamkeit  gelenkt  haben,  so  heben  wir  hier  nur  noch  die 
uiehungen  derselben  zum  Luftstrom  in  den  Lungen  hervor. 

1.  lieber  die  Mittel,  welche  den  Luftstrom  erzeugen*).  Der 
rtwechsel  innerhalb  der  Lungen  wird  dadurch  bewerkstelligt,  dass 

Wandungen  des  Brustkastens,  indem  sie  sich  ausdehnen  und 
sammcnziehen,  das  Volum  der  Brusthöhle  mindern  (Exspiration) 
i'-r  mehren  (Inspu-ation).  —  Bei  dem  gesunden  Menschen  ist  aber 
:e  Veränderung  in  dem  Durchmesser  der  Brust  gleichbedeutend 

derjenigen  der  Lungenhöhle,  weil  die  äussern  Oberflächen  der 
liht  ausdehnbaren  Lungen  innig  angeschlossen  sind  an  die  Innern 
'-chen  der  Brustwand  und  den  Bewegungen  dieser  Folge  leisten 
issen.  Da  dieser  Anschluss  aber  nur  so  lange  besteht,  als  die 
urahöhle  luftleer  ist,  so  kann  er  nur  abhängig  sein  von  dem 
ack ,  welchen  die  Luft  in  dem  Binnenraum  der  Lunge  gegen  die 


•)  T  r  a  u  b  e  ,  in  dessen  Beitrügen  siur  cxperlinentnl.  Pothologte.  1810.  !)1.  —  II  u  t  c  h  1  n  s  0  n  , 
opaedia  by  Todd.  IV.  Bd.  ITiorax.  —  Beau  etMaissiat,  Archiv,  gdntfr.  D(Sc.  1842.  — 
»»ner,  dessen  Jahresbericht  tUr  1856.  p.  485  (Helmholtz)  und  fiir  1857.  501.  —  Srb, 
ner  med.  Woehensclirift.  .Januar  1859.  —  IT  e  nie,  Anatomie  des  Menschen  eto.  Brauusclnveig 
—68.  —  Arnold,  I'hyslolögische  Atistalt  zu  Heidelberg.  1858.  140. 


480 


Einzieliung  der  Luft  in  die  Lunge. 


ausdehnbaren  Lungenliäute  ausübt,  ein  Druck,  der  im  nonn;i 
Zustand  kein  Gegengewicht  in  dem  Pleurasack  findet.  Demii 
können  wir  bis  auf  Weiteres  fingiren,  die  äuseern  Lungen-  i 
die  innern  Brustflächen  seien  mit  einander  verwachsen,  welches 
dem  oft  genug  wirklich  vorkommt.    Unter  dieser  Voraussetz; 
leuchtet  ein,  dass  bei  einer  jeden  Erweiterung  der  Brusthöhle 
Luftstrom  in  die  Lungen  gehen  muss,  so  lange  ihr  Hohlraum 
die  Atmosphäre  in  offener  Verbindung  stehen.    Denn  mit  der 
Weiterung  der  Brusthöhle  wird  auch  die  in  ihr  enthaltene  Luft 
dünnt,  so  dass  sie  nicht  mehr  im  Stande  ist,  dem  Druck  deri 
mosphärischen  das  Gleichgewicht  zu  halten;  der  Strom  wird  a 
so  lange  andauern,  bis  die  Spannung  der  Luft  inner-  und  ausf 
halb  der  Lungen  wieder  gleich  geworden  ist.    ümgekehi-t  m 
aber  ein  Luftsti-om  aus  den  Lungen  dringen,  wenn  der  Brustra 
verengert  wird.    Es  ist,  wie  man  danach  sieht,  der  Apparat 
Einleitung  des  Luftwechsels  ganz  nach  dem  Grundsatze  eines 
wohnlichen  Blasebalgs  gebaut. 

Zu  den  Umständen,  welche  den  Brustkasten  erweitern,  also  die  E 
athmung  einleiten,  gehören  die  Zusammenziehungen  des  Zwerchfells,! 
mm.  scaleni,  intercostales  externi,  beziehungsweise  interni,  levatores 
starum,  serrati  postici  superiores,  sternocleidomastoidei,  pectorales  : 
nores,  serrati  antici  majores  (?),  und  endlich  der  Wirbelsäulstrecker, 
a)  Die  Wirbelsäulstrecker  sind,  wenn  man  sich  so  ausdilicken  dj 
weniger  von  dü'ekter  als  indirekter  Bedeutung;  eine  Streckung  u 
Beugung  der  Wirbelsäule  ändert  zwar,  aber  keineswegs  in  eil 
hervorragenden  Weise  die  Räumlichkeiten  der  Brusthöhle ;  sie  üti 
dagegen  einen  bedeutenden  Eiufluss  auf  den  Umfang,  den  die  '. 
wegungen  der  Rippen  gewinnen  können.    Nach  Hutchinsjj 
ist  bei  gestreckter  Wii'belsäule  das  Luftvolum,  welches  durch  ^1 
Maximum  der  Brusterweiterung  und  Verengerung  eingezogen  01 
ausgestossen  werden  kann,  am  grössten  und  in  der  That  streckl 
wir  uns  auch  unwillkührlich,  wenn  wir  möglichst  tief  einathml 
wollen.  —  b)  Bei  der  Zusammenziehung  des  Zwerchfells  flachjj 
sich  die  gewöhnlich  an  den  Rippen  unmittelbar  anliegenden  (Doli 
ders)  rothen  Seitentheile  des  Zwerchfellgewölbes  ab  und  steig 
in  die  Bauchhöhle  hinunter,  während  die  mit  dem  Herzen  in  Vi 
bindung  stehenden  Abschnitte  des  centr.  tendineum  ihre  Lagen  l 
haupten  (Hyrtl).  —  Der  Bogen,  den  ein  von  rechts  nach  lin 
durch  das  Zwerchfell  geführter  Schnitt  während  der  Ruhe  desselbi 
darstellt,  flacht  sich  also  ab  und  nähert  sich  einem  Winkel,  dess< 


Einziehung  der  Luft ;  Wirkung  der  m.  intercostales. 


481 


pgestumpfte  Spitze  unter  dem  Herzen  liegt.  Der  Brustraum  wii*d 
emnach  dadurch  erweitert ,  dass  er  sich  an  seinem  breitesten 
iJieil  verlängert.  —  c)  Um  die  Wii-kung  der  viel  besprochenen 

intercostales  ersichtlich  zu  machen,  ist  es  nothwendig  sich  zu 
■innern,  dass  die  Rippe  sich  nur  um  eine  annähernd  horizontale 
iihse  drehen  kann ,  welche  von  innen  und  vorn  schief  nach  hinten 
ad  aussen  läuft;  die  Richtung  derselben  ändert  sich  von  Rippe 
!  Rippe  und  zwar  so,  dass  der  Winkel,  den  sie  mit  der  Stirn  ebene 
idet,  um  so  spitzer  ist,  je  höher  die  Rippe  liegt,  so  dass  er  sich 

den  untern  einem  rechten  nähert.  Daraus  folgt,  dass,  wenn 
i  Rippe  sich  aus  ihrer  gesenkten  Lage  erhebt,  sich  zugleich 
der  ihrer  Punkte  nach  aussen  bewegt,  und  dass  für  gleichen 
bbungswinkel  die  Auswärtsbeugung  um  so  grösser  sein  wird,  je 
ifer  unten  die  bewegte  Rippe  liegt.  Erfahrungsgemäss  werden 
5  Rippen  bei  der  Einathmung  gehoben,  und  zwarnur  so  weit, 
jss  jeder  Zwischenrippenraum  sich  vergrössert,  hiezu  wirken, 
je  ebenfalls  die  Erfahrung  lehrt,  die  Intercostalmuskelu  ins- 
wondere  bei  kräftigen  Athemzügen  mit.  —  Insoweit  aber  das 
Iben  von  den  m.  intercostales  ausgeführt  werden  soll,  kann  es 
rr  geschehen  an  den  knöchernen  Rippentheilen  durch  die  inter- 
ifltales  externl  und  an  den  knorpeligen  durch  die  intercostales 
ierni  (Hamberger). 

Um  dieses  einzusehen,    betrachte   man  Fig.  59  eine  beliebige  Intercostalfaser 
als  Diagonale   eines  Parallelogramms,    dessen  Seiten  gegeben   sind  durch  die 
[»penstücke  a  b   und  d  c , 
nämlich ,    welche  abge- 
ritten werden   durch  die 
«den   a  d  und  b  c,  wel- 
Tom  obem ,  resp.  untern 
»atzpunkt  der  Fasern  aus- 
ran.   Gesetzt  nun,  es  seien 
Eippen   a  b  und  d  c 
Idei  gesenkten  (ruhenden), 
und   c  ^  in    der  er- 
lenBn  Lage ,  so  ergiebt  so- 
.'ch  die  Anschauung ,  dass 
i  der  Richtung  a  c  entspre- 
ide  Diagonale  sich  verkürzt, 
die  entgegengesetzte  sich 
Bilängcrt  hat.  —  Da  nun 

B  :  bekanntermaasscn  der  Muskel,  wenn  er  sich  zusammenzieht,  seine  Ansatzpunkte 
I  nähern  kann,  so  wird  der  musc.  extern,  die  Kippen  nur  erheben,  der  rausc. 
Bsrn.  aber,  so  weit  er  auf  dem  knöchernen  Rippentheil  entspringt,  die  Rippe  nur 

■  Laclwig,  riiyniologio  II.  2.  Aunage. 


482      Gleichzeitige  Zusammenziehung  fler  mm,  intercnst.  interni  und  extcmi. 


senken  können.  —  Die  zuletzt  genannte  Muskelabtheilung  wtirdenur  dann  hebend  wii 
können,  wenn,  wie  Meissner  voraussetzt,  sich  während  der  Drehung  der  ui 
Ansatzpunkt  des  m.  intercost.  intern,  vor  den  obern  schöbe,  so  dass  er  in  der  J 
den  Verlauf  eines  extern,  annähme. 

Eine  andere  Frage  ist  die,  ob  sich  während  der  Einathmi 
die  an  den  knöchernen  Rippen  vorhandenen  m.  interco,^ales  ext« 
nicht  ebenfalls  zusammenziehen,  und  welcher  Erfolg  daraus  hen 
gehe.    Das  Bestehen  der  Zusammenziehung  hat  man  aus  verscl 
denen  Gründen  behauptet.  Der  vornehmste  darunter  ist  hergenomn 
aus  der  Beobachtung,  dass  sich  bei  der  Einathmung  die  Zwisch 
rippenräume  nicht  gegen  die  Brusthöhle  einziehen  (?).  Die 
mlissten  sie  aber,  wenn  ihre  Wände  nicht  gesteift  wären;  mit 
folg  kann  diese  Steifung  aber  nur  durch  die  gleichzeitige  Zusamm 
Ziehung  der  Faserkreuzung  (der  musc.  externi  und  intenii) 
schehen  (Henle).    Die  Annahme,  dass  die  Steifung  wirklich 
die  genannte  Weise  stattfindet,  erhält  ihre  Bekräftigung  dadur 
dass  die  senkend  wirkenden  intercostales  da  fehlen,   wo  andi 
Muskeln  die  Brustwaud  verstärken,  und  dass  sie  gleichzeitig  i 
den  m.  externi,  und  zwar  beide  in  kräftiger  Ausbildung,  gefund 
werden  in  den  häufig  vorkommenden  Rippenfenstern,  welche,  vj 
sie  rings  von  Knochen  umgeben  sind ,  gar  keine  VeVänderung  ih 
Durchmessers  zulassen.  Wären  die  Muskeln  während  des  Leb4 
dort  nicht  öfter  in  wirksame  Zusaramenziehung  versetzt,  so  wä| 
sie  wohl  atrophirt  (Srb). 

Ziehen  sich  die  mm.  intercostales  intern. ,  welche  von  den  knöchernen  Rip 
entspringen,  gleichzeitig  mit  den  m.  extern,  zusammen,  so  müssen  sie  die  hebe* 
Wirkung  der  letztern  mindern.    Dieser  nicht  wegzuläugnende  Widerspruch  sollte  n 
durch  gemildert  werden,  dass  man  annahm,  es  werde  jede  Rippe  nicht  durch  die  j| 
zukommenden,  sondern  durch  die  der  nächst  höher  gelegenen  Rippen,  uiid  an  letw 
Stelle  durch  die  m.  scaleni  gehoben  (M  e  issn  er).    Diese  Annahme  ist  widerlegt  ddft 
die  bekannte  Erfahrung ,  dass  sich  die  unteren  Rippen  noch  heben ,  wenn  sie  diA 
einen  Querschnitt  der  Brust  von  den  höheren  getrennt  sind.—  Arnold  hat  beobachM' 
dass  sich  bei  Hunden  und  Kaninchen  einzelne  Zwischenrippenräume  während  der 
athmung  verengern.    Hier  waren  also  sicher  die  nun.  interni  gleichzeitig  in  ThätigaP 

Aus  dem  Vorhergehenden  versteht  es  sich  von  selbst,  d^J 
der  untere  Rand  der  erhobenen  Rippe  sich  weiter  nach  v(i  • 
stellen  muss,  und  nicht  minder,  dass  bei  tiefer  Inspiration  • 
unteren  Rippen  stark  nach  auswärts  treten  müssen.     Für  d 
Gewinnen  von  Raum  leuchtet  es  als  Vortheil  ein,  dass  der  Bru 
theil,  welcher  durch  das  Zwerchfell  verlängert,  zugleich  durch  ^  A 
Rippen  ansehnlich  verbreitert  werden  kann.   Dass  diese  letzte!« 


Ausstossimg  der  Luft;  Elastizität  der  Lungen. 


483 


scheinung-  auf  einer  Eigenschaft  der  Rippenbewegung  an  und 
r  sich  und  nicht  von  den  durch  das  Zwerchfell  gepressten  Ein- 
«weiden  abhängt,  ergiebt  sich  daraus,  dass  sie  auch  nach  geöflFneter 
hterleibshöhle  beobachtet'  wird  (Duchenne).  —  d)  M.  scaleni, 
»atores  costarum,  serratus  posticus,  sternocleidomastoideus  wirken 
»f'h  bekannter  Weise.  —  e)  Die  Eumpfschulterblatt-  und  Rumpf- 
rnmuskeln  können  erst  nach  Feststellung  des  Schulterblattes  und 
aines  für  die  Auseinanderziehung  des  Thorax  wirksam  werden; 
nn  könnte  darum  geneigt  sein,  ihnen  hierbei  eine  Rolle  zu  tibertragen, 
]Qwü-  bei  tiefen  und  namentlich  krampfhaften  Inspirationen  Arm  und 
ittulterblatt  durch  Anstemmen  des  Arms  feststellen.  Aber  auch 
lan  sollen,  wie  der  Verlauf  beweist,  nur  die  drei  obern  Zacken 

serratus  anticus  major  rippenhebend  wirken  können  (Cöster). 

'  iTihigen  Einathmen  betheiligen  sich  die  genannten  Muskeln 
fviss  nicht. 

Die  Zusammenpressung  der  Brusthöhle  wird  bedingt  durch  die 
«tischen  Kräfte  der  Brust-,  der  Lungen-  oder  Bauchwand  und 
Danninhalts  und  durch  die  Zusammenziehungen  der  mm.  inter- 
iales  interni,  so  weit  sie  vom  Knochen  entspringen,  mm.  trans- 
ms  und  obliqui  abdominis,  seiTati  postici  inferiores,  sternocostalis 
der  Beuger  der  Wirbelsäule,  vor  Allem  des  rectus  abdominis.  — 
iSchon  früher  (p.  144)  wurde  erwähnt,  däss  die  Wandungen  der 
iBnden  Lungen  durch  den  auf  ihre  inneren  Flächen  wirkenden  Luft- 
!:)k  immer  ausgedehnt  sind.  Dieses  wird  einfach  dadurch  bewiesen, 
ij  die  Lungen  auf  einen  kleineren  Umfang  zusammenfallen ,  wenn 
II  während  des  Lebens  oder  kurz  nach  dem  Tode  den  Luft- 
!i*/k  auf  den  beiden  Wandflächen  gleich  macht,  z.  B.  dadurch, 
(3  man,  während  die  Stimmritze  offen  steht,  den  Pleurasack 
i  Luftzutritt  bloslegt.    Die  Spannung,  welche  die  ausgedehnte 
^genwand  der  in  ihr  vorhandenen  Luft  mittheilen  kann,  wenn 
1  die  Trachea  luftdicht  geschlossen  und  die  äussere  Lungenfläche 
i  Zutritt  der  Luft  geöffnet,  ist  veränderlich  mit  dem  Elastizitäts- 
ffizienten  der  Wandung,   den  Zuständen  der  kleinen  Lungen- 
ikeln  und  der  Ausdehnung  der  Lunge  (Carson,  Donders). 

Donders*)  maass  die  Spannung  der  Lungonluft  (die  Federkraft  der  Lungon- 
')  dadurch,  dass  er  in  die  Luftröhre  einer  sonst  unversehrten  Leiche  ein  ge- 
'les,   mit  Quecksilber   gefülltes  Manometer  einsetzte  und  dann  die  Pleurahöhle 
i  Anschneiden  eines  Intorcostalraums  öffnete.    In  diesem  Fall,  wo  sich  die  Lunge 


»  Handleldlng.  H.  Bd.  393. 


31* 


^34  Ausstossung  der  Luft;  Elastizität  der  Brustwand. 

im  Zustande  einer  tiefsten  Exspiration,  also  in  der  geringsten  Ausdelinung  fand! 
sie  während  des  Lebens  einnimmt,  trieb  sie  das  Hg  in  dem  Manometer  um  6 
die  Höhe.    Als  die  Lunge  darauf  annähernd  bis  zu  dem  Umfang  aufgeblasen 
der  ihi'  während  der  Inspiration  zukommt,  hielt  die  durch  die  AVand  erzeugte 
nung  der  Lungonluft  30  MM.  Hg  das  Gleichgewicht. 

Aus  dieser  Thatsaclie  geht  hervor,  dass  die  elastischen 
bilde  des  Lungengewebes  der  Inspiration  eine  Hemmung  entged 
setzen  und  die  Exspiration  befördern.  —  b)  Die  Wände  der  Bjj 
besitzen  (I.  Band  512)  wegen  der  Steifigkeit  und  Befestigung! 
der  Rippen  eine  bestimmte  Gleichgewichtslage,  in  die  sie  ii 
wieder  zurückzukehren  streben,  gleichgiltig  nach  welcher  Bicht 
hin  sie  auch  daraus  entfernt  wurden.  Durch  diese  elastisc 
Kräfte  sind  sie  befähigt,  die  Ausathmung  zu  hemmen  und  för( 
Das  erstere,  wenn  der  Brustkasten  durch  eine  energische  Wirl 
der  Ausathmungsmuskeln  auf  ein  geringeres  Volum  zusammengepr 
werden  soll ,  als  er  es  vermöge  seiner  elastischen  Ki-äfte  einnehij 
würde;  der  Widerstand,  den  die  Brustwandung  der  Zusami 
Ziehung  der  Muskeln  entgegensetzt,  wächst  mit  der  steigei 
Verengung  der  Brusthöhle  so  rasch,  dass  er  für  jene  bald  unii 
windlich  wird.  Die  Elastizität  des  Brustkastens  hemmt  dage 
die  Eiuathmung  und  befördert  also  die  Exspii'ation ,  jedesmal 
diesselbe  von  der  Gleichgewichtslage  an  ausgedehnt  werden 
Dieser  Widerstand  wächst  ebenfalls  rasch  mit  der  steigenden 
dehnung  der  Brusthöhle.  Die  durch  die  Inspiration  bedingte  SjJ 
nung  der  Wandung  führt  also,  wenn  die  Zusammeuziehung 
Einathmungsmuskeln  nachlässt ,  die  Exspirationsbewegungen  ausjj 
c)  Die  Baucheingeweide  sind  innerhalb  ihrer  elastischen  Dec 
(Haut,  Muskeln,  Fascien,  Rippen)  mit  einer  gewissen  Spam 
eingeschlossen,  welche  variirt  mit  den  Eigenschaften  dieser  Deel] 
mit  der  Menge  und  Art  des  (festen,  flüssigen,  gasförmigen)  Da 
Inhaltes.  Da  Brust-  und  Bauchhöhle  nur  durch  eine  leicht  bCT 
liehe,  sehr  ausgedehnte  Scheidewand  (diaphragma)  von  einai 
getrennt  sind,  so  muss  der  jeweilige  Spannungsgrad  in  der  Ba' 
höhle  sich  gegen  die  Brusthöhle  hin  geltend  machen,  und  es 
das  Zwerchfell  so  weit  gegen  die  Brusthöhle  emporsteigen ,  bis 
rückwirkende  Spannung ,  welche  sich  in  seiner  Substanz  entwici 
gleich  ist  derjenigen,  die  den  Baucheingeweiden  zukommt.  Dar 
folgt,  dass  die  AnfüUung  der  Unterleibshöhle  und  die  Zustä 
ihrer  Wandung  bestimmend  wirken  auf  die  Ausdehnung  des  Br 
raums  während  der  Ruhe  der  äussern  Brastwand  und  des  Zwei 


Ausstossung  dor  Luft;  Leitungsröhren  für  den  Lüftstrom  in  die  Lunge.  485 

i|s,  indem  das  letztere  bei  gefüllten  Eingeweiden,  in  der  Schwanger- 
uaft  u.  s.  f.  höher  emporsteigt,  und  insofern  als  die  Inspiration? 
liehe  durch  das  Zwerchfell  ausgeführt  wird,  au  der  Spannung 
•  Baucheingeweide  eine  Hemmung  erleidet,  während  der  Kück- 
jig  des  diaphragma  nach  der  Esspiratiousstellung  hin  hierdurch 
perstützt  wird.  —  d)  Die  Wirkungen  der  aufgezählten  Muskeln 
izen  wir  als  bekannt  voraus.  Wir  erlauben  uns  nur  daran  zu 
nnern ,  dass  der  m.  transversus  abdominis  ein  wahrer  Antagonist 
1  Zwerchfells  ist,  welcher  ohne  irgend  eine  andere  Nebenwirkung  den 
lachinhalt  zusammenpresst  und  damit  das  Zwerchfell  empordrängt. 

2.  Leitungsröhren  für  den  Luftstrom  in  die  Lunge.  Die  Luft 
lagt  aus  der  Atmosphäre  nicht  unmittelbar  in  die  Lunge ,  sondern 

der  letztern  zunächst  in  ein  Rohr  (Trachea) ,  das  mit  zwei 
ladungen  (durch  Mund  und  Nase)  in  das  Freie  und  mit  sehr 
dreichen  Aesten  in  die  Lungenenden  Ubergeht.  —  Alle  Abthei- 
f?en  dieses  Rohres  sind  hinreichend  gesteift,  um  nicht  durch 
m  Unterschied  des  Luftdrucks  auf  ihrer  äussern  oder  Innern  Seite, 

ihn  der  Athemsti-om  erzeugen  kann,  zusammengedrückt  zu 
liden.  An  der  weicheren  Nase  ist  die  Scheidewand  aufgestellt, 
(die  sich  jederseits  ein  spiraliger  Knorpel  legt,  und  hinter  diesem 
tt  der  Knochen.  Wird  die  Mundhöhle  als  Athemöffhung  benutzt, 
iBteifen  sich  durch  die  Conti-aktion  des  m.  orbicularis  die  Lippen- 
lier,  oder  sie  werden  auch  unter  und  über  die  Zahnränder  ge- 
tt  —  Die  knorpeligen  Halbringe  der  Luftröhre  greifen  weit  ge- 
.,  um  den  Theil  der  letzteren,  welcher  nicht  schon  von  der 
Ibelsäule  geschützt  ist,  zu  festigen,  und  die  Knorpelplättchen  in 

Bronchien  dienen  dazu,  dass  die  Drücke  der  Brustwand  die 
ire  gar  nicht  oder  mindestens  nicht  auf  die  Dauer  zusammen- 
;ken  können;  denn  wäre  ihr  Lumen  auch  einmal  geschlossen, 
i'Wlirde  es  beim  Nachlass  des  Drucks  durch  die  elastischen 
nrpelplättchen  wieder  geöffnet  werden.  —  Die  Muskeln,  welche 
.las  Rohr  eingelagert  sind ,  glosso-  und  pharyngopalatini,  levator 

tensor  palati,  die  grossen  und  kleinen  Kehlkopfmuskeln  u. s.w. 
iihrer  Wirkung  nach  theils  schon  besprochen  (LBd.  566),  theils  er- 
F'en  sie  bei  dem  Artikel  Schlingeij  noch  weitere  Aufmerksamkeit. 

langen  Muskeln  des  Kehlkopfs,  namentlich  sternohyoidei  und 
mothyreodei,  und  die  Muskeln  zwischen  den  Ringen  der  Trachea, 
iiliren  die  Dimensionen  und  die  Lage  der  letztern,  welche  ohne 
es  durch  häufige  Zerrungen  nach  Länge  und  Quere  bei  jedem 
«n  Athemzug  alterirt  würden. 


486 


Verkiiüijfuiig  der  bewegenden  Elemente. 


3.  Verkntipfuug  der  bewegenden  Elemente  zuAthembewegung 
Bei  der  grossen  Zahl  willkülirlicb  erregbarer  Muskeln,  die  an  d 
Atbemapparat  angebracht  sind,  können  begreiflich  unzählige  A 
von  Combinationen  derselben  sowohl  unter  einander,  als  auch 
den  elastischen  Einrichtungen  hervorgebracht  werden.   Die  Ath 
Werkzeuge  sind  aber  auch  unwillkührUch  erfolgenden  Erregun 
unterthan,  wie  wir  schon  früher  sahen  (I.  Bd.  212).    Da  die 
automatischen  Apparat  ein  genau  vorgezeichneter  Mechanismus 
herrscht,  so  sind  die  aus  ihm  hervorgehenden  Combinationen 
schränkt.  —  a)  Die  unvsdllktihrliche  Erregung  ordnet  jedesmal 
den  Brustkasten  bewegenden  Kräfte  so  an,  dass  auf  eine 
Ziehung  der  Luft  unmittelbar  ein  Ausstossen  derselben  folgt, 
dass  dann  längere  Zeit  der  Brustkasten  in  Ruhe  verharrt,  wel 
die  eben  vollendete  Exspiration  von  der  folgenden  Inspiration  tre 
Die  Einathmnng  dauert  gemeiniglich  etwas  länger  als  die  Aus 
mung,  und  die  Pause  nimmt  mehr  Zeit  ein  als  beide  Bewegun 
zusammengenommen. 

Das  liier  angedeutete  Yerhältniss  zwischen  Ein  -  und  Ausathmungsdauer  k 
sich  manniohfach  ändern.  Sehen  wir  von  den  willkürlich  angebrachten  Modifikatio 
ab,  so  seheint  es,  als  ob  besondere  Zustände  der  Nerven,  des  Bluts  u.  s.  w.  sich  a 
ausprägten  durch  einen  bestimmten  Quotienten  der  Aus  -  und  Einathmungszeit. 
ersten  Anfänge  zur  Aufhellung  dieser  auch  wichtigen  Erscheinungen  geben 
Anwendung  genauer  Methoden  Vierordt*),  G.Ludwig,  Liebmann  und  Heg 
m  a  i  0  r. 

b)  Die  Zahl  der  gleichzeitig  zur  Athmung  in  Bewegung  gesetz 
Muskelnist  veränderlich.  In  Rücksicht  darauf  hat  man  mit  einig 
aber  für  praktische  Zwecke  gerechtfertigten  Willkühr  ei~" 
Typen  der  Athembewegung  ausgeschieden,  das  leichte  das  tie 
und  das  krampfhafte  A  t  h  m  e  n.  —  a)  Beim  ruhi 
Athmen  ziehen  sich  während  der  Inspiration  in  den  Leitungsrohr 
zusammen  die  Heber  des  Gaumens.  Die  Stimmritze  bleibt  (bei 
und  Exspiration)  weit  offen ;  ihre  Mündung  wird  nur  gedeckt  dur 
den  nach  hinten  geschlageneu  Kehldeckel  (Czermak)**).  Die 
Stellung  scheint  nicht  die  elastische  Gleichgewichtslage  der  Stimmrit 
zu  bezeichnen ,  weil  nach  Durchschneidung  der  n.  vagi  die  Band 
zusammenfallen.  An  den  Brustwandungen  aber  zieht  sich  entwe' 
nur  das  Zwerchfell,  oder  die  mm.  scaleni  und  intercostales  zusamme 
Die  Erweiterung  des  Brustkastens  geschieht  namentlich  bei  Mann 


*)  Archiv  für  physiolog.  Heilkunde.  1855  und  185G.  —  Ilegelmaier  (Vierordt), 
Athembewegung  bei  Hirndrnclc.  Heilbronn  1859. 
»*)  Der  KelilkopfBpiogel.    Leipz.  1860.   png.  37. 


Leichtes,  tiefes,  krampfhaftes  Athmen. 


487 


lieh  das  Zwerchfell.,  bei  Franen  diu-cli  die  mm.  scaieni  und 
tercostales  (Traube).     Die   ausserordentliche  Wichtigkeit  des 
rchfells  leuchtet  daraus  ein,  dass  nach  Durchschneidung  beider 
I  )hrenici  der  Tod  eintritt  ( B  u  d  g  e  -  E  u  1  e  n  k  a  m  p )     —  An  der 
::en  Exspiration  betheiligt  sich  keine  Zusammenziehung  eines 
kels;   die  Entleerung  des  Brustkastens  geschieht   durch  die 
i^tischeu  Wii-kungen  der  Lungen,  der  Brust-  und  Bauchwand, 
Darms.    Diese  Art  der  Bewegung  pflegt  die  gewöhnliche  zu 
III .  wenn  das  Blut  und  die  Luft  normale  Zusammensetzung  tragen, 
■im  die  Berührung  zwischen  beiden  ungehindert  vor  sich  geht, 
im  die  übrigen  Partien  des  Nervensystems,  insbesondere  des 
Mzens  und  der  den  Leidenschaften  untergebenen  Hirntheile  in 
um  mittleren  Grad  von  Erregung  stehen.  —  ß)  Beim  tiefen 
hmen  ziehen  sich  in  der  Einathung  die  bei  der  leichten  Inspi- 
u  erwäh^iten  Muskeln  kräftiger  zusammen,  so  dass  z.  B.  das 
rchfell,  wenn  im  erstem  Falle  gewöhnlich  bis  zur  6.  und  7.  Rippe, 
tiefer  Inspiration  bis  zur  11.  hinuntergeht,  wobei  sich  das 
inuensegel  hoch  hebt  und  die  Stimmritze  weit  öffnet  u.  s.  w. 
-^erdem  treten  noch  hinzu  in  den  Leitungsröhren  die  Zusammen- 
uugen  der  levatores  alae  nasi,  öfter  auch  der  arytaenoidei  po- 
i  bei  der  Einathmung  und  der  arytaenoidei  laterales  bei  der  Aus- 
iiiung,  so  dass  die  cartil.  arytaenoideae  in  ein  den  Nasenflügeln 
l  igesHin-  und  Hergehen  gerathen  (Czermak);  am  Bnistkasten 
iiien  hinzu  die  levatores  costarum,  serrati  postici,  sternocleido- 
oidei.    Durch  die  Zusammenziehung  der  zahlreichen  Muskeln, 
It  he  den  Brustkasten  auseinander  ziehen,  wird  unter  den  Hy- 
'  liondrien  für  die  Baucheingeweide  ein  so  bedeutender  Raum  ge- 
imen,  dass  trotz  des  herunter  steigenden  Zwerchfells  der  Bauch 
lit  vorgetrieben  wird,  sondern  zusammenfällt  (Hutchinson). 
;s  Unterschiede,  welche  die  leichte  Inspiration  des  Mannes  und 
r  Frau  darbot,  verschwinden  bei  der  tieferen.  —  Leidenschaftliche 
:er  plötzliche  sensible  Erregungen  oder  Mangel  an  0  im  Blut  sind 
5  gewöhnlichen  Bedingungen,  unter  denen  das  tiefe  Athmen  sich 
KStellt.  —  y)        der  krampfhaften  Einathmung  treten  die  bis 
ihin  als  Einathmungsmuskeln  bezeichneten  in  eine  ganz  intensive 
»sammenziehung  und  zugleich  die  hyo  -  und  thyreosternalis ,  so 
«8  die  Luftröhre  weit  herunter  gezogen  und  dadurch  möglichst 
itit  wird.    Am  Brustkasten  greifen  noch  an  die  Strecker  der 

■  •)  Valentin's  Jiilircsljeiiclil  für  1866.  p.  VM. 


^gg  Athomfolgo. 

Wirbelsäule  und  die  Rumpfscliulterblatt  -  und  Rurapfarmmuskel! 
so  dass  u.  A.  der  Arm  unwillkührlich  emporgeschleudert  wrd.  Di 
Ausathmung  wird  durch  möglichst  viele  Muskeln  besorgt.  Krampi 
haft  wird  die  Athmung  bei  der  Erstickungsnoth.  —  Vergleiche  Ar| 
nold*)  über  die  Betheiligung  verschiedener  Muskeln  an  der  tiefei 
und  leichten  Athmung  von  Hunden  und  Kaninchen. 

Der  Meclianismus  einiger  besonderer  Arteij  unwillkürlicher  Athcmbewegung« 
des  Messens,  Hustens,  Gähnens,  Lachens,  Seufzens,  Schluchzens,  kann  bei  einigi 
Nachdenken  leicht  abgeleitet  werden. 

4.  Athem folge.   Die  Zahl  der  Athemzüge  in  der  Zeiteinhei 
wird  durch  sehr  mannigfache  Umstände  geändert,  namentlich  durc  ^' 
den  Willen,  durch  Leidenschaften,  durch  Erregungszustände  de  fc" 
n.  vagus  und  der  meisten  andern  Gefühlsnerven,  durch  Hirndruct  P 
durch  die  Grösse  der  Hindernisse  für  den  Luftsrom  in  den  Athei 
wegen,  die  Eigenschaften  der  Lungenwand,  die  chemische  Zi  i'^ 
sammensetzung  und  die  Temperatur  der  Luft,  Ai-t  und  Menge  dfe 
Nahrungsmittel,  Zustände  der  Verdauungswerkzeuge  und  Muskeli 
Blutmenge,  Gehalt  des  Bluts  an  Körperchen,  die  Zahl  und  Stärk 
der  Herzschläge,  Tageszeiten,  Körpergrösse,  Alter,  Geschlecht  u.s.^ 
Alle  diese  Bedingungen  lassen  sich,  wie  es  scheint,  zusammenfasse! 
unter    die    Nummern :    Seeleneinwirkungen ,  Erregungszuständ 
der  Geftthlsnerven ,  insbesondere  des  n.  vagus,  Gehalt  des  Blut 
an  leicht  abscheidbaren  Gasen,  Erregbarkeit  (Ermüdungsgrad)  d:4 
verlängerten  Markes. 

Die  Einwirkung  jener  Bedingungen  äussert  sich  nun  entwedl 
an  der  gesammten  Athembewegung  und  zwar  ebensowohl  durd 
Förderung  wie  durch  Hemmung  anderer  die  Bewegung  einleitende! 
Umstände,  oder  auch  durch  einen  Eingriff  in  die  Beweglichk^ 
nur  einzelner  an  der  Athembewegung  betheiligter  Muskeln. 
a)  Von  den  leicht  abscheidbaren  Blutgasen  können  nur  CO2 
0  berücksichtigt  werden.  Mit  dem  Sauerstoff  -  Gehalt  dj 
Blutes  ändert  sich  die  Athembewegung  so,  dass  sie  seltener 
weniger  tief  wird,  wenn  das  Blut  reich  an  diesem  Gas  ist;  ni 
dasselbe  ab,  so  wird  der  Athem  beschleunigter  und  tiefer,  B6i 
noch  weiterem  Sinken  des  0- Gehalts  wird  die  Bewegung  wiedi 
seltener  und  tiefer,  und  endlich,  wenn  alles  absorbirte  0-gas  ver- 
schwindet, wird  die  Athmung  sehr  viel  seltener  und  krampfhaft] 
(W.  Müller,  Setschenow).    Wird  von  da  an  kein  neues  0-Gas 


*)  Die  physiologische  Anstalt  In  Heidelberg,  p.  I  IG. 


,  Aenderuhg  der  Athemfolgo  mit  dem  0-  und  COj-Gchalt.  489 

Hgefiihrt,  so  wird  die  Pause  zwischen  den  Athenizügen  immer 
i'össer  und  die  Bewegung-  zugleich  schAvächer,  bis  sie  endlich 
anz  aufhört.  —  Diese  Erscheinung  beobachtet  man  bei  der  ge- 
öhnlichen  Erstickung,  bei  sehr  reichlicher  Zuführung  von  Luft 
uf  dem  Wege  künstlicher  Respiration,  nach  Einführung  von  Hem- 
inngen  in  die  Athemwege,  auch  z.  B.  nach  Lähmung  des  Kecur- 
ms,  Zuhalten  des  Mundes  und  der  Nasönöffnung  (Aubert),  nach 
iistreibung  des  Sauerstoffs  aus  den  Blutkörperchen  durch  Kohlen- 
xyd,  bei  einer  Aenderung  des  0-Verbrauchs  in  Folge  der  vermehrten 
«ler  venninderten  Nahrung,  der  gesteigerten  Wärmebildung,  leb- 
tfter  Muskelbewegung.  —  Die  Thatsache,  dass  auch  noch  nach 
Mlkommenem  Verschwinden  des  0  aus  dem  Blut  die  Athmung 
nige  Zeit  fortdauert,  beweist,  wie  es  scheint,  die  Anwesenheit 
eeses  Gases  in  den  Flüssigkeiten  des  verlängerten  Markes  selbst, 
tie  Kohlensäure  des  Blutes  kann,  vorausgesetzt,  es  fehlt  dem 
rate  nicht  an  Sauerstoff,  sehr  beträchtlich  anwachsen,  ohne  dass 
fe  Athembewegungen  dadurch  verändert  werden;  erst  wenn  das 
rat  fast  vollkommen  mit  CO2  gesättigt  ist,  wird  die  Athmung 
fccher  und  seltener,  und  sie  erlischt  endlich  unter  dem  dauernden 
influss  des  so  beschaifenen  Bluts,  selbst  bei  Anwesenheit  von  viel 
in  der  Athmungsluft  (W.  Müller). —  b)  Erregungszustand  der 
;iftihlsnerven*J.  In  einer  besondern  Beziehung  steht  der  n.  vagus 
der  Athembewegung.  Wird  der  Halsstamm  desselben  durch- 
ihnitten,  so  werden  die  Athemzüge  tiefer  und  seltener;  die  Ver- 
üQgsamung  ist  geringer,  wenn  ein,  bedeutender,  wenn  beide 
?3i'ven  verletzt  sind. 

In  letzterm  Fall  mischen  sich  erfahrungsgemäss  zwei  verlangsamende  Einflüsse  ein, 
n  denen  einer  sicher  darauf  beruht,  dass  die  Lähmung  des  n.  recurrens,  heziehungs- 
i  ise  die  Verengerung  der  Stimmritze ,  dem  Luftstrom  .ein  Hindemiss  setzt ;  denn  die 
ihl  der  Züge,   welche  nach  Durchschneidung  der  beiden  Vagi  sehr  gesunken  war, 
>ot  sich  wieder  nach  Anlegung  einer  ergiebigen  Luftröhrenfistel,  aber  durchaus  nicht 
.'  den  Punkt,  den  sie  vor  der  Nervendurchschneidung  einnahm.     Da  die  länger- 
iiemde  Zurückhaltung  der  Luft  bekanntlich  mit  einem  unangenehmen  Gefühl  verbunden 
. ,  80  darf  der  zweite  Grund ,  aus  dem  die  Durclxschneidung  der  n.  vagi  die  Athcm- 
rge  seltener  macht,  mit  Wahrscheinlichkeit  gesucht  werden  in  der  Beseitigung  von 
tflexen,  welche  die  Lungenluft  durch  die  n.  vagi  auslöst;  durcli  welchen  Umstand 
dieses  vormag,  ist  unbekannt;  wahrscheinlich  jedoch  nicht  durch  ihren  COj-Gehalt, 
der  Aufenthalt  in  einer  Luft,  die  zugleich  an  0  und  COs  reich  ist,  keine  Beschleu- 

■'  •)  Li«  1)  m  n  n  n  ,  1.  c.  —  Tr a  n  b c  .  Prenss.  VcreinszcHiiiig,  1S47.  —  Hol  1110  It,  Uober  die 
ector.  Beziehung  des  n  vagus  etc.  Giesson  185G.  —  Au  bort  und  Tsohisohwitz  in  Molo- 
hotl'a  Untersuchungen.  III.  nd.  272.  —  Valentin,  Die  EinflUsHC  der  Viiguslälimung.  1857. 


490  Aendening  der  Athem  folge  durch  Keflexe. 


nigung  der  Athembewogung  nach  sich  zieht.  —  Ueborlebt  das  Thier  die  Durchschnri.  S"' 
dung  einige  Zeit,  so  nimmt  die  Athembewegung  offenbar  aus  andern  Gründen  evcm 
bosondern  Charakter  an(Liobmann).  ^ 


I 


Die  elektrische  Reizung  der  centralen,  noch  mit  dem  Hinii 
verbundenen  Enden  des  durchschnittenen  n.  vagus  ist  je  nach 
Stärke  der  Schläge  und  der  Erregbarkeit  der  Nervenmasse  vep- 
änderlich.  Während  der  Einwirkung  von  Schlägen,  die  im  Ver- 
hältniss  zur  Erregbarkeit  sehi'  schwach  sind ,  folgen  sich  die 
wegungen  rascher  und  werden  oft  auch  tiefer;  wird  die  Reizung 
stärker,  so  steht  die  Athmung  still,  jedoch  so,  dass  das  Zwerchfell 
in  einen  dauernden  Krampf  geräth  (Traube,  Aubert).  Wie 
sich  dabei  die  andern  Athmungsmuskeln  verhalten,  ist  leider  unbekannt 
Bei  noch  weiter  gesteigerter  Erregung  bleibt  die  Athmung  ebe% 
falls  stehen,  aber  nun  verharrt  das  Zwerchfell  in  der  ExspirationS- 
stellung  (Eckhard,  Aubert),  oder  auch  in  einer  solchen,  wi» 
sie  einer  schwachen  Zusammenziehung  jenes  Muskels  entsprich^ 
so  dass  nach  dem  Aufhören  der  Schläge  das  Zwerchfell  sich  bal<i 
nach  der  Exspirations -,  bald  aber  auch  nach  der  Inspirationslage 
hin  bewegt.  Alle  diese  Erscheinungen  kommen  sowohl  bei  ein-r, 
als  doppelseitiger  Vagusreizung  vor. 

Aus  allem  Dem  kann  man  folgern ,   dass  der  n.  vagus  sowohl  auf  das  Orgm 
wirkt,  welches  geordnete  Bewegungen  anregt,  wie  auch  auf  die  Bahnen  des  n.  ph^ 
nicus  selbst.    Beide  nn.  phronici  müssen  immer  zugleich  jedem  Vagus  zugänglich  si 
da  einseitige  Heizung  der  letztern  von  doppeltseitiger  Zusammenziehung  oder  Erschlai 
des  Zwerchfells  gefolgt  ist,  während  einseitige  Reizung  des  n.  phrenicus  nur  die  j 
gehörige  Zwerchfellshälfte  verkürzt  (Budgc).  ^ 

 .  .1 

jtai 


Durch  Erregung  der  sensiblen  Rückenmarksnerven  und 
n.  quintus  kann  die  Folge  und  Tiefe  des  Athraens  verändert  werde|| 

c)  Die  Erregbarkeit  des  verlängerten  Markes.  Ihrer  Veränderung 
kann  man  zuschreiben:  die  Folgen  der  Stiychniu -Vergiftung,  welche 
sich  darin  zeigen,  dass  die  Brustmuskeln  in  einen  tetanischen 
Krampf  verfallen  nach  Anregungen ,  die  sonst  eine  geordnete  Atheift- 
bewegung  auslösen ;  ferner  die  Vergiftung  durch  Chloroform,  welcKe 
die  Befähigung  des  verlängerten  Marks  zur  Entwicklung  von  Ath- 
mungsreitzen  vermindert  und  auch  ganz  aufhebt.  Ferner  die  Ver- 
änderungen, welche  in  der  Athmung  eintreten,  nachdem  dieselben 
längere  Zeit  mit  einer  bestimmten  Beschleunigung  und  Tiefe  aus- 
geführt wurden,  mit  einem  Wort  die  Erholung  und  Ermüdung  der 
reizerzeugenden  Einrichtungen.  Auch  ist  es  vielleicht  hier  nicht 
mehr  gewagt,  wie  am  Herzen,  wenn  man  annimmt,  dass  in  der  ^ 


IVi} 


Aendorung  der  Athorafolge  durch  die  med.  oblong,  und  den  Willen.  491 

eiteinheit  nur  eine  gewisse  Summe  von  reizender  Kraft  entwickelt 
(erde,  die  entweder  verwandt  werden  kann  zu  einer  grössern 
»hl  von  flachen  oder  zu  einer  kleinern  von  tiefen  Athemzügen.  — 
seraer  kann  man  es  aus  veränderter  Erregbarkeit  des  verlängerten 
liarks  ableiten,  wenn  in  Folge  eines  Druckes  auf  das  Hirn  die 
ihemzüge  seltener  und  tiefer  werden,  namentlich  wenn  der  Hirn- 
rnck  einen  solchen  Grad  erreicht  hat,  dass  davon  auch  die  Puls- 
hhläge  voller  und  seltener  werden  (Hegelmaier). 

d)  Die  Einwirkungen  des  Willens  können  sich  in  den  Athem- 
??wegungen  mannigfach  äussern,  denn  sie  können  durch  ihn  sowohl 
»schleunigt ,  als  verlangsamt  werden;  aber  alles  dieses  ist  nicht 
ime  Beschi'änkung  möglich.  So  kann  der  Wille  die  Athembewe- 
imgen  nicht  bis  ins  Endlose  hemmen,  da  er  im  Kampf  mit  den 
iidern  Anregungen,  die  auf  das  reiz  entwickelnde  Organ  oder  in 
im  wirken,  bald  unterliegt.  Umgekehrt  kann  er  die  Athemfolge  auch 
i.cht  über  ein  gewisses  Maass  beschleunigen,  schon  nicht  wegen 
'is  Widerstandes  der  Bewegungswerkzeuge.  Je  nach  der  Tiefe 
'3r  Athemzüge  liegen  die  Grenzen  höher  oder  niedriger.  Noch 
teniger  kann  der  Wille  die  Bewegungen  einzelner  Abtheilungen 
'ischleunigen  und  anderer  zugleich  verlangsamen ,  sondern  er  muss 
utweder  die  gesammte  Keihe  der  Athemmuskeln  im  engern  Wort- 
ran  in  Bewegung- setzen,  oder,  will  er  sie  beschränken,  so  kann 

es  nur  in  der  Ordnung  thun,  welche  auch  dem  automatischen 
rrgan  des  verlängerten  Marks  vorgeschrieben  ist.  So  kann  er 
B.  die  flache  Einathmung  nicht  mit  einzelnen  Intercostalmuskeln, 
mdern  nur  mit  dem  Zwerchfell  ausführen;  und  will  er  die  Inter- 
■stalmuskeln  in  Bewegung  setzen,  so  muss  auch  vorher  oder 
fcichzeitig  das  Zwerchfell  sich  zusammenziehen.  Daraus  scheint 
•jrvorzugehen,  dass  der  Wille  auf  den  Ort  wirkt,  wo  sich  die  mo- 
rischen  Athemnerven  schon  verknüpft  haben,  nicht  aber  auf  jeden 
mzelnen  jener  Nerven  für  sich.  Diese  Punkte  bedürfen  einer  ge- 
uuen  Untersuchung;  dasselbe  verlangt  den  Einfluss  der  Leiden- 
hhaften  auf  die  Athemfolge. 

Die  Uebereinstimmung,  welche  zwischen  den  Beschleunigungen 
er  Zug-  und  Schlagfolge  der  Brust  und  des  Herzens  besteht,  ist 

die  Augen  fallend.  Quetelet*)  und  Guy**)  geben  an,  dass 
1  Allgemeinen  die  Zahl  der  Herzschläge  4mal  so  gross  bleibe. 


•)  Der  Mensch,  Ubersetzt  von  Rlocke.  1838.  394. 
Donder«  nnd  Banduln,  Hnndleidinif.  II.  Bd.  372. 


492 


Zusammenhang  zwischen  Athem-  und  Herzbewegung. 


als  die  der  Athemzlige.    Diese  Zahl ,  die ,  weil  sie  so  ungefähr  z 
triflPt,  für  praktische  Zwecke  verwendbar  wäre,  gilt  jedoch  nur 
engen  Grenzen.   Bei  Thieren,  deren  Athem-  und  Pulsfolge  in  vi 
grösserra  Umfang  als  beim  Menschen  schwankt,  ist  dieses  name~ 
lieh  deutlich.    Sinkt  bei  Hunden  die  Zahl  der  Athemzüge  unt 
12  bis  15  in  der  Minute  herab,  so  übertrifft  sie  die  der  Pulsschl" 
um  mehr  als  das  4fache,  ja  selbst  um  mehr  als  das  öfache.  W 
dagegen  umgekehrt  ihr  Athem  lechzend,  so  ist  die  Zahl  der  Pul 
schlage  gleich  der  der  Athemzüge.    Das  Ausgesprochene  wir  dur 
ein  Zahlenbeispiel,  welches  Arnold  gesammelt  hat,  belegt;  a 
ein  Hund,  der  sich  ruhig  verhielt  und  fastete,  27mal  in  der  Ä 
nute  athmete,  schlug  sein  Puls  83,7mal,  also  3,lmal  häufiger,  u 
als  der  Hund  13mal  in  der  Minute  Athem  holte,  sank  der  Her 
schlag  auf  59,3,  er  blieb  also  4,6ma]  beschleunigter.   Die  Ersch 
nung,  dass  nach  Durchschneidung  der  n.  vagi  die  Beziehung 
zwischen  Athem-  und  Pulszahl,  wenn  auch  nicht  vollkommen  g 
löst,  so  doch  sehr  beträchtlich  gelockert  sind,  beweist,  dass  d 
Regelung  jener  Verhältnisse  vorzugsweise  dem  verlängerten  Mar 
übertragen  ist.     Da  die  Reizung  des  verlängerten  Markes  d 
Athembewegungen  auslöst  und  zugleich  den  Herzschlag  hemm 
so  könnte  es  paradox  erscheinen,  dass  mit  der  Beschleunigung  i 
der  Athemfolge  auch  eine  gleiche  des  Herzschlags  einti-eten  sol 
Diese  Ungereimtheit  verschwindet  jedoch,  so  wie  man  die  Ve 
änderung  des  Herzschlags  nicht  mehr  als  eine  Mitbewegung  a 
sieht,  die  der  Athemreiz  einleitet.    Dächte  man  sich  statt  desse 
die  Beziehung  hergestellt  durch  Aenderungen  in  der  Vertheilun 
und  in  dem  Drucke  des  Bluts  in  der  Brust  und  in  dem  Hirn,  s 
würde  es  nicht  schwer  sein,  eine  Theorie  des  Zusammenhangs  z 
geben. 

Die  Zahl  der  unwUlkührlichen  Athemzüge  variirt  in  der  Minut 
bei  Neugeborenen  von  23  zu  70  (Quetelet),  bei  Erwachsene 
von  9  zu  40  (Hutchinson).  Unter  1897  Personen  fand  de 
letzte  Beobachter  die  überwiegende  Zahl  mit  16  —  24  Athemzüge 
begabt. 

5.  Luftströmung  in  den  Athemwegen.  a.)  Die  Triebkräfte  de 
Luftstroms,  nämlich  der  Dichtigkeitsunterschied  der  Luft  in  un 
ausser  den  Lungen  ist  in  jedem  Moment  der  In-  und  Exspiratio 
gering,  so  lange  die  Zuleitungsröhren  offen  stehen.  Nach  niano 
metrischen  Beobachtungen  von  C.  Ludwig,  Krahmer,  Valen 


Luftströmung  in  den  Athemwegen ;  Volum  des  Brustraums.  493 


i  11  *)  beträgt  er  mir  einige  MM  Quecksilber ;  dieses  ist  bei  der 
oichtbeweglichkeit  der  Luft  nothwendig,  da  sieb  ein  Minimum 
nes  bestehenden  Spannungsuntersebieds  augenblicklich  ausgleicht ; 
mm  ist  auch  der  durch  den  Brustkasten  eingeleitete  In-  und 
\spirationsstrom  momentan  mit  der  Brustbewegung  beendet,  wenn 
if  Nase  und  Stimmritze  geöflnet  sind. 

Bei  einer  so  beti-ächtliclien  Verengerung,  dass  sie  die  plötzliche  Ausgleichung 
orhindert,  oder  bei  vollkommenem  Verschluss  der  zu  der  Lunge  führenden  Köhren 
asmn  die  Differenz  des  äussern  und  innern  Luftdrucks  bedeutend  gesteigert  werden; 
iier  "Werth  derselben  ist  aber  selbst  bei  demselben  Menschen  sehr  veränderlich,  was 
cch  erklärt,  wenn  man  bedenkt,  von  wie  vielen  Umständen  er  abhängig  ist.  Nehmen 
i'ir  z.  B.  an,  es  sei  das  Athmungsrohr  vollkommen  geschlossen,  so  muss  bei  der  Ein- 
khmimg  die  Spannung  der  Luft  um  so  mehr  sinken,  je  vollkommener  die  Lunge  ent- 
nert  war,  als  die  Einathmung  begann,  femer  je  geringer  die  Widerstände  sind,  welche 
tie  Wandungen  und  Eingeweide  der  Brust  und  des  Bauchs  der  ausdehnenden  Wirkung 
rer  Muskeln  entgegensetzen,  und  endlich,  je  grösser  die  ausdehnenden  Muskelkräfte 
Idbst  sind.  —  Unter  denselben  Bedingungen  (Verschluss  der  Stimmritze  etc.)  muss 
loer  die  Spannung  in  der  Brusthöhle  bei  der  Exspiration  um  so  mehr  wachsen,  je 
lehr  die  Brust  bei  der  beginnenden  Ausathmung  mit  Luft  gefüllt  war,  je  höher  der 
I lastizitätsco effizient  der  Bauch-  und  Brusttheile  ist  und  je  kräftiger  die  Ausathmungs- 
i.uskeln  wirken.  Bei  diesen  Variationen  kann  einer  absoluten  Bestimmung  dieser 
fpannungsdifferenzen  wenig  Werth  beigelegt  werden. 

b)  Die  Geschwindigkeit  des  Luftstrom  ist  natürhch  variabel 
nit  der  Längenachse  und  dem  Durchmesser  der  Athemwege.  Da 
fer  Querschnitt  der  letztern  mit  der  Längenachse  wesentlich  sich 
i.ndert,  und  namentlich  auch  zuweilen  ganz  plötzlich,  wie  am  aus- 
t;eprägtesten  am  Uebergang  der  Bronchioli  in  die  Infundibula ,  so 
ian'n  von  einem  regelmässig  angeordneten  Luftstrom  keine  Rede 
eein.  Die  mittlere  Querschnittsgeschwindigkeit  ist  natürlich  gegen 
itie  Lungenbläschen  hin  wegen  des  bedeutend  grössern  Durch- 
iQBssers  der  Athemwege  an  jener  Stelle  viel  geringer,  als  in  der 
.juftröhre. 

6.  Volum  des  veränderlichen  und  unveränderlichen  Brusti'aums. 
i)  Der  Mensch  entleert  selbst  durch  die  tiefste  Ausathmung,  welche 
ihm  möglich  ist,  nicht  alle  Luft  aus  seiner  Brusthöhle ;  das  Volum, 
■velches  zurückbleibt  (residual  air  von  Hutchinson),  giebt  den 
unveränderlichen  Brustraum.  Dieser  ist  natürlich  mit  der  Beweg- 
•ichkeit  und  dem  Umfang  des  Brustkastens  (seiner  Jlöhe  und  Tiefe) 


•)  Müller"  9  Archiv.  1847.  —  Hncser's  Archiv.  IX.  Uil.  .121.  — 
'hyglologie.  2.  Aufl.  I.  Hil.  5'.'9. 


Villen  tili,  Lehrbnch  der 


Constanter  und  veränderlicher  Brustraura. 

sehr  veränderlich.  Nach  einigen  Untersuchungen  an  den  Leiche 
Erwachsener  von  Goodwin  wechselt  derselbe  zwischen  1500  ui 
2000  CG. 

Eine  Methode ,  um  das  Volum  dos  unveränderlichen  Brustraums  bei  lebend 
Menschen  zu  bestimmen,  giebt  Harless*)  an.  Er  lässt  eine  möglichst  tiefe  I 
spiration  vollziehen ,  nach  deren  Vollendung  Lungenraura  und  Atmosphäre  durch  c 
offen  gehaltenen  Lippen  und  Stimmritze  in  Verbindung  bleiben  müssen.  Die'unb 
kannte  Räumlichkeit  der  Lungenhöhle  (x)  steht  dann  unter  bekanntem  Baromet« 
druck  (b).  Darauf  bringt  er  mit  dem  geöffneten  Mund  in  luftdichte  Berührung  ein 
Kasten ,  dessen  Hohlraum  mit  einem  bekannten  Luftvolura  (v)  unter  dem  dep  atmospi 
rischen  übertreffenden  Drucke  b'  gefüllt  ist.  Dann  wird  durch  eine  bis  dahin  yt  (( 
schlossene  Oeffaung  des  Kastens  die  Luft  dieses  letztern  und  der  Lunge  in  Verbindu-    ^  j 


V 


gebracht ,  so  dass  sich  die  Drücke  in  beiden  Höhlungen  ausgleichen  zu  einem  mii 
leren  (b"),  beiden  Käumen  gemeinsamen ;  dieser  kann  an  einem  Manometer  des  Kaste 
abgelesen  werden.    Bekanntlich  ist  aber  das  in  einem  Volum  enthaltene  LuftgewicB''' 
gleich  diesem  Volum,    multiplizirt  mit  dem  Druck,  unter  welchem  die  Luft  in  ii  Iii 
steht;    demnach  war  das  Luftgewicht  der  Lunge  und  das  in  dem  Kasten  vor  d 
Kommunikation  dieser  beiden  Räume  =  x  b  -|-  v  b' ;  dieses  Luftgewicht  muss  ab 
auch  =  (x  -j-  v)  b"  sein ,  d.  h.  gleich  der  Luft ,  welche  unter  dem  Druck  b"  in 
und  V  nach  ihrer  Verbindung  enthalten  ist.    Aus  der  Gleichung  x  b  4-  Tb'  =  (x-f-v)  1 
lässt  sich  nun  x  finden.    Vorausgesetzt,  es  sei  die  Temperatur  im  Kasten  und  d  ^' 
Lungenluft  vollkommen  ausgeglichen  oder  die  Temperatur  beider  Orte  genau  bcstim: 
wie  die  Notiz  von  Harless  in  Aussicht  stellt,  so  würde  sich  gegen  diese  sinnreic' 
Bestimmungsart  doch  noch  der  Einwand  erheben,  dass  das  Volum  des  Lungenraum 
vor  und  nach  der  Verbindung  mit  dem  Kasten  nicht  dasselbe  geblieben  wäre.    Dei  . 
der  Brustkasten  ist  von  beweglichen. "Wänden  und  von  Blut  umschlossen,   und  son 
muss  das  Volum  seines  Hohlraums  sich  ändern  mit  der  Spannung  der  in  ihm  enthf 
tenen  Luft.    Ist  dieses  der  Pall,  so  geht  die  obige  Gleichung  über  in  x  b  -)-  v 
=  (y  "t"      !>">  *1.  h.  in  eine  Gleichung  mit  zwei  Unbekannten ,  und  es  ist  weder 
noch  y  aus  ihr  zu  finden.    Wir  müssen  erwarten,  ob  Harless  diesen  Umstand  b: 
rücksichtigt  und  den  aus  ihm  hervorgehenden  Fehler  in  enge  oder  bestimmbare  Qrenz( 
eingeschlossen  hat. 

b)  Der  Raum  der  Brust  kann  zwar  bei  demselben  Menscb 
je  nach  der  Tiefe  der  Athembewegung  sehr  beträchtlich  und 
unendlich  fielen  Abstufungen  wechseln,   aber  er  ist  doch  in  b 
stimmte  Grenzen  eingeschlossen,  welche  gegeben  sind  durch  d 
Unterschied  der  Brustfassuug  während   mögliehst  tiefer  Ex- 
Inspiration;  das  durch  diesen  Unterschied  dargestellte  Luftvolu: 
(vital  eapacity  von  Hutchinson)  wollen  wir  die  grösste  Athmungi 
tiefe,  Athmungsgrösse  nennen.  —  Ihrer  bedient  sich  bekanntli 
der  Mensch  bei  gewöhnlichem  unvnllkührlichem  Athmen  nicht,  wo 


it>: 


ii 


*)  MUnchener  gelelirto  Anzeigen.  Sept.  1854.  93. 


Atheragrösse. 


495 


)er,  wie  wahrscheinlich,  immer  nur  einer  annähernd  gleichen  Luft- 
enge, indem  er  jedesmal  ungefähr  gleich  tief  ein-  und  ausathmet; 
( ir  wollen  dieses  Volum  als  das  des  mittleren  Athmens  bezeichnen, 
de  Bestimmung  beider  Werthe  ist  von  Interesse. 

Der  Umfang  des  tiefsten  Athemzugs  (die  Athemgrösse) 
t  technisch  wichtig  geworden  als  ein  Mittel,  um  die  Gesundheit 
Er  Brust  zu  prüfen.  Denn  es  ist  von  vornherein  wahrscheinlich, 
äss  im  gesunden  Menschen  ein  bestimmtes  Verhältniss  besteht 
rrischen  den  sauerstoffverbrauchenden  Leibestheilen  oder  einer 
imit  in  Verbindung  stehenden  Funktion  und  dem  Raum  der  ruhen- 
m  Brust,  und  dass  eben  ein  solches  besteht  zwischen  dem  Urn- 
ing d^r  ruhenden  Brust  und  ihrer  Beweglichkeit.  Gesetzt,  es  gäbe 
dche  Relationen,  und  gesetzt,  sie  sollten  dazu  benutzt  werden, 
13  zu  unterscheiden,  ob  dieser  oder  jener  Mensch  gesunde  Lungen 
ssitze,  so  mtisste  die  Körpereigenschaft,  mit  welcher  die  Brust 
rrglichen  wird,  zu  den  relativ  unveränderlichsten  des  Menschen 
bhören ,  und  in  einer  so  lockern  Beziehung  zum  Brustkorb  stehen, 
fcss  sie  keinenfalls  durch  erworbene  Fehler  des  letztern  verändert 
Idrde.  Denn  wenn  der  Forderung  nicht  gentigt  ist,  dass  die  Eigen- 
ihaft,  mit  welcher  der  kranke  Brustkorb  vergUchen  wurde,  noch 
mselben  Werth  besässe,  der  ihm  beim  Vergleichen  mit  der  ge- 
mden  Brust  zukam,  so  wtirde  natürlich  der  erste  Quotient  eine 
mz  andere  sachliche  Bedeutung  haben  als  der  letztere.  Aus  einer 
ißitern  Ueberlegung  geht  aber  hervor,  dass,  wenn  das  obengenannte 
ürhältniss  gefunden  wtirde,  dieses  nicht  durch  eine  einzige  Zahl, 
radem  nur  durch  einen  Zahlenraum  ausdrtickbar  wäre,  da  bis 
gewissen  Grenzen  die  Brust  ihren  Mangel  an  Umfang  und  Be- 
pglichkeit  durch  die  Häufigkeit  ihrer  Bewegungen  ersetzen  könnte, 
lar  ausserdem,  wie  verlangt,  ein  durch  das  Leben  relativ  un- 
■Tänderter  Vergleichungspunkt  für  die  Brust  genommen,  so  mussden- 
fch  das  Verhältniss  in  den  Grenzen  der  Gesundheit  beträchtliche 
ihwankungen  erfahren,  weil  die  Eigenschaften  der  Brust  mit 
tter,  Gewerbe  u.  s.  w.  sich  ändern. 

Hutchinson,  der  zuerst  auf  den  Gedanken  kam,  die  Brust  auf  die  ange- 
l'itete  Weise  zn  prüfen ,  wählte  zu  dem  von  der  Athmung  hergenommenen  Verglei- 
MDgspunkt  das  Luftvolum,  welches  die  tiefste  Exspiration  nach  der  tiefsten  Inspiration 
nathmet.  Diese  Grösse  ist  abgeleitet  aus  dem  Umfang  der  ruhenden  Bnist,  der  Be- 
Iglichkeit  der  Rippen,  der  Lunge,  der  Eingeweide,  der  Bauchdecken  und  aus 
1  Kräften  der  Athmungsmuskeln ;  sie  will  also,  wenn  sie  über  die  Lungcneigen- 
'.atten  Aufschluss  geben  soll,   vorsichtig  benutzt  sein.  —  Um  das  Luftvolum  zu 


496 


Spirometrie. 


Fig.  60. 


messen ,  bedient  er  sich  eines  Gasometers ,  dep  er  Spirometer  nannte ;  die  Fig.  60  gii 
ilin  nach  den  Einrichtungen  von  Win  tr  ich  *).    Eine  graduirte  Glasglocke^,  oben 

einer  schliessbaren  Oeffnung  (zum  Auslassen  der  Luft)  uj 
einem  Haken  (zum  Aufhängen)  versehen ,  wird  durch 
Gewicht  C,  welches  über  die  EoUe  B  zieht,  äquilii 
Die  Glocke  taucht  in  den  äussern  Wasserbehälter 
Blech  B,  der  oben  mit  einem  Glasfenster  versehen  ij 
Nahe  am  Boden  wird  der  Behälter  B  durchbohrt 
zwei  Köhren  ;  F  dient  zum  Auslassen  des  Wassers 
B ;  das  andere  Rohr  G  erstreckt  sich  innen  bis  unter  die  Gl 
glocke  A.  Nach  aussen  geht  es  in  einen  mit  dem  Mui 
stück  (?"  versehenen  Schlauch  über.  Beim  Gebrau 
wird  die  Glocke  A  bis  zu  einem  gewissen  Theilstri 
ihrer  Scala  herabgelassen,  dann  G"  in  den  Mund 
nommen  und  durch  G  in  die'  Glocke  A  ausgeathnJj 
Weitere  Vorsichtsmaassregeln  siehe  bei  Arnold.  And« 
Spirometer,  die,  statt  des  Athemvolums  direkt,  e: 
davon  abhängige  Grösse  messen,  siehe  in  den  ange: 
genen  Schriften  **).  Sie  empfehlen  sich  durch  ihre  Kle 
heit  als  Taschenspironieter.  Als  zweiten  Vergleichun 
punkt  wählte  Hutchinson  die  Körperlänge  (das  Körp« 
gewicht  ist  ganz  unbrauchbar)  und  statt  dessen  Fabi 
die  Kumpflänge.  Nach  Arnold  sollen  die  ersten  ] 
rallelen  wenigstens  eben  so  gut  sein  als  die  letzten. 
Vergleich  zwischen  diesem  Luft  -  und  Körpermaass  wui 
durchgeführt  bei  vielen  Personen,  verschieden  an  All 
Geschlecht,  Grösse,  Gewerbe  u.  s.  w.  Neben  dies 
hat  man  auch  mit  der  Athemgrösse  verglichen  den  11 
fang  der  ruhenden  Brust  (über  die  Brustwarze  gemessen),  oder  den  Unterschied  di( 
Urafangs  bei  tiefster  Ein-  und  Ausathmung,  oder  das  Produkt  dieses  TJmfangs  und 
Brusthöhe.  Selbstredend  bedeuten  die  hierbei  gewonnenen  Quotienten  etwas 
anderes  als  der  zuerst  erwähnte ,  welcher  aus  dem  geathmeten  Körpervolum  he: 
ging.  Da  der  Brustumfang  bei  Lungeukrankheiten  auffallend  sich  ändert,  so  gel 
sie  auch  keinen  Aufschluss  über  die  Athmungsgrösse ,  die  dem  untersuchten  Mensi 
in  gesunden  Tagen  zukommen  müsste  (Donders)  ***). 

,  Im  Folgenden  sind  die  wesentlichen  Resultate  der  spirometrischen  Ai-beiten 
Hutchinson,  Fabius,  Wintrich,  Schneevogt,  J.  Vogel,  Arnold  u. 
aufgezählt,  wie  sie  Arnold  f)  zusammengestellt  hat.  —  Die  Athmungsgrösse 
Männern:  1)  Sie  ändert  sich  mit  der  Körperlänge.  Schliesst  man  von  der 
gleichung  die  Körperlängen,  die  unter  150  Ctm.  liegen,  aus  und  hält  sich 
das  Mittel  aus  einer  grössern  Reihe  von  Beobachtungen ,  so  darf  man  sagen ,  dass 
einer  Längenzunahme  von  je  2,5  Ctm.  die  Athmungsgrösse  um  je  150C.-Cm.  wäcl 


")  Arnold,  Athmungsgrösse  des  Menschen.  1855.  p.  9. 

«»)  Bonn  et,  Gazette  mdd.  de  Paris.  185G.  —  Hniless,  Theorie  und  Anwendung  des  Sei^ 
drnck-Spirometers.   München  185B. 
•»*)  Henlc's  nnd  Pfcufer's  Zeltschrift.  N.F.  IV.  Bd.  304. 
t)  Physiolog.  Anstalt,  p.  1.32. 


Spirometrie;  mittleres  Athemvolum. 


497 


i  Mittel  beträgt  der  tiefste  Atliomzug  bei  Männern  von  155  Ctm.  Höbe  =  2700C.-Ctm., 
i  ISO  Ctm.  Höhe  aber  =  4200.  Diese  Eegol  tiifft  nicht  mehr  ein,  wenn  man  ein- 
ne  wenige  Individuen  mit  einander  vergleicht.  —  2)  Im  Verhältniss  zur  Eumpfhöhe 
nmt  die  Athmungsgrösse  nicht  regelmässiger  zu,  als  im  Verhältniss  zur  ganzen 
-rperlänge.  —  3)  Zwischen  Athmungsgrösse  und  Körpergewicht  besteht  keine  all- 
oein  gültige  Eelation.  —  4)  Athmungsgrösse  und  Brustumfang  stehen  im  Mittel  in 
f Proportion,  dass,  wenn  von  65  Ctm.  an  der  Brustumfang  nm  2,5  Ctm.  wächst,  die 
iimungsgrösse  um  je  150  C. M.M.  zugenommen  hat;  doch  gilt  dieses  Verhältniss  nur, 
lOn  man  annähernd  gleich  rauskelstarke  und  fettreiche  Männer  vergleicht.  —  5)  Mit 
Ii  Unterschied  des  Brustumfangs  in  der  In-  und  Exspiration  steigt  die  Athmungs- 
öse.  —  6)  Derselbe  Umfangsunterschied  in  den  genannten  Stellungen  erhöht  bei 
»ssem  Brustumfang  das  ausgeathmete  Lnftvolum  mehr,  als  bei  kleinem  Brustmaass.  — 
^Beweglichkeit  und  Umfang  der  Brust  nehmen  nicht  nothwendig  mit  einander  zu. — 
[Die  Athemgrösse  steigt  bis  zum  35.  Jahre  und  sinkt  von  da  an  wieder;  die  Zu- 
tme  erfolgt  am  raschesten  vom  20.  bis  zum  25.  Jahre  und  sinkt  am  raschesten 
lachen  45  und  50  J.  —  9)  Individuen  höherer  Stände  und  Arme  haben  das  niedrigste, 
iteutc  das  höchste  Athmungsniaass.  —  10)  Singende  und  blasende  Musikanten  haben 
grosse,  Ringer  und  eifrige  Turner  eine  geringe  Athemgrösse.  —  11)  Starke  Pett- 
tigkeit,  Anfüllung  des  Unterleibs  mit  Speisen  oder  Koth  mindern  den  Athmungs- 
lang. 

Bei  Frauen  gelten  dieselben  Eegeln,  nur  mit  der  Beschränkung,  dass  für  je 
tCtm.  Länge  das  Athemvolum  nur  um  100  C. M. M.  wächst.  Schwangere  Frauen 
ün  dasselbe  oder  öfter  ein  grösseres  Athemmaajs,  als  vor  der  Empfängniss 
ichenmeister). 

Folgende  Krankheiten  mindern  in  absteigender  Ordnung  das  Athemmaass : 
lerkulose,  pleuritische  Ergüsse,  Emphysem,  chronische  Bronchitis,  Asthma,  Scoliose, 
nnung  der  Athemmuskeln ,  Ascites,  Leber-  und  Müzanscfiwellungen,  Katarrhe,  all- 
iiine  Körperschwäche. 

Das  Volum  des  mittleren  Athems  ist  schwer  zu  be- 
mmen,  weil  sich  beim  Messen  desselben  sogleich  willkührliche 
«atze  und  Abzüge  einfinden.  Unzweifelhaft  variirt  es  aber  auch 
Iwerschiedenen  Menschen  und  steht  wahrscheinlich  in  Beziehungen 
I  Häufigkeit  des  Athmens.  da  es  offenbar  abnimmt,  wenn  diese 
»r  einen  gewissen  Werth  zunimmt.  —  Vierordt,  der  in  Folge 
M;er  Uebung  die  Fähigkeit  gewonnen  hatte,  das  Volum  eines 
liillkührlichen  Athemzugs  ungestört  zu  messen,  fand  es  bei  sich 
»Jchen  500  und  600  CC. 

,1  7.  Mischung  der  zurückbleibenden  und  der  wechselnden  Luft*). 
«6n  wir  beispielsweise  das  Volum  des  unveränderlichen  Brust- 
ma»  =  2000  CC.  und  das  des  mittleren  Athems  ==  500,  so  sieht 
I  sogleich,  dass  beim  Athmen  nur  ein  kleiner  Theil  der  ganzen 
.«enluft  im  Wechsel  begriffen  ist.    Demnach  wird  die  neu  ein- 


i  Bergmann,  MUllcr's  Archiv.  184S.  296. 
l  odwi  g,  Physiologie.  H.  2.  Auflage. 


32 


498 


Luftmisckiing ;  luftvoränderndD  Werksieuge. 


eintretende  und  die  restirende  Luft  und  zwar  durch  den  Athemstr 
selbst  rasch  gemischt,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  die  Luft,  weh 
unmittelbar  nach  dem  Einathmen  auch  wieder  ausgeathmet  w 
schon  so  wesentlich  ihre  Zusammensetzung  geändert  hat,  dass  die 
den  langsamer  wirkenden  Diffussiousströmen  nicht  zugeschrie 
werden  kann.    Die  wesenthchsten  Hilfsmittel  zur  Erzeugung  diei 
wir  wollen  sagen,  mechanischen  Mischung  scheinen  zu  liegen  zu 
in  der  grossen  Nachgiebigkeit  der  Lungenbläschen,  neben  der 
lativen  Steifigkeit  der  Bronchialröhren.    Dieser  Umstand  he 
es  natürlich,  dass  jede  Veränderung  des  Lungem*aums  zusa: 
fällt  mit  der  der  Bläschen,  so  dass  nur  bei  sehr  bedeutenden 
lumsveränderuugen  der  Brust  neben  den  Lungenenden  auch 
Lungenwurzeln  ausgedehnt  werden.    Bei  jeder  Einathmung,  sei 
auch  noch  so  wenig  tief,  bewegt  sich  dagegen  die  Luugenoberflä^ 
und  zwar  immer  von  dem  unbeweglichen  Ort  de^  Brustraums  (S; 
und  Rückenwand)  gegen  den  beweghcheren  (Basis  und  Brustb 
(Do Uders)*).    Darum  strömt  bei  jeder  Inspiration  Luft  aus 
Bronchiohs  in  die  weiten  Trichter,  und  stösst  dort  gegen  die  z 
reich  vorhandenen  Vorsprünge,  welche  die  sogen.  Lubgenz 
hegrenzen,  so  dass  deV  fein  eindringende  Strom  rasch  vert] 
wird.   Im  ähnlichen  Sinne  muss  die  enge  Stimmritze,  müssen 
vielen  Winkelbiegungen  der  Bronchi  wirken,  imd  endlich 
um  des  Kleinsten  zu  erwähnen,  die  Mischung  auch  dui'ch 
Flimmerbewegung  unterstützt  werden. 

Luftverändernde  Werkzeuge. 

Damit  der  bis  dahin  eingehaltene  Gang  nicht  unterbroi 
werde,  verfolgen  wir  die  Schicksale  der  eingeathmeten  Duft 
gleich  weiter. 

Heber  die  Eesttellung  ihrer  Veränderungen**).    Die  TemperaturTerändeni| 
welche  die  ausgeathmete  Luft  erlitten,  misst  man  nach  Valentin  und  Brunne 
einer  hinreichenden  Genauigkeit,  wenn  man  ein  empfindliches  Thermometer  mi 
eines  Korkes  in  ein  längeres  Glasrohr  befestigt.    Eine  der  Oeffnungen  des  Eo! 
bis  zur  Capillarenweite  verengert  sein.    Die  weitere  führt  man  vor  den  Muni 


»)  Henle's  und  Pfeufer'e  Zeitschrift.  N.  F.  m.  39. 

••)  Valentin,  Lehrbuch  der  Pliysiologie.  I.  Bd.  2.  Auflage.  634  u.  f.  —  Handwörterbw 
Chemie  von  Liebig  u.  s.  w.  II.  Bd.  1050.  —  Frnnkland,  Liebig's  Annnlen.  SS.  Bd.  p. 
Moleschott,  HoUäudische  Beitrage.  I.  Bd.  p.  86.  —  Scharling,  Liebig's  Annaleii.  4S. 
Derselbe,  Jourual  fiir  jirnkt.  Chemie.  3(i.  Bd.  —  Andrnl  und  Gavarret,  Ueber  diei 
die  Limgeii  auseeathmete  C02-Mcnee.  Wiesbaden  ISl.'i.  —  Allen  und  Pcpys,  Schweig 
Jourual  für  Chemie  uud  Physik.  I.  Bd.  19G.  —  Vierordt,  Physiologie  des  Athraens.  Kar| 
1845.  —  Prout,  Sch  WC  i  ggo  r' s  Journal  f9r  Cliemie  etc.  15.  Bd.  —  Becher,  Studi* 
Respiration.  Züricher  Mittlieiluugcn.  1855.  —  W.  Müller,  Beitrüge  zur  Theorie  der  Res] 
Wiener  akad.  Berichte.  XXXUI.  Bd.  p.  99. 


Luftveränderung;  analytiscio  Methoden. 


499 


raet  durch  dieselbe  mehrere  Minuten  hindurch  aus,  bis  die  Temperatur  desTherrao- 
ters  constant  geworden  ist. 

Mit  einer  Untersuchung  der  chemischen  Veränderungen  der  Luft  verbindet  man 
schicdene  Absichten.    Entweder  man  will  nur  erkennen,  wie  sich  ihre  prozentische 
j:animenset2üng  zu  einer  beliebigen  Zeit  gestaltet  habe,  oder  man  will  auch  wissen, 
gross  die  Gesammtmenge  der  Gase  ist,   welche  während  eines  bestimmten  Zeit- 
Dins  von  der  Lunge  verzehrt  und  geliefert  wurde. 

Wenn  es  sich  niu-  um  den  prozentischen  Gehalt  der  Ausathmungsluft  an  0,  OOj, 
■aandelt,  so  genügt  es,  eine  beliebige  Menge  der  Ausathmungsluft  aufzufangen  und 
1  bekannten   eudiometrischen  Methoden    zu  anaJysiren,    welche   seit  Bunsen, 
i,änault,  Frankland  einen  so  hohen  Grad  von  Vollkommenheit  und  Einfachheit 

I  damit  ein  sicheres  Uebergewicht  über  die  mühseligen  Gewichtsbestimmungen  ge- 
jtjien  haben.  —   Man  hat  sieh  dieser  vervollkommneten  eudiometrischen  Methoden 

II  nicht  in  allen  vorliegenden  Untersuchungen  bedient;  namentlich  hat  man,  wie 
.1.  in  der  ausgedehnten  Versuchsreihe  von  Vierer  dt,  versäumt,  die  ßasvolumina 

I  und  nach  der  Bestimmung  eines  ihrer  Bestandtheüe  auf  gleichen  oder  auf  be- 
inten  Gehalt  an  Wassergas  zu  bringen,  und  auch  oft  nicht  die  nöthige  Sorgfalt  auf 
ITemperaturbestimmung  gewendet,  so  dass  die  in  dem  Volum  des  analysirten  Gases 
•Pachteten  Veränderungen  fälschlich  alle  auf  Mehrung  eines  aus  der  Luft  entfernten 
KandtheUs  geschoben  werden.  Die  hieraus  erwachsenden  Fehler  sind  um  so  merk- 
»r,  wenn,  wie  es  bei  den  Athemgasen  gewöhnlich  geschieht,  aus  den  Analysen 
uer  Mengen  auf  die  Veränderungen  sehr  grosser  zurückgeschlosseu  wird,  weil  sich 

II  der  Fehler  in  demselben  Verhältniss  mehrt,  in  welchem  die  analysirten  zu  den 
tchneten  Voluminibus  stehen.  —  Den  Prozentgehalt  der  Ausathmungsluft  an  Wasser- 
^pf  ermittelte  man  bis  dahin  dadurch,  dass  man  durch  ein  Eohr  ausathmete,  welches 
iAsbest  von  SO3  befeuchtet  gefüllt  war.  Das  vom  Mund  abgewendete  Ende  dieses 
res  stand  in  Verbindung  mit  einem  Ballon,  der  vor  Beginn  des  Versuchs  mit  Salz- 
ser  oder  Oel  gefüllt  war.  Die  in's  Eohr  gelassene  Ausathmungsluft  gab  an  die 
;  ihren  Wassergehalt  ab  und  stieg  dann  über  die  Sperrflüssigkeit.  Die  Gewichts- 
iome  des  Asbestrohres  giebt  den  Wassergehalt  des  Luftvolums ,  welches  in  den 
nn  eingetreten  ist  (Valentin,  Moleschott).  Bei  solchen  Versuchen  muss  die 
«  cht  gebraucht  werden ,  zwischen  den  Mund  und  die  Schwefelsäure  kein  kühles, 
la Erniedrigung  der  Temperatur  wasserausfällendes  Mittelstück  einzuschalten.  Dieses 
Ii  umständliche  und  durch  die  nothwendigen  Volumbestimmungen  der  Luft  und 
IReduktion  des  beobachteten  Volums  auf  die  höher  erwärmte  der  Lunge  immer  un- 
rre  Verfahren  könnte  vielleicht  mit  Vortheil  ersetzt  werden  durch  das  Thermo- 
t'Psychrometer ,  mit  deren  Hülfe  die  Temperatur  und  der  Sättigungsgrad  der  Luft 
Laden  sind. 

Viel  komplizirtere  Versuche  sind  nothwendig,  wenn  man  den  ganzen  Gewinn 
^Verlust  eines  oder  aller  am  Gasaustausch  betheiligten  Stoffe  während  einer  be- 
teten Zeit  feststellen  will.  In  einem  solchen  Fall  muss  natürlich  das  Gewicht 
titlicher  Luft,  welche  in  die  Lunge  ein-  und  ausgeht,  bekannt  sein,  und  da  dieses, 
-  grössten  Theil  wenigstens ,  nur  mit  Hülfe  eines  llaummaasses  gewonnen  werden 

,  so  sieht  man  sogleich  die  Schwierigkeiten  ein,  welche  sich  einer  längeru  Fert- 
ig des  Versuchs  entgegenstellen,  wegen  der  Isolation  der  grossen  Luftmengen, 
nt  aufgefangen  werden  müssen. 

i  Am  relativ  einfachsten  gestaltet  sich  der  Versuch ,  wenn  man  nur  die  aus- 
wuete  COj  zu  wägen  beabsichtigt,  indem  dann  die  cingcathmete  Luft  wogen  ihres 

32  • 


500 


Sammlung  der  ausgoathmeteii  Gasvoluniina. 


geringen  COj-Gohaltes  unberücksichtigt  bleiben  kann.    Diese  Aufgabe  hat  man' 
vielleicht  darum  auch  am  häufigsten  gestellt.    Die  in  Anwendung  gebrachten  Mcthol 
die  ganze  Menge  der  CO2  zu  fangen,  sind  folgende  gewesen:   1)  Man  brachte  Mu 
und  Nasonöffnung  des   zu  beobachtenden  Menschen   in  einen  geschlossenen 
z.  Bi  in  eine  mit  einem  Fenster  versehene  Kautschukmasse,  leitete  durch  diesen  ei 
Luftstrom,  dessen  einseitige  Ilichtung  durch  Ventile  gesichert  war;  die  Luft,  well 
in  die  Maske  eindrang ,  kam  dorthin  aus  der  Atmosphäre ,  und  die ,  welche  ausdrl] 
wurde  entweder  durch  eine  Keihe  von  Eöhren  geführt,  deren  Inhalt  COj  nnd  Wa^ 
dampf  absorbirte  (Scharling),  oder  in  einen  luftverdünnten  Raum  (Andral 
Gavarret).    Die  Gewichtszunahme  der  Köhren,  welche  die  CO2  absorbirt  hatten,  | 
im  ersten  Fall  die  während  der  Versuehszeit  ausgestossene  CGj ;  im  zweiten  Fall 
nach  Beendigung  des  "Versuchs  Druck,  Temperatur  und  Volum  der  durchgetret^ 
Luft  gemessen  und  eine  Probe  derselben  oder  die  ganze  Masse  analysirt.  Der 
ström,  welcher  durch  die  Maske  hindurchgeht,  wurde  bei  Andral  und  Gavai 
unterhalten  durch  die  Unterschiede  des  Luftdruckes,  indem  nach  der  einen  Seite | 
aus  der  Maske  eine  Röhre  in  die  Atmosphäre  und  nach  der  andern  in  einen 
mehrere  grosse,  bei  Beginn  des  Versuchs  luftleere  Ballons  ging.    Scharling  zogl 
Luft  mittelst  eines  Aspirators  durch,  d.  h.  er  legte  hinter  die  Absorptionsröhren | 
grosses,  mit  Wasser  gefülltes  Fass,  welches  während  des  Versuchs  seine  Flüssig 
entleerte  und  sich  dafür   mit  Luft  füllte ,   welche  es  aus  der  Maske  bezog. 
W^esentliche  dieser  Einrichtung  giebt  Fig.  70  wieder.  —  2)  Die  Personen  athml 
ungehindert  durch  die  Nase  Luft  ein  und  stiessen  dieselbe,  nachdem  sie  in  der  Li] 
verweilt  hatte ,  aus  durch  ein  Rohr,  das  bei  geschlossener  Nase  in  einen  geschlossejj 
ursprünglich  luftfreien  Raum  mündete.    Man  bestimmte  zu  Ende  des  Versuchs  Vol 
Temperatur  und  Druck  des  mit  Athenigasen  gefüllten  Raumes  und  analysirte  eine  P| 
der  wohlgemengten  Luft.    Indem  man  also  den  prozentischen  COs- Gehalt  der 
geathmeten  Luft  und  das  Gesammtgewicht  dieser  letztem  kannte,  konnte  man 
das  Gesammtgewicht  der  ausgehauchten  CO2  berechnen.  —  3)  Zu  besondern  Zwei 
wendete  W.  Müller  den  durch  Fig.  61  versinnlichten  Apparat  an.    Der' Zweig  j4| 

Fig.  61. 


dreischenkeligen  Rohrs  ^  JB  C  ist  in   die  blossgelegte  Luftrölire  eines  Thieres 
gebunden ,  die  Zweige  £  und  C  münden  in  zwei  Quecksilber-Ventile  Hl  und  JI2,  wel 
die  Luft  in  entgegengesetzter  Richtung ,  und  zwar  nach  Angabe  der  Pfeile  durchlasi  ^, 
Aus  jedem  Ventile  geht  das  ausfülirende  Rohr  D  1  und  D2  in  die  Glocke  (KJ,  wolch» 


4 

Sammlung  der  ausgoathmetou  Gasvolumina. 


501 


Quocksilbergefäss  /  J  eintaucht  und  in  die  es  bis  zu  joder  beliebigen  Tiefe  vor- 
ikt  werden  icann.  Aus  der  genannten  Glocke,  und  zwar  nahe  von  ihrer  untern 
II  Mündung  an  führt  ein  Eohr  G  zu  dem  mit  Quecksilber  oder  Wasser  gesperrten 
.iiuter  Z.  Ausserdem  führt  aus  dem  Ventil  112  noch  ein  drittes  Rohr  (die  Eohro 
und  M  können,  durch  Quetschhähne  verschlossen  werden),  dessen  in  die  Luft 
ende  freie  Mündung  durch  Wasser  gesperrt  ist.  —  Der  Zusammensetzung  des 
inarats  liegt  die  Absieht  zu  Grunde,  den  Athmungshergang  mit  vorzugsweiser  Be- 
iksichtigung  der  Gas-Absorption  durch  das  Blut  zu  untersuchen,  und  zwar  mit  oder 
ne  Gegenwart  des  N.  Im  letztern  Falle  wird  der  Gasometer  und  die  Glocke  mit 
gefüllt,  die  Glocke  so  weit  aus  dem  Hg  gezogen,  dass  das  untere  Ende  des 
oires  G  frei  bleibt;  das  Eohr  D2  wird  zugeklemmt  und  M  geöffnet.  Beginnt  in 
Hier  Stellung  die  Athmung,  so  geht  der  0  aus  Z  in  jST,  von  da  durch  Hl  in  die 
lage  und  aus  ihr  durch  das  Ventil  112  in  das  Eohr  M  zur  freien  Luft.  Ist  auf 
ae  Weise  der  Strom  so  lange  geführt  worden,  bis  aller  N  aus  der  Lunge  entfernt 
so  klemmt  man  M  zu ,  öffnet  J)  2  und  senk<  die  Glocke  so  tief  in  Quecksilber, 
1  das  untere  Ende  von  G  eintaucht.  Dann  athmet  das  Thier  in  die  mit  0  gefüllte 
wcke  Jl  aus  uad  ein. 

Die  Methoden,  die  Luft  aufzufangen,  waren  verschiedenartige.    Prout  bläst  die 
t  in  eine  durch  vorgängiges  Zusammendrücken  entleerte,  luftdichte  Blase ;  Vierordt 
inen  Ballon ,  der  ursprünglich   mit  Salzwasser  gefüllt  war ;  Allen,  Pepys  und 
eher  in  ein  mit  Quecksilber  gesperrtes  Gasometer.     Um  die  Versuche  mit  einer 
laältnissraässig  geringem  Menge  des  Iheuren  und  schwer  zu  handhabenden  Queek- 
eers  möglich  zu  machen,  bedienten  sich  Allen  und  Pepys  zwei  kleiner  Gaso- 
er, deren  jeder  nur  wenige  Athemzüge  fassen  konnte.    Diese  wurden  abwechselnd 
atzt.    War  einer  derselben  mit  Luft  gefüllt ,  so  wurde  aus  ihm ,  nachdem  der  In- 
durchgeschüttelt   und  auf  sein  Volum  bestimmt  war,  eine  Probe  Luft  in  ein 
imes  Eöhrchen  zur  späteren  Analyse  zurückgestellt  und  dann  wieder  mit  Quecksilber 
Jlt.    Unterdess  war  in  das  andere  Gaso- 
är  geathmet  und  dieses  dadurch  mit  Luft 
ii'dlt  worden;  man  kehrte  alsdann  zu  dem 
en  zurück,  und  während  dess  wurde  aus 
.  aweiten  eine  Luftprobe  entnommen  u.  s.  f.  — 
her  gebrauchte  dagegen  das  Gasometer 
Despretz  oder  Döberciner,  dessen 
richtung  durch  Fig.  62   erläutert  wird, 
das  Brett  (E  F)  ist  ein  Hohlcylinder 
Eisenblech  (Ä  B  C  DJ  und  ein  wohl- 
misster  solider  Holzcylindor  (ZJ  aufge- 
rauht, so  dass  der  Hohlraum  des  Blech- 
nders  bis  auf   eine  schmale  Eiune  und 
p.n  über  dem  Holzcylinder  stehenden  Eand 
ibfüllt  ist.    In  diese  Rinne  passt  möglichst 
eine  cylindrische  tubulirte  Glasglocke 
EH;  wenn  also  die  Glocke  über  den 
zpflock  möglichst  tief  eingeschoben  ist,  so 
der  Hohlraum  des  Cylinders    fast  voll- 
men  ansgefüllt;  in  den  übrig  bleibenden 
;  desselben  wird  Quecksilber  gegossen,  das 


Fig.  62. 


I!] 


gQ2  Temperatur  der  Ausathmungsluft. 

bei  möglichst  tiefem  Eintauchen  der  Glocke  bis  in  den  Tubulus  derselben  (M)  hini 
reichen  muss;  bläst  man  darauf  Luft  in  den  mit  einem  Hahn  versehenen  Sehl« 
(M  Nj ,  so  erhebt  sich  die  Glocke ,  das  Quecksilber  sinkt  in  die  Kinne  zwischen 
und  AB  C  T>,  und  die  Luft  wird  immer  gesperrt  sein ,  wenn  auch  nur  so  viel  Que 
•  Silber  vorhanden  ist,  um  die  Einne  so  weit  zu  füllen,  dass  das  abgerundete  ob 
Ende  des  Holzpflockes  bedeckt  bleibt.  Bei  0  ist  in  den  Blecheylindcr  ein  ebenes  G 
eingesetzt,  um  den  Stand  des  Quecksilbers  und  die  Erhebung  der  graduirten  Gl 
glocko  abzulesen.  —  Die  Resultate  der  Versuche,  welche  sich  des  Quecksilberg 
Sperrraittel  bedienten,  verdienen  ceteris  paribus  natürlich  den  Vorzug  vor  denen, 
welchen  man  zu  gleichem  Zwecke  Kochsalzlösung  anwendete.  Denn  diese  letzt 
absorbirt  merkliche  Mengen  von  CO2 ,  und  es  wü-d  diese  Absorption  um  so  weni 
zu  vernachlässigen  sein,  als  die  Ausathmungsluft  in  einzelnen  Blasen  durch  das  Spi 
wasser  hindurchdringt  und  dann  über  dem  letztern  stehend,  es  in  einer  beträohtlicl  '\ 
Ausdehnung  berührt.  Der  daraus  erwachsende  Fehler  ist  auch  kein  constanter, 
die  vom  Sperrwasser  aufy;enommeue  CO^-Menge  variirt  mit  der  Berührungsdauer  iHt2 
dem  OOä-Gehalt  der  Ausathmungsluft.  So  lange  nicht  durch  direkte  Versuche 
Grenzen  dieses  Fehlers  dargethan  sind,  muss  man,  dem  Ausspruch  der  bessern  G 
analytiker  gemäss ,  behaupten ,  dass  die  auf  diesem  Wege  angestellten  Versuche 
brauchbar  sind,  um  bedeutende  Unterschiede  im  Kohlensäuregehalt  der  Ausathmuu 
luft  aufzudecken.  —  Alle  Versuche  aber,  welche  bis  dahin  nach  der  unter  Numme; 
aufgeführten  Methode  angestellt  wurden,  leiden  an  dem  gemeinsamen  Uebelstande,  4t  / 
sie  sich  über  einen  nur  kurzen  Zeitraum  erstrecken.  Sie  erlauben  also  bei  der 
gemeinen  Veränderlichkeit  in  der  Absonderungsgeschwindigkeit  der  COj  keinen  Sehl 
auf  andere,  nicht  untersuchte  Zeitabschnitte. 

Geht  man  endlieh  darauf  aus,  geradewegs  zu  bestimmen,  wie  viel  0-Gas  in 
Lungen  verschluckt,    wie  viel  HO-Gas  dort  abgedunstet  und  wie  viel  N-Gas  einJJ^ 
nommen  oder  ausgegeben  sei,  so  muss  mau  Menge  und  Zusammensetzung  der  in 
Versuchszeit  ein  -  und  ausgeathmeten  Luft  kennen.    Denn  diese  Gase  sind  in  bei( 
Luftarten  enthalten  und  sie  können  somit  nur  aus  dem  Unterschied  ihrer  Gewicht« 
den  Ein  -  und  Ausathmungsprodukten  aufgefunden  werden.    Bis  dahin  sind  am  Mensel 
solche  Versuche  nicht  angestellt  worden.    Bei  Thieren  ist  dagegen  die  Sehwierigk 
die  sie  darbieten,  überwunden,  wie  wir  mittheilen  werden,  wenn  wir  auf  die  staune 
werthe  Versuchsreihe  eingehen,  welche  der  grosse  Physiker  Regnault  in  Verbind! 
mit  Reiset  ausgeführt  hat.    Dort  werden  wif  auch  einige  indirekte  Methoden 
wähnen,  welche  sich  das  oben  bezeichnete  Ziel  gesteckt  haben. 

1.  Temperatur  der  Ausathmungsluft.  Die  in  die  Li 
gen  aufgenommene  Luft  muss  ihre  Temperatur  ausgleichen  b 
deijenigen  der  Lungenwand,  resp.  des  in  ihr  strömenden  Blut 
Die  Zeit,  die  zu  dieser  Ausgleichung  nothwendig,  wächst  mit  d( 
Temperaturunterschied  zwischen  Blut  und  Luft  und  dem  aufgenoi 
menen  Volum  der  letzteren.  So  fand  z.  B.  Valentin  (gleiche  Za 
und  Tiefe  der  Athembewegung  vorausgesetzt),  dass  bei  eiuer  Lu 
temperatur  von  — 6,3"  C.  die  ausgeathmete  Luft  auf  +29,8"  C, 
einer  Lufttemperatur  von  +19,5"C.  die  ausgeathmetei  Luft 
+  37,25"  C,  bei  einer  Luftemperatur  von  +41,9"  C.  die  Ausa*| 


Wassergehalt  der  Ausathmnngsluft. 


503 


iiiigsliift  auf  H-38,1"C.  erwärmt  oder  abgekühlt  war.   Die  zur 
-deichung  der  Temperatur  nöthige  Zeitdauer  kann  keinesfalls 
.  SS  sein  bei  den  zahlreichen  Bertihrungen  zwischen  Luft  und 
I  Ilgenwand. 

2.  Vermehrung  des  Wassergehaltes.  Die  Luft,  welche 
die  Athemwege  geführt  wird,  ist  meist  niederer  temperirt,  und 
mit  jedenfalls  trockener,  als  die  Ausathmungsluft,  welche  in  den 
1  Ilgen  erwärmt  und  in  vielfache  Berührung  mit  feuchten  Flächen 
■i nacht  wurde.  —  Die  Luft,  welche  in  die  Lungen  aufgenommen, 
iid  sich  darum  rasch  mit  Wasser  sättigen;  der  Zeitraum,  welcher 
cizu  nothwendig,  wechselt  mit  dem  Volum,  der  Trockenheit  und 
1  Wärme  der  Einathmungsluft.  Ueber  den  absoluten  Zeitwerth, 
1  zur  Sättigung  nöthig,  bestehen  bedeutende  Widersprüche;  Va- 
iitin  behauptet,  dass  selbst  bei  rascher  Athemfolge  die  Sättigung 
1  die  bestehende  Temperatur  beendet  sei;  Moleschott  traf  sie 

lim  kaum  zur  Hälfte  satt.  —  Das  Gewicht  des  Lungendampfes, 
li  bes  wir  in  der  Zeiteinheit  ausstossen,  variirt  nachweislich  mit 
1  Zahl  der  Athemzüge.  Hierüber  giebt  Valentin*)  folgende 
ilielle,  aus  welcher  hervorgeht,  dass  das  Gewicht  des  Wasser- 

imstes  sich  mindert,  wenn  die  Zahl  der  Athemzüge  in  der  Minute 

»er  sechs  steigt. 


Zahl 
tr  Athemzüge  in 
der  Minute. 

Mittleres  Gewicht  des 
ausgeschiedenen  Wassers  in  Gr. 
für  die  Minute. 

Mittleres  Gewicht  des 
ausgeschiedenen  Waasers  in  Gr. 
für  einen  Athemzug. 

Zahl  der 
Beobachtungen. 

5 

0,287 

0,057 

6 

6 

0,297 

0,049 

30 

12 

0,246 

0,021 

30 

24 

0,261 

0,010 

30 

36 

0,197 

0,005 

3 

40 

0,205 

0,005 

2 

Wünschenswerth  würde  es  sein,  zu  wissen,  wie  die  Aufent- 
laltszeit  und  das  Volum  der  aufgenommenen  Luft  mit  der  Athem- 
iilge  gewechselt  habe.  Auch  mit  der  Temperatur  der  Atmosphäre 
ladet  Valentin  das  Gewicht  des  ausgestossenen  Dampfes  ver- 
uderlich.  In  der  Kälte  sollen  gleichviel  Athemzüge  weniger  Dunst 
itt  Tage  fördern,  als  in  der  Wärme. 

Als  tägliches  Mittel  des  von  ihm  ausgehauchten  Wassers  giebt 
'al entin  (54  Kgr.  schwer)  375  Gr.  an.  Nach  einer  geringeren 
aiahl  von  Beobachtungen  fand  er  es  bei  8  Studenten  zu  540  Gr. 


•)  1.  c.  p.  538. 


KohlonsäurcgehaU  der  Ausathmungsluft. 

täglich.     Diese  Menge  repräsentirt  natlirlich  nicht  den  Wasse 
Verlust,    den  das  Blut  durch  die  Athmung  erleidet;  um  ihn 
finden,  würde  man  von  den  gegebenen  Zahlen  die  unbekanni 
Menge  des  Wasserdunstes  abzuziehen  haben,  welche  in  der  Ei 
athmungsluft  enthalten  war. 

Uober  indirekte  SohätzungsraetlLodon  siehe  tkierischo  Wärme  und  Vergleich' 
der  Ausgabe  und  Einnahme  des  Blutes. 

3.  Veränderung  der  Kohlensäure.    Das  Gewicht  d 
täglich  entleerten  CO2  ist  wesentlich  bestimmt  von  der  Menge  d 
täglich  gebildeten,  weil  der  thierische  Körper  dieses  Gas,  fast 
rasch  wie  es  entstand,  auch  wieder  und  zwar  vorzüglich  durch  dil 
Lunge  entlässt.    Die  Mittel,  durch  welche  sich  die  Ausstossung  d 
Neubildung  anpasst,  sind  gegeben  durch  Veränderungen  des  U: 
terschiedes  der  C02spannung  in  der  Luft,  des  Blutes  und  d 
Lunge,  des  Wärmeunterschiedes  zwischen  dem  Blut  und  der  Lungeq 
luft,  durch  Veränderungen  des  Blutdrucks  und  der  Berührung 
fläche  zwischen  Luft  und  Blut. 

Theoretische  Einleitung.    Um  die  Bedeutimg  der  Bedingungen  richtig 
fassen,  ■welche  die  Absonderungsgesohwindigkeit  der  COj  beherrschen,  dienen  folgeAdl 
Erfahrungssätze.    Wie  bei  den   entsprechenden  Betrachtungen  über  Wasserbewegim| 
sollen  die  eingeflochtenen  theoretischen  Ausdrücke  nur  Mittel  zur  leichteren  Fasslich 
keit  sein. 

1)  Die  Kräfte  (Spannungen),  mit  welchen  sich  die  Theilchen  eines  Gases  ab 
Stessen,  verringern  sich  mit  der  abnehmenden  Dichtigkeit  des  Gases  (Mariotte'schtj 
Gesetz) ;  diese  abstossenden  ICräfte  können  ganz  in  derselben  Weise,  wie  es  p.  44 
das  Wasser  entwickelt  wurde ,  dazu  dienen ,    Geschwindigkeit  oder  Spannungen  del 
Gases  zu  erzeugen,  und  hier  wie  dort  ist  die  Geschwindigkeit ,  welche  der  GewichtsI 
einheit  Gas  mitgetheilt  werden  kann,  proportional  dem  Unterschied  der  Spanmingenjj 
welche  auf  den  entgegengesetzten  Grenzflächen  der  bewegten  Gasart  herrschen. 

2)  Nur  die  gleichartigen  (aus  denselben  chemischen  Atomen  und  Atomzahlen  be-j 
stehenden)  Gastheilchen   üben  eine   Abstossung  gegen  einander,  oder  besser  ausge'j 
drückt:  in  einem  Geraenge  aus  verschiedenen  Gasen  ist  die  schliessliche  Anordnund 
jedes  einzelnen  Theilchens  in   der  Gleichgewichtslage  nur  abhängig  von  den  Kräftwjj 
welche  von  den  ihm  gleichartigen  Theilchen  ausgehen.  Während  des  Uebergangs  aus  eiaa 
Stellung  in  die  andere,  also  während  der  Bewegung  wirkt  dagegen  die  Anwesenhe^ 
anderer  Gase  hömmend  auf  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  neue  Lage  eing?*i 
nommen  wird.  'ff 

3)  Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  ein  ohne  Hinderniss  bewegliches  Gasthail^ 
chen  ein  anderes  fixirtes  flieht,  wächst  mit  der  Zeit,  so  dass  es  in  der  ersten  Zeitein-[ 
heit  einen  kleineren  Weg  zurücklegt,  als  in  der  zweiten,  in  dieser  einen  kleineren  ^« 
in  der  dritten  u.  s.  f.  —  Die  Unterschiede  der  Geschwindigkeiten  in  den  Zeiteinheiten 
(die  beschleunigenden  Kräfte)  nehmen  dagegen  ab  mit  der  steigenden  Zeit.  Dieses 
folgt  aus  dem  Beharrungsvermögen  und  aus  dem  ersten  Satz,  dass  die  Intensität  der 
abstossenden  Kraft  sich  mit  der  Diohtigkeitsabnahme  mindert.    Denn  das  Gastheilohen 

% 


Kohlonsäuroausschoidung ;  theoretische  Einleitung. 


505 


Ki  die  im  ersten  Augenblick  empfangene  Geschwindigkeit  auch  noch  in  allen  folgen- 
behaupten;  dieselbe  wird  aber  in  jedem  folgenden  Augenblick  vermehrt  durch 
um  neuen  Druck  der  sich  abstossenden  Gasmolekoln.   Die  Anzahl  der  Stösse,  welche 
.in  Bewegung  gesetzte  Gastheilchen  empfangen  hat,  wächst  also  mit  der  Zeit  und 
in  derselben  Weise  die  Geschwindigkeit.    Die  Kraft  der  Stösse  nimmt  aber  von 
'  zum  andern  Zeittheilchen  ab,  weil  die  Entfernung  der  beiden  Molekeln  mit  der 
.    ;er  Bewegung  steigt,  und  darum  verringert  sich  mit  der  steigenden  Zeit  die 
fchleunigung,  welche  von  jenen  Stessen  abhängt. 

4)  Die  Gesetze,  welche  für  die  Bewegung  tropfbarer  Flüssigkeiten  durch  Eöhren 
en,  finden  auch  ihre  Anwendung  auf  Gase,  welche  sich  im  Düfusionsstrom  durch 
wen  bewegen.    Tauchte  z.  B.  die  eine  Mündung  eines  Eohrs  in  einen  Behälter  voll 
offgas  und  die  andere  Eöhrenöffnung  in  eine  Atmosphäre  von  Kohlensäure,  so 
Iden  unabhängig  von   einander   zwei  Gasströme  in   entgegengesetzten  Kichtungen 
Lh  das  Eöhrenlumen  laufen,  und  zwar  darum  ohne  gegenseitige  Störung,  weil  die 
rrstofiftheilohen  nicht  von  der  COj  und  diese  nicht  von  jener  ihre  Anregung  zur 
sjBgung  empfangen.    Die.  Bewegungsanregung  eines  jeden  dieser  Ströme  würde  ein- 
äund  allein  begründet  sein  in  der  Abstossung  der  gleichartigen  Gastheilchen,  oder, 
dasselbe  bedeutet,  von  dem  Dichtigkeits -  (Spannungs-) unterschied,  welcher  zwi- 
i  den  gleichartigen  Gastheilchen  an  den  beiden  Enden  der  Eöhre  besteht.  Die 
nwart  der  fremden  Gasart  würde  nur  insoweit  die  Strömung  beeinflussen,  als  sie 
Art  eines  Eeibungswiderstandes  die  Geschwindigkeit  behinderte.  Vorausgesetzt, 
bewerkstelligte  es  nun  durch  irgend  welche  Vorrichtung,  dass  der  Spannungs- 
yschied  am  Ende  und  am  Anfang  des  Eohrs  während  der  ganzen  Versuchsdauer 
rändert  bliebe,   so  würde  sich  auch  die  Geschwindigkeit  eines  jeden  Stroms  in 
rr  Zeit  constant  erhalten,  und  es  müsste,  weil  eine  Bewegung  materieller  Theil- 
vor  sich  geht,  die  Geschwindigkeit  abhängig  sein  einerseits  von  dem  Spannungs- 
»schied,  und  andererseits  von  den  Eeibungen  und  dem  Widerstande,  welche  die 
iinung  der  Eöhre  mit  sich  bringt.    Da  es  den  Anschein  hat,  als  ob  diese  Be- 
dungen der  Theorie  an  sich  klar  wären,  so  betonen  wir  der  physiologischen  Wich- 
tt  wegen  nur,  dass  die  Dimensionen  des  Eohrs  von  Einfiuss  sind  auf  die  Ge- 
imdigkeit  des  Diffusionsstroms  nach  der  Eöhrenlänge.    Nehmen  wir  an,  es  sei  uns 
inchtor förmiges  Eohr  A  B  Fig.  63  gegeben,  in  welcher  ein  Sauerstoffstrom  von  B 
Ä  und  ein  Kohlensäurestrom  von  A 
B  gehe.    Gesetzt,  es  sei  der  Unter- 
l  der  grösseren  Kohlensäuredichtigkeit 
(  und  der  geringere  bei  B  gleich  dem- 
»n    für    den   Sauerstoff  bei   B  (der 
im)  und  A  (der  geringem),  so  wür- 
.ie  Triebkräfte ,  welche  den  COsstrom 
i;en,  doch  grösser  sein,  als  diejenigen, 
e    die    Sauerstoffbewegung  einleiten 
ilarum  auch  die  Geschwindigkeit  des 
iieu  über  die  des  letzteren  überwiegen. 
)  ist  ohne  weiteren  Beweis  einleuch-  ■ 

iweil  bei  gleicher  Spannung  in  den  Gasflächen  die  Zahl  der  COathcilchen,  welche 
l  nach  B  hin  drücken,  grösser  ist,  als  die  der  SauerstoiTtheilchen,  welche  von 
•h  A  hin  drängen.  Wir  machen  im  Voraus  darauf  aufmerksam,  das  der  COjstrom 
it  Ton  der  Lungenoberflächc ,  welche  eine  Ausbreitung  von  vielen  Quadratfussen 


506 


Kolilensäurcausscheidujig ;  Ihoorotischo  Einlfiitung. 


■ 


besitzt,  und  in  der  engen  Luftröhre  mündet,  während  umgekehrt  der  SauersUif  ii 
von  den  Wurzeln  gegen  die  Enden  der  Lunge  streichen  muss. 

5)  Setzen  wir  voraus,  es  wäre  uns  ein  geschlossener  Kaum  gegeben,  welcher  i 
einer  beliebigen  Gasart,  z.  B.  mit  atmosphärischer  Luft,  gefüllt  sei,  und  es  w« 
eine  beliebige  Grenze  dieses  Baums  in  Verbindung  gebracht  mit  einer  andern  Gags 
z.  B.  OOi,  deren  Dichtigkeit  unveränderlich  gedacht  wird,  Bedingungen,  wie  sie 
nähernd  in  der  Lunge  verwirklicht  sind ,  so  werden  wir  behaupten  dürfen :  a) 
Geschwindigkeit  des  Diffusionsstroms  aus  der  CO?  in  die  Luft  nimmt  ab ,  wenn 
Zeit  des  bestehenden  Diffusionsstroms  zunimmt,  und  insbesondere  wird  sich  die 
schwindigkeitsabnahme  so  gestalten ,  dass  sie  im  Beginn  des  Diffusionsstroms 
und  mit  der  wachsenden  Dauer  desselben  langsamer  und  langsamer  absinkt.  Abni 
men  muss  die  Geschwindigkeit  überhaupt,  weil  die  treibenden  Kräfte,  oder  der  Di 
tigkeitsunterschied  der  CO2,  zwischen  der  angenommenen  Grenzfläche  und  dem 
schlossenen  Raum  mit  dem  Eindringen  von  COj  in  den  letztern  geringer  werden  mi 
Jm  Beginn  der  Zeit,  wo  der  geschlossene  Eaum  vollkommen  COjfrei  war,  wird 
Strom  unter  der  ganzen  Spannung  der  angrenzenden  COä  eintreten ;  im  nächsten  Äug' 
blick  wird  der  Strom  schon  gehemmt  durch  die  zuerst  eingetretene  CO4  u.  s.  f.,  x\ 
die  Geschwindigkeit  muss  also  immer  langsamer  werden.  Daraus  geht  auch  her^ 
dass  die  Geschwindigkcitsabnahmo  nicht  im  geraden  Verhältniss  zum  Wachsthum 
Zeit  erfolgen  kann.  Die  Geschwindigkeit  wird  auf  Null  herabsinken,  wenn  die  C 
Spannung  im  geschlossenen  Raum  und  an  der  angenommenen  Grenzfläche  gleich  gew 
den  ist.  —  b)  Der  Zeitraum,  welcher  verfliesst,  bis  die  Dichtigkeit  der  CO»  in 
geschlossenen  Raum  und  der  Grenzfläche  gleichwerthig  ist,  wächst  (bei  gleicher 
rührungsfläche  und  gleicher  ursprünglichen  Spannung  der  COs)  mit  dem  Cubikinl 
des  Raumes ;  er  nimmt  dagegen  ab  (bei  gleicher  Spannung  und  gleichem  Cubikinl 
des  Raumes)  mit  der  Berührungsfläche,  und  (bei  gleicher  Berührungsfläche  und  gleicl 
Cubikinhalt)  mit  abnehmender  Anfangsspannung.  —  c)  Das  Maxiraum  des  Dichtigke 
Unterschiedes,  welches  die  CO2  während  der  Stromdauer  in  deu  verschiedenen  Qi 
schnitten  des  geschlossenen  Raumes  darbietet,  nimmt  mit  der  Zeit  ab ;  mit  der  näl 
Bestimmung,  dass  die  Abnahme  während  gleicher  Zeiten  um  so  geringer  wird ,  je^  t 
fernter  die  Zeit  vom  Beginn  des  Stromes  liegt.  Zur  Verdeutlichung  dieses  Sa 
Fig.  64.  ziehen  wir  die  Pig.  64  herbei.    Stellen  wir 

ihr  entsprechend  den  geschlossenen  Luftn 
als  einen  Hohlcylinder  vor,  der  mit  einer  se: 
Grundflächen  A  B  in  ein  Kohlensäuremeer 
constanter  Dichtigkeit  taucht,  so  wird  der 
der  höchsten  Spannung  immer  auf  der  Pll 
AB  und  der  der  niedrigsten  auf  der  entge{ 
gesetzten  Grundfläche  CD  zu  finden  sein.  D 
es  ist  das  Fortschreiten  des  Difi\isionsstromes  eine  Folge  der  fortlaufend  verändfl 
Dichtigkeit  (nicht  etwa  einer  Wellenbewegung)  und  es  muss  demnach,  wenn  dia 
wegung  von  einem  m  AB  näheren  zu  einem  von  A  B  entfernteren  Ort  gehen 
die  Spannung  an  dem  erstem  höher  als  an  dem  letztern  sein.  Das  Maximum 
Dichtigkeitsuntersohiedes  wird  also  immer  gefunden,  wenn  man  die  auf  der  Fli 
CD  bestehende  Spannung  abzieht  von  der  constanten  in  AS.  Wir  wollen  uiiS' 
der  Einfachheit  wegen  die  Dichtigkeit  der  COj  an  beiden  Orten  gemessen  denken  di 
die  gleichen  Längeneinheiten  der  Linien  CD  und  AB.  Die  vorhin  ausgesproi 
Behauptung  würde  ■  demnach ,  auf  den  Fall  in  Pig.  64  übergetragen,  so  lauton,  dass 


KohlensKureaussoheidung  ;  theoi-etische  Einleitung.  507 

hshtigkeit  der  COj  auf  der  Fläche  CD  in  kürzerer  Zeit  von  Null  auf  halb  BG  (von 
t  auf  B)  ansteigt ,  als  von  halb  D  0  auf  ganz  B  G.  Dieses  rechtfertigt  sich  aber  da- 
^roh,  dass  die  absoluten  Mengen  von  COs,  welche  zur  Herbeiführung  eines  gleichen 
iwachses  von  Dichtigkeit  auf  CB  noth wendig  sind,  gleich  sein  müssen.  Die  Menge 
COi  aber,  welche  ein  Strom  unter  Voraussetzung  gleichen  Querschnitts  in  der 

i.  teinheit  mit  sich  führt,  ist  natüi-lich  proportional  dem  Spannungsunterschiede  der 
,1  am  Beginn  und  Ende  der  Strombahn  (=  der  Geschwindigkeit  derselben).  Nun 
rvegt  sich  aber,  wenn  die  Dichtigkeit  in  CB  von  Null  ^i)^  auf  ^kBG  fJEJ  anwächst, 

•  Spannungsunterschied  zwischen  ganz  und  halb  B  G  (sein  arithmetisches  Mittel  in 
isen  Grenzen  ist  =  ^/iBG),  während  er  sich  bei  dem  Ansteigen  der  Spannung  von 
'CB  fEJ  auf  ganz  B  G  (C)  zwischen  ein  halb  B  C  und  Null  bewegt  (sein  arithme- 
bhes  Mittel  ist  =  ^jtBG).  Die  Stromgeschwindigkeit  wird  also  zwischen  E  und  B 
th  viel  grösser  sein,  als  zwischen  E  und  G.  —  Die  soeben  gewonnene  Erfahrung 
rrt  uns  weiter  zu  der  Behauptung :   d)  Die  Curve  der  Dichtigkeit ,  besehrieben  über 

Achse  des  geschlossenen  Baumes,  nimmt  mit  der  wachsenden  Stromdauer  an  Steü- 
tt  ab.  Zum  Verständniss  dieses  Satzes  ist  zunächst  die  Erläuterung  einiger  Aus- 
coke  nothwendig.  Achse  des  geschlossenen  ■  Baumes  nennen  wir  die  gerade  Linie, 
cche  einen  Punkt  höchster  mit  dem  zunächst  gelegenen  niedrigster  Spannung  ver- 
ddet.    In  dem  Beispiel,  welches  Fig.  64  darstellt,  würden  also  alle  Linien,  welche 

Cylinderachse  parallel  laufen ,  als  Achsen  des  geschlossenen  Baumes  zu  bezeichnen 
u.  Dächten  wir  ujxs  nun  auf  eine  dieser  Achsen  der  Eeihe  nach  die  verschiedenen 
Ihtigkeiten  der  CO»  und  zwar  als  Ordinaten  aufgetragen,  die  in  den  Orten  enthalten 
II,  welche  die  Achse  durchschneidet,  so  würden  wir  die  Curve  der  Dichtigkeit  er- 
;4en.    Die  Curve  der  Dichtigkeit  giebt  also  nichts  anderes  als  einen  Ausdruck  für 

Yertheilung  der  CO2  nach  einfer  bestimmten  Eichtung  des  geschlossenen  Baumes, 
.  darum  will  die  obige  Behauptung  nichts  anderes  sagen ,  als  dass  die  Spannungs- 
eerschiede,  welche  die  Längeneinheit  des  Stromes  an  einer  beliebigen,  aber  bestiram- 

Stelle  desselben  darbietet,  mit  der  Stromdauer  abnimmt,  und  ferner,  dass  die  Zeit, 
tche  zur  gleichwerthigen  Verminderung  dieser  Unterschiede  nothwendig  ist,  mit  der 

ii.  er  des  DifiFusionsstromes  wächst.    Die  Nothwendigkeit  dieses  Satzes  leuchtet  gleich 

wenn  man,  wie  dieses  in  Fig.  64  geschehen,  annimmt,  dass  die  Dichtigkeit  auf 
Achse  (BBJ  abnehme  proportional  der  Entfernung  ihrer  Punkte  von  dem  Anfangs- 
höchster Spannung  B.    Unter  dieser  Voraussetzung  geht  bekanntlich  die  Steilheit 
Spannungscurve  AJE  und  AB  an  jedem  beliebigen  Abschnitte  der  Achse  propor- 
lal  dem  Maximum  des  Spannungsunterschiedes,  welches  in  dem  Baume  enthalten  ist. 
fser  letzte  Zusatz  gilt  nun  allerdings  nicht  mehr,  wenn  die  Curve  der  Spannung 
im  gekrümmten  Verlauf  angenommen  hat ,  indem  dann  nicht  überall  die  Spannungs- 
f erschiede  proportional  dem  Maximum  desselben  abgenommen  haben  werden,  aber 
nerhin  muss  sich  auch  hier  die  Abnahme  des  grössten  Unterschiedes  vertheüon  auf 
Verlauf  der  Curve  und  diese  somit  im  Allgemeinen  an  Steilheit  abnehmen.  — 
der  praktischen  Bedeutung,  welche  der  Curve  der  Dichtigkeit  zukommt,  wäre  es 
'ischenswerth ,  ihre  allgemeine  Form  zu  entwickeln  in  einem  geschlossenen  Baume 
der  Gestalt  der  Lungenhöhle.    Bei  der  Complikation  dieser  letzteren  ist  dieses 
r  unmöglich;  wir  müssen  uns  also  mit  dem  gegebenen  ungefähren  Ausdruck  bc- 
idigen. 

.  6)  Die  Temperaturunterschiede  der  Orte,  von  und  zu  denen  die  Strömung  geht, 
1  bedeutungsvoll,  weil  sie  bei  gleicher  Dichtigkeit  des  Gases  einen  Spannungsunter- 
«ied   desselben    erzeugen;    denn    mit  der  steigenden  Tcmpqratur  mehrt   sich  die 


5Qg  KoMensiiurcabdunstung  aus  Flüssigkeiten. 

abstossonde  Kraft  der  Gastheilchcn.  Eine  gleiclimässige  Erhöhung  oder  Erniedrige 
der  Teiuporatur  an  allen  Orten  des  Diffusionsstroms  könnte  auf  diesen  nur  einflussrei 
sein  durch  Voränderung  einer  etwa  bestehenden  Reibung. 

7)  Bis  dahin  verfolgten  wir  den  Gang  der  COj-Diffusion  im  freien  oder  nur  lu: 
erfüllten  Kaum ;  wir  werden  nun  betrachten,  wie  sich  die  Spannung  und  Geschwindi  ^ 
keit  jenes  Diffusionsstroms  an  der  Grenze  zwischen  Flüssigkeit  und  Luft,  oder  i 
Kücksicht  auf  die  Athmung  ausgedrückt,  wie  sie  sich  an  der  Grenze  zwischen  Bl' 
und  Luftröhren  der  Lunge  verhalten.  Die  hier  in  Frage  kommenden  Gesetze  sind  v 
Stefan*)  einer  mathematischen  Untersuchung  unterworfen  worden,  deren  Ergebnif 
mit  der  Erfahrung  vollkommen  übereinstimmen.  Nach  seinen  Annahmen  wird,  ^ 
beim  Uebergang  der  Gase  aus  einer  Luftschicht  in  eine  andere ,  auch  in  der  Grci 
schiebt  zwischen  Flüssigkeit  und  Luft  die  Geschwindigkeit  des  Stroms  bestimmt  dur 
den  Spannungsunterschied  der  Gase  diesseits  und  jenseits  jener  Schicht.  Die  Abwi 
chung  der  Vorgänge  an  den  beiden  verschiedenen  Orten  besteht  nur  darin,  dass  c 
Spannung  der  Gase  in  der  Flüssigkeit  in  anderer  Vfoise  von  der  Dichtigkeit  dersclb 
abhängt,  als  im  freien  Luftraum,  und  dass  den  Gasen  beim  Durchgang  durch  die  Flii 
äigkeit  ein  anderer  Eeibungswiderstand  entgegensteht,  als  fn  der  Luft.  Von  dem  E; 
flnss  des  letzteren  Umstandes  müssen  wir  einstweilen  noch  ganz  absehen ,  da  er  kev 
praktische  Erledigung  gefunden.  Von  der  Spannung  der  Gase  lässt  sich  dagegen  ai 
sagen,  dass  sie  in  der  Luft  wie  in  der  Flüssigkeit  unter  Voraussetzung  gleicher  Tei 
peratur  mit  der  Dichtigkeit  wächst;  aber  wenn  in  dem  Luftvolum  V  die  Gasmenge 

zerstreut  ist,  so  ist  der  Druck  p ,  den  sie  erzeugt,  =  — ,  d.  h.  die  Spannung  ist  n  u: 

abhängig  von  dem  Vorhältniss  des  Luftvolums  zu  der  in  ihm  vorhandenen  Gasmeng 
wenn  dagegen  das  in  dem  gleichgrosscn  Flüssigkeitsraum  V  absorbirte  Gas  denselb 

Druck  erzeugen  soll,  so  muss  die  Menge  dieses  Gases  =  «A  sein,  so  dass  p  =  -  sJ-i 

ist.  Hier  bezeichnet  a  den  Absorptionsooeffizienten  oder  das  Volum  Gas,  welches  t 
der  angenommenen  Temperatur  von  der  Raumeinheit  der  Flüssigkeiten  aüfgenomm 
werden  kann.  Um  den  Inhalt  dieser  Gleichungen  durch  ein  Zahlenbeispiel  aufzuklän 
nehmen  wir  an  V,  d.  i.  das  gleiche  Volum  von  Flüssigkeit  und  Gas,  sei  =10. 
der  Druck  p,  welcher  nach  vollendeter  Absorption  dem  Gas  in  Luftraum  und  in  6 
Flüssigkeit  zukomme,  sei  =  1,0  Meti-.,  und  der  Absorptionscoefflzient  sei  =  0,8, 
wird  die  Menge  des  Gases  in  dem  freien  Raum  =1,0  und  in  der  Flüssigb 
=  0,8  sein. 

Stefan  hat  mit  Zuhilfenahme  der  angedeuteten  Grundlagen  das  Verschlucl; 
und  Abdunsten  von  Gas  unter  sehr  verschiedenen  Bedingungen  untersucht ;  von  sein 
Erörterungen  sind  für  die  Athmung  namentlich  folgende  von  Wichtigkeit:  Wiet 
Gas  ist  aus  der  Luft  in  ein  gegebenes  Volum  von  Flüssigkeit  eingetreten  nach  Ai 
gleichung  des  Druckes  in  beiden,  und  zwar  wenn  entweder  der  Luftraum  unbeschrän 
war,  80  dass  der  Druck  des  freien  Gases  durch  den  Absorptionsvorgang  selbst  nie 
geändert  wird,  oder  wenn  auch  der  Luftraum  von  beschränkter  Ausdehnung  war, 
dass  sich  der  Druck  des  freien  Gases  durch  die  Absorption  selbst  änderte.  Unter  de 
selben  Bedingungen  hat  er  weiterhin  untersucht,  wie  sich  die  Geschwindigkeit  d 
Strömung  in  der  Grenzfläche  zwischem  freiem  Gas  und  Flüssigkeit  ändert  mit  d 


i; 


m 

titi 


•)  Wiener  akademische  Sitzungsberichte  XXVIl.  375. 


Zohlensäureausschoiduug,  abhängig  von  der  Athembewegung.  509 

laehsenden  Zeit,  und  demnach  auch  die  Gasmenge  bestimmt,  die  in  jedem  Zeitabschnitte 
iiihrend  der  bestehenden  Absorption  in  die  Flüssigkeit  übergeht.    Ausser  der  Ab- 
tion  hat  er  auch  die  Abdunstung  von  Gas  bei-ücksichtigt  und  namentlich  unter- 
.1,  wie  sich  das  letztere  verhält,  wenn  eine  Flüssigkeit  ihi-  Gas  von  constantem 
;  uck  in  einen  beschränkten  Kaum  entlässt;  auch' hier  hat  er  die  mit  der  Zeit  abneh- 
I  nde  Geschwindigkeit  und  die  in  jedem  Zeitintervall  austretende  Gasmenge  festge- 
I  ilt.    So  wichtig  dieser  Inhaltsanzeige  nach  die  Resultate  seiner  Untersuchung,  die 
I  .rall  von  der  Erfahrung  bestätigt  werden,  für  die  Athmungslehre  sind,  so  können 
I    hier  doch  nicht  mitgetheilt  werden,  weil  die  gefundenen  Formeln  ohne  Anwendung 
ä  höhern  Calcüls  nicht  verständlich  sind. 

8)  Da  die  verdunstbare  CO-2  des  Blutes  nicht  allein  gelöst,  sondern  zum  Theil 
iih  anderweitig  gebunden  ist,  so  könnte  es  fraglich  sein,  ob  die  Gesetze,  welche  für 

!  Abdunstung  des  einfach  absorbirteu  Gases  gelten,  auch  für  die  Athmung  in  Be- 
ccht  kommen.  Nach  zahlreichen  Erfahrungen  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen, 
äs  der  Theil  der  verdunstbaren  CO4,  welcher  nicht  gebanden,  sondern  nur  gelöst  ist, 
«de  so  abdunstet,  wie  wenn  der  gebundene  Antheil  des  Gases  gar  nicht  vorhanden 
rre.  Der  Unterschied  zwischen  dem  Blut  und  einer  anderen  von  gebundener  CO2 
iden  Flüssigkeit  würde  also  günstigsten  Falles  darin  bestehen,  dass  bei  der  Abdun- 
tjag  aus  dem  Blut  neben  der  Spannung  der  aufgelösten  auch  noch  die  der  gebun- 
iien  COä  in  Betracht  käme.  Aber  auch  dieser  Unterschied  scheint  nicht  zu  bestehen 
iier  den  Bedingungen  des  normalen  Lebens;  es  scheint  nämlich,  als  ob  nur  der 
kker  gebundene  Gasantheil  an  der  Athmung  Theil  hätte.    Wir  schliesseu  dieses  dar- 

(,  weil  bei  den  gewöhnlichen  Absorptionsversuchen  mit  Blut  erst  unterhalb  sehr 
idriger  Druckgrenzen  sich  die  Anwesenheit  der  gebundenen  CO2  bemerklich  macht, 
Ii  aus  der  Aehnlichkeit  (nicht  Uebereinstimmung)  des  Verhaltens  der  im  Blut  ge- 
iidenen  CO2  mit  derjenigen,  welche  aus  einer  Lösung  von  2Na0CO2  entweicht.  Wenn 
Dulich  bei  einer  Temperatur  von  23'',6C.  in  Wasser  so  viel  2NaOC02  enthalten  ist, 
>s  die  Menge  der  gebundenen,  aber  verdunstbaren  CO2  so  viel  wie  im  Blut  beträgt, 
genügt  die  Anwesenheit  von  1,0  pCt.  COj  in  dem  darüber  stehenden  Luftraum, 
die  Verdunstung  dieses  Gases  aus  der  Flüssigkeit  zu  verhindern  (L.  Meyer*). 
Leben  sinkt  aber  der  COi-Gehalt  der  Lungenluft  nie  auf  jenen  Werth,  sondern  er 
iiält  sieh  immer  weit  darüber.  Demnach  würde  man  sich  für  berechtigt  halten,  die 
I  )undene  CO4  des  Blutes  von  der  Betheiligung  an  der  Athmung  auszuschliessen,  wenn 
tu  wüsste,  ob  die  an  2ITaoPh05  gebundene  COj  sich  eben  so  verhalte,  wie  die  an 
jOCGi  geknüpfte.  Es  wäre  wünschenswerth,  dieses  durch  besondere  Versuche  zu  er- 
i*eln. 

Die  folgende  Darstellung  der  Schwankungen  in  der  COa-Aus- 
)lieidung  untersucht  der  Reihe  nach  den  Einfluss  der  Athem-  und 
mtbewegung,  der  Luft-  und  Blutzusammensetzung  und  endlich  der 
rrschiedenen  Zustände  der  Lungenwand. 

Athembewegung.  Im  Ruhezustand  des  Brustkastens  ist 
i  Lungenraum  mit  Luft  gefüllt,  welche,  in  feine  Bläschen  ver- 


'  ■)•  Gase  des  Bloteg  p.  42. 


dp 


gj;Q  Änderung  der  COj  mit  dem  Lungonort  und 

theilt,  durch  Wandungen  von  einer  sehr  grossen  Ausdehnung  begren: 
wh-d;  diese  letzteren  sind  durchzogen,  man  könnte  sagen,  gehild 
von  einem  dichten  Blutgefässuetze,  dessen  Inhalt  verdunstbare  0 
fuhrt.  Insofern  also  die  Luft  in  dem  Lungenraum  jemals  COi-fr 
war,  wird  sie  sogleich  einen  Antheil  dieses  Gases  empfangen,  ui 
dieser  Antheil  wird,  alles  Andere  gleich  gesetzt,  mit  der  Zeit  iltti 
Verweilens  in  der  Lunge  so  lange  wachsen,  bis  sie  die  Spannui 
der  CO2  im  Blute  angenommen  hat.  Bevor  jedoch  diese  Ausgle 
chung  eintritt,  geschieht  eine  Einathmung,  durch  welche  COa-fre 
Luft  theils  mit  der  bis  dahin  vorhandenen  vermengt  und  thei 
liber  die  bis  dahin  vorhandene  geschichtet  wird.  Das  erstere  g 
schiebt,  wenn  die  Einathmung  zu  umfänglich  ist,  um  nach  Ve 
drängung  der  Luft  aus  den  Bronchien  in  diesen  Platz  zu  finde 
so  dass  ein  Theil  der  eingeathmeten  noch  in  die  Bläschen  gelang 
der  in  den  Bronchien  zurückbleibende  Theil  der  neu  eingetretem 
Luft  ist  die  aufgeschichtete.  Nach  längerem  oder  kiü-zerem  Ve 
weilen  wird  sämmtliche  mit  der  Einathmung  aufgenommene  Lu 
wieder  ausgestossen,  nachdem  sie  natürlich  durch  Diffusion  un 
Mischung  CO2  empfangen,  und  es  bleibt  nach  dieser  Exspü-atio 
ein  Gasgemenge  zurück ,  welches  weniger  CO2  enthält ,  als  das  la 
mittelbar  vor  der  Inspiration  vorhandene.  Der  C02-Gehalt  desselb^ 
steigt  von  Neuem,  und  es  wiederholt  sich  dann  der  frühere  V^: 
gang  u.  s.  f.  Bei  einer  solchen  Einrichtung  unseres  Apparate 
dürfen  wir,  alles  Uebrige  gleichgesetzt,  erwarten: 

a)  Nach  vollendeter  Einathmung  wird  die  Dichtigkeit  der  C' 
in  den  Lungen  (oder  der  Prozentgehalt  ihrer  Luft  an  CO2)  .ahm 
men  von  den  Lungenwänden  hin  gegen  das  Centrum  der  einzelne] 
Höhlenabtheilungeu  und  von  den  engeren  Röhren  (den  Infundibulii 
gegen  die  weiteren  (die  Bronchien).    Der  Unterschied  der  Dich 
keit  an  diesen  verschiedenen  Orten  wird  abnehmen  mit  der  Auf< 
haltszeit  der  Luft  in  der  Lunge.   Allen,  Pepys  und  Vieroricl 
welche  bei  ihren  Versuchen  auf  diesen  Umstand  Rücksicht  nähme 
fanden  in  der  That,  dass  die  Luft,  welche  in  dem  Beginn  der  Am 
athmung  ausgestossen  wird,  ärmer  an  CO2  ist,  als  diejenige,  wel(iL#^ 
am  Ende  der  Ausathmung  erscheint.   Der  grössere  Theil  ersterf 
Luftquantums  kommt  aber  unzweifelhaft  aus  den  Bronchien,  cl< 
letztere  ursprünglich  aus  den  Lungenbläschen.    Dieser  Unterschied 
des  C02-Gehaltes  verschwindet  jedoch  nach  Vier or dt*),  wenn  di' 


•)  I.  c.  p.  171. 


mit  der  Aufontlialtszeit  der  Luft  in  der  Lunge. 


511 


ugeathmete  Luft  40  See.  lang-  in  der  Lunge  verweilte^,  bevor  sie 
oder  aiisgestosseu  wurde.    Da  zu  dieser  Zeit,  wie  wir  sehen 
rden,  der  CO-i-Strom  von  dem  Blut  zu  der  Luft  noch  nicht  ge- 
ilossen  ist,  so  muss  man  annehmen,  dass  auch  dann  noch  Un- 
I  liiede  bestehen,  die  aber  durch  den  Versuch  nicht  nachweisbar 
eu  (siehe  die  theoretischen  Betrachtungen  5.  c  und  d). 
b)  Die  mittlere  Dichtigkeit  (der  Prozentgehalt)  der  CO2  in  der 
,eathmeten  Luft  wh'd  um  so  mehr  zugenommen  haben,  je  län- 

I  die  eingeathmete  Luft  in  der  Lunge  verweilte  und  je  kleiner 
>  eingeathmete  Luftvolum  gewesen  war  (Vierordt).  Um  den 
;teren  Theil  dieses  Satzes  festzustellen,  genügt  es,  in  kurz  auf- 
laiider  folgenden  Zeiten  Ein-  und  Ausathmungen  von  immer  glei- 
eiii  Volum  auszuführen  und  die  aufgenommene  Luft  der  Reihe 

Ii  kürzere  und  längere  Zeit  zurückzuhalten,  bevor  sie  wieder 
^-;estossen  wird.    Als  Beispiel  für  den  Gang  der  Sättigung  füh- 

II  wii"  eine  mit  genauen  Hilfsmitteln  angestellte  Versuchsreihe  von 
Becher  an.    In  dieser  wurden  im  Mittel  4560  CG.  Luft  ein- 

(:d  ausgeathmet;  die  Dauer  der  Einathmung  betrag  2  bis  3  See, 
3  Zeit  des  Zurückhaltens  der  Reihe  nach  0,  20,  40,  60,  80, 
(0  See.    Der  mittlere  Prozentgehalt  der  Ausathmungsluft  an  GO2 
ttrug  nach  0  See.  =  3,6  pCt.,  nach  20  See.  =  5,6  pCt.,  auch  40  See. 
6,3  pGi,  nach  60  See.  =  7,2  pGt,  nach  80  See.  =  7,3  pCt., 
ch  100  See.  =  7,5  pCt.    Werden  diese  Zahlen  in  ein  Goordina- 
nsystem  eingetragen  65. 
iig.  65),  dessen  Ab-  co-^  proxenu. 
"  isse  die  Zeit,  dessen 
dinate  die  COj-Pro- 
rate  misst,  so  gelten 
'jselben   die  einlie- 
inde  Curve,  welche 
>!S  zeigt,  dass  die  5,6 
MWüchse,  welche  die 
cchtigkeit  der  CO2 
,  gleichen  Zeiten  em- 
längt,  rasch  abneh- 
en,  wenn  die  Zeit- 


3,6 


20 


40 


60       80  lOOSecumJen. 

nuer  des  Zurückhal- 

108  der  Luft  wächst.  In  Zahlen  ausgedrückt,  wuchs  nemlich  von 
i  bis  20  See.  der  Gehalt  um  2,0 ;  zwischen  20  und  40  See.  um 


512       Kohlensäureausscheidung,  abhängig  von  dem  geathmeten  Luftvolum. 


0,7;  zwischen  40  und  60  um  0,9;  zwischen  60  und  80  um  ( 
und  zwischen  80  und  100  um  0,2  pCt.    Die  einzige  Zahl  di. 
Reihe,  welche  freilich  innerhalb  der  Fehlergrenzen  von  dem  dm 
die  Theorie  verlangten  Gange  abweicht,  ist  wahrscheinlich 
dritte  zwischen  40  und  60  See.  gelegene. 

Stefan*)  hat  diese  Erfahrungen  mit  seiner  Theorie  verglichen,  indem  er  sei 
Gleichungen  eigends  für  diesen  2weck  umformte;  dann  hat  er  drei  Zahlen  von  SechHüp 
benutzt,  um  daraus   die  Constanten  zu  finden,   und   für   die   anderen  3  folgeilq 
"Werthe  berechnet. 

„  COa-Procente  „  ^        ,  .  , 

Zeit  ,    ,  ,      ,1  Unterschiede 

beobachtet  bereclinet 

Nach    0  See.  3,6  3,0  —0,6 

Nach  40    -  6,3  6,7  ■  +0,4 

Nach  80    -  7,3  7,4  -)-  0,1 

Diese  Uebcreinstimmung  ist  als  eine  sehr  gute  anzusehen,  da  Becher  selbst  bei  zt 

unter  ganz  gleichen  Umständen  ausgeführten  Vorsuchen  Fehler  von  0,2  pCt.  erhii 

Sollte  sich  bei  weiteren  Versuchen  diese  Uebcreinstimmung  bestätigen ,  so  würde  ei 

Tortsetzung    der    Beobachtungen    nach    dem    vorliegenden  Plane    sehr  wünschei 

Werth  sein. 

Setzt  man  die  Eechnung  mittelst  der  Gleichung  von  Stefan  fort,  so  zeigt  sü 
dass  das  Maximum,  welches  die  CGj-Prozente  in  der  Lungenluft  bei  der  vorliegend 
Versuchsreihe  annehmen  konnten,  =  7,57  pCt.  war.  Demnach  dürfte  mit  einer  i 
praktische  Zwecke  genügenden  Genauigkeit  angenommen  werden,  dass  nach  1 00  Seen 
den  die  Äxisgleichuug  zwischen  der  COs-Spannung  in  der  Lungenluft  und  in  dem  Bit 
erfolgt  wäre.  Unter  diesen  Voraussetzungen  könnte  man,  wenn  Druck  und  Temperat 
der  Lungenluft  bekannt  wäre ,  aus  obigen  Versuchen  den  Absorptionscoeffizienten  d 
lobenden  Blutes  für  CO.^  ableiten.  —  Auch  liesse  sich  aus  den  Versuchen  finden,  if 
gross  das  Luftvolum  ist,  welches  vor  der  Inspiration  in  der  Lunge  noch  vorband 
war;  dasjenige,  welches  wir  früher  den  unveränderlichen  Brustraum  nannten  (p.  49; 

Vierordt  giebt  eine  Beobachtungsreihe,  aus  der  hervorgeh 
dass  ein  kleines  Volum  eiugeathmeter  Luft  kürzere  Zeit  in  d( 
Lunge  zu  verweilen  braucht,  um  den  C02-Gehalt  zu  gewinnen,  w^ 
chen  ein  bedeutenderes  in  längerer  Zeit  erreicht.  Als  er  nemli§ 
500  bis  600  CC.  Luft  mit  je  einer  Einathmung  einzog  und  1800  C( 
ausstiess  und  in  einer  andern  Eeihe  möglichst  tief  insph-irte  m 
jedesmal  etwa  3600  CC.  ausathmete,  so  gab  er  in  der  ersten  Rei^ 
nach  20  See.  Zurückhaltens  eine  Luft  mit  6,5  pCt.  CO2;  uao 
40  See.  =  7,2  pCt.  und  nach  60  See.  =  7,4  pCt.  In  der  zweite 
Reihe  enthielt  dagegen  die  Luft  nach  20  See.  =  4,8  pCt.,  nag' 
40  See.  =  5,2  und  nach  60  See.  =  6,0  pCt.  CO2.  —  Allerding 


fr 


*)  Wiener  akademische  Sitzungsberichte.  27.  Bd.  39G. 


Kohlensäureaiisscheidung ,  abhäugig  von  der  Athembewegung.  513 


Id  beide  Reilieu  nicht  ganz  vergleichbar;  in  dieser  Beobachtung  . 
londers  nicht,  weil  in  der  ersten  Reihe  die  ausgeathmete  Luft 
überwiegender  Menge  aus  solcher  bestehen  musste,  welche  län- 

als  die  bezeichneten  Zeiten  in  der  Lunge  zurückgeblieben  war. 
ttte  man  aber  auch  diese  Ungleichheit  beseitigt,  so  würden  sich 
imoch  die  beiden  Versuchsreihen  durch  mehr  als  durch  blosse 
liamunterschiede  der  aufgenommenen  Luft  unterscheiden.  Das 
>ssere  Volum  dringt  tiefer  in  die  Bläschen  und  mischt  sich  dort 
i|iger,  und,  um  es  aufzunehmen,  müssen  sich  die  Lungenwände 

ihi'en  Gefässen,  d.  h.  die  Berührungsflächen  zwischen  der  Luft 
l  den  CO2  -  abdunstenden  Häuten  weiter  ausdehnen.  Dieser 
uind  kürzt  die  zur  Sättigung  nöthige  Zeit  wieder  ab,  während  sie 

Volumvermehrung  für  sich  allein  verlängert. 

c)  Die  mittlere  Geschwindigkeit  der  C02-Strömung  in  den  Lun- 
uraum  hinein  steigt  mit  dem  Volum  der  in  der  Zeiteinheit  (Minute) 
weathmeten  Luft  und  mit  der  Geschwindigkeit  des  Luftwechsels 
iierordt).    Dieses  geschieht  darum,  weil  durch  die  Ventilation 

Dichtigkeit  der  CO2  in  der  Lungenluft  vermindert  und  der 
Linnungsunterschied  zwischen  der  CO2  im  Blut  und  in  der  Luft 
iöht  wird.    Man  könnte  also  auch  sagen,  die  Geschwindigkeit 

C02-Strömung  und  damit  die  absolute  Menge  von  CO2,  welche 
üer  Zeiteinheit  durch  die  Lunge  entleert  wird,  steigt,  wenn  der 
zzentische  C02-Gehalt  in  der  ausgestossenen  Luft  abnimmt.  Der 
teinbare  Widerspruch,  dass  die  absolute  Menge  der  COi  in  der 
wathmungsluft  wächst  mit  der  abnehmenden  Dichtigkeit  derselben, 
;  sich,  wie  begreiflich,  leicht;  denn  wenn  der  prozentische  CO2- 
iialt  der  Luft  abgenommen,  so  hat  sich  in  ungemein  reichlicherer 
i  ise  die  Menge  der  in  der  Zeiteinheit  ausgestossenen  Luft  ge- 
bart. —  Die  Athembewegungen  sind  nun  im  Stande,  dasselbe 
iitvolum  auf  zwei  verschiedene  Arten  in  die  Lunge  zu  führen, 
weder  durch  zahkeichere  und  flachere  oder  durch  seltenere  und  _ 
i'ere  Züge.  Bei  gleichem  Volum  der  wechselnden  Luft  wird  der 
■itere  Respirationsmodus'  die  Menge  der  ausgeführten  CO2  mehr 
^.gem,  als  der  erstere,  denn  es  begünstigt  derselbe  die  mecha- 
ahe  Mischung  der  zurückbleibenden  und  der  eingeathmeten 
Ift,  und  er  vergi-össert  auch  die  Berührungsfläche  zwischen  der 
i'.teren  und  dem  Blute.  Die  Versuche  v^i  Vierordt  geben  fol- 
tide  Zahlen: 


Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage. 


33 


514 


Kohlensiiuroausscheiduiig ,  abhängig  von  der  Athembcwegung. 


Zahl  d.  Athomzüge  COi-Gehalt  d.  Luft  Luftvolum,  in  d.  Minute  COj-Yolum,  in  d.  Min 


in  der  Minute. 

Keihe.  6 
„  12 
„  24 
„  48 
96 
12 
12 
12 
12 


Reihe. 


in  Prozcnton. 

•  5,1 

4,1 
3,3 

3,0 
2,7 
5,4 
4,5 
4,0 
3,4 


ausgeathmiet,  in  CC. 

3000 

6000 
12000 
24000- 
48000 

3000 

6000 
12000 
24000 


ausgeaihmet,  inC 

168 
246 
372 
720 
1296 
162 
270 
480 
816 


Vergleicht  man  die  Zahlen  je  einer  dieser  Reihen,  so  si 
man  sogleich,  dass,  wenn  die  absolute  Menge  der  ausgehauch 
Luft  wächst,  der  Prozentgehalt  der  CO2  ab-   und  die  absol 
Menge  derselben  zunimmt.  —  Vergleicht  man  aber  die  Zahl 
beider  Tabellen,  und  namentlich  die  absoluten  Mengen  und 
Prozente  der  CO2  bei  gleichem  Volum  der  Exspirationsluft,  so  si 
man,  dass  die  C02-Prozente  bei  langsamer  Athemfolge  (ausgeno: 
men  sind  nur  die  beiden  ersten  Beobachtungen  in  der  erst 
[6  Züge]  und  in  der  zweiten  [12  Züge]  Reihe)  höher  sind,  als 
rascher.   Daraus  würde  man  den  Beobachtungen  zuwider  folge 
können,  dass  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  C02-Sti-oms  in 
Lungenluft  bei  langsamer  Athemfolge  und  voluminöseren  Luftzü 
geringer  sein  möchte,  als  bei  dem  entgegengesetzten  Modus 
athmen;  wenn  trotzdem  mehr  CO2  geliefert  wird,  so  kann  dies 
seinen  Grund  nur  in  der  grössern  Strombreite  (wegen  venneh" 
Berührungsfläche)  odet  in  der  Ausgiebigkeit  der  mechanisch 
Mischung  haben.  —  Natürlich  sind  diese  Erklärungsgründe  n 
giltig,  wenn,  was  aus  dem  Versuche  nicht  hervorgeht,  die 
während  welcher  die  eingeathmete  Luft  in  der  Lunge  verblieb,' 
gleiche  Luftvolumina  dieselbe  war,  und  wenn  zur  Zeit  der  beid' 
Reihen  gleiche  Spannungen  der  CO2  des  Blutes  bestanden. 

d)  Die  mittlere  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  CO2  in 
Lungenluft  strömt  während  eines  ganzen  Athemzugs  (Ein-, 
athmungi  Pause),  wird,  alles  Uebrige  gleichgesetzt,  wachsen 
der  Zeit,  während  welcher  der  Brustkorb  in  der  Einathmungss" 
lung  verweilt.  ^ 

Die  Wirksamkeit  des  Athemzugs  für  die  Ausscheidung  der  CO»  würde  jedenftU 
gesteigert  werden,  wenn  die  Brust,  statt  nach  vollendeter  Einathmung  sogleich  wiSil 
in  die  Exspirationsstellung  überzugehen  ,  in  erweitertem  Zustand  verharrte.  Aber 


Kohlensäureausscheidung,  abhängig  von  der  Athenibewegung. 


515 


i.iUniss  zur  Anstrengung  würde  der  Erfolg  doch,  immer  nur  ein  sehr  untergeord- 
r  sein,  wie  die  auf  p.  511  gezeichnete  Curve  von  Becher  einsehen  lässt,  da  mit 
über  ein  gewisses  Maass  dauernden  Inspirationszeit  die  CO2  nur  um  ein  Geringes 
;igert  wird  (Stefan). 

Bei  grösserem  Umfang  des  Brustkastens  wird  die  Dichtigkeit 
CO2  in  dem  Lungenraum  langsamer  ansteigen,  als  bei  geringem ; 
mach  wird  im  ersten  Fall  längere  Zeit  ein  grosser  Spannungs- 
3rschied  bestehen.  Versuche,  welche  diese  Angabe  der  Theorie 
l;ätigen,  fehlen. 

Eine  Untersuchung,  welche  die  oben  aufgestellten  theoretischen 
»aussetzungen  auf  ihre  Richtigkeit  prüfen"  wollte,  müsste,  ausser 

schon  angegebenen,  mindestens  noch  folgende  Bedingungen 
lllen:  1)  Sie  hätte  herzustellen  die  Gleichheit:  in  derZusammen- 
uung  der  eingeathmeten  Luft,  in  der  Menge  und  Zusammen- 
Dung  der  in  der  Lunge  restirenden  Luft,  in  der  Zusammen- 
lung  und  Stromgeschwindigkeit  des  Blutes.  Dieses  Alles  ist 
ääherad  zu  erreichen,  theils  dadurch,  dass  man  die  zu  verglei- 
laden  Versuche  unmittelbar  hinter  einander  anstellt,  theils  dass 
!  den  Brustkasten  auf  einem  bestimmten  Umfang  hält.  —  2)  Sie 
ee  zu  verändern  die  Zeit,  wähi-end  welcher  das  eingesogene 
^;volum  in  dem  Brustkastien  zurückgehalten  wird,  und  gleich  zu 
een:  das  gesammte' Volum  des  Luftwechsels  in  der  Zeiteinheit, 
Berührungsflächen  zwischen  Blut  und  Luft  und  den  Umfang 

mechanischen  Mischung  neuer  und  restirender  Luft  in  der 
^ge.  Dieses  wäre  zu  erreichen,  wenn  man  gleich  viel  Luft, 
ter  gleich  rasch  eingezogen,  mehr  oder  weniger  rasch  wieder 
r3mte,  so  dass  die  Athempause  kürzer  oder  länger  würde.  — 
•jie  hätte  zu  verändern  das  in  der  Zeiteinheit  gewechselte  Luft- 
im  und  dabei  gleich  zu  erhalten  die  mechanische  Mischung,  den 
rrschnitt  des  Diffusionsstroms,  die  Anwesenheitsdauer  der  inspi- 
ün  Luft;  um  dieses  zu  erfüllen,  würde  man  eine  ungleiche  Zahl 
'3h  tiefer  Athemzüge  machen,  von  denen  jeder  einzelne  um  so 
i;er  gehalten  werden  müsste,  je  seltener  die  Athemzüge  erfolg- 

—  4)  Sie  hätte  zu  verändern  die  mechanische  Vermischung 
i  neuen  und  restirenden  Luft  und  die  Berührungsflächen  zwischen 
;  und  Blut  und  dabei  gleich  zu  machen:  das  in  der  Zeiteinheit 
techselte  Luftvolum,  die  Zeitdauer  der  Einathmungsstellung, 
»äes  würde  geschehen,  entweder  wie  wir  schon  oben  unter  c  er- 
iinten,  oder  auch  durch  Bewegungen  des  Brustkorbes  nach  ge- 

bhener  Einathmung  und  bei  geschlossener  Stimmritze. 

33 


516 


Kohlonsäureaussoheidung,  abhängig  vom  Blutstrom 


Blutstrom.  Bei  der  Frage,  wie  eine  Verändening  des  B 
Stroms  in  der  Lunge  die  Ausscheidung  der  Kohlensäure  veimeh 
oder  vermindern  könne,  ist  wesentlich  aus  einander  zu  hal 
der  Einfluss  variabler  Spannung  und  variabler  Geschwindig" 
des  Stroms. 

Eine  vermehrte  Spannung  des  Blutstroms  muss,  alles  An 
gleichgesetzt,  unzweifelhaft  die  Ausscheidung  der  CO2  mehren,  u 
zwar  auf  zweierlei  Art.  Zunächst  wird  durch  sie  die  Berührün 
fläche  zwischen  Blut  und  Luft  vergrössert ;  da  sich  die  Gefässe, 
denen  das  Blut  unter  einem  höheren  Druck  sti-ömt,  ausdehn 
Mit  dem  Druck  des  Gesammtblutes  mehrt  sich  aber  auch 
Druck  seiner  CO2,  und  dieser  stellt  demnach  eine  zu  den  gewö' 
liehen  neu  hinzukommende  Bewegungsursache  dar,  vorausgese 
dass  die  gashaltige  Flüssigkeit  mit  einem  Raum  von  niederer  Sp 
nung  in  Berührung  kommt,  wie  dieses  in  der  That  zwischen  B 
und  Lungenluft  geschieht.  —  Ob  diese  Umstände  von  praktisc' 
Bedeutung  sind,  ist  noch  niemals  untersucht  worden. 

Der  veränderten  Geschwindigkeit  des  Blutstroms  würde 
ein  Einfluss  auf  die  COi-Abscheidung  zuzuschreiben  sein,  wenn 
feststünde,  dass  der  Unterschied  der  C02-Spannung  in  dem  ar 
riellen  und  venösem  Lungenblut  merklich  stiege,  wenn  die 
schwindigkeit  des  Stroms  in  den  Grenzen  des  normalen  Leb 
abnimmt.    Man  könnte  in  der  That  geneigt  sein,  dieses  in  Abre 
zu  stellen,  weil  jedenfalls  die  Zeit,  während  welcher  ein  Blutth 
chen  in  den  Lungencapillaren  verweilt,  nicht  merkhch  grösser  a 
fällt,  je  nachdem  es  das  eine  Mal  langsamer  als  das  andere  ' 
die  ungemein  kurze  Wegstrecke  durch  die  Limgenbläschen  zui-tt 
legt.    Die  Möglichkeit  kann,  freilich  nicht  besti'itten  werden.  S 
ten  wir  also  fest,  das  langsam  strömende  Blut  führe  beim  Aus 
aus  der  Bläschenwand  CO2  von  niederer  Spannung  (weil  es 
längerem  Aufenthalt  in  der  Lxmge  mehr  abgegeben),  als  das  ras 
fliessende,  und  geben  wir  in  beiden  Fällen  dem  arteriellen  Bl 
gleiche  Spannung,  so  würde  die  mittlere  C02-Dichtigkeit  des  Bl 
während  des  Aufenthaltes  in  der  Lunge  beim  langsamen  Str 
geringer  als  beim  raschen  sein.    Der  rasche  Strom  beschleuni 
also  die  Abscheidung.    Beobachtungen  über  die  hier  besprochen 
Probabilitäten  sind  nicht  angestellt. 

Luftveränderungen,  a.  Die  Zusammensetzung  d 
eingeathmeten  Luft  kann,  insofern  sie  von  der  gewöhnlich 
atmosphärischen  abweicht,  aus  allgemeinen  physiologischen  Gesich 


und  von  der  Zusammonsetzung  der  Einatliniungsluft.  517 


iikten  betrachtet,  auf  zweierlei  Weise  verändernd  in  die  Ab- 
loidnng  der  CO2  eingreifen.    Einmal,  indem  sie  ein  Material  in 
Lungen  und  von  da  in  das  Blut  führt,  welches  die  Bildung 

i  CO)  innerhalb  aller  oder  einzelner  Organe  fördert  oder  hemmt; 
einem  Wort  dadurch,  dass  sie  die  Zusammensetzung  des  Bluts 
rt;  wir  werden  die  Betrachtung  dieser  Einflüsse  einstweilen 
L  hieben.  —  Dann  aber  greift  möglicher  Weise  die  in  ihrer 

malen  Zusemmensetzuug  veränderte  Luft  auch  dadurch  ^auf  die 
vheidung  der  Kohlensäure  ein,  dass  sie  die  Entleerung  der 
al  in  dem  Blute  vorhandenen  beschleunigt  oder  verlangsamt. 
-L'  letztere  Weise  der  Einwirkung,  die  wir  hier  abhandeln,  hebt 

ii  vor  der  ersteren  sogleich  dadurch  ab,  dass  sie  sich  nicht  erst 

dem  Verlauf  von  mehreren,  vielleicht  von  vielen  Einathmungen, 
ud  macht,  sondern  schon  mit  dem  ersten  Athemzug  aus  der 
iidert  zusammengesetzten  Luft. 

Der  Physiolog  muss  nun  mit  Rücksicht  auf  die  Veränderung 
der  Zusammensetzung  der  Einathmungsluft  den  Unterschied  als 
i  ^entlieh  festhalten,  ob  der  C02-freie  oder  der  C02-haltige  Theil 
rr  Atmosphäre  alterirt  worden  ist. 

1)  Bei  der  Athmung  in  kohlensäurefreien  Gasen  muss 
■•  Theorie  entsprechend  die  CO2- Ausscheidung  überall  dieselbe 
tiben,  wenn  auch  die  Zusammensetzung  der  eingenommenen  Luft 
ust  noch  so  sehr  wechselt.  Diese  Behauptung  ist  die  nothwen- 
;';e  Folge  aus  dem  feststehenden  Grundsatz,  dass  nur  die  Molekeln 
■•  gleichartigen  Gasarten  im  Stande  sind,  sich  gegenseitig  in  ihrer 
>sdehnung,  oder  wie  man  sich  gewöhnlich  ausdrückt,  in  ihrer 
!3usion  zu  hemmen.  Versuche,  die  zur  Bestätigung  dieses  Satzes 
"men  könnten,  lassen  sich  nur  mit  wenigen  Gasarten  ausführen. 
:nn  einmal  sind  viele  Gasarten,  deren  Aufzählung  in  der  Toxiko- 
:jie  gesucht  werden  muss,  geradezu  Gifte,  und  dann  sind  von 
m  nichtgiftigen  nur  solche  zu  gebrauchen,  welche  Sauerstoff  in 
lier  oder  locker  gebundener  Form  enthalten,  da  die  Gegenwart 
•eses  Gases  im  Blute,  wie  wir  schon  früher  ausführten,  durchaus 
tthwendig  ist,  um  die  Lebenseigenschaft  der  Muskel-  und  Nerven- 
'bstanz  zu  erhalten.  Es  bleibt  somit  nur  übrig  reines  0-Gas, 
lallluft  (Sauerstoff  und  Wasserstoff) ,  Gemenge  von  Stickstoflf  mit 
lAierstoff  in  einem  Verhältniss ,  das  von  dem  atmosphärischen  ab- 
wicht, und  endlich  Stiekoxydul  (Lustgas).  —  Mit  diesen  Gasarten 
id  nun  auch  schon  Versuche  angestellt,  jedoch  meist  in  einer 
eise,  die  keinen  Vergleich  zulässt  mit  der  C02-Abschcidung  in 


518 


Kolilonsäuroaussclieidung,  abhängig  von  der  Luftwämc. 


gewöhnlicher  Luft.  Ein  solcher  Vergleich  würde  nemlich  nur  da 
zulässig  sein,  wenn  man  Rücksicht  genommen  hätte  auf  die 
schwindigkeit  des  Luftwechsels,  oder  wenn  man  die  Versuche  früll 
beendet  hätte,  bevor  die  Folgen  der  verändert  zusammengesetzt 
Luft  auf  die  Blutmischung  eingetreten  waren. 

In  einem  Widerspruch  mit  den  theoretischen  Ableitungen  scheinen  sich  die 
gebnisse  der  Untersuchung  von  Allen  und  Pepys  zu  befinden.    Denn  als  der 
ihnen  beobachtete  Mann  in  5,3  Athemzügen,  die  er  wälirend  der  Minute  ausfilhHI'S 
5332  CO.  atmosphärische  Luft  aufgenommen,  entleerte  er  eine  Luft,  welche  8*) 
CO2  enthielt;  als  derselbe  Mensch  auf  dieselbe  Weise  5800  CG.  eines  Gasgeraiscl 
aus  98  pCt.  Sauerstoff  und  2  pCt.  COj  einathmete  und  den  Versuch  9,5  Minuten 
setzte,  athmete  er  eine  Luft  mit  1 1  pCt.  Kohlensäure  aus.    In  der  zweiten  Beobal 
tungszeit  war  im  Gegensatz  zur  ersten  der  Zustand  des  Menschen  aber  nicht  dersi 
geblieben;  die  Zahl  der  Pulsschläge  war  vcyi  72  auf  88  in  der  Minute  emporgega; 
und  es  hatte  sich  ein  Gefühl  von  Wärme  und  zugleich  eine  gelinde  Hautausdünsi 
eingestellt.   Die  Vermuthung  liegt  damit  nahe ,  dass  sich  schon  in  den  ersten  Minn 
nach  der  Sauerstoffathmung   die  Zusammensetzung  des  Bluts  änderte ;  diese  Annahi 
gewinnt  eine  Bestätigung  durch  den  17.  Versuch  der  erwähnten  Autoren,  in  welch) 
von  demselben  Manne  56099  CO.  eines  Gemenges  von  98  pCt.  0  und  2  pCt.  N 
rend  7,55  Minuten  (7480  CO.  in  der  Minute)  eingeathmet  wurden.    Die  während 
ser  Zeit  ausgeathmeten  Luftmassen  wurden  von  halber  zu  halber  Minute  gesondi 
aufgefangen  und  untersucht.    Hierbei  ergab  sich ,  dass  die  in  den  ersten  30  Secuni 
gelieferte  Luft  9  pCt.  COs,  die  in  den  darauf  folgenden  60  Secunden  entleerte  10,5  pi 
CO2,  die  in  den  letzten  30  Secunden  ausgeathmete  endlich  12,5  pCt.  CO2  enthii 
Auch  bei  diesem  Versuch  war  schliesslich  die  Zahl  der  Pulsschläge  von  86  auf  Ifptr 
gestiegen  und  gegen  Ende  desselben  eine  Schweissbildung  eingetreten.    Diese  Bed| 
ken  gewinnen  um  so  mehr  an  Kraft,  als  ähnliche  Beobachtungen  von  W.  Mill 
die  Theorie  für  die  Lungenathmung  und  dfe  Versuche  von  Reiset  und  Eegnau 
sie  für  den  Gesammtgasweohsel  bestätigen. 

Ein  Zusatz  von  CO2  zur  Athmungsluft  wird  jedesmal  die  Aü 
Scheidung  dieses  Gases  aus  dem  Blute  hemmen;  der  Werth,  df 
die  Hemmung  erreicht,  wird  steigen  mit  dem  C02-Gehalte  der  Ln 
and  zwar  so ,  dass  schliesslich  eine  Stromumkehr  stattfindet.  S 
vfie  nemlich  dieses  Gas  in  der  Luft  höher  gespannt  ist  als  ii 
Blut,  so  muss  es  nun  aus  dem  ersteren  in  das  letztere  di-ingö 
Dieses  hat  zuerst  Legallois**)  beobachtet,  als  er  Katzen  un 
Kaninchen  in  eine  Atmosphäre  brachte,  welche  mehr  als  21  pi? 
CO2  enthielt.  W.  Müller  hat  die  hierher  gehörigen  Erscheinunge 
 _ —   ~  'itJ 

•)  Wir  erlauben  uns,  die  Beobachtungen  von  Allen  und  Pepys  noch  anzuführen,  obwot 
die  CO.j-Bestimmungen  sicher  mit  einem  Fehler  behaftet  sind.  Dieser  Fehler  ist  aber  in  iUä 
Beobachtungen  derselbe  geblieben ,  und  somit  geben  die  Zahlen  immer  noch  ein  vergleichlMflS] 
MansR  ab. 

,  *•)  Annales  de  chlmle  et  physique.  IV.  Bd.  (1817)  p.  126. 


Kohlensäureausscheidung,  abhängig  von  der  Luftwärme. 


519 


irer  verfolgt.  Er  befreite  die  Lunge  des  Thieres  möglichst  von 
ein  Stickstoff,  indem  er  0  durch  dieselbe  leitete;  dann  setzte  er 

Lunge  in  Verbindung  mit  einem  Kaum  von  150  bis  250  CC. 
alt,  der  mit,  reinem  0-Gas  geflillt  war.  Wenn  das  Thier  (Ka- 
rhen)  in  diesem  mit  Hg  gesperrten  Raum  (siehe  Fig.  61)  aus- 
'  einathmet  und  der  Luftdruck  in  demselben  immer  dem  atmo- 
liulschen  gleich  bleibt,  so  verschwindet  sein  gasartiger  Inhalt 
1  kommen;  das  Thier  saugt  den  ganzen  Inhalt  der  Glocke  auf. 
1  Grund  hierfür  lieg-t  darin,  dass  im  Anfang  der  0  vom  Blut 
:;euommen  imd  statt  dessen  CO2  ausgeschieden  wird.  Indem 
h  nun  der  Gasraum  durch  Entfernung  des  0-Stoffs  mindert,  meh- 
1  sich  die  C02-Prozente  desselben  und  also  auch  der-  Druckan- 
il  der  letzten  Luftart;  sowie  der  letzte  gleich  dem  der  CO2  im 
it  geworden,  wird  keine  C02-Ausscheidung  aus  letzterem  mehr 
ntinden,  sondern  aUe  neugebildete  CO2  im  Thier  verbleiben; 

>  wird,  wenn  die  0- Absorption  fortschreitet,  auch  die  ur- 
anglich ausgeschiedene  CO2  zurückgenommen  werden,  und  da 
ii  der  0  bis  zum  vollkommenen  Verschwinden  mindert,  so  wird 

s  auch  mit  der  CO2  geschehen.   Dieses  kann  jedoch  nur  so 

■  fortdauern,  bis  das  Thier  vollkommen  mit  CO2  gesättigt  ist. 

?nt  man  sich  also  eines  Raumes,  der  den  Umfang  des  Thieres 
I  trifft,  so  hört  bei  fortschreitendem  Athmen  allmählich  die  Ver- 
hierung  des  Luftraums  auf,  iridem  nunmehr  so  viel  CO2  aus- 
iilirt  als  0  aufgesogen  wird.    Dieses  tritt  ein,  wenn  das  Thier 

■<  mehr  CO2 ,  als  die  Hälfte  seines  Volums  beträgt ,  zum  Ver- 
iw  Inden  gebracht  hat.  Aber  dann  stirbt  auch  das  Thier,  obgleich 

geathmete  Luft  noch  viel  mehr  0  enthält,  alö  die  atmosphä- 
che;  also  ist  es  nicht  aus  Mangel  an  Sauerstoff,  sondern  durch 
!  Giftwirkungen  der  CO2  gestorben;  dem  entsprechend  tritt  der 
(d  nicht  unter  den  Erscheinungen  der  Erstickung,  sondern  unter 
iQen  der  Narcose  ein.  —  Die  prozentige  C02-Menge,  welche  die 
t.ft  enthalten  muss,  um  dieses  Gas  an  das  Blut  abzugeben,  statt 
von  ihm  zu  empfangen,  wird  begi-eiflich  variabel  sein,  da  die- 
}  aiy;h  mit  der  Spannung  der  CO2  im  Blute  der  Fall  ist. 

Wenn  der  Wasserdunst  in  der  atmosphärischen  Luft  zunimmt,  soll  auch  das 
sricht  der  ausgeathmoten  CO2  steigen  (Lehmann)*). 

b.  Physikalische  Luftveränderung.  Mit  der  Erniedri- 
ng  der  Temperatur  steigt  die  ausgeschiedene  Kohlensäure 


•)  Valentin'»  Jahresbericht  fUr  184«.  p.  UIO. 


520 


KohlonsSureaussclieidung ,  abhängig  vom  Luftdruck. 


(Lavoisier,  Letellier,  Vierordt);  dieser  Einfluss  der  emi 
drigten  Lufttemperatur  raaclit  sich  ebenso  rasch  als  dauernd  g[ 
tend.  So  giebt  z.  B.  der  letztere  ßeobacliter  aus  einer  groBßi 
Versuchsreihe  an  sich  selbst  folgende  Mittelzahlen: 


Mittlere  Lufttemperatur. 

Mittel  in  der  Mnute. 

UntcrscUodJ 

80,47  C. 

19'',40  C. 

1 

72,93 

71,29 

1,64 

12,16 

11,57 

0,59 

Ausgeathmetes  Luftvolum  

6672  CG. 

6106  CG. 

656 

299,3 

257,8 

41,5 

Prozent.  CO2  -  Gehalt  der  ausgcathmeten 

Luft  

4,28 

4,0 

0,28 

itli; 


Letellier*)  stellte  dagegen  fest,  dass  kleine  Säugethiere  l 
einem  Vastündigen  Aufenthalt  in  einer  Temperatur  von  —  5"  l 
+  3"  C.  um  das  Doppelte  mehr  CO2  aushauchten,  als  bei  eine 
gleich  langem  Verweilen  in  einer  Wärme  von  +  28"  bis  +  43" 
—  Das  Ansteigen  der  CO2- Ausscheidung  bei  abnehmender  Ln 
temperatur  muss  wesentlich  bedingt  sein  von  der  beschleunigt 
Oxydation  der  kohlenstoffhaltigen  Verbindungen.    Zum  kleine 
Theil  könnte  sie  aber  auch  darin  begründet  sein,  dass  der  CC 
Gehalt  des  Organismus  im  Winter  herabgedrückt  wird,  in  Fol^  ^' 
der  zu  jener  Zeit  beschleunigten  Ausfuhr-.   Dieses  letztere  könii 
eingeleitet  sein  durch  eine  lebhaftere  Athemfolge,  welche  reflefct 
risch  von  der  abgekühlten  Haut  und  Lunge  erweckt  würde, 
auch  durch  die  gesteigerte  Diflfusionsgeschwindigkeit  aus  dem  imm 
gleich  warmen  Blut  in  die  kältere  Lungenluft,  da  nach  Valentil 
(p.  502)  bei  niedrigerer  Temperatur  der  Atmosphäre  die  ausgeaf 
mete  Luft  noch  um  einige  Grade  kälter  ist,  als  bei  warmer  Ui 
gebung.   Die  ungemeine  Abnahme  der  CO2,  welche  Letelli 
in  verhältnissmässig  so  hohen  Wärmegraden  beobachtete,  h£ 
wahi-scheinüch  zusammen  mit  der  Herabstimmung  der  Erregbark^ 
aller  Nerven  und  Muskeln  und  insbesondere  derjenigen  des  Brn|1 
korbes.  — 

Die  Erklärung,  welche  Lavoisier**)  und  Seguin  davon  geben,  dass  in  i 
ter  Luft  mehr  C'Oa  ausgeathmet  werde,  kann  trotzdem,  dass  sie  in  verschiedenen  Sfol 
difikationen  häufig  wiederholt  wurde,  mit  Stillschweigen  übergangen  werden.  —  G^el*dl 


•)  Annnies  de  chlmle  et  physlque.  Xm.  Bd.  478  (1845). 
*•)  Memolres  de  raondemie.  1790.  602.  —  Liebig,  Thierchemic. 


Kohlensüureansschoidung,  abhängig  von  dor  Blutmischung.  521 


'  kchi-t  wie  die  Warmblüter  verhalten  sich  die  Frösche,  die  bei  hoher  Temperatur 
COi  bilden  (Moleschott)*). 

Uit  der  Steigerung  des  Luftdruckes  soll  sich  auch  die  CO2- 
^eheidung  mehren  (St.  Sage  und  Hervier),  eine  Thatsache, 
he  Vi  er  or  dt  in  freilich  sehr  engen  Grenzen  des  wechselnden 
uneterstandes  nicht  bestätigt  fand.    Aber  auch  er  bemerkte, 
bei  hohen  Barometerständen  der  Luftwechsel  rascher  und 
nach  der  prozentige  C02-Gehalt  der  Lungenluft  geringer  wird. 
"  Theorie  wüi-de  also  auch  in  seinen  Beobachtungen  Vennehrung 

•  absoluten  Menge  der  ausgeschiedenen  CO2  verlangen.  Da  sich 
:y  im  Allgemeinen  niedere  Temperaturen  und  hohe  Barometerstände 
iihiniren,  so  ist  es  schwer  zu  entscheiden,  was  dem  einen  oder 
leren  nach  gleicher  Richtung  hin  wirkenden  Einfluss  zuzuschrei- 
,1  ist. 

Die  bei  dieser  Veranlassung  öfter  citirten  Versuche  von  Legallois  sind  mit 
■übrigen  nicht  vergleichbar,  weil  seine  Beobachtungsthiere  eine  stark  kohlensäure- 
iige  Luft  einathmeten. 

Blutmischung.  Die  Theorie  verlangt,  dass,  alles  Andere 
idchgesetzt,  die  Ausscheidung  der  CO2  in  die  Lungenluft  beschleu- 
T^;  werden  muss,  wenn  sich  dieses  Gas  im  Blute  anhäuft  in  Folge 
ter  gesteigerten  Kohlensäurebildung  in  den  Geweben.  Die  Er- 
urung  ist  bis  dahin  nicht  befähigt,  auf  geradem  Wege  diese  frei- 
11  an  sich  gerechtfertigte  Annahme  zu  bestätigen,  weil  ihr  jedes 
ttel  fehlt,  um  den  COo-Gehalt  des  lebenden  Bluts  auch  mit  nur 
]aähenider  Schärfe  festzustellen;  sie  ist  darum  genöthigt,  mit  in- 
tekten  Beweisen  vorzuschreiten,  die  jedoch  um  so  werthvoller 
id,  weil  die  dabei  zur  Sprache  kommenden  Thatsachen  uns 
:fschluss  geben  Uber  einige  die  Oxj^dation  der  thierischen  Kohlen- 

•  ffverbindungen  beschleunigende  Bedingungen. 

Die  Beweise,  dass  die  beschleunigte  Ausscheidung  von  CO2  begründet  sei  in  einer 
mehrten  Bildung  oder  einer  vermehrten  Anhäufung  derselben  im  Blute,  sind  auf 
li  verschiedenen  Wegen  erbracht  worden.   E.  Becher  bemitzt  als  ein  proportionales 
188  für  die  Anhäufung  der  CO2  im  Blute  den  prozentischen  COsGehalt,  welchen  ein 
i.ch  grosses  Luftvolum  annehmen  kann,  das  zu  verschiedenen  Zeiten  von  demselben 
iividuum  eingeathmet  und  gleich  lange  in  der  Lunge  zurückgehalten  wurde,  nach- 
1  der  Brustkorb  jedesmal  vor  dor  Einathmung  durch  eine  tiefe  Exspiration  auf  das 
jlichst  gleiche  und  geringste  Maass  seines  Inhaltes  zurück  gebracht  wurde.  Durch 
■se  Maassregeln  werden  für  jede  der  zu  vergleichenden  Einathmungen,  die  Einflüsse 
mechanischen  Mischung,  der  Borührungszoit ,  der  Berührungsfläche  und  des  ur- 


'  •)  Untersnchnngen  znr  Nalurlehre.  n.  Bd.  1857. 


522  KohlensäureauBsoheidung,  abhängig  von  der  Blutmischung. 


1 


sprünglicli  00-2-freien  Luftvoluma  gleich  gemacht;  ändert  sich  also  in  der  auggi 
metcn  Luft  die  prozentige  Menge  der  CO^,  so  kann  dieses  nur  daher  rühren,  weil 
Kraft,  mit  welcher  dieses  Gas  aus  dem  Blute  gestossen  wird ,  veränderlich  war. 
Allgemeinen  wird  nun  die  Behauptung  richtig  sein,  dass  die  Spannkräfte  der  COi 
Blutes  wachsen  mit  ihrer  Anhäufung  daselbst;  also  wird  auch  zu  schliessen  sein,  d 
eine  Vermehrung  der  CO^-Prozente  in  der  Ausathmungsluft  unter  den  gegebenen 
ständen  auf  einen  gesteigerten  COa-Gehalt  des  Blutes  hinweist.  —  Andere  Expeiin» 
tatoren  suchen  dagegen  die  Beschleunigung  der  COa-Bildung  zu  messen,  ohne  EUckti 
zu  nehmen,  wie  sich  dabei  die  Anhäufung  dieser  Gasart  im  Blute  gestaltet.  Das 
Angriff  genommene  Problem  löst  Vierordt  dadurch ,  dass  er  die  in  gleichen  Zei 
ausgehauchten  COa-Gewichte  (die  absoluten  Mengen)  bestimmte.  Stellt  sich  nun  h 
aus,  dass  während  eines  gewissen  Zeitraums  das  in  der  Zeiteinheit  gegebene  Ci 
Gewicht  vermehrt  oder  vermindert,  der  COj-Gehalt  des  Individuums  aber  zu  Beg 
und  Ende  des  erwähnten  Zeitraums  gleich  geblieben  ist,  so  ist  selbstverständlich 
Oxydation  des  Kohlenstoffe  zeitweise  verändert  gewesen.  Die  letztere  Bedingung,  d. 
ein  gleicher  COj-Qehalt  des  Individuums  an  den  Grenzen  des  Zeitraums,  ist  aber 
erfüllt  anzusehen,  wenn  die  Lunge  in  je  zwei  Zeiteinheiten,  von  denen  die  eine 
Beginn  und  die  andere  zu  Ende  des  Zeitraums  liegt,  gleiche  CGj-Menge  ausgie 
während  die  Folge  und  der  Umfang  der  Athembewegungen  dieselben  sind.  Wöi 
nemlich  unter  diesen  Umständen  der  Gehalt  des  Blutes,  resp.  des  Individuums  an  C 
variabel  geworden  sein ,  so  müsste  dieses ,  den  feststehenden  allgemeinen  Grundsäfa 
zufolge,  auch  zu  einer  Abweichung  in  den  Gewichtsmengen  der  CO2  führen.  —  Y 
ziehtet  man  auf  kurz  vorübergehende  Schwankungen  der  COi-Absonderung,  wiuuK 
man  z.  B.  nur  das  Tagesmittel  der  COa-Abscheidung  zu  vergleichen ,  so  erhält 
mit  Regnault,  Scharling,  C.  Schmidt  Aufschluss  durch  Vergleichung  laii| 
Zeiträume ,  während  welcher  so  grosse  Kohlensäuregewichte  ausgeschieden  wurd< 
dass  dagegen  die  Unterschiede  der  gesammten  zu  verschiedenen  Zeiten  auf  einmal 
Thierkörper  enthaltenen  CO2- Mengen  verschwinden.  —  Ueber  indirekte  Method 
siehe  später. 


a)  Die  Abhängigkeit  der  Bildung  der  CO2  von  dem  Kohlei 
Stoffgehalt  der  Nahrung.  —  Da  die  CO2  ein  Produkt  der  leben| 
nothwendigen  chemischen  Prozesse  ist,  so  geht  ihre  Bildung 
destens  bis  zum  Tod  (und  meist  auch  über  ihn  hinaus);  sie 
darum  durch  die  Lungen  auch  dann  noch  ausgeschieden,  we 
selbst  keine  kohlenstoffhaltige  Nahrung  genossen  wird,  wobei  sie 
natürlich  das  Gewicht  der  kohlenstoffhaltigen  Körperbestandthe 
mindert.    Vom  Beginn  des  Hungerns  bis  zum  Tode  nimmt  zueE 
die  tägliche  Menge  der  ausgeschiedenen  Kohle  sehr  wenig,  in  de 
letzten  Tagen  des  Lebens  sehr  rasch  ab  (Schmidt)*).  — 
einer  Nahrungsaufnahme  in  solchen  Grenzen,  dass  dabei  das  miti 
lere  tägliche  Körpergewicht  unverändert  erhalten  wird,  stellt  sie 
ein  dynamisches  Gleichgewicht  her,  indem  sich  die  Menge  de 


*)  Verdauungssäfte.  p.  310, 


K  ohlensäureausscheidung,  abhängig  von  der  Blutmiscliung.  523 


_,o  hauchten  CO2  genau  nach  dem  mit  der  Nahrung  aufgenom- 
iieii  Kohlenstoff  richtet,  so  dass  durch  die  Lunge  jedesmal  an- 
lernd  die  ganze  Menge  von  Kohlenstoff  wieder  entleert  wird, 
che  aus  dem  Darmkanal  in  das  Blut  übergegangen  war.  Das 
liehe  Mittel  steht  also  bei  dem  Genuss  von  vegetabilischer  Nah- 
-  mit  viel  Kohlenhydi-aten  höher,  als  bei  dem  von  Fleisch  mit  viel 
r.  —  Die  Steigerung,  welche  der  Genuss  verdaulicher  Nahrungs- 
rel  mit  sich  führt,  beginnt  kurze  Zeit  nach  der  Aufnahme  der- 
Li  und  scheint  mit  ihrem  vollendeten  Uebertritt  in  das  Blut 
-3  Stunden  nach  dem  Essen)  das  Maximum  zu  erreichen,  und 
vt  dann  wieder  ab.  — Vi  er  or  dt  stellt  für  die  einzelnen  Tages- 
ulen  die  Minutenmittel  der  von  ihm  ausgehauchten  CO2  in  der 
Lüden  Tabelle  zusammen,  zu  welcher  zu  bemerken  ist,  das  vor 
ein  Frühstück  und  um  l*"  30'  ein  Mittagsessen  genossen  wird. 

lade  d.  Beobachtg.     9       10       1 1       12      1       2       3       4       5       6  7 
5ge  der  in  1  Min.l 

[jeathmeten  CO2- }  261  251  276  241  276  291  276  261  251  236  -226 
Menge  in  CG.  J 

Sthm'^LufM^Cc'}  ^^^^  ^^^^  ^^'^^  ^^^'^  ^'^^^  ^^^^  ^^^^  ^^^^ 

^?M^T™^i    73     69     69     69     81     83      81  77     75     75  73 
jia  l  Minute.  j 

Diese  Zahlen  sind  dazu  benutzt,  um  zwei  Curven  (Fig.  66) 

cconstruiren ;  auf  die  Abscisse  sind  die  Zeiten,  auf  die  Ordinate 

Kg.  66. 
'  Volumina. 


TT  Werthe  aufgetragen,  die  proportional*)  sind  den  zu  den  he- 
lfenden Zeiten  ausgehauchten  CO2-  (a)  und  Luftvolumina  (b). 
'  machen  einstweilen  darauf  aufmerksam,  dass  die  Volumina 
Ausathmungsluft  und  der  CO2  einander  sehr  nahezu  gleich 


)  Die  in  der  Cnrve  benutzten  Ordlnatenwerthe  sind  die  Quotienten  ,  welclie  durch  Division 
'geringsten  CCj-  und  Lnftvolums  In  die  anderen  grösseren  der  Reihe  nsch  erhalten  wurden. 


524  Kohlonsiiuwaiisschciihnig ,  nbhKnKiff  von  der  BhitmischunR. 

stohon.  Uamus  könuto  man  t'olicorn,  dass  dio  Tiolo  und  HRb 
der  Atlioiuzügo  wächst,  wio  die  aus  der  Luii{?e  horvortretet 
COi-Volumiua.  —  Im  Geirensatz  zu  unseren  gewölinlu-hen  andl 
ontbohrliohon  organischen  Nahrnngsmittehi  befinden  sieh  nach  V( 
ordt  die  Spirituosa  (und  der  Thee"?  Front).  Nach  ihrem  Qei| 
wird  die  00>-Abscheidung:  unter  das  Maass,  welches  man  ohne 
hätte  erwarten  kiuineu,  herabgedrUckt.  So  bewirkte  z.  Ii.  der| 
satz  von  250  Gr.  Wein  zum  Mittagsesseu ,  dass  statt  des  gev 
liehen  Unterschieds  von  50  CG.  COa  zwischen  U»-  und  2''  nar| 
solcher  von  20  CO.  eintrat. 

Nach  don  Beobachtungen  von  S  m  i  t  h  *) ,  die  mir  nur  in  einem  selir  ged 
Auszug  »ugänglich  ■waren,  gestaltet  sich  Manches  anders,  als  uinu  bisher  annabnul 
Tcnehrto  noch  vor  dem  Frühstück  oino  bestimmte  Speise  in  massiger  Menge 
stimmte  dann ,  während  er  in  siüsender  Stellung  verharrte ,  die  Menge  der  aat{ 
nieten  COj  und  der  eingeathmeten  Luft,  die  Zalil  der  rulsschliige  und  Athemiü 
die  Temperatur  und  den  Druck  der  Luft    Er  fand,  dass  sich  die  Nahvungsndtl 
terscheiden  lassen,  in  solche,  welche  die  COi-Ausschcidung  steigern,  \iud  solche, 
sie  minden».    Tritt  eiuo  Steigerung  ein ,  so  ist  dieselbe  entweder  rasch  vorüba 
oder  dauernd;  und  es  mehrt  sich  hierbei  nicht  sowohl  die  Zahl  der  AthemxQgsjj 
vielmehr  ihre  Tiefe. 

Die  COi-Ausscheidung  wird  beftJrdort  durch  Zucker,  MUoIi,  Speisen  aus 
mehl,  Kartoffeln,  Thee,  Kaffee,  Cichorien,  Cacao,  Alkohol,  Rum,  Ale,  einige  Wb 
Gluten,  CascYn,  Fibrin,  Albumin  und  Leim.  —  Thee  und  Zucker  steigerte  schon. ' 
Minuten  nach  den»  Genuss  die  COi-Ausscheidung ,  Qhit»'«  und  CaseVn  wirkte 
ringerer  Geschwindigkeit.   Nach  Zucker  und  Thee  danextc  die  Periode  der  gest( 
Abscheidung  kune  Zeit ;  nach  Milch ,  Rum  und  Bmd  hielt  sie  am  längsten  an.^ 
Menge  der  ausgeschiedenen  COj  stand  nach  lliee  und  Leim  in  keinem  \'erhiUt 
Menge  des  genossenen  Mittels,  und  namentlich  wirkte  dieselbe  Quantität  Thee'J 
tigcr,  Venn  sie  absatzweise,  als  wenn  sie  auf  einmal  genommen  wurde. 

Eine  Minderung  der  COt-Bildung  findet  er  nach  dem  Genuss  von  Fett  xoM 
ger  Alkoholarten  (Brandy  und  Gene>Te).  Die  COi-mindcrnde  Kraft  des  Fettes] 
sich  auch  so  geltend,  dass  nach  gleichseitigem  Genuss  von  Zucker  oder 
Fett  die  COs-Bildung,  die  in  Folge  der  ersteren  Nahrungsmittel  hatte  eintrat 
sen,  ausblieb.  —  Auffallend  ist  es,  dass  die  verschiedenen  Alkoholsorten  veisci 
wirken  soUen.  —  Stärke  mehrt  die  COi-Bildung  nicht,  was  ebenfalls  mit  MA 
auf  das  gegentheilige  Verhalten  des  Zuckers  räthselhaft  ist. 

b)  Abhängigkeit  der  COi-Bildung  von  den  Eigenschaften] 
Einathmungsluft.    Wenn  der  SauerstotTgehalt  der  geathmcten 
sehr  beträchtlich  vermehrt  wurde,  so  soll  kurze  Zeit  nachher  all 
die  ausgeathmete  Liiü  reicher  an  CO2  sein  (Allen,  Pcp.^ 
Diese  Thatsacbe  fand  W.  Müller  nicht  bestätigt.  Tritt  aber  a 
diese  Vermehrung  ein,  so  ist  sie  jedenfalls  sehr  vorübergehe 


•)  Procoodings  of  tho  roya)  society,  vol.  IX.  63S. 


Kohlensäureausscheidung,  abhängig  von  der  Blutmischung.  525 

in  wenn  die  Einathmung  der  sehr  sauerstoffreichen  Luft  einen 
:  lang  fortgesetzt  wird,  so  steigt  das  C02-Mittel  in  letzterer 
it  über  den  Werth  eines  Tages,  an  dem  atmosphärische  Luft 
enommen  wurde  (Regnault,  Reiset).  —  Eine  Erniedrigung 
Temperatur  (und  eine  Erhöhung  des  Druckes)  der  Luft  stei- 
wie  schon  erwähnt  (p.  519),  die  Absonderungsgeschwin- 
keit. 

Einige  der  eben  beigebrachten  Erfahrungen  hat  man  öfter  benutzt,  um  die  Hypo- 
•e  zu  stützen,  dass  eine  Vermehrung  des  freien  Blutsauerstoffs  die  Oxydation  der 
ifienstoffatome  dauernd  beschleunige ;  diese  Annahme,  welche  von  der  Voraussetzung 
iriag,  dass  alle  organischen  Verbindungen  des  Thierkörpers  in  dem  Maasse  oxydirt 
.tien,  in  welchem  Sauerstoff  \orhanden  sei,  widerlegt  sich  durch  die  Beobachtungen 
iKegnauIt,  Eeiset  und  W.  Müller. 

Ein  Zusatz  von  Stickoxydulgas  zur  Einathmungsluft  steigert 
C02-Ausscheidung  (Zimmermann). 

c)  Abhängigkeit  der  CO2- Bildung  von  der  Muskelzusammen- 
iiung.  Nach  einer  kräftigen  Bewegung  der  Gliedmaassen  steigt 
rr  bald  das  Minutenmittel  der  CO2  über  den  Normalwerth 
ijharling)  und  erhält'  sich  über  demselben  stundenlang,  wenn 

Bewegung  anhaltend  war  (Vierordt).  Der  letzte  Grund  die- 
Erscheinung  liegt  darin,  dass  die  Muskeln  während  und  auch 
Ih  durch  längere  Zeit  nach  ihrer  Zusammenziehung  viel  CO2 
ien  (Valentin)*).  Um  die  vermehrt  gebildete  CO2  zu  ent- 
ven,  wächst  Zahl  und  Umfang  der  Athemzüge  und  der  CO2- 
nalt  der  Athmungsluft. 

d)  Veränderlichkeit  der  C02-Anhäufung  im  Blut  mit  der  ver- 
werten Bildung  derselben.  Wenn  die  C02-Bildung  innerhalb  des 
irischen  Körpers  steigt,  so  wird  sich  nothwendig  die  Strömung 
'^68  Gases  in  das  Blut  hinein  beschleunigen;  wird  es  sich  des- 
h  dort  anhäufen  oder  wird  es  so  rasch  abströmen  wie  es  zu- 
^s?  Man  sollte  dieses  Letztere  fast  vermuthen,  da  sich  alsbald 
tdeh  Zeiten  vermehrter  Bildung  auch  eine  lebhaftere  Athemfolge 
ifindet.  Das  Gegentheil  dieser  Unterstellung  geht  jedoch  aus  den 
'^)bachfungen  von  Becher  hervor.  Nach  ihm  steigt  der  CO2- 
laalt  des  Blutes  auf  und  ab,  selbst  an  solchen  Tagen,  an  welchen 
me  NahiTing  aufgenommen  und  die  Gliedmaassen  wenig  bewegt 
rden.  Unmittelbar  nach  dem  Erwachen  steht  die  CO2  hoch, 
;k.t  bis  gegen  11"  ab,  steigt  dann  bis  um-  3"  auf  ihr  Maximum 


•)  Archiv  filr  phyglologischo  Heilkunde.  1857. 


526 


Kohlensäurcaussclioidung,  abhängig  ron  der  Blutmiachung. 


und  sinkt  dann  wieder  gegen  den  Abend  hin.    Diese  in  d 
Gregenwirkungen  der  mensclilichen  Organe  selbst  begründeten  V 
ändernngen  reihen  sich  ähnlichen  an,  welche  uns  über  den 
liehen  Gang  der  Harnstoffbildung  der  thierischen  Wärme  und  d 
Pulses  bekannt  sind.  —  Der  C02-Gehalt  des  Blutes  ist  aber  au 
abhängig  von  der  Nahrung.   Dieses  zeigt  sich  einmal  darin,  da 
das  tägliche  Mittel  des  COj-Gehalts  an  einem  Hungertag  niedrig 
als  an  einem  Speisetag  ist;  dieser  Unterschied  tritt  um  so  stärk 
hervor,  je  länger  das  Hungern  andauert;  also  das  tägliche  Mi 
des  ersten  Hungertags  ist  noch  höher,  als  das  des  zweiten  u. 
Der  Einfluss  der  Nahrung  di'ückt  sich  auch  im  Gang  der  täglich 
Schwankung  aus,  indem  einige  Zeit,  2  bis  3  Stunden,  nach  d 
Mahlzeit  der  C02-Gehalt  des  Blutes  ziemlich  bedeutend  ansteigt 
erst  nach  einiger  Zeit  und  allmählig  wieder  absinkt.  Dieses 
steigen  prägte  sich  ganz  auffallend  aus,  als  nach  mehrtägig 
Hungern  Nahrung  aufgenommen  wurde.    Die  Lüngenluft,  welc 
46  Stunden  nach  der  letzten  Mahlzeit  unter  den  bezeichneten  Ca 
telen  ausgeathmet  wurde,  enthielt  5,9  pCt.  CO2,  zwei  Stunden  na 
dem  darauf  erfolgten  gewöhnlichen  Mittagsessen  enthielt  sie  8,2  pG 
Die  über  die  Zeit  beschriebenen  Cm-ven  (Fig.  67)  geben  e 

Anschauung  d 
täglichen  Schwa; 
kung  des  CO2-C 
halts.  Ihi-e  Ordi 
ten  sind  die  zu  de 
bezeichneten  Ze 
ten  beobachte 

7       9       11       l     ,  3       5       7       9VhT.    CO2- Prozente 
Lungenluft.  Von  den  beiden  Curven  stellt  a  h  den  Gang  vor,  w" 
gar  keine  Nahrung  genommen,  ac  ist  dagegen  gütig,  wenn 
1''  ein  gewöhnliches  Mittagsmahl  genossen  wurde.   Darf  mau, 
es  nicht  unwahrscheinlich  ist,  annehmen,  dass  das  Maximum  d: 
C02-Gehalts  im  Blute  zusammenfällt  mit  demjenigen  der  Bildu 
dieses  Gases,  so  gehen  aus  dem  von  der  Speise  geliefertfen  Ma' 
rial  die  CO2  -  und  Harnstoffbildung  nicht  gleichzeitig  vor  sich,  de^ 
das  Maximum  des  COi-Gehalts  fällt  einige  Stunden  früher,  als  d 
Maximum  der  Harnstoffausscheidung.    Siehe  Figg.  56  u.  57. 

Man  könnte  versucht  sein,  den  "Widerspruch  in  der  Beobachtung  von  Yierord 
und  Becher  zu  discutiren,  indem  der  Erstere  das  Maximum  der  COs-Ausscheidu 
Tim  eine  Stxmde  früher  nach  dem  Mittagsmahl  fand,  als  der  Letztere  sein  Maxim- 


Fig.  67. 


Eohlensäureaussclieidung,  abhängig  von  dem  Lungenbau.  527 


Blut-COi.    Bie  Vorsicht  gebietet,  so  lange  von  einem  Erklärungsversuch  dieser 
'eichung  abzustehen,  bis  an  einem  und  demselben  Beobachter  beide  Curven  gomes- 
und  dargothan  ist,  dass  die  zwischen' Vi  er  or  dt  und  Becher  bestehenden  Unter- 
■ede  keine  individuellen  sindT. 

Viel  höher  als  .beim  Menschen,  nemlich  bis  zu  15,7  pCt.,  stieg  der  COa-Gehalt 
Ipt  Lungenluft  solclier  Hunde ,    •welche  durch  einen  luftdichten  Verschluss  der 
hoa  erstickt  wurden  (W.  Müller).    Setschenow  hat  diese  Thatsache  bestätigt 
dadurch  erweitert,  dass  er  zugleich  die  COi  des  Blutes  von  erstickten  Thieren 
mumte;  er  fand  COi 


Abhängigkeit  der  Kohlensäureansscheidung  von 
T  Lungen  wand;    Hierbei  kommt  in  Betracht  das  Verhältniss 

Wandausdelinung  zum  Luftvolum,  welches  die  Lunge  fasst,  die 
ke  und  die  chemische  Constitution  der  Trennungsschicht  zwischen 
I;  und  Luft. 

Da  uns  alle  Versuche  über  die  auf  diesen  Elementen  beruhen- 

individuellen  Verschiedenheiten  fehlen,  so  müssen  wir  uns 
iiit  begnügen,  aus  theoretischen  Gründen  zu  behaupten,  dass 

gleicher  Räumlichkeit  .  eine  grossblasige  ( emphysematische ) 
-ge  weniger  CO2  liefern  wird,  als  eine  kleinblasige,  vorausge- 
tt,  dass  die  Spannung  der  Blut-C02  und  der  Luftwechsel  gleich 
tenommen  werden.  Denn  im  letzteren  Falle  ist  die  Fläche, 
'ihe  CO2  ausscheidet,  grösser,  als  im  ersteren.  —  Von  der  Dicke 

Lungenwand,  dem  Wassergehalt  derselben  u,  s.  w.,  hängt  der 
[erstand  ab,  den  die  CO2  auf  ihrem  Wege  vom  Blut  in  die 
.genluft  findet;  also  muss  auch  hiermit  die  C02-Ausscheidung 
.inderlich  werden. 

Veränderlichkeit  der  C02-Ausscheidung  aus  ge- 
tchten  Gründen.  Aus  einer  Combiuation  der  bis  dahin  vor- 
i.hrten  Elemente,  denen  sich  vielleicht  noch  andere  anschliessen, 
t  sich  ableiten,  dass  mit  den  Hirnzuständen,  welche  einen  Ein- 
>  auf  die  Erregbarkeit  der  reflektorischen  und  automatischen 
üe  oder  auf  die  willkührliche  Muskelerregung  gewinnen,  mit 
'Gewohnheit,  dem  Lebensalter,  dem  Geschlecht,   den  Tages- 

Jahreszeiten ,  den  Klimaten  u.  s.  w.  die  in  der  Zeiteinheit  aus- 
»hiedene  mittlere  C02-Menge  sehr  veränderlich  sein  müsse.  Es 
IQ  natürlich  vom  Standpunkt  der  Theorie  aus  kein  Interesse 
kähren,  auf  die  weiteren  Verwickelungen  einzugehen.  Wichtiger 


in  100  Tiioilen  Arterienblut 
verdunstbare       durch  Säui-en  abscheidbai'e 


in  100  Theilcn 
Lungenluft 
15,62 
12,75 


38,15  4,01 
38,86  1,79 


528  KoJilcnsäureausschoidung  aus  gomischton  Gründen. 


ist  es,  die  Versuchswege  so  weit  auszubildtin ,  dass  es  gelingt, 
jedem  beliebigen  Individuum  den  Werth  zu  bestimmen,  mit 
ehern  sich  jedes  einzelne  Element  betheiligt  an  der  gcsammj 
C02-Ausscheidung.  Insbesondere  würde  es  dem  Ai'zt  von  Wie 
tigkeit  sein,  messbar  festzustellen,  ob  und  wie  weit  sich  die  h\i 
vidualitäten  von  einander  absetzen  durch  ihre  Fähigkeit,  kohlit 
stoifhaltige  Körperbestandtheile  rascher  und  in  grösserer  Ausdehnui 
zu  oxydiren.  Diese  Fähigkeit  kommt  unzweifelhaft  Personen 
lebhafter  Nervenerregbarkeit,  mit  relativ  grosser  Muskelmasse,- 
beträchtlicher  Verdauungsfähigkeit  u.  s.  w.  im  höhern  Grade 
als  den  entgegengesetzt  constituirten.  Möglich  wäre  es  aber  imm* 
hin,  dass  neben  diesen  Gründen,  welche  u.  A.  dem  Kind,  de 
Mann,  dem  thätigen  Individuum  eine  relativ  reichlichere  CO2-A1 
Scheidung  sichern,  auch  noch  andere  constitutionelle  Verhältnis 
sich  geltend  machen,  und  die  Zuversicht  auf  ein  Bestehen  dera^ 
ben  wird  sehr  gesteigert,'  wenn  man  sich  einzelne  krankhafte  2 
stände  in  das  Gedächtniss  ruft. 

Angabe  der  mittleren  Gewichte  ausgeschiedeii^ 
Kohlensäure.  Bei  den  ungemeinen  Schwankungen,  welchen  < 
COo-Ausscheidung  unterworfen  ist,  mtisste  man  über  sehr  zahlreid 
Beobachtungen  gebieten  können,  wenn  man  daraus  ein  Stund^ 
Tages-,  Jahresmittel  ftir  Personen  verschiedenen  Alters,  Gesohlt^ 
tes  u.  s.  w.  mit  Sicherheit  ableiten  wollte.  Wir-  besitzen  aber^ 
der  That  nur  wenige  Beobachtungen,  welche  billigen  Anforderung! 
entsprechen.  Ihre  Mittheilung  darf  jedoch  nicht  unterbleiben,  i 
so  weniger,  weil  sie  eine  bemerkenswerthe  Uebereinstimmung  bietej'* 
In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  Zahlen  von  Scharling 
stundenlangen,  die  von  Andral  und  Gavarret  aber  nur 
^8  — 13  Minuten  dauernden  Beobachtungen  abgeleitet.  Die  Zaät 
welche  Vierer  dt  mittheilt,  zeichnet  sich  vortheilhaft  aus  ivm 
die  grosse  ßeihe  der  zu  Grunde  gelegten  Versuche.  Alle  Beo 
achtungen  beziehen  sich  auf  ruhige,  uuwillktihrliche  Athembew 
gungen.  Die  Absonderungsgeschwindigkeit  ist  ausgedrückt  diu| 
den  Quotienten  des  Körpergewichts  in  das  Kohlenstoffgewicht, 
ches  die  ausgeschiedene  CO2  enthielt.  Da  sich  durch  den  ganffl? 
Körper  hindurch  die  CO2  bildet,  und  da  die  Bildung  und  Am 
Scheidung  mit,  annähernd  gleicher  Geschwindigkeit  vor  sich  gehö 
so  wird  diese  Ausdrucksweise  erlaubt  sein.  Statt  der  ausgehaud 
ten  CO2  setzen  wir  den  Kohlenstoff  aus  später  einleuchtende 
Gründen.    Um  diesen  auf  das  entsprechende  CO2- Gewicht  2 


Mittlere  Xohlensäureausscheidung ;  absolut  und  prozentiscli.  529 


uzireu,  ist  es  nur  uöthig,  die  Zahl  des  ersteren  mit 

iziren.    Wollte  man  das  hieraus   erhaltene  Gewicht  der  CO2 

Volumina  bringen,  so  würde  es  mit  ^"""/iifsi*  zu  multiplizi- 

sein. 


Alter 

Geschlecht 

Zahl 

meter 
■vvüh- 
tunde. 

Kürper- 

Absonde- 

ge-\vloht 
in  KilogT. 

rungsge- 
scliwindigk. 

Beobachter. 

Itler  beobachteten  Indiyiduen. 

"    ^  B 

l-t4  Jahr. 

{  Männlich. 

6 

7,2 

— 

— 

Andral,  Gavarret. 

1  " 

1 

6,4 

22,5 

0,289 

Scharling*). 

)  " 

9 

10,7 

Andral,  Gavarret. 

l        "  . 

1 

10,8 

57,75 

0,187 

Scharling. 

16 

11,0 

Andral,  Gavarret. 

;do  „ 

S 

1 

11,4 

82,0 

0,140 

S  c  harling. 

1 

10,7 

54,0 

0,198 

Valentin. 

1  ;: 

1 

>"8,76 

-  — 

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Vierordt. 

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Andral,  Gavarret. 

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Scharling. 

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1  ;: 

4 
1 

6,8 
8,0 

55,75 

0,143 

Andral,  Gavarret. 
Scharling. 

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>» 

9 

7,4 

Andral,  Gavarret. 

16O  „ 

jj 

2 

7,3 

■70  ,. 

)» 

2 

-6,8 

^80  „ 

2 

6,3 

Das  Verhältniss 

des 

niedrigsten 

zum  höchsten  Werth  (aus 

fihem  das  Mittel  gezogen)  ist  nach  Vierordt  =  1  :  2,55  und 
ili  Scharling  =  1  :  1,62. 

Angabe    des   mittleren   Volumprozents    der  aus- 

ithmeten  Luft' an  CO2.  Die  Beobachtung  hat  bei  sehr  ver- 
eedenen  Individuen  unter  ganz  verschiedenen  Umständen  keine 

•  auffallenden  Schwankungen  im  Prozentgehalt  der  CO-2  aufge- 
ikt,  vorausgesetzt,  dass  die  Athembcwegnng  unwillkührlich  vor 

:  ging.    In  sehr  zahlreichen  Beobachtungen  von  Brunner  und 


)  Die  Zahlen  von  Schur  1  in  g  sind  nicht  das  Mittel  aus  allen  von  ihm  angestollton  Versuchen, 

rnnur  aus  denen,  die  auf  die  Zeit  zwischen  1  und  2  Uhr  fallen,  zu  welcher  Zelt  auch  An- 
nnd  Gavarret  ihre  lieoliachtungcn  anstellten,    i^iese  lilcr  gegebenen  Werthc  sind  höher, 
Gcsammtmlttel.   VerRl.  Journal  für  prakt.  Chemie.  ;«>.  Md.  p.  455. 
Iwig,  Pliyslolugie  II.  2.  Auflage. 


530 


Veränderlichkeit  der  Sauerstoffaufnahmc. 


Valentin  bewegte  er  sich  von  3,3  zu  5,5  pCt.  und  in  600 
Stimmungen  von  Vierordt  zwisclien  3,4  und  6,2  pCt.  Die 
wölinliclie  Zalil  hielt  sich  nahe  um  4,0  pCt.    Diese  Beständig 
des  mittleren  COi-Gehalts  ist  dem  innigen  Anpassen  der  Ath 
bewegungen  nach  Zahl  und  Tiefe  an  den  CO-i-Gehalt  des  Blij 
zu  verdanken,  in  Folge  dessen  sich  immer  ein  dynamisches  Glei 
gewicht  herstellt  zwischen  der  Bildung  und  Ausfuhr  von  CO2. 
der  That  sehen  wir,  wenn  die  C02-Bildung  langsam  vor  sich  g 
(bei  körperlicher  Ruhe,  Entziehung  der  Speisen  u.  s.  w.)  die  Ath 
folge  sich  verlangsamen  und  im  umgekehrten  Fall  sich  beschl 
nigen;  ist  der  Lungenraum  oder  seine  Veränderlichkeit  auf  irge 
welche  Weise  beschränkt  (Zwerchfelllähmung,  krankhafte  Erg" 
in  die  Lunge,  AnfüUung  der  Unterleibshöhle),  so  wird  der  ku 
Athem  rasch  u.  s.  w.  —  Das  Verhältniss  zwischen  Zahl  und  Ti 
der  Athembewegungen  einerseits  und  dem  C02-Gehalt  der  Lun 
luft  andererseits  ist  aber  weder  flir  alle  Zustände  desselben,  n 
für  die  ähnlichen  verschiedener  Menschen  gleich.    Eine  Aufm 
samkeit  auf  diese  Verschiedenheiten  dürfte  vielleicht  von  Bedeutu 
sein,  weil  offenbar  der  mittlere  CO2- Gehalt  der  Lungenluft  ei 
Schätzung  flir  die  C02-Sättigung  des  ganzen  Körpers  gewährt, 
dem  die  COo-Prozente  der  Lungen  die  Grenze  bezeichnen,  u~ 
welche  die  des  Bluts  nicht  herabsinken  können;  es  würde  so 
aus  ihnen  eine  Charakteristik  flir  die  Individualität  (Constituti 
Temperament)  zu  gewinnen  sein. 

Die  meisten  älteren  Beobachtungen  stimmen  mit  dem  oben  Erwähnten  übef' 
andere  sind  dagegen  sehr  abweichend,  was  aus  den  ganz  mangelhaften  Methoden, 
OO2  zu  bestimmen,  abgeleitet  werden  kann. 

4,  Veränderung  der  Sauerstoffaufnahme.    Die  a' 
sphärische  Luft  verliert  bei  ihrer  Anwesenheit  in  der  Lunge  eili 
Theil  ihres  Sauerstoffs.    Da  aber  bekanntlich  das  Völuni  ; 
trockenen  Aus-  und  Einathmungsluft,  wenn  sie  auf  gleichen  B 
meterstand  gebracht  worden,  annähernd  wenigstens  gleich  ist, 
beide  auch  ungefähr  denselben  Gehalt  an  Stickstoff  führen,  so 
im  Ganzen  und  Groben  auch  die  Behauptung  richtig  sein, 
ungefähr  so  viel  Sauerstoff  aus  der  Luft  verschwindet,  als  Kohl 
säure  in  sie  gehaucht  wird. 

Der  Grundstein  dieser  Beziehung  ist  dadurch  gegeben, 
die  ausgehauchte  Kohlensäure  den  Sauerstoff  wieder  mit  sich 
welcher  aus  der  Luft  in  das  Blut  getreten  war,  indem  der  thie  ' 
Kohlenstoff  von  dem  atmosphärischen  Sauerstoff  verbrannt  wu 


Quantitative  Beziehungen  zwischen  0  und  COj. 


531 


hliesslich  also  nicht  mehr  CO2  «ausgehaucht  werden,  als  aus  dem 
|fgenommeneu  Sauerstoff  entstehen  konnte,  oder  umgekehrt,  es 
mute  nicht  mehr  Sauerstoff  verschluckt  werden,  als  die  oxydahlen 
»ome  des  Thierkörpers  verbrauchen  konnten.  Indem  man  aber 
11  letzten  Ausdruck  formt,  sieht  man  auch  gleich  ein,  dass  die 
[Ziehung  eine  nicht  tiberall  nothwendige  ist,  da  die  Kohlensäure 
ineswegs  das  einzige  Oxydationsprodukt  des  thierischen  Körpers 

sondern  ausserdem  noch  HO  und  manche  andere  flüssige  sauer- 
Iffreiche  Körper  (Harnstoff,  Harnsäure  u.  s.  w-)  aus  dem  Blut- 
om  hervortreten.  Daraus  geht  also  hervor,  dass  für  gewöhnlich 
ihr  Sauerstoff  verschluckt  wird,  als  in  der  ausgehauchten  Kohlen- 
rre  enthalten  ist,  und  dass  namentlich  dieses  Missverhältniss 
^gen  muss,  wenn  wir  vorwaltend  von  Wasserstoff-  und  stickstoff- 
'ühen  Atomen  leben,  wie  bei  Fett-  und  Fleischnahrung  oder  aber 
nm  Hungern,  sei  es  nun,  dass  das  Letztere  Folge  der  Nahrungs- 
üziehung  oder  der  gestörten  Verdauung  ist,  wie  z.  B.«  nach  Durch- 
ineidung  des  Vagus  (Valentin).  Die  ausgehauchte  CO,  wird  da- 
cen  nahezu  die  ganze  Menge  des  ausgeathmeten  Sauerstoffs  wieder 
r^führen,  wenn  die  Nahrung  vorzugsweise  aus  Zucker  und  Amy- 

besteht,  da  der  in  diesen  complexen  Atomen  enthaltene  Sauer- 
if  hinreicht,  um  den  Wasserstoff  derselben  zu.  Wasser  zu  oxydi- 

so  dass  bei  einer  Verbrennung  derselben  nur  so  viel  Sauerstoff 
anzutreten  braucht,  als  nöthig,  um  den  C  in  CO)  umzuformen, 
jüf  auch  in  diesem  Falle  ist  nur  ein  schliesslicher ,  aber  keines- 
r,'S  ein  in  jedem  Augenblick  paralleler  Gang  des  Verbrauchs  an 
imd  des  Gewinns  an  CO2  nothwendig.  Denn  zwischen  dem 
•  en  und  letzten  Produkt  der  Oxydation  liegen  meist  manche 
•schenstufen,  so  dass  anfänglich  viel  Sauerstoff  verbraucht  wird, 
lor  sich  CO2  bildet;  endlich  geht  dann  freilich  Alles  in  CO2 
rr.  —  Es  darf  nicht  Ubersehen  werden,  dass  auch  noch  von 
«r  andern  Seite  her  eine  Störung  des  Zusammengehens  der  CO2 

des  O's  in  die  Lunge  eintreten  kann,  da  die  Lunge  nicht  der 
«ige  Ort  ist,  an  dem  Gas  aus-  und  in  das  Blut  tritt.    Je  nach 

Eigenschaften  der  Wände  jener  anderen  Athemwerkzeuge  muss 

Verhältniss  von  CO2  und  0  in  dem  Blute  alterirt  werden  und 
lait  auch  dasjenige  des  Ein-  und  Ausganges  beider  Gase  in 

Lunge - 

Der  Mechanismus,  durch  welchen  im  gesunden  Leben  dies 
rmale  Verhältniss  zwisclien  Ein  -  und  Ausfuhr  von  Sauerstoff  und 
!  erhalten  wird,  ist  leicht  zu  Ubersehen,  wenn  man  bedenkt, 

34« 


532 


O-Aufiialime  veränderlich  mit 


dass  im  Blute  zwei  verschiedene  Absorptionsmittel  vorhanden  sint 
das  eine  für  Sauerstoff  (in  den  Blutkörperchen)  und  das  ander 
für  Kohlensäure  (das  Wasser  des  Bluts).  In  dem  Maasse,  in  w€ 
chcm  der  Träger  des  Sauerstoffs  entlastet  wird,  belastet  sich  cte 
der  CO2,  und  dieser  letztere  entledigt  sich  seines  Gases  an  ein# 
Orte,  an  welchem  Sauerstoff  zur  Sättigung  des  andern  vorhancli 
ist.  Nach  diesen  allgemeinsten  Regeln  scheint  noch  folgende 
Besondere  von  Belaug:  i 


a.  Abhängigkeit  der  Aufnahme  des  Sauerstoffs  von  dem  Gehd 
der  Lungenluft  an  diesem  Gas.  Der  Uebergang  des  Sauerstofl 
aus  der  Lungenluft  in  das  Blut  wird  so  lange  fortdauern,  entwedl 
bis  die  Blutkörperchen  vollkommen  mit  0  gesättigt  sind,  oder  H 
der  Gehalt  der  Lungenluft  an  Sauerstoff  bis  auf  einen  sehr  gering^ 
Werth  herabgedrückt  ist,  der  dem  entspricht,  bei  welchem  di 
Verwandtschaft  der  Körperchen  und  das  Ausdehuungsbestrebö 
des  Sauerstoffs  sich  das  Gleichgewicht  halten.  Aber  wenn  aue 
in  den  bezeichneten  Grenzen  die  Bewegung  des  Sauerstoffs  for 
dauert,  so  ist  doch  ihre  Geschvdndigkeit  abhängig  von  der  DiolT* 
tigkeit  des  genannten  Gases  in  der  Lungenluft.  Denn  der  Sau® 
Stoff  kann  nur  zu  den  Körperchen  kommen,  inwiefern  er  vor 
vom  Plasma  absorbirt  war,  und  damit  ist  aus  schon  oft  ausg^ 
sprochenen  Gründen  der  obenhingestellte  Satz  bewiesen.  Di 
genauere  Abhängigkeitsverhältniss  zwischen  dem  Gehalt  der  L 
genluft  an  Sauerstoff  und  seiner  EinStrömungsgeschwindigkeit 
das  Blut  bleibt  freilich  unbekannt,  weil  wir  nicht  wissen,  wie  si 
in  der  nächsten  Umgebung  des  Körperchens  der  Sauerstoffreichth 
des  Plasma's  mit  dem  der  Körperchen  ändert.  Für  physiologis^ 
Zwecke  ist  es  nun  jedenfalls  von  Bedeutung,  zu  wissen,  wie  gr* 
die  Geschwindigkeit  des  Uebergangs  sein  muss,  damit  dem  Vi 
brauch  unseres  Gases  im  Leibesinnern  Genüge  geleistet  werdi 
kann,  oder  mit  Rücksicht  auf  unsere  Frage  ausgedrückt,  in  m^' 
chen  Grenzen  darf  der  Sauerstoffgehalt  der  Lungenluft  schwanke^j 
damit  das  Leben  ungestört  erhalten  werden  könne.  Wir  sagen,  ' 
welchen  Grenzen,  da  sich  die  Geschwindigkeit  des  Sauerstoffstron 
beziehungsweise  also  auch  der  0-Gehalt  der  Lungenluiit  sehr  y# 
änderlich  gestalten  wird  mit  dem  Gang  der  Lebensbedingungen)! 
wie  namentlich  mit  dem  Wärmeverbrauche,  der  Muskelanstreugung>| 
der  Zufuhr  neuer  Brennstoffe  u.  s.  w. 


dem  Gehalt  der  Lungenluft  an  0.  533 

i,  Zur  Erledigung  dieser  Aufgabe  sind  von  W.  Müller  einige 
Disuche  angestellt.  Da  es  unmöglich  ist,  die  Uebergangsgescliwin- 
^kcit  des  Sauerstoffs  aus  der  Lnngenluft  in  das  Blut  geradezu 

messen,  so  bediente  er  sicli  als  Scbätzungsmittel  für  denselben  der 
\ysiologischen  Keaktion,  die  wir  als  Athemnoth,  die  Erstickung  mit 
gerechnet,  bezeicbnen.  Dieses  konnte  mit  Recht  geschehen,  da 
rr  wissen,  dass  im  Allgemeinen  mit  dem  Bedürfniss  nach  Sauer- 
*ff  auch  der  x4ntrieb  zur  Athembewegung  zunimmt.  —  Bei  seinen 
(.obachtungen  ergab  sich,  dass  die  Lungenluft  solcher  Hunde,  die 

Folge  eines  luftdichten  Verschlusses  der  Trachea  gestorben 
iren,  gar  keinen  oder  nur  noch  Spuren  von  Sauerstoff  enthielten, 
itschenow  hat  diese  Thatsache  bestätigt  und  zugleich  gefunden, 
sss  auch  das  arterielle  Blut  solcher  Thiere  vollkommen  frei  von 
iist. 

W.  Müller  fand  weiter,  dass  aufgebundene,  in  der  Verdauung 
fgriffene  Kaninchen  sehr  bald  absterben,  wenn  ihnen  in  beliebiger 
'jnge  eine  Luft  mit  3  pCt.  0  zur  Einathmung  dargeboten  wurde, 
ti  Hunden  -war  der  Erstickungsraum,  welcher  vom  Sauerstoff  ganz  ' 
tfreit  wurde,  relativ  klein.  Wenn  also  das  Blut,  wie  es  in  der 
lat  geschah,  seinen  Sauerstoff  in  den  Körpercapillaren  alsbald 
rrlor,  so  musste  das  Blut,  allen  Sauerstoff  aus  der  Lunge  fortneh- 
'\n,  vorausgesetzt,  dass  der  Blutwechsel  in  der  Lunge  nur  noch 
iie  kurze  Zeit  hindurch  andauerte.  Diese  letztere  Bedingung  war 
(er  ebenfalls  erfüllt,  da  das  Herz  zur  Zeit,  als  das  Blut  aufge- 
ngen  wurde,  noch  fortschlug.  WahrscheinHch  war  demnach  von 
iher  her  dem  Muskelgewebe  noch  so  viel  Sauerstoff  beigemengt, 
zur  Unterhaltung  seiner  Bewegungen  für  diese  kurze  Zeit  noth- 
,ndig  war.  —  Dem  Kaninchen  war  dagegen  eine  sehr  viel  grössere 
iftmasse  geboten ;  wenn  also  der  Sauerstotfgehalt  der  Lunge  nicht 
mügte  zur  Ueberführung  von  so  viel  Sauerstoff,  wie  ihn  das 
•ben  erforderte,  so  war  allmählig  der  0  in  dem  Gewebe  aufge- 
aucht  und  es  erfolgte  darum  schon  Herzlähmung,  also  auch 
lutstillstand  in  der  Lunge,  bevor  alle  Luft  des  grössern  Raumes 
inUgend  lange  Zeit  mit  dem  Blut  in  Berührung  gewesen  war, 
n  von  ihrem  Sauerstoff  vollkommen  befreit  zu  werden. 

Um  die  Grenze  zu  erkennen,  bis  zu  welcher  der  Sauerstoff- 
Ihalt  der  Lunge  sinken  durfte,  wenn  er  das  Leben  noch  erhal- 
n  sollte,  leitete  W.  Müller  Luft  von  constantem  0-Gehalt  aus 
um  p.  500  gezeichneten  Apparat  in  die  Lunge  und  Hess  die  Aus- 
ihmungsluft  in  das  Freie  streichen.    Dabei  fand  er,  dass  ein  auf- 


534  O-Aufnalimo  veränderlich 

gebundenes  verdauendes  Kaninchen  bei  4,5  pCt.  0  der  Athmuiii 
luft  sehr  scliwer  atlimete,  wie  kurz  vor  der  Erstickung;  dass 
7,5  pCt.  das  Thier  etwas  tiefer  als  gewöhnlich  Luft  einzog, 
endlich  dass  bei  14,8  pCt.  die  Brust  sich  wie  beim  Eingehen 
mosphärischer  Luft  bewegte.  —  Mit  diesen  Zahlen  sind  Angaben  vi 
Regnault  und  Reiset*)  in  Ucbereinstimmung;  als  diese  Letztei 
wohlgefütterte  oder  fressende  Kaninchen,  Hunde,  Katzen  in  einen  Rai 
brachten,  dessen  Sauerstoffgehalt  allmählig  sich  änderte,  fanden  s; 
dass  die  Athnmng  öfter  beschwerlich  zu  werden  anfing,  wenn 
Luft  zu  Ende  des  Versuchs  weniger  als  10  pCt.  0  enthielt,  dai 
sie  dagegen  sehr  beschwerlich  wurde,  wenn  die  Luft  6,4  pCt. 
enthielt  und  dass  bei  4  und  5  pCt.  die  Thiere  dem  Erstickuni 
tode  nahe  waren.  —  Da  nun  die  Ausathmungsluft  des  Menschei 
vorausgesetzt,  dass  er  unter  gewöhnlichen  Bedingungen  athiii 
zwischen  14  bis  18  pCt.  schwankt,  so  kann  daraus  geschlossi 
werden,  dass  der  Sauerstoffdruck  in  der  Lunge  zu  allen  Abschni 
der  Athembewegung  noch  gentigt,  um  dem  Strom  des  O's  in 
Blut  hinein  die  nöthige  Geschwindigkeit  zu  geben.    Damit  er  ab 
nicht  unter  diesen  Werth   herabsinke,  muss  sich  die  Folge  d» 
Athembewegung  und   damit  der  Umfang  des  Luftwechsels  d 
variablen  Verbrauch  des  O's  anpassen,  ganz  in  der  Weise 
wir  dieses  schon  ausflihrlicher  bei  der  CO2  besprachen. 

b.  Aenderung  der  0-Aufnahme  mit  der  Veränderung  des  BI1 
Stroms.  1)  Wenn  sich  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  Blutstroi 
in  Folge  geänderter  Herzthätigkeit  steigert,  so  wird  sich  auch 
Summe  der  Blutkörperchen  mehren,  die  in  der  Zeiteinheit  dui 
die  Lunge  gehen;  denn  wir  sahen  schon  früher,  dass  bei  eiiii 
geringem  Stromgeschwindigkeit  die  Blutkörperchen  aus  den 
tralen  in  die  seitlichen  Strombahnen  übergehen,  dass  sieh  also  i 
der  langsamen  Strömung  das  Plasma  rascher  weiter  bewegt, 
die  Körperchen.  Treten  aber  mehr  Körperchen  durch  die  Lun. 
so  vergrössert  sich  auch  die  Absorptionsfläche  für  den  Sauersti 
Demnach  wachsen  im  Allgemeinen  die  Absorption  des  Sauerstol 
und  die  Blutgeschwindigkeit  gemeinsam.  ~  2)  Die  Geschwindi] 
keit  des  Blutstroms  in  den  Lungen  ändert  sich  in  Folge  der  A^ 
dehnung  der  Lungenwand.  Je  tiefer  die  Inspiration,  um  so  länge'' 
und  enger  werden  die  Lungencapillaren ,  um  so  langsamer  ströHi 


•)  Annales  de  chimie  et  physique  2«.  Bd.  (1849)  p.  388  u.  f. 


mit  dem  Blutstrom. 


535 


I  auch  das  Blut  und  um  so  mehr  wird  sich  der  Durchmesser 
tliissigen  Schicht  verkleinern,  welcher  die  Blutkijrperchen  von 
Lungenluft  trennt.    Daraus  folgt,  dass  die  Blutkörperchen  sich 

kommen  mit  Sauerstoff  sättigen  werden  und  zwar  wegen  des 
;ni;eren  Widerstandes,  den  der  Sauerstoff  auf  seinem  Wege  zu 

II  findet.  — ■  3)  Bei  gleicher  mittlerer  Geschwindigkeit  des  Blut- 
uns  durch  die  Aorta  kann  natürlich  das  Yerhältniss  der  mitt- 
•u  Geschwindigkeit  in  den  einzelnen  Zweigen  derselben  sehr 
iiiulerlich  sein.  Es  kann  also  fort  und  fort  gleichviel  Blut  durch 

Aorta  fliessen  und  dabei  doch  bald  dieses  und  bald  jenes  Ge- 
sehen mehr  Blut  in  Anspruch  nehmen,  wie  dieses  in  der  That 
nach  der  Grösse  der  Stromhindernisse,  beziehungsweise  der  Ca- 
arenweite  in  den  Verdauungswerkzeugen,  den  Muskeln,  der 
it  u.  s.  w.  geschieht.  Nun  greift  aber  jedes  Gewebe  den  Sauer- 
V  mit  ungleicher  Kraft  an,  und  es  wird  demnach  auch  trotz 
eil  er  mittlerer  Geschwindigkeit  des  Stroms  in  der  Aorta  das 
r  sehr  ungleich  reich  an  Sauerstoff  in  den  Lungen  ankommen 
,  man.  •  • 

Die  bis  dahin  dargelegten  Einflüsse  des  Blutstroms  auf  die 
rage  und  die  Eigenschaften  der  Blutkörperchen  in  der  Lunge 
i;ründen  mannigfache  Veränderungen  in  dem  Herzen  und  der  Athem- 
fvegung;  und  umgekehrt  es  beziehen  sich  auf  sie  auch  Eigen- 
imlichkeiten  der  Athembewegung.  Je  sauerstoffärmer  bei  glei- 
ir  mittlerer  Geschwindigkeit  des  Stroms  das  Blut  in  das  Herz 
iückkehrt,  um  so  wänner  wird  es  auch  sein,  und  um  so  lebhaf- 

wird  es  das  Herz  erregen;  dieses  könnte  einer  der  Gründe 
n,  warum  nach  Muskelbewegungen  nur  bei  bestehender  Ver- 
imng  der  Herzschlag  häufiger  und  kräftiger  wird.  Entlässt  aber 

Lunge  wegen  unzureichenden  Luftwechsels  die  Blutkörperchen 
•  unvollkommen  mit  0  gesättigt,  so  wird  das  verlängerte  Mark 

beschleunigten  und  tiefen  Athembewegungen  erregt  und  somit 
bh  der  Sauerstoff  der  Lungenluft  vennehrt. 

Werden  in  Folge  einer  tiefen  Einathmung  die  bisher  in  den 
wen  aufgehäuften  Körperchen  in  das  Herz  entleert,  so  wird  so- 
idch  auch  die  Wirkung  des  Sauerstoffs  auf  sie  kräftiger,  um  so 
(hr,  als  auch  die  Herzschläge  häufiger  werden  (Einbrodt.)  — 
;  tiefen  Einathmungen  setzen,  wie  wir  sahen,  den  Uebergangswider- 
md  des  Sauerstoffs  zum  Blute  beträchtlich  herab,  also  können  sie, 
itz  einer  niedrigen  Sauerstoffspannung  in  der  Lungenluft  doch 


536 


Veränderung  dos  Stickgases. 


noch  den  Strom  dieses  Gases  zum  Blut  lebhaft  machen.  Hier 
erklärt  sich  der  Nutzen  der  tiefen  Einathmung  in  sauerstoffa 
Luft,  und  es  leuchtet  ein,  wie  zweckmässig  es  ist,  dass  sich 
ser  Athmungsweisc  die  sauerstoflfbediirftigen  AVescn  bedienen. 

c.  Abhängigkeit  der  Sauerstoffaufnahme  von  der  Bindekr 
der  Blutkörperchen  für  Sauerstoff.    Bei  der  Auseinanderlegung 
Zusammenhang«  zwischen  dem  Sauerstoffverbrauch  und  der  Bilda 
von  CO2  unjj  HO  wurden  schon   die  Umstände  erwähnt,  un 
denen  das  Blut  von  seinem  Sauerstoff  befreit  und  somit  auch 
schickt  gemacht  wurde,  0  zu  verzehren.    Es  giebt  aber  auch  n 
andere  Blutänderungen,  welche  es  bedingen,  dass  das  Verraög 
des  Blutes,  0  zu  absorbiren,  gemindert  wird,  ja  es  giebt  viellei 
auch  solche,  die  im  Stande  sind,  den  einmal  aufgenommenen  Sati 
Stoff  fester  als  gewöhnlich  zu  binden;  zwei  Zustände,  die  glei 
massig  zu  einer  Verminderung  des  Sauerstoffumsatzes  führen, 
kannt  ist,  dass  die  Absorptionsfähigkeit  herabgedriickt  oder  >a 
gehoben  wird  durch  Zusätze  von  Kohlenoxyd (B  e mar  d,  F.  Hopp, 
durch  Morphin,  Strychnin,  Brucin  (?),  durch  Alkohol  (Harle; 

5.  Veränderung  des  Stickgases.    Das  Verhalten 
Stickstoffs  in  der  Ausathmungsluft  hat  bis  dahin  kaum  Berücksi 
tigung  gefunden;  was  um  so  mehr  zu  bedauern,  als  es  der  Theo 
aus  mehreren  Gründen  unmöglich  ist,  diese  Lücke  auszufüllen. 
Wir  benutzen  zur  Ergänzung  des  Fehlenden  die  Resultate,  welc 
aus  einer  Untersuchung  des  gesammten  thierischen  Gasaustausch 
hervorgegangen  sind;  die  Berechtigung  hierfür  liegt  darin,  da 
die  Lunge  die  hervorragendste  unter  allen  Athemflächen  ist.  Ä 
jenen  Beobachtungen  ergiebt  sich,  dass  eine  diffusive  Beweg" 
des  Stickgases  fehlen  und  vorhanden  sein  kann  ;  die  Richtung  d 
Diffusionsstroms  kann  abermals  verschieden  sein,  indem  er  d 
Stickgas  zu  der  einen  Zeit  aus  dem  Blute  in  die  Luft  und  zu  ein 
andern  gerade  in  ungekehrter  Richtung  führt,  —  a)  Die  Aus  '^ 
mung  des  Stickgases  tritt  ein:  nach  vorgängigem  Genuss  v' 
Fleischspeisen  und  Brod  (Regnault,  Reiset,  Barrai),  fem 
während  eines  Aufenthaltes  in  einer  N-gasfreien  Luft  (Alle: 
Pepys,  Legallois,  Marchand)  und  zwar  in  so  überwiegend 
Menge,  dass  dieselbe  nicht  abgeleitet  werden  kann  aus  dem  RÜ  ' 
stand  von  atmosphärischer  Liift,  der  in  den  Lungen  noch  znröo' 
blieb,  als  das  Athmen  in  dem-  N-freien  Gas  begonnen  wurde.  D 
das  Blut  N-Gas  aufgelöst  enthält,  so  ist  die  Aushauchung  dess 
ben  unter  den  zuletzt  erwähnten  Umständen  auch  eine  Nothwe 


Veränderung  des  gesammten  Luftvolums. 


537 


igkeit.  —  b)  Die  Aufnahme  von  N-Gas  in  das  Blut  geschieht 
ei  anhaltendem  Hungern  und  c)  vollkommen  indifferent  bleibt  es 
>ei  einer  Nahrung,  die  aus  reinen  Vegetabilien  besteht. 

Da  es  thatsächlich  feststeht,  dass  der  Gehalt  der  Lungenluft 
IQ  CO2,  so  lebensgefährlich  er  jenseits  gewisser  Grenzen  ist,  die 
ithembewegung  nicht  auslöst,  sondern  dass  die  Veranlassung  zur 
fewegung  mit  dem  Mangel  an  Sauerstoff  in  Beziehung  steht,,,  so  muss 
ae  Anwesenheit  des  N-Gases  in  der  Atmosphäre  den  CO-j-Gehalt 
es  thierischen  Körpers  in  engere  Grenzen  einschliessen ,  als  wenn 
iiir  in  reinem  0-Gas  athmeten.  Denn  in  einem  so  verdünnten 
»uerstoff  wird  schon  eine  zur  Athembewegung  nöthigende  Abnahme 
ingetreten  sein,  bevor  die  CO2  auf  einen  bedrohlichen  Werth  ge- 
idegen. 

Die  Gasvolumina,  welche  sich  in  dem  Stickstoffstrom  bewegen, 
»ad  zwar  sehr  gering  gegen  den  der  CO2  und  des  0,  aber  sie 
md  unter  Umständen  nicht  unbedeutend  im  Vergleich  zu  dem 
i<ickstoffgehalt  der  täglichen  Nahrungsmenge.  Nach  Barrai*) 
III  sich  das  Gewicht  des  gasfönnig  ausgeschiedenen  Stickstoffs 
M  das  Dritttheil  oder  gar  die  Hälfte  des  Genossenen  belaufen. 

6.  Veränderung  des  Gesammtvolums  der  eingeath- 
eeten  Luft,  a)  Das  in  die  Lunge  aufgenommene  Gasvolum 
rrändert  sich  unabhängig  von  dem  dort  erfolgenden  Austausch 
mnanenter  Gase;  wenn  wir,  wie  für  gewöhnlich,  kältere  und 
loeknere  Luft  ein-  als  ausathmen,  so  wird  das  eingeathmete  Luft- 
blum durch  den  Wasserdarapf  und  die  Wäi-me  vergrössert.  Die 
Hesmalige  Zunahme  des  Volums  ist  nach  bekannten  Regeln 
peht  zu  berechnen,  wenn  die  Unterschiede  der  Temperatur  und 
r  Dampfspannung  in  der  Aus-  und  Einathmungsluft  gegeben  sind. 

b)  Eine  zweite  vemickeltere  Beti-achtung  erstreckt  sich  auf 
3  Veränderung  des  ein-  und  ausgeathmeten  Luftvolums  in  Folge 
f8  Gasaustausches.  Die  Untersuchung  über  diesen  Punkt  führen 
■r  unter  den  Voraussetzungen:  dass  der  Thorax  bei  der  Exspi- 
idon  genau  wieder  auf  den  Punkt  zusammenfällt,  von  dem  er 
i  der  beginnenden  Inspiration  ausgegangen  war,  und  dass  die 
Wgeathmete  Luft  bei  der  Vergleichung  der  betreffenden  Volumina 
»au  wieder  auf  den  Barometerstand,  Temperatur-  und  Feuchtig- 
dtsgrad  gebracht  werde,  den  die  eingeathmete  besass.  Bei  die- 
.1  Annahmen  wird  der  Werth  der  Veränderung  abhängig  sein : 


*)  Statique  chimiqiic  des  animaux,  I'aris  1850.  270. 


538 


Veränderung  des  gesummten  Luftvolums. 


von  der  Menge  des  ausgehauchten  oder  eingesogenen  Stickstoffd 
von  dem  Kohlensäure-  oder  Sauerstolfvolum,  welches  die  andere! 
neben  der  Lunge  bestehenden  athrnenden  Flächen  des  Thierleibe 
aufnehmen  und  abgeben,  von  der  Menge  flüssiger  Oxydationspr 
dukte,  welche  neben  der  entstehenden  CO2  mit  Hilfe  des  vej 
schluckten  Sauerstoffgases  gebildet  werden.  —  Da  der  erste  di« 
drei  Punkte  an  und  für  sich  klar  ist,  so  wenden  wir  uns  sogleio 
zur  Besprechung  der  beiden  letzteren.  Nehmen  wir  nun  zuer 
an,  es  werde  der  ganze  aus  der  Atmosphäre  aufgenommene  Saue| 
Stoff  innerhalb  des  Organismus  zur  Bildung  von  CO2  verwende 
die  wiederum  gasförmig  aus  dem  Blute  sich  entfernte,  so  folj 
daraus,  dass  das  Gesammtvolum  der  aus  dem  Körper  ausgeschij 
denen  Gase  gerade  so  gross  sein  würde,  als  das  des  aufgenoi 
menen  Sauerstoffs,  weil  bekanntlich  die  aus  der  Vereinigung  vo 
C  und  O2  entstehende  gasförmige  CO2  genau  den  Raum  cinnimi 
den  vor  der  Vereinigung  die  beiden  Atome  Sauerstoff  besassej 
Die  Ausscheidung  und  Aufnahme  der  Gasvolumiua  könnte  sich  nfl 
aber  trotz  ihrer  im  Ganzen  bestehenden  Gleichheit  doch  auf  dw 
verschiedenen  mit  der  Luft  in  Berührung  befindlichen  Flächen  vtj 
theilen,  u.  A.  so,  dass  an  einem  Orte  überwiegend  mehr  CO2  au 
geschieden  und  an  dem  andern  mehr  0  aufgenommen  würde; 
setzt  also,  es  bestände  die  Eigenthümlichkeit,  dass  die  äussej 
Haut  mehr  CO2  ausschied,  als  sie  Sauerstoff  aufnähme,  so  wül 
in  der  Lunge  dafür  ein  grösseres  Volum  von  dem  letzteren  Gi 
aufgesogen  und  ein  geringeres  von  dem  ersteren  abgegeben  werd^ 
müssen.  —  Um  die  Bedeutung  der  dritten  Bedingung,  die 
oben  anführten,  einzusehen,  machen  wir  die  Voraussetzung,' 
werde  auf  jeder  Athemfläche  die  Gewichtsmeuge  von  Sauersb 
wieder  ausgegeben,  die  sie  aufgenommen;  dagegen  aber  soll  d 
in  das  Blut  aufgenommene  Sauerstoffgas  nicht  allein  zur  Bildni 
von  CO2,  sondern  auch  zur  Erzeugung  anderer  Oxydationsproduk 
verwendet  werden.  Bei  dieser  Voraussetzung  muss  das  Verhältni 
zwischen  dem  von  und  zu  der  Lunge  gehenden  Luftvolum  abhS 
gig  sein  von  der  Verwendung,  die  das  Sauerstoffgas  innerhalb  d 
Körpers  erfährt,  so  dass,  wenn  z.  B.  die  Hälfte  desselben  zur  E 
Zeugung  von  CO2  und  die  andere  zur  Verbrennung  des  Waßse 
Stoffs  in  Wasser  benutzt  wird,  auch  nur  die  Hälfte  des  durch  d 
Lungenwand  eingedrungenen  Luftvolums  von  ihr  wieder  ausg 
schieden  würde. 


Blutänderung  in  den  Lungencapillaron. 


539 


Eine  Vergleichung  der  gegebenen  Betrachtungen  mit  den  bis 
,hin  gewonnenen  Erfahrungen  ergiebt:  1)  Das  Vohim  der  aus- 
.athmeteu  Luft  ist  geringer,  als  das  der  eingeathmeten.  Diese 
i.iatsache,  welche  Lavoisier  entdeckt  hat,  haben  alle  genaueren 
•obachter  nach  ihm  bestätigt.  —  2)  Nach  dem  Genuss  von  Pflan- 
instoflfen  (Körner,  Gras)  erreicht  der  Unterschied  zwischen  dem 
^genommenen  SauerstofFvolum  und  ausgeathmeten  CO2 Volum  sei- 
iQ  geringsten  Werth,  seinen  grössten  aber  nach  der  Ernährung 
t  Fleischkost  (Dulong)*);  Regnault  und  Reiset  geben, 
Bnn  das  Volum  des  eingesogenen  0  =  1  gesetzt  wird,  als 
jenzwerthe  der  Verhältnisszahlen  für  den  ersten  =  1,04  und  für 
11  letzten  Fall  =  0,62  an.  —  Hungernde  Thiere  verhalten  sich 
!}  fleischfressende.  Hinge  die  Volumverminderung  allein  von 
m  Unterschied  zwischen  dem  verschluckten  0  und  der  ausgeath- 
t4en  CO2  ab,  so  mUsste  sie  bei  der  Fleischnahrung  am  bedeu- 
cdsten  werden.  Da  aber  bei  Fleischnahrung  auch  Stickstoff 
iSgehaucht,  beim  Hungern  dagegen  aiifgesogen  wird,  so  wird  sie 
dder  That  unter  der  letzteren  Bedingung  am  merklichsten  sein. 

7.  Veränderungen  des  Bluts  in  den  Lungencapilla- 
11.  In  der  Lunge  kann  sich  das  Blut  ändern  durch  die  Wech- 
wirkung  seiner  eigenen  Bestandtheile ,  und  dann  durch  eine 
;ihe  mit  dem  Lungengewebe  oder  mit  der  in  den  Lungenhöhlen 
uhselnden  Luft. 

Was  die  Aenderungen  in  Folge  der  letzteren  Beziehung  an- 
tt,  so  ist  ersichtlich,  dass  sie  ein  Gegenbild  von  derjenigen  der 
i|igenluft  sein  müssen;  also  wird  das  Blut  auch  nach  seinem 
durch  die  Lunge  AVärme  verlieren.  Bise  hoff  und  G.  Lie- 
;  haben  in  der  That  gezeigt,  dass  das  Blut  des  rechten  Herzens 

etwas  wärmer  ist  als  das  des  linken.  Diese  wichtige  That- 
ihe  soll  in  der  Lehre  von  der  thierischen  Wärme  weiter  gewttr- 
t  werden.  Ausserdem  wird  aber  das  Blut  auch  immer  verdunst- 
■e  CO2  und  zuweilen  N-Gas  verlieren  und  dafür  an  verdunst- 
?em  Sauerstoff  und  zuweilen  an  N-Gas  gewinnen.  Dieser  Satz,  der 
Iden  bekannten  Absorptionsvorgängen  jener  Gase,  in  den  I^e- 
:?ungen,  unter  denen  das  Blut  in  der  Lunge  vorkommt,  und  in 

beschriebenen  Veränderungen  der  Athemlnft  seine  ausgiebige 
»erstützung  findet,  ei-fährt  auch  noch  dadurch  eine  Bestätigung, 
.8  die  Rothe  des  Bluts,  welches  während  des  Lebens  aus  dem 


)8ohwelgger,  Journal  ftlr  Chcmlo.  38.  Bd.  506.  (1823.) 


540 


Blutänderung  in  den  Lungencapillaren. 


linken  Ventrikel  genommen  wird,  heller  ist  als  die  des  Bluts  an 
der  rechten  Kammer.    Diese  Farbenänderung  tritt  aber  bekam 
lieh  nur  dann  ein,  wenn  das  Blut  aus  dem  zuletzt  genannten  h 
hälter  CO2  abdunstet  und  Sauerstoffgas  verschluckt. 

Aus  mancherlei  Gründen  wäre  es  wünschenswerth ,  diese  qu 

litativen  Angaben  durch  quantitative  zu  vervollständigen,  und  hier: 

bieten  sich  scheinbar  zwei  Wege.   Zur  Auswerthung  des  Proze] 

gehaltes  beider  Blutarten  an  Gasen  würde  es  scheinbar  am  Ei 

fachsten  sein,  die  Luft  des  Blutes  im  rechten  und  linken  Ventrili 

zu  analysiren.    Aber  hier  wie  tiberall  steht  der  vergleichend 

Blutanalyse  der  Einwand  entgegen,  dass  die  verglichenen  Blutarti 

namentlich  mit  Beziehung  auf  ihren  Körperchengehalt,  nicht  glei 

zusammengesetzt  waren.  —  Oder  man  würde  aus  der  bekannt 

Menge  von  Blut  und  Luft,  welche  in  der  Zeiteinheit  durch 

Lunge- geht,  und  aus  der  Veränderung,  welche  die  Luft  erli 

zu  berechnen  haben,  wie  gross  die  Veränderung  des  Blutes 

Gasen  gewesen  sei.    Bei  der  letzten  Betrachtungsweise  bleibt  ab 

immer  einer  der  Gruudwerthe,   nemlich  die  Blutmenge,  welc] 

die  Lungen  durchsetzte,  mit  beträchtlichen  Unsicherheiten  behai 

Stellt  man  aber  dessungeachtet  auf  Grund  der  vorliegenden  Batf 

einen  Ueberschlag  an,  so  ergiebt  sich,  dass  das  Blut  des  recht( 

Herzens  um  etwa  2  Vol.  Proz.  CO2  mehr  und  eben  so  viel  Sai 

Stoff  weniger  enthält,  als  das  des  linken.    Hiermit  stimmt  es 

Allgemeinen ,  dass  das  Blut  der  Venen  noch  viel  abdunstbareiij 

(Magnus)  und  das  der  Arterien  noch  viel  abdunstbare  CO2 

hält  (Magnus,  L.  Meyer,  Setschenow). 

■AI 

Nach  Vierordt  entleert  der  mittlere  Herzschlag  180  CC.  Blut;  nehmen 
aus  der  Athmungstabelle  desselben  Beobachters  (p.  523  10.  Stunde)  eine  Minute 
aus,  in  welcher  ü9  Herzschläge  geschehen,  so  würde  in  dieser  Zeit  12-100  CC.  Blut  i 
die  Lunge  getrieben;  in  derselben  Zeit  wurden  ausgehaucht  281  CC.  CGj;  den 
würden  100  Vol.  Blut  =  2,3  Vol.  CO--  eingcbüsst  haben. 

Um  zu  erfahren ,  ob  das  Blut  in  der  Lunge  noch  andere  M 
ägderungen  als  die  abgehandelten  erleidet,  giebt  es  ausser  dernj 
sehr  bedingungsweise  brauchbaren  vergleichenden  Blutanalyse  noj 
zwei  andere  Mittel.  Das  eine  besteht  darin,  die  Zusammensetzn 
der  Flüssigkeit,  welche  die  Lunge  durchtränkt,  festzustell^ 
(Cloetta)  und  das  andere  prüft  die  Veränderung,  welche 
Blut  erfahren  hat,  das  durch  die  Lunge  des  so  eben  getödtetj 
Thieres  gesprützt  wurde  (Pavy). 


Bau  der  Lungen. 


541 


Wenn  die  vergleichende  Analyse  darlegen  soll,  welchon  Einfluss  die  Lunge  auf 
:  Gestaltung  des  Eluts  gewinnt,  so  darf  zur  Zerlegung  nur  verwendet  werden  der 
üslt  des  rechten  und  linken  Herzens;  es  sind  somit  alle  Beobachtungen  werthlos, 
i  denen  das  Blut  .einer  beliebigen  Einzelvene  mit  dem  arteriellen  verglichen  wurde, 
itin  im  rechten  Vorhof,  dem  Ausgangspunkte  für  den  Strom  in  der  Lunge,  mischt 
11  der  Inhalt  sehr  verschiedener  Venen,  und  zugleich  der  der  Lymphstämme.  Aber 
th  die  Vergleichuug  des  Blutes  beider  Herzhälften  ist  allen  Einwürfen  in  erhöhtem 
idssstab  ausgesetzt,  welche  die  vergleichende  Blutanalyse  treffen.  Denn  weil  das 
intc  Herz  den  Zusammenfluss  aller  möglichen  Blutarten  darstellt,  und  weil  der  Quer- 
;nitt  und  die  Geschwindigkeit  der  einzelnen  zuführenden  Strombahnen  in  der  Zeit 
tr  veränderlich  ist,  so  muss  hier  am  meisten  Gelegenheit  zu  Aenderungen  der  Blut- 
lammensetzung  gegeben  sein.  Darum  wird  im  vorliegenden  Falle  sogar  das  Ergeb- 
.  der  vergleichenden  Serumanalyse  bedenklich. 

Die  nach  dem  beschriebenen  Plane  augestellten  Untersuchungen 
;:aben:  1)  Die  Lungensäfte  enthalten  Inosit,  Taurin,  Harnsäure, 
Ii  zwar  jedenfalls  vielmehr  von  diesen  Körpern,  als  das  Bltit 
lloetta).  Woher  stammen  diese^  Körper?  Sind  sie  aus  der 
iber  mitgeführt  und  in  die  Lunge  abgelagert?  Ist  das  Taurin 

Zersetzungsprodukt  der  Taurocholsäure  ?  —  2)  Das  Blut  des 
tcen  Herzens  soll  nach  Chaveau,  Harley,  Poggiale,  Heyn- 
II s  ebensoviel  und  mehr  Traubenzucker  enthalten,  als  das  des 
ihten,  nach  Bernard  und  Lehmann  aber  weniger.  Insofern 
DD  den  Methoden  der  gekannten  Analytiker  Zutrauen  schenken 
l,  muss  man  in  diesen  Widersprüchen  die  Folgen  einer  unglei- 
m  Blutmischuug  in  dem  rechten  Vorhof  sehen.  —  3)  Zuckerhal- 
rs,  fibrinfreies  Blut,  welches  man  durch  die  Lunge  des  eben 
tJdtefen  Thieres  sprützt,  kommt  zuckerärmer  in  den  Lungen- 
een  an  (Pavy).  —  4)  Das  Lungenvenenblut  soll  weniger  Faser- 
rf  enthalten,  als  das  der  Aorta  (?J. 

Welchen  Antheil  an  der  Erzeugung  jener  Veränderungen  das 
fieinanderwirken  der  Blutbestandtheile,  und  welchen  das  Lungen- 
•^ebe  besitzt,  ist  unmöglich  anzugeben.  Der  oft  gehörten  Mei- 
gg,  dass  der  0,  der  sich  in  der  Lunge  dem  Blute  beimengt, 

f  wirksam  sei,  steht  das  gerechte  Bedenken  entgegen,  dass  das 

t  der  Lungenarterien  noch  immer  sehr  sauerstoffhaltig  ist.  Also 
lacht  der  Inhalt  jenes  Gefässes  nicht  erst  auf  den  aus  der  Lunge 

nmendcn  Sauerstoff  zu  warten,  wenn  er  sich  verändern  will. 
8.  Bau  der  Lungen.    Nach  der  anatomischen  Einrichtung 
den  physiologischen  Folgen  derselben  kann  man  in  der  Lunge 

Brschciden  die  Zuleitungsröhren  (trachea  und  bronchi)  und  die 

r älter  für  die  Mischung  und  den  ■  Austausch  der  Gasarten ,  die 
i  ihrer  Form    wegen   passend   Trichter    (iiifundibula)  nennt 


542 


Bau  der  Lungon. 


(Rossignol).    Wand  und  Höhlung  beider  setzen  sich  ununtc 
brechen  in  einander  fort.  —  Die  Höhle  der  Trachea  theilt  si( 
gabelig,  und  ebenso  wieder  die  eines  jeden  Bronchus  und  auch  d 
eines  jeden  seiner  Zweige,  und  so  fortlaufend  vielmal ;  dabei  blei' 
der  Querschnitt  der  Höhle  zwar  immer  annähernd  kreisförmig,  ahi 
der  Kadius  dieses  Kreises  nimmt  nach  jeder  neuen  Theilung  ai 
bis  er  auf  0,2  MM.  und  weniger,  jedoch  nicht  auf  mikroskopiscl 
Grösse  herabsinkt.  Die  Wand  der  Bronchien  besteht  aus  Fliinmel 
epithelien,  deren  Schlag  dem  aufgestreuten  Körperchen  eine  Bew^ 
gung  in  der  Richtung  von  den  Bronchis  zur  Trachea  eiHieilt;  fe| 
ner  aus  elastischen  und  Bindegeweben,  aus  ringförmigen  Musfa 
Zellen  und  einzeln  eingestreuten  Knorpelplättchen.    In  dieser  W 
sind  kleine  traubige  Schleimdrlischen  eingebettet,  die  sich  in 
Bronchialhöhlen  öffnen.  —  Die  Infundibula  sind  blindendigen^j 
keulige  oder  trichterförmige  iAuftreibuugeu  von  verhältnissmässi 
bedeutender  Grösse,  deren  Zuspitzung  gegen  je  einen  kleius 
Bronchus  (brouchiolus)  gerichtet  ist;  die  Oberfläche  der  Keide  i| 
maulbeerartig  ausgebuchtet;  die  einzelnen,  an  Ausdehnung  v 
schiedenen,  halbkugelförmigen  Hervorragungen  (Cellulae)  öffm 
sich  mit  breiter  Mündung  gegen  den  Mittelraum  der  Trichterhöhi 
Die  sehr  dlinnen  Wandungen  der  verhältnissmässig  grossen  Höh 
bestehen  aus  einer  elastischen  Grundhaut,  die  von   sehr  sp 
Samen  Muskelzellen  durchsetzt  ist  (Moleschott)   und  die  a^i 
ihrer  inneren  Fläche  mit  einer  Schicht  von  kugeligen  Zellen  b| 
deckt  ist.  —  Der  Gesammtraum,  den  die  Lunge  einnimmt,  vi 
theilt  sich  zwischen  den  beiden  Bestandtheilen  so,  dass  der  Wj( 
aus  grösste  Antheil  derselben  auf  die  Infundibula  fällt. — Zu  jed( 
dieser  beiden  durch  Wand  und  Hohlraum  unterschiedenen  Lungei 
bestandtheüe  geht  auch  ein  besonderes  Blutgefäss;  zu  den  Broi 
chis  die  engere  art.  bronchialis,  zu  den  lufundibulis  die  weite  V 
pulmonalis.    Die  aus  den  beiden  Arterien  hervorgehenden  Capili 
netze  gehen  ineinander  über  in  den  kleinsten  Bronchis,  so  di 
jedes  derselben  sowohl  von  der  a.  pulmonalis,  wie  von  der 
bronchialis  aus  voUgesprützt  werden  kann.  —  Die  Nerven  d 
Lunge  kommen  aus  dem  n.  vagus  und  n.  sympathicus;  ihre  Ei 
düngen  sind  unbekannt;  sensible  Fasern  gehören  jedenfalls  dei 
n.  vagus  an.  —  Aus  der  Lungenoberfläche  kommen  zahlreid 
Lymph Stämme ,  deren  Wurzeln  bis  zu  den  Bronchien  hin  verfoli 
werden  können.  —  Die  ganse  Lunge  endlich  ist  in  den  Pleun 
sack  eingeschlagen. 


Chem.  Zusaiwmens.  d.  Lunge ;  Wirkungen  d.  Lungenmusk.  ;  Elast.  Eigenseli.  543 


.-.  9.  Chemische  Zusammensetzung  der  Lunge.  Der 
Wasser  unlösliche  Antheil  des  Lungengewebes  besteht  aus  dem 
lalöslichen  Rückstand  der  Muskeln,  des  ßindesgewebes  etc.  — 
m  der  Lunge  kann  ein  Saft  ausgepresst  werden,  der  ausser 
iweissartigen  Körpern  Inosit,  Harnsäure,  Taurin  (Cloetta),  zu- 
teilen auch  Leucin  (Staedeler  und  Frerichs)  enthält.  Aus 
■alchen  Formbestandtheilen  der  Lunge  diese  Stoffe  stammen,  bleibt 
^hingestellt. 

10.  "Wirkungen  der  Lungen muskeln.  Ihrer  anatomischen 
nordnung  nach  können  die  kleinen  Muskeln  der  Lunge  zunächst 
ibhl  nur  den  Durchmesser  der  Blutgefässe  und  Broncliien  mindern. 
II  aber  alle  Bronchien,  Trichter  und  Blutgefässe  durch  Binde- 
webe mit  einander  verschmolzen  sind,  so  müssen  die  Zusammeu- 
bhungen  jener  Muskeln  auch  die  muskelfreie  Umgebung  bewegen, 
Jd  da  ferner  muskeltragende  Rohre  uach  allen  Richtungen  ziehen, 

müssen  verbreitete  Zusammenziehungen  die  gesammte  Lunge 
?äammenpressen.  Dieses  lässt  sich  nach  Traube  so  beweisen, 
jss  man  die  beiden  Lungen  eines  eben  getödteten  Thieres  in 
Ites  Wasser  wirft,  die  eine  so  kurz  nach  dem  Tode,  dass  vor- 
i^sichtlich  ihre  Muskeln  noch  reizbar  sind,  und  die  andere  erst 
nn,  wenn  voraussichtlich  die  Reizbarkeit  abgestorben.  Die  erste 
Iht  sich  in  dem  kalten  Wasser  noch  weiter  zusammen,  die  zweite 
Hält  dagegen  den  Umfang,  der  ihr  durch  die  elastischen  Kräfte 
rjewiesen  ist,  also  ist  die  allseitige  Verkleinerung  der  ersten  in 

That  eine  Muskelwirkung.  Die  Nerven  dieser  Muskeln  sollen, 
s8  jedoch  auch  bestritten  wird,  im  n.  vagiis  laufen  (L  Bd.  201). 
ibekannt  sind  die  Umstände,  unter  welchen  die  lebenden  Lungen- 
»skeln  sich  bewegen,  und  die  Folgen,  welche  aus  den  Bewegun- 
II  hervorgehen. 

11.  Elastische  Eigenschaften.  Die  Lunge  und  vorzugs- 
Hse  ihre  Trichter  vergleichen  sich  an  Elasticität  mit  den  in  die- 

Beziehung  bevorzugtesten  Gebilden  des  Thieres.  Sicherlich 
Kien  auch  die  Lungenwandungen  die  allgemeinen  Eigenschaften 

thierischen  Elastizität,  so  dass  die  Zusammensetzung  der  sie 
^chtränkenden  Flüssigkeiten  und  die  schon  vorhandene  Span- 
pg  die  Dehnbarkeit  bestimmt.  Also  müssen  sich  oft  Veranlas- 
Sgen  finden,  durch  welche  der  Elastizitätscogffizient  der  Trichter- 
!'.t  geändert  wird,  denn  sie  sind  zart  und  leicht  durchdringlich, 
i  dazu  in  wechselnder  Ausdehnung  von  Luft  und  Blut  um- 


544 


Ernährung  der  Lunge. 


im  Leben,  weil  sie  sich  zusammensetzen  aus  dem  Zug  des  Bin 
kastens  und  dem  Widerstand,  den  die  Trichter  bei  ihrer  Ausdehnu) 
an  dem  Blut,  den  Bronchien  u.  s.  w.  finden.  —  Da  endlich  die  Foi 
des  Trichters  und  die  seiner  Zellen  von  dem  Elastizitätsmaa 
ihrer  Wand  und  der  spannenden  Kräfte  abhängt,  so  wird  sich  au 
jeneForm  mannigfach,  und  zwar  dauernd  oder  vorübergehend,  ändei 

Ein  Beispiel  hierfür  bietet  das  Emphysem,  ein  Zustand,  in  welchem  einzt 
Abtheiluugen  der  Lunge  auf  Kosten  anderer  sich  ausgedehnt  haben;  der  nachthen 
Erfolg  dieser  Formänderung  auf  die  Athmung   ist  einleuchtend ;  einmal  werden  aj 
die  Blutgefässe,  welche  zu  dem  nicht  mehr  erweiterbaren  Trichter  gehen,  auch 
mehr  an  der  Athmung  theilnehmen,  und  zugleich  wird  in  den  übermässig  erweitci 
Blasen  der  Gasaustausch  weniger  ergiebig  sein ,  weil  die  Blutgefässe  ausgedehnt  sij 
und  also  der  Strom  hier  einen  gi-össern  Widerstand  erfährt,  als  in  den  Gefässen 
zusammengefallenen  Bläschen,  und  weil,  gleiches  Maass  der  wechselnden  Luft  vo; 
gesetzt,  diese  mit  einem  geringen  Umfang  der  Wandüäche  in  Berührung  kömmt  (we| 
der  Kugelgestalt  der  Zellen) ,  und  endlicli  werden   zu  gleich  inhaltsreichen  Athei 
zügcn  viel  grössere  Muskelkräfte  nöthig  sein,  weil  die  auch  schon  in  der  Ausathm« 
übermässig   ausgedehnten   Bläschenwände   der   noch  weiteren  Ausdehnung  stärk 
Widerstand  bieten.    Dieser  Zustand  findet  sich  in  einem  Lungenstück  ein,  wenn 
nachbarte  Theilo  den  Widerstand,  den  sie  der  Ausdehnung  bisher  entgegenstellt] 
nicht  mehr  leisten  können,  resp.  wenn  sie  an  ihrer  Ausdehnung  selbst  behindert 
den,  so  z.  B.  durch  Verschliessung  der  zuführenden  Bronchien,  oder  durch  Yerwaj 
sung  der  sie  bedeckenden  Pleurablätter,  oder  wenn  wegen  eingetretener  Unwegsami 
eines  Arterienstämmchcns  die  Gefiisse  der  zugehörigen  Trichter  durch  den  Blutsi 
nicht  mehr  ausgedehnt  werden  u.  s.  w.    Geringei'c  Gefahr  als  durch  eine  Aende: 
in  den  mechanischen  Bedingungen,  scheint  der  Trichterform  zu  drohen,  durch 
häufigen  Wechsel  einer  trockenen  ,oder  abgekühlten  Luft,  oder  vielleicht  selbst  di 
eine  Aenderung  in  der  chemischen  Natur  der  Säfte ,  welche  die  Lunge  durchströmi 
denn  so  lange  die  Zusammensetzung,  Wärme  und  Bewegung  des  Blutes  gesund  bl 
ist  es  gerade  wegen  des  häufigen  Wechsels  und  der  Dünne  der  Trichterwanduni 
sowie  der  vielfachen  Gefässausbreitung  wegen  nicht  zu  fürchten,  dass  es  zu  einer 
Form  alteiirenden  Veränderung  der  E-Coeffizienten  kommen  sollte.    Eine  Bestäti| 
für  den  Jnhalt  der  letzten  Betrachtung  seheint  darin  zu  liegen,  dass  Menschen,  wi 
statt  durch  die  Nase  durch  eine  Luftröhrenfistel  athmen,  vollkommen  gesunde  Luni 
bewalu'en  (Ulrich)*). 

12.  Ernährung  der  Lunge.  Die  Formfolge  bei  der  ersl 
Entwickelung  derselben  ist  analog  derjenigen  anderer  gelapp| 
Drüsen;  der  einzige  Unterschied  besteht  darin,  dass  die  Zell 
häufchen,  welche  die  späteren  Aeste  und  Aestchcn  darstell 
gleich  von  vorn  herein  im  Centrum  Flüssigkeit  führen,  nicht  ai 
wie  gewöhnlich  conipakt  sind.  —  Nach  der  Geburt-  vergrössert  g 
die  Lunge  nur  durch  die  Ausdehnung  der  vorhandenen  Bläscl 
und  Röhren;  eine  Neubildung  kommt  nicht  mcbr  vor. 

■)  ZcitBchiifl  iler  Wiener  Aeiztc,  1800.  209. 


Ernälirung  der  Lunge. 


545 


Obwohl  die  Oberfläche  der  gesunden  Lunge  nur  sehr  wenig 
'Buchtet  ist,  so  müssen  wir  doch  annehmen,  dass  in  die  Bronchial- 
ule  hinein  eine  flüssige  Absonderung  und  zwar  aus  den  dort  vor- 
iidenen  Schleimdrüsen  erfolgt.  —  Wie  die  Absonderung  beschaffen 
•unter  welchen  Umständen  sie  vor  sich  geht,  blieb  bis  dahin 
gekannt.  Vorausgesetzt,  dass  die  Bronchialschleimhaut  für  ge- 
lanUch  absondei't,  muss  die  Menge  des  Saftes  so  gering  sein, 
jS  das  Wasser  desselben  in  der  Athmungsluft  verdampft  und  die 
iislichen  Rückstände  durch  die  Flimmerbewegung  entleert  werden 
inen.  Zu  gewissen  Zeiten,  bei  sog.  Bronchialkatarrh  wird  die 
(onderung  lebhafter.  Dieser  Zustand,  der  sich  leicht  bei  Thieren 
nugen  lässt,  giebt  Hoffnung,  auch  über  die  Eigenschaften  und 
iingungen  der  normalen  Absonderung  ins  Klare  zu  kommen.  — 
iiie  Infundibula  hinein  erfolgt,  wie  es  scheint,  gesunderweise  nie 

flüssige  Absonderung ;  es  wird  dieses  wahrscheinüch  dem  Um- 
td  zu  danken  sein,  dass  der  Blutstrom  in  der  Lunge  mit  einem 
cngern  Drucke  fliesst  und  die  Lungenhaut  s'ammt  ihrem  Epi- 
lum  der  andringenden  Flüssigkeit  einen  genügenden  Widerstand 
eet.  Hemmungen  im  Stromlaufe,  namenthch  auf  der  Seite  der 
^envenen,  Veränderungen  im  Quellungszustande  und  in  der  Dehn- 
xeit  der  Lungenhäute,  Loslösung  des  Epitheliums,  einseitige  Er- 
rrigung  des  Luftdrucks  in  der  Lungenhöhle  würden  demnach  in 
'är  Ordnung  den  Uebeiiritt  von  Flüssigkeiten  in  die  Infundibula 
ingen.  Diese  Zustände  könnten  aber  erzeugt  werden  durch 
ilerung  des  Strombetts,  der  Reibung,  der  chemischen  Zusam- 
jsetzung  des  Blutes,  durch  Aenderungen  im  Erregungszustand 
ILungenmuskeln ,  also  auch  der  zugehörigen  motorischen  oder 
ictorischen  Nerven,  durch  Eindringen  fremdartiger  Flüssigkeiten 
des  Speichels  in  die  Lungenhöhle,  durch  Hemmung  des  Luft- 
»angs  in  die  Trachea  oder  Bronchien.  Mit  der  Grösse  der  ge- 
uten  Störungen  könnte  auch  die  chemische  Zusammensetzung 
saus  dem  Blute  tibertretenden  Flüssigkeit  veränderlich  werden. 
•  Obwohl  alle  diese  Punkte  dem  Versuche  zugänglich  sind,  so 

doch  nur  wenige  in  Angriff  genommen.  Zu  diesen  zählen  die 
^Virchow*)  behandelten  Fälle  von  Verstopfung  einzelner  Aeste 
■Lungenarterie  (Embolie),  welche  für  die  Pathologie  eine  grosse 
Tätigkeit  erhalten  hat,   und  die  lürscheinungen ,  welche  nach 


•)  Gesammelte  Abhandlungen.  Frankfurt  185«.  227. 
idwig,  Physiologie  0.  2.  Anfinge. 


35 


546 


Ernährung  der  Lunge. 


DurchschneiduDg  der  nn.vagi*)  beobachtet  wurden;  die  letztre  lic 
von  Thatsaclien  besitzt  unmittelbar  physiologische  Bedeutung. 

Nach  Durchschneidung  der  nn.  vagi  oder  der  rami  recurrentes  dieses  Nerven 
\ticken  einige  Thiere  alsbald  in  Folge  eines  ventilartigen  Verschlusses  der  Stimraii 
andere  mit  steifem  Kehlkopf  überstehen  den  Eingriff.    Bei  Kaninchen,  die  18 
24  Stunden  nach  der  Uurchschneidung  beider  nn.  vagi  gestorben,  findet  die  See 
in  der  Trachea  serosblutigen  Schaum,  und  in  dem  Lungengewebe  zwischen  vollkon 
gesunden  Stollen  einzelne  rothgcfiärbte  eingesunkene  Partien  von  kleinerer  oder  gross 
Ausdehnung ;  diese  veränderten  Lungenstticke  sind  von  der  Trachea  aus  noch  aufzuV 
und  wenn  man  sie  einschneidet,  so  Messt  aus  ihnen  eine  rothe  schaumige  Flüssig 
die  der  mikroskopischeu  Analyse  nach  Blutkörperchen,  Körnchenzellen,  Lungenepit' 
und  gewöhnlich  auch  Speisenreste  und  Mundepithelien  enthält.  Haben  die  Thiere 
als  24  Stunden  gelebt,  so  ist  in  vielen  der  veränderten  Lungenzellen  ein  Theil 
Inhalts  festgowovden,  so  dass  die  Zelle  nun  nicht  mehr  aufgeblassen  werden  kann 
nach  dem  Durchschneiden  nichts  oder  wenig  auslliesst.    Bei  Hunden  fehlen  die' 
scheinungen  zuweilen  ganz;   wenn   sie  vorhanden,   so   gleichen  sie  ganz  den 
Kaninchen  beschrieb  enen,  mit  der  Ausnahme  jedoch^   dass  die  Siieisereste  und  Mi 
epithelien  fehlen.  —  Beim  Kaninchen  kommen  dieselben  Erscheinungen  vor ,  je 
ohne  Zugabe   der  Speisereste  und  Mundepithelien,   wenn  die  Trachea  nach  D 
schneiduug  der  nn.  vagi  eröffnet  und  eine  Canüle  in  sie  gelegt  wurde,  die  die  At 
erleichtert  und  den  Uebergang  des  Mundinhalts  in  die  Lungen  unmöglich  macbi 
Werden  die  rami  recurrentes  allein  durchschnitten  und  wird   nach  Anlegung 
Luftröhrenflstel-  eine  Canüle  eingelegt,  so  bleiben  die  Lungenverändorungeu  zuw 
aus ;  sehr  häufig  erscheinen  sie  dagegen  gerade  so,  als  ob  die  n.  vagi  verletzt  wäre; 
Nach  einseitiger  Durchschncidung  des  n.  vagus  kommt  keine  Lungenveräuderung 
Vorschein.    Diese  Thatsachcn  lassen  mancherlei  Erklärungen  offen ,  aber  sie  sehe 
jedenfalls  darzuthun,  dass  die  Lungenänderung  keine  unmittelbare  Folge  der  Verle , 
der  Lungenäste  des  n.  vagus  ist.    Dafür  spricht,  dass  nach  einseitiger  Durchschn^ 
auch  gar  keine  Andeutung  derselben  vorkommt,  dass  nach  doppelseitiger  Ope 
nicht  alle,   sondern  nur  einzelne  Lungentheile   ergriffen  sind,   dass  femer  in 
zelnen  Fällen  die  Infuudibula  ganz  unverändert  sind ,  und  dass  endlich  auch  die . 
letzung  der  rami  recurrentes,  die  gar  nicht  zur  Lunge  gehen,  dieselben  Folgen  wie 
Zerschneidung  der  Stämme  nach  sich  ziehen.  —  Man  hat  darum  den  Grund  der 
änderung  gesucht  in  den  tiefen  Athemzügen  oder  in  dem  Eindringen  von  Spei 
die  letztere  Annahme,  welche  Traube  in  einer  gründlichen  Arbeit  vertheidigt, . 
sich  darauf,  dass  der  in  die  Lunge  gespritzte  Speichel  ebenfalls  die  genannteny. 
änderungen  hervorruft.    Im  Hinblick  auf  einen  Theil  der  obigen  Erfolge  müsste 
wenn  man  die  Annahme  von  Traube  halten  wollte,  zu  ihr  noch  den  Zusatz  m" 
dass  der  im  Uebermaass  abgesonderte  Sehleim  der  Luftröhre  dieselben  Folgen  er«' 
die  er  dem  Mundspeichel  zuschreibt.    Darnach  bliebe  es  aber  noch  immer  dunka 
de^^peichel  einwirkt  und  warum  er  eine  blutige  Absonderung  erzeugt,  die  dooh 
Platzen  der  Gcfässe  voraussetzt. 


*)  BiUroth  (und  Traube),    de  nnture  et  causa  piilmon.  affectionis.   Berlin  iM 
Powelin  ( und  B  i  d  d  e  r) ,  de  causa  mortis  post  vagos  dissectos.   Dorpnt  1S51.  —  Wn 
M  ü  11 0  r's  Arohiv.  1855.  —  Arnsperger,  Virchows  Archiv.  IV.  Bd.  —  H.  Nasse, 
für  gemeinsame  Arbeiten.  II.  Bd.  (1855). 


Nachtrag  zur  Lungenathmung. 


547 


Die  Epithelien  der  Lungenoberfläche  sollen  sich  sehr  allmählig 
tiehuppen  (Kölliker).  —  lieber  die  Ernährung  des  formlosen 
udegewebes  und  der  Lymphbildung  in  der  Lunge  fehlen  Näch- 
sten. 

Nachtrag-  zur  Lungenathmung, 
Während  des  Druckes  der  letzten  Bogen  hat  Schöffer  unter 
inen  Augen  eine  Beobachtungsreihe  vollendet,,  deren  Ergebnisse 
I  unsere  Vorstellungen  über  die  Lungenathmung  von  Einfluss  sind. 
Versuche  selbst,  so  wie  die  Begründungen  der  Methode  u.  s.  w. 
[l  in  der  Abhandlung  nachzusehen,  die  demnächst  in  den  Sitzungs- 
ichten  der  k.  Akademie  erscheinen  iwdrd.   Alle  Zahlen  beziehen 
.  auf  100  Theile;  die  zu  den  Gasen  geschriebenen  Volumina  sind 
1  Met.  Hgdruck  und  CC  berechnet. 

a)  Das  Blut  und  das  aus  demselben  Blute  abgeschiedene  Serum 
liahen  nicht  gleichviel  und  auf  gleiche  Art  gebundene  CO2. 

Verdunstbare    Nur  durcli  Säure  Verdunstßare    Nur  durch  Säure 

COj.  abscheidbare  COj.  •        COj.  abscheidbare  COj. 

t        24,62  1,59  Blut        25,78  0,81 

um     10,20  23,77  Serum      16,65  16,06 

b)  Das  gashaltige  und  gasfreie  Blut  treibt,  wenn  es  zum  Serum . 
;3tzt  wird,  aus  diesem  unter  Beihilfe  eines  niedrigen  Luftdrucks 

bei  Weitem  grössten  Theil  derjenigen  CO2  aus,  die  aus  dem 
Blutkörperchen  möglichst  fi'eien  Serum  nur  nach  Zusatz  einer 
rre  ausgeschieden  werden  kann.  So  gab  z.  B.  ein  Serum,  das 
»6  pC.  festgebundener  CO2  enthielt,  nur  noch  1,77  pC.  durch 
rre  abscheidbare  CO2 ,  nachdem  es  zuvor  unter  Zusatz  gasfreien 
•  es  ausgepumpt  war.  Also  war  die  festgebundene  CO2  nicht 
imtlich,  sondern  nur  zum  grössten  Theil  ausgetrieben.  In  diesem 
jnögen  der  Körperchen  einen  Theil  der  CO2  auszutreiben,  ist  es 
"ündet,  dass  aus  dem  Blut  immer  viel  weniger  festgebundene  CO2 
<  on;nen  werden  kann,  als  ihm  vermöge  seines  Gehaltes  an  Serum 
ommen  mUsste. 

c)  Aus  der  ebenerwähnten  in  Verbindung  mit  schon  bekannten 
titsachen  folgt,  dass  dieC02  des  Blutes  auf  vier  verschiedene  Arten 
unden  ist,  und  zwar  einfach  gelöst  als  Gas  (difFundirt),  daiin^  an 
Jilische  Salze  (NaC02  xmd  2NaO  HOPO5)  gebunden,  dann  so  ge- 
iden,  dass  sie  unter  Mitwirkung  der  Blutkörperchen  und  endlich  so, 

i  sie  nur  unter  Beihilfe  der  Säure  ausgeschieden  werden  kann. 
'  d)  Eine  vergleichende  Bestimmung  der  verdunstbaren  CO2  des 
ammtblutes  und  seiner  pbosphorsauren  Alkalien  ergab,  dass 

35* 


54g  ^       Nachtrag  zur  Lungenatlimun};. 

die  CÜ2  im.  Allgemeinen  jedoch  nicht  immer  mit  dem  phospLi 
sam-eu  Alkali  wächst.  Macht  man  aber  mit  Fernet  die  Annahn 
dass  für  je  ein  Atom  Phosphorsäure,  das  an  Alkalien  gebunden  i 
2  Atome  CO2  aufgenommen  werden  können,  so  ist  das  phosphorsai 
Alkali  meist  schon  für  sich  allein  genügend,  um  alle  verdunsth; 
CO2  des  Blutes  zu  binden.  In  der  folgenden  Tabelle,  die  die- 
darthut,  ist  die  PO5,  welche  an  Alkalien  gebunden  ist,  also  ( 
gesammte  PO5  des  Blutes  nach  Abzug  der  an  Erden  gebundt 
aufgeführt.  Die  PO5  -  Bestimmungen  sind  an  derselben  Blutmeu 
gemacht,  die  auch  zur  Gasbestimmung  diente. 

CO2,  die  nacli  Fernet  to; 
dea  phosphorsauren  Alkaliei 


Verdunstbare 

PO5 

COi. 

an  Alkalien  gebunden 

Arterienblut 

31,66 

0,088 

26,44 

•  0,109 

26,70 

0,082 

Venenblut 

a3,05- 

0,087 

V 

27,83 

0,097 

}} 

21,32 

0,077 

7f 

30,73 

0,095 

}) 

30,54 

0,103 

V  ■ 

32,14 

0,099 

Iii 


zu  binden  wären. 

27,72 
34,17 
25,83 
27,62 
30,75 
23,90 
30,01 
32,45 
.31,18 

e)  Eine  Vergleichung  der  CO2  des  Blutes  von  Thieren/  welji 
24  Stunden  gehungert  hatten,  mit  der  CO2  des  sauren  Harns,  welQ 
während  jener  24  Stunden  abgesondert  war,  ergab  im  Mittel 
je  einem  Versuch  an  6  verschiedenen  Thieren:   aus  Blut  verdtij 
bare  CO2  =  28,72  pC,  aus  Harn  verdunstbare  CO2  =  3,78  p(| 

Da  nun  die  diffundirbare  CO2  sich  doch  oifenbar  im  Harn  x 
Blut  ausgeglichen  haben  musste,  weil  ja  der  Harn  aus  dem  Bi 
kommt,  so  ergiebt  sich  daraus,  dass  das  Blut  einen  geringen^^ 
theil  an  diffundirbarer  CO2  enthält.  t| 

f)  Mit  dieser  Anschauung  stimmen  auch  die  von  L.  Mey 
und  Setschenow  geraachten  Erfahrungen,  nach  welchen  aus  .| 
Blute  nur  etwa  4  bis  5  pC.  CO2  entwickelt  werden  können,  w^e 
diese  aus  dem  kochenden  Blute  in  den  nicht  wieder  eraem 
Luftraum,  also  unter  einem  geringen  C02-Druck  abdunstet.  Schöll 
hat  nach  einem  neuen  Verfahren  die  diifundirte  CO2  des  BluteSi 
nauer  zu  bestimmen  gesucht;  obwohl  dasselbe  noch  nicht  ^ 
Anforderungen  entsprach,  so  konnte  doch  so  viel  ermittelt  werd' 
dass  im  Hundeblute  die  diflPundirte  CO2  etwa  so  viel  beträgt, 
es  die  Harnuntersuchungen  verlangen. 


Nachtrtig  zur  Lungenathmung. 


549 


g)  Also  nimmt  die  Lungenlnft  viel  mehr  CO2  auf  als  die  mit 
n  Blut  geschüttelte  Luft  und  als  der  Harn;   denn  es  fanden 

Müller  und  Setschenow  den  CO2- Gehalt  der  Lungenluft 
im  Ersticken  übereinstimmend  zu  15  pC.    Schöffer  fand  bei 
?em  Hunde,  dessen  Blut  =  25,45  pC.  CO2,  dessen  Harn  =  3,31  pC. 
i  enthielt,  in  der  nur  wenige  Sekunden  zurückgehaltenen  Lungen- 
9,01  pC.  CO2.   Daraus  geht  heiTor,  dass  die  in  der  Lunge 
^gestosseue  CO2  nicht  allein  von  derjenigen  stammen  kann,  welche 
Blut  schon  diffundirt  in  die  Lunge  mitbrachte. 

h)  Eine  Vergleichung  des  gleichzeitig  aus  dem  rechten  Herzen 
aus  der  art.  carotis  entzogenen  Blutes  derselben  Thiere  wurde 

aauf  vorgenommen.    Beide  Blutarten  hatten  fast  genau  dieselbe 
bekraft,  also  wohl  auch  gleichviel  Blutkörperchen.    Im  Mittel 
5  Versuchen  ergab  sich: 

Q  COj  CO2  durch  Säure 

verdunstbar.  abscheidbar. 

irterienblut  16,59  28,70  1,48  1,24 

/enenblut     10,78  31,04  3,12  1^08 

o  enthält  das  Arterienblut  2,34  pC.  verdunstbare  CO2  und  1,64  pC. 
nh  Säure  abscheidbare  CO2  weniger  als  das  venöse.  Die  auf- 
?indsten  unter  diesen  Angaben,  dass  das  arterielle  Blut  ärmer 

CO2  ist,  die  nur  durch  Säure  abgeschieden  werden  kann,  gilt 
rr  nicht  etwa  blos  für  den  Mittelwerth,  sondern  für  jeden  ein- 

len  der  5  verglichenen  Fälle.  Dieses  kann  mit  Berücksichtigung 
^?tehender  Thatsachen  nur  dadurch  begriffen  werden,  dass  in 
,  Lunge  selbst  ein  Vorgang  stattfindet,  durch  welchen  die  Basizität 

Blutes  beeinträchtigt,  beziehungsweise  sein  Antheil  an  freier  CO2 
mehrt  wird. 

Nach  allem  Diesem  würde  man  annehmen  müssen:  das  in 
Lunge  verweilende  Blut  wird  dort  auf  eine  eigenthümliche, 
h  nicht  näher  gekannte  Weise  geeignet  gemacht,  seine  CO2 
lageben;  demnach  wäre  dieses  Organ  ein  spezifisches  Ausath- 
jigsvverkzeug.  Das  in  den  andern  Geweben  strömende  Blut  ent- 
dagegen  immer  noch  einen  Ueberschuss  an  Mitteln,  welche 
binden  können  oder  es  ist  wenigstens  die  freie  CO2  mit  einer 
»Irigen  Spannung  begabt;  also  genügt  eine  geringe  prozentische 
iäufung  der  CO2  in  jenen  Gewebsflüssigkeiten,  um  einen  Strom 
es  Gases  in  das  Blut  zu  veranlassen. 


550 


Hautatlimen. 


9 


B.  Hautathmiing. 

1.  Die  Epidermis  und  das  oberflächlichste  Gefässnetz  gii 
die  anatomischen  Theile  der  Cutis,  welche  beim  Hautathmen  vr 
züglich  in  Betracht  kommen.  —  Die  luft-  und  blutscheidende  E) 
dermis  ist  für  alle  bis  dahin  geprüften  Gasarten  durchgängig  ^ 
funden  worden;  diese  Erfahrung  ist  wichtig,  aber  ungenügend;  m, 
wünscht  noch  zu  wissen,  wie  mit  der  Dicke,  der  relativen  Mächt i 
keit  von  Zellen-  und  Hornschicht,  der  chemischen  Zusammensetzii; 
ihrer  QuellungsflUssigkeiten,  der  Temperatur  die  Absorptions-  iii 
Reibungscoeffizienten  der  Gase  wechseln. 

Das  Blut,  welches  in  das  oberflächliche  Netz  der  Cutis  eingel 
strömt  dorthin  aus  den  Gefässen,  welche  die  Schweissdrüsen  u. 
schlingen,  und  geht  dann  in  die  Hautvenen  über.  Der  Durchme^ 
seines  Bettes  in  der  Cutis  ist  sehr  variabel,  wie  ohne  Messung  jei 
weiss,  der  die  Farbe  und  Schwellung  der  Haut  im  Gedächtniss  h 
Diese  Veränderlichkeit  ist  abhängig  von  den  Muskeln,  welche 
die  Cutis  (Haarbälge  u.  s.  w.)  und  in  die  Wandungen  der  Gefäs 
selbst  eingelegt  sind.  —  lieber  die  Bewegungen  derselben  und  üi 
Ursachen  siehe  pag.  III  u.  f. 

2.  Die  Mittel  zur  Analyse  der  Veränderungen  welche  die  i 
der  Haut  in  Berührung  befindliche  Luft  erfahren  hat,  sind  einf^ 
die  früher  schon  angegebenen.  Schwierigkeiten  stellen  sich  j 
Untersuchung  hier  nur  beim  Auffangen  der  veränderten  Luft  | 
gegen.  ^| 

Zum  Auffangen  der  durch  die  Hautathmung  veränderten  Luft  hat  man  sir"^ 
dahin  folgender  Einrichtungen,  bedient;  a)  Lavoisier  und  Seguin*)  zogen  üb 
nackten  menschliehen  Körper,  den  Kopf  ausgenommen,  einen  mit  flüssigem  Kautsol 
dicht  gemachten  Taftbeutel.    Diese  Methode  hat  wesentliche  FeTiler,  namentlich  '< 
sie  die  Temperatur  der  Haut  und  den  Peuchtigkeitsgrad  der  Oberhaut;  sie  stell^ 
natürlichen  DilFussionsbedingungen  nicht  her  für  den  Wasserdunst,  denn  der  Inha^i 
Beutels  wird  nahebei  mit  Wasser  gesättigt  sein,  und  ebenso  nicht  für  den  0  und 
CO2,  denn  der  Gehalt  der  eingeschlossenen  Luft  an  dem  ersteren  Gas  wird  bald  germ 
und  der  an  dem  letzteren  Gas  bald  grösser  sein,  als  in  der  Athmosphäre.  Endlich* 
höchst  wahrscheinlich  die  Schweissbildung  eingeleitet;  die  Verdunstungsproduk$6|;< 
Schweisses  mengen  sich  somit  der  Hautausdünstung  bei. —  b)  Oerlach**)  übe; 
nur  ein  mehrere  Quadratzoll  grosses  Hautstück  mit  feiner  gefirnissten  Harnblase, 
luftdicht  an  der  Haut  befestigt  hatte.    Dieses  Verfahren  trifft  die  vorigen  Ein- 

hat  jedoch  den  Vorzug,  eine  weniger  bedeutende  Störung  in  die  Gesammtausdünst« 
•und  Sohweissabsonderung  einzuführen.  Die  Ton  ihm  zur  Analyse  des  gefangö 
Gases  angewendeten  Verfahrungsarten  gehören  nicht  gerade  zu  den  fehlerfreiest((n' 


1 


*)  Memoires  de  rAcademie.  1789.  p.  5G7.  1790.  p.  601. 
»»)  MüUer's  Arohiv.  1851.  431. 


it 


Hautathnieii. 


551 


4  u  a  u  1 1  und  Reiset*)  schlössen  die  ganzen  Thiere  ,  den  Kopf  ausgenommen, 
n  luftdichten  Sack  ein,,  und  leiteten  durch  denselben  einen  Luftstrom;  diese 
ode  vermeidet  zwar  die  oben  gerügten  Fehler ,  setzt  dagegen  einen  neuen  an  ihre 
>,  indem  sie  das  Thier  zu  einer  fast  vollkommenen  Ruhe  seiner  Gliedmaassen 
r^t.   —   d)  Scharling**)  bediente  sich  eines  luftdicht  schliessenden  Kastens, 
i  den  ein  Luftsrom  geführt  werden  konnte ;  der  Deckel  desselben  war  von  einem 
»sohouckrohr  durchbohrt,  das  innerhalb  des  Kastens  in  eine  Maske  auslief.  Die 
(6  wurde  luftdicht  vor  das  Gesicht  der  Person  gebracht,  welche  sich  behufs  der 
«.-suchung  in  dem  Biunenraum  des  Kastens  aufhielt.  Das  zu  beobachtende  Individium 
e  nackt  oder  bekleidet  eingeschlossen.  Die  Luft,  welche  das  Lungenathmen  unter- 
.  wrde  also  durch  das  Kautschouckrohr  in  die  Lunge  geführt  und  auf  demselben 
3,  ohne  sich  mit  der  Luft  des  Kastenraumes  zu  mischen,  wieder  ausgestossen 
>s  sonst  tadelfreie  Verfahren  erlaubt,  nur  die  CO2  und  annähernd  den  Wasserdunst 
■jstimmen;  von  diesen  beiden  hat  Scharling  nur  die  erstere  in  Betracht  gezogen. 

3.  Die  Veränderungen,  welche  die  mit  der  Haut  in  Berührung 
iimende  atmosphärische  Luft  erfährt,  bestehen  darin,  dass  Wärme, 
iSserdunst,  Kohlensäure  und  Stickgas  (?)  ihr  zugefügt  und  Sauer- 
j'gas  (?)  ihi"  entzogen  wird. 

Die  Wärmemenge,  welche  die  Oberhaut  in  der  Zeiteinheit  durch 

i.  ung  und  Strahlung  verliert,  muss  nach  bekannten  Grundsätzen 

mehren,  a)  wenn  die  Temperatur  der  Cutis  steigt;  Dieses  ge- 
teht  bei  Annahme  einer  constanten  Temperatur  des  Blutes  mit 

Ausdehnung  der  Gefässe  und  der  Geschwindigkeit  des  Blut- 
nmes ;  —  b)  mit  der  abnehmenden  Dicke  der  Epidermis,  welche, 

ein  schlechter  Wärmeleiter,  dem  Durchgange  der  Blutwärme 

ii.  n  um  so  grösseren  Widerstand  entgegensetzt,  je  stärker  die 
ilcht  ist,  die  über  den  Gefässen  liegt ;  —  c)  mit  der  Temperatur- 
ledrigung  der  die  Epidermis  umgebenden  Luft,  und  darum 
)'a  mit  dem  Luftwechsel.  Denn  die  Luft,  als  ein  schlechter 
rrmeleiter,  würde,  wenn  sie  ruhig  auf  der  Oberhaut  läge,  ähnlich 

Epidermis  wirken. 

Die  Menge  des  Wasserdunstes,  welche  in  der  Zeiteinheit  aus 
'  Oberhaut  tritt,  wu-d  sich  mehren  a)  mit  der  relativen  Sättigung 
Atmosphäre  durch  Wasserdampf;  im  Allgemeinen  verlieren  wir 
diesem  Grunde  diu-ch  die  Haut  mehr  Wasser  im  Sommer,  als 
\Wintei-;  —  b)  mit  dem  Luftwechsel,  indem  dieser  die  schon 
i  Sättigungspunkte  näher  stehende  Luft  durch  andere  weniger 
iättigte  ersetzt;  —  c)  mit  dem  abnehmenden  Barometerstand, 
lem  ein  niedriger  Luftdruck  die  Dampf bildung  beschleunigt;  — 


•)  Aitnalcfl  ile  chimic.  XXVI.  bOr>. 

Journal  fUr  praktische  Chemie.  36.  Bd.  454. 


552 


Hautathmcn. 


d)  mit  der  Ausbreitung  des  Blutstromef=!  in  der  Cutis,  indem  hierv 
die  Feuchtigkeit  und  der  Temperaturgrad  der  Oberhaut  abhängt; 

e)  mit  der  abnehmenden  Dicke  der  Oberhaut,  weil  dieselbe 
Durchgange  der  Feuchtigkeit,  wekhe  auf  ihrer  Oberfläche  die  D 
form  annehmen  soll,  einen  Widerstand  entgegensetzt. 

Eine  experimentelle  Prüfung  der  theoretischen  Forderungen 
noch  nicht  unternommen  worden,  da  alle  die  zahlreichen  Versu 
die  bis  dahin  über  Wasserverdunstung  durch  die  Haut  anges' 
wurden,  auch  zugleich  die  Schweissbildung  berücksichtigt  hal) 
Jedenfalls  ist  der  Wasserverlust,  den  der  menschliche  Körper 
diesem  Wege  erleidet,  beträchtlich. 

Die  in  der  Zeiteinheit,  z.  B.  in  der  Stunde,  von  der  Haut 
untersuchten  Thiere  gelieferte  COsmenge  fanden  Regnault 
Reiset,  im  Vergleich  zu  der  während  derselben  Zeit  aus 
Lunge  ausgehauchten,  gering  und  zugleich  bei  demselben  TM 
das  sich  scheinbar  unter  denselben  Verhältnissen  befand,  wechse" 
sie  sind  darum  geneigt,  die  Annahme  zu  machen,  dass  in  d 
Fällen,  in  welchen  der  CO?gehalt  der  Luft  in  den  oben  beschrieben 
Säcken  reichlicher  als  gewöhnlich  ausfiel,  zugleich  durch  den. 
eine  Entleerung  dieses  Gases  stattgefunden  habe.  —  Scharling 
Untersuchungen  am  Menschen  stimmen  annähernd  mit  den  vor' 
genannten,  was  das  Verhältniss  zwischen  dem  Verlust  der  0 
durch  Lungen  und  Haut  anlangt.    Wird  der  COiverlust  aus 
Lunge  zu  1  gesetzt,  so  schwankt  der  aus  der  Haiit  zwischen  0,0 
und  0,03L    Die  höheren  Zahlen  beobachtete  er  bei  Erwachse 
die  niederen  bei  Kindern.    Wir  geben  hier  die  absoluten  We 
welche  er  für  1  Stunde  gefunden  hat;  sie  beziehen  sich  auf  ' 
selben  Menschen,  die  in  der  Tabelle  p.  529  erwähnt  sind;  sie 
auch  hier  in  dieselbe  Reihenfolge  gestellt:  Knabe  (9'V4  J.)  =  0,1811 
Jüngling  (U  J.)  =  0,181  Gr.;  Mann  (28  J.)  =  0,373  Gr.;  Mädch 
(10  J.)  =0,124  Gr.;  Frau  (19  J.)  =  0,272  Gr.;  —  Ger  lach;" 
obachtete  dagegen,  wie  es  scheint,  an  Menschen  eine  reichlicli 
C02ausscheidung;  diese  soll  sich  mehren  mit  der  Muskelanstreng 
und  der  steigenden  Temperatur  der  Atmosphäre;  die  letztere  Anual 
wird  theoretischerseits  darum  wahrscheinlich,  weil  zu  der  bezeichne 
Zeit  die  Gefässe  der  Cutis  angefüllter  sind,  als  in  der  Kälte. 

lieber  das  Verhalten  des  Ngases  befinden  wir  uns  noch  vollkommen  im  Unkl 
Collard  deMartigny*)  giebt  an,  dass  nach  Fleischkost  Ngas  ausgehaucht  werde 


*)  Wagner's  Handwörterbuch.  U.  I3U.   Artikel  Haut  von  Krause,  p.  141. 


Gesainmtgaswechsol. 


553 


Die  Aufnahme  von  Sauersto%as  durch  die  Haut  ist  zwar 
letisch  wahrscheinlich,  aber  durch  den  Versuch  noch  nicht  voU- 
iimen  erwiesen.  Die  Beobachtungen  von  Regnault  und  Reiset 
i  a  einen  Zweifel  tibrig,  weil  sie  nicht  die  absolute  Menge  des 
erstoffs,  der  durch  den  Sack  gegangen  war,  bestimmten,  sondern 
sein  Verhältuiss  zur  CO2  und  dem  Ngas.    Sie  fanden  nun  die 
t  .so  beschaiFen,  dass,  wenn  man  annahm,  es  sei  ihr  Stickstoff- 
;ilt  durch  das  Hautathmen  nicht  verändert  worden,  gerade  so 
Sauerstoff  verschwunden  war,  als  sich  hiervon  in  der  ausge- 
i.chten  CO2  wiederfand.    Diese  Annahme  ist  aber  durch  Nichts 
yiesen.    Entscheidender  würden  die  Versuche  von  Ger  lach  für 
jSauerstoflFabsorption  sprechen,  wenn  uns  die  Fehlergrenzen  seiner 
libachtungsmethode  besser  bekannt  wären.    Er  fand  nemlich  den 
derstofi"  im  Verhältniss  zum  Stickstoff  so  beträchtlich  vermindert, 
SS  eine  ganz  ausserordentliche  Stickstoflfaushauchung  hätte  statt- 
« en  müssen ,  wenn  kein  Sauerstoff  aus  der  mit  der  Haut  in  Be- 
rrung  gewesenen  Luft  verschwunden  wäre.    In  allen  seinen  Ver- 
ihen  war  das  Volum  des  aufgenommenen  Sauerstoffs,  gerade 
r^egen  gesetzt  dem  Verhalten  in  der  Lungenluft,  viel  geringer,  als 
der  ausgeschiedenen  CO2.    Die  verschwundene  Menge  wuchs 
Ih  hier  mit  der  Temperatur  der  Luft  und  der  Muskelanstrengung 
Thieres. 

4.  Der  absolute*)  "Werth  des  Gewichtsverlustes,  den  wir  den 
[;  über  durch  die  Hautausdünstung  erleiden,  ist  noch  niemals  für 
Ii  gemessen  worden,  sondern  immer  gemeinsam  mit  dem  durch 

etwa  dazmschen  eintretende  Schweissbildung  veranlassten.  Da 

diese  letztere  noch  viel  variabler  ist  als  die  erstere,  so  lässt 
1  durchaus  nichts  allgemein  Giltiges  sagen.  —  Ziehen  wir  aber 

vorliegenden  Untersuchungeü  in  Betracht,  so  ergiebt  sich,  dass 

mittlerer  Lebensart  und  Temperatur  das  Gesammtge wicht  des 
iiichen  Verlustes  durch  die  Haut  um  den  Werth  von  500 — 800  Gr. 
wankt.  Offenbar  ist  dieser  Verlust  vorzugsweise  durch  die  Wasser- 
idünstung  bedingt,  wie  die  vorstehenden  Bemerkungen  überC02aus- 
"eidung  deutlich  zeigen. 

C.  Gesammtgaswechsel  des  thierischen  Körpers. 

Die  Bindung  und  Ausscheidung  von  Luft  auf  Haut,  Lunge  und 
'Tnkanal  stehen  in  mannigfachen  Beziehungen  zu  einander,  so  dass 
•sich  theilweise  gleichzeitig  steigera,  theils  aber  auch  ergänzen, 


•)  KraiiKo  in  Wagner'»  Handwörterbuch.  II.  Bd.  p.  180. 


554 


Qosammtgaswechsel. 


indem  mit  dem  Sinken  der  Athmung  auf  einer  der  bezeichnet« 
Flächen  diejenige  auf  einer  anderen  im  Wachsthum  begriffen 
Da  eine  theoretische  Feststellung  dieses  Zusammenhanges  vored 
noch  unmöglich  ist,  so  sind  die  Versuche,  welche  sich  über 
Gesammtaustauscli  der  Gase  erstrecken,  einzig  und  allein 
Haltpunkt. 

Die  Methoden,  mit  denen  die  Ausscheidung  und  Bindung  der  Gase  durcblj 
Thier  untersucht  wurde ,  sind  im  Prinzip  zwei  wesentlich  verschiedene ;  die  eine  f| 
ihnen  bestimmt  alle  oder  einzelne  der  aufgenommenen  Gasarten  geradezu,  während^j 
andere  sie  aus  dem  Gewichtsunterschiede  der  festen  und  flüssigen  Bestandtheile 
Nahrungs-  und  Ausscheidungsstoffe  ableitet.  —  t.  Die  direkten  Wege  sind  nun 
selbst  wieder  verschiedene. 

a)  Berthollet*)  führt  die  zu  beobachtenden  Thiers  in  ein  genau  gemess« 
Luftvolum  von  bekanntem  Druck,  bekannter  Temperatur  und  Zusammensetzung  ein 
lässt  sie  in  demselben  so  lange  verweilen ,  bis  sich  die  Zeichen  der  beginnenden 
stickung  einstellen;  er  bestimmt  dann  von  Neuem  Temperatur,  Druck  und  Zusammel 
Setzung  der  Luft,  in  welcher  die  Thiere  enthalten  waren.    Auf  diese  Weise  erhält 
die  absolute  Menge  der  ausgeschiedenen  und  eingenommenen  permanenten  Gasat 
Das  Schema  des  Apparates,  den  er  hierzu  anwendet,  ist  in  Fig.  67  gegeben.   A  ist 

Fig.  67.  luftdichte  Kasten  von  bekanntem  Kauminhalt,  a  i 

Quecksilber  -  Manometer ,    das  den  Unterschied  A 
Druckes   in  der  Atmosphäre  und   den  Inhalt  d| 
Kastens  angiebt,  b  ein  Thermometer,  welches 
Temperatur  der  Luft  im  geschlossenen  Baume  n]il| 
Ist  nun  der  Rauminhalt  des  Behälters  bekannt,' 
kann  man  jederzeit  die  Menge  von  Luft  berech 
welche  er  enthält,   vorausgesetzt,   dass  man 
barometrischen  Druck ,  unter  dem  sich  diese 
befindet,  und  den  Temperaturgrad  derselben  keii 
Ist  somit  das  Gesammtgewicht  der  Luft  festgesti 
so  genügt  es,  einen  kleinen  Antbeil  des  Inhaltes'! 
analysiren,  um  das  absolute  Gewicht  jeder  ein^eli 
Gasart  in  dem  Gemenge  zu  finden,  indem  aus: 
gefundenen  prozentischen  Zusammensetzung  die 
ganzen  Gemenges  berechnet  werden  kann.  Dil 
sinnreiche  Apparat  erlaubt  aber  nur  beschränkte '5 
Wendung ,  da  die  eingeschlossenen  Thiere  sehr  bal' 
statt  in  reiner  Luft,  in  einem  Gasgemische  athmen,  das  reich  au  CO2  und  arm  .i 
Sauerstoff  ist,  wodurch  die  natürlichen  Bedingungen  der  Athmung  wesentlich  umg' 
staltet'  werden.    —    Dieser   Einrichtung  hat  sich   ausser  Berthollet  auch  not 
Legallois**)  bedient. 

b)  Kegnault  und  Reiset***)  haben  den  eben  beschriebenen  Apparat  wesentlif! 
dadurch  verbessert,  dass  sie  mit  dem  Kasten  eine  Einrichtung  in  Verbindung  bringe'^^ 


•)  Schweigger,  Journal  für  Chemie  und  Physilt.  I.  Bd.  173. 
**)  Annales  de  chimie  et  physique.  IV.  Bd.  (1817).  1  u.  113. 
***)  Annalcs  de  ohimie  et  physique.  20.  Bd.  (1849).  310. 


Gesammtgaswochsel. 


555 


i'  es  möglich  mactt,  dass  die  in  jedem  Augenblicke  gebildete  COj  absorbirt  und 
Ii  das  entsprechende  Volum  von  Sauerstoffgas  ersetzt  wird,  so  dass  der  Druck  und 
;sammensetzung  der  Luft  innerhalb  und  ausserhalb  des  Behälters  sich  nahezu  un- 
icrt  erhält.    Ihr  Apparat  (Fig.  68)  ist  aus  folgenden  Theilen  zusammengesetzt: 

Fig.  68. 


I  teilt  ein  Wassergefäss  Tor,  dass  durch  die  Eöhre  aa  in  den  Ballon  B  mündet, 
•her  bei  Beginn  des  Versuchs  mit  Sauerstoffgas  gefüllt  ist;  dieser  steht  durch  die 
rre  bb  va.  Verbindung  mit  dem  Behälter  C,  der  das  athmende  Thier  aufnimmt.  In 
fän  Raum  öffnen  sich  das  Manometer  cc  und  die  zwei  Schläuche  dd  und  ee,  welche 
i  ;ere  in  zwei  mit  Kalilösung  gefüllte  Ballons  D  und  E  eintreten.  Die  zuletzt  erwähnten 
.gefässe  können  mittelst  eines  Uhrwerkes  in  eine  Bewegung  gebracht  werden,  bei 
das  eine  von  beiden  jedesmal  aufsteigt,  wenn  das  andere  niedergeht.    Da  beide 
::!h  die  Eöhre  //  communiziren,  so  entleert  sich  der  flüssige  Inhalt  des  aufsteigenden 
Uas  absteigende  Gefäss,  und  dafür  entleert  das  letztere  seine  Luft  in  den  Behälter  C, 
:rend  das  erstere  sich  aus  diesem  mit  Luft  füllt.    Diese  Wegnahme  resp.  Einfüllung 
Luft  aus  den  Kalif ässen  geschieht  nun  aber  wegen  der  Aufstellung  der  Eöhren  ee 
dd  abwechselnd  aus  den  oberen  und  den  unteren  Schichten  des  Athmungsb ehälters.  — 
36  Weise  zu  beobachten  lässt  nichts  zu  wünschen  übrig,  und  da  ihre  Erfinder  zu- 
■ch  zur  Bestimmung  der  Gasarten  vollendete  analytische  Hilfsmittel  in  Anwendung 
^htcn ,  so  besitzen  unzweifelhaft  ihre  Beobachtungen  das  TJebergewicht  über  alle 
sren.    Ein  ähnliches  Prinzip  hat  Marchand*)  bei  einem  Theile  seiner  Versuche 
mtzt;  es  ist  aber  in  seiner  Ausführung  nicht  zu  der  erreichbaren  Vollkommenheit 
'iehen. 

c)  Das  Verfahren  von  Scharling**)  endlich  beabsichtigt  nicht  alle,  sondern  nur 
".eine  Veränderungen,  welche  die  Luft  durch  das  Athmen  erfährt,  und  insbesondere 
.  gebildete  COj  zu  bestimmen.    Er  führt  seine  Beobachtungsobjekte  in  den  luftdicht 


•)  Journal  flir  praktische  Chemie.  44.  Bd.  1. 

••)  Lleblg'g  Annalen.  45.  Bd.  214,  und  Journal  fllr  praljt.  Chemie.  48.  Bd.  489. 


556 


Gosaramtgaswechsol. 


Bchliossenden  Kasten  A  (Fig.  69)  und  leitet  durch  diesen  einen  kohlensäurefrei 
Luftstrom ,  der  bei  a  in  und  bei  b  aus  dem  Kasten  dringt.  Die  aus  der  Atmosphi 
kommende  Luft  geht,  bevor  sie  in  den  Kasten  gelangt,  durch  einen  mit  Kali  gefüllt 
Kugelapparat  von  Liebig  k.    Aus  der  andern  bei  b  befindlichen  OeiFnung  führte 

Fig.  69. 

f 


Rohr  dm-eh  mancherlei  Zwischenstücke  in  ein  grosses  mit  Wasser  gefülltes  Fass  (J 
dessen  Inhalt  aus  der  mit  einem  Ilahnc  versehenen  Oeffnung  g  in  beliebig  rasehf 
Strome  gelassen  werden  kann.    Der  Luftstrom ,  der  durch  das  Kohr  b f  von  dem  au 
fliessenden  Wasser  angesaugt  hindurchging,  musstc  zuerst  einen  gebogenen  Abschnitt 
der  mit  SO;i  und  Bimsteinstücken  gefüllt  war,  dann  einen  Liebig'schen  Kugelap parat 
und  darauf  abermals  ein  Schwefelsäurerohr  e  durchlaufen.  Die  Gewichtszunahme,  welc! 
die  Stücke  d  und  e  während  des  Versuches  erfahren ,  rührt  von  der  beim  Athmen  g' 
bildeten  CO2  her.    Diese  Methode  ist  mit  geringen  Abweichungen  von  Letellier*: 
Lehmann**),  Erlach***),  Philippif)  u.  A.  in  Anwendung  gebracht.  J 
2.    Die  indirekte  Methode  zur  Ermittelung  der  Gesaramtmenge  der  AthmuM 
Produkte  hat  B o u s s in  g aul t ft)  und  nach  ihm  Barralftt)!' Scharling  ^^)  u^B 
benutzt.    Sie  besteht  darin,  dass  man  einmal  ermittelt,  frie  viel  N,  C,  H  wähiffl 
eines  Tages  in  der  Nahrung  aufgenommen  und  ebenso  bestimmt,  wie  viel  derselben« 
der  nemlichen  Zeit  durch  den  Harn  und  Koth-  entleert  wurde.  Unter  der  Voraussetznffl 
dass  zu  Beginn  und  Ende  der  Beobachtungszeit  der  thierische  Körper  dieselbe  qnÄ 
titativB  und  qualitative  Zusammensetzung  besitzt,  und  dass  kein  Verlust  an  Speiohw 
Hautabschuppung,  Härung  u.  dergl.  vor  sich  gegangen ,  giebt  der  Unterschied  zwisohfi 
den  aufgenommenen  und  entleerten  Gewichten  an  N,  0,  H  geradezu  die  gasförmigSi 


»)  Aiinales  de  chimie  et  physiqiie.  XII.  Bd.  (1845)  478.  Ij 

**)  Abhandlungen  der  K.  sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  für  1846.  461.  Hf 

«•»)  Versuche  über  Respiration  einiger  mit  Lungen  atlmiender  Wirbclthicre.  Bern  1846.  •  H 

t)  Vfilentin's  Jahresbericht  über  Physiologie  für  184.5.  222.  V 

tt)  Annales  de  chimie  et  physique  X.  (1844)  456.  Wk 

ttt)  .Statique  chimique  des  animnux.  Paris  1850.  230.  —  Journal  für  prakt.  Chemie.  4S.  Bd.  IT^ 

S)  Journal  fiir  prakt.  Chemie.  .16.  Bd. 


Gosammtgaswechsol. 


557 


oliiedenen  Gewichte  der  bezeichneten  Stoffe.    Es  sind  die  hierbei  angenommenen 
-Setzungen  nicht  in  allen  bisher  angestellten  Versuchen  erwiesen.  Wenn  sie  somit 
len  erwecken  sollen,  so  müsste  wenigstens  die  empirische  Anwendbarkeit  vor- 
Jathivch  festgestellt  werden,  dass  man  einige  Zeit  hindurch  gleichzeitig  feste, 
und  luftförmige  Ausleerungen  der  beobachteten  Individuen  bestimmte,  um  zu 
u,  ob  ihre  Summe  und  atoniistischo  Qualität  gleich  ist  derjenigen  der  Nahrung. 

Aus  den  Versuchen  über  Gesammtaussclieidung  der  Gase  ev- 
I)  sich: 

1.  Aus  dem  thierischen  Körper  wird  Kohlensäure,  Wasserstoff, 
gewöhnlicli  auch  Stickstoff  nnd  gasförmiger  Kohlenwasserstoff 

jgestossen;  die  Ausscheidung  des  Kohlenwasserstoffs  geschieht 
ihrscheinlich  aus  dem  Darmkanal;  sie  ist  zugleich  meist  so  un- 
ileutend,  dass  sie  vernachlässigt  werden  kann. 

Schwefelwasserstoff,  obwohl  wahrscheinlich  vorhanden,  ist  bis  jetzt  noch  nicht 
'.•efunden.  Die  Ausscheidung  von  Ammoniak  ist  behauptet  (Marchand)  und  be- 
•;ten  (Eegnanlt,  Keuling). 

2.  Die  Qualität  und  Quantität  der  ausgehauchten  und  aufge- 
uunenen  Gase  steht  in  innigster  Beziehung  zur  Nahrung.  Stick- 
iff  wird  in  beträchtlichster  Menge  nach  reiner  Fleisch  diät,  in  geringer 
imge  nach  dem  Genüsse  von  Brod  ausgestossen ;  dieses  Gas  wii'd  da- 

■n  aus  der  Atmosphäre  während  des  Hungerns  aufgenommen.  — 
ßer  gesammten  Menge  des  aufgenommenen  Sauerstoffs  ist  nach 
»dnahrung  bis  zu  0,9,  nach  Fleischnahrung  und  Hungern  bis  zu  0,7 
ö  nach  sehi'  fetthaltiger  Nahrung  0,6  in  der  ausgeschiedenen  CO2 
üder  enthalten.  Diese  Thatsachen  erlauben  die  Ableitung,  dass  ein 
'sser  Theil  der  aufgenommenen  Nahrung  alsbald  dem  Oxydations- 
iizesse  verfalle,  dessen  Endprodukte  auch  wieder  ausgeschieden 
rrden.  Der  Theil  des  aufgenommenen  Sauerstoffs,  welcher  sich 
•  er  den  Auswürflingen  nicht  wieder  mit  Kohlensäure  vereinigt  findet, 
natürlich  verwendet  worden  zur  Herstellung  anderer  Verbindungen, 
tter  der  obigen  Voraussetzung  muss  aber  dieser  letztere  Antheil  des 
•zehrten  Sauerstoffs  nach  fettreichen  Mahlzeiten  grösser  als  nach 
"idreichen  sein,  wie  schon  auf  S.  471  erörtert  v^urde. 

3.  Eücksichtlich  der  Beziehung  zwischen  Athmung  und  Körper- 
mcht  ist  thatsächlich  festgestellt,  dass  bei  zureichender  Nahrung 
Ii  sonst  gleichen  Umständen  die  Menge  des  eingeathmeten  Sauer- 
ilffs  (Regnault,  Reiset)  und  der  ausgenthmeten  CO2  dem 
rrpergewicht  nicht  genau  proportional  steigt.  Namentlich  bilden 
bhtere  Säugethiere  im  Verhältniss  zu  ihrem  Körpergewicht  viel 
»hr  CO2,  als  schwerere  und  grössere  (Erlach).  Diese  Thatsache 
laubt  zwei  Erklärungen:  entweder  enthalten  kleine  Thiere  ver- 


558 


Gesammtgaswochsol. 


liiiltnissmässig  mehr  Gewebe,  die  der  raschen  Oxydation  anhein 
fallen,  oder  es  sind  bei  ihnen  Einrichtungen  vorhanden,  verraög 
deren  die  Verbrennung  rascher  vor  sich  geht.  Fraglich  ist  es  noe) 
ob  diese  Erfahrung  auf  Menschen  von  verschiedener  Grösse  ^ 
wendbar  ist. 

4.  Anstrengungen  der  Muskeln  steigern  sehr  rasch  die  geliefert 
Menge  der  CO2  und  zwar  so  bedeutend,  dass  sie  mehr  als  das  Filn 
fache  des  gewöhnlichen  Mittelwerthes  betragen  kann  (Scharling 
Hirn). 

5.  Die  Unterdrückung  der  Hautausdünstung,  wie  sie  dadurc 
erzeugt  wird,  dass  man  die  Thiere  mit  Leim  oder  einem  LeinJ 
firniss  Uberzieht,  bringt  nach  Regnault  und  Reiset  keine  med 
merkliche  Störung  in  das  Resultat  des  Gesammtgasaustauschei 
Namentlich  mindert  sich  hierdurch  weder  die  Menge  des  ausgü 
schiedenen  Stickstoffs,  noch  die  des  aufgenommenen  Sauerstofl 
und  eben  so  wenig  ändert  sich  das  Verhältniss  dieses  letzteren  t 
der  ausgestossenen  CO2. , 

Dieses  Ergobniss  deutet  darauf  hin,  dass  der  Tod,  den  man  nach  Anwendmi 
eines  luftdichten  Verschlusses  der  Haut  eintreten  sah,  ganz  anderen  Gründen  als  di 
Störung  des  Wechsels  der  permanenten  Gase  zuzuschreiben  ist,   siehe  Gerla 
Valentin,  Gl.  Bernard*).  ^ 

(3.  Wenn  man  Fröschen  grosse  Blutverluste  beibringt  oder  ihm 
die  Leber  ausschneidet,  so  geben  sie  weniger  CO2  in  der  Zeiteinhi 
aus,  als  vorher.    Nach  der  letzteren  Operation  soll  der  Ausfall 
gross  sein,  als  dass.  er  allein  aus  dem  Blutverluste  abgeleitet  werd 
könnte  (Moleschott)**). 

7.  Bei  normalem  Gehalte  der  Luft  an  Stickstoff  und  Sauers 
soll  die  Menge  der  gelieferten  CO2  wechseln  mit  ihrem  Tempera 
und  Feuchtigkeitsgrade  und  dem  Barometerstande. 

a)  Nach  Letellier  liefern  dieselben  Thiere  bei  0"  C  no 
einmal  so  viel  CO2,  als  bei  30"  C;  sie  dunsten  dagegen  in  höhei 
Temperaturen  mehr  Wasser  aus.    Dieser  Wasserverlust  nimmt 
längerem  Aufenthalte  in  der  höheren  Temperatur  rasch  ab  und 
reicht  endlich  nach  mehreren  Stunden  einen  constanten  Werth. 

b)  Nach  Lehmann  mehrt  sich  die  Menge  der  ausgeschiedellj 
CO2  mit  der  steigenden  Feuchtigkeit  der  Luft. 


•)  Gerlach,  MUller's  Archiv.  1841.  p.467.—  Valentin'»  Archiv  f.  phys.  Heilkunde  18(|i 
Gl.  Bernard,  Le?on8  sur  les  liquides.  1.  Bd.  277. 
'    *»)  MUUor'B  Archiv.  lSb9,  und  Wiener  mediz.  Wochenschrift.  1868.  102. 


Qcsaramtgaswochsel. 


559 


c)  Mit  dem  steigenden  Barometerstande  soll  sich  nach  Lehmann 
!  Menge  der  ausgestossenen  CO2  mehren ;  ihm  steht  die  Versuchs- 
ihe  von  Legallois  entgegen,  wonach  bei  abnehmendem  Luftdruck 
:3r  auf  eine  Zunahme  als  auf  eine  Abnahme  der  Kohlensäureaus- 
ieidung  zu  schliessen  wäre. 

8.  Bei  einem  längeren,  nahezu  24 stündigen  Aufenthalt  der 
Biigethiere  jn  einer  Luft,  deren  Zusammensetzung  von  der  atmo- 
uärischen  abweicht,  ergeben  sich  aus  den  Regnault-Reiset'schen 
rrsuchen : 

a)  In  einer  Luft  von  der  prozentischen  Zusammensetzung  CO2 
3^01;  0  =  17,42;  N=  79,57  nahm  in  der  Zeiteinheit  ein  Hund 

ihr  0  auf  und  hauchte  mehr  CO2  aus,  als  in  einer  gleich  tem- 
rirten  Liift  von  der  Zusammensetzung  CO2  =  0,77;  0  ==  17,70; 
==  81,53.  —  Die  Beobachtung,  dass  dasselbe  auf  gleiche  Weise 
nitterte  Thier  in  einer  Luft  von  demselben  0-  und  grösseren 
>)-Gehalt  mehr  0  aufnahm  und  mehr  CO2  abgab,  zeigt  in  Ver- 
«dung  mit  andern  Erfahrungen,  dass  die  wesentliche  Ursache  der 
Höhten  Ausscheidung  von  CO2  in  einer  grössern  Lebhaftigkeit 
jjj^  Bildung  gelegen  ist. 

b)  In  einer  Atmosphäre,  deren  prozentische  Zusammensetzung 
m  Beginn  bis  ^u  Ende  des  Versuches  zwischen  COj  =  1,66, 
-=  59;75,  N  =  38,59  und  CO2  =  1,89,  0  =  57,62,  N  =  40,19 
ichselte,  hauchte  das  zu  den  vorigen  Versuchen  benutzte  und  in 
;icher  Weise  gefütterte  Thier  nicht  mehr  N  aus  und  nahm  nicht 
ihr  0  auf,  als  in  einer  Luft  von  nahebei  normaler  Zusammen- 
.zung. 

Benierkenswerthe  Versuche  mit  einer  Atraospliäre ,  deren  Stickstoff  zum  grössten 
iil  durch  Wasserstoff  ersetzt  war,  siehe  bei  llegnault  und  Eeiset,  I.e.  p.  500. — 

Warmblüter  (Mäuse  und  Vögel)  geben  im  grünen  und  rothcn  Licht  gleichviel  COj 
Frösche  dagegen  im  grünen  bis  zur  Hälfte  mehr  als  im  rothen;  zieht  man  ihnen  die 
iit  ab,  so  geben  sie  mehr  im  rothen  als  im  grünen  Licht.  Der  Einfluss  der  Licht- 
ün  macht  sich  auch  auf  ausgeschlachtetes  Fleisch,  das  noch  nicht  todtonstarr  ist, 
;end  (Beclard)*). 

Die  Angaben,  welche  aus  der  Anwendung  der  indirekten  Methode 
«ssen,  sind  nachzusehen  in  dem  Abschnitte,  der  von  der  Vergleichung 
■r  Ausgaben  und  Einnahmen  des  thierischen  Körpers  handelt. 


•)  Compt.  rend.  46.  Bd.  441. 


560 


Umsetzung  des  Blutes  innerhalb  der  Gefdsse. 


L'iusetziuig  des  Blutes  innerhalb  der  Gefässe. 

Am  Schlüsse  eines  Abschnittes,  der  vorzugsweise  von  den  U: 
Setzungen  der  Atome  des  Blutes  handelt,  nachdem  diese  die  Gefäi 
höhlen  verlassen  haben,  erscheint  es  nicht  un])assend,  darauf  eins 
gehen,  ob  das  Blut  auch  innerhalb  der  Getassröhren  eine  Umsetze 
erfahre.  Für  die  Möglichkeit  einer  solchen  spricht  zuerst  die  2 
sammensetzung  des  Blutes  aus  Verbindungen,  die  bei  der  Temperat 
des  thierischen  Körpers  durch  den  Sauerstoff  so  leicht  umgese 
werden,  und  dann  die  zahlreiche  Berührung  mit  verschieden  geeige 
schafteten  Flüssigkeiten,  aus  denen  das  Blut  Stoffe  aufnimmt 
theils  zu  einander  und  theils  zu  den  ursprünglichen  Blutbestai 
theilen  lebhafte  Verwandtschaft  zeigen,  theils  gährun gerzeugend 
und  theils  gährend  sind.  Dazu  kommt,  dass  in  der  Blutflüssigk 
ein  eigenthümliches  Gewebe,  die  Blutkörperchen,  schwimmt,  welch 
von  spezifischer  Zusammensetzung  auch  eine  von  der  desBlutplasm 
abweichende  Umsetzung  darbieten  muss.  Nach  dieser  Einleitung 
man  erstaunt,  zu  erfahren,  dass  sich  die  Beweise  für  das  thatsäc 
liehe  Bestehen  der  Umsetzung  des  Blutes  nur  sparsam  auffin 
lassen,  und  dass  die  Art  des  chemischen  Vorganges  in  ein  vq! 
kommenes  Dunkel  gehüllt  ist. 

Mit  Gewissheit  darf  man  behaupten,  dass  ausser  den 
änderungen,  welche  bei  der  Athmung  in  der  Lunge  vor  sich  geh 
die  Lymph-  und  Blutkörperchen  umgeformt  und  vielleicht  auch  u 
.Blut  zerstört  werden.  Ohne  diese  Annahme  würde  es  unverständig 
sein,  warum  sich  die  beiden  Formbestandtheile  bei  stetiger  N( 
bildung  und  Zufuhr  nicht  ins  Unendhche  im  Blute  anhäufen,  da 
doch  nicht  als  solche  aus  dem  Blutstrome  austreten  können, 
lange  die  Gefässwandungen  unverletzt  sind.    Ebenso  deutlich  w^ 
auf  einen  chemischen  Vorgang  im  Blute  das  Flüssigbleiben  di 
Faserstoffs  hin  und  wahrscheinlich  wird  im  Blute  die  Hippursä 
aus  ihren  nähern  Bestandtheilen  zusammengestellt. 


•)  Buhl,  Henle's  und  Pfeufei's  Zeltschrift.   N.  F.  VI.  Bd.  p.  100. 


Blutbildung. 


561 


III.  Blutbüdung. 

Das  Blut  ergiesst  in  den  Binnenraura  des  Körpers,  in  dessen 
lilen  und  Gewebe  fortwährend  Atome,  durch  welche  der  chemische 
ssatz  in  den  letzteren  bestritten  wird,  und  aus  ihm  gehen  auch 

Stoffe  hervor,  welche  die  aus  werfenden -Drüsen  im  Gange  er- 
cen.    Diese  Erscheinungsreihe  setzt  nothwendig  voraus,  dass 

Atome,  welche  in  die  Gewebe  und  die  geschlossenen  Höhlen 
gesendet  waren,  wieder  zum  Blut  zurückkehren,  damit  ihre 
«Scheidung  auf  Haut,  Lunge  und  Niere  möglich  sei,  und  ferner, 
?3  von  aussen  her  wägbare  Stoffe  in  den  Körper  eingeführt  Vierden, 
iche  den  Verlust  decken,  den  das  Blut  als  Gewebsernährer  er- 
ret.  Naturgemäss  zerfällt  also  die  Lehre  von  der  Blutbildung  in 

Darstellung  des  Rückstroms  aus  den  Geweben  (Resorptio)  und 
Ilie  Aufnahme  und  Verdauung  der  Speisen  (Nutritio). 

Aufsaugung  aus  den  Geweben. 

Einleitung.  Der  Strom ,.  welcher  aus  den  Geweben  in  das  Blut 
iickgeht,  muss,  wenn  auch  sein  Umfang  und  seine  mittlere  Ge- 
windigkeit  nur  unvollkommen  bekannt  sind,  jedenfalls  als  ein 
Ihtiger  angesprochen  werden,  der  im  Körper  des  erwachsenen 
•sehen  täglich  nach  Kilogi-ammen  zu  schätzen  ist.  Diese  Masse, 
:ihe  weitaus  die  Ausscheidungen  in  den  auswerfenden  Werkzeugen 
rrtrifft,  macht  es  von  vorne  herein  begreiflich,  dass  der  Rück- 
m  nicht  allein  die  Umsetzungsprodukte  der  Gewebe  und  der 
•'^ebsflüssigkeiten  führen  kann.  Die  chemische  Untersuchung,  so 
;  ^e  vorgenommen,  bestätigt  dieses,  indem  sie  nicht  allein  er- 
men  läs8t,'dass  in  dem  aus  den  Geweben  wieder  aufgesogenen 
iHingsgemenge  die  wesentlichen  Blutbestandtheile  in  unveränderter 
isnschaft  enthalten  sind,  sondern  noch  mehr,  dass  die  Menge 
eer  letzteren  unvergleichlich  viel  bedeutender  ist,  als  diejenige 

wirklichen  Umsetzungsprodukte  erster  oder  zweiter  Ordnung. 

diesen  Erfahrungen  erwächst  uns  also  die  Ueberzeugung,  dass 
•  dem  Blute  viel  mehr  austritt,  als  nothwendig  wäre  zum  ein- 
ten Ersatz  der  Zerstöningen ,  welche  durch  das  Leben  in  den 
jen  und  flüssigen  Organbestandthcilen  angebracht  sind,  und  dass 
mach  der  grösste  Theil  der  ausgeschiedenen  Stoffe  auch  wieder 
«rändert  in  das  Blut  zurückkehrt.    So  besteht  also  ein  innerer 

u  d  w  1  g  ,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  36 


562 


Aufsaugung  aus  don  Geweben. 


Kreislauf  der  ernährenden  Flüssigkeiten,  welchen  Bidder  ui 
Schmidt  im  Gegensatz  zu  Stoffbewegungen  aus  den  Speisen 
das  Blut  und  aus  diesem  in  die  sogenannten  letzten  Wege  (Lun^ 
Niere,  Haut)  als  intermediären  Kreislauf  bezeichnet  hab 

Die  erste  Bedingung  zur  Einleitung  dieses  inneren  Kreislauf 
ist  also  die  reichliche  Absonderung  aus  dem  Blute  in  die  Gewe* 
und  die  Körperhöhlen.    Diese  letztere  würde  ein  unbegi-eiflich 
Faktum  sein,  wenn  die  Blutflüssigkeit  in  den  Geweben  nur  du 
die  Anziehung  dieser  letzteren  befördert  würde ;  da  wir  aber  in  d 
vorstehenden  Abschnitte  kaum  Spuren  einer  solchen  Beziehung 
gefunden,  da  wir  im  Gegentheil  bemerkt  haben,  dass  andere 
gemeiner  wirkende  Ursachen  die  Säftebewegung  aus  dem  Blute  un' 
halten,  so  kann  uns  in  der  That  die  Erscheinung  nichts  Befr 
dendes  bieten,  so  lange  sich  die  Betrachtung  nur  an  die  groben  Tj 
risse  hält.    Das  Blut,  welches  in  den  Gefässen  enthalten  ist,  stre 
wie  wir  wissen,  durch  die  porösen  Wandungen  hindurch  sei\ 
Drack  und  seine  chemische  Zusammensetzung  auszugleichen  mit  d' 
ausserhalb  der  Gefässe  liegenden  Flüssigkeiten.    Mehrt  sich  al 
z.  B.  noch  der  Gefässinhalt,  so  wird  die  mittlere  Spannung  in  de 
selben  wachsen,  und  sogleich  wird  ein  Theil  desselben  in  die  G 
webe,  dur^h  Filtrationsdruck  getrieben,  austreten.    Derselbe ErfOi 
wird  zum  Vorschein  kommen,  wenn  sich  mit  der  Verdauung, 
der  vermehrten  Ausscheidung  durch  Niere,  Lunge  und  Haut,  A 
Zusammensetzung  des  Blutes  ändert,  oder  auch,  wenn  die  ehemis  " 
Anordnung  der  Gewebsflüssigkeiten  nach  gesteigertem  Umsatz  ä 
selben  eine  Aenderung  erfährt.    Denn  dann  werden  die  Diflfusio 
ströme  lebhafter  von  statten  gehen.   Dazu  kommen  nun  aber  n* 
Absonderungen  in  Folge  gesteigerter  Nervenerregung, '  welche  u. 
nachweislich  in  Drüsen  bestehen,  die  ihre  Säfte  in  zeitweise  g 
schlossene  Höhlen  ergiessen.    Diese  Einrichtungen  müssen  mm  t 
den  vorHegenden  Veränderungen  in  den  Zuständen  ebensowohl  m 
Flüssigkeiten  diesseits  und  jenseits  der  Gefässwand,  als  auchp 
denen  dieser  letzteren  selbst,  einen  reichlichen  Flüssigkeitsergfl 
veranlassen.  i' 

Unsere  nächste  Aufgabe  stellt  sich  nun  dahin,  nachzusehö 
auf  welchen  Wegen  und  dui  ch  welche  Mittel  die  ergossenen  Mass» 
wieder  in  das  Blut  zurückkehren.  Die  Erfahrung  lehrt,  dass  dieSö 
auf  zweierlei  Weise  geschehe,  einmal  durch  Diffusion  (und 
tration?)  in  die  Blutgefässe  selbst  und  dann  durch  Aufnahme  il 
die  Lymphgefässe. 


Aufsaugung  von  den  Blutgefässen. 


563 


Aufsaugung-  von  den  Blutgefässen. 

1.  Die  Erfahrungen,  die  wir  über  die  Eigenschaften  des  Bluts, 
nr  Gewebesäfte  und  der  Gefässhaut  besitzen,  nöthigen  uns  zu  der 
iinahme,  dass  durch  die  letzteren  hindurch  ein  ununterbrochener 
rffusionsstrom  stattfinde,  denn  die  beiden  wässrigen  Lösungen,  das 
Bit  und  der  Gewebesaftes  sind  von  verschiedener  chemischer  Zu- 
ranmensetzung  und  eine  Ausgleichung  dieses  Unterschiedes  ist  nicht 
ijglich,  weil  einerseits  das  Blut  sich  fortlaufend  in  den  Nieren  rei- 
^t,  aus  den  Speisen  erneuert  und  alle  Gewebe  im  raschen,  keine 
isit  zur  Ausgleichung  gönnenden  Strom  durchsetzt,  und  ander- 
its  weil  in  den  Gewebesäften  fortwährend  neue  Stoffe  entstehen, 
3  dem  Blut  nur  spärlich  oder  gar  nicht  eigen  sind;  endlich  aber 
i'id  die  Gefässhäute  durchgängig  für  Wasser  und  für  die  in  dem 
nie  und-  den  Gewebesäften  aufgelösten  festen  Bestandtheile. 

Der  physiologische  Versuch  hat  das,  was  die  Theorie  voraussagte,  insofern  be- 
:tigt,  als  er  darthut,  dass  viele  flüssige  Stoffe  in  der  Kichtung  vom  Gewebe  zum 
i  it  durch  die  Wand  der  grössern  und  kleinern  Gefässe  diffundiren ,  welche  sich  in 
■  cutis,  dem  Bindegewebe  u.  s.  w.  verbreiten. 

Die  Versuche*)  von  Prochaska,  Mag'endie,  Mayer,  Westrumb,  Sega- 
■i,  Emmert,  Gmelin  und  Tiedemann  u.  Ä.,  welche  sich  das  oben  bezeichnete 
11  steckten,  mussten  nachweisen,  ■  dass  die  aufgesaugten  Stoffe  wirklich  in  das  Blut  ge- 
igt waren,  und  dass  sie  ihren  Weg  dorthin  auch  durch  die  Gefässwandung  genommen 
:ten.  Man  licss  darum  Stoffe  resorbiren,  welche,  wie  z.  B.  Blutlaugensalz  und  Farb- 
i'ffe  leicht  als  solche  nachweisbar  waren,  oder  Gifte,  die  ihre  Anwesenheit  im  Blute 

•ch  physiologische  Reaktionen  sichtbar  machten.  —  Die  Gewissheit ,  dass  die  Auf- 
1  irae  nur  durch  die  Gefässe  hindurch  geschehen  sei ,  verschaffte  man  sich  auf  ver- 
;  iedene  Art.  Entweder  man  legte  ein  längeres  Stück  eines  grösseren  Gefässes  voU- 
inmen  frei,  settte  in  das  obere  und  untere  durchschnittene  Ende  desselben  einSohr, 

dass  das  isolirte  Gefassstück  mit  dem  übrigen  Gefässsysteme  nur  in  Verbindung 
:ad  durch  diese  Röhren,  und  brachte  nun  unter  dasselbe  eine  isolirende  Metall-  oder 

pierrinne,  in  welche  man  die  aufzusaugende  Lösung  einfüllte  (Magen die).  Oder 
rn  stellte  zuerst  fest,  ob  von  einer  bestimmten  Körperstelle  aus,  z.B.  von  der  Darm- 

irfläche,  der  Haut  u.  s.  w.  die  Aufsaugung  eines  bestimmten  Stoffes  geschah.  Darauf 

jderholte  man  den  Versuch  nach  Unterbindung  aller  zuführenden  Blutgefässe  (So- 
fias) oder  aller  abführenden  Lymphgcfässe  (Magen die),  oder  nach  Unterbindung 

•  ductus  thoracicus,  oder  nach  Durchschneidung  aller  Verbindungen  eines  Gliedes  mit 

;  dem  Körper,  die  grossen  Arterien  und  Venen  ausgenommen  (Magendie,  Kürsch- 
t).  —  Drittens  untersuchte  man,  einige  Zeit  nach  Beginn  der  Resorption  den  In- 
i.t  der  Blut-  und  Lymphgcfässe ;  wurde  der  zur  Resorption  bestimmte  Stoff  in  den 
Item  aufgefunden  und  in  den  letztern  vormisst,  so  durfte  man  den  unmittelbaren 

bergang  in  das  Blut  annehmen  (Flandrin,  Tiedemann  und  Gmelin).  — Vier- 


•)  Die  ältere  Literatur  gicbt  Hea « in g c r.  Noten  zu  Magondic's  l'liyglologle.  Elsenach 
«6,  n.  242. 

30» 


gg^  Blutstockung  in  Folge  der  Aufsaugung. 


ii 


tens  ondlich  bestimme  man  die  Zeit,  -welehe  verfloss ,  bis  ein  aufgelegtes  Gift  tödtl«  J 
wirkte,  oder  im  Ham  crscliieu.    War  der  Zeitraum  sehr  kurz,   so  schloss  man  ai 
direkte  Ueberführung  in  das  Blut ,  da  der  Lymphstrom  sich  nurschr  langsam  weit 
bewegt. 

Wichtiger  als  der  einfache  Nachweis  der  Aufsaugung  durc 
die  Bhitgefässe  würde  ein  Aufsuchen  der  Bedingungen  sein,  wele| 
jenen  Vorgang  beschleunigen  oder  verlangsamen,  und  die  Angabe 
der  im  Leben  vorkommenden  Umstände,  durch  welche  die  Au 
saugung  befördert  wird. 

2.  Methodisch  angestellte  Versuche,  die  auf  die  erste  der  hfi 
gestellten  Aufgaben  zielen,  giebt  es  noch  nicht,  was  sich  zur  (j 
nüge  erklärt,  wenn  man  die  ungemessenen  Schwierigkeiten  bedenk 
welche  die  Untersuchung  dieses  besonderen  Falls  von  Endosmo? 
mit  sich  bringt.  Wohl  aber  sind  einige  Thatsacheu  bekannt,  die  U 
die  Methodik  sowohl,  wie  für  die  lebendige  Aufsaugung  wichtig  sind* 

a.  Viele  Stoffe  bringen,  während  sie  aufgesaugt  werden,  ii 
Blutstrom  örtliche  Veränderungen  hervor.  Dieses  thun  zuerst  all 
diejenigen,  welche  das  Eiweiss,  das  in  der  Wand  und  in  dem  Lume 
der  Gefässe  enthalten  ist,  niederschlagen  z.  B.  Fe  Cl,  SO3,  NO5  u.  s.  w 
die  entstandenen  Gerinnsel  können  die  Lichtung  der  Gefässe  vol 
kommen  verschliessen ;  dann  hört  der  Blutstrom  und  die  Resorptio 
an  den  mit  jenen  Stoffen  durchtränkten  Orten  auf.  —  Eine  ander 
Zahl  chemischer  Verbindungen,  die  sogenannten  reizenden  und  tt 
nischen  Arzneien,  ändern  den  Elastizitätscoeffizienten  und  die  Muskel 
der  Gefässwand.  Je  nachdem  sie  die  letzteren  zur  Zusammenzii 
hung  oder  Erschlaffung  bringen  oder  den  Elastizitätscoeffizienten  ei 
höhen  oder  erniedrigen,  wird  sich  das  von  ihnen  durchtränkte  Gefäs 
rohr  ausweiten  oder  zusammenziehen.  Damit  wird  sich  aber  aucij 
die  aufsaugende  Fläche  entsprechend  ändern.  —  Eine  dritte  Reih* 
von  Körpern,  wie  z.  B.  NaCl,  Harnstoff,  Zucker  u.  s.  w.  bewirke? 
weder  Fällungen  des  Eiweisses  noch  merkliche  Aenderungen  in  dcH 
Gefässdurchmesser  und  dennoch  erzeugen  sie  eine  vollkommew 
Stockung  des  Blutlaufs,  veranlasst  durch  eine  bedeutende  Anhän 
fung  der  Blutscheiben  in  den  Capillaren,  mit  welchen  sie  in  Be 
rührung  waren  (H.  Weber,  Virchow,  Schuler,  Gunning). 
Für  diese  auffallende  Erscheinung  hat  Botkin  eine  sinnreiche  Er- 
klärung gegeben :  die  in  das  Blut  eingedrungenen  Lösungen  ändern 


•)  H.  Weber,  Müllers  Archiv  1852,  361.  —  B  o  n  e  r,  die  Stase ;  Würzburger  Dissertation  1856.— 
Gunning,  Archiv  für  holl.  Beiträge  1.  805. —  Kaupp  Arohiv  für  physiol.  Heilkunde  1865.  146.— 
Köhler,  Virchow's  Archiv  14.  Bd.  401.  —  Botkin.  ibid.  15  Bd.  173. 


Aendenmg  der  Aufsaugung  durch  die  Blutfülle. 


565 


nrt  die  Form,  Glätte  und  Elastizität  der  Blntscheiben,  sodass  die- 
Iben  nicht -onehr  durch  die  Capillaren  schlüpfen  können,  sondern 
■eils  an  vorspringenden  WandstUcken  und  theils  aneinander  hän- 
cn  bleiben.  Für  diese  Annahme  spricht  ausser  'der  schon  ange- 
iirten  Häufung  der  Blutscheiben  die  Erfahrung,  dass  nur  die  in- 
l'ferenten  chemischen  Verbindungen  das  Blut  stauen,  welche  nach- 
eislich  die  Gestalt  der  Blutkörperchen  ändern,  während  andere, 
ee  Borax,  phosphorsaures  Natron,  Alaun  weder  eine  Stockung  des 
roras,  noch  eine  merkliche  Gestaltsänderung  der  Blutscheiben  er- 
lagen; ferner,  dass  ein  paar  Tröpfchen  Wasser,  die  auf  das  Ge- 
!ss  mit  der  stockenden  Blutsäule  gebracht  werden,  den  Strom 
Ecder  einzuleiten  vennögen,  offenbar  darum,  weil  sie  das  form- 
rrändeiTide  Salz  auswaschen. 

b.  Kaupp  und  Vier or dt  legten  das  Bindegewebe  unter  der 
(ckenhaut  bei  verschiedenen  Kaninchen  in  möglichst  gleicher  Aus- 
ihnung  bloss  und  brachten  in  die  Wunde  immer  gleiche  Mengen 
hier  verdünnten,  langsam  wirkenden  Strychninlösung ;  sie  sahen, 
5SS  der  Tetanus  um  so  früher  eintrat,  je  geringer  das  Gewicht 
rr  vergifteten  Thiere  war.  Darauf  unternahmen  sie  eine  zweite 
rrsuchsreihe  und  zwar  rnit  Thieren,  denen  sie  Blut  abgelassen 
[tten.  Sie  sahen  nun,  dass  der  Tetanus  sowohl  wie  der  Tod 
iater  eintrat,  als  es  der  vorhergehenden  Versuchsreihe  gemäss  bei 
leem  Thier  gleichen  Gewichts  hätte  erwartet  werden  können ;  das 
itt  äusserte  seine  Wirkungen  um  so  später,  je  ergiebiger  der  Ader- 
58  gewesen  war.  Obwohl  die  Zeit,  welche  zwischen  der  Ankunft 
B  Gifts  und  dem  Eintritt  des  Tetanus,  beziehungsweise  des  Todes, 
vstreicht,  der  Aufsaugungsgeschvnndigkeit  nicht  proportional  sein 
ran  (Kaupp),  so  macht  es  diese  Versuchsreihe  doch  sehr  wahr- 
i'ieinlich,  dass  die  blutärmeren  Gefässe  langsamer  aufsaugen  als 
!  blutreicheren. 

Magen  die  brachte  ein  tödtendes  Gift  in  den  Pleurasack  und 
istimmte  den  Zeitpunkt  der  Vergiftung  an  verschiedenen  Thieren, 
men  er  entweder  nur  Blut  entzogen,  oder  denen  er  statt  des  ent- 
:genen  Blutes  eine  gleich  grosse  Menge  von  Wasser  in  die  Ge- 
Bse  gespritzt ,  oder  denen  er  ohne  vorgängige  Blutentziehung  viel 
lasser  infundirt  hatte.    Im  ersten  Fall  trat  die  Vergiftung  früher, 

letzteren  später  ein,  als  bei  den  Thieren,  deren  Getässinhalt  zwar 

Qualität,  nicht  aber  an  Menge  verändert  war. 

Vorausgesetzt,  dass  die  Versuche  von  Magen  die  so  sorgfältig  angestellt  waren, 
die  von  Kaupp,  bietet  sich  folgender  Ausweg  zur  Hebung  des  Widerspruchs 


566 


Welche  Stotl'o  gehen  in  der  Kogel  durch  die  Gefdsswand? 


beider  Beobaohtungsreihon.    Jede  Aendornng  der  QefäsBräumlichkeit  verändert  zuni 
die  Wandspannung  und  damit  einerseits  die  Berührungsfläche  zwischen  Blut-  und 
lösung,  und  anderseits  die  Grösse  des  Druckunterschiedes  zwischen  der  Umgebung 
dem  Inhalt  dos  Blutgefässes.    Eine  Mehrung  der  ersteren  muss  selbstverständlich 
Aufsaugungsgoschwindigkeit  erhöhen;  ein  Steigen  des  Druckubergewichts  von  sei 
des  Gefässinhaltes  gegen  die  Giftlösung  soll ,  wie  man  freilich  ohne  vollen  Beweis 
nimmt,  die  Aufsaugungsgeschwindigkeit  mindern.    Danach  würde  man  zu  sagen  ha' 
dass  in  den  Versuchen  von  K  a  u  p  p  der  verzögernde  Einfiuss  der  verminderten  Be 
rungsfläche  über  der  beschleunigenden  des  erniedrigten  Druckunterschiedes  das  Ueb 
gewicht  gewonnen  habe,  während  bei  Magen  die  das  Gegentheil  eingetrolfen. 

c.  Köhler  und  Nasse  hatten  einerseits  mit  wohlgefüttert 
und  anderseits  mit  Thieren,  die  seit  42  Stunden  hungerten,  gen 
dieselbe  Versuchsreihe  angestellt,  welche  Kaupp  und  Vieror 
mit  verschieden  blutreichen  Kaninchen  ausführten.  Die  hungerl 
den  Thiere  verfielen  in  Mittel  48  See.  früher  in  Tetanus  und  st 
ben  aber  in  Mittel  13  Minuten  später  als  die  gefütterten. 

Barry  hat  gezeigt,  dass  ein  aufsaugbares  Gift,  das  man  unter  einem  wirks"^ 
Schröpf  köpfe  auf  die  Haut  bringt,  nicht  aufgenommen  wird.  Dieser  Versuch  so' 
den  Beweis  liefern,  dass  ein  grosses  Uebergewicht  des  Blutdruckes  über  den  a"; 
sphärischen  die  Aufsaugung  hemmen  könne.  Diese  Erklärung  ist  mit  bekannten 
dosmotischen  Erfahrungen  im  Widerspruch ;  er  lässt  zudem  andere  Erklärungen ,  , 
z.  B.  die  aus  der  Hemmung  des  Blutstroms  durch  den  Rand  des  Schröpfglases  zu. , 

3.  lieber  die  Stoffe,  welche  sich  an  der  regelrechten,  gesund 
Aufsaugung  betheiligen  und  über  dem  Umfang,  der  dieser  letzte 
im  Wechsel  des  Lebens  zukommt,  besitzen  wir  grösstentheils  n 
Vermuthungen. 

Dem  Bilde  entsprechend,  welches  wir  uns  heute  von  der 
mischen  Zusammensetzung  der  Gewebesäfte  und  den  endosmotiscli 
Kräften  des  Bluts  machen,  pflegen  wir  anzunehmen,  dass  die  Eiwe* 
Stoffe  und  Fette  von  der  Aufsaugung  durch  die  Blutgefässe  aus 
schlössen  sind,  während  die  Abkömmlinge  dieser  verwickelten  A 
gruppen  (S.  217)  aufgenommen  werden.    Die  Fette  schliesst 
aus,  weil  sie  in  Wasser  überhaupt  nicht  diffundiren  und  das  Eiwe' 
weil  das  Blut  gemeiniglich  viel  reicher  daran  ist,  als  die  Gew, 
Säfte;  so  weit  wir  wissen,  gilt  dieses  jedoch  nur  für  das  Albumi 
so  dass  gegen  die  Aufnahme  von  anderen  Modificationen  der  Eiw,' 
Stoffe  nichts  einzuwenden  wäre. 

Die  Abkömmlinge  der  Eiweissstoffe ,  deren  Bildungsstätte 
dem  Gewebe  liegt,  gehen  nun  wohl  geradezu  in  das  Blut  über,  ab 
sie  nehmen  nicht  allein  diesen  Weg,  sie  strömen  nachweislich  au 
in  die  Lymphe  über.  Demnach  würde  um  so  mehr  davon  unmittelb 
in  das  Blut  diffundiren ,  je  ergiebiger  sich  jene  Produkte  l)i]deu 


Aufsaugung  durch  die  Lymphgefässe. 


567 


weniger  von  ihnen  der  Lymphstrom  wegführt.  Ein  weiteres 
>spinnen  dieses  Satzes  dürfte  hier  nicht  am  Platze  sein. 

Aufsaugung  durch  die  Lymphgefässe. 

1.  Anatomischer  Bau  der  aufsaugenden  Gefässe*).    An  ihnen 
-  t  man  drei  durch  ihren  Bau  gekennzeichnete  Abtheihmgeu,  die 
/.ein,  die  Drüsen  und  die  Leitungsröhren  zu  unterscheiden. 
Die  Lymphwurzeln,  durch  deren  Zusammenfluss  die  ab- 
den  Lymphwege  (die  sogenannten  Lymphgefässe)  entstehen, 
vorzugsweise  im  Innern  der  dichtem  Gewehe  (Häute,  Drüsen, 
kein  U.S.W.)  gelegen,  also  da,  wo  sich  auch  vorzugsweise  die 
luefässe  capillar  vertheilen.    Genauere  Angaben  über  ihren  Bau 
/en  wir  nur  aus  der  Darmschleimhaut.  —  Nach  Brücke, 
a  Beschreibung  Cn.  Koopmanns  bestätigt,  besteht  die  Grund- 
-se,  das  sogenannte  Stroma  der  Dannschleimhaut  aus  einzelnen, 
1  Zwischenräume  getrennten  Stückchen.    Diese  Zwischenräume 
1  11  die  Lymphwurzeln  dar.    Trägt  die  Schleimhaut  Zotten,  so 
..in  im  Innern  einer  jeden  derselben  ein  oder  mehrere  Höhlen, 
centralen  Hohlräume,  deren  Contouren  im  Allgemeinen  mit  der 
itenoberfläche  gleichläufig  sind.    Mit  diesem  Binnenkanal  hängen 
II  die  schon  erwähnten  Lücken  zusammen,  welche  zwischen  den 
ii;tandtheilen  des  Stroma's  der  Schleimhaut  gelegen  sind ;  die  letz- 
!3n  erstrecken  sich  also  vielfach  verzweigt  vom  Centraikanal  aus 
zur  Zotteuoberfläche  unmittelbar  unter  das  Epithelium.  —  Um  die 
"  'pten,  welche  zwischen  den  Zotten  gelegen  sind,  findet  sich  in  der 
iileimhaut  ein  ähnliches  Lückenwerk,  welches  mit  dem  aus  den 
;,ten  kommenden  in  Verbindung  steht,  das  sich  aber  scharf  gegen 
Eigenhaut  der  Crypte  absetzt.    Aus  diesen  noch  mit  keiner 
^ibstständigen  Wand  versehenen  netzförmig  verzweigten  Höhlun- 
11  gehen  klappenlose  Aeste  hervor,  welche  die  Längs-  und  Quer- 
sskelschicht  der  Schleimhaut  durchbohren,  und  im  Unter- 
iileimhautgewebe  ein  dendritisch  verzweigtes,  keineswegs  mit  sehr 


'•)  Henle,  allgemeine  Anatomie  1841.  642.  —  Derselbe  in  seiner  und  Pfeufcr's  Zeitsclir.  3.  Reihe. 

iöUiker,  Handbuch  der  Gewebelehre.  3.  Auflage.  579.  —  Noll.Henle's  u.  Pfcufer's 
'Schrift.  IX.  Bd.  52.  —  E.  Br  ticke,  Wiener  akademische  Denkschriften.  II.  und  VI.  Bd.  — 

rselbe,  Sitzungsbericlite  der  Wiener  Akademie.  IX.  Bd.  900.  n.  X.  Bd.  27.  —  C.  Bruch, 
'«chrlft  fUr  wissenscliafti.  Zoologie.  IV.  Bd.  282.  —  Dondcrs,  Henle's  u.  Pfeufor's  Zeit- 

•ift.  N  F.  rv.  Bd.  p.  2.32.  u.  f.  —  Derselbe,    Physiologie  des  Menschen.  2.  Aufl.  342.  — 

■1  sauer,  Jahresbericht  fllr  1850.  p.  186.  —  Heidonhain,  Moicschott  Uutersuclumgen.  IV.  Bd. 

iymbolae  ad  onatomiani  glandulär.  Peycri.  Breslau  1859.  —  Uyrtl,   östr.  Zeitschrift  für  prakt. 

Iknnilc  18C0.  p.  293.  n.  338.  —  His,  Zeitschrift  fiir  wiss.  Zoologie.  X.  Bd.  334.  —  Billroth, 

träge  zur  patholog.  Histologie.  1868.  146. 


568 


Bau  clor  Lymphwurzeln  im  Darm. 


häufigen  Anastomosen  versehenes  Gefässnetz  darstellen.  An  dies 
Ort  verlaufen  die  Lymphgefässböhlen  in  den  Bindegewebszügi 
welche  das  subraucöse  Gewebe  darstellen ;  die  erste  Andeutung  ei] 
selbstständigen  den  Lymphgefässen  eignen  Haut  ist  durch  ein  E] 
thelium  gegeben,  welches  die  Lymphhöhle  gegen  das  Bindegewei 
abgrenzt;  dann  kommt  es  zur  Bildung  von  Klappen,  deren  An: 
senheit  schon  auf  eine  selbstständige  strukturlose  Wand  schliesBi 
lässt.  Nachdem  die  Gefässe  auch  die  Muskelhaut  des  Darms  dun 
brechen  haben,  tragen  sie  alle  Eigeuthümlichkeiten  der  Lymp 
fasse  im  engern  Wortsinn. 

Heidenhain,  dessen  Erfahrungen  den  oben  vorgeführten 
entgegen  sind,  glaubt  annehmen  zu  dürfen,  dass  sich  in  dem  Zo 
gewebe  und  namentlich  in  dem,  welches  sich  zwischen  der  ceni 
len  Höhle  und  der  Zottenoberfläche  erstreckt,  ein  Röhrennetz  ai 
breitet,  das  durch  die  hohlen  anastoraosirenden  Aeste  steraför 
Zellen  gebildet  werde.    Ausstrahlungen  aus  diesem  Netz  münd 
nach  aussen  in  hohle  Fortsätze  der  Epithelialcylinder ,  nach  inn( 
wahrscheinlich  in  die  centrale  Höhle.    Selbstständige  Häute  hat 
nicht  dargestellt,  und  zudem  widersprechen  sich  die  Befunde 
ai;f  verschiedene  Weise  hergestellten  Präparate.    Man  kann  ai 
seinen  Zeichnungen  jedoch  schliessen,  dass  das  Zottengewebe  ai 
Stoffen  bestehe,  die  in  Chromsäure  und  Holzessig  ungleichmässl 
quellen  und  schrumpfen,  sodass  die  Reagentien  zur  Verdeutlichung 
handener  oder  zur  Entstehung  neuer  Höhlen  Veranlassung  geben. 

Meissner  und  Donders  schliessen  aus  der  scharfen  A' 
grenzung,  welche  die  centrale  Zottenhöhle  gegen  ihre  Umgebui 
darbietet,  auf  Anwesenheit  einer  strukturlosen  Haut,  welche 
Hohlraum  der  Zotte  umgrenzt. 

Die  Zotten  des  Vogeldarms  enthalten  in  ihrem  centralen  Raun 
ein  oder  mehre  Reihen  paralleler,  vom  Zottengrund  gegen  die  Zo 
tenspitze  aufsteigender  Gefässe.  Nahe  an  der  freien  Oberfläche  d( 
Zotte  biegen  die  zu  einem  Bündel  gehörigen  Gefässe  ineinander  ni 
und  auch  auf  ihrem  Wege  durch  die  Zotte  anastomosiren  sie.  Ai 
einem  jeden  dieser  Bündel,  die  also  aus  der  Centraihöhle  d( 
Zotte  hervorkommen,  dringt  ein  Gefäss  in  das  Untersehl eimha« 
gewebe  und  von  dort  durch  die  Mnskelhaut  des  Darms,  wo  dasselb 
die  ersten  Klappen  empfängt.  Hyrtl,  der  diese  auf  Injektione 
gestützte  Angabe  macht,  theilt  den  Gefässen  tiberall  eine  eigne  Hai 
zu,  sodass  also  die  in  der  Zottenhöhle  gelegenen  Lymphräume  schai 
abgegrenzt  sind  gegen  ein  etwa  vorhandenes  Lückenwerk  im  jfii 


Bau  der  Lymphwurzeln  in  der  Haut,  Lunge  etc. 


569 


igen  Schleimhaiitgewebe.    Dieser  Behauptung  würde  man  bei- 
,  ehten  müssen,  wenn  sich  erweisen  liess,  dass  die  peripherischen 
fnungen,  welche  im  Zottenraum  vorausgesetzt  werden,  sich  ebenso 
ht  öffnen  gegen  einen  Druck,  der  von  innen  nach  aussen  wirkt, 
gegen  einen  solchen  von  entgegengesetzter  Richtung.  Ohne 
können  Injektionspräparate  für  die  Controversen  nichts  ent- 
eeiden. 

An  andern  nicht  zum  Darm  gehörigen  Oertlichkeiten  ist  von 
Lympbwurzeln  Folgendes  bekannt.   Werden  die  Lymphgefässe 
den  Organen  her  (der  Haut,  den  Drüsen  u.  s.  w.)  injizirt,  so 
lüt  man  das,  was  man  seinem  Bau  nach  für  ein  unzweifelhaftes 
inphgefäss  ansehen  muss,  aus  einem  sehr  reichlichen  von  rela- 
weiten  Rohren  gebildeten  Netz  hervorkommen.     Die  Zweige 
'3S  Netzes  sind  scharf  begrenzt  und  daraus  vermuthet  man,  dass 
> schon  mit  selbstständigen  "Wänden  begabt  sind;  Klappen  sind 
Heu  Netzen  noch  nicht  l)eschrieben  worden;  wären  keine  vor- 
iden,  so  würden  jene  Präparate  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  die 
tten Enden  der  Lymphwurzeln  darstellen  (Haase,Lauth,  Foh- 
inn,  Hyrtl). 

lUm  sich  ein  tJrtheil  über  den  Bau  der  Lyniphwurzeln  zu  verschaffen,  sind  mehre 
(oden  angewendet.     1.  Von  der  Darmschleimhaut  wähll  man  solche  Stücke  zm 
coskopischen  Untersuchung  aus ,  die  sich  während  des  Lebens  mit  feinen  Fett- 
(chen  gefüllt  haben,  vermöge   einer  von  der  Darmhöhle  aus   stattfindenden  Re- 
i.ion.    Solche  Stücke  kann  man  durch  einen  von  Brücke  angegebenen  Kunstgriff 
ijsichtig  machen.    Insofern  sie  eine  natürliche  Injektion,  und  zwar  eine  solche,  die 
L'der  Peripherie  her  unternommen  wurden,  darstellen  ,  und  insofern  die  gewonnenen 
nrate  im  frischen  Znstande  mit  jeder  möglichen  Vergrösserung  untersucht  werden 
ten,  geben  sie  auch  den  vollkommensten  Aufechluss.  —  Mit  der  Lymphinjektion 
man  häufig  verwechselt  eine  solche  der  Blutgefässcapillaren ,  welche,  wie  diess 
vorkommt,  mit  kleinen  kugeligen,  dem  erstarrton  Fett  ähnlich  sehenden  Körper- 
(Leucinkugeln .')  gefüllt  sind.    Man  darf  also  nur  solche  Gefässe   für  Lymphwur- 
baltcn ,  welche  sich  in  ein  deutliches  klappentragendes  Lymphgefäss  fortsetzen.  — • 
aine  Durchschnitte  der  frischen  und  der  mit  Chromsäure  oder  Holzessig  behandel- 
nit  resobirtem  Fett  gefüllten  Darmschleimhaut  hat  Heidenhain  benutzt,  um  aus 
sichtbaren  Anordnung  der  Elementartheile  auf  die  Lymphwurzeln  zu  schliessen.  — 
I  die  grössern  einer  Inj ektions wunde  zugänglichen  Lymphgefässe  spritzt  man  Queck- 
r  (Haase,  Lauth)  oder  künstlich  erhärtbare  Massen  (Hyrtl)  ein,  und  zwar  in 
tRichtung  von  dem  Stamme  zu  den  Wurzeln ;  den   Widerstand  der  Klappen  über- 
•  et  man  durch  einen  örtlichen  Druck  auf  die  schon  angefüllten  Lymphstücke.  — 
'  die  gerissenen  Maschen  des  Bindegewebes  hat  man  Quecksilber  (Fohmann) 
■  gerinnende  Massen  (Hyrtl)  eingespritzt;  die  in  jene  künstlich  gebildeten  Höhion 
'  lenden  Lymphgefässe  werden  durch  die  dahin  gespritzte  Masse  angefüllt.  —  Andere 
liektc  Beweismittel  werden  im  Verlauf  der  Darstellung  noch  zur  Sprache  kommen. 


570 


Bau  der  Lymphdrüsen. 


Ueber  die  Stellung  der  Blutcapillaren  zu  den  Lymphwurz 
ist  vom  Darm  her  bekannt,  dass  die  erstem  unmittelbar  an  dj — 
von  Brücke  beschriebene  Lückensystem  grenzen.  Billroth  gie| 
nach  einem  allerdings  zweifelhaftem  Bild  ein  ähnliches  Verha 
fili-  die  Lymphgefässe  des  menschlichen  Präputiums  an,  wie 
Brücke  auch  im  Unterhautschleimgewebe  des  Kaninchens  be 
achtete;  hier  werden  nämlich  die  blutführenden  Gefässe  von 
lymphatischen  scheidenartig  umgeben. 

Die  Lymphdrüsen  scheidet  man  in  einfache  und  zus 
mengesetzte.    Die  .  einfachen  Lymphdrüsen  (zerstreute  Follikel, 
litäre  Bälge)  sind  stecknadelkopfgrosse,  kugel-,  spindel-,  Un- 
förmige u.  s.  w.  Körnchen,  die  aus  einem  Gerüst,  Zellenhäufch 
und  Blutgefässen  bestehen;  das  Gerüst  ist  aus  Bindegewebe 
zuweilen  aus  Muskelzellen  dargestellt;  an  der  Peripherie  des  s 
tären  Koras  bildet  das  Bindegewebe  eine  mehr  weniger  dicht  , 
schige  Kapsel,  von  welcher  durch  den  von  ihi"  umschlossenen  H 
räum  nach  allen  Eichtungen  hin  Fasern  ausstrahlen,  die  die  1^ 
tern  in  kleine  mikroskopische  Abtheilungen  bringen,  welche  in  vi 
facher  Verbindung  untereinander  stehen.    In  die  Lücken  die§ 
Fasernetzes  sind  die  Lymphkörperchen  gelagert  und  auf  den  B" 
chen  selbst  verzweigt  sich  ein  Netz  capillarer  Blutgefässe.  —  W" 
mehrere  solcher  einfachen  Bälge  von  einer  gemeinsamen  Bind" 
webshüUe,  die  dann  meist  auch  Muskelzellen  enthält,  umf; 
werden,  so  entsteht  eine  zusammengesetzte  Lymphdrüse.  In 
solchen  zusammengesetzten  Drüse  sind  jedoch  die  einzelnen 
likel  nicht  scharf  von  einander  getrennt,  ihre  Hohlräume  steh 
vielmehr  in  offener  Verbindung,  weil  die  von  der  gemeinschaftlich 
Hülle  ausgehenden,  die  einzelnen  Follikel  trennenden  Scheidewä 
selbst  nur  aus  netzförmigem  Bindegewebe  und  zuw(^ilen  auch  a: 
Muskelzellen  bestehen. 

Das  Verhalten  der  beschriebenen  Drüsen  zu  den  Lymphge" 
sen  ist  nur  bei  den  zusammengesetzten  klar.    Gelangt  ein  Lym^ 
stamm  in  die  Nähe  einer  solchen  Drüse,  so  spaltet  er  sich 
fach  in  feine,  aber  noch  mit  unbewaffnetem  Auge  sichtbare  Ae 
welche  die  Capsel  durchbrechen,  sodass  je  einer  in  die  Höhle  eia 
oberflächlich  liegenden  Korns  einmündet.    Führt  die  durch  die 
bende  Drüse  strömende  Lymphe  viel  Fett,  oder  einen  ihr  bei 
brachten  feinkörnigen  Farbstoff,  so  sieht  man,  vorausgesetzt,  d 
kein  besonderes  Stromhemmniss  besteht,  die  Flüssigkeit  am  Umf 
je  eines  Follikels  sich  herbewegen,  wälu-end  der  in  der  Mitte  d 


Bau  der  Lymi)hdrÜ8en. 


571 


pen  gelegene  Zellenhaufen  farbstofifrei  nnd  durchsichtig  bleibt; 
ili  geht  die  Flüssigkeit  schon  eher  in  die  abführenden  Lymph- 
ässe  über,  bevor  sie  sich  merklich  über  den  Theil  der  Drüse 
oreitet  hat,  welche  aus  andern  Lymphstämmchen  versorgt  wird, 
at  man  dem  Strom  ein  Hemmniss  entgegen,  z.  B.  durch  Verschluss 

ausfühi-enden  Gefässes,  so  verbreitet  sich  jetzt  die  gefärbte 
issigkeit  weithin  durch  die  angrenzenden  Follikel  und  geht  zu- 
;ch  zwischen  die  Zellenhaufen.   Aber  in  allen  Fällen  bewegt  sie 

gegen  den  ausführenden  Stamm,  niemals  aber  in  die  einfüh- 
lien  Gefässe  der  angrenzenden  Follikel,  selbst  wenn  diese  leer 
[,  und  zwar  darum  nicht,  weil  hier  immer  Klappen  vorhanden 
.1.  Die  ausführenden  Gefässe  aber  treten  aus  der  Seite  der  Drüse 
ror,  welche  den  Einmündungsorten  der  einführenden  Gefässe 
[^egengesetzt  ist;  die  Vasa  efferentia  bilden  unmittelbar  an  ihrem 
prnng  ein  vielfach  zusammenhängendes  Geflecht,  aus  welchem 

endlich  wieder  ein  Gefässstamm  hervorbildet. 

Als  man  sich  überzeugt  hatte,  dass  die  einzelnen  oder  gehäuft 
«enden  Drtisenbälge,  welche  in  der  Milz,  Thymus,  Mund-,  Rachen-, 
r;en-,  Darmschleimhaut  vorkommen,  ihrem  Bau  nach  mit  den 
;'.elnen  Körnern  der  zusammengesetzten  Lymphdrüsen  überein- 
iimten,  war  man  geneigt,  auch  sie  für  Einlagerungen  in  die 
Qophgefässe  zu  halten..  Diese  Unterstellung  schien  bestätigt  zu 
oden  durch  die  Erfahi-ung,  dass  in  den  Follikeln  der  Peyerschen 
Isen  während  der  Verdauung  Chylus  gefunden  wurde  (d.  h.  eine 

I  Inhalt  der  Lymphgefässe  in  der  Schleimhaut  des  verdauenden 
imes  ähnliche  Flüssigkeit)  und  ferner ,  dass  eine  in  die  Darmfol- 

II  eingespritzte  Masse  sehr  leicht  einen  Weg  in  die  Lymphge- 
iie  findet  (Brücke).    Weil  man  aber  meist  gar  kein  zuführen- 

Gefäss  auffinden  konnte,  so  erschien  es  auch  nicht  unmöglich, 
•8  ein  solcher  Follikel  den  Anfang  eines  Lymphgefässes  darstellen 
nte  (Donders).    Diese  Thatsachen  genügen  jedoch  nicht,  um 
Annahme  als  eine  vollkommen  gesicherte  zu  betrachten,  welche 
rauptet,  dass  die  Follikel  überall  und  namentlich  auch  ausser- 

0  des  Darmes  erweiterte  mit  Zellen  gefüllte  Lymphgefässe  dar- 
ben. 

Die  Lymphgefässe,  welche  als  Leitungsröhren  aus  den  Wur- 

1  hei-vorgehen ,  besitzen  eine  strukturlose  elastische  Wand,  die 
ihrer  Innern  Fläche  mit  einer  Schicht  von  Deckzellen,  auf  ihrer 

|«em  aber  mit  Faserzellen  belegt  ist;  an  diese  schliesst  sich  strei- 
9  Bindegewebe  an.    Die  Faserzcllen  müssen  unzweifelhaft  zum 


572 


Zusannuensetzung  der  Lymphe. 


Muskelgewebe  gerechnet  werden,  da  es  gelingt,  durch  elektrisc 
Schläge  den  Durchmesser  der  mit  ihnen  behafteten  Lymphgefäj 
zu  verkleinern.    Die  Dicke  der  Wand  ist  im  Verhältniss  zurWe 
des  Lumens  zwar  immer  gering;  sie  nimmt  jedoch  mit  dem  stj 
genden  Durchmesser  dieses  letzteren  zu.    Die  in  die  Gefässhöi 
ragenden  Klappen  sind  aus  elastischem  Bindegewebe  gebaut,  des^ 
freie  Oberfläche  mit  Deckzellen  belegt  ist.  —  Die  Anordnung 
Höhlung  in  den  Lymphstämmen  kann  als  bekannt  vorausgese 
werden.    Im  Allgemeinen  scheint  die  Gesammtsumme  der  lut 
von  den  Wurzeln  gegen  die  Stämme  beträchtlich  abzunehmen.  Weg 
der  grossen  Dehnbarkeit  der  Wandung  kann  der  Durchmesser  dl 
selben  Gefässes  sehr  veränderlich  sein.  M 

Aus  verschiedenen  Organen  und  Geweben  gehen  sehr  ungleiij 
Mengen  von  Lymphgefässen  hervor.  Vorzugsweise  reichlich  gel 
sie  aus  Bindegewebsräumen  oder  saftreichen  Drüsen  hervor  (Le^| 
Milz,  Leder-  und  Schleimhaut),  sparsamer  scheinen  sie  aus 
Muskeln  zu  kommen.  \\ 

2.  Lymphe*).   Da  sich  in  den  ductus  thoracicus  auch, 
aus  der  Auflösung  der  Speisen  resultirende  Saft  ergiesst,  so  ble| 
einstweilen  die  Betrachtung  seines  Inhaltes  ausgeschlossen ;  die 
genden  Bemerkungen  beziehen  sich  also  nur  auf  die  Flüssigkö 
welche  in  den  Gefässen  des  Kopfes,  Halses  und  der  Extremit 
eingeschlossen  ist. 

Die  Lymphe  ist  ein  Gemenge  aufgeschwemmter  und  flüssij^ 
Stoffe;  je  nach  dem  Verhältniss  dieser  Bestandtheüe  ist  sie 
chig,  trüb  oder  wasserhell.  i\ 

Die  aufgeschwemmten  Theilchen  sind  Molekularkörnchen,  Ke 
grössere  oder  kleinere  kernhaltige  Zellen  (weisse  Blut-  und  L}Tnf 
körperchen)  und  gefärbte  Blutkörperehen,  welche  nach  Gubl 
und  Quevenne  in  der  menschlichen  Lymphe  kleiner  als  die 
Blutes  sind;  beim  Hunde  fehlen  in  der  Halslymphe  zuweilen  il 
gefärbten  Scheiben  ganz  (Krause).  Die  Haut,  die  diesen  Geb 
den  und  namentlich  den  zuerst  erwähnten  zukommt,  besteht  i 
einer  in  Essigsäure  löslichen  Eiweissart;  ihr  Inhalt  ist,  theilv 
wenigstens,  namentlich  in  den  Molekularkörnchen,  ein  fetthaltiger.- 


*)  H.  Nasse,  Hiindwörterbuoh  der  Physiologie,  n.  363.  —  Herbst,  Das  Lympligcfc 
und  seine  Verrichtung.  —  Gubler  und  Quevenne,  Gazette  miä.  1854.  17.  Juin  et 
W.  Krause,  Ilenle's  und  Pfeufe  r's  Zeitschrift.  N.  F.  — Poisouille  und  L  e  f  ort,  ColB 
rend.  46  Bd.  677.  —  Würt/,,  ibidem.  49 Bd.  453.—  Frerichs  und  Staedcler,  Miiller's 
1856.  —  Colin,  Tinitd  de  physiologio  compar.  1866.  II.  Bd.  —  Scherer,  Dessen  Jnlircsb^, 
über  physiol.  Chemie  für  1857. 


Zusammensetzung  der  Lymphe;  Paserstoff,  Fette. 


573 


I  Flüssigkeit  hat  behufs  der  chemischen  Analyse  noch  nicht  von 
aufgeschwemmten  Theilen  geschieden  werden  können.  Ihre 
iimniensetzung  kann  darum  nur  erschlossen  werden  aus  der 
[jrsuchung  der  Gesammtlymphe.  Diese  enthält:  a.  meistentheils, 
ich  nicht  immer  Faserstoff  und  zwar  in  aufgelöster  Form ;  nach 
lEntleernng  der  Lymphe  gerinnt  derselbe  und  giebt,  indem  er 
laufgeschwemmten  Bestandtheile  einschliesst,  Veranlassung  zur 
ttehung  eines  sehr  lockeren,  wenig  zusammenhängenden  Kuchens. 
Faserstoff  der  Lymphe  und  der  des  venösen  Blutes  stimmen 
iiiren  Eigenschaften  überein  (Lehmann).  Die  Zeit,  in  welcher 
Lymphe  nach  der  Entleerung  gerinnt,  ist  verschieden  von  we- 
nn Minuten  bis  zu  mehreren  Stunden;  in  seltenen  Fällen  erfolgt 
innerhalb  derselben  Lymphe  die  Gerinnung  in  mehreren  weit 
einander  entfernt  liegenden  Zeitpunkten.  —  Die  Bedingun- 
unter  denen  der  Faserstoff  fehlt,  liegen  weder  in  der  Blutbe- 
ßffenheit  des  lymphgebenden  Thieres,  noch  auch  in  der  Ge- 
rindigkeit,  mit  der  dieser  Saft  gebildet  wird.    Allerdings  ent- 

I  häufiger  die  reichlich  ausfliessende  Lymphe  ein  geringes  oder 

gar  kein  Gerinnsel,  zuweilen  aber  ist  auch  die  sparsam  ab- 
mderte  faserstofffrei  (Colin,  C.  Ludwig).  Die  aus  demselben 
8SS  ausströmende  Flüssigkeit  ist  wechselnd  (von  Stunde  zu 
Mej  bald  faserstofffrei  und  bald  faserstoff haltig;  ebenso  ist  zu- 
itn  von  zwei  Portionen,  die  gleichzeitig  aus  den  beiderseitigen 
!Jtämmen  mit  ungefähr  gleicher  Geschwindigkeit  hervorkommen, 
feine  schwach  oder  gar  nicht,  die  andere  stark  geronnen 
ijmsa,  C.  Ludwig).  —  b.  Albuminnatron,  welches  nach  Neu- 
aation  der  alkal.  Lymphe  in  geringer  Menge  ausfällt.  —  c.  Al- 
m,  welches  bei  Kochen  der  vorgängig  neutralisirten  Lymphe 
iisfällt.  —  d.  Fette,  und  zwar  ölige,  feste,  krystallisirbare  und 
itifte.  —  e.  Traubenzucker;  von  Gubler  und  Quevenne  zü- 
mchgewiesen.    In  der  aus  dem  Halsstamm  des  Hundes  ergos- 

II  Flüssigkeit  ist  er  ein  nie  fehlender  Bestandtheil,  selbst  wenn 
m  Blute  nicht  nachgewiesen  werden  kann  (Krause,  Poi- 
Ule,  Lefort). 

lieber  die  Menge  des  Lymphzuckers,  und  sein  Verhältniss  zum  Zucker  des  Bluts 
lies  Chylus  geben  Poiseuille  und  Lefort  folgende  Zusammenstellung  für 
liieile.   Die  Zahlen  bedeuten  Zucker  in  Grammen: 


574 


Mischung  der  Lymphe;  Zucker,  Harnstoff  etc. 


Hund  zu  Ende  der  Verdauung. 
Pferd 
Kuh 


Während  der  Verdauung. 


Kuh 
Stier 


arterielles  Blut. 


Spuren 
0,069 
0,0.55 


0,014 
0,073 


Inhalt  des  j 
duct.   thoraoicusl  "'"'*'J-'nP* 


0,109 
0,222 
0,068 
Mesenterial- 
lymphe. 
0,186 
0,123 


f.  Harnstoff  fand  Wiirtz  beständig  in  der  Lymphe. 

Die  folgende  Tabelle  giebt  den  prozentischen  Harnstoffgehalt  an. 


0,166 
0,442 
0,098 


0,266 


Fütteiung. 


Blul. 


Chylus. 


Lymphe. 


Hund 

Derselbe 

Kuh 

Stier 

Widder 

Pferd 


Fleisch 

Trockner  Klee 
Klee.  Kapskuchen 
gewöhnliches  Futter 


0,009 


0,019 


0,025 


0,018 
0,019 
0,019 
0,028 


nach  zwei  Versuchen 


0,016 

0,019 
0,021 

0,012  •*! 

—  g.  Aus  den  Lymphdrüsen  -gewann  Staedeler  und  FrerJu 
Leucin,  aber  kein  Tyrosin,  nach  dem  sie  suchten.  Vielleicht  enij 
also  auch  die  Lymphe  den  ersteren  Körper.  —  h.  Extrakte  vonj 
bekannter  Zusammensetzung.    Die  in  altern  Beobachtungen  ai?i 
führten  dürften  wesentlich  aus  Albuminnatron  bestanden  haben  (6| 
ger).  —  i.  Unorganische  Bestandtheile,  und  zwar  Ammoniaksa 
Chlornatrium  und  Chlorkalium,  phosphorsaure,  schwefelsaure, 
lensaure  Alkalien,  diese  jedoch  nicht  immer  (Scher er), 
oxyd  und  Wasser. 

Die  Variationen  der  Zusammensetzung  nach  Zeit  und  Ort 
noch  wenig  bekannt.    Die  Molekularkörnchen  sollen  vorzugsw^ 
in  den  Lymphgefässen  vor  ihrem  Eintritt  in  die  Drüsen  bei 
Individuen  oder  auch  einige  Zeit  nach  einer  reichlichen  IMa 
vorkommen ;  ich  habe  sie  nie  beobachtet.  —  Die  Lymphkörpeyö^ 
treten  in  den  Gefässen  jenseits  der  Drüsen  viel  reichlicher  auf 
diesseits  derselben ;  demnach  ist  jedenfalls  die  grösste  Menge 
selben  aus  den  Drüsen  abzuleiten  (Brücke).   Die  sparsamen 
perchen,  die  man  in  der  Lymphe  vor  dem  Durchgang  durch 
grössern  Drüsen  findet  (Kölliker),  könnte  man  ableiten  aus 
häufig  vorkommenden  zerstreuten  Follikeln,  vorausgesetzt,  dass 


Die  Lymphkörperchen  kommen  aus  den  Drüsen. 


575 


•l)iudung  mit  den  Lympligefässen  erwiesen  wäre.  Da  aber  auch 
der  Gefässwand  Zellenbildung  stattfinden  -  kann,  so  wären  auch 
h  andere  Quellen  derselben  möglich.  Blutkörperchen,  die  immer 
rsam  vorhanden  sind,  trifft  man  in  der  Milz-  und  Halslymphe 
(Nasse,  Herbst),  und  zwar  vorzugsweise,  wenn  ein  Theil 
Drüsen,  aus  denen  der  Halsstamm  hervorgeht,  durchweg  roth 
iärbt  ist.    In  diesen  Fällen  liegt  der  Verdacht  einer  Extravasation 
den  Blutgefässen  nahe  (Krause).  —  Der  Gehalt  der  Lymphe 
^gernder  Thiere  soll  reicher  an  Eiweiss  und  dafür  ärmer  an 
ssser  sein  als  der,  gefütterter  (?)  (Chevreul,  L'heritier  und 
lelin).    Die  Beobachtungen  zur  Begründung  der  letzteren  Be- 
ptung  sind  allerdings  insofern  nicht  vollkommen  vergleichbar, 
die  beiden  ersteren  Chemiker  ihr  Objekt  aus  dem  ductus  tho- 
cus  eines  hungernden  Hundes  und  Menschen,  der  letztere  sie 
dem  Lendengeflecht  des  hungernden  Pferdes  nahm.  —  Krause 
.tätigt  am  Hunde,  dass  ein  und  dasselbe  Thier  unmittelbar  und 
len  ersten  Stunden  nach  der  Mahlzeit  eine  um  mehrere  Prozente 
liünntere  Lymphe  ausgiebt,  als  nach  24stündigem  Hungern.  Aber 
h  bei  nüchternen  Thieren  wechselt  der  Rückstand  bis  zu  meh- 
m  Prozenten.     Die  Zunahme  derselben  steht  auch  in  keiner 
iiehung  zur  Geschwindigkeit  der  Absonderung ;  die  letztere  kann 
sehr  gelingen  zu  sehr  beträchtlichen  Werthen  anwachsen,  ohne 
?3  sich  der  Gehalt  an  festen  Stoffen  ändert. 
Quantitative  Zerlegungen  der  menschlichen  Lymphe  gaben  Q ne- 
in e  (I,  H)  und  S oberer  (HI).   Danach  enthalten  100  Theile: 

m. 

0,037 


3,472 


0,73 
95,76  - 

Kach  W.  Krause  schwankt  bei  einem  und  demselben  und 
verschiedenen  Hunden  der  prozentische  Gehalt  der  Lymphe  an 
:en  Bestandtheilen  überhaupt  zwischen  2,8  bis  5,0  imd  der  un- 


I. 

n. 

Fibrin  und  Köi-perchen    .  . 

0,056 

0,063 

Fett  

0,382 

0,920 

^buminnatron  mit  0,01  pCt.  i 
3CaOP05     .    .    .    .  i 

4,275 

4,280 

\Alkoholexti'akt    .    .    .    .  » 

0,570 

0,390 
0,050 

^aOCl   i 

!2NaOP05  und  NaOCOa  ) 

0,730 

0,640 
0,180 

93,987 

93,477 

576 


Die  Lymphbildung  begünstigt  durch  Bewegungen,  Opium. 


organischen  zwischen  0,86  und  0,44.  Die  an  festem  Riickstar 
reichste  Lymphe  führt  keineswegs  immer  die  meisten  Salze. 

Ausser*)  diesen  gewöhnlietien  Bestandtheilen  kommen  auch  zahlreiche  andere 
der  Lymphe  vor;  es  scheint,  als  ob  alle  in  der  Flüssigkeit  des  Bindegewebes  au^ 
liehen  Stoffe  in  ihr  erscheinen  könnten;  namentlich  ist  es  festgestellt,  dass  narkoti« 
Gifte,  was  man  längere  Zeit  unter  dem  Einflüsse  von  Emmert  läugnete,  ia^^ 
Lymphe  übergehen  (Bischoff).    Siehe  hierüber  Cl.  Bernard  1.  c.  ^ 

3.  Die  Geschwindigkeit**),  mit  welcher  die  Lymphe  a 
dem  Halsstamm  des  Hundes  ausfliesst,  ist  bei  verschiedenen  Hun4) 
unter  scheinbar  denselben  Umständen  eine  sehr  verschiedene,  fi 
einem  Thier  kann  man  in  kurzer  Zeit  grössere  Mengen,  bei  ande© 
selbst  während  einer  tagelang  foi-tgesetzten  Beobachtung  nur  weni 
Grammen  sammeln.  Es  hat  den  Anschein,  als  ob  dieser  ünfe 
schied  in  ursprünglichen  Einrichtungen,  in  der  sogenannten  Ce 
stitution  begründet  wäre.  Junge  lebhafte  muskelkräftige  Hunde  n 
straffer  Haut  geben  fast  regelmässig  mehr  Lymphe  als  träge,  fei 
alte  mit  schlaffer  Haut.  ^ 

Aber  auch  an  demselben  Thier  ist  die  Geschwindigkeit,  ? 
welcher  die  Lymphe  ausfliesst,  je  nach  besonderen  Bedingung« 
eine  sehr  verschiedene;  mit  anderen  Worten,  es  sind  die  letzte« 
von  einer  sehr  ungleichen  Wirkung.  Namentlich  scheint  es  nicht  al| 
gewagt,  dieselbe  nach  ihrer  auf  den  Lymphstrom  wu*k enden 
in  zwei  grosse  Gruppen  zu  bringen;  eine  Reihe  von  willkührM^ 
einzuführenden  Umstände  ist  nämlich  nur  befähigt,  den  schon 
ihrer  Anwesenheit  vorhandenen  Lymphstrom  zu  verstärken,  keine 
Wegs  aber  im  Stande,  ihn  zu  erzeugen ,  wenn  er  fehlt ;  aber  auch  4 
verstärkende  Eigenschaft  kommt  ihnen  nicht  immer  zu.  Die  ande 
;Reihe  kann  dagegen  den  ganz  fehlenden  Strom  auch  hervorrufe 

Zu  den  ersteren,  die  wir  die  begünstigenden  nennen  wolle 
gehören:  a.  Bewegungen  der  Gesichts-  und  der  Halsmuskeln  (Ol 
lin,  Schwan  da).  —  b.  die  Einspritzung  von  soviel  Opiumtinkti 
in  die  Venen,  dass  dadurch  ein  vorübergehender  Krampf  mit  dia 
auffolgender  tiefer  Narkose  erzeugt  wird.  Schon  während  d( 
Krampfs  beginnt  die  Lymphe  verstärkt  zu  fliessen,  aber  dieser  stä 
kere  Strom  dauert  auch  noch  während  des  tiefen  Schlafes  ~bei  YO 
kommen  er  Muskelruhe  fort,  namentlich  wenn  die  Haut  des  Kojp 


•)  Henle'a  und  Pfeufer's  Zeitschrift.  I.  35.  —  IV.  Bd.  63.—  V.  Bd.  293.  —  Zeitschrift 
physlol.  Heilkunde.  XI.  Bd.  23.  —  Friinkel,  De  resorpt.  rasor.  lymphBtic.  Berlin  1S47. — 
Bernard,  Le^ons  sur  les  liquides  de.  l'organisme  1859.  II.  409.  - 

»*)  Krause,  Henle's  und  Pfeufer's  Zeitschrift  N.  F.  VU.  Bd.  —  Schwand«,  Wien 
med.  Wochenschrift  lfi58. 


Reizung  und  Durchsohneidung  der  Nerven,  Entleerung,  Oedem. 


577 


i  geröthet  hat.  Der  vermehrte  Ausfluss  dauert  meist  eine  Stunde 
mehr;   er  mindert  sich  jedoch  noch  während  der  Narkose 
, dasMaass,  welches  vor  der  letztern  bestand  (C.  Ludwig, 
^iwanda).  — c.  Tetanisirende  Reizungen  des  wohlisolirten  n.  fa- 
HS  unmittelbar  nach  seinem  Austritt  aus  dem  for.  stylomastoideum 
rren  den  vorhandenen  Strom,  selbst  dann,  wenn  dabei  die  Mus- 
I  des  Gesichts  in  Tetanus  übergehen,  sodass  also  das  Gesicht 
rrend  der  Reizungsdauer  unbeweglich  bleibt.    Zuweilen  kommt 
cor,  dass  mit  der  Schliessung  der  tetanisirenden  Vorrichtung  der 
ijphstrom  beginnt  und  mit  dem  Ende  der  Reizung  plötzlich  auf- 
I (Schwan da).  —  d.  Schmerzhafte,  Geschrei  und  Kopfbewegung 
mlassende  Reizungen  der  Kopf-  und  Mundhaut  wirken  ähnlich 
cause).  —  e.  Ebenso  Durchschneidung  des  n.  sympathicus  am 
te  (Thomsa,  C.  Ludwig).  — f.  Ein  öfter  wiederholter  Druck 
(den  Verlauf  der  Wurzeln  und  Stämme,  welche  sich  in  das  Hals- 
s3S  ergiessen,  namentlich  wenn  dieser  soweit  getrieben  wii-d, 
sich  jene  zuflussgebenden  Röhren  entleeren,  kann  die  Menge 
«ausfliessenden  Lymphe  sehr  mehren;  jedesmal  wenn  die  Ent- 
img stattgefunden,  füllt  sich  das  ganze  System  rasch  wieder,  so- 
es  bis  zu  einem  gewissen  Grad  in  der  Hand  des  Beobachters 
,  wie  viel  Lymphe  er  gewinnen  will  (Schwanda,  Krause). 

/Zu  den  Umständen,  welche  den  Lymphstrom  im  Halsstamm 
rmd  und  regelmässig  verstärken,  und  ihn  auch ,  wenn  er  vorher 
.  vorhanden,  wach  rufen,  gehört  die  Bildung  eines  Oedems  in 
[jresichtshaut.  Umschliesst  man  die  Schuautze  mit  einem  festen 
l  undschwilltin  Folge  dessen  die  Oberlippe  auf,  so  fliesst ,  wenn 
das  Band  lösst,  die  Lymphe  reichlich;  dabei  nimmt  die  Lip- 
inschwellung  ab,  jedoch  nur  sehr  allmählig,  und  es  dauert  der 
eehrte  Sti-om  oft  lange  Zeit. 

rOhne  merklichen  Einfluss  auf  den  Gang  |des  Abfliessens  ist 
gen  die  Unterbindung  der  Carotiden  (Krause),  ferner  die 
■tbindung  der  blossgelegten  grossen  Halsdrüse,  aus  welcher 
>ymphstamm  hei-vorgeht  (C.  Ludwig)  und  endlich  ist  es  gleich-  . 

ob  das  Thier  zum  letzten  mal  vor  24  oder  vor  wenigen  oder 
einer  Stunde  gefüttert  wurde. 

'ie  folgenden  Zahlen  sind  aus  Beobachtungen  abgeleitet,  die  mindestens  \U,  öfter 
ach  mehrere  Stunden  dauerten.  Sie  sind  von  Krause,  Schwanda,  Thomsa 
Ludwig  gefunden.    Die  Methode  des , Aufsaugens  beschreiben  Krause  und 
I an  da  1.  0.  / 

Idwig,   Physiologie  II.  2.  Auflage.  37 


578 


Umfang  der  Absonderung. 


Mittlere  Lymphmenge  in 

Lyinplinienge  für  1  Kilo 

Nummer  d. 

1  Minute  una  d.  Gcräss. 

Gewicht  des 

Kopf  in  24  Stunden. 

Be- 

Hundes. 

Reclits. 

Linlcs. 

lialben  Kopfes 

Ilcclits. 

Link«. 

merliunj;) 

I 

0,272  Gr. 

0,392 

0,965  Kilo 

405,8  Gr. 

585,0.  Gr. 

Ausstii 

II 

0,227  „ 

0,346 

1,290  „ 

259,0  „ 

387,0  „ 

chcii  der  i 

in 

0,292  „ 

0,389 

1,025  „ 

414,0  „ 

539,5  ,, 

fässstäiij . 

IV. 


VI. 


vn. 


VIII. 


0,685 

0,037 

0,020 

0,034 

0,0G9 

0,09 

0,36 

0,11 

0,015 

0,050 

0,062 

0,082 

0,032 

0,007 

0,009 


0,217 
0,172 
0,206 
0,118 
0,041 
0,029 
0,025 
0,040 


Bestreichen  des  Gesichts. 
Durchschneidung  d.  Symp.  ohne  Bestreichen. 
Narkose. 

Bestreichen  des  Gesichts. 
Vagus  links  durchschnitten. 
Dasselbe. 
Narkose. 

Eröffnung  d.  Oedem  erzeugenden  Schnur. 
Vor  22  Stunden  das  letzte  Pressen. 
Während  d.  ersten  17  Minuten  nach  Opiumeins 
Von  17- — ^77  Minuten  nach  Opiumeinspritznng/I 
Narkose.  .'(| 
Sympathie,  durchschnitten. 
Vagus  derselben  Seite  durchschnitten. 
Geöffnetes  Oedem. 

Seit  24  Stunden  nüchtern  \  das  Thier  verharrt  wS 
Vor  1  Stunde  gefüttert.    H- S^n^en  Beobachtung 

I  in  aufrechter  Stellung  I 
Während  d.  3  folgend.  Std. )    f^^j  bewegUchem 


Die  Menge  der  Lymphe,  welche  aus  den  untern  Extremit 
fliegst,  ist  wegen  der  zahh-eichen  Verbindungen,  die  die  Stämm^ 
untereinander  eingehen,  nicht  sicher  zu  bestimmen.  Oefter 
man  aber  aus  den  geöifueten  Stämmen  die  Lymphe  reichlich  fliesl 

Aus  einer  Oeffnung,  die  sich  in  einem  varikösen  Lymphg$| 
des  Schenkels  einer  Frau  befand,  sammelten  Gubler  und 
Venne  in  der  Stunde  120  Gran.    Da  der  Strom  aus  der 
nung  mit  gleichförmiger  Geschwindigkeit  (zwei  Tage  hindurch) ; 
sich  ging,  so  betrug  der  24stiindige  Verlust,  den  das  Individi^^ 
an  Lymphe  erlitt,  2900  Gr.,  eine  Zahl,  die  sehr  gross  erscli 
wenn  man  bedenkt,  dass  ausser  dem  angestochenen  noch 
andere  Lymphgefässe ,  die  allerdings  mit  diesen  communiziren»,^ 
dem  Schenkel  aufsteigen.    In  Uebereinstimmung  mit  dieser 
achtung  sind  andere  von  Assalini  und  Müller.  Da  aberiai 
diesen  Fällen  Krankheiten  der  Lymphgefässe  vorhanden  waren^ 
so  darf  man  sie  nicht  benutzen,  um  daraus  den  Umfang  der 
Sunden  Lymphabs  cheidung  abzuleiten.    Wie  gross  dieser  letz 
ist,  danach  auch  nur  zu^  fragen  ist  gegenwärtig  nicht  gerechtfertil 


Wie  und  wo  entsteht  die  Lymphe. 


579 


•  4.  L}'Tnphbildimg.  Alle  Lymphe  bezieht  ihr  Material  aus  zwei 
cn ;  der  eine  ist  an  den  Wurzeln  der  Lymphgefässe  und  der 
cre  in  den  Drüsen  gelegen;  der  erstere  liefert,  wie  wir  ver- 
Nien,  alle  oder  mindestens  dön  grössten  Theil  der  Flüssigkeit, 
/■zweite  die  Körperchen. 

iDa  der  flüssige  Antheil  der  Lymphe  reichlicher  strömt,  wie  so 
dargethan  wurde,  wenn  sich  die  Säfte,  welche  in  den  Ge- 
»eräumen   niedergelegt   werden ,    mehren ,   so  muss  zwischen 
Bildung  von  Lymphe    und  von  Gewebesaft  eine  gewisse 
fehung  bestehen.  Diese  könnte  allerdings  zunächst  nur  dadurch 
Bindet  sein,  dass  zum  Entstehen  der  beiden  Flüssigkeiten  ana- 
IBedingungen  nöthig  sind;  der  Zusammenhang  kann  aber'mög- 
rr  Weise  auch  dadurch  gegeben  werden,  dass  das,  was  früher 
psbesaft  war,  später  Lymphe  wird.  Für  diese  zweite  Alternative 
mt  nun  auch  die  schon  angeführte  Erfahrung  zu  sprechen,  dass 
folge  eines  reichlicheren  Ausflusses  von  Lymphe  aus  solchen 
imen,  welche  ihre  Wurzeln  aus  einer  Gegend  beziehen,  die  vom 
im  befallen  war,  das  letztere  an  Umfang  abnimmt.  Also  scheint 
»edemflüssigkeit  durch  die  Lymphgänge  abzufliessen.  Zu  dieser  - 
iirung  gesellt  sich  bestätigend  noch  eine  andere.    Auf  S.  424 
te  erwähnt,  dass  die  Unterbindung  des  Ureters  einer  Mere,  die 
ile  in  der  Harnabsonderung  begrifi'en  war,  ein  beträchtliches 
im  in  der  Fettkapsel  jener  Niere  erzeugt.    Aus  diesem  kann 
nun  leicht  eine  sehr  reine  Oedemflüssigkeit  gewinnen,  die  je 
der  Gewinnungsart  eine  verschiedene  Zusammensetzung  zu 
".en  scheint.    Tödtet  man,  nachdem  die  Oedembildung  voraus- 
ich  schon  weit  fortgeschritten,  das  Thier  durch  Verblutung,  rei- 
(dann  mit  Fliesspapier  möglichst  sorgfältig  die  Oberfläche  der 
iiwulst,  schneidet  nun  die  ausgedehnten  Maschen  ein  und  fängt 
in  Uhrschälchen  die  aussickernde  Flüssigkeit  auf,  so  erhält 

•  einen  wasserhellen  Saft,  der  gänzlich  frei  von  Lyraphkörper- 
ist,  der  aber  ähnlich  gerinnt  wie  die  Lymphe  und  der  einen 

»asser  löslichen  Stofl"  enthält,  welcher  das  CuO  reduzirt ;  dieser 
rre  Stofl'  ist  dem  Anscheine  nach  mindestens  in  derselben  Menge 
«demsaft  enthalten,  in  welcher  der  Traubenzucker  in  der  Lymphe 
»mmt;  denn  es  genügen  in  beiden  Fällen  wenige  Tropfen  des 
nefllossenen  zur  Erzeugung  einer  merklichen  Reduction.  Daraus 
»also  hervor,  dass  die  Flüssigkeiten  in  dem  Oedem  und  in 
iLymphgefässen  einige  Eigenschaften  mit  einander  gemein 
]. 

37» 

■ 


580 


Antheil  dor  Drüsen  an  der  Lymplibildung. 


Wäre  der  so  eben  als  wabrscbeinlich  hingestellte  Zusammdj^ 
hang  wirklich  erwiesen,  so  würde  sich  die  Frage  erheben,  Avie  \t§ 
wann  kommt  die  Entstehung  des  Gewebesaftes  zu  Stande  und  v  fj' 
dringt  er  aus  den  Gewebsräumen  in  die  Lymphwurzeln.  —  ]^ 
nun  bekanntlich  die  aus  Bindegewebe  geformten  Organe  ödenj^ 
tös  anschwellen ,  wenn  sich  ein  Hemmniss  in  dem  Strom  der  }  1 
nen  einfindet,  welche  das  Blut  aus  der  angeschwollenen  Regi 
abführen,  und  da  sich  damit  auch  die  Spannung  des  Bluts  in 
betreifenden  Capillaren  steigert,  so  ist  man  geneigt,  diese  letzt 
als  die  Ursache  des  Oedems  anzusehen.  Diese  Annahme  ist 
dings  nicht  ohne  Weiteres  verwerflich,  aber  es  ist  doch  auch^ 
denklich,  sie  ohne  Weiteres  anzunehmen,  so  lange  mit  ihr  m\ 
erklärt  werden  kann,  warum  die  chemische  Zusammensetzung) 
in  die  Gewebsräume  filtrirten  Flüssigkeit  so  sehr  von  der  der  B]j 
flirssigkeit  abweicht.  —  Das  Wie  und  Warum  die  Oedemflüssig^ 
in  die  Anfänge  der  Lymphgefässe  übergeht,  ist  so  lange  ke 
Diskussion  fähig,  als  die  Anatomie  der  genannten  Gebilde  noclö| 
Dunkeln  liegt. 

Selbstverständlich  schliesst  die  Annahme,  dass  die  Lymphe^ 
der  durch  Filtration  entstandenen  Oedemflüssigkeit  hervorgeht 
dere  nicht  aus,  aber  es  giebt  für  dieselbe  noch  weniger  Gr 
als  für  die  Oedemhypothese.    Siehe  hierüber  die  erste  Au 
dieses  Lehi-buchs  II.  371. 

Nach  einer  verbreiteten  Annahme  soll  die  Lymphe ,  in demj 
durch  die  Drüsen  geht,  verändert  werden ;  dieses  wäre  auf  mel 
Arten  möglich.    In  den  Hohhäumen  der  letzteren  kommt  die 
noch  einmal  mit  Blutgefässen  und  festsitzenden  Zellenhaufen  m\ 
rührung;  der  Inhalt  der  erstem  ist  jedenfalls  und  der  der  letz| 
wahrscheinüch  anders  zusammengesetzt  als  die  Lymphe  und  dm, 
ist  die  Bedingung  für  einen  endosmotischen  Austausch  gegeben. 
raschen  Lymphsti-om  ist  er  wohl  wegen  der  kurzen  BerührungfiJ 
der  betreffenden  Säfte  von  sehr  untergeordneter  Bedeutung, 
sofern  die  weiteren  Lymphgefässe  sich  in  der  Drüse  noch 
in  feinere  Gefässe  auflösen,  und  die  in  den  Drüsenraum  einged 
gene  Lymphe  sich  auch  zwischen  die  Zellenhaufen  ergiesst,  kö 
feste,  in  ihr  aufgeschwemmte  Körperchen  dort  zurückgehalten 
den.    So  findet  mau  z.  B.  Zinnoberkörnchen  in  den  Achseldrüpi 
wenn  an  dem  Vorderarm  vor  Jahren  Tätowirungen  vorgeuomin 
wurden.    In  gesunden  Verhältnissen  scheint  jedoch  nur  selten  ^ 
anlassnng  zur  Filterwirkung  der  Drüsen  gegeben  zu  sein,  da 


Mechanik  des  Lymphstroms.  581 

m^e  Fette  erfahningsgemäss  sehr  leicht  durch  die  letzteren  hin- 
fengehen.  Vielleicht  ist  es  in  Krankheiten  anders.  —  Endlich 
:ten  die  in  den  Drüsenraum  hineinhängenden  Blutgefässe  sehr 
lat;  darum  sieht  man  sehr  oft  eine  bis  dahin  farblos  ausflies- 
te blutscheibenfreie  Lymphe  einen  Stich  in  das  Rothe  annehmen  ; 
man  nun  die  Drüse  bloss,  so  ist  sie  an  dem  einen  oder  andern 
II  dm-ch  nnd  durch  roth  gefärbt. 

j  Die  Körperchen ,  welche  die  Lymphe  aufgeschwemmt  enthält, 
llen  ihr,  wenn  nicht  auschliesslich,  so  doch  jedenfalls  zumgrössten 
U  erst  in  der  Drüse  beigemengt.  Dieses  geht  aus  den  auf  S.  574 
feth  eilten  Beobachtungen  hervor.  Mit  der  Feststellung  dieser 
tisache  sind  allerdings  die  älteren  anatomischen  Angaben  über 
Entstehung  der  Lymphkörperchen  beseitigt,  die  von  der  Vor- 
eetzung  ausgingen,  dass  sich  die  letzteren  frei  schwimmend  in 
ILymphflüssigkeit  selbst  bildeten,  aber  es  ist  damit  noch  nicht 
wahre  Formfolge  aufgedeckt.  Die  meisten  Anatomen  scheinen 
die  Annahme  zuzuneigen ,  dass  sich  die  neuen  Körperchen 
hh  Theilung  der  schon  vorhandenen  bilden.  Als  Hindeutungen 
üiese  Entstehungsart  sieht  ftian  es  an,  dass  die  Kerne  der  Lymph- 
in öfter  zwei  und  mehrere  Kernkörperchen  enthalten,  dass  die 
i'ie  öfters  von  der  Seite  her  eingebuchtet  sind,  als  wollten  sie 
>spalten  und  andere  ähnliche  Erscheinungen  von  ebenso  geringer 
esiskraft.  —  Ebenso  allgemein  sieht  man  die  kleinere  Gattung 
Lymphkörperchen  als  eine  Vorstufe  der  Blutkörperchen  au, 
55  weil  neben  merklichen  Unähnlichkeiten  doch  auch  gewisse 
ulichkeiten  in  der  Form  und  Grösse  zwischen  den  beiden  Zel- 
Tten  bestehen,  theils  weil  mau  keine  andere  Quelle  der  Blut- 
rerchen  anzugeben  weiss. 

5.  Lymphstrom.  Die  Spannungen  und  Geschwindigkeiten,  welche 
.-strömenden  Lymphe  zukommen,  sind  jedenfalls  unbedeutend. 

die  Spannung  der  Lymphe  hat  dieses  Noll  erwiesen  durch 
Manometer,  welches  er  bei  Hunden  und  Katzen  in  den  Hals- 
wn  einsetzte.  In  diesen  Versuchen  schwankte  die  Spannung 
?chen  10  bis  30  MM.  Wasserdmck.  Die  Giltigkeit  dieses  Ver- 
rns  kann  auch  für  den  Lymphstrom  des  Menschen  behauptet 
ten,  weil  die  Wandungen  der  Gefässe  bei  gleichem  Durchmesser 
Lichten  von  einer  ähnlichen  Dicke  sind,  wie  die  des  Hundes. 
Oie  Geschwindigkeit  des  Lymphstromes  muss  schon  darum  un- 
intend  sein,  weil  die  langen  und  engen  Gefässe,  noch  mehr 

die  Lymphdrüsen ,  einen  so  grossen  Widerstand  einführen.  Zu- 


582 


Triebkräfte  des  Stroms. 


dem  strömt  im  günstigsten  Fall  aus  dem  geöffneten  Halsstamm  d. 
Hundes  die  Flüssigkeit  nur  tropfenweise  ab.  —  Die  Richtung  d' 
Stromes  muss  unter  allen  Umständen  von  den  Wurzeln  nach  d» 
Venen  gehen ;  dieses  ergiebt  sich  ganz  einfach  aus  der  besouder( 
Anordnung  der  Klappen,  welche,  bekanntlich  in  sehr  kurzen  Zwische 
räumen  aufeinander  folgend,  so  gestellt  sind,  dass  sie  den  S^:^ 
nur  in  der  bezeichneten  Richtung  möglich  machen.  —  Zu  den 
teln,  welche  die  Spannung  und  Bewegung  der  Lymphe  unterhal" 
zählen,  wie  Noll  nachgewiesen,  jedenfalls  die  Respirationsh 
gungen  und  die  Pressungen,  welche  die  umliegenden  Muskeln- 
radezu  oder  auf  Umwegen  auf  die  Gefässe  ausüben.  —  Beide 
flüsse  wirken  hier  ganz  in  derselben  Weise,  wie  diess  ausführü 
beim  Blutstrom  besprochen  wurde  (pag.  142  u.  f.).  Ausserdem  k 
nicht  wohl  bestritten  werden,  dass  auch  zeitweise  die  Muskelnf 
der  Wand  des  Lymphgefässes  dem  Inhalte  eine  Bewegung 
theilen  werden.  Daneben  steht  aber  auch  fest,  dass  diese  drei 
stände  gewiss  nicht  die  einzigen  Triebfedern  des  Lymphstro' 
darstellen.  Denn  es  besteht  auch  noch  eine  Lymphbewegung. 
Orten,  wo  keine  Muskeln, ,  weder  innerhalb  noch  jenseits  der 
kelwand,  wirksam  sein  können,  wie  z.  B.  in  den  Lymphgefäs 
der  Knochen  und  in  den  Anfängen  der  Lymphgefässe  mit  mu" 
freien  Wandungen;  zudem  ergiebt  die  Beobachtung  der  blos8ge_ 
ten  Lymphgefässe  oder  des  in  sie  eingefügten  Manometers, 
der  Strom  oft  unter  derselben  Spannung  lange  Zeit  hindurch 
hält,  ohne  irgend  welche  sichtbare  Veränderung  in  dem  D 
messer  des  Gefässes  oder  ohne  dass  irgend  welche  Zusammer 
hung  in  den  umgebenden  Muskeln  bemerklich  ist.  Endlich  ei^* 
aber,  wie  aus  den  Beobachtungen  von  Stannius*)  hervorg* 
auch  noch  die  Lymphbewegung  in  todtenstarren  Gliedern  (?). 
Respirationsbewegung  kann  aber  nicht  Ursache  des  dauernden  S 
mes  sein,  da  sie  selbst  in  der  Nähe  der  Einmündung  des  Gef 
in  die  Vene  nur  sehr  unbedeutende  Spannungsveränderungen 
zeugt  und  keinesfalls  jenseits  der  Drüse  hinwirkt;  die  mögliche 
abhängigkeit  unseres  Stromes  von  diesen  Bewegungen  wird  a, 
am  besten  durch  den  bekannten  Versuch  erwiesen,  dass  ein 
fäss,  wenn  es  auch  zugeschnürt  ist,  sich  zwischen  den  Wurzeln  na 
dem  Unterbindungsfaden  strotzend  anfüllt,  obwohl  sich  durch 
unterbundene  Stelle  hindurch  die  Folgen  der  Respirationshewegnö 


•)  Archiv  ftir  pliyelolog.  Heilkunae.  XI.  23. 


Zufuhr  neuer  Blutbestandtheilo  durch  die  Speisen. 


583 


•  nicht  geltend  machen  können.  —  Nach  allem  Diesen  liegt  es 
(16,  zu  vermuthen,  dass  die  Gewalt,  welche  die  Flüssigkeit  in  die 
ITässe  treibtj  auch  die  Fortführung  durch  dieselben  zu  vermitteln 
;ge.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  ist  es  nun  bemerkenswerth, 
SS  auch  am  todten  Thiere,  bevor  der  Inhalt  der  Gefässe  geron- 
1,  der  Lymphstrom  unterhalten  werden  kann,  wenn  man  durch 
ispritzung  von  Wasser  in  die  Blutgefässe  eine  wassersüchtige 
ischwellung  der  Gewebe  bewirkt,  und  dass  die  Spannung,  unter 

die  Lymphe  sti'ömt,  sich  steigert'  mit  der  zunehmenden  Anfül- 
:g  des  Unterhautzellgewebes  (Noll).  —  Noch  mehr  aber,  dass 

Ljmphstrom  wenn  nicht  ganz  aufhört,  so  doch  wenigstens  sehr 
liangsamt  wird,  wenn  die  Blutcirculation  in  der  untern  Extremi- 

nahebei  oder  ganz  unterdrückt  ist  (B  i  s  c  h  o  f  f ,  M  e  d  e  r  *). 

Zaijuhr  7ieue)'  Blutbestandtheile  durch  die  Speisen. 

Der  Verlust,  den  der  thierische  Köi-per  an  wägbaren  Atomen 
';idet  durch  Ausscheidung  von  Harn,  Koth,  Dunst,  Epithelial- 
»en,  Samen,  Milch  u.  s.  w.,  erfährt  seine  Ausgleichung  durch 
ee  Aufnahme  von  festen,  flüssigen  und  gasförmigen  Stoffen.  Da 

bei .  der  Athmung  schon  das  Eindringen  des  Sauerstoffs  be- 
lochen  haben,  so  bleibt  es  uns  hier  noch  übrig,  den  Gewinn  an 
cen  und  flüssigen  Massen  zu  behandeln,  welche  durch  den  Darm- 
ual  hindurch  in  das  Blut  eindringen. 

A.    N  ahrungsbedtirfniss**). 

Eine  Reihe  von  eigenthümlichen  Empfindungen,  die  wir  Hunger 
11  Durst  nennen,  bestimmt  den  Menschen  Nahrung  aufzunehmen. 

1.  Der  Hunger  drückt  sich  durch  eine  nagende  oder  drückende 
ipfindung  in  der  Magengegend  aus;  wenn  sie  einige  Zeit  be- 
ilüden, so  gesellt  sich  zu  ihr  eine  unbehagliche,  leidenschaftliche 
mmung  und  der  bestimmt  ausgesprochene  Wunsch  nach  fester 
ihrung. 

Die  Nerven,  welche  den  Hunger  veranlassen,  scheinen  bei  nie- 
«■en  Graden  desselben  die  •  sensiblen  Magennerven  zu  sein.  Bei 
Kiern  Graden  des  Hungers  scheinen  sich  dagegen  an  seiner  Er- 
agung  auch  die  sensiblen  Nerven  des  Dünn-  und  Dickdarms  zu- 


'  •)  Meder  in  MeissncrB  Jahresb.  för  1858.  p.  219. 

'••)  Volkmann,  Hnndwörtcrbucli  der  Physiologie.  H.  688.  —  Longot,  Anntomio  et  phyain- 
!  du  Systeme  nervcMix.  II.  p.  :)27.  —  Molcschott,  Die  Physiologie  der  Nnhrunpsmitlol. 
'Ben.  1859.  178.  —  Busch  In  Virchow's  Archiv.  XIV.  140. 


Hunger  durch  Erregung  der  Magen-  und  Därmnerven. 

betheiligen,  und  vielleicht  auch  noch  andere  weit  und  zahkei 
durch  den  Organismus  verbreitete  Nervenraassen.  Sj. 

Für  den  Antheil  der  Nerven  des  Magens  spricht  die  örtli 
in  dem  genannten  Organ  auftretende  Empfindung,  vorausges^ 
dass  die  Gefühle  des  Magens,  gerade  so  wie  die  aller  übrij 
empfindenden  Flächen  nur  ausgelösst  werden  durch  die  Ner 
welche  sich  in  ihnen  verbreiten.   Diese  Annahme  findet  noch 
ihre  weitere  Bestätigung,  dass  der  schwach  gradige  Hunger  d 
passende  örtliche  Einwirkungen  auf  den  Magen  gestillt  wen 
kann.    So  wird  namentlich  unmittelbar  nach  der  AnfüUung 
Magens  mit  Speisen  und  insbesondere  bevor  die  eingeführte 
rung  verdaut  oder  in  merklicher  Menge  in  das  Blut  aufgenom: 
ist,  der  Hunger  gestillt.  Auch  stellt  sich  häufig  der  Hunger  nicht  eh 
wenn  die  Absonderung  aus  der  Magenschleimhaut  verändert  od( 
die  Aufüllung  ihrer  Blutgefässe  jenseits  eines  gewissen  Grades 
steigert  ist,  obwohl  sonst  noch  so  gute  Gründe  für  seinen  Eintd] 
vorhanden  sein  mochten. 

Der  Versuch ,  mittelst  Nervendurchschneidungen  ins  Klare  zu  kommen  ,  sohig 
bis  dahin  erfolglos  geblieben  zu  sein.     Es  wurde  allerdings  übereinstimmend  fes 
stellt,  dass  Thiere,  deren  nn.  vagi  am  Halse  durchschnitten  waren,  unter  Umstand 
noch  begierig  die  vorgesetzte  Speise  verzehrten  (Heid,   Longet,  Bid(fer  u.  jj^ 
und  dass  ebenso  Katzen  nach  Durchschneidung  der  nn.  splanchnici  noch  fräsen  (Ht 
ter,  C.  Ludwig);  aber  diese  Beobachtungan  widerlegen  keinenfalls  die  AnnaK 
dass  sich  an  die  genannten  Nerven  die  Hungerempfindung  knüpfe ,  da  noch  manniä 
tige  andere  und  namentlioh  psychische  Gründe  Veranlassung  zur  Aufnahme  der  Spe 
geben  können.    Diesen  letzteren  müsste  man  es  allerdings  Schuld  geben,  wenn 
speisesuchenden  Thieren ,  wie  es  Longet  ausführte ,  neben  den  nn.  vagi  auch  noc' 
die  Geschmaoksnerven  durchschnitten  wurden. 

Andererseits  kann  aber  auch  der  Hunger  bestehen  trotz  einei 
andauernden  Anfüllung  des  tüchtig  verdauenden  Magens  mit  leicli 
verdaulichen  Speisen.  Dieses  geschieht  namentlich,  wenn  die  ia 
Magen  veränderten  Speisen  wegen  einer  bestehenden  organischei 
Verengung  des  pylorus  oder  einer  Düundarmfistel  nicht  in  dei 
Dünndarm  übergehen  und  also  auch  nicht  der  Blutbildung  zu  Giiti 
kommen.  In  diesen  Fällen  verschwindet  allerdings  nach  dem  Essen 
das  lästige  vom  Magen  ausgehende  Gefühl,  aber  es  bleibt  imvaci 
noch  ein  mächtiger  Antrieb  zur  Aufnahme  von  Speisen  zurück 
Dieser  letztere  kann  dagegen  gestillt  werden,  wenn  in  den  Düim 
und  Dickdarm  Nahrung  eingebracht  und  diese  von  dort  in  da^ 
Blut  übergeführt  wird  (Tiedemann,  Longet,  Busch).  —  A^^ 
diesen  Thatsachen  kann  man  zunächst  nur  folgern,  dass  bei  dauern 


Bedingungen  zur  Erzeugung  und  Sttllung  des  Hungers. 


585 


Entziehung  der  Speisen  nicht  allein  der  Magen  sondern  auch 
übrigen  Darmstücke  den  Hunger  anregen.  Für  den  weiteren 
.  iluss,  den  man  gezogen,  dass  alle  Empfindungsnerven  des  Kör- 
*s  ihre  mangelhafte  Ernährung  zum  Bewusstsein  bringen,  liegen 
me  Beweise,  aber  auch  keine  Gegengründe  vor,  es  sei  denn,  man 
nie  unter  die  letzteren  die  Erfahrung  zählen,  dass  trotz  der 
khsten  Abmagerung  alle  Lust  zum  Fressen  fehlt,  wenn  die  Ver- 
iiungswerkzeuge  auch  nur  von  einer  leichten  krankhaften  An- 
mdlung  ergriffen  sind. 

Die  Veränderungen,  welche  die  Säfte  oder  Organe,  in  welche 
Hungemerven  eingebettet  sind,  erleiden  müssen,  um  die  Erre- 
ng  dieser  letztern  zu  veranlassen,  kennen  wir  nicht ;  statt  dessen 
Ii  uns  nur  einige  ganz  allgemeine  Bedingungen  bekannt,  unter 
iien  sie  entsteht.  Namentlich  stellt  sich  der  Hunger  ein  nach 
igeren  Enthaltungen  der  Nahrung;  die  Zeit,  welche  nach  einer 
thlzeit  verstreichen  muss,  bevor  sich  das  Bedürfniss  nach  einer 
ten  einfindet,  variirt  mit  der  Menge  zuletzt  aufgenommener  Nah- 
und  mit  dem  Blutverbrauch  während  der  Enthaltung  von  der- 
ben; so  beschleunigen  Muskelanstrengungen,  Entleerungen  blut- 
'ilicher  Flüssigkeiten  (Samen-,  Milch-,  Eiterverlust),  Ablagerungen 

I  Blutbestandtheilen  in  die  Gewebe  (Wachsthum,  Erholuhgssta- 
m  nach  Krankheiten)  den  Eintritt  desselben.  —  Ferner  ist  sein 
mmen  abhängig  von  seelischen  En'egungen,  indem  er  sich  ein- 
!lt  zu  gewissen  Tageszeiten,  an  denen  wir  gewöhnt  sind  zu 
:2n;  man  vermuthet  in  diesem  Falle  die  Abwesenheit  von  Be- 
dungen, die  den  vorher  erwähnten  ähnlich  sind ,  weil  ein  solcher 
uger  auch  leicht  wieder  verschwindet,  ohne  dass  das  Nahrungs- 

tirfniss  durch  Aufnahme  von  Speise  befriedigt  wurde. 

Man  giebt  auch  an,  dass  der  Genuss  einiger  stark  schmeckender  Stoffe,  wie  z.  B. 
.Pfeffers,  essbarer  Seethiere  (Austern,  Häringe)  u.  s.  w.)  Hunger  erregt  (?).  —  lieber 

II  pathologischen  llunger,  den  sogenannten  Bulimus  siehe  Moleschott  am  be- 
loneten  Orte  p.  185. 

Die  Stillung  des  Hungers  kann  entweder  geschehen  durch  die 
«tumpfang  der  Erregbarkeit  oder  durch  Entfernung  der  erregenden 
aache.  —  Auf  den  erstem  Fall  wird  man  schliessen,  wenn  das 
Iftihl  nach  längerem  Bestehen  verschwindet,  auch  ohne  dass 
larungsmittel  aufgenommen  sind,  oder  wenn  Arzneistoffe,  die  die 
^egbarkeit  abstumpfen,  wie  z.  B.  Tabak,  Opium,  Alkohol  u.  s.  w., 
i'.ossen  wurden.  —  Die  Entfeniung  der  erregenden  Ursache  ist 


I 


586  D"»"«*- 

gegeben,  wenn  der  Magen  oder  der  Darmkanal  mit  verdauungf 
fähigen  Speisen  erfüllt  wurde. 

Nach  einer  AnfüUung  des  Magens  tritt  auch  noch  ein  andere 
Gefühl,  das  der  Sättigung  hervor,  welches  als  das  bestimmte  Zeiche 
für  das  Genug  der  Nahrung  angesehen  werden  muss.  Dieses  hä^j 
wahrscheinlich  von  verschiedenen  Umständen  ab,  namentlich  abj 
scheint  es  begründet  zu  sein  in  dem  Drucke,  welchen  die  Umgebufi 
des  Magens,  insbesondere  die  Bauchdecken,  durch  die  AnfüUun 
desselben  erfahren.       •  n 

2.  Durst.  Das  Gefühl,  als  dessen  nächstes  seelisches  Resulfc 
das  Begehren  nach  Wasser  auftritt,  äussert  sich  als  eine  Empfindufl 
der  Rauhigkeit  und  des  Brennens  in  der  hintern  Schlundwand,  d^ 
weichen  Gaumen  und  der  Zungenwurzel.  —  Die  Nerven,  der| 
Erregung  sich  als  Durst  ausdrückt,  liegen  wahrscheinlich  auch  % 
den  eben  genannten  Orten,  da  eine  isolirte  Durchtränkung  derselhf 
den  Durst  mindert  oder  aufhebt.  Wir  haben  so  die  noch  unej 
schiedene  Wahl  zwischen  Vagus,  Glossopharyngeus,  Trigeminus.  - 
Die  Durstempfindung  stellt  sich  ein,  wenn  der  prozentische  Wasse 
gehalt  der  Gaumen-  und  Eachenhaut  unter  einen  gewissen  We|j 
sinkt,  wie  dieses  z.  B.  geschieht  nach  reichlichem  Wasserverlu 
des  Blutes,  ohne  den  entsprechenden  an  festen  Bestandtheilen(Wass9 
abscbeidung  durch  Haut  und  Lungen),  oder  nach  örtlicher  i^b 
trocknung  des  Mundes,  durch  eingezogene  Luft,  oder  nach  d,^ 
Genuss  salziger,  wasseranziehender  und  wasserabfühi-ender  Stofp 
Die  obige  Definition  schliesst  die  Folgerung  in  sich,  dass  ein  gleich,« 
Verlust  an  Wasser  und  den  wesentlichen  festen  Theilen  selbst  J|( 
vollkommener  Entbehrung  des  Wassers  nicht  zum  Durst  führen  ka^ 
Diese  Behauptung  hat  Chossat  durch  den  Versuch  bestätig 
welcher  zeigte,  dass  die  Thiere,  denen  die  festen  Speisen  bis  ziu 
Verhungern  entzogen  waren,  auch  das  Wasser  entweder  ganz  ve: 
schmähten  oder  nur  sparsam  benutzten,  welches  ihnen  in  der  Hungi' 
zeit  gereicht  wurde.  —  Die  Stillung  des  Durstes  ist  möglich  sowi 
durch  örtliche  Befeuchtung  des  Rachens,  als  auch  durch  Einführutii 
von  Wasser  in  das  Blut,  gleichgiltig,  ob  es  dorthin  durch  di 
Magen,  durch  den  Dickdarm  oder  durch  direkte  Einspritzung 
die  Venen  gelangte. 

3.  Das  Nahrungsbegeiiren  beschränkt  sich  aber  bekanntlich» 
nicht  blos  darauf,  Stoffe  festen  und  flüssigen  Aggregatzustandi 
zu  verlangen,   es  dringt  auf  St.off"e  ganz  bestimmter  Zusamrae 
Setzung,  die  sog.  Speisen,  und  unter  diesen  wählt  es  je  nach  dei 


Wahl  der  Nahrung.  587 

edtirfniss  des  Organismus  auch  noch  die  eine  oder  andere  vorzugs- 
weise aus.  Die  Gründe ,  welche  bei  dieser  Wahl  das  höhere  Thier 
przugsweise  bestimmen,  liegen  offenbar  in  den  Geruchs*)-  und 
•eschmackswerkzeugen ,  in  dem  Temperaturgrad  des  Körpers  und 
rr  Speisen,  in  dem  Widerstand,  den  die  letzteren  beim  Kauen 
VB.  Zähnen  entgegensetzen,  in  Erinnerungsbildern  u.  s.  w.  Keinen- 
lls  kann  aber  eine  spezifische  und  prädestinirte  Beziehung  zwischen 
cm  Nahrungsbegehren  und  der  Nährfähigkeit  der  geforderten  Sub- 
»anz  angenommen  werden;  denn  es  verschmäht  bekanntlich  ein 
land  das  Fleisch,  wenn  es  vollkommen  mit  Wasser  ausgezogen, 
»n  allen  schmeckenden  Substanzen  befreit  ist,  trotz  seiner  aus- 
üzeichneten  Fähigkeit  die  Ernährung  zu  unterstützen;  die  unver- 
lulichen  Sägespähne  aber,  welche  mit  BratenbrUhe  besprützt  sind, 
ssst  er  begierig. 

4.  Dem  Nahrungsbegehren  steht  der  Ekel  entgegen ;  veranlasst 
ij-d  dieser  seelische  Zustand  durch  unbestimmte  Empfindungen  in  der 
wehenhöhle,  ähnlich  denen,  welche  einem  Brechanfall  vorausgehen ; 

scheint  demnach,  als  ob  ihn  die  nn.  vagus  oder  glossopharyngeus 
mleiteten.  Da  zu  den  ihn  erregenden  Umständen  Kitzeln  der 
lichenhöhle,  Schleimauhäufungen  daselbst,  gewisse  Gerüche  und 
üschmäcke  und  Erinnerungen  an  diese  letzteren  gehören,  so  ist 

begreiflich,  dass  sich  der  Ekel  ebensowohl  gegen  die  Nahrung 
•erhaupt  als  auch  gegen  einzelne  Speisen  richten  kann. 

B.  Nahrung.**) 

1.  Der  unwiederbringliche  Verlust  des  Blutes  liess  sich  schliess- 
!-h  zurückfuhren  auf  den  seines  Wassers,  seiner  Mineralsalze, 
iiner  Fette  und  Eiweissstoffe ;  also  muss  die  Nahrung  diese  Ver- 
ndungen  entweder  geradezu  einbringen,  oder  wenigstens  solche 
'  offe,  aus  denen  jene  Atomcombinationen  innerhalb  des  thierischen 
firpers  hervorgehen  können.  Diese  neu  einzuführenden  Atome 
iUssen  jedoch,  wenn  sie  den  Fett-  und  Eiweissverlust  ersetzen 
ollen,  in  Verbindungen  anlangen,  welche  ärmer  an  Sauerstoff  sind, 
'S  die,  in  welchen  sie  den  Organismus  verlassen,  da  sie  in  diesem 
ann  doch  endlich  jedesmal  oxydirt  werden;  ausserdem  müssen 

•)  Schiff,  Unterauchnngen  zur  Naturlehrc  s.  MolcMchott  VI.  254. 

Moleschott,  Physiologie  der  Nnhrnngsmittel.  Ciieesen.  1860.  —  Artmann,  Die  Lehre 
n  den  Nahrungsmitteln.    Trag.  1859.    Das  erstere  dieser  beiden  Werlte  erörtert  in  grosser  Aus- 
•  irllchkcit  die  ganze  rhyslologie  der  Nahrung ;  das  letztere  tritt  ergiinzend  ein,  insofern  es  die 
^fbewahrnng  und  Fälschung  der  Nahrungsmittel  nach  dem  neuesten  Stande  bespricht.  —  H  11  d  e  s - 
Im,  Versuch  einer  Normaldiät.  Ucrlin  1856.    Dieses  giebt  auf  Grundlage  meist  bekannter  That- 
•hen  Bcrerlinungcn  der  zum  licdnrf  notbwenrtigcn  NiihrmiUcl. 


588 


Nothwendige  Bestandtheile  der  Nahrung. 


auch  die  Verbindungen  der  Nahrungsmittel  mehr  Spannkräfte  führei 
als  die  Auswürflinge,  da  der  thierische  Körper  theils  bei  der  Wärme 
bildung  und  theils  bei  der  Muskelzusammenziehung  Spannkräft( 
in  lebendige  umsetzt.  —  Diese  Bestimmungen  sind  nun,  wie  mai 
leicht  einsieht,  noch  lange  nicht  genügend,  um  die  besondere  Com 
binatiou  der  nährenden  Atome  festzustellen,  da  sich  in  der  Tha 
die  geforderten  Bedingungen  auf  unzählige  Weisen  erfüllen  lassen 
wenn  dem  Darmkanale  oder  seinen  Hilfswerkzengen  die  Befähigua 
zukommt,  beliebige  sauerstoffarme  C-,  H-,  N-verb  in  düngen  zu  Eiweiß 
und  Fett  zusammenzuordnen.    Diese  Unbestimmtheit,  welche  ^ 
theoretische  Feststellung  der  Nahrungsmittel  übrig  lässt,  hat  di 
Erfahrung  kurzweg  beseitigt.    Sie  zeigte  nemlich  dass  den  V 
dauungswerkzeugen  die  oben  vorausgesetzte  combinatorische  B 
fähigung  abgehe,  und  zwar  geschah  dieses  durch  den  schlagend  ' 
Versuch ,  dass  die  Thiere  unrettbar  dem  Hungertode  entgegengehe 
wenn  ihnen  die  im  Eiweiss  und  Fett  enthaltenen  Atome  in  andere 
Verbindungen  als  gerade  in  diesen  gereicht  werden.  Demgemäß 
müssen  in  der  Nahrung  mindestens  enthalten  sein:  eiweissartig 
Stoffe  (Fibrin,  Casein,  Albumin  etc.),  Fette  (Olein,  Stearin,  Mä^ 
garin,  Palmitin),  Natron,  Kali,  Eisenoxyd,  Magnesia,  Kalk,  Ohio 
Fluor,  Phosphorsäure,  Wasser.    Die  obigen  Ableitungen  lassen  - 
aber  begreiflich  zu,  dass  in  den  Nahrungsmitteln  neben  den  a 
gezählten  noch  andere  Verbindungen  enthalten  sein  können,  da  fli 
nicht  behaupten,  dass  nur  mit  Fetten  und  Eiweiss  u.  s.  w.  di 
Zwecke  des  thierischen  Körpers  erreicht  werden  könnten.    Im  G; 
gentheil,  ist  es  sogleich  einleuchtend,  dass  dieses  nach  der  ein^_ 
oder  andern  Seite  hin  auch  mittelst  der  ersten  Abkömmlinge  djB 
Eiweissstofife  und  Fette,  oder  mit  Hilfe  von  Atomgruiipen  gescheh 
könne,  die  jenen  Abkömmlingen  nach  Zusammensetzung  undEige 
Schäften  nahe  stehen.    In  der  That  enthalten  die  wirklich  aufg, 
nommenen  Nahrungsmittel  auch  noch  solche  Gruppen,  von  den. 
hervorzuheben  sind:   Kohlenhydrate  (Amylon,  Dextrin,  Zucker); 
von  diesen  werden  die  beiden  ersteren  mindestens  bis  zum  Zucke 
umgewandelt.    Obwohl  Zucker  aus  anderen  Stoffen  im  Thierleil) 
selbst  gebildet  wird  (Leber,  Muskeln),  so  führt  ihn  doch  selbst  di 
natürliche  Nahrung  des  Säuglings  (Milchzucker);  der  Erwachsen 
sucht  die  Kohlenhydrate  so  begierig,  dass  es  sogar  fraglich  wir 
ob  sie  nicht  zu  den  absolut  nothwendigen  Nahrungsmitteln  zählen 
Die  Nahrung  enthält  ferner  leimgebende.  Stoffe  (Bindegewebe  nn 
Knorpel);  diese  sind  häufig  aber  keineswegs  nothweudig.  Endli 


Verhältniss  der  Bestandtheile  in  der  Nahrung. 


589 


ilthält  die  Nahrung  häufig  organische  Säuren  (Essig-,  Milch-, 
ppfel-,  Citronensäure)  und  deren  Salze. 

2.  Die  Nahrung,  welche  das  Leben  erhalten  soll,  muss  also 
i  Gemenge  mindestens  von  Eiweiss,  Fetten  und  den  bezeichneten 
meralien  sein,  zu  ihnen  gesellen  sich  meist  noch  Kohlenhydrate, 
ee  Gewichtsverhältnisse  der  einzelnen  Nahrungsmittel  in  diesem 
Bmenge  sind  keine  constanten,  wie  die  oberflächlichste  Betrachtung 
;r  menschlichen  Nahrung  ergiebt.  Diese  Erscheinung  ist  erklärlich, 
cnn  man  die  Umsetzungen  in  und  die  Ausscheidungen  aus  dem 
terischen  Körper  betrachtet.  Denn  es  stellt  sich  dieser  letztere 
!  eine  Zusammensetzung  sehr  mannigfaltiger  bis  zu  einem  gewissen 
rade  von  einander  unabhängiger  Zersetzungsherde  heraus.  Je 
ichdem  nun  in  dem  einen  oder  andern  die  Umsetzung  sich  min- 
rrt  oder  mehrt,  muss  sich  also  bei  gleichbleibendem  Umsatz  der 
iien  Stoffgi*uppe  derjenige  einer  anderen  veränderlich  gestalten, 
att  aller  erinnern  wir  nur  an  die  eine  hierher  gehörige  Erscheinung, 
^ss  die  Ausscheidung  des  N-gases,  Harnstoffes,  Wassers,  Koch- 
Uzes  u.  s.  f.  durch  Lunge,  Niere  und  Haut  einen  veränderlichen 
ttrag  gewann  mit  dem  Gehalte  des  Eiweisses,  Amylons,  Wassers 

s.  w.  in  der  Nahrung  selbst.  —  So  umfangreich  nun  aber  auch 
rr  prozentige  Gehalt  der  einzelnen  Bestandtheile  in  der  Gesammt- 
Ihrung  wechseln  kann,  so  ist  er  doch  auch  wieder  in  gewisse 
tenzen  eingeschlossen;  namentlich  darf  als  feststehend  gelten: 

in  der  Nahrung  nimmt  das  Wasser  das  grösste  und  die  feuer- 
ijten  Mineralbestandtheile  das  geringste  Gewicht  ein;  in  der  Mitte 
dschen  beiden  liegen  die  organischen  Stoffe.  —  b)  Der  Nahrung, 
!,',lche  für  die  Dauer  das  Leben  erhalten  soll,  darf  niemals  fehlen 
i asser,  die  aufgezählten  Salze  und  die  Eiweissstoffe ;  fraglich  ist 
.gegen,  ob  der  Nahrung  des  Menschen  das  Fett  entbehrlich  ist, 
!  rausgesetzt  dass  es  durch  Kohlenhydrate  ersetzt  wird.  —  c)  Bei 
iier  Steigerung  der  Fette  und  Kohlenhydrate  dürfen,  unbeschadet 
rr  Lebenserhaltung,  die  prozentigen  Werthe  der  Eiweissstoffe  ab- 
Ihmen  und  umgekehrt.  —  Weitere  Zusätze  zu  diesen  Bemerkungen 
ebt  noch  der  Abschnitt  über  Vergleichung  von  Einnahme  und 
asgabe. 

3.  Damit  dieses  Gemenge  aber  nährfähig  sei,  muss  noch 
olgendes  erfüllt  sein:  a)  die  einzelnen  Nahrungsbestandtheile  müssen 

ihm  in  der  Art  vorkommen,  dass  sie  von  den  verdauenden  Säften 
Blutbestandtheile  umgewandelt  werden  können.  Namentlich 
ȟssen  also  die  Nahrungsstoflfe  nicht  in  einer  innerhalb  des  Dann- 


590 


Nährstoffe  und  Speisen. 


kanals  unlöslichen  und  unzersetzbaren  Verbindung  gereicht  werden, 
oder  sie  dürfen  nicht  von  unlöslichen  und  undurchdringlichen  HüUeii 
umgeben  sein.  —  b)  Da  die  Nahrungsmittel,  mit  Ausnahme  deiji'; 
Salze  und  des  nicht  nothwendigen  Zuckers,  sich  gleichgUtig  gegeiÄ" 
die  Nerven  verhalten,  so  müssen  sie  nervenerregende,  (schmeckend^M^ 
beissende,  brennende  u.  dgl.)  Zusätze  erfahren.  Denn  nur  daniiÄ^ 
wird  es  möglich,  die  Speichel-  Magen-  und  Danndrüsen,  die  unteÄ''' 
dem  Einflüsse  der  Nerven  absondern,  zm-  Bildung  einer  genügend«!»*' 
Menge  verdauender  Säfte  zu  veranlassen.  Diese  Beigabe,  das  GewüMjÄ" 
besteht  je  nach  der  Bildung  und  Empfindlichkeit  des  Geschmack*' 
Sinnes  aus  sehr  verschiedenen  Stoffen.  \M^^ 

Wir  verweisen  bezüglich  der  Gewürze  auf  Mole  schott,  Ärtmann  und  Koc^Ä^ 
Icder*).    Man  findet  dort  auch  Mitthoilungen  über  mancherlei  andere  Stoffe,  die 
Mensch  nur  des  Geschmackes ,  oder  auch  der  Himerregung ,  der  Verlangsamung  od|fl|(il 
Beschleunigung  des  Stofi'wechsels  u.  s.  w.  wegen  aufnimmt.  1 

4.  Speisen.  Die  Mischungen  einfacher  Nahrungsmittel  od«») 
der  Speisen,  wie  sie  die  Natur  oder  Kunst  bietet,  sind,  voraiiif#ä' 
gesetzt,  dass  man  Rücksicht  auf  die  Nahrung  aller  ErdbewohnOT  J 
nimmt,  von  unsäglicher  Verechiedenheit ,  je  nach  den  EigenthüiÄÄti 
lichkeiten  des  Wohnortes,  der  Culturstufe  und  der  Eace  der  si»p 
geniessenden  Menschen.  Untersucht  man  aber  genauer  die  WerkiAj 
der  Kochkaust,  welche  von  weitaus  den  meisten  Individuen  unteiM( 
den  gebildeten  Nationen  verzehrt  werden,  so  gewahrt  man  baiL 
dass  diese  sich  im  Ganzen  doch  nur  weniger,  von  der  Natur  ^mi 
botener  Gemische,  als  Elemente  ihrer  compHzirten  Gerichte  un«t 
Mahlzeiten  bedienen.  Zu  diesen  natürlichen  Speisen,  auf  deneiilitii 
das  leibliche  Wohl  des  besten  Theiles  der  Menschheit  ruht,  giMii 
hört:  das  Fleisch  einiger  Säugethiere  (der  Wiederkäuer,  wenigOTj 
Nager  und  Dickhäuter),  einiger  Vögel  und  vieler  Fische,  die  Milefift^f 
der  Wiederkäuer,  die  Eier  grosser  Vögel,  das  Mehl  von  Weizeri« 
Roggen,  Gerste,  Hafer,  Mais,  Reis,  Bohnen,  Erbsen  und  KartoffeliMfc 
einige  Baumfrüchte,  einige  Gemüse  (Rüben,  Kraut  u.  s.  w.)  unÖfc 
endlich  Quellwasser.  Zu  diesen  gemischten  Nahrungsmitteln  kommefik 
schliesslich  noch  einige  einfache  Zucker,  Fette,  Oele  und  KoehsaläBj; 

Da  der  grösste  Theil  derselben  erst  dann  gegessen  wird,  naCh-B| 
dem  er  in  der  Küche  mancherlei  Umwandlung  seines  natürlichenB 
Zustandes .  erfahren  hat,  so  wird  eine  physiologische  BetrachtangB^ 
jener  Speisen  auf  diese  Umwandelungen  Rücksicht  zu  nehmen  haben.» 
 _ 

•)  Oonussmtltel  und  Gewürze.  Wien  1852.  H* 


i 


Nährfähigkeit  und  Verdaulichkeit  der  Speisen. 


591 


jnz  allgemein  betrachtet,  stellt  sich  nun  die  Kochkunst  drei  ganz 
!.'schiedene  Aufgaben.  .Zuerst  mischt  sie  die  natürlichen  Speisen 
3h  weiter,  namentlich  setzt  sie  ihnen  mancherlei  Gewürze  bei; 
eitens  befreit  sie  die  Nahrungsmittel  von  unverdaulichen  Beimen- 
iigen,  und  endlich  verändert  sie  die  Auflöslichkeit  derselben  in 
11  Verdauungssäften  in  der  Art,  dass  sie  die  Zeit,  welche  zu  ihrer 
fdauung  nothwendig  ist,  entweder  verlängert  oder  abkürzt.  Von 
>sen  drei  Einwirkungen  der  Kochkunst  sind  die  beiden  ersten 
\ weder  so  vielfacher  Willkür  unterworfen,  oder  so  einfacher  Art, 
ys  sie  aus  der  folgenden  Betrachtung  ausfallen  müssen  oder 
iinen. 

Die  Lehre  von  den  Speisen  hat  zunächst  zu  ermitteln,  welche 
tfachen  Nahrungsstoife  in  den  Speisen  enthalten  sind  und  in 
ichen  Verbindungen  und  Aggregatzuständen  sie  daselbst  vor- 
mmen.  Dieses  aufzudecken  ist  die  Aufgabe  der  chemischen  Ana- 
ee,  die  sich  dabei  natürlich  nicht  darauf  beschränken  darf,  den 
ihalt  der  Speisen  an  C,  H,  N,  0  u.  s.  w.  anzugeben. 

Mit  der  noch  so  vollkommenen  Einsicht  in  das  chemische  Ver- 
iten  ist  aber  noch  nicht  das  physiologisch  W^issenswürdige  er- 
'löpft,  da  die  Nährhfähigkeit  der  Speisen  auch  noch  abhängt  von 
•  Arbeit,  welche  der  Darmkanal  nöthig  hat,  um  die  Massenein- 
tt  der  Nahrung  zu  verdauen,  oder  von  dem  Antheile  der  genos- 
.en  Speisen,  welcher  während  des  Durchgangs  durch  den  Darm- 
jial  überhaupt  aufgenommen  wird.  Allgemein  lässt  sich  jedoch 
rrüber  nichts  sagen,  da  der  Darmkanal  bei  verschiedenen  Men- 
len  und  zu  verschiedenen  Zeiten  seine  besonderen  noch  nicht  er- 
indeten  Eigenthümlichkeiten  bietet,  vermöge  deren  er  im  Stande 
,  in  gegebener  Zeit  mehr  oder  weniger  kräftig  verdauende  Wir- 
igen  auszuüben,  resp.  die  in  der  Speise  enthaltenen  Nahrungs- 
Sfife  mehr  oder  weniger  vollständig  auszuziehen.  Im  einzelnen 
'lle  würde  man  über  die  Fähigkeit  des  Darmkanales,  eine  Speise 
^zunützen,  abgesehen  von  dem  Grade  der  Anstrengung,  die  hierzu 
l:big  ist,  Aufschluss  erhalten,  wenn  man  jedesmal  eine  Probe 
■  Speise  und  den  nach  ihrem  Genuss  aus  dem  After  gestossenen 
tith  analysiren  würde. 

a.  Das  Fleisch,  welches  zur  Nahrung  verwendet  wird,  enthält:  ciweisshaltige, 
-igebende  ,  elastische  Stoffe  ,  Fette  ,  snmmtliche  Salze  des  Menschenblutes ,  Wasser, 
.  Äusserdem  die  nur  als  Gewürze  zu  veranschlagenden  krystallisirondcn  organischen 
«tandtheile  der  Extractivstofi'e.  —  Die  Verhältnisse  dieser  Gemongtheile  zu  ein- 
her sind,  die  gleichen  Thierarten  vorausgesetzt,  abhängig  1)  von  dem  Körpertheilo, 


592 


Fleisch. 


dem  der  Muskel  entnommen  wurde,  indem  damit  der  Durchmesser  der  Primitivschläucb 
und  die  Verbreitung  der  Bindegowebe  in  Verbindung  steht;  2)  von  dem  Grade  de 
Mästung ,  welcher  den  Gehalt  an  Fett  und  an  durchtränkender  Flüssigkeiten  bestimmt 
3)  von  der  Anfüllung  der  Muskelgefässe  mit  Blut;  4)  von  dem  Alter;  Schlossber 
ger*),  dessen  Angaben  v.  Bibra  bestätigte,  fand 


im  Fleisch  des 

des  Kalbes  v. 

des  Kalbec  lrj 
i  WocheiL 

Ochsen. 

12  Wochen. 

In  kaltem  und  kochendem  Wasser  unlösl. 

17,5 

16,2 

15,0''* 

In  kaltem  lösl.,  in  kochend.  Wasser  unlösl. 

2,2 

2,6 

3,2 

In  kaltem  und  kochendem  Wasser  löslich 

2,8  ■ 

3,0 

2,2  , 

77,2 

78,2 

79,7  1 

Das  Kalbfleisch  ist  somit  etwas  reicher  an  Wasser  und  coagnlirbarem  Eiweiss  als 
des  Ochsen  und  nach  v.  Bibra**)  auch  leimhaltiger.    5)  Ueber  die  Zusammenset 
des  gleichnamigen  Muskels  verschiedener  Thiere,  der  mittelst  des  Scalpells  möglic; 
von  Fett  und  Bindegeweben  befreit  war,  giebt  folgende  Tabelle  Aufschluss *•*).  . 

Karpi) 

5,2!  I 


2,7'i 
80,1 


Ochse. 

Keh. 

Schwein, 

Huhn. 

In  kaltem  und  kochendem  Wasser  unlöslich 

15,8 

16,8 

16,8 

16,4 

In  kaltem  AVasser  lösl.,  in  kochendem  unlösl. 

2,2 

1,9 

2,4 

3,9 

0,ö 

In  kaltem  und  kochendem  Wasser  löslich 

2,8 

4,7 

2,5 

3,2 

77,1 

74,9 

78,3 

'77,3 

Das  Fett  ist  im  Fleisch  auf  zweierlei  Art  vorhanden,  mechanisch  eingelagert  als  Ei 
gewebe  in  den  Bindestofi'en  zwischen  den  Muskelröhren  und  nächstdem  in  chemisclli 
Verbindung  mit  dem  Muskelgewebe.    Der  Gehalt  dieses  letzteren  scheint  bei  versol 
denen  Thieren  von  wechselnder  Grösse  zu  sein,  denn  v.  Bibra  fand  nach  mögliolij 
voUkommner  Abscheidung   des   beigemengten  Fettes   im  trockenen  Brustmuskel 
Ochsen  21,8  pCt.,  des  Kalbes  10,5  pCt.,  des  Hammels  9,3  pCt.,  des  Kehes  7,9 
des  Hasen  5,3  pCt.  f).  —  Das  beigemengte  Fett  ist  bekanntlich  nicht  allein  im 
saramtgewicht  sehr  wechselnd,  sondern  ts  ändert  auch  seine  Zusammensetzung  mit  dl 
Thieve,  indem  das  Fett  des  Schweines  flüssiger  (elainreicher),  das  der  Wiederki 
fester  (stearin-  und  margarinreicher)  ist. 

Die  Salze  des  Fleisches  sind  mannigfach ,  aber  mit  sehr  nngleichwerthigen 
thoden  untersucht;  StÖlzelft),  der  nach  Strecker's  Anweisungen  arbeitete, 
in  100  Theilen  der  Asche  des  Ochsenfieisches : 

COü       8,92  POb       34,36  MgO  3,31 

SiOs      2,67  FeOs       0,98  KaCl  10,22 

SO3       3,37  CaO        1,73  NaO      35,94  ,1, 

Der  Gehalt  des  trockenen  Fleisches  an  Asche  scheint  bei  verschiedenen  Warmbltt^tI 
annähernd  gleich  zu  sein,  indem  er  nach  v.  Bibra  beim  Ochsen,  Reh,  Hasen,  HiAi 
und  der  Ente  zwischen  4,0  bis  5,5  pCt.  schwankte. 


•)  Frerichs,  Artikel  Verdauung  in  Wagner's  Handwörterbuch.  H.  Bd.  p.  694. 
••)  Sc  her  er,  Jahresbericht  über  physlolog.  Chemie  für  1845.  p.  132. 
»»»)  Weitere  Zusammenstellungen  siehe  bei  Moleschott,  1.  c.  p.  208,  240.  263.   u.  f.,  IM 
Bich  dns  Fleisch  der  Amphibien,  Mollusken,  Insekten  berücksichtiget  findet.  ' 
t)  Siehe  hierUber  auch  Mnrclial,  compt.  rend.  34.  Bd.  p.  591. 
tt)  Liebig's  Anualen,  77.  Bd.  p.  25G, 


Fleisch. 


593 


Wir  gemessen  das  Fleisch  roh  (niedere  Thiere),  getrocknet,  geräuchert,  gesalzen, 
Essig  ausgezogen,  gekocht  und  gebraten.    Kücksiehtlich  der  Voränderungen,  die 
diesen  verschiedenen  Bereitungsweisen  mit  dem  Fleische  vorgehen,  befinden  wir 
meist  im  Unklaren.    Beim  Erhitzen  des  Fleisches  mit  wenig  Wasser  (Braten  und 
:ipfen)  wird  das  Eiweiss  geronnen,  einige  eiweisshaltige  Körper  werden  sauerstoff- 
:her,  die  Extraktivstoffe  werden  zersetzt,  wobei  sich  die  Inosinsäure  in  ein  wohl- 
laendes  Brenzprodukt  umwandelt,  das  Bindegewebe  wird  zum  Theil  in  Leim  ver- 
lidelt,  und  Wasser  verdunstet.  —  Beim  Kochen  in  Wasser  werden  dem  Fleische 
teiss,  Extrakte,  Salze  und  insbesondere  Chloralkalien  und  Wasser  entzogen;  dieses 
riere  geschieht  darum,  weil  die  Quellungsfähigkeit  des  Fleisches  beim  Kochen  ab- 
imt.  —  Der  wässerige  Auszug,  die  Fleischbrühe ,  rauss  nach  den  Fleischsorten  sehr 
nnderlich  sein.    Eine  ungefähre  Vorstellung  von  der  Zusammensetzung  der  Fleisch- 
te giebt  ein  Versuch  von  Chevreul,  welcher  1  Pfd.  Fleisch,  das  von  anhan- 
llem  Fett  und  Knochen  befreit  war,  in  3  Pfd.  Wasser  5  Stunden  lang  unter  Er- 
■  der  verdunsteten  Flüssigkeit  sieden  liess.  Ausser  dem  beigemengten  Fette  enthielt 
!3  Suppe  in  100  Theilen:  Wasser  =  98,4;  Leim,  Eiweiss  und  Flxtractivstoffe  = 
Salze  =  0,3.  —  Di«  Salze  der  Fleischbrühe ,  oder  vielmehr  die ,  welche  man 
!h  vollkommenes  Erschöpfen  des  Fleisches  mit  Wasser  erhält,  sind  von  Keller*) 
Btmmt;  in  das  Wasser  waren  82  pCt.  des  gesammten  Salzgehaltes  vom  Fleische 
Igegangen,  welche  in  100  Theilen  bestanden  aus: 

PO5       21,59  KaO  31,85  2  FeaOaPOs  0,46 

KaCl      14,81  2CaOP05  2,51 

KaOSOs    6,42  2MgOP05  3,72 

-'rückständige  Fleisch  enthielt  noch  Verbindungen  der  PO5  mit  Alkalien  und  Erden 
keine  Chlorsalze  mehr.  —  Die  Grenze ,  bis  zu  welcher  überhaupt  das  Fleisch 
hh  Wasser  und  insbesondere  durch  kaltes  ausgelaugt  werden  kann,  hat  L  i  e  b  i  g  **) 
eestimmen  versucht;  er  giebt  an,  dass  man  dem  gehackten  Ochsenfleische  durch 
"^s  Wasser  6  pCt.  feste  Bestandtheile  entziehen  könne,  von  denen  3  pCt.  gerinn- 
>)  Eiweiss  sei,  das  bekanntlich  aus  der  Suppe  als  Schaum  entfernt  wird.  —  Die  Folgen 
lEinsalzens  und  Eäuchems  sind  wenig  bekannt.  Eine  Aschenanalyse  des  gesalzenen 
»enfleisches  und  des  rohen  Schinkens  giebt  Thiel***).  Siehe  auch  Liebig  am 
(führten  Orte. 

b.  Der  Inhalt  des  Hühnereies,  das  wir  von  den  Eiern  zumeist  gemessen,  besteht 
P.routf)  im  Mittel  aus  67,6  pCt.  Eiweiss  und  32,4  pCt.  Dotter,  nach  Prevost  und 
•in  dagegen  aus  62  pCt.  Eiweiss  und  38  pCt.  Dotter.  Das  Eiweiss  enthält  un- 
ur:  Wasser  =  85  pCt.,  Eiweiss  =  12,5  pCt.,  feuerfeste  Salze  =  1,5  pCt.  und 
laktc  =  2,0  pCt.  Die  letzteren  enthalten  u.  A.  constant  Milchzucker  (Winkler 
iBudgeft).  In  der  Asche  sind  nach  Weberftt))  <icr  das  verbesserte  Verfahren 
IH.  Rose  befolgte,  enthalten : 


'  •)  Lieblg's  Annalen.  70.  Bd.  91. 
•'••)  Lipbig's  Annnlen.  C2.  Bd.  353.  11.  f. 

Lieblg'g  Annalen.  81.  Bd. 
.'  t)  Pli.  Falk,  Handbuch  der  Arzneimittellehre.  1848. 

tt)  Lieblg'g  Annalen.  Cl.  Bd.  197.  —  Siehe  auch  Aldrigo  und  Bnrrenlch  Im  Glessener 
mch.  1840. 

H)  Poggendorf,  Annalen.  79.  Bd.  398. 

•••ndwlg,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  38 


594 


Bier,  Milch,  Körner. 


NaCI 
KaO 


39,30 
27,66 


MgO 


2,70 
0,54 


COi  9,67 
SiOs  0,28 


NaO  12,09 

POs  3,16 

CaO  2,90 

SO3  1,70 

Das  Eigelb  besteht  nach  Gobley*)  aus: 

Wasser 

51,48 

Phosphoglycerinsäure 

1,20 

Extrakte 

Vitellin**) 

15,76 

Cerebrin  (säure  ?) 

0,30 

Farbstoff 

Margarin  und  Olein 

21,31 

AmCl 

0,30 

Eisen 

Cholestearin 

0,44 

NaCI,Ka01,  KaOSOs 

0,27 

Milchsäure 

Oel  und  Magarinsäure 

7,22 

3MgOP05,  SCaOPOs 

1,02 

Milchsäure 

0,40 
0,55 


PO5 
SiOs 


60,16 
0,62 


Eine  vollständige  Aschenanalyse  theilt  E.  Weber  mit: 

NaCl     9,12  NaO    13,62  MgO  2,20 

KaO     10,90  CaO    13,62  FejOs  2,30 

Die  Eier  gemessen  wir  meist  gekocht ;  hierbei  gerinnt  das  Eiweiss  und  Vi 
unter  Abscheidung  von  etwas  SH.  In  hartgesottenen  Eiern  fand  H.  Eose***) 
Verhältniss  des  Eiweisses  zum  Dotter  etwas  anders,  als  es  Prout,  Prevost, 
Morin  im  frischen  Ei  angeben  haben,  nämlich  von  60,6  bis  58,3  :  39,4  bis  41,6. 

c.  Milch.  Die  Zusammensetzung  derselben  ist  schon  früher  erwähnt.  — 
aus  ihr  bereitete  Käse  (gesalzene  und  entwässerte  Milch)  dient,  kleine  Landsfe 
ausgenommen,  nur  als  Gewürz.  Ueber  die  Zusammensetzung  desselben  siehe  Knap 
und  Moleschott. 

d.  Weizen  ft).    Das  Korn  desselben  besteht  aus  der  Schaale ,  dem  Kern  ( 
bumen)  und  dem  kleinen  Embryo.    Die  Schaale  setzt  sich  zusammen  aus  der  von  im 
reren  Zellenlageu  gebildeten  Fruchthülle  (a)  und  der  von  nur  einer  Zellenlage  gebild 
Kernhaut  (b).  Der  Kern  (albumen)  -wird  in  seinem  äussern  Umfang  dargestellt  von 
Zellenlage  (c),  in  welcher  die  miskroskopische  Eeaktion  keine  Stärke  ,  wohl  aber  Eiw 
Stoffe  und  Fette  nachweist,  die  übrige  weitaus  grössto  Masse  des  Albumens  (d)  bes| 
aus  Zellen ,  die  vorwiegend  mit  Stärkekörnchen  und  daneben  mit  Kleberfäden  ge 
sind.    Die  Fig.  70,  welche  Donders  entworfen,  versinnlicht  die  Struktur, 
chemische  Zerlegung  weisst  im  Weizenkorn  nach :  verschiedene  Eiweisskörper. 
Gruppe  derselben  ist  unter  dem  Namen  Kleber  (Gluten)  bekannt;  sie  ist  in  Wr 
unlöslich;  beim  Behandeln  mit  Weingeist  bleibt  ein  Theü  derselben  ungelöst  (I 
oder  Elastin)  ein  Theil  löst  sich  nur  in  kochendem  (Pflanzencasein),  ein  anderer 
in  kaltem  Alkohol  (Pflanzenleim ,  Glutin).  Eine  andere  Gruppe  von  Eiweisskörpem 
Weizenkorns   ist    in  kaltem    Wasser    löslich;    ein    Theil   derselben    gerinnt  1? 
Kochen;  sie  führen  den  Namen  Albumin  und  Cerealin;  das  letztere  ist  nach  Me^. 
Mouries  dadm-ch  ausgezeichnet,  dass  es  die  Stärke  in  Dextrin,  Zucker  und 
säure  umwandelt;  der  Eest  des  in  kaltem  Wasser  löslichen  Eiweissstoffes ,  der; 
mehreren  durch  anderweite  Eeaktionen  unterschiedbaren  Modifikationen  besteht  (On 
manns),  gerinnt  nicht  in  der  Siedehitze.  —  Das  Weizenkorn  enthält  femer  ö" 
Zucker,  Dextrin (.'),  Amylon,  Cellulose;  von  den  beiden  zuletzt  genannten  Stoffen  k 


*)  Pharmazeut.  Centralblatt,  1847.  p.  584. 

••)  Das  Vitellin  besitzt  nacli  Fremy  die  Zusammensetzung  des  Fibrins.  Pliarmazeut* 
tralbl.  1854.  p.  f.26. 

••*)  Poggendorf's  Annalen.  7G.  Bd.  303. 

t)  K  n  a  p  p  ,  die  Nalirungsmiltel.  1848.  p.  39.  — 
tt)  Bibra,  Die  Getreidearton  und  das  Brod.  Nürnberg  18G0.  —  Donders,  Onderzoekl 
ßedan  in  het  pliysiologisch  laborat.  1848— 1840.  —  Oudemnnns,  Archiv  fiir  hoUSnd.  Bei 
I.  406.  —  Jossen,  Poggendorfs  Annalen,  lOG.  Bd.  479. 


Weizen. 


595 


liellulose  nicht  allein  in  den  Scbaalen  und  Zellenmembranen ,  sondern  nach  Nae- 
lund  M  a  s  c  h  k  e  auch  im  Stärkekorn  vor,  wo  sie  von  dem  gleichfalls  anwesenden 
»n  durch  die  Eeaktion  gegen  Jod  unterschieden  werden  kann.    Das  Amylon  des- 
soU  im  Wasser  löslich  gemacht  werden  können,  wenn  man  das  £om  fein  zer- 


f9tte,  also  auch  viel  phosphorsaure  Erden;  die  übrigen  Zellen  des  Kerns  enthal- 
iä  Amylonkömchen ,  Kleber,  lösliches  Eiweiss  und  phosphorsaure  Alkalien, 
iie  mittlere  quantitative  Zusammensetzung  des  Weizenkorns  wechselt  mit  der 
ssorte,  dem  Klima  (so  soll  z.  B.  sibirischer  Weizen  reicher  an  Eiweisstoffen  sein, 
iitscher  und  dieser  wieder  daran  reicher  als  ägyptischer  und  australischer);  auch 
lehalt  des  Eodens  an  Dünger  soll  nicht  ohne  Einüuss  sein.    Kleine  Kömer  sind 

des  grossen  Schaalengehalts  relativ  reicher  an  Eiweiss  als  grössere  u.  s.  w.  — 
eerhältniss,  in  welchem  die  einzelnen  Salze  des  Korns  zu  einander  stehen,  ist 
wabhängig  von  den  Verhältnissen  der  Salzmischung  im  Boden.     Dies  ist  z.  Th. 
liich,  weil  die  Menge  des  phosphorsauren  Kalkes  von  der  der  Eiweisskörpor  ab- 
;  räthselhaft  bleibt ,  dass  selbst  aus  einem  Boden ,  der  reich  an  NaO  und  CaO  ist, 

Ton  jenen  Stoffen  aufgenommen  wird.  Nach  Peligot,  Millon,  Mayer, 
»manns,  Bibra  u.  A.  schwankten  in  100  Theilon  dos  lufttrocknen  Korns 


Fig.  70. 


reibt  (Jessen).  Femer  enthält  das  Weizenkorn  Fette, 
einen  braunen  Farbstoff,  Kali,  Natron,  Talkerde,  Eisen- 
oxyä,  PhOs,  S03,Si03,Cl(?).  —  Von  den  Salzen  sind 
die  phosphorsauren  Erden  mit  Eiweisskörpern  in  Ver- 
bindung, und  zwar  so,  dass  jede  besondere  Art  der 
genannten  Körper  auch  einen  "ganz  bestimmten  Antheil 
der  Erden  zu  enthalten  scheint  (Mayer);  auch  an 
das  Gummi  sind  phosphorsaure  Erden  gebunden(Bibra). 
Die  phosphorsauren  Alkalien  scheinen  dagegen  frei  vor- 
zukommen. 


Ueber  die  Lagemng  der  chemischen  Bestandtheile 
ist  bekannt,  dass  die  Schaalen  aus  Cellulose  und  Farb- 
stoff bestehen,  die  äussersten  Zellenlagen  des  Albumens 
enthalten  die  in  Wasser  löslichen  Eiweissstoffe ,  Kleber 


das  Wasser 

der  Stickstoff 

also   die  Eiweisskörper 

zu  15,0  pCt.  N 


zwischen    11,0    und    16,5  pCt. 
„        1,4   und     3,8  „ 


» 


7,1    und  19,4 


38* 


596 


Weizen. 


Gummi,  Dextrin,  Zucker:  zwischen  5,9  und 


10,5 
67,1 

1,9 
6,1 
2,3 


Araylon  „  55,1  und 

Fett  „  1,0  und 

Cellulose  „  l,5(?)und 

Asche  „  1,5  und 
Die  verschiedenen  Eiweissstoffe  können 

chen  Gehalt  an  N  bald  mehr  Kleber  und 

ist  (Millen  Bibra).  S 

In  30  verschiedenen  Weizensorten,  die  Bibra  untersuchte,  fanden  sich  in  lOQ 
Asche 


sich  vertreten ,  so  dass  bei  einem  gl 
bald  mehr  lösliches  Eiwciss  vorhanj 


Kali 

zwischen 

27 

bis 

38,3 

pCt 

Natron 

» 

0,7 

bis 

5,4 

MgO 

7,8 

bis 

16,3 

„ 

CaO 

,1 

1,1 

bis 

5,7 

>, 

POs 

» 

39,2 

u. 

51,4 

SiOs 

0,3 

u. 

1,3 

„ 

Pe^Os  SO3 

1,1 

u. 

0,3 

„ 

etc. 

Mit  diesen  Angaben  stimmen  diejenigen  aller  übrigen  Beobachter;  namentlid 
den  überwiegenden  Gehalt  der  Asche  an  Kali,  Talkerde  und  PO5  betrifft. 

Aus  dem  Weizen  stellt  man  Kleie,  schwarzes,  mittleres  und  feines  Mehl  dar.  3 
letztere,  welches  aus  den  innem  Theilen  des  Kerns  gewonnen  wird,  ist  frei  von  Schfi 
und  Farbstoff,  es  enthält  weniger  N,  also  auch  weniger  Eiweisskörper  und  PhOs 
das  dunklere  Mehl,  welches  vorzugsweise  oder  wenigstens  zum  Theil  aus  der  Zell 
Schicht  gemahlen  wird,  welche  der  Kernhaut  unmittelbar  anliegt.  Die  Kleien  endl 
enthalten  neben  vielen  Holzfasern  aus  der  Fruchthülle  und  Schaalenhaut  auch  u 
einen  grossen  Antheil  des  Inhalts  der  eiweissführenden  Zellen,  die  unmittelbar^ 
Schaalenhaut  anliegen.  Sie  ist  also  relativ  sehr  N-reich  an  Eiweiss  und  phos^ 
sauren  Erden.  Als  Proben  für  die  Unterschiede  der  verschiedenen  Mahlprodukte  m3| 
folgende  Zahlen  gelten.  Die  unter  demselben  Beobachter  aufgefühi'ten  Zahlen  beeid 
sich  auf  dieselben  Fruchtsorten. 

Bibra.  Mayer. 


Wasser 
Eiweissstoff 
Zucker 
Gummi 
Fett 
Stärke 


Kaisermehl. 
15,5 

11.1 

2,3 


6,2 
1,0 
63,6 


Schwarzniehl. 
14,2 
13,2 

2,3 

6,5 

1,2 
61,8 


Feinstes  Mehl. 
Eiweissstoff  13,0 
PhOs  0,2 


Grobes  Mehl. 
14,3 
0,5 


Klti 
2f 


Nach  Oudemanns,  der  zur  Cellulosebestimraung  ein  verbessertes  Verfahre^ 
wendet,  enthalten  die  Kleien  25  bis  30  pCt.  Cellulose  und  4  bis  6  pCt.  Asche. 

Bibra. 

In  100  Theilen  Asche  sind  enthalten 


KO 

NaO 

MgO 


Kalsermelil. 
36,0 
0,9 
8,2 


Kleien. 
0,24 
0,6 
16,8 


Koggen,  Gerste,  Hafer  etc. 


597 


CaO 
POs 
SiOs 


2,8 
52,0 
0,0 


4,6 
51,8 


SO  3 


0,0 


1,0 


•a,    Roggen.    Der  Unterschied  zwischen  dem  Mehle   dieser  Fruchtart  und  dem 
Weizens  liegt  vorzugsweise  darin,  dass  unter  den  eiweisshaltigen  Bestandtheilen 
;i;er  Pflanzenlibrin  und  statt  dessen  mehr  Pflanzenleim  und  Eiweiss  vorkommt,  was 
i'icht  schon  durch  das  kleinere  Kom  des  Koggens  bedingt  ist;  es  soll  ausserdem 
besonderen  gewürzhaft  schmeckenden  Sto£f(?)    enthalten  und  gewöhnlich  auch 
Cellulose  als  das  Weizenmehl,  wahrscheinlich,  weil  es  weniger  sorgsam  darge- 
wird.    Sonst  gilt  Alles,  was  von  dem  Mehl  und  der  Kleie  des  Weizens  ausge- 
iwurde  auch  vom  Koggen. 

Lf.  Gerste,  Hafer  und  Buchweizen  liefern  ebenfalls  ein  Mehl,  das  in  dem 
Ite  seiner  wesentlichen  Bestandtheile  von  dem  des  Weizens  nicht  merklich  ab- 
Ut;  Hafer  und  Gerste  enthalten  mehr  Holzbestandtheile als  die  übrigen  Fruchtarten, 
'ling  und  Faist).  Der  Zucker  der  Gerste  dreht  die  Polarisationsebene  nicht. 
;j.  Das  Maismehl  unterscheidet  sich  durch  einen  Gehalt  von  3  bis -9  pCt.  an 
ttigen  Stoffen  (ein  gelbes  dickflüssiges  Oel).  Sein  Ngehalt  erreicht  den  des  Wei- 
nnicht. 

13.  Der  Reis  endlich  ist  nahebei  um  die  Hälfte  ärmer  an  Eiweissstoffen  und 
'3,  als  der  Weizen  und  um  so  viel  reicher  an  Amylon. 

IDas  Mehl  aller  dieser  Körnerfrüchte  geniessen  wir,  nachdem  es  geröstet  oder  mit 
lindem  Wasser  behandelt  wird.    Hierdurch  verändern  sich  die  Bestandtheile,  in- 
Enamentlich  das  Eiweiss  gerinnt,  während  die  Stärkekörner  sich  mehr  oder  weniger 
jxtrin  auflösen.    Werden  nämlich  die  letzteren  im  lufttrockenen  Zustand  bei  einer 
•eratur,  die  zwischen  190  und  200"  C.  liegt,  geröstet,  so  verwandelt  sich  zuerst 
Hlchichtencentrum,  das  sogenannte  Korn  des  Stärkekömchens  in  Dextrin,  dann  folgen 
feser  Veränderung  einzelne  zerstreute  Stellen  nach ,  so  dass  das  Korn  ein  netzför- 
i.  Ansehen  gewinnt;  es  scheint  sich  jedoch  niemals  das  ganze  Kom  in  Dextrin 
»wandeln.    Werden  dagegen  die  Stärkekömchen  im  Wasser  erwärmt,  so  beginnen 
fsi  einer  Temperatur  von  55  bis  60"  C.  aufzuquellen  und  im  Centrum  derselben 
It  sich  ebenfalls  eine  mit  Dextrinlösung  gefüllte  Höhle.    Steigt  die  Wärme  höher, 
auf  70",  so  greift  die  Dextrinbildung  weiter  um  sich,  so  dass  die  Körperchen 
platzen  (Naegeli*).    Mit  Rücksicht  auf  die  Quellungsfähigkeit  verhält  sich  die 
f«  verschiedener  Sorten  sehr  abweichend. 

FEine  sehr  verbreitete  Anwendung  findet  das  Mehl  des  Weizens  und  Roggens  als 
Dieses  wird  im  Allgemeinen  so  dargestellt,  dass  man  das  Mehl  mit  kochsalz- 
';em  Wasser  zu  einem  Teig  anknetet,  dann  den  letztem  durch  sehr  fein  vertheilte 
iaufbläht  und  ihn  einer  Temperatur,  die  sich  bis  auf  250"  C.  erheben  darf,  einige 
(hindurch  aussetzt.  Das  Einbringen  des  auftreibenden  G^ises  geschah  früher  aus- 
»slos  dadurch,  dass  man  zum  Teig  gewöhnliche  Hefenpilze  mischte  und  ihn  dann 
'3ährung  einige  Zeit  hindurch  überliess  ,  in  welcher  der  Zucker  des  Mehls  in  Al- 
l  und  COj  überging,  welche  beim  spätem  Verbacken  des  Bredes  verdunstete. 
«8  Vcrfaliren  führt  also  jedesmal  zu  einem  Verlust  an  nährenden  Stofl'en ,  es  kann 
wenn  nicht  besondere  Maassregeln  in  Anwendung  kommen,  auch  noch  weiter 


)  Die  Stärkckümer.  p.  92  u.  f. 


598 


Eeis. 


sohädlieh  werden.  Wenn  nämlich  die  Gäbning  bei  hoher  Temperatur  (über  20" 
vor  sich  geht,  oder  wenn  schwarzes  Mehl  angewendet  wird,  welches  die  EiweisskÖ! 
der  äussorsten  Lage  des  Kerns  (Albumens)  enthält,  so  findet  sich  yermöge  der  fem 
tirenden  Eigenschaften  des  Cerealins  neben  der  alkoholischen  auch  noch  eine  mi. 
oder  buttersaure  u.  s.  w.  Gährung  ein,  und  zugleich  wird  der  Kleber  angegriffen  , 
der  Farbstoff,  der  aus  der  Rinde  stammt,  zerlegt.  Wenn  man  also  nicht  auf  die 
sonders  nahrhaften  Bestandtheile  der  Kernrinde  verzichten  will ,  muss  man  das  Gert 
unwirksam  zu  machen  suchen.  Hierzuhat  Meg  es -Mouries*)  Mittelangegeben, 
nach  dem  Urtheil  der  Sachverständigen  zu  dem  Ziel  führen,  selbst  aus  groben;^ 
ein  lockeres,  weisses,  nicht  saures  Brod  zu  gewinnen.  Wenn  man  das  Brod 
massig  darstellt,  so  kann  man  auch  die  Gährung  ganz  umgehen,  dadurch  nämlich,^ 
man  den  Teig  zuerst  mit  einer  Lösung  von  NaOsCOj  anmacht  und  dann  mit  salz^ 
haltigem  Wasser  durchknetet ,  wobei  man  darauf  das  Natron  und  die  SalzsänXB 
äquivalenten  und  noch  dazu  in  solchen  Mengen  zu  nehmen  hat,  dass  das  au* 
Verbindung  hervorgehende  Na  Gl  gerade  dem  sonst  nöthigen  Zusatz  dieses  ^ 
gleichkommt.  Oder  man  hat  in  hermetisch  geschlossenen  Gefässen  den  Teig  mit  Wl 
durchgeknetet,  welches  unter  hohen  Drücken  mit  CO-j  geschwängert  war  (Dauglish 
Aus  dem  Teige  formt  man  dann  beliebige  Stücke ,  die  man  in  einem  Backofen  _  t 
Temperatur  aussetzt,  welche  die  oberflächlichen  Theile  (Kruste)  auf  200  bis  250^ 
die  inneren  (Krume)  auf  100"  C.  erhitzt.  Hierbei  tritt  ausser  den  oben  angege)^ 
Veränderungen  auch  noch  die  ein ,  dass  in  der  Rinde  das  Amylon  in  brenzliche  ] 
duktc,  namentlich  in  Pyrodextrin,  das  ist  in  eine  schwarze  elastische  Masse  (CigHseOjB^ 
übergeht  (Gelis)***),  während  in  der  Krume  das  Amylon  und  die  Eiweissstoffi 
allotrope  Modificationen  übergeführt  werden ,  die  aber  nur  solange  bestehen ,  aia 
Brod  den  Chai-akter  besitzt,  den  man  als  fi-ischbackcn  bezeichnet.  Liegt  dasselbe  eil 
Tage,  so  verschwindet  dieser  besondere  Zustand  wieder ;  man  kann  ihn  durch  abejf 
liges  Erhitzen  jedoch  von  Neuem  herbei  führen  (Boussingault)t).  AnalysBi^ 
Bredes  siehe  bei  Oppelff)  und  Bibra. 

i.    Hülsenfrüchte.    Die  reifen  Erbsen  und  Bohnen  enthalten  dieselben 
gruppen,  wie  die  Körnerfrüchte.  —  Unter   den  Eiweissstoffen  erscheint  neben^ 
früheren  noch  ein  eigenthümlicher ,  das  Legumin  oder  Pflanzencasein.    In  der 
titativen  Zusammensetzung  unterscheiden   sie  sich  von  den  Körnerfrüchten  da^ 
dass  die  Eiweissstoffe  im  Yerhäliniss  zum  Amylon  beträchtlich  gesteigert  ersch( 
Eine  Vorstellung  hiervon   soll  die  folgende  Analyse  von  trockenen   Erbsen  gi 
Eiweissstoffe  =  28,0,   Stärke  und   Gummi  =  57,3,  Asche  =  3,8,  Hülsen  =j 
(Horsford).  —  Die  Asche  der  Bohnen  und  insbesondere  der  Erbsen  ist  sehr 
untersucht  worden  im  Auftrage  deutscher  und  englischer  Ackerbaugesellschaften;' 
übereinstimmende  Resultat  derselben  ist,  dass  sie  vorzugsweise  aus  Kali  und  Phoi 
säure,  dann  aus  Kalk,  Magnesia  und  Kochsalz  und  endlich  aus  geringen  Meni 
Eisenoxj'd  und  Kieselerde  besteht  ftt)- 

Bei  der  Zubereitung  in  der  Küche  dürfte  vor  Allem  Gewicht  darauf  zu  legen» 
dass  das  feste  Gefüge  der   Früchte  zertrümmert  werde ,  und  dass  beim  Koch) 


Vi 


»)  Compt.  rend.  46.  Bd.  120. 
•*)  Chem.  Centralblalt.  1860.  220. 
»**)  Compt.  rend.  45.  Bd.  590.  und  988. 
t)  Annalos  de  ohimie  et  physique.  36.  Bd.  (1852)  490. 
tt)  Glessener  Jahresbericht  fllr  1851.  715. 
ttt)  Giessener  Jahresbericht.  1849.  667  u.  f. 


Kartoffeln,  Baum&üchte,  Triukwasser. 


599 


\-  keine  schwer  lösliclien  Eiweissverbindungm  entstehen ,  wie  dieses  u.  A.  ge- 
,  wenn  das  Kochwasser  kalkhaltig  ist. 

Kartoffeln.  Der  von  der  Schaala  nmschlossene  Kaum  ist  gefüllt  mit 
^ ,  Stärkemehl ,  einer  besonderen  Art  von  Collulose,  welche  in  kochendem  Wasser 
uer  GaUerte  aufquillt  und  sich  in  verdünnter  Schwofelsäure  zu  Gummi  und 
.:er  umsetzt;  mit  verseifbarem  Fette  (Solaninstearinsäure  C30H30O1  und  ein  flüssiges 
f.-on  unbekannter  Zusammensetzung);  mit  einem  wachsähnlichen,  nicht  verseifbaren, 
rJTO"  noch  festen  Stoffe  (Eichhorn)*);  Asparagin,  Aep feisäure,  mit  den  Salzen 
SKömerfrüchte  und  Wasser.  Diese  chemischen  Bestandtheile  vertheilen  sich  auf 
anatomischen  Gebilde  in  der  Art,  dass  die  Stärke  (und  ihre  nächsten  Verwandten) 
:an  Zellen,  deren  Wände  aus  der  eigenthümlichen  Holzsubstanz  bestehen,  einge- 
sssen  sind;  in  der  Flüssigkeit,  welche  diese  festen  Stoffe  durch ti-änkt ,  sind  das 
Ass,  das  Fett,  das  Asparagin,  die  Salze  der  Aepfelsäure  und  zum  grossen  Theile 
Her  Phosphor-  und  Salzsäure  aufgelöst. 

IDie  quantitative  Zusammensetzung  des  Kartofi'elmarkes  ist  sehr  variabel  gefunden 
r.en;  sein  Wasser  schwankt  zwischen  82  und  77  pCt.,  das  Stärkemehl  zwischen  11 
:24  pCt.,  Eiweiss  und  Aspai-agin  um  2  pCt.,  Fette  um  ü,05  pCt.,  Holzstoffe  gegen 
o  4  pCt.  und  die  Asche  um  1  bis  2  pCt.    Diese  letztere  ist  vorzugsweise  reich 

'.all,  auf  dieses  folgt  die  CO2,  dann  erst  Phosphorsäure,  Natron,  Magnesia,  KaUc, 
«älsäure  und  Eisenoxyd  (Way  nnd  Ogstone,  Walz).  Das  Verhältniss  der  Salze 
iiinander  ist  mit  der  Sorte  verschieden.  Beim  Kochen  gerinnt  das  Eiweiss,  die 
onhüllen  werden  lockerer,  jedoch  nicht  aufgelöst,  und  innerhalb  derselben  quült 
"Stärkemehl  auf.  —  Während  der  Aufbewahrung  soll  sich  der  Stärkegehalt  ändern, 
^S8  er  nach  der  Ernte  bis  gegen  den  März  hin  zu-,  und  von  da  an  wieder  abnimmt  (?). 
11.  Die  Baumfrüchte  (Birnen,  Aepfel,  Pflaumen  etc.)  und  die  Gemüse  (Rüben, 
rrabi  etc.)j  Nahrungsmittel  von  theilweise  untergeordnetem  Werthe,  enthalten  neben 
S^ahrungsstoffen,  die  in  den  bisher  behandelten  Speisen  vorkamen ,  noch  Pektin  (Pflan- 
iihleim)  =  CijHioOio  (Fr  e  my),  das  sich  durch  seine  physikalischen  Eigenschaften 
dien  übrigen  Kohlenhydraten  wesentlich  auszeichnet;  es  kann  jedoch  in  Dextrin 
;  Zucker  umgewandelt  werden.  Nächstdem  ist  der  Eeichthum  der  jungen  Gemüse- 
<er  an  leichtlöslichem  Kalisalze  zu  erwähnen.  lieber  das  Weitere  der  genossenen 
ri  und  ihre  Zusammensetzung  sind    die  angezogenen  Werke  von  Moleschott, 

ssingault  und  die  Gie ssener  Jahresberichte  um  Eath  zu  fragen. 

m.  Trinkwasser.  Das  reine  Wasser  der  Quellen  oder  das  gereinigte  der 
He  enthält  Luftarten  (Kohlensäure ,  Sauerstoff,  Stickgas)  und  je  nach  den  Gebirgs- 

i,  die  es  durchströmt,  Kohlensäure,  Schwefelsäure,  Salzsäure  mit  Kalk,  Magnesia 

Natron  verbunden  aufgelöst.  —  Der  Gehalt  an  Salzen  bestimmt  den  Charakter 
VWassers,  das  man  gemeinhin  weich  nennt,  wenn  es  wenig  Kalksalze  enthält,  wäh- 
das  mit  diesen  letzteren  beladene  hart  genannt  wird.    Der  Gesammtgehalt  des 
«ers  an  Salzen  darf,  wenn  uns  dasselbe  noch  zum  gewöhnlichen  Gebrauche  dienen 

den  Werth  von  einigen  Hunderttheilen  eines  Prozentes  nicht  übersteigen.  Orga- 
ne Beimengungen  zum  Wasser  werden  immer  als  Verunreinigungen  empfunden. 
.Das  gekochte  Wasser  nimmt  einen  faden  Geschmack  an,  theils  weil  dadurch  aus 
:  die  Gase ,  theils  weil  Salze ,  insbesondere  kohlensaure  Kalksalze ,  entfernt  werden. 


)  Poggendorf»,  Annnlen.  87.  Bd.  <i27.  —  Bibra,  Die  GetreidoKrten  und  dn»  Brod. 
^b«rg.  1860. 


600 


Nahrungsacquivalente. 


5.  Nahrungsaequivalente*).  Diesem  Begriffe  liat  mn 
zwei  Bedeutungen  beigelegt,  a.  Gewöhnlich  versteht  man  daruntt 
das  Gewichtsverhältniss,  in  welchem  zwei  bestimmte  Speisen  ve 
abreicht  werden  müssen,  wenn  durch  jede  derselben  die  gleid 
Menge  eines  und  desselben  einfachen  Stoff'es  eingeführt  werden  so 
Die  Frage  ist  an  einem  Beispiel  erläutert  also  die:  Wie  viel  Brc 
muss  genossen  werden,  damit  durch  dasselbe  gerade  so  viel  Eiweli 
in  den  Magen  kommt,  als  in  der  Gewichtseinheit  Fleisch  verzei 
wird?  Darauf  antwortet  eine  gewöhnliche  Proportionsrechnung,  wei 
die  quantitative  Zusammensetzung  der  betreifenden  Nahrungsnii]| 
bekannt  ist.  Der  grösseren  Bequemlichkeit  halber  haben  Liel|i 
und  Boussingault  für  die  Speisen  mit  bekannter  Zusamme 
Setzung  Tafeln  berechnet.  | 

b.  Ganz  anders  gestaltet  sich  die  Sache,  wenn  man  vom  p| 
siologischen  Gesichtspunkte  ausgehend,  die  Frage  erhebt :  in  welch| 
Verhältnisse  müssen  zwei  verschiedene  Speisen  genossen  wer^ 
wenn  durch  sie  dieselben  Leistungen  innerhalb  des  thierischen 
pers ■  erreicht  werden  sollen?    Da  die  allgemeinsten  Aufgaben  d 
Nahrungsmittel  darin  bestehen,  dass  sie  entweder  Wärme  erzeugt 
oder  mechanische  (Muskel-)  Kraft  hervorbringen  oder  endlich  |i 
Wiederersatz  oder  die  Neubildung  von  Geweben  und  Säften  (Waiäi 
thum,  Mästung)  bedingen  sollen,  so  würde  zuerst  die  Frage  zuj 
ledigen  sein,  ob  in  der  That  ein  und  dasselbe  Nahrungsmittel^ 
fähigt  wäre,  diesen  verschiedenen  Anforderungen  zu  genügen.  W|| 
nämlich,  wie  man  zuweilen  ausgesprochen,  ein  jedes  einfache  N^ili 
rungsmittel  nur  zu  einem  dieser  Zwecke  dienlich,  so  würde  es  »t 
türlich  in  dem  oben  bezeichneten  Sinne  keine  Aequivalente  geliMii 
sondern  es  müsste  entsprechend  dem  Verbrauche  an  Wärme, ^fci 
Muskelanstrengung  und  an  Gewebsmasseu  jedesmal  nur  ein  gaMin 
bestimmtes  Nahrungsmittel  genossen  werden.    Mit  einem  WoiÄ 
die  Nahrungsmittel  würden  zu  zerfallen  sein  in  Wärme  erzeugeiSm, 
oder  respiratorische,  in  kraftentwickelnde  und  in  gewebsbildefflJliji 
oder  plastische. 

Da  die  unorganischen  Nahrungsmittel  ohne  Ausnahme  sdm^ 
oxydirt  genossen  werden,  so  können  sie  keinen  Beitrag  zur  Wäröm 
bildung  Hefern;  im  Gegensatze  hierzu  verlassen  alle  organischÄ^ 
Atome  der  Nahrung  den  thierischen  Körper  in  höher  oxydiiiei»] 


*)  Frerichs,  Handwörterbuch  der  Physioloeie.  ni.  1.  Abtli.  731.  —  B  o  u  ss i n g ftii  I ' i 
Landwirthschnft  II.  Tbl.  235.  u.  f.  —  L  o  hm a  nn  ,  Physiologische  Chemie,  m.  Bd.  ErnährunS. 


Nalmingsaequivalcnte. 


601 


!  blande,  als  sie  in  ihn  eingetreten  sind;  die  letzteren  können  also 
j  umtlich  zur  Wärmeerzeugung  verwendet  werden ,  und  es  muss 
I  se  Verwendung  eintreten,  insofern  die  bei  ihrer  Oxydation  frei 
1  nachten  Kräfte  nicht  dazu  benutzt,  werden,  um  Arbeiten  jenseits 
Grenzen  des  thierischen  Körpers  zu  verrichten.  Dieses  ist  auch 
imals  bestritten  worden.    Wenn  man  nun  trotzdem  gewisse  Nah- 
igsmittel,  wie  namentUch  Fette  und  Kohlenhydrate  vorzugsweise 
rmebildende  nennt,  so  müssen  dafür  besondere  Gründe  vorliegen. 

I  ihnen  zählt  man,  dass  viele  Menschen  für  gewöhnlich  viel  Amy- 
und  wenig  Eiweiss  geniessen,  wesshalb  sie  nothwendiger  Weise 

kh  den  grössten  Theil  ihrer  Wärme  aus  dem  Amylon  nehmen 
>sseu.  Da  sich  der  Mensch  aber  auch  bei  dem  umgekehrten  Ver- 
ttniss  der  Bestandtheile  und  seiner  Kost  wohlbefindet,  so  begrün- 
das  eben  genannte  Factum  auch  keinen  wesentlichen  Unter- 
iied.  —  Man  stellte  auch  darum  Fette  und  Kohlenhydrate  als 
;ipirationsmittel  dem  Eiweiss  gegenüber,  weil  man  meinte,  die 
»ydation  der  ersteren  gehe  einfacher,  gleichsam  mit  geringerem 
bhun  des  Organismus  vor  sich.  So  hob  man  hervor,  dass  die 
»mcomplcxe,  in  welche  da"%  Eiweiss  und  seine  Verwandten  zer- 
tt  sein  müssen,  bevor  sie  verbrannt  werden  können,  nur  von 

II  Muskeln,  Bindegewebsfasern,  Zellen  u.  s.  w.  dargestellt  würden, 
oö  mussten  die  EiweissstoflFe ,  bevor  sie  in  die  Oxydation  eingin- 
II,  erst  flüssige  oder  feste  Bestandtheile  jener  Gebilde  gewesen 
11.  Angenommen,  alles  dieses  sei  richtig,  so  würde  daraus  noch 
Ihts  für  die  Fette  und  den  Zucker  folgen.  Denn  auch  sie  wer- 
II  unbestritten  durch  eigenthümliche  Wirkungen  des  Organismus 
'dirt.  In  Wahrheit  sind  aber  die  Mittel  und  Wege  der  Zer- 
üung  lUr  Eiweiss,  Fette  und  Kohlenhydrate  so  gut,  wie  unbe- 
unt,  so  dass  man  auf  sie  auch  keine  Unterscheidungen  gründen 
im.  Keinesfalls  ist  zur  Zersetzung  der  Eiweisskörper ,  wie  man 
iher  glaubte,  eine  Muskelanstrengung  nöthig,  da  Thiere,  welche 
rrelativ  sehr  ruhiger  Haltung,  in  Kästen  eingesperrt.  Tage  lang 
Iharren,  dennoch  ungemein  viel  Fleisch  täglich  in  Harnstoff  um- 
loeiten  können  (Frerichs,  Schmidt,  Bischoff).  Namentlich 
)oen  die  wichtigen  Arbeiten  des  letztern  Physiologen,  die  er  theils 
?in,  theils  in  Verbindung  mit  Voit  ausgeführt  hat,  dargethau,  dass 
•  Hund  sehr  grosse  Mengen  von  Amylon  und  Fleisch  gleich  leicht 
1  ohne  merkliche  Aenderung  seines  Befindens  umsetzt.  Somit 
•^t  physiologischer  Seits  aueh  gar  kein  Gruud  vor,  die  Umsetzung 
ider  Stoffarten  für  prinzipiell  verschieden  zu  halten. 


602 


NahrungBaoquivalente. 


Dcaraus  folgt,  dass  rücksichtlich  der  Wärmebildung  Aequiva 
lente  der  Nahriuigsstoflfe  hinzustellen  wären,  ein  Unternehtieri,  da 
keine  Schwierigkeit  hat,  sowie  man  erst  einmal  die  latente  WärDn 
der  betreffenden  Atome  kennen  wird.  Die  schon  erwähnte  Eifahrung 
dass  wir  je  nach  dem  Reichthum  unserer  Nahrung  an  Eiweiss  au 
dieselbe  C02-Menge  viel  oder  wenig  Harnstoff  bilden ,  ohne  dass  wi 
dabei  unsere  Temperatur  ändern,  spricht  auch  entschieden  für  eiui 
solche  Vertretung  bei  der  Wärmebildung.  Aber  gerade  diese  Ei 
fahrung  beweist  auch,  dass  die  Verti-etung  keine  vollständige  wei 
den  kann,  da  niemals  weder  die  Umsetzung  der  stickstofffreie; 
noch  die  der  sticksoffhaltigen  Nahrungsmittel  allein  vor  sich  ge' 
Es  scheint  im  Mechanismus  der  Zersetzung  des  thierischen  Körp 
zu  liegen,  dass  beide  Stoffreihen  gleichzeitig,  wenn  auch  in 
gleicher  Ausdehnung  in  die  Zersetzung  eintreten. 

Zur  Erzeugung  der  NeiTen  und  Muskelkräfte  sind  unzwe' 
haft  die  Eiweisskörper  dienlich  und  wahrscheinlich  auch  unumgän 
lieh  uothwendig,  denn  einmal  sind  diese  Organe  imter  allen  ü 
ständen  sehr  reich  an  diesen  Stoffen,  dann  findet  man  in  den  S 
ten  dieser  Organe,  namentlich  in  dfen  Muskeln,  um  so  mehr  Ze 
Setzungsprodukte  der  Eiweisskörper,  je  angestrengter  sie  gearbe" 
haben,  und  endlich  soll,  gleiche  Ausbildung  der  Muskelmasse  vO 
ausgesetzt,  ein  und  derselbe  Mensch  um  so  arbeitsfähiger  seiu,| 
beträchtlicher  der  Fleischantheil  seiner  Nahrung  ist.    Diese  TK 
Sachen  schliessen  es  aber  natürlich  nicht  aus,  dass  sich  nicht  au* 
die  Fette  und  Kohlenhydrate  an  der  Erzeugung  von  Muskelkräft^! 
betheiligen  könnten ,  hierfür  sprechen  im  Gegentheil  die  reichlic':' 
Mengen  von  Fett  in  den  Nerven  und  ferner  die  bedeutenden  M;^ 
kelanstrengungen,  welche  Menschen  leisten,  die  sich  vorzugsweiS 
von  den  eiweissarmen  Kartoffeln  und  Brod  nähren  und  endlich  di 
Erfahrungen,  dass  man  nach  Muskelanstrengungen  eine  bedeuten| 
Vermehrung  der  Ausscheidung  von  CO2  und  eine  nur  so  gering 
von  Harnstoff  eintreten  sah ;  wäre  in  der  That  die  Muskelkraft  all 
auf  Kosten  des  Eiweisses  entwickelt  worden,  so  müssten  wenigste' 
der  Harnstoff  und  die  CO2  proportional  vermehrt  gewesen  sein.  B 
diesem  Stande  der  Sache  ist  es  jedenfalls  besser,  unentschieden' 
lassen,  ob  die  Nahrungsstoffe  sich  behufs  der  Entwickelung  vo 
mechanischen  Ki'äften  vertreten  können. 

Ein  jedes  Gewebe  bedarf,  da  es  eine  bestimmte  chemisch 
Zusammensetzung  besitzt,  auch  bestimmter  Stoffe  zu  seinem  Ao 
bau.   Die  verschiedenen  zu  einem  Gewebe  uöthigen  Bestandtheil 


Verdauung  der  Speisen. 


603 


lässen  also  beschafft  werden;  wenn  demnach  die  Nahrung  /.um 
?satz  zerstörter  oder  znr  neuen  Herstellung  von  Geweben  benutzt 
ärden  soll,  so  können  sich  die  einzelnen  Nahrungsstoffe  nicht  ver- 
Bten.  Dieses  würde  nur  dann  möglich  sein,  entweder  wenn  in 
iiem  Gewebe  verschiedene  unter  sich  sehr  ähnliche  Stoffe  zu  dem- 
Iben  Zwecke  verwendbar  wären,  wie  z.  B.  in  den  Knochen  phos- 
uorsam'e  und  kohlensaure  Magnesia  statt  derselben  Verbindungen 
rr  Kalkerde,  oder  wenn  ein  Stoff  bei  seinen  Zersetzungen  im  Thier- 
rrper  zu  einem  Atomcomplexe  führte,  welcher  identisch  wäre  mit 
iiem  anderen  in  der  Nahrung  geradezu  aufgenommenen.  Insofern 
innte  also  Amylon,  das  sich,  theilweise  wenigstens,  in  Fett  ver- 
imdeln  soll,  bei  der  Ernährung  des  Hirns,  des  Fettgewebes  u.  s.  w., 
eer  es  könnte  Leim  statt  des  Eiweisses  zur  Ernährung  des  Binde- 
vwebes  und  der  Knochen  verwendet  werden.  Diese  Vertretung, 
^jnn  sie  überhaupt  besteht,  würde  aber  jedenfalls  eine  sehr  be- 
kiränkte  sein.  Unter  allen  Umständen  ist  es  aber  verwerflich, 
rradezu  ein  einfaches  Nahrungsmittel,  z.  B.  Eiweiss,  das  plastische 
eer  auch  nur  das  vorzugsweise  plastische  zu  nennen,  da  in  jedem 
III  auch  andere  Atomgruppen  zum  Entstehen  und  zum  Bestand  der 
uisten  Gewebe  notliwendig  sind.  Wäre  ausser  den  bekannten 
eemischen  Zusammensetzungen  der  Gewebe  noch  ein  weiterer  Be- 
seis  nothwendig ,  so  könnte  er  leicht  aus  den  Fütterungsversuchen 
rn  Boussinga ult,  vorzugsweise  aus  denen  von  Bischoff  ge- 
urt  werden.  Aus  diesen  geht  hervor,  dass  eine  Nahrung,  die  vor- 
^gsweise  aus  Eiweissstoffen  und  in  geringer  Menge  aus  Amylon 
i€r  Fett  besteht,  viel  weniger  mästet,  als  eine  solche  bei  welcher 
im  das  Fleisch  minderte  und  statt  dessen  das  Amylon  oder  Fett 
ührte. 

C.   Verdauung  der  Speisen. 

Die  Speisen  müssen,  bevor  ans  ihnen  Blut  entstehen  kann, 
eemische  und  physikalische  Umwandelungen  erfahren.  Diese  gehen 
mehreren  räumlich  und  funktionell  von  einander  geschiedenen 
bhälteni  vor  sich,  nämlich  in  der  Mund-  und  Rachenhöhle,  dem 
lagen,  dem  Dünn-  und  Dickdarme.  Ein  jeder  derselben  liefert  einen 
i'itrag  zur  Verdauung  durch  hemmende  oder  beschleunigenden  Be- 
(sgungswerkzeuge,  durch  Drüsen,  durch  die  Eigenschaften  der  Häute, 
lilche  Darm  -  und  Gefässhöhlen  trennen  und  endlich  durch  die  allen 
«meinsame  Wärme. 


(304       Mechanische  Arbeit  der  VordauungBwerkiseuge;  Mund  und  Schlund. 

Mechanische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge. 
1.   Mund  und  Schlund. 

Lippen,  Wangen  und  Kiefer  sind,  soweit  sie  nicht  schon  be 
sprochen,  in  ihren  Leistungen  Jedermann  bekannt. 

Die  Zunge.  Ihre  Wurzel  ist  auf  bekannte  Weise  durch  Mub 
kein  und  Bänder  an  den  Stylfortsatz,  den  Kiefer  und  das  Zungen 
bein  geheftet,  sie  folgt  darum  auch  den  Bewegungen  der  beiden 
letzteren  und  insbesondere  denen  des  Zungenbeins.  — Das  Zungen 
bein  kann  vermöge  seiner  Befestigung  an  dem  Kehlkopfe  eine  all 
gemeine  Ortsveränderung  erfahren,  oder  es  kann  sich  auch  nacl 
Spannung  der  Bänder  um  diese  letztern  drehen;  so  können  si 
namentlich  die  Hörner  um  den  durch  das  lig.  hyothyi-eoideum 
dium  festgestellten  Körper,  oder  dieser  letztere  um  die  durch 
ligamenta  lateralia  fixirten  Hörner  erheben  oder  senken.  Gehobe 
wird  das  Zungenbein  durch  die  Verkürzung  der  mm.  stylohyoidi 
(und  hyopharyngei"?),  gesenkt  durch  die  sterno-,  thjTCo-  und  o 
hyoidei.  Die  Unterschiede  dieser  drei  Muskelwirkungen  liegen  darifij 
dass  der  m.  omohyoideus  nach  unten  und  hinten,  der  sternohyoideus  naä 
unten  und  vorn  Kehlkopf  und  Zungenbein  zugleich  ziehen,  währeiii 
der  m.  thyreohyoideus  den  Abstand  beider  bestimmt.  Die  Mm.  myii&' 
und  geniohyoideus  und  digastricus  anter.  ziehen  das  Zungenbein  nai 
vorn,  wobei  der  erstere  noch  die  Zunge  gegen  den  harten  Gaumi 
hin  hebt,  indem  er  den  nach  unten  bauchig  herabhängenden  Keii 
räum  abflacht.  —  Alle  Bewegungen,  welche  von  den  Muskeln  d« 
Wurzel  oder  des  Beines  der  Zunge  ausgeführt  werden,  übertragi 
sich  auf  Zunge  und  Zungenbein  zugleich;  eine  Ausnahme  hiervi 
dürfte  nur  dem  Hyoglossus  zustehen. 

Das  freie  Blatt  der  Zunge  *),  das  seine  Gestalt  selbstständig  vi 
ändern  kann,  ist  von  Muskeln  durchzogen,  welche  etweder  paralli 
der  Längsachse,  (mm.  hyoglossi,  longitudinalis  inferior  und  sup| 
rior,  stylogiossi),  oder  von  der  unteren  zur  obern  Fläche  (mm 
nioglossi)  und  von  einem  zum  andern  Rand  (m.  transversus  linguaej 
laufen.   Die  verschieden  gerichteten  Züge  verflechten  sich  in 
Zunge  innig,  und  so  können  sie  nicht  allein  die  letztere  verschnÄ- 
lern  (und  dabei  strecken  und  verdicken),  abplatten  (und  dabei  vl^ 
längern  und  verbreitern),  sondern  auch  krümmen.  * 

Die  Nerven  aller  dieser  Muskeln  sind  in  vier  verschiederieo 
Stämmen  enthalten.    N.  ti'igeminus  versorgt  den  m.  mylohyoidetiü 


I)  KöUlker,  Mikroskop.  Anatomie.  U.  Bd.  I.  Abthl.  p.  12. 


Mechanische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge ;  Mund  und  Schlund. 


605 


jd  digastricns  anterior,  n.  facialis  den  stylohyoideus  und  nn.  hy- 
jlglossus  und  cervicalis  II  die  übrigen  Muskeln.  Die  Folgen 
ßser  Anordnung  für  die  Verknüpfung  der  Bewegungen  sind  unbe- 
mnt.  —  Die  willkürliche  Erregung  gebietet  unbeschränkt  über 
■5  Nerven  des  stylo-,  genio-  und  hyoglossus,  omo-,  sterno-,  st}'lo- 
'irreo-  und  geniohyoidei ,  longitudinales  et  transversi  linguae,  in- 
iu  ebensowohl  ein-  als  zweiseitig  die  Zunge  nach  vorn,  nach 
taten,  oben  und  unten  bewegt  werden  kann.  Beschränkt  ist  aber 
!'.  Willkür,  dem  m.  mylohyoideus  gegenüber,  insofern,  als  er 
iesmal  nur  beiderseitig  zusammen ziehhar  ist;  der  hyothyreoideus 
ülich  zieht  sich  für  gewöhnlich  nur  gleichzeitig  mit  den  Spann- 
iiskeln  der  Stimmbänder  und  den  Gaumen-  und  Schlundschnürern 
aammen. 

Ueber  die  Zungenmuskeln,  im  engeren  Wortsinn,  ist  eine  derbe 
iidegewebshülle  gezogen,  in  welche  an  vielen  Orten  die  Muskeln 
sgehen ;  sie  ist  mit  einem  hornigen  Ueberzuge  bekleidet,  der  sich 
ff  dem  Rücken  in  zahlreiche  feine  Fortsätze  (papillae  filiformes) 
webt.  Der  Ueberzug  macht  die  Zunge  rauh  und,  wo  er  dick  ist,  auch 
I!  darunter  liegenden  weichen  Gewebe  weniger  angreifbar.  —  Da 
eer  die  Hornschicht  auf  den  pap.  fungiformes  nur  dünn  ist  und  zu- 
sich  die  Zungenschleimhaut  reichliche  Vertheilungen  des  n.  lin- 
aalis  besitzt,  so  geht  aus  allem  Diesen  hervor,  dass  die  Zunge 

Schaufel  und  Tastwerkzeug  sehr  brauchbar  ist. 

Der  Kehldeckel  ist  ein  elastisches  Knorpelplättchen ,  das 
Ih  an  das  Zungenbein  und  die  Spannknorpel  des  Kehlkopfes  (cart. 
rreoid.)  mittelst  elastischer  Bänder  anheftet,  welche  ihm,  wenn 
sich  selbst  überlassen  bleibt,  eine  solche  Stellung  zu  der  Zun- 
•iwm-zel  sichern,  dass  ihn  ein  Flüssigkeitsstrom  in  der  Richtung 
321  Schlund  zm*  Speiseröhre  gegen  den  Kehlkopf  umklappt.  In 
«ser  niedergedrückten  Lage  deckt  er  die  Stimmritze  aber  nm- 
aon,  wenn  der  Kehlkopf  dem  Zungenbeine  durch  die  Verkürzung 
u  m,  thyreohyoideus  genähert  ist. 

Der  weiche  Gaumen*).    Seine  bogenförmigen  freien  Rän- 

von  denen  einer  zum  Rande  der  Zungenwurzel  und  ein  anderer 
den  Seitentheilen  des  Schlundkopfes  läuft,  schliessen  bekanntlich 
!  mm.  palatoglossus  und  palatopharyngeus  ein.  Die  Zusammen- 
bhung  des  ersteren  flacht  den  vorderen  Bogen  um  ein  Weniges 
,  wobei  der  Gaumenvorhang,  soweit  es  seine  Nachgiebigkeit  er- 


•)  Tourtoual,  Ueber  den  Bau  des  monschl.  Schlund-  und  Kehlkopfes.  Leipzig  1848. 


4 


hm 


606       Mechanische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge ;  Mund  und  Schlund. 

laubt,  heruntertritt ;  auf  eine  andere  "Weise  kann  dem  Verklirzungg- 
bestreben  kein  Genüge  geleistet  werden,  da  die  in  die  Zungen- 
ränder eingehenden  unteren  Enden  sich  einander  weder  nähern, 
noch  auch  die  Zunge  heben  können.  Bei  der  Zusaramenziehung 
des  an  und  für  sich  schon  engeren  m.  palatopharyngeus  treten  d», 
gegen  die  freien  Känder  des  hinteren  Gaumenbogens  zur  Bildim| 
einer  Spalte  (Dzondi)  von  dreiseitiger  Form  zusammen,  der^ 
Basis  nach  der  Schlundwand  hin  gelegen  ist  (Tourtual).  —  M 
dem  Theile  des  Segels,  der  von  der  Spitze  des  Bogens  bis  zvää 
harten  Gaumen  sich  erstreckt,  münden  die  levatores  palati  poste* 
riores  (cii'cumflexus  palati)  und  anteriores,  die  tonsores  palati  und 
die  levatores  uvulae  (azygos).  Die  vier  Gaumenheber  suchen,  wentt 
sie  kurz  werden,  das  Segel,  und  insbesondere  den  an  die  Knochai 
grenzenden  Theil  in  eine  Flucht  mit  dem  harten  Gaumen  zu  heben 
M.  azygos  zieht  bei  seiner  Verkürzung  die  gesenkten  Bogenspitzai 
sammt  dem  Zäpfchen  empor,  und  im  gleichen  Falle  zerrt  der  tens(| 
die  genäherten  Bogenränder  auseinander  (?). 

Diese  Annahmen  gründen  sich  theils  auf  Ableitungen  aus  dem  Muskelrerlauf,  thi 
auf  direkte  Beobachtung  des  lebenden  Menschen ,  die  entweder  wie  gewöhnlich  von  di^ 
Mundhöhle  aus  geschieht,  oder,  wie  in  seltenen  Fällen  möglich  war,  von  der  Nasi 
höhle  aus  (Dzondi,  Bidder)*)  nach  Zerstörung  des  Oberkiefers  oder  von  den  unterer 
Stücken  der  Rachenhöhle  nach  Verletzungen  im  Seitentheile  des  Schlundes  über  de^ 
Zungenbeine  (Kobelt). 

Die  Nerven  dieser  Muskeln  stammen  aus  sehr  verschiedene^ 
Quellen;  m.  palatoglossus  erhält  sie  aus  dem  n.  vagus;  m.  levat^ 
palati  mollis  posterior  wird  zugleich  versorgt  durch  Fäden,  die 
den  nn.  facialis,  glossopharyngeus,  vagus  und  accessorius  aus  dei 
Hirne  ti-eten ;  m.  tensor  palati  empfängt  seine  Nerven  aus  den 
ti'igeminus,  glossopharyngeus,  vagus  und  accessorius;  m.  azygi 
aus  den  nn.  vagus,  accessorius  und  glossopharyngeus.  —  Die  N( 
ven  des  arc.  glossopalatinus  sind  nicht  ermittelt,  da  der  Mus 
den  meisten  Säugethieren  fehlt;  auf  den  m.  levator  anterior  b 
man  noch  keine  Rücksicht  genommen. 

Die  aufgezählten  Muskeln  sind,  wenn  überhaupt,  der  Willk 
nur  in  beschränkter  Weise  unterthan,  indem  niemals  die  Bewegunj^ 
des  Gaumens  nur  auf  einer  Seite  ausgeführt  werden  kann.  Untl^ 
die  in  diesem  Sinne  wiUklirlich  beweglichen  Muskeln  gehören  ui^ 
zweifelhaft  mm.  levatores  palati  und  uvulae.  —  Reflectorisch  eiTCgb» 


is; 


•)  Dzondi,  Die  Piinlitionen  des  ivelchen  Gaumens.  Halle  1831.  —  Bidder,  Beobachtuilf 
Uber  die  Bewegungen  des  weichen  Gaumens.  18S8.  —  Kobelt,  Froriep's  Notisson.  I8<(). 


I 


Kauen  und  ScHingen.  607 

äd  die  Gaumenschnürer,  und  zwar  von  den  empfindenden  Nerven 
j,  die  sich  auf  der  ZungenwurzeJ ,  der  hinteren  Fläche  des  Gau- 
msegels  und  in  der  Schleimhaut  über  den  mittleren  Schlundschnü- 
)Q  verbreiten.  • 

Schlundkopf.    Die  Faserung  der  Schnürer  geht  zum  Theil 
rraUg  vom  Kehlkopf  und  Zungenbein  zur  entgegengesetzten  Kopf- 
ffte;  die  Züge  der  beiden  Seiten  verflechten  sich  in  der  hinteren 
rtellinie  des  Schlundes;  zum  Theil  (im  pterygo-,  bucco-  und  ke- 
opharjTigeus)  läuft  sie  quer  von  einer  Seite  zur  anderen.  Diese 
[-eifungen  müssen  die  unteren  Partien  heben  und  seitlich  zusam- 
npressen:  an  den  Orten,  wo  die  hintere  Schlundwand  locker  an 
Wü-belsäule  geheftet  ist,  können  die  Schnürer  sie  auch  gegen 
Mundhöhle  hin  bewegen;  die  von  der  cart.  thyreoid.  entsprin- 
«den  Fasern  sind  auch  vermögend,  die  Platten  des  genannten 
lorpels  gegeneinander  zu  beugen.  —  Der  m.  stylopharyngeus 
id  seinem  Verlaufe  gemäss  die  seitlichen  Partien  der  Schlund- 
nd  heben  und  auseinander  ziehen,  d.  h.  die  Falten,  die  sich  auf 
hinteren  Wand  gebildet  haben,  glätten. 

Die  Nerven  des  stylopharyngeus  laufen  im  n.  glossopharyngeus, 
Schnürer  werden  vom  n.  vagus,  accessorius  (und  glossopharyn- 
>.s?)  versorgt. 

Ob  einer  dieser  Muskeln  ein-  oder  zweiseitig  durch  den  Willen 
ligt  werden  kann,  steht  noch  dahin.  In  Verbindung  und  unmit- 
jSiY  nach  der  Erregung  der  Gaumenmuskeln  scheint  dieses  nicht 
laögüch.  —  Reflexbewegungen  werden  in  ihnen  ausgelöst  auf 
tegung  aller  emfindenden  Flächen  hinter  dem  Gaumenbogen  bis 
11  Beginn  der  Speiseröhre. 

Speiseröhre.  Ihi-e  Muskeln  sind  beim  Menschen,  abweichend 
.  dem  Verhalten  der  Haussäugethiere,  aus  Quer-  und  Längsfäden 
»mmengesetzt.  Die  Nerven  derselben  kommen  aus  dem  Vagus- 
mme;  sie  sind  dem  Willenseinflusse  durchaus  entzogen  und 
unen  nur  in  besonderen  Zuständen  der  Erregbarkeit  von  der  sie 
kkenden  Schleimhaut  zu  Zusammenziehungen  veranlasst  werden. 

Die  bis  dahin  erwähnten  Werkzeuge  vollführen  das  Kauen  und 
Hingen. 

Das  Kauen  oder  Verkleinern  der  eingeflihrten  und  unter  Um- 
laden mit  den  Schneidezähnen  abgebissenen  Speisebrocken  ge- 
weht durch  den  mahlenden  Druck  der  Backzähne;  diesem  Akte 
imnt  die  Kraft  der  Kieferschliesser,  die  Beweglichkeit  des  Unter- 
tferkopfes  nach  verschiedenen  Richtungen  und  die  Härte  und  Un- 


608 


Das  Schlingen. 


ebenheit  der  Backzähne  zu  Gute.  —  Die  Speisebrocken  würden  bei 
diesen  Bewegungen  von  der  erhaben  gestellten  Kaufläche  herunter 
fallen,  wenn  sie  nicht  durch  die  Wangen,  Lippen  und  die  Zunge 
auf  ihr  gehalten  wtirden.  Wenn  diese  Einrichtungen  das  Abgleitei; 
nicht  vollkommen  verhüten,  so  hebt  die  Zunge  das  Niedergefallene 
wieder  empor;  diese  letztere  wendet  zugleich  die  Speise  von  einei 
Wangenseite  auf  die  andere,  ein  Vorgang,  der  namentlich  heia 
Kauen  ti-ockener  Bissen  öfter  in  Anwendung  kommt.  —  Den  Häuft 
grad  der  eingeführten  Stoffe  prüfen  die  Zähne,  welche  bekanntlia 
sondenartige  Tastwerkzeuge  darstellen;  in  Verbindung  mit  derZungl 
geben  die  Zähne  auch  Nachricht,  ob  die  Bissen  den  zum  Schling^ 
hinreichenden  Grad  von  Vertheilung  erlangt  haben.  i 
Das  Schlingen.  Dieser  Muskelakt,  vermittelst  dessen  db| 
verkleinerte  Bissen  aus  dem  Munde  in  den  Magen  befördert  werdöi 
soll,  wird  dadurch  verwickelt,  dass  die  Speisen,  nachdem  sie  eiö 
mal  in  die  Rachenhöhle  geschoben  sind,  nun  in  den  Oesophagm 
eindringen;  also  die  Mündungen  der  Luftwege  in  den  Rachen 
meiden  sollen  und  zugleich  nicht  in  die  Mundhöhle  zurückweichet 
dürfen.  Das  Einschieben  des  Bissens  hinter  den  vorderen  Gaumen 
bogen  besorgt  die  Zunge ;  zu  dem  Ende  wird  sie,  nachdem  sie  dti 
Speisen  auf  ihren  etwas  hohl  gestellten  Rücken  genommen  hat,  js| 
erst  vorn  gehoben  durch  die  Muskeln  des  freien  ZungenblatteB, 
dann  aber  in  der  Mitte  durch  die  Zusammenziehung  des  m.  my] 
hyoideus,  indem  er  den  Boden  der  Mundhöhle  abflacht,  und  ei 
lieh  an  der  Wurzel  durch  den  m.  styloglossus.  Nachdem  der  Bissi 
somit  durch  die  Zunge  an  den  harten  Gaumen  gepresst  und  hini 
den  arcus  glossopalatiuus  geschoben  wurde,  legt  sich  dieser  um 
Zunge  an  und  schliesst  damit  Schlund-  und  Mundhöhle  von  eli 
ander  ab.  —  In  diesem  Augenblicke  werden  auch  die  Nasenöi 
nungen  und  die  Stimmritze  gedeckt.  Die  ersteren  dadurch,  dal 
das  Gaumensegel  in  Verbindung  mit  der  hinteren  Schlundwand 
zeitweilige  Scheidewand  zwischen  dem  oberen  und  unteren  Th 
des  Schlundkopfes,  etwas  unterhalb  der  Choanen,  herstellt;  hii 
bei  greifen  die  einzelnen  Theile  so  in  einander,  dass  die  levatoreS 
palati  antici  und  postici  in  der  Nähe  des  harten  Gaumens  und  die 
schräg  vom  Kopf  nach  dem  Larynx  verlaufenden  Schnürmuskeln 
des  Schlundes  die  hintere  Fläche  des  Gaumensegels  zu  einer  horf* 
zontalen  oder  schief  nach  hinten  abflachenden  Fläche  erheben ;  diese 
Wirkung  der  bezeichneten  Muskeln  wird  unterstützt  durch  den  Bissen, 
welcher  von  der  Zunge  aus  das  velum  palatinuni  hebend  vor  si<^ 


Schlingen. 


609 


jscbiebt.  Der  Spalt,  der  zwischen  dem  hinteren  Gaiimenbogen 
!.n  noch  übrig  bleibt,  wird  geschlossen  durch  eine  Falte,  welche 
Ii  von  der  Schlundwand  hervorhebt  in  Folge  der  seitlichen  Zu- 
umenpressung  ,•  welche  der  Pharynx  durch  die  absteigend  und 
^zontal  verlaufenden  Muskelfasern  erfährt.  —  Der  Uebergang 

Speisen  in  die  Luftröhre  wii-d  dadurch  verhindert,  dass  der 
lildeckel  sich  über  den  Kehlkopf  legt;  der  epiglottis  wird  der  Ein- 

in  diese  Stellung  darum  erleichtert,  weil  sich  der  Kehlkopf 
'iiht  und  sich  demnach  gegen  die  Zungenwurzeln  di'ückt;  das 
legen  des  Kehldeckels  selbst  aber  sollte,  wie  man  früher  an- 
m,  durch  den  niedergehenden  Bissen  geschehen;  Czermak*) 
jjedoch  mit  dem  Kehlkopfspiegel  nachgewiesen,  dass  dieses  nicht 

Fall  sei,  sondern  dass  der  Kehldeckel  durch  seine  Muskeln 
libgezogen  wird.  Soll  der  Verschluss  des  Kehlkopfs  noch  fester 
;  acht  werden,  so  legen  sich  die  wahren  Stimmbänder  aneinander, 
tfalschen  Stimmbänder  nähern  sich  und  senken  sich  bis  zum 
^ständigen  Verschwinden-  der  Morgagnischen  Taschen  auf  die 
rren  Stimmbänder  und  zugleich  drückt  sich  der  Kehldeckel  mit 
?3r  nach  hinten  vorspringenden  convexen  Geschwulst  auf  die 
ihlossene  Glottis  (Czermak).  In  dieser  Lage  überragt  die  Epi- 
iis  den  Kehlkopf,  sodass  ihre  freien  Ränder  beim  leeren  Schlin- 

'  durch  den  contrahirten  Schlund  aufgebogen  werden  können, 
»allend  ist  es ,  dass  bei  dieser  kräftigen  Berührung  der  obern 
tdsfläche  kein  Hustenanfall  erzeugt  wird,  den  doch  jeder  ein- 
[jende  Bissen  hervorbringt. 

)Die  Schliesser  der  Stimmritze  spielen  jedoch,  beim  Abhalten  des  Speisebissens  Ton 
nuftröhre  nicht  die  EoUe ,  die  man  ihnen  früher  allgemein  zutheilte.  Dieses  geht 
I)  hervor,  dass  kein  Speiseantheil  während  des  Schlingens  in  die  Luftröhre  fällt, 
man  auch  eine  Eöhre  oder  die  gesperrten  Arme  einer  Pincette  in  die  Stimmritze 
'.Ti o n g e t **),  Bouchut).  —  Unter  Umständen  ianu  sogar  nach  Abschneidung 
«ehldeckels  das  Schlingen  noch  gut  von  Statten  gehen  (Longet). 

IDem  allseitig  gedrückten  Bissen  bleibt  somit  nur  der  Weg  in 
Hinteren  Theil  des  Schlundkopfes,  der  um  so  leichter  genom- 
wird, als  sich  derselbe  mit  der  Hebung  des  Kehlkopfes  der 
■^enwurzel  entgegenschiebt.  Dort  angelangt,  wird  er  durch  eine 
nnmenziehung  der  Schlundschnürer  dem  Oesophagus  überliefert, 
iher  sich  jedesmal  in  den  Stücken  verengert,  die  unmittelbar 


I  Der  Kehlkoprspicgel.  Leipzig  ISGO. 

■  Longet,  Traitd  de  Physiologie.  I.  2  Abtli.  102.  —  Bouchut,  Aua  den  Sitzungsboriohton 
bdiziniachen  Altademic  zu  Paris  186Ü. 

«dwig,  Physiologie  n,  2.  Aulinge.  30 


Schlingoti. 

oberhalb  und  um  den  Bissen  gelegen  sind ;  diese  Zusammenziehun 
schreitet  mit  dem  Inhalte  allmählig  von  oben  nach  unten  fort,  W( 
bei  sie  aber  immer  nur  einen  beschränkten  Abschnitt  der  Muski 
latur  zugleich  ergreift,  indem  die  Fasern  der  Orte,  welche  der  Bisse 
verlassen  hat,  auch  allmählig  zu  ihrer  normalen  Länge  zurüej 
kehren. 

Die  Nerven,  welche  der  Reihe  nach  beim  Schlingen  in  Er 
gung  /treten,  sind  nicht  durchweg  bekannt.  Aeste  der  nn.  trij 
minus,  hypoglossus  und  des  Vagussstammes  sind  unzweifelhaft  h\ 
theiligt;  ob  auch  die  Schlund-  und  Gaumenzweige  der  nn. 
minus,  facialis  und  glossopharyngeus  dazu  gehören,  ist  zweifelt 
Jedenfalls  aber  steht  hier  wie  bei  der  Augenbewegung  fest,  da 
Nervenröhren  mit  sehr  verschiedenen  Hii-nursprtingen  in  diese  coi 
binirte  Bewegung  als  Erreger  eingehen. 

Die  Zusammenziehung  der  einzelnen  Muskelstticke  *)  desSchlin 
apparates  ist  in  die  eigenthümliche  Beziehung  gebracht,  dass  1 
normaler  Erregbarkeit  auf  die  Verkürzung  eines  höher  gelegene 
Stückes  jedesmal  die  der  tiefer  gelegenen  bis  zum  Magen  hin  nac 
folgt,  während  niemals  auf  die  eines  tieferen  die  Zusammenzi 
hung  eines  höheren  folgt.  Man  drückt  dieses  gewöhnlich  so  ai^ 
dass  dem  Schlingapparate  eine  peristaltische,  aber  keine  anti]^ 
Staltische  Bewegung  zukomme.  —  Das  Fortlaufen  der  perist 
sehen  Bewegung  geschieht  allmählig  und  ist  namentlich  abli 
gig  von  der  Zeitdauer,  welche  jedes  einzelne  Stück  zur  Voljjj 
dung  seiner  Zusammenziehung  verbraucht,  da  die  nächst 
gelegenen  Partien  nicht  eher  in  den  Zug  der  Bewegung  eintre 
bevor  nicht  die  höheren  wieder  zu  der  Erschlaffung  gekommen  s| 
—  Die  Einleitung  der  Bewegung  ist,  wie  es  scheint,  nur  bed 
vom  Willen  abhängig;  dagegen  kann  sie  ohne  äussere  Ursä 
unwillkürlich  (vgl.  I.  Bd.  213)  und  auf  reflektorischem  Wegej 
Stande  kommen.  Die  sensiblen  Orte,  deren  Erregung  das  Sei 
gen  einleitet,  scheinen  für  gewöhnlich  auf  die  hintere  Fläche | 
Gaumens  und  den  Eingang  in  den  Kehlkopf  (Wild,  Longet| 
schränkt  zu  sein;  nur  zuweilen  gelingt  es,  die  fortlaufende  BS 
gung  durch  einen  Anspruch  der  Speiseröhrenschleimhaut  auszulS 
Einmal  eingeleitet  schreitet  die  Bewegung  unaufhaltsam  bis' 
Magen  fort,  so  lange  Nerv  und  Muskel  erregbar  und  unver 
sind,  und  so  lange  sich  der  fortschreitenden  Bewegung  kein 
derniss  entgegenstellt.   Durchschneidet  man  aber  die  Muskeln  odi 


•)  Wild,  Henic's  und  Pfeufcr's  Zeitschrift.  V.  Bd.  76. 


Mechanische  Arbeit  der  Vordauungswerkzeuge;  Magen. 


611 


Fven  des  Oesophagus ,  oder  presst  man  ein  beschränktes  Stück  des 
eeren  durch  einen  umgelegten  Faden  zusammen,  so  überschreitet 
\von  oben  herkommende  Zusammenziehung  den  verletzten  oder 
tückten  Ort  nicht  (Wild). 

DOer  'Wille  Tcrmag  die  Schlingbewegung  nur  dadurch  einzuleiten,  dass  er  den  festen 
:€üssigen  Inhalt  der  Mundhöhle  in  den  Eaehen  schiebt,  welcher  dann  die  dort 
rndenen  sensiblen  Nerven  erregt;  dieses  geht  am  deutlichsten  daraus  hervor,  dass 
»auf  Geheiss  des  Willens  nur  bis  zum  Verschwinden  allen  Speichels  (drei-,  vier- 
ünfiual  unmittelbar  hintereinander)  schlingen  kann,  dass  sich  aber  die  Fähigkeit 
> sogleich  wieder  einstellt,  so  wie  sich  wieder  Speichel  in  der  Mundhöhle  ansam- 
.  oder  ein  Bissen  in  sie  eingebracht  wird.  —  Die  Angabe ,  dass  die  einmal  einge- 
!S  Schlingbewegung  zu  ihrer  Fortführung  der  reflektorischen  Erregungen  nicht  be- 
und  namentlich  nicht  in  Abhängigkeit  steht  von  den  Erregungen,  die  der  weiter 
rrte  Bissen  in  der  Schleimhaut  hervorbringt,  stützt  sich  darauf,  dass  sich  die  Be- 
i;ig  selbst  dann  fortsetzt,  wenn  der  Fortgang  des  Bissens,  z.  B.  durch  einen  ange- 
fen  und  festgehaltenen  Faden,  aufgehalten  wird.     Siehe  das  Genauere  bei  Wild. 

2.  Magen. 

Dieser  geräumige  Behälter  ist  im  leeren  Zustande  so  aufge- 
r;t,  dass  er  seine  grosse  Curvatur  nach  unten  wendet;  im  ge-. 
'in  dreht  er  sich  dagegen  nach  vorn  und  somit  stellt  er  seine 
ue  Krümmung  nach  hinten,  welche  sich  dann  über  die  Wii'bel- 
!i  und  die  auf  ihr  laufenden  Gefässe  hinspannt,  ohne  diese  letz- 
II  zu  drücken.  Diese  Drehung  muss  um  eine  Linie  geschehen, 
Ihe  durch  die  beiden  am  festesten  angehefteten  Punkte,  die 
i  ia  und  den  Pylorus  bestimmt  ist.    Die  Drehung  wird  möglich, 

die  Krümmungen  nur  durch  die  schlaffen  Netze  angeheftet 
und  die  vordere  und  hintere  Magenfläche  mit  ihren  glatten 
Ihfellüberzügen  frei  in  der  Peritonialhöhle  liegen.   Der  Mecha- 
ras,  welcher  diese  Drehung  leitet,  ist  noch  nicht  ermittelt.  Jeden- 

ist  er  von  irgend  welcher  Muskelzusammenziehung  unabhän- 

da  sich  auch  der  Magen  in  der  Leiche  bei  seiner  Anfülluug 
;.  —  In  dieser  Lage  nimmt  nun  die  Cardialöffnung  die  höchste 
)i  ein,  so  dass  gegen  sie  die  spezifisch  leichtesten  Bestand- 
13  des  Mageninhaltes  zu  liegen  kommen.  Enthält  also  neben 
m  und  flüssigen  Stoffen  der  gefüllte  Magen  auch  Luft,  so  wird 
iich  an  der  bezeichneten  Stelle  finden  und  durch  den  Magen- 
l  austreten,  wenn  er  geöffnet  ist.  —  Die  Muskulatur  des  Ma- 

macht  vermöge  der  Anordnung  ihrer  Fasern  eine  Verschlies- 
.  seiner  Mündungen,  insbesondere  der  nach  dem  Dünndarme 
ihrten,  möglich,  und  ausserdem  kann  sie  eine  im  Einzelneu 
ttigfach  abgeänderte  Verengerung  der  Magenhöhle  herbeiführen, 

39* 


612 


Mechanische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeiigc ;  Magen. 


i 


Nerven  erhalten  die  Magenmuskeln  aus  den  Zweigen  des  n.  vagu 
des  splanchnicus  und  dem  grossen,  viele  Ganglien  enthaltend(||F 
Geflecht,  welches  in  der  Bindegewebshaut  gelegen  ist  (Meissnei" 
Manz*).  ' 

Die  Bewegungen**)  des  lebenden  Magens,  der  in  seinen 
tiirlichen  Verbindungen  und  unter  normalen  Verhältnissen  steht,  sH 
keine  einfachen  Zuckungen,  sondern  verwickelte  Vorgänge,  der«^ 
innerer  Zusammenhang  nicht  durch   die    einfache  Beobachtu: 
sondern  nur  durch  den  zergliedernden  Versuch  aufgedeckt  werdj 
kann.    In  der  letztern  Kichtung  ist  jedoch  noch  wenig  geschel 
Wir  wissen  überhaupt  nur,  dass  sich  der  ausgeschnittene 
Speisen  gefüllte  Magen  des  Kaninchens  rhythmisch  zusammenziel 
Diese  Bewegungen  ersü-ecken  sich  namentlich  auf  den  dem  Oed 
phagus  unmittelbar  angrenzenden  Theil  der  Cardia.    Bei  ihrq 
Eintritt  plattet  sich  der  in  der  Nähe  konisch  geformte  Theil  ab, 
wird  der  Oesophagus  in  die  Mageuhöhle  hineingezogen  und 
Cardialsphincter  schliesst  sich.    Diesef  Bewegungen  kehren  na 
minutenlangen  Pausen  wieder  (Basslinger).    Sie  sind  bisli 
weder  am  nüchternen  Magen  des  Kaninchens,  noch  am  gefäUlj 
oder  leeren  anderer  Thiere  beobachtet  worden,  vorausgesetzt, 
derselbe  ausgeschnitten  war.  —  2.  Reizt  man  den  ausgeschnittCTj 
Magen  auf  seiner  serösen  Fläche  momentan  und  beschränkty^l 
stellen  sich  zuweilen  weit  verbreitete  und  lang  dauernde  Beweg 
gen  ein,  deren  Form  und  Dauer  aus  den  Eigenschaften  des  Re 
nicht  abgeleitet  werden  können.  —  Statt  und  neben  diesen  B^ 
gungen,  die  wie  gesagt,  häufig  fehlen,  stellt  sich  dagegen  u 
eine  Zusammenziehung  ein,  die  als  eine  directe  Folge  des  ßdli 
angesehen  werden  kann.    Diese  Contractionen  geschehen  in  (d 
den  glatten  Muskeln  eigenen  langsamen  Weise.  —  3.  Der  heull 
geschnittene,  entleerte,  ruhige  Magen  eines  Säugethieres  kommt [ 
Bewegung,  wenn  man  ihn  in  der  Luft  auf  19"  bis  25»  C.  erwä 
(Calliburces).  —  4.  Reizt  man  am  ebengetödteten  Thiere 
Stamm  des  n.  vagus  am  Halse,  so  kann  eine  Bewegung  des 
gens  eintreten  oder  ausbleiben.    Das  erstere  geschieht  vorzuj 
weise,  wenn  der  Magen  einige  Zeit  hindurch  in  Verdauung  begr 


»)  Manz,  Die  Nerven  und  Ganglien  des  Säagetliierdarms.  Freiburg  1S59. 
*•)  Basslinger,  Wiener  Sitzungsberichte.  XXXVII.  Bd.  —  Wolf,  Meissners  Jahresbei 
tiu  1857.  494.  —  Volkmann,  Norvenpliysiologie  im  Handwörterbuch  der  Physiologie  U.  Bd. 
—  Longet,  Traitd  de  Physiologie  I.  2.  Abtlilg.  1857.  120.  —  B  u  I  a  t  o  w  i  oz ,  de  parlibns 
nervi  vngi  in  vomltu  agunt.  Dorn  1858.  —  Calliburces,  Compt.  reud.  XLV.  — Busch, 
flir  pntholog.  Anatomie.  XIV.  Bd.  1G6. 


Mockauische  Arbeit  der  Yerdauuiigsworkzougü ;  Magen. 


613 


r.  Die  Bewegimg  ist  entweder  eine  peristaltische ,  oder  sie  be- 
llt in  einer  Ziisammenschniirung,  die  sich  vom  Gipfel  der  grossen 

tiefsten  Ausbengung  der  kleinen  Curvatur  erstreckt  (Biscboff, 

iiget)  oder  in  Zusaramenscbniirimgen  des  Pylorusendes  (Wolf). 

iler  Magen  bewegungsfäbig,  so  tritt  die  Zusammenziebimg  nicbt 
1  littelbar,  sondern  erst  einige  Sekunden  nach •  der  Einwirkung 
0-  vorübergehenden  Reizes  auf,  auch  kehrt  sie  öfter  nach  Ent- 
lang des  Reizes  wieder.  —  5.  Betastet  man  am  lebenden  Thiere 
vti  eine  Fistel  hindurch  die "  Schleimhautfläche  des  Magens  mit 
?3i  um  mehrere  mm.  von  einander  abstehenden  Drähten,  durch 

ein  Induktionssti'ora  geht,  so  erzeugt  man  durch  Berührung  der 
rdia  Brechbewegungen,  die  mit  einer  Erschlaffung  des  Cardial- 
irtners  verbunden  sind.  Einen  ähnlichen  Erfolg  kann  man  weder 
cch  Reizimg  des  Fundus  noch  des  Pylorusendes  hervorbringen 

Ludwig,  Kupffer).  Dieser  Erfolg  fehlt,  wenn  vorgängig  die 
wagi  am  Halse  durchschnitten  waren  (Bulato  wicz).  —  6.  Wird 

Schleimhaut  des  Pylorus  in  der  oben  bezeichneten  Weise  oder 

dem  eingeführten  Finger  gereizt,  so  erfolgen  kräftige  Zusam- 
nziehungen  des  Pyloruspförtners.  —  7.  Wenn  der  Magen  des  le- 
i4den  Hundes  mit  Speisen  angefüllt  ist,  s-o  entstehen  am  Cardial- 
iile  rhythmisch  wiederkehrende  Contrakturen ,  die  meist  mit  der 
ipiration  beginnen  und  mit  der  Exspiration  nachlassen  (L  o n  g  e  t). 
•ise  Bewegungen  werden  am  Magen  des  lebenden  Kaninchens 
oesmal  durch  eine  Schlingbewegung  veranlasst,  indem  sich  die 
iistaltische  Bewegung  des  Oesophagus  auf  die  Cardia  fortsetzt 
iisslinger).  —  8.  Der  mit  Speisen  gefüllte  Magen  des  lebenden 
iiischen  und  Hundes  lässt  Bewegungen  gewahren,  die  eine  Ver- 
:^erung  seiner  Höhle  anstreben;  sie  sollen  nach  Beobachtungen, 

Beaumont  bei  einem  Menschen  anstellte,  der  eine  Magenfistel 
isass,  peristaltisch  vom  Fundus  gegen  den  Pylorus  hin- fort- 
i  reiten.  Diese  Bewegungen  kehren,  wenn-  sie  einmal  eingetreten 
^d,  wie  die  Untersuchungen  an  Hunden  lehren,  nach  mehr  oder 
uniger  kurzen  Zeitabschnitten  wieder.  Ausser  dem  peristaltischem 
ildus  wurde  auch  ein  antiperistaUischer  beobachtet.  Diese  Bewe- 
lagen  ti-eten  jedoch  nicht  alsbald  nach  dem  Niedcrschliugen  der 
•eisen,  sondern  erst  dann  ein,  wenn  die  letztern  einige  Zeit  im 
igen  verweilten;  Longet  sah  sie  durch  eine  Magenfistel  des  Hun- 
■i  erst  nach  schon  weiter  fortgeschrittener  Verdauung  zum  Vor- 
•lein  kommen.    Dem  entgegen  beobachtete  Busch,  dass  schon 

bis  35  Minuten  nach  dem  Speisen  das  Genossene  aus  einer 


614 


Mochanisclie  Arbeit  der  Verdauungswerkzeugo ;  Dünndarm. 


Dünndarmfistel  einer  Frau  hervortrat.  Aehnliches  sieht  man  öfter  h 
Hunden ,  die  eine  Duodenalfistel  tragen.  —  9.  In  der  Nacht  sind  kein 
Magenbeweg-ungen  vorhanden,  selbst  wenn  der  Magen  Speisen  enthä 
und  sich  kein  Schlaf  eingestellt  hat  (Busch).  —  10.  Nach  Durchschnc 
dung  der  un.  vagi  werden  die  Bewegungen  vielleicht  schwächer,  abi 
sie  hören  nach  übereinstimmenden  Angaben  nicht  auf,  zu  erscheinei| 
Aus  Allem  scheint  zu  folgen,  dass  der  Magen  einen  automatische 
Erreger  in  sich  trägt,  welcher  die  räumliche  und  zeitliche  Ordnn 
der  Bewegung  bestimmt.    Diese  Selbsterreger  können  aber  an 
von  aussen  her  und,  zwar  sowohl  durch  den  n.  vagus  wie  an 
durch  reflectorische  Veranlassung  zur  Auslösung  von  Keizen 
stimmt  werden.    Je  nach  der  Oertlichkeit  der  ursprünglich  erreg 
von  aussen  her  eindringenden  Nervenmassen  (Cardia,  Pylorus,^ 
vagus)  werden  auch  nur  bestimmte  Muskelabtheilungen  zur  Beweguii| 
veranlasst.  Die  automatischen,  beziehungSAveise  die  reflectoriscl 
Organe  sind  aber  nicht  immer  im  Zustand  der  Erregbarkeit,  und 
scheinen  auch  nicht  alle  automatischen  Stellen  des  Magens  glei^ 
zeitig  in  die  letztere  zu  gerathen.    Für  die  Verdauungslehre  ist^ 
wichtig,  dass  die  den  Pylorus  beherrschenden  Nerven  schon  mlie 
dem  Eintritt  der  Speisen  in  den  Magen  erregbar  werden,  währeiipf 
die  zu  den  übrigen  Muskeln  gehörenden  Nerven  erst  dann  tha 
werden,  wenn  die  Magenverdauung  schon  kürzere  oder  läng 
Zeit  im  G-ang  ist. 

3.  Dünndarm. 

Als  ein  Eohr  von  beträchtlicher  Länge,  dessen  Wandungen  B 
zum  Verschwinden  der  Höhle  von  den  gespannten  Bauchdecken  i 
sammengepresst  werden,  bietet  er  ein  ganz  anderes  Verhälträi 
zwischen  Binnenraum  und  "Wandungsfläche,  als  der  Magen.  —  9 
Anheftung  durch  das  Peritonäum  zwingt  das  Heum  und  Jejuäi 
in  Schlingen  zu  hängen,  die  wechselnd  auf-  und  absteigen  könfll 
das  festgeheftete  Duodenum"  wechselt  zum  Vortheil  der  Gallen-  Ufi 
Pankreasgänge,  welche  seine  Wand  schräg  durchbohren,  seinen  ® 
niemals.  —  Die  Falten  der  Schleimhaut  des  Jejunum  sind  so 
legt,  dass  sie  das  Gleiten  des  Inhaltes  in  der  Richtung  von  obe 
nach  unten  erlauben,  während  sie  durch  einen  Stoss  im  umgekeh 
ten  Sinne  aufgestellt  werden.  • 

Die  Längs-  und  Kreisfasein  in  der  Muskelhaut  des  Dank 
werden  mit  Nerven  versorgt  aus  den  nn.  vagus,  splanehnic.  m» 
und  min.  und  endlich  aus  dem  von  Meissner  entdeckten  plext 


Mechanische  Arbeit  der  Yordauungswerkzeuge;  Dünndarm.  615 


igliosiis,  der  in  der  Bindegewebshaut  des  Darms  ausgebreitet 

;-t. 

Die  Bewegungen*)  der  Muskelbaut  sind  entweder  einfacbe  auf 
gereizte  Oertlichkeit  beschränkte  Zusammenziehungen  (lang- 
le  Zuckungen)  oder  geordnete  Bewegungen.  Die  letzteren  können  ' 
er  zwei  Formen  auftreten;  sie  sind  nämlich  entweder  stehende, 
denselben  Darmumfang  rhythmisch  wiederkehrende  Verkürzungen 
I  Verengerungen  (pendelnder  Modus),  oder  sie  sind  fortschrei- 
Bewegungen.    Bei  diesen  letzteren  entsteht  eine  Zusammen- 
lung  der  Längs-  imd  Kreisfasern  an  einem  beschränkten  Darm- 
k;  alsbald  nach  Vollendung  der  Contractur  lösst  sich  dieselbe 
h  wieder  und  während  dieses  geschieht,  zieht  sich  ein  zunächst 
under  Darmumfang  zusammen,  dieses  zweite  Stück  wird  dann 
iit'alls  wieder  von  einem  dritten  abgelöst  u.  s.  w.    Die  Reihen- 
de schreitet  hierbei  immer  nach  einer  Richtung  fort;  je  nachdem 
von  oben  nach  unten  oder  umgekehrt  weiter  geht,  wird  sie 
ristaltische  oder  antiperistaltische  genannt. 

Zu  den  Bedingungen,  unter  welchen  diese  Bewegungen  ent- 
Ihen  und  vergehen,  zählen  erfahrungsgemäss  folgende.  —  1.  Der 
•'i  der  Unterleibshöhle  im  Ganzen  oder  nur  in  Stücken  herausge- 
mmene,  von  seinem  Mensenterium  möglichst  vollständig  befreite 
inndarm  bleibt  ungereizt  entweder  in  Ruhe  oder  er  bewegt  sich 
;ih  dem  fortschreitenden  oder  dem  pendelnden  Modus.  Besonders 
'^gebildet  treten  die  Bewegungen  an  dem  ausgeschnittenen  Darm 
■•  Thiere  auf,  die  nach  der  Durchschneidung  beider  nn.  splanch- 
ii  noch  einige  Tage  gelebt  haben  (Haffter).  —  2.  Wird  die  se- 
te  Oberfläche  des  ausgeschnittenen  Darms  in  beschränkter  Aus- 
iinung  durch  einen  Induktionsstrom  oder  durch  einen  harten 
■rper  berührt ,  so  stellt  sich  entweder  eine  geordnete  oder  auch 
tr  eine  einfache  Reizbewegung  ein.  Je  entfernter  im  Allgemeinen 
;  Zeit,  in  welcher  der  Darm  gereizt  wurde,  von  dem  Augenblick 
!ä  Todes  ist,  um  so  weniger  Aussicht  hat  man  auf  geordnete 
vwegungen  zu  treffen;  einfache  Zuckungen  lassen  sich  dagegen 
«ge  nach  dem  angegebenen  Zeitpunkt  erzeugen.  —  3.  Wird  der 
>8geschnittene  und  bei  gewöhnlicher  Zimmerwärme  zur  Ruhe  ge- 
t>mmene  Dann  durch  Luft  von  19"  bis  25"  C.  erwärmt,  so  beginnt 


Ausser  der  beim  Mngcn  angofllhrten  Littcratur  :  S  o  Ii  w  ar  z  e  ii  h  er  g,  Ilcnlo  und  Pfoufer's 
•tochrift  VlI.  311.  —  Haffter,  Ibid.  N.  V.  IV.  Bd.  —  Betz,  Ibid.  N.  F.  I.  Bd-  —  I'flllger, 
)er  das  Ileminungsnervcnsystcm.  Bfrlln  1S57.  —  C.  Ludwig  und  Kupffur,  Wiener  Sltzunga- 
ichtc.  25.  Bd,  —  D  0  n  d  e  r  8  ,  Physiologie  des  Menschen.  2,  Aull.  1859.  308. 


616 


Mechanische  Arbeit  der  Vordauungsworkzeugo;  Dünndarm. 


er,  vorausgesetzt,  dass  er  durch  seinen  Inhalt  nicht  merklich  aus 
gedehnt  war,  geordnete  Bewegungen  (Calliburces).  Erhöht  sicL 
die  Temperatur  aber  auf  35"  C,  so  hören  die  Bewegungen  auf.  *. 

4.  Der  blossgelegte  Darm  eines  lebenden  Thieres  (namentlich  de 
Katze  und  des  Hundes,  nicht  selten  aber  auch  des  KanininchenS 
liegt  meist  voUkommmen  ruhig.  Dasselbe  sieht  man  häufig  an  dei 
Darm  eines  ebengetödteten,  und  namentlich  auch  des  durch  ehuK 
Herzstich  umgebrachten  Thieres.  Einige  Minuten  nach  dem  Tode, 
gefähr  zu  der  Zeit,  wo  das  Rückenmark  abstirbt,  geräth  der  Daai 
in  weit  verbreitete  pendelnde  und  '  fortschreitende  Bewegungen. 

5.  Unterbricht  man  nach  Bloslegung  des  Darms  den  Blutstrom  S 
dem  letztern  dadurch,  dass  man  die  Aorta  zudrückt,  so  fängt  dit 
bis  dahin  ruhige  Darm  an  sich  zu  bewegen  (Schiff).  Dieser  1^ 
tere  Erfolg  bleibt  übrigens  auch  oft  aus,  und  da  man  beim  Drue 
auf  die  Aorta  auch  leicht  darmbewegende  Nerven  reizt ,  so  ist  e 
wünschenswerth,  den  Versuch  mit  Sorgsamkeit  zu  wiederholen.  Nac 
vorübergehenden  Verschluss  der  ven.  portar.  soll  sich  zuweilen  au6 
Darmbewegung  einstellen  (Betz,  Donders).  — 6.  Durch  Reizung 
namentlich  durch  Aetzung  des  gglion.  coeliacum  lässt  sich  fa 
immer  eine  anhaltende  peristaltische  Bewegung  einleiten.  —  7.  Durc 
Reizung  des  Vagusstamlnes  am  Halse  kann  man  den  ruhende 
Darm  in  geordnete  Bewegungen  versetzen,  die  einige  Minui 
nach  dem  Eintritt  der  Reizung  beginnen,  sich  auf  ein  mehr  odä 
weniger  ausg'ebreitetes  Darmstück  ausdehnen,  resp.  an  verschied! 
nen  Orten  gleichzeitig  beginnen,  und  oft  während  noch  bestehendi 
Vaguserregung  wieder  aufhören,  noch  häufiger  aber  die  letztem 
tiberdauern.  Aber  die  Reizung  des  n.  vagus  hat  nicht  immer  diesi 
Erfolg.  Namentlich  bleibt  mit  seltenen  Ausnahmen  der  blossgel 
Darm  des  lebenden  Thieres  während  der  Vaguserregung  vollkomnl! 
ruhig;  erstickt  man  darauf  das  Thier,  so  wird  man  aber  sie 
einige  Minuten  nach  dem  letzten  Athemzug  auf  jeden  Induktioni 
reiz  des  n.  vagus  Bewegung  eintreten  sehen  (Valentin,  Wo 
Kupffer  und  C.  Ludwig).  —  8.  Die  Reizung  der  nn.  splanch 
kann  je  nach  Umständen  eine  vorhandene  peristaltische  BeweguBi 
zum  Schweigen  bringen  oder  den  ruhenden  Darm  zu  Bewegung» 
veranlassen.  Das  erstere  geschieht,  wie  Pflüger  entdeckte,  siohe^ 
aia.  lebenden  Kaninchen,  wenn  dessen  Darm  nach  Eröffnung  dei 
Unterleibshöhle  selbstständig  in  Bewegung  geräth.  Während  dej 
Darmruhe,-  die  der  erregte  splanchnicus  hervorbrachte,  kann  durcl 
jede  auf  den  Darm  selbst  angebrachte  Reizung  eine  rasch  vorüberj 


1^ 


Mechanische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge;  Dünndarm.  (317 


Ii  ende  Bewegung  eingeleitet  werden,  dagegen  kann  die  durch  den 
\  agus  veranlasste  Bewegung  nicht  entstehen,  so  lange  eine  ent- 
iH'hend  starke  Reizung  des  n.  splanchnicus  vorhält.  —  Ist  da- 
;en  das  Thier  abgestorben,  so  kann  man  einige  Minuten  nach 
11  letztem  Athemzug  durch  eine  vorsichtig  auf  den  n.  splanchni- 
^  beschränkte  Erregung  den  bis  dahin  ruhigen  Darm  zu  einer 
übergehenden  Bewegung  veranlassen  (Kupffer,  C.  Ludwig). 
'J.  Am  lebenden  Menschen  und  Thier  kann  die  Darmbewegung 

I  geschlossener  Unterleibshöhle  sichtbar  werden  entweder  bei 
-serordentlicher  Magerkeit  oder  mit  Hülfe  einer  Darmfistel  (C. 
ulwig,  Busch).  Hier  gewahrt  man,  dass  der  Darm  Zeiten  der 
lie  und  der  Beweghchkeit  hat.    Beide  Perioden  dauern  oft  Stun- 

II  lang.    In  der  Zeit  der  Beweglichkeit  folgen  sich  in  kurzen 
i-c'henzeiten  peristaltische  und  antiperistaltische  Gänge;  beim 

de  (Darmfistel  am  Ende  des  ileums)  wurden  nur  peristaltische, 
im  Menschen  (Darmfistel  am  Anfang  des  jejunum)  auch  antiperi- 
Uische  beobachtet.  Zur  Zeit  der  Beweglichkeit  kann  durch  sanfte 
mihrung  der  Schleimhautfläche  (also  auch  durch  die  Anwesenheit 
m  Speisen  und  Galle  u.  s.  w.)  jedesmal  eine  Bewegung  eingeleitet 
lerden.  Die  Beweglichkeit  tritt  ein  zur  Zeit  der  Verdauung,  aber 
!!  fehlt  auch  nicht  am  püchternen  Thiere ;  nach  mehrtägigem  Hun- 
rrn  kann  sie  sogar  sehr  häufig  und  anhaltend  auftreten.  Auch 
iieint  es  nicht,  als  ob  sie  an  Thieren  häufiger  wiederkehre,  deren 
..  splanchnici  durchschnitten  sind  (H  äfft  er).  Gewisse  Arz- 
iien  (die  drastischen  Abfühnnittel)  scheinen  begünstigend  auf  das 
^scheinen  der  Beweglichkeit  zu  wirken.  —  Die  Zeit  der  Ruhe 
aeint  namentlich  während  der  Nacht  anwesend  zu  sein,  selbst 
■mn  Speisen  genommen  wurden  und  kein  Schlaf  eintrat.  In  der 
ihezeit  kann  durch  selbst  kräftige  Berührung  der  Darmschleimhaut 
line  Bewegung  eingeleitet  werden  (Busch,  Schwarzenberg). 

Aus  diesen  Thatsachen  ergiebt  sich,  dass  der  Darm  in  seinen 
iiuten  ein  automatisches  und  zur  reflektorischen  Uebertragung  ge- 
Ihicktes  Organ  birgt,  dieses  ordnet  und  bestimmt  die  Bewegungen 
xs  Darms  je  nach  seinem  innern  Zustande.  Dieser  letzlere  wird 
«•er  geändert  durch  die  Erregungen  der  nn.  vagi  und  splanchnici, 
iirch  eine  Aenderung  der  Temperatur,  eine  solche  des  Blutstroms, 
■id  durch  gewisse  Arzneimittel  (?).  —  Je  nach  den  gerade  vorhan- 
imen  Eigenthümlichkeiten  des  Organs  können  namentlich  die  erreg- 
n  Nerven  Bewegung  auslösen,  oder  unterdrücken  oder  auch  voll- 
)mmen  wirkungslos  bleiben. 


|5t 


618  Mochanisclio  Arbeit  der  Verdauungsworkzeuge ;  Dickdarm. 

4.  Dickdarm. 

Dem  Verliältniss  seiner  Wandflächen  zu  seinem  Binnenraum 
gemäss  steht  er  in  der  Mitte  zwischen  Magen  und  Dünndarm.  Die 
auf-  und  absteigende  Richtung  seiner  Höhle,  welche  durch  die  Bauch 
fellanheftung  unverrtickt  erhalten  wird,  bedingt  nothwendig  die  Schei 
dung  des  flüssigen  und  festen  vom  gasförmigen  Inhalte,  indem  dei 
letztere  ebensowohl  vom  Coecum  als  vom  Rectum  gegen  den  Quet 
grimmdarm  emporsteigen  wird.  Die  Massen,  welche  einmal  atii 
dem  dlinnen  in  den  dicken  Darm  geti-eten  sind,  werden  durch  dä! 
häutige  Ventil  zwischen  beiden,  die  Valvula  Bauhini,  verbinde^ 
nach  dem  Ileum  zurückzukehren,  da  dasselbe  die  weitere  Müä 
dung  seines  tiichterförmigen  Hohlraumes  gegen  den  Dünndaiii 
kehrt.  Die  Last  des  Kothes  ruht  im  Beginn  des  Dickdarmes  nicl 
auf  dieser  Klappe,  sondern  auf  dem  Coecum,  weil,  sie  bekamfl 
lieh  wie  die  Mündung  des  Dünndarmes  selbst  an  der  Seitenwain 
des  Colon  angebracht  ist.  Der  im  Colon  asoendens  aufsteigend* 
Koth  findet  in  den  seitlichen  Buchten  (haustra)  Ruhepunkte,  weiii 
die  ihn  emporti'eibende  Bewegung  nachlässt.  Aus  diesen  muss  i 
wegen  ihrer  spiraligen  Anordnung  bei  wieder  beginnender  Bewe 
gung  nach  oben  gehen.  Der  Inhalt  des  absteigenden  Grimmdarmö 
wird  aus  demselben  Grunde  nicht  unmittelbar  nach  unten  sinkei 
Ist  er  aber  einmal  im  Mastdarme  angelangt,  so  drückt  er  nicht  lüi 
mittelbar  gegen  die  Oeffnung  desselben,  sondern  er  lastet,  so  lan] 
er  oberhalb  der  Blase  steht,  auf  dieser,  und  ist  er  hinter  sie 
langt,  auf  der  plica  transversalis  recti  und  der  Ausbiegung 
Kreutzbeines,  so  dass  er  selbst  durch  den  geöffneten  After  (nai 
Durchschneidung  oder  Lähmung  der  Sphinctern)  vermittelst  "d^ 
Schwere  nicht  ausgedrückt  wird  (Kohlrausch)*).  ' 

Auf  die  Bewegungen  des  Dickdarmes  findet  zum  grössten  Thf 
auch  das  beim  Dünndarme  Gesagte  Anwendung.  NachweissliS 
verschieden  sind  die  peristaltischen  Dickdarmbewegungen  dadurOT, 
dass  sie  nicht  durch  den  gereizten  n.  splanchnicus  besänftigt  wi 
den  können  (Pflüg  er).  —  Der  verbreiteten  Annahme,  dass  der  sphinfe 
ter  ani  durch  einen  stetigen  Schluss  den  Austritt  des  Kothes  hemmli 
steht  die  schon  angeführte  Wahrnehmung  des  gleichen  VerhalteflS 
bei  gelähmtem  Afterschliesser  entgegen;  aber  auch  in  vollkonimeD 
beweglichem  Zustande  ist  der  Anus  nicht  immer  gesperrt,  wie  maD 
bei  Touchiren  desselben  leicht  wahrnimmt.    Von  der  Haut  döi 


")  Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Becicenorgane.  Leipzig  1854.  p.  5.  n.  f. 


Bauchpresse. 


619 


tereinganges  kann  dagegen  sehr  leicht  eme  reflektorische  Bewe- 
ng  eingeleitet  werden.    Auffallend  bleibt  der  lange  Zeitraum, 
lohen  der  Koth  zu  seinem  Durchgange  durch  das  Colon  bedarf. 
5.  Bauehpresse. 

Der  Darminhalt  steht  endlich  noch  unter  dem  Einflüsse  der 
1  drückenden  Bauckmuskeln  und  der  Widerhalt  leistenden  Bauch- 
Dchen.  Zwei  Bauchmuskeln,  das  Zwergfell  und  der  quere  Bauch- 
iskel,  sind  so  aufgespannt,  dass  sie  bei  ihrer  Verkürzung  die 
ucheingeweide  unter  einen  allseitigen  Druck  versetzen,  ohne  dass 
'  eine  besondere  Eichtung  desselben  bevorzugten.  Dieses  wird 
iie  "Weiteres  aus  Fig.  71  verständlich,    welche  in  einem  sche- 

matischeh  Körper- Durch- 


Fig.  71. 


Fig.  72. 


schnitte  die-Faserrichtung 
des  Zwergfelles  (zz)  und 
des  m.  transversus  (tt) 
wiedergiebt.  — Neben  die- 
sen beiden  Muskeln  tragen 
aber  wesentlich  zur  Bil- 
dung der  Bauch  wand  die 
Obliqui  bei.  Der  äussere 
oder  absteigende  (cid)  in 
Fig.  72  giebt,  seinem  Far 
serverlaufe  entsprechend, 
den  Eingeweiden  neben 
einem  Drucke  gegen  die 
Wirbelsäule  auch  noch 
einen  solchen  gegen  das 
Zwergfell;  der  innere  oder 
aufsteigende  {aa)  muss 
dagegen  bei  seiner  Ver- 
kürzung den  Bauchinhalt 
nach  unten  ziehen;  wir- 
ken beide  gemeinsam,  so 
werden  sie  die  Bauch- 
höhle allseitig  verengern. 

In  Folge  der  aufge- 
zählten Pressungen  kann 
m  1.  der  Inhalt  der  Gedärme  weiter  bewegt  werden;  dieses  ge- 
iihieht  namentlich  bei  dem  Auf-  und  Abgange  des  Zwergfelles,  wie 
e  Ver-suche  an  Thieren,  denen  Darmfisteln  augelegt  wurden,  lehren. 


g20  Erbrochen.  | 

Ein  Draht,  der  in  eine  solche  gesteckt  ist,  wii-d  bei  jeder  Ein- 
athmung  nach  aussen  und  während  jeder  Ausathmung  nach  innen,) 
bewegt.  Da  diese  Bewegungen  während  der  verschiedenen  Aktj^ 
in  umgekehrter  Richtung  gehen,  so  heben  sie  sich  im  Enderfolg 
mehr  oder  weniger  auf.  Sie  sind  dagegen  insofern  bedeutungsvoll 
als  sie  den  flüssigen  Inhalt  von  den .  verschiedensten  Seiten  heji 
gegen  die  Darmwand  und  deren  Falten  anstossen.  —  2.  Die  Pressu% 
gen  werden  sehr  hülfreich  und  vielleicht  entscheidend  sein  für  di* 
Entleerung  der  Stoffe  aus  den  beiden  natürlichen  Mündungen  'd^ 
Darmkauales,  der  Mundhöhle  und  dem  After,  dem  Erbrechen  und 
Kothen. 

a.  Erbrechen.  Das  Auswerfen  des  festen  oder  flüssigen 
Mageninhaltes,  durch  die  Cardia  und  den  Schlund  in  die  Mundhöhle 
kann  unzweifelhaft  besorgt  werden  durch  jeden  heftigen  und  ins- 
besondere durch  jeden  allseitigen  Druck  auf  die  Bauchhöhle,  vor-^ 
ausgesetzt,  dass  der  Magenmund  und  der  Schlund  ofi'en  stehen. 
Dafür  bürgt  nicht  allein  der  geradlinige  Verlauf  des  Schlundes, 
sondern  es  ist  der  empirische  Beweis  dadurch  gegeben,  dass  man 
den  gefüllten  Magen  einer  Leiche  durch  einen  entsprechenden  Druck 
auf  die  Bauchhöhle  sogleich  entleeren  kann.  Darum  wird  also, 
wenn  der  Cardialsphincter  erschlafft  ist,  während  das  Diaphragma, 
mm.  transversus  und  obliqui  sich  zusammenziehen,  Erbrechen  statt? 
finden  können.  So  wenig  über  diesen  Punkt  gestritten  werden 
kann,  so  schwierig  ist  es,  zu  entscheiden,  ob  auch  während  de^ 
Lebens  das  Erbrechen  nur  unter  den  bezeichneten  Umständen  sicli 
ereignet,  oder  ob  nicht  noch  gleichzeitig  eine  Zusammenziehung 
des  Magens  hinzutritt.  Die  Schwierigkeit  liegt  einmal  darin,  dass 
ein  Thier  sich  noch  erbrechen  kann,  wenn  auch  die  Bauchhöhle 
desselben  eröffnet  wurde,  ja  wenn  ein  Theil  des  Magens  aus  der 
Bauchwunde  hervorgezogen  wurde;  zweitens  aber  wird  die  Ent- 
scheidung dadurch  erschwert,  dass  sich  während  des  Erbrechens 
die  Bauchmuskeln  jedesmal  kräftig  zusammenziehen.  Eine  Be- 
sprechung der  Literatur  und  der  in  Betracht  kommenden  Fragen 
findet  man  bei  Rühle*).  Die  Muskeln  der  Speiseröhre  bleiben 
während  des  Erbrechens  erschlaff"t,  insbesondere  aber  zeigt  sich 
keine  antiperistaltische  Bewegung  (WildJ,  die  man  früher  allge- 
mein annahm. 


•)  Traube,  Beiträge  zur  cxporimontcllen  Pathologie.  1.  Heft.  — Siehe  auch  Vnl  cnti  u'sLehr- 
buch  der  Physiologie.  1.  Bd.  273. 


Kothen.  Chemisclie  Arbeit  der  Verdauungssäfte. 


621 


lieber  die  Betheiligiing  der  Nerven  an  der  Breclibewegung  ist 
iir  bekannt,  dass  sie  reflektorisch  eingeleitet  werden  kann  durch 
iregnng  einiger  noch  nicht  genauer  bestimmten  Abtheilungen  des 
hlundes  und'  der  Zungen wurzel ,  durch  Bestreichen  der  Cardial- 
lileimhaut  des  Magens  und  durch  Heizungen  der  Peritonaealfläche 
CS  Magens,  des  Dünndarms,  des  Ureters  u.  s.  w.  —  Starke  Ge- 
liithsbewegtingen,  Ekelvorstellungen  u,  s.  w.  leiten  ebenfalls  das 
rbrechen  ein.  Nach  Durchschneidung  des  n.  vagus  kommt  ein  re- 
.  ktorisches  Erbrechen  nicht  mehr  zu  Stande  (Bulatowicz). 

b.  Das  Kothen.    Durch  die  Bauchpresse  kann  der  Koth  nur 
:um  aus  dem  Mastdarme  entleert  werden,  wenn  er  die  Darmhöhle 
Hin  S  romanum  an  bis  zum  Mastdarme  hin  füllt.    Enthielte  nur 
erstere  Darmstück  Koth,  so  würde  der  Druck  ihn  nicht  weiter 
irdern,  weü  derselbe  die  Schlingen  jenes  vom  Mastdarm  absperren 
.  iirde,  und  zwar  entweder  dadurch,  dass  ihre  Wände  gegen  ein- 
11  der  oder  gegen  die  Bauchwand  gepresst  würden.    Ist  aber  nur 
11  Mastdam  Koth  enthalten,  so  wirkt  der  Druck  nicht  mehr  auf 
III,  denn  das  Kectum  liegt  ja  grösstentheils  ausserhalb  der  Bauch- 
i'lile.    Von  der  Richtigkeit  der  letzteren  Behauptung  kann  man 
'i  li  jeden  Augenblick  überzeugen,   wenn  man  einen  beliebigen 
;^enstand  in  das  untere  Ende  des  Mastdarms  einführt,  so  dass 
er  noch  aus  der  Aftermündung  th eilweise  heiTorsteht ;  er  wird  durch 
iitoch  so  heftiges  Drängen  nicht  aus  dem  After  befördert.  —  Darum 
sst  auch  in  der  That  das  Kothen  der  Bauchpresse  nicht  allein  über- 
aassen;  insbesondere  ist  eine  thätige  Mitwirkung  der  peristaltischen 
>3ewegung  des  ganzen  absteigenden  Dickdarmes  und  dem  levator 
i!;ni  (dem  Afteröffher)  zugestanden.  'Wahrscheinlich  betheiligen  sich* 
iiuch  m.  coccygeus  und  transversus  perinaei  prof.  an  dem  Akte, 
welche  hinten  und  vorne  dem  andrängenden  Kothe  einen  Wider- 
iialt  entgegenstellen.    Siehe  Kohl  rausch  am  angezogenen  Orte. 

Chemische  Arbeit  der  Verdauungssäfte. 

Eine  chemische  Untersuchung  der  Umwandelungen,  welche  die 
^^5peisen  während  ihres  Aufenthaltes  im  Darmkanale  erfahren,  muss 
'ZU  ermitteln  suchen:  a)  den  Unterschied,  welcher  zwischen  der 
^Zahl  und  Anordnung  der  Atome  in  den  veränderten  und  unverän- 
dei-ten  Nahrungsstoifen  besteht.  Die  Zahl  der  Atome  hat  die  Ele- 
mentaranalyse festzustellen;  die  Anordnung  ist  darum  zu  berück- 
sichtigen, weil  die  Verdauungssäfte  meist  weniger  die  Zusammen- 
setzung als  die  Lösliclikeit,  die  Verwandtschaften  und  die  Spaltbar- 


622 


Chomisclie  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge;  Speichel. 


keit  der  einfacben  Nahiuugsstoffe  ändern.  —  b)  Es  ist  der  Einfiuss 
festzustellen,  den  jeder  einzelne  Drüsensaft  auf  jeden  einzelnen 
Nabrungsstoflf  ausübt.  Dabei  ist  zu  berücksicbtigen,  dass  jeder 
Drüsensaft  von  veränderlicber  Zusammensetzung-  ist,  es  müssen  also 
die  verschiedenen  Modifikationen  eines  und  desselben  Saftes  zur 
Prüfung  kommen;  da  ferner  jeder  Saft  ein  Geinenge  verschiedener 
Stoffe  ist,  so  muss  der  Versuch  gemacht  werden,  zu  ermitteln,  wie 
sich  jeder  einzelne  Bestandtheil  desselben  an  einer  durch  den  6e- 
sammtsaft  eingeleiteten  Veränderung  betheiligt;  ferner  erzeugt  zu- 
weilen ein  Saft  an  einem  und  demselben  Nahrungsstoff  mehrere 
Umwandlungen,  es  ist  also  festzustellen  die  Reihenfolge,  in  der  die 
betreffenden  Umformungen  geschehen,  und  in  wie  fern  dieselben 
bedingt  sind  von  dem  Aggregatzustande  und  den  isomeren  Modifi- 
kationen, in  denen  das  Nahrungsmittel  der  Einwirkung  des  Saftes 
ausgesetzt  wird.  Alle  diese  Beziehungen  müssen  natürlich  nach 
ihrem  Umfange  und  nach  ihrer  Geschwindigkeit  bestimmt  werden, 
mit  anderen  Worten,  in  welcher  Zeit  und  in  welcher  Menge  der 
Nahrungsstoff"  durch  die  Gewichtseinheit  des  Saftes  von  bekannter 
Zusammensetzung  umgeändert  wird.  —  c)  Darauf  wiü-de  zu  erle- 
digen sein,  welche  Veränderungen  ein  Nahrungsmittel  erfährt,  wenn 
es  der  Reihe  nach  mit  den  verschiedenen  in  Betracht  kommenden 
Säften  behandelt  wird,  oder  aber  wenn  die  natürlich  vorkommen- 
den Combinationen  der  Verdauungsflüssigkeiten  gleichzeitig  auf  das- 
selbe wirken.  —  d)  Endlich  müssten  mit  verschiedenen  quantitativ 
genau  bestimmten  Mengen  einfacher  Nahrungsmittel  (den  Speisen) 
dieselben  Versuche  vorgenommen  werden,  welche  für  jeden  einzel- 
*nen  Nahrungsstoff  vorgeschrieben  wurden.  In  allen  Fällen  würde 
angegeben  werden  müssen,  ob  und  welche  Verwandelungen  die 
Bestandtheile  der  Verdauungssäfte  selbst  erfahren  bei  dem  Einflüsse, 
den  sie  auf  die  Nahrungsmittel  üben. 

Nach  Beendigung  dieser  Vorversuche  wtirde  man  dazu  über 
gehen  können,  die  Veränderungen  zu  studiren,  welche  die  Nah 
rungsstoffe  in  den  einzelnen  Abtheilungen  des  Darmkanales  selb^-t 
erfahren,  und  die  Gründe  für  die  Abweichungen  und  Uebereinstiui- 
mungen  zwischen  natürlicher  und  künstlicher  Verdauung  aufzusuchen 

Die  Reihe  von  Versuchen,  welche  der  angegebene  Gang  vor- 
schreibt, ist  allerdings  gross  und  jeder  einzelne  meist  mühsam,  abo 
dennoch  ist,  wie  die  Geschichte  der  Wissenschaft  lehrt,  der  A^orgo 
zeichnete  Weg  der  kürzeste.    Wir  gehen  nun  dazu  über,  die  bis 
dahin  bekannt  gewordenen  Beobachtungen  aufzuzählen. 


Chemische  Arbeit  der  Verdauungswerkzeuge;  Speichel. 


623 


1.  Speichel*).  Aller  Speichel,  wie  und  wo  er  auch  gewonnen 
I  rd,  verhält  sich  als  ein  dem  Wasser  ähnliches  Lösungsmittel.  Für 
-sere  Zwecke  verdient  namentlich  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
-scher  Speichel  die  Fette  und  Eiweissstoffe ,  den  Rohrzucker,  das 
lammi,  Pectin  und  Cellulose  selbst  bei  längerer  Digestion  nicht 
;;hr  und  nicht  weniger  ändert,  wie  es  ein  reines  Wasser  vermag 

chwann,  Frerichs). 
Anders  verhält  sich  der  Speichel  dagegen  zu  rohem  und  ge- 
wehten Amylon.    Rohes  Amylon  vermag  er  bei  einer  Temperatur, 
-3  über  40"  liegt,  in  Dextrin  umzuwandeln  (Naegeli).  —  Ge- 
wehte Stärke  setzt  er  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  der 
3ihe  nach  in  Dextrin,  Traubenzucker,  Milch  und  Buttersäure  um 
..euchs,  Frerichs,  Schwann).  Obwohl  nun  die  letztere  Reihe 
i'-u  Umwandlungen  von  allen  Speichelarten  bewirkt  werden  kann, 

unterscheiden  sich  dieselben  doch  dadurch  von  einander,  dass 
te  einen  die  Zuckerbildung  schon  nach  wenigen  Minuten,  andere 
;ier  dieselbe  erst  nach  stundenlanger  Digestion  einleiten. 

Der  Parotisspeichel,  welcher  aus  dem  unverletzten  Ausführungs- 
iinge  des  gesunden  Menschen  aufgefangen  wird,  verwandelt  das  ge- 
wehte Amylon  rasch  in  Zucker  (Eckhard,  Ordenstein).  .Der- 
mige  dagegen,  welcher  aus  der  frisch  angelegten  Fistel  des  Pfer- 
^38  (Lassaigue,  Magendie,  Rayer)  oder  Hundes  (Bernard, 
iidder  und  Schmidt)  gewonnen  wird,  wirkt  äusserst  langsam, 
iieser  Unterschied  der  Wirkung  scheint  begründet  zu  sein  in  der 
ürschiedenen  Zusammensetzung,  welche  der  Saft  zeigt,  je  nachdem 
auf  die  eine  oder  andere  Weise  gefangen  wurde.    Der  aus  dem 
iirchschnittenen  Gang  (auch  des  Menschen)  aufgefangene  Speichel 
iithielt  nämlich  1,6  bis  0,5  pCt.  feste  Rückstände  (vide  p.  340), 
[jährend  der  von  Eckhard  und  Ordenstein  benutzte  aber  5,0 
ückstand  hinterlie'ss.    Für  diese  Deutung  spricht,  dass  zuweilen 
jidder  und  Schmidt),  wenn  auch  nicht  immer  (Frerichs) 
wässerige  Auszug  der  gl.  parotis  das  Amylon  rasch  umwandelt. 

Ein  Gemenge  von  Ohr-  und  UnterkieferdrUsenspeichel  (Gl.  Ber- 
äard)  wandelt  den  Kleister  sehr  allmählig  um;  eine  Mischung  aus 
Ihr-  und  Mundwandungsspeichel  verändert  denselben  zuweilen  rasch 


•)  Frerich's,  Handwörterbuch  der  Physiologie.  •Verdnuung.  p.  7G8.  —  B  1  dd  er  ti.  Schmidt, 
'■Jrdauungssäfle.  p.  14.   —  Schröder,  Succi  gastrici  huinani  vis  dlgcstlva.    Dorpat  ISnS.  — 
H  0  p  p  c ,  Vlrchow's  Archiv.  X.  Bd.  114.  —  Ordenstein  und  Kckliard,  In  des  letztem 
äiträgen  zur  Physiologie.  II.  Bd.  93  und  124.  —  Na  o  gell,  Die  Stiirkekörnor.  Zliricli  1854.  p.  93, 
>3  and  124.  —  Longet,  Traltd  de  physlologlo.  I.  2.  Abth.  171. 


624 


Verdauung  duroli  don  Speichel. 


(Jacubowitsch),  zuweilen  aber  auch  nur  sehr  laugsam  (Biddi 
Schmidt);  der  mit  Vorsicht  aus  der  Unterkiefer-  und  Unterzung. 
drüse  aufgefangene  Speichel   des  Menschen  bedingt  eine  rasei,! 
Zuckerbildung  (Longet);  ein  Gremenge  von  Mundwandungs-  uik 
Unterkieferdrüsenspeichel  endlich  führt  schon  nach  wenigen  Minul^  . 
eineUmwandeluug  des  Kleisters  in  Dextrin  und  von  daaus  inTrauli 
zucker  herbei;  bei  einer  dauernden  Berührung  beider  Stoffe 
die  Zuckergährung  in  die  Milch-  und  Buttersäuregährung  über.  K, 
den  Erfahrungen  von  Ordenstein  und  Eckhard  wird  es  noiu 
wendig ,  •  bei  künftigen  Versuchen  die  verdauende  Wirkung  deJI 
Speichels  und  seine  Zusammensetzung  immer  zugleich  zu  unter 
suchen. 

Den  reinen  Speichel  aus  der  Parotis  fängt  Eckhard  dadurch  auf,  dass  er  eü 
Eölirchen  in  die  Mündung  dos  duct.  stonon.  einlegt.  Statt  dieses  allgemein  anwend 
baren  Verfahrens  war  man  früher  auf  die  Benutzung  von  zuweilen  beim  Menschen  vor 
kommenden  Fisteln  beschränkt.  Bei  Thieren  gewinnt  man  den  Speichel  der  grösserei 
Drüsen  aus  den  durchschnittenen  Gängen;  den  Speichel  aus  den  Drüsen  in  der  Mund 
Wandung  gewinnt  man  gesondert,  indem  man  die  Ausführungsgänge  der  Parotiden  vau 
Submaxillaron  unterbindet.  Statt  dieses  Verfahrens  bedient  man  sich  auch  eines  was 
serigcu  Auszuges  der  einzelnen  DrUgen  oder  der  drüaenhaltigen  Mundschleimhaut.  — 
Die  Vermischung  des  Speichels  mit  Amylon  geschah  ausserhalb  der  Mundhöhle  ent 
weder  bei  der  gewöhnlichen  Zimmer-  oder  bei  der  normalen  Körperwärme.  —  Zu. 
Prüfung  auf  die  Umwandelung  des  Amylons  bediente  man  sich  der  Trommer'schei 
Probe  und  ergänzend  der  Reaktion  des  Jods  auf  Amylon ;  mit  dem  ersteren  erfahr 
man,  ob  Zuckerbildung  eingetreten,  die  letztere  giebt  darüber  Aufschluss,  ob  alli 
Stärke  in  Dextrin  oder  Zucker  verwandelt  ist,  indem  in  diesem  FaUe  die  blaue  Fär|| 
bung  vollkommen  ausbleibt. 

Zur  genaueren  Bestimmung  der  Wirkung  des  gemischten  Spei^f 
chels  auf  Amylon  dienen  noch  folgende  Angaben,  a)  Die  Einwii--'  j 
kung  des  Speichels  auf  das  rohe  Stärkekorn  geht  nicht  bei  gewöhu- ; 
Ucher  Temperatur  vor  sich ;  sie  beginnt  bei  40"  C,  d.  h.  einer  Wärme,,  j 
in  welcher  die  Stärke  noch  nicht  wie  bei  der  Kleisterbilduug  auf-lj 
schwillt.   Bei  der  genannten  Temperatur  löst  der  Speichel  zuersh^ 
die  Stärke  des  Korns  und  zwar  von  aussen  her,  zwischen  45  uiidij 
500  löst  sich  auch  die  Cellulose  des  Korns,  jedoch  langsam  (Nae-j, 
geli).    In  der  Lösung  ist  Dextrin  vorhanden.  —  b)  Das  gekochte/ 
zum  Kleister  aufgequollene  Korn  setzt  der  Speichel  schon  bei  gc^  ) 
wohnlicher  Temperatur  um,  die  dem  Amylon  verwandten  Stoffe, j 
Eohrzucker,  Gummi,  Pektin,  Cellulose,  lässt  er  unverändert  (Frc- 
richs).  —  c)  Die  Umwandelung  des  Kleisters  geht  noch  von 
statten,  wenn  der  alkalische  Speichel  neutralisirt  Avm-de;  ebeusc- 
wenig  wü-d  sie  gehemmt  dm-ch  einen  Zusatz  von  SO3 ,  CIH,  NO 


I 


Verdauung  durch  die  Magensäfte. 


625. 


säure,  saurem  Magensaft  bis  zur  stark  sauren  Reaktion  (Fre- 
•lis).  Ein  sehr  bedeutender  Säureüberschuss  stört  dagegen  die 
usctzung;  aus  diesem  Grunde  ist  die  Umwandlung  beendet,  wenn 
IFolge  der  weiter  gehenden  Zersetzung  bedeutendere  Mengen  des 
ikers  zu  Milchsäure  umgeformt  sind;  aber  auch  hier  beginnt  die 
?kerbildung  von  Neuem ,  wenn  die  Säure  mit  Natron  gesättigt 
•d  (Cl.  Bernard).  —  d)  Die  Stärkegährung  wird  nicht  beein- 
ichtigt  durch  ein  einmaliges  Aufkochen  der  Mischung  aus  Stärke 
Ii  Speichel,  durch  einen  Alkoholzusatz,  durch  Beimengung  von 
reniger  Säure  (Frerichs).  —  e)  Das  sogenannte* Ptyalin  Leh- 
,nn  ist  für  sich  angewendet  nicht  im  Stande,  die  Zuckerbildung 
^vorzurufen. 

Die  eigenthtimliche  Wh-kung  des  Speichels  auf  das  Amylon 
'igt  man  und  wohl  mit  Recht  von  einem  in  dem  erstem  ent- 
ttenen  Ferment  abzuleiten ;  dieses  Ferment  kommt  aber  nicht  wie 
m  angab,  mit  der  sog.  Diastase  überein;  dieses  beweist  Stae- 
Uer*)  dadurch,  dass  der  Speichel  bei  38"  bis  40"  C.  Salicin  in 
iigenin  und  Zucker  zerlegt,  was  die  Diastase  nicht  vennag. 

Da  den  Erfahrungen  von  Bidder  und  Schmidt  zu  Folge 
•  gemischte  Speichel  sehr  rasch,  schon  nach  wenigen  Minuten, 
cen  Kleisterbrei  theilweise  in  Zucker  umsetzt,  da  ferner  im  Munde 
mer  gemengter  Speichel  vorhanden  ist,  so  folgt  daraus,  dass  der 
ffeuthalt  in  der  Mundhöhle,  wie  er  z.  B.  zum  Zerkauen  des  Bredes 
Ihwendig  ist,  hinreicht,  um  die  Zuckerbildung  einzuleiten.  Diese 
-geruug  ist  von  Lehmann  und  Schröder**)  bestätigt  worden, 
Iche  eine  Minute  nach  Einführung  des  Kleisters  in  den  Mund 
•iker  auffanden.    Rohes  Stärkemehl  wurde  nicht  umgewandelt. 

2.    Flüssigkeiten  des  Magens. 

Die  in  den  Magen  gelangten  Speisen  kommen  dort  in  Be- 
i.rung  mit  dem  Magensaft;  diesen  letzteren  haben  wir  schon  als 

sehr  veränderliches  Gemenge  von  Speichel,  Labsaft  und  Magen- 
Heim  erkannt  (p.  362).  Ausser  den  genannten  Stoffen  sind  ihm 
fveilen  auch  noch  Galle,  Bauchspeichel  und  andere  Darmsäfte 
::gemischt,  die  durch  den  Pylorus  in  den  Magen  steigen.  Diese 
»atsachen  machen  es, nothwendig ,  von  den  Wirkungen,  welche 

einzelnen  Bestandtheile  jenes  Gemenges  auf  die  Speisen  aus- 
Bn,  auszugehen,  um  dann  mit  . Hülfe  dieser  Erfahrungen  abzu- 


»)  Chemisch.  Centrnlblatt.  1858.  10!). 
'  .••)  Ii  eh  mann,  Physlolog.  Chemie.  HI.  Bd.  p.  283. 
Ludwig,   Physiologie  II.  2.  Anflage. 


—  Schröder,  1.  c.  p.  9. 

40 


626 


Verdauung  durch  den  künstlichen  Labaaft. 


leiten,  was  entstehen  wird,  wenn  die  genannten  Stoffe  in  verstl 
denen  Verhältnissen  gemengt  sind.     Dabei  schliessen  wir  jediM  i  , 
einstweilen  noch  die  jenseits  des  Pylorus  gebildeten  Säfte  aus.  .1 

A.  Verdauung  durch  den  künstlichen  Labsaft*).  || 
Um  die  verdauenden  Wirkungen  des  von  anderen  Beimengui 
gen  möglichst  befreiten  Labsaftes  zu  erforschen,  hat  zuerst  Eberl 
ein  sicheres  Verfahren  angegeben.  Die  von  ihm  zu  Verdauungf 
versuchen  angewendete  Mischung,  welche  wesentlich  aus  Pepsi 
und  aus  einer,  sehr  verdünnten  wässerigen  Lösung  der  im  Mage 
vorkommenden  Säuren  (Salz-  oder  Milchsäure)  besteht,  pflegt  raa 
den  künstlichen  Labsaft  zu  nennen. 

E  b  e  r  1  e  bediente  sich  statt  des  Pepsins  geradezu  der  Magenschleimhaut ,  welel 
or  mit  verdünnter  Salzsäure  den  zu  verdauenden  Speisen  zusetzte.  Schwann  wende 
zuerst  einen  wässerigen  Auszug  der  vorher  gereinigten  und  in  Stücken  zerschnittenen  la 
drüscnlialtigen  Magensclileimhaut  an.  Aus  der  Lösung  fällte  er  das  Pepsin  mit  essigsaure 
Bleioxyd  und  zerlegte  dann  den  wohlausgewaschencn  Bleiniederschlag  mit  SH.  Eine  noi 
weitergehende  Reinigung  versuchte  Wassmann  dadurch,  dass  er  die  von  PbS  abfiltrii 
Flüssigkeit  eindampfte  und  mit  Alkohol  und  Pepsin  ausfüllte.  —  Das  gegenwärtig  i 
Handel  Vorkoniraende  Pepsin  ist  zum  Theil  wenigstens  nichts  anderes,  als  ein  Gemen 
von  Labzcllcn,  Epithelialzellon  u.  s;  w.,  welche  aus  der  vorhergereinigten  Magenschleii 
haut  des  Schlachtviehes  ausgedrückt  und  bei  niederer  Temperatur  getrocknet  wurdi 
Diesem  Gemenge  wird  noch  Amylum  zugesetzt,  theils  um  es  zu  verdünnen,  und  the 
um  es  weniger  hygroskopisch  zu  machen. 

Von  den  in  der  gewöhnlichen  Nahrang  vorkommenden  chen 
sehen  Verbindungen  lässt  der  künstliche  Labsaft  unberührt:  die  Hör 
Stoffe,  die  stärkeren  elastischen  Membranen,  die  Wachsarten,  d 
Fette  (?),  die  Cellulose(?),  die  holzige  Verdickungsschicht  der  Pfla 
zenzellen. 

In  Lösung  versetzt  er  die  in  Wasser  oder  verdünnten  Säuri 
löslichen  Proteinkörper,  die  Kohlenhydrate,  die  alkalischen  Salze  n 
fixen  Säuren  und  die  phosphorsauren  Erden.  Unter  Austreibung  d 
Säuren  zersetzt  er  die  Salze  mit  schwachen  oder  flüchtigen  Säure 

Eigenthtimlich  ist  sein  Verhalten  gegen  die  in  Wasser  und  v( 
dünnten  Säuren  löslichen  oder  unlöslichen  Eiweisskörper  und  gegi 
Leim  und  leimgebende  Stoffe.    Die  unlöslichen  Eiweissstoffe  löst 
auf,  die  in  alkalischer  Lösung  befindlichen  schlägt,  er  nieder,  n 

»)  Frviolis,  Verdauung,  In  Wiigners  Handwörterbuch,  m.  Bd.  1.  AbtUg.  —  Schwan 
Müllers  Archiv.  183G.  90,  —  Brücke,  Wieuer  akademische.  Sitzungsberichte.  XXXVn.  131- 
Muldor,  Archiv  für  hoUänd.  Beiträge.  II.  Bd.  1.  —  Knoop  Coopmanns  ibid.  I.  Bd.  !•  . 
Meissner,  Honle's  und  Pfeufors  Zeitschrift.  3.  Reihe.  VII.  ibid.  Vm.  und  X.  Bd.  —  Köbnd 
Dissertatio  de  sacchari  cannae  mutatiou.  etc.  Breslau  1859.  —  J.  Hoppe,  Arohiv  dir  pathol  t 
Anatomie.  X.  Bd.  144. 


Lösung  der  Eiweisskörper  durch  den  Labsaft.- 


627 


•  clauu  wieder  zu  lösen.  Alle  Eiweisskörper  aber,  gleichgültig 
1  sie  durch  den  Magensaft  in  Lösung  bleiben,  oder  erst  in  eine 
Iche  gebracht  werden  müssen,  verändert  er  in  ihren  chemischen 
ai  tionen,  wenn  sie  längere  Zeit  mit  ihm  in  Berührung  bleiben. 

Die  unlöslichen  Leimstoife  verwandelt  er  dagegen  einfach  in 
üche. 

Einer  Besprechung  der  in  Betracht  kommenden  Einzelheiten 
die  Bemerkung  vorauszuschicken,  dass  sich  die  folgenden  An- 
Iben auf  die  Wirkung  einer  Verdauung'sflUssigkeit  beziehen,  die 
was  weniges  Pepsin,  0,05  bis  etwa  0,3  pCt.  Salzsäure  und  100  Th. 
iiasser  enthält. 

Bei  der  Betrachtung  der  verdauenden  Wirkungen  des  künst- 
Hien  Labsaftes  auf  die  Eiweisskörper  ist,  wie  erwähnt,  ausein- 
iderzuhalten  die  Lösimg  und  die  chemische  Umwandlung. 

Aus  einer  frischen  Albumin -Lösung  (Eiereiweiss  und  Blut- 
•ram)  wird  durch  den  künstlichen  Labsaft  ein  geiinger  Theil 
i-s  flüssigen  gefällt,  der  grösste  Theil  dagegen  bleibt  in  Lösung. 

Gelöstes  Kalialbuminat,  Casein  und  Legumin  werden ,  indem  die 
isalische  Reaktion  verschwindet,  gefällt,  der  erzeugte  Niederschlag 
i?t  sic^f  aber  wieder  in  der  im  Ueberschuss  zugesetzten  sauren 
llissigkeit.  Es  verhält  sich  also  dieser  Stoif  gegen  das  Verdauungs- 
imisch  ähnlich  wie  gegen  eine  sehr  verdünnte  Salzsäure.  —  Un- 
Ikochter  Kleber,  Muskel-  ünd  BlutfaserstofF  werden  bei  gewöhn- 
Iher  Lufttemperatur  von  dem  Verdauungsgemisch  rasch  gelöst. 
Iis  diesen  Stoffen,  namentlich  aus  Kleber-  und  Blutfaserstoff  zieht 
e3  verdünnte  Säm-e  bei  niederer  Temperatur  bekannthch  einen 
vweisskörper  aus,  während  der  grösste  Theil  derselben  nur  anf- 
üllt und  sich  sehr  allmählig  löst.  —  Gekochte  Eiweissstoffe  (Al- 
t.min,  Muskel-  und  Blutfaserstoff)  lösen  sich  ebenfalls  im  Verdauungs- 
emisch  auf,  während  sie  bei  niederer  Temperatur  von  der  verdünn- 
!Q  Säure  gar  nicht  angegriffen  werden. 

Die  in  dem  künstlichen  Labsaft  gelösten  Eiweissstoffe  tragen 
och  deutliche  Zeichen  ihres  Ursprungs ;  namentlich  sind  diejenigen 
irper,  welche  vor  dem  Kochen  zur  Lösung  kommen,  dadurch  aus- 
izcichnet,  dass  sie  aus  dem  neuti-alisirten  Verdauungsgemisch  bei 
!r  Siedehitze  gerinnen,  während  dieses  die  vpr  der  Verdauung 
'  jkochten  nicht  thun  (E.  Brücke). 

Die  Erschieinungen,  welche  man  während  und  unmittelbar  nach 
er  vollendeten  Lösung  wahrnimmt,  gewähren  den  Anschein,  als 
)  die  letztere  in  einer  durch  Aufquellen  veranlassten  sehr  feinen 

«  40« 


628 


Sättigungsniederschlag  und  Poptone. 


Vertheilung  der  Eiweissmoleküle  bestehe.    Denn  es  lösen  sich  di, 
Eiweissstoffc  am  leichtesten  in  einem  Verdauungsgemisch  von  soIcli> 
Säuregehalt,  der  auch  ohne  Zusatz  von  Pepsin  sie  am  vollstäud 
sten  und  leichtesten  quellen  macht;  sie  lösen  sich  ferner  um 
leichter,  je  weniger  sie  durch  mechanische  Mittel  am  Quellen  , 
hindert  vi^erden.  Nach  erfolgter  Lösung  sind  die  Flüssigkeiten  m. 
trüb  und  polarisiren  das  Licht,  sie  enthalten  also  spiegelnde  ] 
tikeln  (E.  Brücke). 

Dauert,  nachdem  die  Lösung,  resp.  Vei-mischung  des  Eiw» 
Stoffes  mit  künstlichem  Labsaft  eingetreten,  die  Einwirkung 
letzteren  noch  fort,  so  empfangen  die  Eiweisskörper  zunächst  di 
Eigenschaft,  welche  sie  auch  erhalten,  wenn  sie  unter  dem  EintI 
der  Wärme  in  Salzsäure  gelöst  waren,  namentlich  werden  sie  y 
aus  der  Lösung  durch  Neutralisation  der  Säure  ausgefällt.  Dii 
Niederschlag  führt  den  Namen  Sättigungs-Niederschlag  (Schwai 
Mulder,  Brücke).  —  Dieser  Zustand  dürfte  bei  den  gekocli 
Eiweissstoffen  und  den  aus  Kaliverbindungen  gefällten  schon 
rend  der  Auflösung  eintreten..    Beim  ungeronnenen  Eiweiss  eri< 
sein  Eintritt  in  der  Kälte  nur  allmähhg,  bei  der  Blutwärme  dagc  : 
rascher. 

Verweilen  endlich  die  Eiw'eissstoffe  mehrere  Stunden  oder  a 
Tage  lang  in  dem  künstlichen  Labsaft  und  iiwar  in  einer  der  E 
temperatur  nahestehenden  Wärme,  so  verwandeln  sie  sich  in 
sogenannte  Peptone  (Schwann,  Lehmann,  Mialhe).  — 
der  sah,  dass  nach  einer  96  Stunden  lang  fortgesetzten  Digesi 
alle  bisher  genannten  Eiweisskörper  aus  der  Lösung  nicht  in 
niedergeschlagen  werden  konnten  durch  Kochen,  durch  Am  CO-2,  ^ ' 
PbOAc,  Blutlaugensalz  undNaOSOs.    Sie  konnten  dagegen  gel 
werden  durch  Gerbsäure,  Cl- Wasser,  Sublimat.  Der  beim  Eintn' 
nen  der  Lösung  verbleibende  Rückstand  konnte  durch  kochen 
und  kalten  Alkohol  in  drei  verschiedene  Körper-  gespalten  werd« 
eine  Thatsache,  die  schon  Schwann  erwähnte.  Es  scheint  jed« 
als  ob  die  Peptone,  welche  ursprünglich  aus  verschiedeneu  Eiwc 
Stoffen  hergestellt  waren,  auch  Verschiedenheiten  darböten;  jeden! 
Hessen  sich  die  verschiedenen  Eiweisskörper  ungleich  leicht  in  I 
tone  umwandeln.    So  konnte  mit  nur  verdünnter  Säure,  also  n 
Ausschluss  des  Pepsins  digerirt,  sehr  leicht  in  Pepton  umgestt 
werden  Legumin;  schwieriger  Muskel-  und  Blutfibrin;  wahrscbn 
lieh  ohne  Beihülfe  des  Pepsins  gar  nicht  gekochtes  Albumiu  m 
gekochter  Kleber. 


Veränderliches  Lösungsverraögen  des  Labsaftos. 


629 


Wesentlich  verschieden  lauten  die  Angaben  von  Meissner, 
lieh  ihm  soll  gekochtes  und  rohes  Albumin  und  Muskelfibrin  beim 
ptonisiren  zerfallen  in  Pepton,  Meta-  und  Parapepton  und  das 
-sein  soll  ausser  den  genannten  noch  ein  viertes  Produkt  geben, 

Dyspepton  *).  Neben  diesen  Produkten  bildeten  sich  aus  allen 
itersuchten  Eiweisskörpern  noch  eine  grössere  oder  geringere 
enge  eines  anderen  StolFgemenges  (Extrakte).  —  Dys-,  Para-  und 
ttapepton  sind  gerade  sowie  das  Pepton  Endprodukte  der  Ver- 
luung,  d.  h.,  es  können  die  erstem  durch  noch  weiter  fortgesetzte 
igestion  mit  künstlichem  Labsaft  nicht  in  Pepton  umgewandelt 
lerden;  und  jede  Art  von  Eiweisskörper  soll  ein  quantitativ  be- 
mders  zusammengesetztes  Gemenge  jener  Stoffe  geben.  So  geben 
!B.  100  Theile  Muskelfibrin  Pepton  und  Metapepton  =  44,2  Th., 
irapepton  =  17  Th.  und  Extrakte  =  38  Th.;  —  100  Th.  Casein 
:gegen  Pepton  und  Metapepton  =  78  Th.,  Parapepton  ==  2  Th., 
^spepton  =  26  Th.  —  Der  erstere  Theil  dieser  Angabe,  dass 
imlich  jene  Para-,  Meta-  und  Dyspeptone  Endprodukte  der  Ver- 
tuung seien,  ist  in  geradem  Widerspruch  mit  den  Erfahrungen, 
m  Brücke  und  Mulder,  welche  bei  genügender  Dauer  der  Di- 
sstion  Alles  in  Peptone  übergehen  sahen. 

Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Lösung  und  Umwand- 
ng  der  Eiweisskörper  erfolgt,  ändert  sich  mit  der  Art  und  dem 
::gregatzustand  der  letztern,  ferner  mit  dem  Gehalt  der  Verdauungs- 
'Ssigkeit  an  Pepsin  und  Säure,  ferner  mit  der  Menge  von  Eiweiss- 
offen,  welche  in  Folge  der  andauernden  Verdauung  in  einem  be- 
Ihränkten  Volum  Labsaft  schon  in  Lösung  übergegangen  waren, 
•ner  mit  mancherlei  andern  Zusätzen,  welche  dem  Labsaft  bei- 
mengt wurden,  und  endlich  mit  der  Temperatur  des  letztern. 

Insofern  das  Verdauungsgemisch  überhaupt  auf  die  unlöslichen 
loffe  lösend  wirken  soll,  muss  es  mit  Säuren,  und  da  wir  hier 
trerst  nur  die  CIH  betrachten,  mit  dieser  Säure  versetzt  sein, 
r.ne  ungesäuerte  oder  eine  früher  saure  und  dann  mit  KO  oder  NaO 
«Titralisirtc  Pepsinlösung  ist  nicht  wirksamer  als  reines  Wasser. 


•)  Pnra-,  Meta-,  Dyspepton  nnterschcidct  Meissner  folgendermaasscn  : 

Parapepton  hat  alle  Eigenschaften  des  in  einer  Säure  gelösten  Eiweissltörpers ,  des  oben 
nannten  Sättigungsnledcrsehlag» ,  ausgenommen,  dass  es  ans  der  schwach  sauren  Lösung  niclit 
rch  Alkoliol  fiillbnr  ist.  •  ■ 

Metapepton  ist  aiv  einer  gchwacli  sauren  Liisung  durch  geringe  Mehrung  der  Säure  fällbar, 
-er  nicht  durch  Ncntraliaation,  sonst  ist  es  unverändert  gelösten  EiweissstolTen  sehr  ähnlich. 

Dyspepton.  Aus  dem  durch  die  Verdauung  aufgciöstcm  Casoln  fällt  bei  weiterer  Digestion 
1  mit  Fett  vermengter  unlöslicher  Eiweisskörper  heraus ;  er  .ist  etwas  schwerer  löslich  in  vor- 
iinnter  SUure  als  das  Ciiseln;  sonst  thoilt  er  die  meisten  seiner  EigonBchanen. 


630 


Aendcrung  des  Lösungsvormögens  durcli  den 


Mit  dem  Anwachsen  des  Säuregehaltes  nimmt  die  lösende  KiMV 
der  Mischung  erst  zu  und  dann  wieder  ab;  d.  h.,  innerhalb  ein 
Grenzen  des  Säuregebaltes  kommt  dem  Labsaft  ein  Maximum  ( 
Verdauuugsfäbigkeit  zu ;  hat  die  Säure  diesen  Werth  nicht  erreicln, 
oder  tiberschritten,  so  ist  das  Lösungsvermögen  des  Saftes  vermin 
dert.    Das  für  die  Verdauung  günstigste  Verhältniss  zwischen  L;i Ii 
saft  und  Säure  ist  jedoch  nicht  für  alle  Eiweisskörper  dassell 
Für  frisches  Blutfibrin  liegt  es  bei  0,8  bis  1,0  Säure  auf  1000  ■ 
Verdauungsgemisch  (Brücke).     Kleber  (K.  Koopmanns)  i 
Casein  (Meissner)  scheint  bei  einem  ähnUchen  Gehalt  an  Sii 
am  besten  verdaut  zu  werden ;  gekochtes  Albumin  mit  einem  solcl 
von  1,2  bis  1,6  pr.  Mille  Säure  (Brücke).  Einen  ähnlichen  Siii 
gehalt  scheint  auch  das  gekochte  Fibrin  zu  verlangen  (?).  — 

Beispielsweise  folgen  zwei  Tabellen  aus  den  Yerdauungsversuchen  von  B  r  ü  r 
Die  erste  bezieht  sich  auf  die  Verdauung  einer  frischen  Fibrinflocke  aus  Ochsenblutfc 
die  zweite  auf  eine  kleine  Scheibe  aus  gekochtem  Eiweiss.    Die  Zahlen  bedeuten,  wi 
viel  Säure  1000  Theile  des  Vordauungsgemisches  enthielten.    Sie  sind  nach  der  Zei 
geordnet,  in  welcher  die  Auflösung  beendet  war;  die  Reihe  beginnt  mit  derjenige 
Mischimg,  welche  am  raschesten  löst: 


I.  Fibrin.  II.  Gekochtes  Albumin. 

0,86  1,60 

0,44  3,21 

1,66  0,80 

2,04  6,41 

2,90  .  12,82 

3,70  20,04 


Statt  mit  Salzsäure  kann  das  Verdauungsgemisch  auch  durch  einen  Zusate  ^ 
Milch-,  Essig-,  Schwefel-,  Salpeter-  und  Phosphorsäure  wirksam  gemacht  werden;  Q| 
scheint  jedoch,  als  ob  jede  dieser  Säui-en  in  einem  andern  Verhältniss  als  der  SaU^ 
säure  angewendet  werden  müsste,  damit  der  Labsaft  sein 'Maximum  von  Yerdauungijji 
fähigkeit  erhalte  (Valentin).  Meissner  giebt  an,  dass  ein  Verdauungsgemisci |t 
von  1  bis  2  pCt.  wasserfreier  Milchsäure  noch  nicht  so  wirksam  sei  als  ein  solchitli 
mit  0,1  bis  0,2  pCt.  Salzsäure.  Schwefelige  und  arsenige  Säure  sollen  in  jedem  Veiti 
hältniss  unwirksam  sein;  ebenso  saure  Salze  wie  namentlich  der  saure  phosphorsauii 
Kalk.  Ii 

Welchen  Pepsingehalt  die  Verdauungsfltissigkeit  besitzen  mus« 
damit  dieselbe  mit  merklicher  Geschwindigkeit  lösend  wirke,  isl 
unbekannt.  Bekannt  ist,  dass  weniger  als  1  Theil  Pepsin  «M 
60,000  Theile  verdünnter  Säure  genügt^  um  Stücke  geronnene» 
Eiweisses  in  wenigen  Stunden  bei  Blutwärme  zu  verflüssigen.  BeB 
schleunigt  wird  die  Auflösung  durch  eine  Steigerung  des  Pepsing«! 


Gehalt  an  Säure  und  Pepsin. 


631 


Ites  in  der  Verdauungsfiiissigkeit ;  die  Beschleunigung  der  Ver- 
imng  wächst  jedoch  hingsanier  als  die  Zunahme  des  Pepsinge- 
'tes,  so  dass  es  scheint,  als  ob  durch  eine  fortgesetzte  Anhäufung 
>  Pepsins  in  dem  Labsaft  die  Lösungsgeschwindigkeit  alsbald 
ein  Maximum  geführt  werde,  über  das  hinaus  sie  nicht  noch 
iter  durch  einen  Pepsinzusatz  erhöht  werden  kann  (Brücke), 
endet  man  statt  eines  möglichst  reinen  ein  mit  andern  Eiweiss- 
rpcrn  verunreinigtes  Pepsin  an,  so  kann  sogar  die  Lösungsge- 
I windigkeit  vermindert  werden,  wenn  der  Pepsingehalt  vermehrt 
1(1.  Dieser  schädliche  Einfluss  der  Pepsinvermehrung  kann  durch 
10  stärkere  Ansäuerung  der  Flüssigkeit  Avieder  zum  Schwinden 
nimen.  —  Auch  scheint  es,  als  ob  die  Fähigkeit  des  Labsaftes, 
'  Kiweisskörper  noch  weiter  ?u  verwandeln,  beeinträchtigt  Averden 
iiiie  durch  einen  Pepsingehalt,  der  im  Verhältniss  zum  Säuregrad 
fj  Gemisches  zu  gross  war  (Meissner). 

Wie  sich  die  Geschwindigkeit  der  Verdauung  mit  dem  Gehalt  des  Labsaftes  an 
ppsin  ändert,  zeigen  die  nachfolgenden  Versuche  von  Brücke.  Sie  sind  bei  einer 
wnperatur  von  18"  bis  20"  C.  angestellt;  der  aufzulösende  Stoff  war  Fibrin,  die 
tissigkeit  enthielt  0,1  pCt.  Säure.  Der  Pepsingehalt  der  zweiten  zur  Beobachtung  ge- 
nmmenen  Probe  war  doppelt  so  gross  als  der  der  erstem,  der  der  dritten, doppelt  so 
>-)8s  als  der  der  zweiten  u.  s.  f.  War  also  die  Pepsinmenge  der  ersten  Lösung  x,  so 
tx  die  der  zweiten  2x  u.  s.  f. 

I.  Pepsingchalt.  Vcrdauniigszcit.  H.  Pcpsingelialt.  Verdamingszoit. 

X  45  Minuten  x  45  Minuten 


Von  zwei  Proben  flüssigen  Eiweissos ,  die  mit  gleich  viel  Säure ,  aber  ungleich 
(31  Pepsin  versetzt  werden,  wandelt  sich  die,  welche  weniger  Pepsin  enthält,  rascher 

Is  die  andere;  namentlich  kann  aus  der,  welche  weniger  Pepsin  enthält,  durch 
■  =  .umpfung  der  Säure  schon   zu  einer  Zeit  ein  Niederschlag  erhalten  werden,  in 
jfelcher  die  pepsinreichere  keinen  gewahren  lässt.    Wird  aber  der  letzten  Plüssigkcit- 
'ich  mehr  Säure  zugesetzt,  so  ist  sie  jetzt  befähigt,  die  Umwandlung  so  rasch  her- 
Tsizuführen  wie  die  an  Pepsin  und  an  Säure  ärmere.  — 

Einen  BegrilT  von  der  grossen  Wirksamkeit  doB  Pepsins  giebt  die  Erfnhnnig  von 
•rerichs,  welcher  mit  1,2  Th.  Labdrüsenextrakt,  das  wohl  kaum  zur  Hälfte  aus  Pepsin 
^««tand,  100  Theile  trocknen  geronnenen  Eiweisses  löste. 


:   Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Auflösung  der  festen 
'Uweissstoflfc  in  einer  beschränkten  Menge  von  Labsaft  vor  sich 
•eht,  nimmt  mit  der  fortschreitenden  Verdauung  ab  (Schwann).  . 
')iese8  hat  zwei  Gründe,  einmal  wird  die  Säure  unwirksam  durch 
Ue  in  Lösung  übergegangenen  Eiwcissstoffe ;  dieses  wird  dadurch 


2x 
4x 
8x 


30 
20 
20 


2x 
4x 
8x 


20 
15 
10 


632 


Auflösung  dos  Leims. 


bewiesen,  dass  man  von  vorneherein  einer  sonst  gut  verdauendi 
Miscbiing  die  Lösungsfähigkeit  rauben  kann,  wenn  man  ihr  löslicbi 
Eiweiss  zusetzt.  Sie  kann  wieder  verdauungsfähig  werden,  weii 
man  die  Säuremenge  mehrt  (Brücke).  Durch  dasselbe  Mittel  kai 
aber  auch  die  durch  die  fortschreitende  Verdauung  selbst  unwii 
sam  gemachte  Verdaunngsfllissigkeit  wieder  wirksam  werden,  ab 
nicht  für  die  Dauer.  Denn  allmählich  erlischt  trotz  des  Nachsäuen 
die  verdauende  Kraft  der  Mischung,  vermuthlich  darum,  weil  aiv 
das  Pepsin  unwirksam  geworden. 

Der  Labsaft  vermag  ferner  nur  so  lange  die  Eiweiss-  und  Leimstoffe  aufzulösen! 
als  er  Pepsin  mit  solchen  Eigenschaften  enthält,  die  es  im  frischen  Zustande  darhietei 
Diese   Bedingung  wird  aber  aufgehoben  durch  die   Anwesenheit^  von  conceutrirten 
Säuren,  verdünnter  Gerb-,  schwcfeliger,  arseniger  Säuro ,  Motallsalzcn ,  Alaun,  Kreosot, 
concentrirtem  Alkohol ,  durch  einmaliges  Kochen  des  Labsaftes. 

Die  Salze  des  natürlichen  Labsaftes  und  "die  häufig  in  ihm 
vorkommenden  Fette  und  löslichen  Kohlenhydrate  haben,  so  weit 
bekannt,  im  verdünnten  Zustande  keinen  Einfluss  auf  den  Lösuiigs- 
prozess  (Lehmann).  Sind  die  Salzlösungen  so  concentrirt,  dass 
sie  die  Quellung  der  zu  lösenden  Eiweisskörper  hindern,  so  wirken 
sie  schädlich. 

Die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  der  Labsaft  die  Eiweiss- 
stoflfe  löst  und  umsetzt,  wird  mit  der  Temperatur  gesteigert;  bei 
einer  zwischen  35^  bis  45'^  C.  gelegenen  Wärme,  also  in  einer  derm 
Blutwärme  naheliegenden  scheint  er  zum  Maximum  seiner  Wkk-H 
samkeit  zu  gelangen.  j| 

Leim  und  leimgebende  Gewebe  löst  die  aus  Pepsin  imdH 
verdünnter  CIH  bestehende  Mischung  auf ;  leichter  den  Leim  als  die 
leimgebenden  Gewebe  und  von  diesen  wieder  das  gekochte  und  das 
collagene  rascher  als  das  chondrigene  (Frerichs).  Die  Auflösung 
verhält  sich  genau  so  wie  eine  auch  ohne  Zuthun  des  Pepsins  ver- 
fertigte Lösung  jener  Stoffe  in  verdünnten  Säuren  (Mulder).  Sonst 
gelten,  so  weit  bekannt,  alle  für  das  Eiweiss  geraachten  Erfahrun- 
gen auch  für  den  Leimstoff. 

Zur  Theorie  der  L ab  s aftwirkung.  Der  Labsaft  unter- 
scheidet sich  in  seinen  Wirkungen  von  der  reinen  verdünnten  Säui-e 
dadurch,  dass  er  das,  was  die  letztere  langsam  oder  nur  unter 
Beihilfe  einer  erhöhten  Temperatur  vollbringt,  rasch  und  bei  niederer 
Temperatur  vollführt.  Man  hat  also  hier  eine  durch  das  Pepsin 
unterstützte  Wirkung  der  Säure  vor  sich.  I 


Ist  das  Pepsin  ein  Ferment? 


633 


Um  die  Art,  wie  das  Pepsin  Hülfe  leistet,  nocb  genauer  zu  be- 
Bamen,  hat  man  seit  Scliwann  die  Annahme  gemacht,  dass  das 
psin  ein  Fermentkörper  sei.  Dazu  wurde  man  bestimmt,  1)  weil 
in  dasselbe  für  einen  Eiweisskörper  hielt,  die  bekanntlich'  sehr 

jht  zu  Fermenten  werden.  Aber  seine  Eiweissnatm*  ist  durch- 
i3  unerwiesen,  ja  sie  wird  nach  den  Angaben  von  Mulder*) 
r;ar  unwahrscheinlich.  —  2)  Einen  zweiten  Grund  für  die  Ferment- 
[ipothese  fand  man  darin,  dass  sehr  kleine  Mengen  von  Pepsin 
ar  grosse  Mengen  von  Eiweiss  lösen  und  umwandeln  können, 
eese  Erfahrung  sagt  aber  nur  aus,  dass  man  es  hier  nicht  mit 
ler  nach  Aequivalenten  vor  sich  gehenden  chemischen  Verbindung 

thun  habe ;  keineswegs  aber,  dass  eine  Gähruug  vorhanden  sei. 

3)  Eine  Reihe  von  chemischen  Körpern  und  physikalischen  Ein- 
ssen,  welche  die  milchsam-e  und  alkoholische  Gährung  aufheben, 
rnichteu  auch  die  lösende  Kraft  des  Labsaftes;  diese  Analogie 

jedoch  nicht  vollständig,  immerhin  aber  bleibt  sie  bemerkenswerth. 

4)  Wie  in  Fermentationsgemischen,  so  wii'd  auch  das  Verdauungs- 
misch  während  der  andauerden  Lösung  allmählich  unwii'ksam. 
eese  Thatsache  würde  nur  dann  eine  Aehnlichkeit  mit  der  Gäh- 
ag  begründen,  wenn  erwiesen  wäre,  dass  das  Verdauungsge- 
ssch  darum  seine  Ki'äfte  einbüsste,  weil  das  Pepsin  durch  die 
rtschi-eitencje  Verdauung  zerstört  wurde.    Dieses  wäre  aber  um 

nothwendiger,  da  noch  eine  andere  Erklärung  für  jene  That- 
zhe  vorliegt,  die  nämlich,  dass  die  in  Auflösung  gekommenen 
Weisskörper  eine  schädliche  Wirkung  ausüben.  —  Bedenkt  man 
jgesichts  dieser  geringen  Beweismittel,  dass  dem  Pepsin  die  Fä- 
;;keit  abgeht,  sich  während  der  Verdauung  neu  zu  erzeugen 
360),  wie  es  doch  die  Fermenten  während  der  Gährung  thun, 
wird  man  zum  Mindesten  eingestehen  müssen,  dass  die  Hypo- 
'ise  von  Schwann  nicht  erwiesen  ist. 

Dasselbe  gilt  von  einer  zweiten  Unterstellung,  welche  annimmt, 
»SS  das  Pepsin  mit  der  Salzsäure  sich  zu  einer  besondern  Säure, 
um  Chlorpepsinwasserstoff,  gepaart  habe  (Schmidt),  welcher  ein 
rrzügliches  Lösungsmittel  für  Eiweissstoffe  sei.  Da  auf  direktem 
eg  das  Dasein  einer  solchen  Säure  nicht  bewiesen  wurde,  so 
ichloss  man  ihr  Vorhandensein  aus  der  Beobachtung,  dass  ein  ge- 
■sscr  Gehalt  des  Labsaftes  an  Pepsin  auch  ein  gewisses  Säure- 
'lass  fordere,  damit  das  Gemisch  lösungskräftig  wird  (Meissner). 


•  •)  Archiv  fUr  liollSna.  Beiträge.  IL  Bd.  9. 


634 


Magonschlßira.    Natürlicher  Magensaft. 


Wie  dieses  aber  für  das  Bestehen  und  die  Wirksamkeit  der  liypo. 
thetisclien  Säure  etwas  beweisen  kann,  ist  unIdar.  Denn  wenn 
auch  beim  Vorhandensein  überschüssigen  Pepsins  nicht  die  ganze 
Menge  desselben  in  die  gepaarte  Säure  eingeht,  so  musste  doct 
der  wirklich  gebildete  Antheil  der  letzten  lösend  wirken.  Diese 
Thatsache  kann  viel  eher  bedeuten,  dass  das  in  das  Gemisch  ge- 
brachte Pepsin  nicht  rein,  sondern  mit  Eiweisskörpern  vermengt 
war;  unter  dieser  Voraussetzung  vnirde  die  Erfahrung  mit  der  andern 
zusammenfallen,  dass  ein  Zusatz  von  frischem  Eiweiss  auch  eine 
sonst  wirksame  Verdauungsflüssigkeit  abtödten  kann. 

B.  Magen  schleim.  Der  aus  den  Schleimdrüsen  des  Magens 
gepresste  Saft,  wie  auch  der  wässerige  Auszug  derselben  verhält 
sieh  neutral  und  angesäuert  inditfereut  'gegen  Eiweiss-  und  Leün-J 
Stoffe  (Wassmann,  Göll).    Wie  er  sich  gegen  die  übrigen  NjJi-l 
rungsmittel  stellt,  ist  unbekannt.  Ii 

Verdauung  mit  natürlichem  Magensaft  ausserhalb  deal 
Magens.  Das  Saftgemenge,  wie  es  aus  Magenfisteln  beim  Meuschenl 
und  Thiere  gewonnen  werden  kann,  verändert  unter  gar  kcineEl 
Umständen:  Fette,  Gummi,  Pektin,  Cellulose,  elastisches  und  ham 
niges  Gewebe.  Gegen  andere  einfache  Nahrungsstoffe  verhält  e " 
sich  je  nach  seinen  Eigenschaften  verschieden. 

a.  Alkalischer  Magensaft ;  abgesehen  von  zurückgetretener  Gallo  f 
und  von  Bauchspeichel  kann  er  bestehen  aus  reichlich  abgesonder  t 
tem  Schleimsaft,  namentlich  bei  Magenkatan-h ;  aus  einem  Gemenge I 
von  viel  verschlungenem  Kopfspeichel  mit  neutralem  oder  saurem  I 
Labsaft;  vielleicht  auch  aus  einem  von  den  oberflächlichen  Magern ii 
gefässen  gelieferten  Exsudat ;  F.  Hoppe  vermuthet,  dass  dasLetzii 
tere  vorkomme,  wenn  eine  concentrirte  Kochsalz-  oder  Znckenl 
lösung  in  den  Magen  gebracht  wird.  Die  Benutzung  eines  solcheitt 
Gemenges  zu  Verdauungsversuchen  hat  so  lange  keinen  recbtent 
Werth,  als  man  nicht  in  jedem  FaU  seine  Zusammensetzung  angebe  ' 
kann.  Wollte  man  mit  einem  solchen  Gemisch  Versuche  anstelle 
so  würde  es  vortheilhafter  sein,  es  künstlich  zusammenzusetzen. 

Der  alkalische  Saft  des  nüchternen  Magens,  der,  wahrscbein  > 
lieh  vorzugsweise  aus  Speichel  besteht,  verhält  sich  dem  Auiyl«" 
und  Zucker  gegenüber  wie  gemischter  Speichel;  die  ungekoclH' 
Stärke  greift  er  nicht  an,  die  gekochte  verwandelt  er  in  Zuclu 
und  diesen  (Rohi--,  Trauben-,  Milchzucker)  in  Milchsäure.  Der  bein 
Magenkatarrh  abgesonderte  schleimige  Saft  wandelt  Eohrzucker  " 
Traubenzucker  um  (Köbner).  —  lieber  die  Folgen,  welche 


Wirkung  des  alkalischon  und  sauren  Magensaftes. 


635 


festen  EiwcissstofFe  aus  der  Berührung  mit  dem  alkalischen 
gensaft  hervorgehen,  widersprechen  sich  die  Erfahrungen.  Nach 
ddder  und  Schmidt*)  verhält  sich  der  neutrale  oder  alkalische 
gensaft  des  Hundes,  vorausgesetzt,  dass  er  als  solcher  aus  dem 
ggen  genommen  wurde,  gleichgültig  gegen  die  genannten  Stoffe; 
'kh  Versuchen  von  Schr,öder**)  mit  menschlichem  Magensafte 
I  dagegen  die  alkalische  Reaktion  durchaus  nicht  hinderlich  der 
<chen  Auflösung  des  gekochten  Hühnereiweisses  und  Fleisches. 
!ese  letztere,  allen  künstlichen  Verdauungsversuchen  so  sehr  wider- 
vechende  Thatsache,  scheint  auf  einen  grundsätzlichen  Unterschied 
iischen  der  künstlichen  oder  natürlichen  Verdauung  oder  minde- 
ms  auf  eine  bedeutende  Lücke  in  unsern  Kenntnissen  über  die 
ttur  der  menschlichen  Magensäfte  schliessen  zu  lassen.  Vielleicht 
Lilärt  sich  die  Erscheinung  auch  dadurch,  dass  Darmsäfte,  die 

alkalischer  Reaktion  verdauen,  in  den  Magen  zurtickgestiegen 
Iren. 

b.  Der  saure  Magensaft,  ein  Gemenge,  in  welchem 'der  Lab- 
rt  überwiegt,  ist  um  so  weniger  geeignet,  gekochtes  Amylon  und 
i'cker  umzuwandeln,  je  relativ  weniger  Speichel  er  enthält;  in 
Urem  Magensaft  geht  also  die  bezeichnete  Umwandlung  langsam 
ü  in  i'echt  saurem  so  gut  wie  gar  nicht  mehr  vor  sich.  Stumpft 
in  die  Säure  ab,  so  gewinnt  er  dagegen  wieder  die  Fähigkeit, 
(cker  in  Milchsäure  überzuführen  (Frerichs).    Rohrzucker  ver- 
er  weder  vor  noch  nach  der  Neuti-ahsation  in  Traubenzucker 
vemandeln  (Köbner).  —  Eiweissstoffe  löst  er;  die  Versuche 
la  Bidder  und  Schmidt  an  Hunden  und  von  Schröder  am 
inschen  geben  übereinstimmend  an,  dass  im  Allgemeinen  ein  saurer- 
Ilgensaft  um  so  reichlicher  gekochtes  Eiweiss  und  Fleisch  auflöst, 
mehr  er  Kali  zu  seiner  Sättigung  bedarf,  mit  anderen  Worten, 
saurer  er  ist.  Wird  die  Säure  abgestumpft ,  so  büsst  der  Magen- 
ft  des  Hundes  und  wie  es  scheint  auch  der  des  Menschen  sein 
f-nnögen  ein,  auflösend  auf  Eiweissstotfe  zu  wii-ken. 

Hundert  Theile  natürlichen  Magensaftes  vom  Hunde  waren  im 
lande,  höchstens  4,0  Theile  (Schmidt  und  Bidder),  100  Theile 
>8  sauren  menschlichen  Magensaftes  höchstens  0,4  Theile  (Schrö- 
ir)  trockenen  Eiweisses  zu  lösen. 

Bidder  und  Schmidt  stellten  ilirc  quantitativen  Verdauungsvorsuche  in  der 
i'ise  an,  dass  sie  durchfeuchtete  Eiiveiss-  und  Floischstücke  von  bekanntem  Gchalto 


•)  I.  c.  p.  79.  Vcr«.  XIV. 

'*)  1.  c.  p.  18.  Vers.  Ul.  3.  IV,  VIII.  1.  2.  u.  s.  w, 


636 


Natürliclie  Magonvordauung. 


an  festem  Kückstand  bei  einer  Temperatur  von  40"  C.  so  lange  mit  Terschiodenealil 
Probon  bekannter  Gewichtsraeiigon  von  Magensaft  in  Berührung  Hessen,  als  dieser  nochü 
irgend  etwas  aus  ihnen  zu  lösen  vormochto.    Darauf  wurde  der  ungelöst  geblieLcni 
Antheil  flltrirt  und  getrocknet.    Man  erhielt  damit  das  Gewicht  des  aufgelösten,  j, 
Säuregehalt  bestimmten  sie  aus  der  Menge  von  Kali,  welche  nothwendig  war ,  um  deiii 
Saft  vollkommen  zu  neutralisiren.    Wenn  die  freie  Säure ,  wie  beim  Hunde ,  nur  aml 
Chlorwasserstoff  besteht ,  so  ergiebt  sich  allerdings^  die  Menge  dieser  letzteren  ,  wennj 
aber,  wie  beim  Menschen,  die  freien  Säuren  aus  rerschiodenen  gemengt  sind,  so  g^Jj 
niigt  natürlich  dieses  Verfahren  nicht  (Schröder).    Zu  den  oben  zusammengestelltenÄ 
Thatsachen  muss  wiederholt  bemerkt  werden ,  dass  selbst  der  Magensaft  des  Hunden 
sich  nicTit  in  dem  direkten  Verhältnisse  als  eiweissauflösend  erweist,  in  welchem  eiH 
Kali  zu  seiner  Neutralisation  bedarf.  |f 

Natürliche  Magenverdauung.    Die  Verdaimngsresultatj 
der  Nahrimgsmittel  im  lebenden  Magen  des  (Hundes  oder  Menschen 
bestätigen  meistens  die  der  künstlichen  Verdauung.    So  ist  z.  B 
erklärlich,  dass  der  Magen  nach  dem  Genüsse  gekochten  Amylons 
bald  Zucker  enthält  (Frerichs,    Lehmann,  Bouchardat, 
Sandras  u.  A.),  bald  auch,  dass  er  ihm  fehlt  (Blondlot,  Schraid 
u.  A.),  weil  je  nach  dem  Uebervviegen  des  Labsaftes  oder  Speicheli 
die  Umwandlung  der  Stärke  geschehen  oder  unterbleiben  muss 
Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Umwandlung  des  Trauben-  ud( 
Rohrzuckers  in  Milchsäure,  welche  zuweilen  beobachtet  (Frerichs 
Lehmann,  Bouchardat),  zuweilen  vermisst  ist  (Frerichs 
Schmidt);  allerdings  scheint  das  letztere  häufiger  zu  sein,  wie  er 
klärlich,  weil  schon  eine  geringe  Beimengung  von  Labsaft  den 
Speichel  das  umwandelnde  Vermögen  zu  entziehen  vermag.  —  Dm 
Rohrzucker  wird  im  gesunden  Hundemagen  niemals  in  Trauben« 
zucker  verwandelt;  findet  man  den  letztern  nach  dem  Genuss  dm 
Rohrzuckers,  so  ist  jedesmal  eine  andere  Quelle  desselben  nacli/ 
weisen  (Köber). 

Sehr  merkwürdig,  aus  den  vorliegenden  künstlichen  Verdauuii^:.- 
versuchen  vollkommen  unverständlich,  sind  die  Beobachtungen  voi  ^ 
Frerichs*)  und  Schmidt,  wonach  zuweilen  Buttersäure-,  z« 
weilen  auch  schleimige  und  Alkoholgährung  im  Magen  vorkomm 
kann;  das  Auftreten  der  beiden  letzteren  war  aber  auch  inm 
mit  Kraukheitszuständen  verknüpft.    Vereinzelt  steht  noch  die  A 
gäbe  von  Marc  et**),  dass  im  Magen  der  Hunde,  die  mit  neutrahi 
Fetten  gefüttert  ^yurden,  Fettsäuren  auftreten  sollen. 

Eiweissstolfe  und  insbesondere  gekochtes  Hühuereiweiss,  werdoi ' 
im  Magen  rascher  aufgelöst,  als  ausserhalb;  dieses  lässt  sich 

•)  1.  c.  803. 

Medicnl  Times  nnd  Gazette  1868.  ^  • 


Entstehen  bei  derselben  Peptone  ? 


637 


ton  aus  mancherlei  Gründen,  z.  B.  aus  der  stetigen  Erneuerung 
5  Magensaftes,  aus  der  Entfernung  der  mit  dem  umgewandelten 
iweiss  geschwängerten  Lösung  durch  den  Pylorus,  dem  Umrühren 
!3  Mageninhaltes  in  Folge  einer  Bewegung  der  Wandung  u.  s.  w. 
ee  Beobachtungen  hiertiber,  welche  von  Bidder  und  Schmidt 
Ii  Hunde,  von  Schröder  am  Menschen 'angestellt  sind,  lehren 
cch,  dass  Eiweissstticke ,  die  in  einen  Magen  gelegt  werden,  der 
T  12  bis  20  Stunden  die  letzte  Mahlzeit  aufgenommen  hatte,  in 
m  ersten  2  Stunden  ihres  Aufenthalte's  weit  mehr  an  Gewicht  ver- 
rren,  als  in  den  2  darauf  folgenden  Stunden,  und  in  diesen  wieder 
bhr  als  in  2  auf  diese  kommenden.  Daraus  folgt,  dass  in  einem 
ijigen,  der  einige  Zeit  geruht  hat,  die  zur  Verdauung  des  Eiweis- 
H  nöthigen  Bedingungen  am  mächtigsten  wirken.  —  In  Ueber- 
listimmung  mit  seinen  künstlichen  Verdauungsversuchen  fand  C. 
oopmanns,  dass,  wenn  gekochtes  Eiweiss,  roher  und  gekochter 
leber  in  Säckchen  eingeschlossen,  durch  den  Mund  in  den  Magen 
I  bracht  würden,  von  beiden  immer  ungleich  viel  aufgelöst  wurde, 
ild  war  der  Kleber,  bald  das  Eiweiss  in  der  Lösung  weiter  vor- 
5schritten= 

Die  Frage,  ob  die  verflüssigten  Eiweissstoffe  im  Magen  in  Pep- 
ne  umgewandelt  werden,  oder  ob  sie,  bevor  es  geschehen,  schon 
m  dort  entfernt  sind,  kann  nicht  vollkommen  beantwortet  werden, 
«her  ist,  dass  das  verzekrte  flüssige  Albumin  noch  als  solches 
useits  des  Pylorus  angetrofl"en  wurde  und  zwar  so  wenig  verän- 
rrt,  dass  es  nicht  einmal  den  Sättigungsniederschlag  gab.  Gehen 
?3  verflüssigten  Eiweissstofie  immer  so  rasch  durch  den  Magen, 
te  es  in  dem  später  zu  erwähnenden  Fall  einer  Dünndarmfistel 
>8chah  (Busch),  so  würden  selbst  Caseinlösungen,  die  sich  nach 
leissner  am  schnellsten  zu  Peptonen  bilden,  nicht  Zeit  haben, 
la  jene  Umwandlungen  zu  erleiden. 

Ueber  die  Veränderungen,  welche  die  gemischten  Nahrungs- 
))ffe  (Speisen)  im  lebenden  Magen  erfahren,  besitzen  wir  zuver- 
issige  Beobachtungen  nur  von  Frerichs"  und  Schröder.  Das 
)iatsächlichste  ihrer  Untersuchungen  ist  kurz  folgendes.  Aus  der 
den  Magen  gebrachten  Milch  gerinnt  rasch  der  Käsestoff,  dar- 
Hf  verlässt  das  Milchserum,  ob  durch  die  Wandung  oder  den  Py- 
Tus  ist  ungewiss,  die  Magenhöhle,  so  dass  ein  aus  Käsestoff  und 
«tt  bestehender  Klumpen  zurückbleibt,  der  allmählich  von  der  den 
»genwänden  zugekehrten  Fläche  gegen  sein  Centrum  hin  verän- 
ert  wird.    Eine  genauere  Untersuchung  der  veränderten  Massen 


638 


Verdauung  aSf ^gewöhnlichen  Speisen. 


lässt  erkennen,  dass  die  Wände  der  Milcliktigelchen  aufgelöst  m 
den,  während  das  Fett  des  Inhaltes  zu  grösseren  Tropfen  zusam 
menflicsst,  ohne  dass  es  eine  chemische  Veränderung  erfährt.  I) 
Kalksalze  der  Milch  lösen  sich  auf.  —  Das  Muskelfleisch  zi, 
fällt  nach  Auflösung  des  Bindegewebes  in  die  einzelnen  Muskel 
röhren;  dieselben  zerbröckeln  sich  dann  in  kurze  Stückchen ,  der 
Länge  dem  Abstände  zweier  benachbarten  Querstreifen  entspricl 
der  Muskel  wird  also  in  seine  Scheiben  zerlegt.    Diese  letzt« 
werden  allmählich  aufgelöst,  jedoch  niemals  vollkommen,  sali 
wenn  man  sie  durch  eine  Hülle,  durch  welche  sie  eingeschlos^ 
werden,  zwingt,  möglichst  lange  in  dem  Magen  zu  verweilen  (?).  1 1 
aus  dem  Muskel  hervorgehende  Lösung  zeigt  zuweilen  die  Eigi 
Schaft,  durch  die  Hitze  zu  gerinnen,  zuweilen  aber  fehlt  auch  d 
selbe.  Kalbfleisch  löst  sich  rascher,  als  Ochsenfleisch  (Sehr öde 
Gekochtes  oder  gebratenes  Fleisch  erfährt  die  bezeichnete  Umwam 
lung  rascher  als  rohes;  nach  Frerichs  darum,  weil  der  Magi 
saft  leichter  in  die  Zwischenräume  eindringen  kann.   Diesem  ei 
gegen  beobachtete  Schröder,  dass  vom  menschlichen  Magensai 
ausserhalb  des  Magens  das  rohe  Fleisch  rascher  aufgelöst  wer« 
—  Die  Kalksalze  lösen  sich  auf  und  werden  zum  Theil  aus  ihr 
Verbindung  mit  den  Eiweisskörpern  getrennt,  wie  sich  daraus  ergie; 
dass  dieselben  durch  Neuti-alisation  der  sauren  Lösung  gefällt  w« 
den.  —  Aus  den  Knochen  wird  die  leimgebende  Substanz  ai.i 
gelöst,  während  der  grösste  Thcil  der  Kalksalze  als  eine  krümlicln  ' 
Masse  ungelöst  bleibt;  ihr  Verhalten  im  Magensafte  gleicht  al- 
durchaus  nicht  dem  in  einer  verdünnten  Säure  (?).  —  Das  AmyL 
des  Brodes  wird  in  Dexti-in  und  Zucker  umgesetzt,  wenn  aber, 
häufig,  das  Brod  nicht  ausgebacken  ist,  so  dass  es  noch  rohe, 
der  Hitze  nicht  alterirte  Amylonkörner  enthält,  so  werden  diese  v« 
dem  Magen  nicht  angegriffen;  die  Eiweissstofife  des  Brodes  lösen 
sich,  —  Hülsenfrüchte  und  Kartoffeln  erfahren  dieselbe  Um  i 
Wandlung ,  aber  langsamer  und  .meist  auch  unvollkommener ,  wci  i 
die  holzige  Zellenmembran,  welche  das  Amylon  und  die  Eiweiss  t. 
Stoffe  umschliesst,  dem  Eindringen  der  auflösenden  Säfte  emer» 
Widerstand  entgegensetzt.    Die  das  Amylon  der  Kartoffeln  uui 
schliessende  Zellhaut  findet  sich  häufig,  trotzdem  dass  ihr  Inhalt  vc 
schwunden  ist,  noch  unverletzt.  Da  die  Kartoffeln  vorzugsweise  haut! 
eine  Stärke  enthalten,  welche  nicht  in  den  aufgequollenen  Zustai 
versetzt  ist,  so  findet  sich  oft  Tage  laug  nach  dem  letzten  Gcnuss 
dieser  Speise  noch  unveränderte  Stärke  im  Magen  des  Mensclieu. 


Zusammensetzupg  des  Chymus  im  Magen. 


639 


Von  der  Verdaulichkeit  der  Speisen  im  Magen.  Be- 
3ksichtigt  man  bei  der  Frage  nicht  die  Zeit,  sondern  nur  über- 
lupt,  ob  eine  oder  die  andere  Speise  im  Magen  gelöst  werden 
mne,  so  beantwortet  sie  sich  aus  dem  Vorstehendem  von  selbst, 
ollte  man  aber  feststellen,  welche  Gewichtsmengen  dieser  oder 
iier  Speise  in  der  Zeiteinheit  aufgelöst  werden,  so  würde  man 
tenbar  angeben  müssen:  die  chemische  Zusammensetzung,  den 
.•gregatzustand ,  die  Vertheilung  und  Mengung  der  Speisen  mit 
idereu  unverdaulichen  Stoffen ;  ferner  den  jeweiligen  Gehalt  des 
ngensaftes  an  Speichel,  Pepsin,  Säure,  Wasser  u.  s.  w.,  die  Ge- 
iiwindigkeit  der  Absonderung,  den  Wechsel  der  Zusammensetzung 
rr  Säfte  mit  der  Absonderungszeit  und  vielleicht  noch  manches 
ädere.  Demnach  lässt  sich  über  die  gestellte  Frage  nicht  allein 
■'  jetzt  gar  nichts  aussagen,  sondern  es  fällt  dieselbe  demnächst 
tch  gar  nicht  in  das  Bereich  des  vernünftigen  Experimentes,  da 
iin  die  geforderten  Bedingungen  zur  Erzielung  der  Vergleichbar- 
iit  weder  constant,  noch  messbar  variabel  machen  kann. 

Missbräuchlich  hat  man  aber  auch  unter  Verdaulichkeit  die 
ifenthaltszeit  der  Speisen  im  Magen  verstanden,  welche  in  gar 
iiner  Beziehung  zur  Auflöslichkeit  zu  stehen  braucht,  da  ja  auch 
Iiikommen  unverdauliche  den  Magen  verlassen.  In  diesem  Sinne 
mmt  die  Verdaulichkeit  nur  Rücksicht  auf  den  Druck,  unter  dem 
!i  Speisen  in  dem  Magen  liegen,  und  den  Widerstand  im  Pfört- 
rr.  Die  Mittheilungen,  die  über  die  Verdaulichkeit  in  diesem 
iine  gemacht  worden,  sind  bei  Frerichs*)  nachzusehen,  welcher 
;  zuerst  auf  ihren  wahren  Werth  zurückgeführt  hat. 

Der  Chymus  oder  der  Speisebrei,  welcher  durch  den  Pfört- 
rr  den  Magen  verlässt,  verdient  schliesslich  noch  einige  Aufmerk- 
irakeit.  Unter  Voraussetzung  einer  Nahrung  aus  gekochten  Mehl-, 
vweiss-  und  Leimarten,  Fetten,  Blutsalzen  und  Wasser,  gemengt 
tt  Holzfaser,  Horn-  und  elastischen  Stoffen,  Kieselsäure  u.  s.  w., 
rrd  der  Chymus  einen  Brei  darstellen,  der  bald  mehr,  bald  we- 
rter Flüssigkeit  enthält;  die  Menge  dieser  letzteren  wird  sich 
idern  mit  dem  Gehalte  der  Speise  an  Wasser,  dem  Ergüsse  von 
äjrdauungssäften  in  den  Magen  und  der  Löslichkeit  der  Nahrungs- 
offc  in  den  Magensäften.  Hier  muss  jedoch  schon  angemerkt 
'irden,  dass  nicht  die  ganze  Menge  von  Flüssigkeit,  welche  in 
m  Magen  geliefert  wurde,  diesen  letzteren  auch  wieder  durch  den 


»)  1.  c.  817. 


ß^Q  Flüssigkeiten  dos  Uünndams;  Galle. 

Pförtner  verlässt,  weil  in  die  Venen-  und  Lymphgefässe  desselb^ 
sogleich  ein  Theil  jener  Flüssigkeit  eintritt.  Die  unaufgelösten  Be- 
standtlieile  des  Breies  werden  ihrer  Grösse  nach  variiren  mit  der 
Zerkleinerung,  welche  die  festen  Nahrungsmittel  durch  die  Zähne 
erfahren  haben,  mit  dem  Vermögen  der  Magensäfte  die  Speisen 
anzufressen,  und  dem  Widerstande,  den  der  Pförtner  bei  gegebenen 
Bewegungen  der  Magenmuskeln  zu  leisten  vermag.  —  Die  Zusam- 
mensetzung der  Chymusflüssigkeit  wird  sich  immer  charakterisiren 
durch  ihren  Gehalt  an  Säuren  und  je  nach  den  genossenen  Nah- 
rungsmitteln an  Zucker,  Dextrin,  Eiweisstoifen,  Leim  und  Fetten; 
die  ungelösten  StotFe  werden  dagegen  bestehen  zum  Theil  aus  ganz 
unlöslichen  Bestaudtheilen ,  Holzfasern,  Epithelialschuppen ,  elasti- 
schen Geweben,  Kieselsäure,  Kalkerde  u.  s.  w.,  zum  Theil  auch 
aus  löslichen,  aber  noch  nicht  gelösten  Speiseresten,  insbesondere! 
aus  Fleisch-,  Eiweiss-  und  Bindegewebss"tückchen,  aus  Amylon  nndl 
Krümeln  von  Kalksalzen.  Daraus  geht  hervor,  welch  mannigfal-| 
tige  Gestaltung  dem  Chymus  zukommen  kann.  " 

3.   Flüssigkeiten  des  Dünndarmes.  it 

Künstliche  Dünndarm  Verdauung,    a.  Die  von  Schleim« 
und  Farbstoff  befreiten  g  a  1 1  e  n  s  a  u  r e  n  Salze  des  Ochsen  ver-1 
mögen  das  gekochte  und  rohe  Amylon  sehr  allmählig  in  Trauben* 
zucker  umzuwandeln  —  das  hyocholinsaure  Natron  (C54H43NiOi(iM 
der  wesentliche  Bestandtheil  der  Schweinegalle  löst  rohes  Amylon  j 
leicht  auf  (Nasse)*).  —  Der  in  der  gereinigten  Ochsengalle  auf- 
gelöste Zucker  erleidet  keine  Veränderung  (Lehmann).  —  Die 
frischen  Blutkörperchen  der  Menschen,  Säugethiere  und  Vögel  wer-*' 
den  durch  die  gallensauren  Salze  leicht  aufgelöst  (Kühne)**). 

b.  Die  Blas  engalle  (Galle  und  Schleim)  setzt  den  Zucken  j 
unter  den  Erscheinungen  der  Fäulniss  sehr  allmählich  in  Milchsäure»  j 
um  (Meckel,  Schiel);  Fettsäuren  löst  sie  in  geringer  Menge,! j, 
während  sie  die  neutralen  Fette  unverändeit  lässt.  Eine  Einwir-). 
kung  auf  die  anderen  Speisen  ist  nicht  beobachtet. 

c.  Ein  reichlicher  Zusatz  von  Galle  zu  dem  Magensäfte  ( 
raubt  diesem  die  Befähigung,  geronnene  Eiweisskörper  aufzulösen: 
geschieht  die  Beimischung  nach  vollendeter  Auflösung,  z.  B.  zu  dvr 
durch  Filtration  von  dem  Chymus  geschiedenen  Flüssigkeit,  so  winl 
die  Fäulniss,  welche  sonst  leicht  in  der  Flüssigkeit  eintritt,  i; 


»)  Arohiv  fiii-  genieinsclinftliclic  Arbeiten.  IV.  4lTi. 
Arcliiv  dir  patliolog.  Anatomie.  XIV.  310. 


Verdauung  durch  Bauchspeichel  und  raucreasextract.  641 

Bnmt  (H.  Hoffmann).   Die  Galle  soll  in  diesem  Falle  nach  den 
gaben  von  Scherer  und  Frerichs  auch  dem  aufgelösten 
weisse  seine  Fähig-keit,  durch  Hitze  zu  gerinnen,  wiedergeben, 
iie  Thatsache,  die  von  Lehmann  und  Schmidt  bestritten  wird. 

d.  Der  reine  Bauchspeichel  und  der  Pankreasauszug  verwan- 
lln  das  rohe(?)  und  gekochte  Amylon  sehr  rasch  in  Zucker  (Va- 
mtin*),  Bouchardat,  Sandras);  diesen  selbst  aber  nicht  in 
ilchsäu^re  (Lassaigne):  der  Bauchspeichel  zerlegt  bei  Gegen- 
üirt  freier  Alkalien  die  neutralen  Fette  auf  dem  Wege  der  Gährung 
Oelsüss  imd  Fettsäuren  (Bernard);  mit  den  Fetten  geschüt- 
tt emulsirt  er  sie  permanent,  d.  h.  es  bleiben  die  durch  SchUt- 
m  entstandenen  Fetttröpfchen  getrennt  (Eberle,"  Bernard). 

Zu  künstlichen  Verdauungsversuchen  der  Eiweissstoffe  **)  be- 
ttzt  man  verschiedene  aus  dem  Pankreas  abstammende  Produkte 
imentlich  den  natürlichen  aus  dem  Gang  autgefangenen  Saft,  oder 
ra  wässerigen  Auszug  aus  der  Drüsenmasse  eines  nüchternen  oder 
loes  zuvor  gefütterten  Thieres,  oder  endlich  die  wässerige  Auflö- 
ing  des  Pankreatins.  Der  letztere  Name  bezeichnet  einen  nicht 
Iher  umschriebenen  Köi-per,  der  durch  PbOAc  aus  dem  Wasser- 
iszug  der  Drüse  niederzuschlagen  ist,  und  der  darauf  als  eine  in 
Vasser  lösliche  Substanz  durch  Zerlegung  des  Bleiniederschlags 
iieder  gewonnen  werden  kann ;  ein  andermal  nennt  man  auch  Pan- 
■'•eatin  die  durch  Alkohol  aus  dem  wässerigen  Pankreasinfusum  ge- 
lllten  Gemenge  (Corvisart). 

Gekochtes  Eiweiss,  Muskel  und  Blutfibrin,  gefälltes  Gasein,  der 
i  ittigungsniederschlag  des  in  künstlichem  Labsaft  gelösten  vorher 
"ironnenen  Eiweisses,  beziehungsweise  das  Parapepton  dieses  letz- 
rren  und  däs  Dyspepton  des  Caseins  werden  gelöst,  und  nachdem 
•  eses  geschehen,  in  peptonähnliche  Körper  umgewandelt  durch 
le  wässerige  Lösung  des  Pankreatins,  vorausgesetzt,  dass  dieselbe 
«hr  schwach  angesäuert  und  das  Pankreatin  aus  der  Drüse  eines 
Verdauung  begritfenen  Thieres,  namentlich  des  Schweines  aus- 
?2zogen  ist  (Purkinje,  Pappenheim,  Corvisart,  Meissner), 
iie  Auflösung  des  geronnenen  Eiweisses  scheint  langsam  vor  sich 


•)  Lehrbuch  der  Physiologie.  2.  Anfl.  I.  360. 

••)  Frerichs,  Handwörterbuch  der  Physioiogie.  III.  1.  Abtli.  848.  —  Corvisart,  Sur 
•le  fonclion  peu  connuc  du  Pancrtfas.  Paris  1858.  —  Meissner,  Ilenle  und  Pfeufors  Zeitschrift. 

Helhc.  VII.  Bd.  17.  —  Derselbe ,  Verhandlungen  der  nnturforschendcn  Gesellschnft  zu  Freiburg 
.1  Br.  .lull  I8i.9.  —  Kefcrsteln  und  Haliwachs,  Göttinger  Nnchrlehten.  1858  Stilck  14.  — 

•  Funke,  Sehmldt's  Jahrbücher.  Bd.  101.  p.  155.   —    Skrobitzki,   Ibid.  105.  Bd.  163.  — 

chifr,  ibid.  269. 

Ludwig,  Physiologie  U.  2.  Auflage.  41 


642 


Verdauung  durch  ein  Gemisch  aus  Bauchspeichel  und  Labsaft. 


ZU  gehen  und  es  greift  der  Verdauungssaft  die  OberfläcLe  desEiweisg- 
wUrfels  nicht  gleichmässig  an,  denn  dieselbe  wird  während  der  fort- 
schreitenden Lösung  höckerig  (Meissner).  Während  der  eintre- 
tenden Lösung  verliert  auch  das  Pankreasferment  seine  Fähigkeit, 
durch  Kochen  zu  gerinnen. 

Wie  das  Pankreatin  verhält  sich  auch  der  wässerige  Auszug 
des  Pankreas,  der  von  einem  in  Verdauung  begriffenen  Thiere  ge- 
wonnen wurde;  dieser  Auszug  reagirt  bekanntlich  (durch  Milch-  oder 
Buttersäure?  p.  351)  schwach  sauer.  Angesäuerter  Bauchspeichel 
des  Esels  verdaute  kein  Ei  weiss  (Frerichs),  der  des  Schweines 
war  es  im  Stande  (Meissner). 

Das  neutrale  oder  alkalische  Extrakt  des  Pankreas,  und  ebens 
der  natürliche  Bauchspeichel  lösen  die  Eiweisskörper  nicht  (Kefer- 
stein,  Hallwachs,  Meissner),  führen  aber  sehr  leicht  Fäulni- 
herbei  (O.Funke).  Wenn  dieses  geschehen,  solöst  der  BauchspeicL. 
vermöge  seines  KO-Gehaltes  feste  Eiweisskörper  auf  (Skrebitzkiy. 

Collagene  Gewebe  werden  durch  das  Pankreasextrakt  eben- 
falls gelöst  (Corvisart). 

Das  Ferment  dos  Bauchspeichols,  welcher  Aniylon  und  Fette  umwandelt,  kann 
nicht  identisch  sein  mit  demjenigen  unbekannten  Köriier,  welcher  die  Auflösung  der 
Eiweissstoife  besorgt.  Denn  der  Bauchspeichel  führt  zu  allen  Zeiten  die  erstgenannten 
Umwandlungen  aus,  während  ihm  die  letztre  nur  unter  gewissen  Umständen  gelingt.-^ 
Aber  auch  die  Bedingungen,  welche  die  Auflösung  der  Albuminate  herbeiführen, 
müssen  unter  sich  verschieden  sein;  Meissner  sah,  wie  erwähnt,  jene  Auflösung  nur 
durch  das  schwachsaure  Extrakt  erfolgen,  Corvisart,  Schiff,  auch  durch  das  neu- 
trale und  schwach  alkalisch  reagirende ;  auch  die  Umwandlungen ,  welche  die  Eiweiss- 
stoffe  nach  der  Lösung  erfahren,  sind  noch  sehr  wenig  aufgeklärt.  Siehe  die  Kritik 
der  Peptonbildung  durch  den  pankroatischen  Saft  bei  Brücke'  1.  c. 

e.  Künstliche  Verdauung  durch  ein  Gemenge  von  Labsaft 
und  Bauchspeichel.  —  Dieses  Gemisch  löst  die  Albuminate 
langsamer  und  weniger  umfangreich  auf,  als  es  jeder  Bestandtheil 
für  sich  thut.  . —  Das  durch  künstlichen  Labsaft  aufgelöste  geron- 
nene Eiweiss  soll,  wenn  es  während  6  Stunden  mit  Bauchspeichel 
digeiirt  wurde,  seine  Fällbarkeit  durch  Kochen  wieder  gewinnen 
(Frerichs).  Die  Peptone,  welche  die  Labsaftverdauung  aus  den 
Eiweisskörpern  bildete,  werden  durch  den  Bauchspeichel  nicht  weiter 
verändert  (Corvisart).  Die  Angaben  von  Frerichs  und  Cor- 
visart können  aufgefasst  werden  als  sich  widersprechende,  oder 
sie  können  auch  neben  einander  bestehen,  wenn  die ^Eiweissstoffe, 
welche  Frerichs  dem  Bauchspeichel  zusetzte,  noch  nicht  bis  zu 
Peptonen  verändert  waren. 


Verdauung  durch  Dannsaft. 


643 


f.  Künstliche  Verdauung  durch  ein  Gemenge  von  Labsaft,  Gallo  und  Bauch- 
cichel. — Frerichs  erwähnt,  dass,  wenn  er  das  im  Labsaft  verdaute  Eiweiss  mit 
Ue  und  paukreatischem  Saft  digerirte ,  sich  die  Galle  nach  24  Stunden  als  eine  har- 
e  Masse  zu  Boden  setzte.    Die  über  diesen  Niederschlag  stehende  klare*  Flüssigkeit 
rrde  durch  Kochen  stark  getrübt. 

g.  Zur  ktinstliclien  Verdauung  mit  Darmsaft  sind  benutzt 
orden:  der  aus  dem  Darm  nacli  der  Methode  von  Frerichs 
ter  B i  d  d  e r  (p.  365)  gewonnene  Saft ;  wohlabgewaschenene  Stück- 
een  von  Darmschleimhaut;  oder  wässerige  Auszüge  aus  der  letztein. 

Gekochtes  Amylon  geht  bei  der  Digestion  in  Traubenzucker, 
üch  und  Buttersäure  über  (Frerichs,  Felo  uze).  Mannit  ver- 
landelt  sich  in  Milchsäure  (Witte).  —  Geronnenes  Eiweiss  wird 
Möst  (Bidder,  Schmidt,  Kölliker,  H.  Müller).  —  Citron- 
lures,  weinsaures,  äpfelsaures  Kali  und  Nati-on  verwandeln  sich 
kohlensaure  Salze  (Kerkow,  Magawly). 

Natürliche  Dünndarmverdauung.  Da  die  Drüsen, 
eelche  ihi'en  Inhalt  in  den  Dünndarm  schicken,  nicht  an  demselben 
Tte  einmünden,  so  bietet  sich  hierdurch  die  Gelegenheit,  die  Lei- 
üungen  derselben,  sowohl  einzeln  als  in  mancherlei  Combinationen, 
iifzuhellen.  Insbesondere  gelingt  es  innerhalb  des  Thieres  zu  iso- 
i-en  die  Wirkung  des  Darmsaftes  und  zu  verbinden  die  des  Darm- 
iid  Magensaftes  (nach  Unterbindung  des  Gallen-  und  Pankreasgan- 
!s),  des  Darm-  und  Magensaftes  mit  der  Galle  oder  dem  Bauch- 
i')eichel,  des  Darmsaftes  mit  der  Galle  oder  dem  Bauchspeichel, 
Her  mit  beiden  (nach  Unterbindung  der  horizontalen  Abtheilung  des 
iwölffingerdai-mes).  Demnach  lässt  sich  über  alle  denkbaren  Com- 
inationen  verfügen,  mit  Ausnahme  derjenigen,  welche  eine  Elimi- 
ution  des  Darmsaftes  verlangen. 

a.  Die  verdauenden  Ki'äfte  des  menschlichen  Darmsafts*) 
iit  Busch  mittelst  einer  Darmfistel,  die  sich  am  obern  Theil  des 
iünndannes,  vielleicht  kurz  hinter  dem  Zwölfingerdarm,  fand,  be- 
oachtet.  Aus  der  obern,  dem  Magen  zugewendeten  Oeffnung  des 
.  arms  traten  alle  Flüssigkeiten,  welche  vom  Magen  und  Zwölffinger- 
larm  herabströmten,  vollkommen  aus,  sodass  in  das  untere  in  den 
tfter  ausmündende  Darmstück  auch  nicht  eine  Spur  von  oben  her 
gelangte.  Die  Stoffe,  deren  Verdauung  geprüft  werden  sollte'  konnten 
Iso  durch  die  untere  Mündung  des  künstlichen  Afters  in  das  mit 
em  Dickdai-m  verbundene  Dünndarmstück  eingeführt  werden  und 
der,  entweder  in  Tüllbeutel  eingeschlossen  nahe  an  der  Einführungs- 


")  Bäsch,  Archiv  für  patholog.  Anatomie.  XIV.  MO. 


644 


Natürliche  Dünndamvordauung  mit  Darnisaft. 


Stelle  fest  gehalten  und  dann  nach  belicljiger  Zeit  wieder  hervor- 
gezogen werden,,  oder  man  konnte  die  Nahrungsmittel  auch  durch 
das  ganze  untere  Darmende,  das  aus  einem  grossen  Tlieil  des 
Dünndarms  und  dem  ganzen  Dickdarm  bestand,  wandern  lassen 
und  aus  dem  gebildeten  Koth  die  vor  sich  gegangene  Verdauung 
erschliessen. 

Nach  beiden  Methoden  ergab  sich,  dass  gekochte  Eiweiss- 
stoffe  (Fleisch  und  Eier)  unter  Entwickelung  von  Ammoniak  und 
Fäulnissprodukten  aufgelöst  wurden;  rascher,  wenn  sie  durch  den 
ganzen  Darm  wanderten,  laugsamer,  wenn  sie  in  Tüllbeutel  aufge- 
hängt waren.  Die  Fäulniss ,  welche  in  den  gekochten  Eiweissstof- 
fen  schon  nach  6  —  7  Stunden  sehr  merklich  war,  muss  von  einer 
Gegenwirkung  zwischen  dem  Darmschleim  und  den  Albuminaten 
bedingt  sein,  da  keiner  dieser  Stoffe  für  sich  in  so  kurzer  Zeit  fault. 

Gekochte  Stärke  geht  leicht  in  Ti'aubenzucker  über  und  im 
Koth  ist  weder  sie  noch  der  Traubenzucker  zu  finden,  selbst  wenn 
nicht  unbeträchtliche  Mengen  derselben  durch  die  Fistelöffaung  em- 
gingen.  —  Rohrzucker  bleibt  dagegen  ungeändert.  Die  Butter  und 
der  Leberthran,  die  nach  längerm  Aufenthalt  im  untern  Darmstück 
(bis  zu  10  Tagen)  im  Koth  wieder  erschienen,  rochen  nach  Butter- 
säure, dem  Anblick  nach  waren  sie  theils  unverändert,  theils  aber 
.  krystallinisch  geworden. 

Ausser  dieser  Beobachtung ,  die  aucli  für  Versuche  an  Thieren  als  methodischer 
Prototyp  gelten  muss,  sind  noch  andere  bekannt,  bei  welchen  man  aus  der  geöffneten 
Unterleibshöhlc  eines  Thiers  eine  Damischlinge  hervorzog,  sie  von  ihrem  Inhalt  rei- 
nigte, oben  und  unten  abband  oder  abklemmte  und  dann  die  frische  Speise  in  dieselbe 
brachte.  Nachdem  auch  die  hierzu  nöthige  OefFnung  zugebunden  war,  wurde  die 
Schlinge  in  die  Unterleibshöhle  zurückgeführt  (Freriohs,  Bidder  und  Schmidt). 

In  einer  solchen  Schlinge  verwandelt  sieh  Kleister  rasch  in  Zucker  und  Milt^ 
säure  und  die  unlöslichen  Modifikationen  der  Eiweiss-  und  Leimstoffe  in  lösliche. 

Durch  diesen  Versuch  würde  man  das  Verhalten  des  Darmsaftes  gegen  die  frischon 
Speisen  für  aufgeklärt  ansehen  dürfen,  wenn  nicht  die  Befüixhtnng  nahe  läge,  dn 
die  der  Operation  folgenden  Störungen  des  Blutlaufes  in  der  Unterleibshöhle  die  no 
male  Darmabsonderung  vollkommen  änderten.  Die  Beobachter  geben  zwar  an,  d;- 
mindestens  noch  einige  Stunden  unmittelbar  nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  ein  m 
veränderter  Darmsaft  abgesondert  werde,  sie  bringen  dafür  jedoch  keinen  andern  B 
weis  als  den  vor,  dass  4  bis  6  Stunden  nach  dem  Bauchschnitte  die  Entzündung  u' 
ihre  Folgen  erst  im  Maximum  sichtbar  seien. 

b.  Wenn  man  nach  Unterbindung  des  Galleu-  und  Bauch- 
speichelganges aus  einer  am  Dünndärme  angelegten  Fistel  den 
Speisebrei  schöpft,  so  findet  mau,  dass  das  Fleisch  und  die  Aniy- 


und  mit  Combinationen  aus  Galle,    Bauclispoichol  etc.  645 

Aeeen  ungefähr  ebenso  veründert  sind,  als  sie  es  gewesen  sein^ 
Hirden  ohne  Abschluss  der  beiden  Drüsensäfte  (Bidder  und 
h  m  i  d  t)  *).    War  es  nicht  zur  Bildung  von  Milchsäure  gekom- 
sn,  so  reagirte  der  Speisebrei  alkaliseh,  was  man  nach  Ausschluss 
•s  stark  alkalischen  Pankreassaftes  kaum  erwartet  hätte. 

c.  Die  vereinigte  Wirkung  der  Gr a  1 1  e ,  des  Bauchspeichels 
Jtd  Darm  Saftes  oder  auch  nur  die  des  Bauchspeichels  und  Darm- 
tees  auf  die  frischen  Speisen  suchte  man  zu  ermitteln,  indem  man 
ms  Duodenum  noch  über  der  Leber-  und  Pankreasmündung  ab- 
Imd  fBidder  und  Schmidt)**),  oder  auch  zugleich  den  Gallen- 

mg  verschloss  (Corvisart),  im  Uebrigen  aber  gerade  wie  bei 
mutzung  jeder  andern  Darmschlinge  verfuhr.  Die  Ergebnisse  der 
irsuchsreihen  waren  denen  unter  a  sehr  ähnlich,  nur  insofern 
ijigte  sich  ein  Unterschied ,  als  in  der  vorliegenden  dieFälle  relativ 
mfiger  sind,  in  welchen  die  Auflösung  der  Eiweissstolfe  sehr  weit 
rrgeschr-itten  war. 

Bei  der  bekannten  Eigenthümlichkeit  des  Pankreas ,  seine  Absonderung  für  einige 
!t  nacb  Eröffnung  der  Bauchhöhle  einzustellen,  ist  es  fraglich,  ob  die  angegebene 
eeration  den  gewünschten  Erfolg  bedingte. 

d.  Die  combinirte  Einwirkung  der  Galle,  der  Magen-  und 
ia  r  m  s  ä  f  t  e  auf  die  Speisen  wird  erzielt,  wenn  man  entweder  das  Pan- 
(eas  ausschneidet  oder  seine  Ausführungsgänge  unterbindet.  —  Die 
»erwiegende  Mehrzahl  der  Beobachter  (Bidder  und  Schmidt, 

einmann*,  Herbst  u.  A.)  fand  das  Zusammenwirken  jener 
ifte  gerade  so  erfolgreich,  als  ihre  Verbindung  mit  dem.  Bauch- 
Reichel;  insbesondere  zeigte  sich  der  aus  dem  After  gestossene 
oth  nicht  reichlicher  und  nicht  anders  beschaffen,  als  wenn  die 
oeration  unterblieben  war. 

e.  Bauchspeichel,  Magen-  und  Darmsäfte,  welche 
ich  Ableitung  der  Galle  aus  einer  Blasenfistel  auf  den  Darminhalt 
iirken,  erzeugen  ebenfalls  eine  vollkommene  Verdauung ;  es  scheint 
Der,  als  ob  die  Anwesenheit  der  Galle  mancherlei  weitere  Um- 
ttzungen  der  aufgelösten  Stoffe  verhindere,  die  bei  ihrer  Abwe- 
i:nheit  vor  sich  gehen;  im  letztern  Fall  bilden  sich  viel  Darmgase 
i'id  ein  sehr  unangenehm  riechender  Koth. 

f.  Die  verwickeltste  Zusammenstellung  der  verdauenden  Elüs- 
tgkeiten  endlich,  die  nämlich,  bei  welcher  in  zeitlicher  Keihenfolge 


•)  1.  c.  p.  271.^ 
»•)  1.  c.  p.  276.* 


646 


Cliymus  dos  Dünndarms  beim  Menschen. 


_,auf  die  Speisen  zuerst  sämmtliche  Säfte  wirken,  welche 
*in  den  Magen,  und  dann  die,  welche  in  den  Dünndarm  er- 
gossen werden,  erzielt  rücksichtlich  der  Auflösung  der  Speisen  kein 
anderes  Eesultat,  als  alle  vorerwähnten  einfacheren  Combinatioiien; 
auch  hier  werden  die  Leimarten,  die  Albuminate  und  das  Aniylon 
zur  Auflösung  in  "Wasser  gesehickt  gemacht. 

Chymus  des  Dünndarms.  Die  Fortschritte,  welche  die 
Verdauung  macht,  gestalten  sich  wesentlich  verschieden  je  nach 
der  Aufenthaltszeit  der  Speisen  in  dem  Dünndarm,  lieber  diesen 
Punkt  konnte  Busch  in  seinem  schon  oben  erwähnten  Fall  Erfah- 
rungen sammeln.  Wegen  ihrer  grossen  praktischen  Wichtigkeit 
müssen  dieselben  hier  kurz  zusammengestellt  werden. 

Schon  kurze  Zeit  nach  der  Einführung  der  Nahrungsmittel  in 
den  Mund  begannen  dieselben  wieder  aus  der  obern  dem  Magei 
zugekehrten  Fistelöffnung  zu  erscheinen.    So  kamen  nach  VoUei 
dung  der  Mahlzeit  an:  die  «rsten  Stücke  gekochten  Eies  20  bi 
35  Min.,  Fleischstücke  22  bis  30  Min.,  Rüben,  Kohl,  Kartofi'eln  1 
bis  19  Min.,  aber  erst  3  bis  4  Stunden  nach  einer  reichlichen  bin 
Tage  genossenen  Mahlzeit  war  der  Ausfluss  der  Speisestücke  vol- 
lendet.   War  dagegen  die  Nahrung  spät  am  Abend  genommen  wor 
den,  so  ging  dieselbe  nur  theilweise  alsbald  wieder  ab,  die  Rest 
derselben  kamen  erst  am  andern  Morgen  zum  Vorschein ,  weil  wäli 
rend  der  Dauer  der  Nacht  die  Bewegungen  des  Magens  unterbrochci 
waren.  —  Die  Menge  von  Flüssigkeit,  welche  aufgefangen  werde  i 
konnte,  richtete  sich  nach  der  Menge  und  Ai't  der  Nahrung.  Aix 
meisten  erschien,  nachdem  Fett  genommen  war,  schon  bedeuten^ 
weniger  im  Verhältniss  zur  Menge  des  Aufgenommenen  nach  Gela- 
tine imd  gekochten  Eiern,  nach  Fleisch  und  Milch,  am  wenigsten 
nach  Kohl  und  Kartoffeln.    Die  Menge  des  Ausfliessenden  nahm 
auch  ab,  wenn  während  eines  Tags  statt  einer  gemischten  nur  eine 
einfache  Nahrung,  z.  B.  nur  Brod  genossen  wurde. 

Was  die  chemischen  Eigenschaften  des  Ausfliessenden  anlangt, 
so  war  das  Gemisch  meist  von  neutraler  und  niu*  zuweilen  von 
alkalischer  oder  von  saurer  Reaktion.  —  Die  Flüssigkeiten,  welche 
erschienen,  wenn  gar  keine  Speise  genossen  war,  sodass  nur  die 
reinen  Verdauungssäfte  abströmten,  enthielt  zwischen  2,3  bis  2,ö  pCt. 
festen  Rückstand,  ihr  fehlte  die  Reaktion  auf  Rhodankalium;  es 
war  also  wnhrscheinlich  aller  Speichel  verschwunden.  —  Waren 
gekochte  Fleisch-  oder  Eierspeisen  genommen  worden,  so  gab  dci 
filtrirte  Saft  mit  den  Reagentieu  Niederschläge,  die  {CUch  aus  einer 


Zusammensetzung  des  Cliymus  an  verschiedenen  Orten. 


647 


f.fachen  Lösung  die  gekochten  Eiweissstoffe  fällen.  Flüssiges 
»veiss  erschien  als  solches  wenigstens  theilweise  wieder.  Nach 
m  Trinken  von  Milch  fanden  sich  im  Ausgeflossenen  Casein- 
jßken;  ein  anderer  Theil  des  Caselns  konnte  durch  Neutrali- 
idon  der  alkalischen  Flüssigkeit  gefällt  werden.  —  Das  aus  der- 
Itel  hervortretende  enthält  nach  dem  Genuss  von  Gelatine  einen 
kht  mehr '  gerinnenden  Leim  in  Auflösung.  —  Nach  dem  Ver- 
gucken von  Rohrzuckerlösung  konnte  etwas  Traubenzucker  in  dem 
ssgeflossenen  aufgefunden  werden  und  dieses  auch  dann,  wenn 
ee  andere  Nahrung  ausgeschlossen  war  und  die  unmittelbar  vor 
tu  Essen  ausgestossenen  Verdauungssäfte  keine  Reaktion  auf 
»aubenzucker  gegeben  hatten.  Gummi  kam  unverändert  wieder, 
SS  Fett  war  in  einer  feinen  Emulsion  enthalten. 

In  der  aufgefangenen  Flüssigkeit  schwammen  immer  grössere 
eer  kleinere  Brocken  der  in  den  Magen  geführten  festen  Spei- 
BQ.  Bestanden  diese  letzteren  aus  Eiweissstoffen ,  so  wurden  sie 
Höst,  wenn  sie  mit  der  ausgetretenen  Flüssigkeit  längere  Zeit  hin- 
irch  in  Berührung  blieben;  diese  Auflösung  ging  vor  sich,  wie 
(ch  die  Flüssigkeit  gegen  Lackmuspapier  reagiren  mochte.  Frische 
iürfel  aus  gekochtem  Eiweiss  und  aus  Fleisch,  die  den  filtrirten 
'srdauungssäften  zugesetzt  wurden,  konnten  zwar  auch  gelöst 
?;rden,  aber  sie  lösten  sich  viel  langsamer  als  die  Stücke,  welche 
(ch  unverdaut  mit  den  Verdamm gssäften  gemischt  ankamen. 

lieber  das  Verhältniss  des  Gewichts  der  eingeführten  Nahrungsmittel  zu  dem  des 
r'isehreies  sammelte  Busch  folgende  Zahlen;  sie  bedeuten,  die  genossene  Nahrung 
i  ich  1  gesetzt,  das  Gewicht  des  ausgeflossenen  Breißs :  Fett  =  6,0  ;  Gelatine  =  3,7 ; 
i  '.ottene  Eier  =2,7;  Fleisch  1,7;  Milch  oder  Mohrrüben  =1,2;  Kohl  =0,9;  Kar- 
ltelbrei =0,7.  Den  Nahrungsstoff'en,  welche  nach  einer  Abendmahlzeit  am  darauf  fol- 
iden  Morgen  ankamen ,  war  fast  gar  kein  Verdauungssaft ,  namentlich  keine  Galle 
■;gemischt.    Sie  waren  auch  relatir  am  wenigsten  verändert. 

Nimmt  dagegen  die  Dünndarmverdauung  ihren  regelmässigen 
verlauf,  so  besteht  sein  Chymus  zwar  auch  wie  der  des  Magens 
HS  festen  Partikeln,  flüssigen  Fetten  und  Gasbläschen,  welche  in 
iner  wässerigen  Lösung  aufgeschwemmt  sind,  aber  es  sind  sicht- 
iire  Unterschiede  zwischen  beiden  Breiarten  vorhanden;  nament- 
3h  sind  die  festen  Theilchen  des  Dünndarmes  kleiner,  die  Fette 
md  nicht  mehr  in  grossen,  sondern  in  sehr  kleinen  Tröpfchen  ver. 
mit,  und'  endlich  ist  der  Chymus  des  Dünndarmes  von  der  bei- 
emengten  Galle  gelb  gefärbt.  Das  Verhältniss  der  festen  zu  den 
Ussigen  Theilen  variirt  aus  denselben  Gründen,  die  schon  beim 


648 


Enthält  der  Dünndarm  Peptone? 


Speisebrei  des  Magens  und  des  Duodenums  erörtert  sind,  sehr 
trächtlich;  im  Allgemeinen  nimmt  aber  die  Flüssigkeit  gegen 
Ende  des  Dünndarmes  ab. 

Die  chemischen  Bestandtheile  der  aufgeschwemmten  Massen 
-sind  zum  Theil  den  beim  Magen  erwähnten  gleich ;  neu  hinzu  kom. 
men  noch  Kalkseifen,  harzige  Umsetzungsprodukte  der  Galle,  Schleim 
und  losgestossene  Epithelien  der  Darmoberhaut.  Das  Verhältniss 
zwischen  den  einzelnen  Gemengtheilen  stellt  sich  für  die  verschie- 
denen Abtheilungen  des  Darmrohres  so ,  dass  mit  der  steigenden 
Entfernung  vom  Pylorus  die  Holz-,  Horn-  und  Kalkmassen  u.  s,  w., 
welche  vollkommen  unlöslich  sind,  allmählig  bedeutend  das  Ueher- 
gewicht  gewinnen  über  das  Amylon  und  die  Albuminate. 

Die  Flüssigkeit  enthält  in  Lösung  Zuckerarten ;  und  zwar  Tran- 
benzucker, vielleicht  Fruchtzucker  und  nach  dem  Genuss  von  Rohr- 
zucker auch  diesen  (Köbner).  Die  Menge  des  letztern  nimmt 
gegen  das  Ileum  hin  merklich  ab;  ferner  sind  im  Chymus  gelöst 
Milchsäure  und  deren  Salze  und  Eiweissstoffe.  Ueber  die  chemische 
Natur  dieser  letztern  sind  die  Meinungen  getheilt;  Meissner, 
Cor  Visa  rt,  0.  Funke  scheinen  geneigt,  wenigstens  einen  Theil 
der  gelösten  Eiweissstoffe  für  Peptone  zu  halten,  während  Andere, 
z.  B.  Brücke  noch  einen  sichern  Beweis  für  diese  Unterstellung 
vermissen.  -Da  sich  ein  einigermassen  befriedigender  chemischer 
Beweis  nicht  anbringen  lässt,  so  musste  die  Anwesenheit  der  Pep- 
tone aus  andern  Gründen  erschlossen  werden.  Der  erste  derselben 
stützt  sich  darauf,  dass  die  Eiweissstoffe  erst  nach  ihrer  Ueherfüh- 
rung  in  Peptone  aufgesaugt  werden  könnten  ;  dieser  Vordersatz, 
aus  dem  allerdings  die  Peptonbildung  mit  Nothwendigkeit  folgen 
würde,  entbehrt  aber  vorerst  noch  jeglicher  Begründung.  Ebenso 
wenig  überzeugend  wirkt  eine  andere  Herleitung,  die  sich  auf  die 
lange  Anwesenheit  der  Eiweissstoffe  im  Darmkaual  stützt;  da  die 
Peptonbildung  erst  nach  der  Auflösung  der  Eiweissstoffe  vor  sich 
geht,  so  ist  begreiflich  nicht  die  Aufenthaltsdauer  der  ungelösten 
sondern  nur  die  der  flüssigen  nach  geschehener  Auflösung  von  Be- 
deutung. Wie  will  man  aber  die  Zeit  des  Verweilens  dieser  letz- 
tern bestimmen?  —  In  der  Flüssigkeit  des  Chymus  kommen  ferner 
vor  die  ursprünglichen  und  die  umgesetzten  Bestandtheile  der  Drüsen- 
säfte (Gallensäure,  Taurin,  Leucin,  Ammoniaksalze,  Cholestearin 
u.  s.  w.).  Alle  diese  Stoffe  stehen  in  so  mannigfachen  Verhältnis- 
sen zu  einander,  dass  sich  nichts  Allgemeingültiges  darüber  aus- 
sägen lässt.   Gewöhnlich  überwiegen  jedoch  schon  in  der  Mitte  des 


Yergleicliung  der  natürlichen  und  künstliclien  Darraverdauung. 


649 


\  mndarmes  die  alkalisch  reagirenden  Stoffe,  so  dass  von  da  an 
i    Flüssigkeit  ihre  saure  Reaktion  in  eine  alkalische  umwandelt. 
..er  auch  dieses  Vorkommen  erleidet  eine  Ausnahme  bei  lebhafter 
Ichsäurebildung,  wie  sie  nach  reichlichem  Genüsse  von  Arayla- 
'in  beobachtet  wird. 

Eine  Vergleichung  zwischen  den  Erfolgen  der  na- 
lllichen  und  künstlichen  Verdauung  im  Dünndai-m  kann  bis  in  das 
azelne  nicht  vorgenommen  werden,  da  uns,  wie  wir  eben  sahen, 
le  gründliche  Kenntniss  der  chemischen  Beschaffenheit  des  Dünn- 
rrmchymus  fehlt;  der  gegenwärtige  Stand  der  Thierchemie  lässt 
fch  demnächst  keine  solche  voraussehen.    Das  wenige,  was  wir 
eer  dieselbe  wissen,  ist  allerdings  aus  den  Erfahrungen  zu  er- 
liren,  zu  denen  die  künstliche  Verdauung  geführt  hat.    So  ist 
SS  Umschlagen  der  Reaktion,  welche  der  saure  Chymus  des  Ma- 
DDS  mitbringt,  erklärlich  aus  den  alkalischen  Säften,  die  sich  in 
m  Dünndarm  ergiessen.  —  Die  Auflösung  der  aus  dem  Magen 
cch  ungelöst  ankommenden  Eiweiss-  und  Leimstoffe  kann  der 
iirmsaft  und  unter  Umständen  der  pankreatische  besorgen.  "  — 
usselbe  gilt  für  die  ungelösten  oder  unverwandelten  Amylaceen, 
td  die  Ueberführung  der  Zuckerarten  in  Milch- und  Buttersäure  — 
!3  feine  Emulsion ,  in  welche  die  Fette  gebracht  werden ,  kann 
im  Bauchspeichel,  dem  Gallen-  und  Darmschleim  zugeschrieben 
'irden,  —  die  Umsetzung  einiger  pflanzensauren  in  kohlensaure 
Ikalien  vermag  der  Bauchspeichel  und  der  Darmsaft  zu  vollführen, 
i.e  Zerlegung  der  Galle  in  Cholsäure,  Taurin  und  Glycocoll  leitet 
rr  saure  Magensaft  in  Verbindung  mit  dem  Bauchspeichel  ein.  Das 
iiftreten  von  Buttersäure  kann  abgeleitet  werden  aus  dem  Ver- 
Dgen  des  pankreatischen  Saftes,  die  neutralen  Fette,  hier  also  das 
iityrin,  zu  zerlegen;  oder  sie  kann  auch  bedingt  sein  von  dem 
jbergang  der  milchsauren  in  die  buttersaure  Gährung.    Für  die 
tztere  Entstehungsweise  würde  die  Gegenwart  von  H-gas  sprechen, 
welches  man,  wie  gleich  zu  erwähnen,  schon  in  der  Darmhöhle  ge- 
inden  hat.  —  Die  Galle  endlich  verhütet  den  Eintritt  der  stinken- 
!Bn  Fäulniss. 

Ucberblickt  man  noci  einmal  die  Lösung  der  Speisen  im  Dünndarm,  so  crgiebt 
ish,  dass  ein  jeder  Nahrungsstoff  durck  verschiedene  Verdauungssäfte  verflüssigt  wer- 
■n  kann.  Die  Eiwoisskörper  konnten  durch  den  saurqji,  zuweilen  durch  den  neutra- 
i  Magensaft,  aber  auch  durch  den  Darmsaft,  und  endlich  durch  den  sclnvachsauren, 
»weilen  auch  durch  den  neutralen  oder  alkalischen  Bauchspcichol  gelöst  werden.  Das 
inylon  konnte  der  Darmsaft,  der  Kopf-  und  Bauclispeichel  in  Traubenzucker  umwandeln; 
18  Fett  wnrde  durch  die  verschiedenen  Schleimarten  und  den  Pankreassaft  in  Emul- 


650 


Wirkung  verschiedener  Säfte  auf  dieselben  Speisen. 


sion  gebracht.  Diese  Erfahrung  musste  natüi'lich  zu  der  Frage  führen,  welchen  Siiih 
und  welche  Folgen  diese  Häufung  verschiedener  Mittel  zu  demselben  Zweck  mit  «ij 
führe.  Obwohl  sich  die  aufgeworfene  Frage  schwerlich  umfassend  beantworten  lägst, 
bevor  die  Art  der  Auflösung  und  der  Umsetzung,  welche  die  einzelnen  Säfte  mit  sich 
bringen,  genauer  gekannt  ist,  so  dürfte  sieh  doch  schon  jetzt  Folgendes  vorbrin. 
gen  lassen.  Die  Untersuchungen  mittelst  dos  künstlichen  und  natürlichen  Labsaftei 
hatten  ergeben,  dass  nicht  alle  Eiweisskörper  bei  demselben  Säuregrad  mit  gleicher 
Leichtigkeit  verdaut  wurden;  namentlich  ergab  die  Erfahrung,  dass  in  dem  Magensaft 
des  Hundes  und  Schweines  das  gekochte  Eiweiss  nnd  derXleber  nicht  gleich  leicht  gelöst 
werden.  Daraus  konnte  man  also  folgern:  es  mussten  zur  gehörigen  Ausnutzung  ver- 
schiedener Eiweissstoffe ,  welche  gleichzeitig  genossen  waren,  auch  Verdauungsflüssig- 
keiten von  allen  mögliehen  Säuregraden  vorhanden  sein.  Diese  Betrachtung  verliert 
jedoch  ihre  Spitze,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  der  alkalische  Darmsaft,  soweit  wir 
wissen,  alle  Eiweisskörper  gleich  gut  verflüssigt.  Also  wären  die  Einwirkungen  des 
Magensaftes  überflüssig.  —  Um  aber  diesen  Einwurf  wegzuräumen ,  könnte  man  sagen, 
die  Anwesenheit  des  Magens  mache  es  möglich ,  dass  die  Aufnahme  von  Speisen  in 
den  Mund  auf  einmal  für  längere  Zeit  abgethan  werden  könne ;  der  Magen  zerlege  dann" 
die  grossen  Speisestücke  in  kleinere,  diese  würden  darauf  in  dem  Maass,  wie  sie  zer- 
kleinert wären ,  in  den  Dünndarm  gebracht  und  diesem  werde  somit  sowohl  durch  die 
Verkleinerung  als  auch  durch  die  chemische  Vorarbeit  des  Magens  die  Auflösung  er- 
leichtert. Diese  Annahme  empfängt  gewissermaassen  eine  Unterstützung  durch  die 
Angabe,  welche  Busch  über  die  verschiedene  Löslichkeit  von  Eiweissstoffen  gemacht 
hat,  je  nachdem  dieselben  vorgängig,  der  Einwirkung  des  Magensafts  ausgesetzt  oder 
noch  nicht  ausgesetzt  waren.  —  Vielleicht  wäre  es  auch  für  die  Eesorption  von  Be- 
deutung, dass  die  sauren  Lösungen  der  Eiweissstofi"e  erst  in  eine  alkalisch  reagirende 
Lösung  gebracht  würden ,  bevor  sie  die  alkalisch  reagirende  Darmwand  durchsetzen, 
damit  sie  an  und  in  derselben  nicht  gefällt  würden.  Hiergegen  könnte  man  einweii 
den,  dass  erfahrungsgemäss  schon  im  Magen  die  Resorption  beginnt,  wie  dieses  u.  A. 
bei  der  öfter  erwähnten  Frau  mit  der  Darmflstel  geschah.  Bei  ihr  blieb  es  aber  un- 
gewiss ,  ob  der  Magensaft  wirklich  sauer  war.  —  Endlich  ist  es  auch  nicht  wahr- 
schcinlie)i,  dass  zu  allen  Zeiten  eine  jede  Saftart  mit  gleicher  Leichtigkeit  beschafft 
werden  kann ;  sie  wären  also  als  gegenseitige  Aushülfen  zur  Vermeidung  physiologi- 
scher Verdauungsstörungen  anzusehen.  —  Für  die  Vertheilung  von  Amylon  auflösenden 
Säften  auf  verschiedene  Orte  des  Darms  liesse  sieh  anführen ,  dass  nur  hierdurch  dem 
Uebelstand  vorgebeugt  werden  könnte ,  concentrirte  Zuckerlösungen  in  einer  beschränk- 
ten Darraabtheilung  anzuhäufen.  Bei  der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Umwand- 
lung des  Amylons  vor  sich  geht,  und  bei  dem  grossen  Antheil ,  den  jener  Stoff  in 
unserer  Nalirung  einnimmt,  hätte  dieses  sonst  nothwendig  geschehen  müssen  und  hier- 
durch würde  sowohl  die  Aufsaugung  dieses  Stoffes,  wie  auch  die.  Verdauung  alle 
anderen  gehemmt  worden  sein,  eine  Annahme,  die  durch  die  bekannten  Folgen  eine 
reichlichen  Genusses  von  Zucker  bestätigt  wird. 

4.  Die  Flüssigkeiten  des  Dickdarmes  sind  causserbalb  dc- 
thierischen  Körpers  noch  nicht  geprüft  worden;  als  Steinhiiuse. 
die  Gelegenheit  benutzte,  die  ihm  eine  Fistel  des  Coeciuiis  am 
Menschen  darbot,  frische  Speisen  in  den  Dickdarm  zu  bringen,  fiH"' 
er  dieselben  im  Kothe  unverändert  wieder.  Dieses  lässt  begrciflicli 


L Dickdarm.  Koth.  651 
en  Schliiss  zn  auf  die  Veränderung  der  Speisen  in  dem  Zu- 
!nde,  in  welchen  sie  gewöhnlich  aus  dem  Dünndarme  in  den 
ikdarm  übergehen.  In  der  That  scheint  auch  während  des  Le- 
us der  Inhalt  des  Dickdarmes  sich  noch  fortwährend  zu  verän- 
m;  denn  es  entwickeln  sich  in  demselben  Säuren  (Milchsäure, 
[ttersäure  u.  s.  w.)  und  Gase,  H  und  CH  (Chevreul),  Bildun- 
11,  die  sich  allerdings  auch  erläutern  aus  einer  in  dem  Speise- 
n  eingeleiteten  und  ohne  Zuthun  des  Dickdarmsaftes  förtschrei- 
den  Gährung.  —  Der  Schleim  und  die  Schleimhaut  des  Kanin- 
mdickdarms  wandeln  Amylon  rasch  in  Zucker  um  (0.  Funke*). 

Der  Koth**)  oder  der  Antheil  des  Speisebreies,  welcher  aus 
m  Mastdarme  hervortritt,  enthält,  in  wechselnder  Menge  Festes 
dd  Flüssiges.  —  Die  Flüssigkeit  gewinnt  über  das  Aufgeschwemmte 
1  so  mehr  das  Uebergewicht ,  je  rascher  die  Speise  durch  den 
irmkanal  gegangen,  je  mehr  der  aufsaugende  Apparat  in  seinen 
iistuugen  beschränkt  ist,-imd  weitere  Stoffgemische  in  der  Koth- 
<3sigkeit  aufgelöst  sind,  welche  mit  kräftiger  Verwandtschaft  zum 
asser  begabt  sind  und  mit  geringer  Geschwindigkeit  durch  die 
irmwand  in  die  Blut-  und  Lymphgefässe  treten. 

Seiner  chemischen  Zusammensetzung  nach  besteht  der  aufge- 
üwemmte  Theil  bei  einer  gemischten  Kost  aus  Hornschüppchen, 
ringen  Mengen  elastischer  Häute,  einigen  zerbröckelten  Muskel- 
'.ern,  unlöslichem  Blutroth,  Fetten,  Stearin-  und  margarinsaurem 
lilk,  Holzfaser,  Pflanzenwachs,  Chlorophyll,  etwas  Amylon,  Schleim, 
'.rmepithelium,  ümsetzungsprodukten  der  Galle  (Dyslysin,  Cho- 
(din-  und  Cholalsäure)  und  nach  Marc  et  beim  Menschen  auch  aus 
■  cretin,  einem  in  Aether  löslichen  Körper  (C78H78  02S),  ferner  aus 
olestearin,  Kieselsäure,  phosphorsauren,  schwefelsauren  und  kohlen- 
uren  Erden.  —  Die  Flüssigkeit  enthält  Eiweiss,  Gummi,  Gallen- 
"bstoffe,  wenig  Gallensäure,  schwefelsaure  nebst  ein  wenig  salz- 
liuren  Alkalien.  — 

Der  Geruch  des  Kothes  scheint  Von  flüchtigen  Fettsäuren  be- 
ugt zu  sein;  Liebig  konnte  durch  Behandeln  von  eiweissartigen 
«offen  mit  Kali  ein  Gemenge  von  flüchtigen  Fettsäuren  herstellen, 
!}lches  ausgeprägt  nach  Koth  riecht. 


•)  Lehrbuch  der  Physiologie.  3.  Aufl.  1.  320. 
'*•)  Wehsarg,  Milcroskopische  und  chom.  Uiitcrsuclinugen  etc.  Giossen  1852.  —  Iliring, 
troskopische  und  chemische  Untersnchungen  etc.  Giossen  I85'i.  —  Maroot,  Proeecdings  of  llic 
■  al  .Society  VII.  1.53.  —  Derselbe,  Philosophiciil  Trnnsnctions  1807.  -103.  —  Licbig,  'Thicrclicmie 
'Ann.  13G.  —  K  U  h  n  c  ,  Archiv  fUr  patholog.  Anatomie.  XIV.  310. 


652 


Darmgaso  etc. 


Die  proportionale  Menge  des  Rothes  oder  das  Gewicht  dt 
selben  dividirt  durch  dasjenige  der  genossenen  Nalu-ung,  ist  ab 
hängig  von  der  Menge  absohit  unverdaulicher  Einschlüsse  in  dii 
letztere  (aus  diesem  Grunde  giebt  Gemiisenahrung  viel  mehr  Kotl 
als  Fleisch)  von  der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Speis, 
durch  den  Darmkanal  gehen,  endlich  von  der  Kraft  der  auflöse 
den  und  aufsaugenden  Verdauungswerkzeuge. 

Nach  den  Erfahrungen  von  Lieh  ig  befindet  sich  der  Koth  nicht  im  Zustande 
fauligen  Gährung,  er  gelangt  erst  in  sie,   nachdem  er  dem  Zutritte  der  Luft  bloss 
legt  war.     Zuweilen  kommen  in  ihm  Gährnngspilze  vor  (Mitscherlich,'lleiiii 
Böhm). 

Chevreul*)  hat  mit  freilich  noch  unvollkommenen  Methoden  die  Gasarten  i, 
menschlichen  Darmkanals  untersucht.    In  der  Leiche  eines  Hingerichteten  bemerkte 
im  Magen  eine  geringeMcnge  von  Gas,  welche  in  lOOTheilen  bestand  aus:  0=ll,i 
CO»  =  14,00;  N  =  71,45;  H  =  3,55.  —  Im  Dünn-  und  Dickdarme  dreier  Hin 
richteter  beobachtete  er : 


Dünndarm. 

Dickdarm. 

Coecum. 

Rectum. 

Bemerkungen. 

I. 

CO2 

24,39 

00-2 

43,50 

H 

56,53 

CHu.HS 

5,47 

1  Zwei  stunden 

N  . 

20,08 

N 

51,03 

d.  Tode  eine  llo 

CO4 

40,00 

CO2 

70,00 

zeit  ausBrod,  K: 

II.  ■ 

H 

51,15 

H  u.CH 

11,16 

Wein  u.  Wassi 

N 

8,85 

N 

18,04 

CO2  12,5 

CO4 

25,0 

CH  12,5 

COs!  42,86 

Vor  dem  TodeEii 

in. 

H 

8,4 

H  7,5 

GH  11,18 

■fleisch,  Brod,  L 

N 

66,6 

N  67,5 

N  45,96 

sen,  Rothwciii 

Aufsaugung  in  den  Verdauungswegen. 

Von  dem,  was  als  Speise  und  als  Drüsensaft  in  den  Dan 
eingeführt  ward,  tritt  nur  ein  kleiner  Theil  durch  den  After  her 
vor;  also  muss  der  Rest,  da  er  nicht  in  der  Höhle  zurückbleü 
durch  die  Darmwand  austreten.     Dass  die  grosse  Menge  ^ 
Flüssigkeit,  welche  diesen  "Weg  betritt,  ihn  in  so  kurzer  Zeit  vol 
lenden  kann,  begründet  sich  einmal  durch  die  grosse  Ausdehnuuj: 
der  Darmwand,  wie  sie  ermöglicht  ist  durch  die  Röhrenform  d 
Darmes,  und  durch  die  Falten,  Zotten  und  Krypten  der  eiüzeliK 
Schleimhautpartien.    Wenn  dieses  ausgebreitete  Filtrum  die  Am 
saugung  an  "sdelen  Orten  gleichzeitig  möglich  macht,  so  wird  durdi 


•)  Magondio's  Physiologie,  deutscli  von  Ileusinger.  U.  Bd.  7D.  101  u.  IIG. 


Einrichtungen  des  Schloimhautfiltors.  653 

Bedeckung-  der  Wand  mit  nur  einer  Schicht  cigenthiimlich  ge- 
nter Cylinderzellen  jede  einzelne  Stelle  sehr  leicht  durchdringlich. 

Nach  den  Beobachtungen  von  0.  Funke  und  Köllik'er,  vor- 
r^sweise  aber  nach  denen  von  B  r  e  1 1  a  u  e  r  und  S  t  e  i  n  a  c  h  *)  ist  die 
)3is,  welche  die  trichterförmigen  Deckzellen  gegen  die  Darmhöhle 
mden  durch  einen  hellen  Saum  begrenzt,  auf  welchem  prisma- 
ifehe  Stäbchen  aufsitzen.  Diese  Stäbchen  sind  jedoch  nicht  immer 
üch  gestaltet;  so  sitzen  namentlich  auf  den  Zellen,  die  aus  dem 
mn  eines  seit  vielen  Stunden  nüchternen  Thieres  stammen,  sehr 
utliche  scharf  von  einander  abgesetzte  Prismen;  die  Zellen  aber, 
!  aus  dem  Darm  des  verdauenden  Thieres  genommen  werden, 
(d  an  ihrer  gegen  den  Darm  gewendeten  Seite  durch  einen  schein- 
r  vollkommen  homogenen,  stäbchenfreien  Saum  begrenzt,  der 
iimäler  ist,  als  der  Raum,  welchen  im  vorhergehenden  Fall  die 
äbchen  sammt  ihrer  Unterlager  einnehmen.  Aber  auch  jetzt 
id  die  Stäbchen  nicht  verschwunden,  sie  sind  nur  durch  Ver- 
rrzung  und  gegenseitiges  Aneinanderlegen  unsichtbar  geworden; 
ran  sie  kommen  wieder  zum  Vorschein,  wenn  man  die  Zellen 
eine  Lösung  von  phosphorsaurem  Natron  legt.  Der  stäbchen- 
ijigende  Saum,  den  man  kurzweg  den  Zellendeckel  nennt,  hängt, 
te  es  den  Anschein  hat,  fester  mit  dem  schleimigen  zähen  Zellen- 
aalt  als  mit  der  zeitlichen  Zellenwand  zusammen;  man  könnte 
?gen,  es  stecke  der  mit  dem  Deckel  verbundene  Inhalt  in  der 
iflenhülse  wie  ein  Pfropf  in  einem  Trichter.  Diese  Annahme  grün- 
tt  sich  auf  die  Erfahrung  von  Brettäuer  und  Steinach,  dass 
i'-r  Zelleninhalt  mit  dem  auf  ihm  sitzenden  Deckel  seine  normale 
iigerstätte  verlässt,  und  sich  neben  die  leere  Hülse  legt,  wenn 
San  den  Inhalt  durch  passende  Mittel,  z.  B.  durch  destillirtes  Was- 
iT  zum  Aufquellen  gebracht  hat.  —  Aus  diesen  Erfahrungen,  so- 
tel  sie  auch  sonst  noch  zu  wünschen  übrig  lassen,  geht  das  für 
iisere  Zwecke  wichtige  Resultat  hervor,  dass  die  ZeUenhöhle 
'?gen  die  Darmlichtung  nicht  durch  eine  homogene  Haut  abgegrenzt 
:.t.  Wollte  man  einen  Vergleich  zulassen,  so  würde  man  zwischen 
em  Zellendeckel  der  Darmepithelien  und  der  Haut  in  andern  Zellen 
v.wa  denselben  Unterschied  statuiren  können,  wie  er  zwischen 
inem  Fliesspapier  und  einer  CoUodiummembran  besteht.  — 
rücke  vermuthet,  dass  auch  die  in  der  Schleimhaut  steckende 
■pitze  der  Epithclialzellen  nur  durch  einen  lockeren  Pfropf,  nicht 


•)  Brettauer  nnd  St  ein  ach,  Wiener  aknd.  Sitzungsberichte.  23.  Bd.  303. 


G54 


Anfänge  der  Chylusgofiisse  ;  Zotton. 


aber  durch  eine  homogene  Haut  verschlossen  sei  und  Heid( 
hain  findet  es  sogar  wahrscheinlich,  dass  die  von  jenen  Spitz 
ausgehenden  Fortsätze  in  das  von  ihm  beschriebene  die  Schkii:, 
haut  durchsetzende  Zellennetz  münden  (p.  568).    Diese  Thatsacht, 
wird  von  Henle  bestritten. 

Jenseits  der  Oberhaut  stösst  die  eingedrungene  Flüssigkeit  aur 
ein  lockeres  von  Lücken  durchzogenes  Gewebe.  Diese  Lückei 
öffnen  sich,  wie  schon  früher  beschrieben  wurde,  auf  die  eine  odei 
andere  Weise  in  die  Lymphgefässe ,  in  sie  hinein  ragen  Blutcapfl 
laren;  die  absorbirte  Flüssigkeit  kann  also  je  nach  Umständen  ii 
das  eine  oder  das  andere  GefäsS; eintreten.  Erwägt  Irtan,  dass  di( 
Hohlräume  der  Schleimhaut  ihre  Formen  ändern  können,  vermög( 
der  sie  umgebenden  Muskeln ,  so  sieht  man  hier  ein  kunstreiche! 
Filter  hergestellt,  das  auch  für  ölige  und  eiw eissartige  Flüssig 
keiten  länger  durchgängig  bleibt  als  selbst  eine  grobmaschige  Lein 
wand. 

A.  Aufsaugung  durch  die  Lymphgefässe. 

1.  Anatomisches  Verhalten  der  Anfänge*).  Nachdem  sehe: 
früher  die  Lymphwurzcln  in  der  Darmschleimhaut  geschildert  wui 
den,  bleibt  es  hier  nur  noch  übrig,  auf  das  Verhalten  der  Blutgi 
fasse  und  Muskeln  in  der  Schleimhaut  namentlich  in  den  Zotte; 
einzugehen.  In  den  lockeren  oberflächlichen  Schleimhautpartie; 
liegt  überall  ein  engmaschiges  Netz  von  Blutgefässen  eingebettel 
das  mit  freien  Wandungen  in  die  Lücken,  welche  den  Anfang  de 
Chylusgefässe  darstellen,  hineinragt.  Daraus  folgt  zweierlei;  ei; 
mal  nämlich  wü'd  die  Möglichkeit  eines  Austausches  zwischen  de; 
Flüssigkeiten  gegeben  sein,  die  in  den  Lücken  und  den  Blutgefäi 
sen  eingeschlossen  sind;  zugleich  werden  aber  auch  die  Blutge 
fässe  vermöge  ihres  durch  den  Blutstrom  gespannten  Inhaltes  di 
Schleimhautoberfläche  und  namentlich  den  Zottenmantel  ausspannen 
resp.  die  den  Lymphgefässanfang  darstellenden  Hohlräume  offei 
erhalten,  selbst  wenn  ein  gelinder  von  der  Darmhöhle  her  wirk© 
der  Druck  sie  zusammenzupressen  sucht  (Brücke,  Donders) 
Ausser  diesen  Gebilden  enthält  die  Schleimhaut  bekanntlich  noc 
Muskelzellen.  Diese  sind  in  den  Zotten  zu  Fasern  angeordnet 
welche  der  grössten  Länge  der  ersteren  entsprechend  verlaufen 


*)  Brücke,  Ueber  Chylusgcfiisse  u.  d.  Resorption  d.  Chylus.  Wien  1853.  —  Donders 
Uenle's  und  Pfeufer's  Zeitschrift.  N.  F.  IV.  Bd.  230.  und  die  p.  6G7  anfgezähltc  Litcratnr. 


Filtration«-  und  Ditt'usionsstrom  gegen  die  Chylusgefässe.  655 

liegen  nach  innen  von  den  Blntgefässcapillaren  und  nach  aussen 
Iii  Centi-alkanal  der  Zotte.  Ziehen  sich  die  Muskeln  zusammen, 
ij  dieses  am  geöffneten  Darme  des  lebenden  oder  eben  getödte- 

Thieres  beobachtet  werden  kann,  und  zwar  mit  einer  Kraft, 
(iche  die  durch  den  Blutstrom  gesteiften  Blutgefässe  zusammen- 
eckt, so  muss  dadurch  der  vorhandene  Inhalt  des  Centralkanales 
ikh  den  Lymphgefässen  in  dem  Unterschleimhautgewebe  entleert 
rden,  während  die  einzelnen  Epitheliumszelleu  durch  die  Ver- 
rzung  der  Zotte  comprimirt  werden.  Falls  sie  an  ihren  Enden 
lin  sind,  muss  hierdurch  ein  Theil  ihres  Inhaltes  in  die  Darm- 
iile  zurücktreten.  Man  kann  nicht  sagen,  ob  dasselbe  auch  für 
11  Inhalt  der  äusseren  Gewebsräume  des  Stroma's  einti-eten  müsse, 
man  nicht  weiss,  ob  die  Epitheliumsz eilen  so  eingepflanzt  sind, 
I6S  der  Chylus  ebenso  leicht  aus  dem  Stroma  in  die  Zellen,  als 
'i  den  Zellen  in  das  Sti-oma  tritt.  Diese  Darstellung,  welche  der 
tssischen  Arbeit  von  Brücke  entlehnt  ist,  lässt  uns  erkennen, 
13  zierlich  und  zweckmässig  zugleich  die  Zotte  zum  Behufs  der 
ttration  und  der  Weiterbewegung  ihres  Inhaltes  gebaut  ist. 

2.  Stoffaufnahme  in  die  Chylusgefässe.  Durch  die  Wand, 
liehe  die  Höhlungen  des  Darms  und  der  Chylusgefässe  von  ein- 
(der  trennen,  dringen  wässerige  Flüssigkeiten  und  Fetttröpfchen 
udurch. 

Der  Uebergang  von  wässerigen  Lösungen  in  die  Anfänge 
f  Milchgefässe  kann  mit  Hülfe  bekannter  Thatsachen  ohne  Schwie- 
Ikeiten  erkläii  werden,  denn  überall,  von  der  Cardia  bis  zum 
lus,  ist  die  Schleimhaut  für  Wasser  durchgängig  und  es  ist  Ge- 
(;enheif  zum  Wirksamwerden  von  Capillaranziehüng ,  von  hydro- 
iitischen  Drücken  und  Diffusionen  gegeben,  —  Die  Lücken  der 
^hleimhaut  sind  eng  und  ihre  Wände  mit  wässerigen  Lösungen 
metzbar,  also  muss  die  erste  der  drei  aufgezählten  Füllungsur- 
lehen  in  Betracht  kommen.  —  Ist  aber  aus  einem  oder  dem 
idern  Grunde  der  Anfang  der  Chylusgefässe  auch  mit  noch  so 
!3nig  Flüssigkeit  gefüllt ,  so  muss .  sich  von  ihm  ein  Diffusionsstrom 
litwickeln  zum  Darm-  und  Blutgefässinhalt  oder  mindestens  gegen 
m  letztern  von  beiden,  da  beide  Flüssigkeiten  in  einander  diffusibel 
i>d  zugleich  von  verschiedener  Zusammensetzung  sind.  —  Läge 
•)er  der  Darin-  und  Blutgefässinhalt  unter  einem  höheren  Drucke, 
'8  derjenige  der  Chylusgefässanfänge,  so  müssten  die  letzteren  all- 
lählich  sich  auf  dem  Wege  der  Filtration  anfüllen.  Das  Vorkommen 
mes  solchen  Spannungsunterschiedes  der  Flüssigkeiten  kann  aber 


656 


Uobcrgang  der  Fette  in  die  Chylusgcfässc. 


nicht  bestritten  werden ,  da  sich  die  Ampullen  und  Lücken  entleeren 
dnrch  die  periodisch  wiederkehrenden  Zusaninienziehungen  der 
Schleimhautmuskelu  und  dann,  wenn  die  letzteren  erschlafft  sind, 
wieder  ausgespannt  werden  durch  die  vom  Blutstrome  gestreckte] 
Blutgefässe.  Der  Inhalt  der  Lymphräume  wird  also  oft  genug  untei 
einer  sehr  geringen  Spannung  verweilen,  während  der  DarniinhaJ 
unter  einer  wenn  auch  geringen  Pressung  liegt,  die  sich  nameutlicl 
einstellen  muss,  wenn  eine  abwärts  hängende  Darmschlinge  mehr  odei 
weniger  angefüllt  ist.  Anderseits  wird  zu  einem  Filtrationsstrome  voi 
Seiten  der  Blutgefässe  her  Veranlassung  gegeben  durch  die  nor 
male  Spannung  des  Blutstromes.  Somit  scheint  es  nur  fragUch  zi 
bleiben,  ob  für  gewöhnlich  der  wässerige  Darminhalt  vorzugsweisi 
durch  Filtration  oder  durch  Diffusion  weggeschafft  werde.  Berück 
sichtigt  man  die  Erfahrung,  dass  die  in  das  Darmrohr  gebrachte) 
Lösungen  von  salzsauren  Alkalien  viel  reichlicher  aufgenommei 
werden,  als  diejenigen  der  schwefelsauren  Alkalien  und  Erden,  s< 
dürfte  man  geneigt  sein,  den  Diffusionen  das  Uebergewicht  zuzr 
schreiben.  Denn  filtriren  die  Lösungen,  so  kann  man  nicht  eil 
sehen,  warum  ein  solcher  Unterschied  sich  geltend  machen  sollte 
während  man  ihn  aus  der  ungleichen  Diffusionsgeschwindigkei 
jener  Salze  und  aus  dem  ungleichen  Quellungsvermögen  der  Haut 
durch  dieselben  begreifen  kann. 

Von  den  Fetten*),  Avelche  sich  im  Darminhalt  finden,  gehe' 
mit  chemisch  unveränderten  Eigenschaften  nur  diejenigen  in 
Lymphwurzeln  über,  welche  bei  der  Temperatur  des  menschliche: 
Körpers  flüssig  sind.  Um  übergangsfähig  zu  werden,  müssen  si 
im  Darmkanal  selbst  erst  eine  mechanische  Vorbereitung  "^erfahri 
haben,  die  darin  besteht,  dass  sie  in  höchst  feine  Tröpfchen  vei 
theilt  und  zugleich  mit  einer  Hülle  umgeben  werden.  Für  die  Ai 
Wesenheit  dieser  letztern  spricht  der  Umstand,  dass  sie  gewöhnlic 
nicht  zusammenfliessen,  wenn  sie  auch  unter  einem  merkliche 
Druck  in  einen  engen  Raum  zusammengedrängt  werden.  —  Di 
Bedingungen,  welche  das  Fett  zertheilen,  liegen  wahrscheinlich  i 
den  feinen  Unebenheiten  der  Darmoberfläche.  Durch  sie  werde 
die  grösseren  Tropfen  in  kleinere  zerspalten,  wenn  jene  durch  di 


*)  B 1  d  d  e  r  und  Schmidt,  Verdauungssäfte.  224  ff.  u.  252.  —  F  r  o  r  i  c  Ii  s  ,  Artikel  Verdauon 
Wagners  Hnndwörterbuch.  III.  847.  u.  853.  —  Weinmnnn,  Henle's  u.  Pfoufer's  Zeilschii 
N.  F.  UI.  247.  —  Herbst,  ibid.  389.  —  Cl.  Bornard,  Memoire  sur  ie  pnncnJns  et  sur  le  rfl 
du  suc  pancräatique.  Paris  185Ü.  —  Donders,  Pliysiologie  des  Menselien.  2.  Aufi.  1S59  .  322. 
Colin,  Gazette  mddicale  de  Paris.  1858.  64.  —  0.  Funke,  Zeitschrift  fiir  wiss.  Zoologie.  'V 
308.  u.  VU.  315.  —  Kölliker,  Würzburger  Verhandlungen.  Juni  1856. 


"Weg  des  Pottes  durch  die  Darmwand.  657 

i>;taltischeu  Bewegungen  auf  der  Darmoberfläche  hergepresst 
I den.  Die  Wiedervereinigung  der  Ideineren  zu  grösseren  Tröpf- 
n  wird  aber  unmöglich  gemacht  durch  die  reichliche  Anwesenheit 
leimiger  Flüssigkeiten,  Avelche  die  die  Darmoberfläche  benetzen, 
iientlich  dienen  hierzu  der  Darmschleim,  die  schleimartige  Galle 
i  der  Bauchspeichel  (Eberle,  Cl.  Bernard);  eine  Behauptung, 
,  eu  Kichtigkeit  leicht  bestätigt  werden  kann  dm-ch  Schütteln  eines 

•  bezeichneten  Drüsensäfte  mit  flüssigen  Fetten.  — 

.  Aus  diesen  Mittheilungen  folgt  nun  schon,  dass  für  gewöhn- 
II  der  Magen'  kein  Fett  aufnimmt;  ausnahmsweise  kann  es  (je 

ih  dem  Eintritt  der  Bedingungen)  dennoch  geschehen,  wie  z.  B. 

'Iliker  in  den  Epithelialzellen  des  Magens  von  Säuglingen  Fett- 
ipfchen  sah.  Aehnliches  sag-t  die  mikroskopische  Erfahrung  vom 
v'kdarm  aus,  in  dessen  Epithelialzellen  nur  nach  Oelklystieren 
tttröpfchen  gefunden  wurden.    Dennoch  bleibt  es  zweifelhaft,  ■  ob 

t  der  fettige  Zelleninhalt  in  die  Lymphräume  entleert;  dem  An- 
it.ein  nach  geschieht  dieses  äusserst  selten,  da  die  Lymphe,  welche 
'i  dem  Magen  und  Dickdarm  eines  fettverdauenden  Thieres  kommt, 
imals  milchig,  sondern  klar  "und  durchsichtig  ist.  —  Also  ist  nur 

■  Dttnndann  der  eigentliche  Fettsauger.  Aber  er  ist  es  nicht  an 
}3n  Stellen  gleichmässig.  Niemals  hat  man  das  Fett  durch  die 
llen  der  Crypten  gehen  sehen  und  für  gewöhnlich  findet  man  es 

•  in  den  Spitzen  der  Zotten.  Goodsir  und  Frerichs,  welche 
u  Weg  der  Fette  durch  die  Darmwand  zuerst  genauer  verfolgten, 
■den  das  chemisch  unveränderte  Fett  zu  sehr  feinen  Tröpfchen 
••theilt  zunächst  in  der  Höhle  der  Epithelialzellen.  Diese  That- 
hen  haben  alle  späteren  Beobachter  bestätigt;  merkwürdiger 
Mse  fand  man  aber  niemals  Tröpfchen  in  den  Zellendeckeln.  Da 

diese  aber  durchsetzen  müssen,  um  aüs  dem  Darm  in  die  Zel- 
' höhlen  zu  gelangen,  so  bleibt  nur  die  Annahme  übrig,  dass 

den  Zellendeckel  sehr  rasch  durchwandern.  Aus  der  Zellen- 
iile  gelangen  die  Tröpfchen  in  die  Fortsätze  derselben,  dann  in 
!  Lücken  der  Schleimhaut,  weiter  in  den  Centralcanal  der  Zotte. 
Ii  endlich  in  die  Lymphgetässe.  In  allen  diesen  Theilen  liegen 
!  Tröpfchen  nach  einer  fettreichen  Nahrung  so  gedrängt,  dass 
-selben  im  auffallenden  Licht  milchweiss  erscheinen. 

Viel  weniger  bekannt  als  die  Bahnen,  welche  das  Fett  durcÜ- 
nft,  sind  die  Kräfte,  welche  dasselbe  treiben  und  die  ihm  ent- 
tgenstehenden  Widerstände  wegräumen.  Nachweislich  befördert 
!  Anwesenheit  der  Galle  und  vermuthlich  auch  die  des  pankrea- 

Ludwig,  IMiyglologie  n.  2.  Anfinge.  42 


Galle  und  BauchspeicUel  hülfreich  für  die  Fettaufnahme. 


tischen  Saftes  den  Uebergang  der  Fette.   Denn  die  Auftiahme  de 
selben  wird  wesentlich  beschränkt,  wenn  die  Galle  nicht  in  den 
Dünndarm  treten  kann,  sei  es,  dass  sie  durch  eine  Fistel  nach 
aussen  geführt  wird  oder  dass  der  Ausftihrungsgang  der  Leber  ver 
stopft ist(Bro die,  Tiedemann,  Gmelin,  Bidderu.  Schmidt). 
Der  Beweis  flir  die  Minderung  der  Fettaufnahme  während  des  am 
gehobenen  Gallenzuflusses  wird  dadurch  geführt,  dass  der  aus  dem 
Dünndarm  kommende  Chylus  fettärmer  und  der  Koth  entsprechend 
fettreicher  ist.  —  Die  Hülfe,  welche  die  Galle  dem  Fettübergau- 
leistet,  erklärt  man  sich  meist  dadurch,  dass  dieselbe  den  Widci 
stand  mindere,  welchen  die  Poren  dem  Durchgang  der  Fette  ent 
gegensetzen.   Dieses  könnte  auf  verschiedene  Weise  erreicht  wer 
den;  z.  B.  dadurch,  dass  die  in  die  Schleimhaut  eingedrungem 
Galle  die  Porenform  ändert  und  die  Festigkeit  des  Gewebes  vei 
ringert;  oder  dadurch,  dass  sie  die  Porenoberfläche  schlüpfrige i 
macht,  sodass  sich  die  Reibung  zwischen  Fett  und  Porenwand 
mindert;  oder  auch  dadurch,  dass  sie  die  Fetttröpfchen  geeigneti  i 
macht,  sich  den  Formen  der  Porenkanälchen  anzuschliessen,  indem 
sie  die  sogenannte  Tropfeuspannung  des  Fettes  herabsetzt. 

Die  Anwesenheit  der  Galle  gehört  nun  aber  keineswegs  zu 
den  Bedingungen,  die  durchaus  erfüllt  sein  müssen,  damit  der  Fett 
Übergang  möglich  sei;  denn  nach  den  ßeobachtuugein  von  Biddi 
und  Schmidt  enthält  der  Chylus  auch  dann  noch  Fett,  wemi 
selbst  der  Zutritt  der  Galle  zum  Darmkanal  vollkommen  aufgehoben 
ist.   Man  ist  desshalb  .geneigt,  dem  pankreatischeh  Saft  dieselbe 
Rolle  zuzuschreiben,  welche  der  Galle  unzweifelhaft  zukommt.  C'l. 
Bernard,  welcher  vorzugsweise  die  Aufnahme  der  Fette  untei 
der  Betheihgung  des  Bauchspeichels  geschehen  lässt,  geht  sogar 
weit,  zu  behaupten,  dass  dieser  der  alleinige  Vermittler  der  Fett 
resorption  sei.    Es  bleibt  unerklärlich,  warum  der  ausgezeichnete 
Beobachter  den  Uebergang  des  Fettes  in  die  Chylusgefässe  immci 
aufgehoben  sah,  nachdem  der  Bauchspeichel  von  der  Darmhölile 
ausgeschlossen  war,  während  alle  übrigen  Beobachter  von  Bruun 
bis  auf  Colin  herab  nach  Exstirpation  des  Pancreas  oder  nacl' 
Anlegungen  einer  Fistel  die  Aufnahme  des  Fettes  wenig  beeiuträcb 
tigt  fanden. 

Wird  der  Bauchspeichel  und  die  Galle  zugleich  ausgeschlossen, 
so  wird  nach  Busch  nur  noch  ein  Minimum,  vielleicht  auch  gai 
kein  Fett  mehr  resorbirt. 


Kräfte,  die  das  Fett  treiben. 


659 


Die  Kräfte,  welche  den  Eintritt  des  Fetts  in  die  Zellen  bedin- 
(11,  und  die  anf  dem  Weg  vorkommenden  Widerstände  Uberwinden, 
.(innen  nattirlich  keine  sein,  welche  mit  den  die  Diffusion  erzeu- 
genden Aehnlichkeit  besässen.  Denn  diese  letztern  verlangen  eine 
miige  Vermischung  der  sich  in  einander  verbreitenden  Flüssig- 
A'iten.  Darum  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  an  einen  in  der 
;i('htung  vom  Darm  zum  Zottenraum  wirkenden  Druck  zu  denken. 
'1)  die  Druckunterschiede  der  Flüssigkeiten,  ob  Bewegungen  der  Epi- 
liclialstäbchen  oder  ob  Bewegungen  der  Darmwandungen  gegen 
inander  diese  Triebkraft  darstellen,  bleibt  zweifelhaft. 

Aus  dem  Darmkanale  in  das  Blut  gehen  bei  Kanineben,  Hunden  und  Fröschen 
lachtungsgemäss  folgende  feste  Stoffe  über*):  Blut-  und  Pigmentkörperchen  (Mo- 
ihott),  Stärkeköi-perchen  (Herbst,  Oester  len,  Don  der  s),  Quecksilberktigel- 
■  i  (Oester len),    Kohlenffittern    und    Schwefelblumen   (Oesterlen,  Dondws, 
Meyer,  Eberhard).    Moleschott,  der  den  Mechanismus  des  Ueberh'ittes  am 
nesten  verfolgt  hat,  fand  in  den  Epithelialzellen  des  Säugethierdarms  Pigmentmo- 
le und  in  denen  des  Froschdarms  Scheiben  des  Säugethierbluts.   Aber  nicht  jedes- 
,  wenn  die  genannten  Körper  in  dem  Darmkanal  vorkommen ,  gehen  sie  auch  in 
Chylus  über ;  im  Gegentheil ,  es  ereignet  sich  sogar  dieser  Uebergang  äusserst 
lU'U.    Der  Grund,    warum  die  genannten  Körperchen,    namentlich  wenn  sie  noch 
'  luer  als  die  aufnahmsfähigen  Fetttröpfchen  sind,  nicht  durchdringen,  bleibt  unbe- 
t.  Vielleicht  ist  ihre  Oberfläche  nicht  biegsam  genug,  sodass  ein  besonders  weicher, 
iit  durchbrechbai'er  Verschluss, die  Epithelialbasen  decken  muss,  wenn  sie  Durch- 
-  gewähren    sollen.  —  Grocq,  welcher  sehr  verschiedenartige  feste  Körperchen 
liich  die  Darmiwand  dringen  sah,  behauptet,  dass  sie  nur  die  von  Epithelien  ent- 
sten  Stellen  durchzusetzen  vermöchten. 

3.  Zusaimnensetzung  des  Chylus.  Die  Flüssigkeit,  welche  aus 
ein  Darme  in  die  Chylusanfänge  eindringt,  muss  in  ihrer  chemi- 
•hen  Anordnung  verschieden  ausfallen  mit  der  Zusammensetzung 
CS  flüssigen  Darminhaltes  und  des  Blutes  und  mit  dem  relativen 
'el)ergewichte  der  Kräfte,  welche  die  Anfänge  der  Chylusgefässe 
illen.  Die  einmal  in  die  Glefässe  eingegangene  Flüssigkeit  muss 
eränderlich  sein  mit  der  Zahl  der  Drüsen,  die  sie  durchströmt  hat ; 
er  Inhalt  des  ductus  thoracicus  endlich  wird  variiren  mit  der  Zu- 
ammensetzung  der  einzelnen  Chylus-  und  Lympharten,  aus  deren 
ermischung  er  entsteht,  und  der  relativen  Menge,  mit  der  sich 
jdcr  einzelne  an  der  Bildung  des  Gesammtinhaltes  betheiligt. 

Die  Beziehung  zwischen  dem  Darminhalte  und  dem  primitiven 
Chylus  ist  einmal  dadurch  gegeben,  dass  alle  im  ersteren  aufgelös- 

*)  Henlo's  und  Pfeufor's  Zeitsohria.  N.  P.  1.  Bd.  409.  —  Wiener  medizinische  Woclien- 
khrift.  1864.  30.  Dezember.  —  Moleschott's  Untersuoliiingcn  zur  Naturleliro.  II.  102.  u.  IIS».  — 
''Itticii,  Arcliiv  fiir  patholog.  Auatoniie.  XI.  —  Crocq,  De  la  pciiKStration  dos  particulcs  soli- 
1B8-  etc.  M^molres  conronnds  par  l'acndcJmio  do  Bolgiqne.  IX.  1859. 

42* 


660 


Zusammcnsotzung  des  Chylus. 


ten  Stoffe  zugleich  mit  den  Fetten,  entsprechend  dem  Bau  d 
Wände,  welche  die  Anfänge  der  Chylusröhren  umkleiden,  in  (i 
letzteren  eintreten.    Demnächst  greift  der  Darmiuhalt  dadurch  i, 
stimmend  in  die  Zusammensetzung  des  primitiven  Chylus  ein,  da 
durch  die  Gegenwart  einzelner  seiner  Bestandtheile  (Säure,  Galle  eli 
das  Eindringen  anderer  (Fette,  Eiweiss)  möglich  gemacht  wird. 
Die  Zusammensetzung  des  Blutes  kommt  für  die  des  primitiv ^ 
Chylus  in  Beti-acht,  einmal,  weil  der  letztere  schon  innerhalb  d 
Schleimhaut  in  diffusive  Beziehung  zum  ersteren  tritt,  und  ausserdf- 
weil  mit  dem  Blute  nothwendigerweise  auch  der  Danninhalt  selbs 
veränderlich  sein  muss,  insofern  die  chemische  Anordnung  un( 
die  Menge  der  Drtisensäfte  davon  abhängen,  und  insofern  hier 
durch  der  Grad  der  Umwandlung  bestimmt  wird,  welche  dei 
Darminhalt  vor  seinem  Eintritte  in  die  Chylusgefässe  in  Folge  dei 
zwischen  ihm  und  dem  Blute  bestehenden  Diffusion  erleidet.  — 
Mit  dem  relativen  Werthe  der  Kräfte,'  der  Diffusion  und  Fil 
tration,  welche  die  Chylusanfänge  füllen,  wechselt  die  Zusam 
mensetzung  ihres  Inhaltes,  weil  die  eine  von  ihnen  (Filtration 
gleichmässig  alle  in  den  Flüssigkeiten  des  Darmes  aufgelöstei 
Stoffe  überfüllt,  während  die  Diffusion  den  einen  Bestandthed 
langsamer  als  den  anderen  und  das  Fptt  gar  nicht  in  Bewegung 
setzt.   Nun  kann  es  aber  gar  keiner  Frage  unterworfen  sein ,  dasf 
die  beiden  Prozesse  nicht  überall  und  nicht  zu  allen  Zeiten  in  den 
selben  Verhältnisse  ihrer  Intensität  stehen,  da  mit  der  Contraktioi 
der  Darmmuskeln  und  der  Spannung  der  Blutgefässcapillaren  di( 
Filtration,  und  mit  der  Zusammensetzung  des  Darminhaltes,  iusbeji; 
sondere  mit  seinem  Gehalte  an  Labsaft,  Galle,  Bauchspeichel,  im 
Diffusion  veränderlichen  Werthes  wird.  —  Der  Chylus,  welcher  ai 
der  Darmschleimhaut  in  die  Chylusgefässe  eingeht,  erleidet  au.  i 
seinem  Wege  bis  zum  ductus  thoracicus  Veränderungen  in  deiit 
Drüsen,  theils  durch  die  Berührung  mit  dem  Blute  und  theils  durclii 
die  in  den  Drüsen  selbst  vorgehenden  ¥msetzungen ;  also  wird  mii  | 
der  Geschwindigkeit  seines  Stromes  mit  der  Zahl  und  dem  Umfang^ je- 
der eingelegten  Drüsen  die  Grösse  der  Umwandelung  Hand  in  Hanii 
gehen.  —  In  den  ductus  thoracicus  münden  ausser  den  Chylusjli 
gefässen  die  Lymphgefässe  der  unteren  Exti-emitäten ,  der  Bauch-j|t 
und  Brustwandungen,  des  Beckens,  der  Milz,  der  Leber,  des  Paii-M,> 
creas,  des  Peritonäums,  der  Brusteingeweide  u.  s.  w.  Abgesehe»! 
davon,  dass  es  schon  unwahrscheinlich  ist,  eine  Gleichartigkeit  iuRj- 
der  Zusammensetzung  der  verschiedenen  Lympbarteu  anzuuehmenÄj 


Veränderlichkeit  desselben  mit  der  Nahrung. 


661 


ssteht  aber  sicher  ein  Unterschied  zwischen  Lymphe  und  Chyliis; 
t  dem  Uebergewicht  der  einen  oder  anderen  Flüssigkeit  muss 
(jo  jedenfalls  der  Inhalt  des  ductus  thoracicus  seiner  Zusammen- 
mmg  nach  veränderlich  sein. 

Ans  diesen  Angaben  erhellt  die  unendliche  Variation,  welche 
Ui  zu  verschiedenen  Zeiten  an  demselben  Orte  und  zu  derselben 
iit  an  verschieden  gelegenen  Chylusgefässen  ereignen  kann;  die 
eorie  verhält  sich  den  Einzelheiten  gegenliber  noch  stumm,  und 

Erfahrung  ist  sehr  beschränkt,  da  ihr,  abgesehen  von  allen 
.leren  Mängeln,  nicht  einmal  die  Kenntniss  des  primitiven  Chylus 
■3  der  Schleimhaut  zu  Gebote  steht.  —  Das  Wenige,  was  die  Be- 
lichtung erworben,  ist  Folgendes. 

Der  Chylus  kann,  wie  Blut  und  Lymphe,  in  einen  flüssigen 
i!d  aufgeschwenmiten  Theil  geschieden  werden;  der  letztere  besteht 
mer  Gestalt  nach  bald  aus  aufgeschwemmten  Fettpartikelchen, 
ii  aus  diesen  und  Zellen  sehr  verschiedener  Art,  die  zum  grossen 
teile  den  Charakter  der  Körnchenzellen  an  sich  tragen,  und  end- 
a  aus  Butkörperchen.  ■ —  Die  chemischen  Bestandtheile  des  Chy- 

welche  bis  dahin  aufgefunden  werden  konnten,  sind  Fasertoff, 
ännbares  Eiweiss,  ein  durch  starke  Essigsäure  fällbarer  Eiweiss- 
ff,  Fette,  Zucker,  Harnstoff,  Verbindungen  von  Kali,  Natron  und 
Llk  mit  organischen  Säuren  und  mit  Kohlen-,  Salz-  und  Phosphor- 
iire.  Demach  fehlen  dem  Chylus  von  den  im  gelösten  Darmin- 
ite  nachweisbaren  Stoffen:  Leimarten,  gallensaure  und  schwefel- 
ure  Salze,  während  er  vor  ihm  Faserstoff  und  gerinnbares  Eiweiss 
raus  hat,  zwei  Körper,  von  denen  der  erstere  immer,  der  zweite 
migstens  häufig  dem  Chymus  fehlen. 

a.  Einfluss  der  Nahrung*).  Die  blossgelegten  Chylusgefässe 
lügernder  Thiere  sieht  man  von  einer  durchsichtigen  ^Flüssigkeit 
iüUt;  die  Durchsichtigkeit  des  Inhaltes  bezeugt  den  Mangel  an 
I -geschwemmten  Fetten;  eine  Analyse  dieser  Flüssigkeit  liegt  noch 
;ht  vor.  —  Wiederholt  ist  dagegen  der  ductus  thoracicus  bei 
!nschen  (L 'H öritier),  Hunden  (Chevreul),  Pferden  (Gmelin), 
15  vor  dem  Tode  gehungert  hatten,  untersucht  worden.  Eine  Ver- 
•iichung  dieser  Resultate  mit  der  Lymphe,  die  aus  den  unteren 
itremitäten  gewonnen  und  analysirt  wurde,  würde,  auch  ohne 
SS8  man  den  Gewichtsantheil  kennte,  den  jede  der  beiden  Flüs- 
tkeiten  an  dem  Inhalte  des  ductus  thoracicus  nimmt,  zu  mancherlei 

••)  Simon,  Med.  Chemie.  H.  Bd.  p.  244.  —  Nasse,  llandwürterbuch  d.  Physiologie.  I.  Bd. 
'lU8.  n.  Bd,  Lymphe.  —  Colin,  Trait^  de  pliysiologio  oompardo  1850.  H.  u.  f. 


662 


Chylus  huiigorndov  und  gofüttortor  Thiere. 


werthvollen  JBetraclituiigeii  führen,  wenn  es  nur  feststünde,  dass  u 
Lymphe  des  Beckens  und  der  Unterleibsdrüsen  übereinstininK 
mit  der  der  unteren  Extremitäten  zusammengesetzt  wäre,  und  wem,  ^ 
die  Lymphe  und  der  Inhalt  des  ductus  thoracicus  gleichzeitig  \>.- 
demselben  Individuum  gewonnen  worden  Aväre. 

Dieses  ist  nicht  der  Pall ,  darum  gewinnen  die  aus  den  nachstehenden  Zul 
abzuleitenden  Schlüsse  eine  zweifelhafte  Gültigkeit.  u 


Wnssor. 

Gelöste  Ei- 
weissstoffe  u. 
Körnorclion. 

FasorstofT. 

Ex- 
trakte. 

Fett. 

Beobachttr.  1 

Reine  Lymphe 

Mensch 

93,73 

4,28 

0,06 

1,28 

0,65 

GiibU-r.  1 

Inhalt  d.  ductus 

thoracicus 

)> 

92,43 

6,00 

0,32 

J 

0,50 

L'Hcrüier.  1 

Wfisser.- 

Eiweiss. 

trockener 
Kuclien. 

Ex- 
tralcte. 

Fett. 

Roinc  Lymphe 

Pferd 

96,34 

2,11 

0,19 

•  1,06 

Spuren 

Inhalt  d.  ductus 

•  Gmelin. 

thoracicus 

93,79 

4,07 

1,06 

1,13 

wenig 

Der  Verlust  in  der  Lymphanalyse  des  Pferdes  betrug  0,2  pCt.  —  Soweit  diejj 
unvollkommene  Untersuchung  zu  schlicsson  erlaubt ,  enthielten  die  Lymphe  und  dm 
Inhalt  des  ductus  thoracicus ,  also  auch  der  aus  dem  Darrae  kommende  Antheil  des- 
selben, gleiche  Bcstandtheile.  Diese  Folgerung  scheint  um  so  gerechtfertigter  ,  als  die 
in  den  Chylusgcfiisscn  der  hungernden  Thiere  strömende  Flüssigkeit  ebenfalls  entweder 
direkt  oder  indirekt  (vermittelst  der  Darmsäfte)  aus  dem  Blube  stammt,  Betrachtungen, 
die  man  über  die  quantitativen  Unterschiede  anstellen  wollte,  würden  zu  nichts  iführcn. 

Die  Nachrichten,  die  uns  von  dem  Chylus  gefütterter  Thiere 
zu  Theil  geworden,  sind  ebenfalls  meist  gewonnen  durch  die  Unter- 
suchung des  ductus  thoracicus.    Diese  Thats.ichen  haben  Werth, 
indem  sie  die  Natur  der  Säfte  feststellen,  welche  während  der  Ver- 
dauung in  das  Blut  kommen;  eine  selbst  beschränkt  deutliche  Vor- 
stellung über  das  Verhältniss  von  der  Zusammensetzung  des  Chy- 
lus und  der  Speisen  geben  sie  nicht,  weil  den  betreflenden  Ana-| 
lysen  nur  unvollkommene  Angaben  tilber  die  Zusammensetzung  der« 
letzteren  selbst  beigegeben  sind.    Bei  Anstellung  ähnlicher  Beob- 1| 
achtungen  dürfte  es  am  vortheilhaftesten  sein,  die  Zusammensetzung  I 
des  Speisebreies,  aus  welchen  der  Chylus  seinen  Ursprung  nahm, 
zu  ermitteln. 

Der  Inhalt  des  ductus  thoracicus  enthält  nach  den  vorliegenden 
Beobachtungen  jedesmal  Eiweiss,  Faserstoif,  Extrakte,  salzsaui'e 
und  phosphorsaure  Alkalien  und  phosphorsaure  Erden;  nach  uiehl- 
und  zuckerreicher  Nahrung  kommt  dazu  in  einzelnen  Fällen  auch 


Veränderung  des  Chylus  mit  dorn  Blut  und  dem  Fortschreiten.  663 

ker  und  nach  fetthaltigen  Speisen  (Fleisch,  Milch  ii.  s.  w.)  reich- 
(bis  zu  3  pCt.)  aufgeschwemmtes  Fett.  Rlicksichtlich  aller 
brigen  Eigenschaften  bietet  sich  keine  feste  Beziehung  zu  der 
ahrung,  indem  man  bald  nach  Fleisch-  und  bald  nach  Pflanzen- 
ost das  Blutroth,  den  Faserstoff,  das  Eiweiss  vermehrt  oder  ver- 
indert  fand. 

b.  Die  Beziehungen  zwischen  der  Zusammensetzung  von  Blut 
lad  Chylus  sind  durch  den  Versuch  in  beschränkter  Weise  aufge- 
llt; Fenwick*)  giebt  an,  dass  Blutlaugensalz,  in  die  Venen  ein- 
3spriitzt,  im  Inhalte  des  ductus  thoracicus  wiedergefunden  wird. 

c.  Der  Chylus  soll  auf  seinem  Wege  vom  Darme  bis  zu  dem 
iictiis  thoracicus  einige  Veränderungen  erfahren,  welche  man  vor- 
igsweise  dem  Einflüsse  der  Drüsen  zuschreibt.    Vor  dem  Eintritte 

dieselben  soll  der  Chylus,  insofern  er  aus  einem  fetthaltigen 
Uiymus  stammt,  viel  mehr  feine  Tröpfchen  aufgeschwemmten  Fettes 
iithalten,  als  nachdem  er  durch  die  Drüsen  gewandert  ist.  Für 
ucse  Annahme  spricht  nicht  gerade  der  Augenschein,  welcher  lehrt, 
lass  die  Fetttröpfchen  durch  eine  blossgelegte  Mesenterialdrtise 
icht  aus  dem  Vas  aflferens  in  das  Vas  efferens  übergehen.  —  Jen- 
iits  der  Drüsen  enthält  der  Chylus  mehr  Lymphkörperchen ;  da 
lun  schon  innerhalb  der  Schleimhaut  des  Darmes  Lymphdrüsen  ge- 
gen sind,  die  Pey  er 'sehen  und  solitären  Drüsen,  da  man  wäh- 
md  der  Fettverdauung  diese  Drüsen  mit  Fetttröpfchen  gefüllt  sieht 
h-ücke**),  K  öl  Ii  ker),  mithin  der  Chylus  schon  diese  Drüsen 
irchsetzt,  so  -wird  auch  der  auf  der  Aussenfläche  der  Schleimhaut 
irlaufende  Chylus  schon  Körperchen  führen,  welche  sich  aber  von 
mise  zu  Drüse  bedeutend  vermehren  (Kölliker)  ***). 

Setir  auffallende  Veränderungen  zeigte  der  Chylus  des  Pferdes  Tor  und  nach  den 
•üsen  bei  einer  chemischen  Zerlegung  von  Gmelin.  Die  folgenden  drei  Analysen 
id  am  Chylus  desselben  Thieres  angestellt. 

Wasser.     Trocknes  Cong.  Albumin.        Fett.      Extrakte  u. 

Salze. 

Ductus  thoracicus  96,79  0,19  1,93         wenig  1,01 

;flinter  der  Mesenterialdrüse      94,86  0,31  2,43  1,23  0,96 

Vor  der  „  87,10         wenig         3,58  """dfiS    ^  '  ' 

Daraus  hat  man  geschlossen,  dass  der  Faserstoff  erst  jenseits  der  Drüsen  auftrete. 
■)lin  giebt  dagegen  an,  dass  derselbe  auch  niemals  vor  den  Drüsen  fohle.    Die  ge- 
'agere  Menge  vom  Coagulum,  welche  Gmelin  in  dem  Chylus  vor  den  Drüsen  findet, 
zieht  sich  also  wohl  auf  den  Mindergehalt  an  Körperchen,  der  im  Coagulum  einge- 


»)  Valentin,  Jahresbericht  für  1845.  p.  175. 
»•)  Wiener  Sitzungsberichte.  XV.  Bd.  267. 
•»*)  Zeitschrift  nir  wissensclmftliche  Zoologie.  VII.  Bd.  182. 


gg^  Das  täglicho  Volum  des  Chylus. 

schlosson  ist.    Begroillicli   beweisen  aber  solche  Analysen    für  die  Drüsenwirkunj:. 
überhaupt  nichts,  so  lange  man  nicht  dargcthan  hat,  dass  der 'jenseits  der  Drüse  fli, 
sende  Saft  vor  dieser  diosclbo  Zusammensetzung  besass ,  als  der,  welchen  man  bchuf« 
der  vergleichenden  Analyse  aus  den  Gefiissen  vor  den  Drüsen  genommen  hat. 

4.  Das  Volum  der  Flüssigkeit,  welclies  durch  die  Chylusgefässe 
strömt,  resp.  der  Antheil  derselben,  welcher  aus  dem  Chymus  seinen 
Ursprung  nimmt,  wird  mit  der  reichlichen  Anwesenheit  von  Fetten 
und  gelösten  Eiweissstoffen  im  Darmkanale  und  mit  der  Mächtig- 
keit der  einsaugenden  Kräfte  sich  offenbar  mehren;  in  welchem 
Maasse  dieses  geschieht,  ist  unbekannt. 

Wiederholt  ist  der  Versuch  gemacht  worden,  die  mittlere  Menge  vom  Chylus  zu 
bestimmen ,  welche  bei  erwachsenen  Menschen  binnen  24  Stunden  durch  die  Gänge 
strömt.  Vierordt*)  ging  hierbei  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  alles  verdaute 
und  aufgesogene  Eiweiss  durch  die  Chylusgefässe  aufgenommen  würde,  und  dass  der 
ganze  Eiweissgehalt  des  Chylus  nur  aus  dieser  Quelle  stamme.  Die  Richtigkeit  dieser 
Annahme  vorausgesetzt,  würde  man  ,  wenn  der  Chylus  des  Pferdes  und  des  Menschen 
ungefähr  gleiche  Zusammensetzung  besässe ,  aus  dem  bekannten  Gehalte  der  Nahrung 
an  Eiweiss  mindestens  die  Grenzen  ermitteln  können,  in  denen  sich  die  tägliche  Chy- 
lusmonge  bewegen  würde.  Die  der  Kcchnung  zu  Grunde  gelegten  Annahmen  sind  aber 
wenigstens  insofern  unhaltbar,  als  nicht  alle  Eiweisskörper  des  Chylus  aus  der  be- 
zeichneten Quelle  stammen,  da  auch  während  der  Zeiten,  in  denen  der  Darmkanal  leer 
ist,  der  Inhalt  der  Chylusgefässe  Eiwcissstoffe  führt.  —  Eine  ähnliche  Betrachtung 
stellte  Lehmann  an,  bei  der  er  das  aus  der  Nahrung  aufgenommene  Fett  zu  Grunde 
legte.  Da  sie  ihr  Urheber  selbst  zurückgezogen ,  so  enthält  man  sich ,  wie  billig  ,  der 
weiteren  Besprechung  derselben. 

Bei  Pferden  und  Bindern  legte  Colin  Fisteln  des  ductus  thoracicus  am  Halse  at, 
durch  welche  der  Ausfluss  Stunden  und  Tage  lang  beobachtet  werden  konnte.  Beim 
Pferde  betrug  die  stündliche  Ausflussmenge  zwischen  700  bis  1200  Gr.;  bei  Stieren 
und  Kühen  zwischen  90O  und  59Ü0  Gr.  in  der  Stunde,  vorausgesetzt,  dass  die  Beob- 
achtung nicht  allzulange  fortgesetzt  wurde.  Einige  Zeit  nach  dem  Fressen  und  Saufen 
mehrte  sich  die  Ausflussgeschwindigkeit  meist,  aber  nicht  immer.  —  Ein  Stier  von 
1 85  Kilo  Gewicht ,  dessen  Fistel  bis  zum  vierten  Tag  offen  blieb  ,  gab  am  ersten  Tag 
zwischen  770  und  530  Gr.  stündlich;  am  zweiten  Tag  zwischen  540  und  440  Gr.; 
am  dritten  Tag  zwischen  630  und  240  Gr.  und  am  vierten  Tag  stündlich  315  Gr. 
Die  Entkräftung  des  Thieres  steigerte  sich  von  Tag  zu  Tag. 

5.  Die  Kräfte,  welche  den  Strom  des  Chylus  einleiten  und 
unterhalten,  werden  zu  suchen  sein  in  den  Zusammenziehungen  der 
Schkimhautmuskeln,  den  peristaltischen  Bewegungen  der  groben 
Darmmusculatur  und  der  Elastizität  der  Gefässwandung. 

B.   Aufsaugung  durch  die  Blutgefässe. 

1.  Der  Ditfusionsstrom ,  welcher  zwischen  dem  flüssigen  An- 
theile  des  Speisebreies  und  dem  Blute  in  den  Darm  Wandungen 


*)  jVroliiv  fUr  pliysiolog.  lloilkundo.  VII.  Bd.  281. 


Aufsaugung  durch  dio  Damblutgofässe. 


665 


esteht,  ftihrt  den  allgemein  feststehenden  Regeln  entsprechend, 
iicht  alle,  sondern  nur  gewisse  Bestandtheile  der  aneinander  gren- 
3nden  P'lüssigkeiten  ineinander  über.  Soviel  wir  wissen,  bethei- 
^en  sich  an  dem  Austausche:  Zucker,  pflanzen-,  gallen-,  fett-, 
■;hwefel-,  phosphor-,  salz-  und  kohlensaure  Alkalien,  Farbstoffe, 
iiweiss,  Faserstotf  (?),  Wasser.  Ausgeschlossen  sind  dagegen  die 
lette.  —  In  der  Richtung  vom  Darme  zum  Blute  gehen  Zucker, 
:4irbstolfe,  die  Salze  mit  organischen  Säuren,  Wasser  und  wahi-- 
iheinlich  auch  die  schwefelsauren  Alkalien.  Diese  Behauptung 
;,ützt  sich  auf  verschiedene  Gründe.  Zuerst  ist  der  Uebergang 
e3S  Zuckers  und  eines  Theils  der  erwähnten  Salze  in  das  Blut  da- 
luirch  erwiesen,  dass  man  sie,  wähi-end  sie  allmählich  aus  dem 
;armkanale  verschwanden,  geradezu  im  Blute  wieder  aufgefunden 
\\t.  Die  Farbstolfe  hat  man  in  den  aus  dem  Blute  kommenden 
iiäften,  z.  B.  dem  Hanie  aufgefunden,  ohne  dass  es  immer  gelun- 
«n  wäre,  ihnen  in  dem  Chylus  zu  begegnen,  oder  man  hat  sie 
och  im  Harne  angetroffen,  nachdem  man  die  Chylusgefässe  zer- 
:örte,  welche  aus  einem  abgegrenzten,  mit  den  bezeichneten  Stof- 
m  gefüllten  Darmstücke  hervorgehen.  Endlich  verlangt  die  Theo- 
ce  das  Zugeständniss,  dass  ein  Theil  der  schwefelsauren  Salze 
f3s  Danninhaltes  in  das  Blut  einströmt,  weil  jene  für  gewöhnlich 
L3m  Blute  fehlen  oder,  wenn  sie  vorhanden,  sogleich  durch  den 
:am  wieder  ausgeschieden  werden.  —  Eine  ähnliche  Bewandniss 
luss  es  aber  mit  dem  Wasser  haben,  da  das  Blut  meist  mehr  feste 
testandtheile  aufgelöst  enthält,  als  der  flüssige  Speisebrei.  —  Vom 
Hute  zum  Darme  muss  gerinnbares  Eiweiss  gehen,  weil  der  Chy- 
:us  weniger  davon  aufgelöst  enthält,  als  das  Blut;  diese  Voraus- 
i.ge  wird  bestätigt  durch  die  Erfahrung,  dass  Eiweiss  in  das 
'""asser  austi'itt,  welches  in  eine  abgeschnürte  und  in  die  Unter- 
iibshöhle  zurückgebrachte  Dünn  darmschlinge  eingesprützt  wurde 
kln  app). 

Insofern  das  Blut  und  der  Cliynius  ihre  Bestandtheile  nur  durch  Diffusion  aus- 
taschcn  können,  muss  man  es  für  unmöglich  halten,  dass  die  Fette  aus  dem  Darm- 
anale  in  das  Blutgefässwork  eindringen  können.  Nichts  destoweniger  sind  Bruch*) 
■  ;d  Lehmann**)  dieser  Meinung.  Der  letztere  gründet  dieselbe  auf  den  grösseren 
-ttgehalt  des  Pfortadcrblutes ,  der  ihm  anderen  Venen  gegenüber  zukommt.  Die  Un- 
ttastharkeit  der  Thatsachc  vorausgesetzt,  beweist  sie  noch  nicht,  dass  das  Fett  noth- 
mdig  aus  dem  Dannkanale  stammen  müsse.  —  Bruch  beruft  sich  auf  ein  beson- 
■res  Ansehen  der  Capillargefässe  in  der  Dünndarmschloimhaut ,  welches  auch  Vir- 


")  Zeitschrift  flir  wlssenschaftllclic  Zoologie.  IV.  285. 
Pliyislolog.  Clicmic.  III.  Bd.  327. 


66ß 


Aufnahmsfähigkeit  oinzelnor  Nährstoffe. 


chow,  Brücke*),  Zenker,  Tunke  u.  A.  angetroffen  haben;  sie  sind  näinlich|j| 
zuweilen  mit  einer  weisslichen,  dem  Fette  sehr  ähnlich  aussehenden  Materie  ganz  odeil 
tlieilwoisc  angefüllt.  .Brücke  hat  aber  durch  chemische  Reaktionen  gezeigt,  dass  derfl 
woissliche  Inhalt  keinenfalls  zu  den  Fetten  gestellt  werden  kann,  und  Virchow")! 
darauf  hingewiesen,  dass  er  zum  Theii  wenigstens  aus  Lcuein  bestehe.  || 

Auf  die  Diffusionen  im  Darmkanale  sind  die  schon  früher  (p.  563) 
hervorgehobenen  Bemerkungen  anwendbar.  Dagegen  würde  es  ein 
grosses  Missverständniss  verrathen,  wenn  man  auf  die  Strömung 
im  Darme  ohne  Weiteres  die  Zahlen  der  Difi"usionsgeschwindigkeit 
und  des  endosmotischen  Aequivalentes  in  Anwendung  bringen  wollte, 
welche  unter  ganz  anderen  Bedingungen  von  Graham,  Jolly, 
C.  Ludwig,  A.  Fick,  Cloetta  u.  s.  w.  aufgefunden  wurden. 

C.  Ueber  die  Aufnahme  durch  Blut-  und  Chylus- 
gefässe  zugleich. 

Das  praktische  Bedürfniss  verlangt  endlich  noch  Aufschluss, 
wie  sich  die  Aufsaugung  der  einzelnen  Nahruugsstoffe  gestalte^ 
gleichgültig,  ob  sie  durch  das  Blut-  oder  Chylussystem  geschehen 
ist.  Diese  Frage  kann,  mehrfach  variirt,  von  der  Erfahrung  ge- 
löst werden,  wie  es  in  der  That  für  einzelne  Stoffe  annähernd  ge- 
schehen oder  wenigstens  versucht  ist.  | 

1.  Wenn  man  fragt,   wieviel  der  gesammte  Darmkanal  vonl 
jedem  einfachen  Nahruugsstofi"***)  während  einps  langen  Zeitrau- 
mes, z.  B.  während  24  Stunden  aufnehmen  kann,  so  leuchtet  auch 
sogleich  ein,  dass  für  jeden  Nahrungsstoff  eine  solche  Grenze 
bestehen  müsse,  dass  diese  aber  von  Mensch  zu  Mensch  und  von 
Zeit  zu  Zeit  wechselnd  sein  müsse.    Hier  scheint  es  nicht  mehr 
nöthig,  darauf  hinzuweisen,  dass  mit  der  Bewegung  des  Blutsti-oms 
und  der  Darmmuskeln,  der  ausschliesslichen  oder  der  mit  anderen 
Stoffen  verbundenen  Anwesenheit  der  Nahrung  u.  s.  w.  sich  jene  i 
Grenze  mächtig  ändern  muss.    Folgendes,  welches  meist  aus  den 
Thatsachen  der  täglichen  Erfahrung  abgeleitet  ist,  gilt  darum 
auch  nur  für  sie ,  d.  h.,  wenn  man  etwa  täghch  1  mal  Koth  ent  > 
leert  und  nach  Bedürfniss  eine  gemischte  Nahrung  geniesst. 

»)  Wiener  Sitzungsberichte.  Xn.  682. 
*»)  Arcliiv  für  patliolog.  Anatomie.  VIII.  355. 

*»*)  B  iioliheim,  Arcliiv  für  pliysiologisclie  Hcillcuncle.  XIII.  93.  —  F.  Hoppe,  Arcliiv  für 
pntholog.  Anatomie.  X.  144.  —  0.  Funke,  ibidom.  Xm.  449.  —  Berthd,  Compt.  rend.  Bd.  42. 
901.  —  Osw.  Naumann,  Oleum  jecor.  Asclli  ad  membra  animalia  multo  niajorum  affinit.it«'' 
habere  quam  alla  pinguia.  Leipzig  1858  —  Kaupp,  Aj-chiv  fiir  physiologische  Heilkunde.  1885. 
385.  —  Sick,  ibidem  1857.  482.  —  Derselbe,  Ueber  die  Abhiingigkeit  der  SO3  des  Urins  etc. 
Tübingen  1869.  —  Boussingault,  Annalcs  des  chimie  et  pliysiqne  3me  Serie.  XVIH.  4ia,(l846).  1 
—  J.  Lehmann,  Liebigs  Annalen.  108.  357.  —  Bischoff  und  Voit,  Die  Ernälu-nng  I 
Fleischfressers.  18G0.  I 


Aufgenommene  Mengen  von  Wasser,  Zucker,  Eiweiss. 


667 


Hier  ergiebt  sich,  dass  von  den- grössern  zu  den  kleinern  Wer- 
een  absteigend  am  meisten  aufgenommen  wird  vom  Wasser;  es 
t  jedermann  bekannt,  dass  viele  Pfunde  desselben  leicht  aufge- 
ummen  werden ;  diese  Erscheinung  ist  auch  vollkommen  erklärlich, 
eenn  das  Wasser  durchdring-t  die  thierischen  Häute  im  Allgemeinen 
hr  rasch  und  leicht,  imd  zwar  um  so  leichter,  je  weniger  seiner 
'ii-wandtschaft  zum  Blute  das  Gegengewicht  gehalten  wird  durch 
te  im  Chymus  selbst  aufgelösten  Stoffe;  darum  werden  verdünnte 
ösungen,  wie  sie  das  gewöhnliche  Trinkwasser  darstellt,  in  ganz 
ii'erraschender  Menge  und  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  aufge- 
lugt,  und  eben  darum  verschwindet  so  rasch  das  Wasser  des  Lab- 
iftes,  der  Clalle,  des  Bauchspeichels  wieder  aus  der  Darmhöhle. 
HS  Wasser  cbnzentrirter  Lösungen  dagegen,  besonders  solcher  Salze, 
:'3lche  wie  die  schwefelsauren  nur  schwierig  die  thierischen  Häute 
irjchwandern,  verlassen  langsamer  die  Darmhöhle,  da  das  Wasser 
ii.rch  seine  Verwandtschaft  zum  Salze  zurückgehalten  wird  imd  es 
jr  in  dem  Maasse  in  die  Blut-  (oder  Chylus  -  ?)gefässe  übergehen 
li.nn,  in  welchem  die  Lösung  durch  Uebertreten  von  Salz  an  Con- 
mti'atiou  verliert  (Buch he  im). 

Auf  das  Wasser  folgt  der  Zucker;  er  kann  täglich  bis  zu 
iiem  und  mehreren  Pfunden  absorbirt  werden,  namentlich  wenn 
:;ht  soviel  auf  einmal  von  ihm  einverleibt  wird,  dass  er  Durch- 
II  und  Erbrechen  bringt,  sondern  in  dem  Maass  wieder  nachge- 
loben  wird,  in  welchem  er  sich  entfernt,  wie  es  z.  B.  bei  der 
1  lylonverdauung  zu  geschehen  pflegt.  Doch  kann  auch  aus  einer 
ichlich  genossenen  Zuckerlösung  viel  aufgenommen  werden;  so 
ud  Hoppe  nicht  die  Spur  von  Zucker,  im  Kothe  des  Hundes,  der 
lO  Gr.  gelösten  Rohrzuckers  auf  einmal  verschlungen  hatte.  Dass 
rr  Zucker  so  reichlich  resorbirt  werden  kann,  ist  begreiflich,  weil 
;auf  der  ganzen  Darmfläche  durch  Chylus  und  Blutgefässe  zu- 
»ich  eingeht,  und  weil  er  aus  dem  Blut  selbst  wieder,  sei  es 
rrch  Umsetzung  oder  Ausscheidung  verschwindet. 

Von  den  eiweissartigen  Stoffen  kann  täglich  bis  zu 
4em  Pfund  und  darüber  resorbirt  werden.  Wie  der  Durchgang 
ler  80  grossen  Menge  möglich,  bleibt  unklar,  so  lauge  man  an- 
lamen  muss,  dass  bei  der  Resorption  von  wässerigen  Lösungen 
Darmkanal  wesentlich  die  Diffusion  betheiligt  ist,  und  so  lange 
i.n  an  der  Meinung  festhält,  dass  den  Eiweissstoffen  der  Weg  zu  den 
atgefässen  verschlossen  sei,  weil  der  Inhalt  derselben  schon  sehr 
veissreich  ist.   Dem  langsam  diffundirenden  Eiweiss  ständen  also 


668 


Täglich  aufgenommenes  Fett. 


nur  die  Lympbgefässc  offen.  Den  vorliegenden  Widersprucli  glaubt 
man  lösen  zu  können  durch  die  Annahme,  dass  das  Eiweiss  des 
Darminhaltes  ein  Pepton  sei,  diese  besitzen  aber,  wie  Funke  zeigt, 
eine  viel  grössere  Beweglichkeit  sowohl  im  Filtrations-  wie  im  Dif- 
fusionssti-om.  Schon  früher  musste  aber  darauf  aufmerksam  ge- 
macht werden,  wie  die  Anwesenheit  von  Peptonen  im  DarmkanjJ 
nicht  bewiesen  und  nicht  einmal  wahrscheinlich  sei.  Möglich  wäre 
es,  dass  aber  auch  schon  das  verdaute,  wenn  auch  noch  nicht  um- 
gewandelte Eiweiss  rascher  diffundirte,  als  gewöhnliches  und  dasB 
auch  von  diesem  die  Blutgef ässwand  durchdrungen  werden  könnte,  weil 
es  doch  vielleicht  eine  eigenthümliche  Eiweissmodifikation  darstellt 
Die  Fettaufnahme  ist  eine  beschränktere,  was  schon 
der  Mechanismus  derselben  vermuthen  lässt.  Aus  einer  Unter- 
suchung, die  Berthe  an  sich  selbst  anstellte,  geht  heiTor,  dass 
nicht  alle  Fettsorten  gleich  leicht  aufsaugbar  sind.  Von  Leber- 
thran ,  ■  Butter  und  andern  thierisehen  Fetten  können ,  wenn  sie 
einer  gemischten  Nahrung  zugesetzt  werden,  in  günstigen  FälleD 
täglich  bis  zu  50  Gr.,  meist  aber  nur  etwa  30  Gr.  aufgesaugt  wer- 
den; zu  den  weniger  leicht  aufnehmbaren  gehören  Mandel-,  Oliven-, 
Mohnöl ;  von  ihm  werden  täglich  meist  nur  20  Gr.  und  weniger  re- 
sorbirt.  Uebersteigt  die  Menge  des  verzehrten  Fettes  den  aufnahms- 
fähigen  Werth,  so  nimmt  bei  anhaltendem  Fortgebrauch  jener  Fett- 
menge der  Gehalt  des  Kothes  an  Fett  allmählich  zu;  es  tritt  al>n 
gleichsam  eine  Uebersättigung  der  Zotten  ein,  vermöge  deren  ilu'i 
Eesorptionsvermögen  geschwächt  wird.  —  Die  eben  angeführtenl 
niedrigen  Zahlen  stechen  bedeutend  gegen  bekannte  Erfahrungen  aD|l 
nördlichöu  Völkern  ab.  Erfahrungsgemäss  geniesst  der  Nordländer* 
unbeschadet  seiner  Gesundheit  das  vielfache  von  dem  an  Thr; 
Speck,  Butter,  welches  Berthe  bewältigen  konnte.  |j 

Als  Beispiel  für  die  Uebersättigung    dienen  folgende    zwei  Versuchsreihen  ^ 
Berth(5.    In  beiden  Fällen  bestand  die  Nahrung  aus  Fleisch,  Brod,  Früchten,  'W"' 
und  Kaffee.  —  Zu  ihr  setzte  er  in  der  jetzt  zu  erwähnenden  Keüie  6  Tage  hindii: 
40  Gr.  Wallfischthran ;  von  diesem  wurden  im  Mittel  31,5  Gr.  resorbirt  uftd  8,5  Gr 
erschienen  im  Koth.    Als  er  nun  auf  60  Gr.  Thran  stieg,  erhob  sich  der  Gehalt  Ar- 
Kothes  an  Thran  sogleich  auf  12  Gr.  (also  waren  48  Gr.  aufgenommen).    Im  Verl- 
der  Beobachtungszeit,  die  24  Tage  anhielt,  wuchs  und  zwar  erst  langsam  und  dann  rasch  i 
die  Fettmenge  des  Koths  auf  50  Gr.,  so  dass  jetzt  nur  noch  10  Gr.  vom  genossen  ' 
Thran  verschwanden.  —  Zu   derselben   Nahrung  setzte  er  ein  anderes  Mal  Butt' 
Zuerst  60  Gr.;  dabei  enthielt  der  Koth  in  4  Tagen  je  9,3  Gr.    Dann  aber  wuchs  üii 
Buttergehalt  desselben  allmählich  auf  12,8  Gr.    Als  er  nur  100  Gr.  Butter  verzehrte,  li, 
stieg  der  Gehalt  des  Kothes  auf  29  Gr.;  und  wie  er  dann  auf  60  Gr.  Buttcrnahrong  I 
zurückging,  sank  zwar  in  den  ersten  Tagen  der  Fettgehalt  des  Kothes  auf  19  Gr.,  er-  I 


Täglich  aufgenoiumeno  Salzo. 


669 


I )  sich  dann  aber  allmählich  wälirend  8  Tagen  auf  24  Gr.  täglich.  In  dem  mir  zugäng- 
iden  Bericht  über  die  Versuche  von  Berthe  ist  nicht  angegeben,  wieviel  rcsorbir- 
fen  Fettes  schon  an  und  für  sich  in  der  Nahrung  enthalten  war. 

Ganz  anders  als  der  Darm  von  Bertha  verhielt  sich  der  eines  Hundes ,  welchen 
erhoff  und  Voit  fütterten.    Er  wurde  öfter  Wochen  lang  mit  250  bis  300  Gr. 

assener  Butter  täglich  gespoisst,  ohne  dass  im  Koth  mehr  als  etwa  5  Gr.  täg- 
II  ausgeworfen  wurden. 

Unter  den  gewöhnlichen  Salzen  unserer  Nahrung  steht  in 
itziehuug  auf  die  Aufnahmsfähigkeit  obenan  das  Kochsalz;  von 
f-3seni  können  täglich  bis  zu  30  Gr.  durch  die  Darmwand  gehen 
aupp).  Nach  ihm  folgt  das  phosphorsaure  Natron  (2NaOHO 
1)5),  von  dem  günstigsten  Falls  etwa  12  Gr.  täglich  aufgenommen 
'srden  (Sick)  und  darauf  endlich  das  NaOSOa,  das  bis  zu  6  Gr. 
:;lich  resorbii't  wii-d.  Wenn  man  die  Aufnahme  dieser  Salze  stei- 
rrn  wollte,  so  würde  zu  beachten  sein,  dass  dieselben  in  gesät- 
tteren  Lösungen  jedenfalls  die  Darmoberfläche  so  ändern,  dass 
Durchgängigkeit  derselben  gemindert  wird.  Da  diese  Salze 
';gen  ihrer  starken  Verwandtschaft  zum  Wasser  den  Darminhalt 
sssig  erhalten,  und  dann  wegen  der  leichten  Beweglichkeit  des- 
Iben auch  rascher  entfernt  werden,  so  ist  die  Möglichkeit  einer 
ssgiebigern  Resorption  auch  durch  Mittel  herbeizuführen,  welche 
'i  Darmbewegung  mindern,  z.  B.  durch  eine  Gabe  von  Opium 
iuchheim). 

Für  Gummi  scheint  die  Darmwand  undurchdringlich  zu  sein 
loussingault). 

Die  phosphorsauren  Erden  könnten  im  Magen ,  wo  sie  von  der  Säure  gelöst  sind, 
ilas  Blut  und  den  Chylus  eindringen,  wenn  sie  nicht  an  den  Grenzen  jener  alkalisch 
;;irenden  Flüssigkeiten  niedergeschlagen  würden;  man  sollte  darum  denken,  dass  sie 
zugleich  mit  den  ciweissartigen  StoiFen ,  denen  sie  sich  verbunden  haben,  aufsaug- 
wären. Ist  dieses  der  Fall,  so  müssen  sich  solche  Verbindungen  im  Darmkanal  er- 
rjen   lassen,  da  nach  J.  Lehmann    das  dem  Futter  eines  Kalbes  beigemengte 
ver  aus  phosphorsaurem  Kalk  und  Magnesia  reichlich  aufgenommen  wird. 

2.  Die  absoluten  Mengen  einfacher  Nahrungsstoffe,  welche  von 
r  Flächeneinheit  der  Magen,  Dünn-  und  Dickdarmwand  in 
*  Zeiteinheit  aufgesogen  werden  können,  sind  bis  dahin  nur 
Eiweiss  und  Zucker  in  dem  Dünndarme  des  Kaninchens  auf 
iranlasrung  Lehmann's  durch  Kaupp  und  Becker  unter- 
;feht  worden.    Wie  vorauszusehen,  sind  diese  Werthe  sehr  verän- 
■Hich  gefunden  worden.    In  vier  Stunden  nahm  der  Quadratcen- 
■leter  aus  einer  9  pCt.  Eiweisshisung  0,001  bis  0,002  Gr.  Eiweiss 
'\  während  ans  einer  4,5  pCt.  haltenden  Lösung  nur  höchstens 
"05  Gr.  übergingen.    Diese  Versuche  lassen  schliessen,  dass  die 

l 


670 


Aufnalimo  bozogoii  auf  dio  Mächenoinlieit. 


aufgesaugte  Menge  mit  der  Conzentration  die  Lösung  anwächst.  Die 
Beobachtungen,  welche  Beclcer  mit  Zucker  anstellte,  geben  durchaus 
andere  Kesultatc.  In  4  Stunden  wurden  von  der  oben  genannten 
Flächeneinheit  aufgesaugt  aus  einer  l,2prozentigen  Lösung  0,003  Gr., 
aus  einer  9prozentigen  0,005  bis  0,007  Gr.,  aus  einer  5,8  und  3pro- 
zentigen  0,003  Gr.  Als  er  den  Versuch  so  abänderte,  dass  er  eine 
lOprozentige  Lösung  1,  2,  3,  4  Stunden  in  dem  Darme  verweilen 
liess,  gingen  in  der  ersten  Stunde,  wo  die  mittlere  Conzentration 
am  höchsten  war,  0,003  Gr.  über,  in  der  zweiten  und  dritten  Stunde 
0,007  und  in  der  vierten  Stunde  0,008.  Daraus  erfolgt  deutlich, 
dass  in  diesen  Beobachtungen  die  Dichtigkeit  der  Lösung  und  die 
Uebergangsgeschwindigkeit  in  keiner  einfachen  Beziehung  zu  ein- 
ander stehen;  in  der  That  kann  diese  Beziehung  durch  die  unge- 
meine Complikation  der  Bedingungen  verdeckt  gewesen  sein. 

In  den  vorstehenden  Versuchen  wurde  eine  Darmschlinge  des  Kaninchens  heraus- 
gezogen und  abgebunden,  mit  einer  gewogenen  Menge  Zucker-  oder  Eiweisslösung  voi 
bekannter  Zusammensetzung  gefüllt,  dann  in  dio  Unterleib shölile  zurückgebracht,  nacl 
Verfluas  der  bestimmten  Zeit  von  ihrem  Inhalte  befreit  und  in  diesem  die  Menge  dei 
Eiweisses  oder  Zuckers  gemessen.  Jedenfalls  wäre  es  wUnschenswerth ,  die  Lösung» 
dichtigkeit  auch  zu  Ende  dos  Versuches  zu  kennen.  —  In  dio  von  Becker  geliefert 
Beurtheilung  seiner  Versuchsrcsultate  haben  sich  einige  leicht  zu  verbessernde  Yersehai 
eingeschlichen,  sodass  das  von  ihm  in  Worten  ausgedrückte  Endergebniss  der  Versuchs 
reihen  nicht  annehmbar  erscheint.  II 

3.  Zu  den  Bedingungen,  welche  den  Umfang  der  AufsaugunJ 
der  Speisen  bestimmen,  gehört  die  Aufenthaltsdauer  des  ChymuJ 
im  Darmkanale;  diese  ist  aber  gegeben  einmal  durch  die  Bowel 
gung  des  Darmkauales,  und  dann  durch  den  Widerstand,  welchenj 
die  Klebrigkeit  des  Breies  der  Fortschaffung  entgegensetzt.  Somi 
würde  also  die  Zeit  sehr  bedeutend  abgekürzt,  wenn  der  Speise 
brei  recht  flüssig  und  beweglich  wäre.   Dieses  würde  aber  eintre 
ten,  wenn  der  Darmkanal  gleichzeitig  viel  lösliche  Stoffe  enthielte 
die  eine  mächtige  Anziehung  zum  Wasser  zeigten.    In  dem  nor 
malen  Verlaufe  der  Dinge  musste  darum  dieser  Uebelstand  verraie 
den  werden,  was  in  der  That  dadurch  geschehen  ist,  dass  wir  dei 
Zucker  nicht  als  solchen,  sondern  als  Amylon,  das  Eiweiss  uichl 
flüssig,  sondern  geronnen  geniessen,  und  noch  mehr  dadurch,  das» 
die  erwähnten  Speisen  so  ganz  allmählich  in  die  lösliche  Modifil 
kation  übergeführt  werden,  und  dass  eine  jede  gelöste  Menge  dnrcl« 
die  Verdauungssäfte  aus  dem  noch  ungelösten  Antheile  in  entfernt«  I 
Darmpartieen  weggespült  wird.  t 


Abrechnung  des  thieriscben  Haushaltes. 


671 


\V.   Vergleich  ung  des  Verlustes  und  Gewimies  an 

wägbaren  Stoffen. 

Ein  Rückblick  auf  die  Ernährungserscheinungen  des  Tbier- 
Ihes  legt  es  uns  nabe,  die  einzelnen  Organe  und  also  aucb  die 
ummen  derselben  zu  vergleicben  mit  einem  Wassersammler,  der 
teicbzeitig  einen  Zu-  und  einen  Abfluss  erfäbi't.  In  der  Tbat  dringt 
iircb  die  Lunge  und  den  Darmkanal  ein  Strom  von  Atomen  in 
m  Organismus  und  durch  Lunge,  Haut,  Nieren  und  After  wieder 
ids,  sodass  je  nach  dem  Verbältnisse,  in  welchem  der  Umfang  und 
ce  Geschwindigkeit  beider  Strömungen  zu  einander  stehen,  das 
ittlere  tägliche  Gewicht  des  Thierleibes  entweder  sich  annähernd 
\ verändert  erhält  oder  in  einer  Ab-  oder  auch  in  einer  Zunahme 
ggiiffen  sein  kann.  Bei  einer  etwas  tiefer  eingehenden  Betrach- 
mg  der  Ernährungserscheinungen  zeigen  sich  aber  sogleich  man- 
.'^ache  Abweichungen  von  den  Ergebnissen  eines  gewöhnlichen 
rromes,  von  denen  eine  schon  dadurch  zur  Andeutung  kam,  dass 
rr  Begriif  des  mittleren  täglichen  Körpergewichtes  aufgestellt  wer- 
m  musste.  Dieser  Ausdruck  weist  darauf  hin,  dass  die  Summe 
iigbarer  Atome,  welche  der  Thierleib  im  Laufe  eines  Tags  um- 
uliesst,  auf  und  abschwankt;  dieses  muss  aber  geschehen,  weil 
11  Theil  der  Einnahmen  wie  der  Ausgaben  nicht  ununterbrochen, 
mdern  periodisch  geschieht,  während  ein  anderer  Theil  zwar  un- 
iterbrochen,  aber  mit  auf  und  niederschwankender  Geschwindig- 
lit  ein  -  und  ausgeht. 

Der  wichtigere  Unterschied  zwischen  dem  oben  gewählten 
(de  und  Sti-ome  von  Atomen  durch  den  thierischen  Körper  liegt 
eer  darin,  dass  die  in  den  Thierleib  gefühi-ten  Massen  nicht  durch 
•  Auftreten  die  in  ihm  vorhandenen  verdrängen  und  hinausschie- 
nn,  sondern  dass  sich  die  austretenden  Atome  in  vielfachen  Punk- 
II  unabhängig  von  der  Zufuhr  aus  ihren  bisherigen  Verbindungen 
blösen.  Dieses  wird  sogleich  einleuchtend,  wenn  man  die  That- 
sehenreihe  in  das  Auge  fasst,  welche  als  Verhungern  bezeichnet 
rrd,  gleichgültig  ob  dieses  geschieht  in  Folge  einer  allgemeinen 
»r  einer  partiellen  Entziehung  von  Nahrungsmitteln. 


672 


Vorlust  beim  Gesammthungor. 


Uebersicht  der  Verluste  beim  VerbuDgera. 

Gesaramtbunge r.  Wird  einem  Tbiere,  das  bis  dahin  zui 
Gentige  gefüttert  wurde,  nur  uocb  die  SauerstofFnabrung  gewäbil^ 
wäbrend  ibm  jeglicbe  feste  und  flüssige  Nabrung  entzogen  wird, 
so  nimmt  sein  Gewicbt  mebr  oder  weniger  rascb  ab.  Hat  diese 
Abnahme  einen  gewissen  Werth  erreiebt,  so  tritt  der  Tod  des 
Tbieres  ein. 

Daraus  gebt  hervor,  dass  jedes  wobl  ernährte  Thier  einen  Vor 
rath  an  festen  und  flüssigen  Stoffen  birgt,  auf  dessen  Kosten  ö 
leben  kann.  Es  wird  sieb  mm  fragen,  wie  gross  ist  derselbe 
welche  chemische  Zusammensetzung  besitzt  er  und  in  welchen  Ge 
weben  war  er  aufgehäuft,  wie  rascb  braucht  er  sich  auf  und  durcl 
welche  Ausscbeidungswerkzeuge  verlässt  er  den  tbieriscben  Körper 

Das  GesammtgewicM  des  Vorraths  wird  gefunden  aus  dem  Unterschied  der  Ge' 
Wichte ,  den  das  Thier  beim  Eintritt  in  die  Hungerzoit  und  beim  Verenden  zeigt.  — 
Die  chemische  Zusammensetzung  ergicbt  sich,  wenn  man  die  Gesammt- Menge  von  0 
die  das  hungernde  Thier  einathmeto ,  und  die  Menge  von  C,H,N,0,S,Cl,P5  0ä,  KO,NaO; 
CaO,  die  es  ausgab,  bestimmte;  aus  diesen  Daten  lässt  sich  mit  Zuhülfenahme  der  bf 
kannten  Zusammensetzung  des  Eiweisses ,  der  Fette ,  des  Zuckers  u.  s.  w.  wcnigstoÄ 
annähonid  berechnen,  aus  welchen  complizirten  Vorbindungen  jene  Ausscheidungspr« 
dukte  hervorgingen.    In  Anbetracht  der  Schwierigkeit,  alle  diese  Zahlen  gewinnen  zu 
können,  hat  man  gewöhnlich  nur  einzelne  der  aufgezählton  Atome,  z.  B.  den  ausge4 
schiedenen  N,  die  Salze  u.  s.  w.  bestimmt.    Vorausgesetzt,  dass  aller  N,  der  aus- 
schieden ,  auch  wirklich  gewogen  wurde ,  kann  man  wenigstens  annähernd  (indem 
die  Leimgowebe  der  Gewebe  als  unveränderlich  ansieht)  die  Mengen  des  verbraucl 
Eiweisses  berechnen.  —  Um  den  Verlust,  den  die  einzelnen  Gewebe  und  Organe  v 
i'end  des  Ilungerns  erlitten,  ausfindig  zu  machen,  zerlegt  man  das  verhungerte  T;- 
und  wägt  seine  anatomischeü  Bostandtheilo.   Diese  Gewichte  vergleicht  man  mit  äeäfjM 
welche  die  entsprechenden  Organe  eines  Thieres  besitzen,  das  nach  Gewicht  und  i^H 
perbau  möglichst  dem  verhungerten  gleicht  zu  der  Zeit,  als  mit  dem  letzteren  der  .^H 
such  begonnen  ward.  —  Um  einen  andern  allgemeinem  Ausgangspunkt  für  den  '^H 
gleich  zu  erhalten,  bestimmte  C.  Schmidt  in  einem  nornv^ien  Thier  das  Gewi^H 
verhältniss   aller  einzelnen  Organe    oder  Organgruppen   zu   den  Knochen.  Ki^^J 
man  an,  dass  in  jedem  andern  gleichbeschaffencn  Thier  die  Organe  in  demselben 
wichtsvorhältniss  zu  einander  stehen  und  ferner,  dass  durch  den  Hunger  die  Eno^H 
nicht  abmageren,  so  genügt  jetzt  die  Wägung  der  Organe  des  verhungerton  Thieres,^H 
ihren  Gewichtsverlust  festzustellen.    Wir  wissen  nicht  einmal  annähernd,  wie  gross^H 
Pohler  dieser  Bestimmung  ist.  —  Um  die  Geschwindigkeit  des  Verbrauchs,  respef^ 
die  Aenderungen  dieser  Geschwindigkeit  zu  finden,  muss  das  verhungernde  Thier  ' 
Zeit  zu  Zeit  (von  Tag  zu  Tag,  Stunde  zu  Stunde  u.  s.  w.)  gewogen  werden.  —  B>^" 
rücksichtigt  man  bei  diesen  Wägungon   die  Menge  des  ausgeschiedenen  Harns  uiuliF 
Koths,  so  ergicbt  sich  aus  der  Differenz  der  Gewichte  der  letzton  Stoffe  und  dem  Vor-|^ 
lust  an  Körpermasse   die  Menge  der  Verbindungen,   welche  durch  die  Perspirat! 
abgingen. 


Proportionaler  Tagesverlust  beim  Verhungern. 


673 


Da  sich  der  absolute  Werth  und  die  Zusammensetzung  des 
^wendbaren  Vorraths,  ebenso  wie  die  Geschwindigkeit  seines 
■'brauchs  mit  der  der  Gattung,  dem  Fütterungs/Aistand,  dem 
;,rmeverbrauch ,  der  Muskelanstrengung,  dem  Alter  des  Thieres 
H.  w.  ändern,  SO  mussman,  um  allgemeine  Resultate  zu  erzielen, 

Verhungern  unter  diesen  verschiedenen  Verhältnissen  vor  sich 
ten  lassen. 

Um  endlich  die  Versuche  mit  einander  vergleichbar  zu  machen, 
iis  man  den  gesammten,  den  täglichen  oder  stündlichen  Verlust 

die  Gewichtseinheit  des  Gesammtthieres  oder  seiner  einzelnen 
rane  zurückführen.    (Proportionaler  Verlust). 

1.  Die  Grösse  des  proportionalen  Tagesverlustes  ist  verän- 
lich  mit  dem  Zustand,  den  das  Individuuni  darbot,  als  es  zu 
^ern  anfing.  Diese  Erfahrung  begründet  sich  leicht,  wenn  man 
iiägt,  dass  der  beobachtete  proportionale  Tagesverlust  des  Ge- 
imtkörpers  das  Mittel  ist  aus  den  Gewichtsabnahmen  der  ein- 
igen ihn  aufbauenden  Gewebe  und  Säfte.  Diese  aber  sind  von  sehr 
lleicher  Zersetzbarkeit ,  indem  sich  der  Inhalt  der  Muskel-  und 
wenröhren,  der  Leberzellen  u.  s.  w.  sehr  viel  rascher  umsetzt,  als 
^Knochen,  die  elastische  Substanz,  das  Sehnengewebe.  Je  nachdem 

ein  dem  Versuch  unterworfenes  Thier  relativ  mehr  Knochen 

Bindegewebe  oder  mehr  Muskel  und  Fett  enthält,  wird  auch 

proportionale  Tagesverlust  grösser  oder  geringer  sein. 

Was  für  verschiedene  Thiere  in  gleichen  Terminen  der  Hunger- 
ode  gilt,  ist  nun  auch  anwendbar  auf  ein  und  dasselbe  Thier 
lerschiedenen  Abschnitten  der  Hungerzeit,  da  mit  derselben  seine 
ummensetzung  wesentHch  umgestaltet  wird.  Namentlich  muss 
ider  wachsenden  Hungerzeit  der  proportionale  Tagesverlust  ah- 
men, indem  die  rascher  zersetzbaren  Gewebe  im  Anfange  des 
tens  in  relativ  -  össerer  Menge  vorhanden  sein  müssen,  als 
tn  das  Ende  desselben.  Dennoch  kann  kein  regelmässiges  Äb- 
ten des  täglichen  Verlustes  erwartet  werden,  Aveil  bekanntlich 
tthierische  Umsetzung  noch  von  andern  Umständen,  als  der  An- 
'3nheit  zersetzungsfähiger  Massen  abhängt.  Je  nachdem  also 
S3  Bedingungen,  wie  z.  B.  Muskel-  und  Drüsenerregungen  kräf- 
■  einwirken,  wird  auch  der  Umsatz  lebhafter  werden  und  daher 

es  rühren,  dass  der  tägliche  Verlust  unter  Schwankungen  ab- 
Lt,  während  die  Hungerzeit  wächst. 

IDer  Reihe  nach  folgen  die  besten  der  bisher  vorliegenden  Be- 
khtungen  an  Hunden,  Katzen  und  Tauben. 

a  d  w  i  g ,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  43 


1. 


674 


Yorhungern ;  Hund. 


a.  Hund*).  An  demselben  Thiere  haben  Bischoff  undVoit 
eine  sehr  ausgedehnte  Reihe  von  Fütterungsversuchen  angestellt,  un 
mentlich  Hessen  sie  es  auch  verschiedene  Male  hungern ,  und  zw : 
dreimal,  je  mehrere  Tage  hindurch.  Diese  drei  BeobachtungsreiL 
werden  hier  nur  berücksichtigt  werden.    Ausser  den  Thatsach( 
die  die  folgenden  Tabellen  aufzählen,  ist  noch  zu  bemerken,  da 
das  Thier  vor  dem  ersten  Fasten  mit  1750  bis  1800  Gr.  magei' 
Kuhfleisches  täglich  gefüttert  war.    Vor  dem  zweiten  Fasten  hai 
es  je  zwei  Tage  hindurch  absteigend  900,  600,  300,  176  Gr.  magere 
Kuhfleisch  erhalten.    Vor  der  diitten  Hungerperiode  endlich  \v;ir 
es  mit  Fleisch  und  ausgelassener  Butter  gemästet  worden;  in  die^ 
letzten  Reihe  hatte  das  Thier  auch  Wasser  getrunken,  was  es 
den  frühern  Reihen  meist  verschmähte. 


Körperge- 

Ge- 

Gewichts- 

Gewichtsver - 

Hornstoff  auf 

Harnstoff 

wicht  In 

nossenes 

Harn  in 

Harnstoff 

verlust  in 

lust  auf  1  Kilo 

1  Kilo  Kör- 

1 Kilo  G 

Kilo. 

HO  in  Gr. 

COM. 

in  Gr. 

Kilo. 

Körperge- 
wicht in  Gr. 

pergewicht  in 
Mgr. 

wichtsverli, 
in  Mgr. 

33,31 

202 

24,48 

0,59 

18 

0,73 

41 

32,72 

0 

225 

25,56  . 

0.58 

18 

0,78 

44 

32,14 

205 

22,76 

0,52 

16 

0,71 

44 

31,62 

203 

20,30 

0,51 

16 

0,64 

40 

31,11 

63,0 

1^5 

13,23 

0,42 

14 

0,42 

32 

30,75  • 
30,33 

0 

160 

15,23 

0,42 

14 

0,50 

36 

n. 

32,85  ) 

186,2 

16,93 

0,47 

14 

0,52 

36 

32,38 

0 

170,2 
156,2 

17,00 

0,48 

15 

0,53 

35 

31.90  ' 

15,76 

0,43 

13 

0,49 

37 

31,47  1 

m. 


Körperge  - 
wicht  in 
KUo. 

Genos- 
senes 

HO  in 
Gr. 

Körperge- 
wicht 
-1-  Wasser. 

Harn 

in 
COM. 

Harnstoff 
in  Gr. 

Ge- 
wichts - 
Verlust 
in  Kilo. 

Gewichts- 
verlust auf 
1  Kilo  Kör- 
pergewicht 
in  Gr.  - 

40,30 

318 

40,62 

384 

37,48 

0,94 

19 

39,68 

261 

39,90 

255 

23,26 

0,71 

18 

39,19 

460 

39,65 

194 

16,68 

0,89 

23 

38,76 

102 

38,76 

165 

14,85 

0,41 

11 

38,35 

122 

38,47 

150 

12,60 

0,51 

13 

37,96 

215 

38,18 

155 

12,77 

0.46 

12 

37,72 

216 

37,94 

154 

12,01 

0,52 

14 

37,42 

Harnstoff 
auf  1  Kilo 
Körperge- 
wicht in  Gr. 


anflHarnstoff  anf 
1  JCilo  Ge- 
wichtsverlm' 
in  Mgr. 


0,93 
0,59 
0,43 
0,38 
0,33 
0,33 
0,32 


40 
33 
18 
36 
31 
2S 
23 


")  B  i  s  c  h  0  ff  und  V  o  i  t ,  Die  Gesetze  der  Ernährung  des  Fleischfressers.  1860. 


Hungomdcr  Hund  nach  Bischorf  und  Voit. 


675 


Diese  sehr  merkwürdigen  Thatsachen  lassen  sich  folgender- 
issen in  Worten  fassen. 

Der  absolute  tägliche  Gesammtverlust  nimmt  im  AUge- 

iiien  mit  der  Dauer  der  Hungerzeit  ab.  —  Dasselbe  ereignet 
Ii  auch  mit  dem  proportionalen  Gesammtverlust.  Die 
(i^se  dieses  letztern  scheint  sich  vorzugsweise  nach  der  dem  Hun- 
111  vorausgegangenen  Fütterungsart  zu  richten.    Vereinigt  man 

drei  ersten  Tage  jeder  Reihe  zu  einem  Mittel,  so  ist  es  bei 
17;  bei  II  =  14;  bei  III,  wo  allerdings  noch  Wasser  ge- 

iinen  wiu-de  ==  20,  also  bei  dem  am  reichlichsten  gefutterten 
lior  am  grössten.  Vereinigt  man  die  noch  übrigen  Tage  der  1. 
(l  3.  Eeihe  zu  einem  Mittel,  so  ist  es  bei  I  =  14,6  und  bei  III 

12,5,  was  um  so  bemerkenswerther  ist,  als  das  gesammte  Kör- 
i^;ewicht  bei  III  um  7  Kilo  grösser  ist  als  bei  I. 

Der  proportionale  Harnstoffverlust  ist  nach  einer  Fleischnah- 
lü-,  insbesondere  nach  reichlicher,  grösser  als  nach  Fett  und  Fleisch- 
img.  Dieses  gilt  ganz  allgemein,  sowie  man  aus  der  Reihe  IH 
ersten  Hungertag  nicht  berücksichtigt.  In  allen  Fällen  nimmt 
kleinen  Schwankungen  der  proportionale  Harnstoffverlust  mit 
dauernden  Hungerzeit  ab. 

Der  Harnstoffgehalt  des  Gewichtsverlustes  ändert  sich  mit  der 
iigerzeit,  und  auch  hier  ist  im  allgemeinen,  namentlich  in  der  1. 
1  III.  Reihe  die  Eigenthümlichkeit  bemerkbar,  dass  das  Kilo  Ge- 
■litsverlust  der  späteren  Hungertage  ärmer  an  Harnstoff  ist  als 

der  frühern.  Unter  der  annehmbaren  Voraussetzung,  dass  die 
besetzten  Eiweisskörper  ihren  N  nur  durch  den  Harnstoff  ent-' 
rten,  würde  dieses  bedeuten,  dass  die  chemische  Natur  der  Um- 
i  zung  mit  der  wachsenden  Hungerzeit  sich  änderte  und  dass  na- 
utlich  die  der  Eiweisskörper  sich  relativ  verminderte. 

Der  proportionale  mittlere  Perspiration sverlust,  der  aus  den 
Igen  Tafeln  abgeleitet  werden  kann,  wächst  mit  dem  Gewicht 
•  Thiere.    Bei  I  ist  er  =  9,7  Gr.,  bei  II  =  8,7  Qv.,  bei  HI 
11,9  Gr. 

Will  man  mit  Bisch  off  und  Voit  noch  bestimmte  Annahmen 
BT  die  Atomgruppen  (Fett,  Wassergehalt  des  Fleisches  u.  s.  w.) 
sehen,  aus  welchen  die  ausgeschiedenen  Stoffe  hervorgingen,  so 

43* 


I 


gYß  Hunger.  Katze. 

lässt  sich  die  Zahl  der  Ableitungen  noch  weiter  mehren.  Wir  \  . 
weisen  rücksichtUch  derselben  auf  ihre  Abhandlung*). 

b.  Katüo**).  Aus  einer  weiter  in  das  Einzelne  gehenden  und  mühevollen  \  tr-^^ 
suchsrcihe  an  Katzen  schliesst  Schmidt:  1)  Die  täglich  eingeathmeteKohlenmengc  i»f 
absolut  genommen  in  den  ersten  8  Tagen  der  Hungerzeit  am  grössten ,  in  den  letzten 
2  Tagen  vor  dem  Tode  am  geringsten;  relativ  zum  Körpergewichte  hält  sie  sich  da- 
gegen in  den  ersten  9  Tagen  nahezu  gleich,  in  den  darauf  folgenden  7  Tagen  wächst 
sie  an  und  nimmt  in  den  letzten  2  Tagen  sehr  bedeutend  ab.  —  2)  Die  ausgeschie- 
dene Harnstoffmonge  sinkt  während  der  beiden  ersten  Hungertage  beträchtlich,  hall 
sich  dann  bis  zu  den  beiden  letzten  Tagen  vor  dem  Tode  nahezu  gleich ;  in  den  beider 
letzten  Tagen  sinkt  sie  sehr  bedeutend  ab.  —  3)  Der  Gehalt  des  Harnes  an  SO3  und 
PO5  steigt  mit  der  Hungerzeit,  der  Clgehalt  verschwindet  dagegen  vollkommen.  Dfu 
Verhältniss  der  SO3  zur  PO5  bleibt  sich  bis  zum  Tode  gleich.  Denn: 

Ein  Kilogramm  Katze  gab  in  24  Stunden  in  Grammen 


*)  In  der  angezogenen  Abliaudliing  wird  der  Perspirntiousverlust  nach  jeder  Versuchsreihe 
durch  zwei  Gleichungen  ausgedrliclit ,  wobei  es  sich  jedesmal  herausstellt,  dass  die  beiden  ausge- 
rechneten Werthc  nahezu  übereinstimmen.  —  Diese  Uebereinstimmung  miisste  als  eine  Biirgschaf 
für  die  Richtiglceit  der  Annahme  angesehen  werden,  wenn  die  in  den  beiden  Ausdrücken  rorkom- 
nicndon  Worthe  wlrklicli  auf  verschiedene  Weise  abgeleitet  wären.  Dazu  liat  es  aber  den  An 
schein  ,  weil  die  zu  den  beiden  llechnungen  gebrauchten  Zahlen  wirklich  ganz  verschieden  aus- 
sehen. In  der  That  sind  jedoch  die  Worthe  beider  Gleichungen  auf  dieselbe  Weise  abgeleitet;  sii 
unterscheiden  sich  nur  durcli  besondere  Annahmen  über  die  Berechnung  eines  meist  kleinen  Koth- 
antheils.  Dieser  Ausspruch  bewährt  sich  durch  folgendes. 

In  der  ersten  Gleichung ,  die  nach  dem  N-verbrauch  berechnet  ist ,  werden  folgende  Werthe  !i 
den  Ansatz  gebracht.  A'  das  coiTigirto  Anfangsgewicht,  E'  das  corrigirte  Endgewicht  des  Th'iere» 
forner  IC  der  berechnete  Kotli ;  ji  ein  Coefiizient  ,  mit  welchen  nmn  eine  bekannte  Quantität  voi 
Stickstoff  multipliziren  muss ,  wenn  man  erfahren  will ,  wie  viel  Fleisch  von  bekannter  Zusammen- 
setzung mit  Hülfe  jenes  Stickstoffs  dargestellt  werden  kann;  n  der  Stickstoff  des  gefütterten,  feuch- 
ten Fleisches;  n'  der  Sticltatoff  dos  entleerten  Harnstoffs;  n"  der  Stickstoff  des  entleerten  Rothes 
w  das  gonossono  Wassergewicht;  u  das  entleerte  Harngewicht.  ' 

Nach  der  ersten  Gleichung  von  Volt  und  Bisch  off  ist  nun  die  Einnahme,  weiche  das  Thieni 
macht  =  w  4-  [n^  —  (n  /)'  —  n'ß  —  n"ß)]  +  nß  —  (n'  +  n")  ß  —  (ß'  —  A') ;  die  Ao«-  | 
gäbe  aber  =  u  +  K'.  Zieht  man  die  Ausgabe  von  der  Einnahme  ab,  so  erhält  mau  die  Per- 
spiration  =  P.  Also  ist  P  =  W  +  nß  +  A'  —  E'  —  ü  —  K'.  Die  A',  E',  K'  sind  abei 
folgendermaassen  zu  verstehen.  Es  sei  A  das  gefundene  Körpergewicht  beim  Beginn  einei 
Versuchsreihe ,  so  unterscheidet  sich  dieses  von  dem  corrigirten  A'  dädurcli ,  dnss  es  noch  um 
einen  gewissen  Werth  vermindert  werden  muss ,  welcher  dem  Koth  entspricht ,  den  es  aus  einet 
früheren  Fütterungsreihe  mitgebracht,  aber  noch  nicht  entleert  hat,  nennen  wir  diesen  mitgebrach- 
ten Kolh  K,  so  ist  also  A'  =  A  —  K.  Zu  Endo  der  Versuchsreihe  ,  wo  das  Thier  E  wog,  nahm 
es  aber  auch  noch  Kotli  mit,  welchen  es  wälirend  der  betrachteten  Versnchsreihe  gebildet  abei 
beim  Schluss  derselben  noch  nicht  entleert  hatte.  Nennen  wir  diesen  K,  so  ist  das  corrigirte  End- 
gewiclit  des  Thieres  E'  =  E  --  K'  — K.  —  Der  berechnete  Koth  endlich  ist  der  wälirend  der  Vet- 
suchsreiho  entleerte  Koth  k  weniger  des  mitgebrachten  nnd  mehr  des  mitgenommenen,  also  K'  ==* 
—  k  -f  K.  Setzen  wir  diese  Wertlie  statt  A',  E'  und  K'  in  die  obige  Gloiclmng,  so  erhalten  \ril 
W  +  n/J-f-A  —  E  —  U  —  k-fK  =  P. 

In  der  zweiten  Rechnung  werden  dagegen  unter  die  Einnahmen  gesetzt  das  Anfangsgewicht  A. 
das  aufgenommene  Fleisch  nß,  das  Wasser  U  und  unter  die  Ausgaben  das  Endgewicht  E,  derllamU, 
der  während  der  Beobachtungszeit  ausgestossene  K ;  also  ist  jetzt 

W  +  n/J  -f  A  —  E  -  U  -  k  =  p'  und  P'  =  P  -  K.  '  ' 


')  Bidder  und  Schmidt,  Verdauungssäfto  etc.  p.  308  u.  f. 


0 


Hungernde  Katee  nach  Bidder  und  Schmidt.  677 


ivStuuilcn 

i  Wasser 

Summe 

AtisgeatU- 

Faeces 

Ii 

der 

letzten 

durch  Niere 

Harnstoff. 

SO3 

unorpan. 

l'iitteruug. 

j  u,'*Darin. 

Bcstdthle. 

luete  Kolile. 

wasserfrei. 

s 

32 

37,09 

3,437 

0,133 

0, 1 44 

0,518 

5,641 

0,503 

■  f2 

56 

^2,00 

2,298 

0,092 

0,109 

0,359 

5,620 

0,540 

Mi 

DA 

80 

iy,oa 

1 ,887 

0,080 

0,104 

0,309 

5,883 

0.484 

104 

19, OÜ 

1,732 

0,077 

0, 1 04 

0,294 

5,658 

0,502 

1 1 

\2o 

A  l\f\  1 

Ü,Ü91 

0,129 

0,333 

5,594 

0,779 

-!S 

loi 

nn  o  1 

2,1  JO 

A  Ti'7f\ 

ü,u7y 

0,1 14 

0,281 

5,712 

0,291 

176 

1  c\co 
1,9dö 

A  ATK. 
ü,ü  (D 

0,113 

Ami  . 
0,27  1 

5,642 

0,339 

il7o 

200 

il,3Ö 

2,091 

A  ACQ 

A  101 

0,181 

A  0  A  1 

0,3U1 

5,670 

0,592 

lö,JiG 

2,2oo 

A  AOO 
(),0öO 

A    1  (  A 

U,  1 19 

A  0  A  i 

U,oUl 

0,V)7  1 

0,982 

2224 

248 

19,82 

1  HAT 

1,907 

A  ATT 

0,077 

A    1  1  0 

0,113 

0,277 

0,12  / 
6,024 

0,745 

ms 

272 

2,723 

A  AT  0 

0,073 

0,110 

0,264 

0,643 

2272 

296 

18  1 1 

1  fi4S 

0  062 

6*^10 

2296 

320 

23,33 

2,166 

0,087 

0,115 

0,303 

6,439 

0,287 

;t320 

344 

25,07 

2i224 

0,095 

0,113 

0,321 

6,423 

0,224 

3344 

368 

26.76 

2,052 

0,084 

0,104 

0,296 

6,534 

0,223 

3368 

392 

32,78 

2,154 

0,085  . 

0,109 

0,307 

6,350 

0,172 

3392 

416 

19,93 

1,216 
0,597 

0,049 

0,065 
0,036 

0,182 

5,850 
4,791 

0,119 

4416 

440 

10,21 

0,024 

0,005 

0,244 

Zu  dieser  Tafel  ist  zu  bemerken:  das  dem  Versuche  unterworfene  Thier  (eine 
ichtige  Katze)  erhielt  während  der  Dauer  der  Beobachtung  zu  7  verschiedenen  Tagen 
«was  Wasser,  im  Ganzen  131,5  Gr.  —  Der  Harnstoff  wurde  nach  der  Methode  von 
eeintz-Ragsky  und  die  CO2  in  einem  Eespirationskasten  mit  Luftdurchzug  be- 
rmmt.  Die  für  die  CO2  verzeiclni^ten  Werthe  sind  abgeleitet  aus  44  Beobachtungs- 
anden, so  dass  das  Thier  im  Mittel  2,5  Stunden  täglich  im  Athembehälter  verweilte, 
tese  Beobachtungsstunden  sind  so  ausgewählt,  dass  wo  möglich  die  eine  in  das  Maxi- 
!im  und  die  andere  in  das  Minimum  der  täglichen  COa-Ausscheidung  fällt.  Eine  be- 
:mmung  des  durch  die  Lunge  ausgeschiedenen  N-Gases,  welche  nach  Regnault 
id  Reiset  bei  hungernden  Thieren  statt  hat,  ist  nicht  versucht  worden.  Schmidt 
tet  aus  den  Zahlen  der  Tabelle  auch  noch  her,  wie  viel  bindegewebshaltiges  -Fleisch 
id  Fett  sieh  während  der  Hungerzeit  umgesetzt  habe.  Da  mehrere  seiner  Voraus- 
Itzungen  nicht  festgestellt  sind,  wie  z.  B.,  dass  aller  N  durch  Harn  und  After  aus- 
schieden sei,  dass  das  fettfreie,  bindegewebshaltige  Katzenfleisch  zu  allen  Zeiten  der 
:  angerperiode  gleich  zusammengesetzt  sei  u.  s.  w.,  so  verweisen  wir  auf  die  Abhand- 
ingen selbst.    Wir  kehren  zurück  zu  der  Aufzählung  weiterer  Beobachtungen. 

Da  auch  täglich  mehrmals  das  Körpergewicht  der  oben  geschilderten  Katze  be- 
iimmt  wurde ,  so  konnte  noch  festgestellt  werden :  4)  dass  der  Verlust ,  der  durch 
aut  und  Lunge  geschieht,  in  der  Nacht  geringer  als  bei  Tage  ist;  die  Unterschiede 
letcn  in  den  ersten  Tagen  beträchtlicher  hervor;  in  den  letzten,  nachdem  das  Thier 
iblindet  war,  verschwanden  sie  dagegen  nahezu.  Nach  einer  Mittelberechnung  von 
chmidt*)  liegt  der  grösste  Werth  zwischen  12 — 6  Uhr  Mittags,  der  niedrigste 
«sehen  2  —  6  Uhr  Nachts.  —  5)  Die  täglich  abgesonderte  Gallenmenge  nimmt  bei 
iingerndcn  Katzen  sehr  rasch  ab  in  den  ersten  beiden  Tagen  (p.  323),  von  da  sehr 
Imählich  bis  zu  dem  lO.-Tage.  Vorausgesetzt,  dass  bei  der  vorliegenden  Katze  in 
3msclben  Vcrhältniss  zum,  Körpergewicht  Gallonausscheidungen  stattgefunden  haben, 
de  in  der  früher  aufgefiihrten  Beobachtung,  so  lägst  sich  nach  Schmidt  behaupten, 


•)  1.  c.  in  der  Tabelle  XVU.  p.  347. 


678 


Hungernde  Taube  nach  Chossat,  Sohuchardt  u.  A. 


dass  im  Bogiiin  der  BoobacMung  nur  ein  kleiner  Theil,  vom  10.  Tage  an  aber  u 
ganze  Menge  der  ausgeschiedenen  Gallo  durch  die  Faeces  entleert  worden  sei. 

c.  Taube.  Aus  den  Versuchen*)  von  Chossat  und  Schuchardt  an  Taul 
geht  rUcksichtlich  dos  täglichen  Verlustes  liervor,  1)  dass  er,  alles  Andere  gleicLi 
setzt,  steigt  mit  dem  Körpergewichte.  —  Er  variirt  gewöhnlich  in  der  Art ,  dass  tj 
in  den  ersten  Tagen  nach  der  Nahvungsentzichung  sehr  beträchtlich  ist,  dann  gegei 
die  Mitte  der  Hungerzeit  abnimmt,  in  den  letzten  Tagen  vor  dem  Tode  wieder  an- 
steigt und  einige  Stunden  vor  letzterem  aber  rasch  absinkt.  —  Der  grösste  Theil  dei 
täglichen  Verlustes  fällt  auf  Haut-  und  Luugenausdunstung.  Zur  Bestätigung  dies« 
Behauptung  lassen  wir-  die  Bcobachtungsreihen  von  Schuchardt  folgen: 


Gewicht  der  Taube  im  Beginn, 

Gewicht  der  Taube  im  Beginn 

Gewicht  der  Taube  im  Begini 

s  ^ 

der  Versuchsreihe  288,0  Gr. 

der  Versuchsreihe  279,0  Gr. 

der  Versuchsreihe  293,0  Gr. 

Verlust 

Vo  r  lu  s  t 

Verlust 

H  O 

;0  ort} 

Insge- 

durch 

durch 

Insge- 

durch 

durch 

Insgc- 

durth 

durch 

oq  CO 

Lunge  u. 

Harn  und 

Jjungc  II. 

Harn  und 

Lunge  u. 

Harn  un^ 

fO  pj 
'  (B 

snmmt. 

Haut. 

Faeces. 

samnit. 

Haut. 

Faeces. 

sainml. 

Haut. 

Faeces. 

1. 

15,0 

1J,5 

3,5 

17,0 

13,2 

3,8 

22,8 

13,3 

9,5 

2. 

13,2 

10,7 

-2,5  ~ 

14,2 

11,2 

3,0 

16,0 

11,2 

4,8 

3. 

11,6 

.  9,6 

2,0. 

15,8 

18,0 

13,0 

5,0 

4. 

11,5 

7,3 

4,2 

18,0 

11,2  1 

6,8 

19,1 

14,0 

5,2 

5. 

12,7 

6,6 

6,1 

28,8 

21,6 

7,2 

21,0 

14,0 

7,0 

6. 

14,3 

7,1 

7,2 

1,2 

1,2 

0,0 

7,1 

7,1 

0,0 

1. 

10,4 

8,4 

2,0 

Bou s si  n  gaul t**)  fand,  dass  hungernde  Turtoltaujjen  in  der  Nacht  wenigen 
KohlenstolT  verlieren,  als  bei  Tage.  Eine  Turteltaube  hatte  bei  normaler  Emährana 
in  einer  Tagsttmde  im  Mittel  0,258  Gr.  C,  in  einer  Nachtstunde  aber  0,162  Gr.  C.  aus-] 
geathraet.  Als  dieselbe  168  Stunden  hungerte,  verlor  sie  in  einer  Tagstunde  im  Mitte^ 
0,117  Gr.  C,  in  einer  Nachtstunde  aber  0,075  Gr.  C. 

Zur  Charakteristik  der  Lebensvorgänge  rosp.  des  Verlustes  beim  Verhungern  trag 
noch  wesentlich  bei  die  Feststellung  des  Verhaltens  der  thierischen  "Wärme  und  ded 
Athembewegungen  an  den  einzelnen  Hungertagen,  wie  sie  Chossat***)  in  ausgedehn-j 
ter  Weise  für  Tauben  geliefert  hat.  Um  die  einzelnen  Beobachtungen  zur  Gewinnung 
von  Mittelzahlen  vergleichbar  zu  machen,  theilte  er  die  Lebensdauer  jedes  einzelnen 
Thieres  vom  Beginn  dos  Hungerns  bis  zum  Todestage  (diesen  exclusive)  in  drei  gleich« 
Thoile  und  zog 'nun  aus  allen  gleichnamigen  Abschnitten  die  folgenden  Mittel.  Die 
Temperaturen  bestimmte  er  im  Mastdärme  und  die  Athemzögo  zählte  er  um  Mittag 
und  Mitternacht.  Die  Beobachtungen  während  des  genügenden  Futters  sind  an  den- 
selben Thieren  gewonnen.    Die  Temperaturmessungen  ergaben: 


Tom  p  erat  ur  währ  e  n  d  der  Hungerzeit. 

Temperatur  wäh- 
rend normaler 
Fütterung. 

Erstes  Dritttheil.  |  Zweites  Dritttheil. 

Drittes  Dritttheil. 

Mittag  .... 
Mitternacht     .  . 
Unterschiede   .  . 

42,110  C. 
39,85  „ 
2,26  „ 

41,870  C. 
38,72  „ 
3,15  „ 

41,370  c. 
37,32  „ 
4,05  „ 

42,220  C. 
41,48  „ 
0,74  „ 

•)  Chossat,  Sur  l'inanition.  MiSmoires  dos  savans  ^trangers.  VIU.  Bd.  —  Schuchardt, 
Qnaedam  de  effectu  quem  privatis  sing.  pnrt.  nutrimontum  constitucntium  etc.  Marburg  1847. 
Annalos  de  chim.  et  phys.  3me  s6t.  XI.  (1844.)  446. 
••*)  1.  c.  p.  107.  u.  f. 


Hunger;  proportionaler  Gesammtverlust. 


679 


Am  letzten  Tage  sank  die  Temperatur  sehr  rasch;  -war  sie  auf  26"  angelangt,  so 
,'en  die  Thiere  zu  Grunde.  , 
Die  Zählung  der  Athembewegungen  stellte  fest: 


Z  ahl  d  er  A  them  zii  g  0 
In  der  Minute  während  der  Hungerzeit. 

Zahl  d.  Athemzüge 

in  der  Minute 
während  normaler 
Fütterung. 

Erstes  Dritttheil. 

Zweites  Dritttheil.  |  Drittes  Dritttheil. 

25 

23         1  21 

31 

Vereinigt  man  alle  Zählungen  der  Athembewegungen  bis  zum  Tage  vor  dem  Hun- 
i ,  so  erhält  man  um  Mittag  22  und  um  Mitternacht  24  Athemzüge  in  der  Minute ; 
rend  der  hinreichenden  Ernährung  athmeten  die  Tauben  am  Mittag  36  Mal  und 
ai  Mitternacht  32  Mal  in  der  Minute.  Das  auifallende  Ergebniss,  dass  bei  der  yer- 
langernden  Taube  in  der  Nacht  die  Athemfolge  beschleunigter  gefunden  -wurde,  ist 
cch  Ghossat  wahrscheinlich  darin  begriiadet,  dass  die  Thiere  durch  den  Beobachter 
SS  dem  leisen  Schlaf  aufgeschreckt  wurden,  den  sie  während  der  Hungerzeit  genies- 
m.    Am  letzten  Lebenstage  sank  das  Minutenmittel  der  Athemzüge  auf  19  herab. 

2.  Der  proportionale  Gesammtverlust,  oder  der  Quotient  aus 
eer  Gewichtsabnahme  des  Thieres  während  der  ganzen  Hungerzeit 
II  das  Körpergewicht  vor  Beginn  der  letzteren,  ist  ebenfalls  sehr 
eerändeiiich  gefunden  worden,  und  insbesondere  haben  die  Beob- 
cchtungen  von  Ghossat  aufgedeckt,  dass  junge  magere  Turtel- 
iiuben  (mittleres  Anfangsgewicht  =  110  Gr.)  im  Mittel  schon  bei 
iinem  proportionalen  Gesammtverlust  von  0,25  starben,  während  er 
eei  älteren  fetten  (mittleres  Anfangsgewicht  =  189  Gr.)  den  "Werth 
lon  0,46  erreichen  musste,  bevor  sie  zu  Grunde  gingen.  Diese 
l'rscheinung  findet  ihre  Erklärung  darin,  dass  eine  gleichwerthige 
ii.b zehrung  verschiedener  Organe  des  Thierkörpers  von  ganz  un- 
ileichen  Folgen  für  das  Bestehen  des  Lebens  sein  muss,  wie  z.  B. 
offenbar  die  Abmagerung  der  Herzmuskeln  und  des  Hirns  viel  er- 
:;reifender  wirkt,  als  die  des  Fettes,  des  Bindegewebes,  des  Ske- 
tets  und  seiner  Muskeln.  Da  aber  die  Thiere,  welche  einen  ge- 
iingera  proportionalen  Gesammtverlust  ertrugen,  auch  nach  viel  kür- 
■'ferer  Zeit  (nach  3  Tagen)  hinstarben,  als  die  alten  und  fetten  (nach 
.3  Tagen),  so  folgt  auch  aus  den  gemachten  Mittheilungen,  'dass 
'iin  Reichtimm  an  Skeletmuskeln  und  Fett  die  wichtigeren  Organe  • 
for  wesentlichem  Verlust  zu  schützen  vermag,  sei  es,  dass  die  um- 
setzenden Einflüsse  nicht  eher  die  letzteren  Gebilde  angreifen,  be- 
vor die  ersteren  bis  zu  einem  gewissen  Grade  aufgezehrt  sind,  oder 
•iei  es,  wie  wahrscheinlicher,  dass  die  wichtigeren  Organe  und  ins- 
besondere das  Hirn  tägliche  Verluste  auf  ^Kosten  des  Fettes  und 
der  Skeletmuskeln  wieder  ersetzen,  so  lange  diese  vorhanden..  Zur 


680 


Proportionaler  Gosammtverlust  der  Organe. 


Uuteistützung  der  letzteren  Alternative  dient  namentlich  die  Be 
achtung-,  dass  das  Hirn  unter  allen  Organen  durch  den  Hunger  de 
geringsten  proportionalen  Verlust  erlitten  hat,  obwohl  dieses  Organ, 
so  lange  es  lebt,  noth wendig  auch  umgesetzt  werden  nmss,  den 
ohne  dies  würde  weder  sein  arterielles  Blut  in  kohlensäurehaltiges 
venöses  umgewandelt  werden  können,  noch  könnte  das  Organ  fort 
während  lebendige  Kräfte  entwickeln. 

Von  einem  nicht  untergeordneten  Interesse  sind  die  Beobaclitungen  über  den  pro- 
portionalen Gesammtverlust ,  den  die  einzelnen  Organe  durch  das  Hungern  erleiden. 
Die  Zergliederung  der  Thiere  wurde  von  Chossat  unmittelbar  nach  dem  Tode  vor- 
genommen und  die  ausgeschnittenen  Organe  sogleich  gewogen.  Hierbei  konnte  jedodi 
ein  Verlust  durch  Wasserverdunstung  nicht  vermieden  werden ,  welcher  sich  bis  üb 
8  pCt.  steigerte.  Um  diesen  Uebelstand  zu  beseitigen ,  wurden  auch  die  getrockneten 
Organe  mit  einander  verglichen.  Das  MittÄl  aus  allen  Wägungen  lieferte  nun  die  fol- 
gende Tafel,  in  welcher  die  Zahlen  den  Verlust  bedeuten,  welchen  100  Theile  des  be- 
treffenden frischen  oder  wasserfreien  Organ  es  während  der  ganzen  Hungerzeit  erleiden, 


frisch. 

trocken. 

frisch. 

trocken, j 

1 

frisch. 

trocket. 

Fett    .    .  . 

93,3 

Uebrige  Ske- 

Lungen , 

Blut    .    .  . 

61,7 

letmuskeln 

35,6 

35,9 

blutleer 

22,4 

22,5 

Milz    .    .  . 

71,4 

66,6 

Alle  Muskeln 

Knochen 

16,7 

Pankreas  .  . 

64,4 

65,2 

im  Mittel 

42,4 

34,5 

Äugen 

10,0 

Leber  .    .  . 

52,0 

47,3 

Pharynx  und 

Hirn 

0,0 

Herz    .    .  . 

44,8 

46,9 

i  Oesonhagus 

34,2 

Rücken- 

9,0 

Gedärme  .  . 

42,4 

Haut    .    .  . 

33,3 

mark 

7,0 

Brustmuskeln 

53,1 

55,0 

Nieren     .  . 

31,9 

Auf  demselben  Wege  hat  Schuchardt  für  die  feuchten  Organe  ganz  ähnlii 
Zahlen  erhalten. 

Da  wir  die  täglichen  proportionalen  Verluste  der  lebenden  Gesammtkatze  an^ce- 
geben  haben,  für  welche  Schmidt  die  Organverluste  berechnet  hat,  so  lassen  wirhi  v 
auch  die  von  ihm  gegebenen  Zahlen  der  letzteren  folgeii ,  wobei  wir  uns  jedoch  ;. 
die  beschränken,  welche  mit  den  Beobachtungen  von  Chossat  vergleichbar  sind.  Sii 
beziehen  sich  sämmtlich  auf  die  getrockneten  Organe  und  haben  die  Bedeutung  der- 
jenigen in  der  vorhergehenden  Tafel. 


Mesenterium  und  Fettgewebe  91,3 

Blut   90,4 

•Milz   70,2 

Pankreas   84,5 

Leber   64,7 

Darmkanal   27,8 


Muskeln  und  Sehnen    .  65,0 

Haut   5,7 

Lungen   10,5 

Gehirn  und  Eückenmark  32,9 

Knochen    0,0 


Berücksichtigt  man  nun,  dass  unter  den  thierischen  Gewebstheilen,  welche  vor- 
zugsweise zum  Verluste  kommen,  Blut,  Muskeln  und  Fettgewebe  dem  Gewichte  nach 
überwiegen  über  alle  anderen,  so  folgt  daraus,  dass  das  hungernde  Thier  auf  Kosten 
seines  Blutes,  seines  Fettes  und  Muskelgewebes  lebt,  wobei  sich  u.  A.  die  auffallende 
Erscheinung  einfindet,  dass  bei  der  Taube  die  zum  Aufrechthalten  des  Rumpfes  be- 


Verhungern  bei  unvollständiger  Nahrung. 


681 


•  ten  Muskeln,  welche  während  der  Hungerzeit  öfter  in  Bewegung  sind,  weniger 
•lieren,  als  die  ruhig  gehaltenen  Flugmuskeln;  es  haben  sich  also  auch  die  Muskeln 
tjenseitig  ernährt.  —  Der  grosse  Verlust  des  Hirns  und  Rückenmarkes  beim  Säuge- 
(ere,  gegenüber  dem  verschwindenden  beim  Vogel,  bedarf  weiterer  Bestätigung. 

Verhungern  bei  qualitativer  ungenügender  Nah- 
'.ng.  Unvollständige  Nahrung.  An  die  Versuche  mit  voU- 
»mmener  Nahi-ungsentziehung  schliessen  sich  die,  bei  welchen  nur 
iier  oder  einige  der  lebensnothwendigen  Stoflfe  dem  Thier  vor- 
tthalten  werden.  Diese  Reihen  können  zu  verschiedenen  Erfol- 
m  führen.  —  1)  Der  Tod  erscheint  mindestens  so  rasch  wie  beim 
asammthunger  und  die  Einbusse  des  Thieres  an  Gewicht  ist  da- 
\i  entweder  ebenso  gross  .oder  auch  kleiner  als  beim  Verhungern 
och  Entziehung  aller  Nahrung.  -  —  Im  ersten  Fall  würden  die 
iSten,  flüssigen  und  gasförmigen  Ausgaben  des  Thieres  nicht  alle 
f3  Stoffe  enthalten,  die  sie  beim  Gesammthunger  führen,  sondern 
tch  noch  diejenigen,  welche  in  der  qualitativ  ungenügenden  Nah- 
DDg  gereicht  wurden ;  daraus  vnirde  dann  hervorgehen ,  dass  die 
Ihigkeit  eines  Nährstoffes,  sich  im  thieiischen  Körper  anzusam- 
liln,  nicht  allein  von  seiner  chemischen  Zusammensetzung,  son- 
rrn  auch  von  der  Natur  des  Gemenges  abhing,  in  welchem  das- 
llbe  genossen  wurde.  —  Wenn  dagegen  das  Thier  ebenso  rasch 
te  beim  Gesammthunger  zu  Grunde  geht,  dabei  aber  im  Augen- 
(ck  des  Todes  merklich  schwerer  ist,  als  es  voraussichtlich  beim 
»«d  nach  vollkommener  Nahi-ungsentziehung  gewesen  sein  würde, 

würde  daraus  zu  folgern  sein,  dass  das  Thier  aus  der  qualita- 
■  ungenügenden  Nahrung  allerdings  Stoffe  aufnehmen  konnte, 
eer  dass  dieselben  keine  lebensfähigen  Verbindungen  darzustellen 
rrmögen.  —  2)  Das  Thier  konnte  aber  beim  Theilhunger  auch 
sl  später  als  bei  Gesammthunger  sterben.  Dann  würden  auch 
S3  den  Auswurf  führenden  Absonderungen  anders  zusammengesetzt 
in  als  bei  vollkommener  Nahrungsentziehung ;  dieser  Erfolg  würde 
cdeuten,  dass  die  wenn  auch  unvollkommene  Nahrung  theilwgise 
»nigstens  ergänzend  für  die  zum  Leben  nothwendigen  Umsetzun- 
in  einti-eten  könnte.  —  3)  Auch  könnte  es  sich  ereignen,  (nament- 
bh  wenn  der  Nahrung  das  eine  oder  andere  Salz  fehlte),  dass 
rn  dem  Augenblick  an,  wo  der  Gehalt  des  Thieres  an  dem  Stoff, 
felcher  der  Nahrung  nicht  zugesetzt  ist,  auf  ein  Minimum  herabge- 
»acht  ist,  dieser  njit  Hartnäckigkeit  vom  Organismus  zurückgehalten 
;ilrde.    Möglicherweise  würde  er  aber  auch  durch  einen  andern 

emisch  verwandten,  ohne  dass  der  Tod  erfolgte,  verdrängt  und 


682 


Entziehung  aller  festen  Nahrung. 


durch  diesen  ersetzt.  Daraus  würden  sich  vielleicht  Fingerzei 
ftlr  den  Antheil  des  fraglichen  Stoffes  an  den  Lebensvorgäng 
ergeben. 

Das  Folgende  giebt  die  wichtigern  der  bekannten  Thatsachenj 

Entziehung  aller  festen  Nahrung.  Reicht  man  den  Thieren,  während 
man  ihnen  alle  feste  Nahrung  vorenthält,  nach  Belieben  Wasser,  so  geniessen  einig 
gar  kein  Wasser  mehr,  andere  verschmühen  es  erst  nach  einigen  Tagen,  noch  and 
endlich  nehmen  es  fortwährend.  Der  von  Bischo^f  und  Voit  beobachtete  Hu 
soff,  wenn  er  nach  einer  Nahrung  aus  magemi  Fleisch  hungerte,  nichts  oder  nur  selten;! 
während  des  Hungers  nach  vorgängiger  Fütterung  ^us  Fleisch  und  Fett  nahm  er  da- 
gegen Wasser  auf.  Wünscht  man  also  die  Erscheinungen  des  alleinigen  Hungers 
festen  Stoffen  bei  einem  das  Wasser  verschmähenden  Thier  zu  erfahren,  so  ist 
nothwendig,  das  Wasser  in  den  Magjn  zu  spritiuin.  Stellt  man  die  Beobachtungen, 
welche  Schmidt  an  zwei  Katzen,  von  denen  die  eine  wenig,  die  andere  viel  Wassel 
enthielt,  zusammen,  so  ergicbt  sich,  dass  1  Kilogr.  Katze  im  Mittel  24  Stunden  verliert: 


Tägliche 
Wnssorauf- 
nnlime. 

Harnstoff. 

SO3 

PO5 

Uebrigo 
Harnsalze. 

Ausgeatli- 
mote  Kohlo. 

Faeces 
wasserfrei. 

Wasser  dnrd 
Niere  an4 
Dana. 

51,12 
5,97 

2,237 
2,06 

0,055 
0,082 

0,071 
0,116 

0,263 
0,296  ■ 

4,447 
5,460 

0,215 
0,589 

55,47 
21,47 

Diese  Beobaohtungsreihe  lässt  erkennen ,  dass  mit  der  vermehrten  Aufnahme  iti 
Wassers  auch  die  Ausscheidung  desselben,  aber  nicht  im  Verhältnisse  der  Aufnahme, 
zunimmt.    Dieser  Schluss  dürfte  keine  Anfechtung  dadurch  erleiden,  dass  die  durd 
Verdunstung  verlorenen  Wassermengen  nicht  angegeben  sind ,  indem  mindestens  dii 
Annahme  gerechtfertigt  ist,  dass  die  erstere  Katze,  welche  weniger  COj  ausathmete, 
als  die  letztere,  durch  die  Lungenverdunstung  nicht  mehr  Wasser  verloren  habe 
die  letztere ;  der  Wasserverlust  durch  die  Haut  dürfte  aber  bei  behaarten  Thieren  übi 
haupt  nicht  hoch  anzuschlagen  sein.    Genügt  nun,  wie  in  unserm  ersten  Falle,  dii 
eingeführte  Wassermenge,  um  den  gri)ssten  Theil  des  Wasserverlustes  zu  decken 
muss  nothwendiger  Weise  bei  fortschreitender  Abnahme  der  festen  Bestandtheile  u 
prozentisohe  Wassergehalt  der  Organe  in  einem  Steigen^ begriffen  sein,  woraus  mancher-jj 
lei  Störungen  derselben  erwachsen  werden.    In  der  That  stellen  sich  diese  in  deii 
oben  zusammengestellten  und  in  einer  gleichartigen  Beobachtungsreihe  ein,  weldu 
Chossat  an   Tauben  ausführte.  —  Die  mitgetheilte  Zusammenstellung  lässt  aus- 
serdem schliessen,  dass  der  tägliche  Verlust  an  festen  Bestandtheilen  geringer  werde 
bei 'einer  reichlichen  Tränkung  mit  Wasser.    Dieser  Satz  scheint  aber  nur  von  Gel- 
tung für  die  Säugethiere  zu-  sein,  da  Chossat  ihn  wohl  bei  Kaninchen,  nicht  aber 
bei  Tauben,  die  unter  gleichen  Verhältnissen  verhungerten,  bestätigt  fand. 

Entziehung  des  Wassers.  Zu  denen  des  Durstes  gesellen  sich  sehr  bald 
die  Folgen  des  Hungers,  indem  die  Thiere  die  ti-ockne  Nahrung  mehr  und  mehr  and 
endlich  ganz  verschmähen.  Eine  Anschauung  des  allgemeinsten  Vorganges  giebt  fol- 
gender Versuch  von  Schuchardt,  welcher  aus  '  einer  grossen  Keihe  ausgcw8hlt| 
vurde.  Die  verdurstete  Taube  wog  im  Beginn  des  ersten  «Versuchtages  301,0  Ör- 
Ihre  Nahrung  bestand  aus  lufttrockner  Gerste.  Die  proportionalen  Verluste  sind  auf 
das  Anfangsgewicht  eines  jeden  Tages  bezogen. 


Entziehung  von  Wasser  und  Eiweiss. 


683 


Tilg. 


Körporgewicht  am 
Ende  des  Tages. 


Verzehrte  Kömer. 


Gewicht  der  täglichen 
Endausgnben  für  die  Einheit 
des  Köi-pergewichts. 


Hiervon 
durch  Niere  und 
Darmkanal. 


1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
11. 
12. 
13. 
14. 


280,0  Gr. 

207,0  „ 

259.2  „ 
249,5  „ 
239,0  „ 
231,0  „ 
222,5  „ 
214,4  „ 
207,4  „ 
196,0  „ 
186,0  „ 

177.3  „ 
163,2  „ 
160,2  „ 


23,0 
16,8 
13,0 
7,9 
12,5 
10,5 
12,1 
15,0 
11,2 
9,8 
8,3 
7,0 
10,0 
0,0 


Gr. 


0,188  Gr. 

0,100  „ 

0,078  „ 

0,068  „ 

0,092  „ 

0,077  „ 

0,089  „ 

0,106  „ 

0,085  „ 

0,102  „ 

0,098  „ 

0,094  „ 

0,134  „ 

0,019  „ 


0,090  Gr 

0,040  „ 

0,027  „ 

0,021  „ 

0,033  „ 

0,036  „ 

0,042  „ 

0,040  „ 

0,040  „ 

0,038  „ 

0,033  „ 

0,040  „ 

0,067  „ 

0,000  „ 


Die  wässerigen  Abscheidungen ,  insbesondere  die  des  Harns,  nehmen  beträchtlich 
sie  betrugen  an  einem  verdurstenden  Hunde  nach  Falk  und  Scheffer  in  den 
Uten  drei  Hungertagen  im  Mittel  täglich  =  46,0  Gr.,  in  den  folgenden  drei=25,5  Gr., 
den  darauf  folgenden  =  18,1  Gr.  und  in  den  letzten  drei  endlich  =  6,6  Gr.  — 
ee  Angaben  über  die  Verluste  der  einzelnen  Organe  schliessen  sich  an  die  bei  Ge- 
mmthunger  mitgetheüten  an,  mit  Ausnahme  des  Fettes,  welches  beim  Genuss  trocke- 
T  Nahrung  nicht  sehr  beträchtlich  schwindet.  Die  Gewichtsabnahme  der  Organe  ge- 
iiieht  allerdings  auch  durch  den  Austritt  fester  Bestandtheile ;  vorzugsweise  aber  ent- 
mt  sich  aber  das  Wasser,  sodass  die  Organe  relativ  trockener  werden;  vergleicht 
m  die  Eückstandsprozente  derselben  Organe  zweier  möglichst  gleicher  Thiere,  von 
laen  das  eine  nach  normaler  Ernährung,  das  andere  durch  Entziehung  des  Wassers 
^dtet  war,  so  findet  man,  dass  Haut,  Sehnen,  Muskeln,  Darmkanal  und  Blut  4  bis 
pCt.  fester  Bestandtheile  mehr  enthalten,  während  sich  die  Zusammensetzung  des 
ms  und  der  meisten  Drüsen  nicht  verändert  hat  (Scheffer). 

Entziehung  der  Eiw  eissnahrung.  Wir  besitzen  hierüber  Angaben  von 
'huchardt,  welcher  die  dem  Versuche  unterworfenen  Tauben  mit  einem  Gemenge 
i  Araylon,  Gummi,  Zucker,  Oel  und  den  gewöhnlichen  Blutsalzen  in  einem  Yerhält- 
186  fütterte,  in  dem  sie  von  Norton*)  im  englischen  Hafer  beobachtet  wurden. 
3  Uebersicht  über  den  täglichen  Gewinn  und  Verlust  giebt  die  folgende  Tafel,  welche 
r  eines  der  drei  untersuchten  und  in  ihren  Erscheinungan  wohl  übereinstimmenden 
iiere  berücksichtigt.  Die  ganze  Beobachtungszeit  ist  in  vier  gleiche  Theile  von  je 
fragen  gespalten  und  aus  jedem  derselben  das  Tagesmittel  genommen.  Bei  Beginn 
i  Versuches  betrug  das  Körpergewicht  344  Gr. 


1 1  der  Beob- 
1  achtnng. 

Körpergew. 
am  Ende  des 
Tages. 

Täglich  aufgenommen 

Für  die  Gewichtseinheit  dos  Thieres 

Feste  Speise. 

Wasser. 

Endausgabe. 

durch  Haut 
und  Lunge. 

durch  Niere 
und  Darm. 

. .  Viertel 
'  i> 
»> 

ij 

310 
307 
258 
230,5 

•      16,5  ' 

29,2 

0,152 
0,149 
0,204 
0,231 

.  0,061 

.  0,116 

•)  Giessenor  Jahresbericht  fUr  1847,  1006.  (Hopotonhafor ,  I.  Coluranu). 


684 


Verhungern  bei  Fett  und  WaBser. 


Frerichs*),  welcher  bei  einem  ähnlich  gefütterten    Hunde  die  Harnstoffai. 
Scheidung  mass ,  fand  sie  (im  Verhültniss  zum  Körpergewicht)  beträchtlich  geringer  alg 
bei  anderen  normal  ernährten,  aber  nicht  wesentlich   niedriger  als  bei  hungernden 
Hunden. 

Der  proportionale Gesammtverlust,  den  die  von  Schuchardt  beobachteten  Tauben 
bis  zum  Tode  erlitten,  war  viel  geringer,  als  bei  allen  denen,  welche  unter  den  früher 
aufgezählten  Umständen  verhungert  waren ;  entsprechend  war  auch  der  proportionale 
Gesammtverlust  der  einzelnen  Organe  verschieden. 

Darmkanal  0,287 
Knochen  .  0,204 
Hirn  .  .  0,138 
Lungen  .  0,010 
Augen      .  0,009 


Es  wird  nicht  entgehen,  wie  sehr  das  Fett  und  die  Drüsen  geschont  sind-,  im 
Vergleich  zu  anderen  verhungerten  Thieren.  Die  Verluste  an  Muskelsubstanz  sind 
dagegen  nicht  niedriger  geworden. 

Nahrung  aus  Fett  und  Wasser.  Bischoff**)  verglich  an  demselben 
Hunde  die  Ausgabe ,  während  dieser  das  eine  Mal  nur  mit  Wasser ,  das  andere  Mal 
mit  Fett  und  Wasser  gefüttert  wurde. 

Für  1  Kilogi-.  Hund  in  24  Stunden: 


Blut   .  . 

.  0,514 

Brustmuskeln  0,453 

Fett   .  . 

.  0,393 

Herz 

Haut 

0,377 

Leber 

Mitllores  Go- 
siimmt- 
gowicht. 

Ei 
Wasser. 

ngenommen 

■p«t*       1  Körperge- 
Fett.      1  ^vicht. 

Ausgegeben 

durch  Darm! durch  Hautl 
und  Niore.  |und   Lunge,  Harnstoff. 

N. 

38,l(i0  Kilo 
36,016  „ 

13,08  Gr. 
24,91  „ 

0,0  Gr. 
7,17  „ 

13,41 
0,97 

10,81 

16,34 

15,63 
16,72 

0,552 
0,371 

0,257 
0,173 

Zu  dieser  Beobachtung  gehört  die  Bemerkung ,  dass  derselbe  Hund ,  welchem  bei| 
verschiedenem  Körpergewichte  die  festen  Speisen  entzogen  und  nur  Wasser  gegebei 
wurde,  nicht  immer  dieselbe  proportionale  Harnstoffmenge  aussonderte;  bei  einem  mitt- 
leren Körpergewichte  von  24  Kilo  lieferte  1  Kilogr.  0,56  Gr.  Harnstoff,  und  bei 
33  Kilo  mittlerem  Körpergevrichte  gab  1  Kilogr.  0,62  Gr.  Harnstoff  aus.    Als  er  aber| 
nach  der  oben  erwähnten  Nahrung  mit  Fett  und  Wasser  noch  4  Tage  hindurch  ni 
mit  Wasser  gespeist  wurde,  sonderte  1  Kilogr.  des  Thieres  nur  noch  0,28  Gr.,  also 
weniger  aus,  wie  zu  den  Zeiten  der  Fettnahrung.    Bischoff  sieht  diese  Erscheinung] 
als  eine  Nachwirkung  der  Fettfütterung  an  und  findet  seine  Meinung  bestätigt  durch 
den  sichtbaren  Fettgehalt  des  Kothes,  welcher  während  der  letzten  Zeit  entleert  wurde. 
Zudem  war  in  allen  Beobachtungsreihen  die  Harnstoffausscheidung  von  Tag  zu  Tag 
sehr  veränderlich,  was  zum  Theil  wenigstens  begründet  war  in  der  unregelmässigen 
Entleerung  der  Blase.    An  einzelnen  Tagen,  ja  einmal  sogar  während  48  Stunden, 
liess  das  Thier  gar  keinen  Harn. 

Aus  diesen  Beobachtungen  geht  hervor,  dass  bei  der  Fettfütterung  das  reichlicher 
aufgenommene  Wasser  und  Fett  den  täglichen  Gesammtverlust  des  Thieres  quantitatiT 


•)  M  U  11  e  r  '  s  Archiv.  1848.  p.  490. 

Der  Harnstoff  als  Maass  des  Stoffwechsels.  1863.  p. 


35. 


Hungern  bei  Wasser  und  Fett  oder  Zucker. 


685 


ozu  deckten,  so  dass  nur  eine  geringe  Äbnabme  im  Gesammtgewicht  des  Thieres 
r.it.  Sie  verminderte  zugleich  den  Umsatz  der  stickstofThaltigen  Körperbestand- 
li'  beträclitlich,  aber  sie  war  nicht  wesentlich  geringer  als  bei  Entziehung  aller  Nah- 
Hierfür  spricht  auch  ein  neuer  Versuch  von  Bischoff  und  Voit  1.  c.  pag.  150. 

In  gewisser  Weise  ergänzend  schliesst  sich  an  diese  eine  Beobachtungsreüie  von 
t  Olli  er  bei  Turteltauben  an,  welche 'mit  Butter  und  Wasser  bis  zum  Tode  gcfüt- 

\nirden.  In  Mittelzahlen  aus  allen  Versuchen  stellen  sich  seine  Kesultato  fol- 
iermaassen  zusammen : 


:illttleres  Körpergewicht 
ojine  Federn. 

ja  Beginn.      Zu  Ende. 


Tägl.  proport. 
Abnahme  des 
Körpergew. 

Proport.  Ge- 
sammtverlust 
des  Fettes. 

Butter  tägl. 
im  Darmkanat 
resorbirt. 

Tägl.  ausgeh. 
GO2 ,   die  der 
normalgefütt. 
Thiere  =  1. 

Lebensdauer 
in  Tagen. 

0 

0,0214 

0,500 

5,8  Gr. 

0,685 

18,42 

15,09 


90,3 


Aus  dieser  Zahlenreihe  ist  ersichtlich,  dass  die  Kohlensäureausscheidung  zwar  be- 
ichtlich herabgedrückt  ist,  aber  doch  nicht  bis  zu  dem  Maasse,  das  ihr  bei  vollen 
ungern  zukommt.  Die  unvollkommene  Nahrung  vermochte  auffallend  lange  Zeit  das 
kben  zu  erhalten;  diese  Erscheinung  scheint  in  Beziehung  zu  stehen  mit  dem  lang- 
unen  Umsätze  der  eiweisshaltigen  (hamstoffliefemden)  Atome  bei  Pettnahrung.  Reg- 
,  u  1 1  und  E  e  i  s  e  t  beobachteten ,  dass  eine  mit  Fett  und  Wasser  gefütterte  Ente  N 
s  der  Atmosphäre  absorbirte. 

Wasser  und  Zucker.  Eine  sehr  reichliche  und  ausschliessliche  Fütterung  mit 
icker  wirkt  wegen  des  eintretenden  Durchfalls  rasch  tödtlich  (Chossat,  Letel- 
Eer).  Bei  einer  mässigen  Gabe  .des  Zuckers  gestalten  sich  die  Erscheinungen  nach 
3tellier  an  Tauben  folgendermaassen : 


fllittleres  Körpergewicht 
ohne  Federn. 

rn  Beginn,  j    Zu  Ende. 


Tägl.  proport. 
Abnahme  des 
Körpergew. 


Proport.    Ge-  Tägl.  verab- 
sammtverlust  reichter 
des  Fettes.    Zucker  in  Gr. 


Tägl.  ausgell. 
COj ,  die  der 
normal  gefütt. 
Thiere=  1. 


Lebensdauer 
in  Tagen. 


149,8 


98,2 


0,035 


I 


0,460 


13  Gr. 


0,840 


14,2 


In  mehreren  der  5  Beobachtungen,  aus  welchen  diese  Mittelzahlen  gezogen  sind, 
u"  der  Verlust  durch  die  Faeces  noch  sehr  bedeutend.  —  Die  Ausschei'dung  der 
h  bleibt  hier  immer  noch  sehr  beträchtlich.  Bei  dieser  Füttcrungsart  wird,  wie  bei 
r  vorhergehenden,  die  Umsetzung  des  Eiweisses  gehemmt,  wie  die  Beebachtungsreihe 
iirt,  die  Lehmann  an  sich  selbst  anstellte;  er  fand,  wie  schon  früher  angegeben, 
e  täglich  ausgeschiedene  Hamstofifmenge  sehr  vermindert.  Die  Fütterung  mit  Zucker 
hützt  ebenso  wie  die  mit  Fetten  das  im  TMerleibe  enthaltene  Fettgewebe  vor  der 
nsctzung,  indem  die  Menge  der  letzteren  in  den  Tbieren,  welche  bei  Fett  und  Zucker 
rhungert  waren,  beträchtlich  höher  geblieben  ist,  als  bei  Thieren,  die  am  Gesammt- 
mger  starben. 

Letellier  bestimmte  den  Fettgehalt  in  der  Haut  nnd  im  Netze  durch  Aus- 
chen, in  dem  gekochton  Rückstände  und  in  dem  übrigen  Thiere  aber  dadurch,  dass 
■  dasselbe  trocknete ,  pulverte  und  mit  Aether  auszog. 

Eiwc  issartige  Körper  oder  Leim  und  Wasser.     Die  ausschliessliche- 
ütterung  mit  eiweissähnlichen  Stoffen  hat  bis  dahin  nur  Boussingault  bei  Enten 
Anwendung  gebracht;  von  seinen  Bestimmungen  an  diesen  Thieren  haben  füi-  uns 


686 


Hungorn  bei  Eiwoiss  und  Salzen. 


nur  Werth  (lic  .der  ausgosehiedonen  Hamsäuro.  Eine  hungernde  Ente  lieferte  stüin, 
lieh  0,01  Gr.  Harnsäure  in  die  Paeoes;  eine  mit  reinem  Leim  und  reinem  Käse  odi 
"ewaschenem  und  gcprosstom  Ochsenfleische  gefütterte  0,44  bis  0,50  Gr.  Der  griissn 
Gehalt  der  Paoeos  an  Harnsäure  war  schon  wenige  Stunden  nach  der  Fütterung  im 
den  erwähnten  Stoffen  eingetreten. 

Eiweiss,  Zucker,  Wasser.  Letellier  führte  eine  Versuchsreihe  au  Tin 
teltauben  aus  ,  sie  ergiebt  in  ihren  Mittelzahlen : 


Mittleres  Körpergewicht 
ohne  Federn. 

Tägliche    propor-    Proportionaler  ■ 
tionnlo    Abnahme  Geaamnitverlust 
des  Körpergew.         der  Fette. 

Täglich  verab- 
reicht an  Zucker 
und  Eiweiss. 

Lebensdauer 
in  Tagen. 

Zu  Beginn.  |    Zu  Ende. 

137,2 

96,95 

0,017        j  0,800 

Zucker    10  Gr. 
Eiweiss  12  „ 

17,17 

Die  Faeccs  waren  sehr  reich  an  Harnsäure. 

Eiweiss,  Blutsalze,  Wasser.  An  die  eben  gegebenen  schliessen  sich  eng 
an  Versuche  mit  Tauben,  welche  Sohuchardt  mit  Hühnereiweiss  und  einem  Salz- 
zusatz fütterte  in  dem  Verhältnisse ,  in  welchem  Salz  und  Eiweissstoffe  im  Hafer  vor- 
handen sind.  Die  Lebenszeit,  welche  eine  dieser  Tauben,  die  wir  als  Beispiel  aus- 
wählen, bei  der  unvollkommenen  Fütterung  erreichte,  ist  in  drei  gleiche  Thcile  ge- 
theilt;  die  Mittclzahlen  der  Einnahmen  und  Ausgaben  aus  jeder  derselben  sind  in  der 
folgenden  Tafel  eingetragen.    Das  Anfangsgewicht  des  Thieres  betrug  367,0  Gr. 


Körpergew. 
am  Ende  der 
Periode. 

Tägliche  Nahrung. 

Tägliche  Ausleerung  für  diel 
Einheit  des  Körpergewichts,  j 

Lebens- 

An Wasser. 

An  Eiweiss 
und  Salzen. 

Durch  Niere 
und  Darm. 

Durch  Haut  ! 
und  Lunge. 

dauer. 

1. 

2. 
3. 

Dritttheil. 
1) 

330,0  Gr. 
301,0  „ 
233,8  „ 

21,3  Gr. 
17,3  „ 
14,8  „ 

3,2  Gr. 
3,2  „ 
3,2  „ 

0,055 
0,038 
0,050 

0,054  j 
0,042  > 
0,084  1 

9  Tage 

Nach  der  Section  stellte  sich  der  proportionale  Verlust  der  wichtigsten  Eingi 
weide  folgendermaassen  heraus: 

Fett  =  0,821  Haut    =  0,418  Lungen     =  0,042 

Blut  =  0,787  Herz    =  0,424         Knochen    =  0,038 

Brustmuskeln  =  0,507  Leber    =  0,413         Hirn        =  -f  0,074 

Das  Hirn  hatte  also  mindestens  keinen  Gewichtsverlust  erlitten. 

Versuche  mit  vollkommenem  Ausschluss  der  salzigen  Nahrungs- 
mittel sind  bis  dahin  noch  nicht  angestellt  worden. 

Vollständige  Nahrung.  ' 

Unter  einer  vollständigen  Nahrung  ist  diejenige  begriffen,  welche 
sämmtliphe,  zur  Lebenserhaltung  nothwendige  Nahi-nngsstoffe  ent- 
hält. Die  vollständige  Nahrung  kann  aber  ihre  einzelnen  Gemeng- 
theile  in  sehr  ungleichen  Verhältnissen  enthalten,  z.  B.  vorzugsweise 
aus  Eiweisskörpern  oder  Araylaceen  und  Fetten  bestehen,  wie  dieses 


Vollstäncligo  Nahrung;  Mensch  nach  Barrai. 


687 


I>.  bei  den  natürlichen  Speisen  der  Thiere  (Fleisch,  Körner,  Gras) 
r  Fall  ist.  —  Die  Nahrung  mit  gleichem  "prozentischem  Gehält 
er  Gemengtheile  kann  demselben  Thier  in  ungleichen  M^engen 
.icht  werden.  —  Das  Thier  kann  zwar  von  derselben  Art, 
r  an  Alter,  Gewicht  u.  s.  w.  verschieden  sein,  sich  während  der 
ttcrungszeit  ausruhen  oder  anstrengen,  mehr  oder  weniger  ab- 
lilen  u.  s.  w,  —  und  endlich,  es  können  Thiere  aus  verschiedenen 
iniilien,  Ordnungen,  Klassen  methodisch  gefüttert  werden.  Es 
!)t  also  auch  hier  eine  unendliche  Variation  des  Versuchs  möglich. 
Mensch.   Die  nachstehende  Beobachtung  ist  von  Barrai*) 
7,5  Kilo  schwer)  an  sich  selbst  angestellt. 


Üeobachtungszeit  5  Tage.    Mittlere  Temperatur  —  0,54"  C.    Barometer  756,11  MM. 


Aufgenommen. 

Für  1  Kilogr..}n  24  Standen  in  Gr. 

C. 

H. 

N. 

0. 

HO. 

Summe. 

!i  n  Nahrungsmitteln. 
Li  die  Lunge. 

7,7 

1,2 

0,6 

7,0 
22,3 

42,1 

Entleert. 

arch  die  Verdunstung. 
„,     die  Niere, 
den  Darm. 

7,06 
0,32 
0,32 

1,09 
0,06 
0,05 

0,31 
0,23 
0,06 

28,94 
0,17 
0,19 

17,31 
22,56 
2,23 

54,71 
23,34 
2,85 

Der  C  und  H,  der  durch  Verdunstung  entleert  wird,  giebt  oxy- 
rrt  für  47,5  K.  CO2  =  1230,9  Gr.  und  HO  =  1287  Gr.;  für 
K.  CO2  =  25,91  Gr.,  HO  =  27,08  Gr. 

Beohachtungszeit  5  Tage.   Mittlere  Temperatur  +  20,18°  C.   Barometer  754,40  MM. 

Aufgenommen. 

Für  1  Kilogr.  in  24  Stunden  in  Gr. 

C. 

II. 

N. 

0. 

HO. 

Summe. 

den  Nahrungsmitteln, 
larch  die  Lunge. 

5,6 

0,9 

0,4 

4,0 
16,4 

38,8 

Entleert. 

• 

lurch  die  Verdunstung. 
■  „     die  Niere. 
„      den  Darm. 

5,12 
0,29 
0,19 

0,81 
0,06 
0,03 

0,16 
0,21 
0,03 

20,13 
0,15 
0,12 

17,06 
20,59 
1,15 

43,28 
21,30 
1,52 

•>  Statique  chimlque  des  aniinflux.  Paris  18B0.  280. 

688 


Vollständige  Nahrung.  Katze. 


Der  C  und  H,  der  durch  Verdunstung  entleert  wird,  giebt  oxy 
dirt  für  47,5  K.  CO-i  ==  888,4  Gr.  und  HO  =  1158,0  Gr.;  fii 
1  Kü6  CO2  =  19,70  Gr.  und  HO  =  24,37  Gr. 

Um  diese  Tabelle  entwerfen  zu  können,  hat  Barrai  geradezu  bestimmt  die  Menj.'. 
und  Zusammensetzung  seiner  Nahrung  (Fleisch,  Gemüse,  Kartoffeln,  Brod,  Zuckerwer, 
Butter,  Senf,  Fleischbrühe ,  Milch ,  Kaifee ,  Wein),  seines  Harnes  und  Kothes.  Da  bei 
der  eingehaltenen  Lebensweise  das  mittlere  tägliche  Gewicht  des  Gesammtkörpers  sich 
unverändert  enthielt,  so  ist  annäherungsweise  die  Annahme  erlaubt,  dass  die  täglich 
ein-  und  ausgehenden  Atome  wie  an  Zahl  so  auch  an  Art  einander  gleich  waren,  so 
dass  sich  die  Zusammensetzung  des  Organismus  unverändert  erhielt.  Unter  dieser  Vor- 
aussetzung kann  man  aus  den  direkt  erhaltenen  Bestimmungen  mittelst  einfacher  Sub- 
traktion der  sensiblen  Ausleerungen  von  den  Speisen  ableiten,  welche  Menge  der  mit 
der  Nahrung  eingeführten  H,  C,  N,  0  ihren  Weg  durch  Haut  und  Lunge  nehmen 
musste.  Wir  wollen  den  erhaltenen  Unterschied  den  Verdunstungsrest  nennen.  Da 
nun  ferner  erlaubt  ist,  anzunehmen,  dass  der  C,  H  und  0  aus  der  Haut  und  Lunge 
nur  als  Wasser  und  Kohlensäure  ffiistreten,  so  lässt  sich  auch  berechnen,  wie  viel  0 
noch  zu  dem  Verdunstungsrest  geführt  werden  muss,  um  seinen  H  und  C  zu  oxydiren. 
Dieser  Sauerstoff  muss  aber  im  fi-eiem  Zustande  zum  grössten  Theile  durch  die  Lun- 
gen aufgenommen  sein.  Obwohl  man  unmöglich  verkennen  kann ,  wie  viel  Gewagtes 
diese  Annahmen  enthalten ,  so  ist  doch  einzusehen ,  dass  sich  das  Besultat  nicht  all- 
zuweit entfernen  kann  von  der  Wahrheit,  vorausgesetzt ,  dass  Speisen  und  Ausleerungen 
genau  analysii-t  und  die  Beobachtungen  über  mehrere  Tage  fortgesetzt  werden. 

Katze. 

Die  folgenden  Versuche  sind  von  Bidder  und  Schmidt  an- 
gestellt. 

L    Mittleres  Gewicht  des  Thieres  3,228  K.,  Beobachtungszeit  9  Tage. 


Aufgenommen. 

Für  1  Kilogr.  in  24  Stunden  iu  Gr. 

Wasser. 

c. 

H. 

N. 

0. 

Salze. 

im  Fleisch,  Fett  u.  Wasser. 
Durch  die  Lunge. 

60,164 

6,209 

0,851 

1,390 

2,184 
18,632 

0,441 ' 

Entleert. 

Durch  die  Verdunstung. 
,,      die  Niere. 
„     den  Darm. 

9,569 
49,877 
0,718 

5,542 
0,592 
0,075. 

0,644 
0,197 
0,010 

• 

0,008 
1,380 
0,002 

19,932 

0,853 
0.031 

0,409 
0,032 

Der  C  und  H  des  Verdunstungsrestes  oxydirt  giebt  für  3,228  K. 
CO2  =  65,60  Gr.  und  HO  ==  49,59  Gr.;  für  1  K.  aber  00^  = 
20,322  Gr.  und  HO  =  15,368  Gr. 


Vollständige  Nahrung;  Katze- 


689 


II.  Dieselbe  Eatzc  unmittelbar  nachher  dem  Versuch  unterworfen.  Mittleres 
Gewicht  3,228  K.    Beobachtungszeit  51  Stunden. 


An  Speise.  ' 

Für  1  Kil  ogr.  in 

24  's  tu  n  den  in  Gr. 

Wasser. 

C. 

H. 

N. 

0. 

Salze. 

Kues  pieiscil  uiiu  oui* 
~cn  zi,u  vir. 

11,13 
3,99 

1,47 
0,60 

3,38 

7 

4,80 
0,53 
> 

1  A7 



Summa. 

95,95 

15,12 

2,07 

3,38 

5,13 

1,07 

Ausgegeben. 

ich  die  Niere. 

65,71 

1,03 

0,34 

2,40 

1,42 

0,63 

den  Darm. 

2,01 

0,15 

0,21 

0,01 

0,06 

0,13 

die  Lunge. 

) 

9,23 

> 

j 

? 

die  Verdunstung  u. 

nähme    des  Körperge^^ 

n'htes. 

28,23 

4,71 

1,52 

0,97 

0,31 

Dem  Gewichte  nach  vertheilen  sich  die  Ueberschüsse  der  Ein- 
luue  über  die  ganze  Nieren-,  Darm-  und  die  beobachteten  An- 
ile  der  Lungenausscheidung-  in  der  Art,  dass  17,15  Gr.  auf  die 
i  dunstung  und  31,39  Gr.  auf  die  Zunahme  des  Körpergewichts 
len. 

III.    Eine  andere  Katze  Ton  2,177  Kilogr.  gab  (Beobachtungszeit  8  Tage): 


Aafgenommen. 


Für  1  Kilogr.  in  24  Stunden  in  Gr. 


Wasser. 


H. 


N. 


0. 


Salze. 


ieisch,  Fett  u.  Wasser.'  101,74 


Entleert. 


rch  die  Niere. 

den  Darm. 

die  Lunge. 

die  Verdunstung  u. 
'nähme  des  Körperge- 
»ffichtes. 


82,11 
1,99 


17,64 


18,80 


1,53 
0,29 
9,32 


7,64 


2,60 


0,51 
0,04 


2,01 


3,95 


3,58 
0,01 

? 


0,36 


6,36 


2,21 
0,14 

? 


1,29 


0,99 
0,24 


0,00 


Dem  Gewichte  nach  vertheilt  sich  der  Einnahmeüberschuss 
ler  die  Ausgaben  durch  Niere,  Darm  und  den  beobachteten  An- 
eil  der  Lungenausscheidung  so,  dass  auf  die  Verdunstung  9,3ß  Gr., 
Kf  die  Zunahme  des  Körpergewichts  18,35  Gr.  fielen. 

Hund.  Aus  den  Beobachtungen,  welche  Bischoff  an  zwei 
anden,  vorzugsweise  mit  Rücksicht  auf  die  Harnstoffausscheidung 


Ludwig,   Phygiulogic  II.  2.  Auflage. 


44 


690 


Vollständigo  Nahrung;  Hund. 


anstellte,  heben  wir  folgende  hervor.  Der  N  der  Ausgabe  beziel 
sich  immer  auf  den,  welcher  im  entleerten  Harnstoffe  enthalten  i^ 
Steht  das  Körpergewicht  unter  der  Einnahrae,  so  bedeutet  die.si 
eine  Verminderung,  steht  es  unter  der  Ausgabe,  so  bedeutet  dies, 
eine  Vermehrung  desselben. 


I.    Hund  mit  einem  mittleren  Gemcht  von  31,297  Kilo-Gr.  Beobachtungszeit  8  Tage,  j 


Für  1  Kilo  Hund  in  24  Stunden  in  Gr. 

Kar- 
toffeln. 

Fett. 

Wasser. 

Koth. 

Harn. 

Ver- 
dunstung. 

N. 

Körper- 
gewicht, 

Aufgenommen. 
Ausgegeben. 

28,95 

6,53 

19,12 

8,02 

17,65 

26,87 

0,150 
0,200 

2,05 

An  demselben  Hunde,  als  er  im  Mittel  30,107  Kilo  wog,  gab 
die  Vergleichuug  des  mit  den  Kartoffeln  ein-  .und  dem  Harnstoffl 
ausgeschiedenen  Stickstoffquantums  Folgendes: 


II.    Beobachtungszeit  7  Tage. 


Für  1  K  ilo  Hund  auf  24 

Stunden  in  Gr. 

Kartoffeln. 

Fett. 

N. 

Aufgenommen. 

49,22 

8,28 

0,255 

Ausgeschieden. 

0,138 

In.    Derselbe  Hund  mit  einem  mittleren  GFewichte  von  35,16  Kilo.  Beobachtung- 

zeit  15  Tage. 


^1 

FUr  1  Kilo  Hund  auf  24  Stunden  in  Gr. 

Fleiscli. 

Wasser. 

Koth. 

N. 

Körpcrge-, 

Aufgenommen  .... 

74,79 

? 
? 

1,62 

2,01 
1,73 

9,57 

Die  folgenden  Tafeln  beziehen  sich  auf  einen  zweiten  Hund. 


I.    Körpergewicht  12,5  Kilo.    Beobaohtungszeit  14  Tage. 


Für  1  Kilo  Hund  in  24  Stunden  in  Gr. 

Fleisch. 

Wasser. 

Koth. 

Harn. 

Verdunstg. 

N. 

K.  -  Gew. 

Aufgenommen. 
Ausgegeben. 

47,14 

1,19 

1,84 

20,70 

21,79 

1,42 
0,84 

0 
0 

■ 


Vollständige  Nalu-ung ;  Huud.  691 
H.    Körpergewicht  im  Mittel  16,44  Kilo.    Beobachtungszeit  6  Tage. 


Für  1  Kilo  Hund  auf  24  Stunden  in  Gr. 

Fleisch. 

Wasser. 

Roth. 

Harn.     1  Verdnnstg. 

1 

N. 

K.  -  Gew. 

(fgenommen. 
«gegeben. 

45,62 

4,41 

1,36 

30,25 

20,47 

1,37 
1,17 

■ 

4,56 

III.    Körpergewicht  17,82  Kilo.    Beobachtungszeit  8  Tage. 


Für  1  Kilo  Hund  auf  24  Stunden  in  Gr. 


Fleisclu 

Wasser. 

Kotli. 

Harn. 

jverdunstg. 

N. 

K.  -  Gew. 

42,08 

6,49 

1,27 

0 

1,42 

22,88 

1  24,82 

0,85 

0 

Ifgenommen. 
[gegeben. 


IV.    Mittleres  Körpergewicht  17,75  Kilo.    Beobachtungszeit  15  Tage. 


Für  1  Kilo  Hund  auf  24  Stunden  in  Gr. 


Fett. 

Fleisch. 

Wasser. 

Roth. 

Htti-n. 

Ver- 
dunstung. 

N. 

Körper- 
gewicht. 

7,10 
1- 

42,25 

6,77 

2,84 

23,68 

24,29 

1,27 
0,87 

5,31 

ifgenommen. 
lisgegeben. 


V.    Mittleres  Körpergewicht  13,5  Kilo.    Beobachtungszeit  14  Tage. 


Für  1  Kilo  Hund  auf  24  Stunden  in  Gr. 

Fett. 

Fleisch. 

Wasser. 

Koth. 

Harn. 

Ver- 
dunstung. 

N. 

Körper- 
gewicht. 

1  ifgenommen. 
i^isgegeben. 

9,73 

35,52 

15,34 

8,47 

21,06 

24,69 

1,07 
0,77 

6,37 

Vom  6.  bis  9,  Tag  erhielt  das  Thier,  weil  es  durch  das  reich- 
eh  genossene  Fett  zum  Erbrechen  gebracht  wurde,  nur  Fleisch. 

Einen  dritten  Hund  hat  Bischoff  gemeinsam  mit  Voit*) 
ünger  als  ein  Jahr  dem  Versuche  unterworfen.  Bei  diesen  mit 
mgewöhnlicher  Ausdauer  und  Sorgfalt  ausgeführten  Beobachtungen 
Ttirde  täglich  bestimmt  das  Gewicht  des  Thieres,  Gewicht  und  Zu- 
sammensetzung des  Futters,  Gewicht  und  Zusammensetzung  des 
othes,  namentlich  dessen  Wasser-,  Zucker-,  Fett-  und  N-Gehalt; 
das  absolute  und  spezifische  Gewicht  des  Harns,  dessen  Harnstoff- 
.ttnd  N-Gehalt  und  zuweilen  auch  der  NaCl-Gehalt  desselben.  —  Als 


»)   Die  Gesetze  der  ErnUhrung  de»  Plelschflressera.  18fl0. 

44» 


692 


Roino  Fleischnalirung ;  Huud. 


Nahrungsmittel  wurde  verwendet  mageres  Kubfleiscb  [mit  folgende. 
Zusammensetzung:  Wasser  =  75,9,  feste  Theile  24,1;  in  lOü  Gr.  ; 
.der  letztern  :  C  51,95;  H  7,18;  N  14,11;  0  21,37;  Salze  5,3t! 
ferner  ausgelassene  Butter,  Milch-  oder  Traubenzucker,  Stärke,  Bro 
[mit  53,65  festen  Tbeilen  und  in  100  Gr.  dieser  C  45,41 ;  H  6,4;j 
N  2,39;  0  41,63 ;  Salze  4,12] ;  feinen  Leim  [mit  82,37  festen  Theileu; 
in  100  Gr.  derselben:  C  50,00;  H  6,50;  N  17,31;  0  25,11.  —  Ausi 
dieser  umfassenden  Arbeit  kann  nur  ein  kurzer  Auszug  gegebenl 
werden.    Die  in  ihr  niedergelegten  Zahlen  dürfen  sich  noch  auf| 
viel  mannigfachere  Weise,  als  es  von  den  Verfassern  gescheheni 
ist,  zusammenstellen  und  zur  Lösung  von  mancherlei  andern  Fragenj 
benutzen  lassen. 

Die  Bedeutung  der  Zahlen  in  den  folgenden  Tabellen  erhelltl 
aus  den  Ueberschriften;  unter  corrigirtem  Körpergewicht  ist  das  m\ 
Anfang  eines  jeden  Versuchstages  gefundene  Gewicht  des  Thieres» 
zu  verstehen,  nachdem  von  diesem  der  Koth  in  Abzug  gebrachtl 
wurde,  welcher  noch  von  den  vorhergehenden  Versuchstagen  irai 
Darm  zurückgeblieben  war.  Alle  andern  Zahlen  beziehen  sich  auf! 
einen  Zeitraum  von  24  Stunden. 

Reine  Fleischnahrung. 

A.  Reihe  mit  sinkender  und  aufsteigender  Fleischfütterung.  Diei 
in  dieser  Reihe  verzeichneten  Beobachtungstage  folgen  unmittelbar  j 
aufeinander.  Vor  Beginn  derselben  war  die  grosse  Fütterungsreihe  K 
mit  Brod  vollendet,  welche  unter  E  (p.  697)  erwähnt  ist. 


Corrigirtes 

Körper- 
gewicht in 
Kilo. 


Fleiscli 
in  Gr. 


Wasser 
In  Gr. 


Harn 
in  C.-C. 


Harn  Stoff 
in  Gr. 


S  t  iolc  s  t  off  gell  al  t  in  Gr. 


I  des 
Fleisches. 


des 
Harnstoffs. 


des 
Kothes. 


.5  ig 


a.  34,377 
34,032 
33,889 
33,905 
34,052 
34,300 ' 
34,410 

b.  34,620 
34,713 

c.  34,785 
34,773 

d.  34,760 
34,600 

e.  34,51 
34,28 


1800 


1500 
1200 
900 
600 


213 

5 

310 
137 
340 
^  18 
120 
10 
10 
0 
0 
0 
0 
0 
0 


1751 
1428 
1599 
1313 
1401 
1185 
1213 
990 
1003 
830 
809 
671 
615 
465 
450 


86,850 
118,524 
131,756 
120,796 
131,694 
123,714 
123,626 
108,50 
108,12 
89,81 
87,37 
69,784 
65,805 
49,848 
48,850 


40,532 

) 

55,314 

61,490 

61,20 

56,436  1 
61,460  1 
57,736 
57,694 

'  0,96 

>  424 

51,00 

50,63 
50,44 

0,80 

341 

40,80 

41,91  1 
40,77 

>  0,64 

m 

30,60 

32,56 
30,7 1 

0,48  ; 

334 

20,40 

23,26  i 
22,47  1 

0,32  j 

313 

Beine  Fleischnahrung;  Hund.  693 


StiokstoffKelialt  in  Gr. 

S  b  ö 

.  ]tor- 
ht  in 

Fleisch 

Wasser 

Harn 

Harnstoff 

des 

1  des 

des 

.s  a<  53 

in  Gr. 

In  Gr. 

in  C.-C. 

in  Gr. 

Mio. 

Fleisches 

1  Harnstoffs. 

Rothes. 

K  = 

1.10 

;,74 

;  300 

>     1 7R 

i 

0 
0 

320 
317 

32,640 
32,651 

'  10,20 

15,23  . 
15,23 

'  0,16 

:  295 

,A2 
:,03 

0 
0 

274 
258 

27,400 
26,212 

6,20 

12,78 
12,23 

0,09 

-Mil 

0 

186 

16,926) 

7,90 

2.15 

0 

170 

17,000 

1  0 

7,93 

1 

•  211 

1 ,66 

\ 

0 

156 

.  15,756 

7,35 

1,23 

375 

1050 

97,650) 

45  573  1 

1,04 

■  1 ,  /4 

>  1800 

105 
loU 

1424 

14/0 

131,0081 

100,70/  1 

131,222  1 

61,20 

61,140  1 
63,373  1 

>    0,55  ' 

>  457 

;i,72 

1 

120 

1339 

61,333  ' 

72,490 

83,558 

1 

M,71  1 

162 

1618 

155,328 

0,77 

■2,08 

2500 

268 

1865 

179,040 

85,00 

560 

2,29 

382 

1914 

183,764 

85,762 

v32,56 
!!32,50 

2000 

232 
136 

1678 
1409 

161,068 
142,309 

'68,00 

75,10 
66,41 

0,62 

579 

332,52 

B.  Versuchsreihen  mit  grossen  Fleischmengen,  nachdem  vor- 
mgig  verschiedenes  Futter  gereicht  worden  war. 

a.  Der  folgenden  Fütterung  ging  eine  Nahrung  aus  1000  bis 
lOO  Gr.  Fleisch  und  250  bis  300  Gr.  Fett  voraus. 


orrigirtes 
-per  -  Gew. 
;  n  Kilo. 

Sticlsstoff  in  Grammen. 

Fleisch 
in  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

•Harn 
in  G.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

im  Fleisch. 

im 

Harnstoff. 

im  fCoth. 

37,990 

1305 

150,057  1 

70,030 

538,182 

'  2200 

0 

1310 

146,720 

74,798 

68,472 

X38,184 

1490 

166,880 

77,881  1 

38,100 

2660 

0 

1677 

181,451 

90,438 

84,680 

38,360 

2900 

0 

1540 

175,56 

98,597 

81,932  ( 

■38,790 

Erbrechen 

0 

679 

76,727 
145,008  ' 

35,096 

35,890  / 

'  1,36 

:  37,620 

0 

1272 

67,674  [ 

:  37,9 10 

.  2200 

0 

1510 

163,080 

.  74,798 

76,108 

;-37,980 
:.38,000 

0 

1495 

158,470 

73,956 

0 

1505 

153,510 

71,641 

:f38,040 

0 

b.  Der  folgenden  Reihe  ging  voraus  eine  Fütterung  mit 
60  Gr.  Fett  und  mit  Fleisch,  welches  letztere  absteigend  von 
ÖOO  Gr.  bis  auf  400  Gr.  gereicht  wurde. 


694 


lleinu  l'loischnahrung ;  Hund. 


Corrigirtos 
Körperge- 
wicht in 
ICilo. 

Fleisch 
in  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Hnrn 
in  C.-C. 

] 

Hamstoß' 
in  Gr. 

stickst 
des 

off  in  Grammen. 

des       '  des 
Ilaarnstofls.  j  ICothes. 

Mittlere  1 
Pcrspirn-  1 
(ioii  In  Gr.  j 

38,88 
39,55 
.  39,80 
39,99 
40,40 
40,47 

,  2100 
>  2000 

0 

977 
1210 
1179 
1045 
1252 

113,652 
136,730 
126,153 
108,680 
137,720 

71,397 
.  68,000 

53,040 
0.3,811  1 
58,874  , 
50,720  1 
64,273 

1,25 

c.  d.  Den  folgenden  Reihen,  von  denen  die  erste  4  Monate 
früher  fiel  als  die  letzte,  ging  eine  Kost  aus  Brod  und  Brlihe  voraus. 
In  der  zwischen  beiden  Reihen  gelegenen  Zeit  war  der  Hund  durch 
Fett  und  Fleisch  gemästet  worden. 


Corrigirtes 

N-Gohalt  in 

Gr. 

Körperge- 

Fleisch 

Wasser 

Harn 

HarnstofT 

des 

des 

des 

wicht  in 

in  Gr. 

in  Gr. 

in  C.-C. 

in  Gr. 

 im  ^ 

Kilo. 

Fleisches. 

Harnstoffs. 

Küthes. 

2000 


1800 


0 

1384 

116,256 

145 

1458 

128,304 

.335 

1450 

136,300 

1.32 

1096 

108,504 

218 

1208 

123,216 

275 

1241 

123,852 

132 

1275 

127,500 

218 

1270 

129,290 

447 

1290 

129,258 

295 

1220 

126,392 

411 

1344 

126,336 

443 

1305 

127,890 

317 

1276 

127,600 

68,000 


61,20 


54,25 
59,87 
63,61 

50,638 

57,503 

57,801 

59,50 

60,34 

60,32 

58,98 

58,96 

59,68 

59,50 


0,62 


664 


0,67 


Fett  und  Fleisch;  Hund. 


695 


Fütterung  mit  Fett  und  Fleisch. 

C.  In  den  nächstfolgenden  Versuchen  ist  ein  und  dieselbe  Menge 
im  Fett  mit  immer  steigenden  Mengen  von  Fleisch  verbunden.  — 
lie  zu  einer  Eeihe  mit  gleichem  Fettgehalt  gehörenden  Beobach- 
igen  sind  zum  Theil  nicht  unmittelbar  nacheinander  angestellt. 

a.  Ihr  vorausging  eine  Fütterung  mit  150  Gr.  Fleisch  und  100  Gr. 
acker. 


iigirles  1 

l><^jse-  j  Fleisch 

■J.'f  ">  I  in  Gr. 
Kilo. 


Fett 
in  Gr. 


Wasser 
in  Gr. 


Harn 
in  C.-C. 


Harnstoff 
in  Gr. 


Sticltstoff  in  Gr. 


des  des 
Fleisches,  Harnstoffs. 


des 
Küthes. 


>,35 
>,13 
.:7,97 

•i^,38 

2S,36 

2S27 
2s,l9 


150 


250 


0 
5 

307 
500 
280 
313 
273 
410 
310 
220 


350 
243 
186 
334 
293 
393 
264 
312 
412 
352 


15,05 
14,67 
15,62 
17,50 
15,62 
13,99 
13,62 
18,10 
16,32 
15,35 


5,10 


7,02 
6,84 
7,29 
8,18 
7,29 
6,53 
6,35 
8,45 
7,62 
7,16 


0,65  N. 


b.  Zwischen  der  vorhergehenden  und  der  nun  kommenden  Reihe 
I  gen  drei  Tage,  während  welcher  250  Gr.  Fett,  250,  350, 450  Fleisch 
füttert  wurden.  —  Die  folgende  Reihe,  welche  32  Tage  anhielt, 
durch  5  Zahlenreihen  wiedergegeben.    Die  Körpergewichte  sind 
iiommen  vom  1.,  9.,  17.,  25.,  33.  Tage;  das  Wasser,  der  entleerte 
larnstoff  und  also  auch  der  N  desselben  in  einer  jeden  Reihe  i^ 
s  Mittel  aus  dem  1.  bis  9.;  dem  9.  bis  17.  u.  s.  f.  Tage.  Der 
S!^  des  Kothes  ist  das  Mittel  aus  allen  Tagen. 


Fleisch 
in  Gr. 


Fett 
in  Gr. 


Wasser  in  Gr. 


Harn- 
stoff 
in  Gr. 


N-Gehalt 

des      d.  Harn-  |  des 
Fleisches.     stoffs.  Kothos. 


Am 
1.  Tag 

Am 
;'9.  Tag 

Am 
in.  Tag 

Am 
j25.  Tag 
Am 
33.  Tag 


28,25 
30,10 
31,33 
32,40 
33,37 


500 


250 


Mittel  für  je 
8  Tage 

1  —  8=215 

9_1G=109 

17-24=  114 

25-32=  137 


28,503  f  r  13,302 

31,744  (  1  14,815 


31,541 
31,184 


14,720 
14,554 


696 


Fett  und  Fleisch;  Hund. 


c.  d.  Zwischen  b  und  c  liegen  3  Tage  mit  750  Gr.  Fleisch 
und  250  Gr.  Fett.  Zwischen  c  und  d  3  Tage  mit  1250  Gr.  Fleisch 
und  250  Gr.  Fett. 


Gorriglrtes 
Körperge- 
gewicht in 
Kilo. 


Fleisch 
in  Gr. 


Fett 
in  Gr. 


Wasser 
in  Gr. 


Harn 
in  C.-C. 


UarnstofT 
in  Gr. 


des 
Fleisches 


N-Gehalt 

des 
Harnstoffs. 


22 

545 

62,13 

90 

530 

58,30 

30 

555 

61,61 

0 

853 

98,94 

0 

830 

94,62 

47 

876 

99,86 

0 

870 

100,05 

des 
Kotlie». 


34,06 
34,16 
34,49 
34,61 

35,67 
35,96 
36,39 
36,71 
36,97 


1000 


1500 


250 


250 


34,0 


51,0 


28,99 
27,20 
28,75 

46,17 
44,16 
46,60 
46,78 


,42 


10,1 


e.  Der  folgende  Versuch  wurde  141/2  Monate  später  als  der 
soeben  verzeichnete  unternommen ;  ihm  unmittelbar  voraus  geht  eine 
Nahrung  von  1800  Gr.  Fleisch. 


38,58 
38,87 
39,25 
39,44 
39,64 
40,01 
40,18 
40,30 


1800 


250 


130 

1119 

193 

1124 

160 

1210 

25 

1115 

473 

1174 

281 

1226 

495 

1167 

117,94 

113,52 

120,761 

115,741 

1 19,75  I 

127,50  I 

130,00 


61,20 


55,04 
52,98 
56,35 
54,01 
55,88 
59,51 
60,67 


0,75 


f.  Diese  Reihe  liegt  der  Zeit  nach  zwischen  d  und  e.  Un- 
mittelbar vorher  ging  eine  Fütterung  mit  2000  Fleisch  und  200  bis 
300  Stärke. 


34,72 
34,58 
34,64 
34,86 


2000 


250 


0 

200 
125 


1428 
1432 
1429 


131,38 
140,34 
136,04 


68 


66,23 
61,32 
63,49 


0,55 


g-  h.  i.  k.  Reihe  aus  Fett  und  Fleisch;  wie  in  den -vorhergehen- 
den änderte  sich  bei  gleichem  Fett  das  Fleischgewicht.  Die  Zah- 
len smd  Mittelzahlen  mit  Ausnahme  der  in  den  beiden  ersten  Co- 
lumnen  verzeichneten.    Die  Versuchsreihen,  aus  denen  sie  gebü- 


Zucker  und  Fleisch;  Hund. 


697 


t  sind,  liegen  unmittelbar  hintereinander,  sie  folgen  auf  eine  sehr 
chliche  Fleischnahrung. 


i 

Gewichtszu- 
nahme In  Gr. 

Fleisch 
in  Gr. 

Fett 
In  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Harn  - 
menge 
in  C.-C. 

Hnnistoff 
in  <3r. 

Stic 
Gr 

des 
Fleisches. 

lest  off 
a  m  m  en 

d.  Harn- 
stoffes. 

in 

des 
Kothes. 

Beob- 
achtungszelt. 

904 
!I61 
148 
)03 

+  30 

+  31 

—  485 

—  70 

1500 
1000 
700 
400 

150 
150 
150 
150 

0 
0 
0 

105 

1077 
656 
509 
292 

108,76 
73,34 
53,41 
34,89 

51,0 
34,0 
23,8 
13,6 

50,76 
34,27 
25,86 
16,10 

0,52 
0,55 
0,58 
0,25 

2  Tage 

3  „ 
5  „ 
2  „ 

Die  folgenden  Beobachtungen  sind  so  geordnet,  dass  .  das 
eeisch  constant  und  das  Fett  veränderlich  gemacht  wurde. 

1.  m.  p.  Der  Beobachtung  voraus  ging  die  p.  674  hingestellte 
.'Hungerreihe,  darauf  1  Tag  mit  1500  Fleisch  und  100  Fett. 


igirtes 
rrperge- 
dcht  in 
KUo. 


Fleisch 
in  Gr. 


Fett 

Wasser 

Harn 

Harnstoff 

in  Gr. 

in  Gr. 

in  C.-C. 

in  Gr. 

193 

405 

33,21 

178 

384 

33,79 

100 

30 

319 

30,62 

186 

359 

37,77 

200 

552 

456 

35,57 

121 

347 

32,62 

132 

319 

32,857 

300 

542 

558 

34,373 

288 

338 

29,203 

Stickstoff  in  Grammen 


des 
Fleisches. 


des 
Harnstoffes. 


des 
Kothes. 


^7,37 
77,34 
•7,29 
'.7,22 
".7,18 
:7,24 
'.7,50 
■7,49 
:7,55 
•.7,72 
■7,90 
17,91 


500 


17,00 


17,00 


17,00 


15,49 
15,77 
13,71 

17,62 
16,60 
15,22 

15,30 
16,00 
13,62 


0,62 


0,55 


0,50 


0.  Die  kommende  Beobachtung  liegt  etwa  2  Monate  später  als 
vorhergehenden  und  sie  folgt  einer  Fütterung  aus  Fleisch  und 
Icker. 


56,300 


S6,180 


500 


250 


243 
598 
150 
402 


363 

38,473 

438 

39,682 

703 

75,924 

17,00 


17,90 
18,00 
17,71 
17,71 


3,98 


Die  folgenden  Reihen  p.  q.  r.  sind  repräsentirt  durch  eine 
lihe  von  Mittelzahlen;  sie  folgten  unmittelbar  auf  eine  Nahrung 
«8  Fett  und  Leim. 


698 


Floisch  und  Traubonüucker ;  Hund. 


Corrigirtes 
Körperge- 
wiclit  iQ  Gr. 

Gewichtsver- 
Itist  in  Gr. 

Fleisch 
in  Gr. 

Fett 
in  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Harn 
in  C.-C. 

Harnstoff 
In  Gr. 

Stickstoff 
in  Gr. 

des     1  des 
Fleisches,  j  Harnstoffes, 

"o  '3 

«  N 
<u  0 

«  a 

35,60 

34,55 

—  1050 

—  300 

176 
176 

50 
200 

624 
681 

187 

278 

17,67 
18,40 

6,20 
6,20 

8,24 
8,58 

4  Tage 
4 

34,25 

+  0 

176 

300 

634 

249 

18,25 

6,20 

8,52 

3  „ 

D.   Nahrung  aus  Fleisch  und  Traubenzucker. 

Die  folgenden  Keihen  a.  b.  c.  stellen  in  Mittelzahlen  drei  auf- 
einanderfolgende Versuchsreihen  dar.  Ihnen  voraus  ging  eine  Eeihe 
mit  Fett-  und  Fleischnahrung. 

Das  Körpergewicht  ist  vom  Anfang  jeder  Eeihe  genommen. 
Die  Gewichtszunahme  ist  die  gesammte,  während  je  einer  ganzeii 
Reihe  eingetretene.  Das  Vorzeichen  +  bedeutet  einen  Zuwachs, 
—  eine  Verminderung. 


Körpergew. 
in  Kilo. 

Gewichtszu- 
nahme in  Gr. 

Fleisch 
In  Gr. 

Trauben- 
zucker in  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Harn 
In  C.-C. 

Stickstoffgehalt 

1 

OD  ,  ■ 

Harnstoff 
in  Gr. 

des 
Fleisches. 

in  G  r. 

d.  Harn- 
stoffes. 

des 
Kothes. 

36,39 

+  177 

500 

300 

303 

350 

32,73 

17,0 

15,27 

0,56 

3  Tu. 

36,51 

—  70 

500 

200 

344 

366 

35,56 

17,0 

16,60 

0,56 

3  .. 

36,52 

—  700 

500 

100 

254 

332 

37,60 

17,0 

17,70 

0,56 

3  .. 

d.  Der  folgenden  Reihe  ging  in  Fütterung  nur  Fett  und  Fleisch 
vorher. 


28,47 
34,74 


—  120 
+  200 


150 
2000 


100 
bis  350 
200 


208 
0 


196 


13,42 


5,1 
68,0 


6,23 
62,65 


1,35  |6Tö 
1,72  bla. 


1288  134,25 

Dasselbe  Resultat  giebt  eine  Reihe  mit  2000  Gr.  Fleisch  und 
100  Gr.  bis  200  Gr.  Milchzucker. 

E.   Nahrung  aus  Fleisch,  Fett  und  Stärke. 


i  . 

o  o 
:o  ■3 

(Vichts  zü- 
rne in  Gr. 

Fleisch 
in  Gr. 

Stärke 
in  Gr. 

Fett 
In  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Harn 

in 
C.  -  C. 

Harn- 
stoff 
in  Gr. 

Ui 

?  'S 

34,93 

640 

500 

250 

250 

475 

640 

39,25 

Stickstoff  in  Gr. 

des      d.  Harn-  des 
Fleisches.  Stoffes.  Kothes. 


17,0 


18,33 


03  a 


0,66.  |4T8ge| 


Brod,  Loiiu;  Hund. 


699 


F.   Nahrung  aus  Brod. 

In  der  folgenden  Tabelle,  welche  über  eine  während  41  Tage 
rrtgesetzte  Brödnahrung  Auskunft  giebt,  sind  die  Mittelzahlen 
|S  je  6  Tagen  zusammengestellt. 


Stlcksto  ff 
Grammen 

des    1  des 
Brodes.  Harnstoffes. 

i  n 

des 
Rothes. 

Versuchs 
tage. 

Mittleres  Ki 
pergewlch 
In  Kilo. 

Brod 
in  Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Harn 
in  C.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

Koth 
in  Gr. 

1  bis  6 

34,39 

500 

561 

364 

20,79 

166 

6,4 

9,7 

1,1 

.,12 

34,46 

626 

574 

449 

21,18 

152 

8,0 

9,9 

1,0 

„  18 

33,96  . 

676 

696 

670 

23,74 

178 

8,7 

11,0 

1,2 

'  24 

34,29 

896 

1001 

964 

27,59 

226 

11,5 

12,9 

1,5 

.  „  30 

34,28 

843 

764 

809 

25,91 

270 

10,8 

12,0 

1,8 

„  36 

34,26 

966 

990 

882 

27,21 

357 

12,4 

12,7 

2,3 

■  „  41 

34,72 

911 

597 

723 

26,01 

290 

11,7 

12,1 

1,9 

G.   Nahrung  aus  feinem  französischen  Leim. 


- riglrtes 
•  rgewlchl 
.  Kilo. 

Leim  in 
Gr. 

Wasser 
in  Gr. 

Harn 
in  C.-C. 

Harnstoff 
in  Gr. 

Sticks 

des 
Lelms. 

t  0  f f  i  n  Gr 

des 
Harnstoffs. 

a  ffl  m  e  n. 

des 
Rothes. 

:!7,06 
515,84 
'.(i,6S 

.;ii,44 

■  200 

692,2 
792,0 
930,0 

580 
745 
744 

63,800 
67,050 
66,216 

>  34,62 

29,776 
31,292 
30,913 

■  0,26 

H.   Nahrung  aus  feinem  französischen  Leim. 


Leim 
in  Gr. 


Fett 
in  Gr. 


Wasser 
in  Gr. 


Harn 
in  C.-C. 


Harnstoff 
in  Gr. 


Stickstoffin 
Grammen 


des 
Leims. 


des 
Harnstoffs. 


des 
Rothes. 


200 


50 


100 


200 


200 


200 


1026 

790 

63,20 

1302 

878 

55,84 

767 

853 

69,95 

685 

325 

34,45 

828 

256 

24,63 

382 

289 

26,59 

778 

318 

32,75 

752 

356 

38,52 

723 

333 

38,30 

34,62 


8,66 


17,31 


29,50 
26,06 
32,64 

16,08 
11,55 
12,41 

15,29 
17,98 
17,87 


0,50 


0,43 


0,52 


r^QQ  Vollständigo  Nahrung ;  Turteltaube.  .  | 

Turteltaube.  Folgende  Zusammenstellung  giebt  Boussin- 
gault: 

I.    Mittleres  Körpergewicht  186,08  Gr.    Beobachtungszeit  7  Tage. 


Für  1  Kl 

lo  Taub 

e  auf  24 

Stunde 

n  i  n  G  r. 

Emgcnommcn. 

Wasser. 

C. 

H. 

N. 

0. 

Salze. 

K.-GCV,. 

In  der  Speise  .... 

12,74 

35,98 

4,88 

2,56 

32,55 

2,00 

0,94 

Durch  die  Lunge     .  . 

107,10 

Ausgegeben. 

Durch  Darm  und  Niere. 

29,89 

7,50 

0,92 

1,69 

6,38 

1,98 

„  Verdunstung. 

18,39 

28,28 

3,96 

0,87 

26,17 

0,02 

Der  H  des  Verdunstungsrestes  entspricht  35,64  Gr.  HO;  ad- 
dirt  man  dieses  zur  Einnahme  und  zieht  von  der  Summe  das  Wassei 
des  Harnes  und  Kothes  ab,  so  gewinnt  man  die  Zahl,  welche  iu 
die  Reihe  Verdunstung  eingetragen  ist.  —  Der  ausgeathmete  C  ist 
an  derselben  Taube  auch  noch  auf  direktem  Wege  geprüft  und 
ganz  nahe  tibereinstimmend  mit  dem  auf  indirektem  Wege  erhal 
tenen  gefunden  worden. 

II.  Eine  Turteltaube  von  175,6  Gr.  Körpergewicht  gab  durch 
die  Verdunstung  20,32  Gr.  C.  auf  die  mittlere  Tagesstunde ;  dieses 
Thier  Hess  Boussingault  216  Stunden  hungern,  wobei  sein  Ge- 
wicht auf  112,5  Gr.  sank.  Als  darauf  wieder  die  gewöhnliche 
Portion  Hirse  gereicht  wurde,  nahni  das  Köi-pergewicht  und  der 
ausgehauchte  C  folgendermaassen  zu.  —  Die  Zeit  ist  von  der  ersten 
Stunde  des  Fi-essens  an  gerechnet. 


Zeit  in  Stunden. 

Körpergewicht. 

Zeit  in  Standen. 

C  in  einer  mitt- 
leren Tagesstunde. 

nach  48 

143,7 

nach  24 

0,168 

„  168 

150,1 

„  48 

0,206 

»  480 

157,3 

„  84 

0,249 

„  264 

0,250 

Zu  geringe  Nahrung;  Turteltaube. 


701 


Fütterung  mit  einer  zu  geringen  Menge  vollständiger  Nahrung, 
hö  Versuche  won  Chossat  Hessen  sich,  wie  folgt,  zusammenstellen. 


"Thier. 


Gewicht 

Tägliche  Nahrung. 

Gewicht  der 
tägl.  ICndaus' 
gaben  für  die 

Gew.  d.  tägl. 

Futters  auf 
die  Gewichts- 

dess6lben* 

Wasser. 

Körner. 

Einheit  des 
Körpergew. 

einheit  des 
Thieres. 

150,15 

18,97  Gr. 

16,57  Gr. 

0,237 

0,237 

139,01 

9,19  „ 

8,29  „ 

0,172 

0,125 

119,78 

3,30  „ 

4,14  „ 

0,089 

0,062 

99,19 

2,40  „ 

2,07  „ 

0,095 

0,045 

149,0 

0,00  „ 

0,00  „ 

0,057 

0,000 

136,9 

23,50  „ 

17,03  „ 

0,296 

0,296 

123,7 

9,78  „ 

8,55  „ 

0,205 

0,148 

100,9 

4,53  „ 

4,27  „ 

0,125 

0,087 

86,1 

1,49  „ 

2,07  „ 

0,101 

0,041 

132,0 

0,00  „ 

0,00  „ 

0,057 

0,000 

Unterschied 
der  Einnahme 
and  Ausgabe. 


labe  1. 
aube  2. 

labe  3. 
tabe  4. 


0,000 
0,047 
0,027 
0,050 
0,057 
0,000 
0,057 
0,038 
0,060 
0,057 


Aus  dieser  Tafel  geht  hervor,  dass  die  Ausgaben  mit  den  Einnahmen  abnehmen, 
doch  keineswegs  in  der  Art,  dass  die  Abnahme  beider  proportional  geht,  da  bei 
genügender  Nahrung  die  Ausgaben  das  Gewicht  der  ersteren  überwiegen.  Daraus 
Igt,  dass  die  Thiere  auch  in  diesem  Falle  dem  langsamen  Hungertode  entgegengehen, 
:  sich  einfindet,  sowie  die  Abmagerung  der  wichtigen  Organe  auf  einen  dem  früher 
rähnten  ähnlichen  Grad  gediehen  ist. 


Die  zusammengestellten  Thatsachen  beantworten  zunächst  fei- 
nde Fragen;  1)  "Wie  ändern  sich  die  Gewichte  und  die  Zusam- 
aensetzung  der  Masse  des  gefütterten  Thieres  beziehungsweise  die 
UBgaben  desselben  einerseits  mit  dem  Gewicht  und  der  Mischung 
•s  Thieres,  bevor  es  in  eine  Ftitterungsreihe  eintrat,  und  ander- 
iits  mit  dem  Gewicht  und  der  Mischung  des  Futters,  das  es  wäh- 
nd  der  Reihe  erhielt.  2)  Wie  vertheilen  sich  die  Ausgaben  des 
üerischen  Körpers  auf  die  einzelnen  Ausscheidungswerkzeuge  mit 
nr  Aenderung  der  Nahrung. 

Ma^senänderung  des  Thieres..  Die  folgende  Darstellung 
in  Ermangelung  anderer  Thatsachen  vorzugsweise  auf  die  Er- 
Ihrungsverhältnisse  des  Hundes  angewiesen,  wie  sie  von  Bi- 
jhoff  und  Veit  ermittelt  sind. 


702 


Massenänderung  des  Thiers  mit  der  Nahrung. 


1,  Die  Gewichtsänderung'  des  Thieres  an  und  für  sich,  also 
die  Ab-  oder  Zunahme  seiner  Masse,  abgesehen  von  der  chemi- 
sehen  Zusammensetzung  derselben  stellt  sich  verschieden  mit  der 
Menge  und  der  Zusammensetzung  der  Nahrung,  mit  dem  abso- 
luten Körpergewicht  und  der  vorausgegangenen  Fütterungsweise 
des  Thiers. 

a.  Wenn  man  einen  Hund,  der  nicht  über  34  Kilo  schwer 
ist,  nach  vorausgegangener  Fleischfütterung  in  der  Weise  ernährt, 
dass  auf  1  Kilo  Thier  in  24  Stunden  52  Gr.  magern  Fleisches  ge- 
reicht werden,  so  tritt  regelmässig  eine  Gewichtszunahme  ein ;  werden 
weniger  als  40  Gr.  gegeben,  so  magert  das  Thier  ab.  Durch  eine 
Nahrung  zwischen  40  und  50  Gr.  pr.  Kilo  kann  sich  ebensowohl 
das  Gewicht  mehren  als  mindern.  Trat  dagegen  das  Thier  ans 
einer  Nahrung,  die  aus  Fleisch  und  Fett  gemengt  war,  oder  nur 
aus  Brod  bestand,  in  eine  reine  Fleischnahrung  ein,  so  konnte 
selbst  bei  einer  Fleischmenge  von  61  Gr.  pr.  Kilo  das  Körperge- 
wicht merklich  sinken.  War  der  Hund  auf  38  Kilo  gemästet,  || 
genügten  selbst  bei  anhaltender  Fleischfütterung  46,4  Gr.  Fleisch 
pr.  Kilo  nicht  mehr,  um  das  Körpergewicht  zu  steigern. 

Zu  der  folgenden  Tabelle  ist  zu  bemerken,  dass  das  Fleisch 
75,9  pCt.  Wasser  enthielt.  Die  unter  der  ersten  Columne  str 
henden  Buchstaben  verweisen  auf  die  schon  früher  mitgetheilteu 
Beobachtungen. 


VersHChszalü. 

Beobachtungszoit. 

Anfangsgewicht 
der  Thiero  in 
lülo 

Alittle.re  Ge- 
wichtszunahme 
d,  ganzen  Tlileres 

Fleiscli  in  Gr. 
pro  Kilo. 

ii 

Gram. 

A.  a 

1.  und  2.  Tag 

34,78 

244         .          Q.T  gc 

3.   bis  7.  Tag 

33,89 

-  126 

^^^^^ 

b 

2  Tage 

34,62 

-  82 

43,32 

0 

»  )) 

34,78 

-  12 

34,02 

d 

)i  » 

34,76 

-  125 

25,89 

e 

)>  )> 

34,51 

-  205 

17,38 

f 

)>  )) 

34,10 

-  290 

8,60 

g 

)>  )) 

33,42 

-  485 

5,26 
0 

h 

3  Tage 

32,61 

-  493 

i 

4  Tage 

31,23 

-  120 

57,64 

k 

3  Tage 

.  31,71 

-  283 

78,84 

1 

2  Tage 

32,56 

-  20 

61,42 

B.  c 

1.  und  2.  Tag. 

32,80 

-  175 

60,79 

d 

10  Tage' 

38,79 

-  59 

46,40 

b.  Wenn  dem  Fleisch  noch  Fett  zugesetzt  wird,  so  genügt 
eine  viel  geringere  absolute  Futtermenge,  um  eine  Gewichtsver- 


Masscnänderuug  mit  der  Zusammensetzung  der  Nahrung.  703 

linuig  herbeizuführen.  Dieses  zeigt  die  folgende  Zusammen- 
llimg. 


ißeob- 
itungs- 

Beobachtangs- 
zeit. 

Aufangsgew. 
des  Thleres 
in  Kilo. 

Mittlere  t'agl. 
Gowiclitszu- 

nalime  d.  gan- 
zen Thieres 
in  Gram. 

Mittlere  Ge- 
wiclitszu- 

naliine  pro 
ICilo  Tliicr 
in  Gr. 

Fleiscli 
pr.  Kilo  in  Gr. 

Fett  pro  Kilo 
in  Gr. 

J.  1 

3  Tage 

37,37 

--  43 

-  1,15 

13,37 

2,67 

m 

37.18 

h  25 

-  0,67 

13,44 

5,25 

1  bis  8  Tag 

28,26 

-  231 

-  8,17 

17,70 

8,55 

9  bis  16  Tage 

30.10 

-  154 

.}.  b 

'  17  bis  24  Tage 

31,33 

-  134 

25  bis  32  Tage 

32,40 

-  121 

■  +  3,73 

15,43 

•  7,71 

:i  n 

3  Tage 

37.55 

-  120 

+  3,19 

13,31 

7,99 

;j.  a 

10  Tage 

28,35 

-  26 

-  0,91 

5,29 

8,82 

:j.  c 

3  Tage 

34,06 

+  116 

-  3,41 

29,36 

7,34 

.'J.  d 

4  Tage 

35,67 

+  325 

-  9,76 

42,00 

7,01 

J.  e 

7  Tage 

38,58 

+  246 

-  6,38 

46,65 

6,48 

fl  f 

3  Tage 

34,72 

-j-  46 

-  1,32 

57,60 

7,20 

Hebt  man  sich  aus  dieser  Tabelle  die  Zahlen  heraus,  wo  bei 
:iichem  Körpergewieht  und  gleicher  Fleischgabe  die  Fettmenge 
tiränderlich  ist,  so  erhält  man 


Körpergewiclit. 

Fleisch 

pro  Kilo. 

Fett 

Gewiclitazunahme 
pro  Kilo. 

37,37 

13,37 

2,67 

—  1,15 

37,18 

13,44 

5,25 

+  0,67 

37,55 

13,31 

7,99 

+  3,19 

I 


Darnach  wächst  also  mit  dem  steigenden  Fettgehalt  der  Nah- 
mg  auch  das  Körpergewicht. 

Hebt  man  aus  der  Tabelle  die  Zahlen  heraus,  wo  bei  annä- 
irnd  gleichem  Körpergewicht  die  Fettgabe  dieselbe  blieb,  aber 
te  Fleischfütterung  veränderlich  war,  so  erhält  man 


Körpergewicht. 

Fett 

Fleisch 

Gewichtszunahme 

pro  Kilo. 

pro  Kilo. 

37,35 

7,99 

13,31 

+  3,19 

35,67 

7,01 

42,00 

+  7,08 

38,58 

6,38 

46,65 

4-  6,48 

Darnach  wächst  auch  mit  dem  steigenden  Fleischgehalt  der 
lahrung  das  Körpergewicht. 


704 


Massonänderung  mit  der  Zusammensetzung  der  Nahrung. 


Entnimmt  man  ferner  der  vorstehenden  Tabelle  solche  Zahlen, 
in  denen  das  Fleisch  und  Fettfutter  annähernd  gleich  war,  dag 
Körpergewicht  aber  sich  verschieden  stellte,  so  ergiebt  sich 


Körpergewicht. 

Fleisch 

Fett 

pro  Kilo. 

Gewichtszunahme 
pro  Kilo. 

28,25 

17,70 

8,85 

+  8,17 

32,40 

15,43 

7,71 

-1-  3,37 

35,6 

■  42,00 

7,01 

+  9,76 

38,5 

46,65 

6,48 

+  6,38 

32,40 

15,43 

7,71 

+  3,37 

37,18 

13,44 

5,25 

+  0,67 

Demnach  nimmt  die  Gewichtseinheit  Körpermasse  durch  das- 
selbe Futter  um  so  weniger  zu,  je  mehr  das  Thier  schon  ge- 
mästet war. 

c.  Die  vorliegenden  Versuchsreihen  lassen  erkennen,  dass  bei 
der  gleichzeitigen  Fütterung  mit  Zucker  und  Fleisch;  Amylon  und 
Fleisch;  Zucker,  Amylon  und  Fleisch  sich  die  Erfolge  ähnlich  veF 
halten.  Die  Erfahrung,  dass  sich  die  Thiere  nur  bei  gemischter 
Kost  mästen,  ist  auch  schon  längst  den  Landwirthen  geläufig.  So 
giebt  u.  A.  Boussingault*)  an,  dass  Gänse  und  Enten,  die 
leicht  durch  eine  reichliche  Nahrung  von  Mais  oder  von  Reis  mit 
einem  Butterzusatz  zu  mästen  sind,  nicht  durch  Reis  allein  eine 
wesentliche  Vermehrung  ihres  Gesammtgewichtes  erfahren.  Ebenso 
nahmen  Schweine  rasch  und  bedeutend  an  Gewicht  zu  bei  einem 
Futter,  das  Fett,  Eiweiss,  Kohlenhydrate  und  Salze  in  einem  Ver- 
hältniss  von  1  :  5,18  :  20,65  :  1,82  enthielt,  während  sie  bei  Futtei 
das  die  oben  genannten  Bestandtheile  in  derselben  Reihe  gezählt, 
im  Verhältniss  von  1  :  5,30  :  37,38  :  2,65  enthielt,  nur  laugsam 
zunahmen  und  namentlich  nicht  damit  gemästet  werden  konnten, 
selbst  wenn  auf  gleiche  Gewichtsmengen  Thier  von  dem  letztei-en 
Futter  Sehl-  viel  mehr  gereicht  wurde,  als  von  dem  ersteren. 

d.  Während  einer  reichlichen  Nahrung  aus  Leim  und  Fett 
nimmt  das  Körpergewicht  allmählich  ab. 

e.  Bei  einer  Nahrung  aus  Brod  kann  ein  Hund  wie  das  vor- 
liegende Beispiel  zeigt,  bestehen.  Katzen  starben  bei  dieser  Fütte- 
rung eines  sehr  langsamen  Hungertodes,  wie  Bisch  off  und  Veit 
durch  besondere  Versuche  darthun. 


•)   Annales  de  chimie  et  de  physlque.  8me  Sdrle.  XIV.  Bd.  (1845).  419. 


Chemische  Aenderung  der  Körpermasse  mit  der  I^ahrung. 


705 


2.  Ob  sich  auch  die  chemische  Zusammensetzung  der  thie- 
ischen  Massen  mit  der  Fütterung  ändere,  lässt  sich  durch  die 
jialyse  des  getödteten  Thieres  und  durch  die  Vergleichung  der 
innahmen  und  Ausgaben  des  lebenden  entscheiden. 

a.  Wenn  während  einer  Fütterungsreihe  alle  Elemente  der  Ein- 
ihmen  und  Ausgaben  mit  höchster  Sorgfalt  quantitativ  bestimmt 
iin  würden,  so  könnte  man  auch  angeben,  welche  von  den  we- 
BQtlichen  Atomcomplexen  des  thierischen  Körpers  (Eiweiss,  Fett  etc.) 
ssgeschieden  und  welche  statt  dessen  angesetzt  wären.  Beobach- 
lagen,  die  dieser  Anforderung  entsprechen,  sind  sehr  schwer  her- 
sstellen;  und  unter  allen  bekannten  nähert  sich  einzig  eine  von 
Schmidt  angestellte  dem  genannten  Ziele  an.  (Siehe  Katze  II. 
cd  III.).  —  Wenn,  wie  es  in  der  grossen  Fütterungsreihe  von 
ischoff  und  Yoit  geschehen  ist,  nur  die  Aenderung  des  Ge- 
mmtgewichtes  und  von  den  elementaren  organischen  Ausgaben 
rr  die  des  N  bestimmt  wurde,  so  reichen  diese  Data  auch  nur  hin, 
i  einzusehen,  wie  sich  mit  der  Aenderung  der  Gesammtmasse  der 
eckstoffzuwachs  gestaltet  habe.  Eine  Vergleichung  dieser  beiden 
rtänderlichen  führt,  auch  wenn  sie  von  allen  hypothetischen  Zu- 
jzen  befreit  wird,  zu  bemerkenswerthen  Ableitungen. 

A.   Reine  Fleischnahrung. 

I.  Fälle,  in  »welchen  das  Thier  gleichzeitig  an  Gesammtge- 
'hht  und  an  N  verlor. 


iiiche  Fleisch- 
menge. 


ÖO  Gr. 
00 
«10 

6 


V 


Beobaclitungszeit 
und  Tage. 


je  2  Tage 


Verlust  an  Ge- 
snmmtgewicht. 


Gesanimtver- 
lust  an  Stickstoff. 


24 
253 
412 
617 
810 


Gr. 


2,3 
3,0 
5,5 
10,4 
13,0 


Verlust  d.  Kör- 
pergewichts dividirt 
durch  den  Stickstoff- 
verlust. 

10,4 
84,3 
74,9 
64,5 
62,3 


II.   Verlust  an  Gesammtgewicht  und  Gewinn  an  Stickstoff. 


Tägliches   Fleisch.  Bcobnchtungszelt. 

18Ü0  Gr.  3  Tage. 

1800  „  7  „ 

2000  „  2  „ 

.  udwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage. 


Verlust  an  Gesammt- 
gewicht, 

70  Gr. 
136  „ 
89  „ 


Gewinn  au  N. 

29,4 
6,4 
24,4 

45 


706 


Chemische  Aenderung  der  Körpermasse  mit  der  Nahrung. 


III.    Gewinn  an  Gesammtgewicht  und -an  Stickstoff. 

TBgl.  Fleisclmalirung.  Beobaehtungszeit.   Gewinn  an  Gesammt-  Ge^vinn  an   Gewinn  an  Gcsaminl. 

gewicht.  Stickstoff,    gewicht  divid.  d.  den 
Gewinn  an  Stickstoff 

1800  7  Tage.  '     241  Gr.  26,0  Gr.  9,3 

1800  4    „  479    „         11,3   „  ,42,4 

2100  u.  2000       5     „  1592    „  46,4    „  34,3 

2500  3     „  853    „  10,6    „  80,5 

Diese  Zusammenstellung  lässt  erkennen,  dass  der  Hund  bei  | 
einer  reinen  Fleischnahrung  reicher  an  einem  stickstoffhaltigen  P 
Atom  werden  müsse. 

Dieses  ergiebt  sich  ohne  weiteres  für  die  Fälle,  in  welchen  i 
das  Gesammtgewicht  abgenommen  hat  und  trotzdem  in  der  Nah- 
rung mehr  Stickstoff  eingenommen  wurde  als  durch  den  Harn  ab 
geschieden  war.   Dass  aber  auch  bei  der  gleichzeitigen  AbnahD 
des  Gesammtgewichts  und  des  Stickstoffs  der  Hund  stickstoffreichei  ' 
geworden  sei,  folgt  daraus,  dass  der  Quotient  aus  dem  Gesammt-  i 
Verlust  durch  den  Stickstoffverlust  grösser  ist,  als  der  Quotient  aib  ' 
dem  N-Gehalt  des  Fleisches  (der  einzigen  Nahrung)  in  das  g 
nossene  Fleisch;   der  letztere  beträgt  nämlich  nur  29,4,  währen 
der  vorhergenannte  Quotient  im  Mittel  59,2  ist.   Dass  endlich  abt 
dasselbe  Gesetz  auch  für  den  Fall  gilt,  in  welchem  der  Stickstu 
und  das  Gesammtgewicht  zugenommen  haben,  folgt  aus  der  W 
gleichung  der  Fleischnahrung  mit  einer  aus  Fleisch  und  Fett  odci 
auch  nur  aus  ßrod.  l| 


B.   Fleisch-  und  Fettnahrung. 

I.   Verlust  an  Gesammtgewicht  und  an  Stickstoff. 


Tägliche  Nahrung  ' 
an  Fleisch.  an  Fett.      Beobachtungszeit.   Verlust  an  Ge-     Verlust  an  N.    Verlust  an  Gi 

suumitgcw.  sammtgewlcht  ( 

divid.  durch  den 
Verlust  an  N. 

150  Gr.  250  Gr.  10  Tage.  161  Gr.  28,2  Gr.  5,7 
700  „       150  „        5     „         485   „       13,2  „  61,2 

n.   Gewinn  an  Gesammtgewicht  und  an  Stickstoff. 

Fleisch.            Fett.      Beobachtungszeit.   Gewinn  an  Gesammt-  Gewinn  Gew-inn  an  Ge-  Ir 

gewicht.  an  N.  w-iclit  divid.  d.  i 
d.  Ge«inn  an  N.  K, 

500        250        31  Tage        4543  Gr.  61  74,4 

1000        250         3     „            654  „  13  50,3 

1500        250         4    „           1175  „  16  73,4 

1800        250          7     „           1715   „  28  61,2 

2000        250          3     „           143     „  12  11,8  ||| 


Chemische  Aenderuiig  der  KÖrpermasso  mit  der  Nahrung. 


707 


Vergleicht  man  den  mittleren  Quotienten  aus  dem  Gewinn  an 
Pörpermasse  und  den  des  Stickstoffs  bei  reiner  Fleischnalu-ung  und 
«i  Fleisch-  und  Fettnabrung,  so  findet  man  ihn  im  ersten  Fall 
:.  41,6  und  letzteren  54,2,  Es  war  also  im  ersten  Fall  in  der 
lifgespeicherten  Körpermasse  mehr  N  enthalten  als  in  letztern. 
))ch  auffallender  ist  das  Missverhältniss,  wenn  man  die  Brod-  und 
eeischnahrung  vergleicht.  Als  der  Hund  41  Tage  hindurch  mit 
■cod  gefuttert  war  und  dabei  um  531  Gr.  leichter  geworden  war, 
r.tte  er  126,4  Gr.  N  mehr  ausgegeben  als  eingenommen.  Hier 
ttrug  also  der  beregte  Quotient  gar  nur  4,1. 

Sieht  man  die  Zahlen,  aus  denen  die  vorstehenden  Mittel  ge- 
ilen sind,  im  Einzelnen  durch,  so  macht  man  die  Bemerkung, 
.<ss  vorzugsweise  beim  Uebergang  aus  einer  Fütterung  in  die 
iidere  eine  Accommodation  des  Stickstoffgehaltes  des  Körpers  an 
m  der  Nahrung  stattfindet.  Dieser  Umstand  deutet  darauf  hin, 
gss  ein  Theil  jenes  Stickstoffs,  der  in  den  Ausscheidungen  fehlte, 
cer  in  ihm  zuviel  vorhanden  war,  aus  dem  Harnstoff  der  thie- 
eehen  Säfte  stammte  oder  in  diesen  verwandelt  wurde;  denn  nach 
rr  Analogie  einer  an  Kochsalz  und  ähnlichen  Stoffen  ärmeren  oder 
ccheren  Kost  in  ihrem  Einfluss  auf  die  Anhäufung  und  Abschei- 
mg  des  Chlors  im  thierischen  Körper  (p.  397)  könnte  man  auch 
itr  vermuthen,  dass  wenn  sich  in  Folge  eines  Kostwechsels  die 
imge  des  bisher  gebildeten  Harnstoffes  ändert,  nicht  allein  die 
lantität  des  ausgeschiedenen,  sondern  auch  des  in  den  Säften  ver- 
iilenden  Harnstoffs  varürt. 

Wenn  aber  beim  andauernden  Genuss  derselben  Nahrung  auch 
Einnahme  und  Ausgabe  des  N  dauernd  sich  nicht  entsprechen, 
I  dürfte  es  jedenfalls  zu  einer  Aenderung  der  eiweisshaltigen  Ge- 
ibe  und  Säfte  kommen,  wie  dieses  sogleich  erörtert  werden  soll. 
?   würde  wünschenswerth  sein,  zu  wissen,  auf  welches  Minimum 
-i  Maximum  der  Gehalt  des  thierischen  Körpers  an  Eiweissstoffen 
bracht  werden  kann,  ohne  dass  die  Leber  beeinträchtigt  wird. 
1     b.   Die  Aenderung,  welche  die  chemische  Zusammensetzung 
les  Thiers  durch  eine  bestimmte  Fütterungsweise  erfahren  hat, 
Dan  durch  die  chemische  Analyse  aufgehellt  werden,  entweder 
I  mn  man  von  zwei  möglichst  gleichartigen  Thieren  das  eine  vor 
:  :?inn  und  das  andere  nach  Schluss  der  Fütterung  tödtete  und 
~  liegte,  oder  dadurch,  dass  mehrere  möglichst  gleichartige  Thiere 
•  verschiedene  Weise  gefüttert  wurden  und  nach  ihrem  Tod  das 
:  rrhältniss  der  wesentlichen  chemischen  Bestandtheile  des  Thieres 

46* 


70.8 


Chcmisolie  Aenclerung  der  Korpermasso  mit  der  Nahrung. 


hingestellt  wird.  Es  bedarf  kaum  der  Andeutung,  dass  diese  Ver- 
fahrungsweisen  keinen  Anspruch  auf  besondere  Genauigkeit  machen. 

Muskeln  und  Hirn  der  Katzen,  welche  bei  Brodnahrung  ver- 
hungerten, enthalten  in  100  Theilen  mehr  "Wasser  als  die  genannten 
Organe  der  mit  Fleisch  ernährten  Thiere.  Der  Unterschied  beträgt 
zwischen  3  bis  5  pCt.  (Bisch off,  Voit). 

Gemästete  Schweine  enthalten  nach  Boussingault  weniger 
(fettfreie)  Knochen  als  ungemästete;  Fett  und  Muskeln  stehen  da- 
gegen in  magern  und  gemästeten  Schweinen  annähernd  in  dem- 
selben Verhältniss  zu  einander. 


m 

Haut  mit 
Borsten. 

Fettfreie , 
Knochen. 

Alles  Fett. 

Muskel. 

Quotient  aoi 
dem  Fleisch 
und  Fett. 

Mit  Kartoffeln  gefütt.  = 

65  Kilo  mittl.  Gewicht 

9,5 

6,5 

22,5 

37,2 

0,60 

Mit  KartolFeln,  Milch  und 

Spülwasser  =  75  Kilo 

mittleres  Gewiclit 

8,27 

6,91 

25,57 

39,69 

0,64 

Mit  Mastfutter  =  III  K. 

mittleres  Gewicht 

9,35 

6,23 

27,30 

41,46 

0,65 

Es  wäre  wünschenswerth  zu  wissen,  wie  sich  mit  der  Ra^e, 
der  Aenderung  des  Mastfutters  u.  s.  w.  die  Zusammensetzung  ge- 
staltete. 

Boussingault  zerlegte  auch  gemästete  Enten  und  Gänse'; 
seine  Resultate  sind  in  den  folgenden  Zahlen  enthalten.  Das  -1 
vor  der  Zahl  bedeutet  einen  proportionalen  Gewinn,  das  —  einen 
eben  solchen  Verlust,  d.  h.  den  Quotienten  aus  der  Gewichtszn- 
oder  Abnahme  der  einzelnen  Organbestandtheile  in  das  Ursprung 
liehe  vor  der  Mästung  vorhandene  Gewicht. 

I.    Gänse  mit  Mais  gemästet.   Mittel  aus  6  Versuchen. 

Fett. 


Pettfreie  Knochen.  Pettfreie  Hallt,  Mus- 
keln, Bindegewebe. 

—  0,094  +  0,274 


-h  4715 

2.   Ente  mit  Reis  gestopft. 


Fettfreie  Haut,  Mus- 
Fettfreie  Knochen,    kein,  Bindegewebe. 


Fett. 

+  0,183  0,0  H-  0,269 

2.   Ente  mit  Reis  und  Butter. 


Fett. 

1,096 


Fettfreie  Haut,  Mus- 
Fettfreie  Knochen.     kein,  Bindegewebe. 

—  0,133  +  0,195 


Schlund. 

—  0,300 

Schlund. 

-  0,298 


Schlund. 

—  0,456 


Hirn. 

0,0 


Hini 
0,0 


ffirn. 
0,0 


Tägliche  Ausgaben. 


709 


Wie  beim  VerhuTigern  das  Hirngewicht  nicht  heruntergeht,  so 
teigt  es  beim  Mästen  nicht;  der  Schlund  und  die  Knochen  magern 
Je  bei  den  Schweinen  während  des  Mästens  ab.  Die  zu  der 
:aut,  den  Muskeln  und  deren  Hilfsifverkzeugen  gehörenden  Eiweiss- 
Md  Leimstoffe  haben  bei  Mästung  der  Vögel  zugenommen,  doch 
einem  ganz  anderen  Verhältnisse,  als  das  Fett,  sodass  100  Tb. 
«mästeter  Vögel  eine  ganz  andere  Zusammensetzung  darbieten, 
S8  100  Th.  ungemästeter. 

Ausser  den  bisher  betrachteten  Bedingungen  (Körpergewicht 
id  Füiterung)  wirken  nun  bekanntermaassen  noch  viele  andere 
iif  die  Mehrung  oder  Minderung  des  Körperumfangs  ein,  dahin 
thört  die  ursprünglichen  Anlagen  des  Thiers,  wie  sie  durch  die 
äamen :  Classe,  Ordnung,  Geschlecht,  Art  und  Spielart  ausgedrückt 
srden,  ferner  der  körperliche  und  geistige  Erregungszustand,  das 
tter  und  vieles  mehr;  über  einige  Punkte  geben  die  Erfahrungen 
rr  fleischztichtenden  Landwirthe  Aufschluss. 

Die  täglichen  Ausgaben  bei  genügender  Nahrung.  Bei 
iier  Beurtheilung  der  täglichen  Verluste  eines  Thieres  muss  man 
1  Auge  behalten,  ob  sich  dasselbe  mit  der  Nahrung,  die  es  ver- 
Uirt,  schon  in  das  Gleichgewicht  gesetzt  hat,  oder  ob  es  dieses 
cch  nicht  gethan.  Nehmen  wir  an,  dass  das  Thier  unter  dem 
nnfluss  einer  bestimmten  Nahrung  sein  mittleres  tägliches  Gewicht 
Ihauptet,  und  weiter,  dass  es  am  Ende  eines  jeden  Tages  auch 
if  dieselbe  chemische  Zusammensetzung  zurückkehre,  dann  werden 
ttürlich  die  Ausgaben  den  Einnahmen  quantitativ  und  qualitativ 
mau  entsprechen  müssen.  Diesen  Satz  konnte  man  auch  so  aus- 
rrechen,  dass  einer  jeden  nach  Art  und  Maass  festgestellten  Be- 
Ibtheit  des  Thieres  auch  eine  nach  Art  und  Maass  bestimmte 
«sscheidung  entspreche.  Denn  eine  jede  Fütterungsweise  führt 
mügend  lange  fortgesetzt  zu  einer  nach  Gewicht  und  Zusammen- 
izung  genau  bestimmten  Körpermasse,  also  kann  das  Thier  auch 
*t  nach  Erreichung  der  letztern  den  ganzen  Werth  seiner  Ein- 
\hme  wieder  ausgeben. 

I  Vergleicht  man  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  Futter,  Körper- 
«vmcht  und  Ausscheidungen,  so  ergeben  die  vorliegenden  Beobach- 
■pgen,  dass  der  Hund  bei  einer  Nahrung  mit  magerm  Fleisch  im 
lande  ist,  trotz  eines  niedern  Körpergewichts  viel  umzusetzen  und 
■özuscheiden,  während  der  mit  fettem  Fleisch  oder  neben  dem 
sisch  noch  mit  Kohlenhydraten  ernährte  Hund  auf  ein  höheres 


Vorliiiltniss  zwischen  der  Masse  des  Thiers  und  den  Ausgaben. 


Gewicht  kommen  muss,  bevor  er  jene  ausscheidende  Fähigkeit 
erlangt. 

Das  Genauere  der  Beziehung  zwischen  dem  Gewicht  der  Kör- 
permsse und  der  Grösse  der  Ausscheidung  bleibt  jedoch  selbst  bei 
demselben  Thier  wegen  Mangels  an  ausgedehnten  Versuchsreihen 
unbekannt;  nur  so  viel  scheint  aus  den  vorliegenden  Beobachtungen 
hervorzugehen,  dass  die  Ausgaben  nicht  in  geradem  Verhältuiss 
mit  dem  Körpergewicht  wachsen.  Denn  es  scheidet  die  Gewichts- 
einheit des  beleibteren  Thieres  viel  mehr  aus  als  die  des  magern. 

Ausser  der  Fütterungsweise  und  dem  Mästungsgrad  übt  die 
Art  und  Individualität  des  Thieres  einen  wesentlichen  Einfiuss  auf 
die  Lebhaftigkeit  der  Ausscheidungen.  So  bedarf  die  Gewichtsein- 
heit Taube,  um  sich  auf  constantem  Körpergewichte  zu  erhalten, 
mehr  Futter  als  die  Gewichtseinheit  Hund,  Katze,  Mensch.  Wie 
sich  die  Verhältnisse  bei  den  drei  letzteren  Warmblütern  verhalten, 
geht  aus  den  vorliegenden  Thatsachen  nicht  mit  Sicherheit  hervor, 
da  die  Fütterungsart  sehr  abweichend  war.  Die  Vergleichung  der 
Erfolge  annähernd  gleicher  Fütterung  bei  den  Katzen  I.  und  III. 
ergiebt,  dass  sich  die  von  geringem  Körpergewicht  trotz  etwas 
reichlicherer  Nahrung  doch  weniger  mästet,  als  die  schwere.  Diese 
Beobachtung  erhält  um  so  mehr  Werth,  als  sie  in  Uebereinstim- 
mung  ist  mit  den  von  Erlach  bei  Kespirationsversuchen  gewon- 
nenen Erfahrungen  (p.  557). 

Wir  wollen  nun  den  andern  Fall  betrachten,  in  welchen  sich 
das  Gewicht  und  die  Zusammensetzung  des  Thiers  vermöge  des 
gereichten  Futters  nicht  unverändert  erhalten  kann.  Wenn  dieses 
geschieht,  so  wird  die  Ausgabe  nicht  mehr  allein  durch  das  gegen- 
wärtig gereichte  Futter,  sondern  auch  durch  den  Zustand  bestimmt, 
den  der  thierische  Körper  unter  dem  Einflüsse  der  früheren  Fütte- 
rung erlangte.  Dieses  zeigt  sich,  wie  schon  wiederholt  hervorge 
hoben  wurde,  dadurch,  dass  das  Gewicht  der  Ausgaben  bald  grösser  I 
und  bald  kleiner  ist,  als  das  der  Einnahmen;  das  erstere  ereignet 
sich  bekanntlich,  wenn  beim  Eintritt  in  die  neue  Nahrung  die  ge- 
sammte  Masse  oder  eine  Atomgruppe  des  Thieres  reichlicher  vor- 
handen ist,  als  sie  es  unter  dem  Einfiuss  der  genannten  Fütterung 
hätte  werden  können,  das  letztre  im  umgekehrten  Fall.  Die  allgc 
meine  Richtung,  nach  welcher  also  der  Massenzustaud  des  Thieres 
auf  die  Ausscheidungen  wirkt,  wird  sich  immer  angeben  lassen, 
wenn  man  weiss,  in  welchem  Sinn  der  Zustand  des  thierischeu 
Körpers  von  demjenigen  abweicht,  welchen  das  jeweilige  Futter  z" 


Verhältniss  zwischen  ehem.  Zusammensetzung  des  Thiers  und  den  Ausgaben.  711 


.-zeugen  strebt.  Die  vorliegenden  Erfahrungen  zeigen  auch,  dass 
riY  Zuwachs  oder  der  Abgang,  den  die  Ausgaben  vermöge  des  Kör- 
srzustandes  erleiden,  um  so  grösser  ist,  je  weiter  nach  Maass  und 
Bsammensetzung  der  gegenwärtige  Zustand  des  Körpers  von  dem 
»weicht,  welchen  das  gereichte  Futter  zu  erzeugen  strebt,  aber 
arllber  hinaus  offenbaren  die  gegenwärtigen  Erfahrungen  nichts. 
Em  weiter  zu  kommen,  Aväre  es  nothwendig,  die  Regeln  für  die 
eeschwindigkeit  zu  kennen,  mit  welcher  sich  bei  der  Aenderung 
^38  Futters  der  thierische  Leib  dem  Zustand  anpasst,  welchen  das 
'jue  Futter  verlangt.  Mit  Rücksicht  auf  diesen  Punkt  geht  aus 
!3n  Tabellen,  die  die  Ernährung  des  dritten  Hundes  verzeichnen, 
'irvor,  dass  in  den  ersten  oder  in  den  paar  ersten  Tagen  nach 

Imera  Futterwechsel  der  Eiufluss  des  durch  die  frühere  Fütterung 
^3rvorgei-ufenen  Zustandes  sich  am  meisten  geltend  macht.  —  Aus 
üem  Diesen  folgt  endlich,  dass  die  Ausgaben  an  keinem  Tage  den 
iinnahmen  gleich  sein  können,  wenn  die  Art  und  Menge  der  Nah- 
ang  sich  fort  und  fort  ändert,  wie  es  in  der  That  beim  Menschen 
sr  Fall  zu  sein  pflegt. 

Der  Antheil  des  Körperzustandes  an  den  Ausscheidungen  ist 
;3r  obigen  Definition  entsprechend  gleich  dem  Unterschied  der  Ein- 
abmen  und  Ausgaben ;  stellt  man  sich  diese  Unterschiede  aus  den 
srschiedenen  Fütterangsreihen  des  3.  Hundes  mit  abnehmendem 
[)id  aufsteigendem  Gewicht  zusammen,  so  erkennt  man  alsbald, 
lass  nur  dann,  wenn  alle  Nahrung  entzogen  wird  oder  die  Nah- 
lang  mindestens  sehr  spärlich  gereicht  wird,  der  Einfluss  der  Ftit- 
irung  zurücksteht  hinter  dem  des  Körperzustandes.  In  allen  übrigen 
üällen  wird  die  Ausgabe  nach  Quantität  und  Qualität  tiberwiegend 
iarch  die  Nahrung  bestimmt. 

Eine  Theorie  der  Thatsachen,  die  aus  der  Vergleichung  der 
iinnahmen  und  Ausgaben  des  thierischen  Körpers  hervorgegangen 
ind,  lässt  sich  mit  Hülfe  eben  dieser  Versuche  nicht  geben.  Denn 
H  liegt  in  der  Natur  derselben ,  dass  sie  über  den  Mechanismus 
ees  Stoff'wechsels  nichts  aussagen  können,  weil  sie  die  genossenen 
ttome  nicht  in  den  Körper  hinein  verfolgen  und  nicht  nachsehen, 
:ie  und  wo  sie  angehäuft,-  zerschlagen  und  ausgestossen  werden, 
ilrklärt  können  jene  Thatsachen  erst  werden,  wenn  man  die  in 
»dem  einzelnen  abgesonderten  Stück  unsers  Organismus  wirksamen 
iräfte  kennt  und  zu  beobachten  im  Stande  ist,  wie  sich  dieselben 
inter  dem  Einfluss  einer  verschiedenen  Nahrung  ändern. 


712 


YorthoihinR  dov  Ausgaben  auf  die  ausscheidenden  Drüsen. 


Vertheilung  der  Ausgaben  auf  die  verschiedenen 
Aussonderungswerlczeuge.  I.  Zuerst  würde  hier  überhaupt 
anzugeben  sein,  warum  sich  die  Umsetzung  und  Ausscheidung  in 
ähnlicher  Weise  zu  einander  verhalten,  wie  Einnahme  und  Um- 
setzung. Dieses  gegenseitige  Anpassen  bedarf  einer  besonderen 
Erläuterung,  da  die  Organe,  welche  vorzugsweise  die  Umsetzung 
der  Thierstoffe  bedingen,  von  durchaus  anderen  Bedingungen  re- 
giert werden,  als  Haut,  Lunge,  Nieren  und  Darmkanal.  —  Der 
Mechanismus,  welcher  diesen  Zusammenhang  vermittelt,-  ist  für 
Lungen,  Haut  und  Darm  genügend  klar.  Eine  vermehrte  Um- 
setzung, welche  zu  einer  reichlichen  Bilduug  von  CO2  führt,  erhöht 
die  Temperatur  und  die  Nervenerregbarkoit;  eine  Anhäufung  von 
CO2  erregt  aber  die  brustbewegenden  Nervenmassen;  damit  be- 
schleunigt sich  die  Athmung  und  die  Aushauchung  der  CO2,  und 
nicht  minder  vermehrt  die  erhöhte  Wärme  die  Bilduug  des  Wasser- 
dunstes. Aus  dem  Mastdarme  müssen  desgleichen  ceteris  paribus 
mit  den  Speisen  auch  die  Ausscheidungen  wachsen.  —  Nicht  so 
klar  ist  dagegen  die  Beziehung  zwischen  der  absondernden  Thä- 
tigkeit  der  Niere  und  der  Anhäufung  von  Salzen,  Harnstoff,  Wasser 
u.  s.  w.  im  Blute,  da,  wie  wir  früher  sahen,  diese  Stoffe  zuweilen 
im  Blute  reichlich  vorhanden  sein  können,  ohne  dass  sich  ihre  • 
Ausscheidung  mehrt. 

2.  Wenn  man  übersehen  will,  welchen  Antheil  des  Ge- 
sammtverlustes  jedes  einzelne  Ausscheidungswerkzeug  ausführt,  so 
wu'd  es  am  gerathensten  sein,  sich  die  Aufgabe  dahin  zn  stellen, 
dass  man  die  Antheile  des  Gesammtverlustes  an  Wasser,  C,  N,  H, 
0  und  Salzen  angiebt,  die  durch  Lunge  und  Haut,  Niere  und 
Darmkanal  ausgeschieden  werden. 

a.  Wasser.  Der  Verlust,  welchen  der  thierische"  Körper  in 
der  Form  von  Wasser  erleidet,  überwiegt  den  durch  alle  übrigen 
Excrete  zusammengenommen.  Seine  Vertheilung  auf  Haut  und 
Lunge,  Niere  und  Darm  kann  sich  sehr  mannichfaltig  gestalten. 
Annähernd  am  constantesten  ist,  wie  schon  früher  gesagt  wurde, 
die  Wasserausgabe  der  Lunge  und  gewöhnlich  am  niedrigsten  die 
durch  den  Darmkanal,  sodass  sie  nur  in  den  seltensten  Fällen 
überhaupt  von  erheblicher  Bedeutung  wird.  Ungemein  variabel  ist 
dagegen  die  Wasserausscheidung  durch  Niere  und  Haut,  iu  der 
Art,  dass  diese  beiden  Organe  vorzugsweise  als  die  Eegulatoren 
des  thierischen  Wassergehaltes  angesehen  werden  können.  In  der 
That,  nimmt  der  Wassergehalt  des  thierischen  Körpers  bedeutend 


Ausgaben  an  Wasser  und  Kolilenstüff. 


713 


»!,  SO  geben  Schweissdrüseii  und  Nieren  gleichzeitig  reichlich 
iisser  aus  (Wasserkuren),  während,  wenn  der  Körper  relativ 
Pocken  wird,  beide  Organe  in  ihrer  Thätigkeit  zurücktreten;  mehi't 
l'ib  bei  mittlerem  Wassergehalte  des  Organismus  der  Wasserver- 
»t  durch  die  Haut,  weil  die  Atmosphäre  trocken  und  die  Haut 
»rm  ist,  so  vermindern  die  Nieren  ihre  abscheidenden  Leistungen, 
nd  umgekehrt,  wird  die  Verdunstung  auf  der  Haut  beeinträchtigt, 
.  steigt  der  Verlust  aus  den  Nieren.    Nimmt  endlich  der  Wasser- 
ttlust  aus  den  Nieren  zu,  weil  grössere  Mengen  wasserverbin- 
ender  Atome  (Safze  und  Harnstoif)  durch  diese  fortgehen,  so 
^ellen  die  Schweissdrüsen  ihre  Absonderung  ein  und  die  Capil- 
iren  der  Cutis  verlieren  an  Ausdehnung. 

Beispielshalber  stellen  wir  den  Wasserverlust  zusammen,  den  nach  Barrai 
IsK.  Mann  in  24  Stunden  erleidet  (Mensch  I.  und  II.).  Hierbei  ist  das  aus  der 
mge  entleerte  "Wasserquantum  folgendermaassen  berechnet  worden.  Man  nahm  an, 
isei  in  der  Ausathmungsluft  4  pCt.  CO2  vorhanden  gewesen,  hierdurch  gewinnt  man 

•  3  Volum  der  ersteren  unter  Berücksichtigung  des  Umstandes,  dass  sie  auf  37"  C. 
rvärmt  gewesen  sei;  dann  nimmt  man  ferner  an,  dass  die  ausgeathmete  Luft  voU- 
rmmen  mit  Wasser  gesättigt  gewesen  sei,  die  Einathraungsluft  aber,  deren  Tempe- 
;;ur  auf  16"  C.  gesetzt  mirde,  nur  60  pCt.  des  bei  dieser  Temperatur  fassbaren 
tasscrdnnstes  erhalten  habe. 

Durch  Lunge  Haut  Niere  Darm. 

L         20,01  7,07  22,25  2,23 

IL         12,53  11,84  20,59  1,15 

Wir  erinnern  daran,  dass  die  Beobachtung  1.  in  den  Winter,  II.  in  den  Sommer 
'.  lt.  Es  braucht  kaum  noch  einmal  hervorgehoben  zu  werden ,  dass  diese  Berech- 
rng  auf  einem  zum  Theil  sehr  angreifbaren  Boden  ruht ;  es  ist  ihr  nur  darum  ein 
i&tz  gestattet  worden,  weil  sie  im  Allgemeinen,  den  theoretischen  Forderungen  sich 
!  jend,  ein  Bild  von  der  Vertheilung  des  Wasserverlustes  im  Winter  und  Sommer  giebt. 

b.  "Das  Gewicht  des  täglich  durch  den  Körper  wandernden 
■ohlenstoffes  ist  immerhin  noch  bedeutend,  wenn  auch  viel  ge- 
inger  als  die  der  entsprechenden  Wassermengen.  Der  von  einem 
iid  demselben  Menschen  täglich  verzehrte  Kohlenstoff  ist  aber  zu- 

•  eich  auch  viel  weniger  veränderlich,  als  das  Wasser.  Nach  PI  ay- 
uir*)  wechselt  je  nach  der  Muskelanstrengung  und  dem  Alter  der 
■^wachsenen  Individuen  die  täglich  eingenommene  Kohlenstotfmenge 
wischen  220,3  Gr.  (alte  unthätige  Arme)  bis  zu  387,3  Gr.  (Ge- 
tngene  in  Bombay  mit  schwerer  Arbeit).  Der  Unterschied  der 
ilimate  macht  sich  nach  Play  fair 's  Zusammenstellungen  weniger 
•?ltend,  als  man  gemeinhin  behauptet,  da  der  ostindische  und  der 


')   Phnrmazeutigches  Centralblatt.  1864.  p.  417 


714 


Ausgaben  an  Wasserstoff  und  Stickstoff. 


CDglische  Tagelöhner  oder  Soldat  unter  gleichen  Bedingungen  sehr 
annähernd  gleich  viel  C  einnehmen.  Auffallend,  und  in  einer  solchen 
Weise,  dass  man  zweifelsüchtig  werden  könnte,  sind  die  Angaben 
von  Esquimaux,  Jakuten,  Buschmännern  und  Hottentotten.  Ein  Er- 
wachsener der  ersteren  von- diesen  wilden  Völkerschaften  soll  täg- 
lich 4996,6  Gr.  C.  (etwa  10  Pfd.)  und  von  der  letzteren  2682,6  Gr.  C. 
(etwa  5,25  Pfd.)  täglich  verzehren.  —  Von  dem  täglich  in  den 
Körper  eingekehrten  Kohlenstoffe  tritt  bei  weitem  der  grösste  Theil 
durch  die  Lungen  aus,  durch  die  Nieren  geht  nach  den  übereinstim- 
menden Beobachtungen  von  Barrai  (am  Menschen)  und  Schmidt 
(an  Katzen)  etwa  der  10.  Theil  des  aus  den  Lungen  hervortreten- 
den fort.  In  einem  ähnlichen  Verhältnisse  steht  die  KohlenstofF- 
ausscheidung  des  Darmkanales  zu  derjenigen  der  Lunge. 

e.  Die  Gewichtsmengen  nicht  schon  oxydirten  Wasserstoffes, 
welche  täglich  genossen  werden,  sind  immer  sehr  gering.  So  weit 
die  vorliegenden  Untersuchungen  reichen ,  wird  er  zum  grössten 
Theil  in  Wasser  umgewandelt,  und  es  lässt  sich  dann  nicht  mehr 
entscheiden,  auf  welchem  Wege  er  den  Organismus  verlässt.  Der 
im  Stoffwechsel  nicht  oxydirte  Wasserstoff  geht  allein  durch  den 
Darm  und  die  Nieren  davon,  vorausgesetzt,  dass  man  die  Spuren 
dieses  Elementes  vernachlässigt,  welche  in  den  flüchtigen  Säuren 
und  Basen  durch  die  Verdunstung  austreten. 

(1.  Mit  der  Nahrung  geniessen  wir  unter  allen  Umständen 
nur  wenig  Stickstoff,  aber  relativ  ist  die  Menge  desselben  sehr 
wechselnd.  Innerhalb  des  Körpers  werden  die  stickstoffhaltigen 
Produkte  entweder  so  zerlegt,  dass  der  N  gänzlich  frei  wird,  oder 
so,  dass  er  noch  in  Verbindung  mit  einigen  oder  allen  organischen 
bleibt.  Der  freie  Stickstoff  wird  durch  Lunge  und  Haut,  "der  noch 
verbundene  zum  grössten  Theil  durch  den  Harn  und  zum  kleinsten 
durch  den  Darm  entleert.  In  welchem  Verhältnisse  freier  und  ge- 
bundener N  zu  einander  stehen,  ist  noch  zu  ermitteln,  und  insbe- 
sondere scheint  es  gewagt,  die  an  einer  Thierart  gewonnenen  Re- 
sultate auf  den  Menschen  zu  übertragen.  Während  es  den  An- 
schein hat,  dass  bei  den  Katzen  nur  ein  sehr  kleiner  Theil  gas- 
förmig entweicht,  geht  bei  Tauben  unzweifelhaft  ein  Dritttheil  der 
gesammten  im  Organismus  kreisenden  Menge  aus  Haut  und  Lunge 
aus,  und  zwar  unter  Umständen,  unter  welchen  nach  Regnault 
Säugethiere  gar  keinen  gasförmigen  Stickstoff  aushauchen  würden. 
Bestätigen  sich  die  Beobachtungen  von  Barrai,  so  kann  bei 
Menschen  die  Hälfte  des  Stickstoffs  der  Nahrung  durch  die  Lungen 


Ausgaben  an  Sauerstoff  und  Salzen. 


715 


Mgeschieden  werden.  Wir  verweisen  rück  sichtlich  dieses  Punktes 
•ch  auf  die  Harnstoflfentleerung  (p.  380). 

e.  Sauerstoff.  Die  Menge  von  Sauerstoff,  die  wir  consu- 
üren,  tibertrifft  diejenigen  aller  anderen  Elemente.  Der  Antheil 
«sselben,  welcher  durch  die  Lungen  und  Haut  eingeht,  ist,  je 
lichdem  die  Nahrung  aus  Brod  oder  Fleisch  besteht,  mehr  oder 
seniger  überwiegend  über  den  in  den  trockenen  Speisen  selbst  enthal- 
men;  in  den  vorliegenden  Beobachtungen  mit  genügender  Nabruug 
wechselt  das  Verhältniss  des  Sauerstoffs  in  den  Speisen  zu  dem  in 
it  Einathmungsluft ,  der  erstere  gleich  1  gesetzt,  zwischen  0,33 
-s  0,11.  Noch  mehr  wird  aber  durch  die  Lungen  wieder  ausgegeben; 

der  That  ist  der  Antheil  des  bezeichneten  Sauerstoffs,  welcher 
iit  der  CO2  und  dem  HO  ausgeathmet  wird,  so  gross,  dass  da- 
>egen  geradezu  derjenige  als  verschwindend  betrachtet  werden  kann, 
eelcher  durch  den  Harnstoff,  die  Gallenreste,  den  Harnextraktiv- 
ooff u.  s.  w.  entleert  wird. 

f.  Die  mineralischen  Bestandtheile  der  Nahrung,  deren 
tenge  immer  sehr  zurücktritt,  suchen  den  Ausweg  aus  dem  Kör- 
;;r  durch  Schweiss,  Harn,  Koth;  der  erstere  giebt  vorzugsweise 
laCl  ans,  der  zweite  sämmtliche  Schwefelsäure,  Phosphorsäure, 
aalkerde,  Eisenoxyd  und  den  grössten  Theil  des  Kalis,  Natrons 
wd  Chlors,  welche  aus  den  Speisen  in  das  Blut  übergetreten  waren. 
Borch  den  Koth  gehen  dagegen  die  unverdaut  gebliebenen  Salze, 
eeist  schwefelsaure,  kieselsaure,  phosphorsaure  Kalien  und  Erden  ab. 

Anhangsweise  folgen  noch  einige  Zahlen  über  die  eigenthüm- 
ihe  typische  Massenzunahnie,  welche  man  als  "Wachsthum  be- 
lehnet. Das  folgende,  welches  auf  Vollständigkeit  keinen  An- 
uruch  macht,  findet  wesentlich  seine  Ergänzung  in  den  Mitthei- 
mgen, die  bei  der  Ernährung  der  Gewebe  gegeben  wurden. 

Unter  W  a  c  h  s  t  h  u  ni  *)  versteht  man  bekanntlich  die  Zunahme 
38  thierischen  Körpers,  welche  dieser  von  der  Geburt  an  bis  zu 
!5r  vollkommen  erreichten  Pubertät  erfährt.  Die  Lebenszeit,  welche 
af  diesen  Prozess  verwendet  wird,  ist  für  verschiedene  Menschen 
»var  nicht  die  gleiche,  aber  es  scheint  doch  die  Regel  zu  sein, 
lUis  mit  dem  zwanzigsten  Jahre  die  volle  Länge  des  Körpers  er- 
licht  ist;  nur  in  seltenen  Fällen  ist  es  constatirt,  dass  sich  das 
"'achsthum  auch  noch  um  ein  bis  zwei  Jahre  jenseits  dieses  Ter- 


•)  Qu  et  Ol  et,  Ceber  iSen  Menschen.  Dontsoho  Ausgabe.  1838.  327.  —  HiiHchke,  Amitomle 
r  Eingeweide.  Leipzig  1841.  —  Vnl  entin,  Lchrlnieli  der  Physiologie.  M.  11(1.  3.  Abtli.  1(14. 


716 


"Waclisthum. 


mins  erstreckt  (Mall  et),  und  zweifelhaft  ist  es,  ob  die  Behauptung 
Quetelets  richtig,  dass  es  bis  auf  das  25.  Jahr  und  über  das- 
selbe hinaus  sich  verlängere.  Den  allgemeinen  Gang,  der  aus 
diesem  Prozesse  resultirenden  Längen-  und  Gewichtsvermehrung 
giebt  die  folgende  Tafel,  welche  nach  den  Beobachtungen  voi! 
Quetelet  entworfen  ist.  Die  zweite  Colonne  giebt  an  die  Längen 
zunähme,  die  das  Individuum  in  dem  in  der  ersten  Colonne  ange- 
zeichneten Jahre  gewinnt;  die  dritte  Colonne  aber  giebt  die  aul 
das  Kilogramm  reduzirte  Vermehrung  des  Gewichtes  in  dem  gleichen 
Zeiträume.  Die  zweite  und  dritte  Spalte  sind  je  in  zwei  Unterali 
theilungen  gebracht,  von  denen  die  eine  sich  auf  das  männliche, 
die  andere  auf  das  weibliche  Geschlecht  bezieht.  Die  mittlere 
Länge  des  männlichen  Neugeborenen  wurde  =  0,5  M.,  des  Aveib- 
liehen  =  0,49  M.  und  die  Gewichte  zu  3,2,  resp.  zu  2,9  gefunden. 


LÜDgenzunahme  in  MM. 

Gewichtszunahme  d.  Gewichtseinheit 
des  Körpers  in  Gr. 

Jahr. 

Männlich. 

Weiblich. 

Männlich. 

Weiblich. 

1 

198 

290 

1,960 

2,020 

2 

88 

0,200 
0,099 

0,214 

3 

71 

73 

0,105 

4 

63 

60 

0,141 

0,103 

5 

56 

65 

0,108 

0,105 

6 

59 

57 

0,093 

0,115 

7 

115 

56 

0,108 

0,096  . 

8 

53 

0,087 

0,087 

9 

61 

51 

0,091 

0,119 

tü 

79 

51 

0,082 

0,101 

11 

54 

30 

0,105 

0,090 

12 

50 

54 

0,100 

0,162 

13 

58 

87 

0,153 

0,104 

14 

60 

58 

0,127 

0,114 

15 

51 

21 

0,125 

0.100 

16 

40 

22 

0,138 

0,079 

17 

25 

35 

0,064 

0,083 

18  - 

11 

0,095 

0,078 

19 
20 

1  '» 

6 
4 

0,083 

0,024 

25 

5 

0,048 

0,019 

Die  Grundzahlen  für  die  obige  Tabelle  wurden  nicht  dadurch  erhalten ,  dass  di«- 
selben  Individuen  zu  verschiedenen  Lebensaltern ,  sondern  dadurch ,  dass-  verschiedene 
in  verschiedenen  Lebensaltem  stehende  Menschen  gewogen  und  gemessen  wurden.  Ob- 
wohl die  Zahl  der  Individuen,  aus  welchen  das  Mittel  abgeleitet  wurde,  nicht  unbe- 
trächtlich ist,  so  ist  doch  noch  immer  gerechte  Besorgniss  zu  hegen ,  dass  diese  Mit- 
telzahlen im  günstigsten  Falle  die  Wachsthuraserscheinungen  eines  einzigen  Lande» 
oder  Landstriches  darstellen. 


Wachsthui«. 


717 


Demnach  ist  der  absolute  Werth  der  Längenzunahme  beim 
Sänrilicben  Geschlechte  in  den  ersten  Jahren  am  grössten,  nimmt 
m  da  an  ab  bis  zum  vierten  und  bleibt  dann  annähernd  con- 
unt  bis  zum  16.,  von  wo  eine  rasche  Abnahme  erfolgt;  beim 
.eibe  erfolgt  die  Längenzunahme  bis  zum  14,  Jahre  analog  der, 
»s  ManneSj  wenn  ihr  absoluter  Werth  auch  um  ein  kleines  ge- 
ijiger  ist;  vom  14.  Jahre  an  sinkt  aber  das  Wachsthum  rasch  ab. 
•  Die  proportionale  Gewichtszunahme  ist  in  den  ersten  Jahren  des 
;jbens  sehr  bedeutend,  dann  nimmt  sie  ab,  steigt  beim  Manne 
i4d  beim  Weibe  um  die  Pubertätsentwickelung  wieder  an  und 
luert,  wenn  auch  in  sinkendem  Maasse,  noch  fort,  wenn  das 
:achsthum  beendet  ist,  sodass  Männer  meist  im  40.  und  Frauen 
sst  im  50.  Lebensjahre  das  Maximum  ihres  Gewichtes  erreichen, 
araus  lässt  sich  erkennen,  dass  die  Ausdehnungen  des  menschlichen 
Krpers  nach  Länge  und  Breite  wesentlich  von  einander  unabhän- 
g  sind. 

Quetelet,  Villerme  und  Co  well  haben  die  für  das  Län- 
*nwachsthum  der  einzelneu  Individuen  gewonnenen  Zahlen  auch 
•ch  zu  anderen  Zusammenstellungen  benutzt,  aus  denen  sich  zu 
Igeben  scheint,  dass  die  Individuen  der  ärmeren  Klasse  bei  gleichem 
Iter  kleiner  als  die  der  wohlhabenden  sind.  Dieses  gilt  nicht  allein 
rr  Bewohner  eines  Landstriches  (Brüssel  und  seine  Umgegend), 
mdern  auch  für  die  verschiedenen  Viertel  einer  Stadt  (Paris); 
fedt-  und  Landleben  oder  auch  verschiedene  Beschäftigungsarten 
llheinen  dagegen  keinen  Einfluss  zu  üben.  Die  Zeit,  welche  auf 
ee  Vollendung  des  Wachsthums  verwendet  wird,  ist  in  südlichen 
«genden  (in  Städten  und  Niederungen?)  am  geringsten.  Mehr 
«3  alles  dieses  mag  die  Menschenrace  resp.  die  ursprüngliche  An- 

■ge  des  Menschen  auf  die  räumlichen  und  zeitweisen  Verhältnisse 

its  Wachsthumes  von  Einfluss  sein. 

J  An  der  Umfangszunahme,  welche  der  menschliche  Körper  wäh- 
kd  des  Wachsthums  erfährt,  betheiligen  sich  nicht  alle  Theile 
leeichmässig.  Vorzugsweise  scheint  sie  dem  Skelett,  den  Muskeln 
■id  der  Haut  zu  Gute  zu  kommen,  sodass  mit  dem  steigenden 
Itter  einzelne  Organe  trotz  absoluter  Vergrösserung  relativ  zum 
ftesammtgewichte  des  Körpers  doch  abnehmen.  Wir  entlehnen, 
ilia  diese  zu  veranschaulichen,  den  Wägungen  von  Husch ke  und 
leeid  folgende  Zahlen;  die  Zahlen  unter  den  betreffenden  Organen 
Iwcken  das  Gewicht  derselben  aus,  vorausgesetzt,  dass  das  des 
Besammtkörpers  =  1  angenommen  wird. 


718 


Wachsthum. 


Schild- 

Thymus. 

Niere 

Neben- 

TTnrl p  n 

Alter. 

uclliril. 

Herz 

drüse. 

niere. 

Elerslociu 

0 



— 

0,0025 

0,0045 

A  AAOn 

o,uozy 

0,0110 

0,0017 

0,0003 

0,00004 

8  Tage. 

0,075 

28  „ 

0,042 

0,0009 

0,0015 

1—5  Jalir. 

0,118 

0,006 

0,047 
0,048 

5  „ 

0,100 

0,008 

7  „ 

0,095 

0,006 

0,042 

13—15  „ 

0,064 

0,006 

0,034 
0,027 

20—30  ., 

0,028 

0,006 

0,0006 

0,0044 

0,0001 

0,0002 

0,00016 

Noch  deutlicher  tritt  diese  ungleichmässige  Zunahme  hervor, 
wenn  man  die  Gewichte  der  einzelnen  Organe  mit  einander  ver- 
gleicht, aus  denen  sich  u.  A.  ergiebt,  dass  bei  Neugeborenen  der 
Dünndarm  im  Verhältniss  zum  Dickdarm  gewichtiger  ist,  als  bei 
Erwachsenen;  dasselbe  gilt  für  das  Pankreas  verglichen  mit  der 
Milz,  dem  rechten  und  linken  Leberlappen.  Bekannt  ist  auch,  dass 
die  Geschlechtswerkzeuge,  die  Brüste  und  der  Kehlkopf  ihr  lebhaf- 
testes Wachsthum  erst  beginnen,  wenn  das  Skelett  seiner  vollkom- 
menen Ausbildung  nahe  ist. 


j 


« 


Siebenter  Abschnitt. 

Thier  ische  Wärme. 


Die  blutfiihrenden  Organe  des  lebenden  Menschen  bewahren 
inäbernd  denselben  Wärmegrad,  wenn  auch  die  Temperatur  der 
mgebung  nicht  unbedeutend  auf-  und  absteigt;  diese  Thatsache 
ttzt  voraus,  dass  der  Organismus  über  erwärmende  und  abktih- 
nde  Mittel  gebietet,  die  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  der 
förke  ihi-er  Aeusserung  und  in  ihrem  Zusammenwirken  den  Um- 
iinden  anpassen.  Wir  werden,  indem  wir  auf  die  Zergliederung 
rr  thierischen  Wärmeerscheinungen  eingehen,  zuerst  die  normalen 
smperaturschwankungen  des  Organismus  und  dann  die  Mittel  an- 
bben,  durch  welche  ein  entstandener  Verlust  der  Wärme  wieder 
Dzeugt  oder  ein  Ueberschuss  derselben  abgeführt  wird. 

Normaltemperaturen. 

Insofern  die  Wärme  eine  Bedingung  zur  Einleitung  und  Er- 
ütung  von  mancherlei  insbesondere  aber  von  chemischen  Lebens- 
aozessen  ist,  gewinnt  die  Temperatui-bestimmung  einen  grossen 
Berth;  in  Verbindung  mit  anderen  Beobachtungen  kann  sie  auch 
!?nen,  um  eine  Einsicht  in  den  Gang  der  Erzeugung  und  des 
srbrauches  an  Wärme  zu  gewinnen. 

TJin  zu  zeigen,  inwiefern  dieses  letztere  möglich,  wählen  wir  ein  einfaches  Bei- 
>isL  Wir  nehmen  an,  es  seien  drei  unmittelbar  an  einander  grenzende,  wärmeleitende 
echen  gegeben,  von  denen  die  beiden  äusseren  unter  allen  Umständen  auf  verschie- 
be Grade  erwärmt  sein  sollen;  in  diesem  Falle  wird  die  innere  der  drei  Flächen 
'e  Temperatur  annehmen,  die  in  der  Mitte  liegt  zwischen  derjenigen  der  beiden 
seren,  da  sie  von  der  einen  Seite  her  erwärmt  und  von  der  anderen  abgekühlt  wird, 
auch  hier  wieder  den  einfachsten  Ausdruck  zu  wählen,  wollen  wir  annehmen ,  die 

i. 


720 


Thermoinotriscbo  Apparate. 


Temperatur  der  inneren  Fläche  sei  das  arithmetische  Mittel  zwischen  den  beiden  aus- 
seren.  Unter  dieser  Voraussetzung  wird  man  einsehen,  dass  in  Folge  einer  Terape- 
raturbestimmung  der  inneren  Fläche  niemals  etwas  ausgesagt  werden  kann  über  die 
Unterschiede  der  Temperatur  auf  den  äusseren  Flächen,  da  aus  unendlich  vielen  Unter- 
schieden ein  und  dasselbe  Mittel  hervorgehen  kann.  Kommt  aber  zu  der  Kcnntni« 
der  Mittelwärme  noch  die  einer  der  beiden  Grenztemperaturen  hinzu,  so  ist  begreiflicli 
auch  die  andere  Gronztemperatur  bestimmt.  Zugleich  ist  ersichtlich,  dass,  wenn  in 
der  Zeit  die  Temperatur  der  mittleren  Fläche  sich  ändert,  auch  diejenigen  der  erwär- 
menden und  abkühlenden  Flächen  Veränderungen  erlitten  haben  müssen;  über  die 
Natur  dieser  letzteren  lässt  sich  aber  wiederum  nur  dann  etwas  angeben,  wenn  du 
Verhalten  von  einer  der  Grenzflächen  während  der  Beobachtungszeit  bekannt  ist,  da 
z.  B.  ein  Ansteigen  der  Temperatur  in  der  mittleren  Fläche  erzeugt  sein  kann  eben- 
sowohl durch  eine  Minderung  des  Verlustes  als  eine  Vermehrung  des  Gewinnes  an 
Wärme  oder,  auf  die  Grenzflächen  angewendet,  durch  Erhöhung  der  Temperatur  ent- 
weder in  beiden  oder  auch  nur  in  einer  von  beiden  Flächen  beim  Gleichbleiben  der 
Wärme  in  der  anderen.  —  Die  Resultate  dieser  Betrachtung  bleiben  nun ,  wie  ein 
kurzes  Nachdenken  lehrt,  unverändert,  wenn  man  statt  der  abkühlenden  und  erwä> 
menden  Platte  in  die  mittlere  Fläche  selbst  eine  Quelle  und  einen  Verbrauch  an 
Wärme  eingelegt  denkt.  —  Sollen  demnach  die  in  neuerer  Zeit  so  zahlreich  ange- 
stellten Teraperaturmessungei)  von  Bedeutung  für  die  Beiirtheilung  des  Wärmehaus- 
haltes  werden ,  so  muss  auf  einem  oder  dem  anderen  Wege  noch  Aufschluss  gegeben 
werden  über  die  Veränderungen  des  Verbrauches  oder  der  Erzeugung  von  Wärme  an 
der  beobachteten  Stelle. 

Zur  Messung  der  Temperatur  bedient  man  sich  des  Thermometers  und  des  gra-' 
duirten  Thermomultiplikators.  —  Das  erstere  dieser  beiden  Instrumente  ist  ein  sehr 
zuverlässiger  aber  auch  ein  träger  Apparat,  d.  h.  es  muss  das  Quecksilbergefä'ss  des- 
selben längere  Zeit  an  einem  Orte  verweilen ,  bevor  es  dessen  Temperatur  vollständig 
angenommen.  Daraus  folgt,  dass  der  Thermometer  nur  beständige  Temperaturen  messen 
kann  und  auch  dieses  nur  dann ,  wenn  das  aufgelegte  Thermometer  die  Tempera- 
tur des  Ortes  nicht  ändert,  dessen  Wärme  es  messen  soll.  Aus  dem  letztem 
Grund  ist  es  z.  B.  unbrauchbar  zur  Ermittelung  der  Temperatur  eines  Ortes,  durch 
welchen  ein  constanter  Wärmestrom  geht,  wie  z.  B.  der  Epidermis.  Denn  auf  dieser 
kann  es  nur  Anwendung  finden,  wenn  die  Epidermisoberfläche  (Handteller,  Achsel- 
grube, Schenkelung  u.  s.  w.)  so  gekrümrat  wird,  dass  sie  die  Kugel  möglichst  allseitig 
umschliesst,  oder  wenn  die  in  beschränkter  Berührung  aufgesetzte  Kugel  mit  einem 
schlechten  Wärmeleiter,  der  auch  noch  die  anliegende  Epidermis  bedeckt,  umkleidet 

• wird.  Beide  Anwendungsweisen  verhindern  aber  die  normal  bestehende  Abkühlung 
jener  Hautstelle,  deren  Temperatur  man  messen  wollte ;  man  erhält  darum ,  wenn  man 
das  Thermometer  so  lange  liegen  lässt,  bis  sein  Quecksilberniveau  einen  unveränder- 
lichen Stand  eingenommen,  die  Temperatur  der  unterliegenden  Cutis  resp.  des  sie  durch- 
dringenden Blutes.  —  Aus  dem  schon  früher  mitgetheilten  Prinzip  des  graduirten 
Thermomultiplikators  (Bd.  I.  p.  467)  geht  hervor,  dass  er  ein  Differentialinstrumcnt 
ist,  welches  beständige  und  veränderliche  Temperaturunterschiede  zweier  Orte  mit 
grosser  Schärfe  auffasst.  Seine  Anwendung  ist  dagegen  umständlich  und  die  Re- 
duktion seiner  Angaben  auf  thermometrische  Grade  nur  bei  äusserst  sorgfältiger  Arbeit 
zuverlässig.    Bringt  man,  wie  es  Becquerel*)  u.  A.  gethan,  die  Löthstellen  auf 


•)   Annalos  des  sc.  nat.  zoolog.  III.  u.  IV.  Bd.  (1835  u.  36.). 


Wärmo  des  Blutes. 


721 


n,-v  Nadel  an,  so  kann  mau  im  lebenden.  Menschen  auch  die  sonst  unzugänglichen 
,  z.  B.  Muskeln,  Eingeweide  u.  s.  w.,  auf  ihre  Temperatur  bestimmen.  —  Der  dem 
ischen  Körper  eingewachsene  Wärmemesser,   der  Empfindungsnerv  der  Haut,  ist 
i;ntlich  kein   Instrument  zur  Messung  unyeränderlicher  Temperaturen,    er  ist  im 
rn  Wortsinne  kein  Thermometer.    Da  er  an  der  Grenze  von  Luft  und  Blut  steht, 
kann  der  Nerv  auch  ein  Absinken  der  Hauttemperatur  anzeigen  (ein  Frostschauern 
laulassen),  trotzdem,  dass  die  Blutwärme  im  Steigen  begriffen  ist  und  umgekehrt. 
1^  auffallendste  Beispiel  hierfür  ist  der  Pieberfrost,  dessen  Auftreten  jedesmal  be- 
.'t  wird  von   einer  Steigerung  der  Bluttemperatur  (Gierse,  Bärensprung, 
r  uibe,  Michael  u.  A.).    Dieser  scheinbare  Widerspruch  erklärt  sich  einfach  aus 
i.i  Zustand  der  Hautgefässe,  welche  sich  so  sehr  zusammenziehen,  dass  das  Blut  nur 
sehr  geringer  Ausdehnung  mit  der  Haut  in  Berührung  ist;  die  Abkühlung  gewinnt 
k30  trotz  einer  erhöhten  Blutteraperatur  das  Uebergewicht.    Ebenso  häufig  geht  die 
nnpfindung  der  Hitze  mit  einer  fortschreitenden  Abkühlung  des  Bluts  Hand  in  Hand. 

,  I.  Die  verschiedenen  Orte  des  menschlichen  Körpers  sind  zu 
mer  und  derselben  Zeit  nicht  auf  gleichen  Grad  erwärmt. 

a.  Blut*).  Nach  den  Beobachtungen  von  Bischoff,  G.v.  Lie- 
iig  und  Gl.  Bernard  ist  das  venöse  Blut,  welches  aus  der  Haut 
urückkommt,  im  allgemeinen  kühler  als  das  arterielle,  welches  in 
es  strömte.  Das  Blut,  welches  dagegen  in  die  Niere  und  Leber 
mgeht,  ist  kühler  als  das,  welches  jene  Organe  verlässt.  Das 
lut,  welches  in  die  Darmwandungen  eindringt,  ist  bald  kühler, 
iid  bald  wärmer  gefunden  worden  als  das  der  vena  portarum. 
iias  Blut  der  Speichel-  und  Muskelvenen  ist  zeitweise  wenigstens 
iirmer  als  das  der  entsprechenden  Arterien.  Aus  allen  diesen  er- 
eebt  sich,  dass  der  Inhalt  derjenigen  Venenstämme,  welche  das 
!ut  aus  verschiedenen  Organen  sammeln,  bald  wärmer  und  bald 
lilter  als  das  Arterienblut  sein  kann. 

Das  Blut,  das  aus  der  vena  cav.  inferior  ins  Herz  einfliesst, 
■beint  immer  wärmer  zu  sein  als  das,  welches  di^rch  die  vena 
■tva  superior  dort  anlaugt,  eine  Erfahrung,  die  sich  auch  ohne 
ttiwierigkeit  aus  deren  Menge  und  der  Temperatur  der  Blutarten 
klärt,  welche  in  die  beiden  genannten  Gefässe  einströmen.  Das 
femenge  aus  allen  venösen  Blutarten,  also  der  Inhalt  des  rechten 
erzens  wechselt  in  seiner  Temperatur  je  nach  dem  Uebergewicht 
Id  Stroms  aus  der  cava  descendens  oder  ascendens;  aber  immer 
«det  sich  bei  gleichzeitiger  Beobachtung  der  Inhalt  des  recliten 
lentrikels  wärmer  als  der  des  linken. 


•)  O.V.Lieb  ig,  Uclicr  die  Tempcrntunmtel-sclilodo  des  veniison  und  arteriellen  Blutes. 
Maen  J853.  —  J.  Gavarret,  Do  la  clialeur  prod.  par  Ics  Ctros  vlvants.  Paris  1855.  p.  119.  — 
rmard,  Compt.  relid.  48.  Bd.  p.  381  nnd  6G1. 

I  L  II  d  w  i  g  ,  Pliygiologlc  II.  2.  Aafingc.  46 


722 


Wiinno  des  Blutes  und  der  Eingeweide. 


Die  folgende  Tabelle  giebt  einige  Beispiele  für  die  obigen 
Ausspruche. 


Hund. 


Ort. 

Wärme  in 
C-GradCD. 

Vena  cava  super. 

35,98 

Atrium  dextr. 

36,37 

Vena  cruralis. 

37,20 

Vpnft  pflvn  iiifpr 

I  Clin    Utl.  V  tl  111H.1. 

38,11 

Aorta. 

38,7 

Vena  portärum. 

39,2 

Vena  portaruni. 

39,9 

Vena  liepatica. 

39,5 

Vena  portärum. 

39,7 

Vena  liepatica. 

41,3 

Vena  portärum. 

37,8 

Vena  hepatica. 

38,4 

Vena  portärum. 

39,6. 

Vena  hepatica. 

39,7 

Aorta. 

38,4 

Vena  liepatica. 

39,4 

Hechtes  Herz. 

38,8 

Linkes  Herz. 

38,6 

Eechtes  Herz. 

39,2 

Linkes  Herz. 

39,1 

Rechtos  Herz. 

36,37 

Linkes  Herz. 

36,82 

Rechtes  Herz. 

39,21 

Linkes  Herz. 

34,02 

Bemerkungen. 


Beobachter. 


10 

11 


Ende  der  Verdauung. 
Anfang  d.  Verdauung. 

Verdauung. 
Seit  4  Tagen  nüchtern. 

Verdauung. 

Nüchtern. 
Verdauung. 


G.  V.  Liebig. 


>  Cl.  Bemard. 


Gr.  V.  Liebig. 


Biesen  Beobachtungen  der  oben  genannten  Autoren  ist  darum  der  Vorzug  ge- 
geben wordon  vor  den  zum  Theil  entgegengesetzt  berichtenden  anderer  Physiologen 
(Davy,  Krim  er,  Hering,  Brechet  u.  A.),  weil  die  zu  den  vergleiclienden  Unter- 
suchungen verwendeten  Thermometer  an  und  für  sich  möglichst  empfindlich  und  ge- 
nau auf  einander  reduzirt  waren ,  weil  beim  Ablesen  der  Zahlen  der  aus  der  ParalsM 
fliessende  Fehler  vermieden  war,  ferner  weil  die  Thermometerkugel  in  das  Gefässlumen 
des  lebenden  Thieres  uud  zwar  so  eingefügt  war,  dass  sie,  ohne  den  Blutstrom  zu 
hemmen,  mir  mit  dem  Blute,  nicht  aber  mit  den  Gefässwandungen  in  Berührung  war 
Den  Resultaten,  die  aus  solchen  Messungen  hervorgegangen  sind,  lassen  sich  natürlicli 
die  nicht  ebenbürtig  gegenüber  stellen,  bei  welchen  man  die  Thermomuterkugel  in  den 
Aderlassstrahl  hielt  oder  in  Gefässe  steckte,  die  dem  Luftzutritte  Preis  gegeben  waren, 
und  zwar  zum  Theil  erst  dann,  nachdem  einige  Zeit  vorher  der  Tod  erfolgt  und  die 
Athmung  und  somit  auch  der  Unterschied  zwischen  venösem  und  arteriellen  Blut  auf- 
gehoben war. 

b.  Die  Unterzungengegend  ist  um  0,5  bis  0,25"  C,  die  Blase, 
der  Mastdarm  und  die  Scheide  um  0,8  bis  1,1"  C.  wärmer,  als  die 
Achselgrube  (Hallmann n *),  Bärensprung**)  L.  Fick***), 
Berg  er,  Davy).  Das  Bindegewebe  unter  der  Haut  ist  um  2,1"  C. 


*)    Hclmholz,  1.  c.  630. 
•♦)   Mli  11  oris  Arcliiv.  ISSl. 
■")   Ibid.  1853. 


Aenderungen  der  Temperatur.  723 

bis  0,9"  C.  niedriger  temperirt  als  das  der  Skelettmuskeln  (Bec- 
iuerel  und  Brechet).   Die  Bauclieingeweide  sind  nach  den  ther- 
iioelektrischen  Bestimmungen  derselben  Gelehrten  etwas  wärmer, 
I  ils  die  Lungen  und  das  Hirn. 

I  2.  Kein  Ort  des  thierischen  Körpers  verhält  sich  im  Verlauf 
Äiuch  nur  eines  Tages  stetig  auf  derselben  Temperatur,  tiberall  und 
mst  immer  schwankt  die  Wärme  auf  und  ab.  Diese  Schwankung 
a:ann  allerdings  zunächst  nur  abgeleitet  werden  aus  einer  Veränder- 
iichkeit  des  Gewinns  und  des  Verlustes  an  Wärme,  aber  die  ab- 
Iteigende  Temperatur  ist  dennoch  kein  Zeichen  für  ein  Sinken 
lind  die  aufsteigende  kein  solches  für  das  Anwachsen  der  Wärme- 
»rzeugung,  denn  es  kann  die  absteigende  Wärme  eben  so  gut 
ron  einer  Erleichterung  und  die  aufsteigende  von  einer  Hinderung 
les  Wärmeabflusses  abhängen.  Diese  Zweideutigkeit,  welche  der 
[Temperaturangabe  mit  Rücksicht  auf  die  Ursache  der  Aenderung 
iiinklebt,  ist  um  so  mehr  im  Auge  zu  behalten,  als  in  der  That  im 
khierischen  Körper  die  Vorgänge,  welche  Wärme  erzeugen,  in 
weiten  Grenzen  unabhängig  sind  von  denen,  welche  Wärme  fort- 
Mchaffen. 

Wenn  sich  im  thierischen  Körper  die  Wärme  ändert,  so  treten 
Uamit  auch  in  einigen  andern  seiner  Lebensvorgänge  Variationen 
iin,  einige  dieser  letzten  Veränderungen  sind  so  beschaffen,  dass 
mit  ihrem  Eintritt  sich  auch  nothwendig  die  Erzeugung  oder  der 
Yerlust  von  Wärme  ändern  muss,  andere  so,  dass  dieses  zwar  oft, 
iiber  nicht  nothwendig  geschehen  muss.  Nehmen  wir  an,  es  sei 
ier  Verlust  an  Wärme  unverändert  geblieben ,  es  seien  dagegen  die 
Jmsetzung  und  die  nachfolgende  Oxydation  der  organischen  Stamm- 
Atome  des  thierischen  Körpers  (Eiweiss,  Fette  etc.)  gesteigert 
»worden,  so  muss  auch  die  Wärme  reichlicher  fliessen,  beziehungs- 
tveisQ  die  Temperatur  zunehmen.  Wir  dürfen  also,  alles  Andere  gleich 
jjesetzt  auf  eine  aufsteigende  Temperaturschwankung  rechnen,  wenn 
ehr  Sauerstoff  verschluckt  oder  mehr  Galle,  Harnstoff,  Kohlensäure 
8.  w.  abgesondert  wird.  Die  chemischen  Prozesse,  aus  welchen 
üiese  letztern  Umsetzungsprodukte  hervorgehen,  werden  aber  an- 
pjeregt  durch  die  Aufnahme  von  Speisen,  durch  Nerven-  oder  Mus- 
celerregung  u.  s.  w.  Insofern  also  nach  der  Mittagsraahlzeit  die 
Chemische  Umsetzung  wirklich  gesteigert  wird,  oder  der  erregte 
Muskel  die  von  ihm  entwickelten  Kräfte  nur  zu  Arbeiten  innerhalb 
des  thierischen  Körpers  selbst  verwendet  u.  s.  w.,  können  wir  die 
eingetretene  Temperatursteigening  auch  als  abhängig  von  den  genann- 

•10  • 


724 


Temperaturanderung  mit  Bildung  von  COj ,  Galle 


ten  physiologischen  Vorgängen  ansehen.    In  Folge  eines  vermehr- 
ten Bedürfnisses  nach  Sauerstoff  und  einer  lebhaftem  Umsetzung 
des  Eiweisses,  der  Fette  etc.  bewegen  sich  Herz  und  Brustkasten* 
häufiger,  also  kann  man  auch  die  Wärmeänderung  als  eine  Funk- 
tion von  den  zuletzt  genannten  Bewegungen  betrachten. 

Aus  diesen  Bemerkungen  erklärt  es  sich,  Avarum  die  Erfahrung 
kein  allgemeingültiges  Gesetz  aufdeckte,  durch  welches  die  Ab- 
hängigkeit der  Temperaturschwankung  von  den  Aenderungen  ein- 
zelner physiologischer  Vorgänge  bestimmt  wird.  Die  folgenden  An- 
gaben haben  darum  nur  Werth  als  Durchschnittsregeln  und  al^; 
Ausgangspunkte  für  weiter  gehende  Untersuchungen. 

a.  Die  Temperatur  ändert  sich  mit  dem  Grade  der  Geschwindig- 
keit, den  die  Ausscheidung  von  CO2  und  die  Aufnahme  von  Sauerstoil 
durch  die  Lunge  hindurch  annimmt.  Beispiele  hierfür  Hefern  die  Mittel 
temperaturen  verschiedener  Thierklassen.  So  verzehren  u.  A.  di( 
warmblütigen  Wirbelthiere  viel  mehr  Sauerstoff,  als  die  kaltblütigen. 
Auch  an  demselben  Individuum  geht  meist  die  Temperatur  dem 
täglichen  Gang  der  C02-Ausscheidung  parallel,  siehe  hierüber  Chos- 
sat,  Bidder  und  Schmidt*).  —  Mit  der  Lebhaftigkeit  des  Gas 
Stroms  durch  die  Lungenwand  wächst  aber  bekanntlich  auch  dit 
Geschwindigkeit  der  Athemfolge;  darum  athmet  auch  ein  Thier 
rascher,  wenn  seine  Temperatur  steigt.  Belege  hierfür  finden  sich 
bei  Chossat,  welcher  die  Temperatur  und  die  Athemfolge  hun- 
gernder und  gefütterter  Tauben  vergleicht. 

b.  Die  Lebhaftigkeit,  mit  welcher  die  Gallenbildung**)  vor 
sich  geht,  lässt  sich  an  der  Temperaturänderung  erkennen.  Arnold 
verglich  bei  einem  hungernden  Hund  (von  der  18.  bis  42.  Huuger- 
stunde)  die  Menge  des  festen  Rückstandes,  welchen  die  in  je  einer 
Stunde  abgesonderte  Galle  enthielt,  mit  der  Temperatur  im  rectum. 
DerGallenrückstandund  die  Temperaturstiegen  und  fielen  gleichzeitig. 

c.  Mit  der  Erregung  der  Nerven  und  der  von  ihnen  abhän- 
gigen Muskeln  und  Drüsen  wächst  die  Wärme.  So  erhöhte  sich 
u.  A.  die  Blutteraperatur  J.  Davy's  nach  dauernden  Muskelan- 
strengungen um  0,7»  C.  und  nach  anhaltender  geistiger  Beschäfti- 
gung um  0,27»  C.  —  Die  Erwärmung  geht  von  den  erregten  Orten 
aus;  dieses  ist  für  die  Muskeln  durch  Becquerel,  Brechet, 
Helmholtz  (L  Bd.  p.  4(57)  und  Ziemsen***)  erwiesen  worden. 

*)  Voraanungagäfte  p.  M7. 
**)  Pliysiologisclic  Anstnlt  in  Ilcirtellicr?  p.  97. 
•'•)  Die  lilcktrizliilt  in  dcv  Meilizin  18fi7. 


der  Muskelbewegung,  den  Tngrszcitcii. 


725 


Letzterer  beobachtete,  dass  die  Wärme,  welche  von  den  zusammen- 
gezogenen Muskeln  ausgeht,  sich  auch  in  die  über  ihnen  liegende 
Haut  verbreitet;  und  dass  nach  der  Rückkehr  des  Muskels  in  seine 
lUihelage  die  Temperatursteigerung  noch  einige  Zeit  anhält.  Mit 
ler  Fähigkeit  des  Muskels,  die  Temperatur  zu  steigern,  hängen 
wahrscheinlich  auch  die  niedern  Wärmegrade  gelähmter  Gliedmas- 
>>on  zusammen.    Die  Wärme  der  Hautdecken  stieg  nach  Bewegun- 
'-ucn  der  unterliegenden  Muskeln  im  Maximum  um  4»  C.  Dauernde 
lind  ausgebreitete  Muskelzusammenziehungen  erwärmen  aber  nicht 
allein  den  thierischen  Körper  bedeutend,  sondern  sie  steigern  auch 
unter  Umständen  seine  Temperatur  sehr  rasch;  so  sah  Bärensprung, 
i  ilass  das  in  den  Mastdarm  eines  Neugeborenen  eingeführte  Ther- 
mometer alsbald  zu  steigen  begann,  sowie  das  Kind  zu  schreien 
anfing.  —  Die  Wärmesteigerung  der  erregten  Speicheldrüse  ist 
■S.  341  erwähnt. 

d.    Die  in  Vorstehendem  mit^-ethe Ilten  Untersuchungen  fordern, 
dass  an  jedem  Tag,  gleichgültig,  ob   wir  hungern  und  ruhen 
oder  essen  und  arbeiten,  ein  Auf-  und  Absteigen  der  Temperatur 
einti-eten  müsse;  zugleich  verlangen  sie  auch,  dass  mit  dem  stei- 
genden Alter  die  mittlere  Tageswärme  sich  ändern  müsse.  Von 
den  hier  angedeuteten  Schwankungen  soll  zuerst  die  betrachtet 
werden,  welche  unabhängig  von  der  Muskelbeweguug  und  der 
Xahrungsaufnahme  eintritt.    Die  letztre  Wärmeänderung  führt  den 
Namen  der  typischen  Wärmeschwankung.    Das  Bestehen  einer 
solchen  typischen  Tagesschwankung  ist  von  Bärensprung  durch 
Beobachtungen  am  Menschen  und  von  Chossat  und  Schmidt  an 
hungernden  eingesperrten  Thieren  dargethan  worden;  als  Beispiel 
für  dieselben  wählen  wir  die  Angaben  von  Lichtenfels*)  und 
Fröhlich.    Bei  vollkommener  Enthaltung  aller  Nahrung,  möglich 
ster  Kulie  der  Muskeln  und  einem  Aufenthalt  in  einer  Luft  von 
12'*,4  bis  130,6  C.  fiel  die  Temperatur  von  der  letzten  Mahlzeit  an 
(des  Abends)  bis  lü  Stunden  nach  derselben,  erhob  sich  in  der 
11.  Stunde  nach  derselben  um  ein  Geringes,  sank  dann  stärker  bis 
zur  15.  Stunde  und  erhob  sich  bis  zur  19.  wieder  auf  den  Stand 
welchen  sie  zur  Zeit  der  10.  eingenommen;  und  begann  von  da 
an  wieder  zu  sinken.    Der  grösste  Unterschied  betrug  bei  Lich- 
tenfels (11.  und  15.  Stunde)  0,80»  C,  bei  Fröhlich  0,56«  C. 


•)   Wiener  nkndein.  DcnkscUriflcn.  ;!.  Bd. 


726 


Tagossohwankung  Hungornder. 


Der  tägliche  Wärmegang,  wie  er  eben  hingestellt  wurde,  ändert 
sich  natürlich,  wenn  die  Lebensweise  eine  andere  wird;  vor  Allem 
übt  die  Aufnahme  von  Nahi-ung  einen  Einfluss,  den  man  im  allge- 
meinen als  einen  wärmeerhöhenden  ansehen  kann;  er  zeigt  sich 
am  schlagendsten  sogleich  darin,  dass  die  Wärme  nach  Entziehung 
aller  Nahrung  sinkt.  So  fanden  z.  B.  Lichtenfels  und  Fröh- 
lich die  mittlere  Temperatur  der  Hungertage  zu  36,60"  C,  wäh- 
rend sie  an  den  wie  gewöhnlich  verlebten  Tagen  auf  37,17»  C. 
stand.  Dieser  Wärmeunterschied  wächst  nun  aber  nicht  geradezu 
mit  der  Dauer  der  Hungerperiode,  sondern  es  hält  sich,  nach  den 
an  verhungernden  Thieren  angestellten  Beobachtungen  die  Tempe- 
ratur vom  zweiten  Hungertage  an  constant  bis  gegen  die  dem  Tode 
unmittelbar  vorangehenden,  wo  die  Wärme  von  Tag  zu  Tag  rasch 
sinkt  (Chossat,  Schmidt).  In  einer  Versuchsreihe  an  einer 
Katze  (Schmidt)  zeigte  bis  zum  15.  Hungertage  das  Thermometer 
im  Mittel  38,6«  C,  am  16.  Tage  38,3»,  am  17.  Tage  37,64o,  am 
18.  Tage  35,8"  und  endlich  am  ,19.  (dem  Sterbe-)  Tage  33,0.  — 
Mit  diesen  Angaben  sind  wenigstens  die  von  Chossat*),  der  seine 
Beobachtungen  an  den  höher  temperirten  und  rascher  verhungern- 
den Tauben  anstellte,  nicht  im  Widerspruche.  Den  Erscheinungen 
der  Hungerkur  entsprechend  scheinen  sich  die  Dinge  auch  bei  der 
Einnahme  der  Nahrung  zu  stellen ;  unzweifelhaft  nimmt  nämlich 
die  Temperatur  nicht  mit  dem  Gewichte  der  aufgenommenen  Speise 
zu ;  träfe  dieses  ein ,  so  dürfte  die  Temperatur  der  Erwachsenen 
sich  nicht  in  so  engen  Grenzen  halten,  da  sie  doch  ^  ausseror- 
dentlich verschiedene  Mengen  von  Nahrungsmitteln  geniessen.  Zu 
Aveiteren  Angaben  fehlen  jedoch  noch  die  genaueren  Untersuchungen. 

Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  die  Nahrungsaufnahme  die  ty- 
pische Tagesschwankung  modifizirt,  ist  Folgendes  bekannt. 

Nach  den  Messungen  von  Lichtenfels-Fröhlich,  Gierse, 
Hallmann  und  Bären  Sprung,  welche  ungefähr  zu  denselben 
Stunden  auf  gleiche  Weise  assen,  steigt  die  Wärme  nach  dem  Früh- 
stück an  und  erreicht  4  —  6  Stunden  nach  demselben  ihr  erstes 
Maximum,  dann  sinkt  sie  bis  zur  Hauptmahlzeit  nnd  steigt  nach 
derselben,  bis  sie  l'/i  bis  27-2  Stunden  danach  ihr  zweites  Maxi- 
mum erlangt;  die  Abendmahlzeit  erzeugt  aber  kein  neues  Steigen, 
mit  anderen  Worten,  sie  vermag  das  Sinken  in  Folge  der  typischen 
Schwankung  nicht  aufzuhalten.  —  Bei  J.  Davy  erreichte  die 


')    Ifeehcrohes  expurimentnles  sur  l'innnitioii.   Paris  1843. 


■ 

Tagesschwankung  Gespeistor.  727 

\Wänne  2  Stunden  nach  dem  Frühstück  ihr  Maximum  und  sank 
\ron  da  ab ;  dieser  absteigende  Gang  konnte  durch  die  um  6'>  Abends 
Beingenommen c  Hauptmahlzeit  nicht  in  einen  aufsteigenden  verwan- 
flelt  werden.  Uebereinstimmend  gaben  Davy,  Gierse,  Hall- 
mann  und  Lichtenfels  den  grössten  Unterschied  in  der  Tages- 
iwärme  zu  0,73  bis  0,68"  C.  an,  Bärensprung  fand  ihn  an  sich 
«selbst  zu  1,12"  und  Fröhlich  zu  0,56». 

Als  Beispiele  führen  wir  die  Beobachtungsreihen  von  Bärensprung  und 
DO  a  V  Y  an  : 


Tages-  u.  Mahlzeit. 

Stunde. 

Temperatur. 

Tages-  u.  Mahlzeit. 

Stunde. 

Temperatur. 

IMorgens  im  Bette. 

5—7 

36,68 

Morgens. 

1 

36,94 

SaflFec. 

7—9 

37,16 
37,26 

Frühstück. 

9 

36,89 

9—11 

11 

36,89 

II— 1 

36,87 

2 

37,05 

1—2 

36,83 

4 

37,17 

Itlittagessen. 

2—4 

37,15 

5 

37,05 

4—6 

37,48 

Mittagessen. 

6,5 

36,83 

6—8 

37,43 

Thce. 

7,5 

36,50 

i&bendessen. 

8—10 

37,02 

11 

36,72 

10—12 

36,85 

1 

36,44 

I&.US  dem  Schlafe 

12—2 

36,65 

geweckt. 

2—4 

36,31 

Die  tägliche  Pulsschwankung,  deren  auf  S.  100  gedacht  wurde, 
Fällt  häufig  mit  dem  Wärmegang  zusammen,  aber  nicht  immer  ist 
Her  Parallelismus  beider  Curven  ein  vollständiger;  so  fand  u.  A. 
ßärensprung,  dass  das  mittägige  Maximum  der  Wärme  dem  des 
Pulses  vorausging.  In  Krankheiten  endlich  ist  Temperatur  und 
IPuls  in  weiten  Grenzen  unabhängig  von  einander  (Traube,  Joch- 
imann)*). 

Diese  Schwankungen  finden  sich  in  allen  Lebensaltern  (Bärensprung).  —  Aus 
ier  mitgetheilten  Tabelle  dieses  Letzteren  geht  hervor,  dass  die  mittlere  Tagestempe- 
rratur,  wie  sie  aus  den  mittleren  Zahlen  abgeleitet  werden  kann,  bei  ihm  in  der  That 
»vorhanden  ist  um  8'»  Morgens,  Mittags  und  lO^i  Abends.  —  Bei  Fröhlich  und 
ILichtenfels  findet  sich  die  mittlere  Temperatur  in  der  3.  Stunde  nach  dem  Früh- 
Btück.  Diese  Bemerkung  dient  dazu,  um  die  Beobachtung  von  der  Auffindung  der  raitt- 
1  leren  Tagestemperatur  zu  erleichtern. 

Die  typische  Alters  -  Schwankung  d.  i.  die  Aendcrung  der  mittleren  täglichen 
'Wärme  in  Folge  des  Alters  ist  weit  schwieriger  darzustellen;  zu  diesem  Behufo 
wntissten  eliminirt  sein  die  zahlreichen,  allgemeinen  und  individuellen  Gründe,  aus 
<!denen  bei  den  verschiedenen,  der  Vcrglcichung  unterworfenen  Menschen  die  Tempe- 
.ratur  seh  wanken  kann.  Diese  Forderung  ist  bis  dahin  nicht  befriedigt.  Das  geringe 
/Zutrauen  aber,  was  schon  darum  die  Angaben  über  die  mittleren  Temperaturen  der 


•)   Beobachtungen  Uber  die  Körporwärmo.  1853. 


728 


Tonipovaturänderung  durch  AderlaBs 


Tcrschiedeiicn  Lebensalter  verdienen,  wird  noch  geschwächt  durch  den  Umstand,  das» 
die  Tomperntiirunterschiedo  der  vorschiodcneu  Individuen  desselben  Alters  grösser 
ausfallen ,  als  die  Unterschiede  in'  den  Mittelzahlcn  der  verschiedenen  Alter.  Die 
folgende  Tafel,  die  nach  Bärensprung  entworfen,  giebt  darüber  Aufschluss *). 


Lebensalter. 

Mitteltempe- 
ratur. 

Grenz- 
Temperatur. 

Boobacb- 
tungsoit. 

Zahl  der  be- 
obachteten 
Individuen. 

Zimmer- 
Temperatur. 

Tageszeit  der 
Beobachtung. 

Bemerlsnngen. 

Neugeborene. 

37,81 

36,6  -30,0 

Mastdarm. 

37 

? 

Unmittelbar 
n.  d.  Geburt. 

5—  9  Jahr. 

37,72 

37,87—37,62 

Mund  und 
Miistdftrm 

4 

g 

et-' 
CD 

Morgens. 
Mittags. 
Abends, 
nach  Mittag. 

»j 

Während  d. 
Handarbeit. 
Während  d. 
Handarbeit. 

1.5-20  „ 
21-30  „ 

37,37 
37,22 

36,12—38,1 

Achselhöhle. 
)j 

11 
11 

"-1 
O 

tS3 

3' 
B 

ct>  . 

25—30  „ 

31-40  „ 

41—50  „ 
51—60  „ 
80  „ 

36,91 

37,1 

36,87 
36,83 
37,40 

)> 

)i 
)i 

Mund. 

4 

6 

7 
2 
1 

«> 

S 

n 
>-l 
P 

zu  verschie- 
den. Zeiten 

Torzugsw. 
nach  Mittag. 

zu  verschie- 
den. Zeiten. 

Aus  d.  höh. 
Ständen. 

e.  Während  eines  ausgiebigen  Aderlasses  sahen  Bischoff, 
G.  Liebig,  Bärensprung  und  Marshall  Hall  die  Temperatur 
um  einige  Zehntel  eines  Grades  'steigen;  in  den  paar  ersten  Tagen 
nach  der  Blutentziehung  ging  die  Wärme  auf  den  Werth  vor  der- 
selben zurück  und  noch  später  sank  sie  unter  die  Norm  und  hielt 
sich  auf  diesem  niedern  Werthe  längere  Zeit. 

f.  Der  Erfahrung  entsprechend,  dass  die  Haut  einen  wesent- 
lichen Einfluss  auf  die  Abkühlung  übt,  sollte  man  erwarten,  dass 
mit  der  steigenden  Durchfeuchtung  und  Blutfülle  der  cutis  die  Bliit- 
temperatur  sinken  müsse  und  andrerseits,  dass  die  letztere  steigen 
würde,  wenn  die  umgekehrten  Zustände  der  cutis  einträten.  Die 
geringe  Herrschaft,  die  wir  über  die  Wärmeerzeugung  ausüben,  ver- 
hindert es  aber,  beweisende  Beobachtungen  zu  gewinnen.  Aller- 
dings sind  einige  Thatsachen  bekannt,  aus  denen  der  veränderte 
Wärmegang  aus  dem  Zustand  der  Haut  erklärt  werden  kann.  So 
steigt  z.  B.  die  Temperatur  im  Fieberfrost  (Gierse,  Bären- 
sprung, Traube**),  Michael***),  oder  nach  vorübergehenden 


»)   üebor  die  Temperatur  im  Tode  siehe  Adler  Wiener  med.  Wochenschria  1859.  Nr.  48. 
*•)    Krisen  und  krH.  Tngc,  Berlin  18.12. 
'•*)   Archiv  für  physiolog.  ncilltunde,   1856.  30, 


durch  Ztiständo  der  Haut  und  der  äussern  Umgebung. 


729 


V^bkiihlnngen  der  Haut  (F.  H  o  p  p  e ,  L  i  e  b  e  r  m  e  i  s  t  er). ;  man  könnte 
jagen  darum,  weil  der  Wärmeverlust  durch  die  Haut,  deren  Ge- 
l'asse  sich  verengert  haben,  vermindert  sei.  Umgekehrt  sinkt  die 
BBhitwärme  sehr  häufig,  wenigstens  im  Hitzestadium  des  Fiebers, 
wo  die  Gefasse  der  Haut  weit  ausgedehnt,  und  also  zur  "Wärme- 
iibgabe  sehr  geeignet  sind.  Aber  diese  Erklärungen  sind  nur  hy- 
öothetische,  da  sich  nicht  nachweisen  lässt,  wie  sich  zu  jenen  Zeiten 
Hie  Wärmeerzeugung  verhalten^  habe. 

g.  Aenderung  der  Eigenwärme  mit  der  Temperatur,  Leitungs- 
Sfäbigkeit  und  dg),  in  der  Umgebung.  —  Wenn  wir  uns  aus  einer 
'Jmgebung,  die  einen  mässigen  Wärmeverlust  bedingt,  in  eine  solche 
Oegeben,  die  uns  stärker  abzukühlen  vermag,  so  gehen  daraus  ver- 
wchiedenartige  Folgen  für  unsere  Körpertemperatur  hervor.  Un- 
mittelbar nach  dem  Uebergang  ans  dem  Warmen  in  das  Kühle 
icann  auch  die  Temperatur  unseres  Körpers  herabgehen,  aber  sie 
inuss  es  nicht,  ja  sie  kann  im  Gegentheil  etwas  ansteigen  (Lie- 
»ermeister).  Die  Eigenwärme  scheint  nur  dann  jedesmal  fast 
momentan  zu  sinken,  wenn  der  Wärmeabstand  zwischen  unserm 
Blute  und  unserer  Umgebung  ein  bedeutender  ist,  oder  die  Lei- 
rangsfähigkeit  des  uns  umgebenden  kühlern  Mediums  eine  merk- 
iiche  ist.  So  beobachteten  Davy,  Virchow,  Hoppe  u.  A.  schon 
nach  einem  kurzen  Aufenthalt  in  einer  Luft  von  0^*  oder  im  See- 
uad  u.  s.  w.  ein  Sinken  der  Eigenwärme  und  zwar  ein  grösseres 
loei  der  Messung  in  der  Mundhöhle,  ein  geringeres  bei  der  im  Mast- 
Uarm.  —  Aehnlich  wie  beim  plötzlichen  und  vorübergehenden  Ein- 
wirken der  äussern  Kälte,  verhalten  sich  auch  die  Folgen  für  die 
Ihierische  Eigenwärme  bei  andauerndem  Bestehen  der  erstern.  Unter 
i/oraussetzung  einer  genügenden  Ernährung,  Muskelbewegung  und 
lautbekleidung  kann  eine  sehr  niedere  Lufttemperatur  ertragen 
"Verden,  ohne  dass  die  Eigenwärme  des  Warmblüters  merklich  sinkt. 
\,Us  Beispiele  hierfür  dienen  die  Beobachtungen  von  P  a  r  r  y  und  B  a  c  k , 
welche  im  arktischen  Winter  bei  einer  Lufttemperatur  von  —  30"  bis 
-  35"  die  Temperatur  der  dort  vorhandenen  Säugethiere  zu  +  40" 
Vanden.  Die  sorgfältige  Arbeit  von  Martins  sagt  Aehnliches  für 
~5chwimmvögel  aus.  —  Wenn  aber  die  nöthige  Speise  oder  die  Bewe- 
_  I 

•)   Hoppe,  Archiv  fUr  pnthol.  Anatomie.  XI.  456.    —    Virchow,   Ibidem.  XV.  70.  — 
"arry,  Annalen  de  chim.  et  de  phys.  2me  Scr.  XXVIII.  22.S.  —  Daok,  Compt.  rcnd.  II.  G21.  — 
Hart  ins,  Mdmoires  de  l'acftdemlo  de  Montpellier.   lU.   189.  —  L 1  o  b  o  r  m  o  1  s  t  e  r,  Deutsche 
CUnik.  1850.  391.  —  Hngspihl,  Valentins  .Inhresliericlit  Uber  Physiologie  flir  1857.  58.  —  VB- 
c  n  t  i  n ,  Archiv  für  physiolog.  Heilkunde.  1868.  —  Browu-Sdquard,  Journal  de  Physiologie. 
I.  549. 


730 


TempcraturSndoningcn  bei  hoher 


gung  mangelt,  so  sinkt  die  Temperatur  des  Warmblüters  je  nach 
Umständen  mehr  oder  weniger  tief  und  rasch  ab.  Ein  sehr  auf- 
fallendes Beispiel  giebt  Chossat;  er  fand,  dass  hungernde  Thiere 
selbst  bei  einer  Lufttemperatur  von  +  12"  bis  18"  C.  in  Folge  der 
Abkühlung  sterben  können. 

Folgt  auf  die  Einwirkung  vorübergehender  Kälte  wiederum 
die  eines  massig  warmen  Mediums,  wie  es  z.  B.  nach  dem  Aus- 
tritt aus  einem  kalten  Bad  der  Fall  ist,  so  gestaltet  sich  jetzt 
der  Gang  der  Temperatur  so,  dass  sich  die  während  des  Bades 
gesunkene  oder  normal  gebliebene  Wärme  alsbald  wieder  hebt  und 
zwar  meist  höher,  als  sie  vor  dem  Eintritt  in  das  Bad  stand. 

Lokale  Abkühlungen,  wie  sie  oft  als  Heilmittel  angewendet  werden,  kühlen  zu- 
nächst örtlich  und  dann  auch  allgemein,  siehe  hierüber  Hagspihl. 

Wird  die  Temperatur  unserer  Umgebung  auf  diejenige  unseres 
Bluts  gebracht,  oder  übersteigt  der  äussere  Wärmegrad  gar  den 
Innern,  so  sind  die  Folgen  für  die  Blutwärme  sehr  ernsthaft;  die 
Wirkungen  dieser  hohen  Temperatur  unserer  Umgebung  werden 
bedeutend  verstärkt,  wenn  gleichzeitig  die  umgebende  Luft  mit 
Dampf  gesättigt  ist. 

Wärmegrade  der  Umgebung,  die  oberhalb  der  thierischen  Nor- 
maltemperatur liegen,  erträgt  der  Organismus,  ohne  seine  Wärme 
wesentlich  zu  erhöhen,  vorausgesetzt,  dass  eine  lebhafte  Schweiss- 
bildung  unterhalten  werden  kann  (Franklin)  und  dass  die  At- 
mosphäre trocken  genug  ist,  um  eine  rasche  Verdunstung  des 
Wassers  von  der  Haut  und  der  Lunge  aus  zu  erlauben.  In  einer 
mit  Feuchtigkeit  vollkommen  gesättigten  Luft,  oder  gar  in  einen* 
warmen  Bade,  steigt  dagegen  die  Temperatur  des  Organismus  rasch. 
So  fanden  u.  A.  Berger  und  de  la  Roche,  dass  bei  einem  Auf- 
enthalte von  8  bis  16  Minuten  in  einem  auf  +  100"  bis  127»  C.  er- 
wärmten Eaume  die  Temperatur  unter  der  Zunge  um  4"  bis  5» 
stieg.  Die  englischen  Beobachter  *)Blagden,Dobson,Fordyce 
u.  A.  fanden  dagegen  in  der  gleichen  Zeit  unter  ähnlichen  Um- 
ständen nur  eine  Temperatursteigerung  von  etwa  1"  C.  Aehnhche 
Beispiele  giebt  Hoppe.  Der  letztre  verfolgte  auch  noch  den  Gang 
der  Temperatur,  nachdem  die  Thiere  wieder  aus  dem  warmen 
Dunst  oder  Wasserbade  ausgetreten  waren.  Er  fand,  dass  die 
Thiere  nach  ihrer  Rückkehr  in  die  Luft  von  gewöhnlicher  Zimmer- 
wärme nicht  allein  bald  wieder  auf  die  normale  Eigenwärme  zu- 


•)   Pliilosophical  trnnsacriona.  -15.  Bd. 


und  niederer  Wärme  der  Umgebung. 


731 


ilckkamen,  sondern  dass  sie  auch  im  Verlauf  von  25  bis  50  Mi- 
ixiten  auf  eine  niedrere  Temperatur  anlangten,  als  sie  ihnen  vor 
■  em  Eintritt  in  den  erwärmten  Raum  eigen  gewesen  war. 

Crawford  machte  bei  Thieren,  welche  den  Einflüssen  höherer  Temperaturen 
Msgesetzt  waren,  die  Beobachtung,  dass  das  in  ihren  Venen  enthaltene  Blut  nicht 
jinkel-  sondern  hellroth  gefärbt  war. 

Wenn  man  die  Abkühlung  der  Thiere  durch  die  Haut  dadurch 
Hufhebt  oder  vielleicht  auch  nur  ändert,  dass  man  sie  in  einen 
!autschukbeutel  einschliesst  oder  ihre  Haut  mit  Leim  oder  Eiweiss 
iberzieht,  so  nimmt  die  Eigenwärme  derselben  nicht  zu,  wie  man 
'ohl  hätte  erwarten  können,  sondern  ab  (Bernard,  Hoppe). 

•  erweilen  die  Thiere  in  dem  Ueberzug  bei  gewöhnlicher  Zimmer- 
i'ärme  längere  Zeit,  so  erfolgt  unter  steigender  Abkühlung  (durch 
iie  Lungen?)  der  Tod;  erhöht  man  dagegen  die  Wärme  der  Um- 
gebung, so  bleiben  die  Thiere  nicht  allein  am  Leben,  sondern  es 
rrholen  sich  auch  andere  geschwächte  Lebensfunktionen  wie  z.  B. 
lic  C02-Bildung  wieder  (Valentin,  Schiff). 

In  Verbindung  mit  den  vorstehenden  Beobachtungen  hat  man 
wiederholt  die  Frage  aufgeworfen,  ob  Menschen  und  Thiere  gleicher 
rt  in  warmen  Gegenden  höher  temperirt  sind  als  in  kalten.  D  avy , 

•  rown-Sequar d,  Eydoux  und  Souleyet  fanden  in  der  That 
iie  Eigenwärme  des  Menschen  in  warmen  Gegenden  höher.  Die 
olgende  Tabelle,  welche  der  Abhandlung  von  Brown-S^quard 
rotnommen  ist,  giebt  die  gefundenen  Temperaturunterschiede  an.  Die 
Beobachtungen  beziehen  sich  auf  dieselben  Menschen,  welche  aus 
iältcrn  Gegenden  in  die  Tropen  oder  umgekehrt  gereist  waren. 
:um  Verständniss  der  folgenden  Tabelle  muss  bemerkt  werden, 
lass  wenn  die  Lufttemperatur  sich  um  die  in  der  ersten  Columne 
-ehcnde  Zahl  gemehrt  (+)  oder  gemindert  ( — )  hat,  die  Wärme 
•es  Menschen  um  die  in  der  zweiten  Columne  stehende  Zahl  gestiegen 
-|-)  oder  gesunken  ( — )  ist. 


W  ä  r  m  c  u  n 
der  Atmosphäre, 

lerschiod 
des  Menschen. 

Ort  der  Messung. 

Beobachter. 

+  400,0  C. 
4-  ll",tl  C. 
+  .380,7  C. 
—  130,5  C. 

-  10,0  C. 

-  00,88  C. 

-  10,26  C. 

-  00,67  C. 

Rectum. 
1  Mundhölile. 

Eydoux  u.  Souleyet. 
J.  Davy. 

Brown-S6quard. 

Martins  beobachtete  bei  Enten,  die  er  im  Winter  und  Sommer 
intersuchte,  keinen  Unterschied  der  Eigenwärme  trotz  eines  Tem- 
eraturunterschicdes  der  Atmosphäre  von  20"  C. 


732 


Temporaturs{)ioluiig  des  Waiinblütors. 


3.  Spielraum  der  Eigentemperatur  des  Warmblüters*).  "Wenn 
das  Säugethier  lebend  erhalten  werden  soll,  so  darf  sein  Blut 
nicht  Uber  45"  C.  und  nicht  unter  19"  bis  20"  C.  temperirt  sein. 
Oberhalb  der  bezeichneten  Grenze  erfolgt  der  Tod,  weil  dann  die 
Muskeln  absterben,  die,  wie  Kühne  zeigte,  einen  Eiweisskörper  ent- 
halten, der- über  jener  Temperatur  gerinnt.  Unterhalb  20"  C.  wird  die 
CO2 -Bildung  beeinträchtigt  und  die  Nervenerregbarkeit  sehr  be- 
trächtlich herabgesetzt,  so  dass  ein  Thier,  welches  einmal  auf 
diesen  Temperaturgrad  herabgesunken  ist,  unfehlbar  zu  Grunde 
geht,  wenn  es  in  gewöhnlicher  Zimnierwärme  verweilt.  Wird  es 
dagegen  in  einer  Temperatur  von  36"  bis  40"  C.  künstlich  erwärmt, 
so  erholt  es  sich  in  kurzer  Zeit  wieder  vollständig.  —  Für  den 
Menschen  hegen  die  Temperaturgrenzen  des  Lebens  wahrscheinlich 
ähnlich  wie  beim  Säugethier.  Nie  wenigstens  sah  man  die  Tempe- 
ratur des  lebenden  über  44,5"  C.  steigen,  und  noch  sah  man  ihn 
lebend,  wenn  seine  Temperatur  auf  26,6"  C.  herabgesunken  war. 
Aber  beide  Temperaturen  wurden  nur  bei  heftigen  Krankheiten 
(Fieber  und  Cholera)  beobachtet;  die  Temperaturen  des  gesunden 
Menschen  sind  also  in  noch  engere  Grenzen  eingeschlossen.  — 

Vögel,  die  gewöhnlich  über  40"  warm  sind,  sterben  schon  bei 
einer  Bluttemperatur  von  26"  C. 

Ursprung  der  thierischen  Wärme. 

1.  Die  Wärme  ist  bekanntlich  eine  besondere  Art  von  Bewe- 
gung, die,  wie  es  scheint,  von  jeder  Masse,  wägbarer  wae  unwäg- 
barer, ausgeführt  werden  kann.  Der  erste  Tlieil  dieses  Satzes 
wurde  bekanntlich  dadurch  bewiesen,  dass  sich  Bewegung  ilf 
Wärme  und  umgekehrt  die  Wärme  in  Bewegung  umwandeln  lässt, 
so  dass  für  die  verschwundene  Wärme  Geschwindigkeit  und  für  die 
vernichtete  Geschwindigkeit  Wärme  zu  gewinnen  ist.  Also  kann 
die  Wärme  kein  Stof^  sondern  sie  muss  eine  Bewegung  sein,  weil 
es  aller  Erfahrung  widerspräche,  anzunehmen,  dass  durch  den  Ver- 
lust eines  Stoffes  Bewegung  und  durch  denjenigen  einer  Bewegung 
ein  Stoff  entstehen  könnte. 

Wenn  nun  die  Wärme  eine  Bewegung  ist,  so  kann  sie  auch,r 
entsprechend  dem  von  He  Im  holt  z  entwickelten  Gesetze  über  E^ 
haltung  der  Kraft,  nur  dann  entstehen,  wenn  ein  wägbarer  oder 


*)  Bornard,  Lcijons  de  physiologio  1854—65.  p.  183.  —  Derselbe ,  Gazette  m^dioale  186*. 
460.  Ausserdem  die  schon  angezogenen  Abliiiiidliingoii  von  Biireusprung,  Traube,  Joch- 
mann, Michael,  Valentin,  Scliiff  und  Chossat. 


Ursprung  der  thierischen  Wärme. 


733 


nwägbarer  Körper  seine  Geschwindigkeit  einbiisst,  oder  wenn 
•pannlträfte  als  solclie  zum  Verschwinden  kommen.  Das  erstere 
rlied  der  Alternative  ist  an  und  für  sich  klar,  das  zweite  wird 
SS,  so  wie  man  erfährt,  dass  der  Physiker  unter  Spannkraft  die 
Bedingungen  versteht,  welche,  obwohl  sie  selbst  keine  Bewegung 
iind  oder  wenigstens  nicht  zu  sein  scheinen,  dennoch  eine  ruhende 
Hasse  in  Bewegung  versetzen  können.  Solche  Bedingungen  sind 
*ber  dadm'ch  charakterisirt ,  dass  sie  nur  herbeigeführt  werden 
:önnen  durch  einen  vorgängigen  Verlust  von  gerade  so  viel  Ge- 
ich windigkeit,  als  sie  selbst  wieder  erzeugen  können.  Unter  diese 
'Spannkräfte  zählten  wir  u.  A.  schon  früher  den  Druck,  welchen 
iie  unteren  Schichten  einer  Wassersäule  zu  ertragen  haben;  unter 
iie  gehören  auch  gewisse  chemische  Anordnungen,  wie  sie  z.  B. 
ien  verbrennlichen  Atomen  zukommen.  Denn  die  letztern  sind 
. während  des  üeberganges  in  den  verbrannten  Zustand  befähigt, 
entweder  wägbare  Massen  zu  bewegen  (wie  dieses  bei  der  Au^- 
llehnung  der  Körper,  in  der  Dampfmaschine,  den  Wurfröhren  u.  s.  w. 
geschieht),  oder  auch  sich  und  ihre  Umgebung  zu  erwärmen.  Die 
neiden  Leistungen  stehen  nun  bekanntlich  insofern  im  Gegensatz, 
Iiis  die  eine  Kraft  des  Verbrennungsprozesses  in  dem  Maasse  ab- 
nimmt, in  welchem  die  andere  Kraft  in  Anspruch  genommen  wird, 
'.0  dass,  wenn  aus  einem  Verbrennuugsvorgang  viel  Wärme  ge- 
:oogen  wurde,  die  Grösse  der  verwendbaren  Geschwindigkeit  ab- 
jiimmt  und  umgekehrt.  —  Da  nun  die  Atome  des  verbrannten  Kör- 
pers in  den  verbrennlichen  Zustand  nur  dann  zurückgeführt  werden 
.cönnen,  wenn  dieselbe  Menge  von  Wärme  oder  Geschwindigkeit 
iiufgewendet  wird,  die  sie  bei  der  Verbrennung  ausgaben,  so  kann 
man  sagen,  es  sei  der  verbrenuliche  Körper  mit  einer  zur  Ruhe 
.|,-ekommenen  Geschwindigkeit  begabt,  welche  sich  als  Spannung 
'-wischen  seinen  Atomen  geltend  mache.  Keinesfalls  wird  durch 
ilie  Verbrennung  neue  bewegende  Kraft  gewonnen,  sondern  alte, 
i  angst  vorhandene  von  einem  Körper  auf  den  anderen  übertragen. 

Diese  der  Physik  entnommenen  Thatsachen  führen  zu  dem 
^Vusspruch,  dass  die  einzige  Wärmequelle  des  menschlichen  Körpers 
ilie  langsame  Verbrennung  seiner  organischen  Bestandtheile  ist. 
Jieser  Satz  wird  von  der  physiologischen  Beobachtung  zunächst 
dadurch  bestätigt,  dass  kein  anderer  Grund  für  die  thierische 
IHVärme  aufgefunden  werden  kann.  So  genügen  offenbar  zur  Efit- 
wickelung  derselben  die  StJisse  nicht,  welclie  der  menschliche  Kör- 
oer von  den  ihn  umgebenden  Medien,  z.  B.  der  bewegten  Luft, 


734 


Dio  latonto  Wärmo  der  Nahrungsmittel 


empfängt,  da  sie  eiueslheils  zu  unregelmässig  erfolgen  und  andern- 
theils  in  den  meisten  Fällen  weitaus  nicht  den  Kraftwerth  der 
Stösse  erreichen,  welchen  der  menschliche  Körper  selbst  beim  Gehen, 
bei  Armbewegungen  u.  s.  w.  seiner  Umgebung  mittheilt.  —  Ferner 
können  die  von  den  Muskel-  und  Nervenkräften  ausgehenden  Be- 
wegungen keine  neuen  Ursachen  der  Wärme  abgeben,  da  die  Ent- 
wickelung  dieser  Kräfte  selbst  von  dem  thierischen  Stoffumsatze 
abhängt.  Die  in  den  Muskeln  und  Nerven  vorkommenden  Bewe- 
gungen sind  also  erst  wieder  abgeleitet  aus  den  latenten  Kräften 
der  Nahrungsmittel.  Jene  Apparate  schöpfen  ihre  Befähigung  zur 
Erzeugung  von  lebendiger  Kraft  aus  derselben  Quelle  mit  der  freien 
Wärme,  und  somit  muss  in  dem  Maasse,  in  welchem  jene  Appa- 
rate lebendige  Kräfte  zum  Vorschein  bringen,  die  Befähigung  des 
thierischen  Stoffes  zur  Bildung  freier  Wärme  abnehmen. 

Daraus  ergiebt  sich  schliesslich,  dass  auch  die  Keibimgen, 
welche  in  Folge  der  Muskelbewegung  erscheinen,  wie  z.  B.  die  der 
Geleukköpfe  in  den  Pfannen,  der  Sehnen  in  den  Sehnenscheiden, 
des  Bluts  in  den  Gefässen  ursprünglich  immer  wieder  demselben 
Material  ihr  wärmebildendes  Vermögen  verdanken.  Denn  die  Mus- 
kelbewegungen, welche  durch  die  eingeleitete  Reibung  Wärme  er- 
zeugten, konnten  nur  entstehen  durch  eine  Aufwendung  derjenigen 
Kräfte,  welche  latent  zwischen  den  sich  umsetzenden  Atomen  ent- 
halten waren;  also  ist  auch  die  Reibungswärme  nur  durch  einen 
Umweg  aus  der  latenten  Wärme  des  Eiweisses,  Fettes,  des  Sauer- 
stofls  u.  s.  w.  hervorgegangen,  indem  die  letztere  sich  zuerst  in 
eine  Bewegung  des  Muskels  und  diese  wieder  in  eine  solche  der 
Knochen,  des  Blutes  u.  s.  w.  umsetzte,  welche  durch  die  wärme- 
erzeugende Reibung  zur  Ruhe  kam. 

Diese  auf  theoretisch'em  Wege  gewonnene  Ueberzeugung  vom 
Ursprünge  der  thierischen  Wärme  hat  man  durch  den  Versuch  noch 
zu  befestigen  versucht,  oder  wahrheitsgemässer  gesagt,  Lavoisier 
nnd  nach  ihm  Dulong  und  andere  haben  die  zu  ihrer  Zeit  theo- 
retisch nicht  beweisbare  Annahme,  dass  die  thierische  Wärme  auf 
der  Oxydation  des  Thieres  beruhe,  durch  den  Versuch  erweisen 
wollen.  Dieses  Unternehmen  ist  jedoch  bis  zum  heutigen  Tage  noch 
nicht  vollkommen  geglückt. 

Im  Prinzipe  muss  dasselbe  daraufhinauslaufen,  die  Menge  von 
Wärme,  welche  hervorgehen  kann  aus  der  Oxydation  des  Eiweisses 
der  Fette,  des  Zuckers  zu  CO2,  HO,  Harnstoff  u.  s.  w.  zu  ver- 


ist  die  Quelle  der  thierischen  Wärme. 


735 


gleichen  mit  der  "Wärmemenge,  welche  das  Thier  liefert,  während 
seine  bestimmte  Menge  von  CO2,  HO,  Harnstoif  bildet. 

J  2.  Um  die  erste  dieser  Forderung  möglich  zu  machen,  muss 
man  die  latente  Wäime  der  bezeichneten  Atome  ermitteln;  dieses 
.^^eschieht,  indem  man  die  Wärmequantität  misst,  welche  frei  wird, 
wenn  das  Eiweiss,  die  Fette  u.  s.  w.  verbrennen.  Die  Einheit,  in 
welcher  die  erhaltene  Wärme  ausgedrückt  wird,  ist  bekanntlich  das 
'Fassungsvemögen  der  Gewichtseinheit  des  Wassers  für  Wärme, 
»der  diejenige  Menge  der  letzteren,  welche  je  nach  dem  Ueberein- 
kommen  zu  einem  Gramm,  einem  Pfund  (500  Gr.)  oder  einem  Kilo 
;1000  Gr.)  Wasser  geführt  werden  muss,  damit  die  Temperatur  des- 
■äelben  um  V  C.  erhöht  werde. 

Die  bei  der  Verbrennung  entwickelte  Wärme  fängt  man  dadurch  auf,  dass  man 
ilen  zu  verbrennenden  Körper  in  einen  rings  von  Wasser  oder  Quecksilber  umgebenen 
IMetallkasten  einbringt,  und  dort  die  Verbrennung  so  geschehen  lässt,  dass  alle  frei 
{gewordene  Wärme  auf  die  Flüssigkeit  übertragen  wird.  Aus  dem  bekannten  Gewichte 
lies  verbrannten  Körpers  und  dem  des  umgebenden  Wassers  und  endlich  aus  der  Tem- 
[«eraturznnahme  dieses  letzteren  lässt  sich  ableiten  ,  wie  viel  Wärmeeinheiten  bei  der 
^Verbrennung  der  Gewichtseinheit  eines  beliebigen  Stoffes  frei  werden.  Ueber  die  zahl- 
reichen Fehler,  die  diesem  Verfahren  anhaften  können,  und  ihre  Vermeidung,  siehe  die 
^Abhandlungen  von  Favre  und  Silbermann.  — 

Ausser  dieser,  wenn  man  will,  absoluten  Wärmemessung  giebt  es  noch  eine  rela- 
tive; sie  beruht  auf  dem  Satze,  dass  die  Menge  von  Wärme,  welche  ein  Körper  ab- 
;jiebt,  proportional  dem  Unterschied  seiner  eigenen  und  der  ihn  umgebenden  Tempe- 
ratur ist.  Wenn  man  eine  Messung  nach  diesem  Prinzip  ausführen  will,  bringt  man 
tn  das  Innere  eines  rings  geschlossenen  Kastens  eine  constante  Wärmequelle,  setzt 
Idenselben  in  einen  Baum  von  constanter  Temperatur,  und  wartet,  bis  ein  in  den 
tEasten  gehängtes  Thermometer  auch  hier,  eine  constante  Temperatur  anzeigt.  Wenn 
mmit  der  Unterschied  in  der  Temperatur  der  Luft  innerhalb  und  ausserhalb  des  Kas- 
tens constant  geworden  ist,  so  muss  auch  der  Kasten  in  jedem  Augenblick  so  viel 
Wärme  empfangen ,  als  er  ausgiebt.  Mit  Rücksicht  auf  den  obigen  Vordersatz  lässt 
wich  nun  zeigen ,  dass  innerhalb  gewisser  Grenzen  wenigstens  der  Temperaturunter- 
uchied  zwischen  dem  Kasten  und  der  Umgebung  mit  der  Menge  von  Wärme  wächst, 
Idie  im  Innern  des  Kastens  aufgewendet  wurde.  —  Einen  solchen  Apparat  kann  man 
Aber  auch  graduiren ,  d.  h.  in  einen  absoluten  Maassstab  umwandeln.  Hierzu  ist 
nichts  Anderes  nöthig,  als  dass  man  das  constante  Temperaturübergewiclit  des  Kastens 
.Aber  seiner  Umgebung  dadurch  erreicht,  dass  man  in  seinem  Ijinern  H-Gas  ver- 
orennt,  dessen  latente  Wärme  aus  anderweiten  Beobachtungen  bekannt  ist.  Dieses  Ver- 
ifahren  rührt  von  Hirn,  her,  der  es  auch  zu  physiologischen  Zwecken  benutzt  hat. 

Aus  den  Erfahrungen,  welche  die  Versuche  über  die  Verbren- 
mungswärme  ergeben  haben ,  hebt  sich  Folgendes  für  den  physiolo- 
jgischen  Zweck  als  wichtig  hervor. 


736 


Wänuemonge  der  thierischon  Atome. 


a.    Die  Zalil  der  Wärmecinlieiten ,  welche  die  Gewiclitseinlieit 
eines  einzelnen  oder  einer  Gruppe  von  Atomen  beim  Uebergange 
aus  einer  niederen  in  eine  höhere  Oxydationsstufe  entwickelt,  ist 
unabhängig  von  der  Art  und  Zahl  der  Mittelstufen,  welche  zwischen 
•den  beiden  Endgliedern  gelegen  sind.    So  giebt  z.  B.  ein  Gramm 
Stearinsäure,  wenn  sie  mit  Hülfe  des  gasförmigen  Sauerstoffs  zu  i 
CO2  und  HO  verbrannt  wird,  immer  dieselbe  Wärmemenge,  gleich- 
gültig, ob  die  Verbrennung  in  einem  Akte  oder  in  der  Art  geschieht, 
dass  sich  noch  mancherlei  Zwischenprodukte  (niedese  Glieder  der 
Fettsäurenreihe,  CO  u.  s.  w.)  einschieben,  bevor  es  zu  einer  voll- 
ständigen Ueberführung  in  CO2  und  HO  gekommen  ist.  Dieser  em- 
pirisch aufgefundene  Satz  ist  eine  nothwendige  Folgerung  aus  der  j 
mechanischen  Wärmetheorie.    Denn   nach  ihr  war  die  'messbare 
Wärme  nichts  Anderes  als  die  lebendige  Kraft,  welche  frei  werden 
konnte  durch  den  Unterschied  an  Spannkräften  im  unverbrannten 
und  verbrannten  Atome.    Dieser  Unterschied  ist  aber  natürlich  nur  | 
abhängig  von  dem  Zustand  des  in  die  Verbrennung  eingehenden 
und  des  aus  ihr  hervortretenden  Atoms,  unabhängig  dagegen  von  ' 
den  Mittelgliedern,  welche  zwischen  der  Anfangs-  und  Endstufe  ge- 
legen sein  können.    Es  verhält  sich  hierbei  Alles  gerade  so,  wie 
mit  der  Arbeit,  welche  durch  den  freien  Fall  eines  Körpers  gehe-  ; 
fert  werden  kann.    Dieselbe  wird  bekanntlich  nur  bestimmt  durch  ■ 
die  Fallhöhe ,  nicht  aber  dadurch ,  ob  der  Körper  auf  einmal  oder 
in  Absätzen  aus  der  gegebenen  Höhe  herunterfällt.  — ■  b.  Die  Ver- 
brennungswärme, welche  einfache  Atome  oder  Atomgruppen  von  I 
einer  und  derselben  chemischen  Zusammensetzung  liefern,  ist  ab-  \ 
häugig  von  dem  Zustande,  in  dem  sie  sich  finden.    So  giebt  u.  A. 
ein  Gramm  Kohle  in  ihren  verschiedenen  allotropischen  Modifikatio- 
nen (Diamaut,  Graphit,  Holzkohle)  eine  ungleiche  Menge  von  Wärme- 
einheiten ;  desgleichen  geben  gleiche  Gewichte  zweier  Atomgruppen, 
welche  in  verschiedener  Anordnung  gleich  viel  Atome  derselben 
Art  enthalten  (isomere  und  polymere  Verbindungen),  ganz  ungleiche 
Wärmemengen.  —  c.  Damit  in  innigem  Zusammenhange  steht  die 
Erfahrung,  dass  die  Verbrennungswärme  eines  Atoms  im  freien 
unverbundenen  Zustande  eine  andere  als  im  verbundenen  Zustande  |i 
ist;  mit  .anderen  Worten,  die  Summe  der  Wärmeeinheiten,  welche  i 
bei  der  Verbrennung  eines  complizirten  Atomes  frei  werden,  können  i; 
nicht  abgeleitet  werden  aus  der  bekannten  Wärmemenge,  welche  [: 
die  in  dem  complizirten  Atome  enthaltenen  Atome  geben,  wenn  sie  \ 
im  fi-eien  Zustande  verbrannt  werden.    Im  Allgemeinen  gilt  jedoch  , 


Wärmeeinheiten  nach  Favre  und  Silber  mann.  737 


ie  Regel,  dass  die  mit  anderen  schon  verbundenen  Atome  weniger 
\  iirme  ausgeben,  als  die  freien.  Dieser  Satz  bestätigt  sich  nicht 
Hein,  wenn  in  das  complicirte  Atom  Sauerstoff  eingeti'eten,  sondern 
lieh,  wenn  die  Verbindung  frei  von  demselben,  z.  B.  ein  Kohlen- 
;isserstoff,  ist.  Es  haben  sich  also  der  Kohlen-  und  Wasserstoff 
ci  ihrer  Vereinigung  schon  verbrannt,  indem  sie  bei  derselben 
» iirme  entwickelten.  In  einigen  sehr  seltenen  Fällen,  z.  B.  beim 
rhwefelkohlenstoff  ist  jedoch  auch  die  Verbrennungswärme  des 
unplicirten  Atoms  grösser,  als  das  aus  ihren  constituir enden  Ele- 
I  outen  berechnete  Resultat.  —  d.  Bei  der  Oxydation  durch  gas- 
imigen  Sauerstoff  ist  die  Zahl  der  entwickelten  Wärmeeinheiten 
eringer,  als  bei  der  Verbrennung  durch  Stickoxydul.  Die  Ver- 
lennung  in  reinem  Sauerstoffgas  oder  in  atmosphärischer  Luft 
ihrt  jedoch  zu  demselben  Resultat.  —  e.  Die  Zahl  der  Wärme- 
iuheiten,  welche  die  Gewichtseinheiten  der  in  den  Speisen  enthal- 
uen  oder  zum  Aufbau  des  menschlichen  Körpers  verwendeten  or- 
;tinschen  Atome  ergeben,  ist  nur  für  die  geringste  Zahl  derselben 
■luittelt.  Durch  Favre  und  Silb ermann  ist  bekannt,  dass 
der  folgenden  Stoffe  die  verzeichneten  Wärmeinheiten  giebt. 


Stearinsäure 

(C36H36O4)  = 

9700  W.-E. 

Margarinsäure 

(C34H34O4)  = 

9560 

» 

Palmitinsäure 

(C32H32O4)  = 

9420 

Caprylsäure 

(Cl6Hl604)  = 

7780 

7) 

Capronsäure 

(Cl2Hl204)  = 

7000 

>} 

Buttersäure 

(C8H8O4)  = 

5623 

>J 

Propionsäure 

(C6H6O4)  = 

4670 

7) 

Essigsäure 

(C4H4O4)  = 

3505 

V 

Ameisensäure 

(C2H2O4)  = 

1915 

)7 

Alkohol 

(C4H6O2)  = 

8958 

Kohlenstoff  (aus  Holzkohle)  = 

8086 

;> 

Wasserstoff 

34462 

Diese  Mittheilungen  lassen  erkennen,  vne  ungemein  lückenhaft 
ic  Erfahrungen  über  die  latente  Wärme  der  im  thierischen  Körper 
^  brannten  Stoffe  sind.  Man  sieht  sich  darum  genöthigt,  zu  einer 
lyi)othesc  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  wenn  man  eine  Angabe  über 
ic  Wärmequantität  machen  will,  deren  Verwendung  dem  thie- 
i  sehen  Körper  zu  Gebote  steht*  Zu  diesem  Behufe  nimmt  man 
11,  dass  die  in  den  organischen  Verbindungen  der  Nahrung  ent- 

Ij  n  cl  w  i  g  ,   Physiologie.  II.  2,  Auflage.  ^'^ 


738 


Wärme  aus  dem  thier.  Verbronnuhgspfocosse. 


baltenen  C-  und  H-Atorae  gerade  soviel  Wärmeeinheiten  auszugeben 
vermöchten,  als  wären  sie  im  freien  Zustande  verbrannt,  und  ftigt 
zu  dieser  Unterstellung  den  vv^eiteren  Zusatz,  dass  der  0,  welchen 
die  genannten  Verbindungen  mitbringen,  so  angesehen  werden 
solle,  als  ob  er  schon  einen  ihm  entsprechenden  Wasserstoffantheil 
der  Verbindung  zu  Wasser  verbraunt  habe;  mit  anderen  Worten, 
wenn  man  nach  der  obigen  Voraussetzung  die  latente  Wärme  einer 
Verbindung  berechnen  will,  so  zieht  man  eine  ihrem  Sauerstoffge- 
halte entsprechende  Wasserstoffmenge  ab. 

Nach  dieser  Hypothese  würde  nun  z.  B.  1  Gr.  Stearinsäure 
9905  Wärmeeinheiten  geben,  während  er  beobachtungsgemäss  nur 
9700  liefert,  das  berechnete  Resultat  übersteigt  das  beobachtete. 
Anders  gestaltet  es  sich  mit  den  Kohlenhydraten.  Wir  wählen  als 
Beispiel  den  Traubenzucker  (CioHi^Oi-i).  Da  dieser  eine  genügende 
Menge  von  0  enthält,  um  allen  seinen  H  zu  HO  zu  verbrennen,  so 
kommt  bei  unserer  Berechnung  nur  der  C  in  Betracht.  Nun  ent- 
hält 1  Gr.  Zucker  nach  obiger  Formel  0,4  Gr.  C,  diesem  ent- 
sprechen aber  3234  W.-E.;  1,Q  Gr.  Zucker  giebt  aber  auch  0,51  Gr. 
Alkohol,  welche  nach  empirischer  Feststellung  4568  W.-E.  liefern. 
Diese  müssen  also  jedenfalls  schon  in  dem  Gr.  Zucker,  welcher 
zur  Alkoholbildung  verwendet  wurde,  enthalten  gewesen  sein.  Be- 
denkt man  aber  noch,  dass  auch  Wärme  aus  dem  Zucker  ent- 
wickelt wurde,  als  er  bei  der'Gährung  unter  COo-Abscheidung  in 
Alkohol  überging,  so  folgt  aus  allem  Diesen,  dass  das  berechnete 
Resultat  weit  unter  dem  beobachteten  bleibt.  Aus  diesen  beiden 
Beispielen-,  die  einzigen,  Avelche  dem  kritischen  Experiment  unter- 
worfen wurden,  geht  hervor,  dass  jene  Hypothese  eine  bald  zu  ge- 
ringe, bald  eine  zu  hohe  Verbrennungswärme  giebt.  Wollte  man 
also  von  obiger  Annahme  Anwendung  macheu  auf  ein  Thier,  das 
viel  Fett  und  wenig  oder  gar  kein  Amylon  frisst,  so  hätte  man 
seine  latente  Wärme  überschätzt,  während  man  bei  einem  anderen 
Thiere,  das  Amylon  und  Fette  im  umgekehrten  Verhältnisse  ver- 
zehrt, die  latente  Wärme  zu  gering  veranschlagt  haben  würde. 

3.  Die  zweite  Forderung  zur  praktischen  Lösung  der  Frage, 
ob  die  aus  clem  thierischeu  Verbrennungsprozesse  disponibel  wer-  ( 
dende  Wärme  mit  der  vom  Thiere  wü-klich  gebildeten  überein- 
stimmt, verlangt  Angaben  über  die  während  der  Versuchszeit  ent- 
wickehe  Wärme  und  die  in  derselben  umgesetzten  Stoffgewichte, 
mit  genauer  Bezeichnung  der  in  und  aus  den  oxydirenden  Processen 


Messung  der  entwickelteu  tliier.  ^jirme. 


739 


leteudeu  Atomgruppen.  Von  diesen  Bedinguiigen  ist  die  erstere 
,anz  und  die  letztere  mindestens  theilweise  zu  erfüllen. 

Die  Wärme,  welche  die  Thiere  während  der  Versuchszeit  ent- 
ickelu,  kann  durch  ganz  dasselbe  Verfahren  gemessen  werden, 
i  Iches  zur  Bestimmung  der  Verbrennungswärme  eines  beliebigen 
vtouis  dient.  Man  sperrt  das  zu  untersuchende  Thier,  dessen  Tem- 
loratur  zu  Anfang  und  Ende  des  Versuches  übereinstimmen  muss, 
II  einen  rings  von  Wasser  umgebenen  Metallkasten  und  bestimmte 
lie  Temperaturzunahme,  welche  das  bekannte  Gewicht  des  umge- 
I  enden  Wassers  während  der  Anwesenheit  cles  Thieres  im  Kasten 
1  fahren  hat. 

Den  qualitativen  und  quantitativen  Gang  der  Stoffbewegung 
les  dem  Versuche  untenvorfenen  Thieres  erschliessen  Dulong  und 
)espretz  aus  der  Menge  des  aufgenommenen  Sauerstoffs  und 
■er  ausgegebenen  CO2;  nach  den  in  der  Respirationslehi-e  entwickel- 
m  Grundsätzen  genügen  bekanntlich  diese  Angaben,  um  daraus 
lieh  die  Menge  des  verbrannten  Kohlen-  und  Wasserstoffs  zu 
Inden.    Vorausgesetzt,  es  sei  die  möglichst  günstige  Annahme  zu- 
troffen, dass  während  der  Versuchszeit  die  ganze  Menge  von  0, 
Iche  in  derselben  aufgenommen  wurde,  auch  zur  Bildung  von 
» >2  und  HO  verwendet,  nnd  es  sei  auch  die  ganze  Menge  der  ge- 
ildeten  CO2  wieder  aiTsgeathmet  worden,  so  würden  die  gelieferten 
dingnngen  immer  noch  nicht  genügen,  um  daraus  die  Menge  der 
\'ärme  zu  bestimmen,  welche  während  der  Oxydation  frei  wurde, 
»icses  folgt  unmittelbar  aus  den  vorhin  mitgetheilten  Erfahrungen, 
l;tss  die  Wärmemenge,  welche  ein  Atom  H  oder  C  bei  seiner  Um- 
\andelung  in  CO2  und  HO  liefert,  sich  richtet  nach  der  Verbin- 
luug,  aus  welcher  jene  Elemente  verbrannt  wurden.  Deragemäss 
iiiissten  zu  jenen  Angaben  des  erwähnten  Versuches  auch  noch  die 

I  r  complizirten  Stoffe  kommen,  aus  welchen  die  CO2  und  das  HO 

II  rausgebrannt  wurden. 

4.   Aus  dieser  Besprechung  der  Methoden  und  der  Voraus, 
'/.mg  der  Rechnungen  für  die  Versuche  von  Despretz  und 
1 1 0  n  g  dürfte  der  Schluss  gezogen  werden ,  dass  die  aus  ihnen 
gewonnenen  Resultate  keinesfalls  der  Ausdruck  der  vollen  Wahr- 
aeit  sein  können,  namentlich  lässt  sich  voraussagen,  dass  die  Rech- 
lung  für  die  Thiere,  welche  überwiegend  Fette  umgesetzt  haben- 
'iu  hoch,  und  für  die,  welche  .vorzugsweise  Amylaceen  verzehrten 
■  z.  B.  Kaninchen,  Meerschweinchen)  zu  niedrig  ausfalle.  Als  Werthe 

•17* 


740 


Veraijderliölio  Wärmeerzeugung. 


welche  sich  jedoch  entfernt  der  Wahrheit  annähern ,  sind  sie  niclit 
ohne  Interesse;  wir  geben  darum  die  Tafel  von  Dulong.  Die 
unter  der  Rubrik  Wärmeverhältniss  aufgeführten  Zahlen  sind  ein 
Quotient  aus  den  vom  Thiere  wirklicli  ausgegebenen  Wärraeeinheiten 
in  die  aus  der  COa-Ausscheidungund  dem  0-Verbrauch  berechneten. 

Zahl  der  Beobachtungen.  Wärmeverhältniss. 

Katze     .    .  5  0,902 

Hund      .    .  3  0,956 

Meersch'wein  3  0,865 

Kaninchen  2  0,913 

Aus  der  Thatsache,  dass  in  keinem  Falle  die  nach  der  Be-  ! 
rechnung  gebildete  Wärme  den  wirklichen  Verlust  erreicht,  schlies-  \ 
sen  wir,  indem  wir  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Kraft  als  ' 
ein  unumstössliches  ansehen,  dass  auch  die  Eiweisskörper  wie  die 
Amylaceen  bei  ihrer  Verbrennung  mehr  Wärme  ausgeben,  als  sich 
aus  ihr  nach  den  aufgestellten  Principien  berechnet. 

In  der  obigen  Tafel  von  Dulong  sind  statt  der  von  ihm  seihst  angewendeten 
Lavoisi  er' sehen  Zahlen  für  die  Verbrennungswärme  des  C  und  H  die  von  Favre 
und  Silb  ermann  gefundenen  (S086  und  34462)  benutzt.  Die  Beobachtungen  von 
Despretz  lieferten  ein  ungünstigeres  Verhältniss  zwische»  dem  hypothetischen  Wärnie- 
gewinne und  dem  wirklichen  Verluste  ;  dieses  verwandelt  sich  allerdings  ebenfalls  in 
ein  sehr  günstiges ,  wenn  man  statt  der  von  ihm  benutzten  Zahlen  für  die  Verbren- 
nungswärme des  C  und  il  die  S  ilb  er  m  ann  -  Fa  vr  e '  sehen  substituirt.  Dieses  dürfte 
aber  wohl  nicht  erlaubt  sein,  weil  Despretz  die  Verbrennungswärnie  der  Thiere  und 
der  genannten  Elemente  nach  derselben  Methode  bestimmt  hat,  so  dass  also  der  bei 
seinem  Verfalu'cn  eingetretene  Verlust  in  der  einen  und  der  anderen  Bestimmung  sich  . 
geltend  macht.  Die  Beobachtungen  von  Despretz  sind  aber  darum  nicht  fehlerfrei, 
weil  die  Luft,  in  welcher  seine  Thiere  athmetcn,  zu  Ende  des  Versuchs  mehr  COj  und 
weniger  Sauerstoff  enthielt,  als  zu  Beginn  derselben.  Also  niussten  auch  die  Thiere, 
nach  den  in  der  Athemlehre  entwickelten  Grundsätzen  zu  Ende  der  Beobachtung 
i'eicher  an  COo  sein,  als  zu  Anfang  derselben;  dieser  Unterschied  bedingt  aber  einen 
Verlust  an  der  beobachteten  CO2  und  damit  auch  an  der  berechneten  Wärme. 

5.  Veränderliche  Wärmeerzeugung.  Setzt  man  die  Annahme 
als  richtig  voraus,  dass  die  thierische  Wärme  der  chemischen  Be- 
wegung ihren  Ursprung  verdanke,  so  folgt  unmittelbar,  dass  die 
Wärmequellen  mit  der  wechselnden  Zeit  sehr  ungleich  fliesseu 
müssen.  Eine  Andeutung  für  die  liichtigkeit  dieser  Folgerung  giebt 
die  tägliche  Temperaturcurve ,  welche  bekanntlich  ansteigt,  wenn 
der  Sauerstoifverbrauch  gewachsen  ist,  ohne  dass  eine  unverhält- 


Das  Verhältniss  der  Wärmebildniig  zu  niidorn  pliys.  Vorgängen.  741 

lissmassig  grosse  Wärraeausfuhr  bestellt.    Früher  wurde  jedoch 
iiieh  gesagt,  xlass  die  einfache  Temperaturbeobachtung  nicht  im 
>tande  sei,  die  nöthigeu  Daten  für  die  Veränderlichkeit  der  Wärme- 
rzeiigung  zu  liefern;  dazu  würde  nur  die  Messung  der  jederzeit 
i  zeugten  Wärme  führen  können. 

Hirn  hat  sich  in  der  That  bemüht,  das  Abhängigkeitsverhältniss  aufzusuchen,' 
,  u  clehcs  zwischen  irgendwelchen  andern  physiologischen  Bedingungen  und  der  Wärme- 
:bildung  bestehe.  Zur  Messung  der  entwickelten  Wärme  bedient  er  sich  des  schon  bc- 
•schriebenen  calorimetrischen  Kastens  (p.  735).  Die  Menschen ,  welche  sich  in  dem- 
•selben  aufhielten,  athmeton  aus  einem  Gasometer  in  ein  anderes,  so  dass  ausser  dem 
Wärraeyerlnst,  den  der  constante  Temperaturunterschied  zwischen  der  Luft  im  Kasten  und 
dderjenigen  im  Zimmer  maass,  auch  noch  die  Menge  der  Gase  bestimmt  werden  konnte,  die 
bbei  der  Athmnng  verbraucht  und  gewonnncn  wurde.  Jede  der  an  Alter,  Geschlecht, 
KKörpergewicht,  Wohlbefinden  u.  s.  w.  verschiedenen  Personen,  welche  Hirn  dem  Ver- 
ssuch unterwarf,  musste  nun  im  Calorimeter  entweder  in  ruhender  Stellung  verharren 
«oder  in  einem  Rade,  das  von-  einer  Dampfmaschine  getrieben  wurde,  auf-  oder  ab- 
ssteigen. Die  Arbeit,  die  sie  dabei  leistete,  hemmende  oder  beschleunigende,  konnte 
ssomit  ebenfalls  nach  Kilograrammeter  gemessen  werden. 

Die  Ergebnisse,  welche  diese  Versuchsreihe  geliefert  hat,  müssen  aus  mehreren 
'Gründen  auffallen.    So  sollen   1)  alle  Personen  gerade  so  viel  Volumen  0  verschluckt 
ihaben,  als  sie  CO2  ausstiessen ,•  so  dass  also  aller  eingenommene  Sauerstoff  zur  Oxy- 
üdation  von  Kohle  gedient  hätte;    da  der  Mensch  nicht   ausschliesslich  Amylon  und 
/Zucker  verzehrt,  so  bleibt  jenes  Resultat  unerklärlich.  —  Zweitens  aber  findet  Hirn, 
>  dass  die  ruhenden  oder  im  Rad  absteigenden  Menschen ,  wie  sie  auch  sonst  beschaffen 
»waren,  immer  für  I  Gr.  verschluckten  Sauersoffs  respect.  für  1,375  Gr.  ausgehauchter 
1GO2  mehr  als  5000  AVärmegramme  (zwischen  5000  und  5500)  ausgaben.    Aber  auch 
diese  Zahl  ist  noch  immer  befremdend  gross ,  selbst  wenn  mau  zugeben  wollte ,  dass 
die  Him'schen  Versuchspersonen  nur  Kohlenhydrate  verbrannt  hätten.    Da  wir  nicht 
wissen,  wie  viel  Wärme  ein  Gramm  Sauerstoff  entwickelt,  wenn  er  sich  mit  der  aequi- 
valenten  Menge  von  Zucker  zur  Bildung  von  CO2  und  HO  vereinigt,  so  wollen  wir, 
um  der  Gefahr  der  Unterschätzung  auszuweichen,  annehmen,  dass  bei  der  VerlDrennung 
des  Zuckers  die  in  ihm  vorhandenen  C-  und  H-Antheile  gerade  soviel  Wärme' lieferten, 
als  ob  sie  aus  dem  freien  Zustand  heraus  in  CO2  und  HO  verwandelt  wären.  Dann 
gäbe  1  Gr.  freien  O's ,  indem  er  0,937  Gr.  Zucker  verbrennt,  5162  W.  E.  Diese  Zahl 
erreicht  also  noch  immer  nicht  das   von  Hirn  öfter  gefundene  Wänncäquivalent  des- 
jenigen Sauerstoffs,  den  der  ruhende  Mensch  verzehrt.    Dieses  Zurückbleiben  erscheint 
aber  besonders  bedenklich,  weil  der  Zucker  der  oxygonreichste  Nahrungsstoff  ist,  der 
(jfsshalb  auch  zur  Verbrennung  die   geringste  Menge  freien   RauerstoH's  nöthig  hat. 
Aus  diesem  Grunde  giebt  auch  1  Gr.  freien  O's,  welches  sich  mit  Zucker  verbindet, 
mehr  Wärme,  als  bei  seiner  Vereinig\ing  mit  jedem  andern  vnrbrcnnliclien  Blutbcstaiid- 
theil.    Wollte  man  also  die  Zalilen  von  Hirn  noch  annehmbar  finden,  so  müsste  man 
■unterstellen,  dass  in  dem  von  ihm  beobachteten  Menschen  neben  der  Oxydation  noch 
andere  wärmebildcnde  Umsetzungen  stattgefunden  hatten.     Da  diese  aber  nur  auf 
Kosten  des  gesammtcn  tliicrischen  Wärmevorraths  geschehen  konnten ,  so  mussten  nun 
;  auch  Zeiten  kommen ,  in  denen  der  ruhende  Mensch  für  denselben  Sauerstoffverbrauch 


742 


Boziehun^-  zu  Sauovstolfvorbraucli  und  Wiirmebildung. 


viel  weniger  Wärme  ausgogoboii  liatte;  diese  Zeiten  musston  aber  niemals  bei  den 
zahlreiehon  Versuchen  von  Hirn  anwesend  gewesen  sein. 

Ein  Theil  dieser  Abweichungen  erklärt  sich  wohl  aus  den 
wenig  sorgsamen  analytischen  Behelfen,  deren  er  sich  bediente.  — 
Drittens  endlich  macht  Hirn  die  Annahme,  dass  der  Sauerstoff  in 
den  arbeitenden  Muskeln  gerade  so  benutzt  werde,  wie  in  den  Zer- 
setzungen, die  der  ruhende  Körjjer  erleidet,  und  zwar  darum,  weil 
bei  seinen  physikalischen  Anschauungen  nur  unter  dieser  Voraus- 
setzung seine  Versuche  zu  den  von  ihm  gewünschten  Folge- 
rungen führen.  Nun  wurde  aber  schon  wiederholt  (p.  385;  525; 
602)  erwähnt,  dass  bei  der  Muskelbewegung  relativ  viel  CO», 
aber  ' wenig  Harnstoff  gebildet  werde,  ja  es  hat  Voit*)  neuer- 
lichst dargethan,  dass  die  tägliche  Harnstoflfausscheidung  eines 
Thiers  von  der  Muskelanstrengung  gänzlich  unabhängig  ist,  also 
giebt  es  jedenfalls  zwei  verschiedene  Reihen  von  Oxydationen, 
eine, ".die  ebensowohl  im  ruhenden  wie  im  bewegten  Köi-per  ein- 
tritt, diejenige  nämlich,  die  zur  Harnstoifbildung  führt,  und  eine 
andere,  nur  dem  bewegten  Körper  eigenthümliche,  die  nicht  in  das 
letztere  Produkt  ausmündet. 

Aus  Allem  dem  geht  hervor,  dass  die  von  Hirn  gezogenen 
Folgerungen  über  die  Beziehungen  zwischen  Sauerstoffverbrauch, 
Wärraebildung  und  Arbeitsleistung  nicht  stichaltig  sind.  Nimmt  man 
aber  an ,  dass  der  Fehler  in  seilten  Bestimmungen  überall  annä- 
hernd derselbe  gewesen  sei,  so  gewähren  seine  Zahlen  noch  we- 
sentliches Interesse.  Wir  lassen  darum  seine  Tabellen,  soweit  sie 
Thatsachen  enthalten,  folgen. 

Zum  Verständniss  derselben  muss  bemerkt  werden,  dass  die 
1.  Reihe  in  einem  Kasten  von  andern  Dimensionen  ausgeführt 
wurde  als  die  zweite.  Beide  Kasten  waren  aber  auf  gleiche  Weise 
graduirt.  —  In  der  Columne  Arbeit  bedeutet  -|-  ein  Aufsteigen, 
—  ein  Absteigen  im  Rade. 


•)   Mlinolinor  Sitzungsberichte  der  mathemat.-physik.  Klasse  18G0.  139. 


0-Vorbrauch,  Wärmebildung  und  Arbeitsleistung.' 

I.  Reihe. 


743 


Zeichnung 

und 
r  des  Indi- 
viduums. 


Inder 
Minute. 


Ein: 


In  der  Stunde. 
=  au3- 


Pulsc. 


Atiicni- 
züge. 


,geatlimete 
Kurperp-£„fj^.Q,„„, 

^■S"  '°  bei  ÜO  und 
0,760  M. 
Hg-Druclc 
Cub.-M. 


Ab- 
sorbirtes 
0-üew. 
in  Gr. 


Ent- 
ivieliolte 
Wärme- 
Kilos. 


Zahl  der 
Wärme - 
Kilos  fUr 
1  Gr.  ab- 
sorbirt. 
0. 


Arbeit  In  der 
Stunde  nach 
Kilogr.  -  Metr. 


l  42  Jahr. 
1 

2 

3 
4 
5 
6 
7 
8 

'  1 8  Jahr. 
1 
2 

1.  47  Jahr. 
1 
2 

.  3 

-Mädchen 
IS  Jahr. 

1 

2 


63,85 
63,89 
65,51 
62,17 


62,26 

52,20 
51,45 

84,52 

84,'91 


64,91 
65,60 


0,819 

0,717 

0,776 

1,75 

1,77 

1,96 

1,96 

1,78 

0,757 
1,40 

0,67 
2,75 
2,51 


0,37 
1,47 


27,6 
26,6 
27,0 
113,1 
112,2 
126,9 
123,3 
117,9 

45,3 
111,3 

32,a 
156,1 
156,5 


24,6 
107,8 


143,9 
146,9 
147,9 
245,6 
283,6 

:m,\ 

309,3 
333,8 

161 
263,7 

189 

325,2 

356,3 


129,2 
252,1 


2.  Reihe. 


5,21 
5,52 
5,48 
2,71 
2,64 
2,37 
2,52 
2,84 

4,8 
2,94 

5,73 
2,08 
2,27 


5,25 
2,34 


H  42  Jahr. 

I 

80 

18 

0,621 

29,65 

155 

5,22 

2 

145 

30 

60,9 

2,034 

131,74 

251 

1,905 

3 

145 

30 

61,0 

1,9755 

115,7 

203 

1,754 

4 

105 

20 

61,3 

1,-548 

63,85 

351 

5,5 

o  18  Jahr. 

1 

0,875 

32,94 

170 

5,161 

2 

53,7 

1,601 

99,12 

291,5 

2,94 

3 

51,2 

1,364 
0,8883 

88,7 

269 

3,02 

4 

80 

22 

51,6 

47,33 

251 

5,31 

J.  42  J. 

1 

85 

11,5 

0,5085 

32,8 

170* 

5,183 

2 

85,1 

1,6222 

116,22 

255 

2,194 

S.  47  J. 

I 

60 

7,5 

0,5445 

27,07 

140,2 

5,181* 

120 

11 

72,85 

1,405 
0,7386 

128,2 

229 

1,78 

3 

—  • 

73,2 

48,28 

251 

5,18 

Mädchen 

18  Jahr. 

1 

0,6055 

29,52 

147,9 

5,0 

2 

61,5 

1,474 

108,3 

280 

2,059 

0 
0 
0 

23257 
20750 
22208 
21700 
2217(?) 

0 

17539 
0 

+  34532 
4-  34260 


0 

-f  22387 


+ 


1: 


0 

27448 
23357 
26972 

0 

25912 
22989 
24175 

0 

33332 
0 

-|-  32550 
—  30275 


+ 


+ 


0 

20888 


Wärmeverluste. 

Die  Wänneverluste  entstehen  1)  dadurch,  dass  die  flüssigen 
öand  festen  P^innahmen  (Speisen)  des  thierischen  Körpers  kälter 
<8ind,  als  seine  flüssigen  und  festen  Ausgaben  (Harn  und  Koth); 


qj^^  ^  '   .  Wäniioyerhistfi. 

die  Würrae,  die  a.ui"  die  Gewichtseinheit  dieser  den  Organismus 
durchlaufenden  Massen  übertragen  wird,  ist  abhängig  von  ilu-er 
Wärmecapacität  und  dem  Unterschiede  ihrer  Temperaturen  beim  Ein- 
imd  Austi-eten  aus  dem  thicrischen  Körper.  Unter  allen  Umständen 
ist  dieser  Wärmeverlust  nur  ein  geringer  Antheil  der  Gesammtein- 
busse.  —  2)  Durch  Leitung  und  Strahlung  von  den  freien  Ober- 
flächen des  Körpers,  insbesondere  von  Lunge  und  Haut,  gegen  die 
umgebenden  Medien.  Wie  viel  Wärme  hierdurch  in  der  Zeiteinheit 
auf  der  Einheit  der  Oberfläche  verloren  geht,  ist  bekanntlich  ab- 
hängig von  dem  mittleren  Temperaturunterschiede  zwischen  dem 
umgebenden  Medium  und  dem  Organismus,  von  der  Wärmecapaci- 
tät und  Leitungslahigkeit  der  Umgebung,  oder  wenn  diese  letztere 
Eigenschaft  wie  bei  der  Luft,  ganz  fehlen  sollte,  von  der  Bewe- 
gung derselben.  —  Flir  die  Lunge  lassen  sich  die  nöthigen  An- 
gaben leicht  gewinnen,  weil  sie  eine  constante  Temperatur  besitzt 
und  die  Luft,  die  mit  ihr  in  Berührung  kommt,  sie  immer  auf 
nahezu  36"  bis  37"  C.  erwärmt  verlässt.  Beispielsweise  werden  wir 
sogleich  eine  Rechnung  ausführen.  —  Für  die  Haut  sind  dagegen 
die  nöthigen  Angaben  nicht  zu  erbringen;  dieses  ist  ersichtlich, 
weil  die  Temperatur  der  Hautoberfläche  nach  Zeit  und  Ort  fort- 
während veränderlich  ist,  eine  Veränderung,  welche  eine  compli- 
.  zirte  Folge  ihrer  Blutfülle,  der  Geschwindigkeit  des  Blutstroms,  der 
Bluttemperatur,  der  Wäriuezuleitung  von  den  inneren  Organen  durch 
den  panniculus  adiposus  hindurch,  der  Wärmeleitungsfähigkeit  und 
der  Dicke  der  Epidermis  und  des  Wärmeverlustes  auf  der  Ober- 
fläche ist;  denn  die  Haut  kommt  nicht  blos  mit  Luft,  sondern  auch 
mit  Kleidern,  Wasser  u.  s.  w.  in  Berührung,  und  der  Temperatni- 
grad,  den  die  berührende  Luft  annimmt,  ändert  sich  mit  ihrer  Be- 
wegung, welche  sejbst  Avieder  aus  vielen  Gründen,  die  in  der  Luft 
und  in  der  Art  der  Kleidung  begründet  sind,  variirt.  —  3)  Der 
thierische  Körper  verliert  ferner  Wärme,  weil  er  fortwährend  Wasser 
verdunstet;  der  Verlust  an  Wärme,  die  in  den  Wasserdampf  latent 
übergeht,  muss  für  die  Zeit-  und  Flächeneinheit  abhängig  sein*  von 
der  Temperatur  der  Körperoberfläche,  ihrer  Befeuchtung  und  der 
Sättigung  der  Luft  mit  Feuchtigkeit,  kurz,  von  allen  den  Umstän- 
den, welche  wir  bei  der  Verdunstung  schon  ausführlicher  angegeben. 
Die  in  Frage  kommenden  Faktoren  sind  nun  bekanntlich  wiederum 
in  der  Lunge  constanter  als  in  der  Haut,  so  dass  es  immerhin  ge- 
lingt, den  Wärmeverlust,  den  wii-  durch  Verdunstung  aus  der 
Lnnge  erfahren,  sicherer  zu  bestimmen,  als  den  durch  die  Haut.  - 


Tngliclio  Gesamniteiiinahmc  uml  Wärmeausgabc.  745 

)  Die  Lehre  von  der  Erhaltung  der  Kräfte  drängt  endlich  noch 
tu  der  Annahme,  dass  anch  Wärme,  gleichgültig  ob  sie  latent  oder 
•;ei  war,  verloren  gehe  durch  die  Erzeugung  derjenigen  Muskel- 

räfte,  welche  zu  einer  mechanischen  Arbeit  jenseits  der  Leibes- 
rrenze  verwendet  werden.  Für  gewöhnlich  mag  dieser  Verlust 
Iiierdings  nicht  sehr  hoch  anzuschlagen  sein,  da  das  mechanische 
xequivalent  der  Wärrae  eine  sehr  beträchtliche  Grösse  besitzt,  oder 
•  esser  gesagt,  da  mit  einem  geringem  Aufwände  an  Wärme  sehr 
iiel  Arbeit  zu  leisten  ist. 

Da  die  Wärme  eine  Bewegung  ist,  so  muss  sich  auot  angeben  lassen,  wie  viel 
■on  irgend  welcber  anderen  bewegenden  Kraft  z.  B.  der  Schwere,  angewendet  werden 
uss ,  um  eine  bestimmte  Menge  von  Wärme  zu  erzeugen  und  umgekehrt.    Nach  den 
essungen  von  Joule,  Jacobi  und  Leguin   ist  übereinstimmend  festgestellt,  dass 
i30  Metergramrae,  d.  h.  eine  Kraft,  welche  430  Gramme  auf  1  Meter  zu  erheben  ver- 
tag ,  aequivalent  sind  einer  Wärmeeinheit ,  d.  h.  der  Wärme ,  welche  nSthig  ist ,  um 
Gr.  Wasser  von  0"  auf  1"  zu  erwärmen. 

Vergleichung  der  täglichen  Gesaramteinnahmeund 
.usgabe  an  Wärme. 

Wir  stellen  dieselbe  nach  Barrai*)  an,  welcher  sich  auf  eine, 
Tie  es  scheint,  umsichtig  geführte  Versuchsreihe  stützt;  seine  Rech- 
nungen können  jedoch,  weil  sie  zum  Theil  auf  unrichtigen  Annah- 
lten beruhen,  nur  zu  einer  annähernd  richtigen  Vorstellung  führen. 
J^ebrigens  herrscht  eine  gewisse  lieber  ein  Stimmung  zwischen  seinen 
md  den  Resultaten  einer  Rechnung,  welche  Helmholtz**),  von 
lurchaus  anderen  Voraussetzungen  ausgehend,  anstellte. 

Barrai  unternahm  an  4  Individuen,  zwei  Männern,  einem  von 
9  und  einem  von  29  Jahren,  einer  Frau  von  32  und  einem  Kinde 
lon  6  Jahren,  5  Versuche,  von  denen  je  einer  einen  Zeitraum  von 
Tagen  umspannte.  In  dieser  Zeit  bestimmte  er  Gewicht  und  Zu- 
ammensetzung  der  Speisen,  des  Harnes  und'Kothes;  da  das  Kör- 
Eßrgewicht  unverändert  blieb  oder  wenigstens  als  solches  ange- 
'  ommen  werden  darf,  denn  er  liess  die  Leute  ,  bei  ihrer  gewöhn- 
teben Lebensweise  und  Nahrung,  so  gab  der  Gewichtsunterschied 
wischen  der  Nahrung  und  dem  aus  After  und  Blase  entleerten 
Kassen  den  Verlust  durch  Haut  und  Lungen.  Da  auch  die  Zu- 
wmmensetzung  der  Nahrung,  des  Harnes  und  Kothes  bekannt  war, 
0.  liess  sich  auch  die  des  Haut-  und  Lungendunstes  finden.  Be- 
icksichtigt  man  das  24stündige  Mittel  in  Einnahme  und  Ausgabe 
lir  Wasser  und  organische  Bestandtheile,  so  hat  man : 

*)    Statlque  chlinique  dcg  nnlmnux.  Paris  1850.  p.  'H'>  f- 


746 


Gesaininteinnalniie  und  Wärmeausgabo. 


^  <  a  H  w 

Ordnungszahl 
der 

Beobachtungen. 

C   H-'fUi   00  00 
CD    CO    O    O  tC' 
CO    05  — »■    CD  ^ 

In?  "oo  "cd  00 

Wasser. 

335,7 
242,3 
140,2 
296,8 
274,6 

p 

51,9 
38,7 
21,4 
42,9 
41,7 

w 

14,3 
10,1 
3,0 
9,6 
11,6 

248,8 
178,6 
121,8 
245,8 
203,4 

p 

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1  1737. 

1  2001, 

CO 
Ol 

1842, 

1998, 

Wasser. 

CO 
CD 

CO 

CO 

CO 

0 

CO 
CO 

CO 

CO 

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1138, 

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12340 

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1  1191, 

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B-fS 

Sb  s 


W.-E.  durch  Verbrennung  des^.  u.  C. 


747 


Ans  den  Angaben  der  Tabelle  II.  berechnet  sich  nun:  1)  der 
ärmende  Wasserstoff;  darunter  versteht  man  aber  nach  der  frü- 
hen Verabredung-  den  Theil  des  aus  den  Speisen  verbrannten  H, 
elcher  zu  seiner  Verbrennung  den  eingeathmeten  Sauerstoff  benutzt, 
M'ht  aber  denjenigen,  welcher  schon  im  festen  Zustande  in  den  Speisen 
iithaltcn  war.  Er  wird  aus  den  Zahlen  der  Tabelle  IL  abgeleitet,  in- 
ora  man  berechnet,  wie  viel  H  nöthigist,  um  den  in  der  letzten  Co- 
m.ne  aufgeführten  0  in  HO  umzuwandeln;  zieht  man  diesen  be- 
ehneten  Werth  ab  von  dem  in  der  Tabelle  aufgeführten  H,  so 
ildet  der  Rest  den  wärmenden,  d.  h.  denjenigen,  welcher  bei  der 
t  ürmeberechnung  in  Anschlag  gebracht  wird.  —  2)  Das  neu  ge- 
ildete  Wasser,  und  zwar  dadurch ,  dass  man  den  H  der  vorliegen- 
on  Tabelle  auf  Wasser  berechnet.  —  3)  Addü't  man  dieses  Wasser 
11  dem  der  zweiten  Colonne,  so  erhält  man  das  Gesammtgewicht 
OS  verdunsteten  Wassers.  —  Das  Gewicht  der  verdunsteten  CO2 
ird  nach  bekannten  Regeln  ebenfalls  aus  dem  Vorstehenden  ab- 
cleitet. —  5)  Macht  man  endlich  die  Voraussetzung,  dass  die 
usathmungsluft  im  Mittel  4  pCt.  CO2  enthalten  habe,  so  findet  sich 
US  unseren  Daten  auch  noch  das  Gewicht  der  Ausathmungsluft. 
Ile  diese  berechneten  Werthe  sind  in  der  Tabelle  III.  zusammen- 
stellt.   Die  Zahlen  bedeuten  Gramme. 

Tabelle  III. 


Mungs-Nr. 
ersuche». 

Wärmender 
Wasserstoff. 

Nengebildötes 
Wasser. 

Gesammtgewicht 
des  verdunsteten 
Wassers. 

Gewicht  der  ver- 
dunsteten CO2. 

Gewicht  der 
Ausatlunungsluft, 

I. 

20,S 

.  467,0 

1287,8 

1230,9 

30772,5 

II. 

16,4 

348,5 

1158,0 

888,4 

22210,0 

III. 

6,2 

192,8 

694,7 

514,0 

10350,0 

IV. 

12,2 

386,3 

522,6 

1088,3 

27207,5 

V. 

16,.3 

366,5 

965,7 

1006,9 

15140,0 

Damit  ist  nun  die  weitere  Möglichkeit  eröffnet,  zu  berech- 
111:  1)  die  Zahl  der  den  Tag  über  gebildeten  Wärmeeinheiten 
iitcr  der  Voraussetzung,  dass  der  wärmende  H  und  der  C  bei 
11  er  Verbrennung  ebensoviel  W.-E.  entwickelt  haben,  wie  bei  ihrer 
cibrennung  im  freien  Zustande.  Wir  legen  hierbei  die  Zahlen 
on  Favre  und  Silbermann,  nämlich  für  1  Gr.  C.  =  8086  W.-E. 
rid  ftir  1  Gr.  H.  =  34462  W.-E.  zu  Grunde.  Dieser  Voraus- 
itzung  dürfte  weniger  Wärme  entsprechen,  als  in  der  That  ausge- 
geben wurde,  da  die  feste  Nahrung  in  den  beobachteten  Fällen  vor- 
I  jgsweise  aus  Brod,  Zucker  und  Gemüse,  also  aus  Kohlenhydraten 
cstand,  welche,  wie  frtlher  erwähnt,  in  der  That  eine  höhere 


748 


■\Värmovorlust  (Uivch  "WasserverdunstuTig. 


Wärme  entwickeln,  als  nach  unserer  jetzigen  Bereclinungsgrund- 
lage  aus  ihnen  gefunden  wird.  —  2)  Den  Wärmeverlust  durch  Ver- 
dunstung des  Wassers;  indem  man  die  Wärme  des  den  Körper 
verlassenden  Wasserdunstes  auf  37"  .setzt  und  ihn  im  Maximum 
der  Tension  befindlich  annimmt.  —  3)  Den  Wärmeverlust  durch 
die  Erwärmung  der  Athmungsluft;  die  spec.  Wärme  der  Athmungs- 
luft  ist  gleich  der  der  atmosphärischen  mit  de  la  Roche  und 
Börard  auf  0,267  gesetzt.  —  4)  Die  Wärme,  welche  an  die  ein- 
gegangenen Nahrungsmittel  abgegeben  wurde,  deren  mittlere  Tem- 
peratur vor  der  Aufnahme  auf  15"  angenommen  wird.  —  5)  Die 
Wärme,  welche  mit  der  flüssigen  und  festen  Ausleerung  entfernt, 
wurde;  die  spezifische  Wärme  beider  ist  dem  Wasser  gleich  ge- 
setzt. —  6)  Endlich  die  Wärme,  welche  durch  Strahlung,  Leitung 
und  Umsetzung  in  Arbeit  verloren  ging. 


Wärme- 
Gewinn. 

Wärme-Verlust. 

Durch 
Wnssor- 
verdiiiistung. 

Durch  Erwär- 
mung d.  Ath- 
mungsluft. 

Durch  Erwär- 
mung der 
Nahrungsm. 

Durch  die 
flUss.  u.  feste 
Entleerung, 

Durch  Strah- 
Uing.-Lcitnng 
und  Arbeit, 

I. 

3677820 

789421 

308438 

60610 

52697 

2566654  •. 

II. 

2706076 

699801 

100811 

52492 

33020 

1819952 

III. 

1461334 

425851 

90558 

.  30716 

26288 

887921 

IV. 

3103536 

320354 

222868 

59620 

66103 

2434591 

V. 

2928831 

612103 

132570 

51471 

33556 

1999131 

Eine  einfache  Uebersicht  über  das  Verhältniss  der  Wärmege- 
winne giebt  folgende  Zusammenstellung,  in  welcher  die  Zahl  der  in 
24  Stunden  gewonnenen  Wärmeeinheiten  auf  die  Einheit  des  Kör..^ 
pergewichtes  (auf  1  Gr.)  reducirt  ist.  \ 

m 

Ordnungsnummer  des  W.-E.  für  1  Gr.  Körpergewiclit  k 

Versuches.  während  24  Stunden  entwickelt.  m 

I.  77,4 
n.  65,9 
m.  97,4 
IV.  52,9 
V.  47,9 
Diese  Zusammenstellung  ergiebt,  dass  der  Mann  in  den  mitt- 
leren Jahren  im  Sommer  weniger  Wärme  erzeugt,  als  im  Winter; 
das  Kind  relativ  mehr,   die  erwachsene  Frau  weniger  als  alle 
übrigen  Individuen. 

Um  die  Betheiligung  der  einzelnen  Processe  an  dem  gesammten 
Wärmeverbrauch  zu  tiberseben,  ist  letzterer  in  der  nächsten  Tabelle 
in  Procenten  der  Gesammtwärme  berechnet. 


Atlimungsluft,  feste  uiul  flüssige  Ausleerung  otc. 


749 


Ordnungs- 
Nnmmer  des 
Versuches. 

Verlust. 

Durch  Wiisser- 
verdunstung. 

Durch  die 
Athniungsluft. 

Durch  die  flüs- 
sige und  feste 
Entleerung. 

Durch  Strahlung, 
Leitung  v.d. Haut 
u.  raech.  Arbeit. 

1. 

n. 
in. 

IV. 
Y. 

21,46  pCt. 
25,85  „ 
29,14  „ 
10,32  „ 
20,90  „ 

8,39  pCt. 
3,72  „ 
6,19  „ 
7,18  „ 
2,53  „ 

1,43  pCt. 
1,22  „ 
1,80  „ 

2.13  „ 

1.14  „ 

67,07  pOt. 
67,22  „ 
60,77  „ 
78,45  „ 
71,67  „ 

Aus  dieser  Tabelle  ist  ersiclitlicli ,  dass  weitaus  die  grösste 
jinbusse  durch  Strahlung  und  Leitung  und  durch  Erzeugung  me- 
aanischer  Arbeit  zu  Stande  kommt;  eine  einfache  Ueberlegung 
eist  dann  aber  darauf  hin,  dass  von  den  in  der  letzten  Reihe  zu- 
immengefassten  Funktionen  die  mechanische  Leistung  die  ge- 
ngste  Menge  von  W.-E.  verzehrt.  —  Denn  nehmen  wir  z.  B.  an, 
;r  Mann  L,  welcher  im  Mittel  täglich  3191948  gewinnt,  habe  einen 
i'ig  von  2000  Metres  Höhe  erstiegen,  d.  h.  er  habe  sein  Körper- 
wicht von  47500  Gr.  auf  diese  Höhe  gehoben,  so  würde  er  (das 
echan.    Aequivalent  zu  430  Metergramme  genommen)  dazu  nur 
?()930  Wärmeeinheiten,  d.  h.  etwa  7  pCt.  seiner  gesammten  Wärme- 
enge, verbraucht  haben. 

Bildung  und  Verbrauch  von   Wärme  in  den  ein- 
Inen  Organen. 

Zunächst  liegt  es  nun  ob,  anzugeben,  in  welchem  Maasse  sich 

einzelnen  Organe  und  Gewebe  an  dem  Gewinne  und  dem  Ver- 
-te  der  Wärme  betheiligen,  da  es  aus  dem  uns  bekannten  che- 
ischen  Leben  derselben  offenbar  ist,  dass  sie  dieses  nicht  alle  in 
eicher  Weise  thun. 

Um  den  Werth  feststellen  zu  können,  mit  dem  ein  jeder  Be- 
andtheil  unseres  Leibes  in  jenen  verbreiteten  Process  eingreift,  wird 
i  hts  mehr  und  nichts  weniger  genügen,  als  die  Kenntniss  von  der 
l  und  dem  Umfange  des  Stoffumsatzes  und  des  Wärmeverlustes 
irch  Leitung  und  Sti-ahlung  an  allen  Orten;  statt  dessen  würden 
ich  vorausgesetzt,  es  hielte  sich  die  Temperatur  in  den  betreffen- 
n  Organen  constant,  die  Wärmecapazität  und  der  Temperatur- 
iterschicd  der  zu-  und  abfliessendeu  tropfbaren  Flüssigkeiten  und 

Verluste  durch  Strahlung  genügen;,  oder  wenn  die  Temperatur 
riabel  wäre,  so  würde  noch  die  Kenntniss  der  Wärmecapazität 
•s  Organes  und  des  Umfanges  der  Temperaturschwankung  nö- 
ig  sein. 


750 


Wärmeökoüoniio  einzelner  Organe. 


In  der  That  wissen  wir  aber  im  Einzelnen  nur  Folgendes.  Zu 
den  vorzugsweise  wärmesammelnden  Gebilden  zählen  wir: 

a.  Die  Muskeln  im  ruhenden  und  im  verkürzten  Zustande. 
Denn  diese  Organe  verlieren  durch  Strahlung  keine  Wärme,  wäh- 
rend sie  mit  Hülfe  des  hinzutretenden  O's  CO)  entwickeln,  und 
dieses  letztere  in  gesteigertem  Maassstabe,  wenn  sie  sich  im  ver- 
kürztem Zustande  befinden.  Hiermit  im  Einklänge  finden  Bcc- 
querel  und  Brechet  durch  die  thermoelektrische  Messung,  dass 
der  zusammengezogene  Muskel  um  0,5"  bis  1,0"  wärmer  als  der 
verlängerte  ist. 

b.  Die  Speicheldrüsen  während  der  Zeit  ihrer  Absonderung. 

c.  Die  Baucheingeweide.  In  ihnen  ereignen  sich  weit- 
verbreitete wärmeerzeugende  Vorgänge,  so  u.  A.  die  häufigen  Zu- 
sammenziehungen der  Darmmuskeln,  die  Gährungen  im  Darmrohre, 
die  Bildung  von  Harnsäure  in  der  Milz,  von  Gallenstoffen  in  der 
Leber  u.  s.  w.,  gegen  deren  erwärmende  Macht  die  Abkühlung 
durch  die  Speisen,  die  einzige,  welche  sie  erleiden,  nicht  in  Be- 
tracht zu  kommen  scheint.  Die  Eichtigkeit  dieser  Folgerung  be- 
stätigt die  Temperatur  des  Blutes  in  der  vena  cava  ascendens, 
welche  immer  noch  höher  ist,  als  die  des  Arterienblutes,  trotzdem 
dass  sich  in  jener  Vene  neben  dem  aus  den  Baucheingeweiden 
stammenden  auch. noch  das  aus  den  kälteren  unteren  Extremität cii 
zurückkehrende  Venenblut  sammelt. 

d.  Die  Organe,  welche  vorzugsweise  aus  Bindegewebe, 
Fett,  Knorpel  und  Knochen  bestehen,  sind  rücksichtlich  ihrer  Fä- 
higkeit, Wärme  zu  erzeugen,  noch  wenig  untersucht :  so  viel  scheint 
nur  gewiss,  dass  ihnen  dieselbe  nicht  abgesprochen  werden  kaim. 
da  das  in  sie  dringende  arterielle  Blut  venös  aus  ihnen  zurü(  k- 
kommt,  zum  Zeichen,  dass  dasselbe  dort  Kohlensäure  empfaugeu 
hat,  und  da  in  einzelnen  derselben,  wie  z.  B.  in  der  Lungensub- 
stanz, Harnsäure  gefunden  worden  ist.  —  Ungewiss  ist  es  end- 
lich, ob  das  Blut,  welches  gegen  eine  vielfache  Berührung  mit  den 
Organen  geschützt  ist,  Umsetzungen  erfahrt,  die  Wärmeentwicke- 
lung zur  Folge  haben.  Von  den  Thatsachen,  welche  man  bis  daliin 
für  das  Bestehen  einer  Wärmebildung  in  ihm  anführte,  bestand  eiue 
darin,  dass  das  aus  den  Lungen  zurückkommende  Blut  durch  die 
Abkühlung,  Avelche  es  dort  erfahren  musste,  höher  temperirt  sein 
sollte,  als  das  eindringende.  Diese  Thatsache  ist  aber  durch  die 
oben  erwähnten  Beobachtungen  von  Bisch  off,  G.  Lieb  ig,  Ber- 
nard u.  A.  widerlegt  worden. 


Haut  und  Lunge  als  Kühlungsapparate. 


751 


Zu  den  külileDden  Apparaten  zählen  vor  allen  Haut  und  Lunge. 

a.  Haut.  Die  Wärmemenge,  welche  dieses  Organ  ausstrahlt 
md  ableitet,  ist  unter  der  Annahme,  dass  dasselbe  in  unbekleidetem 
•iUstand  in  Betracht  gezogen  und  alles  üebrige  gleichgesetzt  wird, 
lus  einleuchtenden  Gründen  abhängig:  1)  von  der  schlecht  leiten- 
ten  Epidermis  und  des  Haarbeleges;  der  Wärmeverlust  ist  darum, 
llles  Andere  gleichgesetzt,  an  den  Fusssohlen,  den  Handtellern, 
eer  Kopfschwarte  geringer  als  an  den  Lippen,  Ohren,  Augenli- 
eern  u.  s.  w.  —  2)  Von  der  Fülle  des  Gefässsystems ,  welche  be- 
aanntlich  wechselt  mit  dem  Blutdruck  und  der  Widerstandsfähig- 
«eit  der  Wandung,  und,  insofern  diese  bedingt  wird  durch  die 
ileinen  Muskeln  des  Hautgewebes '  und  der  Gefässwandung ,  auch 
oon  dem  Grade  der  Zusammen ziehung,  in  dem  diese  begriffen  sind. 
—  3)  Von  der  Gestalt  der  Unterlage,  über  welche  die  Haut  ge- 

■pannt  ist.  Auf  der  Flächeneinheit  dünner,  spitzer  Körpertheile, 
tie  z.  B.  der  Ohrmuschel,  der  Nase,  den  Fingern  und  überhaupt 
een  Extremitäten  wird  der  Verlust  grösser  sein,  als  auf  der  eines 
lumpfstückes ,  und  zwar  darum,  weil  die  Strahlung  aus  Spitzen 
bberhaupt  lebhafter  vor  sich  geht,  als  aus  ebenen  Flächen.  — 
I)  Die  Vorgänge  der  Verdunstung  entziehen  aber,  wenn  alles  Uebrige 
ieich,  der  Haut  um  so  mehr  Wärme,  je  feuchter  ihre  Oberfläche 
tt.  Aus  diesem  Grunde  wird  namentlich  eine  Haut,  deren  Schweiss- 
rcüsen  in  Thätigkeit  sind,  und  die  sich  in  Folge  dessen  mit  Fltis- 
ggkeit  bedeckt,  -in  das  Maximum  des  Wärmeverlustes  durch  Ver- 
unstung  eintreten.  —  Der  thatsächliche  Ausdruck  dieser  Voraus- 
echten liegt  nun  darin,  dass  das  Blut  der  Hautvenen  die  niedrigste 
Temperatur  unter  allen  Blutarten  zeigt,  dass  die  thermoelektrische 
nitersuchung  das  Unterhautbiudegewebe  kälter  findet,  als  dasje- 
|ge  tiefer  liegender  Organe,  und  endlich  darin,  dass  "unter  den 
srschiedenen  Ausgaben,  welche  sich  in  die  Wärmeeinnahme  des 
Ilörpers  theilen,  die  durch  die  Haut  immer  die  grösste  ist.  —  Bei 
tm  grossen  Werthe,  welchen  der  Wärmeverlust  hier  erreicht,  ist 
i  nun  unmöglich  zu  sagen,  ob  und  wie  viel  Wärme  in  der  Haut 
Übst  erzeugt  wird. 

b.  Die  Abkühlung  durch  die  Lunge  nimmt  mit  der  Zahl  und 
wd  dem  Umfange  der  Athemzüge  und  mit  der  Geschwindigkeit  des 
hitstromes  zu.  Da  man  ungefähr  die  Luftmengen  kennt,  welche 
*n  Tag  Uber  in  den  Lungen  wechseln,  und  zugleich  ihren  Feucli- 
Ijkeitsgehalt  und  Temperaturgrad  beim  Ein-  und  Austritte  aus  den 


752 


Teniperaturausgloicliung  zu  verschied.  Organen. 


Lungeu,  so  ist  eine  angenäherte  Bereclmung  des  täglichen  Wärme^ 
verhistes  möglich. 

Wir  legen,  indem  wir  sie  anstellen,  die  Barrarsehen  Beobachtungen  mit  l'ol- 
gondon  Unterstellungen  zu  Grunde :  Aus  den  Angaben  des  absoluten  Gewichtes  der 
Ausathniungsluft  lässt  sich  berechnen,  wie  viel  Wasser  sie  enthalten  habe,  vorau.sge- 
setzt,  dass  sie  auf  37"  C.  erwärmt  und  mit  Wasserdampf  gesättigt  gewesen  sei.  Zieht 
man  von  diesem  das  Gewicht  des  Wassers  ab,  welches  man  erhält,  wenn  man  annimmt, 
dass  die  eingeathmete  Luft  auf  15"  erwärmt  gewesen  und  etwa  die  Hälfte  (z.  B. 
CO  pCt.)  des  Wasserdampfes  enthalten  habe ,  den  sie  bei  dieser  Temperatur  fassen 
konnte,  so  erhält  man  das  in  der  Lunge  wirklich  verdunstete  Wasser.  Diese  Mengen 
betragen  für  die  Beobachtungen  I.  und  IL,  die  einzigen,  welche  wir  betrachten  werden: 

In  der  Lunge  verdunstetes   Zur  Verdunstung  nothw.     Zur  Erwärmung  der  Atli-     Summe  der  ver- 
Wasser. Wärmeeinheiten.        mungsluft  verbrauchte  W.-E    brauchten  W.-E. 

L    950,5  Gr.  609590  '  308438  919928 

IL    596,0   „  382240  100811  483051 

Diese  Beobachtungen  können  nun  dazu  benutzt  werden,  um  zu  ermitteln,  um  wie 
viel  das  Blut  abgekühlt  werden  musste,  welches  durch  die  Lunge  strömt.  —  Nehmen 
wir  nämlich  mit  Volk  mann*)  an,  ein  jeder  Herzschlag  entleere  0,0025  des  Körper- 
gewichtes Blut,  und  rechnen  wir  mit  Barrai  als  mittlere  Pulszahl  in  der  Minute  70  Sehläge, 
so  würden  in  24  Stunden  11,970,000  Gr.  Blut  durch  die  Lunge  strömen.  —  A'er- 
thoilte  man  den  Wämieverlust  auf  diese  Blutraenge ,  so  würde  in  Beobachtung  I.  das 
arterielle  Blut  um-u, /u"  C.  und  in  Boobachtung  II.  um  0,04"  C.  kälter  sein ,  als  das 
venöse.  —  Wir  folgern  begreiflich  aus  dieser  Uebereinstimmung  mit  den  von  Bischoff 
und  G.  Lieb  ig  für  die  Temperatur  des  venösen  und  arteriellen  Herzblutes  gefundenen 
Zahlen  weder,  dass  die  Unterlagen  unserer  Rechnung  tadelfrei  sind,  und  noch  weniger, 
dass  in  den  Lungen  durchaus  keine  Wärme  gebildet  werde.  Jedenfalls  ist  sie  aber 
geeignet,  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  zu  ziehen.  Denn  wenn  sich  die  Beobachtungen 
noch  mehr,  als  es  bisher  geschehen,  zuschärfen  sollten,  so  würd'B  es  möglich  sein,  die 
alte  Controvorse  zum  Abschluss  zu  bringen,  ob  in  der  Lunge  eine  wesentliche  Wärme- 
quelle zu  suchen  sei.  Sie  lehrt  aber  jetzt  schon,  dass  die  Angaben  von  J.  Davv, 
B  ee  qu  er  el-Br  e  che  t  u.  A.  über  die  Temperaturzunahme  des  Blutes  bei  seinem 
Wege  durch  die  Lunge  von  fehlerhaften  Beobachtungen  heiTÜhren  müssen. 

Ausgleichung  der  Temperatur  zwischen  verschie- 
denen Organen. 

Da  die  abkühlenden  und  erwärmenden  Ursachen  mit  einer  so 
ungleichen  Kraft  in  den  verschiedenen  Körpertheilen  wirksam  sind, 
und  ihre  Temperatur  trotz  der  schlechten  Wärmeleitungsfähigkcit 
der  Thierstoffe  dennoch  so  geringe  Unterschiede  bietet,  so  müssen 
offenbar  Einrichtungen  gegeben  sein,  welche  diese  Unterschiede 
fortwährend  ausgleichen.  Diese  liegen  nun  in  der  That  klar  genug 
vor  in  der  Bewegung  und  Mischung  der  thierischen  Säfte  und  ins- 
besondere des  Blutes. 


•)   Haemodytiamili.  p.  208. 


Temperatur-Ausgleichung  z-wischen  verschiedenen  Organen. 


753 


Als  Gründe,  die  hierfür  sprechen,  sind  anzuführen  1)  die 
ischimg  des  erwärmten  und  abgekühlten  Blutes  im  Herzen  und 
mit  die  gieichmässige  Vertheilung  des  Blutes  von  mittlerer 
■niperatur  in  die  verschiedenen  Organe;  2)  die  Beobachtung, 
SS  in  allen  der  Abkühlung  unterworfenen  Theilen,  und  nament- 
•h  der  Haut,  die  Temperatur  sich  um  so  mehr  der  des  Herz- 
utes  nähert,  je  rascher  und  je  breiter  der  Blutstrom  ist,  der 
irch  diesen  Theil  kreist,  während  sie  sich  um  so  weiter  von  der- 
Ibeu  entfernt,  je  geringer  der  Querschnitt  oder  die  Schnelligkeit 
'S  Stromes  ausfällt.  —  Diese  letzte  Thatsache,  die  unzählige  Male 
Gliedmaassen  beobachtet  wird,  in  denen  eine  veränderte  Blut- 
lömung  stattfindet,  sei  es  eine  Stockung  in  Folge  von  Art.erien- 
ler  Venenuuterbindung,  sei  es  eine  Beschleunigung  nach  einer  Er- 
L'iterung  der  zuführenden  Gefässe,  ist  durch  eine  Keihe  von  Be- 
iachtungen, welche  Cl.  Bernard*)  ausgeführt  hat,  in  das  hellste 
u'lit  gesetzt.  Wir  haben  schon  wiederholt  erwähnt,  dass,  wenn 
am  Halse  den  Sympathicus  durchschnitt,  sich  alle  Gefässe  der 
itsprechenden  Kopfhälfte  erweiterten,  und  dass  sie,  wenn  er  das 
ripherische  Schnittende  mit  einem  galvanischen  Induktionsappa- 
i  erregte,  sich  wieder  verengerten.  Nach  der  einfachen  Durch- 
liueidung  steigerte  sich  nun  auch  die  Temperatur  in  der  Gesichts- 
lut  dieser  Seite,  während  die  der  entgegengesetzten  um  einen 
isseren  oder  kleineren  Werth  abnahm,  und  umgekehrt  erniedrigte 
Temperatur  sich  auf  der  verletzten  Seite,  wenn  er  die  erregen- 
11  Pohldrähte  an  den  peripherischen  Stumpf  des  durchschnittenen 
erven  anlegte.  —  Die  Wärmeerhöhung,  welche  nach  der  Durch- 
lineidung  des  Sympathicus  auftritt,  wird  man  aber  um  so  eher 
IS  dem  oben  berührten  Gesichtspunkte  und  nicht  aus  einer  Neu- 
Idung  von  Wärrae  erklären,  weil  die  Temperatur  niemals  die- 
nige übersteigt,  welche  gleichzeitig  im  Herzen  gefunden  wird, 
id  auch  noch  darum,  weil,  wie  Bernard  beobachtete,  das  aus 
11  Venen  zurückkehrende  Blut  dem  arteriellen,  namentlich  in  Be- 
ehung  auf  Färbung,  sehr  ähnlich  ist,  sich  also  wegen  des  raschen 

'mrchganges  nicht  mit  den  gewöhnlichen  Oxydationsprodukten  der 

öndegewebssubstanz  überladen  hat. 

Bernard  weicht  aUzu  vorsichtig  noch  einer  Erklärung  der  von  ihm  gefundenen 
hatsachcn  aus;   gegen  die  ehcn  mitgetheilto  äussert  er  sich  sogar  ungünstig,  weil  er 

•)  Recherches  expdrimontalcs  sur  le  grnnd  sympathiqne  etc.  Poris  1854.  —  Gozetto  mddloale. 
Si.  Nr.  1.  2.  3. 

Ludwig,  Physiologie  II.  2.  Auflage.  ^8 


754 


Wärmeregulatoren. 


gefunden,  dass  In  der  Ohrmuschel  auf  der  verletzten  Seite  immer  noch  eine,  wenn 
auch  nicht  mehr  sehr  bedeutende  Wärmesteigerung  eintrat,  nachdem  er  mehrere  der 
aus  ihr  zurückkehrenden  Yeuen  ,  oder  die  zuführenden  Arterien  unterbunden,  d.  h.  die 
Geschwindigkeit  und  die  Ausbreitung  des  Blutstromes  in  dem  Ohre  gemindert  hatte. 
Siehe  hierüber  noch  v.  d.  ^ecke-Callenfels*) 

Mittel  zur  Erhaltung  des  normalen  Wärmegrades. 

Das  Verliältniss  zwischen  Aus-  und  Einfuhr  von  Wärme,  wie- 
es  ausgedrückt  wird  durch  den  Temperaturgrad  des  thierischen- 
Körpers,  bleibt,  wie  wir  sahen,  in  verhältnissmässig  engen  Grenzen 
eingeschlossen;  es  muss  also  auch  der  Gewinn  der  Wärme  mit  dem 
Verluste  derselben  steigen  und  fallen.  Die  organischen  Bedingun- 
gen, welche  diese  Beziehungen  herstellen,  sind  zum  Theil  wenig- 
stens bekannt,  der  Mechanismus  dieses  Zusammenhanges  ist  da- 
gegen noch  nicht  aufgedeckt.  —  Eine  der  wesentlichsten  Beziehun- 
gen, welche  wir  gesondert  betrachten,  ist  gegeben  durch  die  Tem- 
peraturempfindung, welche  je  nach  den  Einwirkungen  der  Kälte 
oder  Hitze  einen  Wärmehunger  und  Wärmeekel  erzeugt;  in  der 
nattirlichen  Folge  davon  begeben  wir  uns,  wo  irgend  möglich,  in 
Verhältnisse,  welche  die  unangenehmen  Empfindungen  beseitigen; 
wir  wählen  hierzu  gewöhnlich  solche,  welche  ohne  Zuthun  irgend 
welcher  inneren  Veränderungen  die  gewünschte  Körpertemperatur 
herbeiführen,  indem  wir  die  Wärmeleitungsfähigkeit  der  Kleidung 
reguliren,  warme  oder  kalte  Speisen  geniessen  u.  s.  f.  —  Neben 
diesen  willkürlichen  Mitteln  zur  Herstellung  des  Gleichgewichtes 
zwischen  den  Ein-  und  Ausgaben  von  Wärme,  giebt  es  noch  eine 
Zahl  von  solchen,  die  durch  unsere  Seelenzustände  nicht  so  un- 
mittelbar bestimmt  werden.  Sie  wirken  in  allen  Individuen ,  aber 
m  den  verschiedenen  unzweifelhaft  mit  einer  auffallend  verscliie- 
denen  Mächtigkeit ;  ausser  besonderen,  durch  die  Geburt  gegebenen 
Anlagen  wirkt  auf  diesen  letzteren  Umstand  namentlich  der  Ge- 
brauch der  willkührlichen  Ausgleichungsmittel  ein,  ein  Einfluss,  der 
gemeinhin  als  Abhärtung  oder  Verwöhnung  bezeichnet  wird. 

I.  Wenn  die  Wärme  vermehrt  oder  vermindert  wird  in  Folge 
der  gesteigerten  oder  verringerten  chemischen  Umsetzung  innerhalb 
des  Thiers,  so  muss  die  Thätigkeit,  den  wärmeausgebenden  Or- 
ganen entsprechend,  sich  ändern.  —  Vermehrt  sich  die  Wärmeciu- 
nahme  und  nähert  sich  damit  die  Körpertemperatur  ihrem  Maxi- 
mum, so  geschieht  es,  dass  a)  die  Capillaren  in  der  Oberfläche  der 


♦1    Henle's  und  Pfeil  fer'a  Ztitschrift,  2.  Folge.  VlI.  / 


Wärmeregulatoren. 


755 


'litis  sich  erweitern;  der  raschere  und  ausgedehntere  Blutstrom, 
ler  durch  sie  kreist,  bringt  die  Haut  auf  eine  höhere  Temperatur, 
md  damit  wird  der  Verhist  durch  Leitung  und  Strahhmg,  welcher 
iom  Temperaturunterschied  zwischen  dem  thierischen  Körper  und 
om  umgebenden  Medium  proportional  ergeht,  erhöht.  —  b)  Meist 
ritt  zugleich  eine  Schweissbildung  ein,  und  damit  wird  eine  ge- 
;teigerte  Verdunstung  eingeleitet,  welche  beträchtlich  abkühlend 
virkt.  Diese  Schweissbildung  tritt  aber  wegen  besonderer,  noch 
inbekannter  Einrichtung  nicht  an  jeder  Drüse  mit  gleicher  Lebhaf- 
igkeit  hervor,  und  zugleich  ist  auch  die  Summe  des  ergossenen 
Wassers  nicht  auf  allen  Hautflächen  gleich  gross,  da  die  Zahl  der 
■>chweissdrüsen  in  ihnen  variirt.  —  "Wenn  wir  nun  auch  gar  keine 
V  orstellung  davon  haben.,  warum  mit  der  gesteigerten  Eigenwäi-me 
uch  die  Gefässe  erweitern  und  die  Schweisdrüsen  absondern,  so 
>t  doch  der  Vortheil,  den  beide  Apparate  in  ihrer  Vereinigung  zu 
isten  vermögen,  einleuchtend  genug.  Denn  offenbar  würde  die 
Ausbreitung  und  Beschleunigung  des  Blutstromes  in  der  Haut  wenig 
ibkühlen,  wenn,  wie  im  Sommer  und  den  Trojpen,  die  Temperatur 
ler  Atmosphäre  sich  derjenigen  des  thierischen  Körpers  annähert 
»der  sie  gar  übertrifft.  —  c)  Es  mehrt  sich  endlich  mit  dem  ge- 
steigerten Stoffumsatze  auch  die  Zahl  und  die  Tiefe  der  Athembe- 
wegungen,  und  damit  auch  die  Abkühlung  durch  Leitung  und  Ver- 
lunstung  von  der  Lungenoberfläche  aus. 

d)  Der  verminderten  Wärmeeinnahme  folgt  jedesmal  eine  Zu- 
sammenziehung der  kleinen  Muskeln  in  dem  Gewebe  und  den  Blut- 
.gefässen  der  Haut,  wodurch  sich  das  Bett  des  Blutstromes  in  dieser 
verengert;  die  Haut  wird  also  trockener,  und  zugleich  sinkt  ihre 
Temperatur  und  damit  auch  der  Verlust  durch  Verdunstung  und 
Strahlung.  Unterstützend  für  die  Zurückhaltung  der  Wärme  tritt 
wefnn  einmal  die  Gefässfülle  der  flaut  auf  ein  Minimum  gesunken 
list,  auch  der  panniculus  .adiposus  ein,  welcher  die  Ableitung  der 
'Wärme  von  den  Muskeln  und  tieferen  Gefässen  zu  der  Haut  hemmt 
(Bergmann).  Für  die  Athmung  gilt  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
das  Umgekehrte  von  dem,  was  für  den  Fall  vermehrter  Wärmebil- 
dung ausgesprochen  wurde. 

Um  zu  zeigen,  in  welchem  Maasse  die  Luft  durch  Aufnahme 
von  Wärme  und  Wasserdampf  abkühlend  wirken  kann,  hat  Helm- 
holtz  das  unten  stehende  Täfelchcn  berechnet.  In  diesem  finden 
sich  die  Wärmeeinheiten  verzeichnet,  welche  ein  Volum  Luft,  das 
einen  Gramm  wiegt,  nöthig  hat,  um  von  einem  gegebenen  Tem- 

48* 


756 


Wärmeregulatoren. 


peratur-  und  einem  gegebenen  Feuchtigkeitsgrad  auf  37"  C.  erwärmt  I 
und  mit  Wasserdampf  vollkommen  gesättigt  zu  werden.  • 

In  der  Colonne  A  ist  die  Temperatur  angegeben,  welche  die 
Luft  besass,  ehe  sie  dem  erwärmenden  Einflüsse  ausgesetzt  wurde; 
die  Colonne  B  zerfällt  in  4  Unterabtheilungen,  welche  die  lieber- 
Schriften  50,  70,  90,  100  pCt.  tragen.    Diese  Ueberschriften  be- 
ziehen sich  auf  die  Prozente  der  ganzen  Dunstmeuge,  welche  die  ' 
Luft  fassen  kann,  wenn  sie  die  in  A  angemerkte  Temperatur  be- 
sitzt.   Die  unter  den  einzelnen  Unterabtheilungen  stehenden  Zahlen 
geben  an,  wie  viel  Wärmeeinheiten  verbraucht  werden,  um  die 
Luft  bei  einer  Temperatur  von  37"  C.  vollständig  mit  Wasserdampf  1 
zu  sättigen,  nachdem  sie  schon  bis  zu  den  bezeichneten  Grenzen  I 
für  die  unter  A  gegebene  Temperatur  mit  Wasserdampf  erfüllt  war.  -f 
Unter  C  endlich  ist  die  Zahl  der  Wärmeeinheiten  notirt,  welche  die  | 
Luft  verbraucht,  um  ihre  Temperatur  von  den  unter  A  gegebenen  ♦ 
Graden  an  auf  37"  C.  zu  bringen. 


A. 

B. 

C. 

50  pCt. 

70  pCt. 

90  pCt. 

100  pCt. 

30"  C. 
20»  C. 
10»  C. 

50  C. 

0»  C. 


15,0 
20,5 
25,1 
27,2 
29,7 


12,1 
18,9 
24,2 
26,5 
28,6 


9,3 
17,3 
23,3 
25,9 
28,2 


7,9 
16,5 
22,9 
25,5 
28,0 


1,7 
4,2 
6,9 
7,4 
9,9 


Diese  Tatel  lässt  erkennen ,  dass  in  rlon  sommerlichen  Temperatur-  und  Feuchtig- 
keitsgraden  die  Abkühlung ,  welche  die  Luft  zu  erzeugen  vermag ,  fast  nur  der  Ver- 
dunstung zuzuschreiben  ist. 

e)  Obwohl  alle  Hauttheile  mit  Mitteln  zur  Temperaturreguli- 
rung  versehen  sind,  so  sind  doch  einige  derselben  vorzüglich  bc 
günstigt;  dahin  gehören  die,  welche  zugleich  mit  starken  Hornge- 
bilden und  zahlreichen  und  grossen  Schweissdrüsen  begabt  sind, 
z.  B.  das  Haupt,  das  einerseits  das  Kopfhaar  und  andererseits  die 
schweissdrüsenreiche  Stirnhaut  trägt;  die  dicke  Epidermissohle  der 
Füsse,  das  Haar  und  die  Schweisdi-üsen  der  Achselhöhle  sind  eben- 
falls hierher  zu  ziehen.  —  Anderen  Hautstellen  ist  durch  ein  selir 
leicht  und  bedeutend  zu  erweiterndes  und  verengerndes  Gefäss- 
system  die  Möglichkeit  gegeben,  ihre  Temperatur  dem  wechselnden 
Gewinne  und  Verlust  anzupassen;  so  die  Ohrmuscheln,  die  Nasen- 
höhle u.  s.  w. 


Wärmeregulatoren. 


757 


2.   Auch  den  ungleichen  Verlusten  an  Wärme,  welche  der  thie- 
ische  Körper  durch  Aenderungen  der  abkühlenden  Einflüsse  er- 
•idet,  passt  sich  die  Wärmeerzeugung  an.  —  a)  Sind  die  Aus- 
aben  an  Wärme  für  die  Dauer  vermehrt,  so  kann  dem  ßedürfniss 
»egreiflich  nur  durch  eine  grosse  Einnahme  von  Wärme  genügt 
Verden,  mit  anderen  Worten,  der  Warmblüter  muss  unter  diesen 
inständen  viel  Nahrung  zu  sich  nehmen.   Dieser  Satz  findet  viel- 
altige  Bestätigung. 

So  ist  es  gar  keinem  Zweifel  unterworfen,  dass  bei  den  Warm- 
)lütern  die  proportionale  Menge  von  Nahrung  wächst  mit  dem  stei- 
nenden Quotienten  aus  der  Oberfläche  in  das  Gewicht  des  Kör- 
|)ers,  womit,  wie  Bergmann*)  in  der  anziehendsten  Weise  dar- 
j,elegt  hat,  die  Abkühlung  der  Thiere  steigen  muss;  kleine  Men- 
schen und  Thiere,  welche  relativ  zu  ihrem  Körpergewichte  mehr 
ibkühlen,  essen  demnach  auch  relativ  mehr  als  grosse.  —  Mit  der 
.Muskelanstrengung  nimmt  ebenfalls  das  Nahrungsbedürfniss  zu,  und 
zugleich  steigt  auch  mit  ihr  der  Wärmeverlust,  da  ein  Theil  der 
latenten  Wärme  sich  in  mechanische  Arbeit  umsetzt  und  mit  der 
Muskelzusammenziehung  zugleich  der  wärmebildende  Stoflfumsatz 
lind  die  Mitteltemperatur  und  somit  auch  der  Wärmeverlust  durch 
Abkühlung  gesteigert  wird.  —  Man  behauptet  endlich  auch,  dass 
mit  den  klimatischen  Verhältnissen  der  Stoffumsatz  resp.  die  Wärme- 
hildung  veränderlich  sei.  Alle  Zahlenbeobachtungen,  welche  bis 
dahin  vorliegen,  lassen  aber  diese  Annahme  sehr  zweifelhaft  er- 
scheinen. Doch  muss  man  eingestehen,  dass  die  Untersuchungen 
auch  noch  mangelhaft  genug  sind.  Denn  da  die  Wärme,  welche 
die  Gemchtseinheit  des  Nahrungsmittels  leisten  kann,  sehr  beträcht- 
lich mit  der  Zusammensetzung  wechselt  (Fette  liefern  bekanntlich 
am  meisten),  so  ist  es  nicht  genügend  zu  bestimmen,  ob  das  Ge- 
wicht der  Nahrungsmittel  in  Island  oder  Westindien  gleich  gross 
-cwesen  sei,  sondern  es  ist  nöthig,  auch  zu  wissen,  ob  sie  in  Is- 
land reicher  oder  ärmer  an  Kohlenhydraten  waren.  Noch  weniger 
befriedigend  sind  die  Beobachtungen  mit  Rücksicht  auf  die  Lebens- 
bedingungen verglichener  Individuen;  denn  es  ist  an  sich  klar, 
dass  sich  durch  die  Kleidung,  die  Muskelthätigkeit  u.  s.  w.  sehr 
auffallende  Unterschiede  der  Klima's  ausgleichen  lassen.  — 

b.  Dem  thierischen  Körper  steht  aber  auch  die  Fähigkeit  zu, 
über  den  in  seinen  Atomen  niedergelegten  Wärmevorrath  so  zu  vcr- 


•)  Ucbcr  die  Verhältnisse  der  Wiirmuokoiioiiiic  der  TliKro  zu  ilirer  Grüssc.  Güttingen  1848. 


758 


■Wärmeregulfltoron. 


lügen,  class  er  einer  plötzlichen  Steigerung  oder  Minderung  desWürme- 
bedürfnisses  sieh  anpassen  kann.  Beweise  hierfür  bietet  die  Erfah- 
rung, dass  die  Temperatur  des  Blutes  in  kalter  Luft  oder  in  einem 
kalten  Bad  nicht  nothwendig  sinken  rauss,  obwohl  namentlich  in 
dem  letztem  Fall  der  absolute  Wärmeverlust  grösser  ist  als  sonst 
(Liebermeister).  Die  Mittel,  durch  Avelche  die  Grösse  der  thie- 
rischen Umsetzung  sich  nach  dem  Wärmeverlust  einrichtet,  sind 
nur  zum  Theil  bekannt.  Es  zählt  zu  ihnen  nachweislich  die  ver- 
änderliche Muskelthätigkeit,  welche  ein  so  ausgezeichnetes  Erzeu- 
gungsmittel von  Wärme  darstellt,  wie  aus  den  schon  früher  mitge- 
theilten  Versuchen  hervorgeht.  Bekanntlich  benutzen  auch  alle  mus- 
kelkräftigen Individuen  ihre  eigne  Körper])ewegung  dazu,  um  sich  in 
kalter  Umgebung  zu  erwärmen.  Aber  mit  ihr  scheint  keineswegs  die 
Zahl  der  Mittel,  welche  die  Eigemvärme  bei  bedeutenden  Verlusten 
regeln,  erschöpft  zu  sein,  da  auch  stillsitzende  Thiere  bei  selbst 
gesteigertem  Wärmeverlust  ihre  Bluttemperatur  erhöhen  können 
(Hoppe).  Man  könnte  in  dem  letztern  Fall  fragen,  ob  nicht  die 
wegen  der  Abkühlung  der  Haut  eintretende  Verengerung  ihrer 
Blutgefässe  Veranlassung  dazu  gäbe,  dass  sich  der  Blutstrom 
umfänglicher  den  andern  vorzugsweise  Wärme  erzeugenden  Or- 
ganen zuwendete,  z.  B.  den  Muskeln,  der  Leber  u.  s.  w.  Dieser 
reichliche  Blutzufluss  könnte  dann  nicht  allein  die  Ursache  einer 
lebhafteren  Umsetzung,  sondern  auch  in  zweiter  Linie  die  eines 
gesteigerten  Nahrungsbedürfnisses  sein. 


Sachregister. 


A. 

bkühlung  durch  die  Haut  II,  751. 

—  durch  die  Lunge  II,  751. 
'ikömmlinge  der  Fette  und  des  Eiweisses 

II,  217. 

sonderung  II,  202. 

—  allgem.  Bedingungen  ders.  II,  203. 

—  durch  Druckunterschiede  II,  206. 
— -    durch  Nervenerregung  II,  214. 

—  Eigenschaften  der  nervösen  Abson- 

derung II,  215. 

—  Triebkräfte  ders.  II,  204. 

.  :iäonderungsdruck,  Messung  dess.  II,  214. 
V  bsonderungsnerven  I,  218.  II,  214. 
ibsonderungssäfte,  weitere  Veränderungen 

ders.  U,  215. 
Vbsonderungsstoffe,  chemische  Umsetzungen 

ders.  II,  216. 
\bsorption  verschiedener  Gase  I,  62.  S. 

a.  Gase. 

libsorptionsfähigkeit  des  Blutes  ,fiir  Gase 

U,  476.  478. 
i\.bTveichung,  chromatische  I,  289. 

—  monochromatische  I,  291. 
Achselgelenk  I,  514. 
Achselhöhle,  Wärme  ders.  II,  722. 

.Achsenlange  der  brechenden  Augenmedien 
I,  260. 

Accomodation,  Einfluss  ders.  auf  die  Grösse 
gesehener  Gegenstände  I,  334. 

—  negative  I,  288- 

—  Mechanismus  ders.  I,  274. 

—  positive  I,  285. 
Accoraodationsbcwegungen,  positive  I,  287. 
Accomodationslinien  I,  271. 

Aderfigur  I,  351. 

.  Aequivalent ,  endosmolisches  I,  76. 

—  zur  Theorie  dess.  I,  81. 

Aether,  Wirkung  dess.  a.  d.  Nerven  I,  126. 
Aetherschwingungen,  als  Erreger  der  Ke- 

tina  1,  299. 
Aetherwellen  I,  301.  316. 

—  farbige  und  farblose  I,  301.  316. 


Aetherwellen,  gemischte  I,  303. 

—  unsichtbare  I,  302. 
Aggregatzustände ,  Entstehung  der  festen 

II,  222.  224. 

—  Formfolge  ders.  II,  221. 

—  Gefüge  der  festen  II,  226. 

—  Mischungsfolge  ders.  II,  223. 

—  Physiologie'  ders.  I,  59. 

—  veränderte,  in  den  Säften  II,  223. 
Albumin  I,  42;  II,  6. 

—  Modifikationen  dess.  I,  42. 
Alkalien  im  Harn  II,  406. 

—  phosphorsaure  I,  23.  , 

—  schwefelsaure  I,  24. 
Alkohol,  Wärmeeinheit  dess.  II,  737. 

—  Wirkung  dess.  auf  die  Nerven  I, 

126. 

Alkoholgährung  I,  34. 
Allantoin  I,  39. 
Allantursäure  I,  40. 
Altstimme  I,  560. 
Ambos,  Bewegung  dess.  I,  367. 
Ameisensäure  I,  25.  29. 

—  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Ammoniak  im  Harn  II,  396. 
Ammoniaksalze  im  Organismus  I,  24. 
Amyloid  der  Leber  II,  310. 
Amylon  I,  33. 

Anordnung  der  Atome  I,  16. 

—  dipolare  I,  106. 

—  elektromotorische  I,  97. 

—  d.  Muskelnerven  im  Hirn  u.  Rücken- 

mark I,  485. 

—  peripolare  I,  104. 
Antagonisten  I,  542. 

Apparate ,  thermometrische  II,  720. 

Arachinsäure  I,  27. 

Arbeit  des  Blutlaufs  U,  201. 

—  des  Muskols  s.  Muskel. 
Arbeitsleistung,  Beziehung  ders.  zu  0-Ver- 

brauch  und  Wärmebildung  II,  743. 
Arbeitsmaass  der   Spannung   bei  Flüssig- 
keiten II,  46. 

—  für  bewegte  Massen  II,  47. 


760 


Eügistor. 


Arm  s.  Oberarm,  Brustglicd. 
Artcriollos  Blut  II,  31. 

  —    Einfluss  auf  die  Nervenorre- 

gung  I,  125. 

—  —    Unterschied  von  anderen  Blut- 

arten II,  32. 
Arterien,    Stromspannung   bei  Yerschluss 

einer  oder  mehrerer  II,  1(30. 
Arterionhaut  II,  165. 
Artikulation  I,  496. 
Artikulationsflächen  I,  496. 

—  Evolvente  n.  Evolute  ders.  I,  497. 
Aspiration  dos  Herzens  II,  131. 
Athembewegung  I,  212;  II,  486.  509. 

—  Einfluss  ders.  auf  d.  Stromspannung 

in  den  Blutgefässen  II,  161. 

—  — "~der  unterdrückten  II,  165. 

—  Zusammenhang  ders.  mit  der  Herz- 

bewegung II,  492. 
^ —  Aenderung  ders.  durch  den  0-  und 
CO^- Gehalt  der  Athumngsluftll, 
489. 

—  durch  Iteflexe  II,  490. 

—  durch  die  Med.  oblongata  und  den 

Willen.  II,  491. 
Athenifolgo  II,  488. 
Athemvolum  II,  495. 

—  mittleres  II,  497. 
Athemwerkzeuge  II,  479. 

—  luftveränderndo  II,  498. 
Athmung  II,  462. 

—  äussere  II,  463. 

—  Einfluss  der  Luftveränderung  auf 

dies.  II,  469. 

—  innere  II,  472. 

—  krampfhafte  II,  487^ 

—  leichte  II,  487. 

—  ruhige  II,  486. 

—  tiefe  II,  487. 
Athmungsfläche  II,  463. 
Athmungsgase ,  Sammlung  ders.  II,  500. 
AthraungsTuuskeln  II,  481. 
Athfflungswege,  Luftströmung  in  dens.  II, 

493, 

Atlas,  Gelenk  zwischen  ihm  und  dem  Epi- 
stropheus  I,  504. 

—  zwischen  ihm  und  dem  Hinterhaupt 

I,  503. 
Atmosphäre  II,  463. 
Atome  I,  16. 

—  Anordnung  ders.  I,  16. 

—  chemische  als  GofühlseiTeger  I,  398. 

—  Punktionen  ders.  I,  16. 

—  Physiologie  ders.  I,  16. 

—  thierisehe,    Wärmeeinheiten  dors. 

II,  736. 
Atrien,  s.  Vorhöfe. 
Aufgabe  der  Physiologie  I,  I. 

—  allgemeinste  I,  13. 
Aufrechtsehen  I,  325. 


Aufsaugung  1,  62.  II,  202. 

—  Aenderung  ders.  durch  die  Blutfülle 

II,  565. 

—  Blutstockung  in  Folge  ders.  II,  564. 

—  ä.us  den  Geweben  II,  561. 

—  der  Fette  im  Darm  II,  658. 

—  durch  die  Blutgefässe  II,  563.  660. 

—  durch  die  Lymphgefässe  II,  567.  654. 

—  Umfang  ders.  im  Darm  II,  67  Ü. 

—  in  den  Verdauungswegen  II,  652. 
Aufsaugungsstoffe  Ii,  566. 

Augapfel,  Ortsveränderung  dess.  I,  226.  238. 
Auge  s.  Gesichtssinn. 

—  Accommodation  dess.  I,  274. 

—  Aohsonläugen  der  brechenden  Me- 

dien dess.  I,  260. 

—  Adaption  dess.  I,  275. 

—  Bänder  dess.  I,  229. 

—  Bewegungen  dess.  u.  deren  Geschwin- 

digkeit I,  226.  241. 

—  Bewegungsachse  dess.  I,  228. 

—  Bewegungswerkzeuge  dess.  I,  220. 

—  als  Brechungsapparat  I,  252. 

—  dioptrischor  Tlieil  dess.  I,  241. 

—  Drehbewegungen  dess.  I,  227. 

—  Drehpunkt  dess.  I,  230. 

< —    empfindende  Werkzeuge  dess.  I,  296. 

—  formverändernde    Bewegung,  dess. 

II,  239.  272. 

—  Golenkseinrichtung  dess.  I,  221. 

—  mittleres  I,  263. 

—  Muskeln  dess.  I,  233. 

—  Ortsveränderung  dess.  I,  238. 

—  Physiologie  dess.  I,  226. 

—  Primärstollung  dess.  I,  231. 

—  das  reducirte  I,  266. 

—  Schutzwerkzeuge  dess.  I.  346. 

—  Secundärstellung  dess.  I,  233. 
Augendrehung ,  Eigenthümlichk.  ders.  1, 23 1 . 
Augenlider  I,  346. 

Augenmedien  ,  durchsichtige  ,  Dimensionen 

ders.  1,  259. 
Augenmuskeln  I,  233. 

—  Ansätze  ders.  I,  235. 

—  Nerven  ders.  I,  239.  (Stellung  zum 

Willen)  I,  239. 

—  Synergie  ders.  I,  239. 

—  Ursprünge  ders.  I,  235. 
Augenspiegel  I,  253. 
Augenwasscr  I,  264 ;  II,  264. 
Ausathmungsbewegung  II,  483. 

- —    Einfluss  ders.  auf  d.  Blutlauf  II,  161. 
Ausathmungsluft,   Kohlcnsäuregehalt  ders. 
II,  504. 

—  Sammlung  ders.  II,  500. 

—  Temperatur  ders.  U,  502. 

—  Wassergehalt  ders.  II,  503. 
Auslösung  der  Kräfte   durch  Nervencrro- 

gung  I,  146. 
Ausscheidung  II,  202. 


llegister. 


761 


Auscheidung ,  chemische  Yerändornng  ders. 
II,  216. 

—  Oxydation  dors.  II,  217. 

—  physikal.  Yerändening  ders.  II,  220. 
V.usson(lerungsorgane,  Vertheilung  der  Aus- 
gaben auf  die  verschiedenen  II,  712. 

Vjisstossung  des  Eies  II,  444. 

—  der  Galle  H,  322. 

—  des  Harns  II,  429.  441. 

—  des  Samens  U,  441. 
Auswurfstoffe  H,  217. 
Vutomatie  I,  211. 

B. 

Bandmasse  I,  492. 
Bänder  I,  501. 

—  der  Wirbelsäule  I,  506. 
Barometerschwankung  II,  470. 

—  Einfluss  auf  die  Athmung  II,  470. 

Basen,  feuerbeständige  des  Harns  II,  406. 

Bauchmuskeln,  ihre  Bedeutung  für  d.  Blut- 
lauf II,  1 47.' 

Bauchpresse  U,  619. 
Bauchspeichel  II,  351.  645. 

—  Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 

II,  253. 

—  Ausstossung  dess.  II,  355. 

—  Bereitung  dess.  II,  254. 

—  Verdauungskraft  dess.  II,  641. 
Bauchspeicheldrüse  II,  350. 
Bauchwasser  II,  258. 
Banmfrüehte  als  Nahrung  II,  599. 
Becken  I,  511.  ' 
Beharrung  der  Geruchsnerven  I,  387. 

—  der  Geschmacksnerven  I,  394. 
Beharrungsvermögen  der  Nerven  I,  135. 

—  der  Retina  I,  309. 
Bell's  Gesetz  I,  156. 
BcDzoösäure  I,  36. 
Bcmsteinsäure  I,  27. 
Beweglichkeit  der  Wirbelsäule  I,  510. 
Bewegung  der  Brust,  Einfluss  auf  d.  Blut- 
lauf II,  143. 

—  der  Sehobjekte  I,  342. 

—  der  Hand  I,  518. 
Bewegungsachsen  der  Gelenke  I,  499. 
Bilifulvin  I,  42. 

Biliphain  I,  41. 
Bilivcrdin  I,  41. 
Bindegewebe  II,  251. 

—  Emälirung  dess.  II,  253. 

—  Formfolgo  dess.  II,  254. 

—  gemengt   mit   elastischem  Gewebe 

II,  256. 
Binnengerüclie  I,  3S8. 
Binnengcschmäcke  1,  394. 
Binnenobjekte,  leuchtende  I,  353. 
Binnenraum  der  Gelenke  I,  502. 
Binnentöue  I,  381. 
Blase  s.  Harn-,  Gallenblase. 


Blausäure ,  Einwirkung  a.  d.  Nerven  I,  1 26. 
Bloslegung  des  Rückenmarks  I,  166. 
Blut  II,  1. 

—  Albumin  in  dems.  II,  6. 

—  Asche  dess.  II,  9;  II,  26. 

—  Gasgehalt,  veränderlicher  dess.  II, 

471. 

—  spezifisches  Gewicht  II,  29. 

—  Veränderlichkeit  seinerBestandtheile 

mit  der  Nahrung  II,  37. 

—  Verhalten  in  den  Gefässen  II,  120. 

—  Verschiedenheit  nach  Geschlecht  u. 

Alter  II,  40. 

—  Wärme  dess.  II,  29.  721. 

—  Zusammensetzung  dess.  II,  1. 
Blutanalyse  II,  22. 

Blutarten  II,  30. 

Blutbereitung  aus  den  Speisen  II,  583. 
Blutbestandtheile,  aufgeschwemmte  II,  15. 

—  Zufuhr  neuer  d.  d.  Speisen  II,  583. 
Blutbewegung  II,  44. 

Blutblldung  II,  561. 
Blutdruck  s.  Stromspannung. 
Blutfibrin  I,  42. 
Blutflüssigkeit  II,  1. 

Blutfülle ,   veränderter   Druck   des  Blut- 
stroms durch  dieselbe  II,  160. 
Blutgase  I,  26;  II,  476. 
Blutgefässe  II,  105. 

—  Bau  ihrer  Wandungen  II,  105. 

—  Einfluss  ihrer  Muskeln  II,  115. 

—  Elastizität  ihres  Gewebes  II,  105. 

109. 

—  Muskelschicht  ders.  II,  106. 

—  Menge  ihrer  Muskeln  II,  107. 

—  Nerven  ihrer  Wandungen  II,  112. 

—  Reibung  in  dens.  II,  109. 

—  Verhalten  d.  Bluts  in  dens.  II,  120. 

—  Verknüpfung  der  Gewebe  ders.  unter 

einander  II,  107. 

—  Wirkung  der  Herzbewegung  auf  sie 

II,  131. 

Blutkörperchen,  arterielle  II,  33. 

—  farblose  II,  21. 

—  venöse  II,  33. 

—  Wände  ders.  n,  297.    S.  a.  Blut- 

scheiben. 

Blutkreislaufsschoma  nach  Weber  II,  74. 
Blutlauf  in  den  Capillarcn  und  Venen  II, 
174. 

—  in  den  kleinen  Arterien  II,  179 
Blutmenge  II,  40., 

Blutminerale  II,  9. 
Blutmisehungsänderungen  II,  37. 
Blutplasma  II,  1. 
Blutsalze  II,  9. 
Blutscheiben  II,  15. 

—  anatora.  Bau  ders.  II,  1 5. 

—  Asche  ders.  II,  19. 

—  Chemie  ders.  II,  16.  19. 


762 


Kogister. 


Blutschoiben,  Form  dors.  II,  15.  16. 

—  Gaso  ders.  II,  20, 

—  Verfahren  zur  Sonderling  ders.  II,  1 7. 

—  Vertheilung  ders.  im  Blutstrom  II, 

190. 

Blutsernm  II,  14. 

Bhitstrom ,  absolute  Werthe  der  Spannung 
in  dems.  II,  153. 

—  Bedeutung  der  Athembewegung  für 

dens.  II,   143.  ^ 

—  Constanten  dess.  II,  200. 

—  Einwirkung   der  Baucliwände  und 

Schwere  auf  dens.  II,  147. 

—  Gesehwindigkeit  dess.  II,  183. 

—  —    veränderte  mit  dem  Herzschlag 

II,  193. 
— ■    in  der  Leber  II,  318. 

—  Eichtung  dess.  in  d.  Gefässen  II,  123. 

—  Veränderlichkeit    des  Mitteldrucks  j 

in  dems.  mit  der  Blutfülle  II,  lüO. 

—  verfügbare  und  verlorene  Arbeits- 

kraft in  dems.  II,  201. 
— ■    Vertheilung  der  Blutkörperchen  in 
dems.  II,  190. 

—  Wirkung    der    Gefässmuskeln  auf 

dens.  II,    149.    S.  a.  Spannung. 
Blutveränderung  durch  Lungenathmung  II, 
539. 

—  in  den  Gefässen  II,  ^GO. 

—  bei  veränderter  Nahrung  II,  37. 
Blutwärmo  II,  29.  721. 

Blutwellon  II,  132. 

Brechende  Flächen  I,  259. 

Brechungsapparat,  allgemeinste  Aufgabe  des 
physiologischen  im  Auge  I,  252. 

Brechungsindiccs  der  durchsichtigen  Augen- 
medien I,  262. 

Brennebenen  I,  243. 

Brennpunkte  I,  242.  250. 

Brennweite  I,  243. 

Brücke's  Muskel  I,  283. 

Brustdruse  II,  448.    S.  a.  Milchdrüse. 

—  männliche  II,  449. 

—  der  Neugeborenen  II,  462. 

—  weibliche  II,  448. 

Brustraum,  constanter  und  veränderlicher 
II,  494. 

—  Volum  dess.  II,  493. 
Brustschlüsselbeingelenk  I,  512. 
Bruststimme  I,  561.  579. 
Brustwand,  Elastizität  ders.  II,  434. 
Brustwasser  II,  258. 

Buchstaben  I,  586. 

—  Bildung  ders.  I,  587. 
Butinsäure  I,  27. 

Butter,  Bestaudtheil  der  Frauenmilch  II, 

452.  455. 
Buttersäure  I,  25.  29. 

—  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Butyrin  I,  30. 


C. 

Capillargefasse  II,  108. 

—  Spannung  in  dens.  II,  174. 
Caprin ,  Capronin  ,  Caprylin  I,  30. 
Caprin-,  Capron-  u.  Caprylinsäurc  I,  25.  28. 

29. 

—  —  Wärmeeinheiten  ders.  II,  737. 
Carbonit  I,  41. 

Cardinalpunkte,  optische  I,  242. 

—  Aufsuchung  ders.  I,  249. 

—  C'onstructionsverfahren  bei  dens.  I, 

244. 

—  einfacher  brechender  Flächen  I,  248. 

—  der  Hornhaut  I,  265. 

—  der  Crystalllinse  I,  265. 
Casein  I,  44.  45. 

—  Bestandtheil  der    Frauenmilch  II, 

453.  454. 

—  Entstehung  dess.  II,  451. 
Cellulose  I,  33. 

Ccntralorgane  als  Bedingung  der  Erregbar- 
keit I,  123. 
Cerebrin  I,  33. 
Cerebrinsäure  I,  33. 

Chemische  Folgen  der  Leistungen  der  form- 
losen Elemente  I,  5. 
Chemismus,  Bedeutung  dess.  im  Loben  I,  3. 

—  als  Erreger  des  Gefühls  I,  406. 

—  als  EiTcger  des  Muskels  I,  436. 

.  —    als  Quelle  der  Nervenkräfte  I,  i-12. 
Chlorgehalt  des  Harns  II,  397. 
Chlorsalze,  alkalische  I,  21. 

—  erdige  I,  22. 
Chlorverbindungen  I,  21. 

—  Veränderlichkeit  der  Ausscheidung 

ders.  aus  dem  Harn  II,  398. 
Chlorwasserstoff  I,  21. 
Choleinsäure  I,  37. 
Cholepyrrhin  I,  42. 
Cholestearin  I,  32. 
Cholsäure  I,  38. 
Chondrigen  I,  56. 
Chondrin  I,  56. 
Choroidealgefässe  I,  276. 
Chromatische  Abweichung  am  Auge  I,  2S9. 
Chylus,  Aufsaugung  durch  die  Darmblut- 

gefässe  II,  665. 

—  Bestandtheile  dess.  DT,  659. 

—  abhängig  von  der  Nahrung  II,  661. 

—  abhängig  von   anderen  Umständen 

II,  663. 

—  hungernder  und  gefütterter  Thiere 

II,  662. 

—  Menge  dess.  II,  664. 
Chylusgef ässe ,  Anfänge  ders.  II,  654. 

—  Aufnahmefiihigkeit  verschied.  Nähr- 

stoffe durch  dies.  II,  666. 

—  Beziehung  ders.  zu  d.  Blutgefässen 

II,  663. 


Register. 


763 


:  tiylusgefässo,  Uebergang  d.  Fette  in  dies. 
,    II,  656. 

i   aymus  des  Dünndarmes  II,  646. 

■    —    des  Magens  II,  639. 

-    —    verschied.  Oi-te  des  Darmes  II,  647. 

i    )häsion  der  eiweissavtigen  Stoffe  1,  52. 

—  ihr  Einfluss  auf  die  Quellung  I,  72. 

—  der  Venenhaut  II,  109. 

i:  ohäsionszustände  der  Bildungsstoffe  II,  225. 

;   olla  I,  57. 

I   ollagen  I,  57. 

t   olostrurakörperchen  II,  450. 

;    ommunikation  d.  Nervenröhren  im  Eücken- 

mark  (siehe  Rückenmark), 
j    orapensation  am  Multiplicator  I,  96. 

—  am  Stimmorgan  1,  581. 
,>    omplementaire  Farben  I,  302. 

onstanten ,  optische  I,  259. 

—  des  Blutstromes  II,  200. 

'   'ontraction  der  Gefässwände  II,  112. 

;   lontrast  (Farben)  I,  315. 

T   lonvergenzen  des  Auges  I,  232. 

—  Beziehungen   zwischen   der  Qrö'sse 

der  Bilder  zur  Convergenz  der 
Strahlen  I,  248.  335.  338. 

j   lomea  I,  264;  II,  260.    S.  a.  Hornhaut. 

•   .rystallin  1,  44. 

^  /'y anVerbindungen  des  Aethyls  I,  26. 

—  des  Amyls  I,  27. 

—  des  Methyls  I,  26. 
Jylinderrohr ,  gerades,  Stromgeschwindig- 
keit in  deras.  II,  56. 

::ysttn  I,  39. 

D. 

l  Oamalursäure  I,  36. 
iOamolsäure  I,  36. ' 

i  Darmdrüsen  II,  365  (schlauchförmige), 
armgase  II,  652. 

armnerven,  Hunger  durch  Erregung  ders. 
n,  584. 
ODarminhaltbewegung  II,  619. 
DDannsaft,  reiner  II,  643. 

—  in  Verbindung  mit  Galle ,  Bauch- 

speichcl  etc.  II,  645. 
1  Darm  Verdauung,  natürliche  und  künstliche 

II,  640. 
I  Darmzotten  II,  654. 
IDeckhäute,  einfache  II,  241. 
IDickdarm ,  Mechanismus  seiner  Bewegung 

II,  618.  651. 
IDickdarmsäfte  II,  650. 
IDiffusion  I,  59;  II,  210. 

—  physiolog.  Bedeutung  ders.  I,  83. 

—  der  Gase  I,  60.  S.  a.  Gasdiffusion. 

—  durch  Thon,  Collodium-,  Herzbeutel-  I 

platten  II,  211.  i 

—  einer  Lösung  fester  Körper  in  Wasser  ; 

I,  68.  69.  1 


Diffusion  eines  Lösungsgemenges  in  Wasser 
I,  69. 

—  tropfbarer  Flüssigkeiten  I,  63.  (in 

einander)  65.  70. 

—  Veränderungen   des  Harns  in  der 

Harnblase  durch  dies.  II,  433. 

—  von  Flüssigkeiten  (in  Luftarten)  I, 

63.   (in  thier.  Stoffe)  I,  70. 

—  von  Lösungen  u.  Lösungsgemengen 

in  feste  Stoffe  I,  69.  72. 

—  Vorkommen,'physiolog.,  ders.II,  213. 

—  zweier    Flüssigkeiten    durch  eine 

Scheidewand  I,  75. 

—  zweier  Gasarten  durch  eine  wässe- 

rige Scheidewand  I,  63. 

—  zweier  Lösungen  in  einander  Ij  65,70. 

—  zwischen  Lösungen,  deren  Lösungs- 

mittel sich  nicht  mischen  I,  70. 

Diffusionsgeschwindigkeit  I,  68. 69  ;  II,  211. 
Diffusionsstrnm   gegen    die  Lymphgefässe 

II,  655. 
Dioptrik  des  Auges  I,  241. 
Dipolare  Anordnung  I,  106. 

—  —    Theorie  ders.  I,  106. 
Direktes  Sehen  s.  Sehen. 
Doppelbilder  I,  332. 
Doppelschlägigkeit  des  Pulses  II,  171. 
Doppeltsehen  mit  einem  Auge  I,  316. 

—  mit  zwei  Augen  I,  328. 

Drehbewegungen  am  Auge  I,  227. 
Drehpunkt  des  Auges  I,  230. 
Druck ,  die  Nervenerregbarkeit  zerstörend 
I,  134. 

—  als  Erreger  des  Muskels  I,  436. 
Druckmesser  II,  53.  155.  157. 

—  Theorie  dess.  II,  158. 

Drucksinn  I,  415. 

—  Hülfe  d.  Muskeln  bei  dems.  I,  415. 

—  Verbindung  mit  Wärmesinn  I,  418. 
Drüsen,  Antheil  ders.  an  d.  Lymphbildung 

II,  580. 

Drüsennerven,  Erregung  ders.  I,  112. 
Du  Bois'sches  Gesetz  d.  elektrischen  Mus- 
kelerregung I,  438. 

Dünndarm ,  Flüssigkeiten  dess.  II,  640. 

—  Chymus  dess.  II,  646. 

—  Mechanismus  seiner  Bewegung  II, 

614. 

Peptone  Q)  dess.  II,  6i8. 

Dünndarmaderblut  II,  36. 
Dünndarmverdauung,  künstliche  II,  640. 

—  natürliche  II,  649. 
Durchschneidung   des  Rückenmarkes  oder 

einiger  Theile  dess.  I,  166. 
Durst  ir,  586. 

Dynamische    Folgen   der   Leistungen  der 
formlosen  Elemente  I,  6. 


764 


Register. 


E. 

Ei,  Ausstossung  dess.  II,  444. 
Ejaculatio  sominis  II,  441. 
Eibildung  II,  443. 
Eier  als  Nahrung  II,  594. 
Eierstock  II,  442. 

—  chemische  Beschaffenheit  II,  443. 
Eigenwärme,  Aenderung  ders.  mit  der  Tem- 

I)cratur  der  Umgebung  II,  729. 
Eileiter,  Bewegungen  ders.  II,  444. 
Einathmungsbewegung ,  Einfluss  ders.  auf 

den  Blutlauf  II,  146. 
Eindringen  fester  Körper  in  die  Gefässe 

II,  143. 

Einfachsehen  mit  zwei  Augen  I,  326. 
Eingeweide,  Wärme  ders.  II,  722. 
Einrichtung  s.  Accommodation. 
Einrichtungsbewegungon  des  Auges  I,  284. 
Einrichtungsmittel  zur  Accommodation  des 

Auges  I,  274. 
Einziehung  der  Luft  in  d.  Lungen  II,  481. 
Eisen  im  Blute  II,  8. 
Eisenoxyd,  phosphorsaures  I,  23. 
Eiweiss  I,  42 ;  II,  3 ;  s.  a.  eiweissartigc 
und  Eiweissstoffe.  - 

—  Abkömmlinge  dess.  II,  217. 
Eiweissartige  Stoffe  I,  42. 

— •    —    als  Träger  des  Lobens  I,  47. 

—  —    als  Wärmeleiter  I,  55. 

—  —    Filtration  durch  dies.  I.  55. 

—  —    ihre  Cohäsion  I,  52. 

—  —    ihre  ehem.  Eigenschaften  I,  50. 

—  —    ihre  feste  Form  I,  51. 

—  —    ihre  Gährung  I,  47.  48. 

—  —    ihr  Aggregatzustand  I,  50.  51. 

—  —    ihre  Imbibition  I,  52.  54. 

—  —    ihre  Katalyse  I,  47.  50. 

—  —    ihre  Leitungsfähigkeit  für  Elek- 

trizität I,  55. 

—  —    ihre  physik.  Eigenschaften  I,  50. 

—  —    ihre  Qucllung  I,  52. 

—  —    ihre  Zersetzungserscheinungen 

I,  45.  47.  48;  JI,  217. 

—  —    Theorie  ihrer  Zusammensetzung 

I,  44. 

Eiweissentbehrung  II,  683. 
Eiweissfütterung  II,  686. 
Eiweissstoffe  d.  Blutflüssigkeit  II,  7. 

—  der  Blutkörperchen  II,  19. 

—  Sättigungsnicderschlag  ders.  II,, 628. 
Eiweissvcrdauung  durch  künstlichen  Lab- 
saft II,  627. 

Ekel  II,  377. 

Elastizität  der  Brustwand  II,  484. 

—  der  Gefässwände  II,  109. 

—  der  Lungen  II,  483. 

—  dos  Muskels  U,  429.  456. 
Elastischer  Stoff  I,  50. 

—  —    in  der  Gefässwand  II,  77. 


Elastisches  Gewebe  II,  177. 
Elektrische  Eigenschaften  d.  Muskeln  I,  424. 
Elektrisches  Leitungsvermögen  der  Nerven 
I,  110. 

Elektrizität,  allgem.  Bedeutung  im  Loben 
I,  8. 

—  als  Erreger  des  Gefühls  I,  395. 

—  als  Erreger  des  Muskels  I,  325.  1 
Elcktroncgative  Schwankung  in  den  NciJ 

vcnmolekülen  1,  108.  1 
Elektromotorische  Anordnungen  I,  97.  J 

—  Eigenschaften  d.  Nervenröhren  I,  89 
Elektromotoriscbcr  Zustand  I,  98.  ^ 

—  Gesetze  dess.  I,  100. 

—  Theorie  dess.  I,  104. 
Elementarbau  d.  verlängerten  Markes  I,  187. 

—  dos  nerv,  sympath.  I,  213. 
Elementare  Bedingungen  des  Lebens  I,  2. 
Elemente,    Leistungen    der  formlosen  im 

Organism.  I,  3. 

—  chemische  Folgen  ders.  I,  5. 

—  dynamische  Folgen  ders.  1,  6. 
Ellenbogengelenk  I,  514. 
Empfindungsorgane  I,  592. 

—  Veränderungen  ders.  durch  die  Mus- 

keln oder  Muskelnervcn  I,  48C. 
Endosmose  I,  75;  s.  a.  Diffusion. 
Endosmotisches  Aequivalent  I,  76.  79. 

—  —    Bestimmung  dess.  I,  76. 

—  —    Theorie  dess.  I,  81. 
Entfernung,  Beurthoilung  ders.  beim  Sehen 

I,  336. 

Entoptische  Erscheinungen  I,  349. 
Entzündung,  Brücke's  Theorie  II,  176. 
Epidermis  II,  236. 

—  Athmungsverluste  ders.  II,  551. 

—  Durchdringbarkeit  ders.  II,  2Tl7. 

—  Ernährung  ders.'  II,  238. 
Epithelien  II,  234. 

—  Anatomie  ders.  II,  234. 
- —    Chemie  ders.  II,  235. 

—  geschichtete  II,  234. 

—  Quellungscrscheinungen  ders.  II,  236. 
Erbrechen  II,  620. 

Erden  im  Harne  II,  406. 

—  phosphorsaure  I,  23. 
Erektion  II,  439. 
Ermüdung  I,.  446. 

Ernährung  der  Epidermis  II,  238. 

—  der  Haare  II,  245. 

—  der  Knochen  II,  275. 

—  der  Knorpel  II,  269. 

—  der  Muskeln  II,  295. 

—  der  Nerven  II,  290. 

—  der  Niere  II,  429. 
Ernährung,  Physiologie  ders.  II,  1. 

—  der  Zähne  II,  282. 
Erregbarkeit  des  Herzons  II,  89. 

—  der  Nerven  I,  12.  118. 

—  des  Ilückonmarks  I,  182. 


llegister. 


765 


r oi^barkeit ,  veränderte  I,  118. 
-    —    im  Hirn  I,  185.  210. 

Bedingungen  d.  veränderten  I,  120. 
'  des  EückeniAarkes  (s.  Eückenmark). 
i  ger  der  Nen'en  I,  112. 

—  der  Gefulilsnerven  I,  395.  (f.  beson- 

dere Gefühle)  I,  407. 

—  der  Gehörnerven  I,  373. 

—  der  Geruchsnerven  1,  3S2. 

—  der  Geschmacksnerven  I,  389. 

—  der  Herznerven  II,  92. 
~    des  Muskels  I,  435. 

regung ,  Abhängigkeit  ihrer  Stärke  von 
der  des  Erregers  I,  113. 

—  Abhängigkeit  ihrer  Stärke  von  der 

Zahl  der  getroffenen  NervenrÖh- 
ren  I,  133. 

—  ihr  Verhältniss  zur  Erregbarkeit  der 

Nerven  I,  120. 

-  des  Herzens,  unmittelbare  II,  92. 

-  Mittheilung  ders.  I,  169. 

-  Leitungsgeschwindigkeit    ders.  im 

Nerven  I,  137. 
Nachwirkung  ders.  I,  135. 

—  Wechsel  ders.  mit  dem  Erreger  I, 

131. 

—  -willkürlich  motorische  I,  598. 

—  Uebertragung  ders.  I,  169. 
gung  der  Sehnerven  I,  306.  . 

-  —    durch  Elekta-izität  I,  309. 
—    durch  LiAt  I,  306 

—  —    mechanische  I.  308. 
regungsmittel  der  Nerven  I,  112. 

[  t  gungszustände,  verschiedene  d.  Nerven 
I,  116. 

—  Mittheilung  ders.  in  den  Nerven- 

röhren des  Hirns  I,  205. 
-igsäure  I,  25.  29. 

—  Wärraeeinheiten  ders.  II,  737. 
tachi'sche  Eöhre  I,  371. 

Ivente  d.  articnlirenden  Flächen  I,  498. 
lute  der  articuUrenden  Flächen  I,  498. 
letion  des  Harnes  II,  418. 
piration  II,  483. 
irakte  im  Harne  II,  397. 

F. 

Itcn  der  Dünndarmschleimhaut,  Mecha- 
nismus ders.  II,  614. 
rbenmischung  I,  302. 
'lonuntcrscheidung  I,  311. 
I  Stoffe,  thierische  I,  41. 

im  Harne  II,  395. 
r,  Eemak'sche  I,  214. 
rstoff  I,  42;  II,  1.  573. 

—  Formen  dess.  I,  42.  43. 
rstoffschollen  I,  43;  il,  21. 

■  rzelle,  muskulöse,  Physiologie  ders.  I, 
174. 


Fascien  I,  530. 

Ferment  der  Leber  II,  310. 

—  Pepsin  als  solches  II,  633. 
Fernpunkte  I,  255. 
Fernsichtigkeit  I,  258. 
Fettähnliche  Stoflfe  II,  8. 
Fettdrüsen  II,  265. 

Fette  II,  8.  573.  S.  a.  neutrale  Fette. 

—  Beziehung  zur  Zellenbildung  I,  31. 

—  in  der  Leber  II,  314. 

—  Nutzen  der  Galle  und  des  Bauch- 

speichels zu  ihrer  Assimilirung 
II,  658. 

—  phosphorhaltiger  in  d.  Blutscheiben. 

II,  19, 

—  tägliche  Aufnahme  dess.  durch  den 

Darm  II,  668. 

—  Uebergang  ders.  in    die  Chylusge- 

gefässe  II,  656. 
Fettemulgirung  im  Dünndarme  II,  656. 
Fettnahrung  II,  706. 
Fettresorption  II,  656. 
Fettzellen  II,  284. 

—  Bau  ders.  II.  285. 

—  Füllung  ders.  II,  287. 

—  Mechanismus  ders.  II,  287. 
Feuchtigkeit,  Einfluss   ders.  auf  Nerven- 
leitung I,  125. 

Filtration  zur  Sonderung  d.  Blutkörperchen 
II,  17.  205. 

—  chemische  Scheidung  durch  selbige 

II,  209. 

—  durch  todte  Häute  II,  207. 
Filtrationsstrom   gegen   die  Chylusgefässe 

n,  655. 
Fistelstimme  I,  561.  579. 
Flächen,  articulirende ,  Evolvente  u.  Evo- 
lute ders.  I,  498. 

—  brechende ,  Krümmungshalbmesser 

ders.  I,  259. 
Fleisch  als  Nahrung  II,  592. 
Fleischbrühe  II,  3»?2. 
Fleischnahrung,  reine  II,  705. 
Flimmerhaare  II,  241. 

—  Beschleunigung  ihrer  Bewegung  II, 

242. 

Flüssigkeiten,  schmeckbare  I,  390. 

—  seröse  II,  257. 
Flüssigkeitsströme  II,  48. 

—  durch  die  Gefässwand,  ihre  Bedeu- 

tung für  den  Blutstrom  II,  150. 
Flüstern  I,  585. 
Fluorcalcium  I,  23. 

Folgerungen  für  die  Anordnung  elektrischer 

Theilc  im  Nerven  I,  97. 
Formbildung,  organische  II,  221  u.  folg. 
Formen,  ihre  Leistungen  im  Organismus 

I,  11. 

Formende  Kräfte  II,  227  u.  folg. 
Formfolgo  II,  229. 


766 


Kegistcr. 


Fovea  centralis  1,  298. 
Froschschenkol,  stromprUfendor  I,  92. 
Fruchthälter  II,  445. 
Fuss,  als  Stützpunkt  d.  Körp.  I,  550. 
Fussgeleuko  I,  526. 

Fusswurzol-Mittelfussgelenke  I,  527  u.  folg. 


G. 


Qährungen  I,  34. 
Galle  II,  320.  640. 

—  Ausfuhr  ders.  II,  322. 

—  Einwirkung  ders.  auf  die  Verdauung 
.    II,  640. 

—  Mechanismus  ihrer  Absonderung  II, 

322. 

—  Menge  ders.  II.  326. 

—  Veränderlichkeit  ders.  II,  321. 

—  Zusammensetzung  ders.  II,  320. 
Gallenabsonderung,  Geschwindigkeit  ders. 

II,  322. 

—  Abhängigkeit  ders.  ron  d.  Nahrung 

II,  323. 
Gallenfarbstoff  I,  41. 
Gallenfisteln  II,  325. 
Gallenmenge  II,  326. 
Gallensäure  II,  219. 

Gallenwasser,  Absonderungsgoschwindigkeit 

dess.  II,  324. 
Galvanische  Ströme,  Einfluss  ders.  auf  die 

Nerven  I,  127. 
Ganglienkörper  I,  147. 

—  als  Erreger  I,  147. 

— •    die  Erregung  modificirend  I,  147. 

—  —    übertragend  I,  147. 

—  verschiedene  Arten  ders.  I,  125. 

Gasarten  des  Blutes  II,  20. 

Gasaustauseh ,  zwischen  Blut  und  Atmo- 
sphäre II,  476. 

Gasdiffusion  I.  60.  83. 

—  Dalton's  Gesetz  I,  CO. 

—  durch  trockne  Scheidewände  I,  60, 

—  in  tropfbaren  Flüssigkeiten  I,  61.  63. 

—  der  Gasarten  unter  sich  I,  65. 

—  Graham's  Gesetz  I,  65. 

—  in  den  Lungen  II,  537. 

—  Mariotte's  Gesetz  I,  61. 

Gase ,  Absorptionscoefficient  ders.  in  Flüs- 
sigkeiten I,  62. 

—  des  Blutes  II,  476. 

—  Gewinnung  ders.  aus  d.  Blute  (nach 

Ludwig)  II,  477. 
~    im  Harn  II,  412. 
Gaswechsel ,  gosamrater  des  thier.  Körpers 
II,  553. 

Gaumen ,   Thätigkoit  dess.  bei   der  Ver- 
dauung II,  005. 
Gebärmutter  s.  Gesohlechtswerkzeuge. 
Gefässhaut  des  Auges  I,  276. 


Gefässlumcn,  Veränderlichkeit  dess.  mit  der 
Vertheilung  der  Gefässe  II,  1  j  7. 

—  Ein-  und  Austritt  von  Flüssigkeiten 

II,  150. 

Gefässrauskeln ,  Einwirkung  ders.  auf  den 

Blutstrom  II,  149. 
Gefässnerven  II,  1 1 2. 

—  physik.  Eigenschaften  ders.  II,  10s. 
Gefässräumlichkeit  II,  HG. 
Gefässsystem ,  Äichtung  dauernder  Ströme 

in  solch.  II,  123. 
Gefässwandungen  II,  108.  297. 

—  Nerven  ders.  II,  IT.'. 
Gefühlsnerven ,  zur  Anatomie  ders.  I,  404, 

—  für  besondere  Gefühle  I,  403. 

—  Erreger  für  dies.  I,  406. 
Gefühlssinn  I,  394. 

—  ehem.  Atome  als  Erreger  dess.  I,  398. 

—  Electrizität  als  Erreger  dess.  I,  395. 
• —    Erreger  dess.  I,  395. 

—  Temperatur  als  Erreger  dess.  I,  398. 
Gehen  I,  549. 

—  natürliches  I,  555. 
Gehör  I,  354. 

—  musikalisches  I,  380. 
Gehörempfindung,   Nachaussensetzen  ders. 

I,  380. 
Gehörknöchelchen  I,  364. 

—  akustische  Vorgänge  in  solch.  I,  368- 

—  —  Schallleitung  dnrch  dies.  I,  367 
Gehörnerv  s.  Nerv,  acustic. 

—  Erregungsmittel  dess.  I,  373. 

—  Schallleitung  zu  dems.  I,  359. 
Gelenkachsen  I,  499. 

Gelenke,  Binnenraum  ders.  I,  502. 

—  Flächen  ders.  f.  d.  Bewegung  I,  496. 

—  der  Eippen  I,  511. 

—  Kotationsflächen  ders.  I,  497. 

—  Steifung  ders.  beim  Stehen  I,  551. 

—  zwischen  Atlas  u.  Epistroph.  I,  504. 

—  —    Hinterhaupt  und  Atlas  I,  503. 
Gelenkgrube  \ 
Gelenkkopf  ) 
Gelenkschmiere  II,  259. 
Gemeingefühl  I,  395. 

Geräusch  I,  379. 
Gerste  II,  597. 

Geruchsempflndungen ,  Beharrungsvermögen 
ders.  I,  387. 

—  Nachaussensetzen  ders.  I,  387. 

—  Vermischung  ders.  I,  387. 
Geruchssinn  I,  382. 

—  En-egungsmittel  dess.  I,  382. 
Geruchsnerv  s.  Nerv,  olfact. 
Geruchsstäi-ke  I,  384. 
Geruchsvorstellungen  I,  388. 
Gesammtauge  I,  265. 
Gosammtblut  II,  22. 

Gesaramteinnahme,  Beziehung  der  tngl.  zw 
Wärmeausgabe  II,  745. 


des  Auges  I,  229. 


iBegister. 


767 


i  esammteinnahme,  Gasarten  dess.  II,  26. 

—  Zusammensetzung  dcss.  II,  24. 
iesammtliarn  II,  414. 

i^^sammthunger  II,  672. 

'sammtmilcli  II,  457. 

i  schlechtswerkzouge,  mänol.  I,  434. 

—  weibliche  I,  442. 
ieschmacksempfindung  I,  389. 

—  Art  ders.  I,  390. 

—  Erreger  ders.  I,  389. 

—  Galvanismus  als  Eixeger  I,  390. 

—  Flüssigkeiten  als  Erreger  I,  39ü. 

—  Geschwindigkeit  ders,  I,  393. 

—  Ort  ders.  I,  391. 

—  Stärke  ders.  I,  392. 
Oleschmacksnerv  I,  112. 
iTeschmackssinn  I,  388. 

eschmacksstärke  I,  392. 
I  schmacksvorstellungen  I,  393. 
'  schwindigkeit  verschied.  Flüssigkeitsfäden 
eines  Stromes  Ii,  53. 

—  des  Blutstroms  II,  183. 

—  —    abhängig  v.  Herzschlag  II,  193. 

—  gleich-  od.  ungleichförmige  II,  195. 

—  abhängig  v.  Spannungsunterschieden 

u.  andern  Bedingung.  II,  194.  196. 

—  Mehi-ung  ders.  im  Blutstrom  (nach 

Weber)  II,  184. 

—  —    auf  Stromquerschnitten  II,  189. 

192. 

I  iesetz  der  Zuckungen  I,  437. 
liesichtsnerv  s.  Nerv,  opticus. 
(Gestaltung  organ.  Niederschläge  II,  225  u.  f. 
Liewebe,  elastisches  II,  249. 

—  der  Gefässe  II,  105. 
Gewichtsverlust  beim  Hungern  II,  683. 

—  durch  Hautausdünstung  II,  553. 
lanz  I,  344. 

laskörper  I,  274  ;  II,  265. 
■  luichgewichtsgcfühl  I,  488. 
uleichzeitigkeit  der  Bewegungen  in  den 
Eiern  entartheilen  einzelner  Herzabthlgn. 
II,  103. 
•  Globulin  I,  44;  II,  19. 
(Glycerin  I,  30.  33. 
( Glycerinphosphorsäure  I,  33. 
t  Glycin  I,  40. 
'  Glycocholsäure  I,  37. 
Glycocoll  I,  37. 

Qrössenbeurtheilung  beim  Sehen  I,  335. 
Grundfarben  I,  302. 

I  Gruppirung  der  Nervenröhren  im  llückcn- 
mark  s.  RUckenmark. 

H. 

Uaarbalgdrüsen  II,  366. 
Haare  II,  244. 

—  Ernährung  ders.  II,  245. 

—  Lebensdauer  ders.  II,  248. 


Haare,  Wachsthum  ders.  II,  247. 
Haargofässe  s.  Capillaren. 
Haarsäckchen  II,  246. 
Hämatin  I,  41  ;  II,  246. 
Hämatoidin  I,  41. 
Hämadromometer  II,  184. 
Hämatocrystallin  II,  19. 
Hämin  II,  19. 
Hafer  II,  597. 
Halsbewegung  I,  509. 
Halsgelenke  I,  509. 
Hammer,  Bewegung  dess.  I,  365. 
Handbewegung  I,  518. 
Handgelenke  I,  516. 
Handwurzelgelenke  I,  517.  519. 
Harn  II,  378. 

—  Ausstossung  dess.  a.d.  Niere  II,  429. 

—  Beziehung  zwischen  Abfluss  u.  Zu- 

sammensetzung dess.  II,  423. 

—  Einiiuss  der  Spannungsunterschiede 

zwischen  Blut  und  Harn  II,  420. 

—  HarnstofiFe  in  dems.  u.  in  der  Nah- 

rung II,  384. 

—  physikalische  Eigenschaften  II,  415. 

—  seltnere  Bestandtheile  dess.  II,  416. 

—  Verhältniss  zwischen  Basen  u.  Säu- 

ren dess.  II,  407. 

—  Wassergehalt  dess.  II,  408. 
Harnbereitung  II,  418. 

—  Einfluss  der  Blutzusaramensetzuug 

auf  dies.  II,  422. 

—  Hypothesen  zur  Erklärung  ders.  II, 

425. 

—  Nerveneinfluss  bei  selbiger  II,  42 1 . 
Harnbestandtheile,  seltnere  II,  416. 
Harnblase,  Bewegung  ders.  II,  430. 

431. 

Harnfarbstoffe  I,  42;  II,  395, 
Harngase  II,  412. 

Harngährung  in  der  Blase  II,  432. 
Harnige  Säure  I,  39. 
Harnleiter  II,  430. 

Harnröhre,  Ausstossung  v.  Harn  u.  Samen 

aus  ders.  II,  441. 
Harnsäure  I,  38;  II,  389. 

—  ihre  Zersetzungen  I,  38 ;  II,  389. 

—  im  Blute  II,  9. 
Harnstoff  1,  40.  41  ;  II,  379. 

—  Beziehung  dess.  zur  Nahrung  11,  387. 

—  —    zum  Harnvolum  II,  383. 

—  im  Blute  II,  9. 

—  Yerändcrliclikeit  des  täglich  entleer- 

ten II,  380.  381. 
Harnstoffausscheidung ,    Mittelzahlen  ders. 
II,  388. 

—  Veränderung  ders.  je  nach  Tempe- 

ratur, Muskülbewegung,  Tages- 
zeiten u.  8.  w.  II,  385.  u.  folg. 

Harnstoffontstehung  II,  381. 

Harnwcrkzouge  II,  373. 


768 


Eegister. 


Uarnzucker  I,  34. 

Harze  im  Harn  II,  397. 

llauptbrennobeuen  I,  243. 

Haut,  Ortssinn  der  bewegten  I,  413. 

—  —    der  ruhenden  I,  407. 

■  —    Würraeverluste  durch,  dies.  II,  751. 

Hautaderblut  II,  1. 

Hautathmung  II,  550. 

Hautstellen,  Raumunterscheidung  an  dens. 

I,  410. 
Häute ,  seröse  II,  256. 
Herz,  Erregbarkeit  dess.  II,  89. 

—  —  Eigenthümlichkeit  ders.  II,  91. 
— •    Mechanismus  dess.  II,  89. 

—  Muskelröhren  dess.  II,  78. 
Herzatrien  s.  Vorkammern ;  Herzkammern. 
Herzbewegung,  Dauer  ders.  II,  88. 

—  Einfluss  ders.  auf  die  Geschwindig- 

keit des  Blutstroms  II,  193. 

—  Folgen  ders.  in  den  Gefassröhren 

II,  131.  141. 

—  Reihenfolge  ders.  II,  88. 

—  Rhythmus  ders.  II,  87. 

—  Zusammenhang  ders.  mit  den  Ath- 

mungsbewegungen  II,  492. 
Herzkammern,  Inhalt  ders.  II,  76. 

—  Zusammenziehung  ders.  II,  128. 
Herzmuskulatur  II,  78. 

Herzschlag  II,  89.  92. 

—  Einfluss  dess.  auf  die  Geschwindig- 

keit des  Blutstroms  II,  193. 

—  Häufigkeit  dess.  II,  100. 

—  —    Aenderung  ders.  mit  der  Nah- 

rung II,  101. 
Herzstoss  II,  83. 
Herztöne  II,  104. 
Herzwasser  II,  258. 
Hinterhauptgelenk  I,  504. 
Hippursäure  I,  36. 

—  im  Blute  II,  9. 

—  im  Harn  II,  391. 
Hirn  I,  187;  II,  291. 

—  Anordnung    der    Muskelnerven  in 

dems.  I,  485. 

—  Beziehungen  dess.  zu  den  Nerven- 

wurzeln I,  163. 

—  ehem.  Zusammensetzg.  dess.  II,  291. 

—  Ernährung  dess.  II,  294. 

—  Erregbarkeitsverhältnisse   in  dems. 

II,  210. 

—  Mittheilung  der  Nervenerregung  in 

dems.  1,  205. 

—  motorische  Nervenwurzeln  in  dems. 

I,  485. 

—  sensible  Nervenwurzeln  in  dems.  I, 

205. 

Hirnnorven  I,  187. 

—  Ausbreitung  und  Funktionen  ders. 

1,  190. 

Himthoile,  Verletzung  einiger  I,  208. 


Hirnwasser  I,  257. 
Hoden  II,  434. 

—  Bau  ders.  II,  434. 

—  Beiwerkzeuge  ders.  II,  438. 
Hodenwasser  II,  259. 

Hohlvene,  untere,  Blut  ders.  II,  37. 
Holzkohle,  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Hören  gleichzeitiger  Töne»I,  375. 
Hornhaut  I,  2C4 ;  II,  260. 

—  Ernährung  ders.  II,  263. 
— -    Quellung  ders.  II,  262. 

Horopter  I,  329. 
Hüftgelenk  I,  521. 

Hühnerei  als  Nahrungsmittel  II,  593. 
Hülsenfrüchte  als  Nahrungsmittel  II,  598. 
Hunger  II,  584.  S.a.  Hungern,  Verhungern. 

—  Bedingungen  zur  Erzeugung  u.  Stil- 

lung dess.  II,  585. 
Hungern,  allgemeines  II,  672. 

—  partielles  J!I,  684. 
Hungernerven  II,  583. 
Hydrodiffusion  II,  205. 
Hydrodynamik  II,  45. 
Hydrostatik  II,  44. 
Hydrotsäure  I,  39. 
Hypoxanthin  I,  39. 

I. 

Identische  Nctzhautstellen  I,  326. 
Imbibition  I,  70. 

—  eiweissartiger  Stoffe  I,  52.  54. 
Induktion  der  Retinalthcile  I,  314. 
Inosinsäure  I,  39. 

Inosit  I,  34. 

—  im  Harn  II,  394. 

—  in  der  Leber  II,  312. 
Inspiration  II,  481. 

Intercostalmuskeln,  Wirkung  beim  Äthmen 
II,  481. 

Intermediärer  Kreislauf  II,  562. 
Iris  I,  277. 

—  Bewegung  ders.  I,  279 
Irradiation  I,  314. 

Isolirte  Leitung  der  Erregung  den  Nerven 
I,  136. 

K. 

Käsegehalt  der  Milch  II,  454. 
Kalk,  oxalsaurer  I,  24. 
Kalkerde,  kohlensaure  I,  21. 

—  phosphorsaure  I,  23. 
Kartoffeln  II,  599. 

Katalyse  der  eiweissartigcn  Stoffe  I,  47. 
Kauen  II,  607. 
Kegelgelenk  I,  496. 

Kehldeckel,  Thätigkeit  dess.  bei  der  Ver- 
dauung II,  605. 
Kiefcrmuskeln  I,  548. 
Kieselsäure  I,  24. 


Eegister. 


769 


Klang  I,  377. 
Xleesäure  I,  39. 
Kniegelenk  I,  522. 
Kniescheibengelenk  I,  525. 
Knochen  I,  491;  II,  272. 

—  Artikulation  ders.  I,  496. 

—  Bau  ders.  I,  491;  II,  272. 

—  ehem.  Zusammensetzung  II, .  273. 

—  —    Veränderlichkeit  ders.  II,  274. 

—  Ernährung  ders.  II,  275. 

—  Entstehung  ders.  II,  276. 

—  Form  ders.  I,  492. 

—  Verbindungen  ders.  I,  495. 

—  Wachsthura  ders.  II,  277. 

—  —    Bedingungen  dies.  II,  278. 
Knochenmasse  I,  491. 
Knorpelgewebe  I,  492;  II,  269. 

—  Wachsthum  dess.  II,  270. 
Knotenpunkte  I,  241. 

:  Kochen  des  Fleisches  II,  592. 
!  Kochkunst  II,  592. 

i  Kochsalzlösung,  Einfluss  ders.  auf  die  Ner- 
ven I,  125. 
1  Körner  als  Nahrung  II,  594. 
1  Kohlenhydrate  im  Harn  II,  392. 
i  Kohlensäure  I,  20. 

—  Absonderungsgeschwindigkeit  ders. 

n,  504. 

—  beim  Athmen  II,  504. 

—  Bildungsort  ders.  II,  473. 

—  in  der  Atmosphäre  II,  466. 

—  im  Blute  II,  13. 

—  im  Harne  II,  046. 

—  Veränderung  ders.  beim  Athmen  II, 

504. 

Kohlensäureauscheidung  durch  die  Lungen 
II,  505. 

abhängig  von  den  Athembewegungen 
n,  509.  513. 

—  —    von   der    Aufenthaltszeit  der 

Luft  in  d.  Lungen  II,  511. 

—  —    von  der  Blutmischung  II,  521. 

—  —    vom  Blutstrom  II,  516. 

—  —    von  der  Einathmungsstufe  II, 

517.  549. 

—  —    von  d.  geathmeten  Luftvolura 

II,  512. 

—  —    vom  Luftdruck  II,  520. 

—  —    von  d.  Lufttemperatur  II,  518. 

—  —    von  der  Lungenwand  II,  527. 

—  —    V.  d.  Muskelthätigkeit  II,  514. 

—  —    von  der  Nahrungsaufnahme  II, 

523. 

—  —    V.  verschied.  Ursachen  II,  528. 

—  absolute  und  proccntische  II,  529. 

—  mittlere  U,  529. 

—  Theorie  ders.  II,  504. 

—  variabel  mit  der  Tageszeit  II,  514. 
Kohlensäuregehalt  der  Athmungsluft,  mitt- 
lerer II,  504. 

Ludwig,  Pliygiologle  II.  2.  Auflage. 


Kohlenstoffausgabe  II,  713. 

Kohlenwasserstoffgas  I,  19. 

Konsonanten  I,  588. 

Kopfbewegung  I,  543. 

Kopfknochen,  Schallleitg.  durch  dies.  I,  372. 

Kopfmuskeln  I,  543. 

Koth  II,  621.  651. 

Kothen  II,  621.. 

Krampf,  übertragener  I,  171. 

Kranzarterien,  Verschluss   ders.  durch  die 

Seniilunarklappen  II,  129. 
Kroatin  I,  10. 

—  im  Blute  II,  9. 

—  im  Harn  II,  389.  ■ 
Kreatinin  I,  40. 

—  im  Blute  II,  9. 

—  im  Harne  II,  389. 

Kreislauf,  kleiner ,  Spannungsverhältnisse 
in  dens.  II,  180. 

Kreosot,  seine  Wirkung  a.  d.  Nerven  I,  126. 

Krümmungshalbmesser  brechender  Augen- 
flächen I,  259. 

Krystalllinse  I,  264.  274. 

Kugeldrehung  mit  Bezug  a.  d.  Auge  I,  226. 

Kugclflächen,  brechende,  Objectbilder  ders. 
I,  247. 

Kugelgelenk  I,  496. 

Kurzsichtigkeit  I,  258. 

Kymographion  II,  122. 

L. 

Labdrüsen  II,  355. 
Labdrüsensaft,  künstlicher  II,  5. 
Labsaft  II,  356. 

—  Absonderungsgeschwindigk.  II,  358. 

—  Ausstossung  dess.  II,  361. 

—  Bereitung  dess.  II,  359. 

—  künstliche  Verdauung  durch  dens. 

II,  626. 

—  Gehalt  an  Säure  u.  Pepsin  II,  631. 

—  Lösung  d.  Eiweisskörper  durch  dens. 

II,  627. 

—  Lösungsvermögen  dess.  II,  629. 
Labyrinth,  des  Ohres  I,  369. 
Ladung  I,  88. 

Ladungsstrom  I,  91. 

Längsleitung  d.  Erregung  im  Nerven  I,  163. 

—  durch  das  Hirn  I,  202. 

—  durch  das  Rückenmark  I,  163. 
Laute  s.  Buchstaben. 

Lebendige  Kräfte  dos  Blutlaufes  II,  201. 
Leber  II,  308. 
-  —    Amyloid  ders.  II,  310. 

—  Ausfuhrstoffo  ders.  II,  332. 

—  Bau  ders.  II,  308. 

—  ehem.  Bestandtheilo  ders.  II,  310. 

—  Ernährung  ders.  II,  335. 

—  Ferment  ders.  II,  310. 

49 


770 


Kegister. 


Leber,  Mechanismus  ihr.  Funktionen  II,  333. 

LeberaderWut  II,  35.  316. 

Leberblut  II,  316. 

Leberblutstrom  II,  318. 

Lebergewicht  II,  325. 

Leberlymphe  II,  233. 

Leberschleim  II,  334. 

Leberzelle,  ehem.  Vorgänge  .in  ders.  II,  328. 

Leberzucker,  im  Harn  II,  393.  * 

Lecithin  I,  33. 

Legumin  II,  598. 

Leim,  Auflösung  durch  den  Labsaft  II,  632. 
Leitung,  der  En-egung  im  Nerven  I,  136. 

—  in  den  Nervenröhren  I,  135. 

—  isolirte  im.  Nerven  I,  136. 

—  längs  der  Nerven  I,  163. 

—  quer  durch  die  Nerven  I,  169. 

—  von  einer  Nervenwurzel  zur  andern 

durch  d.  Bückenmark  I,  169. 
Leitungsgeschwindigkeit  der  Erregung  im 

Nerven  I,  137. 
Leitungsröhren  für  den  Luftstrom  in  den 

Lungen  II,  485. 
Leitungsvermögen,  elektrisches  I,  110. 
Leucin  I,  40.  45.  47.  56. 

—  in  der  Leber  II,  315. 

Lieht,  Nachfarben  d.  weissen  I,  316. 

—  Nebenfarben  d.  weissen  I,  304. 
Lichtbrechung  I,  241. 
Lichtempfindung  I,  299.  307. 

—  Stärke  ders.  I,  308. 

—  elektr.  Einwirkung  bei  ders.I,  309. 

—  mechanische  Einwirkung  bei  ders. 

I,  308. 
Ligamenta  flava  I,  507. 

—  intervertebralia  I,  506. 

—  longitudinalia  I,  507. 
Lingualdrüse  s.  Mundspeichel. 
Linse  I,  274;  II,  265. 

—  ehem.  Zusammensetzung  U,  266. 

—  "Waohsthum  ders.  II,  267. 
Linsenbeweguug  I,  285. 
Linsenschichtung  I,  275. 
Lipyloxyd  I,  33. 

Lösung  fester  Stoffe  in  Flüssigkeit  I,  66. 

—  Difliision  solcher  in  AVasser  I,  68. 

—  gleichzeitige,  mehrerer  Stoffe  I,  69. 

—  Siede-  und  Gefrierpunkt  ders.  I,  67. 

—  spec.  Gewicht  ders.  I,  67. 

—  Wärmeverbrauch  bei  ders.  I,  66. 
Lösungsgemenge,  Diffusion  ders.  in  Wasser 

I,  69. 

Lüftungswerkzeuge  II,  479. 
Luftabsondernde  Werkzeuge  s.  Athmungs- 
flächen. 

Luftarten,  Berührung  der  atmosphärischen 
mit  denen  im  Blut  II,  474. 

Luftausstossung  aus  den  Lungen  II,  483. 

Luftdruck,  Bedeutung  dess.  für  die  Ge- 
lenke I,  496. 


Lufteinziehung  in  die  Lungen  II,  480. 
Luftkreis  II,  463. 
Luftleitungsröhren  11,  285. 
Luftmischung  beim  Athmen  II,  499.  537. 
Luftröhre  II,  485. 

Luftströmung  in  d.  Athmenwegen  II,  493. 
Luftveränderung  beim  Athmen  II,  499. 

—  Werkzeuge  für  dies.  II,  498. 
Lumenveränderung  mit  der  Gefässverthei- 

lung  II,  119. 
Lungen,  Bau  derselben  II,  141. 

—  ehem.  Zusammensetzung  II,  543. 

—  Elasticität  ders.  II,  543. 

—  Ernährung  ders.  II,  544. 
Lungeuathmung,  Chemismus  ders.  II,  479. 

547.  549. 

—  Mechanismus  ders.  II,  479. 
Lungenmuskeln,  Wirkung  ders.  n,  543. 
Lungensäfte  II,  541. 
Lymphdrüsen,  Bau  ders.  II,  570. 
Lymphe ,  Geschwindigkeit  ihrer  Absonde- 

derung  II,  576.  577. 

—  ihre  Entstehung  II,  579. 

—  ihre  Zusammensetzung  II,  572.  574. 

—  Umfang  ihrer  Absonderung  II,  578. 
Lymphgefässanfänge  im  Darme  II,  654. 
Lyraphgefässe ,  Aufsaugung  ders.  II,  567. 

—  Bau  ders.  n,  568. 
Lymphkörperchen  II,  21.  575. 

—  Abkunft  ders.  H.  575. 
Lymphstrom  II,  581. 

M. 

Magen,  Flüssigkeit  dess.  II,  625. 

—  Mechanismus  seiner  Bewegungen  n, 

611. 

Magendrüsen  n,  355. 

Magennerven,  Hünger  durch  Erregung  dess. 

II,  584. 
Magensaft  II,  362.  525.  645. 

—  Menge  dess.  II,  263. 

—  natürlicher  II,  634. 

—  Wirkung  dess.  n.  635. 
Magensäure  II,  360. 
Magenschleim  II,  634. 

—  Wirkung  ausserhalb  des  Körpers  II, 

626.  634. 

Magenverdauung ,  künstliche  II,  626.  634. 

—  natürliche  n,  636. 
Magnesia,  kohlensaure  I,  20. 

—  phosphorsaure  I,  22. 
Mais  II,  384. 

Mangan  im  Blute  II,  8. 
Manometer  II,  53. 

—  registirender  II,  155. 
Margarin  I,  24.  27. 
Margarinsäure  1,  25.  27.  53. 

—  als  Seife  I,  24. 

—  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 


Register. 


771 


Mark,  verlängertes  I,  187. 

—  Verhalten  d.  grauen  Massen  in  dems. 

I,  187. 

Massen,  formlose,  Prägung  ders.  II,  228. 
Mastdarm,  Bewegung  dess.  I,  179. 

• —    Wärme  dess.  II,  722. 
Mästung  II,  708. 

Mechanische  Eindrücke  als  Gefühlserreger 

I,  399. 

Medien,  brechende,  polarisirende  Wirkung 

ders.  I,  290.  • 
Meibom'sche  Drüsen  II,  366. 
Meissner'sche  Körperchen  I,  303. 
Mchrfachsehen  (Fick)  I,  294. 
Melanin  I,  42. 

Menstrualfluss,  Mechanismus  dess.  II,  448. 
Menstrualflüssigkeit  II,  446. 
Menstruation  H,  445. 

—  Erscheinen  ders.  II,  446. 

—  Dauer  ders.  II,  447. 
Metacarpo-Phalangealgelenke  I,  520. 
Metacetonsäure  I,  29. 

Metalle  im  Blute  II,  10. 
Metallosyde  I,  24. 
MetaUsalze  I,  24. 

Metatarso-Phalangealgelenke  I,  530. 
Milch  II,  449. 

—  Absonderungsgeschwindigkeit  ders. 

II,  460. 

—  als  Nahrungsmittel  II,  594. 

—  der  Männer  II,  459. 

—  der  Neugeborenen  II,  459. 

—  der  Schwangeren  II,  458. 

—  Veränderungsbedingungen  ders.  II, 

452. 

—  Zusammensetzung  ders.  II,  451. 
Milchanalyse  II.  451. 
Milchbereitung  II,  452.  460. 
Milchdrüse  II,  448. 

Milchdrüsensaft  der  Schwangern  II,  458. 
Milchkügelchen  II,  450. 
Milchsäure,  Bestandtheü  der  Frauenmilch 
U,  451. 

—  im  Blute  II,  9. 

—  im  Harn  II,  394. 

—  Hydrate  ders.  I,  35. 

—  im  Labsafte  II,  626. 

—  im  Magensafte  II,  360. 

—  in  der  Leber  II,  313. 
Milchsäuregährung  I,  34. 
Milchsäurehydrato  I,  35. 
Milchserum  II,  451. 

—  Bestandtheil  d.  Frauenmilch  II,  45 1 . 
Milchstoffe ,  Absonderungsgeschwindigkeit 

ders.  II,  460. 
Milchzucker  I,  33. 

—  Entstehung  dess.  II,  461. 
Milz  II,  299. 

—  Aussehneidung  ders.  II,  306. 

—  im  Ganzen  II,  305. 


Milz,  Bau  ders.  II,  299. 

—  Blutstrom  in  ders.  II,  303. 

—  chemische  Zusammensetzung  II,  301. 

—  Funktionen  ders.  II,  305. 

—  Stoffbewegung  in  ders.  II,  304. 
Müz-Aderblut  II,  233. 

>  Milz-Asche  II,  302. 
Milzextrakt,  Harnsäure  darin  I,  39. 

—  Hypoxanthin  in  ders.  I,  39. 
Mitbewegung  I,  175.  200.  222. 
Mitempfindung  I,  177.  222. 
Mitteldruck ,  abhängig  von  ~  dem  Abstände 

vom  Herzen  II,  168. 

—  abhängig  von  den  Athembewegun- 

gen  n,  161. 

—  abhängig  von  der  Blutfülle  II,  160. 

—  abhängig  von  der  Herzbewegung  II, 

131.  161. 

—  abhängig  von  der  Zahl   der '  Blut- 

bahnen n,  166. 

—  absoluter  Werth  dess.  in  d.  grössern 

Arterien  II,  172. 

—  in  den  verschiedenen  Abtheüungen 

des  arteriellen  Systems  II,  172. 
S.  a.  Blutstrom;  Spannung. 
Mittelhandgelenke  der  Pinger  I,  520. 
Mittelprodukte  der  Absonderungsstoffe  II, 
219. 

Mittheilung  d.  Nervenerregung  im  Rücken- 
mark s.  Rückenmark. 

—  innerer  Zustände  im  Nerven  I,  135. 
Mittönende  Stimmwerkzeuge  I,  580. 
Molekularbewegung  I,  355. 
Molekularkörnchen  im  Blute  II,  21. 
Monochromatische  Abweichung  I,  291. 
Motorische  Wurzeln  d.  Eückenmarksnerven 

s.  Eückenmarksnerven. 
Mucin  I,  55. 
Multiplikator  I,  87. 
Mund  U,  605. 
Mundspeichel  II,  340. 
Muskelarbeit,  Nutzwerth  ders.  I,  460. 
Muskelbowegungen  der  Gefässwandungen, 

ihre  Bedeutung  für  den  Blutlauf  II,  149. 
Muskelermüdung  I,  446. 
Muskelerregbarkeit  I,  444. 
Muskelerreger  I,  435. 
Muskelerregung,  automatische  I,  436. 
Muskelfibrin  I,  43. 
Muskelflüssigkeit  I,  422. 
Muskelgefühle  I,  489. 

—  reflektorische  I,  486. 
Muskelgruppen,  I,  543. 
Muskelcontraktion,    die   Kohlensäure- Aus- 
scheidung bedingend  II,  525. 

—  tetanische  I,  436.  438. 
Muskelkraft,  absolute  I,  464. 

—  Bestimmungswoiso  ders.  I,  534. 
I     —    Theorie  ders.  I,  477.  534. 

—  Verwendung  ders.  I,  537. 

49  • 


772 


Eegister. 


Muskelmechanik  I,  531. 

Muskelmolekeln,    parelektronomisohe  (Du- 

Bois)  I,  428. 
Muskeln  I,  418;  II,  294. 

• —    Antagonisten  I,  542. 

—  Arbeitsleistung  ders.  I,  460.  477. 

—  des  Auges  I,  233. 

—  des  Bauchgliedes  I,  548. 

—  des  Beines  I,  548. 

—  Brücke's  I,  283. 

—  des  Brustgiiedes  I,  545. 

—  Chemie  ders.  I,  4:i3.  469. 

—  Coercitivkraft  ders.  I,  467. 

—  Ernährung  ders.  II,  295. 

—  des  Skeletts  I,  490. 

—  der  Wirbelsäule  I,  545. 

—  Effekt  ders.  auf  d.  Knochen  I,  534. 

—  Einüuss  der  Nerven  auf  ihre  phy- 

siolog.  Zustände  I,  480. 

—  ein-  und  zweigolenkige  1,  542. 

—  elastische    Eigenschaften    ders.  I, 

429.  464. 

—  elektr.  Eigenschaften  dors.  I,  424. 

—  Ernährung  ders.  II,  295. 

—  Gesetz  der  schwankenden  Dichtig- 

keit I,  437. 

—  glatte  s.  Muskelzelle. 
— •    Gruppen  dors.  I,  543. 

—  Leitungsfähigkeit  ders.  I,  539. 

—  Physiologie  ders.   I.  419.  424  (be- 

sondere) I,  478. 

—  quergestreifte  I,  419. 

—  —    Bau  ders.  I,  419. 

—  —    Chemie  ders.  I,  421. 

—  Verbreitung  der  Nervenröhren  in 

dens.  1,  479. 

—  Verknüpfung  ders.  mit  den  Nerven 

I,  479. 

—  verkürzte  Form  ders.  I,  448. 

—  —    Elftsticität  ders.  I,  457. 

—  —    Hubfähigkeit  ders.  I,  451. 

—  Verkürzung  ders.  I,  435.  481. 

—  Grösse  ders.  I,  448. 

—  Verlängerung  ders.  1,  424. 

—  Vertheilung  ders.  I,  542. 

—  der  Wirbelsäule  I,  545. 

—  Wärmeeigenschaften   ders.  1,  432 

467. 

—  Wärraestarre  ders.  I,  470. 

—  Zuckung  nach  doppelter  Reizung  I. 

440. 

—  Zusammenfassung  ders.  I,  541, 

—  Zusammenziehung  ders.  I,  435.- 

'  —    —    zeitlicher  Verlauf  ders.  I,  449. 
Muskelfaserzelle  I,  474. 
Muskelgefühle  I,  489. 
Muskelgruppen  I,  .543. 
Muskelkräfte,  Theorie  dors.  I,  477. 
Muskelnerven,  Anordung  ders.  in  Hirn  u. 
Rückenmark  1,  485. 


Muskelnerven,  Erregung  ders.  I,  112. 
Muskel-Physiologie  I,  419.  478. 
Muskolprimitivtheile ,  Zusammenfassung 

fassung  ders.  zu  Muskeln  I,  540. 
Muskelrohr,  verkürzter  Zustand  dess.  1,  435. 

—  —    verlängerter  I,  424. 
Muskelröhren  des  Herzens  II,  78. 

—  —    Zahlenverhältniss  zwischen 

ihnen  und  den  Nervenröhren 
I,  480. 

Muskelschicht  der  Gefässe  II,  106. 
Muskelsinn  I,  486. 

—  Theorie  dess.  I,  489. 
Muskclstarre  I,  470. 
Muskelstroni,  ruhender  I,  426. 
Muskelwärme,  Messung  ders.  1,  468. 
Muskelzelle,  glatte  n,  296. 
Muskelzucker  I,  34. 

Muskelzuckung  nach  doppelter  Reizung  I, 
440. 

Muskelzug  I,  531. 

— -    Richtung  dess.  I,  531. 
Muskulöse  Easerzelle  I,  474. 
Muskulöse  Gegner  und  Helfer  I,  542. 
Muttormilch  II,  449. 
Mutterscheido,  Wärrae  ders.  U,  722. 
Mydriasis  I,  285. 
Myristin  I,  27.  30. 
Myristinsäuro  I,  25.  27. 

N. 

Nachaussensetzen  des  Geruches  I,  357. 

—  des  Gesehenen  I,  323. 

—  des  Tones  I,  350. 
Nachbild  I,  309. 

—  Hauer  ders.  I,  309. 

—  Farbe  ders.  I,  311. 

—  —    Bedingung  für  diese  I,  312. 

—  negatives  I,  311. 

—  positives  I,  3 1 1 . 
Nachfarben,  des  weissen  Lichts  I,  316. 
Nachgefühl  I,  416. 

Nachschmerz  I,  402. 
Nachtönen  I,  379. 

Nachwirkung  der  Nervenerregung  I,  186. 

Nägel  II,  240. 

Nähepunkte  I,  255. 

Nährstoff  II,  590. 

Nahrung,  vollständige  II,  686. 

—  Aenderung  d.  Xörpermasse  mit  ders. 

II,  750. 

—  tägliche  Ausgaben  bei  genügender 

n,  709. 
Nahrungsnquivalente  II,  600. 
Nahrungsbedürfnisse  II,  583. 
Nahrungsbestandtheile,  nothwendige  II,  68S. 

—  Verdaulichkeit  ders.  II,  591. 

—  Verhältnisse  ders.  II,  589. 

—  Nahrungswahl  II,  589. 


Begister. 


773 


Xahruiigsbestandtheile ,  "Würzung  ders.  II, 
590. 

Nahrungswahl  II,  587. 
Xarbenverschrumpfnng  II,  255. 
Natrium  im  Bluto  II,  10. 
Nati-on,  phosphorsaures  im  Slute  II,  12. 
Natronalbuminat  II,  8. 
Xatronsalze,  kohlensaure  I,  20. 
Nebenfarben  des  weissen  Lichtes  I,  304. 
Negative  Schwankung  des  Muskelstr  1, 464. 

—  —    des  Nervenstroraes  I,  108. 
Nerven,  Einfluss  auf  die  Lynn)habsonderung 

n,  577. 

—  Einfluss  auf  die  Muskelverkürzung 

und  Verlängerung  I,  482.  484. 

—  Elektricitätsleiter  I,  110. 

—  elektrisches  Verhalten  ders.  I,  98. 

—  Polgerungen  für  die  Anordnung  der 

elektr.  Theile  in  dens.  1,97.103. 

—  Gleich-  und  Ungleichartigkeit  ders. 

I,  113. 

—  verschiedene  Erregungszustände  ein 

und  dess.  I,  116. 
Nervendurchschneidung,   Einfluss  auf  die 

Lymphabsonderung  II,  577. 
Nervenkräfte  als  Ursache  von  Filtrationen 

n,  214. 

—  elektrische  I,  143.  ' 

—  Quelle  ders.  I,  142. 

—  Theorie  ders.  I,  141. 
Nervenphysiologie,  allgemeine  I,  85.  HO. 

—  —    specielle  I,  150. 
Nervenreize  I,  112. 
Nervenröhren  II,  289. 

—  markhaltige  I,  85. 

—  marklose  I,  85. 

—  Absterben  ders.  I,  140. 

—  anatom.  Beschaffenheit  ders.  I,  85. 

—  Beharrungsvermögen  ders.  I,  135. 

—  ehem.  Beschaffenheit  ders.  I,  86; 

II,  289. 

—  Einfluss  der  galv,  Ströme  auf  dies. 

I,  127. 

—  elektrische   Eigenschaften   ders.  I, 

87.  127. 

—  Ernährung  ders.  II,  290. 

—  Erregbarkeit  ders.  I,  112.  118. 

—  Gleichartigkeit  ders.  I,  113. 

—  Gruppirung  ders.  im  Bückenmark  I, 

181. 

—  Kreutzung  d.  motor.  im  Hirn  I,  203. 

—  Leistungen  I,  86. 

—  Leitungen  I,  135. 

—  Mittheilung  der  Erregung  in  denen 

des  Hirns  I,  205. 

—  Physiologie  ders.  I,  85. 

—  Beize  ders.  I,  112. 

—  sensible,    ihr   Verlauf  durch  das 

Hirn  I,  205. 

—  todter  Zustand  ders.  I,  130. 


Nervenröhren ,  Ungleichartigk.  ders.  I,  113. 

—  Untersuchungsmethode  ders.  I,  87. 

—  Verbreitung  ders.  zu  d.  Muskeln  1, 479. 

—  Verlauf  ders.  im  Hirn  I,  205. 
Nervenwurzeln ,  Beziehung  zwischen  dens. 

und  dem  Hirn  I,  163. 

—  Verbindungsmassen  zwischen  dens. 

u.  d.  Organen  der  "Willkür  I,  208. 
Nervenstrom,  ruhender  I,  93. 
— ,  schwache  Anordnung  I,  93. 

—  starke  Anordnung  I,  98. 

—  unwirksame  Anordnung  I,  93. 
Nervensystem,  Physiologie  ders.  I,  85. 
Nervus  abduceus  I,  193. 

—  accessorius  "Willisii  I,  197.  199.  206. 

—  acusticusl,  112.  191.206.354.373. 

—  facialis  I,  195.  206. 

—  glossopharyngeus  I,  196.  206. 
.    —    hypoglossus  I,  198.  201. 

—  oculomotorius  I,  192.  205. 

—  olfactorius  I,  112.  190.  382. 

—  opticus  I,  160.  205. 

—  sympathicus  I,  203. 

—  trigeminns  I,  195.  205. 

—  trochlearis  I,  493. 

—  vagus  I,  197.  206. 

—    Einflussa.d.  Herzthätigk.  II,  93. 
— •    —    —    auf  die  Athmung  II,  546. 

—  —  a.  d.  Lungenernährung  II,  546. 
Netzhaut  I.  296. 

Netzhautstellen,  identische  I,  326. 

—  —    zugeordnete  I,  326. 

—  —    Lage  ders.  I,  329. 
Neutrale  Pette  I,  30. 

—  —    ihre  Adhäsion  au  den  Harn- 

geweben I,  32. 

—  —    ihre  Bedeutung  für  die  "Wärme- 

Ökonomie  I,  31. 

—  —    ihre  ehem.  Indifi'erenz  I,  31. 

—  —    itre    katalytischen  "Wirkungen 

I,  50. 

—  —    ihre  Zellenbildung  I,  31. 

—  —    ihre  Zerlegung  I,  31. 

—  —    ihre  Verseifung  I,  28. 
Niederschläge  in   thier.  Flüssigkeiten  II, 

224. 

—  Cohäsionszustände  ders.  II,  225. 
Nieren  II,  373. 

—  Ausrottung  II,  419, 

—  Bau  ders.  U,  273. 

—  Blut  ders.  II,  376. 

—  Blutgefässe  ders.  II,  374. 

—  Blutstrom  in  dens.  II,  377. 

—  ehem.  Bau  ders.  II,  375. 

—  Eigenthümlichkeit  ders.  II,  424. 

—  Ernährung  ders.  U,  429. 
Nierenaderblut  II,  37. 
Nierenumsatz  II,  319. 
Normal temperaturen  II,  319. 
Nutzwerth  des  Muskels  I,  342. 


774 


Register. 


O. 

Oberam-Gelonk  1,  513. 
Oberhäute  II,  234. 

—  Athmungsverluste  ders.  II,  551. 
Objectbilder,  durch  brechende  Kugelflächen 

I,  247. 
Oedem  II,  577. 
OcfFuungszuckungen  I,  437. 
Oelsäure  I,  29., 

—  oxydirte  I,  27. 
.  Oelsüss  I,  33. 

Ohm's  Gesetz  I,  77. 
Ohr,  Funktionen  des  äussern  I,  359. 
Ohrenschmalzdrüsen  II,  366. 
Ohrmuschel  I,  359. 
Ohrspeicheldrüse  II,  340. 
Olein  I,  29.  30. 
Oleinsäure  I,  33. 
Olive  I,  198. 
Olephosphorsäure  I,  32. 
Ophthalmometer  (Helraholtz)  I,  261. 
Ophthalraoscop  I,  253. 
Opiumtinktur,  ihre  Wirkung  auf  d.  Lymph- 
drüsenabsonderung II,  576. 

—  auf  die  Nerven  I,  1 26. 
Optik  I,  241. 

Optometrie  I,  256. 

Organe  der  Empfindung  I,  592. 

—  der  Willkür  I,  208. 
Ortssinn  I,  407. 

—  Feinheit  dess.  I,  408. 

—  Theorie  dess.  I,  408. 
Oxalsäure  im  Harn  II,  405. 
O.xalsaurer  Kalk  I,  24. 
Oxydation  der  thier.  Stoffe  II,  219. 
Ozon  in  der  Atmosphäre  II,  464. 

P. 

Palmitin  I,  27.  30. 
Palmitinsäure  I,  25.  27.  33. 

—  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Pankreas  II,  350. 

~    Extrakt  641. 
Pai-adoxe  Zuckungen  I,  90. 
Paralbumen  I,  42. 
Parelektronomische  Schicht  I,  428 
Parotis  II,  340. 

Paukenhöhle,  Schallleitung  durch  dies.  I 
359.  ' 
Pendulirende  Bewegung  I,  223 
Penis  II,  439. 

—  Erection  dess.  II,  439. 
Pepsin  I,  56;  II,  360.  631. 

—  als  Ferment  (?)  II,  633. 
Peptone  II,  628. 
Entstehung  dors.  II,  637. 
Peripolare  Anordnung  I,  104. 

—    Theorie  ders.  I,  104.  ' 


Peripolarer  Zustand  I,  103. 
Peristaltische  Bewegung  I, 

—  —    des  Dünndarms  II,  615. 

—  —    des  Schlingapparates  II,  610. 
Pflasterepithelien  11,  264. 
Pfortaderblut  II,  35.  316. 

Phasen  des  Elektrotonus  I,  99. 
Phenylsäure  I,  36. 
Phosphorglycerinsäure  I,  33. 
Phosphorsäure  im  Harne  II,  403. 
Phosphorsaure  Alkalien  I,  23. 

—  Erden  I,  23. 

—  Kalkerde  I,  23. 

—  Magnesia  I,  23. 

—  Salze  I,  23. 
Phosphorsaures  Eisenoxyd  I,  23. 
Physiologie ,   allgem.  Aufgabe  ders.  I,  13. 

—  der  Atome  I,  16. 

—  der  Aggregatzustände  I,  59. 

—  der  Nervenröhren  I,  85.  1 10. 

—  des  Rückenmarks  und  seiner  Nerven 

I,  150. 

—  Vortragsplan  ders.  I.  14. 
Physjolog.  Bedeutung  der  Zuckerarten  I,  35. 
Piezömeter  II,  53. 

Pigmentum  nigrum  I,  42. 
Plasma  II,  1 . 
Platten  II,  228. 
Polarisation  I,  88. 

—  des  Lichtes  im  Auge  I,  296. 
Poren  der  organ.  Häute  II,  250. 

Poren ,  wesentliche  und  zufällige  II,  203 . 

Porosität  der  Häute  II,  204. 

Prägung  der  formlosen  Massen  II,  228. 

Processus  obliqui  I,  507. 

Pronationsgelenk  I,  515. 

Propion-  (Metaceton-)  Säure  I,  25.  29. 

—  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Prostata  II,  439. 
Proteinbioxyd  I,  43. 
Proteinstoffe  I,  42.  44. 

—  ihre  Zusammensetzung  I,  44. 

—  Gründe  für  ihre  Annahme  I,  44. 

—  Zersetzungserscheinungen  I,  45. 
Proteintritoxyd  I,  44. 

Puls  II,  100.  102.  159;  s.  a.  Herzschlag. 
— ■.  Abhängigkeit  dess.  vom  Herzschlage 
II,  45. 

—  Aufhören  dess.  in  d,  kleinsten  Ar- 
terien II,  139. 

—  Untersuchungen  dess.  mittels  Spygmo- 
graphs  II,  170. 
Pulsfühlen  II,  169. 

Pulsfrequenz,  Einfluss  auf  die  Geschwin- 
digkeit des  Blutstromes  II,  131.  161. 
Pulshebel  (Vierordfs)  II,  170. 
Pulsus  dicrotus  II,  171. 
Pulsverhältniss  zur  Herzsystole  II,  171. 
Pupillcnbewegung  durch  Reflex  etc.  I,  280. 
Pyin  I,  49. 


Eegister.  775 


Q. 

rtuellen  der  Nerrenkräfte  I,  142. 
lJueUung  I,  70. 

—  begünstig.  Momente  ders.  I,  72. 

—  eiweissartige  Stoffe  I,  52. 

—  der  Epithelien  II,  236. 

—  theoretische  Bemerkungen  über  dies. 

I,  70. 

tinellungsmaximum  I,  70. 

Kuellungsverhältniss  I,  70. 
uerleitung  der  Erregung  von  einer  Ner- 
venwurzel  zur  andern  durch  das 
Bückenmark  I,  169. 

—  zur  Theorie  ders.  I,  179. 
ituerschnitt  -  Geschwindigkeit,  Messung  ders. 

des  Blutstroraes  II,  189. 

—  —    mittlere  H,  192. 

R. 

üanminhalt  der  Blutgefässe  II,  116. 
üanrnvorstellung  diirch  das  Sehen  s.  unter 
Sehen. 

—  durch  den  Tastsinn  I,  4M. 
lieflectorische  Hirnbezirke  I,  20^. 
Reflex  als  Erreger  d.  Muskels  I,  435. 
»eflexbewegung  I,  169.  221. 

—  Charakter  ders.  I,  169. 

—  geordnete  I,  172. 

—  Theorie  ders.  I,  170. 
eflexempfindung  I,  177.  206. 
eflexkrampf  I,  121. 

egulator  der  thier.  Wärme  II,  754. 
eibung  in  den  Blutgefässen  II,  109. 
eihenfolge  der  Herzbewegungen  II,  38. 
eis  II,  598. 

leize  der  Nerven  I,  112, 

—    des  Nervensystems  I,  85. 

(esonnanz-Apparate',  Nerven  ders.  I,  584. 

WBorption  II,  56 1 . 

(espiration  s.  Athraung, 

Hspirationsmechanismus  II,  479. 

Retina  I,  96. 

—  Bau  ders.  I,  297. 

—  Beharrungsvermögen  ders.  I,  309. 
ietinalgefässe,  Schatten  ders.  I,  351. 

—  diffusive  Spiegelung  ders.  I,  295. 

—  Erregungsmedien  ders.  I,  112.  299. 
Biythmus  der  Herzbewegung  II,  87. 
idchtung  des  Blutstromes  II,  123. 

—  des  Hörens  I,  381. 

,- —    des  Nervenstromes  I,  128. 
idchtungslinien  I,  267. 

 Kreuzungspunkt  der».  1,  268. 

Tippcngolcnke  I,  511. 
'  iggen  II,  597. 
ihrzucker  im  Harn  II,  394. 
ihren,  Eustachi'sche  I,  371. 


Köhren,  Flüssigkeitsströmo  in  solchen  II, 
51  u.  folg. 

—  Strombewegung  in  asymmetrisch  ver- 

zweigten n,  64. 

—  —  in  symmetr.  verzweigten  II,  64. 
Rückenmark  I,  150;  n,  291. 

—  anatom.  Verhalten  I,  1 50. 

—  Anordnung    seiner  Nervenelemente 

I,  151. 

—  Blosslegung  dess.  I,  166. 

—  Capillaren  in  dens.  II,  293. 

—  chemische    Zusammensetzung  dess. 

II,  291. 

—  Durchschneidung  dess.  I,  166. 

—  Einfluss  der  einzelnen  Stränge  auf 

die  Leitung  I,  165. 

—  Ernährung  dess.  II,  294. 

—  Erregbarkeit  dess.  I,  182. 

—  Faserung  dess.  I,  151. 

—  graue  Masse  dess.  I,  151. 

—  Gruppirung    der  Nervenröhren  in 

demselben  I,  81. 

—  hintere  Stränge  dess.  I,  152.  156. 

—  Längsleitung  dess.  I,  163. 

—  Methode   der    Untersuchung  dess. 

I,  154. 

—  Mittheilung  der  Erregung  in  deras. 

I,  169. 

—  Physiolog.  Verhalten  dess.  I,  154, 

—  Seitenstränge  dess.  I,  151. 

— •    vordere  Stränge  dess.  I.  151.  156. 

—  weisse  Masse  dess.  I,  151. 
Rückenmarksnerven  I,  150. 

—  Mengenverhältniss    ihrer  hinteren 

und  vorderen  Wurzeln  I,  157. 

—  motorische  Wurzeln  ders.  I,  156. 

—  sensible  Wurzeln  ders.  I,  150. 

—  veränderte  Erregbarkeit  I,  185. 

—  Verbreitung  ders.  im  Centraiorgane 

I,  157. 

—  Verbreitung  ders.  in  der  Peripherie 

I,  155. 

—  Verbreitungsgesetze  ders.  I,  156. 

—  Wurzelröhren  ders.  I,  152. 
Rückenmarkswurzeln  I,  152. 

—  Verbreitung  ders.  I,  159. 
Rückstoss  des  Herzens  II,  85. 

Ruhe,  Einfluss  ders.  auf  die  Erregbarkeit 

der  Nerven  I,  121. 
Ruthe  II,  439. 

S. 

Saligenin  I,  40. 

Salze,  Austritt  ders.  aus  dem  Körper  II, 
715. 

—  der  Frauenmilch  II,  456. 

—  dos  Harns  II,  406. 

—  kohlensaure  I,  20. 

—  der  Leber  II,  315. 


776 


Register. 


Salze,  ijhosphoraaiire  I,  23. 

—  tägl.  Aufnahrae  ders.  durch  d.  Ver- 

dauung II,  669. 
Salzlösungen,  Uebertragungszeit  ders.  aus 

einem  Blutgefässe  ins  andere  II,  198. 
Salzsäure  im  Labsaft  II,  631. 
Samen,  männl.  II,  435. 

—  Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 

437. 

—  Aussstossung  dess.  II,  441. 

—  Bereitung  dess.  II,  438. 
Samenblase,  Bewegung  ders.  1,218;  11,441. 
Samendrüsen ,  accessorische  II,  439. 
Samenfäden,  Bewegung  ders.  II,  436. 
Samenleiter,  Bewegung  dess.  I,  218. 
Sarkin  I,  40. 

Sättigungsgefiihl  II,  586. 
Sauerstoff  I,  18. 

—  im  Blute  II,  14. 

—  seine  Funktionen  im  Körper  I,  18. 

—  sein  quantitatives  Verhältniss  zur  CO* 
in  der  ausgeathmeten  Luft  II,  53 1 . 

SauerstofFatmosphäro  II,  464. 
Sauerstoffaufnahme  d.  d.  Haut  II,  551.  553. 

—  durch  die  Lungen  II,  530. 

—  veränderlich  mit  dem  Blutstrom  II, 

534. 

—  nach  d.  Gehalt  d.  Lungenluft  II,  533. 

Sauerstoffausgabe  II,  715. 

Sauerstolfverbrauch,  Beziehung  zur  Wärme- 
bildung und  Arbeitsleistung  II,  743. 

Saugkraft  der  Lunge  für  das  Blut  II,  144. 
Säuron  nach  d.  Formel  C2nH(2n  —  1)  O3 ;  HO 
I,  39. 

—  hai-nige  I,  39. 
Schall  I,  354.. 

—  Fortpflanzung  I,  355. 

—  Richtung  dess.  I,  380. 
Schallleitung  zum  Gehörnerven  I,  358. 

—  durch  die  Gehörknöchelchen  I,  367. 

—  durch  die  Kopfknochen  I,  372. 

—  durch  die  Paukenhöhle  I,  359. 

—  in  das  Labyrinth  I,  369. 
Schallwellen,  Länge  ders.  351. 
Schattenbilder  I,  349. 

Schätzung  der  Entfernung  durch  das  Auge 
I,  336. 

—  der  Grösse  I,  334. 
Scheiner's  Versuch  I,  256. 
Schlaf  I,  609. 
Schlauchwellen  II,  69. 

—  Bewegung   der   Wassertheilchen  in 

dens.  II,  69. 

—  Geschwindigkeit  in  dens.  II,  72. 

—  mittlere  Spannung  in  dens.  II,  72. 

—  Theorie  ders.  II,  70. 
Schleimbeutel  II,  260. 
Schleimdrüsen  II,  348. 

—  des  Magens  II,  362. 
Schloimhautflltor  II,  348. 


Schleimsaft  II,  348. 
Schlcimstoff  I,  55. 
Schliossungszuckung  I,  437. 
Schlingbewegung  I,  213. 
Schlingen  II,  607.  608. 
Schlüssolbcingelenke  I,  512. 
Schlund  II,  604. 
Schlundkopf  II,  607. 
Schmerz  I,  395. 

—  Abhängigkeit  von   der  Dauer  und 

Stärke  der  Erregung  I,  400. 

—  Beharrung  dess.  I,  402.- 

—  Erreger  dess.  I,  396. 

—  excentrische  Erscheinungen  dess.  I, 

401. 

—  Oertlichkeit  dess.  I,  401.  (Webers 

Theorie  in  Betr.  ders.)  402. 
.Schrittdauer  I,  557.  558. 
Schulterblattgelenk  I,  513. 
Schwangere,  Milchsaft  ders.  II,  458. 
Schwankung  der  Pulsfrequenz  II,  100. 
■ —    Einfluss    des   Körperzustandes  auf 

dies.  II,  102. 

—  ■ —    der  Nahrung  auf  dies.  II,  tOl. 

—  —    der  Tageszeiten  a.  dies.  II,  100. 
Schwefelcyansalze  I,  24. 
Schwofelsaure  Alkalien  I,  24. 
Schwefelsäure  im  Harn  II,  401. 

—  ihre  Beziehung  zum  Schwefelgehalt 

der  Nahrung  II,  402. 
Schweiss  II,  367. 

—  Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 

II,  367. 

—  Aenderung  dess.  mit  der  Absonde- 

rungsgeschwindigkeit und  -Dauer 
II,  369. 

—  Ansammlung  dess.  II,  368. 

—  Bereitung  dess.  II,  372. 

—  Statistik  dess.  II,  372. 
Schweissdrüssen  II,  367. 
Schwerkraft,  Bedeutung  für  den  Blutlauf 

II,  147. 
Schwerlinie  I,  549. 

Schwerpunkt  des  Gesammtkörpers  I,  549. 

—  des  Rumpfes  I,  549. 
Schwindel  I,  488.  . 
Sclerotica  I,  346.  . 

Secretionen  II,  202.  S.  a.  Absonderungen, 

Ausscheidungen. 
Seele  I,  605. 

—  Beziehungen  ders.  zum  Gehirn  I,  607. 

—  Organe  ders.  I,  592. 

—  Physiologie  ders.  I,  592. 

—  Sitz  ders.  I,  605. 
Sehen  I,  315. 

—  Aufmerksamkeit  bei  denis.  I,  321. 

—  aufrechtes  I,  325. 

—  Bedingungen  dess.  I,  316. 

—  bewegter  Gegenstände  I,  342. 

—  deutliches  I,  255. 


Eegister. 


777 


•oehen,  direktes  I,  318. 

—  Einfluss   der  Muskelbeweguug  auf 

dass.  I,  '326. 

—  im  Kaurae  I,  322. 

—  indirektes  I,  318. 

—  in  verscliiedene  Feme  I,  254. 

—  mit  2  Augen  I,  326. 

—  Rauravorstellungen  d.  dass.  I,  322. 
■  —    Richtungen  dess  II,  323. 

Schärfe  dess.  I,  317. 

—  —    Grenzen  dieser  I,  319. 
•lehnen  I,  530. 
liehnenknochen  I,  530. 
Sehnenscheiden  I,  530 ;  II,  260. 
Sehner?  s.  Nerv,  optic. 
»ehstrahl  I,  324. 

♦ehweite  I,  256. 

ochwinkel  I,  268.  333. 

»■eitendruck  in  Wasserströmen  U,  41. 

.  elbsterregung  I,  211. 

i-emilunarklappen  ,  Verschluss  der  Kranzar- 
terien durch  solche  II,  129. 

sensible  Wurzeln  des  Rückenmarks  siehe 
Rückenmark. 

«eröse  Flüs.sigkeiten  II,  257. 

—  Häute  II,  256. 
terum  II,  14. 
iiirene  I,  358. 
fckelet  I,  490. 

kkeletmuskeln  dess.  I,  490.  530. 

—  —    Wirkung  ders.  I,  531. 
kkeletsehnen  I,  530. 

"ondergeschwindigkeit  des  Blutstromes  auf 

seinen  Querschnitt  H  189. 
nopranstirarae  I,  560. 

|f)annung  des  Blutes ,  abhängig  von  den 
Athembewegungen  II,  144. 

—  Arbeitsmaass  ders.  II,  46. 

—  Beziehung  ders.  zur  Stromgeschwin- 

digkeit II,  47.  53. 

—  des  ruhenden  Blutes  II,  120. 

—  Druckmaass  ders.  bei  Flüssigkeiten 

im  AUg.  II,  46. 

—  gestörte  im  Blutsystem  II.  124. 

—  in  d.  Arterien  II,  135.  137.  159.  172. 

—  —    in  d.  grossen  Arterien  II,  172. 

—  in  den  Haargcfässen  II,   141.  174. 

—  im  Lungenkreislaufe  II,  180. 

—  des  strömenden  Blutes  11,  134. 

—  in  der  Vena  jugularis  II,  177. 

—  in  den  Venen  H,  141.  170. 

 Störung  des  Gleichgewichts  ders.  in 

den  Gefässen  II,  124. 
. —    strömende  Flüssigkeiten  II,  44.  57. 

—  de»  Wassers  II,  44. 
«annungabnahme    bei    vermindertem  Zu- 
fflusso  II,  140. 

«annunguntcrschied  im  Blutgofasssysteme 
II,  132. 

—  zwischen  Blut  und  Harn  II,  420. 


Spannungswechsel  bei   verschied.  Schlag- 
folge des  Herzens  II,  136. 
Speichel  II,  338.  623. 

—  Absonderungsgeschwindigkeit  dess. 

II,  343. 

—  Ausstossung  dess.  347. 

—  Menge,  mittlere  dess.  II,  345. 

—  Verdauung  durch  dens.  II,  624. 

—  Wärme  dess.  II.  341.  342. 
Speicheldrüsen  II,  336. 

—  Blut  u.  Blutstrom  in  dens.  II,  337. 
Speisen  II,  590. 

—  Nährfähigkeit  ders.  II,  591. 

—  Verdaulichkeit  ders.  II,  591. 

—  —    im  Magen  II,  639. 

—  Verdauung  ders.  II,  603.  638. 

—  Wirkung    verschiedener,  Säfte  auf 

dies.  II,  650. 
Speiseröhre  II,  607. 
Speiseröhrenverkürzung  I,  217, 
Sphärische  Abweichung  des  Auges  I,  216. 
Sphygmograph  II,  154. 
Spiegelung  der  Cornea  und  Linse  I,  296. 

—  der  Retina  I,  295. 

—  —    diffusive  I,  295. 

—  der   Lichtstrahlen   im  Auge,  Ein- 

richtungen zu  ders.  I,  294. 

—  der  Stäbchenschicht  I,  294 
Spielraum  der  Eigentemperatur  des  Warm- 
blüters II,  732. 

Spiralen  der  Rumpfmuskulatur  I,  401. 
Spirometrie  II,  496. 
Spitzenstoss  des  Herzens  II,  85. 
Sprache  I,  584. 

Spracherzeugung,  allg.  Beding,  ders.  I,  585. 
Sprachwerkzeuge  I,  559. 

—  Nerven  ders.  I,  591. 
Sprungbein,  Stellung  dess.  auf  dem  Fuss- 
boden I,  553. 

Stäbchenschnitt  der  Retina  I,  297. 
Stärke  der  Lichtempfindung  I,  308. 
Stearin  I,  30. 
Stearinsäure  I,  25.  27.  33. 

—  Wärmeeinheit  ders.  II,  737. 
Stehen  I,  549. 

Steifung  der  Gelenke  I,  551. 
Steigbügel  I,  3()7. 

—  üebertragung  der    Bewegung  von 

denis.  auf  das  Labyrinth  I,  369. 
Stereoskop  I,  340. 
Stickgas  im  Org.  I,  19. 

—  Verhalten  zur  Respiration  II,  536. 
Stickstoff  im  Blute  II,  14. 
Stickstoffatmosphäre  II,  264. 
Stickstoffausgabo  II,  714. 
Stimmbänder  I,  565. 

—  Spannung  dor.s.  I,  566.  569. 
Stimme  I,  559. 

—  Klang  ders.  I,  560. 

—  Register  ders.  I,  572. 


778 


llogistor. 


Stimme,  Reinheit  dere.  I,  561. 

—  Besonauz  dors.  I,  580. 

—  Stärke  ders.  I,  561. 

—  Theorie  ders.  I,  575. 

—  Umfang  ders.  1,  550. 
Stimmerzeugung,  Orte  ders.  I,  564. 
Stimmhautstelle  und  -Spanner,  Nerven  ders. 

I,  583. 

Stimmhäute,  Spannung  ders.  I,  566.  569. 
Stimmritze  I,  566. 
Stimmwerkzeuge  I,  599.  'v; 

—  mittönende  I,  580. 

—  Nerven  ders.  I,  582. 

—  Uutersuchungsmethoden  ders.  I,  562. 
Stoffökonomie  des  Thieres  II,  671.  710. 
Stoffströmung  b.  genügend.  Nahrung  II.-709. 

—  durch  den  Thierleib  II,  671.710. 
Strahlenbrechung  im  Auge  I,  241. 

—  Gesetze  ders.  I,  241. 
Strahlenbüschel,  Vereinigungsweite  dcss.  I, 

245. 

Strom,  constanter  in  Eöhren  II,  51. 

—  in  cylindrischen  Eöhren  II,  51.  56. 

—  in  elastischen  E.  II,  66. 

—  in  gleichweiten  gebogenen  Eöhreji 

II,  61. 

—  in  geradem  Cylinderrohr  II,  56. 

—  in  ungleich  weitem  Eohr  II,  62. 

—  in  ungleich  dehnbai-em  Eohr  II,  67. 

—  Verlust  dess.  an  Arbeit  II,  60. 

—  in  verzweigten  Eöhren  II,  63. 
Strom,  elektrischer  I,  8. 

—  als  Geschmackserreger  I,  390. 

—  die  Erregbarkeit  des  Muskels  erre- 

gend I,  424.  438. 
Strombewegung,  bei  Flüssigkeit,  Mitthei- 
lung über  ihre  Grenzen  II,  49. 

—  —    bei  Austritt    von  Tlüssigkeit 

durch  d.  Gefässwände  II,  150. 
Stromcurve,  elektrische  I,  439. 

—  Steilheit  ders.  beim  Muskel  I,  439. 
Stromgeschwiudigkeit  flüssiger  Körper  II, 

49.  53.  57. 
Stromkreise  ,  elektrische ,  Einwirkung  auf 

den  Muskel  I,  443. 
Strompiüfung  (elektr.)am  Frosehschenkell, 

92. 

Stromschwankung,   negative  beim  Nerven 
I,  108. 

—  —    beim  Muskel  I,  438.  464. 
Stromspaunug ,  absolute  Werthe  ders.  für 

den  Blutstrom  II,  153. 

—  durch  Arterienverschluss  II,  166. 

—  Messung  ders.  II,  154. 

—  Veränderung  ders.  mit  der  Athem- 

bewegung  II,  161. 

—  —    ders.  mit  der  Entfernung  vom 

Herzen  II,  168. 
Stromstärke,   absolute   Werthe   ders.  bei 
Muskclvcrkürzung  I,  441. 


Stromzweige,  Abhängigkeit  ders.  von  ein- 

ander  II.  197. 
Strömung,  weitere  Ursachen  ders.  in  Ge 

fassen  II,  151. 
Strychninkrärapfe  I,  182. 
Strychninlösung,  Wirkung  auf  die  Nerven 

I,  126. 

Sublingualdrüse  s.  Mundspeichel. 
Supinationsgelenk  I,  515. 
Sympathischer  Nerv  I,  213. 

—  Abhängigkeit  dess.  vom  Hirn  und 

Eückenmark  I,  219. 

—  Absonderungsnerven  dess.  I,  218. 

—  Anatomie  dess.  I,  213. 
Anordnung  seiner  Elementartheile 

I,  214. 

—  —    der  von  ihm  abhängigen  Bewe- 

gungen I,  223. 

—  automat.  Erregung  dess.  I,  224. 

—  Elementartheile  dess.  I,  213. 

—  als  Empfindungsvermittler  I,  222. 

—  Halstheil  dess.  I,  216. 

—  Lendentheil  I,  217. 

—  Mittheilung  der  Erregung  zwischen 

dems.  u.   d.  Corebrospinalnerven 
I,  221.  222. 

—  motorische  Eöhren  dess.  I,  215. 

—  motorische  Wirkungen  des  Hals-, 

Eücken-  und  Lendentheils  dess. 
I,  216.  217. 

—  Muskelbewegungen    vermittelnd  I, 

222. 

—  physiolog.  Verhalten  dess.  I,  215. 

—  Eeflexbewegipgen    vermittelnd  I, 

218.  221. 

—  Eückentheil  dess.  I,  217. 

—  Sacraltheil  dess.  I,  217. 

—  Stellung  zum  Willen  I,  220. 

—  Verbreitungsbezirke    seiner  motor. 

Eöhren  I,  215. 
*    —    Verkettete  Bewegungen  in  dems.  Ir 
223. 

Symphysen  des  Beckens  I,  510. 
Synchondrose  I,  496. 
Synergie  der  Augenmuskeln  I,  239. 
Synovia  n,  259. 

T. 

Tagesschwankungen  der  Temperatur  Hun- 
gernder II,  726. 

—  —    Gespeister  II,  727. 
Tastsinn  (im  engern  Sinne)  I,  407.  487. 

—  veränderte  Feinheit  dess.  bei  Baum- 

unterscheidung  I,  412. 
Tastkörperehen  I,  404. 
Taurin  I,  39. 
Taurocholsäurc  I,  37. 
Taurylsäure  I,  36. 

Temperatur,  Einfluss  ders.  auf  Nervenerre- 
gung I,  125. 


llegister. 


779 


Vemperatur  als  Erregerin  d.  Gefühls  I,  399. 
emperaturausglcichuBgen   im  Thierkörper 
II,  752. 

Vemperaturbestimmung  II,  739. 
emperaturempfindung  I,  416. 
iemperaturscliwankuiig  d.  Aderlass  II,  728. 
--    bei  Anstrengungen  II,  728. 

—  abhängig  von  Aufnahme  und  Aus- 
scheidungen von  Gasen  II,  724. 

—  —    von  der  Gallenbildung  II,  724. 

—  —    vom  Lebensalter  II,  748. 

—  —    von  Muskelbewegung  II,  725. 

—  —    von  Nervenerregung  II,  724. 

—  —    von  der  Lufttemperatur  II,  729. 

—  —    von  der  Nahrung  II.  724. 

—  —    v.  d.  Sauerstoffverbrauchll,  724. 

—  von  dem  Stoffumsatze  II,  723. 

—  von  der  Tageszeit  II,  725. 

—  von  Zuständen  der  Haut  und  der 
äussern  Umgebung  II,  729.  751. 

eemperaturspielung  beim  Warmblüter  II, 
732. 

»norstimme  I,  560. 

öiierische  Wärme,  Ursprung  ders.  II,  732. 
itanns  electricus  I,  724. 
Ifaalwellen  n,  73. 
bhermometrische  Apparate  II,  720. 
khränen  II,  349. 
khräncnapparat  I,  347. 
lihränendrüse  II,  349. 
Uiymus  II,  306. 

—  ehem.  Bestandtheile  ders.  II,  307. 

 Ernährung  ders.  II,  307. 

ibialfibulargelenk  I,  526. 

idtenstarre  I,  471. 

—  Dauer  ders.  I,  473. 
mn  I,  374. 

—  gemischter  I,  375. 
mnbildung  im  Kehlkopfe  I,  564. 

—  Theorie  ders.  I,  571. 

—  veränderte  I,  571. 
wnhöhe  I,  374.  571. 

—  Bedingungen,  veränderte  I,  571. 

—  —    am  todten  Kehlkopfe  I,  574. 
onreihe,  Grenzen  ders.  I,  375. 
snstärke  I,  375. 
^Unterscheidung  I,  380. 

1    —  .mittels  Sirene  I,  378. 

1  »nus  I,  183. 

I  xaubenzucker  I,  34. 

I  —    im  Harn  II,  393. 

f    —    in  der  Leber  II,  311. 

t   aura  I,  609. 

1  "iebkräftc  der  Absonderung  II,  205. 
!   —    des  Blutes  II,  152. 
i   inkwasser  II,  599. 
*   iolcin  I,  30. 

oxyprotein  I,  45. 

ipalmitin  I,  30. 

iatearin  I,  30. 


Trockenheit  der  Nerven,  Einüuss  ders.  auf 

ihre  Erregung  I,  125. 
Trommelfell  I,  361. 

—  Mitschwingungen  dess.  I,  362. 

—  Spannung  dess.  I,  361.  364. 
Tuba  Eustachii  I,  371. 

Tyrosin  I,  40.  45.  47. 

—  in  der  Leber  II,  315. 

ü. 

Uebung  I,  604. 

Umsetzungen,,   chemische,  als  Quellen  der 
Nervenkräfte  I,  142. 

—  der  ausgeschiedenen  Stoffe  II,  126. 
Unterkieferdrüse,  Blut  und  Blr. Istrom  ders. 

II,  337. 

—  Speichel  ders.  II,  338. 
Unterkiefergoicnk  I,  503. 
Unterzungendrüse  II,  338. 
Unterzungengegend,  Wärme  ders.  II,  722. 
Ureteren  II,  430. 

Urin  s.  Harn. 


Vas  deferens  II,  439. 

Venenblut,  Unterschied  vom  arteriellen  II, 

30.  31. 
Venenhaut  II,  108. 

Verbindungsmassen  zwischen  den  Port- 
setzungen der  Nervenwurzeln  und  Or- 
ganen der  Willkür  I,  208. 

Verbrennung  im  thierischen  Körper  I,  18. 

—  Quelle  d.  thierischen  Wärme  II,  73S. 
Verbrennungswärme  organ.  Stoffe  II,  738. 
Verdaulichkeit  der  Nahrungsmittel  II,  59 1 . 

—  der  Speisen  für  d.  Magen  II,  591. 
Verdauung,  Aufsaugungswege  dess.  II,  652. 

—  Chemismus  ders.  II,  621. 

—  Mechanismus  ders.  II,  604. 
Verdauungssäfte,  ehem.  Arbeit  ders.  II,  621. 
Verdunstung  thier.  Flüssigkeiten  I,  63. 
Vereinigungsseito  d.  Strahlenbüschel  I,  246. 
Verhalten,  physiolog.,  der  Nerven  I,  110. 
Verhungern  II,  672.  674. 
Verknüpfung  der  Gerüche  I,  397. 
Verkürzter  Muskel  I,  435.  448. 

—  Elastizität  dess.  I,  437. 
Verlängertes  Mark,  Elenicntarbau  dess.  I, 

187. 

Verlängerung  der  Muskeln  durch  Nerven- 
erregung I,  424.  484. 

Verlauf  der  sensiblen  Nervenröhron  durch 
das  Hirn  I,  205. 

Verletzung  einzelner  Hirntheile  I,  208. 

Vermischung  d.  Gcruchscnipfindung  I,  387. 

Vitalismus  I,  2. 

Vokale  I,  586. 

Volum  dos  Brusti-aumes ,  unveränderliches 
II,  493. 

Volum  d.  Brustrauraes,  veränderl.  II.  493. 


780 


Kegister. 


Volumändcrung  d.  Einathmungsluft  I,  537. 
A'orkammoi-n ,  Ersclieinungcn  während  des 
Kreislaufes  in  dens.  II,  124. 

—  Zusammenziehuiig  II,  126. 
Vorstelterdrüse  s.  Prostata. 

W. 

■Wachsthum  II,  715. 

—  der  Knochen  II,  277. 
Wandungen  der  Gefäsae  II,  108.  297. 

—  Nerven  ders.  II,  112. 
Warmblüter,  Temi)eraturspielüng  ders.  II, 

730.  732. 
Wärme,  Bedeutung  ders.  I,  61. 

—  Bildung  ders.  mit  Bezug  auf  gew. 

physiol.  Vorgänge  II,  741. 

—  —    in  d.  einzeln.  Organen  II,  749. 

—  des  Blutes  II,  721. 

—  der  Eingeweide  II,  722. 

—  als  Erreger  des  Muskels  I,  436. 

—  Eolge  des   thier.  Verbrennungspro- 

cesses  II,  7  38. 

—  latente  der  Nahrungsmittel  II,  724. 
— •    d.  Nervcnerregbark.  zerstörend  I,  126. 

—  als  Ursache  der  phys.-mechan.  Kraft- 

üusserung  I,  17. 

—  Ursprung  d.  thierischen  II,  732. 

—  Verschiedenheit  ders.  n.  d.  Gegend 

d.  Körpers  II,  72 1.  S.  a.  Temperatur. 
Wärraeeigenschaften  d.  Muskels  I,  432.  467. 
Wärmeeinheiten  d.  thier.  Atome  II,  736. 

—  durch  Verbrennung  d.H.u.  C.II,  747. 
Wärmeerzeugung,  veränderliche  II,  740. 
Wärraegewinnc  n.  Jahreszeit,  u.  Alter  II,  748. 
AVärraeökononiic  einzelner  Organe  II,  749. 
Wärmeregulatoren  II,  754. 

Wärraesinn  I,  416. 

—  Verbindung  mit  Drusksinn  I,  418. 
Wärmestarre  I,  470. 

Wärrueströmuug  durch  d.  Thierleib  II,  745. 
Wärmeunterschiede  nach  Tageszeiten  II,  723. 
Wärmevcrluste  II,  743.  S.  a.  Temperatur. 

—  durch  Haut  u.  Lunge  II,  751. 
Wärmeverlust  durch  Verdunstung  II,  748. 
Wasser  des  Blutes  II,  14. 

—  seine  Bedeutung  für  das  Leben  im 

AUg.  I,  19. 
Wasserausscheidung  II,  712. 

—  durch  die  Haut  II,  551. 
Wasserentbehrung  II,  682. 
Wassergehalt  der  Atmosphäre  II,  466. 

—  des  Blutes  II,  14. 

•  —    der  Erauenmilch  II,  457. 

—  des  Harns  II,  408. 
Wasserstoffausgabe  II,  714. 
Wasserstoffgas  1,  19. 

—  Wärraeeinheit  dess.  II,  737. 
Weizen  als  Nahrung  II,  595. 

Wellen  in  den  grossen  Arterien  II,  131. 


Wellenbewegung  in  elast.  Köhren  II,  68. 
Wellenlänge  b.  Molekularbwg.  (Schall)  1, 307. 
Wellenzeichner  II,  122. 
Werkzeuge,  eraphndende  des  Auges  I,  2!ir,. 

—  luftabsondernde  s.  AthraungsfläcLi  ii. 

—  luftveränderndc  II,  498. 
Wirbelgelonke  I,  505. 

Wille,  Einwirk.  a.  d.  Selbsterregung  II,  211. 

—  als  Erreger  des  Muskels  I,  4.35. 

—  mechanische  Leistung  dess.  I,  GU'2 
Willkürbewegung  I,  599. 

—  mcchan.  Leistungen  ders.  I,  603. 
Willkürerrcgung,  mech.  Werthe  ders.  I,  603.  i 
Wirbel ,  schiefe  Fortsätze  ders.  I,  507.  M 
Wirbelgelenke  I,  545.  ■ 
W.irbelsäule,  Muskeln  ders.  I,  545.  ■ 

X. 

Xanthin  im  Harn  II,  390. 
Xanthoproteinääure  I,  46. 

Z. 

Zahlenverhältniss    zwischen   Muskeln  und 

Nervonröhren  I,  480. 
Zähne  II,  281. 

—  Ernährung  ders.  II,  282. 

—  Eorrafolgo  d.  Entstehung  ders.  II,  283. 
Zelle,  Einfluss  ders.  auf  ihre  Umgebung 

und  umgekehrt  II,  232. 
Zellenbildung  II,  230. 

—  Bedingungen  ders.  II,  2  10. 

—  innere  und  freie  II,  23 1 . 

—  Veränderungen  ders.  II,  162; 

Zellenhaut,  Wachsthura  ders.  II,  286. 

Zellhaut  der  Gefässe  II,  107. 

Zergliederung ,  mechanische  einer  Lebens- 
erscheinung I,  I. 

Zerstreuungakreise  I,  255  (n.  Listing)  I,  270. 
Zotten  des  Darraes  II,  654. 
Zucker  im  Blute  II,  8. 
Zuckerarten  I,  33. 

—  physiologische  Bedeutung  dess.  I,  35. 
Zuckergährung  durch  den  Speichel  II,  625, 
Zuckergehalt  der  Erauenmilch  II,  456. 
Zuckung  I,  437. 

—  Gesetz  ders.  (v.  Pfaffu.  Kitter)  I,  443. 

—  paradoxe  I.  90. 

—  sekundäre  I,  467.  M 
Zunge,  Thätigkeit  bei  d.  Verdauung  Ii,  604* 
Zusammensetzung  d.  Blutes  II,  1.  M 

—  der  Nerven  mit  Bezug  auf  ihre  Er-^ 

regbarkcit  I,   124.  , 
Zusammenziehung  d.  Herzkammern  II,  TiS. 

—  der  HerzTorhöfo  II,  126. 

—  tetanisehe  d.  Muskels  I,  438. 
Zuwachs,  elektrischer  I,  99.  100.  f  , 

—  Gesetze  dess.  I,  100.  i 
Zwangsbewogungen  I,  208.  * 
Zwischenwirbelbänder  1,  506.  #^ 


Gedruckt  bei  E. 


1'  0 1  z  in  Leipzig.