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CLASS S6I0.5
book B39t
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Beiträge
zur
Klinik der Tuberkulose.
Unter Mitwirkung der Herren
Prof. Dr. Bettmann, Hofrat Prof. Dr. Fleiner, Doz. Dr. Gaupp, Doz.
Dr. Hammer» Doz. Dr. Hegener, Prof. Dr. v. Hippel, Doz. Dr. Jacoby,
Prof. Dr. Jordan, Prof. Dr. Jurasz, Doz. Dr. Magnus, Doz. Dr. Marschall,
Doz. Dr. Nehrkorn, Prof. Dr. Petersen, Prof. Dr. Schottlander, Doz.
Dr. Schwalbe, Doz. Dr. Simon, Doz. Dr. Soetbeer, Doz. Dr. Starck»
Doz. Dr. Völker, Prof. Dr. Vulpius
herausgegeben von
Dr. Ludolph Brauer
a. o. Professor an der Universität Heidelberg.
Band 1.
Mit 4 Karten, 20 Tafeln und 18 Textabbildungen.
Würzburg.
A. Stuber's Verlag (C. Kabitzsch).
1903.
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Druck der kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg.
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~3 3n
Inhalt des I. Bandes.
Seite
Vorwort.III
Brauer, Prof. Dr. L., Das Auftreten der Tuberkulose in Cigarren¬
fabriken. Mit 6 Tafeln. 1
Ho ff mann, Dr. W., Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung
in Baden. Mit 4 Karten und 5 Tafeln.49
Bettmann, Prof. Dr. S., Lupus follicularis disseminatus.98
Czerny, Geh. Rat Prof. Dr. V., Über die häusliche Behandlung der
Tuberkulose ..119
Stoeckel, Oberarzt Dr. W., Zur Diagnose und Therapie der Blasen-
Nieren-Tuberkulose bei der Frau. Mit 1 Tafel. .129
Fischer, Dr. B., Über die Ausheilung grosser tuberkulöser Lungen¬
kavernen .153
Grouven, Privat-Doz. Dr., Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und
Scrophuloderma.159
Jordan, Prof. Dr. M., Zur Pathologie und Therapie der Hoden-Tuberkulose 207
Roepke, Chefarzt Dr. 0., Zur Diagnose der Lungentuberkulose . . 229
Hammer, Doz. Dr., Über die diagnostische Tuberkulin-Injektion und
ihre Verwendung beim Heilstättenmaterial. Mit 8 Kurven-Tafeln . . 325
Goldmann, Dr. Rud., Über Sensibilitätsstörnngen der Haut bei Lungen¬
krankheiten, speziell Tuberkulose. Mit 18 Figuren.361
Stephani , Dr., Über das Vorkommen von grossen Konglomerattuberkeln
in der Herzmuskulatur.387
*
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Beiträge
zur
Klinik der Tuberkulose.
Unter Mitwirkung der Herren
Prof. Dr. Bettmann, Hofrat Prof. Dr. Fleiner, Doz. Dr. Gaupp, Doz.
Dr. Hammer, Doz. Dr. Hegener, Prof. Dr. v. Hippel, Doz. Dr. Jacoby,
Prof. Dr. Jordan, Prof. Dr. Jurasz, Doz. Dr. Magnus, Doz. Dr. Marschall,
Doz. Dr. Nehrkorn, Prof. Dr. Petersen, Prof. Dr. Schottlander, Doz.
Dr. Schwalbe, Doz. Dr. Simon, Doz. Dr. Soetbeer, Doz. Dr. Starck.
Doz. Dr. Völker, Prof. Dr. Vulpius
herausgegeben von
Dr. Ludolph Brauer
a. o. Professor an der Universität Heidelberg.
Heft i:
Brauer, Prof. Dr. L., Das Auftreten der Tuberkulose in
Cigarrenfabriken. Mit 6 Tafeln.
Hoffmann, Dr. W., Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose¬
verbreitung in Baden. Mit 4 Karten und 5 Tafeln.
Bettmann, Prof. Dr., Lupus follicularis disseminatus.
Würzburg.
A. Stuber’s Verlag (C. Kabitzsch).
vm.
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Alle Rechte Vorbehalten.
Druck der Kgl. Univorsitätsdruckerei von H. Stürtz in WÜrzburg.
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l 'b) £&
S (o k a *
Vorwort.
Die Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, die als zwang¬
lose Hefte in nicht zu langen Zwischenräumen erscheinen werden, sollen
an der bedeutsamen und umfassenden Aufgabe mitarbeiten, das Ver¬
ständnis der vielfältigen Erscheinungen der Tuberkulose zu fördern. Im
Austausche der Meinungen, in konsequenter Forschung sollen die „Bei¬
träge“ das Wesen der verheerenden Volksseuche erkennen helfen und
durch die gewonnene Erkenntnis zur erfolgreichen Abwehr des Feindes
befähigen.
Dieses Ziel werden die „Beiträge“ einmal dadurch zu erreichen
suchen, dass sie ausführlichen klinischen Beobachtungen
Raum geben, deren Wert nicht beeinflusst wird durch den Stand der
jeweiligen Anschaunngen.
Zum anderen sollen die „Beiträge“ in Einzeldarstellungen
über die theoretischen Gesichtspunkte berichten, unter denen
die den verschiedensten klinischen Spezialgebieten ent¬
nommenen Thatsachen betrachtet zu werden pflegen. Neben den herr-
r sehenden Ansichten über das Wesen und den Zusammenhang der tuber-
^ kulösen Erscheinungen kann hier auch ein abweichender Standpunkt in
. , individueller Ausprägung zu Worte kommen. Der klare Ausdruck einer
' eigenartigen Auffassung wird stets fördernd und anregend wirken und
dadurch von heuristischem Werte sein.
Beides entspricht dem Wesen der ärztlichen Wissenschaft.
Die objektive Festlegung des Thatsächlichen, die ungetrübte reine
Erfahrung ist die feste Grundlage, von der sie sich nicht entfernen
darf. Zu einer Wissenschaft wird sie durch die intellektuelle Arbeit,
die subjektive Gruppierung und Wertung des Beobachteten.
Auch die Bedürfnisse der ärztlichen Praxis erheischen eine
gleichmässige Berücksichtigung beider Gesichtspunkte.
Die „Beiträge“ werden es daher dem in der Praxis thätigen Arzte
3 zu ermöglichen suchen, seine Hülfsmittel zur Erkennung und Bekämpfung
ei der Tuberkulose zu vermehren und durch eine regelmässige Teilnahme
^an den neuen Bewegungen auf diesem Gebiete Anregung und Ei
nng zu finden.
Heidelberg, im November 1902.
Der Herausgeber.
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Aus der medizinischen Klinik zu Heidelberg (Geh.-Rat Erb).
Das
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
Von
Prof. Dr. L. Brauer.
Soll die Bekämpfung einer ansteckenden Krankheit, welche weitere
Schichten des Volkes befällt, mit Erfolg durchgeführt werden, so muss
es eine der hauptsächlichsten Aufgaben sein, die räumlichen und
ursächlichen Bedingungen klar zu legen, unter denen die Erkrankung
sich zeigt. Für das Verständnis der Verbreitung und Entstehungs¬
weise der Tuberkulose hat es sich nun als sehr förderlich erwiesen,
zunächst bei einer begrenzten Volksklasse die Tuberkulose in ihrem
Auftreten zu verfolgen und den Lebensbedingungen zu vergleichen,
die diesem Kreise eigentümlich sind.
Die nachfolgenden Zeilen werden den Versuch bringen, eine der¬
artige Untersuchung über den Stand der Cigarrenarbeiter Nord-Badens
und der bayerischen Pfalz durchzuführen; mehrjährige Tätigkeit an
der Ambulanz der medizinischen Klinik zu Heidelberg bot mir die
Gelegenheit, den einschlägigen Verhältnissen näher zu treten.
Trotz vielfacher Bemühungen ist es bislang unter den Autoren
noch nicht zu einer Einigung über die Fragen gekommen, ob und in
welcher Weise die Cigarrenindustrie der Ausbreitung der Tuberkulose
Vorschub leistet. Dieses darf nicht wunder nehmen.
Wie unendlich schwierig es ist, aus dem komplizierten Getriebe
menschlicher Existenzbedingungen heraus über die einzelnen Fragen
der Verbreitungsweise der Phthise ins klare zu kommen, bedarf
wohl keines weiteren Beweises. Wer es jemals versucht hat, wie es
in dieser, sowie in einigen der nachfolgenden Arbeiten unternommen
werden soll, einzelne Gewerbe oder Ortschaften genau zu analysieren,
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 1
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L. Brauer.
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wird sich hierüber klar sein. Für die Cigarrenarbeiter unserer
Distrikte liegen diese Verhältnisse sicherlich auch noch recht kom¬
pliziert, aber immerhin noch einfacher, als wie für viele andere
Gewerbe und Gegenden. Es ist daher die Hoffnung gerechtfertigt,
nicht nur in die Beziehungen dieses Erwerbszweiges zur Tuberkulose
einen Einblick zu erlangen, sondern auch für andere Kreise, die unter
ähnlichen Bedingungen leben, nutzbringende Erkenntnis zu gewinnen.
Die wirtschaftliche Lage der Cigarrenarbeiter und die Form der
ihnen obliegenden Arbeit fand eine eingehende und zusammenhängende
Schilderung durch Wörishoffer *), Jaffe 2 ), Schellenberg 3 )
und Jankau 4 ). Auch der Kongress der Tabakarbeiter 5 ) (1893)
brachte in seinem Berichte zahlreiche Einzeldarstellungen, deren
kritische Bearbeitung sich bei Jaffe findet. Ich möchte ganz be¬
sonders auf das Studium der beiden erstgenannten sehr sorgfältigen
Arbeiten verweisen und an dieser Stelle nur einige Punkte, die uns
vor Augen sein müssen, hervorheben.
Die Cigarrenfabrikation existiert in Nord-Baden und der
bayerischen Pfalz seit mehreren Decennien wesentlich in kleineren
bäuerlichen Gemeinden. Über letzteres belehrt schon eine flüchtige
Durchsicht der beigefügten Mitteilungen des statistischen Amtes zu
Karlsruhe (pag. 21 ff.). Fast in allen diesen Orten findet sich als
weiterer Erwerbszweig nur die Landwirtschaft. Diejenigen Plätze,
welche anderweitige Industrien zeigen, die von Einfluss auf die Ver¬
breitung der Tuberkulose sein könnten, sind im Anschluss an die
Mitteilungen besonders genannt.
Eine grosse Zahl der Cigarrenarbeiter treibt die Fabrikation
im Nebenberufe neben der Landwirtschaft; diese erscheinen dann
meistens etwas besser situiert. Viele der Leute aber sind ärmlich
und dann ausschliesslich auf den Erwerb in der Fabrik ange¬
wiesen; zur Beschattung der nötigen Existenzmittel sind sie häufig
gezwungen, Frau und Kind mitarbeiten zu lassen. Die eigentliche
Hausindustrie ist bis zur Zeit in unseren Distrikten nicht von Be-
1) Wörishoffer. Die soziale Lage der Cigarrenarbeiter im Grossherzog¬
tum Baden. Karlsruhe 1890.
2) E. Jaff6. Hausindustrie und Fabrikbetrieb in der deutschen Cigarren¬
fabrikation. (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 1899, Leipzig.)
: *) Schellenberg. Hygiene der Tabakarbeiter. Wey 1, Handb. d. Hygiene.
Bd. VIII. p. 613-626.
*) Jankau. Der Tabak und seine Einwirkung auf den menschlichen Organis¬
mus. München 1894.
5) Die soziale Lage der Tabakarbeiter in Deutschland, zusamm engestellt
nach den Ergebnissen des Kongresses der Tabakarbeiter. Berlin 1893.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
3J Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 3
deutung. Den Ausschlag gibt die Arbeit in der Fabrik. Die Arbeits¬
stätten in diesen Fabriken sind dank der gesetzlichen Bestimmungen
und der ständigen Kontrolle durch die Fabrikinspektion zumeist
ziemlich geräumig. Beim Betreten derselben fällt der charakteristi¬
sche stechende Tabakgeruch auf; es reizt die Luft zum Husten durch
Erregung eines leicht kratzenden Gefühles in den oberen Luftwegen.
Die Staubentwickelung bei der Cigarrenfabrikation ist eine mittlere,
da ein guter Teil der Tabake feucht verarbeitet wird. Immerhin ist
eine Staubentwickelung nicht ganz zu vermeiden. Der eigentliche
Tabakstaub senkt sich als leichter pflanzlicher Stoff relativ langsam
zu Boden. Sandstaub, der besonders bei dem Aufarbeiten der grossen
Tabakballen entsteht, spielt in der Cigarrenfabrik keine Rolle. Die
Nordbadischen Fabriken liegen teils in der Rheinebene, teils im an¬
grenzenden Hügellande.
Einer besonderen Beachtung bedürfen die Lebensgewohnheiten
der Cigarrenarbeiter, sowie deren Auswahl aus der Gesamtbevölke¬
rung. Bei der Besprechung der ursächlichen Beziehungen der Cigarren¬
industrie zu der Ausbreitung der Tuberkulose wird auf diese Ver¬
hältnisse mehrfach Bezug genommen werden. Eingehendere Schilde¬
rungen finden sich bei Wörishoffer und bei Jaffe.
Betrachten wir nun zunächst die Verbreitung der Tuberkulose
in dieser kurz charakterisierten Arbeitergruppe und in der von ihnen
bewohnten Gegend.
Zur Beurteilung der Tuberkulose-Morbidität unter den
Cigarrenarbeitern standen mir zwei Beobachtungsreihen zur Ver¬
fügung.
Die erste dieser Reihen entstammt den stationären Ab¬
teilungen der Heidelberger medizinischen Klinik, unter
Ausschluss jener Räume, welche nur für Nervenkranke oder Haut-
und Geschlechtskranke bestimmt sind.
Auf den genannten Abteilungen kamen in zehn Jahren (1889 bis
1898) im ganzen 10751 Patienten zur Aufnahme. Hiervon waren
376 Cigarrenarbeiter, die übrigen 10375 Patienten gehörten den ver¬
schiedensten Berufen an. Unter diesen Leuten zeigte die erste Gruppe
im ganzen 96 Fälle von Tuberkulose, die zweite deren 1350.
Prozentual berechnet ergibt dieses für die Cigarrenarbeiter, die
in der Klinik zur Aufnahme gelangten, 25,5°/c tuberkulöse Erkran¬
kungen, für die anderen Berufe nur 13,1 °/o. Dem Materiale einer
internen Klinik entsprechend handelt es sich natürlich vorwiegend
um Lungentuberkulose.
Bei statistischen Forschungen wird stationärem Krankenmateriale
gegenüber häufig die Tatsache zu erwägen sein, dass dasselbe eine
1 *
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L. Brauer.
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gewisse Aussiebung der Fälle und damit eine Verschiebung der Ver¬
hältnisse darstellt. Für die Frage aber, die wir beantwortet haben
wollen, dürfte dieser Einwand nicht stichhaltig sein. Wir haben
in unserem Rekrutierungsbezirke viele Cigarrenarbeiter, wir begegnen
ihnen daher auch häufig unter unseren Kranken. Dass aber diese
Arbeitsgruppe im Gegensatz zu den anderen Berufsarten uns speziell
nur ihre Tuberkulosen sende, davon kann gamicht die Rede sein;
die Leute aller Berufsklassen kommen aus den gleichen Gründen in
die Klinik.
Der scharfe Ausschlag vorstehender Zahlen zu Ungunsten der
Cigarrenarbeiter ist bei der beruflichen Zusammensetzung unseres
Krankenhausmateriales überraschend. In der Umgebung Heidelbergs
finden sich grössere Erwerbszweige, die sicherlich der Phthise Vor¬
schub leisten, z. B. Steinhauerei und Zementfabrikation. Wenn trotz¬
dem aus der Zusammenstellung so deutlich eine höhere Tuberkulose-
Morbidität der Cigarrenarbeiter hervortritt, so ist dem um so mehr
Bedeutung beizumessen.
Eine Kontrolle dieser Zahlen suchte ich in den Kranken¬
scheinen der Hauptkrankenkasse eines benachbarten relativ
hoch in der Rheinebene gelegenen, ziemlich weitschichtig gebauten
Ortes. 40,19 der Erwerbstätigen sind daselbst in der Cigarrenindustrie
beschäftigt. Die Mitglieder jener Kasse sind in der überwiegenden
Mehrzahl Cigarrenarbeiter.
Obwohl sich nun mit Sicherheit nachweisen lässt, dass auf den
Krankenscheinen eine grosse Anzahl von Tuberkulösen unter höchst
harmlos erscheinenden Diagnosen geführt wird — dass es somit der
Fehler dieser Scheine ist, zu wenig Tuberkulöse zu nennen — so er¬
gibt sich doch aus einem Durchschnitt von acht Jahren, dass jährlich
4.6 °/o der Kassenmitglieder wegen Tuberkulose wochenlang arbeits¬
unfähig sind und dass 13 Vs °/o aller Krankheitsfälle—Verletzungen,
gynäkologische Fälle etc. eingerechnet — derenthalben Kranken¬
unterstützung eintritt, Phthisen sind. Nach Abzug der sich durch
mehrere Jahre hinziehenden Lungentuberkulosen ergibt sich, dass
3.7 °/o aller Kassenmitglieder an Tuberkulose leiden. Es kommt somit
nicht, wie Cornet berechnet, auf 85—109 erwachsene Personenein
Tuberkulöser, sondern deren drei bis vier. Leider haftet dieser
Prozentberechnung der Fehler an, auf sehr kleiner Grundzahl zu be¬
ruhen; man muss daher in der Verwertung des Resultates vorsichtig
sein. Insofern aber ist dasselbe im Zusammenhänge unserer Unter¬
suchung von Bedeutung, als es einer eigenartigen Zahlenreihe ent¬
stammend, gleichfalls wieder zeigt, dass unter den Cigarrenarbeitern
die Tuberkulose recht häufig ist.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
o]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
5
Eine Zahlengruppierung wie die vorstehende, würde es vielleicht
ermöglichen, der Forderung Walthers gerecht zu werden, die ein¬
zelnen Arbeiterklassen hinsichtlich der ihnen drohenden Gefahr, an
Tuberkulose zu erkranken, in Vergleich zu bringen. Sicherlich würde
eine derartige Untersuchung, falls grosse Zahlenreihen herangezogen
würden, interessante Gesichtspunkte ergeben und auch indirekt zur
Entscheidung der Frage beitragen, ob den einzelnen Gewerben Fak¬
toren eigen sind, von denen eine Begünstigung der Tuberkulose-
Verbreitung zu erwarten ist.
Die Mortalitätsstatistik fand bei dem Studium unserer
Frage in zweifacher Form Verwendung.
Aus den Sterberegistern lassen sich diejenigen Cigarrenarbeiter
eruieren, die in den letzten Jahrzehnten in einem bestimmten Distrikte
an Tuberkulose verstarben. Ich suchte dieses speziell für den Ort
Rülzheim (Pfalz) durchzuführen. Herr Dr. med. John, der in
Rülzheim seit mehr denn 10 Jahren die Praxis inne hat und jener
Gegend entstammend, auch die einzelnen Familien kennt, hat mich
hierbei in der dankenswertesten Weise unterstützt. Wir gingen unter
Herbeiziehung des Alt-Bürgermeisters und des dort über 25 Jahre
tätigen Leichenschauers die Totenregister durch, die Todesursache
und die Berufsverhältnisse der Verstorbenen besprechend.
Auf pag. 13 findet man in alphabetischer Ordnung diejenigen an
Tuberkulose verstorbenen Cigarrenarbeiter, welche auf diese Art zu
eruieren waren; in den Stammbäumen sind deren Familienbeziehungen
möglichst genau wiedergegeben. Die Familiennamen wurden hierbei
abgekürzt.
Im allgemeinen lässt sich sagen, dass die Totenlisten in der
obigen Weise eingehend durchzuarbeiten sind, falls ihnen sichere
Resultate entstammen sollen. Ein Teil der Leute, die zur Zeit ihrer
Tätigkeit in den Cigarrenfabriken erkrankten, verlassen dieselbe und
erscheinen alsdann in den Listen unter anderer Berufsangabe. Ein
Nebenberuf wird natürlich nie genannt. Sehr häufig findet sich als
Todesursache „Zehrung“ angegeben; dieses berechtigt aber nicht zu
der Annahme, dass Tuberkulose vorlag. Es sind vielmehr die ver¬
schiedensten mit Abmagerung einhergehenden chronischen Krank¬
heiten diesem Worte subsummiert; besonders häufig bezeichnet das¬
selbe die Todesursache älterer Leute, die an Emphysem und Bron¬
chitis zu Grunde gingen. Kurzum, eine eingehende Kritik jedes ein¬
zelnen Falles ist unbedingt nötig. Unter diesen Kautelen erweist sich
die recht mühevolle Arbeit aber auch nutzbringend.
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L. Brauer.
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Angaben über Rülzheim (Pfalz).
Familie A.
(Die Stämme sind alle einander vervettert.)
Stamm I.
Diese drei Brüder und ihre Familie sehr arm. Zum Teil abusus spirituorum.
Johann f 5 Söhne, 5 F., alle gesund
t Cystitis 2 Töchter, 0 Fabrik, gesund
Paul
wurde alt, aber war
stets kränklich
Gg. Franz
t Tbc.
Johann
auswärts, f unbekannt
Joseph
t nicht an Tbc.
1 Tochter, F., gesund
Michael, F., gesund
Michael
Potator
1 Tochter
t Carcinom
1 Tochter
f ? Ursache
Maria, verh. A., F., fTbc. 1896,
37 J.
Paniine, verh. Ha., F., t Tbc.
1889, 28 J.
Karolina, verh. S., F., f Tbc.
1896, 28 J.
Joseph, lebt, F.
Sohn, lebt, F.
Sohn, gesund, F.
< Sohn, Coxitis, Tbc., F.
Tochter, gesund, F.
Stamm II.
Dieser Stamm ist reich.
Bernhard
t Tbc.
2 Töchter, t Tbc., 0 Fabrik
2 Töchter, leben, 0 Fabrik
Joh. Adam
wurde nebst Frau sehr alt
Joh. Gg.
ledig, f Tbc.
Karl Anton
sehr gesund
1 Tochter, t Tbc., 0 Fabrik
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
7
Stamm III.
Dieser Stamm ist arm.
Jacob
wurde alt
Joh. Adam
gesund, auswärts
Kathar.
gesund, ledig
Jacob
Frau f Tbc.
Kathar., verh. Hi., f Tbc., 38 J., 1894, F.
Eva, verh. Ku., f Tbc., 1889, 30 J., F.
Bernb.
Joseph | gesund, 0 Fabrik
Sohn
Joh. Adam
Frau ans sehr tuberkulöser
Familie (geb. Wa.)
Stamm IV.
Dieser Stamm reich.
Therese f
t Tbc. I
Barbara (
lebt |
Nicolaus
verschollen
4 Kinder, gesund, 0 Fabrik
6 Kinder, gesund, 0 Fabrik
Joh. Philipp f 3 Söhne j Fabrik
t Tbc. \ 3 Töchter } *
Katharina
t Tbc.
( Sohn, gesund
Tochter ^ Tochter, gesund
Anonymus
Stamm V.
Tochter, gesund
Tochter, gesund
Tochter, Plithisischer Habitus, sehr anämisch.
Jac. A. II
gesund
Maria Anna
f Emphysem
Tochter
wurde alt
Jüngste Generation: 17 F., 6 Tbc.
31 0 Fabrik, 3 Tbc.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
8
L. Brauer.
[8
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Familie B.
Joseph i 5 gesunde Kinder davon 2 Mädchen in
0 Tbc. ( der Fabrik (gesund)
Joseph, t 1892, Phthisis, F., 19 J.
Valentin
G Tbc.
Die Familie
seines Bru¬
ders Joseph
ist frei von
Tuberkulose
Martin
gesund, Frau geh. Nu.*)
stark tuberkulöse Fa¬
milie, selbst nicht tuber¬
kulös.
Franz, t 1898, Phthisis, F., 28 J.
1 Tochter gesund. Diese war kurze Zeit
in der Fabrik, wurde, nachdem die
Brüder gestorben waren, aber heraus¬
genommen.
Kleiner Sohn gesund.
Valentin
gesund
2 Kinder noch jung gesund.
Adam
gesund
\
\
5 kleinere Kinder gesund.
Kinder von Martin und Joseph: 5 Fabrik, 2 Tbc.
3 0 Fabrik, 0 Tbc.
Sohn war in der Fabrik, hatte Hae-
moptoe, wanderte nach Amerika
aus, ist jetzt gesund.
*) Eine Schwester dieser Frau an
Schreiuer He. verheiratet.
Adam, f 1897, 23 Jahre, Tbc., F.
4 Söhne. Diese alle in der Fabrik,
mager, elend, aber keine Tuberkulose.
Tochter, elend, 0 Fabrik, 0 Tbc.
Jüngste Generation: 6 Fabrik, 2 Tbc.
1 0 Fabrik, 0 Tbc.
Original from
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9]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
9
Familie De.
Brüder.
Jacob (ver¬
mögend),
t Phthisis in
den 40 er
Jahren
Anton, t Phthisis
vor den 70 er Jahren,
kinderlos
Lisette,
wanderte aus
Katharina,
f in puerperio. Vor¬
her Bluthusten;
Mann: Jacob Ke., in
dessen Familie keine
Tuberkulose
Bertha, fPh thisis,
0 Fabrik
Albert, Drüsen¬
narben, sonst ge¬
sund;
Frau, geb. 0., starb
an Phthisis,
ebenso 5 ihrer Ge¬
schwister
Lina, Lupus am
Vorderarm
Ferdinand
f Phthis is
Gustav, gesund
5 Kinder, gesund,
0 Fabrik
Rosa, gesund,
0 Fabrik
Adolf, Ri p pen-
ca ries, 0 Fabrik
Lina, f Larynx-
phthisis, 0 Fabrik
Ferdinand, z. Z.
[ Phthisis, 0 Fabrik
\ Tochter, gesund,
\ 0 Fabrik
Gustav, auf Tbc.
verdächtig, peri-
proktitischer Ab-
scess, 0 Fabrik
August, klein
Elise, klein
Jüngste Generation: 11 0 Fabrik, 4 Tbc.
Anton
(ärmlich),
wurde alt, sah
aber stets elend
aus
Jacob (Nachtwächter),
t 1898 an Phthisis;
Frau, geb. S.,f Phthisis
Peter, t Phthisis,
0 Fabrik, ledig
Tochter, lebt, 0 Fabrik
Tochter, lebt, 0 Fabrik
Anton, lebt, phthisischer
Habitus, 0 Fabrik
Jüngste Generation: 6 Fabrik, 6 Tbc.
1 0 Fabrik, 1 Tbc.
Katharina, t Tbc. 1881, 26 Jahre,
F.
Maria, t The. 1889, 26 Jahre, F.
Barbara, t Tbc. in den Jahren
1880-85, 16 Jahre, F.
Regina, f Tbc, F., V wann
Joseph, f Tbc. 1893, 20 Jahre, F.
Theresia, f Tbc. 1898,20 Jahre. F.
Eva, verli. H., t Tbc. 1897,
29 Jahre, 0 Fabrik
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10
L. Brauer.
[10
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1. Anonym
Familie Dr»
5 Brüder, die alle frei von Tbc.
Andreas, dessen Frau,
geb. J. (Tbc. Familie),
t Tbc., 0 Fabrik
Peter, f Tbc. 1889, 18 J., F.
8 erwachsene Kinder, F.,
hiervon ein Sohn z. Z
P h t hi s i 8, die anderen sind
gesund
2 kleine Kinder, 0 Fabrik, ge-
gesund
Moritz, Alkoholist, lebt,
0 Fabrik
2. Peter,
dessen Frau starb
früh, wahrschein¬
lich an Phthisis
Johann (war Feld schütze)
f an Tbc. 1889;
Frau, geh. Wo. (mehr-
fachTbc.- Fälle) gesund
Peter, Emphysem, Alko¬
holist, 0 Fabrik
Mehrere Brüder auswärts
Xaver, f 1898 an Tbc., F.
Katharina, f als Frau Kp.
an Tbc., 28 J., 1896, F.
Tochter, krank, ? ob Tbc., F.
Sohn, gesund, F.
Tochter, gesund, F.
Sohn, gesund, F.
Jüngste Generation: 10 Fabrik, 4 Tbc.
1 0 Fabrik, 0 Tbc.
3—5 Anonym. Diese haben viele Nachkommen, die teils in der Fabrik arbeiten
aber alle gesund sind.
Johann
Familie Q.
Joh. Franz
t Tbc. 1892, 67 Jahre, -
Taglöhner
Joseph |
f Tbc., 63 Jahre alt (
Eva, verh. Ku. (F.),
i h r M a n n, Maurer Joseph
Ku , starb 1894 an Tbc.
(68 J.)
2 Söhne, auswärts
Sohn, F., 0 Tbc.
Tochter, F., 0 Tbc.
4 gesunde Kinder, davon ein
Sohn F.
Sohn, F., gesund
Ferdinand, F., f 1893, 21 J.,
an Phtbisis
Tochter, 0 Fabrik, gesund
Sohn, 0 Fabrik, gesund
Anna Maria, verh. Hi.,
Mann und FrauanTbc.f
( 5 gesunde, 3 tuberkulöse
( Kinder, siehe sub. „Hi.“
Jüngste Generation: 5 Fabrik, 1 Tbc.
7 0 Fabrik, 0 Tbc.
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111
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
11
Job. Jakob
t 62 J., Psychose.
Dessen Frau geb.
Scbw. (diese star
ben alle an Tbc.)
Familie Hb. (von Hördt).
Theresia . ^
verh. Frau M., f Tbc. 1870, I
33 J. * 1
Joseph
t Tbc. 1891, Maurer.
Johann Georg, aus¬
gewandert
Sohn, gesund, F.
Tochter, gesund, F.
Joseph, f Tbc. 1896, 21 J.,
F.
4 andere Kinder, meistens
F., gesund.
■ u * Mathaens [ 3 Kinder gesund, meistens
,tar ‘ f Phthisis 1891, Maurer | F.
1 b c.)
Johannes f 3 Kinder gesund, meistens
t Phthisis, 39 J. j F.
Barbara, t Tbc. 1897,
Clara 23 J., F.
verh. Joseph M., t Phthisis Franz, Caries am Fuss,
1894, 47 J. Lymphomata colli, lebt,
F.
Jüngste Generation: 15 Fabrikarbeiter, 3 Tbc.
Die Eltern waren nicht in der Fabrik.
Familie Hi.
Johann Adam (besser situiert),
langwieriges Lungenleiden, f anfangs
der 80er Jahre, 0 Fabrik.
Johann Georg (ärmlich),
t an Phthisis anfangs der 70 er Jahre,
0 Fabrik
Frau Anna Maria geb. G. (Tbc. Fa¬
milie), f Tbc.
Ferdinand, gesund, 0 F.
Jakob, gesund. 0 F.
Valentin, Phthisis, 0 F.
Joh. Georg, gesund (schwächlich) 0 F.,
hat mehrere Kinder, von denen eins
Rippen caries hat.
Johann, 21 J., t an Phthisis 1891, F.
Heinrich, 20. J., t an Phthisis 1896, F.
Clara, 19. J., f an Phthisis 1897, F.
Tochter, gesund, F.
Tochter, gesund, F.
Tochter gesund, 0 Fabrik noc ^
Sohn, gesund, 0 Fabrik nicht er-
Sohn, gesund, 0 Fabrik wachsen
Valentin
f Phthisis anfangs der 80 er Jahre,
0 Fabrik, kinderlos
Jüngste Generation: 5 Fabrikarbeiter. 3 Tbc.
4 0 Fabrikarbeiter 1 Tbc.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
12
L. Brauer.
[12
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Familie Kp.
Franz Peter
t Tbc.
I. Frau
Franz,
t Diphtherie
Franz Peter,
stets Husten,
schlechtes
Aussehen
I. Frau,
Margar., geh. Dut.,
(Tbc. Familie) f 1866
an Phthisis, 28 J.
II. Frau,
geb.L. (Tbc. Familie)
t Tbc.
{ Sohn gesund
Tochter gesund
Clara, verh. F., f 1891,
29 J., Phthisis, 0 F.
Barbara gesund
Johannes, f 1897, 21 J.,
Phthisis, F.
Tochter gesund, F.
Anna hatte schon Blut¬
husten, F.
11. Frau,
geh. L.
(Tbc. Familie)
t Phthisis
Jakob,
aus-
gewandert
Valentin
Tochter gesund
Tochter gesund, F.
Sohn gesund, F.
Georg, 11899,21 J., Phthi¬
sis, F.
Ferdinand, t 1896, 17 J.,
Phthisis, F.
v 1 Helene, z. Z. Phthisis, F.
Jüngste Generation: 8 Fabrikarbeiter, 5 Tbc.
5 0 Fabrikarbeiter, 1 Tbc.
Familie We.
Franz Peter
t Phthisis
(Brüder)
Franz,
gesund, kinderlos
Joh. Adam,
gesund
Katharina
t Hernia incarcerata
Eva, t Phthisis, 0 Fabrik.
Peter gesund
Gesunde Kinder
Adam, t 1898, 33 J.. Phthisis, F.
Lisette gesund, F.
Sohn gesund, 0 F.
Joh. Adam
f Phthisis
Anna Maria,
ledig, f 1864 an Phthisis,
(24 J.), 0 Fabrik.
Joh. Adam,
Todesursache unbekannt.
Frau Margar. geh. Th.
starb 1878 an Tbc. (34 J. alt)
Tochter gesund, 0 F.
Peter, f Phthisis, anfangs der 80 er
J, F.
Nikolaus, f Phthisis, 1891, 19 J., F.
Andres, f Phthisis, 22 J., ledig, F.
Eva gesund, 0 F.
I ( Therese gesund, 0 F.
Jüngste Generation: 5 Fabrikarbeiter, 4 Phthisiker.
4 0 Fabrikarbeiter, 0 „
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
13]
13
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
Familie Wo.
Jacob, lebt
Frau, geb. B.; deren
Schwester starb an
Tbc.
Maria, t Tbc. 1890, ledig,
F.
Georg, f Tbc. 1896, ledig,
F.
Peter, z. Z. Tbc., j0 Fabrik
ausserdem noch 10 Kinder,
von denen 5 in der
Fabrik, alle gesund
Franz Nicolaus
Alkoholist, f Ausgang
der 50 er Jahre (nicht
tuberkulös)
Matheus
t Lebercirrhosis
Andreas
gesund
i
»
l
i
8 Kinder, davon 6 in der
Fabrik
3 Kinder, F., gesund
Tochter, f» war gichtisch
Anna Maria, gesund,
verh. Dr. (dort Tbc., 9iehe
Stammbaum)
Regina f
verh. Jo | 4 Kinder, F., gesund
Barbara, verh. H., f Tbc.,
26 J., anfangs der 80©r Jahre
(siehe Stammbaum Ha.)
Somit unter: 21 Fabrik, 3 Tbc.
8 0 Fabrik, 1 Tbc.
An Lungentuberkulose verstorbene Cigarrenarbeiter des Ortes
Rülzheim (Pfalz)«
1. A., Maria geb. A., f 1896, 37 J. Stammbaum „A.“
2. B., Joseph, f 1892, 19 J. Stammbaum „B.“
3. — Franz, f 1898, 23 J.
4. De., Katharina, f 1881, 26 J. Stammbaum „De.“
5. — Maria, t 1889, 26 J.
6 . — Barbara, f in den Jahren 1880 — 1885 , 16 J.
7. — Regina, t ? wann.
8. — Joseph, f 1893, 20 J.
9. — Theresia, f 1898, 20 J.
10. — Margar., f 1898, 24 J. Andere Familie ? Sporadischer Fall.
11. Dr., Peter, f 1889, 18 J. Stammbaum „Dr.“
12. — Xaver, f 1898, 26 J.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
14
L. Brauer.
[14
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13. He., Adam, f 1897, 23 J. Stammbaum „B.“
14. Ha., Pauline geb. A., f 1889, 28 J. Stammbaum „A.“
15. — Barbara geb. Wo, f Anfang der 80®*" Jahre, 26 J. Stmnmbaum n Wo/
16. Hb., Joseph, f 1896, 24 J. Stammbaum „Hb.“
17. Hi., Johann, f 1891, 21 J. Stammbaum „Hi.“
18. — Heinrich, f 1896, 20 J.
19. — Clara, f 1897, 19 J.
20. — Kathar. geb. A. f 1894, 88 J. Stammbaum „A.“
21. J., Margar., ledig, f 1894, 17 J. Sporadischer Fall.
22. Kp., Johannes, f 1897, 21 J. Stammbaum „Kp.“
23. — Georg, f 1899, 21 J.
24. — Ferdinand, f 1896, 17 J.
25. — Kathar. geb. Dr., f 1896, 28 J. Stammbaum „Dr.“
26. Ku., Franz, f 1890, 39 J. Fremd zugezogen.
27. — Ferdinand, f 1893, 21 J. Stammbaum „G.“
28. — Eva geb. A., f 1889, 30. Stammbaum „A. u
29. My., Barbara, f 1897, 23 J. Stammbaum „Hb.“
30. Mt., Johann, f 1895, 16 .1. Spoiadischer Fall.
31. S., Barbara, f 1892, 20 J. Sporadischer Fall.
32. — Karolina geb. A., f 1896, 28 J. Stammbaum „A. tt
33. V., Peter, f 1896, 19. Sporadischer Fall.
34. We., Adam, f 1898, 33 J. Stammbaum „We.“
35. — Peter, f Anfang der 80 er Jahre.
36. — Nicolaus, f 1891, 19 J.
37. - Andres, f 1896, 22 J.
38. Wo, Maria, f 1890, 20 J. Stammbaum „Wo.“
39. — Georg, f 1896, 20 J.
40. — Regina, f 1893, ? Sporadischer Fall.
Rülzheim: (Volkszählung 1895) Gesamteinwohnerzahl 3152.
In der Tabakindustrie: Männliche 168
Weibliche 145
Sa. 313
Zahl der Tabakarbeiter betrug annähernd:
1873 60
1880 90
1890 190
1895 313.
Es kommen in Külzheim 240 Familiennamen vor.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
15
Die Liste der an Tuberkulose verstorbenen Cigarrenarbeiter zeigt
in Verbindung mit den Stammtafeln und einigen weiteren Notizen
recht deutlich den Einfluss der Tabakfabrikation. Die Einzelheiten
sind in der Anlage nachzusehen. Als jüngste Generation sind die
erwachsenen jungen Leute genommen; kleine Kinder sind der Voll¬
ständigkeit halber stets dort mit aufgeführt, wo ihnen ältere, schon
arbeitsfähige Geschwister zur Seite standen. Im übrigen ist diese
Generation nicht berücksichtigt worden. Die Frauen sind oft in den
Stammbäumen zu suchen, die ihrem Mädchennamen entsprechen. In
fünf Fällen stammten die Verstorbenen aus Familien, in denen weitere
Erkrankungen an Tuberkulose nicht beobachtet wurden. Zwei Leute
waren von auswärts zugezogen und konnte ihre Familienangehörig¬
keit nicht festgestellt werden.
Die folgende kleine Tabelle I zeigt die Verteilung der Er¬
krankungen und Todesfälle an Tuberkulose auf die einzelnen Stamm¬
bäume.
Tabelle I.
Familien
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3
43
U
«
3
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o
und
deren Tuberkulose
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Nicht-Cigarren¬
arbeiter
und
deren Tuberkulose
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Bemerkungen
A.
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1 2 kleinere Kinder
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2 kleinere Kinder
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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10 L. Brauer. [10
Diese Zahlen, die an sich eine erstaunliche Häufigkeit der Tuber¬
kulose unter den Cigarrenarbeitern anzeigen, bedürfen einer Be¬
sprechung. Bereits erwähnt ist, dass die Stammbäume von dem
Gesichtspunkte aus gewählt wurden, die in den Sterbelisten aufge¬
fundenen Zigarrenarbeiter im Zusammenhänge ihrer Familien zu
betrachten. Wie nun ersichtlich, kommen diese Leute vielfach aus
Familien, in denen die Tuberkulose häufig ist. So erklären sich die
grossen Zahlen, die selbstverständlich nicht ohne weiteres der Cigarren¬
fabrikation zur Last gelegt werden können.
Mehrfach macht sich in den Stammbäumen der Einfluss bemerk¬
bar, den eine tuberkulös belastete Frau auf eine sonst gesunde
Familie auszuüben vermag. So z. B. in der Familie B., wo die
geb. Nu. selbst nicht erkrankte, jedoch ihre Nachkommen; bei den
Stämmen Dr. haben die beiden Stämme, in denen sich die Phthise
häuft, kranke Mütter — die anderen bleiben gesund.
In dem Stammbaume Hb. war die Grossmutter eine geb. Schw.;
diese Frau hatte 2 Schwestern, welche gleichfalls schwer von der
Tuberkulose befallene Familien hinterliessen. Die Familie Schw.
selbst ist ausgestorben. U. a. mehr.
All dem gegenüber steht aber als das auffälligste die bedeutend
grössere Erkrankungsziffer der Fabrikarbeiter im Ver¬
gleich zu jenen dort nicht arbeitenden Leuten.
Der wuchtigen Sprache dieser Stammbäume gegenüber kommt
man mit Betrachtungen über allgemeine Schädlichkeiten, Lebens¬
weise etc. etc. nicht mehr aus. Sie zwingen uns dazu, einen Zu¬
sammenhang zwischen der Tätigkeit in der Fabrik und den Erkran¬
kungen an Tuberkulose anzunehmen. Den schweren disponierenden
und infizierenden Schädlichkeiten, denen in diesen
Familien die Mitglieder ausgesetzt sind, bringt eben
der Beruf einen weiteren, vielfach entscheidenden
Faktor hinzu.
Somit ersehen wir denn aus den Stammbäumen nicht allein die
Tatsache, dass mit dem Fabrikleben eine Gefahr zu erkranken ver¬
bunden ist. Auch darauf geben dieselben uns die Antwort, wer
unter den Arbeitern der ihm drohenden Gefahr erliegt.
Unter den 40 in der Liste aufgeführten an Tuberkulose ver¬
storbenen Cigarrenarbeitern finden sich fünf, die in ihren Familien
als sporadische Fälle auftraten. Über zwei der Leute war nichts
Sicheres zu erfahren. Die übrigen entstammten Familien, in denen die
Tuberkulose häufiger vorkam. Vorwiegend den Angehörigen derartiger
tuberkulös belasteter Stämme werden die schädigenden Einflüsse der
Cigarrenfabriken gefährlich. Ob Cigarrenmacher oder Ackers-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
17]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
17
mann, ob arm oderreicli, ein Teil der Familienmitglieder
erliegt der mörderischen Erkrankung — der weithöhere
Prozentsatz aber der Phthisen findet sich bei den Cigarren¬
arbeitern.
Die uns interessierende Industrie ist endlich noch im Rahmen
der allgemeinen Statistik betrachtet worden.
Zunächst sei eine Statistik Walthers 1 ) genannt. Dieselbe be¬
schränkt sich auf den Amtsbezirk Ettenheim. In seiner Publikation,
sowie in einem mir in freundlichster Weise zur Verfügung gestellten
Auszuge aus seinem bezirksärztlichen Jahresberichte 1900—
1901 bringt Walther folgende Zahlen.
Im Amtsbezirk Ettenheim starben an Lungenschwindsucht in °/oo
der Einwohner berechnet
1888
2,8
1895
2,6
1889
2,7
1896
2,5
1890
2,6
1897
2,9
1891
2,3
1898
2,4
1892
2,5
1899
2,2
1893
2,4
1900
2,8
1894
2,5
1901
1,8
Gleichzeitig nahm die Zahl der Cigarrenarbeiter wie folgt zu
1889 20 Betriebe, etwas über 1100 Arbeiter
1899(1. VI.) 35 * 2040
1901 (31. XII.) 38 „ 2392
Die Einwohnerzahl des Amtsbezirkes Ettenheim betrug nach den
Volkszählungen:
1890 17 868
1895 17825
1900 18183
Aus dieser Tatsache, dass trotz Zunahme der Zahl der Cigarren¬
arbeiter die Sterblichkeit an Lungenschwindsucht nicht zugenommen
hat, leitet Walther den Schluss ab, dass die Beschäftigung in Cigarren¬
fabriken die Entstehung der Lungentuberkulose nicht wesentlich
befördert. Immerhin aber möchte er doch empfehlen, Individuen,
welche hereditär mit Tuberkulose belastet sind oder welche an
anderen chronischen Lungenaffektionen leiden, der Beschäftigung in
Cigarrenfabriken fern zu halten.
i) Walther. Über den Einfluss der Beschäftigung in Cigarrenfabriken auf
die Entstehung der Lungentuberkulose. Ärztl. Mitteilungen aus und für Baden.
1899. Nr. 21. p. 244 ff.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 2
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
L. BraUPr.
[18
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18
Es empfindet ja auch — so heisst es weiter — der gesunde
Mensch, welcher, an einen Aufenthalt in einer Cigarrenfabrik nicht
gewöhnt, einen derartigen Arbeitsraum betritt, sofort im Halse einen
lästigen Kitzel, welcher durch den chemischen und mechanischen Reiz
des Tabakstaubes hervorgerufen wird.
Während Walther somit ursächliche Beziehungen zwischen
Cigarrenfabrikation und Phthise nur in sehr beschränktem Maase
annimmt, gibt er die starke Verbreitung der Tuberkulose unter den
Cigarrenarbeitern zu. Die Zahlen, sowie die Schlussfolgerungen Wal¬
thers, die dem Jahresberichte entnommen sind, seien hier wieder¬
gegeben.
In einem zweijährigen Berichtszeitraum kamen 75 Todesfälle an
Tuberkulose zur Anzeige. (Einschliesslich 8 Kindern.) Hiervon waren
26 Cigarrenarbeiter. Stellt man die ganze aus den heterogensten
Elementen bestehende Sammlung den Cigarrenarbeitern gegenüber,
so hat man ein Zahlen Verhältnis von 2:1 (34 1 /a°/o). Da nun aber
das Zahlenverhältnis zwischen Einwohnerschaft (abzüglich der Cigarren¬
arbeiter) und Cigarrenarbeitern sich wie 6 : 1 stellt (15 J /2 °/o), so sieht
Walther hierin den Beweis geliefert, dass Cigarrenarbeiter im all¬
gemeinen häufiger an Lungentuberkulose erkranken und sterben als
die übrige Bevölkerung. Hieraus allein ergibt sich aber nicht —
und in diesem Punkte stimme ich mit Walther überein — dass die
Arbeit in den Cigarrenfabriken zur Lungentuberkulose disponiert,
sondern es ist — so fährt Walther fort — „lediglich der von keinem
Sachkundigen bestrittene Satz abermals bestätigt, dass Proletarier
und Individuen im Alter von 15—30 Jahren besonders leicht von
Lungentuberkulose befallen werden“.
„Wäre die Beschäftigung in Cigarrenfabriken tatsächlich ein be¬
günstigendes Moment für die Entstehung dieser Krankheit, so müsste
man in Anbetracht der beträchtlichen Zunahme der sich in Cigarren¬
fabriken beschäftigenden Arbeiter ein wesentliches Anwachsen der
Mortalität erwarten, was nicht der Fall ist.“
Vorstehende Daten und die aus ihnen abgeleiteten Sätze habe
ich so ausführlich gebraucht, weil sie am schärfsten. Anschauungen
über die ätiologischen Beziehungen der Tabakindustrie zur Tuberkulose-
Verbreitung repräsentieren, denen ich nicht beizustimmen vermag.
Nach meiner Ansicht ist man nicht berechtigt, aus den von
Walther beigebrachten Ziffern die Schlussfolgerung abzuleiten, dass
die Beschäftigung in Cigarrenfabriken die Entstehung der Lungen¬
tuberkulose nicht befördere. Die Zahlen sind hierzu zu klein. Es
wird im Verlaufe unserer Untersuchung mehrfach sich zeigen, dass
der Satz, statistische Schlüsse seien nur aus grossen Zahlenreihen
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
19]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfnbriken.
19
abzuleiten, zu Rechte besteht. Erst mit grossen Zahlen ist der Aus¬
gleich für viele Zufälligkeiten, sowie die normaler Weise stets vor¬
handenen Schwankungen in der Häufigkeit der Einzelereignisse
gegeben. Diese individuellen Faktoren aber, welche die Sta¬
tistik aus einander halten soll, werden um so mehr bemerkbar sein,
je kleiner die Zahlen.
Zum Beweise, wie gering speziell in dem vorliegenden Falle der
Wert derartiger kleiner Einzelstatistiken ist, sei auf eine von
Schellenberg angeführte Zusammenstellung verwiesen (a. a. 0.
p. 618); dieselbe schlägt den gleichen Weg ein, den Walther ging,
kommt aber zu einem entgegengesetzten Resultate. Es wäre leicht
(z. B. an der Hand der Einzelangaben, welche Wörishoffer zu¬
gingen) noch mehrfach solche aus kleinen Statistiken sich ergebende
Widersprüche nachzuweisen. Aber nur noch eine Umrechnung der
Zahlen Walthers möge hier Platz finden, die da zeigt, wie unver¬
hältnismässig stark bei diesen Zahlen die in ihren Ursachen un¬
kontrollierbaren normalen Schwankungen der Tuberkulose-Mortalität
hervortreten im Vergleiche zu jenen Schwankungen, welche möglicher¬
weise durch eine Cigarrenarbeiterzahl von 5—10°/o bedingt sein
könnten.
In Ettenheim starben in 2 Jahren 75 Tuberkulöse, somit pro
Jahr 37,5. Von diesen Verstorbenen waren 26 Cigarrenarbeiter, also
in jedem Jahre 13. Nehmen wir nun z. B. an, dass 2 /s der Cigarren¬
arbeiter-Phthisen nur durch die Fabrik entstände, l k dagegen aus
gleicher Ursache wie bei der übrigen Bevölkerung, so wären in den
Berichtsjahren jeweils S Tuberkulose-Tode durch die Fabrik bedingt.
Bei der halben Zahl der Fabrikarbeiter — wie dieses früher der Fall
war — gäbe es nur 4 Tuberkulose-Tode; somit wären dann bei
halber Zahl der Cigarrenarbeiter nicht 37,5, sondern 33,5 pro Jahr
an Phthise verstorben — d. h. in der °/oo Berechnung 2,08:1,86 —
Differenz 0,24.
Demgegenüber schwanken in der Statistik Walthers die °/o<>-
Zahlen für die einzelnen Jahrgänge von 1,8 bis 2,8, ergeben also eine
Differenz bis zu 1 °/oo — und diesem 1 °/oo würden bei rund 18000
Einwohnern 18 Todesfälle entsprechen.
Man sieht, zu statistischen Beweisen sind diese Zahlen nicht zu
verwenden.
Die Erklärungsversuche, die Walt h e r der auch von ihm zuge¬
standenen Tatsache gibt, dass unter den Cigarrenarbeitern Tuberkulose
sehr häufig vorkommt, werden in den späteren Ausführungen mit
verarbeitet werden.
Zuvor soll das mir verfügbare statistische Material folgen.
2 *
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
20
L. Brauer.
[20
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Mannheim.
97,15
41601
578
1,39
1936
238
12,30
1848
232
12,55 |
Feudenheim.
101,8
2440
37
1,52
112
13
11,61
118
17
14,41
Ilvesheim.
98,1
947
92
9,71
30
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Käferthal.
97,3
3575
5
0,14
216
31
14,35
183
24
13,12
Neckarau.
95,6
4194
27
0,64
192
31
16,15
187
31
16,57 1
Neckarhausen ....
101,1
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161
18,64
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10,63
39
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25,64
Sandhofen..
91,4
1995
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15,39
136
16
11,76
153
16
10,46 |
Schriesheim.
118,6
1861
—
79
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Wallstadt ......
96,7
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Kirschgartshausen . . .
91,9
87
—
—
—
—
—
—
—
—
Sandtorf.
92,7
19
—
—
—
—
—
—
—
—
Schaarhof .
92,3
143
—
—
—
—
—
Amtsbezirk.
—
^60902
1452
! 2,38
1
2876
350
12,17
|| 2787
354
1 12,70 i
Bezirk
Hockenheim.
101,5
3483
1246
35,77
208
37
17,79
171
40
23,39
Schwetzingen.
99,4
3252
258
7,93
144
15
10,41
138
12
8,70 1
Altlussheim.
102,1
951
228
23,98
44
3
6,82
37
9
24,33
Brühl .
102,4
1307
27
2,06
27
3
11,11
36
10
27,78 |
Edingen.
102,2
1240
304
24,23
36
7
19,44
32
4
12,50
Friedrichsfeld.
103,6
784
3
0,38
32
5
15,63
36
8
22,22
Kutsch.
100,5
1407
263
18,69
63
5
7,93
64
6
9,38
Neulusslieim.
104,5
964
458
47,52
74
11
14,86
59
11
18,65
Oftersheim.
99,6
1468
263
17,92
50
8
16,00
68
6
8,83 1
Plankstadt.
103,5
2028
159
7,84
103
12
11,65
91
13
14,28
Reilingen.
101,3
1529
560
36,62
, 93
18
19,36
71
16
22,53
Seckenheim.
101,0
2756
82 |
2,97
1 95
5
5,27
92
1 14
15,22
Amtsbezirk.
1
- 1
21169
i
3851
18,19
1
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969
129
1
13,32
895
149
16,64
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12.00
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Kronau . . .
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Mingolsheim .
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155.5
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Odenheim . .
163,2
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0,35
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
28
L. Brauer.
[28
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Die nachfolgenden, in der Statistik der nordbadischen Orte
genannten Gemeinden haben anderweitige Fabrikbetriebe.
I. Mannheim:
Ladenburg: Schuhfabr., Leimsiederei.
Mannheim Stadt inkl. Häferthal und Neckarau: Eisengiesserei-Emaillierwerke;
Maschinenfabrikation; Achsen- und Wagenbeschlägfabr.; Ofenfabr.; Fabrik
tecbn. Apparte; Eisenbahnmaterialfabr.; Telegraphendrahtfabr.; Draht¬
seilerei; Brikettfabr.; Portlandcementfabr.; Mosaik- und Terrazzofabr.;
Spiegelmanufakt.; Chemische Industrie; ßeinwarenfabr.; Blechemballagen-
und Metallwarenfabr.; Fabrik von Anilinfarben und Steinkohleuteer-
destillation; ÖJfabrik; Hadernfabrik; Dampfseilerei; Färberei und chem.
Waschanstalten; Tapetenfabr.; Gummi-Guttapercha- und Astbestfabr.;
Zucker-Raffination; Stärke- und Sagofabr.; Katfeebrennereien und Ge-
wttrzmühlen; Fabr. wasserdichter Wäsche; Gummi- und Celluloidwaren-
fabr.; Rosshaarspinnerei; Bettfedernreinigung; Handel, Schiffahrt und
Spedition.
Sandhofen: Zellstoff- und Papierfabr.; Ziegelei und Kalkbrennerei.
Schriesheim: Eunstbaumwoll-Fabr.
II. Schwetzingen:
Altluasheim: Ziegelei- und Backsteinfabr.
Brühl: Dampfziegelei.
Friedrichsfeld: Cementwarenfabrik.
Hockenheim: Dampfziegelei und Backsteinfabr.
Neulussheim: Dampfziegelei.
Rheinau: Dampfziegelei und chemische Industrie.
Schwetzingen: Konservenfabr.
Seckenheim: Feld- und Dampfziegelei; Gummi- und Celluloidfabr.; chem. In¬
dustrie.
III. Weinheim:
(Trosssachsen: Presshefefabr. und Brennerei.
Heddesheim: Dampfziegelei.
Hemsbach: Steinhauerei und Steinbruch.
Laudenbach: Stuhl- und Möbelfabr.
Weinheim Stadt: Steinbruch; Dampfziegelei; Eisen- und Metallgiesserei;
Feilenhauerei; Maschinenfabr.; Weinsäurefabr.; Seifenfabr. und Talg¬
schmelze; Seidenfärberei und -Zwirnerei; Lederfabrikation; Holzindustrie:
Gewehrschäftefabrik, Stuhlfabrik, Schuhleistenfabrik, Bau- und Möbel¬
schreinerei; Kunstmühle.
IV. Heidelberg:
Bammenthal: Blech- und Emailwarenfabr.; Papier-und Tapetenfabr.; grössere
Getreidemühle; Formstecherei.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
29]
Auftreten der Tuberknlose in Cigarrenfabriken.
29
Dossenheim: Porphyrwerk und Schotterschlägerei.
Handschuchsheim: Dampfziegelei; Sandblaswerk, Glas- und Ätzmalerei.
Heddesbach: Kistenfabrikation.
Heidelberg Stadt: Steinbruchbetr.; Portlandcementfabr.; Gipsproduktenfabr.;
Ofenfabr.; Zinkornamentenfabr.; grössere Schlossereien mit 16und 18 Arb.;
Eisenbahnbetriebswerkstätte; Bade- und Bierkühl- Apparaten fabrik;
Maschinenfabr. mit Giessereien; Waggonfabr.; Fabriken chir. Instrumente;
Fabrik von Sanitätsapparaten; Fabrik chem. Produkte; Farbholzfabr.;
Lumpensortieranstalt; Kunstwollefabr.; Lederfabr.; Schuhfabr.
Leimen: Kalksteinbruch; Portlandcementfabr. (Heidelberg).
Mauer: Ziegelei; Kalksteinbruch; Sandgrube.
Meckesheim: Grössere Getreidemühle.
Neckargemünd: Steinbrüche; mehrere Getreide- und grössere Kunstmühle.
St. Ilgen: Glacöleder- und Handschuhfabr.
Sandhausen: Fourniersägewerk.
Schönau: Lederfabr.; Schulbankfabr.; Beindreherei.
Wieblingen: Draht- und Kettenfabr.; grössere Getreidemühle.
Ziegelhausen: Dampfziegelei; Gelatinefabr.; Lederfabr.; Beinwarenfabrik;
Bürstenfabr.
V. Wiesloch:
Malsch: Kalkbrennerei und Kalkwerk.
Rauenberg: Grössere Ziegelei.
Wiesloch Stadt: Schuhfabr.
VI. Bruchsal:
Bruchsal Stadt: Kalkbrennereien; Maschinenfabr.; Holzindustrie; Sägereien
und Fassdaubenfabr.; Cigarrenkistenfabr.; Gewehrschäftefabr.; Teig¬
warenfabrik.
Heidelsheim: Hademsortieranstalt.
Oberhausen: Ziegelei; Bad. Gesellsch. für Zuck erfahr. (610 Arb.)
0 d e n h e i m: Steinbruch und Steinhauerei.
Oestringen: Cigarrenkistenfabr.
Rheinsheim: Ziegelei.
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
30
Ti. Brauor.
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[30
Die vorstellende Statistik gibt in Spalte 1—23 die Gemeinden der
Bezirke M an n hei in , Hei de Iber g, B ru chs al, W i es loch, W e i n-
heim und Schwetzingen nach Höhenlage, Gesamtzahl der Erwerbs¬
tätigen, der Cigarrenarbeiter, der Gesamtsterblichkeit und der Tuber¬
kulosetode. Die Angaben über Verteilung der Erwerbsverhältnisse sind
den Ergebnissen der Berufsstatistik vom 14. Juni 1895 entnommen.
Die Angaben über die Zahl der Gestorbenen im ganzen, sowie an Lungen¬
tuberkulose entstammen den amtlichen Auszügen aus den Standes¬
registern bezw. den in denselben eingetragenen Angaben der Bezirks¬
ärzte und umfassen die Jahre 1893—1897. Für die Überweisung dieses
wertvollen, dem statistischen Amte zu Karlsruhe entstammen¬
den Materiales sei hier Herrn Regierungsrat Dr. Lange zu Karls¬
ruhe bestens gedankt.
Ich suchte die Zahlen zunächst durch Hinzufügung der Spalte
24—26 zu ergänzen, cs wurde die Gesamteimvohnerzahl hinzugefügt
und alsdann die Gesamttodesfälle (exklusive Tuberkulose), sowie die
Tuberkulosetode in Jahresprozenten der Einwohner umgerechnet.
Es berichten die Tafeln im ganzen über 343338 Einwohner,
196 984 Erwerbstätige einschliesslich 15738 Cigarrenarbeiter, ferner
für fünf Jahre über 5627 Todesfälle an Tuberkulose bei einer Ge¬
samtsterblichkeit von 42100. Diese Zahlen waren nun von ver¬
schiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten.
Bei der Gruppierung erschien es zunächst nötig, diejenigen
Orte abzusondern, in denen die Cigarrenfabrikation
als alleinige Industrie sich findet und auch in einiger
Stärke vertreten ist.
Eine graphische Darstellung (Anlage I) zeigt diese Orte nach
der Prozentzahl der Cigarrenarbeiter geordnet. Orte unter 5°o
Cigarrenarbeiter wurden hierbei nicht berücksichtigt, da ein so ge¬
ringer Anteil kaum von erkennbarem Einfluss sein kann. Daneben
findet sich zum Vergleiche eingetragen die Gesamtmortalität sowie
die Höhenlage des Ortes.
Auf dieser Tafel verläuft neben der Kurve der Cigarrenarbeiter
die Kurve der Tuberkulose-Mortalität in beträchtlichen Schwankungen.
Ein klarer Parallelismus ist nicht vorhanden, immerhin aber hat die
Kurve doch ihre höchsten Zacken, auch die Mehrzahl ihrer die Durch¬
schnittslinie überschreitenden Punkte dort, wo die Zahl der Cigarren¬
arbeiter eine grössere ist. Trotz alledem aber berechtigt diese Kurve
uns nicht zu sicheren Schlüssen über die Beeinflussung der Tuber¬
kulose-Mortalität durch die Zahl der Cigarrenarbeiter. Es kann dieses
nicht wundernehmen. Die einzelnen hier in Vergleich gestellten
Gemeinden sind sehr verschieden gross; meistens sind es kleinere
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
31
311
Ortschaften, so Hass schon wenige Todesfälle das Prozentverhältnis
sehr beträchtlich verschieben.
Im Rahmen der kleinen Zahlen machen sich Zufälligkeiten leicht
störend bemerkbar und geben einzelnen konkurrierenden Faktoren ein
nicht zu kontrollierendes Übergewicht.
Anders gestalten sich — wie Tabelle 2 zeigt — die Verhältnisse,
wenn man die Orte zu grösseren Gruppen vereint. Zunächst wurden
je fünf Orte (in Gruppe I sechs Orte) zusammengelegt, alsdann die
Orte drei grossen Gruppen subsummiert. Hier tritt, je grösser
die Gruppe, um so schärfer das Ansteigen der Tuber¬
kulosekurve mit Zunahme der Zahl der Cigarrenarbeiter
hervor. Auch diese Relation fand auf der Anlage (Tafel I) eine
Wiedergabe.
Tabelle II.
Die Cigarrenfabrikorte der Anlage I zu Gruppen geordnet*
°.ü CijfiirroniirbiMCor
i Laufende 0 o Tuberkulosetote
Name des ersten Ortes Nummer der pro Jahr im Verhält*
a. 12.93
23,75
38,33
7,88
14,15
18,14
21,58
26,77
35,29
41,65
der Gruppe
1
Forst
II
Horretiherg
III
Neudorf
IV
Untergrombach
V
Edingen
VI
St. Leon
VII
Nussloch
Orte auf der nis zur Zahl der
|j Tafel
1-6
i
, 7-11
i!
12 16
17-21
22 - 26
j i
27-31
I 32 36
Erwerbt reihenden
0,447
0,538
0,492
0.696
0,433
0,841
0.558
0.491
0,585
0,707 y.
Nicht nur ein Vergleich der reinen Cigarrenfabrikorte unter¬
einander, sondern auch die folgende durch die politischen Be¬
zirke bedingte Anordnung, welche auf die vielfachen anderen
Erwerbe keine Rücksicht nimmt, zeigt (Tabelle III) eine Abhängigkeit
der Tuberkulose-Mortalität von der Zahl der Tabakarbeiter.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
32
L. Brauer.
[32
Digitized by
Tabelle III.
Anordnung der Amtsbezirke entsprechend der Prozentzahl der
Cigarrenarbeiter.
1
In °' 0 der Erworbtätigen
Reihenfolge nach
der Höhenlage
Reihenfolge
nach der °/ 0 -Zahl
der Cigarren¬
arbeiter
In °/ 0 der
Erwerb¬
tätigen
Tbk.-Mortalität in
° 0 der Gesamt-
Mortalität
In °/„ der Gesamt-
einwohner
i?!
2 h
0.2
Tbc.-
Moi talität
Cigarren¬
arbeiter
Gesamt-
Mortalität
•*»
,3
|3
8
Cigarren¬
arbeiter
Cigarren¬
arbeiter
,5
£3 i
*
Szi.2? 5
S rt -A
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e i-a o
Tbc.-
Mortalität
■*»
** 'S
ps
1 | 2 | 3
4
5 6
Amtsbezirk
7
s ; 9
11
12
4.33
0,561
3,84
4,44
0,587
2,21
IV
Weinheim
1,48
1
0.367 j
9.79
2,08
0,226
0.286
II
Mannheim
2,38
I
0.604
1
13.14
-
1.96
0,297
4,19
0,562
8,16
1
VI
Heidelberg
6,37
0.563 13,51
I I
2,13
0,330
; 0,341
4,18
0,588
16,26
III
Bruchsal
10,48
0.560 13.23
II
2,31
0,352
4,12
0,617
122,28
[l
Schwetzingen
18,19
II
!
0,658 1
15,42
2,32
0,432
1
1
1 0,403
i
1
li V
Wiesloch
||
28,02
0,558
14,26
2,24
0,370
Spalte 7, 8 und 9 lässt keine sicheren Beziehungen erkennen;
die grossen Städte Mannheim, Heidelberg und wohl auch Bruchsal
lassen einen Parallelismus der Linien nicht hochkommen. Immerhin
fallen die hohen Werte der Spalte 8 und 9 für Schwetzingen und
Wiesloch auf.
Spalte 10 und 11 sind auf die Gesamtzahl der Einwohner be¬
rechnet. Hier zeigt Spalte 11 schon ein stetiges Ansteigen der
Tuberkulose-Mortalität, mit einziger Ausnahme des Bezirkes Wies¬
loch. Doch steht auch Wiesloch beträchtlich höher als die vier
ersten Bezirke. Schärfer wird aber wieder der Parallelismus zwischen
der Verbreitung der Cigarrenindustrie und der Tuberkulose-Mortali¬
tät, wenn wir die Bezirke zu grösseren Gruppen zusammenfassen.
Obwohl Mannheim und Heidelberg bei der Dreiteilung in die erste
und zweite Gruppe, bei der Zweiteilung der Bezirke gar in die erste
Gruppe fallen, zeigt sich doch unverkennbar der Anstieg der Tuber¬
kulose-Mortalität. (Spalte 12, 2, 5.)
Wichtig ist das Verhalten der Gesamtmortalität. (Spalte 1 und 4.)
Die Zahlenreihen zeigen hier das umgekehrte Verhalten, d. h. sie
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
33J Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 33
nehmen mit Zunahme der Cigarrenindustrie ab. Es kann also der
hohe Tuberkulose-Wert nicht von allgemein ungünstigen hygienischen
Verhältnissen abhängen.
Dass die Summe der sämtlichen übrigen Industrien im Vergleich
zur Cigarrenfabrikation einen ausschlaggebenden Einfluss auf die
Tuberkulose-Mortalität unserer Distrikte nicht zu gewinnen vermag,
ist daraus ersichtlich, dass jene Bezirke, welche die höchste Tuber¬
kulose-Sterblichkeit aufweisen, vorwiegend landwirtschaftliche Gemein¬
den sind und somit zwar reich an Cigarrenfabrikation, aber sonst
industrieärmer sind. Der Kreis Weinheim, welcher diesen letzteren
Bezirken sonst gleichartig ist, hat neben seiner geringen Cigarren¬
arbeiterzahl auch die bei weitem geringste Tuberkulose-Mortalität.
Auf Tabelle III ist den Bezirken in römischen Ziffern ihre
Ordnungsnummer nach der durchschnittlichen Höhenlage beigefügt
und ist hieraus ersichtlich, dass die Höhenlage das in der Tabelle
zu beobachtende Verhalten der Tuberkulose-Mortalität nicht erklärt.
Sehr sorgsam durcharbeitete Daten zur Tuberkulosestatistik des
Amtsbezirkes Germersheim in der Pfalz verdanke ich der Freund¬
lichkeit des Bezirksarztes, Herrn Dr. Herrmann.
Die Angaben beziehen sich auf eine 12jährige Beobachtungszeit.
Einige der Tafeln, sowie einen zur Kontrolle derselben notwendigen
Auszug aus dem Zahlenmateriale habe ich in Anlage H zusammen¬
gestellt. Zunächst sei nur die erste dieser Tafeln besprochen. Dieselbe
zeigt die Gemeinden nach der Häufigkeit der Tuberkulose-Mortalität
geordnet. Die gesperrt gedruckten Orte haben Cigarrenfabrikation;
bis auf Hördt, welches etwa in der Mitte der Kurve liegt, befinden
sich die übrigen Orte im oberen Teile derselben. Berechnet man in
Jahresprozenten das Verhältnis der Tuberkulose-Mortalität zur Ein¬
wohnerzahl, so ergibt sich für die fünf Orte mit Cigarrenfabrikation
0,365 °/ 0 , für alle übrigen Orte 0,304% — also auch hier wieder ein
stärkeres Hervortreten der Tuberkulose parallel der Cigarrenindustrie.
So beweisend, wie die früheren Daten sind diese Zahlen aber des¬
wegen nicht, weil sie erstens mal kleiner sind und sich zweitens hier
auch ein Anstieg der Gesamtmortalität findet; die Cigarrenorte haben
in Jahresprozenten 2,42 Gesamtmortalität, die anderen Orte nur
2,33 Gesamtmortalität.
Da viele Cigarrenindustrie-Orte Nord-Badens und der Pfalz in
der rheinischen Tiefebene liegen und hierin mehrfach die
Ursache der hohen Tuberkulose-Mortalität deu betreffen-
den Gemeinden gesehen wurde, so können wir die Betrach¬
tung unserer Zahlen nicht abschliessen, ohne uns über diese Verhält-
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 8
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
34
L. Brauer.
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[34
nisse Rechenschaft gegeben zu haben. Zu dem Zwecke wurden zunächst
die Orte der sechs badischen Amtsbezirke einzeln nach ihrer Höhen¬
lage gesondert und nun die sämtlichen Gemeinden der eigentlichen
rheinischen Tiefebene (Lage unter 110 m Seehöhe) den höher ge¬
legenen Orten gegenübergestellt. Der am tiefsten gelegene Ort (Sand¬
hofen) hat 91,4 m Höhenlage. Bei 110 m liegen jene Orte, welche
sich bereits an die Berge anlehnen, wie z. B. Heidelberg.
Tabelle IV zeigt in ihrem ersten Teile diese Gruppierung.
Tabelle IV.
Einteilung der Gemeinden nach ihrer Höhenlage
(Schnittpunkt 110 m).
Tiefere Lage
Bezirke, nach ihrer
Höhere Lage
Einwohner
Cigarren¬
arbeiter
Tbe.-Toto
(1893-97)
durchschnittlichen
Höhe geordnet
Einwohner
Cigarren¬
arbeiter
Tbc.-Tote
(1893-97)
1
2
3
4
5
6
32 933
3851
697
Schwetzingen
—
_
_
120 976
1452
1810
Mannheim
2 763
—
29
20203
1765
355
Bruchsal
39 557
2172
698
6 082
201
66
Weinheim
16 560
5
190
3 772
840
89
Wiesloch
18 764
3371
331
8 993
580
171
Heidelberg
72 735
2501
1191
192 959
8689
3188
Sa.
150 379
8049
2439
Sp. 2 in %
EU Sp. 1
Sp. 3 in
Jahres-°/ 0
zu Sp. 1
Sp. 5 in 0 , o
zu Sp. 4
Sp. 6 in
Jahres- 0 /*
zu Sp. 4
4,50
0,330
5,35
0,324
44 809
4508
10,06 o/o
850
0,379 °/o
Die Cigarren fabrik¬
orte der Beilage I
| 28 767
1
4745
| 16,49 °/o
575
0,399 °/o
pro Jahr
1
pro Jahr
148 150
4181
2338
Alle übrigen Orte
121 612
3304
1864
2,8 °/o
0,316 °/o
2,7 °/o
0,306 °/o
pro Jahr
pro Jahr
Bei annähernd gleichen Prozentsätzen an Cigarrenarbeitern weisen
die höher gelegenen Orte eine etwas geringere Tuberkulose-Mortali¬
tät auf.
Der zweite Teil der Tabelle basiert auf jener Gruppierung, die
wir oben kennen lernten. Es sind diejenigen Orte abgesondert, in
denen bei mindestens 5 °/ 0 Cigarrenarbeitern sich keine andere
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
351 Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 35
Industrie von Bedeutung findet. Alle übrigen Orte wurden ihnen
entgegengestellt und nun in den beiden so geschaffenen Gruppen
wieder die Teilung nach der Höhenlage durchgeführt.
Hier ergibt sich das auffallende Resultat, dass unter den „Cigarren-
fabrik-Orten“ die höher gelegenen es sind, welche auch eine höhere
Tuberkulose-Mortalität besitzen (0,399:0,379). Dem entsprechend
findet man aber in diesen höheren Orten auch eine prozentual
grössere Ausdehnung der Cigarrenindustrie (16,49 °/o : 10,06 °/o).
Die übrigen Orte, welche eine beträchtlich grössere Einwohner¬
zahl haben und in denen sich daher neben den vielfältigen anderen
Industrien die Differenz in der Cigarrenarbeiterzahl verwischt, zeigen
— wie zu erwarten — in der Ebene eine grössere Tuberkulose-
Mortalität, als wie in den höheren Lagen.
Vergleichen wir wieder mit dem scharfen Ausschlage, den diese
grossen Zahlen geben, eine graphische Darstellung (Beilage III), in
welcher die einzelnen kleinen Cigarrenfabrikorte nach ihrer Höhen¬
lage geordnet sind, so sehen wir von neuem die Erscheinung, die
wir oben gelegentlich der Durchmusterung der Anlage I fanden. Die
kleinen Zahlen der einzelnen Gemeinden reichen sich in regellosem
Zick-Zack aneinander; sie sind das Resultat der Zufälligkeit. Diese
kleinen Zahlen sind in ausschlaggebender Weise von den vielfachen
komplizierten Verhältnissen beeinflusst, welche die Verbreitung der
Tuberkulose überhaupt beherrschen. Die Wirkung eines einzelnen
grossen Faktors lässt sich bei derartiger Verwendung der Zahlen
nicht erkennen.
Das gleiche Resultat lässt sich aus den Zahlen ableiten, welche
Herr Dr. Herrmann mir zur Verfügung stellte.
Herrmann fertigte, um den Einfluss der Lage der Orte seines
Bezirkes auf die Tuberkulose-Mortalität zu studieren, die zweite der
in Anlage H wiedergegebenen Tafeln an. Eine Rückwirkung jener
Faktoren, die mit der Höhenlage wechseln, auf die Häufigkeit der
Tuberkulose-Todesfälle ist aus diesen Kurven nicht zu erkennen. Und
doch markieren sich diese Einflüsse sehr deutlich, sobald man zu
grösseren Zahlen vorschreitet. Jene Orte der Amtsgerichte Germers¬
heim und Kandel, welche in der eigentlichen Rheinniederung liegen,
haben 0,307 °/o, resp. 0,369 °/o Tuberkulose-Mortalität, während die
höher gelegenen, sog. Binnenorte nur 0,278 °/o resp. 0,318 °/o auf¬
weisen.
Die dritte der Herr mann sehen Kurven habe ich zu dem
Zwecke beigegeben, um damit eine sichtbare Stütze der Cornet-
schen Anschauung zu geben, dass nach unserer heutigen Mor-
3*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
36
L. Brauer.
[36
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talitätsStatistik sich der Satz nicht halten lässt, es sei die
prozentuale Tuberkulose-Mortalität in den jüngeren Jahrgängen grösser
als wie in den älteren.
Aus den vorstehenden Mitteilungen geht hervor, dass die
Lungentuberkulose unter den Cigarrenarbeitern Nord¬
badens und der Pfalz nicht nur häufiger vorkommt, als wie
unter der übrigen Bevölkerung dieser Distrikte, sondern
dass auch mit der Zunahme der Cigarrenfabrikation die
Tuberkulose-Mortalität im allgemeinen steigt, dass somit
Beziehungen beider Faktoren zueinander bestehen.
Es frägt sich nun, welcher Art diese Beziehungen sind.
Erklären thatsächlich direkte oder indirekte Faktoren den
Parallelismus beider Kurven, oder sind es dritte Ursachen, die
als eigentliche, die Tuberkulose-Mortalität dieser Distrikte beherr¬
schende Momente der Kurve der Cigarrenarbeiter gleich gerichtet sind
und hierdurch den Anschein erwecken, als habe die Cigarrenfabrikation
einen Einfluss auf die Sterblichkeit an Tuberkulose.
Die Angabe, dass die badische Cigarrenindustrie sich in Orten
niedergelassen habe, die von jeher ein Herd der Tuberkulose
waren, erklärt die Sachlage nicht. Es ist durchaus anzuerkennen, dass
es sog. Tuberkulose-Nester gibt — mir ist z. B. eine kleine Gruppe
derartiger Orte in der bayerischen Pfalz bekannt geworden. — Auch
ist es vielleicht richtig, wenn auch keineswegs objektiv nachgewiesen,
dass in den besprochenen Distrikten schon von jeher viel Tuberkulose
vorkam. Hieraus aber lässt sich ohne Zuhilfenahme anderweitiger
Einflüsse doch nicht die Thatsache verstehen, dass in diesen
Distrikten mit der wechselnden Zahl der Cigarrenarbeiter die Tuber¬
kulose-Mortalität sich ändert.
Die Ansicht, dass die Lage der Cigarrenorte in der
Rheinebene die Erklärung biete, ist, wie oben gezeigt, nicht auf¬
recht zu halten.
Nach vielfach verfochtener Anschauung endlich soll die Lungen¬
tuberkulose unter den Cigarrenarbeitern nur deswegen häufiger zur
Beobachtung kommen, „weil unter Proletariern und der
vorwiegend die Cigarrenfabriken bevölkernden Alters¬
klasse (15—30 Jahre) die Tuberkulose überhaupt häufiger vorkäme,
und weil die leichte Arbeit in diesen Fabriken vorwiegend die
Schwachen und Krüppel heranziehe. Die Cigarren-Industrie an sich
befördere die Lungentuberkulose nicht“.
Von vomeherein ist unter diesen Gründen wohl die Angabe aus¬
zuschalten, es trage das relativ niedrige Durchschnittsalter der er-
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
37]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
37
wachsenen Cigarrenarbeiter die Schuld an ihrer höheren Tuberkulose-
Mortalität. Cornet hat mehrfach darauf hingewiesen, dass aus den
derzeitigen Statistiken ein solches Verhältnis sich nicht ableiten lässt.
Auch lässt sich auf diese Weise nicht die verschiedene Tuberkulose-
Mortalität der einzelnen Gemeinden erklären. Eher könnte man
versucht sein, aus dem niedrigen Durchschnittsalter der Cigarren¬
arbeiter die übertriebene Ansicht abzuleiten, die Cigarrenarbeiter
wären in schwerster Weise durch die Fabrik bedroht und erreichten
daher nur selten ein höheres Alter. Wörishoffer hat diese Frage
in ausführlicher Weise besprochen und einige der Gründe für das
Überwiegen der jüngeren Jahrgänge unter den Cigarrenarbeitern
aufgedeckt.
Auch die mehrfach beobachtete höhere Tuberkulose-Mortalität
ärmerer Volksklassen kann als wesentliche Erklärung der uns inter
essierenden Frage nicht betrachtet werden. Wenn auch kaum zu be¬
zweifeln ist, dass dieser in sich sehr komplizierte Faktor einen gewissen
Anteil hat an der relativ hohen Tuberkulose-Mortalität unter den Cigarren¬
arbeitern, so wäre es andererseits doch unrichtig, wollte man auf
Grund dieser Vorstellung behaupten, es seien der Cigarrenindustrie ander¬
weitige und spezifische, die Tuberkulose befördernde Einflüsse des¬
wegen nicht eigen. Unsere Erhebungen und die Physionomie der
untersuchten Orte lassen diesen Schluss nicht zu. Die durchschnitt¬
liche Gleichartigkeit dieser Orte, die Ausstreuung derselben über
einen relativ grossen Flächenraum, die Untermischung der cigarren¬
industriefreien Orte mit jenen, welche diese Industrie führen, all
diese Faktoren lassen die Annahme kaum glaublich erscheinen, dass
die Orte hinsichtlich der Prozentzahl ihrer in überfüllten Wohnungen
und auch sonst unhygienisch lebenden Leute nicht annähernd gleich
gestellt seien. Auszunehmen wären höchstens die Städte mit ihrem
ausgesprochenen Proletariat — in unseren Zusammenstellungen ver¬
missten wir aber gerade mehrfach den Einfluss dieser grösseren
Städte auf die Tuberkulose-Kurven.
Der hygienische Begriff „Proletariat“ (wenn ich so sagen darf)
ist auf den Cigarrenarbeiterstand zahlreicher Landorte nur mit
Reserve anzuwenden und zwar ganz besonders dann, wenn man die
Cigarrenarbeiter hiermit in einen Gegensatz zu den Kleinbauern
bringen will. Dass in den Cigarrenfabriken ein gewisses Proletariat
existiert, ist nicht zu bezweifeln. Vielfach aber sehen wir in den
Gemeinden die Cigarrenarbeiter noch im Übergang von der Land¬
wirtschaft zum Gewerbe. Die Industrie hat sich hier in eng¬
ster Anlehnung an den Stand der Kleinbauern entwickelt.
Die Cigarrenfabrikation wird häufig als Nebenerwerb betrieben und gar-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
38
L. Brauer.
[38
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nicht so selten ist die soziale Lage verständig wirtschaftender Arbeiter
eine bessere als jene der kleinen Landwirte. Fast mit dem gleichen
Rechte, wie auf die Arbeiter, kann man somit auch auf einen guten
Teil dieses Kleinbauernstandes den Ausdruck Proletarier anwenden.
Die Cigarrenarbeiter heben sich in ihrem Wohlstand und den davon
abhängigen Umständen somit kaum derart von der übrigen Bevölke¬
rung ab, dass hieraus ihre höhere Tuberkulose-Mortalität erklärt werden
darf. Es ist nicht zu vergessen, dass die Cigarrenindustrie den an
sich armen bäuerlichen Gemeinden auch sehr viel Vorteil brachte.
Der grösseren Tuberkulose-Mortalität, welche mit der Einführung der
Cigarrenindustrie einherging steht ein beträchtliches Plus für die soziale
Lage und das Wohlergehen der betreffenden Gemeinden gegenüber.
Auch mit der Annahme eines starken Zustromes von Schwäch¬
lingen zu den Cigarrenfabriken wäre jedenfalls nur ein kleiner Teil
der hier zu besprechenden Verhältnisse klar zu legen. Man könnte auf
die Art vielleicht verständlich machen, dass in Orten mit einer relativ
geringen Cigarrenarbeiterzahl (etwa 5—10 c /o, ja selbst bis 15°/o) in
dieser Erwerbsgruppe sich mehr Tuberkulöse befänden, als wie
unter den übrigen Erwerbtreibenden. Steigt das Prozentverhältnis
der Cigarrenarbeiter zu den anderen Erwerbtreibenden auf grössere
Werte, dann erklärt die Voraussetzung eines grösseren Zuzuges von
Schwächlingen aber selbst nicht mehr diese Erscheinung der höheren
Tuberkuloseprozente unter den Cigarrenarbeitern. Durchaus unver¬
ständlich aber bleibt die Thatsache, dass parallel der Zunahme der
Cigarrenarbeiter die Tuberkulose-Mortalität der gesamten Ein¬
wohnerschaft ansteigt. Will man letztere Kurve aus der ersteren
begreifen, so muss man unbedingt annehmen, dass von der Kurve
der Cigarrenarbeiter ein die Tuberkulose befördernder Einfluss abhängt.
Mit kurzen Worten:
Ein stärkerer Zuzug von jungen Leuten, Schwächlingen und
Armen zu einer Erwerbsgruppe kann bei relativ so gleichartigen
Verhältnissen, wie sie in unseren Distrikten vorliegen, an sich allein
wohl bis zu einer gewissen Grenze eine verhältnismässig höhere Tuber¬
kulose-Mortalität in dieser Gruppe erklären, es aber nicht ver¬
ständlich machen, dass mit steigender Beteiligung der Bevölkerung
an diesem Erwerbe auch die Tuberkulose-Mortalität im ganzen zu¬
nimmt.
Endlich entbehrt dieser Erklärungsversuch bisher eines objektiven,
zahlenmässigen Beweises und kann somit als, rein auf persönlichen
Eindrücken beruhend, eine unbedingte Anerkennung nicht beanspru¬
chen; wir dürfen uns durch denselben nicht über die Schwierigkeiten
der behandelten Frage hinwegsetzen lassen.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
39J
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
39
Persönlich möchte ich dieses um so mehr betonen, als meiner
Erfahrung nach jene Auffassung, welche dem Zustrome der Schwäch¬
lichen einen entscheidenden Einfluss auf die Tuberkulose-Mortalität
der Cigarrenarbeiter vindiziert, nicht richtig ist. In der Ambulanz
der medizinischen Klinik sah ich sehr zahlreiche Cigarrenarbeiter,
über deren Existenzbedingungen ich mich im Hinblick auf die vor¬
liegende Studie häufig eingehend orientierte. Oft habe ich hierbei
den Eindruck bekommen und diese Ansicht auch anderweitig be¬
stätigt erhalten, dass die Dinge vielfach umgekehrt sind, als wie in
obengenannter Ansicht verfochten ist. Wo die soziale Lage es einer
Familie überhaupt ermöglicht unter ihren Mitgliedern eine Auswahl
zu treffen, doch sendet sie die Schwächlichen auch häufig nicht in
die Fabrik, sondern auf das platte Land, „damit sie gesund werden.“
Die Leute stehen unter dem Eindrücke, dass mit dem Leben in der
Fabrik eine Gefahr, lungenkrank zu werden, verbunden ist und glauben
nicht selten, dieses nur den kräftigeren Mitgliedern zumuten zu dürfen.
Im wesentlichen aber, so scheint mir, bleiben derartige Über¬
legungen durchaus sekundäre Faktoren bei der Auswahl der Fabrik¬
arbeiter aus der Bevölkerung. Wörishoffer hat (a. a. 0. p. 41) in
sehr interessanten Ausführungen die Genese des Cigarrenarbeiterstandes
unserer Distrikte klar zu legen gesucht und die treibenden Kräfte
geschildert, welche die Leute in die Fabrik führen. Diesen tief¬
greifenden sozialen Motiven gegenüber treten die individuellen Rück¬
sichten, welche gelegentlich kleinere Kreise in die Fabrik bringen,
völlig zurück.
Dass man in den Fabriken oder in ärztlichen Sprechstunden
leicht den Eindruck erhält, es seien die Schwächlinge in grösserer
Zahl den Fabriken zugewandert, ist leicht begreiflich, denn manche
der Leute sehen anämisch und schwächlich aus. Deswegen ist aber
der Schluss nicht gestattet, dass sie auch vom Hause aus schwächlich
waren und aus diesem Grunde in die Fabrik gingen.
Da sich somit nicht nachweisen lässt, dass dritte Ursachen die
Beziehungen der Cigarrenfabrikation zur Tuberkulose-Mortalität ent¬
scheidend beinflussen, so muss in Erwägung gezogen werden, ob ein
kausaler Zusammenhang zwischen beiden zu ermitteln ist.
Derartige ursächliche Beziehungen könnten auf den mannig¬
fachsten direkten oder indirekten Einflüssen beruhen; der Cigarren¬
industrie eigentümlich sind sie von dem Augenblick an,
wo sie sich (direkt) aus dem Leben in den Arbeitsräumen
oder (indirekt) aus derGesaratlage der Industrie und den
ökonomischen Eigenheit en ergeben, welche dielndustrie
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
40
L. Brauer.
[40
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mit sich bringt. Der Versuch, einen Zusammenhang der uns
kassierenden Erscheinungen zu ermitteln, hat beide Gesichtspunkte
zu berücksichtigen.
Zweifellos sind manche Umstände, welche von der wirtschaftlichen
Lage und der Lebensweise der Cigarrenarbeiter abhängen, als in¬
direkte Ursachen ihrer höheren Tuberkulosen-Mortalität von Bedeutung.
Es ist nur zum Teil in der Macht des Arztes gelegen, diese
Einflüsse festzustellen und ihnen entgegen zu treten. Ein enges
Zusammenarbeiten mit dem Nationalökonomen und dem Gesetzgeber
ist hier dringend geboten. Nur langsam und unter genauer Kenntnis
der wirtschaftlichen Lage des Arbeiters wie auch der Industrie lässt
sich den auf sozialem Gebiete liegenden Schädlichkeiten nachspüren
und ihnen abhelfen.
Für die Cigarrenarbeiter sind unter den Schwierigkeiten, mit
denen der Arbeiterstand überhaupt zu kämpfen hat, einige von be¬
sonderer Bedeutung.
Die Lohnverhältnisse bringen es vielfach mit sich, dass zur Be¬
schaffung eines für den Unterhalt der Familie genügenden Einkom¬
mens auch die Frauen und Kinder zur Fabrikarbeit, oder — wie
in anderen Gegenden — gar zur Hausindustrie heranzuziehen sind. Die
Mitarbeit der Kinder erreicht bei der Cigarrenfabrikation einen
recht hohen Grad und stellt zweifellos eine Ursache verschiedensten
Unheiles dar. Sicherlich entsteht z. B. hierdurch ein Teil der „Schwäch¬
linge“ in der Fabrik.
Der Nachteil der ausgedehnten, z.T. sogar überwiegenden Frauen¬
arbeit ist trotz der gesetzlichen Vorschriften, die hierüber wachen,
zum mindestens ebenso gross. Hausfrauen, die eventuell unter dem Ein¬
flüsse der Fabrik erkranken, bedingen durch ihre Stellung eine grössere
Infektionsgefahr für die Familie als wie die Männer und fördern so¬
mit stärker die Ausbreitung der Tuberkulose in der Gesamtbevölkerung.
Fernerhin wird die Frau von der ihr eigentlich zukommenden Tätig¬
keit abgehalten. Die Zubereitung der Speisen, die Reinhaltung des
Hauses und die Erziehung der Kinder muss notgedrungen leiden und
macht sich dieses auch nach dem Eindrücke vieler Beobachter in
den Cigarrenarbeiterfamilien bemerkbar. Die stärkere Heranziehung
der Kinder und Frauen zur Cigarrenfabrikation ist aber, wie schon
oben gesagt, eine z. Z. noch notwendige Begleiterscheinung der Ci¬
garrenindustrie ; sie müssen daher auch in ihren schädigenden
Einflüssen bis zu einem gewissen Grade der Industrie zur Last ge¬
rechnet werden.
Als eine wichtige indirekte Ursache der gesteigerten Tuberkulosen-
Mortalität unter den Cigarrenarbeitern wird häufig die Ungunst der
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
411
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
41
Wohnungsverhältnisse angesehen, unter welcher die Leute nicht
selten leiden. Ob dieser Faktor in nennenswerter Weise, den der
Cigarrenindustrie parallel gehenden Anstieg der Tuberkulose-Mortalität
beherrscht, ist bislang nicht erwiesen, in mancher Beziehung auch wohl
zu bezweifeln. Es müsste denn durch Auszählung der Wohnräume
nachgewiesen werden, dass in den Cigarrenfabrik-Orten die Wohnungs¬
dichte eine grössere wäre als wie in den übrigen Gemeinden. Hier¬
bei bleibt selbstverständlich unbestritten, dass diejenigen Individuen
unter den Cigarrenarbeitern, welche in unreinlichen und überfüllten
Häusern leben, der Tuberkulose besonders leicht verfallen werden,
fraglich aber ist es, ob die Wohnungsverhältnisse so liegen, dass sie
die mit der Cigarrenindustrie einhergehende grössere Verbreitung der
Tuberkulose erklären.
Der Cigarrenfabrikation eigentümlich ist endlich auch ein engeres
Zusammenarbeiten der Geschlechter; dieses führt nach ver¬
schiedenen Beobachtern in kaum vermeidbarer Konsequenz zu früh¬
zeitigem sexuellen Verkehr und damit indirekt zur Schädigung der
Gesundheit. Lehrreiche Angaben hierüber finden sich bei W ö r i s -
hoffer.
Ein Überblick über die genannten mit der Entwickelung der
Cigarrenindustrie einhergehenden Faktoren zeigt uns einige Punkte,
an denen zur Besserung der Hebel anzusetzen ist.
Es sollte auch weiterhin in einer nicht überstürzten aber kon¬
sequenten Weise der Hausindustrie möglichst vorgebeugt werden; die
Frauen- und Kinderarbeit ist’, soweit dieses mit der wirtschaftlichen
Lage der Industrie vereinbar, zu beschränken. Wohlfahrtseinrich¬
tungen und rationelle wirtschaftliche Vereinigungen könnten manchen
der schwer vermeidbaren Schäden entgegenarbeiten. In richtiger
Würdigung der Sachlage hat man es versucht, die ungünstige Ein¬
wirkung der Frauenarbeit dadurch zu mildern, dass man Kochschulen
einrichtete. Vielleicht wäre unten dem gleichen Gesichtspunkte es
des Versuches wert, im Anschluss an den Fabrikbetrieb
Speisehäuser zu schaffen, welche den Arbeitern eine bessere und
wohl häufig auch billigere Kost liefern könnten.
Gegenüber den Schädlichkeiten, die in einem mehr indirekten
Zusammenhänge zur Cigarrenfabrikation stehen, kommen einige Ver¬
hältnisse in Betracht, welche den Arbeiter während und durch
seinen Beruf direkt gefährden können.
Im Betriebe der Cigarrenindustrie liegen verschiedene z. T. ver¬
meidbare Faktoren, welche dadurch, dass sie die Empfänglich¬
keit der Luftwege für eine event. Infektion steigern, zur Ver¬
breitung der Lungentuberkulose beitragen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
42
L. Brauer.
[42
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Nach vereinzelten Angaben in den Literatur möchte man ver¬
sucht sein, von einer durch die Einatmung des Tabakstaubes be¬
dingten eigenartigen Veränderung der Lungen, einer sog. Tabacosis,
zu sprechen. Unser klinisches und pathologisch-anatomisches Material
rechtfertigt aber diese Annahme nicht. Makroskopisch prägt sich
eine Tabakstaubeinlagerung in das Lungenparenchym jedenfalls nicht
aus. Die Schädigung, welche der eingeatmete Staub speziell in Ver¬
bindung mit den mehrfach erwähnten flüchtigen zum Husten reizen¬
den Stoffen den Lungen zufügt, liegt vielmehr in einer Beeinträch¬
tigung der oberen Luftwege.
Die Cigarrenarbeiter leiden nach unseren und anderen Beob¬
achtungen besonders häufig an chronischen, zur Schleim¬
hautatrophie führenden Nasen- und Kehlkopfkatarrhen,
sowie an chronischen trockenen Bronchialkatarrhen.
Für die Verbreitung der Phthise sind dieses wichtige Faktoren.
Längerdauernde Reizungen der Schleimhäute der oberen Luftwege
rufen nicht nur harmlose Katarrhe hervor, sie bedingen auch eine
Resistenzverminderung der Schleimhäute Infektionen gegenüber. Durch
die Untersuchungen von Birch-Hirschfeld wurde erwiesen, dass
die Phthisis sehr häufig als Schleimhauttuberkulose in den mittel¬
grossen Bronchien, speziell im Bronchus apicularis posterior beginnt.
Werden diese Partien durch irritierende Gase oder durch gewisse
Staubarten gereizt, so kommt es zu Sekretanhäufungen, welche hinzu¬
tretenden Keimen als Nährboden dienen, oder es entstehen Epithel¬
defekte, welche den Bakterien zu Eingangspforten werden. Für das
Zustandekommen dieser Vorgänge ist weniger die Menge, als wie
das physikalische und chemische Verhalten des Staubes von Bedeutung.
Eine tuberkulöse Infektion dieser so vorbereiteten Schleimhaut¬
partien kann nun, wie wir sehen werden, recht wohl in der Fabrik
erfolgen; möglich ist es aber auch, dass die Infektion erst in der
Wohnung statthat, so dass in letzterem Falle dann diese beiden Fak¬
toren, deren Zusammentreffen die Erkrankung veranlassen, räumlich
und zeitlich getrennt zur Wirkung gelangen würden.
Mit letzteren Vorkommnissen lässt sich aber nicht die Ansicht
stützen, der Cigarrenfabrik käme ein unmittelbaren Einfluss auf Tuberku¬
lose-Mortalität nicht zu. Niemand wird den Einfluss der Steinhauerei
auf die Ausbreitung der Tuberkulose in Abrede stellen, und doch
liegt die Gefahr gerade für diese Gewerbtreibenden am wenigsten
darin, auf dem Arbeitsplätze infiziert zu werden, sondern in einer
dem Berufe eigenen Beeinträchtigung der Lungen. Derartige event.
sehr vielgestaltige Kombinationen der verschiedensten inhalatorischen
und sonstigen Schädlichkeiten sind praktisch von grösstem Einflüsse
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
43]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
43
auf die Entstehung der Lungentuberkulose. So mag es in den
Familien in unseren Distrikte häufig wohl dazu kommen, dass bei
dem Vorhandensein einer grösseren Infektionsgefahr in den einzelnen
Familien, der Landmann der Gefahr entgeht, während der Cigarren¬
arbeiter, dessen Schleimhäute verändert sind, der andringenden In¬
fektion verfällt.
In Würdigung der Ausführungen Kriegers 1 ) ist auch in der
Körperhaltung der Cigarrenarbeiter während ihrer Tätigkeit ein
Moment zu sehen, welches der Tuberkulose-Infektion Vorschub leistet.
Die gebückte Haltung, sowie ganz besonders die Feststellung der oberen
Brusthälfte durch die Schulter- und Oberarmmuskulatur hindert die
respiratorische Tätigkeit der Oberlappen und befördert dadurch die
Ablagerung von Staub und Keimen. Krieger legt diesen Verhält¬
nissen grosse Bedeutung bei und ist geneigt, die hohe Schwindsuchts¬
sterblichkeit mancher Gewebe auf diese Haltungsschädlichkeiten zurück
zu führen und nicht auf die vielfach übermässig betonte Staubein¬
atmung.
Dyspep tische Erscheinungen aller Art werden mehrfach
unter den Cigarrenarbeitern beobachtet. Als Ursache dieser Ver¬
dauungsstörungen hat man die sitzende Lebensweise in Verbindung mit
ungeeigneter und mangelhaft zubereiteter Kost, das Kauen des
Tabakes zwecks Herrichtung der Cigarrenspitze sowie Einwirkungen
der Luftverunreinigungen in den Fabriken betrachtet. Gewisse zur
Tuberkulose disponierende Einflüsse sind diesen Verhältnissen nicht
abzusprechen.
Aus der Erkenntnis, dass im Betriebe der Cigarrenfabriken
Momente gegeben sind, welche ein Anhaften der Tuberkelbazillen be¬
günstigen, erwächst die Frage, ob in diesen Fabriken auch eine ge¬
wisse Wahrscheinlichkeit besteht, ein mit diesen Keimen be¬
ladenes Material zu inhalieren.
Die Frage ist zu bejahen. Trotz der sorgfältigster In¬
spektionsvorschriften wird sich in Fabrikräumen, in denen eine grössere
Anzahl von Arbeitern relativ eng beieinander sitzt, steht Gelegenheit
zur Einatmung bacillenhaltigen Materiales bieten. In den Cigarren¬
fabriken kann man sich leicht daran überzeugen, dass die Phthisiker
fast alle auf den Boden speien. Die Plätze derartiger „Huster“ sind
nach dem Abkehren deutlich zu erkennen, so dass man die Mehrzahl
der lungenkranken Arbeiter im Sinne Cornet’s als „unreine“ Kranke
i) Bericht des Berliner Kongresses zur Bekämpfung der Tuberkulose, p. 78.
Berlin 1809.
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41
L. Brauer.
[44
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bezeichnen muss. Der Pflanzenstaub fördert die Austrocknung der
schleimigen Sputa und damit ihre Verstaubung, zu der in den Fabriken
reichlich Gelegenheit gegeben ist.
Es erhellt hieraus ohne weiteres, dass schon ein einzelner Phthi¬
siker während der vielen Monate, welche er in der Fabrik zubringt,
eine recht beträchtliche Quelle der Infektion darstellt.
Walther sprach in seinem oben citierten Vortrage die Ver¬
mutung aus, der Tabakstaub sei vielleicht im stände die Tuberkel¬
bacillen abzutöten. Bei den bekannten antiparasitären Eigenschaften
der beizenden Tabaksinfuse war es sehr angebracht, dieses näher zu
verfolgen. Herr Dr. Korn, Assistent am bakteriologischen Institute
zu Freiburg hat dieser Anregung folgend die nötigen Versuche in
dankenswerter Weise ausgeführt; er kam, wie Walther in seinem
Berichte mitteilt, zu dem Resultate, das die Tuberkelbacillen sich in
Kulturen, welche mit Tabakstaub oder Tabakinfus beschickt waren,
ungehemmt entwickeln.
Der bacillenbeladene Staub ist für den Cigarrenarbeiter aber
jedenfalls nicht der einzigste Infektionsträger. Auch zur Tröpfchen¬
infektion, der Einatmung fein verstäubten Auswurfes, ist Gelegenheit
vorhanden. Die Arbeiter sitzen einander vielfach in 1— l 1 ji m Ent¬
fernung gegenüber, auf welche Entstehung der Hustende, wie uns
Flügge lehrte, seinen Auswurf verstäubt.
Vorschläge zur Verhütung und Bekämpfurg der Tuberkulose in
den Cigarrenfabriken ergeben sich unschwer aus den vorgenannten
Daten. Man ist sich über die meisten der einzuschlagenden Mass¬
nahmen ziemlich einig und möchte ich daher hier nur auf wenige
Punkte eingehen, welche mir besonderer Hervorhebung zu bedürfen
scheinen.
In erster Linie soll man die Cigarrenindustrie nicht
als ein Gewerbe ansehen, das im Hinblick auf die Ver¬
breitung der Tuber lculose indif f er ent ist; die Beschäftigung
in den Cigarrenfabriken befördert in einem gewissem Masse die Tuber¬
kulose, es sind daher die Schwächlichen und diejenigen, welche durch
ihre familiären Verhältnisse zur Tuberkulose disponiert scheinen, den
Fabriken fern zu halten.
Der Infektionsgefahr würde am besten dadurch entgegengearbeitet,
dass man Leute mit tuberkulösem Lungenleiden aus
dem Fabrikbetriebe eliminierte, sie auch möglichst bei vor¬
handener Hausindustrie isolierte. Leider ist dieses sehr radikale
Verlangen zunächst nicht durchführbar. Zu erreichen wäre dieses
Ziel aber mit der Zeit, wenn den Kranken in Lungenheil-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
45]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
45
statten ein anderes Gewerbe gelehrt würde, welches neben
dem gleichen Verdienste die Kranken entweder in gesundere Verhält¬
nisse brächte oder sie doch jedenfalls Berufen zuführte, die ein Zu¬
sammenarbeiten mit Gesunden nicht nötig machen.
So lange aber die Entfernung der Infektionsquellen nicht mög¬
lich ist muss besonders sorgfältig im Sinne der üblichen Prophylaxe
gehandelt werden. Die Krankenkassen haben den Patienten Spuck¬
gläser zu geben. Die Arbeiter sind über den Wert derartiger Ein¬
richtungen zu belehren und diejenigen Leute, die trotzdem auf dem
Boden oder in die Taschentücher spucken, sind strafweise aus der
Fabrik zu entlassen.
Der Fussboden ist nach der Arbeit nicht trocken zu kehren,
sondern mit Wasser, dem ein bis zweimal pro Woche*) Kalk als Des-
inficiens hinzugesetzt sein muss, aufzunehmen.
Das dichte Gegenübersitzen ist unzweckmässig, es sei denn, die
Arbeitsplätze würden durch eine Zwischenwand getrennt, die ein
direktes Anhusten unmöglich macht.
Viel diskutiert ist die Frage, wie in den Cigarrenfabriken für die
Ventilation zu sorgen ist. Das Ziel einer Ventilationseinrichtung
ist ein doppeltes. Erstens die Entfernung eines eventuellen keim¬
beladenen Staubes, zweitens die Erneuerung der Atemluft unter Ent¬
fernung der Respirationsprodukte und Ausdünstungen, welche in den
Räumen entstehen. Für Cigarrenfabriken käme beides in Frage.
Den Staub — und damit den Keimgehalt der Luft in den
Arbeitsräumen vermögen die üblichen Ventilationssysteme nur in
sehr engen Grenzen zu verringern; die von ihnen erzeugten Luft¬
strömungen genügen hierzu nicht, ihr Einfluss auf die Desinfektion
der Luft in den Arbeitsräumen ist daher auch nur ein minimaler.
Eher ist zu befürchten, dass durch die feinen Strömungen leichtere
Staubteilchen und Keime eine weitere Verbreitung im Raume erfah¬
ren oder in Schwebe erhalten werden. Mehrfach ist von kompetenter
Seite diesen Thatsachen Ausdruck gegeben. Am sichersten und
schnellsten wird eine Minderung der in der Luft suspendierten Staub¬
teilchen und Keime durch kräftige und grobe Lüftung unter Öffnen
der Thüren und Fenster erreicht.
Dieser Luftzug braucht nur wenige Minuten einzuwirken. Durch
ihn wird eine so starke Abkühlung der Wände des Arbeitsraumes
i) Einen Teil Kalk mit vier Teilen Wasser löschen; von diesem Brei eine
2° oige Lösung verwenden, d. h. einem Eimer von etwa 25 Liter Inhalt V* Kilo
Brei znsetzen.
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46 L. Brauer. [46
nicht bewirkt, dass es nicht leicht und rasch wieder gelänge, die
Zimmerluft auf die nötige Höhe zu bringen.
Der zweiten Aufgabe — Bekämpfung der durch Abdunstungen
bewirkten Luftverschlechterung — wird man am ehesten gerecht
durch die Darbietung eines grossen Luftcubus, sowie durch
tunlichste Entfernung der Tabake aus den Arbeitsräumen.
Diese beiden Gesichtspunkte hat das Gesetz nach Möglichkeit
berücksichtigt. Die natürliche Ventilation sowie einfache Klappen¬
vorrichtungen mögen die zweimal täglich zu wiederholende Fenster¬
lüftung unterstützen. Ob das von Wörishoffer in den badi¬
schen Cigarrenfabriken eingeführten Ventilationssystem weiter zu
empfehlen ist, scheint mir zweifelhaft. Der um unsere Fabrik¬
inspektion hochverdiente Autor hat seine Ansichten über sein
Lüftungssystem in der citierten Arbeit ausführlich besprochen.
Wörishoffers Ventilation besteht aus einem unter dem Fuss-
boden herziehenden Luftschacht, der in einen den Ofen in einiger
Entfernung umkleidenden Mantel mündet. Die Wärme des Ofens
soll die Luft heraufsaugen. Ira Fabrikraume ziemlich tief gelegene
Öffnungen dienen der verbrauchten Luft zur Ableitung. Dieses
System nun funktioniert nur an Heiztagen; bei der Passage zwischen
Ofen und Aussenmantel hat die Luft Gelegenheit Asche- und Staub¬
teilchen aufzuwirbeln. Der zuleitende Luftschacht kühlt den Fuss-
boden ab und schafft denjenigen Arbeitern, die über ihm sitzen,
kalte Füsse. Daher suchen die Leute auch vielfach, den Schacht zu
verstopfen.
Jedenfalls würde ich nach alledem nicht raten, über die be¬
stehenden künstlichen VentilationsVorrichtungen noch hinauszugehen.
Eher wäre die Fensterlüftung unter gleichzeitigem feuchten Auf¬
nehmen des Bodens und der Arbeitstische, noch häufiger und energi¬
scher auszuführen als es bisher schon geschieht.
Im Sinne der Prophylaxe läge es jedenfalls auch, würde man
den Kassenärzten oder den Medizinalbeamten Sitz und Stimme in
den Vorstandssitzungen der Krankenkassen geben. Dieses Beginnen
würde in zweckmässiger Weise das Zusammenarbeiten des Arztes
mit jenen Leuten fördern, welche die wirtschaftliche Lage der In¬
dustrie kennen und in gewissen Grenzen mit beeinflussen. Viele
Momente, denen wir einen die Tuberkulose-Infektion vorbereitenden Ein¬
fluss zuerkennen müssen, wird nur das bedachte gemeinsame Streben
der wirtschaftlichen und ärztlichen Elemente beseitigen können. Es
bedarf kaum der Begründung, dass bei allen diesen Bemühungen
örtlichen Verhältnissen in weiten Grenzen Rechnung zu tragen ist,
und dass mit manchen Änderungen nur langsam vorgegangen werden
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47]
Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken.
47
kann. Ist doch unter den Ursachen, welche die stärkere Ausbreitung
der Phthise unter den Cigarrenarbeitern bedingen, noch mancher
Punkt einer weiteren Aufklärung bedürftig.
Vielleicht wird eine individualisierende Analyse kleinerer Fabrik¬
betriebe oder einzelner Ortschaften den Zusammenhang der Erschei¬
nungen klarer legen und hiermit die Grundlage zu einer erfolgreichen
Bekämpfung der Schädlichkeiten schaffen; die erkannte Gefahr ist
halb verwunden.
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Ä
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Anlage 1.
Anordnung nach der Zahl der Cigarrenarbeiter.
Die Ortschaften der Amtsbezirke: Mannheim, Heidelberg, Weinheim,
Wiesloch, Schwetzingen und Bruchsal, in welchen ausser Cigarren¬
fabrikation keine andere Industrie besteht.
(Orte mit weniger als 5 °/ 0 Cigarrenarbeiter wurden nicht mit aufgeführt.)
Zeichen - Erklärung.
F = Cigarrenarbeiter (in Haupt- und Nebenbeschäftigung) in % der Erwerbstätigen.
G. t = Gesamintsterblichkeit (abzüglich der Tbc.-Fälle) auf 1000 Einwohner.
Tbc. f = Sterblichkeit an Tuberkulose auf 1000 Einwohner.
H. = Höhe über dem Meere (Höhe des Rheinbettes etwa 93 Meter.
TBC. = Grössere Gruppen und deren Tbc. Mortalität; eine Zusammenfassung der unter Tbc. ♦
im einzelnen dargestellten Verhältnisse.
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Statistik und graphische Darstellungen des Bezirks¬
arztes Dr. med. Herrmann über den Amtsbezirk
Germersheim (Pfalz).
Anlage II. Tafel 1.
§ i -re*?,-!
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O. — jf 11
• b s-5*
□ 5 2.5 1
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sfry* .
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Die schräg gedruckten Orte haben Cigarren¬
fabrikation.
Vollmers weiler
Germersheim
Sondernheim
Büchelberg
Weingarten
Knittelsheim
Schwezenheim
Niederlustadt
/>r'm ersheim
—t
Rheinzabern
Neuburg
Jockgrim
Scheibenhardt
Lingenfeld
Hagenbach
Neupfotz
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Um zu ersehen, ob die einzelnen Gemeinden des Bezirkes Germersheim in Bezug auf die allgemeine Sterb¬
lichkeit in derselben Reihenfolge belastet sind, wie bezüglich der Tuberkulose-Sterblichkeit, wurde folgende
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Statistik und graphische Darstellungen des Bezirks¬
arztes Dr. med. Herrmann über den Amtsbezirk
Germersheim (Pfalz).
Anlage II. Tafel in.
Graphische Darstellung
der durchschnittlichen jährlichen Sterblichkeit an Tuberkulose
in Bezug auf das Lebensalter. (Bezirk Germersheim.)
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Statistik und graphische Darstellungen des Bezirks¬
arztes Dr. med. Herrmann über den Amtsbezirk
Germersheim (Pfalz).
Anlage II. Tafel iv.
Gemeinden
Einwohner-
1886 —
1897
des Bezirkes Germeisheim
zahl
Gesamt- !
Tuberkulose-
Sterblichkeit ]
Sterblichkeit
;
l
1
Vollmersweiler
205
44
2 ;
2
Freisbach
545
134
11 1
3
Winden
585
136
19
4
Knittelsheim
602
146
23
5
Büchelberg
596
184
20
6
Scheibenhardt
628
195
31
7
Erlenbach
680
201
21
8
Westheim
724
210
38 i
9
Niederlustadt
931
232
38 1
10
Hayna
722
236 5
30
11
Sondernheim
930
255
26
12
Kuhardt
626
256
46 i
13
Oftersheim
1004
259
25 ;
14
Bery
917
259
38
15
Weingarten
1016
266
35
16
Oberlustadt
1236
286
48
i
17
Winfeld
1130
294
33 !
18
Schaidt
1230
330
31 j
19
Steinweiler
1506
356
57
20
Schwegenheim
1432
357 ;
i ,
54 ;
21
Freckenbeim
1250
361
56 1
22
Neupfotz
1111
378
63
23
Leimersheim
1264
393
53
Cigarrenfabrik
24
Hatzenbühl
1244
417
72
25
Neuburg
1432
421
64
26
Jockgrim
1515
480
73
Cigarren fabrik
27
Lingenfeld
1584
494
83
28
Hördt
1548
495
59
Cigarren fabrik
29
Pfortz
1514
535
46
30
1 Zeiskam
1803
537
55 i
31
Rheinzabern
1762
537
77
Cigarrenfabrik
32
Wörth
1866
i 549
82
33
Hagenbach
1667
625
92 i
34
Rülzheim
3183
789
144
Cigarrenfabrik
35
Bellheim
2946
823
81
36
Kandel
|
3576
1123 t
106 \
37
Germersheim |
5736
1139
141 1
Sa.
52246
14732
1973
Die fünf Cigarrenfabrikorte :
9272
2694
406 |
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Anlage III.
Anordnung nach der Höhenlage.
Die Ortschaften der Amtsbezirke: Mannheim, Heidelberg, Weinheim,
Wiesloch, Schwetzingen und Bruchsal, in welchen ausser Cigarren¬
fabrikation keine andere Industrie besteht.
(Orte mit weniger als 5°/« Cigarrenarbeiter wurden nicht mit aufgeführt.)
Zeichen - Erklärung.
G. t — Gesammtsterblichkeit (abzüglich der Tbc.-Falle) auf 1000 Einwohner.
Tbc. t — Sterblichkeit an Tuberculose auf 1000 Einwohner.
H. = Höhe über dem Meere (Höhe des Rheinbettes etwa 98 Meter).
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Aus der medizinischen Klinik zu Heidelberg (Geh.-Rat Erb).
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung
in Baden.
Von Dr. W. Hoffmann,
Assutent am patholog. Institut (Geh.-Rat Arnold).
Verbreitungsweise der Infektionskrankheiten auf Grund ihrer
ätiologischen Momente.
Das Auftreten von Infektionskrankheiten geschieht innerhalb Epidemie,
örtlicher und zeitlicher Grenzen. Nehmen wir die örtlichen Grenzen
als Unterscheidungsmerkmal, so sprechen wir von epidemischen und
endemischen Krankheiten einerseits, pandemischen andererseits; be¬
vorzugen wir die Unterscheidung nach der Zeitdauer, so können
wir von epidemischen und endemischen Krankheiten sprechen. Beide
Gruppen werden gegeneinander sich nicht scharf abgrenzen lassen, da
es unmöglich ist, eine Zeitdauer zu bestimmen, von der ab eine an
einem Ort grassierende Krankheit als endemisch bezeichnet werden
soll. Manche Krankheiten, z. B. Syphilis sehen wir innerhalb geschicht¬
licher Zeiten „epidemisch“ auftreten, dann aber so fest sich ein¬
nisten, dass wir jetzt von „endemischem“ Auftreten reden dürfen.
Andere, wie z. B. Veitstanz oder schwarzer Tod, sind innerhalb
geschichtlicher Zeiten aufgetreten, haben längere Zeit an einer Gegend
gewütet, um wieder zu verschwinden. Das Gleiche gilt für Variola,
nur ist hier die Ursache des Erlöschens in dem ärztlichen Eingreifen
der Impfung zu suchen.
Im allgemeinen gilt der in seinen Folgerungen plausible Satz:
Akute Infektionskrankheiten mit kurzem Verlauf zeigen meist epide¬
mischen Charakter, ihr Verweilen am gleichen Ort ist kürzer, Infek¬
tionskrankheiten mit chronischem Verlauf mehr endemischen Charak¬
ter, ihr Verweilen am gleichen Ort ist länger.
Beiträge» zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 4
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
50
W. Hoffmann.
[2
tuche^For- Die Frage nach dem Grunde des Einnistens von Krankheiten
Behang. } n bestimmten Gegenden ist fast ebenso alt wie die medizinische
Forschung (22). Je nach dem Stande der Erkenntnis wurden bald über¬
natürliche Kräfte, die Feindschaft einer Gottheit, oder ortsansässige dä¬
monische Wesen, Hexen und Zauberer, bald Vergiftung der Brunnen,
z. B. durch die Juden, bald aus dem Boden aufsteigende giftige
Dämpfe, Miasmen u. a. m. in ziemlich kritikloser Weise beschuldigt.
Dann mit dem Fortschritt der Wissenschaften wurden in klimatischen
Einflüssen und in der Verbreitung organisierter Krankheitserreger
die Krankheitsursachen gesucht und vielfach gefunden.
Fehler der Ein Fehler geht jedoch heute den meisten derartigen patho-
steMirog. genetischen Forschungen nach. Es wird von vornherein vielfach
nur einseitig nach einer einzigen Ursache ausgeschaut und geforscht,
und ist dann die Möglichkeit eines Infektionsmodus gefunden, so
wird derselbe als der einzige oder wenigstens als der verbreitetste
bezeichnet. Durch diesen Fehler wird eine gewisse Einseitigkeit der
Auffassung herbeigeführt, und in einem circulus vitiosus Gegner
dieser Auffassung zu einer ebenso einseitigen Betonung ihres Stand¬
punktes hingedrängt. Nur so ist oft eine Polemik von Meinungen
erklärlich, die ganz gut nebeneinander bestehen könnten.
Es muss demgegenüber die Forderung erhoben werden, nur dann
eine Form der Pathogenese als die einzig bestehende zu bezeichnen,
wenn sie einerseits zwanglos alle Verbreitungserscheinungen erklärt,
andrerseits nicht in Konkurrenz tritt mit anderen, ähnlich annehmbaren
Erklärungsversuchen. Ist letzteres der Fall, so ist die Frage noch
nicht spruchreif, oder es tritt die äusserst schwierige Aufgabe hervor,
den prozentualen Anteil der verschiedenen Verbreitungsarten an dem
Gesamtvorkommen zu bestimmen.
öropierang Die Ursachen für die natürliche Verbreitung der Krankheiten
&t Momente.® r lassen sich in zwei grosse Gruppen einteilen: erstens solche, welche
die Verbreitung der Krankheitserreger und die Infektionshäufigkeit
beeinflussen, zweitens solche, welche den Menschen zur Aufnahme der
Krankheitserreger geeigneter machen. Zu der ersten Gruppe gehören
einerseits die Umstände, welche bestimmten Krankheitserregern das
Leben nur an ganz bestimmten Orten gestatten, — als klassisches
Beispiel, sämtliche Parasiten, welche bestimmte, nicht überall vor¬
handene Zwischenwirte zu ihrer Entwickelung nötig haben, — andrer¬
seits die in den Lebensgewohnheiten der Menschen und ähnlichen
Faktoren liegenden Ursachen für Verschleppung der Krankheitserreger
und Ansteckung von Mensch zu Mensch.
Ver¬
schiedenheit
Eine viel mehr umstrittene Würdigung besitzt die zweite Gruppe,
ttonefShig- Ursachen, welche den Menschen zur Aufnahme der Krankheits-
keit.
Difitized
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
3]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose Verbreitung in Baden.
51
erreger geeigneter machen. Von rein bakteriologischer Seite wird eine
derartige Möglichkeit fast direkt in Abrede gestellt, die Mehrerkran¬
kung bestimmter Menschenklassen und -Gruppen lediglich auf in
diesen Gruppen und Klassen vermehrte Infektionshäufigkeit zurück¬
geführt. Nun hat aber das Tierexperiment gezeigt, dass selbst für
den Injektionsversuch mit ihrer Virulenz und Zahl nach bekannten,
gleichbleibenden Infektionserregern innerhalb der gleichen Tierspecies
bedeutende quantitative Unterschiede der Empfänglichkeit sowohl,
als nach erfolgter Infektion des Krankheitsverlaufs und der Krank¬
heitsdauer bis zum letalen Ausgang bestehen. Es sind dies die Ver¬
suche von Wy ssoko w icz, Gärtner und Lübarsch, die letzterer(10)
zusammenfassend verwertet, dann der Nachweis von Diphtherie-, Cholera-
und Typhusbacillen im Blute einzelner, nie an den betreffenden Krank¬
heiten erkrankt gewesener oder erkrankender Menschen durch Wasser¬
mann, Abel, Klemperer, Stern; schliesslich die verschiedene
extravaskuläre Vernichtungsfähigkeit des Blutes Bacillen gegenüber,
für Kaninchen und Milzbrandbacillen von Nuttal, Nissen und
Lubarsch festgestellt.
Man wird durch Analogieschlüsse aus derartigen Experimenten
dazu gedrängt, auch bei den Krankheiten nach individuellen Ver¬
schiedenheiten der Reaktion auf die Krankheitserreger zu fahnden,
bei denen ein experimenteller Nachweis einer „Disposition“ des
Individuums nicht in exakter Weise erbracht ist, oder aus tech¬
nischen Gründen nicht erbracht werden kann. Baumgarten(lO)suchte
nun für die Tuberkulose den Gegenbeweis zu liefern und individuelle
Schwankungen in der Disposition der Species auszuschliessen. Er
glaubt feststellen zu können, dass die individuellen Schwankungen der
Empfänglichkeit um so geringer sind, je hochgradiger empfänglich die
betreffende Tierspecies ist. Als Massstab für die Empfänglichkeit
stellt er die Häufigkeit der Spontanerkrankungen auf. Aus der That-
sache nun, dass der Mensch unter allen Tieren die höchste Erkran¬
kungsziffer an spontanen Erkrankungen zeigt, will er den Schluss
folgern, dass der Mensch zu den für Tuberkulose stärkst disponierten
Tierspecies gehört, also auch die geringsten individuellen Schwan¬
kungen der Disposition zeige. In dieser Beweisführung ist vollkommen
übersehen die Abhängigkeit der Erkrankungsziffern der verschiedenen
Tierspecies von der für dieselben verschiedenen Infektionshäufigkeit.
Für den Menschen sind die Infektionsgelegenheiten mit Tuberkulose
weit häufiger als z. B. im Kaninchenstall, ein an Tuberkulose
kranker Mensch, der etliche Jahre die Tuberkelbacillen weithin ver¬
breitet, bedeutet eine viel grössere Gefahr als ein Kaninchen, das
seine Miliartuberkulose abgeschlossen in sich birgt, selbst zur Infek-
4*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
52
W. Hoffmann.
[4
tion des Stalles nur wenig beiträgt, nach kurzer Krankheit derselben
erliegt, wenn es nicht schon vorher als erkrankt erkannt und ent¬
fernt wird.
^Wirkung Es liegt also die Auffassung viel näher, nach dem Vorgänge von
nmTindiw- Gottstein,Martius(ll)undN au s(14) das Zustandekommen von In-
du ^" te Mo 'fektionskrankheiten als auf einer Wechselwirkung zwischen dem be¬
fallenen Organismus und dem Infektionsträger beruhend aufzufassen.
Ob sich eine so streng formulierte, fast mathematische Gleichung,
wie sie Gottstein vorschlägt, allgemeiner wird durchführen lassen,
ist fraglich, doch wird der Standpunkt der Lehre von dieser Wechsel¬
wirkung in treffender Weise durch dies Verhältnis — = Krankheits¬
ursache zu Krankheitsanlage gekennzeichnet.
Es ergibt sich sich also als unabweisbare Forderung aus dem
Angeführten, bei pathogenetischen Studien Untersuchungen und Beob¬
achtungen nach diesen beiden Bichtungen anzustellen, Infektions¬
möglichkeit und Häufigkeit einerseits, Verhalten des Individuums
andererseits. Aus Kombination beider kann dann der Hygieniker
Schlüsse auf die Verbreitungsweise der Krankheiten ziehen, und der
innere Kliniker Beziehungen zu dem Krankheitsbild, der Erscheinungs¬
form ableiten.
Patho- Betrachten wir von diesen Gesichtspunkten aus die Literatur
Tuberkulose über die Pathogenese der Tuberkulose, so sollte man meinen, dass vor¬
zugsweise diese Krankheit in ihren unzähligen Erscheinungsformen zur
Vorsicht bei Aufstellung einseitiger pathogenetischer Theorien hätte
mahnen sollen. Aber im Gegenteil, gerade bei dieser Krankheit,
insbesondere ihrer häufigsten Erscheinungsform, der Lungenschwind¬
sucht, sind die Kontroversen der Meinungen am schärfsten, und der
einseitig abgegrenzte Standpunkt der verschiedenen Forscher wird
am hartnäckigsten verteidigt. Es stehen sich hier die reinen Infek-
tionisten einiger bakteriologischen Schulen in ihren Hauptvertretem
Baumgarten und Cornet (4—6) und die Nosoparasisten Riffel
(19—21) und Aufrecht (1) schroff gegenüber. Wohl die Mehrzahl
der Ärzte nimmt eine bald mehr nach der einen, bald mehr nach der
anderen Seite neigende Mittelstellung ein.
Statistische Untersuchungsmethode.
vorzfige Es ist bei Anstellung klinischer Beobachtungen und Deutung des
Ergebnisses des Tierexperimentes auf menschliche Verhältnisse häufig
schwer, die subjektive Auffassung des Beobachters gänzlich zu ver¬
meiden. Daher mag vielleicht noch mancher Widerspruch in der
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
5J Beitrag zur Kenntnis der Tuberknloseverbreitung in Baden. 53
Literatur zu erklären sein. Den Vorteil grösserer Objektivität ge¬
währen die Zahlen der Statistik. Zwar bedürfen auch sie einer
Deutung, aber das System ihrer Zusammenstellung ist vollkommen
klar und offen der Kritik zugänglich.
Es sei an dieser Stelle auf die durchWürzburg(33)präcis definierte Anforde-
. rang an die
Forderung der Statistik hingewiesen, die neuerdings Cor net wieder »eibe.
scharf hervorgehoben hat, dass nur solche Zahlen vergleichbar sind
und beweisenden Wert haben können, die sich als relative Werte zur
Zahl der in der entsprechenden Gruppe Lebenden darstellen. Das
in früheren und leider auch in etlichen neueren Statistiken vielfach
als Mass der Mortalität verwandte Verhältnis der Mortalitätsziffer zu
der Gesamtsterblichkeit kann nur in zweiter Linie und im Zusammen¬
hang und Vergleich mit jenen anderen Zahlen eine Bedeutung behalten.
Denn diese Verhältniszahl wird nicht nur von der Krankheit, als deren
Mass sie aufgestellt ist, allein beeinflusst, sondern in gleicher Weise
von der wechselnden Summe aller anderen Krankheiten, d. h. deren
Mortalitätsziffern. Von grösserem Werte kann diese Zahl jedoch
werden bei Vergleichung von Gruppen mit verschiedener Gesamt¬
sterblichkeit, wo es von Interesse wird zu erfahren, wie viel von Zu¬
oder Abnahme auf Rechnung der einzelnen Krankheiten zu setzen ist.
Wenn wir nach dem Würzburg-Cornetschen Schema bei Berech¬
nung der Tuberkulosemortalität nach Alter, Geschlecht u. dgl. ver¬
fahren müssen, so gilt natürlich das Gleiche bei Untersuchungen über
Mortalitätsbestimmungen der Berufsarten, oder welche Gruppen man
sonst in den Bereich der Untersuchung ziehen will. Soll z. B. für
irgend ein Moment ein Einfluss auf die Tuberkulosemortalität auf
statistischem Wege nachgewiesen werden, so ist der natürliche Weg
der, festzustellen, dass in der gleichen Bevölkerungsgruppe sich dieses
Moment bei den an Schwindsucht Erkrankten oder Gestorbenen häufiger
findet als bei den nicht daran Erkrankten. Diese Feststellung ist aber
nicht damit gelungen, wenn ein gewisser überwiegender Prozentsatz
der an Phthise Gestorbenen dieses Moment darbietet. Es muss noch
der Nachweis erfolgen, dass unter den an Phthise Gestorbenen dieser
Prozentsatz grösser ist als unter der lebenden Bevölkerung oder
Gruppen derselben. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei dem Ver¬
gleich zweier geographischen Bezirke mit ihren Bevölkerungsgruppen.
Es genügt nicht der Nachweis, dass bei an Schwindsucht Gestor¬
benen der einen Gruppe dieses Moment häufiger auftritt als bei der
anderen. Der Ring der Beweisführung wird erst geschlossen durch
Feststellung der gleichen oder verschiedenen Häufigkeit dieses Momentes
bei den zu den beiden in Vergleich gezogenen Gruppen zugehörigen
Lebenden.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
54
W. Hoffmann.
[6
Grosse
Zahlen.
Grenzen der
Kompetenz
aer
Statistik.
Ebenfalls von Cor net in gebührender Weise hervorgehoben ist
die wichtige Tatsache, dass zur Aufstellung von Statistiken grosse
Zahlen gehören, welche eine Unabhängigkeit von Zufälligkeiten ver¬
bürgen. „Die Statistik ist das Gesetz der grossen Zahl“, ruft Cornet
mit voller Berechtigung denen zu, welche aus keine 100 Fälle um¬
fassendem Beobachtungsmaterial Prozentzahlen heraustüfteln und ver¬
gleichende Schlüsse damit ziehen wollen.
Eine andere äusserst wichtige Frage ist die: Lassen sich auf
statistischem Wege Schlüsse auf den Einfluss einer „Disposition“ des
Individuums ableiten? Bei der gewöhnlichen Art der Aufstellung von
Statistiken vermissen wir den Einfluss eines solchen individuellen
Faktors, welcher der Disposition entspräche. Daraus jedoch den
Schluss zu ziehen, dass eine Disposition überhaupt nicht vorhanden
sei, ist nicht richtig. Nehmen wir als Beispiel die Cornetsche Sta¬
tistik über die Mortalitätsfrequenz der verschiedenen Altersklassen.
Die weiteste, allgemeinste und auch kritikloseste Fassung des Dis¬
positionsbegriffes, oder vielmehr ein Missbrauch des Wortes Dispo¬
sition, bedeutete lediglich eine verschiedene Wahrscheinlichkeit an
Phthise zu erkranken. So sprach man von Berufs- und Altersdispo¬
sition. Dagegen wendet sich nun Cornet und zeigt in sehr plau¬
sibler Weise, dass man die Mortalitätsziffern an Tuberkulose für die
verschiedenen Lebensalter in Parallele setzen kann zu den Infek¬
tionshäufigkeiten dieser Altersklassen. Er konnte es damit zu einer
fast Beweiskraft erreichenden Wahrscheinlichkeit bringen, dass eine
Verschiedenheit der Durchschnittsposition der Altersklassen — er nennt
es eine Prädisposition — nicht besteht. Dass überhaupt keine
Verschiedenheit der Disposition, d. h. der Wehrkraft der Individuen
innerhalb der einzelnen Altersklassen bestände, ist damit noch lange
nicht bewiesen. Denn bei einem annähernd gleichartig bleibenden
Gemenge aus Disponierten und Nichtdisponierten innerhalb der ver¬
schiedenen Altersklassen ergäbe sich statistisch das gleiche Bild. Es
reduziert sich die verschiedene Disposition einzelner Individuen bei
Betrachtung grosser Zahlen auf die Durchschnittsdisposition der Ge¬
samtheit. Es könnte also im einzelnen die Erkrankung des Indi¬
viduums, seine Auswahl, durch seine Disposition bedingt sein, während
die Zahl der Erkrankungen im statistischen Nachweis sich scheinbar
wesentlich als eine Funktion der Infektionshäufigkeit darstellt.
Ist aber nicht die Annahme eines gleichbleibenden Gemisches
aus Disponierten und Nichtdisponierten etwas Unmögliches? Man
könnte hier den Einwand erheben, aus diesem Gemische müsste all¬
mählich eine Auswahl der Disponierten stattfinden und der Rest dann
geringere Sterblichkeit zeigen, also mit zunehmendem Alter eine Ab-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
55
nähme der Mortalitätsziffem zu verzeichnen sein. Das würde jedoch
nur richtig sein, wenn es allein eine angeborene Disposition gäbe.
Immerhin braucht wohl auch dann der Abfall der Mortalitätsziffem
infolge der langsamen Auslese kein rapider zu sein. Denn eine Ubi-
quität der Infektionsmöglichkeiten können wir wohl nicht in dem
Sinne annehmen, dass alle Augenblicke eine Infektion erfolgt, wenn
auch wohl alle Menschen Gelegenheit haben, Zeit ihres Lebens etliche
Infektionsmöglichkeiten durchzumachen. In den späteren Jahren wird
aber die Zahl der angeboren Disponierten durch diejenigen vermehrt,
welche ihre Disposition erst acquiriert haben oder einer Summation
von Infektionen nicht mehr gewachsen sind. Es kompensiert also
gewissermassen die zutretende Zahl derer mit erworbener Disposition
den Abgang der angeboren Disponierten.
Es sind dies alles hypothetische Erörterungen, die unsere Un¬
kenntnis über die zahlenmässige Häufigkeit der Infektionsmöglich¬
keiten und den Prozentsatz Disponierter nur in dürftigster Weise zu
verhüllen suchen. Über die Arten und das Zustandekommen der „Dis¬
position“ soll an anderer Stelle ausführlich verhandelt werden. Hier
sei über die Beziehungen von Infektionshäufigkeit und Disposition
zur Phthisemortalität nur so viel betont, dass man als fast sicher
annehmen darf, die Infektionshäufigkeit in proportionales Verhältnis
zu setzen zur Mortalitätshäufigkeit.
Erst da, wo sich bei sonst gleichbleibenden Bedingungen der
Infektionsverhältnisse und äusserer Schädüchkeiten gröbere Verschie¬
denheiten der Erkrankungs- und Todeszahlen finden, wird man zu
den mehr individuellen Faktoren, der Disposition des Einzelnen, der
Familie, oder bei Betrachtung grösserer Bezirke im Reibmayer-
schen (17) Sinne zu Dispositionsverschiedenheiten nach bestimmten
Inzuchtsklassen, einer Stammes- und Rassendisposition greifen dürfen.
Dass auf dem Wege des statistischen Vergleiches sich wissen¬
schaftlich interessante Beziehungen werden feststellen lassen, erschien
mit aus dem Grunde wahrscheinlich, da die Statistik gewissermassen
der zahlenmässige Ausdruck und sicher erbrachte Nachweis dessen
ist, was besonders in den für die Dispositionslehre eintretenden Schriften
als Erfahrung der Ärzte bezeichnet wird. Da sich diese Ansicht in
einem gewissen steten Gegensatz zu den Lehren der Bakteriologen
befindet, so wäre hier eine Gelegenheit geboten, dieser Ansicht, falls
sie richtig ist, zum Ausdruck zu verhelfen.
Eine weitere Frage ist die, ob sich das Grossherzogtum Baden Vorzüge der
0 ... badischen
zu derartigen Untersuchungen eignet. Baden besitzt in den Arbeiten Statistik,
seines statistischen Landesamtes ein so wertvolles statistisches Material,
dass nur wenige andere Staaten, was Genauigkeit der Durcharbei-
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56
W. Hoffmann.
[8
Kritik des
Materials.
tung betrifft, konkurrieren können. Was die Erfüllung der Anfor¬
derungen an statistische Arbeiten betrifft, so ist durch die über
l*/a Millionen zählende Bevölkerung für die Benützung nicht zu
kleiner Zahlen gesorgt. Bei einer Verfolgung der Tuberkulosemor¬
talität und der übrigen in Betracht kommenden Verhältnisse über
einen Zeitraum von 10 Jahren, und Vergleichung der daraus gewon¬
nenen Durchschnittszahlen dürften wohl von Zufälligkeiten nur noch
sehr wenig abhängige Daten gewonnen werden können.
Aber nicht nur eine grosse Zahl gehört zu einer verlässlichen
Statistik, sondern auch ein gut beobachtetes und gleichmässig ver¬
arbeitetes Material. In diesem Punkt werden sich manche Unzuläng¬
lichkeiten heraussteilen. An diesen muss dann eine peinliche Kritik
einsetzen, um Massgaben für die Bewertung der Zahlen zu erhalten.
Einer der Hauptmängel ist die Unsicherheit über die Richtigkeit
der in den Sterberegistem eingetragenen Diagnose. Dieser Fehler ist
um so hochgradiger, je weniger die ärztliche Behandlung Platz greift.
Die relativen Zahlen der unter ärztlicher Behandlung Gestorbenen
sind nun für die verschiedenen Gegenden ungleich; es erfolgen nach
der Statistik des Jahres 1895 Schwankungen von 50,6 bis 84,6 °/o in
den Amtsbezirken, während sich noch grössere Unterschiede von 90,5
bis zu 46,8 °/o in den bezirksärztlichen Bezirken finden, wo noch eine
Trennung in Stadt- und Landbezirke statt hat.
Es seien hier die Zahlen der unter ärztlicher Behandlung und
mit ärztlicherseits gestellter Diagnose Gestorbenen in Prozentzahlen
der Gesamtsterblichkeit für das Jahr 1895 wiedergegeben.
Die höchsten Zahlen, mehr als 70°/o zeigen:
Freiburg Stadt
90,5
Heidelberg
78,8
Karlsruhe Stadt
90,0
Baden
78,0
Heidelberg Stadt
90,0
Emmendingen
75,0
Konstanz
84,6
Wertheim
74,7
Freiburg
83,6
Mannheim
74,1
Pforzheim Stadt
81,2
Donaueschingen
73,5
Lörrach
80,5
Ettenheim
71,8
Müllheim
80,3
Lahr
71,7
Staufen
79,5
Schönau
71,6
Mannheim Stadt
79,5
Bonndorf
71,4
Schopfheim
79,1
Kehl
70,7
Karlsruhe
78,9
Heidelberg Land
70,5
niedersten Ziffern, weniger als 60°/o zeigen:
Wolf ach
59,3
Buchen
57,1
Stockach
59,2
Eberbach
56,7
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9J
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
57
Karlsruhe Land 59,2
Tauberbischofsheim 59,1
St. Blasien 59,0
Rastatt 59,0
Adelsheim 57,6
Mosbach 55,7
Ettlingen 55,5
Wiesloch 53,3
Messkirch 50,6
Pforzheim Land 46,8
Diesen Zahlen entsprechend wird man die Genauigkeit der amt-
licherseits erhobenen Mortalitässtatistiken nach Todesursachen be¬
werten dürfen, falls der Durchschnitt der gesamten Bevölkerung des
Amtsbezirks als Einheit der statistischen Beobachtung zu Grunde
gelegt wird. Ein ganz anderes Bild wird aber entstehen, sowie die
Mortalität für bestimmte Bevölkerungsgruppen, z. B. Altersklassen,
bestimmt werden soll. Da ist nun in den meisten Landgegenden
gebräuchlich, meist nur bei Erkrankung der Familienernährer, also
der im besten Lebensalter stehenden Altersklassen, zum Arzte zu
schicken, während die alten Leute und kleinen Kinder meist ohne
ärztliche Konsultation den Verlauf der Erkrankung durchmachen und
zum letalen Ausgang kommen. Es werden sich infolgedessen die
diagnostischen Fehler im frühen Kindesalter und höheren Greisen-
alter vermehrt vorfinden.
Es ist weiter behauptet worden, dass eine zum letalen Ausgang
führende Phthise auch für den Laien so sichere Erscheinungen biete,
dass von den Fehlern der Totenschauerdiagnosen gerade bei dieser
Krankheit Abstand genommen werden könnte. Die Richtigkeit dieser
Folgerung muss entschieden beschränkt werden. Es kann ja wohl die
Phthise als solche erkannt, und für mittlere Altersklassen, wo wenig
andere zur Verwechslung kommende Krankheiten auftreten, mag man
auch dem obigen Schluss eine gewisse Richtigkeit zugestehen, für
höhere Altersklassen jedoch werden die chronischen, mit reichlichem
Auswurf einhergehenden Emphysembronchitiden, vielfach sogar manche
„zehrenden“ Krebskachexien von Laienseite als Phthise gedeutet
und infolge von Mangel ärztlicher Konsultation auch als solche im
Sterberegister figurieren. Die amtlichen Angaben über die Tuber¬
kulosemortalität für diese Altersklassen werden zu hoch ausfallen,
und aus diesem doppelten Grunde die Fehlerquellen der Statistik
für das höhere Alter grösser sein als für die sogenannten Blütejahre.
Es liegt mir fern, diese Fehlerquelle so hoch einschätzen zu
wollen, dass man auf sie gestützt einen Angriff gegen die Cornetsche
Beweisführung für die zunehmende Phthisefrequenz im höheren Alter
unternehmen könnte; denn selbst bei Abstrichen von 30°/o, einer
Zahl, die sicherlich viel zu hoch gegriffen ist, behielten dieCornetschen
Zahlen noch ihre volle Beweiskraft. Es sei dies vielmehr lediglich
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58 W. Hoffmann. [10
eine Klarlegung znm kritischen Verständnis später anzustellender
statistischer Ausführungen.
K.irderung Es ist ein sehr bedauerlicher Missstand, dass die statistischen
eiuer Mor- 7
statSSi" Erhebungen sich allein auf die Mortalitätszahlen beziehen. Über die
Morbidität bleiben unsere Kenntnisse immer noch lückenhaft. Die
Cor net sehe Methode zur Bestimmung der Zahl der Kranken durch
Multiplikation der Mortalitätszahl mit der durchschnittlichen Krank¬
heitsdauer hat nur für die von ihm benützten, über weiteste Bezirke
und grösste Zahlen sich erstreckenden Statistiken Gültigkeit und Be¬
rechtigung; für die in Baden in Betracht kommenden kleineren Be¬
zirke würden so gefundene Zahlen nur ungenaue Schätzungswerte
repräsentieren.
Über die Beziehungen von Morbidität zu Letalität, welche ihren
Ausdruck in der Mortalität finden, könnten solche aus der Mortalität
zurückberechnete Morbiditätszahlen keinen Ausschluss erteilen. Die
Beobachtung von Schwankungen und Verschiedenheiten in diesen Be¬
ziehungen wäre jedoch von grösster Wichtigkeit. Sehen wir bei
gleicher Morbidität in verschiedenen Gegenden verschiedene Morta¬
lität — Zu- und Abwanderung als bekannt gegeben —, ist also die
Zahl der zur Heilung kommenden Fälle in der einen Bevölkerung grösser,
so konnte die Frage nach den Gründen dieser besseren Heilerfolge
uns vielleicht über in der Bevölkerung selbst, ihrer Widerstandskraft
liegende Verhältnisse Aufschluss geben.
Ausserdem würde eine Morbiditätsstatistik, wie Brauer (2) für die
Cigarrenarbeiter der Rheinpfalz ausführt, in viel genauerer Weise die
Berufe berücksichtigen können. Die Erkrankung findet in den meisten
Fällen aus dem Beruf heraus statt, der letale Ausgang erfolgt häufiger
nach Berufsaufgabe oder vielfach nach Berufswechsel. Eine Berufs¬
statistik der Verstorbenen würde also den Tatsachen nicht ganz ent¬
sprechende Bilder geben, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten
der technischen Ausführung, oft sogar der Unmöglichkeit der Unter¬
scheidung zwischen den Berufstätigen selbst und ihren berufslosen
oder anderweitig beschäftigten Angehörigen.
Ortsanalyse. Es verdient an dieser Stelle die Frage eine Erörterung, ob über¬
haupt das durch die staatlicherseits vorgenommenen Erhebungen ge¬
lieferte statistische Material allen Anforderungen genügen kann. Zur
Anstellung des statistischen Vergleichs wäre es am zweckmässigsten,
solche geographisch begrenzte Bevölkerungsgruppen als Ausgangspunkt
und Systemeinheit anzunehmen, welche unter sich die grösste Über¬
einstimmung besitzen, eine gewisse homogene Zusammensetzung auf¬
weisen. Als eine solche natürliche Einheit ist abgesehen von grösseren
Städten der einzelne Ort, Dorf oder Städtchen anzusehen. Für den
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
11 ]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
59
Ort als Einheit wären die statistischen Ermittelungen anzustellen,
aus mehreren Orten mit gemeinsamen gleichen Verhältnissen wieder
grössere Gruppen zusammenzustellen. Der einzelne Ort ist das Objekt
einer genauen analytischen Forschung über Schädlichkeiten des Klimas,
der Beschäftigungsweise und Lebensweise der Bevölkerung, der Infek¬
tionsbedingungen und Häufigkeit derselben, eventuell der erblichen
Dispositionsverhältnisse in den Familien. Es sind das Forderungen,
wie sie an die amtlich aufgestellte Statistik unmöglich gestellt werden
können.
Diese Verhältnisse müssen durch ad hoc angestellte Unter¬
suchungen erst kennen gelernt und festgelegt werden, und durch sie die
staatlichen Erhebungen ergänzt werden. Riffel (19—21) hat derartige
Ortsanalysen als Untersuchungsmethode eingeführt, in seinen Arbeiten
jedoch auf die Ermittelung der Infektionsbedingungen fast gar keinen
Wert gelegt. Daher ist die scharfe Kritik zu verstehen, die seine
Arbeiten von bakteriologischer Seite auszuhalten hatten.
Es tritt auch hier wieder eine Schwierigkeit hervor, die sich bei
allen Statistiken fühlbar macht. Für einen bestimmten Zweck völlig
ausnutzbar sind nur solche Statistiken, die für diesen Zweck ange¬
fertigt wurden, so dass schon die Sammlung des Materials nach diesem
Gesichtspunkte erfolgen konnte. Diese leiden aber in mehr oder minder
hohem Grade an den subjektiven Fehlerquellen des Verfassers, soweit
sich solche bei Statistiken überhaupt bemerkbar machen können. Es
muss daher das Bestreben vorhanden sein, durch Berücksichtigung
möglichst vielseitiger und auch entgegengesetzter Momente diesen
subjektiven Fehler möglichst auszugleichen und auszumerzen. Bei
den nicht ad hoc verfertigten Statistiken bleiben häufig Momente
infofge Nichtbeachtung auch nicht entdeckt; dadurch entstandene
Fehler lassen sich nachträglich nicht mehr korrigieren und führen
infolgedessen häufig zu gänzlich falschen Bildern.
Eine derart eingehende ortsanalytische Arbeit über grössere Be¬
zirke ausgedehnt erfordert schon allein zur erstmaligen Feststellung
der oben erwähnten Gesichtspunkte eine längere Arbeitszeit. Ob
sich dann schon endgültige Schlüsse werden ziehen lassen, bleibt noch
sehr fraglich. Denn viel länger als über ein Menschenalter wird sich
die Untersuchung aus praktischen Gründen nicht erstrecken lassen.
Ein Menschenalter ist aber für die Entwickelung der Tuberkulose,
insbesondere bei Berücksichtigung der eventuell oder wahrscheinlich
vorhandenen hereditären Momente ein äusserst kurzer Zeitraum. Man
müsste vielleicht der einmaligen Feststellung für einen vergangenen
bis zur Gegenwart reichenden Zeitabschnitt noch eine fortlaufende
Beobachtung für die Zukunft folgen lassen. Dann aber kann man
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60
W. Hoffmann.
[12
sich der Hoffnung hingeben, genauere Kenntnisse der Pathogenese
zu erwerben, namentlich hinsichtlich der Unterscheidung zwischen
Familieninfektion und hereditärer Disposition.
Verbreitung der Schwindsucht in Baden.
Einteilung- Es soll nun versucht werden, geführt von den erwähnten Gesichts-
weiae ' punkten, zunächst ein Bild von der Verbreitung der Tuberkulose in
Baden zu geben. Als Ausgangspunkt für die statistischen Daten
dienten die vorzüglich durchgearbeiteten Veröffentlichungen des
statistischen Landesamtes für Baden: „Statistische Jahrbücher für
Baden“ und „Statistische Mitteilungen über das Grossherzogtum
Baden“, welch letztere einen besonderen, der medizinischen Statistik
gewidmeten, umfangreichen Abschnitt enthalten. Nach dem früher
Erwähnten ist aber die Feststellung von Beziehungen der geographi¬
schen und sozialen Verhältnisse nur als eine vorbereitende Arbeit
gedacht, gewissermassen eine Rekognoszierung über Aufenthaltsort,
Aufstellung und Taktik des Feindes.
Aus rein praktischen Gründen ist zur Erreichung dieses Zwecks
als Einheit der Untersuchung der Amtsbezirk gewählt worden. Für
eine natürliche Einteilungsweise sind zur Zeit noch keine fertigen
statistischen Erhebungen vorhanden. Dass diese Einteilungsweise
nach willkürlichen staatlichen Verwaltungsbezirken manche Missstände
in sich birgt, ist von vornherein klar. Soweit sie analysierbar sind,
können sie kritisiert, und die aus ihnen gezogenen Schlüsse entsprechend
modifiziert werden. Es sind das namentlich Zustände, wo sich Amts¬
bezirke über verschiedene klimatische und geographische Lage er¬
strecken, wo Amtsbezirke ganz unter dem Einfluss einer, in ihnen oder
im Nachbarbezirk liegenden grösseren Stadt sich befinden, wo Grenzen
von Industriegebieten oder verschiedenen Volkstypen einen Amtsbezirk
zerlegen. Da kann wohl manches der Kritik unterworfen werden,
mehr jedoch wird vorläufig unerkannt bleiben, so dass manche An¬
gaben cum grano salis zu nehmen sein werden. Das gilt insbeson¬
dere auch von Angaben über Durchschnittsbesitz, Einkommen, Er¬
nährung, Alkoholkonsum und ähnliches. Näher auf die Bewertung
des Zahlenmaterials im einzelnen wird an diesen verschiedenen
Punkten eingegangen werden.
Es besteht ein gewisser Gegensatz in der Verbreitung der Tuber¬
kulose auf dem Lande und den Städten. Derselbe macht sich be¬
sonders bei Vergleichen über Zu- und Abnahme der Krankheit be¬
merkbar. Es könnte nun mit Rücksicht hierauf ein Erfordernis zu
sein scheinen, die Städte von den Landbezirken zu trennen. Bei der
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Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
61
Durchführung einer solchen Spezialisierung treten aber Schwierigkeiten
und Komplikationen auf, die in vielen Beziehungen hindernd und
störend wirken können. Wenn z. B. bei den industriellen Berufen
mit Wohnung der Arbeiter auf dem Lande und Arbeitsplatz in der
Stadt, oder bei dem Zuzug der Kranken der Landbevölkerung zu den
meist in den Städten befindlichen Krankenhäusern sich eine Trennung
zwischen einheimischer Stadtbevölkerung und Zuzug aus der Um¬
gebung wird durchführen lassen, dann haben die durch eingehende
Untersuchung und Detaillierung bei Trennung von Stadt und Land
gefundenen Zahlen ihre Berechtigung, und sind den die Amtsbezirke
gesamt umfassenden bei weitem vorzuziehen. Eine solche Trennung
ist aber fast nur bei ganz spezieller Ortskenntnis und auch da nur
unter Zuziehung ausserordentlicher Hilfsmittel durchzuführen.
Im allgemeinen sind Land und die das industrielle Centrum dar¬
stellende Stadt so fest miteinander verbunden , es findet ein so leb¬
hafter Austausch, ein so vielfaches Zusammentreffen der Bewohner
beider statt, die Stadt bildet den Arbeitsplatz für die industriell
thätige, den Verkaufs- und Kaufplatz für die landwirtschaftlich thätige
Landbevölkerung, dass hier eine strikte Trennung, die nicht auf
breiter natürlicher Basis begründet ist, oft sehr willkürlich einschnei¬
dend wäre. Es dürfte also, insbesondere zur vorläufigen Orientierung,
die Einteilung nach Amtsbezirken gewisse Vorteile nicht verkennen
lassen.
Wenden wir uns nun zu der Verbreitung von Krankheiten, so (fcographi-
SCllO
findet sich in der medizinischen Statistik der „statistischen Mit- breitung.
teilungen über Baden fast stereotyp folgender Satz über das Ver¬
hältnis von Lungenschwindsucht und akuter Pneumonie- und Broncho¬
pneumonie: „Die Sterbeziffern für Schwindsucht verhalten sich in den
einzelnen Bezirken meist ähnlich, dagegen bietet die Sterblichkeit an
Lungenentzündung häufigere und grössere Verschiedenheiten. Dabei
ist der Landesdurchschnitt für beide Erkrankungen nur geringen
Schwankungen ausgesetzt.“ Ähnliche nur noch stärkere Schwankungen
wie die Lungenentzündung zeigen auch die übrigen akuten Infektions¬
krankheiten. Gleichmässige örtliche Verbreitung und Schwankung
nur innerhalb enger Grenzen in den verschiedenen Jahren zeigen
vor allem zwei Krankheiten: Lungenschwindsucht und Krebs. Auf
Tabelle I finden sich in Spalte 17 und 18 die Mortalitätsziffern dieser
beiden Krankheiten berechnet für den Durchschnitt der Jahre 1891
bis 1900 auf je 1000 Lebende des Durchschnittes der drei Volks¬
zählungen 1890, 95 und 1900.
Die niedrigste Mortalitätsziffer für Lungenschwindsucht zeigt Bovöike-
Neustadt mit l,52°/oo Todesfällen, die höchste Schwetzingen mit ,ungsd,chte ‘
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W. Hoffmann.
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4,26 °/oo. Der Landesdurchschnitt liegt bei 2,84. Vergleichen wir
mit dieser zahlenmässigen Darstellung die graphische Darstellung auf
Tafel I, so fällt auf, dass der Schnittpunkt der den Landesdurch¬
schnitt wiedergebenden Linie die ansteigende Linie der Tuberkulose¬
häufigkeit keineswegs in der Mitte ihrer Länge schneidet. Es ist dies
der graphische Ausdruck dafür, dass die Mehrzahl der grösseren, volks¬
reicheren Amtsbezirke sich auf der ungünstigeren Seite befindet, eine
höhere Tuberkulosemortalität aufweist, als die kleineren oder dünner
bevölkerten. Man könnte geneigt sein, darin direkt einen Einfluss
der Volksdichtigkeit zu sehen. Es ist jedoch gewagt, die geographische
Formulierung der Volksdichte auf das Quadratkilometer auf hygie¬
nische Verhältnisse übertragen zu wollen. Hier ist die Wohndichtig-
keit von grösserem Einfluss. Allerdings ist es nicht leicht, für
letztere einen zahlenmässigen Ausdruck zu verschaffen, da sehr viele
Faktoren zu berücksichtigen sind, Kubikraum der bewohnten Räume,
Anzahl derselben, Anzahl der Häuser und Ausdehnung der Häuser¬
komplexe d. h. bebaute Bodenfläche und schliesslich noch Ausdeh¬
nung des Weichbildes. Zur Verwertung dieser Zahlen muss auch
der praktischen Ausführbarkeit Rechnung getragen werden. Es ist
in Baden eine Auszählung der bewohnten Räume im Gange. Nach
deren Vollendung dürfte wohl durcli die Verhältniszahl der Wohn-
räume zu der der Einwohner eine als Gradmesser der Wohndichte
brauchbare Zahl gegeben sein. Einstweilen führten Vergleiche mit
den von geographischer Seite (28, 15) erfolgten Arbeiten über Be¬
völkerungsdichte in Baden, insbesondere den kartographischen Dar¬
stellungen zu der Erkenntnis, dass sich Erwägungen, der sich einst¬
weilen nur der geographischen Bevölkerungsdichtigkeit als Grundlage
bedienten, allzusehr auf theoretisierendes Gebiet begeben; es werden
infolgedessen diese besser unterbleiben. Als eine für uns später von
Wichtigkeit werdende Tatsache wird jedoch von Uhlig (28) hervor¬
gehoben, dass die zunehmende Bevölkerungsdichte ihren Grund in
der Industriethätigkeit dieser Gegenden finden lässt.
Die Verbreitung der Tuberkulose von rein geographischem Stand¬
punkt aus betrachtet, so findet sich ein grösseres Gebiet mit einer
sich meist weit über Landesdurchschnitt erhebenden Tuberkulose¬
mortalität in der unteren Rheinebene, den Amtsbezirken Baden,
Rastatt, Ettlingen, Karlsruhe, Bruchsal, Wiesloch, Schwetzingen,
Heidelberg, Mannheim, Weinheim und Eberbach entsprechend. In
diesem Gebiete zeigt sich wieder eine komplexe Gruppe, Bruchsal,
Wiesloch, Schwetzingen, Heidelberg, Eberbach mit einer Mortalität
über 3,5°/oo, die in Schwetzingen mit einer Mortalität von 4,26 °/oo
die ungünstigsten Verhältnisse aufweist. Die Erhebung der Mortali-
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Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulöseverbreitung in Baden.
63
tätsziffer im Amtsbezirk Baden auf 3,54°/oo ist besonders auffällig,
da sie wohl nicht auf die durch den Fremdenverkehr in der Stadt
Baden herbeigeführten Verhältnisse zurückzuführen sein dürfte, da
die Mortalität in dem Landbezirk grösser ist als in der Stadt selbst.
Im südlichen Teile der Rheinebene erheben sich nur die Bezirke
Lahr, und dann die benachbarten Freiburg und Staufen über den
Landesdurchschnitt, und auch deren Mortalitätszahlen, die bei Frei¬
burg noch- durch die Kliniken der Universität in ungünstiger Weise
beeinflusst werden, erheben sich nicht zu der im nördlichen Baden
beobachteten Höhe.
Günstige Verhältnisse zeigen die Bezirke des Odenwaldes, der
Taubergegend und des Baulands, dann ein Komplex der Amtsbezirke
Pforzheim, Bretten, Durlach. Schliesslich der ganze südliche Teil des
Rheintals, der Schwarzwald, die Baar und die Seegegend. Die gün¬
stigsten Mortalitätsziffem unter 2 °/oo zeigen die Amtsbezirke Buchen,
Kehl, Neustadt, Bonndorf, Überlingen.
Vergleichen wir mit dieser Verbreitung der Tuberkulose diejenige des Krebsver-
Krebses=malignerTumor, die in gleicherweise durch analoge Berechnung breitunB '
der Mortalitätszahlen festgestellt wurde, so ergibt sich ein fast direkt
entgegengesetztes Bild. Im ganzen ist die Mortalitätsziffer niedriger
als die der Schwindsucht, sie zeigt einen Landesdurchschnitt von
0,88 °/oo, erreicht das Maximum mit 1,58 in den Amtsbezirken Stockach
und Pfullendorf und das Minimum mit 0,59 °/oo in Pforzheim. Eine
stärkere Verbreitung durchweg über Landesdurchschnitt findet sich
in den südlichen Amtsbezirken, die im oberen Rheintal und der See¬
gegend die imgünstigsten Verhältnisse, Mortalitätsziffem über l,5°/oo
bieten. In den nördlichen Amtsbezirken erheben sich nur in Heidel¬
berg, Bruchsal, Weinheim und Eberbach die Mortalitätsziffem zu
geringer Höhe über Landesdurchschnitt. Es fallen also die Gebiete
höchster Tuberkulosemortalität mit denen niedrigster Krebssterblich¬
keit zusammen. Nur die Gebiete des Odenwalds, der Pforzheimer
Gegend und Kehl zeigen gleichmässig niedrige Mortalitätszahlen für
beide Krankheiten.
Aus dieser Art der Verbreitung dürfte wohl ersichtlich sein, dass
ein innerer kausaler Zusammenhang, eine Schaffung einer besonderen
Prädisposition für einander für die beiden Krankheiten nicht besteht,
oder jedenfalls von anderen Ätiologiemomenten so sehr übertroffen
wird, dass ein Einfluss auf die geographische Verbreitung nicht her¬
vortritt. Jedenfalls kann aber die Riffel sehe Behauptung, dass —
nicht nur in den von ihm untersuchten Familien — der Krebs häu¬
figer in auch von der Tuberkulose angefallenen Familien sich finde,
als widerlegt angenommen werden. Es ist damit keineswegs etwas
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64
W. Hoffmann.
[16
gegen die Ansicht ausgesagt, dass nicht etwa ein Lupus die Aus¬
gangsstelle bieten und Anlass geben könne zur späteren Entwickelung
eines Carcinoms. Auch hier kann die Statistik nur für die grosse
Zahl etwas aussagen, nicht für den einzelnen Fall. Das aber wird
sicher gestellt, dass ein andere Momente übertreffender Einfluss nicht
besteht, eher das Zusammentreffen beider Krankheiten bei ihrer Häufig¬
keit ein der mathematischen Wahrscheinlichkeit entsprechendes sein
wird.
Um einen Zusammenhang der Tuberkulosemortalität mit Epide¬
mien von Infektionskrankheiten nachzuweisen, müsste man auf die
einzelnen Orte als Untersuchungseinheit zurückgreifen. Für den
Amtsbezirk sind die Mortalitätszahlen an diesen anderen Krankheiten
schon zu gleichmässig, als dass man die geringen Ausschläge irgend¬
wie bewerten könnte. Aus den früher erwähnten Gründen ist ein
solches Eingehen zur Zeit noch nicht möglich, würde auch an dieser
Stelle zu weit führen.
KHmatiscbe Bei den grossen Differenzen, welche die klimatischen Verhält¬
nisse in Baden bieten, ist es interessant, Prüfungen anzustellen, in
wieweit sich diese Verschiedenheiten in den Mortalitätsziffern der
von uns verhandelten Krankheit zum Ausdruck bringen oder nicht.
In der Rheinebene, welche zu den wärmsten Gegenden Deutsch¬
lands gehört mit einem Jahresmittel der Luftwärme von 10° C. und
darüber, finden sich die Haupttuberkuloseherde. Auf der Hochebene
der Baar, den Amtsbezirken Donaueschingen, Villingen etwa ent¬
sprechend, einer äusserst kalten und windigen Gegend, die ein Jahres¬
mittel der Temperatur von nur 0,5° C. aufweist und im Winter fast
regelmässig Temperaturen unter — 25° C. erreicht, finden sich sehr
günstige Verhältnisse der Tuberkulosemortalität. Im Schwarzwald ent¬
spricht das Jahresmittel der Temperatur wohl der beträchtlichen
Höhenlage, doch sind im Winter häufig warme Sonnentage, welche
sogar ein Sitzen im Freien gestatten. In der Bodenseegegend macht
sich der ausgleichende Einfluss der Wasserfläche auf die Temperatur
geltend; es fehlt strenge Winterkälte und starke nächtliche Abkühlung.
Die Tuberkulosenverhältnisse dieser beiden letzten Gegenden sind
zwar recht günstig, aber um nichts besser als die in der rauhen und
windigen Baar.
Von sonstigen klimatischen Einflüssen wäre vielleicht zu er¬
wähnen, dass die Regenmenge in der nördlichen Rheinebene in der
Umgebung von Mannheim am geringsten ist, am regenreichsten der
Westabhang des Schwarzwaldes, wie sich auch bei der Erwägung,
dass die West- und Südwestwinde die feuchten Luftströme mit sich
führen, als physikalisch notwendige Folge ergibt. Ob man berechtigt
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17] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 65
ist, aus diesen Thatsachen einen Einfluss auf die Tuberkulosenmor¬
talität und ihre Verschiedenheit in den beiden Gebieten abzuleiten,
erscheint mehr als zweifelhaft, doch sollten trotzdem die bestehenden
Thatsachen ihre Erwähnung finden.
In höherem Masse verdient der Einfluss der Höhenlage Beachtung. Höhenlage.
In der Literatur, welche sich mit diesem Thema befasst, kommt mehr
der Einfluss der Höhenlage auf eine schon bestehende Phthise, also
meist in Verbindung mit Luftwechsel u. s. w. zur Diskussion. Es
handelt sich um die Frage nach einer spezifischen Wirkung der Hoch-
gebirgskur. In seiner Tuberkulosestatistik für die Schweiz findet
Schmid für die höheren Höhenlagen eine geringere Tuberkulosen¬
mortalität als für die Niederung. Für Deutschland im ganzen kommt
Köhler zu keinen eindeutigen Resultaten. Geringere Höhenunter¬
schiede, wie sie sich in den von Brauer untersuchten Cigarren¬
industrieorten Nordbadens finden, scheinen überhaupt keinen Einfluss
äussem zu können. Worin sich der Einfluss der Höhenlage äussert,
ob lediglich infolge der dort häufigeren grossen Abgeschlossenheit vom
Weltverkehr die Infektionsgelegenheiten seltener werden, das erscheint
noch nicht sichergestellt. Die Verminderung des Staub- und damit
Keimgehalts der Luft infolge der Luftverdünnung kommt wohl nur
für die höchsten Erhebungen in Betracht. Es dürfte sich also immer¬
hin lohnen, eine derartige Untersuchung für die mittleren Höhen¬
unterschiede anzustellen, wie sie gerade in Baden Vorkommen.
Zu diesem Zweck war es nötig, zunächst für die gewählte geogra¬
phische Einheit, den Amtsbezirk vergleichbare Höhen werte zu finden.
Eine geographische Durchschnittshöhe ist für unsere hygienische
Zwecke nur äusserst mangelhaft verwendbar. Denn eine unbewohnte
hohe Bergspitze in einem Gebiet ist hygienisch vollkommen gleich-
giltig, während sie die geographische Durchschnittshöhe bedeutend in
die Höhe treibt. Es dürfen also nur die Höhen der bewohnten Orte
zur Aufstellung des Durchschnittswertes verwandt werden. Geht man nun
so vor, dass man die Summe der Höhen der einzelnen Orte bildet
und durch die Zahl der Orte dividiert, so erhält man nur bei an¬
nähernd gleichmässiger Verteilung in den verschiedenen Höhen oder
gleicher Einwohnerzahl richtige Durchschnittsergebnisse. Ist dies aber
nicht der Fall, so könnte es z. B. Vorkommen, dass in einer niedrig
gelegenen Stadt der grösste Teil der Einwohner eines Bezirks zusam¬
mengedrängt ist, ausserdem aber noch eine grosse Anzahl hoch im
Gebirge liegender ganz kleiner Flecken und Dörfer zu dem Bezirke
gehören. Von diesen würde dann jedes auf die Durchschnittszahl den
gleichen Einfluss ausüben wie die grosse Stadt, die Durchschnittszahl
also viel zu hoch ausfallen. Es ist also nötig, den Einwohner-
Beitriige zur Klinik der Tuberkulose. H. 1.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
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W. Hoffmann.
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koeffizienten zu berücksichtigen und für den Einwohner die Durch¬
schnittshöhe, in der er lebt, zu berechnen. Die Ausführung gestaltet
sich also folgendermassen: Summierung der Produkte der Einwohner¬
zahlen mit Höhe des Ortes und Division durch die Gesamteinwohner¬
zahl des Bezirks.
Bei dem grossen Aufwand an Zeit, den eine solche Berechnung
erfordert, wurde dieser Modus nur bei den Amtsbezirken durchgeführt,
wo die einfachere Berechnung zu ungenaue Resultate bot, also den
im Gebirge liegenden. Auf der Tabelle I sind ihre Namen durch ein
Sternchen ausgezeichnet. Bei den in der Rheinebene liegenden ist
diese Berechnung unnötig, da die Differenzen der Höhe oft nur wenige
Meter betragen. Die Details für die Orte der einzelnen Amtsbezirke
hier wiederzugeben, wäre zu weitläufig; zur Technik der Ausführung
sei nur bemerkt, dass die Höhenangaben der topographischen Karte
im Massstab 1 :25 000 für das Grossherzogtum Baden entnommen
sind, also die Gewähr grösstmöglicher Zuverlässigkeit bieten.
Die auf diese Weise gefundenen Höhenzahlen schwanken zwischen
866 m für St. Blasien und 100 m für Mannheim. Es liegen 16 Amts¬
bezirke mit 717992 Einwohnern, also nicht ganz die Hälfte der Ein¬
wohnerzahl in der Höhenlage zwischen 100—200 m. 13 Amtsbezirke
mit 334437 Einwohner etwa l k der Einwohnerzahl in der Höhen¬
lage zwischen 200 und 300 m, zwölf Amtsbezirke mit 414312 Ein¬
wohnern, etwa 1 U der Gesamteinwohnerzahl ^zwischen 300 und 500
und elf Amtsbezirke mit 191206, also etwa 1 /s der Einwohnerzahl
in der Höhenlage über 500 m. Die näheren Einzelheiten finden sich
auf Tabelle II vermerkt. Ordnen wir nun die Amtsbezirke in der
Reihenfolge ihrer steigenden Tuberkulosemortalität, wie es auf Tafel I
geschehen ist und tragen die Höhen über dem Meeresspiegel als Or-
dinaten ein, so zeigt die Verbindungslinie der Endpunkte eine Zick¬
zacklinie, welche im grossen und ganzen einen Abfall mit Zunahme
der Mortalität erkennen lässt. Dieser Abfall der Tuberkulosemortalität
wird noch deutlicher bei Betrachtung der verschiedenen Höhengruppen
auf Tafel H. So zeigt die Höhengruppe I zwischen 100 und 200 m eine
Durchschnittsmortalität von 3,18 auf 1000 Lebende, der Höhengruppe II
zwischen 200 und 300 m eine solche von 2,56, der Höhengruppe IH
zwischen 300 und 500 m eine solche 2,58, die Höhengruppe TV
zwischen 500 m eine solche von 2,06. Bei dieser Zusammenstellung
ist zu bemerken, dass in Höhengruppe III der geringe Anstieg gegen H
durch das Überwiegen der grossen Einwohnerzahlen mit verhältnis¬
mässig hoher Tuberkulosemortalität in Freiburg und Pforzheim be¬
dingt ist. Die übrige Gruppe würde den erwarteten bedeutenden
Abfall der Mortalitätsziffer in deutlichster Weise vorzeigen. Es wären
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
19] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. G7
dann, abzüglich Freibarg und Pforzheim, bei einer Einwohnerzahl von
273488 Menschen 2,35 °/oo Tuberknlosetodesfälle zu verzeichnen.
Eine Deutung dieser Zahlen ist an dieser Stelle noch verfrüht.
Die Höhenlage ist gemeinschaftliche Ursache so mancher anderer
Momente, welchen ihrerseits wieder ein Einfluss auf die Tuberkulose¬
mortalität nicht abzusprechen ist, so dass erst in Zusammenhang mit
diesen auch der reine Einfluss der Höhenlage als solcher diskutiert
werden kann. Es wird vielleicht im folgenden gelingen einzelne
Faktoren, welche in Konkurrenz mit dem Einfluss der Höhenlage
treten oder einen denselben paralysierenden Einfluss haben können,
wie z. B. gewisse Industrieverbreitungen aus dem allgemeinen, in sich
unabgegrenzten Gemenge von wechselnden Einflüssen zu eliminieren.
Aus der vorliegenden Aufstellung scheint jedoch mit Sicherheit so
viel hervorzugehen, dass die Höhenlage in Baden Zustände schafft,
welche der Verbreitung der Tuberkulose entgegenwirken. Es zeigen
sich hier ähnliche Verhältnisse, vielleicht nur durch die verschiedene
Art der Zusammenstellung noch deutlicher hervorgehoben, wie sie
Schmid(23) für die Schweiz nachw r eist. Eine gewisse Skepsis bleibt
jedoch noch immer angezeigt und vorläufig hat Krieger (8) die Beant¬
wortung dieser Fragen dahin präcisiert, dass sie sich noch nicht aus
dem Kähmen der Hypothese bewegt, und daran kann auch das Bei¬
bringen weiterer Tatsachen von geringerer Tuberkulosemortalität in
grösserer Höhe ohne genaueste Analyse anderer mitwirkender Momente
einstweilen nichts ändern.
Einfluss sozialer Verhältnisse und der Ernährungsweise.
Ein bedeutender Einfluss wurde der Volksmeinung nach von jeher
drückenden sozialen Verhältnissen, Armut, Sorgen, Kummer, Ent¬
behrung zugesprochen. Es sind ja nun vielfach mit der Armut Zu¬
stände verbunden, welche eine Verbreitung der Schwindsucht plausibel
machen, wie enges Zusammen wohnen und vielfach auch Unreinlichkeit.
So bezeichnet Ransome (16) die Tuberkulose direkt also eine „filth-
disease“. Es entbehrt nun eines gewissen Interesses nicht, den Ver¬
such anzustellen, ob sich ein Zusammenhang feststellen lässt zwischen
der Höhe der Tuberkulosemortalität und Zahlen, welche einen Mass¬
stab für die erwähnten Faktoren abgeben können.
Als eine die pekuniäre Leistungsfähigkeit der Amtsbezirke cha¬
rakterisierende Zahl wurde aufgestellt die Durchschnittszahl des
steuerbaren Einkommens pro Kopf der Bevölkerung. Die Zahlen
sind ja wohl nicht ganz gleichmässig entsprechend der verschiedenen
5 *
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Armut.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
W. Hoff mann.
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Zusammensetzung der Bevölkerung aus Reichen und Armen in den
verschiedenen Bezirken, es lässt sich jedoch immerhin ein der Wirk¬
lichkeit entsprechendes Bild konstruieren. Genauere Zahlen sind
schwer zu erhalten. Man könnte vielleicht so Vorgehen, den Prozent¬
bestand der Bevölkerung aus den verschiedenen Steuerklassen, insbe¬
sondere der niedersten, zu bestimmen. Wo diese Zahlen leicht zugänglich
sind, wäre diese Methode wohl vorzuziehen; im einzelnen muss man
aber den praktischen Verhältnissen Rechnung tragen und versuchen,
das Vorhandene entsprechend zu verwerten.
Die Berechnung erfolgte in der Weise, dass aus den Angaben
der Steuerverwaltung für die Jahre 1892, 96 und 98 das Mittel auf
die Durchschnittseinwobnerzahl 1891—1900 berechnet wurde. Die
auf diese Weise gefundenen Zahlen schwanken zwischen 1517 Mark
im Amtsbezirk Eberbach und 4556 Mark im Amtsbezirk Mannheim.
Das Landesmittel liegt bei 2340 Mark. Deutung dieser Zahlen und
Folgerungen aus ihnen sind mit grösster Vorsicht anzustellen. Ver¬
folgen wir die Kurve auf Tafel I, welche diese Zahlen graphisch dar¬
stellt, so sehen wir eine unregelmässige Zickzacklinie, der auch nicht
der geringste Zusammenhang mit der die Tuberkulosesterblichkeit
wiedergebenden Linie nachgewiesen werden kann. Die grösseren Er¬
hebungen finden sich in der letzten Hälfte der Kurve bei den grossen
Handels und Industriestädten, wo auch die Tuberkulose beträchtliche
Höhe zeigt. Nun besteht aber gerade in diesen Bezirken ein Gegen¬
satz zwischen Stadt- und Landbezirk derart, dass auf dem Lande die
Tuberkulose grössere Verbreitung besitzt, als in der Stadt, wo sich
der Grossbesitz findet. Es wäre also schon deswegen statistisch un¬
möglich, die höhere Tuberkulosemortalität mit dem grösseren Besitz
in Beziehung bringen zu wollen, abgesehen davon, dass dies allen
anderen Erfahrungen direkt widersprechen würde. Wir müssen offen
gestehen, dass wir auf diese Methode einen Zusammenhang nicht
nachweisen können. Dass ein solcher Zusammenhang, falls er doch
bestehen sollte, nur äusserst mittelbar sein kann, dafür spricht auch
die von Virchow (29) bei Gelegenheit des Hungertyphus in Schlesien
gemachte Erfahrung, dass trotz der grössten Entbehrungen, welchen
die dortige Bevölkerung eigentlich zeitlebens unterworfen war, keine
nennenswerte Tuberkulosehäufigkeit zu beobachten war.
Andererseits ist auch die Höhe des Verdienstes, die sich in den
angeführten Zahlen widerspiegelt, durchaus nicht immer gleichbe¬
deutend mit den Mitteln, die in rationeller Weise zu vernünftiger
Lebensführung verwandt werden. Es spielen hier die mannigfachsten
Gründe mit. Zunächst kommt in Betracht, wie viel dieses Verdienstes
thatsächlich zur Ernährung und Wohnung verwandt wird. Von seiten
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
21 ]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
69
der badischen Fabrikinspektion hat Wörrishofer (30) speziell für die
Tabakarbeiter genaue Erhebungen über dieses Jahresbudget der
Arbeiterfamilien ausgeführt.
Abgesehen von der geringen Höhe der überhaupt zu Gebote
stehenden Geldmittel, die vielfach zum Schuldenmachen nötigen, zeigt
sich ein Missverhältnis der Kosten für Genussmittel Bier und Kaffee,
für welche oft mehr, fast überall aber die gleiche Summe aufgewandt
wird, als für Brod und Fleisch. Die Zahlen schwanken zwischen
Ve und Vio des Gesamtaufwandes für den Haushalt. Dabei ist das
von dem Manne konsumierte Bier wohl vielfach der Berechnung ent¬
zogen. Ausserdem lässt sich feststellen, dass ein beträchtlicher Teil
der Arbeiterbevölkerung in Unterernährung lebt, und diese bei den
Frauen meist beträchtlicher ist als bei den Männern, die in egoisti¬
scherer Weise sich manche ausserordentlichen Zuwendungen gestatten.
Eine andere Ursache für die Ungleichmässigkeit der Beziehungen
zwischen Einkommen und Umsatz desselben in geeignete Nahrungs¬
mittel liegt in der vielfach beobachteten und beklagten Unfähigkeit
der Arbeiterfrauen, mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln eine
geeignete Nahrung zu bereiten, so dass schliesslich das, was zur Auf¬
nahme kommt, nicht im Verhältnis steht zu den dafür aufgewandten
Mitteln. Bei der Frage nach den Gründen dieser Zustände kommen
wir schon bedeutend auf sozialökonomisches Gebiet. Eine ausführ¬
lichere Behandlung an dieser Stelle dürfte sich wohl deshalb verbieten.
Die Fragen sind jedoch zu interessant, als dass sich eine vollständige
Übergehung derselben rechtfertigen Hesse. Es wurde mir von seiten
des badischen Ministeriums des Innern in dankenswertester Weise das
Ergebnis einer diese Punkte betreffenden Umfrage zur Verfügung
gestellt.
Mit Rücksicht auf die staatlicherseits einzuschlagenden Mittel
zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit war von seiten
des Ministeriums an die badischen Bezirksärzte eine Umfrage ge¬
richtet worden mit Charakterisierung folgender Punkte:
1. Ist in der Beschaffenheit der Wohnungen und in der Art der
Ernährung ein die Verbreitung der Tuberkulose begünstigender Faktor
zu erblicken?
2. Wird bei den Kindern häufig Rhachitis und Skrofulöse beob¬
achtet ?
3. Liegt im Falle ungenügender Ernährung der Grund hierzu
lediglich in der Armut der betreffenden Familien oder in der Un¬
kenntnis der Frauen mit Bezug auf die Zubereitung der täglichen
Kost?
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
70
W. Hoffmann.
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4. Wäre durch weitere Verbreitung des Haushaltungsunterrichtes
für Fortbildungsschülerinnen diesem Umstand vielleicht Rechnung zu
tragen ?
5. Bewirkt die Cigarrenfabrikation eine weitere Verbreitung der
Ansteckungsgefahr und der Krankheit selbst?
Wird bei den Kindern von Cigarrenarbeitem häufiger als bei
anderen Skrofulöse und Rhachitis beobachtet?
In der Beantwortung dieser Fragen findet sich mit Ausnahme
von Staufen und Baden fast überall das gleiche Klagelied über enge,
überbelegte, zum Teil unreinliche Wohnungen, vielfach in so drastischer
Darstellung, dass hier einiges im Original wiedergegeben sei. So
schreibt B e h r 1 e von Schwetzingen: Ein Zimmer mit mehr als sechs,
oder zwei Zimmer mit mehr als zwölf Personen belegt keine Selten¬
heit, gemeinsame Benutzung eines Bettes von bis zu vier Personen
beiderlei Geschlechts. In Bruchsal nennt K1 e h e die Verhältnisse
sehr günstig, wenn Wohnzimmer und Schlafzimmer mit wirklicher
Zwischenwand und Küche der Familie zur Verfügung steht. Meist
jedoch nur Trennung durch Schränke oder Vorhänge. Ähnlich lauten
die Berichte aus den anderen Bezirken mit sehr hoher Tuberkulose¬
mortalität.
Die Ernährung wird ebenfalls vielfach als ungenügend bezeichnet;
so heisst es von Schwetzingen: „Wurst und Kartoffeln, oder Käse und
Bier keine Mittagsmahlzeit für hart arbeitende Menschen. Für Eber¬
bach berichtet Eberle: die Arbeiter nehmen grösstenteils ihre Mittags¬
mahlzeit ausserhalb der Wohnungen und infolgedessen zum grössten
Teil kalt und gemessen dabei anstatt Milch oder nahrhafter Suppen
minderwertiges Bier in nicht geringen Quantitäten.
Als Ursache dieser Zustände wird fast allgemein weniger die
krasseste Armut und Not, die erst bei Arbeitsunfähigkeit der Familien¬
ernährer eintritt, sondern das Leben von der Hand in den Mund,
ferner die Unkenntnis der Frauen in der Zubereitung geeigneter
Nahrungsmittel beschuldigt. Schneider (Staufen) charakterisiert
treffend diese „Unkenntnis in der Unterscheidung von Nahrungs- und
Genussmitteln,“ so dass Bier und Kaffee als Nahrungsmittel genossen
werden, letzterer sogar mittags als Hauptmahlzeit. Dass die jungen
und alten Frauen von Hauswirtschaft nicht viel verstehen, ist sicher,“
führt der Wieslocher Berichterstatter Schleid aus, „wann sollten sie
aber auch dazu kommen, da Mutter und Tochter zusammen in die
Fabrik gehen! Nicht die Armut macht den Menschen krank, sondern
die Geldgier.“ Das letztere dürfte wohl etwas paradox ausgesprochen
sein; die Arbeit der Frauen in ausgedehntem Masse hängt vielfach
mit der Niedrigkeit des Lohnes für männliche Arbeiter zusammen,
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
23]
Beitrag zur Kenntnis der Tnberkuloseverbreitung in Baden.
71
so dass der Lohn des Familienvaters eben für das Bedürfnis der
Familie vielfach nicht ausreicht. Andererseits drückt auch wieder
die ausgedehnte Verwendung weiblicher Arbeiter den Lohn der männ¬
lichen herab. So zeigt Wörrishofer in seiner obenerwähnten Schrift,
dass das Budget mancher Familien auch ohne grosse Bedürfnisse und
Ansprüche mit einem Defizit abschliessen muss, wenn aus irgend
einem Grunde sich nicht alle Familienmitglieder an dem Erwerbe
beteiligen können.
Nach diesen, allerdings einer subjektiven Färbung nicht ent¬
behrenden Angaben lässt sich die Möglichkeit eines direkteren Zusam¬
menhangs zwischen der Armut und der in ihrem Gefolge erscheinen¬
den Schädlichkeitstrias, Unterernährung, enge Wohnung und Unrein¬
lichkeit, nicht von der Hand weisen. Jedenfalls tritt aber der Ein¬
fluss in den auf statistischem Wege gewonnenen Zahlen für Baden
nicht hervor. Für Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main
ist es Raths gelungen, ein verschiedenes Verhältnis der Tuberkulose¬
verbreitung in den von ärmeren Volksklassen bewohnten Stadtteilen
gegenüber den von Wohlhabenderen bewohnten zu Ungunsten der
ärmeren nachzuweisen. Hier scheint diese Tatsache mehr eine Folge
der Berufsschädigung und vermehrten Infektionsgefahr der Arbeiter¬
bevölkerung gegenüber den mehr geschonten Wohlhabenden zu sein,
und es bleibt fraglich, ob für ländliche Bezirke, wo es auch für die
ärmere Bevölkerung exquisit gesunde Berufsarten gibt, sich ähnliche
Verhältnisse finden.
Ebenfalls zu nicht eindeutigen Resultaten führte ein Versuch, die
Ernährungsweise der Bevölkerung direkt zu kontrollieren. Als Mass-
stab sollte dienen die Stückzahl des während eines Jahres zum Kon¬
sum gekommenen Rindviehs pro Seelenzahl der Bevölkerung. Die
von drei während des Zeitraumes 1891—1900 herausgegriffenen
Jahren aus den Fleischbeschaulisten gewonnenen Durchschnittszahlen
schwanken zwischen 13,9 Stück auf 100 Einwohner in Mannheim
und 3,35 in Eppingen. Der Durchschnitt wird schätzungsweise bei
8—9 liegen. Diese Zahlen zeigen eine mit der Vermögenslage in
entferntem Parallelismus stehende, unregelmässige Schwankung, so dass
sich auch aus ihnen keine sicheren Schlüsse gestalten. Auch eine
Korrektion derselben durch Berücksichtigung des verschiedenen Durch¬
schnittsgewichtes des Rindviehs in verschiedener Gegend, das für den
Gesamtrindviehbestand von 283 kg pro Stück im Kreise Lörrach bis
zu 368 kg im Kreise Konstanz schwankt, führte zu keinem befrie¬
digenden Resultate.
Ähnlichen Schwierigkeiten der Deutung begegneten den Zahlen, Aikohoi-
welche als Massstab für den Alkoholkonsum der Bevölkerung dienen
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72
W. Hoffmann.
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sollten. Präcise Zahlen, welche direkt den Konsum der Bevölkerung
wiedergeben, sind für den Weinkonsum zu erhalten aus der Wein¬
steuer, speziell dem Weinaccis, der von allem zum Konsum kommen¬
den Wein erhoben wird. In Literzahl pro Kopf der Bevölkerung
berechnet, ebenfalls aus drei willkürlich herausgegriffenen Jahren, er¬
gaben sich Durchschnittszahlen, die von 12,2 1 in Eppingen bis zu
43,2 1 in Karlsruhe und 54,5 1 in Baden schwanken. Im allgemeinen
entsprechen diese Zahlen den Vermögenszahlen; auch da, wo sich ein
Gegensatz bemerkbar macht, wie z. B. in St. Blasien und Schönau,
lässt er sich auf einfache Weise durch den beträchtlichen Konsum
erklären, der seitens zugereister Gäste in den Luftkurorten während
der Sommermonate geschieht. Auf gleiche Weise findet der enorme
Konsum in Baden seine Deutung, wo allerdings auch ein grosser Teil
des Verbrauchs auf die Bevölkerung fällt.
Unzuverlässigere Zahlen lassen sich für den Bierkonsum erhalten,
da hier nur für die Steuerämter die Produktions-, Ausfuhr- und Ein¬
fuhrzahlen bekannt sind. Der ziemlich ausgedehnte Handel zwischen
den verschiedenen Amtsbezirken entzieht sich der Beobachtung. Eine
nähere Besprechung der gefundenen Zahlen würde zu keinem ein¬
deutigen Ergebnis führen, doch sei ihnen ein Platz in Rubrik 19 der
Tabelle I eingeräumt.
Auch aus der Zahl der Wirtschaften pro 100 Lebenden in den
verschiedenen Amtsbezirken wurde versucht, eine Massgabe zu er¬
halten für den Alkoholkonsum, so dass sich aus Wein- und Bierkon¬
sum und Wirtshauszahl ein zahlengemässes Bild von dem Wirtshaus¬
leben der Bevölkerung gewinnen Hesse. Auch diese Zahlen lassen
keinen Zusammenhang mit denjenigen für die Tuberkulosemortalität
erkennen. Zur Entscheidung aber, ob aus dem Fehlen eines Zusam¬
menhangs zwischen den als Massstab für den Alkoholkonsum und der
Ernährungsweise aufgestellten Zahlen und den Zahlen der Tuber¬
kulosemortalität wirklich das Fehlen einer Beeinflussung zu schliessen
ist, halte ich mich nicht für berechtigt. Zu diesem Zwecke müssten
erst in kleinerem Kreise analytische Arbeiten vorausgehen, welche
das Zutreffen der durch die erwähnten Zahlen im grossen darge¬
stellten Verhältnisse im Detail bestätigten. Immerhin bieten sie auch
in ihrer jetzigen noch umschleierten Form manche, das Interesse an¬
regende Gesichtspunkte.
Zur besonderen Vorsicht in einer negierenden Schlussfolgerung
wegen des Einflusses des Alkoholkonsums forderte die Wichtigkeit
auf, mit der diese Frage in dem Berichte der Bezirksärzte behandelt
wird. Hier beklagt der Bruchsaler Berichterstatter die üble Gewohn¬
heit, in manchen Familien anstatt regelmässiger warmer Mahlzeiten
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
2o] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 73
vielfach das Geld zur Beschaffung von Bier und kalter Küche und
häufig auch von Branntwein zu verwenden. In Ettlingen wird von
Fröhlich die Unsitte gefunden, sogar kleinen Kindern Bier zu geben;
das Gleiche gilt von Staufen, wo sogar bisweilen Säuglinge „als stark
machend“ Wein erhalten. Fast überall die Klage, dass der Alkohol¬
konsum in keinem Verhältnis steht zur Aufnahme von Nahrung. In
Eberbach herrscht die Unsitte bei den Steinbrechern und Stein¬
hauern, Bier fassweise, auf gemeinsame Kosten angeschafft, auf die
Arbeitsplätze mitzunehmen, wodurch auch an und für sich massige
Leute, um auf die Kosten zu kommen, zu vermehrtem Trinken ge¬
bracht werden.
Es sind ja nun diese Berichte deshalb mit Zurückhaltung in ihrer
Beurteilung zu behandeln, weil die entsprechenden und zum Vergleich
heranzuziehenden aus den gesünderen Amtsbezirken nicht daneben
gestellt sind, sondern nur von den in der Schwindsuchtsmortalität
über Landesdurchschnitt stehenden der Bericht eingefordert wurde.
Es wäre ja nun möglich, dass — dem Ergebnis der aufgestellten
Statistik entsprechend — auch in diesen Gebieten dieselben Klagen
über allzureichlichen Alkoholkonsum ertönten.
Eine Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs wäre vielleicht
ausserdem durch die Erwägung möglich, dass viele der erwähnten
Missstände nicht als solche die Tuberkulose herbeiführen, sondern
nur in ihren Folgezuständen. Diese wieder können gemeinsam für
die verschiedensten Faktoren sein. Es ergibt sich schliesslich ein
solches Gewirre sich gegenseitig beeinflussender Verhältnisse, dass
eine Lösung und Schlichtung über die Kompetenz der statistisch ab¬
zählenden Analyse geht.
Einfluss der Berufsarten.
Wir kommen nun zu dem wichtigsten Teil, zu der Beantwortung
der Frage nach dem Einfluss der Beschäftigungsart auf die Tuber¬
kulosemortalität. Es fehlen, wie schon früher erwähnt, Statistiken
über die Berufsart der Gestorbenen. Wir können mit dem uns zu
Gebote stehenden Material nur so verfahren, dass wir die berufliche
Zusammensetzung der lebenden Bevölkerung in Beziehung setzen zu
der Mortalitätsziffer an Phthise. Die von uns aufgestellten Mortali¬
tätsziffern sind also die Summe der Mortalitätsziffern der einzelnen
Berufe und der berutiosen Angehörigen. Wie weit sie durch die über
den Durchschnitt steigende Mortalitätsziffer eines Berufes beeinflusst
werden können, ergibt sich aus der Mächtigkeit dieses Berufes in
der Bevölkerung und aus der Zusammensetzung der dem Beruf an-
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Allgemeine
Gesichts¬
punkte und
Einteilung.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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W, Hoffmann.
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gehörigen Bevölkerungsschicht aus wirklich Erwerbstätigen und deren
Angehörigen. Bis sich an der Gesamtmortalität der Einfluss eines
Berufszweiges mit erhöhter Mortalitätsziffer an Phthise bemerkbar
macht, muss derselbe einen gewissen Prozentsatz im Gemenge der
Berufe erlangt haben. Dann aber wird der Ausschlag in der Gesamt¬
sterblichkeit nicht nur durch das Mehr an Tuberkulosetodesfällen
bedingt sein, die dem Berufe selbst zur Last fallen, sondern auch
durch die Opfer der Ansteckung durch Kranke dieses Berufes unter
der übrigen Bevölkerung. Es liegt also in den auf diese Weise ge¬
fundenen Resultaten die Lösung der Frage nach der Gefahr bestimmter
Berufszweige für die Gesamtbevölkerung. Diese Frage kommt beson¬
ders für das staatliche Interesse in Betracht. Denn für den Staat
ist es von ganz verschiedener Wichtigkeit, ob ein Berufszweig zwar
das Leben der damit Beschäftigten erheblich verkürzt, eine weitere
Krankheitsverbreitung aber nur in beschränktem Masse stattfindet,
oder ob ausser der Schädigung der Berufsthätigen noch eine Ver¬
breitung in die Familie und weitere Kreise begünstigt wird. Bei
letzterem spielen die mehr auf sozial-ökonomischem Gebiet liegenden
Momente der Frauenarbeit, der Beschäftigung jugendlicher Arbeiter,
der Mitarbeit der ganzen Familie eine bedeutende Rolle. Zum zahlen-
mässigen Ausdruck kommen diese Verhältnisse in den Prozentziffem
für Erwerbsthätige, — getrennt in männliche und weibliche, — und
Zahlen der Angehörigen und Dienenden. Bei den weiblichen Er¬
werbstätigen wäre wieder zu unterscheiden der Familienstand, ob
ledig oder verheiratet. Es sind dies Ziffern, welche bei gegebener
Infektionsgelegenheit durch den Beruf, Rückschlüsse zulassen auf die
Gefahr des Einschleppens in Familie, oder bei einer direkten Schä¬
digung durch den Beruf, den Einfluss desselben auf die Familie ab¬
schätzen lassen.
Dass die Folgen eines grösseren oder kleineren Verdienstes bei
verschiedenen Berufsarten in ihren Rückschlägen auf Wohnungsver¬
hältnisse und Ernährung und dergleichen sich äussern, bedarf keiner
weiteren Klarlegung. Zu dieser Verschiedenheit des Verdienstes der
Berufsarten kommt noch eine Verschiedenheit nach der Gegend. Diese
Verschiedenheiten aber zahlenmässig zu fixieren, erwies sich bei den
vielfach ungenauen, oft nur für juristische Streitfragen ausschlag¬
gebenden, den wirklichen Löhnen nicht entsprechenden Angaben als
ein fruchtloses Unternehmen.
Verfolgen wir nun in einer dem Schema der statistischen Ämter
entsprechenden Reihenfolge die einzelnen Berufsgruppen und Arten
in ihrer zahlenmässigen Zusammensetzung nach der Berufszählung
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27] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 75
vom 14. Juni 1895 und wenden uns zunächst zu der Betrachtung der
Hauptgruppen:
A. Landwirtschaft und Tierzucht, Gärtnerei, Forstwirtschaft, Jagd
und Fischerei.
B. Gewerbe und Industrie mit Einschluss des Bergbaues, der
Hütten und Salinen, sowie des Bauwesens.
C. Handel, Versicherungswesen und Verkehr.
D. Taglohnarbeit wechselnder und gemischter Art, sowie persön¬
liche Dienstleistung.
E. Militär, Hof-, bürgerlicher und kirchlicher Beruf, auch soge¬
nannte freie Berufsarten.
F. Beruflose, d. h. Personen ohne Berufsausübung, Rentner,
Pensionäre, von Unterstützung lebende, Zöglinge, Studierende, In¬
sassen von Irren-, Straf- und Besserungsanstalten und Personen ohne
Berufsangabe.
Zur Orientierung über die Schwankungen in der Zusammensetzung
der Bevölkerung aus diesen Berufsgruppen in Prozentzablen, welche
die Angehörigen der einzelnen Gruppen mit umfassen, diene folgende
Übersicht.
Bezeichnungen der
Berufsgruppen
A
B
C j D
E
F
Minimum
im Amtsbezirk
7,37
13,0
4,5
0,178
2,43
2,64
Landesdurchschnitt
42,3 j
!
34,8
9,95
0,798
5,49
6,55|
Maximum
im Amtsbezirk
71,8
61,2
26,0
i
2,25
t
13,0
14,82
Einer eingehenderen Besprechung sollen die Gruppen A als Land¬
wirtschaft charakterisiert, B = Industrie, C = Handel unterzogen werden.
Die übrigen drei Gruppen sind von geringerer Wichtigkeit, einmal
wegen ihrer geringen zahlenmässigen Grösse, so erhebt sich Gruppe D,
die der wechselnden Taglohnarbeit etc. nicht über eine Prozentbe¬
teiligung, bei welcher man eine Beeinflussung mit Aussicht auf irgend
einen Erfolg nachzuweisen versuchen könnte, die Grösse der Gruppe E
ist hauptsächlich durch die Grösse der Garnisonen bedingt, und die
Zusammensetzung der letzten Gruppe ist zu verschiedenartig aus den
mannigfachsten Kategorien, als dass man sie in den verschiedenen
Bezirken einheitlich bewirten könnte.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
76
W. Hoffmann.
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Betrachten wir zunächst die Zusammensetzung der einzelnen Be¬
rufsgruppen aus Erwerbstätigen — Männern und Frauen — Dienst¬
boten und Angehörigen an Hand der nebenstehenden Tabelle.
Bezeichnung der
Berufsgruppe
A
Landwirtsch.
B
Industrie
C
Handel
Erwerbstätige
Gesamt
51,1
48,2
44,1
Männer
31,6
36,2
30,2
Frauen
19,5
12,0
13,9
1
Dienstboten
1,44
i 1
2,12 5,77 |
Angehörige
47,46
49,68
56,03
Die Verschiedenheit der Zusammensetzung in den einzelnen Gruppen
ist sofort evident. Bei Folgerungen auf den Einfluss derselben hin¬
sichtlich der Tuberkulosehäufigkeit ist zu unterscheiden, ob es sich
um direkt schädliche Berufe, oder solche mit vermehrter Infektions¬
gefahr handelt, schliesslich kann sich auch beides vereinigen. Dann
wird eine grössere Beteiligung der Frauen einen entschiedenen Nach¬
teil bedeuten, da zu der Gefahr der Infektion in der Familie und im
Haus noch die Berufsschädlichkeiten mit ihren Infektionsquellen und
Gefahren hinzutreten. Andererseits bei gesunden Berufen, die keine
besonderen Infektionsgefahren herbeiführen, ist ein Zuzug der Frauen
nicht schädlich anzusehen, eher sogar vorteilhaft, da die Ansteckungs¬
gefahr in der Familie herabgesetzt wird, insbesondere zu Hause
liegende Kranke auf kleinere Kreise ansteckend wirken können. Als
Beispiel für letztere Kategorie mag die Landwirtschaft gelten, die
eine Beteiligung von 19,5 Prozent Frauen unter den Erwerbstätigen
aufweist.
Eine Einschränkung dieser Behauptungen ist für diejenigen Berufs¬
arten geboten, bei denen die verheirateten Frauen in grosser Zahl be¬
teiligt sind, abgesehen von der Landwirtschaft. Es wird durch die
Berufsarbeit die Mutter den Kindern entzogen, diese wesentlich der
Aufsicht der Alten und Kranken überlassen, die Reinlichkeit des Haus¬
haltes, die Zubereitung der Speisen leidet not, und es werden alle
jene Zustände begünstigt, welche bei Erkranktsein eines Familien-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
29]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberknloseverbreitung in Baden.
77
gliedes eine weitergreifende Familieninfektion, namentlich der Heran¬
wachsenden Generation begünstigen. Diese Missstände erfahren selbst¬
verständlich die grössten Schwankungen bei den verschiedenen Be¬
rufszweigen der Industrie; es erweist sich daher nötig diese einzeln
abzuhandeln. Vorläufig sei nur so viel als sicher festgestellt, dass
die Gesamtheit der Industriebeschäftigten als mehr gefährdet ange¬
sehen werden muss als die landwirtschaftlichen Berufszweige. Für
die Frauenarbeit hat die Landwirtschaft auch mit aus dem Grunde
eine Sonderstellung, weil im landwirtschaftlichen Betrieb die Frau
viele sie in das Haus zurückführende Beschäftigungen hat, wobei ihr
Aufenthalt im Hause in natürlicher Weise der Erfüllung ihrer Haus¬
frauen- und Mutterpflichten zu Gute kommt.
Diese theoretische Behauptung einer geringeren Infektionshäufig- ^andwirt-
keit für den landwirtschaftlichen Beruf im ganzen stimmt überein Industrie,
mit der von Köhler (7) angeführten Statistik des Reichsgesundheits¬
amtes, wonach die Zahl der Invalidenrenten, welche wegen Tuber¬
kulose bewilligt werden, in der Industrie durchweg höher sind als in der
Landwirtschaft, und mehr als das dreifache erreichen können. Wenn
demgegenüber Reibmayr (17) anführt, ein in seinem Sinne disponierter,
d. h. mit latenter Tuberkulose kämpfender Mensch gehe bei der an¬
strengenden Arbeit, wie sie die Landwirtschaft erfordert, schneller zu
Grunde, als bei leichter Industriebeschäftigung auch unter an sich
ungünstigeren hygienischen Bedingungen und könne sich so eine ge¬
wisse Immunität erwerben, so kann er gegen die Beweiskraft dieser
Zahlen nicht ankämpfen, er müsste bei Aufrechterhaltung seiner
Theorie zu dem Schlüsse gedrängt werden, dass in der landwirt¬
schaftlichen Bevölkerung der Zahl dieser „latent Tuberhuloser“ ge¬
ringer ist. Überdies dürfen wir nie vergessen, dass die Reib¬
mayr sehen Sätze Folgerungen einer Hypothese sind, die eben Hypo¬
these bleibt, so geistreich sie auch erdacht und durchgeführt ist.
Kommen wir nun zu der Antwort, welche uns die statistische
Zusammenstellung der Berufsverbreitung mit der Tuberkulosehäufig¬
keit für Baden auf diese Frage erteilt. Auf Tabelle I sind die
Ziffern der Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschie¬
denen Berufsgruppen in Prozentziffern der Gesamtbevölkerung für
die einzelnen Amtsbezirke angegeben, auf Tafel II findet sich die
entsprechende graphische Darstellung. Die Reihenfolge ist auf beiden
Wiedergaben übereinstimmend durch das Ansteigen der Tuberkulose¬
mortalität gegeben. Es zeigt sich nun in grossen Zügen
mit Zunahme der Industriebevölkerung und Abnahme
der Landwirtschaft eine Zunahme der Mortalitäts¬
ziffern an Tuberkulose. Desgleichen findet sich zahlreiche
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
78
W. Hoffmann.
handeltreibende Bevölkerung in den Amtsbezirken mit hoher Tuber¬
kulosemortalität.
Es könnte nun der Einwurf erhoben werden, nicht die Zu¬
sammensetzung der Bevölkerung ist in primären Zusammenhang zu
bringen mit der Tuberkulosemortalität, sondern diese Zusammen¬
setzung selbst ist Folge oder Begleiterscheinung von Umständen,
welche diesen Einfluss auf die Tuberkulosesterblichkeit besitzen,
z. B. der Höhenlage. Denn aus der gleichen Tafel II können wir
ein Absinken der Industriebevölkerung und Zunahme der landwirt¬
schaftlichen Bevölkerung mit Zunahme der Durchschnittshöhe der
Amtsbezirke über dem Meeresspiegel ersehen. Wenn dem so wäre,
müsste für Gruppen von Amtsbezirken von ähnlicher Höhe die Zu¬
sammensetzung der Bevölkerung keinen Einfluss erkennen lassen auf
die Mortalitätszahlen an Schwindsucht.
Höhon- Betrachten wir mit Rücksicht auf diese Verhältnisse die detaillierte
gruppen. D ars j. e ]] UI1 g (j er Amtsbezirke in vier Höhengruppen auf Tabelle II und
Tafel IV. Es zeigt sich in jeder einzelnen Höhen¬
gruppe in analoger Weise wie bei der Gesamt¬
aufstellung für das ganze Land eine Zunahme
der Industriebevölkerung und Abnahme der land¬
wirtschaftlichen Bevölkerung.
Es bieten aber auch die vier Höhengruppen
als Ganzes nebeneinander betrachtet manches r~-
... . ‘O v/y, yyy\
Bemerkenswerte. Eine kurze Übersicht sei hier
. _ . 90
wiedergegeben.
Bezeichnung
der
Höhengruppe
I
100-200
m
ii
200-300
m
III
300-500
in
IV
über 500
ni
Landwirt-
| Schaft
35,2
60,3
41,6
52,8
Industrie
40,9
25,3
38,1
31,6
Tuberkulose-
mortalitüt
3,18
2,56
2,58
2,06
\ Zandwirtscfia/}
•Jrufustrie
♦•♦• 4 Ti/bcnu/ost* -
mortahtüt
Es zeigt sich im allgemeinen in diesen Höhengruppen mit Zu¬
nahme der Höhe eine Zunahme der Landwirtschaft und Abnahme
der Industrie mit Absinken der Tuberkulosemortalität. Eine Aus¬
nahme macht nur die zweite Höhengruppe. Diese sollte ihrer Höhen¬
lage nach eine höhere Tuberkulosemortalität erwarten lassen als die
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Gck igle
Original fro-m
UN1VERSITY OF MINNESOTA
311
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulüseverbreitung in Baden.
79
dritte Gruppe. Es zeigt sich aber das Gegenteil, die Höhengruppe II
hat eine, wenn auch nur wenig höhere Tuberkulosemortalität als
Gruppe IH. Dieses mit Rücksicht auf die Höhenlage atypische Ver¬
halten muss durch andere Faktoren bedingt sein, und als ein solcher
drängt sich der Kritik die geringe Industriebeteiligung und das Vor¬
wiegen des Ackerbaues in Gruppe II geradezu auf. Ein Unterschied
von nahezu 20°/o in der Landwirtschaft mehr, und über 12°/o weniger
in der Industrie muss sich bemerkbar machen und überwiegt den in
diesem Falle umgekehrt wirkenden Einfluss der Höhenlage.
Wenn wir nun im Vorhergehenden einen entschiedenen Einfluss Berufsarten
der Zusammensetzung der Bevölkerung aus Ackerbau- und Industrie- Industrie
treibenden auf die Tuberkulosemortalität feststellen konnten, so reizt
es zur Aufrollung der weitergehenden Frage, ob sich nicht auch auf
gleichem Wege ein Einfluss bestimmter Zweige der Industrie nach-
weisen Hesse. Für diese Untersuchung ist die für die statistischen
Feststellungen gewählte Einteilung im Amtsbezirke entschieden un¬
günstig. Wenn auch die Amtsbezirke einigermassen einheitliche Kom¬
plexe darstellen in ihrer Bevölkerungszusammensetzung aus Ackerbau
und Industrietreibenden, so können doch in den einzelnen Orten
die grössten Verschiedenheiten einzelner Berufszweige bestehen, vom
vollständigen Fehlen bis zum fast ausschliesslichen Vorhandensein.
Für den gesamten Amtsbezirk gleichen sich aber diese Unterschiede
bereits wieder aus. Es können daher diese Untersuchungen nur für
einige wenige Berufsgruppen, die diesen Nachteilen weniger ausgesetzt
sind, ausgeführt werden; für die Mehrzahl muss auf eine ausführliche
Besprechung verzichtet werden.
Erwägungen in Betreff des Einflusses der Zusammensetzung der
Berufsgruppen aus Erwerbsthätigen, Männern und Frauen und nicht
im Beruf beschäftigten Angehörigen sind auch hier anzustellen und
diesen Faktoren häufig eine grosse Wichtigkeit beizulegen. Zur Ver¬
anschaulichung dieser Unterschiede diene untenstehende Tabelle, auf
der sich in Spalte vier bis sechs die Zahlen finden, welche den Anteil
der betreffenden Berufsgruppe an der Bevölkerung angeben, in Spalte
sieben bis zehn die Zahlen, welche die Zusammensetzung der Berufs¬
gruppe oder -art charakterisieren. Bei der ersten Gruppe von Zahlen
finden sich die Angaben über Landesdurchschnitt und Minimum und
Maximum im Amtsbezirk, in der zweiten Zahlengruppe die Detaillierung
der Berufsgruppen in Erwerbstätige, — Männer und Frauen, — häus¬
liche Dienstboten und Angehörige. Die Zahlen sind prozentuarische
Verhältniszahlen zu der Gesamtzahl des betreffenden Berufes in ganz
Baden. Zum Vergleich ist die Tabelle auch noch einmal für die
Hauptberufsgruppen, Ackerbau, Industrie, Handel und Verkehr u. s. w.
durchgeführt.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
| Litera der Abteilung II
80
W. Hoffmann.
[32
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Berufsgruppeo, Abteilungen und Arten in ihrer Beteiligung an der Zusammensetzung
der Bevölkerung Badens und ihrer Zusammensetzung aus Erwerbstätigen etc.
<x>
&
2
o
Berufsabteilungen,
Gruppen und Arten
Zahlen der dem betreffenden
Beruf Angehörigen in °/o der
Bevölkerung
Zusammensetzung der
Berufsgruppen in Prozent¬
zahlen ihrer Gesamtzahlen
aus:
u
a>
■XJ
fl
a>
s
s
3
55
| Minimum
im
Amtsbezirk
Landes¬
durchschnitt
Maximum
im
Amtsbezirk
! Erwerbs-
I thätige
& i §
i B 3
3 1 2
iS f,h
Häusliche
Dienstboten
Angehörige
2
L 3
<
5
6
■ 7
8
9
10
Iu.II
Landwirtsch., Gärt-
nerei u. Tierzucht,
Forstwirtsch., Jagd
und Fischerei . .
Mannheim
7,37
42,4
Breisach
71,8
31,7
19.3
1,44
47,56
III
Bergbau, Hütten, Sa¬
linen, Torfgruben .
0
0.066
SiDsheim
1,315
31,8
1,2
1.68
66,43
IY
Industrie der Steine
und Erden . . .
Schönau
0,2725
2.209
Eppingcu
8,86
38,49
2,41
1,13
57,97
davon Steinmetzen
Wicsloch
0,0888
0.527
Eppingen
6,67
1
41,3
0,43
0,575
57,695
Y
Metallverarbeitung .
Bonndorf
1,025
4,45
Pforzheim
36,0
5,88
1,67
52,73
VI
Maschinen, Werk¬
zeuge,Instrumente,
Apparate ....
Breisach
0,372
2.344
Triberg
22,4
j39.77
139,49
2,61
2,31
55,59
VII
Chemische Industrie
Staufen
0,03283
0,631
Schwetzingen
4,505 (
30,9
13,4
5,16
50,54
VIII
Forstwirtschaftliche
Nebenprodukte,
Leuchtstoffe, Fette,
öle, Firnisse . .
Ad eis heim
0,00713
0,2715
Mannheim !
1.039
32,64
3,56
3.79
60,01
IX
Textilindustrie . .
Wiesloch
0,0755
2.51 !
Säekingen
23,2 1
28,0
34.0
1.42
36,58
X
t
Papierindustrie .
Pvberbach
0,0466
1 i
0.X2 1
Lahr
3,83
34,9
12,5
2,13
50,47
XI
1 !l
| Lederindustrie . .!
Breisach i
0,1712
0.97 1
Wein heim
11,93 |
1 38,06
4,14
2.28 i
55,52
XII
! Holz- und Schnitz-1
Stoffe.!
Tanborbischofsh.
1,38 |
3,15
Schönau
11,94
39,71
2,89
!
i.5
55,9
davon Bürsten- |
macher ....
0 *
0.1938
Schönau
9,57 >
35,3
18.4
1.86 i
44,44
XIII j,
i Nahrungs- und Ge-
1 nussmittel . . .
Emmendingen 1
1,56
i
1
5,54
Wiesloch 1
27,0
34,5 |
20,5
4.4 i 40,6
davon Tabakfabri- 1
kation ..... i
0 1
2,14 !
Wicsloch '
24.55 i[26,9
44,0
1,22
27.88
XIV 1
r
Bekleidung u. Reini-
I gung .
Breisach ,
2,47 !
1
4,96 ,
Mannheim
7,67 27,5
28,2
1,18
43,12
i
XV i :
1 1
Baugewerbe . . .1,
Kttenheim i
3,06
1
6,19 1
Baden
9,05 *|
40,84
0,406
1,45
57,3
! xvi ji
1 I
Polygraphisches Ge -1
werbe.
i;
Mosbach 1
0,0302
0,45
Lahr j
2,68
44,17
5,43
3,36
i
47,04
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose Verbreitung in Baden.
81
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Berufsabteilungen,
Gruppen und Arten
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Beruf Angehörigen in 0 o der
Bevölkerung
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Berufsgruppen in Prozent¬
zahlen ihrer Gesamtzahlen
aus:
Litera der A
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3
Minimum
im
Amtsbezirk
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i
Maximum
im
Amtsbezirk
Erwerbs-
thätige
s- a
s I
£ 1 2
S
Häusliche
Dienstboten
Angehörige
2
1 3
4
6
17 8
9 10
B ;
XVII
Künstler und künst-
Pforzheim
I
i
lerische Betriebe .
o
0,213
2.75
36,55, 6,75
3,83 53,47
,
Baden
1
XVIII
i
Zweifelhaft . . .
•
0,01255
0,176
52,32 2,78
1,85 43,05
|
Summe B Durch¬
I Breisach
,
Pforzheim
| j
i
j
schnitt . .
13,0
34,8 ;
61,2
36,2 12,2
2,12 ; 49,68
i
Bonndorf
1
Mannheim
C i
Handels-Verkehr
i
1 2,33 |
9,9 ;
26,0
30,2 13,9
5,77 50,03
1
D
i
Häusliche Dienste, :
I
1
1
Lohnarbeit wech¬
Tauberbischofsh.
i
Baden
1
i
i
1
selnder Art . . . 1
0,178
1 6,8 I
i ,
2,25
■20,6 : 40,7
0,234 38,47
1
E !
1
Militär-,Hof-,hürger- 1
i i
1
i
lieber u. kirchlicher |
Bühl
!
Rastatt j
j
j j
1
Dienst, freie Berufe
2,43
5,5
13,0 |
43,6 7,4
6,86 42,14
|
i
|
Wiesloch
Frei bürg
1 i
! i
F
i
i
Ohne Beruf . . .
! ‘464
i
6,6
14,82 i
1
31,2 41,8
i i
16,25 | 20.75
1
In beiden Abteilungen finden sich die erheblichsten Differenzen
für die einzelnen Berufe sowohl, als in ihrer Beteiligung an der Zu¬
sammensetzung der Bevölkerung in den verschiedenen Amtsbezirken.
Bis zu 36 °/o der Bevölkerung eines Amtsbezirkes gehört z. B. einem
Beruf an, wobei derselbe allerdings vielgestalte Spezialberufe um¬
fasst. Es ist dies die Metallverarbeitung in Pforzheim, die nächst
höchste Zahl ist aber die vollkommen einheitliche Tabakfabrikation
mit über 24°/o in Wiesloch. Der Anteil der nicht im ;Beruf be¬
schäftigten Angehörigen an der Gesamtzahl schwankt von 27,88 °/o
ebenfalls in der Tabaksfabrikation bis zu 60,01 °/o in der Industrie
der forstwirtschaftlichen Nebenprodukte. Es zeigen sich bei der
Tabaksindustrie diese beiden Faktoren, der eine, der hohe Prozent¬
satz in der Bevölkerung, welcher eine vermehrte Schwindsuchtsmor¬
talität der Tabaksarbeiter zum stärkeren Ausdruck in der Gesamt¬
mortalität bringt, und der zweite, die allgemeine Mitarbeit der
Familien, welche die Infektionsgelegenheit auf den Arbeitsplätzen in
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 6
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
82
W. Hoffmann.
[34
den weitesten Kreisen verallgemeinert, besonders ausgeprägt. Dem
entspricht auch vollkommen die Stellung der Amtsbezirke mit hoher
Tabaksfabrikation unter den mit Phthise am stärksten durchseuchten.
Ähnliche Ziffern in Betreff der Bevölkerungszusammensetzung kann
nur noch die Textilindustrie bieten mit 23,4 °/o der Bevölkerung in
Säckingen und nur 36,58 °/o nicht Erwerbstätigen. Bei der Textil¬
industrie ist aber eine Infektionsgefahr lange nicht so gross als bei
der Tabaksindustrie infolge der beträchtlicheren räumlichen Trennung
und der freieren Beweglichkeit der Arbeiter im Arbeitsraum. Einen
hier vielleicht auch mitspielenden Faktor, den verschiedener Volks.
rassen in den Tabaks- und Textilindustriegebieten, werden wir später
noch diskutieren. Für eine grosse Anzahl der in der Tabelle er¬
wähnten Gewerbe lässt sich natürlich ein ähnlicher Nachweis nicht
erbringen, da ihre Beteiligung an der Bevölkerungszusammensetzung
überhaupt, oder die Schwankungen in den einzelnen Amtsbezirken zu
gering sind, oder schliesslich sie in hygienischem Sinne zu verschieden
bewertbare Beschäftigungsweisen enthalten. Für einige wichtigere
Berufe sind die Prozentsätze der Gesamtberufsklasse in der Bevölke¬
rung, sowie in roten Zahlen der Erwerbstätigen allein für die ein¬
zelnen Amtsbezirke in Tabelle I Spalte 7—12 angegeben. Es zeigen
sich nun diejenigen Amtsbezirke, in welchen einzelne Berufe besonders
stark vertreten sind oder einige wenige zusammen einen grösseren
Prozentsatz der Bevölkerung darstellen unter denjenigen, welche
bedeutende Tuberkulosemortalität aufweisen. Ebenso lasst sich für
die Amtsbezirke, welche hohe Mortalitätsziffern haben, ein starker
Prozentsatz direkt schädlicher Berufe oder solcher, von denen wir
einen ungünstigen Einfluss auf die Weiterverbreitung der Tuberkulose
annehmen dürfen, nach weisen.
Im einzelnen zeigen die verschiedenen Berufsarten noch Beein¬
flussungen durch die mannigfachsten Besonderheiten. Es sei deshalb
versucht, eine Besprechung der Gruppen noch im einzelnen zu geben,
welche mit Bezug auf ihren Einfluss auf der Tuberkuloseverbreitung
am meisten diskutiert worden sind.
stein- In der Industrie der Steine und Erden ist für die Unterabteilung
der Steinmetzen die schädliche Einwirkung des Steinstaubes auf
die Lungen eine allgemein anerkannte Tatsache. So sterben nach
Sommerfeld (22) 35 auf 1000 lebende Steinmetzen an Phthise, und
das durchschnittliche Lebensalter schwankt zwischen 36 und 45 Jahren.
Die Art der Erwerbsthätigkeit bedingt eine nur geringe Beteiligung
der Frauen, der sich für Baden mit nur 0,43°/o darstellt. Auch von
diesen ist keine Arbeit am Stein anzunehmen, sondern sie figurieren
als Geschäftsinhaberinnen, Buchführerinnen eventuell auch als Zeich-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
35]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
83
nerinnen. Die Infektionsgelegenheit findet sich meist ausserhalb des
Arbeitsplatzes, da sich dieser meist im Freien oder in nur einseitig
geschlossenen Schuppen befindet, und weite Entfernungen die einzelnen
Arbeiter trennen. Die Infektion ist daher vielfach Familieninfektion.
Eine Verschiedenheit derselben für Mann und Frau besteht darin,
dass die Frauen durch die Pflege der Kranken, und ihren längeren
Aufenthalt im Hause den Infektionsquellen in erhöhtem Masse aus¬
gesetzt sind als die Männer. Trotzdem ist eine häufigere Erkrankung
der Männer zu beobachten; diese ist der Ausdruck der Schädigung
durch den Steinstaub, der trotz anscheinend gegenüber den Frauen
verminderter Infektionshäufigkeit eine Mehrerkrankung und grössere
Mortalitätsziffern für die Männer herbeiführt. Für einen Ort von
mehr als 1800 Einwohner, wo diese Verhältnisse durch eigene Unter¬
suchungen ermittelt wurden, stellt sich ein Unterschied von 2,6°/oo
zu Gunsten der Frauen heraus.
Da dieser Beruf an das geographische Vorkommen brauchbarer
Gesteinsarten gebunden ist, die sich oft nur auf kleine Bezirke be¬
schränkt finden, so treffen wir zerstreut Ortschaften, deren ganze
Industriethätigkeit fast allein diesem Berufszweig gewidmet ist. Diese
Orte sind häufig als „Schwindsuchsnester a landeskundig. In den
einzelnen Amtsbezirken insgesamt erreicht dieser Beruf nur selten
eine so hohe Prozentziffer, dass man Beziehungen zur Mortalitäts¬
ziffer der Gesamtbevölkerung an Tuberkulose aufstellen könnte. Es
fällt aber sofort die starke Verbreitung der Steinhauerei in Eppingen
auf, 2,45 Erwerbsthätige, mit Angehörigen 6,67 °/o der Bevölkerung, in
Eppingen, einem Amtsbezirk, der günstige Gesundheitsverhältnisse
darbietet. Der Verbreitung der Steinhauerei entsprechend, hätte
man bedeutend höhere Mortalitätsziffern erwarten sollen. Nun ist
aber in Eppingen die Steinhauerei der einzig bedeutendere Industrie¬
zweig, die Gesamtindustrie erreicht nur eine Beteiligung von 27°/o
in der Bevölkerung, so dass ihr ungünstiger Einfluss durch den
günstigen der stark verbreiteten Landwirtschaft weit überkompen¬
siert wird.
Ausserdem ist die Verarbeitung der verschiedenen Gesteinsarten
von äusserst verschiedenem Einfluss auf die Atmungsorgane. Granit
und Kalkstein haben überhaupt fast keinen nennenswerten Einfluss,
und auch der Keupersandstein der Eppinger Gegend ist in keiner
Weise in seiner Schädigung der Atemorgane dem Buntsandstein der
Wertheimer und Eberbacher Steinbrüche gleichzusetzen. Dort zeigt
sich in den Steinhauerorten eine erschreckende Tuberkulosehäufigkeit,
z. B. ergab sich für das im Bezirk Wertheim gelegene, einer ge¬
naueren Analyse unterzogene Freudenberg im Zeitraum 1870—1900
6 *
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
84
W. Hoffmann.
[36
eine Durchschnittsmortalität an Tuberkulose (Schwindsucht und ander¬
weitigen tuberkulösen Krankheiten) von 9,3 auf 1000 Lebende männ¬
lichen Geschlechts, und 6,7 weiblichen. Ähnliche, zum Teil noch
höhere Zahlen finden sich an anderen Orten. Für mehr als die
Hälfte der Erwachsenen ist die Tuberkulose die Todesursache. Der¬
artig schwer durchseuchte, vielfach als Enklave in gesunder Gegend
liegende Ortschaften, eignen sich in vorzüglicher Weise für den An¬
fang einer auf Ortsanalysen aufgebauten statistischen Forschung. Der
erste tastende Versuch einer solchen, an dem schon erwähnten Freuden¬
berg ausgeführt, soll gewissermassen den zweiten Teil dieser nur all¬
gemeineren und vorbereitenden Arbeit bilden.
Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Tabaksindustrie. Ich
schliesse mich zunächst den allgemeinen Ausführungen an, die Wörris-
hofer (30) der Arbeit über die soziale Lage der Tabaksarbeiter voraus¬
schickt. Die Tabaksindustrie hat ihre Hauptverbreitung in den am
wenigsten fruchtbaren Teil der Rheinebene und in wenigen Orten
des angrenzenden Hügellandes. Vorzugsweise handelt es sich dabei
um zwei geschlossene Komplexe; der grössere derselben liegt in der
badischen Pfalz — den Amtsbezirken Schwetzingen, Wiesloch, Bruchsal
und den angrenzenden Teilen der Amtsbezirke Heidelberg, Mannheim,
Weinheim und Sinsheim entsprechend. Der andere weniger dicht be¬
setzte Bezirk umfasst die Rheinebene zwischen Offenburg und Frei¬
burg, vorzugsweise die Amtsbezirke Emmendingen, Ettenheim und die
Stadt Lahr. In diesen Bezirken gehören etwa 5—25°/o der Be¬
völkerung den Cigarrenarbeitern an.
Bei der grossen Zahl der Erwerbstätigen in den Cigarrenarbeiter¬
familien — ca. 70°/o — bei der starken Beteiligung der Frauen,
auch der verheirateten, — 44°/o der Gesamtheit — ist es verständlich,
dass bei Mängeln in der Verhütung von Infektionsgefahr auf den
Arbeitsplätzen eine schnelle Verbreitung der Tuberkulose stattfinden
kann. Ein Vergleich der Karten über Tuberkuloseverbreitung und
Verbreitung der Tabaksindustrie zeigt nun weitgehende Überein¬
stimmung.
Eine besonders augenfällige Schädlichkeit ist durch die Eigenart
des Materials soweit ersichtlich nicht gegeben, sondern durch die Art
der Erledigung der Arbeit, der unglücklichen Kombination der
arbeitenden Personen und der grossen Verbreitung dieses Berufs-
zweiges dort, wo er überhaupt ernstlich betrieben wird. Es sind
also keine prinzipiell eigenartigen Faktoren, wie sie z. B. in beson¬
derer Schädlichkeit des Tabaksstaubes gesucht wurden, der sogar
eine allerdings dem Pathologen unbekannte Tabakosis der Lungen
erzeugen sollte, sondern die gleichen auch in anderen Berufsarten
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
37]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose Verbreitung in Baden.
85
wirkenden Einflüsse zeigen sich hier in besonderer Steigerung und
besonders verhängnisvoller Kombination.
Die Tabaksindustrie steht hinsichtlich ihres Einflusses auf die
Art der Tuberkuloseverbreitung in einem gewissen Gegensatz zur
Steinhauerei. Während bei letzterer die durch den Steinstaub ge¬
schädigten Lungen der Arbeiter der Infektion in Familien und
sonstigem Verkehr leichter preisgegeben sind, ist bei der Tabaks¬
industrie die Infektionsgefahr an der Arbeitsstätte vermehrt: die
Arbeitsplätze oft direkt gegenüber mit knappstem Abstand voneinander,
— die günstigsten Bedingungen zur Tröpfcheninfektion — der Fuss-
boden mit trockenem pflanzlichem Staub bedeckt, der eine Austrock¬
nung und Verbreitung des Auswurfs der Kranken begünstigt. Dabei
sind letztere infolge der geringeren körperlichen Anstrengung, welche
die Cigarrenfabrikation erfordert, oft bis in ein weit vorgeschrittenes
Stadium ihrer Krankheit befähigt, ihren Beruf auszufüllen.
Interessante Details zu dieser Frage bringen die schon früher
erwähnten Berichte der Bezirksärzte an die Regierung. So berechnet
Klehe in Bruchsal für die Gesamtbevölkerung eine Mortalität an
Tuberkulose von 2,6 auf 1000 Lebende, für die Cigarrenarbeiter von
7,4. Die Zahlen stützen sich allerdings nur auf das eine Jahr 1900,
um allzugrossen Anspruch auf Konstanz machen zu können, sind trotz¬
dem jedoch sehr beachtenswert.
In einem den erwähnten Berichten vorangehenden Sammelreferat
stellt Hauser (Karlsruhe) für die einzelnen Amtsbezirke die Orte
mit Cigarrenindustrie denen ohne dieselbe gegenüber. Er gelangt zn
den nebenstehenden tabellarisch geordneten Resultaten, für deren
Überlassung ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aus¬
spreche. Die Erhebungen sind für das Jahr 1899 angestellt. Als
Massgabe für die Zuverlässigkeit der auf 1000 Lebende bezogenen
Mortalitätsziffer und der von mir zugefügten prozentualen Anteil-
ziflfem der Tabakarbeiterbevölkerung sind daneben die absoluten
Zahlen der Bevölkerung gesetzt, auf die sie sich beziehen. Es zeigt
sich nun in 15 von 21 Amtsbezirken, in denen sich eine solche
Gegenüberstellung ausführen lässt, eine zum Teil recht beträchtliche
Steigerung der Tuberkulosemortalität in den Orten mit Tabaksindustrie,
in sechs anderen Amtsbezirken findet das Umgekehrte statt. Die
Summe der Orte mit Tabakindustrie zeigt eine Mortalität von 2,44
gegen 1,4 der Orte ohne Tabakindustrie. In dieser Zusammen¬
stellung finden sich jedoch auch Amtsbezirke mit inbegriffen, in
denen der Prozentsatz der Tabaksarbeiterbevölkerung selbst in den
Tabaksindustrieorten weit unter l°/n der Bevölkerung bleibt; dass
hier die Unterschiede der Zahlen vielfach auf zufällige Schwan-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
86
W. Hoffmann.
Digitized by
[38
kungen oder andere, wichtigere Einflüsse zurückzuführen sein dürften,
bedarf keiner Erörterung. Bis zu einem gewissen Grade vergleichs¬
fähig sind die in der Tabelle durch Fettdruck hervorgehobenen Amts¬
bezirke, die eine prozentuarische Beteiligung der Tabakarbeiterbe¬
völkerung von über 2°/o aufweisen und in denen gleichzeitig die ab¬
solute Zahl der Tabakarbeiter eine bedeutendere Höhe zeigt. Bei
diesen weisen in bedeutender Mehrheit die Orte mit Tabaksindustrie
beträchtlich höhere Mortalitätszahlen auf als die ohne dieselbe. Das
umgekehrte Verhältnis zeigen nur Lahr und Sinsheim. Von diesen zeigt
Sinsheim so geringe Unterschiede 0,3, dass die Differenz auf einem nur
durch Zufall das Jahr betreffenden Verhalten beruhen kann. Als Bei¬
spiel hierfür zeigt Weinheim in einem anderen Jahre eine grössere Tuber¬
kulosemortalität in den Orten ohne Tabakindustrie. Ausserdem könnte
durch andere Berufe, die sich in den nicht mit Tabaksindustrie be¬
schäftigten Orten finden, eine Erhöhung der Schwindsuchtsmortalität
dieser herbeigeführt werden; so z. B. im Bezirk Weinheim durch
die Industrie der Holz- und Schnitzstoffe, welche mit einer Verbrei¬
tung von über ll°/o die häufigste Berufsart darstellt. Eine ganz be¬
sondere Stellung nimmt Lahr ein. Dort findet sich die Tabaksindustrie
seit langem eingebürgert und hat ihren Sitz in der Stadt Lahr selbst,
während sonst die Tabakindustrie gerade die Landbezirke aufgesucht
hat. Ausserdem handelt es sich in Lahr fast ausschliesslich um
Schnupftabaksfabrikation, für die andere Faktoren massgebend sind
als für die Cigarrenfabrikation. Zeigen sich doch auch in dieser
verschiedene Verhältnisse der Tuberkulosemorbidität und -Mortalität
für die einzelnen Beschäftigungen, so dass die Cigarren- und Wickel¬
macher den grössten Prozentsatz Phthisiker stellen. Die enorm hohe
Sterblichkeitsziffer in den Orten ohne Tabaksindustrie im Amtsbezirke
Lahr dürfte sich als eine das Jahr betreffende Zufälligkeit heraus-
stellen, da es sich um eine Promilleberechnung aus nur elf Fällen
handelt. Es zeigt sich hier, dass eine Verwertung nur eines Jahr¬
ganges schon bedeutende Unsicherheiten in der Aufstellung statisti¬
scher Folgerungen herbeiführt. Die Summe dieser Amtsbezirke mit
starker Tabakfabrikation zeigt ein Verhältnis der Mortalitätsziffern
von 3,0 in den Orten mit zu 1,9 in den Orten ohne Tabakindustrie.
Für diejenigen Amtsbezirke, in denen sich ausser der Cigarren¬
fabrikation andere industrielle Berufszweige nur wenig verbreitet
finden, sondern die übrige Bevölkerung hauptsächlich Ackerbau treibt,
wie Emmendingen, Ettenheim, Bruchsal, Schwetzingen zeigt sich diese
Vermehrung der Mortalität an Schwindsucht in den Tabaksindustrie¬
orten am reinsten und deutlichsten. Das Gleiche gilt für die Land¬
bezirke von Heidelberg und Mannheim, wo infolge des Übergewichts
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
39]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
87
Tabelle Ober die Mortalität an Schwindsucht für die Amtsbezirke Badens mit
bedeutenderer Tabakindustrie (unter teilweiser Benützung einer Tabelle von
Hauser mit Ausnahme von Spalte 3, 6 und 7 und der Summenbildung). Trennung
der Orte mit und ohne Tabakindustrie. Fettgedruckt: Amtsbezirke mit mehr als
2 °/o Cigarrenarbeiter oder mehr als 1000 in absoluter Zahl.
Gesamter Amtsbezirk
! Orte mit Tabakindustrie
1 Orte ohne
_
1
| Tabakindostrie
Namen
der Amtsbezirke
Einwohnerzahl
Prozentzahl der
Tabakarbeiter¬
bevölkerung
Mortalität an
Tuberkulose auf
1000 Lebende
Einwohnerzahl
Zahl der
Tabakarbeiter-
bevölkernng
Prozentzahl der
Tabak ar bei ter-
bevölkerung
Mortalität an
Tuberkulose auf
1000 Lebende
Einwohnerzahl
Mortalität an
Tuberkulose anf
1000 Lebende
l
2
»
*
5
6
7
8
9
10
Konstanz . . .
47186
0,1495
2,0
19974
70
0,35
2,3*
27212
1,7
Breisach . .
19587
0,388
1,7
3365
77
2,28
3,2*
16222
1,4
Emmendingen.
47696
5,5
2,0
34907
2665
7,68
2,6*
12789
0,4
Ettenheim . .
17826
7,92
1,8
15618
1408
9,06
2,0*
2208
0,4
Freiburg . . .
80517
0,2106
2,5
54253
168
0,31
3,5*
26264
0,6
Kehl.
28450
1,316
1,5
13052
369
2,74
1,6*
15598
1,5
Lahr , . . .
87608
10,82
2,8
85060
8845
10,95
2,1
2548
4,8*
Offenbarg . .
54004
2,24
2,7
40724
1197
2,94
8,0*
13370
1,4
Achern ....
23427
0,3125
3,0
5175
72
1,39
2,3
18252
3,1*
Baden ....
28640
0,1566
2,8
18758
49
0,26
3,3*
9882
1,8
Bühl.
30116
0,307
1,6 .
5498
91
1,65
1,0
24618
1,7*
Darlach . . .
35368
1,012
2,4
21771
350
1,6
2,5*
13597
2,2
Karlsruhe . . .
117392
0,297
2,8
91484
361
0,395
2,6
25908
3,3*
Sinsheim. . .
84492
3,66
1,6
14979
1272
8,48
1,4
19513
1,7*
Eberbach . . .
14723
1,126
1,6
5478
169
3,1
2 ,0*
9245
1,5
Mosbach . . .
30324
0,2415
1,6
1064
74
6,95
0,9
29260
1 ,6*
Bruchsal. . .
60660
8,48
3,08
50586
5006
9,56
3,1*
10124
2,8
Mannheim . .
128739
2,16
3,06
120976
2628
2,16
3,0*
2768
1,4
Schwetzingen .
82988 17,48
3,7
31499
5718
18,1
8,8*
1484
1,3
Weinheim . .
22642
1,486
2,08
6082
885
5,5
2,46*
16560
1,87
Heidelberg . .
81728
5,605
8,4
62956
4578
7,26
8,6*
18772
2,6
Wiesloch . . .
22536
24,55
3,4
22536
i
5524
24,55
3,4
—
—
Gesamtsumme .
Saume der fett¬
991679
3,63
2,6 |
1
675745
!
36031
5,33 i
1
2,94
1
315934
1,9
gedruckten Amt*-
bezirke ....
513413
5,59
2,79 jj 413387
28689
6,99
8,00
100076
1,9
* Die grösseren Mortalit&tszahlen in Spalte 8 and 10 sind durch 8ternchen herrorgehoben.
der grossen Städte mit beruflich gemischter Bevölkerung für den
ganzen Bezirk die Zahlen weniger deutlich zum Ausdruck kommen.
Es zeigt sich auch hier wieder das Erfordernis detaillierter, für den
bestimmten Zweck erhobener Einzelerhebungen an kleineren Objekten
nach einheitlichem Schema und erst sekundärer Zusammensetzung zu
umfassenderer Statistik. Es ist dies ein Erfordernis, um das wir
nicht herumkommen, soll überhaupt der Versuch gemacht werden,
auf statistischem Wege der Verbreitungsart und den Verbreitungsbe¬
dingungen der Tuberkulose näher zu kommen.
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
88
W. Hoffmann.
[40
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Ähnliche Betrachtungen, wie sie für den Einfluss der Tabaks¬
industrie auf die Tuberkuloseverbreitung angestellt wurden, haben
auch für die anderen Berufszweige ihre Gültigkeit. Es ist überall
die Wechselwirkung zwischen Schädigung der Atemorgane durch und
während der Arbeit, Infektionsgefahr auf dem Arbeitsplatz und den
aus der Zusammensetzung der betreffenden Bevölkerung resultieren¬
den Faktoren: Anzahl der Erwerbstätigen — Männer und Frauen —
und nicht im Beruf thätigen Angehörigen, und Prozentverhältnis der
gesamten Berufsgruppe zur Bevölkerung, w r elche uns Rückschlüsse auf
die Tuberkulosenverbreitung in der betreffenden Gegend gestatten.
Welche anderen Faktoren sonst noch im Spiele sind, darüber konnte
die vorläufige Untersuchung noch nicht überall den gewünschten Auf¬
schluss geben. Es bleibt der auf der Einzelbeobachtung aufgebauten
Statistik vielleicht und hoffentlich Vorbehalten, hierin manches Licht
zu verbreiten.
Disposition.
Ein Punkt, der zur Pathogenese der Schwindsucht in innigste
Beziehungen gebracht wird, hat bisher noch keine Erwähnung ge¬
funden. Es ist dies die Disposition. Es sei mir erlaubt, die um¬
fangreiche, widerspruchsvolle Literatur über diesen Gegenstand zu
übergehen, da dieselbe in späteren Ausführungen eine ausgedehnte
Besprechung finden soll. Nur soviel sei hier hervorgehoben, dass
unter Disposition von den verschiedenen Autoren das Verschiedenste
verstanden wird, das nur das einzig Gemeinsame hat, Ausdruck einer
verminderten Widerstandskraft des Individuums gegen die Tuberkulose
zu sein. Fassen wir daher vorläufig den Ausdruck Disposition als
einen derartigen Sammelbegriff auf, ohne ihm eine ins Detail gehende
Bedeutung beizulegen.
Nehmen wir nun mit der Mehrzahl der Ärzte das Bestehen einer
solchen individuell wechselnden Disposition an, so kann sie wohl, wie
schon früher bemerkt, für das einzelne Individuum von grösster Be¬
deutung sein, ob es Tuberkulose acquiriert oder nicht, für die grosse
Masse kommt sie statistisch nicht zum Ausdruck, da diese gleieh-
mässig aus Disponierten und Nichtdisponierten zusammengesetzt ist.
Nicht die Zahl der Erkrankungen kann also durch die Disposition
beeinflusst werden, sondern nur die Auswahl der erkrankenden Indi¬
viduen.
Erst wenn bei einem Vergleich zweier Bevölkerungsgruppen, z. B.
zweier Bezirke mit gleichen Infektionsgelegenheiten und Häufigkeit
derselben sich verschiedene Erkrankungsziflfern finden, kann man an
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
41]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
89
eine für die beiden Bezirke verschiedene Zusammensetzung aus Dis¬
ponierten und Nichtdisponierten denken. Die Art der Disposition,
welche also bei dem von uns gebrauchten Einteilungsmodus in Be¬
tracht käme, wäre die Rassendisposition. Anhaltspunkte für das Be¬
stehen desselben finden sich in der verschiedenen Tuberkulosehäufig¬
keit verschiedener Völker, die sich z. B. auch in den verschiedenen
Krankheitsziffern der Soldaten aus verschiedenen Volksstämmen der
östreichisch-ungarischen Monarchie zeigt.
Es fragt sich nun, ob sich aus den für Baden aufgestellten
Zahlen ähnliche Wahrnehmungen gewinnen lassen. Baden ist der
Hauptsache nach von zwei Volksstämmen bewohnt, dem alemanni¬
schen im Süden und einem hauptsächlich fränkischen Mischstamm
im Norden. Die Grenze beider stellt etwa die Kinziglinie dar in der
Weise, dass die nach Norden sich öffnenden Längstäler des Schwarz¬
walds noch der die Alemannen zurück drängenden fränkischen Be¬
völkerung als Eingangspforte dienten.
Nun fällt allerdings ein gewisser Gegensatz in der Tuberkulose¬
verbreitung im Norden und Süden sofort in die Augen. Aber wir
haben gesehen, dass sich die meisten der die Verbreitung der Tuber¬
kulose begünstigenden Momente auch im Norden häufiger finden, als
im Süden. In allen Fällen scheinen diese jedoch nicht zur Erklärung
des Gegensatzes auszureichen, sondern noch eine Lücke zu lassen,
für deren Ausfüllung sich vielleicht in der Heranziehung einer solchen
Rassendisposition ein Mittel finden Hesse.
Nehmen wir als erstes Beispiel den Gegensatz der grossen Tabaks-
industriegebiete im Norden und Süden. Die äusseren Verhältnisse
sind sich sehr ähnlich, es zeigen sich nur geringe Verschiedenheiten
in Höhe, Klima, Bodenbeschaffenheit. Der Unterschied in der Zu¬
sammensetzung der Bevölkerung aus Ackerkau- und Industrietreiben¬
den lässt zwar einen Vorteil zu Gunsten des Südens erkennen, das
Verhältnis ist dort etwa 1:1, während im Norden die Industrie
die Landwirtschaft überwiegt. Auch der spezielle Anteil der Tabaks¬
fabrikation erreicht im Süden kaum 10°/ 0 , während er im Nor¬
den durchweg darüber, vereinzelt sogar über 20 °/ 0 beträgt. Der
Unterschied in der Tuberkulosemortalität ist jedoch so beträchtlich,
dass man diese Momente nicht gut allein dafür verantwortlich machen
kann, sondern dass es gerechtfertigt erscheint, hier Einflüsse der
Rassendisposition in Diskussion zu ziehen.
Noch deutlicher zeigt sich der Unterschied in den nicht mit
Tabakfabrikation beschäftigten Orten beider Komplexe, wo also die
erwähnten anderen Einflüsse sich nicht geltend machen können. Dies
sind hier wie dort fast reine Ackerbauorte. Und doch ein gewal-
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
90
W. Hoffmann.
[42
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tiger Unterschied in der Tuberkulosemortalität 0,4 °/ 00 im Süden 2—
3°/ 00 und darüber im Norden.
Im gleichen Sinne spricht der geringe sich bemerkbar machende
Einfluss der Textilindustrie, die hauptsächlich in den südlichen Be¬
zirken ihren Sitz hat, im gleichen Sinne der Gegensatz in der
Schwindsuchtsterblichkeit zwischen den südlichen Bezirken mit starker
Industrie der Holz- und Schnitzstoffe, insbesondere Bürstenfabrikation
und dem nördlichen Weinheim. Es sind dies Fragen zu deren Auf¬
stellung uns dieses Übersichtsbild Anlass gibt, deren Beantwortung
aber erst nach eingehenderen Detailstudien möglich sein wird. Vor¬
läufig muss in der Dipositionsfrage auf Grund der vorliegenden Zahlen
und Erörterungen dahin entschieden werden: auf statistischem Wege
kann kein Nachweis geliefert werden, dass sie nicht bestehen kann;
ob sie jedoch der richtige Schlussstein ist, um gewisse noch offene
Lücken in Ringe der Beweisführung zu schliessen, darauf kann als
Antwort einstweilen nur ein non liquet erfolgen.
Schlusssätze.
Fassen wir die Hauptgesichtspunkte und Ergebnisse der vor¬
liegenden Arbeit noch einmal kurz zusammen, so zeigt sich für das
Grossherzogtum Baden ein Zusammenhang der geographischen Ver¬
breitung der Tuberkulose mit folgenden Verhältnissen:
Mit zunehmender Erhebung über den Meeresspiegel,
sinkt die Tuberkulosemortalität der Bewohner. Dieses Ab¬
sinken wird gesteigert.
1. Durch den häufigeren Betrieb der Landwirtschaft in
grösserer Höhe,
2. vielleicht durch geringere Volksdichte,
3. durch im einzelnen nicht eliminierbare Faktoren, die mit dem
geographischen Höhenbegriff in direkterem Zusammenhang
stehen, über deren Art aber noch zu wenig bekannt ist.
Für den Einfluss bestimmter Berufsarten auf dieSchwind-
suchtsverbreitung innerhalb der ganzen Bevölkerung kommt in Be¬
tracht :
1. ihre prozentuarische Beteiligung an der Zusammen¬
setzung der Bevölkerung.
2. Die Zusammensetzung der betreffenden Berufs¬
art aus Erwerbstätigen, — wobei eine ausgedehnte Er¬
werbstätigkeit der Frauen im allgemeinen einen Nachteil
bedeutet, — und nicht in Beruf beschäftigten Angehörigen.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
43]
Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden.
91
3. Schädigung durch den Beruf oder vermehrte In¬
fektionsgefahr an dem Arbeitsplatz.
Im allgemeinen zeigt sich Zunahme der Tuberkulose¬
mortalität mit Zunahme der Industrie und Abnahme der
Landwirtschaft.
Kein Einfluss konnte auf statistischem Wege nachgewiesen werden
für Armut, Ernährungsweise, Alkoholkonsum. Doch ist hier noch eine
Kontrolle der verwandten Zahlen im Detail abzuwarten.
Ein Gegensatz in der geographischen Verbreitung besteht zwi¬
schen Krebs und Tuberkulose, indem sich letztere mehr im Norden
zu hohen Mortalitätsziffern aufschwingt, während der Krebs im .Süden
bedeutendere Zahlen erreicht.
Ein Einflu ss einer Rassendisposition ist wahrschein¬
lich, doch exakt einstweilen noch nicht nachzuweisen.
Zum Schlüsse meiner Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht,
Herrn Geheimen Hofrat Dr. Kn au ff und Herrn Professor Brauer
meinen Dank auszusprechen für die mannigfachen Anregungen, die
zur Formulierung der Fragestellung führten, insbesondere aber letzterem
zu danken für freundliche Unterstützung bei der Abfassung der Arbeit.
Literaturverzeichnis.
1. Aufrecht, Zur VerhütuDg und Heilung der Lungentuberkulose. Wien 1898.
2. Brauer, Die Verbreitung der Tuberkulose in Tabakfabriken. Bericht über
den Kongress zum Bekämpfen der Tuberkulose als Volkskrankheit. 1899.
3. Brehmer, Die Gesetze und Heilbarkeit der chronischen Lungentuberkulose.
Berlin 1856.
4. Cor net, Die Tuberkulose. Notnagels Handbuchs. Wien 1900.
5. Derselbe, Über Tuberkulose. Leipzig 1890.
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Zeitschr. f. Tbc. u. Hstw. Bd. V. p. 48.
7. Köhler, Allgemeines über die Ausbreitung und Bedeutung der Tuberkulose
als Volkskrankheit. Kongressbericht 1899.
8 . Krieger, Beziehungen zwischen den äusseren Lebensverhältnissen und der
Ausbreitung der Tuberkulose. Kongressbericht 99.
9. Kuthy, Die Ausbreitung der Lungenschwindsucht in Ungarn. Kongress¬
bericht 1899.
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Digitized by
92 W. Boffmann. Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. [44
10. Lnbarsch-Ostertag, Lubarscb, Infektionswege nnd Krankheitsdisposition.
Ergebnisse der allgemeinen Pathologie und pathol. Anatomie.
11. Martins, Pathogenese innerer Krankheiten. Leipzig u. Wien. Fr. JDeuticke.
1900.
12. Meyer, Über das Vorkommen von Tuberkulose bei den Berliner Buch¬
druckern und Schriftsetzern. Kongressbericht 1899.
13. Moritz, Zur Verbreitung der Tuberkulose unter den mit Staubentwickelung
verbundenen Berufsarten. Kongressbericht 1899.
14. Naus, Konstitutionspathologie. Pathologie der Zukunft. München 1901.
15. Neu mann, Die Veränderungen der Volksdichte im südlichen Schwarz¬
wald 1852-1895. Freiburg i. B. 1896.
16. Ransome. The Constitution of infection by Tubercle. Zeitschr. f. Tuberk.
u. Heilstättenwesen. Bd. I. p. 7.
17. Reibmeier, Die Ehe Tuberkulöser und ihre Folgen. Leipzig und Wien
1894.
18. Derselbe, Inzucht und Vermischung beim Menschen. Leipz. u. Wien 1897.
19. Riffe], Erblichkeit der Schwindsucht und tuberkulösen Prozesse. Karls¬
ruhe 1891.
20. Derselbe, Mitteilungen über Erblichkeit und Infektiosität der Schwind¬
sucht Leipzig 1892.
21. Derselbe, Weitere pathologische Studien Uber Schwindsucht und Krebs
und einige andere Krankheiten.
22. Rubner, Lehrbuch der Hygiene, p. 886 ff.
23. Schmid, Die Verbreitung der Tuberkulose in der Schweiz. Kongress zur
Bekämpfung der Tuberkulose. 1899.
24. Statistisches Jahrbuch für Baden. 1891—1900.
25. Statistische Mitteilungen für Baden. 1891—1900.
26. Stralmann, Die Tuberkulose unter den Stahlschleifern. Kongressbericht 93.
27. Topographische Karte für das Grossherzogtum Baden.
28. Uhlig, Die Veränderungen der Volksdichte im nördlichen Baden 1852—
1895. Stuttgart 1898.
29. Virchow, Virchows Archiv für pathologische Anatomie. Bd. II. p. 170.
30. Wörrishofer, Die soziale Lage der Cigarre narbeiter im Grossherzogtum
Baden. Karlsruhe 1890.
31. Derselbe, Die soziale Lage der Fabrikarbeiter in Mannheim. Karlsruhe
1891.
32. Derselbe, Über den Einfluss sozialer Verhältnisse auf die Häufigkeit der
Schwindsuchtstodesfälle. Kongressbericht 1899.
33. Würzburg, Über den Einfluss des Alters und Geschlechts auf die Sterb¬
lichkeit an Lungenschwindsucht. Mitteilungen aus dem Kaiserlichen Gesund¬
heitsamte. 2. 1884.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Aus der medizinischen Klinik zu Heidelberg (Geh.-Rat Erb).
Lupus follicularis disseminatus.
Von
Prof. Dr. S. Bett mann.
Das Gebiet der tuberkulösen Erkrankungen der Haut bat eine
fortschreitende Erweiterung erfahren. Es ist nicht nur geglückt, für
eine Reihe dermatologischer Krankheitsformen die Zugehörigkeit zur
Tuberkulose anatomisch wie bakteriell mit voller Sicherheit zu er¬
weisen, sondern es ist auch der Versuch gemacht worden, der Haut¬
tuberkulose einen ganzen neuen Bezirk von Affektionen anzugliedern,
die ätiologisch nicht auf den Tuberkelbacillus selbst, sondern auf Wir¬
kung seiner Toxine zurückgeführt werden sollen. Es handelt sich
dabei um Dermatosen, die von französischen Autoren als Tuberkulide
(Darier) oder Toxi-Tuberkulide (Hallopeau), von Boeck dagegen
als Exantheme der Tuberkulose zusammengefasst werden, und die
nach Boecks Definition zwar den Nachweis der Tuberkelbacillen
vermissen lassen, aber so häufig oder so konstant bei Individuen auf-
treten, die früher oder später sich als tuberkulös infiziert erweisen,
dass man aus diesem Grunde berechtigt oder vielmehr gezwungen ist,
diese Ausschläge mit der Tuberkulose in Verbindung zu setzen. Es
wird demnach eine durch Vermittelung von Toxinen erfolgende Fern¬
wirkung der Tuberkelbacillen auf die Haut angenommen.
Diese Gruppe der Tuberkulide hat, wenn ihre Existenz in dem
definierten ^inne überhaupt anerkannt werden darf, grosse praktische
Wichtigkeit für den Dermatologen wie für den praktizierenden Arzt
überhaupt. Boeck verweist auf die prämonitorische Bedeutung, die
solche Eruptionen gewinnen müssten, wenn sie als sichere Zeichen
einer tuberkulösen Infektion des betreffenden Organismus betrachtet
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Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
94
S. Bettmann.
o
werden dürften. Allein eine solche praktische Bedeutung der Tuber¬
kulide steht noch durchaus in Frage, solange nicht wenigstens eine
einigermassen sichere Abgrenzung des Gebietes erfolgt ist, — und
diese stösst begreiflicherweise auf Schwierigkeiten, da bei der Auf¬
stellung der ganzen Gruppe ein hypothetischer ätiologischer Gesichts¬
punkt massgebend war, der von den Tuberkuliden weder in den
klinischen Erscheinungsformen noch im histologischen Bau gemein¬
same Charaktere untereinander oder andererseits eine erkennbare Be¬
ziehung zur Tuberkulose verlangt und ein negatives bakteriologisches
Ergebnis voraussetzt. So findet sich beispielsweise unter den Tuber¬
kuliden neben neu geschaffenen Krankheitsbildem (Folliclis, Acnitis)
der Lupus erythematodes, für dessen tuberkulöse Natur alle Be¬
mühungen kein genügend beweiskräftiges Material haben Zusammen¬
tragen können.
Nun existiert ein Grenzgebiet zwischen den anerkannt tuber¬
kulösen Erkrankungen der Haut und jenen Tuberkuliden. Ihm ge¬
hören Affektionen an, deren tuberkulöse Natur im höchsten Grade
wahrscheinlich, aber vielleicht nicht bis zu dem Masse gesichert er¬
scheint, dass man sie ohne Reserve der Tuberkulose unterordnen
möchte, deren Einreihung unter die Tuberkulide andererseits aber
auch nur eine vorläufige Aushülfsmassregel bedeuten könnte. Ver¬
möge ihrer ganzen Stellung könnten diese Affektionen Vermittelungs¬
glieder abgeben, die über die angenommene ätiologische Beziehung
hinaus eine Verwandtschaft zwischen den Hauttuberkulosen und den
Tuberkuliden auch durch die Übereinstimmung klinischer und vielleicht
histologischer Charaktere sicherten. Diese vermittelnde Rolle könnte
solchen Affektionen auch dann erhalten bleiben, wenn ihre schliess-
liche Einreihung unter die echten tuberkulösen Erkrankungen der
Haut erfolgen dürfte. Für zwei Vertreter der Grenzgruppe, den Lichen
scrophulosorum und das Erythema induratum (Bazin) ist die Frage
wohl bereits in diesem Sinne entschieden. Dieselbe Stellung darf
auch dem seltenen Krankheitsbilde eingeräumt werden, auf das ich
im folgenden genauer eingehen möchte und das wesentlich an Inter¬
esse gewinnt, wenn man es im Zusammenhang mit der Frage der
Tuberculide betrachtet.
Ich habe zunächst einen Fall meiner eigenen Beobachtung zu
schildern:
Die 26jährige Patientin wurde am 3. HI. 1902 auf die dermato¬
logische Station der Heidelberger medizinischen Klinik aufgenommen *).
i) Demonstration der Patientin und mikroskopischer Präparate des Falles im
naturliistorisch-medizinisclien Verein Heidelberg am 27. Mai 1902. cf. Münchener
med. Wochenschr. 1902, S. 1549.
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
3]
Lupus follicularis disseminatus.
95
Die Familienanamnese ergibt nichts wesentliches; speziell her¬
vorzuheben ist, dass in der Familie der Kranken keinerlei tuberkulöse
Erkrankungen vorgekommen sein sollen. Auch die Patientin selbst
hat nie Erscheinungen irgend welcher Form von Tuberkulose dar¬
geboten. Sie hat als Kind Masern ohne besondere Folgeerscheinungen
durchgemacht, war nie ernstlich krank. Seit früher Kindheit leidet
sie gleich einem ihrer Brüder an einer schuppenden Hautaffektion,
besonders an den Beinen, die ihr keine weiteren Beschwerden ver¬
ursacht.
Im Juni 1901 nun trat bei ihr im Gesicht, das bis dahin nie
von einem Ausschlag befallen gewesen, unter Brennen eine zuerst
fleckige, dann „punktartige“ Erkrankung auf, die sich in wenigen
Monaten über das ganze Gesicht ausbreitete. Schon im August 1901
war die Ausdehnung erreicht, die jetzt noch besteht, es erfolgten
weiter keine Schübe mehr. Später traten nur noch einige Knötchen
an den Fingern und zuletzt an den Vorderarmen auf, die zeitweise
verschwunden sein sollen. Die Affektion im Gesichte verursacht keine
subjektiven Beschwerden, dagegen sollen die Knötchen an den Fingern
und Vorderarmen zeitweise spontan wie auf Druck ziemlich schmerz¬
haft gewesen sein.
Da sich der Zustand im Gesichte auf lange dauernde Salben¬
behandlung nicht gebessert hat, sucht Patientin wegen des kosmetischen
Nachteils Hülfe.
Die Untersuchung der inneren Organe, der Lymphdrüsen, des
Urins, des Blutes u. s. w. ergibt bei der gracil gebauten Patientin
nichts Pathologisches. Untersuchung der Haut: An den Beinen
und Armen besteht ein massiger Grad von Ichthyosis nitida mit Bil¬
dung stärkerer warziger Epidermismassen an den Knieen und Ell¬
bogen. Auch am Rücken und Abdomen findet sich ein geringer Grad
der Veränderung. Die Haut des Gesichts ist sehr trocken, etwas
spröde, ohne Schuppung; ebensowenig besteht eine deutliche Schuppen¬
bildung am behaarten Kopfe. Die Kopfhaare sind verhältnismässig
spärlich.
Dieser Zustand besteht — wie schon erwähnt wurde — bei der
Kranken seit früher Kindheit.
Im Gesichte unserer Patientin nun findet sich eine Eruption,
die zunächst den Vergleich mit einer Acne vulgaris herausfordert.
Eine grosse Anzahl von vielen Einzelherdchen — etwa 80 bis 100 —
sitzt über das ganze Gesicht verteilt, am dichtesten an der Stirne
und an den Augenlidern, vereinzelt innerhalb der Augenbrauen, dann
aber auch mehr oder minder dichtstehend über die Wangen, die
Nasenflügel, die nächste Umgebung des Mundes, das Kinn zerstreut.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
96
S. Bettmann.
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Die Einzelefflorescenzen sind rundlich, stecknadelkopfgross und wenig
grösser, von nahezu gleichem Umfang; auch die grössten erreichen
kaum einen Durchmesser von 3 mm. Sie sind zum Teil deutlich
prominent und lebhaft rot gefärbt, dabei fühlen sie sich, soweit die
minutiösen Verhältnisse ein Urteil gestatten, etwas succulent an; andere
Efüorescenzen wiederum ragen kaum über das Niveau der Haut her¬
vor oder sind gar etwas eingesunken, als ob sich an ihnen eine leichte
narbige Einziehung eingestellt hätte. Bei solchen Efflorescenzen ist
die lebhafte Färbung einem bräunlichen Rot oder ausgesprochenem
Braun gewichen. An keiner einzigen Efflorescenz finden sich Zeichen
einer Ulceration; die meisten tragen im Centrum einen kleinen weiss-
lich-gelben Punkt, der auf den ersten Blick wohl als Eiterpfröpfchen
imponieren könnte und somit die Ähnlichkeit mit Akne-Pusteln erhöht.
Aber die genauere Untersuchung zeigt, dass es sich um Epithel¬
schüppchen oder weit häufiger noch um geschlossene Epithelperlchen
(Milien) handelt. Manche Knötchen sind von einem Haar durchbohrt,
so besonders in der Brauengegend, und es besteht makroskopisch
durchaus der Eindruck einer Beziehung der Eruption zu den Follikeln.
Auffällig ist, wie im allgemeinen die Einzel-Efflorescenzen, auch wo
sie dicht beisammen stehen, von einander getrennt geblieben sind,
nur an sehr vereinzelten Stellen, speziell an den Schläfen und den
Augenlidern finden sich Andeutungen von Konfluenz, aber nirgends
wo bestehen grössere Plaques. Gegen Berührung und Druck sind die
Knötchen nicht empfindlich.
Der behaarte Kopf ist von der Affektion verschont geblieben,
ebenso Hals, Rumpf und untere Extremitäten.
Auch die Schleimhaut der Nase und der Mundhöhle erwiesen
sich intakt.
An der Streckseite der Basalphalanx des linken Zeigefingers ist
in der Haut ein etwa senfkorngrosses derbes Knötchen zu fühlen,
das bei Berührung schmerzt. Die Haut ist an der betreffenden Stelle
nicht verfärbt. Ähnliche Knötchen sind am linken 4. und 5. Finger
palpabel. Endlich lassen sich an der Beugeseite beider Vorderarme
je zwei Knötchen durchfühlen, die etwas grösser zu sein scheinen und
ihrer Verschieblichkeit nach wohl subkutan sitzen. Auch diese Knöt¬
chen, welche die Patientin erst in der letzten Zeit beobachtet hat,
weil sie ihr manchmal Schmerzen verursachten, sind druckempfindlich.
Die Beziehung der eben geschilderten Erscheinungen an den
Armen zur Affektion des Gesichtes musste vorläufig eine offene Frage
bleiben.
Aber auch die Diagnose der Erkrankung im Gesichte war zu¬
nächst keineswegs leicht. Nirgendswo fanden sich Comedonen, charak-
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Karte I
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Zusammensetzung der Bevölkerung
Ord
Höl
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Tafel III.
Zusammensetzung der Bevölkerung der badischen Amtsbezirke aus Landwirtschaft,
Industrie und Handel Treibenden. Einteilung in Höhengruppen, Ordnung innerhalb
der Höhengruppe nach zunehmender Tuberculosemortalität.
rioo=
Höhen gruppe II. 200—300 m.
Höhengruppe III. 300 —500 m.
Höhengruppe IV. über 500 m.
] Landwirtschaft I j Industrie fl , Handel
___Tuberculoseraortalität auf 10000 Lebende.
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Tabelle II.
Ordnung in Höhengruppen nach Tuberkulose-Mortalität.
rr
2
I 3
4
5
6
7
rr
10
11
12
13
H
15
16
17
18 ||
Bezeichnung der
Höhengruppen
Amtsbezirke
©
A
B
A
5
4»
*a
A
©
A
C
a
Q
Einwohnerzahl
Durchschnitt 1890-1900
Zahl der Erwerbs¬
tätigen in °/ 0
Landwirtschaft, Vieh¬
zucht, Jagd, Fischerei
Industrie
Handel und Verkehr
r
Häusliche Dienste
Militär- u. Hofdienst,
freie Berufe etc.
Ohne Beruf
Tuberkulosemortalität
auf 1000 Lebende
Krebsmortalität
auf 1000 Lebende
Bierproduktion und
Import auf Kopf in 1
Weinkonsum auf den
Kopf in 1
Anzahl d.Wirtschaften
auf 100 Lebende
Steuerkapital pro Kopf
Stückzahl des
geschlachteten Rind¬
viehs auf 100 Lebende
Kehl ....
137
27521
40,5
54,6
26,4
7,58
0,453
7,4
3,725
1,89
0,83
73,6
24,5
0,66
2227
9,01
B retten . . .
194
23415
44,9
59,0
24,2
8.1
0,495
3,17
5,17
2,35
0,79
57,9
14,2
0,57
2353
6,66
13,5
Durlach . . .
168
33169
48,4
38,8
44,5
8,35
0,528
4,3
4.1
2,38
0,70
57,9
23,5
0,52
1821
Achern . . .
192
22822
50,8
57,0
25,7
5,49
0,265
3,5
8,2
2,50
0,85
73,6
21,2
0,64
2142
8,33
Bühl ....
195
29977
50,6
67,5
17,7
5,78 I 0,244
2,43
6,28
2,53
0,76
69,9
19,5
0,56
1755
7,44
_ S
Offonburg . .
196
52325
52,4
52,1
28,0
9,33
0,729
3,28
6,6
2,83
0,99
29,9
24,5
0,51
2440
9,0
Weinheim . .
136
20446
46,2
34,6
47,4
8,49
0,563
3,43
5,49
3,13
0,95
174,3
16,4
0,43
2628
7,4
Mannheim . .
100
108636
45,8
7,37
52,2
26,0
1,39
7,25
5,49
3,19
0,69
174,3
32,8
0,75
4556
13,9
i-j
Karlsruhe . .
124
105487
48,8
15,2
42,5
17,1
1,45
13,74
10,0
3,32
0,82
219,2
43,2
0,45
4190
12,9
©
Rastatt . . .
183
57 280
52,6
45,5
29,5
6,75
1,153
13,0
4,04
3,43
0,75
122,2
23,1
0,51
1693
8,6
o.
Ettlingen . .
173
22901
49,3
42,2
42,1
5,95
0,789
5,49
3,62
3,45
0,69
29,2
19,9
0,54
2308
8,8
35
Bruchsal . . .
125
58444
49,8
51,0
30,3
7,25
0,512
4,91
5,99
3,54
1,04
82,3
19,5
0,48
1897
8,37
Baden ....
168
27158
51,8
24,4
32,5
17,8
2,25
7,65
14,5
3,54
1,02
69,9
54,5
0,77
4501
10,65
©
Wiesloch . .
139
21 489
52,0
49,3
40,0
5,06
0,2
2,85
2,64
3,60
0,78
175,7
13,5
0,48
1780
7,12
to
Heidelberg . .
186
76310
49,0
24,4
44,4
14,2
1,28
6,53
9,26
3,61
1,26
113,0
29,1
0,56
3270
9,35
Schwetzingen .
103
30552
48,2
31,3
51,8
9,85
0,373
3,55
3,12
4,26
0,64
175,7
18,2
0,54
1908
6,78
Summe
bezw. Durchschnitt
717932
35,2
40,9
13,8
3,18
0.86
S
Eppingen . .
Oberkirch . .
210
18141
46,2
57,8
27,5
6,75
0,417
3,41
4,16
2,09
0,84
34,2
12,2
0,56
2540
5,73
261
18340
51,0
58,7
15,48
7,15 0,695
2,81
6,52
2,12
0,95
101,2
20,4
0,69
2408
6,71
1 ^
Sinsheim. . .
207
34012
48,5
57,3
27,1
6,16
0,467
3,7
5,47
2,25
0,75
34,2
15,6
0.59
2826
7,98
1
Adelsheim . .
2*4
13880
48,3
62,4
20,0
8,69
0,493
3,1
5,48
2,38
0,87
45,7
18,4
0,59
2270
4,86
S
Tauberbischofsheim
274
46657
50,9
70,4
14,9
5,67
0,178
3,0
5,72
2,38
0,81
61,0
13,4
0,61
2148
4,67
*
Mosbach . . .
216
30179
48,5
59,0
23,2
8,0
0,835
4,0
5,26
2,39
0,98
89,3
17,1
0.59
2180
5,32
1 .
Breisach . . .
•
225
19436
54,8
71,8
13,0
5,97
0,37
4,81
3,98
2,44
0,79
47,7
13,7
0,52
2099
9,62
Ettenheim . .
206
17868
52,3
61,0
24,3
7,28
0,46
2,85
4,29
2,62
0,83
81,5
19,7
0,51
2220
9,82
©
Wertheim . .
241
19437
50,0
57,6
26,0
7,38
0,538
3,52
5,3
2,62
0,77
45,7
16,7
0,57
1975
7,53
ä
o.
Emmcndincen .
i 211 ,
46 4951 52,8
59,8
26,5
4,94
0,192
2,79
5,66
2.69
0,91
139,1
18,1
0,47
2300
8,84
p
Lahr ....
•
219 1
36304
51,0
43,7
41,4
6,45
0,673
3.21
4,.55
2.91
0,79
81,5
31,6
0,51
2409
8,94
Staufen . . .
276
18404
55,2
69,5
17,4
3,87
0,18
2,76
5,92
2,92
1,05
47,7
18,7
0,58
2682
7,85
©
Eberbach . .
282 !
14518
45,9
43,4
35,1
11,4
1,69
3,18
4,95
3,64 0,62
1
85,3
14,4
0,67
1517
4,98
txj
Summe
bezw. Durchschnitt
334437
60,3
25,3
6,7
2,56
0,84
B
Überlingen . .
471
26291
56,6
60,7
21,6
5.1
0,56
3,8
8,0
1,94
1,31
94,4
23,1
0,71
2516
6,73
1
Buchen . . .
381
27103
48,5
62,6
21,4
5,48
i, 2 a r »
3,14
6,21
1,95
0,66
45,7
14,0
0,56
2192
4,01
|
Schopfheim . .
481
20955
53,1
45,3
41,7
4,62
0.874
2,36
5,14
2,01
0,98
32,7
83,3
0,5
2225
6,35
Walashut . .
.
465
33079
56,0
I 58,1
25,0
6,82
0,32
4,46
5,57
2,01
1,52
53,7
24,4
0,58
2042
6,0
Lörrach . . .
316
37 907
53,0
' 37,5
47.2
6,35
0,312
3,55
5,26
2.48
0.90
40,4
30,9
0,43
2520
10,1
1
Wolfach . . .
321
24 277
50,8
52,3
29,0
8,28
0,547
2,43
7,38
2,51
0,73
64,9
25,5
0,75
1885
1 5,17
Konstanz . .
429
43*07
53,4
34,3
32,2
14,3
0,927
10,8
7.23
2,59
1,14
150,5
J 30,3
0,67
2565
11,32
1 3
Mullheim . .
321
21015 51,2
60,2
20,9
9,1
0,408
3.5
5,86
2,66
0,97
14.4
1 19,6
0,58
2900
1 8,83
a.
Waldkirch . .
374
21 299 i 55,8
49,0
35,3
4,56
0,64
2,62
7,84
2,68
0,71
1 139,1
20,5
0,6
1 1760
5,31
2*
Hückingen . .
480
17 755
56.9
45,2
40,4
5,19
0,295
3,88
5,17
2,77
1,17
1 32,7
33,7
0,38
1760
4,25
I &
Pforzheim . .
314
64503
49,3
54,1
21.4
61.2
8,22
0,701
3,62
5,07
2.84
0,59
60,3
33,5
0,55
2606
10,6
?
Freiburg . . .
453
76 321
1 25,9
1 35,1
13,5
1,39
9,14
14,82
3,18
1,34
163,5
40,4
0,5
1_
3820
1_
11,0
3
n
Summe
bezw Durchschnitt 1
414312
1 41,6
38,1
9,07
2,58
1,1
1 s
Neustadt. . .
1 856
15182
54,0
44,7
36,0
8,04
0,953
3,18
7,3
1,52
0,92
93,6
33,4
u
2550
6.21
5.
Bonndorf . .
.
1 695
16162
56,8
67,9
; 17,8
4,5
0,27
3,73
5.64
1,98
1,11
80,5
21,8
0,87 1
2065
2.59
u
Pfullendorf. .
1 674
9718
56,0
66,9
20,6
4,85
0,71
2 23
6,53
2,06
0.86
94,4
22,3
0,75
2710
7.87 1
a
Engen ....
593
21 279
53,0
65,6
20,2
5,28
0,257
3,67
4,75
2,06
1,58
150,5
15,9
0,75 |
2255
3,44 j
o
Mcsskirch . .
682
14252
52,3
70,0
15,6
4,78
0,35
2,77
6,42
2,1
0,99
111,1
13,0
0,76
2206
3,35
>
Stockach . . .
Ml
18715
52,2
60,5
27,0
4,78
0,24
3,16
4,37
2,14
1,58
111,1 1 20,9
0,94
2360
4,88
Villingen . .
764
25124
51,4
40,8
40,7
8,5
0,66
3,3
5,94
2,24
0,68
78,9 | 24,2
0,67
1842 ,
6,24
©
a.
St Blasien . .
.
866
9896 1 56,3
46,6
34,8
9,82
0,47
3,26
5,67
2,26
1,21
26,3
38,7
0,68
1800
7,53
a.
Triberg . . .
786
24470
50,6
29,7
53,0
8,45
0,68
2,89
5,34
2,29
0,93
64,9
26,8
0,71
1900
6,65
2
M
5
>-]
Donaueschingen
686
24222
52,9
60,8
21,7
5,75
1,35
3,81
6,6
2,44
1,35
93,6
22,9
0,87
2900
5,9 1
Schönau . . .
* 1
647
15266
56,5
36,4
49,3
5,9
2,48
2,48
5,26
2,49
1,06
26,9
36,5
0,55
1603
12,3 1
s
Summe
bezw. Durchschnitt
191286
52,8
31,6
6,57
2,06
1,18
1 1
-
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. U. 1.
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teristische Akne-Efflorescenzen oder Narben von solchen, und dass
die oben beschriebene Eruption keine Acne vulgaris darstellte, ergab
sich aus einer Reihe von Gründen. Es fehlte den einzelnen Knötchen
der entzündliche Rand, der den Akne-Efflorescenzen eigentümlich ist,
ebenso wie die centrale eitrige Einschmelzung, und die Angaben der
Patientin über das lange Bestehen jeder Einzelefflorescenz, deren
Richtigkeit durch die weitere Beobachtung bestätigt wurde, wie end¬
lich die Art der Involution, die sich an den eingesunkenen Knötchen
ergab, liess die Diagnose einer Akne — trotz der Übereinstimmung
der Verteilung und der groben Ähnlichkeit der Knötchen — mit Be¬
stimmtheit ablehnen.
Ebenso erschien die Annahme eines papulösen Syphilids oder eine
Beziehung zur Ichthyosis der Patientin ausgeschlossen.
Dagegen ergab sich ein positiver Anhalt für die Diagnose aus
dem Verhalten der Knötchen unter Glasdruck. Verdrängte man durch
den aufgelegten Glasspatel das Blut, so erwiesen sich die Efflores-
cenzen durchweg als bräunliche oder gelbbräunliche gelatinös durch¬
scheinende Infiltrate; sie zeigten also in exquisiter Weise Eigentüm¬
lichkeiten, die als charakteristisch für den Lupus vulgaris gelten.
Und zugleich besass das kranke Gewebe eine auffallend matsche und
weiche Beschaffenheit, wie wir sie ja auch beim Lupus vulgaris finden.
Die Knötchen Hessen sich leicht mit dem Höllensteinstift oder der
Hohlsonde als Ganzes herausbohren: es erfolgte ziemlich reichliche
Blutung, und es blieb ein Krater mit unregelmässigen zackigen Rändern.
So wurde vorläufig die Diagnose auf eine lupusartige Affektion
(Lupus follicularis disseminatus?) gestellt.
Zur Sicherung der Diagnose sind nun folgende Untersuchungen
unternommen worden:
1. Zum Zwecke der histologischen Untersuchung wurden der
Kranken zwei Efflorescenzen excidiert; beide stellten etwas prominen¬
tere — also anscheinend frischere — Knötchen dar.
Die mikroskopische Untersuchung (Formol-Alkohol-Härtung, Fär¬
bung mit den üblichen Methoden) ergab übereinstimmend für beide
Knötchen :
In der Cutis liegt ein durch stärkere Ansammlung von lympho-
iden Zellen genügend deutlich gegen die Umgebung abgrenzbares
kugeliges Infiltrat, dessen Bau durchaus dem eines Epithe-
loid tuberkels entspricht. Stellenweise finden sich Langhans-
sche Riesenzellen mit regelmässig gestellten Kernen einzeln oder
in kleineren Gruppen; das Centrum des Knötchens zeigt die Er¬
scheinungen der Verkäsung. Das Infiltrat steigt aus der Tiefe des
Coriums fast unmittelbar bis zur Epidermis empor, der Papillarkörper
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ist über den Knoten verstrichen, das Epithellager wesentlich ver¬
schmälert, aber nirgendwo unterbrochen. An der Kuppe des Infiltrats
und von diesem an der Basis und den seitlichen Partieen umscheidet
liegt nahe unter dem Epithel eine völlig geschlossene kleine Cyste,
deren Wandung mehrere nach innen zu abgeflachte und verhornte Epi¬
thellager aufweist. Es ist mir nicht gelungen, eine Verbindung der
Epithelcyste mit einem Drüsenausfuhrgang aufzufinden. Überhaupt
findet sich in dem Knoten nichts weiter von Drüsenelementen, und
meine mikroskopischen Präparate gestatten keineswegs den Schluss,
dass die Entwickelung der Knötchen an die Umgebung der Follikel
gebunden wäre; die Talg- und Schweissdrüsen wie ihre Ausfuhrgänge
erscheinen vielmehr durch den Tuberkel zur Seite gedrängt. Nur
stellenweise ist ihre Wandung von einer mässigen entzündlichen Zell¬
anhäufung umgeben, die auch streckenweise die erweiterten grösseren
Gefässe begleitet. Es ist aber zu betonen, dass diese Veränderungen,
die sich ausserhalb des wohl abgegrenzten Knötchens finden, nur recht
geringen Umfang gewonnen haben.
2. Auf Tuberkelbacillen wurden reichlich 60 Schnitte nach
der Ehrlich sehen wie nach der Zieh Ischen Methode gefärbt.
Weder Herrn Dr. Fi schier, Assistenten am pathologischen Institute,
der mich bei dieser Untersuchung freundlichst unterstützte, noch mir
gelang der Nachweis von Tuberkelbacillen. Übrigens erwiesen sich
die Knötchen auch frei von irgend welchen anderen bakteriellen
Elementen.
3. Ich habe dann an der Kranken drei diagnostische Injek¬
tionen mit Alt-Tuberkulin vorgenommen. Die Probe mit 3 mg
blieb negativ. Die zweite Injektion — vorgenommen mit 5 mg —
scheint ein positives Ergebnis ergeben zu haben, das aber leider
nicht genügend kontrolliert worden ist. Die Injektion war mittags
um 12 Uhr erfolgt, und bis zum Abend war keine Reaktion ein¬
getreten. Die Nachttemperaturen waren leider nicht gemessen worden.
Aber die Patientin hatte während der Nacht über Übelkeit und Glieder¬
schmerzen geklagt; die Morgentemperatur um 8 Uhr betrug noch
37,8°; zugleich traten die Knötchen im Gesicht stärker geschwellt
und gerötet hervor. Eine Injektion von 8 mg endlich am 12. III.
zeigte eine genügend prompte und sehr intensive örtliche wie all¬
gemeine Reaktion, bei der die Temperatur auf 39,6° anstieg. Ich
füge hinzu, dass die Kranke während ihres mehrwöchentlichen Aufent¬
haltes in der Klinik zu keiner anderen Zeit abnorme Temperaturen
gezeigt hat.
4. Das Impfexperiment (vordere Augenkammer des Kaninchens)
ergab ein negatives Resultat. Das eingebrachte Material blieb re-
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aktionslos liegen, ohne dass es weiterhin zur Erkrankung der Iris
kam. Die Obduktion des Tieres liess jede tuberkulöse Affektion aus-
schliessen.
Über die weitere Beobachtung unserer Kranken ist noch folgendes
zu berichten: Die Affektion im Gesichte hat sich bis jetzt (September
1902) trotz mancherlei therapeutischer Versuche, auf die ich später
noch zurückkommen werde, im wesentlichen unverändert erhalten.
Einzelne der Knötchen haben sich wohl involviert; speziell in der
Umgebung des Auges sind mehrere der Efflorescenzen mit Hinter¬
lassung grösserer Milien verschwunden. Auf der anderen Seite war
ein spontanes Auftreten neuer Knötchen nicht zu beobachten. Aber
während die Excisionsstellen im Gesichte reaktionslos heilten, zeigte
sich, dass Ausbohrung und Auskratzen an den wenigen Stellen, an
denen wir eine solche Manipulation vorgenomraon hatten, ungünstig
wirkte, da jedesmal um die kleine Narbe herum eine ganze Anzahl
von frischen Efflorescenzen aufgetaucht ist. Eine Konfluenz zu grösseren
Plaques oder Bildung grösserer Knoten ist im übrigen nirgendswo
erfolgt.
Gegenüber dieser Konstanz des Befundes im Gesichte sind aber
neue Erscheinungen an den Extremitäten zu notieren. Die oben ge¬
schilderten intra- und subkutan gelegenen Knötchen an den oberen
Extremitäten sind allmählich etwas grösser geworden, die Haut ge¬
wann über ihnen eine rosa Verfärbung. Dann aber sind seit Juli 1902
an den Waden grössere Knoten bemerkbar geworden. Auch diese
waren anfangs nur fühlbar; sie wuchsen zu kirschkern- bis nussgrossen,
harten, etwas in der Haut verschieblichen, druckempfindlichen Knoten
heran, während über ihnen allmählich eine braunrote Verfärbung der
Haut eintrat. Ein Teil der Bildungen hat sich spontan involviert.
Zur Zeit bestehen an den Unterschenkeln noch drei derartige Knoten,
die ihrem Aussehen nach am besten mit den Efflorescenzen des Ery¬
thema nodosum zu vergleichen wären. Erweichung und Zerfall ist
an ihnen bis jetzt nicht aufgetreten.
Diese Erscheinungen an den Extremitäten sind nunmehr genügend
lange beobachtet, um ein Urteil darüber zu gestatten, dass sie mit
der Affektion des Gesichtes nicht identisch sind. Ihren Charakteren
nach sind die Knötchen an den oberen Extremitäten jener Krank¬
heitsform anzureihen, die unter der Bezeichnung „Aknitis“ (Barthe-
lemy) als Unterart der Tuberkulide beschrieben ist, während die
Knoten an den Waden am nächsten dem Bilde des Erythema indura-
tum (Bazin) entsprechen. Wir finden demnach bei unserer
Kranken nebeneinander verschiedene dermatologische
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Krankheitsbilder, und die Frage, wie weit dieselben zusammen¬
gehören, wird sich von selbst ergeben 1 ).
Soweit die Erkrankung des Gesichtes in Frage kommt, liegt die
Annahme einer tuberkulösen Erkrankung der Haut ausserordentlich
nahe. Klinische Charaktere der Einzelefflorescenzen, der histologische
Befund und der Ausfall der Tuberkulin-Reaktion sind in positivem Sinne
zu verwerten. Allerdings konnten keine Tuberkelbacillen nachgewiesen
werden und das Tierexperiment blieb negativ. Somit ist der Beweis
der tuberkulösen Natur des Leidens, so wahrscheinlich diese ist, in
unserem Falle nicht völlig erbracht, und wir sind darauf angewiesen,
die Deutung heranzuziehen, die andere ähnliche Beobachtungen er¬
fahren haben. Unser Fall erweist sich symptomatologisch als ein
typisches Beispiel jener seltenen Affektionen, die zuerst von Tilbury
Fox im Jahre 1878 als „disseminated follicular lupus, simulating
acne 4 beschrieben wurde und deren Einzelbeobachtungen unter ver¬
schiedenartigen Bezeichnungen rubriziert sind (Acne-Lupus Hutchinson,
Adenoid-Acne R. Crocker, Lupus miliaris Unna-v. Dühring, Lupus
acneique Besnier, Lupus ä tubercules miliaires dissemines Leloir,
Lupus tuberculeux aigu nodulaire dissemine Besni e r, Acne teleangi-
ectodes Kaposi, Lupus acutus Kreibich u. s. w.
Es dürfte ratsam sein, an der Bezeichnung „Lupus follicularis
disseminatus 4 feszuhalten, da dieser Name wenigstens bei den deutschen
Autoren ziemlich allgemeine Annahme gefunden hat, und da eine Ver¬
mehrung der Namen für ein und dieselbe Affektion der Übersicht
über die einzelnen Fälle gewiss nicht förderlich sein kann. Anderer¬
seits aber mag die angeführte Vielheit der Benennungen Bedenken
erregen, ob wir es hier wirklich durchweg mit demselben Krankheits¬
bilde zu tun haben, umsomehr, als keineswegs eine einheitliche Deutung
der Fälle besteht.
Auf die Literatur der Affektion brauche ich im einzelnen nicht
genauer einzugehen. Finger 2 ) hat sie in seiner zusammenfassenden
Arbeit gebracht, und Saalfeld 3 ) hat anlässlich der Publikation einer
neuen Beobachtung die Einzelfälle nochmals ausführlich rekapituliert.
1) Anm. bei der Korrektur: Die Knoten an den Extremitäten sind jetzt
(Ende November) wieder vollkommen verschwunden. Wenn diese komplete Rück¬
bildung auch in der Regel beim Erythema induratum fehlt, so glaube ich doch
an der Diagnose festhalten zu dürfen.
2) Finger, Über Lupus follicularis disseminatus (Tilbury Fox), Acne
telangiectodes (Kaposi) Wien. klin. Wochenschr. 1897.
3) Saalfeld, Über Lupus follicularis disseminatus und über Beziehungen
zwischen Lupus vulgaris und Lupus erythematodes. Dermatol. Zeitschr. Bd.VIII,
Heft 3.
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Ich verweise also einfach auf diese beiden Autoren; nur möchte ich
für die folgende Besprechung zunächst den Fall Beniers 1 2 ) wie
Kaposis Fälle von Acne telangiectodes beiseite lassen, dafür aber
sind noch folgende spätere Beobachtungen hervorzuheben:
Balz er und Michaux demonstrierten als „Lupus de la face
ä nodules miliaires dissemines“*) den Fall eines 26jährigen Patienten,
bei dem die Affektion vor 6 Monaten begann. Sie beschränkt sich
auf das Gesicht, besteht aus miliaren papulösen Efflorescenzen von
roter Farbe. Ein Teil, besonders an den Wangen, zeigt eine centrale
Depression und scheint sich um Talgdrüsen herum gebildet zu haben.
Seit ihrem Auftreten bieten die Elemente keine Neigung zur Rück¬
bildung dar, ihre Zahl vermehrt sich immer weiter; es sind mehr als
60. Ihr Umfang ist recht verschieden, einige sehr kleine haben kaum
einen Millimeter Durchmesser. Die grössten sitzen an den Lidern
und zeigen schön die rötliche Färbung mit der Halb-Transparenz des
Lupus.
Ausserdem sind mehrere Elemente hervorzuheben, besonders an
der Stirn, die eine leicht rosige Verfärbung zeigen oder gar keine
Veränderung der Hautfarbe. Einige derselben scheinen in der Haut
zu liegen, andere sitzen augenscheinlich unter der Haut und lassen
sich unter dem Finger rollen.
Bei dem Kranken bestehen indolente Drüsenschwellungen der
Regio mastoidea. Von Tuberkulose ist bei ihm nichts Sicheres nach¬
zuweisen, auch die Anamnese ergibt nichts Verwertbares in dieser
Beziehung.
Balzer und Michaux glauben, dass das Krankheitsbild dem
Lupus anzugliedern sei.
In einer späteren Mitteilung aus dem Jahre 1899 kommt Balzer 3 )
auf diesen Fall zurück. Der Patient ist durch Galvanokaustik geheilt
worden, und es sind bei ihm keine Erscheinungen visceraler Tuber¬
kulose aufgetreten. Balzer hebt als beachtenswert hervor, dass
während der ganzen Beobachtungszeit keines der Knötchen eine aus¬
gesprochene Tendenz zur Ausbreitung gezeigt hat, und ist schwankend
geworden, ob nicht der Fall statt dem Gebiete des Lupus vielmehr
der Gruppe der „acneiformen Tuberkulide“ einzureihen sei. Pontop-
pidan hat Balzer schriftlich einen Fall mitgeteilt, der nach klinischen
Charakteren, Lokalisation und Entwickelung identisch war. Die Knöt-
1) Besnier, Lupus tuberculeux aigu, nodulaire, dissemine. Annales de
Dermatol. 1889, S. 32.
2) Annales de Dermatol. 1898, S. 175.
3) Balzer, Lupus ä nodules miliaires ou tuberculides acneiformes de la
face et du cuir chevelu. Annales de Dermatol. 1899, S. 681.
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eben erwiesen sich mikroskopisch als lupusähnliche Granulome, Bacil¬
len aber waren weder mikroskopisch noch bakteriologisch zu finden.
Nobl 1 ) publiziert weiterhin folgenden Fall von „Lupus follicularis
disseminatus frontis“.
Die Eruption bestand bei der 35jährigen Patientin seit l 1 /« Jahren,
sie stellte sich in Form von schrotkorn- bis erbsengrossen halbkuge¬
ligen Knötchen dar, die nirgendswo kontiuierten und die saturiert
braunrötliche, weiche, nur von dünner Oberhaut bedeckte Infiltrate
darstellten, die insgesamt eine streng den Follikeln entsprechende
Anordnung aufwiesen. Viele dieser papulösen Bildungen zeigten
eine fokale Anhäufung in Lostrennung begriffener Epidermiszellen.
Ausser dem Exanthem bestand eine starke Seborrhöe der Kopfhaut,
sowie reichliche Komedonenbildung im Gesichte.
Die Patientin litt an chronischem Lungenspitzenkatarrh.
Auslöffelung der sulzigen Infiltrate mit dem Volk mannsehen
Löffel und Verschorfung der Defekte mit dem Glüheisen führte zwar
zu sehr rascher Vernarbung, aber schon nach kaum 3 Monaten zwang
ein akutes, in wenigen Wochen gebildetes Recidiv zur Wiederholung
des Eingriffs. An der Grenze vieler ausgeheilter Effiorescenzen waren
hanfkorn- und darüber grosse follikuläre braunrote sulzige und trans¬
parente schlaffe Knötchen aufgeschossen.
Die mikroskopische Untersuchung der Knötchen lehrte, dass der
Prozess als ein dem Lupus sehr nahestehender anzusprechen ist. Im
wesentlichen fanden sich knötchenförmige Zellanhäufungen im Corium,
teils aus Epitheloidzellen, teils aus Rundzellen bestehend. Ohne aus¬
gesprochene Verkäsung fand sich im Centrum dieser den Bau der
miliaren Tuberkel aufweisenden Zellagglomerade doch insofern eine
regressive Veränderung, als hier die von spärlichen Riesenzellen durch¬
setzten Rund- und Epitheloidzellhaufen eine nur geringe nukleäre
Tingibilität aufwiesen.
Tuberkelbacillen waren in zahlreichen Schnitten nicht zu finden.
Ferner demonstrierte Th. Mayer 2 ) aus der Lassarschen Klinik
ein 20jähriges Fräulein aus gesunder Familie, das in früher Jugend
mit Skrofulöse behaftet gewesen. Ihr Hautleiden begann vor 1 1 <2
Jahren in der Nasolabialfalte mit der Bildung von stecknadelkopf¬
grossen rundlichen, weichen, tiefroten, glänzenden Knötchen. Inner¬
halb eines halben Jahres Verschlimmerung. Auftreten einer platten-
*) Nobl, Zur Klinik und Histologie seltener Formen der Hauttuberkulose.
Arch. f. Dermatol. Festschrift für Kaposi, S. 856.
2) Berl. Dermatolog. Gesellschaft 5. Februar 1901. Sitzungsbericht in der
Dermatologischen Zeitschrift, Bd. VIII, S. 417.
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artigen Efflorescenz, die nach Angabe der Kranken aus der Konfluenz
eine Anzahl der geschilderten Knötchen hervorgegangen war. Auf
Excision baldiges Recidiv.
Einzelne Knötchen sind auch auf der Schleimhaut am Septum
narium aufgetreten.
„Es zeigte sich unter dem Mikroskop auf das Klarste das Struk¬
turbild eines tuberkulösen Prozesses“. Bacillen waren nicht nach¬
zuweisen.
Th. Mayer bezeichnet den Fall als Lupus acneiformis im Sinne
des Lupus follicularis disseminatus von Tilb. Fox.
Er berichtet zugleich über einen zweiten analogen Fall, bei dem
ebenfalls das Septum narium beteiligt ist, und bei dem gleichzeitig
eine deutliche Spitzenaffektion bestand.
Endlich hat Kreibich*) in der Wiener dermatologischen Gesell¬
schaft eine Patientin mit „Lupus acutus“ vorgestellt: Bei einer
28jährigen sonst vollkommen gesunden Frau ist vor 10 Wochen plötz¬
lich unter Brennen im ganzen Gesichte ein roter Ausschlag entstanden,
der sich seither wenig oder gar nicht mehr verändert hat. Zum Teil
handelt es sich um zahlreiche, rote, teilweise auch leicht schuppende
Knötchen, an anderen Stellen aber um stecknadelkopfgrosse braun¬
rote, liimbeergeleeartige, prominente weiche Knötchen, die vereinzelt
nur in der Mitte eine kleine, gelbliche, milienartige Veränderung
zeigen. Keins der Knötchen hat Neigung zu Ulceration. An der
rechten Halsseite der Patientin ist eine eingezogene, einer vereiterten
Lymphdrüse entsprechende Narbe zu sehen. Die histologische Unter¬
suchung der Knötchen ergab „typisches tuberkulöses Granulations¬
gewebe mit centraler Nekrose, epitheloiden und Riesenzellen“. In
ca. 50 untersuchten Schnitten waren keine Tuberkelbacillen nach¬
zuweisen.
Die von mir oben herangezogenen Fälle aus der Zusammenstellung
Fingers wie die weiter hier angeführten Beobachtungen gestatten
nun zunächst die Abgrenzung des Lupus follicularis disseminatus als
eines klinisch wohl charakterisierten Krankheitsbildes. Befallen
sind fast durchweg Personen zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr,
nur No bis Kranke war beim Auftreten der Affektion wenig älter.
Weibliche Personen sind häufiger erkrankt als männliche. Bei einer
ganzen Reihe der Patienten war eine familiäre tuberkulöse Belastung
nachweisbar, einige Patienten zeigten selbst manifeste tuberkulöse
Symptome. Hutchinson erwähnt einen Fall, wo „Akne-Lupus“
neben Lupus vulgaris bestand. Die Affektion entsteht ohne mani-
i) S. Archiv f. Dermatol. LX, S. 284.
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feste Ursache, sie entwickelt sich meist subakut, d. h. das Maximum
der Erscheinungen pflegt in wenigen Monaten erreicht zu sein. Aber
kein einziger Fall ist wohl schon vom ersten Anbeginn ab in Beob¬
achtung gewesen. Die Affektion beschränkt sich auf das Gesicht,
scheint nur gelegentlich die Haargrenze nach oben zu überschreiten.
Auf eine Beteiligung der Schleimhäute ist wohl nicht immer genügend
geachtet worden. Th. Mayer konstatierte neuerdings das Befallen¬
sein der Nasenschleiiuhaut und zieht in Betracht, dass die Affektion
möglicherweise von dort ihren Ausgang nehmen könnte. Der all¬
gemeinen Gültigkeit einer solchen Vermutung steht aber unsere Be¬
obachtung entgegen, in der sich das Naseninnere intakt erwies.
Die Erkrankung des Gesichtes manifestiert sich in einer Disse¬
mination von anscheinend follikulär angeordneten etwas prominenten
Knötchen von verschiedener Grösse. Tilbury Fox spricht von iso¬
lierten Punkten und Flecken von Stecknadelkopfgrösse bis zum Um¬
fang von wenig mehr als einer kleinen gespaltenen Erbse. In ein¬
zelnen Fällen sind auch zum Teil etwas grössere Knoten beobachtet
worden; unser Fall zeichnet sich dem gegenüber durch die ausnahms¬
lose Kleinheit der Efflorescenzen aus. Die Knötchen besitzen in
jüngeren Stadien eine mehr frischrote, später mehr eine bräunlich¬
rote oder braune Färbung; die meisten von ihnen tragen dann ein
centrales Milium. Die Efflorescenzen fühlen sich weich an, sie präsen¬
tieren sich bei Verdrängung des Blutes als bräunliche, gelatinös durch¬
scheinende Infiltrate; ihre matsche Beschaffenheit gestattet leicht eine
Auslöffelung in toto; die herausgeholten glasigen Massen lassen sich
ohne weiteres zwischen den Fingern zerdrücken.
Die Affektion ist dadurch ausgezeichnet, dass die Einzelefflores-
cenzen weder zur Vergrösserung noch zur Konfluenz Neigung besitzen,
dass ihnen aber andererseits auch die Tendenz zur Rückbildung fehlt,
wenn man sie sich selbst überlässt. Ältere Knötchen sinken aller¬
dings etwas ein, vereinzelte verschwinden auch völlig mit Hinter¬
lassung von Milien, im grossen und ganzen aber gilt, was schon Til¬
bury Fox hervorhob: die einzelnen Flecke machen den Eindruck,
als wollten sie für unbestimmte Zeit unverändert bleiben. Nur ein
zeitweiliger Wechsel des Kongestionszustandes ist zu konstatieren.
Eitrige Einschmelzung ist nicht beobachtet.
Was Begleiterscheinungen betrifft, so fehlen subjektive Symptome,
wie Jucken, vollständig. Von verschiedenen Seiten ist auf das Vor¬
handensein einer Seborrhoe oder von Ivomedonen und Akne mehr
oder minder nachdrücklich hingewiesen worden, zumal dann, wenn
man eine Beziehung der Affektion zur Akne festbalten wollte. Aber
diese Begleiterscheinungen sind keineswegs konstant. Ich möchte
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speziell nochmals hervorheben, dass bei unserer ichthyotischen Kranken
Seborrhoe und Akne vollständig fehlten. Keinesfalls dürfen also der¬
artige Störungen im Bereiche der Talgdrüsen als wesentliche Voraus¬
setzungen der Erkrankung angesehen werden.
Über den Effekt der Therapie sind die Ansichten geteilt.
Sicher ist, dass jede Form der Akne-Behandlung, die vielfach ver¬
sucht wurde, im Stiche lässt, v. Dühring rühmt die Wirkung
starker Kreosot-Salicylpflaster; bei unserer Kranken sind wir damit
nicht zum Ziele gelangt, wenn auch eine gewisse Besserung un¬
verkennbar war. Saalfeld sah Besserung unter Kantharidin-Behand¬
lung und erhoffte von derselben völlige Heilung seines Falles. Am
besten bewährt sich wohl die gründliche Excochleation jedes ein¬
zelnen Knötchens mit folgender Thermokauterisation; aber
abgesehen von dem Nachteil der Narbenbildung kann auch diese Be¬
handlung nicht überall Recidive verhindern. Direkt zu warnen
aber ist vor einer ungenügenden Auslöffelung allein,
die nur verschlimmernd wirkt. Finger hat darauf ver¬
wiesen, dass bei dieser Behandlung um die Narbe herum ein ganzer
Kranz frischer Efflorescenzen auftreten kann, und seine Beobachtung
ist weiterhin mehrfach bestätigt worden; auch in unserem Falle
mussten wir dieselbe Erfahrung machen.
Über schwere Krankheiten im Gefolge der geschilderten Affek¬
tion, speziell über sich anschliessende Tuberkulose anderer Organe,
ist im allgemeinen nichts bekannt geworden. Ob der Fall von disse-
miniertem Lupus, von dem Besnier beiläufig berichtet, dass die
Kranke während der Behandlung einer tuberkulösen Pleuritis und
Meningitis erlag, dem Bilde des Lupus follicularis angehört, scheint
mir nicht zur Genüge erwiesen.
Das hier summarisch geschilderte Krankheitsbild hat nun ver¬
schiedene Deutung erfahren. R. Crocker sprach die Erkrankung
als eine Akne-Form an (Adenoid-Akne) und eine ähnliche Auf¬
fassung kehrt, wie wir sehen werden, bei Kaposi wieder (Acne
telangiectodes). Andererseits ist die Affektion als eine Unterart
des Lupus vulgaris oder eine diesem nahestehende Form der Haut¬
tuberkulose aufgefasst worden, und die Anschauung wird seit Fingers
Arbeit in den deutschen Lehrbüchern allgemein vertreten. Touton 1 )
dagegen handelt die Krankheit unter den „Tuberkuliden“ ab, eine
Anschauung, die derjenigen französischer Autoren entspricht, und
i) Touton, Ätiologie und Pathologie der Akne. Verhandlungen des IV.
Kongresses der deutschen dennatol. Gesellschaft.
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iuh
L engl et 1 ) z. B. möchte es offen lassen, ob es sich um ein „Tuber¬
kulid“ oder eine schlecht determinierte Form der kolloiden Degene¬
ration der Haut handelt.
Der genauere Beweis für die tuberkulöse Natur des Leidens kann
an der Hand der klinischen Charaktere allein nicht geliefert werden,
und so müssen hier alle jene Fälle beiseite bleiben, in denen auf
Grund der makroskopischen Eigentümlichkeiten der Knötchen, speziell
ihrer Farbe, durchscheinenden Beschaffenheit und ihrer Weichheit die
Diagnose des Lupus ohne weiteres acceptiert wurde. Zum mindesten
bedürfen wir des mikroskopischen Befundes. Er liegt vor in
Fällen von Tilbury Fox, Elliot, Jadassohn, Finger, Saal¬
feld, Pontoppidan, Nobl, Th. Mayer, Kreibich uud in
unserem Falle. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind nicht
ganz einheitlich, und sie sind auch mit verschiedener Reserve als tuber¬
kulös angesprochen worden. R. Crocker 2 ) hält den mikroskopischen
Befund, den T. Fox gab, nicht für genügend, um die Diagnose eines
lupösen Infiltrates aufrecht zu erhalten, und die Abbildung, die sich
in Foxs Arbeit 3 ) findet, dürfte allerdings nicht als beweisend an¬
gesehen werden. Gegen Elliots Deutung seines mikroskopischen
Befundes sind in der Diskussion, die sich an seine Demonstration
anschloss, Einwände .erhoben worden; Jadassohn fand nur Granu¬
lationsgewebe mit L an gh ans sehen Riesenzellen. Dagegen schildert
Finger einen Befund, der wohl direkt als tuberkulös angesprochen
werden darf: Nester aus dichtgestellten Epitheloidzellen, die Lang-
h ans sehe Riesenzellen einschliessen, und die, durch einen schmalen
Saum von mononukleären Elementen von einander abgegrenzt, sich
zu einem grösseren, scharf umschriebenen Knoten Zusammenschlüssen;
dabei besteht centrale Verkäsung. Saalfeld wies Rundzellen-Infil-
trate mit Riesenzellen und centraler käsiger Degeneration nach.
Nobl findet „einen dem Lupus sehr nahestehenden Prozess“, Th. Mayer
das Bild eines tuberkulösen Prozesses, Kreibich endlich typisches
tuberkulöses Granulationsgewebe, und ich möchte meinen mikro¬
skopischen Befund direkt als denjenigen eines Epitheloidtuberkels mit
centraler Verkäsung ansprechen. Alles in allem findet sich also eine
bescheidene Anzahl von histologischen Ergebnissen beim Lupus folli¬
cularis disseminatus, in denen die tuberkulöse Natur des Prozesses
nicht nur nach der Art der histologischen Elemente (Epitheloidzellen,
Rundzellen, Riesenzellen), sondern auch nach ihrer charakteristischen
1) Len gl et. Artikel: Lupus vulgaris in La Pratique dermatologique.
Paris 1902.
2) R. Crocker, Diseases of the skin. 1888.
3 ) Lancet 1878.
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löj Lupus follicularis disseminatus.
Zusammenordnung, wie nach der regressiven Metamorphose (Verkäsung)
erwiesen scheint.
Dagegen ist der mikroskopische Nachweis der Tuberkelbacillen
nur in einem einzigen Falle gelungen. Finger konnte in ca. 50 Schnitten
zwei Stäbchen finden, die nach Form und Färbbarkeit Tuberkelbacillen
entsprachen. Diesem Funde gegenüber stehen die negativen Ergeb¬
nisse der früheren (Jadassohn) und aller späteren Untersucher.
Obwohl Fingers Fund zu besonderem Eifer anspornen musste, miss¬
glückte der Nachweis bei Saalfeld, Pontoppidan, Nobl, Th. Mayer,
Kreibich, Bettmann. Wenn auch ohne weiteres zugegeben werden
kann, dass bei einem lupusartigen Prozesse nur mit spärlichen Bacillen¬
mengen gerechnet werden muss, so ist diese Häufung negativer Er¬
gebnisse immerhin auffällig.
Ebensoexistiert nur ein einziges positiveslmpfergebnis, dasjenige
von Jadassohn 1 ), dem es gelang, beim Meerschweinchen nach Ein¬
bringung von Knötchen des Lupus follicularis eine protrahierte Tuber¬
kulose zu erzeugen. Ergebnislos dagegen blieb das Tierexperiment
bei Finger, Saalfeld, Bettmann und nach der mir erteilten
privaten Auskunft bei Kreibich. Die negativen Resultate können
aber nicht auffallen, wenn wir bedenken, dass wir unter allen Um¬
ständen beim Lupus follicularis disseminatus höchstens spärliche
Bacillen voraussetzen dürfen, und dass die Forderung Leloirs, für
Tierexperimente beim Lupus nur grössere Stücke zu verwenden, sich
hier ebensowenig erfüllen lässt, wie für die Mehrzahl der Fälle die
Auswahl von Stückchen im frischesten Entwickelungsstadium.
Die Tuberkulin-Reaktion endlich ist, wie es scheint, über¬
haupt nur in 3 Fällen vorgenommen worden, von Jadassohn,
Finger und von mir, jedesmal aber mit positivem Erfolge, wenn
auch in meinem Falle erst nach einer relativ hohen Dosis. Es ist
hervorzuheben, dass wir dabei das Hauptgewicht auf die lokale
Reaktion zu legen haben; die Beweiskraft der positiven Allgemein¬
reaktion wird beim Lupus follicularis disseminatus dadurch ein¬
geschränkt, dass man bei den Patienten mit der Möglichkeit einer
latenten Tuberkulose rechnen muss; oder dass (wie bei Jadassohns
Patienten) gar manifeste tuberkulöse Erscheinungen bestehen.
Ein Überblick über die vorliegenden Untersuchungsergebnisse
lehrt demnach, dass seit Fingers Arbeit neue Stützen für die tuber¬
kulöse Natur des Lupus follicularis disseminatus nur in der von
mehreren Seiten mit grösserer Bestimmtheit ausgesprochenen Deutung
i) Ich verweise nochmals darauf, dass ich den Fall Besniers vorläufig bei¬
seite lasse. .
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des mikroskopischen Befundes und in dem positiven Ausfall der Tuber¬
kulin-Reaktion in unserem Falle gefunden werden können, dass aber
andererseits alles Suchen nach Tuberkelbacillen und alle Impfexperi¬
mente vergeblich waren.
Es ergibt sich also folgendes: Wenn wir alle Fälle des Lupus
follicularis disseminatus Zusammenhalten, so sind wohl die einzelnen
Forderungen für die Diagnose eines tuberkulösen Prozesses (klinische
Charaktere, mikroskopischer Befund, Nachweis der Tuberkelbacillen,
Tuberkulinreaktion und positiver Ausfall des Impfexperimentes) samt
und sonders erfüllt, es existiert aber kein Einzel fall, der allen Anforde¬
rungen genügte. Immerhin sind in einigen der genau untersuchten
Fälle so viele Einzelpunkte in positivem Sinne erledigt, dass man wohl
sagen darf: Es existiert ein Krankheitsbild mit den oben geschilderten
klinischen Eigentümlichkeiten des Lupus follicularis disseminatus, das
mit grösster Wahrscheinlichkeit als eine echte tuberkulöse Erkran¬
kung der Haut betrachtet werden darf.
Diese Auffassung des Lupus follicularis disseminatus erscheint
umsomehr berechtigt, als eben die Einzelelemente der Affektion mit
den Primärefflorescenzen des Lupus vulgaris übereinstimmen, und sich
damit die Angliederung an diesen von selbst ergibt. Aber diese An¬
reihung erscheint mir nicht gleichbedeutend mit einer vorbehaltslosen
Unterordnung unter das Gebiet des Lupus vulgaris. Gewiss kommt
bei manchen Fällen des Lupus vulgaris eine gelegentliche Ausstreuung
follikulärer Knötchen vor*), ebenso wie eine Dissemination von
grösseren Knoten; aber solche Formen vermitteln nur den Übergang,
sie lassen noch keine Identifizierung des Lupus follicularis mit den
disseminierten Formen des Lupus vulgaris zu 2 ). Als klinische Be¬
sonderheiten des Lupus follicularis disseminatus bleiben bestehen:
das Auftreten in bestimmtem Alter, die primäre akute oder subakute
Dissemination, die mangelnde Neigung der Einzelefflorescenzen zur
Vergrösserung und zur Konfluenz, das völlige Fehlen ulceröser Pro¬
zesse, die Beschränkung auf das Gesicht, der Stillstand, den die
Affektion in relativ kurzer Zeit zu erfahren pflegt. Die Erscheinungs¬
form des Lupus follicularis disseminatus präsentiert sich in einer
Reinheit, die dem Lupus vulgaris sonst fehlt.
1) Nur Hutchinson erwähnt das Bestehen eines „Acne-Lupus‘ neben
typischem Lupus vulgaris.
2 ) Besnier z. B. unterscheidet sehr wohl zwischen dem Lupus (vulgaris)
disseminatus und dem „Lupus acneique“ der unserem Lupus follicularis disse¬
minatus entspräche — cf. auch die Moulage des Musöe Baretta — abgebildet in
„La pratique dermatologique“, Bd. 111, 8. 218 als „Lupus tuberculeux miliaire.“
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17]
Lupus follicularis disseminatus.
109
Der Lupus follicularis disseminatus würde demnach zum min¬
desten als eine klinische Sonderart des Lupus vulgaris aufzu¬
fassen sein.
Ich glaube, dass die Erkrankung in engste Beziehung zu bringen
ist zu gewissen Formen der Hauttuberkulose, die speziell bei Kindern
beobachtet sind und ebenfalls eine Unterordnung unter den Lupus
vulgaris nicht ohne weiteres gestatten. Als Ausgangspunkt dient der
Fall, den Besnier als „Lupus tuberculeux aigu, nodulaire, disse-
rnine“ beschrieben hat 1 ), und der allgemein dem Lupus follicularis
disseminatus zugerechnet wird. Die Beschreibung der Einzelefflores-
cenzen, die Besnier liefert, gestatten auch ohne weiteres diese Ein¬
reihung. Die mikroskopische Untersuchung ergab allerdings nur das
Vorhandensein von Granulationsgewebe ohne Riesenzellen und in etwa
10 untersuchten Schnitten keine Bacillen. Das Impfexperiment an
einem Meerschweinchen dagegen schien bei dem Tiere eine protrahierte
Tuberkulose erzeugt zu haben.
Dieser Fall Besniers unterscheidet sich von den übrigen Be¬
obachtungen des Lupus follicularis disseminatus durch eine Mit¬
beteiligung der ganzen Körperoberfläche, er stellt zugleich die ein¬
zige Beobachtung der Affektion bei einem Kinde dar; es handelte
sich um ein kleines Mädchen, bei dem die Affektion im Anschluss
an Masern aufgetreten war.
Nun hat später DuCastel 2 ) auf eine Form der Hauttuberkulose
hingewiesen, die sich bei Kindern durchweg im Anschluss an Masern
(vielleicht auch an Scharlach?) entwickelt. Sie sitzt nach Du Casteis
Beschreibung im Gesicht und an den Extremitäten, weniger am
Kopfe, und entwickelt sich in Form von disseminierten Knötchen und
Knoten von dem Aussehen des Lupus planus. Die Läsionen treten
bald nach den Masern auf und erreichen fast unmittelbar das Maxi¬
mum ihrer Entwickelung. Dann tritt Stillstand, ein und es fehlt
weiterhin eine ausgesprochene Tendenz zur Heilung wie zur Ver¬
schlimmerung. Einzelne Knötchen können sich mit oder ohne Hinter¬
lassung von Narben spontan involvieren, die meisten bestehen ohne
wesentliche Änderung jahrelang. Hierher gehörende Fälle sind von
Philipp son 3 ), Doutrelepont 4 ), Haushalter 5 ), Adamson 6 ),
1) Annales de dermatologie 1889, S. 82.
2) Du Castel, Les Tuberculoses de la peau consecutives ä la rougeole.
Annales d. Dermatol. 1898, S. 729.
3) Berl. klin. Wochenschr. 1892, S. 358.
4) Archiv für Dermatol. Bd. 29 und Deutsche med. Wochenschr., Vereins¬
beilage 1900, S. 89.
&) Annales de Dermatol. 1898, S. 455.
6) Brit. Journ. of Dermatol. 1899, S. 20.
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Hall 1 ) publiziert worden. Die enge Zusammengehörigkeit dieser nach
Masern auftretenden disseminierten Affektion mit dem Lupus folli¬
cularis disseminatus dürfte trotz gewisser Abweichungen der Einzel¬
fälle wie Bildung grösserer Knoten, irregulärer Verteilung über den
Körper u. s. w. nicht zu bestreiten sein, und der tuberkulöse Charakter
der Erkrankung steht hier ausser Zweifel, wenn auch die Diagnose
nicht in jedem Falle mit Heranziehung aller Hülfsmittel gesichert
worden ist.
Für den Lupus follicularis wird wohl auch derselbe Entstehungs¬
modus anzunehmen sein wie für diese nach Masern auftretenden
Formen der Hauttuberkulose. Dass für den Lupus follicularis disse¬
minatus die Existenz einer Acne vulgaris keine notwendige Voraus¬
setzung bildet, habe ich schon oben betont, und Hutchinsons An¬
nahme einer sekundären tuberkulösen Infektion primärer Akne-Efflores-
cenzen, die Touton 2 ) wieder in Betracht zieht, hat zum mindesten
keine generelle Bedeutung. Ich verweise auch auf meine anatomischen
Befunde, die dafür sprechen, dass die Entwickelung der Infiltrate
sich bei unserem Krankheitsbilde gar nicht an die Follikel zu halten
braucht; auch Saalfeld betont in seinem Falle die Unabhängigkeit
der grösseren Knoten von den Follikeln. Jedenfalls werden wir an¬
nehmen dürfen, dass der Lupus follicularis disseminatus auf eine von
innen her erfolgte Aussaat spärlicher (und abgeschvvachter?) Tuberkel¬
bacillen in die Haut zurückzuführen ist, gerade so wie wir bei den
nach Masern auftretenden Formen der Hauttuberkulose die Mobili¬
sierung von Bacillen aus einem inneren Herde und ihre Verstreuung
in die Haut voraussetzen dürfen. Eine anatomische Stütze dieser
Ansicht durch den Nachweis vermittelnder Gefässveränderungen in
der Umgebung der Herde des Lupus follicularis ist allerdings bis jetzt
nicht geliefert worden.
Ergibt sich nun die Möglichkeit der Anreihung des Lupus folli¬
cularis disseminatus an tuberkulöse Erkrankungen, so bleibt doch
noch die Frage offen, ob alle der Affektion zugerechneten Fälle eine
solche Angliederung vertragen. Mit anderen Worten: Es ist nicht
ohne weiteres daran festzuhalten, dass der anscheinenden sympto¬
matisch-klinischen Einheit des Lupus follicularis disseminatus auch
ein einheitlicher Krankheitsprozess entspricht. Zu solchen Bedenken
können neuerdings wieder Fälle Veranlassung geben, die überhaupt
unter anderer Bezeichnung publiziert sind, die uns aber Finger
dem Lupus follicularis disseminatus zuzurechnen gelehrt hat. Es
l ) Brit. med. Journ. 1901, Sept. 28.
-) Touton 1. c. S. 67.
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19J
Lupus follicularis disseminatus.
111
handelt sich uni die Acne telangiectodes Kaposis, die dieser
ihrem anatomischen Befunde nach am meisten zur Acne rosacea in
Beziehung brachte.
Im Jahre 1894 beschrieb Kaposi 1 ) als Acne telangiectodes auf
Grund von zwei Fällen ein Krankheitsbild, als dessen hervorstechendstes
Merkmal er die akute Entwickelung von Knötchen aus Granulations¬
gewebe erklärte, die in ziemlich allgemeiner und unregelmässiger
Disposition aufträten und teilweise zur Erweichung gelangten.
Der erste Fall betraf einen 48jährigen Mann mit mässiger Acne
vulgaris, bei dem vier Wochen vor dem Spitaleintritt im Bereiche der
Stirne, der Wangen, an den unteren Augenlidern wie auch im Be¬
reiche der übrigen Gesichtshaut zahlreiche, teils flache, teils erhabene,
vielfach gruppierte, sonst aber disseminierte schrotkorn- bis erbsen¬
grosse, rote, mässig succulent sich anfühlende Knötchen auftraten.
Ein Teil derselben trug ein kleines Schüppchen, andere an der Spitze
Pustelchen oder Krüstchen mit molkig-bröckeligem Inhalt, die meisten
waren glatt, mässig glänzend und erblassten auf Fingerdruck. Ältere
Knötchen Hessen sich sehr leicht als Ganzes mittels Hohlsonde oder
scharfen Löffels aus der Cutis herausheben und als schlaffes, gelb¬
rötliches, vaskularisiertes Gewebe zwischen den Fingern zerquetschen.
Bei der histologischen Untersuchung ergab sich ziemlich reich vas¬
kularisiertes junges Granulationsgewebe mit in Häufchen angeordneten
Riesenzellen und epitheloiden Zellen, ohne Spur von Mikroorganismen.
Ihr anatomischer Sitz war das tiefere Corium mit der Hauptmasse
um den Fundus der Haarbälge und um die Knäueldrüsen.
Im zweiten „verblüffenden“ Falle handelte es sich um eine
40jährige Frau, deren Ausschlag drei Monate vor der Aufnahme in die
Klinik ohne erkennbare Veranlassung in Form von Knötchen im Ge¬
sichte aufgetreten war. Der ganze Bereich des Gesichts ist dicht
besetzt von zahlreichen schrotkorn- bis nahezu erbsengrossen, zum
Teile lebhaft roten, grösstenteils aber livid- und braunroten schlaffen
(bei Druck nach Angabe der Kranken sehr schmerzhaften) Knötchen.
Über den Augenbrauen waren die Knötchen zu dichten Haufen ge¬
drängt. Auf der Nase aber und am Kinn zerstreut fanden sich hirse-
korn- bis stecknadelkopfgrosse offenbar Anfangsformen darstellende
lebhaft rote und teilweise zugespitzte Follikularknötchen, und unter
den älteren und grösseren Knötchen solche mit beginnender eitriger
Schmelzung ihrer Spitze, sodass die Aflfektion als subakute Follicu¬
litis mit Bildung von Knoten jungen Bindegewebes gleichwie im früher
beschriebenen Falle aufgefasst wurde.
i) Kaposi, Über einige ungewöhnliche Formen von Akne (Folliculitis).
Arch. f. Dermatol. Bd. 26, S. 87.
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Noch verwirrender war der Anblick der an den Rücken- und
Seitenflächen der Finger, an den Vorder- und Oberarmen, an den
Knieen und am Oberschenkel vorhandenen Eruptionen. Hier sah
man grösstenteils linsen- bis pfenniggrosse livid- und braunrote,
scharf begrenzte, flach erhabene, ziemlich derbe, an der Oberfläche
teils glatte und glänzende, teils aber im Centrum hämorrhagische und
flach eingesunkene Flecke und Knoten, also teils ähnlich beginnender
Lepra maculo-papulosa, teils — namentlich mit Rücksicht auf die
Lokalisation — an Erythema nodosum gemahnend. An den Fingern
gab es überdies punktförmige Hämorrhagien und derbe, scharf begrenzte,
derbrandige Flecke und flache Knoten mit centraler hämorrhagischer
Depression, pernioähnliche Vorkommnisse wie bei Lupus erythematosus.
Während des Aufenthalts der Patientin in der Klinik gab es
reichliche Nachschübe an den Unterextremitäten, im Gesicht und
auch am behaarten Kopfe.
Die histologische Untersuchung von Knötchen aus der Gesichts¬
haut ergab: junges Granulationsgewebe im tiefen Corium knoten¬
förmig eingelagert, hauptsächlich um den Fundus der Haarbälge und
um die Knäueldrüsen, mit Fortsetzung der Zellinfiltration längs der
aufsteigenden Gefässe gegen die Papillarschicht, zahlreiche Zellen in
fettiger Degeneration und viele in Haufen gestellte Riesenzellen.
Finger spricht in seiner zusammenfassenden Arbeit diese beiden
Fälle Kaposis als Beispiele des Lupus follicularis disseminatus an,
und nachdem Kaposi andererseits bei der Demonstration eines der
Finger sehen Fälle von Lupus follicularis disseminatus die Diagnose
der Acne telangiectodes gestellt hatte, ist die Identität der beiden
Krankheitsbilder allgemein anerkannt worden. Kaposi selbst hat
allerdings noch in der letzten Auflage seines Lehrbuchs die Acne
telangiectodes als besonderes Krankheitsbild beschrieben, ohne über¬
haupt auf ihre fragliche Beziehung zum Lupus follicularis disseminatus
einzugehen 1 ).
i) Majocchi hat (Berl. klin. Wochenschr. 1894) eine Hautaffektion be¬
schrieben, deren Benennung als „Lupus telangiectodes disseminatus“ den Eindruck
erwecken konnte, als handelte es sich hier um das Bindeglied zwischen Acne
telangiectodes und Lupus follicularis disseminatus. Majocchis Beschreibung
charakterisiert die Erkrankung aber nur als eine durch ihren Gefässreichtum aus¬
gezeichnete Unterform des Lupus vulgaris. Nach ihrem ausschliesslichen Sitz an
den unteren Extremitäten, der Bildung von handtellergrossen Plaques, der Kom¬
bination mit Ulcerationen, dem Hervortreten der Gefässe hat diese Affektiou mit
dem Lupus follicularis disseminatus nichts gemein. Interessant ist aber, dass
Finger die Veränderungen, die Kaposi an den unteren Extremitäten seiner
zweiten Patientin mit Acne telangiectodes beschrieben hat, als der von Majoc¬
chi geschilderten Affektion entsprechend deutet.
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21 ]
Lupus follicularis disseminatus.
113
Nun nimmt aber neuerdings Jesionek 1 ) die Diagnose der Acne
telangiectodes (Kaposi) im Gegensatz zur Bezeichnung des Lupus
follicularis wieder auf. Er hat einen sehr beachtenswerten Fall bei
einer 56jährigen Frau beobachtet, bei der die Anamnese bezüglich
tuberkulöser Erkrankungen ein vollkommen negatives Resultat ergab,
und die 5—6 Wochen vor ihrem Eintritt ins Krankenhaus mit einer
Knötcheneruption am behaarten Kopfe, an der Stirn und im Gesichte
erkrankte. Das Exanthem hatte aber auch Hals, Nacken, Brust,
Rücken und die oberen (und unteren?) Extremitäten wie die Rachen¬
schleimhaut ergriffen. Es setzte sich zusammen aus Knoten und
Knötchen von differenter Grösse und Farbe. Beim Eintritt in die
Beobachtung beherrschten das Krankheitsbild erbsen- und kirschkern-
gr'osse, scharf umschriebene, aus ihrer Umgebung halbkugelig sich
vorwölbende Knoten von satter rotbrauner Farbe und eigentümlichem
apfelgeleeartigem Glanze, von teigiger, praller Konsistenz, mit voll¬
kommen glatter Oberfläche. Von der Seite betrachtet erschienen ein¬
zelne Efflorescenzen wie transparent, wie blasen- und tropfenähnlich,
als ob ein flüssiger Inhalt in ihnen vorhanden wäre. An Zahl in
zweiter Linie standen flachpapulöse braunrote Gebilde von runder
oder ovaler Form. Diese nur mehr wenig erhabenen Papeln Hessen
nicht mehr die succulente luftpolsterartige Beschaffenheit der auf der
Höhe der Entwickelung stehenden halbkugeligen Knoten erkennen,
sondern waren weicher von mehr schlapper Konsistenz. Die Farbe
dieser Efflorescenzen war ein dunkles Braunrot mit jenem eigentüm¬
lichen oben erwähnten geleeartigen Glanze, soweit das deckende
Epithel noch glatt und gespannt war. Bei vielen dieser papulösen
Gebilde aber war die Epidermisdecke leicht gefaltet, und wiederum
andere zeigten zarte Schüppchen aufgelagert, manchmal auch kleine
Schuppenhügelchen, die sich nicht leicht abkratzen Hessen und an
Lichen pilaris erinnern konnten. Im allgemeinen aber machten in
diesem Stadium eben beginnender spontaner Involution die Efflores¬
cenzen ganz den Eindruck von riesiggrossen Lupusknötchen. Ganz
anders verhielt es sich aber mit kleineren und kleinsten Knötchen,
die überall regeUos zwischen den oben beschriebenen Efflorescenzen
zerstreut sich fanden und gewissermassen als die Primärefflorescenzen
anzusprechen waren: kaum stecknadelkopfgrosse oder nur um ein
geringes grössere, zarte Papelchen von mattrosaroter Farbe und leicht
zugespitzter Form, einem eben prorumpierenden Akneknötchen nicht
unähnlich, umsomehr als sich an der grösseren Anzahl dieser jüngsten
*) Jesionek, Ein Fall von Acne telangiectodes (Kaposi). Deutsch. Arch.
f. klin. Mediz. 69, 1901, S. 130.
Beiträge zur Klinik dor Tuberkulose, H. 1. 8
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S. Bettmann.
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Gebilde der Ausgang vom Follikel mit Sicherheit nachweisen Hess.
Am behaarten Kopfe war es zur Bildung einiger etwa markstück¬
grosser flachknotiger Infiltrate gekommen. Am Gaumen sassen drei
der Hauteruption analoge Knoten.
Die weitere Beobachtung zeigte nun, dass ein Teil der zarten
rosaroten Stippchen innerhalb 3—4 Tagen vielleicht Hirsekorn- oder
Linsengrösse erreichte, dabei eine dunklere rotbraune oder braune
Farbe von apfelgeleeartigem Glanze annahm, dabei sich schärfer aus
seiner Umgebung heraushob. Solchermassen ähnlich einem promi¬
nenten grossen Lupusknötchen blieb es ziemlich uuverändert 8—14
Tage bestehen, vielleicht um ein weniges sich vergrössernd, verlor
schliesslich seinen eigenartigen Glanz, wurde weicher, zeigte ein zartes
Schuppensäumchen an seiner Peripherie oder bedeckte sich voll¬
kommen mit feinen, nicht leicht abstreifbaren Schüppchen oder
Schuppenkegelchen. Im Verlaufe von 3—4 Wochen gelangten die
meisten der kleineren und mittelgrossen Efflorescenzen mit Hinter¬
lassung eines unter das umgebende Niveau flach eingesunkenen bräun¬
lichen Pigmentflecks zur spontanen Rückbildung. Auch einige der
grösseren Gebilde involvierten sich in analoger Weise — nur mit
tieferer narbiger Einziehung und intensiverer Pigmentierung.
Mikroskopisch ergab sich im wesentlichen eine geschwulstartige
Infiltrationsmasse im Corium, zum grössten Teile aus Lymphoidzellen
bestehend, daneben relativ zahlreich epitheliale Riesenzellen, teils disse-
miniert, teils in Haufen angeordnet, in der Umgebung dieser Riesen¬
zellen häufig auch andere epitheloide Zellen, aber ohne eine bestimmte
Anordnung, sodass an Tuberkelbildung gar nicht gedacht
werden kann. Dieses entzündliche Granulationsgewebe ist von zahl¬
reichen, lebhaft dendritisch verzweigten, stark dilatierten Gefässen
durchzogen. In den oberen und mittleren Partien des Coriums ist
eine Anordnung der Infiltrate längs der Gefässverzweigungen unver¬
kennbar; auch in den tieferen Schichten finden sich vielfach strang¬
förmige Zellanhäufungen um die Gefässe.
Untersuchung auf Tuberkelbacillen blieb ebenso wie das Tier¬
experiment negativ.
Jesionek betont, dass das von ihm geschilderte Krankheitsbild
in jeder Hinsicht der Acne telangiectodes Kaposis entspreche,
andererseits acceptiert er die von Finger festgelegte Identität dieser
Erkrankung mit dem Lupus follicularis disseminatus, und da sein
Fall die Deutung als tuberkulöse Erkrankung nicht zulässt, kommt
Jesionek dazu, für die ganze Gruppe die bacillär-tuberkulöse Natur
abzulehnen. Er lässt es offen, ob es sich um eine Dermatose aus
dem Bereich der Tuberkulide handelt.
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23]
Lupus follicularis disseminatus.
115
Damit wäre also die tuberkulöse Natur des Lupus follicularis
disseminatus wieder ernstlich in Frage gestellt. Aber ich kann
Jesioneks Standpunkt nicht teilen. Seine Schlussfolgerungen, die
sich auf seine eigene Beobachtung beziehen, sind nicht anzugreifen;
aber dieser Fall entspricht nicht dem Bilde des Lupus follicularis
disseminatus, so wie ich es oben skizziert habe. Wenn wir eine An¬
zahl von vielleicht nebensächlichen und unwesentlichen Differenz¬
punkten ganz beiseite lassen, wie das höhere Alter der Patientin
Jesioneks, die Ausdehnung der Affektion auf Rumpf und Extremi¬
täten, die Grösse vieler Knoten, das Zurücktreten der Milienbildung
u. a. m., so bleibt als wesentlich der von Jes ionek geschilderte
Verlauf der Einzelefflorescenzen zu berücksichtigen. Wo beim Lupus
follicularis disseminatus das Vorhandensein von grösseren Knötchen
und Knoten erwähnt ist, scheinen dieselben niemals innerhalb kürze¬
ster Zeit herangewachsen zu sein, wie in Jesioneks Fall, vor allem
aber ist dem Lupus follicularis disseminatus die Neigung zu akuter
spontaner Involution, die bei der Kranken Jesioneks eine hervor¬
ragende Rolle spielte, durchaus fremd. Wir hatten im Gegenteil auf
die grosse Hartnäckigkeit der Efflorescenzen des Lupus follicularis
disseminatus hinzuweisen. Halten wir dazu noch den mikroskopischen
Befund, der in einigen Fällen der letzteren Erkrankung das Bild
typischer Tuberkulose ergibt, in Jesioneks Fall dagegen eine An¬
ordnung des Granulationsgewebes derart, „dass an Tuberkelbildung
gar nicht gedacht werden kann“, so glaube ich bestimmt sagen zu
können, dass die Acne telangiectodes, so wie sie Jesionek be¬
schreibt, und der Lupus follicularis disseminatus zwei verschiedene
Krankheitsprozesse darstellen. Ich übersehe dabei nicht, dass nicht
alle als Lupus follicularis disseminatus angesprochenen Fälle speziell
hinsichtlich des histologischen Befundes diese scharfe Gegenüberstellung
gestatten.
Die Beobachtung Jesioneks verweist uns somit auf neue
Schwierigkeiten, die sich für die Diagnose des Lupus follicularis disse¬
minatus ergeben, ohne dass damit die Existenz des Krankheitsbildes
in Frage gestellt wäre. Ich möchte hier mit aller Reserve noch eine
von Bo eck 1 ) beschriebene Krankheitsform heranziehen, die uns in
Zukunft weitere differential-diagnostische Schwierigkeiten bereiten
könnte; Bo eck hat sie als papulöse Form des multiplen benignen
Sarkoids der Haut benannt. Es handelt sich um die Eruption von
stecknadelkopf- bis hanfkorngrossen, anfangs prominenten Papelchen
0 Bo eck. Weitere Beobachtungen über das multiple benigne Sarkoid der
Haut. Festschrift f. Kaposi. Arch. f. Derm. S. 153.
8*
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einer Follikelmündung entsprechendes Schüppchen tragen und all¬
mählich, indem sie wieder einsinken, sich mit stark dunkelgelber
von hellroter, später bräunlich-gelber Farbe, die teilweise ein centrales,
Pigmentierung involvieren, # um schliesslich ein feines Närbchen zu
hinterlassen. Die Affektion lokalisiert sich vorwiegend oder ausschliess¬
lich im Gesichte. Mikroskopisch findet sich eine — wohl entzünd¬
liche — geschwulstartige Wucherung im Corium, die überwiegend
aus epitheloiden Zellen besteht, spärliche Riesenzellen der sarkoma-
tösen Type enthält und eine vom Centrum ausgehende Degeneration
mit Erblassen und Zerfall der Kerne wie das Protoplasma erfährt.
Die Krankheit zieht sich unter mehrfachen Schüben längere Zeit
hin: nach der genaueren Beschreibung wie der Abbildung, die sich
in Boecks Arbeit findet, dürfte sich wenigstens in gewissen Stadien
der Krankheit eine unverkennbare Ähnlichkeit mit manchen Fällen
des Lupus follicularis disseminatus ergeben.
Wenn wir nun die Einreihung des Lupus follicularis disseminatus
unter die Tuberkulide ablehnen, so haben wir doch seine nähere Be¬
ziehung zu dieser Krankheitsgruppe in Betracht zu ziehen. Schon
vermöge seiner exanthemartigen Verbreitung scheint er — ähnlich
dem Lichen scrophulosorum — einen Übergang zwischen Hauttuber¬
kulose und Tuberkuliden darzustellen. Nun ist von Saalfeld der
Lupus follicularis disseminatus speziell als das anatomische Verbin¬
dungsglied zwischen Lupus vulgaris und Lupus erythematodes ange¬
sprochen worden; und es wäre damit berufen, in einer interessanten
dermatologischen Streitfrage eine Rolle zu spielen. Saalfeld ist auf
das positive, zu Gunsten der Zusammengehörigkeit von Lupus vul¬
garis und erythematodes vorhandene Beweismaterial nicht genauer
eingegangen; er führt nur an, dass Besnier Übergangsformen be¬
schrieben hat. Es wäre aber auch darauf zu verweisen, dass schon
E. Vidal einen Lupus erythemato-tuberculeux kennt, der mit Infil¬
traten begann, die denen des Lupus erythematodes entsprechen, in
denen nichts von Knötchen nachweisbar war, und der nach Aussehen
und Verlauf ganz dem Lupus erythematodes (discoides) unterzuordnen
wäre, bei dem aber unter dem Einfluss der Skarifikation Knötchen
wie beim Lupus vulgaris zum Vorschein kamen. Das Auftauchen von
lupusähnlichen Knötchen beim Lupus erythematodes, wie es Saal-
feld selbst mehrfach gesehen hat, ist aber deshalb nicht ohne weiteres
zu verwerten, weil die mikroskopische Untersuchung lehren kann, dass
die Knötchen trotz der Übereinstimmung mit Lupus vulgaris, die sie
in ihrem optischen Verhalten zeigen, in ihrem histologischen Aufbau
die Charaktere der Tuberkulose vollkommen vermissen lassen. Ich
selbst habe mich davon in einem Falle von Lupus erythematodes
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Lupus follicularis disseminatus.
117
disseminatus überzeugen können, auf den ich an anderer Stelle aus¬
führlich zurückkommen werde. Man ist also wohl nicht berechtigt,
mit Saalfeld jene Knötchen beim Lupus erythematodes bis zum
mikroskopisch erbrachten Beweise des Gegenteils als Elemente des
Lupus vulgaris zu deuten.
Allerdings hat Leloir 1 ) als „Lupus vulgaris erythematoides“
einen Befund geschildert, der klinisch und mikroskopisch eine
Übergangs- und Kombinationsform darstellen soll, den indessen Kaposi
nur als einen durch intensive entzündliche Infiltration der Umgebung
atypisch erscheinenden Lupus vulgaris auffasst. Einen anderen Fall,
der klinisch als Lupus erythematodes imponierte und mikroskopisch
als Mischung eines „Lupus erythemato-tuberculeux“ gedeutet wird,
hat Leredde 2 ) publiziert, und ähnliche Fälle finden sich noch mehr.
Wie gross oder wie gering aber auch immer die Beweiskraft
solcher Fälle sein mag, so liefern sie kein Material dafür, dass gerade
der Lupus follicularis disseminatus die Brücke zwischen jenen
beiden Erkrankungen darstellen könnte. SaalfeId findet das Ver¬
bindungsglied in der den Lupus follicularis disseminatus begleitenden
Seborrhoe. Aber einerseits hatte ich mehrfach darauf zu verweisen,
dass die Seborrhoe ebensowenig wie die Akne eine konstante Begleit¬
erscheinung des Lupus follicularis disseminatus darstellt, und auf der
anderen Seite ist die Bedeutung der Seborrhoe für das Zustande¬
kommen des Lupus erythematodes fraglich geworden. Saalfelds
Argumentation erscheint mir deshalb nach keiner Richtung hin be¬
weiskräftig.
Soll eine nähere Beziehung des Lupus follicularis disseminatus
zum Lupus erythematodes gesucht werden, so wären wohl speziell
die d isseminierten Formen der letzteren Erkrankung ins Auge zu
fassen. Hier aber fehlt durchweg die anatomische Übereinstimmung
mit dem Lupus follicularis disseminatus. So könnte nur das gemein¬
same Vorkommen der beiden Krankheitsbilder bei ein und demselben
Patienten ins Feld geführt werden, das allerdings bis jetzt nur in
einem einzigen Falle festgestellt ist. Touton 3 ) hat bei einem 14jäh-
rigen Mädchen eine Erkrankung beobachtet, die er als Koexistenz
von Lupus vulgaris disseminatus, Lupus erythematodes disseminatus,
Aknitis (Barthelemy) und Scrophuloderma subcutaneum analysiert;
er spricht einen Teil der Efflorescenzen direkt als Lupus follicularis
disseminatus an.
1) Leloir, Archiv, de Physiol. 1891.
2) Le red de, Annales de Derm. 1898, S. 262.
3 ) Touton 1. c. S. 55.
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S. Bettmann. Lupus follicularis disseminatus.
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Aber auch dieser Fall beweist eben nicht mehr als das gemein¬
same Vorkommen des Lupus follicularis disseminatus mit Vertretern
der Tuberkulidgruppe. Zwei andere Fälle sind im gleichen Sinne zu
verwerten. Einmal die oben wiedergegebene Beobachtung von Balzer
und Michaux, in der sich neben dem Lupus die Barthelemysche
Aknitis fand, und dann unser Fall, in dem ebenfalls die Symptome
der Aknitis und ausserdem noch die Erscheinungen wie bei Erythema
induratum zu konstatieren waren. Derartige Kombinationen ver¬
dienen immerhin besondere Beachtung. Denn wenn sie auch ana¬
tomisch die Verbindung zwischen Tuberkulose und Tuberkuliden nicht
herzustellen vermögen, so kann die Tuberkulid-Hypothese doch gerade
an solchen Beispielen eine besondere klinische Stütze finden, die in
der Haut selbst den Sitz einer manifest tuberkulösen Erkrankung
neben dem Tuberkulid demonstrieren. Dabei zwingt uns die Mannig¬
faltigkeit der Formen, in denen sich die Hauttuberkulose unabhängig
von ihrem genaueren Sitze darstellt, Intensitäts- und Qualitätsdiffe¬
renzen der Reaktion auf den Tuberkelbacillus gelten zu lassen, die
uns ein Verständnis dafür eröffnen, dass sich die Toxinwirkung der
Tuberkulose in der Haut verschiedenartig äussert. Diese Annahme
wird aber zur notwendigen Voraussetzung, wenn wir den differenten
Formen der Tuberkulide die ihnen zugeschriebene Bedeutung zuer¬
kennen sollen. .
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Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose.
Von
Professor Vineenz Czerny.
Ab und zu kommen in meine Sprechstunde auch Phthisiker. Auf
meine Bemerkung, dass sie besser zu einem anderen Kollegen gehen
möchten, welcher sich spezialistisch mit dieser Krankheit abgibt, er¬
halte ich regelmässig die Antwort, sie seien von diesem oder jenem
Bekannten mit demselben Leiden, dem meine Ratschläge gute Dienste
geleistet hätten, empfohlen worden und wünschten deshalb meine
ärztliche Behandlung. Als typisches Beispiel möchte ich kurz folgen¬
den Fall skizzieren:
Der Schmiedemeister H. aus Sandhausen, 40 Jahre alt, Vater von fünf
Kindern, kam am 10. März 1902 zu mir, weil er den ganzen Winter gekränkelt
habe, viel husten musste, Blut spuckte, stark abgemagert ist und durch Nacht-
schweisse viel zu leiden hatte. Ich fand beiderseits Spitzendämpfung, rechts bis zur
Mitte der Scapula, starken Katarrh über beiden Lungen und Auswurf. Ich be¬
sprach mit ihm seine Wohnungsverhältnisse, regulierte seine Diät, verordnete
ihm zweimal täglich 15 Tropfen Kreosot und Tr. gentianae ää, Latschen-Kieferöl
zum Einatmen und dreimal wöchentlich Einseifung des ganzen Körpers mit
Kaliseife, welche eine halbe Stunde später durch eine Giesskanne lauwarmen
Wassers abgewaschen wird.
Am 10. September berichtete er mir, dass er durch die Behandlung ganz
gesund geworden sei, aber im Sommer eine Ohreneiterung bekommen hätte, welche
eine Öffnung des Trommelfells notwendig machte. Das Ohr fliesse noch immer.
Jetzt sei wieder Husten und Auswurf vorhanden, er habe keinen Appetit und leide
an Diarrhöen, welche der bisherigen ärztlichen Behandlung nicht weichen wollten.
Ich liess jetzt abendliche Abwaschungen des ganzen Körpers mit lauem
Wasser, dem einige Esslöffel Seifenspiritus zugesetzt war, machen, liess Salz¬
wasser gurgeln und schnupfen und gab ihm Kreosot 10 Tr. Ratanhiae 20, zwei-
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 2. 9
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mal täglich 15 Tropfen in Milch zu nehmen. Die Diarrhoe hörte dann bald auf, aber
der Appetit wollte nicht kommen. Ich gab ihm am 26. September wieder Kreosot
mit Tr. gentianae und liess ihn wieder Seifeneinreibungen und Übergiessungen
machen.
Als er am 28. Oktober wieder kam, war sein Befinden befriedigend. Die
Spitzendämpfung war in der linken Seite ganz verschwunden, rechts noch eine
unbedeutende Schallverkürzung, kein Katarrh, der Auswurf war bloss morgens und
sehr gering, der Stuhlgang regelmässig. Da kühleres Wetter eingetreten war,
liess ich vier Wochen lang Lebertran nehmen und am 17. Dezember kam er mit
bedeutender Gewichtszunahme, gutem Aussehen, ohne Katarrh, wesentlich um sich
für den Erfolg der Kur zu bedanken. Die Seifeneinreibung musste er wegen des
kalten Wetters aussetzen; ich riet ihm aber, doch mit den Abwaschungen noch
fortzufahren und wieder abwechselnd Lebertran und Kreosot zu gebrauchen.
Es ist ja eine alltägliche Geschichte und sicher allen viel be¬
schäftigten Ärzten oft vorgekommen und dennoch scheint diese alte
Methode der Schwindsuchtsbehandlung, welche in jedem Bauernhause
sich leicht durchführen lässt, unter der Fülle moderner Vorschläge
in Vergessenheit geraten zu sein.
Ein anderes Beispiel von wesentlich chirurgischer Tuberkulose,
bei welcher die häusliche Behandlung zeitweise durch klinische Be¬
handlung ersetzt und unterstützt werden musste, welche aber trotz
ihrer Schwere dennoch zu einer dauernden Heilung führte, möge hier
noch angeschlossen werden.
Frau Elisabeth L., 53 Jahre, aus Albisheim, hatte seit Frühjahr 1894 rheu¬
matische Schmerzen in den Gliedern. Am 7. November kam sie zu mir, hoch¬
gradig anämisch und abgemagert, mit Husten, Drüsen am Halse links und kalten
Abscessen am linken Oberarm und am Rücken über der linken Scapula, tuber¬
kulösen Fisteln über dem rechten Darmbein und dem rechten äusseren Knöchel.
Der Schall über den Lungenspitzen war etwas verkürzt und beiderseits starker
Spitzenkatarrh vorhanden. Ich verordnete Gurgeln und Schnupfen von lauem
Salzwasser, Schmierseife-Einreibungen des ganzen Körpers zweimal wöchentlich
mit Übergiessung eine halbe Stunde später mit lauem Wasser, Fussbäder mit
Zusatz von Kali hypernianganicum und abwechselnd den Gebrauch von Kreosot
mit Gentiana und Lebertran.
Am 1. Juli 1895 berichtete sie mir, dass es anfangs bei der Behandlung
besser gegangen sei, dass sie aber im Winter wegen Katarrh die Einseifungen
und Übergiessungen weglassen musste. Sie konnte aber doch fast täglich aus¬
gehen. Ein alter Abscess war von einem Kollegen durch Incision und ein zweiter
durch die Punktion (Jodoform-Injektion?) geheilt worden. Dagegen bestanden
noch die alten Fisteln, das Gehen war jetzt fast unmöglich und es hatte sich noch
ein Abscess im linken Radiokarpal-Gelenke gebildet. Sie wurde in die Klinik auf¬
genommen, der Abscess aseptisch gespalten, die Fisteln ausgeschabt und mit Jodo¬
formgaze verbunden. Sie erholte sich dann ziemlich rasch bei guter allgemeiner
Pflege und nach Anwendung von einigen Vollbädern mit Sole und etwas Lysol¬
zusatz; nach ihrer' Entlassung, war ihr Zustand ziemlich befriedigend, jedoch
brauchte sie noch konsequent die Schmierseifeneinreibung und Übergiessung etwa
zweimal wöchentlich. Im Oktober 1896 liess sie sich abermals in die Klinik auf-
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Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose.
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nehmen, weil sie seit drei Monaten im rechten Handgelenk eine leichte Ermüd¬
barkeit, dann später Schwellung und Schmerzen bemerkte, welch letztere sie
namentlich in der Nacht plagten. Seit einem Monat kann die Patientin die Hand
nicht mehr bewegen, Abmagerung und Appetitlosigkeit stellten sich wieder ein.
In der rechten Lungenspitze war wieder abgeschwächter Schall, Rasselgeräusche
und in den übrigen Lungenpartieen Emphysem. Die alten Fisteln und kalten
Abscesse waren mit soliden Narben ausgeheilt, das rechte Handgelenk zeigte eine
ausgedehnte Panarthritis tuberculosa mit Lockerung des Gelenkes und Fungus
in den Sehnenscheiden.
Am 8. Oktober wurde von dem damaligen Assistenten Dr. von Beck die
Totalresektion des Handgelenkes und die Exstirpation des Sehnenscheidenfungus
vorgenommen, die Wunde mit beisser Kochsalzlösung ausgewaschen und die Hand
mit aseptischen Verbänden in leichter Dorsalflexion fixiert. Der Verlauf war voll¬
ständig fieberlos, am achten Tage wurden die Nähte und das Drainrohr entfernt,
vom zwölften Tage ab täglich Kochsalz-Handbäder mit etwas Sublimatzusatz ge¬
geben und die Hand auf einer Schiene gelagert, welche die Finger freiliess. Bald
konnte man täglich mässige Bewegungen der Finger machen und am 7. November
die Kranke geheilt nach Hause entlassen. Das Allgemeinbefinden hatte sich ge¬
bessert, der Lungenkatarrh war geschwunden.
Die Patientin suchte mich wiederholt in der Sprechstunde auf, dankbar über
den erzielten Erfolg, war für leichtere häusliche Geschäfte durchaus leistungs¬
fähig und konnte auch die resezierte Hand zum Strumpfetricken gut gebrauchen.
Die letzte direkte Nachricht über ihr Wohlbefinden erhielt ich Ende Januar 1903.
Solche glückliche Erfolge bei so schweren Formen von Tuber¬
kulose der Lungen, Gelenke und Knochen lassen sich bloss durch ein
zielbewusstes Ineinandergreifen der allgemeinen Behandlung mit einer
chirurgischen Lokalbehandlung erzielen und es muss in solchen Fällen,
welche sich über Jahre hinziehen, eine fortgesetzte häusliche Behand¬
lung die zeitweise notwendige Anstaltsbehandlung unterstützen.
Schon seit vielen Dezennien wird für die allgemeine Behandlung
der Tuberkulose ein grosses Gewicht auf Sonne, gute Luft, reichliche
Ernährung und Anregung der Hauttätigkeit gelegt. Seitdem Brehmer
in Görbersdorf gezeigt hat, dass man mit diesen Hilfsmitteln, nament¬
lich bei beginnenden Lungenphthisen, oft glänzende Erfolge erzielen
kann, sind nicht nur zahlreiche Sanatorien für wohlhabende Kranke
nach denselben Prinzipien eingerichtet worden, sondern auch die ganze
Lungenheilstättenbewegung, welche namentlich in Deutschland schöne
Erfolge aufzuweisen hat und noch Besseres hoffen lässt, ist auf diese
Erfahrung begründet worden. Es werden aber auch Stimmen laut,
welche dieser Heilstättenbewegung etwas skeptisch gegenüberstehen
und die betonen, dass der Erfolg der Behandlung sehr häufig pro¬
blematisch wird, wenn die Kranken aus den günstigen Lebens¬
bedingungen der Heilstätten, wenn auch genesen, wieder in die all¬
tägliche Misere der häuslichen Verhältnisse und der Fabriksarbeit
übergehen müssen. Auch der Übergang von dem süssen Nichtstun
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während der Behandlung zu den Bedürfnissen des täglichen Brot¬
erwerbes bietet mancherlei Schwierigkeiten. Dazu kommt noch, dass
die Heilstätten unmöglich alle Phthisiker aufnehmen können, dass
chirurgische Tuberkulosen und weiter fortgeschrittene Erkrankungen
der Lungen prinzipiell ausgeschlossen werden, ganz abgesehen von den
schweren, unheilbaren Fällen, deren Verpflegung in öffentlichen An¬
stalten Robert Koch wegen der ganz besonders hohen Ansteckungs¬
gefahr für die übrigen Familienmitglieder mit Recht dringend ver¬
langt. Kurzum es bleibt für die häusliche Behandlung noch ein
überreiches Arbeitsfeld und es wäre dringend zu wünschen, dass auch
die häusliche Behandlung noch weitere Ausbildung und Verbesserung
erlangen möchte. Es fehlt ja auch nicht an unzähligen Vorschlägen
und Mitteln, welche zum Teil marktschreierisch in der Tagespresse
und Fachliteratur ausposaunt werden.
Die oben mitgeteilten zwei Beobachtungen, welche ich leicht viel¬
fach vermehren könnte, zeigen aber, dass man auch mit den einfachsten
Mitteln manchmal unerwartet gute Erfolge erzielen kann. Aller¬
dings muss man zugeben, dass es kaum eine Krankheit gibt, deren
Prognose so unberechenbar ist, wie die Tuberkulose. Manchmal führt
eine scheinbar leichte Initialform unter den günstigsten äusseren Ver¬
hältnissen, bei welchen Alles angewendet wird, was Kunst, Wissen¬
schaft und reiche Geldmittel beschaffen können, in raschem Fort¬
schreiten unerbittlich zum Tode, während ein andermal weit vorge¬
schrittene Fälle wie durch ein Wunder plötzlich zum Stillstand kommen
und mit geringer Hilfe, wenn auch nicht zur völligen Heilung, so
doch zu einem langjährigen Wohlbefinden gelangen.
Nur als kleinen Beitrag zu der schwierigen und komplizierten
Frage der häuslichen Behandlung der Tuberkulose möchte ich hier
die Mittel und Wege auseinandersetzen, welche sich bei mir in meiner
langjährigen Praxis am besten bewährt haben.
In erster Linie möchte ich die Anregung der Hauttätigkeit her¬
vorheben, welche zweifellos ein Mittel ist, das bei richtiger Anwen¬
dung das subjektive Befinden des Kranken hebt, die lästige Neigung
zu Schweissen vermindert oder beseitigt und den Appetit und die Er¬
nährung bessert. Die Alten haben der Ableitung auf die Haut grosses
Gewicht beigelegt und scheuten sich nicht, dieselbe durch Kanthariden¬
pflaster, Senfpapier, Fontanellen, Moxen und das Glüheisen zu er¬
zielen. Von Percival Pott bis auf Rust und seine Nachfolger
kann man Lobeshymnen lesen auf die glänzenden Erfolge, welche
durch diese oft qualvollen Manipulationen bei Gelenktuberkulose erzielt
worden sein sollen. Später trat an ihre Stelle die Anwendung der
Ignipunktur und der Jodtinktur. Ich habe durch die Anwendung von
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Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose.
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Jodkali-Salbe in Verbindung mit Schmierseife bei Gelenk- und Knochen¬
tuberkulosen, die nicht schmerzhaft und nicht vereitert sind, in Form
einer milden Effleurage manchmal recht gute Erfolge erzielt.
Wichtiger aber als diese lokale Ableitung ist die allgemeine
Anregung der Hauttätigkeit. Es scheint mir, dass manche
Hydrotherapeuten etwas zu einseitig die Kaltwasserbehandlung bei
der Lungentuberkulose in Form von Duschen und Einpackungen be¬
fürworten. Es eignet sich diese Methode bloss für die Anfangsstadien
bei blutreichen Individuen oder für die Rekonvaleszenz zur Kräftigung.
Jedenfalls muss auch die Temperatur der Wasserapplikation sorg¬
fältig individualisiert werden und im allgemeinen sind laue Ab¬
waschungen und Übergiessungen, nach welchen der Patient das Bett
auf sucht, der Anwendung des kalten Wassers vorzuziehen, wobei auch
die Jahreszeit eine wesentliche Rolle spielt. Eine ähnliche Indivi¬
dualisierung sowohl in bezug auf die Zahl, Temperatur und Dauer
der Solbäder oder die Empfehlung von Seebädern ist notwendig, wenn
man dem Kranken durch diese in der Praxis elegantior gegenwärtig
so häufig empfohlenen Mittel manchmal nicht mehr schaden als nützen
will. Schon seit vielen Jahren hatte ich den Eindruck, dass manche
schwere Fälle von Knochen- und Gelenktuberkulose besseren Erfolg
von Tölz als von anderen benachbarten Solbädern mitbrachten. Da
die letzteren einen stärkeren Kochsalz- und zum Teil auch Jodgehalt
als das Tölzer Wasser aufzuweisen haben, kam ich seit langem auf
die Vermutung, dass das wirksame Agens nicht sowohl die schwache
Sole, als die von den Tölzer Ärzten methodisch ausgeübte Einseifung
mit nachfolgendem Bade sein dürfte.
Ich empfahl deshalb meinen Kranken methodische Seifen¬
einreibung mit nachfolgendem lauen Bad oder Übergiessung
schon seit mindestens 20 Jahren, eine Methode, welche bekanntlich
von 0. Kapp esse r in Darmstadt eingeführt ist 1 ). Die methodischen
Seifeneinreibungen können Solbäder in der häuslichen Praxis voll¬
ständig ersetzen und leisten manchmal noch mehr, weil sie das ganze
Jahr hindurch angewandt werden können. Sie lassen sich in ver¬
schiedener Weise modifizieren und den Bedürfnissen des einzelnen
Falles anpassen. Für die stark reizende gewöhnliche grüne Seife
lasse ich meistens eine weisse Kaliseife (Sapo alcalinus albus), welche
unter dem Namen Silberseife hier im Handel vorkommt, einreiben.
Dieselbe wird meistens dreimal wöchentlich vor dem Schlafengehen
mit einem Flanellappen oder Schwamm mit wenig Wasserzusatz auf
dem ganzen Körper eingerieben, dann der Kranke in eine wollene
i) Näheres siehe unten.
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Decke eingeschlagen und nach einer halben Stunde mit einer Giess¬
kanne warmen Wassers abgegossen oder im lauen Bade abgewaschen.
Die einfache Abwaschung mit Schwamm und Wasser genügt zur Not
ebenfalls, wenn sie auch die Seife nicht so gründlich beseitigt, wie
ein Bad. Wenn die Haut etwas spröde ist, lasse ich dieselbe mit
frischer Butter oder Vaseline — im Schwarzwalde braucht man dafür
eine Speckschwarte — etwas einfetten. Bei Leuten, denen Schmier¬
seife zu vulgär ist, verordne ich wohl auch regelmässige Einseifungen
des ganzen Körpers mit Tölzer Seife Nr. 2. Noch etwas milder und
für manchen Kranken appetitlicher ist es, wenn man den ganzen
Körper mit Seifenspiritus vermittelst eines Pinsels oder Schwammes
einreibt. Man kann denselben in einer Stunde, manchmal auch erst
nach mehreren bis zu zwölf Stunden, mit lauem Wasser abwaschen
und damit eine ähnliche Wirkung erzielen, wie durch die Seifen¬
einreibung. Noch mildere Hautreize sind Abreibungen des ganzen
Körpers mit lauem Wasser, dem etwas Natronlauge, Spiritus oder
Seifenspiritus beigemischt ist. Diese letzten Modifikationen sind be¬
sonders bei solchen Kranken wohltätig, welche das Bett nicht ver¬
lassen können.
Wie man sieht, lässt sich durch diese Applikationen die An¬
regung der Hauttätigkeit individuell so dosieren, wie es für den
speziellen Fall am geeignetsten erscheint.
Selbstverständlich werden dem Kranken auch Ratschläge bezüg¬
lich seiner Wohnung und seiner Diät gegeben; er wird darauf
aufmerksam gemacht, dass das sonnigste und wärmste Zimmer im
Hause das beste für ihn ist, dass eine trockene Dachstube einem
feuchten Parterrezimmer vorzuziehen ist und dass eine gleichmässige
Temperatur sich dennoch mit reichlicher Lüftung des Zimmers ver¬
einigen lässt. Mit dem Schlafen bei offenen Fenstern habe ich
schlimme Erfahrungen gemacht, wenn nicht genügend Vorsicht beob¬
achtet wurde, um die Zugluft und schnellen Temperatur Wechsel hintan
zu halten. Die Diät muss individuellen Verhältnissen angepasst
werden, wird im allgemeinen in einer einfachen, kräftigen aber
leicht verdaulichen, wesentlich animalischen Hausmannskost, der nach
Belieben Milch in jeder Form hinzugefügt wird, bestehen. Die Milch
bekömmt am besten in Form der alten Milchsuppe mit Zusatz von
Salz und geröstetem Weissbrot aus dem Teller mit dem Löffel ge¬
gessen, wobei die Gerinnung im Magen feiner verteilt vor sich geht,
als wenn die Milch aus dem Glase getrunken wird. Auch mit feinen
Mehlsorten wie Maizena, Haferkakao, Mondamine, Hygiama etc. ver¬
kocht, ist sie nahrhafter und meist leichter verdaulich. Für die Be¬
kämpfung des Katarrhs lasse ich mit Salzwasser (manchmal mit einigen
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Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose.
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Tropfen Kölnisch Wasser) oder Emser Wasser gurgeln, schnupfen und
inhalieren und benutze gerne das Latschen-Kiefem-Öl (01. pini pumi-
lionis), von dem 15—20 Tropfen auf kochend heisses Wasser ge¬
schüttet verdampfen und früh und abends 10 Minuten lang eingeatmet
werden.
Wie für manche Fälle von Lungentuberkulose, so sehe ich auch
für die lokale Tuberkulose der Drüsen, serösen Häute, Knochen und
Gelenke von den eben genannten Mitteln bei häuslicher Behandlung
oft recht gute Erfolge. Selbstverständlich müssen aber auch lokale
Einwirkungen die Allgemeinbehandlung unterstützen und treten zeit¬
weise in den Vordergrund. Bei geschlossenen, nicht eiternden Ge¬
lenktuberkulosen massigen Grades lasse ich gerne eine Mischung von
Ungt. kali jodati mit Sapo viridis in Form einer leichten Effleurage
2—5 Minuten lang täglich einreiben. Wenn das gut vertragen wird,
kann man die Sitzungen etwas länger ausdehnen, manchmal auch zu
einer leichten Massage übergehen. Wenn man dieser Behandlung ein
lokales warmes Bad von 10 Minuten Dauer mit Zusatz von etwas
Pottasche oder Soda vorausschickt und zum Schlüsse das Glied mit
einer Trikotbinde oder bei erhöhter Lokal-Temperatur mit einem
Priesnitzumschlag versehen auf einer Schiene bequem lagert, erlebt
man manchmal die Freude, dass eine fast verloren gegebene Hand
oder ein seit Wochen schmerzhaftes und steifes Fussgelenk wieder
gelenkig und brauchbar wird, wenn der Arzt und der Patient die
Geduld nicht verlieren. Zarte Behandlung des Gliedes und vorsichtige
Abwägung der Ruhe und passiven Bewegung sind dazu unerlässlich.
Ebenso müssen leichte Hülsen aus Pappe, Stärkebinden, Wasserglas,
Celluloid, Stützapparate aus gegliederten Gipsverbänden oder ge¬
triebenem Leder mit Stahlspangen die Glieder stützen, entlasten,
unter Umständen distrahieren und ruhig stellen. Wenn sehr starke
lokale Schmerzen, Rötung und Temperatursteigerung oder gar Fieber
den Verdacht auf eine eiterige Entzündung erwecken müssen, wird
für einige Zeit die ambulante Behandlung aufzugeben sein, bis ent¬
weder die Erscheinungen sich wieder zurückgebildet haben oder die
Heftigkeit der Entzündung zum chirurgischen Eingreifen nötigt.
Ich will hier nicht auf die Frage der Indikation zu operativen
Eingriffen, welche ja noch immer von verschiedenen Chirurgen sehr
verschieden beurteilt wird, näher eingehen, sondern möchte nur hervor¬
heben, dass ich — wie die Bi 11 rothsehe Schule im allgemeinen —
mich stets auf einer mittleren Linie bewegt habe und Resektionen
und Amputationen vorgenommen habe, mehr der Not gehorchend als
dem eigenen Triebe. Nur bezüglich der Operationen, welche in häus¬
licher Behandlung vorgenommen werden können, möchte ich hervor-
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heben, dass ich die Jodoformöl-Injektionen fast ausschliesslich bei
kalten Abscessen nützlich gefunden habe, wo also die Entleerung des
Eiters erst Platz schaffte für die nachfolgende Injektion. Bei parenchy¬
matösen Entzündungen habe ich, wie früher die H ü t e r sehen Karbol-
Injektionen, so später J /* — l°oige Ortho- oder Trikresol-Injektionen
zweckmässiger gefunden. Über Zimmtsäure-Injektionen in die Gelenke
und in die Venen besitze ich nur wenig eigene Erfahrungen. Bei
ganz umschriebenen parartikulären, tuberkulösen Knochenherden kann
manchmal eine aseptische Ignipunktur oder Punktion mit dem Bis¬
touri mit Ausschabung des Herdes gute Erfolge geben und ein ge¬
fährdetes Gelenk retten. Auch Knochen- und Gelenkfisteln werden
mit dem Lapisstifte oder, wenn sie eng sind, durch die mit einem
Höllensteintropfen montierte Knopfsonde oder durch Injektion mit
Jodtinktur oder Höllensteinlösung nicht selten zur Heilung gebracht,
wie es mit Recht die Ärzte in Hall und anderen Solbädern immer
wieder betonen. Wenn bei Gegenwart von Fisteln lokale oder all¬
gemeine Bäder gegeben werden sollen, pflege ich etwa 1 °/o Kochsalz
und etwas Sublimat oder l°/o Lysol dem Badewasser zuzusetzen.
Auch für die tuberkulöse Spondylitis gelten im wesentlichen die¬
selben Grundsätze, wie ich sie soeben für Knochen und Gelenke kurz
skizziert habe. Nur wird man bei der Dignität des im Wirbelkanale
eingeschlossenen Rückenmarkes mit ambulanter Behandlung doppelt
vorsichtig sein müssen und im Beginn des Leidens, bei starken
Schmerzen, Eiterbildungen und Fieber, die horizontale Lage mit Im¬
mobilisierung und Distraktion solange festhalten, bis diese Erschei¬
nungen sich zurückgebildet haben. Von der gewaltsamen Gerade¬
streckung nach Calot ist man wohl wieder allgemein zurückgekommen,
wenn auch eine vorsichtige Korrektur bei gewissen noch plastischen
Diformitäten durch massierendes Streichen und mässige Distraktion
nicht nur auf die Stellung, sondern auch auf den Heilungsprozess
günstig einwirken kann, wenn das Resultat durch einen leichten und
gutsitzenden Gipsverband eine Zeitlang festgehalten wird. Da aber
auch für die Spondylitis Einseifungen und Abwaschungen der Haut
von sehr günstigem Einfluss sind, werden sehr bald abnehmbare
Korsette, namentlich nach dem Hessing sehen Modell, für die
ambulante Behandlung vorzuziehen sein. Ich habe bei dieser Behand¬
lungsmethode nicht allein beginnende Wirbelentzündungen zu dauernder
Heilung kommen sehen, sondern habe auch die Rückbildung von
Psoasabscessen mehrmals beobachtet und die Dauerheilung durch mehr¬
jährige Beobachtung festgestellt.
Bei der Drüsentuberkulose nützt man dem Kranken meiner
Meinung nach am besten, wenn man die Drüsen, sobald dieselben
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Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose.
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nach einer zwei- bis dreimonatlichen lokalen und allgemeinen Be¬
handlung nicht zurückgehen, oder wenn sie Zeichen von Erweichung
zeigen, oder wenn die Patienten fiebern, ohne dass man eine andere
Ursache nachweisen kann, möglichst radikal operiert und dann den
Kranken noch für lange Zeit bei guter Allgemeinbehandlung in ärzt¬
licher Aufsicht behält. Dass ein Sommeraufenthalt an der See, im
Gebirge oder im Solbad die Kur wirksam unterstützt, ist zweifellos.
Bei wenig bemittelten Kranken kann das Solbad mit demselben Er¬
folge durch Seifeneinreibungen mit nachfolgender Übergiessung er¬
setzt werden.
Ich kann den günstigen Einfluss, welchen Richter, Kappesser,
Kollmann, Kormann, Senator, Biedert u. a. dieser Behand¬
lungsmethode bei Drüsen-, Knochen-, Gelenktuberkulose, kalten
Abscessen, Exsudaten zuschreiben, durchaus bestätigen und habe auch
bei Phthisikern, die nicht stark fiebern und bei tuberkulöser Peri¬
tonitis gute Erfolge gesehen. Selbstverständlich heilt sie nicht alle
Fälle, wie das besonders Gisler aus der Baseler Poliklinik von
Massini hervorhöbt. Sie muss dem einzelnen Falle angepasst und
mit chirurgischen medikamentösen, diätetischen und hygienischen
Massregeln kombiniert werden, um das beste Resultat zu zeitigen.
Sie hat aber den grossen Vorteil, dass sie fast das ganze Jahr hin¬
durch ebensowohl im Palaste des Reichen als in des Hütte der Armen
fast ohne Kosten in Anwendung gebracht werden kann. —
Um über die Geschichte der Schmierseifeneinreibung bei tuber¬
kulösen Erkrankungen rascher ins klare zu kommen, erlaubte ich
mir, mich brieflich an den Herrn Generalarzt Dr. Kappesser in
Darmstadt, Herrn Bezirksarzt Dr. Kollmann in Würzburg und
Herrn Bezirksarzt Dr. Edelmann in Tölz zu wenden, welche mir
in liebenswürdigster Weise, wofür ich ihnen sehr zu Dank verpflichtet
bin, Auskunft erteilten. Danach unterliegt es keinem Zweifel, dass
Herr Dr. Kappesser (2) schon 1878 die Methode anwandte und
als ihr Erfinder angesehen werden muss, da die Mitteilung von
Richter (1) ganz in Vergessenheit geraten war.
Die erste Publikation von Herrn Dr. Kollmann (6), besonders
seine Broschüre: Die Behandlung des Knochenfrasses auf nicht opera¬
tivem Wege, welche in zwei Auflagen erschienen ist, hat sehr dazu
beigetragen, die Methode in weiten Kreisen bekannt zu machen und
dürfte wohl auch Veranlassung gewesen sein in Tölz die Kombination
der Bäder mit Seifeneinreibung durch den früheren Bezirksamt
Dr. Höfler einzuführen. Herrn Dr. Kollmann verdanke ich den
Hinweis, dass schon 1846 von Dr. C. A. W. Richter in Woldegk täg¬
liche Schmierseifeneinreibung bei skrofulösen Erkrankungen als zuver-
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128 Vincenz Czerny, Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose. [ 10
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lässiges Heilmittel empfohlen worden ist. Obgleich die Methode somit
schon über ein halbes Jahrhundert in Deutschland in Übung ist,
halte ich es nicht für überflüssig, den Wert derselben abermals
hervorzuheben und ihre Verwendbarkeit auch bei manchen Formen
der Lungentuberkulose zu betonen.
Literatur.
1. C. A. W. Richter in Woldegk, Mitteilung einer neuen zuverlässigen Heil¬
methode der Skrofulöse. (Caspars Wochenschr. Nr. 19, 1846. Schmidts
Jahrb. 52. Bd. S. 325.) Er empfiehlt allabendliche Abwaschungen des ganzen
Körpers mit grüner Seife bei Drü9enskrofulose und hat auch zwei Fälle von
unverkennbarer Lungentuberkulose zur Heilung gebracht.
2. O. Kappesser, Methodische Schmierseife - Einreibungen gegen chronische
LymphdrÜsenleiden. (Berl. klin. Wochenschr. 1878, Nr. 6.)
— Methodische Schmierseife - Einreibungen gegen Skrofulöse und Tuber¬
kulose. (Berl. klin. Wochenschr. 1882, Nr. 5 u. Nr. 8.)
— Methodische Schmierseife-Einreibung gegen Skrofulöse und Tuberkulose.
(Darmstadt bei Job. Waitz. 1900.)
3. Raph. Hausmann, Wichtiges aus der Geschichte und Therapie der Skro¬
fulöse etc. (Berl. klin. Wochenschr. 1878, Nr. 43.)
4. E. Kor mann, Über Einreibimgen von Sapo viridis gegen Skrofulöse. (Jahrb.
f. Kinderheilkunde. 1880.)
5 . W. Klingelhoefer, Zur Behandlung der Skrofulöse, in specie der Mesen-
terialskrofulose mit Schmierseife. (Berl. klin. Wochenschr. 1879, Nr. 42.)
6. O. K ollm ann, Eine neue Methode, Caries zu behandeln. (Berl. klin. Wochenschr.
1881, Nr. 19.) Teilt auch zwei Fälle von geheilter Lungentuberkulose mit.
— Die Behandlung des Knochenfrasses auf nicht operativem Wege. (L. Heuser,
Berlin und [Neuwied] Leipzig 1888. 2. Aufl. 1890.)
7. Felix Beetz, Über die Behandlung von Drüsenentzündungen und subkutanen
Eiterungen. (Ärztl. Intelligenzblatt München 1882, Nr. 27.) Empfiehlt auch
Umschläge mit warmem Spiritus sapon. alcalinus bei Panaritien, Bubonen,
Furunkeln.
8. N. Senator, Über die therapeutische Anwendung der Schmierseife. (BerL
klin. Wochenschr. 1882, Nr. 38.) Empfiehlt die Methode besonders zur Re¬
sorption von Exsudaten aus serösen Höhlen.
9. Ph. Biedert, Behandlung der Skrofulöse. (Handbuch der speziellen Therapie
innerer Krankheiten. Gust. Fischer, Jena. II. Bd., S. 243.)
10. G. Gisler, Behandlung der Tuberkulose mit Sapo viridis. (Inaug.-Diss. Basel.
1897.) Zählt 115 Fälle auf mit genauer Analyse des Resultates der Behand¬
lung aus der Massinisehen Poliklinik.
11. — Anweisung zum Gebrauche der Mineralquellen etc. des Bades Kranken¬
heil-Tölz in Oberbayern. Verlag der Badedirektion.
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Aus der Universitäts«Frauenklinik zu Bonn (Geh.-Rat Fritsch).
Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren¬
tuberkulose bei der Frau.
Von
Dr. W. Stoeckel,
Oberarzt an der Bonner Frauenklinik.
Es erscheint auf den ersten Blick vielleicht nicht berechtigt, der
Blasen- und Nierentuberkulose bei der Frau eine spezielle Besprechung
zu widmen.
Die allgemeine Gepflogenheit, die Tuberkulose des Harnapparates
nicht nach den Geschlechtern, sondern nach dem Sitze der Erkrankung
zu trennen, entspricht zweifellos unseren wissenschaftlichen Anschau¬
ungen besser.
Wenn ich mich im folgenden trotzdem darauf beschränke, nur
über die „weibliche“ Blasen-Nierentuberkulose etwas mitzuteilen, so
ist der Grund dafür zunächst ein rein äusserlicher. Als Gynäkologe
habe ich eigene Erfahrungen nur an Frauen sammeln können, und
eigene Beobachtungen allein möchte ich dieser kurzen Abhandlung
zu gründe legen. Die von mir behandelten Fälle haben mich aber
Auch zu der Überzeugung gebracht, dass bei der Frau nicht selten
eigenartige Momente, vor allem in diagnostischer Beziehung, hervor¬
treten, die ich für beachtenswert und wichtig halte.
Die in Lehrbüchern und Monographieen häufig anzutreffende Be¬
hauptung, dass das Harnsystem des Mannes öfter von Tuberkulose
befallen wird als das der Frau, ist einer genauen Kontrolle schwer
zugänglich. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass die tuber¬
kulöse Nephritis und Cystitis bei der Frau häufiger
vorkommt, als gemeinhin angenommen wird, dass der
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130 W. Stoeckel. [2
Prozess aber nicht selten unerkannt bleibt oder ganz
übersehen wird.
Die Tuberkulose tritt ja gerade an den Hamorganen in sehr
verschiedener Intensität auf.
Sie kann stürmisch einsetzen und in ihrer Weiterentwickelung
die markanten, schwer zu verkennenden Symptome einer ganz akuten,
durch grosse Hartnäckigkeit und Schmerzhaftigkeit ausgezeichneten
Entzündung darbieten.
Diese Fälle liegen diagnostisch nicht besonders schwierig. Recht
häufig beginnt die Erkrankung aber ganz allmählich, fast unmerkbar,
und schleppt sich schleichend in einer von vornherein subakuten oder
chronischen Form unter ganz unbestimmten Erscheinungen jahre¬
lang hin.
Hier ist die Erkennung oft recht schwer und zwar bei der Frau
häufig ganz besonders schwer.
Beim Manne sind die Beziehungen zwischen Harn- und Ge¬
schlechtsorganen enge und unmittelbare. Die anatomischen Verhält¬
nisse charakterisieren den männlichen Urogenitalapparat als etwas
Einheitliches. Die Harnröhre bildet den Zugang zu den Geschlechts¬
drüsen wie zur Niere beziehungsweise den schliesslichen Ausführungs¬
gang beider. Erkrankungen des einen Systems ergreifen das andere
so leicht, dass der Diagnostiker seine Aufmerksamkeit stets auf beide
richten muss und richtet. Der lokalen Untersuchung ist ein ganz
bestimmter Weg vorgezeichnet, der eingeschlagen werden muss. Er
führt stets durch die Harnröhre und bringt es mit sich, dass eine
genaue Urinuntersuchung in keinem Falle unterbleibt.
Die Einheitlichkeit des Krankheitsgebietes hat seinen Ausdruck
in der Abgrenzung des Spezialgebietes der Urologie gefunden. Sie
umfasst beim Manne die Pathologie der Geschlechts- und Harn¬
organe.
Anders bei der Frau. Bei ihr handelt es sich um zwei völlig,
vom Anfang bis zum Ende, getrennte Systeme, die unabhängig von¬
einander und gesondert untersucht und behandelt werden können.
Die normal - anatomischen und pathologischen Beziehungen zwischen
ihnen sind keine unmittelbaren. Krankhafte Prozesse im Harntraktus
spielen sich meist allein in diesem ab, ohne Uterus, Tuben und Ovarien
wesentlich zu beeinflussen. Erkrankungen der Genitalorgane wiederum
alterieren Blase und Harnröhre nur mittelbar, dafür aber so häufig,
dass die dadurch bedingten Beschwerden als Folgeerscheinungen eines
„gynäkologischen“ Leidens allgemein bekannt sind und als solche
gering bewertet werden.
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3] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 131
Die Patientin selbst würdigt „ziehende Schmerzen beim Wasser¬
lassen“ nur selten als das Symptom eines Harnleidens. Sie kennt ähn¬
liche Beschwerden vielleicht als Begleiterscheinung der Menstruation
oder Gravidität. Sie misst ihnen zunächst keine Bedeutung zu und
hofft, sie würden vorübergehen. Verstärken sich die Schmerzen, ver¬
gesellschaften sie sich noch mit unangenehmen und nicht bestimmt
lokalisierbaren Sensationen im Abdomen, so hält sich die Patientin
meist nicht für „blasenleidend“, sondern für „unterleibsleidend“ und
konsultiert den Frauenarzt.
Auch dieser richtet sein Augenmerk zuerst und nicht selten aus¬
schliesslich auf die Genitalorgane. Er kennt Blasenbeschwerden der
verschiedensten Art und Intensität als überaus häufige Folge aller
möglichen Genitalaffektionen. Er sucht demgemäss die primäre Ur¬
sache der Beschwerden am Uterus und an den Adnexen und findet
zu seiner Befriedigung oft abnorme Zustände, die zu der Auffassung
der Blasensymptome als „sekundärer“ vollauf berechtigen.
Er ist scheinbar nicht im Unrecht, wenn er eine Retroflexio,
einen Prolaps mit Cystocelenbildung, ein Uterusmyom zum Angriffs¬
punkt seiner Therapie macht und a priori annimmt, dass die Be¬
seitigung dieser Abnormitäten auch die Blasenbeschwerden zum Ver¬
schwinden bringen wird.
Manchmal bleibt aber der volle Erfolg aus. Die Patientin klagt
nach wie vor über Brennen beim Urinieren, häufigen Urindrang und
dergleichen. So naheliegend es in derartigen Fällen erscheint, der
Blase selbst eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, so geschieht
das vielfach nicht. Die Überzeugung von ihrer nur sekundären Be¬
teiligung ist oft so absolut, dass die therapeutischen Massnahmen
immer nur von diesem einen Gesichtspunkte aus modifiziert werden.
Verschiedene Pessare werden nacheinander ausprobiert, um die Uterus¬
lage vollkommener und besser zu korrigieren. Eine Adnexerkrankung,
bisher konservativ behandelt, wird operativ in Angriff genommen.
Kleine Myome, für welche eine symptomatische Therapie ausreichend
erschien, werden exstirpiert. Drückt die Portio, die Pyosalpinx, das
Myom nicht mehr auf die Blasenwand, so müssen doch auch die
Urinbeschwerden aufhören, besonders wenn der Urin eiweissfrei, an¬
nähernd klar und sauer reagierend ist. Man hat das zu oft gesehen
und erfahren, um daran zweifeln zu können.
Andere Fälle, in deren Anamnese die Blasenbeschwerden prä-
valieren, zeigen keine gynäkologische Erkrankung sensu strictiori.
Der Uterus liegt anteflektiert und ist nicht vergrössert, die Ad¬
nexe sind gänzlich unverändert, die Parametrien sind nicht induriert,
die Ligamente nicht retrahiert oder verkürzt. Der Status genitalis
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W. Stoeckel.
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[4
ist ganz normal. Die gleiche oberflächliche Urinuntersuchung im
Reagenzglas ergibt, dass der Urin eiweissfrei und nicht getrübt ist.
Ergo sind Blase und Nieren gesund; eine lokale Erkrankung fehlt
überhaupt.
Die Beschwerden werden auf Dysmenorrhoe oder allgemeinere
Störungen, z. B. chronische Obstipation bezogen oder schlechtweg
als „nervöse“ bezeichnet. Auch die Hysterie wird solchen Patientinnen
gelegentlich aufoktroyiert.
Diese Einseitigkeit der gynäkologischen Diagnostik kann recht
folgenschwere Konsequenzen haben und die Ursache scheinbar ganz
unerklärlicher therapeutischer Misserfolge sein.
Ich halte es nicht nur für empfehlenswert, sondern
für absolut notwendig, alle Blasenbeschwerden bei der
Frau, auch solche geringen Grades, zunächst stets als
Anzeichen von krankhaften Veränderungen im Harn-
traktus selbst aufzufassen.
Selbst wenn das Krankheitsbild dagegen spricht, selbst wenn sich
die Harnsymptome durch gynäkologische Affektionen zwanglos er¬
klären lassen, man sollte sich niemals darüber hinwegsetzen, sich in
keinem Falle mit Wahrscheinlichkeitsschlüssen begnügen, sondern
immer das Resultat einer eingehenden und genauen Unter¬
suchung der Harnorgane und des Urins für sich selbst
sprechen lassen.
Bei diesem Standpunkt, den man extrem nennen kann, wird
man häufig zu einem negativen Ergebnis kommen. Die ursprüng¬
liche Vermutung von der Intaktheit der Harnorgane bestätigt sich
und man hat sich dann umsonst abgemüht. Werden aber auch nur
relativ wenig eigentliche Blasenleiden auf diese Weise herausgefunden,
so ist damit viel gewonnen, weil der Therapie die richtigen Wege
gewiesen werden. Und wird unter Hunderten ein einziger Fall von
Blasen- oder Nierentuberkulose vor dem Übersehenwerden gerettet,
dann ist die Berechtigung einer so skrupulösen Diagnostik erwiesen.
Die Tuberkulose der Harnorgane kann aber so latent
auftreten, sie kann sich hinter mehr in die Augen fallen¬
den Genitalerkrankungen gleichsam so verstecken, dass
sie gesucht werden muss, um entdeckt zu werden.
Ich verfüge selbst über zwei derartige, eigene Beobachtungen.
Fall 1.
Frl. E. Th. (Poliklinisches Journal 1901/92. Nr. 929). Die 32jährige Patientin
sucht die Poliklinik wegen dysmenorrhoi sehen Beschwerden auf. Die Periode tritt
regelmässig und ohne besonders starke Blutung ein, ist aber mit sehr heftigen
Kreuz- und Unterleibssehmerzen verbunden.
Gck igle
Qn-ginal fro-m
UNIVERSITY OF-MINNESO-TA
5] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 133
Die vaginale Untersuchung ergibt, dass die Scheide weit und der Uterus
stark spitzwinklig retroflektiert ist.
In der Scheide liegt ein alter, aufgeweichter, länglich ausgezogener Maier¬
scher Ring, der entfernt wird.
Die Patientin, die ihrer Unterleibsbeschwerden wegen schon lange Zeit in
spezial ärztlicher Behandlung ist, bittet, den Ring nicht wieder einzulegen, da die
Beschwerden dadurch nicht gebessert seien. Ich überlegte mir, ob ich zu der
Alezander-Adamsschen Operation raten sollte. Das Symptomenbild schien jeden¬
falls durch die Retroflezio bedingt zu sein.
Bei weiterer Erkundigung erfuhr ich, dass der Urin früher eine Zeitlang
trübe und flockig gewesen sei und dass die Patientin als Kind an Skrofulöse
gelitten habe. Diese Mitteilungen veranlassten mich, zunächst zu cystoskopieren.
Ich war höchst überrascht, eine ausgedehnte tuberkulöse
Cystitis zu finden. Zahllose typische Tuberkelknötchen bedeckten die Blasen¬
schleimhaut besonders am Trigonum und Blasenfundus. Eine besonders starke
Gruppierung der Tuberkelknötchen um eine der beiden Ureteröffnungen war nicht
vorhanden.
Ich brach darauf die Untersuchung ab und suchte die Patientin zu bewegen,
sich in die Klinik aufnehmen zu lassen. Sie versprach wieder zu kommen, ohne
ihr Wort zu halten. Ich hatte den Eindruck, dass sie meiner Behauptung, nicht
dio Gebärmutter, sondern die Blase sei bei ihr erkrankt und müsse behandelt
werden, keinen rechten Glauben schenkte. Ich habe den Fall dann leider ganz
aus den Augen verloren.
Fall 2.
Frau M. (1902/03 J. Nr. 275). Die 42jährige Patientin ist 18 Jahre steril
verheiratet und seit langer Zeit „unterleibskrank“. Die regelmässig eintretende
Periode hat sich mit der Zeit immer mehr verstärkt und bedingt jetzt eine acht¬
tägige starke Blutung. Weitere Klagen beziehen sich auf Unterleibsschmerzen
während der Menstruation, Fluor albus, hartnäckige Obstipation und Schmerzen
bei der Defäkation. Seit IV 9 Jahren bestehen auch bald stärkere bald schwächere
Urinbeschwerden mit zeitweilig auffallend vermehrtem Harndrang. Blut ist im
Urin nie bemerkt worden. Die Kranke ist bisher von 14 Ärzten mit Scheiden-
spülnngen, Pessarbehandlung und Gurettage erfolglos behandelt worden. Zeitweilig
sollen auch Blasen Spülungen gemacht sein.
Die Lungen sind intakt. Der Uterus ist durch ein in der Vorderwand sitzen¬
des apfelgrosses Myom erheblich verdickt und liegt in beweglicher Retroflezions-
stellung. Seine Reposition gelingt ohne Schwierigkeiten. Adneze und Parametrien
unverändert. Der sauer reagierende Urin ist stark getrübt und eiweisshaltig
Essbach).
Die abnorme Harnbeschaffenheit bestimmte uns, von der an sich durchaus
gebotenen Myomoperation Abstand zu nehmen und zunächst die Blase zu be¬
handeln (Urotropin, Borwasser-Spülungen). Der Urin wurde dadurch in wenigen
Tagen soweit aufgehellt, dass eine cystoskopischeUntersuchung möglich
war. Die Blase eiwies sich gegen stärkere Anfüllung etwas resistent, fasste aber
bequem 100 ccm. Bei der Ableuchtung konstatierte ich allgemeine Cystitis
mässigen Grades ohne tuberkulöse Schleimhautveränderungen.
Die beiden Ureteröffnungen verhielten sich verschieden. Die linke war
spaltförmig und völlig normal, ihre Umgebung völlig reaktionslos. Der aus ihr
in kurzen Intervallen in kräftigem Strahle entleerte Urin war absolut klar.
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Die rechte Ureteröffnung dagegen bildete einen rundlichen,
schwarzen Krater, dessen wallartiger Rand anregelmässig ge-
zackt aussah (cf. Tafel). Die umliegende Schleimhaut war gerötet. Der rechte
Ureter agierte auffallend träge und entleerte kleine Schleim-
bröckel.
Auf Grund dieses Bildes stellte ich die Diagnose auf eitrige, höchst¬
wahrscheinlich tuberkulöse Erkrankung der rechten Niere, die bis
zum rechten Ureterostium descendiert war.
Die am nächsten Tage vorgenommene Katheterisation des rechten
Ureters (Caspers Ureterencystoskop) bestätigte diese Annahme. Es floss aus
dem Katheter ganz spärlich eiterhaltiger Urin ab.
Ohne den Erfolg des Tierexperimentes abzuwarten, führte ich am 26. September
1902 die Nephrectomia dextra mit lumbalem Schrägschnitt aus. Allseitige,
sehr feste Verwachsungen der Nierenkapsel mit der Umgebung erschwerten die
Operation erheblich. Die Adhäsionen mussten zum Teil scharf gelöst und durch¬
trennt werden. Nachdem die Niere bis zum Hilus mobilisiert und vor die äussere
Wunde gezogen war, wurden die Nierengefässe vom Ureter isoliert und unter¬
bunden. Der Ureter wurde nach abwärts verfolgt, soweit wie möglich freigelegt
und reseziert.
Tamponade mit Vioformgaze. Schluss der Wunde mit durchgreifenden Silk-
wormknopfnähten bis auf eine Öffnung, aus welcher das Tamponende heraus¬
geleitet wurde.
Reaktionslose und völlig fieberfreie Heilung. Bis zum siebenten Tage schwankte
die tägliche Urinmenge zwischen 500 und 600 ccm. Sie stieg dann rasch bis
1800 ccm (14. Tag). Augenblicklich befindet sich die Patientin wieder in der
Klinik, um wegen ihres Myoms operiert zu werden 1 ).
Die exstirpierte Niere misst von einem Pol bis zum anderen 9 cm Länge.
Die Kapsel haftet der höckrigen Nierenoberfläche so fest an, dass beim Versuche
der Ablösung Nierensubstanz an ihr hängen bleibt. Auf dem Durchschnitt zeigt
sich die ganze Niere von dicht aneinander liegenden bis wallnussgrossen Abscessen
durchsetzt. Der Inhalt der Abscesse besteht aus käsigem eingedicktem Eiter.
Das Nierenbecken ist dilatiert, die Ureterwandung stark konzentrisch verdickt.
Die beiden Fälle sind typische Beispiele für den
latent en V er lauf der Tuberkulose. Wir hätten beide Patien¬
tinnen sicherlich „gynäkologisch“ operiert, wenn der Nachweis der
Blasen- resp. Nierentuberkulose nicht gelungen wäre. Dass derselbe
gelang und zwar schnell und sicher genug gelang, um eine unzweck¬
mässige Operation am Uterus zu verhindern, verdanke ich lediglich
der systematischen Anwendung des Cystoskops. Ich halte es für
das unentbehrlichste diagnostische Hilfsmittel, befinde
mich aber hierin im Gegensatz zu kompetenten Autoren. Bei tuber¬
kulöser Cystitis gerade gilt die Cystoskopie ziemlich allgemein für
gefährlich, weil darnach Exacerbationen des Prozesses öfter beob¬
achtet wurden. Man sucht deshalb vielfach ohne sie auszukommen
i) Anmerkung bei der Korrektur: Ich habe inzwischen die vaginale
Totalexstirpation des myomatösen Uterus ausgeführt. Nach glatter Rekonvales¬
zenz konnte die Patientin in sehr gutem Zustande entlassen werden.
Gck igle
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7] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 135
und hat behauptet, dass auch auf andere Weise eine sichere Diagnose
sich ermöglichen lässt, nämlich durch genaue Beobachtung des klini¬
schen Bildes und sorgfältige Suche nach Tuberkelbacillen im Urin.
Ich halte das nicht für zutreffend. Einmal können bei einem solchen
Vorgehen längst nicht alle Fälle erkannt werden, und zweitens kommt
man stets nur zu der allgemeinen Diagnose „Tuberkulose“. Will
man aber rationell behandeln, so ist eine ganz exakte Differential¬
diagnose „Blasentuberkulose“ oder „Nierentuberkulose“ oder beides
eine conditio sine qua non. Diejenigen, welche in dem klinischen
Bilde einen diagnostischen Stützpunkt suchen, werden zugeben müssen,
dass der Symptomenkomplex der Blasentuberkulose sowohl wie der
Nierentuberkulose kein typischer genannt werden kann. Cystitische
Reizerscheinungen, häufiger Urindrang, Blasentenesmen, Verminderung
der Blasenkapazität, gelegentliche Blutbeimengungen zum eitrig ge¬
trübten Urin — das sind Krankheitsäusserungen, von denen manche
bei den verschiedensten nicht tuberkulösen Affektionen der Blase
und der Harnröhre sich einstellen und von denen selbst bei akut
verlaufender Cystitis tuberculosa gelegentlich die eine oder die andere
fehlen kann.
In ihrer Gesamtheit charakterisieren sie ganz allgemein nur das
Bild einer schweren Entzündung der Blase. Davon ist aber in den
schleichend verlaufenden Fällen, die uns hier interessieren, gar keine
Rede. Der Mangel wirklich cystitisch er Sy mptom e ist
hier gerade die Ursache der schweren Diagnose. Die
pathologische Veränderung der Blasenschleimhaut ist keine so inten¬
sive. Es kommt wohl zur Eruption von Tuberkelknötchen, aber nicht
zum geschwürigen Zerfall derselben. Die tuberkulöse Ulceration in
der Blasenwand aber ist die alleinige Ursache für ihre hochgradige
Empfindlichkeit und für ihre ausgesprochene Intoleranz gegen jede
Anfüllung und jede Berührung. Casper 1 ) hat neuerdings auch den
Unterschied zwischen Tuberculosis vesicae und Cystitis tuberculosa
betont. Für diese ist eine hochgradige lokale Schmerzhaftigkeit in
der Tat charakteristisch, für jene aber nicht.
In zweifelhaften Fällen wird vielfach, so auch von Casper die An¬
wendung der üblichen Cystitis-Therapie empfohlen, um die Diagnose
ex juvantibus oder vielmehr ex non juvantibuszu stellen.
Bekanntlich hat sich das Argentum nitricum als das sicherste Mittel
erwiesen, um entzündliche Prozesse jeder Art erfolgreich zu be¬
kämpfen. Guyon hat zuerst beobachtet, dass die Blasentuberkulose
i) Die Tuberkulose der Harnblase und ihre Behandlung. Deutsche Klinik,
Bd. X, Abt. 1.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 2. 10
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W. Stoteköl.
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«in# Ausnahme macht, dass sie durch Argentumspühingen nicht nur
nicht günstig beeinflusst, sondern sogar verschlimmert wird. Spätere
Autoren haben dieses Verhalten bestätigt, so dass an seiner tatsäch¬
lichen Richtigkeit im allgemeinen nicht zu zweifeln ist.
Trotzdem darf es nicht für einen unfehlbaren diagnostischen
Prüfstein gehalten werden. Ich verweise auf die weiterhin mitzu¬
teilenden Fälle, bei welchen Argentumspülungen recht gut vertragen
wurden, trotzdem es einmal (Fall 4) bei ganz schwerer Blasentuber¬
kulose lange Zeit hindurch angewendet wurde. In dem anderen Falle
handelte es sich um Nierentuberkulose, die bis zum Blasenostium des
Ureters descendiert war. Daneben bestand ziemlich starke, aber
nicht tuberkulöse Cystitis, welche durch regelmässige Spülungen mit
2 °/oo Argentum nitricum beseitigt wurde. Das spricht gewissermassen
für die Guyonsche Behauptung, weil ja eine Blasentuberkulose tat¬
sächlich nicht vorhanden war. Die darauf gegründete Diagnose hätte
aber nur die richtige Teildiagnose „nicht tuberkulöse Cystitis“ er¬
geben und die cystoskopisch festgestellte Nieren tuberkulöse wäre un¬
berücksichtigt geblieben.
Der naheliegende Einwand, dass die Nierenpalpation in
solchen Fällen den ergänzenden Aufschluss bringen wird, ist nicht
stichhaltig. Gewiss wird es häufig gelingen, Formveränderungen und
Vergrösserungen der Niere durch kombinierte Tastung, nötigenfalls
in Narkose, nachzuweisen. Es wird vielleicht ebenso häufig aber nicht
gelingen. Von tuberkulösen Abscessen völlig durchsetzte Nieren sind
oft nicht vergrössert, manchmal im Gegenteil verkleinert und stark
geschrumpft. Dann kann gerade die gesunde Niere infolge der kom¬
pensatorischen Mehrleistung vergrössert sein und irrigerweise als die
erkrankte angesprochen werden.
Auch die Ureterpalpation ist eine unsichere Methode. Einige
Male (cf. Fall 3 und 4) haben wir allerdings parametrane Exsudate
auf der Seite des erkrankten Ureters palpiert, die als paraureterane
Schwielenbildungen aufgefasst werden konnten. Derartige Exsudationen
können somit gewiss für die Diagnose wertvolle Anhaltspunkte geben,
ohne sie aber positiv festzulegen. Mässige Ureterverdickung doku¬
mentiert sich gelegentlich als strangartige, von der Scheide aus pal-
pable Resistenz, kann sich aber auch dem tastenden Finger entziehen.
Klinische Beobachtung, Nieren- und Ureter-Tast¬
befund, sowie Abwarten der Argenturawirkung sind also
wohl diagnostisch brauchbar, aber nicht diagnostisch
entscheidend. Schnell und sicher, wie es durchaus notwendig ist,
kann eine spezifizierte Diagnose mit diesen Mitteln nicht gestellt
werden.
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9] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 137
Der Nachweis von Tuberkelbacillen im Urin ist zweifel¬
los beweisend für eine tuberkulöse Erkrankung der Harnorgane. Er
ist aber oft recht schwer zu erbringen.
Es gibt säurefeste Bacillen im Harn, die nicht Tuberkelbacillen
sind. Die Unterscheidung von Smegma- und Tuberkelbacillen macht
oft grosse Schwierigkeiten. Ihr Verhalten gegen die Tinktion ist
das gleiche. Die Behauptung, dass die Entfärbung in absolutem
Alkohol die Smegmabacillen kennzeichne, wird bestritten. Aussehen
und Form lassen manchmal sicherlich eine Differenzierung zu. Die
Smegmabacillen sind plumper und finden sich allgemein verstreut im
Präparat, die Tuberkelbacillen sind schlanker und liegen in Nestern
zusammen. Trotzdem ist es Tatsache, dass selbst Bakteriologen von
Fach sich nicht anheischig machen, aus dem gefärbten Präparat immer
die Entscheidung zu treffen. Erst der Ausgang des Impfversuches am
Meerschweinchen ist dann entscheidend.
Fällt die Bacillenfärbung überhaupt negativ aus, so beweist das
niemals, dass der Urin tatsächlich bacillenfrei oder gar dass Blase
und Niere nicht tuberkulös erkrankt sind. Erstens können die
Bacillen so spärlich vorhanden sein, dass sie dem Nachweis selbst
der sorgsamsten Untersuchungsmethode entgehen. Zweitens können
sie tatsächlich fehlen, d. h. in dem entleerten Urin fehlen, während
Blasentuberkulose cystoskopisch einwandsfrei nachzuweisen ist. Ich
habe in einer früheren Arbeit 1 ) auf diese Verhältnisse hingewiesen
und habe an Beispielen gezeigt, dass bei Blasentuberkulose das Vor¬
handensein oder Fehlen von Ulcerationen in der Blasenwand aus¬
schlaggebend dafür ist, ob die Tuberkelbacillen in den Urin gelangen
oder nicht. Eruptionen von Tuberkelknötchen bilden an sich keine
Läsion der Blasenwand und demnach keine Austrittspforte für die
Bacillen. Diese werden deshalb gelegentlich weder durch Färbung
noch durch den Tierversuch nachzuweisen sein, ohne dass deshalb
eine Tuberkulose der Blase ausgeschlossen werden kann.
Also auch der Nachweis des Krankheitserregers, mag er positiv
oder negativ ausfallen, ist hier nicht von der sonstigen ausschlag¬
gebenden Bedeutung.
Die Cystoskopie leistet erheblich mehr wie die er¬
wähnten Untersuchungsarten. Sie ist immer anwendbar,
sie beseitigt in allen Fällen jeden Zweifel und entscheidet die
Diagnose stets einwandsfrei im positiven oder negativen Sinne. In
Verbindung mit der Blasenableuchtung erhalten auch die bakterio-
i) Beitrag zur Diagnose der Tuberkulose in der weiblichen Blase. Centralbl.
f. Gynäkologie 1901, Nr. 40.
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logische Diagnostik der Harntuberkulose und die Palpationsbefunde
einen sehr viel höheren Wert. Dem therapeutischen Handeln aber
wird die richtige Direktion nur gegeben, wenn man sich durch den
Augenschein von der Lokalisation des tuberkulösen Prozesses über¬
zeugt hat.
Die folgenden beiden Falle mögen dazu dienen, diese Behaup¬
tungen zu stützen.
Fall 3.
Frau R. (1902, J. Nr. 70). Die 34jährige, steril verheiratete Patientin ist
seit langen Jahren „blasenleidend“ und von vielen Ärzten behandelt worden. Ihr*
Beschwerden bestehen in anfallsweise auftretenden „ziehenden 11 Blasenschmerzen
und starkem Brennen in der Harnröhre während des Wasserlassens. Gelegentlich
treten von der rechten Lendengegend nach dem Unterleib hin ausstrahlende kolik¬
artige Attacken ein. Der Urin ist trotz jahrelanger medikamentöser und auch
lokaler Blasenbehandlung stets leicht getrübt. Blutbeimengungen hat der Ham
niemals gezeigt. Der Urindrang ist wechselnd, bald kaum vermehrt, bald alte
2—3 Stunden eintretend. In Berlin konsultierte die Patientin einen Kollegen, der
den Urin bakteriologisch prüfen liess. Es fanden sich Bacillen, die nicht für
Tuberkelbacillen gehalten wurden. Mehrfache Badekuren in Wildungen brachten
vorübergehend ganz erhebliche Besserung, ohne die Beschwerden aber dauernd
und völlig zu beseitigen.
Hereditäre Belastung ist nach den etwas unbestimmten Angaben nicht aus-
zuschliessen. Als Kind ist die Patientin hochgradig skrofulös gewesen und hat
eine Wirbelsäulenerkrankung durchgemacht. In späteren Jahren litt sie sehr an
Blutarmut. Die Untersuchung der sehr gracilen, chlorotischen Patientin ergibt
zunächst an den Lungen normalen Befund.
Über dem letzten Brustwirbel und ersten Lendenwirbel befindet sich eine
strahlige, eingezogene Narbe. Der Uterus liegt in beweglicher Anteflexio; die
linken Adnexe sind unverändert. Rechte Tube und rechtes Ovarium sind durch
ein gänseeigrosses, kleinhöckriges, sehr hartes und auf Druck schmerzhaftes
parametranes Exsudat verdeckt.
Eine Verdickung der Ureteren selbst ist bei der vaginalen Palpation nicht
nachweisbar. Die rechte Niere ist etwas descendiert und durch die schlaffen.
Bauchdecken gut zu fühlen. Eine wesentliche Vergrösserung der Niere ist nicht
vorhanden.
Der Urin ist leicht getrübt, von saurer Reaktion und schwach ei weisshaltig.
Die cystoskopische Untersuchung zeigt die Schleimhaut der ganzen
Blase im Zustande recht intensiver Entzündung (Schleimhautschwellung, sehr
starke Gefässinjektion, fixer und mobiler Schleim). Das linke Ureterostium
weist scharfe Randkonturen auf und präsentiert sich als spaltförmiger Schlitz;
das rechte hat eine ganz unbestimmte Umgrenzung, ist weiter
und klaffender. Die entzündliche Schleimhautaffektion ist in seiner Umgebung
am intensivsten. Tuberkelknötchen und Ulcerationen sind nirgends
zu sehen.
Während der nächsten 14 Tage wird die Blase regelmässig, jeden Tag zwei¬
mal zunächst mit 2 °/oiger Borsäurelösung, dann mit 2 °/oo iger Argentum-nitricum-
Lösung ausgespült. In die Urethra werden Jodoform-Kokainstäbchen appliziert.
Die Patientin trinkt ausserdem reichlich Milch und Wildunger Wasser.
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11] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 1;>9
Die Beschwerden lassen recht schnell nach.
Die II. cystoskopische Untersuchung ergibt eine fast normale Be¬
schaffenheit der Schleimhaut. Schwellung und Rötung sind verschwunden, die
Schleimpartikel wesentlich vermindert. Nur die Umgebung der rechten Ureter-
mflndung sieht noch gerötet und etwas infiltriert aus. Diese selbst ist leicht
eingezogen, ihr Rand ist undeutlich gezackt. Beide Ureteren agieren und
entleeren klaren Urin. Die Aktion des rechten Ureters ist aber
eine auffallend träge. Eine Tuberkulose der Blase besteht nicht
Wenige Tage später katheterisierte ich den Ureter(Nitzesches Ureteren-
cystoskop), um den Urin der rechten Niere gesondert zu erhalten. Der linke
Ureter wird nicht katheterisiert. Der von ihm in die Blase entleerte Urin wird
durch einen Blasenkatheter aufgefangen.
Der Urin der rechten Niere ist minimal getrübt und schwach eiweisshaltig.
Der Urin der linken Niere (Blasenurin) ist klar, eiweissfrei und sehr viel
reichlicher.
Das Sediment des Urins der rechten Niere besteht aus zahlreichen Leuko-
cyten. Rote Blutkörperchen und Harncylinder fehlen, ebenso
Tuberkelbacillen. Mit dem Sediment werden Impfungen an drei Meer¬
schweinchen vorgenommen (Injektion in die Peritonealhöhle). Die Tiere sind nach
drei Wochen noch gesund und haben sogar an Gewicht zugenommen. Nach der
Tötung ergibt die Sektion bei sämtlichen Tieren ausgebreitete Tuberkulose des
Peritoneums, des Netzes und der Leber in Form sehr kleiner, miliarer Knötchen.
Tuberkelbacillen sind in grosser Zahl vorhanden.
Zu der daraufhin vorgeschlagenen Nephrektomie kann sich die Patientin erst
nach mehreren Wochen entschlossen.
Die Operation wird am 1. Mai 1902 mit dem schrägen Lumbalschnitt
von Geh.-Rat Fr tsch ausgeführt. Sie ist durch allseitige Verwachsungen der
Nierenkapsel mit der Umgebung erschwert. Bei der stumpfen Lösung dieser Ad¬
häsionen wird in der Nähe des Hilus ein paranephritischer Abscess eröffnet, aus
dem dickflüssiger Eiter in reichlicher Menge hervorquillt. Nach vollendeter Mobi¬
lisation der Niere werden die Gefässo in einzelnen Partieen mit Seide unterbunden.
Abtragung der Niere. Der stark verdickte Ureter wird reseziert und in den unteren
Winkel der Bauch wunde eingenäht. Tamponade der Wundhöhle mit Vioformgaze.
Schluss der Wunde mit durchgreifenden Silkwormknopfnähten bis auf eine Öffnung,
aus der das Tamponende nach aussen geleitet wird.
Die Rekonvaleszenz war während der ersten Woche fieberhaft (Abendtempera¬
turen bis 39°), weiterhin fieberfrei. Die Wunde secernierte minimal und heilte,
soweit sie genäht war, reaktionslos.
Am 6. Mai wurde der Tampon entfernt und die Wunde während der nächsten
Tage mit Borlösung ausgespült. Der Versuch, in der Nachbehandlung Jodoform¬
emulsion in die Wundhöble zu injizieren, wurde aufgegeben, weil darnach starke
Schmerzen auftreten.
Die Patientin erholte sich sehr langsam und konnte am 10. Juni mit fast
geschlossener Wunde entlassen werden.
Die exstirpierte Niere ist vergrössert. (10,5:6:3 cm). Das Abziehen
der Kapsel gelingt leicht. Auf der Nieren Oberfläche sind einzelne scharfumgrenzte,
stecknadelkopfgrosse Knötchen zu sehen. Auf dem Durchschnitt erblickt man
zahlreiche, kavernöse Höhlen, deren grösste den ganzen unteren Nierenpol ein¬
nimmt. Die Rinde ist hier auf einen ganz dünnen Saum verschmälert. Das
Nierenbecken ist nur mässig dilatiert, der Ureter wenig verdickt.
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Fall 4.
Frl. M. B. (1902, J. Nr. 884). Der Fall hat bereits wiederholt zu Publi¬
kationen Veranlassung gegeben. Er ist zunächst von H. Schroeder ausführlich
mitgeteilt worden i).
Es handelte sich um schwerste Blasentuberkulose bei einer 39jährigen
Patientin, die im 6. Lebensjahr an rechtsseitiger, sich lange Zeit hinschleppender
eitriger Entzündung des Hüftgelenkes gelitten hatte. Diese Entzündung hinter-
liess eine rechtsseitige Hüftgelenksankylose. Darnach war das Mädchen völlig
gesund bis zum 39. Lebensjahre, wo die Blasentuberkulose manifest wurde. Bei
der Untersuchung konnte damals eine tuberkulöse Erkrankung anderer Körper¬
organe, speziell der Lungen nicht nachgewiesen werden.
Cystoskopisch wurden ausgebreitete tuberkulöse Ulcerationen und miliare
Tuberkelbildung in der Blasenwand konstatiert. Die Umgebung der Ureterostien
war damals frei von tuberkulösen Veränderungen. Der linke Ureter agierte
und entleerte klaren Urin, der rechte lag „tot“, d. h. er bewegte
sich gar nicht und entleerte überhaupt keinen Urin. Bei der Kathe-
terisation erwies er sich 3—4 cm oberhalb seiner Blasenmündung als undurch¬
gängig. Trotzdem der Ureterkatheter 20 Stunden in situ gelassen wurde, floss
kein Tropfen Urin aus ihm ab. Im Blasenurin waren Tuberkelbacillen in grosser
Menge nachweisbar, ausserdem weisse und rote Blutkörperchen, Plattenepithelien,
Schleim, aber keine Harncylinder. Ausser der lokalen Blasenbehandlung
wurde das damals bekannt gegebene Koch sehe Tuberkulinpräparat T. R. ange¬
wendet. Der Fall erschien dafür geeignet, weil die Blasentuberkulose anscheinend
erst seit kurzer Zeit zum Ausbruch gekommen und bisher fleberlos verlaufen war.
Die Kur dauerte fünf Monate und brachte die Blasengeschwüre zur Heilung, die
Tuberkelknötchen zum Verschwinden. Nach einem halben Jahre trat aber ein
Recidiv ein. Es konnten cystoskopisch wieder Ulcerationen nachgewiesen werden.
Ätiologisch wurde der Fall damals so gedeutet, dass von dem tuberkulösen
Hüftgelenk aus per continuitatem die Nachbarschaft tuberkulös erkrankte, dass
die Infektion bis ins Beckenzellgewebe fortgeschritten war, den rechten Ureter
ergriffen und obliteriert und schliesslich die Blase befallen hatte. Für diese Auf¬
fassung sprach der Nachweis einer harten druckempfindlichen Infiltration im
rechten Parametrium und die cystoskopisch nachgewiesene Undurchgängigkeit des
rechten Ureters. Diese Deutung, die damals an Stelle einer plausibleren gewählt
werden musste, hat sich bei jahrelanger weiterer Beobachtung schliesslich als
irrig erwiesen.
Ich habe die Patientin während der letzten fünf Jahre ungefähr alle Viertel¬
jahre gesehen und in regelmässigen Zwischenräumen cystoskopiert. Ich konnte
den steten Wechsel zwischen Heilung und neuen Recidiven verfolgen.
Im Laufe der Jahre liess die Heftigkeit der Tuberkulose, ohne dass irgend
welche Behandlung stattfand, entschieden nach. Das ging einmal aus dem sub¬
jektiven Befinden, insbesondere aus der nicht unerheblichen Gewichtszunahme und
endlich aus dem cystoskopischen Befunde hervor. Ulcerative Prozesse kamen
schliesslich nicht mehr zur Ausbildung, nur Tuberkelknötchen bildeten öich immer
wieder. Ich berichtete in der bereits zitierten Arbeit 2), dass nach Verschwinden
der Geschwürsbildung auch die Tuberkelbacillen aus dem Urin verschwanden. Die
1) Über die Behandlung der Blasentuberkulose mit T. R. Zeitschrift für
Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. XL, Heft 1.
2) 1. c. pag. 1123, Fall 2.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
13J Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 141
Tierimpfungen hatten ausnahmslos ein negatives Resultat. Bei den wiederholten
Untersuchungen war es mir aufgefallen, dass die immer wieder erscheinenden
Tuberkel gelegentlich auch in unmittelbarer Nähe des rechten Ureterostiums und
auf dem Trigonum zu sehen waren. Das war früher nicht der Fall gewesen.
Dass ein extravesikal gelegener Herd vorhanden war, von dem aus die Blase
immer wieder von neuem infiziert wurde, konnte keinem Zweifel unterliegen.
Sonst hätten nicht Perioden völliger Heilung und frischer Erkrankung in dieser
Weise alternieren können. Die Lokalisation der Tuberkelknötchen in der Nähe
des rechten Ureters legte die Vermutung nahe, dass die rechte Niere tuberkulös
war und die immer sich wiederholenden Schübe in der Blase veranlasste. Ich
katheterisierte deshalb vor kurzem den rechten Ureter und konnte
den Katheter ebenfalls nur 4 cm weit vorschieben. Ich konnte aber zweifellos
nachweisen, dass derUreter agierte und dass er auch Urin lieferte.
Die Aktion war allerdings ganz ausserordentlich schwach und die entleerte Urin¬
menge minimal (ca. 8 ccm in 1 Ä /a Stunden). Immerhin war dadurch be¬
wiesen, dass die rechte Niere Urin und zwar stark eiterhaltigen
Urin secernierte.
Ich führte die rechtsseitige Nephrektomie aus (lumbaler Schräg¬
schnitt) und fand eine ganz kleine, geschrumpfte Niere unter einer enorm starken
Fettkapsel vor, deren Exstirpation keine besonderen technischen Schwierigkeiten
bot. Die Adhäsionen waren nur gering und leicht stumpf zu lösen. Die Nieren-
gefässe wurden mit Catgut unterbunden. Der Ureter wurde unter Verlängerung
des Lumbalschnittes nach vorne und unten extraperitoneal bis zu seinem Eintritt
ins Parametrium mobilisiert und hier reseziert. Die Wunde wurde durch ver¬
senkte Catgutnähte und durchgreifende Silkwormknopfnähte bis auf eine Öffnung
für die zur Drainage verwandten Vioformgazetampons geschlossen. Die Rekon¬
valeszenz ist noch nicht abgeschlossen. Der Verlauf ist bisher ein völlig reaktions¬
loser gewesen.
Die exstirpierte Niere ist auffallend klein (6,5:2,5:2 cm). Die Kapsel
lässt sich ohne Läsion der Nierenrinde nicht abziehen. Auf dem Durchschnitt ist
von normalem Gewebe nichts mehr wahrnehmbar. Es besteht ein einziger grosser
Abscess, der durch bindegewebige Septen in einzelne Sektoren geteilt und voll¬
kommen mit käsigem Brei angefüllt ist. Das Nierenbecken ist mit bindegewebigen
Schwarten ausgefüllt, die Schleimhaut ist verloren gegangen. An der Ureter¬
mündungsstelle ist der Rest eines Lumens aufzufinden. Der Ureter selbst ist
dünnwandig und nicht dilatiert.
Wenn diese Fälle den Wert der Cystoskopie und des Ureter¬
katheterismus auch überzeugend illustrieren, so bedarf die cysto-
skopische Diagnosenstellung bei Tuberkulose der Harnwege zur Ver¬
meidung von Missverständnissen doch noch einer näheren Erläuterung.
Dass das Cystoskop ein die tuberkulöse Blasenentzündung häufig
schädlich beeinflussendes Untersuchungsinstrument werden kann, be¬
streite ich durchaus nicht. Trotzdem aber halte ich daran
fest, dass seine Anwendung in jedem Falle geboten ist.
Es kommt nur darauf an, es zur rechten Zeit und in geschickter
Weise zu benützen.
Akut entzündliche Blasen von hochgradiger Sensibilität zu cysto-
skopieren, ist natürlich falsch. Ob die Entzündung tuberkulöser Natur
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ist oder nicht, ist dabei ganz gleichgültig. Der erste Versuch, die
Blase zu katheterisieren klärt den Untersucher darüber auf, dass sie
gegen die Anfüllung revoltiert, dass also eine Cystoskopie aussichtslos
ist. Dann soll sie eben unterbleiben und gar nicht erst versucht
werden.
Die akute Entzündung wird behandelt zunächst mit Spülungen
von 3°/oiger Borsäurelösung, weiterhin mit solchen von Argentum
nitricum, durch lokale Applikation von Jodoform in Form von Bacillen
oder als Emulsion. Zur Beseitigung der Schmerzen werden Belladonna
oder Ichthyol-Supporitorien ins Rektum appliziert. Es gelingt meiner
Erfahrung nach stets, die akuten Symptome auch in hartnäckigen
Fällen soweit zu beseitigen, dass die Blase toleranter wird und eine
mässige Anfüllung nicht mehr abweist, dass die in die Blase gebrachte
Spülflüssigkeit kurze Zeit klar bleibt. Ist das erreicht, so kann man
auch cystoskopieren, ohne Schaden zu stiften. Mit anderen Worten:
Ist die Cystoskopie technisch durchführbar, so ist sie
auch indiziert. Ob sie dann Schaden oder Nutzen bringt, hängt
lediglich von der Geschicklichkeit des Untersuchers ab. Der Unge¬
übte wird fraglos oft Misserfolge zu verzeichnen haben. Wer das
Cystoskop mit schwerer Hand langsam und brüsk handhabt, der soll
sich nicht an derartige Untersuchungen heran wagen. Wer es aber
versteht, schnell und schonend zu cystoskopieren, der ist fähig und
berufen, auch floride Blasentuberkulosen mit Ulcerationen der Blasen¬
wand sich anzusehen.
Ich lasse zunächst prinzipiell den Ureterkatheter
beiseite und beschränke mich darauf, den Zustand der
Blaseninnenwand festzustellen. Höchstens zwei Minuten sind
zu einer solchen Orientierung notwendig. Die Blasenwand darf nicht
berührt werden, auch minimale Verletzungen oder gar Blutungen dürfen
nicht entstehen.
Das Resultat der ersten cystoskopischen Untersuchung ist ver¬
schieden. Die sichersten Kennzeichen für die tuberkulöse
Natur der Entzündung sind die Tuberkelknötchen, die bei
ihrem charakteristischen Aussehen nicht zu verkennen
sind. Ihre Farbe ist graurötlich, ihre Peripherie stets rund. Sie
überragen die Blasenschleimhaut nur wenig als flache Erhebungen
und sind sehr oft von einem roten Saum eingefasst. Sie liegen ver¬
streut, meistens aber in Gruppen und oft so nahe aneinander, dass sie
sich bei unvollkommen entfalteter Blasenwand übereinander zu schieben
scheinen. Sie sind ein häufiger Befund, wie ich im Gegen¬
satz zu anderen Untersuchern betonen möchte.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
15] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose-bei der Frau. 143
Die Epitheldecke ist dort, wo die Knötchenbildung sich entwickelt
hat, häufig abgeschilfert. Man sieht an der Basis des einzelnen
Tuberkels oder auch im weiteren Umkreis um eine Tuberkelgruppe
oft eine feingezackte, wie ausgefranste, weisse Linie verlaufen, die
sehr lebhaft mit der roten Umgebung der Knötchen kontrastiert.
Das ist die Epithelgrenze, die sich beim Heilungsprozesse immer
näher an den Tuberkelknoten heran- und schliesslich über ihn hinweg¬
schiebt. Im entgegengesetzten Falle beginnt an diesen epithelfreien
Stellen die Ulceration. Die reaktive Entzündungszone um die ein¬
zelnen Knötchen verbreitert sich und konfluiert mit dem der daneben¬
liegenden zu einem tiefroten Felde, in dem die Tuberkel selbst sich
nicht mehr so deutlich markieren. Die Epithelgrenze, die dieses Feld
umgibt, tritt deutlicher hervor und scheint sich wallartig zu ver¬
dicken. Die Niveaudifferenz zwischen Rand und Mitte wird allmäh¬
lich deutlicher, die Farbe des umgrenzten Feldes wird schmutzig und
erhält einen schleimig-eiterigen Belag, die Tuberkelknötchen ver¬
schwinden darin. Es hat sich ein tuberkulöses Geschwür gebildet.
Dasselbe hat in ausgebildetem Zustande, nur für sich allein betrachtet,
nichts Typisches. Bei diphtherischen Prozessen und schwerer eiteriger,
aber nicht tuberkulöser Cystitis finden sich ganz gleiche Ulcera. Die
tuberkulösen sind als solche nur durch ihre Beziehungen
zu den Tuberkelknötchen und durch das gleichzeitige
Vorkommen mit und neben ihnen zu erkennen.
Zuweilen sieht man die Knötchen und Ulcerationen deshalb nicht,
wei die Gesamtblasenwand schwere cystitische Veränderungen zeigt,
in denen die tuberkulösen Herde nicht deutlich hervortreten. Es
handelt sich dann um Mischinfektionen, die beispielsweise entstehen,
wenn die Blase oft und ungeschickt mit dem Katheter entleert wurde.
Diese Fälle verlangen natürlich eine weitere sachgemässe Behandlung,
um die Blasenwand gleichsam „aufzuhellen.“ In anderen Fällen ist
die Blasenschleimhaut tatsächlich absolut normal und völlig frei von
Tuberkulose.
Mag nun der Blasenbefund positiv oder negativ ausfallen, so ist
damit stets nur der erste Teil der cystoskopischen Diagnose erledigt.
Die wichtigste Frage, ob die Nieren erkrankt sind oder nicht, harrt
noch der Entscheidung.
Ich glaube, dass fast alle Blasentuberkulosen des-
cendierend von der Niere aus entstehen. Der Nachweis
einer primären Blasentuberkulose in dem Sinne, dass die Blase das
einzige, tuberkulöse erkrankte Organ ist, ist bisher noch nicht ge¬
lungen.
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Die herrschende Ansicht fasst die Tuberkulose der Harnorgane
überhaupt als Sekundärinfektionen von einem anderen, eventuell nicht
auffindbaren Herde im Körper auf(Casper). Spricht man also von
„primärer Nierentuberkulose", so soll damit keineswegs der Aus¬
gangspunkt der Tuberkulose überhaupt bezeichnet werden Die Aus¬
drücke „primär" und „sekundär" können sich nur auf die Harnorgane
allein und auf die zeitliche Aufeinanderfolge der Erkrankung im
Harntraktus beziehen. In diesem Sinne sind die allermeisten
Nierentuberkulosen primär und die allermeisten Blasen¬
tuberkulosen sekundär.
Das umgekehrte Verhalten, dass also die Blase von einem ent¬
fernten Tuberkuloseherd zuerst (primär) hämatogen infiziert wird,
soll gelegentlich Vorkommen, ist aber jedenfalls ausserordentlich selten.
Ebenso kommt das lokale Übergreifen einer in der Nachbarschaft
sich abspielenden tuberkulösen Affektion auf die Blase bei der Frau
kaum vor. Die weibliche Genitaltuberkulose zeigt diese Neigung
jedenfalls so selten, dass neuerdings die Bezeichnung „Urogenital¬
tuberkulose" bei der Frau als unzutreffend völlig verworfen wird
(Amann) 1 ). Dass eine tuberkulöse Coxitis durch allmähliches Weiter¬
kriechen per continuitatem eine Infektion der Blase zeitigt, hatten
wir in einem Falle (Fall 4) angenommen — aber fälschlich, wie
die weitere Beobachtung ergab.
Eine derartige Entstehung der Blasentuberkulose ist überhaupt
nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn der ätiologisch wichtigste
Faktor, die Nierentuberkulose, auszuschliessen ist.
Am einfachsten und schnellsten würde die Katheterisation der
beiden Ureteren mit Hilfe des Ureterencystoskops das entscheiden
können. Der gesondert aus jeder Niere aufgefangene Harn, auf
Bacillen untersucht und auf Tiere verimpft, würde stets Klarheit
bringen, ob eine Nierentuberkulose überhaupt besteht, ob beide Nieren
erkrankt sind, oder welche der beiden gesund ist.
Dies Verfahren ist technisch einfach, aber zweifellos fehlerhaft
und falsch. Es steht fest, dass die tuberkulöse Infektion von einer
Niere descendieren, die Blase ergreifen und in die zweite Niere
ascendieren kann.
Ist diese Tendenz auch keine sehr ausgesprochene, so wird man
doch alles vermeiden, um sie zu unterstützen. Das täte man aber,
wenn man durch eine tuberkulös erkrankte Blase hindurch den
Katheter in einen gesunden Harnleiter schieben würde. Man über¬
schreitet damit willkürlich den Schutzwall, der in dem sphinkterartigen
i) Referat auf dem IV. internationalen Gynäkologen-Kongress in Rom 1902.
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17] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tnberkulose bei der Frau. 145
Abschluss des Ureterostiums gegeben ist, man schleppt möglicherweise
mechanisch mit dem Katheter tuberkulöses Virus in das Ureterlumen
hinein und begünstigt vielleicht durch kleine Läsionen der Ureter¬
schleimhaut, die gelegentlich auch dem geschicktesten Untersucher
passieren, die Einnistung der Tuberkelbacillen im Ureter. Die
Katheterisation des zu einer gesunden Niere gehörigen
Ureters bei manifester Blasentuberkulose ist also ein
Kunstfehler. Sie lässt sich auch sehr wohl vermeiden, ohne dass
die Exaktheit der Diagnose darunter leidet. Das cystoskopische Bild
an sich liefert genügende Anhaltspunkte, von denen die Lokali¬
sation der tuberkulösen Schleimhautveränderung oft be¬
sonders wertvoll ist.
Wird das tuberkulöse Virus aus den Nieren in die Blase ge¬
schwemmt, so werden natürlich die den Uretermündungen zunächst
gelegenen Blasenpartieen der tuberkulösen Infektion am ehesten aus¬
gesetzt sein. Das Trigonum wird also zuerst befallen und
je nachdem die Umgebung des rechten oder linken Ureterostiums
verändert ist, wird man auf eine Erkrankung der entsprechenden
Niere schliessen. Tuberkelknötchen, vom Ureterlumen in schräger
Linie nach unten und innen zum Blasenhals hin ausgesät, kenn¬
zeichnen oft die Bahn des von der Niere herabrinnenden, infizierenden
Urinstrahles. Ist die ganze übrige Blase, insbesondere die andere
Uretermündung normal, so kann meist mit Sicherheit einseitige Nieren¬
tuberkulose mit beginnender Blasentuberkulose diagnostiziert werden.
Findet man aber ein normales Trigonum, so spricht das
durchaus nicht gegen eine descendierende Nieren¬
tuberkulose. Sind am Fundus und an den Seitenwänden der Blase
Ulcera und Tuberkelknötchen zu sehen, so kann man daraus nur
folgern, dass die Blasentuberkulose in einem vorgeschrittenen Stadium
steht. An welcher Stelle die Infektion zuerst sich etabliert hat, ist
dann aus der Lokalisation der tuberkulösen Veränderungen nicht mehr
zu erkennen. Das Trigonum kann erkrankt gewesen sein, bevor die
übrige Blase ergriffen war.
Beim Fortschreiten der Erkrankung heilen die zuerst
ergriffenen Partieen auch zuerst ab und dass Tuberkelknöt¬
chen dabei ohne eine Spur zu hinterlassen, verschwinden können,
ist sicher.
Bei universell ausgebreiteter Blasentuberkulose ist also die Deu¬
tung oft nicht leicht.
Schwieriger aber noch liegen die Fälle, in denen uns
das Cystoskop davon überzeugt, dass eine Tuberkulose
der Blase sicher fehlt. Sie gerade werden häufig verkannt und
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falsch behandelt in der voreiligen Annahme, dass eine Tuberkulose
des Harnapparates überhaupt auszuschliessen ist. Bei genauerem Zu¬
sehen lassen sich Anzeichen der Nierentuberkulose finden, die dem
flüchtigen und ungeübten Beobachter entgehen.
Die besondere Aufmerksamkeit ist in erster Linie
nicht auf die Umgebung der Ureteröffnungen, sondern
auf diese selbst zu richten.
Ganz charakteristisch ist vor allem die Formveränderung
dieser Öffnungen durch tuberkulöse Ulceration.
Ein derartiger Ureter präsentiert sich nicht als Schlitz oder Grube
mit scharfem Saum, sondern als unregelmässig gestaltetes
Loch, dessenRänder gezackt und eingekerbt erscheinen.
Er prominiert nicht, wie ein normaler, mehr oder weniger an seiner
Einmündungsstelle, sondern ist im Gegenteil trichterförmig ein¬
gezogen. Die normale Ureteröffnung sieht zartrosa aus, die ulce-
rierte, klaffende gleicht einem schwarzen Krater. Nicht immer
ist die Zerstörung so intensiv wie im Fall 2 (cf. Tafel). Aber auch
die nur angedeuteten und eben beginnenden Könturveränderungen
sind gut zu erkennen und zu verwerten (Fall 3).
Es ist merkwürdig, dass die Infektion, die die Niere mit Ab-
scessen durchsetzt hat und soweit vorgedrungen ist, den kleinen Schritt
weiter nicht tut, dass sie am Ureterostium auch dann noch lange
Zeit Halt machen kann, wenn sie dessen normale Struktur bereits
vernichtet hat. Man sollte meinen, dass damit die Blase der Ein¬
wirkung des tuberkulösen Virus ungeschützt preisgegeben ist. Dass
sie trotzdem jahrelang intakt bleiben kann, ist eine Tatsache von
hohem diagnostischem und therapeutischem Wert.
Abweichend von der Norm ist weiterhin bei Nierentuberkulose
die Aktion des der kranken Niere zugehörenden Ureters. Sie er¬
folgt weniger häufig und zwar umso seltener, je hoch¬
gradiger die Nierenzerstörung ist.
Es ist ja natürlich, dass die Nierensekretion von dem noch
funktionierenden Parenchym abhängt, dass die funktionelle Leistung
mit der anatomischen Veränderung gleichen Schritt hält. Eine ver¬
minderte Nierenfunktion bedingt stets eine trägere Ureteraktion.
Wird weniger Urin produziert, so ist auch weniger in die Blase zu
befördern. Werden also die Intervalle, in denen der Ureter „arbeitet“,
länger, so deutet das ganz allgemein an, dass die Niere weniger Urin
liefert. Die Natur der Nierenschädigung kann natürlich eine ganz
verschiedenartige sein. Aus der trägen Ureteraktion allein kann man
noch keine Nierentuberkulose diagnostizieren. Wohl aber kann der
Verdacht auf Nierentuberkulose durch auffallende Ureterträgheit zuerst
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19] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 147
erweckt werden und zu genauerem Hinsehen veranlassen, ob der so
spärlich entleerte Harn klar oder verunreinigt ist.
Diese qualitative Urinprüfung mit dem Cystoskop
ist oft recht schwer. Man darf nicht erwarten, einen Strahl
deutlich eitrigen Urins hervorschiessen zu sehen. Das ist bei Nieren¬
tuberkulose kaum je der Fall. Die morphologischen Beimengungen
in Form von Fetzen und Eiterpartikelchen sind vielmehr meist recht
gering und nur bei sehr guter Einstellung wahrnehmbar.
Erschwerend für die Beobachtung sind die cystitischen Beläge
in der Nähe der Uretermündung, wie sie in derartigen Blasen häufig
vorhanden sind. Sie werden durch den Strahl des Ureterharns empor¬
gewirbelt und können leicht zu irriger Annahme führen, dass sie aus
der Niere stammen. Es gehört zweifellos eine gute Technik dazu,
um dem Cystoskop schnell die für diese Beobachtung geeignetste
Position zu geben. Ebenso ist unter Umständen eine grosse Aus¬
dauer und die angestrengteste Aufmerksamkeit unerlässlich, um die
sichere Behauptung wagen zu können, dass der Ureter nicht reinen
Urin liefert.
Steht die Verminderung des Nierenurins beiTuber-
kulose in geradem, so steht seine Trübung oft in umge¬
kehrtem Verhältnis zur Intensität des Prozesses. Völlig
mit tuberkulösen Abscessen durchsetzte Nieren sondern häufig einen
fast klaren Urin ab (Fall 3).
Der tuberkulöse Eiter und Detritus mit seiner typisch käsigen
Beschaffenheit hat mehr die Neigung zur Eindickung als zur Ver¬
flüssigung. Er haftet relativ fest, ist nicht leicht fortzuschwemmen
und wirkt gleichsam als Filter für den Harn.
Ist man aber sicher, dass auch nur minimale Eiterbröckel aus
dem Ureter herauskommen, so ist eine eitrige Erkrankung der Niere
damit bewiesen.
Fehlt eine Blasentuberkulose, so wird aus den angegebenen Merk¬
zeichen allerdings immer nur mit mehr oder minder grosser Wahr¬
scheinlichkeit auf die spezifisch tuberkulöse Natur der Niereneiterung
geschlossen werden können. Das ist aber praktisch ohne Bedeutung,
da die Pyonephrosen jedweder Provenienz eine chirurgische Inter¬
vention erfordern.
Will man trotzdem aus irgendwelchen Gründen, z. B. um die
Dringlichkeit des therapeutischen Eingriffs zu motivieren, die Diagnose
noch weiter differenzieren > so bedient man sich des Ureterkatheters.
Es liegt darin kein Widerspruch mit der vorstehend ge¬
machten Behauptung, dass der Ureterenkatheter zunächst
beiseite gelassen werden muss. Seine Aufgabe besteht jetzt nicht
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mehr darin, unter den beiden Nieren die kranke herauszusuchen,
sondern darin, die bereits erkannte Erkrankung einer Niere als tuber¬
kulöse zu charakterisieren.
Die cystoskopische Untersuchung kann immer festlegen, welcher
Ureter der gesunde und deshalb von der Katheterisation auszu-
schliessende ist. Dieser kommt für das Uretercystoskop dann über¬
haupt nicht mehr in Betracht, er wird nicht katheterisiert und kann
also auch nicht mechanisch infiziert werden. Damit ist der Ureteren-
katheterismus der Gefahr, ein Infektionsvermitteler zu
sein, entkleidet. Ich habe ihn unter diesen Kautelen mehrfach
ausgeführt und werde es bei irgendwelchen diagnostischen Zweifeln
stets wieder tun. Ich führe den Katheter, falls er nicht vorher auf
Widerstand stösst, ca. 10 cm weit in den zur erkrankten Niere ge¬
hörenden Ureter ein und lasse ihn so lange liegen, bis ich etwa 20 ccm
von dem Nierenurin in einem Reagenzglas aufgefangen habe. Damit
werden die Tierversuche angestellt.
Meine Ansichten betreffs der Diagnose, nochmals kurz zusammen¬
gefasst, sind also folgende:
1. Die Tuberkulose der Blase ist cystoskopisch stets nachweisbar
und auf diese Weise am sichersten zu diagnostizieren.
2. Bei manifester Blasentuberkulose ist stets auf Nierentuberkulose
zu fahnden, für deren Erkennung das cystoskopische Bild ge¬
nügend sichere Merkmale bietet (Lokalisation der tuberkulösen
Veränderungen, Form Veränderung des Ureter ostiums, Ureterträg¬
heit, Trübung des Ureterurins).
3. Nierentuberkulose ohne Blasentuberkulose kommt relativ häufig
vor. Sie descendiert oft bis zur Einmündungsstelle des Ureters.
Meist ist auch hier das cystoskopische Bild beweisend und für
die therapeutische Indikationsstellung ausreichend. Anderenfalls
bringt die Kombination des cystoskopischen und palpatorischen
(Niere, Ureter)-Befundes, bei noch bestehenden Zweifeln der
Uretherkatheterismus Klarheit.
4. Eine kritikvolle und geschickte Verwendung des Cystoskops hat
keine schädlichen Folgen.
5. Die Katheterisation des gesunden Ureters ist stets zu vermeiden
und kann stets vermieden werden; die Katheterisation des kranken
Ureters ist zuweilen notwendig. Sie ist leicht ausführbar und
ungefährlich.
6. Die sonstigen diagnostischen Methoden geben nur im Verein mit
der Cystoskopie ganz verlässliche Resultate.
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21] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 149
Bezüglich der Therapie haben wir bisher den Grundsatz fest¬
gehalten, die Blasentuberkulose niemals, die Nierentuber¬
kulose stets operativ zu behandeln.
Spontanheilungen bei Blasentuberkulose kommen vor. Wir haben
selbst einen derartigen Fall erlebt, der in meinem mehrfach zitierten
Aufsatz 1 ) genauer mitgeteilt wurde. Durch fortgesetzte cystoskopische
Kontrolle habe ich festgestellt, dass diese Blase seit jetzt zwei Jahren
andauernd ganz normal ist. Allerdings ist es fraglich, ob hier die
Heilung eine wirklich ganz spontane genannt werden darf.
Die Kranke litt ausserdem an einem grossen Myom, das vaginal
durch Morcellement entfernt wurde. Die Operation war technisch
ungemein schwer. Die virginelle Scheide musste durch Hilfsschnitte
erweitert und auch die vordere Scheidenwand musste gespalten werden.
Dadurch wurde die Blase ihres natürlichen Stützpunktes beraubt
und riss bei der Entwickelung des Myoms ein. Es entstand eine
Blasenscheidenfistel, die später durch plastische Operation geschlossen
wurde. Das gelang beim ersten Versuch trotz bestehender Blasen¬
tuberkulose, und die Blasentuberkulose selbst heilte ohne weitere
therapeutische Massnahmen aus.
Ich sprach damals die Vermutung aus, dass die Eröffnung der
Blase hier vielleicht den gleichen kurativen Nutzen gebracht haben
könnte wie die Eröffnung des Abdomens bei Tuberculosis peritonei.
Ich halte auch jetzt noch an dieser Möglichkeit fest. Es ist
freilich riskant, aus diesem einen Fall die therapeutische Konsequenz
zu ziehen, zur Heilung von Tuberculosis vesicae die Sectio alta resp.
die Kolpocystotomie auszuführen. Wir haben sie bisher nicht ge¬
zogen, weil erfahrungsgemäss auch ein eklatanter Misserfolg daraus
resultieren kann. Bleibt neben der nicht heilenden Blasentuber¬
kulose auch noch eine Blasenfistel bestehen, die sich nicht schliessen
lässt, weil die tuberkulös infizierten Wundränder nicht aneinander¬
heilen, so ist der Status ganz erheblich verschlechtert.
Möglicherweise werden sich ebenso wie bei der
Peritonealtuberkulose nur bestimmte Fälle als geeignet
für die Operation erweisen. Alle Fälle mit florider Entzün¬
dung und mit ulcerösen Schleimhautveränderungen sind jedenfalls von
vornherein auszuschliessen; die mit miliarer Knötchenbildung
ohne Geschwürsbildung sind vielleicht die günstigen
und für die Eröffnung der Blase allein passenden.
i) 1. c. pag. 1124, 1125, Fall 3.
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W. Stoeekel.
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Es würde dann wiederum Aufgabe der Cystoskopie sein, die In¬
dikationsgrenzen für exspektatives und operatives Vorgehen fest¬
zulegen.
Jedenfalls möchte ich die Aufmerksamkeit nochmals auf diesen
Punkt hinlenken.
Auch bei Peritonealtuberkulose hat sich aus Zufallsresultaten eine
typische operative Methode entwickelt. Weshalb sollte das bei Blasen¬
tuberkulose nicht auch der Fall sein können?
Die übrigen, gelegentlich empfohlenen, operativen Methoden: die
intravesikale Kauterisation tuberkulöser Geschwüre mit dem Operations-
cystoskop und die Totalexstirpation der erkrankten Schleimhaut durch
Sectio alta haben wir nie ausgeübt. Die damit von anderer Seite
erzielten Resultate sind auch durchaus nicht ermutigend.
Will man die Blase lokal-medikamentös behandeln, so halte ich
das Jodoform für das beste Mittel. Ich verwende es in Form von
Bacillen mit etwas Kokainzusatz (Jodoform 1,0, Kokain 0,2, Butyr.
Kakao Bacilli Nr. X, crassit 0,5, longit. 4 cm nach Kolischer),
die sich leicht durch die Harnröhre hindurch bis in die Blase schieben
lassen. Das Jodoform wird bei dem langsamen Schmelzen der Stäb¬
chen allmählich frei und wird ausnahmslos sehr gut vertragen, weil
die Ausdehnungsfähigkeit der Blase bei dieser Art der Applikation
gar nicht in Anspruch genommen wird.
Sublimatspülungen (V*oooo—V ioooo), von denen viele Erfolg gesehen
haben, leisteten mir nicht so gute Dienste, weil dabei die Schmerzen
gelegentlich sehr heftig wurden. Ich halte den Wert einer medika¬
mentösen Lokalbehandlung der Blase überhaupt nicht für sehr gross.
Es ist jedenfalls immer nur eine symptomatische, keine spezifische
Therapie.
Am dankbarsten liegen die Fälle von nachgewiesenermassen des-
cendierter Blasentuberkulose. Bei ihnen ist der erste Angriffspunkt
selbstverständlich stets die Niere, nach deren Entfernung die Blasen¬
tuberkulose spontan oder mit unterstützender Jodoformbehandlung
ausheilen kann. Auf die Indikationsgrenzen für die Nephrektomie in der¬
artigen Fällen näher einzugehen liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit,
zumal ich neue Gesichtspunkte nicht beibringen kann. Die Vorbe¬
dingung für die Operation ist der Nachweis einer zweiten, genügend
funktionierenden Niere.
Auch hierüber klärt uns die Cystoskopie auf, indem sie einen
agierenden und spritzenden Ureter auf der betreffenden Seite fest¬
stellt und die von ihm entleerte Urinquantität abschätzen lässt.
In den Fällen, bei denen ich den zur tuberkulösen Niere ge¬
hörigen Ureter katheterisiert habe, führte ich ausserdem einen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
28] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 151
Katheter in die Blase ein. Das freie Ende jedes Katheters wurde in
ein darunter gehaltenes Reagensglas gesteckt. Auf diese Weise er¬
hielt ich gesondert den Urin der kranken Niere und den Blasenurin,
der zum allergrössten Teil von der anderen Niere geliefert wurde.
Die funktionelle Differenz zwischen beiden Nieren — es handelte sich
stets um einseitige, schwere Nierentuberkulose — kam dabei in der
sehr verschiedenen Haramenge, die sich in den beiden Reagens¬
gläschen ansammelte, zum Ausdruck.
Zur qualitativen Urinuntersuchung eignet sich die Methode
aber deshalb nicht, weil man den Blasenurin nicht ganz mit dem
Urin der nicht katheterisierten Niere identifizieren darf. Ich konnte
sicher nachweisen, dass ein allerdings minimales Urinquantum aus
der kranken Niere neben dem Katheter in die Blase abfloss. Es
beeinträchtigte die quantitative Schätzung des beiderseitig abgeschie¬
denen Urins nicht, verbot mir aber doch, die Qualität des Blasen¬
urins derjenigen der nicht katheterisierten Niere gleichzusetzen. Ich
habe daher darauf verzichten müssen, die Gesundheit der zweiten
Niere aus einem negativen Tuberkelbacillenbefund oder durch Be¬
stimmung der raolekulären Konzentration und der Gefrierpunkts-
eraiedrigung des Harns zu beweisen. Dazu wäre eben die Einfüh¬
rung eines Katheters auch auf der für gesund gehaltenen Seite uner¬
lässlich gewesen, was ich, wie gesagt, für nicht erlaubt halte.
Aus einer sehr gesteigerten Uretertätigkeit schloss ich in meinen
Fällen, dass die zurückzulassende Niere bereits kompensatorisch für
die erkrankte eingetreten war, dass sie die ihr zugemutete Mehrarbeit
zum Teil bereits übernommen hatte. Ich folgerte daraus, dass die
Wegnahme der zweifellos tuberkulösen Niere das Leben nicht ge¬
fährden würde. Diese Annahme erwies sich als berechtigt, da eine
Niereninsufficienz von bedrohlicher Stärke sich nach Nephrektomie
nie bemerkbar machte.
Ganz im allgemeinen wird man sagen können, dass die einzige
Chance derHeilung bei konstatierter Nieren tuberkulöse
in der Nephrektomie liegt.
Spontanheilungen, die ja auch in der Niere möglich sein sollen,
abzuwarten, dazu würde mir der Mut fehlen.
Andererseits wird der Umstand, dass man die anatomische
Intaktheit der zweiten Niere niemals garantieren kann,
bei dem Entschluss zur Nierenexstirpation stets eine Rolle spielen.
Besteht der Verdacht einer doppelseitigen Erkrankung, so wird man
zögernder an die Operation herangehen und sich zunächst vielleicht
mit der ganz lebenssicheren Nierenspaltung, der Nephrotomie be¬
gnügen. Verstärkt sich dieser Verdacht bis zur Gewissheit, so wird
Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. H. 2. 11
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152 W. Stoeckel. Zur Diagn. u. Therapie d. Blasen-Nieren-Tuberkul. b. d. Frau. [24
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man sich zu dem dann sehr ernsten radikalen Eingriff nur dann
entschliessen können, wenn man Beweise dafür findet, dass die zweite
Niere nur wenig gelitten hat. Auch dann aber ist die Prognose
natürlich äusserst zweifelhaft, wenn nicht schlecht zu stellen.
Was die Technik der Nephrektomie anbelangt, so haben wir
stets extraperitoneal mit schrägem Lumbalschnitt operiert, die Ge-
fä$se isoliert (im letzten Falle mit Catgut) versorgt und den Ureter
entweder in die Bauchwunde eingenäht oder bis zu seiner Eintritts¬
stelle ins Parametrium reseziert.
Zur Tamponade der Wundhöhle benutzten mit grossem Vorteil
Vioformgaze, unter der die Granulationsbildung sehr gut und unter
geringer Sekretion von statten geht.
Für die Beurteilung des Dauerresultates ist in unseren Fällen
die nach der Operation verstrichene Zeit noch zu kurz. Die unmittel¬
baren Operationserfolge waren jedenfalls günstig.
Das hätte mich aber an sich nicht zu diesen Mitteilungen
bewogen.
Die Hauptveranlassung dazu war der Wunsch, die Treffsicher¬
heit der Cystoskopie an beweisenden Fällen überzeugend zum Aus¬
druck zu bringen und weiterhin das Interesse, das die Gynäkologen
auch an den pathologischen Zuständen der weiblichen Harnorgane
unbedingt nehmen müssen, zu fördern. Es würde mich freuen, wenn
meine kleine Arbeit diesen doppelten Zweck erfüllte.
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Stoeckel, Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau.
H. Krueger-Bonn. del.
Kraterförmiges Ureterostium mit narbigen Einziehungen nach tuberkulöser Ulceration (rechts¬
seitige Nierentuberkulose, Fall 2). Die Aufnahme des Bildes (bei starker Annäherung des
Cystoskops an den Ureter) erfolgte vier Wochen nach der Nephrektomie, die ein Kleiner-
werden des Kraters zur Folge gehabt hat.
Brauer, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. Heft 2.
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Aus dem Pathologischen Institut der Universität Bonn (Direktor:
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Koester).
Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungen¬
kavernen.
Von
Dr. med. Bernhard Fischer,
Assistanten am Institut.
Seitdem durch zahlreiche Sektionen, mikroskopische und bakterio¬
logische Untersuchungen 1 ) der Beweis erbracht ist, dass die Tuber¬
kulose der Lunge zur völligen Ausheilung gelangen kann, hat man
diesen Heilungsprozess einem genauen Studium unterworfen. Resorp¬
tion, fibröse Vernarbung, Abkapselung und Verkalkung sind in erster
Linie als die Grundlagen solcher Heilungen festgestellt worden.
Sobald die Erkrankung aber einmal bis zum Zerfall grösserer
Lungenabschnitte, bis zur Bildung grösserer Kavernen vorgeschritten
ist, gehören Heilungen auch heute noch zu den Seltenheiten. An dem
tatsächlichen Vorkommen solcher Heilungen ist allerdings nicht zu
zweifeln, und verdienen dieselben ebenso sehr praktisches wie theo¬
retisches Interesse. Aus diesem Grunde möge folgende Beobachtung
hier kurz mitgeteilt werden.
Es handelt sich um einen Tagelöhner, Peter V. aus Bonn, der am
28. August 1902 im Alter von 41 Jahren in der hiesigen medizini¬
schen Klinik einer chronischen Nephritis erlag. Er war bereits jahre¬
lang klinisch und poliklinisch behandelt worden. Aus der Kranken¬
geschichte und den poliklinischen Aufzeichnungen, für deren Überlassung
ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche, sei kurz
das Wesentliche hier angeführt.
i) Vgl. u. a. Kurlow, Über die Heilbarkeit der Lungentuberkulose. Deutsch.
Arch. f. klin. Med. 44. Bd. S. 437. 1889.
11 *
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154
Bernhard Fischer.
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Der Vater soll an Lungenschwindsucht gestorben sein; die Mutter
lebt und ist gesund. Neun Geschwister starben in jungen Jahren.
Er selbst lebte in kinderloser Ehe und soll ein starker Potator ge¬
wesen sein.
Im Jahre 1888 wurde er wegen Ulcus durum in der hiesigen
Hautklinik behandelt.
1895: Erscheinungen von tertiärer Lues (Hautklinik).
Juni 1896: Grosse zerfallene Gummata am rechten Oberarm und
linken Knie.
September 1896: Pleuritis sicca mit wenig Auswurf.
August 1897: Kraterförmig aufgebrochene Gummata am rechten
Arm und linken Bein.
Dezember 1897: Schmerzen in der Nierengegend; Atemnot, reich¬
lich schleimigeitriger Auswurf. Wegen dieser Beschwerden wurde er
am 24. Mai 1898 in die medizinische Klinik aufgenommen. Es fanden
sich vor: Schallverkürzung und lautes verlängertes Exspirium mit
einzelnen grossblasigen Rasselgeräuschen über der rechten, weiches
verlängertes Exspirium über der linken Spitze. Urin frei von Albumen.
ImAuswurfTuberkelbacillen. Die Lungenerscheinungen gingen
in der Klinik zurück und V. wurde am 25. Juli 1898 als wesentlich
gebessert entlassen. Im poliklinischen Journal finden sich weiterhin
folgende Angaben:
November 1898: Pneumonia crouposa des linken Oberlappens.
Starker Potator. Delirium acutum. Suicidversuch.
Januar 1900: Erscheinungen tertiärer Lues.
Juni 1901: Phthisis pulmonum. Nephritis. Über der rechten Spitze
Dämpfung, Bronchialatmen, kleinblasige Rasselgeräusche. Während
bisher im Sputum Tuberkelbacillen stets nachzuweisen waren,
fiel die Untersuchung hierauf am 11. Januar 1902 negativ aus.
(Dieselben wurden auch in der Folge nicht wieder aufgefunden.) Urin
stark eiweisshaltig.
25. März 1902: Über der rechten Spitze Dämpfung mit tympa-
nitischem Beiklang. Auf der ganzen rechten Seite feuchte Rassel¬
geräusche. Sehr viel Eiweiss im Urin. Ödeme der Beine, Cyanose
•des Gesichts.
2. Juni 1902: Im Harn 10°/oo Albumen, hyaline, gekörnte und
Epitheleylinder, sowie Nierenepithelien. Im Sputum keine Tuberkel¬
bacillen.
Am 13. August 1902 wurde V. wiederum in die medizinische
Klinik aufgenommen. Er gab hier an, dass seit Weihnachten 1901
die Beine immer stärker angeschwollen seien.
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3 ]
Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungenkavernen.
155
Status praesens (abgekürzt): Grosser, stark gebauter Mann;
guter Ernährungszustand. Der ganze Körper ist ödematös. Starker
Ascites. Perkussionsschall im Bereich des rechten Oberlappens tym-
panitisch mit Scballwechsel beim Öffnen des Mundes. Atemgeräusche
daselbst metallisch mit klingenden Nebengeräuschen. Dyspnoe. 7°/oo
Albumen im Urin. Im Auswurf Tuberkelbacillen nicht nach¬
zuweisen. Diese Erscheinungen, insbesondere die Dyspnoe nahmen
weiter zu, am 26. August gesellte sich eine rechtsseitige Hemiplegie
hinzu und am 28. August 1902 trat der Exitus letalis ein.
Bemerkenswert erscheint vor allem, dass es in den letzten sieben
Monaten vor dem Tode nicht mehr gelang, im Auswurf Tuberkel¬
bacillen aufzufinden, die früher darin stets leicht nachzuweisen waren.
Die Sektion ergab nun im wesentlichen folgendes (Sektions-
Protokoll 1902, Nr. 208): Piaödem. Hyperämie des Gehirns, mehrere
kleine Blutungen unterhalb der linken inneren Kapsel. Adipositas.
Allgemeine Ödeme. Ascites. Die Lungen sind beiderseits in ganzer
Ausdehnung mit der Brustwand verwachsen. Hypertrophie und Dila¬
tation des rechten Ventrikels. Wandständige Thromben im rechten
Herzohr. Myocarditis fibrosa. Bronchitis. Im linken Unterlappen
ein hühnereigrosser, frischer, hämorrhagischer Infarkt. Der zugehörige
Ast der Pulmonalarterie ist durch ein graues, bröckliches, an der
Wand festhaftendes Gerinnsel verschlossen. Die linke Lunge ist im
übrigen überall lufthaltig, ohne Herderkrankungen. Der ganze Ober¬
lappen der rechten Lunge fühlt sich stark verdichtet an.
Auf der Schnittfläche zeigt sich in der Spitze eine wallnussgrosse
Kaverne, die von allen Seiten narbig zusammengezogen und von
einer sehr derben, 1 cm breiten Bindegewebskapsel umgeben ist. Die
Kaverne enthält Luft; ihre Wand ist glatt. Der Rest des Oberlappens
ist ganz fest verdichtet und besteht aus derbem Bindegewebe ohne
eine Spur Lungengewebe. Mittel- und Unterlappen sind frei von
Veränderungen. Im Hilus beider Lungen, besonders aber rechts ausser¬
ordentlich zahlreiche schwarz gesprenkelte Lymphdrüsen. Weder in
diesen noch in den Lungen sind irgendwo makroskopisch Tuberkel
zu erkennen. Im Lumen des rechten Hauptastes der Lungen¬
schlagader sitzt oben ein wandständiger, grauer, 5 cm langer
Thrombus. Derselbe ist völlig fest und mit der Gefässwand ver¬
wachsen. Er setzt sich in sämtliche zum Oberlappen ver¬
laufende Pulmonalarterienäste fort, so dass der Lumen der¬
selben vollständig verlegt ist. Auch in diesen Ästen steht das Thrombus
in sehr fester Verbindung mit der Wand und kann ohne Zerreissung
derselben nicht abgelöst werden. Das Lumen des Hauptgefässes ist
soweit erhalten, dass alle zum Mittel- und Unterlappen abgehenden
Äste der Pulmonalarterie Blut erhalten können.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
156
Bernhard Fischer.
[4
Ausserdem fanden sich mehrere gelbe Keile in Milz und Nieren,
Milztumor (Lues), ausgedehnte parenchymatöse und interstitielle
Nephritis, hämorrhagische Erosionen und Ulcus rotundum des Magens;
Stauungsfettleber mit Pigmentablagerung.
Mikroskopisch zeigte sich, dass die Wand und weitere Umgebung
der Kaverne aus sehr derbem faserigem Bindegewebe bestand. In
dieses Bindegewebe sind fleckweise Häufchen von Rundzellen einge¬
streut. Hin und wieder finden sich auch schmale Streifen von Lungen¬
gewebe, überall von derben Bindegewebszügen umgeben. In allen
Teilen des Oberlappens sehen wir somit sehr reichliche Bindegewebs-
entwickelung und Abkapselung kleiner Herdchen. Diese Ausheilung
der Kaverne ist allerdings keine vollständige, denn nach Untersuchung
zahlreicher Schnitte aus den verschiedensten Teilen des Präparates
gelang es mir einzelne typische Tuberkel aufzufinden. Dieselben lagen
in einem entzündlich infiltrierten Rest von Lungengewebe, ringsum
von Bindegewebe umgeben. Die Tuberkel zeigen den Bau des fibrösen
Tuberkels, häufig weist das Protoplasma der Langhansschen Riesen¬
zellen eine Durchsetzung mit kleineren und grösseren Vakuolen auf.
Tuberkelbacillen selbst konnte ich, trotz aller Mühe, die ich darauf
verwandte, nicht auffinden, was wohl auch dafür spricht, dass die
Bedingungen für ihre Entwickelung keine günstigen mehr gewesen
sind. Käsiger Zerfall fand sich nirgends. Die Lymphdrüsen waren
sehr stark von Kohle durchsetzt, aber frei von Tuberkulose.
Man hätte in unserem Falle noch weiter annehmen können, dass
eine luetische Erkrankung der Lunge Vorgelegen und zu der hierbei
häufigen Bindegewebsentwickelung geführt habe. Durch den Nach¬
weis typischer Tuberkel ist dieser Annahme wohl die letzte Stütze
genommen, ganz abgesehen von dem klinischen Befund und dem Nach¬
weis der Tuberkelbacillen intra vitam. Auch die Grösse der Kaverne
und die Lokalisation des Prozesses sprachen von vornherein gegen Lues.
Haben wir somit in unserem Falle auch keine vollständige, histo¬
logische Ausheilung einer Lungentuberkulose vor uns, so stellen doch
die makroskopische wie die mikroskopische Betrachtung einen sehr
starken Rückgang der tuberkulösen Veränderungen ausser Frage. Die
Kaverne hat offenbar früher den ganzen rechten Oberlappen, mindestens
aber zwei Drittel desselben eingenommen. Es ist dann nicht nur ein
Stillstand in der Erkrankung eingetreten, sondern eine hochgradige
Bindegewebsentwickelung hat zur Schrumpfung und Vernarbung der
Kaverne geführt. Mit diesem ‘ Befunde stimmt die klinische Beobach¬
tung überein, dass sieben Monate vor dem Tode die Bacillen im Aus¬
wurf völlig schwanden und nicht wiederkehrten: Der tuberkulöse
Zerfall sistierte und machte der narbigen Schrumpfung Platz.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
5 ]
Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungenkavernen.
157
Diese Besserung der tuberkulösen Lungenerkrankung ist einge¬
treten trotz einer Reihe von erschwerenden Umständen. Ausser an
diesem Leiden litt der Kranke noch an schwerer chronischer Nephritis.
Die jahrelang trotz der Behandlung sich bei ihm stets wieder zeigende
Syphilis und das Potatorium dürften nach unseren heutigen Anschau¬
ungen kaum geeignet sein, eine Phthise günstig zu beeinflussen. All¬
gemeineinflüsse können wir also für diesen seltenen Verlauf der
Krankheit nicht ausfindig machen. Unter diesen Umständen verdient
zweifellos der vollständige thrombotische Verschluss aller, zu dem er¬
krankten Oberlappen verlaufenden Äste der Pulmonalarterie ganz be¬
sondere Beachtung. Dass dieser Verschluss kein ganz frischer mehr
war, musste schon bei der Sektion aus der Beschaffenheit des Throm¬
bus (s. o.) geschlossen werden; die mikroskopische Untersuchung be¬
stätigte dies: Die Thromben sind von der Gefässwand her zum grössten
Teil organisiert. Ferner bewies auch die gewaltige Hypertrophie des
rechten Herzens, dessen Muskulatur im rechten Conus arteriosus bis
zu 1,4 cm dick war (während das linke Herz trotz Nephritis keine
deutliche Hypertrophie zeigte), dass ein starkes Hindernis seit längerer
Zeit im Lungenkreislauf bestanden haben musste.
Ob die Thrombose autochthon oder embolisch entstanden ist,
lässt sich nicht mit völliger Sicherheit beantworten. Es besteht die
Möglichkeit, dass vom rechten Herzohr, in dem sich graue Thromben
vorfanden, schon früher einmal eine Embolie ausging, an welche sich
sekundäre Thrombose anschloss.
Der frische hämorrhagische Infarkt in der linken Lunge und die
älteren Infarkte im Aortenkreislauf (Milz, Nieren) zeigen ja zur Ge¬
nüge, dass überhaupt Thrombosen und Embolieen in unserem Falle
stattgefunden haben.
Ein rein zufälliges Zusammentreffen der Obturation der Pulmonalis
mit der Vernarbung der Kaverne kann man wohl kaum annehmen,
noch weniger, dass ein solcher Verschluss ohne Einfluss auf den
Lungenprozess gewesen sei. Mit dem Verschluss aller zugehörigen
Pulmonalarterienäste wurde der erkrankte Lungenabschnitt nur noch
durch die Bronchialarterie versorgt, so dass Zirkulations- und Nutri¬
tionsverhältnisse von Grund aus andere wurden. Nun wissen wir
aber, dass die Zirkulationsverhältnisse für die Entwickelung und Aus¬
breitung der Tuberkulose von sehr wesentlicher Bedeutung sind.
Die Pulmonalstenose begünstigt ebensosehr die Entstehung der Lungen¬
tuberkulose, wie die Fehler des linken Herzens sie ausschliessen
sollen *).
i) Vgl. Otto, Das Ausschliessungsverhältnis zwischen Herzklappenfehler
und Lungenschwindsucht. Virchows Archiv, 144. Bd. S. 159. 1896.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
158 Bernhard Fischer. Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungenkavernen. [6
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Es wäre massig ausdenken za wollen, in welcher Weise nun in
unserem Falle die Zirkulation durch den Verschluss der Pulmonal¬
arterien alteriert worden ist. Denn es wird dies in jedem einzelnen
Falle von zahlreichen lokalen Verhältnissen (wie langsames oder
momentanes Entstehen des Verschlusses, vorhergegangene entzünd¬
liche Hyperämie und Erweiterung der Gefässe, Art und Ausbildung
der Kollateralen u. s. w.) abhängig und daher sehr verschieden sein.
Da wir aber diese einzelnen Verhältnisse an der Leiche nicht mehr
feststellen können, so könnten wir höchstens Vermutungen über die
Art der Zirkulation, die in dem betroffenen Lungenabschnitt geherrscht
hat, anstellen. Die Pulmonalstenose, die die Entwickelung der Tuber¬
kulose ja wesentlich begünstigt, lässt sich zum Vergleich in unserem
Falle nicht heranziehen, da eine Behinderung des Blutzuflusses zu
beiden Lungen in jeder Hinsicht andere Folgen haben muss, als ein
völliger Verschluss einzelner Gefässe in der Lunge. Für gewöhnlich
verursachen ja derartige Gefässverschlüsse in der Lunge hämorrhagische
Infarkte, und von diesen wissen wir, dass sie unter Hinterlassung
strahliger Bindegewebsnarben ausheilen können. Es liegt nichts im
Wege anzunehmen, dass die durch den thrombotischen bezw. emboli-
schen Verschluss der Pulmonalarterienäste bedingte Zirkulations¬
änderung eine Ausheilung der Lungentuberkulose auf ähnliche Weise
sehr wesentlich gefördert hat. Ein Beweis hierfür ist allerdings nicht
zu erbringen.
Eine ähnliche Beobachtung wie die mitgeteilte habe ich in der
Literatur nicht auffinden können; die letztere ist allerdings so gross,
dass mir leicht eine hierher gehörige Publikation entgangen sein
könnte.
Wie dem auch sei — der anatomische Befund in unserem
Falle schien mir einer kurzen Mitteilung wert zu sein.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Ans der Kgl. Universitätsklinik für Syphilis und Hautkrankheiten
des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Doutrelepont zu Bonn.
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und
Scrophuloderma.
Von
Privatdozent Dr. Carl Grouven,
I. Assistenten der Klinik.
Im Jahre 1886 veröffentlichte Bender 1 ) eine Statistik aus der
Bonner dermatologischen Klinik: „Über die Beziehungen des Lupus
vulgaris zur Tuberkulose“. Dieselbe umfasste das einschlägige Ma¬
terial der Klinik und Poliklinik sowie des evangelischen Hospitals in
Bonn während des Zeitraums vom 1. Juni 1882 bis zum 1. Oktober 1885.
Von insgesamt 374 Fällen konnte Bender jedoch nur 159 ein¬
gehender verwerten, weil bei den übrigen entsprechende Angaben aus
äusseren Gründen in den Journalen fehlten.
Bender fand nun, dass von diesen 159 Patienten bei 99, d. h.
in 62,3 °/o, Zeichen bereits überstandener oder noch vorhandener
Tuberkulose nachzuweisen waren. Hereditäre Belastung liess sich in
53 Fällen, d. h. bei 33,3 °/o konstatieren.
Aus der Anamnese allein Hessen sich diesbezügliche Symptome,
sei es bei den Patienten selbst oder deren nächsten Angehörigen auf¬
finden in 77 Fällen, d. h. 48,4 °/o. Ebensoviel ergab der Status prae¬
sens, nämlich 76, d. h. 47,7 °/o.
44 mal, d. h. bei 27,6°/o wiesen sogar Anamnese und Status
praesens gemeinschaftlich auf sonstige Symptome von Tuberkulose.
Wurden aber alle Fälle gezählt, die mit Tuberkulose zu vereinende
Prozesse zeigten, sei es auf Grund der Anamnese oder des Status
praesens, so ergab sich die stattliche Gesamtsumme von 109, d. h.
i) Deutsche mediz. Wochenschrift. 1886. p. 396 u. 413.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
160
Carl Grouven.
[2
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also in 68,5 °/o, Hessen sich entweder bei den Patienten selbst ander¬
weitige Symptome bereits überstandener oder an anderen Organen
noch lokalisierter Tuberkulose auffinden, oder aber die nächsten An¬
gehörigen bewiesen einerseits durch ihre Vergangenheit, andererseits
durch ihr augenblickliches Befinden, dass das an Lupus erkrankte
Individuum einer „infizierten“ Familie angehöre.
Jeglicher Vermerk über die in Rede stehenden Verhältnisse
fehlte bei 22 Patienten, d. h. 20,1 °/o, so dass also als sicher ausge¬
schlossen von irgendwelcher tuberkulösen Belastung nur 14 Fälle,
d. h. 8°/o angesehen werden durften.
Leloir 1 ) äussert sich treffend über die Frage des klinischen
Zusammenhanges von Lupus und Tuberkulose, wie folgt:
„Die Untersuchungen von Fournier, Quinquand, Lailler und
besonders von Besnier schienen zu beweisen, dass die Lupuskranken
häufiger phthisisch werden als andere, dass aber ihre Phthise uns
oft entgeht, weil sie lange lokalisiert und latent bleibt und ohne Ein¬
fluss auf das Allgemeinbefinden ist, weil sie sich in kleinen, vorüber¬
gehenden Schüben zeigt, die durch lange Intervalle gänzlicher Ruhe
voneinander getrennt sind. Sonst aber ist die Phthise in schub¬
weisem Auftreten bei Lupuskranken nicht gar so selten. Endlich
werden ja die Lupuskranken öfters plötzlich dahingerafft durch eine
allgemeine akute Miliartuberkulose.“
Und weiterhin: „Kurz, die klinische Frage ist noch keineswegs
gelöst. Neue minutiöse Untersuchungen müssen angestellt werden.
Ich erwähne nur, dass die statistischen Untersuchungen sehr schwer
sind, wenn der Lupus eine lokalisierte Tuberkulose ist, ein längerer
oder kürzerer, manchmal ein sehr langer Zeitraum vergehen kann
zwischen dem Auftreten der lokalen Tuberkulose und der sekundären
Infektion des Organismus. Es genügt nicht, die Lupuskranken im
Anfang zu auskultieren und auszufragen, man muss ihnen lange Zeit
folgen und genau sehen, was mit ihnen vorgeht, und das ist nicht
immer eine leichte Sache. “
Der Wert statistischer Erhebungen steigt naturgemäss mit der
Zahl der denselben zu gründe gelegten Fälle und der Dauer der
Beobachtung des Einzelfalles.
Das ausserordentlich reichhaltige Lupusmaterial der Bonner Klinik,
sowie die hier sehr oft durchführbare Beobachtung der Patienten
über längere Zeit, manchmal über Jahrzehnte hinaus, muss eine
erneute Zusammenstellung und Verwertung der Beobachtungen über
i) Vierteljahrsschr. f. Denn. 1884. p. 305.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
3]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
161
hereditäre tuberkulöse Belastung und anderweitige Tuberkulose bei
Lupus und Scrophuloderma als nicht uninteressant ercheinen lassen.
Die ungewöhnliche Häufigkeit der Tuberkulose im Rheinlande,
besonders aber in den angrenzenden armen Gebirgsgegenden des
Westerwalds, des Hundsrückens und der Eifel lässt allerdings von vorne-
herein erwarten, dass auch das Lupusmaterial der Bonner Klinik,
welches grossenteils diesen Gegenden entstammt, hinsichtlich tuber¬
kulöser Belastung und anderweitiger Tuberkulose hohe Prozentzahlen
aufweisen wird.
Die Zahlen der Bender sehen Statistik übertreffen jedoch, wie
wohl jeder zugeben wird bei weitem das Mass dessen, was als Durch¬
schnitt der Tuberkuloseverbreitung selbst in diesen tuberkulosereichen
Gegenden angenommen werden kann.
Es ist erklärlich, dass nach den auffallenden Ergebnissen der
Benderschen Zusammenstellung in der Folgezeit das Lupusmaterial
der Bonner Klinik, besonders soweit es in stationäre Behandlung
kam, einer noch sorgfältigeren Beobachtung bezüglich der einschlägigen
Verhältnisse unterworfen wurde.
Trotzdem ist ohne weiteres anzunehmen, dass selbst von den
Fällen mit negativer Anamnese noch ein gewisser Teil nur ungenaue
und unzuverlässige Angaben machte, dass auch der negative Status
praesens naturgemäss eine latente Tuberkulose nicht ausschliesst.
Die sich ergebenden Zahlen sind infolgedessen, zumal da nur
ganz unzweifelhafte Angaben und Befunde als positiv registriert wur¬
den, weit eher noch zu niedrig als zu hoch bemessen anzusehen.
Meine Statistik umfasst das Material der Bonner dermatologischen
Klinik und Poliklinik an Lupus und Scrophuloderma aus der Zeit vom
1. Oktober 1885 bis zum 1. April 1902.
Für gütige Überlassung desselben, sowie für das dieser Arbeit
entgegengebrachte Interesse bin ich meinem hochverehrten Chef,
Herrn Geheimrat Doutreiepont, zu besonderem Danke verpflichtet.
Ich lasse zunächst eine tabellarische Übersicht der einzelnen
Fälle folgen. Dieselben setzen sich zusammen aus 178 Fällen der
Poliklinik (368 Fälle konnten wegen fehlender Aufzeichnungen nicht
verwertet werden) und 584 Fällen der Klinik, also zusammen 762
Fällen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
162
Carl Grouven.
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I. Poliklinik.
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
i!
Sch. Gertrud,
Lup. exulc. nasi
1
Leidet seit Jugend
Hals- und Nacken-
!
1
37 J.
et mal. sin.
an Drüsen
drüsen geschwellt.
Leuc. adhaerens
1
oculi utr.
Lungenspitzenaff. R.
Otitis med. chron.
beiders.
2
K. Maria, 26 J.
Lup. thenar. sin.
Seit Kindheit Drüsen
—
3
F. Franziska,
Lup. fac. et muc.
Mutter starb an
—
29 J.
nasi
Schwindsucht
4
Sch. Gerhard,
Lup. nasi
Eine Schwester an
—
22 J.
Schwindsucht ge¬
storben. Pat. litt
als Kind an Drüsen
und Augenentzün¬
dungen
5
F. Ernst, 11 J.
Lup. faciei
Grossvater gest an
—
Brustwassersucht,
litt in der Jugend
I
an Knochenfrass.
Tante gestorben
an Schwindsucht
6
E. Elisab., 32 J.
Lup. nasi
Ein Bruder starb an
Schwindsucht
7
L. Kath., 29 J.
Lup. nasi
Onkel litt an Hüft-
Submentaldrüsen ge¬
gelenksentz.
schwellt.
Mac. corn. beiders.
8
H. Maria, 6 J.
Scophulodermat.
Mutter starb an
—
fac. et corp.
Schwindsucht
9
H. Apollonia,
36 J.
Lup. fac.
Keine Heredit.
Submentaldrüsen ge¬
schwellt
10
M. Marg., 21 J.
Lup. fac.
Keine Heredit.
—
11
Sch. Ursula, 50 J.
Lup. fac.
Eltern an Phthise,
—
Mann an Hydrops
gestorben
12
S. Hub., 44 J.
Scrophuloderm.
Vater litt an Drüsen,
—
colli
starb an Hydrops
13
H. Friedr., 23 J.
Lup. et Scroph.
Anamn. negat.
—
i faciei
14
Sch. Kath., 30 J.
j Lup. fac.
i
Mutter starb an
Submentaldrüsen
Schwindsucht, 2
stark geschwollen,
1
!
I
|
i
Geschwister leiden
an Drüsen, Pat.
selbst seit Jugend
an Augenentzttn-
dung und Drüsen
Pannus oculi utr.
15
A. Wilhelm,
' Lup. fac. et colli
1
Mutter starb an
—
24 J.
Lungenkrankheit,
Schwester leidet
1
1
an Drüsen
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
5]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
163
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
l
1
i Anamnese
i
i Status praesens
1
16
i
A. Emma, 27 J.
Lup. fac.
Mutterstarb an chro¬
nischem Lungen¬
leiden
Submentaldrüsen ge¬
schwellt
17
| L. Wilhelmine,
: 54 J.
Lup. fac.
Vater starb an j
Schwindsucht
—
18
1 Sch. Math., 35 J.
! ;
Lup. serpig. man.
sin.
Anamn. negativ
—
19
E. Joh. Jos.,
41 J. !
Lup. auric. sin.
et muc. nasi
Seit Jugend Drüsen.
Vater starb an
Lungenentzünd.
20
F. Anna, 27 J.
|
Lup. palat. Scro-
phm. pector.
Mutter und mehrere
Geschwister litten
an Drüsen
21
B. Heinr., 8 J.
Lup. serpig fac.
et antibrach,
sin.
Ankylose des 1. Ell¬
bogengelenks und
Fistelnarben
22
B. Maria, 12 J.
l
Scroph. colli
i
Rhinitis ulcerosa.
Drüsenschwellung
am Halse
23 j
H. Anna, 24 J.
Lup. fac.
1 Grossvater starb an
| Schwindsucht
—
24
S. Barthel, 20 J.
Lup. lab. sup. et
muc. oris
i Vater starb an Brust-
j krankheit. P. hat
* viel gehustet
25 |
W. Marg., 67 J.
Lupus man. et
Scroph. antibr.
dextr.
Mann starb an
Phthise
26
W. Elise, 14 J.
Scrophulod.
i
Vater leidet an Was¬
sersucht. Gross¬
mutter starb an
Phthise
27
D. Maria, 26 J.
Lup. fac.
Anamn. neg.
—
28
K. Wilh., 25 J.
Lupus nasi et
Scrophulod.
Vater starb an
Phthise. Pat. litt
früher an Drüsen
29
K. Susanne, 42 J.
j
j
Lup. fac.
1
Vater starb an Drü¬
sen. Pat. litt als
Kind an Drüsen u.
Augenentzündung.
30
M. Jos., 13 J.
Scrophulod. 1
Vater und Mutter
husten. Gross¬
mutter starb an
Phthise
31
L. Maria, 23 J.
Lup. fac. et cubit.
sin.
Bruder leidet an Da-
cryocystitis
—
32
|
i
. i
M. Hermann, i
23 J.
Lup. fac.
Mutter starb an
Phthise. Ein Bru¬
der litt an Tumor!
albus u. starb an !
Phthise. Ein Bru¬
der leidet an Drü¬
sen
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
164
Carl Grouven.
[6
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Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
i
i
i
Anamnese
Status praesens
33
J. Friedr., 39 J.
Lup. nasi
Mutter starb an Hy¬
drops. Pat leidet
seit Jugend an
Drüsen
—
34
P. Anna, 23 J.
Lup. fac.
Mutter starb an
Brustwasser
—
35
A. Jos., 34 J.
Lup. muc. nas.
Pat. hustet viel.
Keine Heredität.
—
36
A. Cath., 49 J.
Lup. fac.
Pat. hustet viel.
—
37
D. Elise, 26 J.
Lup. colli
Vater starb an
Phthise. Pat. litt
früher an aufbre¬
chenden Drüsen
38
B. Job., 32 J.
Lup. nasi
Keine Heredit. Pleu¬
ritis u. Pneumonie
überstanden
'
39
G. Nik., 30 J.
Lup. nasi
Keine Heredität.
Submentaldrüsen ge-
40
j
Sch. Peter, 31 J.
Lup. colli et
brach, sin.
Mutter an Schwind¬
sucht, Vater an
Lungenentzün¬
dung gestorben
41
K. Kath., 9 J.
Lup. fac.
—
Keratitis p&rench.
dextr.
42
D. Wilh., 35 J.
Lup. fac.
Eltern an * schwa¬
cher Brust* ge¬
storben. Ein Bru¬
der früher brust¬
krank
43
i
R. Karoline, 32 J.
Lup. fac.
1
Eltern früh gestor¬
ben, Vater an
Wassersucht. Pat.
hat früher viel ge¬
hustet. Seit Jugend
Drüsen u. Augen¬
entzündungen
Leuc. adhaer. oculi
dextr. Drüsen und
Drüsennarben am
Halse
44
H. Anna, 37 J.
Scroph. colli
i
Mutter und eine
Schwester starben
an Schwindsucht,
Vater an Lungen¬
entzündung
Halsdrüsen geschw.
45
F. Kath., 43 J.
Lun. serp. man.
aextr.
Mann starb an
Schwindsucht
— .
46
W. Karoline,
23 J.
Lup. nasi
i Vater starb an Blut¬
sturz
Otitis med. chron^
dextr.
47
St. Joh., 22 J.
Lup. auric. dextr.
et Scroph. colli
Mutter leidet an
Schwindsucht
—
48
L. Maria, 56 J.
Lup. malae et
man. dextr.
Mutter litt an Lu¬
pus (?) des Beins
—
49
1
St. Albertine,
25 J.
Lup. pap. man.
et antibr.dextr.
Vater starb an 1
Phthise
—
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
7]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
165
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
50
W. Ferd., 12 J.
Scrophuloderm.
Vater starb an
—
51
K. Valentin, 32 J.
Lup. nasi
Anamn. negat.
_
52
E. Kath., 36 J.
Lup. fac.
Mutter an Phthise,
Vater und eine
Schwester anW as¬
sersucht gest.
53
K. Therese, 38 J.
Lup. dig. II. sin.
et Scrophulod.
Vater u. eine Schwe¬
ster starben an
Schwindsucht
Caries man. sin.
sanat. Cubital-
drüsen links ge¬
schwellt
54
St. Anna, 21 J.
Lup. mal. dextr.
Anamn. negat.
—
55
M. Alwine, 11 J.
Lup. fac. et an-
tibr. utr.
Anamn. negat.
Malum Pottii
56
St. Heinr., 9 J.
Lup. fac.
—
Drüsenschwellung
am Halse
57
Sch. Wilh., 17 J.
Lup. nasi
—
Coxitis tub. sin mit
Fistelbildung
58
Sch. Gertr., 18 J.
Lup. verruc.man.
sin.
Eingezogene Narben
am Kinn u. linken
Oberschenkel
59
W. Henriette,
26 J.
Lup. nas. et muc.
nasi
Vater an Phthise,
Mutter an Lungen¬
leiden gestorben
■
60
E. Jak., 9 J.
Lup. fac.
Onkel war skrofulös
—
61
G. Jak., 16 J.
Lup. man. utr.
et pectoris
1
Caries man. utr.
62
1
H. Kath., 17 J.
Lup. man. sin.
, j
R.Unterschenkel vor
10 Jahren wegen
Knochenfrass am¬
putiert
63
K. Kath., 29 J.
Lup. nasi
Hereditär tuberk. be¬
lastete Familie
—
64
W. Anna, 40 J.
j Lup. fac. et muc.
nasi
—
Starke Drüsenschw.
am Halse
65
Sch. Kaspar, 12 J.
; Lup. man. et anti¬
brach. sin.
Halsdrüsen geschw.
66
K. Math., 33 J.
Lup. fac. et muc.
nasi
_
Maculae corn. utr.
Dacryocystit. dupl.
67
W. Thimothea,
17 J.
Lup. pap. man.
dextr.
Keine Heredität.
i
—
68
H. Johanna, 34 J.
Lup. fac.
: Keine Heredität.
Früher Drüsen u.
Augenentzünd.
69
S. Karl, 23 J.
Lup. fac.
j —
Drüsenschwellung
70
K. Aug., 22 J.
Lup. fac. et Scro¬
phulod.
Keine Heredität
i
I Drüsen und Drüsen¬
narben am Halse
71
M. Marg., 27 J.
|
| Lup. fac.
1
i
j Scrophulodermanar-
ben am Halse
Digitized by
Go igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
166
Carl Grouven.
[8
Digitized by
Name und Alter
'
Nr.
des Pat.
1 Diagnose
1
Anamnese
Status praesens
72
H. Karl, 14 J.
Lup. fac.
! Vater an Phthise ge-
_
1 storben
73
M. Agnes, 13 J.
Lup. fac.
|
Mutter ist seit 10 J.
—
brustkrank
74
M. Helene, 40 J.
, Lup. faciei et gin-
—
Drüsenschwell. am
givae
Halse
75
B. Friedr., 15 J.
! Lup. fac.
Keine Heredität
Dacryocystitis
76
M. Adolf, 13 J.
I Lup. fac.
Anamn. neg.
Seit längerem Drü-
sen
77
L. Julius, 12 J.
Lup. nasi et
Anamn. neg.
_
1 Scroph. colli
78
K. Therese, 35 J.
Lup. nas. et muc.
Mehrere Kinder sind
—
nasi
an Ascites gest.
79
M. Anna, 11 J.
Scrophuloderm.
Mutter hustet
Drüsenschwellung.
80
Th. Jos., 6 J.
* Lup. auric. dextr.
Mutter leidet an
_
Bluthusten
81
B. Anna, 14 J.
J Lup. fac.
—
Ulcus corneae etCon-
junct. phlyctaen.
82
L. Barb., 2 Vt J.
1 Scrophul. brach.
Mutter leidet an
—
utr.
Drüsen
83 |
L. Emma, 25 J.
| Lup. fac. et muc.
Anamn. neg.
—
| oris
841
Sch. Kath., 35 J.
Lup. fac.
Sohn leidet an Scro-
phulodermata
85
F. Joh., 38 J.
Lup. man. dextr.
—
Drüsenschwellung.
86
Sch. Kath., 22 J.
Lup. antibrach.
—
Drüsenschwellung.
sin.
87
B. Georg, 42 J.
Lup. corp. |
1 —
Caries man. dextr.
88
j ß. Marg., 15 J.
Lup. man. d.
Keine Hered.
—
89
M. Anna, 28 J.
Lup. muc. nasi
Vater starb an Lun¬
—
genentzündung.
Als Kind vielfach
Drüsen und mehr¬
fach wegen Ab-
scessen operiert
90
G. Franziska,
Lup. brach, dextr.
Mutter litt an Drü¬
Caries metatarsi d.
21 J.
sen. Bruder an
Spina vent. dig. 11.
Phthise gestorben
sin.
91
Sch. Pet., 2 J. !
Scrophulod.
Vater hat an Drüsen
—
1
gelitten
92
H. Kath., 5 J.
Lup. ped. dextr.
Keine Hered.
—
j
et Scrophulod.
ped. sin.
93
F. Wilh., 34 J. :
Scrophulod. fern.
—
Phthisis pulmon.
1
dextr.
94
H. Peter, 5 J.
Lup. verr. man.
Grossvater war
_
I
sin. |
lungenkrank
95 0. Gertrud, 9 J.
Lup. fac. et corp. 1
Mutter starb an Kno¬
—
chenleiden und
Phthise
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
9J
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
167
i
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
96
D. Severin, 4 J.
Scrophulod. fern,
sin.
—
Spina vent. dig. II.
dextr. Caries oss.
ilei sin.
97
Sch. Anna, 11 J.
Lup. man. dextr.
Vater starb an
Phthise. Ein Bru¬
der ist tuberkulös
98
B. Adam, 19 J.
Lup. fac.
—
Ankylosis genu sin.
99
B. Anna, 45 J.
Lup. nasi
—
Drüsenschwellung.
100
K. Peter, 31 J.
Lup. colli
Mehrfach wegen Drü¬
sen operiert
Phthisis pulmon.
101
N. Anna, 10 J.
Lup. genu dextr.
—
Ankylosis genu et
cubit. dextr.
102
N. Kath., 7 J.
Lup. fac. et muc.
nasi. Scropb.
nasi
Mutter starb an Drü¬
sen und Knochen¬
eiterung
■
103
N. Gertr., 26 J.
Lup. et Scroph.
fac.
Mutter starb an
Schwindsucht
—
104
H. Gust., 19 J.
Lup. brach, d.
Keine Heredität
Lungen intakt
105
H. Marg., 35 J.
Lup. fac.
Bruder starb an
Phthise
Drüsennarben
106
A. Marg., 30 J.
Lup. nasi
Vater starb an
Phthise
Scrophuloderraanar-
ben am Hals und
der 1. Hand
107
J. Adam, 11 J.
Lup. mal. d. et
Scrophulod.
Keine Hered.
—
108
F. Gertr., 30 J.
Lup. brach, sin.
Vor 2 J. wegen Caries
humeri sin. ope¬
riert
109
N. Jakob, 29 J.
Lup. verr. pollic.
dextr.
Entstanden durch
eine Verletzung b.
Schlachten perl-
süchtigen Viehs
Tendovaginitis tub.
man. d.
110
R. Hulda, 13 J.
Lup. hyp. fac.
—
Drüsenschwellung.
111
K. Elise, 9 J.
Scrophul. anti¬
brach. dextr.
—
Drüsenschwellung.
112
Sch. Job., 42 J.
Lup. verr. man.
sin.
Keine Heredität. Seit
. mehreren Jahren
Husten
113
W. Helene, 21 J. i
i
i
Lup. colli et muc.
nasi
i Seit längerem Drü¬
seneiterungen am
Halse
114
B. Job., 15 J.
Lup. mal. sin.
Vater hustet
—
115
G. Heinr., 2 J.
Scroph. colli
—
Fungus genu sin.
Otitis med. sin.
116
B. Bertha, 42 J.
Lup. nasi
—
Phthisis pulmon.
117
M. Heinr., 58 J.
Lup. verr. man. d.
Seit einem Jahre
i Heiserkeit
118
W. Kath., 17 J.
Lup. nasi
—
Drüsenschwellung.
119
H. Marg., 40 J.
Lup. verr. man.
aextr.
Schwester litt an
Drüsen
Beiträge xnr Klinik der Tuberkulose. H. 2. 12
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
168
Carl Grouven.
[10
Digitized by
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
1 Status praesens
120
F. Magd., 8 J.
Lup. fac.
Keine Hered. Viel
Schnupfen
Drüsenschwellung.
121
N. Gertr., 29 J.
Lup. fac. et
Scroph.
—
Conjunct. pblyctaen.
122
K. Eduard, 64 J.
Lup. auric. d.
Vater starb an
Phthise
128
F. Herrn., 65 J.
Lup. man. d.
Keine Heredität
—
124
U. Elise, 8 J.
■ Lup. nasi
Mutter hustet und
leidet an Drüsen
Ca ries tarsi d.
125
L. Jos., 48 J.
Lup. verr. man.
utr.
Seit längerem Hu¬
sten und Heiser¬
keit
126
G. Kath., 29 J.
Lup. muc. nasi
Als Kind Drüsen
—
127
B. Jenny, 10 M.
Scrophul. brach,
utr.
Vater hustet
! Später an Meningitis
gestorben
128
W. Joh., 42 J.
Lup. nasi et muc.
nasi
—
Drüsen und Drüsen¬
narben am Halse
129
Sch. Anna, 3 J.
!
i Lup. fac. et brach,
a. et Scroph.
Mutter war in der
Jugend skrofulös
—
130
K. Sibilla, 11 J.
, Lup. nas. et muc.
nasi
Keine Heredit.
Drüsenschwei 1. am
Halse
131
B. Gertr., 2 J.
Scroph. colli
—
Caries metatarsi sin.
132
D. Joh., 7 M.
Scrophuloderm.
Vater war lungen-
; leidend
133
M. Agnes, 18 J.
Lup. fac.
l
| Caries dig. IIL d.
134
H. Gertr., 18 J.
Scroph. colli
1 Vater litt als Kind
an Drüsen
!
135
H. Reinhard,
29 J.
1 Lup. man. sin.
|
—
| Phthisis pulmon.
136
St. Anna, 14 J.
; Scrophulod.
—
Drttsenschw.
137
K. Karl, 8 J.
Lup. fac. et corp.
Vater hustet, Mutter
ist schwächlich,
3 Geschwister an
Tuberkulose gest. j
138
H. Anna, 36 J.
Lup. nasi
Mann an Phthise ge¬
storben
—
139
M. Kath., 13 J.
Lup. fac.
Mutter an Phthise
gestorben
Drüsenschw.
140
S. Jos., 7 J.
Lup. fac. j
Gestorben an B Lun¬
gen- und Nieren¬
entzündung 8
141
M. Christine,
37 J,
Lup. fac. et colli
Seit längerem an
Drüsen leidend
Drüsenschwell. und
Narben am Halse
142
, B. Kath., 48 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
V ater an Brust- i
krankheit gest.
—
143
H. Kath., 26 J.
Lup. nasi et muc.
nasi
Vater an Hals-
schwinds. gest.
—
144
M. Wilh., 13 M.
Scrophuloderm.
—
Drüsenschwellung.
145
M. Anna, 13 J.
Lup. fac.
—
! Caries mandib. und
! Drüsenschwell.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
11] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und ScrophulodermA. 169
Name und Alter
Diagnose
Nr.
des Pat.
Anamnese
Status praesens
146
G. Elis., 9 J.
Lup. fac.
Vor 5 J. Pleuritis
!
u. Hämoptoe, seit¬
dem Husten
147
D. Hub., 16 J.
Lup. hypertr. fac.
—
Kariöse und fungöse
et Scrophulod.
Prozesse am link.
Arme
148
B. Gertr., 27 J.
Lup. fac.
Ehemann starb an
Tuberculosis uro-
Phthis. pulm. et
laryng., Kind l J.
genitalis
alt kachektisch an
Hautgeschwüren
149
0. Kath., 31 J.
Lup. fac.
—
Karies des 1. Vorder-
arms
150
W. Anna, 15 J.
Luj). verr. pollic.
Mutter an Wirbel-
_
karies gestorb.
151
R. Willy, 14 J.
Scrophulod.
—
Drüsenschwellung.
152
Th. Wilh., 11 J.
Lup. mal. sin.
—
Drüsenschwellung.
153
H. Kath., 20 J.
Lup. fac.
—
Fungus genu d.Brust-
schmerzen
154
F. Therese, 28 J.
Lup. nasi et muc.
Keine Heredit. Sonst
_
nas.
stets gesund
155
F. Anna, 30 J.
Lup. nasi
Vater an Phthise ge-
_
1
storben
156|
|
W. Christine, 1
20 J. j
Scrophulod. fac.
Drüsenschwellung.
157 j
R. Anton
Scrophulod: colli
Drüsenschwellung.
158
P. Maria, 35 J.
Lup. brach, d. et
Mutter an Lungen¬
._
ped. sin.
entzündung gest.
159;
M. Hedwig, 21 J.
Lup. fac. 1
—
Caries brach, d. An-
i
kylosis cub. d. Ul-
cera tuberc. crur.
160
W. Gertr., 22 J. 1
Lup. fac. ,
—
Otitis med. chron.
161
M. Apollonia,
Lup. crur. sin et
Eltern an Phthise
Otitis med. chron.
19 J.
muc. nasi i
gestorben. Pat.
hustet
162
B. Karl, 4 J. '
Lup. fac.
—
Drüsenschwell.
163
R. Anna, 33 J.
Lup. fac.
i
Der Sohn leidet an
_
i
Scrophuloderm. u.
Fungus genu
i
164
W. Adelh., 13 J.
Lup. nas. et muc. !
Schwester wurde in
_
i
nasi |
!
der Klinik wegen
Gesichtslupus beh.
165 1
St. Franz, 21 J.
Lup. fac. et colli
—
Drüsennarben am
|
Halse
166!
Sch. Franz, 23 J.
Lup. fac. et corp. 1
Fungus genu sin.
167 !
D. Christine, 18 J.
Scroph. fac.
|
Caries metacarpi 9 in.
168
K. Gertr., 33 J.
7 |
Lup. fac.
Früher Drüsen 1
_
169
Sch. Sophie, 33 J.
Lup. colli
—
Drüsennarben
170
8t. Anna, 47 J.
Lup. nasi
—
Drüsennarben
12*
Digitized by google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
170
Carl Grouven.
[12
Digitized by
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
171
F. Magd., 13 J.
Lup. fac. et muc. | —
oris
Fungus man. d.
172
L. Kath., 86 J.
Lup. man. utr.
et Scroph.
Fungus cub. sin.
178
R. Wilh., 29 J.
Scroph. man. utr.
Fungus man. d.
174
P. Otto, 27 J.
Lup. verr. man. d.
—
Phthis. pulmon.
175
B. Karl, 27 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Caries man. sin.
176
N. Jos., 38 J.
Lud. fac. et
Scroph. colli
Vater an Mastdarm-
geschwttr gestorb.
EinBruderan einer
Gesichtsgeschw.
früh gestorben
177
N. Elis., 11 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Innere Organe intakt
178
Sch. Anna, 7 J.
Lup. fac et corp.
II. K
Mutter an Schwind¬
sucht gestorben.
Früher aufbrech.
Drüsen am Halse
linik.
ll
I
B. Wilh., 60 J.
Lup. hypertr. fac.
L. muc. nasi
Keine Heredit.
—
2
!
D. Gust., 18 J. |
j
Lup. fac. et Scro-
phulod.
Keine Heredit. Lei¬
den begann mit
Drüsen
Drüsenschwellung.
3
F. Ernst, 12 J.
Lup. fac.
In der Familie mehr-1
fach Tuberkulose |
Drüsenschwellung.
4
1
K. Willi., 21 J.
!
i
Lup. fac et muc. |
oris )
i
In der Familie des Drüsenschwellung.
Vaters Phthise. Caries palat. dur.
Bruder der Mutter
an Phthise gest.
5
M. Jakob, 46 J.
Lup. colli j
Vater an Phthise,
Mutter an Brust¬
fieber gest. Schwe¬
ster litt an Lupus
des Gesichts
Drüsenschwellung.
6
1
P. Franz, 11 J.
Lup. fac. :
Pleuritis überstan¬
den. Mutter leidet
an Hämoptoe
■
7!
Sch. Mich., 15 J.
Lup. nasi
Mutter an Brust-
krankh.gest. Eine
Schwester litt an
Brustfieber,eine an '
offenen Drüsen
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
13]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
171
8 i T. Gerhard, 40 J. Lup. fac.
9 U. Wilb., 46 J. Lup. hyp. fac.
10 | W. Peter, 14 J. j Scrophulod. colli
| et mal. sin.
11 I B. Jakob, 24 J. Scrophulod. fac.
et femor. d.
12 | D. Ernst, 1« J. Lup. hyp. fac. et
muc. oris. Sero-
1 phul. fac.
18 j F. Robert, 18 J. Lup. hyp. fac.
14 H. Anton, 50 J. Lup. fac. et Car-
cinom.
15 H. August, 21 J. Lup. fac. et muc.
! nas.
i
I
16 ! K. Heinr., 17 J. 1 Lup. hyp. nasi et
| auric. sin.
i
! I
17 K. Gottfr., 26 J. Lup. colli.
18 | L. Theod., 27 J.j Lun. et Scroph.
fac. et corp.
i i
19 i L. Peter, 36 J. Lup. fac. et nuch.
j 1 et conjunct.
' sin.
20 M. Joh., 12 J. Lup. hyp. fac.
L. muc. nasL
21 R. Heinr., 20 J. Lup. nasi, Scroph.
fac.
22 Sch. Peter, 22 J. Lup. hyp. fac.
L. muc. nasi.
Mutter langen- Drüsenschwellung,
krank. Seit Jugend
Drüsen.
Litt als Kind an Drüsen Schwellung.
Drüsen u Augen-
krankh., ein Kind
1. an Rückgrats¬
verkrümmung,
eins an schlimmen
Augen.
Grossvater an Wir- Drüsenschwellung,
belkaries, 2 Brüder
der Mutter an
Schwinde, gest.,
desgl. Geschwister
der Grossmutter.
Als Kind Drüsen.
Keine Hered. Als Drüsenschwellung.
Kind Drüsen.
Keine Heredität. Drüsenschwellung.
Dacryocystitis d.
Phthisis pulm.
Vater gest. an Drüsenschwellung.
Phthise, Pat. litt Habitus phthisic.
früher an Augen- Suspect. Lungen-
entzünd. befand.
Vater gest. an Lun- Drüsenschwellung,
genentzünd
Vater an Hämoptoe, Drüsenschwellung.
Mutter anHy drops
gest. Grossvater
brustkrank.
Keine Hered. Lun- Drüsenschwellung,
genentzünd. über¬
stand. Seit Jugend
Drüsen.
Keine Heredität. —
Bruder des Vaters an Ulcus corneae sin.
Schwinds. gest. Drttsenschwell.
Vor einig. Jahren
„Brustfieber“.
Vater u. ein Bruder Mal. Pottii. Caries
an Phthise gest. metatarsi sin.
Als Kind Augen- Phthis. pulmon. (?)
entzünd., hat viel
gehustet.
Keine Heredität. Drüsenschwellung.
Conjunct. phlyct.
Keine Heredität. —
Keine Heredität. Maculae corn. sin.
Digitized by
Google
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
172
Carl Grouven.
[14
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
23
Sch. Aug., 14 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
Ein Bruder hustet.
Suspect. Lungenbef.
Drüsenschwell.
24
T. Jakob, 22 J.
Scroph. fac. et
corp.
Eltern an Phthise
gest.
Spitzenaffekt, links.
Drüsenschwell.
25
V. Wilh., 40 J.
Lup. muc. nasi.
L. man. sin.
—
26
W. Adolf, 23 J.
Scrophulod.
Vater gest. an Asth¬
ma. Schwester d.
V aters hustet. 2
Schwestern d. Pat.
leiden an Aus¬
schlag. Selbst
mehrfach Hämopt.
Phthis. pulmon.
27
A. Jos., 41 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Scrophulod.
Vater an Brustwas¬
ser, Mutter an
chronisch. Bein¬
geschwür gest.
Bruder an Gehim-
entz. gest.
Phthisis pulmon. et
laryngis Drüsen¬
schwellungen.
28
B. Gottfr., 17 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Hered. Früher
Augenkr. u. Rip-
penfellentz.
Drüsenschwellung.
Spitzenaffekt. 1.
29
F. Joh., 9 J.
Scroph. mal. d.
Drüsenschwellung.
30
G. Peter, 13 J.
i
Lup. fac. et anti¬
brach sin.
Keine Heredität.
|
Drüsenschwellung.
31 H. Peter, 25 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
Keine Heredität.
Inn. Org. int.
32
J. Gerhard, 27 J.
Lup. fac. et corp.
L. muc. nasi
et oris.
Keine Heredität.
Spitzenaffekt. bei¬
derseits. Drüsen¬
schwellung.
33
K. Heim*., 19 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Keine Heredität.
—
34
L. Franz, 22 J.
Lup. fac. et corp.
L. muc. nasi
et oris.
Vater gest. an
Schwinds.
|
Phthisis laryng.
Drüsenschwell.
35
P. Karl, 21 J.
Lup. fac. et corp.
i Vater gest. an
Schwinds. Seit J Li¬
gen d Drüsen.
Phthisischer Habi¬
tus. Drüsen sch w.
36
Sch. Jakob, 18 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
V ater gest. an
Phthise.
Spitzenaffekt.rechts.
Drüsenschwell.
37
S. Barthel, 20 J.
Lup. lab. sup. et
muc. oris.
Vater an Brustkr.
gest. Bruder an
Phthise gest.
Phthisis pulmon. et
laryng.
38
T. Aug., 26 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
39
V. Michael, 47 J.
Lup. man. d.
Mutter gest. an Aus¬
zehrung.
—
40
W. Job.. 60 J.
, Lup. man. d.
Keine Heredität.
—
41
W. Joh., 42 J.
1
Lup. fac. et Car-
cinom.
Bruder leidet an
Drüsen, Beginn
mit Drüsen.
1 Phthisis pulmon.
1
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
173
15 ]
Nr.
Name and Alter
des P&t.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
I
42 i B. Wilh., 54 J.
1
Lup. corp. et
Scrophut.
Keine Heredität.
Spitzentiefstand.
Drüsenschwell.
43
B. Joh., 18 J.
Scroph. fac.
Keine Heredität.
—
44
B. Math., 13 J.
Lup. crar. sin. et
antibr. sin.
Keine Heredität.
Abgeheilte Karies d.
r. Vorderarms.
45
B. Karl, 15 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Vater litt an Drüsen;
ein Bruder leidet
an Drüsen.
46
C. Edmund, 55 J.
Lup. fac. muc.
oris et con-
junct. utr. L.
dorsi et pedis
dextr.
Pectus carinat. Spit¬
zenaffekt. beider¬
seits.
47
E. Peter, 46 J.
Lup. fac.
Mutter an Lungen*
entz. gest Gross¬
vater an Phthise
gest. Frau an
Phthise gest.
Drüsenscliwellung.
48
E. Bernard, 29 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Vater an Brustfieber,
Mutter an Wasser¬
sucht gest. Zwei
Geschwister lei¬
den an Drüsen.
Drüscnschwellung.
49
F. August, 38 J.
Lup. nasi.
Vater litt an Husten,
starb an Hydrops,
hatte den gleichen
Ausschlag an der
Nase. Zwei Brüder
u. eine Schwester
starb, an Schwind¬
sucht, ein Bruder
starb an „inneren
Drüsen“.
Phthisis pulmon.
dextr.
50 |
F. August, 20 J.
Lup. fern. sin.
Keine Heredität.
—
51 1
i
F. Anton, 51 J.
Lup. ped. d.
Vater an Wasser¬
sucht, Mutter an
Schwinde, gest.
Drüsenschwellung.
52
G. Nikol., 31 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Keine Heredität
Drüsenschwellung.
53
K. Jos., 23 J.
Lup. fac.
Keine Heredität.
Phthis. pulmon. inc.
54
| L. Joh., 9 J.
Lup. et Scroph.
mal. sin.
Mutter gest an
Phthise, Vater
hustet.
Spitzeninfiltrat bei¬
derseits.
55
L. Wilh., 12 J.
Lup. fac. et brach,
utr. et muc.
nasi
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
56
L. Jos., 18 J.
Lup. hyp. fac.
Scroph. colli.
Keine Heredität
Drüsenschwellung.
Fungus tarsi dextr.
57
M. Herrn., 23 J.
i
Lup. fac. et muc.
nasi.
Mutter an Schwind¬
sucht gest Bruder
leidet an Kniege-
lenksentz
Mal. Pottii. Spitzen¬
affekt. beiderseits.
Otitis med. chron.
dupl.
Digitized b'
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
174
Carl Grouven.
[16
Digitized by
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
58
N. Jos., 16 J.
Scroph. colli.
Eltern an Schwind¬
sucht gest.
Drüsenschwellung.
Phthis. pulm. inc.
59
R. Barthel, 16 J.
Lup. et Scroph.
ped. sin.
Mutter gest. an
Schwinas.
Lichen scroph. Drü*
sen Schwellung.
60
Sch. J 08 ., 11 J.
Lupus nasi.
Keine Heredität.
—
61
Sch. Wilh., 16 J.
Lup. nasi, muc.
nasi et oris.
Keine Heredität.
Phthis. pulmon. et
laryng. Drüsen¬
schwellung.
62
W. Jak., 15 J.
; Lup. man. sin.
Beide Eltern husten.
Phthis. pulmon. inc.
63
W. Joh., 17 J.
Lup. ped. dextr.
Keine Heredität.
—
64
H. Mich, 50 J.
Lup. fac. L. verr.
man. sin.
Keine Heredität.
—
65
H. Jos., 17 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
66
H. Ägidius, 11 J.
: Lup. fac. fern. sin.
et muc. oris.
Mutter litt an Drü¬
sen.
Drüsenschwellung.
Habit, phthis. Oti¬
tis mea. dupl. Da-
kryocyst. aupl.
67
K. Philipp, 39 J.
Lup. fac. et anti¬
brach. sin. L.
muc. oris.
Eltern und Bruder
gest. an Phthise.
Kyphose infolge von
aogeh. Karies.
68
K. Eduard, 40 J.
Lup. ped. sin.
Keine Heredität.
Phthis. pulmon.
69
K. Math, 41 J.
Lup. nuchae.
Keine Heredität.
—
70
K. Willi, 25 J.
Lup. fac. brach,
aextr. et muc.
oris.
In der Familie des
Vaters Drüsen u.
Phthise
Drüsenschw’ellung.
71
M.Emanuel,52X
Lup. nasi.
Litt früher an L.
erythematod.
—
72
O. Franz, 17 J.
Lup. nasi et muc.
nas.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
73
R. Hubert, 20 J.
Lup. colli et muc.
nasi.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
74
P. Jos, 19 J.
f '
Lup. nasi et muc.
nasi.
Schwester in d. Kli¬
nik wegen Ge¬
sichtslupus beh.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
Spitzen affekt. bei¬
derseits.
75
R. Heinr, 17 J.
Lup. nas. muc.
nasi et oris.
Keine Heredität.
1
Habitus phthis. Drü¬
senschwellung.
76
Sch. Math, 41 J.
Lup. fac. et corp.
i Keine Heredität.
i
Phthisis pulmon.
Keratitis vascul.
dupl. gest. an Lu-
pus-Carcinom und
käsiger Pleuritis.
77
Sch. Philipp, 16 J.
Lup. man. sin.
et Scroph.
i Vater an Phthise
gest, Schwestern
leiden an Drüsen.
Phthisis pulmon.
1 Caries man. sin.
' Drüsenschwell.
78
Sch. Joh, 34 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
| Mutter an Wasser-
| sucht gest.
j Mal. Pottii.
79
St. Jos, 19 J.
1 Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Heredität.
1 Dacryocystit. sin.
Macul. com. utr.
Drüsen sch well.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
17]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
175
Nr.
Name und Alter
des Pat.
80
V. Philipp, 14 J.
81
Z. Jakob, 21 J.
82
A. Everhard,
27 J.
83
B. Walter, 13 J.
84
B. Georg, 21 J.
85
F. Aug., 10 J.
86
K. Jos., 13 J.
87
L. Albrecht, 18 J.
88
L. Walter, 14 J.
89
1 L. Abraham, 22 J.
90
M Jakob, 18 J.
91
R. Wilh., 12 J.
92
R. Jakob, 22 J.
93
Sch. Peter, 14 J.
94
Sch Gerh., 27 J.
95 ;
S. Wilh., 27 J.
96
W. Peter, 34 J.
97
Z. Wilh., 66 J.
98
A. Franz, 18 J.
99
B. Peter, 18 J.
100
B. Gottfr., 22 J. j
Diagnose
Lup. nas. muc.
nasi et oris.
Lup. fac. et corp.
L. muc. nasi
et oris.
Lup. corp.
Lup. fac. et man.
sin. L. muc.
nasi. Scroph.
brach, sin.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Lup. man. et crur.
sin.
Lup. nasi.
Lup. fac.
Lup. antibrach,
aextr.
Lup. fac et man.
aextr.
Lup. corp.
Anamnese
Keine Heredität.
| Vater an Phthise
I gest., eine Schwe-
| ster brustkrank.
Pat. litt früher an
I aufbrech. Drüsen.
I Keine Heredität.
I Keine Heredität.
Status praesens
Laryngit. Otit. med.
pur. sin. Drüsen¬
schwellung.
Dacryocyst. sin.
r.
Otitis med. sin.
Caries man. sin.
Dacryocyst. dupl.
Drüsenschwell.
Keine Heredität.
i
| Keine Heredität. I
' Keine Heredität.
Keine Heredität.
Bruder der Mutter
gest. an Phthise.
Keine Heredität.
Lup. fac.
Lup. fac.
Lup. man. d.
Lup. fac.
Lup. colli, pect,
et dorsi
Lup. fac. et muc.
nasi.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Scroph. mal. sin.
et colli.
Lup. verr. man.
dupl.
Lup. fac.
In der Kindheit oft
, Augenentz. Bru-
: der hustet.
i Keine Heredität.
Dr fisensch w el I u n g.
Dacryocyst. dupl.
Kerat. vascul. sin.
Otitis med. dextr.
Spitzenkat. rechts.
Drüsenschwell.
Nubeculae corn utr.
Drüsenschwell.
; Vater an
gest.
Keine Heredität.
Phthis. (?) pulmon.
] d. Drüsenschw.
Phthise i Spitzenkat. rechts.
I Drüsenschwell.
I
Keine Heredität.
Mutter u. Schwester j
gest. an Phthise. |
I Keine Heredität. i
| Caries poll. dextr.
| Drüsenschwell.
Spitzenaffekt.rechts.
Asthma et Phthis.
pulm. dupl.
Dacryocyst. sin.
Drüsenschwellung.
Schwester wegen
Lupus in der Kli¬
nik beh.
Keine Heredität.
Tuberc. pulmon.
Drüsenschwell.
Digitized b"
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Digitized by
176
Carl Grouven.
[1.S
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
101
D. Gottfr., 34 J.
Lup. nasi et muc.
oris. Scroph.
colli.
Vater an Lungen-
krankh. gest.
Spitzenaffekt, links.
Drüsenschwell.
102
D. Victor, 22 J.
Lup nasi et muc.
nasi.
Keine Heredität.
Spitzenaffekt, links.
Drüsenschwell.
103
E. Theodor, 25 J.
Scroph. mal. sin.
Keine Heredität.
Spitzenaff. rechts.
Drüsenschwell.
104
E. Wilh., 13 J.
Lup. nasi, muc.
nasi et oris.
Vater hustet.
Spitzenaff. rechts.
Drüsenschwell.
105
G. Adolf, 39 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Keine Heredität.
Phthisis pulmon.
106
H. Mich., 43 J.
Lup. fac.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
107
H. Math., 21 J.
Lup. fac. et
Scroph.
Zwei Geschwister
leiden an Gelenk¬
tuberkulose.
Spitzenaffekt, links.
Drüsenschwell.
108
J. Heinr., 17 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Keine Heredität
—
109
K. Herrn., 22 J.
Lup. mal. sin.
Mutter hustet.
Spitzenaffekt, links.
110
L. Julius, 12 J.
Lup. nasi, Scroph.
colli.
Keine Heredität.
Habit. scroDh. Drü¬
senschwellung.
111
L. Konrad, 16 J.
Lup. fac.
Keine Heredität
Habit, scronh. Drü¬
senschwellung.
112
L. Math., 12 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Heredität
—
113
M. Jakob, 27 J.
Lup. pap. crur.
sin.
Mutter an Brust-
krankh. gest.
Spitzenaff. rechts.
114
M. Rud., 70 J.
Lupus fac.
Keine Heredität.
—
115
O. Josef, 19 J.
Lup. nasi muc.
nasi et oris.
Keine Heredität.
Caries cost. san.
Spitzenaff. links.
116
R. Wilh., 29 J.
Lup. fac.
Keine Heredität
—
117
R. Josef, 30 J.
Lup. ani.
Keine Heredität.
Spitzenaffekt, links.
118
R. Joh., 23 J.
Scroph. colli.
Keine Heredität.
—
119
S. Karl, 22 J.
Lup. colli.
Pleuritis überstand.
Seit Kindheit Drü¬
sen. Keine Hered.
Drüsenschwellung.
120
Sch. Joh., 17 J.
Lup. fac.
Keine Heredität.
—
121
Sch. Heinr., 11 J.
Lup. pap. ped.
sin.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
122
S. Heinr. 23 J.
Lup. fac. et corp.
Lup. muc. nas.
et oris. Scro-
phulod.
Keine Heredität.
Phthis. pulmon. et
| laryng.
j
j
123
W. Wilh , 52 J.
Lup.verruc. man.
sin.
Lup. fac. et corp.
Keine Heredität.
j Phthis. pulm.
124
B. Peter, 16 J.
Keine Heredität.
_
125
■
B. Heinr., 18 J.
Lup. mal. d.
■ Keine Heredität.
Vielfach Augenentz.
Macul. com. utr.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
19]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
177
Nr.
1
Name und Alter j
des Pat.
i :
i
Diagnose
i
Anamnese
. Status praesens
126
B. Bernh., 12 J.
Lup nas. et muc.
nasi.
1
Mutter an Schwind¬
sucht gest. Schwe-!
ster leidet an
Drüsen
Spitzenaffekt, bei¬
derseits. Drüse n-
schwellung.
127
B. Georg, 42 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
Keine Heredität.
—
128
H. Joh., 48 J.
Lup. colli et Scro-
phulod.
Keine Heredität.
—
129
H. Mich., 19 J.
Lup. fac.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
130
H. Gcrh., 19 J.
Lup. fac. et muc.
oris. Scrophu- 1
loderm. fac. et
brach, d.
Bruder leidet an Ge-
sichtslupus.
-
Drüsenschwellung.
131
K. Fritz, 13 J.
Lup. frontis.
Keine Heredität. |
—
132
K. Franz, 14 J.
Lup. fac.
Keine Heredität.
—
133
K. Gottfr., 31 J.
Lup. fac. et colli
Keine Heredität. !
Drüsenschwellung.
134
H. Aug., 14 J.
Lup. diss. corp.
et muc. nasi.
Scroph. fac.
Bruder an Lungen- !
entzünd, gest |
135
v. d. L. Karl,
31 J.
Lup. man. sin. et
ped. d.
Keine Heredität.
—
136
R. Jakob, 10 J.
Lup. fac. et corp.
Keine Heredität.
—
137
R. Job., 13 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Heredität.
Gibbus (Caries sau.)
138
Sch. Joh., 40 J
Scrophulod.
Keine Heredität.
—
139
Sch. Sebastian,
13 J.
Scroph. corp. (
i
Zwei Geschwister an
Skrofulöse gest.
i
Drüsenschwell. Smt-
zenaffekt. links.
Caries ped. sin.
Otitis med. chron.
dupl.
140
Sch. Salomon,
28 J.
Lup. pap. man.
utr.
Keine Heredität.
I
1
—
141
St. Karl, 22 J.
Lup. cap. 1
Keine Heredität.
—
142
St. Otto, 11 J.
Lup. fac.
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
143
St. Joh , 25 J.
Lup. crur. d.
Mutter an Schwind¬
sucht gest.
Drüsenschwellung.
144
B. Georg, 43 J.
Lup. corp.
Keine Heredität.
Fungus man. d.
145
F. Heinr., 3 J.
Scrophulod.
Keine Heredität.
—
146
G. Joh., 24 J.
Lup. verr. man.
sin.
Vater ist , engbrü¬
stig“. Mutter lei¬
det an Lupus der
Hände.
Caries dig. 111 d.
Drüsenschwell.
147
G. Heinr., 26 J.
Lup. fac. et corp.
Vater starb an Hals¬
schwindsucht.
Abgeheilte Caries.
Drüsenschwell.
i Spitzenaff. links.
148
H. Franz, 17 J.
Lup. nasi et muc.
nasi
Keine Heredität.
1
Phthis. pulmon.
149
K. Heinr., 47 J.
Lup. fac. et aur.
1 sin
! Keine Heredität.
Digitized by google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
178
Carl Grouven.
Digitized by
130
Nr.
Name und Alter |
des Pat.
Diagnose
150 L. Wilh., 17 J. Lup. nas. et muc.
' nasi.
151 | S. Otto, 19 J.
152 j S. Hub, 12 J.
153 | Sch. Peter, 30 J.
154 1 Sch. Kaspar, 14 J.
155 | W. Heinr., 13 J.
Lup. nasi.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Lup. man. et anti¬
brach. sin.
Lup. crur. et fe-
mor. sin.
156 A. Anton, 18 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
157 B. Peter, 21 J.
Lup. antibr. d.
158 j D. Friedr., 14 J.
159 j J. Heinr., 20 J.
160 * K. Bern., 11 J.
i
161 | P. Nie., 29 J.
Lup. fac.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Lup. nas. et muc.
nas.
Lup. fac. et corp.
162
163
164
Sch. Heinr., 14 J.
S. Wilh., 14 J.
St. Franz, 16 J.
165 | B. Heinr., 16 J.
166 ; H. Gottfr., 35 J.
I
Lup. serp. fac. et
corp.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Lup. fac. et
Scroph. colli.
Lup. fac. et
Scroph. •
Lup. fac.
167 I H. Jakob, 21 J. i L. antibr. sin.
168 H. Bernh., 22 J. I Scroph. colli.
169 : J. Ernst, 21 J.
170
K. Joh., 43 J.
Lup. nasi et colli
1 et muc nasi.
j Luj>. verr. antibr.
Anamnese Status praesens
Eine Schwester lei¬
det an Lupus d.
Arms. Früher oft
Augenentz.
Keine Heredität.
Keine Heredität.
Vater an Brust-
krankh. gest.
Keine Heredität
Keine Heredität.
Schwester gest. an
Geschwür auf der
Backe.
Vater an Lungen-
entz. gest.
Keine Heredität.
Keine Heredität.
Keine Heredität.
Vater gest. an
Phthise.
Keine Heredität.
Keine Heredität.
Mutter gest. an
Phthise.
Bruder leidet an
Drüsen.
Mutter gest. an Lun-
Mutter gest. an
Phthise.
i Mutter u. Schwester
gest. an Schwind¬
sucht.
Mutter gest. an Kehl¬
kopfschwindsucht
Keine Heredität.
Drüsenschwellung.
Drüsenschwellung.
Drüsenschwellung.
Spitzenaffektion bei¬
derseits.
Drüsenschwellung.
Drüsenschwellung.
Macul. corn. sin.
Dacryocyst. sin.
Drüsenschwellung.
Drüsen8chwell. Spit¬
zenaff. beiders.
Ankylose d. linken
Kniees. Spitzen¬
affekt. rechts.
Caries olecran. d.
Drüsenschwellung.
Drüsenschwellung.
Phthis. pulmon.
Phthisis pulmon.
Caries metacarp.
sin.
Abgeheilte Rippen¬
karies. Drüsen¬
schwellung.
Drüsenschwellung.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
21] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 179
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
171
L. Herrn., 56 J.
Lup. fac.
Mutter an Brust¬
wasser gest.
Phthis. pulmon. An-
kylos. dig. III sin
(Caries) et genu
sin. Drüsenschw.
172
M. Franz, 12 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Drüsenschwell.
173
R. Friedr., 16 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Mutter an Husten
und Wassersucht
gest. Ein Bruder
u. eine Schwester
haben ein kurzes
Bein u. leiden an
Drüsen.
SpitzenafF. links.
Dacryocyst. links.
174
R. Wilb., 21 J.
Lup. fac. et
Scroph.
Keine Hered.
—
175
Scb. Georg, 63 J.
Lup. fac.
Frau starb an gallop.
Schwinds. Seit
Kindheit Drüsen,
Husten, Durch¬
fälle und Fieber.
Phthis. pulm. Drü¬
senschwell.
176
S. Jakob, 23 J.
Lup. fac.
Bruder der Mutter
starb an Schwinds.
Spitzenaff. rechts
177
S. Kaspar, 11 J.
Lup hyp. fern,
aextr.
Vater hustet.
—
178
P. Christian, 21J.
Lup. fac. et colli.
Mutter an Schwind¬
sucht gest. Bru¬
der brustleidend.
t Spitzenaff. rechts.
Caries ped. sin et
cubit d.
179
B. Math., 17 J.
Lup. mal. sin.
Keine Hered.
180
F. Wilh., 40 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Hered.
Phthis. pulmon.
Drüsenschwell.
181
G. Rud, 19 J.
Lup. hyp. fac.
Keine Hered. Seit
Jugend Drüsen.
Otit. med. sin. Drü¬
senschwell
182
K. Ernst, 36 J.
1
Lup. fac.
2 Brüder leiden an
Hämoptoe.
Drüsenschw.
183 1
t
K. Peter, 18 J.
Lup. colli et
Scrophulod.
Vater starb an Brust- ;
krankheit. Seit
Kindheit Drüsen.
Drüsenschw.
184
K. Aug., 29 J.
Lup. fac., muc.
nas. conj. utr.
Vater an Rippenfell¬
entzünd. gest.
Dacrvocyst. Phthis.
pulmon.
185 |
M. Max, 24 J.
Lup. fac.
Mutter an Lungen¬
leiden gest.
| Gibbus. Phthis. pul¬
mon. Fung.genu d.
186
M. Ernst, 24 J.
Lup. hyp. fern,
sin.
1 Eine Schwester litt i
an Lupus u.Drüsen.
187
N. Peter, 33 J.
1
Lup. fac. et colli.
Mutter starb an Blut¬
husten; 2 Brüder
leiden an Blut¬
husten. Seit Kind¬
heit Drüsen.
| Drüsenschw.
188
R. Peter, 38 J.
|
Lup. fac. et Car-
ein.
Mutter an Knochen-
frass gest. Ein
Bruder leidet an
Lupus des Arms.
I
Digitized by Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Carl Grouven.
[22
Digitized by
180
Nr.
| Name und Alter |
des Pat.
Diagnose
189
190
191
192
193
194
R. Peter, 11 J.
Sch. Theodor,
26 J.
St. Wilh., 25 J.
St. Heinr., 38 J.
B. Peter, 56 J.
C. Math., 33 J.
i
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Scrophulod.
Lup. fac. et corp.
Lup. fac.
Lup. fac. et muc.
nasi. Scroph.
Lup. fac. et
Scroph.
Lup. fac.
195 i F. Karl, 23 J.
196 I G. Theod., 14 J.
197 J. Jos., 13 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
Lup. fac. et
Scroph.
Lup. fac. et muc.
nas.
198 | K. Jak., 38 J.
I
199 l M. Jak., 57 J.
Lup. verr. man.
utr.
Lup. fac. et corp.
200 ! M. Adolf, 14 J.
201 |
M.
Karl, 22 J.
!
202
N.
Joh., 9 J.
203
M.
Heinr., 19 J.
204
R.
Jos., 22 J.
205
!
Sch. Pet., 21 J.
Lup. fac. et crur.
sin. muc. nasi
et oris. Scroph.
fac.
Lup. fac. et |
Scroph.
Lup. et Scroph.
fac. !
Lup. mal. sin. !
Lup. fac. et muc.
nasi. L. ped.
dextr.
Lup. fac. colli,
auric. sin.
206 Sch. Math., 22 J.
207 Th. Heinr., 34 J.
208 A. Jak., 17 J.
Lup. antibr. et!
man. sin.
Lup. colli et j
man. d.
Lup. fac. ped. sin. |
etconjunct.utr.
L. muc. nasi.
i
Anamnese
Status praesens
Reine Hered. Seit
Kindheit Drüsen.
Macul. corn. sin.
Drüsenschw.
Keine Hered. Pneu¬
monie überst.
Keine Hered.
Keine Hered.
Keine Hered.
Mutter starb an
Schwinde., Schwe¬
ster leidet an Drü¬
sen. Häufig Drü¬
sengeschwüre.
Mutter an Lungen-
entz. gest.
Bruder leidet an Ge¬
sichtslupus.
Onkel leidet an Lup.
Vater an Brust¬
krankheit gest.
Keine Hered.
Vater an Schwinds.
gest. Mutter starb
an Brustfieber.
Keine Hered. Seit
Kindheit Drüsen.
Keine Hered.
Keine Hered.
Keine Hered.
Keine Hered. Pleu¬
ritis überst.
Keine Hered. Vor
2 Jahren kalter
Absc. im Rücken.
Keine Hered.
Keine Hered.
Keine Hered.
Spitzenkath. rechts.
Otitis med. chron.
dupl.
Dacryocyst. Phthi9.
pulm. d. Drttsen-
schwell.
Phthis. pulmon.
Gibbiis.
Drüsenschw. Ulc.
corn. sin.
Caries oss. nas. sin.
Drüsenschw.
Drüsenschw.
Dacryoc. sin.
Drüsenschwellung
Später Caries tarsi
Phthis. pulm. d.
Phthis. pulmon. et
laryng.
Macul. corn. d.
Otitis med. chron.
sin.
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
23]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
181
Nr.
Name und Alter
des Pat.
i
Diagnose
i
Anamnese
i Status praesens
|
209
| D. Hub., 35 J.
Lup. fac. et corp.
Car ein. fac.
| Keine Hered.
|
210
E. Job., 27 J.
Lup. fac.
Mutter leidet an
Fungus genu
]
211
F. Karl, 19 J.
Lup. auric. sin.
et man. d.
Keine Hered.
i
i
i
212
K. Jos., 8 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
213
P. Anton, 29 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Keine Hered.
Dacryocvst. dupl.
214
Sch. Jak., 18 J.
Lup. fac.
Bruder an Schwind¬
sucht gest.
1
1
215
W. Joh., 24 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Keine Hered.
Dacryoc. sin.
216
Z. Karl, 30 J.
Luj). hyp. auric.
Keine Hered.
“
217
B. Jos., 20 J.
Lup. nasi et colli.
L. muc. nas.
Mutter an Schwind¬
sucht gest.
1
218
H. Heinrich, 34 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Schwester starb an
Gehirnentz.
1 “
219
H. Jos., 20 J
Lup. hyp. colli.
Keine Hered.
I —
220
K. Stephan, 12 J.
Lup. fac. et corp.
Vater starb an Lun-
genentz.
i
221
L. Joh., 12 J.
Lup. mal. sin.
Keine Hered.
1
i
222
Sch. Heinr., 21J.
Lup. fac. et corp.
Mutter litt an Ge¬
sichtslupus.
223
Sch. Heinr., 11 J.
Lup. fac. et corp.
Vater an Schwind¬
sucht gest.
—
224
St. Karl, 7 J.
Lup. corp. diss.
Grossmutter starb
an Schwinde. ,
—
225
T. Dietrich, 67 J.
Lup. fac. muc.
nasi et oris.
Keine Hered. i
Caries palat. dur.
226
W. Joh., 22 J.
Lup. fac.
Mutter an Schwinds.:
gest. Schwester
leidet an Schwinds.
"
227
W. Winand, 20 J.
Lup. fac. et corp.
Vater an Schwind¬
sucht gest.
—
228
Z. Karl, 38 J.
Lup. nas. et auric.
sin.
Mutter an Asthma
gest.
Phthis. pulm.
229
A. Albert, 23 J.
Lup. fac. et corp.
Mutter an Schwind¬
sucht gest.
i
Drüsenschw.; starb
später an Darm¬
tuberkulose.
230
E. Jos., 16 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Keine Hered. j
—
231
F. Joh., 30 J.
Lup. fac. et corp.
Vater an Phthise
gest. 1
—
232
F. Heinr., 14 J,
Lup. nasi et muc.
oris.
Mutter an Phthise
gest. Vater hustet.
—
233
H. Gust., 21 J.
, '
Lup. fac. et muc.
oris. |
Vater leidet an
Asthma.
i
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
182
Carl Grouven.
[24
Digitized by
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
234
235
236
237
H. Felix, 21 J.
H. Bruno, 27 J.
H. Anton, 21 J.
K. Wilh., 10 J.
Lup. fac.
Lup. colli et
Scroph.
Lup. fac.
Lup. fac. et corp.
Keine Hered.
Vater an Larynx-
phthise gest.
Keine Hered.
Keine Hered.
238
K. Franz, 16 J.
239 L. Joh., 18 J.
240 Sch. Peter, 15 J.
241 W. Jakob, 46 J.
242 D. Jos., 22 J.
i
243 | H. Joh., 10 J.
I
244 1 M. Konr., 31 J.
245 M. Wilh., 23 J.
246 | N. Jos., 38 J.
247 1 R. Mich., 14 J.
248 | Sch. Pet., 19 J.
249 | Sch. Alfred, 18 J.
250 1 W. Math., 20 J.
!
251 R. Christine, 9 J.
252 | B. Kath., 18 J.
253 j ß. Elise, 21 J.
254 ; Ch. Karol., 10 J.
|
I
255 D. Gertr., 18 J.
i
256 E. Anna, 37 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Lup. nasi.
Lup. man. et
antibr. sin.
Lup. hyp. fac.
Lup. colli et muc.
nasi et Scroph.
Lup. crur utr. et
femor. sin.
Lup. fac. et corp.
L. conj. d. Car-
cinom. fac. et
reg. cubit. sin.
Lup. fac. et muc.
nasi, Scroph.
Lup. fac. et
Scroph.
Lup. ped. sin. et
corp. et Scroph.
Lup. nasi et muc.
nas.
Lup. fac. muc.
nasi et oris.
Lup. fac. et muc.
oris.
Lup. hyp. nasi.
Lup. nasi.
Keine Hered. Vor 5
J. kalter Abscess
in der Leiste.
Keine Hered.
Keine Hered.
Vater brustleidend.
Vater starb an Hals-
schwinds. Schwe¬
ster an Blutsturz
gest.
Keine Hered.
Vater an Lungen-
entz. gest. Pneu¬
monie überst.
Mutter an Phthise
gest.
Vater starb an Darm- j
gesch wären. j
Keine Hered.
Keine Hered.
Bruder leidet an
Drüsen.
Keine Hered. Beginn
mit Drüsen.
Mutter und Bruder
an Phthise gest.
Keine Hered.
Bruder leidet an
Hämoptoe.
Grossvater u. Schwe¬
ster des Vaters an
Phthise gest. Seit
Kindheit Drüsen.
Lup. fac. et I Keine Hered.
Scroph.
Lup. fac. et muc. | Keine Hered.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Status praesens
Drüse nschw.
Abgeheilte Karies
d. rechten Fusses.
Drüsen sch w.
Fungus
d. et
cub. sin.
rloma corn.
>hthis bulbi.
Drüsenschw.
Ulcera corn. sin.,
später Spina vent.
Spitzenaff. rechts.
Drüsenschw’.
Drüsenschw. Phthis.
laryng.
Phthis. pulmon.
Drüsenschw.
Phthis. pulm. Caries
tib. sin.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
25]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
183
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
257
| G. Gertr., 30 J.
I
l
Lup. fac. et muc.
nasi.
Vater starb an Kebl-
kopfsch windsucht.
Mutter starb an
Lungenphthise.
Schwester leidet
an Drüsen. In der
Kindheit Augen-
entz. Vor 7 Mon.
Hämoptoe.
Phthis. (?) pulm.
258
H. Julie, 18 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Vater an Phthise
gest. Als Kind
Drüsen u. Augen-
entz.
Macul. corn. utr.
Dacryocyst.
259
H. Anna, 20 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Schwester starb an
Phthise.
—
260
i
J. Dina, 46 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Vater litt an Drüsen.
Schwester litt an
Drüsen. Bruder an
galopp. Schwind¬
sucht gest.
Dacryocyst. öin.
261 j
J. Maria, 19 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Grossvater starb an
Brustkrankheit.
Dacryocyst. sin.
262
K. Karoline, 21J.!
Lup. fac. et muc.
nasi.
Schwester starb an
Lungenentz. Häu¬
fig Augenentz.
Mal. Pottii.
263
K. Elise, 59 J.
Lup. fac. et Gare.
—
—
264
M. Kath., 20 J.
Lup. fac. et muc.
nasi. L. brach,
sin.
Vater u. Schwester
husten.
Dacryocyst. dupl.
265
M. Apollonia,
40 J.
Lup. nasi.
Mann an Hämoptoe
gest.
—
266
N. Franziska,
21 J.
Lup. man. d.
Scroph. mal.
utr.
Grossmutter und 2
Brüder starben an
Phthise.
267
Sch. Marg., 12 J.
s Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
Dacryocyst Mac.
com. utr. Otitis
med. d. Später
Phthis. laryng. et
pulmon.
268
St. Gertr., 16 J.
Lup. hyp. nasi.
Vater leidet an Hä¬
moptoe. Als Kind
Drüsen.
Drüsennarben.
269
Th. Therese, 17 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered. Als
Kind Drüs., Augen-
und Ohrenentz.
270
W. Therese, 11J.
Lup. nasi et conj.
sin. |
—
Phthisis laryng.
Dacryoc. sin.
271
B. Sophie, 23 J.
Lup. fac. et corp.
L. muc. nasi.
i
i
Bruder des Vaters
starb an Schwind¬
sucht. Lungen¬
entz. überst.
i
Dacryoc. sin. Drü-
senschwell.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 2. 13
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
184
Carl Grouven.
[26
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
272
B. Maria, 21 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Als Kind Augenentz.
| Dacryoc. dupl.
273
B. Adelheid, 30 J.
i
1 Ch. Anna, 27 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
Spitzenkath. 2 J.
später Phthis. pul-
mon. et laryng.
274
Lup. hyp. fac.
et corp.
Mutter leidet an
Schwindsucht, ein
Bruder an Gelenk-
tub.
275
D. Anna, 21 J.
Lup. fac. corp.
et muc. oris.
Keine Hered.
Dacryoc. d.
276
D. Hulda, 15 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Bruder leidet an
Drüsen. Seit Jug
Augenentz.
Phthis. pul mon.
277
F, Eugenie, 20 J.
Lup. nasi.
Keine Hered.
Dacryoc. sin.
278
G. Marg., 17 J.
Lup. fac. et corp.
L. muc. nas.
et oris.
Mutter an Schwinds.
gest. Seit Jugend
Drüsen u. Augen¬
entz.
Mac. corn. sin.
Phthis. laryng.
279
G. Karoline, 8 J.
Lup. fac.
Mutter und Gross¬
mutter an Phthise
gest.
Drüsenschwellung.
Spitzenkath. links.
280
G. Elis., 19 J.
Lup. fac. et cub.
sin.
1
Vater, Bruder des
Vaters, Bruder der
Mutter, Bruder d.
Pat. starben an
Schwinds. Vater
litt auch an Lupus.
Spitzenaff. rechts.
281
H. Maria, 6 J.
Scrophulod.
Mutter an Schwind¬
sucht gest.
Drüsenschw.
282
K. Elis., 48 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Scrophulod.
Keine Hered.
Drüsenschw. Da-
cr^oc. sin. Spitzen-
283
K. Elis., 39 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Schwester starb an
Schwindsucht.
—
284
L. Kath., 30 J.
Lup. fac.
Mutter und 2 Ge¬
schwister ders. an
Schwinds. gest.
Ein Bruder des
Pat.de8gl.Als Kind
Rippenfellentz.
Drüsenschw. Drü-
sennarb. Spitzen¬
kath. beiders.
285
L. Kath., 30 J.
Lup. nas.
Keine Hered.
Drüsenschw.
286
L. Elise, 17 J.
Lup. nas. et muc.
nasi, später
auch muc. oris.
Mutter an Phthise
gest. |
Spitzenaff., später
Phthis. laryng.
287
M. Maria, 19 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Hered.
—
288
P. Christine, 18 J.
Scroph. mal. d.
i
Mutter an Schwind¬
sucht gest. Vater
später an Schwind¬
sucht gest.
Drüsenschwellung.
Spitzenkath. links.
Digitized by google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
27]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
185
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
289
P. Mar., 15 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
Schwester starb an
Schwindsucht.
Conjunct. phlyct.
Drüsenschwell.
Phthis. pulm. et
laryng.
290
P. Mar., 20 J.
Lup. nas. et muc.
nas. Scroph.
Schwester starb an
Schwinds. Seit
Jugend Drüsen u.
Augenentz.
Spitenkath. links.
291
R. Agnes, 21 J.
Lup. fac.
Bruder leidet an
Drüsen.
—
292
R. Anna, 19 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
Drüsenschw.
293
Sch. Marg., 3 J.
Scroph. fac.
Keine Hered.
Drüsenschw.
294
Sch. Hulda, 23 J.
Lup. hyp. fac.
L. conj. sin.
Vater an Phthise
gest.
Dacryocyst. sin.
Pannus oc. sin.
Drüsenschw.
295
|
St. Johanna,
23 J.
i
L. hyp. fac. et
com. L. muc.
nasi.
Vater, Vater der
Mutter, drei Ge¬
schwister starben
an Phthise. Bru¬
der der Mutter u.
eine Schwester d.
Pat. leiden an
Phthise.
Spitzenkath.
296
Y. Margot, 17 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Mutter hustet.
Schwester leidet
an chron. Knie-
gelenksentz.
Dacryocyst. sin.
Drüsenschw.
297
A. Emma, 28 J.
Lup. fac.
Mutter starb an
Brustkr. Mehrfach
an Hftmopt. gel.
Drüsenschwellung.
Phthis. (?) pulm.
298
B. Kath., 17 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
Drüsenschw.
299
B. Sophie, 17 J.
Lup. nas. et muc.
nas. Scroph.
fac.
Grossmutter u. ein
Bruder ders. litten
an Lupus. Als
Kind Drüsen und
Augenentz.
300
ß.Thimoth., 17 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Grossvater starb an
Schwindsucht.
Dacryoc. d. Drüsen¬
schwell.
301
B. Wilhelmine,
15 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Mutter an Kehlkopf-
schwinds., Bru¬
der an Lungen-
schwinds. gest.
Dacryocyst. links.
Spitzenkath.rechts.
302
E. Johanna, 7 J.
Lup. fac. et corp.
Keine Hered.
Drüsenschw.
303
F. Maria, 33 J.
Lup. fac. et colli.
Früher Drüsen.
—
304
G. Anna, 24 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
—
305
G. Maria, 27 J.
i
Lup. fac. et corp.
muc. nasi et
oris. Scrophul.
Keine Hered.
1
Phthis. pulmon. et
laryng.
13 *
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
186
Carl Grouven.
[28
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
.306
H. Maria, 14 J.
Lup. nasi, muc.
nas. et oris.
Schwester litt an
Gesichtslupus.
Phthis. pulmon. et
laryng.
307
H. Elise, 46 J.
Lup. brac. d.
Keine. Hered.
—
308
J. Regina, 11 J.
Lup. nas., muc.
nas. et oris.
Scroph.
Vater an Schwind¬
sucht gest.
Drüsenschw.
309
K. Helene, 38 J.
L. fac. et man.
d. conjunct. d.
muc. nasi et
oris. Scroph.
fern. sin.
Kalter Abscess
im Rücken.
Vater hustet.
Abgeh. Karies der
recht. Hand. Drü¬
senschw. Spitzen-
kath.
310
K. Bertha, 36 J.
L. nas. et muc.
nasi.
Eine Schwester litt
an Drüsen. Als
Kind Augenentz.
Drüsenschw.
311
P. Kath., 19 J.
Lup. fac. Scroph.
Vater an Brustfieber
gest. Mutterstarb
an Schwinds. Als
Kind Augenentz.
Mac. corneae utr.
Dacryocyst. dupl.
Drüsenschw.
312
Sch. Kath., 30 .T.
Lup. fac muc.
nas. et oris.
Mutter an Phthise
gest.
Spitzenkath. Drfi-
senschwell.
313
T. Lina, 39 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Hered.
—
314
T. Christine, 31J.
Lup. fac. et corp.
Ein Bruder an Hüft-
gelenksentz., einer
an Meningit. gest.
Drüsenschw.
315
U. Anna, 20 J.
Lup. nas. muc.
nas. et oris.
Vater an Lungen-
entz. gest.
Drüsenschw. Phthis.
laryng.
316 j V. Christine, 16 J.
i
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered. Als
Kind Augenentz.
Dacryocyst. sin.
Drüsenschw.
317
W. Marg., 13 J.
Lup. fac.
Keine Hered. Früher
Drüsen.
Drüsenschw.
318
B. Christine, 31J.
Lup. nasi.
M ehrere Geschwister
des Vaters an
Phthise gest. Als
Kind Augenentz.
Leukom d. rechten
Cornea. Phthis.
pulm.
319
B. Gertr., 18 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Mutter an Phthise,
Schwester an Kno-
chenfrass gest. Als
Kind Drüsen.
Drüsenschwellung.
Phthis. (?) pulm.
320
D. Sophie, 58 J.
L. nas. et muc.
nas.
Mutter an Phthise
gest.
Drüsenschwellung.
Spitzen affekt.
321
i
E. Helene, 13 J.
Lup. fac. et muc.
nas. Scrophul.
Mutter hustet.
_ - •
322
1
E. Elis., 14 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Keine Hered.
Spitzentiefstand.
323
E. Josephs, 46 J.
1
Lup. genital, et
ani.
i
Mutter an Schwind¬
sucht gest. Bruder
und Schwester des
Vaters an Brust¬
wasser gest.
Drüsenschwellung,
Phthis. pulmon.
Digitized by
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
29J
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
187
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
324 F. Gertr., 33 J. Lup. fac.
325 G. Adele, 13 J. Lup. fac.
326 H. Marg., 8 J. Lup. fac.
327 H. Elise, 18 J. Lup. hyp. fac.
328 H. Christine, 19J. Lup. nas., muc.
nas. et oris.
329 K. Emma, 12 J. Lup. fac. et muc.
nasi.
330 K. Kath., 19 J. Lup. nas. et muc.
! nas.
3311 K. Charlotte, 66 J. Lup. fac.
332 K. Marg., 24 J, ! Lup. muc. oris.
| Scroph. sanat.
333 L. Anna, 64 J. j Lup. brach, d.
334 L. Anna, 12 J. Lup. fac. Scropb.
j colli.
335 O. Helene, 51 J. | Lup. fac.
336 : P. Anna, 23 J. j Lup. fac. et muc.
I | nas.
337 j R. Karoline, 34 J. j Lup. fac. et muc.
338 Sp. Kath., 32 J. Lup. nas. et muc.
nasi.
339 St. Elise, 55 J. Lup. nasi.
340 ! v. S. Dina, 27 J. Lup. fac. et corp.
j | L. conj. sin.
Mutter an Phthise DrOsenschw. Mac.
gest. corn. utr.
Grossvater an Hy- DrOsenschw.
drops gest.
Keine Hered. DrOsenschw.
Vater an Phthise DrOsenschw. Phthis.
gest. 2 Geschw. pulmon. Fungus
der Mutter und 2 genu d.
Geschw. d. Pat.
starb, an Phthise.
Eine Schwester d.
Mutter leidet an
Hämoptoe.
Mutter an Schwind- —
sucht gest. In d.
Kindh. A ugenentz.
Keine Hered. —
Vater an Schwind- DrOsenschw.
sucht gest.
Mutter an Wasser- DrOsenschw.
sucht und Fuss-
gelenkseiter gest.
Mann an Phthise
gest.
Mutter an Brustkr. | Ulc. corn. d. Drü-
gest. I senschwell.
Keine Hered. j —
Grossvater litt an DrOsenschw.
Lupus.
Vater, Mutter, 2 Phthis. pulm.
Brüder des Vaters,
eine Schwester d.
Mutter, ein Bruder
d. Pat. an Phthise
gest. Mann starb
an Phthise, mehr.
Geschwist. leiden
an Drüsen.
Mutter an Brust- Dacryoc. sin.
wasser gest. Als
Kind Drüsen.
Als Kind Hornhaut- Drüsennarben. Leu-
entz. com. com. d.
Phthis. pulmon.
Keine Hered. —
Vater, Mann und 2 | —
Kinder an Phthise I
gest. |
Als Kind Drüsen u. , —
Augenentz.
Phthis. pulm.
Digitized fr,
Google
Original fro-m
UN1VERSITY OF MINNESOTA
188
Carl Grouven.
[20
Digitized by
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens s
841
W. Marg., 25 J.
Lup. fac. et corp.
_
Drüsen. Spitzentief-
stand.
342
W. Johanna, 13 J.
Lup. nasi et muc.
Vater an Phthise
Drüsenschw.
nas.
gest. Bruder leidet
an Drüsen.
343
W.Karoline,22J.
Lup. muc. nas.
Vater an Blutsturz
Drüsenschw.
gest.
344
B. Cficilie, 17 J.
Lup. fac. muc.
! Mutter hustet.
Drüsenschwellung.
nas. et oris.
Spitzenaff. links.
345
B. Maria, 17 J.
Lup. fac. et muc.
i Eeine Hered.
Drüsenschw.
nasi.
346
Ch. Magd., 66 J.
Lup. fac. et
Keine Hered.
—
Carcin.
847
C. Anna, 20 J.
Lup. fac. muc.
Vater litt an Drüsen.
Drüsenschw.
nas. et oris.
348
D. Kath., 27 J.
Lup. fac. muc.
Vater hustet.
Drüsenschw. Mac.
nas. et conj.
corn. sin. Spitzen-
utr.
aff. rechts.
349
D. Magd., 13 J.
Lup. fac. et muc.
Eeine Hered.
—
nas.
350
E. Josepha, 17 J.
Lup. nas. et muc.
Eine Schwest. leidet
Spitzenaffekt, links.
nasi.
an Tränenfistel u.
Gesichtslupus.
Drüsenschw.
351
F. Johanna, 10 J.
Lup. nas. et muc.
Eeine Hered.
Ulcus corn. d.
nas.
Spitzenaff. rechts.
Drüsenschw.
352
H. Anna, 10 J.
Lup. fac. et auric.
Keine Hered.
—
utr.
353
K. Elis., 24 J.
Lup. fac. muc.
Vater an Lungen-
Phthis. laryng.
nas. et oris.
entz. gest.
354
K. Emilie, 16 J.
Lup. fac. et corp.
Keine Hered.
Drüsenschw.
355
K. Earoline, 32 J.
Lup. fac. et muc.
—
—
nas.
356
K. Amalie, 11 J.
Scroph. fac.
Eeine Hered.
Drüsenschw.
357
K. Elise, 37 J.
Lup. hyp. fac. et
Vater an Schwind¬
Drüsenschw.
auric. sin.
sucht gest.
358
E. Luise, 44 J.
Lup. brach, sin.
Keine Hered.
—
359
E. Marg., 73 J.
Lup. hyp. ped.
Mutter an Schwind¬
Drüsenschw.
sin.
sucht gest.
360
E. Maria, 41 J.
Lup. fac. et muc.
Vater und ein Bru¬
Drüsenschw.
nas.
der an Schwinds.
i
gest. Ein Bruder
leidet an Schwind¬
j
sucht.
361
O. Helene, 22 J.
Lup. fac.
Eeine Hered.
Spitzenaff. rechts.
362
P. Anna, 12 J.
Lup. fac. Scroph.
Keine Hered.
Drüsenschw.
363
P. Gertr., 18 J.
Lup. et Scroph.
Eeine Hered. Als
Spitzenaff. links.
i
fac. L verr.
antibr. sin. et
ped. d.
Kind Augenleiden.
i
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
31]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
189
Nr.
Name and Alter
des Pak
Diagnose
Anamnese
Status praesens
364
P. Gertr., 73 J.
Lup. fac. et muc.
nas. Carcin.
front.
Keine Hered.
Emphysem.
365
Sch. Kath., 14 J.
Lup. brach, utr.
Scroph. fac.
Mutter leidet an
einer Gaumenper-
forat.
Caries man. d.
Drüsenschw.
366
Sch. Apollonia,
19 J.
Lup. nasi.
Keine Hered.
Kerat. superfic. d.
367
Sch. Auguste,
27 J.
Lup. nasi.
Keine Hered.
Drüsenschw.
368
Sch. Klara, 16 J.
Lup. fac. et ped.
sin.
Schwester an Wir¬
belkaries u. Fun¬
gus pedis gest.
Caries oss. zygotn.
san.
369
Sch. Elise, 11 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
Drüsenschw. Habi¬
tus phthis.
370
S. Susanne, 41 J.
Lup. fac. et corp.
Care, colli.
—
Spitzen aff. rechts.
371
T. Bertha, 18 J.
Lup. man. d.
Schwester starb an
Schwinds.
SpitzenafF.
372
W. Kath., 18 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
—
373
y. Z. Luise, 20 J.
Lup. fac« et muc.
nas.
Vater und Mutter
an Lungenentz.
gest.
374
B. Kath., 13 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
! Spitzenaff. rechts.
Drüsenschw.
375
B. Anna, 26 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Vater hustet. Als
Kind Augenloid.
Dacryoc. Spitzen-
' aff. links.
376
D. Emilie, 13 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
—
| Spitzenaff. links.
377
E. Elis., 18 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
—
j Phthis. pulmon.
378
E. Helene, 31 J.
L. fac. et corp. j
Scroph. ped.
—
1 Caries man. d.
Phthis. pulm.
379
F. Josepha, 11 J.
Scroph. fac.
Bruder leidet an
Wirbelkaries.
Drüsenschw.
380
F. Albertine,
36 J.
i
Lup. nas. muc.
nas. et oris.
1 Bruder an Schwind -
1 sucht gest. Als
Kind Drüsen.
Spitzenaff. links.
381
H. Anna, 21 J.
Lup. fac. et corp.
et muc, oris.
Vater leidet an
Phthise.
Phthis. pulmon. et
laryng.
382
H. Antoniette,
52 J.
Lup. fac. et Care.
Keine Hered.
—
383
H. Kath., 20 J.
Lup. nas. muc.
nasi et oris.
Keine Hered.
i
1 Spitzenaff. links.
384
J. Christine, 15 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
Spitzenkath. rechts.
Otit. med. chron.
dupl.
385 j
i
J. Maria, 46 J.
Lup. fac. et Care.
2 Schwestern an
Brustleiden gest.
—
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
190
Carl Grouven.
132
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
386
J. Gertr., 52 J.
Lup. muc nas.
1
Spitzenaff. rechts.
387
K. Kath., 29 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
V ater u. 2 Gesch wist,
an Phthise gest.
Drüsenschwellung.
Phthis. pulmon.
388
K. Maria, 16 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Bered.
Drtisenschw.
389
K. Sophie, 25 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Vater an Phthise
gest. Als Kind
Drüsen.
Drüsenschw.
390
L. Bertha, 35 J.
Lup. nasi.
Keine Hered.
Drüsenschw.
391
M. Alwine, 11 J.
Lup. fac. et cubit.
utr.
Keine Hered.
Phthis. pulm. Ky-
phos. e Carie.
Drüsenschw.
392
M. Christine,
49 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
Spitzenaff. links.
393
M. Gertr., 22 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
Spitzenkath. rechts.
Dacryoc. d. Drü¬
senschw.
394
M. Kath., 15 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered. Als
Kind Augenentz.
Dacryocyst. d.
Spitzenaff. rechts.
395
M. Elise, 34 J.
Lup. fac.
Keine Hered. Als
Kind Drüsen.
Drüsenschw.
396
O. Franziska,
29 J.
Lup. fac. corp.
et muc. oris.
Keine Hered.
Phthis. pulm.
397
R. Maria, 16 J.
Lup. fac
Keine Hered.
Dacryoc. d. Drüsen-
schwell.
398
R. Anna, 27 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Keine Hered.
i
! Phthis. pulm.
399
Sch. Math., 38 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
—
400
Sch. Anna, 28 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Eltern an Phthise
gest. Als Kind
Augenentz.
Spitzenaff. links.
401
Sch. Gertr., 32 J. J
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Keine Hered.
—
402
Sch. Elis., 39 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Mutter an Phthise
gest.
Phthis. pulm. Drü¬
senschw.
403
S. Anna, 14 J.
Lup. antibr. sin.
et crur. utr.
Keine Hered.
—
404
S. Kath., 18 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Keine Hered.
Drüsenschw.
405
S. Kath.. 48 J.
Lup. fac. crur.
sin. muc. oris
Scroph. fac.
Keine Hered. Als
Kind Drüsen- u.
Augenentz.
Spitzenkath. rechts.
Leucoma adh. beider¬
seits, Drüsenschw.
406
W. Anna, 9 J.
Scroph. cap.
Keine Hered.
Caries oss. front.
Phthis. pulm.
407
W. Christine,
18 J.
Lup. nas.
| Keine Hered.
Spitzenaff. rechts.
408
W. Jda. 16 J.
Lup. fac. et muc.
i nas.
Keine Hered.
1 1
Dacryoc. dupL mac.
com. utr.
Digitized by google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
33]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
191
Nr.
i
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
1
Anamnese
i
Status praesens
409
B. Marg., 42 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Vater u. Schwester
an Phthise gest.
Spitzenaff. rechts.
410
B. Joseph ine, 19 J.
Lup. nas. muc.
nas. et oris.
Vater an Lungenl.
Schwester an Me¬
ningitis gest. Eine
Schwester leidet
an Drfisen.
Phthis pulm et
laryngis. Drüsen¬
schwellung.
411
B. Elise, 13 J.
Lup. fac. et
antibr. d. L.
muc. nasi et
oris.
Vater lungenleid.
Spitzenaff. links.
412
F. Anna, 52 J.
L. verr. man. sin.
Vater an Phthise
gest.
Phthis. pulm.
413
G. Anna, 25 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
Spitzenaff. rechts.
414
G. Anna, 27 J.
Scroph. fac.
Keine Hered.
Phthis. pulm. Drü¬
senschwellung.
415
H. Kath., 17 J.
Lup. man. sin. et
auris d.
Schwester starb an
Lungenl.
_
416
H. Wilhelmine,
21 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Mutter leidet an
Phthise. Als Kind
Drüsen u. Augen¬
entzündung.
Spitzenaff. rechts.
417
H. Anna, 25 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Spitzenaff. rechts.
418
H. Elise, 18 J.
Lup fac.
10 Geschwister früh
an Husten, Brust-
entz. u. Durchfall
gest.
Spitzenaff. rechts.
Drüsenschw.
419
H. Anna, 51 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Schwester hustet.
—
420
E. Elise, 24 J.
L. verr. antibr.
Qin
Keine Hered.
Spitzenaff. links.
421
K. Christine, 18 J.
L. nasi, muc. nasi
et oris
Mutter u. Schwester
gest. an Phthise
1 Phthis. pulmon. et
| laryng.
422
K. Sibilla, 31 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
423
K. Anna, 33 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Bruder gestorben an
Phthise.
Dacryoc. d., Spitzen¬
affektion links.
424
K. Maria, 37 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Grossvater, Vater u.
Bruder gest. an
Phthise, 6 Kinder
gest. an Skroful.
Spitzenaff., rechts.
425
M. Agnes, 13 J.
Scroph. fac
Mutter leidet an Ge-
sichtölup. Früher
Augenentz.
Spitzenaffek. rechts,
| Drüsenschwellung.
426
M. Maria, 21 J.
Scroph. fac.
Mutter leidet an
Lupus d. Nase.
j Drüsenschwellung.
427
N. Anna, 15 J.
Lup. nas.
Keine Hered.
| —
428
R. Marg., 25 J.
j Lup. fac. muc.
j nas et oris
Keine Hered.
i
1 Dacryocystitis d.
Drüsenschwellung.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
192
Carl Grouven.
Digitized by
134
Nr.
Name und Alter
Diagnose
Status praesens
des Pat.
Anamnese
429
S. Anna, 31 J.
Lup. muc. nas.
Schwester gest. an
Drüsenschwellung.
Schwindsucht.
430
S. Maria, 21 J.
Lup. fac. et muc.
Keine Hered.
Spitzenaffek. rechts.
nas.
431
Sch. Kath., 19 J.
Lup. nas et muc.
Vater hustet.
Spitzen affe k. rechts,
nas.
Drüsenschwellung.
432
Sch. Agnes, 26 J
Lup. fac. et anti-
Mutter u. Schwester
Spitzenaffekt, links,
brach, utr.
husten. Als Kind
Augenentz.
Caries man. d. san.
433
Sch. Kath., 16 J.
Lup. muc. oris et
Mutter hustet.
Phthis. pulm.
conj. d.
434
S. Kath., 20 J.
Lup. fac. muc.
Mutter an Phthise
Spitzenaffek. rechts.
nas. et oris
gest.
435
T. Maria, 15 J.
Lup fac. et corp.
Vater an Phthise
Conjunct. phyct. sin.
Scrophul.
gest.
Gibbus. Phthis.
pulm.
436
v. d. W. Elise,
Lup. nas. muc.
Eltern an Phthise
Drüsenschwellung.
30 J.
nas. et oris.
gest.
Spitzenaff. rechts.
Pnthis. laryng.
437
W. Rosa, 20 J.
L. muc. oris.
Keine Hered.
—
438
W. Anna, 41 J.
L. fac. muc. nas.
Vater an Phthise
Phthis. pulm. Leu-
gest.
coma adh. d.
439
Z. Christine,
Lup. fac.
Keine Hered.
Spitzenaff. rechts.
21 J.
440
B. Anna, 12 J.
Lup. fac. muc.
Keine Hered.
Mac. corn. utr.
nas. et oris.
441
V. Veronika,
Lup. fac. et muc.
Keine Hered. Rippen-
Spitzenaff. links.
40 J.
nas.
fellentz. ttberst.
442
B. Marg., 10 J.
Lup. muc. nas.
Keine Hered.
Dacryoc. sin. Caries
Scroph. crur.
sin.
oss. nas. sin.
443
C. Maria, 25 J.
Lup. fac. et muc.
Vater an Brust¬
Drüsenschw.
nas.
wasser gest.
444
F.Josephine, 17J.
Lup. fac.
Mutter an Lungen-
Spitzenaff. rechts.
entz. gest.
445
M. Bertha, 22 J.
Lup. fac. et muc.
Vater an Lungen-
—
nas.
entz. gest.
446
G. Magd., 20 J.
Lup. verr. man.
Vater an Lungen-
—
sin. et Scroph.
entz., Mutter an
L. hum. sin.
Phthise gest. Ein
Bruder litt an Lu¬
pus des Gesichts,
gest., desgl. ein
lebender Bruder.
447
H. Pauline, 14 J.
Lup. fac.
Keine Hered. Beginn
Drüsenschw.
m. Drüseneiterung.
448
H. Kath., 32 J.
L. verr. man. sin.
Keine Hered.
—
Scrophulod.
449
H. Adele, 22 J.
Lup. fac.
Eltern an Phthise
Drüsenschw.
gest. Seit Kind¬
heit Drüsen.
Go igle
Original frurn
UNIVERSITY OF MINNESOTA
35]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
193
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
450
K. Luise, 18 J.
Lup. ped. d.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
451
K. Kath., 15 J.
Lup. diss. corp.
et muc. oris.
Matter an Phthise
gest.
Drüsenschwellung.
452
1
L. Gertr., 9 J.
Scroph. fac.
Keine Hered.
Spitzenaffekt, links,
Drüsenschw.
453
M. Therese, 22 J.
Scroph. fac.
Keine Hered.
—
454
N. Anna, 27 J.
Lup. fac.
Mutter an Phthise
gest.
—
455
Sch. Helene, 22 J.
Scroph. auris sin.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
456,
Sch. Helene, 27 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Spitzenaffekt., links.
457
T. Anna, 26 J.
Lup. fac.
Keine Hered. Als
Kind mehrfach
kalte Abscesse
Spitzenaffek., rechts.
Phthiais laryng.
Drüsenschw.
458
B. Marg., 22 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
459
B. Maria, 12 J.
Lujj.’fac. et brach,
sin. L. muc.
nas.
Keine Hered.
Otitis med. sin. Ulcus
corn. sin,
460
B. Maria, 13 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
—
461
H. Kath., 26 J.
Scrophuloderm.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
462
H. Magd., 61 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
468
J. Gertr., 11 J.
Scroph. fac.
Mutter an Phthise
gest
Als Kind Augenentz.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
464
K. Gertr., 23 J.
Scroph. fac., Lup.
nas. et muc.
nas.
—
465
L. Marg., 26 J.
Lup. nas. muc.
nas. et oris
Mutter an Phthise
gest
Dacryocystitis d.
Drüsenschw.
466
M. Marg., 28 J.
Lup. sero. man.
et antibr. sin.
Vater gest. an Brust¬
wassers.
—
467
Sch. Kath.. 18 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Eltern u. Schwester
gest. an Phthise
Dacryoc. sin. Ulcera
corn. sin.
468
Sch. Mina,“5 J.
Scrophuloderm.
Keine Hered.
Rhinitis chron.
Drüsenschw.
469
Sch. Wilhelmine,
19 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Drüsenschwelluug.
470
W. Christine, 9 J.
Lup. nasi et muc.
nasi
Vater hustet.
Phthis. pulm.
471
E. Kath., 8 J.
Scroph. fac.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
472
J. Christine, 17 J.
Scroph. fac.
Mutter an Phthise
gest.
—
473
H. Marg., 35 J.
Lup. nasi
Keine Hered.
—
474
H. Marg., 35 J.
Lup. fac. et corp.
Keine Hered.
i
475
L. Gertr., 32 J.
Lup. fac.
Vater gest. an Brust¬
wassers.
Drüsenschwellung.
476
L. Anna, 31 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
477
R. Sibilla, 18 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
478
R. Sibilla, 16 J.
Lup. man. sin.
Scrophul. san.
Mutter an Schwind¬
sucht gest.
I —
Digitizetf b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
194
Carl Grouven.
[36
Digitized by
Nr.
_J
Name und Alter
des Fat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
479
Sch. Jettchen,
13 J.
Lup. fac*
Mutter an Lungen-
entz. gest. Lungen-
entz. tiberst.
—
480
S. Helene, 54 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
481
S. Marg., 11 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
482
Tb. Bertha, 23 J.
Lup. man. d.
i
Zwei Schwestern an
Schwinde. gest.
Alle Geschwister
leiden an Drfisen.
483
W. Helene, 21 J.
Lup. colli.
Keine Hered. Seit
Kindh. Drüsen.
Drüsenschwellung.
Rhinitis chron.
484
B. Anna, 27 J.
Lup. auric. sin.
Mutter an Schwind¬
sucht gest.
— ,
485
D. Caroline, 18 J.
Scrophulod.
Keine Hered. Pleu¬
ritis überst.
Phthis. pulmon.
486
F. Josepha, 13 J.
Scroph. fac.
Keine Hered.
Rhinitis ulceroB.
Blephar. ulceros.
487
G. Kath., 29 J.
Lup. nasi et muc.
nasi.
Keine Hered.
—
488
G. Maria, 16 J.
Lup. fac.
Mutter an Schwinds.
gest.
—
489
H. Susanne, 18 J.
Lup. fac.
Vater hustet.
—
490
K. Anna, 11 J.
Lup. fac. et corp.
Keine Hered.
—
491
K. Elise, 12 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
Dacryoc. sin.
492
L. Hulda, 24 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
2 Geschwister an
Gehirnentz. gest.
Dacryoc. d.
493
Sch. Lina, 20 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Keine Hered.
—
494
U. Elise, 8 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Eltern husten. Ge¬
schwister leiden
teils an Drüsen,
teils an Knochen¬
erkrankung.
Fungus ped. d.
495
W. Kath. 12 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Keine Hered.
Mac. corn. sin.
496
W. Maria, 14 J.
Lup. fac. et corp.
Keine Hered.
—
497
A. Anna, 19 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
498
B. Magd., 28 J.
Lup. fac.
Mutter an Phthise
gest.
—
499
B. Maria, 18 J.
Lup. fac. muc.
nasi et oris.
Bruder an Phthise
gest.
—
500
D. Joh., 8 J.
Scrophulod.
Mutter litt an Drü¬
sen.
—
501
D. Marg., 20 J.
Lup. verr. crur.
utr.
Keine Hered.
—
502
D. Sophie, 13 J.
i
Lup. fac.
Vater an Phthise j
gest.
1
Phthis. pulm.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
37]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophulodenna.
195
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
i
Status praesens
503
E. Maria, 41 J.
Lup. fac. et corp.
L. muc. nasi.
Keine Hered.
Multiple tnbercul.
Arthritis.
504
F. Dora, 26 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Vater an Phthise
gest.
Drüsenschwellung.
505
F. Maria, 8 J.
Lup. fac.
Vater an Phthise u.
Gehirnentz. gest.
Drüsenschwellung
506
G. Barb., 17 J.
Lup. fac.
Bruder leidet an
Drüsen.
Drüsenschwellung.
507
H. Anna, 37 J.
Lup. nas. et muc.
nasi.
Mann an Phthise
gest. Pleuritis
überstanden.
Phthisis pulm.
508
H. Mina, 26 J.
Lup. fac. et conj.
sin.
Vater u. 5 Geschwi¬
ster an Phthise
gest.
Conjunct. phlyctaen.
sin. Drüsenschw.
509
H. Maria, 16 J.
i
Lup. antibrach,
sin.
Früher wegen Scro-
phulod. behandelt.
Keine Hered.
510
I
E. Anna, 27 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered.
—
511
K. Magd., 12 J.
Lup.fac.muc. nas.
1 etconjunct.sin.
Vater an Lungen-
entz. gest., früher
Drüsen u. Augen¬
leiden.
Pannus oc. utr.
Drüsenschwellung.
512
L. Anna, 60 J.
Lup. fac. et colli.
Keine Hered. Früher
Drüsen.
Drüsenschwellung.
513
M. Elise, 15 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
514
N. Doroth. 33 J.
Lup. fac. muc.
nas et oris.
Keine Hered. i
Dacryoc. sin.
515
Sch. Helene, 17 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Keine Hered. j
i
—
516
O. Henriette, 18 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
—
517
E. Elise, 20 J.
Lup. muc. nas.
Vater hustet. Als
Kind augenleid.
Phthis. pulm.
518
O. Franziska,
51 J.
Lup. nas. muc.
nas. et oris.
Keine Hered.
—
519
P. Martha, 24 J.
Lup. fac. corp. et
muc. oris.
Keine Hered.
—
520
A. Klara,
Lup. fac.
Keine Hered.
—
521
B. Johanna, 54 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
522
B. Gertr., 27 J.
Lup. fac.
Mann litt an Lupus
u. starb an Phthis.
pulm. et laryng.
Ein Kind an tuber-
kul. Hautausschl.
gest.
Tuberc. urogenit.
523
F. Adolfine, 17 J.
Lup. fac. et muc.
oris.
Keine Hered.
—
524
G. Christine, 24 J.
Lup. antibr. utr.
Mutter an Phthise
gest.
1
Digitized by Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
196
Carl Grouven.
[38
Digitized by
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
525
H. Mathüde, 57 J.
Lup. fac. et corp.
Scroph. fac.
Keine Hered.
—
526
H. Louise, 24 J.
Lup. fac.
Mutter an Lungen¬
leiden gest.
Drüsenschwellung.
527
H. Emma, 19 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
528
K. Elis., 15 J.
Lup. fac. et corp.
L. muc. oris.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
529
Sch. Marg., 17 J.
Lup.nasi, Scroph.
colli
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
530
Sch. Karl, 6 J.
Lup. verr. colli.
Keine Hered.
_
531
Sch. Maria, 24 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
532
E. Helene, 40 J.
Lup. fac. et
pedis. d.
Mutter an Phthise
gest.
Phthis. pulm.
583
F. Helene, 18 J.
Lup. fac.
Schwester leidet an
Lupus.
—
534
F. Amalie, 25 J.
Lup. nas, et muc.
nas.
—
Drüsenschwellung.
535
H. Magd., 18 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Vater an Schwinds.
gest. Im 10. Jahre
Coxitis sin. mit
Fistelbildung.
Coxitis sin. san.
536
H. Amalie, 25 J.
Lup. verr. brach,
sin. et corp.
Keine Hered. Zahl¬
reiche Scrophul.-
Narben.
Caries brach, sin.
537
J. Justine, 41 J.
Lup. fac.
Eltern u. Schwestern
an Phthise gest.
Drüsenschwellung.
Tuberc. pulmon.
538
K. Maria, 18 J.
Lup. nasi.
Vater an Phthise
gest.
—
539
K. Therese, 28 J.
Lup. fac. et corp.
L. muc. oris.
Keine Hered.
; -
540
L. Anna, 50 J.
Lup. aur. d.
Keine Hered.
*41
S. Marg., 13 J.
Lup. nas. muc.
nas. et oris.
Keine Hered.
542
Sch. Gert., 54 J.
Lup. verr. anti-
br. sin.
Mutier an Sch winds.
gest. Vor 1 Jahr
wegen Fungus
man. d. operiert.
Phthis. pulm.
543
Sch. Kath., 23 J.
Lup. verr. antibr.
aextr.
Keine Hered.
—
544
ß. Kath., 19 J.
Lup. muc. oris.
Keine Hered.
Phthis. laryng. et
pulmon.
545
D. Gertr., 17 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
Vater an Lungen¬
leiden gest. Ge-
schw. leiden an
Drüsen. Vielfach
Augenentz.
Dacryocystitis sin.
Spftter gestorben
an Miliartuberkul.
546
D. Maria, 21 J.
Lup. muc. nas. et
oris.
Keine Hered.
—
547
K. Anna, 9 J.
Lup. fac. et muc.
nas.
Keine Hered.
Kyphosis e CanV
Phthis. (?) pulm.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
39]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophulodenna.
197
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
548 E. Elise, 53 J. Lup. fac. et muc.
nas.
549 K. Emma, 18 J. Lup. fac. et
femor. d.
550 N. Magd., 48 J. Lup. nas. et muc.
nas.
551 S. Christine, 19 J. Luj>. fac. et brach.
sin.
552 S. Kath., 55 J. Lup. fac.
553 A. Klara, 14 J. Scroph. fac.
554 B. Anna, 19 J. Lup. nasi et muc.
oris.
555 B. Gertr., 41 J. Lup. fac.
556 D. Elise, 28 J. Lup. fac.
557 H. Marg., 27 J. Lup. fac. et brach.
d. et muc. oris.
558 H. Susanne, 18 J. Lup. fac.
Keine Hered. Seit | Drüsensch wellung.
Kindh. Drüsen. i
Keine Hered. I
Keine Hered. 1
Aus Drüsen entst.!
Keine Hered.
Vater an Lungen¬
leiden gest.
An gleicher Stelle
früher Lupus. Ex-
cision. Scroph. in
der Narbe. Keine
Hered.
Mutter an Lungen-
krankh. gest.
Keine Hered.
Keine Hered.
Keine Hered.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
Spina vent. dig. III.
man. d.
Phthis. pulm. gest.
an Muiartuberk.
Caries oss. zyg. d.
san. Scroph. fac.
san.
559 H. Christine, 17 J.
Lup. fac. muc.
nas. et oris.
Keine Hered.
560 H. Emma, 20 J. Lup. fac.
561 H. Karl., 46 J.
562 M. Anna, 19 J.
563 Sch. Elise, 28 J.
564 Sch. Emma, 20 J.
565 T. Kath., 11 J.
Lup. nas. et muc.
nas.
Lup. nas. et muc.
nas.
Lup. nas. et corp.
L. muc. nasi.
Lup. hyp. fac. et
corp.
Lup. nasi et
antibr. sin. L.
muc. nasi et
Vater an Phthise —
gest.
Vater an Lungen- Mac.corn.d.(Iridect.)
leiden gest. Phthis. oc. sin.
Heine Hered. —
Keine Hered. —
Keine Hered. —
Mutter an Lungen- Phthis. bulb. sin.
leiden gest. Dacryoc. sin.
566 W. Christine,
64 J.
567 B. Klara, 24 J.
568 D. Klara, 19 J.
569 I F. Maria, 22 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
Lup. fac. et corp. Keine Hered.
Lup.fac.muc. nas.
et conj. dextr.
Scroph. fac. et
colli.
Lup. fac. et muc.
oris.
Vater an Phthise
gest.
Keine Hered.
Zahlreiche Scroph u-
lodermanarben.
Drüsenschwellung.
| Habit, phthis.
Digitized fr,
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
198
Carl Grouven.
[40
Nr.
Name und Alter
des Pat.
Diagnose
Anamnese
Status praesens
570
J., Karoline, 25 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
_
571
K. Wilhelmine,
24 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
572
L. Barb., 47 J.
L. fac. et corp.
L. muc. oris.
Bruder an Fungus
pedis gest.
Habit, phthis. Phthis.
pulraon.
573
M. Elise, 12 J.
Lup. et Scroph.
fac.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
574
U. Elise, 11 J.
Keine Hered.
Drüsenschwellung.
575
R. Johanna, 27 J.
Lup. fac. et
corp.
Vater an Phthise
gest.
—
576
R. Kath., 14 J.
Lup. fac. et
colli.
Keine Hered.
—
577
Sch. Gertr., 36 J.
Lup. fac.
Vater an Schwinds.
gest. Im Alter v.
2 J. kalter Abscess
am linken Ober¬
schenkel.
578
Sch. Anna, 7 J.
Lup. fac. et corp.
Scrophulod.
Mutter an Phthise
gest.
—
579
Sch. Kath., 20 J.
Lup. fac.
Keine Hered.
—
580
Sch. Wilhelmine,
21 J.
Lup. fac.
Bruder an Knochen¬
tuberkulose gest.
Lungenent. überst.
581
Sch. Lina, 42 J.
Lup. fac.
Vater an Larynx-
phthise, Mutter
an Lungenphtbise
gest. 1 Schwester
leidet an Drüsen.
Entstanden nach
Drtisenexstirpat.
Drüsenschw.
582
S. Gertr., 26 J.
Lup. fac. et muc.
nasi.
2 Schwestern gest.
an Lungenleiden.
1 Schwester leidet
an Gelenktuberk.
Entstanden aus
incid. Drüsenabsc.
Drüsenschw.
583
S. Maria, 21 J.
L. nasi et crur.
sin. L. muc.
nas. et oris.
Scroph. crur.
sin.
Keine Hered.
Lungen u. Gehirn-
entz. überstand.
584
W. Susanne, 17 J.
Lup. fac., muc.
nas. et oris.
Vater hustet.
—
585
Z. Kath., 37 J.
|
1
Lup. fac. et man.
utr. Scroph.
brach, sin.
Mutter an Schwind¬
sucht gest. Vater
leidet an Hämo¬
ptoe. Brud.lungen-
leidend. Schwester
lungenleidend und
verwachsen.
1
Phthis. (?) pulmon.
Rechter kleiner
Finger exartic.
wegen Caries (?)
Fungus cub. sin.
1
Digitized by
Gougle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
41]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
199
Das gesamte Material der Bonner dermatologischen Klinik an
Lupus and Scrophaloderma während des Zeitraumes vom 1. Oktober
1885 bis zum 1. April 1902 beziffert sich auf 1130 Fälle (490 Männer
und 640 Weiber).
Hiervon kamen 584 Fälle (250 Männer und 334 Weiber) zur
Aufnahme, 546 Fälle (240 Männer und 306 Weiber) wurden nur
poliklinisch beobachtet.
- Von den letzteren sind 368 Fälle statistisch nicht zu verwerten,
da sich bei denselben keine ausreichende Notizen über die hier in
Betracht kommenden Verhältnisse vorfinden. Es sind dies 292 Fälle
von Lupus (134 Männer und 148 Weiber) 55 Fälle von Scrophuloderma
(27 Männer und 28 Weiber), 21 Fälle von Lupus und Scrophuloderma
(11 Männer und 10 Weiber).
Auch die übrigen poliklinischen Fälle habe ich geglaubt gesondert
von den klinisch behandelten statistisch verarbeiten zu sollen, weil
naturgemäss auch bei jenen die betreffenden Angaben nicht auf das
Maas von Vollständigkeit Anspruch machen können, wie es bei den
stationär behandelten Kranken erreichbar war.
Die verwertbaren 178 Fälle der Poliklinik umfassen: 136 Fälle
von Lupus (48 Männer und 88 Weiber), 25 Fälle von Scrophuloderma
(12 Männer und 13 Weiber), 17 Fälle von Lupus und Scrophuloderma
(8 Männer und 9 Weiber).
Von den 153 Fällen von Lupus war bei 129 nur die äussere
Haut befallen (51 Männer und 78 Weiber), bei 4 Weibern nur die
Schleimhaut, bei 20 Fällen (5 Männer und 15 Weiber) Haut und
Schleimhaut affiziert.
Betrachten wir die gesamten hier in Betracht kommenden
178 Fälle (68 Männer und 10 Weiber) auf ihre Beziehung zu sonstiger
Tuberkulose, so ergibt sich folgendes:
Hereditäre Belastung und anderweitige Tuberkulose bei den Pa¬
tienten selbst oder deren nächsten Angehörigen fand sich bei 8 Män¬
nern (11,73 %), 21 Weibern (19%) = 29 Fällen (16,3%); Heredität
allein bei 14 Männern (20,59%), 23 Weibern (21%) = 37 Fällen
(20,8 %); anderweitige Tuberkulose allein bei 36 Männern (53 %),
57 Weibern {51,8 %) = 93 Fällen (52,25%); weder Heredität noch
anderweitige Tuberkulose bei 10 Männern (14,7%), 9 Weibern (8,2 %)
= 19 Fällen (10,68 %); somit Heredität oder anderweitige Tuber¬
kulose bei 85,3 % der Männer, 93,8 % der Weiber = 80,32 °/o aller
Fälle.
Sondern wir dis 178 Fälle in solche von Lupus, Scrophuloderma
und Lupus kompliziert mit Scrophuloderma, so ergibt sich:
Beitrftge eut Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 2. 14
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Carl Grouven.
|42
2<K)
Heredität und anderweitige Tuberkulose: ad I. bei 7 M. (14,6°/o), 16 W.
(18,2%) = 23 (17 °/o); ad II. bei 0°/o M., 3 W. (23°/o) = 12°/o;
ad III. bei l M. (12,5°/o), 2 W. (22,22°/o) = 3 (17,65 °/o).
Heredität allein: ad I. bei 8 M. (16,67°/o), 15 W. (17°/o) = 23
(16,9%); ad H. bei 5 M. (41,67 °/o), 5 W. (38,46%) = 10
(40°/o); ad HI. bei 1 M. (12,5°/o), 3 W. (33,33%) = 4 (23,53%).
Anderweitige Tuberkulose allein: ad I. bei 27 M. (56,25 %), bei 49 W.
(55,7%) = 76 (56%); ad II. bei 7 M. (58,3%), 5 W. (38,46%)
= 12 (48%); ad III. bei 2 M. (25%), 3 W. (33,33%) = 5
(29,4%).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: ad I. bei 6 M.
(12,5%), 8 W. (9,1%) = 14 (10,3%); ad II. bei 0 M., 0 W.;
ad III. bei 4 M. (50%), 1 W. (11%) = 5 (29,4%).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: ad I. bei 87,5% M.,
90,9% W. = 89,7%; ad II. bei 100% M., 100% W. = 100%;
ad III. bei 50% M., 89% W. = 70,6%.
In 2 Fällen von Lupus der Haut bezw. der Haut und Schleim¬
haut war Lupus in der Familie (Mutter bezw. Schwester) nachweisbar.
Von insgesamt 153 Fällen von Lupus waren 24 (5 M., 19 W.)
ausschliesslich auf der Schleimhaut lokalisiert oder doch diese mit-
affiziert.
Von diesen wiesen auf:
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 2 M. (40%), 3 W. (15,8%)
= 5 (20,8%).
Heredität allein: 0 M., 4 W. (21%) = 4 (17%).
Anderweitige Tuberkulose allein: 3 M. (60%), 10 W. (52,6%) = 13
(54%).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 0 M., 2 W. (10,5%)
= 2 (8,3%).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 5 M. (100%), 17 W.
(89,5%) = 22 (91,7%).
Demgegenüber ergeben sich für Lupus der Haut ohne Schleim¬
hautbeteiligung einschliesslich der mit Scrophuloderma komplizierten
Fälle folgende Zahlen: 129 Fälle (51 M., 78 W.) davon:
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 6 M. (11,77%), 15 W.
(19,23%) = 21 (16,3%).
Heredität allein: 9 M. (17,65%), 14 W. (18%) = 23 (17,8%).
Anderweitige Tuberkulose allein: 26 M. (51%), 42 W. (53,85%) =
68 (52,71%).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 10 M. (19,6%),
7 W. (8,97%) = 17 (13,18%).
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
201
43] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 41 M. (80,4°/o), 71 W.
(91,03 °/o) = 112 (86,82»
Klinisch behandelt wurden während des angegebenen Zeitraumes
584 Fälle (250 M., 334 W.) von Lupus und Scrophuloderma.
Diese liefern zusammen betrachtet folgende Zahlen:
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 70 M. (28°/ 0 ), 104 W.
(31,14» = 174 (29,79 °/o).
Heredität (inkl. der vorigen): 89 M. (35,6», 125 W. (37,43°/o) =
214 (36,64 °/o).
Anderweitige Tuberkulose (inkl. der ersten): 173 M. (69,2», 247 W.
(74» = 420 (72».
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 58 M. (23,2»,
66 W. (19,76» = 124 (21,23 °/o).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 76,8°/o M., 80,24% W.
= 78,77%.
Die 584 klinisch behandelten Fälle setzen sich zusammen aus:
I. Lupus (nicht kompliziert) 485 Fälle (202 M., 283 W.).
Davon:
1. Lupus der Haut 253 Fälle (125 M., 128 W.);
2. Lupus der Haut und Schleimhaut 224 Fälle (77 M., 147 W.);
3. Lupus der Schleimhaut 8 Fälle (0, M. 8 W.).
H. Scrophuloderma (nicht kompliziert) 35 Fälle (14 M., 21 W.).
IH. Scrophuloderma -J- Lupus 64 Fälle (34 M., 30 W.).
Davon:
1. Scr. + Lupus der Haut 39 Fälle (22 M., 17 W.);
2. Scr. -f* Lupus der Haut und Schleimhaut 23 Fälle (12 M.,
11 W.);
3. Scr. + Lupus der Schleimhaut 2 Fälle (0 M., 2 W.).
Die einzelnen Gruppen dieser Fälle ergaben folgende Verhältnis¬
zahlen:
1. Lupus der Haut (nicht kompliziert):
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 34 M. (27,2%), 29 W.
(22,66%) = 63 (24,9%).
Heredität allein: 11 M. (9%), 13 W. (10,16%) = 24 (9,48%).
Anderweitige Tuberkulose allein: 42 M. (33,6%), 52 W. (40,8%) =
94 (37,1 o/«).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 38 M. (30,4%),
34 W. (26,5%) = 72 (28,46%).
Heredität oder anderweitige Tukerkulose: 87 M. (69,7 %), 94 W.
(73,5%) = 181 (71,54%).
2. Lupus der Haut und Schleimhaut (nicht kompliziert):
14*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
202
Carl Grouven.
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Heredität und anderweitige Tuberkulose: 21 M. (27,27%), 58 W.
(89,46 °/e) = 79 (85,8°/o).
Heredität allein: 6 M. (7,79 °/o), 2 W. (1,36°/o) = 8 (3,57 %).
Anderweitige Tuberkulose allein: 38 M. (49,36°/o), 61 W. (41,5°/o)
= 99 (44,2 °/o).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 12 M. (15,58°/o),
26 W. (17,7 °/o) = 38 (17°/o).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 65 M. (84,42%), 121 W.
(82,8%) = 186 (83%).
3. Lupus der Schleimhaut (nicht kompliziert):
8 W,
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 3 W. (37,6%).
Heredität allein: 0%.
Anderweitige Tuberkulose allein: 3 W. (37,5%).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 2 W. (25%).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 6 W. (75%).
4. Scrophuloderma (nicht kompliziert):
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 5 M. (35,7 %), 5 W. (23,33°/o)
= 10 (28,6 °/o).
Heredität allein: 0 M., 2 W. (9,5 %) = 2 (5,7%).
Anderweitige Tuberkulose allein: 5 M. (35,7%), 13 W. (62%) =
18 (51,43%).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 4 M. (28,57°/«),
1 W. (4,76%) = 5 (14,28%).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 10 M. (71,43%), 20 W.
(95,24'%) = 30 (85,72 °/o).
5. Scrophuloderma -f* Lupus der Haut:
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 7 M. (31,8%), 6 W. (35,3%)
=*= 13 (33,33%).
Heredität allein: 1 M. (4,55%), 2 W. (11,8%) = 3 (7,7°/«).
Anderweitige Tuberkulose allein: 10 M. (45,45%), 6 W. (35,3%) =
16 (41%).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 4 M. (18,18%),
3 W. (17,65%) = 7 (18%).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 18 M. (81,82%), 14 W.
(82,35 °/o) = 32 (82%).
6. Scrophuloderma -f- Lupus der Haut und Schleimhaut:
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 3 M. (25%), 2 W. (18,18%)
= 5 (21,74%).
Heredität allein: 1 M. (8,33%), 2 W. (18,18%) « 3 (13%).
Anderweitige Tuberkulose allein: 8 M. (66,66%), 7 W. (63,63%) =
15 (65,22 %).
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45] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus and Scrophuloderma. 208
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 0 M., 0 W.
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 100°/o.
7. Scrophuloderma -f- Lupus der Schleimhaut:
2 W. Davon:
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 1 W. (50°/o).
Anderweitige Tuberkulose: 1 W. (50°/o).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 0°/o.
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 100°/o.
Sondern wir die Lupusfälle mit oder ohne Scrophuloderma rück¬
sichtlich ihrer Lokalisation auf Haut oder Schleimhaut, so ergibt sich:
1. Lupus der Haut ohne Schleimhautbeteiligung:
292 Fälle (147 M., 145 W.):
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 41 M. (27,89 ®/o), 35 W.
(24,14°/o) = 76 (26°/o).
Heredität allein: 12 M. (8,16"/o), 15 W. (10,34°/o) = 27 (9,24»/o).
Anderweitige Tuberkulose allein: 52 M. (35,37°/o), 58 W. (40°/o) =
110 (37,67®/*).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 42 M. (28,57 °/o),
37 W. (25,56 °/o) = 79 (27®/o).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 105 M. (71,43°/o), 108 W.
(74,44 ®/o) = 213 (73»/o).
2. Lupus der Schleimhaut mit oder ohne Lupus der Haut:
257 Fälle (89 M., 168 W.):
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 24 M. (27°/o), 64 W. (32®/*)
= 88 (30,35°/*).
Heredität allein: 7 M. (7,87«/*), 4 W. (2,38®/«) = 11 (4,28°/o).
Anderweitige Tuberkulose allein: 46 M. (51,68®/o), 72 W. (41®/o) =
118 (46,9 °/o).
Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 12 M. (13,48 # /o),
28 W. (16,67 ®/o) = 40 (15,56 °/o).
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 77 M. (86,52®/o), 140 W.
(83,33°/*) = 217 (84,44°/o).
In 15 Fällen von Lupus und 2 Fällen von Scrophuloderma liess
sich bei den nächsten Angehörigen Lupus konstatieren.
Dass Lupus und Scrophuloderma Formen der Hauttuberkulose
darstellen, kann heutzutage als feststehende Tatsache angesehen werden.
Histologie, Bakteriologie, experimentelle Forschung und klinische
Beobachtung haben hierfür ein Beweismaterial angehäuft, welches
notwendigerweise als zwingend angesehen werden muss.
Zuerst versuchte die Anatomie den Beweis für die tuberkulöse
Natur des Lupus zu erbringen, und zwar war es Friedländer, der
auf den Befund von Riesenzellen und epitheloiden Zellen, die nach
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
204
Carl Grouven.
[46
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den Arbeiten von Langhans, Schüppel und Köster als für
Tuberkulose charakteristisch angesehen wurden, Lupus und Scrophulo-
derma für Tuberkulose der Haut erklärte.
Seitdem aber die Riesenzellen auch bei einer grossen Zahl sicher
nicht tuberkulöser Prozesse nachgewiesen wurde (Köster, Griffini,
Lukasiewiez) und Ziegler dieselbe sogar experimentell erzeugte,
musste ihr Vorhandensein notwendigerweise an Beweiskraft für die
tuberkulöse Natur einer Erkrankung erheblich verlieren.
Überhaupt zeigt das histologische Bild bei Tuberkulose und
sicher nicht tuberkulösen Prozessen, wie Syphilis und Lepra, so grosse
Ähnlichkeiten, dass die pathologische Anatomie allein wohl kaum
den Tuberkulosecharakter des Lupus hätte mit Sicherheit erweisen
können.
Erst die Bakteriologie brachte uns hier einen Schritt weiter
durch die Entdeckung des Kochschen Tuberkelbacillus.
Der erste, der Tuberkelbacillen im Lupus nachwies, war D emme-
Ihm folgten bald darauf Pfeiffer, Doutrelepont, Krause und
Schuchard. Cornil und Leloir, Lachmann, Koch und Koebner
bestätigten diese Befunde.
Jetzt erst war auch der exakten experimentellen Forschung der
Weg geebnet; und tatsächlich gelang es durch Einbringen voh. Lupus¬
partikelchen vorzugsweise in die vordere Augenkammer und in die
Peritonealhöhle von Kaninchen und Meerschweinchen bei Beobachtung
aller erforderlichen Kautelen lokale und allgemeine Tuberkulose zu
erzeugen (Schüller und Hüter, Cornil und Leloir, Martin,
Pagenstecher und Pfeiffer, Doutrelepont, Koch).
Koch stellte ausserdem aus Lupus Reinkulturen des Bacillus
her, die beim Tierexperiment dieselbe Virulenz zeigten wie echte
Tuberkelbacillen.
Es kann eigentlich nur verwundern, dass nach diesen exakten
.Ergebnissen von klinischer Seite (Vidal, Jarisch, Kaposi) immer
noch Einwendungen gegen die Identität von Lupus und Tuberkulose
erhoben wurden. Der Einwand, dass die Tuberkulose der Haut schon
bekannt und klinisch sehr vom Lupus verschieden wäre, ist von
Doutrelepont zur Genüge widerlegt worden durch den Hinweis
auf die wenigstens ebenso verschiedenen Manifestationen des syphi¬
litischen Viru.
Das Hauptargument der Gegner basiert nun ausserdem darauf,
dass es bis jetzt noch nicht gelungen ist, durch Einimpfung von
Tuberkelbacillen Lupus zu erzeugen.
Zwar fehlt es nicht an zahlreichen Beobachtungen, bei welchen
sich die Entstehung von Lupus durch Einimpfung tuberkulösen Ma¬
il) riginal from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
47 ]
Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma.
205
terials mit einer dem Experiment nahekommenden Wahrscheinlich¬
keit annehmen lässt (Leloir, Besnier, Sachs, Jadassohn,
Wolters). Tatsächlich ist es jedoch noch nicht möglich gewesen,
absichtlich vulgären Lnpus hervorzurufen, wie es auch trotz aller auf¬
gestellten Hypothesen bis jetzt noch an einer vollauf befriedigenden
Erklärung für diese auffallende Tatsache fehlt.
Um so wesentlicher muss es demgegenüber erscheinen, auch im
klinischen Verhalten des Lupus und des Scrophuloderma immer wieder
auf Momente zu fahnden, die geeignet sind, auf die Beziehung von
Lupus und Scrophuloderma zueinander und zur Tuberkulose einiges
Licht zu werfen.
Von grösster Wichtigkeit müsste es naturgemäss sein, das
schliessliche Schicksal der Lupuskranken, d. h. ihre Todesursache,
statistisch festzustellen.
Volkmann erklärt es zwar für eine Ausnahme, wenn Lupöse
schliesslich tuberkulös zu gründe gehen. Eine grosse Zahl von Autoren
konstatierte indessen das Gegenteil (König, Friedländer, Wein-
lechner, Lailler, Quinquand, Köbner, Böck, Doutrele-
pont), und zwar muss hier eine besondere Beweiskraft den Fällen
zugeschrieben werden, in welchen sich anderweitige oder miliare
Tuberkulose bei einem vordem sonst gesunden Lupösen im Anschlüsse
an die operative Behandlung des Lupus entwickelte (Aubert, Demme,
Heiberg, Hall, Doutrelepont).
Sämtliche Lupuskranke der Bonner Klinik, die bis heute zur
Autopsie kamen, wiesen auch tuberkulöse Veränderungen innerer Or¬
gane auf. Allerdings können diese Befunde nur spärliche sein, da
erklärlicherweise in einer dermatologischen Klinik nur sehr wenige
Lupuskranke ihr Dasein beschliessen.
Mit Hecht hebt Doutrelepont jedenfalls hervor, dass wir im
Besitze einer Mortalitätsstatistik der lupösen Kranken, sicher viel
häufiger die Tuberkulose als Todesursache finden würden, als bis
jetzt angenommen wird.
Im Einklänge damit steht die Tatsache, dass der Lupus sich
keineswegs auf Haut und Schleimhaut beschränkt. Wir sehen ihn
von hier aus in die Tiefe fortschreiten, zuweilen sogar Knochen-Ge¬
lenk- und Lymphdrüsentuberkulose erzeugen, wie wir auch umgekehrt
von den letzteren aus zuweilen echten Lupus der Haut entstehen
sehen (Volkmann, Schüller, Neisser, König, Köbner,
Doutrelepont).
Hierzu kommt noch die keineswegs selten zu beobachtende Tatsache,
dass sich Lupus und andere Formen der Hauttuberkulose gleich¬
zeitig oder in zeitlicher Aufeinanderfolge bei demselben Individuum
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206 Carl Graaven. Anderweitige Tuberkulose bei Lupus u. Scrophaloderma. [48
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entwickelten and zwar vielfach in der Nähe oder an der Stelle des
(excidierten oder sonstwie zerstörten) ursprünglichen Krankheitsherdes.
In den beigefügten Tabellen habe ich das Material der Bonner
dermatologischen Klinik vorzugsweise gesichtet nach hereditärer
tuberkulöser Belastung und dem Vorhandensein anderweitiger tuber¬
kulöser Erkrankungen bei den Patienten selbst oder deren nächsten
Angehörigen, wie dies in ähnlicher Weise schon in einer Reihe von
Statistiken geschehen ist (Raudnitz, Pick, Pontoppidan, Bes¬
nier, Renouard, Neisser, Block, Doutrelepont, Bender).
Die von mir gefundenen Werte dürften wohl die aller bisherigen
Autoren noch übertreffen. Zur Erklärung dessen möchte ich mich der
Worte Wolters bedienen: „Die Statistiken über den Zusammenhang
von Skrofulöse resp. Tuberkulose, bei gleichzeitig bestehendem Lupus
sind bis heran noch zu kurze Zeit ins Auge gefasst worden, als dass sie
Rückschlüsse auf ein seltenes gleichzeitiges Vorkommen gestatten
Hessen. Im Gegenteil steht zu erwarten, dass, nachdem man unter
dem Eindruck heute für die Natur des Lupus massgebender An¬
schauungen statistisch weiter gearbeitet hat, ein häufiges Zusammen¬
treffen dieser verwandten Prozesse wird konstatiert werden können.“
Im übrigen brauche ich meinen Zahlen keine weitere Erläuterung
hinzuzufügen, dieselben reden eine beredte Sprache.
Erwähnen will ich nur noch, dass der auf der Schleimhaut loka¬
lisierte Lupus nicht unerheblich höhere Tnberkuloseziffern aufweist
als der der äusseren Haut, ein Verhalten, welches mir kein zufälliges
zu sein scheint.
Ausserdem ist noch bemerkenswert, die nicht so ganz kleine
Zahl von Fällen (21), in welchen sich bei den Eltern oder den Ge¬
schwistern der betreffenden Patienten gleichfalls Lupus nach-
weisen liess. Dass der Lupus als solcher sich hereditär gezeigt hätte,
ist nach Kaposi gar nicht bekannt, ebensowenig, dass er im klinischen
Sinne ansteckend wäre. Er hält es für eine Rarität, bei mehreren
Kindern derselben Eltern Lupus zu finden.
Demgegenüber stehen nun allerdings schon eine Anzahl von Be¬
obachtungen, denen zufolge Lupus bei näheren Verwandten, Ge¬
schwistern, Eltern und Kindern der Patienten gleichzeitig sich kon¬
statieren liess (Raudnitz, Pontoppidan, Neisser, Veiel,
Hebra, Leloir, Doutrelepont), jedoch beschränken sich diese
sämtlich auf sehr spärliche Fälle.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Pathologie und Therapie der Hoden¬
tuberkulose.
Von
Prof. Dr. Max Jordan
in Heidelberg.
Bis in die neueste Zeit stand die Lehre von der Tuberkulose
des Hodens und des Verhältnisses derselben zu der Tuberkulose des
Urogenitalsystems unter dem Einfluss dreier als Tatsachen geltenden
Anschauungen, nämlich 1. dass die Hodentuberkulose 1 ) in der
grössten Mehrzahl der Fälle eine sekundäre sei, von
irgend einem Primärherd des Urogenitaltraktus aus sich entwickele,
2. dass die verschiedenen Lokalisationen im Urogenital¬
apparat in direktem Abhängigkeitsverhältnis ständen
und 3. dass bei doppelseitiger Hodenerkrankung die
Tuberkulose des zweiten Hodens durch kontinuierliche
Infektion auf dem Wege des Vas deferens oder durch
Vermittelung eines Prostataherdes verursacht werde.
Diese Auffassung, die auch für die therapeutische Richtung mit¬
bestimmend gewesen ist, spiegelt sich noch in den einschlägigen
Arbeiten und Diskussionen der letzten Jahre wieder.
Kocher (R. König 1898) 2 ) vertritt den Standpunkt, dass die
Hodentuberkulose am häufigsten descendierend entstehe und von ver-
1) Die Bezeichnung „primäre Hodentuberkulose“ soll ausdrücken, dass der
Hoden als erstes Organ des Urogenitalsystems auf hämatogenem Wege erkrankt
ist; der Begriff „primäre“ Tuberkulose bezieht sich also auf die Lokalisation im
Urogenitalapparate.
2) R. König, Beitrag zum Studium der Hodentuberkulose. Deutsche Zeit¬
schrift f. Chirurg. Bd. 47. 1898.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 3. 15
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
208
Max Jordan.
P
steckten Herden der Prostata ihren Ausgang nehme, selten direkt von
einer Tuberkulose der Niere oder Blase aus sich entwickele. In sel¬
tenen Fällen kann die Genitaltuberkulose auch metastatisch von irgend
einem Tuberkuloseherd des Körpers (Lungen-, Knochen-, Drüsen¬
tuberkulose) auf dem Wege der Blutbahn entstehen, vielleicht dient
aber auch bei diesem Entstehungsmodus die Prostata als Zwischen¬
station. Die primäre Hodentuberkulose als einzige Lokalisation der
Krankheit, gehört zu den Ausnahmen und vielleicht liegt derselben
auch eine unbeachtet gebliebene Prostataaffektion zu gründe. Die
ascendierende Verbreitung der Tuberkulose vom Hoden auf die übrigen
Abschnitte des Urogenitalsystems wird von Kocher wesentlich ein¬
geschränkt.
Lanz 1 ) (1900) hält die primäre Hodentuberkulose für eine sehr
seltene Ausnahme und ist der Ansicht, dass die Erkrankung in den
meisten Fällen von einer anderen Stelle des Urogenitalapparates (Pro¬
stata, Blase, Niere) ausgeht und dass deshalb die doppelseitige Hoden¬
infektion ein häufiges Ereignis sei.
F. König sen. betonte in der Diskussion des 30. Kongresses
der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1901 nachdrücklich, dass in
der grössten Mehrzahl aller Fälle bei Menschen die Bacillen von der
Prostata oder den Samenblasen aus in den Hoden wandern, die Tuber¬
kulose des letzteren also descendierend entstehe. Für diese Annahme
spreche die Tatsache, dass man bei der Untersuchung per rectum am
Lebenden in der Majorität der Fälle Knoten in der Vorsteherdrüse
oder eine Verhärtung der Samenblasen feststellen könne, ferner die
Beobachtung, dass bei Patienten, die seit längerer Zeit an Verkäsung
der Niere leiden, allmählich eine Blaseninfektion, dann eine Infektion
der einen Seite der Samenwege und schliesslich noch eine Hoden¬
tuberkulose auftrete; endlich die stets primäre Lokalisation im Neben¬
hoden.
Von den französischen Chirurgen hat kürzlich Calot 2 ) mit
Energie die Ansicht verfochten, dass die Hodentuberkulose stets eine
sekundäre, von der Prostata oder den Samenblasen ausgehende sei
und dass daher die Castration keine Aussicht auf Erfolg haben
könne.
Die kurz skizzierten gangbaren Anschauungen haben nun
durch neue Tatsachen einen starken Stoss erlitten, näm-
1) Lanz, Kastration oder Resektion des Nebenhodens etc. Deutsche Zeit¬
schrift f. Chir. Bd. 55. 1900.
2) Calot, Le traitement de la Tuberculose du testicule et de l'epididyme
doit ötre toujours conservateur. Congres fran^ais de Chirurgie 1902.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
31
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
209
lieh einmal durch die in den letzten 2 Jahren veröffentlichten
Statistiken über die Heilerfolge der Kastration und dann
durch die Ergebnisse der Tierexperimente Baumgartens.
Bruns 1 ) erwarb sich das grosse Verdienst, durch Feststellung
der Endresultate der Kastration bei 111 bis zu 34 Jahren beobachteten
Fällen ein für unsere Frage einwandfreies Tatsachenmaterial geliefert
zu haben. In 78 Fällen der Tübinger Klinik wurde die einseitige,
in 33 Fällen die doppelseitige Kastration gemacht. Von den ein¬
seitig Kastrierten sind 46°/o dauernd geheilt geblieben,
12 °/ 0 derselben sind an der schon bei der Operation bestehenden
Urogenital tuberkulöse gestorben, 15 °/o gingen an anderweitiger Tuber¬
kulose, besonders der Lungen, zu gründe, 26°/o sind nachträglich an
Tuberkulose des zweiten Hodens erkrankt und dann meist nochmals
kastriert worden. Von den doppelseitig Kastrierten sind bei
einer Beobachtungsdauer von 3—30 Jahren sogar 56°/o dauernd
geheilt geblieben, während 15°/o an Urogenitaltuberkulose, 25°/o
an Tuberkulose anderer Organe gestorben sind. Nach der ausführ¬
licheren Publikation von Haas 2 ) aus der Bruns sehen Klinik fand
sich bei 9 von 115 Patienten, d. h. in nicht ganz 8°/o eine Beteiligung
der Hamorgane an der Tuberkulose und zwar vor allem der Blase;
6 von diesen 9 Kranken starben bald an ihrer Urogenitaltuberkulose;
die Beteiligung der Harnorgane gibt demnach eine schlechte Prognose.
Eine Mitbeteiligung anderer Organe an der Tuberkulose wurde in
26°/o der Fälle konstatiert, nämlich in 15 Fällen Tuberkulose der
Lungen, in 8 Fällen der Knochen, in 8 Fällen der Drüsen und in
4 Fällen der Gelenke.
Die Statistik von Bruns führt also zu dem Ergebnis, dass die
Hälfte der Kastrierten auf Lebensdauer geheilt war.
Das sind die allein an Genitaltuberkulose Erkrankten. Gestorben
sind fast alle, die gleichzeitig an Tuberkulose der Harnorgane litten,
sowie die meisten (86°/o) der gleichzeitig an anderweitiger Tuber¬
kulose Erkrankten. Für alle diese ist, wie Bruns ausführt, die
Operation nicht verantwortlich zu machen. Bruns schloss ferner
aus seinen klinischen Erfahrungen, dass die Tuberkulose des Hodens
bei sonst intakten Urogenitalorganen gar nicht selten vorkommt und
dass man daher auch mit der Ausbreitung der Tuberkulose vom
Hoden durch den Samenstrang in ascendierender Richtung zu
rechnen hat.
1) Bruns, Über die Endresultate der Kastration bei Hodentuberkulose.
30. deutscher Chirurgenkongress 1901.
2) Haas, Über die Resultate der Kastration bei Hodentuberkulose. Bruns
Beiträge zur klin. Chir. Bd. 30. 1901.
15 *
Original fro-m
UNIVERS1TY OF MINNESOTA
210
Max Jordan.
[4
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Die statistische Zusammenstellung der Czerny sehen Klinik 1 )
führte zu ähnlichen, aber noch günstigeren Heilresultaten: Von 92
innerhalb 22 Jahren kastrierten Patienten lebten im Jahre 1901 noch
59 = 64°/o und von diesen waren 54 frei von jeglicher Tuber¬
kulose. 7 Patienten starben an interkurrenten Krankheiten, so dass
also 61 tuberkulosefrei blieben = 66,3 °/o. Bei 26 Kastrierten wurde
post operationem ein Rückgang anderweitiger Tuberkulose, insbesondere
der Lungen, festgestellt. In vielen Fällen ging ferner die zur Zeit
der Kastration bestehende Tuberkulose der Prostata und Blase zurück.
Von 29 doppelseitig Kastrierten lebten 21 (=72°/o Dauer¬
heilung), 8 sind gestorben.
Ähnliche Zahlen liefert Trzebickys 2 ) Material aus den Jahren
1875—1900. Von 43 ein- oder doppelseitig Kastrierten
[eben und sind gesund 26 = 60,4°/o und zwar von 34 einseitig
Operierten 20 und von 9 beiderseitig Operierten 6.
Die über Erwarten günstigen Endresultate der Kastration
und besonders der doppelseitigen, die Tatsache, dass in der Hälfte
oder mehr als der Hälfte aller Fälle eine Dauerheilung erzielt worden
ist, sind nicht vereinbar mit der Anschauung der des-
cendierenden Entstehung der Hoden tuberkulöse. Wenn
zumeist eine primäre Tuberkulose der Prostata, Blase, Niere bestände,
so wäre es nicht begreiflich, dass nach Entfernung des einen oder
beider Hoden auch eine Ausheilung des veranlassenden Primärherdes
eintreten und der Patient nun dauernd frei von Tuberkulose bleiben
sollte. Nach Eliminierung eines mit starker Fisteleiterung einher¬
gehenden sekundären Erkrankungsherdes kann erfahrungsgemäss in
nicht seltenen Fällen ein günstiger Einfluss auf den primären Herd
erzielt werden, eine vollständige Ausheilung eines solchen in einem
so grossem Prozentsatz, wie ihn die Kastrations-Statistik angibt, dürfte
aber kaum im Bereich der Möglichkeit liegen.
Die oft registrierte Tatsache der Rückbildung von
Knoten der Prostata und Anschwellung der Samenblase
nach Entfernung des kranken Hodens ist nur verständ¬
lich, wenn die Hodenlokalisation als primäre, dieTuber-
k ulose der höher oben gelegenen Genitalorgane als sekun¬
däre angenommen wird.
Die therapeutischen Resultate sprechen mit Sicher-
i) Simon, Resultate der Kastration bei Hoden tuberkulöse. 30. Chirurgen¬
kongress 1901.
-} Berger, Zur Kastration bei Hodentuberkulose. Langenbecks Archiv.
Bd. 68.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
5]
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
211
heit für die viel grössere Häufigkeit der primären Tuber¬
kulose, als man bisher angenommen hat und für den ascen-
dierenden Modus der Weiterverbreitung.
Über die Erfolge der konservativen Behandlung liegen
bis jetzt keine grösseren Erfahrungen vor, doch sind die z. Z. be¬
kannten Resultate geeignet, den aus der Operationsstatistik
gezogenen Sch 1 uss über die vorwiegend primäre Natur der
Hoden tuberkulöse zu stützen. Durch die Anwendung von See¬
bädern und Lokalbehandlung mit Injektionen von Naphthol camphre
erzielte Calot 1 ) nach seinen Angaben auf dem letzten französischen
Chirurgenkongress bei 20 Fällen der letzten 10 Jahre stets voll¬
ständige Heilung, obwohl sich mehrere der Patienten in vorgeschrit¬
tensten Stadien der Erkrankung befanden, multiple Abscesse und
Fisteln aufwiesen. Calot verwirft die Kastration, ist absoluter An¬
hänger der unblutigen Methoden, da er den Standpunkt vertritt, dass
die Hodentuberkulose stets eine sekundäre sei, von einem Herd der
Prostata oder Samenblasen aus sich entwickle. Die glänzenden Be¬
handlungsresultate sind indessen nicht vereinbar mit seiner Anschau¬
ung der descendierenden Entstehungsart der Hodenaffektion. Wie
sollte die Heilung Bestand haben, wenn immer neues infektiöses
Material von dem Primärherd aus durchs Vas deferens in den Hoden
gelangt? Die Heilungen Ca lots sprechen gerade für den primären
Charakter der Hodentuberkulose. Ist der Hoden das allein befallene
Organ des Urogenitalapparates, so hat die lokale Ausheilung bei
konservativer Behandlung nichts befremdendes, ist in direkte Parallele
zu stellen mit der Heilung eines Gelenkfungus mit konservativem
Verfahren.
Histologische Untersuchungen, die von Büngner 2 ) an durch
Evulsion gewonnenen Samengängen anstellte, sprachen für ascen-
dierende Verbreitung der Tuberkulose. Er konnte an Serienschnitten
nachweisen, dass das Vas deferens in seinem unteren Teil tuberkulös
erkrankt, in seinem centralen Abschnitt dagegen frei bleibt und dass
die Erkrankung mit nach oben abnehmender Intensität sich aus¬
breitet. Der dem Nebenhoden zunächst gelegene Knoten wies die
vorgeschrittensten Veränderungen auf und die weiteren Knoten zeigten
gradatim mit der Entfernung vom Nebenhoden immer jüngere Stadien
der histologischen Tuberkulose.
Von grosser Bedeutung für die Lehre von der Hodentuberkulose
i) 1. c.
-) v. Büngner, Kastration mit Evulsion des Vas deferens. Bruns Beitr.
z. klin. Chir. Bd. 35. 1902.
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
212
Max Jordan.
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sind die experimentellen Studien, welche Baumgarten und Krämer 1 )
über die Histogenese und Ausbreitung der Urogenitaltuberkulose an¬
stellten. Die an über 100 Versuchstieren (Kaninchen) gewonnenen
Ergebnisse waren folgende: Bei intraokularer, subkutaner oder intra¬
venöser experimenteller Infektion bleiben die Hoden fast stets frei,
analog der Seltenheit der Affektion des Hodens bei der Miliartuber¬
kulose des Menschen. Die Infektion der Harnwege führt nicht zu
Hodentuberkulose, es gelang niemals von der Urethra oder Blase aus
eine Tuberkulose des Vas deferens oder Hodens zu erzeugen. Da¬
gegen gelang es stets durch direkte Injektion frisch er Perl¬
suchtbacillen in das Parenchym des Nebenhodens die
Tuberkulose hervorzurufen. Der tuberkulöse Prozess stieg dann
oft vom Nebenhoden bis zur Prostata nach oben, aber nie
von dieser durchs Vas deferens zum an deren Hoden herab.
Baumgarten kam auf Grund seiner Beobachtungen zu dem Schluss,
dass die experimentelle Tuberkulose des Kaninchens sich
innerhalb des Urogenitalapparates stets in der Richtung
des Sekretstromes (Samen-oder Hamstromes) aus breitet, nie¬
mals gegen denselben. Die Erklärung für dieses gesetzmässige
Verhalten in der Ausbreitung der tuberkulösen Infektion liegt in dem
Mangel der Eigenbewegung bei den Tuberkelbacillen. Die Bacillen
können sich daher nur mit dem Strom (Blut, Lymphe, Sekret) ver¬
breiten, also im Vas deferens nach aufwärts, im Ureter nach ab¬
wärts. Da im Vas deferens die Richtung des Lymphstroms in der
Wand mit derjenigen des Sekretstromes zusammentrifft, so kann die
Ausbreitung der Infektion überhaupt nur in einer Richtung, nämlich
vom Hoden zur Prostata erfolgen. Nach intrauretraler In¬
jektion entsteht in vielen Fällen eine Tuberkulose des Blasen¬
halses, des Blasenfundus und der Prostata, doch erfolgte
niemals trotz l^sjährigen Bestandes der Erkrankung ein
Übergreifen des Prozesses auf die Vasa deferent. und
die Hoden. Auch eine Fortsetzung der Tuberkulose auf Ureteren
und Nieren kam niemals zur Beobachtung.
Nach Baumgartens Resultaten bei Kaninchen kämen bezüg¬
lich der Lokalisation und Ausbreitung der Tuberkulose
im Urogenitalsystem des Menschen folgende Möglichkeiten
in Betracht: 1. Primäre Erkrankung des Nebenhodens, Weiterver-
i) Baum garten, Über experimentelle Urogenitaltuberkulose. 30. Chirurg.-
Kongress 1901.
ßaumgarten und Krämer, Experimentelle Studien über Histogenese und
Ausbreitung der Urogenitaltuberkulose; in Baumgartens Arbeiten auf dem Ge¬
biet der pathol. Anatomie. Bd. 4, Heft 2.
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7J
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
213
breittrag auf den Hoden und andererseits auf Vas deferens, die
Prostata, Samenblase und eventuell die Harnblase. Eine direkte In¬
fektion des anderen Hodens und der Nieren ist ausgeschlossen.
2. Primäre einseitige Nierentuberkulose, descendierende Erkran¬
kung des Ureters, der Blase, der Prostata. Ascendierende Infektion
der anderen Niere und Descendieren des Prozesses auf die Hoden
ausgeschlossen.
3. Primäre Tuberkulose der Prostata, Ausbreitung auf die Blase.
Erkrankung der Hoden und Nieren ausgeschlossen.
Wird bei primärer Hodentuberkulose die Niere, bei primärer
Nierentuberkulose der Hoden, bei primärer Prostatatuberkulose Hoden
oder Nieren befallen, so musste man demnach eine hämatogene,
metastatische Entstehung supponieren.
Der Einwand Königs 1 ), dass sich die Ergebnisse von Tierver¬
suchen nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse beim Menschen über¬
tragen lassen, mag berechtigt sein. Indessen gewinnen die B au In¬
ga rtenschen Resultate an Bedeutung, wenn man die oben erwähnten
neuesten Statistiken über die Dauererfolge der Kastration und die
aus ihnen sich ergebenden Schlussfolgerungen, sowie die histologischen
Befunde von Büngners heranzieht. Es wird unter diesen Umständen
zu prüfen sein, ob die Annahme der primären Natur der Hodentuber¬
kulose durch klinische Tatsachen unterstützt ist, ob letztere sich mit
der neuen Lehre in Einklang bringen lassen.
Es unterliegt keinem Zweifel mehr, dass die Nierentuberkulose
häufig eine primäre, auf hämatogenem Wege entstehende ist. Wie
zahlreiche Erfahrungen beweisen, kann durch die Entfernung des
kranken Organes dauernde Heilung herbeigeführt werden. In einem
gewissen Prozentsatz der Fälle wird nach einiger Zeit auch die zweite
Niere von Tuberkulose befallen. Der Entstehungsmodus der letzteren
ist noch Gegenstand von Kontroversen, doch nimmt die Mehrzahl der
Autoren eine selbständige hämatogene Erkrankung an, und leugnet
die ascendierende Entstehung von der sekundär von der ersten Niere
aus infizierten Blase.
Im Verlauf der Nieren-Blasentuberkulose tritt nicht selten eine
Tuberkulose des einen oder anderen Hodens auf. Man ist gewohnt,
in solchen Fällen die Hodenaffektion als durch direkte
Propagation der Tuberkulose entstehend aufzufassen,
und man hat die zeitliche Aufeinanderfolge der verschiedenen
Lokalisationen als Beweis für den descendierenden Modus
der Tuberkuloseausbreitung im Urogenitalsystem an-
i) Chirurgenkongress 1901.
Original fro-m
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[8
gesehen. In Fällen, die zur Autopsie gelangen und die daher meist
in vorgeschrittensten Stadien sich befinden, ist eine sichere Entschei¬
dung über das Abhängigkeitsverhältnis der verschiedenen Erkrankungs¬
herde nicht zu treffen. König führte daher gegen Baumgarten
die klinischen Beobachtungen ins Feld, die es nicht zweifelhaft er¬
scheinen Hessen, dass die Tuberkulose von oben nach unten gehen
könne. König gab an, dass er sich dreier Fälle erinnere, in denen
Menschen, die seit längerer Zeit eine verkäste Niere hatten, allmäk-
eine Blaseninfektion, dann eine Infektion der einen Seite der Samen¬
wege und dann zuletzt eine Hodentuberkulose bekamen. Auch ich
verfüge über eine derartige Beobachtung, die im folgenden kurz
skizziert sei.
Karl Sch., 40j., am 1. Y. 1900 in meine Privatklinik aufgenommen. Nach
einer Influenza im Sommer 1897 stellten sich die ersten Erscheinungen einer rechts¬
seitigen Nierentuberkulose (Koliken, Blut- und Eiterbeimengungen des Urins) ein.
Im Frühjahr 98 gesellten sich häufiger Urin drang und Schmerzen bei der Harn¬
entleerung hinzu. Im November 98 schwoll der linke Nebenhoden an, es ent¬
wickelte sich ein Abscess und nach der Incision desselben blieben eiternde Fisteln
bestehen. Im Winter 1899—1900 entwickelte sich endlich eine Caries des rechten
Handgelenkes mit Fistelbildung.
Status bei der Aufnahme: Heruntergekommenes Aussehen, schlechter
Ernährungszustand; Lungen und Herz ohne Besonderheiten, Temp. 38°. Der Urin
sauer, stark getrübt durch Eiterbeimengung, Menge 1670 g; im Filtrat ein starker
Bodensatz Eiweiss; im Sediment zahlreiche Tuberkelbacillen. Die Blase hat eine
sehr geringe Kapazität, ist bei der Sondierung sehr empfindlich. Die rechte Niere
vergrössert, von höckeriger Oberfläche, die linke Niere nicht fühlbar. Der linke
Nebenhoden verdickt, knotig, mit der Haut verwachsen, zeigt zwei eiternde Fisteln.
Prostata und Samenblasen nicht nachweislich erkrankt. Caries manus d. mit
Fistel.
Am 7. V. wurde die Exstirpation der rechten Niere ausgeführt, die zahl¬
reiche käsige Abscesse enthielt und ein erweitertes Nierenbecken mit ulceröser
Zerstörung der Schleimhaut aufwies.
Nach anfänglich günstigem Verlauf ging Patient 6Va Wochen nach der
Operation an Miliartuberkulose zu gründe. Die Sektion ergab hochgradige Tuber¬
kulose der linken Niere, beiderseitige Ureteritis tub., Cystitis mit ausgedehnter
tub. Ulceration am Blasenhals, Miliartuberkulose aller inneren Organe.
Epikrise: Im Anschluss an eine rechtsseitige primäre Nieren¬
tuberkulose entwickelte sich absteigend eine Ureteren- und Blasen-
tuberkulose und im weiteren Verlauf kam es zu einer Verkäsung des
linken Nebenhodens, dann zu einer Karies des rechten Handgelenkes,
endlich zu einer Tuberkulose der linken Niere und einer Miliartuber¬
kulose. Im Hinblick auf die Reihenfolge des Auftretens läge es sehr
nahe, anzunehmen, dass die Hodenatfektion durch Absteigen des Pro¬
zesses im Vas deferens entstanden sei: Da aber bald nach der
Entwickelung der Epididymitis auch eine Tuberkulose
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9]
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
215
des Handgelenkes, also eine hämatogene Metastase auf¬
trat, ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die
Hodenerkrankung auf dem Blutwege entstanden ist. Durch
genaue mikroskopische Untersuchungen des Vas deferens in der Art,
wie sie von Büngner angestellt hat, Hesse sich in solchen Fällen
vielleicht ein Anhaltspunkt für die Beurteilung der Tuberkulosever¬
breitung gewinnen.
Die Möglichkeit, dass bei kombinierter Nieren-,
Blasen-, Hodenerkrankung die Hodentuberkulose un¬
abhängig als hämatogene Metastase auftreten kann,
wird gestützt durch klinische Beobachtungen. Israel 1 )
beschrieb 4 Fälle, aus denen durch den Nachweis völliger Intaktheit
der Blase heryorgeht, dass die Hodenaffektion nicht durch direkte
Kontinuitätspropagation entstanden sein kann. Zwei typische Fälle
dieser Art sind folgende: 1. linksseitige Nierentuberkulose mit
Hämaturie. 8 Monate nach Beginn der Erscheinung linksseitige
Epididymitis tuberculosa, Samenstrang, Prostata frei, Blase cysto-
skopisch normal. Nephrektomie, dann Kastration. Vollständige Hei¬
lung nach Jahren. Da Blase und Prostata freiblieben, muss
es sich bei Hoden und Nieren um voneinander unab¬
hängige Herde gehandelt haben.
2. Linksseitige Nephrektomie wegen Tuberkulose. Gleich nach
der Operation käsige Epididymitis L.; Inzision; es blieb ein Knoten
zurück. 1 l 2 Jahr später Tuberkulose des rechten Hodens, Kastration.
Weder an der Prostata noch an der cystoskopisch untersuchten Blase
die geringste Anomalie. Urin normal. Dauerheilung.
Die Hodenaffektion scheint demnach unabhängig
von der Nierenaffektion aufgetreten und die beider¬
seitige Epididymitis scheint koordiniert gewesen zu
sein.
Israel schloss aus seinen Beobachtungen, dass zwischen Neben¬
hoden- und Nierentuberkulose keine anderen Beziehungen zu bestehen
brauchen als zwischen letzterer und irgend einer anderen Lokalisation
der Tuberkulose, z. B. einer Spondylitis oder einer Caries genus.
Für die descendierende Entstehung der Tuberkulose testis wurde
auch die Tatsache verwertet, dass die Tuberkulose sich stets primär
im Nebenhoden entwickelt (Kocher, König), wie die Gonorrhoe, die
auf dem Wege des Vas deferens sich verbreitet. Dieses Argu¬
ment dürfte indessen nicht stichhaltig sein. Die Beobach¬
tung lehrt, dass die Tuberkelbacillen im Einzelfalle eine
i) Israel, Chirurgische Klinik der Nierenkrankheiten 1901.
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gewisse Affinität zu bestimmten Organen zeigen, deren
Ursache uns unbekannt ist. Bei Infektion des Körpers mit
Bacillen tritt im einen Falle eine Kniegelenkstuberkulose, in einem
zweiten eine Peritonitis tub., im dritten eine Nierentuberkulose, im
vierten eine Meningitis usw. auf, ohne dass wir nachweisen können,
warum gerade das betreffende Organ und kein anderes befallen ist.
Manche Organe sind häufig, andere nur sehr selten Sitz der Tuber¬
kulose. So ist z. B. eine primäre Tuberkulose des Ovariums über¬
haupt noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden, während die
sekundäre Erkrankung von der Tube, dem Peritoneum, Darm aus
nicht selten beobachtet wird. Es ist ferner feststehend, dass sym¬
metrische Organe gleichzeitig oder in Abständen einzig und allein
von Tuberkulose befallen werden können; es gibt eine isolierte
Tuberkulose beider Nebennieren, eine alleinige Tuberkulose
der Nieren, eine solitäre Tubentuberkulose. Es ist unter
diesen Umständen nicht befremdend, dass bei hämatogener Infektion
nicht die Hoden, sondern die Nebenhoden von der Tuberkulose er¬
griffen werden. Die Hoden bieten, wie die Ovarien, offenbar den
Bacillen keinen günstigen Nährboden zur primären Niederlassung.
Die Lokalisation im Nebenhoden kann also keineswegs
als Beweismoment für die Kontinuitätsinfektion gelten.
Nachdem wir auseinander gesetzt haben, dass die gegen die An¬
nahme der hämatogenen Entstehung der Hodentuberkulose und den
ascendierenden Modus der Weiterverbreitung vorgebrachten Einwände
nicht beweiskräftig sind, werden wir nun zu prüfen haben, ob sich
aus den klinischen Beobachtungen positives Beweismaterial für die
Richtigkeit der neuen Lehre bringen lässt. Wie schon oben erwähnt,
ist nach den neuesten Statistiken die primäre Hodentuberkulose
zweifellos viel häufiger als man früher zugegeben hat. Die Bruns-
sche Zusammenstellung ergibt, dass von 115 Patienten nur 9 eine
Beteiligung der Harnorgane und 35 eine Mitbeteiligung anderer
Organe an Tuberkulose zeigten, dass also 71 Patienten eine iso¬
lierte Hodenerkrankung boten. Da nun fast alle, die gleichzeitig
an Tuberkulose der Harnorgane litten, sowie die meisten (86 °/o) der
gleichzeitig an anderweitiger Tuberkulose Erkrankten starben, wäh¬
rend die auf Lebensdauer geheilten, fast nur aus allein an Genital¬
tuberkulose Erkrankten sich rekrutierten, so folgt, dass es sichbei
letzteren in der Tat um eine primäre Lokalisation im Hoden
gehandelt haben muss.
Für die hämatogene Entwickelung sprechen ferner die Fälle von
Kombination der Hodentuberkulose mit Tuberkulose anderer
Organe, so der Gelenke und Knochen, und Heilung der verschie-
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11 ]
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
217
denen Lokalisationen durch operative Eingriffe. Als typische Bei¬
spiele seien zwei meiner Beobachtungen mitgeteilt.
1. Fritz M., 2 l /s j., aufgenommen am 17. III. 1900 (Privatklinik). Familie
vollständig gesund, Pat. als Säugling gesund, wurde Va Jahr von der Mutter ge¬
stillt Ende des ersten Jahres entwickelte sich eine Anschwellung des linken
Hodens, die im zweiten Jahre nur ganz langsam zunahm und erst in den letzten
Wochen rascher wuchs.
Status. Für sein Alter normal entwickeltes, etwas blasses Kind. Der
linke Hoden kleineigross, mit der Haut verwachsen; an letzterer Stelle ein Abscess
mit feiner Perforationsöffnung nachweisbar. Das Urogenitalsystem iro
übrigen intakt, am Körper sonst nirgends Zeichen von Tuberkulose
oder Lues.
Inzision des Abscesses, Blotleerung käsigen Eiters, Exkochleation, wobei sich
auch käsige Degeneration etwa der Hälfte des Hodens ergibt Möglichste Ex¬
zision der erkrankten Partien mit der Schere. Tamponade mit Jodoformgaze.
Da die mikroskopische Untersuchung auch an den entfernten Hodenpartikelen
Tuberkulose ergab und eine gute Granulierung nicht zu stände kam, wurde am
26. HI. 1900 die Kastration unter Mitnahme der affizierten Haut ausgeführt. Der
Samenstrang zeigte sich auf der Schnittfläche normal. Die Heilung
erfolgte ohne Störung und war Mitte April beendet. Seitdem, d. h. seit über
drei Jahren, sind keinerlei Erscheinungen seitens des Urogenital¬
apparates aufgetreten. Im Juli 1900 entwickelten sich kariöse Prozesse
am rechten Vorderarm (Ulna) und eine Caries des linken Ellbogengelenks. Durch
typische Resektion des letzteren, sowie durch Ausschabung der erkrankten Knochen¬
partien an der rechten Ulna wurde innerhalb drei Monaten Heilung erzielt 1 ). Seit
Oktober 1900 ist Patient dauernd gesund geblieben. Die Nachunter¬
suchung am 19. III. 1903 ergab folgenden Befund: Normal entwickelter, gut aus¬
sehender Junge; innere Organe ohne nachweisliche Veränderungen; nirgends
Drüsenschwellung. In der linken Skrotalhälfte eine kaum sichtbare lineare Narbe.
Rechter Hoden normal, auch an den übrigen Genitalorganen nichts Abnormes.
Urin normal. Am rechten Vorderarm im Bereich der Ulna eingezogene alte Narben,
die Gelenke frei. Das linke Ellbogengelenk ist reseziert, zeigt aber aktiv und
passiv sehr gute Beweglichkeit.
Epikrise: Die Tuberkulose des Hodens bildete die
erste Lokalisation der Erkrankung. Nach Entfernung des
verkästen Organs trat vollständige Lokal-Heilung ein, doch kam es
noch zur Entwickelung einer linksseitigen Olecranarthritis und cariöser
Prozesse an der rechten Ulna. Auch diese Affektionen wurden
operativ zur Heilung gebracht. Da seit der Kastration nun drei
Jahre verflossen sind und am Urogenitalsystem keinerlei krankhafte
Veränderung nachweisbar ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass die
Hodentuberkulose die einzige Lokalisation darstellte,
einer primären, hämatogenen Infektion ihre Entstehung
verdankte.
i) In einem Pforzheimer Krankenhaus.
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Was das Verhältnis der Hoden- zur Armtuberkulose betrifft, so
könnte man aus der zeitlichen Aufeinanderfolge schliessen, dass letztere
eine Metastase seitens der Genitalerkrankung darstellte. Zum Min¬
desten dürfte es sich bei beiden Lokalisationen um koordinierte Pro¬
zesse bei hämatogener Tuberkuloseinfektion gehandelt haben.
2. Joh. V., 49j., früher stets gesund, erlitt im Jahre 1878 eine Kontusion
des linken Hodens durch Fusstritt eines Kindes, welche eine leichte Verdickung
zurückgelassen hal>en soll. Von April 1900 ab stellte sich allmählich eine gewisse
Bewegungsbeschränkung und Schmerzhaftigkeit des rechten Ellbogengelenks ein.
Fast gleichzeitig bemerkte Patient eine Vergrö89erung des linken Hodens, die sich
unter Schmerzen im Laufe des Sommers steigerte. Bei der Aufnahme in meine
Privatklinik am 26. X. 1900 wurde folgender Status notiert:
Kräftiger, gesund aussehender Mann ohne nachweisliche Veränderungen der
inneren Organe, speziell der Lungen. Das rechte Ellbogengelenk zeigt eine diffuse
Anschwellung, besonders zu beiden Seiten der Tricepssehne; die Streckung gelingt
nur bis 150°, die Beugung bis 70°, die Supination nur bis zur Hälfte; in der Um¬
gebung des Epicond, extern, leichte Druckempfindlichkeit. Der Arm zeigt im
übrigen noch gute Funktion. Die linke Hodensackhälfte fast faustgross, am
unteren Pol ein nussgrosser, mit der Haut verwachsener Abscess, der in direktem
Zusammenhang mit dem derb infiltrierten, über daumendicken Nebenhoden steht.
Vor letzterem findet sich eine gänseeigrosse Hydrocele testis. Der linke Samen¬
strang etwas dicker als der rechte. Rechter Hoden, Prostata und Samen¬
blasen normal. Urin klar, sauer, eiweissfrei. An der Aussenseite der linken
Ellbogengegend ist die Haut in der Ausdehnung eines Nagelgliedes leicht gerötet
und zeigt Knötchen- und Schuppenbildung. Diese auf Lupus verdächtige Efflores-
cenz soll seit acht Jahren sich allmählich entwickelt, seit zwei Jahren sich nicht
mehr vergrössert haben.
27. X. Operation in Chloroform-Narkose. Elliptische Umschneidung
des Abscesses weit im gesunden und Exstirpation des Hodens mit seinen Hüllen,
Evulsion des Vas deferens, Entfernung desselben in der Länge von 18 cm. Ab¬
bindung des Samenstranges am äusseren Leistenring, Hautnähte. Exzision der
Hauteffiorescenz am linken Arm. Es fand sich eine ausgedehnte Verkäsung
des Nebenhodens mit Abscedierung, eine sekundäre Hydrocele, im Hoden ver¬
einzelte makroskopisch eben sichtbare Tuberkel, im Vas deferens mehrfache
Knötchen, die Schnittfläche des letzteren intakt. Die Hautaffektion am
Arm erwies sich mikroskopisch als Lupus.
Die Heilung erfolgte per prim., eine am Samenstrangstumpf aufgetretene
Fistel schloss sich Mitte Dezember definitiv. Die Olecranarthritis wurde konser¬
vativ behandelt.
Im Frühjahr 1901 Zunahme der Schwellung des Ellbogengelenks und Ent¬
wickelung parartikulärer Abscesse, daher am 14. III. 1901 typische Resektion
des Gelenks, das ausgedehnten Fungus, aber keine stärkere Caries zeigte.
Glatter fieberloser Verlauf, am 21. V. 1901 vollständige Heilung mit linearer
Narbe.
Status im März 1903: Sehr gutes Allgemeinbefinden, innere Organe
gesund. In der linken Skrotalhälfte eine lineare weissliche Narbe, rechter
Hoden und übrigen Urogenitalorgane intakt. Das resezierte Ell¬
bogengelenk ist aktiv und passiv ziemlich gut beweglich, die
Ausheilung derselben eine vollständige.
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13] Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 219
E p i k r i s e: Die Tuberkulose des Ellbogengelenks und des Hodens
entwickelten sich fast gleichzeitig. Während erstere nur langsame
Fortschritte machte, erst nach Jahresfrist zur Abscessbildung führte,
nahm letztere einen raschen Verlauf, so dass schon im Herbst 1900
die Kastration notwendig wurde. Die genaue Untersuchung des
Körpers ergab einen kleinen, bis dahin unbeachtet gebliebenen, seit
Jahren bestehenden Lupus des linken Armes. Da die inneren Organe
frei von Tuberkulose waren, ist es am wahrscheinlichsten,
dass dieser Lupus die Eingangspforte für die bacilläre
Infektion abgegeben hat. Die ins Blut gelangten Bacillen lokali¬
sierten sich im rechten Ellbogengelenk und im linken Hoden: Beide
Lokalisationen sind als koordinierte, auf hämatogenem
Wege entstandene aufzufassen. Für den primären Cha¬
rakter der Hodenerkrankung spricht auch der Umstand,
dass nach der Kastration Dauerheilung eingetreten ist,
obwohl in relativ kurzer Zeit die Tuberkulose auf den Haupthoden
und auf das Vas deferens übergegriffen und zu rascher käsiger Ein¬
schmelzung des Nebenhodens geführt hatte.
Ein weiteres Beweismoment für das Vorkommen hämato¬
gener Entstehung bilden Beobachtungen von tödlicher Miliar¬
tuberkulose nach alleiniger Hoden tuberkulöse. Auf dem
30. Chirurgenkongress 1901 teilte Stempel einen einschlägigen, ein-
w T andsfreien Fall mit:
45j. stets gesunder Mann erlitt im Juni 1900 eine Quetschung des linken
Hodens mit starker Anschwellung, die bereits im August von Aufbruch und Fistel¬
eiterung gefolgt war. Die übrigen Organe intakt. Diagnose: Tuberc. testis.
Operation vom Patienten abgelehnt. Ende November Atembeschwerden, jetzt
Kastration mit glatter Heilung. Von Mitte Januar 1901 ab Atemnot, leichte Bron¬
chitis und Eude Januar Exitus. Sektion: Urogenitalsystem frei von Tub., ebenso
alle übrigen Organe, nirgends Zeichen einer älteren Tub.
Massenhafte miliare Tuberkel in beiden Lungen und in der Rinde der rechten
Niere.
Auf dem Boden eines Traumag entwickelte sich rasch eine Ver¬
käsung des linken Hodens. Da bei der Sektion nirgends im Körper
ein Tuberkuloseherd gefunden wurde, müssen wir die Hoden¬
erkrankung als primäre Lokalisation anerkennen und
sind zu der Annahme gezwungen, dass die Bacillen auf
dem Blutweg in den Nebenhoden gelangten.
Wenn die Voraussetzung zutrifft, dass die Hodentuberkulose häufig
durch hämatogene Infektion entsteht, so müsste man erwarten, dass
nach Analogie der Nieren-, Nebennieren-, Eileitertuberkulose auch
ein symmetrisches, gleichzeitiges Vorkommen der Er-
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krankung zur Beobachtung kommt. Die Statistiken ergeben
nun in der Tat., dass ein gleichzeitiges Befallensein beider Hoden in
einem allerdings sehr kleinen Prozentsatz der Fälle konstatiert wird.
Unter dem Bruns sehen Material 1 ) finden sich vier derartige Fälle:
1. 40jähr. Mann, seit drei Jahren an Vergrösserung beider Hoden mit Fistel-
eiterung leidend. 1858 Castratio duplex, Heilung, nie anderweitige Tuberkulose.
1883, also nach 30 Jahren, an akuter Gastroenteritis gestorben.
2. 26jÄhr. Mann, wegen Drüsentuberkulose am Halse operiert. Im Anschluss
an eine Kontusion des Skrotums vor */ 8 Jahr entwickelte sich eine beiderseitige
Hodenschwellung. Am 18. TI. 1886 Castratio duplex. Heilung per prim. Am
23. VII. 1888 an Purpura haemorrhag. gestorben. Die Sektion ergab Tuberkulose
der Lungen und des Cöcums. Urogenitalapparat intakt.
3. 43jähr. Mann erkrankte nach Kontusion an gleichzeitiger Tuberkulose
beider Nebenhoden. 3. V. 1887 Castratio duplex, beide Nebenhoden verkäst, in
beiden Haupthoden miliare Tuberkulose, beide Vas. deferent. tuberkulös, auf der
Schnittfläche noch krank. In beiden Samenblasen je ein Knoten nachweisbar.
Heilung. Nach 13 Jahren noch vollständig gesund, an Prostata und
Samenblase nichts abnormes.
4. 29jähr. Mann, mit beiderseitiger Epididym. tub., die vor *U Jahren nach
vorheriger Cystitis gleichzeitig entstand. Hauptboden und Vas deferens frei.
Castratio duplex. Nach drei Monaten an Nierenkrankheit gestorben.
Die drei ersten Fälle sind typische Beispiele einer primären,
gleichzeitigen Erkrankung beider Hoden und gleichzeitig
geeignet, das alleinige Vorkommen der Hodentuberkulose
zu beweisen. Da in 2 Fällen Dauerheilung erzielt wurde, im dritten
Fall durch die Sektion die sekundäre Entstehung der Hodenaffektion
ausgeschlossen werden konnte, ist an der hämatogenen Infektion
nicht zu zweifeln. Die Rückbildung der bei der Kastration
konstatierten Tuberkulose des Vas deferens und der
Samenblase bei dem dritten Patienten ist für den ascendieren-
den Modus der Weiterverbreitung beweisend.
Die Erfahrung lehrt, dass in vielen Fällen nach Erkrankung des
einen Hodens innerhalb einiger Monate bis zu 2 oder 3 Jahren auch
der andere Hoden von Tuberkulose befallen wird. Die Zahlenangaben
über die Häufigkeit dieser nachträglichen Erkrankung sind nicht
übereinstimmend, R. König (Kocher) hielt den Prozentsatz von 75
für nicht zu hoch gegriffen. Die Brunssche Zusammenstellung er¬
gab, dass nach einseitiger Kastration der zweite Hoden noch
nachträglich in 26,7 °/o der Fälle erkrankt. Manche Operateure
hatten den Eindruck, dass nach der Exstirpation eines kranken Hodens
der andere Hoden rascher als bei konservativer Behandlung von
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Zur Pathologie uod Therapie der Hodentuberkulose.
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Tuberkulose befallen werde und waren durch diese Erfahrung zu
Gegnern der Kastration geworden.
Was den Entstehungsmodus der Tuberkulose des zweiten Hodens
betrifft, so hat man bisher angenommen, dass dieselbe entweder durch
kontinuierliches Fortschreiten des Prozesses von dem einen Vas defe-
renß zum anderseitigen entstehe, oder dass ein centraler primärer
Herd (Prostata, Blase) zu der Erkrankung des einen und anderen
Hodens descendierend führe. Indessen beweist die Aufeinanderfolge
keineswegs den direkten lokalen Zusammenhang der doppelseitigen
Infektion. Es ist ebenso denkbar, dass die Erkrankung des
zweiten Hodens ganz unabhängig von der des ersten auf
hämatogenem Wegezu stände kommtund dass sich darin,
wie bei derNiere, der N ebenniere, demEileiter, nurdie
Vorliebe für symmetrische Erkrankung des gleichen
Organes dokumentiert. Für dieses Verhältnis der beiderseitigen
Hodenaffektion sprechen die Fälle von gleichzeitiger Erkrankung
beider Hoden (s. oben), sowie die Tatsache, dass nach doppelseitiger
Kastration in einem sogar noch grösseren Prozentsatz als nach ein¬
seitiger Exstirpation, nämlich in 56°/o (Bruns), resp. 72°/o (Czerny)
Dauerheilung erzielt worden ist. Diese glänzenden Heilerfolge wären
nicht verständlich bei der Annahme, dass ein primärer Herd in der
Prostata oder den Samenblasen oder ein stärker erkranktes Stück des
zweiten Samenstrangs jeweils zurückgeblieben wäre. Bei unserer Auf¬
fassung der beiderseitigen Erkrankung als koordinierte, ist die Dauer¬
heilung erklärlich, insofern die aufsteigende, nach dem Zentrum all¬
mählich an Intensität abnehmende Tuberkulose beider Samengänge
nach Entfernung des Hauptherdes einer vollständigen Rückbildung
fähig erachtet werden kann. Auch Bruns sprach sich auf Grund
seiner Operationsresultate dahin aus, dass die doppelseitige Hoden¬
tuberkulose isoliert bestehen könne. Auf der anderen Seite aber zog
er aus der Tatsache, dass von den einseitig Kastrierten nur 26°/o
nachträglich an Tuberkulose des anderen Hodens erkrankten, den
Schluss, dass die frühzeitige Kastration einen erheblichen Schutz gegen
das nachträgliche Befallenwerden des zweiten Hodens gewähre, scheint
demnach doch der kontinuierlichen Infektion durch die Vasa deferentia
grosse Wichtigkeit beizulegen. Die Brunsschen Zahlen sind
indessen meiner Meinung nach nicht für ein direktes
Abhängigkeitsverhältnis der beiderseitigen Erkrankung
verwertbar. Wenn wirklich die Bacillen durchs Vas deferens den
Weg zum zweiten Hoden fänden, so müsste durch frühzeitige Kastration
in einem viel grösserem Prozentsatz als 26 die Tuberkulose des zweiten
Hodens vermieden werden.
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Aus den bisherigen Darlegungen ergeben sich bezüglich der Patho¬
logie der Hodentuberkulose folgende Schlüsse:
1. Die Hodentuberkulose ist viel häufiger als man
bisher angenommen hat, vielleicht in der Mehrzahl der
Fälle eine primäre, hämatogene Erkrankung, deren Weiter¬
verbreitung im Urogenitalsystem in ascendierender Weise erfolgt.
2. Ob die Baumgartenschen Ergebnisse des Tier¬
experimentes auch beim Menschen Geltung haben, d. h.
ob ein descendierender Infektionsmodus überhaupt nicht
vorkommt, ist noch zweifelhaft.
3. Das Vorkommen der bis jetzt als Regel ange¬
nommenen descendierenden Infektion ist nicht ein¬
wandsfrei bewiesen.
4. Bei gleichzeitig auftretender oder in Pausen er¬
folgender Infektion beider Hoden handelt es sichhöchst
wahrscheinlich um eine koordinierte, auf dem Blutwege
entstehende Erkrankung.
5. Das zur Zeit vorliegende Material reicht zur Ent¬
scheidung der strittigen Punkte noch nicht aus; durch
den Fortschritt in der Erkenntnis haben sich wieder neue
Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung neue klinische,
histologische, experimentelle Untersuchungen erfordert.
Die Behandlung einer so vielgestaltigen Krankheit wie der
Hodentuberkulose muss sich nach den individuellen Verhältnissen des
vorliegenden Falles richten, kann nicht einheitlich, nicht schablonen¬
haft sein. Für die Indikation zur Anwendung der verschiedenen Be¬
handlungsmethoden muss das Alter des Patienten die Form der Tuber¬
kulose, der Charakter des Verlaufs, das Vorhandensein oder Fehlen
anderweitiger Lokalisationen bestimmend sein. Auf die Einzelheiten
der Indikationsstellung soll hier nicht näher eingegangen werden, wir
wollen vielmehr unseren Erörterungen über die Therapie den Fall
einer isolierten Hodentuberkulose mit chronischem Ver¬
lauf zu gründe legen.
Man ist darüber einig, dass in den vorgeschrittensten Stadien
der reinen Genitaltuberkulose, bei Verkäsung des Hodens selbst und
Übergreifen der Eiterung auf die Haut und den Samenstrang, die
Kastration in ihre Rechte tritt, sofern es sich um eine einseitige Er¬
krankung handelt. Diese Anzeige wird auch von den erbittertsten
Gegnern der Kastration zugestanden. Dagegen entstehen hinsichtlich
des Verhaltens gegenüber den Anfangsstadien, den isolierten Knoten
im Nebenhoden und den auf letzteren noch beschränkten Abscess-
bildungen die Ansichten im schroffen Gegensatz zueinander. Diese
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17]
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
223
Meinungsdifferenz ergibt sich am klarsten aus den diesbezüglichen
Diskussionen der Pariser Gesellschaft für Chirurgie 1900*) und des
deutschen Chirurgenkongresses 1901.
Von den zahlreichen französischen Chirurgen, die sich an der
Debatte beteiligten, plädierte Berger, als einziger, für die Kastra¬
tion, die bei vorgeschrittenen Fällen mit Erkrankung anderer Organe
palliativ wirke, bei solitärer Hodentuberkulose am sichersten Heilung
bringe. Bei reiner Genitaltuberkulose empfiehlt Berger die Mitent¬
fernung des Vas deferens und eventuell die Exstirpation der affizierten
Samenblase. Alle übrigen Redner sprachen sich gegen die Kastration
aus, und redeten der konservativen Behandlung, sowie partiellen Re¬
sektionen das Wort. Die meisten erklärten, dass sie in früheren
Jahren Anhänger der Radikaloperation gewesen, aber durch un¬
günstige Erfahrungen zu dem konservativen Standpunkt gedrängt
worden seien.
Während die einen die knotige, schrumpfende Form nur allge¬
mein (Seebäder) behandeln und Abscesse durch Punktion und Injek¬
tionen von Naphthol camphre, durch Inzision, Ausschabung, Kauteri¬
sation zu Ausheilung zu bringen suchen, empfehlen andere bei diffuser
Infiltration des Nebenhodens und bei Abscessbildung die typische Re¬
sektion der Epididymis. Quenu, Reynier u. a. befürworteten die
Frühoperation, plädierten für Ausschälung der Knoten und Resektion
des Nebenhodens unter Mitnahme eines möglichst grossen Stückes
des Vas deferens.
Die doppelseitige Kastration wurde von allen, auch
von Berger, verworfen.
Die Ablehnung der Kastration wurde von den französischen Kol¬
legen mit verschiedenen Gründen motiviert, von einzelnen mit der
Beobachtung, dass nach der Exstirpation des kranken Hodens oft
auffallend rasch der andere befallen werde, von anderen mit der
Erfahrung, dass die Operation manchmal von Generalisierung der
Tuberkulose gefolgt sei, von vielen endlich mit den schlechten Ergeb¬
nissen des Eingriffs. Sämtliche Chirurgen waren aber bei ihrem
konservativen Standpunkt von dem Bestreben geleitet, den Haupt¬
hoden um jeden Preis zu erhalten, da derselbe nicht nur der
Spermabereitung diene, sondern auch eine für den Stoffwechsel wich¬
tige, innere Sektretion entfalte. Die Entfernung des Organs führe
nicht nur zur Impotenz, sondern auch zu psychischen Störungen.
Diesen Nachteilen der Kastration stünden keine entsprechenden Vor-
i) Bulletin mädical 1900.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 1. H. 3. IG
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Max Jordan.
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teile gegenüber, da die Tuberkulose des Hodens meist eine sekundäre
sei und die Exstirpation daher durchaus keine Garantie für Dauer¬
heilung biete. In frühen Stadien der Erkankung sei ausserdem der
Haupthoden intakt und die Entfernung eines gesunden Organs in
keiner Weise gerechtfertigt.
In Deutschland hat schon 1886 Bardenheuer die Resektion
des Nebenhodens befürwortet und in neuester Zeit (1900) legte
Albert 1 ) einen scharfen Protest gegen die häufige Vornahme der
Kastration ein. Albert verwarf die Kastration, da dieselbe in einer
Reihe von Fällen bei dem oft sehr chronischen Verlauf der Tuber¬
kulose unnötig sei und in anderen Fällen schwereren Charakters den
unglücklichen Ausgang doch nicht verhüten könne. Lanz 2 ) führte
gegen die prinzipielle Anwendung der Kastration die Tatsache ins
Feld, dass die primäre Hodentuberkulose eine seltene Ausnahme sei,
in der Regel ein Herd in der Prostata, Blase oder Niere bestehe.
Er versuchte die Resektion des Nebenhodens mit diagnostischer Spal¬
tung des Hodens, kam aber zu dem Schluss, dass durch die Inspek¬
tion die Frage der Mitbeteiligung des Hodens nicht sicher zu ent¬
scheiden sei.
Die Mehrzahl der deutschen Chirurgen ist der Kastration bis in
die neueste Zeit treu geblieben und betrachtet dieselbe als die sicherste
Methode zur Heilung der Hodentuberkulose. Auf dem 30. Chirurgen¬
kongress in Berlin erklärte sich nur Bier als entschiedener Gegner
der doppelseitigen Kastration, die für das Allgemeinbefinden nicht
gleichgültig sein könne und trat mit Schlange auf Grund einzelner
günstiger Erfahrungen für konservative Behandlung (Seebäder, In¬
zision und Ausschabung) auch schwerer Fälle von Hodentuberkulose
ein. Im übrigen ergab die Diskussion, dass neben Anhängern der
prinzipiellen Kastration in jedem Falle nachgewiesener Tuberkulose
andere stehen, die nur bei bestimmten Indikationen den Eingriff
unternehmen. Den radikalsten Standpunkt nahm Bruns ein, indem
er gestützt auf ein gewichtiges klinisches Material, für die prin¬
zipielle Kastration und zwar für Frühoperation plä¬
dierte. König sen. äusserte sich dahin, dass man bei der trockenen
schrumpfenden Form, die oft jahrzehntelang bei gutem Allgemein¬
befinden besteht, sich passiv verhalten, die Frage der Exstirpation
jedenfalls in ab wägender Weise behandeln könne. Auch Gussen-
bauer bekannte sich als Eklektiker, behandelt die chronischen, zur
i) Albert, Gegen die Kastration bei Tuberkulose des Nebenhodens. Therapie
der Gegenwart 1900.
-) Lanz, 1. c.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
19]
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
225
Schrumpfung neigenden Fälle von reiner Genitaltuberkulose abwar¬
tend, da er bei zahlreichen Erkrankungen dieser Art nach Jahren
spontane Ausheilung gesehen habe, macht aber bei rasch fortschreiten¬
der Verkäsung die Exstirpation in radikalster Form. Bramann 1 )
begnügt sich in leichten Fällen unter Umständen mit Inzision und
Kauterisation oder auch mit der Resektion des Nebenhodens und des
Vas deferens, gibt aber bei Mitbeteiligung des Hodens stets der Ka¬
stration den Vorzug. Czerny und Kocher sind, wie aus ihren
Statistiken hervorgeht, Anhänger der Radikaloperation.
Wenn wir uns nun zur Kritik der verschiedenen Anschauungen
über die zweckmässigste Behandlung der Hodentuberkulose wenden,
so ergibt sich zunächst aus den diesbezüglichen Debatten, dass die
Kastrationsgegner, und speziell die französischen, ihre thera¬
peutischen Grundsätze teils auf vereinzelte Beobach¬
tungen, teils auf Reflexionen aufbauen, und dass kein ein¬
ziger derselben ein grösseres, über Jahre verfolgtes Krankenmaterial
zum Beweis der Richtigkeit heranziehen konnte. Die konservative
Richtung kann sich zur Zeit noch nicht auf ausreichende praktische
Erfahrungen, auf Dauererfolge berufen, und was die Einwände gegen
die Kastration betrifft, so sind dieselben sämtlich durch die neuesten
statistischen Zusammenstellungen entkräftet. Aus den mehrere Hun¬
derte von Fällen mit einer Beobachtungsdauer bis zu drei Jahr¬
zehnten umfassenden Statistiken (s. o.) geht hervor, dass auch d i e E n t-
fernung beiderHodenbei Erwachsenen — und um solche handelt
es sich zumeist, da Kinder nur selten von Tub. test. befallen werden
— keinen ungünstigen Einfluss auf das Gesamtbefinden
aus übt. Das Auftreten einer Psychose ist mit einer einzigen Aus¬
nahme weder nach ein-, noch nach doppelseitiger Kastration beob¬
achtet worden. Ob die bei dem Patienten Czernys aufgetretene
geistige Störung in direktem Zusammenhang mit der Operation stand,
ist aus der Publikation nicht ersichtlich. Es hat sich ferner die
merkwürdige Tatsache herausgestellt, dass in nicht wenigen
Fällen von Castratio duplex die Potentia coeundi er¬
halten blieb, die erwartete Impotenz nicht eintrat. Bruns wies
ferner nach, dass nach einseitiger Kastration der zweite Hoden
in einem geringeren Prozentsatz als bei spontanem Ab¬
lauf der Krankheit von der T_uberkulose befallen wird.
Der Einwand der Operationsgegner, dass bei der Kastration oft der
gesunde Hoden geopfert werde, mag eine gewisse Berechtigung haben.
1) Bramann, Im Handbuch der praktischen Chirurgie 1901.
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226
Max Jordan.
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Indessen haben die mit der diagnostischen Spaltung gemachten Er¬
fahrungen ergeben, dass die sichere Feststellung der Intakt¬
heit des Organs bei der klinischen Autopsie kaum mög¬
lich ist.
Da die schon oben mitgeteilten Endresultate der Kastration vor¬
zügliche sind und die derselben angedichteten Nachteile tatsächlich
nicht bestehen, so kann es nicht zweifelhaft sein, dassdieKastra-
tion eine sichere und berechtigte Behandlungsmethode
dar stellt. Auch bei der konservativen Behandlung tritt bei doppel¬
seitiger Erkrankung infolge Zerstörung oder Verödung des Ausfüh¬
rungsganges Sterilität ein: Der Vorteil liegt also nur in der Erhal¬
tung des Testicule moral und der sicheren Konservierung der Potenz.
Die konservativen Methoden müssten aber trotz der Sicherheit der
Kastration den Vorzug verdienen, wenn die praktischen Ergebnisse
ebenso günstige wären wie die der Exstirpation. Da ein Vergleich
der Leistungsfähigkeit bei dem Fehlen einer zuverlässigen Statistik
des konservativen Verfahrens zur Zeit noch nicht möglich ist, ver¬
lohnt es sich zu untersuchen, wie die Behandlungsfrage im
Lichte der neuerenAuffassung der Pathologie derHoden-
tuberkulose erscheint.
Wenn die Annahme richtig ist, dass die Hodentuberkulose in
der Mehrzahl der Fälle eine primäre ist und die Weiterverbreitung
ascendierend erfolgt, so können wir erwarten, dass durch die Ent¬
fernung des tuberkulösen Herdes und hohe Resektion des vielleicht
schon infizierten Vas deferens (Evulsion nach v. Büngner) Dauer¬
heilung herbeigeführt wird. Dass die Radikaloperation, die Exstir¬
pation des ganzen Organs, unter diesen Umständen zu günstigen Er¬
gebnissen führt, ist verständlich. Da wir es aber nach unserer Auf¬
fassung mit einer primären tuberkulösen Lokalerkrankung zu tun
haben, ist es theoretisch ebenso gut denkbar, dass wir
auch durch konservative Behandlung oder durch par¬
tielle Resektionen Heilung erzielen können. Es ist von
vornherein nicht einzusehen, warum die jetzt für die Behandlung der
Lokaltuberkulose (Knochen, Gelenke) massgebenden Prinzipien nicht
auch auf den Hoden übertragen werden sollten. Die Frühresektionen
der tuberkulösen Gelenke sind längst aufgegeben. Der an und für
sich durchaus aussichtsvollen Ausschälung tuberkulöser Knoten oder
der Exzision der ganzen Epididymis und eines Stücks des Vas defe¬
rens haftet nur die Unsicherheit bezüglich der Mitbeteiligung des
Hodens an. Handelt es sich indessen nur um einige miliare Tuberkel,
die im Hodenparenchym zerstreut sind, so wäre nach Entfernung
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21 ]
Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose.
227
des Hauptherdes der Tuberkulose ein Rückgang und eine
Verödung derselben ebenso gut möglich wie am Ureter,
den wir nach der Nephrektomie zurücklassen. Wenn die Erfahrung
ergeben würde, dass eine solche Rückbildung der Hodentuberkel die
Regel ist, so verdiente die partielle Resektion zweifellos den Vorzug
vor der Kastration. Hinsichtlich der nachträglichen Erkran¬
kung des zweiten Hodens weisen die beiden Operationen
keinen Unterschied auf; denn einmal hat nach unserer An¬
nahme der koordinierten, hämatogenen Infektion die Exstirpation
des kranken Hodens keinen Einfluss auf das Schicksal
des zweiten Hodens, und dann würde auch die partielle Resektion
mit Evulsion eine etwaige Weiterverbreitung durch den Samengang
in gleicher Weise verhüten wie die Kastration.
In frühen Stadien der Epididymistuberkulose ist der Hoden
in der Mehrzahl der Fälle noch intakt. Wenn daher die Re¬
sektion im Sinne Quenus zur prinzipiellen Behandlungsmethode
erhoben würde, so könnte man theoretisch sehr günstige Endresultate
erwarten.
Aus den bisherigen Darlegungen folgt, dass wir infolge der Ände¬
rung unserer Anschauungen über die Pathologie auch therapeu¬
tisch vor neue Aufgaben gestellt sind. Es ist zur Zeit noch
nicht möglich festzustellen, welche Behandlungsmethode die souveräne
ist. Die Kastration hat ihren hohen Wert durch die Praxis bewiesen,
die Leistungsfähigkeit der konservativen Methoden ist noch nicht er¬
probt. Die Entscheidung der Frage wird erst nach Jahr¬
zehnten auf Grund umfangreichen statistischen Materials
möglich sein.
Bis zur Lösung der schwebenden Fragen dürfte es sich empfehen,
den Weg der mittleren Linie zu gehen. In allen Fällen von
reiner Genitaltuberkulose, bei denen die Erhaltung des Hodens keine
wesentliche Rolle spielt, bei alten Leuten, bei Männern, die zahl¬
reiche Kinder haben und die Sicherheit der Wiederherstellung über
die eventuelle Konservierung der Geschlechtsfunktion stellen, ist die
Kastration als zuverlässigste Methode anzuwenden. Bei jüngeren
Patienten, denen an der Erhaltung des Hodens viel gelegen ist, ist
dagegen der Versuch, die Kastration zu vermeiden, gerechtfertigt.
Bei langsam verlaufender, zu Schrumpfung neigender Tuberkulose des
Nebenhodens empfiehlt sich neben Applikation eines Suspensoriums
und eventueller Einreibung von Jodsalbe die Anwendung einer ener¬
gischen Allgemeinbehandlung. Kommt es zur Erweichung eines iso-
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228 Max Jordan. Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. [22
lierten Knotens, dann ist Inzision und Exkochleation mit nachfolgender
Jodoformgazetamponäde angezeigt. Bei ausgedehnterer Infiltration
und stellenweiser Abszedierung des ganzen Nebenhodens ist die Re¬
sektion im Gesunden unter Mitnahme des Vas deferens zu versuchen.
Greift der Prozess auf den Hoden selbst über, ist die Grenze zwischen
Neben- und Haupthoden nicht mehr zu ziehen, so tritt die Kastration
in ihre Rechte.
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Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
Von
Dr. 0. Roepke, Lippspringe,
Chefarzt der Lungenheilstätte 13.
Die Diagnostik der Lungentuberkulose hängt mit der Entwicke¬
lung der Lehre von der Schwindsucht aufs engste zusammen. Bedeut¬
same Fortschritte in der letzteren mussten naturgemäss ihren be¬
stimmenden Einfluss auf erstere ausüben. So ist das Thema alt,
uralt wie die Medizin der altorientalischen Völker und die medi¬
zinischen Werke eines Alkmäon, Hippokrates, Aretäus,
Galen, Celsus und anderer Ärzte aus dem klassischen Altertum.
Der ärztliche Scharfblick und Erfahrungsschatz des Hippokrates
und die ihm eigene und seinen Schülern anerzogene Beobachtung am
Krankenbett entwerfen von der Phthisis lediglich auf Grund ihrer
spezifischen Erscheinungen ein Krankheitsbild, wie es trefflicher und
prägnanter auch heute noch nicht geschildert werden könnte. Die
Beziehungen zwischen Hämoptoe und Schwindsucht, der Einfluss
häufiger Katarrhe auf ihre Entstehung, die besonders gefährdeten
Altersstufen, der phthisische Habitus, Husten, Auswurf und Atemnot,
Fieber und Nachtschweisse, Abmagerung und Erbleichen der Haut¬
decken werden in überraschend klarer Auffassung für die Diagnosen¬
stellung verwertet. Dagegen sind die pathologisch-anatomischen Vor¬
stellungen verschwommen und schwanken zwischen der Annahme
chronisch entzündlicher Prozesse und vereiternder Knotenbildung.
Das ist die Epoche der rein empirischen Diagnostik der Schwind¬
sucht.
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0. Roepke.
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Das wissenschaftlich unproduktive Mittelalter brachte bis zum
17. Jahrhundert auch für die Erkenntnis der Lungenschwindsucht
keine Fortschritte. Im Gegenteil! Bei jeglichem Mangel an medi¬
zinisch interessanten und anregenden Forschungen blühte unter dem
Schutze ärztlicher Unkenntnis und Charlatanerie der Mystizismus und
Aberglaube und machte die Phthise zu jenem Schreckbild unheilbarer
menschlicher Leiden, das auch heute noch überängstlichen Laien¬
kreisen bei dem Worte „Schwindsucht“ erscheint.
Erst im 18. Jahrhundert belebten Bayle und Laennec, welche
als erste die Tuberkelbildung in der Lunge als das wesentliche der
Tuberkulose ansahen, die Gesamtauffassung von dem ätiologischen
Wesen und dem pathologischen Bilde der Lungenschwindsucht aufs
neue. Die Erfindung der Perkussion durch Auenbrugger und ihre
Einführung durch Corvisart sowie die Entdeckung der Auskultation
durch Laennec kamen hinzu, um die pathologisch-anatomischen
Veränderungen objektiv wahrnehmbar und technisch diagnostizierbar
zu machen. Auf diesen Grundlagen führte dann im 19. Säkulum
die Ausbildung der physikalischen Untersuchungsmethoden durch
Skoda, Wintrich, Traube, Reynaud im Verein mit den ab¬
schliessenden Forschungen Rudolf Virchows über Wesen und Be¬
griff des Tuberkels zu einer Blütezeit der pathologisch-anatomischen
Lokal- oder Organdiagnostik der Tuberkulose. Die Krankheitsherde
der Lungen nach Schallqualitäten und Atmungsphänomenen am Thorax
abzugrenzen, jede einzelne auskultatorische oder perkutorische Er¬
scheinung über den Lungen auf ihre physikalische Ursache zurück¬
zuführen und danach den örtlichen tuberkulösen Prozess zu kon¬
struieren, das gilt um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als die
Kunst des Klinikers. Die Klinik steht im Zeichen der wissenschaft¬
lichen Diagnostik und vertritt hinsichtlich der Lungentuberkulose
die Epoche der physikalischen Diagnostik. Dieselbe konnte indes
nur so lange die Hauptaufgabe des Klinikers bilden, als die allgemein
verbreitete Annahme von der Unheilbarkeit der Tuberkulose und der
dadurch bedingte Nihilismus in der Therapie den kranken Organis¬
mus gegenüber dem kranken Organ ganz zurücktreten Hessen. Die
folgenden Jahrzehnte mussten mit dem auf unumstössliche Tatsachen
und unwiderlegbare Beobachtungen gestützten Heilbarkeitsdogma der
Lungentuberkulose eine Änderung des klinischen Standpunktes zur
Tuberkuloseforschung herbeiführen. Dieselbe lag in der Verschmel¬
zung jener beiden ersten Epochen nahe. Die hippokratische Grund¬
auffassung der Tuberkulose als Konstitutionskrankheit wurde der
Beurteilung des exakt aufgenommenen lokalen Lungenbefundes zu
gründe gelegt. Daraus resultierte eine auf den ganzen kranken Or-
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3]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
231
ganismus ausgedehnte methodische Krankenuntersuchung und Kranken¬
beobachtung, die Epoche der klinischen Diagnostik der Lungen¬
tuberkulose. In dieser Zeit und Auffassung wurzelt auch die von
Brehmer inaugurierte, von Dettweiler wissenschaftlich fundierte
und ausgebaute hygienisch-diätetische Anstaltsbehandlung der Lungen¬
tuberkulose.
Da schien im Jahre 1882 die glänzendste Tat Robert Kochs,
die Entdeckung des Tuberkelbacillus, die klinische Diagnostik der
Tuberkulose überhaupt überflüssig zu machen. Man kannte ja jetzt
die parasitäre Ätiologie der Tuberkulose und hoffte, den obligaten
Parasiten überall dort nachzuweisen, wo ein tuberkulöser Prozess
vorhanden war. Wo Tuberkulose — da Tuberkelbacillus, der Schluss
war unfehlbar richtig. Die Ätiologie der Tuberkulose war durch die
Bakteriologie entdeckt, die Epoche der bakteriologischen Dia¬
gnostik auch für die Lungentuberkulose die Folge.
Aber bald lehrte die Erfahrung, dass es ungeheuer oft unmög¬
lich war, sich den Tuberkelbacillus auch ausserhalb der tuberkulös
erkrankten Lunge ad oculos zu demonstrieren, sei es, dass der tuber¬
kulöse Prozess mit der Aussenwelt nicht kommunizierte, sei es, dass
er tuberkelbacillenhaltiges Material noch nicht absonderte, sei es, dass
die Technik der bakteriologischen Untersuchungsmethoden weiterer
Vervollkommnung bedurfte. So wurde die Bedeutung der klinischen
Diagnose der Lungentuberkulose nur vorübergehend durch die mächtig
aufblühende bakteriologische Diagnostik eingeengt. Letztere mag für
die private Prophylaxe und öffentliche Gesundheitspflege entscheidend
und für die Anordnung der spezifischen gegen die Tuberkuloseaus¬
breitung gerichteten Prohibitivmassnahmen sogar notwendig sein, für
die Erkennung tuberkulöser Lungenprozesse behufs Einleitung eines
aussichtsvollen Heilverfahrens leistet sie nur wenig. Für therapeutische
Zwecke und Ziele muss man vielmehr auch die klinische Diagnostik
noch empfindlicher und schärfer gestalten als bisher, nachdem eine
mehrjährige Heilstättenpraxis es bestätigt hat, dass die Lungentuber¬
kulose um so sicherer und häufiger heilbar ist, je frühzeitiger sie er¬
kannt und behandelt wird. Dieser Erfahrung entspricht die jetzige
Epoche der Frühdiagnostik der Lungentuberkulose.
Soweit ich ihre Literatur übersehe, bezieht sie sich auf die Auf¬
nahme von Röntgen-Photogrammen, auf die Bestimmung des Blut¬
drucks, der Temperatursteigerung nach Bewegung, der Leukocytose,
der Albuminurie abwechselnd mit Phosphaturie, auf den Eintritt eines
künstlichen Jodkatarrhs, auf die Untersuchung des Sputums mittelst
Tierversuchs, auf die Feststellung des Agglutinationsvermögens u. dergl.
Alle diese als wissenschaftliche Handhaben angepriesenen Mittel, eine
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232
0. Roepke.
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zuverlässige Frühdiagnose zu erleichtern, versagen nach meinen Be¬
obachtungen mehr oder weniger vollständig, ganz abgesehen von dem
Aufwand an Zeit, den ihre Anwendung erfordert, den aber kein nur
einigermassen beschäftigter Arzt zu opfern in der Lage ist. Dahin¬
gegen scheint mir eine Reihe kleiner Mittel mit Erfolg anwendbar
auch für den Praktiker, der doch in erster Linie dazu berufen ist,
die Initialfälle der Lungentuberkulose zu diagnostizieren. Diese be¬
treffen die eingehende Bewertung der Vorgeschichte des Kranken,
seiner allgemeinen und spezifischen Krankheitszeichen und des ört¬
lichen Lungenbefundes mittelst der klinischen Untersuehungsmethoden.
Von eingreifenderen und umständlicheren Massnahmen hat sich
als diagnostisches Hilfsmittel einzig und allein die Tuberkulinreaktion
bewährt. Doch bildet dieselbe nur ein Glied in der Kette aller der¬
jenigen Mittel, die von des Hippokrates Zeitalter an bis jetzt durch
jahrtausendlange Geistesarbeit zur Erkennung der verheerendsten
Volksseuche gefunden worden sind. Darum wäre es ein schwerer
Fehler, die probatorische Tuberkulinanwendung selbständig und los¬
gelöst von den übrigen diagnostischen Hilfsmitteln als Frühdiagnostik
7ta%’ igoxtjv anzusprechen und damit eine tuberkulindiagno¬
stische Epoche der Lungentuberkulose herbeiführen zu wollen.
Häufige und schwere Gesundheitsschädigungen wären unausbleiblich,
wollte man unter Ausserachtlassung des klinischen Lungenbefundes,
des Allgemeinzustandes und Allgemeinbefindens, etwaiger kompli¬
zierender Momente die Tuberkulindiagnostik ausüben. Zudem würde
man ein in der Hand des geübten und vorsichtigen Diagnostikers
unschätzbares, vom Laienpublikum aber ohnehin gefürchtetes Mittel
nur noch mehr in Misskredit bringen.
Der entwickelungsgeschichtliche Überblick deutet die Gesichts¬
punkte. Mittel und Methoden an, die nach dem heutigen Stande der
Tuberkulose-Wissenschaft für die Diagnostik der Lungentuberkulose
Berücksichtigung erheischen. Meine folgenden Zusammenstellungen
sollen nun dartun, welche tatsächlichen Ergebnisse ein solches dia¬
gnostisches Vorgehen bei den ersten dreihundert in die hiesige Heil¬
anstalt aufgenommenen Kranken geliefert hat. Dem berechtigten
Einwande, dass diese Zahl der Beobachtungen viel zu klein wäre, um
beweisend , zu wirken, möchte ich von vornherein mit der offenen Er¬
klärung entgegentreten, dass es mir ganz fern liegt, etwas Neues be¬
weisen oder gar etwas Bewiesenes umstossen zu wollen. Sine ira ac
studio habe ich — und zwar in allen 300 Fällen persönlich — die
Angaben der Patienten über die GesundheitsVerhältnisse ihrer Familie,
über die Vorgeschichte ihrer Krankheit und über deren Erscheinungen
aufgenommen, den allgemeinen und örtlichen Krankheitsbefund bei
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Original fro-m
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5]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
233
der Aufnahme festgestellt, die bakteriologischen Untersuchungen aus¬
geführt und die tuberkulindiagnostischen Impfungen angewendet.
Sine ira ac Studio habe ich nun die einzelnen Daten aus den Krankenr
geschichten zusammengetragen. Was im übrigen meinem Material in
der Quantität abgeht, das ersetzt es vielleicht hinreichend in der
Qualität dadurch, dass es vom ersten bis zum letzten Fall sorgfältig
und einheitlich bewertet und verwertet worden ist.
Die Personalien der Kranken.
Allgemeines über Alter, Familienstand, Beruf, soziale
Verhältnisse und Wohnort der Kranken.
Dem Alter nach standen im
15.—17. Lebensjahr 5 Patienten
18.
—20.
77
20
77
21.
-25.
77
68
77
im 18.—35. Jahr
26,
—30.
n
83
77
225 = 75°/'o.
31.
-35.
54
36,
—40.
V
31
77
41,
—45.
n
24
77
46.
-50.
77
12
77
51,
-55.
77
3
77
Dasjenige Alter, welches Hippokrates und mit ihm alle späteren
Autoren bis zur Jetztzeit als das gefährlichste für die Entstehung
der Lungentuberkulose ansehen — das 18.—35. Lebensjahr — finden
wir auch hier am weitaus häufigsten, nämlich in 75°/o der Fälle, ver¬
treten.
Nach der Familienstandsübersicht waren von den 300 Kranken,
die sämtlich dem männlichen Geschlechte angehörten,
verheiratet 172 = 57 1 /s°/o
ledig 126 = 42°/o
verwitwet 2 = */s °/o.
Hier erscheint die Anzahl der verwitweten gegenüber den ver¬
heirateten Ehemännern auffallend klein.
Die verschiedenen Berufsarten sind zusammengefasst, und
zwar die der hauptsächlich körperlich Arbeitenden, je nachdem die
Kranken ihre Beschäftigung dauernd in geschlossenen Räumen oder
dauernd im Freien hatten. Daneben habe ich noch eine dritte Rubrik
für den beamteten und nicht beamteten Mittelstand gebildet, dessen
körperliche Arbeitsleistung gegenüber der geistigen mehr oder weniger
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234
0. Roepkö.
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zurücktritt und dessen Tätigkeit eine grössere Bewegungsfreiheit
zwischen geschlossenen Räumen und dem Freien verlangt oder zum
wenigsten ermöglicht. Danach gehörten zu
dem Arbeiter- und Handwerkerstande in Fa¬
briken, Gruben und Werkstätten 196 Kranke = 65 1 /'s°,'o
den ländlichen und im Freien beschäftigten
Arbeitern und Handwerkern 39 „ = 13°/o
den vorwiegend geistig tätigen und räumlich
ungebundenen Berufsarten 65 „ = 21*/a°/o
Über die sozialen Verhältnisse orientiert, wenn auch nur
ganz oberflächlich, die Erledigung der Kurkostenfrage. Die Kosten
des Heilverfahrens wurden
in 246 Fällen = 82 °/o, von Landesversicherungsanstalten, Kranken¬
kassen und anderen krankenfürsorgepflichtigen
Organen,
in 6 Fällen = 2°/o von Wohlfahrtsvereinen, Stiftungen und Frei¬
bettenfonds übernommen,
in 48 Fällen = 16 °/o von den Kranken selbst getragen.
Der Hauptinteressenbezirk der Heilstätte lag natürlich in
der Provinz Westfalen; sie war beteiligt mit 225 Kranken = 75 °/o,
die Rheinprovinz „ „ „ 58 „ ~ 19 1 /3 0 o,
andere Provinzen waren „ „ 17 „ == 5*/»°o.
Nach der Lage des Wohnortes verteilen sich auf die
Industriecentren 98 Kranke
Grossstädte 67 „
ländlichen Bezirke 89 „
Kleinstädte 46 _
165 = 55 °io,
135 = 45°/o.
Ein ganz allgemein gehaltenes Gesamturteil über die Personal¬
verhältnisse der Patienten liess sich dahin zusammenfassen, dass
das beobachtete Krankenmaterial aus Männern eines an sich kräftigen
Menschenschlages bestand, die, dem Arbeiter-, Handwerker-, beamteten
und nicht beamteten Mittelstände zugehörig, im erwerbstätigen Alter
in der Heilstätte Aufnahme fanden.
Die Anamnese.
Die Ergebnisse der Anamnese sind für die Diagnostik der
Lungentuberkulose von der grössten Wichtigkeit. Manche Ärzte,
sogar Spezialärzte, verzichten allerdings ganz auf die Anamnese, die
weitaus meisten in übergrosser Hast und Eile und zur Flüchtigkeit
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
7] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 235
gezwungen durch eine im Warteraum ungeduldig harrende Menge von
Kurgästen, die wenigsten in der Absicht, für die objektive Unter¬
suchung durch nichts voreingenommen zu sein.
Bei dem ausgesprochenen Bilde der Schwindsucht im dritten
Stadium mag eine Anamnese für die Diagnosen- und Prognosenstellung
entbehrlich sein. Anders schon beim zweiten Stadium, das wohl
durch die klinische Untersuchung allein ohne weiteres richtig zu er¬
kennen ist, das aber bezüglich der prognostischen Beurteilung Schwierig¬
keiten bietet. Jeder Phthisiotherapeut weiss, wie häufig bei dem
meist chronischen Verlauf der Lungentuberkulose prognostische Er¬
klärungen gewünscht werden, und wie heikel die Beantwortung dies¬
bezüglicher Fragen ist. Und es dürfte wohl keinen geben, der nicht
schon mehrfach die Blame hat tragen müssen, dass da, wo er unab¬
wendbaren Fortschritt des Leidens bis zum Exitus prognostiziert hatte,
ihm nach Jahren der Träger einer zum Stillstand gekommenen Lungen¬
tuberkulose in voller Berufs- und Weltfähigkeit entgegentrat. Es ist
daher die grösste Vorsicht und Gewissenhaftigkeit am Platze, zumal
wenn es sich um Entscheidung der verantwortungsvollen Fragen
handelt, die betreffs Verlobungen und Eheschliessungen Tuberkulöser
an den Arzt herantreten, ln allen diesen Fällen wird die eingehende
Bewertung einwandsfreier anamnestischer Daten die richtige Beurtei¬
lung des klinischen Befundes unterstützen, ob es sich um abheilende,
stillstehende oder fortschreitende Prozesse handelt, und dadurch vor
allzu häufigen und schweren prognostischen Irrtümern schützen.
Noch ein anderer Gesichtspunkt kommt hinzu, eine Forderung
der sozialen Medizin, die sich als ein Produkt der Neuzeit an die
gross angelegte soziale Gesetzgebung Deutschlands angeschlossen hat.
ln unserer Zeit, wo Krankenkassenwesen und Invalidenversicherung
in den innigsten, sich ergänzenden Wechselbeziehungen stehen, ge¬
nügt es nicht mehr, schlechtweg „Lungentuberkulose“ zu diagnosti¬
zieren; wir müssen vielmehr prognostisch diagnostizierend solche Tuber¬
kulosefälle, die durch ein Heilverfahren die Hebung der gefährdeten
oder gestörten Erwerbsfähigkeit bis zur Norm bezw. bis mindestens
auf ein Drittel der Norm erwarten lassen, von anderen unterscheiden,
die hinsichtlich der Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit keinen
mehrere Jahre anhaltenden Erfolg versprechen. Dies gilt für den
praktizierenden Arzt bei der Auswahl zum Heilverfahren in gleicher
Weise wie für den Heilstättenarzt bei der Durchführung desselben;
hier wie dort wird man ohne Berücksichtigung der Anamnese
dieFrage kaum jemals richtig entscheiden, ob die Grenzfalle
zur Heilstättenbehandlung noch geeignet oder nicht mehr ge¬
eignet sind.
Digitized
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236
0. Roepke.
[8
Ob z. B. eine Lungentuberkulose trotz voller Berufstätigkeit,
unhygienischer Lebensbedingungen oder anderer ungünstiger Momente
langsam sich ausbreitete, oder ob sie trotz Schonung, Pflege oder
zweckmässiger Behandlung rapid um sich griff; ob Gewichtsabnahmen
gar nicht oder unbedeutend und allmählich oder ob sie plötzlich, hoch¬
gradig und schnell eintreten, das sind für die Beurteilung des Ver¬
laufes einer Tuberkulose ungemein beachtenswerte Anhaltspunkte.
Nicht weniger wichtig ist die Anamnese für die rechtzeitige Er¬
kennung der ersten Stadien, insbesondere jener sich in der Lungen¬
spitze etablierenden Initialtuberkulose, die selbst den geübten Unter¬
sucher oft nicht weiter als bis zu einem non liquet kommen lässt.
In allen diesen speziell ins Gebiet der Frühdiagnostik fallenden Fällen
wird die Anamnese auf die richtige Spur führen, sofern bei ihrer
Aufnahme die gesammelten Erfahrungen der Phthisiologie in einer
der Individualität und Intelligenz des Kranken angepassten Form
berücksichtigt werden.
Auch ist die Anamnese wertvoll, wenn nicht unentbehrlich,
bei besonderen differentialdiagnostischen Schwierigkeiten, ob z. B.
eine Blutung aus der Lunge oder aus dem Magen stammt, ob eine
Kaverne im Unterlappen auf bronchiektatischer oder tuberkulöser
Basis entstanden ist, ob eine Lungentuberkulose oder eine Lungen¬
syphilis vorliegt u. dergl. mehr.
Die Bezeichnung „positive Anamnese“, die ich zuerst von Neisser-
Stettin auf die Tuberkulose angewandt finde, ist kurz und prägnant;
sie soll zum Ausdruck bringen, dass im einzelnen Falle zuverlässige
anamnestische Angaben für das Vorhandensein einer Tuberkulose
sprechen. Die Verhältnisse liegen hier für die Diagnostik einer kli¬
nisch zweifelhaften Lungentuberkulose ähnlich wie bei der Diagnostik
syphilitischer Späterkrankungen; in beiden Fällen wird die positive
Anamnese ein integrierender Bestandteil der Diagnostik. Es wäre
übrigens wünschenswert, eine Einigung darüber zu erzielen und fest¬
zulegen, welche Daten der Anamnese einzeln oder vereinigt ihren
positiven Charakter ausmachen.
Für die Heilstätte und jedes Krankenhaus, das Tuberkulöse be¬
handelt, hat die genaue Aufnahme der Anamnese noch eine andere
Bedeutung, die zum Teil auf psychodiagnostischem, zum Teil auf
psychotherapeutischem Gebiete liegt. Die einzelnen Lebensabschnitte
des Kranken, Kindheit, Jugend, Erwerbsleben und Lebensführung,
ziehen während der Anamnese kaleidoskopartig an dem kritischen
Auge des Arztes vorüber und entrollen ein Bild von dem Charakter,
Bildungsgrad und psychischem Zustand des Patienten, das für Dia-
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9]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
237
gnose und Prognose einer chronischen Krankheit wertvolle Hinweise
liefert. Zum andern ist es bei der noch immer ausgesprochenen
Aversion der meisten Lungenkranken gegen die geschlossene Anstalt
dringend wünschenswert, dass der Arzt dem neueintretenden Kranken
alsbald auch rein menschlich näher tritt, damit der Patient den Ein¬
druck, lediglich Krankenmaterial zu sein, verliert und Vertrauen zur
ärztlichen Fürsorge gewinnt. Diese psychische Umwandlung, die
einen der wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Anstaltsbehand¬
lung der Tuberkulose bildet, erzielen wir spielend leicht durch eine
bei aller Bestimmtheit in Ton und Art freundlich aufgenommene
Anamnese. Und schliesslich haben die Krankenanstalten bezw. ihre
Ärzte die Aufgabe, in allen Teilen ihrer Tätigkeit Material zu sammeln,
das in hunderten und tausenden von Fällen einheitlich beobachtet zur
Klarlegung mancher noch strittigen Fragen ihres Spezialgebietes bei¬
tragen wird. Es bedarf aber wohl keines Hinweises, dass ganz be¬
sonders in unserm Spezialfach gerade die anamnestisch festzustellen¬
den Momente die ebenso unbestimmten wie viel erörterten Begriffe
von der ererbten und erworbenen Disposition zur Tuberkulose klären
können und müssen.
Um die Statistiken der anamnestischen und klinischen Auszüge
aus den Krankengeschichten ergiebiger und interessanter zu gestalten,
habe ich das ganze Krankenmaterial nach zwei Gesichtspunkten ge¬
trennt bearbeitet: einmal nach dem Moment der anamnestisch fest¬
gestellten erblichen Belastung, dann nach der Schwere des
klinisch festgestellten örtlichen Krankheitsprozesses. Letz¬
teres muss selbstverständlich erscheinen, da der Lungenbefund, ganz
abgesehen von seiner klinischen Bedeutung, den prägnantesten Mass¬
stab für die Schwere der Erkrankung bildet. Dagegen kann ersteres
wunder nehmen, weil der Einfluss der erblichen Belastung auf Ent¬
stehung und Verlauf der Lungentuberkulose mehr und mehr bestritten
wird, während die Unklarheit über die Art und Wirkungsweise der
erblichen Beanlagung fortbesteht. Der Grund für mein Vorgehen
liegt in der schon alten und immer wieder aufs neue bestätigten Er¬
fahrungstatsache, dass die Schwindsucht der Eltern ihren Kindern oft
verhängnisvoll ist — ob infolge einer „Familiendisposition“ oder einer
„Familieninfektion“ bleibe hier zunächst dahingestellt.
Bei der Trennung des Krankenmaterials nach der Schwere
und Ausdehnung des örtlichen Krankheitsprozesses müssen
von den 300 Patienten 2 Personen ausscheiden, da sie als nicht tuber¬
kulös befunden wurden; ihre Krankengeschichten bleiben daher zu¬
nächst auch ganz unberücksichtigt. Die übrigen 298 Fälle verteilen
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0. Roepke.
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238
[10
sich bei Zugrundelegung der Turban sehen Stadieneinteilung 1 ) folgen-
dennassen:
Es gehörten dem I. Stadium an 144 Kranke = 48,3 °/o
*? » » n 07 j) = 22,5 °/o
» HI. » , 87 „ = 29,2 °/o.
Trennen wir nun nach dem zweiten vorgeschlagenen Modus inner¬
halb der einzelnen Stadien die erblich belasteten von den
nicht belasteten Kranken, so erhalten wir folgende, in allen
späteren Aufstellungen wiederkehrende Zahlen:
Im I.
Stadium
waren
belastet 36,
nicht belastet 108
* II.
n
„ 11,
77
„ 56
„ III.
77
77
, _18,
77
, 69
I. + II. + III.
77
V
65,
, 233.
Die Gesundheitsverhältnisse der Familie.
Die anamnestischen Ermittelungen haben sich nach zwei bezw.
nach drei Richtungen hin bewegt, je nachdem die Kranken ledig oder
verheiratet waren und zwar nach dem Gesundheitszustand
1. der Eltern,
2. der Geschwister,
3. der Ehefrau und Kinder.
1. Erbliche Belastung wurde nur dann angenommen, wenn
Vater oder Mutter oder beide Eltern des Patienten an Tuberkulose
gelitten hatten oder an derselben gestorben waren. Die Tuberkulose
der Grosseltern und der Geschwister der Eltern blieb ausser acht,
da bei den Patienten der unteren Volksklassen die Ermittelung ihrer
zeitlich und räumlich ferner liegenden Familienverhältnisse auf Un¬
wissenheit, Gleichgültigkeit und dadurch bedingte ungenaue Angaben
stösst. Die oben bereits angegebenen 65 Fälle erblicher Belastung
stellen also Minimalzahlen dar und verteilen sich im einzelnen wie
folgt:
Tuberkulose lag vor bei den Kranken des I. II. III. Stadiums
väterlicherseits 24 5 10 = 39
mütterlicherseits 8 5 7 = 20
beiderseitig 4 11 = 6
36 + 11 + 18 = 65.
0 I. Stadium: Leichte, höchstens auf das Volumen eines Lungenlappens
oder zweier halben Lappen ausgedehnte Erkrankung. II. Stadium: Leichte,
höchstens auf das Volumen zweier Lappen oder schwere, höchstens auf das Vo¬
lumen eines Lappens ausgedehnte Erkrankung. III. Stadium: Alle Erkrankungen,
welche über Stadium II hinausgehen.
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11 ]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
239
Der Prozentsatz erblich Belasteter (65 = 21,8 °/o der aufge¬
nommenen Tuberkulösen) ist für den an der Tuberkulosemortalität
hoch beteiligten Interessenbezirk der Heilstätte auffallend gering.
Dagegen scheint mir das Ergebnis, dass in 60°/o der Fälle der Vater
und nur in rund 30°/o die Mutter tuberkulös war, zutreffend darauf
hinzuweisen, dass auch in der früheren Generation der Ehemann der
in der Industrie, im Bau- und Hüttenwesen beschäftigte und dadurch
der Tuberkulosegefahr mehr ausgesetzte Teil war, während bei der
gut auskömmlichen Höhe des Arbeitsverdienstes die Tätigkeit der
Ehefrau allein auf die häuslichen Arbeiten beschränkt blieb.
Erbliche Belastung war bei 1 I* der Kranken des I. Stadiums, bei
*/« derjenigen des II. und bei 1 's derjenigen des III. nachweisbar.
Aus diesen Zahlen lässt sich indes ein Schluss, ob die Heredität auf
den Gang der Krankheit von Einfluss war, nicht ziehen.
2. Über den Gesundheitszustand der Geschwister der
Kranken orientiert die folgende Zusammenstellung:
Es hatten die Kranken des
I.
II.
III. Stadiums
Sa.
+ -
+ -
+ -
+ ~
gesunde Gesehwister
117
390
32
158
54
210
=
203
758
klein gestorbene Geschwister
9
74
1
40
16
37
==
26
151
spfiter gestorbene Geschwister
6
51
7
17
3
26
_
16
94
tuberkulöse Geschwister
18
21
7
3
10
14
=
35
38
Gesamtzahl der Geschwister
150
536
47
218
83
287
=
280
1041
686
265
370
1321
Zur Erläuterung der Tabelle bemerke ich, dass die Belasteten
unter dem Plus-, die Nichtbelasteten unter dem Minuszeichen aufge¬
führt sind. Zu den tuberkulösen Geschwistern sind nur diejenigen
gezählt, die nach den bestimmten Angaben der Patienten an der
Tuberkulose leiden oder an derselben bereits verstorben sind; es stellen
also auch diese Werte Minimalzahlen dar.
Die Gesamtzahl der Geschwister beträgt bei den 65 Belasteten
280, bei den 233 Nichtbelasteten 1041; es kommen demnach auf dem
einzelnen Patienten, der aus gesunder Ehe stammt 4,5, auf dem aus
tuberkulöser Ehe 4,3 Geschwister. Damit erfährt die allgemein ver¬
breitete Annahme, dass die Tuberkulösen meist mit sehr regem Ge¬
schlechtstriebe ausgestattet sind, zum wenigsten keine Stütze, denn
Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. M. 3. 17
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240
0. Roepke.
[12
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sonst würde doch als Ausdruck der gesteigerten Geschlechtstätigkeit
die Nachkommenschaft der tuberkulösen Ehen numerisch überwiegen.
Weiter fragt es sich, ob die Geschwister der Belasteten, d. h.
die Nachkommenschaft tuberkulöser Eltern eine grössere Schwächlich¬
keit und Widerstandslosigkeit gegenüber tuberkulösen und anderen
Krankheiten aufweisen als die Nachkommen gesunder Eltern. Aus
obiger Tabelle ergibt sich nun, dass
von den 4,3 Geschwistern des Belasteten 3,1 gesund, 0,66 gestorben
und 0,54 tuberkulös waren,
von den 4,5 Geschwistern des Nichtbelasteten 3,3 gesund, 1,04 ge¬
storben und 0,16 tuberkulös waren.
Daraus geht zunächst hervor, dass das Zahlenverhältnis der ge¬
sunden Geschwister bei Belasteten und Nichtbelasteten ein gleiches
ist wie für die Geschwister überhaupt. Es zeichnet sich also der
geringe Überschuss der Nachkommen aus gesunder Ehe durch Ge¬
sundheit aus, dagegen ist eine grössere Morbiditäts- und Mortalitäts¬
ziffer bei den Geschwistern der Belasteten nicht nachweisbar. Auf
den Belasteten wie Nichtbelasteten kommen 1,2 gestorbener und tuber¬
kulöser Geschwister. Ein wesentlicher Unterschied liegt indes darin,
dass unter den Geschwistern der Belasteten Tuberkulosefälle viel
häufiger sind als unter denjenigen Nichtbelasteter, bei denen die
Todesfälle an anderen Krankheiten vorherrschen: erstere — die
Kinder tuberkulöser Eltern — stellen ein fast 3 Vs mal so grosses
Kontingent zur Tuberkulose als letztere — die Kinder gesunder
Eltern.
Halten wir die Zahlen der obigen Tabelle nun auch noch nach
den einzelnen Stadien auseinander, so ergibt sich folgendes: es
kommen im
I. Stadium auf einen Belasteten (Nichtbelasteten) 4,2 (5,0) Geschwister,
davon 3,3 (3,6) gesunde, 0,4 (1,1) gestorbene, 0,5 (0,2) tuberkulöse,
II. Stadium auf einen Belasteten (Nichtbelasteten) 4,3 (3,9) Geschwister,
davon 3,0 (2,8) gesunde, 0,7 (1,0) gestorbene, 0,6 (0,05) tuberkulöse,
III. Stadium auf einen Belasteten (Nichtbelasteten) 4,6 (4,2) Geschwister,
davon 3,0 (3,0) gesunde, 1,0 (0,9) gestorbene, 0,6 (0,2) tuberkulöse.
Der nichtbelastete Kranke des II. Stadiums hat danach die
wenigsten Geschwister und am seltensten Tuberkulosefälle unter den¬
selben. Die Tuberkulose ist hier nämlich viermal seltener als bei
den Geschwistern nichtbelasteter Kranken des I. und III. Stadiums
und sogar 10—12 mal seltener als bei den Geschwistern belasteter
Kranken aller drei Stadien. Die Zahlen sind zwar klein. Doch
daraus, dass das Mittelstadium der Tuberkulose diese Eigentümlick-
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
13]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
241
keiten bietet, während erstes und letztes Stadium auffallend ähnliche
Verhältnisse in diesen Punkten zeigen, lässt sich wohl der Schluss
ziehen, dass die Schwere der Lungentuberkulose eines Kranken in
den Gesundheitsverhältnissen seiner Geschwister keinen Ausdruck
findet, dass sie insbesondere auch nicht die Häufigkeit der Tuber¬
kulose unter den letzteren steigert.
3. Ich komme zu dem Gesundheitszustände der Ehe¬
frauen und Kinder. Die Krankengeschichten der 172 verhei¬
rateten Patienten, von denen sich 80 im I., 47 im II. und 45 im
III. Stadium befanden, gaben zwölfmal Tuberkulose bei den Ehe¬
frauen an.
Es hatten von den Kranken des I. II. III. Stadiums
18+ 62- 1 ) 3+ 44— l ) 9+ 36 —')
an Tuberkulose leidende Frauen ^ j ^2 * 1 5
an Tuberkulose gestorbene Frauen ^ ^ ^ q ^2 7
Danach sind etwa 7°/o der Ehefrauen an der Tuberkulose ihres
Mannes beteiligt, ein hinter den tatsächlichen Verhältnissen zweifellos
weit zurückbleibender Prozentsatz. In denjenigen Ehen, in denen
sich der Mann im HI. Stadium befindet, steigt die Tuberkulose der
Ehefrau bis auf 9 °/o. Auffallend ist, dass in den 62 Ehen der nicht
belasteten Kranken des I. Stadiums 6 Tuberkulosefälle, darunter
5 tödliche, bei den Ehefrauen vorgekommen sind, während in den
92 Ehen der Kranken des II. und HL Stadiums auch nur 6 Ehe¬
frauen tuberkulös waren. Da obige 6 Kranke des I. Stadiums tuberkel¬
bacillenhaltiges Sputum nicht absonderten, liegt der Gedanke nahe,
dass hier nicht die Männer die Ehefrauen infiziert haben, sondern
umgekehrt die Frauen ihre Ehemänner. In drei Fällen wurde auch
diese Ansicht durch die Angaben der Patienten bestätigt, dass sie
später erkrankt waren als ihre Frauen.
Sämtliche tuberkulöse Frauen hatten geboren.
Für die "Betrachtung des Gesundheitszustandes der Kinder müssen
wir weitere 12 Krankengeschichten ausschalten von solchen Patienten,
die kinderlos verheiratet waren. Bei 172 Ehen bedeuten 12 kinder¬
lose die hohe Sterilität von ca. 6°/o; dieselbe lässt indes hier weitere
Schlüsse nicht zu, da ein Teil der kinderlosen Ehen noch ganz frischen
Datums war. Die gesundheitlichen Verhältnisse der Kinder finden
wir in folgender Tabelle zusammengestellt:
!) Die Zahlen geben an, in wieviel Ehen der Mann erblich belastet (+) und
nicht erblich belastet (—) war.
17*
Sa.
! 12
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
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242
O. Roepke.
[14
Es hatten die Kranken des
I.
II.
III. Stadiums Sa.
18+ 57 — l ) 3+ 41 — l )
7 + 34— A )
+ “
gesunde Kinder
57
158
5
137
17
83
—
79 |
378 |
1457
totgeborene Kinder
gestorbene Kinder
1
1
4
9
0
0
1
14
2
3
1
2
=
3
4
6
25
38
I
tuberkulöse Kinder
3
4
0
7
6
4
=
9 \
15 )
[24
Gesamtzahl der Kinder
65
172
6
158
26
92
:—
97
422
237
164
118
—
519
Insgesamt stammen aus den 160 Ehen 519 Kinder, und zwar
457 gesunde, 38 totgeborene oder in späteren Jahren an nicht tuber¬
kulösen Erkrankungen gestorbene und 24 tuberkulöse. Als tuberkulös
wurden nur diejenigen bezeichnet, bei denen eine Drüsen-, Knochen-,
Gehirn- oder Lungentuberkulose den Angaben nach bestand oder zum
Tode geführt hatte; ganz allgemeine und unbestimmte Angaben wie
„innere Drüsen“, „etwas skrofulös“ u. dergl. blieben unberück¬
sichtigt. Die Bezeichnung „gesund“ ist also in dem erweiterten Sinne
von „nicht tuberkulös“ aufzufassen.
Bei Verteilung auf die einzelne Ehe gestalten sich die Verhält¬
nisse folgendermassen: auf eine Ehe kommen 3,3 Kinder; von diesen
sind 2,9 gesund, 0,25 gestorben und 0,15 tuberkulös. Bei dem be¬
kannten Kinderreichtum in unseren untern Volksschichten müssten
diese Zahlen sehr klein erscheinen, wenn nicht in Betracht käme,
dass sich der grössere Teil der Ehen hinsichtlich des Nachwuchses
noch im produktiven Alter befindet. Über das Verhältnis der ge¬
sunden Kinder zu den gestorbenen und tuberkulösen (8 :1) und der
Gesamtzahl der Kinder zu den tuberkulösen (22 :1) lässt sich ohne
genaue Kenntnis dieser Daten in gleichwertigen gesunden Ehen ein
Urteil gar nicht abgeben. Für die Beurteilung des Kindermaterials
nach dem Stadium der Erkrankung des Vaters werden die Zahlen
recht klein, indes glaube ich auf dieselbe nicht ganz verzichten zu
dürfen. Es kommen auf den Vater
im I. Stadium 3,3 Kinder, davon sind gesund 2,8 tuberkulös 0,10,
, II. „ 4,1 „ * 3,2 „ 0,16,
» HI- , 2,9 , „ „ 2,4 „ 0,24.
!) Die Zahlen geben an, in wieviel Ehen der Mann erblich belastet (+) und
nicht erblich belastet (—) war.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15]
Zar Diagnostik der Lungentuberkulose.
243
Es hat also die meisten Kinder überhaupt und die meisten ge¬
sunden Kinder der im II. Stadium befindliche Vater, der des III. Sta¬
diums die wenigsten, während der initial Tuberkulöse in der Mitte
steht. Der Prozentsatz der gesunden Kinder beträgt bei initialer
Tuberkulose des Vaters 90, bei vorgeschrittener nur 84. Auch steigt
die Zahl der tuberkulösen Kinder progressiv mit der
fortschreitenden Tuberkulose des Vaters. Weiterhin fällt
in den Ehen, in denen der Mann im III. Stadium war, die Häufigkeit
der Totgeburten auf. Als Ursache derselben möchte ich keineswegs
die Möglichkeit einer unmittelbaren Übertragung der Tuberkulose von
dem schwer tuberkulösen Vater auf den Fötus ins Auge fassen, ob¬
wohl in letzter Zeit durch die F. Fried mann sehen Tierversuche
die Übertragungsmöglichkeit der Tuberkulose mittelst tuberkelbacillen¬
haltigen Spermas ohne Vermittelung der Mutter auf die Embryonen
nachgewiesen ist. Meines Erachtens erklärt sich die Häufigkeit der
Totgeburten in diesen Ehen ganz ungezwungen aus den Schädigungen,
denen die gravide Ehefrau — bei der Arbeits- und Erwerbsunfähig¬
keit des Mannes — als erwerbender und pflegender Teil der Familie
ausgesetzt ist.
Am Schlüsse und an der Hand dieser anamnestischen Einzel¬
heiten, die alle mehr oder weniger das Moment der erblichen Be¬
lastung festzustellen suchten, will ich zu der Frage Stellung nehmen,
welche Bedeutung der Heredität überhaupt bei der Lungentuberkulose
zuzumessen ist. Die unmittelbare Übertragung der Tuberkulose durch
das Sperma des tuberkulösen Vaters auf die zu befruchtende Eizelle
(die sog. germinative Infektion) habe ich soeben erwähnt; sie kann,
namentlich bei ausgesprochener Tuberkulose des Genitalapparates,
möglich sein, ist aber noch niemals beobachtet. Dagegen mehren
sich die Fälle, in denen die bacilläre Infektion des Fötus von seiten
der schwer tuberkulösen Mutter auf dem Placentarwege stattgefunden
hat (sog. placentare Infektion). Immerhin kann der direkten Ver¬
erbung des spezifischen Krankheitskeimes eine über das wissenschaft¬
liche Interesse hinausgehende praktische Bedeutung nicht zugemessen
werden. Von rein infektionistischer Seite wurde lediglich die Menge
und vor allem die Virulenz der von aussen in den Körper aufge¬
nommenen Tuberkelbacillen für die Entstehung der Tuberkulose ver¬
antwortlich gemacht. Das geht meines Erachtens schon deshalb
nicht, weil nicht überall, wo der Tuberkelbacillus hinkommt, eine
Tuberkulose ensteht bezw. zu entstehen braucht. Der Satz: „Wo
Tuberkulose — da Tuberkelbacillus“ besteht, wie wir oben sahen, zu
recht; der Satz: „Wo Tuberkelbacillus — da Tuberkulose“, ist falsch.
Stets muss zu dem Infektionserreger und dem der Ipfektion wirksam
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
244
0. Roepke.
[16
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ausgesetzten Individuum noch der Faktor hinzukommen, der die
dauernde Ansiedlung des Tuberkelbacillus in dem Organismus ermög¬
licht und zwischen den bacillären Lebensäusserungen und den indi¬
viduellen Organ- und Körperfunktionen jene Wechselwirkungen schafft,
die das vielgestaltige Bild der Tuberkulose ausmachen. Dieser Faktor
ist die individuelle Disposition zur Tuberkulose, die
ererbt oder erworben, nach Alter und Geschlecht verschieden, be¬
gründet sein mag in der Körperkonstitution und Gewebsbeschaffen-
heit im allgemeinen (allgemeine Schwächlichkeit — phthisischer
Habitus), oder in der Organausbildung und Zelltätigkeit im besonderen
(lokale Schwäche der Lunge — paralytischer Thorax), oder in dem
Ergebnis beider, der Energie und dem Chemismus des Stoffwechsels
(herabgesetzte Widerstandsfähigkeit — Generalisierung der Tuber¬
kulose). Fassen wir in diesem weiten Sinne den Begriff der indi
viduellen Disposition, so stehen auch der Annahme ihrer erb¬
lichen Übertragbarkeit vom biologischen Standpunkte aus keine
Schwierigkeiten entgegen. Welche Krankheiten wir auch dia¬
gnostizieren, ob eine Infektionskrankheit wie den akuten Rheuma¬
tismus, oder anatomische Organveränderungen wie Herzfehler und
Arteriosklerose, oder eine Neubildung wie das Carcinom, oder chro¬
nische Konstitutionskrankheiten wie Diabetes, oder schliesslich das
grosse Heer der funktionellen und organischen Nerven- und Geistes¬
krankheiten, überall wird die Heredität, die Vererbbarkeit disponie¬
render d. h. die Entwickelung der betreffenden Krankheit begünsti¬
gender Eigenschaften, anerkannt und gewürdigt. Nur bei der Tuber¬
kulose wird gegen diesen Begriff der erblichen Belastung geeifert und
Quantität und Qualität des Tuberkelbacillus über alle Funktionsfein¬
heiten im menschlichen Körper, über alle Wesensgesetze im Haus¬
halte der Natur gesetzt. Gerade die Infektionisten strengster Obser¬
vanz, für die jede „Familiendisposition“ zur „Familieninfektion“ wird,
sollten auch hier ihrem grossen Lehrmeister Robert Koch folgen, der
in seiner „Ätiologie der Tuberkulose“ schreibt: „Nach meinem Dafür¬
halten findet die hereditäre Tuberkulose am ungezwungensten ihre
Erklärung, wenn angenommen wird, dass nicht der Infektionskeim
selbst, sondern gewisse Eigenschaften, welche die Ent¬
wickelung der später mit dem Körper in Berührung ge¬
langenden Keime begünstigen, also das, was wir Dis¬
position nennen, vererbt werden.“ Die Disposition zur Tuber¬
kulose kann auch durch ungünstige Lebensbedingungen, schwächende
Krankheiten und andere Schädlichkeiten erworben sein, welche die
Abwehrfähigkeit des Organismus gegen die äusseren, wohl überall
vorhandenen Feinde — tuberkuloseimmune Orte gibt es eben nicht —
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
17] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 245
herabsetzen und gewöhnlich gleichzeitig die veranlassenden Momente
zum Ausbruch der Krankheit in sich schliessen. Hier wie dort muss
aber der Tuberkelbacillus, abgesehen von den seltenen Fällen placen-
tarer Infektion, von aussen in den Körper und in die Lunge ein-
dringen, um hier an gewissen Prädilektionsstellen — nach Turban
an dem vererbten locus minoris resistentiae — seine verheerende
Tätigkeit zu entfalten.
Wo die Möglichkeit der Infektion durch das Zusammen¬
leben mit Tuberkulösen dauernd gegeben ist, und wo die Vorbedin¬
gungen für eine wirksame Infektion in engen, dunkeln Räumen bei
achtloser Behandlung tuberkulösen Auswurfs besonders günstige sind,
da wird die Ansteckung leichter und häufiger zu stände kommen.
Dieser gesteigerten Infektionsgelegenheit bei gleichzeitig gegebener
ererbter Disposition entspricht in meinem Material die Beobachtung,
dass bei den Geschwistern der erblich Belasteten, d. h. also bei erb¬
lich belasteten Nachkommen, die Tuberkulose 3V2mal so häufig ist
als bei den Geschwistern nicht erblich Belasteter. Die Gefahr der
Infektion ist weiterhin um so grösser, je vorgeschrittener die
Tuberkulose des Familienangehörigen ist; denn wie wir später sehen
werden, steigen Häufigkeit, Menge und Bacillenreichtum des Sputums
mit dem fortgeschritteneren Stadium der Erkrankung. Auch bezüg¬
lich der vererbten individuellen Disposition bestehen nach meinen
obigen Zusammenstellungen für die Nachkommen der Schwertuber¬
kulösen ungünstigere Verhältnisse als für die Kinder leichtkranker
Tuberkulöser: in den Ehen der ersteren ist bei an und für sich
herabgesetzter Kinderzahl der Prozentsatz gesunder, widerstandsfähiger
Kinder geringer als bei letzteren. Aus solch herabgesetzter Wider¬
standsfähigkeit und gesteigerter Infektionsgefahr resultiert das ge¬
häufte Auftreten der Tuberkulose unter den Kindern meiner Kranken
des HI. Stadiums.
Die Frage nach dem Einfluss der erblichen Belastung auf den
Verlauf einer Tuberkulose ist von verschiedenen Autoren in negativem
Sinne beantwortet worden. In meinem Materiale tritt das Moment
der Heredität bei den schwer Erkrankten sogar seltener auf als bei
den leicht Erkrankten. Indes ist die augenblickliche Zugehörigkeit
zu einem gewissen Stadium noch kein Beweis für den Charakter der
Krankheit, nur die Beurteilung des gesamten Krankheitsverlaufs,
eventuell der Dauererfolge nach einem Heilverfahren, kann hier auf¬
klärend wirken.
Berücksichtigen wir nun — ohne jede Einteilung — die sämt¬
lichen anamnestisch ermittelten Tuberkulosefälle, die
in den Familien unserer Kranken bei Eltern, Geschwistern, Ehefrauen
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246 0. Roepke. [18
und Kindern überhaupt vorgekommen sind, so erhalten wir folgende
Generalaufstellung:
Es hatten Tuberkulose oder waren an derselben gestorben:
Vater allein
24 mal,
im
ganzen
24 Personen
Vater und 4 Geschwister
1
»
n
p
5
Vater und 2 Geschwister
2
*
T)
p
6
Vater und ein Bruder
5
r
fl
p
10
Vater und eine Schwester
7
p
P
14
Vater und Mutter allein
5
*
p
10
Vater und Mutter und ein Bruder
1
*
*
p
3
Mutter allein
10
*
v
10
Mutter und 3 Geschwister
1
*
P
p
4
Mutter und 2 Schwestern
1
f»
»
p
3
Mutter und eine Schwester
5
p
11
p
10
Mutter und ein Bruder
3
P
P
p
6
4 Geschwister
1
n
P
p
4
3 Geschwister
1
p
P
p
3
2 Brüder
1
p
P
p
2
Bruder allein
20
p
P
p
20
Schwester allein
10
P
P
p
10
Ehefrau allein
8
n
P
p
8
Ehefrau und ein Kind
3
„
P
p
6
Ehefran und 2 Kinder
1
n
P
p
3
Kind allein
17
n
P
p
17
2 Kinder
1
n
p p 2 *
Zusammen 180 Personen
Diese 180 Fälle waren an der Morbidität und Mortalität wie
folgt beteiligt:
Von den tuberkulösen Eltern lebten 11, waren gestorben 60,
77 77
77
Geschwistern
17
77 x • ) 7 }
77
56,
n r >
77
Ehefrauen
77 77
* 7
7.
77 77
77
Kindern
77 12, »7
77
12,
zusammen lebten 45, waren gestorben 135.
Danach kommen auf einen Kranken in seinem Eltemhause und
eigenem Hausstande 0,6 tuberkulöse Angehörige und zwar 0,15 lebende
und 0,45 verstorbene. Diese Ziffern stellen, wie wiederholt hervor¬
gehoben ist, Minimalzahlen dar. Insbesondere werden die Erkran¬
kungen viel häufiger sein, als sie von den Kranken angegeben werden,
denen gewöhnlich nur die ausgesprochenen Bilder der Schwindsucht
bekannt und erwähnenswert sind. Die Sterbeziffern werden im ganzen
zutreffen.
Wenn wir nun schliesslich die Tuberkulose-Erkrankungszahl auf
die Gesamtzahl der Familienangehörigen verrechnen, so erhalten wir
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
19]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
247
ein ganz anschauliches Bild von der Häufigkeit der Tuberkulose bei
einer grösseren Anzahl von Menschen.
Die Angehörigen unserer Kranken setzen sich zusammen
aus den Eltern der 298 Patienten mit 596 Pers.,
„ „ Geschwistern „ 298 „ „ 1321 „
„ x Ehefrauen ,, 172 verheirateten Patienten mit 172 „
» » Kindern „ 160 „ » „ 519 „
zusammen 2608 Pers.
Es ergibt sich demnach für die Familien unserer Kranken eine
Tuberkulose-Morbidität von 17,25 auf 1000 Lebende. Dass
sich dieses auf Minimalzahlen beruhende Ergebnis für die Angehörigen
nicht lungenkranker Männer wesentlich niedriger gestalten würde,
bezweifle ich aus Gründen, die ich hier nicht weiter ausführen kann.
Wenden wir es aber ganz allgemein an auf das Hauptinteressengebiet
der Heilstätte, auf die Provinz Westfalen mit ihren rund 3188000
Einwohnern, so erhalten wir die recht stattliche Zahl von rund
55000 in Westfalen lebenden Tuberkulösen. Die Zahl ist gross, auf¬
fallend gross! Aber kann der klinische Statistiker die Häufigkeit
der Tuberkulose überhaupt überschätzen, nachdem der Kritiker am
Sektionstisch sein Urteil dahin abgegeben hat, dass fast jeder er¬
wachsene Mensch Träger einer Tuberkulose ist?
Die Vorgeschichte des Kranken.
Die auf die Krankenvorgeschichte bezüglichen Fragen erstrecken
sich zunächst auf die Gesundheitsverhältnisse des Patienten
von der Geburt bis zum Beginn der Krankheit. Ich will mich in
meinen folgenden Ausführungen an die einzelnen Punkte des von mir
für die hiesige Heilstätte entworfenen Krankenjournals halten. Wo
meine kritischen Anmerkungen ohne Wiedergabe spezifizierter Auf¬
stellungen allgemein gehalten sind, ist in erster Linie auf das Gros
der Kranken bezug genommen, die den versicherungsptlichtigen Volks¬
schichten angehören.
Die Theorie von dem besonders häufigen Auftreten der Lungen¬
tuberkulose unter den spät geborenen Kindern der an sich kinder¬
reichen Ehen fand sich nicht bestätigt. Es waren 30,2 °/o der Ge¬
samtkranken erstes, 21,7°/o zweites und 19,3°/o drittes Kind, mit¬
hin 71,2°/o erstes bis drittes Kind ihrer Eltern, während die durch¬
schnittliche Kinderzahl in diesen Ehen 5,3 betrug; die Familien mit
mehr als vier Kindern machten 55,4 °/o der Gesamtsumme aus gegen¬
über 44,6°/o der Familien mit vier oder weniger Kindern.
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
248
0. Roepke.
[20
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Einen Überblick über die Kindheit und Jugendzeit (1.—15.
Lebensjahr ausschliesslich) der Patienten in gesundheitlicher Hinsicht
gibt die folgende Tabelle:
Von den Kranken des
1 .
+ —
11 .
+ -
III. Stadiums
+ -
Sa.
+ -
waren gesund gewesen
25
82
8
46
16
53
—
49
181
hatten viel gekränkelt (Kinderkrank¬
6
0
0
—
6
heiten)
11
3
8
*22
hatten an skrofulösen Erscheinungen
2
1
2
—
5
gelitten
12
4
4
20
hatten an Lungenerkrankungen ge¬
3
2
0
=
5
litten
3
3
4
—
10
Diese Zahlen bestätigen im grossen Ganzen das noch einmal aus
der Kindheit und Jugendzeit der Kranken, was wir bereits bei ihren
Geschwistern und Kindern zu beobachten Gelegenheit hatten. Die
gesunden Kinderjahre sind bei den Nichtbelasteten um ein geringes
(etwa 2 °/o) häufiger als bei den Belasteten; dagegen ist bei den letz¬
teren der Prozentsatz der Luftröhrenentzündungen, Lungenkatarrhe
und Lungenentzündungen wesentlich höher als bei den Nichtbelasteten.
Es liegt der Gedanke nahe, auch hierin einen Ausdruck der Vererbung
des locus minoris resistentiae zu sehen.
Ein Zusammenhang zwischen den Gesundheitsverhältnissen in der
Kindheit und Jugendzeit und der Schwere der späteren Tuberkulose
ist nicht ersichtlich.
Einen recht zuverlässigen Gradmesser für den Kräfte- und
Gesundheitszustand des
Krank
e n z u r
Zeit der Mann-
barkeit bietet der Ausfall der Ausmusterung,
war das Ergebnis folgendes:
Bei unseren Kranken
Es waren von den Kranken des
I.
II.
III. Stadiums Sa.
+ -
+ —
+ -
+ -
noch nicht endgültig ausgemustert
8
28
4
6.
3
11
= 15
45
untauglich
13
45
5
23
9
31
ii ii
rO
CD
CD
tauglich und hatten gedient
8
29
2
20
4.
20
= 14
= 69
tauglich, aber reklamiert
7
6
0
4
1
6
= 8
= 16
tauglich, aber als lungenkrank entlassen ^ q
0
3
1
1
= 1
= 4
Von den 60 Kranken, bei denen ein endgültiger Bescheid
noch nicht getroffen war, können wir die dem II. und HI. Sta¬
dium angehörenden unbedingt zu den untauglichen zählen. Auch
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
21 ]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
219
diejenigen jungen Leute, welche während oder kurz vor ihrem ge¬
stellungspflichtigen Alter wegen einer sicher nachgewiesenen tuber¬
kulösen Lungenerkrankung der Heilstättenbehandlung sich unterziehen
müssen, werden nach der Entlassung nur in den seltensten Fällen
zu den „gesunden und kräftigen Männern zu zählen sein, die den
Friedens- und Kriegsaufgaben voll gewachsen sind“. Diese Auffassung
hat nur für die Praxis etwas Bedenkliches. Würde das Heilstätten¬
material, sofern es lediglich aus Tuberkulösen besteht, durchweg als
railitärdienstuntauglich angesehen, so könnten findige Köpfe auf den
Gedanken kommen, eine Heilstättenkur als Palliativ gegen die Dienst¬
pflicht zu wählen, obwohl solche Manipulationen wohl sicher an der
heilstättenärztlichen Sicherstellung der Diagnose und an den militär¬
ärztlichen Nachuntersuchungen scheitern würden. Doch selbst wenn
wir die jugendlichen Kranken des I. Stadiums, welche noch nicht
endgültig ausgemustert sind, nicht in Rechnung ziehen, machen die
Untauglichen 50°/'o aus gegenüber nur 28°/o Tauglicher, die ihrer
Militärpflicht genügt haben und s. Z. als gesund und felddienstfähig
entlassen wurden, und 8°/o solcher, die als tauglich befunden, aber
reklamiert worden sind. Von den letzteren wissen wir nicht, wie sie
sich den Anforderungen des Militärdienstes gegenüber verhalten hätten;
sie können demnach für die folgenden Betrachtungen als tatsächlich
taugliche d. h. tauglich bewährte Personen nicht in Rechnung kom¬
men, ebenso wie oben die noch nicht definitiv Ausgemusterten des
I. Stadiums als Untaugliche unberücksichtigt geblieben sind. Das
Zahlenverhältnis von 50°/o Untauglicher zu 28°/o Tauglicher aber
redet eine beredte Sprache. Es weist im allgemeinen hin auf die
fundamentale Bedeutung des prophylaktischen Kampfes gegen die
Tuberkulose für die Erhaltung der Wehrkraft; und es besagt im be¬
sonderen, dass die Hälfte unserer Heilstättenkranken aus
einem körperlich minderwertigen Menschenmaterial
besteht, während etwa ein Viertel der Kranken trotz eines kräftigen
und erprobt leistungsfähigen Körpers einer wirksamen Tuberkulose¬
infektion im späteren Leben nicht Widerstand geleistet hat. Erblicken
wir für die Tuberkulose-Entstehung in ersterem den Ausdruck der
ererbten, in letzterem den Ausdruck der erworbenen individuellen
Disposition, so müssen wir in dem Kampfe gegen die Tuberkulose
neben den spezifischen, gegen die Verbreitung des Tuberkelbacillus
gerichteten Massnahmen in erster Linie die Heranziehung eines kräf¬
tigen Nachwuchses, in zweiter Linie die Abstellung beruflicher und
ausserberuflicher und sozialer Schädigungen ins Auge fassen.
Das hier im Vordergründe stehende Moment der erblichen Be¬
lastung erhält eine weitere Stütze durch die prozentualiter verschie-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
250
0. Roepke.
(22
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dene Beteiligung der Belasteten und Nichtbelasteten an der Dienst¬
tauglichkeit. Während sich aus den früheren Feststellungen, die
lediglich auf den Angaben der Kranken beruhten, ergab, dass die
Gesundheitsziffern für die Kinder- und Jugendjahre bei Belasteten
nur wenig geringer waren als bei Nichtbelasteten, finden wir hier
durch die ungemein viel exaktere Feststellung der Rekrutierung 30°/o
der Nichtbelasteten und nur 21,5 °/o der Belasteten militärtauglich,
also eine Differenz von 8,5°/o zu ungunsten der Belasteten, durch
welche die gesamte Zahl der Aushebungen um 2°/o, von 30°/o auf
28°/o herabgedrückt wird. Bei Betrachtung dieser Zahlen drängt
sich förmlich der Gedanke auf, für die geringere Tauglichkeit der
Nachkommen tuberkulöser Eltern zum Heeresdienst das Moment der
erblichen Belastung in Gestalt der ererbten körperlichen Schwächlich¬
keit verantwortlich zu machen. Die zweifellos vererbbare körperliche
Anlage zum phthisischen Habitus pflegt sich meist erst zur Zeit der
Pubertät zu entwickeln. Dadurch wird es aber gerade verständlich,
dass Nachkommen tuberkulöser Eltern, wie wir oben sahen, während
der Kindheit und Jugendzeit so gesund sich fühlen und anderen er¬
scheinen — und fast in gleichem Prozentsatz es auch sind — wie die
Kinder gesunder Eltern; erst die Entwickelungsperiode drückt ihnen
den Stempel der Heredität auf in Form besonderer Schwächlichkeit,
lässt sie zarter und engbrüstiger erscheinen und macht sie schon
durch das körperliche Aussehen für die Anforderungen des Militär¬
dienstes untauglich, ohne dass Zeichen einer im Elternhause oder
später erfolgten tuberkulösen Infektion vorhanden zu sein brauchen.
— Die während der Dienstzeit wegen Lungentuberkulose Entlassenen
bilden 5,6 °/o der Eingestellten. Dieser immerhin hohe Prozentatz
deutet darauf hin, dass es bei — selbst wiederholten — Rekrutie¬
rungen unmöglich ist, trotz strengster Beachtung der nach Bau, Ge¬
staltung und Ausdehnungsfähigkeit des Brustkorbs zu stellenden An¬
forderungen suspekte oder beginnende Tuberkulose-Erkrankungen zur
Feststellung zu bringen. Latente Tuberkulosen, die durch eine Dienst¬
beschädigung zum Ausbruch gebracht werden, sind Ausnahmen, und
Fälle, in denen bei tatsächlich gesund Eingestellten während der
Dienstzeit eine Infektion stattgefunden hat, dürften geradezu Selten¬
heiten sein. Ist es also unvermeidbar, Initialtuberkulöse dem Heeres-
verbande einzuverleiben, so beweist andererseits ihre alsbaldige Ent¬
lassung das Bestreben der Heeresverwaltung, die gefahrdrohende In¬
fektionsquelle zum Vorteil der Armee abzuleiten. Darauf beruht aber
offenbar der Erfolg, dass unser deutsches Heer die geringste Tuber-
kulosemoribidität und -mortalität aufweist. Und die Tatsache, dass
die'Tuberkulosemorbidität in der deutschen Armee trotz ihrer Ver-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
23]
Zar Diagnostik der Lungentuberkulose.
251
mehrung seit dem Jahre 1898 bis heute weiter ständig und erheblich
zurückgegangen ist — 1898 betrug sie 18 auf 10000 Mann, heute
11 —, beweist ferner, dass die neuen wissenschaftlichen Hilfsmittel
und klinischen Erfahrungen zur Erkennung der FrUhstadien der
Lungentuberkulose den militärärztlichen Kreisen bereits vollkommen
vertraut sind.
Die Frage nach Berufsschädlichkeiten wurde in allen
Fällen bejaht. Die Schädigungen der Grubenarbeit sind bekannt und
wohl die kompliziertesten (Staub, schlechte Luft, Lichtmangel, Er¬
kältung, Überanstrengung). Bei den in Fabriken und Werkstätten
beschäftigten Kranken bezogen sich die häufigsten Klagen auf die
Einatmung der verschiedenen Staubarten und reizenden Dämpfe,
weniger auf die sitzende, gebückte Körperhaltung in schlecht venti¬
lierten, staubigen Räumen und am seltensten auf besonders angestrengte
körperliche Arbeit oder Traumen, die den Brustkorb getroffen hatten.
Von den fortgesetzt im Freien tätigen Berufen wurden Witterungs¬
einflüsse, Durchnässungen und Erkältungen als schädigende Momente
angeführt. Diejenigen schliesslich, die weder dauernd im Freien noch
dauernd in geschlossenen Räumen zu verbleiben brauchten, beschul¬
digten jähe Temperaturwechsel, unregelmässiges Leben auf Reisen,
anhaltendes Sprechen in schlechter Luft u. s. w. Ich verzichte hier
auf eine prozentuale Aufstellung aller dieser Schädigungen, die er-
fahrnngsgemäss die Entstehung der Lungentuberkulose bezw. deren
schnelleres Fortschreiten zu begünstigen geeignet sind; sie würde nur
einen Hinweis auf die verschiedenen Berufsarten bilden. Denn der
Kampf ums tägliche Brot bleibt für alle arbeitenden Berufsklassen
trotz der grossartigen Fortschritte auf gewerbehygienischem Gebiete
mit Gesundheitsschädigungen verbunden. Es wird kaum jemals oder
irgendwo möglich sein, die Verhältnisse bezüglich Licht, Luft, Tem¬
peratur im Arbeitsraume, bezüglich der Ruhe, Bewegung, Körperhal¬
tung bei der Arbeit u. s. w. so einzurichten, wie sie nach den Forde¬
rungen der Hygiene zum mindesten gestaltet sein müssten, um nicht
bei jahrelang fortgesetzter Einwirkung zu schädigen. Ich habe es
daher auch bald als zwecklos aufgegeben, bei den arbeitenden Volks¬
klassen nach den einzelnen schädigenden Momenten im Berufe zu
forschen; sie sind in jedem Berufe in mannigfachster Weise gegeben,
und Berufe, die die Tuberkuloseentstehung verhindern oder gar aus-
schliessen, gibt es nicht. Gäbe es solche, sie wären bald von der Un¬
menge Schwindsüchtiger, die täglich zweckmässige Beschäftigung suchen,
überfüllt und verseucht. Es empfiehlt sich daher mehr, die wenig
gefährdeten Gewerbe (Landarbeiter, Metzger, Töpfer, Maurer, Kauf¬
leute, Beamte u. dergl.) von den erheblich gefährdeten auseinander
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Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
252
0. Roepke.
[24
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zu halten. Zu letzteren gehören vor allem auch die Textil- und In¬
dustriearbeiter, Bergleute, Zigarrenarbeiter, Schreiber, Schreiner,
Zimjnerleute, Steinmetze, Metalldreher, Schlosser, Heizer, Schmiede,
Metall-und Glasschleifer, Schuhmacher, Uhrmacher, Buchbinder, Buch¬
drucker und Schriftsetzer. In solchen Berufs- und Arbeitsverhält¬
nissen, die bei je 1000 anerkannten Rentenempfängern 38,7 mal die
Tuberkulose zur Invaliditätsursache machen, standen 238 = 80°,'o
unserer Kranken.
So allgemein Berufsschädlichkeiten seitens der Kranken angegeben
wurden, so allgemein wurde die Frage nach schädigenden Ver¬
hältnissen verneint, die die Patienten sich selbst geschaffen
haben konnten. Nicht ein einziger gab Alkoholmissbrauch, Ex¬
zesse in Venere oder Onanie im Pubertätsalter zu; einige wollten
das Rauchen, andere das Radfahren übertrieben haben. Ich brauche
wohl nicht hinzuzufügen, dass ich bei dieser Ausbeute das Fragen
in der angedeuteten Richtung ganz eingestellt habe. Gelegentlich
erhaltene Mitteilungen, dass Patienten in ihrem Heimatsorte schon
auf der Säuferliste gestanden oder mit Dirnen als deren Zuhälter
zusammen gelebt hatten, die eigenen vereinzelten Beobachtungen von
Syphilis und Onanie, die häufigeren von Gonorrhoe und recht zahl¬
reichen von Folgezuständen des chronischen Alkoholismus und last not
least die Notwendigkeit, wiederholt Kranke wegen Trunkenhaftigkeit
aus der Heilstätte entlassen zu müssen, lassen den ganz allgemeinen
Schluss zu, dass unser Krankenmaterial mit dem durchschnittlichen
Prozentsatz an gehäuften freiwilligen Schädigungen beteiligt war, die
erfahrungsgemäss auf den Gesundheitszustand des Körpers ungünstig
wirken und die Widerstandsfähigkeit gegen den Tuberkuloseerreger
herabsetzen.
Um über das Milieu der Kranken unterrichtet zu werden, forschte
ich nach Einkommen, Ernährung und Wohnung des Kranken.
Die Einkommensverhältnisse — Tages-, Schicht-, Akkord-Lohn,
Gehalt — nach einheitlichen Gesichtspunkten anzuordnen, war mir
nicht möglich, da die Lohnhöhe nicht allein die Auskömmlichkeit des
Einkommens bestimmt. Man hätte die Anzahl der mitverzehrenden,
im andern Fall das Einkommen der mitverdienenden Familienange¬
hörigen, weiter die Teuerungsverhältnisse der Nahrungsmittel und der
Wohnung, die verschiedene Wirtschaftlichkeit der Hausfrauen und
vieles andere in Betracht ziehen müssen. Mein Gesamteindruck ist
indes der, dass die Kranken zum weitaus grössten Teile aus geord¬
neten, auskömmlichen Verhältnissen kamen. Den niedrigsten Ver¬
dienst hatten Zigarrenarbeiter mit 1,50 Mk. pro die, den höchsten
Hauer aus dem westfälischen Kohlenbezirk mit 6—6,50 Mk. pro die.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
25]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
253
Für erstere lagen trotz des geringen Geldlohnes die Verhältnisse
leidlich gut, da sie in bestimmten ländlichen Bezirken bei Eltern
oder Verwandten wohnten und verpflegt wurden, oder falls sie ver¬
heiratet waren, neben der Arbeit in den Zigarrenfabriken eine kleine
Ökonomie betrieben, die ihnen zum wenigsten das Auffüttem eines
Schweines zur Hausschlachtung ermöglichte.
Für die Beurteilung der Ernährung suchte ich festzustellen,
wie oft wöchentlich in der Familie des Kranken Fleisch gegessen
wurde. Das Ergebnis ist folgendes: Fleischspeisen gab es
lmal wöchentlich in 6 Fällen
5J >> 35 ,,
» » 12 „
>, „ 229 „
Es haben demnach 77°/o unserer Kranken täglich mindestens
einmal Fleisch gegessen. Eine derartige Ernährung wird man, ohne
auf Kostsätze und Kostmasse zurückgreifen zu brauchen, auch für
den schwer Arbeitenden als ausreichend erachten, zumal es überall
dort, wo täglich Fleisch auf den Tisch kommt, auch an den für den
körperlich tätigen Menschen durchaus notwendigen Kohlehydraten
und Fetten nicht zu fehlen pflegt. Ein drei- bis viermaliger Fleisch¬
genuss pro Woche mag eben auch noch zur Erhaltung des Stoff¬
wechselgleichgewichtes ausreichen, dagegen wird aus einer nur ein-
bis zweimaligen Fleischnahrung in der Woche ein Zustand chronischer
Unterernährung resultieren, der die Entwickelung einer Tuberkulose
ganz besonders begünstigt; in unserem Material ist dieser Prozent¬
satz sehr gering.
Ein zutreffendes Bild von den Wohnungsverhältnissen
kann nur eine an Ort und Stelle angestellte Wohnungsenquete geben.
In dieser Überzeugung beschränkte ich mich darauf, durch Fragen
zu ermitteln, ob die Wohnung gesund oder ungesund war, und wie¬
viel Räume dem Kranken bezw. seiner Familie zur Verfügung standen.
Das Ergebnis war in abgerundeten Zahlen folgendes: In 10 °/o wurde
die Wohnung von den Kranken selbst als ungesund bezeichnet, sei
es, dass sie dumpf, feucht oder kalt war, sei es, dass sie, im Keller
oder Bodenraum gelegen, eine auffallend geringe Belichtung hatte.
In weiteren 10°/o berechtigten die Angaben der Kranken zu der An¬
nahme, dass die Wohnung nach Lage und Grösse der Räumlichkeiten
ungesund sein musste. Von den Verheirateten verfügten 75°/o über
zwei und mehr Zimmer ausschliesslich einer abgetrennten Küche.
Beim Vorhandensein von zwei Zimmern wurden in der Regel beide
gleichzeitig als Wohn- und Schlafzimmer benutzt; erst mit dem dritten
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
254
0. Roepke.
[26
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Raum pflegte ein Zimmer ausschliesslich zu Schlafzwecken Verwen¬
dung zu finden. Von den ledigen Personen hatten nur 12°/o ein
einzelnes Zimmer zum alleinigen Gebrauch, 65°/o wohnten und schliefen
im Haushalte der Eltern, Verwandten oder im Geschäftshause mit
einer oder zwei Personen in demselben Raume zusammen, 23°/o logierten
in Schlafstellen, Gesindestuben, Dachkammern und Viehställen. Auch
diese Zahlen werden kaum ein übersichtliches genaueres Bild liefern.
Der allgemeine Eindruck, den ich aus den Anamnesen gewonnen und
im ganzen in praxi bestätigt gefunden habe, geht dahin, dass die
Wohnungen der Verheirateten ausserhalb der Mauern der Gross- und
Industriestädte an Raum und Belichtung im ganzen genügten, auf
dem Lande sogar — und zwar sowohl im Industriebezirke wie in
den landwirtschaftlichen Kreisen — gesundheitsgemäss waren, dass
hingegen die unverheirateten Patienten zum weitaus grössten Teile
überfüllte, schlecht ventilierte und mangelhaft gereinigte Schlafräume
benutzt hatten, vereinzelt sogar Orte, die sich für die menschliche
Benutzung überhaupt nicht eignen.
Im Anschluss an die Wohnungsfrage, deren Bedeutung für die
Tuberkuloseentstehung durch den Ausspruch Rubners „die Tuber¬
kulose ist eine Wohnungskrankheit“ treffend charakterisiert w T ird, will
ich auf die Ermittelung der wahrscheinlichen Infektions¬
gelegenheit übergehen. Ich bin mit einem wahren Feuereifer
daran gegangen, in jedem einzelnen Falle über diesen Punkt mög¬
lichste Klarheit zu schaffen, selbstverständlich ohne in die Kranken
etwas hineinfragen zu wollen. Es gelang mir nur 71 mal positive
Angaben zu bekommen. Bei unsern Kranken liess sich eine Familien¬
infektion in 16 Fällen durch die Eltern, in 23 Fällen durch die Ge¬
schwister und in 3 Fällen durch die Ehefrau mit einem hohen Grade
von Wahrscheinlichkeit annehmen. In allen übrigen Fällen, in denen
Angehörige der Kranken tuberkulös waren, sprachen Zeit, Dauer
und Enge des Zusammenseins gegen eine bezw. nicht für eine im
Familienkreise erfolgte Infektion unserer Patienten. Der Nachweis
von Infektionen im Berufsleben war noch schwieriger und darum
vielleicht seltener zu erbringen: in 2 Fällen schienen die Ansteckungen
von Akten befördernden Bureaudienern auszugehen; in weiteren 2 Fällen
war die Tuberkulose im Krankenpflegeberuf erworben; in 19 Fällen
wurde die Infektionsquelle unter den Berufsgenossen wahrscheinlich ge¬
macht, die für den Laien sichtbar schwindsüchtig, viel hustend und ge¬
legentlich auf den staubigen Erdboden spuckend und den Auswurf zer¬
tretend, in nächster Nähe bezw. in demselben Raume mit unseren Kranken
zusammen gearbeitet hatten und zwar fünfmal in Bureaus, zweimal am
Schriftsetzertisch, viermal in den Werkstätten, achtmal in Cigarren-
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
27]
Zar Diagnostik der Lungentuberkulose.
255
fabriken. Hinsichtlich der Infektion in anderen als in familiären und
beruflichen Verhältnissen liess sich nur in sechs Fällen die wahr¬
scheinliche Infektionsgelegenheit ermitteln: zweimal durch gemein¬
same Benützung der Waschgeschirre und Handtücher, dreimal durch
Benützung des Zimmers, Bettes und Mobiliars ohne vorherige Des¬
infektion und einmal durch monatelanges gemeinsames Wohnen und
Schlafen in einem engen Raum.
Welcher Infektionsmodus häufiger war, die Cor net sehe Stäub¬
chen- oder die Flügge sehe Tröpfcheninfektion, ist schwer zu ent¬
scheiden. Mir schien für die Familieninfektionen die Flügge sehe
Tröpfcheninfektion die grössere Bedeutung zu haben, während in dem
Berufsleben das zeitliche und räumliche Zusammensein zwischen den
Arbeitsgenossen für eine Ansteckung von Person zu Person weniger
günstig war. Hier begünstigte auch die beständige Staubentwicke¬
lung den Cor net sehen Stäubchen-Infektionsmodus. Die Feststellung
der Infektionsquelle gelang also mit hoher Wahrscheinlichkeit insge¬
samt nur in 24°/o der Fälle und zwar in 14 °/o innerhalb der Familie
und in 10°/o beim beruflichen und ausserberuflichen Verkehr. Diese
niedrigen Zahlen finden zum Teil ihren Grund darin, dass die grosse
Mehrzahl unserer Kranken, die Bergleute wohl sämtlich, das Husten
und gelegentliche Ausspucken als ein selbstverständliches Bedürfnis
jedes Gesunden ansehen. Solchen Leuten geht in dieser Anschauung
jedes Verständnis dafür ab, dass von seiten ihrer Arbeitskollegen eine
Infektion auf sie übergehen könnte. Ausserdem wird in den unteren
Volksschichten an die Infektionsmöglichkeit erst bei dem ausge¬
sprochenen Bilde der Schwindsucht gedacht. Das ist falsch, soweit
die Cornetsche Stäubcheninfektion zu Recht besteht und zutrifft,
dass die mit dem Auswurf Schwindsüchtiger in die Aussenwelt ge¬
langten Tuberkelbacillen aufgewirbelt in der bewegten Luft schweben
und mit der Atmung aufgenommen werden. Jene Auffassung ist aber
zutreffend, soweit der Flüggeschen Tröpfcheninfektion eine Bedeu¬
tung zugemessen werden muss, denn hier handelt es sich um eine
Ansteckung von Person zu Person durch die von kranker Seite beim
Husten und Niesen verspritzten bacillenhaltigen Tröpfchen. Ich
zweifle an diesem Infektionsmodus nicht im geringsten, aber ich halte
die Ansteckungsweise durch verstäubte Schleimteilchen des Auswurfes
nur in den vorgeschrittenen Fällen der Phthise für möglich, d. h. in
Wirklichkeit unter den Verhältnissen des alltäglichen Lebens vor¬
kommend. Stundenlanges Anhusten von Meerschweinchen und ähn¬
liche Versuche sind wissenschaftliche Spielereien, die für die Praxis
nichts beweisen. M. E. sind reichliche Sekretion und reichliche Ba¬
cillen in dem Sekret die Vorbedingungen für das Zustandekommen
Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 3. 18
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
250
0. Roepke.
[28
der Tröpfcheninfektion; beide zusammen finden sich aber nur in vorge¬
schrittenen Stadien, vor allem bei bereits vorhandenen Zerstörungen.
Es gelingt nicht ohne weiteres, von einem in Schleimhüllen einge¬
wickelten Sputumballen tuberkelbacillenhaltige Partikelchen loszulösen.
Dagegen ist es ausserordentlich leicht von den schleimfreien, mehr
krümeligen Bröckeln, die von den Kavernenwandungen stammen, Be¬
standteile abzulösen, die als Träger von Milliarden von Tuberkel¬
bacillen wohl geeignet erscheinen, infizierend zu wirken. Solchen
Kavernenträgern kann man aber gewöhnlich die Schwindsucht an-
sehen, und in solchen Fällen liegt nach der Volksauffassung die An¬
steckungsgefahr von Person zu Person. Was also erst im letzten
Jahrzehnt von Flügge wissenschaftlich festgestellt ist, das war schon
vor Jahrhunderten rein empirisch gefunden und von Generation zu
Generation im Volke weiter geglaubt bis heute — m. E. nur richtiger.
Die Volksmedizin kennt einen Pesthauch, und es liegt der Gedanke
nahe, das anatomische Krankheitsbild der käsigen Pestpneumonie mit
der Lehre von der Tröpfcheninfektion zu verknüpfen und daraus die
Richtigkeit des alten kontagiösen Pesthauches herzuleiten. Die Volks¬
medizin hat aber nie von einem Schwindsuchtshauch gesprochen, der
die Schwindsucht übertragen könnte! Das vermag der Erreger der
Tuberkulose im Gegensatz zu dem der Pest nicht, er ist nicht in¬
fektionstüchtig oder der Mensch nicht infektionsfähig genug — gegen¬
über vereinzelten Stäbchen-Individuen.
Der zweite Teil der Vorgeschichte des Kranken bezieht sich auf
seine Tuberkulose, deren Entstehung und Verlauf sowie
auf alle sonstigen Krankheitserscheinungen.
Über die Krankheiten, welche nach den Angaben der Pa¬
tienten ihrer Tuberkulose vorausgegangen sind, ist folgendes ermittelt
worden:
Es waren vorausgegangen bei den Kranken des
1.
II.
III. Stadiums Sa.
+ -
+ -
+ -
+ “
keine Erkrankungen
26
82
7
25
13
49
= 202
krupöse Lungenentzündung
1
4
1
5
1
4
= 16
nicht krupöse Lungenentzündung
1
0
2
3
0
4
= 10
Rippenfellentzündung
1
7
0
9
2
6
= 25
Lungen- und Rippenfellentzündung
1
3
0
3
0
3
= 10
263
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
29|
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
2o7
I.
II.
III. j
Stadiums Sa.
+ -
-
+
—
+
—
+ —
Übertrag 263
Influenza
3
5
0
4
1
2
= 15
Akute Bronchitis
1
3
1
2
1
1
= 9
Typhus
1
0
0
2
0
0
= 3
Unfall
1
3
0
2
0
0
= 6
Drüsenoperation
0
1
0
0
0
0
= 1
Malaria
0
0
0
1
0
0
= 1
298
Zu der Tabelle bemerke ich zunächst, dass hier nur solche Er¬
krankungen notiert sind, die mit der Lungentuberkulose in einen ur¬
sächlichen Zusammenhang gebracht werden konnten und durch eine
fortlaufende Kette von Krankheitserscheinungen mit ihr verbunden
waren. Auf Grund der Angaben der Patienten hatten also 32,2 °/o
sämtlicher Fälle einen Vorläufer, und zwar 23,5 °/o in Gestalt einer
anderen Lungenerkrankung, 5°/o in der Influenza und nur 3,7 °/o in
anderen Erkrankungen; d. h. fast jede 3. Tuberkulose kam im An¬
schluss an eine vorausgegangene Krankheit zum Ausbruch, fast jede
4. Tuberkulose entwickelte sich in einer vorher krank gewesenen
Lunge und an jede 20. Influenza schliesst sich eine Lungentuberkulose
an. Unter den prädisponierenden Lungenkrankheiten stehen Lungen-
und Rippenfellentzündungen ziemlich gleichwertig an erster Stelle, die
gleichzeitigen Lungen- und Rippenfellentzündungen und die akuten
Bronchitiden sind wesentlich seltener. Ich kann mich des Eindrucks
nicht erwehren, den ich bei den einzelnen Anamnesen so oft hatte,
dass das, was hier als vorausgegangene, die Entstehung der Lungen¬
tuberkulose begünstigende Krankheit verzeichnet ist, oft schon der
Anfang, die erste stürmische Äusserung der Tuberkulose selbst war.
Insbesondere zwingt fast die Häufigkeit der gleichzeitig beobachteten
Lungen- und Rippenfellentzündungen, die doch sonst gar nicht so
häufig vorzukommen und gut abzulaufen pflegen, zu der Annahme,
dass hier das Krankheitsbild der katarrhalischen Pneumonie gemeint
ist, die, einen bronchopneumonischen Prozess mit leichter Reizung des
Pleuraüberzuges darstellend, eine nicht seltene Begleiterscheinung be¬
schränkter Oberlappentuberkulose zu sein pflegt. Auch unter den
Lungenentzündungen wird man neben den 16 krupösen die 10 nicht
krupösen als solche katarrhalischer Natur aufzufassen haben, während
18 *
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258
0. Roepke.
[30
ja die Rippenfellentzündungen nach verschiedenen Autoren bis zu
94°/o überhaupt auf tuberkulöser Basis beruhen. Ferner werden
unter dem viel gebrauchten Krankheitsbegriff der Influenza erfahrungs-
gemäss recht häufig bereits tuberkulöse Prozesse eingereiht, und akute
Bronchitiden sind oft eben deshalb, weil sie einen atypischen Verlauf
nehmen, als akut und gesteigert auftretende Manifestationen einer
bereits vorhandenen Lungentuberkulose anzusprechen. Es kommt
dazu, dass die Patienten aus der versicherungspflichtigen Bevölkerung
im allgemeinen wenig auf ihren körperlichen Zustand und etwaige
Krankheitsäusserungen zu achten und, so lange es irgend geht, zu
arbeiten pflegen. Da müssen geradezu elementare Ereignisse ein-
treten, um sie aus ihrer Gleichgültigkeit und Indolenz aufzurütteln.
Dies geschieht hinsichtlich der Lungentuberkulose am häufigsten durch
die initiale Lungenblutung, seltener durch obigen Modus, durch fieber¬
hafte, das Allgemeinbefinden erheblich störende und die Arbeitsfähig¬
keit aufhebende Lungenkomplikationen. Jetzt ist der Kranke auf
seine Lunge nachdrücklichst hingewiesen, von jetzt ab datiert er seine
Lungenerkrankung, unbekümmert um alle vorhergegangenen leichteren
Krankheitserscheinungen. Wir haben hier meines Erachtens bei Er¬
wachsenen einen anderen ursächlichen Zusammenhang zwischen der
Lungentuberkulose und den nicht tuberkulösen Lungenerkrankungen
anzunehmen als bei Kindern. Bei Kindern ist es die Regel, dass der
Tuberkelbacillus in eine durch Keuchhusten. Masern, Bronchitiden
u. dergl. disponierte Lunge hineinkommt und sich hier infolge der
durch die vorausgegangene Krankheit geschwächten Widerstandsfähig¬
keit ansiedelt. Dies kommt bei Erwachsenen sicherlich auch vor,
wie der Ausbruch der Lungentuberkulose im Anschluss an die oben
verzeichneten 16 krupösen Lungenentzündungen beweist. Ebenso wie
die krupöse Pneumonie gibt auch die rheumatische Pleuritis, die In¬
fluenza einen vorzüglichen Boden für die Tuberkulose ab, wenn un¬
zweckmässiges Verhalten während der Erkrankung oder zu früh¬
zeitiges Wiederaufnehmen der Berufstätigkeit eine restitutio ad in¬
tegrum unmöglich machten. Aber gerade die überwiegende Häufigkeit
der nicht krupösen Pneumonie, der Pleuritis und der gleichzeitigen
Pleuropneumonie (Lungen- und Rippenfellentzündung) lässt die An¬
nahme dieses Zusammenhanges zurücktreten gegenüber der Auffassung,
dass bei den meisten unserer Kranken als zeitlich und ursächlich
erstes Moment eine initiale Tuberkulose bestanden hat, die
ihrerseits den Eintritt der Erkältung und Mischinfektion und damit
das Auftreten von Lungenkomplikationen erleichterte. Zwischen Be¬
lasteten und Nichtbelasteten ist eine nennenswerte Differenz bezüglich
dieser prädisponierenden bezw. komplizierenden Krankheiten nicht
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31]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
259
vorhanden, erstere sind mit 26°/o, letztere mit 29°/o beteiligt. Man
könnte dem Gedanken Spielraum geben, dass sich bei den Belasteten
die Tuberkulose reiner, spezifischer verhält, während sie bei den
Nichtbelasteten atypischer verläuft. Eine andere Deutung wäre die,
dass bei den Belasteten in der ererbten Disposition dasjenige Moment
gegeben ist, welches bei den Nichtbelasteten erst in der erworbenen
Disposition hinzukommen muss.
Um den vermutlichen Beginn der Erkrankung festzustellen,
beschränkte ich mich auf die Kranken des ersten Stadiums, da in
den späteren Stadien die Angaben zu unbestimmt wurden. Zu diesem
Zwecke sind die Zeitintervalle von dem Auftreten der ersten Krank¬
heitserscheinungen bis zum Eintritt in die Heilstätte in der folgenden
Tabelle zusammengestellt:
Der Erankheitsbeginn lag zurück
bei Belasteten — Kuren; bei Nichtbelasteten — Kuren.
bis
zu
1 Monat
Omal
5 mal
tt
'/. Jahr
4
tt
31
»»
»»
tt
V. „
13
35
tt
tt
1 „
8
tt
2 Pers. je
1
Kur;
19
tt
4 Pers. je
1 Kur
tt
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5
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1
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8
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tt
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Jf
3 „
„
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6 „
1
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1 „ „
2
tt
0
Jf
Die Nichtbelasteten suchten im ganzen die Heilstätte viel früher
auf als die Belasteten. Demnach scheint also die Beobachtung der
allgemein so gefürchteten Schwindsucht in der eignen Familie mehr
abzustumpfen und mehr sorglos als vorsorglich zu machen. Andererseits
ist es sehr gut denkbar, dass in der Husterfamilie die Anfangssymp¬
tome (Hustenreiz, Auswurf) weniger auffallen und beachtet werden;
„es ist ja noch nicht schlimmer, als wie jeder Mensch hustet.“ Nur
ein ganz geringer Prozentsatz kommt bereits im Laufe des ersten
Monats nach den selbst beobachteten Krankheitserscheinungen in die
Heilstätte; es sind dies aber durchweg Patienten gewesen, die die
Kur aus eignen Mitteln bestritten. Bei den der Versicherungspflicht
unterliegenden Kranken, die auf Kosten der Landesversicherungs-
Anstalten der Heilstätte überwiesen waren, musste selbst bei mög¬
lichster Beschleunigung in der Prüfung des Antrages eine Verzögerung
eintreten. Immerhin sind schon etwa 30°/o im Laufe des ersten
Vierteljahres und 60°/o im ersten Halbjahre in der Heilstätte auf¬
genommen; weitere 20°/o treten im Laufe des zweiten Halbjahres
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260 0. Roepke. [32
ein, so dass am Ende des ersten Jahres nach dem jeweiligen angeb¬
lichen Krankheitsbeginn 80°/o der Kranken in Behandlung waren.
Diese Zahlen sind im ganzen günstig, obwohl sie nicht ganz der
Wirklichkeit d. h. dem tatsächlichen Bestehen der Krankheit ent¬
sprechen. Aber darin, dass die Fälle trotz ihres 1 h —ljährigen Be¬
stehens in der Schwere und Ausdehnung noch derartig sind, dass sie
dem I. Stadium zugerechnet werden können, liegt die tröstliche Tat¬
sache, dass es sich nicht um maligne Formen der Tuberkulose han¬
delt, die dem Volke unter dem Namen „galoppierende Schwindsucht“
wohl bekannt sind.
Von den Fällen, deren Krankheitsbeginn länger als */« Jahr
zurücklag, hatten übrigens schon 22 eine ein- oder mehrmalige Kur
durchgemacht, meist in dem Badeorte Lippspringe, seltener in einer
anderen Heilstätte. Nur durch solche Kuren wird es erklärlich, dass
bei den übrigen 20°/o der Kranken, die schon 1 — 6 Jahre lungen¬
krank waren, noch jetzt eine stationäre, leichte, auf geringe Lungen¬
abschnitte ausgedehnte Tuberkulose vorhanden war. Bemerkenswert ist
noch, dass je ein Belasteter vor 10 und 23 Jahren eine ausgesprochene
und zweifellose Lungenblutung gehabt hatte; beide hatten sich seiner
Zeit gar keiner Kur oder ärztlichen Behandlung unterworfen und
waren bis kurz vor ihrer Aufnahme ohne alle Beschwerden stets voll
arbeitsfähig gewesen — natura sanat! In beiden Fällen war übrigens
eine Reinfektion desselben Lungenlappens erfolgt, der früher erkrankt
gewesen sein musste.
Prägnanter sind die Angaben der Kranken über ihre der Auf¬
nahme vorausgegangene Arbeitsunfähigkeit, die — auch
nur für die Kranken des I. Stadiums — in der folgenden Tabelle
übersichtlich gemacht ist:
Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit lag zurück
bei Belasteten
bei Nichtbelasteten
bis zu 1 Monat
2 mal
11 mal
„ 2
7 ..
17 „
„ .. 3 „
5 „
20 „
4 ..
5 „
9
„ 5 ..
2 „
3 „
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1 „
6
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15
—
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1
„ „ 24 „
—
1 „
keine Arbeitsunfähigkeit bestand 11 ,,
31 ..
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
'i3J Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 261
Als Dauer der Arbeitsunfähigkeit galt in jedem Fall die Zeit
von dem letzten dauernden Einstellen der regelmässigen Berufsarbeit
bis zum Tage der Einberufung in die Heilstätte. 30°/o der Kranken
haben ohne nennenswerte Störung ihren Beruf bis zum Tage der
Einberufung bezw. des Eintritts in die Heilstätte versehen. Eine
solche Angabe hört der Heilstättenarzt gern; sie bietet im Verein
mit der klinischen Feststellung des I. Stadiums die beste Gewähr
für einen vollen Heilerfolg. Diese Kranken bilden das heitere zu¬
friedene Völkchen in der Heilstätte, das gewissenhaft die Kur durch¬
macht und nach Beendigung derselben gern wieder an die Arbeit
zurückkehrt.
Die Angabe, bis zum letzten Tage gearbeitet zu haben, hört
man aber auch von Patienten, deren Tuberkulose sich im äussersten
IH. Stadium befindet. Meist gehören sie Berufen an, deren Aus¬
übung nur eine bestimmte kleine Muskelgruppe in Tätigkeit setzt,
während der übrige Körper nennenswerte Arbeit nicht leistet (Schneider,
Schreiber, Zigarrenmacher, Konfektions- und andere Heimarbeiter). —
Die 30°/o der überhaupt nicht in der Erwerbsfähigkeit gestörten
Kranken des I. Stadiums entsprechen genau dem obigen Prozentsatz
derjenigen, die ihren Krankheitsbeginn noch auf das laufende Viertel¬
jahr zurückdatierten. 43°/o hatten bis zur Dauer von 3 Monaten und
18°/o noch ein zweites Vierteljahr lang nicht mehr gearbeitet. Von
den letzteren hatte ein Teil Krankenkassenbezüge nicht mehr ge¬
nossen und war daher in den Ernährungsverhältnissen am erheb¬
lichsten herabgekommen. Sie vertreten die Gruppe der ewig Unzu¬
friedenen und Nörgler, der Neurastheniker, Hypochonder und Schwäch¬
linge, die auch hinsichtlich des Kurerfolges nicht immer befriedigen
und sich zur Wiederaufnahme einer regelmässigen Tätigkeit nur
schwer entschliessen. Das kleinste Kontingent von Kranken (9°/o),
die über Jahr hinaus bis zu zwei Jahren ununterbrochen „gefeiert“
hatten, stellen die Invaliden und die Unfallskranken, bei denen er-
fahrungsgemäss recht oft der objektive Krankheitsbefund zu den
Klagen und subjektiven Beschwerden und der daraus resultierenden
Arbeitsunfähigkeit in umgekehrtem Verhältnis steht. — Zwischen Be¬
lasteten und Nichtbelasteten bestehen hinsichtlich dieses Punktes keine
Unterschiede.
Ich komme zu den einzelnen subjektiv zuerst empfun¬
denen Symptomen, mögen sie in krankhaften Erschei¬
nungen der Respirationsorgane (Blutung, Husten, Auswurf,
Kurzatmigkeit, Seitenstechen und Brustschmerzen) oder in Störungen
des Allgemeinbefindens (Abmagerung, Nachtschweisse, Herz¬
klopfen) bestanden haben.
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262 0. Eoepke. [34
Von allen Symptomen hat die Lungenblutung, ob gross oder
klein, für die Diagnostik den grössten Wert. Ihr ist von franzö¬
sischen Autoren ein heilender Einfluss zugesprochen worden, der auf
einer „eliminierenden Evakuation der Bacillen en masse“ beruhen
soll. In Deutschland steht man ganz allgemein auf einem weniger
optimistischen Standpunkt. Man gibt zu, dass eine Blutung die Pro¬
gnose der Tuberkulose nicht zu verschlechtern braucht, dass sie unter
Umständen sogar als eine wirkliche Wohltat von dem Patienten
empfunden wird, aber man führt den günstigen Verlauf der mit
initialer Hämoptoe einsetzenden Lungentuberkulose nicht auf die
günstige Beeinflussung des Krankheitsprozesses zurück, sondern dar¬
auf, dass die Blutung auch den schwerfälligsten und sich wenig
beobachtenden Menschen alarmiert und zum Arzte führt und damit
in die Behandlung und heute in die Heilstätte. Die Bedeutung der
Lungenblutung geht aus folgenden Zahlen hervor:
Es hatten von den Kranken des
I.
II.
+ -
IIT. Stadiams
+ -
Sa.
+ -
Initialblatungen leichteren Grades
6
37
4
18
6
26
—
16
81
Initialblutungen stärkeren Grades
5
6
2
8
3
5
—
10
19
spätere Blutungen leichteren Grades
10
22
1
9
2
4
=
13
35
spätere Blutungen stärkeren Grades
2
2
0
6
5
8
=
7
16
keine Blutungen
13
41
4
15
2
26
=
19
82
Zur Erläuterung der Tabelle bemerke ich, dass ganz geringfügige
Beimischungen von Blut, Blutpunkten und Blutstreifen zu dem Aus¬
wurf gar nicht berücksichtigt sind. Dieselben können aus dem Rachen,
Nasenrachenraum oder Munde stammen und gehören bei der äusserst
mangelhaften Mundpflege, die ganz allgemein unter den Patienten
der unteren Volksschichten auffällt, und dem fast regelmässigen Vor¬
handensein von subakuten und chronischen Rachenkatarrhen in diesen
Berufsklassen auch tatsächlich nicht zu den Seltenheiten. Erst das
ganz diffus blutige Sputum, das mit dem Husten von unten herauf
gekommen sein musste, wurde als Blutung notiert. Die Kranken
pflegen hier selbst ganz treffend zu unterscheiden, indem sie unter
Ausserachtlassung geringster Blutspuren den total und gleichmässig
blutig verfärbten Auswurf als „Bluthusten“ bezeichnen zum Unterschiede
von dem „Blutspucken“, das in einem ein- oder mehrmaligen mund¬
vollen Ausspucken flüssigen Blutes besteht. Bluthusten und Blutspucken
wurden von mir als Blutungen leichteren Grades, als Hämoptysen, an-
Gck igle
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
35J Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 263
gesehen. Blutungen, die einmalig oder in kürzeren Intervallen auf¬
tretend ungefähr einen Tassenkopf oder einen Becher füllten oder
den Boden des Nachtgeschirres völlig bedeckten, wurden zu den
stärkeren, zu den Hämoptoen, gerechnet. Die Patienten bedienen
sich hier der zutreffenden Bezeichnung „Blutsturz“, nur übertreiben
sie wohl unabsichtlich recht häufig in der Schätzung der Menge nach
dem Litermass. So sind Angaben über Blutverluste von 1, 2, 3 Litern
gar nichts Seltenes, in einigen Krankengeschichten finde ich sogar
Blutungen von der Menge eines halben Eimers angegeben.
Was nun die Häufigkeit der Lungenblutungen anbetrifft, so
kommen solche vor bei 66,1 °/o, d. h. also bei zwei Drittel sämtlicher
Patienten und zwar bei 42,2°/o als initiale, bei 23,9°/o als spätere
Hämoptysen und Hämoptoen.
Für die Diagnostik der Lungentuberkulose sind in erster Linie
die Initialblutungen von Bedeutung: in einem je frühzeitigeren Ent¬
stehungsstadium der Tuberkulose sie auftreten, um so wertvoller sind
sie für den Arzt zum Besten des Kranken. Oft geben die Patienten
auf die Frage, seit wann sie schon krank wären, prompt ein ganz be¬
stimmtes Datum an; es ist fast ausnahmslos der Tag, an dem die
erste Blutung eingetreten war. Solche erste alarmierende Blutung
ist aber nicht immer als Initialblutung hinsichtlich der Entwickelung
der Tuberkulose anzusehen. Manchmal erfährt man erst durch ge¬
naueres Fragen, dass der Kranke schon monatelang vor dieser Blu¬
tung andere mit höchster Wahrscheinlichkeit auf eine Tuberkulose
hinweisende Erscheinungen gehabt hat; und die physikalische Unter¬
suchung bestätigt es dann, dass die Tuberkulose des Kranken zur
Zeit der Blutung schon im II. oder gar im III. Stadium ge¬
wesen sein muss. Man hat also wohl zu unterscheiden zwischen
erster Blutung eines Tuberkulösen schlechtweg und erster Blutung im
Frühstadium der Tuberkulose. Nur die im letzteren Sinne aufzu¬
fassende Initialblutung par excellence ist in der Tabelle unter dieser
Bezeichnung aufgenommen. Danach ist also bei 126 unserer Kranken
die Lungenblutung eine der ersten Manifestationen der Tuberkulose
gewesen, und zwar 97 mal in der Form des Bluthustens und Blut-
spuckens, 29 mal in der Form des Blutsturzes. Die Zahl der stärkeren
Blutungen ist recht hoch. Daran ist zunächst einmal die bereits an¬
gedeutete Übertreibung von seiten der Kranken schuld, die überrascht,
erschreckt und erregt, in ihren Wahrnehmungen nicht zuverlässig
sind. Dann kann dies aber auch daher rühren, dass der weitaus
grössere Teil unserer Patienten körperlich schwer arbeiten musste
und nicht selten mitten in angestrengter Arbeitsleistung (Heben,
Schieben, Tragen von Lasten u. dergl.) von der Blutung überrascht
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264 0. Roepke. |8ß
wurde. So merken z. B. die Bergleute, die an sich auf Auswurf
wenig achten, in der dunklen Grube auf dem schwarzen Gestein von
dem Aussehen ihres Auswurfs nichts, sie arbeiten ahnungslos weiter,
obgleich der Auswurf schon rötlich verfärbt ist, bis eben eine stärkere
Gewebs-oderGefässzerreissungeintritt,bis sie die Blutung schmecken.
So ist es in manchen anderen Berufen auch. Bei den im späteren
Verlaufe der Tuberkulose auftretenden Blutungen herrschen zwar eben¬
falls die schwächeren gegenüber den stärkeren vor, aber während bei
den Initialblutungen das Verhältnis der Hämoptysen zu den Hämo¬
ptoen 3,3:1 war, gestaltet es sich hier 2:1; es betragen also die
stärkeren Blutungen fast die Hälfte der schwächeren. Weiterhin
tritt bezüglich der Verlaufsblutungen in den drei verschiedenen
Stadien die interessante Erscheinung hervor, dass mit dem fort¬
schreitenden Stadium der Lungentuberkulose die Hämoptysen pro-
centualiter seltener werden — im I. = 22°/o, im II. = 15°/o, im 1H.
= 7°/o —, während die Hämoptoen von dem I. bis zum IH. Stadium
in dem Verhältnis von 1:3:5 zunehmen. Beides ist aus den patho¬
logisch-anatomischen Vorgängen bei der Entstehung und im Verlaufe
der Tuberkulose ohne weiteres verständlich. Im übrigen sprechen
diese Zahlen gerade nicht für die Richtigkeit der Auffassung von
dem bessernden und heilenden Einfluss der Lungenblutungen.
Von den 144 Kranken, die als erste Stadien in die Heilstätte
kamen, hatten 90, also 5 /s derselben, Blutungen anzugeben, und zwar
3 /s initiale, 2 /s spätere Blutungen. Bei beiden überwiegen die Hämo¬
ptysen, die zusammen, auf die Anzahl der Blutungen berechnet, 5 /e
gegenüber V 6 Hämoptoen ausmachen. Auf die Gesamtzahl der Kranken
übertragen ergibt sich, dass auf je 2 Patienten des ersten Stadiums
eine Hämoptyse, auf je 10 eine Hämoptoe kommt.
Zwischen Belasteten und Nichtbelasteten besteht hinsichtlich des
Auftretens von Lungenblutungen nur ein geringer Unterschied: erstere
sind mit 64°/o, letztere mit 62°/o vertreten. Für die Diagnostik der
Lungenblutung ist folgendes beachtenswert. Wenn man zu einer
Blutung gerufen noch rechtzeitig genug kommt, um dieselbe be¬
obachten zu können, so wird die Entscheidung meist keine Schwierig¬
keiten machen, woher das Blut stammt. Die Art der Herausbeförde¬
rung aus der Lunge durch Husten oder aus dem Magen durch Er¬
brechen verliert ihr charakteristisches Gepräge nicht, selbst wenn
einmal bei furibunden Lungenblutungen das verschluckte Blut er¬
brochen oder bei starken Magenblutungen das in die Luftröhre ge¬
flossene Blut herausgehustet wird. Ausserdem werden Farbe, Geruch,
Schaumgehalt, Schleim- oder Speisebeimengungen etwaige Zweifel be¬
seitigen helfen. Ist die Blutung bereits vorüber und das Blut be-
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37] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 2()5
seitigt oder nicht charakteristisch, so tritt bei der Unmöglichkeit, im
Anschluss an stärkere Blutungen die physikalische Untersuchung vor¬
nehmen zu können, die Anamnese ganz besonders in den Vorder¬
grund und wird in den weitaus meisten Fällen Sitz und Ursache der
Blutung mit höchster Wahrscheinlichkeit herausfinden lassen. Auch
für die Differentialdiagnose, ob eine Lungenblutung auf Tuberkulose
oder auf Traumen, Einatmung von scharfen Gasen oder auf Bronchi-
ectasien, putrider Bronchitis, Lungensyphilis oder auf Cirkulations-
störungen (Lungenödem), Herzfehlern (Infarkt) beruht, ist die genaue
Anamnese ausserordentlich wichtig. Das gleiche gilt bezüglich der
vorübergehenden Blutbeimischungen, die aus Nase, Nasenrachenraum
und Mund stammen können; die Anamnese wird uns auf die richtige
Spur bringen, auch kleinere blutende Stellen festzustellen. Wo diese
Feststellung, und zwar als einzige Ursache der Blutung, nicht über«
allen Zweifel erhaben ist, da muss auf alle Fälle eine eingehende
Untersuchung der Brustorgane stattfinden. Die blosse Annahme des
„ominösen geplatzten Äderchens im Halse“ hat schon manche Früh¬
diagnose der Tuberkulose vereitelt.
Die subjektiv weniger auffallenden Erscheinungen will ich ge¬
trennt, zunächst für das H. und III. Stadium, später für das I. Stadium
allein besprechen.
Bei den Kranken des II. und HI. Stadiums wurden Husten
und Auswurf in allen Fällen geklagt. Damit waren direkte Hin¬
weise auf eine Erkrankung des Respirationstraktus gegeben. Folgte
man diesen Hinweisen, und untersuchte man die Lunge, so war die
Diagnose klar. Denn bei aller Schwierigkeit der Frühdiagnostik der
Tuberkulose ist es doch wahrlich kein Kunststück, eine Lungentuber¬
kulose im II. Stadium herauszufinden. Ich will damit sagen, dass es
bei nur einigermassen gewissenhafter Ausübung ärztlicher Berufs¬
tätigkeit eigentlich ganz ausgeschlossen ist, dass eine ausgesprochene
Lungentuberkulose im II. Stadium nicht erkannt wird. Meine Kranken¬
geschichten beweisen in einer nicht kleinen Zahl von Fällen das
Gegenteil.
Differentialdiagnostisch waren selbst genauere Angaben über
Dauer, Art und Häufigkeit des Hustens wenig verwertbar; eher Hessen
die Angaben der Patienten über Menge und Beschaffenheit des Aus¬
wurfs (blutig, stinkend, maulvoll) auf gewisse ursächliche Momente
bezw. Komplikationen einen Rückschluss machen. Am leichtesten
war in unseren Fällen der diagnostische Schluss — auf Grund der
Anamnese — bei länger dauerndem Husten und blutigem Auswurf,
wenn dazu die Angabe einer stattgehabtenAbinagerung ge-
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266 0. Roepke. [88
macht wurde bezw. durch das Aussehen des Patienten ohne weiteres
klar war.
Stärkere Abmagerung wurde von den Kranken des II. Sta¬
diums in 39 Fällen (=59°/o), von den des III. Stadiums sogar in
69 Fällen (=80° o) angegeben; in allen übrigen Fällen waren geringe
Gewichtsabnahmen beobachtet worden. Wir ersehen daraus, dass die
vorgeschrittene Lungentuberkulose tatsächlich die Bedeutung einer
„abzehrenden“ Krankheit hat, die ihr von altersher beigemessen ist.
Fassen wir die letzten Ergebnisse der Anamnese für die Kranken
des II. und III. Stadiums zusammen, so erhalten wir folgende Zahlen:
die Symptomentrias Husten, Auswurf und Abmagerung ist bei allen
154 Kranken = 100°/o vorhanden, bei 108 = 70°/o ist Husten und
Auswurf durch Blutungen kompliziert, bei 107 = 70°/o ist die Ab¬
magerung eine hochgradige; mindestens zwei Drittel sind also ledig¬
lich auf Grund ihres Aussehens und ihrer Anamnese mit höchster
Wahrscheinlichkeit als tuberkulös zu erkennen. Das ist bedauerlich,
einerseits für den Kranken, denn je leichter die Diagnose, desto vor¬
geschrittener die Krankheit und desto aussichtsloser die Behandlung,
andererseits für den Heilstättenarzt, denn je schwieriger die Diagnose,
desto initialer der Fall und desto befriedigender seine Tätigkeit.
Die subjektiven Krankheitserscheinungen derjenigen
Kranken, deren Lungentuberkulose sich bei der Aufnahme im ersten
Stadium befand, unterziehe ich einer besonderen Besprechung. Die
folgende Aufstellung gibt zunächst eine Übersicht über die Häufigkeit
der von den 144 Kranken beobachteten ersten Krankheitserscheinungen :
Es batten von den 36 Belasteten und 108 Nichtbelasteten Sa.,
Husten
36
99
=
13-5
Auswurf
32
80
=
112
Gewichtsabnahmen
15 i
1 26
39 |
\ 66
_
92
schwach
11
1
27 |
1
Bruststiche und Brustschmerzen
21
60
=
81
Kurzatmigkeit
19
39
=
58
Nachtschweisse
20
56
=
76
Herzklopfen
12
33
=
45
Vergleichen wir die Häufigkeit der einzelnen Symptome bei Be¬
lasteten mit derjenigen bei Nichtbelasteten, so fällt — das Zahlen¬
verhältnis der Belasteten zu den Nichtbelasteten ist 1:3 — ohne
weiteres eine durchweg geringere Beteiligung der Nichtbelasteten
auf. Dieselbe ist procentualiter nicht bedeutend, aber daraus, dass
sie bei jedem einzelnen Symptom nachweisbar ist, glaube ich — wie
bereits an anderer Stelle — folgern zu dürfen, dass auch das initiale
Krankheitsbild der Lungentuberkulose sich bei Nichtbelasteten ver-
Gck igle
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39]
Zar Diagnostik der Lungentuberkulose.
267
waschener, weniger prägnant nnd spezifisch darstellt als bei Belasteten,
die in und mit ihrer ererbten individuellen Disposition auf spezifische
Reize mit möglichst typischen Erscheinungen reagieren. — Bei Be¬
trachtung der Gesamtzahlen fällt zunächst die Symptomentrias
Husten, Auswurf und Abmagerung durch die Häufigkeit auf.
Husten wurde fast in allen Fällen angegeben. Daraus, dass er
häufiger vorhanden war als Auswurf, ist zu entnehmen, dass es sich
in jenen 16°/o der Fälle, in denen Husten ohne Auswurf bestand,
um den gerade für die Frühstadien so charakteristischen kurzen,
trockenen Husten, das Hüsteln, gehandelt hat; dasselbe pflegt morgens
beim Aufstehen, abends beim Hinlegen bemerkbar zu werden und
tagsüber durch Lachen, lautes Sprechen, forcierte Atembewegungen
usw. ausgelöst zu werden.
Die Zahl der positiven Angaben über vorhandenen Auswurf
ist für das I. Stadium reichlich hoch. Es handelte sich indes bei
weitem nicht in allen diesen Fällen um eigentlichen Lungenauswurf;
ich werde später bei der bakteriologischen Diagnostik darauf zurück¬
kommen müssen. Hier möchte ich nur bemerken, dass nasopharyn-
geale Katarrhe, Pharyngitiden und Laryngitiden bei unsern aus stau¬
bigen Werkstätten, Fabriken und Gruben kommenden Kranken ausser¬
ordentlich häufig waren und bei einem dauernd gesteigerten Husten¬
reiz und Kitzel zum Räuspern Schleimabsonderungen unterhielten, die
gar nicht aus der Lunge stammten, den Kranken aber glauben
machten, dass er „furchtbar viel“ Auswurf habe. An dritter Stelle
stehen die Gewichtsabnahmen, die fast von */s der Patienten be¬
obachtet worden sind; es überwiegen die leichten Gewichtsabnahmen
bei 54 Kranken gegenüber den starken Verlusten bei 38 Kranken.
Diese Werte sind zwar wesentlich niedriger als bei den Kranken des
II. und III. Stadiums, es bleibt aber wohl zu beachten, dass sie hier
eigentlich durchweg trotz guten Appetites und genügender Kost ein¬
getreten sind. Das muss auch für die Verwertung der anamnestischen
Angaben im Auge behalten werden. Es spricht für die Entstehung
eines tuberkulösen Prozesses ganz besonders, wenn der Patient trotz
guten Appetites und zweckmässiger und ausreichender Nahrung Ge¬
wichtsverluste erleidet, die ihm auffallen. Den alten Brehm er sehen
Satz, dass die Phthisiker von klein auf schlechte Esser sind, habe
ich nur in ganz vereinzelten Fällen bestätigt gefunden. Ich glaube
auch, dass die Nahrungsmittel-Etats der Heilstätten ihn zu stützen
kaum geeignet sind; die erzielten Gewichtszunahmen während der
Heilstättenkur sprechen sogar entschieden gegen seine allgemeine
Richtigkeit, denn die aus den unteren Volksklassen stammenden
Lungenkranken, welche während einer 12 wöchentlichen Kur durch-
Digitizetf b'
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0. Roopke.
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schnittlich 7'h —12 1 /a Kilo an Körpergewicht zunehmen, müssen nicht
nur gut essen, sondern auch vorzüglich verdauen können.
Ein Symptom, welches von den Patienten vor allen anderen an¬
gegeben wird, wenn es überhaupt vorhanden ist, sind die Brust¬
schmerzen, die Stiche in der Schulter, in der Seite oder
zwischen den Schulterblättern. Von unseren Kranken wurden
dieselben in 81 Fällen (= 55,5 °/o) geklagt. Es empfiehlt sich schon
bei der Anamnese, die Kranken stets hindeuten zu lassen, wo sie die
meisten Schmerzen empfinden. Dadurch wird unsere Aufmerksamkeit
von vornherein, und zwar meist ganz richtig, auf die erkrankte Partie
hingelenkt. Ganz unbestimmte Angaben über die Schmerzen und
dementsprechendes Hinüber- und Herüberdeuten auf dem Thorax
haben oft ihren Grund in einem massigen Emphysem der Lunge,
das bei körperlich schwer arbeitenden Leuten auch in jüngeren Jahren
schon recht häufig ist. Die Stiche in der Schulter, von den Kranken
meist als rheumatische Schmerzen gedeutet, pflegen gerade in dem
frühen Stadium der Lungentuberkulose aufzutreten; sie charakteri¬
sieren sich dadurch, dass sie aus dem Bereiche der Lunge heraus in
die Schulter verlegt und nach dem Arme ausstrahlend geklagt werden,
und beruhen wohl darauf, dass der Plexus brachialis in Entzündungs¬
oder Verwachsungsvorgänge mit hineingezogen ist.
Wiederholt wurden auch Schmerzen geklagt, die in der Ober¬
und Unterschlüsselbeingrube ihren Sitz hatten. Auch diese sind für
beginnende Lungentuberkulose insofern wichtig, als sie ein ziemlich
untrügliches Zeichen einer an der Lungenspitze sich abspielenden
Pleuritis sind. Im vorgeschritteneren Stadium pflegten sie häufiger
zu sein und ganz besonders heftig aufzutreten, wenn sie durch nar¬
bige Retraktionen des Lungengewebes bei HeilungsVorgängen (Schrump¬
fung von Kavernen) veranlasst waren. — Bei bestehenden Schmerzen
in der Seite liegt die Annahme von pleuritischen Prozessen und Ver¬
wachsungen nahe, zumal wenn die Kranken ganz prägnant vom
„Seitenstechen“ sprechen, das sie am „Durchatmen hindert“. Es ist
aber auch daran zu denken, dass neben der Tuberkulose in den
oberen Abschnitten der Lunge in den abhängigen seitlichen Partieen
katarrhalische Zustände bestehen können, die sich bis an die Pleura
vorschieben und dann Schmerzen verursachen. Die Schmerzen pflegen
sehr wechselnd zu sein; auch die objektiven Erscheinungen des
Katarrhs können von einer Untersuchung bis zur anderen ver¬
schwinden oder wieder erscheinen; meist bleiben sie jahrelang stationär,
ohne die geringsten Infiltrations- oder Zerfallssymptome herbeizuführen,
so dass sie als tuberkulös nicht angesehen w ? erden können. Ihre
Hartnäckigkeit mag durch eine örtliche ererbte oder erworbene Dis-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
41]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
269
Position bedingt sein. Besonders charakteristisch für die Initial¬
tuberkulose der Lunge sind die zwischen die Schulterblätter verlegten
Schmerzen. Sie gehen von bronchialen Drüsenaffektionen aus, ins¬
besondere von der Erkrankung der Tracheobronchialdrüsen, die in
allen Fällen von Lungentuberkulose tuberkulös miterkrankt gefunden
sind und für die weitaus meisten Fälle die erste Lokalisation der
Tuberkulose bilden. Ich werde bei dem Kapitel über die Tuberkulin¬
diagnostik noch einmal darauf zurückkommen müssen. — Die Schmerzen
werden individuell verschieden empfunden und individuell verschieden
geklagt. Nur eine Beobachtung kann man immer wieder machen,
die allen medizinischen Landläufigkeiten widerspricht: der initial
Tuberkulöse klagt die meisten, der vorgeschritten Tuberkulöse die
wenigsten auf seine erkrankte Lunge hindeutenden Schmerzen.
Ersteres ist ein weiteres anamnestisches Moment, das die Frühdiagnose
zu erleichtern geeignet ist; letzteres tritt so stereotyp in der immer
wieder abgegebenen Versicherung des Kranken, dass er gar keine
Schmerzen habe, in Erscheinung, dass es als prognostisches Omen in
malam partem Beachtung verdient.
Die Erscheinung der Kurzatmigkeit ist in 58 Fällen (=40°/o)
geklagt worden. Sie ist ebenfalls für das erste Stadium charakte¬
ristisch, nur darf man nicht etwa die ausgesprochenen Bilder lungen¬
insuffizienter Schwerkranker verlangen. Das Bezeichnende liegt darin,
dass die Kranken schon bei den sonst gewohnten körperlichen Arbeits¬
leistungen das Bedürfnis zu angestrengteren und schnelleren Atem¬
zügen empfinden, das ihnen früher unbekannt war. Oft war bei
unseren Kranken eine gewisse Oberflächlichkeit der Atmung auch
durch die oben angegebenen Brustschmerzen und Seitenstiche bedingt.
Von den Allgemeinerscheinungen, die ausser der Gewichtsabnahme
für die beginnende Lungentuberkulose besonders pathognostisch sind,
habe ich nur noch die Nachtschweisse und das Herzklopfen
berücksichtigt; erstere kamen bei den Kranken des ersten Stadiums
56 mal (= 39°/o), letzteres 45 mal (= 31°/o) vor. Die Schweisse
gehören zu denjenigen Symptomen, die von den Patienten meist nicht
beachtet bezw. von selbst angegeben werden, es sei denn, dass sie
als Folge eines Fieberabfalles äusserst stark und belästigend auf¬
traten und den Schlaf störten. In dieser Weise kommen sie indes
im I. Stadium der Lungentuberkulose kaum vor, vielmehr handelt
es sich hier um Transpirationen, die gewöhnlich in den Morgen¬
stunden und bei völlig normalen Körpertemperaturen in ganz mässiger
Stärke sich bemerkbar machen. Nach Ansicht des Kranken war sogar
nur zu schwere Bedeckung oder zu festes Zudecken oder zu hohe
Zimmer- oder Aussentemperatur daran schuld, dass sie am Oberkörper
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270
0. Roepke.
142
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„eben etwas feucht“ wurden. Man muss also auch nach den Nacht-
schweissen direkt fragen, um über ein bei keiner anderen chronischen
Krankheit auftretendes Symptom orientiert zu werden. Eine auf¬
fallend gesteigerte Schweisssekretion habe ich wiederholt bei unseren
gut genährten Leichtkranken beobachtet, wenn sie, den Oberkörper
völlig entkleidet, untersucht wurden. In einzelnen Fällen schwitzten
die Kranken dabei so stark, dass ihnen das Wasser im wahren Sinne
des Wortes am Körper herunterlief. Es werden hier kaum andere
Nerveneinflüsse das Schwitzen auslösen als bei den „Nachtschweissen
der Phthisiker“. Doch sind erstere nicht so bezeichnend für die
Tuberkulose wie letztere, da sie auch bei Unfallskranken, Neurasthe¬
nikern und Alkoholisten Vorkommen.
Das Herzklopfen zeigte sich bei etwa einem Drittel unserer
Kranken; es ist also das am wenigsten häufige Symptom unter den
oben aufgeführten, vielleicht auch das am wenigsten zuverlässige.
Und dennoch liegt in der Beschwerde des Herzklopfens etwas der
Lungentuberkulose ganz besonders eigentümliches, das von der Schwiere
der Erkrankung und der dadurch bedingten Schädigung der Lunge
als Atmungsorgan ganz unabhängig ist. Eine permanent leicht ge¬
steigerte Herztätigkeit mit weichem Puls ist in den späteren Stadien
der Lungentuberkulose fast regelmässig vorhanden; diese bildet aber nicht
das Charakteristische für das Initialstadium. In diesem ist das an¬
fallsweise Auftreten einer beschleunigten Herzaktion bezeichnend,
meist im Anschluss an irgend eine erregende Einwirkung, die aber
bei Gesunden auf die Herztätigkeit keinen oder nur einen sehr ge¬
ringen Einfluss haben würde. Die Neigung zu solchem Herzklopfen
und Blutwallungen nach dem Kopfe ist mit dem Begriff des pbthi-
sischen Habitus verknüpft, sie bildet eine besonders hervorstechende
Eigenschaft der erethischen Naturen unter den Tuberkulösen und ist
zweifellos nicht ohne Einfluss auf deren impulsive, physische und
psychische Äusserungen. Andererseits kann das Herzklopfen aber
auch durch chronischen Alkohol- und Nikotinmissbrauch, durch Neur¬
asthenie, Anämie oder Onanie in der Pubertätszeit bedingt sein.
Diese ursächlichen Momente — organische Herzerkrankungen eo ipso —
müssen auszuschliessen sein, ehe die Angabe des Herzklopfens zur
Stütze der Frühdiagnose zu verwenden ist. —
So sehen wir, dass die Anamnese, sofern der Arzt bei ihrer
Aufnahme der Eigenart jedes Falles gebührend Rechnung trägt, eine
reiche Ausbeute an Material bietet, das für die Beurteilung der Tuber¬
kulose und die Erkennung des Tuberkulösen gleich wertvoll und wichtig
ist. Wie für die Bekämpfung der Tuberkulose der Schwerpunkt in
der Prophylaxe liegt, so bildet für die Heilung des Tuberkulösen
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
43]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
271
die Frühzeitigkeit der Diagnose die Vorbedingung. Nur beides
vereint wird den allgemein aufgenommenen Kampf gegen die Tuber¬
kulose als Volkskrankheit zu einem wirkungsvollen und erfolgreichen
gestalten; und hier wie dort führt die Anamnese auf den richtigen
Weg, Tuberkulose und Tuberkulöse zu erkennen, erstere zu verhüten,
letztere zu heilen.
Aufnahmebefund.
Der allgemeine und örtliche Status praesens unserer Kranken er¬
gibt sich aus der Inspektion, Perkussion und Auskultation. Die Lungen¬
tuberkulose ist trotz ihres lokalen Sitzes eine Konstitutionskrankheit,
die neben den örtlichen subjektiven und objektiven Krankheits¬
erscheinungen auch solche allgemeiner Natur bedingt. Ja, es können
Allgemeinbefinden und Allgemeinzustand oft schon erheblich und sicht¬
bar gestört zu sein, bevor der lokale Krankheitsherd für unsere —
immerhin noch groben — physikalischen Untersuchungsmethoden über¬
haupt erkennbar ist. Darum begibt sich der Arzt, der ohne vor¬
herige Inspektion des Kranken sofort mit dem Beklopfen und
Behorchen desselben beginnt, eines gleich wertvollen diagnostischen
Hilfsmittels wie derjenige, der von vornherein auf die Anamnese ver¬
zichtet. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, mit der Untersuchung
des Kranken zu warten, bis der Verdacht auf eine bestehende Lungen¬
tuberkulose durch die Gesamtwirkung der Krankheit auf den Orga¬
nismus zum Ausdruck käme. Es ist aber andererseits ebenso ent¬
schieden zu verwerfen, dem durch Übung geschärften Blick eine
Fülle von Zeichen vorzuenthalten, die sofort auf das erkrankte Organ,
auf die Art und selbst auf das Stadium der Erkrankung hinweisen.
Bei Klagen über Appetitlosigkeit, Abmagerung, Nachtschweisse und
Mattigkeit die Zunge zu besehen und den Puls zu fühlen, genügt nicht;
je unbestimmter die Angaben des Kranken sind, um so grösser ist
das Gebiet der Krankheitsmöglichkeiten. Da muss der Diagnostiker
allgemeine Umschau halten und zum wenigsten den die wichtigen
Atmungs-, Kreislaufs- und Verdauungsorgane bergenden Oberkörper
einer Inspektion unterziehen. An diese würde sich dann ganz von
selbst die Untersuchung des erkrankt scheinenden Organs anschliessen,
— aber das Aus- und Ankleiden der Kranken beansprucht Zeit, und
an dieser fehlt es gerade am meisten in dem Sprechzimmer des über¬
lasteten, minimal honorierten Kassenarztes — zum grossen Nachteil
all der unerkannt bleibenden Tuberkulösen im Frühstadium, denen
noch zu helfen wäre.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 1. H. 3. 19
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0. Roepke.
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*> 7 ‘>
Bei der Betrachtung des Kranken fällt der untersuchende Blick
zunächst auf den Ernährungszustand und auf die Konsti¬
tution. Der Ernährungszustand ist bei gut genährten Individuen
durch eine straffe Muskulatur, eine glatte, prallelastische Haut und
ein gutentwickeltes Unterhautfettgewebe ausgezeichnet, während er
beim abgemagerten Phthisiker durch die atrophische Muskulatur, die
trockne, welke, oft in Falten abhebbare Haut ganz besonders charak¬
teristisch in Erscheinung zu treten pflegt. Für das Mittelding zwischen
ausgesprochen guter und ausgesprochen schlechter Ernährung haben
wir keine objektiven Anhaltspunkte. Man hat in solchen Fällen das
Verhältnis von Körpergrösse und Körpergewicht als Ausdruck des
Ernährungszustandes herangezogen. Ich habe diesen Modus für alle
drei Emährungsstadien angewandt und zwar in folgender Weise: Es
galt ein Patient als gut ernährt, wenn sein Körpergewicht in Kilo¬
grammen höher war als die Zahl der Zentimeter, die über einen Meter
hinaus seine Körpergrössenmessung ohne Fussbekleidung ergab; blieb
das Körpergewicht um mehr als 7,5 Kilo hinter der über ein Meter
hinausgehenden Körpergrösse zurück, so galt der Ernährungszustand
als ein schlechter; blieb es um weniger als 7,5 Kilo zurück, so galt
der Patient als mittelmässig ernährt. Wog also z. B. ein Kranker
von 1,75 m Grösse unter 67,5 Kilo, so galt er als schlecht ernährt;
wog er 67,5—75 Kilo, so war er mittelmässig ernährt; w r og er über
75 Kilo, so war er gut genährt.
Danach ergibt sich die folgende Aufstellung:
Es war der Ernährungszustand bei den Kranken des
I.
II.
III. Stadiums
Sa.
+ ~
+ -
+ ~
+ -
gut
8
28
0
11
1
12
9 1
51 /
60
mittelmässig
16
55
6
28
8
21
30 \
104 /
134
schlecht
12
25
5
17
9
36
26 x
78 /
104
Nach derselben ist bei 26 °/o der Kranken der Ernährungszustand
beim Eintritt in die Heilstätte noch ein guter; dieser Zahl entspricht
die frühere Feststellung, dass auch nur etwa 18°/o der Kranken gar
keine Gewichtsabnahmen bemerkt hatten. 45°/o der Patienten be¬
fanden sich in einem mittelmässigen und 35°/o in einem schlechten
Ernährungszustände, entsprechend den 80°/o der oben anamnestisch
ermittelten deutlichen z. T. erheblichen Gewichtsverluste. — Im
I. Stadium sind 25°/o der Kranken gut und 25,7 °/o schlecht ernährt,
im II. 16,4 ü /o gut und 32,8 °/o schlecht, im III. nur noch 15°/o gut.
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45]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
273
dafür aber 51,7 °/o schlecht. Wir sehen also als eine der augen¬
fälligsten Erscheinungen der chronisch verlaufenden Lungentuberkulose
eine andauernd verlangsamte Ernährung, die sich mit dem fort¬
schreitenden Stadium der Erkrankung steigert und im I. Stadium
der Lungentuberkulose bei einem Viertel, im II. bei einem Drittel
und im III. bei mehr als der Hälfte der Kranken zu einem Zustande
ausgesprochener Abmagerung und Gewebsverhungerung geführt hat.
In prognostischer Hinsicht müssen also stete Gewichtsverluste, selbst
wenn sie langsam eintreten, als ein Zeichen fortschreitender Erkran¬
kung aufgefasst werden; und in differentialdiagnostischer Beziehung
sprechen sie bei langdauerndem Husten und Fehlen anderer objektiv
nachweisbarer Symptome für die Annahme eines phthisischen Pro¬
zesses. Bestehen bei den aus bescheidenen oder gar ärmlichen Ver¬
hältnissen in die Pflege der Heilstätte kommenden Phthisikern Ge¬
wichtsabnahmen fort, ohne dass darniederliegende Ernährung, hohes
Fieber oder Durchfälle vorhanden sind, so ist die Prognose absolut
infaust. Man könnte einwenden, dass ein um ein paar Kilo schwereres
Körpergewicht für das Schicksal des Lungenkranken unmöglich ent¬
scheidend sein kann. Das ist richtig. Sehen wir aber ganz allgemein
in dem Ernährungszustand des Kranken den ärztlicherseits wahr¬
nehmbaren Ausdruck seiner gesamten inneren Lebensvorgänge, und
erinnern wir uns daran, dass diese — das Leben selbst, die Leistung
des Zentralnervensystems, die Arbeit des Herzens, des Stoffwechsels,
der Verdauung u. s. w. — in allererster Linie von der normalen
Besorgung des Gaswechsels abhängen, so wird uns bewusst werden,
dass eine Erkrankung der Lunge, deren ausserordentliche Bedeutung
eben in der Beschaffung des Gaswechsels liegt, den ganzen belebten
Organismus in dem Aussehen seiner Organe und Gewebe, in seinem
Ernährungszustand, nachteilig beeinflussen muss. Gelingt es nun
durch eine Behandlung, welche es auch immer sein mag, nicht, den
nachteiligen Einfluss sicht- und wägbar aufzuheben, so ist entweder
die Behandlung nicht die richtige — denn eins schickt sich nich
für alle — oder der Fall hat bereits derartig schwere und unkompen¬
sierbare Schädigungen erfahren, dass selbst die geringste Besserung,
die Wiederherstellung des Stoffwechselgleichgewichtes, nicht zu er¬
zielen ist. Also nicht in den paar Pfunden der Gewichtszunahme
liegt das Heil des Kranken, sondern es dokumentiert sich vielmehr
in der Tatsache fortschreitender Gewichtszunahmen die Reaktions¬
fähigkeit des Organismus und in der Tatsache fortschreitender Ge¬
wichtsabnahmen sein Unterliegen im Kampfe gegen die spezifischen
Krankheitserreger und deren Stoffwechselprodukte. Darin liegt die
Bedeutung der Ernährungsfrage für Diagnose und Prognose der Phthise.
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0. Roepke.
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Die Konstitution der Kranken ist nach dem Gesamtein¬
druck ihres Körperlichen auf den ärztlichen Beobachter als kräftige
und schwächliche zu unterscheiden. Dies kann nicht nach Zenti¬
metern der Körpergrösse oder Kilogrammen des Körpergewichtes ge¬
schehen, da es sowohl grosse Individuen gibt, die bei gutem Gewicht
eine schwächliche Konstitution besitzen, wie umgekehrt kleine Personen
mit schlechtem Gewicht, aber kräftiger Konstitution. Die Trennung
erscheint treffender durchführbar nach dem Verhalten des allgemeinen
Körperbaues zu dem allgemeinen Aussehen, nach dem Verhalten der
einzelnen Organe und Gewebe zueinander.
Dementsprechend sind in der folgenden Tabelle nur solche grossen,
mittelgrossen und kleinen Patienten zu den kräftig Konstituierten
gezählt, bei denen die Körpergrösse zum Knochenbau, die Rumpf¬
ausbildung zu der Extremitätenlänge, die Entwickelung der Musku¬
latur zu der des Fettpolsters, das Aussehen zur Haltung in eben-
massigen, normalen und günstigen Verhältnissen stehen. Wo die
Harmonie des Eindrucks gestört ist und in der angedeuteten Richtung
auffallend ungünstige Verhältnisse bestehen, sind die Kranken, ob
gross oder klein, zu den schwächlich Konstituierten gerechnet.
Es war die Konstitution der Kranken des
I.
11.
III. Stadiums
Sa.
+ -
+ -
+ -
+
—
durchaus kräftig
3
18
0
8
0
4
3
80 }
33
durchaus schwächlich
13
41
6
16
10
43
29
100 )
129
nicht ausgesprochen
20
49
5
32
8
22
33
103 }
136
Danach gehörten 11 °/o zu den kräftig, 43,3 °/o zu den schwäch¬
lich Konstituierten, und 45,7 °/o Hessen einen im obigen Sinne aus¬
gesprochenen Konstitutionstypus nicht erkennen. Unter den Be¬
lasteten ist der Prozentsatz der kräftigen Konstitutionen (4,6 °/o) er¬
heblich geringer als unter den Nichtbelasteten (13°/o), während der
Unterschied hinsichtlich der schwächlichen Konstitutionen bei Be¬
lasteten (44,6 °/o) und Nichtbelasteten (43°/o) nur ganz unbedeutend
ist. Mit dem fortschreitenden Stadium fällt der Prozentsatz der
kräftigen Konstitutionen von 14,6 im I. Stadium bis auf 4,6 im
III. Stadium, der Prozentsatz der schwächlich Konstituierten steigt
dagegen von 37 im I. auf 61 im IH. Stadium. Im allgemeinen be¬
stätigen diese Zahlen die Ergebnisse der Rekrutierung. Den 50°/o
Militär untauglicher entsprechen hier 43,3 °/o durchaus schwächlicher
Personen. Der erhebliche Unterschied zwischen den früheren Dienst-
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47]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
275
tauglichen (28°/o) und den jetzigen kräftig Konstituierten (ll°/o) er¬
klärt sich daraus, dass erstere im Verlauf der Krankheit zum grossen
Teile ihre kräftige Konstitution eingebüsst haben; es war vielleicht
auch mancher zum Heerdienst ausgehoben, der nicht exquisit kräftig
war. Wie dort die Diensttauglichkeit unter den Belasteten seltener
war als unter den Nichtbelasteten, so hier die kräftige Konstitution.
Im besonderen geht aus der Aufstellung hervor, dass auch die kräf¬
tigste Konstitution weder vor dem Entstehen noch vor dem Fort¬
schreiten der Lungentuberkulose bis zum dritten Stadium schützt.
Doch da unter unsern Tuberkulösen immer nur jeder neunte eine
kräftige Konstitution besitzt, so kann für die Differentialdiagnose
zwischen phthisischen und chronisch bronchitischen, bronchiolitischen
oder bronchiektatischen Prozessen die kräftige Konstitution zu gunsten
der letzteren ins Gewicht fallen. Ferner lässt der Umstand, dass
Individuen von kräftiger Konstitution im IH. Stadium zu den Selten¬
heiten gehören, die Prognose für diese günstiger erscheinen. Und
die Heilstättenerfahrung lehrt auch, dass gerade solche Fälle, die
trotz des Fortschreitens der Tuberkulose bis zum IH. Stadium eine
hervorragend kräftige Konstitution behalten haben, gute Erfolge er¬
zielen, wenn sie aus ihrem Milieu herausgehoben, einer längeren
Heilstättenbehandlung unterworfen und dann — oft ganz über¬
raschend gebessert — in günstige Verhältnisse zurückgebracht werden.
Danach wäre für das Fortschreiten der Tuberkulose trotz kräftiger
Konstitution in erster Linie die dauernde Einwirkung von hygienisch
ungünstigen Lebens- und Arbeitsbedingungen anzuschuldigen. Anderer¬
seits erkennen wir die prognostische Bedeutung einer kräftigen Kon¬
stitution, die, von einem gut entwickelten Brustkorb und leistungs¬
fähigen Herzmuskel unterstützt, den tröstlichen, wahren Ausspruch
gezeitigt haben mag, dass die Tuberkulose in allen ihren Stadien
heilbar sei.
Ich komme zu den beiden seit altersher in der Phthisiologie am
meisten umstrittenen Begriffen des Habitus phthisicus und
Thorax paralyticus, die in ihrer charakteristischen Form un¬
verkennbar sind und bei der Besichtigung des Kranken sofort auf¬
fallen, vorausgesetzt, dass der Kranke bis zur Hüfte völlig entkleidet
vor uns steht.
Der phthisische Habitus war als angeborene Schwäche dei
Konstitution schon den Ärzten des klassischen Altertums genau be¬
kannt. Galen und Aretäus beschreiben ihn folgendermassen:
„Diese Menschen sind zart und schmächtig, haben eine zusammen¬
gedrückte Brust und Schulterblätter, die wie Flügel ausgestreckt
sind.“ Diese Beschreibung muss auch heute noch als zutreffend an-
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0. Roepke.
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erkannt werden; sie könnte durch die Hinweise auf den langen,
schlanken Hals, die leicht vornüber gebeugte Haltung, die Blässe
der Schleimhäute, die Hektik der Wangen, das müde Aussehen bei
leuchtenden Augen, die funktionellen Eigenarten des Gefäss- und
Nervensystems ergänzt werden, wiewohl die letzteren Stigmata längst
nicht mit der Regelmässigkeit vorhanden zu sein pflegen wie die zarte,
schmächtige Statur und die schmale, flache Brust. Wo bei unseren
Kranken diese beiden Körpereigenschaften ausgeprägt vorhanden
waren, da wurde der phthisische Habitus notiert. Danach hatten
von den Kranken des
I.
II.
III. Stadiums
Sa.
+ -
+ -
+ -
+ -
g
Habitus phthisicus ^
2
11
9
19
17 45 }
Es mussten also 20,8 °/o unserer Kranken von vornherein durch
ihren phthisischen Habitus auffallen und schon bei der Inspektion
dem Arzte die Direktive für sein anamnestisches und klinisches Forschen
geben. Andererseits deutet aber der verhältnismässig geringe Prozent¬
satz des Habitus phthisicus — nur jeder 5. Patient ist Träger des¬
selben — darauf hin, dass er die ihm früher allgemein zugesprochene
Bedeutung für die Entstehung der Tuberkulose nicht besitzt. Die
prozentuale Beteiligung der Belasteten und Nichtbelasteten ist der¬
artig, dass 26,1 °/o der ersteren und nur 19,3 °/o der letzteren einen
phthisischen Habitus aufweisen. Dadurch erhält die universelle Tat¬
sache von der Vererbung körperlicher Eigentümlichkeiten eine weitere
Stütze; auch der in seinem ganzen Gepräge äusserst charakteristische
Habitus phthisicus tritt in der Descendenz tuberkulöser Eltern in
deutlich erhöhtem Prozentsatz zutage. Doch lehrt sein Vorkommen
bei Nichtbelasteten, dass er durchaus nicht allein das Produkt hereditärer
Verhältnisse darstellt und keineswegs ausschliesslich als die ererbte
Disposition zur Tuberkulose aufzufassen ist. In den verschiedenen
Stadien erhebt sich der Prozentsatz der Kranken mit phthisischem
Habitus von 14,6 im I. Stadium auf 20 im II. und auf 32,2 im
HI. Stadium. Diese Zahlen könnten den Schluss zulassen, dass der
phthisische Habitus auf den Ablauf der Tuberkulose einen recht
nachteiligen Einfluss ausübt. Ein solcher Schluss ist aber nicht zu¬
lässig, ohne dass die Krankengeschichten, vor allem die Krankheits¬
dauer und etwaige Kuren, jener jetzt im IH. Stadium befindlichen
32,2 °/o eingehend in Betracht gezogen werden. Das würde zu weit
führen. Doch auch ohne zahlenmässige Unterlage glaube ich hier
auf Grund von Gesamteindrücken mein Urteil dahin abgeben zu
können, dass das Moment der erblichen Belastung an sich keinen
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UNIVERS1TY OF MINNESOTA
49]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
277
nachteiligen Einfluss auf den Gang der Tuberkulose ausübt und ins¬
besondere auch nicht die Dauererfolge bei rechtzeitig eingeleiteter
und wirksam durchgeführter Behandlung herabsetzt, dass aber überall
dort, wo das Moment der erblichen Belastung in dem Vorhandensein
des phthisischen Habitus sichtbaren Ausdruck gefunden hat, der Ver¬
lauf der Lungentuberkulose beschleunigt und der Heilerfolg qualitativ
und quantitativ eingeschränkt wird. Und erinnern wir uns weiter
daran, dass die ebenso bekannte wie gefürchtete „galoppierende
Schwindsucht 11 am häufigsten und reinsten im Pubertätsalter auftritt,
also in jener Zeit, in welcher der phthisische Habitus sich eben aus¬
gebildet hat oder auszubilden pflegt — sagen wir in dem jungfräulichen
Zustande des Habitus phthisicus —, so werden wir in ihm nicht bloss
eine Anomalie des Körpers, sondern den Ausdruck einer allgemein
herabgesetzten Widerstandskraft gegenüber den Wirkungen der
Tuberkuloseinfektion sehen müssen.
Der paralytische Thorax charakterisiert sich durch einen
langen, schmalen, platten Bau, abgeflachte Ober- und Unterschlüssel¬
beingruben, breite Zwischenrippenräume, flügelförmiges Abstehen der
Schulterblätter, nach Vorn- und Tieferstehen des Akromialendes des
Schlüsselbeins, Verkürzung des Tiefendurchmessers in der obem
Partie des Thorax und geringe oder fehlende Stemalwinkelneigung.
Da indes diese Charakteristika auch nicht immer vollzählig vorhanden
sind, genügte mir in der folgenden Aufstellung für die Annahme des
Thorax paralyticus der lange, schmale, platte Brustkorb mit^ ab¬
stehenden Schulterblättern und geringer Stemalwinkelneigung. Bei
hochgradig abgemagerten Kranken konnte man zuweilen im Zweifel
sein, ob der Brustkorb eine charakteristische Formabweichung von
der normalen Brustentwickelung bildete oder nur eine äusserlich ihr
ähnelnde Abmagerungsform darstellte, die als Folge aller tabescierenden
Erkrankungen auftreten kann. In diesen zweifelhaften Fällen nahm
ich einen paralytischen Thorax dann an, wenn beim Vorhandensein
anderer Anzeichen, die für eine mangelhaft entwickelte Brustform
sprechen, der Brustumfang bei ruhiger Atmung 2 oder mehrere
Zentimeter weniger betrug als die Hälfte der Körperlänge des
Kranken. Es sind bereits in der oben gegebenen Zusammenstellung
über den phthisischen Habitus ebenso viele paralytische Thoraxformen
enthalten, da nach dem Gesagten der paralytische Thorax einen
integrierenden Bestandteil des phthisischen Habitus bildet. In der
folgenden Aufstellung sind nun noch diejenigen Kranken zusammen¬
gefasst, bei denen ohne sonstige Körpereigentümlichkeiten der Thorax
allein infolge der geschilderten Veränderungen als paralytischer an¬
zusprechen war.
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278
0. Roepke.
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150
Es batten von
den Kranken des
I.
II.
III. Stadiums
Sa.
+ -
+ -
+ ~
+ -
Thorax paralyticus
6
10
3
7
5
12
U 29 } 43
Danach hatten also 14,4 °/o, d. h. jeder 7. unter unseren Kranken,
eine mangelhaft entwickelte Brustform, die erfahrungsgemäss eine
Disposition zur phthisischen Erkrankung der Lungen darstellt. Die
Belasteten sind mit 21,5°/o, die Nichtbelasteten nur mit 10°/o be¬
teiligt; demnach tritt hier hinsichtlich des paralytischen Thorax ein
noch höherer Prozentsatz in der Descendenz tuberkulöser Familien
hervor, als es bei dem phthisischen Habitus der Fall war. Es er¬
scheint auch ganz plausibel, dass sich eine einzelne Körpereigentüm-
lichkeit häufiger und ausgesprochener vererbt als ein ganzer Allge¬
meintypus. Mit dem fortschreitenden Stadium steigert sich auch die
Häufigkeit des paralytischen Thorax der Art, dass im I. Stadium
11,1 °/o, im II. 15°/o, im IH. 20°/o der Kranken Träger eines solchen
sind. Auch hinsichtlich des paralytischen Thorax unterliegt es wohl
keinem Zweifel, dass er schon wegen der durch ihn bedingten un¬
günstigen Raumverhältnisse für die Entwickelung und Betätigung
der Lunge einem maligneren Verlaufe der Tuberkulose Vorschub
leistet. Aber andererseits ist auch daran zu denken, dass die para¬
lytische Form erst im vorgeschrittenen Stadium der Phthise durch
Muskel- und Fettschwund, durch Lungengewebsschrumpfung und
Retraktionen der Brustwand entstehen kann. Es kann also sehr
wohl in dem einen Fall der paralytische Thorax das Primäre und in
ursächlichem Zusammenhang damit die Phthise des HI. Stadiums
das Sekundäre sein, im anderen die Lungenschwindsucht das Primäre
und die paralytische Formation des Thorax das Sekundäre. — So
gilt für den paralytischen Thorax in bezug auf Heredität, auf Ent¬
stehung und Verlauf der Lungentuberkulose im ganzen das gleiche
wie für den phthisischen Habitus: letzterer ist der vererbte Allge¬
meintypus des Phthisikers, ersterer der vererbte Locus minoris
resistentiae des Phthisikers, beide kommen auch — weniger häufig —
bei Nichtbelasteten vor; beide erleichtern das Zustandekommen der
Infektion, beide befördern das Fortschreiten der Infektion; beide
kommen vor, ohne dass Tuberkulose vorhanden ist oder folgt, beide
fehlen in den meisten Fällen von Tuberkulose, und beide haben
schliesslich ihre grosse Bedeutung darin, dass sie im Verein mit
suspekten Beschwerden und Symptomen zur frühzeitigen Diagnose
der Phthise führen.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
51]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
279
Bei einer weiteren Reihe von Kranken, bei denen weder der
Habitus noch der Thorax phthisisch war, gelang es, durch die
Inspektion Abnormitäten am Brustkörbe festzustellen, die auf
einen in der Lunge selbst lokalisierten anormalen Zustand hindeuteten.
Es sind das die partiellen Einsenkungen kleinerer Bezirke sowie das
Nachschleppen beschränkter Partieen des Thorax. Dieselben sind in
der folgenden Tabelle zusammengestellt.
Es hatten von den Kranken des 1. II. III. Stadiums Sa.
H-+ — 4- + —
Einsenkungen beschränkter Partieen 3 8 1 6 1 11 5 25 } 30
Nachschleppen beschränkter Partieen ^20 ^9 ^ 2 ^ gj } 38
Die Einsenkungen, welche bei 10°/o der Fälle vorkamen,
treten ein- oder doppelseitig, oft auf einer Seite stärker als auf der
anderen auf; sie deuten in weitaus den meisten Fällen auf
Schrumpfungsprozesse hin, die um Verdichtungen und Höhlen¬
bildungen herum sich abspielen und fast ausnahmslos tuberkulöser
Natur sind. Hierbei sind die nur einseitig ausgesprochenen
Gruben als Ausdruck einer tuberkulösen Erkrankung der einen Spitze
bezw. Lunge diagnostisch ganz besonders wichtig. Während aber die
Einsenkungen meist erst im späteren Verlaufe der Tuberkulose sicht¬
bar werden können, tritt das Nachschleppen einer oder beider
Spitzen bezw. oberen Thoraxpartieen — in unserem Material bei
12,8 °/o der Kranken — gewöhnlich schon in einem sehr frühen
Stadium hervor. Bei beiderseitigen Spitzen- oder Oberlappenaffektionen
pflegt der Grad der eingeschränkten respiratorischen Beweglichkeit
auf beiden Seiten verschieden zu sein, und zwar gewöhnlich derartig,
dass das Nachschleppen der frischerkrankten Partie das der anderen
Seite mit dem Sitze des älteren Prozesses überwiegt. Danach Hesse
sich die Ungleichheit der Atmung eher auf eine imwillkürliche
Schonung der erkrankten Seite als auf die Behinderung durch den
räumlich ausgedehnteren Krankheitsprozess zurückführen. Wir konnten
also bei 22,8% unserer Kranken, die, wie ich nochmals betonen
möchte, weder einen phthisischen Habitus noch einen paralytischen
Thorax zeigten, bei genauer Inspektion Veränderungen konstatieren,
die mit höchster Wahrscheinlichkeit auf einen tuberkulösen Prozess
in der Lunge hinwiesen.
Fassen wir nun die ganze Ausbeute der Inspektion zusammen:
62 Kranke hatten phthisischen Habitus,
43 „ „ paralytischen Thorax,
30 v yj partielle Einsenkungen am Thorax,
38 ^ „ partielles Nachschleppen am Thorax,
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280
0. Eoepke.
[52
so ergibt sich, dass 58 °/o der Patienten schon bei der Betrachtung uns
den Gedanken an eine bestehende Lungentuberkulose nahelegten. Und
wenn wir nun zum Schluss die Ergebnisse der Inspektion für das
I. Stadium allein Zusammentragen, dessen Diagnostik die häufigste und
schwierigste, aber auch dankbarste Aufgabe des praktizierenden Arztes
darstellt, so finden wir, dass 74 Patienten des I. Stadiums = 51,4 °/o
dem ärztlichen Beobachter, der überdies ihre Anamnese kennt, als
tuberkulosekrank oder zum wenigsten als hochgradig tuberkulose¬
suspekt erscheinen müssen. Damit scheint mir bewiesen, dass die
Bedeutung der Inspektion für die Diagnostik der Lungentuberkulose
über jeden Zweifel erhaben ist.
Ich komme zu der physikalischen Untersuchung der Lunge
durch Perkussion und Auskultation. Entgegen den Anschauungen
derjenigen Autoren, welche der einen oder der anderen für die Dia¬
gnostik der Lungentuberkulose den grösseren Wert beimessen und
demgemäss prinzipiell die eine mit mehr Sorgfalt üben als die andere,
halte ich beide Methoden für gleich wichtig und gleich notwendig.
Kleine Lungenspitzeninfiltrate wird man in erster Linie durch die
Perkussion, die Bronchial- und Schleimhauttuberkulose am ehesten
durch die Auskultation und die miliaren tuberkulösen Herde im
eigentlichen Lungenparenchym nur durch die gegenseitige Ergänzung
des perkutorischen und auskultatorischen Befundes erkennen. Übri¬
gens soll ja erst der Arzt feststellen, ob überhaupt eine Lungen¬
affektion vorliegt, und zutreffenden Falles um welchen jener Prozesse
es sich handelt. Darum wird sich zunächst für jede Diagnostik eine
den praktischen Verhältnissen Rechnung tragende Reihenfolge der
Untersuchungsmethoden empfehlen; als solche hat sich aber seit
Generationen die Aufeinanderfolge von Anamnese, Inspektion, Per¬
kussion und Auskultation durchaus bewährt.
Wie gegenstandslos die ganze Streitfrage hinsichtlich der Ergeb¬
nisse der Praxis ist, geht aus meinen Krankengeschichten hervor:
nach den Aufzeichnungen derselben lag auch nicht über einen ein¬
zigen Fall nur ein perkutorischer oder nur ein auskultatorischer
Befund vor, vielmehr basierten die Diagnosen in allen Fällen ohne
Ausnahme auf einer kritischen Verschmelzung beider Methoden.
Bezüglich der Methode und Technik der Perkussion sollen
hier nur die für die Diagnostik der Lungentuberkulose wichtigen
Punkte Berücksichtigung finden. Die Perkussion der Lungenspitzen
ist am wichtigsten und schwierigsten ; vor allen Dingen hat dieselbe
vergleichsweise an völlig korrespondierenden Stellen auf beiden Seiten
vorn und hinten, sowie in gleichmässiger Stärke und zwar möglichst
leise zu erfolgen. Erscheint der von der Norm abweichende Klopf-
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531
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
281
schall infolge von Entspannung oder unvollständiger Infiltration
klangähnlich, so gibt das unmittelbare Beklopfen symmetrisch ge¬
legener Punkte der Schlüsselbeine mit der Fingerkuppe ausserordent¬
lich deutliche Resultate. Bei einseitig verkürztem Schall oder zweifel¬
haften Schalldifferenzen zwischen beiden Spitzen empfiehlt es sich,
die vergleichende Perkussion nochmals in tiefer Einatmungsstellung
des Brustkorbes vorzunehmen; die anatomischen Veränderungen,
welche zur Verdichtung geführt haben, beschränken nämlich die
Luftfüllung der erkrankten Spitze trotz der tiefen Einatmung und
lassen dadurch den Schallunterschied noch schärfer hervortreten.
Die durch den tuberkulösen Prozess bedingte Verkleinerung der Spitze
gibt sich infolge der Einziehung und Schrumpfung des Lungen¬
gewebes in einem Tieferstehen der oberen Lungengrenzen kund;
dieser Tiefstand ist durch perkutorische Um- und Abgrenzung der
hellen Schall gebenden Partieen festzustellen. Er bildet mit der
sichtbaren Schrumpfung der entsprechenden Partie (Einsenkung) und
der sichtbaren Beschränkung ihrer respiratorischen Beweglichkeit
(Nachschleppen) ein pathognomonisches Zeichen von hohem Werte in
der Beurteilung der Spitzentuberkulose. Dabei bietet die Finger-
Fingerperkussion den Vorteil, dass sie neben der Veränderung des
Klopfschalles auch schon bei geringen Verdichtungen über der Spitze das
Gefühl der vermehrten Resistenz vermittelt. Sind die Oberschlüssel¬
beingruben eingesunken, wie es bei Schrumpfungen der Spitzen stets
mehr oder weniger der Fall zu sein pflegt, so empfiehlt es sich,
hinter den sitzenden Patienten zu treten, von hinten her den Plessi-
meterfinger sicher in die vertieften Gruppen einzulegen und ver¬
gleichend zu perkutieren. Die Perkussion der übrigen Lungenab¬
schnitte ist wesentlich einfacher: Man perkutiere bei zartem Thorax
möglichst leise, im übrigen der Dicke der bedeckenden Thoraxwand
entsprechend stark, vergleiche in jedem Interkostalraum median wie
lateral gleichgelegene Stellen und achte bei der Bestimmung der
unteren Lungengrenzen auf ihre Verschieblichkeit. Letzteres ist für
die hinteren Partieen ganz besonders wichtig, da hier nicht selten
bei sonst völlig negativem Befunde eine einseitige mangelhafte Ver¬
schieblichkeit mit Schallabkürzung auf stattgehabte pleuritische —
also meist tuberkulöse — Vorgänge hinweist. Bei Dämpfungen im
Bereich der Unterlappen unterrichtet die Finger-Fingerperkussion
gleichzeitig über den Grad der Schwingungsfähigkeit der unter¬
liegenden Teile, so dass man in ausgesprochenen Fällen meist schon
durch die Perkussion allein die Diagnose auf Infiltrat oder Exsudat
richtig stellen kann.
Zum Schluss möchte ich noch auf eine Beobachtung hinweisen,
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282
0. Roepke.
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154
die ich von anderer Seite nirgends erwähnt finde. In Fällen, in
denen man eine Schalldifferenz über den hinteren Lungenspitzen kaum
annehmen dürfte, ohne in den Verdacht allzugrosser Feinhörigkeit zu
kommen, fand sich wiederholt in dem Interskapularraum in Höhe des
4.—5. Brustwirbels eine deutliche Schallabkürzung. Diese Partie, die
meist auf der gleichen Seite wie die suspekte Spitze lag, wurde bei
jedem nur wenig stärkeren Beklopfen ganz präcis als auffallend
schmerzhaft angegeben. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass es
sich hier um die bereits oben erwähnten tuberkulösen Prozesse der
Hilusdrüsen gehandelt haben wird, deren Schmerzhaftigkeit sich aus
der Hineinbeziehung sensibler Vagusfasern erklärt. Da die Tracheo-
Bronchialdrüsentuberkulöse in vielen Fällen den Vorläufer der Lungen¬
tuberkulose darstellt, scheint mir das Symptom der schmerzhaften
Schallabkürzung im Interskapularraum für die Früh¬
diagnostik beachtenswert. —
An die Perkussion schliesst sich die Auskultation, die
über Stärke und Beschaffenheit des Atemgeräusches, über das Ver¬
hältnis von In- und Exspirationsgeräusch hinsichtlich der Qualität
und der Dauer und über etwaige begleitende Neben- und Rassel¬
geräusche orientiert. Da die Auskultation von der Mitwirkung des
Kranken abhängig ist, sollen hier einige Punkte Erwähnung finden,
die die Ergebnisse beeinträchtigen können. Man lasse den Kranken
gleichmässig tiefe und etwas beschleunigte, aber nicht übertrieben
heftige oder geräuschvolle Atembewegungen ausführen. Ob dieselben
im Stehen oder im Sitzen, bei geöffnetem oder geschlossenem Munde
erfolgen, ist für das Ergebnis gleichgültig, vorausgesetzt, dass im
letzteren Falle die Nasenatmung frei ist. Ich lasse bei der Unter¬
suchung kleinere Patienten zwanglos aufrecht stehen, grössere auf
einem erhöhten Stuhle frei sitzen, in allen Fällen bei Benutzung der
FränkeIschen Schutzmaske durch den geöffneten Mund frei ans-
und einatmen.
Auch bei der Auskultation sind diejenigen Unterschiede in
der Atmung, die sich durch Einseitigkeit, Beschränktheit und
Beständigkeit auszeichnen, für die Tuberkulose besonders charakte¬
ristisch, zumal wenn sie in den perkutorischen Abweichungen ihre
physikalische Erklärung finden. Demnach müssen bei der Auskul¬
tation die gleichen Orte besondere Berücksichtigung finden wie bei
der Perkussion, also in erster Linie die Oberschlüsselbein- und Ober¬
grätengrube, ferner die Unterschlüsselbeingrube und die Hilusgegend,
sowie schliesslich die abhängigen Lungenparti een und Lungenränder.
Die Erkennung des Bronchialatmens, welches erst bei ausge¬
sprochener Infiltration auftritt, das stark abgeschwächte und aufge-
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
55 ]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
283
hobene Atmen über Exsudaten und das amphorische Atmeh über
Höhlenbildungen macht keine Schwierigkeiten. Man würde indes
seiner Klientel einen sehr schlechten Dienst erweisen, wollte man die
Diagnose erst von der Wahrnehmung solcher Auskultationserschei¬
nungen abhängig machen. Viel wichtiger sind daher die Modifika¬
tionen, die das Atmungsgeräusch bereits im Frühstadium der Tuber¬
kulose aufweist, die aber leider längst nicht genug gewürdigt werden.
Ohne erschöpfend sein zu können, nenne ich hier als ganz besonders
charakteristisch das deutlich abgeschwächte, rauhe oder verschärfte
Inspirium für sich allein oder gefolgt von einem verlängerten, hauchen¬
den oder verschärften Exspirium. Nur ist das Herausfinden der ver¬
schiedenen Geräuschnuancierungen und ihrer wechselnden Zusammen¬
stellung und Stärke nicht ganz leicht, zumal wenn beide Spitzen von
dem uns ungefähr geläufigen normalen Atemgeräusch abweichen, ln
solchen Fällen muss man durch mehrmalige Untersuchungen unter
steter Berücksichtigung der perkutorischen Befunde ans Ziel zu
kommen suchen. Finden wir wiederholt das veränderte Atemgeräusch
an gleicher Stelle und zwar im Bereich einer perkutorischen, nach¬
weisbaren Schalldämpfung, dann können wir mit einem hohen Grad
von Wahrscheinlichkeit Tuberkulose annehmen.
Sicherer wird die Diagnose, wenn Rasselgeräusche hinzu¬
treten. Da dieselben selbst bei vorgeschrittenen Prozessen öfter erst beim
Husten hörbar sind, gehört das Hustenlassen und die Auskultation
während der Hustenstösse und der folgenden Atemzüge zu den un¬
bedingt notwendigen Untersuchungsmethoden. Jede Lungenunter¬
suchung ohne Auskultation des Hustens ist unzuverlässig. Das fein¬
blasige, trockene Rasseln in der Spitze ist für Tuberkulose sehr be¬
zeichnend. Wenn es beiderseitig ohne perkutorische Veränderungen
vorhanden ist, kann es beim Emphysematiker die Überbleibsel eines
akuten Katarrhs, beim Asthmatiker die Überbleibsel eines asthma¬
tischen Anfalles darstellen. Selbstverständlich kann es aber auch der
Ausdruck einer spezifisch tuberkulösen Erkrankung sein, deren in¬
filtrierende Erscheinungen durch die emphysematosen verdeckt sind.
Die Verwechslung von trockenen Rasselgeräuschen mit pleuritischem
Reiben hat für die Spitzentuberkulose keine Bedeutung, denn das
Pleurareiben über den obersten Partieen der Lunge deutet wohl aus¬
nahmslos ebenfalls auf tuberkulöse Vorgänge hin, die sich vom Lungen¬
gewebe aus bis an den Pleuraüberzug vorgeschoben haben.
Wichtiger ist die scharfe Trennung von pleuritischen und pul¬
monalen Geräuschen über den Unterlappen: das feine Pleurareiben
legt in den meisten Fällen die Annahme tuberkulöser Vorgänge nahe,
während das feine in der Lunge entstehende Krepitieren und Rasseln
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284 0. Roepke. [56
viel seltener auf eine Tuberkulose des Unterlappens als auf nicht
spezifische Bronchiolitis und Bronchitis, Bronchiektasien, Atelektasen
und Infarkte zurückzuführen ist. Die Auskultation des Hustens,
während dessen das Pleurareiben im Gegensatz zu den Lungen¬
geräuschen selten wesentlich vermehrt wird, lässt die richtige Dia¬
gnose stellen. Ferner ist das Pleurareiben meist während des ganzen
Inspiriums und auch im Exspirium hörbar, es lässt sich dabei durch
starkem Druck mit dem Stethoskop verstärken und erscheint immer
viel näher am Ohr als die fernklingenden Rasselgeräusche der Lunge.
— Die häufig über die ganze Lunge verbreiteten pfeifenden, giemenden,
brummenden und schnurrenden Geräusche entstehen in den grösseren
Bronchien; sie können lediglich Erscheinungen einer einfachen akuten
oder subakuten Tracheitis oder Bronchitis sein. Indes sollte die
Hartnäckigkeit solcher katarrhalischen Zustände mit ihren zeitweise
auftretenden Verschlimmerungen, die häutige und leichte „Erkältbar-
keit“, stets an eine tuberkulöse Basis oder einen schleichend fort¬
schreitenden tuberkulösen Prozess denken lassen. — Die im Verlaufe
einer Lungentuberkulose auftretenden mittel- und grossblasigen,
feuchten und klingenden Rasselgeräusche sind im Verein mit den
übrigen Perkussions- und Auskultationsergebnissen so leicht zu er¬
kennen und zu deuten, dass ein Eingehen auf dieselben nicht not¬
wendig ist. Dagegen müssen die ausserhalb der Lunge und des
Brustkorbes entstehenden Nebengeräusche hier noch erwähnt
werden. Ihrem Charakter nach haben sie mit dem trocknen, feinen
und mittleren Rasseln sehr grosse Ähnlichkeit, und sie können daher
bei Verwechslung mit diesen — besonders über der Spitze vorn und
hinten — zu schweren diagnostischen Irrtümern führen. Die extra-
thorakalen Reibegeräusche haben ihre Ursache meist in Muskelzu¬
sammenziehungen, seltener in Gelenkverschiebungen; sie treten bei
muskelkräftigen Personen in Erscheinung, wenn diese durch rasches,
energisches Atmen stärkere Exkursionen des Brustkorbes und über¬
mässige Bewegungen in den Respirationsmuskeln auslösen. Im Gegen¬
satz zu den pulmonalen Rasselgeräuschen werden diese Nebengeräusche
durch Hustenstösse nicht beeinflusst; sie wechseln vielmehr je nach
der Beruhigung oder Steigerung der Muskelkontraktionen, pflegen
aber selbst beim Anhalten des Atems nicht völlig zu verschwinden.
Nicht ohne Einfluss scheint die Magerkeit des Untersuchten und
damit die Trockenheit der Haut zu sein. Wiederholt beobachtete
ich nämlich die Nebengeräusche bei ganz muskelschwachen Patienten,
bei denen also von besonders starken Muskelkontraktionen nicht gut
die Rede sein konnte, zumal wenn sie ganz oberflächlich atmeten.
Ich hatte den Eindruck, dass die Geräusche an der Berührungsfläche
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UNIVERSITY OF MINNESOTA ^
57]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
285
des Stethoskopes mit der trocknen, schilfernden oder glänzenden Haut
zu stände kämen. Tatsächlich waren auch nach tüchtigem Durch¬
feuchten der obersten Epidermisschicht die Geräusche verschwunden.
— Ein anderes Nebengeräusch entsteht, wenn der Kranke zwischen
Hustenstoss und Atemzug den Schluckakt einschaltet und dabei
Speichel verschluckt. Dadurch werden in der Obergrätengrube Ge¬
räusche hörbar, die unter Umständen als Lungengeräusche gedeutet
werden können.
Mit dem Vorstehenden wollte ich einige praktische Methoden
und einfache Kunstgriffe angeben, die mir bei der physikalischen
Lungenuntersuchung bisher stets genügt haben und dem vielbe¬
schäftigten Praktiker ebenfalls die klinische Frühdiagnose ermöglichen
werden; Bedingung bleibt indes, ihre Ergebnisse richtig aufzufassen
und zu denen der Anamnese und Inspektion richtig zu summieren.
Ist die Untersuchung beendigt, so soll man sich die Frage vor¬
legen, wie mag wohl die Lunge des Untersuchten im pathologisch¬
anatomischen Bilde aussehen. Dass bei unserm Material die
Perkussion allein ebenso wenig geleistet hat wie die Auskultation
allein, ist bereits oben erwähnt. Es waren also alle Fälle im streng
pathologisch-anatomischen Sinne nicht mehr initiale. Bei sämtlichen
Kranken hatte der Herd über die ursprüngliche Lokalisation hinaus
bereits seine Umgebung in einer gewissen Ausdehnung affiziert, so
dass die von der Norm abweichenden, neugebildeten physikalischen
Verhältnisse durch die Perkussion und Auskultation dem Ohre wahr¬
nehmbar waren.
Was ist nun im einzelnen vorgegangen? Man sagt mit Recht,
jede Tuberkulose verläuft anders; ist doch auch jedes Individuum
anders seiner Konstitution nach. Und doch tritt klinisch die Lungen¬
tuberkulose immer wieder in 3 Erscheinungsformen hervor: unter den
Zeichen des Katarrhs, der Infiltration und des gleich¬
zeitigen Zustandes von Katarrh und Infiltration; an
letzteren schliessen sich im weiteren Verlaufe die zum Zerfall führenden
Prozesse der Verkäsung und Einschmelzung, die als Kavernensymptome
schliesslich hervortreten. Danach lässt sich unser Material in folgender
Weise zusammenstellen.
£s hatten von den Kranken des
die Erscheinungen von Katarrh
die Erscheinungen von Infiltration
die Erscheinungen von Katarrh + Infiltration ^JlOl 11 55J66 0 ^ |45
die Erscheinungen von Kavernenbilduug ^ q ^ ö ^ ,m
I. II. IIL Stadiums
+ - + ~ + -
2 0 0
4 0 0
11 0 0
26 1 0
9Q I 111 Q \
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O. Roepke.
[58
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Diese klinische Rubrizierung kann den pathologisch-anatomischen
Vorgängen nicht voll entsprechen, denn selbst der geübteste und
subtilste Untersucher kann mit unsern physikalischen Hilfsmitteln
zentralgelegene Katarrhe oder kirschengrosse Infiltrationen nicht er¬
kennen. Überdies zeigt der tuberkulöse Prozess in der Lunge meist
die verschiedenen Vorgänge in den verschiedensten Kombinationen
nebeneinander. Trotzdem können wir uns an der Hand der obigen
und früher vorausgegangenen Zahlen eine annähernd richtige Vor¬
stellung von dem pathologisch-anatomischen Zustande der Lungen¬
tuberkulose unserer Kranken machen.
Nur 6 von unsern Kranken (= 2,1 °/o) zeigten rein katar¬
rhalische Erscheinungen, die auf eine Bronchialschleimhaut¬
tuberkulose schliessen lassen. Aus dem tuberkulösen Infiltrat der
Mukosa hat sich ein tuberkulöses Geschwür gebildet, dessen Sekret¬
massen in den Bronchialästen durch den Luftstrom hin und her be¬
wegt werden und das Rasseln hervorrufen. Infiltration und Ex¬
sudation haben noch nicht stattgefunden, dagegen deutet die
perkutorische Veränderung auf Knötchenbildung im Lungengewebe
selbst hin, die zur Entspannung der Umgebung und damit zu leicht
tympanitischem Klopfschall geführt hat. 12,8 °/o der Patienten weisen
nur Infiltrationserscheinungen auf. In diesen Fällen, die per¬
kutorisch durch Schallabkürzung oder Dämpfung, auskultatorisch durch
das veränderte Atemgeräusch ohne Rasselgeräusche auffallen, ist der
tuberkulöse Prozess auf dem Lymphwege in das peribronchiale Binde¬
gewebe und Lungenparenchym übergegangen. Kleinere oder grössere
Lungenabschnitte bis zur Ausdehnung eines ganzen oder zweier halben
Lappen sind von atelektatischen und indurierenden Vorgängen
durchsetzt; bezeichnenderweise ist nur in einem einzigen Fall mehr
als ein Lungenlappen erkrankt. Diese Form der Tuberkulose, die
man die indurierende nennt, gestattet erfahrungsgemäss eine gute
Prognose, da die schwieligen Massen die Weiterverbreitung der tuber¬
kulösen Herde erschweren, sie vielmehr abkapseln und fibrös um¬
wandeln.
Bei dem weitaus grössten Teile unserer Kranken, nämlich bei
85,1 °/o, bot die erkrankte Lunge die Zeichen des Katarrhs und der
Infiltration. Perkutorisch sind sie an den verschiedenen Graden der
Dämpfung, auskultatorisch an den verschiedenen Atmungs- und Rassel¬
geräuschen erkennbar. Ein Teil — die jetzt im I. Stadium be¬
findlichen Kranken, 101 an der Zahl — zeigt die auf die
Alveolen verbreitete Bronchialschleimhauttuberkulose mit zahlreichen
sich vergrössernden Geschwüren; Exsudationen verlegen die feinsten
Bronchialverzweigungen und vermindern den Luftgehalt der Partie,
Gck igle
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
59 ]
Zar Diagnostik der Lungentuberkulose.
287
unterstützt durch die um Alveolen und Infundibula sich ausbreitenden
interstitiellen miliaren Tuberkel. Lungenauswurf ist spärlich oder
noch gar nicht vorhanden. Diese Kranken bilden das grosse Heer
der Tuberkulösen, die ihren Beruf trotz der Erkrankung ausüben,
bis sie meist durch eine Blutung auf den Ernst der Situation auf¬
merksam werden und nun noch rechtzeitig den Arzt und die Heil¬
stätte aufsuchen.
Bei einem anderen Teil — den jetzt dem II. Stadium an¬
gehörenden 66 Kranken — sind neben den Infiltrations- und
Exsudationserscheinungen und Geschwüren schon diffuse Entzündungs¬
prozesse und käsige Bronchitiden aufgetreten; Auswurf ist morgens
regelmässig vorhanden und enthält in schleimiger Beimischung kleine
gelbliche Eiterbatzen. Der Prozess ist bereits auf 1 bis 2 ganze
Lappen ausgedehnt; auch gehören diejenigen Patienten hierher, die
neben einer Spitzentuberkulose noch tuberkulöse oder nicht tuber¬
kulöse Unterlappenaffektionen besitzen.
Und der dritte Teil endlich — die jetzt im HI. Stadium
befindlichen 45 Kranken — weist ausgedehnte exsudative und
käsige Entzündungen auf mit reichlichem eitrigen Auswurf. Die
Erkrankung ist auf mehr als zwei Lungenlappen ausgedehnt.
Bei 42 dieser Patienten ist es infolge von lobulären und ausge¬
dehnteren käsigen Pneumonieen und Einschmelzungen der Käsemassen
zur Kavernenbildung gekommen. Häufigere und stärkere
Blutungen sind beobachtet; der Auswurf ist massig, geballt, oft
münzenförmig. Das ist die ulcerierende oder destruierende Form der
Lungentuberkulose. Ich resümiere: Wir sehen den drei klinischen
Haupterscheinungsformen nur 2 anatomische Hauptformen entsprechen,
die indurierende und die ulcerierende. Die erstere stellt die
klinisch nachweisbaren reinen Infiltrationsvorgänge dar und ist die
prognostisch günstigere Form, die letztere gibt sich klinisch in dem
Vorhandensein ausgebreiteter Katarrhe und Infiltrationen mit Ka¬
vernenbildung kund und ist die prognostisch viel ungünstigere Form.
Beide sind annähernd in gleicher Häufigkeit, nämlich bei 13 bezw.
14°/o der Kranken, vorhanden, während 7l°/o sämtlicher Kranken
beiderlei Veränderungen kombiniert in Gestalt knotiger Herde und
käsiger Bronchitis aufweisen.
Von den 144 Kranken des I. Stadiums zeigten 4,2°/o nur
Katarrh, 25,7 °/o nur Infiltration und 70,1 °/o Katarrh und Infiltration.
Daraus kann man schliessen, dass vielleicht noch die ersteren 30°/o
der klinischen Diagnostik Schwierigkeiten machen konnten, während
bei 70°/o die Tuberkulose in ihrem Initialstadium zweifellos und un¬
schwer zu erkennen war. Denn wenn bei der Untersuchung gleich-
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 3 . 20
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288
O. Roepke.
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zeitig katarrhalische und infiltrierte Lungenpartieen übersehen werden,
so kann dieselbe Anspruch auf Genauigkeit oder Sachkenntnis nicht
erheben. Es könnten allerdings differentialdiagnostische Bedenken
bestehen, ob nicht Syphilis, Aktinomykose, Echinococcus, Tumor oder
eine Infektion mit Diplokokken, Influenzabacillen und dergl. oder
reine Koniosen vorliegen. Doch nur letztere dürften wegen häufigeren
Vorkommens eine praktische Bedeutung haben und weiterer Unter¬
suchungsmethoden zur absoluten Sicherstellung der Diagnose bedürfen.
Die II. und III. Stadien machen der klinischen Diagnostik selbst¬
verständlich gar keine Schwierigkeiten.
Kavernen sind fast bei der Hälfte der Kranken des HI. Stadiums
nachweisbar gewesen und zwar bei 29 auf der rechten, bei 7 auf der
linken und bei 6 auf beiden Seiten. Ihre Erscheinungen sind charak¬
teristisch und unverkennbar, und doch werden sie so häufig in der
Praxis nicht diagnostiziert. Das rührt m. E. daher, dass die aller¬
wenigsten Ärzte die Kranken bei der Untersuchung husten lassen.
Selbst bei grösseren kavernösen Zerstörungen hört man oft nur ein
reines bronchiales Atmen, während ein Hustenstoss genügt, um uns
die grossblasigen und klingenden Geräusche empfindlich zu Ohr zu
bringen. Die Belasteten Bind mit etwa 10°/o häufiger an der Kavemen-
bildung beteiligt als die Nichtbelasteten.
Über die Lokalisation der tuberkulösen Erkrankung orien¬
tieren die beiden folgenden Tabellen.
Die erste unterscheidet zwischen rechtsseitigem, linksseitigem
und beiderseitigem Befallensein der Lunge.
Es befanden sich krankhafte Prozesse hei den Patienten des
I.
II.
III. Stadiums
+ -
+ -
-4- -
rechts
11
32
3
3
2
4
links
5
5
1
1
0
0
beiderseitig
20
71
7
52
16
65
Danach lag nur bei 4°/o unserer Kranken eine linksseitige und
bei 18,5 °/o eine rechtsseitige Affektion vor, in 77,5 °/o aller Fälle waren
beide Lungen erkrankt. Die Anzahl der beiderseitigen Erkrankungen
könnte zu hoch erscheinen; doch ich glaube, dass mein Ergebnis den
Erfahrungen der meisten Heilstättenärzte entsprechen wird. Und der
Grund, dass wir Heilstättenärzte mehr aus den Kranken heraus¬
klopfen und hören als andere Sterbliche, liegt wohl darin, dass sich
bei uns infolge der fortgesetzten Übung die physikalische Lungen-
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)
61] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 289
Untersuchung bis zu einem gewissen Grade von Kunstfertigkeit aus¬
gebildet hat, und dass in unserer Sprechstunde die subtilste Unter¬
suchung von der Lungenspitze bis zum Lungenrande rechts und links,
vorn und hinten einen ganz selbstverständlichen Akt ärztlicher Tätig¬
keit bildet. Es bleibt im vorliegenden Falle aber. auch noch zu
berücksichtigen, dass mit den obigen 77,5 °/o beiderseitiger Erkran¬
kungen nicht in allen Fällen eine beiderseitige Tuberkulose bezeichnet
wird. Handelte es sich z. B. um einen Prozess in der rechten Spitze
und um einen zweiten im linken Unterlappen, so blieb die Frage
offen und war oft gar nicht zu entscheiden, ob nur eine Lokalisation
oder ob beide Herde tuberkulöser Natur waren. Ich glaubte aber
in allen Fällen, wo hier und dort zweifellose auf eine Erkrankung
der Lunge hinweisende Erscheinungen vorhanden waren, einen ur¬
sächlichen Zusammenhang zwischen beiden Prozessen annehmen und
sie unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt zusammenfassen zu können,
sei es, dass der tuberkulöse Prozess Entstehung und Verlauf des nicht
tuberkulösen begünstigt hatte oder umgekehrt.
Die rechtsseitige tuberkulöse Erkrankung tritt viel häufiger
in Erscheinung als die linksseitige. Diese Tatsache ist bekannt, eine
Erklärung ist bisher nicht gefunden; meine Ansicht hierüber folgt
später. Auffallend ist aber ferner in der obigen Tabelle, dass unter
sämtlichen Kranken des III. Stadiums nicht ein einziger einseitig
links erkrankt war, während dieses vorgeschrittene Stadium einseitig
rechts bei 6 Personen vorgekommen ist. Daraus lässt sich ent¬
nehmen, dass die linke Lunge bezüglich der Einseitigkeit der Er¬
krankung hinter der rechten zurückbleibt. Es ist mir ferner aufge¬
fallen, dass unter den 12 Kranken mit nur linksseitigen Affektionen
2 Linkser waren. Das könnte Zufall sein, andererseits aber auch
auf den Gedanken bringen, dass die angestrengtere Arbeitsleistung
der rechten Körperhälfte im allgemeinen und der rechten Arm-,
Schulter- und Brustmuskulatur im besonderen die häufigere einseitige
Ausbreitung der Tuberkulose auf dieser Seite bedingt.
Die zweite Tabelle bezieht sich auf die Lokalisation der Lungen¬
tuberkulose, wie sie als Gesamtkrankheitsbild in den einzelnen
Fällen zutage trat. Das I. Stadium wurde mit seinen sämtlichen
144 Krankheitsbildern berücksichtigt, das II. und in. nur mit den¬
jenigen, die wenigstens dreimal in derselben Konstellation vorhanden
waren. Die Anordnung ist, soweit möglich, nach der Häufigkeit der
Krankheitsbilder in den einzelnen Stadien erfolgt. Die Bezeichnungen
sind wie folgt abgekürzt: B. Sp. = beide Spitzen, R. Sp. = rechte
Spitze, R. 0. = rechter Oberlappen, R. M. = rechter Mittellappen,
R. U. = rechter Unterlappen, R. U. z. t. = rechter Unterlappen zum
20 *
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290
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Teil, L. Sp. = linke Spitze, L. 0. = linker Oberlappen, L. U. = linker
Unterlappen, L. U. z. t. = linker Unterlappen zum Teil, B. U. z. t. =
beide Unterlappen zum Teil.
Es waren erkrankt von den Patienten
B. Sp.
I.
76]
R. Sp.
23}
L. Sp.
7)
R. 0.
12
R. U.
2
B. Sp. 4“ L. U. z. t.
4
B. Sp. + R. ü. z. t.
3
R. Sp. 4- R- U. z. t.
5
R. Sp. 4" k. U. z. t.
5
R. Sp. 4“ B- U. z. t.
3
L. Sp. 4* h. U. z. t.
3
L. Sp. 4- R. U. z. t.
1
R. 0. 4“ k. Sp.
L. 0. 4* R- Sp.
R. 0. + L. 0.
R. 0.
R. 0. + L. ü.
B. Sp. 4- L. ü.
B. Sp. 4” R* tJ.
R. Sp. + B. U. z. t.
Verschiedene Kombinationen
!S)
i)
4
!}
3
10
III. Stadiums Sa.
144
67
L. 0. -f L. ü. + R. 0.
L. 0. + L. U. + R. Sp.
L. 0. + L. ü. + R. 0. + R. M.
R. 0. + R. M. + R. ü. + L. Sp.
R. 0. + R. M. + R. U. + L. 0.
R. 0. + R. M.
R. 0. R* M. 4* k. Sp.
R. 0. 4- R. M. 4- L. 0.
R. 0. + R. M. 4- R- ü.
R. 0. + L. 0.
R. 0. -j- k. Sp.
R. Sp. 4- R. U. 4" k. 0.
Verschiedene Kombinationen
12
4
4
11
8
3
10
4
3
9
6
4
9
87
298
Betrachten wir zunächst die Krankheitsbilder des I. Stadiums.
Mehr als die Hälfte der Kranken (52,8°/o) zeigten eine beider¬
seitige Spitzenaffektion. Durch die gleichzeitige Erkrankung
beider Spitzen wird die Diagnose eher schwieriger als leichter, weil
die vergleichende Untersuchung einer gesunden und einer kranken
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
68 ]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
291
Partie auffallendere Unterschiede erkennen lässt als die zweier er¬
krankten und von der Norm abweichenden Stellen. Da indes in allen
Fällen Schalldifferenzen und Atmungsunterschiede, zum grössten Teil
auch noch Rasselgeräusche vorhanden waren, musste die Diagnose
dem Arzte gelingen. Eine allgemein anerkannte Erklärung für das
bevorzugte Befallenwerden der Spitzen ist noch nicht gefunden. Man
hat eine erhöhte lokale Disposition der Spitzen angenommen und
diese auf relative Anämie infolge ihrer hohen Lage, auf geringe Atem¬
exkursionen und dadurch bedingte mangelhafte Ventilation zurück¬
geführt. Zu diesen Momenten kommen als weiteres —und m. E.
wichtigstes und wirksamstes — koniotische Vorgänge und Reizzu¬
stände leichtester Form hinzu, welche der Bacillenansiedlung die
günstigsten Bedingungen schaffen. Die häufigere Anthrakosis bei
Städtern gegenüber ihrem Vorkommen bei Landbewohnern fällt mit
der grösseren Häufigkeit der Tuberkulose bei den ersteren zusammen;
die am meisten der Staubeinatmung ausgesetzten Berufe — Stein¬
hauer, Glas- und Metallschleifer, Feilenhauer, Weber, Tabakarbeiter,
Drechsler u. s. w. — haben die höchste Tuberkulose-Morbidität und
Mortalität! Gibt es überhaupt einen in der Industrie, in Fabriken,
Werkstätten und Gruben beschäftigten Arbeiter, der nicht in einer
mit gewissen Staubarten verunreinigten Luft viele Stunden sich auf¬
halten und bei zum Teil recht schwerer Arbeit angestrengt und tief
und oft durch den geöffneten Mund atmen muss? Die weitaus grösste
Anzahl unserer Kranken stammt aus jenen Berufen; die Staubinha¬
lationen gehören zu ihrem Gewerbe ebenso wie das achtlose Aus¬
spucken auf den Boden zu ihrer Gewohnheit; die Staubinhalations¬
krankheiten sind ihre Gewerbekrankheiten, die Lungentuberkulose
ebenfalls! Die Theorieen von Schmorl, Freund und Rotschild
über raumbeengende Veränderungen, die die respiratorische Leistungs¬
fähigkeit der Lungenspitzen schädigen, bleiben darum durchaus zu
recht bestehen, ebenso die Ansichten von Aufrecht, Baumgarten
und Ribbert über die hämatogene Entstehung der Lungentuberku¬
lose. In dem einen Fall gelangen die Tuberkelbacillen mit dem
Staube oder als Flügge sehe Tröpfchen in die Bronchien 3. bis 5.
Ordnung und bleiben hier in dem schon vorher durch koniotische
Prozesse präparierten Boden um so leichter haften und entwicke¬
lungsfähig, als die respiratorische Leistungsfähigkeit der Lungenspitzen
herabgesetzt ist; in dem anderen Fall gelangen sie mit dem Staub
zunächst in die Bronchialdrüsen und von hier auf dem Blutwege in
den zum Locus minoris resistentiae gewordenen Abschnitt desjenigen
Organs, das durch eine gewisse Organdisposition zur Tuberkulose aus¬
gezeichnet ist.
Digitized
üy Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
292
O. Roepke.
[64
Digitized by
Die rechtsseitige Spitzentuberkulose ist 23mal, die linksseitige
7 mal beobachtet; eine Erkrankung des rechten Oberlappens ist bei
12, des rechten Unterlappens bei 2 Patienten, eine solche des linken
Oberlappens oder des linken Unterlappens ist überhaupt nicht vor¬
gekommen. Dieses auffallende Verhältnis zwischen rechts¬
seitiger und linksseitiger Etablierung der Tuberkulose
in ihrem I. Stadium lässt sich auch sehr gut mit der der Staubin¬
halation zugesprochenen Bedeutung in Übereinstimmung bringen. Der
rechte Bronchus ist nur halb so lang, dafür weiter und höher ge¬
legen als der linke. Damit sind nach den Gesetzen der Physik für
die ganze rechte Lunge weit günstigere Verhältnisse zur Aufnahme
von Staub und Tuberkelbacillen bei der Atmung gegeben, als für
die linke. Wenn dabei der rechte Mittel- und Unterlappen gegen¬
über dem rechten Oberlappen und dieser gegenüber der Spitze zurück¬
bleibt, so hat dies darin seinen Grund, dass in den ersteren die
Tuberkelbacillen häufiger zu gründe gehen oder durch die physio¬
logischen Kräfte des Organismus wieder eliminiert werden, während
sie in dem koniotisch mehr oder weniger affizierten Oberlappen bezw.
in der Spitze haften und wirksam bleiben.
Bei den übrigen 24 Kranken des I. Stadiums handelt es sich
um ein- oder beiderseitige Spitzentuberkulösen, die mit Unterlappen¬
affektionen auf der gleichen oder entgegengesetzten oder auf beiden Seiten
kombiniert sind. Die Unterlappen waren indes in allen Fällen nur
teilweise in kleineren Bezirken erkrankt, ob tuberkulös, war nicht
immer sicher zu entscheiden.
Bei den Kranken des II. Stadiums steht an erster Stelle
mit 16 Fällen die auf rechten Oberlappen und linke Spitze ausge¬
dehnte Erkrankung. Die umgekehrte Kombination — linker Ober¬
lappen und rechte Spitze — kommt nur 10 mal vor. Beide Ober¬
lappen gleichzeitig sind 8 mal erkrankt, der rechte allein nur 4 mal;
in den letzteren Fällen handelt es sich um schwere Erkrankungsformen
mit Kavernenbildung gegenüber den ersteren ausgedehnteren, aber
leichteren Prozessen. Doch lehrt die Erfahrung, dass ein kavernös
zerstörter Oberlappen für den Träger prognostisch günstiger zu be¬
urteilen ist als zwei in ganzer Ausdehnung leicht erkrankte Ober¬
lappen. Es bietet nämlich die Tatsache, dass jener Prozess bis zur
Einschmelzung fortgeschritten ist, ohne über seinen ursprünglichen
Sitz hinauszugehen, die beste Gewähr dafür, dass der Prozess gegen
seine Umgebung durch fibröse und indurative Vorgänge sicher ab¬
gegrenzt ist. Erkrankungen beider Spitzen und des linken Unter¬
lappens gleichzeitig sind 8 mal, beider Spitzen und des rechten Unter¬
lappens gleichzeitig nur 4 mal beobachtet; in weiteren 4 Fällen findet
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
65 ]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
293
sich eine Kombination zwischen rechten Oberlappen und linken Unter¬
lappen. Diese könnte man sich bei der sonst räumlich völlig ge¬
trennten Lage dieser Lappen durch die Annahme eines gemeinsamen
Ausgangspunktes der Infektion von den Bronchialdrüsen aus erklären,
die in Höhe des &. Brustwirbels dem hintern untern Abschnitt des
rechten Oberlappens und dem obem hintern Abschnitt des linken
Unterlappens in gleicher Weise angelagert sind. Die Kombination
einer rechtsseitigen Spitzentuberkulose mit beiderseitigen Unterlappen¬
affektionen haben wir auch schon im I. Stadium verzeichnet; die
verschiedene Ausdehnung der Unterlappenerkrankungen erklärt dies.
Letztere sind hier wie dort meist bronchiektatischer Natur gewesen.
Im III. Stadium treten als weitaus häufigste Krankheitsbilder
die über eine ganze Lungenhälfte und einen Abschnitt der anderen
ausgedehnten Affektionen in Erscheinung. Dieselben kamen bei
39 Patienten vor, also bei 44,8 °/o der Kranken des III. Stadiums
und betrafen die ganze linke Lunge mit einem Teil der rechten
20 mal, die ganze rechte Lunge mit einem Teil der linken 19 mal.
Daraus ist zu ersehen, dass die linke Lunge keineswegs eine grössere
Widerstandsfähigkeit im weiteren Verlaufe der Tuberkulose besitzt
als die rechte. Ihre Eigenart liegt darin, dass sie, sobald sie in
grosser bezw. ganzer Ausdehnung erkrankt ist, es nun nicht so allein
bleibt; es tritt vielmehr in allen Fällen gleichzeitig eine teilweise
Erkrankung der rechten Lunge hinzu. Auch diese Beobachtung ist
geeignet, eine leichtere Infektiosität der rechten Lunge annehmen zu
lassen. Vergegenwärtigen wir uns übrigens bei diesen Zahlen, dass
bei 12 Personen je 4 Lappen, bei weiteren 12 je 3 Lappen, sowie
bei 11 Patienten je 3 Lappen und die zweite Lungenspitze erkrankt
waren, so werden wir gestehen müssen, dass der Heilstättenbehandlung
in therapeutischer Hinsicht seitens der praktischen Ärzte nicht zu
wenig zugetraut wird. Difficile est, satiram non scribere! Der
rechte Oberlappen ist im Verein mit dem linken Oberlappen 9 mal,
im Verein mit der linken Spitze 6mal erkrankt befunden; in den
letzteren Fällen musste also im Oberlappen eine Zerstörung vorhanden
sein. Diese Kranken bieten durchweg eine ungünstige Prognose im
Gegensatz zu den vorhin erwähnten Fällen des U. Stadiums, in
denen zwar auch der rechte Oberlappen kavernös zerstört war, in
denen aber das Intaktsein aller übrigen Lungenpartieen auf seine
durch Abkapselung bewirkte Unschädlichkeit hinwies.
Die Erkrankung der ganzen rechten vorderen Brustseite, die von
der Spitze bis zur 6. Rippe herab Dämpfung, verändertes Atmen und
Rasseln bietet, ist eine bekannte Erscheinung; sie umfasst den rechten
Ober- und Mittellappen. Da sie bei den Kranken des H. Stadiums
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
294
0. Koepke.
[66
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gar nicht beobachtet worden ist, muss sie die Eigentümlichkeit haben,
entweder mit Kavernenbildung einherzugehen oder mit noch anderen
Tuberkuloselokalisationen kombiniert vorzukommen. Ersteres war bei
unseren Kranken 3 mal der Fall, die Zerstörung lag in allen 3 Fällen
im Oberlappen. Nebenbei bemerke ich, dass ich überhaupt noch nie
in der Lage war, eine Kaverne im rechten Mittellappen zu diagnosti¬
zieren; auch die 42 Kavementräger dieses Materials — mit zusammen
48 Kavernen — hatten die Zerstörung in allen anderen Lappen, nur
nicht im rechten Mittellappen. Die rechte Ober-Mittellappen-Tuber-
kulose war kombiniert mit Tuberkulose der linken Spitze 10 mal, mit
der des linken Oberlappens 4 mal, mit der des rechten Unterlappens
3 mal. Die erste und zweite Kombination (R. 0. R. M. L. Sp.
oder R. 0. -{- R. M. + L. 0.) stellt ein sehr geläufiges Krankheitsbild
dar; die letzte (R. 0. -f- R. M. + R. U.) wirkt befremdend in der Vor¬
stellung, dass ein und dasselbe Organ, welches unter den gleichen
Bedingungen dem gleichen Zweck dient, in der einen Hälfte von
oben bis unten tuberkulös erkrankt, in der anderen völlig gesund
geblieben ist. Das Gegenstück zu dieser räumlichen Abgrenzung der
Infektion ist die 4 mal vorkommende Kombination von rechter Spitzen¬
tuberkulose mit rechter Unterlappen- und linker Oberlappen-Affektion.
Dort drei Lokalisationen, die sich berührend in einer Thoraxhälfte
zusammenliegen, hier drei Lokalisationen, die durch gesunde Partieen
voneinander getrennt auf beide Thoraxhälften verteilt sind. So
stossen wir in der Tuberkulose-Forschung überall auf ihre Viel¬
gestaltigkeit hinsichtlich der Entstehung wie des Verlaufes, der sub¬
jektiven wie der objektiven Symptome, der klinischen wie patho¬
logisch-anatomischen Erscheinungsformen, hinsichtlich der Häufigkeit
wie der Art der Lokalisation.
Das Atmungsorgan beginnt mit den oberen Luftwegen am Nasen¬
eingang. Es ist daher für die exakte Diagnostik der Lungentuber¬
kulose auch die Untersuchung des Naseninnern, des Pharynx
und Larynx unbedingt notwendig. Zwar sind makroskopisch er¬
kennbare tuberkulöse Erkrankungen in der Nase, im Nasen¬
rachenraum und an den Gaumenmandeln sehr selten und spe¬
zifische Geschwüre im Cavum und Schlund auch nur vereinzelte
Vorkommnisse, indes lässt die Besichtigung dieser Teile eine Reihe
anderer krankhafter Zustände erkennen, die die Ergebnisse der
Anamnese, der physikalischen und bakteriologischen Diagnostik kor¬
rigieren können. Trockener Husten, der in dem Pubertätsalter auf-
tritt und bei schwächlichen anämischen Individuen an beginnende
Lungentuberkulose denken lässt, kann als sog. nervöser Husten von
der Nasenschleimhaut, Rachenmandel oder Kehlkopfschleimhaut aus-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
67]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
295
gelöst werden. Die genaue Durchforschung der oberen Luftwege mit
Spiegel und Sonde, der wiederholt negative Lungenbefund, das Fehlen
von eigentlichem Lungensputum, Klang, Art und Auftreten des
Hustens und schliesslich die Zeichen örtlicher oder allgemeiner
Neurasthenie werden die ausserordentlich wichtige Differentialdiagnose
ermöglichen. Häufiger sind es pathologisch-anatomische Verände¬
rungen im Naseninnern — chronische Katarrhe, Muschelschwellungen,
Verbiegungen und Vorsprünge der Nasenscheidewand, Verwachsungen
zwischen Muscheln und Septum, Schleim und Granulationspolypen —,
welche zur Behinderung der Nasenatmung und dadurch zu den Er¬
scheinungen des abgeschwächten Atmens und verlängerten Exspiriums
Veranlassung geben können. Weiterhin entstehen oft chronische
Rachen-, Kehlkopf- und Luftröhrenkatarrhe als Fernwirkungen der
obigen Zustände, wenn die Nase mit ihren Vorrichtungen, die als
Staubfänger, Bakterienfilter und Luftvorwärmer dienen, in der Atmung
ausgeschaltet ist. Es wird also in solchen Fällen durch die Unter¬
suchung der oberen und unteren Luftwege festzustellen sein, ob die
Pharyngitiden und Laryngitiden von oben her durch Erkrankung der
Nase oder von unten her durch die Erkrankung der Lunge bedingt
und erhalten werden. Die subjektiven Klagen über Reiz zum Räuspern,
Kitzel, Druck oder Schmerzgefühl im Halse, Hustenreiz, Brennen
unter dem Brustbein u. s. w. und die objektiven Symptome von zäh¬
flüssigem oder schleimig-glasigem Auswurf, von punkt- oder streifen¬
förmigen Blutbeimischungen und dergl. sind in beiden Fällen die gleichen.
Die Untersuchung des Kehlkopfes hat der Lungenuntersuchung
vorauszugehen oder zeitlich später stattzufinden, denn der bei der
Lungenauskultation „verhustete“ Kehlkopf präsentiert sich in einer
Weise, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. Das
Bild einer diffusen Rötung der Schleimhaut unmittelbar nach der
Lungenuntersuchung kann sich innerhalb weniger Stunden in den
entgegengesetzten Zustand der Anämie verwandeln.
Die Technik der Kehlkopfuntersuchung will ich übergehen
und nur auf die Kiliansche Untersuchungsmethode kurz hinweisen,
die für die schwierige Diagnostik der flachen Schleimhautdefekte
an der Vorderfläche der hinteren Kehlkopfwand und an den Ary-
knorpeln angewendet zu werden verdient. Man lasse in allen irgend¬
wie zweifelhaften Fällen den Kranken aufstehen, um ihn stehend bei
leicht vornüber geneigtem Kopf nochmals zu spiegeln. So kann man,
besonders bei tiefer Atmung des Patienten, die Hinterwand in ihrer
ganzen Ausdehnung übersehen und nivellierend absuchen, so dass
auch ganz flache Defekte, hahnenkammartige Erhebungen und fungöse
Erhabenheiten scharf zu Gesicht kommen.
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
29G
0. Roepke.
[68
Digitized by
Bei der für vorgeschrittene Phthise charakteristischen Anämie
der Kehlkopfschleimhaut ist es meist sehr leicht zu unterscheiden, ob
im Kehlkopf tuberkulöse Veränderungen vorhanden sind oder nicht;
nicht so bei den verschiedenen Graden chronischer Laryngitis. Hier
muss für die Diagnose des tuberkulösen Infiltrates, das ja
nur die Zeichen der Rötung und Schwellung bietet, die Einseitigkeit
und Begrenztheit der Veränderung verlangt werden. Aus einer
diffusen Rötung und Schwellung der Schleimhaut auf das Vorhanden¬
sein eines diffusen phthisischen Katarrhs des Kehlkopfes zu schliessen,
ist keinesfalls angängig. Meines Erachtens gibt es wohl einen diffusen
Kehlkopfkatarrh bei Phthisikern, aber keinen diffusen phthisischen
Kehlkopfkatarrh. Auch wird man nicht jeden Schleimhautdefekt als
I. Stadium einer tuberkulösen Ulceration auffassen und daraus
— bei der grossen Seltenheit der primären Kehlkopftuberkulose — auf
eine Lungentuberkulose schliessen dürfen. Ist eine Lungentuberkulose
nachgewiesen, so wird man eher berechtigt sein, auch einen noch
nicht ganz charakteristisch ausgebildeten Defekt im Kehlkopf als
tuberkulös zu behandeln; doch sollte man auch in diesen Fällen das
Tuberkulin zu Hilfe nehmen und durch die Beobachtung der suspekten
Stelle während der Reaktion Sicherheit schaffen — sich und den
Kranken. Bei unserm Material ist dies in allen zweifelhaften Fällen
geschehen. Die Diagnostik des typischen tuberkulösen Geschwürs mit
seinen unregelmässigen, zernagten, sinuös unterwühlten Rändern und
zackigen Randgranulationen macht ebenso wenig Schwierigkeiten wie
die Diagnosenstellung bei tuberkulösen Neubildungen —
Granulomen — und bei kombinierten Vorgängen von In¬
filtrat, Ulcus und Granulom, die mit mehr oder weniger aus¬
gesprochener Heiserkeit, Beschwerden beim Schlucken und Schmerzen,
die nach dem Ohre ausstrahlen, verknüpft zu sein pflegen.
Bei Berücksichtigung dieser Punkte ergibt sich aus unserm
Material über Häufigkeit und Art der Kehlkopftuberkulosen folgendes:
Es hatten von den Kranken des
I.
+ ~
11.
+ -
III. Stadiums
+ -
tuberkulöse Infiltrate
1
4
2
3
5
12
8
"" 19
tuberkulöse Geschwüre
1
2
1
1
3
6
5
“ 9
tuberkulöse Tumoren
0
I
1
0
1
2
2
3
Kombination von Infiltrat -f Geschwür
+ Tumor
0
0
0
0
2
6
2
~_6
54
Danach ist bei 54 Kranken (= 18,1 °/o) die Lungentuberkulose
durch eine tuberkulöse Erkrankung des Kehlkopfes kompliziert ge-
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
69]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
297
wesen. Von den Patienten des I. Stadiums zeigten 8,3 °/o, von den
des II. 12°/o und von den des III. 42.5 °/o tuberkulöse Kehlkopfver¬
änderungen. Der erheblich höhere Prozentsatz der Kehlkopfkranken
unter den Patienten des III. Stadiums nimmt bei dem räumlichen
und funktionellen Verhältnis des Kehlkopfs zur Lunge nicht wunder.
Überdies ist der Organismus des Kranken im III. Stadium meist
schon im Kampfe mit den Tuberkelbacillen unterlegen, Milliarden
dieser Feinde hausen in ihm und passieren täglich seinen Kehlkopf,
da ist die Gelegenheit zur Infektion durch Kontakt oder auf dem
Blut- oder Lymphwege ebenso günstig wie reichlich gegeben.
Die Hälfte der Affektionen stellte eine leichte Erkrankungsform
dar, 35°/o derselben eine mittel-schwere und 15°/o eine schwere.
Letztere gehörten sämtlich dem IH. Stadium der Lungentuberkulose
an, so dass man hinsichtlich der Schwere der Erkrankung ein ge¬
wisses Abhängigkeitsverhältnis der Kehlkopfphthise von der Lungen¬
phthise annehmen muss. Hierin findet die Bedeutung der Kontakt¬
infektion ihren Ausdruck. Die erste Etablierung der Tuberkulose im
Kehlkopf mag in der Regel auf dem Blut- oder Lymphwege, auf¬
steigend von einer Lungen- oder Bronchialdrüsentuberkulose oder
absteigend von den lymphatischen Rachengebilden aus, zu stände ge¬
kommen sein, ihre Verschlimmerung und Ausbreitung wird zweifellos
durch die beständige Gefahr und Gelegenheit zu neuer Infektion
mittelst des tuberkelbacillenhaltigen Auswurfs am meisten gefördert.
— Die Belasteten sind mit 26,2 °/o, die Nichtbelasteten mit 15,9 °/o
an der Kehlkopfphthise beteiligt, erstere also mit einem erheblich
höheren Prozentsatz.
Tuberkulöse Erkrankungen anderer Organe kompli¬
zierten die Lungentuberkulose unserer Patienten wesentlich seltener,
wie aus der folgenden Übersicht hervorgeht.
Es hatten von den Kranken des
Darm-Tuberkulose
Drtisen-Tuberkulose
Mi ttelohr-Tuber kul ose
Knochen-Tuberkulose
G elenk-Tuberkulose
Nieren-Tuberkulose
Digitized by Gck igle
I.
II.
III. Stadiums
+ -
+ -
+ -
0
2
1
= 9
0
0
6
1
1
0
1
8
2
= 8
0
0
1
- Q
1
1
0
- O
0
1
0
= 1
0
0
0
0
0
0
= I
0
0
1
0
0
0
= 1
iT
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
1
0
0
298
0. Roepke.
[70
Digitized by
Es sind also im ganzen nur bei 23 Kranken (= 7,7 °/o) tuberku¬
löse Prozesse in anderen Organen beobachtet worden, am häufigsten
noch Darm- und Drüsentuberkulosen. Erstere zeigten sich, analog
den Verhältnissen bei der Kehlkopftuberkulose, am häufigsten im
III. Stadium. Die Infektionsbedingungen sind ja auch für den Darm¬
kanal ganz ähnliche wie für den Kehlkopf, da von den indolenten
Schwerkranken das Sputum häufig nur heraufgehustet wird, um im
nächsten Augenblick verschluckt zu werden. Die obigen Zahlen sind
zu klein, um im einzelnen Berücksichtigung finden zu können; im
allgemeinen bestätigen sie indes durchaus die oben gemachte Beob¬
achtung, dass der Prozentsatz tuberkulöser Komplikationen mit dem
fortgeschritteneren Stadium steigt und bei Belasteten erheblich höher
ist als bei Nichtbelasteten. —
Ein umgekehrtes Verhältnis tritt bei den nicht tuberkulösen
Komplikationen ein, gleichgültig, ob dieselben die Lunge betreffen
oder andere Organe. Diese Tatsache erscheint mir interessant genug,
um hier durch Zahlen belegt zu
werden.
Es hatten von den Kranken des
I.
II.
III. Stadiums
+ -
+ -
+ -
Bronchiektasieen
1
2
1
4
0
1
= 9
Emphysem
2
5
0
4
0
1
= 12
Emphysem mit chron. Bronchitis
0
0
0
3
0
0
= 3
Bronchitis acuta
0
0
0
1
0
0
= 1
25
Auch diese Zahlen sind sehr klein, sie lassen aber erkennen,
dass die nicht tuberkulösen Komplikationen prozentualiter bei den
Kranken des I. Stadiums häufiger sind als bei den des III. Stadiums,
und dass die Nichtbelasteten an ihnen höher partizipieren als die
Belasteten. In dem verhältnismässig hohen Prozentsatz nicht tuber¬
kulöser Komplikationen, der auf die Kranken des II. Stadiums ent¬
fällt, handelte es sich ebenfalls meist um leichte Tuberkulosefalle,
die eben mit den Komplikationen einen Bereich eingenommen hatten,
dass sie nach der Stadieneinteilung nicht mehr dem I. Stadium zu¬
gerechnet werden konnten; sie erhöhen also auch noch den Prozent¬
satz der nicht tuberkulösen Komplikationen bei den leicht erkrankten
Phthisikern. Die bei den Kranken des III. Stadiums öfters vorhanden
gewesenen vikariierenden Emphyseme sind nicht in Betracht gezogen,
da sie nicht als Krankheitsprozesse gelten können.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
71 ]
Zar Diagnostik der Lungentuberkulose.
299
In der folgenden Zusammenstellung sind nun noch diejenigen
nicht tuberkulösen Komplikationen notiert, die ausserhalb
des Bereiches der Lunge lagen.
Es hatten von den Kranken des
I.
+
—
II.
+ '
—
III. Stadiums
+ -
Mitralinsuffizienz
0
1
1
1
0
0
= 3
Chronische Nierenentzündung
1
0
0
0
0
2
= 3
Gallensteine
1
1
0
1
0
0
= 3
Chronischen Magenkatarrh
0
2
0
0
0
0
= 2
Magengeschwür
0
1
0
0
0
0
= 1
Chronischen Darmkatarrh
0
2
0
2
0
0
^ 4
Chronischen Dickdarmkatarrh
0
2
0
0
0
0
= 2
Neurasthenie
2
4
0
2
0
0
= 8
Traumatische Neurasthenie
0
2
0
0
0
0
= 2
Epilepsie
0
1
0
1
0
0
= 2
Chlorose
0
3
0
0
0
0
= 3
Zuckerkrankheit
0
0
1
0
0
0
= 1
Sepsis
0
1
0
0
0
0
= 1
35
Ohne auch hier wegen der Kleinheit der Zahlen auf Einzelheiten
einzugehen, entlehne ich der Aufstellung den Schluss, den sie nahe
legt, dass der Prozentsatz dieser Komplikationen im ersten Stadium
der Tuberkulose und bei Nichtbelasteten höher ist als im III. Stadium
und bei Belasteten. Vereinigen und verallgemeinern wir unsere Er¬
gebnisse über das Auftreten tuberkulöser und nicht tuberkulöser
Komplikationen bei Phthisikern, so können wir sagen: Im Initial¬
stadium der Lungentuberkulose überwiegen die nicht tuberkulösen
Organ- und Allgemeinerkrankungen, die ihr auf dem Boden in¬
differenter Individualität zeitlich und ursächlich vorausgegangen oder
gefolgt sein können. Das vorgeschrittene Stadium der Lungentuber¬
kulose begünstigt Neo- und Autoinfektionen tuberkulöser Natur auf
dem Boden der erblichen Beanlagung.
Die Ergebnisse der in jedem Krankheitsfall vorzunehmenden
Harnuntersuchung sollen hier im Anschluss an den klinischen
Digitized b'
Google
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
300
O. Koepke.
[72
Digitized by
Lungenbefund kurz Erwähnung finden. Geringe Eiweissausscheidungen
sind von verschiedenen Seiten und wiederholt bei initialer Lungen¬
tuberkulose beobachtet worden; nur in der Deutung des Befundes
gehen die Ansichten der Autoren auseinander. Während die einen
die minimalen Eiweissausscheidungen als ein der eigentlichen Lokali¬
sation der Tuberkulose vorausgehendes Symptom auffassen, bilden
dieselben nach der Auffassung anderer eine charakteristische Be¬
gleiterscheinung beginnender Lungentuberkulose. Auch haben
wir schon früher an anderer Stelle gesehen, dass dem Auftreten der
Albuminurie abwechselnd mit
Phosphaturie eine Be-
deutung für die Frühdiagnostik zugesprochen
Ergebnisse waren folgende:
worden
ist. Meine
Es batten von den Kranken des
i.
II.
III. Stadiums
Eiweiss
0
1
3
Eiweiss -|- Cylinder
1
0
2
Eiweiss + Toberkelbacillen
1
0
0
Zucker
0
1
0
Auf die Fälle von Diabetes, Nieren tuberkulöse und chronischer
Nephritis brauche ich hier nicht einzugehen. Die 3 Fälle von
Albuminurie in dem III. Stadium sind wohl auf amyloide Degeneration
zurückzuführen; sie bedeuten in Anbetracht der vielen schweren Er¬
scheinungsformen der Phthise einen recht kleinen Prozentsatz. Die
geringe Albuminurie des Patienten im II. Stadium war transitorischer
Natur und verschwand in der 4. Woche des Heilstättenaufenthaltes
definitiv. Bei den Kranken des I. Stadiums waren niemals auch nur
Spuren von Eiweissausscheidung vorhanden.
Diese Ergebnisse entsprechen also keineswegs den oben erwähnten
Beobachtungen; sie stehen aber auch in schroffem Gegensätze zu den
Resultaten, die seitens der andern in der Provinz Westfalen gelegenen
Heilstätte festgestellt sind. Nach dem IV. ärztlichen Jahresbericht
der Volksheilstätte bei Lüdenscheid wurde nämlich bei einer Gesamt¬
zahl von 171 Kranken in 81 Fällen Eiweiss im Harn
gefunden. Abgesehen von 2 Fällen chronischer Nephritis und 7 Fällen
amyloider Degeneration handelte es sich bei den übrigen 72 Kranken
um minimale Eiweissausscheidungen, die gewöhnlich im Nachtharn
auftraten und meist einen zyklischen Verlauf zeigten. Da beide
Heilstätten zum weitaus grössten Teile über ein aus gleichen beruf¬
lichen und wirtschaftlichen Verhältnissen stammendes Krankenmaterial
derselben Gegenden verfügen, veranlasste mich der darum um so
auffallendere Widerspruch zwischen den dortigen und hiesigen Ver¬
hältnissen zu einer Nachprüfung: bei 30 Insassen der Heilstätte und
70 Neuaufgenommenen, die sämtlich dem I. Stadium angehörten,
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73 ]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
301
wurde der Nachtharn unter Anwendung der Kochprobe mit Salpeter-
säurezusatz sowie der Essigsäure-Ferrocyankalium-Probe aufs genaueste
untersucht — in allen Fällen mit negativem Erfolge. Weiterhin
wurde von je 10 Kranken des I. und II. Stadiums der Harn 8 Tage
lang täglich dreimal auf Eiweiss untersucht — in allen Fällen ebenfalls
negativ, so dass ich mich berechtigt fühle, Irrtümer oder Ungenauig¬
keiten meinerseits ausschliessen zu können. Andererseits liegt es mir
ganz fern, die Richtigkeit der in der Heilstätte Lüdenscheid ge¬
machten Beobachtungen zu bezweifeln. Es fragt sich nur, wie der
vorhandene Widerspruch zwischen den tatsächlichen Verhältnissen
hier und dort aufzuklären wäre. In Lüdenscheid zeigten die mini¬
malen Eiweissausscheidungen in fast allen Fällen innerhalb gewisser
Zeit einen bestimmten, regelmässig wiederkehrenden Typus. Schon
aus diesem meist zyklischen Verlauf kann man schliessen, dass die
Albuminurie mit dem tuberkulösen Krankbeitsprozess an sich nichts
zu tun hat, denn die Lungentuberkulose zeigt alles andere als einen
zyklischen, innerhalb kurzer Fristen wechselnden Ablauf. Erinnern
wir uns aber daran, dass Spuren von Eiweiss auch bei ganz gesunden
Individuen als sogenannte zyklische Albuminurie nach der
Mahlzeit Vorkommen, so taucht der Gedanke auf, die in Lüden¬
scheid beobachteten zyklischen Eiweissausscheidungen in minimaler
Stärke als alimentäre Albuminurie aufzufassen, die in der
bekannten alimentären Glykosurie ihr Analogon findet. Es erscheint
nach den Gesetzen der Ernährungsphysiologie auch ganz plausibel,
dass bei dem Verpflegungsmodus der Lüdenscheider Heilstätte, die
meines Wissens den Fleischgenuss bei den Mahlzeiten ad libitum
freistellt, von Zeit zu Zeit bei einzelnen Individuen eine momentane
Eiweissanhäufung eintritt, die über das Adaptionsvermögen des
Körpers hinausgeht und unzersetzt den Organismus verlässt. Wenn
andererseits in der hiesigen Heilstätte solche zyklische Albuminurie
nicht beobachtet ist, so kann dies darin seinen Grund haben, dass
unseren Kranken die Portion Fleisch — für die beiden Hauptmahl¬
zeiten durchschnittlich je V* kg in rohem Zustande — zugeteilt wird;
dadurch bleibt die Eiweisszufuhr nicht nur in physiologischen Grenzen,
sondern auch vor allzu grossen Schwankungen bewahrt. Ein weiterer,
nicht zu unterschätzender Faktor ist der kurgemässe Genuss der
Lippspringer Arminiusquelle, deren unbestreitbarer Vorteil darin
bestellt, durch Anregung der Darmtätigkeit und Diurese die Verdau¬
ung zu befördern, die Resorption der aufgenommenen Nahrung zu
erhöhen und auf den ganzen Stoffwechsel fördernd einzuwirken. So
scheint mir die Annahme einer alimentären Albuminurie am ehesten
geeignet, die Widersprüche zwischen den Beobachtungen hier und in
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302
0. Roepke.
[74
Lüdenscheid aufzuklären. Im übrigen kann ich auf Grund meiner
hiesigen Beobachtungen dem Vorkommen von Ei weissspuren
im Harn eine diagnostische Bedeutung für die Er¬
kennung initialer Tuberkulosefälle nicht beimessen.
Sputumbefund.
Die Bedeutung der bakteriologischen Diagnostik für die
Tuberkulose beruht auf der epochalen, uns durch R. Koch ge¬
wordenen Erkenntnis, dass „die Tuberkelbacillen nicht bloss eine
Ursache, sondern die einzige Ursache der Tuberkulose sind, und dass
es ohne Tuberkelbacillen keine Tuberkulose gibt“. Hinsichtlich der
Lungentuberkulose ist der Nachweis der Tuberkelbacillen im Aus¬
wurf des Lungenkranken der unfehlbar sichere Beweis. Derselbe
wird durch die Herstellung des gefärbten Ausstrichpräparates
erbracht und beruht auf dem eigentümlichen Verhalten der Tuberkel¬
bacillen Farbstoff gegenüber: sie nehmen die basischen Anilinfarben
schwerer als andere Bakterien auf und halten den aufgenommenen
Farbstoff trotz Behandlung mit Mineralsäuren und Alkohol fest. Bei
der bakteriologischen Diagnostik hängt ebenso wie bei der klinischen
Diagnostik der Erfolg derselben nicht zum wenigsten von der Art ihrer
Ausführung ab. Es gibt zwar Sputa, welche den Tuberkelbacillus so
in Massen und in allen Teilen enthalten, dass sein Nachweis in jedem
ohne jede Sorgfalt hergestellten Präparat gelingt. Meist war dann
aber die bakteriologische Diagnostik überhaupt überflüssig: ein Blick
auf den Kranken konnte für die Diagnosenstellung genügen. Anderer¬
seits können von klinisch zweifellosen Phthisikern Sputa in grosser
Menge und eitriger Beschaffenheit expektoriert werden, die auch bei
subtilster Untersuchung Tuberkelbacillen niemals nachweisen lassen;
in diesen Fällen pflegt das eitrige Sekret durch das Wuchern der
Mischinfektions-Erreger in den Bronchien hervorgerufen zu sein. Ich
will damit sagen, dass Menge, Farbe, Charakter und Konsistenz des
Sputums keinen Schluss auf die Anwesenheit von Tuberkelbacillen
gestatten können, selbst nicht einmal in denjenigen Fällen, in denen
es aus einer Lunge stammt, die bei der klinischen Untersuchung als
tuberkulös erkannt ist. Daraus folgt, dass man an die Untersuchung
eines jeden Sputums ohne Ausnahme mit gleicher Sorgfalt und Akkura¬
tesse herangehen soll.
Ferner ist es empfehlenswert, möglichst bestimmte Methoden und
Requisiten stets anzuwenden; denn wer heute auf dem Deckglas,
morgen auf dem Objektträger färbt, bald diese, bald jene Färbungs-
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75J Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 303
und Entfärbungsflüssigkeiten benutzt, der wird nur selten zuverlässige
Resultate erlangen. Die Methode selbst muss schonend sein, damit
möglichst alle Tuberkelbacillen zur Anschauung kommen, sie muss
ferner so einfach wie möglich und so schnell wie möglich ausführbar
sein, damit sie auch dem Ungeübten und Vielbeschäftigten kaum
misslingen kann. Ich gebe hier einen allen diesen Ansprüchen voll¬
auf genügenden Untersuchungsmodus an 1 ). Um zunächst ein
geeignetes Lungensputum zur Untersuchung zu bekommen, empfiehlt
es sich, die Kranken zu belehren, wie sie aushusten sollen; in allen
Fällen ist ihnen das Zurückziehen des Schleimes aus der Nase und
Hervorräuspern aus dem Rachen und vom Kehlkopfeingang her als
nicht zweckentsprechend zu bedeuten. Für die Aufnahme des Sputums
zu Untersuchungszwecken empfiehlt sich ' eine kleine runde Glasdose
mit weitem Halse und festschliessendem Glasstopfen, die dem Kranken
das Hineinspucken, dem Arzte das Übersehen des Auswurfs bequem
macht und einen sicheren Verschluss für den Transport sowie die
leichte Reinigung nach dem Gebrauche ermöglicht. Der mikrosko¬
pischen Untersuchung hat die makroskopische vorauszugehen. Die¬
selbe orientiert über den schleimigen, eitrigen oder blutigen Charakter,
über die dünnflüssige, zähe, gallertige oder festweiche Beschaffenheit,
über die Form und Schwere der einzelnen Ballen, über den Geruch,
über den Gehalt an Farbstoffen, Kohlen-, Steinpartikelchen, Bakterien¬
pigment und Blutfarbstoffen, Linsen, Pfropfen und Gewebsfetzen. Die
Untersuchung selbst hat möglichst bald nach der Expektoration zu
erfolgen, da bei längerem Stehen die Tinktionsfähigkeit vieler Tu¬
berkelbacillen leidet. Bei der Auswahl des zu untersuchenden Ma¬
terials sind die dichteren, zellreicheren und darum makroskopisch
undurchsichtigeren zu wählen. Man erleichtert sich die Übersicht
und Erkennung dieser Teile dadurch, dass man das Sputum auf
einem schwarz lackierten Porzellanteller oder in einem schwarzen Becken
von Papiermache ausbreitet, oder, falls es in einer gläsernen Schale
aufgehoben ist, diese auf eine schwarze Unterlage stellt. Die suspekten
Partikelchen werden mit ausgeglühten, abgekühlten Platinösen aus
der Sputummasse abgetrennt und auf einen Objektträger gebracht;
und zwar sind möglichst kleine Sputumteilchen zu einer dünnen,
durchsichtigen Schicht zu verreiben, denn je dünner und gleich-
mässiger die Sputumschicht ausgebreitet ist, desto klarer und schöner
wird das Bild. Nachdem dann das Präparat völlig lufttrocken ge¬
worden ist, wird die Sputumschicht fixiert, indem der Objektträger
i) cf. Untersuchung von menschlichen Se- und Exkreten. Kalender für
Medizinalbeamte. Jahrgang I und II. Vom Verfasser.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. F. H. 3. 21
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304
0. Roepke.
176
mit der beschickten Seite nach oben dreimal in gleichmässiger Be¬
wegung und nicht zu schnellem Tempo durch die Flamme gezogen
wird. Es folgt nun die Färbung: Für die Praxis empfiehlt sich die
Färbung nach Ziehl-Neelsen mit Karbolfuchsin (100 ccm 5°/o
Karbolsäurelösung + 10 ccm gesättigter alkoholischer Fuchsinlösung).
Dieses wird auf den Objektträgerausstrich reichlich dick mittelst einer
Pipette aufgeträufelt und über der Flamme erhitzt, bis reichlich
Dämpfe aufsteigen und die ersten Blasen sich eben entwickeln. Nach
eingetretener Erkaltung wird dann das Präparat mit Wasser ab¬
gespült, in verdünnter Schwefelsäure (1 Teil Säure -f- 4 Teile Wasser)
zweimal schnell nacheinander untergetaucht und alsbald — ohne
Zwischenwasserspülung— in 60°/oigem Alkohol einige Male hin und
her geschwenkt, eine Entfärbungsprozedur, die sich sehr bequem ge¬
staltet, wenn verdünnte Säure und Alkohol in zwei einfachen Wasser¬
gläsern nebeneinander bereit stehen. Nun erfolgt die Nachfärbung,
indem man das entfärbte Präparat sofort in ein drittes Glas mit
gesättigter wässeriger oder wässerig-alkoholischer Methylenblaulösung
(1 Teil konz. alkoholische Methylenblaulösung 4- 4 Teile Wasser) auf
eine Minute hineintaucht. Das Präparat wird dann mit Wasser sorg¬
fältig abgespült, zwischen Filtrierpapier vorsichtig getrocknet und mit
der Ölimmersion bei vollständig geöffnetem Kondensor des Abbe-
schen Beleuchtungsapparates unter Benutzung des Planspiegels unter¬
sucht.
Sind Tuberkelbacillen vorhanden, so erkennt man sie nach
richtiger Einstellung in dem blauen Untergrund an ihrer gesättigt
roten Färbung in der Form von gewöhnlich nicht vollkommen geraden,
schlanken Stäbchen. Die Mengenbestimmung der Tuberkelbacillen
kann nach der von Gaffky aufgestellten Skala erfolgen, welche die
Anzahl der durchschnittlich in einem Gesichtsfelde gefundenen Ba¬
cillen angibt. Es genügen aber auch die einfacheren Bezeichnungen
I (vereinzelt), II (mittelmässig viel), III (sehr zahlreich), die gleich¬
zeitig einen Anhaltspunkt für den Bacillenreichtum des Sputums über¬
haupt geben, falls von den verschiedensten Stellen des Auswurfs
Partikelchen zur Untersuchung ausgewählt waren. Selbst bei spär¬
lichem Tuberkelbacillengehalt führt gewöhnlich eine dreimalige, d. h.
eine an drei verschiedenen Tagen wiederholte Untersuchung frisch
gelieferten Sputums zum Ziel, wenn man jedesmal von 3, 4 und
mehreren Stellen Teilchen loslöst, über die ganze Oberfläche eines
Objektträgers ausstreicht und das ganze Präparat nach der Fertig¬
stellung genau durchmustert. Ich habe mich oft davon überzeugen
können, dass, wo ich bei derartig ausgeführter dreimaliger Unter¬
suchung keine Tuberkelbacillen fand, auch weitere 6 und 10malige
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77]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
305
Untersuchungen fruchtlos blieben. Ist der Auswurf sehr spärlich, so
kann man ihn während einiger Tage in etwas Karbolwasser sammeln
lassen, das gesammelte homogenisieren, sedimentieren oder zentri¬
fugieren und vom Niederschlage Partikel zur Untersuchung entnehmen.
Es erübrigt sich, auf diese sog. „raffinierten“ Sputumuntersuchungs¬
methoden des weiteren einzugehen. Das Verfahren ist sehr umständ¬
lich, liefert meist — beim Homogenisieren mit Schroten stets —
unsaubere Präparate und leistet für die exakte Diagnosenstellung gar
nichts; denn man kann m. E. doch heute auf das eine oder andere
schlanke, rotgefärbt gebliebene Stäbchen hin nicht mit gutem Ge¬
wissen Tuberkulose diagnostizieren. Gerade weil bei spärlichem Aus¬
wurf regelmässig von den Rachengebilden und von dem Nasenrachen¬
raum her Schleim zusammengeräuspert und mitgeliefert wird, der
nachgewiesenermassen nicht selten säurefeste, tuberkelbacillen¬
ähnliche schlanke Gebilde enthält, kann das Verfahren nur
zu Irrtiimern Veranlassung geben. Es wird wohl auch heute, schon
mit Rücksicht auf seine Umständlichkeit, im allgemeinen mehr theo¬
retisch angepriesen als praktisch angewandt. Die eben erwähnten
säurefesten bezw. alkoholsäurefesten Bacillen gehören zu der Gruppe
der Pseudotuberkelbacillen, die das gleiche tinktorielle Ver¬
halten und die gleiche stäbchenförmige Gestalt wie die echten Tuberkel¬
bacillen zeigen, aber hinsichtlich der ätiologischen Bedeutung und
pathologischen Wirkung im menschlichen Körper nichts mit den¬
selben gemein haben. Die Pseudotuberkelbacillen können im Nasen¬
sekret und Rachenschleim, im Zungen- und Zahnbelag und in den
Tonsillarpfröpfen dem Auswurfe beigemengt sein oder auch im charak¬
teristischen Lungensputum expektoriert werden. Wiederholt ist im
Sputum bei Lungengangrän und bei Sektionen in gangränösen Herden
das Vorkommen von säurefesten tuberkelbacillenähnlichen Stäbchen
beobachtet, auch ist die Reinzüchtung derselben gelungen, eine patho¬
gene Wirkung aber nie nachgewiesen worden. Die Unterscheidung
zwischen echten und Pseudotuberkelbacillen im Sputum hat daher
eine beachtenswerte Bedeutung für die Diagnostik der Lungentuber¬
kulose, ganz ähnlich der Bedeutung, die Tuberkel- und Smegma-
bacillen im Urin für die Diagnostik der Urogenitaltuberkulose haben.
Die Differentialdiagnose gelingt durch das nachfolgende Ver¬
fahren: Man überschüttet das Sputum mit steriler Nährbouillon und
hält es einige Zeit bei einer Temperatur von 30°; zeigt sich hier¬
nach eine fortdauernde deutliche Vermehrung der säurefesten Ge¬
bilde, so sind es Pseudo- und nicht echte Tuberkelbacillen. Diese
Methode ist einfacher und vor allem zuverlässiger als der Tierversuch;
denn die Pseudotuberkelbacillen sind unter bedingten Umständen
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0. Roepke.
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auch im stände, pathologische Veränderungen vom Charakter der
Tuberkel im Tierkörper hervorzurufen, denen aber — im Gegensatz
zu der Tuberkelbildung der echten Tuberkelbacillen — die Möglich¬
keit fehlt, fortschreitend vom primären Herd aus neue Herde zu
bilden und dauernd sich im infizierten Organismus weiter zu ent¬
wickeln. Gegen das Tierexperiment lässt sich ferner, abgesehen von
seiner Umständlichkeit, mit Recht der Einwand der zu langen Zeit¬
dauer bis zur Entscheidung erheben. Um sich über die verschie¬
denen Bakterien des Sputums allgemein zu orientieren, die neben
dem Tuberkelbacillus oder ohne denselben als mischinfizierende oder
saprophytische Lebewesen vorhanden sind, wird man am besten ein
zweites Objektträgerpräparat mit einer verdünnten Karbolfuchsin¬
lösung (Ziehlsche Karbolfuchsinlösung 1 Teil, destilliertes Wasser
10 Teile) mehrere Minuten auf kaltem Wege färben. — Elastische
Fasern treten im Sputum grossenteils infolge tuberkulöser Zer¬
störungen des Lungenparenchyms auf, sie fehlen, wenn keine De¬
struktionsprozesse vorhanden sind. Da sie ein gleiches Verhalten
auch bei anderen Lungenerkrankungen zeigen, sind sie für die Lungen¬
tuberkulose keinesfalls pathognomonisch.
Der Vollständigkeit halber wäre noch zu erwähnen, dass bei
Kranken, die gewohnheitsmässig ihren Auswurf herunterschlucken,
ohne es zu wissen und zu glauben, die Magenausspülung oder
die Faecesbesichtigung geeignetes Material zur Untersuchung
liefern kann. Dies wird bei dem Material der Heilstätte selten not¬
wendig sein — ich habe zu diesem Zweck nur die Magenausspülung
zweimal mit positivem Erfolg angewandt — häufiger bei der den
oberen Zehntausend angehörigen Klientel der Privatsanatorien und
in der Praxis aurea, wo das ungesehene Verschwindenlassen des
Auswurfs bei Strafe gesellschaftlichen Boykotts geboten ist. Doch
dürfen wir nun nicht in jedem Falle, wo Tuberkelbacillen auf diesem
Wege gefunden werden, ohne weiteres auf sekundäre Magen- oder
Darmtuberkulose schliessen. Das wäre ebenso falsch, als wenn wir
aus dem gelegentlichen Tuberkelbacillen-Nachweis im Nasensekret des
Phthisikers eine Tuberkulose der Nasenschleimhaut diagnostizieren
wollten. Hier und dort und überall in der bakteriologischen Diagnostik
dürfen wir uns nie ganz von der klinischen Diagnostik loslösen, wir
müssen bakteriologisch forschen, aber gleichzeitig klinisch denken,
bakteriologische Ergebnisse mit klinischen Erscheinungen in Über¬
einstimmung zu bringen suchen. So werden wir uns am ehesten vor
diagnostischen Irrtümern schützen — ohne Tierexperimente, Kultur-
und Züchtungsverfahren. Wenn bei einem Kranken, der ausser der
positiven Anamnese nur einen zweifelhaften oder eben nachweisbaren
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79]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
307
klinischen Befund bietet und ein wässerig-schleimiges, fade oder übel¬
riechendes Sekret zur Untersuchung liefert, säurefeste Stäbchen im
Präparat gefunden werden, so drängt sich von selbst der Gedanke
an Pseudotuberkelbacillen auf, und zwar um so mehr, wenn — wie
gewöhnlich in diesen Fällen — die morphologischen Bestandteile des
Sputums auf seine Herkunft aus den oberen Luftwegen hinweisen.
Und wenn ein Kranker, dessen Lungenuntersuchung einen für Tuber¬
kulose wenig charakteristischen Befund ergibt, ein dreischichtiges,
fötid riechendes Sputum liefert, so werden wir doch eher an Pseudo¬
ais an echte Tuberkelbacillen denken. Es kann also dem denken¬
den Arzt zur Vermeidung von Fehlerquellen schon die Kenntnis der
Tatsache genügen, dass Pseudotuberkelbacillen im menschlichen Orga¬
nismus Vorkommen. Jedenfalls braucht deshalb auch nicht ein einziger
Fall von Lungentuberkulose undiagnoätiziert oder nicht rechtzeitig
genug diagnostiziert zu bleiben.
Über die Ergebnisse meiner bakteriologischen Spu¬
tumuntersuchungen orientiert die folgende Zusammenstellung:
Von den 2 Fällen im 0 Stadium hatten Tuberkelbacillen im Auswurf 0
,, 144 ff ,, I. ff ff ,f ff ff 15
tf tf 67 m .» II. jf ff ff ff ff 45
„ , 87 „ „ m. ff f, ff ff 87.
Es waren die Tuberkelbacillen nacbzuweisen
vereinzelt — mittelmässig viel — sehr zahlreich
in den 15 Fällen des I. Stadiums 13 mal 2 mal 0 mal
„ „ 45 „ „ II. „ 27 15 .. 3 „
„ „ 87 „ „ III. „ 16 „ 29 ff 42
Aus der letzten Tabelle ersehen wir zunächst, dass mit dem fort¬
schreitenden Stadium der Erkrankung nicht nur der Tuberkelbacillen¬
nachweis prozentualiter häufiger gelang, sondern dass sich auch der
Bacillengehalt der einzelnen Sputa in numerischer Hinsicht steigerte:
im I. Stadium Hessen sich nur bei 10°/o Tuberkelbacillen nachweisen,
in keinem Falle aber in sehr reichlicher Menge; im III. Stadium
hatten alle Kranken (= 100 °/o) Tuberkelbacillen im Auswurf und fast
die Hälfte sogar in Massen; das II. Stadium hielt mit seinen 67°/o
bacillenhaltiger Sputa und dem Bacillenreichtum der letzteren im
ganzen den Mittelweg. In diesem Material sind also weder diejenigen
seltenen Fälle vertreten, wo bei initialer Lungentuberkulose mit ge¬
ringem physikalischen Befunde sehr reichlich Tuberkelbacillen im
Auswurf gefunden werden, noch diejenigen, wo bei vorgeschrittener
Phthise und schwerem klinischen Befunde Tuberkelbacillen niemals
nachgewiesen werden. Bei initial Erkrankten waren zwar in 3 Fällen
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O. Roepke.
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ausserordentlich viele säurefeste Stäbchen vorhanden, dieselben konnten
indes bei denselben Patienten auch in dem von der hinteren, oberen
Rachenwand steril entnommenen Schleim nachgewiesen werden und
gehörten nach dem Ergebnis des oben geschilderten Verfahrens zur
Gruppe der Pseudotuberkelbacillen. Unser stets positive Befund bei
vorgeschrittener Phthise erklärt sich vielleicht daraus, dass selbst die
wenigen Patienten des III. Stadiums, welche bei der Aufnahme kein
eigentliches Lungensputum produzierten, im Laufe unserer mit der Lipp-
springer Brunnenkur und mit allnächtlichen hydriatischen Packungen
verknüpften Heilstättenbehandlung geeignetes Untersuchungsmaterial
lieferten. —
Insgesamt hatten von den 300 Kranken 147 = 49°/o Tuberkel¬
bacillen im Auswurf, während bei 151 tuberkulösen und 2 nicht tuber¬
kulösen Patienten, zusammen bei 51°/o der Eingetretenen, dieser
Nachweis nicht zu erbringen war. Somit hatte etwa die Hälfte
unserer Fälle, in denen auf Grund des subjektiven und objektiven
Krankheitsbildes eine tuberkulöse Lungenerkrankung angenommen
werden musste, keine Tuberkelbacillen finden lassen.
Stellen wir diesem Ergebnis die Tatsache gegenüber, dass auch
nur etwa die Hälfte, nämlich 144 I. Stadien = 48°/o, zur Heilstätten¬
behandlung als unbedingt geeignet erscheinen konnte, so Hesse sich
der Schluss ziehen: nur diejenigen tuberkulösen Lungenkranken,
welche noch keine Tuberkelbacillen im Sputum entleeren, sind im
allgemeinen für die Heilstätte unbedingt geeignet. Vom rein patho¬
logisch-anatomischen Standpunkte aus ist solche Schlussfolgerung zu
verstehen. Im frühesten Stadium der Lungentuberkulose könne die
primäre herdförmige Erkrankung der Bronchialwand noch kein bacil-
läres Material absondern; erst wenn an der Oberfläche des tuber¬
kulösen Infiltrates Epithelnekrose und geschwüriger Zerfall eintritt,
sei die Möglichkeit, wenn auch nicht Notwendigkeit, zur Expektora¬
tion tuberkelbacillenhaltigen Sputums gegeben; dann sei aber auch
eben wegen des Zerfalls das eigentliche Initialstadium bereits vor¬
über. Noch einen Schritt weiter gehen unter den Heilstättenärzten
diejenigen, denen auch die in die Heilstätte kommenden Frühstadien
der Lungentuberkulose noch immer nicht initial genug sind und es
auch nie sein können, weil nach ihrer Auffassung das erste Stadium
der Lungentuberkulose mit der tuberkulösen Erkrankung der zuge¬
hörigen Tracheobronchialdrüsen beginnt und mit derjenigen des Lungen¬
parenchyms bereits aufhört. M. E. ist ein solcher Standpunkt un¬
vereinbar mit dem eigentlichen Zweck der Heilstätte, der Behand¬
lung der Lungentuberkulose zu dienen. Er ist aber auch unver¬
einbar mit der Auffassung des Klinikers, der seine Stadieneinteilung
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sij
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
309
doch erst mit dem objektiven Nachweis krankhafter Lungenerschei¬
nungen beginnen kann.
Ich meine: der Tuberkelbacillus im Auswurf ist der sicherste
Indikator in diagnostischer, aber nicht in prognostischer Hinsicht,
er ist insbesondere kein Gradmesser für das therapeutische Haupt¬
ziel der Heilstätte, die erkrankte Lunge wieder funktionstüchtig zu
machen. —
Nun fragt es sich weiter: Hat die bakteriologische Tuberkulose-
Diagnostik eine Bedeutung für jene Fälle, in denen der Arzt auf
Grund klinischer Untersuchung das Vorhandensein einer Lungen¬
tuberkulose nicht absolut verneinen, auf Grund pathologisch-anato¬
mischer Überlegung nicht absolut bejahen kann? Manchmal gelingt
es hier durch Jodkaligaben, hydriatische Packungen oder Inhalationen
einer Kochsalzlösung die Expektoration anzuregen und in dem spär¬
lichen Morgensputum Tuberkelbacillen nachzuweisen. Leider versagt
aber das Verfahren in weitaus den meisten Fällen oder führt zu
Zweifeln oben genannter Natur, ob es sich in dem angefertigten
Sputumpräparat um den echten oder einen Pseudotuberkelbacillus
handelt.
Meinen mehrjährigen Beobachtungen entspricht die obige Zu¬
sammenstellung, nach welcher trotz hydriatischer Packungen von den
klinisch diagnostizierbaren Lungenkranken des I. Stadiums nur etwa
jeder 10. auch bakteriologisch als Tuberkulöser zu erkennen war.
Das heisst aber nichts anderes, als dass der bakteriologische Nach¬
weis des Tuberkelbacillus im Auswurf für die Erkennung der Früh¬
stadien der Lungentuberkulose eine ganz untergeordnete Bedeutung
hat. Ist doch selbst bei einem Drittel unserer dem II. Stadium an-
gehörigen Kranken der Sputumbefund negativ gewesen.
Für die Praxis ergibt sich aus solchen Daten, die das häufig
erst späte Auftreten des Auswurfs und das häufig noch viel spätere
Auftreten des Tuberkelbacillus im Auswurf bei klinisch zweifelloser
Tuberkulose zur Evidenz beweisen, die überaus wichtige Lehre, die
Diagnose der Tuberkulose nicht erst von dem positiven Sputumbefund
abhängig zu machen. Jene Zahlen erklären aber auch in entwicke¬
lungsgeschichtlicher Hinsicht, warum uns die an und für sich epochale
Entdeckung des Tuberkel bacillus in der Behandlung und Heilung der
Lungentuberkulose kaum einen Schritt weiter gebracht hat: die aus¬
gesprochene Schwindsucht war an ihrem charakteristischen Krank¬
heitsbild auch früher ohne Mikroskop erkennbar, und für die Er¬
kennung der Frühstadien der Lungentuberkulose muss in der Praxis
auch heute noch in ö /io aller Fälle der klinische Befund allein mass¬
gebend sein; die Schwindsucht im III. Stadium ist heute fast aus-
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0. Roepke.
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nahmslos ebenso unheilbar wie früher, und das I. Stadium heilte
früher als ätiologisch unbekannter „ Spitzenkatarrh" ebenso gut wie
heute als „Lungenspitzentuberkulose“. Was uns aber heute gegen¬
über früher in der Therapie der Tuberkulose erfolgreich bezw. erfolg¬
reicher als bisher unterstützen könnte, das ist die Frühzeitigkeit
der Diagnose und damit die Frühzeitigkeit der Therapie, viel
weniger die Kenntnis der Ätiologie und die Art der Heilmittel. Ob
Ce 1 sus die Lungenkranken im Schiffe fahren oder Sydenham sie
reiten oder Brehmer sie steigen oder Dettweiler sie Liege¬
kur machen lässt, das ist ganz das nämliche — hier wie dort
liegt der therapeutische Schwerpunkt in dem fortgesetzten Aufent¬
halt in frischer, reiner Luft. Und Ernährung, Abhärtung, Bewegung,
medikamentöse, prophylaktische Vorschriften unterstützen ebenso die
Ratio medendi der hippokratischen Medizin wie alle späteren Heil¬
methoden einschliesslich unserer heutigen hygienisch-diätetischen An¬
staltsbehandlung. Unsere augenscheinlicheren Erfolge beruhen nur
darauf, dass wir diese Mittel in einem möglichst frühzeitigen Stadium
der Krankheit anwenden. Dazu bedarf es aber einer möglichst früh¬
zeitigen Diagnose, und diese wird nicht etwa durch den bakterio¬
logischen Nachweis ermöglicht bezw. erleichtert. Im Gegenteil! Man
würde die Kranken direkt schädigen und den Heilstätten schlecht
dienen, wollte man erst einen aus den tieferen Luhgenteilen stam¬
menden Auswurf und in demselben das Auftreten von Tuberkel¬
bacillen abwarten und nicht schon auf Grund physikalisch-klinisch
nachweisbarer Symptome hin die Diagnose der beginnenden Lungen¬
tuberkulose stellen. —
T über kulindiagnostik.
Gelingt der Tuberkelbacillennachweis nicht oder ist Lungen¬
sputum überhaupt nicht vorhanden, so ist das alte Tuberkulin das
letzte Hilfsmittel, um die klinische Diagnose zu sichern. Die
Sicherung, nicht die Stellung der Diagnose ist der springende
Punkt. Die Tuberkulindiagnostik wird darum überflüssig beim Vor¬
handensein von Tuberkelbacillen im Sputum, sie bleibt notwendig bei
einer positiven klinischen Diagnose.
In der Praxis genügt die Diagnosenstellung. Dass dieselbe
auch im Frühstadium der Tuberkulose jedem Arzte gelingen kann,
wenn er bei allgemeinen Konstitutionsstörungen immer wieder an die
Möglichkeit einer Tuberkulose denkt, wenn er jetzt und insbesondere
bei allen Störungen im 'Respirationstraktus den subjektiven und ob-
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83]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
311
jektiven Beobachtungen bis in Detail nachgeht und in jedem Fall
eingehend die Lungen untersucht, das unterliegt nach den früheren
Ausführungen keinem Zweifel. Auch in klinisch nur verdächtigen
Fällen wird der Praktiker mit Rücksicht auf die ungeheuer viel
grössere Häufigkeit der Tuberkulose gegenüber allen andern Lungen¬
krankheiten zusammen eine Lungentuberkulose annehmen dürfen.
Ja, man wird dem praktizierenden Arzte, sei er Kassen- oder Ver¬
trauensarzt, vom medizinischen Standpunkte aus sogar das Recht
einräumen können, selbst bei anscheinend normalem klinischen Be¬
fund die Einleitung des Heilverfahrens zu empfehlen, falls typische
Lokal- oder Allgemeinerscheinungen — Blutung, Husten, Auswurf,
Mattigkeit, Blässe, Abmagerung, Temperaturerhöhungen, Nacht-
schweisse — sicher beobachtet und die Fragen bezüglich der Here¬
dität und Körperkonstitution im positiven Sinne zu beantworten sind.
In allen Fällen bliebe ja immer der Heilstätte das letzte, entscheidende
Wort. Danach wäre also für die Praxis die Tuberkulindiagnostik
weder ein Bedürfnis noch eine Notwendigkeit. Zudem würde ihre
Einführung bei der allgemein verbreiteten Scheu des Publikums vor
dem „Impfen mit dem Tuberkulin“ grossen Schwierigkeiten begegnen,
auch in der Hand Ungeübter nicht ohne Bedenken sein, zumal die
ständige Beobachtung der ambulanten Kranken nicht angängig ist.
Die allgemeine Anwendung der Tuberkulindiagnostik erscheint
auch schon deshalb ausgeschlossen, weil dieselbe hinsichtlich der Zeit
und Arbeit Anforderungen an den Arzt stellt, die er nicht übrig
haben und auch nicht honoriert erhalten kann.
Dagegen behält die elektische Tuberkulinanwendung für
die Differentialdiagnose auch in der Praxis ihre grosse Bedeu¬
tung. Hier ist der Arzt sogar verpflichtet, jedes der ihm zu Gebote
stehenden Mittel heranzuziehen, wenn es ohne Gefährdung des
Patienten die Erkenntnis des Krankheitsbildes fördert; denn nur
auf Grund gesicherter Diagnose kann die eine oder andere spe¬
zifische Behandlung eingeleitet werden, von welcher die Gesundung
abhängt. Ich erinnere hier nur an die differentialdiagnostischen
Schwierigkeiten bei Carcinomen und Sarkomen, die Blutung und
Dämpfung — selbst in den Spitzen — verursachen können, ferner an
die Infiltrationen bei Echinokokken, Aktinomykose und an die
Lungensyphilis, die unter Hämoptoe, Abmagerung und Nachtschweissen
auftreten kann. Im letzteren Falle ist allerdings Vorsicht in der
Deutung der Tuberkulinreaktion geboten, da auch bei frischer Lues
positive Reaktionen beobachtet sind; immerhin wird man bei ulcerösen
Prozessen im Rachen und Kehlkopf aus dem reaktiven bezw. reaktions¬
losen Aussehen der Geschwüre auf Tuberkulose bezw. auf Syphilis
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0. Roepke.
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schliessen können. Was ich für die bakteriologische Diagnostik ge¬
sagt habe, gilt auch hier und zwar in einem noch höheren Masse:
man darf die Tuberkulindiagnostik nicht von der klinischen loslösen.
Man greife nicht handwerksmässig zur Tuberkulinspritze oder schliesse
schematisch aus Fieber auf Tuberkulose; man muss jeden einzelnen
Fall gleichzeitig klinisch beobachten, untersuchen und individuell
nach Massen seiner Anamnese, Konstitution und klinischen Erschei¬
nungen beurteilen, um ans Ziel zu kommen. Wir können also zu¬
sammenfassend sagen: In der Praxis genügt im allgemeinen und in
den weitaus meisten Fällen die Diagnosenstellung auf Grund kli¬
nischer Untersuchung, nur bei besonderen differentialdiagnostischen
Schwierigkeiten wird die Diagnosen sicher Stellung auf Grund pro-
batorischer Tuberkulinimpfung notwendig.
Anders in der geschlossenen Anstalt. Der freien Praxis, den
offenen Kurorten steht die Heilstätte gegenüber. Für diese bildet
die Sicherstellung der Diagnose den ersten und in Ansehung
der vielen gegen die Heilstätten gerichteten Angriffe einen vitalen
Akt ihrer Tätigkeit. Die Heilstättengegner, welche unsere Erfolge
nicht anerkennen wollen, werden eines wirksamen Agitationsmittels
beraubt, wenn der sichere Beweis erbracht wird, dass die Lungen¬
erkrankungen unserer Patienten auch tatsächlich tuberkulöser Natur
sind. Weiter! So peinlich die Sauberkeit, Husten- und Spuckdisziplin
in der ganzen Anstalt auch sein mag, bei der über allen Zweifel
erhabenen Richtigkeit der Stäubchen- und Tröpfcheninfektion ist eine
erhöhte Gefahr für diejenigen nicht wegzudisputieren, die sich mit
einer kranken und für die Ansiedelung der Tuberkelbacillen besonders
disponierten Lunge längere Zeit und in intimem Verkehr unter
Tuberkulösen bewegen. Darum ist die Ausschliessung von Nicht¬
tuberkulösen aus der Heilstätte geboten und damit die nach dem
Stande der Wissenschaft bestmögliche Sicherstellung der Diagnose
eine conditio sine qua non. Dann aber erscheint mir der Stand¬
punkt des „in dubiis pro Tuberculosi“ zu unwissenschaftlich, zum
wenigsten nicht wissenschaftlich genug für die Heilstätten, die im
eigensten Interesse danach streben sollten, sich als Spezialkranken¬
häuser zu betätigen, um den wissenschaftlichen Instituten anderer
medizinischer Disziplinen gleichwertig zu werden.
Irgendwelche Bedenken gegen die allgemeine Anwendung der
Tuberkulindiagnostik bestehen für die Heilstätte nicht. Die Autorität
des Anstaltsarztes wird die Patienten auch ohne direkten Zwang zur
Duldung der diagnostischen Tuberkulinimpfung gefügig machen, sofern
die Vorbedingung für ein erfolgreiches ärztliches Handeln überhaupt
vorhanden und in dem Vertrauen der Kranken zu ihrem Arzte gegeben
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
85]
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
313
ist, dass dieser nur das Beste für sie will und wählt. Der Heilstättenarzt
wird ferner soweit Tuberkulinspezialist sein, dass er unangenehme
Störungen, soweit sie vermeidbar sind, auszuschalten versteht, und er
wird schliesslich Zeit und Verständnis übrig haben für einen Abschnitt
seiner Tätigkeit, der ihn im Interesse des Kranken über dessen
lokalen Lungen- und Kehlkopfbefund in wünschenswertester Weise
orientiert, und der ihm in seinem eignen Interesse über so manches
Einseitige und Schematische im ärztlichen und wirtschaftlichen Heil¬
stättenbetriebe hinweghilft.
Hinsichtlich der Differentialdiagnose hat die probatorische Tuber¬
kulinanwendung für die Heilstätte auch eine noch grössere Bedeutung
wie für die Praxis, weil in der Heilstätte das Moment der gestei¬
gerten Infektionsgelegenheit hinzukommt. Hier werden gegenüber
den Allgemeinerkrankungen neoplastischen, parasitären und syphili¬
tischen Charakters mehr lokale Veränderungen diagnostisch sicher zu
stellen sein: so bei ererbten oder erworbenen Missgestaltungen am
Thorax und an der Wirbelsäule, bei atypisch lokalisierten ausge¬
dehnten oder beschränkten Dämpfungen und Katarrhen, bei diffusen
schwartigen Verwachsungen, chronischen Bronchitiden, Bronchiekta-
sieen, Koniosen u. s. w. Die Voruntersuchungsstationen für die Heil¬
stätten, die sog. Polikliniken für Lungenkranke, sowie die Spezial¬
abteilungen der Krankenhäuser, die ihr Material zu sichten und der
geeigneten Behandlung zuzuführen haben, werden ebenfalls die all¬
gemeine Tuberkulindiagnostik anwenden müssen.
Für die Anwendung der Tuberkulindiagnostik möchte ich
das tuto, cito, iucunde der alten Chirurgen als Leitmotiv aufstellen.
Gegen das tuto der diagnostischen Tuberkulinanwendung
werden immer wieder die vereinzelten, dahingehenden Beobachtungen
ins Feld geführt, dass auf Tuberkulininjektionen auch Nichttuber¬
kulöse reagiert und andrerseits zweifellos Tuberkulöse zuweilen nicht
reagiert haben. Solchen Ausnahmefällen lassen sich die Erfahrungen
Robert Kochs gegenüber stellen, der bei etw;* 3000 Patienten zu
diagnostischen Zwecken die Tuberkulininjektionen gemacht und in
etwa 99°/o der Fälle positiven Erfolg erzielt hat. Besonders über¬
zeugend ist auch folgende Mitteilung von Dr. France-Clayburg
auf dem Tuberkulosekongress in London: von 55 mit Tuberkulin ge¬
impften Irrsinnigen reagierten 45 Personen, von letzteren kamen
später 29 zur Obduktion, und alle 29 boten sichere Zeichen von
Tuberkulose. Von denjenigen, die nicht reagiert hatten, wurden
fünf obduziert, keiner wurde als tuberkulös befunden. „Mehr kann
man von einem diagnostischen Hilfsmittel nicht verlangen“.
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0. Roopke.
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Der zweite Einwand geht dahin, dass die Tuberkulinreaktion
keine Sicherheit über den Sitz des tuberkulösen Herdes in der Lunge
gebe. Demgegenüber ist zu bemerken, dass in den weitaus meisten
Fällen schon die Klagen der Reagierenden auf die Lunge hinweisen,
und die Angaben über Bruststiche und gesteigerten Hustenreiz
werden durch das vermehrte Auftreten von Auswurf bestätigt. Wo
das nicht der Fall ist, wird die objektive Untersuchung während
der Reaktion oder unmittelbar nach derselben den in einen ent¬
zündlichen Reizzustand versetzten tuberkulösen Herd an dem Auf¬
treten oder der Vermehrung von Rasselgeräuschen, an dem ausge¬
sprocheneren unreinen, rauhen oder verschärften Atmen über der
erkrankten Stelle erkennen lassen. Und gelingt wirklich in ganz
vereinzelten Fällen der Nachweis der lokalen Reaktion in den Lungen
nicht absolut sicher, deuten dann nicht die anamnestischen Daten,
welche den Kranken zum Arzt führten, unterstützt durch die klini¬
schen Symptome, die ihn in die Heilstätte brachten, darauf hin, dass
der reagierende tuberkulöse Herd in demjenigen Organ liegen wird,
welches im Vordergründe der individuellen Erscheinungen steht und
die vornehmste Prädilektionsstelle der Tuberkulose bildet, in den
Lungen? Man würde doch logischer ärztlicher Überlegung direkt
Zwang antun, wollte man da, ohne an irgend einer Stelle des Körpers
einen reagierenden Herd finden zu können, den Sitz der Tuberkulose
aus der Lunge heraus in ein anderes entferntes Organ verlegen.
Nur die Tracheobronchialdrüsen beanspruchen eine besondere Be¬
rücksichtigung, da sie häufig die erste Lokalisation der Tuberkulose
im Körper darstellen. In nicht seltenen Fällen, in denen der Lungen-
befund keine charakteristischen Reaktionserscheinungen zeigt, findet
man im Interskapularraum eine gesteigerte Schmerzhaftigkeit bei der
Perkussion, sowie auskultatorisch ein hauchendes, dem bronchialen
Charakter sich näherndes Atemgeräusch; subjektiv werden die be¬
kannten Stiche zwischen den Schulterblättern geklagt. Wir werden
nicht fehlgehen, in diesen Erscheinungen eine durch Hyperämie ein¬
geleitete Entzündung zu sehen, die sich als Tuberkulinwirkung in der
Umgebung der tuberkulös erkrankten Bronchialdrüsenherde abspielt.
Von andern Autoren ist in solchen Fällen eine Spinalgie beobachtet,
die sich in Klopfschmerz bei Erschütterung der obersten Brustwirbel
äusserte. Lässt aber die Tuberkulinreaktion auf einen tuberkulösen
Prozess in den Hilusdrüsen schliessen, so liegt beim Vorhandensein
anamnestischer und klinischer Lungenerscheinungen der Gedanke nahe,
die Ätiologie der letzteren mit derjenigen des ersteren zu identifizieren.
Das iucunde der Tuberkulindiagnostik ist selbstverständlich
cum grano salis zu verstehen. Die ausgesprochenen Allgemeinerschei-
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87J
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
815
nungen der Reaktion — Unbehagen, Mattigkeit, Übelkeit, Kopf- und
Gliederschmerzen, Herzklopfen — sind alles andere als angenehme
Empfindungen. Sie sind nicht mit Sicherheit in allen Fällen zu ver¬
meiden und oft gar nicht von der Temperatur Steigerung abhängig.
Andererseits fehlt es aber an jeglicher Berechtigung, immer wieder
dem Tuberkulin direkte Gesundheits-Schädigungen und -Gefährdungen
zu vindizieren, die bei seiner ersten und absolut unzweckmässigen
Anwendung vorgekommen sind. Nach den tausendfachen absolut zu¬
verlässigen Beobachtungen der letzten Jahre wäre es wirklich an der
Zeit, das kritiklose Nachsprechen der Schlagworte von „Generalisierung
des Tuberkelgiftes“, „Mobilmachung einer feindlichen Armee“ und
dergl. aufzugeben. Um die Tuberkulindiagnostik zu einem möglichst
schonenden Verfahren zu gestalten und durch dasselbe die Patienten
auch nicht einmal in ihrem Allgemeinbefinden irgend wie erheblich
zu schädigen, hatPickert 1 ) die Injektionen in der Weise ausgeführt,
dass er als Anfangsdosis 1 h mg wählte, die nach 6—8 Tagen in
der gleichen Höhe oder auf mg gesteigert wiederholt wurde. Das
Ergebnis der bei 46 Patienten geübten Methode war, dass 41 auf
solche kleinsten Dosen Tuberkulin reagierten. Ausserdem sollten
nach Pickerts Ansicht diese Reaktionen gerade dadurch beweisend
für die Diagnose der Lungentuberkulose sein, dass sie auf Injektionen
von so geringen Mengen Tuberkulin eintreten. Man wird den doppelten
Zweck, den Pick er t im Auge gehabt hat, — das iucunde atque tuto
der Tuberkulindiagnostik — im ganzen wohl als erreicht ansehen
müssen. Doch sollte man meines Erachtens den Begriff „Reaktion“
nicht allzu ängstlich durch eine Temperaturerhöhung yon 0,5° be¬
stimmt sein lassen. Die grosse Labilität der Körpertemperatur ist
für unsere Lungenkranken pathognomisch. Es ist eine bekannte
Tatsache, dass Gemütsbewegungen freudiger oder trauriger Art, ein
Wortwechsel, eine Schachpartie oder ein Skat, ferner Steigerungen
der körperlichen Leistung, eine Untersuchung, ein Vollbad, Verdau¬
ungsstörungen, Stuhl Verstopfung, erhöhte Aussentemperatur u. dergl.
mehr bei Phthisikern das Thermometer rasch und oft um mehrere
Zehntel ansteigen lassen. Alles dies pflegt aber nach meinen Be¬
obachtungen den Kranken weniger zu alterieren als die allgemein
immer noch so sehr gefürchtete „Impfung“. Wie leicht kann da das
Zusammenfallen einer durch die Alteration bedingten Erhöhung mit
der physiologischen Steigerung nach den Hauptmahlzeiten oder in
den Abendstunden zu dem ausschlaggebenden halben Grad führen!
Es kommt hinzu, dass unsere sonst fieberfreien Kranken oft schon
i) cf. Zeitschrift für Tuberkulose und Heilstätten wesen. Band IV, Heft I.
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0. Roepke.
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gegenüber leichten Temperatursteigerungen in ihrem subjektiven Be¬
finden auffallend stark reagieren und die meisten schon Erhöhungen
auf 37,3° unangenehm empfinden. Demnach scheint mir auch das
Hinzutreten einer unerheblichen Störung des Allgemeinbefindens
zu einer unerheblichen Steigerung der Körpertemperatur noch
nicht einwandsfrei eine „Tuberkulinreaktion“ darzustellen. Pflegt
doch Koch, selbst wenn eine Temperatursteigerung nach 1 bezw.
5 mg eintritt, diese Dosis „der Sicherheit wegen“ noch einmal zu
wiederholen, augenscheinlich aus dem Grunde, um etwaige inter¬
kurrente Einflüsse auszuschalten und in der nunmehr eintretenden
zweiten und gewöhnlich stärker ausfallenden Reaktion erst den un¬
trüglichen Beweis für das Vorhandensein einer Tuberkulose zu haben.
Die diagnostische Tuberkulinimpfung nach einmal eingetretener
Reaktion nochmals zu wiederholen, begegnet in der Heilstätte grossen
Schwierigkeiten und wird auch seitens verständnisvoller Patienten als
Quälerei angesehen. Und man wird dem Laien — den Kranken wie
den krankenfürsorgepflichtigen Organen — eine gewisse Berechtigung zu
solcher ablehnenden Auffassung nicht absprechen können. Darum
empfiehlt es sich des tuto wegen von vornherein möglichst solche
Dosen zu wählen, die auch durch einen nur einmaligen typischen
Eintritt und Ablauf der Reaktion diagnostische Zweifel so gut wie
ausschliessen.
Nicht weniger wichtig ist aber das cito der Tuberkulindiagnostik,
das, soweit ich die Tuberkulinliteratur überblicke, bisher von keiner
Seite gebührend betont ist. Ich habe beobachtet, dass von zwei Heil¬
stätten, welche unter den gleichen örtlichen Verhältnissen über ein
gleiches Krankenmaterial verfügten, die eine das Tuberkulin mit vollem,
ganz freiwilligem Einverständnis ihrer Kranken ausnahmslos anwenden
konnte, während die andere auf fortgesetzten Widerstand seitens
einer grossen Anzahl der Patienten stiess. Und der Grund für das
auffallend verschiedene Verhalten der Kranken hier und dort lag
einzig und allein in der ganz verschiedenen Handhabung der Tuber¬
kulindiagnostik: hier verschleppte sich dieselbe auf 2—3 Wochen
und länger, ehe sie zu einer abschliessenden Reaktion führte, dort
war ein gleicher Fall in wenigen Tagen geklärt. Das Hangen und
Bangen in schwebender Pein ist dem impulsiven Naturell unserer
Tuberkulösen recht zuwider. Es war immer wieder dasselbe Bild zu
beobachten, wenn der Patient zum so und so vielsten Male oder gar
nach wochenlanger Unterbrechung nochmals zur Vornahme der In¬
jektion in dem Untersuchungszimmer erscheinen musste. Aufgeregt,
mit rotem Kopf und zitternd an allen Gliedern stösst der Kranke
hervor: „Herr Doktor, jetzt lasse ich mich nicht mehr impfen, lieber
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Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
317
gehe ich! Ich habe den Appetit verloren, kann nicht mehr schlafen
und die Schmerzen in der Brust sind ärger denn je!“ Solche Leute
klagen nichts Falsches oder Erdachtes, so steht es tatsächlich mit
ihnen. Muss nicht bei der ihnen wohlbekannten Bedeutung der
Tuberkulinimpfung eine auf Wochen ausgedehnte Ungewissheit ihren
psychischen und damit ihren physischen Zustand ungemein ungünstig
beeinflusst haben! Gewiss gibt es auch Kranke, bei denen solche
explosive Äusserungen nicht hervortreten; diese bilden aber das viel
kleinere Häufchen jener phlegmatischen Naturen, die eben durch
nichts, auch nicht durch eine fünf-, sechsmalige und häufigere Injektion
aus ihrer beschaulichen Ruhe gebracht werden.
Nun könnte man einwenden, dass die schnelle Erledigung der
diagnostischen Tuberkulinanwendung dem obersten Grundsatz ärzt¬
lichen Handelns „nihil nocere“ nicht gerecht würde, vielmehr durch
das Vorherrschen hoher Fieberkurven und stürmischer Allgemein¬
erscheinungen mit Schädigungen für den Kranken verknüpft sei.
Dass dem nicht so ist, beweisen meine hiesigen Beobachtungen.
Von den 153 Kranken, welche keine Tuberkelbacillen im Auswurf
hatten, wurden in der Heilstätte 145, also 48 °/o der Aufgenom menen,
der Tuberkulinprobe unterworfen. Nur in 5 anamnestisch und klinisch
als Tuberkulose anzusprechenden Fällen ist die Tuberkulindiagnostik
unterblieben, und zwar in je einem Fall von multiplen tuberkulösen
Knochen- und Drüsenherden, schwerer traumatischer Neurasthenie,
Epilepsie, funktioneller Herzstörung und hochfieberhafter septischer
Magenerkrankung. In weiteren drei Fällen waren die Injektionen
überflüssig, da eben auf Grund des positiven Ausfalles derselben die
betreffenden Kranken in die Heilstätte geschickt waren; auch in
diesen war übrigens die klinische Diagnose nicht zweifelhaft.
Bei 2 Personen ergab die Tuberkulindiagnostik ein negatives
Resultat, welches sich in dem einen Fall mit dem ebenso negativen
klinischen Befund deckte, in dem anderen die vorhandenen katarrha¬
lischen Erscheinungen lediglich als auf Emphysem und chronischer
Bronchitis beruhend erkennen Hess.
Die 143 positiven Reaktionen verteilen sich nach dem klinischen
Befunde, den die Geimpften bei ihrer Aufnahme boten, auf 123
erste und 20 zweite Stadien.
In allen Fällen erfolgte die diagnostische Verwendung des Tuber¬
kulins nach einem Modus, der mit dem im Institute für Infektions¬
krankheiten üblichen im ganzen übereinstimmt: Es wurden in der
Regel nur Kranke, deren Temperatur-Tagesraaximum 37° bei Mund¬
messung nicht überschritt, der Tuberkulinprobe unterzogen. Die ver¬
einzelten Fälle, in denen die Temperatur — meist einem eretischen
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Temperament der Kranken entsprechend — in unregelmässigem und
atypischem Verlaufe 37,1—37,3° erreichte, bildeten auch keine Kontra¬
indikation. Sofern indes Temperatur- und Pulskurve auf einen auch
nur ganz leichten Fieberzustand schliessen Hessen, wurde mit der In¬
jektion bis nach der völligen und sicheren Entfieberung des Patienten
gewartet. Als Anfangsdosis wurde stets 1 mg gewählt; erfolgte keine
Temperatursteigerung, so wurden nach zwei Tagen 5 mg und, falls auch
jetzt noch keine Reaktion eintrat, nach weiteren zwei Tagen 10 mg
injiziert. Eine Reaktion wurde angenommen, wenn Temperatur¬
steigerungen von mindestens 0,5° gegen die für die gleiche Tages¬
zeit vorher bestimmte Normaltemperatur und mehr oder weniger
ausgesprochene Allgemeinstörungen eingetreten waren. Waren auf
1 mg bezw. auf 5 mg nur geringere Schwankungen in der Körperwärme
zu beobachten, so wurde bei schwächlichen Personen die Dosis in
gleicher Höhe wiederholt, bei kräftigen Menschen auf 2—4 mg bezw.
auf 6—8 mg gesteigert, in allen Fällen aber erst dann, wenn die
Temperatur wieder vollkommen zur Norm zurückgekehrt war.
Um die Art der Reaktionen zu illustrieren, habe ich das
Material nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellt, zu¬
nächst nach der Anzahl der bei den einzelnen Kranken notwendig
gewesenen Injektionen.
Es reagierten auf die erste Tuberkulininjektion 84 Kranke = 59 °/o,
„ „ „ „ zweite „ 41 „ — 28,5 °/o,
,, ,, „ dritte 18 „ = 12,5 °/o.
Danach kamen auf je zwei Kranke drei Injektionen; ferner
sehen wir mit einer Anfangsdosis von 1 mg sofort 6 /io der Fälle er¬
ledigt, und nur jeder achte Patient braucht dreimal geimpft zu
werden, alles Erscheinungen, die für die Ärzte grösserer Anstalten
ebenso bequem wie angenehm für die Kranken sind.
Eine weitere Folge ist die wesentliche Verkürzung des
diagnostischen Zeitraums zu gunsten des therapeutischen
Heilstättenaufenthaltes. Die ganze Tuberkulin-Diagnostik beanspruchte
nämlich vom Tage der ersten Injektion — diesen mitgerechnet —
bis zu dem Termine, an welchem die Reaktion abgeklungen und die
Temperatur dauernd auf 37° und darunter gefallen war,
in 12 Fällen
2 Tage
in 4 Fällen
8 Tage
„ 40 „
„ 3(5 ,
3 „
4 *
61,5o/o
90 °/o
» 3 ..
-2 „
9 „
10 r
■ 10°/o.
19 ..
5
v Ö ,
11 ,
, 12 „
6
.. 10
7 ,
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Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
319
Diese Zahlen besagen, dass bei 9 /io aller Injizierten die ätio¬
logische Frage der Erkrankung innerhalb einer Woche entschieden
und überstanden war, bei mehr als 6 /io sogar schon in vier Tagen,
während nur für jeden Zehnten ein höchstens elftägiges Quarantäne¬
stadium notwendig war.
Zur vergleichsweisen Beurteilung der einzelnen Tuberkulin¬
reaktionen als solche können wir die allgemeinen und örtlichen
Reaktionserscheinungen ihrer vielfachen Variationen wegen nicht,
verwenden. Ich will daher die Temperatursteigerung als den präg¬
nantesten Ausdruck der Reaktion zum Massstab annehmen und ein
Reaktionsfieber bis zu 38° mit einer schwachen Reaktion, ein
solches von 38°—39° mit einer mittelstarken und ein solches
über 39° mit einer starken Reaktion identifizieren. Danach ergibt
die Zusammenstellung 91 schwache Reaktionen = 64%,
42 mittelstarke „ = 29°/o,
10 starke „ — 7°/o.
Die Dauer der einzelnen Reakti onen betrug vom Datum
der Injektion bis zu dem völliger Entfieberung — beide Tage mit
eingerechnet —
in 23 = 16,1 °/o der Fälle 2 Tage,
„ 68 = 47,5°/o
„ 35 = 24,5 °/o
, 15 = 10,5%
„ 1 = 0,7 %
, 1 = 0,7%
3
4
5
6
8
= 63,6%.
\
= 35,0 °/o.
P
} = 1,4 °/o.
Aus diesen Zahlen geht hervor, dass in fast */s der Fälle nicht
nur schwache Reaktionen bis 38°, sondern auch kurze, in 2 —3 Tagen
abgelaufene Reaktionen erzielt wurden. 35 °/o der Reaktionen dauerten
4—5 Tage, während von den sämtlichen 143 Reaktionskurven nur
zwei einen protrahierten Ablauf von sechs bezw. acht Tagen auf¬
weisen. Das Verhältnis der schwachen, mittelstarken und starken
Reaktionen zueinander ist auch als ein sehr günstiges zu bezeichnen
und lässt sich in den Zahlen 9:4:1 ausdrücken.
Der zeitliche Ablauf der einzelnen schwachen, mittelstarken
und starken Reaktionen gestaltete sich folgendermassen:
Es waren erledigt
desgl. die mittelstarken:
bei 2 Fällen in 2 Tagen
■ 16 , , 3 „
,15 , , 4 „
, 8 , ,5 ,
,1 - , 8 ,
die schwachen Reaktionen:
bei 21 Fällen in 2 Tagen
, 47 , „ 3 „
, 16 , , 4 „
, 6 » » 5
, 1 , , 6 „
desgl. die starken:
bei 5 Fällen in 3 Tagen
, 4 „ „ 4 ,
. 1 , , 5 .
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd I. H. 3.
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Wir sehen also bei den schwachen Tuberkulinreaktionen eine
Reaktionsdauer von 2—3 Tagen, bei den mittelstarken und starken
eine solche von 3—4 Tagen vorherrschen; indes nehmen die mittel¬
starken Reaktionen den protrahierteren Verlauf, während die starken
sich viel schneller auszutoben pflegen. Letztere bieten gerade in
dem rapiden Anstieg und kritischen Abfall der Temperatur, in dem
schweren Krankheitsbilde während der Reaktion und dem absoluten
Wohlbefinden nach derselben den Typus der am meisten charak¬
teristischen Tuberkulinreaktion. Dieses war auch bei den zehn stark
reagierenden Patienten zu beobachten, obwohl die Temperaturen
keineswegs excessiv hohe waren.
Es wurde nämlich 2 mal 39,1°, 4 mal 39,2°, 2 mal 39,4°, lmal
39,5° und lmal als Maximum 39,8° erreicht. In dem letzten,
schwersten Fall, der auch 5 Tage bis zur völligen Entfieberung
brauchte, bestand neben einer klinisch nachweisbaren Lungentuber¬
kulose der Verdacht auf Nierentuberkulose. Es gelang dann auch
in dem nur während der Reaktion mit wenig Blut und Schleim ver¬
mischten Urin spärlich Tuberkelbacillen nachzuweisen, von denen eine
Anzahl in Eiterzellen eingeschlossen war. — Die Dosierung war bei
den starken Reaktionen 4mal 1 mg (I. Injektion), lmal 3 mg (II. In¬
jektion), lmal 8 mg (III. Injektion) und 4mal 10 mg (III. Injektion).
Wäre die überwiegende Mehrzahl dieser starken Reaktionen auf die
erste Injektion von 1 mg erfolgt, so hätte man mit Recht letztere
als zu hoch gewählt ansehen können. Da aber nach meinen Be¬
obachtungen die starken Reaktionen ebenso häutig nach der ersten
wie nach der dritten Impfung auftreten, kann ich mit Beck in dem
Heruntergehen der Anfangsdosis unter 1 mg nur eine Verzögerung
der ganzen Tuberkulindiagnostik erblicken.
Meines Erachtens hat eine verkürzte, schnell und sicher erledigte
Tuberkulindiagnostik gegenüber der verzögerten, langsam und tastend
vorgehenden nicht nur keine Nachteile, vielmehr offenbare Vorteile
bezüglich des Ausfalls der Reaktionen. Zum Beweise will ich meinen
Ergebnissen diejenigen der Heilstätte Belzig gegenüberstellen, die
— allerdings nur in der geringeren Anzahl von 116 Reaktionen —
im Band III, Heft 4 der Zeitschrift für Tuberkulose und Heilstätten¬
wesen veröffentlicht sind. In Belzig wählte man als Anfangsdosis
Vio— 2 I io mg, steigerte bei der II. Injektion auf 5 /io—1 mg, bei der
dritten auf 3—5 mg und schliesslich bei der vierten auf 6—10 mg.
Stelle ich nun die in Belzig notierten Temperatur Steiger ungen, ganz
dem Modus meiner Statistik entsprechend, zusammen, so erhalte ich
für Belzig
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Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
321
schwache Reaktionen in 48°/o der Fälle (64°/o)
mittelstarke „ „ 33°/o „ „ (29°/o)
starke „ „ 19°/o „ „ ( 7°/o)
Die in Klammem beigefügten Zahlen sind meine Werte. Ein
vergleichender Blick belehrt, dass in meinen Fällen die schwachen
Reaktionen um 1 /s häufiger, die starken fast dreimal seltener sind
als dort.
Zur Herstellung einwandfreier Tuberkulinverdünnungen
empfehle ich folgende Methode *), die für jedermann und überall ohne
kostspielige Apparate und ohne grösseren Zeitaufwand ausführbar ist.
Eine Vollpipette (10 ccm Inhalt) und eine Messpipette (1 ccm Inhalt,
geteilt in 0,1 ccm), welche in einer mit Alkohol gefüllten Flasche
aufbewahrt sind, werden in einer Kochflasche tüchtig ausgekocht, so
dass das siedende Wasser bis hoch in das Lumen der Pipetten hinauf¬
steigt und durch 5 Minuten langes Einwirken alle Krankheitserreger
vernichtet. Gleichzeitig wird in einem Er lenmey er-Kolben Wasser
5 Minuten lang zum Sieden gebracht und darauf der Inhalt durch
schnelles Umstürzen des Kolbens ganz entleert. Wird nun noch der
Kolbenhals durch mehrmaliges Drehen in der Flamme abgeglüht und
mit einem oberflächlich abgesengten Wattepfropf verschlossen, so ist
auch der Kolben zur Aufnahme der Verdünnung steril. Nunmehr
bringt man in diesen mittelst der grösseren Pipette 10 ccm sterili¬
sierter physiologischer Kochsalzlösung; dann entnimmt man mit der
andern Pipette, deren unterer Abschnitt über der Flamme noch ge¬
trocknet werden kann, aus dem Originalfläschchen 0,1 ccm Tuberkulin
(Tuberculinum Kochii) und fügt es zu den 10 ccm physiologischer
Kochsalzlösung hinzu. Diese Mischung wird schliesslich in dem ge¬
schlossenen Kolben erhitzt bis die ersten Blasen aufsteigen, alsdann
möglichst schnell abgekühlt und ist nun gebrauchsfertig. — Bei der
gewählten Konzentration von 0,1 :10,0 enthält die ganze Pravazspritze
10 mg, 1 Teilstrich mithin 1 mg Tuberkulin. Eine weitere Verdün¬
nung, in welcher 1 Teilstrich der Spritze nur 3 /io mg enthalten soll,
gewinnt man leicht dadurch, dass man in einem zweiten sterilen
Kolben mit denselben Pipetten 1 ccm der ersten Verdünnung mit
10 ccm physiologischer Kochsalzlösung mischt und bis zum Aufsieden
erhitzt. Diese Lösungen können auch noch nach 2—3 Tagen wieder
verwendet werden, indes müssen sie unmittelbar vor dem Gebrauche
nochmals aufgekocht werden.
Die Injektion ist ebenfalls unter aseptischen Kautelen vorzu-
nehmen. Zu diesem Zwecke wird die Lu ersehe Injektionsspritze,
*) cf. Tuberculosis. Vol. 1, Nr. 5. Bemerkungen zur allgemeinen Anwendung
der Tuberkulindiagnostik. Vom Verfasser.
22*
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welche ganz aus Glas besteht, mit der zugehörigen Kanüle und einem
Glasklotz in einer Porzellanabdampfschale 5 Minuten lang ausgekocht.
In den Hohlraum des abgekühlten Glasklotzes wird die zu verwendende
Tuberkulinlösung geschüttet, von hier in die Spritze aufgezogen und
subkutan in die mit Äther abgeriebene Hautpartie injiziert.
Als Einstichstelle wähle ich nicht, wie allgemein üblich,
die Interskapulargegend, sondern die Haut des Oberarmes, abwechselnd
auf der rechten und linken Seite. Die Patienten, die zum Zwecke
der Injektion das umständliche Auskleiden bis zur Entblössung des
Oberkörpers vornehmen müssen, sind leicht geneigt, einen grösseren
operativen Eingriff zu fürchten, der im wahren Sinne des Wortes
hinter ihrem Rücken vorgenommen werden soll. Nur misstrauisch
und zaghaft drehen sie sich um, um beim Einstich der Spritze zu¬
sammen zu zucken und mit dem Oberkörper auszuweichen. Anders
der Kranke, der nur den Hemdärrael emporzustreifen braucht und
ruhig zusehen kann, wie unbedeutend und einfach in praxi die ge¬
fürchtete Tuberkulinimpfung ist: „ Schon fertig ?“ lautet meist diebe¬
zeichnende Frage. Wichtiger ist der folgende Grund. Fast aus¬
schliesslich pflegt während der Reaktion die Einstichstelle mit ihrer
Umgebung schmerzhaft und besonders druckempfindlich zu sein, selbst
wenn alle Entzündungserscheinungen fehlen. Ist die Injektion im
Interskapularraum gemacht, so können berechtigte Zweifel entstehen,
ob etwaige Schmerzen in dieser Gegend durch die Injektion als solche
oder durch die reagierenden Herde in den Bronchialdrüsen bedingt
sind. Das oben erwähnte Symptom der schmerzhaften Perkussion
verliert auch seine diagnostische Bedeutung. Wurde hingegen in den
Arm injiziert, so deutet während der Reaktion sowohl die Klage über
die charakteristischen Stiche zwischen den Schulterblättern als auch
die gesteigerte Empfindlichkeit bei der Perkussion des Interskapular-
raums auf reaktive Vorgänge innerhalb des Thorax und beim Fehlen
von pulmonalen Reaktionsvorgängen auf solche in den Tracheo-
bronchialdrüsen.
Gleich diesem Hinweis mag mancher der hier gegebenen als
quantite negligeable erscheinen in der Annahme, dass man einer
Krankheit, die den Charakter einer Volksseuche angenommen hat,
mit kleinen Mitteln nicht beizukommen vermag. Die Annahme be¬
steht zu recht, soweit eine grosszügige Prophylaxe in Frage kommt,
sie ist bedingt richtig für eine planvolle Therapie, und sie ist falsch
in Beziehung auf die Diagnostik. Der Kliniker hat keinen be¬
stimmten Nährboden und keine bestimmte Brutschranktemperatur,
auf welchem und in welcher er bacilläre Lebensäusserungen beobachten
und feststellen kann. Soviel Menschen soviel verschiedene Konsti-
Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zur Diagnostik der Lungentuberkulose.
323
tutionen und Nährsubstrate für den eingedrungenen Tuberkelbacillus;
soviel Altersklassen, Stände und Berufe so viel verschiedene Lebens¬
verhältnisse und Optima für die Entstehung der Lungentuberkulose.
Da können nur Feinheiten und Kunstgriffe, die von jedem zu erlernen,
aber auch zu üben sind, auf den vielfach miteinander verschlungenen
Wegen anamnestischer, klinischer, bakteriologischer und tuberkulin¬
diagnostischer Forschung zum Ziele, zur Erkenntnis der Lungentuber¬
kulose und ihres Verlaufes, führen. Altmeisters Dettweiler Motto
„Im Kleinen gross“ gilt auch für die Diagnostik der Lungentuberkulose.
Schlusssätze.
Es würde meiner mit Rücksicht auf die Kleinheit des Materials
von vornherein geäusserten Absicht widersprechen, die Ergebnisse
der einzelnen Beobachtungen über die Ätiologie und Symptomatologie
der Lungentuberkulose in Thesen zusammenzufassen. Dagegen scheint
es mir angezeigt, die Hauptgesichtspunkte übersichtlich aneinander
zu reihen, wie sie in der vorliegenden Arbeit als massgebend für den
Gang der Diagnostik hingestellt sind:
1. Den Epochen der rein empirischen, rein physikalischen und
rein bakteriologischen Diagnostik der Lungentuberkulose ist die
jetzige Epoche der Frühdiagnostik gefolgt.
2. Die Frühdiagnostik der Lungentuberkulose baut sich auf den
Ergebnissen der Anamnese und der klinischen Untersuchung
auf; sie ist daher jedem Arzte möglich.
3. Die anaranestischen Forschungen haben ausser der Vor¬
geschichte des Kranken die Gesundheitsverhältnisse seiner
Familie festzustellen, da Familiendisposition und Familien¬
infektion getrennt und gleichzeitig für die Tuberkulose ent-
stehung von Bedeutung sind.
4. Zu den brauchbaren physikalischen Untersuchungs¬
methoden gehören Inspektion, Perkussion und Auskul¬
tation; letztere beiden sind für die Erkennung der Frühstadien
gleich wichtig und deuten mit höchster Wahrscheinlich¬
keit auf einen tuberkulösen Krankheitsherd, wenn sie sich
— auch mit nur minimalen Abweichungen —* gleichzeitig
auf denselben Bezirk beziehen.
5. In der allgemeinen Praxis soll die klinische Dia¬
gnose für das ärztliche Eingreifen entscheidend sein; klinisch
zweifelhafte Fälle rechtfertigen bei gleichzeitiger positiver
Anamnese das gleiche Vorgehen; selbst ein anscheinend nor-
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
324
0. Roepke. Zar Diagnostik der Lungentuberkulose.
196
maler klinischer Befand soll den Arzt bei versicherungs¬
pflichtigen Patienten zum Vorschlag eines Heilverfahrens be¬
rechtigen, falls eine positive Anamnese sicher beobachtet ist.
6. Die Sicherstellung der Diagnose erfolgt durch die bak¬
teriologische Sputumuntersuchung oder durch die proba-
torische Tuberkulininjektion; sie bleibt der ärztlichen Tätig¬
keit in den Heilstätten, in den Spezialabteilungen der
Krankenhäuser und in den Polikliniken für Lungenkranke
Vorbehalten.
7. Der Nachweis des Tuberkelbacillus im Sputum bildet
den sichersten Beweis für das Vorhandensein einer Lungentuber¬
kulose; er hat indes für die Erkennung der Frühstadien nur
eine untergeordnete Bedeutung und soll von den praktizierenden
Ärzten für die Diagnosenstellung nicht abgewartet werden.
8. Die Tuberkulindiagnostik soll durch die Wahl nicht
zu kleiner Dosen (l—5—10 mg) möglichst bald zur Entschei¬
dung führen; ihre allgemeine Anwendung ist in den Heilstätten
unbedingt notwendig.
9. Die probatorische Tuberkulininjektion kommt immer
erst dann in Betracht, wenn die an verschiedenen Tagen
wiederholte exakte Sputumuntersuchung negativ ausge¬
fallen ist oder Sputum überhaupt nicht produziert wird.
10. Die Ergebnisse der Sputumuntersuchung und der Tuberkulin¬
anwendung müssen unter Berücksichtigung der klinischen
Untersuchungsbefunde beurteilt werden.
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Original fro-m
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Aus der Heidelberger Mediz. Poliklinik (Hofrat Prof. Dr. Vierordt). / ■ ,
Über die diagnostische Tuberkalininjektion und
ihre Verwendung beim Heilstättenmaterial.
Von
Privatdozent Dr. Hammer.
Die modernen Heilbestrebungen der Tuberkulose, die wir in
einer erstaunlich kurzen Zeit und in glänzender Weise in der Er¬
richtung einer grossen Anzahl von Lungenheilstätten, Volkssanatorien,
Tuberkuloseheimen etc. verwirklicht sehen, haben die möglichst früh¬
zeitige und sichere Diagnose dieser schleichenden, am Marke des
Volkes zehrenden Krankheit zu einer brennenden Frage gemacht.
Zwar stand schon von jeher die frühzeitige Erkennung der Tuber¬
kulose, speziell der Lungentuberkulose, als eine Frage von der
grössten Bedeutung im Vordergrund des ärztlichen Interesses; die
Lösung dieser wichtigen Frage hat den Ärzten stets als ein höchst
erstrebenswertes Ziel vorgeschwebt und zu keiner Zeit ist ihre Be¬
deutung gerade als Vorbedingung für eine aussichtsvolle und erfolg¬
reiche Behandlung verkannt worden. Und wenn auch die frühe
Diagnose der Tuberkulose mit ihren Konsequenzen jetzt und immer
für den einzelnen Träger der Krankheit, für seine nähere Umgebung
und Familie, von enormer Wichtigkeit ist; und wenn auch das
Interesse des Arztes an der Frühdiagnose dieser schleichenden und
gerade deswegen oft bösartigen Krankheit das allergrösste ist —
beides Momente, die an sich wichtig genug sind, um wohl in die
Wagschale zu fallen — so hat diese Frage seit dem letzten Jahrzehnt
doch ein wesentlich anderes Aussehen angenommen; sie hat sich in¬
folge der modernen Heilstättentherapie entwickelt zu einer solchen
von der grössten allgemeinen und volkswirtschaftlichen
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 22**
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326
Dr. Hammer.
[2
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Bedeutung. Obwohl sich heute, nach dem erst kurzen Bestände
der Volksheilstätten, ein abschliessendes und sicheres Urteil über den
Wert derselben noch nicht fällen lässt, so hat sich doch nach der
übereinstimmenden Äusserung sämtlicher Heilstättenleiter die Er¬
kenntnis Bahn gebrochen, dass sich nur die frühesten Stadien der
Erkrankung für die Behandlung in diesen Anstalten eignen. Es
muss immer berücksichtigt werden, dass diese Anstalten gegründet
sind auf der Basis unserer sozialen Gesetzgebung; ihre Aufgabe be¬
steht darin, bei einer grossen Anzahl von versicherten Kranken eine
frühzeitige Invalidität zu verhindern; deswegen müssen die Anstalten,
die ihre Entstehung der Invalidenversicherung verdanken, stets das
Wohl der Gesamtheit im Auge behalten; wenn sich dieses auch im
wesentlichen mit demjenigen des Einzelnen deckt, so muss doch das
Interesse des Einzelnen bei der Heilstättenbehandlung mehr in den
Hintergrund treten.
Hierin besteht der fundamentale Unterschied zwischen den pri¬
vaten Lungensanatorien, die nur das Interesse des Einzelnen zu
wahren haben, und den Heilstätten der Versicherungsanstalten.
Dieser Unterschied findet vor allen Dingen darin seinen Aus¬
druck, dass die für die Kur versicherter Kranker aufwendbare Zeit
im allgemeinen eine beschränkte sein muss. In einem bestimmten
Zeitraum von durchschnittlich etwa drei Monaten soll ein bestimmtes
Heilresultat erzielt werden; schon hieraus allein resultiert bei dem
Charakter und der Verlaufsweise der Lungentuberkulose die unab¬
weisbare Notwendigkeit, nur die ersten Erkrankungsstadien der Heil¬
stättenbehandlung zuzuführen; die inzwischen gewonnene Erfahrung
hat im allgemeinen die Richtigkeit dieses Grundsatzes bestätigt.
Die frühzeitige Erkennung der Tuberkulose unterliegt aber in
sehr vielen Fällen den grössten Schwierigkeiten und trotz des emsigen
Strebens und Arbeitens der Ärzte an der Verbesserung und Präzi¬
sierung der Untersuchungsmethoden muss zugegeben werden, dass
leider nur allzuhäufig das Vorhandensein einer Tuberkulose höchstens
vermutet, aber nicht bewiesen werden kann und die Auffassung, dass
bei der Möglichkeit des sicheren Nachweises der Lungentuberkulose
auf Grund des objektiven Untersuchungsbefundes die Krankheit viel¬
fach schon eine grosse Ausdehnung angenommen hat, erscheint durch¬
aus berechtigt. Unter solchen Umständen ist der Wunsch nach
einer wirklich exakten Methode des frühzeitigen Nachweises der
Tuberkulose ein lebhafter und wohlbegründeter und es leuchtet ohne
weiteres ein, dass die Frage nach dem Wert und der Verwendbarkeit
des Koch sehen Tuberkulins, welches in den ersten von Koch über
das Tuberkulin veröffentlichten Mitteilungen als ein in Zukunft un-
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
3j Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenm&teriaL 327
entbehrliches diagnostisches Hilfsmittel bezeichnet wurde, wieder
eine akute und wichtige geworden ist.
Nach der begeisterten Aufnahme der Tuberkulintherapie bei
Laien und Ärzten, wie sie ein anderes therapeutisches Verfahren
wohl kaum vorher erlebt hat, erfolgte sehr bald — ein jäher und
völliger Zusammenbruch der Tuberkulinheilbestrebungen. Dieser jähe
Zusammenbruch war aber sicherlich nicht eine Folge des Unwertes
oder der Schädlichkeit des Kochseben Mittels, sondern im wesent¬
lichen bedingt durch eine zu kurze und ungenügende Erfahrung in
der Anwendungsweise und durch die Ausdehnung des Tuberkulin¬
verfahrens auf zu schwere und ganz ungeeignete Fälle. Der thera¬
peutische Wert des Tuberkulins war auf diese Weise im Zeitraum
von kaum einem Jahre zu Grabe getragen, aber es hatte sich doch
aus dieser ersten, an trüben Erfahrungen scheinbar so reichen Tuber¬
kulinperiode eine nicht unbeträchtliche Wertschätzung des Tuber¬
kulins als diagnostisches Mittel entsprechend den prophetischen
Worten Robert Kochs gerettet. Dasselbe wurde auch später, wenn
auch nur ausnahmsweise, in vor allen Dingen differential-diagnostisch
schwierigen Fällen verwendet und hinsichtlich der Diagnose stets mit
gutem Erfolg. Es bleibt deswegen eine immerhin auffallende Er¬
scheinung, dass das Tuberkulin, zumal in Rücksicht auf die neuen
Heilstättenbestrebungen, nicht in weit grösserem Masse zur Früh¬
diagnose der Lungentuberkulose zur Anwendung gelangt, als es tat¬
sächlich bisher geschieht.
Die Ursache beruht in der grossen Abneigung gegen die Tuber¬
kulininjektionen, die als Resultat der ersten Tuberkulinperiode bei
Ärzten und Laien entstanden ist. Die Gefahren, die mit der An¬
wendung des Tuberkulins verknüpft sein sollen, erscheinen zu gross
und stehen scheinbar in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, sie ver¬
bieten den allgemeinen Gebrauch oder schränken ihn doch insoweit
ein, dass ein erheblicher Nutzen für die Heilstättenzwecke dabei
nicht herauskommen kann. Es mag auch die Umständlichkeit und
die relativ lange Dauer des diagnostischen Tuberkulinverfahrens,
als eine Schwierigkeit gelten, übrigens Momente, die im Verhältnis zu
dem durch eine sichere Diagnose bedingten Vorteil kaum in Betracht
kommen können.
Die von vielen Autoren verlangte Krankenhausaufnahme, welche
sicherlich, besonders für eine sorgfältige Beobachtung des Reaktions¬
resultates der diagnostischen Injektionen und auch für die Ver¬
meidung event. vorhandener Gefahren, das erstrebenswerte und ideale
Verfahren darstellt, ist vorläufig leider nicht vereinbar mit einer
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328
Dr. Hammer.
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allgemeineren Durchführung der Injektionen für Heilstättenzwecke
wegen Mangel an geeigneten Beobachtungsstationen.
Wenn man deswegen von vornherein nicht ganz verzichten will
auf die diagnostischen Injektionen, so muss man, soweit wenigstens
das Heilstättenmaterial in Betracht kommt, wohl oder übel die am¬
bulatorische Injektion in Anwendung bringen. Von diesem Stand¬
punkt ausgehend, sind in der hiesigen Poliklinik seit ca. 2 Jahren
die Tuberkulin-Injektionen als diagnostisches Hilfsmittel angewandt
und in folgender Weise ambulatorisch durchgeführt worden.
Eine kurze Schilderung der Methode wird von Interesse sein,
besonders in den ärztlichen Kreisen, welche häufiger in die Lage
kommen, den Heilstätten Material zuzuführen.
Zunächst werden die Patienten mit der Technik des Fieber¬
messens vertraut gemacht und zu diesem Zweck von einer Schwester
aufs Genaueste instruiert. Die Temperaturen werden zunächst vier¬
stündlich am Tage gemessen, um 8, 12, 4, 8 Uhr, und in liniierte
Oktavhefte, die die Patienten stets bei sich führen, eingetragen. Auf
eine häufigere Messung, etwa 2- oder 3 stündlich, oder Tag und Nacht¬
messung, ist von vornherein verzichtet worden, so wünschenwert das
an sich auch sein mag. Eine gewisse Beschränkung in dieser Hin¬
sicht ist bei der ambulatorischen Durchführung der Injektionen not¬
wendig; man darf nicht zuviel verlangen, zumal die Patienten zu¬
weilen auch während der diagnostischen Injektion in Arbeit geblieben
sind und erst mit dem Auftreten der Reaktion die Arbeit für die
Dauer der Reaktion aussetzten. Unter einer allzu häufigen Messung
wird nach den gemachten Erfahrungen die Genauigkeit der einzelnen
Messung leiden. Die Temperaturmessung haben selbst die weniger
intelligenten Patienten bald begriffen. Jedenfalls lässt sich in kurzer
Zeit ein Urteil darüber gewinnen, ob die Fähigkeiten der Patienten
für eine genügend genaue Messung ausreichen; ganz ausnahmsweise
musste die diagnostische Injektion wegen der Unmöglichkeit, eine ge¬
naue Messung zu erzielen, aufgegeben werden.
Die vierstündliche Tagesmessung reicht zunächst vollkommen aus,
um einen Überblick über die Temperaturverhältnisse zu gewinnen.
Hatte sich nach mindestens 8 tägiger Beobachtung die Messung als
richtig ausgeführt und die Temperatur als normal ergeben, so wurde
mit den Injektionen begonnen und gleichzeitig noch 2 weitere Mes¬
sungen, morgens um 6 und abends um 10 Uhr, eingeschoben.
Bestand dagegen Fieber, so wurde zunächst eine Entfieberung
eingeleitet, bei welcher sich Aspirin in Dosen von 0,5 3 X tgl. oder
ausnahmsweise 1,0 2 X tgl. am meisten bewährt hat, dasselbe er¬
scheint dem Pyramidon für den genannten Zweck noch überlegen zu
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5J Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. HeilstÄttenmaterial. 329
sein; oder liess die Messung eine fehlerhafte Ausführung erkennen,
so wurde mit dem Beginn der Injektionen so lange gewartet, bis
ebenfalls eine mindestens 8 tägige fieberfreie (und zwar ohne Medi¬
kation) und bezüglich der Richtigkeit der Messung einwandsfreie
Periode zur Verfügung stand.
Während dieser ersten Beobachtungszeit wird in die Bücher,
welche zur Aufnotierung der Temperaturen dienen, eine kurze Kranken¬
geschichte, vor allen Dingen ein kurzer Status des Lungenbefundes
eingetragen; ebenso finden später die Reaktionserscheinungen, sub¬
jektive wie objektive, besonders etwaige Änderungen des Lungenstatus
im Anschluss an eine Reaktion, in denselben Aufnahme.
Für den Fall besonders stark auftretender Reaktionen waren
die Patienten angewiesen, zu dem zuständigen Distriktsarzt zu schicken,
eine Vorschrift, von der nur äusserst selten Gebrauch gemacht
worden ist.
Gleichzeitig mit dem Beginn der Injektionen bekommen die Pa¬
tienten Gläser — einfache mittelgrosse Pulvergläser mit einem gut-
schliessenden Korkstopfen — zum Aufsammeln des bisher als bacillen¬
frei befundenen Auswurfs. In diesen Gläsern sollen die Patienten
nach Anweisung sämtlichen Auswurf zwischen den einzelnen Injek¬
tionen aufsammeln, um auf diese Weise das Auftreten von Bacillen
im Sputum als Folge der Injektionen kontrolieren zu können.
Injiziert wurden einmal solche Kranke, bei welchen keine Bacillen
im Auswurf nachweisbar waren, selbst wenn die objektiven Lungen¬
erscheinungen kaum einen Zweifel an dem Vorhandensein eines tuber¬
kulösen Prozesses aufkommen lassen konnten. Es geschah dies unter
der Voraussetzung, dass die Injektionen abgesehen von dem vorüber¬
gehenden krankhaften Reaktionszustand von schädlichen Folgen für
den Kranken nicht begleitet sein dürften, in der Absicht, so Material
für ein sicheres Urteil über den Wert der Injektionen gerade in ihrer
Beziehung zur Heilstättenkur zu gewinnen. Dann erwies es sich in
solchen Fällen nicht selten als zweckmässig die Patienten, ganz be¬
sonders die leichtest erkrankten, von der Notwendigkeit eines Heil¬
verfahrens durch die Injektion zu überzeugen.
In dieser Hinsicht haben uns die Injektionen oft grosse Dienste
geleistet und sich als überzeugender erwiesen als die längsten und
eingehendsten Auseinandersetzungen über den Wert der Frühbehand¬
lung der Tuberkulose und die Wichtigkeit des Heilstättenverfahrens.
Schliesslich stellen ein sehr grosses Kontingent solche Kranke,
bei welchen ein objektiver Lupgenbefund überhaupt fehlte, und nur
die allgemeinen Krankheitserscheinungen an die Möglichkeit des Vor¬
handenseins einer tuberkulösen Lungenaffektion denken liess oder bei
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330
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denen der Befund ein so geringfügiger oder wechselnder war, dass
tatsächlich Zweifel an dem Vorliegen einer Lungenerkrankung vor¬
handen sein mussten.
Die Injektionen werden zweimal wöchentlich ausgeführt, so dass
immer 2 resp. 3 injektionsfreie Tage vorhanden sind.
Als diagnostische Dosen haben sich am meisten bewährt die von
Beck(l) angegebenen, welche sich auf Grund seiner an dem reichen
Material des Berliner Instituts für Infektionskrankheiten gesammelten
Erfahrungen ergeben haben.
Nach seiner Vorschrift wird in kurzen Pausen 0,001—0,005—0,01
injiziert, die letzte Dosis wird event. bei fehlender oder ungenügender
Reaktion noch einmal wiederholt.
Diese Dosierung scheint für diagnostische Zwecke die ideale zu sein.
Im Anfang der Anwendung diagnostischer Injektionen, als zuerst,
besonders im Rückblick auf die vielfach schlechten Erfahrungen der
ersten Tuberkulinperiode, vorsichtig an die ambulatorische Anwendung
derselben herangetreten wurde, und in besonderen Fällen, die in Rück¬
sicht auf ihren Allgemeinzustand eine stärkere Reaktion befürchten
Hessen, gelangten Dosen von 0,001—0,003—0,006 —0,01 zur Verwendung.
Klarere Reaktionsbilder erreicht man zweifellos mit den von
Beck u. a. angegebenen Dosen, während das zweite Verfahren als
das mildere gelten kann, das in den meisten Fällen ebenfalls zum
Ziele führt 1 ).
Nach dem Auftreten der Reaktion wird so wie anfänglich vier¬
stündlich weitergemessen, bis wieder eine mindestens achttägige fieber¬
freie Periode erreicht ist, und dann die diagnostische Injektion im
wesentlichen als abgeschlossen betrachtet.
Man darf sich nicht verhehlen, dass bei der ambulatorischen
Injektion eine gewisse Misslichkeit in dem Umstande liegt, dass man
die Patienten gewöhnlich nicht auf der Höhe der Reaktion zu Gesicht
und zur Untersuchung bekommt, sondern erst dann, wenn der Höhe¬
punkt überschritten ist. Dass dadurch gewisse Reaktionserscheinun¬
gen, besonders event. rasch vorübergehende Veränderungen im Lungen-
befund der Beobachtung entgehen können, muss zugegeben werden.
Diese Unzulänglichkeit liegt eben im Wesen der ambulatorischen
Injektion. Es konnte jedoch nicht der Eindruck gewonnen werden,
dass dadurch das Auftreten einer positiven Reaktion der Beobachtung
entgangen wäre.
i) Neuerdings beginnen wir die Injektionen nach dem Vorschlag von
Spengler (Zur Diagnose geschlossenenr Lurtgentuberkulose etc., Davos 1900) mit
0,0001, steigen auf 0,0005 und geben dann auf die oben erwähnten Dosen über.
Unsere Erfahrungen über diese ausserordentlich vorsichtige Methode sind noch
nicht abgeschlossen.
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7J Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstfittenmaterial. 331
Bezüglich der Technik der Injektionen sind im wesentlichen die
bestehenden Vorschriften eingehalten.
Dass in erster Linie eine sorgfältige Desinfektion der Injektions¬
stelle vorgenommen wurde, bedarf keiner besonderen Erwähnung.
Als Injektionsstellen wurden die auch von anderen empfohlenen
Supraskapular- oder Interskapularräume benutzt, schon aus dem
äusseren Grunde, weil sie ambulatorisch am leichtesten zugänglich sind.
Zur Injektion werden mit Asbeststempel versehene, genau gra¬
duierte —* auf genaue Graduierung muss besonders geachtet werden —
Overlachspritzen benutzt, die vor jedesmaligem Gebrauch ausgekocht
werden. Unter dem Auskochen leidet der Asbeststempel und bedarf
sehr häufig einer Erneuerung; ein gutes Schliessen desselben bedarf,
zumal vor jeder Erneuerung, besonderer Aufmerksamkeit.
Die zur Verwendung gelangenden Lösungen 1 ) wurden in der hie¬
sigen Krankenhausapotheke hergestellt. Es wurden für die diagnosti¬
schen Injektionen 3 Lösungen benutzt:
Nr. 1 =0,01:10,0 Aq. carbol. 0,5 °/o
1 /io (gewöhnlich = 1 Teilstrich) einer 1 ccm haltenden
Spritze entspricht 0,0001 Tuberkulin,
Nr. 2 = 0,1 :10,0
1 /io = 0,001 Tuberkulin,
Nr. 3 = 1,0 :10,0
1 /j o = 0,01.
Da die gleichen Lösungen gleichzeitig zu therapeutischen Zwecken
Verwendung fanden, so wurden sie immer schnell verbraucht, so dass
eine Zersetzung kaum zu befürchten war. Auf eine solche, die sich
in einem geringen weisslichen, flockigen Niederschlag zu erkennen
gibt, wurde trotzdem sorgfältig geachtet; ausserdem werden die
Lösungen dunkel und kühl (im Sommer im Eisschrank) aufbewahrt.
Bei derartigen Vorsichtsmassregeln halten sich die Lösungen übrigens
ziemlich lange unzersetzt und bleiben sicher 14 Tage, auch länger,
gebrauchsfähig; jedenfalls wurde kein einziges Mal eine Störung be¬
obachtet, die man etwa als Folge einer Zersetzung der Injektions¬
flüssigkeit hätte deuten können.
Der folgenden Besprechung liegt eine Beobachtungsreihe von
180 diagnostisch Injizierten zu gründe, welche in jeder Richtung
möglichst genau kontroliert wurden, soweit dies eben ambulatorisch
durchführbar ist.
Von diesen 180 wurden 164 mit positivem Erfolg injiziert
= 91,1 °/o
i) Es gelangte ausschliesslich altes Kochsches Tuberkulin zur Anwendung.
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332
Dr. Hammer.
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und 16 mit negativem resp. zweifelhaftem Erfolg
= 8,9 °/o.
Es waren im ganzen 462 Injektionen erforderlich, durchschnitt¬
lich 2,6 Injektionen für den einzelnen Patienten.
Nach der als typisch zu bezeichnenden Methode (0,001—0,005—
0,01) wurden 72 injiziert,
bei welchen 220 Injektionen nötig waren, durchschnittlich 3 pro Kopf.
Nach dem milderen Verfahren (0,001—0,003—0,006—0,01) wurden
67 injiziert,
bei denen 217 Injektionen nötig waren, durchschnittlich 3,2 pro Kopf,
so dass durch die verschiedene Dosierung ein wesentlicher Unter¬
schied in der Zahl der Injektionen nicht bedingt wird. Man sollte
annehmen, dass bei Anwendung des typischen Verfahrens weniger
Injektionen nötig sein würden und tatsächlich geben die Zahlen
auch einen allerdings nur geringen Ausschlag in diesem Sinne.
Es muss aber berücksichtigt werden, dass für die mildere Methode
gerade solche Fälle ausgesucht wurden, bei denen am ehesten eine
Reaktion erwartet werden konnte; es ist anzunehmen, dass bei gleich-
mässiger Anwendung der verschiedenen Dosierungen die Zahlen noch
mehr zu gunsten der typischen Injektionsmethode sprechen werden,
d. h. dass bei dieser Methode die Zahl der für die Hervorrufung
einer Reaktion nötigen Injektionen eine geringere sein wird.
Bei 25 war nur eine einmalige Injektion von 0,001 notwendig.
Von sämtlichen Injizierten befanden sich
130 im I. Stadium
der Erkrankung. Bei diesen war entweder nur eine qualitative Ver¬
änderung des Atemgeräusches oder Ronchi in einer oder beiden Spitzen
vorhanden, eventuell bestand schon in vereinzelten Fällen eine geringe
qualitative Veränderung des Perkussionsschalles.
Bei 8 war die Erkrankung schon etwas weiter vorgeschritten;
sie würden etwa dem II. Stadium nach dem Turban sehen Schema
entsprechen; ein Kranker gehörte dem III. Stadium an.
Bei 41 waren überhaupt keine sicheren Lungenerscheinungen
vorhanden, sondern es bestanden nur allgemeine Symptome, die die
Möglichkeit einer latenten Phthise nahelegten, oder es bestand eine
Anämie, für die eine plausible Ursache sich nicht finden Hess; als
einziges lokales Symptom war in dem einen oder anderen von diesen
Fällen ein Nachschleppen der einen Thoraxseite zu konstatieren.
Von den 130 als zum Studium I gehörig bezeiebneten Fällen
wurden nach der typischen Methode injiziert
63, von diesen waren
59 positiv,
4 negativ oder zweifelhaft;
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
9] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 333
nach dem milderen Verfahren wurden
49 injiziert, von diesen waren
46 positiv,
3 negativ oder zweifelhaft.
Eine nur einmalige Injektion war erforderlich
bei 18.
Von den dem II. Stadium angehörenden Fällen wurden nach der
typischen Methode injiziert
3 sämtlich positiv,
nach dem milderen Verfahren
2 sämtlich positiv.
Nur eine einmalige Injektion war erforderlich bei 4.
Von den 41, bei denen ein sicherer objektiver Befund nicht vor¬
handen war, wurden nach der typischen Methode injiziert
15, von diesen waren
10 positiv,
5 negativ oder zweifelhaft;
nach dem milderen Verfahren
23, von diesen waren
19 positiv,
4 negativ oder zweifelhaft.
Bei 3 war nur eine einmalige Injektion zur Erzielung eines posi¬
tiven Resultates erforderlich.
Aus diesen Zahlen geht zunächst hervor, dass ein in Betracht
kommender Unterschied hinsichtlich der Erzielung eines positiven
Reaktionsresultates zwischen den beiden angewendeten Methoden, der
als typisch und der als das mildere Verfahren bezeichneten Methode,
nicht besteht. Es darf aber auch hier nicht ausser acht gelassen werden,
dass die beiden Methoden im allgemeinen in verschiedener Weise je
nach der Schwere des Krankheitseindruckes zur Anwendung kamen.
Da die angegebenen Zahlen einen klaren Einblick in den Wert
der beiden Methoden nicht verschaffen, was bei der relativen Klein¬
heit der Zahlen auch nicht wundernehmen darf, so lässt sich ein
Urteil vorläufig nur nach dem persönlichen Eindruck fällen.
Nach diesem ist die typische Methode insofern die bessere, als
sie in kürzester Zeit die klarsten Reaktionsbilder liefert; das mildere
Verfahren scheint dagegen für die ambulatorischen Injektionen im
allgemeinen empfehlenswerter zu sein, zumal in solchen Fällen, in
denen nach dem allgemeinen Krankheitseindruck eine stärkere Reak¬
tion erwartet werden kann.
Allerdings sind, wie wir später sehen werden, auch bei der am-
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334 Dr. Hammer. [10
bulatorischen Anwendung der typischen Methode irgendwelche in Be¬
tracht kommende Störungen ebenfalls nicht hervorgetreten; anderer¬
seits verleiht gegen solche ebensowenig das mildere Verfahren einen
sicheren Schutz.
Auch bezüglich der Stärke der Reaktion, welche in der Haupt¬
sache in dem Verhalten der Temperatur zum Ausdrucke kommt, lässt
sich ein erheblicher Unterschied zwischen den beiden Methoden nicht
feststellen; selbst die Fälle, in welchen nur eine einmalige Injektion
von 0,001 nötig war, verhalten sich kaum anders als die mit höheren
Dosen Behandelten.
Die normale Temperatur für den einzelnen Kranken ist aus dem
Durchschnitt der höchsten und niedrigsten Tagestemperatur der min¬
destens 8 tägigen normalen Temperaturperiode vor der I. Injektion
berechnet worden. Erhöhungen über dieselbe sind erst dann als der
Ausdruck einer pathologischen Reaktion betrachtet worden, wenn die
Temperatur von 37,5° überschritten wurde; die geringste Differenz
von der normalen Temperatur, die noch als Folge einer krankhaften
Reaktion angesehen worden ist, betrug 0,8°.
Die nun folgenden Zahlen gewähren einen Einblick in die Tem¬
peraturverhältnisse während der Reaktion.
Besonderer Wert wurde dabei gelegt auf die Feststellung des
Beginns, der Höhe und der Dauer der Reaktion und der Höhe der
Temperaturdifferenz zwischen normaler und Reaktionstemperatur. Zur
besseren Veranschaulichung des Ablaufs der Fieberreaktion sind zum
Schluss einige Fiebertabellen beigefügt worden.
Bei den nur 1 X Injizierten (vergl. Tabelle 4—10) beginnt die
Reaktion
durchschnittlich nach 15,4 Stunden,
längstens nach 32 n ,
frühestens fast unmittelbar nach der Injektion.
Die Höhe der Reaktion wird erreicht
durchschnittlich nach 31,6 Stunden,
längstens nach 60 „ ,
frühestens nach 4 „
Die Dauer der Reaktion beträgt
durchschnittlich 43 Stunden,
längstens 136 „ ,
mindestens 12 „
Die Temperaturerhöhung beträgt
durchschnittlich: 1,7 °,
höchstens: 3,7°,
mindestens: 1,0°.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
11] Ub. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstätten material. 335
Bei den nach dem milderen Verfahren (vergl. Tab. 11—18) inji¬
zierten Fällen beginnt die Reaktion
durchschnittlich: nach 11,3 Stunden,
längstens: „ 56 „
frühestens: „ 2 „
Die Höhe der Reaktion wird erreicht
durchschnittlich: nach 21,6 Stunden
längstens: „ 56 ,,
frühestens: „ 8 „
Die Dauer der Reaktion beträgt
durchschnittlich: 54,5 Stunden
längstens: 204 „
mindestens: 12 „
Die Temperaturerhöhung beträgt
durchschnittlich: 2,0°,
höchstens: 3,7 °,
mindestens: 0,8 °.
Bei den nach der typischen Methode injizierten Fällen (vergl.
Tab. 19—29) beginnt die Reaktion
durchschnittlich: nach 13,5 Stunden
längstens: „ 46
frühestens: „ 1 „
Die Höhe der Reaktion wird erreicht
durchschnittlich: nach 20,5 Stunden
längstens: ,, 50 „
frühestens: „ 2 „
Die Dauer der Reaktion beträgt
durchschnittlich: 35 Stunden
längstens: 240 „
mindestens: 12 „
Die Temperaturerhöhung beträgt
durchschnittlich: 2,1°,
höchstens: 3,8°,
mindestens: 0,9 °.
Das Verhältnis bezüglich des Beginns, der Höhe, der Dauer
der Reaktion und der Temperaturerhöhung bei den nur lmal Inji¬
zierten, die nur die Dose von 0,001 erhalten haben und bei den nach
dem milderen und nach dem typischen Verfahren Injizierten gestaltet
sich demnach folgendermassen:
Beginn der Reaktion:
15,4 : 11,3 : 13,5 Stunden.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 23
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Die Höhe der Reaktion;
31,6 : 21,6 : 20,5 Stunden.
Dauer der Reaktion:
43 : 54,5 : 35 Stunden.
Die Erhöhung der Temperatur:
1,7° : 2,0° : 2,1°.
Aus diesen Zahlen, die einem verhältnismässig kleinen Material
entnommen sind und deswegen nicht ohne weiteres eine Verallge¬
meinerung gestatten, lassen sich vielleicht mit Vorbehalt die Schlüsse
ziehen, dass, je kleiner die Dose ist, um so später und allmählicher
die Reaktion eintritt und dass um so später die Höhe der Reaktion
erreicht wird.
Über die Dauer der Reaktion lässt sich ein Gesetz an der Hand
dieser Zahlen nicht erkennen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch
hierfür ein gewisses gesetzmässiges Verhalten existiert; ein solches
wird sich aber nur dann ergeben, wenn es möglich ist, ein sehr
grosses Material zu Grunde zu legen, da in einzelnen Fällen unab¬
hängig von der Höhe der Dose unverhältnismässig lang dauernde
Reaktionen Vorkommen.
In der Natur der Sache liegt es, dass, je geringer die Dose,
um so geringer die Reaktion und damit auch die Temperatur¬
erhöhung ausfallen muss; es kommt dieses Verhalten klar zum Aus¬
druck in der durchschnittlichen Temperaturerhöhung (1,7°:2,0°: 2,1°),
während die maximale Temperaturerhöhung im einzelnen Fall
(3,7°: 3,7°: 3,8°) gar nicht oder unwesentlich voneinander abweicht.
Um über eine event. Gesetzmässigkeit der Reaktion je nach der
Höhe der Dosis noch genaueren Aufschluss zu bekommen, wurden die
Fälle nach der Höhe der einzelnen Dosis getrennt und dieselben
Berechnungen wie oben angestellt. Dabei ergaben sich folgende Zahlen:
Onfii a
Beginn der
i
i Höhe der
1
Däner der j Temperatur-
1/UOlB
Reaktion
_
Reaktion
Reaktion erhöhung
0,001
15,4
31,6
0,003
19
31,8
0,005
15,3
22,8
0,006
6
15,3
0,01
10,8
16,3
43
67,8
46,6
52
44,4
1,7
1,6
2,5
2,3
2,2
Aus diesen Zahlen ergibt sich im wesentlichen dasselbe Ver¬
hältnis. Je geringer die Dosis, um so später beginnt die Reaktion
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13] Üb. d. diagn. Tuberkuliniojekt. u. ihre Verwand, b. Heilstättenmaterial. 337
und um so später wird die Höhe der Reaktion erreicht. Bezüglich
der Dauer der Reaktion ergibt sich auch hier keine Gesetzmässigkeit
— das Verhalten der Temperaturerhöhung tritt noch klarer hervor.
Es mag noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die Richtigkeit
dieser Verhältnisse weiterer Bestätigung durch Beobachtung an einem
grösseren Material bedarf.
Von den 180 injizierten Fällen sind 16 als negativ oder zweifel¬
haft bezeichnet worden = 8,9 °/o, eine immerhin verhältnismässig
hohe Zahl, wenn man berücksichtigt, dass die Injektionen fast aus¬
schliesslich an einem mindestens der Tuberkulose verdächtigen
Material zur Ausführung kamen (vergl. Tab. 1—3). Eine nähere
Betrachtung dieser negativen Fälle ergibt, dass sich bei 7 keine
Spur einer Einwirkung der Tuberkulininjektionen feststellen Hess.
Bei einem von diesen war ein Jahr vorher eine erfolgreiche thera¬
peutische Tuberkulinkur mit der Enddosis von 1,0 reinem Tuber¬
kulin durchgeführt worden. Die diagnostische Injektion wurde ge¬
macht, weil die Patientin im Anschluss an eine Erkältung (wahr¬
scheinlich Influenza) wieder stärkeren und längere Zeit anhaltenden
Husten hatte, obwohl sich die physikalischen Erscheinungen auf der
Lunge nicht verändert hatten, gegenüber dem Befund zur Zeit des
Abschlusses der Injektionskur. Selbst unter der Voraussetzung, dass
noch eine gewisse Gewöhnung des Organismus an das Tuberkulin
vorlag, so dürfte der Fall doch in dem Sinne zu verwerten sein, dass
hier ein frischer tuberkulöser Prozess nicht spielte, sondern dass es
sich um einfache bronchitische Erscheinungen handelte, eine An¬
nahme, die durch den weiteren Verlauf auch bestätigt wurde. Bei
dem Vorhandensein eines frischen tuberkulösen Prozesses wäre auch in
diesem Fall wohl eine Reaktion zu erwarten gewesen. Bei den
übrigen neun Fällen lässt sich ein geringer Einfluss der Injektionen
auf die Fieberkurve konstatieren. Derselbe besteht in einem mässigen
Anstieg der Kurve bis auf 37,5, einigemal bis auf 37,6; der Anstieg
tritt meist am gleichen Tage der Injektion ein, nur ausnahmsweise
erst am folgenden Tage und kommt immer nur in einer einmaligen
flüchtigen Erhebung der Kurve zum Ausdruck, die sofort wieder zur
Norm absinkt — nur in einem Fall tritt eine drei Tage andauernde
Erhöhung der Kurve um einige Zehntel Grade bis auf 37,4 ein,
während bei der Injektion der höheren Dosis sich überhaupt keine
Einwirkung auf die Temperatur mehr erkennen lässt.
Dieses Verhalten, dass bei dem Auftreten einer unwesentlichen
Temperaturerhöhung diese geringe Einwirkung der Injektion bei An¬
wendung der nächsthöheren Dosis ganz verschwindet oder wenigstens
in einem geringeren Grade auftritt, kehrt bei den sämtlichen event.
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als zweifelhaft zu bezeichnenden Fällen wieder und ist als charak¬
teristisch in dem Sinne einer negativen Reaktion verwertet worden.
Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass in diesen nega¬
tiven oder zweifelhaften Fällen ganz besonders auf die übrigen lokalen
und allgemeinen Reaktionserscheinungen geachtet wurde, und dass
dieselben in sorgfältiger Weise für die Beurteilung des Ausfalls der
Reaktion mit herangezogen wurden; ferner sind der Allgemeinzustand
und der objektive Untersuchungsbefund vor der Injektion entsprechend
berücksichtigt worden.
Der Allgemeinzustand in diesen Fällen war durchweg ein guter,
ein Hab. phthisic. war nicht vorhanden; in 3 Fällen war eine Be¬
lastung zu eruieren. In 2 Fällen bestand eine allgemeine Anämie. Be¬
züglich des lokalen Lungenbefundes waren in einem Fall wiederholt
feinblasi^e Ronchi in einer Spitze vorhanden, in einem anderen Fall
waren nur ein einziges Mal trockene Geräusche in einer Spitze festgestellt
worden, einmal war eine Spitze als suspekt notiert, zweimal bestand
verschärftes Expirium auf einer Spitze, zweimal war ein geringes
Nachschleppen der einen Thoraxseite zu konstatieren. Die Reaktions¬
erscheinungen bestanden in mehrmaligem geringen Nachtschweiss, in
geringen subjektiven Fiebererscheinungen, in leichtem Appetitmangel,
eingenommenem Kopf und nur einmal in sehr grosser allgemeiner
Schwäche (nach 0,01). Schmerzen an der Injektionsstelle waren in
5 Fällen vorhanden.
Eine Veränderung des objektiven Lungenbefundes Hess sich in
keinem Fall nach weisen.
Es wird sich immerhin empfehlen, die als zweifelhaft bezeich-
neten Fälle in weiterer Beobachtung zu behalten, um event. sich ent¬
wickelnde Krankheitserscheinungen frühzeitig zu entdecken oder eine
diagnostische Injektion nach einem gewissen Zeitraum zu wiederholen.
Wenn es gestattet ist, noch einmal das längstbekannte Krankheits¬
bild der Tuberkulinreaktion in kurzen Zügen, so wie es sich aus den vor¬
liegenden Beobachtungen ergeben hat, zu skizzieren, so beginnt in
den typischen Fällen die Reaktion mit einem Schüttelfrost, an den
sich ein intensives Hitzegefühl, häufig mit einem sehr profusen
Schweissausbruch verbunden, anschliesst. Statt des ausgesprochenen
Schüttelfrostes kommt es auch wohl nur zu einem leichten Frösteln
und Frieren, abwechselnd mit einem Hitzegefühl; gewöhnlich fehlt in
solchen Fällen ein stärkerer Schweiss. Gleichzeitig oder event. schon
früher treten ein allgemeines Unwohlsein und Unbehagen, oft ein in¬
tensives Krankheitsgefühl mit gewöhnlich sehr heftigen Kopfschmerzen
auf, welch letztere bald den ganzen Kopf in gleichmässiger Weise
einnehmen, bald mehr in der Stirn, bald mehr im Hinterkopf lokali-
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15] Üb. d. diagn. Tuberkulioinjekt. u. ihre Verwand, b. Heilstättenmaterial. 339
siert sind; oder es wird nur ein gewisses Druckgefühl oder ein ein¬
genommener Kopf angegeben. In Übereinstimmung mit der Stärke
der Reaktion steht gewöhnlich das Gefühl der Prostration, charakteri¬
siert in den leichteren Fällen als Mattigkeit, allgemeine Schwäche
und ein allgemeines elendes Gefühl; in den schwereren Fällen steigert
sich die allgemeine Hinfälligkeit bis zur absoluten Unfähigkeit zu
gehen oder sich überhaupt aufrecht zu erhalten. Eingeleitet werden
diese Erscheinungen nicht gerade häufig durch einen mehr weniger
starken Schwindel.
Sehr oft ist ein stark ausgeprägtes Schwächegefühl begleitet von
heftigen Schmerzen im ganzen Körper, von allgemeinen Glieder¬
schmerzen; die Kranken fühlen sich wie gerädert oder wie zerschlagen.
Diese Erscheinungen gleichen sehr denjenigen bei einer kräftigen In¬
fluenza und ab und zu hört man wohl von den Kranken selbst spontan
die Äusserung: „Ich fühle mich, als hätte ich eine Influenza."
In seltenen Fällen kommt es zu leichten Kollapserscheinungen
oder auch zu einer völligen Ohnmacht. Mit diesen allgemeinen Krank¬
heitserscheinungen korrespondiert das Aussehen der Kranken. Der
Krankheitseindruck ist oft ein sehr schwerer, das Aussehen stark
verfallen, die Augen liegen tief, das Gesicht ist eingefallen, mit einem
Wort, die Kranken sehen oft jämmerlich aus — im Gegensatz dazu
ist wieder selbst bei sehr ausgesprochener und starker Reaktion das
Aussehen der Patienten ausserordentlich wenig in Mitleidenschaft ge¬
zogen und man sieht ihnen in keiner Weise an, dass sie während der
reaktiven Fieberperiode irgendwie leiden — umgekehrt kann auch
bei nur geringer fieberhafter Reaktion der allgemeine Krankheitsein¬
druck ein recht schwerer sein.
Meist werden selbst die schwersten Formen dieser Zustände in
erstaunlich kurzer Zeit überwunden. Der Schlaf ist während der
hauptsächlichen Fieberperiode meist gestört; entweder ist derselbe
nur schlecht oder unruhig oder es besteht völlige Schlaflosigkeit, die
dann gewöhnlich vergesellschaftet ist mit einer allgemeinen Aufgeregt¬
heit, die auch nach dem Ablauf der eigentlichen Fieberreaktion sich
noch einige Tage erhalten kann.
Nur ausnahmsweise kommt es zu einer völligen Benommenheit
mit Delirien — diese Erscheinungen wurden nur in einem Fall wäh¬
rend der Akme des Fieberstadiums beobachtet.
Von Allgemeinerscheinungen sind schliesslich noch zu erwähnen
die fast konstant vorhandene Appetitlosigkeit, selten bleibt der Appetit
event. bei geringen Reaktionen ganz unverändert; einmal konnte
sogar eine erhebliche Steigerung des Appetits bei gleichzeitig erheb¬
licher Reaktion festgestellt werden.
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Neben den Veränderungen des Appetits besteht nicht allzu häufig
Übelkeit und Brechneigung, nur selten kommt es zu eigentlichem Er¬
brechen; es werden auch ab und zu Klagen über Magendruck und
Magenschmerzen laut, Beschwerden, die häufig isoliert ohne gleich¬
zeitige Anwesenheit von Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen
aufzutreten pflegen. Erwähnt mag ferner noch werden, dass sich
hie und da an die Appetitlosigkeit eine mehr weniger lang dauernde
Störung oder völlige Aufhebung des Geschmacksvermögens anschliesst
in gleicher Weise, wie es bei der Influenza nicht selten zur Beobach¬
tung kommt. Analog diesen letzterwähnten Magenerscheinungen
stellen sich auch allgemeine Leibschmerzen ein, ohne oder mit gleich¬
zeitig einsetzenden Durchfällen; ausnahmsweise tritt Verstopfung auf.
Die Untersuchung des Abdomens ergibt bei dem Vorhandensein
isolierter Magen- wie allgemeiner Leibschmerzen meist einen negativen
Befund; Milzschwellungen, die schmerzhaft sein können, lassen sich
zuweilen konstatieren; Schwellungen der Leber scheinen recht selten
zu sein; eine solche konnte nur einmal ermittelt werden; in einem
Falle konnte eine schmerzhafte Resistenz in der Gegend der Flexur,
ein anderes Mal in der Gegend des Wurmfortsatzes festgestellt wer¬
den ; in beiden Fällen war es durchaus unwahrscheinlich, dass es sich
etwa um spezifisch tuberkulöse Prozesse handeln möchte; die Re¬
sistenzen waren bei späterer Untersuchung nicht mehr nachzuweisen.
Beschwerden von seiten der Blase sind nicht häufig beobachtet
worden; sie bestehen in Harndrang, Schmerzen beim Urinieren, aus¬
nahmsweise in einer Polyurie, über deren Umfang bei der ambula¬
torischen Beobachtung ein genaueres Urteil nicht gewonnen werden
konnte. Die objektive Untersuchung des Urins führt meist zu keinem
Resultat, doch lässt sich eine massige Albuminurie, die wohl als
febrile zu deuten ist, nicht gar zu selten feststellen; niemals Hessen
sich in einem solchen Fall durch die mikroskopische Untersuchung
Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Nephritis gewinnen.
Hämaturie kam niemals zur Beobachtung. Die Entleerung eines
blutigen Fetzens im Urin, der aus einem Epithelrasen mit aufge¬
lagerten weissen und roten Blutzellen bestand und keine Tuberkel¬
bacillen enthielt, in einem Fall, indem der Verdacht auf eine Nieren¬
beckentuberkulose vorlag, muss als der Ausdruck einer lokalen Re¬
aktion aufgefasst werden.
Viel geringer als man es nach den früheren Berichten aus der
ersten Tuberkulinperiode hätte erwarten sollen, sind die von der Lunge
ausgehenden Erscheinungen.
Am häufigsten lässt sich das Auftreten eines mehr weniger hef¬
tigen Reizhustens feststellen, der selten so stark wird, dass er be-
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17] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 341
sonderer Behandlung bedarf und meist mit dem Ablaufen der Re-
aktion von selbst verschwindet; eine Steigerung schon vorher be¬
stehenden Hustens ist ein schon selteneres Symptom; das Auftreten
von Auswurf — wenn solcher vorher nicht vorhanden — ist nur
vereinzelt zu konstatieren, ebenso kann eine Vermehrung schon vor¬
her bestehenden Auswurfes oder eine qualitative Änderung desselben
nur selten bemerkt werden. Dieselbe besteht häufiger darin, dass
der Auswurf flüssiger, seröser, schaumiger wird, ausnahmsweise darin,
dass er kompakter und eitriger wird. Auch Blutbeimengungen sind
relativ seltene Erscheinungen, eigentliche Hämoptysen waren in keinem
einzigen Falle zu verzeichnen. Ganz vereinzelt auftretendes Nasen¬
bluten mag an dieser Stelle mit erwähnt sein. Angaben über eine
Erschwerung des Atmens oder einem Oppresionsgefühl auf der Brust
begegnet man nicht gerade selten; eine wirklich beängstigende Dyspnoe
ist bei keinem Kranken hervorgetreten. Schmerzen auf der Brust
im Bereich des Lungenbefundes sind häufig vorhanden.
Entsprechend diesen im ganzen geringen Lungenerscheinungen
sind auch die Resultate der objektiven Untersuchung keine erheb¬
lichen. Es handelt sich dabei meist um minimale qualitative Ver¬
änderungen des physikalischen Befundes, während nur einmal eine
diffuse über die ganze Lunge ausgedehnte Bronchitis nachgewiesen
werden konnte.
Diese Veränderungen bestehen in dem Auftreten von Ronchi, in
dem Deutlicherwerden vorher zweifelhafter Ronchi, in dem konstanten
Vorhandensein von Ronchi, die vorher nur zeitweise nachweisbar ge¬
wesen waren, in der Vermehrung und Vergröberung von Ronchi, in
dem Auftreten von verschärftem an Stelle von früher normalem Ex-
pirium.
Nur ein einziges Mal Hessen sich als Resultat der Injektion
Bacillen in dem vorher bacillenfreien Auswurf nachweisen. Im ganzen
lässt sich sagen, dass eine Veränderung des Lungenbefundes oder
das Auftreten von vorher nicht vorhandenen Erscheinungen kein
gerade häufiges Ereignis ist. So wertvoll deswegen derartige Ver¬
änderungen für den Nachweis des lokalen Herdes sind, so kann bei
dem häufigen Fehlen derselben keineswegs auf die Abwesenheit eines
Lungenherdes bei positiver Allgemein-Reaktion geschlossen werden.
An dem akuten fieberhaften Reaktionszustand beteiligt sich auch
das Herz durch Symptome, die fast ausschliesslich in Herzklopfen
bestehen; manchuial tritt das Herzklopfen in typischen tachykar-
dischen Anfällen auf. Es kann auch zu Zuständen kommen, die
einer Angina pectoris sehr ähnlich sehen.
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Die objektive Untersuchung hat am Herzen niemals einen Be¬
fund ausser dem einer Beschleunigung und geringer Irregularität
des Pulses ergeben; niemals liess sich etwa eine Dilatation des
Herzens nachweisen; wie bemerkt, konnten die Kranken auf der Höhe
der Reaktion gewöhnlich nicht beobachtet und untersucht werden;
es mag sein, dass sich dann noch weitere Veränderungen hätten
eruieren lassen; soviel lässt sich jedoch sagen, dass dieselben nur
von untergeordneter Bedeutung und vorübergehender Natur gewesen
sein können.
Wenn noch erwähnt wird, dass gelegentlich Schmerzen im Rücken,
im Kreuz, in den Augen und Zähnen auftreten, dass mehrere Nächte
hintereinander Nachtschweisse unabhängig von der Temperatur¬
erhöhung sich einstellen können, oder dass vorher regelmässig vor¬
handene Nachtschweisse nach dem Eintritt der Reaktion verschwin¬
den, so ist damit das Krankheitsbild der Tuberkulinreaktion, wie es
sich aus dem vorliegenden ambulatorischen Beobachtungsmaterial er¬
gibt, im wesentlichen erschöpft und es erübrigt nur noch später
einiger spezieller mit den Injektionen in Zusammenhang stehenden
Erscheinungen zu gedenken.
Zur Vervollständigung des Reaktionsbildes gehört noch die An¬
gabe, dass die Patienten nach dem Ablauf der Reaktion oft ein ganz
besonderes Wohlbefinden zeigen, sie fühlen sich wohler und kräftiger
als vorher, alle möglichen subjektiven Beschwerden wie Enge auf der
Brust, herumziehende rheumatische Schmerzen, Husten, Appetitlosig¬
keit etc., sind verschwunden und die Patienten halten sich für ge¬
sund; es ist vorgekommen, dass Patienten dann auf Grund dieses
Wohlbefindens die Einleitung eines Heilverfahrens abgelehnt haben.
Eine nicht allzuhoch zu veranschlagende Unannehmlichkeit der
Injektionen besteht darin, dass sie in sehr vielen Fällen in ihrer
Umgebung eine ausserordentlich intensive Schmerzhaftigkeit ver¬
ursachen.
Die Schmerzhaftigkeit ist oft derartig stark, dass die Kranken
auf der Seite der Injektion nicht liegen können. Die Schmerzen können
in entferntere Gegenden ausstrahlen, nach oben zu und nehmen dann
den ganzen Hals und den Hinterkopf ein, oder nach unten den
Rücken herab; ev. strahlen sie auch in die Arme aus und sind dann
häufig mit Parästhesieen, Ameisenlaufen, Kriebeln, Gefühl von Taub¬
sein, Kältegefühl etc. verbunden.
Das Aufsetzen des Stethoskops auf die schmerzhafte Stelle zu
Untersuchungszwecken ist häufig unmöglich. Die Grösse der Schmerz¬
haftigkeit steht in Beziehung zur Grösse der Dosis und zur Schnellig¬
keit des Ansteigens mit der Dosis, denn sie tritt bei geringeren Dosen
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19] Üb. d. diagn. Tuberkulin in jekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 343
seltener und massiger auf als bei höheren und wird bei den Injek¬
tionen zu therapeutischen Zwecken in allmählich steigender Dosis
fast immer gänzlich vermisst.
Eine Abscedierung ist in keinem Falle im Anschluss an die In¬
jektionen beobachtet worden, wohl aber kommt es oft zu einer mas¬
sigen Schwellung und ziemlich starken Infiltration der Haut, ver¬
bunden mit einer starken Rötung in einem manchmal ziemlich grossen
Umkreis der Injektion. Die Schwellung fühlt sich heiss an und ist
auf Berührung ausserordentlich schmerzhaft. Dieser Zustand hat die
grösste Ähnlichkeit mit einer erysipelatösen oder erythematösen
Schwellung wie sie in ähnlicher Weise auftritt z. B. bei einer Injek¬
tion von Diphtherieheilserum oder bei einer Impfung mit animaler
Lymphe, und läuft nach einigen Tagen ab ohne weitere Störungen
oder Schädigungen hervorzurufen.
Es entwickelt sich auch in Abhängigkeit von den Injektionen
eine massige Schwellung und intensive Schmerzhaftigkeit der der Injek¬
tionsstelle benachbarten Lymphdrüsen, ein Vorgang, der keineswegs
als der Ausdruck einer tuberkulösen Reaktion betrachtet werden
kann. Im übrigen ist nur noch zu erwähnen, dass in Zusammenhang
mit stärkeren Fiebererscheinungen ab und zu (im ganzen 7 mal) ein
Herpes facialis zur Beobachtung kam.
Von den injizierten Fällen sind 2 gestorben, von denen der eine
zur Sektion kam. Derselbe hatte nicht reagiert. Das Sektionser-
gebnis ist später kurz angeführt.
Bei dem zweiten Todesfall war nach einer Injektion von 0,001
eine massige und rasch vorübergehende Reaktion aufgetreten. Der
Patient machte bei relativ geringen lokalen Krankheitserscheinungen
einen schweren allgemeinen Krankheitseindruck. Er starb 6 Wochen
nach der Injektion. Ein Zusammenhang des Todes mit der Injektion
ist sicher auszuschliessen; die Sektion konnte leider nicht gemacht
werden.
Ausserdem ist noch ein weiterer Todesfall vorgekommen; da die
näheren Daten der Injektion (Temperaturbeobachtung etc.) verloren
gegangen waren, so konnte der Fall unter dem vorliegenden Material
nicht mit aufgeführt werden. Es war etwa 3 Wochen nach der In¬
jektion ein Typhus ausgebrochen — nach Abheilung des Typhus ent¬
wickelte sich eine Miliartuberkulose der Lungen, der die Patientin
erlag. An einen Zusammenhang der Miliartuberkulose mit der Injek¬
tion kann unter solchen Umständen wohl kaum gedacht werden.
Aus der Schilderung der Krankheitserscheinungen der Tuberkulin¬
reaktion, wie sie dem zu gründe liegenden Material entnommen sind,
ergibt sich, dass ernste Schädigungen, die eine begründete Kontra-
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314 Dr. Hammer. [20
indikation gegen die allgemeinere Anwendung der diagnostischen Injek¬
tion abgeben könnten, nicht hervorgetreten sind.
Es ist aber eingangs betont worden, dass die mit den Injektionen
verbundenen Gefahren sich einer allgemeineren Durchführung der
Injektionen zu diagnostischen Zwecken entgegenzustellen scheinen,
und es ist nicht ausgeschlossen, dass das vorliegende Material nicht
gross genug ist und dass nur durch Zufall ernstere Schädlichkeiten
vermieden sind.
Unter diesen Umständen erscheint es der Mühe wert, in eine
eingehendere Prüfung der Gefahren zu treten, die mit der Anwendung
des Tuberkulins verknüpft sein sollen.
Hierzu bietet die Literatur der ersten Tuberkulinperiode, als
das neue Heilmittel in ausgedehntester Weise bei allen möglichen
Formen der Tuberkulose von der leichtesten Erkrankung bis zu den
schwersten, zur Anwendung kam, die beste Gelegenheit, zumal damals
bei der Behandlung mit Tuberkulin das Hervorrufen einer Reaktion
in gleicher Weise wie jetzt bei der Injektion zu diagnostischen
Zwecken als wesentlich angesehen wurde.
Es wurden zuletzt die bei dem vorliegenden Material hervor¬
getretenen geringfügigen Störungen von seiten der Haut besprochen.
Im Anschluss hieran und um von den leichteren zu den schwereren
Störungen überzugehen, mögen zunächst in aller Kürze die zahl¬
reichen und ausserordentlich verschiedenartigen Affektionen der Haut
Erwähnung finden, die der Literatur zu entnehmen sind.
Neben dem Herpes facialis (1—13 und 41) als der unzweifel¬
haft häufigsten Erscheinung, wird berichtet von masern- und
scharlachähnlichen (1, 14, 6, 15, 7, 16, 11, 17, 18, 19, 12, 20, 10,
22, 21, 23) Exanthemen, die meist ohne, seltener mit Abschuppung
einhergehen und häufig sofort mit Abfall des Fiebers verschwinden.
Weniger häufig sind papulös-makulöse Exantheme, eine über den
ganzen Körper ausgedehnte Roseola papulosa (10, 14), ein klein¬
fleckiges rasch vorübergehendes Exanthem (8), auch andere roseola-
oder urticariaähnliche Exantheme (20, 13, 15, 7) beobachtet worden.
Hieran schliessen sich verschiedene Erythemformen z. B. ein
knötchenförmiges Erythem (12, 17), ein Erythema maculatum (16),
ein als Erythema fugax bezeichneter, sich auf Gesicht, Brust, Bauch
und Rücken erstreckender Ausschlag (6), ferner wird eine Miliaria
alba bei reichlicher Schweissproduktion (12) erwähnt und ein nicht
näher definierbares, einem Erysipelas bullosum gleichendes Exanthem
mit tiefer Rötung und starker Infiltration der Haut einhergehend;
es entwickelten sich grosse, mit trübem Serum gefüllte Blasen, welche
platzten und grosse oberflächlich wunde Stellen zurückliessen; nach
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21J Üb. d. diagn. Tuberkulin in jekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 845
später erfolgender starker Abschuppung und Abstossung der Ober¬
haut in mächtigen Fetzen und Schuppen trat völlige Heilung ein (3).
Alle diese verschiedenartigen Ausschläge, die wohl mit Ausnahme des
Herpes facialis, der als eine Begleiterscheinung des Fiebers zu
deuten ist, den Arzneiexanthemen in Parallele zu setzen sind und
fast in den gleichen Formen und Arten bei der Diphtheriebehandlung
mit Behrings Heilserum beobachtet wurden, sind geheilt ohne eine
Schädigung der Betroffenen zur Folge zu haben.
Entsprechend unseren Beobachtungen finden sich auch in der
Literatur Symptome einer mehr weniger grossen Schmerzhaftigkeit,
einer Schwellung mit gleichzeitiger Infiltration und Rötung im Be¬
reich der Injektionsstelle, ebenso wie diejenigen einer Schwellung
und Schmerzhaftigkeit der regionären Lymphdrtisen (24, 25, 8, 21,
26, 27, 7, 28, 5, 16, 8, 29, 17, 19) als häufige Vorkommnisse an¬
geführt; Abscedierungen sind niemals aufgetreten, nur einmal ist es
zu einer umschriebenen Gangrän an der Injektionsstelle (31) gekommen.
Von weiteren Störungen ist das Auftreten von Ikterus bekannt
geworden (21, 41, 27, 32, 5, 6, 7, 32) oder es wird nur eine Gelb¬
färbung der Skleren, event. auch leichte ikterische Färbung der
Haut und Schleimhaut ohne gleichzeitige Entfärbung der Fäces und
ohne das Auftreten von Gallenfarbstoff im Urin angegeben (12, 20,
8, 34). Der Ikterus wird von einigen Autoren (21, 35) als ein
hämatogener aufgefasst, zumal Gallenfarbstoffe im Urin und Ent¬
färbung der Fäces häufig vermisst wird.
Einen ausgesprochenen Ikterus hatten wir keine Gelegenheit zu
beobachten, nur einmal fiel eine leichte ikterische Färbung der
Scleren auf, ohne dass sich Gallenfarbstoff im Urin hatte nachweisen
lassen; die Fäces waren der Untersuchung nicht zugängig gewesen.
Die ikterische Färbung ging ohne weitere oder dauernde Schädi¬
gung zurück.
Während Schwellungen der Leber mit gleichzeitiger Schmerz¬
haftigkeit (12) selten erwähnt sind, scheinen Milzschwellungen, mit
oder ohne Druckempfindlichkeit ein häufiges Ereignis (10, 36, 27,
7, 16, 11, 29, 34, 12) gewesen zu sein; auch diese Beobachtung
deckt sich mit unseren Erfahrungen. Die Milzschwellung geht oft
gleichzeitig mit dem Ablauf der Reaktion zurück, häufiger bleibt sie
noch einige Tage nach abgelaufener Reaktion nachweisbar, um
schliesslich ohne weitere Störung zu verschwinden.
Die sonstigen gastrischen und intestinalen Störungen (6, 15, 27), wie
Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Appetitlosigkeit, Leibschmerzen,
Diarrhöeen, Verstopfung etc. können der diagnostischen Injektion
kein ernstes Bedenken entgegenstellen, sofern dieselben nur als Be-
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gleiterscheinungen der allgemeinen Reaktion und nicht etwa als der
Ausdruck einer lokalen Reaktion aufzufassen sind. Ist das Vorhanden¬
sein von lokalen tuberkulösen Prozessen z. B. Geschwüren oder an¬
deren tuberkulös-peritonitischen Prozessen zu vermuten, so wird eine
grosse Reserve bezüglich der Injektion notwendig, da unter solchen
Umständen ernste Gefahren (58, 64) auftreten können, auf die wir
später zurückkommen.
Der Urin ist während der Tuberkulinperiode vielfach Gegenstand
sehr genauer Untersuchungen gewesen; dieselben geben über mannig¬
fache Veränderungen Aufschluss.
Neben Schmerzen beim Urinieren, häufigem Harndrang während
der Fieberperiode ist ausnahmsweise eine Verminderung der Harn¬
menge (12), nicht selten dagegen eine Polyurie nach den Reaktionen
oder an den Injektionstagen selbst (37, 16, 19, 30, 12) beobachtet
worden.
Wenn von einer grösseren Anzahl von Autoren das Auftreten
einer Albuminurie bei vorher normalem Urin (38, 39, 40, 41, 24,
27, 32, 5, 16, 42, 43, 11, 29, 12) als ein häufiges Symptom be¬
zeichnet wird, wird dasselbe von anderen trotz sorgfältigster Be¬
obachtung ausdrücklich geleugnet (19, 9, 44, 10, 7).
Alle sind sich wohl darin einig, dass diese Albuminurie niemals
als der Ausdruck einer eigentlichen Nierenentzündung wegen der
regelmässigen Abwesenheit morphotischer Nierenbestandteile gedeutet
werden kann, sondern nur als rein febrile Albuminurie aufzufassen ist.
In einem Fall (45) (23jähriges zartes, blasses, gut genährtes Fräulein —
Lupus des Gesichts, der Nase, des Unterschenkels und des Fusses, stärkere Drüsen¬
schwellungen; Lungen gesund, kein Eiweiss. Injektion von 0,005 ; 0,008.0,01
in kurzen Zwischenräumen, sehr heftige Reaktion, Herzschwäche, Cyanose, starke
Albuminurie — Exitus unter Stillstand der Atmung) fand sich bei der Autopsie
eine sehr bedeutende diffuse Erkrankung des Parenchyms und des
interstitiellen Gewebes in den Nieren.
Aus dem mir zur Verfügung stehenden Referat lässt sich ein
Urteil über diesen Fall nicht abgeben, immerhin scheint es nicht
ausgeschlossen, dass die Nieren bei der ausgedehnten Erkrankung
auch schon vorher krank waren trotz der Abwesenheit von Eiweiss.
Ausserdem würde dieser eindeutige Erkrankungszustand heute
weder Gegenstand diagnostischer noch therapeutischer Tuberkulin¬
injektionen werden. Auch von anderer Seite wird noch auf die Mög¬
lichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Entwickelung einer Nephritis
im Anschluss an die Injektionen hingewiesen (59). Es lässt sich aber
niemals mit Sicherheit das Tuberkulin als ätiologisches Moment
erkennen.
Gck igle
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23] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verweod. b. Heilstätten material. 847
Dass bei bestehender Nephritis ernste Schädigungen eintreten
können, kann nicht bezweifelt werden und als Beleg dafür mag die
Angabe dienen, dass eine Steigerung des Eiweissgehaltes (21, 38) mit
Oligurie bis zu völliger Anurie und gleichzeitige Vermehrung der
Cylinder wie der sonstigen morphotischen Elemente (27, 5) zur Be¬
obachtung gekommen sind.
Neben rasch vorübergehender hämorrhagischer Beschaffenheit des
Urins (8, 12) und mit der Reaktion auftretenden und wieder ver¬
schwindenden reichlichen Beimischungen von Nierenbecken und Blasen-
epithelien, weissen Blutzellen, spärlichen roten Blutkörperchen und
einzelnen Epitheleylindern (12) wird berichtet über das Auftreten von
Peptonurie (ev. mit Acetonurie) 46, 12, 47, 44) und von Diazoreaktion
(12, 48, 32, 8); alles Zustände, die in keinem Fall zu einer ernsten
oder dauernden Schädigung geführt haben; einmal findet sich eine
rasch vorübergehende Glykosurie erwähnt (18).
Hiernach sind bei intakten Nieren ernste und nachhaltige Stö¬
rungen im allgemeinen nicht hervorgetreten, bei vorhandenen Nieren¬
erkrankungen ist Vorsicht geboten und dürften die Injektionen am
besten zu vermeiden sein.
Symptome von bedrohlicher Herzschwäche oder schwere Kollaps¬
erscheinungen (49, 50, 27, 3, 16, 51, 18, 52, 53, 54) geben bei ge¬
nauerer Sichtung, des Materials in erster Linie davon Zeugnis, dass
die Injektionen vielfach in viel zu weit vorgeschrittenen Erkrankungs¬
formen zur Anwendung gekommen sind. '
Auch die im Anschluss an die Injektionen infolge von Herz¬
schwäche eingetretenen Todesfälle (51, 54, 53), bei denen es sich ein¬
mal um eine 71jährige Pfründnerin handelte, in den beiden anderen
Fällen sehr weit fortgeschrittene Erkrankungsstadien Vorlagen, können
an dieser Ansicht kaum etwas ändern.
Von sonstigen zwar vorübergehenden, immerhin ernst genug zu
nehmenden Störungen finden sich verzeichnet Delirium cordis (49)
Zustände von Angina pectoris und Präkordialangst (3, 17), Dehnungen
des rechten (12) und des linken Ventrikels. Als leichtere Krankheits¬
erscheinungen sind zu erwähnen einfache, unter Umständen sehr er¬
hebliche Steigerung der Pulsfrequenz ev. mit Dikrotie (8, 55, 12) und
Irregularität des Pulses (16, 44, 12).
Diesen zweifellos vorhandenen aber bei richtiger Auswahl der
Fälle wohl vermeidbaren, vom Herzen ausgehenden Gefahren reihen
sich die in den Luftwegen, hauptsächlich in den Lungen, sich ab¬
spielenden Reaktionserscheinungen an.
Dyspnoe von mehrtägiger Dauer (32, 12), Beschleunigung der
Atmung mit und ohne Beklemmungen (15, 16, 12, 56) auch Bra-
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dypnoe (16) und Orthopnoe, überhaupt eine Änderung des Atemtypus,
dürfen als Zustände von geringerer Bedeutung betrachtet werden,
dagegen sind Erscheinungen von höchst bedrohlicher Atemnot und
schwerer Kehlkopfstenose (23, 9, 16, 43, 57, 58), die einigemal die
Tracheotomie erforderte, ausschliesslich bei Lupus oder Phthisis La¬
ryngis vorgekommen. Da eine diagnostische Injektion in differential¬
diagnostisch schwierigen Fällen von Affektionen des Kehlkopfes (Lupus,
Lues, Tumoren, Phthisis laryngis etc.) sich gelegentlich kaum wird
umgehen lassen, so werden sich die schwersten eventuell das Leben
bedrohenden mit dem Auftreten einer lokalen Reaktion im Kehlkopf
verknüpften Gefahren doch vermeiden lassen, wenn die aus den er¬
wähnten Erfahrungen zu ziehende Lehre beherzigt und die
Möglichkeit einer Tracheotomie unter solchen Umständen jederzeit
ins Auge gefasst wird. Das Auftreten von Husten, oft recht quälen¬
den und anhaltenden Reizhusten und von Auswurf oder eine Steige¬
rung dieser schon vorher bestehenden Symptome (3, 16, 17), ebenso
qualitative Veränderungen des Auswufes, Reaktionserscheinungen, mit
denen man jederzeit rechnen muss, und welche sich auch bei dem
vorliegenden Material nicht selten zeigten, können an sich keine ernste
Schädigung nach sich ziehen, sofern nur der vermehrte Auswurf einen
sicheren Ausweg nach aussen finden kann.
Dagegen verdient die Möglichkeit des Eintrittes einer Hämoptyse
als eine ernste Gefahr berücksichtigt zu werden.
Meist wird nur von leichten Blutbeimengungen zum Auswurf oder
leichter sanguinolenter Färbung des Auswurfes berichtet (4, 15, 11,
12, 17), ferner von geringen ohne Nachteil verlaufenen wirklichen
Hämoptysen (32, 5, 44, 58). Schliesslich soll sich aber in einem Fall
an eine durch die Injektionen hervorgerufene Hämoptyse eine ernstere
Gefahr in Gestalt einer Infiltration der einen Lunge angeschlossen
haben (59) und in einem anderen eine bisher gutartige fieberlose
Phthise nach einer einzigen Injektion von 0,001 in ein unter stetem
Fieber und unstillbaren heftigen Hämoptysen schnell zum Tode führen¬
des Leiden verwandelt haben (60). Wenn auch die Möglichkeit des
Auftretens von Hämoptysen im Anschluss an die Injektionen zugegeben
werden muss, so wird sich doch die Frage ob post hoc oder propter
hoc immer nur schwer entscheiden lassen. So wird von einigen
Autoren (6, 29) ausdrücklich hervorgehoben, dass niemals stärkere
Hämoptysen beobachtet wurden, auch bei solchen Kranken nicht,
die früher öfters an Blutungen gelitten hatten. Besonders lehrreich
in dieser Beziehung sind zwei Fälle von Ho fm ei er (6), welche der
Behandlung mit Tuberkulininjektionen unterworfen werden sollten.
Dieselben demonstrieren in anschaulicher Weise, wie glücklich Un-
Gck igle
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25] Üb. d. diagn. Tuberkalininjekt. u. ihre Verwand, b. Heilstättenmaterial. 349
glücksfälle vermieden wurden, die sonst unbedingt den Injektionen
zur Last gelegt worden wären. In dem einen platzte zufällig vor
der ersten Injektion nach vorheriger reichlicher Blutung eine Kaverne,
in dem anderen trat unter abundanter Hämoptoe vor Ausführung der
Injektion der Exitus ein.
Während das Auftreten von diffusen Bronchitiden (90) bei nicht
tuberkulösen Kranken oder in nicht erkrankten Lungenpartieen, als
ein im ganzen seltenes und weniger gefährliches Vorkommnis gelten
kann, zumal sich dieselben stets nach mehr oder weniger langer Zeit
residuenlos zurückgebildet haben, müssen die so oft und in nachdrück¬
lichster Weise von besonders autoritativer Seite (Virchow, Hause¬
mann etc.) erwähnten Zustände von käsiger Pneumonie, geradezu als
Injektionspneumonie bezeichnet, ferner eigentümliche frische Infil¬
trationen grösserer Lungenpartieen, eitrige Einschmelzungen, Gangrän,
(67, 69, 71, 75, 70, 82 etc.) als höchst bedenkliche Folgen betrachtet
werden, deren sichere Abhängigkeit von den Injektionen wohl ein für
allemal ein Veto gegen die weitere Verwendung des Tuberkulins ein-
legen müsste.
Bei einer genaueren Prüfung des Materials ergibt sich jedoch,
dass dasjenige, bei dem die oben erwähnten Folgezustände zur
Kenntnis gelangten, durchweg ein sehr schweres war, dass es sich
in allen diesen Fällen um weit fortgeschrittene Erkrankungen von
Phthisis pulm. handelte, die meist noch kompliziert war durch gleich¬
zeitige Tuberkulose vieler anderer Organe. Die Behauptung erscheint
als durchaus zutreffend, dass in allen solchen Fällen, in denen die
vorbezeichneten schweren Schädigungen zum Ausdruck kamen, die
Anwendung des Tuberkulins eigentlich kontraindiziert war.
Berücksichtigt man ferner, dass das Prinzip der damaligen
therapeutischen Tuberkulininjektion in dem Hervorrufen einer mög¬
lichst kräftigen Reaktion, in welcher der wesentlichste Heilfaktor
erblickt wurde, bestand, so dürfte ohne weiteres klar sein, dass sich
derartige schwere Störungen sicher vermeiden lassen, eine Ansicht,
die auch schon in jener Zeit von verschiedenen Seiten geäussert
wurde, so dass dieselben bei dem heutigen veränderten Prinzip der
therapeutischen Injektion wie bei der weit strengeren Indikations¬
stellung für die diagnostische Injektion kaum noch ernstlich in Be¬
tracht kommen können.
Neue Eruptionen von tuberkulösen Herden, die in der Nähe
und in der Umgebung von alten, an vorher intakten Stellen aufge¬
treten sein sollen z. B. auf der Zunge, auf dem Gaumen und der
Tonsille, im Kehlkopf, am Zahnfleisch (91, 89, 76, 74, 72, 66, 65,
63, 67, 69, 71, 75) müssen ebenfalls als eine sehr ernste Gefahr an-
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Dr. Hammer.
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gesehen werden. Bei den Eruptionen, die auf der Beobachtung zu¬
gänglichen Schleimhäuten in die Erscheinung getreten sind, wird es
sich schwer entscheiden lassen, ob die betreffenden Stellen nicht
bereits vorher erkrankt waren, so dass die Eruption durch die Injek¬
tion gewissermassen nur ausgelöst worden ist, dass sie nur der Aus¬
druck einer im bereits erkrankten Gewebe stattfindenden Reaktion
war. Eine solche Annahme, die schon damals viele Verteidiger fand,
erscheint durchaus wahrscheinlich, da das event. durch die Injektion
mobil gemachte tuberkulöse und infektiöse Material ja nach aussen
entleert werden kann.
Tatsächlich hat man an dem Sektionsmaterial von Injizierten
auffallend häufig frische miliare Eruptionen in der Nachbarschaft
tuberkulöser Prozesse, sowie allgemeine Miliartuberkulose zu Gesicht
bekommen (17, 68, 70, 29, 85, 116, 117, 111, 19, 112, 115, 69).
Es darf dabei aber nicht ausser acht gelassen werden, dass zur
Zeit der Tuberkulinbehandlung begreiflicherweise ein gewaltiger Konflux
von tuberkulösen Kranken in die Krankenhäuser stattfand und dass
natürlich ein ganz besonderer Wert auf die Sektionen von injiziertem
wie nicht injiziertem Material gelegt wurde. Hierdurch hat ohne
Zweifel eine beträchtliche Steigerung der Sektionen Tuberkulöser an
sich stattgefunden. Die Sektionen sind ferner auch ganz besonders
sorgfältig gemacht. Ein Blick auf die Sektionsprotokolle jener Zeit
lehrt, dass gerade das Sektionsmaterial, welches die Injizierten
lieferten, durchweg ein sehr schwer erkranktes war. Diese schweren
Krankheitszustände waren aber nicht etwa eine Folge der Injek¬
tionen, sondern hatten schon vor der Anwendung derselben be¬
standen. Diese Zustände konnten höchstens in der einen oder
anderen Richtung durch die Injektionen verschlimmert worden sein.
Der Zufall kann deswegen sehr wohl eine Rolle gespielt haben und
es erscheint von vornherein nicht berechtigt, alle jene auf dem
Sektionstisch gemachten Beobachtungen von Pneumonie, käsiger Hepa¬
tisation, von frischen miliaren und submiliaren Tuberkeleruptionen ?
entstanden gedacht durch metastatische Bacillenverschleppung infolge
Mobilisierung tuberkulösen Materials, oder schliesslich der allgemeinen
Miliartuberkulose ohne weiteres den Injektionen in die Schuhe zu
schieben. Erst eine Gegenüberstellung von injiziertem und nicht
injiziertem im übrigen vergleichbarem Material würde hier Klarheit
schaffen können, aber auch dann erst zu einem verwertbaren
Resultat führen können, wenn die erwähnten Zustände bei den
Injizierten ausserordentlich viel häufiger zur Beobachtung gelangen
würden, als bei den nicht injizierten oder anders behandelten Fällen.
Ein Versuch in diesem Sinne ist von Fürbringer (82) gemacht
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27] Ob. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 351
worden. Er stellt 14 Injizierte, von denen bei 7 die Behandlung mit
Tuberkulin sechs Wochen vor dem Tode ausgesetzt wurde, 142 nicht
Injizierten . gegenüber und findet ungewöhnlich ausgedehnte käsige
Pneumonie
bei den Injizierten in 33°/o
bei den nicht Injizierten in 15°/o
Ungewöhnlich ausgedehnte Miliartuberkulose der Lungen
bei den Injizierten in 43°/o
bei den nicht Injizierten in 6°/o
Mehr weniger allgemeine Miliartuberkulose
bei den Injizierten in 21°/o
bei den nicht Injizierten in 10°/o.
Er gibt selber zu, dass sämtliche behandelte Fälle sehr schwere,
fieberhafte und für eine Tuberkulinbehandlung ganz ungeeignete
tuberkulöse Erkrankungen gewesen seien; die injizierten Dosen seien
zu hoch gewesen.
Diese Statistik ist selbstverständlich viel zu klein, um beweisend
zu sein; die Möglichkeit des Zusammenhanges derartiger Zustände
mit den Injektionen muss jedoch zugegeben werden und deswegen
mit einer solchen gerechnet werden.
Wegen der Schwere des Materials aber muss die Frage offen
bleiben, ob nicht alle diese Schädlichkeiten bei einer sorgfältigeren
Auswahl der Fälle hätten vermieden werden können; lässt sich eine
solche Vermutung heute auch nicht absolut sicher begründen, so ist
sie doch mindestens sehr wahrscheinlich.
Weiterhin muss noch der Gefahr Erwähnung geschehen, dass
durch Zerfall tiefgehender geschwüriger Prozesse (z. B. im Darm)
eine Perforation verursacht werden oder ein Durchbruch von
Kavernen in die Pleura stattfinden kann (67, 64, 19). Mit dem
Wesen der Tuberkulinreaktion ist dieselbe sehr wohl vereinbar, sie
wird aber bei einer sorgfältigen Auswahl des Materials und bei einer
strengen Indikationsstellung kaum eine Bolle spielen.
Der besonders von Virchow ausgesprochene Verdacht, dass
das Mittel schon abgekapselte Massen wieder mobilisieren und auf
diese Weise einen Herd, der wenigstens scheinbar unschädlich ge¬
worden war, wieder zu einer aktuellen Gefahr machen könne, ist
durch eine sichere Beobachtung nicht bestätigt. Eine der vor¬
liegenden Beobachtungen scheint direkt dagegen zu sprechen.
Ein 56jähriger Steinbrecher reagiert auf die typische diagnostische Injektion
in keiner Weise. Später, lange Zeit nach der Injektion, Exitus durch interkurrente
Erkrankung. Bei der Autopsie findet sich in der rechten Spitze eine alte tuber¬
kulöse Narbe. Eine genauere Untersuchung, ob in dieser Narbe noch virulentes
tuberkulöses Material vorhanden war, konnte leider aus äusseren Gründen nicht
ßtattfinden.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 24
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Dr. Hammer.
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Dass schliesslich bei einem so starken allgemeinen Krankheits¬
zustand, wie ihn eine kräftige Tuberkulinreaktion nun doch einmal
darstellt, auch das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen wird,
kann nicht besonders auffallen.
Leichtere Störungen von allgemeiner Unruhe, Aufgeregtheit und
Beängstigungen, Kopfschmerzen, Flimmern vor den Augen und Doppel¬
sehen, grosse Hinfälligkeit, unruhiger Schlaf oder völlige Schlaflosig¬
keit werden in dem einen oder anderen dieser Symptome kaum jemals
vermisst. Auch ernstere Zustände wie Delirien und Somnolenz,
komatöse und depressive Zustände können eine ausgesprochene Tuber¬
kulinreaktion begleiten und unter Umständen recht beängstigender
Natur sein. In einem von Jaresch mitgeteilten Fall (53) leitete die
bei schwerster Reaktion eingetretene Somnolenz direkt in den exitus
über, allerdings handelte es sich hier auch wieder um eine Phthise
der schwersten Form. Auch in das psychische Gebiet können die
Reaktionserscheinungen hinüberspielen und Exaltationszustände und
Delirien mit trüben Wahnvorstellungen (12) zur Folge haben, die voll¬
kommen das Bild einer akuten Psychose darbieten. Es sind auch,
jedoch nur bei disponierten Individuen, infolge des Fiebers gut ver¬
laufende akute Psychosen, sog. Fieberpsychosen, Delirien der Deferves-
cenz, epikritische postfebrile Psychosen beobachtet (106); nur bei
einer Patientin, die auch sonst während der Menses psychische Stö¬
rungen dargeboten hatte, entwickelte sich nach der 17. Injektion
eine schwere Psychose, in welcher eine hypostatische Pneumonie den
Tod herbeiführte (107).
Zu den mehr lokalisierten Symptomen gehören die Veränderungen
im Gebiet der Sensibilität und der Reflexe und in der motorischen
Sphäre. Hyperästhesie, Parästhesie, Verminderung des Tastsinnes,
Störung des Lokalisationsvermögens, Verminderung des Druck- und
Temperatursinns sind beobachtet (12), spinale Hyperästhesie mit
Steigerung der Sehnenreflexe (46) bei einem Neurastheniker, also auf
dem Boden einer nervösen Disposition, vorübergehende Atasie der
unteren Extremitäten (108) (wahrscheinlich lag hier eine incipiente
Tabes vor) und Neuralgien sind als gelegentliche Folgezustände der
Injektion beschrieben.
Dass sich bei einer Spondylitis gemäss dem Charakter der lokalen
Tuberkulinreaktion eine motorische und sensible Paraplegie (5) der
Beine entwickeln kann oder dass bei schweren lokalen Gehirnleiden
Facialiskrämpfe, Cheyne-Stokes etc. auftreten können (62) braucht nicht
wunder zu nehmen, ebensowenig bedarf die Möglichkeit, dass durch
die Injektion schwere hysterische Krämpfe, wenn solche schon vorher
bestanden haben (49) ausgelöst werden können, eines Erklärungsversuchs.
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29] Üb. d. diagD. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 353
Man wird wohl in der Annahme nicht feblgehen, dass für die
schweren psychischen Zustände als ätiologisches Moment die Dis¬
position der betreffenden Individuen sehr in Betracht zu ziehen ist;
neben der Disposition wird ein höheres Fieber an sich, ganz abge¬
sehen davon, dass es durch Tuberkulin hervorgerufen ist, die Ver¬
anlassung zu den beschriebenen Störungen geben können.
Von allen diesen nervösen und psychischen Störungen sind bei
dem vorliegenden Material nur die leichtesten Formen beobachtet
worden; es werden die erwähnten schweren Zustände sich vielleicht
umgehen lassen, wenn das nervöse und psychische Moment vor der
Einleitung einer diagnostischen Injektion besonders beachtet wird.
Die seiner Zeit grosses Aufsehen machende Behauptung, dass im
Anschluss an die Injektionen sehr häufig Tuberkelbacillen im Blute
auftreten (Liebmann 79) und dass die Kochsche Lymphe lebens¬
fähige Bacillen enthalte (87), soll der Vollständigkeit halber nur an¬
geführt werden. Dieselbe wurde sofort in überzeugender Weise wider¬
legt (73, 77, 86, 12, 88) und hat nur ein historisches Interesse.
Wenn wir nach allem uns der Erkenntnis keineswegs verschliessen
wollen, dass mit der Anwendung des Tuberkulins zu diagnostischen
Zwecken ernste Gefahren verknüpft sein können, wie eine Durchsicht
der Literatur lehrt, so müssen wir andererseits gerade aus dieser
Literaturbetrachtung unbedingt den Eindruck einer wesentlichen Über¬
schätzung dieser Gefahren gewinnen.
Das Material, an dem die Tuberkulininjektionen zur Anwendung
kamen, war, wenigstens soweit sich schädliche Folgen an sie ge¬
knüpft haben — das darf ohne Übertreibung behauptet werden —
fast ausnahmslos ein ungeeignetes.
So sehr Koch selbst vor der Anwendung des Tuberkulins in
zu schweren und vorgeschrittenen Erkrankungsstadien gewarnt hatte,
so energisch er auf die Wichtigkeit der kritischen Sichtung des Ma¬
terials und der sorgfältigen Auslese der beginnenden Erkrankungen
für die Tuberkulinbehandlung aufmerksam gemacht hatte, es war den
Ärzten damals in jenem Taumel der Begeisterung, der Laien wie
Ärzte fast in gleicher Weise ergriffen hatte, in jenem Sturm der
Wünsche und Hoffnungen, der die Gemüter der Tuberkulösen, der
leicht und schwer Erkrankten, selbst der fast Moribunden erfasst
hatte, nicht möglich, die Forderung Kochs zu erfüllen und das Ma¬
terial in wünschenswerter und einer vorurteilsfreien Beobachtung er-
spriesslichen Weise auszuwählen.
Wäre es möglich gewesen, das Tuberkulin vor der allgemeinen
Einführung in ruhiger und sachlicherWeise zu prüfen, so würde man
schneller zu einem sicheren Urteil über seinen Wert wie über die
mit seiner Anwendung verknüpften Gefahren gelangt sein.
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354
So sind selbst beute noch die Ansichten der Autoren über die
Gefährlichkeit des Mittels geteilt und es bedarf weiterer Unter¬
suchungen zur endgültigen Klärung dieser Frage.
Die Gefahren, mögen dieselben nun nur scheinbare gewesen sein
oder nicht, ebenso wie der geringe therapeutische Nutzen, dessen Er¬
kenntnis naturgemäss auch durch die ungenügende Auswahl geeigneten
Materials beeinflusst war, hatten zur Folge, dass die Tuberkulinbe¬
handlung fast ganz verlassen wurde und nur von ganz vereinzelten
Ärzten in aller Stille weiter geübt wurde.
Die einzige Frucht, die die stürmische Tuberkulinperiode zur
Reife gebracht hatte, bestand in der Wertschätzung der diagnostischen
Bedeutung des Tuberkulins.
Zwar ist die Zahl derjenigen Autoren, die das Tuberkulin auch
als diagnostisches Mittel überhaupt verwarfen oder demselben nur
einen beschränkten Wert zuerkennen wollten, sei es dass dasselbe
auch bei ganz Gesunden eine Reaktion, und zwar bei Anwendung
nur geringer Dosen, hervorzurufen im stände sei, sei es dass auch
an anderen Krankheiten Leidende in ähnlicher oder gleicher Weise
wie Tuberkulöse reagieren sollten, keine ganz geringe; (94, 5, 97, 82,
102, 16, 68, 117—147, 78, 59, 175, 190).
Diejenigen, die das Mittel als ein ausserordentlich feines Reagens
auf jede tuberkulöse Erkrankung anerkannten und die Entdeckung
des Tuberkulins, ganz abgesehen von seinem therapeutischen Wert
oder Unwert, als eine solche von epochaler Bedeutung priesen, über¬
wiegen doch bei weitem an Zahl. (95, 96, 98, 99, 100, 101, 103,
104, 106, 110, 23, 9, 22, 10, 49, 61, 50, 24, 3, 32, 4, 7, 28,45,44,
45, 57, 29, 105, 34, 12, 13, 33, 148-174, 2, 188, 189, 191.)
Es muss das um so mehr hervorgehoben werden, als sich zu
jener Zeit eine so typische Methode der diagnostischen Injektion wie
wir sie heute besitzen, noch nicht herausgebildet hatte, wenn auch
schon von vielen das Prinzip der diagnostischen Injektion, dass eine
Verzettelung der Dosen möglichst zu vermeiden sei, erkannt wor¬
den war.
In dem Zeitraum nach der Tuberkulinperiode, ganz besonders
wieder in neuerer Zeit, seitdem eine bestimmte Methode für die
diagnostische Injektion angegeben ist und seitdem man sich gewöhnt
hat, vor der Anwendung des Tuberkulins das Material nach be¬
stimmten Grundsätzen zu sichten und vor allen Dingen schwer Er¬
krankte auszuschliessen, haben sich die Anhänger des Tuberkulins
als diagnostisches Mittel wesentlich vermehrt.
Als eine Bestätigung des diagnostischen Wertes dürfen auch wohl
die vorliegenden Versuchsresultate gelten:
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31] üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 355
Von 180 Injizierten waren 16 negativ oder zweifelhaft = 8,9 °/o,
schon ein recht geringer Prozentsatz.
Ganz sicher negativ waren nur 7 (= 3,9 °/o) und bei diesen 7
konnte auch nach dem objektiven Untersuchungsbefund sehr wohl
angenommen werden, dass eine Tuberkulose nicht vorlag; und sollte
die Injektion bei dieser kleinen Zahl im Sti<?h gelassen haben, so ist
dieser Prozentsatz ein so geringer und verschwindender, dass er
praktisch als bedeutungslos angesehen werden kann; derselbe ist eher
als ein einwandsfreier Beleg für den Wert der diagnostischen Injek¬
tion anzusehen.
Eine weitere wesentliche Stütze für den Wert der diagnostischen
Injektion hat sich auf Grund der unter staatlicher Aufsicht im
grossen durchgeführten Impfungen beim tuberkulösen Rindvieh er¬
geben, wenn anders die Tuberkulose des Rindviehs als eine der mensch¬
lichen gleiche Erkrankung anzusehen ist. (177—187.)
Dieselben haben deswegen besonderen Wert, weil die Reaktion
jeder Zeit durch die Sektion kontrolliert werden kann — und in der
Tat hat sich bei diesen Tierimpfungen ein ausserordentlich günstiges,
den diagnostischen Wert des Tuberkulins für die Rindertuberkulose
jedenfalls in exaktester Weise dokumentierendes Ergebnis heraus¬
gestellt. Diese Impfungen haben denn auch bereits zu praktischen
und für die Rinderzucht wertvollen Resultaten geführt.
Dass die diagnostische Tuberkulininjektion in ihrer Anwendung
an Menschen, nachdem einmal ihre Sicherheit und ihre wenigstens rela¬
tive Gefahrlosigkeit erkannt war, in gleicher Weise zu praktischen Er¬
gebnissen von allgemeiner Bedeutung führen würde, war von vorn¬
herein nicht zu erwarten. Wenn solche aber überhaupt zu erhoffen
sind, so scheint die jetzige Ära des Heilstättenwesens zur Zeitigung
derselben berufen.
Nur die Frühbehandlung kann hier nach einstimmiger Ansicht
etwas leisten; — wenn also als sicherstes Hilfsmittel zur Frühdiagnose
der Tuberkulose das Tuberkulin sich allgemeine Anerkennung errungen
hat, so ist nicht einzusehen, warum es nicht in allgemeinerer Weise
von denjenigen Ärzten, die den Heilstätten Material zuzuführen
haben, zur richtigen Auswahl desselben zur Anwendung gelangt. Das
in Wort und Schrift so oft geäusserte und bei der beschränkten Kur¬
zeit begründete Verlangen der Heilstättendirektoren, nur initiale
Tuberkulosen einzuweisen, gab uns die Veranlassung zur Anwendung
diagnostischen Injektion und es wurde schon darauf hingewiesen, dass
dieselbe nicht nur in sehr vielen Fällen 1 ) der Diagnose erst die nötige
i) Von den 7 als sicher nicht reagierend bezeichneten Fällen kommeu 6 auf
die 41 Patienten, bei denen sichere lokale Lungenerscheinungen überhaupt nicht
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Dr. Hammer.
13 2
Sicherheit verlieh, sondern dass sie tatsächlich oft auch für den
Kranken bestimmend auf seinen Entschluss wirkte, sich einer Heil¬
stättenkur zu unterziehen.
Wir stehen nicht an, die diagnostischen Injektionen in diesem
Sinne aufs angelegentlichste zu empfehlen und glauben gezeigt zu
haben, dass dieselbe sich sehr wohl ohne Schaden für den Kranken
und ohne das Beobachtungsresultat zu beeinträchtigen, in ambula¬
torischer Weise durchführen lässt.
Zum Schluss mögen die Resultate der vorliegenden Untersuchungen
in Zusammenhang mit den Ergebnissen der Literatur kurz in folgenden
Sätzen zusammengefasst werden.
1. Der Wert der diagnostischen Tuberkulininjektion muss als ein
in jeder Beziehung feststehender anerkannt werden.
2. Die diagnost. Injektion lässt sich ambulatorisch unter Beachtung
gewisser Kautelen sehr wohl durchführen ohne Schädigung der Kranken
und ohne die Beobachtung der Reaktionsresultate zu beeinträchtigen.
3. Die diagnostischen Injektionen scheinen berufen eine wesent¬
liche Rolle bei der Auswahl des Heilstättenmaterials zu spielen.
4. Dass Gefahren mit der diagnostischen Tuberkulininjektion ver¬
bunden sein können, soll vorläufig nicht bestritten werden.
Das vorliegende Material ist jedenfalls nicht gross genug, um
diese Möglichkeit mit Sicherheit ausschliessen zu können. In Berück¬
sichtigung der Resultate anderer Autoren, besonders derjenigen von
Beck (1) (Impfungen an 42, 508 Patienten), ist es indessen sehr wahr¬
scheinlich, dass die Gefahren unerheblich und unwesentlich sind, so
dass sie für eine auch allgemeinere Einführung der Injektion keine
Kontraindikation abgeben können.
5. Jedenfalls ist zur Vermeidung etwaiger Gefahren eine sehr
sorgfältige Untersuchung und Beobachtung des Materials vor der dia¬
gnostischen Injektion notwendig.
6. Weitere Untersuchungen über die diagnostische Injektion sind
als wünschenswert zu bezeichnen, um sichere Klarheit zu schaffen
über die Natur und die Häufigkeit etwaiger Gefahren. Denn nur auf
diesem Wege ist zu erhoffen, dass die einer allgemeineren Anwendung
entgegenstehenden Bedenken endgültig beseitigt werden.
Sollte sich aber ergeben, dass die Gefahren wirklich bedenkliche
und häufige sind,' so mag die Tuberkulininjektion aus der Zahl der
diagnostischen Hilfsmittel definitiv gestrichen werden.
nachzuweisen waren. Es konnten also von diesen 41, die im wesentlichen nur
allgemeine Krankheitserscheinungen darboten, 85 durch die Injektion als tuberkulös
erkannt und so der Heilstättenkur in einem möglichst frühzeitigem Stadium zu¬
geführt werden, während 6 von der Furcht vor einer tuberkulösen Erkrankung
definitiv befreit werden konnten.
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33J Üb. d. diagn. Tuberkulinin jekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 357
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37. Meschede, D. med. W. 1891. Nr. 10, 11.
38. Fraentzel, Berl. klin. W. 1890. Nr. 49.
39. Arning, D. med. W. 1890. Nr. 50.
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358 Dr. Hammer. [34
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50. Käst, D. med. W. 1890. Nr. 50.
51. Oppenheim, Berl. klin. W. 1891. Nr. 3.
52. Hellner und Speyer, D. med. W. 1891. Nr. 9.
53. J arisch, Wien. klin. W. 1890. Nr. 50.
54. Immermann, Korrespond.-Bl. f. Schweiz. Ärzte. 1891. Nr. 1.
55. Socin, Korrespond.-Bl. f. Schweiz. Ärzte. 1891. Nr. 1.
56. Oka, D. med. W. 1891. Nr. 12.
57. Michael, D. med. W. 1891. Nr. 2.
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61. Schede, D. med. W. 1890. Nr. 50.
62. Schmidt, D. med. W. 1891. Nr. 1.
63. Flatau, Berl. klin. W. 1891. Nr. 3.
64. B. Fränkel, Berl. klin. W. 1893. S. 79.
65. A. Fränkel, ebenda.
66. Baginsky, ebenda.
67. Yirchow, ebenda.
68. Körte, ebenda.
69. Hansemann, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5.
70. Rütimeier, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5.
71. Yirchow, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5.
72. Flatau, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5.
73. Ehrlich und Guttmann, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5.
74. Dräsche, Wien. klin. W. 1891. Nr. 6 u. 7.
75. Virchow, Berl. klin. W. 1891. Nr. 6.
76. Grabower, Berl. klin. W. 1891. Nr. 6.
77. Kossel, Berl. klin. W. 1891. Nr. 12.
78. Kohts, Therap. Monatshefte. 1891. Nr. 4.
79. Liebmann, Berl. klin. W. 1891. Nr. 4 u. 16.
80. Grawitz, D. med. W. 1891. Nr. 19.
81. Kossel, Berl. klin. W. 1891. Nr. 19.
82. Fürbringer, Berl. klin. W. 1891. Nr. 26.
83. König, D. med. W. Nr. 25 u. 27.
84. v. Saruntowski, Beiträge zur Kenntnis der Tuberkulose von Wolff in
Görbersdorf. Wiesbaden 1891.
85. Naunyn, D. med. W. 1891. Nr. 9.
86. Hamerle, Prag. med. W. 1891. Nr. 9.
87. Kasan, Berl. klin. W. 1891. Nr. 10.
88. Meyer, D. med. W. 1891. Nr. 11.
89. Egger, Korrespond.-Bl. f. Schweiz. Ärzte. 1891. Nr. 6.
90. Baginsky, Archiv f. Kinderheilkunde. 1891. XIII. 4. 5. 6.
91. Litten, Berl. klin. W. 1891. Nr. 50.
92. Kaposi, Wien. med. Presse. 1890. S. 1950.
93. Lewin, Wien. med. Presse. 1890. S. 1951.
94. Leyden, Berl. klin. W. 1890. Nr. 50.
95. Kahler, Wien. klin. W. 1890. Nr. 49.
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35] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 359
96. Helferich, D. med. W. 1890. Nr. 50.
97. Arning, D. med. W. 1890. Nr. 50.
98. Maös, D. med. W. 1890. Nr. 50.
99. An ge rer, Manch, med. W. 1890. Nr. 49 u. 50.
100. Pick, Prag. med. W. 1890. Nr. 52.
101. Finkler, D. med. W. 1890. Nr. 52.
102. Leo, D. med. W. 1890. Nr. 52.
103. Schwimmer, D. med. W. 1891. Nr. 1.
104. Epstein, Prag. med. W. 1891. Nr. 1 u. 2.
105. von Esmarch, D. med. W. 1891. Nr. 3 u. 4.
106. Jolly, ßerl. klin. W. 1891. Nr. 6.
107. Herzog, D. med. W. 1891. Nr. 15.
108. Scheube, Berl. klin. W. 1891. Nr. 36.
109. Chiari, Prag. med. W. 1891. Nr. 9.
110. vonKahlden, Centralbl. f. Path. u. path. Anat. 1891. II. 4. 7.
111. Ewald, Berl. klin. W. 1891. Nr. 4.
112. Virchow, Berl. klin. W. 1891. Nr. 4.
113. Chiari, Prag. med. W. 1890. Nr. 53.
114. Chiari, Wien. med. Presse. 1891. Nr. 2 u. 3.
115. Virchow, Berl. klin. W. 1891. Nr. 2.
116. Gold Schmidt, Berl. klin. W. 1891. Nr. 3.
117. Peiper, D. med. W. 1891. Nr. 4.
118. Köhler und Westphal, D. med. W. 1890. Nr. 48.
119. Mag dal, Internat, klin. Rundschau. 1890. Nr. 50.
120. Kaposi, Wien. klin. W. 1890. Nr. 50.
121. Schnitzler, Wien. klin. W. 1890. Nr. 50.
122. Schiller, Wien. klin. W. 1890. Nr. 49.
123. Arning, Wien. klin. W. 1890. Nr. 50.
124. Lewin, Berl. klin. W. 1891. Nr. 4.
125. Neisser, D. med. W. 1891. Nr. 5.
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128. Yerneuil, Gaz. des höpitaux. 1891.
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130. Maragliano, Rif. med. 1891. Nr. 1.
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132. Riegner, D. med. W. 1891. Nr. 9.
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134. Kalindero und Babes, D. med. W. 1891. Nr. 14.
135. Arendt, D. med. W. 1891. Nr. 15.
136. Goldschmidt, Berl. klin. W. 1891. Nr. 15.
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141. Kröger, Petersb. med. W. 1891. Nr. 22.
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360 Dr. Hammer. Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. etc. [36
147. Beavers, D. med. W. 1892. Nr. 12.
148. Qattmsnn, Berl. klin. W. 1891. Nr. 1.
149. Kurz, D. med. W. 1891. Nr. 4.
150. Bardenheuer, D. med. W. 1891. Nr. 5.
151. Pick, Wien. med. W. 1891. Nr. 5.
152. Neu mann und Schwerin, D. med. W. 1891. Nr. 6.
153. Lichtheim, D. med. W. 1891. Nr. 7.
154. Mikulicz, D. med. W. 1891. Nr. 10.
155. Braun, D. med. W. 1891. Nr. 12.
156. Kaposi, Wien. klin. W. 1891. Nr. 12.
157. Neumann, ebenda.
158. Unverricht, Petersb. med. W. 1891. Nr. 12.
159. Gualdi und Torti, Rif. med. 1891. Nr. 71.
160. Neu mann, Wien. Klinik. 1891. Nr. 5 u. 6.
161. y. Jaksch, Verhandlungen d. X. Kongr. f. innere Med. 1891.
162. Escherich, Jahrb. f. Kinderheilkunde. 1892. Nr. 4.
163. Berthenson, D. med. W. 1892. Nr. 3 u. 4.
164. Var ose und Pinna, Riv. clin. Arcti. ital. di clin. med. 1891. Nr. 5.
165. Tommaso Guida, Rif. med. 1892. Nr. 41 u. 42.
166. Spengel, Davos, Rieht ersehe Buchdruckerei. 1900.
167. B. Fränkel, Berl. klin. W. 1900.
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170. Mittetal, Thfcse de Paris. 1900.
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176. Li pari, Rif. med. 1891. 106. 107. VII.
177. Schneidemühl, D. med. W. 1891. Nr. 46.
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181. Nocard, Gaz. de Paris. 56. 1895. Nr. 49.
182. Bang, Hosp. Tit. 3. R. IX, 17. 18. 19. 1891.
183. Bang, Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin. XXII. 1. 1895.
184. Osgood, Boston med. and surg. Journ. 131. 3. 1894; 132. 14. 1895.
185. Peter8, ibidem. 131. 3. 1894.
186. Winchester, ibidem.
187. Semmer, Arch. des sc. biolog. St. Petersburg. III. 2. 1894.
188. Fehling, Korrespondenzbl. f. Schweiz. Ärzte. 1891. Nr. 1.
189. Königshöfer und Maschke, D. med. W. 1891. Nr. 2.
190. Babes und Kalindero, D. med. W. 1891. Nr. 3.
191. Demuth, Vereinsbl. f. Pfälzer Ärzte. VIII. 1891. 1.
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Gruppe I. (1—3).
Inject io n mit negativem Resultat. Pat. war 1 Jahr vorher mit Tuberkulin behandelt ( — 1,0 reines
Tuberkulin als höchste Einxeldosis).
25jähr. Büglerin K
November.
Injcction mit negativem Resultat,
19jähr. Dienstmädchen H
Geringe Reaction nach 0,006; geringere Reaction nach 0,01 ; deswegen vorläufig als negativ aufgefasst.
II. (4—10) Fiebertypus nach nur einmaliger Injection
r. Schreiner B
März,
Reaction nach der 1. Injection. Einmaliger Anstieg der Temperatur am Tage der Injection
32jähr. Pferdebahnkondukteur Sp.
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jjj-p_______ 21 j& hr. Verkäuferin W.
—-r —|— p|! Nove mber.
€r-rl r ' i H | l5 l -^ S ÜTiB j 1 jf 3 ÜI H *\ ■*] "°( ™~
Ha&giiaiMBEBBiHiBmBäff
_._.__21 jähr. Schlosser W.
~-p __ Februar.
LR’- ° I? 15 16 \° 1 M Räl 27(28'
Reaetion n.ch der I. I^^TWdeg der Te-np^l „J,
— faM im Verlauf von 4 Tagen.
ss-_83jähr. Maurer Sch.
' -p ^ ; t -j- - -p ■ -»--i ...-f.
J n TM i nl i dx trtr
Tage nach der Inject ion; lytiacfcer Ab-
-£L«k|g|»[a>|a|zg|3|M|ai|a i l27lMUI-»l
UL • ? h -LLMTTT
—ja#.j zrizt.
3Zo-m i - , —,
■J-: r -
•» 1«!» (g IclnTäl
R *“ Ctk,n »«<* der 1. Injection Allmählicher Anrüeg der Ten LU. J« ■ J 1 ' V ' Ul±l±L
der Temperatur nach P^udokrit^hen, Abfal.; dann defin/dv^^
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III. (11 —13) Fiebertypus bei dem milderen Verfahren. Auftreten der Reaction nach der 2. Injection.
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IV. (14 —17) Fiebertypus bei dem milderen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 3. Injection.
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Reaction nach der 3. Injection. Höhe der Temperatur am Tage nach der Injection. An demselben
Tage Abfall zur Norm.
V. (18) Fiebertypus bei dem milderen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 4. Injection.
VI. (19—24) Fiebertypus bei dem typischen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 2. Injection.
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I HBHEHgEia iaPEBBBBBBBEiaaga
Deutliche Reaction nach der 2. Injection. Anstieg und Höhe des Fieber* am Tage nach der Injection
‘^tägiges Fieber.
r. Maurer Str.
Dezember.
Reaction nach der 2. Injection. Fieberanstieg am 2. Tage nach der Injection
nächsten Tage an, um dann in 24 Stunden abzufallen.
ir. Ausläufer K,
24jähr. Heizer K.
1903 Januar.
Dezember.
Reaction nach der 2. Injection. Die Temperatur steigt und fallt allmählich im Verlauf von
ab. Höhe des Fieberanstiegs am Tage nach der Reaction.
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VII. (25—28)Fiebertypus bei dem typischen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 3. Injection.
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VIII. (29) Fiebertypus bei dem typischen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 4. Injection.
29. ?6jähr. Steinhauer H.
sssSs
iiiilliiiiPüüiillüiBüüüililiiilliliüililiüIig
Deutliche Reaction erst nach der 4. Injection. Kurzer, einmaliger Fieberanstieg, am Tag nach der
Injection auf der Höhe.
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Sensibilitätsstörungen der Haut bei Lungen¬
erkrankungen, besonders der Tuberkulose.
Von
Dr. Rudolf Goldmanit.
Die Klagen Lungenkranker über Schmerzen sind jedem Arzte
genügend bekannt. Sie werden von den einzelnen mit mehr oder
weniger Bestimmtheit geschildert: „Stechen zwischen den Schulter¬
blättern, über einem Schulterblatt, das nach vorne ausstrahlt;
Schmerz unter dem Schlüsselbein oder tiefer unten über der Brust,
über dem Magen, der nach hinten durchsticht, Seitenstechen, das
nach dem Bauche hinzieht; dann wieder Nacken-, Hinterhaupts-, Stirn- r
Schläfenschmerzen, endlich ein- oder beiderseitige Empfindlichkeit im
Bereich des Schultergelenks, des Oberarms, des ganzen Arms bis zu
den Fingerspitzen, dabei oft Ameisenlaufen, Kältegefühl. Sie treten
bald bei Bewegungen, tiefen Atemzügen, Hustenstössen, bald im
Liegen auf der erkrankten Seite, bei festem Anlegen eines Korsetts,
bald spontan auf. Die Intensität ist wechselnd je nach der Empfind¬
lichkeit des Patienten und der Art der Erkrankung.
Diese Angaben haben in den Arbeiten über Pathologie der
Lungenkrankheiten der letzten Dezennien in Beziehung auf die Sen-
i) Während der Korrektur erschien das Referat über Eggers Arbeit:
,Untersuchungen über Reflexhyperästhesie bei Lungentuberkulose (aus der Fest¬
schrift zum 25jährigen Jubiläum des Professors R. Massini) in der Zeitschrift
für Tuberkulose und Heilstättenwesen. Bd. 4, 1903, pag. 260, Heft 8. Danach
findet Egger in 16 °/o aller Phthisiker, vor allem bei Frauen und im jugend¬
lichen Alter, auch im Beginn der Pleuritis die Reflexhyperästhesie ausgesprochen.
Der Originalartikel war mir leider nicht zugänglich.
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362
Rudolf Goldmann.
[2
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sibilität der Haut verschiedene Würdigung erfahren. Ich will die
bedeutendsten Autoren in Kürze zitieren.
Stokes (S. 644): „Im ersten Stadium der progredienten Tuber¬
kulose der Lungen klagt der Kranke häufig über Schmerz an irgend
einer Stelle der Seite, in einigen Fällen ist derselbe nur am Nacken,
in anderen aber am oberen Teile der Brust vorhanden, zieht sich
von der Clavicula bis in die Regio subscapularis hin und nimmt
manchmal das Schultergelenk ein, in welchem Falle er dann oft für
rheumatisch oder für den von Leberkrankheiten herrührenden Schulter¬
schmerz gehalten wird. Ich habe gesehen, dass derselbe regelmässig
intermittiert, mit den Paroxysmen des hektischen Fiebers überein¬
stimmt. Bei diesem Schmerz tritt gewöhnlich eine Empfind¬
lichkeit in der Regio subclavicularis hervor.“
Ganz ähnlich äussert sich Turban (S. 14). Er zählt die
Schmerzen, und zwar nicht sowohl Pleuraschmerzen, unter die An¬
fangssymptome der Lungentuberkulose.
Ruehle (S. 54 ff.): Obwohl er daran festhält, dass die Schmerzen
bei Lungenkrankheiten „lediglich von der Pleura, niemals vom Paren¬
chym selbst ausgehen,“ gibt er gleich darauf zu, dass „bei der Phthise
in späterer Zeit schmerzliche Empfindungen auch an weiter abwärts
gelegenen Stellen eintreten, welche durch tiefe Atemzüge und Husten,
Druck und Perkussion verstärkt werden, an deren Stelle aber ebenso¬
wenig wie oben die auscultatorischen Reibegeräusche sich finden
lassen.“ „Werden solche Schmerzen lediglich durch Druck in die
Interkostalräume verstärkt, so entsprechen sie einer Pleuritis circum¬
scripta.“
Cornet (S. 331): „Der Schmerz lokalisiert sich ausschliesslich
oder vorwiegend auf der kranken Seite, während die gesunde Seite
nur ausnahmsweise ein Schmerzgefühl zeigt. Zum Teil besteht er in
einer Hyperästhesie, die bei Perkussion, durch Druck, selbst durch
leise Berührung, besonders am Sternum und am 3. und 4. Rücken¬
wirbel sich geltend macht. Zuweilen sind sie Zeichen von Kongestiv¬
zuständen der Lungen und gehen oft tagelang dem Bluthusten voraus.“
Über den Brustschmerz bei Pneumonia crouposa äussert sich
Günsburg (1. c. S. 563): „Der Brustschmerz bei der Pneumonie ist
mit dem pleuritischen Seitenstich nicht identisch; er ist allerdings
oft stechend, bei jeder Bewegung und durch Husten vermehrt und ist
alsdann auf Pleuritis zurückzuführen, oder der Schmerz ist dumpf,
drückend, pressend, wird bei tiefen Atemzügen oder beim Husten
erregt und verschwindet erst mit der Infiltration; diese Schmerzen
müssen mithin in einer den pneumonischen Infiltrationsprozess be¬
gleitenden Erregung der sensiblen Spinalnerven bestehen, die umso-
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
3j Sensibilitätsatörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 363
mehr einen Ausgangspunkt im Rückenmark haben
müssen, als sie oft nicht der Stelle der Infiltration entsprechen;
sie sind in der entgegengesetzten Brusthälfte, tiefer hinab in der
Lebergegend, so dass der Laie an Unterleibsentzündung denkt, höher
hinauf und irradiieren auf Schulter, Oberarm, Nackengegend.“ Er
findet in einem Falle eine Hyperästhesie der Haut über dem Ober¬
lappen und Nacken der erkrankten Seite, welche die volle Resolution
der Pneumonie um vier Wochen überdauerte.
Ähnlich betont Aufrecht, dass der Schmerz bisweilen in den
Hypochondrien, in der Weiche, in der Lendengegend, ja in der
ganzen Unterleibshälfte der gleichen Seite oder selbst auf der anderen
Thoraxhälfte verspürt werde.
Ziemssen und Filatow sahen bei Kindern von 3—5 Jahren
den Leibschmerz als ein diagnostisch wertvolles Initialsymptom der
Pneumonia crouposa an, das den fast stets fehlenden Seitenschmerz
ersetzt.
Der pleuritische Schmerz kann nach Rosenbach in die Schulter,
die Arme, ins Epigastrium, ausstrahlen. Nicht selten tritt der pleu-
ritische Schmerz unter dem Bilde der Interkostalneuralgie mit deut¬
lichen Schmerzpunkten an der Wirbelsäule oder im Verlauf der
Nerven und mit beträchtlicher Hyperästhesie der Haut auf. In sehr
seltenen Fällen besteht sogar Schmerz auf der gesunden Seite, und
zwar meist an einer zirkumskripten Stelle.“
Bei der Bronchitis acuta soll nach Graves das Gefühl von
Kitzeln oder Jucken in der Gegend der Bifurkation beinahe aus¬
schliesslich auf die Haut beschränkt sein. Die hin und wieder vor¬
kommenden Schmerzen werden von den Autoren einmütig auf die
beim Husten angestrengten Muskeln bezogen.
Ein tieferes Verständnis der Sensibilitätsstörungen der Haut bei
Erkrankungen der Lungen sowie der inneren Organe überhaupt ist
erst durch die Arbeiten von Head angebahnt worden. Er findet bei
akuten Entzündungen innerer Organe die Haut in einem bestimmten
Gebiete gegen Schmerz- und Temperatureindrücke temporär über¬
empfindlich, ohne dass eine Erkrankung von peripheren Nerven im
Spiele ist. Die Patienten verlegen den Schmerz in die Gegend der
Hyperalgesie, nicht in das erkrankte Organ; die Empfindlichkeit der
Haut ist sekundär, wird jedoch vom-Bewusstsein als primär gedeutet
und der Schmerz in die Haut verlegt, „reflektiert“. — Die geschicht¬
liche Entwickelung dieser Lehre ist kurz folgende: Während Fenger
die Empfindlichkeit der Haut auf Erkrankungen der peripheren Nerven
bezog und damit das Gebiet der „Interkostalneuralgien“ irrtümlich
ausdehnte, betonte Lange, dass „die Schmerzen bei Visceralerkran-
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364
Rudolf Goldmann.
14
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kungen irradiierte sind und dass in und zwischen den Schmerzan¬
fällen die Haut in der Gegend des Schmerzes hyperästhetisch sei.
Für die Pneumonie hatte schon G Uns bürg (vgl. das Zitat) denselben
Oedanken klar ausgesprochen.
Auf grund der Forschungen Gaskeils, der zeigte, dass die
vordere Spinalnervenwurzel sympathische Fasern enthalte, welche
.zum Hinterhorn, dem Sitz der Leitungsbahnen für die Schmerz- und
Temperaturempfindung im Rückenmark, ziehen, suchte Ross beim
Studium des reflektierten Schmerzes jedesmal den peripheren Nerven,
welcher gemeinsamen Ursprung mit den sympathischen Nerven des
erkrankten Eingeweides habe. Den dumpfen Schmerz, der diffus in
■dem affizierten Organe empfunden wird, unterscheidet er als den
splanchnischen Schmerz von dem somatischen, der bestimmter und
zwar in die entsprechende Gegend der Körperoberfläche lokalisiert
wird. Daran hält auch Head fest. Dieser findet, dass das Gebiet
des reflektierten (nach Ross somatischen) Schmerzes den Zonen des
Herpes zoster entspreche; da nach Bärensprung der gewöhnliche
Sitz der Affektion bei der Gürtelrose in den Spinalganglien, nach
Brissand auch im Rückenmark selbst zu suchen ist, die Form der
Zonen dem Yerteilungsgebiet der peripheren Nerven durchaus nicht
■entspricht, verlegt Head den reflektierten Schmerz nicht in die
peripheren Nerven, sondern ins Rückenmark*). Das Zustandekommen
•des reflektierten Schmerzes denkt er sich in folgender Weise: Bei
Rückenmarksaffektionen (Tabes) wird ein an einer Stelle der Haut mit
verminderter Sensibilität applizierter Reiz in das benachbarte Gebiet
mit normaler oder gesteigerter Empfindlichkeit verlegt. Analog wird
die von dem affizierten Eingeweide ausgehende Nervenerregung, da
es — wie Operationen wiederholt gezeigt haben 2 ) — selbst sehr gering
empfindlich ist, und sein Lokalisationsvermögen hinter dem der
Körperoberfläche weit zurücktritt, vom Gehirn in dasjenige Hautgebiet
1) Dabei stützt er sich auch auf die Experimente Sherringtons, wonach
das von einer spinalen Wurzel versorgte Hautgebiet nicht dem eines peripheren
Nerven entspricht, sondern einen Gürtel darstellt, der zwar an seiner proximalen
and distalen Grenze zum Teil mit den Nachbarzonen zusammenfliesst, in der Mitte
jedoch nur von ihr allein versorgt ist. Head nimmt das Rückenmark als Sitz
seiner Zonen an, weil sie ganz scharf gegeneinander abgegrenzt sind; einer jeden
Zone entspricht ein spinales Segment. Die einzelnen Wurzeln stammen hingegen
je aus mehreren Segmenten, so dass jedes Hautgebiet von zwei oder mehreren
Wurzeln versorgt wird.
2) Neuerdings hat Lennander bestätigt, dass die Lungen und die sämt¬
lichen Baucheingeweide mit ihren serösen Umhüllungen bei Schnitt, Druck etc.
unempfindlich sind, während die Pleura parietalis und das Peritoneum parietale
sich durch hochgradige Sensibilität gegen Schmerz- und Temperaturreize aus¬
zeichnen. Nach Head wirkt nur die Zerrung, Dehnung der Eingeweide als Reiz,
wio sie vor allem infolge der entzündlichen Infiltration auftritt.
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5] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besoud. d. Tuberkulose. 865
projiziert, welches demselben Rückenmarksegment wie das Visceralorgan
angehört. Da ein stärkerer Reiz den Widerstand in den spinalen
Ganglienzellen herabsetzt, wird eine an der Haut gesetzte Einwirkung
stärker empfunden; es entsteht kut&ne Hyperästhesie gegenüber
Schmerz und Temperaturreizen. Der Tastsinn ist nach Head nicht
beteiligt 1 ).
Head teilt die Haut ähnlich wie Kocher u. a. in Zonen, welche
den spinalen Segmenten entsprechend mit der Cervikalzone (C 3 ) be¬
ginnen, welche vom 3. Halssegment versorgt wird. Auf C 4 folgt eine
„Lücke“ enthaltend dieCervikalzonen 5, 6, 7, 8; d. h. diese Zonen stehen
mit den inneren Organen gewöhnlich nicht in Beziehung; sie nehmen
die oberen Extremitäten ein mit Ausnahme der Innenseite des Vor¬
derarmes und des ganzen kleinen Fingers. Die folgenden Zonen von
der 1.—12. Dorsalzone sind gürtelförmig um den Rumpf gespannt.
D 12 wird unten nach vorne vom Leistenband begrenzt, hinten reicht
sie bis zum 5. Lendenwirbel. Uns interessiert bloss das Resultat
Heads in bezug auf Lungenerkrankungen: Diesen entsprechen nach
ihm ^s, C 4 d. i. die Haut am Nacken bis ungefähr zu einer Linie,
die von der Schulterhöhe senkrecht zur Wirbelsäule gezogen wird,
am Halse nach vorne bis zum hinteren Rand des Kopfnickers, nach
unten etwas unter das Schlüsselbein hinab. Ferner D 8 —D 9 , d. i. das
Gebiet, welches hinten von der Höhe der Schultergräte bis zum
12. Brustwirbel, vorne von der 3. Rippe bis zum Nabel reicht. In
dieses Gebiet fallen auch die Hyperalgesieen bei Magen-, Darm- und
Leberafiektionen, (D 7 —D 9 ), (D 9 —D 12 ), (D 7 — D 10 ), weshalb D 7 —D 9 (vorne
vom Processus xiphoideus bis zum Nabel) keine eindeutigen Schlüsse
gestatten.
„Kopfzonen“ nennt Head umschriebene Stellen der Kopfhaut
z. B. im Gebiete des Arcus superciliaris, an der Schläfe, Stirn etc.,
welche sich bei inneren Krankheiten oft und zwar einseitig empfindlich
zeigen. Dabei spiele der Vagus die Rolle des Ramus visceralis, der
Trigeminus die des sensiblen Hautnerven. Bei Lungenaffektionen
sind Punkte über dem Auge, am Os frontale, perietale, in der Hinter¬
haupt- und Schläfengegend nachzuweisen.
Heads Angaben sind von Faber, dessen Beobachtungen unab¬
hängig von dem englischen Forscher nur an Magenkranken gemacht
wurden, neuerdings von Haenel ebenfalls an Magenkranken im wesent-
i) Yergl. Quincke (S. 444). Auf der primär erregten Bahn ist die erzeugte
Empfindung sehr gering oder Null, so dass die auf der sekundär erregten Bahn
erzeugte Empfindung fürs Bewusstsein sich vorwiegend oder allein geltend macht
(Paradoxe Empfindung z. B. Schulterschmerz bei Leber-, Armneuralgien bei
Herzleiden).
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366
Rudolf Goldmann.
[«
liehen bestätigt, von Mackenzie, Adam, Moll van Charante
in vielen Punkten bekämpft worden, worauf ich im folgenden zurück¬
kommen will.
Ich unterzog die Heads^hen Angaben der Nachprüfung an der
Hand des reichlichen Materials der medizinischen Poliklinik in München.
Ich hatte dort während meiner 1 Vajähr. Tätigkeit dazu die günstigste
Gelegenheit. Dasselbe bot mir vor allem die Lungentuberkulose in allen
ihren Stadien, besonders aber im Beginn, die Bronchitis chronica, selten
die Bronchitis acuta und die Pneumonie. Ich untersuchte die Sensi¬
bilität der Haut jedesmal erst, nachdem der Status praesens von seiten
einer meiner Herren Kollegen aufgenommen war. Nur die Fälle mit
einwandfreiem Lungenbefunde habe ich berücksichtigt, darunter die¬
jenigen mit möglichst einfacher Affektion bevorzugt. Davon wurden
ausgeschieden Patienten, deren Intelligenz mangelhaft war oder die
leicht der Suggestion unterlagen, ebenso diejenigen, bei denen Kompli¬
kationen von seiten anderer Visceralorgane bestanden, um das Kon-
fluieren benachbarter Zonen zu vermeiden.
Ich prüfte bald mit dem Kopfe einer Stecknadel — wie es
Head tut — bald mit der Spitze oder mit einer Bleistifthülse oder
mit dem abgestumpften Ende einer Bleistiftspitze, bisweilen mit
der Fingerkuppe oder einem Wattebausch, im allgemeinen mit dem
schwächeren Reize beginnend und bis zum stärksten aufsteigend, je
nach der Empfindlichkeit des Patienten. Auch der Temperatursinn
und die elektrokutane Sensibilität wurden ähnlich geprüft. Die Grenzen
des betroffenen Hautgebietes wurden in horizontaler und vertikaler
Richtung bestimmt, indem ich jedesmal vom normalen Hautgebiet
zum hyperalgetischen oder umgekehrt vorschritt.
Doch zog ich die erste Methode vor, weil das Eintreten der unan¬
genehmen Empfindung die Aufmerksamkeit des Untersuchten leichter
erregt als das der angenehmen beim Übergange vom hyperalgetischen
Bezirke zu normal empfindlicher Haut. Als Anhaltspunkt diente
mir die Angabe des Patienten, dass er Schmerz, Kratzen oder Stiche
verspüre oder das reflektorische Ausweichen vor der unangenehmen
Einwirkung.
Meistens ist auch die Kitzelempfindung gesteigert. Die Prüfung
auf Druckschmerz ist nicht empfehlenswert, da sie keine Klarheit
bringt, ob die Haut oder eines der darunter liegenden Organe: Sub¬
cutis, Muskeln, Nerven, Periost, Knochen, Pleura, Peritoneum, Ein¬
geweide das empfindliche ist. So wichtig diese Methode auch für
die klinische Untersuchung ist, sie kann leicht zu Irrtümern führen,
wenn man sich nicht jedesmal vorher über die Empfindlichkeit der
Haut orientiert. In vielen Fällen wird es unmöglich zu sagen, in
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7] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungen erkrank., besond. d. Tuberkulose. 367
welcher Schichte der Schmerz sitzt, wenn man nicht das klinische
Gesamtbild zn Hilfe nimmt. An Stellen, wo die Haut sich leicht in
Falten erheben lässt, kann man die normal empfindliche Partie unter
die hyperalgetische schieben und auf diese Weise die Druckschmerz¬
haftigkeit eines tieferen Organes unter gesunder Haut prüfen. Ich
glaube, dass auf diese Weise Kollektivbegriffe wie: Druckempfindlich¬
keit des Epigastriums, der Cökalgegend in ihre Komponenten zerlegt
werden können. In den meisten Fällen bleibt allerdings die Druck¬
schmerzhaftigkeit der Haut hinter der tiefer (in den Muskeln, im Peri¬
toneum) gelegenen in der Intensität zurück.
Bei unintelligenten oder sonstwie unverlässlichen Patienten kann
man sich an die Hautreflexe halten, die innerhalb des normalen Rah¬
mens oder als heftige Abwehrbewegungen auftreten können; sie sind
in den hyperalgetischen Zonen so gut wie ausnahmslos gesteigert.
Ich lasse nun eine Auslese der von mir untersuchten Fälle
folgen, als erste Gruppe (1—6) möglichst reine Affektionen des Ober¬
lappens bei Tuberkulose der Lungen, als zweite Erkrankungen des
Unterlappens, als dritte veraltete oder weit vorgeschrittene Fälle von
Lungenschwindsucht; zum Schlüsse ein Beispiel von Sensibilitäts¬
storung bei Pneumonie.
Fall 1. 33jährige Taglöhnerin. In der Anamnese: Klagen über Brennen
und Drücken auf der rechten Seite, besonders beim Durchatmen; ausstrahlende
Schmerzen an der Innenseite des rechten Armes bis zum Handgelenk. Vor drei
Monaten wurde durch Punktion aus der rechten Seite klare Flüssigkeit entleert.
Befund: Über der rechten Spitze ist der Schall leicht verkürzt, das Ex-
pirium verlängert, unrein, verschärft. Oberhalb der unteren Lungengrenze dieser
Seite, die geringer verschieblich ist, ist der Schall gleichfalls gedämpft. Diagnose:
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 25
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Rudolf Goldmann.
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Infiltratio apicis dextr.; Pleuritis sanata dextr. — Die Hyperalgesie
erstreckt sich auf die Volarseite des ganzen Armes bis zum Handgelenk. (Fig. 1.)
Der vordere Abschnitt der rechtsseitigen Hyperalgesie entspricht dem oberen
Teile des empfindlichen Gebietes in Fig. 4 a.
Fall 2. 38jährige Frau. Anamnestisch: Stiebe im Rücken zwischen den
Schulterblättern und auf der Brust (i. e. vorne), die in den ganzen Arm, in den
Daumen und Mittelfinger der linken Seite ausstrahlen. Befund ähnlich wie in
Fall 1, auf der linken Seite. — Hyperalgesie: S. Fig. 2.
Fall 3. 33jähriger Mann. Bei Militär Bluthusten; in der letzten Zeit
Naclitschweisse besonders gegen Morgen, dabei Schmerzen auf der linken Brust-
i) Die punktierten Felder entsprechen den Zonen höherer Empfindlickeit.
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0] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 369
seite, Stechen hinter dem Brustbein, Gefühl von Enge auf der linken Seite; bis¬
weilen Stechen auch auf der rechten Seite. Geringer Husten mit grauem Aus¬
wurf, Abm&geruog.
Befund: Der Perkussionsschall über dem linken Oberlappen kürzer, das
Atmen schftrfer; Über dem oberen Teile des linken Unterlappens ebenfalls ver¬
schärftes Atmen. Herzbefund normal. — Hyperalgesie: S. Fig. B. — Der rück¬
wärtige Abschnitt entspricht Fig. 6.
Auffallend ist die bandartige Zone, die wahrscheinlich von der jungen Affektion
des Unterlappens herrührt, während die ältere des Oberlappens keine so scharf
ausgeprägte Hyperalgesie aufweist.
Fig. 4 a. Fig. 4 b.
Fall 4.562jähriger Mann, klagt über Schmerzen über der linken Schulter
und im linken Oberarm.”"}Husten etc.
Befund: Über der linken Spitze deutliche Schallverkürzung und verschärftes
JCxpirium. Hyperalgesie: Fig. 4.
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370
Rudolf Goldmann.
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Fall 5. 32jähriger Taglöhner, klagt aber Stechen auf der rechten Brust-
seite und zwischen den Schulterblättern. Husten, Auswurf von grauer Farbe,
Mattigkeit, Nachtschweise. Kopfschmerzen öfters über dem rechten Auge,,
manchmal auch im Gesicht und Zähnen derselben Seite, Zahnextraktionen blieben
ohne Erfolg, Landaufenthalt wirkte immer günstig. — Im rechten Arm Schmerzen
beim Heben einer Last; derselbe ist manchmal zu schwach, um einen, selbst
leichten, Gegenstand festzuhalten.
Befund: Über dem rechten Oberlappen ist vorne und hinten der Schall
deutlich verkürzt, das Expirium verschärft. Die Hyperalgesie erstreckt sich über
das bezeichnete Gebiet nach oben hinter dem Sternocleidomastoideus auf di»
rechte Seite des Nackens, die ganze rechte
Schädelhälfte mit Ausnahme des Ge¬
bietes hinter und an der Ohrmuschel;
vom Trigeminusgebiet ist nur das Einn
frei. Über der medialen Hälfte der
rechten Augenbraue befindet sich ein
Maximalpunkt. Fig. 5. Der vordere
Abschnitt der rechtsseitigen Hyper-
algesie entspricht dem oberen Teile dea
empfindlichen Gebietes in Fig. 4 a.
Die Druckschmerzhaftigkeit im
Trigeminosgebiet entspricht der Haut¬
empfindlichkeit.
Fall 6. 14jähr. Knabe. Schmer¬
zen links auf der Brust, manchmal im
linken Unterarm.
Befund: Links hinten oben und
links vorne oben ist der Schall leicht
gedämpft, das Expirium bronchial.
Rechts ist in geringerem Grad das Ex¬
pirium verlängert. Die vordere Hälfte der Zone entspricht Fig. 3. Fig. 6.
In der regio supraspinata beiderseits symmetrisch ein Punkt maximaler
Empfindlichkeit.
Die sechs Fälle, welche die Hauptvariationen der Hype¬
ralgesie bei Oberlappenaffektionen enthalten, gestatten
folgendes Resu me:
Bei Tuberkulose des Oberlappens erstreckt sich die Hyperalgesie
der Haut über die Bedeckung dieses Lungenabschnittes mit einem
Maximalpunkt in der Fossa supraspinata (Fall 6). Dass in den
meisten Fällen dieses Gebiet von allem nach unten hin überschritten
wird, liegt wahrscheinlich sehr oft darin, dass bereits die Spitze dea
Unterlappens erkrankt ist, ohne dass noch die physikalische Unter¬
suchung es feststellen kann. Diese Deutung dürfte vor allem am
Platze, wenn die unterste Partie des empfindlichen Gebietes am
stärksten betroffen ist (Fig. 3 und 4). Beim Übergreifen des reflek¬
tierten Schmerzes auf benachbarte (Nacken, Hinterkopf (Fall 5),
Arm (Fall 1) oder die ,,Kopfzonen“ (Gesicht Fall 5) können wir die
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11] Sensibilitätsstörung, d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 371
Grenzüberschreitung nach unten aus der Neigung desselben, ,auf alle
zunächst liegenden Zonen zu irradiieren, erklären. „Neuralgieen“ in
den bezeichneten Gebieten können also bisweilen auf Spitzenaffek¬
tionen zurückgeführt werden. Sie werden besser oder schlimmer, je
nach dem Lungenbefunde; dem Temperaturanstieg entsprechend,
steigern sie sich in den Abend- und Nachtstunden, worauf auch schon
Stokes hinweist 1 ).
Klarer und eindeutig sind die Befunde bei Affektionen
der Unterlappen. Hier sind auch die Bedingungen zur Ent¬
stehung des reflektierten Schmerzes weit günstiger als bei Spitzen¬
erkrankungen. Der Unterlappen atmet intensiver. Die Zerrung und
Dehnung des erkrankten Gewebes, die nach Head die Ursache der
Hyperalgesie ist, findet in grösserem Umfange statt. Vielleicht ist
in vielen Fällen, wenn eine komplizierende Pleuritis ausgeschlossen
werden darf, das ängstliche Vermeiden jeder ausgiebigen Respirations¬
bewegungen die Folge dieses Umstandes (vergl. Ruehle, Günsburg).
Die folgenden Fälle sind, wie es in der Art des Verlaufes der
chronischen Tuberkulose begründet ist, fast durchwegs mit Affektionen
des einen oder anderen Oberlappens verbunden. Da aber, wie
Head betont und was ich auch bestätigen konnte, bei veralteten
und vorgeschrittenen Herderkrankungen der reflektierte Schmerz
fehlt, so ist diese Komplikation für unseren Zweck meist nicht von
1 ) Selbstverständlich wird in allen diesen Fällen eine genaue Untersuchung
aller derjenigen Organe (Zähne, Nase, Ohr etc.), welche Empfindlichkeit in diesen
Gebieten verursachen können, vorauszugehen haben.
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Rudolf Goldmann.
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Belang; wo dennoch eine dem Oberlappen entsprechende Hyperalgesie
auftritt, ist sie stets weniger intensiv.
Fall 7. 34jährige Frau klagt Ober Bluthusten, Seitenstiche rechts.
Befund: Über dem Ober- und Unterlappen der rechten Lunge in ihrer
ganzen Ausdehnung ist der Perkussionsschall stark gedämpft, das Atmen laut
bronchial, jedoch kein Rasseln zu hären. Es besteht keine Hyperalgesie. Da
das Allgemeinbefinden gut, die Temperatur (in recto gemessen) nicht gesteigert
ist und die Patientin eine Sattelnase, angeblich traumatischen Ursprungs, hat,
wird Jodkali [(6:200,0) 2 X tgl. 1 Esslöffel] versucht. Die erste Flasche wird sehr
gut vertragen; nach der zweiten tritt Fieber und starker Bluthusten ein. Befund
drei Wochen nach dem ersten: Perkussion ergibt das gleiche Resultat; das bron¬
chiale Atmen ist jedoch über dem rechten Unterlappen nahe der unteren Grenze
von klingenden Rasselgeräuschen begleitet. Hyperalgesie ähnlich wie in Fig. 4.
Die untere Zone ist gegen die Umgebung scharf abgegrenzt: über den oberen Teilen
des Thorax ist die Haut gegenüber der anderen Seite gering überempfindlich. Die¬
ser Fall hat die Giltigkeit eines Experimentes: an einem fast reaktionslos verlau¬
fenden Herde ruft eine grössere Dosis Jodkali ein akutes Auffiackern des tuberku¬
lösen Prozesses (hervor) und zugleich das Erscheinen einer scharf ausgeprägten
hyperalgetischen Hautzone hervor, welche zuvor auch nicht angedeutet war.
Fall 8. 29jähriger Maurer, kommt wegen Heiserkeit, die nach einer Durch-
nässung plötzlich eingetreten sein soll mit gleichzeitigen Schmerzen über der rechten
Schulter, die zum Nacken ausstrahlten. Seitdem Husten mit Auswurf, Nacht
schweisse, Abgeschlagenheit, Abmagerung. Dauer des Leidens ca. sechs Wochen.
Physikalischer Befund: Links vorn oben und rechts hinten oben ist der Per¬
kussionsschall verkürzt. Das Atmen ist über der ganzen rechten Lunge verschärft.
Laryngoskopisch ergibt sich eine rechtsseitige Recurrenslähmung J ). Die Sensi¬
bilitätsprüfung wurde diesmal nicht gemacht.
i) Dieselbe erklärt sich durch die topographische Beziehung des rechten
Recurrens zur Pleurakuppe.
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13] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 373
Drei Wochen später klagt Patient über Schmerzen auf der rechten Seite beim
Gehen. Über dem rechten Unterlappen sind deutlich Ehoncbi zu hören. Die
Dämpfung über dem linken Oberlappen ist stärker geworden, über dem rechten
Unterlappen scheint der Perkusionsschall kürzer zu sein. Deutliche Hyperalgesie
auf der rechten Seite, weniger scharf über dem linken Oberlappen. Fig.* 7.
Fall 9: 47jähriger Mann klagt über Schmerzen auf der linken Brustseite
und unter dem linken Schulterblatt, die vor einigen Tagen plötzlich aufgetreten
seien, gleichzeitig Diarrhöen und Symptome gestörten Allgemeinbefindens. Patient
gibt an, vor einem halben Jahre an einem linksseitigen Lungenkatarrh längere
Zeit krank gelegen zu sein.
Physikalischer Befund: Über dem linken Oberlappen ist der Schall ver¬
kürzt, das Atmen daselbst wie über dem ganzen Unterlappen verschärft. Hyper¬
algesie: Fig. 8.
Auf Dermatol und entsprechende Diät verschwanden in zwei Tagen die
Diarrhöen und mit ihnen die beiden symmetrischen Zonen und es blieb die links¬
seitige, der Lungenerkrankung korrespondierende allein bestehen. Nach einigen
Tagen war auch diese nicht mehr nachzuweisen. Patient fühlte sich wohl.
Fall 10: 18jähriger Student klagt über Schmerzen in der linken Weiche,
besonders beim Flötenblasen, die manchmal so stark sind, dass er die Stelle
nicht einmal berühren kann, ohne den heftigsten Schmerz hervorzurufen. Geringer
Husten mit grauem Auswurf, Nachtschweisse, Mattigkeit. Vater an „Luftröhren¬
erweiterung*, Mutter und eine Schwester an Blutsturz gestorben.
Physikalischer Befund: Über dem linken Unterlappen ist der Schall leicht
verkürzt, das Atmen deutlich verschärft. Die Haut in der Höhe des Unterlappens
in Form eines Bandes auf der linken Seite hyperalgetisch.
Fall 11. 64jähriger Mann, leidet an alljährlich in den Wintermonaten
auftretenden Schmerzen in der Magengrube und unter dem linken Rippenbogen, in
geringerem Grade am Rücken. Diese Beschwerden datieren seit dem Feldzuge
i. J. 1870/71. Husten, Nachtschweisse bestehen ebenfalls solange. Bei Atemnot
werden die Schmerzen stärker, ebenso bei Druck in dieser Gegend.
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Rudolf Goldmann.
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Befund: Herz- und Bauchorgane ohne pathologischen Befund. Die Lungen¬
grenzen reichen hinten bis zum 1. Lendenwirbel. Über dem linken Oberlappen
und dem oberen Teile des Unterlappens ist der Schall stark gedämpft; das Atmen
über dem Oberlappen bronchial, über dem Unterlappen verschärft. Hyperalgesie:
Fig. 9.
In diesem Falle haben wir es anscheinend mit einer sehr
chronisch verlaufenden Tuberkulose zu tun, die den Oberlappen voll¬
ständig, den Unterlappen zum Teil zerstört, dessen distalen Abschnitt
zuletzt angegriffen hat. Die Hyperalgesie entspricht dem jüngsten
Herde; von den reaktionslosen Kavernen, verkästen oder fibrös dege¬
nerierten Lungenteilen, die grösstenteils totes Gewebe mit toten Nerven
darstellen, wird, wie auch He ad betont, kein Schmerz mehr reflek¬
tiert (vergl. auch Schmidts Beobachtung). Ich glaube, dass sich
auf diese Weise erklärt, dass bei „Spitzen“affektionen oft die untersten
der dem Oberlappen entsprechenden Zonen vor allem ausgeprägt
sind, ja in nicht seltenen Fällen noch tiefer liegende Hautsegmente
betroffen werden, da bereits eine noch nicht offenkundige Tuber¬
kulose des Unterlappens resp. des Mittellappens vorhanden ist. Da¬
durch steigt aber nach meiner Ansicht der Wert der hyperalgetischen
Zonen; sie treten da ein, wo die physikalische Untersuchung noch
keine Dämpfung, höchstens Zeichen des Katarrhs ergibt. Da die
i) Zu Fall 12 auf S. 376.
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15] Sensibüitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 375
auskultatorisch oft analoge Bronchitis diffusa acuta oder chronica
von jener leichten Hyperästhesie über dem Brustbeine und dem
mechanisch bedingten Muskelschmerz nach dem übereinstimmenden
Urteile der Autoren keinen Schmerz, also auch keinen reflektierten
erzeugt, so ist in solchen Fällen der Nachweis einer hyperalgetischen
Zone bei Ausschluss einer anderen, dieselbe bedingenden Organ¬
erkrankung gleichbedeutend mit der Diagnose der Erkrankung d. i.
für gewöhnlich der Infiltration des Lungengewebes.
Der diagnostische Wert wäre noch grösser, wenn die He ad sehe
Annahme richtig wäre, dass bei Pleuraaffektionen nur lokaler
d. i. Druckschmerz im Interkostalraum an zirkumskripter Stelle nach¬
zuweisen sei.
Meine eigenen Beobachtungen erlauben mir weder diese Theorie
zu unterstützen noch sie zu widerlegen. Das liegt an der Schwierig¬
keit, bei poliklinischen Kranken zu entscheiden, ob Pleuritis allein
oder als Komplikation einer Lungenerkrankung besteht, ob die Pleu¬
ritis frisch oder alt ist. Reibegeräusche können ja bekanntlich
monatelang an einer Stelle zu hören sein. Diese Frage können im
Grunde nur Sektionen von Fällen reiner Brustfellentzündung ent¬
scheiden, die von ihrem Beginne an in Beobachtung standen.
In Adams Fall war gleichzeitig eine Parenchymerkrankung der
Lunge vorhanden, meine Patienten boten, so oft die Haut hyper¬
algetisch war, alle neben der Pleuritis deutliche Zeichen der Infil¬
tration , während zwei Fälle von Pleuritis exsudativa bereits am
3. Tage der Erkrankung keine Empfindlichkeit zeigten.
Die zitierten Angaben der Autoren sprechen wohl dafür, dass
auch die Pleuritis exsudativa im Beginne ausstrahlende Schmerzen
hervorruft, die mit dem Eintritt des Exsudats verschwinden. Doch
dürfte meistens eine direkte Reizung der Interkostalnerven per con-
tinuitatem, eine wirkliche Interkostalneuritis, als Ursache angesehen
werden können.
Für diejenigen Fälle, in denen der reflektierte Schmerz über die
ersten Tage nach Eintritt der Erkrankung hinaus anhält, die von
intensivem, von der Grösse der Atembewegungen unabhängigem
Schmerz begleitet sind, dürfen wir — abgesehen von den klinischen
Symptomen — eine Erkrankung des Lungengewebes als seine Ur¬
sache annehmen.
Die Pneumonia crouposa soll nach Head nur selten reflek¬
tierten Schmerz zeigen, weil das massige Exsudat den betroffenen
Lungenteil mit seinen nervösen Endorganen so abschliesse, dass sich
kein äusserer Einfluss in Form eines Druckes von innerhalb — durch
die eindringende Luft — oder eines Zuges von ausserhalb — durch
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Rudolf Qoldmann.
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die Atmung — geltend machen könne. Dem gegenüber verweise ich
auf das Zitat aus Günsburg und Aufrecht 1 2 ). „Die Schmerzempfin¬
dung kann dem Schüttelfrost vorausgehen, also die Krankheit ein¬
leiten; meist stellen sich beide Symptome gleichzeitig ein, bisweilen
lässt er schon nach wenigen Stunden nach, andermal kann er tage¬
lang anhaltend Wir müssen also im Beginn der Pneumonie, im
Stadium der Ausdehnung des Lungengewebes durch die Hyperämie
nach reflektiertem Schmerz suchen; leider sehen wir nur selten den
Patienten schon in den ersten Stunden. Ich konnte nur einen Fall
von krupöser Lungenentzündung an der Poliklinik untersuchen.
Fall 12. 26 jährige Frau klagt über Schmerzen auf der linken Seite (Weiche),
besonders bei tiefem Atemholen, sie kann nicht auf dieser Seite liegen; gestern
„zogen die Schmerzen auch nach vorn bis zum Magen 11 .
Befund: Über der linken Spitze Schall verkürzt, Expirium verschärft;
über dem linken Unterlappen Dämpfung, bronchiales Atmen mit Knisterrasseln,
Stimmfremitus verstärkt. Cyanose der Lippen, Dyspnöe, Temperatur 39,6.
Gesteigerte Kitzel* und Kälte-, in geringeren Grade gesteigerte Schmerz-
und Wärmeempfindung in der in Fig. 10 b 3 ) bezeichneten Ausdehnung. Auf der
1) Vergl. auch das Zitat auf S. 363.
2) Zum 2. Fall auf Seite 384.
3) Seite 374.
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17] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 377
Vorderseite (Fig. 10 a), war die Empfindlichkeit nur angedeutet. Der untere
Teil in beiden Figuren entspricht gegenüber dem oberen einer Zone geringerer
Hyperästhesie.
Moll vanCharante beschreibt einen Fall von krupöser Pneu¬
monie, bei der die Hyperalgesie nur auf dem Rücken ausgeprägt
erschien. Bei Pneumonieen von Kindern, worauf ich hier nicht
näher eingehen will, fand ich Hyperalgesie in der Mehrzahl der
Fälle gleichzeitig mit der Angabe der Mütter, das Kind schreie selbst
bei leichtem Anfassen an der betroffenen Stelle. Ich halte den Nach¬
weis der reflektierten Empfindlichkeit im Anschoppungsstadium als
ein wichtiges Hilfsmittel zur Bestimmung des Ortes der Erkrankung.
Bei dem akuten Verlauf derselben, die frühzeitig zu einer Funktions¬
herabsetzung der lokal affizierten Nerven führt, können wir uns nicht
wundern, wenn der Schmerz sich oft nur auf einen Teil der Haut¬
zone, oft scheinbar regellos ausbreitet und bald verschwindet. Das¬
selbe finden wir bisweilen bei Lungentuberkulose, besonders wenn sie
unter dem Bilde der Pneumonie verläuft; doch ist in diesen Fällen
die Hyperalgesie entsprechend dem Verlaufe .(Pneumonia caseosa)
von längerer Dauer.
Das Ergebnis meiner Untersuchungen ist: Die Headschen
Zonen sind in der Regel bei allen akuten Affektionen des Lungen¬
parenchyms, ferner bei allen akuten, seltener bei subakuten Nach¬
schüben chronischer Affektionen desselben, wenn auch nicht immer
in ihrer ganzen Ausdehnung nachzuweisen. Von selteneren Erkran¬
kungen der Lunge: Abszess, Gangrän, Neoplasma, Lues, Aktino-
mykose ist hier abgesehen. Alte Herde, ebenso Kavernen ohne
reaktive Entzündung, die Bronchitis acuta und chronica, höchst wahr¬
scheinlich auch die katarrhalische Pneumonie und die Entzündungen
der Pleura verlaufen ohne spinale Hyperalgesie der Haut. Diese ent¬
spricht der Seite und Höhe der Erkrankung; bei herabgesetztem
Widerstand in der Nervenleitung infolge von nicht allzu hohem Fieber,
schlechtem Ernährungszustand, erethischer, neuropathischer (hyste¬
rischer oder neurasthenischer) Disposition geht sie symmetrisch auf
die andere Seite über oder irradiiert auf die benachbarten Zonen,
ohne jedoch hier die gleiche Intensität wie auf der korrespondierenden
Stelle zu erreichen. Bei der Hysterie kann sie wie jeder Schmerz
zu totaler Hemihyperästhesie führen. Doch hebt sich hierbei, wie
ich in zwei Fällen beobachten konnte, das dem erkrankten Herde
entsprechende Hautgebiet durch seine stärkere Hyperalgesie von dem
übrigen ab.
Die Hyperalgesie nimmt ceteris paribus entsprechend dem Ver¬
laufe der Erkrankung zu oder ab. Doch kann sie auch nach dem
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Rudolf Goldmann.
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Abklingen der übrigen Erscheinungen noch einige Zeit andauern.
Oft wird sie durch geringe lokale Veränderungen über Wochen wach¬
gehalten — obwohl die spontanen Schmerzen geschwunden sind; wir
müssen für diese Fälle mit Goldscheider eine höhere Reizbarkeit
der Ganglienzellen im Rückenmark annehmen, welche nur allmählich
abklingt. Bei neuropathischen Individuen kann sie sich zu einem
selbständigen Symptom herausbilden, die spinale Hyperästhesie wird
zur cerebralen. Bei chronischen Krankheiten, besonders bei hereditär
belasteten Individuen, die ja unter den Lungenkranken einen so
grossen Prozentsatz bilden, ist diese Erscheinung nicht selten. Da kann
nur eine genaue klinische Beobachtung entscheiden, ob noch eine
somatische Grundlage vorhanden ist oder nicht. Gewöhnlich dürfte
schon die Unsicherheit der Angaben des Patienten, die eigentümliche,
den Zonen gar nicht entsprechende Form auf den richtigen Weg
führen. Dasselbe wird auch für Fälle mit Aggravation gelten. Der
Nachweis einer ganzen Zone wird jedoch zum Aufsuchen einer ana¬
tomischen Veränderung führen.
Die Zonen sind meistens in ihrer ganzen Ausdehnung betroffen,
wenngleich nicht alle ihre Teile in derselben Intensität; in solchen
Fällen gelangt man leicht dazu, nur die empfindlichsten Punkte zu
beachten, wenn man nicht jedesmal die symmetrischen Partieen der
anderen Seite zum Vergleich heranzieht.
Mackenzie, Adam, Moll van Charante gelangen in diesem
Punkte zu dem scheinbar entgegengesetzten Resultate, dass stets nur
einzelne Abschnitte der He ad sehen Zonen ausgeprägt sind, während
Haenel und Faber im Grunde die Headschen Angaben bestätigen.
Von meinen Fällen scheint Nr. 12 auf den ersten Blick eine
Ausnahme. Vielleicht verhält es sich hier unter Umständen analog
wie mit Hyperästhesie bei den „wahren Segmentalkrankheiten“, als
deren Typus Muskens die Tabes hinstellt. „Im Anfang ist oft nur
ein Teil des Wurzelfeldes, durch Erkrankung einiger Wurzelbündel-
chen, zuweilen nur einige wenige Flecke, einem Wurzelgebiet ange¬
hörend, betroffen“. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass bei der
tabischen Hypästhesie die Irradiation auf benachbarte Segmentab¬
schnitte nicht mitspielt. Bei den ganz akuten Prozessen, welche zu
rascher Schädigung der Nervenendorgane*) in den Lungen führen, die
ich allerdings nur seltener zu untersuchen Gelegenheit hatte, dürfte
eine partielle Segmentreizung und irreguläres Überspringen der Er¬
regung auf die benachbarten Segmente öfters zu konstatieren sein.
Was die Grenzen der Hyperalgesieen anbelangt, so fand ich sie
in vielen Fällen ganz scharf, in anderen unsicher, schon während
!) Ich bin mir des Hypothetischen in diesem Begriffe wohl bewusst.
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19] SeDsibilitätsstöruDg. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 379
einer Untersuchung wechselnd oder an den nächsten Tagen nicht
mit der gleichen Genauigkeit angegeben. Häufig zeigten sich die
Nachbargebiete in einem Zustande nur geringer ausgesprochener
Hyperalgesie.
Von Mackenzie wurde beobachtet, dass die Hyperalgesie auch
die tieferen Bedeckungsschichten betrifft. Dem gegenüber muss ich
Heads Standpunkt vertreten, dass tiefer Druckschmerz nicht vor¬
handen ist. Um dies zu konstatieren, ging ich so vor: nachdem ich
die Sensibilität der Haut untersucht hatte, prüfte ich auf die Em¬
pfindlichkeit der tieferen Teile, indem ich die Haut, wo es anging,
verschob, so dass die zu untersuchende Stelle unter normal empfind¬
licher Haut war. Drückt man hingegen durch die hyperalgetische Haut,
so wird bei knöcherner Unterlage Schmerz auftreten, hingegen nicht,
wenn die Unterlage weich ist wie am Abdomen und der Druck
flächenhaft erfolgt, nicht mit einer einzelnen Fingerkuppe, welche
die Haut unter starker Spannung vor sich herstülpt. Es spricht gegen
die tiefe Hyperästhesie auch die Tatsache, dass sich die Patienten
bei Anfällen von heftigen Schmerzen durch intensiven Druck mit der
ganzen Vola manus oder mit der Faust Erleichterung schaffen, was
ein Patient mit schmerzhafter Muskulatur, Peritoneum, Periost etc.
niemals tut.
Die Prüfung auf Druckschmerz bei der Pleuritis circumscripta
hat nur bei genügend weiten Interkostalräumen diagnostischen Wert,
sonst drückt man die Weichteile gegen die scharfen Rippenkanten.
Die Headschen Maximalpunkte innerhalb jeder Zone konnte ich
nicht mit Sicherheit bestätigen. Ich glaube, dass ihr eventueller
Nachweis infolge der ungleichen sensiblen Wertigkeit der verschiedenen
Hautpartieen grosse Schwierigkeit hat. Ich vermochte höchstens in
der Fossa supraspinata, in der Fossa infraclavicularis, in der Regio epi-
gastrica ungefähr in der Mitte zwischen Schwertfortsatz und Nabel
öfters wiederkehrende, besonders empfindliche Punkte zu konstatieren.
Da die Lokalisation des Schmerzes von Seite der Patienten eine
Auslegung der vorhandenen Rückenmarksreizung ist, so dürfen wir
es nicht wundernehmen, dass die Angaben der Kranken mit dem Be¬
funde der Sensibilitätsprüfung in bezug aufs Niveau nicht immer über-
einstimmen, besonders wenn einige Zeit seit dem letzten Schmerzanfall
verflossen ist. Es kommen dabei höchstwahrscheinlich auch psychische
Momente in Betracht, welche eine diffusen Schmerz an den Ort pro¬
jiziert werden lassen, woher dem Bewusstsein die meisten unange¬
nehmen Empfindungen zuzufliessen pflegen: dahin gehört vor allem
das Epigastrium, die Weichen, die Schultern etc. Es kommt daher
oft vor, dass die subjektiven Angaben aufs Abdomen hinweisen,
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380 Rudolf Gold mann. [20
während die Hyperalgesie ausschliesslich oder vorwiegend in der
hinteren Hälfte der Zone liegt (vergl. Fall 12). Der objektive Wert
der Zonen gewinnt dadurch, dass wir in diesen Fällen eine trans¬
kortikale, psychische Hyperalgesie mit Sicherheit auszuschliessen ver¬
mögen. Daraus ergibt sich auch die Wichtigkeit, die Aufmerksam¬
keit des Patienten niemals auf den zu erwartenden objektiven Be¬
fund hinzulenken, ihn vielmehr in seinen spontanen Empfindungen
zu bestärken.
Der Headsehen Hypothese, dass C 5 , C 6 , C 7 , C 8 (d. i. die Haut
des Armes mit Ausnahme der Innenfläche) eine Lücke darstellen,
welche sich bei inneren Erkrankungen nicht hyperalgetisch findet,
muss ich entgegenhalten, dass ich in mehreren Fällen (vgl. Nr. 1, 2
und 6) Hyperalgesie bei Herz- und Lungenaffektionen auch im Ge¬
biete der erwähnten Zonen konstatieren konnte, ausserdem von den
Patienten die Angabe motorischer Reizerscheinungen, tonischer Krämpfe
in der Hand, auch vorübergehender Paresen und ausstrahlender
Schmerzen in allen Fingern gemacht wurde 1 ). Allerdings gehören diese
Fälle zu den selteneren.
Die gewöhnliche oberste und unterste Grenze des bei Lungen¬
leiden empfindlichen Gebietes konnte ich in Übereinstimmung mit
Head durch die früher (S. 365) erwähnten Punkte legen, wenngleich eine
Irradiation in distaler Richtung bis unter das Leistenband (D 10 —L x ,
nach Kocher D 11 -—L 2 ) nicht allzu selten ist.
Die Form Zahl und Grösse der Headschen Zonen dürfte, wie ein
Vergleich mit den Koch ersehen zeigt, in nächster Zeit noch manche
Berichtigung erfahren. Ich konnte meistens eine Form nachweisen,
die dem Ko eher sehen Schema mehr als dem Headschen entspricht.
Eine eigenartige Stellung nehmen die „Kopfzonen“ und die
Hype rästhesie der Mittellinien (Spinalgie, Hyperalgesie der
Haut über dem Sternum und in der Verbindungslinie des Schwert¬
fortsatzes und des Os pubis) ein. Wenn man bedenkt, dass der Trige¬
minus seine Fasern zum Teil aus dem Cervikalmark bezieht, so wird
man sich nicht wundern, dass bei Affektionen der Lungenspitze die
Erregung vom unteren Cervikalmark auf diesen obersten Teil und
damit auf das Trigeminusgebiet irradiiert (Fall 5). Head betont
aber, dass auch, ohne Betroffensein der oberen Cervikalzonen, einzelne
Punkte am Kopfe (Schläfe, Supraorbitalgegend) bei einseitigen Lungen¬
erkrankungen empfindlich sind (Fall 5). Es dürfte sich vielleicht so
manche „Trigeminusneuralgie“ als Teilerscheinung einer Visceral¬
speziell Lungenerkrankung herausstellen.
i) Dabei ist auch stets an die Möglichkeit einer Neuritis des PIexu 9 cervi«
cnlis zu denken. (Vergl. Fall 1 auf S. 384.)
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21] SensibilitfitestüruDg. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 881
Nebenbei sei bemerkt, dass auch einseitige Affektionen des Sym-
pathicus, besonders seines Brnstteiles, infolge von Lungenspitzen¬
erkrankung einseitiger Kopfschmerz mit den Symptomen der „Neur¬
algie“ erzeugen können. Dabei spielen aber meistens vasomotorische
und okulopupilläre Erscheinungen eine gewisse Rolle. 1 )
Auf die Druckschmerzhaftigkeit der Wirbeldornfort¬
sätze und des Sternums bei Lungenerkrankungen macht Cor net
(1. c.) aufmerksam. Petruschky sieht Spinalgie im Bereiche des
2.—7. Brustwirbels als Frühsymptom der Spitzentuberkulose an, be¬
dingt durch Erkrankung der bronchialen Lymphdrüsen (?). Fab er
erklärt sie einerseits als Teilerscheinung der Hauthyperalgesie, ander¬
seits als selbständiges Symptom, wenn sie auch ausserhalb der Head-
schen Zonen Vorkommen.
Ich erinnere auch daran, dass die „Points douloureux apophysaires“
Trousseaus(„entfernteDruckschmerzpunkte“Eichhorsts) bei der
Interkostalneuralgie, die wir nunmehr für die meisten Fälle als reflek¬
tierte Spinalhyperästhesie, als Visceralneuralgie auffassen müssen 8 ), in
der Regel an den Dornfortsätzen derjenigen Wirbel zu finden sind,
welche den betroffenen Wurzeln entsprechen.
Nur ausnahmsweise findet man Druckpunkte ausserhalb des be¬
troffenen Gebietes, z. B. bei der Trigeminusneuralgie, Spinalgie im
Bereiche der oberen Halswirbel, Empfindlichkeit von Knochenpunkten
an der oberen Extremität. Wie bei diesen Fällen eine Irradiation
der Erregung vom Trigeminuscentrum auf das Halsmark stattfindet,
ebenso müssen wir uns das seltenere Auftreten von Druckschmerz¬
haftigkeit der Dornfortsätze ausserhalb der hyperalgetischen Zone
bei Visceralerkrankungen erklären. Analog ist bei Rückenmarks¬
läsionen im Cervikalabschnitt oft Druckschmerzhaftigkeit sämtlicher
Brustwirbel vorhanden (S. Kocher).
Ich glaube die Empfindlichkeit im Bereiche der Mittellinien vor
allem bei Patienten gefunden zu haben, welche Irradiation auf die
andere Seite zeigten (vgl. Fall 6), während sie bei einseitiger Hyper-
algesie selten vorhanden waren. Die ersteren Fälle erkläre ich mir,
indem ich die betroffenen Stellen als Interferenzzone zwischen den
symmetrischen Hautgebieten betrachte, die aus diesem Grunde eine
erhöhte Empfindlichkeit zeigt, die wohl in geringem Grade schon
beim gesunden Menschen vorhanden ist. Bei empfindlichen Individuen
<
1) Genaueres über dieses Thema will ich demnächst veröffentlichen.
2) An dieser Auffassung ändert auch nichts die Tatsache, dass bei der reflek¬
tierten kutanen Hyperalgesie auch Druckschmerzhaftigkeit der Nerven vorhanden
ist; da das Rückenmark in einem Zustand erhöhter Reizbarkeit ist, wird auch
diese Art von Nervenerregung besser geleitet.
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382
Rudolf Goldmann.
[22
kann man sich leicht davon überzeugen. Als die sensibelsten Gegen¬
den des Rumpfes sind sie bei weniger intensiver Erregung des Rücken¬
markes zuerst empfindlich, während die anderen Teile der entsprechen¬
den Zonen noch eine innerhalb der Grenzen der normalen liegenden
Sensibilität zeigen (vgl. Fall 6).
Was die Häufigkeit der Hyperalgesie in Beziehung auf das Ge¬
schlecht anbelangt, so kann ich Fab er und Haenel, welche aller¬
dings nur Magenkranke untersucht haben, darin nicht beistimmen,
dass vor allem weibliche und zwar hysterische Individuen die Head-
schen Zonen aufweisen.
Von meinen 40 Patienten mit deutlicher Hyperalgesie sind 19
weiblichen, 21 männlichen Geschlechts. Wohl besteht bei Hysterischen
die Neigung des reflektierten Schmerzes in grosser Ausdehnung zu
irradiieren, wobei er jedoch die spinale Ausbreitung zu gunsten der
psychischen aufgibt, um als selbständiges Symptom in der für Hysterie
eigentümlichen Form fortzubestehen; doch sind die Headsehen Zonen
keineswegs ein Zeichen einer psychopathischen Anlage.
In Kürze sei der Differentialdiagnose des reflektierten
Schmerzes bei Lungenaffektionen gegenüber lokalen Affektionen gedacht.
Die Interkostalneuralgie, die wir in den meisten Fällen als Reflex¬
hyperästhesie des Rückenmarks aufzufassen haben, kann im Verlaufe
von anatomischen Nerven-(Neuritis), resp. Rückenmarkserkrankungen
(Tabes) auftreten. Dabei ist, vom ersten Beginn abgesehen, die
Haut hypästhetisch (Analgesia dolorosa); bei peripherer Affektion
entspricht die Empfindlichkeit überdies der Verteilung der Nerven,
nicht dem eines spinalen Segmentes; der Schmerz bei Druck auf den
Nervenstamm überwiegt den bei Reizung der Haut und den spontan
auftretenden. Dasselbe gilt von der Neuritis des Plexus cervicalis.
Schmidt findet Druckschmerzhaftigkeit des Plexus cervicalis
auf Seite der Spitzeninfiltration, „die jedoch bei vorgeschrittener
Phthise nur selten und nicht in ausgesprochenem Grade vorkommt“.
Dabei ist oft die Empfindlichkeit der Haut am Arm in verschiedener
Ausdehnung, bald im Sinne der Hypästhesie, bald im Sinne der
Hyperästhesie (bes. Hyperalgesie) alteriert. Diese Fälle dürften sich
zum Teil als Neuritis, zum Teil als Retiexhyperästhesieen (auch bei
diesen ist der Nerv druckempfindlich) erklären, besonders da das
Symptom bei Phthisis progressa wie gewöhnlich der irradiierte Schmerz
nur selten vorkommt, während ein Seltenerwerden der Neuritis im
Spätstadium nicht verständlich ist 1 ).
i) Man müsste sonst annehmen, dass in einem späten Stadium der Neuritis
der Phthisiker auch die Druckschmerzhaftigkeit verschwindet. (Vergl. Fall 2 auf
Seite 384.)
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23] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 383
Beim Muskelrheumatismus ist die Sensibilität der Haut nicht
alteriert; ebensowenig bei anatomischen Gelenksaffektionen ;nur bei
Hydrarthros ist sie sogar vermindert, wie Chavigny gefunden
hat. Diese Tatsache kommt uns bei der Beurteilung des häufigen
Schulterschmerzes Lungenkranker sehr zu statten, um so mehr als
in diesen Fällen auch die Bewegungen in dem Gelenke bisweilen
sehr empfindlich sind und wir auf Grund der Befunde von Gelenks-
hyperalgesie bei traumatischer Rückenmarksreizung (vergl. Kocher
Fall 16) und der Experimente von Koch 1 ) analog auch eine reflek¬
tierte Gelenkshyperästhesie bei Visceralaffektionen anzunehmen
berechtigt sind.
Die Unterscheidung von hysterischer Hyperästhesie ist oft weniger
leicht, besonders wenn der lungenkranke Patient neuropathisch ist.
Der eigentümlichen Form der psychischen Sensibilitätsstörungen (ent¬
sprechend gewissen Vorstellungseinheiten: Amputationsstücke der
Extremitäten oder dieselben als Ganzes etc.) kann in vielen Fällen
zur richtigen Auffassung führen; ebenso dass bei hysterischen Hyper¬
ästhesien von Visceralorganen die Empfindlichkeit der Haut sich
nur auf das vorgestellte Gebiet (Epigastriura) beschränkt ist. Unter¬
scheidend ist auch der Druckschmerz, welcher bei der psychischen
Empfindlichkeit immer ausgesprochen ist, während er bei der reflek¬
tierten in der Regel gering ist, ja fehlen kann. In jedem Falle ist an eine
Kombination von reflektiertem und sekundärem hysterischen Schmerz zu
denken. Was wir Head und seinen Vorgängern Ross und Mackenzie
verdanken, ist, dass sie uns Schmerzen anatomisch verstehen gelehrt
haben, welche nicht an der Stelle des erkrankten Organes liegen, bei
Lungenkranken: Schmerzen in der Herzgegend, im Epigastrium. im
Unterleib, in der Nierengegend, in der Weiche, im Arm, im Nacken
und in der Kopf- und Gesichtshälfte der mit der Erkrankung
korrespondierenden Seite* ferner die an den symmetrischen Stellen
der anderen Körperhälfte. Bei diesen sonst oft unklaren Fällen wird
die Diagnose in dem Nachweise bestimmter Hauthyperalgesieen eine
wichtige, wenn auch mit einiger Vorsicht zu gebrauchende Stütze
finden.
Dass die Therapie gegenüber diesem Symptom in erster Linie
eine kausale sein muss, ist selbstverständlich. Doch kann man es
versuchen, durch Einwirkungen auf die Haut (Massage, kalte Ab¬
reibungen, mehr suggestiv Faradisation, chemische Reizung), auf das
primär erkrankte Organ Einfluss zu nehmen oder wenn der Schmerz
i) Danach liegen die Fasern für die Gelenkempfindung im Seitenstrange
nach aussen von denen für die Hautempfindung.
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 26
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384
Rudolf Goldmann.
[24
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anfallsweise auftritt, ihn durch Gegenreize zu beschwichtigen. Einer
von meinen Patienten linderte seinen neuralgiformen Schmerz über
der linken Brustseite, indem er sich jedesmal mit Gewalt gegen einen
Türpfosten anstemmte; andere pressen die Hand gegen die empfind¬
liche Stelle. Von Kokaineinreibungen, die Head empfiehlt, habe ich
in zwei Fällen keinen Erfolg gesehen; die Hyperalgesie liegt eben
nicht so sehr in den kutanen Nervenendigungen als im Rückenmark.
Wenn Faber von einer allzu lokalen Therapie warnt, weil sonst der
Schmerz leicht hysterisch wird, so kann ich ihm darin nur beistimmen.
Der Wert der Headschen Zonen liegt deshalb vorwiegend auf
dem Gebiete der Diagnose, wo ihre Berücksichtigung in vielen Fällen
die Auffindung des Krankheitsherdes wesentlich erleichtern kann.
Anhangsweise erwähne ich noch zwei merkwürdige Fälle von
Hypästhesie.
Der erste, ein 60jähriger Mann, [klagt über Schmerzen auf der rechten
Seite; bisweilen treten Krämpfe im rechten Arm von minutenlanger Dauer auf.
Vor 10 Jahren hatte er eine Brustfellentzündung rechterseits durchgemacbt. Seit¬
dem leidet er mit Unterbrechungen an Schmerzen in dieser Seite und Husten.
Die Untersuchung ergibt starke Dämpfung über dem ganzen rechten Ober*
lappen mit verschäften bronchialem Atmen.
Es besteht Hemihypästhesia totalis dextra, besonders im Gebiete des rechten
Oberlappens entsprechend seinen Grenzen und am rechten Arm bis zum Hand¬
gelenk. Gleichzeitig ist, jedoch nur in dem oberen Teile Empfindlichkeit gegen
Druck und Perkussion vorhanden, während nach abwärts vom vierten Interkostal
raum die tiefe Sensibilität herabgesetzt ist! Ich sehe den Fall als eine durch
Pleuritis bedingte Neuritis der dem Oberlappen zunächst liegenden Interkostal-
Nerven an, die sekundär zu einer psychischen Sensibilitätsstörung geführt hat.
Der zweite Fall, ein Mann von 46 Jahren, klagt über Schmerzen auf der
linken Seite beim Husten, das Atmen sei da erschwert. Die Haut auf der ganzen
linken Rumpfhälfte sei gefühllos, bei Kaltwasserprozeduren trete keine Reaktion
auf, während sie rechts prompt erscheine. Vor drei Jahren hatte er eine Rippen¬
fellentzündung, dabei Schmerzen auf der linken Seite bis zum Leistenbund. Ferner
habe er in den letzten acht Tagen sechs bis siebenmal einen Krampf in der
linken Hand (nach der Schilderung in Geburtshelferstellung) und Ameisenlaufen
in den Fingern desselben gehabt, jedesmal morgens von drei bis sechsstündiger
Dauer, wenn er abends mehr Bier genossen, sonst bloss von 1—1 */* stündiger
Dauer; dabei bestehen niemals AtmungsbeBchwerden oder Beklemmungsgefübl.
Klinisch bestehen alle Symptome eine Aorteninsuffizienz, der Puls ist jedoch
kräftig, regelmässig, nicht beschleunigt, ausserdem die einer beider-, besonders
linksseitigen Spitzenaffektion und einer Pleuritis adhäsiva sinistra.
Die Prüfung der Sensibilität ergibt Hypästhesie für alle Qualitäten der
in dem nachstehenden Gebiete Fig. 11 x ). Über der Lungenspitze scheint Hyper¬
algesie zu bestehen. Der Bauchdecken- und Scotalreflex sind links nicht, rechts
leicht auslösbar. Patellar- und Pupillenreflexe normal. Es besteht keine tiefe
Druckschmerzhaftigkeit, auch nicht in den Interkostalräumen. Die Sensibilitäts-
i) Seite 376.
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25] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungen erkrank., besond. d. Tuberkulose. 385
Störung hält sich in diesem Falle an das Wurzelgebiet des II. Dorsal- bis zu
dem des I. Lumbalsegments (nach Kocher II. Lumbalsegments). Dasselbe ist
wahrscheinlich identisch mit dem des U. Interkostal- bis zum ersten bezw.
zweiten Lumbalnerven, welch’ letztere (vergl. Wich mann) den Plexus ischiadicus
bilden helfen. Wir müssen daher eine Schädigung dieser Nerven nahe ihrem
Austritt aus dem Rückenmark annehmen, wie sie durch ein den ganzen Komple-
«nentärraum erfüllendes Exsudat möglich ist.
Die Seltenheit dieser Art von Sensibilitätsstörung, die wohl nur
der Pleuritis zukommt, muss uns eine Warnung sein, die vorüber¬
gehenden Hyperalgesieen, die in den meisten Fällen mit Pleuritis
nichts zu tun haben, ja sogar oft ausser deren Bereich (Nacken,
Kopf, Arm) liegen, auf dieselbe Weise erklären zu wollen, wenngleich
in einzelnen Fällen eine Hyperästhesie, die sich später in ihr Gegen
teil verwandelt, bei der Brustfellentzündung auf direkte Reizung der
Nerven zurückgeführt werden und so die Diagnose des reflektierten
Schmerzes widerlegen kann. Eine Entscheidung in derartigen Fällen
wird mit Sicherheit erst dann abgegeben werden können, bis die
Anatomie das Gebiet der Rückenmarkssegmente und das der peri¬
pheren Nerven, vor allem der Rumpfnerven, genau abgegrenzt hat.
Literatur.
1. Adam, Hyperästhesie der Haut bei inneren Organerkrankungen. Inaug.-Diss.
Berlin 1897.
2. Aufrecht, die Lungenentzündungen S. 76. Nothnagels Handbuch XIV.
3. Chavigny, Sensibilität der Haut bei Gelenkerkrankungen. Centralbl. für
i. M. 1902.
4. Com et, Tuberkulose S. 331. Nothnagels Handb. XIV.
5. Eichhorst, Neuralgie. Deutsche Klinik im Anfang des 20. Jahrb. Bd. VI.
52. Liefg.
6. Fab er, Reflexhyperästhesie bei Verdauungskrankheiten. Deutsches Arch.
für klin. Med. Bd. 65.3 u. 4.
7. Fenger cit. bei Fab er.
8. Filatow, Semiotik der Kinderkrankheiten. S. 205.
9. Gaskeil cit. nach Schmidts Jahrb. 1889.
10. Goldscheider, Über den Schmerz in physiol. u. klin. Hinsicht. Berlin 1894.
11. Graves cit. bei Stokes. S. 79.
12. Günsburg, Path. u. Ther. der Erkrankung des Respirations- u. Cirkulations-
organe 1856.
13. Haenel, Sensibilitätsstörungen der Haut bei Visceralerkrankungen. Münch,
med. Wochenschr. 1901 Nr. 1.
14. He ad, Sensibilitätsstörungen der Haut bei Visceralerkrankungen. Deutsch
von W. Seiffer-Berlin 1898.
26*
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386 Rud. Goldmann. Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank. etc. [26
15. Koch, cit. bei Leyden-Goldscheider, Rückenmarkskrankheiten. S. 45.
Nothnagels Handb.
16. Kocher, Die Verletzungen der Wirbelsäule etc. Mitteilg. aus d. Grenzgeb.
d. Med. u. Chirurg. 1896. 1. (Sensibilitätstafel auch in Sahli, klin. Unter-
suchungsmetb.)
17. Lange cit. bei Fab er.
18. Len ander, Beob. über Sensibilität in d. Bauchhöhle. Mitt. aus d. Grenzg.
1902. 1 u. 2.
19. Mackenzie cit. bei Moll. S. 110 ff.
20. Moll van Charante, Die hyperalgetische Zonen van Head; Inaug.-Diss.
Leyden 1900. (Daselbst ausführliche Literaturangabe.)
21. Muskens, Über die wahren Segmentalkrankheiten. Arch. f. Psych. u. N.
1903. 1.
22. Petruschky, Bericht der Vers, deutsch. Naturf. u. Ärzte, in Karlsbad 1902*
Ref. in Münch, med. Wocbenschr. 1902. Nr. 43.
23. Quincke, Über Miteropfindung und verwandte Vorgänge S. 444. Deutsches
Arch. f. kl. M. 1890.
24. Rosenbach, Erkrankung des Brustfelles. Nothnagels Hdb. XIV. I. S. 53.
25. Ross s. Moll.
26. Rühle, Krankheiten der Lungen. Ziemssen Hdb. Bd. V. 2. TI. S. 54 ff.
27. Schmidt, Über Akroparästhesien. Wiener klin. Wochenschr. 1901.
28. Sticker* Über die diagnost. Verwertung der Form und Verteilung der
Sensibilitätsstörungen. Münch, med. Wochenschr. 1896. S. 193.
29. Stokes, Abhandlung über Brustkrankheiten. S. 644. 1838.
30. Turban, Beiträge zur Kenntnis der Lungentuberk. S. 14. Wiesbaden 1899.
31. Wichmann, Die Rückenmarksnerven. Berlin 1900.
32. Ziemssen, Pleuritis und Pneumonie im Kindesalter.
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
Aus dem pathologisch-anatomischen Institut in Heidelberg.
Über das Vorkommen von grossen Konglomerat¬
tuberkeln in der Herzmuskulatur.
Von
Dr. Stephani.
Mit der steigenden Zahl der Obduktionen und der besseren Er¬
kenntnis pathologisch-anatomischer Verhältnisse hat man besonders
die Pericarditis tuberculosa als ein ziemlich häufiges Vorkommnis
kennen gelernt. Auch die Endocarditis tuberculosa ist sowohl in
Form von verukösen Exkrescenzen als auch unter dem Bilde miliarer
Knötchen des Endokards in den letzten Jahren immer häufiger an¬
getroffen worden. Das gleiche gilt von der Miliartuberkulose des
Herzmuskels. Der Umstand aber, dass im Verhältnis zu den über¬
haupt obduzierten Fällen von tuberkulösen Erkrankungen des mensch¬
lichen Körpers die Anzahl der veröffentlichten Fälle von grossen
Tuberkelknoten im Myokard — sie hat das erste halbe Hundert
noch nicht erreicht — eine ganz verschwindende ist, rechtfertigt
wohl die Beschreibung weiterer Fälle.
Die ersten eingehenden Arbeiten über Herztuberkulose waren die
von Haberling 1865 und von Schöffler 1873, dann folgte eine
sehr ausführliche Arbeit aus dem Jahre 1878 aus dem Göttinger
pathologischen Institut von Sänger. Dieser Autor hat sich bemüht,
aus den sehr mannigfaltigen pathologisch - anatomischen Befunden
bestimmt umgrenzte Typen der Erkrankung aufzustellen. Er hat
dabei aber nicht nur die myokardialen, sondern auch die peri- und
endokardialen Erkrankungen in den Kreis seiner Betrachtungen ein¬
bezogen. Eine Zusammenstellung sämtlicher Fälle ist seit dem Jahre
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388
Dr. Stephani.
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1878 in der deutschen Literatur nicht mehr erschienen. Die Sänger-
sche Zusammenfassung der vereinzelten Beobachtungen wurde im
Jahre 1892 von Polläck einer genaueren Nachprüfung unterzogen
und durch einige dort übersehene Fälle ergänzt. Ebenso fand Püsch-
mann, dessen Arbeit aus dem Jahre 1896 stammt, noch einige
Fälle, die den beiden vorher erwähnten Autoren entgangen waren.
Labbe hatte im Jahre 1896 die myokardialen Veränderungen
durch den Koch sehen Bacillus in vier Formen eingeteilt:
1. grosse verkäste Tuberkelknoten in der Muskulatur,
2. diffuse tuberkulöse Infiltration des Herzmuskels,
3. Miliartuberkulose des Myokards und
4. eine fibröse Form tuberkulöser Myokarditis.
Ein anderer französischer Bearbeiter Barrie, der in der Semaine
medicale im Jahre 1896 ein Sammelreferat über alle Arbeiten dieses
Gebietes gab, stellte drei verschiedene Formen auf:
1. Grosse verkäste Knoten des Myokards,
2. Miliartuberkulose und
3. diffuse tuberkulöse Infiltration der Muskulatur, verbunden
mit sklerosierender Hypertrophie und Verfärbung.
Im Jahre 1898 gab schliesslich Fuchs in seiner Dissertation eine
Übersicht über die ganze vorliegende Literatur.
Diese Arbeiten behandeln aber sämtlich alle überhaupt vor-
kommenden tuberkulösen Veränderungen des Herzens.
Ich habe die Miliartuberkulose des Myokards aus meinen Be¬
trachtungen ausgeschieden, weil es sich in diesen Fällen doch nur um
eine pathologische Veränderung handelt, die verhältnismässig kurz
vor dem Tode eingetreten und mehr als der Ausdrupk einer allge¬
meinen Infektion aufzufassen ist, wie als ein lokaler Krankheitsprozess
an und für sich. Ausserdem haben die eingehenden Untersuchungen
von Weigert über die Miliartuberkulose ergeben, dass man bei ge¬
nauer Aufmerksamkeit bei dieser Allgemein-Infektion den Herzmuskel
in einem sehr grossen Prozentsatz erkrankt findet.
Man ist einerseits zur Annahme berechtigt, dass es sich bei den
Fällen von diffuser Myokardial-Tuberkulose um pathologische Zustände
handelt, welche zwar vielleicht längere Zeit im Leben bestanden hatten;
andererseits aber kann man sich schwer vorstellen, dass ein solcher
Prozess als isolierte Erkrankung der Muskulatur ohne Beteiligung
von Perikard und Endokard bestanden hat.
Nur bei grossen Konglomerattuberkeln in der Muskulatur,
zumal wenn der Zustand des Tuberkels ein wesentlich älteres Stadium
darstellt als die Veränderungen in der Umgebung, ist man auch be¬
rechtigt, die Frage zu erörtern, ob die krankhaften Veränderungen
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3] Üb. d. Vorkomm. y. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 389
im Muskelgewebe schon bestanden hatten, ehe Epi- oder Endokard
beteiligt war.
Ich habe deshalb bei der am Ende dieser Arbeit gegebenen Zu¬
sammenstellung nur diejenigen Fälle berücksichtigt, bei denen grössere
tuberkulöse Käseknoten in der Muskulatur vorhanden waren.
Bei der Differentialdiagnose,ob man einen grossen in der Mitte
erweichten Knoten in der Herzmuskulatur auch als tuberkulös an¬
sprechen darf, kommt die Berücksichtigung der Veränderungen durch
Syphilis, durch Carcinom oder durch Aktinomykose in Betracht.
Da Gummaknoten des Myokards nicht gerade zu den extremsten
Seltenheiten gehören, hat man lange Zeit alle grossen erweichten
Knoten im Herzmuskel als luetisch bezeichnet. Abgesehen von der
Berücksichtigung der übrigen Befunde der Leichenschau wird für die
makroskopische Beurteilung die scharfe bindegewebige Begrenzung
und die etwas mehr graue Farbe des erweichten Gewebes bei syphi¬
litischen Affektionen massgebend sein.
Erweichte Carcinommassen sehen sehr viel leichter einer tuber¬
kulösen Verkäsung ähnlich, was mir auch ein Präparat der Heidel¬
berger Sammlung zeigte, welches als Myocarditis tyromatosa be¬
zeichnet war und dessen histologische Untersuchung Carcinom ergab.
Es zeigten diese Erweichungen aber mehr einen krümeligen und
trockenen Charakter.
Die Aktinomykose ist auch schon in der Herzmuskulatur des
Menschen beobachtet worden. Die gelbe Eitereinschmelzung ist der
tuberkulösen sehr ähnlich, ebenso wie actinomykotische Verände¬
rungen in anderen Organen das Bild der Tuberkulose bieten können.
Die Aufmerksamkeit des Untersuchers wird sich hauptsächlich auf die
kleinen Aktinomyceskörner im Gewebe und im Eiter richten müssen.
Entscheiden wird in zweifelhaften Fällen die histölogische Unter¬
suchung respektive der Nachweis von Koch sehen Tuberkelbacillen,
oder ein positiver Impfversuch aufs Tier.
Nach diesem kurzen Rückblick auf die wichtigste Literatur, der
Abgrenzung des Themas und der Besprechung der Differentialdiagnose
soll zur Beschreibung einiger noch nicht veröffentlichter Fälle über¬
gegangen werden. Die drei Präparate, die mir aus dem hiesigen
pathologisch-anatomischen Institut durch die Liebenswürdigkeit des
Herrn Geheimrat Arnold zur Verfügung gestellt sind, waren folgende :
1. Fall:
Das Präparat der Sammlung stammt aus dem Jahre 1865. Dem vorhandenen
Sektionsprotokoll entnehme ich den damaligen Autopsiebefund.
Philipp P., 17 Jahre alt, Sektion 55 Stunden post mortem. Stark abgemagerte
Leiche mit guter Muskulatur. Die rechte Vena jugularis interna ist namentlich
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Dr. Stephani.
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in ihrem unteren Teile stark erweitert und ungefähr noch einmal so dick als die
linke. Diese Erweiterung erstreckt sich auf die ganze Ausdehnung der Vene,
deren Klappen insuffizient sind, so dass schon vor der Eröffnung des Thorax bei
Druck auf die vordere Thoraxhälfte das Blut in reichlichem Strome herausquillt.
Die linke Lunge zeigt nirgends Verwachsungen, ist überall lufthaltig und zeigt
besonders an der Spitze keine Spur weder alter noch frischer Tuberkulose. Die
Schleimhaut der Bronchien ist gerötet und zeigt in den feineren Ästen ziemlich
viel schleimig-eitriges Exsudat. In den Ästen der Pulmonal-Arterien keine be¬
merkenswerten Veränderungen. Das ganze Lungenparenchym ist hyperämisch
und zwar am meisten in den hinteren unteren Teilen. Es ist durchsetzt mit zahl¬
losen isoliert stehenden miliaren Körnchen, welche sich scharf von dem dunklen
Lungengewebe abheben und ein äusserst zierliches Bild abgeben. Das Gefühl
unterscheidet diese Körnchen deutlich wie eingelagerte Sandkörnchen.
Die rechte Lunge bietet das gleiche Bild. Es sind hier nur die oberen Teile
etwas mehr ödematös. Nirgends ist die Lunge verwachsen und besonders be¬
stehen keine Verlötungen der Pleura mediastinalis mit dem Herzbeutel.
Auf der glatten und normal aussehenden Pleura pulmonaris beider Lungen
erblickt man zahlreiche miliare Tuberkeleruptionen.
Die Milz ist vergrössert, ihre Kapsel mit zahlreichen roten, glänzenden Pünkt¬
chen bedeckt, die da und dort in braunrote Streifen auslaufen. Die Pulpa sehr
weich. Die Leber ist ziemlich schlaff und auf dem Durchschnitt im ganzen von
fettigem Aussehen. Die Galle ist ziemlich reichlich, von dunkelgrüner Farbe.
Die Nieren sind in der Rinde sowohl wie in den Pyramiden gleichmässig
dunkel hyperämisch. Nebennieren normal. Ösophagus, Magen, Dünndarm ohne
Veränderung. Im Kolon ist die Schleimhaut stellenweise grob injiziert. Die
Harnblase, Pankreas und Schilddrüse zeigen ebenfalls keinen pathologischen Be¬
fund. Dagegen waren die retroperitonealen Lymphdrüsen entlang dem Bauchteil
der Wirbelsäule stark geschwellt und derb, auf dem Durchschnitt von hell¬
grauer Farbe. Die cervikalen Lymphdrüsen waren auf der linken Seite ebenfalls
mässig geschwellt. Gehirn und Schädelhöhle ohne Befund.
Den auffallendsten Befund ergaben die Verhältnisse am Herzen. Es fand sich
zunächst eine starke Vergrösserung des Herzens. Der Herzbeutel war mit der
Oberfläche des Herzens überall verwachsen durch „zellige“ gegen die Spitze des
Herzens und das Diaphragma schwielige Adhäsionen. Auch zwischen Herz und
den Gebilden des hinteren Mediastinums besteht keine festere Verbindung, als die
normale. Die weitere Beschreibung des Herzens gebe ich nach dem vorhandenen
Spirituspröparat wieder. Die Pericardialblättersind verwachsen, jedoch durchaus nicht
verdickt. Schon die Betrachtung der Aussenfläche des Herzens ergibt verschiedene
etwa kirschkerngrosse Knoten, die jedoch nur flach vorspringen. Diese höckerigen
Erhebungen finden sich über dem ganzen Herzen. Auf dem Schnitt durch die
Kammerwand fällt sofort an der Vorderseite des linken Herzens mehr der Spitze
zu gelegen eine Stelle auf, an welcher die dunklere Muskulatur ganz durchsetzt
ist mit einer weissen Gewebsmasse, die an ihrer breitesten Stelle 2 l h cm misst.
Eine ganz gleich aussehende Stelle liegt auf dem Schnitte, welcher auf der
lateralen Kante der linken Herzkammer geführt ist. Hier ist die grösste Aus¬
dehnung der makroskopisch sichtbaren pathologischen Veränderungen sogar
3.3 cm. Diese beiden Herde haben das Aussehen, als ob sie sich nach allen
Seiten hin gleichmässig ausgebreitet hätten; die ganze Herzwand erscheint in
ihrer Breite ersetzt durch schwieliges Bindegewebe. An der Ansatzstelle des
grossen vorderen Papillarmuskels durchzieht aber auch noch einmal ein ca. 3 cm
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5] Üb. d. Vorkomm. v. gross. KonglomerattuberkelD in d. Herzmuskulatur. 391
breiter und 1 1 lt cm langer weisser Streifen die dunklere Muskulatur. Am linken
Vorhof sieht man dem Herzohr zu gelegen, ein kleines Knötehen. Die Wand
des linken Vorhofes ist aber auffallend dünn, wenn auch nicht so sehr wie die
des rechten Vorhofes, die ganz durchscheinend ist, und bei denen die Muskel¬
bündel nur in schmalen Zügen zu erkennen sind. Ebenso ist die Wand des
rechten Ventrikels sehr dünn, und nur an der hinteren Fläche etwas unterhalb
des Sulcus coronarius befindet sich eine Verdickung, die höchstens die Grösse
eines Aprikosensteins erreicht. Sonst sind noch kleine knotige Verdickungen der
rechten VentrikelwAnd eingelagert, welche am frischen Präparate sich viel deut¬
licher erkennen Hessen und im Sektionsprotokoll auch als grosse Käseknoten
beschrieben wurden.
Das Stückchen, welches zur mikroskopischen Untersuchung diente, ist der
linken Herzwand entnommen.
Im Mikroskop sieht man zunächst ein sehr starkes Vorwiegen nekrotischen
Gewebes, welches die Färbung fast gar nicht angenommen hat. Diese Massen,
die die Hauptfiäche des Schnittes einnehmen, sind umgrenzt von einem nicht
sehr starken Leukocytenwall. Hier sieht man eine bessere Kemfärbung, während
aber die Zellbegrenzung auch hier noch eine unsichere ist. Erst in der Peripherie
der Leukocytenzone sieht man da und dort, aber doch auch nur sehr spärlich eine
deutliche Riesenzelle. Zwischen diesen Herden ziehen derbe Bindegewebszüge
hindurch mit ganz geringem Kerngehalt. Von der Muskulatur ist nur wenig mehr
übrig gebHeben. Zwischen den Bindegewebsfasern ist nur selten ein Bündel von
Muskelfasern eingelagert. Die Querstreifung sowohl wie die Kerne der Muskel¬
elemente sind nur ganz vereinzelt noch gut zu sehen. Die isolierte Färbung auf
Tuberkelbacillen wurde versucht, ergab aber kein unzweideutiges Resultat, was
bei der langen Dauer der Konservierung des Präparates wohl nicht zu verwun¬
dern ist.
2. Fall:
Von dem zweiten Falle ist kein Sektionsbefund vorhanden, weil das Prä¬
parat von einem praktischen Arzte ohne weitere Angaben aus der Kranken¬
geschichte oder dem Autopsiebefund eingeschickt worden war. Es ist ein kleines
Herz, dessen Herzbeutel vollständig mit der Herzoberfläche verwachsen ist. An der
Ursprungsstelle der grossen Gefässe sitzen noch einige sehr stark geschwollene
Lymphdrüsen an. Fernerhin besteht eine Verwachsung des Zwerchfells mit dem
Perikard und eine Verlötung der Pleura pulmonari9 der rechten Lunge mit der
Ursprungs- resp. Mündungsstelle der grossen Gefässe. An der Aussenfläche des
Präparates sieht man grössere und kleinere Knoten, die besonders über dem
linken Herzen stärker und zahlreicher sind wie rechts. Auf dem Durchschnitt
bieten diese Knoten im Zentrum eine krümmelige Masse dar, die teilweise aus¬
gefallen ist und umgeben wird von einem etwas derben schmalen bindegewebigen
Hofe. Die grösste Ausdehnung hat eine derartige pathologische Veränderung an
der Seiten wand des linkes Vorhofes. Die grössten Durchmesser betragen hier
8,2 und 2,1 cm. Mit diesen Knoten konfluiert ein zweiter annähernd gleich
grosser, welcher mehr medialwärts gelegen ist. Die Muskulatur ist sehr aufge¬
lockert und brüchig. Der Ventrikelscheidewand sind zwei kleine Kavernen ganz
in die Muskulatur eingelagert, welche ungefähr l h cm im Durchmesser haben
mögen. Auf der hinteren Seite des linken Ventrikels sind noch verschiedene
kirschkerngrosse Knoten. Über dem rechten Herzen ist ein Knoten gerade an
der Scheidewand dicht unter dem Sulcus coronarius, welcher die Grösse eines
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Kirschkernes hat. Die Muskulatur des rechten Vorhofes und Ventrikels ist sonst
frei. Nur zwischen den Perikardialblättern befinden sich noch zwei kirschkern¬
grosse Tumoren, die sich aber deutlich gegen die Muskulatur verschieben lassen.
Das mikroskopische Präparat entstammt der hinteren Wand des
linken Ventrikels nahe der Spitze.
Es liegt hier ein Stadium sehr weit vorgeschrittener Erkrankung vor. Die
tuberkulösen Knoten sind mit einer ziemlich breiten fibrösen Kapsel umgeben,
das Zentrum ist vollständig verkäst, und nur in der Peripherie dev Knoten sieht
man zwischen den kleinen Rundzellen einige Reste von Muskelelementen. Eben¬
solche Überbleibsel des Muskels sind da und dort der fibrösen Kapsel eingelagert.
Eine sichere Struktur ist gar nicht mehr zu erkennen.
3. Fall:
Der dritte Fall ist erst im Jahre 1901 zur Sektion gekommen und ist sowohl
in Berücksichtigung des allgemeinen Sektionsbefundes als auch in klinischer Be¬
ziehung äusserst interessant.
Am 10. Juni 1901 vormittags 6 Uhr starb der 18 Jahre alte Kutscher Adam
Bleiler in der hiesigen medizinischen Klinik. Klinisch war mitgeteilt, dass der
Mann früher gesund, seit Januar 1901 mit Husten und Auswurf erkrankte, vom
15. Februar bis 6. April wegen einer Pleuritis exsudativa dextra behandelt worden
war, dann einige Wochen arbeitete und am 25. Mai wieder erkrankte. Am
28. Mai wurde er in die Klinik in vollständig somnolenten Zustand aufgenommen.
Vom 8. Juni ab grosse Unruhe, dann Koma. Vom 6. Juni ab reagierte der
Patient nicht mehr, es bestand starke Cyanose und Meteorismus. Miliartuber¬
kulose bei Augenapiegeluntersucbung, keine Papillitis, Verdacht auf Choriodeal-
tuberkulose; Lumbalpunktion ohne Resultat. Zunehmende Herzschwäche, Dyspnoe,
Exitus letalis.
Die Autopsie wurde am 10. Juni vormittags 11 Uhr von Herrn Privatdozent
Dr. Schwalbe ausgeführt. Da nach dem klinischen Bilde mit Sicherheit eine
Meningealtuberkulose anzunehmen war, so wurde zuerst die Rückenmarkshöhle
eröffnet. Im Rückenmarkskanal viel extradurales Fett. In dem Subarachnoideal-
raum war die Gerebrospinalfiüssigkeit kaum vermehrt. Die Pia mater war besonders
an der Hinterfiäche bedeckt mit einer Masse kleiner grauweisser Knötchen. Nach
Eröffnung der Schädelhöhle und Herausnahme des Gehirns werden in der Pia
mater an der Basis eine Unmasse kleiner weisser Knötchen konstatiert. Unter
dem Chiasma sind dicke weissgelbe Auflagerungen. Die Gefässe der Fossa sylvii
und ebenso die Arteria corporis callosi sind umlagert von gelben Knötchen; auf
den Frontalschnitten sieht man in Begleitung der Gefässe überall die gelbweissen
Knoten, welche gegen die Gehirnrinde Vordringen. In der Umgebung dieser
Knötchen zeigt die Rinde vielfach kleine Hämorrhagien. Ein grösserer rot-grau
marmorierter weicher Herd findet sich auf beiden Seiten im Stirnhirn unmittelbar
an der Pia gelegen.
Die Sektion des Rumpfes ergibt zunächst die Stellung des Zwerchfells in
normaler Höhe. Die Inspektion der Bauchhöhle zeigt weder Flüssigkeitsansamm¬
lungen noch irgend eine Lageanomalie. Bei der Entfernung des Sternums muss
eine geringe Verwachsung mit dem Perikard durchtrennt werden. In den Pleura¬
höhlen ist keine Flüssigkeit. Die Aussenfläche des Herzbeutels zeigt weisse
lappige Anhängsel. Die Perikardialblätter sind überall mit der Herzoberfläche
fest verwachsen, so dass die Herzbeutelhöble vollständig obliteriert ist-. Das Herz
wird mit der Lunge herausgenommen. Es zeigt sich leicht vergrössert. Bei
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7] üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 393
genauer Präparation der Herzoberfläche sieht man das Pericardium viscerale be¬
deckt mit massenhaften kleinen grauen Knötchen. Der weitere Herzbefund wird
weiter unten gegeben.
Die rechte Lunge zeigt wenig Verwachsungen, ist von vermehrter Form,
die Pleura fibrinös belegt. — Die linke Lunge ist dagegen ausgedehnt verwachsen,
so dass die Pleura costalis zum grössten Teile mit losgelöst werden muss. An
der hinteren Seite des Unterlappens muss man sich durch ein maschiges ziemlich
festes Gewebe durcharbeiten, das beim Loslösen sich durchsetzt zeigt von
grösseren deutlich abgegrenzten Knoten. Auf dem Durchschnitt zeigen beide
Lungen das Bild der disseminierten Tuberkulose. Das dazwischen liegende
Lungengewebe ist infiltriert. Im linken Oberlappen befindet sich eine Anzahl
kleiner kaum erbsengrosser Höhlen, deren Wände mit weissgelbem Eiter bedeckt
sind. Bronchitis und Tracheitis. Keine Geschwüre im Kehlkopf. Keine Verkä¬
sung der Bronchialdrüsen. Die Oberfläche der 11. Rippe ist raub, auf dem Durch¬
schnitt aber ohne Befund.
Bauchhöhle: Zwerchfell mit weissgelben Knoten von Erbseugrösse durch¬
setzt. Die rechte Hälfte des Diaphragmas musste mit der Lunge herausgenommen
werden. Die stark vergrösserte Milz ist ebenfalls mit dem Zwerchfell derartig
verwachsen, dass beides zusammen herausgenommen werden musste. — Auf dem
Durchschnitt ist die Milz ebenfalls besät mit kleinen grauweissen Knötchen. Der
Darm zeigt an einigen Stellen der Schleimhaut eine Rötung, nirgends aber auch
nur die geringste Geschwürsbildung. — Beide Nieren sind trübe mit vielen
stecknadelkopfgrossen weissgelben Fleckchen. Nebennieren gross. — Die Leber
hat auf der Kapsel besonders an der Konvexität des rechten Lappens gruppen¬
weise weissgelbe hirsekorngrosse Knötchen und auf der Schnittfläche bei geringer
Stauung ebensolche Veränderungen. — Magen und Pankreas ohne Befund. —
Blase sehr stark gefüllt, keine deutliche Veränderung. In der Prostata kleine
weissgelbd Knötchen. Hoden ohne Befund.
Der Herzbefund war folgender: Zunächst war an der Vorderfläche des
Herzens die parietale Fläche des Perikards in den oberen Partieen ziemlich glatt
und nur mit stecknadelkopfgrossen weissen Knötchen besetzt. In den unteren
Teilen hängen aber — wie schon oben erwähnt — dem Herzbeutel klumpige
Falten auf von etwa 1 cm Länge, die sich darstellen wie knotige Einlagerungen
in das abgehobene Perikardialblatt. Gegen das Herz zu sind die Falten des
Herzbeutels aber nicht aneinander verschieblich, sondern verklebt. Ähnliche An¬
hängsel, jedoch von geringerer Stärke, befinden sich nach rechts über dem rechten
Vorhof. Auf der Rückseite sind über dem linken Herzen nur wenige fibrinöse
Zotten. Dagegen ist die Hinterwand des rechten Herzens vollständig bedeckt
mit käsigen weissen Knoten, die Kirscbengrösse teilweise erreichen. Das Zwerch¬
fell ist in breiter Ausdehnung mit dem Herzbeutel verwachsen und an der vor¬
deren Übergangsstelle ist der Raum zwischen Herzspitze und Diaphragma eben¬
falls ausgefüllt mit den eben beschriebenen knolligen Zotten. Die Perikardialhöhle
ist vollständig obliteriert. Man kann nur mit dem Messer das parietale Peri¬
kardialblatt abtrennen und sieht dann beide Präparationsflächen mit winzigen
Knötchen von weisser Farbe übersät.
Auf dem Durchschnitt erscheint das Perikard makroskopisch fast gar nicht
verdickt. Die Muskulatur des linken Ventrikels ist auf der Schnittfläche von
ganz normalem Aussehen. Man kann besonders nirgends weissliche Einlagerungen
und Knötchen erkennen. Für den fühlenden Finger ist auch die übrige Ventrikel¬
wand ohne auffallende Verdickung. In gleicher Weise bietet die Wand des rechten
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Yorhofes keine Besonderheiten weder im Aussehen noch im Betasten. Bei der
Besichtigung des rechten Ventrikels bietet sich aber ein sehr auffallender Befund.
Nahe an der Herzspitze, der Stelle entsprechend, die auch am gesunden Herzen
die schmälste Wand hat, wird die Muskulatur durch einen weissen Streifen
durchsetzt, der etwa 3 cm über der Herzspitze gelegen ist. Der Muskulatur
sitzt mit breiter Basis eine fast hühnereigrosse weisse höckerige Masse auf, welche
so weit in das Innere des Ventrikels vorspringt, dass auch die Sehnenfäden der
vorderen Tricuspidalklappe gerade an ihrer Ansatzstelle an dem Papillarmuskel
vollständig von der Geschwulst umwachsen sind. Gegen die Spitze des Schnittes
sieht man, dass in dieser weissen Masse ein breiter Papillarmuskel einge¬
lagert ist.
Die übrige laterale und hintere Wand des rechten Ventrikels, sowie die des
rechten Vorhofes ergeben keinen weiteren pathologischen Befund. Die Wand der
Aorta zeigt keine Besonderheiten. Die linke Lunge ist am Hilus mit den grossen
Gefässen verwachsen. Einige geschwollene mediastenale Lymphdrüsen liegen
zwischen der Ursprungsstelle der Gefässe und der Trachea.
Die anatomische Diagnose lautete danach: Pericarditis adhaesiva et
Myocarditis tuberculosa ventriculi dextri, Pleuritis adhaesiva inveterata et fibri-
nosa recens dextra. Disseminierte Tuberkulose der Lungen, Miliartuberkulose der
Pia mater des Gehirns und Rückenmarks, Hämorrhagieen der Hirnrinde, disse¬
minierte Tuberkulose des Zwerchfells, der Milz, Leber, Nieren, Prostata. Stauung
der Leber, Trübung der Niere.
Die mikroskopische Diagnose wird für die Veränderung des Herzens
besonders beschrieben. Sonst wurde noch Miliartuberkulose der Lunge, Käse¬
massen auf den Pleuren und dem Perikard und desquamative Prozesse der Prostata
konstatiert. Überall Unmengen von Tuberkelbacillen.
Für die histologische Untersuchung wurde ein Stück des grossen
weissen Knotens im rechten Herzen in Formol gehärtet und später in Celloidin
eingelegt. Im mikroskopischen Präparat sieht man, dass das Myokard überlagert
ist von einer Schwarte, welche durch die Verwachsung von Perikard mit Epikard
entstanden ist. Eine deutliche Grenze zwischen diesen beiden Häuten ist natür¬
lich nirgends mehr zu erkennen, weil ja doch das Zugrundegehen der einander
gegenüberliegenden Endothellagen Vorbedingung für die Verwachsung war. Das
Perikard stellt sich in der Hauptsache als breite sehr gefässreiche Bindegewebs-
masse dar, durchzogen von mächtigen Zügen elastischer Fasern. Längs der Ge¬
fässe findet man teils mächtigere, teils kleinere Anhäufungen von kleineren Rund-
zellen. Die grössten Zellhaufen liegen den grösseren Gefässen an, kleinere liegen
frei zwischen den elastischen Fasern. An den allerkleinsten Gefässen sieht man
hier und dort nur eine oder wenige Rundzellen der Aussenwand anliegen. Bei
solchen Zellhaufen ist der Charakter der Zellelemente nicht immer ein gleich-
mässiger. Vorwiegend sind es kleine Rundzellen, welche die Hämatoxylin-
färbungen vorzüglich angenommen haben, dazwischen finden sich aber auch
grössere Zellen, von mehr blasigem Aussehen mit sehr schwach gefärbtem oder
sehr kleinen Kern. Schliesslich findet man auch hier und da eine kreisförmige
Anordnung stark gefärbter Zellkerne, ohne dass man jedoch von typischen Riesen¬
zellen sprechen dürfte. Die Lage dieser auffallenden Veränderungen in der Gegend
der grösseren Gefässe und ziemlich in der Mitte der perikardialen Verdickung
lässt der Schluss zu, dass man gerade hier die Gegend des früheren Perikar¬
dialraumes anzunehmen hat. Ausdrücklich ist hervorzuheben, dass auch in den
stärkeren Infiltrationsherden nirgends bedeutendere regressive Veränderungen der
Zellen sich erkennen lassen, dass besonders eine Verkäsung nirgends eingetreten ist.
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9] Üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 395
Höchst interessant sind die weiteren mikroskopischen Befunde an
der Muskelpartie der Herzwand. Während bei normalen Herzen die
Gefässe, welche vom oder zum visceralen Blatte des Perikards gehen, in ein
grossmaschiges Gewebe eingelagert sind, das sich zwischen die Muskelbündel
einsenkt, so findet man in diesem Falle dieses feine lockere Gewebe vollständig
verschwunden. Der Raum um die Gefässe ist ausgefüllt mit massenhaften An¬
häufungen von Rundzellen, welche hier und dort durchsetzt werden von kleinsten
Gefässen, die als solche durch die regelmässige parallele Anordnung platter Endo¬
thelzellen gekennzeichnet sind. Solche kleinste Gefässchen sind es auch, die sich
zwischen die Muskelfasern in die normalerweise scharf abgegrenzten Muskel¬
bündel einsenken und so ein Bild entstehen lassen, das bald nur eine oder zwei
Muskelzellen zwischen diesen Rundzellenmassen erkennen lässt.
Die Muskelelemente selber sind auffallend wenig verändert. Überall
gute Kernfärbung und gute Querstreifung der Fasern. Nur dort, wo die Muskel¬
zellen ganz vereinzelt liegen, sieht man undeutliche Kernfärbung und mangelhafte
Zellgrenzen. Am stärksten sind die oben beschriebenen pathologischen Verände¬
rungen in der Nähe des Epikards. Aber auch die Mitte der Muskel wand ist nicht
frei. Es lokalisiert sich hier die Leukocyteninfiltration nur mehr zwischen den
einzelnen Muskelnbündeln und weniger in denselben. Gegen die Innenseite des
Herzens zu ändert sich aber das Bild wieder. An zwei Muskelbündeln die zu
den Papillarmuskeln gehen, wird alsdann die Infiltration kolossal stark. Hinter
einem breiten Rundzellenwall sieht man dann typische Riesenzellen und weit
ausgedehnte Käsemassen. Die Muskulatur ist teils derartig verdrängt, dass der
unter dem Endokard gelegene Muskelstreifen immer schmäler wird, teilweise sind
nur noch am Rande gegen das Herzinnere zu einzelne versprengte entartete
Muskelzellen zu erkennen. In der Trabekularmuskulatur, an Querschnitten von
Sebnenfäden und unter dem Endothel des Endokards sind einige kleine Haufen
typischer Rundzellen zu erkennen. Wenn es sich hier auch nur um kleine Rundzellen
handelt und nirgends Zellen epitheloiden Charakters zu entdecken sind, so wird man
diese pathologische Veränderung doch auch als eine tuberkulöse bezeichnen dürfen.
An dem Präparate, das gleich nach der Sektion gemacht wurde, konnten
die Tuberkelbacillen mit Leichtigkeit nachgewiesen werden. Die grösste Anzahl
von Bacillen lagen in der Peripherie des grossen Käseknotens und zwar in
nächster Nähe des Endokards, wurden aber auch durch die ganze Dicke der
Muskulatur nicht vermisst. Im Perikard fanden sich die meisten Stäbchen an der
Grenze gegen die Muskulatur und in den Bindegewebszügen, welche von der
Muskulatur dem Pericard zugingen.
Hier handelt es sich also um das deutlichste Bild eines grossen
tuberkulösen Käseknotens, der von der Muskulatur ausgeht. Ausser¬
dem findet man aber auch die diffuse tuberkulöse Infiltration und
miliare Tuberkel unter dem Endocard. Bemerkenswert ist besonders
der Befund von Rundzellenanhäufungen in Sehnenfäden, der in keiner
Beobachtung der Literatur beschrieben ist. Es wird also nicht nur
durch das Zusammentreffen von Verkäsung und diffuser Infiltration,
sondern auch durch diesen Nebenbefund an den Sehnenfäden dieser
letzte Fall zu einem ganz besonders auffallenden gestempelt.
Ist man nun berechtigt auf grund dieses anatomischen Befundes
die pathologischen Veränderungen des Herzmuskels als die erste ört-
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liehe Erkrankung des Gesamtkörpers aufzufassen? Bei der Erörte¬
rung dieser Frage sollen ausser den sonstigen vorliegenden patholo¬
gisch-anatomischen Befunden auch die klinischen Symptome etwas
eingehender betrachtet werden.
Die gleichmässige Ausbreitung, das Ergriffensein sämtlicher Or¬
gane, sowie die Massenhaftigkeit der Bacillenbefunde in allen Teilen
des Körpers macht es am wahrscheinlichsten, dass die Überschwem¬
mung des Körpers mit Infektionsmaterial direkt vom Herzblut aus
erfolgt ist. Diese Annahme wird durch den anatomischen Befund
gestützt, welcher uns zeigte, dass nicht an allen Stellen über dem
tuberkulösen Knoten der endokardiale Überzug vollständig intakt
ist. Sah man doch die Endothelzellen und die bindegewebige Mem¬
bran des Endokards teilweise aufgelockert und desquamiert. Ausser¬
dem war die grösste Bacillenansammlung direkt unter dem Endokard
gelegen.
Neben der Miliartuberkulose fand sich noch bei der Sektion eine
dicke pleuritische Schwarte links mit grösseren Käseknoten, kleine
Höhlen mit rahmigem Eiter im linken Oberlappen und geringe mar¬
kige Schwellung der bronchialen Lymphdrüsen.
Alle übrigen pathologischen Befunde zeigten aber keine so starken
Veränderungen, dass man hätte sagen können: dieser oder jener Herd
ist sicher älter als der grosse Tuberkelknoten in der Herzmuskulatur.
Da man jedoch weiss, dass ein tuberkulöser Herd je nach der Be¬
schaffenheit des umgebenden Gewebes das eine Mal früher, das andere
Mal später in das Stadium der Verkäsung übergeht, und dass auch
die Grösse des Knotens keine sichere Altersbestimmung zulässt, so
wird es wohl dahingestellt bleiben müssen, ob es sich hier um eine
primäre Myocarditis tuberculosa gehandelt hat.
Ehe ich dazu übergehe den vorliegenden Fall auch klinisch zu
besprechen, will ich nur kurz die Frage streifen, ob eine primäre
Herztuberkulose überhaupt Vorkommen kann.
In der Literatur sind es drei Fälle, die mit einigem Recht als
primäre Myocarditis tuberculosa bezeichnet wurden. Das sind die
Mitteilungen von Demme, Noel und Knopf.
Der erste Fall, dessen Einzelheiten aus der Zusammenstellung zu
ersehen sind (Fall 19), scheint mir absolut beweisend zu sein.
Ob der Einwurf, den Labbe 1 ) gemacht hat, dass die Unter¬
suchung der übrigen Organe eine ungenügende war, wirklich berech¬
tigt ist, scheint mir nach der Originalarbeit von Demme nicht voll¬
ständig gerechtfertigt. Nach Labbe soll auch die histologische
i) Labb£, Revue des maladies de l’enfance 1896, cit. nach Fuchs.
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11] Üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 397
Untersuchung fehlen, während De mm e doch einen positiven Tuberkel¬
bacillenbefund angibt.
In dem Falle von Noöl sind zu wenig andere Einzelheiten mit¬
geteilt, als dass ich ihn zum Beweise beiziehen möchte.
Die Veröffentlichung von Knopf war mir im Original nicht zu¬
gänglich. Die Knoten im Herzen waren dort aber nicht grösser wie
eine Erbse oder eine Traubenbeere. Ausserdem bestand allgemeine
Miliartuberkulose. Absolut beweisend ist eine derartige Beobachtung
für primäres Vorkommen der Tuberkulose im Herzmuskel jedenfalls
auch nicht.
Und dennoch wird man die Möglichkeit, dass ein charakte¬
ristischer tuberkulöser Herd im Herzmuskel entsteht, ehe ähnliche
Veränderungen im Körper nachzuweisen sind, nicht ableugnen können.
Sehen wir doch primäre, solitäre tuberkulöse Erkrankungen auch
an anderen Stellen, bei welchen man ebenfalls gezwungen ist, einen
sehr weiten und komplizierten Transportweg des Infektionsmateriales
anzunehmen wie z. B. die tuberkulösen Periosterkrankungen oder
solitäre Tuberkel des Gehirns, der Augen u. s. w.
Bei den Erwägungen über den Weg, welchen die Infektion bei
einer Myocarditis tuberculosa gehen kann, kommen drei Möglich¬
keiten in Betracht.
1. Direktes Übergreifen tuberkulöser Knoten auf Perikard und
Myokard.
2. Zuführung des Infektionskeimes durch den Blutweg.
3. Zuleitung auf den Lymphwegen.
Die meisten Autoren haben sich dahin ausgesprochen, dass sie
die Verbreitung auf dem Lymphwege für den häufigsten Modus
halten.
Die nachstehende Zusammenstellung zeigt auch das häufige Zu¬
sammentreffen von Pericarditis und Myocarditis tuberculosa.
Welcher von diesen Prozessen bei einem solchen Zusammen¬
treffen der primäre ist, wird sich im Einzelfalle nicht immer mit
Sicherheit entscheiden lassen.
Nun wäre noch zu erörtern, ob eine so hochgradige Muskeler¬
krankung vollständig symptomlos verläuft und ob sie erst dann Krank¬
heitserscheinungen macht, wenn die Propagation des Prozesses ein¬
getreten ist? Es wird sich fragen, ob die genauere Krankengeschichte
Anhaltspunkte gibt, welche auf eine Erkrankung der Herzmuskulatur
bezogen werden dürfen, und ob solche Symptome schon lange vor
dem Tode zu konstatieren waren. Im Anschluss daran mögen einige
Erörterungen über das klinische Bild der Myocarditis tuberculosa
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398 Dr. Stephani. 12]
Platz linden, wie es sich bei anderen Fällen aus der Literatur
darstellte.
Die Krankengeschichte, die mir durch die Liebenswürdigkeit des
Herrn Geheimrat Erb zur Verfügung gestellt wurde, gebe ich im
Auszug wieder.
Der 18 Jahre alte Patient war erblich nicht in der geringsten Weise be¬
lastet und war selbst immer vollständig gesund, bis im Jahre 1899, wo er zum
erstenmal von einen acht Tage dauernden Lungenkatarrh befallen war, welcher
aber ausheilte, ohne Husten oder Auswurf zu hinterlassen. Erst mit Beginn des
Jahres 1901 stellten sich als erste Krankheitsymptome abends beim ins Bett
gehen, Husten, Schmerzen auf der rechten Seite, Appetitmangel etc. ein. Diese Be¬
schwerden steigerten sich bis Anfang Februar so sehr, dass Pat. schon zu Hause das
Bett aufsuchte. Da mehr Hustenreiz, intensivere Schmerzen, Morgenschweisse
und stärkeres Herzklopfen auftrat, suchte der Pat. am 15. Februar 1901 die hie¬
sige medizinische Klinik auf. Der Status präsens ergab bei der Aufnahme eine
rechtsseitige Pleuritis. Die Lungenspitzen waren frei, keine Cyanose. Über den
Herzbefund heisst es: Herzspitzenstoss in der linken Mamillarlinie etwas ver¬
breitert und hebend, Grenzen normal, dritte bis sechste Rippe, linker Sternalrand
und linke Mamillarlinie. Töne rein, zweiter Pulmonalton etwas laut, Herzaktion
kräftig, etwas erregt und frequent. Verhalten des Pulses und der Temperatur
soll unten im Zusammenhang wiedergegeben werden.
Das Ergebnis der objektiven Untersuchung änderte sich in den nächsten Tagen
nur wenig. Es wurden jedoch am zweiten und dritten Tage nach der Aufnahme
starke stechende und spannende Schmerzen an den Rippenbögen beiderseits und
über dem Epigastrium geklagt. Am 18. Februar wurde ein einziges Mal leises
Frottement links über der Spitze und vorn unten notiert. Die Herzaktion wird
verschiedentlich ausdrücklich als kräftig und gut notiert. Am 20. Februar wird
ausser der Dämpfung des Perkussionsschalles rechts hinten auch die rechte
Lungenspitze suspekt gefunden. Links findet sich nichts. Aber schon bei der
Untersuchung am folgenden Tage konnte auch über der rechten Lungenspitze
nichts sicheres festgestellt werden, so dass wieder ausdrücklich bemerkt ist:
„beide Spitzen frei“. Die gleiche Bemerkung findet sich am 12. März. Cor, Töne
rein, laut, Aktion etwas beschleunigt. Am 16. März ist über das Herz bemerkt,
Grenzen nicht verbreitert, Herzaktion etwas beschleunigt, Töne rein. Unter den
weiteren Aufzeichnungen scheint mir erst wieder die Angabe vom 3. April wichtig
zu sein, dass die Ordination von Liquor ferri albuminati, welche am 29. März
gegeben war, weggelassen wurde, wegen der starken Pulsfrequenz. Auf seinen
eigenen Wunsch wurde der Pat. am 6. April entlassen. An diesem Tage war
der Herzbefund folgender: Spitzenstoss im 5. J. C. R. vor der Mamillarlinie und
etwas nach rechts verbreitert. Grenzen dritte bis sechste Rippe, linke Mamillar¬
linie und linker Sternalrand. Töne rein, Puls regelmässig, aber wie immer be¬
schleunigt. Niemals war Albumen, niemals Tuberkelbacillen im Sputum mit Be¬
stimmtheit nachzuweisen. Trotzdem der Mann sich noch nicht ganz wohl fühlte,
arbeitete er doch wieder acht Wochen. Vom 25. Mai 1901 an, traten heftige
Kopfschmerzen auf. Aber trotz geringer Benommenheit und Verwirrtheit wurde
noch am 27. Mai 1901 der Versuch gemacht zu arbeiten. Am 28. Mai 1901
wurde der Pat. vollständig somnolent in die Klinik eingeliefert. Aus der ein¬
gehenden Untersuchung soll nur wieder der Herzbefund hervorgehoben werden.
Spitzenstoss sichtbar in 5. J. C. R. Grenzen dritte bis sechste Rippe, linker
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
13] Üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 399
Sternalrand und linke Mamillarlinie. üerzaktion kräftig und regelmässig. Herz¬
töne laut und rein, keine Accentuierung des zweiten Pulmonaltones. Cyanose
bestand nicht. Dieser Zustand verschlechterte sich mehr und mehr. Die Herz¬
tätigkeit war immer gut. Cyanose trat erst am siebten Tage vor dem Exitus
letalis auf, welcher am 10. Juni vormittags 6 Uhr erfolgte. Die Diagnose war
klinisch wie schon oben bemerkt auf Meningitis cerebrospinalis und Miliar¬
tuberkulose gestellt worden.
Im Zusammenhang mögen hier die Puls- und Fieberaufzeichnungen folgen:
Dat.
Temp.
Puls
' Dat
Temp.
Puls
15. II.
38,2
90
7. III.
37,1
84
Ord. Priesnitz, 4 gr. Natr. Sal. tägl.
i
37,1
120
16. II.
36,8
90
8. III.
37,5
92
36,8
108
37,8
84
17. II.
36,2
72
9. III.
36,9
88
36,7
92
38,2
104
18. II.
36,7
96
10. III.
37,7
126
Ord. Jodpins, rechts
36,7
78
36,5
108
i 11. III.
37,6
80
19. II.
87,3
102
j
37,0
104
Ord. Jod auch links
1 12. III.
i
37,2
112
38,0
120
1
I
37,3
84
20. II.
37,0
96
13. III.
37,1
102
37,6
108
37,3
92
Ord. Sal. weg.
I 14. III.
37,9
108
21. II.
36,8
108
I
37,5
104
37,3
96
! 15. III.
36,8
105
22. II.
36,8
96
i
Ord. Jodpins.
36,4
90
!
37,0
96
23. H.
36,6
108
! 16. III.
36,8
104
36,8
96
1
37,2
96
24. II.
37,4
102
17. III.
37,2
90
37,3
84
Ord.
Schmierseifeneinreibung
25. II.
37,0
96
37,4
90
37,1
96
| 18. III.
36,2
104
26. II.
36,9
102
36,7
104
28. II.
37,3
96
| 19. III.
36,9
100
37,2
108
37,0
90
1. III.
37,6
108
1 20. III.
36,9
84
38,4
108
1
37,5
96
2. III.
37,6
108
21. III.
37,8
108
37,1
92
36,6
94
3. III.
37,7
92
22. III.
37,5
96
37,4
72
36,7
90
4. III.
38,9
120
23. III.
36,9
88
37,8
90
36,5
84
5. III.
37,6
102
24. III.
37,5
90
Ord.
1 gr. Aspirin 3 mal tägl.
36,3
114
36,5
105
1 25. III.
36,9
114
6. III.
37,6
108
36,0
102
36,2
108
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 27
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Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
400
Dr. Stephani.
[14
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Dat.
Temp.
Puls
Dat.
Temp.
Puls
26. III.
37,5
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1. IV.
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27. III.
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2. IV.
36,5
104
36,7
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36,9
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28. III.
36,5
112
3. IV.
36,8
100
36,6
90
| Ord. Fe.,
Natr. Brom 1,0 Abends, Tct.
29. III.
36,5
132
val. aeth. 3 mal tägl. 20 Tropfen
Ord. Aspirin ausgesetzt.
Liq. ferri alb.
36,0
132
8 mal täglich 1 Esslöffel.
Schmierseifen -
4. IV.
36,5
108
einreibung.
36,8
114
37,3
120
5. IV.
36,6
96
30. III.
36,8
132
36,8
—
37,0
108 ;
6. IV.
36,5
99
31. m.
36,7
104
37,2
— ;
Ich bin bei der Darstellung der Krankengeschichte so eingehend
gewesen, weil es schon im allgemeinen wünschenswert erscheint, dass
genauere klinische Beobachtungen über so seltene Fälle in der Literatur
niedergelegt werden, zumal wenn dem Krankheitsbild ein so auffallen¬
der pathologisch-anatomischer Befund zu gründe liegt. Die Pulszahlen
hatten besonders im Anfänge deshalb etwas weniger auffallendes, weil
ja bei Pleuritis gerade eine Pulsbeschleunigung häufig beobachtet
wird, die bedingt ist durch die Kompression der grossen Gefässe im
Thoraxraum. Es pflegt bei der Pleuritis aber doch immer eine an¬
nähernde Kongruenz der Puls- und Temperaturkurven zu bestehen.
Hier war der Puls, der überdies immer als „gut“ bezeichnet wurde,
auffallenderweise nicht nur beschleunigt, sondern merkwürdig un¬
gleich auf- und abschwankend durchaus nicht entsprechend der Höhe
der Temperaturen. Besonders möchte ich auf den Wechsel der Puls¬
frequenz in den ersten Tagen hinweisen, und dann wieder auf die
enormen Höhen des Pulsschlages am Schlüsse der Behandlung bei
einer Temperatur zwischen 36,5 und 37,0. Auch die verschiedensten
therapeutischen Massnahmen, hatten auf die Frequenz des Pulses gar
keinen Einfluss.
Bei der zweiten Aufnahme waren die Temperaturen und Puls¬
zahlen folgende:
Dat. Temp.
Puls
Dat.
Temp.
Puls
28. V. 01. 38,2
72
31. V.
37,9
114
Ord. Eisblase, Hg Einreib.
Ord. heisses Bad
29. V. 38,2
84
38,0
120
Ord. heisses Bad 40° 10 Min.
Nachts bis 39,6
38,6
96
1. VI.
37,2
96
30. V. 38,1
102
38,3
112
Ord. Heiss. Bad.
2. VI.
38,4
118
38,5
108
38,1
96
Gck igle
Original from
UNIVERSITY OF MINNESOTA
15] Ub. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 401
Dat.
Temp.
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Dat.
Temp.
Puls
3. VI.
37,7
96
7. VI.
37,4
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38,4
96
37,8
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4. VI.
38,0
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8. VI.
37,5
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:
37,5
120
5. VI.
37,8
84
9. VI.
37,0
138
37,8
90
37,4
178
6. VI.
37,8
96
10. VI.
Exitus.
Ord. Heisses Bad mit
kalt. Übergiess.
37,7
114
i
Also
auch hier das gleiche
Bild. Man
muss nur in
Betracht
ziehen, dass das vorherrschende Krankheitsbild das der bestehenden
Menningitis war. So lässt sich auch die sattelförmige Einsenkung
der Pulszahlen vom 2. bis 6. VI. gut verstehen, welches ja für diese
Erkrankung gerade pathognostisch wichtig sein soll (Heubner). In
dieser Einsenkung wurde bei anderen Fällen aber doch nur Ziffern
von 50—60 Pulsschlägen beobachtet, so dass wir bei den vorliegenden
Zahlen zwischen 84 und 108 deutlich die konstante Beschleunigung
erkennen müssen.
Zum Schlüsse dieser Ausführungen möchte ich besonders betonen,
dass ich weit entfernt bin, ein derartiges Verhalten des Pulses als
etwas Charakteristisches für die Herzmuskelerkrankung zu bezeichnen.
Ich möchte nur feststellen, dass diese auffallenden Erscheinungen
wohl berechtigt eine Erkrankung des Myokards vom ersten Tage
der Behandlung an in den Bereich der diagnostischen Erwägung zu
ziehen.
Es ist aber auch klar, dass bei einer streng begrenzten Er¬
krankung der Herzmuskulatur die klinischen Erscheinungen sehr ver¬
schieden sein müssen. Ein tuberkulöser Knoten, der die Öffnung
irgend eines Herzostiums verengt oder verlegt oder ein grösseres Ge-
fäss komprimiert, wird natürlich ganz andere klinische Symptome
machen, wie eine pathologische Veränderung des Septums oder an
der Herzspitze. So ist auch die Verschiedenheit der in der Literatur
niedergelegten klinischen Beobachtungen leicht erklärt.
Auf das klinische Bild gehen verschiedene Autoren besonders
ein. Überall sind nur ganz unbestimmte Herzsymptome angegeben.
Dyspnoe, Cyanose, Veränderungen des Pulses und nur in einer ein¬
zigen Beobachtung — in der von Polläck — ist ein kleiner Puls
von 70 Schlägen angegeben. Dort sass der tuberkulöse Knoten auch
in der Scheidewand der Vorhöfe. In allen übrigen Beobachtungen
ist die Pulszahl als auffallend beschleunigt angegeben, öfter unregel¬
mässig und wechselnd, nicht nur in der Quantität, sondern auch in
der Qualität. Für unsere Beobachtung möchte ich, wie bereits oben
27*
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
402
Dr. Stephani.
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erwähnt, neben der ständigen Beschleunigung noch den raschen Wechsel
zwischen den einzelnen Beobachtungen und die Inkongruenz mit der
jedesmaligen Körpertemperatur als bemerkenswert hervorheben.
Sowohl der perkutorische als auskultatorische Befund war in den
meisten Fällen negativ. Das übereinstimmende Urteil der Autoren
geht deshalb dahin, dass es unmöglich ist, eine sichere Diagnose auf
derartige Herzveränderungen zu stellen. Die klinischen Tatsachen
reichen höchstens dazu aus, bei der Stellung der Diagnose eine patho¬
logische Veränderung des Herzmuskels ins Bereich der Möglichkeit
zu ziehen. Bei der Vieldeutigkeit der Symptome diese vermutete
Veränderung als tuberkulös zu bezeichnen, wird auch für solche
Fälle nicht gestattet sein, bei denen eine andere tuberkulöse Er¬
krankung vorliegt. Denn es gibt viele Erkrankungen des Herzmuskels,
.welche sich überhaupt nicht anatomisch, sondern nur klinisch nach-
weisen lassen, besonders auch bei tuberkulösen Veränderungen irgend
welcher Art. Es berechtigt also auch die Diagnose anderweitiger
Tuberkulose nicht dazu, nach solchen Symptomen eine spezifische
Herzmuskelerkrankung zu diagnostizieren.
Zum Schlüsse lasse ich noch eine Zusammenstellung aller in der
Literatur bekannter Fälle von Myocarditis tuberculosa folgen. Bei
der Benutzung der Sängersehen Zusammenstellung und bei der Ein¬
reihung der später publizierten Fälle, bin ich von den Gesichts¬
punkten ausgegangen, die ich oben erwähnt habe. Es erschien mir
auch zweckmässig, der Übersicht halber eine andere Rubrizierung der
spezielleren Befunde eintreten zu lassen. In der ersten Spalte befindet
sich neben dem Geschlecht und Alter des Kranken der Name des Autors
und die Literaturangabe. In der zweiten Rubrik folgen die Angaben
über das Krankheitsbild, dann wurde die Lokalisation der Erkrankungs¬
herde nach den vier Herzabschnitten geordnet. Besondere Berück¬
sichtigung fand dann das Verhalten von Peri- und Endokard und
schliesslich habe ich das wichtigste der übrigen Sektionsbefunde be¬
merkt.
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UNIVERSITY OF MINNESOTA
Zusammenstellung aller in der Literatur bekannter Fälle
von Konglomerattuberkeln des Myokards.
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Dr. Stephani.
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UN1VERSITY OF MINNESOTA
414
Dr. Stephani.
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Bei dieser Zusammenstellung waren also in 8 Fällen das Ge¬
schlecht überhaupt nicht bemerkt. In 16 Fällen handelte es sich um
männliche, in 12 Fällen um weibliche Individuen.
Betreffs des Lebensalters waren mehr als aller Fälle Kinder
unter 10 Jahren. Die anderen verteilen sich auf die übrigen Lebens¬
alter. Im Speziellen waren im
1. Dezennium 10,
2 - „ 6 ,
3. , 5,
4 - * 1 ,
5. „ 2,
6 . * 4 ,
7. „ 3,
bei 5 Fällen war gar keine Altersangabe.
Betreffs der Lokalisation der Erkrankung am Herzen ist in
8 Fällen gar keine Lokalisation angegeben. 18 mal ein Herzab¬
schnitt, in 7 Fällen waren zwei, in 3 Fällen zwei, in 1 Fall alle
Herzabschnitte erheblicher erkrankt befunden worden. Das rechte
Herz war 22 mal, das linke 12 mal Sitz der pathologischen Verände¬
rung. Einmal war das Septum atriorum, und dreimal das Septum
ventriculorum alteriert. Die Scheidewand zwischen Kammer und
Vorhof war rechts dreimal, links einmal erkrankt. Die Septum¬
erkrankungen wurden denjenigen Herzabschnitten zugerechnet, in
denen sich auch noch andere Veränderungen fanden. Rechter Vor¬
hof ist 11 mal und rechter Ventrikel 8 mal erkrankt. Der linke Vor¬
hof ist 1 mal, 11 mal der linke Ventrikel bedeutender erkrankt. Die
Vorhöfe waren 14-, die Ventrikel 20 mal erkrankt.
Aus diesen Zusammenstellungen ist nur zu entnehmen, dass in
ganz auffallenderweise bei jungen Individuen diese Krankheitsver¬
änderungen festgestellt werden konnten, und dass die tuberkulöse
Erkrankung sich meist am rechten Herzen lokalisierte.
Betreffs der Miterkrankung des Perikards befinden sich über
diesen Punkt 5 mal gar keine Angabe, 7 mal ist der Herzbeutel aus¬
drücklich als frei bezeichnet worden, 23 mal ist das Perikard mit¬
erkrankt und zwar meistens in Form einer vollständigen Adhäsiv-
pericarditis.
Betreffs des endokardialen Überzuges befindet sich 16 mal über¬
haupt keine Erwähnung. 12 mal wurde das Endokard aber ausdrück¬
lich als „frei" bezeichnet und in 8 Fällen war auch dieses miter¬
krankt. 1 mal in Form einer diffusen Verdickung und gelblichen
Verfärbung, 5 mal waren ausdrücklich Geschwüre konstatiert worden,
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2Pf Üb. d. Vorkomm. v gross. Kongloraerattuberkelh in d. Herzmuskulatur. 415
während es sich in den übrigen Beobachtungen nur um kleine Knötchen
des Endokards handelte.
Die Erkrankungen des übrigen Körpers waren sehr verschieden
stark. In 15 Fällen bestand aber eine mehr oder weniger ausge-
brcitete Miliartuberkulose. Für diejenigen Fälle, in denen am EndoT
kard selber pathologische Veränderungen in Form von Lockerung
oder Defekten des Epithels gefunden wurde, darf wohl die Er¬
krankung des Herzmuskels als Ausgangspunkt für die Miliartuber¬
kulose bezeichnet werden. Zweimal waren im übrigen Körper keine
anderen tuberkulösen Erkrankungen überhaupt zu finden. Von diesen
zwei Fällen ist der von Dem me (19) ausführlich beschrieben, während
es sich in dem Falle von Noel (24) nur um eine kurze Erwähnung
handelt. Da in diesem letzteren Falle auch sonstige genauere Einzel¬
heiten nicht angegeben sind, habe ich Anstand genommen, auch
diesen zweiten Fall als absolut sichere primäre Erkrankung des
Myokards zu bezeichnen.
Literatur.
1. Albert, Ein Fall von Tuberkulose des Herzens. Dissertation, Kiel 1883.
2. Bariö, Semaine medical: La tuberculose du coeur 1896, p. 485.
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Symptomenkomplex. Wiener med. Presse 1896, p. 235.
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5. Demme, 24. Bericht über das Jennersche Kinderhospital in Bern. 1886,
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6. Fontoymont, Tuberculose du myocard. Bullet, de la sociötö anatomique.
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7. Fuchs, De la tuberculose du Myocarde. These de Paris 1898.
8. v. Generisch, Zwei seltene Fülle von tuberkulöser und syphilitischer Er¬
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9. Hirschsprung, Jahrbuch für Kinderheilkunde. Bd. XVIII. 1882, p. 285.
10. Kolb, Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien, 1860, p. 218.
11. Lahhe, Bulletin de la societe anatomique de Paris — Tuberculose du myo¬
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12. Lueken, Zeitschrift für rationelle Medizin. Bd. III, 1865.
13. Natlian-Larrier, Bulletin de la societe anatomique de Paris. Ann6e 72.
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416 Dr. Stephani. Üb. d. Vorkomra. v. gross. Konglomerattuberkeln etc. [30
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18. Püschmann, Beitrag zur pathologischen Anatomie der Herztuberkulose.
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19. v. Recklinghausen, Virchows Archiv 18. Bd. 16. ^
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21. Sänger, Über Tuberkulose des Herzmuskels. Archiv der Heilkunde, Jahrg.
XIX. 1878, p. 448.
22. Schürhoff, Centralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬
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23. Steffen, Klinik der Kinderkrankheiten, Berlin 1889, Bd. III, p. 90.
24. Valentin, Contribution a l'ötude de la Tuberculose myocardique. Thfcse
de Paris 1894.
25. Waldeyer, Vircbows Archiv 1866 Bd. 32, p. 218.
26. Weber, Dissertation, Freiburg 1889.
27. Weigert, Die Wege des Tuberkelgiftes zu den serösen Häuten. Deutsche
med. Wochenschrift 1883, Nr. 31/32.
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