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Münchener '
Volkswirtschaftliche Studien
Herausgegeben von
Lujo Brentano und Walther Lotz
Achtundsiebzigstes Stück
BARZAHLUNG UND
KßEDITVEEKEHß
IN HANDEL UND GEWERBE
HI RHEIXISCH-WESTFiLISCHEN IXDUSTRIEBEZIEK
Von
HEIIMRICH OEXMäNN
Doktor der StaatswiitscLaft
STUTTGART UND BERLIN 1906
J. G. COTTA'SCHE BUCHHANDLUNG NACHFOLGER
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und Berlin
Miclieiier f ollswirtscMliclie StiiJien
Herausgegeben von
Lujo Brentano und Walther Lotz
Bisher sind erschienen:
1. Fraucke, Dr. E., Die Schuhiuacherei in Bayern. ' Ein Beitrag zur
Kenntnis unserer gewerblichen Betriebsformen. 5 Mark.
2. Broglio d'Ajano, Dr. R. Graf, Die venetianische Seidenindustrie und
ihre Organisation bis zum Ausgange des Mittelalters. 2 Mark.
8. Sinxlieiiuer, Dr. L., lieber die Grenzen der IVeiterbildung des fjibrik-
mässigen Orossbetriebes in Deutschland. 4 Mark.
4. Ellstaetter, K., Indiens Silberwährung'. . 3 Mark.
5. Herzberg, Dr. G. , Das Schneidergeiverbe in München. Beitrag zur
Kenntnis des Kampfes der gewerblichen Betriebsformen. 3 Mark.
6. Baldwin, Dr. F. Sjiencer, Die englisclien Bergwerksgesetze. Ihre Ge-
schichte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. 5 IMark.
7. Arnold, Dr. Ph., Dag Miinchener Bäckergewerbe. Eine technische,
wirtschaftliche und soziale Studie. 2 Mark 40 Pf.
8. Fiel«, Dr. L., Die bäuerliche Erbfolge im rechtsrheinischen Bayern.
Mit einem Vorwort von Lujo Brentano. 7 Mark.
9. örill, Dr. R., Soll Deutschland seinen ganzen Getreidebedarf selbst
produzieren? 2 Mark 40 Pf.
10. Münsterberg, Dr. 0., Japans auswärtiger Handel von 1542—1854.
Bearbeitet nach Quellenberichten. 7 Mark.
11. Yopeliiis, Dr. E., Entwickelungsgeschichte der Glasindustrie Bayerns
bis 1806. 2 Mark 40 Pf.
12. Bouii, Dr. Mor. J., Spaniens Niedergang während der Preisrevolution
des 10. Jahrhunderts. Ein induktiver Versuch zur Geschichte der Quantitäts-
theorie. 4 Mark.
13. Goldsleiii, Dr. J., Deutschlands Sodaindustrie in Vergangenheit und
Gegenwart. Ein kritischer Beitrag zur Geschichte der deutschen Zollpolitik.
2 Mark 40 Pf.
14. Baicoiami, Dr. C. J., Geschichte der rumänischen Zollpolitik seit dem
14. Jalirhundert bis 1874. 5 Mark.
15. Pfleger, F. J., und L. Cjischwindt, Börsenreform in Deutschland. Eine
Darstellung der Ergebnisse der deutschen Börsenenquete. Mit einem Vorwort
von Prof. Dr . W. L 0 1 z. I. A b s c h n i 1 1 : A 1 1 g e m e i n e r T e i 1. 2 Mark 40 Pf.
16. Pfleger, F. J., und L. Gschwiudt, Börsenreform in Deutschland.
II. Abschnitt: Die Produktenbörse nach den Erhebungen der
Börsenenquetekommission. 4 Mark.
17. Daniistnoft', Dr. A. D., Zehentregulierung in Bayern. 2 Mark.
18. Schwerer, Dr. Fr., Schöffau, eine Gemeinde im bayrischen Voralpenland
in ihren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen. 3 Mark 60 Pf.
19. Allmers, Dr. R., Die Unfreiheit der Friesen zwischen Weser und Jade.
3 ]\Iark.
20. Fisk, Dr. G. M., Die handelspolitischen und sonstigen Völkerrecht-
liehen Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten
von Amerika. 5 Mark 60 Pf.
21. Tliurneyssen, Dr. F., Das Münchener Schrei nergewerbe. 3 Mark GOPf.
22. Pfleger, F. J., und L. Gsctawindt, Börsenreform in Deutschland.
III. Abschnitt: Die Effektenbörse nach den Erhebungen der
Börsenenquetekommission. 5 Mark.
23. Prager, Dr. M., Die Währungsfrage in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika. 10 Mark.
24. Kuczynski, Dr. R., Der Zug nach der Stadt. Statistische Studien über
Vorgänge der Bevölkerungsbewegung im Deutschen Reiche. 6 Mark.
25. Apostol, Dr. P., Das Artjel. ' ' 3 Mark 60 Pf.
MUNCHBNER
Volkswirtschaftliche Studien
HERAUSGEGEBEN VON
LÜJO BEENTANO und WALTHER LOTZ
ACHTÜNDSIEBZIGSTES STÜCK:
Barzahlung und Kreditverkehr in Handel und
Gewerbe
im rheinisch-westfälischen Industriebezirk
von
Dr. HEINRICH OEXMANN
STUTTGART UND BERLIN 1906
J. G. COTTA'SCHE BUCHHANDLUNG NACHFOLGER
BAEZAHLUNG
UND
KREDITYERKEHR
IN HANDEL UND GEWERBE
IM RHEINISCH-WESTFÄLISCHEN INDUSTRIEBEZIRK
VON
HEIKRICH OEXMÄNK
DOKTOR DER STAATSWIRTSCHAFT
STUTTGART UND BERLIN 1906
J. G. COTTA'SCHE BUCHHANDLUNG NACHFOLGER
3727
02-
Alle Rechte vorbehalten
Vorwort
Als ich mit meinen Erhebungen begann, hatte ich das
Hauptaugenmerk zunächst darauf gerichtet, festzustellen, welche
Rolle der Wechsel im heutigen Wirtschaftsleben spielt. Ich
wollte imtersuchen, wie weit er reiner Warenwechsel, wie
weit Kreditwechsel ist, ob er im Verkehr mit dem Auslande
viel angewandt wird oder gegen Scheck und telegraphische
Auszahlung zurücktritt, ob das Bankakzept an Bedeutung zu-
genommen hat gegen früher u. s. w. Mehr und mehr drängte
sich mir aber die Überzeugung auf, daß alle diese Unter-
suchungen gewissermaßen des festen Bodens entbehrten, wenn
sie sich nicht einreihten in eine einigermaßen umfassende Dar-
stellung der in den einzelnen Industrie- und Geschäftszweigen
üblichen Zahlungsweisen und der dadurch bedingten Kredit-
verhältnisse. Ein klares Bild über die Bedeutung des Wechsels
für das einzelne geschäftliche Unternehmen und daraus dann
für das ganze wirtschaftliche Leben kann man sich nur machen,
wenn man zum Vergleich sowohl alle außer dem Wechselkredit
gebräuchlichen Arten der Kreditgewährung als auch die Bar-
zahlung heranzieht.
Umso lieber habe ich mich dieser Aufgabe zugewandt,
als meiner Ansicht nach hier eine Lücke in der Literatur
auszufüllen ist. Ueber die Theorie des Kredits ist schon viel
geschrieben worden und auch über die praktische Bedeutung
des Kredits findet sich für einzelne Geschäftszweige in Mono-
graphien und ähnlichem manche interessante Angabe ^). Nirgend-
') Z. B. in den vom Verein für Sozialpolitik veranstalteten ünter-
Buchungen über die Lage des Handwerks, sowie den Untersuchungen der
— VI —
wo aber ist meines Wissens ein Vergleich des Skontos mit
dem Bankdiskont, ein Vergleich der Zinshöhe bei dem vom
Kaufmann gewährten und dem von ihm beanspruchten Kredit
versucht. Nirgendwo ist meines Wissens die Bedeutung der
Risikoprämie und deren Höhe in der Praxis untersucht worden.
Auch in kaufmännischen Kreisen trifft man oft auf geradezu
überraschende Unkenntnis dieser für die Kalkulation so wich-
tigen Dinge.
Über alle diese Fragen ist Klarheit nur zu gewinnen durch
eingehende Untersuchung der in Handel und Gewerbe ge-
bräuchlichen Arten der Kreditgewährung.
Welche Schwierigkeiten aber die Feststellung solcher kauf-
männischen Gebräuche macht, wird jeder leicht erfahren können,
der sich auch mit nur einem Kaufmann über diese Frage
unterhält. Mit ziemlicher Sicherheit wird er die Antwort er-
halten: „Die Gewährung von Krediten ist eine rein individuelle
Sache und richtet sich ganz nach der Person des Kredit-
suchenden."
Trotzdem wage ich zu behaupten, es gibt doch gewisse
Normen für die Kreditgewährung, und diese wenigstens für
einige Geschäftszweige festzustellen, habe ich mir zu einer
Hauptaufgabe dieser Arbeit gemacht.
Bestehen in irgend einem Geschäftszweige starke wirt-
schaftliche Verbände, so haben sie für ihre Mitglieder meist
Normen für die Kreditgewährung durch Vereinbarung fest-
gelegt, und man kann sich darauf beschränken, an einer nicht
zu kleinen Zahl von Proben zu untersuchen, wie weit diese
Verabredung eingehalten wird. Bestehen derartige Verbände
aber nicht, so muß man die Art der Kreditgewährung in einer
möglichst großen Anzahl von Einzelfällen feststellen und hieraus
die Norm ableiten.
Handelskammer zu Hannover: „Die Lage des Kleinhandels in Deutsch-
land", bei Siemenroth u. Troschel 1899 u. 1900.
Femer in den Veröffentlichungen der Handelskammer für das Herzog-
tum Braunschweig: „Kolonialwaren-Kleinhandel und Konsumvereine" bei
B. G. Teubner 1901 und manchen anderen.
Außerdem wird in zahlreichen Handelskammerberichten auf die Be-
deutung der Barzahlung bezw. Kreditgewährung hingewiesen.
— VII —
Wollte man nun die Untersuchungen über ganz Deutsch-
land und über alle Geschäftszweige erstrecken, so würden sie
eine große Anzahl Mitarbeiter und trotzdem eine Arbeitszeit
von vielen Jahren beanspruchen und dabei wäre der erste Teil
der Arbeit bei Fertigstellung des letzten sicher schon veraltet.
Ich habe mich deshalb räumlich auf den rheinisch-west-
fälischen Industriebezirk, speziell Dortmund und das Ruhrgebiet,
beschränkt und die außerhalb dieses Bezirkes üblichen Zahlungs-
bedingungen, die oft erheblich genug von den hiesigen ab-
weichen mögen, außer acht gelassen. Unter den vielen in diesem
Bezirk vertretenen Zweigen des Handels und Gewerbes habe
ich die wichtigsten und diejenigen herausgegriffen, bei denen
sich besondere Eigentümlichkeiten zeigen. Dabei habe ich
mein Augenmerk darauf gerichtet, nicht nur die Verhält-
nisse in den kaufmännisch höchst entwickelten Geschäftsformen,
den hier so reichlich vertretenen Syndikaten und ähnlichen
Organisationen, sondern auch in den niedriger und niedrigst
entwickelten, bis herab zu den Händlern und Handwerkern,
zu schildern.
Die angedeuteten Beschränkungen in der Untersuchung
glaube ich umso ruhiger eintreten lassen zu können, da das
verarbeitete Material trotzdem vielseitig genug sein dürfte,
um das daraus gewonnene Resultat als einen Baustein be-
trachten zu können zur Erkenntnis unseres wirtschaftlichen
Lebens, der darin arbeitenden Kräfte und herrschenden An-
sichten. Letztere, glaube ich, darf man bei wirtschaftlichen
Untersuchungen nicht vernachlässigen, da sie bei Einführung
bezw, Verhinderung von Reformen oft von ausschlaggebender
Bedeutung sind.
Über die Art meiner Erhebungen möchte ich noch be-
merken, daß ich in den weitaus meisten Fällen eine möglichst
große Anzahl von Vertretern des jeweils zu untersuchenden
Gewerbes persönlich aufgesucht habe. Nur in einzelnen Fällen
habe ich aushilfsweise zum Fragebogen gegriffen. Die Form
der persönlichen Umfrage hat meines Erachtens den großen
Vorzug, daß man sich über den inneren Zusammenhang der
Dinge viel leichter einen Überblick verschaffen kann, als durch
Fragebogen, deren Beantwortung meist nur die Ergebnisse
— VIII —
der verschiedenen, gerade herrschenden Verhältnisse geben
kann, aber nicht deren historische Entwicklung.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß man mir bei
meinen Umfragen durchweg mit größter Liebenswürdigkeit
entgegengekommen ist. Überall suchte man mich in meiner
Arbeit nach bestem Wissen und Können zu fördern. Allen
Helfern sei an dieser Stelle mein verbindlichster Dank aus-
gesprochen für ihre freundliche Unterstützung, seien es nun
die Vertreter der Groß- und Kleinindustrie, der Bankwelt, des
Handels oder des Handwerks, oder die Vertreter der Handels-
und Handwerkskammern, sowie der wirtschaftlichen Verbände
und Arbeiterorganisationen.
Ganz besonderen Dank möchte ich aber auch meinen ver-
ehrten Lehrern aussprechen. Herr Professor Lotz hat mir
nicht nur die Anregung zu dieser Arbeit gegeben, sondern
hat mich ebenso wie Herr Professor Brentano bei ihrer Aus-
führung mit wertvollen Ratschlägen unterstützt.
H. Oexmann.
Inhaltsverzeichnis
Seite
Die Zahlungen bei den Handwerkern und im Kleinhandel 1
Der Schneider und seine Kunden. Zahlenmäßige Darstellung
der Bedeutung der Barzahlung für den Schneider. Konfektions-
geschäfte. Tuchhandel. Handwerksmäßiger Schuhmacher. Leder-
händler. Schuhwarenhändler gegenüber Kunden und Fabri-
kanten. Fabrikant und Lederhändler. Viehzüchter und -händler.
Händler und Schlächter. Schlächter und Konsument. Müller
bezw. Mehlhändler und Bäcker. Bäcker und Konsument. Kolo-
nialwarenkleinhändler und Konsument. Händler und Grossist.
Spiritusring und sogen. Markenartikel. Rabattsysteme. Konsum-
vereine. Tischler und Käufer. Gemeinsame Möbelverkaufs-
stellen. Tischler und Holzhändler. Möbelhändler und Käufer.
Abzahlungsgeschäfte. Bauhandwerker und Bauherr (Privater
bezw. Unternehmer). Beschaifung der Baugelder. Baumate-
rialien. Besserungsbestrebungen.
Lohnzahlung 25
Einfluß der Lolinzahlungsperiode auf Handwerk und Klein-
handel. Die Lohnzahlungsperioden bei Metallarbeitern, Brauern
und Bergleuten. Agitation für Stägige Lohnzahlung.
DieZahlungen beim Holzhandel 28
Grubenholzhändler und Fiskus. Holzhändler und Landwirt.
Grubenholzbezug aus dem Ausland. Grubenholzhändler und
Zeche. Holzhändier und Tischler bezw. Bauschreiner. Edel-
holzimport.
DieZaiilungenbeim Getreidehandel 32
Bauer und Aufkäufer. Ein- und Verkaufsgenossenschaften.
Mühlen. Proviantämter. Getreideimport.
DieZahlungenimBr augewerbe 86
Privatbrauereien: Bierschulden. Darlehen gegen Sicherheit.
Aktienbrauereien : Ausstände im allgemeinen. Darlehen gegen
doppelte Sicherheiten: Hypothek und Wechsel. Bieraufschlag.
Darlehen seitens der Aufsichtsräte und ähnlicher. Versuche zur
Besserung. Flaschenbierhandel. Malzhandel. Hopfenhandel.
— X —
DieZahlungenbeimKohlenhandel 44
Verhältnisse vor Gründung des Kolilensyndikates. Syndikat
und Zechen. Syndikat und Großhändler. Kohlenhandelsgesell-
schaften. Kohlenkleinhandel.
Die Zahlungen in der Eisenindustrie 48
Rohmaterial und Halbzeug: Syndikate und Abnehmer. Erz-
bezüge. Auslandslieferungen. Der 15. jeden Monats als Zahl-
termin.
Maschinenfabriken : Vereinbarungen. Anrechnung von Roh-
material. Verändertes Kreditbedürfnis.
Die Zahlungen bei Import und Export 53
Bestrebungen der Fabrikanten bezw. Syndikate, sich vom
Expoi'teur loszumachen. Bedingungen für einzelne Länder.
Einzug der ausländischen Wechsel. Unterschied der Bedingungen
bei FabriUanten und Exporteuren. Export von Maschinen. Bier-
export.
Schlußbetrachtungen 59
Zusammenfassung: Die Stellung des Wechsels im heutigen
Wirtschaftsleben. Warenkredit und Betriebskapital. Der wach-
sende Kundenkreis der Banken infolge verschärfter Zahlungs-
bedingungen.
Die Zahlungen bei den Handwerkern und im
Kleinhandel
Daß die Großindustrie dem Handwerk an Betriebskapital,
sei es bar oder in der Form eines Kredites, durchwegs über-
legen ist, ist eine allgemeine bekannte Tatsache und auch die
vom Verein für Sozialpolitik vor mehreren Jahren veranlaßten
Untersuchungen über die Lage des Handwerks^) haben mit
größter Deutlichkeit ergeben , daß der Mangel an Kapital
eines der Hauptleiden unseres Handwerks ist. Mit verschiedenen
Mitteln hat man ja auch schon Abhilfe zu schaffen gesucht
und zum Teil schöne Erfolge erzielt. Durch Zusammenschluß
in starke Genossenschaften ist es den Handwerkern gelungen,
sich manche Vorteile zu sichern, die sonst nur dem Groß-
unternehmer erreichbar sind. Handwerkerbanken und ähnliche
Institute sollen dafür sorgen, daß der Handwerker das nötige
Bargeld erhält.
Einem alten Übel gegenüber aber, das wie ein nagender
Wurm am Marke des Handwerks sitzt, ist man meines Er-
achtens noch viel zu gleichgültig geblieben. In den meisten
Zweigen des Handwerks sind die Klagen über die verrottetste
Borgwirtschaft, die man sich denken kann, fast allgemein.
Dabei sind die Versuche nur sehr vereinzelt, hier durch strammes
Zusammengehen aller Beteiligten mit fester Hand einzugreifen.
Auf Gelder, die der Handwerker mit seiner Hände Arbeit sauer
verdient, muß er monatelang, ja oft genug jahrelang warten.
Seine Kapitalkraft und damit seine Konkurrenzfähigkeit gegen-
über dem kapitalistischen Großbetriebe leidet darunter in einer
Art und Weise, die er selbst in ihrem vollen Umfange meist
gar nicht zu erfassen vermag.
') Cf. Bd. 62—70 der Schriften des Vereins für Sozialpolitik.
Oexmann, Barzahlung ii. Kreditverkehr in Handel u. Gewerbe l
Der Durchschnitt einer ganzen Anzahl von Angaben selb-
ständiger Schneider im hiesigen Bezirk ergibt, daß nur etwa
20 bis 25 ^/o der bestellten Schneiderarbeiten sofort bei Empfang
bar bezahlt werden. Die übrigen 75 bis 80 <^/o werden nach
4 bis 6 Monaten beglichen und selbst dann werden oft noch
Dreimonatsakzepte in Zahlung gegeben, die unter Umständen
auch noch einmal oder häufiger prolongiert werden, so daß
mehrere Prozent aller Schneiderarbeiten erst nach 1 bis 2 Jahren
bezahlt werden.
Hat der Schneider nun Barvermögen oder, wie meist noch
in ländlichen Gegenden, landwirtschaftlichen Besitz, so bezahlt
er seine notwendigen Anschaffungen für den Handwerksbedarf
sowohl wie für den Lebensunterhalt bar aus seinen Neben-
einnahmen und genießt dadurch bei seinen Einkäufen die
Vorzüge der Barzahlung, verliert also nur die Zinsen an seinen
Ausständen. Nimmt man an, daß er diese nicht zur Ver-
größerung seines Geschäftsbetriebes verwenden, sondern nur
zu Kapitalsanlage verwerten würde, wenn er sie bar in Händen
hätte, so beträgt sein Ausfall nur den gewöhnlichen Kapital-
zins, also etwa 4*^/0 pro Jahr. Dazu kommen natürlich noch
die Prozente, die er für einen etwaigen Ausfall rechnen muß.
Dieser ist nach der Art der Kundschaft sehr verschieden.
Braucht der ländliche Schneider, der die Kundschaft ganz
genau persönlich kennt, vielleicht nur ^/2 bis 1 ®/o in Rech-
nung zu stellen, so macht diese Summe bei fluktuierender, in-
dustrieller Bevölkerung leicht mehrere Prozente aus.
So gering ist der Ausfall aber nur dann, wenn der Schneider
seine Ausstände, falls er sie bar in Händen hätte, nicht im
Geschäft anlegen würde. Könnte er diese Gelder sonst im
Geschäft arbeiten lassen, indem er zum Beispiel ein Tuchlager
hielte, statt wie bisher das Tuch in Abschnitten zu kaufen,
so steigt sein Ausfall schon um ein bedeutendes. Denn jetzt
würde er sich mit einem Gewinn von etwa 4 ^/o nicht begnügen,
sondern aus dem im Geschäft tätigen Kapital 12 bis 15 *'/o Ge-
winn schlagen können. Verlaugt er also, wie es jetzt häufig
geschieht, 5 ^/o Verzugszinsen bei Geldern, die über 3 Monate
ausstehen, so hat er immer noch einen Verlust von 7 bis 10°/o,
abgesehen von der in Anrechnung zu bringenden Risikoprämie.
— 3 —
Ganz bedeutend aber verändert sich das Bild noch, wenn
der Schneider auf schnelle Einnahmen aus seiner Arbeit an-
gewiesen ist, um Material und Lebensmittel zu kaufen und
sonstige Bedürfnisse zu befriedigen. Muß er beim Einkauf
Kredit in Anspruch nehmen, so verteuert sich sowohl sein
Lebensunterhalt als auch die Befriedigung seiner übrigen Be-
dürfnisse, wie ich nachher zeigen werde, leicht um 8 bis 12°/o
per Jahr (2 bis 3 ^jo Kassakonto), so daß sein Gesaratverlust am
ausstehenden Kapital 15 bis 22 ^,o pro Jahr ohne Berück-
sichtigung einer Risikoprämie erreicht.
Daß dieser Prozentsatz nicht zu hoch gegriffen ist, daß im
Gegenteil sogar von Geschäften mit ausreichendem, ja großem
Betriebskapital als bloßer Zinsverlust plus Risikoprämie noch
mehr gerechnet wird, beweist das Beispiel einer Anzahl großer
Schneiderfirmen , die bei Barzahlung innerhalb 30 Tagen 4 "^/o
Skonto gewähren, während nach 3 Monaten netto zu zahlen
ist. Es werden also für 2 Monate 4"/o oder pro Jahr 24°/o
gerechnet.
Unberücksichtigt hatte ich bisher die Möglichkeit gelassen,
daß der Schneider Kredit von anderer Seite als von seinen
Lieferanten in Anspruch nimmt. Erhält er auf seine Ausstände
hin zu bankmäßigem Zinssatze das als Betriebskapital nötige
Geld geliehen , so verringert sich sein Verlust ganz wesent-
lich. Bekommt er z. B. von seiner Handwerkerbank das
Geld zu 6'',o und seine säumigen Kunden zahlen 5 "/o Ver-
zugszinsen, so beträgt sein Ausfall nur 1*^/0, abgesehen von
etwaigen Verlusten, für deren Eintritt die Wahrscheinlichkeit
dadurch natürlich nicht geringer wird, daß ihm das Geld vor-
geschossen wird. Diese Ausfälle könnte er an der ganzen
Preisstellung wohl wieder einholen, aber sehr oft herrscht eine
gewisse Scheu vor der Aufnahme fremder Gelder und es fehlt
an der nötigen kaufmännischen Einsicht, um die daraus ent-
stehenden Vorteile würdigen zu können. Außerdem ist der
Fehler aber der, daß gerade der kapitalschwächste Handwerker
am schwersten fremde Gelder bekommt. Die großen Banken
geben sich mit so kleinen Kunden garnicht ab und verweisen
sie mit Recht auf die eigens zur Unterstützung des Handwerks
gegründeten Handwerkerbanken. Hier ist aber fast durchweg
— 4 —
Vorbedingung für einen zu gewährenden Kredit der Besitz
eines Anteilscheines, zu dessen Erwerb in der Regel 100 bis
200 Mk. erforderlich sind. Da sich aber bei dem kleinen
Handwerker das Kreditbedürfnis oft noch unter dieser Summe
hält, ist ihm mit der Handwerkerbank in ihrer heutigen Or-
ganisation auch nicht geholfen. »Die Anteile müßten entweder
bedeutend verkleinert werden oder auch die Gewährung von
Blankokrediten an vertrauenswürdige Handwerker ermöglicht
werden ohne Zeichnung eines Anteils" ^). „Auch die Bevor-
schussung und spätere Einziehung der Forderungen des kleinen
Meisters ist ein Feld, auf dem von selten der Genossenschafts-
banken noch viel geschehen könnte' ^),
Aber auch die Innungen und sonstigen Handwerkerver-
einigungen könnten hier helfend eingreifen, indem sie es z. B.
ihren Mitgliedern zur Pflicht machten, falls eine Forderung
nach 3 Monaten nicht beglichen wird , auf den säumigen
Kunden zu trassieren und die Tratte entweder selbst vorzu-
legen oder der Genossenschaftsbank zu übergeben.
Vorläufig fürchtet man sich aber noch allgemein vor solchem,
doch wahrlich nicht rigorosem Vorgehen. Trotz aller Innungen
und sonstiger Verbände fehlt es nämlich dem Handwerk in
bedauerlichem Maße an Solidaritätsgefühl. Jeder einzelne sagt
sich: wenn ich nicht borge, tut es ein anderer trotz aller Ab-
machungen. Statt also die Gefahr auf sich zu nehmen, den
Kunden durch Mahnen zu verlieren, wartet man lieber ruhig
auf sein Geld, und trägt den sicheren Verlust.
Allerdings haben sich die Verhältnisse in den letzten
Jahren bedeutend gebessert. So haben sich im Industriebezirk
schon verschiedene Kreditschutzvereinigungen selbständiger
Schneidermeister gebildet, die auch untereinander wieder in
Verbindung stehen. Ihr Hauptziel ist die Vervollständigung
einer schwarzen Liste der säumigen oder ganz faulen Zahler.
Außerdem übernehmen die Vereine in der Regel auch die
') So sagt der Jahresbericht der Handwerkskammer Dortmund für
1902, ohne anscheinend zu berücksichtigen, daß den Genossenschaftsbanken
nach § 8 des Genossenschaftsgesetzes die Gewährung von Darlehen an
Nichtmitglieder verboten ist.
'^) In demselben Bericht,
— 5 —
Einziehung von Forderungen ihrer Mitglieder. Dabei wird
manchmal recht drastisch verfahren. In Dortmund z. B. fragt
der Vereinsdiener, an der Inschrift seiner Mütze leicht kennt-
lich, beim Aufsuchen des Kunden, den er gerade mahnen soll,
recht häufig bei den Nachbarn etc., wo der Betreffende wohl
wohne oder zu finden sei und ähnliches. Die Angst, auf diese
Art an den Pranger gestellt zu werden , mag schon manchen
faulen Kunden zum Zahlen bewogen haben.
Aber diese Art des Mahnens ist bei feinerer Kundschaft
undurchführbar, und die Kreditschutzvereinigungen bestehen
denn auch in der Hauptsache aus den Meistern mit weniger
feiner Kundschaft. Diese haben zum großen Teil auch ver-
abredet, nur gegen Anzahlung zu arbeiten. Ehe nicht eine
Anzahlung, in Höhe des Stoffpreises etwa, gemacht ist, soll
die Arbeit nicht begonnen werden und bei der Anprobe muß
wieder eine Abschlagszahlung geleistet werden. Der Rest soll
dann bei Lieferung bezahlt werden oder der Anzug wird nur
unter Vorbehalt des Eigentums abgegeben.
Wenn diese Abmachung gehalten würde, hätte der Schneider
wohl nicht viele Ausfälle zu beklagen. Leider wird sie aber
tatsächlich sehr oft nicht gehalten, aus Angst, daß der Kunde
zur Konkurrenz laufen könnte. Völlige Solidarität der Schneider
würde diese Gefahr ja stark vermindern, aber eine gewisse
Konkurrenz bliebe für ihn doch zu fürchten, die Abzahlungs-
geschäfte. Gerade hier im Industriebezirk bilden sie für den
Schneider eine recht unangenehme Konkurrenz, weil der Ar-
beiter, der den dort gekauften Anzug oft nur einmal wöchent-
lich trägt — sonst hat er sein Arbeitszeug — , nicht so bald
dahinter kommt, wie minderwertig die Ware meist ist. Ihm
sticht es in die Augen, daß der Anzug im Abzahlungsgeschäfte
womöglich noch billiger ist wie beim Schneider. Dabei braucht
der Kunde nur 10 °/(j anzuzahlen und monatliche Abzahlungen
von 5 bis 10 °;'o des Kaufpreises zu machen.
Diese Konkurrenz braucht das feine Maßgeschäft nicht zu
fürchten, hier fürchtet man nur die Konkurrenz der gleich-
artigen, unter Umständen auch auswärtigen Geschäfte und
sieht deshalb von irgend welchem Drängen der Kunden meist
ab. Da die Inhaber gewöhnlich kaufmännisch besser gebildet
— 6 —
sind, nehmen sie häufig fremde Gelder auf und sichern sich
bei längeren Krediten auch wohl durch Akzepte ihrer Kunden.
Indes geschieht dies doch verhältnismäßig selten. Die kleinen
Schneider sehen überhaupt meistens davon ab, ein Akzept zu
verlangen, teils weil sie sich der dadurch erwachsenden Vor-
teile nicht bewußt sind, teils weil viele Kunden sich dadurch
gekränkt fühlen würden.
Die von den Schneidern sonst, besonders wegen der starken
Preisdrückerei, so gefürchteten Konfektionsgeschäfte machen
ihnen in Bezug auf leichtes Kreditgeben fast gar keine
Konkurrenz. Sie verlangen wohl durchweg Barzahlung und
zwar nicht nur für fertige Waren, unter denen Arbeitszeug
hier im Bezirk eine wichtige Rolle spielt, sondern auch für
die Maßarbeit, die auch hier von den Konfektionsgeschäften
mehr und mehr übernommen wird. Gerade auf der strikten
Durchführung des Barzahlungssystems aber beruht zum großen
Teil wieder ihre Überlegenheit gegenüber dem Handwerks-
betriebe.
Der einzelne Schneider nimmt beim Tuchlieferanten fast
durchweg Kredit in Anspruch. Der ganz kleine Meister muß,
besonders zu Anfang, ja vielleicht bar bezahlen. Er benutzt
die erste Anzahlung des Kunden, um den Stoff, den dieser
nach Muster ausgesucht hat, zu bezahlen. Wegen der kleinen
Posten, die er braucht, muß er sich meist an den Zwischen-
händler halten. Sobald er sich aber einmal das Vertrauen des
Lieferanten erworben hat, bekommt auch er Kredit. Das
gebräuchliche Ziel im Tuchhandel sind 3 Monate. Meist
ist der Kredit offener Buchkredit und der Schneider zahlt ab,
wenn er gerade Geld hat, oder aber es ist vereinbart: die
Schuld wird nach 3 Monaten durch Tratte oder Postauftras:
eingezogen. Wird die Kundschaft vom Reisenden besucht, so
besorgt dieser meist das Inkasso. In nur etwa 1 bis 2 von
10 Fällen soll die Bezahlung durch Wechsel, meist Sola-
wechsel, geschehen. Hat der Schneider das Akzept eines
Kunden in Händen, wird er es fast immer zur Zahlung an
den Tuchlieferanten benutzen. Genaue Diskontierung ist nicht
üblich.
Durchweg gewähren die deutschen Tuchlieferanten bei
— 7 —
Barzahlung innerhalb 30 Tagen 2 bis 4 "^'o Skonto gegenüber
Netto Kasse nach 3 Monaten.
Mehrere im hiesigen Bezirk bestehende Schneiderrohstoff-
einkaufsgenossenschaften gewähren neben den Vorzügen des
Großeinkaufes auch diese Vergünstigung ihren Mitgliedern.
Bei Betrachtung der Zahlungsverhältnisse in einigen anderen
Handwerken gilt die oben für die Schneider ausgeführte Be-
rechnung der Nachteile langsamer Zahlung nach Einsetzung
der entsprechenden Zahlen natürlich ebenso wie dort. Sie ist
deshalb nicht nochmals ausgeführt. Hingewiesen mag nur
noch darauf werden, daß die Verluste durch Kreditinanspruch-
nahme beim Händler desto größer sind, je größer der zum
Einkauf von Rohmaterialien notwendige Teil des Erlöses aus
dem Fertigprodukt ist. Denn gerade beim Einkauf von Roh-
material sind die Vorteile der Barzahlung besonders groß.
Bei den Schustern ist das Borgen fast noch ausgebreiteter
wie bei den Schneidern. Nur etwa 10 ^/o der aus der Werk-
statt gelieferten Ware werden sofort bar bezahlt. In länd-
lichen Gegenden und auch bei bekannten Kunden in der Stadt
wird das übrige in das große Schuldbuch geschrieben und
bleibt dort so lange stehen, bis der Kunde eben bezahlen will,
sei es ratenweise oder vollständig. Auf dem Lande geschieht
dies meist nach Verkauf der Ernte, bei Arbeiter- und Be-
amtenkundschaft nach Lohn- bezw. Gehaltszahlung. Rechnungen
zu schicken, entschließt der Schuster sich sehr schwer, in der
Regel tut er es nur einmal jährlich. Braucht er sehr nötig
Geld, um dem Lederhändler eine Abzahlung zu machen, so
zieht der Meister auch wohl Wechsel auf seine Kunden, die
der Lederhändler dann gerne in Zahlung nimmt. Liebliche
Sammlungen von Wechseln in Höhe von 10 bij 60 Mk. etwa
kann man in den Portefeuilles der Lederhändler zu sehen
bekommen. Auch an die Schäftelieferanten werden diese Wechsel
oft weitergegeben. Geht nun eines dieser Akzepte bei Verfall
nicht ein, so wird es entweder sofort mit Zinsaufschlag pro-
longiert oder der Inhaber sucht wenigstens eine Abzahlung
zu erhalten und nimmt für den Rest wieder ein Akzept. Oft
aber hält der Wechselinhaber sich im Nichtzahlungsfalle an
den Trassanten, den Schuster. Kann dieser dann nicht bar
bezahlen, so schießt häufig der Lederhändler vor, damit der
Schuster an den Schäftefabrikanten, oder dieser, damit er an
den Lederhändler zahlen kann. Dadurch gerät der Schuster
natürlich tiefer und tiefer in die Schuld seiner Lieferanten.
Er kann sich von ihnen gar nicht frei machen und muß jeden
verlangten Preis für ihre Waren zahlen. Auch kommt er fast
nie dazu, mit anderen sich zu einer Einkaufsgenossenschaft
zusammenzutun, um sich durch die so gebotenen Vorteile all-
mählich aus seinen Schulden herauszuarbeiten. Er läuft stets
Gefahr, daß ihm der Lieferant, dessen Schuldner er ist, beim
leisesten Versuch, anderwärts zu kaufen, die Schlinge zuzieht.
Nur durch diese starke Verschuldung der handwerkmäßigen
Schuhmacher ist es zu erklären, daß sich im ganzen rheinisch-
westfälischen ludustriebezirk erst eine einzige Schuhmacher-
rohstoffgenossenschaft gebildet hat.
Viel besser als in den rein handwerksmäßigen Betrieben
sieht es auch bei den Schustern in den mehr kaufmännisch
geleiteten Geschäften aus. Die Schuhwarenkleinhändler bilden
einen ziemlich starken Verband, dem übrigens auch viele
Handwerksmeister angehören, die nebenbei fertige Schuhwaren
verkaufen. Dieser Verband dringt bei allen Mitgliedern auf
Einführung der Barzahlung seitens der Kundschaft, und man
darf annehmen , daß schon heute etwa 60 bis 70 °/o aller
fertig gekauften Schuhwaren bar bezahlt werden. Dadurch
sind diese Händler auch meist in der Lage, ihre Bezüge bar
zu bezahlen. Fabrikant sowohl wie Grossist gewähren ge-
wöhnlich 2 bis 4 °/o Skonto bei Barzahlung innerhalb 14 bis
30 Tilgen gegenüber Netto Kasse nach 3 Monaten.
Kunden Wechsel gibt der Kleinhändler dem Lieferanten nicht
gerne, da die Stücke gegenüber den Summen, die der Händler
zu zahlen hat, zu klein sind. Hat der Detaillist wirklich
Wechsel auf seine Kunden gezogen, was ziemlich selten ist,
so behält er sie lieber selbst bis Verfall und gibt im Notfall
dem Grossisten sein eigenes Akzept. Dieser gibt es dann meist
an den Fabrikanten und dieser unter Umständen noch an den
Lederhändler weiter. Wenn es aber ein gutes Papier ist,
welches billig zu diskontieren ist, wird es meist schon vom
Fabrikanten an die Bank gegeben, um mit dem dafür erhal-
— 9 —
tenen Gelde bar zu bezahlen. Dadurch spart der Fabrikant
den Unterschied zwischen dem vom Lederhändler gewährten
Skonto und dem Diskont.
Unter den besseren Schuhwarengeschäften befinden sich
auch schon viele, die per Scheck bezahlen. Ist dieser aber
nicht auf eine große Bank, sondern eine Genossenschaftsbank
oder ähnliches gezogen, so sind die Grossisten meist wenig
erbaut davon, wenigstens wenn die Bank nicht am Wohnorte
des Grossisten ist. Dann muß er den Scheck entweder durch
eine andere Bank oder durch Postauftrag einziehen, was be-
sonders bei kleineren Beträgen verhältnismäßig hohe Kosten
verursacht. Wäre unser Scheckverkehr schon so weit entwickelt,
daß jede Bank an jedem Platze des Bezirks eine Zahlstelle
hätte, die ihre Schecks ohne vorherige Anfrage bei dem Be-
zogenen oder doch wenigstens ohne Kosten einlöste^ so wäre
die Zahlung per Scheck natürlich das allerbequemste und würde
sich auch schnell einbürgern.
Sehen wir uns jetzt einmal die Zahlungsverhältnisse in den
Handwerksbetrieben an, die für unseres Leibes Nahrung sorgen.
Hier nehmen die Fleischer eine erfreuliche Ausnahmestellung
unter allen Handwerkern ein. Bei ihnen herrscht nach allen
Seiten hin fast durchweg Barzahlung. Es ist dies auf einen
von oben nach unten, vom Viehzüchter bis zum Fleischkon-
sumenten durchgehenden Zwang zurückzuführen. Der Vieh-
händler muß bar bezahlen. Er zieht von Viehmarkt zu Vieh-
markt, von Gehöft zu Gehöft und kauft sein Vieh zusammen.
Solchem herumziehenden Händler aber gibt der Bauer sein
Vieh nicht, wenn er nicht gleich bares Geld auf den Tisch
bekommt. Der Viehhändler verfügt aber meist nicht über
derartige Kapitalien, daß er die beim Viehhandel recht erheb-
lichen Summen dem Schlächter, der ihm das Vieh abnimmt,
lange stunden kann, er muß sein Geld haben, um den Bauern
zu zahlen , der Fleischer muß ihm bar bezahlen. Ausnahms-
weise wartet der Händler, bis der Schlächter das Fleisch ver-
kauft hat, was durchschnittlich nach 8 bis 14 Tagen der Fall
ist. Oft muß der Fleischer auch über diese Zeit einen Wechsel
geben, den der Händler dann bei der Viehbank diskontiert,
um das Geld während der Zeit im Geschäft verwerten zu
— 10 —
können. Den zu zahlenden Diskont macht der Händler durch
die Preisstellung wett.
Da er so selbst pünktlich bezahlen muß, kann der Schlächter
auch keine langen Kredite gewähren, wenn er nicht bedeu-
tendes eigenes Kapital besitzt oder fremde Gelder aufnehmen
will. In der Regel verlangt er von seinem Kunden Barzah-
lung. Nur die größeren Fleischer verkaufen an ihre feinere
Kundschaft gegen monatliche ßechuung. Auch die großen
Hotels und Restaurants zahlen meist nicht täglich , sondern
nach Ablauf von 1 bis 4 Wochen. Die dadurch entstehenden
Zinsverluste muß die Größe der abgenommenen Mengen wett-
machen.
Aus der Größe der Beträge, um die es sich bei den
Fleischern stets handelt, erklärt es sich, daß sie in der Regel
eine Bankverbindung haben, sei es nun mit ihrer genossen-
schaftlich organisierten Viehbank oder einer anderen. Alle
Tage oder alle paar Tage bringt der Fleischer seine Einnahmen
zur Bank und bezahlt dann seine Vieheinkäufe per Scheck.
Die trotz der kurzen Zahlfristen manchmal nicht unbe-
deutenden Verluste der Fleischer sind meist auf liederliche
Buchführung zurückzuführen. Die Einnahmen werden fest-
gestellt, indem man Abends die Kasse zählt und den Bestand
notiert. Dabei sind aber im Laufe des Tages die Ausgaben
für die Bedürfnisse der Familie herausgenommen^).
Wie wenig genau oft auch die Anschreibungen des auf
Kredit gelieferten Fleisches sind, kann man von jeder Hausfrau
oder jedem Restaurateur erfahren, die laufende Rechnung beim
Fleischer haben. Daß dabei meist dieser den Schaden trägt,
ist ziemlich sicher, da im Haushalt des Kunden eine falsche
Anschreibung natürlich viel leichter gemerkt wird als in dem
viel grösseren Fleischereibetriebe.
Viel schlimmer aber als bei den Fleischern sind die Ver-
luste bei den Bäckern. Hier herrscht wieder ein ausgedehntes
Borgsystem.
Da der Bäckereibetrieb ein verhältnismäßig sehr geringes
Anlagekapital erfordert — die Backstube wird gemietet — ,
') Genau so schildert Herrn. Kind in den Untersuchungen des Vereins
f. Sozialpolitik die Buchführung der Fleischer in Leipzig, Bd. VI, S. 123.
— 11 —
ist bei den Bäckern die Lust, sich selbständig zu machen,
besonders groß. Wenn nur das allernotwendigste Anlage-
kapital vorhanden ist, manchmal sogar wenn es fehlt, wird
eine Bäckerei gegründet, Back- und Feuerungsmaterial wird
man schon auf Borg bekommen^).
Tatsächlich liefern denn auch viele Mehlhändler und Mühlen
das Mehl in einzelnen Säcken an den Bäcker und warten mit
der Bezahlung, bis das Mehl verbacken ist und der Bäcker
das Geld dafür eingenommen hat. Natürlich nimmt der Händler
bei derartigen Lieferungen entsprechende Aufschläge, oft 1 bis
1^2 Mk. pro Sack.
Bei größeren Lieferungen sind die Bedingungen sonst fast
durchweg 2 Monate Ziel oder P/o Skonto innerhalb 30 Tagen.
Bei Zielinanspruchnahme gibt der Bäcker meist sein eigenes
Akzept an den Mehlhändler, der es dann an die Mühle weiter-
gibt. Diese muß es meist bis Verfall behalten oder diskontieren
lassen. Der Getreidehändler nimmt solche kleinen Akzepte
ungern, weil er, wie ich später noch zeigen werde, zu genau
mit dem pünktlichen Eingang seiner Gelder rechnen muß.
Daß der Bäcker auf seinen Kunden trassiert, kommt kaum
vor, weil es sich meist um zu kleine Beträge handelt. Trotz-
dem nun diese Ausstände bei dem einzelnen Kunden selten
einige Mark übersteigen, abgesehen vielleicht von etwaiger
Restaurantkundschaft, so ist ihre Summe doch oft enorm hoch.
Wegen fast stets mangelnder oder doch sehr mangelhafter
Buchführung sind zahlenmäßig genaue Angaben nicht zu er-
halten. Von durchaus vertrauenswürdiger Seite wird aber
versichert, daß etwa ^/a aller Backwaren im hiesigen Bezirk
auf Borg geliefert würden. Den Hauptanteil daran bilden die
Waren, die von den sogenannten Brotwagen verkauft werden.
In den Arbeitervierteln wird nur ein geringer Bruchteil des
Bedarfes an Brot im Laden gekauft, alles übrige an den
Wagen der Bäckereien, die alle paar Stunden diese Straßen
durchziehen. Da wird nun durchweg auf Kredit verkauft.
Jeder bekommt, was er braucht und der Führer des Wagens,
oft genug ein ganz junger Bursche, notiert die Entnahme und
') Ähnliche Verhältnisse schildert für München: Dr. Arnold, Das
Münchener Bäckergewerbe. Münchener Volksw. Studien, St. 7, S. 47.
— 12 —
den Namen des Kunden. Dabei sind Ungenauigkeiten kaum
zu vermeiden. Mit den Notizen des Wagenführers nun macht
sich der Bäckermeister am Lohntage auf, um in den Woh-
nungen der Kunden die Gelder einzuziehen. Manche Meister
sind an diesen Tagen für nichts anderes zu haben, sie sind
vollauf mit dem Einkassieren ihrer Ausstände beschäftigt. Wie
groß dabei die Verluste durch Zahlungsunvermögen und oft
genug auch Böswilligkeit der Schuldner sind, läßt sich zahlen-
mäßig nicht angeben. Da eine Klage auf Zahlung bei dieser Art
Kundschaft meist aussichtslos sein würde, die Kosten des Ver-
fahrens unter Umständen auch noch dem Bäcker zur Last fallen
würden, er aber den Ausfall nicht selbst tragen will und
kann, schreitet er zu einer Art Selbstversicherung, indem er
alle Brote kleiner macht oder minderwertigeres Material ver-
backt. Von sachkundiger Seite wird versichert, daß in den
hiesigen Arbeitervierteln ohne die durch das Borgsystem ver-
ursachten Verluste die Bäcker für jede Mark 1 bis 1 ^/^ Pfund
Brot mehr liefern könnten, als sie jetzt tun.
In den Bäckereien mit feinerer Kundschaft sind die Ver-
hältnisse besser. Im Laden wird meist nur gegen bar abge-
geben, außer etwa an bekannte Kunden, die solche Entnahmen
mit in ihr Kontobuch setzen lassen, das die meisten Familien
für täglich ins Haus gelieferte Backwaren haben. Diese Konto-
bücher werden meist monatlich, seltener vierteljährlich bezahlt.
Sind hier die Ausstände größer und ist die Kreditdauer länger
als bei den eben geschilderten Bäckereien, so sind die Verluste
doch meist geringer infolge der größeren Zahlungsfähigkeit
der Kundschaft.
Ähnlich wie bei den Bäckern zahlt die Kundschaft im
Kolonialwarenkleinhandel. In den größeren Geschäften in
Stadtteilen mit wohlhabender Bevölkerung wird im Laden im
allgemeinen nur gegen bar abgegeben, nur altbekannte Kunden,
besonders solche, die sich die Waren ins Haus schicken lassen,
haben ein Kontobuch und regulieren zu Anfang jeden Monats.
Die kleineren Krämer aber müssen Kredit geben, zunächst
bis zum Abschlagstage, dann bis zum Lohntage, und kommt
ihnen dann irgend ein anderer Gläubiger beim Eintreiben der
Forderungen zuvor, oft genug auch ad infinitum. Auch bei
— 13 —
Ausbleiben der Lohnzahlungen haben die Krämer manchen
bitteren Verlust zu beklagen. Recht üble Erfahrungen haben
sie z. B. zur Zeit des letzten Bergarbeiterstreiks gemacht.
Die Unterstützung, die er den Bergarbeitern durch freigebiges
Kreditieren gewährte, hat manchem Krämer die Existenz ge-
kostet und sehr viele in die ungeordnetsten Verhältnisse ge-
bracht. Mancher Großhändler, der den Krämern durch ver-
stärkten Warenkredit in den Stand gesetzt, in der geschil-
derten Weise den Streik zu unterstützen, sieht noch jetzt auf
Ausstände von Zehn- und Hunderttausenden von Mark zurück,
die aus dieser Zeit rühren. Eine große Krise in dieser Branche
wäre unvermeidlich gewesen , wenn die Banken den Groß-
händlern nicht in umfassender Weise mit großen Kapitalien
zu Hilfe gekommen wären. Noch jetzt ist im Ruhrgebiet
der Bankkredit der Kolonialwarenhändler in einer Weise an-
gespannt wie nie zuvor.
Gewährt wird dieser Bankkredit teils als Blankokredit,
zum großen Teil aber auf Grund der hereingegebenen Kunden-
akzepte oder als sogenannter Trattenkredit.
Der Kleinhändler hat bei dem Grossisten durchweg 2 Monate
Ziel oder 1^/2 bis 2^/o Skonto bei Barzahlung. Nur bei Petro-
leum und einigen anderen Waren mit Börsennotiz wird fast
durchweg Barzahlung verlangt. Infolge dieser Notiz kann der
Großhändler nur 3 bis 5 °'o auf den von ihm gezahlten Preis
aufschlagen, gegenüber 8 bis 10 ^/o bei anderen Waren ohne
Notiz. Dieser kleine Nutzen aber kann den Zinsverlust und
die Risikoprämie bei Zielgewährung nicht tragen.
Beim Spiritus ist es der sogenannte Spiritusring, der für
diesen Artikel allmählich bis in den Kleinsthandel hinein Bar-
zahlung durchdrückt. Der Großhändler muß Spiritus sofort
bei Empfang bar bezahlen. Bei zehntägigem Ausstand moniert
der Ring meist schon. Da dabei der Preis des Spiritus
genau vorgeschrieben ist, muß auch der Großhändler auf Bar-
zahlung beim Wiederverkäufer drängen, da sonst der Zins-
verlust den Verdienst unverhältnismäßig schmälert.
Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei den sogenannten
Markenartikeln. Etwa 40 bekannte Firmen (Liebig, Cibils,
Maggi, Kathreiner u. a.) haben sich zu einer Konvention
— 14 —
zusammengetan. Jede dieser Firmen setzt für ihre Waren
Grossisten- und Detaillistenpreis fest. Geht ein Groß- oder
Kleinhändler von dem für ihn festgesetzten Preise ab, so ver-
liert er nicht nur das ßezugsrecht dieses einen unvorschrifts-
mäßig verkauften Artikels, sondern auch aller anderen soge-
nannten Markenartikel. Auch beim Handel in diesen Waren
muß Zinsverlust und Risikoprämie soweit wie möglich herunter-
gedrückt werden, um einen Gewinn herausspringen zu lassen.
Für alle übrigen Materialwaren wird vom Grossisten wie
gesagt im allgemeinen 2 Monate Ziel gewährt. Akzept wird
nur verhältnismäßig selten verlangt, in der Regel stellt der
Grossist nur eine Tratte aus. Die Akzepteinholung würde
bei der großen Menge von kleinen Beträgen zu teuer werden.
Gegen Hereingabe dieser Tratten wird häufig vom Bankier
ein sogenannter Trattenkredit gewährt. Bei Verfall werden
sie dann durch die Bank, auf den kleinen Orten durch Post-
auftrag, eingezogen.
Viele Grossisten lassen ihre Kundschaft aber auch alle
4 bis 6 Wochen durch den Reisenden besuchen; dieser zieht
dann von den Ausständen so viel, wie eben möglich ist, ein.
Mehr und mehr dringt auch bei den Kolonialwarenkleiu-
händlern die Erkenntnis durch, welchen Nutzen sie von einer
stramm geregelten Barzahlung haben. Von den Konsum-
vereinen hat der Kleinhändler gelernt, daß nicht 2 bis 3 Pfennig
Vorteil beim einzelnen Einkauf den Konsumenten zur Bar-
zahlung erziehen. Der Kunde muß den Gewinn in einem
größeren Posten zusammensehen, dann wirkt er.
Fast die Hälfte aller Kolonialwarengeschäfte im hiesigen
Bezirk, in manchen Orten mehr, in manchen weniger, geben
bei Barzahlung sogenannte Rabattmarken aus, meist in Höhe
von 4°/o des Einkaufs. Diese werden auf einem Bogen zu-
sammengeklebt und wenn dieser gefüllt, gegen Waren oder
bares Geld in Zahlung genommen.
Manche Geschäfte nehmen ausschließlich die von ihnen
selbst ausgegebenen Marken in Zahlung, bilden also ein eigenes
Rabattsystem.
In manchen Orten wieder haben sich eine Anzahl Firmen
zu einem solchen System vereinigt. Von einer Zentrale werden
— 15 —
Marken an die Mitglieder verkauft zu dem darauf angegebenen
Preise. Jedes Mitglied der Vereinigung nimmt nun auch die
bei einem anderen Mitglied ausgegebenen Marken in Zahlung,
bezw. tauscht sie gegen bares Geld um und nach einer be-
stimmten Zeit, alle Monat etwa, werden die in Zahlung ge-
nommenen Marken bei der Zentrale wieder eingetauscht.
Bei diesem System kommt der versprochene Nutzen voll
und ganz dem Konsumenten zu gute. Der auf der Rabatt-
marke angegebenen Summe entsprechend erhält er bares Geld
oder Ware, deren Wert dieser Summe wirklich entspricht.
Viel ungünstiger steht sich der Konsument, wenn die
Rabattmarken nicht von einer ohne direkten Nutzen arbeitenden
Vereinigung von Kaufleuten, sondern von einem Unternehmer
ausgegeben werden, der die Marken zu dem darauf ange-
gebenen Preise an jeden Kaufmann, der dies verlangt, ver-
kauft, die Einlösung der Marken aber sich selbst vorbehält.
Wollte dieser Unternehmer die Marken bar einlösen, hätte
er natürlich keinen Nutzen, er gibt in großen, einem Bazar
ähnlichen Läden Waren dagegen ab, meist Ramschware, für
die der kleine Mann den dafür in Anrechnung gebrachten
Preis unter gewöhnlichen Umständen nie bezahlen würde. Bei
diesem System also genießt der barzahlende Konsument den
ihm gewährten Rabatt nicht vollständig, sondern muß einen
Teil an einen Unternehmer abgeben, der mit dem Geschäfte,
das dem gewährten Rabatt zu Grunde liegt, eigentlich gar nichts
zu tun hatte.
Von Seiten der Gegner des Rabattsystems wird oft be-
hauptet, die Qualität der Ware müsse bei solcher Rabattge-
währung unbedingt leiden, wenn nicht die Preise erhöht würden.
Nun überlege man sich aber den Nutzen, den der Geschäfts-
mann durch den Rabatt hat. Von jedem Warenposten, den er
verkauft, erhält er 4 °/o weniger, für jeden Posten, den er jetzt
statt nach 2 Monaten sofort bezahlen kann , zahlt er 2 "/o
weniger als früher. Sieht man von der eigentlich mit mehreren
Prozent in Anrechnung zu bringenden Risikoprämie, bei deren
Berücksichtigung man schon jetzt einen Gewinn erzielte, ab,
so ergibt sich ein Verlust von 2^'o. Nun muß man aber
berücksichtigen, um wie viel sich die Umschlagsfähigkeit des
— 16 —
Geschäftes vermehrt dadurch, daß die Ausstände täglich ein-
gehen. Theoretisch wäre die Vergrößerung der Unischlags-
fähigkeit ja unbegrenzt, in der Praxis aber kann man nach
Schätzung sachkundiger Händler annehmen, daß ein Kolonial-
warengeschäft bei völlig durchgeführter Barzahlung 8- bis
lOfachen Umschlag des Kapitals erzielen kann, während beim
Borgsystem 3- bis 5mal die Regel ist. Nimmt man also nur
an, daß der Umsatz sich verdoppelt bei Einführung der Bar-
zahlung, Gewährung von Rabatt und Ausnutzung des Skontos,
so wird der Geschäftsertrag, wenn man einen durchschnitt-
lichen Gewinn von 10 ^/o vom Umsatz annimmt, schon um die
Hälfte größer 1).
Sehr erfreulich sind die Zahlungsverhältnisse bei den
Konsumvereinen in Rheinland und Westfalen, Nach den im
Jahrbuch des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine für
1905 zusammengestellten Bilanzen waren die Schulden der
Mitglieder an die Konsumvereine für gelieferte Waren ganz
minimal, sie betrugen im Durchschnitt nur 0,3 °/o der Gesamt-
einnahmen. Dabei wurde diese Schuldsumme aufgebracht
teils von einem kleineren Verein, der als einziger in Rheinland
und Westfalen statutengemäß Kredit an seine Mitglieder ge-
währt, teils besteht sie aus Krediten, die für gemeinsame Kohlen-
') Dies möge ein Zahlenbeispiel erläutern.
Ohne Rabatt und Skonto sieht die Bilanz des Krämers wie folgt aus :
Gesamtumsatz 1000 Mk.
Einnahmen . . Mk. 1100 Ausgaben . . Mk. 1000
Gewinn. . 100
Mk. 1100 Mk. 1100
Jahresgewinn Mk. 100.
Unter Einsetzung der Rabatte und Skonten ergibt sich folgendes Bild:
Gesamtumsatz 2000 Mk.
Einnahmen . . Mk. 2200 Ausgaben . . Mk. 2000
Rabatte 47o . „ 88 Skonto 27o . „ 40
Mk. 2112 Mk. 1960
Gewinn . . Mk. 1-52
Jahresgewinn Mk. 152.
Mk. 2112
— 17 —
und Kartoffelbezüge gewährt wurden. Mehr und mehr kommt
man aber auch hier davon ab , bei solchen Bezügen Kredit
zu gewähren. Vielmehr wird den Mitgliedern nach Möglich-
keit Gelegenheit geboten, schon im Sommer für diese im Herbst
stattfindenden Einkäufe einzuzahlen.
Bei so geringen Ausständen ist es nicht zu verwundern,
daß auch die Vereine selbst pünktlich zahlen. Die Waren-
schulden betragen im Durchschnitt nur 3,4 °/o vom Gesamt-
erlös (plus Warenbestand minus Bruttogewinn) und übersteigen
nirgendwo den Wert der Warenbestände. Diese 3,4 °/o ent-
sprechen einer durchschnittlichen Zahlung etwa 10 Tage nach
Ausstellung der Rechnung und diese Zeit ist zur Prüfung der
Richtigkeit der Rechnungen meist notwendig.
Man darf also wohl sagen : bei den rheinischen und west-
fälischen Konsumvereinen ist die Barzahlung nach allen Seiten
hin durchgeführt. Gewährt in einem Konsumverein ein Lager-
halter einem Mitgliede doch einmal Kredit, so geschieht dies
ausschließlich auf seine eigene Gefahr, er muß das Geld aus
eigener Tasche vorschießen. Mehr und mehr aber machen
sich Bestrebungen geltend, Einrichtungen zu treffen, die es
ermöglichen, augenblicklich notleidenden Mitgliedern vom Verein
aus durch Barmittel aushelfen zu können, sei dies in Form von
Darlehen auf ihre Anteile hin, oder in Form von Vorschüssen
auf die Dividende, —
Eine große Umwälzung in den Zahlungsverhältnissen kann
man seit mehreren Jahren bei den Tischlern und Bauhand-
werkern verfolgen. Die Zahl der Möbeltischler, die auf Be-
stellung von Privatkunden arbeiten, geht mehr und mehr zurück.
Während früher Möbel fast stets auf Bestellung geliefert
wurden, wobei der Tischler dem Käufer sehr lange Kredite
einräumen mußte, läßt jetzt wohl nur ein Teil des gutsituierten
Bürgerstandes direkt beim Handwerker arbeiten. Zwar zahlt
diese Kundschaft auch nur selten sofort bar, aber hält wenig-
stens die vereinbarten Ziele von etwa 3 bis 6 Monaten meist
pünktlich ein. Im übrigen haben die meisten Tischler Ver-
träge mit einem oder mehreren Möbelgeschäften, für die sie
auf Lager oder auf Bestellung arbeiten. Von diesen wird
meist bei Lieferung oder monatlich bezahlt und so kann der
Oexmann, Barzahlung u. Kredilverkf'hr in Handi;! u. Gewerbe 2
— 18 —
Tischler, besonders wenn er mit mehreren Geschäften arbeitet,
meist auf ziemlich sicheren Eingang seiner Forderungen rechnen.
Weniger gleichmäßig ist der Eingang bei den Geldern für
Reparaturarbeiten, die in vielen handwerksmäßigen Betrieben
eine große Rolle spielen.
Bei den gemeinsamen Möbelverkaufstellen der Handwerks-
meister, deren auch im hiesigen Bezirk mehrere bestehen,
wurde früher meist erst nach Verkauf eines Stückes an den
Meister, der es hergestellt, gezahlt. Mehr und mehr ist man
aber dazu übergegangen, häufig mit Hilfe der Genossenschafts-
banken, die Möbel sofort nach Lieferung an die Verkaufsstelle
zu bezahlen, wodurch sich für den einzelnen Tischler Zins-
verlust und Verlustrisiko sehr verringern.
Trotz alledem ist aber die Verschuldung der Tischler bei
den Holzhändlern vorläufig noch eine ganz enorme. Von alters
her geben die Holzhändler 9 bis 12 Monate Ziel gegen Wechsel
(s. Abschnitt Holzhandel), wodurch die Tischler n)it der Zeit
ähnlich tief in Schulden gekommen sind, wie die SchuhrQajpher.
Genau wie diese haben sie es fast noch nirgendwo zur Bil-
dung von Einkaufsgenossenschaften gebracht.
Je mehr sich aber das Tischlerhandwerk kaufmännisch
organisiert, desto mehr darf man hoffen, daß sich seine wirt-
schaftliche Lage hebt.
Wo der Verkauf von Tischlereierzeugnissen kaufmännisch
geleitet wird, sei es in den Möbelhandlungen, oder in den
Verkaufsvereinigungen, da strebt man mehr darauf hin, Bar-
zahlung zu erlangen. Zum mindesten verlangt man eine An-
zahlung in halber Höhe des Kaufpreises, für den Rest wird
häufig ein Wechsel genommen. Der gebräuchliche Skonto bei
Barzahlung ist 2 ^jo pro Monat.
Ein unbezahltes Stück wird fast nie vom Lager gelassen,
ohne daß sich der Verkäufer vertragsmäßig das Eigentumsrecht
vorbehält. Diese Sicherungsmaßregel haben die reellen Ge-
schäfte von den Abzahlungsgeschäften gelernt, die so wenig-
stens eine gute Frucht gezeitigt haben, indem sie indirekt
manchen reellen Händler vor empfindlichen Verlusten bewahrt
haben.
Sonst aber sind die Abzahlungsgeschäfte eine sehr un-
— 19 —
angenehme Konkurrenz für viele Tischler und Möbelhändler,
weil sie immer wieder zu leichterem Kreditgeben bei gewissen
Kundenkreisen zwingen, die meist gar nicht einsehen^ wie
viel teuerer sie in solchen Abzahlungsgeschäften kaufen.
Wie eine größere Reihe von Dortmunder Gerichtsverhand-
lungen ergeben haben, werden in solchen Geschäften die
Preise oft auf den 3- bis 4fachen Wert des betreffenden
Gegenstandes festgesetzt. Dann freilich kann sich das Ge-
schäft mit einer Anzahlung von 10 '^/o dieses Preises und
monatlichen Abzahlungen von wenigen Prozenten begnügen,
zumal es sich durchweg das Eigentumsrecht vertraglich vor-
behält und meist ebenso ausmacht, daß bei unpünktlicher
Ratenzahlung Anzahlung und Ratenzahlungen als Leih- und
Abnutzungsgebühr verfallen sein sollen. Nichts hindert den
Händler, Sachen, die er wegen unpünktlicher Ratenzahlung
zurückgenommen hat, etwas aufzufrischen, und wieder, als
neu natürlich, auf Abzahlung zu verkaufen. Diesen Weg
haben manche Möbel nachgewiesenermaßen schon 3- bis 4mal
gemacht. Welche Schädigung darin für den Käufer liegt,
ist klar.
Daß es auch bei den Bauhandwerkern an unerfüllten
Wünschen nicht fehlt, zeigen unter anderem die Verhandlungen
über die Sicherung der Bauforderungen durch Reichsgesetz" ^).
Ob ein solches Gesetz die beabsichtigte Wirkung wirklich
haben würde, erscheint mir zum mindesten zweifelhaft. Sicher
ist, daß auch schon ohne dieses Gesetz im Bauhandwerk vieles
besser geworden ist, wenigstens im hiesigen Bezirk.
Engagierte früher fast stets der Bauherr selbst die einzelnen
Handwerker und waren diese einzig und allein auf die Zahlungs-
fähigkeit dieses ihnen vorher vielleicht völlig unbekannten Bau-
herrn angewiesen, so wird es jetzt mehr und mehr Gebrauch,
daß die Ausführung des Baues bis zur Schlüsselfertigkeit einem
größeren Unternehmer in die Hand gegeben wird, meist einem
tüchtigen Maurermeister. Ueber die Solvenz und Kulanz eines
') Siehe amtliche Ausgabe der Entwürfe eines Reichsgesetzes betr.
die Sicherung der Bauforderungen nebst Begründung und einer Übersicht
der Äußerungen, welche zu dem im Jahre 1897 veröffentlichten Gesetz-
entwurf ergangen sind. Berlin 1901.
— 20 —
solchen Unternehmers kann der kleinere Handwerker sich natür-
lich viel leichter genaue Auskunft verschaffen, als über einen
privaten Bauherrn. Selten wird der Unternehmer einen Bau
beginnen, ohne sich den pünktlichen Eingang seiner Forderungen
gesichert zu haben. Davon ziehen auch die Handwerker Nutzen.
Hat der Bauherr nicht das nötige Kapital, um den Bau aus
eigenen Mitteln zu bestreiten, so verpfändet er in der Regel das
Grundstück an eine Bank, die sich verpflichtet, dem Fortschreiten
des Baues entsprechend Vorschüsse zu geben. Ist der Bau
fertig, so gibt die Sparkasse oder ein ähnliches Institut eine
Hypothek darauf, mit der dann die Bankschulden abgestoßen
werden. Hat nun eine Bank sich so verpflichtet, gegen Ver-
pfändung des Grundstückes den Bau zu bevorschussen, so läßt
sich der Unternehmer meist diese Verpflichtung zedieren und
ist so sicher, die Baugelder pünktlich zu bekommen. Hierauf
ist er heutzutage aber auch unbedingt angewiesen. Früher
konnte er sich viel eher mit einer Sicherungshypothek und
Akzepten des Bauherrn begnügen, da er selbst alle Baumate-
rialien mit Akzept bezahlen konnte. Ziele von 9 bis 12 Mo-
naten waren keine Seltenheit.
Heute muß der Unternehmer die Baugelder pünktlich be-
kommen, da er selbst Ziegel und Kalk, sowie die meisten
anderen Baumaterialien auf den Tag zahlen muß. Im hiesigen
Bezirk sind Ziegel und Kalk außer von den betreffenden Syn-
dikaten kaum mehr zu bekommen, und diese verlangen Zah-
lung bis zum 15. des der Lieferung folgenden Monats und
zwar durchweg in bar, nur ausnahmsweise werden Akzepte
in Zahlung genommen. Der Einfluß dieser Zahlungsbedin-
gungen auf das Bauhandwerk ist ein äußerst erfreulicher. Zu-
nächst werden die weniger kapitalkräftigen Elemente davon
abgeschreckt, Häuser zu bauen, da sie sich zu leicht der Gefahr
aussetzen, plötzlich festzusitzen. Versagte früher einmal der
Bankkredit, dann mußte eben der Lieferant herhalten, was
heute in der Regel ausgeschlossen ist. Fast allgemein aner-
kannt wird auch, daß dieser Zwang, die Materialien pünktlich
zu bezahlen, auch dahin erzieherisch gewirkt hat, daß die Hand-
werker pünktlicher bezahlt werden als früher, worauf diese
ja allerdings zum Teil auch wieder selbst dringen müssen, da
— 21 —
auch ihnen vielfach kürzere Ziele von ihren Lieferanten ge-
setzt werden als früher, so für Bleche, Kleineisenwaren und
ähnliches.
Der Unternehmer macht mit den einzelnen Handwerkern
bestimmte Termine aus, an denen sie bezahlt werden sollen.
Diese Zeitpunkte fallen natürlich meist mit denen zusammen,
an denen der Unternehmer selbst von der Bank Geld erhält,
Beendigung einer Balkenlage oder ähnlichen. Verlangt der
Handwerker aus irgend einem Grunde Vorschuß, so wird die
gelieferte Arbeit abgeschätzt und in der Regel mit ^{a be-
vorschußt.
Den kritischen Augenblick für den Handwerker bildet
gewöhnlich die Zahlung für den letzten Teil des Baues. Da
der Bankvorschuß die Höhe der vollen Bausumme meist nicht
erreicht, muß die letzte Zahlung schon von der Hypothek auf
das fertige Gebäude erfolgen. Ergeben sich nun bei der
schleunigen Beschaffung dieser Hypothek Schwierigkeiten, so
hat der Handwerker meist mit darunter zu leiden.
An derartigen Verzögerungen sind in den letzten Jahren
im hiesigen Bezirk mehrfach sogar Sparkassen durch ein ganz
unqualifizierbares Benehmen schuld gewesen. Sie hatten sich
verpflichtet, das betreffende Gebäude zu beleihen, hatten aber
im entscheidenden Augenblick nicht das nötige bare Geld und
gaben statt dessen in 3 Monaten einlösbare Sparkassenbücher
in entsprechender Höhe. Da die Banken sich nun bei Kennt-
nis der Sachlage meist weigern, derartige Sparkassenbücher
zu beleihen, muß der glückliche Besitzer sie entweder für
hohes Entgelt bei Privaten versilbern oder aber sich bis zum
Einlösungstage mit Wechseln behelfen. In vielen Fällen wird
es sich dann um Gefälligkeitsakzepte handeln, die bei dem
Bauherrn zahlbar gestellt sind. Werden diese Wechsel sofort
eingelöst, wenn der Bauherr die Hypothek ausbezahlt erhält,
so ist der Schaden für den Handwerker, der sie in Zahlung
hat nehmen müssen, ja noch nicht allzu groß. Es kommt
aber auch vor, daß die Hypothek nicht einmal zur Abstoßung
der Bankschulden reicht, dann werden diese Wechsel prolon-
giert, bis sie aus Mieterträgen eingelöst werden können. Der
Handwerker aber ist mit dem Wechsel übel genug daran.
— 22 —
Die meisten Banken diskontieren derartige Papiere nur sehr
ungern oder sehr teuer und auch die Lieferanten halten sie
sich vom Halse, soweit es eben geht. Müssen sie sie schließ-
lich in Zahlung nehmen, so lassen sie es den Handwerker
natürlich am Preise entgelten.
Wie hoch aber die oft besprochenen Verluste der Bau-
handwerker eigentlich sind, läßt sich wegen des Mangels an
genauer Buchführung zahlenmäßig genau in den wenigsten
Fällen angeben.
Bei fast allen Handwerkern sahen wir so, daß mangelnde
Buchführung die genaue Feststellung der Höhe der Verluste
unmöglich macht, in sehr vielen Fällen diese Verluste aber
selbst bedingt.
Einer der ersten Punkte also, ja man kann sagen, der
erste Punkt, wo der Hebel angesetzt werden muß, wenn dem
Handwerk geholfen werden soll, wenn es konkurrenzfähig
bleiben soll mit fabrikmäßigen, kaufmännisch geleiteten Be-
trieben, ist die kaufmännische Ausbildung. Der Handwerker
muß ordentlich buchführen lernen. Dann kann er auch kal-
kulieren, was bei dem heutigen Stande seiner Buchführung
rein unmöglich ist. Dann lernt er aber auch einsehen, welchen
Schaden er sich durch zu langes Kreditgeben und -nehmen
zufügt. Er muß auch zur Einsicht kommen, welchen Nutzen
ihm ein aussredehnterer, möglichst kurzfristiger Wechselverkehr
im Gegensatz zu dem heute beliebten System des Buchkredits
bringen kann.
„Der Wechsel dient nämlich," sagt Ad. Wagner^), „sicher-
lich vielfach auch zur Steigerung der Reellität, der Pünkt-
lichkeit im Geschäftsleben, setzt voraus und führt wieder zu
genauer Buchführung, ist ein Hauptmittel des Kreditverkaufs
an Stelle des Buchkredits und ermöglicht im Vergleich mit
diesem das Kapital durch Diskontierung des Wechsels immer
wieder nach Bedarf flüssig zu machen und garantiert so den
ununterbrochenen Fortgang der Produktion.'"
Erfreulicherweise mehren sich die Anzeichen, daß das Ver-
') Der Kredit und das Bank-wesen in Schönbei-gs Handbuch, 2. Aufl.
S. 442.
— 23 —
ständnis für die Notwendigkeit einer geordneten Buchführung
auch im Handwerk wächst. Man will den Handwerksmeister
sogar gesetzlich zwingen zur Buchführung. Der deutsche
Bund für Handel und Gewerbe beantragte: „Der deutsche
Bund für Handel und Gewerbe hält es für dringend geboten,
die gesetzliche Verpflichtung zu einer geordneten Buchführung
auf alle Handwerksmeister und Gewerbetreibenden überhaupt
auszudehnen. Die zuständigen Stellen sollen gehalten sein,
ein vorbildliches Schema der einfachsten Buchführung zur
Verfügung der Beteiligten zu stellen." Die Petition wurde
vom Reichstage im Juli 1905 an den Reichskanzler als Ma-
terial übergeben und am 5. Oktober 1905 dem Bundesrat
überwiesen.
Daß ein derartiges Gesetz, besonders wenn die Straf be-
stimmungen der Konkursordnung §§ 239 bis 241 darauf An-
wendung fänden, nicht ohne Gefahr ungerechter Härte gegen
manchen alten Handwerksmeister wäre, der seiner ganzen
Ausbildung nach nicht in der Lage ist, Bücher zu führen und
sich auch die nötige kaufmännische Hilfe nicht halten kann,
ist sicher. Die Gelegenheit, sich die mangelnden kaufmän-
nischen Kenntnisse anzueignen, mehren sich aber von Jahr zu
Jahr. Fortbildungsschulen, Meisterkurse und Wanderlehrer
sorgen dafür, daß einesteils die Lehrlinge die nötige Schulung
auch auf kaufmännischem Gebiet erhalten, andererseits auch
ältere Handwerker Gelegenheit haben, diesbezügliche Lücken
in ihrem Wissen auszufüllen.
Wenn die Beteiligung an Wanderkursen in gewerblicher
Buchführung überall so stark wäre, wie sie die von der Dort-
munder Handwerkskammer 1904 veranstalteten aufzuweisen
hatten, so würden die oben angeführten Bedenken gegen die
zwangsweise Einführung der Buchführung bei Handwerkern
bald hinfällig werden. An diesen Kursen, die sich auf 27 Orte
des Handwerkskamraerbezirkes Dortmund erstreckten, nahmen
insgesamt 13G9 Gewerbetreibende teil ^).
Nicht unerwähnt bleiben soll zum Schluß noch eine von
Adolf Wagner '^) angedeutete Möglichkeit, die Handwerker zur
') Bericht der Handwerkskammer Dortmund für 1904.
^) Schönbergs Handbuch, 2. Aufl., Bd. 11, S. 726.
— 24 —
größeren Pünktlichkeit im Zahlungsverkehr zu erziehen: Die
Abkürzung der Verjährungsfrist für geringe Beträge. Diese
würde vielleicht eine Verkürzung der Kreditfristen herbei-
führen oder den Kreditgeber wenigstens veranlassen, sich
Wechsel geben zu lassen, um eine Sicherheit in der Hand zu
haben, die von der Verjährung nicht berührt, wird ^). .
') Siehe auch Schraut, Organisation des Kredits 1883, S. 45.
Lohnzahlungen
Im vorhergehenden Kapitel wurde verschiedentlich darauf
hingewiesen, daß in vielen Geschäften mit Arbeiterkundschaft
Zahlungen fast nur an Lohntagen eingehen und der Händler
die übrige Zeit Kredit gewährt. Auch die für den Händler
aus diesen Verhältnissen sich ergebenden Folgen sind gezeigt
worden.
Da nun häufig ein Zusammenhang zwischen der Verschul-
dung des Arbeiters und der Lohnzahlungsperiode behauptet
wird^), soll hier die wirtschaftliche Bedeutung der Lohn-
zahlungsperiode näher untersucht werden.
Gewährt ein Händler dem kaufenden Arbeiter Kredit, und
das ist, wie wir sahen, unter den heutigen Verhältnissen oft
unvermeidlich, so ist klar, daß für ihn das Risiko ziemlich
direkt proportional der Lohnzahlungsperiode seines Kunden
ist: je länger diese, desto größer sein Risiko.
Viel schwieriger zu übersehen ist die Bedeutung, die es
für Arbeiter und Arbeitgeber hat, in welchen Zwischenräumen
Lohn gezahlt wird. Versuchen wir diese bei drei der im hiesigen
Bezirk am stärksten vertretenen Arbeiterklassen festzustellen.
Die Metallarbeiter bekommen ihren Lohn durchweg alle 14 Tage.
Brauer und Küfer stehen meist in Monatslohn, werden aber
teilweise am 1. und 15. jeden Monats ausbezahlt. Metallarbeiter
sowohl wie Brauer und Küfer erhalten bei jeder Lohnzahlung
den ganzen fälligen Lohn. Für die Bergarbeiter ist allgemein
der 21. jeden Monats Lohntag, der 5. jeden Monats Abschlags-
tag. Um Feierschichten infolge des der Löhnung häufig folgen-
den Blaumachens möglichst zu vermeiden, ist man von diesen
') Siehe die später erwähnten Eingaben an das Dortmunder Gewerbe-
gericht. Ferner Dr. Lorenz Pieper, Die Lage der Bergarbeiter im
Ruhrrevier. Cotta 1903, S. 70.
— 26 —
festen Daten häufig dazu übergegangen, die ihnen zunächst
liegenden Samstage zu Zahlterminen zu machen. An diesen
Tagen aber wird den Bergarbeitern nicht der im laufenden
Monat verdiente Lohn ausgezahlt, sondern der schon am vor-
hergehenden Lohntage fällige. Ist also ein Bergmann z. B.
am 6. eines Monats angelegt, kann er nach der Arbeitsord-
nung erst am 5. des nächsten Monats Abschlag, am darauf-
folgenden 21. Lohnzahlung verlangen. Vier Wochen also muß
der Arbeiter warten, ehe er Lohn verlangen kann. Das
aber birgt die Gefahr der Verschuldung für ihn in sich. Zwar
heißt es allgemein : bei besonderen Anlässen kann der Arbeiter
Vorschuß bekommen und Neuanlegung gilt sogar meist als
genügender Grund, aber Vorschuß holen ist dem Bergmann
zu lästig. Wenn alles ganz glatt geht, muß er doch zunächst
vom Steiger eine Bescheinigung haben, wieviel Vorschuß er be-
kommen kann. Die Bescheinigung muß er beim Betriebsführer
zeichnen lassen und dann damit zur Kasse gehen. Macht aber
der Steiger aus Schikane oder irgend welchem Grunde Ein-
wendungen gegen einen Vorschuß, dann bleibt dem Arbeiter
nur der Beschwerdeweg offen. Viel bequemer als diese Vor-
schußerlangung, auf die ihm nicht einmal ein Recht zusteht,
wird es dem Arbeiter gemacht, bei Krämer und Gastwirt
Kredit zu bekommen, die gerne borgen, um gefügige Kunden
zu bekommen. Wer borgt, darf an der Ware nicht mäkeln
und muß sich oft genug mehr aufdrängen lassen, als er bei
Barzahlung aus eigenem Antrieb kaufen würde. Aus dieser
Abhängigkeit kommt der Arbeiter auch nur sehr schwer heraus.
Am Lohntage muß er den gesamten Lohn verwenden, um die
Anschaffungen des vergangenen Monats zu bezahlen und für
den folgenden Monat muß er wieder Kredit in Anspruch
nehmen. Fällt der Lohn aber einmal unvermutet gering aus,
so wird seine Verschuldung eine immer schlimmere, mehr und
mehr bekommt ihn der Krämer bezw. Gastwirt in die Hand.
Oft genug mag der harte Ausdruck „Schuldknechtschaft" nicht
ganz unangebracht sein.
Wo der Arbeiter den verdienten Lohn früher ausbezahlt
erhält, treten die geschilderten Mißstände entsprechend weniger
schroff auf.
— 27 —
Zu verwundern ist es daher nicht, daß von seiten der
Arbeiter vielfach für kürzere Lohnzahlungsperioden agitiert
wird ^), So ist beim Dortmunder Gewerbegericht im Jahre 1900
und erneut im März 1906 seitens der Beisitzer aus dem Stande
der Arbeitnehmer beantragt worden, beim Magistrat vorstellig
zu werden, von dem ihm nach § 119a Absatz 1 R.G.O.
zustehenden Recht Gebrauch zu machen und für alle Arbeiter
Stägige Lohnzahlung vorzuschreiben. Seitens des Gerichts
wurden von über 70 Firmen Gutachten über diese Frage ein-
gezogen, aber es kam wegen mehrmaliger Beschlußunfähigkeit
des Gerichtshofes zu keinem Beschluß. Die zweite Eingabe
hat wegen der Kürze der seitdem verstrichenen Zeit noch
nicht zur Verhandlung gestanden. In beiden Eingaben ist bei
der Begründung das Hauptgewicht auf die erwähnte „ Schuld-
knechtschaft" gelegt. Daß diese Gefahr nicht ganz von der
Hand zu weisen ist, glaube ich oben bewiesen zu haben.
Trotzdem dürfte eine Verkürzung der Lohnzahlungsperiode
nicht unbedingt im Interesse des Arbeiters liegen, nämlich
dann nicht, wenn er schon längere Zeit in einem Betriebe
arbeitet. Die Organisationen sähen freilich die wöchentliche
Lohnzahlung gerne. Da speziell bei den sozialdemokratischen
Gewerkschaften die allmählich immer höher werdenden monat-
lichen Beiträge mehr und mehr wöchentlich verlangt werden,
am sie nicht gar so hoch erscheinen zu lassen, würden diese
bei wöchentlicher Lohnzahlung leichter einzuziehen sein als bei
längerer Lohnzahlungsperiode. Außerdem aber gestaltet sich
das Verhältnis zwischen Arbeiter und Arbeitgeber immer loser,
je kürzer die Lohnzahlungen aufeinander folgen, gilt doch jeder
Lohntag als günstig zum Wechseln des Arbeitsplatzes. Der
naheliegende Gedanke, daß auch der § 119a ß.G.O. mit hinein-
spiele in die Frage, dürfte in der Praxis keine beondere Be-
deutung haben. Wenigstens haben die Arbeitgeber von dem
ihnen nach diesem Paragraphen zustehenden Recht, bei Kon-
traktbruch seitens des Arbeiters bis zur Höhe eines Wochenlohns
ein Viertel von dessen fälligem Lohn einzubehalten in hiesiger
Gegend kaum je Gebrauch gemacht.
'j Hue, Mehr Bergarbeiterschutz. Bochum 1900, S. 9.
Die Zahlungen beim Holzhandel
Bei den riesigen Mengen von Holz, die in jedem einzelnen
Bergwerk gebraucht werden ^), ist es ganz natürlich, daß sich
im hiesigen Bergbaubezirk nach und nach auch ein ganz be-
deutender Holzhandel entwickelt hat. Die Zeiten sind längst
vorüber, wo die Wälder der nächsten Umgebung den Bedarf
zu decken vermochten und der Bergwerksbesitzer womöglich
selbst im Walde die nötigen Hölzer aussuchen konnte. Die
Besorgung des Grubenholzbedarfes geschieht heute fast aus-
schließlich durch eine Anzahl im hiesigen Bezirk angesessener
Händler, die meist Jahresabschlüsse mit den einzelnen Zechen
haben und ihrerseits die Hölzer von verschiedenen Seiten
beziehen.
Ein gut Teil der hier verbrauchten Grubenhölzer kommt
aus den ost- und westprenßischen Wäldern. Vertreter oder
Angestellte der hiesigen Firmen fahren zu den großen Ver-
steigerungen in den fiskalischen Wäldern und kaufen die ganzen
Bestände auf dem Stamme stehend auf, lassen sie fällen,
längen etc. und direkt an den Konsumenten gehen, soweit
möglich auf dem Wasserwege. Früher ging die Verschiffung
meist von irgend einem Ostseehafen bis zum Rhein, dann
diesen herauf bis Duisburg und die letzte Strecke per Bahn.
Jetzt gehen die Ladungen zum grossen Teil statt den Rhein
den Dortmund-Emskanal herauf, wodurch nicht nur der Wasser-,
sondern auch der restliche Landweg abgekürzt wird.
Aus den fiskalischen Waldungen wird mit Vorliebe gekauft
wegen der leichten Zahlungsbedingungen, die hier gestellt
werden. — Nach den von der königlichen P''orstverwaltung
') An Grubenholz verbrauchten die Zechen des Oberbergamtsbezirks
Dortmund im Jahre 1898 über 2 Mill. Festmeter im Werte von 40 Mill. Mk.
Pieper, Lage der Bergarbeiter etc. S. 9.
— 29 —
aufgestellten Bedingungen bei dem Verkauf von Grubenholz
vor dem Einschlag ist ein Fünftel des geschätzten Kaufpreises
binnen 8 Tagen nach der Versteigerung zu erlegen, der Rest
kann ratenweise entrichtet werden entsprechend den Holz-
mengen, die der Käufer gerade abfahren läßt. Besonders
angenehm aber wird es empfunden, daß die Barzahlung sowohl
bei der Anzahlung als auch bei den übrigen Zahlungen er-
setzt werden kann durch Hinterlegung mündelsicherer Wert-
papiere in entsprechender Höhe. Da diese Hinterlegung bis
auf ein Jahr ausgedehnt werden kann, die Zinsen der Wert-
papiere dem Käufer zustehen und auch Verzugszinsen nicht
gerechnet werden, wird von dieser günstigen Bedingung sehr
viel Gebrauch gemacht. In neuerer Zeit werden von den
meisten Forstverwaltungen auch erstklassige Bankakzepte als
Sicherheit genommen.
Für Firmen, die nicht über die zur Hinterlegung nötigen
Kapitalien verfügen, übernehmen Kautionsgesellschaften häufig
die Hinterlegung. Um die an diese Gesellschaften zu zahlende
Provision arbeiten diese Geschäfte kleineren Umfangs natürlich
teuerer als ihre kapitalkräftigeren Konkurrenten.
Der Holzkauf aus Privatwaldungen geschieht fast aus-
nahmslos gegen sofortige Barzahlung. Gegen den bekannten
„ständigen Mangel an barem Gelde" ist der Verkauf eines
Waldbestandes für den Landwirt ein oft beliebtes Abhilfsmittel.
Oft genug verkauft er viel billiger als der Fiskus, aber bares
Geld will er sehen. Diese Art Verkäufe geschehen gewöhn-
lich unter der Hand; haben die hiesigen Firmen nicht zu-
fällig einen Vertreter dort am Platz, so gehen diese Privat-
bestände meist in den Besitz der am Platze ansässigen Händler
über. Diese verkaufen sie dann gewöhnlich gegen Konnosse-
ment und 5 Monatsakzept oder bei Barzahlung mit ^J2^jo Skonto
pro Monat nach hier weiter.
Außer den Provinzen Ost- und Westpreußen und auch
Pommern kommen als Bezugsländer für Grubenholz haupt-
sächlich Rußland und Skandinavien in Betracht. Auch hier
ist der gebräuchliche Zahlungsmodus 5 Monate eigenes oder
seltener Bankakzept, stets gegen Konnossement. Wird bar
bezahlt, werden 1^2 "^/o Skonto pro Monat abgezogen.
— 30 —
Beim Einkauf sind die Verhältnisse für den Händler mit
Tischler- und Bauhölzern bei den erwähnten Ländern die näm-
lichen wie beim Grubenholzgeschäft. Als wichtiges Bezugs-
land tritt hier indessen Amerika, hauptsächlich für Pitchpine,
Hickory und Eiche, hinzu. In der Regel geschieht dieser
Import durch Vermittlung der Hamburger oder Bremer Ver-
treter amerikanischer Häuser. Verhältnismäßig geringe Quan-
titäten werden von diesen im Hamburger oder Bremer Frei-
hafengebiet gelagert und von dort verkauft, das meiste wird
schwimmend gehandelt cif ^) Inlandshafen. Die gebräuchlichen
Zahlungsbedingungen sind dabei : Kasse in bar mit 1 ^/a ^/o Skonto,
80 "/o gegen Konnossement, Rest bei Ankunft der Ware am
Bestimmungshafen. V/ird Barzahlung nicht ausgemacht, so tritt
meist 3 Monatsbankakzept an ihre Stelle.
Während früher in der Regel erst nach Ankunft der Ware
hier akzeptiert wurde, wird jetzt fast ausschließlich gegen
Konnossement akzeptiert und man kürzt die Ziele mehr und
mehr, was jetzt auch leicht durchführbar ist, da die meist dem
Kohlensyndikat angehörenden Konsumenten jetzt auch prompter
bezahlt werden, als früher.
Gänzlich verschieden von dem Grubenholzgeschäft ist das
Bau- und Tischlerholzgeschäft in Bezug auf das Verhältnis
zwischen Händler und Konsumenten. Wie schon früher erwähnt,
werden den Tischlern meist Ziele von 9 bis 12 Monaten gewährt.
Freilich werden nicht etwa Tratten über diese ganze Zeit aus-
gestellt, sondern 3 Monatswechsel. Gewöhnlich wird dann wohl
bei Verfall ein Teil abbezahlt, dafür aber neue Einkäufe in
annähernd gleicher Höhe gleich mit auf die Prolongationstratte
gesetzt, so daß die Verschuldung des Tischlers immer annähernd
die gleiche bleibt. Dadurch ist er natürlich gezwungen, dauernd
bei diesem Händler zu kaufen, selbst wenn er anderwärts viel-
leicht 8 bis 10 "/o billiger kaufen könnte. So viel soll an-
nähernd dem bei Barzahlung verlangten Preise gegenüber
aufgeschlagen werden. Um sich gegen die bei derartigen
Krediten stets drohenden Verluste zu schützen, läßt der Händler
sich, wo- es eben geht, auch eine Hypothek geben. So ge-
') Vgl. unten S. 34.
— 31 —
sichert stellen diese Kundenakzepte eine recht rentable Ein-
kommensquelle dar, selbst wenn der Händler nicht das Ver-
mögen besitzt, sie im eigenen Portefeuille zu halten, sondern sie
diskontieren lassen muß. Weitergeben kann er sie in der Regel
nicht, wenigstens wenn er direkter Käufer ist. Kauft er von
einem größeren Händler, dann gibt er sie häufig an diesen
weiter.
Ahnlich schleppend wie die Tischler zahlten früher die
Bauunternehmer. Durch die erwähnte Syndizierung verschie-
dener Baumaterialien, Ziegel, Kalk etc., haben diese sich aber
im allgemeinen doch an etwas pünktlicheres Zahlen gewöhnt.
Trotzdem kommen auch bei ihnen Kredite von einem Jahre
und noch länger vor. Der Händler verlangt meistens auch
hier Wechsel und sucht sich so weit wie möglich durch Hypo-
theken zu sichern. Zwischen Holzhändler und Bauunternehmer
gehört auch Gegenarbeit nicht zu den Seltenheiten.
Die Zahlungen beim Getreidehandel
Während der Getreidehandel im allgemeinen in vieler
Beziehung die höchste Stufe kaufmännischer Entwicklung
bedeutet, mit allen Mitteln der Technik und des Verkehrs
arbeitet und um zehntel Pfennige rechnet, vollzieht sich doch
noch ein gar nicht unwesentlicher Teil desselben in der aller-
ursprünglichsten Form. Der Getreidehandel bei den west-
fälischen Bauern ist meist noch reiner Tauschhandel. Was
bei diesen von Getreide nicht auf dem eigenen Hofe ver-
braucht wird, sei es als Saat- oder Puttergetreide oder als
in der Lohnmüllerei gemahlenes Mehl, das geht an die Auf-
käufer. In fast jedem größeren Dorf sitzt ein derartiger
Händler. Meist ist es der Gastwirt, der nebenher in einem
Laden, oft aber auch im Schanklokal selbst, so ziemlich alle
Artikel führt, die der Bauer braucht und nicht selbst herstellen
kann, Kolonialwaren, Tabak, Pfeifen, Holzschuhe, Peitschen
und ähnliches, aber auch künstlichen Dünger und Saatgut.
Das ganze Jahr hindurch entnimmt der Bauer diese Sachen
ohne Zahlung. Es ist stillschweigendes Übereinkommen: nach
der Ernte bekommt der Wirt das überflüssige Getreide und
dann wird verrechnet. Freilich wird dieser Abrechnung stets
der Getreidetagespreis zu Grunde gelegt; wie viel der Bauer
aber eigentlich bekommt, ist nur sehr schwer nachzurechnen,
da erstens die Festsetzung der Tagespreise in der heutigen
Form sehr viel zu wünschen übrig läßt und da zweitens gar
nicht zu kontrollieren ist, welche Preise für die gelieferten
Kolonialwaren etc. in Anrechnung gebracht sind. Der Bauer
kann diese Prüfung schon deshalb nicht vornehmen, weil ihm
die Möglichkeit fehlt, diese Preise mit denen anderer Geschäfte
zu vergleichen. Aber selbst wenn er diese Möglichkeit hat,
wenn der Aufkäufer z. B. in der Stadt wohnt, dann übrigens
— 33 —
zumeist in unmittelbarer Nähe des Viehmarktes, selbst dann
tut er es nicht, weil er zu schwerfällig dazu ist. Hat der
Händler nur einen guten „Korn", der gehört zur Bekräftigung
des Geschäftes, und gibt er einen guten Tagespreis, dann bleibt
ihm der Bauer jahrein, jahraus treu.
Ebenso hat der Aufkäufer seine ganz bestimmten Mühlen,
an die er das Getreide weiterverkauft, meist gegen bar.
In einzelnen Gegenden werden die Aufkäufer allmählich
von den Ein- und Verkaufsgenossenschaften verdrängt, trotz-
dem die Bauern ihnen nach dem kläglichen Zusammenbruch
einer dieser Genossenschaften mit großem Mißtrauen begegnen.
In der Hauptsache führen die erwähnten Genossenschaften
das Geschäft in ähnlicher Weise wie die Aufkäufer, nur in
vervollkommneterer Form. Jedes Mitglied hat ein Kontobuch,
in dem alle Entnahmen an künstlichem Dünger, Saatgut, land-
wirtschaftlichen Maschinen und ähnlichem gebucht werden und
ebenso alle Anlieferungen von Getreide. Viertel- oder halb-
jährig werden die Kontobücher abgeschlossen unter beider-
seitiger Berechnung von Zinsen, meist S^/o. Indessen sind
die Mitglieder auch berechtigt, ihre Guthaben jederzeit in bar
abzuheben.
Will der Bauer aber sofort bares Geld haben, so verkauft
er zumeist an die Proviantämter, die ausschließlich bar bezahlen.
Eine Lombardierung des Getreides kennt man bei den
Genossenschaften ebensowenig wie überhaupt im Westen. Bei
Anlieferung geht das Getreide in das Eigentum der Genossen-
schaft über, die es zur geeigneten Zeit weiterverkauft an
Mühlen in Rheinland und Westfalen oder angrenzenden Be-
zirken. Bezahlt wird von diesen meist bar, sonst mit eigenem
Zweimonatsakzept. Bei Barzahlung wird Bankdiskont abgezogen.
Der weitaus größte Teil des im Industriebezirk gebrauchten
Getreides muß importiert werden. Einzelne große Mühlen
decken ihren Bedarf selbst im Auslande. Im übrigen wird
der Getreideimport in der Hauptsache von Agenten, zum
kleineren Teil von Händlern mit eigenen Lagern besorgt.
Durchweg wird Getreide im großen nur gegen Konnosse-
ment gehandelt. Wenn der Importeur zufällig im ausländischen
Hafen günstige Frachtgelegenheit hat, kauft er „fob" („free
Oexmann, Baizahluiig ii. Kreditverkehr iu Handel u. Gewerbe 3
— 34 —
on board" des im Auslandshafen liegenden Schiffes). Die
weitaus meisten Geschäfte aber werden „cif" („coast, insur-
rance, freight", d. h. der Verkäufer hat für Verfrachtung und
Versicherung bis zum Hafen des Käufers zu sorgen) Rotter-
dam oder cif Emden abgeschlossen. Hier wird dann umge-
laden und gegen Rhein- bezw. Kanalkonnossemente nach dem
Inlandshafen weiter transportiert. Für den Getreidehandel in
Duisburg und Dortmund ist Duisburg der Haupthafen. Für
Dortmund spielt indes auch die direkte Wasserfahrt auf dem
Kanal eine große Rolle. Der sich mehr und mehr entwickelnde
Getreidehandel in Münster kauft mit Vorliebe „cif Emden"
wegen der kürzeren Fracht von dort aus auf dem Kanal bis
Münster. Nur Teilladungen sind für Emden vorläufig schwer
zu finden.
Von den Seehäfen aus wird der Transport einer meist
inländischen Speditionsfirma übertragen, die die Umladung in
die von ihr gecharterten Rhein- bezw. Kanalschiffe bewerk-
stelligt und am Bestimmungshafen die Ausladung besorgt und
auch den Schifferlohn verlegt.
Nach der Ausladung, bei großen Firmen auch nur monat-
lich, rechnet der Spediteur dann mit seinem Auftraggeber ab.
Zur Empfangnahme der Ladung muß der Spediteur be-
kanntlich im Besitz der Konnossemente, Policen etc. sein.
Diese werden ihm denn auch vom Getreidehändler bezw. dessen
Bank sofort nach Empfang, Richtigbefund und Bezahlung
übergeben.
Die Bezahlung geschieht in der Hauptsache durch Bar-
überweisung, zulässig ist zumeist aber auch prima Bankakzept.
Da bei Barzahlung gewöhnlich Bankdiskont vergütet wird,
ziehen die meisten Händler vor, die Bankakzepte selbst zum
Privatdiskont zu versilbern und bar zu bezahlen. Häufig wird
aber bei Barzahlung auch nur Privatdiskont vergütet und der
Händler zahlt dann mit Bankakzept genau den gleichen Preis
wie bei Barzahlung. Ein Beweis dafür, in welchem Ansehen
deutsches Bankakzept zumeist auch im Auslande steht.
Besonders gerne sahen früher die Russen deutsche Bank-
akzepte zur Zeit, da Berlin ein Hauptraarkt für Rubelscheine
war. Seitdem aber in Rußland die Goldwährung eingeführt
— 35 —
ist und dieser Zettelliandel nicht mehr besteht, kann der Russe
deutsche Bankakzepte nicht mehr so gut verwerten und sieht
deshalb mehr auf Barzahlung. Speziell in Südrußland soll
auch der Krach der Leipziger Bank das Ansehen des deutschen
Bankakzeptes sehr erschüttert haben.
Das Akzept wird dem Händler von der Bank gegeben,
entweder auf Grund eines laufenden Kredites (der offen oder
aber durch Hinterlegung von Wertpapieren, Kundenwechseln
oder ähnlichem, manchmal sogar durch Akzept des Kunden
selbst gedeckt sein kann) oder, wie gerade bei Getreide sehr
üblich, gegen Verpfändung des Konnossements, sehr selten
nur gegen Lombardierung der Waren oder Lagerscheine.
Zwischen Händlern und Mühlen sind die Zahlungsbedingungen
die gleichen wie zwischen Genossenschaften und Mühlen.
Die Zahlungen beim Braugewerbe
Bei Untersuchungen über die Zahlungs- und Kreditverhält-
nisse bei den Brauereien muß man unterscheiden zwischen
Privatbrauereien und Aktienbrauereien, wenigstens weichen die
mündlichen Angaben von Brauereibesitzern und die Jahres-
ausweise der Aktienbrauereien oft wesentlich voneinander ab^).
Mehrere Brauereibesitzer versicherten, bei ihnen seien die
Verhältnisse äußerst günstig, sie hätten in der Hauptsache
alte, treue Kundschaft, die meist bei der zweiten Lieferung
bar bezahlt, spätestens nach 2 Monaten. In einer großen
Privatbrauerei wurde das durchschnittliche Ziel für das Jahr
1904 auf 1^2 Monat berechnet.
Für Bierlieferungen werden Wechsel selten gegeben, auch
die Berechnung von Skonto oder Verzugszinsen ist nicht üblich.
Bleibt aber ein Bierabnehmer zu lange im Rückstand mit
seiner Zahlung, so sucht die Brauerei aus der Buchschuld
eine eingetragene Forderung zu machen. Sie läßt sich so weit
wie möglich eine Hypothek eintragen, um dadurch ihr Risiko
zu verringern und sich Zinsanspruch zu sichern.
Ebenso wie die Aktienbrauereien müssen auch die Privat-
brauereien Darlehen gegen Sicherheit in großem Umfange
gewähren, indessen sind genaue Zahlen darüber nicht zu er-
halten. Im allgemeinen sind jedenfalls die Privatbrauereien in
der Kreditgewährung vorsichtiger als die Aktienbrauereien, da
bei diesen ein förmliches Wettrennen nach möglichst hohen
Absatzziffern herrscht. Um nur den Absatz zu vergrössern,
werden hier oft Darlehen gewährt, die der Brauereibesitzer
bei ruhiger Prüfung der Sachlage nicht gewähren würde.
Nimmt man die Bilanzen der verschiedenen Aktiengesell-
schaften zur Hand, die in Dortmund Brauereien betreiben, so
^) Einige Brauereibesitzer verweigerten übrigens jede Auskunft.
— 37 —
geht daraus mit erschreckender Deutlichkeit hervor, wie be-
rechtigt die in den Jahresberichten mehrerer dieser Gesell-
schaften ausgesprochenen Klagen sind über das immer größeren
Umfang annehmende Kreditieren und Darlehengewähren gegen-
über der Kundschaft.
Verkauft ein Geschäft durchweg gegen 3 Monate Ziel,
genauer: erhält es sein Geld stets 3 Monate nach dem Verkauf
der Ware, so wird es bei Aufstellung der Bilanz stets gerade
den vierten Teil seiner jährlichen Bruttoeinnahme als Außen-
stände führen müssen bezw. als Portefeuille.
Nach dieser Überlegung ergeben sich aus den entsprechenden
Angaben in den Bilanzen bezw. Gewinn- und Verlustrechnungen
als durchschnittlich gewährtes Ziel für 6 größere hiesige
Brauereien 1,3, 3,3, 3,6, 5 und 7,2 Monate, im Durchschnitte
etwa 4 Monate. Etwas zu günstig sind die Einzelzahlen
dadurch geworden, daß von den meisten Brauereien nicht die
wirklichen Summen der Ausstände angegeben werden, sondern
zweifelhafte Forderungen schon abgezogen sind.
Außerdem führen die Brauereien am Tage der Bilanzauf-
stellung durchweg ein sehr großes Bankguthaben, um zur
bevorstehenden Dividendeverteilung die nötigen Gelder flüssig
zu haben. Diese Bankguthaben dürften aber zum großen
Teil durch Diskontierung von Kundenakzepten entstanden sein.
Sehr erheblich ist das oben gefundene Resultat auch dadurch
beeinflußt, daß bei seiner Berechnung alles das, was in den
Bilanzen als Darlehen gegen Sicherheit geführt wird, unbe-
rücksichtigt geblieben ist. Zum größten Teil sind diese Dar-
lehen ja sicher gewährt worden als wirkliche Darlehen, um
einen Kunden an die Brauerei zu fesseln, oft um einen Kunden
überhaupt erst zu schaffen, indem einer mittellosen Existenz
alles Nötige gewährt wird, um einen Ausschank einzurichten.
Nimmt man aber auch nur an, wie es von sachverständiger
Seite geschieht, daß etwa 5 bis 10 ''o dieser Darlehen aus un-
bezahlten Bierschulden entstanden sind, um aus einer Buchschuld
eine eingetragene Forderung zu machen, so verlängert sich
das durchschnittliche Ziel schon um mehrere Wochen, da diese
Darlehenssummen recht beträchtlich sind. Im Durchschnitt
von 4 Brauereien betragen sie 70 "j» der Bruttojahreseinnahmen.
— 38 —
Dabei wird im allgemeinen nur ein Teil der Darlehen in den
Bilanzen geführt, nämlich die direkt gewährten. Ein sehr
großer Teil der Darlehen aber wird nicht von den Brauereien
selbst gewährt, sondern von Aufsichtsräten, Aktionären etc.
durch Vermittelung und unter dem Obligo der Brauerei.
Zwei Brauereien nur führen diese Summen, aus denen ihnen
eine Verbindlichkeit erwächst, genau an, die eine als „Dar-
lehensguthaben von Aktionären", die andere als „Depositen".
Die übrigen begnügen sich damit, ein Delkrederekonto in
der Bilanz zu führen. Aus dessen Höhe kann man allerdings
schließen, daß die Verbindlichkeiten der oben geschilderten
Art tatsächlich sehr hohe sind.
Sehr zu bedauern ist, daß die Bilanzen zu volkswirtschaft-
lichen Untersuchungen nur in so geringem Maße verwertbar
sind, einerseits wegen der Verschiedenartigkeit der Aufstellung,
besonders aber weil oft ganz verschiedene Dinge unter einem
Posten zusammengefaßt sind. Wenn z. B. ein Posten lautet:
„Debitoren abzüglich Kreditoren und zweifelhafte Forderungen,
sowie Darlehen gegen Sicherheit", so scheidet diese Bilanz
für unsere Untersuchung naturgemäß aus. Daß überhaupt die
Brauchbarkeit einer Bilanz zur Beurteilung des betreffenden
Unternehmens unter solcher Ungeuauigkeit der Angaben leidet,
sei hier nur nebenbei erwähnt. Gerade aus dem Verhältnis
der Menge der zweifelhaften Forderungen zum Gesamtumsatz
kann man einen Schluß auf die Vorsicht der Leitung des
Unternehmens bei der Kreditgewährung ziehen.
Gewährt die Brauerei selbst das Darlehen, so läßt sie sich
in der Regel Akzepte in entsprechender Höhe dafür geben
und sich eine Sicherungshypothek eintragen, die freilich von
der ersten Stelle oft ziemlich weit entfernt ist. Die Akzepte
werden dann diskontiert und bei Verfall von der Brauerei,
die meist als Domizil augegeben ist, eingelöst, häufig auch
von ihrem Bankier. Dann wird ein neuer Wechsel ausge-
schrieben, akzeptiert etc. Er geht denselben Weg wie der
erste. Ist inzwischen auf das Darlehen abbezahlt worden,
so wird der Prolongationswechsel entsprechend kleiner.
Die Abzahlungen erfolgen in der Regel in Form des soge-
nannten Bieraufschlages. Der Bierabnehmer muß für jeden
— 39 —
Hektoliter z. B. statt des gewöhnlichen Preises von 17 Mk.
20 Mk. bezahlen. Meist halbjährlich werden die gezahlten
Aufschläge zusammengerechnet und als einheitliche Abschlags-
zahlung von der Schuld abgeschrieben. Die Zwischenzinsen
fallen fast durchweg der Brauerei zu.
Da diese sich das Geld für die Darlehen meist zum Bank-
diskont verschaffen kann, selbst aber meist den von den Spar-
kassen geforderten Zinssatz verlangt, so sind die Einnahmen
aus dieser Art Darlehensgeschäft gar nicht unbeträchtlich, be-
sonders da alle damit in Verbindung stehenden Unkosten in
der Regel zu Lasten des Darlehennehmers gehen. Da dieser
sich auch noch für lange Zeit, bis zu 10 Jahren, über die
Tilgung des Darlehens hinaus zur Bierabnahme bei der be-
treffenden Brauerei verpflichten muß, hat diese auch hieraus
■wieder ganz bedeutende Vorteile.
Oft werden diese allerdings dadurch stark beeinträchtigt,
daß die Konkurrenz den Darlehenszinsfuß herabdrückt. Auch
dürften direkte Ausfälle nicht allzu selten sein. Wie groß
freilich das Risiko ist, kann man nur in den seltensten Fällen
aus den Bilanzen ersehen. Wo die Abschreibungen auf zweifel-
hafte Forderungen zahlenmäßig angegeben sind, machen sie
1 bis 2°'o von der Bruttoeinnahme aus, es sind dies allerdings
mehrfach 10 ^/o vom Reingewinn.
Kleinere Brauereien lassen sich statt einer Sicherungs-
hypothek auch wohl eine Realhypothek eintragen, um im Hy-
pothekenbrief ein Objekt in der Hand zu haben, das beim
Bankier hinterlegt werden kann, falls dieser bei der Diskon-
tierung etc. Sicherheiten verlangt. Dem Darlehensnehmer wird
dann in der Regel eine Bescheinigung darüber gegeben, daß
Hypothek und Wechsel aus derselben Forderung entstanden
sind. Daß trotz eines solchen Beweises der Schuldner im
Falle des Konkurses seiner Brauerei beide Papiere einlösen
muß, hat sich vor wenigen Jahren beim Zusammenbruch einer
hiesigen Brauerei gezeigt, die Hypothekenbriefe und ent-
sprechende Wechsel an verschiedenen Stellen versilbert hatte.
Gibt nicht die Brauerei selbst das Darlehen , sondern ein
Aufsichtsrat oder Aktionär, so wird dieser in der Regel eine
Realhypothek verlangen, um eine Sicherheit in Händen zu
— 40 —
haben. Von dem Verlangen eines Akzeptes wird er meist
Abstand nehmen, da er ja sein Kapital anlegen will. Deshalb
wird ihm an einer schnellen Ablösung auch selten etwas ge-
legen sein; so gut verzinslich und risikolos kann er sein Geld
sonst kaum anlegen, da hier ja die Brauerei das Risiko trägt.
Die Brauerei aber muß darauf sehen, daß ihre Darlehen
allmählich zurückgezahlt werden, damit ihre Ausstände nicht
gar zu mächtig anwachsen und besonders damit die einzelnen
Darlehen durch die Abzahlung sicherer werden. Von Jahr
zu Jahr aber mehren sich trotzdem die Fälle, in denen die
Brauereien zur Sicherung ihrer Forderungen ganze Wirt-
schaften übernehmen müssen. Meist setzen sie dann einen
Verwalter mit Gewinnbeteiligung hinein und sichern sich so
auch fernerhin den Absatz ^).
In der geschilderten Art der Kreditverhältnisse liegt eine
schwere Gefahr für die Wirte, daß sie nämlich einesteils mehr
und mehr unselbständig werden, anderenteils ihnen aber durch
zu leichtes Kreditgewähren von selten der Brauereien fast un-
erschwingliche Zinslasten auferlegt werden. Für Kreditgeber
und Kreditnehmer aber bergen die erwähnten Verhältnisse
noch eine andere Gefahr. Da die Wirte in ruhigen Zeiten
ihr Kreditbedürfnis ausschließlich bei den Brauereien befrie-
digen, werden sie bei Krisen sehr schwer irgend jemand an-
deren finden, der ihnen mit Geld zu Hilfe kommt. Wenn
aber schwere Zeiten für die Wirte kommen infolge von Streik,
wirtschaftlichem Niedergang oder ähnlichem, dann leiden auch
die Brauereien mit darunter und leicht kann dann der Fall
eintreten, daß diese gerade im entscheidenden Augenblick gar
nicht in der Lage sind , ihre Wirte zu unterstützen. Kann
für die Brauereien aber schon die bei solchen Krisen ver-
minderte Absatzmöglichkeit gefährlich werden, so verdoppelt
und verdreifacht sich die Gefahr dadurch, daß gerade in solchen
Augenblicken große Kapital- und Zinsausfälle aus den den
Wirten gewährten Darlehen unausbleiblich sind.
Mehr und mehr bricht sich denn auch in den beteiligten
Kreisen die Überzeugung Bahn, daß die heutigen Verhältnisse
' Die einschlägigen Münchener Verhältnisse vgl. bei Trefz: „Das
Wirtsgewerbe in München". Münchener volksw. Studien, Stück 33.
— 41 —
leicht ein Ende mit Schrecken nehmen könnten, wenn nicht
rechtzeitig Abhilfe geschaffen wird. Dringend ist deshalb zu
wünschen, daß der augenblicklich bei dem Verband rheinisch-
westfälischer Brauereien zur Beratung stehende Darlehens-
schutzvertrag angenommen wird und sich eine genügende An-
zahl Brauereien darauf verpflichten. Durch den Vertrag wird
zunächst als Minimalzinssatz für direkte und indirekte Dar-
lehen der Brauereien der bei den Sparkassen übliche festge-
setzt, dann aber auch die Höchstbeleihungsgrenze in solider
Weise normiert. Dadurch wird zunächst nur der Nutzen der
Brauereien gesichert und ihr Risiko vermindert, im Laufe der
Zeit aber werden die Wirte mehr und mehr zu den eigent-
lichen Kreditinstituten übergehen , wo sie dann zu gleichen
Bedingungen Geld bekommen können, ohne sich betreffs ihres
Bierbezuges irgendwie zu binden oder die sonstigen Unan-
nehmlichkeiten der Geldaufnahme bei den Brauereien: Akzept-
gabe etc. auf sich nehmen zu müssen.
Die Wirte, die jetzt ihr Dasein durch 8. bis 10. von den
Brauereien gewährte Hypotheken fristen, suchen einen der-
artigen Darlehensschutzvertrag natürlich zu hintertreiben mit
aller Macht und allen Mitteln. Die besseren Elemente unter
ihnen aber sehen mehr und mehr ein, daß der Vertrag auch
in ihrem Interesse ist. Würden durch die schärfere Über-
wachung der Kreditgewährung manche der vielen zweifelhaften
Existenzen unter den Wirten ausgemerzt, wäre das für die
Allgemeinheit ebensowenig ein Verlust wie für die übrigen
Wirte, die gerade unter der Konkurrenz solcher Leute oft zu
leiden haben. Die Kreditwürdigkeit der Wirte im allgemeinen
würde sich nach dieser Ausmerzung heben und die Befriedi-
gung des Kreditbedürfnisses dadurch naturgemäß verbilligen.
Der Flaschenbierhandel ist bei den verschiedenen Braue-
reien verschieden organisiert. Im allgemeinen haben die
großen Brauereien den Verschleiß des Flaschenbieres an einen
oder auch zwei Verleger vergeben, die als selbständige Unter-
nehmer auftreten. Diese lassen in ihren eigenen Fuhrwerken
das Bier von der Brauerei abholen und schicken die Wagen
dann in der Stadt herum; Abends müssen die Kutscher mit dem
Verleger abrechnen, und da sie diesen durchweg bar bezahlen
— 42 —
müssen, wird auch an diesen Bierwagen Bier nur gegen bar
abgegeben. Dadurch sind dann auch die Verleger in der
Lage, regelmäßig bar an die Brauerei zu zahlen, es geschieht
dies meist wöchentlich, seltener monatlich. Von diesen größeren
Verlegern wird seitens der Brauereien eine Kaution meist nicht
verlangt.
Dies geschieht dagegen fast durchweg bei den meist kleine-
ren Brauereien , die mit einer größeren Anzahl kleiner Bier-
verleger arbeiten. Der Verleger muß eine Kaution von einigen
hundert Mark stellen, wogegen ihm die Brauerei Wagen und
Pferd zur Verfügung stellt und bis zu einer gewissen Höhe
Bierkredit einräumt. Mit diesem Wagen zieht der Unter-
nehmer los und sucht sein Bier abzusetzen. Da er vielmehr
darauf angewiesen ist, sein Bier loszuschlagen, als der Kutscher
des großen Verlegers, dem eventuell Lagerräume etc. zur Ver-
fügung stehen, gibt er unter Umständen auch Bier auf Kredit
ab. Bleibt dann bald hier, bald da, die Zahlung aus, so kommt
der Händler sehr schnell in Schwierigkeiten, Zunächst be-
kommt er noch auf seine Kaution hin Bier, aber bald ist auch
diese erschöpft, Pferd und Wagen werden von der Brauerei
eingezogen und gegen neue Kaution einem neuen Unternehmer
überlassen, der ebenso wie sein Vorgänger bald Fiasko machen
Nvird, wenn er sich auf Kreditgewährung einläßt. Für die
Brauerei aber ist der Flaschenbierhandel stets eine in regu-
lären Zeiten ziemlich gleichmäßig und sicher fließende Quelle
barer Einnahmen, sei er nun so oder so organisiert.
Sehen wir uns zum Schluß noch die gebräuchlichen Be-
dingungen an, unter denen die Brauereien ihre Materialien,
im wesentlichen Gerste, Malz und Hopfen kaufen.
Für den Handel mit Braugerste sind die Usancen im all-
gemeinen die gleichen wie beim übrigen Getreidegeschäft, nur
die Bestimmung der Qualität richtet sich dem Zweck ent-
sprechend nach anderen chemischen Eigenschaften. Bezahlt
wird meist gegen Kassa, seltener mit 2Monatsakzept. Bei
Kassazahlung wird Bankdiskont abgezogen.
Da der Malzfabrikant die Gerste auch in der eben ge-
schilderten Weise zahlen muß, muß auch er beim Verkauf auf
pünktliche Zahlung sehen. Die gebräuchlichen Bedingungen
— 43 —
sind eigenes SMonatsakzept oder Kassazahlung mit 1 ^J2 °/o
Skonto. Da die Brauereien ihre Wechsel meist unter 6^;0
diskontieren lassen können, tun sie dies in der Regel und
zahlen bar.
Ganz anders liegen die Verhältnisse beim Hopfenhandel.
Dieser ist ein reines Saisongeschäft. Ende September und im
Laufe des Oktobers ist die Hopfenernte und um diese Zeit
zahlt der Händler den teilweise schon früher gekauften Hopfen.
Bis Januar behält er ihn zum Sortieren etc. auf dem Lager.
Dann geschieht der Versand an die Brauereien. Der Händler
aber kann sein Geld vor September im Geschäft nicht wieder
anlegen. Er kann nur den gewöhnlichen Kapitalzins damit
verdienen, deshalb hat er kein besonderes Interesse, es vor
September zu bekommen, er gewährt 8 bis 9 Monate Ziel und
gewährt bei Barzahlung nur etwa Bankdiskont. Eine Risiko-
prämie braucht er, wenigstens bei großen Brauereien, kaum
zu rechnen. Dagegen hofft er sich durch die Kreditgewährung
die Kundschaft zu erhalten.
Die Zahlungen beim Kohlenhandel
Durch die Bildung des Kohlensyndikates ist auch der
Kohlenhandel organisiert oder wenigstens in geregeltere Bahnen
geführt.
Vor Bestehen des Kohlensyndikates und seiner Vorläufer,
der Kohlenverkaufsvereine zu Dortmund , Bochum , Essen,
Mülheim a. d. Ruhr, suchten die einzelnen Bergwerke bezw,
Bergwerksgesellschaften selbst ihre Produktion abzusetzen.
Die Verkäufe fanden bestmöglich statt und zeigten große Ver-
schiedenheit in Bezug auf Verkaufsbedingungen und Zahlungs-
modus sowohl wie Absatzgebiet, Abnahmezeiten und Raten etc.
Dadurch wurde eine große Unsicherheit im Kohlenhandel
geschaffen und eine nicht im Interesse der Konsumenten
liegende Spekulation der Händler gefördert.
Je nach Lage des Kohlenmarktes wurden geringere oder
weitgehende Konzessionen gemacht. Allgemein war üblich:
1^2 bis 2"/o Skonto bei Barzahlung innerhalb 14 Tagen nach
dem Liefermonat oder Zahlung in Wechseln. Letztere Zahl-
weise dürfte überwogen haben. Der Platzhändler erhielt solche
Wechsel durchweg von kleineren Fabriken , die er bediente,
oder auch von Privatleuten und zahlte hiermit bei seinem
Lieferanten, dem Kohlengroßhändler, der seinerseits auch von
seinen Abnehmern, meist größeren Fabriken, durchweg Wechsel,
Kundenwechsel sowohl wie eigene Akzepte, in Zahlung nehmen
mußte und hiermit bei den Bergwerken regulierte , sofern er
es nicht vorzog, einen Teil der Wechsel und zwar die größeren
auf Bankplätze, bei Bankiers zu diskontieren, um ganz oder
teilweise dann in bar mit Skontoabzug zu regulieren. Auf diese
Weise erhielten die Bergwerksbetriebe vorwiegend kleinere
Wechsel auf Nebenplätze, mit denen vielfach die Lieferanten
für Grubenholz, Maschinen und Bergwerksbedarfsartikel be-
— 45 —
zahlt wurden. Die Zechen waren gezwungen, einen großen
Teil der Wechsel, der ihnen als Rest verblieb, ihren Bankiers
zu geben, um bares Geld für die Löhne zu schaffen. Der
Scheckverkehr war ein geringer.
Wie anders stehen die Zechen jetzt da. Jetzt können sie
immer damit rechnen, ihre sämtlichen Gelder vom Syndikat
pünktlich spätestens am 20. jeden Monats bar zu erhalten.
Dadurch sind sie der Notwendigkeit überhoben, die Banken
irgendwie in Anspruch zu nehmen , ausgenommen vielleicht,
wenn es sich um die Beschaffung der Gelder für eine große
Neuanlage oder ähnliches handelt. Die Lieferanten der laufen-
den Bedarfsartikel werden durchweg bar bezahlt und zwar an
demselben Tage, an dem die Zeche ihre Gelder bekommt,
zwischen dem 15. und 20. jeden Monats. So verbessert sich
durch die vom Kohlensyndikat eingeführte Zahlungsart nicht
nur die wirtschaftliche Lage der Zechen, sondern auch die
ihrer Lieferanten. Wie sie auf die Abnehmer wirkt, zeigt
das folgende.
Bei dem früheren Kampf um Absatz war es namentlich
denjenigen Bergwerken, welche weniger begehrte Kohlen auf
den Markt brachten, unmöglich, unter ihren Abnehmern eine
Auswahl zu treffen. Unter ihnen befanden sich viele, die so-
wohl hinsichtlich ihrer Mittel, wie ihrer Geschäftskenntnis und
geübten Praxis nicht genügende Garantien für die ordnungs-
gemäße Erfüllung abgeschlossener Lieferungsverträge boten.
Das Bild änderte sich mit der Bildung der Kohlenverkaufs-
vereine und noch mehr mit der Konstituierung des Kohlen-
syndikates. Nicht genehme Abnehmer wurden ausgeschaltet.
Diejenigen Großhändler, die sich bewährt hatten und deren
materielle Mittel Sicherheit für den Geschäftsverkehr boten,
erhielten für genau abgegrenzte Gebiete den Alleinverkauf
bestimmter Kohlensorten. Von dem Händler wurde eine
Kaution, etwa in Höhe der Bezüge für 1 ^2 Monate verlangt,
in sicheren Papieren, Eintragungen oder Bürgschaften. Hier-
mit hörte die „wilde" Konkurrenz im Kohlengeschäft mehr
und mehr auf.
Der Großhändler muß bis zum 15. des der Lieferung
folgenden Monats in bar an das Kohlensyndikat zahlen und
- 46 —
hat seinerseits auf seine Abnehmer hingewirkt, daß er im all-
gemeinen in gleicher Weise Zahlung erhält. Abzug von Skonto
wird nicht mehr bewilligt. Bei Verzögerung der Zahlung
werden 5"/o Verzugszinsen gerechnet. Wechsel werden nur
ausnahmsweise und durchweg nur unter Anrechnung von Dis-
kont und eventuell von Inkassospesen in Zahlung genommen.
Die Regulierung in guten Schecks , selbstverständlich nur auf
Bankplätze, hat gegen früher zugenommen und wird der Bar-
zahlung gleich geachtet.
Für den größten Teil der Absatzgebiete haben sich durch
Zusammenschluß der Kohlengroßhändler im Einverständnis
mit dem Syndikate Kohlenhandelsgenossenschaften — zu Dort-
mund, Hannover, Kassel, Bremen, Magdeburg, Mülheim a. d. Ruhr
und Utrecht — gebildet.
Letztere können mehr wie die Kohlengroßhändler in freien
Gebieten bei ihren Abnehmern auf die Zahlung in bar kurz
nach dem Liefermonat halten und von Abnehmern, deren Ver-
hältnisse nicht genügend sicher scheinen, Stellung entsprechen-
der Sicherheiten erreichen. Ausgeschlossen ist aber auch hier
nicht, daß einzelnen Abnehmern längere Kredite gewährt werden.
Namentlich geschieht dies bei wünschenswerten stärkeren
Lagerungen bezw. Kohlenbezügen im Sommer.
Während das Kohlensyndikat bei dem kolossalen Umfange
seiner Geschäfte zu einer gleichförmigen, mehr schematischen
Behandlung seiner Abnehmer gezwungen ist, erfolgt bei den
Kohlenhandelsgesellschaften und -Großhändlern die Erledigung
der Geschäfte mehr in rein kaufmännischer Weise unter Be-
rücksichtigung aller besonderen Umstände, so daß auch Aus-
nahmen von Fall zu Fall zugestanden werden.
Durch die geschilderte, gegen die Zeit des freien Wett-
bewerbes der Zechen veränderte Organisation des Kohlen-
handels ist auch eine Gesundung des Kleinhandels bezw. der
Kohlenplatzgeschäfte eingetreten, und diese sind gezwungen,
den Umfang ihres Geschäftes ihren Betriebsmitteln anzupassen,
was früher bei der leichtfertigen Kreditgabe und großen Kon-
kurrenz nicht der Fall war. Vor allem aber sind durch das
Syndikat die früher so häufig auftretenden plötzlichen und
großen Preisschwankungen, die so viele Zahlungseinstellungen
- 47 —
schwacher Abnehmer zur Folge hatten, unmöglich geworden.
Der Kohlenhandel ist in rnhigere Bahnen gekommen und kann
infolge des geringeren Risikos mit geringeren Preisaufschlägen
weiterverkaufen, womit freilich nicht unbedingt gesagt sein
soll, daß er stets billiger verkauft als früher.
Einen Kohlenkleinstbandel, wie er in vielen anderen Be-
zirken zusammen mit Holz- und Kartoifelhandel betrieben wird,
gibt es hier im Bezirk kaum, da die meisten Arbeiter Kohlen
von ihren Werken zu billigem Preise bekommen können.
Die Zahlungen in der Eisenindustrie
Mit Ausnahme der meisten Fertigfabrikate sind fast alle
Zweige der rheinisch- westfälischen Eisenindustrie syndiziert.
Alle diese Syndikate rechnen es mit zu ihren Aufgaben, durch
ihre Zahlungsbedingungen zur Regelung und Sicherung der
Kreditverhältnisse beizutragen.
Bei weitaus den meisten dieser Syndikate sind alle Be-
stellungen an das Syndikatskontor zu richten und werden von
diesem an .die einzelnen Werke verteilt. Das vom Syndikat
beauftragte Werk liefert direkt an den Besteller, schickt aber
die Rechnungen an das Syndikat und dieses gibt sie an den
Besteller, der dann auch an das Syndikat zu zahlen hat und
zwar bar am 15. des der Lieferung folgenden Monats. Am
folgenden Tage erhalten dann die einzelnen Werke die ihnen
zukommenden Summen, meist per Giroüberweisung.
Da die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung eines
Auftrages nicht bei dem einzelnen Werk, sondern beim Syn-
dikat liegt, so ist es eine logische Notwendigkeit, daß dieses
seinerseits auch das Delkredere für den pünktlichen Eingang
der Bezahlung den Werken gegenüber für jeden diesen über-
wiesenen Auftrag übernimmt.
Die Syndikate selbst schützen sich dadurch vor Verlusten,
daß die Zahlungsbedingungen seitens der Abnehmer pünktlich
eingehalten werden müssen. Außerdem wird in Fällen, wo
der Abnehmer nicht unbedingt gut ist, eine Hinterlegung von
Wertpapieren, hypothekarische Sicherheiten oder Bürgschaft
verlangt in Höhe des Umsatzes, den der betreffende Kunde
durchschnittlich für 1^/2 Monate beim Syndikat hat. Da-
durch ist ein Risiko auch für das Syndikat fast völlig aus-
geschlossen.
Selbstverständlich ist, daß die wirtschaftlich stärksten Ver-
— 4:9 —
bände auch mit ihren Zahlungsreformbestrebungen am weitesten
durchgedrungen sind. Je mehr Konkurrenz einem Syndikat
durch außenstehende Werke gemacht wird, desto eher wird es
sich manchmal gezwungen sehen, dieselben weniger strammen
Zahlungsbedingungen für einen Kunden gelten zu lassen wie
ein Konkurrent. Aber auch sonst ist es nicht ausgeschlossen,
daß die Zahlungsbedingungen nicht unbedingt Barzahlung ver-
langen, sondern SMonats-Bankwechsel oder 1^/2*^/0 Skonto bei
Barzahlung zulassen. Meist läßt aber dann der Kunde doch das
Papier selbst diskontieren. Da für Zahlungen an die Syndikate
nur erstklassige Wechsel in Frage kommen , sind diese stets
zum Privatdiskont unterzubringen. Der Kunde zahlt also diesen
Privatdiskont plus etwa ^ja ^,0 Provision und Stempelgebühr
au die Bank, überweist bar an das Syndikat und zieht dabei
6°/o p. a. Skonto ab; er verdient so die Differenz zwischen
Skonto und Diskont,
Schecks auf Bankplätze werden von den meisten Syndikaten
wie bares Geld genommen, die gebräuchlichste Zahlungsweise
aber ist die auf Reichsbankgirokonto. Einzelne, meist kleinere
Syndikate, schließen die Zahlung durch Scheck sogar aus und
verlangen unbedingt Giroüberweisung. Die Kassenführung der
meisten Syndikate liegt in der Hand großer Banken.
Die eben geschilderten Verhältnisse finden sich in der Eisen-
industrie sowohl bei den Vereinigungen der Rohmaterial-
lieferanten, wie bei denen der Halbzeugfabrikanten.
Die Zahlungsbedingungen sind in der Hauptsache überein-
stimmend für das Roheisensyndikat, den Stahlwerksverband,
den Stabeisenverband, das Weißblechsyndikat, das Walzdraht-
syndikat, den Verband deutscher Feinblechwalzwerke, den
Kupferdrahtverband, das Drahtflechtsyndikat, sowie die meisten
anderen, darunter auch einige Kleineisensyndikate, wie Stiefel-
eisen-, Splinten- und Holzschraubensyndikat.
Nicht durch Syndikatsvertrag geregelt sind die Bedingungen
für den Bezug der Hütten an fremdländischem und spanischem
Erz. Wenn eine Ladung solcher Erze abgeht, wird im Ab-
gangshafen eine Probe zurückbehalten und analysiert. Sobald
das Erz am Bestimmungshafen Duisburg oder Dortmund an-
kommt, wird ebenfalls eine Probe entnommen und vom Käufer
0 ex mann, Barzahlung u. Kreditverkehr in Handel u. Gewerbe 4
— 50 —
analysiert. Sobald dies geschehen, wird der Verkäufer be-
nachrichtigt und an ein und demselben Tage schicken Ver-
käufer und Käufer sich die Resultate ihrer Analysen zu.
Stimmen diese bis auf bestimmte Prozente überein, so wird
danach der Preis berechnet und die Ware sofort bezahlt, ent-
weder durch Überweisung oder häufig durch Schecks auf London
und nach Spanien mit solchen auf Paris. Stimmen die Analysen
nicht überein, so wird von einem vorher vereinbarten Chemiker
eine Schiedsanalyse gemacht und auf Grund dieser der Preis
festgesetzt. Um durch diese manchmal wochenlang dauernde
Verzögerung keine allzu großen Zinsdifferenzen eintreten zu
lassen, wird häufig ein Teil des Preises sofort bei Ankunft
des Konnossements gegen dessen Aushändigung gezahlt und
der etwaige Mehr- oder Minderpreis bei der Restzahlung nach
der Analyse ausgeglichen.
Die Lieferung von Rohmaterial oder Halbzeug nach dem
Auslande geschieht von den Syndikaten meist gegen Konnos-
sement. Einzelunternehmen liefern ausnahmsweise an alt-
bewährte Kunden auch gegen monatliche Rechnung.
Bei den Syndikatsbedingungen für den Inlandsverkehr wird
es von allen Beteiligten besonders angenehm empfunden, daß
sich jetzt durchweg ein einheitlicher Zahlungsterrain ein-
gebürgert hat, der 15. jedes Monats. Dadurch erhält jede
Kasse ihre Eingänge gerade an dem Tage, wo sie selbst wieder
Zahlungen zu leisten hat, wodurch eine große Vereinfachung
des Verkehrs herbeigeführt wird ^). Dabei werden aber auch
viele Zinsverluste vermieden , die bei den sonst notwendigen
größeren Kassenbeständen unvermeidlich wären.
Die Einführung gerade des 15. als Zahlungstag ist eines-
teils darauf zurückzuführen , daß in vielen Fällen die Ge-
schäftsabschlüsse für den vorhergehenden Monat nicht früher
fertig sind , in der Hauptsache rührt sie aber vom Kohlen-
syndikat her, das seine Gelder bis zum 15, jeden Monats ver-
langt und spätestens am 18. jeden Monats wirklich haben
muß, da diese dann an die einzelnen Zechen überwiesen werden
') Auf das Wünschenswerte dieser Verhältnisse verweist Schraut:
Die Organisation des Kredits S. 43.
— 51 —
müssen, wo sie am 20. und 21., den Hauptlohntagen, gebraucht
werden.^)
In der Fertigwarenfabrikation ist es auch in der Eisen-
industrie außer einigen Kleineisensyndikaten, die meist auch
nur Preiskonventionen sind, zu Syndikatbildungen noch nicht
gekommen und wird es Avegen der Vielgestaltigkeit der Pro-
dukte auch nur sehr schwer dazu kommen. Unter der dadurch
freibleibenden Konkurrenz leidet die Straffheit der Zahlungs-
bedingungen oft recht bedenklich.
Zwar haben sowohl der Verein deutscher Werkzeug-
maschinenfabriken, als auch der Verein deutscher Maschinen-
bauanstalten in ihren allgemeinen Bedingungen für Lieferung
von Maschinen als Norm aufgestellt: Es soll gezahlt werden
^3 bar bei Bestellung, ^/s bei Versand und ^/s 3 Monate
später, doch müssen oft viel längere Kredite gewährt werden,
um eine Bestellung zu sichern. Oft wird die Anzahlung schon
in Akzepten genommen, bei Versand nochmals ein Akzept
und nach 3 Monaten auch wieder ein Akzept auf 3 Monate.
Speziell bei Werkzeugmaschinen müssen oft noch viel längere
leisten gewährt werden, um den Abnehmern, zum Teil Klein-
gewerbetreibenden, den Kauf überhaupt zu ermöglichen. Bei
Druckereimaschinen sollen Ziele bis zu 2 Jahren keine Selten-
heit sein. In der Regel werden 3 Monatsakzepte verlangt,
die dann jedesmal bei Verfall prolongiert werden. Längere
Wechsel bringt kein Geschäftsmann gern in Umlauf, weil die
Banken diesen durchweg mit Mißtrauen begegnen.
Sehr lästig ist es für viele Maschinenfabrikanten, — be-
sonders kommen natürlich auch hier Werkzeugmaschinenfabriken
in Frage — , daß sie sich eine Anrechnung von Rohmaterial ge-
fallen lassen müssen. Eines der größten Stahlwerke Deutsch-
lands hat diese Unsitte vor einigen Jahren eingeführt. Zur Zeit
einer recht ungünstigen Konjunktur im Maschinenbaugewerbe
lagen Anfragen des betreffenden Werkes in Bezug auf Liefe-
rung von Werkzeugmaschinen gedruckte Zettel des Inhaltes
*) § 5, Abs. G des Syndikatsvertrages sagt: Die von den Zechen-
besitzern monatlich zu erteilenden Rechnungen über gelieferte Kohlen,
Koks und Briketts sind seitens des rhein.-westf. Kohlensyndikats am 20.
des der Lieferung folgenden Monats zu begleichen.
— 52 —
bei: Sollten Sie nicht gewillt sein, 50 *^/o des Betrages Ihrer
Lieferung in Rohmaterial von uns in Zahlung zu nehmen,
bitten wir von einer Offerte von vornherein als aussichtslos
absehen zu wollen.
Jetzt ist man wenigstens schon dahin gekommen, daß diese
Rohmaterialabnahme auf 2 Jahre nach der Maschinenlieferung
verteilt werden darf und die Lieferung vorher bar bezahlt
wird und ebenso später wieder die Rohmateriallieferung, und
zwar zum Tagespreis. Trotzdem müssen die Maschinenfabri-
kanten infolge dieser Bedingung häufig viel mehr Rohmaterial
auf Lager nehmen als sie eigentlich nötig haben. Dies wird
sofort klar, wenn man bedenkt, daß bei vielen Maschinen das
Rohmaterial nur etwa 10 "/o des Wertes ausmacht.
Sogar der Staat bereitet seinen Lieferanten ähnliche
Schwierigkeiten, indem er z. B. bei Vergebung von Brücken-
neubauten vom Bauausführer verlangt, daß er das gesamte
Material der alten Brücke übernehme, obgleich Konstruktions-
werkstätten damit nichts anzufangen wissen. ^)
Nicht unerwähnt soll noch die durch die Syndikate herbei-
geführte Veränderung der Kreditverhältnisse in der Eisen-
industrie bleiben. Während früher die Rohmaterialienprodu-
zenten den Weiterverarbeitern ihre Produkte kreditieren mußten
und, wenn sie dies nicht aus eigenen Mitteln konnten, die
Hilfe der Banken in Anspruch nehmen mußten, brauchen sie
dies jetzt, da sie ihre Gelder pünktlich vom Syndikate be-
kommen, nur in Ausnahmefällen, bei Neubauten oder ähnlichem.
Der Weiterverarbeiter aber, der Fertigwarenfabrikant, der
früher Kredit von seinem Lieferanten bekam, muß jetzt pünkt-
lich zahlen, dabei aber meist, nach wie vor, seiner Kundschaft
kreditieren. Kann er beides nicht aus eigenen Mitteln, so muß
er sich jetzt an die Banken wenden. Dadurch ist bei manchen
Banken eine ganz bedeutende Veränderung ihres Kundenkreises
eingetreten.
') Siehe Bericht der Dortmunder Handelskammer 1904.
Die Zahlungen bei Import und Export
Der Import spielt im hiesigen Bezirk eine verhältnismäßig
untergeordnete Rolle. Die wichtigsten Importartikel sind
Lebensmittel, besonders Getreide, sowie Holz und Erze. Eigent-
liche Importgeschäfte gibt es hier nicht. Die beim Import
der genannten Artikel in Betracht kommenden Zahlungs-
bedingungen sind in den betreffenden Einzelabschnitten zu
finden.
Eine ganz bedeutende Rolle spielt dagegen der Export-
handel im rheinisch-westfälischen Industriebezirk.
Mehr und mehr macht sich auch hier das Bestreben der
Fabrikanten geltend, sich von den Exporteuren frei zu machen
und in den verschiedenen Ländern eigene Verbindungen an-
zuknüpfen. Dabei muß man indessen bei verschiedenen In-
dustrien verschiedene Gründe unterscheiden. Wenn z. B. die
meisten Syndikate in der Eisenindustrie den Verkauf nach dem
Auslande mehr und mehr in die eigene Hand zu nehmen
suchen, so wollen sie nicht nur die Exporteurprovision, der
bei den meist großen Abnehmern ein verhältnismäßig kleines
Risiko gegenübersteht, sparen, sondern sie wollen sich auch
dagegen sichern , daß ihr Export auf Umwegen wieder nach
Deutschland kommt und ihnen hier Konkurrenz macht. Sind
die Exporteure noch nicht ganz ausgeschaltet, wie z. B. beim
Stahlwerksverband , so verlangt das Syndikat Duplikatfracht-
scheine, um sich gegen diese Wiedereinfuhr einigermaßen zu
schützen.
Manche Industrien aber, z. B. Reitgeschirre und Bronze-
waren, suchen mit der ausländischen Kundschaft unter Aus-
schluß des Exporteurs in direkte Beziehungen zu treten, sei
es durch Agenten oder durch Reisende, weil der erfolgreiche
— 54 —
Vertrieb dieser Artikel eine Brancbekenntnis erfordern soll,
die der Exporteur sich so leicht nicht aneignen kann.
Wenn es aber beim Export einer Ware mehr auf genaue
Kenntnis des ausländischen Marktes als auf genaue Kenntnis
der Ware ankommt, ist die Stellung des Exporteurs noch un-
erschüttert und man kann annehmen, daß immer noch weitaus
der größte Teil des Exportes aus dem hiesigen Bezirk durch
die Hand der Exportgeschäfte geht. Sind Hamburger und
Bremer Häuser wohl auch beteiligt daran, so sind die Haupt-
exporteure für die Ausfuhr aus Rheinland und Westfalen,
besonders für Kleineisen und andere Metallwaren , Stahl-,
Bronze-, Nickel-, Neusilberwaren etc., doch besonders in Iser-
lohn ansässig.
Die Zahlungsbedingungen der meisten dieser Firmen stimmen
fast völlig überein. Das Folgende gibt eine Übersicht für die
wichtigsten Ausfuhrländer, mit denen Iserlohner Firmen in
Verbindung stehen.
Rußland verlangt durchweg recht lange Kredite , in der
Regel 6 Monate nach Empfang der Ware. Für den Transport
müssen nach dem europäischen Rußland 2, nach Sibirien und
Transkaspien 3 Monate gerechnet werden. Entsprechend den
längeren Zielen und der größeren Unsicherheit in jeder Be-
ziehung, wird für Sibirien und Transkaspien ein höherer Skonto
bei Barzahlung gewährt. Während er für das europäische
Rußland 3 °/o beträgt, sind für das übrige Rußland 4 bis 5"/o
üblich. In ganz Rußland aber wird von dem Kassaskonto nur
in sehr seltenen Fällen Gebrauch gemacht, was teils direkt
aus dem häufigen Mangel an barem Gelde, teils aus der im
Verhältnis zum russischen Diskont geringen Höhe des Skontos
erklärlich ist. Wird Barzahlung nicht geleistet, so verlangt
der Exporteur fast stets Akzept, und zwar mehr und mehr auf
Mark lautend. Nach Transkaspien wird Ware ohne V^ An-
zahlung nicht geliefert und für den Rest Akzept verlangt.
Diskontiert werden diese russischen Akzepte nur in seltenen
Fällen, weil sehr viele auf Nichtbankplätze lauten, und auch
der russische Diskontsatz unseren Debetzinssatz meist noch
übersteigt. Die Wechsel werden vielmehr einem russiscben
Bankhause zum Einzuff übersandt und dieses überweist dann
nach Eingang den Gegenwert, abzüglich seiner Spesen etc. an
die deutsche Bankverbindung des Exporteurs.
Der frühere russische Brauch, Markwechsel mit 3 Monats-
kurs zu bezahlen, findet sich nur noch an vereinzelten Plätzen.
Üblich ist er z. B. noch in Charkow. In Odessa pflegt man
Mark Wechsel mit dem Vermerk zu akzeptieren: „In Scheck
zahlbar." Bei Fälligkeit erhält dann d,er Aussteller bezw.
seine Bank einen Markscheck auf Deutschland. Im allgemeinen
wird der Markwechsel jetzt mit Vistakurs bezahlt auch ohne
besondere Verabredung oder Bemerkung auf dem Wechsel,
was noch vor wenigen Jahren nicht üblich war.
Für Skandinavien ist das gebräuchliche Ziel 4 Monate.
Innerhalb 10 Tagen werden 2 V Skonto gewährt. Bar be-
zahlt wird indessen auch nur selten , da der Skonto mit 6 °/o
pro Jahr den gewöhnlichen Diskontsatz zu wenig übersteigt.
Dabei gelten die dortigen Firmen meist als gut und wird
Akzept nur bei außergewöhnlich langem Kredit verlangt.
Sonst werden einfach Tratten, durchweg auf Mark lautend,
an ein skandinavisches Bankhaus gesandt und durch dieses
eingezogen. Der Gegenwert wird dann nach Deutschland
überwiesen. Bezahlt ein skandinavisches Geschäft direkt
nach Deutschland, so geschieht dies meist mit Scheck auf
Hamburg.
In Finnland sind die Verhältnisse ganz ähnliche wie in
Skandinavien. Das gebräuchliche Ziel aber ist 3 Monate gegen-
über 2 "/o Skonto. Etwa ^ja der Kundschaft zahlt sofort bar.
Auch bei holländischen Kunden wird Akzept meist nicht
verlangt. Wird innerhalb 30 Tagen bezahlt, so werden 2''/o
Skonto vergütet, sonst durch ein holländisches Bankhaus nach
90 Tagen eine meist auf Mark lautende Tratte vorgelegt,
die mit 14 Respekttagen in der Regel pünktlich eingelöst
wird. Daß trotz des auffallend günstigen Skontos nur selten
bar bezahlt wird, ist nur durch eine gewisse Abneigung
des Holländers gegen die Aufnahme von Bankgeldern zu er-
klären.
Mit den Ländern der lateinischen Münzkonvention wird
bisher noch meist in Francs verrechnet, doch machen sich
mehr und mehr Bestrebungen geltend, auch hier allen Ge-
— 56 —
Schäften deutsche Währung zu Grunde zu legen. Akzept
wird mit Ausnahme von Griechenland meist nicht verlangt.
Die Kosten der Akzepteinholung würden zu groß sein im Ver-
hältnis zu der dadurch gewährten größeren Sicherheit.
In Frankreich und Belgien zahlen etwa ^4 der Kunden
innerhalb 30 Tagen mit 2 ^/o Skonto, die übrigen gegen Tratte
nach 3 Monaten.
Für Spanien ist das gebräuchliche Ziel 4 Monate. Bei
Barzahlung werden innerhalb 30 Tagen 2 °/o Skonto gewährt.
Etwa ^j-r, der Kundschaft zahlt mit Scheck auf Paris oder
Hamburg.
Portugal beansprucht meist 6 Monate Ziel oder 3 ^/o Skonto
innerhalb 30 Tagen, zahlt aber nur äußerst selten bar.
In Griechenland wird durchweg Akzept verlangt wegen
des dort unsichereren Geschäftes. Das gewöhnliche Ziel sind
4 Monate oder 3 *^/o Skonto bei Barzahlung. Sofort bar be-
zahlt wird sozusagen nie.
Für Ägypten lauten die Bedingungen meist: Zahlung
4 Monate nach Empfang der Ware. Für den Transport müssen
etwa 2 Monate gerechnet werden. Die Zahlungen werden
meist an den Vertreter am Platze geleistet und zwar vielfach
in Teilzahlungen. Trotz bestimmter Abmachungen kehrt sich
der Ägypter aber nicht an das Ziel, so daß vielfach wesentliche
Überschreitungen desselben vorkommen. Verzugszinsen sind
meist auch nicht einzutreiben ^).
Der Vertreter kauft für die einkassierten Gelder einen
Scheck auf London, der dann hier an die deutsche Bankver-
bindung gegeben wird zur Gutschrift.
Für Mexiko und Kolumbien gilt Barzahlung als das Normale.
Die Faktura ist sofort fällig und wird meist sofort bei Emp-
fang mit Schecks auf eine deutsche Bank (Hamburg, Berlin,
Bremen) bezahlt. Geschieht dies nicht, so wird meist eine Tratte
einer dortigen auf eine deutsche Bank gegeben, fast stets auf
') Einen beachtenswerten Vorschlag zur Besserung dieser ungesunden
Verhältnisse machte Dr. Jannasch 1899 im , Exporteur" S. 284: Die nach
Ägypten exportierenden Firmen sollen sich zusammentun, nur gegen bar
oder Sechsmonatsakzept verkaufen und sieh verpflichten, bei Nichteinlösung
protestieren zu lassen und den Protest bekannt zu geben.
— 57 —
Mark lautend und 1 bis 3 Monate laufend. Diese wird dann
abzüglich Diskont gutgeschrieben. Die ankommenden Wechsel
und Schecks werden vom Exporteur meist sofort an die Bank
zur Gutschrift bezw. Diskontierung gegeben.
Übrigens geben manche Firmen auch ihre Wechsel auf
andere Länder nicht direkt an auswärtige Banken, sondern an
ihre deutsche Bankverbindung, die dann alles weitere besorgt.
In der Regel wird dann der Betrag abzüglich aller Spesen
dem Betreffenden 14 Tage nach Verfall gutgeschrieben. Häufig
wird auch auf die zum Einzug hereingegebenen Wechsel ein
sogenannter Trattenkredit gewährt.
Die Fabrikanten, die ohne Vermittlung des Exporteurs mit
dem Auslande arbeiten, stellen fast stets dieselben Zahlungs-
bedingungen wie dieser. Indessen sieht der Fabrikant viel
mehr darauf, als Zahlung eine Bankausschreibung statt eigener
Akzepte oder gar bloßer Tratten zu bekommen. Häufig muß
er diese größere Sicherheit natürlich mit einem Preisabschlag
bezahlen. Dafür spart er aber auch die Exporteurspesen.
Der Exporteur begnügt sich auch ohne diese größere Sicher-
heit, da er bei der großen Zahl der Kunden in einem Lande
durch den erzielten höheren Preis bei leichterem Kredit eine
Art Selbstversicherung hat oder zu haben glaubt.
Für den Export von Maschinen, der meist ohne Vermitt-
lung des Exporteurs geschieht, haben sowohl der Verein deut-
scher Werkzeugmaschinenfabriken, als auch der Verein deutscher
Maschinenbauanstalten in ihren allgemeinen Bedingungen für
die Lieferung von Maschinen als Zahlungsnorm aufgestellt:
^3 bar bei Bestellung, ^j-d bar bei Versand. Auf eine Anzah-
lung muß der Maschinenfabrikant durchaus sehen, da ihm durch
Abbestellung oder Nichtannahme der meist nach besonderen
Angaben für einen ganz bestimmten Zweck erbauten Maschinen
sonst zu großer Schaden entstünde. Das letzte Drittel des
Kaufpreises wird abweichend von den eben angegebenen Be-
stimmungen oft erst 3 Monate nach Ablieferung verlangt.
Maschinen werden in der liegel gegen Konnossement ge-
liefert, das an ein vom Käufer bezeichnetes Bankhaus gesandt
wird. Vorsichtshalber fragt man bei diesem Bankhause meist
erst an, ob es gewillt sei, zu zahlen, da ein Transport und
— 58 —
Rücktransport der Maschinen bei Verweigerung der Zahlung
oft sehr bedeutende Unkosten verursachen kann.
Die Brauereien, die früher meist direkt von hier aus mit
dem ausländischen Konsumenten arbeiteten und dabei oft große
Verluste hatten, sind jetzt mehr und mehr dazu übergegangen,
im Auslande ortskundige Vertreter zu bestellen, die nicht nur
den Verkauf, sondern auch die Eintreibung der Forderungen
selbständig in der Hand haben.
Schlußbetrachtungen
Lassen wir nun die Resultate der Einzeluntersuchungen
in den verschiedenen Zweigen von Handel und Gewerbe noch
einmal an unserem Geiste vorüberziehen, um uns einen Ge-
samtüberblick zu schaffen über die heute gebräuchlichen Arten
der Zahlungen und deren Bedeutung für das wirtschaftliche
Einzelunternehmen sowohl als die gesamte Volkswirtschaft.
Bei Handwerk und Kleinhandel stößt man noch durchweg
auf einen bedauerlichen Mangel an kaufmännischer Bildung.
Fast immer fehlt es an einer geregelten Buchführung. Daß
ohne diese aber auch eine straffe Organisation des Geldverkehrs
unmöglich ist, liegt auf der Hand. Ziele von 6 bis 12 Monaten
sind an der Tagesordnung. Dabei sind ganz bedeutende Ver-
luste, sowohl an Zinsen, als auch durch Ausfälle der ganzen
Forderungen unvermeidlich. Gegen solche Verluste könnte
der Handwerker und Kleinhändler sich schützen durch bessere
Buchführung, die mit ziemlicher Sicherheit auch dem Wechsel-
verkehr mehr und mehr Eingang in diese Kreise verschaffen
würde. Mit dem genaueren Überblick nämlich, den eine gute
Buchführung über den Gang des Geschäftes gibt, muß notwendig
auch das Verständnis darüber wachsen, welchen Nutzen kurze
Zahlungsperioden gewähren. Um aber Kunden, die bisher
unbegrenzten Kredit genossen haben, zu erziehen zu pünkt-
licher Zahlung, ist der Wechsel das beste Mittel. Nur bei
ganz kleinen Ausständen, wie die Geschäfte sie haben, die
täglich kleine Posten an den Konsumenten abgeben, z. B. Ko-
lonialwarenkleinhändler, ist der Wechsel nicht gut anwendbar.
Hier nimmt der Händler seine Zuflucht zu einem anderen
Mittel, um den Kunden zur pünktlichen Zahlung zu erziehen.
Er gewährt bei Barzahlung ziemlich hohen Rabatt, den er
selbst dann in verschiedener Form wieder einbringt, teils durch
— 60 —
Fortfall der Ausfälle an seinen Ausständen, teils durch den
Skonto, den er nun seinen Lieferanten abzieht, und schließlich
durch die vergrößerte Umsatzfähigkeit seines Kapitals.
Zur Gesundung der Kreditverhältnisse bei den Handwerkern
und Krämern könnten die großen Werke ein gut Teil bei-
tragen durch anderweitige Organisation der Lohnzahlung. Es
braucht durchaus nicht die Lohnzahlungsperiode im allgemeinen
verkürzt zu werden, wogegen sogar sehr gewichtige Bedenken
bestehen, aber es muß dem neu eingestellten Arbeiter, der
durch Reise, längere Arbeitslosigkeit oder ähnliches womöglich
aller Barmittel entblößt ist, durch die Arbeitsordnung oder
irgendwelche Abmachung das Recht verbürgt werden, daß er
schon nach wenigen Tagen Arbeit einen Teil seines Lohnes
verlangen kann. Muß er unter Umständen 4 Wochen arbeiten
ohne einen Pfennig ausbezahlt zu bekommen, wie das unter
den heutigen Verhältnissen z. B. im Bergbau vorkommen kann,
dann wird er dem Kredit gewährenden Krämer einfach in die
Arme getrieben. Wie schwierig es für den Arbeiter ist, sich
aus solchem Schuldverhältnis wieder zu befreien, braucht nicht
näher ausgeführt zu werden. Welche üblen Folgen es aber
für Handwerk und Kleinhandel hat, daß sie einfach gezwungen
sind, dem Arbeiter Kredit zu gewähren, ist oben näher dargelegt.
Die Barzahlung zwischen Konsumenten und Händler ist
fast durchweg eingeführt, und zwar ohne Rabattgewährung,
in den Ladengeschäften mittleren und großen Umfanges, soweit
es sogenannte Bazare und Warenhäuser oder aber Konfektions-
geschäfte sind. In allen anderen Branchen aber sucht man
die Barzahlung auch mehr und mehr einzuführen.
Zwischen diesen Geschäften und ihren Lieferanten herrscht
ein aussfebreiteter Wechselverkehr und in diesen Kreisen dient
der Wechsel noch in großem Umfange als wirkliches Zahlungs-
mittel.
Hat ein Lieferant aber Monopolstellung, so drängt er bei
seiner Kundschaft fast stets darauf, seine Zahlung nicht in
Wechseln, sondern in barem Gelde oder in Werten so gut als
bar, d. h. meist in Form von Giroüberweisungen, zu bekommen.
Denn wenn auch ein unter Diskontberechnung in Zahlung ge-
nommener Wechsel, solange er im Portefeuille liegt, keinen
— 61 —
Zinsverlust bringt, wie ein barer Kassenbestand dies tut , so
entsteht doch bei etwaiger Weiterbegebung des Wechsels
nach erfolgter Diskonterhöhung ein Zinsverlust. Stets aber
ist das Risiko beim Wechsel größer als bei der Barzahlung,
und außerdem ist die Weiterbegebung lästiger, da einmal ein
Giro erforderlich ist und außerdem dem Wechsel die Teil-
barkeit abgeht. Dabei ist der Ausgleich der Zahlungen durch
Giroüberweisung auch bedeutend billiger, als durch Übersendung
von Wechseln oder gar barem Gelde. Auch gegenüber der
Zahlung mittels Scheck ist die Giroüberweisung billiger. Bei
der Zahlung per Girokonto kann die ganze darauf bezügliche
Korrespondenz im gewöhnlichen Brief, sogar per Karte erledigt
werden, da keinerlei Werte entwendet werden können. Wird
der Scheck aber an den Empfangsberechtigten geschickt, so
muß der Brief versichert werden und verursacht dadurch nicht
unerhebliche Kosten. Ein gutes Scheckgesetz könnte diesen
Ubelstand ja beseitigen, die Firmen aber, die täglich eine ganze
Reihe von Zahlungen zu leisten haben, würden doch wohl bei
der gewohnten Art der Überweisung auf Girokonto bleiben,
da sie dabei nichts zu tun haben, als in einem Briefe alle
Zahlungen, die man leisten soll, an die Bank aufzugeben; alles
Weitere besorgt diese dann. Bei der Zahlung per Scheck aber
muß jedem einzelnen, der eine Zahlung empfangen soll, ein genau
ausgestellter und unterschriebener Scheck zugesandt werden.
Wenn aber durch die immer schärfer werdenden Zahlungs-
bedingungen in allen Branchen, durcli die immer allgemeiner
werdende Notwendigkeit, Zahlungen per Girokonto zu leisten,
auch die kleineren Gewerbetreibenden immer mehr dazu ge-
zwungen sein werden, sich ein eigenes Girokonto einrichten zu
lassen und wenn diese auch ihrer Kundschaft gegenüber all-
gemein straffe Zahlungsbedingungen eingeführt haben werden,
dann sind für die Einbürgerung des Schecks als Zahlungsmittel
des Kleinhandels die Wege geebnet. Solange der Kleinkonsu-
ment, besonders der Privatmann, Warenkredit in Anspruch
nimmt und solange der Händler mit jedem Scheck, den er be-
kommt, sofort zur Bank läuft und sich bares Geld dafür geben
läßt, solange wird der Scheck nie festen Fuß fassen in unserem
Geschäftsleben.
— 62 —
Lieferanten nun , die vermöge ihrer Monopolstellung dem
Kunden die Zahlungsweise vorschreiben können, sehen wir be-
sonders in den Karteilen. Fast alle verlangen sie von ihrer
Kundschaft Barzahlung und Innehaltung kurzer Zahlfristen. Je
mehr die Konkurrenz ausgeschaltet ist, desto mehr Nachdruck
kann dieser Forderung verliehen werden.
Dadurch, daß sich in den verschiedenen Industriezweigen
ein und derselbe Tag des Monats als Termin für alle zu
leistenden und zu empfangenden Zahlungen eingebürgert hat,
ist für die einzelnen Betriebe die Kassenführung bedeutend
vereinfacht. Man kommt mit kleineren Beständen aus und
spart Zinsen. Nun könnte man einwenden, daß monatliche
Abrechnungen noch nicht das Ideale wären, sondern kürzere
Abrecbnungsperioden wünschenswert wären. Würden diese
Abrechnungen durch Bargeld gemacht, so läge ja freilich ein
öffentliches Interesse vor für kürzere Zahlfristen, um an Um-
laufsmitteln zu sparen. Da aber bei weitem der größte Teil
dieser Zahlungen durch Überweisungen geschieht, ist die Ab-
rechnungsperiode für den Bedarf an Umlaufsmitteln gleichgültig.
Gegen die Vergrößerung des Risikos, die in der monatlichen
Abrechnung gegenüber einer etwa einwöchentlichen liegt,
schützen die Syndikate sich, wie wir gesehen, durch Kautionen,
die sie von ihren Abnehmern verlangen. Für die Abnehmer
bedeutet dies freilich eine Schwächung ihres Betriebskapitals,
da aber eine häufigere Abrechnung für die Lieferanten eine
wesentliche Vermehrung der Unkosten bedeuten würde, die
keinen besonderen Nutzen verspricht, so dürfte an dieser Ein-
richtung vorläufig kaum etwas geändert werden.
Welchen Einfluß haben nun die veränderten Zahlungs-
bedingungen des Lieferanten auf die Kapital- und Kreditver-
hältnisse des Abnehmers?
Gewährt der Lieferant langfristigen Warenkredit, so kommt
der Abnehmer mit verhältnismäßig geringem Kapital aus. Hat
er nur das nötige Anlagekapital, so genügt das oft schon
zum Betriebe des Geschäftes, das Betriebskapital besteht eben
in dem Warenkredit des Lieferanten. Um nicht in Schwierig-
keiten zu geraten, muß der Händler nur sehen , daß er von
seinen Kunden die Zahlungen stets so früh erhält, daß er zum
— 63 —
festgesetzten Termin seinen Lieferanten bezahlen kann. Setzt
der Lieferant nun aber die Kreditfrist für den Händler herab,
so gibt es für diesen zwei Wege , die nötigen Zahlungsmittel
bis zu dem betreffenden Termin zu beschaffen. Entweder
muß er von seiner eigenen Kundschaft nun schnellere Zahlung
verlangen oder aber er muß fremde Gelder, meist Bankgelder,
zu Hilfe nehmen.
Will der Händler auch weiterhin ohne Bankkredit aus-
kommen und nur den ihm vom Lieferanten eingeräumten
Warenkredit als Betriebskapital benützen, so muß er dazu
übergehen, immer nur kleine Bezüge zu machen, die seinen
Absatzaussichten während der verkürzten Kreditfrist möglichst
genau angepaßt sind. Dadurch verringert er für sich das Risiko
sehr stark, das mit der Schätzung der Aufnahmefähigkeit des
Marktes verbunden ist. Er wälzt dieses mehr und mehr auf den
Fabrikanten über. Vermöge ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit
wissen sich aber die Fabrikanten zu schützen, indem sie zwar
kurze Zahlungs- und Lieferungsfristen vereinbaren, aber zugleich
die Mindestabnahme für mehrere Monate festsetzen.
Wie wir in den verschiedenen Einzelabschnitten gesehen
haben, stößt die Einführung der verschärften Zahlungsbeding-
ungen überall da auf Schwierigkeiten, wo freie Konkurrenz
herrscht. Erleichterung der Zahlungsbedingungen ist ein Haupt-
lockmittel für Kunden.
Im Kleinhandel und besonders auch im Handwerk wird
noch viel mit offenem Buchkredit gewirtschaftet. Wo die
kaufmännische Bildung weiter fortgeschritten ist, kennt man
sogar bei freier Konkurrenz diese Form des Kredites nur noch
in sehr geringem Umfang, Hier wird Kredit gegen Wechsel
gewährt und der Wechsel dann als Zahlungsmittel benützt.
Wo man die Vorzüge der Barzahlung gegenüber dem Wechsel-
verkehr voll würdigt, gewährt man dem Kunden bei Barzah-
lung solche Vorteile, daß er vorzieht, die Wechsel, die er
sonst dem Lieferanten gegegeben hätte, bei der Bank zum
Diskont zu geben und seinen Lieferanten bar zu bezahlen.
Die Marge zwischen Diskont und Skonto muß aber groß genug
sein, um den Kunden trotz der damit für ihn verbundenen
Mühe zu reizen.
— 64 —
Daß es dem Händler gelingt, den vom Lieferanten ver-
kürzten Zahlungsfristen den Eingang seiner eigenen Ausstände
völlig anzupassen, d. h. ohne eigentliches Betriebskapital aus-
zukommen, ist indessen sehr selten. Werden die Fabrikanten
durch Kartelle und ähnliches wirtschaftlich immer unabhängiger,
so müssen ihre Abnehmer mehr und mehr Bankkredü als
Betriebskapital in Anspruch nehmen.
Übernimmt die Bank an Stelle des Lieferanten die Kredit-
gewährung, so übernimmt sie naturgemäß auch das damit
verbundene Risiko, wodurch für den Lieferanten die Geschäfts-
führung eine viel gesichertere wird.
Aber auch für den Händler bietet der Bankkredit gegen-
über dem Lieferantenkredit große Vorzüge. Zunächst ist der
Lieferantenkredii- doch immerhin nur auf eine Anzahl von
Monaten beschränkt, während das von der Bank gegebene
Geld jahrelang ruhig im Geschäfte weiter arbeiten kann, da
die Bank für Rückzahlung ihres Kredits keinen Termin aus-
zumachen braucht. Sie kann sich für ihre Forderung in ganz
anderer Weise sichern als der Lieferant. Sie kann sich Hypo-
theken, Bürgschaften und ähnliches geben lassen, was alles
bei einem auf einige Monate beschränkten Kredit zu viel Un-
kosten verursachen würde. In kritischen Zeiten besteht ferner
für den Händler immer die Gefahr, daß auch der Lieferant
in Schwierigkeiten gerät und plötzlich seine Ausstände ein-
fordern muß. Dann ist es für den Händler sehr schwer, ander-
weitig Kredit zu finden. Hat er aber auch in ruhigen Zeiten
mit der Bank gearbeitet, wird diese den Händler in kritischen
Zeiten nicht leicht im Stich lassen. Die Bank kann bei solchen
Krisen umso eher helfend eingreifen, da sie ja stets mit einer
Reihe der verschiedensten Industrie- und Handelszweige arbeitet
und bei Geldknappheit innerhalb eines dieser Zweige diese
durch den Überfluß eines anderen ausgleichen kann.
Sehen wir nun einmal, in welcher Weise die Bank dem
Geschäftsmann Kredit gewährt. Blankokredit, also ein Kredit,
der nur auf den guten Ruf und die Geschäftstüchtigkeit einer
Firma hin gegeben wird, kommt natürlich auch vor, meist
aber verlangt die Bank, wenigstens für einen Teil des einzu-
räumenden Kredits, Sicherheiten. Als solche kommen in erster
— 65 —
Reihe Hypotheken und Effekten in Betracht, aber auch Bürg-
schaften spielen eine große Rolle. Wer im Geschäftsverkehr
Wechsel nehmen muß, wird diese in den meisten Fällen auch
der Bank geben. Vereinzelt kommt es auch vor, daß die
Bank sich als Sicherheit das Akzept des Kunden geben läßt.
In dem Umfange aber, wie z. B. in der Provinz Sachsen,
kennt man diese Praxis hier nicht. Auch behält die Bank hier
solche Papiere meist in ihrem Portefeuille.
Bis zur Höhe des eingeräumten Kredits nun kann der
Kunde bei der Bank disponieren und zwar indem er entweder
bares Geld abhebt, oder indem er Schecks auf sein Guthaben
ausstellt, oder indem er von diesem Guthaben Giroüberweisungen
machen läßt, oder aber schließlich, indem er auf die Bank
trassiert und diese akzeptieren läßt. Allgemein läßt man bei
den hiesigen Banken alle diese Umsätze über ein und dasselbe
Konto laufen und berechnet eine einheitliche Umsatzprovision.
Die z. B. in England allgemein gebräuchliche besondere Akzept-
provision wird hier nur ausnahmsweise verlangt. Debetzinsen
werden für gewährte Akzepte erst bei Verfall berechnet. Bis
dahin aber hat der Kunde natürlich Deckung zu besorgen,
falls sein Guthaben nicht mehr groß genug ist, um das Akzept,
das in der Regel beim Akzeptanten zahlbar ist , einzulösen.
Bei Einräumung des Kredits wird von Seiten der Bank meist
festgesetzt, bis zu welcher Höhe der Kunde auf die Bank
trassieren darf. Als ungefähre Regel kann man annehmen,
daß ein Viertel bis die Hälfte des eingeräumten Kredits in
Trassierungen auf die Bank bestehen darf, es richtet sich dies
natürlich nach der Güte des Kunden und seiner Sicherheiten.
Begibt der Kunde das Bankakzept zum Privatdiskont an eine
andere Bank, so kostet ihn das Geld die erv/ähnte Umsatz-
provision, den Stempelbetrag, den Privatdiskont und eine
Diskontprovision an den Diskonteur. Vor mehreren Jahren
haben sich eine Anzahl Berliner Großbanken (die sogen.
Stempelvereinigung) gegenseitig verpflichtet, kein Bankakzept
zu diskontieren ohne mindestens ^ja "/o Provision. Hiesige
Banken gehen aber auch wohl auf V« "/« herunter.
Wie in den einzelnen Abschnitten gezeigt wurde, ist es für
den Kaufmann meist vorteilhafter, seine Bankakzepte diskon-
Oexmann, Barzahlung u. Kroditverkehr in Handel u. Gewerbe 5
— 66 —
tieren zu lassen und an seinen Lieferanten bar zu bezahlen,
statt an diesen das Akzept zu geben. In der Tat spielt denn
auch das Bankakzept als Zahlungsmittel eine ganz unter-
geordnete Rolle. Schon aus dem gebräuchlichen Text der
Bankwechsel geht dies hervor, sie sind nämlich fast ausnahms-
los an eigene Order gestellt. Ist einmal eine andere Order
angegeben, so ist der Wechsel fast durchweg für Zahlungen
ans Ausland bestimmt. Auf den wieder eingelösten Bank-
akzepten kann man lange suchen, bis man einmal ein Giro
findet, das nicht von einer Bank stammt. Die meisten dieser
Wechsel sind durch die Hände von 3 bis 4 Banken gegangen,
bis sie wieder eingelöst werden. Einzelne große Bankfirmen
machen es sich zur Spezialität, die Bankakzepte den Privaten
unter Anrechnung von Provision zu diskontieren. Für die
übrigen Großbanken sind nun erstklassige Bankakzepte eine
beliebte Anlage für augenblicklich flüssige Kapitalien, Depo-
siten etc. Sucht nun eine Bank Akzepte für solche Anlagen,
dann wendet sie sich an die großen Diskonteure und kauft
hier auf, wobei der Diskonteur meist nur einen ganz geringen
Prozentsatz verdient. Bei Geldbedarf geben die Banken die
aufgekauften Akzepte wieder an andere Banken ab. So dienen
denn diese Bankakzepte fast ausschließlich als Kreditinstrument.
Als allgemeine Tendenz sehen wir also das Fortschreiten
vom Buchkredit zur Zahlung mittels Wechsel. Nach und nach
verliert aber der Wechsel den Charakter des Zahlungsmittels.
Die allgemein zu beobachtende Verschärfung der Zahlungs-
bedingungen , d. h. die fortschreitende Einschränkung des
Warenkredits drängt auch die kleineren Geschäfte in immer
wachsender Zahl in den Kundenkreis der Banken. Hier werden
auch die Wechsel, die bisher als Zahlungsmittel dienten, mehr
und mehr diskontiert und so zum Kreditinstrument gemacht.
Mit dem wachsenden Kundenkreis der Banken ersetzt die Über-
weisung von einem Konto auf das andere in immer höherem
Grade alle anderen Arten des Zahlungsausgleiches. Das Ver-
langen vieler Lieferanten, speziell der Syndikate, ihre Zahlungen
per Giroüberweisung zu bekommen, führt anderseits auch
wieder dazu, den Kundenkreis der Banken zu vergrößern.
Mehr und mehr wird es auch für den kleineren Kaufmann
— 67 —
anumgänglich nötig, ein eigenes Bankkonto zu haben. Das
ist aber nicht nur dem Einzelunternehmen dienlich, sondern
auch der Allgemeinheit, indem den Banken dadurch eine Menge
Gelder zugeführt werden, die früher untätig in den Kassen der
Einzelunternehmen lagen und jetzt für Handel und Industrie
nutzbar gemacht werden können.
Die verschiedenen Formen des Zahlungsausgleiches, die wir
heute gleichzeitig in den verschiedenen Zweigen des Handels
und der Industrie nebeneinander sehen, vom Handwerk zum
Ladengeschäft, von da zum Zwischenhändler und von hier
hinauf zum Produzenten in immer größerer Vervollkommnung,
diese Formen bilden gleichzeitig die Etappen, die jeder einzelne
dieser Geschäftszweige in seiner historischen Entwicklung schon
durchgemacht hat oder vermutlich noch durchmachen wird.
Druck der
Union Deutsche Verlagsgesellschaft
in Stuttgart
Yerlag der J. G. Cotta'schen Buchliandlimg Nachfolger
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wesen. Herausgegeben von Dr. Georg Schanz, Professorder
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in Irland. Zwel Bände Geheftet M. 18.—
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Gustav Colin, Volkswirtschaftliche Aufsätze
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die Eisenbahnen. 3. Die Einkommensteuer im Kanton Zürich. 4. Die "Wehrsteuer.
5. Ehre und Last in der Volkswirtschaft. 6. Arbeit und Armut. 7. Internationale
Fabrikgesetzgebung. 8. Die Fremdenindustrie der Schweiz. 9. Über Differenz-
geschäfte. 10. Über Handelsakademien
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F. C. Huber, Deutschland als Industriestaat
Geheftet M. 10.— In Leinenband M. 11.—
Richard v. Kaufmann, Die Eisenbahnpolitik Frank-
reichs. 2 Bände Geheftet M. 24.—
Friedrich List, Das nationale System der politischen
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Julius Wolf, Sozialismus und kapitalistische Gesell-
schaftsordnung. Kritische Würdigung beider als Grundlegung
einer Sozialpolitik Geheftet M. 12.— In Leinenband M. 14.—
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger In Stuttgart und Berlin
Münchener Volkswirtschaftliche Studien
Ferner:
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und seine Reform mit besonderer Berücksichtigung der Stadt München. 3M.
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2 Mark.
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im 1V>. Jahrhundert. 7 Mark.
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Wertzuwachses in Eng'land. 4 Mark 80 Pf.
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.,„,,. 10. Februar ^^,,, ... , „
russischen Handelsvertrag vom -.^ . 1894 mit besonderer Be-
2!). Januar
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44 Maass. Dr, Ludolt. J)er Einfluss der 3Iaschine auf das Schreiner-
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ib. Haacke. Dr. Heinrich, Handel und Industrie der Provinz Sachsen
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Ein Beitrag zur Frage der Handelspolitik und der Kartelle. ]\Iit einer Vor-
bemerkung von Prof. Dr. Waltlier Lotz. 3 jNIark,
4><. BuMcliing. Dr, Paul. Die Entwickelung der handelspolitischen Be-
ziehungen zwischen England und seinen Kolonien bis zum Jahre 18(J0.
Mit Anhang: Tabellarische Uebersicht über den Kolonial handel
1«20-1900. 7 Mark.
49. Herold, Dr. Robert, Der Schweizerische Bund und die Eisenbahnen
bis zur .Jahrhundertwende. Der allmähliche Sieg zentralistischer Tendenzen und
die Durchführung der Verstaatli<liung. Mit einer kartographi-sch. Beilage. SM.
:)0. Monibert, Dr. Paul, Die deutschen Stadtgemeinden und ihre Arbeiter.
€ Mark.
•Ol. Kielin. Dr. Reinhold, Das Konsumvereinswesen in Deutschland, seine
volkswirtschaftliche und soziale Bedeutung. Mit einem \'orwort von Lujo
Brentano. 3 Mark.
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und I
Münchener Volkswirtschaftliche Studien
Ferner:
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Städte 1890—1900. Eine Untersuchung über die Wirkungen der deu
Handels- und A'erkehrspolitik auf Getreidehandel, Mühlenindustrie,
handel und Reederei in deu grössten deutschen Ostseestädten. 2
54. Jörgreiis, Dr. Max, Finanzielle Trustgesellschafteu. 3 Mark >
55. Ellgel, Dr. August, Die westfcälische tfemeinde Eversberg. Eine
schaftliche Untersuchung. 3
56. I'^s'^y» Dr. Hermann, Die Not der engrlischen Landwirte zur Zei
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59. Glaser, Dr. Friedrich, Die Franziskanische Bewegung-. Ein B
zur Geschichte sozialer Reformideen inx Mittelalter. 4
60. Halpern, Dr. Georg, Die jüdischen Arbeiter in London. 1 Mark
61. Buff, Dr. Siegfried, Das Koutokorrentgeschäft im deutscheu 1
gewerbe. 2 Mark I
62. Wisniüller. Dr. Franz X., Oeschichte der Teilung der Oenieinläudc
in Bayern. 6
63. Bajkks Dr. Wellimir J.. Die französische Handelspolitik 1892-
10
64. Kat«, Dr. Eugen, Landarbeiter undLandwirtschaft in Oberhessen. 4
65. Heyiuaun, Hans Gideon. Die gemischten Werke im deutschen G
eisengewerbe. Ein Beitrag zur Frage der Konzentration der Industrie. 7
56. Hilsenbeck, Dr. Wilhelm. Die Deckung der Kosten des Krieg
Südafrika von 1899-1902 auf Seite Englands. 2 Mark -
67. Bothe, Dr. M., Die indische Währungsreforni seit 1893. 6
68. Collas, Dr. Constantin, Der Staatsbankrott und seine Abwick
1 Mark i
69. Waltz, Dr. Wilhelm. Vom Reinertrag in der Landwirtschaft.
historisch-kritische Studie. 2 Mark -^
70. Salz. Dr. Arthur, Beiträge zur Geschichte und Kritik der Lohnf
theorie. 4 Mark l
71. Heynen,Dr.Reinh., Zur Entstehung des Kapitalismus inVenedlg. 3
72. Xitzsche, Dr. M., Die handelspolitische Reaktion in Deutsch
Eine historisch-politische Studie. 5 Mark (
73. Koch, Dr. Friedrich, Der Londoner Groldverkehr. 2 Mark .'
74. Wallich, Dr. Paul, Die Konzentration im deutscheu Bankwesen. 4
75. Bosenick, Dr. Alfred, Über die Arbeitsleistung beim Steinko
bergbau in Preußen. Eine Studie aus der Betriebsgesehichte
kapitalistischen Unternehmungszweigs. 4 Mark 5
76. Hüglin. Dr. Albert, Der Tarifvertrag zwischen Arbeitgeber
Arbeitnehmer, M 6
77. Kimmich, Dr. Karl, Die Ursachen des niedrigen KyFsstandes
scher Staatsanleihen. Eine Untersuchung über englis«en, französi
und deutschen Staatskredit. / / S '
78. Oexniann, Dr. Heinrich, Barzahlung und Kreditverkehr in Hände
(rewerbe im rheinisch-westfälischen Industriebezirk. • 1 Mark 6
System der Finanzwissenschaft
Ein Hand- und Lesebuch für Geschäftsmänner und Studiere
Von Wilhelm Röscher
Fün<'te vermehrte Auflage, bearbeitet von Otto Oerlach
(System der Volkswirtschaft. Vierter Band)
2 Halbbände. Geheftet 16 Mark. In 2 Halbfranzbänden 20 Mark
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart
HG Oexmann, Heinrich
3729 Barzahlung und
G3 Kreditverkehr in Handel und
02 Gewerbe im rheinisch-
westfälischen Industriebezirk
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