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Full text of "Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung 1.1903"

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Beiträge 

zur 

Klinik der Tuberkulose. 


Unter Mitwirkung der Herren 

Prof. Dr. Bettmann, Hofrat Prof. Dr. Fleiner, Doz. Dr. Gaupp, Doz. 
Dr. Hammer» Doz. Dr. Hegener, Prof. Dr. v. Hippel, Doz. Dr. Jacoby, 
Prof. Dr. Jordan, Prof. Dr. Jurasz, Doz. Dr. Magnus, Doz. Dr. Marschall, 
Doz. Dr. Nehrkorn, Prof. Dr. Petersen, Prof. Dr. Schottlander, Doz. 
Dr. Schwalbe, Doz. Dr. Simon, Doz. Dr. Soetbeer, Doz. Dr. Starck» 
Doz. Dr. Völker, Prof. Dr. Vulpius 

herausgegeben von 

Dr. Ludolph Brauer 

a. o. Professor an der Universität Heidelberg. 


Band 1. 

Mit 4 Karten, 20 Tafeln und 18 Textabbildungen. 



Würzburg. 

A. Stuber's Verlag (C. Kabitzsch). 
1903. 


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Druck der kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. 


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~3 3n 


Inhalt des I. Bandes. 


Seite 


Vorwort.III 

Brauer, Prof. Dr. L., Das Auftreten der Tuberkulose in Cigarren¬ 
fabriken. Mit 6 Tafeln. 1 

Ho ff mann, Dr. W., Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung 

in Baden. Mit 4 Karten und 5 Tafeln.49 

Bettmann, Prof. Dr. S., Lupus follicularis disseminatus.98 

Czerny, Geh. Rat Prof. Dr. V., Über die häusliche Behandlung der 

Tuberkulose ..119 

Stoeckel, Oberarzt Dr. W., Zur Diagnose und Therapie der Blasen- 

Nieren-Tuberkulose bei der Frau. Mit 1 Tafel. .129 

Fischer, Dr. B., Über die Ausheilung grosser tuberkulöser Lungen¬ 
kavernen .153 

Grouven, Privat-Doz. Dr., Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und 

Scrophuloderma.159 

Jordan, Prof. Dr. M., Zur Pathologie und Therapie der Hoden-Tuberkulose 207 
Roepke, Chefarzt Dr. 0., Zur Diagnose der Lungentuberkulose . . 229 
Hammer, Doz. Dr., Über die diagnostische Tuberkulin-Injektion und 

ihre Verwendung beim Heilstättenmaterial. Mit 8 Kurven-Tafeln . . 325 

Goldmann, Dr. Rud., Über Sensibilitätsstörnngen der Haut bei Lungen¬ 
krankheiten, speziell Tuberkulose. Mit 18 Figuren.361 

Stephani , Dr., Über das Vorkommen von grossen Konglomerattuberkeln 

in der Herzmuskulatur.387 




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Beiträge 

zur 

Klinik der Tuberkulose. 


Unter Mitwirkung der Herren 

Prof. Dr. Bettmann, Hofrat Prof. Dr. Fleiner, Doz. Dr. Gaupp, Doz. 
Dr. Hammer, Doz. Dr. Hegener, Prof. Dr. v. Hippel, Doz. Dr. Jacoby, 
Prof. Dr. Jordan, Prof. Dr. Jurasz, Doz. Dr. Magnus, Doz. Dr. Marschall, 
Doz. Dr. Nehrkorn, Prof. Dr. Petersen, Prof. Dr. Schottlander, Doz. 
Dr. Schwalbe, Doz. Dr. Simon, Doz. Dr. Soetbeer, Doz. Dr. Starck. 
Doz. Dr. Völker, Prof. Dr. Vulpius 

herausgegeben von 

Dr. Ludolph Brauer 

a. o. Professor an der Universität Heidelberg. 


Heft i: 

Brauer, Prof. Dr. L., Das Auftreten der Tuberkulose in 
Cigarrenfabriken. Mit 6 Tafeln. 

Hoffmann, Dr. W., Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose¬ 
verbreitung in Baden. Mit 4 Karten und 5 Tafeln. 

Bettmann, Prof. Dr., Lupus follicularis disseminatus. 



Würzburg. 

A. Stuber’s Verlag (C. Kabitzsch). 

vm. 


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Alle Rechte Vorbehalten. 


Druck der Kgl. Univorsitätsdruckerei von H. Stürtz in WÜrzburg. 


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S (o k a * 


Vorwort. 


Die Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, die als zwang¬ 
lose Hefte in nicht zu langen Zwischenräumen erscheinen werden, sollen 
an der bedeutsamen und umfassenden Aufgabe mitarbeiten, das Ver¬ 
ständnis der vielfältigen Erscheinungen der Tuberkulose zu fördern. Im 
Austausche der Meinungen, in konsequenter Forschung sollen die „Bei¬ 
träge“ das Wesen der verheerenden Volksseuche erkennen helfen und 
durch die gewonnene Erkenntnis zur erfolgreichen Abwehr des Feindes 
befähigen. 

Dieses Ziel werden die „Beiträge“ einmal dadurch zu erreichen 
suchen, dass sie ausführlichen klinischen Beobachtungen 
Raum geben, deren Wert nicht beeinflusst wird durch den Stand der 
jeweiligen Anschaunngen. 

Zum anderen sollen die „Beiträge“ in Einzeldarstellungen 
über die theoretischen Gesichtspunkte berichten, unter denen 
die den verschiedensten klinischen Spezialgebieten ent¬ 
nommenen Thatsachen betrachtet zu werden pflegen. Neben den herr- 
r sehenden Ansichten über das Wesen und den Zusammenhang der tuber- 
^ kulösen Erscheinungen kann hier auch ein abweichender Standpunkt in 
. , individueller Ausprägung zu Worte kommen. Der klare Ausdruck einer 
' eigenartigen Auffassung wird stets fördernd und anregend wirken und 
dadurch von heuristischem Werte sein. 

Beides entspricht dem Wesen der ärztlichen Wissenschaft. 
Die objektive Festlegung des Thatsächlichen, die ungetrübte reine 
Erfahrung ist die feste Grundlage, von der sie sich nicht entfernen 
darf. Zu einer Wissenschaft wird sie durch die intellektuelle Arbeit, 
die subjektive Gruppierung und Wertung des Beobachteten. 

Auch die Bedürfnisse der ärztlichen Praxis erheischen eine 
gleichmässige Berücksichtigung beider Gesichtspunkte. 

Die „Beiträge“ werden es daher dem in der Praxis thätigen Arzte 
3 zu ermöglichen suchen, seine Hülfsmittel zur Erkennung und Bekämpfung 
ei der Tuberkulose zu vermehren und durch eine regelmässige Teilnahme 
^an den neuen Bewegungen auf diesem Gebiete Anregung und Ei 
nng zu finden. 


Heidelberg, im November 1902. 


Der Herausgeber. 




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Aus der medizinischen Klinik zu Heidelberg (Geh.-Rat Erb). 


Das 

Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 

Von 

Prof. Dr. L. Brauer. 


Soll die Bekämpfung einer ansteckenden Krankheit, welche weitere 
Schichten des Volkes befällt, mit Erfolg durchgeführt werden, so muss 
es eine der hauptsächlichsten Aufgaben sein, die räumlichen und 
ursächlichen Bedingungen klar zu legen, unter denen die Erkrankung 
sich zeigt. Für das Verständnis der Verbreitung und Entstehungs¬ 
weise der Tuberkulose hat es sich nun als sehr förderlich erwiesen, 
zunächst bei einer begrenzten Volksklasse die Tuberkulose in ihrem 
Auftreten zu verfolgen und den Lebensbedingungen zu vergleichen, 
die diesem Kreise eigentümlich sind. 

Die nachfolgenden Zeilen werden den Versuch bringen, eine der¬ 
artige Untersuchung über den Stand der Cigarrenarbeiter Nord-Badens 
und der bayerischen Pfalz durchzuführen; mehrjährige Tätigkeit an 
der Ambulanz der medizinischen Klinik zu Heidelberg bot mir die 
Gelegenheit, den einschlägigen Verhältnissen näher zu treten. 

Trotz vielfacher Bemühungen ist es bislang unter den Autoren 
noch nicht zu einer Einigung über die Fragen gekommen, ob und in 
welcher Weise die Cigarrenindustrie der Ausbreitung der Tuberkulose 
Vorschub leistet. Dieses darf nicht wunder nehmen. 

Wie unendlich schwierig es ist, aus dem komplizierten Getriebe 
menschlicher Existenzbedingungen heraus über die einzelnen Fragen 
der Verbreitungsweise der Phthise ins klare zu kommen, bedarf 
wohl keines weiteren Beweises. Wer es jemals versucht hat, wie es 
in dieser, sowie in einigen der nachfolgenden Arbeiten unternommen 
werden soll, einzelne Gewerbe oder Ortschaften genau zu analysieren, 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 1 


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L. Brauer. 


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wird sich hierüber klar sein. Für die Cigarrenarbeiter unserer 
Distrikte liegen diese Verhältnisse sicherlich auch noch recht kom¬ 
pliziert, aber immerhin noch einfacher, als wie für viele andere 
Gewerbe und Gegenden. Es ist daher die Hoffnung gerechtfertigt, 
nicht nur in die Beziehungen dieses Erwerbszweiges zur Tuberkulose 
einen Einblick zu erlangen, sondern auch für andere Kreise, die unter 
ähnlichen Bedingungen leben, nutzbringende Erkenntnis zu gewinnen. 

Die wirtschaftliche Lage der Cigarrenarbeiter und die Form der 
ihnen obliegenden Arbeit fand eine eingehende und zusammenhängende 
Schilderung durch Wörishoffer *), Jaffe 2 ), Schellenberg 3 ) 
und Jankau 4 ). Auch der Kongress der Tabakarbeiter 5 ) (1893) 
brachte in seinem Berichte zahlreiche Einzeldarstellungen, deren 
kritische Bearbeitung sich bei Jaffe findet. Ich möchte ganz be¬ 
sonders auf das Studium der beiden erstgenannten sehr sorgfältigen 
Arbeiten verweisen und an dieser Stelle nur einige Punkte, die uns 
vor Augen sein müssen, hervorheben. 

Die Cigarrenfabrikation existiert in Nord-Baden und der 
bayerischen Pfalz seit mehreren Decennien wesentlich in kleineren 
bäuerlichen Gemeinden. Über letzteres belehrt schon eine flüchtige 
Durchsicht der beigefügten Mitteilungen des statistischen Amtes zu 
Karlsruhe (pag. 21 ff.). Fast in allen diesen Orten findet sich als 
weiterer Erwerbszweig nur die Landwirtschaft. Diejenigen Plätze, 
welche anderweitige Industrien zeigen, die von Einfluss auf die Ver¬ 
breitung der Tuberkulose sein könnten, sind im Anschluss an die 
Mitteilungen besonders genannt. 

Eine grosse Zahl der Cigarrenarbeiter treibt die Fabrikation 
im Nebenberufe neben der Landwirtschaft; diese erscheinen dann 
meistens etwas besser situiert. Viele der Leute aber sind ärmlich 
und dann ausschliesslich auf den Erwerb in der Fabrik ange¬ 
wiesen; zur Beschattung der nötigen Existenzmittel sind sie häufig 
gezwungen, Frau und Kind mitarbeiten zu lassen. Die eigentliche 
Hausindustrie ist bis zur Zeit in unseren Distrikten nicht von Be- 


1) Wörishoffer. Die soziale Lage der Cigarrenarbeiter im Grossherzog¬ 
tum Baden. Karlsruhe 1890. 

2) E. Jaff6. Hausindustrie und Fabrikbetrieb in der deutschen Cigarren¬ 
fabrikation. (Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 1899, Leipzig.) 

: *) Schellenberg. Hygiene der Tabakarbeiter. Wey 1, Handb. d. Hygiene. 
Bd. VIII. p. 613-626. 

*) Jankau. Der Tabak und seine Einwirkung auf den menschlichen Organis¬ 
mus. München 1894. 

5) Die soziale Lage der Tabakarbeiter in Deutschland, zusamm engestellt 
nach den Ergebnissen des Kongresses der Tabakarbeiter. Berlin 1893. 



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3J Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 3 

deutung. Den Ausschlag gibt die Arbeit in der Fabrik. Die Arbeits¬ 
stätten in diesen Fabriken sind dank der gesetzlichen Bestimmungen 
und der ständigen Kontrolle durch die Fabrikinspektion zumeist 
ziemlich geräumig. Beim Betreten derselben fällt der charakteristi¬ 
sche stechende Tabakgeruch auf; es reizt die Luft zum Husten durch 
Erregung eines leicht kratzenden Gefühles in den oberen Luftwegen. 
Die Staubentwickelung bei der Cigarrenfabrikation ist eine mittlere, 
da ein guter Teil der Tabake feucht verarbeitet wird. Immerhin ist 
eine Staubentwickelung nicht ganz zu vermeiden. Der eigentliche 
Tabakstaub senkt sich als leichter pflanzlicher Stoff relativ langsam 
zu Boden. Sandstaub, der besonders bei dem Aufarbeiten der grossen 
Tabakballen entsteht, spielt in der Cigarrenfabrik keine Rolle. Die 
Nordbadischen Fabriken liegen teils in der Rheinebene, teils im an¬ 
grenzenden Hügellande. 

Einer besonderen Beachtung bedürfen die Lebensgewohnheiten 
der Cigarrenarbeiter, sowie deren Auswahl aus der Gesamtbevölke¬ 
rung. Bei der Besprechung der ursächlichen Beziehungen der Cigarren¬ 
industrie zu der Ausbreitung der Tuberkulose wird auf diese Ver¬ 
hältnisse mehrfach Bezug genommen werden. Eingehendere Schilde¬ 
rungen finden sich bei Wörishoffer und bei Jaffe. 

Betrachten wir nun zunächst die Verbreitung der Tuberkulose 
in dieser kurz charakterisierten Arbeitergruppe und in der von ihnen 
bewohnten Gegend. 

Zur Beurteilung der Tuberkulose-Morbidität unter den 
Cigarrenarbeitern standen mir zwei Beobachtungsreihen zur Ver¬ 
fügung. 

Die erste dieser Reihen entstammt den stationären Ab¬ 
teilungen der Heidelberger medizinischen Klinik, unter 
Ausschluss jener Räume, welche nur für Nervenkranke oder Haut- 
und Geschlechtskranke bestimmt sind. 

Auf den genannten Abteilungen kamen in zehn Jahren (1889 bis 
1898) im ganzen 10751 Patienten zur Aufnahme. Hiervon waren 
376 Cigarrenarbeiter, die übrigen 10375 Patienten gehörten den ver¬ 
schiedensten Berufen an. Unter diesen Leuten zeigte die erste Gruppe 
im ganzen 96 Fälle von Tuberkulose, die zweite deren 1350. 

Prozentual berechnet ergibt dieses für die Cigarrenarbeiter, die 
in der Klinik zur Aufnahme gelangten, 25,5°/c tuberkulöse Erkran¬ 
kungen, für die anderen Berufe nur 13,1 °/o. Dem Materiale einer 
internen Klinik entsprechend handelt es sich natürlich vorwiegend 
um Lungentuberkulose. 

Bei statistischen Forschungen wird stationärem Krankenmateriale 
gegenüber häufig die Tatsache zu erwägen sein, dass dasselbe eine 

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4 


L. Brauer. 


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gewisse Aussiebung der Fälle und damit eine Verschiebung der Ver¬ 
hältnisse darstellt. Für die Frage aber, die wir beantwortet haben 
wollen, dürfte dieser Einwand nicht stichhaltig sein. Wir haben 
in unserem Rekrutierungsbezirke viele Cigarrenarbeiter, wir begegnen 
ihnen daher auch häufig unter unseren Kranken. Dass aber diese 
Arbeitsgruppe im Gegensatz zu den anderen Berufsarten uns speziell 
nur ihre Tuberkulosen sende, davon kann gamicht die Rede sein; 
die Leute aller Berufsklassen kommen aus den gleichen Gründen in 
die Klinik. 

Der scharfe Ausschlag vorstehender Zahlen zu Ungunsten der 
Cigarrenarbeiter ist bei der beruflichen Zusammensetzung unseres 
Krankenhausmateriales überraschend. In der Umgebung Heidelbergs 
finden sich grössere Erwerbszweige, die sicherlich der Phthise Vor¬ 
schub leisten, z. B. Steinhauerei und Zementfabrikation. Wenn trotz¬ 
dem aus der Zusammenstellung so deutlich eine höhere Tuberkulose- 
Morbidität der Cigarrenarbeiter hervortritt, so ist dem um so mehr 
Bedeutung beizumessen. 

Eine Kontrolle dieser Zahlen suchte ich in den Kranken¬ 
scheinen der Hauptkrankenkasse eines benachbarten relativ 
hoch in der Rheinebene gelegenen, ziemlich weitschichtig gebauten 
Ortes. 40,19 der Erwerbstätigen sind daselbst in der Cigarrenindustrie 
beschäftigt. Die Mitglieder jener Kasse sind in der überwiegenden 
Mehrzahl Cigarrenarbeiter. 

Obwohl sich nun mit Sicherheit nachweisen lässt, dass auf den 
Krankenscheinen eine grosse Anzahl von Tuberkulösen unter höchst 
harmlos erscheinenden Diagnosen geführt wird — dass es somit der 
Fehler dieser Scheine ist, zu wenig Tuberkulöse zu nennen — so er¬ 
gibt sich doch aus einem Durchschnitt von acht Jahren, dass jährlich 

4.6 °/o der Kassenmitglieder wegen Tuberkulose wochenlang arbeits¬ 
unfähig sind und dass 13 Vs °/o aller Krankheitsfälle—Verletzungen, 
gynäkologische Fälle etc. eingerechnet — derenthalben Kranken¬ 
unterstützung eintritt, Phthisen sind. Nach Abzug der sich durch 
mehrere Jahre hinziehenden Lungentuberkulosen ergibt sich, dass 

3.7 °/o aller Kassenmitglieder an Tuberkulose leiden. Es kommt somit 
nicht, wie Cornet berechnet, auf 85—109 erwachsene Personenein 
Tuberkulöser, sondern deren drei bis vier. Leider haftet dieser 
Prozentberechnung der Fehler an, auf sehr kleiner Grundzahl zu be¬ 
ruhen; man muss daher in der Verwertung des Resultates vorsichtig 
sein. Insofern aber ist dasselbe im Zusammenhänge unserer Unter¬ 
suchung von Bedeutung, als es einer eigenartigen Zahlenreihe ent¬ 
stammend, gleichfalls wieder zeigt, dass unter den Cigarrenarbeitern 
die Tuberkulose recht häufig ist. 



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o] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


5 


Eine Zahlengruppierung wie die vorstehende, würde es vielleicht 
ermöglichen, der Forderung Walthers gerecht zu werden, die ein¬ 
zelnen Arbeiterklassen hinsichtlich der ihnen drohenden Gefahr, an 
Tuberkulose zu erkranken, in Vergleich zu bringen. Sicherlich würde 
eine derartige Untersuchung, falls grosse Zahlenreihen herangezogen 
würden, interessante Gesichtspunkte ergeben und auch indirekt zur 
Entscheidung der Frage beitragen, ob den einzelnen Gewerben Fak¬ 
toren eigen sind, von denen eine Begünstigung der Tuberkulose- 
Verbreitung zu erwarten ist. 

Die Mortalitätsstatistik fand bei dem Studium unserer 
Frage in zweifacher Form Verwendung. 

Aus den Sterberegistern lassen sich diejenigen Cigarrenarbeiter 
eruieren, die in den letzten Jahrzehnten in einem bestimmten Distrikte 
an Tuberkulose verstarben. Ich suchte dieses speziell für den Ort 
Rülzheim (Pfalz) durchzuführen. Herr Dr. med. John, der in 
Rülzheim seit mehr denn 10 Jahren die Praxis inne hat und jener 
Gegend entstammend, auch die einzelnen Familien kennt, hat mich 
hierbei in der dankenswertesten Weise unterstützt. Wir gingen unter 
Herbeiziehung des Alt-Bürgermeisters und des dort über 25 Jahre 
tätigen Leichenschauers die Totenregister durch, die Todesursache 
und die Berufsverhältnisse der Verstorbenen besprechend. 

Auf pag. 13 findet man in alphabetischer Ordnung diejenigen an 
Tuberkulose verstorbenen Cigarrenarbeiter, welche auf diese Art zu 
eruieren waren; in den Stammbäumen sind deren Familienbeziehungen 
möglichst genau wiedergegeben. Die Familiennamen wurden hierbei 
abgekürzt. 

Im allgemeinen lässt sich sagen, dass die Totenlisten in der 
obigen Weise eingehend durchzuarbeiten sind, falls ihnen sichere 
Resultate entstammen sollen. Ein Teil der Leute, die zur Zeit ihrer 
Tätigkeit in den Cigarrenfabriken erkrankten, verlassen dieselbe und 
erscheinen alsdann in den Listen unter anderer Berufsangabe. Ein 
Nebenberuf wird natürlich nie genannt. Sehr häufig findet sich als 
Todesursache „Zehrung“ angegeben; dieses berechtigt aber nicht zu 
der Annahme, dass Tuberkulose vorlag. Es sind vielmehr die ver¬ 
schiedensten mit Abmagerung einhergehenden chronischen Krank¬ 
heiten diesem Worte subsummiert; besonders häufig bezeichnet das¬ 
selbe die Todesursache älterer Leute, die an Emphysem und Bron¬ 
chitis zu Grunde gingen. Kurzum, eine eingehende Kritik jedes ein¬ 
zelnen Falles ist unbedingt nötig. Unter diesen Kautelen erweist sich 
die recht mühevolle Arbeit aber auch nutzbringend. 



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L. Brauer. 


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Angaben über Rülzheim (Pfalz). 


Familie A. 

(Die Stämme sind alle einander vervettert.) 


Stamm I. 

Diese drei Brüder und ihre Familie sehr arm. Zum Teil abusus spirituorum. 

Johann f 5 Söhne, 5 F., alle gesund 
t Cystitis 2 Töchter, 0 Fabrik, gesund 


Paul 

wurde alt, aber war 
stets kränklich 


Gg. Franz 
t Tbc. 


Johann 

auswärts, f unbekannt 


Joseph 

t nicht an Tbc. 


1 Tochter, F., gesund 
Michael, F., gesund 


Michael 

Potator 


1 Tochter 
t Carcinom 

1 Tochter 
f ? Ursache 


Maria, verh. A., F., fTbc. 1896, 
37 J. 

Paniine, verh. Ha., F., t Tbc. 
1889, 28 J. 

Karolina, verh. S., F., f Tbc. 
1896, 28 J. 

Joseph, lebt, F. 

Sohn, lebt, F. 

Sohn, gesund, F. 

< Sohn, Coxitis, Tbc., F. 

Tochter, gesund, F. 


Stamm II. 

Dieser Stamm ist reich. 


Bernhard 
t Tbc. 


2 Töchter, t Tbc., 0 Fabrik 
2 Töchter, leben, 0 Fabrik 


Joh. Adam 

wurde nebst Frau sehr alt 


Joh. Gg. 
ledig, f Tbc. 


Karl Anton 
sehr gesund 


1 Tochter, t Tbc., 0 Fabrik 


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Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


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Stamm III. 
Dieser Stamm ist arm. 


Jacob 
wurde alt 


Joh. Adam 
gesund, auswärts 

Kathar. 
gesund, ledig 


Jacob 
Frau f Tbc. 


Kathar., verh. Hi., f Tbc., 38 J., 1894, F. 
Eva, verh. Ku., f Tbc., 1889, 30 J., F. 
Bernb. 

Joseph | gesund, 0 Fabrik 
Sohn 


Joh. Adam 

Frau ans sehr tuberkulöser 
Familie (geb. Wa.) 


Stamm IV. 
Dieser Stamm reich. 

Therese f 

t Tbc. I 

Barbara ( 

lebt | 

Nicolaus 
verschollen 


4 Kinder, gesund, 0 Fabrik 


6 Kinder, gesund, 0 Fabrik 


Joh. Philipp f 3 Söhne j Fabrik 

t Tbc. \ 3 Töchter } * 

Katharina 
t Tbc. 

( Sohn, gesund 
Tochter ^ Tochter, gesund 


Anonymus 


Stamm V. 

Tochter, gesund 
Tochter, gesund 


Tochter, Plithisischer Habitus, sehr anämisch. 


Jac. A. II 
gesund 

Maria Anna 
f Emphysem 

Tochter 
wurde alt 


Jüngste Generation: 17 F., 6 Tbc. 

31 0 Fabrik, 3 Tbc. 


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L. Brauer. 


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Familie B. 


Joseph i 5 gesunde Kinder davon 2 Mädchen in 

0 Tbc. ( der Fabrik (gesund) 


Joseph, t 1892, Phthisis, F., 19 J. 


Valentin 
G Tbc. 

Die Familie 
seines Bru¬ 
ders Joseph 
ist frei von 
Tuberkulose 


Martin 

gesund, Frau geh. Nu.*) 
stark tuberkulöse Fa¬ 
milie, selbst nicht tuber¬ 
kulös. 


Franz, t 1898, Phthisis, F., 28 J. 

1 Tochter gesund. Diese war kurze Zeit 
in der Fabrik, wurde, nachdem die 
Brüder gestorben waren, aber heraus¬ 
genommen. 


Kleiner Sohn gesund. 


Valentin 

gesund 


2 Kinder noch jung gesund. 


Adam 

gesund 


\ 

\ 


5 kleinere Kinder gesund. 


Kinder von Martin und Joseph: 5 Fabrik, 2 Tbc. 

3 0 Fabrik, 0 Tbc. 


Sohn war in der Fabrik, hatte Hae- 
moptoe, wanderte nach Amerika 
aus, ist jetzt gesund. 


*) Eine Schwester dieser Frau an 
Schreiuer He. verheiratet. 


Adam, f 1897, 23 Jahre, Tbc., F. 

4 Söhne. Diese alle in der Fabrik, 
mager, elend, aber keine Tuberkulose. 


Tochter, elend, 0 Fabrik, 0 Tbc. 


Jüngste Generation: 6 Fabrik, 2 Tbc. 

1 0 Fabrik, 0 Tbc. 



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9] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


9 


Familie De. 

Brüder. 


Jacob (ver¬ 
mögend), 
t Phthisis in 
den 40 er 
Jahren 


Anton, t Phthisis 
vor den 70 er Jahren, 
kinderlos 

Lisette, 
wanderte aus 


Katharina, 
f in puerperio. Vor¬ 
her Bluthusten; 
Mann: Jacob Ke., in 
dessen Familie keine 
Tuberkulose 


Bertha, fPh thisis, 
0 Fabrik 


Albert, Drüsen¬ 
narben, sonst ge¬ 
sund; 

Frau, geb. 0., starb 
an Phthisis, 
ebenso 5 ihrer Ge¬ 
schwister 

Lina, Lupus am 
Vorderarm 

Ferdinand 
f Phthis is 


Gustav, gesund 


5 Kinder, gesund, 

0 Fabrik 

Rosa, gesund, 

0 Fabrik 

Adolf, Ri p pen- 
ca ries, 0 Fabrik 

Lina, f Larynx- 
phthisis, 0 Fabrik 

Ferdinand, z. Z. 

[ Phthisis, 0 Fabrik 


\ Tochter, gesund, 

\ 0 Fabrik 

Gustav, auf Tbc. 
verdächtig, peri- 
proktitischer Ab- 
scess, 0 Fabrik 

August, klein 
Elise, klein 


Jüngste Generation: 11 0 Fabrik, 4 Tbc. 


Anton 
(ärmlich), 
wurde alt, sah 
aber stets elend 
aus 


Jacob (Nachtwächter), 
t 1898 an Phthisis; 

Frau, geb. S.,f Phthisis 

Peter, t Phthisis, 

0 Fabrik, ledig 

Tochter, lebt, 0 Fabrik 

Tochter, lebt, 0 Fabrik 

Anton, lebt, phthisischer 
Habitus, 0 Fabrik 

Jüngste Generation: 6 Fabrik, 6 Tbc. 

1 0 Fabrik, 1 Tbc. 


Katharina, t Tbc. 1881, 26 Jahre, 
F. 

Maria, t The. 1889, 26 Jahre, F. 

Barbara, t Tbc. in den Jahren 
1880-85, 16 Jahre, F. 

Regina, f Tbc, F., V wann 

Joseph, f Tbc. 1893, 20 Jahre, F. 

Theresia, f Tbc. 1898,20 Jahre. F. 

Eva, verli. H., t Tbc. 1897, 

29 Jahre, 0 Fabrik 


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10 


L. Brauer. 


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1. Anonym 


Familie Dr» 

5 Brüder, die alle frei von Tbc. 


Andreas, dessen Frau, 
geb. J. (Tbc. Familie), 
t Tbc., 0 Fabrik 


Peter, f Tbc. 1889, 18 J., F. 

8 erwachsene Kinder, F., 
hiervon ein Sohn z. Z 
P h t hi s i 8, die anderen sind 
gesund 

2 kleine Kinder, 0 Fabrik, ge- 
gesund 


Moritz, Alkoholist, lebt, 
0 Fabrik 


2. Peter, 

dessen Frau starb 
früh, wahrschein¬ 
lich an Phthisis 


Johann (war Feld schütze) 
f an Tbc. 1889; 
Frau, geh. Wo. (mehr- 
fachTbc.- Fälle) gesund 


Peter, Emphysem, Alko¬ 
holist, 0 Fabrik 

Mehrere Brüder auswärts 


Xaver, f 1898 an Tbc., F. 

Katharina, f als Frau Kp. 
an Tbc., 28 J., 1896, F. 

Tochter, krank, ? ob Tbc., F. 

Sohn, gesund, F. 

Tochter, gesund, F. 

Sohn, gesund, F. 


Jüngste Generation: 10 Fabrik, 4 Tbc. 

1 0 Fabrik, 0 Tbc. 

3—5 Anonym. Diese haben viele Nachkommen, die teils in der Fabrik arbeiten 

aber alle gesund sind. 


Johann 


Familie Q. 

Joh. Franz 

t Tbc. 1892, 67 Jahre, - 
Taglöhner 

Joseph | 

f Tbc., 63 Jahre alt ( 


Eva, verh. Ku. (F.), 
i h r M a n n, Maurer Joseph 
Ku , starb 1894 an Tbc. 
(68 J.) 


2 Söhne, auswärts 
Sohn, F., 0 Tbc. 

Tochter, F., 0 Tbc. 

4 gesunde Kinder, davon ein 
Sohn F. 

Sohn, F., gesund 

Ferdinand, F., f 1893, 21 J., 
an Phtbisis 

Tochter, 0 Fabrik, gesund 
Sohn, 0 Fabrik, gesund 


Anna Maria, verh. Hi., 
Mann und FrauanTbc.f 


( 5 gesunde, 3 tuberkulöse 
( Kinder, siehe sub. „Hi.“ 


Jüngste Generation: 5 Fabrik, 1 Tbc. 

7 0 Fabrik, 0 Tbc. 



Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



111 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


11 


Job. Jakob 
t 62 J., Psychose. 
Dessen Frau geb. 
Scbw. (diese star 
ben alle an Tbc.) 


Familie Hb. (von Hördt). 

Theresia . ^ 

verh. Frau M., f Tbc. 1870, I 
33 J. * 1 


Joseph 

t Tbc. 1891, Maurer. 

Johann Georg, aus¬ 
gewandert 


Sohn, gesund, F. 

Tochter, gesund, F. 

Joseph, f Tbc. 1896, 21 J., 
F. 

4 andere Kinder, meistens 
F., gesund. 


■ u * Mathaens [ 3 Kinder gesund, meistens 

,tar ‘ f Phthisis 1891, Maurer | F. 

1 b c.) 

Johannes f 3 Kinder gesund, meistens 

t Phthisis, 39 J. j F. 

Barbara, t Tbc. 1897, 
Clara 23 J., F. 

verh. Joseph M., t Phthisis Franz, Caries am Fuss, 
1894, 47 J. Lymphomata colli, lebt, 

F. 

Jüngste Generation: 15 Fabrikarbeiter, 3 Tbc. 

Die Eltern waren nicht in der Fabrik. 


Familie Hi. 


Johann Adam (besser situiert), 
langwieriges Lungenleiden, f anfangs 
der 80er Jahre, 0 Fabrik. 


Johann Georg (ärmlich), 
t an Phthisis anfangs der 70 er Jahre, 
0 Fabrik 

Frau Anna Maria geb. G. (Tbc. Fa¬ 
milie), f Tbc. 


Ferdinand, gesund, 0 F. 

Jakob, gesund. 0 F. 

Valentin, Phthisis, 0 F. 

Joh. Georg, gesund (schwächlich) 0 F., 
hat mehrere Kinder, von denen eins 
Rippen caries hat. 

Johann, 21 J., t an Phthisis 1891, F. 
Heinrich, 20. J., t an Phthisis 1896, F. 
Clara, 19. J., f an Phthisis 1897, F. 
Tochter, gesund, F. 

Tochter, gesund, F. 

Tochter gesund, 0 Fabrik noc ^ 
Sohn, gesund, 0 Fabrik nicht er- 

Sohn, gesund, 0 Fabrik wachsen 


Valentin 

f Phthisis anfangs der 80 er Jahre, 

0 Fabrik, kinderlos 

Jüngste Generation: 5 Fabrikarbeiter. 3 Tbc. 

4 0 Fabrikarbeiter 1 Tbc. 


Digitized fr, 


Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



12 


L. Brauer. 


[12 


Digitized by 


Familie Kp. 


Franz Peter 
t Tbc. 

I. Frau 


Franz, 
t Diphtherie 


Franz Peter, 
stets Husten, 
schlechtes 
Aussehen 


I. Frau, 

Margar., geh. Dut., 
(Tbc. Familie) f 1866 
an Phthisis, 28 J. 

II. Frau, 

geb.L. (Tbc. Familie) 
t Tbc. 


{ Sohn gesund 
Tochter gesund 

Clara, verh. F., f 1891, 
29 J., Phthisis, 0 F. 
Barbara gesund 

Johannes, f 1897, 21 J., 
Phthisis, F. 

Tochter gesund, F. 

Anna hatte schon Blut¬ 
husten, F. 


11. Frau, 
geh. L. 
(Tbc. Familie) 
t Phthisis 


Jakob, 

aus- 

gewandert 

Valentin 


Tochter gesund 
Tochter gesund, F. 

Sohn gesund, F. 

Georg, 11899,21 J., Phthi¬ 
sis, F. 

Ferdinand, t 1896, 17 J., 
Phthisis, F. 


v 1 Helene, z. Z. Phthisis, F. 

Jüngste Generation: 8 Fabrikarbeiter, 5 Tbc. 

5 0 Fabrikarbeiter, 1 Tbc. 


Familie We. 


Franz Peter 
t Phthisis 


(Brüder) 


Franz, 

gesund, kinderlos 
Joh. Adam, 
gesund 
Katharina 

t Hernia incarcerata 
Eva, t Phthisis, 0 Fabrik. 
Peter gesund 


Gesunde Kinder 


Adam, t 1898, 33 J.. Phthisis, F. 
Lisette gesund, F. 

Sohn gesund, 0 F. 


Joh. Adam 
f Phthisis 


Anna Maria, 
ledig, f 1864 an Phthisis, 
(24 J.), 0 Fabrik. 


Joh. Adam, 

Todesursache unbekannt. 
Frau Margar. geh. Th. 
starb 1878 an Tbc. (34 J. alt) 


Tochter gesund, 0 F. 


Peter, f Phthisis, anfangs der 80 er 
J, F. 

Nikolaus, f Phthisis, 1891, 19 J., F. 
Andres, f Phthisis, 22 J., ledig, F. 
Eva gesund, 0 F. 


I ( Therese gesund, 0 F. 

Jüngste Generation: 5 Fabrikarbeiter, 4 Phthisiker. 

4 0 Fabrikarbeiter, 0 „ 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



13] 


13 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


Familie Wo. 


Jacob, lebt 

Frau, geb. B.; deren 
Schwester starb an 
Tbc. 


Maria, t Tbc. 1890, ledig, 
F. 

Georg, f Tbc. 1896, ledig, 
F. 

Peter, z. Z. Tbc., j0 Fabrik 

ausserdem noch 10 Kinder, 
von denen 5 in der 
Fabrik, alle gesund 


Franz Nicolaus 
Alkoholist, f Ausgang 
der 50 er Jahre (nicht 
tuberkulös) 


Matheus 
t Lebercirrhosis 

Andreas 

gesund 


i 

» 

l 

i 


8 Kinder, davon 6 in der 
Fabrik 


3 Kinder, F., gesund 


Tochter, f» war gichtisch 

Anna Maria, gesund, 
verh. Dr. (dort Tbc., 9iehe 
Stammbaum) 

Regina f 

verh. Jo | 4 Kinder, F., gesund 


Barbara, verh. H., f Tbc., 

26 J., anfangs der 80©r Jahre 
(siehe Stammbaum Ha.) 

Somit unter: 21 Fabrik, 3 Tbc. 

8 0 Fabrik, 1 Tbc. 


An Lungentuberkulose verstorbene Cigarrenarbeiter des Ortes 

Rülzheim (Pfalz)« 

1. A., Maria geb. A., f 1896, 37 J. Stammbaum „A.“ 

2. B., Joseph, f 1892, 19 J. Stammbaum „B.“ 

3. — Franz, f 1898, 23 J. 

4. De., Katharina, f 1881, 26 J. Stammbaum „De.“ 

5. — Maria, t 1889, 26 J. 

6 . — Barbara, f in den Jahren 1880 — 1885 , 16 J. 

7. — Regina, t ? wann. 

8. — Joseph, f 1893, 20 J. 

9. — Theresia, f 1898, 20 J. 

10. — Margar., f 1898, 24 J. Andere Familie ? Sporadischer Fall. 

11. Dr., Peter, f 1889, 18 J. Stammbaum „Dr.“ 

12. — Xaver, f 1898, 26 J. 


Digitized b' 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



14 


L. Brauer. 


[14 


Digitized by 


13. He., Adam, f 1897, 23 J. Stammbaum „B.“ 

14. Ha., Pauline geb. A., f 1889, 28 J. Stammbaum „A.“ 

15. — Barbara geb. Wo, f Anfang der 80®*" Jahre, 26 J. Stmnmbaum n Wo/ 

16. Hb., Joseph, f 1896, 24 J. Stammbaum „Hb.“ 

17. Hi., Johann, f 1891, 21 J. Stammbaum „Hi.“ 

18. — Heinrich, f 1896, 20 J. 

19. — Clara, f 1897, 19 J. 

20. — Kathar. geb. A. f 1894, 88 J. Stammbaum „A.“ 

21. J., Margar., ledig, f 1894, 17 J. Sporadischer Fall. 

22. Kp., Johannes, f 1897, 21 J. Stammbaum „Kp.“ 

23. — Georg, f 1899, 21 J. 

24. — Ferdinand, f 1896, 17 J. 

25. — Kathar. geb. Dr., f 1896, 28 J. Stammbaum „Dr.“ 

26. Ku., Franz, f 1890, 39 J. Fremd zugezogen. 

27. — Ferdinand, f 1893, 21 J. Stammbaum „G.“ 

28. — Eva geb. A., f 1889, 30. Stammbaum „A. u 

29. My., Barbara, f 1897, 23 J. Stammbaum „Hb.“ 

30. Mt., Johann, f 1895, 16 .1. Spoiadischer Fall. 

31. S., Barbara, f 1892, 20 J. Sporadischer Fall. 

32. — Karolina geb. A., f 1896, 28 J. Stammbaum „A. tt 

33. V., Peter, f 1896, 19. Sporadischer Fall. 

34. We., Adam, f 1898, 33 J. Stammbaum „We.“ 

35. — Peter, f Anfang der 80 er Jahre. 

36. — Nicolaus, f 1891, 19 J. 

37. - Andres, f 1896, 22 J. 

38. Wo, Maria, f 1890, 20 J. Stammbaum „Wo.“ 

39. — Georg, f 1896, 20 J. 

40. — Regina, f 1893, ? Sporadischer Fall. 

Rülzheim: (Volkszählung 1895) Gesamteinwohnerzahl 3152. 

In der Tabakindustrie: Männliche 168 
Weibliche 145 

Sa. 313 

Zahl der Tabakarbeiter betrug annähernd: 

1873 60 

1880 90 

1890 190 

1895 313. 

Es kommen in Külzheim 240 Familiennamen vor. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



15] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


15 


Die Liste der an Tuberkulose verstorbenen Cigarrenarbeiter zeigt 
in Verbindung mit den Stammtafeln und einigen weiteren Notizen 
recht deutlich den Einfluss der Tabakfabrikation. Die Einzelheiten 
sind in der Anlage nachzusehen. Als jüngste Generation sind die 
erwachsenen jungen Leute genommen; kleine Kinder sind der Voll¬ 
ständigkeit halber stets dort mit aufgeführt, wo ihnen ältere, schon 
arbeitsfähige Geschwister zur Seite standen. Im übrigen ist diese 
Generation nicht berücksichtigt worden. Die Frauen sind oft in den 
Stammbäumen zu suchen, die ihrem Mädchennamen entsprechen. In 
fünf Fällen stammten die Verstorbenen aus Familien, in denen weitere 
Erkrankungen an Tuberkulose nicht beobachtet wurden. Zwei Leute 
waren von auswärts zugezogen und konnte ihre Familienangehörig¬ 
keit nicht festgestellt werden. 

Die folgende kleine Tabelle I zeigt die Verteilung der Er¬ 
krankungen und Todesfälle an Tuberkulose auf die einzelnen Stamm¬ 
bäume. 

Tabelle I. 


Familien 

Ul 

3 

43 

U 

« 

3 

S 

u> 

o 

und 

deren Tuberkulose 

i 

Nicht-Cigarren¬ 

arbeiter 

und 

deren Tuberkulose 

1 

Bemerkungen 

A. 

I 

15 

i i 

4 1 

1 

1 2 

0 



II 

— 


5 

3 

;i 


III 

2 

! 2 

3 

0 

i 1 


IV 

— 

1 

18 

0 

i 


V 

— 

1 

3 

0 

1 1 

B. 

I 

5 

1 2 

3 

0 

7 kleinere Kinder 


II 

6 

1 2 1 

1 

0 

'i 

De. 

I 

— 

_ 1 

11 

4 

1 2 kleinere Kinder 


II 

6 

i 6 ! 

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1 


Dr. 


10 

1 4 

I i 

, 0 

2 kleinere Kinder 

G. 


5 

1 

7 

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Hb. 


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i 

ii 

Hi. 


5 

3 

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1 

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Kp. 


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We. 


5 

4 

4 

0 

i 

Wo. 


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103 

39 

70 

11 

| 






(M,r>" „) 

1 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



Digitized by 


10 L. Brauer. [10 

Diese Zahlen, die an sich eine erstaunliche Häufigkeit der Tuber¬ 
kulose unter den Cigarrenarbeitern anzeigen, bedürfen einer Be¬ 
sprechung. Bereits erwähnt ist, dass die Stammbäume von dem 
Gesichtspunkte aus gewählt wurden, die in den Sterbelisten aufge¬ 
fundenen Zigarrenarbeiter im Zusammenhänge ihrer Familien zu 
betrachten. Wie nun ersichtlich, kommen diese Leute vielfach aus 
Familien, in denen die Tuberkulose häufig ist. So erklären sich die 
grossen Zahlen, die selbstverständlich nicht ohne weiteres der Cigarren¬ 
fabrikation zur Last gelegt werden können. 

Mehrfach macht sich in den Stammbäumen der Einfluss bemerk¬ 
bar, den eine tuberkulös belastete Frau auf eine sonst gesunde 
Familie auszuüben vermag. So z. B. in der Familie B., wo die 
geb. Nu. selbst nicht erkrankte, jedoch ihre Nachkommen; bei den 
Stämmen Dr. haben die beiden Stämme, in denen sich die Phthise 
häuft, kranke Mütter — die anderen bleiben gesund. 

In dem Stammbaume Hb. war die Grossmutter eine geb. Schw.; 
diese Frau hatte 2 Schwestern, welche gleichfalls schwer von der 
Tuberkulose befallene Familien hinterliessen. Die Familie Schw. 
selbst ist ausgestorben. U. a. mehr. 

All dem gegenüber steht aber als das auffälligste die bedeutend 
grössere Erkrankungsziffer der Fabrikarbeiter im Ver¬ 
gleich zu jenen dort nicht arbeitenden Leuten. 

Der wuchtigen Sprache dieser Stammbäume gegenüber kommt 
man mit Betrachtungen über allgemeine Schädlichkeiten, Lebens¬ 
weise etc. etc. nicht mehr aus. Sie zwingen uns dazu, einen Zu¬ 
sammenhang zwischen der Tätigkeit in der Fabrik und den Erkran¬ 
kungen an Tuberkulose anzunehmen. Den schweren disponierenden 
und infizierenden Schädlichkeiten, denen in diesen 
Familien die Mitglieder ausgesetzt sind, bringt eben 
der Beruf einen weiteren, vielfach entscheidenden 
Faktor hinzu. 

Somit ersehen wir denn aus den Stammbäumen nicht allein die 
Tatsache, dass mit dem Fabrikleben eine Gefahr zu erkranken ver¬ 
bunden ist. Auch darauf geben dieselben uns die Antwort, wer 
unter den Arbeitern der ihm drohenden Gefahr erliegt. 

Unter den 40 in der Liste aufgeführten an Tuberkulose ver¬ 
storbenen Cigarrenarbeitern finden sich fünf, die in ihren Familien 
als sporadische Fälle auftraten. Über zwei der Leute war nichts 
Sicheres zu erfahren. Die übrigen entstammten Familien, in denen die 
Tuberkulose häufiger vorkam. Vorwiegend den Angehörigen derartiger 
tuberkulös belasteter Stämme werden die schädigenden Einflüsse der 
Cigarrenfabriken gefährlich. Ob Cigarrenmacher oder Ackers- 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



17] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


17 


mann, ob arm oderreicli, ein Teil der Familienmitglieder 
erliegt der mörderischen Erkrankung — der weithöhere 
Prozentsatz aber der Phthisen findet sich bei den Cigarren¬ 
arbeitern. 

Die uns interessierende Industrie ist endlich noch im Rahmen 
der allgemeinen Statistik betrachtet worden. 

Zunächst sei eine Statistik Walthers 1 ) genannt. Dieselbe be¬ 
schränkt sich auf den Amtsbezirk Ettenheim. In seiner Publikation, 
sowie in einem mir in freundlichster Weise zur Verfügung gestellten 
Auszuge aus seinem bezirksärztlichen Jahresberichte 1900— 
1901 bringt Walther folgende Zahlen. 

Im Amtsbezirk Ettenheim starben an Lungenschwindsucht in °/oo 
der Einwohner berechnet 


1888 

2,8 

1895 

2,6 

1889 

2,7 

1896 

2,5 

1890 

2,6 

1897 

2,9 

1891 

2,3 

1898 

2,4 

1892 

2,5 

1899 

2,2 

1893 

2,4 

1900 

2,8 

1894 

2,5 

1901 

1,8 


Gleichzeitig nahm die Zahl der Cigarrenarbeiter wie folgt zu 
1889 20 Betriebe, etwas über 1100 Arbeiter 

1899(1. VI.) 35 * 2040 

1901 (31. XII.) 38 „ 2392 

Die Einwohnerzahl des Amtsbezirkes Ettenheim betrug nach den 
Volkszählungen: 

1890 17 868 

1895 17825 

1900 18183 

Aus dieser Tatsache, dass trotz Zunahme der Zahl der Cigarren¬ 
arbeiter die Sterblichkeit an Lungenschwindsucht nicht zugenommen 
hat, leitet Walther den Schluss ab, dass die Beschäftigung in Cigarren¬ 
fabriken die Entstehung der Lungentuberkulose nicht wesentlich 
befördert. Immerhin aber möchte er doch empfehlen, Individuen, 
welche hereditär mit Tuberkulose belastet sind oder welche an 
anderen chronischen Lungenaffektionen leiden, der Beschäftigung in 
Cigarrenfabriken fern zu halten. 

i) Walther. Über den Einfluss der Beschäftigung in Cigarrenfabriken auf 
die Entstehung der Lungentuberkulose. Ärztl. Mitteilungen aus und für Baden. 
1899. Nr. 21. p. 244 ff. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 2 


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Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



L. BraUPr. 


[18 


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18 


Es empfindet ja auch — so heisst es weiter — der gesunde 
Mensch, welcher, an einen Aufenthalt in einer Cigarrenfabrik nicht 
gewöhnt, einen derartigen Arbeitsraum betritt, sofort im Halse einen 
lästigen Kitzel, welcher durch den chemischen und mechanischen Reiz 
des Tabakstaubes hervorgerufen wird. 

Während Walther somit ursächliche Beziehungen zwischen 
Cigarrenfabrikation und Phthise nur in sehr beschränktem Maase 
annimmt, gibt er die starke Verbreitung der Tuberkulose unter den 
Cigarrenarbeitern zu. Die Zahlen, sowie die Schlussfolgerungen Wal¬ 
thers, die dem Jahresberichte entnommen sind, seien hier wieder¬ 
gegeben. 

In einem zweijährigen Berichtszeitraum kamen 75 Todesfälle an 
Tuberkulose zur Anzeige. (Einschliesslich 8 Kindern.) Hiervon waren 
26 Cigarrenarbeiter. Stellt man die ganze aus den heterogensten 
Elementen bestehende Sammlung den Cigarrenarbeitern gegenüber, 
so hat man ein Zahlen Verhältnis von 2:1 (34 1 /a°/o). Da nun aber 
das Zahlenverhältnis zwischen Einwohnerschaft (abzüglich der Cigarren¬ 
arbeiter) und Cigarrenarbeitern sich wie 6 : 1 stellt (15 J /2 °/o), so sieht 
Walther hierin den Beweis geliefert, dass Cigarrenarbeiter im all¬ 
gemeinen häufiger an Lungentuberkulose erkranken und sterben als 
die übrige Bevölkerung. Hieraus allein ergibt sich aber nicht — 
und in diesem Punkte stimme ich mit Walther überein — dass die 
Arbeit in den Cigarrenfabriken zur Lungentuberkulose disponiert, 
sondern es ist — so fährt Walther fort — „lediglich der von keinem 
Sachkundigen bestrittene Satz abermals bestätigt, dass Proletarier 
und Individuen im Alter von 15—30 Jahren besonders leicht von 
Lungentuberkulose befallen werden“. 

„Wäre die Beschäftigung in Cigarrenfabriken tatsächlich ein be¬ 
günstigendes Moment für die Entstehung dieser Krankheit, so müsste 
man in Anbetracht der beträchtlichen Zunahme der sich in Cigarren¬ 
fabriken beschäftigenden Arbeiter ein wesentliches Anwachsen der 
Mortalität erwarten, was nicht der Fall ist.“ 

Vorstehende Daten und die aus ihnen abgeleiteten Sätze habe 
ich so ausführlich gebraucht, weil sie am schärfsten. Anschauungen 
über die ätiologischen Beziehungen der Tabakindustrie zur Tuberkulose- 
Verbreitung repräsentieren, denen ich nicht beizustimmen vermag. 

Nach meiner Ansicht ist man nicht berechtigt, aus den von 
Walther beigebrachten Ziffern die Schlussfolgerung abzuleiten, dass 
die Beschäftigung in Cigarrenfabriken die Entstehung der Lungen¬ 
tuberkulose nicht befördere. Die Zahlen sind hierzu zu klein. Es 
wird im Verlaufe unserer Untersuchung mehrfach sich zeigen, dass 
der Satz, statistische Schlüsse seien nur aus grossen Zahlenreihen 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



19] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfnbriken. 


19 


abzuleiten, zu Rechte besteht. Erst mit grossen Zahlen ist der Aus¬ 
gleich für viele Zufälligkeiten, sowie die normaler Weise stets vor¬ 
handenen Schwankungen in der Häufigkeit der Einzelereignisse 
gegeben. Diese individuellen Faktoren aber, welche die Sta¬ 
tistik aus einander halten soll, werden um so mehr bemerkbar sein, 
je kleiner die Zahlen. 

Zum Beweise, wie gering speziell in dem vorliegenden Falle der 
Wert derartiger kleiner Einzelstatistiken ist, sei auf eine von 
Schellenberg angeführte Zusammenstellung verwiesen (a. a. 0. 
p. 618); dieselbe schlägt den gleichen Weg ein, den Walther ging, 
kommt aber zu einem entgegengesetzten Resultate. Es wäre leicht 
(z. B. an der Hand der Einzelangaben, welche Wörishoffer zu¬ 
gingen) noch mehrfach solche aus kleinen Statistiken sich ergebende 
Widersprüche nachzuweisen. Aber nur noch eine Umrechnung der 
Zahlen Walthers möge hier Platz finden, die da zeigt, wie unver¬ 
hältnismässig stark bei diesen Zahlen die in ihren Ursachen un¬ 
kontrollierbaren normalen Schwankungen der Tuberkulose-Mortalität 
hervortreten im Vergleiche zu jenen Schwankungen, welche möglicher¬ 
weise durch eine Cigarrenarbeiterzahl von 5—10°/o bedingt sein 
könnten. 

In Ettenheim starben in 2 Jahren 75 Tuberkulöse, somit pro 
Jahr 37,5. Von diesen Verstorbenen waren 26 Cigarrenarbeiter, also 
in jedem Jahre 13. Nehmen wir nun z. B. an, dass 2 /s der Cigarren¬ 
arbeiter-Phthisen nur durch die Fabrik entstände, l k dagegen aus 
gleicher Ursache wie bei der übrigen Bevölkerung, so wären in den 
Berichtsjahren jeweils S Tuberkulose-Tode durch die Fabrik bedingt. 
Bei der halben Zahl der Fabrikarbeiter — wie dieses früher der Fall 
war — gäbe es nur 4 Tuberkulose-Tode; somit wären dann bei 
halber Zahl der Cigarrenarbeiter nicht 37,5, sondern 33,5 pro Jahr 
an Phthise verstorben — d. h. in der °/oo Berechnung 2,08:1,86 — 
Differenz 0,24. 

Demgegenüber schwanken in der Statistik Walthers die °/o<>- 
Zahlen für die einzelnen Jahrgänge von 1,8 bis 2,8, ergeben also eine 
Differenz bis zu 1 °/oo — und diesem 1 °/oo würden bei rund 18000 
Einwohnern 18 Todesfälle entsprechen. 

Man sieht, zu statistischen Beweisen sind diese Zahlen nicht zu 
verwenden. 

Die Erklärungsversuche, die Walt h e r der auch von ihm zuge¬ 
standenen Tatsache gibt, dass unter den Cigarrenarbeitern Tuberkulose 
sehr häufig vorkommt, werden in den späteren Ausführungen mit 
verarbeitet werden. 

Zuvor soll das mir verfügbare statistische Material folgen. 

2 * 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



20 


L. Brauer. 


[20 


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Statistik des nordbadisehen 


Bezirk 



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Ladenburg . 

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2161 

162 

7,50 

85 

8 

9,41 

99 

8 

8,08 

Mannheim. 

97,15 

41601 

578 

1,39 

1936 

238 

12,30 

1848 

232 

12,55 | 

Feudenheim. 

101,8 

2440 

37 

1,52 

112 

13 

11,61 

118 

17 

14,41 

Ilvesheim. 

98,1 

947 

92 

9,71 

30 

2 

6,67 

36 

3 

8,33 i 

Käferthal. 

97,3 

3575 

5 

0,14 

216 

31 

14,35 

183 

24 

13,12 

Neckarau. 

95,6 

4194 

27 

0,64 

192 

31 

16,15 

187 

31 

16,57 1 

Neckarhausen .... 

101,1 

866 

161 

18,64 

47 

5 

10,63 

39 

10 

25,64 

Sandhofen.. 

91,4 

1995 

307 

15,39 

136 

16 

11,76 

153 

16 

10,46 | 

Schriesheim. 

118,6 

1861 

— 


79 

3 

3,80 

70 

6 

8,57, 

Wallstadt ...... 

96,7 

1013 

83 

1 8,19 

43 

3 

6,98 

54 

7 

12,96 

Kirschgartshausen . . . 

91,9 

87 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Sandtorf. 

92,7 

19 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Schaarhof . 

92,3 

143 

— 

— 

— 

— 

— 




Amtsbezirk. 

— 

^60902 

1452 

! 2,38 

1 

2876 

350 

12,17 

|| 2787 

354 

1 12,70 i 


Bezirk 


Hockenheim. 

101,5 

3483 

1246 

35,77 

208 

37 

17,79 

171 

40 

23,39 

Schwetzingen. 

99,4 

3252 

258 

7,93 

144 

15 

10,41 

138 

12 

8,70 1 

Altlussheim. 

102,1 

951 

228 

23,98 

44 

3 

6,82 

37 

9 

24,33 

Brühl . 

102,4 

1307 

27 

2,06 

27 

3 

11,11 

36 

10 

27,78 | 

Edingen. 

102,2 

1240 

304 

24,23 

36 

7 

19,44 

32 

4 

12,50 

Friedrichsfeld. 

103,6 

784 

3 

0,38 

32 

5 

15,63 

36 

8 

22,22 

Kutsch. 

100,5 

1407 

263 

18,69 

63 

5 

7,93 

64 

6 

9,38 

Neulusslieim. 

104,5 

964 

458 

47,52 

74 

11 

14,86 

59 

11 

18,65 

Oftersheim. 

99,6 

1468 

263 

17,92 

50 

8 

16,00 

68 

6 

8,83 1 

Plankstadt. 

103,5 

2028 

159 

7,84 

103 

12 

11,65 

91 

13 

14,28 

Reilingen. 

101,3 

1529 

560 

36,62 

, 93 

18 

19,36 

71 

16 

22,53 

Seckenheim. 

101,0 

2756 

82 | 

2,97 

1 95 

5 

5,27 

92 

1 14 

15,22 

Amtsbezirk. 

1 

- 1 

21169 

i 

3851 

18,19 

1 

i 

i 

969 

129 

1 

13,32 

895 

149 

16,64 

| 

1 


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Original frorn 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 

















21J 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


21 


Cigarrenfabrik - Distriktes. 

Man n heim. 






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19 

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9 

8,41 1 

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11 

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10,78 

1 106 

, 

6,60 

( 

499 

43 

8,62 3424 

2,91 1 

0,25 

1874 

257 

13,71 

1782 

i 248 

18,92 2016 

267 

113,251 

9456 

1242 

13.14 97780 

1,68 

0,25 

1 138 

29 

21,02 

96 

18 

18,75 

103 

17 

} 16,501 

567 

94! 

16,57 4088 

2,31 I 

0,48 

34 

3 

1 8,83 

33 

6 

18,18 

38 

4 

1 10,53 1 

171 

18! 

1 10,52' 1584 

1,93 

0,23 

197 

27 

; 13,71 

176 

22 

12,50; 

169 

35 

' 20,71 

941 

130 

14,78 — 

— 

_ 

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24 

1 12,72 

173 

29 

16,76 

210 

29 

13,81 

950! 

144 

15,16 7619 

2,12 

1 0,38 

45 

7 

15,55 

51 

2 

3,92 

30 

4 

13,33 

212 

28, 

13,21 1383 

2,66 

0,40 

139 

14 

10,07 

100 

| 20 

1 20,00 ! 

120 

15 i 

, 12,50 

648 

81 

12,50 3396' 

3,34 

1 0,48 

| 65 

1 5 

7,69 

71 

4 

1 5,63 

49 

11 

1 22,45 

, 334 1 

29 

8,68 1 2763 | 

2,21 

0,21 

38 

5 

13,16 

31 

2 

6,45 

49 

4 

8,16 

215 

21 

9,47 i; 1405 i 

2,76 

0,3 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 

— 


— 

— 

— | Die Gestorbenen sind 

ri 

- 

— 

— 


— 

— 

— 


— 


— 1 1 bei denen der Gemeinde 

i Sandhofen inbe- 
) griffen. 

II 

2825 

380 

13,45 

2615 

i 1 

362 

1 

13,84 

I 

2890 

1 1 

393 

13,60 

1 

1 I 

13993 1839 

1 1 

1 II 

13,14 Ijl23739 

1,96 

1 

0,297 


Schwetzingen. 


155 

31 

20,00 

163 

36 

22,09 

138 

30 

21,741 

835 

174 

20,85 

5259 

2,51 

0.66 

153 

19 

12,421| 

121 

17 

14,05 

143 

15 

10,49 i 

699 

78 

11,16 

1 5538 

2,24 

0,28 

43 

5 

11,63 , 

41 

3 

7,32| 

68 

11 

16,171 

233 

31 

13,31 

1684 

1,22 

0,37 

40 

7 

17.50 

44 

4 

9,09' 

56 

11 

19,63 1 

203 

35 

17,24 

1691 

1,99 

0,41 

1 44 

3 

6,82 

36 

6 

16,66 

26 

3 

11,54 

174 

23 

13,22 

i 1953 

1,54 

0,23 

i 45 

4 

8,89 

44 

6 

13,641 

39 

5 

12,82’ 

196 

28 

14,29 

1434 

2,34 

0,39 

l 62 

5 

8,07 1 

56 

3 

5,361 

55 

7 

12,73 

300 

26 

8,67 

2140 

2,56 

0,24 

76 

10 

13,16 

58 

11 

18,98 

52 

9 

17,31’ 

319 

52. 

16,30 

1432 

3,73 

0,73 

1 60 

3 

15,001 

64 

3 

4,69 

67 

9 

13,43! 

309 

35 

11,33 

2244 

2,44 

0,31 

1 91 

5 

5,49 

93 

11 

11,83 

119 

13 

10,92 1 

497 

54 

10,82 

3036 

2,91 

0,35 

1 92 

20 

21,75 

53 

20 

37.74 

74 

15 

20,26 

383 

89 

23,24 

2242 

2,62 

0,79 

, 104 

16 i 

15,381 

I* 

97 , 

23 

23,70 

l| 

84 

14 

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16,67 | 

i 

472 i 

1 

72 

15,25 

, 4280 

1,87 

0,30 

( 965 

1 

134 

1 

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13,891| 

II 

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143 

1 

16,44 

921 

i 

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142 

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15,42 4520 

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15,42 

1 

1 

32933 

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22 


L. Brauer. 


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1893 


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1894 



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4 

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8 

9 

10 

11 

Heidelberg. 

113,9 

18551 

188 

1,01 

846 

109 

12,88 

845 

128 

15,15 

Neckargemüud .... 

127,4 

1 1013 

— 

— 

45 

13 

28,*9 

i 42 

7 

16.67 

Schönau . 

180,1 

1253 

— 

— 

49 

7 

14,29 

50 

9 

18,00 

Alten b ach. 

2*3,0 

308 

— 


23 

3 

13,04 

12 

1 

8,33 

Altneudorf. 

208,0 

381 

— 


16 

1 

6,25 

10 

1 

10,00 

Bammenth&l. 

124,7 Ij 858 

27 

3,15 

40 

5 

12,50 

27 

3 

11.11 

Brombach. 

320,0 

256 

566 

— 

— 

8 

i 

12,50 

8 


— 1 

Dilsberg. 

298,1 

— 

— 

17 

3 

17,65 

19 

2 

10,53 

Dossenheim. 

152,5 

1370 

5 

0,36 

59 

3 

5,08 

57 

0 1 10,52 

Eppelheim. 

105,7 

1472 

67 

4,55 

85 

14 

16,48 

78 

13 

16,66 

Gaiberg. 

293,1 

i 412 

_ 

— 

7 

1 

14,29 

12 

2 

16,66 

Gauangelloch. 

2u8,0 

i 389 

i 

o,26 

9 

1 

11,11 

1 10 

4 

40,00 , 

Handschuhsheim . . . 

112,0 

1995 

32 

1,64 

61 

4 

6,56 

68 

6 

8,82 

Heddesbach. 

203,8 

240 

_ 

_ 

9 

i 

ii,ii 

1 10 

1 

10,00 

Heiligkreuzsteinach 

260,3 

631 

1 

0,17 

20 

_2_ 

10,00 

23 

2 

8,70 

Kirchheim. 

107,5 

2157 

354 

16,41 

78 

10 

12,82 

: 73 

14 

19,17 

Kleingemünd. 

118,0 

234 

— 

— 

20 

3 

15,00 

1 10 

2 

20,00 

Lampenhain. 

388,0 

198 

— 

_ 

14 

i 

7,14 

14 

— 

1 

Leimen. 

117,8 

! 1322 

367 

27,77 

70 

12 

17,14 

! 47 

9 

19,15 

Lobenfeld. 

184,8 

213 


7 

1 

14,29 

' 8 

2 

25.00 

Mauer . .... 

134,1 

. 682 

i 

— 

17 

2 

11,76 

, 24 

4 

16,67 

Meckesheim ..... 

139,9 

761 

14 

1,84 

43 

3 

6,97 

1 20 

4 

20,00 

Mönchzell. 

155,4 

358 

2 

0,56 

10 

— 

— 

! 7 

2 

28,57 1 

Mückeuloch. 

199,5 

401 

| - 

_ 

17 

2 

11,76 

12 

3 

25,00 , 

Nussloch. 

146,4 

2020 

751 

37,18 

88 

11 

12,50 

1 7 * 

12 

15,39 

Ochaenbach . 

213,0 

, 206 

1 _ 

7 

— 

— 

3 


_ 

Petersthal. 

320,5 

314 

I __ 


10 

— 


! 14 

1 

7,14 

Rohrhach . 

142,6 

1455 

' 188 

12,92 

41 

1 3 

7,32' 

63 

6 

9.52 

St. Ilgen. 

106,3 

534 

| 140 

26,22 

13 

1 2 

15,38 

i 28 

3 

10,71 

Sandhausen 

113,2 

i 2080 

1 836 

40,19 

74 

| 18 

24,32 i 

1 118 

20 

16,95 

Spechbach . 

Waldhilsbach. 

197,1 

198,0 

! 546 

223 

— 

— ! 

25 

1 19 

1 1 1 

5,26, 

j 18 ! 

! 9 1 

2 

1 

11,11 

11,11 

Waldwimmersbach . . . 

216,5 

432 

_ 

_ i 

1 14 

4 I 

28,27 

16 

1 

6,25 

Wieblingen. 

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Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


23 


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77 

7 

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59 

11 

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3324 

1,75 

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15 

2 

13,33 

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1 

20,00 

9 

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10,41 

413 

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21 

1 

4,76 

16 

1 

6,25 

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14,82 

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27 

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10,39 

1 1349 

2,05 

0,24 

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13,75 

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11 

13,10 412 78 

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2,50 

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30,00 1 

17 

2 

11,761 72 14 

19,45 

638 

2,13 

0,44 

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10,13 

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14,67 

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1 11 

14,67 278, 45 

16,19 

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2044 

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13,21 

1961 

270 

13,78 

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265 

12,82 10077 1362 

13,51 

81728 

2,13 

0,33 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 









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L. Brauer. 


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10 

11 

Weinheim. 

134,7 

5442 

1 

0,02 

244 

23 

9,42 

228 

21 

9,21 

Grosssachsen. 

117,0 

777 

1 

0,13 ( 

22 

3 

13,63 

29 

— 

— | 

Heddesheim. 

99,8 

1620 

23 

1,42 

70 

5 

7,14 

74 

8 

10,81 

Hemsbach. 

106,6 

1273 

82 

6,44 

38 

2 

5,26 

56 


8,93 1 

Hohensachsen .... 

151,4 

520 

— 

— 

26 

2 

7,69 

8 

1 

12,50 

Laudenbach . 

107,7 

1 966 

96 

9,94 

32 

3 

9,37 

29 

4 

13,79 

Leutershausen .... 

152,7 1 

1072 

— 

— 

40 

2 

5,00 

41 

3 

7,32 

Lützelsachsen .... 

135,9 

798 

1 — 

— 

32 

3 

9,37 

12 

— 

_ 

Oberflockenbach.... 

273,0 

400 

— 


11 

2 

18,18 

14 

2 

14,30 

Rippenweier. 

298,0 

325 

— 

— 

10 

1 

10,00 

9 

2 

22,22 

Ritschweier. 

248,0 

50 

— 

— 

3 

— 

- 1 

1 

— 

_ 1 

Sulzbach. 

116,0 

489 

3 

0,61 

16 

1 

i 6,25 

13 

— 

— 

Ursenbach. 

333,0 

93 

— 

— 

3 

— 

— 

4 

— 

— 

Muckensturm. 

98,0 1 

37 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Strassenheim. 

100,6 

72 









Amtsbezirk. 

— 

13934 

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1 

47 

8,60 

518 

46 

1 

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! 


Bezirk 


Wiesloch. 

123,1 

2179 

191 

8,76 

71 

11 

15,49 

73 

9 

1 12,32 

Altwiesloch. 

134,4 

348 

114 

32,76 

10 

— 

— 

1 

1 

100,00 

Baierthal. 

167,0 

1067 

307 

28,77 

28 

3 

10,72 

44 

2 

1 4,55 

Dielheim. 

138,2 

1154 

524 

45,40 

67 

5 

7,46 

38 

4 

10,53, 

Horrenberg. 

160,9 

666 

68 

10,21 

28 

5 

17,86 

21 

1 

1 4,76, 

Malsch. 

186,0 1 

1021 

267 

26,15 

51 

6 

11,76 

53 

8 

15,10 

Maischenberg .... 

186,1 

460 

190 

41,30 

28 

5 

17,86 

26 

2 

1 7,69 

Mühlhausen. 

143,5 

1044 

492 

47,13 

71 

6 

8,46 

45 

3 

6,67' 

Rauenberg . 

132,2 

964 

331 

34,34 

51 

10 

19,61 

48 

9 

i 18,75 

Rettigheim. 

142,4 

488 

157 

32,18 

17 

2 

11,76 

15 

5 

, 33,33 

Roth. 

107,9 ,i 

1224 

452 

36,93 

54 

9 

16,67 

50 

10 

20,00 

Rothenberg. 

132,6 

181 

37 

20,44 

10 


— 

5 

— 

_ 1 

St. Leon. 

107,2 

1188 

388 

1 32,65 1 

54 

11 

! 20,37 

33 

10 

1 30,30! 

Schatthausen. 

171,8 

372 

67 

1 18,01 

19 

1 1 

1 5,26 

1 10 

1 1 

10,00 

Thairnbach. 

186,1 

301 

117 

38,87 

17 

1 

| 5,89 

i 12 

4 

33,33 

Walldorf. 

110,1 

!l 

2373 

509 

21,45 

1 

116 

| 

13 

j 11,21 

88 

1 16 

1 18,19 

1 | 

Amtsbezirk. 

1 

15030 

4211 

1 I 

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692 

1 

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12,72 

1 

562 

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85 

1 

15,12 

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Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


25 


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Tuberkulose 

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1 225 

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12,44 

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18 

7,29 

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1.9 

9,89 

9676 

2,24 

0,25 

25 

4 

16,001 

! 29 

5 

17,25 

27 

2 

7,41 

132 

14 

10,61 

1246 

1,89 

0,22 

78 

5 

6,41 

1 53 

4 

7,55 

74 

8 

10,81 

1 349 

30 

8,59 

2495 

2,56 

0,24 

41 

1 

2,441 

36 

7 

19,44 

1 38 

3 

7,90 

209 

18 

8,61 

i 1898 

1 2,01 

0,19 

12 

2 

16,67 

17 

1 

5,88 

15 

2 

13,33 

78 

8 

10,26 

«01 

1.75 

0,20 

35 

2 

5,72 

40 

7 

17,50 

31 

2 

6,45 

167 

18 1 

10.78 

1525 

1,95 

0,24 

45 

9 

20,001 

29 

3 

10,34 

30 

2 

6,67 

185 

19 

10,27 

1628 

2,04 

0,23 

29 

1 

3,45 

. 19 

3 

15,79 

1 20 

1 

> 5,00 

1 112 

8 

7,14 

1136 

1,83 

0,14 

10 

2 1 

1 20,00! 

12 

2 

16,67 

14 

2 

14,29 

61 

10 

16,39 

578 

1,76 

0,35 

4 1 

2 

50,00 

7 


— 

6 

— 

— 

36 

5 

13,88 

496 

1,25 

0,20 

3 

— 

— 

1 

— 

— | 


— 

- 

81 

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2,08 

— 

14 

— 

— 

12 

4 

33,33 

8 

1 

12,50 

63 

6 

9,52, 

1 754 

1 1,51 

0,16 

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— 

— 

2 

' 1 

50,00 

2 

— 

— 

12 

1 

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168 

1,31 

0,12 

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| Dio Gestorbenen sind 

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1 in denen der Gemeinde 













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griffen 


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57 

10,25 1 

1 1 

482 

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1 

13,49 

1 ; 

512 | 

41 

i 8,01 

1 

2615 

256 

9,79 | 

1 22642 

1 

2,08 

0,23 


Wiesloch. 


72 

10 

13,89 

60 

12 

20.00 

67 

2 

2.98 

343 

44 

12,83 

3339 

1,79 

0,26 

8 

3 

37,50 

3 

1 

33,33 

8 

2 

25,00 

30 

7 

23,33 

499 

0,92 

0,28 

1 32 

9 

28,12 

31 

7 

22,58 

41 

8 

19,51 

176 

29 

16,48 

1422 

2,06 

0,40 

42 

5 

11.90 

51 

5 

9,80 

60 

3 

5,00 

258 

22 

8,53 

1602 

2,94 

0,27 

15 

3 

20,001 

16 

4 

25,00 

26 

6 

23,08 

106 

19 

17,92 

10*1 

1,61 

0,35 

40 

8 

20,00 

42 

8 

19,041 

42 

6 

14,28 

228 

36 

15.78 

1539 

2,49 

0,47 

1 11 

— 


26 

4 

15,39 

21 

3 

14,29 

112 

14 

12,50 

642 

3,05 

0,44 

1 52 

3 

5,77 

64 

6 

9,38, 

61 

8 

13,11 

293 

26 

8,87 

1557 

3,44 

0,33 

46 

2 

4,35 

32 

8 

25,00 

40 

5 

12,50 

217 

34 

15.67 

1390 

2,63 

0,49 

! 15 

4 

26,67 

10 

2 

2 o,00 

12 

1 

8,33 

69 

14 

20.29 

638 

1,72 

0,44 

| 44 

10 

20,74 

34 

6 

17,65 j 

53 

11 

20,76 

235 

46 

19,59 

1884 

2,00 

0,49 


— 

— 

1 

i — 

1 - 

! 4 

1 

25,001 

23 

1 

4,35 

284 

1,55 

0,7 

61 

5 

8,20 

47 

12 

25,53! 

41 | 

5 

| 12,20 

236 

43 

18,22 

1888 

2,04 

0,45 

11 

1 

9,09 

13 

1 

! 7,70 1 

12 ; 

1 

l 8,33 

65 

5 

7,69 

675 

1,77 

0,15 

1 7 

— 

; — 

10 

1 — 

i - 

7 

— 

— 

53 1 

5 

9,44 

1 572 

1,68 

0,16 

j 107 


15,89 

86 

i 15 

17,45' 

1 

101 

14 

13,86 

498 1 

75 

15,06 

3524 

2,40 

0,42 

566 

80 

i 

14,13 

1 i 

i 526 

i 

91 

1 

H 

596 

1 

76 

1 

12,75’ 

1 1 

2942 

420 

1 

14,26 22536 

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2,24 

1 

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0,37 


□ igitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 








26 


L. Brauer. 


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Bruchsal . . 



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231 

3,16 

312 

41 

12,14 

271 

39 

14,39 

Heidelsheim . 



137,9 

1309 

1 

0.08 

' 55 

3 

5,46 

42 

2 

4,76 ! 

Philippsburg . 



100.0 

1866 

44 

2.35 

i 58 

7 

12,07 

54 

4 

7,41 ! 

Unteröwisheim 



134,9 

1379 

1 

0.07 

65 

4 

6,15 

39 

5 

12.81 1 

Büchenau . . 



109,8 

438 

9 

2,05 

14 

3 

21,43 

11 

3 

27.27 

Forst . . . 



112,3 

1369 

83 

6 .00) 

76 

6 

7,90 

74 

9 

12,16 

Hambrücken . 



107,8 

846 

115 

13,60 

43 

■ 8 

18,60 

50 

6 

12.00 

Halmsheim 



159,0 

501 

37 

7,30 

18 

1 

5,56 

26 

1 

3,85 

Huttenheim . 



106,2 

■> 737 

24 

3,26 

45 

10 

22,22 

49 

5 

10.20 

Karlsdorf . . 



109,7 

844 

206 

24,42 

1 27 


— 

30 

3 

10,00 

Kirrlach . . 



106,3 

1444 

387 

26.80 

81 

4 

4,94 

55 

6 

10.91 

Kronau . . . 



110.3 

1176 

415 

35,29 

91 

10 

10,99 

42 

6 

14,28 

Langenbrücken 



118,9 

875 

32 

3,66 

! 33 

7 

21,21 

25 

6 

24,00 ! 

Mingolsheim . 



121,6 

’! 1461 I 

322 

22,05 

59 

13 

22.04 

48 

14 

29,17 | 

Neudorf. . . 



109,2 

901 ! 

152 

16.87 1 

1 47 

7 

14.89 

23 

7 

30.45 ; 

Neuenbürg. . 



174,0 

279 i 

— 

i 

10 

i 3 

30.00 

6 

— 

— 

Neuthardt . . 



112,0 

503 

27 i 

5,37 

i 

' 1 

5,56 

25 

5 

20,00 1 

Obergroinbach 



158,7 

1 653 i 

5 1 

0.76 l 

22 

1 — 

— 1 

40 

2 

5,00 I 

Oberha usen 



103.3 

1690 , 

270 i 

15,98 

80 

9 

11,25 

80 

11 

13,75 

Oberöwisheim 



155.5 

622 

3 , 

0,48 

22 

3 

13.64 

25 

12 

48.00 

Odenheim . . 



163,2 

1434 

8 

0.56 

51 

7 

13,72 

75 

, 13 j 

17,33 

Oestringen . . 



163,0 

2082 

656 

31.50 

103 

20 i 

19,42 

72 

1 13 

18,05 

Rheinhausen . 



97.5 

782 ! 

111 

1 1.19 


1 1 

3,73 

34 

' 8 1 

23.54 

Rheinsheim . 



101,7 

1319 

67 ■ 

5.< is 

37 

7 

18,92 

56 

11 

19,63 

Stettfeld . . 



120 , s 

554 i 

18 1 

3/25 

23 

— i 

— 

, 25 

i; 

4.00 

Uebstadt . . 



124,2 

783 ! 

6 

0,77 

35 

3 | 

8,57 

25 

i 8 : 

32,00 

Untergrombach 



12»',4 

1231 i 

245 ; 

19.90 

47 

8 

17,03 

51 

5 

9.80 

Weiher . . . 



112.1 

712 , 

64 ; 

8.99 

42 

4 

9,52 

51 

s; 

5,88 

Wiesenthal 



108,5 

1671 j 

380 , 

22,73 

114 

15 

13,16 

86 

18 i 

2(1.94 1 

Zeuthern 



130,3 

1 804 ! 

18 | 

I 2,24 

44 

3 1 

i 

6,82 : 

! 40 

3 

7,-0 1 

Amtsbezirk. 


j 37573 

3937 

10,48 ( 

1699 

208 

12,24 

1530 

229 

14,97 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 










27J 


Auftreten der Tuberkulose in Cigairenfabrikeu. 


27 


Bruchsal. 






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1392 

173 

12,43 

12614 

1 

1 1,39 

0,27 

1 76 

10 

13,16 1 

45 

2 

4,45 

57 

5 

8.77 

27.» 

22 

8,00 

2155 

2,35 

0,20 

65 

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4,62 ; 

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2 

2,90 

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2.23 

0,16 

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n 

i 

13,73 1 

33 

6 

1*17 

37 

4 

10,81 

225 

26 

11.55 

1916 

' 2,07 

0.27 

, 18 

2 

15,38' 

14 

4 

28,57 

12 

3 

25,00 

64 

15 

23.44 

749 

1,30 

0.40 

1 *9 

7 

7,-6 1 

67 

3 

4,48 

79 

6 

7,59 

385 

31 

8.05 

2222 

3,18 

0.27 

1 30 

7 

2*4,33 j. 

20 

4 

20,00 

- 31 

5 

16.13 

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30 

17.24 

1583 

1.82 

0,37 

23 

2 

8,70 1 

12 

l 

8,33 

25 

1 

4,00 

1 104 

6 

5,77 

845 

2,32 

0.14 

, 35 

6 

17,14 

32 

6 

18,76 

28 

5 

17.86 

189 

32 

16,93 

1225 

2,56 

0,52 

61 

i 4 

6,56 1 

30 

— 

— 

41 

2 

4,88 

189 

8 

4,76 

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2.63 

0,13 

75 

7 

9,33 

100 

10 

10,00 

i 74 

8 

10,81 

885 

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9.09 

2593 

i 2,69 

0,27 

1 76 

i 6 

7,89 'i 

47 

14 

29.79 

61 

9 

14,75 

317 

45 

14,20 

1803 

3,02 

0,24 

34 

4 

11,77 

28 

5 1 

17,86 

| 39 ! 

6 

15,37 i 

15« 

28 

17,61 

1569 

1,91 

0,40 

55 

14 

* 25,45 i 

51 

13 1 

25,49 

67 1 

17 

25,36 i 

280 

71 

25,35 

2064 

2,02 

0.68 

42 

5 

11.90 

48 

■ 7 1 

14,58 

i 35 i 

3 

8,57 i 

195 

29 

14.87 

1446 

2,29 

0.40 

9 

2 

i 22,22 

10 

2 > 

20,00 , 

8 1 

1 

12,501 

i 43 

8 

18,60 

395 

1,77 

0,40 

42 

1 6 

14,28 

25 

5 i 

20,00 

, 35 ! 

3 

8 , 57 : 

1 145 

20 

13,79 

839 

2,98 

0.48 

21 

. — 

— 

22 

2 i 

9.09 

27 

1 

3,72 j 

I 132 

5 

3.79 

906 

1 2,80 

0,11 

79 

12 

| 15.19 

85 

14 

10,47 

79 

11 

13,93 

i 403 

57 

14,14 

2881 

1 2.40 

0.39 

20 

4 

; 20 , oo 

32 

81 

25.00 

30 

10 

33.33 1 

1 129 

37 

28,6 s 

1171 

1 1,57 j 

0.63 

60 

0 

1 15,00 : 

55 

12 

21,82, 

56 

10 

17,86 

| 297 

51 

17,17 

2353 

i 2,09 1 

1 0,43 

87 

l 18 

• 20,70 , 

70 

10 I 

14,29 

i 86 

15 

17,45 

418 

i 76 1 

18,18 ■ 

2869 

' 2.38 i 

| 0,53 

31 

10 

132.26 . 

24 

2 

8,33 

24 

1 o 

i *- i 

8,33 j 

140 

23 

16,43 

1039 

i 2,25 1 

l 0,44 

46 

12 

26,10 

36 

6 

16,67 

, 3* 

1 3 

7.89 ( 

1 213 

. 39 i 

18,31, 

1841 

! 1,89 j 

| 0.42 

i 29 

9 

31,04 

19 

5 ! 

26,31 

i 13 

| 3 

23,08, 

, 109 

i 18 i 

16,51 

782 

2,32 | 

1 0,46 

25 

5 

1 20,00 1 

15 

2 

, 13,33 

34 

1 2 1 

5,88' 

1 134 

i 20, 

14,93 

1228 

i 1.85 

| 0.32 

62 

1 4 

1 6,45 

46 

5 

10,85 

i, 66 


9,08 

, 272 

i 28 

10,29 

2070 

, 2,35 

1 0,27 

34 

i 2 

1 V8, 

33 

5 

I 15,15 

36 

S 3 

8,33 | 

196 

; i7, 

! 8,67 , 

13-’4 

i 2,70 

| 0,25 

111 

1 9 

I 8,10 

93 

12 

12.91 

102 

1 12 

11,96, 

1 506 

, 66 

1 13,04 

3010 

i 2,92 

0,43 

30 

1 3 i 
1 

| 10,001 

33 

i 3 

9,09 

lj 40 

, 4 

10,00 1 

187 

16 

i 

i 8,55/ 

1 / 

1532 

l 2,23 

0,20 

1705 

215 

12,61 

1466 

212 

14.46 

1553 

1 *9 

12,17 

1 7953 

1053 

13.23 ' 

597G0 

2.30 

0,35 



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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 








28 


L. Brauer. 


[28 


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Die nachfolgenden, in der Statistik der nordbadischen Orte 
genannten Gemeinden haben anderweitige Fabrikbetriebe. 


I. Mannheim: 

Ladenburg: Schuhfabr., Leimsiederei. 

Mannheim Stadt inkl. Häferthal und Neckarau: Eisengiesserei-Emaillierwerke; 

Maschinenfabrikation; Achsen- und Wagenbeschlägfabr.; Ofenfabr.; Fabrik 
tecbn. Apparte; Eisenbahnmaterialfabr.; Telegraphendrahtfabr.; Draht¬ 
seilerei; Brikettfabr.; Portlandcementfabr.; Mosaik- und Terrazzofabr.; 
Spiegelmanufakt.; Chemische Industrie; ßeinwarenfabr.; Blechemballagen- 
und Metallwarenfabr.; Fabrik von Anilinfarben und Steinkohleuteer- 
destillation; ÖJfabrik; Hadernfabrik; Dampfseilerei; Färberei und chem. 
Waschanstalten; Tapetenfabr.; Gummi-Guttapercha- und Astbestfabr.; 
Zucker-Raffination; Stärke- und Sagofabr.; Katfeebrennereien und Ge- 
wttrzmühlen; Fabr. wasserdichter Wäsche; Gummi- und Celluloidwaren- 
fabr.; Rosshaarspinnerei; Bettfedernreinigung; Handel, Schiffahrt und 
Spedition. 

Sandhofen: Zellstoff- und Papierfabr.; Ziegelei und Kalkbrennerei. 
Schriesheim: Eunstbaumwoll-Fabr. 


II. Schwetzingen: 

Altluasheim: Ziegelei- und Backsteinfabr. 

Brühl: Dampfziegelei. 

Friedrichsfeld: Cementwarenfabrik. 

Hockenheim: Dampfziegelei und Backsteinfabr. 

Neulussheim: Dampfziegelei. 

Rheinau: Dampfziegelei und chemische Industrie. 

Schwetzingen: Konservenfabr. 

Seckenheim: Feld- und Dampfziegelei; Gummi- und Celluloidfabr.; chem. In¬ 
dustrie. 


III. Weinheim: 


(Trosssachsen: Presshefefabr. und Brennerei. 

Heddesheim: Dampfziegelei. 

Hemsbach: Steinhauerei und Steinbruch. 

Laudenbach: Stuhl- und Möbelfabr. 

Weinheim Stadt: Steinbruch; Dampfziegelei; Eisen- und Metallgiesserei; 

Feilenhauerei; Maschinenfabr.; Weinsäurefabr.; Seifenfabr. und Talg¬ 
schmelze; Seidenfärberei und -Zwirnerei; Lederfabrikation; Holzindustrie: 
Gewehrschäftefabrik, Stuhlfabrik, Schuhleistenfabrik, Bau- und Möbel¬ 
schreinerei; Kunstmühle. 


IV. Heidelberg: 

Bammenthal: Blech- und Emailwarenfabr.; Papier-und Tapetenfabr.; grössere 
Getreidemühle; Formstecherei. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



29] 


Auftreten der Tuberknlose in Cigarrenfabriken. 


29 


Dossenheim: Porphyrwerk und Schotterschlägerei. 

Handschuchsheim: Dampfziegelei; Sandblaswerk, Glas- und Ätzmalerei. 
Heddesbach: Kistenfabrikation. 

Heidelberg Stadt: Steinbruchbetr.; Portlandcementfabr.; Gipsproduktenfabr.; 

Ofenfabr.; Zinkornamentenfabr.; grössere Schlossereien mit 16und 18 Arb.; 
Eisenbahnbetriebswerkstätte; Bade- und Bierkühl- Apparaten fabrik; 
Maschinenfabr. mit Giessereien; Waggonfabr.; Fabriken chir. Instrumente; 
Fabrik von Sanitätsapparaten; Fabrik chem. Produkte; Farbholzfabr.; 
Lumpensortieranstalt; Kunstwollefabr.; Lederfabr.; Schuhfabr. 
Leimen: Kalksteinbruch; Portlandcementfabr. (Heidelberg). 

Mauer: Ziegelei; Kalksteinbruch; Sandgrube. 

Meckesheim: Grössere Getreidemühle. 

Neckargemünd: Steinbrüche; mehrere Getreide- und grössere Kunstmühle. 

St. Ilgen: Glacöleder- und Handschuhfabr. 

Sandhausen: Fourniersägewerk. 

Schönau: Lederfabr.; Schulbankfabr.; Beindreherei. 

Wieblingen: Draht- und Kettenfabr.; grössere Getreidemühle. 
Ziegelhausen: Dampfziegelei; Gelatinefabr.; Lederfabr.; Beinwarenfabrik; 
Bürstenfabr. 

V. Wiesloch: 

Malsch: Kalkbrennerei und Kalkwerk. 

Rauenberg: Grössere Ziegelei. 

Wiesloch Stadt: Schuhfabr. 

VI. Bruchsal: 

Bruchsal Stadt: Kalkbrennereien; Maschinenfabr.; Holzindustrie; Sägereien 
und Fassdaubenfabr.; Cigarrenkistenfabr.; Gewehrschäftefabr.; Teig¬ 
warenfabrik. 

Heidelsheim: Hademsortieranstalt. 

Oberhausen: Ziegelei; Bad. Gesellsch. für Zuck erfahr. (610 Arb.) 

0 d e n h e i m: Steinbruch und Steinhauerei. 

Oestringen: Cigarrenkistenfabr. 

Rheinsheim: Ziegelei. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



30 


Ti. Brauor. 


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[30 


Die vorstellende Statistik gibt in Spalte 1—23 die Gemeinden der 
Bezirke M an n hei in , Hei de Iber g, B ru chs al, W i es loch, W e i n- 
heim und Schwetzingen nach Höhenlage, Gesamtzahl der Erwerbs¬ 
tätigen, der Cigarrenarbeiter, der Gesamtsterblichkeit und der Tuber¬ 
kulosetode. Die Angaben über Verteilung der Erwerbsverhältnisse sind 
den Ergebnissen der Berufsstatistik vom 14. Juni 1895 entnommen. 
Die Angaben über die Zahl der Gestorbenen im ganzen, sowie an Lungen¬ 
tuberkulose entstammen den amtlichen Auszügen aus den Standes¬ 
registern bezw. den in denselben eingetragenen Angaben der Bezirks¬ 
ärzte und umfassen die Jahre 1893—1897. Für die Überweisung dieses 
wertvollen, dem statistischen Amte zu Karlsruhe entstammen¬ 
den Materiales sei hier Herrn Regierungsrat Dr. Lange zu Karls¬ 
ruhe bestens gedankt. 

Ich suchte die Zahlen zunächst durch Hinzufügung der Spalte 
24—26 zu ergänzen, cs wurde die Gesamteimvohnerzahl hinzugefügt 
und alsdann die Gesamttodesfälle (exklusive Tuberkulose), sowie die 
Tuberkulosetode in Jahresprozenten der Einwohner umgerechnet. 

Es berichten die Tafeln im ganzen über 343338 Einwohner, 
196 984 Erwerbstätige einschliesslich 15738 Cigarrenarbeiter, ferner 
für fünf Jahre über 5627 Todesfälle an Tuberkulose bei einer Ge¬ 
samtsterblichkeit von 42100. Diese Zahlen waren nun von ver¬ 
schiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten. 

Bei der Gruppierung erschien es zunächst nötig, diejenigen 
Orte abzusondern, in denen die Cigarrenfabrikation 
als alleinige Industrie sich findet und auch in einiger 
Stärke vertreten ist. 

Eine graphische Darstellung (Anlage I) zeigt diese Orte nach 
der Prozentzahl der Cigarrenarbeiter geordnet. Orte unter 5°o 
Cigarrenarbeiter wurden hierbei nicht berücksichtigt, da ein so ge¬ 
ringer Anteil kaum von erkennbarem Einfluss sein kann. Daneben 
findet sich zum Vergleiche eingetragen die Gesamtmortalität sowie 
die Höhenlage des Ortes. 

Auf dieser Tafel verläuft neben der Kurve der Cigarrenarbeiter 
die Kurve der Tuberkulose-Mortalität in beträchtlichen Schwankungen. 
Ein klarer Parallelismus ist nicht vorhanden, immerhin aber hat die 
Kurve doch ihre höchsten Zacken, auch die Mehrzahl ihrer die Durch¬ 
schnittslinie überschreitenden Punkte dort, wo die Zahl der Cigarren¬ 
arbeiter eine grössere ist. Trotz alledem aber berechtigt diese Kurve 
uns nicht zu sicheren Schlüssen über die Beeinflussung der Tuber¬ 
kulose-Mortalität durch die Zahl der Cigarrenarbeiter. Es kann dieses 
nicht wundernehmen. Die einzelnen hier in Vergleich gestellten 
Gemeinden sind sehr verschieden gross; meistens sind es kleinere 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


31 


311 


Ortschaften, so Hass schon wenige Todesfälle das Prozentverhältnis 
sehr beträchtlich verschieben. 

Im Rahmen der kleinen Zahlen machen sich Zufälligkeiten leicht 
störend bemerkbar und geben einzelnen konkurrierenden Faktoren ein 
nicht zu kontrollierendes Übergewicht. 

Anders gestalten sich — wie Tabelle 2 zeigt — die Verhältnisse, 
wenn man die Orte zu grösseren Gruppen vereint. Zunächst wurden 
je fünf Orte (in Gruppe I sechs Orte) zusammengelegt, alsdann die 
Orte drei grossen Gruppen subsummiert. Hier tritt, je grösser 
die Gruppe, um so schärfer das Ansteigen der Tuber¬ 
kulosekurve mit Zunahme der Zahl der Cigarrenarbeiter 
hervor. Auch diese Relation fand auf der Anlage (Tafel I) eine 
Wiedergabe. 

Tabelle II. 

Die Cigarrenfabrikorte der Anlage I zu Gruppen geordnet* 


°.ü CijfiirroniirbiMCor 


i Laufende 0 o Tuberkulosetote 
Name des ersten Ortes Nummer der pro Jahr im Verhält* 


a. 12.93 


23,75 


38,33 


7,88 

14,15 

18,14 

21,58 

26,77 

35,29 

41,65 


der Gruppe 


1 

Forst 

II 

Horretiherg 

III 

Neudorf 

IV 

Untergrombach 

V 

Edingen 

VI 

St. Leon 

VII 

Nussloch 


Orte auf der nis zur Zahl der 


|j Tafel 

1-6 

i 

, 7-11 

i! 

12 16 
17-21 

22 - 26 

j i 

27-31 

I 32 36 


Erwerbt reihenden 


0,447 

0,538 

0,492 

0.696 

0,433 

0,841 

0.558 


0.491 


0,585 


0,707 y. 


Nicht nur ein Vergleich der reinen Cigarrenfabrikorte unter¬ 
einander, sondern auch die folgende durch die politischen Be¬ 
zirke bedingte Anordnung, welche auf die vielfachen anderen 
Erwerbe keine Rücksicht nimmt, zeigt (Tabelle III) eine Abhängigkeit 
der Tuberkulose-Mortalität von der Zahl der Tabakarbeiter. 


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32 


L. Brauer. 


[32 


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Tabelle III. 

Anordnung der Amtsbezirke entsprechend der Prozentzahl der 

Cigarrenarbeiter. 


1 

In °' 0 der Erworbtätigen 

Reihenfolge nach 
der Höhenlage 

Reihenfolge 
nach der °/ 0 -Zahl 
der Cigarren¬ 
arbeiter 

In °/ 0 der 
Erwerb¬ 
tätigen 

Tbk.-Mortalität in 
° 0 der Gesamt- 
Mortalität 

In °/„ der Gesamt- 
einwohner 

i?! 

2 h 

0.2 

Tbc.- 

Moi talität 

Cigarren¬ 

arbeiter 

Gesamt- 

Mortalität 

•*» 

,3 

|3 

8 

Cigarren¬ 

arbeiter 

Cigarren¬ 

arbeiter 

,5 

£3 i 

* 

Szi.2? 5 

S rt -A 
so -M CO t 
e i-a o 

Tbc.- 

Mortalität 

■*» 

** 'S 

ps 

1 | 2 | 3 

4 

5 6 

Amtsbezirk 

7 

s ; 9 


11 

12 

4.33 

0,561 

3,84 

4,44 

0,587 

2,21 

IV 

Weinheim 

1,48 

1 

0.367 j 

9.79 

2,08 

0,226 

0.286 

II 

Mannheim 

2,38 

I 

0.604 

1 

13.14 

- 

1.96 

0,297 

4,19 

0,562 

8,16 

1 

VI 

Heidelberg 

6,37 

0.563 13,51 

I I 

2,13 

0,330 

; 0,341 

4,18 

0,588 

16,26 

III 

Bruchsal 

10,48 

0.560 13.23 

II 

2,31 

0,352 

4,12 

0,617 

122,28 

[l 

Schwetzingen 

18,19 

II 

! 

0,658 1 

15,42 

2,32 

0,432 

1 

1 

1 0,403 


i 

1 

li V 

Wiesloch 

|| 

28,02 

0,558 

14,26 

2,24 

0,370 


Spalte 7, 8 und 9 lässt keine sicheren Beziehungen erkennen; 
die grossen Städte Mannheim, Heidelberg und wohl auch Bruchsal 
lassen einen Parallelismus der Linien nicht hochkommen. Immerhin 
fallen die hohen Werte der Spalte 8 und 9 für Schwetzingen und 
Wiesloch auf. 

Spalte 10 und 11 sind auf die Gesamtzahl der Einwohner be¬ 
rechnet. Hier zeigt Spalte 11 schon ein stetiges Ansteigen der 
Tuberkulose-Mortalität, mit einziger Ausnahme des Bezirkes Wies¬ 
loch. Doch steht auch Wiesloch beträchtlich höher als die vier 
ersten Bezirke. Schärfer wird aber wieder der Parallelismus zwischen 
der Verbreitung der Cigarrenindustrie und der Tuberkulose-Mortali¬ 
tät, wenn wir die Bezirke zu grösseren Gruppen zusammenfassen. 
Obwohl Mannheim und Heidelberg bei der Dreiteilung in die erste 
und zweite Gruppe, bei der Zweiteilung der Bezirke gar in die erste 
Gruppe fallen, zeigt sich doch unverkennbar der Anstieg der Tuber¬ 
kulose-Mortalität. (Spalte 12, 2, 5.) 

Wichtig ist das Verhalten der Gesamtmortalität. (Spalte 1 und 4.) 
Die Zahlenreihen zeigen hier das umgekehrte Verhalten, d. h. sie 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




33J Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 33 

nehmen mit Zunahme der Cigarrenindustrie ab. Es kann also der 
hohe Tuberkulose-Wert nicht von allgemein ungünstigen hygienischen 
Verhältnissen abhängen. 

Dass die Summe der sämtlichen übrigen Industrien im Vergleich 
zur Cigarrenfabrikation einen ausschlaggebenden Einfluss auf die 
Tuberkulose-Mortalität unserer Distrikte nicht zu gewinnen vermag, 
ist daraus ersichtlich, dass jene Bezirke, welche die höchste Tuber¬ 
kulose-Sterblichkeit aufweisen, vorwiegend landwirtschaftliche Gemein¬ 
den sind und somit zwar reich an Cigarrenfabrikation, aber sonst 
industrieärmer sind. Der Kreis Weinheim, welcher diesen letzteren 
Bezirken sonst gleichartig ist, hat neben seiner geringen Cigarren¬ 
arbeiterzahl auch die bei weitem geringste Tuberkulose-Mortalität. 

Auf Tabelle III ist den Bezirken in römischen Ziffern ihre 
Ordnungsnummer nach der durchschnittlichen Höhenlage beigefügt 
und ist hieraus ersichtlich, dass die Höhenlage das in der Tabelle 
zu beobachtende Verhalten der Tuberkulose-Mortalität nicht erklärt. 

Sehr sorgsam durcharbeitete Daten zur Tuberkulosestatistik des 
Amtsbezirkes Germersheim in der Pfalz verdanke ich der Freund¬ 
lichkeit des Bezirksarztes, Herrn Dr. Herrmann. 

Die Angaben beziehen sich auf eine 12jährige Beobachtungszeit. 
Einige der Tafeln, sowie einen zur Kontrolle derselben notwendigen 
Auszug aus dem Zahlenmateriale habe ich in Anlage H zusammen¬ 
gestellt. Zunächst sei nur die erste dieser Tafeln besprochen. Dieselbe 
zeigt die Gemeinden nach der Häufigkeit der Tuberkulose-Mortalität 
geordnet. Die gesperrt gedruckten Orte haben Cigarrenfabrikation; 
bis auf Hördt, welches etwa in der Mitte der Kurve liegt, befinden 
sich die übrigen Orte im oberen Teile derselben. Berechnet man in 
Jahresprozenten das Verhältnis der Tuberkulose-Mortalität zur Ein¬ 
wohnerzahl, so ergibt sich für die fünf Orte mit Cigarrenfabrikation 
0,365 °/ 0 , für alle übrigen Orte 0,304% — also auch hier wieder ein 
stärkeres Hervortreten der Tuberkulose parallel der Cigarrenindustrie. 
So beweisend, wie die früheren Daten sind diese Zahlen aber des¬ 
wegen nicht, weil sie erstens mal kleiner sind und sich zweitens hier 
auch ein Anstieg der Gesamtmortalität findet; die Cigarrenorte haben 
in Jahresprozenten 2,42 Gesamtmortalität, die anderen Orte nur 
2,33 Gesamtmortalität. 

Da viele Cigarrenindustrie-Orte Nord-Badens und der Pfalz in 
der rheinischen Tiefebene liegen und hierin mehrfach die 
Ursache der hohen Tuberkulose-Mortalität deu betreffen- 
den Gemeinden gesehen wurde, so können wir die Betrach¬ 
tung unserer Zahlen nicht abschliessen, ohne uns über diese Verhält- 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 8 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



34 


L. Brauer. 


Digitized by 


[34 

nisse Rechenschaft gegeben zu haben. Zu dem Zwecke wurden zunächst 
die Orte der sechs badischen Amtsbezirke einzeln nach ihrer Höhen¬ 
lage gesondert und nun die sämtlichen Gemeinden der eigentlichen 
rheinischen Tiefebene (Lage unter 110 m Seehöhe) den höher ge¬ 
legenen Orten gegenübergestellt. Der am tiefsten gelegene Ort (Sand¬ 
hofen) hat 91,4 m Höhenlage. Bei 110 m liegen jene Orte, welche 
sich bereits an die Berge anlehnen, wie z. B. Heidelberg. 

Tabelle IV zeigt in ihrem ersten Teile diese Gruppierung. 


Tabelle IV. 

Einteilung der Gemeinden nach ihrer Höhenlage 

(Schnittpunkt 110 m). 


Tiefere Lage 

Bezirke, nach ihrer 

Höhere Lage 

Einwohner 

Cigarren¬ 

arbeiter 

Tbe.-Toto 

(1893-97) 

durchschnittlichen 
Höhe geordnet 

Einwohner 

Cigarren¬ 

arbeiter 

Tbc.-Tote 

(1893-97) 

1 

2 

3 


4 

5 

6 

32 933 

3851 

697 

Schwetzingen 

— 

_ 

_ 

120 976 

1452 

1810 

Mannheim 

2 763 

— 

29 

20203 

1765 

355 

Bruchsal 

39 557 

2172 

698 

6 082 

201 

66 

Weinheim 

16 560 

5 

190 

3 772 

840 

89 

Wiesloch 

18 764 

3371 

331 

8 993 

580 

171 

Heidelberg 

72 735 

2501 

1191 

192 959 

8689 

3188 

Sa. 

150 379 

8049 

2439 


Sp. 2 in % 

EU Sp. 1 

Sp. 3 in 
Jahres-°/ 0 
zu Sp. 1 



Sp. 5 in 0 , o 
zu Sp. 4 

Sp. 6 in 
Jahres- 0 /* 
zu Sp. 4 


4,50 

0,330 



5,35 

0,324 

44 809 

4508 

10,06 o/o 

850 

0,379 °/o 

Die Cigarren fabrik¬ 
orte der Beilage I 

| 28 767 

1 

4745 

| 16,49 °/o 

575 

0,399 °/o 



pro Jahr 



1 

pro Jahr 

148 150 

4181 

2338 

Alle übrigen Orte 

121 612 

3304 

1864 


2,8 °/o 

0,316 °/o 



2,7 °/o 

0,306 °/o 



pro Jahr 




pro Jahr 


Bei annähernd gleichen Prozentsätzen an Cigarrenarbeitern weisen 
die höher gelegenen Orte eine etwas geringere Tuberkulose-Mortali¬ 
tät auf. 

Der zweite Teil der Tabelle basiert auf jener Gruppierung, die 
wir oben kennen lernten. Es sind diejenigen Orte abgesondert, in 
denen bei mindestens 5 °/ 0 Cigarrenarbeitern sich keine andere 



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351 Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 35 

Industrie von Bedeutung findet. Alle übrigen Orte wurden ihnen 
entgegengestellt und nun in den beiden so geschaffenen Gruppen 
wieder die Teilung nach der Höhenlage durchgeführt. 

Hier ergibt sich das auffallende Resultat, dass unter den „Cigarren- 
fabrik-Orten“ die höher gelegenen es sind, welche auch eine höhere 
Tuberkulose-Mortalität besitzen (0,399:0,379). Dem entsprechend 
findet man aber in diesen höheren Orten auch eine prozentual 
grössere Ausdehnung der Cigarrenindustrie (16,49 °/o : 10,06 °/o). 

Die übrigen Orte, welche eine beträchtlich grössere Einwohner¬ 
zahl haben und in denen sich daher neben den vielfältigen anderen 
Industrien die Differenz in der Cigarrenarbeiterzahl verwischt, zeigen 
— wie zu erwarten — in der Ebene eine grössere Tuberkulose- 
Mortalität, als wie in den höheren Lagen. 

Vergleichen wir wieder mit dem scharfen Ausschlage, den diese 
grossen Zahlen geben, eine graphische Darstellung (Beilage III), in 
welcher die einzelnen kleinen Cigarrenfabrikorte nach ihrer Höhen¬ 
lage geordnet sind, so sehen wir von neuem die Erscheinung, die 
wir oben gelegentlich der Durchmusterung der Anlage I fanden. Die 
kleinen Zahlen der einzelnen Gemeinden reichen sich in regellosem 
Zick-Zack aneinander; sie sind das Resultat der Zufälligkeit. Diese 
kleinen Zahlen sind in ausschlaggebender Weise von den vielfachen 
komplizierten Verhältnissen beeinflusst, welche die Verbreitung der 
Tuberkulose überhaupt beherrschen. Die Wirkung eines einzelnen 
grossen Faktors lässt sich bei derartiger Verwendung der Zahlen 
nicht erkennen. 

Das gleiche Resultat lässt sich aus den Zahlen ableiten, welche 
Herr Dr. Herrmann mir zur Verfügung stellte. 

Herrmann fertigte, um den Einfluss der Lage der Orte seines 
Bezirkes auf die Tuberkulose-Mortalität zu studieren, die zweite der 
in Anlage H wiedergegebenen Tafeln an. Eine Rückwirkung jener 
Faktoren, die mit der Höhenlage wechseln, auf die Häufigkeit der 
Tuberkulose-Todesfälle ist aus diesen Kurven nicht zu erkennen. Und 
doch markieren sich diese Einflüsse sehr deutlich, sobald man zu 
grösseren Zahlen vorschreitet. Jene Orte der Amtsgerichte Germers¬ 
heim und Kandel, welche in der eigentlichen Rheinniederung liegen, 
haben 0,307 °/o, resp. 0,369 °/o Tuberkulose-Mortalität, während die 
höher gelegenen, sog. Binnenorte nur 0,278 °/o resp. 0,318 °/o auf¬ 
weisen. 

Die dritte der Herr mann sehen Kurven habe ich zu dem 
Zwecke beigegeben, um damit eine sichtbare Stütze der Cornet- 
schen Anschauung zu geben, dass nach unserer heutigen Mor- 

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L. Brauer. 


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talitätsStatistik sich der Satz nicht halten lässt, es sei die 
prozentuale Tuberkulose-Mortalität in den jüngeren Jahrgängen grösser 
als wie in den älteren. 

Aus den vorstehenden Mitteilungen geht hervor, dass die 
Lungentuberkulose unter den Cigarrenarbeitern Nord¬ 
badens und der Pfalz nicht nur häufiger vorkommt, als wie 
unter der übrigen Bevölkerung dieser Distrikte, sondern 
dass auch mit der Zunahme der Cigarrenfabrikation die 
Tuberkulose-Mortalität im allgemeinen steigt, dass somit 
Beziehungen beider Faktoren zueinander bestehen. 

Es frägt sich nun, welcher Art diese Beziehungen sind. 
Erklären thatsächlich direkte oder indirekte Faktoren den 
Parallelismus beider Kurven, oder sind es dritte Ursachen, die 
als eigentliche, die Tuberkulose-Mortalität dieser Distrikte beherr¬ 
schende Momente der Kurve der Cigarrenarbeiter gleich gerichtet sind 
und hierdurch den Anschein erwecken, als habe die Cigarrenfabrikation 
einen Einfluss auf die Sterblichkeit an Tuberkulose. 

Die Angabe, dass die badische Cigarrenindustrie sich in Orten 
niedergelassen habe, die von jeher ein Herd der Tuberkulose 
waren, erklärt die Sachlage nicht. Es ist durchaus anzuerkennen, dass 
es sog. Tuberkulose-Nester gibt — mir ist z. B. eine kleine Gruppe 
derartiger Orte in der bayerischen Pfalz bekannt geworden. — Auch 
ist es vielleicht richtig, wenn auch keineswegs objektiv nachgewiesen, 
dass in den besprochenen Distrikten schon von jeher viel Tuberkulose 
vorkam. Hieraus aber lässt sich ohne Zuhilfenahme anderweitiger 
Einflüsse doch nicht die Thatsache verstehen, dass in diesen 
Distrikten mit der wechselnden Zahl der Cigarrenarbeiter die Tuber¬ 
kulose-Mortalität sich ändert. 

Die Ansicht, dass die Lage der Cigarrenorte in der 
Rheinebene die Erklärung biete, ist, wie oben gezeigt, nicht auf¬ 
recht zu halten. 

Nach vielfach verfochtener Anschauung endlich soll die Lungen¬ 
tuberkulose unter den Cigarrenarbeitern nur deswegen häufiger zur 
Beobachtung kommen, „weil unter Proletariern und der 
vorwiegend die Cigarrenfabriken bevölkernden Alters¬ 
klasse (15—30 Jahre) die Tuberkulose überhaupt häufiger vorkäme, 
und weil die leichte Arbeit in diesen Fabriken vorwiegend die 
Schwachen und Krüppel heranziehe. Die Cigarren-Industrie an sich 
befördere die Lungentuberkulose nicht“. 

Von vomeherein ist unter diesen Gründen wohl die Angabe aus¬ 
zuschalten, es trage das relativ niedrige Durchschnittsalter der er- 


Gck igle 


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37] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


37 


wachsenen Cigarrenarbeiter die Schuld an ihrer höheren Tuberkulose- 
Mortalität. Cornet hat mehrfach darauf hingewiesen, dass aus den 
derzeitigen Statistiken ein solches Verhältnis sich nicht ableiten lässt. 
Auch lässt sich auf diese Weise nicht die verschiedene Tuberkulose- 
Mortalität der einzelnen Gemeinden erklären. Eher könnte man 
versucht sein, aus dem niedrigen Durchschnittsalter der Cigarren¬ 
arbeiter die übertriebene Ansicht abzuleiten, die Cigarrenarbeiter 
wären in schwerster Weise durch die Fabrik bedroht und erreichten 
daher nur selten ein höheres Alter. Wörishoffer hat diese Frage 
in ausführlicher Weise besprochen und einige der Gründe für das 
Überwiegen der jüngeren Jahrgänge unter den Cigarrenarbeitern 
aufgedeckt. 

Auch die mehrfach beobachtete höhere Tuberkulose-Mortalität 
ärmerer Volksklassen kann als wesentliche Erklärung der uns inter 
essierenden Frage nicht betrachtet werden. Wenn auch kaum zu be¬ 
zweifeln ist, dass dieser in sich sehr komplizierte Faktor einen gewissen 
Anteil hat an der relativ hohen Tuberkulose-Mortalität unter den Cigarren¬ 
arbeitern, so wäre es andererseits doch unrichtig, wollte man auf 
Grund dieser Vorstellung behaupten, es seien der Cigarrenindustrie ander¬ 
weitige und spezifische, die Tuberkulose befördernde Einflüsse des¬ 
wegen nicht eigen. Unsere Erhebungen und die Physionomie der 
untersuchten Orte lassen diesen Schluss nicht zu. Die durchschnitt¬ 
liche Gleichartigkeit dieser Orte, die Ausstreuung derselben über 
einen relativ grossen Flächenraum, die Untermischung der cigarren¬ 
industriefreien Orte mit jenen, welche diese Industrie führen, all 
diese Faktoren lassen die Annahme kaum glaublich erscheinen, dass 
die Orte hinsichtlich der Prozentzahl ihrer in überfüllten Wohnungen 
und auch sonst unhygienisch lebenden Leute nicht annähernd gleich 
gestellt seien. Auszunehmen wären höchstens die Städte mit ihrem 
ausgesprochenen Proletariat — in unseren Zusammenstellungen ver¬ 
missten wir aber gerade mehrfach den Einfluss dieser grösseren 
Städte auf die Tuberkulose-Kurven. 

Der hygienische Begriff „Proletariat“ (wenn ich so sagen darf) 
ist auf den Cigarrenarbeiterstand zahlreicher Landorte nur mit 
Reserve anzuwenden und zwar ganz besonders dann, wenn man die 
Cigarrenarbeiter hiermit in einen Gegensatz zu den Kleinbauern 
bringen will. Dass in den Cigarrenfabriken ein gewisses Proletariat 
existiert, ist nicht zu bezweifeln. Vielfach aber sehen wir in den 
Gemeinden die Cigarrenarbeiter noch im Übergang von der Land¬ 
wirtschaft zum Gewerbe. Die Industrie hat sich hier in eng¬ 
ster Anlehnung an den Stand der Kleinbauern entwickelt. 
Die Cigarrenfabrikation wird häufig als Nebenerwerb betrieben und gar- 


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L. Brauer. 


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nicht so selten ist die soziale Lage verständig wirtschaftender Arbeiter 
eine bessere als jene der kleinen Landwirte. Fast mit dem gleichen 
Rechte, wie auf die Arbeiter, kann man somit auch auf einen guten 
Teil dieses Kleinbauernstandes den Ausdruck Proletarier anwenden. 
Die Cigarrenarbeiter heben sich in ihrem Wohlstand und den davon 
abhängigen Umständen somit kaum derart von der übrigen Bevölke¬ 
rung ab, dass hieraus ihre höhere Tuberkulose-Mortalität erklärt werden 
darf. Es ist nicht zu vergessen, dass die Cigarrenindustrie den an 
sich armen bäuerlichen Gemeinden auch sehr viel Vorteil brachte. 
Der grösseren Tuberkulose-Mortalität, welche mit der Einführung der 
Cigarrenindustrie einherging steht ein beträchtliches Plus für die soziale 
Lage und das Wohlergehen der betreffenden Gemeinden gegenüber. 

Auch mit der Annahme eines starken Zustromes von Schwäch¬ 
lingen zu den Cigarrenfabriken wäre jedenfalls nur ein kleiner Teil 
der hier zu besprechenden Verhältnisse klar zu legen. Man könnte auf 
die Art vielleicht verständlich machen, dass in Orten mit einer relativ 
geringen Cigarrenarbeiterzahl (etwa 5—10 c /o, ja selbst bis 15°/o) in 
dieser Erwerbsgruppe sich mehr Tuberkulöse befänden, als wie 
unter den übrigen Erwerbtreibenden. Steigt das Prozentverhältnis 
der Cigarrenarbeiter zu den anderen Erwerbtreibenden auf grössere 
Werte, dann erklärt die Voraussetzung eines grösseren Zuzuges von 
Schwächlingen aber selbst nicht mehr diese Erscheinung der höheren 
Tuberkuloseprozente unter den Cigarrenarbeitern. Durchaus unver¬ 
ständlich aber bleibt die Thatsache, dass parallel der Zunahme der 
Cigarrenarbeiter die Tuberkulose-Mortalität der gesamten Ein¬ 
wohnerschaft ansteigt. Will man letztere Kurve aus der ersteren 
begreifen, so muss man unbedingt annehmen, dass von der Kurve 
der Cigarrenarbeiter ein die Tuberkulose befördernder Einfluss abhängt. 

Mit kurzen Worten: 

Ein stärkerer Zuzug von jungen Leuten, Schwächlingen und 
Armen zu einer Erwerbsgruppe kann bei relativ so gleichartigen 
Verhältnissen, wie sie in unseren Distrikten vorliegen, an sich allein 
wohl bis zu einer gewissen Grenze eine verhältnismässig höhere Tuber¬ 
kulose-Mortalität in dieser Gruppe erklären, es aber nicht ver¬ 
ständlich machen, dass mit steigender Beteiligung der Bevölkerung 
an diesem Erwerbe auch die Tuberkulose-Mortalität im ganzen zu¬ 
nimmt. 

Endlich entbehrt dieser Erklärungsversuch bisher eines objektiven, 
zahlenmässigen Beweises und kann somit als, rein auf persönlichen 
Eindrücken beruhend, eine unbedingte Anerkennung nicht beanspru¬ 
chen; wir dürfen uns durch denselben nicht über die Schwierigkeiten 
der behandelten Frage hinwegsetzen lassen. 



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39J 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


39 


Persönlich möchte ich dieses um so mehr betonen, als meiner 
Erfahrung nach jene Auffassung, welche dem Zustrome der Schwäch¬ 
lichen einen entscheidenden Einfluss auf die Tuberkulose-Mortalität 
der Cigarrenarbeiter vindiziert, nicht richtig ist. In der Ambulanz 
der medizinischen Klinik sah ich sehr zahlreiche Cigarrenarbeiter, 
über deren Existenzbedingungen ich mich im Hinblick auf die vor¬ 
liegende Studie häufig eingehend orientierte. Oft habe ich hierbei 
den Eindruck bekommen und diese Ansicht auch anderweitig be¬ 
stätigt erhalten, dass die Dinge vielfach umgekehrt sind, als wie in 
obengenannter Ansicht verfochten ist. Wo die soziale Lage es einer 
Familie überhaupt ermöglicht unter ihren Mitgliedern eine Auswahl 
zu treffen, doch sendet sie die Schwächlichen auch häufig nicht in 
die Fabrik, sondern auf das platte Land, „damit sie gesund werden.“ 
Die Leute stehen unter dem Eindrücke, dass mit dem Leben in der 
Fabrik eine Gefahr, lungenkrank zu werden, verbunden ist und glauben 
nicht selten, dieses nur den kräftigeren Mitgliedern zumuten zu dürfen. 

Im wesentlichen aber, so scheint mir, bleiben derartige Über¬ 
legungen durchaus sekundäre Faktoren bei der Auswahl der Fabrik¬ 
arbeiter aus der Bevölkerung. Wörishoffer hat (a. a. 0. p. 41) in 
sehr interessanten Ausführungen die Genese des Cigarrenarbeiterstandes 
unserer Distrikte klar zu legen gesucht und die treibenden Kräfte 
geschildert, welche die Leute in die Fabrik führen. Diesen tief¬ 
greifenden sozialen Motiven gegenüber treten die individuellen Rück¬ 
sichten, welche gelegentlich kleinere Kreise in die Fabrik bringen, 
völlig zurück. 

Dass man in den Fabriken oder in ärztlichen Sprechstunden 
leicht den Eindruck erhält, es seien die Schwächlinge in grösserer 
Zahl den Fabriken zugewandert, ist leicht begreiflich, denn manche 
der Leute sehen anämisch und schwächlich aus. Deswegen ist aber 
der Schluss nicht gestattet, dass sie auch vom Hause aus schwächlich 
waren und aus diesem Grunde in die Fabrik gingen. 

Da sich somit nicht nachweisen lässt, dass dritte Ursachen die 
Beziehungen der Cigarrenfabrikation zur Tuberkulose-Mortalität ent¬ 
scheidend beinflussen, so muss in Erwägung gezogen werden, ob ein 
kausaler Zusammenhang zwischen beiden zu ermitteln ist. 

Derartige ursächliche Beziehungen könnten auf den mannig¬ 
fachsten direkten oder indirekten Einflüssen beruhen; der Cigarren¬ 
industrie eigentümlich sind sie von dem Augenblick an, 
wo sie sich (direkt) aus dem Leben in den Arbeitsräumen 
oder (indirekt) aus derGesaratlage der Industrie und den 
ökonomischen Eigenheit en ergeben, welche dielndustrie 


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L. Brauer. 


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mit sich bringt. Der Versuch, einen Zusammenhang der uns 
kassierenden Erscheinungen zu ermitteln, hat beide Gesichtspunkte 
zu berücksichtigen. 

Zweifellos sind manche Umstände, welche von der wirtschaftlichen 
Lage und der Lebensweise der Cigarrenarbeiter abhängen, als in¬ 
direkte Ursachen ihrer höheren Tuberkulosen-Mortalität von Bedeutung. 

Es ist nur zum Teil in der Macht des Arztes gelegen, diese 
Einflüsse festzustellen und ihnen entgegen zu treten. Ein enges 
Zusammenarbeiten mit dem Nationalökonomen und dem Gesetzgeber 
ist hier dringend geboten. Nur langsam und unter genauer Kenntnis 
der wirtschaftlichen Lage des Arbeiters wie auch der Industrie lässt 
sich den auf sozialem Gebiete liegenden Schädlichkeiten nachspüren 
und ihnen abhelfen. 

Für die Cigarrenarbeiter sind unter den Schwierigkeiten, mit 
denen der Arbeiterstand überhaupt zu kämpfen hat, einige von be¬ 
sonderer Bedeutung. 

Die Lohnverhältnisse bringen es vielfach mit sich, dass zur Be¬ 
schaffung eines für den Unterhalt der Familie genügenden Einkom¬ 
mens auch die Frauen und Kinder zur Fabrikarbeit, oder — wie 
in anderen Gegenden — gar zur Hausindustrie heranzuziehen sind. Die 
Mitarbeit der Kinder erreicht bei der Cigarrenfabrikation einen 
recht hohen Grad und stellt zweifellos eine Ursache verschiedensten 
Unheiles dar. Sicherlich entsteht z. B. hierdurch ein Teil der „Schwäch¬ 
linge“ in der Fabrik. 

Der Nachteil der ausgedehnten, z.T. sogar überwiegenden Frauen¬ 
arbeit ist trotz der gesetzlichen Vorschriften, die hierüber wachen, 
zum mindestens ebenso gross. Hausfrauen, die eventuell unter dem Ein¬ 
flüsse der Fabrik erkranken, bedingen durch ihre Stellung eine grössere 
Infektionsgefahr für die Familie als wie die Männer und fördern so¬ 
mit stärker die Ausbreitung der Tuberkulose in der Gesamtbevölkerung. 
Fernerhin wird die Frau von der ihr eigentlich zukommenden Tätig¬ 
keit abgehalten. Die Zubereitung der Speisen, die Reinhaltung des 
Hauses und die Erziehung der Kinder muss notgedrungen leiden und 
macht sich dieses auch nach dem Eindrücke vieler Beobachter in 
den Cigarrenarbeiterfamilien bemerkbar. Die stärkere Heranziehung 
der Kinder und Frauen zur Cigarrenfabrikation ist aber, wie schon 
oben gesagt, eine z. Z. noch notwendige Begleiterscheinung der Ci¬ 
garrenindustrie ; sie müssen daher auch in ihren schädigenden 
Einflüssen bis zu einem gewissen Grade der Industrie zur Last ge¬ 
rechnet werden. 

Als eine wichtige indirekte Ursache der gesteigerten Tuberkulosen- 
Mortalität unter den Cigarrenarbeitern wird häufig die Ungunst der 



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Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


41 


Wohnungsverhältnisse angesehen, unter welcher die Leute nicht 
selten leiden. Ob dieser Faktor in nennenswerter Weise, den der 
Cigarrenindustrie parallel gehenden Anstieg der Tuberkulose-Mortalität 
beherrscht, ist bislang nicht erwiesen, in mancher Beziehung auch wohl 
zu bezweifeln. Es müsste denn durch Auszählung der Wohnräume 
nachgewiesen werden, dass in den Cigarrenfabrik-Orten die Wohnungs¬ 
dichte eine grössere wäre als wie in den übrigen Gemeinden. Hier¬ 
bei bleibt selbstverständlich unbestritten, dass diejenigen Individuen 
unter den Cigarrenarbeitern, welche in unreinlichen und überfüllten 
Häusern leben, der Tuberkulose besonders leicht verfallen werden, 
fraglich aber ist es, ob die Wohnungsverhältnisse so liegen, dass sie 
die mit der Cigarrenindustrie einhergehende grössere Verbreitung der 
Tuberkulose erklären. 

Der Cigarrenfabrikation eigentümlich ist endlich auch ein engeres 
Zusammenarbeiten der Geschlechter; dieses führt nach ver¬ 
schiedenen Beobachtern in kaum vermeidbarer Konsequenz zu früh¬ 
zeitigem sexuellen Verkehr und damit indirekt zur Schädigung der 
Gesundheit. Lehrreiche Angaben hierüber finden sich bei W ö r i s - 
hoffer. 

Ein Überblick über die genannten mit der Entwickelung der 
Cigarrenindustrie einhergehenden Faktoren zeigt uns einige Punkte, 
an denen zur Besserung der Hebel anzusetzen ist. 

Es sollte auch weiterhin in einer nicht überstürzten aber kon¬ 
sequenten Weise der Hausindustrie möglichst vorgebeugt werden; die 
Frauen- und Kinderarbeit ist’, soweit dieses mit der wirtschaftlichen 
Lage der Industrie vereinbar, zu beschränken. Wohlfahrtseinrich¬ 
tungen und rationelle wirtschaftliche Vereinigungen könnten manchen 
der schwer vermeidbaren Schäden entgegenarbeiten. In richtiger 
Würdigung der Sachlage hat man es versucht, die ungünstige Ein¬ 
wirkung der Frauenarbeit dadurch zu mildern, dass man Kochschulen 
einrichtete. Vielleicht wäre unten dem gleichen Gesichtspunkte es 
des Versuches wert, im Anschluss an den Fabrikbetrieb 
Speisehäuser zu schaffen, welche den Arbeitern eine bessere und 
wohl häufig auch billigere Kost liefern könnten. 

Gegenüber den Schädlichkeiten, die in einem mehr indirekten 
Zusammenhänge zur Cigarrenfabrikation stehen, kommen einige Ver¬ 
hältnisse in Betracht, welche den Arbeiter während und durch 
seinen Beruf direkt gefährden können. 

Im Betriebe der Cigarrenindustrie liegen verschiedene z. T. ver¬ 
meidbare Faktoren, welche dadurch, dass sie die Empfänglich¬ 
keit der Luftwege für eine event. Infektion steigern, zur Ver¬ 
breitung der Lungentuberkulose beitragen. 


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L. Brauer. 


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Nach vereinzelten Angaben in den Literatur möchte man ver¬ 
sucht sein, von einer durch die Einatmung des Tabakstaubes be¬ 
dingten eigenartigen Veränderung der Lungen, einer sog. Tabacosis, 
zu sprechen. Unser klinisches und pathologisch-anatomisches Material 
rechtfertigt aber diese Annahme nicht. Makroskopisch prägt sich 
eine Tabakstaubeinlagerung in das Lungenparenchym jedenfalls nicht 
aus. Die Schädigung, welche der eingeatmete Staub speziell in Ver¬ 
bindung mit den mehrfach erwähnten flüchtigen zum Husten reizen¬ 
den Stoffen den Lungen zufügt, liegt vielmehr in einer Beeinträch¬ 
tigung der oberen Luftwege. 

Die Cigarrenarbeiter leiden nach unseren und anderen Beob¬ 
achtungen besonders häufig an chronischen, zur Schleim¬ 
hautatrophie führenden Nasen- und Kehlkopfkatarrhen, 
sowie an chronischen trockenen Bronchialkatarrhen. 
Für die Verbreitung der Phthise sind dieses wichtige Faktoren. 
Längerdauernde Reizungen der Schleimhäute der oberen Luftwege 
rufen nicht nur harmlose Katarrhe hervor, sie bedingen auch eine 
Resistenzverminderung der Schleimhäute Infektionen gegenüber. Durch 
die Untersuchungen von Birch-Hirschfeld wurde erwiesen, dass 
die Phthisis sehr häufig als Schleimhauttuberkulose in den mittel¬ 
grossen Bronchien, speziell im Bronchus apicularis posterior beginnt. 
Werden diese Partien durch irritierende Gase oder durch gewisse 
Staubarten gereizt, so kommt es zu Sekretanhäufungen, welche hinzu¬ 
tretenden Keimen als Nährboden dienen, oder es entstehen Epithel¬ 
defekte, welche den Bakterien zu Eingangspforten werden. Für das 
Zustandekommen dieser Vorgänge ist weniger die Menge, als wie 
das physikalische und chemische Verhalten des Staubes von Bedeutung. 

Eine tuberkulöse Infektion dieser so vorbereiteten Schleimhaut¬ 
partien kann nun, wie wir sehen werden, recht wohl in der Fabrik 
erfolgen; möglich ist es aber auch, dass die Infektion erst in der 
Wohnung statthat, so dass in letzterem Falle dann diese beiden Fak¬ 
toren, deren Zusammentreffen die Erkrankung veranlassen, räumlich 
und zeitlich getrennt zur Wirkung gelangen würden. 

Mit letzteren Vorkommnissen lässt sich aber nicht die Ansicht 
stützen, der Cigarrenfabrik käme ein unmittelbaren Einfluss auf Tuberku¬ 
lose-Mortalität nicht zu. Niemand wird den Einfluss der Steinhauerei 
auf die Ausbreitung der Tuberkulose in Abrede stellen, und doch 
liegt die Gefahr gerade für diese Gewerbtreibenden am wenigsten 
darin, auf dem Arbeitsplätze infiziert zu werden, sondern in einer 
dem Berufe eigenen Beeinträchtigung der Lungen. Derartige event. 
sehr vielgestaltige Kombinationen der verschiedensten inhalatorischen 
und sonstigen Schädlichkeiten sind praktisch von grösstem Einflüsse 



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43] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


43 


auf die Entstehung der Lungentuberkulose. So mag es in den 
Familien in unseren Distrikte häufig wohl dazu kommen, dass bei 
dem Vorhandensein einer grösseren Infektionsgefahr in den einzelnen 
Familien, der Landmann der Gefahr entgeht, während der Cigarren¬ 
arbeiter, dessen Schleimhäute verändert sind, der andringenden In¬ 
fektion verfällt. 

In Würdigung der Ausführungen Kriegers 1 ) ist auch in der 
Körperhaltung der Cigarrenarbeiter während ihrer Tätigkeit ein 
Moment zu sehen, welches der Tuberkulose-Infektion Vorschub leistet. 
Die gebückte Haltung, sowie ganz besonders die Feststellung der oberen 
Brusthälfte durch die Schulter- und Oberarmmuskulatur hindert die 
respiratorische Tätigkeit der Oberlappen und befördert dadurch die 
Ablagerung von Staub und Keimen. Krieger legt diesen Verhält¬ 
nissen grosse Bedeutung bei und ist geneigt, die hohe Schwindsuchts¬ 
sterblichkeit mancher Gewebe auf diese Haltungsschädlichkeiten zurück 
zu führen und nicht auf die vielfach übermässig betonte Staubein¬ 
atmung. 

Dyspep tische Erscheinungen aller Art werden mehrfach 
unter den Cigarrenarbeitern beobachtet. Als Ursache dieser Ver¬ 
dauungsstörungen hat man die sitzende Lebensweise in Verbindung mit 
ungeeigneter und mangelhaft zubereiteter Kost, das Kauen des 
Tabakes zwecks Herrichtung der Cigarrenspitze sowie Einwirkungen 
der Luftverunreinigungen in den Fabriken betrachtet. Gewisse zur 
Tuberkulose disponierende Einflüsse sind diesen Verhältnissen nicht 
abzusprechen. 

Aus der Erkenntnis, dass im Betriebe der Cigarrenfabriken 
Momente gegeben sind, welche ein Anhaften der Tuberkelbazillen be¬ 
günstigen, erwächst die Frage, ob in diesen Fabriken auch eine ge¬ 
wisse Wahrscheinlichkeit besteht, ein mit diesen Keimen be¬ 
ladenes Material zu inhalieren. 

Die Frage ist zu bejahen. Trotz der sorgfältigster In¬ 
spektionsvorschriften wird sich in Fabrikräumen, in denen eine grössere 
Anzahl von Arbeitern relativ eng beieinander sitzt, steht Gelegenheit 
zur Einatmung bacillenhaltigen Materiales bieten. In den Cigarren¬ 
fabriken kann man sich leicht daran überzeugen, dass die Phthisiker 
fast alle auf den Boden speien. Die Plätze derartiger „Huster“ sind 
nach dem Abkehren deutlich zu erkennen, so dass man die Mehrzahl 
der lungenkranken Arbeiter im Sinne Cornet’s als „unreine“ Kranke 

i) Bericht des Berliner Kongresses zur Bekämpfung der Tuberkulose, p. 78. 
Berlin 1809. 


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L. Brauer. 


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bezeichnen muss. Der Pflanzenstaub fördert die Austrocknung der 
schleimigen Sputa und damit ihre Verstaubung, zu der in den Fabriken 
reichlich Gelegenheit gegeben ist. 

Es erhellt hieraus ohne weiteres, dass schon ein einzelner Phthi¬ 
siker während der vielen Monate, welche er in der Fabrik zubringt, 
eine recht beträchtliche Quelle der Infektion darstellt. 

Walther sprach in seinem oben citierten Vortrage die Ver¬ 
mutung aus, der Tabakstaub sei vielleicht im stände die Tuberkel¬ 
bacillen abzutöten. Bei den bekannten antiparasitären Eigenschaften 
der beizenden Tabaksinfuse war es sehr angebracht, dieses näher zu 
verfolgen. Herr Dr. Korn, Assistent am bakteriologischen Institute 
zu Freiburg hat dieser Anregung folgend die nötigen Versuche in 
dankenswerter Weise ausgeführt; er kam, wie Walther in seinem 
Berichte mitteilt, zu dem Resultate, das die Tuberkelbacillen sich in 
Kulturen, welche mit Tabakstaub oder Tabakinfus beschickt waren, 
ungehemmt entwickeln. 

Der bacillenbeladene Staub ist für den Cigarrenarbeiter aber 
jedenfalls nicht der einzigste Infektionsträger. Auch zur Tröpfchen¬ 
infektion, der Einatmung fein verstäubten Auswurfes, ist Gelegenheit 
vorhanden. Die Arbeiter sitzen einander vielfach in 1— l 1 ji m Ent¬ 
fernung gegenüber, auf welche Entstehung der Hustende, wie uns 
Flügge lehrte, seinen Auswurf verstäubt. 

Vorschläge zur Verhütung und Bekämpfurg der Tuberkulose in 
den Cigarrenfabriken ergeben sich unschwer aus den vorgenannten 
Daten. Man ist sich über die meisten der einzuschlagenden Mass¬ 
nahmen ziemlich einig und möchte ich daher hier nur auf wenige 
Punkte eingehen, welche mir besonderer Hervorhebung zu bedürfen 
scheinen. 

In erster Linie soll man die Cigarrenindustrie nicht 
als ein Gewerbe ansehen, das im Hinblick auf die Ver¬ 
breitung der Tuber lculose indif f er ent ist; die Beschäftigung 
in den Cigarrenfabriken befördert in einem gewissem Masse die Tuber¬ 
kulose, es sind daher die Schwächlichen und diejenigen, welche durch 
ihre familiären Verhältnisse zur Tuberkulose disponiert scheinen, den 
Fabriken fern zu halten. 

Der Infektionsgefahr würde am besten dadurch entgegengearbeitet, 
dass man Leute mit tuberkulösem Lungenleiden aus 
dem Fabrikbetriebe eliminierte, sie auch möglichst bei vor¬ 
handener Hausindustrie isolierte. Leider ist dieses sehr radikale 
Verlangen zunächst nicht durchführbar. Zu erreichen wäre dieses 
Ziel aber mit der Zeit, wenn den Kranken in Lungenheil- 



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45] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


45 


statten ein anderes Gewerbe gelehrt würde, welches neben 
dem gleichen Verdienste die Kranken entweder in gesundere Verhält¬ 
nisse brächte oder sie doch jedenfalls Berufen zuführte, die ein Zu¬ 
sammenarbeiten mit Gesunden nicht nötig machen. 

So lange aber die Entfernung der Infektionsquellen nicht mög¬ 
lich ist muss besonders sorgfältig im Sinne der üblichen Prophylaxe 
gehandelt werden. Die Krankenkassen haben den Patienten Spuck¬ 
gläser zu geben. Die Arbeiter sind über den Wert derartiger Ein¬ 
richtungen zu belehren und diejenigen Leute, die trotzdem auf dem 
Boden oder in die Taschentücher spucken, sind strafweise aus der 
Fabrik zu entlassen. 

Der Fussboden ist nach der Arbeit nicht trocken zu kehren, 
sondern mit Wasser, dem ein bis zweimal pro Woche*) Kalk als Des- 
inficiens hinzugesetzt sein muss, aufzunehmen. 

Das dichte Gegenübersitzen ist unzweckmässig, es sei denn, die 
Arbeitsplätze würden durch eine Zwischenwand getrennt, die ein 
direktes Anhusten unmöglich macht. 

Viel diskutiert ist die Frage, wie in den Cigarrenfabriken für die 
Ventilation zu sorgen ist. Das Ziel einer Ventilationseinrichtung 
ist ein doppeltes. Erstens die Entfernung eines eventuellen keim¬ 
beladenen Staubes, zweitens die Erneuerung der Atemluft unter Ent¬ 
fernung der Respirationsprodukte und Ausdünstungen, welche in den 
Räumen entstehen. Für Cigarrenfabriken käme beides in Frage. 

Den Staub — und damit den Keimgehalt der Luft in den 
Arbeitsräumen vermögen die üblichen Ventilationssysteme nur in 
sehr engen Grenzen zu verringern; die von ihnen erzeugten Luft¬ 
strömungen genügen hierzu nicht, ihr Einfluss auf die Desinfektion 
der Luft in den Arbeitsräumen ist daher auch nur ein minimaler. 
Eher ist zu befürchten, dass durch die feinen Strömungen leichtere 
Staubteilchen und Keime eine weitere Verbreitung im Raume erfah¬ 
ren oder in Schwebe erhalten werden. Mehrfach ist von kompetenter 
Seite diesen Thatsachen Ausdruck gegeben. Am sichersten und 
schnellsten wird eine Minderung der in der Luft suspendierten Staub¬ 
teilchen und Keime durch kräftige und grobe Lüftung unter Öffnen 
der Thüren und Fenster erreicht. 

Dieser Luftzug braucht nur wenige Minuten einzuwirken. Durch 
ihn wird eine so starke Abkühlung der Wände des Arbeitsraumes 

i) Einen Teil Kalk mit vier Teilen Wasser löschen; von diesem Brei eine 
2° oige Lösung verwenden, d. h. einem Eimer von etwa 25 Liter Inhalt V* Kilo 
Brei znsetzen. 


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46 L. Brauer. [46 

nicht bewirkt, dass es nicht leicht und rasch wieder gelänge, die 
Zimmerluft auf die nötige Höhe zu bringen. 

Der zweiten Aufgabe — Bekämpfung der durch Abdunstungen 
bewirkten Luftverschlechterung — wird man am ehesten gerecht 
durch die Darbietung eines grossen Luftcubus, sowie durch 
tunlichste Entfernung der Tabake aus den Arbeitsräumen. 
Diese beiden Gesichtspunkte hat das Gesetz nach Möglichkeit 
berücksichtigt. Die natürliche Ventilation sowie einfache Klappen¬ 
vorrichtungen mögen die zweimal täglich zu wiederholende Fenster¬ 
lüftung unterstützen. Ob das von Wörishoffer in den badi¬ 
schen Cigarrenfabriken eingeführten Ventilationssystem weiter zu 
empfehlen ist, scheint mir zweifelhaft. Der um unsere Fabrik¬ 
inspektion hochverdiente Autor hat seine Ansichten über sein 
Lüftungssystem in der citierten Arbeit ausführlich besprochen. 
Wörishoffers Ventilation besteht aus einem unter dem Fuss- 
boden herziehenden Luftschacht, der in einen den Ofen in einiger 
Entfernung umkleidenden Mantel mündet. Die Wärme des Ofens 
soll die Luft heraufsaugen. Ira Fabrikraume ziemlich tief gelegene 
Öffnungen dienen der verbrauchten Luft zur Ableitung. Dieses 
System nun funktioniert nur an Heiztagen; bei der Passage zwischen 
Ofen und Aussenmantel hat die Luft Gelegenheit Asche- und Staub¬ 
teilchen aufzuwirbeln. Der zuleitende Luftschacht kühlt den Fuss- 
boden ab und schafft denjenigen Arbeitern, die über ihm sitzen, 
kalte Füsse. Daher suchen die Leute auch vielfach, den Schacht zu 
verstopfen. 

Jedenfalls würde ich nach alledem nicht raten, über die be¬ 
stehenden künstlichen VentilationsVorrichtungen noch hinauszugehen. 
Eher wäre die Fensterlüftung unter gleichzeitigem feuchten Auf¬ 
nehmen des Bodens und der Arbeitstische, noch häufiger und energi¬ 
scher auszuführen als es bisher schon geschieht. 

Im Sinne der Prophylaxe läge es jedenfalls auch, würde man 
den Kassenärzten oder den Medizinalbeamten Sitz und Stimme in 
den Vorstandssitzungen der Krankenkassen geben. Dieses Beginnen 
würde in zweckmässiger Weise das Zusammenarbeiten des Arztes 
mit jenen Leuten fördern, welche die wirtschaftliche Lage der In¬ 
dustrie kennen und in gewissen Grenzen mit beeinflussen. Viele 
Momente, denen wir einen die Tuberkulose-Infektion vorbereitenden Ein¬ 
fluss zuerkennen müssen, wird nur das bedachte gemeinsame Streben 
der wirtschaftlichen und ärztlichen Elemente beseitigen können. Es 
bedarf kaum der Begründung, dass bei allen diesen Bemühungen 
örtlichen Verhältnissen in weiten Grenzen Rechnung zu tragen ist, 
und dass mit manchen Änderungen nur langsam vorgegangen werden 



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47] 


Auftreten der Tuberkulose in Cigarrenfabriken. 


47 


kann. Ist doch unter den Ursachen, welche die stärkere Ausbreitung 
der Phthise unter den Cigarrenarbeitern bedingen, noch mancher 
Punkt einer weiteren Aufklärung bedürftig. 

Vielleicht wird eine individualisierende Analyse kleinerer Fabrik¬ 
betriebe oder einzelner Ortschaften den Zusammenhang der Erschei¬ 
nungen klarer legen und hiermit die Grundlage zu einer erfolgreichen 
Bekämpfung der Schädlichkeiten schaffen; die erkannte Gefahr ist 
halb verwunden. 


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Anlage 1. 


Anordnung nach der Zahl der Cigarrenarbeiter. 

Die Ortschaften der Amtsbezirke: Mannheim, Heidelberg, Weinheim, 
Wiesloch, Schwetzingen und Bruchsal, in welchen ausser Cigarren¬ 
fabrikation keine andere Industrie besteht. 


(Orte mit weniger als 5 °/ 0 Cigarrenarbeiter wurden nicht mit aufgeführt.) 



Zeichen - Erklärung. 

F = Cigarrenarbeiter (in Haupt- und Nebenbeschäftigung) in % der Erwerbstätigen. 

G. t = Gesamintsterblichkeit (abzüglich der Tbc.-Fälle) auf 1000 Einwohner. 

Tbc. f = Sterblichkeit an Tuberkulose auf 1000 Einwohner. 

H. = Höhe über dem Meere (Höhe des Rheinbettes etwa 93 Meter. 

TBC. = Grössere Gruppen und deren Tbc. Mortalität; eine Zusammenfassung der unter Tbc. ♦ 
im einzelnen dargestellten Verhältnisse. 


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Statistik und graphische Darstellungen des Bezirks¬ 
arztes Dr. med. Herrmann über den Amtsbezirk 
Germersheim (Pfalz). 


Anlage II. Tafel 1. 



§ i -re*?,-! 

£ ss 

O. — jf 11 

• b s-5* 

□ 5 2.5 1 

||;r 

sfry* . 

* r • — 


Die schräg gedruckten Orte haben Cigarren¬ 
fabrikation. 




Vollmers weiler 


Germersheim 

Sondernheim 


Büchelberg 


Weingarten 


Knittelsheim 

Schwezenheim 


Niederlustadt 


/>r'm ersheim 


—t 


Rheinzabern 


Neuburg 


Jockgrim 

Scheibenhardt 


Lingenfeld 

Hagenbach 

Neupfotz 


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Um zu ersehen, ob die einzelnen Gemeinden des Bezirkes Germersheim in Bezug auf die allgemeine Sterb¬ 
lichkeit in derselben Reihenfolge belastet sind, wie bezüglich der Tuberkulose-Sterblichkeit, wurde folgende 







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Statistik und graphische Darstellungen des Bezirks¬ 
arztes Dr. med. Herrmann über den Amtsbezirk 
Germersheim (Pfalz). 


Anlage II. Tafel in. 


Graphische Darstellung 

der durchschnittlichen jährlichen Sterblichkeit an Tuberkulose 
in Bezug auf das Lebensalter. (Bezirk Germersheim.) 



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Statistik und graphische Darstellungen des Bezirks¬ 
arztes Dr. med. Herrmann über den Amtsbezirk 
Germersheim (Pfalz). 


Anlage II. Tafel iv. 



Gemeinden 

Einwohner- 

1886 — 

1897 


des Bezirkes Germeisheim 

zahl 

Gesamt- ! 

Tuberkulose- 




Sterblichkeit ] 

Sterblichkeit 

; 

l 

1 

Vollmersweiler 

205 

44 

2 ; 

2 

Freisbach 

545 

134 

11 1 

3 

Winden 

585 

136 

19 

4 

Knittelsheim 

602 

146 

23 

5 

Büchelberg 

596 

184 

20 

6 

Scheibenhardt 

628 

195 

31 

7 

Erlenbach 

680 

201 

21 

8 

Westheim 

724 

210 

38 i 

9 

Niederlustadt 

931 

232 

38 1 

10 

Hayna 

722 

236 5 

30 

11 

Sondernheim 

930 

255 

26 

12 

Kuhardt 

626 

256 

46 i 

13 

Oftersheim 

1004 

259 

25 ; 

14 

Bery 

917 

259 

38 

15 

Weingarten 

1016 

266 

35 

16 

Oberlustadt 

1236 

286 

48 

i 

17 

Winfeld 

1130 

294 

33 ! 

18 

Schaidt 

1230 

330 

31 j 

19 

Steinweiler 

1506 

356 

57 

20 

Schwegenheim 

1432 

357 ; 

i , 

54 ; 

21 

Freckenbeim 

1250 

361 

56 1 

22 

Neupfotz 

1111 

378 

63 

23 

Leimersheim 

1264 

393 

53 

Cigarrenfabrik 

24 

Hatzenbühl 

1244 

417 

72 

25 

Neuburg 

1432 

421 

64 

26 

Jockgrim 

1515 

480 

73 

Cigarren fabrik 

27 

Lingenfeld 

1584 

494 

83 

28 

Hördt 

1548 

495 

59 

Cigarren fabrik 

29 

Pfortz 

1514 

535 

46 

30 

1 Zeiskam 

1803 

537 

55 i 

31 

Rheinzabern 

1762 

537 

77 

Cigarrenfabrik 

32 

Wörth 

1866 

i 549 

82 


33 

Hagenbach 

1667 

625 

92 i 


34 

Rülzheim 

3183 

789 

144 

Cigarrenfabrik 

35 

Bellheim 

2946 

823 

81 

36 

Kandel 

| 

3576 

1123 t 

106 \ 

37 

Germersheim | 

5736 

1139 

141 1 


Sa. 

52246 

14732 

1973 


Die fünf Cigarrenfabrikorte : 

9272 

2694 

406 | 


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Anlage III. 


Anordnung nach der Höhenlage. 

Die Ortschaften der Amtsbezirke: Mannheim, Heidelberg, Weinheim, 
Wiesloch, Schwetzingen und Bruchsal, in welchen ausser Cigarren¬ 
fabrikation keine andere Industrie besteht. 

(Orte mit weniger als 5°/« Cigarrenarbeiter wurden nicht mit aufgeführt.) 



Zeichen - Erklärung. 

G. t — Gesammtsterblichkeit (abzüglich der Tbc.-Falle) auf 1000 Einwohner. 
Tbc. t — Sterblichkeit an Tuberculose auf 1000 Einwohner. 

H. = Höhe über dem Meere (Höhe des Rheinbettes etwa 98 Meter). 


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Aus der medizinischen Klinik zu Heidelberg (Geh.-Rat Erb). 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung 

in Baden. 

Von Dr. W. Hoffmann, 

Assutent am patholog. Institut (Geh.-Rat Arnold). 


Verbreitungsweise der Infektionskrankheiten auf Grund ihrer 
ätiologischen Momente. 

Das Auftreten von Infektionskrankheiten geschieht innerhalb Epidemie, 
örtlicher und zeitlicher Grenzen. Nehmen wir die örtlichen Grenzen 
als Unterscheidungsmerkmal, so sprechen wir von epidemischen und 
endemischen Krankheiten einerseits, pandemischen andererseits; be¬ 
vorzugen wir die Unterscheidung nach der Zeitdauer, so können 
wir von epidemischen und endemischen Krankheiten sprechen. Beide 
Gruppen werden gegeneinander sich nicht scharf abgrenzen lassen, da 
es unmöglich ist, eine Zeitdauer zu bestimmen, von der ab eine an 
einem Ort grassierende Krankheit als endemisch bezeichnet werden 
soll. Manche Krankheiten, z. B. Syphilis sehen wir innerhalb geschicht¬ 
licher Zeiten „epidemisch“ auftreten, dann aber so fest sich ein¬ 
nisten, dass wir jetzt von „endemischem“ Auftreten reden dürfen. 
Andere, wie z. B. Veitstanz oder schwarzer Tod, sind innerhalb 
geschichtlicher Zeiten aufgetreten, haben längere Zeit an einer Gegend 
gewütet, um wieder zu verschwinden. Das Gleiche gilt für Variola, 
nur ist hier die Ursache des Erlöschens in dem ärztlichen Eingreifen 
der Impfung zu suchen. 

Im allgemeinen gilt der in seinen Folgerungen plausible Satz: 

Akute Infektionskrankheiten mit kurzem Verlauf zeigen meist epide¬ 
mischen Charakter, ihr Verweilen am gleichen Ort ist kürzer, Infek¬ 
tionskrankheiten mit chronischem Verlauf mehr endemischen Charak¬ 
ter, ihr Verweilen am gleichen Ort ist länger. 

Beiträge» zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 4 


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50 


W. Hoffmann. 


[2 


tuche^For- Die Frage nach dem Grunde des Einnistens von Krankheiten 
Behang. } n bestimmten Gegenden ist fast ebenso alt wie die medizinische 
Forschung (22). Je nach dem Stande der Erkenntnis wurden bald über¬ 
natürliche Kräfte, die Feindschaft einer Gottheit, oder ortsansässige dä¬ 
monische Wesen, Hexen und Zauberer, bald Vergiftung der Brunnen, 
z. B. durch die Juden, bald aus dem Boden aufsteigende giftige 
Dämpfe, Miasmen u. a. m. in ziemlich kritikloser Weise beschuldigt. 
Dann mit dem Fortschritt der Wissenschaften wurden in klimatischen 


Einflüssen und in der Verbreitung organisierter Krankheitserreger 
die Krankheitsursachen gesucht und vielfach gefunden. 

Fehler der Ein Fehler geht jedoch heute den meisten derartigen patho- 
steMirog. genetischen Forschungen nach. Es wird von vornherein vielfach 
nur einseitig nach einer einzigen Ursache ausgeschaut und geforscht, 
und ist dann die Möglichkeit eines Infektionsmodus gefunden, so 
wird derselbe als der einzige oder wenigstens als der verbreitetste 
bezeichnet. Durch diesen Fehler wird eine gewisse Einseitigkeit der 
Auffassung herbeigeführt, und in einem circulus vitiosus Gegner 
dieser Auffassung zu einer ebenso einseitigen Betonung ihres Stand¬ 
punktes hingedrängt. Nur so ist oft eine Polemik von Meinungen 
erklärlich, die ganz gut nebeneinander bestehen könnten. 

Es muss demgegenüber die Forderung erhoben werden, nur dann 
eine Form der Pathogenese als die einzig bestehende zu bezeichnen, 
wenn sie einerseits zwanglos alle Verbreitungserscheinungen erklärt, 
andrerseits nicht in Konkurrenz tritt mit anderen, ähnlich annehmbaren 
Erklärungsversuchen. Ist letzteres der Fall, so ist die Frage noch 
nicht spruchreif, oder es tritt die äusserst schwierige Aufgabe hervor, 
den prozentualen Anteil der verschiedenen Verbreitungsarten an dem 
Gesamtvorkommen zu bestimmen. 

öropierang Die Ursachen für die natürliche Verbreitung der Krankheiten 
&t Momente.® r lassen sich in zwei grosse Gruppen einteilen: erstens solche, welche 
die Verbreitung der Krankheitserreger und die Infektionshäufigkeit 
beeinflussen, zweitens solche, welche den Menschen zur Aufnahme der 
Krankheitserreger geeigneter machen. Zu der ersten Gruppe gehören 
einerseits die Umstände, welche bestimmten Krankheitserregern das 
Leben nur an ganz bestimmten Orten gestatten, — als klassisches 
Beispiel, sämtliche Parasiten, welche bestimmte, nicht überall vor¬ 
handene Zwischenwirte zu ihrer Entwickelung nötig haben, — andrer¬ 
seits die in den Lebensgewohnheiten der Menschen und ähnlichen 
Faktoren liegenden Ursachen für Verschleppung der Krankheitserreger 
und Ansteckung von Mensch zu Mensch. 


Ver¬ 

schiedenheit 


Eine viel mehr umstrittene Würdigung besitzt die zweite Gruppe, 


ttonefShig- Ursachen, welche den Menschen zur Aufnahme der Krankheits- 


keit. 


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3] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose Verbreitung in Baden. 


51 


erreger geeigneter machen. Von rein bakteriologischer Seite wird eine 
derartige Möglichkeit fast direkt in Abrede gestellt, die Mehrerkran¬ 
kung bestimmter Menschenklassen und -Gruppen lediglich auf in 
diesen Gruppen und Klassen vermehrte Infektionshäufigkeit zurück¬ 
geführt. Nun hat aber das Tierexperiment gezeigt, dass selbst für 
den Injektionsversuch mit ihrer Virulenz und Zahl nach bekannten, 
gleichbleibenden Infektionserregern innerhalb der gleichen Tierspecies 
bedeutende quantitative Unterschiede der Empfänglichkeit sowohl, 
als nach erfolgter Infektion des Krankheitsverlaufs und der Krank¬ 
heitsdauer bis zum letalen Ausgang bestehen. Es sind dies die Ver¬ 
suche von Wy ssoko w icz, Gärtner und Lübarsch, die letzterer(10) 
zusammenfassend verwertet, dann der Nachweis von Diphtherie-, Cholera- 
und Typhusbacillen im Blute einzelner, nie an den betreffenden Krank¬ 
heiten erkrankt gewesener oder erkrankender Menschen durch Wasser¬ 
mann, Abel, Klemperer, Stern; schliesslich die verschiedene 
extravaskuläre Vernichtungsfähigkeit des Blutes Bacillen gegenüber, 
für Kaninchen und Milzbrandbacillen von Nuttal, Nissen und 
Lubarsch festgestellt. 

Man wird durch Analogieschlüsse aus derartigen Experimenten 
dazu gedrängt, auch bei den Krankheiten nach individuellen Ver¬ 
schiedenheiten der Reaktion auf die Krankheitserreger zu fahnden, 
bei denen ein experimenteller Nachweis einer „Disposition“ des 
Individuums nicht in exakter Weise erbracht ist, oder aus tech¬ 
nischen Gründen nicht erbracht werden kann. Baumgarten(lO)suchte 
nun für die Tuberkulose den Gegenbeweis zu liefern und individuelle 
Schwankungen in der Disposition der Species auszuschliessen. Er 
glaubt feststellen zu können, dass die individuellen Schwankungen der 
Empfänglichkeit um so geringer sind, je hochgradiger empfänglich die 
betreffende Tierspecies ist. Als Massstab für die Empfänglichkeit 
stellt er die Häufigkeit der Spontanerkrankungen auf. Aus der That- 
sache nun, dass der Mensch unter allen Tieren die höchste Erkran¬ 
kungsziffer an spontanen Erkrankungen zeigt, will er den Schluss 
folgern, dass der Mensch zu den für Tuberkulose stärkst disponierten 
Tierspecies gehört, also auch die geringsten individuellen Schwan¬ 
kungen der Disposition zeige. In dieser Beweisführung ist vollkommen 
übersehen die Abhängigkeit der Erkrankungsziffern der verschiedenen 
Tierspecies von der für dieselben verschiedenen Infektionshäufigkeit. 
Für den Menschen sind die Infektionsgelegenheiten mit Tuberkulose 
weit häufiger als z. B. im Kaninchenstall, ein an Tuberkulose 
kranker Mensch, der etliche Jahre die Tuberkelbacillen weithin ver¬ 
breitet, bedeutet eine viel grössere Gefahr als ein Kaninchen, das 
seine Miliartuberkulose abgeschlossen in sich birgt, selbst zur Infek- 

4* 


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52 


W. Hoffmann. 


[4 


tion des Stalles nur wenig beiträgt, nach kurzer Krankheit derselben 
erliegt, wenn es nicht schon vorher als erkrankt erkannt und ent¬ 
fernt wird. 

^Wirkung Es liegt also die Auffassung viel näher, nach dem Vorgänge von 

nmTindiw- Gottstein,Martius(ll)undN au s(14) das Zustandekommen von In- 


du ^" te Mo 'fektionskrankheiten als auf einer Wechselwirkung zwischen dem be¬ 
fallenen Organismus und dem Infektionsträger beruhend aufzufassen. 
Ob sich eine so streng formulierte, fast mathematische Gleichung, 
wie sie Gottstein vorschlägt, allgemeiner wird durchführen lassen, 
ist fraglich, doch wird der Standpunkt der Lehre von dieser Wechsel¬ 


wirkung in treffender Weise durch dies Verhältnis — = Krankheits¬ 
ursache zu Krankheitsanlage gekennzeichnet. 

Es ergibt sich sich also als unabweisbare Forderung aus dem 
Angeführten, bei pathogenetischen Studien Untersuchungen und Beob¬ 
achtungen nach diesen beiden Bichtungen anzustellen, Infektions¬ 
möglichkeit und Häufigkeit einerseits, Verhalten des Individuums 
andererseits. Aus Kombination beider kann dann der Hygieniker 
Schlüsse auf die Verbreitungsweise der Krankheiten ziehen, und der 
innere Kliniker Beziehungen zu dem Krankheitsbild, der Erscheinungs¬ 
form ableiten. 

Patho- Betrachten wir von diesen Gesichtspunkten aus die Literatur 
Tuberkulose über die Pathogenese der Tuberkulose, so sollte man meinen, dass vor¬ 
zugsweise diese Krankheit in ihren unzähligen Erscheinungsformen zur 
Vorsicht bei Aufstellung einseitiger pathogenetischer Theorien hätte 
mahnen sollen. Aber im Gegenteil, gerade bei dieser Krankheit, 
insbesondere ihrer häufigsten Erscheinungsform, der Lungenschwind¬ 
sucht, sind die Kontroversen der Meinungen am schärfsten, und der 
einseitig abgegrenzte Standpunkt der verschiedenen Forscher wird 
am hartnäckigsten verteidigt. Es stehen sich hier die reinen Infek- 
tionisten einiger bakteriologischen Schulen in ihren Hauptvertretem 
Baumgarten und Cornet (4—6) und die Nosoparasisten Riffel 
(19—21) und Aufrecht (1) schroff gegenüber. Wohl die Mehrzahl 
der Ärzte nimmt eine bald mehr nach der einen, bald mehr nach der 
anderen Seite neigende Mittelstellung ein. 


Statistische Untersuchungsmethode. 

vorzfige Es ist bei Anstellung klinischer Beobachtungen und Deutung des 
Ergebnisses des Tierexperimentes auf menschliche Verhältnisse häufig 
schwer, die subjektive Auffassung des Beobachters gänzlich zu ver¬ 
meiden. Daher mag vielleicht noch mancher Widerspruch in der 


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5J Beitrag zur Kenntnis der Tuberknloseverbreitung in Baden. 53 

Literatur zu erklären sein. Den Vorteil grösserer Objektivität ge¬ 
währen die Zahlen der Statistik. Zwar bedürfen auch sie einer 
Deutung, aber das System ihrer Zusammenstellung ist vollkommen 
klar und offen der Kritik zugänglich. 

Es sei an dieser Stelle auf die durchWürzburg(33)präcis definierte Anforde- 

. rang an die 

Forderung der Statistik hingewiesen, die neuerdings Cor net wieder »eibe. 
scharf hervorgehoben hat, dass nur solche Zahlen vergleichbar sind 
und beweisenden Wert haben können, die sich als relative Werte zur 
Zahl der in der entsprechenden Gruppe Lebenden darstellen. Das 
in früheren und leider auch in etlichen neueren Statistiken vielfach 
als Mass der Mortalität verwandte Verhältnis der Mortalitätsziffer zu 
der Gesamtsterblichkeit kann nur in zweiter Linie und im Zusammen¬ 
hang und Vergleich mit jenen anderen Zahlen eine Bedeutung behalten. 

Denn diese Verhältniszahl wird nicht nur von der Krankheit, als deren 
Mass sie aufgestellt ist, allein beeinflusst, sondern in gleicher Weise 
von der wechselnden Summe aller anderen Krankheiten, d. h. deren 
Mortalitätsziffern. Von grösserem Werte kann diese Zahl jedoch 
werden bei Vergleichung von Gruppen mit verschiedener Gesamt¬ 
sterblichkeit, wo es von Interesse wird zu erfahren, wie viel von Zu¬ 
oder Abnahme auf Rechnung der einzelnen Krankheiten zu setzen ist. 

Wenn wir nach dem Würzburg-Cornetschen Schema bei Berech¬ 
nung der Tuberkulosemortalität nach Alter, Geschlecht u. dgl. ver¬ 
fahren müssen, so gilt natürlich das Gleiche bei Untersuchungen über 
Mortalitätsbestimmungen der Berufsarten, oder welche Gruppen man 
sonst in den Bereich der Untersuchung ziehen will. Soll z. B. für 
irgend ein Moment ein Einfluss auf die Tuberkulosemortalität auf 
statistischem Wege nachgewiesen werden, so ist der natürliche Weg 
der, festzustellen, dass in der gleichen Bevölkerungsgruppe sich dieses 
Moment bei den an Schwindsucht Erkrankten oder Gestorbenen häufiger 
findet als bei den nicht daran Erkrankten. Diese Feststellung ist aber 
nicht damit gelungen, wenn ein gewisser überwiegender Prozentsatz 
der an Phthise Gestorbenen dieses Moment darbietet. Es muss noch 
der Nachweis erfolgen, dass unter den an Phthise Gestorbenen dieser 
Prozentsatz grösser ist als unter der lebenden Bevölkerung oder 
Gruppen derselben. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei dem Ver¬ 
gleich zweier geographischen Bezirke mit ihren Bevölkerungsgruppen. 

Es genügt nicht der Nachweis, dass bei an Schwindsucht Gestor¬ 
benen der einen Gruppe dieses Moment häufiger auftritt als bei der 
anderen. Der Ring der Beweisführung wird erst geschlossen durch 
Feststellung der gleichen oder verschiedenen Häufigkeit dieses Momentes 
bei den zu den beiden in Vergleich gezogenen Gruppen zugehörigen 
Lebenden. 


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54 


W. Hoffmann. 


[6 


Grosse 

Zahlen. 


Grenzen der 
Kompetenz 
aer 

Statistik. 


Ebenfalls von Cor net in gebührender Weise hervorgehoben ist 
die wichtige Tatsache, dass zur Aufstellung von Statistiken grosse 
Zahlen gehören, welche eine Unabhängigkeit von Zufälligkeiten ver¬ 
bürgen. „Die Statistik ist das Gesetz der grossen Zahl“, ruft Cornet 
mit voller Berechtigung denen zu, welche aus keine 100 Fälle um¬ 
fassendem Beobachtungsmaterial Prozentzahlen heraustüfteln und ver¬ 
gleichende Schlüsse damit ziehen wollen. 

Eine andere äusserst wichtige Frage ist die: Lassen sich auf 
statistischem Wege Schlüsse auf den Einfluss einer „Disposition“ des 
Individuums ableiten? Bei der gewöhnlichen Art der Aufstellung von 
Statistiken vermissen wir den Einfluss eines solchen individuellen 
Faktors, welcher der Disposition entspräche. Daraus jedoch den 
Schluss zu ziehen, dass eine Disposition überhaupt nicht vorhanden 
sei, ist nicht richtig. Nehmen wir als Beispiel die Cornetsche Sta¬ 
tistik über die Mortalitätsfrequenz der verschiedenen Altersklassen. 
Die weiteste, allgemeinste und auch kritikloseste Fassung des Dis¬ 
positionsbegriffes, oder vielmehr ein Missbrauch des Wortes Dispo¬ 
sition, bedeutete lediglich eine verschiedene Wahrscheinlichkeit an 
Phthise zu erkranken. So sprach man von Berufs- und Altersdispo¬ 
sition. Dagegen wendet sich nun Cornet und zeigt in sehr plau¬ 
sibler Weise, dass man die Mortalitätsziffern an Tuberkulose für die 
verschiedenen Lebensalter in Parallele setzen kann zu den Infek¬ 
tionshäufigkeiten dieser Altersklassen. Er konnte es damit zu einer 
fast Beweiskraft erreichenden Wahrscheinlichkeit bringen, dass eine 
Verschiedenheit der Durchschnittsposition der Altersklassen — er nennt 
es eine Prädisposition — nicht besteht. Dass überhaupt keine 
Verschiedenheit der Disposition, d. h. der Wehrkraft der Individuen 
innerhalb der einzelnen Altersklassen bestände, ist damit noch lange 
nicht bewiesen. Denn bei einem annähernd gleichartig bleibenden 
Gemenge aus Disponierten und Nichtdisponierten innerhalb der ver¬ 
schiedenen Altersklassen ergäbe sich statistisch das gleiche Bild. Es 
reduziert sich die verschiedene Disposition einzelner Individuen bei 
Betrachtung grosser Zahlen auf die Durchschnittsdisposition der Ge¬ 
samtheit. Es könnte also im einzelnen die Erkrankung des Indi¬ 
viduums, seine Auswahl, durch seine Disposition bedingt sein, während 
die Zahl der Erkrankungen im statistischen Nachweis sich scheinbar 
wesentlich als eine Funktion der Infektionshäufigkeit darstellt. 

Ist aber nicht die Annahme eines gleichbleibenden Gemisches 
aus Disponierten und Nichtdisponierten etwas Unmögliches? Man 
könnte hier den Einwand erheben, aus diesem Gemische müsste all¬ 
mählich eine Auswahl der Disponierten stattfinden und der Rest dann 
geringere Sterblichkeit zeigen, also mit zunehmendem Alter eine Ab- 


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-] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


55 


nähme der Mortalitätsziffem zu verzeichnen sein. Das würde jedoch 
nur richtig sein, wenn es allein eine angeborene Disposition gäbe. 
Immerhin braucht wohl auch dann der Abfall der Mortalitätsziffem 
infolge der langsamen Auslese kein rapider zu sein. Denn eine Ubi- 
quität der Infektionsmöglichkeiten können wir wohl nicht in dem 
Sinne annehmen, dass alle Augenblicke eine Infektion erfolgt, wenn 
auch wohl alle Menschen Gelegenheit haben, Zeit ihres Lebens etliche 
Infektionsmöglichkeiten durchzumachen. In den späteren Jahren wird 
aber die Zahl der angeboren Disponierten durch diejenigen vermehrt, 
welche ihre Disposition erst acquiriert haben oder einer Summation 
von Infektionen nicht mehr gewachsen sind. Es kompensiert also 
gewissermassen die zutretende Zahl derer mit erworbener Disposition 
den Abgang der angeboren Disponierten. 

Es sind dies alles hypothetische Erörterungen, die unsere Un¬ 
kenntnis über die zahlenmässige Häufigkeit der Infektionsmöglich¬ 
keiten und den Prozentsatz Disponierter nur in dürftigster Weise zu 
verhüllen suchen. Über die Arten und das Zustandekommen der „Dis¬ 
position“ soll an anderer Stelle ausführlich verhandelt werden. Hier 
sei über die Beziehungen von Infektionshäufigkeit und Disposition 
zur Phthisemortalität nur so viel betont, dass man als fast sicher 
annehmen darf, die Infektionshäufigkeit in proportionales Verhältnis 
zu setzen zur Mortalitätshäufigkeit. 

Erst da, wo sich bei sonst gleichbleibenden Bedingungen der 
Infektionsverhältnisse und äusserer Schädüchkeiten gröbere Verschie¬ 
denheiten der Erkrankungs- und Todeszahlen finden, wird man zu 
den mehr individuellen Faktoren, der Disposition des Einzelnen, der 
Familie, oder bei Betrachtung grösserer Bezirke im Reibmayer- 
schen (17) Sinne zu Dispositionsverschiedenheiten nach bestimmten 
Inzuchtsklassen, einer Stammes- und Rassendisposition greifen dürfen. 

Dass auf dem Wege des statistischen Vergleiches sich wissen¬ 
schaftlich interessante Beziehungen werden feststellen lassen, erschien 
mit aus dem Grunde wahrscheinlich, da die Statistik gewissermassen 
der zahlenmässige Ausdruck und sicher erbrachte Nachweis dessen 
ist, was besonders in den für die Dispositionslehre eintretenden Schriften 
als Erfahrung der Ärzte bezeichnet wird. Da sich diese Ansicht in 
einem gewissen steten Gegensatz zu den Lehren der Bakteriologen 
befindet, so wäre hier eine Gelegenheit geboten, dieser Ansicht, falls 
sie richtig ist, zum Ausdruck zu verhelfen. 

Eine weitere Frage ist die, ob sich das Grossherzogtum Baden Vorzüge der 

0 ... badischen 

zu derartigen Untersuchungen eignet. Baden besitzt in den Arbeiten Statistik, 
seines statistischen Landesamtes ein so wertvolles statistisches Material, 
dass nur wenige andere Staaten, was Genauigkeit der Durcharbei- 


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56 


W. Hoffmann. 


[8 


Kritik des 
Materials. 


tung betrifft, konkurrieren können. Was die Erfüllung der Anfor¬ 
derungen an statistische Arbeiten betrifft, so ist durch die über 
l*/a Millionen zählende Bevölkerung für die Benützung nicht zu 
kleiner Zahlen gesorgt. Bei einer Verfolgung der Tuberkulosemor¬ 
talität und der übrigen in Betracht kommenden Verhältnisse über 
einen Zeitraum von 10 Jahren, und Vergleichung der daraus gewon¬ 
nenen Durchschnittszahlen dürften wohl von Zufälligkeiten nur noch 
sehr wenig abhängige Daten gewonnen werden können. 

Aber nicht nur eine grosse Zahl gehört zu einer verlässlichen 
Statistik, sondern auch ein gut beobachtetes und gleichmässig ver¬ 
arbeitetes Material. In diesem Punkt werden sich manche Unzuläng¬ 
lichkeiten heraussteilen. An diesen muss dann eine peinliche Kritik 
einsetzen, um Massgaben für die Bewertung der Zahlen zu erhalten. 

Einer der Hauptmängel ist die Unsicherheit über die Richtigkeit 
der in den Sterberegistem eingetragenen Diagnose. Dieser Fehler ist 
um so hochgradiger, je weniger die ärztliche Behandlung Platz greift. 
Die relativen Zahlen der unter ärztlicher Behandlung Gestorbenen 
sind nun für die verschiedenen Gegenden ungleich; es erfolgen nach 
der Statistik des Jahres 1895 Schwankungen von 50,6 bis 84,6 °/o in 
den Amtsbezirken, während sich noch grössere Unterschiede von 90,5 
bis zu 46,8 °/o in den bezirksärztlichen Bezirken finden, wo noch eine 
Trennung in Stadt- und Landbezirke statt hat. 

Es seien hier die Zahlen der unter ärztlicher Behandlung und 
mit ärztlicherseits gestellter Diagnose Gestorbenen in Prozentzahlen 
der Gesamtsterblichkeit für das Jahr 1895 wiedergegeben. 

Die höchsten Zahlen, mehr als 70°/o zeigen: 


Freiburg Stadt 

90,5 

Heidelberg 

78,8 

Karlsruhe Stadt 

90,0 

Baden 

78,0 

Heidelberg Stadt 

90,0 

Emmendingen 

75,0 

Konstanz 

84,6 

Wertheim 

74,7 

Freiburg 

83,6 

Mannheim 

74,1 

Pforzheim Stadt 

81,2 

Donaueschingen 

73,5 

Lörrach 

80,5 

Ettenheim 

71,8 

Müllheim 

80,3 

Lahr 

71,7 

Staufen 

79,5 

Schönau 

71,6 

Mannheim Stadt 

79,5 

Bonndorf 

71,4 

Schopfheim 

79,1 

Kehl 

70,7 

Karlsruhe 

78,9 

Heidelberg Land 

70,5 

niedersten Ziffern, weniger als 60°/o zeigen: 


Wolf ach 

59,3 

Buchen 

57,1 

Stockach 

59,2 

Eberbach 

56,7 


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9J 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


57 


Karlsruhe Land 59,2 

Tauberbischofsheim 59,1 
St. Blasien 59,0 

Rastatt 59,0 

Adelsheim 57,6 


Mosbach 55,7 

Ettlingen 55,5 

Wiesloch 53,3 

Messkirch 50,6 


Pforzheim Land 46,8 


Diesen Zahlen entsprechend wird man die Genauigkeit der amt- 
licherseits erhobenen Mortalitässtatistiken nach Todesursachen be¬ 
werten dürfen, falls der Durchschnitt der gesamten Bevölkerung des 
Amtsbezirks als Einheit der statistischen Beobachtung zu Grunde 
gelegt wird. Ein ganz anderes Bild wird aber entstehen, sowie die 
Mortalität für bestimmte Bevölkerungsgruppen, z. B. Altersklassen, 
bestimmt werden soll. Da ist nun in den meisten Landgegenden 
gebräuchlich, meist nur bei Erkrankung der Familienernährer, also 
der im besten Lebensalter stehenden Altersklassen, zum Arzte zu 
schicken, während die alten Leute und kleinen Kinder meist ohne 
ärztliche Konsultation den Verlauf der Erkrankung durchmachen und 
zum letalen Ausgang kommen. Es werden sich infolgedessen die 
diagnostischen Fehler im frühen Kindesalter und höheren Greisen- 
alter vermehrt vorfinden. 


Es ist weiter behauptet worden, dass eine zum letalen Ausgang 
führende Phthise auch für den Laien so sichere Erscheinungen biete, 
dass von den Fehlern der Totenschauerdiagnosen gerade bei dieser 
Krankheit Abstand genommen werden könnte. Die Richtigkeit dieser 
Folgerung muss entschieden beschränkt werden. Es kann ja wohl die 
Phthise als solche erkannt, und für mittlere Altersklassen, wo wenig 
andere zur Verwechslung kommende Krankheiten auftreten, mag man 
auch dem obigen Schluss eine gewisse Richtigkeit zugestehen, für 
höhere Altersklassen jedoch werden die chronischen, mit reichlichem 
Auswurf einhergehenden Emphysembronchitiden, vielfach sogar manche 
„zehrenden“ Krebskachexien von Laienseite als Phthise gedeutet 
und infolge von Mangel ärztlicher Konsultation auch als solche im 
Sterberegister figurieren. Die amtlichen Angaben über die Tuber¬ 
kulosemortalität für diese Altersklassen werden zu hoch ausfallen, 
und aus diesem doppelten Grunde die Fehlerquellen der Statistik 
für das höhere Alter grösser sein als für die sogenannten Blütejahre. 

Es liegt mir fern, diese Fehlerquelle so hoch einschätzen zu 
wollen, dass man auf sie gestützt einen Angriff gegen die Cornetsche 
Beweisführung für die zunehmende Phthisefrequenz im höheren Alter 
unternehmen könnte; denn selbst bei Abstrichen von 30°/o, einer 
Zahl, die sicherlich viel zu hoch gegriffen ist, behielten dieCornetschen 
Zahlen noch ihre volle Beweiskraft. Es sei dies vielmehr lediglich 


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58 W. Hoffmann. [10 

eine Klarlegung znm kritischen Verständnis später anzustellender 
statistischer Ausführungen. 

K.irderung Es ist ein sehr bedauerlicher Missstand, dass die statistischen 

eiuer Mor- 7 

statSSi" Erhebungen sich allein auf die Mortalitätszahlen beziehen. Über die 
Morbidität bleiben unsere Kenntnisse immer noch lückenhaft. Die 
Cor net sehe Methode zur Bestimmung der Zahl der Kranken durch 
Multiplikation der Mortalitätszahl mit der durchschnittlichen Krank¬ 
heitsdauer hat nur für die von ihm benützten, über weiteste Bezirke 
und grösste Zahlen sich erstreckenden Statistiken Gültigkeit und Be¬ 
rechtigung; für die in Baden in Betracht kommenden kleineren Be¬ 
zirke würden so gefundene Zahlen nur ungenaue Schätzungswerte 
repräsentieren. 

Über die Beziehungen von Morbidität zu Letalität, welche ihren 
Ausdruck in der Mortalität finden, könnten solche aus der Mortalität 
zurückberechnete Morbiditätszahlen keinen Ausschluss erteilen. Die 
Beobachtung von Schwankungen und Verschiedenheiten in diesen Be¬ 
ziehungen wäre jedoch von grösster Wichtigkeit. Sehen wir bei 
gleicher Morbidität in verschiedenen Gegenden verschiedene Morta¬ 
lität — Zu- und Abwanderung als bekannt gegeben —, ist also die 
Zahl der zur Heilung kommenden Fälle in der einen Bevölkerung grösser, 
so konnte die Frage nach den Gründen dieser besseren Heilerfolge 
uns vielleicht über in der Bevölkerung selbst, ihrer Widerstandskraft 
liegende Verhältnisse Aufschluss geben. 

Ausserdem würde eine Morbiditätsstatistik, wie Brauer (2) für die 
Cigarrenarbeiter der Rheinpfalz ausführt, in viel genauerer Weise die 
Berufe berücksichtigen können. Die Erkrankung findet in den meisten 
Fällen aus dem Beruf heraus statt, der letale Ausgang erfolgt häufiger 
nach Berufsaufgabe oder vielfach nach Berufswechsel. Eine Berufs¬ 
statistik der Verstorbenen würde also den Tatsachen nicht ganz ent¬ 
sprechende Bilder geben, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten 
der technischen Ausführung, oft sogar der Unmöglichkeit der Unter¬ 
scheidung zwischen den Berufstätigen selbst und ihren berufslosen 
oder anderweitig beschäftigten Angehörigen. 

Ortsanalyse. Es verdient an dieser Stelle die Frage eine Erörterung, ob über¬ 
haupt das durch die staatlicherseits vorgenommenen Erhebungen ge¬ 
lieferte statistische Material allen Anforderungen genügen kann. Zur 
Anstellung des statistischen Vergleichs wäre es am zweckmässigsten, 
solche geographisch begrenzte Bevölkerungsgruppen als Ausgangspunkt 
und Systemeinheit anzunehmen, welche unter sich die grösste Über¬ 
einstimmung besitzen, eine gewisse homogene Zusammensetzung auf¬ 
weisen. Als eine solche natürliche Einheit ist abgesehen von grösseren 
Städten der einzelne Ort, Dorf oder Städtchen anzusehen. Für den 


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11 ] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


59 


Ort als Einheit wären die statistischen Ermittelungen anzustellen, 
aus mehreren Orten mit gemeinsamen gleichen Verhältnissen wieder 
grössere Gruppen zusammenzustellen. Der einzelne Ort ist das Objekt 
einer genauen analytischen Forschung über Schädlichkeiten des Klimas, 
der Beschäftigungsweise und Lebensweise der Bevölkerung, der Infek¬ 
tionsbedingungen und Häufigkeit derselben, eventuell der erblichen 
Dispositionsverhältnisse in den Familien. Es sind das Forderungen, 
wie sie an die amtlich aufgestellte Statistik unmöglich gestellt werden 
können. 

Diese Verhältnisse müssen durch ad hoc angestellte Unter¬ 
suchungen erst kennen gelernt und festgelegt werden, und durch sie die 
staatlichen Erhebungen ergänzt werden. Riffel (19—21) hat derartige 
Ortsanalysen als Untersuchungsmethode eingeführt, in seinen Arbeiten 
jedoch auf die Ermittelung der Infektionsbedingungen fast gar keinen 
Wert gelegt. Daher ist die scharfe Kritik zu verstehen, die seine 
Arbeiten von bakteriologischer Seite auszuhalten hatten. 

Es tritt auch hier wieder eine Schwierigkeit hervor, die sich bei 
allen Statistiken fühlbar macht. Für einen bestimmten Zweck völlig 
ausnutzbar sind nur solche Statistiken, die für diesen Zweck ange¬ 
fertigt wurden, so dass schon die Sammlung des Materials nach diesem 
Gesichtspunkte erfolgen konnte. Diese leiden aber in mehr oder minder 
hohem Grade an den subjektiven Fehlerquellen des Verfassers, soweit 
sich solche bei Statistiken überhaupt bemerkbar machen können. Es 
muss daher das Bestreben vorhanden sein, durch Berücksichtigung 
möglichst vielseitiger und auch entgegengesetzter Momente diesen 
subjektiven Fehler möglichst auszugleichen und auszumerzen. Bei 
den nicht ad hoc verfertigten Statistiken bleiben häufig Momente 
infofge Nichtbeachtung auch nicht entdeckt; dadurch entstandene 
Fehler lassen sich nachträglich nicht mehr korrigieren und führen 
infolgedessen häufig zu gänzlich falschen Bildern. 

Eine derart eingehende ortsanalytische Arbeit über grössere Be¬ 
zirke ausgedehnt erfordert schon allein zur erstmaligen Feststellung 
der oben erwähnten Gesichtspunkte eine längere Arbeitszeit. Ob 
sich dann schon endgültige Schlüsse werden ziehen lassen, bleibt noch 
sehr fraglich. Denn viel länger als über ein Menschenalter wird sich 
die Untersuchung aus praktischen Gründen nicht erstrecken lassen. 
Ein Menschenalter ist aber für die Entwickelung der Tuberkulose, 
insbesondere bei Berücksichtigung der eventuell oder wahrscheinlich 
vorhandenen hereditären Momente ein äusserst kurzer Zeitraum. Man 
müsste vielleicht der einmaligen Feststellung für einen vergangenen 
bis zur Gegenwart reichenden Zeitabschnitt noch eine fortlaufende 
Beobachtung für die Zukunft folgen lassen. Dann aber kann man 


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60 


W. Hoffmann. 


[12 


sich der Hoffnung hingeben, genauere Kenntnisse der Pathogenese 
zu erwerben, namentlich hinsichtlich der Unterscheidung zwischen 
Familieninfektion und hereditärer Disposition. 

Verbreitung der Schwindsucht in Baden. 

Einteilung- Es soll nun versucht werden, geführt von den erwähnten Gesichts- 
weiae ' punkten, zunächst ein Bild von der Verbreitung der Tuberkulose in 
Baden zu geben. Als Ausgangspunkt für die statistischen Daten 
dienten die vorzüglich durchgearbeiteten Veröffentlichungen des 
statistischen Landesamtes für Baden: „Statistische Jahrbücher für 
Baden“ und „Statistische Mitteilungen über das Grossherzogtum 
Baden“, welch letztere einen besonderen, der medizinischen Statistik 
gewidmeten, umfangreichen Abschnitt enthalten. Nach dem früher 
Erwähnten ist aber die Feststellung von Beziehungen der geographi¬ 
schen und sozialen Verhältnisse nur als eine vorbereitende Arbeit 
gedacht, gewissermassen eine Rekognoszierung über Aufenthaltsort, 
Aufstellung und Taktik des Feindes. 

Aus rein praktischen Gründen ist zur Erreichung dieses Zwecks 
als Einheit der Untersuchung der Amtsbezirk gewählt worden. Für 
eine natürliche Einteilungsweise sind zur Zeit noch keine fertigen 
statistischen Erhebungen vorhanden. Dass diese Einteilungsweise 
nach willkürlichen staatlichen Verwaltungsbezirken manche Missstände 
in sich birgt, ist von vornherein klar. Soweit sie analysierbar sind, 
können sie kritisiert, und die aus ihnen gezogenen Schlüsse entsprechend 
modifiziert werden. Es sind das namentlich Zustände, wo sich Amts¬ 
bezirke über verschiedene klimatische und geographische Lage er¬ 
strecken, wo Amtsbezirke ganz unter dem Einfluss einer, in ihnen oder 
im Nachbarbezirk liegenden grösseren Stadt sich befinden, wo Grenzen 
von Industriegebieten oder verschiedenen Volkstypen einen Amtsbezirk 
zerlegen. Da kann wohl manches der Kritik unterworfen werden, 
mehr jedoch wird vorläufig unerkannt bleiben, so dass manche An¬ 
gaben cum grano salis zu nehmen sein werden. Das gilt insbeson¬ 
dere auch von Angaben über Durchschnittsbesitz, Einkommen, Er¬ 
nährung, Alkoholkonsum und ähnliches. Näher auf die Bewertung 
des Zahlenmaterials im einzelnen wird an diesen verschiedenen 
Punkten eingegangen werden. 

Es besteht ein gewisser Gegensatz in der Verbreitung der Tuber¬ 
kulose auf dem Lande und den Städten. Derselbe macht sich be¬ 
sonders bei Vergleichen über Zu- und Abnahme der Krankheit be¬ 
merkbar. Es könnte nun mit Rücksicht hierauf ein Erfordernis zu 
sein scheinen, die Städte von den Landbezirken zu trennen. Bei der 


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13] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


61 


Durchführung einer solchen Spezialisierung treten aber Schwierigkeiten 
und Komplikationen auf, die in vielen Beziehungen hindernd und 
störend wirken können. Wenn z. B. bei den industriellen Berufen 
mit Wohnung der Arbeiter auf dem Lande und Arbeitsplatz in der 
Stadt, oder bei dem Zuzug der Kranken der Landbevölkerung zu den 
meist in den Städten befindlichen Krankenhäusern sich eine Trennung 
zwischen einheimischer Stadtbevölkerung und Zuzug aus der Um¬ 
gebung wird durchführen lassen, dann haben die durch eingehende 
Untersuchung und Detaillierung bei Trennung von Stadt und Land 
gefundenen Zahlen ihre Berechtigung, und sind den die Amtsbezirke 
gesamt umfassenden bei weitem vorzuziehen. Eine solche Trennung 
ist aber fast nur bei ganz spezieller Ortskenntnis und auch da nur 
unter Zuziehung ausserordentlicher Hilfsmittel durchzuführen. 

Im allgemeinen sind Land und die das industrielle Centrum dar¬ 
stellende Stadt so fest miteinander verbunden , es findet ein so leb¬ 
hafter Austausch, ein so vielfaches Zusammentreffen der Bewohner 
beider statt, die Stadt bildet den Arbeitsplatz für die industriell 
thätige, den Verkaufs- und Kaufplatz für die landwirtschaftlich thätige 
Landbevölkerung, dass hier eine strikte Trennung, die nicht auf 
breiter natürlicher Basis begründet ist, oft sehr willkürlich einschnei¬ 
dend wäre. Es dürfte also, insbesondere zur vorläufigen Orientierung, 
die Einteilung nach Amtsbezirken gewisse Vorteile nicht verkennen 
lassen. 

Wenden wir uns nun zu der Verbreitung von Krankheiten, so (fcographi- 

SCllO 

findet sich in der medizinischen Statistik der „statistischen Mit- breitung. 
teilungen über Baden fast stereotyp folgender Satz über das Ver¬ 
hältnis von Lungenschwindsucht und akuter Pneumonie- und Broncho¬ 
pneumonie: „Die Sterbeziffern für Schwindsucht verhalten sich in den 
einzelnen Bezirken meist ähnlich, dagegen bietet die Sterblichkeit an 
Lungenentzündung häufigere und grössere Verschiedenheiten. Dabei 
ist der Landesdurchschnitt für beide Erkrankungen nur geringen 
Schwankungen ausgesetzt.“ Ähnliche nur noch stärkere Schwankungen 
wie die Lungenentzündung zeigen auch die übrigen akuten Infektions¬ 
krankheiten. Gleichmässige örtliche Verbreitung und Schwankung 
nur innerhalb enger Grenzen in den verschiedenen Jahren zeigen 
vor allem zwei Krankheiten: Lungenschwindsucht und Krebs. Auf 
Tabelle I finden sich in Spalte 17 und 18 die Mortalitätsziffern dieser 
beiden Krankheiten berechnet für den Durchschnitt der Jahre 1891 
bis 1900 auf je 1000 Lebende des Durchschnittes der drei Volks¬ 
zählungen 1890, 95 und 1900. 

Die niedrigste Mortalitätsziffer für Lungenschwindsucht zeigt Bovöike- 
Neustadt mit l,52°/oo Todesfällen, die höchste Schwetzingen mit ,ungsd,chte ‘ 


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62 


W. Hoffmann. 


[14 


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4,26 °/oo. Der Landesdurchschnitt liegt bei 2,84. Vergleichen wir 
mit dieser zahlenmässigen Darstellung die graphische Darstellung auf 
Tafel I, so fällt auf, dass der Schnittpunkt der den Landesdurch¬ 
schnitt wiedergebenden Linie die ansteigende Linie der Tuberkulose¬ 
häufigkeit keineswegs in der Mitte ihrer Länge schneidet. Es ist dies 
der graphische Ausdruck dafür, dass die Mehrzahl der grösseren, volks¬ 
reicheren Amtsbezirke sich auf der ungünstigeren Seite befindet, eine 
höhere Tuberkulosemortalität aufweist, als die kleineren oder dünner 
bevölkerten. Man könnte geneigt sein, darin direkt einen Einfluss 
der Volksdichtigkeit zu sehen. Es ist jedoch gewagt, die geographische 
Formulierung der Volksdichte auf das Quadratkilometer auf hygie¬ 
nische Verhältnisse übertragen zu wollen. Hier ist die Wohndichtig- 
keit von grösserem Einfluss. Allerdings ist es nicht leicht, für 
letztere einen zahlenmässigen Ausdruck zu verschaffen, da sehr viele 
Faktoren zu berücksichtigen sind, Kubikraum der bewohnten Räume, 
Anzahl derselben, Anzahl der Häuser und Ausdehnung der Häuser¬ 
komplexe d. h. bebaute Bodenfläche und schliesslich noch Ausdeh¬ 
nung des Weichbildes. Zur Verwertung dieser Zahlen muss auch 
der praktischen Ausführbarkeit Rechnung getragen werden. Es ist 
in Baden eine Auszählung der bewohnten Räume im Gange. Nach 
deren Vollendung dürfte wohl durcli die Verhältniszahl der Wohn- 
räume zu der der Einwohner eine als Gradmesser der Wohndichte 
brauchbare Zahl gegeben sein. Einstweilen führten Vergleiche mit 
den von geographischer Seite (28, 15) erfolgten Arbeiten über Be¬ 
völkerungsdichte in Baden, insbesondere den kartographischen Dar¬ 
stellungen zu der Erkenntnis, dass sich Erwägungen, der sich einst¬ 
weilen nur der geographischen Bevölkerungsdichtigkeit als Grundlage 
bedienten, allzusehr auf theoretisierendes Gebiet begeben; es werden 
infolgedessen diese besser unterbleiben. Als eine für uns später von 
Wichtigkeit werdende Tatsache wird jedoch von Uhlig (28) hervor¬ 
gehoben, dass die zunehmende Bevölkerungsdichte ihren Grund in 
der Industriethätigkeit dieser Gegenden finden lässt. 

Die Verbreitung der Tuberkulose von rein geographischem Stand¬ 
punkt aus betrachtet, so findet sich ein grösseres Gebiet mit einer 
sich meist weit über Landesdurchschnitt erhebenden Tuberkulose¬ 
mortalität in der unteren Rheinebene, den Amtsbezirken Baden, 
Rastatt, Ettlingen, Karlsruhe, Bruchsal, Wiesloch, Schwetzingen, 
Heidelberg, Mannheim, Weinheim und Eberbach entsprechend. In 
diesem Gebiete zeigt sich wieder eine komplexe Gruppe, Bruchsal, 
Wiesloch, Schwetzingen, Heidelberg, Eberbach mit einer Mortalität 
über 3,5°/oo, die in Schwetzingen mit einer Mortalität von 4,26 °/oo 
die ungünstigsten Verhältnisse aufweist. Die Erhebung der Mortali- 



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15] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulöseverbreitung in Baden. 


63 


tätsziffer im Amtsbezirk Baden auf 3,54°/oo ist besonders auffällig, 
da sie wohl nicht auf die durch den Fremdenverkehr in der Stadt 
Baden herbeigeführten Verhältnisse zurückzuführen sein dürfte, da 
die Mortalität in dem Landbezirk grösser ist als in der Stadt selbst. 

Im südlichen Teile der Rheinebene erheben sich nur die Bezirke 
Lahr, und dann die benachbarten Freiburg und Staufen über den 
Landesdurchschnitt, und auch deren Mortalitätszahlen, die bei Frei¬ 
burg noch- durch die Kliniken der Universität in ungünstiger Weise 
beeinflusst werden, erheben sich nicht zu der im nördlichen Baden 
beobachteten Höhe. 

Günstige Verhältnisse zeigen die Bezirke des Odenwaldes, der 
Taubergegend und des Baulands, dann ein Komplex der Amtsbezirke 
Pforzheim, Bretten, Durlach. Schliesslich der ganze südliche Teil des 
Rheintals, der Schwarzwald, die Baar und die Seegegend. Die gün¬ 
stigsten Mortalitätsziffem unter 2 °/oo zeigen die Amtsbezirke Buchen, 

Kehl, Neustadt, Bonndorf, Überlingen. 

Vergleichen wir mit dieser Verbreitung der Tuberkulose diejenige des Krebsver- 
Krebses=malignerTumor, die in gleicherweise durch analoge Berechnung breitunB ' 
der Mortalitätszahlen festgestellt wurde, so ergibt sich ein fast direkt 
entgegengesetztes Bild. Im ganzen ist die Mortalitätsziffer niedriger 
als die der Schwindsucht, sie zeigt einen Landesdurchschnitt von 
0,88 °/oo, erreicht das Maximum mit 1,58 in den Amtsbezirken Stockach 
und Pfullendorf und das Minimum mit 0,59 °/oo in Pforzheim. Eine 
stärkere Verbreitung durchweg über Landesdurchschnitt findet sich 
in den südlichen Amtsbezirken, die im oberen Rheintal und der See¬ 
gegend die imgünstigsten Verhältnisse, Mortalitätsziffem über l,5°/oo 
bieten. In den nördlichen Amtsbezirken erheben sich nur in Heidel¬ 
berg, Bruchsal, Weinheim und Eberbach die Mortalitätsziffem zu 
geringer Höhe über Landesdurchschnitt. Es fallen also die Gebiete 
höchster Tuberkulosemortalität mit denen niedrigster Krebssterblich¬ 
keit zusammen. Nur die Gebiete des Odenwalds, der Pforzheimer 
Gegend und Kehl zeigen gleichmässig niedrige Mortalitätszahlen für 
beide Krankheiten. 

Aus dieser Art der Verbreitung dürfte wohl ersichtlich sein, dass 
ein innerer kausaler Zusammenhang, eine Schaffung einer besonderen 
Prädisposition für einander für die beiden Krankheiten nicht besteht, 
oder jedenfalls von anderen Ätiologiemomenten so sehr übertroffen 
wird, dass ein Einfluss auf die geographische Verbreitung nicht her¬ 
vortritt. Jedenfalls kann aber die Riffel sehe Behauptung, dass — 
nicht nur in den von ihm untersuchten Familien — der Krebs häu¬ 
figer in auch von der Tuberkulose angefallenen Familien sich finde, 
als widerlegt angenommen werden. Es ist damit keineswegs etwas 


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64 


W. Hoffmann. 


[16 


gegen die Ansicht ausgesagt, dass nicht etwa ein Lupus die Aus¬ 
gangsstelle bieten und Anlass geben könne zur späteren Entwickelung 
eines Carcinoms. Auch hier kann die Statistik nur für die grosse 
Zahl etwas aussagen, nicht für den einzelnen Fall. Das aber wird 
sicher gestellt, dass ein andere Momente übertreffender Einfluss nicht 
besteht, eher das Zusammentreffen beider Krankheiten bei ihrer Häufig¬ 
keit ein der mathematischen Wahrscheinlichkeit entsprechendes sein 
wird. 

Um einen Zusammenhang der Tuberkulosemortalität mit Epide¬ 
mien von Infektionskrankheiten nachzuweisen, müsste man auf die 
einzelnen Orte als Untersuchungseinheit zurückgreifen. Für den 
Amtsbezirk sind die Mortalitätszahlen an diesen anderen Krankheiten 
schon zu gleichmässig, als dass man die geringen Ausschläge irgend¬ 
wie bewerten könnte. Aus den früher erwähnten Gründen ist ein 
solches Eingehen zur Zeit noch nicht möglich, würde auch an dieser 
Stelle zu weit führen. 

KHmatiscbe Bei den grossen Differenzen, welche die klimatischen Verhält¬ 
nisse in Baden bieten, ist es interessant, Prüfungen anzustellen, in 
wieweit sich diese Verschiedenheiten in den Mortalitätsziffern der 
von uns verhandelten Krankheit zum Ausdruck bringen oder nicht. 

In der Rheinebene, welche zu den wärmsten Gegenden Deutsch¬ 
lands gehört mit einem Jahresmittel der Luftwärme von 10° C. und 
darüber, finden sich die Haupttuberkuloseherde. Auf der Hochebene 
der Baar, den Amtsbezirken Donaueschingen, Villingen etwa ent¬ 
sprechend, einer äusserst kalten und windigen Gegend, die ein Jahres¬ 
mittel der Temperatur von nur 0,5° C. aufweist und im Winter fast 
regelmässig Temperaturen unter — 25° C. erreicht, finden sich sehr 
günstige Verhältnisse der Tuberkulosemortalität. Im Schwarzwald ent¬ 
spricht das Jahresmittel der Temperatur wohl der beträchtlichen 
Höhenlage, doch sind im Winter häufig warme Sonnentage, welche 
sogar ein Sitzen im Freien gestatten. In der Bodenseegegend macht 
sich der ausgleichende Einfluss der Wasserfläche auf die Temperatur 
geltend; es fehlt strenge Winterkälte und starke nächtliche Abkühlung. 
Die Tuberkulosenverhältnisse dieser beiden letzten Gegenden sind 
zwar recht günstig, aber um nichts besser als die in der rauhen und 
windigen Baar. 

Von sonstigen klimatischen Einflüssen wäre vielleicht zu er¬ 
wähnen, dass die Regenmenge in der nördlichen Rheinebene in der 
Umgebung von Mannheim am geringsten ist, am regenreichsten der 
Westabhang des Schwarzwaldes, wie sich auch bei der Erwägung, 
dass die West- und Südwestwinde die feuchten Luftströme mit sich 
führen, als physikalisch notwendige Folge ergibt. Ob man berechtigt 


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17] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 65 

ist, aus diesen Thatsachen einen Einfluss auf die Tuberkulosenmor¬ 
talität und ihre Verschiedenheit in den beiden Gebieten abzuleiten, 
erscheint mehr als zweifelhaft, doch sollten trotzdem die bestehenden 
Thatsachen ihre Erwähnung finden. 

In höherem Masse verdient der Einfluss der Höhenlage Beachtung. Höhenlage. 
In der Literatur, welche sich mit diesem Thema befasst, kommt mehr 
der Einfluss der Höhenlage auf eine schon bestehende Phthise, also 
meist in Verbindung mit Luftwechsel u. s. w. zur Diskussion. Es 
handelt sich um die Frage nach einer spezifischen Wirkung der Hoch- 
gebirgskur. In seiner Tuberkulosestatistik für die Schweiz findet 
Schmid für die höheren Höhenlagen eine geringere Tuberkulosen¬ 
mortalität als für die Niederung. Für Deutschland im ganzen kommt 
Köhler zu keinen eindeutigen Resultaten. Geringere Höhenunter¬ 
schiede, wie sie sich in den von Brauer untersuchten Cigarren¬ 
industrieorten Nordbadens finden, scheinen überhaupt keinen Einfluss 
äussem zu können. Worin sich der Einfluss der Höhenlage äussert, 
ob lediglich infolge der dort häufigeren grossen Abgeschlossenheit vom 
Weltverkehr die Infektionsgelegenheiten seltener werden, das erscheint 
noch nicht sichergestellt. Die Verminderung des Staub- und damit 
Keimgehalts der Luft infolge der Luftverdünnung kommt wohl nur 
für die höchsten Erhebungen in Betracht. Es dürfte sich also immer¬ 
hin lohnen, eine derartige Untersuchung für die mittleren Höhen¬ 
unterschiede anzustellen, wie sie gerade in Baden Vorkommen. 

Zu diesem Zweck war es nötig, zunächst für die gewählte geogra¬ 
phische Einheit, den Amtsbezirk vergleichbare Höhen werte zu finden. 

Eine geographische Durchschnittshöhe ist für unsere hygienische 
Zwecke nur äusserst mangelhaft verwendbar. Denn eine unbewohnte 
hohe Bergspitze in einem Gebiet ist hygienisch vollkommen gleich- 
giltig, während sie die geographische Durchschnittshöhe bedeutend in 
die Höhe treibt. Es dürfen also nur die Höhen der bewohnten Orte 
zur Aufstellung des Durchschnittswertes verwandt werden. Geht man nun 
so vor, dass man die Summe der Höhen der einzelnen Orte bildet 
und durch die Zahl der Orte dividiert, so erhält man nur bei an¬ 
nähernd gleichmässiger Verteilung in den verschiedenen Höhen oder 
gleicher Einwohnerzahl richtige Durchschnittsergebnisse. Ist dies aber 
nicht der Fall, so könnte es z. B. Vorkommen, dass in einer niedrig 
gelegenen Stadt der grösste Teil der Einwohner eines Bezirks zusam¬ 
mengedrängt ist, ausserdem aber noch eine grosse Anzahl hoch im 
Gebirge liegender ganz kleiner Flecken und Dörfer zu dem Bezirke 
gehören. Von diesen würde dann jedes auf die Durchschnittszahl den 
gleichen Einfluss ausüben wie die grosse Stadt, die Durchschnittszahl 
also viel zu hoch ausfallen. Es ist also nötig, den Einwohner- 

Beitriige zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 


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W. Hoffmann. 


[18 


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koeffizienten zu berücksichtigen und für den Einwohner die Durch¬ 
schnittshöhe, in der er lebt, zu berechnen. Die Ausführung gestaltet 
sich also folgendermassen: Summierung der Produkte der Einwohner¬ 
zahlen mit Höhe des Ortes und Division durch die Gesamteinwohner¬ 
zahl des Bezirks. 

Bei dem grossen Aufwand an Zeit, den eine solche Berechnung 
erfordert, wurde dieser Modus nur bei den Amtsbezirken durchgeführt, 
wo die einfachere Berechnung zu ungenaue Resultate bot, also den 
im Gebirge liegenden. Auf der Tabelle I sind ihre Namen durch ein 
Sternchen ausgezeichnet. Bei den in der Rheinebene liegenden ist 
diese Berechnung unnötig, da die Differenzen der Höhe oft nur wenige 
Meter betragen. Die Details für die Orte der einzelnen Amtsbezirke 
hier wiederzugeben, wäre zu weitläufig; zur Technik der Ausführung 
sei nur bemerkt, dass die Höhenangaben der topographischen Karte 
im Massstab 1 :25 000 für das Grossherzogtum Baden entnommen 
sind, also die Gewähr grösstmöglicher Zuverlässigkeit bieten. 

Die auf diese Weise gefundenen Höhenzahlen schwanken zwischen 
866 m für St. Blasien und 100 m für Mannheim. Es liegen 16 Amts¬ 
bezirke mit 717992 Einwohnern, also nicht ganz die Hälfte der Ein¬ 
wohnerzahl in der Höhenlage zwischen 100—200 m. 13 Amtsbezirke 
mit 334437 Einwohner etwa l k der Einwohnerzahl in der Höhen¬ 
lage zwischen 200 und 300 m, zwölf Amtsbezirke mit 414312 Ein¬ 
wohnern, etwa 1 U der Gesamteinwohnerzahl ^zwischen 300 und 500 
und elf Amtsbezirke mit 191206, also etwa 1 /s der Einwohnerzahl 
in der Höhenlage über 500 m. Die näheren Einzelheiten finden sich 
auf Tabelle II vermerkt. Ordnen wir nun die Amtsbezirke in der 
Reihenfolge ihrer steigenden Tuberkulosemortalität, wie es auf Tafel I 
geschehen ist und tragen die Höhen über dem Meeresspiegel als Or- 
dinaten ein, so zeigt die Verbindungslinie der Endpunkte eine Zick¬ 
zacklinie, welche im grossen und ganzen einen Abfall mit Zunahme 
der Mortalität erkennen lässt. Dieser Abfall der Tuberkulosemortalität 
wird noch deutlicher bei Betrachtung der verschiedenen Höhengruppen 
auf Tafel H. So zeigt die Höhengruppe I zwischen 100 und 200 m eine 
Durchschnittsmortalität von 3,18 auf 1000 Lebende, der Höhengruppe II 
zwischen 200 und 300 m eine solche von 2,56, der Höhengruppe IH 
zwischen 300 und 500 m eine solche 2,58, die Höhengruppe TV 
zwischen 500 m eine solche von 2,06. Bei dieser Zusammenstellung 
ist zu bemerken, dass in Höhengruppe III der geringe Anstieg gegen H 
durch das Überwiegen der grossen Einwohnerzahlen mit verhältnis¬ 
mässig hoher Tuberkulosemortalität in Freiburg und Pforzheim be¬ 
dingt ist. Die übrige Gruppe würde den erwarteten bedeutenden 
Abfall der Mortalitätsziffer in deutlichster Weise vorzeigen. Es wären 



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19] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. G7 

dann, abzüglich Freibarg und Pforzheim, bei einer Einwohnerzahl von 
273488 Menschen 2,35 °/oo Tuberknlosetodesfälle zu verzeichnen. 

Eine Deutung dieser Zahlen ist an dieser Stelle noch verfrüht. 
Die Höhenlage ist gemeinschaftliche Ursache so mancher anderer 
Momente, welchen ihrerseits wieder ein Einfluss auf die Tuberkulose¬ 
mortalität nicht abzusprechen ist, so dass erst in Zusammenhang mit 
diesen auch der reine Einfluss der Höhenlage als solcher diskutiert 
werden kann. Es wird vielleicht im folgenden gelingen einzelne 
Faktoren, welche in Konkurrenz mit dem Einfluss der Höhenlage 
treten oder einen denselben paralysierenden Einfluss haben können, 
wie z. B. gewisse Industrieverbreitungen aus dem allgemeinen, in sich 
unabgegrenzten Gemenge von wechselnden Einflüssen zu eliminieren. 
Aus der vorliegenden Aufstellung scheint jedoch mit Sicherheit so 
viel hervorzugehen, dass die Höhenlage in Baden Zustände schafft, 
welche der Verbreitung der Tuberkulose entgegenwirken. Es zeigen 
sich hier ähnliche Verhältnisse, vielleicht nur durch die verschiedene 
Art der Zusammenstellung noch deutlicher hervorgehoben, wie sie 
Schmid(23) für die Schweiz nachw r eist. Eine gewisse Skepsis bleibt 
jedoch noch immer angezeigt und vorläufig hat Krieger (8) die Beant¬ 
wortung dieser Fragen dahin präcisiert, dass sie sich noch nicht aus 
dem Kähmen der Hypothese bewegt, und daran kann auch das Bei¬ 
bringen weiterer Tatsachen von geringerer Tuberkulosemortalität in 
grösserer Höhe ohne genaueste Analyse anderer mitwirkender Momente 
einstweilen nichts ändern. 

Einfluss sozialer Verhältnisse und der Ernährungsweise. 

Ein bedeutender Einfluss wurde der Volksmeinung nach von jeher 
drückenden sozialen Verhältnissen, Armut, Sorgen, Kummer, Ent¬ 
behrung zugesprochen. Es sind ja nun vielfach mit der Armut Zu¬ 
stände verbunden, welche eine Verbreitung der Schwindsucht plausibel 
machen, wie enges Zusammen wohnen und vielfach auch Unreinlichkeit. 
So bezeichnet Ransome (16) die Tuberkulose direkt also eine „filth- 
disease“. Es entbehrt nun eines gewissen Interesses nicht, den Ver¬ 
such anzustellen, ob sich ein Zusammenhang feststellen lässt zwischen 
der Höhe der Tuberkulosemortalität und Zahlen, welche einen Mass¬ 
stab für die erwähnten Faktoren abgeben können. 

Als eine die pekuniäre Leistungsfähigkeit der Amtsbezirke cha¬ 
rakterisierende Zahl wurde aufgestellt die Durchschnittszahl des 
steuerbaren Einkommens pro Kopf der Bevölkerung. Die Zahlen 
sind ja wohl nicht ganz gleichmässig entsprechend der verschiedenen 

5 * 


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Armut. 


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W. Hoff mann. 


[20 


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Zusammensetzung der Bevölkerung aus Reichen und Armen in den 
verschiedenen Bezirken, es lässt sich jedoch immerhin ein der Wirk¬ 
lichkeit entsprechendes Bild konstruieren. Genauere Zahlen sind 
schwer zu erhalten. Man könnte vielleicht so Vorgehen, den Prozent¬ 
bestand der Bevölkerung aus den verschiedenen Steuerklassen, insbe¬ 
sondere der niedersten, zu bestimmen. Wo diese Zahlen leicht zugänglich 
sind, wäre diese Methode wohl vorzuziehen; im einzelnen muss man 
aber den praktischen Verhältnissen Rechnung tragen und versuchen, 
das Vorhandene entsprechend zu verwerten. 

Die Berechnung erfolgte in der Weise, dass aus den Angaben 
der Steuerverwaltung für die Jahre 1892, 96 und 98 das Mittel auf 
die Durchschnittseinwobnerzahl 1891—1900 berechnet wurde. Die 
auf diese Weise gefundenen Zahlen schwanken zwischen 1517 Mark 
im Amtsbezirk Eberbach und 4556 Mark im Amtsbezirk Mannheim. 
Das Landesmittel liegt bei 2340 Mark. Deutung dieser Zahlen und 
Folgerungen aus ihnen sind mit grösster Vorsicht anzustellen. Ver¬ 
folgen wir die Kurve auf Tafel I, welche diese Zahlen graphisch dar¬ 
stellt, so sehen wir eine unregelmässige Zickzacklinie, der auch nicht 
der geringste Zusammenhang mit der die Tuberkulosesterblichkeit 
wiedergebenden Linie nachgewiesen werden kann. Die grösseren Er¬ 
hebungen finden sich in der letzten Hälfte der Kurve bei den grossen 
Handels und Industriestädten, wo auch die Tuberkulose beträchtliche 
Höhe zeigt. Nun besteht aber gerade in diesen Bezirken ein Gegen¬ 
satz zwischen Stadt- und Landbezirk derart, dass auf dem Lande die 
Tuberkulose grössere Verbreitung besitzt, als in der Stadt, wo sich 
der Grossbesitz findet. Es wäre also schon deswegen statistisch un¬ 
möglich, die höhere Tuberkulosemortalität mit dem grösseren Besitz 
in Beziehung bringen zu wollen, abgesehen davon, dass dies allen 
anderen Erfahrungen direkt widersprechen würde. Wir müssen offen 
gestehen, dass wir auf diese Methode einen Zusammenhang nicht 
nachweisen können. Dass ein solcher Zusammenhang, falls er doch 
bestehen sollte, nur äusserst mittelbar sein kann, dafür spricht auch 
die von Virchow (29) bei Gelegenheit des Hungertyphus in Schlesien 
gemachte Erfahrung, dass trotz der grössten Entbehrungen, welchen 
die dortige Bevölkerung eigentlich zeitlebens unterworfen war, keine 
nennenswerte Tuberkulosehäufigkeit zu beobachten war. 

Andererseits ist auch die Höhe des Verdienstes, die sich in den 
angeführten Zahlen widerspiegelt, durchaus nicht immer gleichbe¬ 
deutend mit den Mitteln, die in rationeller Weise zu vernünftiger 
Lebensführung verwandt werden. Es spielen hier die mannigfachsten 
Gründe mit. Zunächst kommt in Betracht, wie viel dieses Verdienstes 
thatsächlich zur Ernährung und Wohnung verwandt wird. Von seiten 



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21 ] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


69 


der badischen Fabrikinspektion hat Wörrishofer (30) speziell für die 
Tabakarbeiter genaue Erhebungen über dieses Jahresbudget der 
Arbeiterfamilien ausgeführt. 

Abgesehen von der geringen Höhe der überhaupt zu Gebote 
stehenden Geldmittel, die vielfach zum Schuldenmachen nötigen, zeigt 
sich ein Missverhältnis der Kosten für Genussmittel Bier und Kaffee, 
für welche oft mehr, fast überall aber die gleiche Summe aufgewandt 
wird, als für Brod und Fleisch. Die Zahlen schwanken zwischen 
Ve und Vio des Gesamtaufwandes für den Haushalt. Dabei ist das 
von dem Manne konsumierte Bier wohl vielfach der Berechnung ent¬ 
zogen. Ausserdem lässt sich feststellen, dass ein beträchtlicher Teil 
der Arbeiterbevölkerung in Unterernährung lebt, und diese bei den 
Frauen meist beträchtlicher ist als bei den Männern, die in egoisti¬ 
scherer Weise sich manche ausserordentlichen Zuwendungen gestatten. 

Eine andere Ursache für die Ungleichmässigkeit der Beziehungen 
zwischen Einkommen und Umsatz desselben in geeignete Nahrungs¬ 
mittel liegt in der vielfach beobachteten und beklagten Unfähigkeit 
der Arbeiterfrauen, mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln eine 
geeignete Nahrung zu bereiten, so dass schliesslich das, was zur Auf¬ 
nahme kommt, nicht im Verhältnis steht zu den dafür aufgewandten 
Mitteln. Bei der Frage nach den Gründen dieser Zustände kommen 
wir schon bedeutend auf sozialökonomisches Gebiet. Eine ausführ¬ 
lichere Behandlung an dieser Stelle dürfte sich wohl deshalb verbieten. 
Die Fragen sind jedoch zu interessant, als dass sich eine vollständige 
Übergehung derselben rechtfertigen Hesse. Es wurde mir von seiten 
des badischen Ministeriums des Innern in dankenswertester Weise das 
Ergebnis einer diese Punkte betreffenden Umfrage zur Verfügung 
gestellt. 

Mit Rücksicht auf die staatlicherseits einzuschlagenden Mittel 
zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit war von seiten 
des Ministeriums an die badischen Bezirksärzte eine Umfrage ge¬ 
richtet worden mit Charakterisierung folgender Punkte: 

1. Ist in der Beschaffenheit der Wohnungen und in der Art der 
Ernährung ein die Verbreitung der Tuberkulose begünstigender Faktor 
zu erblicken? 

2. Wird bei den Kindern häufig Rhachitis und Skrofulöse beob¬ 
achtet ? 

3. Liegt im Falle ungenügender Ernährung der Grund hierzu 
lediglich in der Armut der betreffenden Familien oder in der Un¬ 
kenntnis der Frauen mit Bezug auf die Zubereitung der täglichen 
Kost? 


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70 


W. Hoffmann. 


[22 


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4. Wäre durch weitere Verbreitung des Haushaltungsunterrichtes 
für Fortbildungsschülerinnen diesem Umstand vielleicht Rechnung zu 
tragen ? 

5. Bewirkt die Cigarrenfabrikation eine weitere Verbreitung der 
Ansteckungsgefahr und der Krankheit selbst? 

Wird bei den Kindern von Cigarrenarbeitem häufiger als bei 
anderen Skrofulöse und Rhachitis beobachtet? 

In der Beantwortung dieser Fragen findet sich mit Ausnahme 
von Staufen und Baden fast überall das gleiche Klagelied über enge, 
überbelegte, zum Teil unreinliche Wohnungen, vielfach in so drastischer 
Darstellung, dass hier einiges im Original wiedergegeben sei. So 
schreibt B e h r 1 e von Schwetzingen: Ein Zimmer mit mehr als sechs, 
oder zwei Zimmer mit mehr als zwölf Personen belegt keine Selten¬ 
heit, gemeinsame Benutzung eines Bettes von bis zu vier Personen 
beiderlei Geschlechts. In Bruchsal nennt K1 e h e die Verhältnisse 
sehr günstig, wenn Wohnzimmer und Schlafzimmer mit wirklicher 
Zwischenwand und Küche der Familie zur Verfügung steht. Meist 
jedoch nur Trennung durch Schränke oder Vorhänge. Ähnlich lauten 
die Berichte aus den anderen Bezirken mit sehr hoher Tuberkulose¬ 
mortalität. 

Die Ernährung wird ebenfalls vielfach als ungenügend bezeichnet; 
so heisst es von Schwetzingen: „Wurst und Kartoffeln, oder Käse und 
Bier keine Mittagsmahlzeit für hart arbeitende Menschen. Für Eber¬ 
bach berichtet Eberle: die Arbeiter nehmen grösstenteils ihre Mittags¬ 
mahlzeit ausserhalb der Wohnungen und infolgedessen zum grössten 
Teil kalt und gemessen dabei anstatt Milch oder nahrhafter Suppen 
minderwertiges Bier in nicht geringen Quantitäten. 

Als Ursache dieser Zustände wird fast allgemein weniger die 
krasseste Armut und Not, die erst bei Arbeitsunfähigkeit der Familien¬ 
ernährer eintritt, sondern das Leben von der Hand in den Mund, 
ferner die Unkenntnis der Frauen in der Zubereitung geeigneter 
Nahrungsmittel beschuldigt. Schneider (Staufen) charakterisiert 
treffend diese „Unkenntnis in der Unterscheidung von Nahrungs- und 
Genussmitteln,“ so dass Bier und Kaffee als Nahrungsmittel genossen 
werden, letzterer sogar mittags als Hauptmahlzeit. Dass die jungen 
und alten Frauen von Hauswirtschaft nicht viel verstehen, ist sicher,“ 
führt der Wieslocher Berichterstatter Schleid aus, „wann sollten sie 
aber auch dazu kommen, da Mutter und Tochter zusammen in die 
Fabrik gehen! Nicht die Armut macht den Menschen krank, sondern 
die Geldgier.“ Das letztere dürfte wohl etwas paradox ausgesprochen 
sein; die Arbeit der Frauen in ausgedehntem Masse hängt vielfach 
mit der Niedrigkeit des Lohnes für männliche Arbeiter zusammen, 


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23] 


Beitrag zur Kenntnis der Tnberkuloseverbreitung in Baden. 


71 


so dass der Lohn des Familienvaters eben für das Bedürfnis der 
Familie vielfach nicht ausreicht. Andererseits drückt auch wieder 
die ausgedehnte Verwendung weiblicher Arbeiter den Lohn der männ¬ 
lichen herab. So zeigt Wörrishofer in seiner obenerwähnten Schrift, 
dass das Budget mancher Familien auch ohne grosse Bedürfnisse und 
Ansprüche mit einem Defizit abschliessen muss, wenn aus irgend 
einem Grunde sich nicht alle Familienmitglieder an dem Erwerbe 
beteiligen können. 

Nach diesen, allerdings einer subjektiven Färbung nicht ent¬ 
behrenden Angaben lässt sich die Möglichkeit eines direkteren Zusam¬ 
menhangs zwischen der Armut und der in ihrem Gefolge erscheinen¬ 
den Schädlichkeitstrias, Unterernährung, enge Wohnung und Unrein¬ 
lichkeit, nicht von der Hand weisen. Jedenfalls tritt aber der Ein¬ 
fluss in den auf statistischem Wege gewonnenen Zahlen für Baden 
nicht hervor. Für Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main 
ist es Raths gelungen, ein verschiedenes Verhältnis der Tuberkulose¬ 
verbreitung in den von ärmeren Volksklassen bewohnten Stadtteilen 
gegenüber den von Wohlhabenderen bewohnten zu Ungunsten der 
ärmeren nachzuweisen. Hier scheint diese Tatsache mehr eine Folge 
der Berufsschädigung und vermehrten Infektionsgefahr der Arbeiter¬ 
bevölkerung gegenüber den mehr geschonten Wohlhabenden zu sein, 
und es bleibt fraglich, ob für ländliche Bezirke, wo es auch für die 
ärmere Bevölkerung exquisit gesunde Berufsarten gibt, sich ähnliche 
Verhältnisse finden. 

Ebenfalls zu nicht eindeutigen Resultaten führte ein Versuch, die 
Ernährungsweise der Bevölkerung direkt zu kontrollieren. Als Mass- 
stab sollte dienen die Stückzahl des während eines Jahres zum Kon¬ 
sum gekommenen Rindviehs pro Seelenzahl der Bevölkerung. Die 
von drei während des Zeitraumes 1891—1900 herausgegriffenen 
Jahren aus den Fleischbeschaulisten gewonnenen Durchschnittszahlen 
schwanken zwischen 13,9 Stück auf 100 Einwohner in Mannheim 
und 3,35 in Eppingen. Der Durchschnitt wird schätzungsweise bei 
8—9 liegen. Diese Zahlen zeigen eine mit der Vermögenslage in 
entferntem Parallelismus stehende, unregelmässige Schwankung, so dass 
sich auch aus ihnen keine sicheren Schlüsse gestalten. Auch eine 
Korrektion derselben durch Berücksichtigung des verschiedenen Durch¬ 
schnittsgewichtes des Rindviehs in verschiedener Gegend, das für den 
Gesamtrindviehbestand von 283 kg pro Stück im Kreise Lörrach bis 
zu 368 kg im Kreise Konstanz schwankt, führte zu keinem befrie¬ 
digenden Resultate. 

Ähnlichen Schwierigkeiten der Deutung begegneten den Zahlen, Aikohoi- 
welche als Massstab für den Alkoholkonsum der Bevölkerung dienen 


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72 


W. Hoffmann. 


[24 


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sollten. Präcise Zahlen, welche direkt den Konsum der Bevölkerung 
wiedergeben, sind für den Weinkonsum zu erhalten aus der Wein¬ 
steuer, speziell dem Weinaccis, der von allem zum Konsum kommen¬ 
den Wein erhoben wird. In Literzahl pro Kopf der Bevölkerung 
berechnet, ebenfalls aus drei willkürlich herausgegriffenen Jahren, er¬ 
gaben sich Durchschnittszahlen, die von 12,2 1 in Eppingen bis zu 
43,2 1 in Karlsruhe und 54,5 1 in Baden schwanken. Im allgemeinen 
entsprechen diese Zahlen den Vermögenszahlen; auch da, wo sich ein 
Gegensatz bemerkbar macht, wie z. B. in St. Blasien und Schönau, 
lässt er sich auf einfache Weise durch den beträchtlichen Konsum 
erklären, der seitens zugereister Gäste in den Luftkurorten während 
der Sommermonate geschieht. Auf gleiche Weise findet der enorme 
Konsum in Baden seine Deutung, wo allerdings auch ein grosser Teil 
des Verbrauchs auf die Bevölkerung fällt. 

Unzuverlässigere Zahlen lassen sich für den Bierkonsum erhalten, 
da hier nur für die Steuerämter die Produktions-, Ausfuhr- und Ein¬ 
fuhrzahlen bekannt sind. Der ziemlich ausgedehnte Handel zwischen 
den verschiedenen Amtsbezirken entzieht sich der Beobachtung. Eine 
nähere Besprechung der gefundenen Zahlen würde zu keinem ein¬ 
deutigen Ergebnis führen, doch sei ihnen ein Platz in Rubrik 19 der 
Tabelle I eingeräumt. 

Auch aus der Zahl der Wirtschaften pro 100 Lebenden in den 
verschiedenen Amtsbezirken wurde versucht, eine Massgabe zu er¬ 
halten für den Alkoholkonsum, so dass sich aus Wein- und Bierkon¬ 
sum und Wirtshauszahl ein zahlengemässes Bild von dem Wirtshaus¬ 
leben der Bevölkerung gewinnen Hesse. Auch diese Zahlen lassen 
keinen Zusammenhang mit denjenigen für die Tuberkulosemortalität 
erkennen. Zur Entscheidung aber, ob aus dem Fehlen eines Zusam¬ 
menhangs zwischen den als Massstab für den Alkoholkonsum und der 
Ernährungsweise aufgestellten Zahlen und den Zahlen der Tuber¬ 
kulosemortalität wirklich das Fehlen einer Beeinflussung zu schliessen 
ist, halte ich mich nicht für berechtigt. Zu diesem Zwecke müssten 
erst in kleinerem Kreise analytische Arbeiten vorausgehen, welche 
das Zutreffen der durch die erwähnten Zahlen im grossen darge¬ 
stellten Verhältnisse im Detail bestätigten. Immerhin bieten sie auch 
in ihrer jetzigen noch umschleierten Form manche, das Interesse an¬ 
regende Gesichtspunkte. 

Zur besonderen Vorsicht in einer negierenden Schlussfolgerung 
wegen des Einflusses des Alkoholkonsums forderte die Wichtigkeit 
auf, mit der diese Frage in dem Berichte der Bezirksärzte behandelt 
wird. Hier beklagt der Bruchsaler Berichterstatter die üble Gewohn¬ 
heit, in manchen Familien anstatt regelmässiger warmer Mahlzeiten 



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2o] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 73 

vielfach das Geld zur Beschaffung von Bier und kalter Küche und 
häufig auch von Branntwein zu verwenden. In Ettlingen wird von 
Fröhlich die Unsitte gefunden, sogar kleinen Kindern Bier zu geben; 
das Gleiche gilt von Staufen, wo sogar bisweilen Säuglinge „als stark 
machend“ Wein erhalten. Fast überall die Klage, dass der Alkohol¬ 
konsum in keinem Verhältnis steht zur Aufnahme von Nahrung. In 
Eberbach herrscht die Unsitte bei den Steinbrechern und Stein¬ 
hauern, Bier fassweise, auf gemeinsame Kosten angeschafft, auf die 
Arbeitsplätze mitzunehmen, wodurch auch an und für sich massige 
Leute, um auf die Kosten zu kommen, zu vermehrtem Trinken ge¬ 
bracht werden. 

Es sind ja nun diese Berichte deshalb mit Zurückhaltung in ihrer 
Beurteilung zu behandeln, weil die entsprechenden und zum Vergleich 
heranzuziehenden aus den gesünderen Amtsbezirken nicht daneben 
gestellt sind, sondern nur von den in der Schwindsuchtsmortalität 
über Landesdurchschnitt stehenden der Bericht eingefordert wurde. 
Es wäre ja nun möglich, dass — dem Ergebnis der aufgestellten 
Statistik entsprechend — auch in diesen Gebieten dieselben Klagen 
über allzureichlichen Alkoholkonsum ertönten. 

Eine Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs wäre vielleicht 
ausserdem durch die Erwägung möglich, dass viele der erwähnten 
Missstände nicht als solche die Tuberkulose herbeiführen, sondern 
nur in ihren Folgezuständen. Diese wieder können gemeinsam für 
die verschiedensten Faktoren sein. Es ergibt sich schliesslich ein 
solches Gewirre sich gegenseitig beeinflussender Verhältnisse, dass 
eine Lösung und Schlichtung über die Kompetenz der statistisch ab¬ 
zählenden Analyse geht. 

Einfluss der Berufsarten. 

Wir kommen nun zu dem wichtigsten Teil, zu der Beantwortung 
der Frage nach dem Einfluss der Beschäftigungsart auf die Tuber¬ 
kulosemortalität. Es fehlen, wie schon früher erwähnt, Statistiken 
über die Berufsart der Gestorbenen. Wir können mit dem uns zu 
Gebote stehenden Material nur so verfahren, dass wir die berufliche 
Zusammensetzung der lebenden Bevölkerung in Beziehung setzen zu 
der Mortalitätsziffer an Phthise. Die von uns aufgestellten Mortali¬ 
tätsziffern sind also die Summe der Mortalitätsziffern der einzelnen 
Berufe und der berutiosen Angehörigen. Wie weit sie durch die über 
den Durchschnitt steigende Mortalitätsziffer eines Berufes beeinflusst 
werden können, ergibt sich aus der Mächtigkeit dieses Berufes in 
der Bevölkerung und aus der Zusammensetzung der dem Beruf an- 


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Allgemeine 
Gesichts¬ 
punkte und 
Einteilung. 


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74 


W, Hoffmann. 


[26 


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gehörigen Bevölkerungsschicht aus wirklich Erwerbstätigen und deren 
Angehörigen. Bis sich an der Gesamtmortalität der Einfluss eines 
Berufszweiges mit erhöhter Mortalitätsziffer an Phthise bemerkbar 
macht, muss derselbe einen gewissen Prozentsatz im Gemenge der 
Berufe erlangt haben. Dann aber wird der Ausschlag in der Gesamt¬ 
sterblichkeit nicht nur durch das Mehr an Tuberkulosetodesfällen 
bedingt sein, die dem Berufe selbst zur Last fallen, sondern auch 
durch die Opfer der Ansteckung durch Kranke dieses Berufes unter 
der übrigen Bevölkerung. Es liegt also in den auf diese Weise ge¬ 
fundenen Resultaten die Lösung der Frage nach der Gefahr bestimmter 
Berufszweige für die Gesamtbevölkerung. Diese Frage kommt beson¬ 
ders für das staatliche Interesse in Betracht. Denn für den Staat 
ist es von ganz verschiedener Wichtigkeit, ob ein Berufszweig zwar 
das Leben der damit Beschäftigten erheblich verkürzt, eine weitere 
Krankheitsverbreitung aber nur in beschränktem Masse stattfindet, 
oder ob ausser der Schädigung der Berufsthätigen noch eine Ver¬ 
breitung in die Familie und weitere Kreise begünstigt wird. Bei 
letzterem spielen die mehr auf sozial-ökonomischem Gebiet liegenden 
Momente der Frauenarbeit, der Beschäftigung jugendlicher Arbeiter, 
der Mitarbeit der ganzen Familie eine bedeutende Rolle. Zum zahlen- 
mässigen Ausdruck kommen diese Verhältnisse in den Prozentziffem 
für Erwerbsthätige, — getrennt in männliche und weibliche, — und 
Zahlen der Angehörigen und Dienenden. Bei den weiblichen Er¬ 
werbstätigen wäre wieder zu unterscheiden der Familienstand, ob 
ledig oder verheiratet. Es sind dies Ziffern, welche bei gegebener 
Infektionsgelegenheit durch den Beruf, Rückschlüsse zulassen auf die 
Gefahr des Einschleppens in Familie, oder bei einer direkten Schä¬ 
digung durch den Beruf, den Einfluss desselben auf die Familie ab¬ 
schätzen lassen. 

Dass die Folgen eines grösseren oder kleineren Verdienstes bei 
verschiedenen Berufsarten in ihren Rückschlägen auf Wohnungsver¬ 
hältnisse und Ernährung und dergleichen sich äussern, bedarf keiner 
weiteren Klarlegung. Zu dieser Verschiedenheit des Verdienstes der 
Berufsarten kommt noch eine Verschiedenheit nach der Gegend. Diese 
Verschiedenheiten aber zahlenmässig zu fixieren, erwies sich bei den 
vielfach ungenauen, oft nur für juristische Streitfragen ausschlag¬ 
gebenden, den wirklichen Löhnen nicht entsprechenden Angaben als 
ein fruchtloses Unternehmen. 

Verfolgen wir nun in einer dem Schema der statistischen Ämter 
entsprechenden Reihenfolge die einzelnen Berufsgruppen und Arten 
in ihrer zahlenmässigen Zusammensetzung nach der Berufszählung 


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27] Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 75 

vom 14. Juni 1895 und wenden uns zunächst zu der Betrachtung der 
Hauptgruppen: 

A. Landwirtschaft und Tierzucht, Gärtnerei, Forstwirtschaft, Jagd 
und Fischerei. 

B. Gewerbe und Industrie mit Einschluss des Bergbaues, der 
Hütten und Salinen, sowie des Bauwesens. 

C. Handel, Versicherungswesen und Verkehr. 

D. Taglohnarbeit wechselnder und gemischter Art, sowie persön¬ 
liche Dienstleistung. 

E. Militär, Hof-, bürgerlicher und kirchlicher Beruf, auch soge¬ 
nannte freie Berufsarten. 

F. Beruflose, d. h. Personen ohne Berufsausübung, Rentner, 
Pensionäre, von Unterstützung lebende, Zöglinge, Studierende, In¬ 
sassen von Irren-, Straf- und Besserungsanstalten und Personen ohne 
Berufsangabe. 

Zur Orientierung über die Schwankungen in der Zusammensetzung 
der Bevölkerung aus diesen Berufsgruppen in Prozentzablen, welche 
die Angehörigen der einzelnen Gruppen mit umfassen, diene folgende 
Übersicht. 


Bezeichnungen der 
Berufsgruppen 

A 

B 

C j D 

E 

F 

Minimum 
im Amtsbezirk 

7,37 

13,0 

4,5 

0,178 

2,43 

2,64 

Landesdurchschnitt 

42,3 j 

! 

34,8 

9,95 

0,798 

5,49 

6,55| 

Maximum 
im Amtsbezirk 

71,8 

61,2 

26,0 

i 

2,25 

t 

13,0 

14,82 


Einer eingehenderen Besprechung sollen die Gruppen A als Land¬ 
wirtschaft charakterisiert, B = Industrie, C = Handel unterzogen werden. 
Die übrigen drei Gruppen sind von geringerer Wichtigkeit, einmal 
wegen ihrer geringen zahlenmässigen Grösse, so erhebt sich Gruppe D, 
die der wechselnden Taglohnarbeit etc. nicht über eine Prozentbe¬ 
teiligung, bei welcher man eine Beeinflussung mit Aussicht auf irgend 
einen Erfolg nachzuweisen versuchen könnte, die Grösse der Gruppe E 
ist hauptsächlich durch die Grösse der Garnisonen bedingt, und die 
Zusammensetzung der letzten Gruppe ist zu verschiedenartig aus den 
mannigfachsten Kategorien, als dass man sie in den verschiedenen 
Bezirken einheitlich bewirten könnte. 


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76 


W. Hoffmann. 


[28 


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Betrachten wir zunächst die Zusammensetzung der einzelnen Be¬ 
rufsgruppen aus Erwerbstätigen — Männern und Frauen — Dienst¬ 
boten und Angehörigen an Hand der nebenstehenden Tabelle. 


Bezeichnung der 
Berufsgruppe 

A 

Landwirtsch. 

B 

Industrie 

C 

Handel 

Erwerbstätige 

Gesamt 

51,1 

48,2 

44,1 

Männer 

31,6 

36,2 

30,2 

Frauen 

19,5 

12,0 

13,9 

1 

Dienstboten 

1,44 

i 1 

2,12 5,77 | 

Angehörige 

47,46 

49,68 

56,03 


Die Verschiedenheit der Zusammensetzung in den einzelnen Gruppen 
ist sofort evident. Bei Folgerungen auf den Einfluss derselben hin¬ 
sichtlich der Tuberkulosehäufigkeit ist zu unterscheiden, ob es sich 
um direkt schädliche Berufe, oder solche mit vermehrter Infektions¬ 
gefahr handelt, schliesslich kann sich auch beides vereinigen. Dann 
wird eine grössere Beteiligung der Frauen einen entschiedenen Nach¬ 
teil bedeuten, da zu der Gefahr der Infektion in der Familie und im 
Haus noch die Berufsschädlichkeiten mit ihren Infektionsquellen und 
Gefahren hinzutreten. Andererseits bei gesunden Berufen, die keine 
besonderen Infektionsgefahren herbeiführen, ist ein Zuzug der Frauen 
nicht schädlich anzusehen, eher sogar vorteilhaft, da die Ansteckungs¬ 
gefahr in der Familie herabgesetzt wird, insbesondere zu Hause 
liegende Kranke auf kleinere Kreise ansteckend wirken können. Als 
Beispiel für letztere Kategorie mag die Landwirtschaft gelten, die 
eine Beteiligung von 19,5 Prozent Frauen unter den Erwerbstätigen 
aufweist. 

Eine Einschränkung dieser Behauptungen ist für diejenigen Berufs¬ 
arten geboten, bei denen die verheirateten Frauen in grosser Zahl be¬ 
teiligt sind, abgesehen von der Landwirtschaft. Es wird durch die 
Berufsarbeit die Mutter den Kindern entzogen, diese wesentlich der 
Aufsicht der Alten und Kranken überlassen, die Reinlichkeit des Haus¬ 
haltes, die Zubereitung der Speisen leidet not, und es werden alle 
jene Zustände begünstigt, welche bei Erkranktsein eines Familien- 



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29] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberknloseverbreitung in Baden. 


77 


gliedes eine weitergreifende Familieninfektion, namentlich der Heran¬ 
wachsenden Generation begünstigen. Diese Missstände erfahren selbst¬ 
verständlich die grössten Schwankungen bei den verschiedenen Be¬ 
rufszweigen der Industrie; es erweist sich daher nötig diese einzeln 
abzuhandeln. Vorläufig sei nur so viel als sicher festgestellt, dass 
die Gesamtheit der Industriebeschäftigten als mehr gefährdet ange¬ 
sehen werden muss als die landwirtschaftlichen Berufszweige. Für 
die Frauenarbeit hat die Landwirtschaft auch mit aus dem Grunde 
eine Sonderstellung, weil im landwirtschaftlichen Betrieb die Frau 
viele sie in das Haus zurückführende Beschäftigungen hat, wobei ihr 
Aufenthalt im Hause in natürlicher Weise der Erfüllung ihrer Haus¬ 
frauen- und Mutterpflichten zu Gute kommt. 

Diese theoretische Behauptung einer geringeren Infektionshäufig- ^andwirt- 
keit für den landwirtschaftlichen Beruf im ganzen stimmt überein Industrie, 
mit der von Köhler (7) angeführten Statistik des Reichsgesundheits¬ 
amtes, wonach die Zahl der Invalidenrenten, welche wegen Tuber¬ 
kulose bewilligt werden, in der Industrie durchweg höher sind als in der 
Landwirtschaft, und mehr als das dreifache erreichen können. Wenn 
demgegenüber Reibmayr (17) anführt, ein in seinem Sinne disponierter, 
d. h. mit latenter Tuberkulose kämpfender Mensch gehe bei der an¬ 
strengenden Arbeit, wie sie die Landwirtschaft erfordert, schneller zu 
Grunde, als bei leichter Industriebeschäftigung auch unter an sich 
ungünstigeren hygienischen Bedingungen und könne sich so eine ge¬ 
wisse Immunität erwerben, so kann er gegen die Beweiskraft dieser 
Zahlen nicht ankämpfen, er müsste bei Aufrechterhaltung seiner 
Theorie zu dem Schlüsse gedrängt werden, dass in der landwirt¬ 
schaftlichen Bevölkerung der Zahl dieser „latent Tuberhuloser“ ge¬ 
ringer ist. Überdies dürfen wir nie vergessen, dass die Reib¬ 
mayr sehen Sätze Folgerungen einer Hypothese sind, die eben Hypo¬ 
these bleibt, so geistreich sie auch erdacht und durchgeführt ist. 

Kommen wir nun zu der Antwort, welche uns die statistische 
Zusammenstellung der Berufsverbreitung mit der Tuberkulosehäufig¬ 
keit für Baden auf diese Frage erteilt. Auf Tabelle I sind die 
Ziffern der Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschie¬ 
denen Berufsgruppen in Prozentziffern der Gesamtbevölkerung für 
die einzelnen Amtsbezirke angegeben, auf Tafel II findet sich die 
entsprechende graphische Darstellung. Die Reihenfolge ist auf beiden 
Wiedergaben übereinstimmend durch das Ansteigen der Tuberkulose¬ 
mortalität gegeben. Es zeigt sich nun in grossen Zügen 
mit Zunahme der Industriebevölkerung und Abnahme 
der Landwirtschaft eine Zunahme der Mortalitäts¬ 
ziffern an Tuberkulose. Desgleichen findet sich zahlreiche 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



78 


W. Hoffmann. 


handeltreibende Bevölkerung in den Amtsbezirken mit hoher Tuber¬ 
kulosemortalität. 

Es könnte nun der Einwurf erhoben werden, nicht die Zu¬ 
sammensetzung der Bevölkerung ist in primären Zusammenhang zu 
bringen mit der Tuberkulosemortalität, sondern diese Zusammen¬ 
setzung selbst ist Folge oder Begleiterscheinung von Umständen, 
welche diesen Einfluss auf die Tuberkulosesterblichkeit besitzen, 
z. B. der Höhenlage. Denn aus der gleichen Tafel II können wir 
ein Absinken der Industriebevölkerung und Zunahme der landwirt¬ 
schaftlichen Bevölkerung mit Zunahme der Durchschnittshöhe der 
Amtsbezirke über dem Meeresspiegel ersehen. Wenn dem so wäre, 
müsste für Gruppen von Amtsbezirken von ähnlicher Höhe die Zu¬ 
sammensetzung der Bevölkerung keinen Einfluss erkennen lassen auf 
die Mortalitätszahlen an Schwindsucht. 

Höhon- Betrachten wir mit Rücksicht auf diese Verhältnisse die detaillierte 

gruppen. D ars j. e ]] UI1 g (j er Amtsbezirke in vier Höhengruppen auf Tabelle II und 
Tafel IV. Es zeigt sich in jeder einzelnen Höhen¬ 
gruppe in analoger Weise wie bei der Gesamt¬ 
aufstellung für das ganze Land eine Zunahme 
der Industriebevölkerung und Abnahme der land¬ 
wirtschaftlichen Bevölkerung. 

Es bieten aber auch die vier Höhengruppen 

als Ganzes nebeneinander betrachtet manches r~- 

... . ‘O v/y, yyy\ 

Bemerkenswerte. Eine kurze Übersicht sei hier 
. _ . 90 

wiedergegeben. 


Bezeichnung 

der 

Höhengruppe 

I 

100-200 

m 

ii 

200-300 

m 

III 

300-500 

in 

IV 

über 500 

ni 

Landwirt- 
| Schaft 

35,2 

60,3 

41,6 

52,8 

Industrie 

40,9 

25,3 

38,1 

31,6 

Tuberkulose- 

mortalitüt 

3,18 

2,56 

2,58 

2,06 


\ Zandwirtscfia/} 


•Jrufustrie 


♦•♦• 4 Ti/bcnu/ost* - 
mortahtüt 


Es zeigt sich im allgemeinen in diesen Höhengruppen mit Zu¬ 
nahme der Höhe eine Zunahme der Landwirtschaft und Abnahme 
der Industrie mit Absinken der Tuberkulosemortalität. Eine Aus¬ 
nahme macht nur die zweite Höhengruppe. Diese sollte ihrer Höhen¬ 
lage nach eine höhere Tuberkulosemortalität erwarten lassen als die 


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Gck igle 


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UN1VERSITY OF MINNESOTA 






311 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulüseverbreitung in Baden. 


79 


dritte Gruppe. Es zeigt sich aber das Gegenteil, die Höhengruppe II 
hat eine, wenn auch nur wenig höhere Tuberkulosemortalität als 
Gruppe IH. Dieses mit Rücksicht auf die Höhenlage atypische Ver¬ 
halten muss durch andere Faktoren bedingt sein, und als ein solcher 
drängt sich der Kritik die geringe Industriebeteiligung und das Vor¬ 
wiegen des Ackerbaues in Gruppe II geradezu auf. Ein Unterschied 
von nahezu 20°/o in der Landwirtschaft mehr, und über 12°/o weniger 
in der Industrie muss sich bemerkbar machen und überwiegt den in 
diesem Falle umgekehrt wirkenden Einfluss der Höhenlage. 

Wenn wir nun im Vorhergehenden einen entschiedenen Einfluss Berufsarten 
der Zusammensetzung der Bevölkerung aus Ackerbau- und Industrie- Industrie 
treibenden auf die Tuberkulosemortalität feststellen konnten, so reizt 
es zur Aufrollung der weitergehenden Frage, ob sich nicht auch auf 
gleichem Wege ein Einfluss bestimmter Zweige der Industrie nach- 
weisen Hesse. Für diese Untersuchung ist die für die statistischen 
Feststellungen gewählte Einteilung im Amtsbezirke entschieden un¬ 
günstig. Wenn auch die Amtsbezirke einigermassen einheitliche Kom¬ 
plexe darstellen in ihrer Bevölkerungszusammensetzung aus Ackerbau 
und Industrietreibenden, so können doch in den einzelnen Orten 
die grössten Verschiedenheiten einzelner Berufszweige bestehen, vom 
vollständigen Fehlen bis zum fast ausschliesslichen Vorhandensein. 

Für den gesamten Amtsbezirk gleichen sich aber diese Unterschiede 
bereits wieder aus. Es können daher diese Untersuchungen nur für 
einige wenige Berufsgruppen, die diesen Nachteilen weniger ausgesetzt 
sind, ausgeführt werden; für die Mehrzahl muss auf eine ausführliche 
Besprechung verzichtet werden. 

Erwägungen in Betreff des Einflusses der Zusammensetzung der 
Berufsgruppen aus Erwerbsthätigen, Männern und Frauen und nicht 
im Beruf beschäftigten Angehörigen sind auch hier anzustellen und 
diesen Faktoren häufig eine grosse Wichtigkeit beizulegen. Zur Ver¬ 
anschaulichung dieser Unterschiede diene untenstehende Tabelle, auf 
der sich in Spalte vier bis sechs die Zahlen finden, welche den Anteil 
der betreffenden Berufsgruppe an der Bevölkerung angeben, in Spalte 
sieben bis zehn die Zahlen, welche die Zusammensetzung der Berufs¬ 
gruppe oder -art charakterisieren. Bei der ersten Gruppe von Zahlen 
finden sich die Angaben über Landesdurchschnitt und Minimum und 
Maximum im Amtsbezirk, in der zweiten Zahlengruppe die Detaillierung 
der Berufsgruppen in Erwerbstätige, — Männer und Frauen, — häus¬ 
liche Dienstboten und Angehörige. Die Zahlen sind prozentuarische 
Verhältniszahlen zu der Gesamtzahl des betreffenden Berufes in ganz 
Baden. Zum Vergleich ist die Tabelle auch noch einmal für die 
Hauptberufsgruppen, Ackerbau, Industrie, Handel und Verkehr u. s. w. 
durchgeführt. 


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| Litera der Abteilung II 


80 


W. Hoffmann. 


[32 


Difitized by 


Berufsgruppeo, Abteilungen und Arten in ihrer Beteiligung an der Zusammensetzung 
der Bevölkerung Badens und ihrer Zusammensetzung aus Erwerbstätigen etc. 


<x> 

& 

2 

o 

Berufsabteilungen, 

Gruppen und Arten 

Zahlen der dem betreffenden 
Beruf Angehörigen in °/o der 
Bevölkerung 

Zusammensetzung der 
Berufsgruppen in Prozent¬ 
zahlen ihrer Gesamtzahlen 
aus: 

u 

a> 

■XJ 

fl 

a> 

s 

s 

3 

55 

| Minimum 
im 

Amtsbezirk 

Landes¬ 

durchschnitt 

Maximum 

im 

Amtsbezirk 

! Erwerbs- 
I thätige 

& i § 

i B 3 

3 1 2 

iS f,h 

Häusliche 

Dienstboten 

Angehörige 

2 

L 3 

< 

5 

6 

■ 7 

8 

9 

10 

Iu.II 

Landwirtsch., Gärt- 









nerei u. Tierzucht, 
Forstwirtsch., Jagd 
und Fischerei . . 

Mannheim 

7,37 

42,4 

Breisach 

71,8 

31,7 

19.3 

1,44 

47,56 

III 

Bergbau, Hütten, Sa¬ 
linen, Torfgruben . 

0 

0.066 

SiDsheim 

1,315 

31,8 

1,2 

1.68 

66,43 

IY 

Industrie der Steine 
und Erden . . . 

Schönau 

0,2725 

2.209 

Eppingcu 

8,86 

38,49 

2,41 

1,13 

57,97 


davon Steinmetzen 

Wicsloch 

0,0888 

0.527 

Eppingen 

6,67 

1 

41,3 

0,43 

0,575 

57,695 

Y 

Metallverarbeitung . 

Bonndorf 

1,025 

4,45 

Pforzheim 

36,0 


5,88 

1,67 

52,73 

VI 

Maschinen, Werk¬ 
zeuge,Instrumente, 
Apparate .... 

Breisach 

0,372 

2.344 

Triberg 

22,4 

j39.77 

139,49 

2,61 

2,31 

55,59 

VII 

Chemische Industrie 

Staufen 

0,03283 

0,631 

Schwetzingen 

4,505 ( 

30,9 

13,4 

5,16 

50,54 

VIII 

Forstwirtschaftliche 
Nebenprodukte, 
Leuchtstoffe, Fette, 
öle, Firnisse . . 

Ad eis heim 

0,00713 

0,2715 

Mannheim ! 

1.039 

32,64 

3,56 

3.79 

60,01 

IX 

Textilindustrie . . 

Wiesloch 

0,0755 

2.51 ! 

Säekingen 

23,2 1 

28,0 

34.0 

1.42 

36,58 

X 

t 

Papierindustrie . 

Pvberbach 

0,0466 

1 i 

0.X2 1 

Lahr 

3,83 

34,9 

12,5 

2,13 

50,47 

XI 

1 !l 

| Lederindustrie . .! 

Breisach i 
0,1712 

0.97 1 

Wein heim 

11,93 | 

1 38,06 

4,14 

2.28 i 

55,52 

XII 

! Holz- und Schnitz-1 
Stoffe.! 

Tanborbischofsh. 

1,38 | 

3,15 

Schönau 

11,94 

39,71 

2,89 

! 

i.5 

55,9 


davon Bürsten- | 

macher .... 

0 * 

0.1938 

Schönau 
9,57 > 

35,3 

18.4 

1.86 i 

44,44 

XIII j, 

i Nahrungs- und Ge- 
1 nussmittel . . . 

Emmendingen 1 
1,56 

i 

1 

5,54 

Wiesloch 1 

27,0 

34,5 | 

20,5 

4.4 i 40,6 


davon Tabakfabri- 1 
kation ..... i 

0 1 

2,14 ! 

Wicsloch ' 

24.55 i[26,9 

44,0 

1,22 

27.88 

XIV 1 

r 

Bekleidung u. Reini- 
I gung . 

Breisach , 
2,47 ! 

1 

4,96 , 

Mannheim 

7,67 27,5 

28,2 

1,18 

43,12 

i 

XV i : 

1 1 

Baugewerbe . . .1, 

Kttenheim i 

3,06 

1 

6,19 1 

Baden 

9,05 *| 

40,84 

0,406 

1,45 

57,3 

! xvi ji 

1 I 

Polygraphisches Ge -1 
werbe. 

i; 

Mosbach 1 
0,0302 

0,45 

Lahr j 

2,68 

44,17 

5,43 

3,36 

i 

47,04 



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Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose Verbreitung in Baden. 


81 


sq 


S£ 

e 

j3 

’S 

£ 

'1 © 

I 04 

i ß« 

3 

' o 

1 .. 

Berufsabteilungen, 

Gruppen und Arten 

Zahlen der dem betreffenden 
Beruf Angehörigen in 0 o der 
Bevölkerung 

Zusammensetzung der 
Berufsgruppen in Prozent¬ 
zahlen ihrer Gesamtzahlen 
aus: 

Litera der A 

i © 
i * 

i i 
i e 

1 B 

3 

Minimum 

im 

Amtsbezirk 

fl” 

Sl 1 

s 

nS 

5 1 

i 

Maximum 

im 

Amtsbezirk 

Erwerbs- 

thätige 

s- a 

s I 

£ 1 2 

S 

Häusliche 

Dienstboten 

Angehörige 


2 

1 3 

4 

6 

17 8 

9 10 

B ; 

XVII 

Künstler und künst- 



Pforzheim 

I 


i 


lerische Betriebe . 

o 

0,213 

2.75 

36,55, 6,75 

3,83 53,47 





, 

Baden 



1 

XVIII 

i 

Zweifelhaft . . . 

• 

0,01255 

0,176 

52,32 2,78 

1,85 43,05 

| 

Summe B Durch¬ 

I Breisach 

, 

Pforzheim 

| j 

i 

j 


schnitt . . 

13,0 

34,8 ; 

61,2 

36,2 12,2 

2,12 ; 49,68 



i 

Bonndorf 

1 

Mannheim 



C i 


Handels-Verkehr 

i 

1 2,33 | 

9,9 ; 

26,0 

30,2 13,9 

5,77 50,03 

1 

D 


i 

Häusliche Dienste, : 


I 


1 



1 

Lohnarbeit wech¬ 

Tauberbischofsh. 

i 

Baden 

1 

i 


i 

1 

selnder Art . . . 1 

0,178 

1 6,8 I 

i , 

2,25 

■20,6 : 40,7 

0,234 38,47 

1 

E ! 

1 

Militär-,Hof-,hürger- 1 


i i 


1 

i 



lieber u. kirchlicher | 

Bühl 

! 

Rastatt j 

j 

j j 


1 

Dienst, freie Berufe 

2,43 

5,5 

13,0 | 

43,6 7,4 

6,86 42,14 


| 

i 

| 

Wiesloch 


Frei bürg 

1 i 

! i 

F 

i 

i 

Ohne Beruf . . . 

! ‘464 

i 

6,6 

14,82 i 

1 

31,2 41,8 

i i 

16,25 | 20.75 

1 


In beiden Abteilungen finden sich die erheblichsten Differenzen 
für die einzelnen Berufe sowohl, als in ihrer Beteiligung an der Zu¬ 
sammensetzung der Bevölkerung in den verschiedenen Amtsbezirken. 
Bis zu 36 °/o der Bevölkerung eines Amtsbezirkes gehört z. B. einem 
Beruf an, wobei derselbe allerdings vielgestalte Spezialberufe um¬ 
fasst. Es ist dies die Metallverarbeitung in Pforzheim, die nächst 
höchste Zahl ist aber die vollkommen einheitliche Tabakfabrikation 
mit über 24°/o in Wiesloch. Der Anteil der nicht im ;Beruf be¬ 
schäftigten Angehörigen an der Gesamtzahl schwankt von 27,88 °/o 
ebenfalls in der Tabaksfabrikation bis zu 60,01 °/o in der Industrie 
der forstwirtschaftlichen Nebenprodukte. Es zeigen sich bei der 
Tabaksindustrie diese beiden Faktoren, der eine, der hohe Prozent¬ 
satz in der Bevölkerung, welcher eine vermehrte Schwindsuchtsmor¬ 
talität der Tabaksarbeiter zum stärkeren Ausdruck in der Gesamt¬ 
mortalität bringt, und der zweite, die allgemeine Mitarbeit der 
Familien, welche die Infektionsgelegenheit auf den Arbeitsplätzen in 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 6 


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82 


W. Hoffmann. 


[34 


den weitesten Kreisen verallgemeinert, besonders ausgeprägt. Dem 
entspricht auch vollkommen die Stellung der Amtsbezirke mit hoher 
Tabaksfabrikation unter den mit Phthise am stärksten durchseuchten. 
Ähnliche Ziffern in Betreff der Bevölkerungszusammensetzung kann 
nur noch die Textilindustrie bieten mit 23,4 °/o der Bevölkerung in 
Säckingen und nur 36,58 °/o nicht Erwerbstätigen. Bei der Textil¬ 
industrie ist aber eine Infektionsgefahr lange nicht so gross als bei 
der Tabaksindustrie infolge der beträchtlicheren räumlichen Trennung 
und der freieren Beweglichkeit der Arbeiter im Arbeitsraum. Einen 
hier vielleicht auch mitspielenden Faktor, den verschiedener Volks. 
rassen in den Tabaks- und Textilindustriegebieten, werden wir später 
noch diskutieren. Für eine grosse Anzahl der in der Tabelle er¬ 
wähnten Gewerbe lässt sich natürlich ein ähnlicher Nachweis nicht 
erbringen, da ihre Beteiligung an der Bevölkerungszusammensetzung 
überhaupt, oder die Schwankungen in den einzelnen Amtsbezirken zu 
gering sind, oder schliesslich sie in hygienischem Sinne zu verschieden 
bewertbare Beschäftigungsweisen enthalten. Für einige wichtigere 
Berufe sind die Prozentsätze der Gesamtberufsklasse in der Bevölke¬ 
rung, sowie in roten Zahlen der Erwerbstätigen allein für die ein¬ 
zelnen Amtsbezirke in Tabelle I Spalte 7—12 angegeben. Es zeigen 
sich nun diejenigen Amtsbezirke, in welchen einzelne Berufe besonders 
stark vertreten sind oder einige wenige zusammen einen grösseren 
Prozentsatz der Bevölkerung darstellen unter denjenigen, welche 
bedeutende Tuberkulosemortalität aufweisen. Ebenso lasst sich für 
die Amtsbezirke, welche hohe Mortalitätsziffern haben, ein starker 
Prozentsatz direkt schädlicher Berufe oder solcher, von denen wir 
einen ungünstigen Einfluss auf die Weiterverbreitung der Tuberkulose 
annehmen dürfen, nach weisen. 

Im einzelnen zeigen die verschiedenen Berufsarten noch Beein¬ 
flussungen durch die mannigfachsten Besonderheiten. Es sei deshalb 
versucht, eine Besprechung der Gruppen noch im einzelnen zu geben, 
welche mit Bezug auf ihren Einfluss auf der Tuberkuloseverbreitung 
am meisten diskutiert worden sind. 

stein- In der Industrie der Steine und Erden ist für die Unterabteilung 

der Steinmetzen die schädliche Einwirkung des Steinstaubes auf 
die Lungen eine allgemein anerkannte Tatsache. So sterben nach 
Sommerfeld (22) 35 auf 1000 lebende Steinmetzen an Phthise, und 
das durchschnittliche Lebensalter schwankt zwischen 36 und 45 Jahren. 

Die Art der Erwerbsthätigkeit bedingt eine nur geringe Beteiligung 
der Frauen, der sich für Baden mit nur 0,43°/o darstellt. Auch von 
diesen ist keine Arbeit am Stein anzunehmen, sondern sie figurieren 
als Geschäftsinhaberinnen, Buchführerinnen eventuell auch als Zeich- 


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35] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


83 


nerinnen. Die Infektionsgelegenheit findet sich meist ausserhalb des 
Arbeitsplatzes, da sich dieser meist im Freien oder in nur einseitig 
geschlossenen Schuppen befindet, und weite Entfernungen die einzelnen 
Arbeiter trennen. Die Infektion ist daher vielfach Familieninfektion. 
Eine Verschiedenheit derselben für Mann und Frau besteht darin, 
dass die Frauen durch die Pflege der Kranken, und ihren längeren 
Aufenthalt im Hause den Infektionsquellen in erhöhtem Masse aus¬ 
gesetzt sind als die Männer. Trotzdem ist eine häufigere Erkrankung 
der Männer zu beobachten; diese ist der Ausdruck der Schädigung 
durch den Steinstaub, der trotz anscheinend gegenüber den Frauen 
verminderter Infektionshäufigkeit eine Mehrerkrankung und grössere 
Mortalitätsziffern für die Männer herbeiführt. Für einen Ort von 
mehr als 1800 Einwohner, wo diese Verhältnisse durch eigene Unter¬ 
suchungen ermittelt wurden, stellt sich ein Unterschied von 2,6°/oo 
zu Gunsten der Frauen heraus. 

Da dieser Beruf an das geographische Vorkommen brauchbarer 
Gesteinsarten gebunden ist, die sich oft nur auf kleine Bezirke be¬ 
schränkt finden, so treffen wir zerstreut Ortschaften, deren ganze 
Industriethätigkeit fast allein diesem Berufszweig gewidmet ist. Diese 
Orte sind häufig als „Schwindsuchsnester a landeskundig. In den 
einzelnen Amtsbezirken insgesamt erreicht dieser Beruf nur selten 
eine so hohe Prozentziffer, dass man Beziehungen zur Mortalitäts¬ 
ziffer der Gesamtbevölkerung an Tuberkulose aufstellen könnte. Es 
fällt aber sofort die starke Verbreitung der Steinhauerei in Eppingen 
auf, 2,45 Erwerbsthätige, mit Angehörigen 6,67 °/o der Bevölkerung, in 
Eppingen, einem Amtsbezirk, der günstige Gesundheitsverhältnisse 
darbietet. Der Verbreitung der Steinhauerei entsprechend, hätte 
man bedeutend höhere Mortalitätsziffern erwarten sollen. Nun ist 
aber in Eppingen die Steinhauerei der einzig bedeutendere Industrie¬ 
zweig, die Gesamtindustrie erreicht nur eine Beteiligung von 27°/o 
in der Bevölkerung, so dass ihr ungünstiger Einfluss durch den 
günstigen der stark verbreiteten Landwirtschaft weit überkompen¬ 
siert wird. 

Ausserdem ist die Verarbeitung der verschiedenen Gesteinsarten 
von äusserst verschiedenem Einfluss auf die Atmungsorgane. Granit 
und Kalkstein haben überhaupt fast keinen nennenswerten Einfluss, 
und auch der Keupersandstein der Eppinger Gegend ist in keiner 
Weise in seiner Schädigung der Atemorgane dem Buntsandstein der 
Wertheimer und Eberbacher Steinbrüche gleichzusetzen. Dort zeigt 
sich in den Steinhauerorten eine erschreckende Tuberkulosehäufigkeit, 
z. B. ergab sich für das im Bezirk Wertheim gelegene, einer ge¬ 
naueren Analyse unterzogene Freudenberg im Zeitraum 1870—1900 

6 * 


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84 


W. Hoffmann. 


[36 


eine Durchschnittsmortalität an Tuberkulose (Schwindsucht und ander¬ 
weitigen tuberkulösen Krankheiten) von 9,3 auf 1000 Lebende männ¬ 
lichen Geschlechts, und 6,7 weiblichen. Ähnliche, zum Teil noch 
höhere Zahlen finden sich an anderen Orten. Für mehr als die 
Hälfte der Erwachsenen ist die Tuberkulose die Todesursache. Der¬ 
artig schwer durchseuchte, vielfach als Enklave in gesunder Gegend 
liegende Ortschaften, eignen sich in vorzüglicher Weise für den An¬ 
fang einer auf Ortsanalysen aufgebauten statistischen Forschung. Der 
erste tastende Versuch einer solchen, an dem schon erwähnten Freuden¬ 
berg ausgeführt, soll gewissermassen den zweiten Teil dieser nur all¬ 
gemeineren und vorbereitenden Arbeit bilden. 

Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Tabaksindustrie. Ich 
schliesse mich zunächst den allgemeinen Ausführungen an, die Wörris- 
hofer (30) der Arbeit über die soziale Lage der Tabaksarbeiter voraus¬ 
schickt. Die Tabaksindustrie hat ihre Hauptverbreitung in den am 
wenigsten fruchtbaren Teil der Rheinebene und in wenigen Orten 
des angrenzenden Hügellandes. Vorzugsweise handelt es sich dabei 
um zwei geschlossene Komplexe; der grössere derselben liegt in der 
badischen Pfalz — den Amtsbezirken Schwetzingen, Wiesloch, Bruchsal 
und den angrenzenden Teilen der Amtsbezirke Heidelberg, Mannheim, 
Weinheim und Sinsheim entsprechend. Der andere weniger dicht be¬ 
setzte Bezirk umfasst die Rheinebene zwischen Offenburg und Frei¬ 
burg, vorzugsweise die Amtsbezirke Emmendingen, Ettenheim und die 
Stadt Lahr. In diesen Bezirken gehören etwa 5—25°/o der Be¬ 
völkerung den Cigarrenarbeitern an. 

Bei der grossen Zahl der Erwerbstätigen in den Cigarrenarbeiter¬ 
familien — ca. 70°/o — bei der starken Beteiligung der Frauen, 
auch der verheirateten, — 44°/o der Gesamtheit — ist es verständlich, 
dass bei Mängeln in der Verhütung von Infektionsgefahr auf den 
Arbeitsplätzen eine schnelle Verbreitung der Tuberkulose stattfinden 
kann. Ein Vergleich der Karten über Tuberkuloseverbreitung und 
Verbreitung der Tabaksindustrie zeigt nun weitgehende Überein¬ 
stimmung. 

Eine besonders augenfällige Schädlichkeit ist durch die Eigenart 
des Materials soweit ersichtlich nicht gegeben, sondern durch die Art 
der Erledigung der Arbeit, der unglücklichen Kombination der 
arbeitenden Personen und der grossen Verbreitung dieses Berufs- 
zweiges dort, wo er überhaupt ernstlich betrieben wird. Es sind 
also keine prinzipiell eigenartigen Faktoren, wie sie z. B. in beson¬ 
derer Schädlichkeit des Tabaksstaubes gesucht wurden, der sogar 
eine allerdings dem Pathologen unbekannte Tabakosis der Lungen 
erzeugen sollte, sondern die gleichen auch in anderen Berufsarten 


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37] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkulose Verbreitung in Baden. 


85 


wirkenden Einflüsse zeigen sich hier in besonderer Steigerung und 
besonders verhängnisvoller Kombination. 

Die Tabaksindustrie steht hinsichtlich ihres Einflusses auf die 
Art der Tuberkuloseverbreitung in einem gewissen Gegensatz zur 
Steinhauerei. Während bei letzterer die durch den Steinstaub ge¬ 
schädigten Lungen der Arbeiter der Infektion in Familien und 
sonstigem Verkehr leichter preisgegeben sind, ist bei der Tabaks¬ 
industrie die Infektionsgefahr an der Arbeitsstätte vermehrt: die 
Arbeitsplätze oft direkt gegenüber mit knappstem Abstand voneinander, 
— die günstigsten Bedingungen zur Tröpfcheninfektion — der Fuss- 
boden mit trockenem pflanzlichem Staub bedeckt, der eine Austrock¬ 
nung und Verbreitung des Auswurfs der Kranken begünstigt. Dabei 
sind letztere infolge der geringeren körperlichen Anstrengung, welche 
die Cigarrenfabrikation erfordert, oft bis in ein weit vorgeschrittenes 
Stadium ihrer Krankheit befähigt, ihren Beruf auszufüllen. 

Interessante Details zu dieser Frage bringen die schon früher 
erwähnten Berichte der Bezirksärzte an die Regierung. So berechnet 
Klehe in Bruchsal für die Gesamtbevölkerung eine Mortalität an 
Tuberkulose von 2,6 auf 1000 Lebende, für die Cigarrenarbeiter von 
7,4. Die Zahlen stützen sich allerdings nur auf das eine Jahr 1900, 
um allzugrossen Anspruch auf Konstanz machen zu können, sind trotz¬ 
dem jedoch sehr beachtenswert. 

In einem den erwähnten Berichten vorangehenden Sammelreferat 
stellt Hauser (Karlsruhe) für die einzelnen Amtsbezirke die Orte 
mit Cigarrenindustrie denen ohne dieselbe gegenüber. Er gelangt zn 
den nebenstehenden tabellarisch geordneten Resultaten, für deren 
Überlassung ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aus¬ 
spreche. Die Erhebungen sind für das Jahr 1899 angestellt. Als 
Massgabe für die Zuverlässigkeit der auf 1000 Lebende bezogenen 
Mortalitätsziffer und der von mir zugefügten prozentualen Anteil- 
ziflfem der Tabakarbeiterbevölkerung sind daneben die absoluten 
Zahlen der Bevölkerung gesetzt, auf die sie sich beziehen. Es zeigt 
sich nun in 15 von 21 Amtsbezirken, in denen sich eine solche 
Gegenüberstellung ausführen lässt, eine zum Teil recht beträchtliche 
Steigerung der Tuberkulosemortalität in den Orten mit Tabaksindustrie, 
in sechs anderen Amtsbezirken findet das Umgekehrte statt. Die 
Summe der Orte mit Tabakindustrie zeigt eine Mortalität von 2,44 
gegen 1,4 der Orte ohne Tabakindustrie. In dieser Zusammen¬ 
stellung finden sich jedoch auch Amtsbezirke mit inbegriffen, in 
denen der Prozentsatz der Tabaksarbeiterbevölkerung selbst in den 
Tabaksindustrieorten weit unter l°/n der Bevölkerung bleibt; dass 
hier die Unterschiede der Zahlen vielfach auf zufällige Schwan- 


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86 


W. Hoffmann. 


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[38 

kungen oder andere, wichtigere Einflüsse zurückzuführen sein dürften, 
bedarf keiner Erörterung. Bis zu einem gewissen Grade vergleichs¬ 
fähig sind die in der Tabelle durch Fettdruck hervorgehobenen Amts¬ 
bezirke, die eine prozentuarische Beteiligung der Tabakarbeiterbe¬ 
völkerung von über 2°/o aufweisen und in denen gleichzeitig die ab¬ 
solute Zahl der Tabakarbeiter eine bedeutendere Höhe zeigt. Bei 
diesen weisen in bedeutender Mehrheit die Orte mit Tabaksindustrie 
beträchtlich höhere Mortalitätszahlen auf als die ohne dieselbe. Das 
umgekehrte Verhältnis zeigen nur Lahr und Sinsheim. Von diesen zeigt 
Sinsheim so geringe Unterschiede 0,3, dass die Differenz auf einem nur 
durch Zufall das Jahr betreffenden Verhalten beruhen kann. Als Bei¬ 
spiel hierfür zeigt Weinheim in einem anderen Jahre eine grössere Tuber¬ 
kulosemortalität in den Orten ohne Tabakindustrie. Ausserdem könnte 
durch andere Berufe, die sich in den nicht mit Tabaksindustrie be¬ 
schäftigten Orten finden, eine Erhöhung der Schwindsuchtsmortalität 
dieser herbeigeführt werden; so z. B. im Bezirk Weinheim durch 
die Industrie der Holz- und Schnitzstoffe, welche mit einer Verbrei¬ 
tung von über ll°/o die häufigste Berufsart darstellt. Eine ganz be¬ 
sondere Stellung nimmt Lahr ein. Dort findet sich die Tabaksindustrie 
seit langem eingebürgert und hat ihren Sitz in der Stadt Lahr selbst, 
während sonst die Tabakindustrie gerade die Landbezirke aufgesucht 
hat. Ausserdem handelt es sich in Lahr fast ausschliesslich um 
Schnupftabaksfabrikation, für die andere Faktoren massgebend sind 
als für die Cigarrenfabrikation. Zeigen sich doch auch in dieser 
verschiedene Verhältnisse der Tuberkulosemorbidität und -Mortalität 
für die einzelnen Beschäftigungen, so dass die Cigarren- und Wickel¬ 
macher den grössten Prozentsatz Phthisiker stellen. Die enorm hohe 
Sterblichkeitsziffer in den Orten ohne Tabaksindustrie im Amtsbezirke 
Lahr dürfte sich als eine das Jahr betreffende Zufälligkeit heraus- 
stellen, da es sich um eine Promilleberechnung aus nur elf Fällen 
handelt. Es zeigt sich hier, dass eine Verwertung nur eines Jahr¬ 
ganges schon bedeutende Unsicherheiten in der Aufstellung statisti¬ 
scher Folgerungen herbeiführt. Die Summe dieser Amtsbezirke mit 
starker Tabakfabrikation zeigt ein Verhältnis der Mortalitätsziffern 
von 3,0 in den Orten mit zu 1,9 in den Orten ohne Tabakindustrie. 

Für diejenigen Amtsbezirke, in denen sich ausser der Cigarren¬ 
fabrikation andere industrielle Berufszweige nur wenig verbreitet 
finden, sondern die übrige Bevölkerung hauptsächlich Ackerbau treibt, 
wie Emmendingen, Ettenheim, Bruchsal, Schwetzingen zeigt sich diese 
Vermehrung der Mortalität an Schwindsucht in den Tabaksindustrie¬ 
orten am reinsten und deutlichsten. Das Gleiche gilt für die Land¬ 
bezirke von Heidelberg und Mannheim, wo infolge des Übergewichts 



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39] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


87 


Tabelle Ober die Mortalität an Schwindsucht für die Amtsbezirke Badens mit 
bedeutenderer Tabakindustrie (unter teilweiser Benützung einer Tabelle von 
Hauser mit Ausnahme von Spalte 3, 6 und 7 und der Summenbildung). Trennung 
der Orte mit und ohne Tabakindustrie. Fettgedruckt: Amtsbezirke mit mehr als 
2 °/o Cigarrenarbeiter oder mehr als 1000 in absoluter Zahl. 



Gesamter Amtsbezirk 

! Orte mit Tabakindustrie 

1 Orte ohne 


_ 



1 




| Tabakindostrie 

Namen 

der Amtsbezirke 

Einwohnerzahl 

Prozentzahl der 
Tabakarbeiter¬ 
bevölkerung 

Mortalität an 
Tuberkulose auf 
1000 Lebende 

Einwohnerzahl 

Zahl der 
Tabakarbeiter- 
bevölkernng 

Prozentzahl der 
Tabak ar bei ter- 
bevölkerung 

Mortalität an 
Tuberkulose auf 
1000 Lebende 

Einwohnerzahl 

Mortalität an 
Tuberkulose anf 
1000 Lebende 

l 

2 

» 

* 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

Konstanz . . . 

47186 

0,1495 

2,0 

19974 

70 

0,35 

2,3* 

27212 

1,7 

Breisach . . 

19587 

0,388 

1,7 

3365 

77 

2,28 

3,2* 

16222 

1,4 

Emmendingen. 

47696 

5,5 

2,0 

34907 

2665 

7,68 

2,6* 

12789 

0,4 

Ettenheim . . 

17826 

7,92 

1,8 

15618 

1408 

9,06 

2,0* 

2208 

0,4 

Freiburg . . . 

80517 

0,2106 

2,5 

54253 

168 

0,31 

3,5* 

26264 

0,6 

Kehl. 

28450 

1,316 

1,5 

13052 

369 

2,74 

1,6* 

15598 

1,5 

Lahr , . . . 

87608 

10,82 

2,8 

85060 

8845 

10,95 

2,1 

2548 

4,8* 

Offenbarg . . 

54004 

2,24 

2,7 

40724 

1197 

2,94 

8,0* 

13370 

1,4 

Achern .... 

23427 

0,3125 

3,0 

5175 

72 

1,39 

2,3 

18252 

3,1* 

Baden .... 

28640 

0,1566 

2,8 

18758 

49 

0,26 

3,3* 

9882 

1,8 

Bühl. 

30116 

0,307 

1,6 . 

5498 

91 

1,65 

1,0 

24618 

1,7* 

Darlach . . . 

35368 

1,012 

2,4 

21771 

350 

1,6 

2,5* 

13597 

2,2 

Karlsruhe . . . 

117392 

0,297 

2,8 

91484 

361 

0,395 

2,6 

25908 

3,3* 

Sinsheim. . . 

84492 

3,66 

1,6 

14979 

1272 

8,48 

1,4 

19513 

1,7* 

Eberbach . . . 

14723 

1,126 

1,6 

5478 

169 

3,1 

2 ,0* 

9245 

1,5 

Mosbach . . . 

30324 

0,2415 

1,6 

1064 

74 

6,95 

0,9 

29260 

1 ,6* 

Bruchsal. . . 

60660 

8,48 

3,08 

50586 

5006 

9,56 

3,1* 

10124 

2,8 

Mannheim . . 

128739 

2,16 

3,06 

120976 

2628 

2,16 

3,0* 

2768 

1,4 

Schwetzingen . 

82988 17,48 

3,7 

31499 

5718 

18,1 

8,8* 

1484 

1,3 

Weinheim . . 

22642 

1,486 

2,08 

6082 

885 

5,5 

2,46* 

16560 

1,87 

Heidelberg . . 

81728 

5,605 

8,4 

62956 

4578 

7,26 

8,6* 

18772 

2,6 

Wiesloch . . . 

22536 

24,55 

3,4 

22536 

i 

5524 

24,55 

3,4 

— 

— 

Gesamtsumme . 
Saume der fett¬ 

991679 

3,63 

2,6 | 

1 

675745 

! 

36031 

5,33 i 

1 

2,94 

1 

315934 

1,9 

gedruckten Amt*- 
bezirke .... 

513413 

5,59 

2,79 jj 413387 

28689 

6,99 

8,00 

100076 

1,9 


* Die grösseren Mortalit&tszahlen in Spalte 8 and 10 sind durch 8ternchen herrorgehoben. 


der grossen Städte mit beruflich gemischter Bevölkerung für den 
ganzen Bezirk die Zahlen weniger deutlich zum Ausdruck kommen. 
Es zeigt sich auch hier wieder das Erfordernis detaillierter, für den 
bestimmten Zweck erhobener Einzelerhebungen an kleineren Objekten 
nach einheitlichem Schema und erst sekundärer Zusammensetzung zu 
umfassenderer Statistik. Es ist dies ein Erfordernis, um das wir 
nicht herumkommen, soll überhaupt der Versuch gemacht werden, 
auf statistischem Wege der Verbreitungsart und den Verbreitungsbe¬ 
dingungen der Tuberkulose näher zu kommen. 


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88 


W. Hoffmann. 


[40 


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Ähnliche Betrachtungen, wie sie für den Einfluss der Tabaks¬ 
industrie auf die Tuberkuloseverbreitung angestellt wurden, haben 
auch für die anderen Berufszweige ihre Gültigkeit. Es ist überall 
die Wechselwirkung zwischen Schädigung der Atemorgane durch und 
während der Arbeit, Infektionsgefahr auf dem Arbeitsplatz und den 
aus der Zusammensetzung der betreffenden Bevölkerung resultieren¬ 
den Faktoren: Anzahl der Erwerbstätigen — Männer und Frauen — 
und nicht im Beruf thätigen Angehörigen, und Prozentverhältnis der 
gesamten Berufsgruppe zur Bevölkerung, w r elche uns Rückschlüsse auf 
die Tuberkulosenverbreitung in der betreffenden Gegend gestatten. 
Welche anderen Faktoren sonst noch im Spiele sind, darüber konnte 
die vorläufige Untersuchung noch nicht überall den gewünschten Auf¬ 
schluss geben. Es bleibt der auf der Einzelbeobachtung aufgebauten 
Statistik vielleicht und hoffentlich Vorbehalten, hierin manches Licht 
zu verbreiten. 


Disposition. 

Ein Punkt, der zur Pathogenese der Schwindsucht in innigste 
Beziehungen gebracht wird, hat bisher noch keine Erwähnung ge¬ 
funden. Es ist dies die Disposition. Es sei mir erlaubt, die um¬ 
fangreiche, widerspruchsvolle Literatur über diesen Gegenstand zu 
übergehen, da dieselbe in späteren Ausführungen eine ausgedehnte 
Besprechung finden soll. Nur soviel sei hier hervorgehoben, dass 
unter Disposition von den verschiedenen Autoren das Verschiedenste 
verstanden wird, das nur das einzig Gemeinsame hat, Ausdruck einer 
verminderten Widerstandskraft des Individuums gegen die Tuberkulose 
zu sein. Fassen wir daher vorläufig den Ausdruck Disposition als 
einen derartigen Sammelbegriff auf, ohne ihm eine ins Detail gehende 
Bedeutung beizulegen. 

Nehmen wir nun mit der Mehrzahl der Ärzte das Bestehen einer 
solchen individuell wechselnden Disposition an, so kann sie wohl, wie 
schon früher bemerkt, für das einzelne Individuum von grösster Be¬ 
deutung sein, ob es Tuberkulose acquiriert oder nicht, für die grosse 
Masse kommt sie statistisch nicht zum Ausdruck, da diese gleieh- 
mässig aus Disponierten und Nichtdisponierten zusammengesetzt ist. 
Nicht die Zahl der Erkrankungen kann also durch die Disposition 
beeinflusst werden, sondern nur die Auswahl der erkrankenden Indi¬ 
viduen. 

Erst wenn bei einem Vergleich zweier Bevölkerungsgruppen, z. B. 
zweier Bezirke mit gleichen Infektionsgelegenheiten und Häufigkeit 
derselben sich verschiedene Erkrankungsziflfern finden, kann man an 



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41] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


89 


eine für die beiden Bezirke verschiedene Zusammensetzung aus Dis¬ 
ponierten und Nichtdisponierten denken. Die Art der Disposition, 
welche also bei dem von uns gebrauchten Einteilungsmodus in Be¬ 
tracht käme, wäre die Rassendisposition. Anhaltspunkte für das Be¬ 
stehen desselben finden sich in der verschiedenen Tuberkulosehäufig¬ 
keit verschiedener Völker, die sich z. B. auch in den verschiedenen 
Krankheitsziffern der Soldaten aus verschiedenen Volksstämmen der 
östreichisch-ungarischen Monarchie zeigt. 

Es fragt sich nun, ob sich aus den für Baden aufgestellten 
Zahlen ähnliche Wahrnehmungen gewinnen lassen. Baden ist der 
Hauptsache nach von zwei Volksstämmen bewohnt, dem alemanni¬ 
schen im Süden und einem hauptsächlich fränkischen Mischstamm 
im Norden. Die Grenze beider stellt etwa die Kinziglinie dar in der 
Weise, dass die nach Norden sich öffnenden Längstäler des Schwarz¬ 
walds noch der die Alemannen zurück drängenden fränkischen Be¬ 
völkerung als Eingangspforte dienten. 

Nun fällt allerdings ein gewisser Gegensatz in der Tuberkulose¬ 
verbreitung im Norden und Süden sofort in die Augen. Aber wir 
haben gesehen, dass sich die meisten der die Verbreitung der Tuber¬ 
kulose begünstigenden Momente auch im Norden häufiger finden, als 
im Süden. In allen Fällen scheinen diese jedoch nicht zur Erklärung 
des Gegensatzes auszureichen, sondern noch eine Lücke zu lassen, 
für deren Ausfüllung sich vielleicht in der Heranziehung einer solchen 
Rassendisposition ein Mittel finden Hesse. 

Nehmen wir als erstes Beispiel den Gegensatz der grossen Tabaks- 
industriegebiete im Norden und Süden. Die äusseren Verhältnisse 
sind sich sehr ähnlich, es zeigen sich nur geringe Verschiedenheiten 
in Höhe, Klima, Bodenbeschaffenheit. Der Unterschied in der Zu¬ 
sammensetzung der Bevölkerung aus Ackerkau- und Industrietreiben¬ 
den lässt zwar einen Vorteil zu Gunsten des Südens erkennen, das 
Verhältnis ist dort etwa 1:1, während im Norden die Industrie 
die Landwirtschaft überwiegt. Auch der spezielle Anteil der Tabaks¬ 
fabrikation erreicht im Süden kaum 10°/ 0 , während er im Nor¬ 
den durchweg darüber, vereinzelt sogar über 20 °/ 0 beträgt. Der 
Unterschied in der Tuberkulosemortalität ist jedoch so beträchtlich, 
dass man diese Momente nicht gut allein dafür verantwortlich machen 
kann, sondern dass es gerechtfertigt erscheint, hier Einflüsse der 
Rassendisposition in Diskussion zu ziehen. 

Noch deutlicher zeigt sich der Unterschied in den nicht mit 
Tabakfabrikation beschäftigten Orten beider Komplexe, wo also die 
erwähnten anderen Einflüsse sich nicht geltend machen können. Dies 
sind hier wie dort fast reine Ackerbauorte. Und doch ein gewal- 


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Original fro-m 

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90 


W. Hoffmann. 


[42 


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tiger Unterschied in der Tuberkulosemortalität 0,4 °/ 00 im Süden 2— 
3°/ 00 und darüber im Norden. 

Im gleichen Sinne spricht der geringe sich bemerkbar machende 
Einfluss der Textilindustrie, die hauptsächlich in den südlichen Be¬ 
zirken ihren Sitz hat, im gleichen Sinne der Gegensatz in der 
Schwindsuchtsterblichkeit zwischen den südlichen Bezirken mit starker 
Industrie der Holz- und Schnitzstoffe, insbesondere Bürstenfabrikation 
und dem nördlichen Weinheim. Es sind dies Fragen zu deren Auf¬ 
stellung uns dieses Übersichtsbild Anlass gibt, deren Beantwortung 
aber erst nach eingehenderen Detailstudien möglich sein wird. Vor¬ 
läufig muss in der Dipositionsfrage auf Grund der vorliegenden Zahlen 
und Erörterungen dahin entschieden werden: auf statistischem Wege 
kann kein Nachweis geliefert werden, dass sie nicht bestehen kann; 
ob sie jedoch der richtige Schlussstein ist, um gewisse noch offene 
Lücken in Ringe der Beweisführung zu schliessen, darauf kann als 
Antwort einstweilen nur ein non liquet erfolgen. 


Schlusssätze. 

Fassen wir die Hauptgesichtspunkte und Ergebnisse der vor¬ 
liegenden Arbeit noch einmal kurz zusammen, so zeigt sich für das 
Grossherzogtum Baden ein Zusammenhang der geographischen Ver¬ 
breitung der Tuberkulose mit folgenden Verhältnissen: 

Mit zunehmender Erhebung über den Meeresspiegel, 
sinkt die Tuberkulosemortalität der Bewohner. Dieses Ab¬ 
sinken wird gesteigert. 

1. Durch den häufigeren Betrieb der Landwirtschaft in 
grösserer Höhe, 

2. vielleicht durch geringere Volksdichte, 

3. durch im einzelnen nicht eliminierbare Faktoren, die mit dem 
geographischen Höhenbegriff in direkterem Zusammenhang 
stehen, über deren Art aber noch zu wenig bekannt ist. 

Für den Einfluss bestimmter Berufsarten auf dieSchwind- 
suchtsverbreitung innerhalb der ganzen Bevölkerung kommt in Be¬ 
tracht : 

1. ihre prozentuarische Beteiligung an der Zusammen¬ 
setzung der Bevölkerung. 

2. Die Zusammensetzung der betreffenden Berufs¬ 
art aus Erwerbstätigen, — wobei eine ausgedehnte Er¬ 
werbstätigkeit der Frauen im allgemeinen einen Nachteil 
bedeutet, — und nicht in Beruf beschäftigten Angehörigen. 



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43] 


Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. 


91 


3. Schädigung durch den Beruf oder vermehrte In¬ 
fektionsgefahr an dem Arbeitsplatz. 

Im allgemeinen zeigt sich Zunahme der Tuberkulose¬ 
mortalität mit Zunahme der Industrie und Abnahme der 
Landwirtschaft. 

Kein Einfluss konnte auf statistischem Wege nachgewiesen werden 
für Armut, Ernährungsweise, Alkoholkonsum. Doch ist hier noch eine 
Kontrolle der verwandten Zahlen im Detail abzuwarten. 

Ein Gegensatz in der geographischen Verbreitung besteht zwi¬ 
schen Krebs und Tuberkulose, indem sich letztere mehr im Norden 
zu hohen Mortalitätsziffern aufschwingt, während der Krebs im .Süden 
bedeutendere Zahlen erreicht. 

Ein Einflu ss einer Rassendisposition ist wahrschein¬ 
lich, doch exakt einstweilen noch nicht nachzuweisen. 

Zum Schlüsse meiner Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, 
Herrn Geheimen Hofrat Dr. Kn au ff und Herrn Professor Brauer 
meinen Dank auszusprechen für die mannigfachen Anregungen, die 
zur Formulierung der Fragestellung führten, insbesondere aber letzterem 
zu danken für freundliche Unterstützung bei der Abfassung der Arbeit. 


Literaturverzeichnis. 


1. Aufrecht, Zur VerhütuDg und Heilung der Lungentuberkulose. Wien 1898. 

2. Brauer, Die Verbreitung der Tuberkulose in Tabakfabriken. Bericht über 
den Kongress zum Bekämpfen der Tuberkulose als Volkskrankheit. 1899. 

3. Brehmer, Die Gesetze und Heilbarkeit der chronischen Lungentuberkulose. 
Berlin 1856. 

4. Cor net, Die Tuberkulose. Notnagels Handbuchs. Wien 1900. 

5. Derselbe, Über Tuberkulose. Leipzig 1890. 

6 . Derselbe, Über einige der nächsten Ziele der Tuberkulosenforschung. 
Zeitschr. f. Tbc. u. Hstw. Bd. V. p. 48. 

7. Köhler, Allgemeines über die Ausbreitung und Bedeutung der Tuberkulose 
als Volkskrankheit. Kongressbericht 1899. 

8 . Krieger, Beziehungen zwischen den äusseren Lebensverhältnissen und der 
Ausbreitung der Tuberkulose. Kongressbericht 99. 

9. Kuthy, Die Ausbreitung der Lungenschwindsucht in Ungarn. Kongress¬ 
bericht 1899. 


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92 W. Boffmann. Beitrag zur Kenntnis der Tuberkuloseverbreitung in Baden. [44 

10. Lnbarsch-Ostertag, Lubarscb, Infektionswege nnd Krankheitsdisposition. 
Ergebnisse der allgemeinen Pathologie und pathol. Anatomie. 

11. Martins, Pathogenese innerer Krankheiten. Leipzig u. Wien. Fr. JDeuticke. 
1900. 

12. Meyer, Über das Vorkommen von Tuberkulose bei den Berliner Buch¬ 
druckern und Schriftsetzern. Kongressbericht 1899. 

13. Moritz, Zur Verbreitung der Tuberkulose unter den mit Staubentwickelung 
verbundenen Berufsarten. Kongressbericht 1899. 

14. Naus, Konstitutionspathologie. Pathologie der Zukunft. München 1901. 

15. Neu mann, Die Veränderungen der Volksdichte im südlichen Schwarz¬ 
wald 1852-1895. Freiburg i. B. 1896. 

16. Ransome. The Constitution of infection by Tubercle. Zeitschr. f. Tuberk. 
u. Heilstättenwesen. Bd. I. p. 7. 

17. Reibmeier, Die Ehe Tuberkulöser und ihre Folgen. Leipzig und Wien 

1894. 

18. Derselbe, Inzucht und Vermischung beim Menschen. Leipz. u. Wien 1897. 

19. Riffe], Erblichkeit der Schwindsucht und tuberkulösen Prozesse. Karls¬ 
ruhe 1891. 

20. Derselbe, Mitteilungen über Erblichkeit und Infektiosität der Schwind¬ 
sucht Leipzig 1892. 

21. Derselbe, Weitere pathologische Studien Uber Schwindsucht und Krebs 
und einige andere Krankheiten. 

22. Rubner, Lehrbuch der Hygiene, p. 886 ff. 

23. Schmid, Die Verbreitung der Tuberkulose in der Schweiz. Kongress zur 
Bekämpfung der Tuberkulose. 1899. 

24. Statistisches Jahrbuch für Baden. 1891—1900. 

25. Statistische Mitteilungen für Baden. 1891—1900. 

26. Stralmann, Die Tuberkulose unter den Stahlschleifern. Kongressbericht 93. 

27. Topographische Karte für das Grossherzogtum Baden. 

28. Uhlig, Die Veränderungen der Volksdichte im nördlichen Baden 1852— 

1895. Stuttgart 1898. 

29. Virchow, Virchows Archiv für pathologische Anatomie. Bd. II. p. 170. 

30. Wörrishofer, Die soziale Lage der Cigarre narbeiter im Grossherzogtum 
Baden. Karlsruhe 1890. 

31. Derselbe, Die soziale Lage der Fabrikarbeiter in Mannheim. Karlsruhe 
1891. 

32. Derselbe, Über den Einfluss sozialer Verhältnisse auf die Häufigkeit der 
Schwindsuchtstodesfälle. Kongressbericht 1899. 

33. Würzburg, Über den Einfluss des Alters und Geschlechts auf die Sterb¬ 
lichkeit an Lungenschwindsucht. Mitteilungen aus dem Kaiserlichen Gesund¬ 
heitsamte. 2. 1884. 



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Aus der medizinischen Klinik zu Heidelberg (Geh.-Rat Erb). 


Lupus follicularis disseminatus. 

Von 

Prof. Dr. S. Bett mann. 


Das Gebiet der tuberkulösen Erkrankungen der Haut bat eine 
fortschreitende Erweiterung erfahren. Es ist nicht nur geglückt, für 
eine Reihe dermatologischer Krankheitsformen die Zugehörigkeit zur 
Tuberkulose anatomisch wie bakteriell mit voller Sicherheit zu er¬ 
weisen, sondern es ist auch der Versuch gemacht worden, der Haut¬ 
tuberkulose einen ganzen neuen Bezirk von Affektionen anzugliedern, 
die ätiologisch nicht auf den Tuberkelbacillus selbst, sondern auf Wir¬ 
kung seiner Toxine zurückgeführt werden sollen. Es handelt sich 
dabei um Dermatosen, die von französischen Autoren als Tuberkulide 
(Darier) oder Toxi-Tuberkulide (Hallopeau), von Boeck dagegen 
als Exantheme der Tuberkulose zusammengefasst werden, und die 
nach Boecks Definition zwar den Nachweis der Tuberkelbacillen 
vermissen lassen, aber so häufig oder so konstant bei Individuen auf- 
treten, die früher oder später sich als tuberkulös infiziert erweisen, 
dass man aus diesem Grunde berechtigt oder vielmehr gezwungen ist, 
diese Ausschläge mit der Tuberkulose in Verbindung zu setzen. Es 
wird demnach eine durch Vermittelung von Toxinen erfolgende Fern¬ 
wirkung der Tuberkelbacillen auf die Haut angenommen. 

Diese Gruppe der Tuberkulide hat, wenn ihre Existenz in dem 
definierten ^inne überhaupt anerkannt werden darf, grosse praktische 
Wichtigkeit für den Dermatologen wie für den praktizierenden Arzt 
überhaupt. Boeck verweist auf die prämonitorische Bedeutung, die 
solche Eruptionen gewinnen müssten, wenn sie als sichere Zeichen 
einer tuberkulösen Infektion des betreffenden Organismus betrachtet 


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94 


S. Bettmann. 


o 


werden dürften. Allein eine solche praktische Bedeutung der Tuber¬ 
kulide steht noch durchaus in Frage, solange nicht wenigstens eine 
einigermassen sichere Abgrenzung des Gebietes erfolgt ist, — und 
diese stösst begreiflicherweise auf Schwierigkeiten, da bei der Auf¬ 
stellung der ganzen Gruppe ein hypothetischer ätiologischer Gesichts¬ 
punkt massgebend war, der von den Tuberkuliden weder in den 
klinischen Erscheinungsformen noch im histologischen Bau gemein¬ 
same Charaktere untereinander oder andererseits eine erkennbare Be¬ 
ziehung zur Tuberkulose verlangt und ein negatives bakteriologisches 
Ergebnis voraussetzt. So findet sich beispielsweise unter den Tuber¬ 
kuliden neben neu geschaffenen Krankheitsbildem (Folliclis, Acnitis) 
der Lupus erythematodes, für dessen tuberkulöse Natur alle Be¬ 
mühungen kein genügend beweiskräftiges Material haben Zusammen¬ 
tragen können. 

Nun existiert ein Grenzgebiet zwischen den anerkannt tuber¬ 
kulösen Erkrankungen der Haut und jenen Tuberkuliden. Ihm ge¬ 
hören Affektionen an, deren tuberkulöse Natur im höchsten Grade 
wahrscheinlich, aber vielleicht nicht bis zu dem Masse gesichert er¬ 
scheint, dass man sie ohne Reserve der Tuberkulose unterordnen 
möchte, deren Einreihung unter die Tuberkulide andererseits aber 
auch nur eine vorläufige Aushülfsmassregel bedeuten könnte. Ver¬ 
möge ihrer ganzen Stellung könnten diese Affektionen Vermittelungs¬ 
glieder abgeben, die über die angenommene ätiologische Beziehung 
hinaus eine Verwandtschaft zwischen den Hauttuberkulosen und den 
Tuberkuliden auch durch die Übereinstimmung klinischer und vielleicht 
histologischer Charaktere sicherten. Diese vermittelnde Rolle könnte 
solchen Affektionen auch dann erhalten bleiben, wenn ihre schliess- 
liche Einreihung unter die echten tuberkulösen Erkrankungen der 
Haut erfolgen dürfte. Für zwei Vertreter der Grenzgruppe, den Lichen 
scrophulosorum und das Erythema induratum (Bazin) ist die Frage 
wohl bereits in diesem Sinne entschieden. Dieselbe Stellung darf 
auch dem seltenen Krankheitsbilde eingeräumt werden, auf das ich 
im folgenden genauer eingehen möchte und das wesentlich an Inter¬ 
esse gewinnt, wenn man es im Zusammenhang mit der Frage der 
Tuberculide betrachtet. 

Ich habe zunächst einen Fall meiner eigenen Beobachtung zu 
schildern: 

Die 26jährige Patientin wurde am 3. HI. 1902 auf die dermato¬ 
logische Station der Heidelberger medizinischen Klinik aufgenommen *). 

i) Demonstration der Patientin und mikroskopischer Präparate des Falles im 
naturliistorisch-medizinisclien Verein Heidelberg am 27. Mai 1902. cf. Münchener 
med. Wochenschr. 1902, S. 1549. 


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3] 


Lupus follicularis disseminatus. 


95 


Die Familienanamnese ergibt nichts wesentliches; speziell her¬ 
vorzuheben ist, dass in der Familie der Kranken keinerlei tuberkulöse 
Erkrankungen vorgekommen sein sollen. Auch die Patientin selbst 
hat nie Erscheinungen irgend welcher Form von Tuberkulose dar¬ 
geboten. Sie hat als Kind Masern ohne besondere Folgeerscheinungen 
durchgemacht, war nie ernstlich krank. Seit früher Kindheit leidet 
sie gleich einem ihrer Brüder an einer schuppenden Hautaffektion, 
besonders an den Beinen, die ihr keine weiteren Beschwerden ver¬ 
ursacht. 

Im Juni 1901 nun trat bei ihr im Gesicht, das bis dahin nie 
von einem Ausschlag befallen gewesen, unter Brennen eine zuerst 
fleckige, dann „punktartige“ Erkrankung auf, die sich in wenigen 
Monaten über das ganze Gesicht ausbreitete. Schon im August 1901 
war die Ausdehnung erreicht, die jetzt noch besteht, es erfolgten 
weiter keine Schübe mehr. Später traten nur noch einige Knötchen 
an den Fingern und zuletzt an den Vorderarmen auf, die zeitweise 
verschwunden sein sollen. Die Affektion im Gesichte verursacht keine 
subjektiven Beschwerden, dagegen sollen die Knötchen an den Fingern 
und Vorderarmen zeitweise spontan wie auf Druck ziemlich schmerz¬ 
haft gewesen sein. 

Da sich der Zustand im Gesichte auf lange dauernde Salben¬ 
behandlung nicht gebessert hat, sucht Patientin wegen des kosmetischen 
Nachteils Hülfe. 

Die Untersuchung der inneren Organe, der Lymphdrüsen, des 
Urins, des Blutes u. s. w. ergibt bei der gracil gebauten Patientin 
nichts Pathologisches. Untersuchung der Haut: An den Beinen 
und Armen besteht ein massiger Grad von Ichthyosis nitida mit Bil¬ 
dung stärkerer warziger Epidermismassen an den Knieen und Ell¬ 
bogen. Auch am Rücken und Abdomen findet sich ein geringer Grad 
der Veränderung. Die Haut des Gesichts ist sehr trocken, etwas 
spröde, ohne Schuppung; ebensowenig besteht eine deutliche Schuppen¬ 
bildung am behaarten Kopfe. Die Kopfhaare sind verhältnismässig 
spärlich. 

Dieser Zustand besteht — wie schon erwähnt wurde — bei der 
Kranken seit früher Kindheit. 

Im Gesichte unserer Patientin nun findet sich eine Eruption, 
die zunächst den Vergleich mit einer Acne vulgaris herausfordert. 
Eine grosse Anzahl von vielen Einzelherdchen — etwa 80 bis 100 — 
sitzt über das ganze Gesicht verteilt, am dichtesten an der Stirne 
und an den Augenlidern, vereinzelt innerhalb der Augenbrauen, dann 
aber auch mehr oder minder dichtstehend über die Wangen, die 
Nasenflügel, die nächste Umgebung des Mundes, das Kinn zerstreut. 


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96 


S. Bettmann. 


[4 


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Die Einzelefflorescenzen sind rundlich, stecknadelkopfgross und wenig 
grösser, von nahezu gleichem Umfang; auch die grössten erreichen 
kaum einen Durchmesser von 3 mm. Sie sind zum Teil deutlich 
prominent und lebhaft rot gefärbt, dabei fühlen sie sich, soweit die 
minutiösen Verhältnisse ein Urteil gestatten, etwas succulent an; andere 
Efüorescenzen wiederum ragen kaum über das Niveau der Haut her¬ 
vor oder sind gar etwas eingesunken, als ob sich an ihnen eine leichte 
narbige Einziehung eingestellt hätte. Bei solchen Efflorescenzen ist 
die lebhafte Färbung einem bräunlichen Rot oder ausgesprochenem 
Braun gewichen. An keiner einzigen Efflorescenz finden sich Zeichen 
einer Ulceration; die meisten tragen im Centrum einen kleinen weiss- 
lich-gelben Punkt, der auf den ersten Blick wohl als Eiterpfröpfchen 
imponieren könnte und somit die Ähnlichkeit mit Akne-Pusteln erhöht. 
Aber die genauere Untersuchung zeigt, dass es sich um Epithel¬ 
schüppchen oder weit häufiger noch um geschlossene Epithelperlchen 
(Milien) handelt. Manche Knötchen sind von einem Haar durchbohrt, 
so besonders in der Brauengegend, und es besteht makroskopisch 
durchaus der Eindruck einer Beziehung der Eruption zu den Follikeln. 
Auffällig ist, wie im allgemeinen die Einzel-Efflorescenzen, auch wo 
sie dicht beisammen stehen, von einander getrennt geblieben sind, 
nur an sehr vereinzelten Stellen, speziell an den Schläfen und den 
Augenlidern finden sich Andeutungen von Konfluenz, aber nirgends 
wo bestehen grössere Plaques. Gegen Berührung und Druck sind die 
Knötchen nicht empfindlich. 

Der behaarte Kopf ist von der Affektion verschont geblieben, 
ebenso Hals, Rumpf und untere Extremitäten. 

Auch die Schleimhaut der Nase und der Mundhöhle erwiesen 
sich intakt. 

An der Streckseite der Basalphalanx des linken Zeigefingers ist 
in der Haut ein etwa senfkorngrosses derbes Knötchen zu fühlen, 
das bei Berührung schmerzt. Die Haut ist an der betreffenden Stelle 
nicht verfärbt. Ähnliche Knötchen sind am linken 4. und 5. Finger 
palpabel. Endlich lassen sich an der Beugeseite beider Vorderarme 
je zwei Knötchen durchfühlen, die etwas grösser zu sein scheinen und 
ihrer Verschieblichkeit nach wohl subkutan sitzen. Auch diese Knöt¬ 
chen, welche die Patientin erst in der letzten Zeit beobachtet hat, 
weil sie ihr manchmal Schmerzen verursachten, sind druckempfindlich. 

Die Beziehung der eben geschilderten Erscheinungen an den 
Armen zur Affektion des Gesichtes musste vorläufig eine offene Frage 
bleiben. 

Aber auch die Diagnose der Erkrankung im Gesichte war zu¬ 
nächst keineswegs leicht. Nirgendswo fanden sich Comedonen, charak- 



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Karte I 



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Zusammensetzung der Bevölkerung 

Ord 



Höl 


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Tafel III. 


Zusammensetzung der Bevölkerung der badischen Amtsbezirke aus Landwirtschaft, 
Industrie und Handel Treibenden. Einteilung in Höhengruppen, Ordnung innerhalb 
der Höhengruppe nach zunehmender Tuberculosemortalität. 

rioo= 




Höhen gruppe II. 200—300 m. 



Höhengruppe III. 300 —500 m. 



Höhengruppe IV. über 500 m. 


] Landwirtschaft I j Industrie fl , Handel 
___Tuberculoseraortalität auf 10000 Lebende. 


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Tabelle II. 

Ordnung in Höhengruppen nach Tuberkulose-Mortalität. 


rr 

2 



I 3 

4 

5 

6 

7 

rr 


10 

11 

12 

13 

H 

15 

16 

17 

18 || 

Bezeichnung der 
Höhengruppen 

Amtsbezirke 

© 

A 

B 

A 

5 

4» 

*a 

A 

© 

A 

C 

a 

Q 

Einwohnerzahl 
Durchschnitt 1890-1900 

Zahl der Erwerbs¬ 
tätigen in °/ 0 

Landwirtschaft, Vieh¬ 
zucht, Jagd, Fischerei 

Industrie 

Handel und Verkehr 

r 

Häusliche Dienste 

Militär- u. Hofdienst, 
freie Berufe etc. 

Ohne Beruf 

Tuberkulosemortalität 
auf 1000 Lebende 

Krebsmortalität 
auf 1000 Lebende 

Bierproduktion und 
Import auf Kopf in 1 

Weinkonsum auf den 
Kopf in 1 

Anzahl d.Wirtschaften 
auf 100 Lebende 

Steuerkapital pro Kopf 

Stückzahl des 
geschlachteten Rind¬ 
viehs auf 100 Lebende 


Kehl .... 



137 

27521 

40,5 

54,6 

26,4 

7,58 

0,453 

7,4 

3,725 

1,89 

0,83 

73,6 

24,5 

0,66 

2227 

9,01 


B retten . . . 



194 

23415 

44,9 

59,0 

24,2 

8.1 

0,495 

3,17 

5,17 

2,35 

0,79 

57,9 

14,2 

0,57 

2353 

6,66 

13,5 


Durlach . . . 



168 

33169 

48,4 

38,8 

44,5 

8,35 

0,528 

4,3 

4.1 

2,38 

0,70 

57,9 

23,5 

0,52 

1821 


Achern . . . 



192 

22822 

50,8 

57,0 

25,7 

5,49 

0,265 

3,5 

8,2 

2,50 

0,85 

73,6 

21,2 

0,64 

2142 

8,33 


Bühl .... 



195 

29977 

50,6 

67,5 

17,7 

5,78 I 0,244 

2,43 

6,28 

2,53 

0,76 

69,9 

19,5 

0,56 

1755 

7,44 

_ S 

Offonburg . . 



196 

52325 

52,4 

52,1 

28,0 

9,33 

0,729 

3,28 

6,6 

2,83 

0,99 

29,9 

24,5 

0,51 

2440 

9,0 

Weinheim . . 



136 

20446 

46,2 

34,6 

47,4 

8,49 

0,563 

3,43 

5,49 

3,13 

0,95 

174,3 

16,4 

0,43 

2628 

7,4 


Mannheim . . 



100 

108636 

45,8 

7,37 

52,2 

26,0 

1,39 

7,25 

5,49 

3,19 

0,69 

174,3 

32,8 

0,75 

4556 

13,9 

i-j 

Karlsruhe . . 



124 

105487 

48,8 

15,2 

42,5 

17,1 

1,45 

13,74 

10,0 

3,32 

0,82 

219,2 

43,2 

0,45 

4190 

12,9 

© 

Rastatt . . . 



183 

57 280 

52,6 

45,5 

29,5 

6,75 

1,153 

13,0 

4,04 

3,43 

0,75 

122,2 

23,1 

0,51 

1693 

8,6 

o. 

Ettlingen . . 



173 

22901 

49,3 

42,2 

42,1 

5,95 

0,789 

5,49 

3,62 

3,45 

0,69 

29,2 

19,9 

0,54 

2308 

8,8 

35 

Bruchsal . . . 



125 

58444 

49,8 

51,0 

30,3 

7,25 

0,512 

4,91 

5,99 

3,54 

1,04 

82,3 

19,5 

0,48 

1897 

8,37 


Baden .... 



168 

27158 

51,8 

24,4 

32,5 

17,8 

2,25 

7,65 

14,5 

3,54 

1,02 

69,9 

54,5 

0,77 

4501 

10,65 

© 

Wiesloch . . 



139 

21 489 

52,0 

49,3 

40,0 

5,06 

0,2 

2,85 

2,64 

3,60 

0,78 

175,7 

13,5 

0,48 

1780 

7,12 

to 

Heidelberg . . 



186 

76310 

49,0 

24,4 

44,4 

14,2 

1,28 

6,53 

9,26 

3,61 

1,26 

113,0 

29,1 

0,56 

3270 

9,35 


Schwetzingen . 



103 

30552 

48,2 

31,3 

51,8 

9,85 

0,373 

3,55 

3,12 

4,26 

0,64 

175,7 

18,2 

0,54 

1908 

6,78 


Summe 

bezw. Durchschnitt 


717932 


35,2 

40,9 

13,8 



3,18 

0.86 






S 

Eppingen . . 
Oberkirch . . 



210 

18141 

46,2 

57,8 

27,5 

6,75 

0,417 

3,41 

4,16 

2,09 

0,84 

34,2 

12,2 

0,56 

2540 

5,73 



261 

18340 

51,0 

58,7 

15,48 

7,15 0,695 

2,81 

6,52 

2,12 

0,95 

101,2 

20,4 

0,69 

2408 

6,71 

1 ^ 

Sinsheim. . . 



207 

34012 

48,5 

57,3 

27,1 

6,16 

0,467 

3,7 

5,47 

2,25 

0,75 

34,2 

15,6 

0.59 

2826 

7,98 

1 

Adelsheim . . 



2*4 

13880 

48,3 

62,4 

20,0 

8,69 

0,493 

3,1 

5,48 

2,38 

0,87 

45,7 

18,4 

0,59 

2270 

4,86 

S 

Tauberbischofsheim 

274 

46657 

50,9 

70,4 

14,9 

5,67 

0,178 

3,0 

5,72 

2,38 

0,81 

61,0 

13,4 

0,61 

2148 

4,67 

* 

Mosbach . . . 



216 

30179 

48,5 

59,0 

23,2 

8,0 

0,835 

4,0 

5,26 

2,39 

0,98 

89,3 

17,1 

0.59 

2180 

5,32 

1 . 

Breisach . . . 


• 

225 

19436 

54,8 

71,8 

13,0 

5,97 

0,37 

4,81 

3,98 

2,44 

0,79 

47,7 

13,7 

0,52 

2099 

9,62 


Ettenheim . . 



206 

17868 

52,3 

61,0 

24,3 

7,28 

0,46 

2,85 

4,29 

2,62 

0,83 

81,5 

19,7 

0,51 

2220 

9,82 

© 

Wertheim . . 



241 

19437 

50,0 

57,6 

26,0 

7,38 

0,538 

3,52 

5,3 

2,62 

0,77 

45,7 

16,7 

0,57 

1975 

7,53 

ä 

o. 

Emmcndincen . 



i 211 , 

46 4951 52,8 

59,8 

26,5 

4,94 

0,192 

2,79 

5,66 

2.69 

0,91 

139,1 

18,1 

0,47 

2300 

8,84 

p 

Lahr .... 


• 

219 1 

36304 

51,0 

43,7 

41,4 

6,45 

0,673 

3.21 

4,.55 

2.91 

0,79 

81,5 

31,6 

0,51 

2409 

8,94 


Staufen . . . 



276 

18404 

55,2 

69,5 

17,4 

3,87 

0,18 

2,76 

5,92 

2,92 

1,05 

47,7 

18,7 

0,58 

2682 

7,85 

© 

Eberbach . . 



282 ! 

14518 

45,9 

43,4 

35,1 

11,4 

1,69 

3,18 

4,95 

3,64 0,62 

1 

85,3 

14,4 

0,67 

1517 

4,98 

txj 

Summe 

bezw. Durchschnitt 

334437 


60,3 

25,3 

6,7 



2,56 

0,84 






B 

Überlingen . . 



471 

26291 

56,6 

60,7 

21,6 

5.1 

0,56 

3,8 

8,0 

1,94 

1,31 

94,4 

23,1 

0,71 

2516 

6,73 

1 

Buchen . . . 



381 

27103 

48,5 

62,6 

21,4 

5,48 

i, 2 a r » 

3,14 

6,21 

1,95 

0,66 

45,7 

14,0 

0,56 

2192 

4,01 

| 

Schopfheim . . 



481 

20955 

53,1 

45,3 

41,7 

4,62 

0.874 

2,36 

5,14 

2,01 

0,98 

32,7 

83,3 

0,5 

2225 

6,35 


Walashut . . 


. 

465 

33079 

56,0 

I 58,1 

25,0 

6,82 

0,32 

4,46 

5,57 

2,01 

1,52 

53,7 

24,4 

0,58 

2042 

6,0 


Lörrach . . . 



316 

37 907 

53,0 

' 37,5 

47.2 

6,35 

0,312 

3,55 

5,26 

2.48 

0.90 

40,4 

30,9 

0,43 

2520 

10,1 

1 

Wolfach . . . 



321 

24 277 

50,8 

52,3 

29,0 

8,28 

0,547 

2,43 

7,38 

2,51 

0,73 

64,9 

25,5 

0,75 

1885 

1 5,17 


Konstanz . . 



429 

43*07 

53,4 

34,3 

32,2 

14,3 

0,927 

10,8 

7.23 

2,59 

1,14 

150,5 

J 30,3 

0,67 

2565 

11,32 

1 3 

Mullheim . . 



321 

21015 51,2 

60,2 

20,9 

9,1 

0,408 

3.5 

5,86 

2,66 

0,97 

14.4 

1 19,6 

0,58 

2900 

1 8,83 

a. 

Waldkirch . . 



374 

21 299 i 55,8 

49,0 

35,3 

4,56 

0,64 

2,62 

7,84 

2,68 

0,71 

1 139,1 

20,5 

0,6 

1 1760 

5,31 

2* 

Hückingen . . 



480 

17 755 

56.9 

45,2 

40,4 

5,19 

0,295 

3,88 

5,17 

2,77 

1,17 

1 32,7 

33,7 

0,38 

1760 

4,25 

I & 

Pforzheim . . 



314 

64503 

49,3 

54,1 

21.4 

61.2 

8,22 

0,701 

3,62 

5,07 

2.84 

0,59 

60,3 

33,5 

0,55 

2606 

10,6 

? 

Freiburg . . . 



453 

76 321 

1 25,9 

1 35,1 

13,5 

1,39 

9,14 

14,82 

3,18 

1,34 

163,5 

40,4 

0,5 

1_ 

3820 

1_ 

11,0 

3 

n 

Summe 

bezw Durchschnitt 1 

414312 


1 41,6 

38,1 

9,07 



2,58 

1,1 





1 s 

Neustadt. . . 



1 856 

15182 

54,0 

44,7 

36,0 

8,04 

0,953 

3,18 

7,3 

1,52 

0,92 

93,6 

33,4 

u 

2550 

6.21 

5. 

Bonndorf . . 


. 

1 695 

16162 

56,8 

67,9 

; 17,8 

4,5 

0,27 

3,73 

5.64 

1,98 

1,11 

80,5 

21,8 

0,87 1 

2065 

2.59 

u 

Pfullendorf. . 



1 674 

9718 

56,0 

66,9 

20,6 

4,85 

0,71 

2 23 

6,53 

2,06 

0.86 

94,4 

22,3 

0,75 

2710 

7.87 1 

a 

Engen .... 



593 

21 279 

53,0 

65,6 

20,2 

5,28 

0,257 

3,67 

4,75 

2,06 

1,58 

150,5 

15,9 

0,75 | 

2255 

3,44 j 

o 

Mcsskirch . . 



682 

14252 

52,3 

70,0 

15,6 

4,78 

0,35 

2,77 

6,42 

2,1 

0,99 

111,1 

13,0 

0,76 

2206 

3,35 

> 

Stockach . . . 



Ml 

18715 

52,2 

60,5 

27,0 

4,78 

0,24 

3,16 

4,37 

2,14 

1,58 

111,1 1 20,9 

0,94 

2360 

4,88 


Villingen . . 



764 

25124 

51,4 

40,8 

40,7 

8,5 

0,66 

3,3 

5,94 

2,24 

0,68 

78,9 | 24,2 

0,67 

1842 , 

6,24 

© 

a. 

St Blasien . . 


. 

866 

9896 1 56,3 

46,6 

34,8 

9,82 

0,47 

3,26 

5,67 

2,26 

1,21 

26,3 

38,7 

0,68 

1800 

7,53 

a. 

Triberg . . . 



786 

24470 

50,6 

29,7 

53,0 

8,45 

0,68 

2,89 

5,34 

2,29 

0,93 

64,9 

26,8 

0,71 

1900 

6,65 

2 

M 

5 

>-] 

Donaueschingen 



686 

24222 

52,9 

60,8 

21,7 

5,75 

1,35 

3,81 

6,6 

2,44 

1,35 

93,6 

22,9 

0,87 

2900 

5,9 1 

Schönau . . . 


* 1 

647 

15266 

56,5 

36,4 

49,3 

5,9 

2,48 

2,48 

5,26 

2,49 

1,06 

26,9 

36,5 

0,55 

1603 

12,3 1 

s 

Summe 

bezw. Durchschnitt 


191286 


52,8 

31,6 

6,57 



2,06 

1,18 


1 1 


- 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. U. 1. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 































1 


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Original from 

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5] Lupus follicularis disseminatus. 97 

teristische Akne-Efflorescenzen oder Narben von solchen, und dass 
die oben beschriebene Eruption keine Acne vulgaris darstellte, ergab 
sich aus einer Reihe von Gründen. Es fehlte den einzelnen Knötchen 
der entzündliche Rand, der den Akne-Efflorescenzen eigentümlich ist, 
ebenso wie die centrale eitrige Einschmelzung, und die Angaben der 
Patientin über das lange Bestehen jeder Einzelefflorescenz, deren 
Richtigkeit durch die weitere Beobachtung bestätigt wurde, wie end¬ 
lich die Art der Involution, die sich an den eingesunkenen Knötchen 
ergab, liess die Diagnose einer Akne — trotz der Übereinstimmung 
der Verteilung und der groben Ähnlichkeit der Knötchen — mit Be¬ 
stimmtheit ablehnen. 

Ebenso erschien die Annahme eines papulösen Syphilids oder eine 
Beziehung zur Ichthyosis der Patientin ausgeschlossen. 

Dagegen ergab sich ein positiver Anhalt für die Diagnose aus 
dem Verhalten der Knötchen unter Glasdruck. Verdrängte man durch 
den aufgelegten Glasspatel das Blut, so erwiesen sich die Efflores- 
cenzen durchweg als bräunliche oder gelbbräunliche gelatinös durch¬ 
scheinende Infiltrate; sie zeigten also in exquisiter Weise Eigentüm¬ 
lichkeiten, die als charakteristisch für den Lupus vulgaris gelten. 
Und zugleich besass das kranke Gewebe eine auffallend matsche und 
weiche Beschaffenheit, wie wir sie ja auch beim Lupus vulgaris finden. 
Die Knötchen Hessen sich leicht mit dem Höllensteinstift oder der 
Hohlsonde als Ganzes herausbohren: es erfolgte ziemlich reichliche 
Blutung, und es blieb ein Krater mit unregelmässigen zackigen Rändern. 

So wurde vorläufig die Diagnose auf eine lupusartige Affektion 
(Lupus follicularis disseminatus?) gestellt. 

Zur Sicherung der Diagnose sind nun folgende Untersuchungen 
unternommen worden: 

1. Zum Zwecke der histologischen Untersuchung wurden der 
Kranken zwei Efflorescenzen excidiert; beide stellten etwas prominen¬ 
tere — also anscheinend frischere — Knötchen dar. 

Die mikroskopische Untersuchung (Formol-Alkohol-Härtung, Fär¬ 
bung mit den üblichen Methoden) ergab übereinstimmend für beide 
Knötchen : 

In der Cutis liegt ein durch stärkere Ansammlung von lympho- 
iden Zellen genügend deutlich gegen die Umgebung abgrenzbares 
kugeliges Infiltrat, dessen Bau durchaus dem eines Epithe- 
loid tuberkels entspricht. Stellenweise finden sich Langhans- 
sche Riesenzellen mit regelmässig gestellten Kernen einzeln oder 
in kleineren Gruppen; das Centrum des Knötchens zeigt die Er¬ 
scheinungen der Verkäsung. Das Infiltrat steigt aus der Tiefe des 
Coriums fast unmittelbar bis zur Epidermis empor, der Papillarkörper 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 1. 7 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



98 


8. Bettmann. 


[6 


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ist über den Knoten verstrichen, das Epithellager wesentlich ver¬ 
schmälert, aber nirgendwo unterbrochen. An der Kuppe des Infiltrats 
und von diesem an der Basis und den seitlichen Partieen umscheidet 
liegt nahe unter dem Epithel eine völlig geschlossene kleine Cyste, 
deren Wandung mehrere nach innen zu abgeflachte und verhornte Epi¬ 
thellager aufweist. Es ist mir nicht gelungen, eine Verbindung der 
Epithelcyste mit einem Drüsenausfuhrgang aufzufinden. Überhaupt 
findet sich in dem Knoten nichts weiter von Drüsenelementen, und 
meine mikroskopischen Präparate gestatten keineswegs den Schluss, 
dass die Entwickelung der Knötchen an die Umgebung der Follikel 
gebunden wäre; die Talg- und Schweissdrüsen wie ihre Ausfuhrgänge 
erscheinen vielmehr durch den Tuberkel zur Seite gedrängt. Nur 
stellenweise ist ihre Wandung von einer mässigen entzündlichen Zell¬ 
anhäufung umgeben, die auch streckenweise die erweiterten grösseren 
Gefässe begleitet. Es ist aber zu betonen, dass diese Veränderungen, 
die sich ausserhalb des wohl abgegrenzten Knötchens finden, nur recht 
geringen Umfang gewonnen haben. 

2. Auf Tuberkelbacillen wurden reichlich 60 Schnitte nach 
der Ehrlich sehen wie nach der Zieh Ischen Methode gefärbt. 
Weder Herrn Dr. Fi schier, Assistenten am pathologischen Institute, 
der mich bei dieser Untersuchung freundlichst unterstützte, noch mir 
gelang der Nachweis von Tuberkelbacillen. Übrigens erwiesen sich 
die Knötchen auch frei von irgend welchen anderen bakteriellen 
Elementen. 

3. Ich habe dann an der Kranken drei diagnostische Injek¬ 
tionen mit Alt-Tuberkulin vorgenommen. Die Probe mit 3 mg 
blieb negativ. Die zweite Injektion — vorgenommen mit 5 mg — 
scheint ein positives Ergebnis ergeben zu haben, das aber leider 
nicht genügend kontrolliert worden ist. Die Injektion war mittags 
um 12 Uhr erfolgt, und bis zum Abend war keine Reaktion ein¬ 
getreten. Die Nachttemperaturen waren leider nicht gemessen worden. 
Aber die Patientin hatte während der Nacht über Übelkeit und Glieder¬ 
schmerzen geklagt; die Morgentemperatur um 8 Uhr betrug noch 
37,8°; zugleich traten die Knötchen im Gesicht stärker geschwellt 
und gerötet hervor. Eine Injektion von 8 mg endlich am 12. III. 
zeigte eine genügend prompte und sehr intensive örtliche wie all¬ 
gemeine Reaktion, bei der die Temperatur auf 39,6° anstieg. Ich 
füge hinzu, dass die Kranke während ihres mehrwöchentlichen Aufent¬ 
haltes in der Klinik zu keiner anderen Zeit abnorme Temperaturen 
gezeigt hat. 

4. Das Impfexperiment (vordere Augenkammer des Kaninchens) 
ergab ein negatives Resultat. Das eingebrachte Material blieb re- 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



71 


Lupus follicularis disseminatus. 


99 


aktionslos liegen, ohne dass es weiterhin zur Erkrankung der Iris 
kam. Die Obduktion des Tieres liess jede tuberkulöse Affektion aus- 
schliessen. 

Über die weitere Beobachtung unserer Kranken ist noch folgendes 
zu berichten: Die Affektion im Gesichte hat sich bis jetzt (September 
1902) trotz mancherlei therapeutischer Versuche, auf die ich später 
noch zurückkommen werde, im wesentlichen unverändert erhalten. 
Einzelne der Knötchen haben sich wohl involviert; speziell in der 
Umgebung des Auges sind mehrere der Efflorescenzen mit Hinter¬ 
lassung grösserer Milien verschwunden. Auf der anderen Seite war 
ein spontanes Auftreten neuer Knötchen nicht zu beobachten. Aber 
während die Excisionsstellen im Gesichte reaktionslos heilten, zeigte 
sich, dass Ausbohrung und Auskratzen an den wenigen Stellen, an 
denen wir eine solche Manipulation vorgenomraon hatten, ungünstig 
wirkte, da jedesmal um die kleine Narbe herum eine ganze Anzahl 
von frischen Efflorescenzen aufgetaucht ist. Eine Konfluenz zu grösseren 
Plaques oder Bildung grösserer Knoten ist im übrigen nirgendswo 
erfolgt. 

Gegenüber dieser Konstanz des Befundes im Gesichte sind aber 
neue Erscheinungen an den Extremitäten zu notieren. Die oben ge¬ 
schilderten intra- und subkutan gelegenen Knötchen an den oberen 
Extremitäten sind allmählich etwas grösser geworden, die Haut ge¬ 
wann über ihnen eine rosa Verfärbung. Dann aber sind seit Juli 1902 
an den Waden grössere Knoten bemerkbar geworden. Auch diese 
waren anfangs nur fühlbar; sie wuchsen zu kirschkern- bis nussgrossen, 
harten, etwas in der Haut verschieblichen, druckempfindlichen Knoten 
heran, während über ihnen allmählich eine braunrote Verfärbung der 
Haut eintrat. Ein Teil der Bildungen hat sich spontan involviert. 
Zur Zeit bestehen an den Unterschenkeln noch drei derartige Knoten, 
die ihrem Aussehen nach am besten mit den Efflorescenzen des Ery¬ 
thema nodosum zu vergleichen wären. Erweichung und Zerfall ist 
an ihnen bis jetzt nicht aufgetreten. 

Diese Erscheinungen an den Extremitäten sind nunmehr genügend 
lange beobachtet, um ein Urteil darüber zu gestatten, dass sie mit 
der Affektion des Gesichtes nicht identisch sind. Ihren Charakteren 
nach sind die Knötchen an den oberen Extremitäten jener Krank¬ 
heitsform anzureihen, die unter der Bezeichnung „Aknitis“ (Barthe- 
lemy) als Unterart der Tuberkulide beschrieben ist, während die 
Knoten an den Waden am nächsten dem Bilde des Erythema indura- 
tum (Bazin) entsprechen. Wir finden demnach bei unserer 
Kranken nebeneinander verschiedene dermatologische 

7 * 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



100 


S. Bettmann. 


[8 


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Krankheitsbilder, und die Frage, wie weit dieselben zusammen¬ 
gehören, wird sich von selbst ergeben 1 ). 

Soweit die Erkrankung des Gesichtes in Frage kommt, liegt die 
Annahme einer tuberkulösen Erkrankung der Haut ausserordentlich 
nahe. Klinische Charaktere der Einzelefflorescenzen, der histologische 
Befund und der Ausfall der Tuberkulin-Reaktion sind in positivem Sinne 
zu verwerten. Allerdings konnten keine Tuberkelbacillen nachgewiesen 
werden und das Tierexperiment blieb negativ. Somit ist der Beweis 
der tuberkulösen Natur des Leidens, so wahrscheinlich diese ist, in 
unserem Falle nicht völlig erbracht, und wir sind darauf angewiesen, 
die Deutung heranzuziehen, die andere ähnliche Beobachtungen er¬ 
fahren haben. Unser Fall erweist sich symptomatologisch als ein 
typisches Beispiel jener seltenen Affektionen, die zuerst von Tilbury 
Fox im Jahre 1878 als „disseminated follicular lupus, simulating 
acne 4 beschrieben wurde und deren Einzelbeobachtungen unter ver¬ 
schiedenartigen Bezeichnungen rubriziert sind (Acne-Lupus Hutchinson, 
Adenoid-Acne R. Crocker, Lupus miliaris Unna-v. Dühring, Lupus 
acneique Besnier, Lupus ä tubercules miliaires dissemines Leloir, 
Lupus tuberculeux aigu nodulaire dissemine Besni e r, Acne teleangi- 
ectodes Kaposi, Lupus acutus Kreibich u. s. w. 

Es dürfte ratsam sein, an der Bezeichnung „Lupus follicularis 
disseminatus 4 feszuhalten, da dieser Name wenigstens bei den deutschen 
Autoren ziemlich allgemeine Annahme gefunden hat, und da eine Ver¬ 
mehrung der Namen für ein und dieselbe Affektion der Übersicht 
über die einzelnen Fälle gewiss nicht förderlich sein kann. Anderer¬ 
seits aber mag die angeführte Vielheit der Benennungen Bedenken 
erregen, ob wir es hier wirklich durchweg mit demselben Krankheits¬ 
bilde zu tun haben, umsomehr, als keineswegs eine einheitliche Deutung 
der Fälle besteht. 

Auf die Literatur der Affektion brauche ich im einzelnen nicht 
genauer einzugehen. Finger 2 ) hat sie in seiner zusammenfassenden 
Arbeit gebracht, und Saalfeld 3 ) hat anlässlich der Publikation einer 
neuen Beobachtung die Einzelfälle nochmals ausführlich rekapituliert. 

1) Anm. bei der Korrektur: Die Knoten an den Extremitäten sind jetzt 
(Ende November) wieder vollkommen verschwunden. Wenn diese komplete Rück¬ 
bildung auch in der Regel beim Erythema induratum fehlt, so glaube ich doch 
an der Diagnose festhalten zu dürfen. 

2) Finger, Über Lupus follicularis disseminatus (Tilbury Fox), Acne 
telangiectodes (Kaposi) Wien. klin. Wochenschr. 1897. 

3) Saalfeld, Über Lupus follicularis disseminatus und über Beziehungen 
zwischen Lupus vulgaris und Lupus erythematodes. Dermatol. Zeitschr. Bd.VIII, 
Heft 3. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



9] 


Lupus follicularis disseminatus. 


101 


Ich verweise also einfach auf diese beiden Autoren; nur möchte ich 
für die folgende Besprechung zunächst den Fall Beniers 1 2 ) wie 
Kaposis Fälle von Acne telangiectodes beiseite lassen, dafür aber 
sind noch folgende spätere Beobachtungen hervorzuheben: 

Balz er und Michaux demonstrierten als „Lupus de la face 
ä nodules miliaires dissemines“*) den Fall eines 26jährigen Patienten, 
bei dem die Affektion vor 6 Monaten begann. Sie beschränkt sich 
auf das Gesicht, besteht aus miliaren papulösen Efflorescenzen von 
roter Farbe. Ein Teil, besonders an den Wangen, zeigt eine centrale 
Depression und scheint sich um Talgdrüsen herum gebildet zu haben. 
Seit ihrem Auftreten bieten die Elemente keine Neigung zur Rück¬ 
bildung dar, ihre Zahl vermehrt sich immer weiter; es sind mehr als 
60. Ihr Umfang ist recht verschieden, einige sehr kleine haben kaum 
einen Millimeter Durchmesser. Die grössten sitzen an den Lidern 
und zeigen schön die rötliche Färbung mit der Halb-Transparenz des 
Lupus. 

Ausserdem sind mehrere Elemente hervorzuheben, besonders an 
der Stirn, die eine leicht rosige Verfärbung zeigen oder gar keine 
Veränderung der Hautfarbe. Einige derselben scheinen in der Haut 
zu liegen, andere sitzen augenscheinlich unter der Haut und lassen 
sich unter dem Finger rollen. 

Bei dem Kranken bestehen indolente Drüsenschwellungen der 
Regio mastoidea. Von Tuberkulose ist bei ihm nichts Sicheres nach¬ 
zuweisen, auch die Anamnese ergibt nichts Verwertbares in dieser 
Beziehung. 

Balzer und Michaux glauben, dass das Krankheitsbild dem 
Lupus anzugliedern sei. 

In einer späteren Mitteilung aus dem Jahre 1899 kommt Balzer 3 ) 
auf diesen Fall zurück. Der Patient ist durch Galvanokaustik geheilt 
worden, und es sind bei ihm keine Erscheinungen visceraler Tuber¬ 
kulose aufgetreten. Balzer hebt als beachtenswert hervor, dass 
während der ganzen Beobachtungszeit keines der Knötchen eine aus¬ 
gesprochene Tendenz zur Ausbreitung gezeigt hat, und ist schwankend 
geworden, ob nicht der Fall statt dem Gebiete des Lupus vielmehr 
der Gruppe der „acneiformen Tuberkulide“ einzureihen sei. Pontop- 
pidan hat Balzer schriftlich einen Fall mitgeteilt, der nach klinischen 
Charakteren, Lokalisation und Entwickelung identisch war. Die Knöt- 

1) Besnier, Lupus tuberculeux aigu, nodulaire, dissemine. Annales de 
Dermatol. 1889, S. 32. 

2) Annales de Dermatol. 1898, S. 175. 

3) Balzer, Lupus ä nodules miliaires ou tuberculides acneiformes de la 
face et du cuir chevelu. Annales de Dermatol. 1899, S. 681. 


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102 


S. Bettmann. 


[10 


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eben erwiesen sich mikroskopisch als lupusähnliche Granulome, Bacil¬ 
len aber waren weder mikroskopisch noch bakteriologisch zu finden. 

Nobl 1 ) publiziert weiterhin folgenden Fall von „Lupus follicularis 
disseminatus frontis“. 

Die Eruption bestand bei der 35jährigen Patientin seit l 1 /« Jahren, 
sie stellte sich in Form von schrotkorn- bis erbsengrossen halbkuge¬ 
ligen Knötchen dar, die nirgendswo kontiuierten und die saturiert 
braunrötliche, weiche, nur von dünner Oberhaut bedeckte Infiltrate 
darstellten, die insgesamt eine streng den Follikeln entsprechende 
Anordnung aufwiesen. Viele dieser papulösen Bildungen zeigten 
eine fokale Anhäufung in Lostrennung begriffener Epidermiszellen. 
Ausser dem Exanthem bestand eine starke Seborrhöe der Kopfhaut, 
sowie reichliche Komedonenbildung im Gesichte. 

Die Patientin litt an chronischem Lungenspitzenkatarrh. 

Auslöffelung der sulzigen Infiltrate mit dem Volk mannsehen 
Löffel und Verschorfung der Defekte mit dem Glüheisen führte zwar 
zu sehr rascher Vernarbung, aber schon nach kaum 3 Monaten zwang 
ein akutes, in wenigen Wochen gebildetes Recidiv zur Wiederholung 
des Eingriffs. An der Grenze vieler ausgeheilter Effiorescenzen waren 
hanfkorn- und darüber grosse follikuläre braunrote sulzige und trans¬ 
parente schlaffe Knötchen aufgeschossen. 

Die mikroskopische Untersuchung der Knötchen lehrte, dass der 
Prozess als ein dem Lupus sehr nahestehender anzusprechen ist. Im 
wesentlichen fanden sich knötchenförmige Zellanhäufungen im Corium, 
teils aus Epitheloidzellen, teils aus Rundzellen bestehend. Ohne aus¬ 
gesprochene Verkäsung fand sich im Centrum dieser den Bau der 
miliaren Tuberkel aufweisenden Zellagglomerade doch insofern eine 
regressive Veränderung, als hier die von spärlichen Riesenzellen durch¬ 
setzten Rund- und Epitheloidzellhaufen eine nur geringe nukleäre 
Tingibilität aufwiesen. 

Tuberkelbacillen waren in zahlreichen Schnitten nicht zu finden. 

Ferner demonstrierte Th. Mayer 2 ) aus der Lassarschen Klinik 
ein 20jähriges Fräulein aus gesunder Familie, das in früher Jugend 
mit Skrofulöse behaftet gewesen. Ihr Hautleiden begann vor 1 1 <2 
Jahren in der Nasolabialfalte mit der Bildung von stecknadelkopf¬ 
grossen rundlichen, weichen, tiefroten, glänzenden Knötchen. Inner¬ 
halb eines halben Jahres Verschlimmerung. Auftreten einer platten- 


*) Nobl, Zur Klinik und Histologie seltener Formen der Hauttuberkulose. 
Arch. f. Dermatol. Festschrift für Kaposi, S. 856. 

2) Berl. Dermatolog. Gesellschaft 5. Februar 1901. Sitzungsbericht in der 
Dermatologischen Zeitschrift, Bd. VIII, S. 417. 



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11] 


Lupus follicularis disseminatus. 


m 

artigen Efflorescenz, die nach Angabe der Kranken aus der Konfluenz 
eine Anzahl der geschilderten Knötchen hervorgegangen war. Auf 
Excision baldiges Recidiv. 

Einzelne Knötchen sind auch auf der Schleimhaut am Septum 
narium aufgetreten. 

„Es zeigte sich unter dem Mikroskop auf das Klarste das Struk¬ 
turbild eines tuberkulösen Prozesses“. Bacillen waren nicht nach¬ 
zuweisen. 

Th. Mayer bezeichnet den Fall als Lupus acneiformis im Sinne 
des Lupus follicularis disseminatus von Tilb. Fox. 

Er berichtet zugleich über einen zweiten analogen Fall, bei dem 
ebenfalls das Septum narium beteiligt ist, und bei dem gleichzeitig 
eine deutliche Spitzenaffektion bestand. 

Endlich hat Kreibich*) in der Wiener dermatologischen Gesell¬ 
schaft eine Patientin mit „Lupus acutus“ vorgestellt: Bei einer 
28jährigen sonst vollkommen gesunden Frau ist vor 10 Wochen plötz¬ 
lich unter Brennen im ganzen Gesichte ein roter Ausschlag entstanden, 
der sich seither wenig oder gar nicht mehr verändert hat. Zum Teil 
handelt es sich um zahlreiche, rote, teilweise auch leicht schuppende 
Knötchen, an anderen Stellen aber um stecknadelkopfgrosse braun¬ 
rote, liimbeergeleeartige, prominente weiche Knötchen, die vereinzelt 
nur in der Mitte eine kleine, gelbliche, milienartige Veränderung 
zeigen. Keins der Knötchen hat Neigung zu Ulceration. An der 
rechten Halsseite der Patientin ist eine eingezogene, einer vereiterten 
Lymphdrüse entsprechende Narbe zu sehen. Die histologische Unter¬ 
suchung der Knötchen ergab „typisches tuberkulöses Granulations¬ 
gewebe mit centraler Nekrose, epitheloiden und Riesenzellen“. In 
ca. 50 untersuchten Schnitten waren keine Tuberkelbacillen nach¬ 
zuweisen. 

Die von mir oben herangezogenen Fälle aus der Zusammenstellung 
Fingers wie die weiter hier angeführten Beobachtungen gestatten 
nun zunächst die Abgrenzung des Lupus follicularis disseminatus als 
eines klinisch wohl charakterisierten Krankheitsbildes. Befallen 
sind fast durchweg Personen zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr, 
nur No bis Kranke war beim Auftreten der Affektion wenig älter. 
Weibliche Personen sind häufiger erkrankt als männliche. Bei einer 
ganzen Reihe der Patienten war eine familiäre tuberkulöse Belastung 
nachweisbar, einige Patienten zeigten selbst manifeste tuberkulöse 
Symptome. Hutchinson erwähnt einen Fall, wo „Akne-Lupus“ 
neben Lupus vulgaris bestand. Die Affektion entsteht ohne mani- 

i) S. Archiv f. Dermatol. LX, S. 284. 



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S. Bett mann. 


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feste Ursache, sie entwickelt sich meist subakut, d. h. das Maximum 
der Erscheinungen pflegt in wenigen Monaten erreicht zu sein. Aber 
kein einziger Fall ist wohl schon vom ersten Anbeginn ab in Beob¬ 
achtung gewesen. Die Affektion beschränkt sich auf das Gesicht, 
scheint nur gelegentlich die Haargrenze nach oben zu überschreiten. 
Auf eine Beteiligung der Schleimhäute ist wohl nicht immer genügend 
geachtet worden. Th. Mayer konstatierte neuerdings das Befallen¬ 
sein der Nasenschleiiuhaut und zieht in Betracht, dass die Affektion 
möglicherweise von dort ihren Ausgang nehmen könnte. Der all¬ 
gemeinen Gültigkeit einer solchen Vermutung steht aber unsere Be¬ 
obachtung entgegen, in der sich das Naseninnere intakt erwies. 

Die Erkrankung des Gesichtes manifestiert sich in einer Disse¬ 
mination von anscheinend follikulär angeordneten etwas prominenten 
Knötchen von verschiedener Grösse. Tilbury Fox spricht von iso¬ 
lierten Punkten und Flecken von Stecknadelkopfgrösse bis zum Um¬ 
fang von wenig mehr als einer kleinen gespaltenen Erbse. In ein¬ 
zelnen Fällen sind auch zum Teil etwas grössere Knoten beobachtet 
worden; unser Fall zeichnet sich dem gegenüber durch die ausnahms¬ 
lose Kleinheit der Efflorescenzen aus. Die Knötchen besitzen in 
jüngeren Stadien eine mehr frischrote, später mehr eine bräunlich¬ 
rote oder braune Färbung; die meisten von ihnen tragen dann ein 
centrales Milium. Die Efflorescenzen fühlen sich weich an, sie präsen¬ 
tieren sich bei Verdrängung des Blutes als bräunliche, gelatinös durch¬ 
scheinende Infiltrate; ihre matsche Beschaffenheit gestattet leicht eine 
Auslöffelung in toto; die herausgeholten glasigen Massen lassen sich 
ohne weiteres zwischen den Fingern zerdrücken. 

Die Affektion ist dadurch ausgezeichnet, dass die Einzelefflores- 
cenzen weder zur Vergrösserung noch zur Konfluenz Neigung besitzen, 
dass ihnen aber andererseits auch die Tendenz zur Rückbildung fehlt, 
wenn man sie sich selbst überlässt. Ältere Knötchen sinken aller¬ 
dings etwas ein, vereinzelte verschwinden auch völlig mit Hinter¬ 
lassung von Milien, im grossen und ganzen aber gilt, was schon Til¬ 
bury Fox hervorhob: die einzelnen Flecke machen den Eindruck, 
als wollten sie für unbestimmte Zeit unverändert bleiben. Nur ein 
zeitweiliger Wechsel des Kongestionszustandes ist zu konstatieren. 
Eitrige Einschmelzung ist nicht beobachtet. 

Was Begleiterscheinungen betrifft, so fehlen subjektive Symptome, 
wie Jucken, vollständig. Von verschiedenen Seiten ist auf das Vor¬ 
handensein einer Seborrhoe oder von Ivomedonen und Akne mehr 
oder minder nachdrücklich hingewiesen worden, zumal dann, wenn 
man eine Beziehung der Affektion zur Akne festbalten wollte. Aber 
diese Begleiterscheinungen sind keineswegs konstant. Ich möchte 



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Lupus follicularis disseminatus. 


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l(k') 


speziell nochmals hervorheben, dass bei unserer ichthyotischen Kranken 
Seborrhoe und Akne vollständig fehlten. Keinesfalls dürfen also der¬ 
artige Störungen im Bereiche der Talgdrüsen als wesentliche Voraus¬ 
setzungen der Erkrankung angesehen werden. 

Über den Effekt der Therapie sind die Ansichten geteilt. 
Sicher ist, dass jede Form der Akne-Behandlung, die vielfach ver¬ 
sucht wurde, im Stiche lässt, v. Dühring rühmt die Wirkung 
starker Kreosot-Salicylpflaster; bei unserer Kranken sind wir damit 
nicht zum Ziele gelangt, wenn auch eine gewisse Besserung un¬ 
verkennbar war. Saalfeld sah Besserung unter Kantharidin-Behand¬ 
lung und erhoffte von derselben völlige Heilung seines Falles. Am 
besten bewährt sich wohl die gründliche Excochleation jedes ein¬ 
zelnen Knötchens mit folgender Thermokauterisation; aber 
abgesehen von dem Nachteil der Narbenbildung kann auch diese Be¬ 
handlung nicht überall Recidive verhindern. Direkt zu warnen 
aber ist vor einer ungenügenden Auslöffelung allein, 
die nur verschlimmernd wirkt. Finger hat darauf ver¬ 
wiesen, dass bei dieser Behandlung um die Narbe herum ein ganzer 
Kranz frischer Efflorescenzen auftreten kann, und seine Beobachtung 
ist weiterhin mehrfach bestätigt worden; auch in unserem Falle 
mussten wir dieselbe Erfahrung machen. 

Über schwere Krankheiten im Gefolge der geschilderten Affek¬ 
tion, speziell über sich anschliessende Tuberkulose anderer Organe, 
ist im allgemeinen nichts bekannt geworden. Ob der Fall von disse- 
miniertem Lupus, von dem Besnier beiläufig berichtet, dass die 
Kranke während der Behandlung einer tuberkulösen Pleuritis und 
Meningitis erlag, dem Bilde des Lupus follicularis angehört, scheint 
mir nicht zur Genüge erwiesen. 

Das hier summarisch geschilderte Krankheitsbild hat nun ver¬ 
schiedene Deutung erfahren. R. Crocker sprach die Erkrankung 
als eine Akne-Form an (Adenoid-Akne) und eine ähnliche Auf¬ 
fassung kehrt, wie wir sehen werden, bei Kaposi wieder (Acne 
telangiectodes). Andererseits ist die Affektion als eine Unterart 
des Lupus vulgaris oder eine diesem nahestehende Form der Haut¬ 
tuberkulose aufgefasst worden, und die Anschauung wird seit Fingers 
Arbeit in den deutschen Lehrbüchern allgemein vertreten. Touton 1 ) 
dagegen handelt die Krankheit unter den „Tuberkuliden“ ab, eine 
Anschauung, die derjenigen französischer Autoren entspricht, und 

i) Touton, Ätiologie und Pathologie der Akne. Verhandlungen des IV. 
Kongresses der deutschen dennatol. Gesellschaft. 


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S. Bettmann. 


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L engl et 1 ) z. B. möchte es offen lassen, ob es sich um ein „Tuber¬ 
kulid“ oder eine schlecht determinierte Form der kolloiden Degene¬ 
ration der Haut handelt. 

Der genauere Beweis für die tuberkulöse Natur des Leidens kann 
an der Hand der klinischen Charaktere allein nicht geliefert werden, 
und so müssen hier alle jene Fälle beiseite bleiben, in denen auf 
Grund der makroskopischen Eigentümlichkeiten der Knötchen, speziell 
ihrer Farbe, durchscheinenden Beschaffenheit und ihrer Weichheit die 
Diagnose des Lupus ohne weiteres acceptiert wurde. Zum mindesten 
bedürfen wir des mikroskopischen Befundes. Er liegt vor in 
Fällen von Tilbury Fox, Elliot, Jadassohn, Finger, Saal¬ 
feld, Pontoppidan, Nobl, Th. Mayer, Kreibich uud in 
unserem Falle. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind nicht 
ganz einheitlich, und sie sind auch mit verschiedener Reserve als tuber¬ 
kulös angesprochen worden. R. Crocker 2 ) hält den mikroskopischen 
Befund, den T. Fox gab, nicht für genügend, um die Diagnose eines 
lupösen Infiltrates aufrecht zu erhalten, und die Abbildung, die sich 
in Foxs Arbeit 3 ) findet, dürfte allerdings nicht als beweisend an¬ 
gesehen werden. Gegen Elliots Deutung seines mikroskopischen 
Befundes sind in der Diskussion, die sich an seine Demonstration 
anschloss, Einwände .erhoben worden; Jadassohn fand nur Granu¬ 
lationsgewebe mit L an gh ans sehen Riesenzellen. Dagegen schildert 
Finger einen Befund, der wohl direkt als tuberkulös angesprochen 
werden darf: Nester aus dichtgestellten Epitheloidzellen, die Lang- 
h ans sehe Riesenzellen einschliessen, und die, durch einen schmalen 
Saum von mononukleären Elementen von einander abgegrenzt, sich 
zu einem grösseren, scharf umschriebenen Knoten Zusammenschlüssen; 
dabei besteht centrale Verkäsung. Saalfeld wies Rundzellen-Infil- 
trate mit Riesenzellen und centraler käsiger Degeneration nach. 
Nobl findet „einen dem Lupus sehr nahestehenden Prozess“, Th. Mayer 
das Bild eines tuberkulösen Prozesses, Kreibich endlich typisches 
tuberkulöses Granulationsgewebe, und ich möchte meinen mikro¬ 
skopischen Befund direkt als denjenigen eines Epitheloidtuberkels mit 
centraler Verkäsung ansprechen. Alles in allem findet sich also eine 
bescheidene Anzahl von histologischen Ergebnissen beim Lupus folli¬ 
cularis disseminatus, in denen die tuberkulöse Natur des Prozesses 
nicht nur nach der Art der histologischen Elemente (Epitheloidzellen, 
Rundzellen, Riesenzellen), sondern auch nach ihrer charakteristischen 

1) Len gl et. Artikel: Lupus vulgaris in La Pratique dermatologique. 
Paris 1902. 

2) R. Crocker, Diseases of the skin. 1888. 

3 ) Lancet 1878. 



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löj Lupus follicularis disseminatus. 

Zusammenordnung, wie nach der regressiven Metamorphose (Verkäsung) 
erwiesen scheint. 

Dagegen ist der mikroskopische Nachweis der Tuberkelbacillen 
nur in einem einzigen Falle gelungen. Finger konnte in ca. 50 Schnitten 
zwei Stäbchen finden, die nach Form und Färbbarkeit Tuberkelbacillen 
entsprachen. Diesem Funde gegenüber stehen die negativen Ergeb¬ 
nisse der früheren (Jadassohn) und aller späteren Untersucher. 
Obwohl Fingers Fund zu besonderem Eifer anspornen musste, miss¬ 
glückte der Nachweis bei Saalfeld, Pontoppidan, Nobl, Th. Mayer, 
Kreibich, Bettmann. Wenn auch ohne weiteres zugegeben werden 
kann, dass bei einem lupusartigen Prozesse nur mit spärlichen Bacillen¬ 
mengen gerechnet werden muss, so ist diese Häufung negativer Er¬ 
gebnisse immerhin auffällig. 

Ebensoexistiert nur ein einziges positiveslmpfergebnis, dasjenige 
von Jadassohn 1 ), dem es gelang, beim Meerschweinchen nach Ein¬ 
bringung von Knötchen des Lupus follicularis eine protrahierte Tuber¬ 
kulose zu erzeugen. Ergebnislos dagegen blieb das Tierexperiment 
bei Finger, Saalfeld, Bettmann und nach der mir erteilten 
privaten Auskunft bei Kreibich. Die negativen Resultate können 
aber nicht auffallen, wenn wir bedenken, dass wir unter allen Um¬ 
ständen beim Lupus follicularis disseminatus höchstens spärliche 
Bacillen voraussetzen dürfen, und dass die Forderung Leloirs, für 
Tierexperimente beim Lupus nur grössere Stücke zu verwenden, sich 
hier ebensowenig erfüllen lässt, wie für die Mehrzahl der Fälle die 
Auswahl von Stückchen im frischesten Entwickelungsstadium. 

Die Tuberkulin-Reaktion endlich ist, wie es scheint, über¬ 
haupt nur in 3 Fällen vorgenommen worden, von Jadassohn, 
Finger und von mir, jedesmal aber mit positivem Erfolge, wenn 
auch in meinem Falle erst nach einer relativ hohen Dosis. Es ist 
hervorzuheben, dass wir dabei das Hauptgewicht auf die lokale 
Reaktion zu legen haben; die Beweiskraft der positiven Allgemein¬ 
reaktion wird beim Lupus follicularis disseminatus dadurch ein¬ 
geschränkt, dass man bei den Patienten mit der Möglichkeit einer 
latenten Tuberkulose rechnen muss; oder dass (wie bei Jadassohns 
Patienten) gar manifeste tuberkulöse Erscheinungen bestehen. 

Ein Überblick über die vorliegenden Untersuchungsergebnisse 
lehrt demnach, dass seit Fingers Arbeit neue Stützen für die tuber¬ 
kulöse Natur des Lupus follicularis disseminatus nur in der von 
mehreren Seiten mit grösserer Bestimmtheit ausgesprochenen Deutung 

i) Ich verweise nochmals darauf, dass ich den Fall Besniers vorläufig bei¬ 
seite lasse. . 


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S. Bettmaun. 


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des mikroskopischen Befundes und in dem positiven Ausfall der Tuber¬ 
kulin-Reaktion in unserem Falle gefunden werden können, dass aber 
andererseits alles Suchen nach Tuberkelbacillen und alle Impfexperi¬ 
mente vergeblich waren. 

Es ergibt sich also folgendes: Wenn wir alle Fälle des Lupus 
follicularis disseminatus Zusammenhalten, so sind wohl die einzelnen 
Forderungen für die Diagnose eines tuberkulösen Prozesses (klinische 
Charaktere, mikroskopischer Befund, Nachweis der Tuberkelbacillen, 
Tuberkulinreaktion und positiver Ausfall des Impfexperimentes) samt 
und sonders erfüllt, es existiert aber kein Einzel fall, der allen Anforde¬ 
rungen genügte. Immerhin sind in einigen der genau untersuchten 
Fälle so viele Einzelpunkte in positivem Sinne erledigt, dass man wohl 
sagen darf: Es existiert ein Krankheitsbild mit den oben geschilderten 
klinischen Eigentümlichkeiten des Lupus follicularis disseminatus, das 
mit grösster Wahrscheinlichkeit als eine echte tuberkulöse Erkran¬ 
kung der Haut betrachtet werden darf. 

Diese Auffassung des Lupus follicularis disseminatus erscheint 
umsomehr berechtigt, als eben die Einzelelemente der Affektion mit 
den Primärefflorescenzen des Lupus vulgaris übereinstimmen, und sich 
damit die Angliederung an diesen von selbst ergibt. Aber diese An¬ 
reihung erscheint mir nicht gleichbedeutend mit einer vorbehaltslosen 
Unterordnung unter das Gebiet des Lupus vulgaris. Gewiss kommt 
bei manchen Fällen des Lupus vulgaris eine gelegentliche Ausstreuung 
follikulärer Knötchen vor*), ebenso wie eine Dissemination von 
grösseren Knoten; aber solche Formen vermitteln nur den Übergang, 
sie lassen noch keine Identifizierung des Lupus follicularis mit den 
disseminierten Formen des Lupus vulgaris zu 2 ). Als klinische Be¬ 
sonderheiten des Lupus follicularis disseminatus bleiben bestehen: 
das Auftreten in bestimmtem Alter, die primäre akute oder subakute 
Dissemination, die mangelnde Neigung der Einzelefflorescenzen zur 
Vergrösserung und zur Konfluenz, das völlige Fehlen ulceröser Pro¬ 
zesse, die Beschränkung auf das Gesicht, der Stillstand, den die 
Affektion in relativ kurzer Zeit zu erfahren pflegt. Die Erscheinungs¬ 
form des Lupus follicularis disseminatus präsentiert sich in einer 
Reinheit, die dem Lupus vulgaris sonst fehlt. 

1) Nur Hutchinson erwähnt das Bestehen eines „Acne-Lupus‘ neben 
typischem Lupus vulgaris. 

2 ) Besnier z. B. unterscheidet sehr wohl zwischen dem Lupus (vulgaris) 
disseminatus und dem „Lupus acneique“ der unserem Lupus follicularis disse¬ 
minatus entspräche — cf. auch die Moulage des Musöe Baretta — abgebildet in 
„La pratique dermatologique“, Bd. 111, 8. 218 als „Lupus tuberculeux miliaire.“ 



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Lupus follicularis disseminatus. 


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Der Lupus follicularis disseminatus würde demnach zum min¬ 
desten als eine klinische Sonderart des Lupus vulgaris aufzu¬ 
fassen sein. 

Ich glaube, dass die Erkrankung in engste Beziehung zu bringen 
ist zu gewissen Formen der Hauttuberkulose, die speziell bei Kindern 
beobachtet sind und ebenfalls eine Unterordnung unter den Lupus 
vulgaris nicht ohne weiteres gestatten. Als Ausgangspunkt dient der 
Fall, den Besnier als „Lupus tuberculeux aigu, nodulaire, disse- 
rnine“ beschrieben hat 1 ), und der allgemein dem Lupus follicularis 
disseminatus zugerechnet wird. Die Beschreibung der Einzelefflores- 
cenzen, die Besnier liefert, gestatten auch ohne weiteres diese Ein¬ 
reihung. Die mikroskopische Untersuchung ergab allerdings nur das 
Vorhandensein von Granulationsgewebe ohne Riesenzellen und in etwa 
10 untersuchten Schnitten keine Bacillen. Das Impfexperiment an 
einem Meerschweinchen dagegen schien bei dem Tiere eine protrahierte 
Tuberkulose erzeugt zu haben. 

Dieser Fall Besniers unterscheidet sich von den übrigen Be¬ 
obachtungen des Lupus follicularis disseminatus durch eine Mit¬ 
beteiligung der ganzen Körperoberfläche, er stellt zugleich die ein¬ 
zige Beobachtung der Affektion bei einem Kinde dar; es handelte 
sich um ein kleines Mädchen, bei dem die Affektion im Anschluss 
an Masern aufgetreten war. 

Nun hat später DuCastel 2 ) auf eine Form der Hauttuberkulose 
hingewiesen, die sich bei Kindern durchweg im Anschluss an Masern 
(vielleicht auch an Scharlach?) entwickelt. Sie sitzt nach Du Casteis 
Beschreibung im Gesicht und an den Extremitäten, weniger am 
Kopfe, und entwickelt sich in Form von disseminierten Knötchen und 
Knoten von dem Aussehen des Lupus planus. Die Läsionen treten 
bald nach den Masern auf und erreichen fast unmittelbar das Maxi¬ 
mum ihrer Entwickelung. Dann tritt Stillstand, ein und es fehlt 
weiterhin eine ausgesprochene Tendenz zur Heilung wie zur Ver¬ 
schlimmerung. Einzelne Knötchen können sich mit oder ohne Hinter¬ 
lassung von Narben spontan involvieren, die meisten bestehen ohne 
wesentliche Änderung jahrelang. Hierher gehörende Fälle sind von 
Philipp son 3 ), Doutrelepont 4 ), Haushalter 5 ), Adamson 6 ), 

1) Annales de dermatologie 1889, S. 82. 

2) Du Castel, Les Tuberculoses de la peau consecutives ä la rougeole. 
Annales d. Dermatol. 1898, S. 729. 

3) Berl. klin. Wochenschr. 1892, S. 358. 

4) Archiv für Dermatol. Bd. 29 und Deutsche med. Wochenschr., Vereins¬ 
beilage 1900, S. 89. 

&) Annales de Dermatol. 1898, S. 455. 

6) Brit. Journ. of Dermatol. 1899, S. 20. 


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S. Bettmann. 


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Hall 1 ) publiziert worden. Die enge Zusammengehörigkeit dieser nach 
Masern auftretenden disseminierten Affektion mit dem Lupus folli¬ 
cularis disseminatus dürfte trotz gewisser Abweichungen der Einzel¬ 
fälle wie Bildung grösserer Knoten, irregulärer Verteilung über den 
Körper u. s. w. nicht zu bestreiten sein, und der tuberkulöse Charakter 
der Erkrankung steht hier ausser Zweifel, wenn auch die Diagnose 
nicht in jedem Falle mit Heranziehung aller Hülfsmittel gesichert 
worden ist. 

Für den Lupus follicularis wird wohl auch derselbe Entstehungs¬ 
modus anzunehmen sein wie für diese nach Masern auftretenden 
Formen der Hauttuberkulose. Dass für den Lupus follicularis disse¬ 
minatus die Existenz einer Acne vulgaris keine notwendige Voraus¬ 
setzung bildet, habe ich schon oben betont, und Hutchinsons An¬ 
nahme einer sekundären tuberkulösen Infektion primärer Akne-Efflores- 
cenzen, die Touton 2 ) wieder in Betracht zieht, hat zum mindesten 
keine generelle Bedeutung. Ich verweise auch auf meine anatomischen 
Befunde, die dafür sprechen, dass die Entwickelung der Infiltrate 
sich bei unserem Krankheitsbilde gar nicht an die Follikel zu halten 
braucht; auch Saalfeld betont in seinem Falle die Unabhängigkeit 
der grösseren Knoten von den Follikeln. Jedenfalls werden wir an¬ 
nehmen dürfen, dass der Lupus follicularis disseminatus auf eine von 
innen her erfolgte Aussaat spärlicher (und abgeschvvachter?) Tuberkel¬ 
bacillen in die Haut zurückzuführen ist, gerade so wie wir bei den 
nach Masern auftretenden Formen der Hauttuberkulose die Mobili¬ 
sierung von Bacillen aus einem inneren Herde und ihre Verstreuung 
in die Haut voraussetzen dürfen. Eine anatomische Stütze dieser 
Ansicht durch den Nachweis vermittelnder Gefässveränderungen in 
der Umgebung der Herde des Lupus follicularis ist allerdings bis jetzt 
nicht geliefert worden. 

Ergibt sich nun die Möglichkeit der Anreihung des Lupus folli¬ 
cularis disseminatus an tuberkulöse Erkrankungen, so bleibt doch 
noch die Frage offen, ob alle der Affektion zugerechneten Fälle eine 
solche Angliederung vertragen. Mit anderen Worten: Es ist nicht 
ohne weiteres daran festzuhalten, dass der anscheinenden sympto¬ 
matisch-klinischen Einheit des Lupus follicularis disseminatus auch 
ein einheitlicher Krankheitsprozess entspricht. Zu solchen Bedenken 
können neuerdings wieder Fälle Veranlassung geben, die überhaupt 
unter anderer Bezeichnung publiziert sind, die uns aber Finger 
dem Lupus follicularis disseminatus zuzurechnen gelehrt hat. Es 

l ) Brit. med. Journ. 1901, Sept. 28. 

-) Touton 1. c. S. 67. 



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Lupus follicularis disseminatus. 


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handelt sich uni die Acne telangiectodes Kaposis, die dieser 
ihrem anatomischen Befunde nach am meisten zur Acne rosacea in 
Beziehung brachte. 

Im Jahre 1894 beschrieb Kaposi 1 ) als Acne telangiectodes auf 
Grund von zwei Fällen ein Krankheitsbild, als dessen hervorstechendstes 
Merkmal er die akute Entwickelung von Knötchen aus Granulations¬ 
gewebe erklärte, die in ziemlich allgemeiner und unregelmässiger 
Disposition aufträten und teilweise zur Erweichung gelangten. 

Der erste Fall betraf einen 48jährigen Mann mit mässiger Acne 
vulgaris, bei dem vier Wochen vor dem Spitaleintritt im Bereiche der 
Stirne, der Wangen, an den unteren Augenlidern wie auch im Be¬ 
reiche der übrigen Gesichtshaut zahlreiche, teils flache, teils erhabene, 
vielfach gruppierte, sonst aber disseminierte schrotkorn- bis erbsen¬ 
grosse, rote, mässig succulent sich anfühlende Knötchen auftraten. 
Ein Teil derselben trug ein kleines Schüppchen, andere an der Spitze 
Pustelchen oder Krüstchen mit molkig-bröckeligem Inhalt, die meisten 
waren glatt, mässig glänzend und erblassten auf Fingerdruck. Ältere 
Knötchen Hessen sich sehr leicht als Ganzes mittels Hohlsonde oder 
scharfen Löffels aus der Cutis herausheben und als schlaffes, gelb¬ 
rötliches, vaskularisiertes Gewebe zwischen den Fingern zerquetschen. 
Bei der histologischen Untersuchung ergab sich ziemlich reich vas¬ 
kularisiertes junges Granulationsgewebe mit in Häufchen angeordneten 
Riesenzellen und epitheloiden Zellen, ohne Spur von Mikroorganismen. 
Ihr anatomischer Sitz war das tiefere Corium mit der Hauptmasse 
um den Fundus der Haarbälge und um die Knäueldrüsen. 

Im zweiten „verblüffenden“ Falle handelte es sich um eine 
40jährige Frau, deren Ausschlag drei Monate vor der Aufnahme in die 
Klinik ohne erkennbare Veranlassung in Form von Knötchen im Ge¬ 
sichte aufgetreten war. Der ganze Bereich des Gesichts ist dicht 
besetzt von zahlreichen schrotkorn- bis nahezu erbsengrossen, zum 
Teile lebhaft roten, grösstenteils aber livid- und braunroten schlaffen 
(bei Druck nach Angabe der Kranken sehr schmerzhaften) Knötchen. 
Über den Augenbrauen waren die Knötchen zu dichten Haufen ge¬ 
drängt. Auf der Nase aber und am Kinn zerstreut fanden sich hirse- 
korn- bis stecknadelkopfgrosse offenbar Anfangsformen darstellende 
lebhaft rote und teilweise zugespitzte Follikularknötchen, und unter 
den älteren und grösseren Knötchen solche mit beginnender eitriger 
Schmelzung ihrer Spitze, sodass die Aflfektion als subakute Follicu¬ 
litis mit Bildung von Knoten jungen Bindegewebes gleichwie im früher 
beschriebenen Falle aufgefasst wurde. 

i) Kaposi, Über einige ungewöhnliche Formen von Akne (Folliculitis). 
Arch. f. Dermatol. Bd. 26, S. 87. 


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S. Bettmann. 


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Noch verwirrender war der Anblick der an den Rücken- und 
Seitenflächen der Finger, an den Vorder- und Oberarmen, an den 
Knieen und am Oberschenkel vorhandenen Eruptionen. Hier sah 
man grösstenteils linsen- bis pfenniggrosse livid- und braunrote, 
scharf begrenzte, flach erhabene, ziemlich derbe, an der Oberfläche 
teils glatte und glänzende, teils aber im Centrum hämorrhagische und 
flach eingesunkene Flecke und Knoten, also teils ähnlich beginnender 
Lepra maculo-papulosa, teils — namentlich mit Rücksicht auf die 
Lokalisation — an Erythema nodosum gemahnend. An den Fingern 
gab es überdies punktförmige Hämorrhagien und derbe, scharf begrenzte, 
derbrandige Flecke und flache Knoten mit centraler hämorrhagischer 
Depression, pernioähnliche Vorkommnisse wie bei Lupus erythematosus. 

Während des Aufenthalts der Patientin in der Klinik gab es 
reichliche Nachschübe an den Unterextremitäten, im Gesicht und 
auch am behaarten Kopfe. 

Die histologische Untersuchung von Knötchen aus der Gesichts¬ 
haut ergab: junges Granulationsgewebe im tiefen Corium knoten¬ 
förmig eingelagert, hauptsächlich um den Fundus der Haarbälge und 
um die Knäueldrüsen, mit Fortsetzung der Zellinfiltration längs der 
aufsteigenden Gefässe gegen die Papillarschicht, zahlreiche Zellen in 
fettiger Degeneration und viele in Haufen gestellte Riesenzellen. 

Finger spricht in seiner zusammenfassenden Arbeit diese beiden 
Fälle Kaposis als Beispiele des Lupus follicularis disseminatus an, 
und nachdem Kaposi andererseits bei der Demonstration eines der 
Finger sehen Fälle von Lupus follicularis disseminatus die Diagnose 
der Acne telangiectodes gestellt hatte, ist die Identität der beiden 
Krankheitsbilder allgemein anerkannt worden. Kaposi selbst hat 
allerdings noch in der letzten Auflage seines Lehrbuchs die Acne 
telangiectodes als besonderes Krankheitsbild beschrieben, ohne über¬ 
haupt auf ihre fragliche Beziehung zum Lupus follicularis disseminatus 
einzugehen 1 ). 


i) Majocchi hat (Berl. klin. Wochenschr. 1894) eine Hautaffektion be¬ 
schrieben, deren Benennung als „Lupus telangiectodes disseminatus“ den Eindruck 
erwecken konnte, als handelte es sich hier um das Bindeglied zwischen Acne 
telangiectodes und Lupus follicularis disseminatus. Majocchis Beschreibung 
charakterisiert die Erkrankung aber nur als eine durch ihren Gefässreichtum aus¬ 
gezeichnete Unterform des Lupus vulgaris. Nach ihrem ausschliesslichen Sitz an 
den unteren Extremitäten, der Bildung von handtellergrossen Plaques, der Kom¬ 
bination mit Ulcerationen, dem Hervortreten der Gefässe hat diese Affektiou mit 
dem Lupus follicularis disseminatus nichts gemein. Interessant ist aber, dass 
Finger die Veränderungen, die Kaposi an den unteren Extremitäten seiner 
zweiten Patientin mit Acne telangiectodes beschrieben hat, als der von Majoc¬ 
chi geschilderten Affektion entsprechend deutet. 



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Lupus follicularis disseminatus. 


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Nun nimmt aber neuerdings Jesionek 1 ) die Diagnose der Acne 
telangiectodes (Kaposi) im Gegensatz zur Bezeichnung des Lupus 
follicularis wieder auf. Er hat einen sehr beachtenswerten Fall bei 
einer 56jährigen Frau beobachtet, bei der die Anamnese bezüglich 
tuberkulöser Erkrankungen ein vollkommen negatives Resultat ergab, 
und die 5—6 Wochen vor ihrem Eintritt ins Krankenhaus mit einer 
Knötcheneruption am behaarten Kopfe, an der Stirn und im Gesichte 
erkrankte. Das Exanthem hatte aber auch Hals, Nacken, Brust, 
Rücken und die oberen (und unteren?) Extremitäten wie die Rachen¬ 
schleimhaut ergriffen. Es setzte sich zusammen aus Knoten und 
Knötchen von differenter Grösse und Farbe. Beim Eintritt in die 
Beobachtung beherrschten das Krankheitsbild erbsen- und kirschkern- 
gr'osse, scharf umschriebene, aus ihrer Umgebung halbkugelig sich 
vorwölbende Knoten von satter rotbrauner Farbe und eigentümlichem 
apfelgeleeartigem Glanze, von teigiger, praller Konsistenz, mit voll¬ 
kommen glatter Oberfläche. Von der Seite betrachtet erschienen ein¬ 
zelne Efflorescenzen wie transparent, wie blasen- und tropfenähnlich, 
als ob ein flüssiger Inhalt in ihnen vorhanden wäre. An Zahl in 
zweiter Linie standen flachpapulöse braunrote Gebilde von runder 
oder ovaler Form. Diese nur mehr wenig erhabenen Papeln Hessen 
nicht mehr die succulente luftpolsterartige Beschaffenheit der auf der 
Höhe der Entwickelung stehenden halbkugeligen Knoten erkennen, 
sondern waren weicher von mehr schlapper Konsistenz. Die Farbe 
dieser Efflorescenzen war ein dunkles Braunrot mit jenem eigentüm¬ 
lichen oben erwähnten geleeartigen Glanze, soweit das deckende 
Epithel noch glatt und gespannt war. Bei vielen dieser papulösen 
Gebilde aber war die Epidermisdecke leicht gefaltet, und wiederum 
andere zeigten zarte Schüppchen aufgelagert, manchmal auch kleine 
Schuppenhügelchen, die sich nicht leicht abkratzen Hessen und an 
Lichen pilaris erinnern konnten. Im allgemeinen aber machten in 
diesem Stadium eben beginnender spontaner Involution die Efflores¬ 
cenzen ganz den Eindruck von riesiggrossen Lupusknötchen. Ganz 
anders verhielt es sich aber mit kleineren und kleinsten Knötchen, 
die überall regeUos zwischen den oben beschriebenen Efflorescenzen 
zerstreut sich fanden und gewissermassen als die Primärefflorescenzen 
anzusprechen waren: kaum stecknadelkopfgrosse oder nur um ein 
geringes grössere, zarte Papelchen von mattrosaroter Farbe und leicht 
zugespitzter Form, einem eben prorumpierenden Akneknötchen nicht 
unähnlich, umsomehr als sich an der grösseren Anzahl dieser jüngsten 

*) Jesionek, Ein Fall von Acne telangiectodes (Kaposi). Deutsch. Arch. 
f. klin. Mediz. 69, 1901, S. 130. 

Beiträge zur Klinik dor Tuberkulose, H. 1. 8 


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S. Bettmann. 


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Gebilde der Ausgang vom Follikel mit Sicherheit nachweisen Hess. 
Am behaarten Kopfe war es zur Bildung einiger etwa markstück¬ 
grosser flachknotiger Infiltrate gekommen. Am Gaumen sassen drei 
der Hauteruption analoge Knoten. 

Die weitere Beobachtung zeigte nun, dass ein Teil der zarten 
rosaroten Stippchen innerhalb 3—4 Tagen vielleicht Hirsekorn- oder 
Linsengrösse erreichte, dabei eine dunklere rotbraune oder braune 
Farbe von apfelgeleeartigem Glanze annahm, dabei sich schärfer aus 
seiner Umgebung heraushob. Solchermassen ähnlich einem promi¬ 
nenten grossen Lupusknötchen blieb es ziemlich uuverändert 8—14 
Tage bestehen, vielleicht um ein weniges sich vergrössernd, verlor 
schliesslich seinen eigenartigen Glanz, wurde weicher, zeigte ein zartes 
Schuppensäumchen an seiner Peripherie oder bedeckte sich voll¬ 
kommen mit feinen, nicht leicht abstreifbaren Schüppchen oder 
Schuppenkegelchen. Im Verlaufe von 3—4 Wochen gelangten die 
meisten der kleineren und mittelgrossen Efflorescenzen mit Hinter¬ 
lassung eines unter das umgebende Niveau flach eingesunkenen bräun¬ 
lichen Pigmentflecks zur spontanen Rückbildung. Auch einige der 
grösseren Gebilde involvierten sich in analoger Weise — nur mit 
tieferer narbiger Einziehung und intensiverer Pigmentierung. 

Mikroskopisch ergab sich im wesentlichen eine geschwulstartige 
Infiltrationsmasse im Corium, zum grössten Teile aus Lymphoidzellen 
bestehend, daneben relativ zahlreich epitheliale Riesenzellen, teils disse- 
miniert, teils in Haufen angeordnet, in der Umgebung dieser Riesen¬ 
zellen häufig auch andere epitheloide Zellen, aber ohne eine bestimmte 
Anordnung, sodass an Tuberkelbildung gar nicht gedacht 
werden kann. Dieses entzündliche Granulationsgewebe ist von zahl¬ 
reichen, lebhaft dendritisch verzweigten, stark dilatierten Gefässen 
durchzogen. In den oberen und mittleren Partien des Coriums ist 
eine Anordnung der Infiltrate längs der Gefässverzweigungen unver¬ 
kennbar; auch in den tieferen Schichten finden sich vielfach strang¬ 
förmige Zellanhäufungen um die Gefässe. 

Untersuchung auf Tuberkelbacillen blieb ebenso wie das Tier¬ 
experiment negativ. 

Jesionek betont, dass das von ihm geschilderte Krankheitsbild 
in jeder Hinsicht der Acne telangiectodes Kaposis entspreche, 
andererseits acceptiert er die von Finger festgelegte Identität dieser 
Erkrankung mit dem Lupus follicularis disseminatus, und da sein 
Fall die Deutung als tuberkulöse Erkrankung nicht zulässt, kommt 
Jesionek dazu, für die ganze Gruppe die bacillär-tuberkulöse Natur 
abzulehnen. Er lässt es offen, ob es sich um eine Dermatose aus 
dem Bereich der Tuberkulide handelt. 



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23] 


Lupus follicularis disseminatus. 


115 


Damit wäre also die tuberkulöse Natur des Lupus follicularis 
disseminatus wieder ernstlich in Frage gestellt. Aber ich kann 
Jesioneks Standpunkt nicht teilen. Seine Schlussfolgerungen, die 
sich auf seine eigene Beobachtung beziehen, sind nicht anzugreifen; 
aber dieser Fall entspricht nicht dem Bilde des Lupus follicularis 
disseminatus, so wie ich es oben skizziert habe. Wenn wir eine An¬ 
zahl von vielleicht nebensächlichen und unwesentlichen Differenz¬ 
punkten ganz beiseite lassen, wie das höhere Alter der Patientin 
Jesioneks, die Ausdehnung der Affektion auf Rumpf und Extremi¬ 
täten, die Grösse vieler Knoten, das Zurücktreten der Milienbildung 
u. a. m., so bleibt als wesentlich der von Jes ionek geschilderte 
Verlauf der Einzelefflorescenzen zu berücksichtigen. Wo beim Lupus 
follicularis disseminatus das Vorhandensein von grösseren Knötchen 
und Knoten erwähnt ist, scheinen dieselben niemals innerhalb kürze¬ 
ster Zeit herangewachsen zu sein, wie in Jesioneks Fall, vor allem 
aber ist dem Lupus follicularis disseminatus die Neigung zu akuter 
spontaner Involution, die bei der Kranken Jesioneks eine hervor¬ 
ragende Rolle spielte, durchaus fremd. Wir hatten im Gegenteil auf 
die grosse Hartnäckigkeit der Efflorescenzen des Lupus follicularis 
disseminatus hinzuweisen. Halten wir dazu noch den mikroskopischen 
Befund, der in einigen Fällen der letzteren Erkrankung das Bild 
typischer Tuberkulose ergibt, in Jesioneks Fall dagegen eine An¬ 
ordnung des Granulationsgewebes derart, „dass an Tuberkelbildung 
gar nicht gedacht werden kann“, so glaube ich bestimmt sagen zu 
können, dass die Acne telangiectodes, so wie sie Jesionek be¬ 
schreibt, und der Lupus follicularis disseminatus zwei verschiedene 
Krankheitsprozesse darstellen. Ich übersehe dabei nicht, dass nicht 
alle als Lupus follicularis disseminatus angesprochenen Fälle speziell 
hinsichtlich des histologischen Befundes diese scharfe Gegenüberstellung 
gestatten. 

Die Beobachtung Jesioneks verweist uns somit auf neue 
Schwierigkeiten, die sich für die Diagnose des Lupus follicularis disse¬ 
minatus ergeben, ohne dass damit die Existenz des Krankheitsbildes 
in Frage gestellt wäre. Ich möchte hier mit aller Reserve noch eine 
von Bo eck 1 ) beschriebene Krankheitsform heranziehen, die uns in 
Zukunft weitere differential-diagnostische Schwierigkeiten bereiten 
könnte; Bo eck hat sie als papulöse Form des multiplen benignen 
Sarkoids der Haut benannt. Es handelt sich um die Eruption von 
stecknadelkopf- bis hanfkorngrossen, anfangs prominenten Papelchen 


0 Bo eck. Weitere Beobachtungen über das multiple benigne Sarkoid der 
Haut. Festschrift f. Kaposi. Arch. f. Derm. S. 153. 


8* 


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116 


S. Bettmann. 


[24 


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einer Follikelmündung entsprechendes Schüppchen tragen und all¬ 
mählich, indem sie wieder einsinken, sich mit stark dunkelgelber 
von hellroter, später bräunlich-gelber Farbe, die teilweise ein centrales, 
Pigmentierung involvieren, # um schliesslich ein feines Närbchen zu 
hinterlassen. Die Affektion lokalisiert sich vorwiegend oder ausschliess¬ 
lich im Gesichte. Mikroskopisch findet sich eine — wohl entzünd¬ 
liche — geschwulstartige Wucherung im Corium, die überwiegend 
aus epitheloiden Zellen besteht, spärliche Riesenzellen der sarkoma- 
tösen Type enthält und eine vom Centrum ausgehende Degeneration 
mit Erblassen und Zerfall der Kerne wie das Protoplasma erfährt. 

Die Krankheit zieht sich unter mehrfachen Schüben längere Zeit 
hin: nach der genaueren Beschreibung wie der Abbildung, die sich 
in Boecks Arbeit findet, dürfte sich wenigstens in gewissen Stadien 
der Krankheit eine unverkennbare Ähnlichkeit mit manchen Fällen 
des Lupus follicularis disseminatus ergeben. 

Wenn wir nun die Einreihung des Lupus follicularis disseminatus 
unter die Tuberkulide ablehnen, so haben wir doch seine nähere Be¬ 
ziehung zu dieser Krankheitsgruppe in Betracht zu ziehen. Schon 
vermöge seiner exanthemartigen Verbreitung scheint er — ähnlich 
dem Lichen scrophulosorum — einen Übergang zwischen Hauttuber¬ 
kulose und Tuberkuliden darzustellen. Nun ist von Saalfeld der 
Lupus follicularis disseminatus speziell als das anatomische Verbin¬ 
dungsglied zwischen Lupus vulgaris und Lupus erythematodes ange¬ 
sprochen worden; und es wäre damit berufen, in einer interessanten 
dermatologischen Streitfrage eine Rolle zu spielen. Saalfeld ist auf 
das positive, zu Gunsten der Zusammengehörigkeit von Lupus vul¬ 
garis und erythematodes vorhandene Beweismaterial nicht genauer 
eingegangen; er führt nur an, dass Besnier Übergangsformen be¬ 
schrieben hat. Es wäre aber auch darauf zu verweisen, dass schon 
E. Vidal einen Lupus erythemato-tuberculeux kennt, der mit Infil¬ 
traten begann, die denen des Lupus erythematodes entsprechen, in 
denen nichts von Knötchen nachweisbar war, und der nach Aussehen 
und Verlauf ganz dem Lupus erythematodes (discoides) unterzuordnen 
wäre, bei dem aber unter dem Einfluss der Skarifikation Knötchen 
wie beim Lupus vulgaris zum Vorschein kamen. Das Auftauchen von 
lupusähnlichen Knötchen beim Lupus erythematodes, wie es Saal- 
feld selbst mehrfach gesehen hat, ist aber deshalb nicht ohne weiteres 
zu verwerten, weil die mikroskopische Untersuchung lehren kann, dass 
die Knötchen trotz der Übereinstimmung mit Lupus vulgaris, die sie 
in ihrem optischen Verhalten zeigen, in ihrem histologischen Aufbau 
die Charaktere der Tuberkulose vollkommen vermissen lassen. Ich 
selbst habe mich davon in einem Falle von Lupus erythematodes 



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Lupus follicularis disseminatus. 


117 


disseminatus überzeugen können, auf den ich an anderer Stelle aus¬ 
führlich zurückkommen werde. Man ist also wohl nicht berechtigt, 
mit Saalfeld jene Knötchen beim Lupus erythematodes bis zum 
mikroskopisch erbrachten Beweise des Gegenteils als Elemente des 
Lupus vulgaris zu deuten. 

Allerdings hat Leloir 1 ) als „Lupus vulgaris erythematoides“ 
einen Befund geschildert, der klinisch und mikroskopisch eine 
Übergangs- und Kombinationsform darstellen soll, den indessen Kaposi 
nur als einen durch intensive entzündliche Infiltration der Umgebung 
atypisch erscheinenden Lupus vulgaris auffasst. Einen anderen Fall, 
der klinisch als Lupus erythematodes imponierte und mikroskopisch 
als Mischung eines „Lupus erythemato-tuberculeux“ gedeutet wird, 
hat Leredde 2 ) publiziert, und ähnliche Fälle finden sich noch mehr. 

Wie gross oder wie gering aber auch immer die Beweiskraft 
solcher Fälle sein mag, so liefern sie kein Material dafür, dass gerade 
der Lupus follicularis disseminatus die Brücke zwischen jenen 
beiden Erkrankungen darstellen könnte. SaalfeId findet das Ver¬ 
bindungsglied in der den Lupus follicularis disseminatus begleitenden 
Seborrhoe. Aber einerseits hatte ich mehrfach darauf zu verweisen, 
dass die Seborrhoe ebensowenig wie die Akne eine konstante Begleit¬ 
erscheinung des Lupus follicularis disseminatus darstellt, und auf der 
anderen Seite ist die Bedeutung der Seborrhoe für das Zustande¬ 
kommen des Lupus erythematodes fraglich geworden. Saalfelds 
Argumentation erscheint mir deshalb nach keiner Richtung hin be¬ 
weiskräftig. 

Soll eine nähere Beziehung des Lupus follicularis disseminatus 
zum Lupus erythematodes gesucht werden, so wären wohl speziell 
die d isseminierten Formen der letzteren Erkrankung ins Auge zu 
fassen. Hier aber fehlt durchweg die anatomische Übereinstimmung 
mit dem Lupus follicularis disseminatus. So könnte nur das gemein¬ 
same Vorkommen der beiden Krankheitsbilder bei ein und demselben 
Patienten ins Feld geführt werden, das allerdings bis jetzt nur in 
einem einzigen Falle festgestellt ist. Touton 3 ) hat bei einem 14jäh- 
rigen Mädchen eine Erkrankung beobachtet, die er als Koexistenz 
von Lupus vulgaris disseminatus, Lupus erythematodes disseminatus, 
Aknitis (Barthelemy) und Scrophuloderma subcutaneum analysiert; 
er spricht einen Teil der Efflorescenzen direkt als Lupus follicularis 
disseminatus an. 

1) Leloir, Archiv, de Physiol. 1891. 

2) Le red de, Annales de Derm. 1898, S. 262. 

3 ) Touton 1. c. S. 55. 


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S. Bettmann. Lupus follicularis disseminatus. 


[26 


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Aber auch dieser Fall beweist eben nicht mehr als das gemein¬ 
same Vorkommen des Lupus follicularis disseminatus mit Vertretern 
der Tuberkulidgruppe. Zwei andere Fälle sind im gleichen Sinne zu 
verwerten. Einmal die oben wiedergegebene Beobachtung von Balzer 
und Michaux, in der sich neben dem Lupus die Barthelemysche 
Aknitis fand, und dann unser Fall, in dem ebenfalls die Symptome 
der Aknitis und ausserdem noch die Erscheinungen wie bei Erythema 
induratum zu konstatieren waren. Derartige Kombinationen ver¬ 
dienen immerhin besondere Beachtung. Denn wenn sie auch ana¬ 
tomisch die Verbindung zwischen Tuberkulose und Tuberkuliden nicht 
herzustellen vermögen, so kann die Tuberkulid-Hypothese doch gerade 
an solchen Beispielen eine besondere klinische Stütze finden, die in 
der Haut selbst den Sitz einer manifest tuberkulösen Erkrankung 
neben dem Tuberkulid demonstrieren. Dabei zwingt uns die Mannig¬ 
faltigkeit der Formen, in denen sich die Hauttuberkulose unabhängig 
von ihrem genaueren Sitze darstellt, Intensitäts- und Qualitätsdiffe¬ 
renzen der Reaktion auf den Tuberkelbacillus gelten zu lassen, die 
uns ein Verständnis dafür eröffnen, dass sich die Toxinwirkung der 
Tuberkulose in der Haut verschiedenartig äussert. Diese Annahme 
wird aber zur notwendigen Voraussetzung, wenn wir den differenten 
Formen der Tuberkulide die ihnen zugeschriebene Bedeutung zuer¬ 
kennen sollen. . 



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Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose. 

Von 

Professor Vineenz Czerny. 

Ab und zu kommen in meine Sprechstunde auch Phthisiker. Auf 
meine Bemerkung, dass sie besser zu einem anderen Kollegen gehen 
möchten, welcher sich spezialistisch mit dieser Krankheit abgibt, er¬ 
halte ich regelmässig die Antwort, sie seien von diesem oder jenem 
Bekannten mit demselben Leiden, dem meine Ratschläge gute Dienste 
geleistet hätten, empfohlen worden und wünschten deshalb meine 
ärztliche Behandlung. Als typisches Beispiel möchte ich kurz folgen¬ 
den Fall skizzieren: 

Der Schmiedemeister H. aus Sandhausen, 40 Jahre alt, Vater von fünf 
Kindern, kam am 10. März 1902 zu mir, weil er den ganzen Winter gekränkelt 
habe, viel husten musste, Blut spuckte, stark abgemagert ist und durch Nacht- 
schweisse viel zu leiden hatte. Ich fand beiderseits Spitzendämpfung, rechts bis zur 
Mitte der Scapula, starken Katarrh über beiden Lungen und Auswurf. Ich be¬ 
sprach mit ihm seine Wohnungsverhältnisse, regulierte seine Diät, verordnete 
ihm zweimal täglich 15 Tropfen Kreosot und Tr. gentianae ää, Latschen-Kieferöl 
zum Einatmen und dreimal wöchentlich Einseifung des ganzen Körpers mit 
Kaliseife, welche eine halbe Stunde später durch eine Giesskanne lauwarmen 
Wassers abgewaschen wird. 

Am 10. September berichtete er mir, dass er durch die Behandlung ganz 
gesund geworden sei, aber im Sommer eine Ohreneiterung bekommen hätte, welche 
eine Öffnung des Trommelfells notwendig machte. Das Ohr fliesse noch immer. 
Jetzt sei wieder Husten und Auswurf vorhanden, er habe keinen Appetit und leide 
an Diarrhöen, welche der bisherigen ärztlichen Behandlung nicht weichen wollten. 

Ich liess jetzt abendliche Abwaschungen des ganzen Körpers mit lauem 
Wasser, dem einige Esslöffel Seifenspiritus zugesetzt war, machen, liess Salz¬ 
wasser gurgeln und schnupfen und gab ihm Kreosot 10 Tr. Ratanhiae 20, zwei- 
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 2. 9 


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120 


Vincenz Czerny. 


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e 


mal täglich 15 Tropfen in Milch zu nehmen. Die Diarrhoe hörte dann bald auf, aber 
der Appetit wollte nicht kommen. Ich gab ihm am 26. September wieder Kreosot 
mit Tr. gentianae und liess ihn wieder Seifeneinreibungen und Übergiessungen 
machen. 

Als er am 28. Oktober wieder kam, war sein Befinden befriedigend. Die 
Spitzendämpfung war in der linken Seite ganz verschwunden, rechts noch eine 
unbedeutende Schallverkürzung, kein Katarrh, der Auswurf war bloss morgens und 
sehr gering, der Stuhlgang regelmässig. Da kühleres Wetter eingetreten war, 
liess ich vier Wochen lang Lebertran nehmen und am 17. Dezember kam er mit 
bedeutender Gewichtszunahme, gutem Aussehen, ohne Katarrh, wesentlich um sich 
für den Erfolg der Kur zu bedanken. Die Seifeneinreibung musste er wegen des 
kalten Wetters aussetzen; ich riet ihm aber, doch mit den Abwaschungen noch 
fortzufahren und wieder abwechselnd Lebertran und Kreosot zu gebrauchen. 

Es ist ja eine alltägliche Geschichte und sicher allen viel be¬ 
schäftigten Ärzten oft vorgekommen und dennoch scheint diese alte 
Methode der Schwindsuchtsbehandlung, welche in jedem Bauernhause 
sich leicht durchführen lässt, unter der Fülle moderner Vorschläge 
in Vergessenheit geraten zu sein. 

Ein anderes Beispiel von wesentlich chirurgischer Tuberkulose, 
bei welcher die häusliche Behandlung zeitweise durch klinische Be¬ 
handlung ersetzt und unterstützt werden musste, welche aber trotz 
ihrer Schwere dennoch zu einer dauernden Heilung führte, möge hier 
noch angeschlossen werden. 

Frau Elisabeth L., 53 Jahre, aus Albisheim, hatte seit Frühjahr 1894 rheu¬ 
matische Schmerzen in den Gliedern. Am 7. November kam sie zu mir, hoch¬ 
gradig anämisch und abgemagert, mit Husten, Drüsen am Halse links und kalten 
Abscessen am linken Oberarm und am Rücken über der linken Scapula, tuber¬ 
kulösen Fisteln über dem rechten Darmbein und dem rechten äusseren Knöchel. 
Der Schall über den Lungenspitzen war etwas verkürzt und beiderseits starker 
Spitzenkatarrh vorhanden. Ich verordnete Gurgeln und Schnupfen von lauem 
Salzwasser, Schmierseife-Einreibungen des ganzen Körpers zweimal wöchentlich 
mit Übergiessung eine halbe Stunde später mit lauem Wasser, Fussbäder mit 
Zusatz von Kali hypernianganicum und abwechselnd den Gebrauch von Kreosot 
mit Gentiana und Lebertran. 

Am 1. Juli 1895 berichtete sie mir, dass es anfangs bei der Behandlung 
besser gegangen sei, dass sie aber im Winter wegen Katarrh die Einseifungen 
und Übergiessungen weglassen musste. Sie konnte aber doch fast täglich aus¬ 
gehen. Ein alter Abscess war von einem Kollegen durch Incision und ein zweiter 
durch die Punktion (Jodoform-Injektion?) geheilt worden. Dagegen bestanden 
noch die alten Fisteln, das Gehen war jetzt fast unmöglich und es hatte sich noch 
ein Abscess im linken Radiokarpal-Gelenke gebildet. Sie wurde in die Klinik auf¬ 
genommen, der Abscess aseptisch gespalten, die Fisteln ausgeschabt und mit Jodo¬ 
formgaze verbunden. Sie erholte sich dann ziemlich rasch bei guter allgemeiner 
Pflege und nach Anwendung von einigen Vollbädern mit Sole und etwas Lysol¬ 
zusatz; nach ihrer' Entlassung, war ihr Zustand ziemlich befriedigend, jedoch 
brauchte sie noch konsequent die Schmierseifeneinreibung und Übergiessung etwa 
zweimal wöchentlich. Im Oktober 1896 liess sie sich abermals in die Klinik auf- 



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3] 


Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose. 


121 


nehmen, weil sie seit drei Monaten im rechten Handgelenk eine leichte Ermüd¬ 
barkeit, dann später Schwellung und Schmerzen bemerkte, welch letztere sie 
namentlich in der Nacht plagten. Seit einem Monat kann die Patientin die Hand 
nicht mehr bewegen, Abmagerung und Appetitlosigkeit stellten sich wieder ein. 
In der rechten Lungenspitze war wieder abgeschwächter Schall, Rasselgeräusche 
und in den übrigen Lungenpartieen Emphysem. Die alten Fisteln und kalten 
Abscesse waren mit soliden Narben ausgeheilt, das rechte Handgelenk zeigte eine 
ausgedehnte Panarthritis tuberculosa mit Lockerung des Gelenkes und Fungus 
in den Sehnenscheiden. 

Am 8. Oktober wurde von dem damaligen Assistenten Dr. von Beck die 
Totalresektion des Handgelenkes und die Exstirpation des Sehnenscheidenfungus 
vorgenommen, die Wunde mit beisser Kochsalzlösung ausgewaschen und die Hand 
mit aseptischen Verbänden in leichter Dorsalflexion fixiert. Der Verlauf war voll¬ 
ständig fieberlos, am achten Tage wurden die Nähte und das Drainrohr entfernt, 
vom zwölften Tage ab täglich Kochsalz-Handbäder mit etwas Sublimatzusatz ge¬ 
geben und die Hand auf einer Schiene gelagert, welche die Finger freiliess. Bald 
konnte man täglich mässige Bewegungen der Finger machen und am 7. November 
die Kranke geheilt nach Hause entlassen. Das Allgemeinbefinden hatte sich ge¬ 
bessert, der Lungenkatarrh war geschwunden. 

Die Patientin suchte mich wiederholt in der Sprechstunde auf, dankbar über 
den erzielten Erfolg, war für leichtere häusliche Geschäfte durchaus leistungs¬ 
fähig und konnte auch die resezierte Hand zum Strumpfetricken gut gebrauchen. 
Die letzte direkte Nachricht über ihr Wohlbefinden erhielt ich Ende Januar 1903. 

Solche glückliche Erfolge bei so schweren Formen von Tuber¬ 
kulose der Lungen, Gelenke und Knochen lassen sich bloss durch ein 
zielbewusstes Ineinandergreifen der allgemeinen Behandlung mit einer 
chirurgischen Lokalbehandlung erzielen und es muss in solchen Fällen, 
welche sich über Jahre hinziehen, eine fortgesetzte häusliche Behand¬ 
lung die zeitweise notwendige Anstaltsbehandlung unterstützen. 

Schon seit vielen Dezennien wird für die allgemeine Behandlung 
der Tuberkulose ein grosses Gewicht auf Sonne, gute Luft, reichliche 
Ernährung und Anregung der Hauttätigkeit gelegt. Seitdem Brehmer 
in Görbersdorf gezeigt hat, dass man mit diesen Hilfsmitteln, nament¬ 
lich bei beginnenden Lungenphthisen, oft glänzende Erfolge erzielen 
kann, sind nicht nur zahlreiche Sanatorien für wohlhabende Kranke 
nach denselben Prinzipien eingerichtet worden, sondern auch die ganze 
Lungenheilstättenbewegung, welche namentlich in Deutschland schöne 
Erfolge aufzuweisen hat und noch Besseres hoffen lässt, ist auf diese 
Erfahrung begründet worden. Es werden aber auch Stimmen laut, 
welche dieser Heilstättenbewegung etwas skeptisch gegenüberstehen 
und die betonen, dass der Erfolg der Behandlung sehr häufig pro¬ 
blematisch wird, wenn die Kranken aus den günstigen Lebens¬ 
bedingungen der Heilstätten, wenn auch genesen, wieder in die all¬ 
tägliche Misere der häuslichen Verhältnisse und der Fabriksarbeit 
übergehen müssen. Auch der Übergang von dem süssen Nichtstun 

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122 Vincenz Czerny. [f 

während der Behandlung zu den Bedürfnissen des täglichen Brot¬ 
erwerbes bietet mancherlei Schwierigkeiten. Dazu kommt noch, dass 
die Heilstätten unmöglich alle Phthisiker aufnehmen können, dass 
chirurgische Tuberkulosen und weiter fortgeschrittene Erkrankungen 
der Lungen prinzipiell ausgeschlossen werden, ganz abgesehen von den 
schweren, unheilbaren Fällen, deren Verpflegung in öffentlichen An¬ 
stalten Robert Koch wegen der ganz besonders hohen Ansteckungs¬ 
gefahr für die übrigen Familienmitglieder mit Recht dringend ver¬ 
langt. Kurzum es bleibt für die häusliche Behandlung noch ein 
überreiches Arbeitsfeld und es wäre dringend zu wünschen, dass auch 
die häusliche Behandlung noch weitere Ausbildung und Verbesserung 
erlangen möchte. Es fehlt ja auch nicht an unzähligen Vorschlägen 
und Mitteln, welche zum Teil marktschreierisch in der Tagespresse 
und Fachliteratur ausposaunt werden. 

Die oben mitgeteilten zwei Beobachtungen, welche ich leicht viel¬ 
fach vermehren könnte, zeigen aber, dass man auch mit den einfachsten 
Mitteln manchmal unerwartet gute Erfolge erzielen kann. Aller¬ 
dings muss man zugeben, dass es kaum eine Krankheit gibt, deren 
Prognose so unberechenbar ist, wie die Tuberkulose. Manchmal führt 
eine scheinbar leichte Initialform unter den günstigsten äusseren Ver¬ 
hältnissen, bei welchen Alles angewendet wird, was Kunst, Wissen¬ 
schaft und reiche Geldmittel beschaffen können, in raschem Fort¬ 
schreiten unerbittlich zum Tode, während ein andermal weit vorge¬ 
schrittene Fälle wie durch ein Wunder plötzlich zum Stillstand kommen 
und mit geringer Hilfe, wenn auch nicht zur völligen Heilung, so 
doch zu einem langjährigen Wohlbefinden gelangen. 

Nur als kleinen Beitrag zu der schwierigen und komplizierten 
Frage der häuslichen Behandlung der Tuberkulose möchte ich hier 
die Mittel und Wege auseinandersetzen, welche sich bei mir in meiner 
langjährigen Praxis am besten bewährt haben. 

In erster Linie möchte ich die Anregung der Hauttätigkeit her¬ 
vorheben, welche zweifellos ein Mittel ist, das bei richtiger Anwen¬ 
dung das subjektive Befinden des Kranken hebt, die lästige Neigung 
zu Schweissen vermindert oder beseitigt und den Appetit und die Er¬ 
nährung bessert. Die Alten haben der Ableitung auf die Haut grosses 
Gewicht beigelegt und scheuten sich nicht, dieselbe durch Kanthariden¬ 
pflaster, Senfpapier, Fontanellen, Moxen und das Glüheisen zu er¬ 
zielen. Von Percival Pott bis auf Rust und seine Nachfolger 
kann man Lobeshymnen lesen auf die glänzenden Erfolge, welche 
durch diese oft qualvollen Manipulationen bei Gelenktuberkulose erzielt 
worden sein sollen. Später trat an ihre Stelle die Anwendung der 
Ignipunktur und der Jodtinktur. Ich habe durch die Anwendung von 



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5] 


Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose. 


123 


Jodkali-Salbe in Verbindung mit Schmierseife bei Gelenk- und Knochen¬ 
tuberkulosen, die nicht schmerzhaft und nicht vereitert sind, in Form 
einer milden Effleurage manchmal recht gute Erfolge erzielt. 

Wichtiger aber als diese lokale Ableitung ist die allgemeine 
Anregung der Hauttätigkeit. Es scheint mir, dass manche 
Hydrotherapeuten etwas zu einseitig die Kaltwasserbehandlung bei 
der Lungentuberkulose in Form von Duschen und Einpackungen be¬ 
fürworten. Es eignet sich diese Methode bloss für die Anfangsstadien 
bei blutreichen Individuen oder für die Rekonvaleszenz zur Kräftigung. 
Jedenfalls muss auch die Temperatur der Wasserapplikation sorg¬ 
fältig individualisiert werden und im allgemeinen sind laue Ab¬ 
waschungen und Übergiessungen, nach welchen der Patient das Bett 
auf sucht, der Anwendung des kalten Wassers vorzuziehen, wobei auch 
die Jahreszeit eine wesentliche Rolle spielt. Eine ähnliche Indivi¬ 
dualisierung sowohl in bezug auf die Zahl, Temperatur und Dauer 
der Solbäder oder die Empfehlung von Seebädern ist notwendig, wenn 
man dem Kranken durch diese in der Praxis elegantior gegenwärtig 
so häufig empfohlenen Mittel manchmal nicht mehr schaden als nützen 
will. Schon seit vielen Jahren hatte ich den Eindruck, dass manche 
schwere Fälle von Knochen- und Gelenktuberkulose besseren Erfolg 
von Tölz als von anderen benachbarten Solbädern mitbrachten. Da 
die letzteren einen stärkeren Kochsalz- und zum Teil auch Jodgehalt 
als das Tölzer Wasser aufzuweisen haben, kam ich seit langem auf 
die Vermutung, dass das wirksame Agens nicht sowohl die schwache 
Sole, als die von den Tölzer Ärzten methodisch ausgeübte Einseifung 
mit nachfolgendem Bade sein dürfte. 

Ich empfahl deshalb meinen Kranken methodische Seifen¬ 
einreibung mit nachfolgendem lauen Bad oder Übergiessung 
schon seit mindestens 20 Jahren, eine Methode, welche bekanntlich 
von 0. Kapp esse r in Darmstadt eingeführt ist 1 ). Die methodischen 
Seifeneinreibungen können Solbäder in der häuslichen Praxis voll¬ 
ständig ersetzen und leisten manchmal noch mehr, weil sie das ganze 
Jahr hindurch angewandt werden können. Sie lassen sich in ver¬ 
schiedener Weise modifizieren und den Bedürfnissen des einzelnen 
Falles anpassen. Für die stark reizende gewöhnliche grüne Seife 
lasse ich meistens eine weisse Kaliseife (Sapo alcalinus albus), welche 
unter dem Namen Silberseife hier im Handel vorkommt, einreiben. 
Dieselbe wird meistens dreimal wöchentlich vor dem Schlafengehen 
mit einem Flanellappen oder Schwamm mit wenig Wasserzusatz auf 
dem ganzen Körper eingerieben, dann der Kranke in eine wollene 


i) Näheres siehe unten. 


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124 


Vincenz Czerny. 


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Decke eingeschlagen und nach einer halben Stunde mit einer Giess¬ 
kanne warmen Wassers abgegossen oder im lauen Bade abgewaschen. 
Die einfache Abwaschung mit Schwamm und Wasser genügt zur Not 
ebenfalls, wenn sie auch die Seife nicht so gründlich beseitigt, wie 
ein Bad. Wenn die Haut etwas spröde ist, lasse ich dieselbe mit 
frischer Butter oder Vaseline — im Schwarzwalde braucht man dafür 
eine Speckschwarte — etwas einfetten. Bei Leuten, denen Schmier¬ 
seife zu vulgär ist, verordne ich wohl auch regelmässige Einseifungen 
des ganzen Körpers mit Tölzer Seife Nr. 2. Noch etwas milder und 
für manchen Kranken appetitlicher ist es, wenn man den ganzen 
Körper mit Seifenspiritus vermittelst eines Pinsels oder Schwammes 
einreibt. Man kann denselben in einer Stunde, manchmal auch erst 
nach mehreren bis zu zwölf Stunden, mit lauem Wasser abwaschen 
und damit eine ähnliche Wirkung erzielen, wie durch die Seifen¬ 
einreibung. Noch mildere Hautreize sind Abreibungen des ganzen 
Körpers mit lauem Wasser, dem etwas Natronlauge, Spiritus oder 
Seifenspiritus beigemischt ist. Diese letzten Modifikationen sind be¬ 
sonders bei solchen Kranken wohltätig, welche das Bett nicht ver¬ 
lassen können. 

Wie man sieht, lässt sich durch diese Applikationen die An¬ 
regung der Hauttätigkeit individuell so dosieren, wie es für den 
speziellen Fall am geeignetsten erscheint. 

Selbstverständlich werden dem Kranken auch Ratschläge bezüg¬ 
lich seiner Wohnung und seiner Diät gegeben; er wird darauf 
aufmerksam gemacht, dass das sonnigste und wärmste Zimmer im 
Hause das beste für ihn ist, dass eine trockene Dachstube einem 
feuchten Parterrezimmer vorzuziehen ist und dass eine gleichmässige 
Temperatur sich dennoch mit reichlicher Lüftung des Zimmers ver¬ 
einigen lässt. Mit dem Schlafen bei offenen Fenstern habe ich 
schlimme Erfahrungen gemacht, wenn nicht genügend Vorsicht beob¬ 
achtet wurde, um die Zugluft und schnellen Temperatur Wechsel hintan 
zu halten. Die Diät muss individuellen Verhältnissen angepasst 
werden, wird im allgemeinen in einer einfachen, kräftigen aber 
leicht verdaulichen, wesentlich animalischen Hausmannskost, der nach 
Belieben Milch in jeder Form hinzugefügt wird, bestehen. Die Milch 
bekömmt am besten in Form der alten Milchsuppe mit Zusatz von 
Salz und geröstetem Weissbrot aus dem Teller mit dem Löffel ge¬ 
gessen, wobei die Gerinnung im Magen feiner verteilt vor sich geht, 
als wenn die Milch aus dem Glase getrunken wird. Auch mit feinen 
Mehlsorten wie Maizena, Haferkakao, Mondamine, Hygiama etc. ver¬ 
kocht, ist sie nahrhafter und meist leichter verdaulich. Für die Be¬ 
kämpfung des Katarrhs lasse ich mit Salzwasser (manchmal mit einigen 



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~] 


Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose. 


125 


Tropfen Kölnisch Wasser) oder Emser Wasser gurgeln, schnupfen und 
inhalieren und benutze gerne das Latschen-Kiefem-Öl (01. pini pumi- 
lionis), von dem 15—20 Tropfen auf kochend heisses Wasser ge¬ 
schüttet verdampfen und früh und abends 10 Minuten lang eingeatmet 
werden. 

Wie für manche Fälle von Lungentuberkulose, so sehe ich auch 
für die lokale Tuberkulose der Drüsen, serösen Häute, Knochen und 
Gelenke von den eben genannten Mitteln bei häuslicher Behandlung 
oft recht gute Erfolge. Selbstverständlich müssen aber auch lokale 
Einwirkungen die Allgemeinbehandlung unterstützen und treten zeit¬ 
weise in den Vordergrund. Bei geschlossenen, nicht eiternden Ge¬ 
lenktuberkulosen massigen Grades lasse ich gerne eine Mischung von 
Ungt. kali jodati mit Sapo viridis in Form einer leichten Effleurage 
2—5 Minuten lang täglich einreiben. Wenn das gut vertragen wird, 
kann man die Sitzungen etwas länger ausdehnen, manchmal auch zu 
einer leichten Massage übergehen. Wenn man dieser Behandlung ein 
lokales warmes Bad von 10 Minuten Dauer mit Zusatz von etwas 
Pottasche oder Soda vorausschickt und zum Schlüsse das Glied mit 
einer Trikotbinde oder bei erhöhter Lokal-Temperatur mit einem 
Priesnitzumschlag versehen auf einer Schiene bequem lagert, erlebt 
man manchmal die Freude, dass eine fast verloren gegebene Hand 
oder ein seit Wochen schmerzhaftes und steifes Fussgelenk wieder 
gelenkig und brauchbar wird, wenn der Arzt und der Patient die 
Geduld nicht verlieren. Zarte Behandlung des Gliedes und vorsichtige 
Abwägung der Ruhe und passiven Bewegung sind dazu unerlässlich. 
Ebenso müssen leichte Hülsen aus Pappe, Stärkebinden, Wasserglas, 
Celluloid, Stützapparate aus gegliederten Gipsverbänden oder ge¬ 
triebenem Leder mit Stahlspangen die Glieder stützen, entlasten, 
unter Umständen distrahieren und ruhig stellen. Wenn sehr starke 
lokale Schmerzen, Rötung und Temperatursteigerung oder gar Fieber 
den Verdacht auf eine eiterige Entzündung erwecken müssen, wird 
für einige Zeit die ambulante Behandlung aufzugeben sein, bis ent¬ 
weder die Erscheinungen sich wieder zurückgebildet haben oder die 
Heftigkeit der Entzündung zum chirurgischen Eingreifen nötigt. 

Ich will hier nicht auf die Frage der Indikation zu operativen 
Eingriffen, welche ja noch immer von verschiedenen Chirurgen sehr 
verschieden beurteilt wird, näher eingehen, sondern möchte nur hervor¬ 
heben, dass ich — wie die Bi 11 rothsehe Schule im allgemeinen — 
mich stets auf einer mittleren Linie bewegt habe und Resektionen 
und Amputationen vorgenommen habe, mehr der Not gehorchend als 
dem eigenen Triebe. Nur bezüglich der Operationen, welche in häus¬ 
licher Behandlung vorgenommen werden können, möchte ich hervor- 


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126 


Vincenz Czerny. 


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heben, dass ich die Jodoformöl-Injektionen fast ausschliesslich bei 
kalten Abscessen nützlich gefunden habe, wo also die Entleerung des 
Eiters erst Platz schaffte für die nachfolgende Injektion. Bei parenchy¬ 
matösen Entzündungen habe ich, wie früher die H ü t e r sehen Karbol- 
Injektionen, so später J /* — l°oige Ortho- oder Trikresol-Injektionen 
zweckmässiger gefunden. Über Zimmtsäure-Injektionen in die Gelenke 
und in die Venen besitze ich nur wenig eigene Erfahrungen. Bei 
ganz umschriebenen parartikulären, tuberkulösen Knochenherden kann 
manchmal eine aseptische Ignipunktur oder Punktion mit dem Bis¬ 
touri mit Ausschabung des Herdes gute Erfolge geben und ein ge¬ 
fährdetes Gelenk retten. Auch Knochen- und Gelenkfisteln werden 
mit dem Lapisstifte oder, wenn sie eng sind, durch die mit einem 
Höllensteintropfen montierte Knopfsonde oder durch Injektion mit 
Jodtinktur oder Höllensteinlösung nicht selten zur Heilung gebracht, 
wie es mit Recht die Ärzte in Hall und anderen Solbädern immer 
wieder betonen. Wenn bei Gegenwart von Fisteln lokale oder all¬ 
gemeine Bäder gegeben werden sollen, pflege ich etwa 1 °/o Kochsalz 
und etwas Sublimat oder l°/o Lysol dem Badewasser zuzusetzen. 

Auch für die tuberkulöse Spondylitis gelten im wesentlichen die¬ 
selben Grundsätze, wie ich sie soeben für Knochen und Gelenke kurz 
skizziert habe. Nur wird man bei der Dignität des im Wirbelkanale 
eingeschlossenen Rückenmarkes mit ambulanter Behandlung doppelt 
vorsichtig sein müssen und im Beginn des Leidens, bei starken 
Schmerzen, Eiterbildungen und Fieber, die horizontale Lage mit Im¬ 
mobilisierung und Distraktion solange festhalten, bis diese Erschei¬ 
nungen sich zurückgebildet haben. Von der gewaltsamen Gerade¬ 
streckung nach Calot ist man wohl wieder allgemein zurückgekommen, 
wenn auch eine vorsichtige Korrektur bei gewissen noch plastischen 
Diformitäten durch massierendes Streichen und mässige Distraktion 
nicht nur auf die Stellung, sondern auch auf den Heilungsprozess 
günstig einwirken kann, wenn das Resultat durch einen leichten und 
gutsitzenden Gipsverband eine Zeitlang festgehalten wird. Da aber 
auch für die Spondylitis Einseifungen und Abwaschungen der Haut 
von sehr günstigem Einfluss sind, werden sehr bald abnehmbare 
Korsette, namentlich nach dem Hessing sehen Modell, für die 
ambulante Behandlung vorzuziehen sein. Ich habe bei dieser Behand¬ 
lungsmethode nicht allein beginnende Wirbelentzündungen zu dauernder 
Heilung kommen sehen, sondern habe auch die Rückbildung von 
Psoasabscessen mehrmals beobachtet und die Dauerheilung durch mehr¬ 
jährige Beobachtung festgestellt. 

Bei der Drüsentuberkulose nützt man dem Kranken meiner 
Meinung nach am besten, wenn man die Drüsen, sobald dieselben 



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9 ] 


Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose. 


127 


nach einer zwei- bis dreimonatlichen lokalen und allgemeinen Be¬ 
handlung nicht zurückgehen, oder wenn sie Zeichen von Erweichung 
zeigen, oder wenn die Patienten fiebern, ohne dass man eine andere 
Ursache nachweisen kann, möglichst radikal operiert und dann den 
Kranken noch für lange Zeit bei guter Allgemeinbehandlung in ärzt¬ 
licher Aufsicht behält. Dass ein Sommeraufenthalt an der See, im 
Gebirge oder im Solbad die Kur wirksam unterstützt, ist zweifellos. 
Bei wenig bemittelten Kranken kann das Solbad mit demselben Er¬ 
folge durch Seifeneinreibungen mit nachfolgender Übergiessung er¬ 
setzt werden. 

Ich kann den günstigen Einfluss, welchen Richter, Kappesser, 
Kollmann, Kormann, Senator, Biedert u. a. dieser Behand¬ 
lungsmethode bei Drüsen-, Knochen-, Gelenktuberkulose, kalten 
Abscessen, Exsudaten zuschreiben, durchaus bestätigen und habe auch 
bei Phthisikern, die nicht stark fiebern und bei tuberkulöser Peri¬ 
tonitis gute Erfolge gesehen. Selbstverständlich heilt sie nicht alle 
Fälle, wie das besonders Gisler aus der Baseler Poliklinik von 
Massini hervorhöbt. Sie muss dem einzelnen Falle angepasst und 
mit chirurgischen medikamentösen, diätetischen und hygienischen 
Massregeln kombiniert werden, um das beste Resultat zu zeitigen. 
Sie hat aber den grossen Vorteil, dass sie fast das ganze Jahr hin¬ 
durch ebensowohl im Palaste des Reichen als in des Hütte der Armen 
fast ohne Kosten in Anwendung gebracht werden kann. — 

Um über die Geschichte der Schmierseifeneinreibung bei tuber¬ 
kulösen Erkrankungen rascher ins klare zu kommen, erlaubte ich 
mir, mich brieflich an den Herrn Generalarzt Dr. Kappesser in 
Darmstadt, Herrn Bezirksarzt Dr. Kollmann in Würzburg und 
Herrn Bezirksarzt Dr. Edelmann in Tölz zu wenden, welche mir 
in liebenswürdigster Weise, wofür ich ihnen sehr zu Dank verpflichtet 
bin, Auskunft erteilten. Danach unterliegt es keinem Zweifel, dass 
Herr Dr. Kappesser (2) schon 1878 die Methode anwandte und 
als ihr Erfinder angesehen werden muss, da die Mitteilung von 
Richter (1) ganz in Vergessenheit geraten war. 

Die erste Publikation von Herrn Dr. Kollmann (6), besonders 
seine Broschüre: Die Behandlung des Knochenfrasses auf nicht opera¬ 
tivem Wege, welche in zwei Auflagen erschienen ist, hat sehr dazu 
beigetragen, die Methode in weiten Kreisen bekannt zu machen und 
dürfte wohl auch Veranlassung gewesen sein in Tölz die Kombination 
der Bäder mit Seifeneinreibung durch den früheren Bezirksamt 
Dr. Höfler einzuführen. Herrn Dr. Kollmann verdanke ich den 
Hinweis, dass schon 1846 von Dr. C. A. W. Richter in Woldegk täg¬ 
liche Schmierseifeneinreibung bei skrofulösen Erkrankungen als zuver- 


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128 Vincenz Czerny, Über die häusliche Behandlung der Tuberkulose. [ 10 


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lässiges Heilmittel empfohlen worden ist. Obgleich die Methode somit 
schon über ein halbes Jahrhundert in Deutschland in Übung ist, 
halte ich es nicht für überflüssig, den Wert derselben abermals 
hervorzuheben und ihre Verwendbarkeit auch bei manchen Formen 
der Lungentuberkulose zu betonen. 


Literatur. 


1. C. A. W. Richter in Woldegk, Mitteilung einer neuen zuverlässigen Heil¬ 
methode der Skrofulöse. (Caspars Wochenschr. Nr. 19, 1846. Schmidts 
Jahrb. 52. Bd. S. 325.) Er empfiehlt allabendliche Abwaschungen des ganzen 
Körpers mit grüner Seife bei Drü9enskrofulose und hat auch zwei Fälle von 
unverkennbarer Lungentuberkulose zur Heilung gebracht. 

2. O. Kappesser, Methodische Schmierseife - Einreibungen gegen chronische 
LymphdrÜsenleiden. (Berl. klin. Wochenschr. 1878, Nr. 6.) 

— Methodische Schmierseife - Einreibungen gegen Skrofulöse und Tuber¬ 
kulose. (Berl. klin. Wochenschr. 1882, Nr. 5 u. Nr. 8.) 

— Methodische Schmierseife-Einreibung gegen Skrofulöse und Tuberkulose. 
(Darmstadt bei Job. Waitz. 1900.) 

3. Raph. Hausmann, Wichtiges aus der Geschichte und Therapie der Skro¬ 
fulöse etc. (Berl. klin. Wochenschr. 1878, Nr. 43.) 

4. E. Kor mann, Über Einreibimgen von Sapo viridis gegen Skrofulöse. (Jahrb. 
f. Kinderheilkunde. 1880.) 

5 . W. Klingelhoefer, Zur Behandlung der Skrofulöse, in specie der Mesen- 
terialskrofulose mit Schmierseife. (Berl. klin. Wochenschr. 1879, Nr. 42.) 

6. O. K ollm ann, Eine neue Methode, Caries zu behandeln. (Berl. klin. Wochenschr. 
1881, Nr. 19.) Teilt auch zwei Fälle von geheilter Lungentuberkulose mit. 
— Die Behandlung des Knochenfrasses auf nicht operativem Wege. (L. Heuser, 
Berlin und [Neuwied] Leipzig 1888. 2. Aufl. 1890.) 

7. Felix Beetz, Über die Behandlung von Drüsenentzündungen und subkutanen 
Eiterungen. (Ärztl. Intelligenzblatt München 1882, Nr. 27.) Empfiehlt auch 
Umschläge mit warmem Spiritus sapon. alcalinus bei Panaritien, Bubonen, 
Furunkeln. 

8. N. Senator, Über die therapeutische Anwendung der Schmierseife. (BerL 
klin. Wochenschr. 1882, Nr. 38.) Empfiehlt die Methode besonders zur Re¬ 
sorption von Exsudaten aus serösen Höhlen. 

9. Ph. Biedert, Behandlung der Skrofulöse. (Handbuch der speziellen Therapie 
innerer Krankheiten. Gust. Fischer, Jena. II. Bd., S. 243.) 

10. G. Gisler, Behandlung der Tuberkulose mit Sapo viridis. (Inaug.-Diss. Basel. 
1897.) Zählt 115 Fälle auf mit genauer Analyse des Resultates der Behand¬ 
lung aus der Massinisehen Poliklinik. 

11. — Anweisung zum Gebrauche der Mineralquellen etc. des Bades Kranken¬ 
heil-Tölz in Oberbayern. Verlag der Badedirektion. 



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Aus der Universitäts«Frauenklinik zu Bonn (Geh.-Rat Fritsch). 


Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren¬ 
tuberkulose bei der Frau. 

Von 

Dr. W. Stoeckel, 

Oberarzt an der Bonner Frauenklinik. 


Es erscheint auf den ersten Blick vielleicht nicht berechtigt, der 
Blasen- und Nierentuberkulose bei der Frau eine spezielle Besprechung 
zu widmen. 

Die allgemeine Gepflogenheit, die Tuberkulose des Harnapparates 
nicht nach den Geschlechtern, sondern nach dem Sitze der Erkrankung 
zu trennen, entspricht zweifellos unseren wissenschaftlichen Anschau¬ 
ungen besser. 

Wenn ich mich im folgenden trotzdem darauf beschränke, nur 
über die „weibliche“ Blasen-Nierentuberkulose etwas mitzuteilen, so 
ist der Grund dafür zunächst ein rein äusserlicher. Als Gynäkologe 
habe ich eigene Erfahrungen nur an Frauen sammeln können, und 
eigene Beobachtungen allein möchte ich dieser kurzen Abhandlung 
zu gründe legen. Die von mir behandelten Fälle haben mich aber 
Auch zu der Überzeugung gebracht, dass bei der Frau nicht selten 
eigenartige Momente, vor allem in diagnostischer Beziehung, hervor¬ 
treten, die ich für beachtenswert und wichtig halte. 

Die in Lehrbüchern und Monographieen häufig anzutreffende Be¬ 
hauptung, dass das Harnsystem des Mannes öfter von Tuberkulose 
befallen wird als das der Frau, ist einer genauen Kontrolle schwer 
zugänglich. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass die tuber¬ 
kulöse Nephritis und Cystitis bei der Frau häufiger 
vorkommt, als gemeinhin angenommen wird, dass der 


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130 W. Stoeckel. [2 

Prozess aber nicht selten unerkannt bleibt oder ganz 
übersehen wird. 

Die Tuberkulose tritt ja gerade an den Hamorganen in sehr 
verschiedener Intensität auf. 

Sie kann stürmisch einsetzen und in ihrer Weiterentwickelung 
die markanten, schwer zu verkennenden Symptome einer ganz akuten, 
durch grosse Hartnäckigkeit und Schmerzhaftigkeit ausgezeichneten 
Entzündung darbieten. 

Diese Fälle liegen diagnostisch nicht besonders schwierig. Recht 
häufig beginnt die Erkrankung aber ganz allmählich, fast unmerkbar, 
und schleppt sich schleichend in einer von vornherein subakuten oder 
chronischen Form unter ganz unbestimmten Erscheinungen jahre¬ 
lang hin. 

Hier ist die Erkennung oft recht schwer und zwar bei der Frau 
häufig ganz besonders schwer. 

Beim Manne sind die Beziehungen zwischen Harn- und Ge¬ 
schlechtsorganen enge und unmittelbare. Die anatomischen Verhält¬ 
nisse charakterisieren den männlichen Urogenitalapparat als etwas 
Einheitliches. Die Harnröhre bildet den Zugang zu den Geschlechts¬ 
drüsen wie zur Niere beziehungsweise den schliesslichen Ausführungs¬ 
gang beider. Erkrankungen des einen Systems ergreifen das andere 
so leicht, dass der Diagnostiker seine Aufmerksamkeit stets auf beide 
richten muss und richtet. Der lokalen Untersuchung ist ein ganz 
bestimmter Weg vorgezeichnet, der eingeschlagen werden muss. Er 
führt stets durch die Harnröhre und bringt es mit sich, dass eine 
genaue Urinuntersuchung in keinem Falle unterbleibt. 

Die Einheitlichkeit des Krankheitsgebietes hat seinen Ausdruck 
in der Abgrenzung des Spezialgebietes der Urologie gefunden. Sie 
umfasst beim Manne die Pathologie der Geschlechts- und Harn¬ 
organe. 

Anders bei der Frau. Bei ihr handelt es sich um zwei völlig, 
vom Anfang bis zum Ende, getrennte Systeme, die unabhängig von¬ 
einander und gesondert untersucht und behandelt werden können. 
Die normal - anatomischen und pathologischen Beziehungen zwischen 
ihnen sind keine unmittelbaren. Krankhafte Prozesse im Harntraktus 
spielen sich meist allein in diesem ab, ohne Uterus, Tuben und Ovarien 
wesentlich zu beeinflussen. Erkrankungen der Genitalorgane wiederum 
alterieren Blase und Harnröhre nur mittelbar, dafür aber so häufig, 
dass die dadurch bedingten Beschwerden als Folgeerscheinungen eines 
„gynäkologischen“ Leidens allgemein bekannt sind und als solche 
gering bewertet werden. 



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3] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 131 

Die Patientin selbst würdigt „ziehende Schmerzen beim Wasser¬ 
lassen“ nur selten als das Symptom eines Harnleidens. Sie kennt ähn¬ 
liche Beschwerden vielleicht als Begleiterscheinung der Menstruation 
oder Gravidität. Sie misst ihnen zunächst keine Bedeutung zu und 
hofft, sie würden vorübergehen. Verstärken sich die Schmerzen, ver¬ 
gesellschaften sie sich noch mit unangenehmen und nicht bestimmt 
lokalisierbaren Sensationen im Abdomen, so hält sich die Patientin 
meist nicht für „blasenleidend“, sondern für „unterleibsleidend“ und 
konsultiert den Frauenarzt. 

Auch dieser richtet sein Augenmerk zuerst und nicht selten aus¬ 
schliesslich auf die Genitalorgane. Er kennt Blasenbeschwerden der 
verschiedensten Art und Intensität als überaus häufige Folge aller 
möglichen Genitalaffektionen. Er sucht demgemäss die primäre Ur¬ 
sache der Beschwerden am Uterus und an den Adnexen und findet 
zu seiner Befriedigung oft abnorme Zustände, die zu der Auffassung 
der Blasensymptome als „sekundärer“ vollauf berechtigen. 

Er ist scheinbar nicht im Unrecht, wenn er eine Retroflexio, 
einen Prolaps mit Cystocelenbildung, ein Uterusmyom zum Angriffs¬ 
punkt seiner Therapie macht und a priori annimmt, dass die Be¬ 
seitigung dieser Abnormitäten auch die Blasenbeschwerden zum Ver¬ 
schwinden bringen wird. 

Manchmal bleibt aber der volle Erfolg aus. Die Patientin klagt 
nach wie vor über Brennen beim Urinieren, häufigen Urindrang und 
dergleichen. So naheliegend es in derartigen Fällen erscheint, der 
Blase selbst eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, so geschieht 
das vielfach nicht. Die Überzeugung von ihrer nur sekundären Be¬ 
teiligung ist oft so absolut, dass die therapeutischen Massnahmen 
immer nur von diesem einen Gesichtspunkte aus modifiziert werden. 
Verschiedene Pessare werden nacheinander ausprobiert, um die Uterus¬ 
lage vollkommener und besser zu korrigieren. Eine Adnexerkrankung, 
bisher konservativ behandelt, wird operativ in Angriff genommen. 
Kleine Myome, für welche eine symptomatische Therapie ausreichend 
erschien, werden exstirpiert. Drückt die Portio, die Pyosalpinx, das 
Myom nicht mehr auf die Blasenwand, so müssen doch auch die 
Urinbeschwerden aufhören, besonders wenn der Urin eiweissfrei, an¬ 
nähernd klar und sauer reagierend ist. Man hat das zu oft gesehen 
und erfahren, um daran zweifeln zu können. 

Andere Fälle, in deren Anamnese die Blasenbeschwerden prä- 
valieren, zeigen keine gynäkologische Erkrankung sensu strictiori. 

Der Uterus liegt anteflektiert und ist nicht vergrössert, die Ad¬ 
nexe sind gänzlich unverändert, die Parametrien sind nicht induriert, 
die Ligamente nicht retrahiert oder verkürzt. Der Status genitalis 


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W. Stoeckel. 


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ist ganz normal. Die gleiche oberflächliche Urinuntersuchung im 
Reagenzglas ergibt, dass der Urin eiweissfrei und nicht getrübt ist. 
Ergo sind Blase und Nieren gesund; eine lokale Erkrankung fehlt 
überhaupt. 

Die Beschwerden werden auf Dysmenorrhoe oder allgemeinere 
Störungen, z. B. chronische Obstipation bezogen oder schlechtweg 
als „nervöse“ bezeichnet. Auch die Hysterie wird solchen Patientinnen 
gelegentlich aufoktroyiert. 

Diese Einseitigkeit der gynäkologischen Diagnostik kann recht 
folgenschwere Konsequenzen haben und die Ursache scheinbar ganz 
unerklärlicher therapeutischer Misserfolge sein. 

Ich halte es nicht nur für empfehlenswert, sondern 
für absolut notwendig, alle Blasenbeschwerden bei der 
Frau, auch solche geringen Grades, zunächst stets als 
Anzeichen von krankhaften Veränderungen im Harn- 
traktus selbst aufzufassen. 

Selbst wenn das Krankheitsbild dagegen spricht, selbst wenn sich 
die Harnsymptome durch gynäkologische Affektionen zwanglos er¬ 
klären lassen, man sollte sich niemals darüber hinwegsetzen, sich in 
keinem Falle mit Wahrscheinlichkeitsschlüssen begnügen, sondern 
immer das Resultat einer eingehenden und genauen Unter¬ 
suchung der Harnorgane und des Urins für sich selbst 
sprechen lassen. 

Bei diesem Standpunkt, den man extrem nennen kann, wird 
man häufig zu einem negativen Ergebnis kommen. Die ursprüng¬ 
liche Vermutung von der Intaktheit der Harnorgane bestätigt sich 
und man hat sich dann umsonst abgemüht. Werden aber auch nur 
relativ wenig eigentliche Blasenleiden auf diese Weise herausgefunden, 
so ist damit viel gewonnen, weil der Therapie die richtigen Wege 
gewiesen werden. Und wird unter Hunderten ein einziger Fall von 
Blasen- oder Nierentuberkulose vor dem Übersehenwerden gerettet, 
dann ist die Berechtigung einer so skrupulösen Diagnostik erwiesen. 
Die Tuberkulose der Harnorgane kann aber so latent 
auftreten, sie kann sich hinter mehr in die Augen fallen¬ 
den Genitalerkrankungen gleichsam so verstecken, dass 
sie gesucht werden muss, um entdeckt zu werden. 

Ich verfüge selbst über zwei derartige, eigene Beobachtungen. 
Fall 1. 

Frl. E. Th. (Poliklinisches Journal 1901/92. Nr. 929). Die 32jährige Patientin 
sucht die Poliklinik wegen dysmenorrhoi sehen Beschwerden auf. Die Periode tritt 
regelmässig und ohne besonders starke Blutung ein, ist aber mit sehr heftigen 
Kreuz- und Unterleibssehmerzen verbunden. 


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5] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 133 


Die vaginale Untersuchung ergibt, dass die Scheide weit und der Uterus 
stark spitzwinklig retroflektiert ist. 

In der Scheide liegt ein alter, aufgeweichter, länglich ausgezogener Maier¬ 
scher Ring, der entfernt wird. 

Die Patientin, die ihrer Unterleibsbeschwerden wegen schon lange Zeit in 
spezial ärztlicher Behandlung ist, bittet, den Ring nicht wieder einzulegen, da die 
Beschwerden dadurch nicht gebessert seien. Ich überlegte mir, ob ich zu der 
Alezander-Adamsschen Operation raten sollte. Das Symptomenbild schien jeden¬ 
falls durch die Retroflezio bedingt zu sein. 

Bei weiterer Erkundigung erfuhr ich, dass der Urin früher eine Zeitlang 
trübe und flockig gewesen sei und dass die Patientin als Kind an Skrofulöse 
gelitten habe. Diese Mitteilungen veranlassten mich, zunächst zu cystoskopieren. 

Ich war höchst überrascht, eine ausgedehnte tuberkulöse 
Cystitis zu finden. Zahllose typische Tuberkelknötchen bedeckten die Blasen¬ 
schleimhaut besonders am Trigonum und Blasenfundus. Eine besonders starke 
Gruppierung der Tuberkelknötchen um eine der beiden Ureteröffnungen war nicht 
vorhanden. 

Ich brach darauf die Untersuchung ab und suchte die Patientin zu bewegen, 
sich in die Klinik aufnehmen zu lassen. Sie versprach wieder zu kommen, ohne 
ihr Wort zu halten. Ich hatte den Eindruck, dass sie meiner Behauptung, nicht 
dio Gebärmutter, sondern die Blase sei bei ihr erkrankt und müsse behandelt 
werden, keinen rechten Glauben schenkte. Ich habe den Fall dann leider ganz 
aus den Augen verloren. 

Fall 2. 

Frau M. (1902/03 J. Nr. 275). Die 42jährige Patientin ist 18 Jahre steril 
verheiratet und seit langer Zeit „unterleibskrank“. Die regelmässig eintretende 
Periode hat sich mit der Zeit immer mehr verstärkt und bedingt jetzt eine acht¬ 
tägige starke Blutung. Weitere Klagen beziehen sich auf Unterleibsschmerzen 
während der Menstruation, Fluor albus, hartnäckige Obstipation und Schmerzen 
bei der Defäkation. Seit IV 9 Jahren bestehen auch bald stärkere bald schwächere 
Urinbeschwerden mit zeitweilig auffallend vermehrtem Harndrang. Blut ist im 
Urin nie bemerkt worden. Die Kranke ist bisher von 14 Ärzten mit Scheiden- 
spülnngen, Pessarbehandlung und Gurettage erfolglos behandelt worden. Zeitweilig 
sollen auch Blasen Spülungen gemacht sein. 

Die Lungen sind intakt. Der Uterus ist durch ein in der Vorderwand sitzen¬ 
des apfelgrosses Myom erheblich verdickt und liegt in beweglicher Retroflezions- 
stellung. Seine Reposition gelingt ohne Schwierigkeiten. Adneze und Parametrien 
unverändert. Der sauer reagierende Urin ist stark getrübt und eiweisshaltig 
Essbach). 

Die abnorme Harnbeschaffenheit bestimmte uns, von der an sich durchaus 
gebotenen Myomoperation Abstand zu nehmen und zunächst die Blase zu be¬ 
handeln (Urotropin, Borwasser-Spülungen). Der Urin wurde dadurch in wenigen 
Tagen soweit aufgehellt, dass eine cystoskopischeUntersuchung möglich 
war. Die Blase eiwies sich gegen stärkere Anfüllung etwas resistent, fasste aber 
bequem 100 ccm. Bei der Ableuchtung konstatierte ich allgemeine Cystitis 
mässigen Grades ohne tuberkulöse Schleimhautveränderungen. 
Die beiden Ureteröffnungen verhielten sich verschieden. Die linke war 
spaltförmig und völlig normal, ihre Umgebung völlig reaktionslos. Der aus ihr 
in kurzen Intervallen in kräftigem Strahle entleerte Urin war absolut klar. 


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W. Stoeckel. 


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Die rechte Ureteröffnung dagegen bildete einen rundlichen, 
schwarzen Krater, dessen wallartiger Rand anregelmässig ge- 
zackt aussah (cf. Tafel). Die umliegende Schleimhaut war gerötet. Der rechte 
Ureter agierte auffallend träge und entleerte kleine Schleim- 
bröckel. 

Auf Grund dieses Bildes stellte ich die Diagnose auf eitrige, höchst¬ 
wahrscheinlich tuberkulöse Erkrankung der rechten Niere, die bis 
zum rechten Ureterostium descendiert war. 

Die am nächsten Tage vorgenommene Katheterisation des rechten 
Ureters (Caspers Ureterencystoskop) bestätigte diese Annahme. Es floss aus 
dem Katheter ganz spärlich eiterhaltiger Urin ab. 

Ohne den Erfolg des Tierexperimentes abzuwarten, führte ich am 26. September 
1902 die Nephrectomia dextra mit lumbalem Schrägschnitt aus. Allseitige, 
sehr feste Verwachsungen der Nierenkapsel mit der Umgebung erschwerten die 
Operation erheblich. Die Adhäsionen mussten zum Teil scharf gelöst und durch¬ 
trennt werden. Nachdem die Niere bis zum Hilus mobilisiert und vor die äussere 
Wunde gezogen war, wurden die Nierengefässe vom Ureter isoliert und unter¬ 
bunden. Der Ureter wurde nach abwärts verfolgt, soweit wie möglich freigelegt 
und reseziert. 

Tamponade mit Vioformgaze. Schluss der Wunde mit durchgreifenden Silk- 
wormknopfnähten bis auf eine Öffnung, aus welcher das Tamponende heraus¬ 
geleitet wurde. 

Reaktionslose und völlig fieberfreie Heilung. Bis zum siebenten Tage schwankte 
die tägliche Urinmenge zwischen 500 und 600 ccm. Sie stieg dann rasch bis 
1800 ccm (14. Tag). Augenblicklich befindet sich die Patientin wieder in der 
Klinik, um wegen ihres Myoms operiert zu werden 1 ). 

Die exstirpierte Niere misst von einem Pol bis zum anderen 9 cm Länge. 
Die Kapsel haftet der höckrigen Nierenoberfläche so fest an, dass beim Versuche 
der Ablösung Nierensubstanz an ihr hängen bleibt. Auf dem Durchschnitt zeigt 
sich die ganze Niere von dicht aneinander liegenden bis wallnussgrossen Abscessen 
durchsetzt. Der Inhalt der Abscesse besteht aus käsigem eingedicktem Eiter. 
Das Nierenbecken ist dilatiert, die Ureterwandung stark konzentrisch verdickt. 

Die beiden Fälle sind typische Beispiele für den 
latent en V er lauf der Tuberkulose. Wir hätten beide Patien¬ 
tinnen sicherlich „gynäkologisch“ operiert, wenn der Nachweis der 
Blasen- resp. Nierentuberkulose nicht gelungen wäre. Dass derselbe 
gelang und zwar schnell und sicher genug gelang, um eine unzweck¬ 
mässige Operation am Uterus zu verhindern, verdanke ich lediglich 
der systematischen Anwendung des Cystoskops. Ich halte es für 
das unentbehrlichste diagnostische Hilfsmittel, befinde 
mich aber hierin im Gegensatz zu kompetenten Autoren. Bei tuber¬ 
kulöser Cystitis gerade gilt die Cystoskopie ziemlich allgemein für 
gefährlich, weil darnach Exacerbationen des Prozesses öfter beob¬ 
achtet wurden. Man sucht deshalb vielfach ohne sie auszukommen 

i) Anmerkung bei der Korrektur: Ich habe inzwischen die vaginale 
Totalexstirpation des myomatösen Uterus ausgeführt. Nach glatter Rekonvales¬ 
zenz konnte die Patientin in sehr gutem Zustande entlassen werden. 


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7] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 135 


und hat behauptet, dass auch auf andere Weise eine sichere Diagnose 
sich ermöglichen lässt, nämlich durch genaue Beobachtung des klini¬ 
schen Bildes und sorgfältige Suche nach Tuberkelbacillen im Urin. 
Ich halte das nicht für zutreffend. Einmal können bei einem solchen 
Vorgehen längst nicht alle Fälle erkannt werden, und zweitens kommt 
man stets nur zu der allgemeinen Diagnose „Tuberkulose“. Will 
man aber rationell behandeln, so ist eine ganz exakte Differential¬ 
diagnose „Blasentuberkulose“ oder „Nierentuberkulose“ oder beides 
eine conditio sine qua non. Diejenigen, welche in dem klinischen 
Bilde einen diagnostischen Stützpunkt suchen, werden zugeben müssen, 
dass der Symptomenkomplex der Blasentuberkulose sowohl wie der 
Nierentuberkulose kein typischer genannt werden kann. Cystitische 
Reizerscheinungen, häufiger Urindrang, Blasentenesmen, Verminderung 
der Blasenkapazität, gelegentliche Blutbeimengungen zum eitrig ge¬ 
trübten Urin — das sind Krankheitsäusserungen, von denen manche 
bei den verschiedensten nicht tuberkulösen Affektionen der Blase 
und der Harnröhre sich einstellen und von denen selbst bei akut 
verlaufender Cystitis tuberculosa gelegentlich die eine oder die andere 
fehlen kann. 

In ihrer Gesamtheit charakterisieren sie ganz allgemein nur das 
Bild einer schweren Entzündung der Blase. Davon ist aber in den 
schleichend verlaufenden Fällen, die uns hier interessieren, gar keine 
Rede. Der Mangel wirklich cystitisch er Sy mptom e ist 
hier gerade die Ursache der schweren Diagnose. Die 
pathologische Veränderung der Blasenschleimhaut ist keine so inten¬ 
sive. Es kommt wohl zur Eruption von Tuberkelknötchen, aber nicht 
zum geschwürigen Zerfall derselben. Die tuberkulöse Ulceration in 
der Blasenwand aber ist die alleinige Ursache für ihre hochgradige 
Empfindlichkeit und für ihre ausgesprochene Intoleranz gegen jede 
Anfüllung und jede Berührung. Casper 1 ) hat neuerdings auch den 
Unterschied zwischen Tuberculosis vesicae und Cystitis tuberculosa 
betont. Für diese ist eine hochgradige lokale Schmerzhaftigkeit in 
der Tat charakteristisch, für jene aber nicht. 

In zweifelhaften Fällen wird vielfach, so auch von Casper die An¬ 
wendung der üblichen Cystitis-Therapie empfohlen, um die Diagnose 
ex juvantibus oder vielmehr ex non juvantibuszu stellen. 
Bekanntlich hat sich das Argentum nitricum als das sicherste Mittel 
erwiesen, um entzündliche Prozesse jeder Art erfolgreich zu be¬ 
kämpfen. Guyon hat zuerst beobachtet, dass die Blasentuberkulose 

i) Die Tuberkulose der Harnblase und ihre Behandlung. Deutsche Klinik, 
Bd. X, Abt. 1. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. H. 2. 10 


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W. Stoteköl. 


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«in# Ausnahme macht, dass sie durch Argentumspühingen nicht nur 
nicht günstig beeinflusst, sondern sogar verschlimmert wird. Spätere 
Autoren haben dieses Verhalten bestätigt, so dass an seiner tatsäch¬ 
lichen Richtigkeit im allgemeinen nicht zu zweifeln ist. 

Trotzdem darf es nicht für einen unfehlbaren diagnostischen 
Prüfstein gehalten werden. Ich verweise auf die weiterhin mitzu¬ 
teilenden Fälle, bei welchen Argentumspülungen recht gut vertragen 
wurden, trotzdem es einmal (Fall 4) bei ganz schwerer Blasentuber¬ 
kulose lange Zeit hindurch angewendet wurde. In dem anderen Falle 
handelte es sich um Nierentuberkulose, die bis zum Blasenostium des 
Ureters descendiert war. Daneben bestand ziemlich starke, aber 
nicht tuberkulöse Cystitis, welche durch regelmässige Spülungen mit 
2 °/oo Argentum nitricum beseitigt wurde. Das spricht gewissermassen 
für die Guyonsche Behauptung, weil ja eine Blasentuberkulose tat¬ 
sächlich nicht vorhanden war. Die darauf gegründete Diagnose hätte 
aber nur die richtige Teildiagnose „nicht tuberkulöse Cystitis“ er¬ 
geben und die cystoskopisch festgestellte Nieren tuberkulöse wäre un¬ 
berücksichtigt geblieben. 

Der naheliegende Einwand, dass die Nierenpalpation in 
solchen Fällen den ergänzenden Aufschluss bringen wird, ist nicht 
stichhaltig. Gewiss wird es häufig gelingen, Formveränderungen und 
Vergrösserungen der Niere durch kombinierte Tastung, nötigenfalls 
in Narkose, nachzuweisen. Es wird vielleicht ebenso häufig aber nicht 
gelingen. Von tuberkulösen Abscessen völlig durchsetzte Nieren sind 
oft nicht vergrössert, manchmal im Gegenteil verkleinert und stark 
geschrumpft. Dann kann gerade die gesunde Niere infolge der kom¬ 
pensatorischen Mehrleistung vergrössert sein und irrigerweise als die 
erkrankte angesprochen werden. 

Auch die Ureterpalpation ist eine unsichere Methode. Einige 
Male (cf. Fall 3 und 4) haben wir allerdings parametrane Exsudate 
auf der Seite des erkrankten Ureters palpiert, die als paraureterane 
Schwielenbildungen aufgefasst werden konnten. Derartige Exsudationen 
können somit gewiss für die Diagnose wertvolle Anhaltspunkte geben, 
ohne sie aber positiv festzulegen. Mässige Ureterverdickung doku¬ 
mentiert sich gelegentlich als strangartige, von der Scheide aus pal- 
pable Resistenz, kann sich aber auch dem tastenden Finger entziehen. 

Klinische Beobachtung, Nieren- und Ureter-Tast¬ 
befund, sowie Abwarten der Argenturawirkung sind also 
wohl diagnostisch brauchbar, aber nicht diagnostisch 
entscheidend. Schnell und sicher, wie es durchaus notwendig ist, 
kann eine spezifizierte Diagnose mit diesen Mitteln nicht gestellt 
werden. 


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9] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 137 


Der Nachweis von Tuberkelbacillen im Urin ist zweifel¬ 
los beweisend für eine tuberkulöse Erkrankung der Harnorgane. Er 
ist aber oft recht schwer zu erbringen. 

Es gibt säurefeste Bacillen im Harn, die nicht Tuberkelbacillen 
sind. Die Unterscheidung von Smegma- und Tuberkelbacillen macht 
oft grosse Schwierigkeiten. Ihr Verhalten gegen die Tinktion ist 
das gleiche. Die Behauptung, dass die Entfärbung in absolutem 
Alkohol die Smegmabacillen kennzeichne, wird bestritten. Aussehen 
und Form lassen manchmal sicherlich eine Differenzierung zu. Die 
Smegmabacillen sind plumper und finden sich allgemein verstreut im 
Präparat, die Tuberkelbacillen sind schlanker und liegen in Nestern 
zusammen. Trotzdem ist es Tatsache, dass selbst Bakteriologen von 
Fach sich nicht anheischig machen, aus dem gefärbten Präparat immer 
die Entscheidung zu treffen. Erst der Ausgang des Impfversuches am 
Meerschweinchen ist dann entscheidend. 

Fällt die Bacillenfärbung überhaupt negativ aus, so beweist das 
niemals, dass der Urin tatsächlich bacillenfrei oder gar dass Blase 
und Niere nicht tuberkulös erkrankt sind. Erstens können die 
Bacillen so spärlich vorhanden sein, dass sie dem Nachweis selbst 
der sorgsamsten Untersuchungsmethode entgehen. Zweitens können 
sie tatsächlich fehlen, d. h. in dem entleerten Urin fehlen, während 
Blasentuberkulose cystoskopisch einwandsfrei nachzuweisen ist. Ich 
habe in einer früheren Arbeit 1 ) auf diese Verhältnisse hingewiesen 
und habe an Beispielen gezeigt, dass bei Blasentuberkulose das Vor¬ 
handensein oder Fehlen von Ulcerationen in der Blasenwand aus¬ 
schlaggebend dafür ist, ob die Tuberkelbacillen in den Urin gelangen 
oder nicht. Eruptionen von Tuberkelknötchen bilden an sich keine 
Läsion der Blasenwand und demnach keine Austrittspforte für die 
Bacillen. Diese werden deshalb gelegentlich weder durch Färbung 
noch durch den Tierversuch nachzuweisen sein, ohne dass deshalb 
eine Tuberkulose der Blase ausgeschlossen werden kann. 

Also auch der Nachweis des Krankheitserregers, mag er positiv 
oder negativ ausfallen, ist hier nicht von der sonstigen ausschlag¬ 
gebenden Bedeutung. 

Die Cystoskopie leistet erheblich mehr wie die er¬ 
wähnten Untersuchungsarten. Sie ist immer anwendbar, 
sie beseitigt in allen Fällen jeden Zweifel und entscheidet die 
Diagnose stets einwandsfrei im positiven oder negativen Sinne. In 
Verbindung mit der Blasenableuchtung erhalten auch die bakterio- 


i) Beitrag zur Diagnose der Tuberkulose in der weiblichen Blase. Centralbl. 
f. Gynäkologie 1901, Nr. 40. 


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W. Stoeckel. 


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logische Diagnostik der Harntuberkulose und die Palpationsbefunde 
einen sehr viel höheren Wert. Dem therapeutischen Handeln aber 
wird die richtige Direktion nur gegeben, wenn man sich durch den 
Augenschein von der Lokalisation des tuberkulösen Prozesses über¬ 
zeugt hat. 

Die folgenden beiden Falle mögen dazu dienen, diese Behaup¬ 
tungen zu stützen. 

Fall 3. 

Frau R. (1902, J. Nr. 70). Die 34jährige, steril verheiratete Patientin ist 
seit langen Jahren „blasenleidend“ und von vielen Ärzten behandelt worden. Ihr* 
Beschwerden bestehen in anfallsweise auftretenden „ziehenden 11 Blasenschmerzen 
und starkem Brennen in der Harnröhre während des Wasserlassens. Gelegentlich 
treten von der rechten Lendengegend nach dem Unterleib hin ausstrahlende kolik¬ 
artige Attacken ein. Der Urin ist trotz jahrelanger medikamentöser und auch 
lokaler Blasenbehandlung stets leicht getrübt. Blutbeimengungen hat der Ham 
niemals gezeigt. Der Urindrang ist wechselnd, bald kaum vermehrt, bald alte 
2—3 Stunden eintretend. In Berlin konsultierte die Patientin einen Kollegen, der 
den Urin bakteriologisch prüfen liess. Es fanden sich Bacillen, die nicht für 
Tuberkelbacillen gehalten wurden. Mehrfache Badekuren in Wildungen brachten 
vorübergehend ganz erhebliche Besserung, ohne die Beschwerden aber dauernd 
und völlig zu beseitigen. 

Hereditäre Belastung ist nach den etwas unbestimmten Angaben nicht aus- 
zuschliessen. Als Kind ist die Patientin hochgradig skrofulös gewesen und hat 
eine Wirbelsäulenerkrankung durchgemacht. In späteren Jahren litt sie sehr an 
Blutarmut. Die Untersuchung der sehr gracilen, chlorotischen Patientin ergibt 
zunächst an den Lungen normalen Befund. 

Über dem letzten Brustwirbel und ersten Lendenwirbel befindet sich eine 
strahlige, eingezogene Narbe. Der Uterus liegt in beweglicher Anteflexio; die 
linken Adnexe sind unverändert. Rechte Tube und rechtes Ovarium sind durch 
ein gänseeigrosses, kleinhöckriges, sehr hartes und auf Druck schmerzhaftes 
parametranes Exsudat verdeckt. 

Eine Verdickung der Ureteren selbst ist bei der vaginalen Palpation nicht 
nachweisbar. Die rechte Niere ist etwas descendiert und durch die schlaffen. 
Bauchdecken gut zu fühlen. Eine wesentliche Vergrösserung der Niere ist nicht 
vorhanden. 

Der Urin ist leicht getrübt, von saurer Reaktion und schwach ei weisshaltig. 

Die cystoskopische Untersuchung zeigt die Schleimhaut der ganzen 
Blase im Zustande recht intensiver Entzündung (Schleimhautschwellung, sehr 
starke Gefässinjektion, fixer und mobiler Schleim). Das linke Ureterostium 
weist scharfe Randkonturen auf und präsentiert sich als spaltförmiger Schlitz; 
das rechte hat eine ganz unbestimmte Umgrenzung, ist weiter 
und klaffender. Die entzündliche Schleimhautaffektion ist in seiner Umgebung 
am intensivsten. Tuberkelknötchen und Ulcerationen sind nirgends 
zu sehen. 

Während der nächsten 14 Tage wird die Blase regelmässig, jeden Tag zwei¬ 
mal zunächst mit 2 °/oiger Borsäurelösung, dann mit 2 °/oo iger Argentum-nitricum- 
Lösung ausgespült. In die Urethra werden Jodoform-Kokainstäbchen appliziert. 
Die Patientin trinkt ausserdem reichlich Milch und Wildunger Wasser. 


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11] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 1;>9 

Die Beschwerden lassen recht schnell nach. 

Die II. cystoskopische Untersuchung ergibt eine fast normale Be¬ 
schaffenheit der Schleimhaut. Schwellung und Rötung sind verschwunden, die 
Schleimpartikel wesentlich vermindert. Nur die Umgebung der rechten Ureter- 
mflndung sieht noch gerötet und etwas infiltriert aus. Diese selbst ist leicht 
eingezogen, ihr Rand ist undeutlich gezackt. Beide Ureteren agieren und 
entleeren klaren Urin. Die Aktion des rechten Ureters ist aber 
eine auffallend träge. Eine Tuberkulose der Blase besteht nicht 
Wenige Tage später katheterisierte ich den Ureter(Nitzesches Ureteren- 
cystoskop), um den Urin der rechten Niere gesondert zu erhalten. Der linke 
Ureter wird nicht katheterisiert. Der von ihm in die Blase entleerte Urin wird 
durch einen Blasenkatheter aufgefangen. 

Der Urin der rechten Niere ist minimal getrübt und schwach eiweisshaltig. 

Der Urin der linken Niere (Blasenurin) ist klar, eiweissfrei und sehr viel 
reichlicher. 

Das Sediment des Urins der rechten Niere besteht aus zahlreichen Leuko- 
cyten. Rote Blutkörperchen und Harncylinder fehlen, ebenso 
Tuberkelbacillen. Mit dem Sediment werden Impfungen an drei Meer¬ 
schweinchen vorgenommen (Injektion in die Peritonealhöhle). Die Tiere sind nach 
drei Wochen noch gesund und haben sogar an Gewicht zugenommen. Nach der 
Tötung ergibt die Sektion bei sämtlichen Tieren ausgebreitete Tuberkulose des 
Peritoneums, des Netzes und der Leber in Form sehr kleiner, miliarer Knötchen. 
Tuberkelbacillen sind in grosser Zahl vorhanden. 

Zu der daraufhin vorgeschlagenen Nephrektomie kann sich die Patientin erst 
nach mehreren Wochen entschlossen. 

Die Operation wird am 1. Mai 1902 mit dem schrägen Lumbalschnitt 
von Geh.-Rat Fr tsch ausgeführt. Sie ist durch allseitige Verwachsungen der 
Nierenkapsel mit der Umgebung erschwert. Bei der stumpfen Lösung dieser Ad¬ 
häsionen wird in der Nähe des Hilus ein paranephritischer Abscess eröffnet, aus 
dem dickflüssiger Eiter in reichlicher Menge hervorquillt. Nach vollendeter Mobi¬ 
lisation der Niere werden die Gefässo in einzelnen Partieen mit Seide unterbunden. 
Abtragung der Niere. Der stark verdickte Ureter wird reseziert und in den unteren 
Winkel der Bauch wunde eingenäht. Tamponade der Wundhöhle mit Vioformgaze. 
Schluss der Wunde mit durchgreifenden Silkwormknopfnähten bis auf eine Öffnung, 
aus der das Tamponende nach aussen geleitet wird. 

Die Rekonvaleszenz war während der ersten Woche fieberhaft (Abendtempera¬ 
turen bis 39°), weiterhin fieberfrei. Die Wunde secernierte minimal und heilte, 
soweit sie genäht war, reaktionslos. 

Am 6. Mai wurde der Tampon entfernt und die Wunde während der nächsten 
Tage mit Borlösung ausgespült. Der Versuch, in der Nachbehandlung Jodoform¬ 
emulsion in die Wundhöble zu injizieren, wurde aufgegeben, weil darnach starke 
Schmerzen auftreten. 

Die Patientin erholte sich sehr langsam und konnte am 10. Juni mit fast 
geschlossener Wunde entlassen werden. 

Die exstirpierte Niere ist vergrössert. (10,5:6:3 cm). Das Abziehen 
der Kapsel gelingt leicht. Auf der Nieren Oberfläche sind einzelne scharfumgrenzte, 
stecknadelkopfgrosse Knötchen zu sehen. Auf dem Durchschnitt erblickt man 
zahlreiche, kavernöse Höhlen, deren grösste den ganzen unteren Nierenpol ein¬ 
nimmt. Die Rinde ist hier auf einen ganz dünnen Saum verschmälert. Das 
Nierenbecken ist nur mässig dilatiert, der Ureter wenig verdickt. 


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Fall 4. 

Frl. M. B. (1902, J. Nr. 884). Der Fall hat bereits wiederholt zu Publi¬ 
kationen Veranlassung gegeben. Er ist zunächst von H. Schroeder ausführlich 
mitgeteilt worden i). 

Es handelte sich um schwerste Blasentuberkulose bei einer 39jährigen 
Patientin, die im 6. Lebensjahr an rechtsseitiger, sich lange Zeit hinschleppender 
eitriger Entzündung des Hüftgelenkes gelitten hatte. Diese Entzündung hinter- 
liess eine rechtsseitige Hüftgelenksankylose. Darnach war das Mädchen völlig 
gesund bis zum 39. Lebensjahre, wo die Blasentuberkulose manifest wurde. Bei 
der Untersuchung konnte damals eine tuberkulöse Erkrankung anderer Körper¬ 
organe, speziell der Lungen nicht nachgewiesen werden. 

Cystoskopisch wurden ausgebreitete tuberkulöse Ulcerationen und miliare 
Tuberkelbildung in der Blasenwand konstatiert. Die Umgebung der Ureterostien 
war damals frei von tuberkulösen Veränderungen. Der linke Ureter agierte 
und entleerte klaren Urin, der rechte lag „tot“, d. h. er bewegte 
sich gar nicht und entleerte überhaupt keinen Urin. Bei der Kathe- 
terisation erwies er sich 3—4 cm oberhalb seiner Blasenmündung als undurch¬ 
gängig. Trotzdem der Ureterkatheter 20 Stunden in situ gelassen wurde, floss 
kein Tropfen Urin aus ihm ab. Im Blasenurin waren Tuberkelbacillen in grosser 
Menge nachweisbar, ausserdem weisse und rote Blutkörperchen, Plattenepithelien, 
Schleim, aber keine Harncylinder. Ausser der lokalen Blasenbehandlung 
wurde das damals bekannt gegebene Koch sehe Tuberkulinpräparat T. R. ange¬ 
wendet. Der Fall erschien dafür geeignet, weil die Blasentuberkulose anscheinend 
erst seit kurzer Zeit zum Ausbruch gekommen und bisher fleberlos verlaufen war. 
Die Kur dauerte fünf Monate und brachte die Blasengeschwüre zur Heilung, die 
Tuberkelknötchen zum Verschwinden. Nach einem halben Jahre trat aber ein 
Recidiv ein. Es konnten cystoskopisch wieder Ulcerationen nachgewiesen werden. 

Ätiologisch wurde der Fall damals so gedeutet, dass von dem tuberkulösen 
Hüftgelenk aus per continuitatem die Nachbarschaft tuberkulös erkrankte, dass 
die Infektion bis ins Beckenzellgewebe fortgeschritten war, den rechten Ureter 
ergriffen und obliteriert und schliesslich die Blase befallen hatte. Für diese Auf¬ 
fassung sprach der Nachweis einer harten druckempfindlichen Infiltration im 
rechten Parametrium und die cystoskopisch nachgewiesene Undurchgängigkeit des 
rechten Ureters. Diese Deutung, die damals an Stelle einer plausibleren gewählt 
werden musste, hat sich bei jahrelanger weiterer Beobachtung schliesslich als 
irrig erwiesen. 

Ich habe die Patientin während der letzten fünf Jahre ungefähr alle Viertel¬ 
jahre gesehen und in regelmässigen Zwischenräumen cystoskopiert. Ich konnte 
den steten Wechsel zwischen Heilung und neuen Recidiven verfolgen. 

Im Laufe der Jahre liess die Heftigkeit der Tuberkulose, ohne dass irgend 
welche Behandlung stattfand, entschieden nach. Das ging einmal aus dem sub¬ 
jektiven Befinden, insbesondere aus der nicht unerheblichen Gewichtszunahme und 
endlich aus dem cystoskopischen Befunde hervor. Ulcerative Prozesse kamen 
schliesslich nicht mehr zur Ausbildung, nur Tuberkelknötchen bildeten öich immer 
wieder. Ich berichtete in der bereits zitierten Arbeit 2), dass nach Verschwinden 
der Geschwürsbildung auch die Tuberkelbacillen aus dem Urin verschwanden. Die 

1) Über die Behandlung der Blasentuberkulose mit T. R. Zeitschrift für 
Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. XL, Heft 1. 

2) 1. c. pag. 1123, Fall 2. 



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13J Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 141 

Tierimpfungen hatten ausnahmslos ein negatives Resultat. Bei den wiederholten 
Untersuchungen war es mir aufgefallen, dass die immer wieder erscheinenden 
Tuberkel gelegentlich auch in unmittelbarer Nähe des rechten Ureterostiums und 
auf dem Trigonum zu sehen waren. Das war früher nicht der Fall gewesen. 
Dass ein extravesikal gelegener Herd vorhanden war, von dem aus die Blase 
immer wieder von neuem infiziert wurde, konnte keinem Zweifel unterliegen. 
Sonst hätten nicht Perioden völliger Heilung und frischer Erkrankung in dieser 
Weise alternieren können. Die Lokalisation der Tuberkelknötchen in der Nähe 
des rechten Ureters legte die Vermutung nahe, dass die rechte Niere tuberkulös 
war und die immer sich wiederholenden Schübe in der Blase veranlasste. Ich 
katheterisierte deshalb vor kurzem den rechten Ureter und konnte 
den Katheter ebenfalls nur 4 cm weit vorschieben. Ich konnte aber zweifellos 
nachweisen, dass derUreter agierte und dass er auch Urin lieferte. 
Die Aktion war allerdings ganz ausserordentlich schwach und die entleerte Urin¬ 
menge minimal (ca. 8 ccm in 1 Ä /a Stunden). Immerhin war dadurch be¬ 
wiesen, dass die rechte Niere Urin und zwar stark eiterhaltigen 
Urin secernierte. 

Ich führte die rechtsseitige Nephrektomie aus (lumbaler Schräg¬ 
schnitt) und fand eine ganz kleine, geschrumpfte Niere unter einer enorm starken 
Fettkapsel vor, deren Exstirpation keine besonderen technischen Schwierigkeiten 
bot. Die Adhäsionen waren nur gering und leicht stumpf zu lösen. Die Nieren- 
gefässe wurden mit Catgut unterbunden. Der Ureter wurde unter Verlängerung 
des Lumbalschnittes nach vorne und unten extraperitoneal bis zu seinem Eintritt 
ins Parametrium mobilisiert und hier reseziert. Die Wunde wurde durch ver¬ 
senkte Catgutnähte und durchgreifende Silkwormknopfnähte bis auf eine Öffnung 
für die zur Drainage verwandten Vioformgazetampons geschlossen. Die Rekon¬ 
valeszenz ist noch nicht abgeschlossen. Der Verlauf ist bisher ein völlig reaktions¬ 
loser gewesen. 

Die exstirpierte Niere ist auffallend klein (6,5:2,5:2 cm). Die Kapsel 
lässt sich ohne Läsion der Nierenrinde nicht abziehen. Auf dem Durchschnitt ist 
von normalem Gewebe nichts mehr wahrnehmbar. Es besteht ein einziger grosser 
Abscess, der durch bindegewebige Septen in einzelne Sektoren geteilt und voll¬ 
kommen mit käsigem Brei angefüllt ist. Das Nierenbecken ist mit bindegewebigen 
Schwarten ausgefüllt, die Schleimhaut ist verloren gegangen. An der Ureter¬ 
mündungsstelle ist der Rest eines Lumens aufzufinden. Der Ureter selbst ist 
dünnwandig und nicht dilatiert. 

Wenn diese Fälle den Wert der Cystoskopie und des Ureter¬ 
katheterismus auch überzeugend illustrieren, so bedarf die cysto- 
skopische Diagnosenstellung bei Tuberkulose der Harnwege zur Ver¬ 
meidung von Missverständnissen doch noch einer näheren Erläuterung. 

Dass das Cystoskop ein die tuberkulöse Blasenentzündung häufig 
schädlich beeinflussendes Untersuchungsinstrument werden kann, be¬ 
streite ich durchaus nicht. Trotzdem aber halte ich daran 
fest, dass seine Anwendung in jedem Falle geboten ist. 
Es kommt nur darauf an, es zur rechten Zeit und in geschickter 
Weise zu benützen. 

Akut entzündliche Blasen von hochgradiger Sensibilität zu cysto- 
skopieren, ist natürlich falsch. Ob die Entzündung tuberkulöser Natur 


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ist oder nicht, ist dabei ganz gleichgültig. Der erste Versuch, die 
Blase zu katheterisieren klärt den Untersucher darüber auf, dass sie 
gegen die Anfüllung revoltiert, dass also eine Cystoskopie aussichtslos 
ist. Dann soll sie eben unterbleiben und gar nicht erst versucht 
werden. 

Die akute Entzündung wird behandelt zunächst mit Spülungen 
von 3°/oiger Borsäurelösung, weiterhin mit solchen von Argentum 
nitricum, durch lokale Applikation von Jodoform in Form von Bacillen 
oder als Emulsion. Zur Beseitigung der Schmerzen werden Belladonna 
oder Ichthyol-Supporitorien ins Rektum appliziert. Es gelingt meiner 
Erfahrung nach stets, die akuten Symptome auch in hartnäckigen 
Fällen soweit zu beseitigen, dass die Blase toleranter wird und eine 
mässige Anfüllung nicht mehr abweist, dass die in die Blase gebrachte 
Spülflüssigkeit kurze Zeit klar bleibt. Ist das erreicht, so kann man 
auch cystoskopieren, ohne Schaden zu stiften. Mit anderen Worten: 
Ist die Cystoskopie technisch durchführbar, so ist sie 
auch indiziert. Ob sie dann Schaden oder Nutzen bringt, hängt 
lediglich von der Geschicklichkeit des Untersuchers ab. Der Unge¬ 
übte wird fraglos oft Misserfolge zu verzeichnen haben. Wer das 
Cystoskop mit schwerer Hand langsam und brüsk handhabt, der soll 
sich nicht an derartige Untersuchungen heran wagen. Wer es aber 
versteht, schnell und schonend zu cystoskopieren, der ist fähig und 
berufen, auch floride Blasentuberkulosen mit Ulcerationen der Blasen¬ 
wand sich anzusehen. 

Ich lasse zunächst prinzipiell den Ureterkatheter 
beiseite und beschränke mich darauf, den Zustand der 
Blaseninnenwand festzustellen. Höchstens zwei Minuten sind 
zu einer solchen Orientierung notwendig. Die Blasenwand darf nicht 
berührt werden, auch minimale Verletzungen oder gar Blutungen dürfen 
nicht entstehen. 

Das Resultat der ersten cystoskopischen Untersuchung ist ver¬ 
schieden. Die sichersten Kennzeichen für die tuberkulöse 
Natur der Entzündung sind die Tuberkelknötchen, die bei 
ihrem charakteristischen Aussehen nicht zu verkennen 
sind. Ihre Farbe ist graurötlich, ihre Peripherie stets rund. Sie 
überragen die Blasenschleimhaut nur wenig als flache Erhebungen 
und sind sehr oft von einem roten Saum eingefasst. Sie liegen ver¬ 
streut, meistens aber in Gruppen und oft so nahe aneinander, dass sie 
sich bei unvollkommen entfalteter Blasenwand übereinander zu schieben 
scheinen. Sie sind ein häufiger Befund, wie ich im Gegen¬ 
satz zu anderen Untersuchern betonen möchte. 



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15] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose-bei der Frau. 143 


Die Epitheldecke ist dort, wo die Knötchenbildung sich entwickelt 
hat, häufig abgeschilfert. Man sieht an der Basis des einzelnen 
Tuberkels oder auch im weiteren Umkreis um eine Tuberkelgruppe 
oft eine feingezackte, wie ausgefranste, weisse Linie verlaufen, die 
sehr lebhaft mit der roten Umgebung der Knötchen kontrastiert. 
Das ist die Epithelgrenze, die sich beim Heilungsprozesse immer 
näher an den Tuberkelknoten heran- und schliesslich über ihn hinweg¬ 
schiebt. Im entgegengesetzten Falle beginnt an diesen epithelfreien 
Stellen die Ulceration. Die reaktive Entzündungszone um die ein¬ 
zelnen Knötchen verbreitert sich und konfluiert mit dem der daneben¬ 
liegenden zu einem tiefroten Felde, in dem die Tuberkel selbst sich 
nicht mehr so deutlich markieren. Die Epithelgrenze, die dieses Feld 
umgibt, tritt deutlicher hervor und scheint sich wallartig zu ver¬ 
dicken. Die Niveaudifferenz zwischen Rand und Mitte wird allmäh¬ 
lich deutlicher, die Farbe des umgrenzten Feldes wird schmutzig und 
erhält einen schleimig-eiterigen Belag, die Tuberkelknötchen ver¬ 
schwinden darin. Es hat sich ein tuberkulöses Geschwür gebildet. 
Dasselbe hat in ausgebildetem Zustande, nur für sich allein betrachtet, 
nichts Typisches. Bei diphtherischen Prozessen und schwerer eiteriger, 
aber nicht tuberkulöser Cystitis finden sich ganz gleiche Ulcera. Die 
tuberkulösen sind als solche nur durch ihre Beziehungen 
zu den Tuberkelknötchen und durch das gleichzeitige 
Vorkommen mit und neben ihnen zu erkennen. 

Zuweilen sieht man die Knötchen und Ulcerationen deshalb nicht, 
wei die Gesamtblasenwand schwere cystitische Veränderungen zeigt, 
in denen die tuberkulösen Herde nicht deutlich hervortreten. Es 
handelt sich dann um Mischinfektionen, die beispielsweise entstehen, 
wenn die Blase oft und ungeschickt mit dem Katheter entleert wurde. 
Diese Fälle verlangen natürlich eine weitere sachgemässe Behandlung, 
um die Blasenwand gleichsam „aufzuhellen.“ In anderen Fällen ist 
die Blasenschleimhaut tatsächlich absolut normal und völlig frei von 
Tuberkulose. 

Mag nun der Blasenbefund positiv oder negativ ausfallen, so ist 
damit stets nur der erste Teil der cystoskopischen Diagnose erledigt. 
Die wichtigste Frage, ob die Nieren erkrankt sind oder nicht, harrt 
noch der Entscheidung. 

Ich glaube, dass fast alle Blasentuberkulosen des- 
cendierend von der Niere aus entstehen. Der Nachweis 
einer primären Blasentuberkulose in dem Sinne, dass die Blase das 
einzige, tuberkulöse erkrankte Organ ist, ist bisher noch nicht ge¬ 
lungen. 


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W. Stoeckel. 


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Die herrschende Ansicht fasst die Tuberkulose der Harnorgane 
überhaupt als Sekundärinfektionen von einem anderen, eventuell nicht 
auffindbaren Herde im Körper auf(Casper). Spricht man also von 
„primärer Nierentuberkulose", so soll damit keineswegs der Aus¬ 
gangspunkt der Tuberkulose überhaupt bezeichnet werden Die Aus¬ 
drücke „primär" und „sekundär" können sich nur auf die Harnorgane 
allein und auf die zeitliche Aufeinanderfolge der Erkrankung im 
Harntraktus beziehen. In diesem Sinne sind die allermeisten 
Nierentuberkulosen primär und die allermeisten Blasen¬ 
tuberkulosen sekundär. 

Das umgekehrte Verhalten, dass also die Blase von einem ent¬ 
fernten Tuberkuloseherd zuerst (primär) hämatogen infiziert wird, 
soll gelegentlich Vorkommen, ist aber jedenfalls ausserordentlich selten. 

Ebenso kommt das lokale Übergreifen einer in der Nachbarschaft 
sich abspielenden tuberkulösen Affektion auf die Blase bei der Frau 
kaum vor. Die weibliche Genitaltuberkulose zeigt diese Neigung 
jedenfalls so selten, dass neuerdings die Bezeichnung „Urogenital¬ 
tuberkulose" bei der Frau als unzutreffend völlig verworfen wird 
(Amann) 1 ). Dass eine tuberkulöse Coxitis durch allmähliches Weiter¬ 
kriechen per continuitatem eine Infektion der Blase zeitigt, hatten 
wir in einem Falle (Fall 4) angenommen — aber fälschlich, wie 
die weitere Beobachtung ergab. 

Eine derartige Entstehung der Blasentuberkulose ist überhaupt 
nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn der ätiologisch wichtigste 
Faktor, die Nierentuberkulose, auszuschliessen ist. 

Am einfachsten und schnellsten würde die Katheterisation der 
beiden Ureteren mit Hilfe des Ureterencystoskops das entscheiden 
können. Der gesondert aus jeder Niere aufgefangene Harn, auf 
Bacillen untersucht und auf Tiere verimpft, würde stets Klarheit 
bringen, ob eine Nierentuberkulose überhaupt besteht, ob beide Nieren 
erkrankt sind, oder welche der beiden gesund ist. 

Dies Verfahren ist technisch einfach, aber zweifellos fehlerhaft 
und falsch. Es steht fest, dass die tuberkulöse Infektion von einer 
Niere descendieren, die Blase ergreifen und in die zweite Niere 
ascendieren kann. 

Ist diese Tendenz auch keine sehr ausgesprochene, so wird man 
doch alles vermeiden, um sie zu unterstützen. Das täte man aber, 
wenn man durch eine tuberkulös erkrankte Blase hindurch den 
Katheter in einen gesunden Harnleiter schieben würde. Man über¬ 
schreitet damit willkürlich den Schutzwall, der in dem sphinkterartigen 

i) Referat auf dem IV. internationalen Gynäkologen-Kongress in Rom 1902. 



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17] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tnberkulose bei der Frau. 145 

Abschluss des Ureterostiums gegeben ist, man schleppt möglicherweise 
mechanisch mit dem Katheter tuberkulöses Virus in das Ureterlumen 
hinein und begünstigt vielleicht durch kleine Läsionen der Ureter¬ 
schleimhaut, die gelegentlich auch dem geschicktesten Untersucher 
passieren, die Einnistung der Tuberkelbacillen im Ureter. Die 
Katheterisation des zu einer gesunden Niere gehörigen 
Ureters bei manifester Blasentuberkulose ist also ein 
Kunstfehler. Sie lässt sich auch sehr wohl vermeiden, ohne dass 
die Exaktheit der Diagnose darunter leidet. Das cystoskopische Bild 
an sich liefert genügende Anhaltspunkte, von denen die Lokali¬ 
sation der tuberkulösen Schleimhautveränderung oft be¬ 
sonders wertvoll ist. 

Wird das tuberkulöse Virus aus den Nieren in die Blase ge¬ 
schwemmt, so werden natürlich die den Uretermündungen zunächst 
gelegenen Blasenpartieen der tuberkulösen Infektion am ehesten aus¬ 
gesetzt sein. Das Trigonum wird also zuerst befallen und 
je nachdem die Umgebung des rechten oder linken Ureterostiums 
verändert ist, wird man auf eine Erkrankung der entsprechenden 
Niere schliessen. Tuberkelknötchen, vom Ureterlumen in schräger 
Linie nach unten und innen zum Blasenhals hin ausgesät, kenn¬ 
zeichnen oft die Bahn des von der Niere herabrinnenden, infizierenden 
Urinstrahles. Ist die ganze übrige Blase, insbesondere die andere 
Uretermündung normal, so kann meist mit Sicherheit einseitige Nieren¬ 
tuberkulose mit beginnender Blasentuberkulose diagnostiziert werden. 
Findet man aber ein normales Trigonum, so spricht das 
durchaus nicht gegen eine descendierende Nieren¬ 
tuberkulose. Sind am Fundus und an den Seitenwänden der Blase 
Ulcera und Tuberkelknötchen zu sehen, so kann man daraus nur 
folgern, dass die Blasentuberkulose in einem vorgeschrittenen Stadium 
steht. An welcher Stelle die Infektion zuerst sich etabliert hat, ist 
dann aus der Lokalisation der tuberkulösen Veränderungen nicht mehr 
zu erkennen. Das Trigonum kann erkrankt gewesen sein, bevor die 
übrige Blase ergriffen war. 

Beim Fortschreiten der Erkrankung heilen die zuerst 
ergriffenen Partieen auch zuerst ab und dass Tuberkelknöt¬ 
chen dabei ohne eine Spur zu hinterlassen, verschwinden können, 
ist sicher. 

Bei universell ausgebreiteter Blasentuberkulose ist also die Deu¬ 
tung oft nicht leicht. 

Schwieriger aber noch liegen die Fälle, in denen uns 
das Cystoskop davon überzeugt, dass eine Tuberkulose 
der Blase sicher fehlt. Sie gerade werden häufig verkannt und 


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W. Stoeckel. 


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falsch behandelt in der voreiligen Annahme, dass eine Tuberkulose 
des Harnapparates überhaupt auszuschliessen ist. Bei genauerem Zu¬ 
sehen lassen sich Anzeichen der Nierentuberkulose finden, die dem 
flüchtigen und ungeübten Beobachter entgehen. 

Die besondere Aufmerksamkeit ist in erster Linie 
nicht auf die Umgebung der Ureteröffnungen, sondern 
auf diese selbst zu richten. 

Ganz charakteristisch ist vor allem die Formveränderung 
dieser Öffnungen durch tuberkulöse Ulceration. 

Ein derartiger Ureter präsentiert sich nicht als Schlitz oder Grube 
mit scharfem Saum, sondern als unregelmässig gestaltetes 
Loch, dessenRänder gezackt und eingekerbt erscheinen. 
Er prominiert nicht, wie ein normaler, mehr oder weniger an seiner 
Einmündungsstelle, sondern ist im Gegenteil trichterförmig ein¬ 
gezogen. Die normale Ureteröffnung sieht zartrosa aus, die ulce- 
rierte, klaffende gleicht einem schwarzen Krater. Nicht immer 
ist die Zerstörung so intensiv wie im Fall 2 (cf. Tafel). Aber auch 
die nur angedeuteten und eben beginnenden Könturveränderungen 
sind gut zu erkennen und zu verwerten (Fall 3). 

Es ist merkwürdig, dass die Infektion, die die Niere mit Ab- 
scessen durchsetzt hat und soweit vorgedrungen ist, den kleinen Schritt 
weiter nicht tut, dass sie am Ureterostium auch dann noch lange 
Zeit Halt machen kann, wenn sie dessen normale Struktur bereits 
vernichtet hat. Man sollte meinen, dass damit die Blase der Ein¬ 
wirkung des tuberkulösen Virus ungeschützt preisgegeben ist. Dass 
sie trotzdem jahrelang intakt bleiben kann, ist eine Tatsache von 
hohem diagnostischem und therapeutischem Wert. 

Abweichend von der Norm ist weiterhin bei Nierentuberkulose 
die Aktion des der kranken Niere zugehörenden Ureters. Sie er¬ 
folgt weniger häufig und zwar umso seltener, je hoch¬ 
gradiger die Nierenzerstörung ist. 

Es ist ja natürlich, dass die Nierensekretion von dem noch 
funktionierenden Parenchym abhängt, dass die funktionelle Leistung 
mit der anatomischen Veränderung gleichen Schritt hält. Eine ver¬ 
minderte Nierenfunktion bedingt stets eine trägere Ureteraktion. 
Wird weniger Urin produziert, so ist auch weniger in die Blase zu 
befördern. Werden also die Intervalle, in denen der Ureter „arbeitet“, 
länger, so deutet das ganz allgemein an, dass die Niere weniger Urin 
liefert. Die Natur der Nierenschädigung kann natürlich eine ganz 
verschiedenartige sein. Aus der trägen Ureteraktion allein kann man 
noch keine Nierentuberkulose diagnostizieren. Wohl aber kann der 
Verdacht auf Nierentuberkulose durch auffallende Ureterträgheit zuerst 



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19] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 147 

erweckt werden und zu genauerem Hinsehen veranlassen, ob der so 
spärlich entleerte Harn klar oder verunreinigt ist. 

Diese qualitative Urinprüfung mit dem Cystoskop 
ist oft recht schwer. Man darf nicht erwarten, einen Strahl 
deutlich eitrigen Urins hervorschiessen zu sehen. Das ist bei Nieren¬ 
tuberkulose kaum je der Fall. Die morphologischen Beimengungen 
in Form von Fetzen und Eiterpartikelchen sind vielmehr meist recht 
gering und nur bei sehr guter Einstellung wahrnehmbar. 

Erschwerend für die Beobachtung sind die cystitischen Beläge 
in der Nähe der Uretermündung, wie sie in derartigen Blasen häufig 
vorhanden sind. Sie werden durch den Strahl des Ureterharns empor¬ 
gewirbelt und können leicht zu irriger Annahme führen, dass sie aus 
der Niere stammen. Es gehört zweifellos eine gute Technik dazu, 
um dem Cystoskop schnell die für diese Beobachtung geeignetste 
Position zu geben. Ebenso ist unter Umständen eine grosse Aus¬ 
dauer und die angestrengteste Aufmerksamkeit unerlässlich, um die 
sichere Behauptung wagen zu können, dass der Ureter nicht reinen 
Urin liefert. 

Steht die Verminderung des Nierenurins beiTuber- 
kulose in geradem, so steht seine Trübung oft in umge¬ 
kehrtem Verhältnis zur Intensität des Prozesses. Völlig 
mit tuberkulösen Abscessen durchsetzte Nieren sondern häufig einen 
fast klaren Urin ab (Fall 3). 

Der tuberkulöse Eiter und Detritus mit seiner typisch käsigen 
Beschaffenheit hat mehr die Neigung zur Eindickung als zur Ver¬ 
flüssigung. Er haftet relativ fest, ist nicht leicht fortzuschwemmen 
und wirkt gleichsam als Filter für den Harn. 

Ist man aber sicher, dass auch nur minimale Eiterbröckel aus 
dem Ureter herauskommen, so ist eine eitrige Erkrankung der Niere 
damit bewiesen. 

Fehlt eine Blasentuberkulose, so wird aus den angegebenen Merk¬ 
zeichen allerdings immer nur mit mehr oder minder grosser Wahr¬ 
scheinlichkeit auf die spezifisch tuberkulöse Natur der Niereneiterung 
geschlossen werden können. Das ist aber praktisch ohne Bedeutung, 
da die Pyonephrosen jedweder Provenienz eine chirurgische Inter¬ 
vention erfordern. 

Will man trotzdem aus irgendwelchen Gründen, z. B. um die 
Dringlichkeit des therapeutischen Eingriffs zu motivieren, die Diagnose 
noch weiter differenzieren > so bedient man sich des Ureterkatheters. 
Es liegt darin kein Widerspruch mit der vorstehend ge¬ 
machten Behauptung, dass der Ureterenkatheter zunächst 
beiseite gelassen werden muss. Seine Aufgabe besteht jetzt nicht 


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W. Stoeckel. 


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[2U 

mehr darin, unter den beiden Nieren die kranke herauszusuchen, 
sondern darin, die bereits erkannte Erkrankung einer Niere als tuber¬ 
kulöse zu charakterisieren. 

Die cystoskopische Untersuchung kann immer festlegen, welcher 
Ureter der gesunde und deshalb von der Katheterisation auszu- 
schliessende ist. Dieser kommt für das Uretercystoskop dann über¬ 
haupt nicht mehr in Betracht, er wird nicht katheterisiert und kann 
also auch nicht mechanisch infiziert werden. Damit ist der Ureteren- 
katheterismus der Gefahr, ein Infektionsvermitteler zu 
sein, entkleidet. Ich habe ihn unter diesen Kautelen mehrfach 
ausgeführt und werde es bei irgendwelchen diagnostischen Zweifeln 
stets wieder tun. Ich führe den Katheter, falls er nicht vorher auf 
Widerstand stösst, ca. 10 cm weit in den zur erkrankten Niere ge¬ 
hörenden Ureter ein und lasse ihn so lange liegen, bis ich etwa 20 ccm 
von dem Nierenurin in einem Reagenzglas aufgefangen habe. Damit 
werden die Tierversuche angestellt. 

Meine Ansichten betreffs der Diagnose, nochmals kurz zusammen¬ 
gefasst, sind also folgende: 

1. Die Tuberkulose der Blase ist cystoskopisch stets nachweisbar 
und auf diese Weise am sichersten zu diagnostizieren. 

2. Bei manifester Blasentuberkulose ist stets auf Nierentuberkulose 
zu fahnden, für deren Erkennung das cystoskopische Bild ge¬ 
nügend sichere Merkmale bietet (Lokalisation der tuberkulösen 
Veränderungen, Form Veränderung des Ureter ostiums, Ureterträg¬ 
heit, Trübung des Ureterurins). 

3. Nierentuberkulose ohne Blasentuberkulose kommt relativ häufig 
vor. Sie descendiert oft bis zur Einmündungsstelle des Ureters. 

Meist ist auch hier das cystoskopische Bild beweisend und für 
die therapeutische Indikationsstellung ausreichend. Anderenfalls 
bringt die Kombination des cystoskopischen und palpatorischen 
(Niere, Ureter)-Befundes, bei noch bestehenden Zweifeln der 
Uretherkatheterismus Klarheit. 

4. Eine kritikvolle und geschickte Verwendung des Cystoskops hat 
keine schädlichen Folgen. 

5. Die Katheterisation des gesunden Ureters ist stets zu vermeiden 
und kann stets vermieden werden; die Katheterisation des kranken 
Ureters ist zuweilen notwendig. Sie ist leicht ausführbar und 
ungefährlich. 

6. Die sonstigen diagnostischen Methoden geben nur im Verein mit 
der Cystoskopie ganz verlässliche Resultate. 



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21] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 149 

Bezüglich der Therapie haben wir bisher den Grundsatz fest¬ 
gehalten, die Blasentuberkulose niemals, die Nierentuber¬ 
kulose stets operativ zu behandeln. 

Spontanheilungen bei Blasentuberkulose kommen vor. Wir haben 
selbst einen derartigen Fall erlebt, der in meinem mehrfach zitierten 
Aufsatz 1 ) genauer mitgeteilt wurde. Durch fortgesetzte cystoskopische 
Kontrolle habe ich festgestellt, dass diese Blase seit jetzt zwei Jahren 
andauernd ganz normal ist. Allerdings ist es fraglich, ob hier die 
Heilung eine wirklich ganz spontane genannt werden darf. 

Die Kranke litt ausserdem an einem grossen Myom, das vaginal 
durch Morcellement entfernt wurde. Die Operation war technisch 
ungemein schwer. Die virginelle Scheide musste durch Hilfsschnitte 
erweitert und auch die vordere Scheidenwand musste gespalten werden. 
Dadurch wurde die Blase ihres natürlichen Stützpunktes beraubt 
und riss bei der Entwickelung des Myoms ein. Es entstand eine 
Blasenscheidenfistel, die später durch plastische Operation geschlossen 
wurde. Das gelang beim ersten Versuch trotz bestehender Blasen¬ 
tuberkulose, und die Blasentuberkulose selbst heilte ohne weitere 
therapeutische Massnahmen aus. 

Ich sprach damals die Vermutung aus, dass die Eröffnung der 
Blase hier vielleicht den gleichen kurativen Nutzen gebracht haben 
könnte wie die Eröffnung des Abdomens bei Tuberculosis peritonei. 

Ich halte auch jetzt noch an dieser Möglichkeit fest. Es ist 
freilich riskant, aus diesem einen Fall die therapeutische Konsequenz 
zu ziehen, zur Heilung von Tuberculosis vesicae die Sectio alta resp. 
die Kolpocystotomie auszuführen. Wir haben sie bisher nicht ge¬ 
zogen, weil erfahrungsgemäss auch ein eklatanter Misserfolg daraus 
resultieren kann. Bleibt neben der nicht heilenden Blasentuber¬ 
kulose auch noch eine Blasenfistel bestehen, die sich nicht schliessen 
lässt, weil die tuberkulös infizierten Wundränder nicht aneinander¬ 
heilen, so ist der Status ganz erheblich verschlechtert. 

Möglicherweise werden sich ebenso wie bei der 
Peritonealtuberkulose nur bestimmte Fälle als geeignet 
für die Operation erweisen. Alle Fälle mit florider Entzün¬ 
dung und mit ulcerösen Schleimhautveränderungen sind jedenfalls von 
vornherein auszuschliessen; die mit miliarer Knötchenbildung 
ohne Geschwürsbildung sind vielleicht die günstigen 
und für die Eröffnung der Blase allein passenden. 


i) 1. c. pag. 1124, 1125, Fall 3. 


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W. Stoeekel. 


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Es würde dann wiederum Aufgabe der Cystoskopie sein, die In¬ 
dikationsgrenzen für exspektatives und operatives Vorgehen fest¬ 
zulegen. 

Jedenfalls möchte ich die Aufmerksamkeit nochmals auf diesen 
Punkt hinlenken. 

Auch bei Peritonealtuberkulose hat sich aus Zufallsresultaten eine 
typische operative Methode entwickelt. Weshalb sollte das bei Blasen¬ 
tuberkulose nicht auch der Fall sein können? 

Die übrigen, gelegentlich empfohlenen, operativen Methoden: die 
intravesikale Kauterisation tuberkulöser Geschwüre mit dem Operations- 
cystoskop und die Totalexstirpation der erkrankten Schleimhaut durch 
Sectio alta haben wir nie ausgeübt. Die damit von anderer Seite 
erzielten Resultate sind auch durchaus nicht ermutigend. 

Will man die Blase lokal-medikamentös behandeln, so halte ich 
das Jodoform für das beste Mittel. Ich verwende es in Form von 
Bacillen mit etwas Kokainzusatz (Jodoform 1,0, Kokain 0,2, Butyr. 
Kakao Bacilli Nr. X, crassit 0,5, longit. 4 cm nach Kolischer), 
die sich leicht durch die Harnröhre hindurch bis in die Blase schieben 
lassen. Das Jodoform wird bei dem langsamen Schmelzen der Stäb¬ 
chen allmählich frei und wird ausnahmslos sehr gut vertragen, weil 
die Ausdehnungsfähigkeit der Blase bei dieser Art der Applikation 
gar nicht in Anspruch genommen wird. 

Sublimatspülungen (V*oooo—V ioooo), von denen viele Erfolg gesehen 
haben, leisteten mir nicht so gute Dienste, weil dabei die Schmerzen 
gelegentlich sehr heftig wurden. Ich halte den Wert einer medika¬ 
mentösen Lokalbehandlung der Blase überhaupt nicht für sehr gross. 
Es ist jedenfalls immer nur eine symptomatische, keine spezifische 
Therapie. 

Am dankbarsten liegen die Fälle von nachgewiesenermassen des- 
cendierter Blasentuberkulose. Bei ihnen ist der erste Angriffspunkt 
selbstverständlich stets die Niere, nach deren Entfernung die Blasen¬ 
tuberkulose spontan oder mit unterstützender Jodoformbehandlung 
ausheilen kann. Auf die Indikationsgrenzen für die Nephrektomie in der¬ 
artigen Fällen näher einzugehen liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit, 
zumal ich neue Gesichtspunkte nicht beibringen kann. Die Vorbe¬ 
dingung für die Operation ist der Nachweis einer zweiten, genügend 
funktionierenden Niere. 

Auch hierüber klärt uns die Cystoskopie auf, indem sie einen 
agierenden und spritzenden Ureter auf der betreffenden Seite fest¬ 
stellt und die von ihm entleerte Urinquantität abschätzen lässt. 

In den Fällen, bei denen ich den zur tuberkulösen Niere ge¬ 
hörigen Ureter katheterisiert habe, führte ich ausserdem einen 



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28] Zur Diagnose und Therapie der Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 151 

Katheter in die Blase ein. Das freie Ende jedes Katheters wurde in 
ein darunter gehaltenes Reagensglas gesteckt. Auf diese Weise er¬ 
hielt ich gesondert den Urin der kranken Niere und den Blasenurin, 
der zum allergrössten Teil von der anderen Niere geliefert wurde. 
Die funktionelle Differenz zwischen beiden Nieren — es handelte sich 
stets um einseitige, schwere Nierentuberkulose — kam dabei in der 
sehr verschiedenen Haramenge, die sich in den beiden Reagens¬ 
gläschen ansammelte, zum Ausdruck. 

Zur qualitativen Urinuntersuchung eignet sich die Methode 
aber deshalb nicht, weil man den Blasenurin nicht ganz mit dem 
Urin der nicht katheterisierten Niere identifizieren darf. Ich konnte 
sicher nachweisen, dass ein allerdings minimales Urinquantum aus 
der kranken Niere neben dem Katheter in die Blase abfloss. Es 
beeinträchtigte die quantitative Schätzung des beiderseitig abgeschie¬ 
denen Urins nicht, verbot mir aber doch, die Qualität des Blasen¬ 
urins derjenigen der nicht katheterisierten Niere gleichzusetzen. Ich 
habe daher darauf verzichten müssen, die Gesundheit der zweiten 
Niere aus einem negativen Tuberkelbacillenbefund oder durch Be¬ 
stimmung der raolekulären Konzentration und der Gefrierpunkts- 
eraiedrigung des Harns zu beweisen. Dazu wäre eben die Einfüh¬ 
rung eines Katheters auch auf der für gesund gehaltenen Seite uner¬ 
lässlich gewesen, was ich, wie gesagt, für nicht erlaubt halte. 

Aus einer sehr gesteigerten Uretertätigkeit schloss ich in meinen 
Fällen, dass die zurückzulassende Niere bereits kompensatorisch für 
die erkrankte eingetreten war, dass sie die ihr zugemutete Mehrarbeit 
zum Teil bereits übernommen hatte. Ich folgerte daraus, dass die 
Wegnahme der zweifellos tuberkulösen Niere das Leben nicht ge¬ 
fährden würde. Diese Annahme erwies sich als berechtigt, da eine 
Niereninsufficienz von bedrohlicher Stärke sich nach Nephrektomie 
nie bemerkbar machte. 

Ganz im allgemeinen wird man sagen können, dass die einzige 
Chance derHeilung bei konstatierter Nieren tuberkulöse 
in der Nephrektomie liegt. 

Spontanheilungen, die ja auch in der Niere möglich sein sollen, 
abzuwarten, dazu würde mir der Mut fehlen. 

Andererseits wird der Umstand, dass man die anatomische 
Intaktheit der zweiten Niere niemals garantieren kann, 
bei dem Entschluss zur Nierenexstirpation stets eine Rolle spielen. 
Besteht der Verdacht einer doppelseitigen Erkrankung, so wird man 
zögernder an die Operation herangehen und sich zunächst vielleicht 
mit der ganz lebenssicheren Nierenspaltung, der Nephrotomie be¬ 
gnügen. Verstärkt sich dieser Verdacht bis zur Gewissheit, so wird 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. H. 2. 11 


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152 W. Stoeckel. Zur Diagn. u. Therapie d. Blasen-Nieren-Tuberkul. b. d. Frau. [24 


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man sich zu dem dann sehr ernsten radikalen Eingriff nur dann 
entschliessen können, wenn man Beweise dafür findet, dass die zweite 
Niere nur wenig gelitten hat. Auch dann aber ist die Prognose 
natürlich äusserst zweifelhaft, wenn nicht schlecht zu stellen. 

Was die Technik der Nephrektomie anbelangt, so haben wir 
stets extraperitoneal mit schrägem Lumbalschnitt operiert, die Ge- 
fä$se isoliert (im letzten Falle mit Catgut) versorgt und den Ureter 
entweder in die Bauchwunde eingenäht oder bis zu seiner Eintritts¬ 
stelle ins Parametrium reseziert. 

Zur Tamponade der Wundhöhle benutzten mit grossem Vorteil 
Vioformgaze, unter der die Granulationsbildung sehr gut und unter 
geringer Sekretion von statten geht. 

Für die Beurteilung des Dauerresultates ist in unseren Fällen 
die nach der Operation verstrichene Zeit noch zu kurz. Die unmittel¬ 
baren Operationserfolge waren jedenfalls günstig. 

Das hätte mich aber an sich nicht zu diesen Mitteilungen 
bewogen. 

Die Hauptveranlassung dazu war der Wunsch, die Treffsicher¬ 
heit der Cystoskopie an beweisenden Fällen überzeugend zum Aus¬ 
druck zu bringen und weiterhin das Interesse, das die Gynäkologen 
auch an den pathologischen Zuständen der weiblichen Harnorgane 
unbedingt nehmen müssen, zu fördern. Es würde mich freuen, wenn 
meine kleine Arbeit diesen doppelten Zweck erfüllte. 



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Stoeckel, Blasen-Nieren-Tuberkulose bei der Frau. 



H. Krueger-Bonn. del. 

Kraterförmiges Ureterostium mit narbigen Einziehungen nach tuberkulöser Ulceration (rechts¬ 
seitige Nierentuberkulose, Fall 2). Die Aufnahme des Bildes (bei starker Annäherung des 
Cystoskops an den Ureter) erfolgte vier Wochen nach der Nephrektomie, die ein Kleiner- 
werden des Kraters zur Folge gehabt hat. 


Brauer, Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. Heft 2. 


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Aus dem Pathologischen Institut der Universität Bonn (Direktor: 
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Koester). 


Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungen¬ 
kavernen. 

Von 

Dr. med. Bernhard Fischer, 

Assistanten am Institut. 

Seitdem durch zahlreiche Sektionen, mikroskopische und bakterio¬ 
logische Untersuchungen 1 ) der Beweis erbracht ist, dass die Tuber¬ 
kulose der Lunge zur völligen Ausheilung gelangen kann, hat man 
diesen Heilungsprozess einem genauen Studium unterworfen. Resorp¬ 
tion, fibröse Vernarbung, Abkapselung und Verkalkung sind in erster 
Linie als die Grundlagen solcher Heilungen festgestellt worden. 

Sobald die Erkrankung aber einmal bis zum Zerfall grösserer 
Lungenabschnitte, bis zur Bildung grösserer Kavernen vorgeschritten 
ist, gehören Heilungen auch heute noch zu den Seltenheiten. An dem 
tatsächlichen Vorkommen solcher Heilungen ist allerdings nicht zu 
zweifeln, und verdienen dieselben ebenso sehr praktisches wie theo¬ 
retisches Interesse. Aus diesem Grunde möge folgende Beobachtung 
hier kurz mitgeteilt werden. 

Es handelt sich um einen Tagelöhner, Peter V. aus Bonn, der am 
28. August 1902 im Alter von 41 Jahren in der hiesigen medizini¬ 
schen Klinik einer chronischen Nephritis erlag. Er war bereits jahre¬ 
lang klinisch und poliklinisch behandelt worden. Aus der Kranken¬ 
geschichte und den poliklinischen Aufzeichnungen, für deren Überlassung 
ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche, sei kurz 
das Wesentliche hier angeführt. 

i) Vgl. u. a. Kurlow, Über die Heilbarkeit der Lungentuberkulose. Deutsch. 
Arch. f. klin. Med. 44. Bd. S. 437. 1889. 

11 * 


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154 


Bernhard Fischer. 


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Der Vater soll an Lungenschwindsucht gestorben sein; die Mutter 
lebt und ist gesund. Neun Geschwister starben in jungen Jahren. 
Er selbst lebte in kinderloser Ehe und soll ein starker Potator ge¬ 
wesen sein. 

Im Jahre 1888 wurde er wegen Ulcus durum in der hiesigen 
Hautklinik behandelt. 

1895: Erscheinungen von tertiärer Lues (Hautklinik). 

Juni 1896: Grosse zerfallene Gummata am rechten Oberarm und 
linken Knie. 

September 1896: Pleuritis sicca mit wenig Auswurf. 

August 1897: Kraterförmig aufgebrochene Gummata am rechten 
Arm und linken Bein. 

Dezember 1897: Schmerzen in der Nierengegend; Atemnot, reich¬ 
lich schleimigeitriger Auswurf. Wegen dieser Beschwerden wurde er 
am 24. Mai 1898 in die medizinische Klinik aufgenommen. Es fanden 
sich vor: Schallverkürzung und lautes verlängertes Exspirium mit 
einzelnen grossblasigen Rasselgeräuschen über der rechten, weiches 
verlängertes Exspirium über der linken Spitze. Urin frei von Albumen. 
ImAuswurfTuberkelbacillen. Die Lungenerscheinungen gingen 
in der Klinik zurück und V. wurde am 25. Juli 1898 als wesentlich 
gebessert entlassen. Im poliklinischen Journal finden sich weiterhin 
folgende Angaben: 

November 1898: Pneumonia crouposa des linken Oberlappens. 
Starker Potator. Delirium acutum. Suicidversuch. 

Januar 1900: Erscheinungen tertiärer Lues. 

Juni 1901: Phthisis pulmonum. Nephritis. Über der rechten Spitze 
Dämpfung, Bronchialatmen, kleinblasige Rasselgeräusche. Während 
bisher im Sputum Tuberkelbacillen stets nachzuweisen waren, 
fiel die Untersuchung hierauf am 11. Januar 1902 negativ aus. 
(Dieselben wurden auch in der Folge nicht wieder aufgefunden.) Urin 
stark eiweisshaltig. 

25. März 1902: Über der rechten Spitze Dämpfung mit tympa- 
nitischem Beiklang. Auf der ganzen rechten Seite feuchte Rassel¬ 
geräusche. Sehr viel Eiweiss im Urin. Ödeme der Beine, Cyanose 
•des Gesichts. 

2. Juni 1902: Im Harn 10°/oo Albumen, hyaline, gekörnte und 
Epitheleylinder, sowie Nierenepithelien. Im Sputum keine Tuberkel¬ 
bacillen. 

Am 13. August 1902 wurde V. wiederum in die medizinische 
Klinik aufgenommen. Er gab hier an, dass seit Weihnachten 1901 
die Beine immer stärker angeschwollen seien. 



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3 ] 


Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungenkavernen. 


155 


Status praesens (abgekürzt): Grosser, stark gebauter Mann; 
guter Ernährungszustand. Der ganze Körper ist ödematös. Starker 
Ascites. Perkussionsschall im Bereich des rechten Oberlappens tym- 
panitisch mit Scballwechsel beim Öffnen des Mundes. Atemgeräusche 
daselbst metallisch mit klingenden Nebengeräuschen. Dyspnoe. 7°/oo 
Albumen im Urin. Im Auswurf Tuberkelbacillen nicht nach¬ 
zuweisen. Diese Erscheinungen, insbesondere die Dyspnoe nahmen 
weiter zu, am 26. August gesellte sich eine rechtsseitige Hemiplegie 
hinzu und am 28. August 1902 trat der Exitus letalis ein. 

Bemerkenswert erscheint vor allem, dass es in den letzten sieben 
Monaten vor dem Tode nicht mehr gelang, im Auswurf Tuberkel¬ 
bacillen aufzufinden, die früher darin stets leicht nachzuweisen waren. 

Die Sektion ergab nun im wesentlichen folgendes (Sektions- 
Protokoll 1902, Nr. 208): Piaödem. Hyperämie des Gehirns, mehrere 
kleine Blutungen unterhalb der linken inneren Kapsel. Adipositas. 
Allgemeine Ödeme. Ascites. Die Lungen sind beiderseits in ganzer 
Ausdehnung mit der Brustwand verwachsen. Hypertrophie und Dila¬ 
tation des rechten Ventrikels. Wandständige Thromben im rechten 
Herzohr. Myocarditis fibrosa. Bronchitis. Im linken Unterlappen 
ein hühnereigrosser, frischer, hämorrhagischer Infarkt. Der zugehörige 
Ast der Pulmonalarterie ist durch ein graues, bröckliches, an der 
Wand festhaftendes Gerinnsel verschlossen. Die linke Lunge ist im 
übrigen überall lufthaltig, ohne Herderkrankungen. Der ganze Ober¬ 
lappen der rechten Lunge fühlt sich stark verdichtet an. 
Auf der Schnittfläche zeigt sich in der Spitze eine wallnussgrosse 
Kaverne, die von allen Seiten narbig zusammengezogen und von 
einer sehr derben, 1 cm breiten Bindegewebskapsel umgeben ist. Die 
Kaverne enthält Luft; ihre Wand ist glatt. Der Rest des Oberlappens 
ist ganz fest verdichtet und besteht aus derbem Bindegewebe ohne 
eine Spur Lungengewebe. Mittel- und Unterlappen sind frei von 
Veränderungen. Im Hilus beider Lungen, besonders aber rechts ausser¬ 
ordentlich zahlreiche schwarz gesprenkelte Lymphdrüsen. Weder in 
diesen noch in den Lungen sind irgendwo makroskopisch Tuberkel 
zu erkennen. Im Lumen des rechten Hauptastes der Lungen¬ 
schlagader sitzt oben ein wandständiger, grauer, 5 cm langer 
Thrombus. Derselbe ist völlig fest und mit der Gefässwand ver¬ 
wachsen. Er setzt sich in sämtliche zum Oberlappen ver¬ 
laufende Pulmonalarterienäste fort, so dass der Lumen der¬ 
selben vollständig verlegt ist. Auch in diesen Ästen steht das Thrombus 
in sehr fester Verbindung mit der Wand und kann ohne Zerreissung 
derselben nicht abgelöst werden. Das Lumen des Hauptgefässes ist 
soweit erhalten, dass alle zum Mittel- und Unterlappen abgehenden 
Äste der Pulmonalarterie Blut erhalten können. 


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156 


Bernhard Fischer. 


[4 


Ausserdem fanden sich mehrere gelbe Keile in Milz und Nieren, 
Milztumor (Lues), ausgedehnte parenchymatöse und interstitielle 
Nephritis, hämorrhagische Erosionen und Ulcus rotundum des Magens; 
Stauungsfettleber mit Pigmentablagerung. 

Mikroskopisch zeigte sich, dass die Wand und weitere Umgebung 
der Kaverne aus sehr derbem faserigem Bindegewebe bestand. In 
dieses Bindegewebe sind fleckweise Häufchen von Rundzellen einge¬ 
streut. Hin und wieder finden sich auch schmale Streifen von Lungen¬ 
gewebe, überall von derben Bindegewebszügen umgeben. In allen 
Teilen des Oberlappens sehen wir somit sehr reichliche Bindegewebs- 
entwickelung und Abkapselung kleiner Herdchen. Diese Ausheilung 
der Kaverne ist allerdings keine vollständige, denn nach Untersuchung 
zahlreicher Schnitte aus den verschiedensten Teilen des Präparates 
gelang es mir einzelne typische Tuberkel aufzufinden. Dieselben lagen 
in einem entzündlich infiltrierten Rest von Lungengewebe, ringsum 
von Bindegewebe umgeben. Die Tuberkel zeigen den Bau des fibrösen 
Tuberkels, häufig weist das Protoplasma der Langhansschen Riesen¬ 
zellen eine Durchsetzung mit kleineren und grösseren Vakuolen auf. 
Tuberkelbacillen selbst konnte ich, trotz aller Mühe, die ich darauf 
verwandte, nicht auffinden, was wohl auch dafür spricht, dass die 
Bedingungen für ihre Entwickelung keine günstigen mehr gewesen 
sind. Käsiger Zerfall fand sich nirgends. Die Lymphdrüsen waren 
sehr stark von Kohle durchsetzt, aber frei von Tuberkulose. 

Man hätte in unserem Falle noch weiter annehmen können, dass 
eine luetische Erkrankung der Lunge Vorgelegen und zu der hierbei 
häufigen Bindegewebsentwickelung geführt habe. Durch den Nach¬ 
weis typischer Tuberkel ist dieser Annahme wohl die letzte Stütze 
genommen, ganz abgesehen von dem klinischen Befund und dem Nach¬ 
weis der Tuberkelbacillen intra vitam. Auch die Grösse der Kaverne 
und die Lokalisation des Prozesses sprachen von vornherein gegen Lues. 

Haben wir somit in unserem Falle auch keine vollständige, histo¬ 
logische Ausheilung einer Lungentuberkulose vor uns, so stellen doch 
die makroskopische wie die mikroskopische Betrachtung einen sehr 
starken Rückgang der tuberkulösen Veränderungen ausser Frage. Die 
Kaverne hat offenbar früher den ganzen rechten Oberlappen, mindestens 
aber zwei Drittel desselben eingenommen. Es ist dann nicht nur ein 
Stillstand in der Erkrankung eingetreten, sondern eine hochgradige 
Bindegewebsentwickelung hat zur Schrumpfung und Vernarbung der 
Kaverne geführt. Mit diesem ‘ Befunde stimmt die klinische Beobach¬ 
tung überein, dass sieben Monate vor dem Tode die Bacillen im Aus¬ 
wurf völlig schwanden und nicht wiederkehrten: Der tuberkulöse 
Zerfall sistierte und machte der narbigen Schrumpfung Platz. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



5 ] 


Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungenkavernen. 


157 


Diese Besserung der tuberkulösen Lungenerkrankung ist einge¬ 
treten trotz einer Reihe von erschwerenden Umständen. Ausser an 
diesem Leiden litt der Kranke noch an schwerer chronischer Nephritis. 
Die jahrelang trotz der Behandlung sich bei ihm stets wieder zeigende 
Syphilis und das Potatorium dürften nach unseren heutigen Anschau¬ 
ungen kaum geeignet sein, eine Phthise günstig zu beeinflussen. All¬ 
gemeineinflüsse können wir also für diesen seltenen Verlauf der 
Krankheit nicht ausfindig machen. Unter diesen Umständen verdient 
zweifellos der vollständige thrombotische Verschluss aller, zu dem er¬ 
krankten Oberlappen verlaufenden Äste der Pulmonalarterie ganz be¬ 
sondere Beachtung. Dass dieser Verschluss kein ganz frischer mehr 
war, musste schon bei der Sektion aus der Beschaffenheit des Throm¬ 
bus (s. o.) geschlossen werden; die mikroskopische Untersuchung be¬ 
stätigte dies: Die Thromben sind von der Gefässwand her zum grössten 
Teil organisiert. Ferner bewies auch die gewaltige Hypertrophie des 
rechten Herzens, dessen Muskulatur im rechten Conus arteriosus bis 
zu 1,4 cm dick war (während das linke Herz trotz Nephritis keine 
deutliche Hypertrophie zeigte), dass ein starkes Hindernis seit längerer 
Zeit im Lungenkreislauf bestanden haben musste. 

Ob die Thrombose autochthon oder embolisch entstanden ist, 
lässt sich nicht mit völliger Sicherheit beantworten. Es besteht die 
Möglichkeit, dass vom rechten Herzohr, in dem sich graue Thromben 
vorfanden, schon früher einmal eine Embolie ausging, an welche sich 
sekundäre Thrombose anschloss. 

Der frische hämorrhagische Infarkt in der linken Lunge und die 
älteren Infarkte im Aortenkreislauf (Milz, Nieren) zeigen ja zur Ge¬ 
nüge, dass überhaupt Thrombosen und Embolieen in unserem Falle 
stattgefunden haben. 

Ein rein zufälliges Zusammentreffen der Obturation der Pulmonalis 
mit der Vernarbung der Kaverne kann man wohl kaum annehmen, 
noch weniger, dass ein solcher Verschluss ohne Einfluss auf den 
Lungenprozess gewesen sei. Mit dem Verschluss aller zugehörigen 
Pulmonalarterienäste wurde der erkrankte Lungenabschnitt nur noch 
durch die Bronchialarterie versorgt, so dass Zirkulations- und Nutri¬ 
tionsverhältnisse von Grund aus andere wurden. Nun wissen wir 
aber, dass die Zirkulationsverhältnisse für die Entwickelung und Aus¬ 
breitung der Tuberkulose von sehr wesentlicher Bedeutung sind. 
Die Pulmonalstenose begünstigt ebensosehr die Entstehung der Lungen¬ 
tuberkulose, wie die Fehler des linken Herzens sie ausschliessen 
sollen *). 

i) Vgl. Otto, Das Ausschliessungsverhältnis zwischen Herzklappenfehler 
und Lungenschwindsucht. Virchows Archiv, 144. Bd. S. 159. 1896. 


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158 Bernhard Fischer. Über Ausheilung grosser tuberkulöser Lungenkavernen. [6 


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Es wäre massig ausdenken za wollen, in welcher Weise nun in 
unserem Falle die Zirkulation durch den Verschluss der Pulmonal¬ 
arterien alteriert worden ist. Denn es wird dies in jedem einzelnen 
Falle von zahlreichen lokalen Verhältnissen (wie langsames oder 
momentanes Entstehen des Verschlusses, vorhergegangene entzünd¬ 
liche Hyperämie und Erweiterung der Gefässe, Art und Ausbildung 
der Kollateralen u. s. w.) abhängig und daher sehr verschieden sein. 
Da wir aber diese einzelnen Verhältnisse an der Leiche nicht mehr 
feststellen können, so könnten wir höchstens Vermutungen über die 
Art der Zirkulation, die in dem betroffenen Lungenabschnitt geherrscht 
hat, anstellen. Die Pulmonalstenose, die die Entwickelung der Tuber¬ 
kulose ja wesentlich begünstigt, lässt sich zum Vergleich in unserem 
Falle nicht heranziehen, da eine Behinderung des Blutzuflusses zu 
beiden Lungen in jeder Hinsicht andere Folgen haben muss, als ein 
völliger Verschluss einzelner Gefässe in der Lunge. Für gewöhnlich 
verursachen ja derartige Gefässverschlüsse in der Lunge hämorrhagische 
Infarkte, und von diesen wissen wir, dass sie unter Hinterlassung 
strahliger Bindegewebsnarben ausheilen können. Es liegt nichts im 
Wege anzunehmen, dass die durch den thrombotischen bezw. emboli- 
schen Verschluss der Pulmonalarterienäste bedingte Zirkulations¬ 
änderung eine Ausheilung der Lungentuberkulose auf ähnliche Weise 
sehr wesentlich gefördert hat. Ein Beweis hierfür ist allerdings nicht 
zu erbringen. 

Eine ähnliche Beobachtung wie die mitgeteilte habe ich in der 
Literatur nicht auffinden können; die letztere ist allerdings so gross, 
dass mir leicht eine hierher gehörige Publikation entgangen sein 
könnte. 

Wie dem auch sei — der anatomische Befund in unserem 
Falle schien mir einer kurzen Mitteilung wert zu sein. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



Ans der Kgl. Universitätsklinik für Syphilis und Hautkrankheiten 
des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Doutrelepont zu Bonn. 




Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und 
Scrophuloderma. 

Von 

Privatdozent Dr. Carl Grouven, 

I. Assistenten der Klinik. 


Im Jahre 1886 veröffentlichte Bender 1 ) eine Statistik aus der 
Bonner dermatologischen Klinik: „Über die Beziehungen des Lupus 
vulgaris zur Tuberkulose“. Dieselbe umfasste das einschlägige Ma¬ 
terial der Klinik und Poliklinik sowie des evangelischen Hospitals in 
Bonn während des Zeitraums vom 1. Juni 1882 bis zum 1. Oktober 1885. 

Von insgesamt 374 Fällen konnte Bender jedoch nur 159 ein¬ 
gehender verwerten, weil bei den übrigen entsprechende Angaben aus 
äusseren Gründen in den Journalen fehlten. 

Bender fand nun, dass von diesen 159 Patienten bei 99, d. h. 
in 62,3 °/o, Zeichen bereits überstandener oder noch vorhandener 
Tuberkulose nachzuweisen waren. Hereditäre Belastung liess sich in 
53 Fällen, d. h. bei 33,3 °/o konstatieren. 

Aus der Anamnese allein Hessen sich diesbezügliche Symptome, 
sei es bei den Patienten selbst oder deren nächsten Angehörigen auf¬ 
finden in 77 Fällen, d. h. 48,4 °/o. Ebensoviel ergab der Status prae¬ 
sens, nämlich 76, d. h. 47,7 °/o. 

44 mal, d. h. bei 27,6°/o wiesen sogar Anamnese und Status 
praesens gemeinschaftlich auf sonstige Symptome von Tuberkulose. 

Wurden aber alle Fälle gezählt, die mit Tuberkulose zu vereinende 
Prozesse zeigten, sei es auf Grund der Anamnese oder des Status 
praesens, so ergab sich die stattliche Gesamtsumme von 109, d. h. 

i) Deutsche mediz. Wochenschrift. 1886. p. 396 u. 413. 


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160 


Carl Grouven. 


[2 


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also in 68,5 °/o, Hessen sich entweder bei den Patienten selbst ander¬ 
weitige Symptome bereits überstandener oder an anderen Organen 
noch lokalisierter Tuberkulose auffinden, oder aber die nächsten An¬ 
gehörigen bewiesen einerseits durch ihre Vergangenheit, andererseits 
durch ihr augenblickliches Befinden, dass das an Lupus erkrankte 
Individuum einer „infizierten“ Familie angehöre. 

Jeglicher Vermerk über die in Rede stehenden Verhältnisse 
fehlte bei 22 Patienten, d. h. 20,1 °/o, so dass also als sicher ausge¬ 
schlossen von irgendwelcher tuberkulösen Belastung nur 14 Fälle, 
d. h. 8°/o angesehen werden durften. 

Leloir 1 ) äussert sich treffend über die Frage des klinischen 
Zusammenhanges von Lupus und Tuberkulose, wie folgt: 

„Die Untersuchungen von Fournier, Quinquand, Lailler und 
besonders von Besnier schienen zu beweisen, dass die Lupuskranken 
häufiger phthisisch werden als andere, dass aber ihre Phthise uns 
oft entgeht, weil sie lange lokalisiert und latent bleibt und ohne Ein¬ 
fluss auf das Allgemeinbefinden ist, weil sie sich in kleinen, vorüber¬ 
gehenden Schüben zeigt, die durch lange Intervalle gänzlicher Ruhe 
voneinander getrennt sind. Sonst aber ist die Phthise in schub¬ 
weisem Auftreten bei Lupuskranken nicht gar so selten. Endlich 
werden ja die Lupuskranken öfters plötzlich dahingerafft durch eine 
allgemeine akute Miliartuberkulose.“ 

Und weiterhin: „Kurz, die klinische Frage ist noch keineswegs 
gelöst. Neue minutiöse Untersuchungen müssen angestellt werden. 
Ich erwähne nur, dass die statistischen Untersuchungen sehr schwer 
sind, wenn der Lupus eine lokalisierte Tuberkulose ist, ein längerer 
oder kürzerer, manchmal ein sehr langer Zeitraum vergehen kann 
zwischen dem Auftreten der lokalen Tuberkulose und der sekundären 
Infektion des Organismus. Es genügt nicht, die Lupuskranken im 
Anfang zu auskultieren und auszufragen, man muss ihnen lange Zeit 
folgen und genau sehen, was mit ihnen vorgeht, und das ist nicht 
immer eine leichte Sache. “ 

Der Wert statistischer Erhebungen steigt naturgemäss mit der 
Zahl der denselben zu gründe gelegten Fälle und der Dauer der 
Beobachtung des Einzelfalles. 

Das ausserordentlich reichhaltige Lupusmaterial der Bonner Klinik, 
sowie die hier sehr oft durchführbare Beobachtung der Patienten 
über längere Zeit, manchmal über Jahrzehnte hinaus, muss eine 
erneute Zusammenstellung und Verwertung der Beobachtungen über 


i) Vierteljahrsschr. f. Denn. 1884. p. 305. 



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3] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


161 


hereditäre tuberkulöse Belastung und anderweitige Tuberkulose bei 
Lupus und Scrophuloderma als nicht uninteressant ercheinen lassen. 

Die ungewöhnliche Häufigkeit der Tuberkulose im Rheinlande, 
besonders aber in den angrenzenden armen Gebirgsgegenden des 
Westerwalds, des Hundsrückens und der Eifel lässt allerdings von vorne- 
herein erwarten, dass auch das Lupusmaterial der Bonner Klinik, 
welches grossenteils diesen Gegenden entstammt, hinsichtlich tuber¬ 
kulöser Belastung und anderweitiger Tuberkulose hohe Prozentzahlen 
aufweisen wird. 

Die Zahlen der Bender sehen Statistik übertreffen jedoch, wie 
wohl jeder zugeben wird bei weitem das Mass dessen, was als Durch¬ 
schnitt der Tuberkuloseverbreitung selbst in diesen tuberkulosereichen 
Gegenden angenommen werden kann. 

Es ist erklärlich, dass nach den auffallenden Ergebnissen der 
Benderschen Zusammenstellung in der Folgezeit das Lupusmaterial 
der Bonner Klinik, besonders soweit es in stationäre Behandlung 
kam, einer noch sorgfältigeren Beobachtung bezüglich der einschlägigen 
Verhältnisse unterworfen wurde. 

Trotzdem ist ohne weiteres anzunehmen, dass selbst von den 
Fällen mit negativer Anamnese noch ein gewisser Teil nur ungenaue 
und unzuverlässige Angaben machte, dass auch der negative Status 
praesens naturgemäss eine latente Tuberkulose nicht ausschliesst. 

Die sich ergebenden Zahlen sind infolgedessen, zumal da nur 
ganz unzweifelhafte Angaben und Befunde als positiv registriert wur¬ 
den, weit eher noch zu niedrig als zu hoch bemessen anzusehen. 

Meine Statistik umfasst das Material der Bonner dermatologischen 
Klinik und Poliklinik an Lupus und Scrophuloderma aus der Zeit vom 
1. Oktober 1885 bis zum 1. April 1902. 

Für gütige Überlassung desselben, sowie für das dieser Arbeit 
entgegengebrachte Interesse bin ich meinem hochverehrten Chef, 
Herrn Geheimrat Doutreiepont, zu besonderem Danke verpflichtet. 

Ich lasse zunächst eine tabellarische Übersicht der einzelnen 
Fälle folgen. Dieselben setzen sich zusammen aus 178 Fällen der 
Poliklinik (368 Fälle konnten wegen fehlender Aufzeichnungen nicht 
verwertet werden) und 584 Fällen der Klinik, also zusammen 762 
Fällen. 


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162 


Carl Grouven. 


[4 


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I. Poliklinik. 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

i! 

Sch. Gertrud, 

Lup. exulc. nasi 

1 

Leidet seit Jugend 

Hals- und Nacken- 

! 

1 

37 J. 

et mal. sin. 

an Drüsen 

drüsen geschwellt. 
Leuc. adhaerens 

1 




oculi utr. 

Lungenspitzenaff. R. 





Otitis med. chron. 
beiders. 

2 

K. Maria, 26 J. 

Lup. thenar. sin. 

Seit Kindheit Drüsen 

— 

3 

F. Franziska, 

Lup. fac. et muc. 

Mutter starb an 

— 


29 J. 

nasi 

Schwindsucht 


4 

Sch. Gerhard, 

Lup. nasi 

Eine Schwester an 

— 


22 J. 

Schwindsucht ge¬ 
storben. Pat. litt 






als Kind an Drüsen 





und Augenentzün¬ 
dungen 


5 

F. Ernst, 11 J. 

Lup. faciei 

Grossvater gest an 

— 


Brustwassersucht, 
litt in der Jugend 






I 

an Knochenfrass. 
Tante gestorben 
an Schwindsucht 


6 

E. Elisab., 32 J. 

Lup. nasi 

Ein Bruder starb an 



Schwindsucht 


7 

L. Kath., 29 J. 

Lup. nasi 

Onkel litt an Hüft- 

Submentaldrüsen ge¬ 


gelenksentz. 

schwellt. 

Mac. corn. beiders. 



8 

H. Maria, 6 J. 

Scophulodermat. 

Mutter starb an 

— 



fac. et corp. 

Schwindsucht 


9 

H. Apollonia, 

36 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredit. 

Submentaldrüsen ge¬ 
schwellt 

10 

M. Marg., 21 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredit. 

— 

11 

Sch. Ursula, 50 J. 

Lup. fac. 

Eltern an Phthise, 

— 


Mann an Hydrops 
gestorben 




12 

S. Hub., 44 J. 

Scrophuloderm. 

Vater litt an Drüsen, 

— 

colli 

starb an Hydrops 


13 

H. Friedr., 23 J. 

Lup. et Scroph. 

Anamn. negat. 

— 



i faciei 



14 

Sch. Kath., 30 J. 

j Lup. fac. 

i 

Mutter starb an 

Submentaldrüsen 

Schwindsucht, 2 

stark geschwollen, 



1 

! 

I 

| 

i 

Geschwister leiden 
an Drüsen, Pat. 
selbst seit Jugend 
an Augenentzttn- 
dung und Drüsen 

Pannus oculi utr. 

15 

A. Wilhelm, 

' Lup. fac. et colli 

1 

Mutter starb an 

— 

24 J. 

Lungenkrankheit, 
Schwester leidet 



1 


1 


an Drüsen 




Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



5] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


163 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

l 

1 

i Anamnese 

i 

i Status praesens 

1 

16 

i 

A. Emma, 27 J. 

Lup. fac. 

Mutterstarb an chro¬ 
nischem Lungen¬ 
leiden 

Submentaldrüsen ge¬ 
schwellt 

17 

| L. Wilhelmine, 

: 54 J. 

Lup. fac. 

Vater starb an j 
Schwindsucht 

— 

18 

1 Sch. Math., 35 J. 

! ; 

Lup. serpig. man. 
sin. 

Anamn. negativ 

— 

19 

E. Joh. Jos., 

41 J. ! 

Lup. auric. sin. 
et muc. nasi 

Seit Jugend Drüsen. 
Vater starb an 
Lungenentzünd. 


20 

F. Anna, 27 J. 

| 

Lup. palat. Scro- 
phm. pector. 

Mutter und mehrere 
Geschwister litten 
an Drüsen 


21 

B. Heinr., 8 J. 

Lup. serpig fac. 
et antibrach, 
sin. 


Ankylose des 1. Ell¬ 
bogengelenks und 
Fistelnarben 

22 

B. Maria, 12 J. 

l 

Scroph. colli 

i 

Rhinitis ulcerosa. 
Drüsenschwellung 
am Halse 

23 j 

H. Anna, 24 J. 

Lup. fac. 

1 Grossvater starb an 
| Schwindsucht 

— 

24 

S. Barthel, 20 J. 

Lup. lab. sup. et 
muc. oris 

i Vater starb an Brust- 
j krankheit. P. hat 
* viel gehustet 


25 | 

W. Marg., 67 J. 

Lupus man. et 
Scroph. antibr. 
dextr. 

Mann starb an 
Phthise 


26 

W. Elise, 14 J. 

Scrophulod. 

i 

Vater leidet an Was¬ 
sersucht. Gross¬ 
mutter starb an 
Phthise 


27 

D. Maria, 26 J. 

Lup. fac. 

Anamn. neg. 

— 

28 

K. Wilh., 25 J. 

Lupus nasi et 
Scrophulod. 

Vater starb an 
Phthise. Pat. litt 
früher an Drüsen 


29 

K. Susanne, 42 J. 

j 

j 

Lup. fac. 

1 

Vater starb an Drü¬ 
sen. Pat. litt als 
Kind an Drüsen u. 
Augenentzündung. 


30 

M. Jos., 13 J. 

Scrophulod. 1 

Vater und Mutter 
husten. Gross¬ 

mutter starb an 
Phthise 


31 

L. Maria, 23 J. 

Lup. fac. et cubit. 
sin. 

Bruder leidet an Da- 
cryocystitis 

— 

32 

| 

i 

. i 

M. Hermann, i 

23 J. 

Lup. fac. 

Mutter starb an 
Phthise. Ein Bru¬ 
der litt an Tumor! 
albus u. starb an ! 
Phthise. Ein Bru¬ 
der leidet an Drü¬ 
sen 



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164 


Carl Grouven. 


[6 


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Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

i 

i 

i 

Anamnese 

Status praesens 

33 

J. Friedr., 39 J. 

Lup. nasi 

Mutter starb an Hy¬ 
drops. Pat leidet 
seit Jugend an 
Drüsen 

— 

34 

P. Anna, 23 J. 

Lup. fac. 

Mutter starb an 
Brustwasser 

— 

35 

A. Jos., 34 J. 

Lup. muc. nas. 

Pat. hustet viel. 
Keine Heredität. 

— 

36 

A. Cath., 49 J. 

Lup. fac. 

Pat. hustet viel. 

— 

37 

D. Elise, 26 J. 

Lup. colli 

Vater starb an 
Phthise. Pat. litt 
früher an aufbre¬ 
chenden Drüsen 


38 

B. Job., 32 J. 

Lup. nasi 

Keine Heredit. Pleu¬ 
ritis u. Pneumonie 
überstanden 

' 

39 

G. Nik., 30 J. 

Lup. nasi 

Keine Heredität. 

Submentaldrüsen ge- 

40 

j 

Sch. Peter, 31 J. 

Lup. colli et 
brach, sin. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht, Vater an 
Lungenentzün¬ 
dung gestorben 


41 

K. Kath., 9 J. 

Lup. fac. 

— 

Keratitis p&rench. 
dextr. 

42 

D. Wilh., 35 J. 

Lup. fac. 

Eltern an * schwa¬ 
cher Brust* ge¬ 
storben. Ein Bru¬ 
der früher brust¬ 
krank 


43 

i 

R. Karoline, 32 J. 

Lup. fac. 

1 

Eltern früh gestor¬ 
ben, Vater an 
Wassersucht. Pat. 
hat früher viel ge¬ 
hustet. Seit Jugend 
Drüsen u. Augen¬ 
entzündungen 

Leuc. adhaer. oculi 
dextr. Drüsen und 
Drüsennarben am 
Halse 

44 

H. Anna, 37 J. 

Scroph. colli 

i 

Mutter und eine 
Schwester starben 
an Schwindsucht, 
Vater an Lungen¬ 
entzündung 

Halsdrüsen geschw. 

45 

F. Kath., 43 J. 

Lun. serp. man. 
aextr. 

Mann starb an 
Schwindsucht 

— . 

46 

W. Karoline, 

23 J. 

Lup. nasi 

i Vater starb an Blut¬ 
sturz 

Otitis med. chron^ 
dextr. 

47 

St. Joh., 22 J. 

Lup. auric. dextr. 
et Scroph. colli 

Mutter leidet an 
Schwindsucht 

— 

48 

L. Maria, 56 J. 

Lup. malae et 
man. dextr. 

Mutter litt an Lu¬ 
pus (?) des Beins 

— 

49 

1 

St. Albertine, 

25 J. 

Lup. pap. man. 
et antibr.dextr. 

Vater starb an 1 
Phthise 

— 



Original fro-m 

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7] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


165 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

50 

W. Ferd., 12 J. 

Scrophuloderm. 

Vater starb an 

— 

51 

K. Valentin, 32 J. 

Lup. nasi 

Anamn. negat. 

_ 

52 

E. Kath., 36 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Phthise, 
Vater und eine 
Schwester anW as¬ 
sersucht gest. 


53 

K. Therese, 38 J. 

Lup. dig. II. sin. 
et Scrophulod. 

Vater u. eine Schwe¬ 
ster starben an 
Schwindsucht 

Caries man. sin. 
sanat. Cubital- 

drüsen links ge¬ 
schwellt 

54 

St. Anna, 21 J. 

Lup. mal. dextr. 

Anamn. negat. 

— 

55 

M. Alwine, 11 J. 

Lup. fac. et an- 
tibr. utr. 

Anamn. negat. 

Malum Pottii 

56 

St. Heinr., 9 J. 

Lup. fac. 

— 

Drüsenschwellung 
am Halse 

57 

Sch. Wilh., 17 J. 

Lup. nasi 

— 

Coxitis tub. sin mit 
Fistelbildung 

58 

Sch. Gertr., 18 J. 

Lup. verruc.man. 
sin. 


Eingezogene Narben 
am Kinn u. linken 
Oberschenkel 

59 

W. Henriette, 

26 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi 

Vater an Phthise, 
Mutter an Lungen¬ 
leiden gestorben 

■ 

60 

E. Jak., 9 J. 

Lup. fac. 

Onkel war skrofulös 

— 

61 

G. Jak., 16 J. 

Lup. man. utr. 
et pectoris 

1 

Caries man. utr. 

62 

1 

H. Kath., 17 J. 

Lup. man. sin. 

, j 

R.Unterschenkel vor 
10 Jahren wegen 
Knochenfrass am¬ 
putiert 

63 

K. Kath., 29 J. 

Lup. nasi 

Hereditär tuberk. be¬ 
lastete Familie 

— 

64 

W. Anna, 40 J. 

j Lup. fac. et muc. 
nasi 

— 

Starke Drüsenschw. 
am Halse 

65 

Sch. Kaspar, 12 J. 

; Lup. man. et anti¬ 
brach. sin. 


Halsdrüsen geschw. 

66 

K. Math., 33 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi 

_ 

Maculae corn. utr. 
Dacryocystit. dupl. 

67 

W. Thimothea, 

17 J. 

Lup. pap. man. 
dextr. 

Keine Heredität. 

i 

— 

68 

H. Johanna, 34 J. 

Lup. fac. 

: Keine Heredität. 

Früher Drüsen u. 
Augenentzünd. 


69 

S. Karl, 23 J. 

Lup. fac. 

j — 

Drüsenschwellung 

70 

K. Aug., 22 J. 

Lup. fac. et Scro¬ 
phulod. 

Keine Heredität 

i 

I Drüsen und Drüsen¬ 
narben am Halse 

71 

M. Marg., 27 J. 

| 

| Lup. fac. 

1 

i 

j Scrophulodermanar- 
ben am Halse 


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166 


Carl Grouven. 


[8 


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Name und Alter 


' 


Nr. 

des Pat. 

1 Diagnose 

1 

Anamnese 

Status praesens 

72 

H. Karl, 14 J. 

Lup. fac. 

! Vater an Phthise ge- 

_ 


1 storben 


73 

M. Agnes, 13 J. 

Lup. fac. 

| 

Mutter ist seit 10 J. 

— 


brustkrank 


74 

M. Helene, 40 J. 

, Lup. faciei et gin- 

— 

Drüsenschwell. am 



givae 


Halse 

75 

B. Friedr., 15 J. 

! Lup. fac. 

Keine Heredität 

Dacryocystitis 

76 

M. Adolf, 13 J. 

I Lup. fac. 

Anamn. neg. 

Seit längerem Drü- 





sen 

77 

L. Julius, 12 J. 

Lup. nasi et 

Anamn. neg. 

_ 



1 Scroph. colli 


78 

K. Therese, 35 J. 

Lup. nas. et muc. 

Mehrere Kinder sind 

— 



nasi 

an Ascites gest. 


79 

M. Anna, 11 J. 

Scrophuloderm. 

Mutter hustet 

Drüsenschwellung. 

80 

Th. Jos., 6 J. 

* Lup. auric. dextr. 

Mutter leidet an 

_ 



Bluthusten 


81 

B. Anna, 14 J. 

J Lup. fac. 

— 

Ulcus corneae etCon- 




junct. phlyctaen. 

82 

L. Barb., 2 Vt J. 

1 Scrophul. brach. 

Mutter leidet an 

— 



utr. 

Drüsen 


83 | 

L. Emma, 25 J. 

| Lup. fac. et muc. 

Anamn. neg. 

— 



| oris 



841 

Sch. Kath., 35 J. 

Lup. fac. 

Sohn leidet an Scro- 




phulodermata 


85 

F. Joh., 38 J. 

Lup. man. dextr. 

— 

Drüsenschwellung. 

86 

Sch. Kath., 22 J. 

Lup. antibrach. 

— 

Drüsenschwellung. 



sin. 



87 

B. Georg, 42 J. 

Lup. corp. | 

1 — 

Caries man. dextr. 

88 

j ß. Marg., 15 J. 

Lup. man. d. 

Keine Hered. 

— 

89 

M. Anna, 28 J. 

Lup. muc. nasi 

Vater starb an Lun¬ 

— 



genentzündung. 

Als Kind vielfach 





Drüsen und mehr¬ 





fach wegen Ab- 
scessen operiert 


90 

G. Franziska, 

Lup. brach, dextr. 

Mutter litt an Drü¬ 

Caries metatarsi d. 


21 J. 

sen. Bruder an 

Spina vent. dig. 11. 




Phthise gestorben 

sin. 

91 

Sch. Pet., 2 J. ! 

Scrophulod. 

Vater hat an Drüsen 

— 


1 

gelitten 


92 

H. Kath., 5 J. 

Lup. ped. dextr. 

Keine Hered. 

— 


j 

et Scrophulod. 
ped. sin. 



93 

F. Wilh., 34 J. : 

Scrophulod. fern. 

— 

Phthisis pulmon. 


1 

dextr. 


94 

H. Peter, 5 J. 

Lup. verr. man. 

Grossvater war 

_ 

I 


sin. | 

lungenkrank 


95 0. Gertrud, 9 J. 

Lup. fac. et corp. 1 

Mutter starb an Kno¬ 

— 



chenleiden und 



Phthise 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




9J 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


167 


i 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

96 

D. Severin, 4 J. 

Scrophulod. fern, 
sin. 

— 

Spina vent. dig. II. 
dextr. Caries oss. 
ilei sin. 

97 

Sch. Anna, 11 J. 

Lup. man. dextr. 

Vater starb an 
Phthise. Ein Bru¬ 
der ist tuberkulös 


98 

B. Adam, 19 J. 

Lup. fac. 

— 

Ankylosis genu sin. 

99 

B. Anna, 45 J. 

Lup. nasi 

— 

Drüsenschwellung. 

100 

K. Peter, 31 J. 

Lup. colli 

Mehrfach wegen Drü¬ 
sen operiert 

Phthisis pulmon. 

101 

N. Anna, 10 J. 

Lup. genu dextr. 

— 

Ankylosis genu et 
cubit. dextr. 

102 

N. Kath., 7 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. Scropb. 
nasi 

Mutter starb an Drü¬ 
sen und Knochen¬ 
eiterung 

■ 

103 

N. Gertr., 26 J. 

Lup. et Scroph. 
fac. 

Mutter starb an 
Schwindsucht 

— 

104 

H. Gust., 19 J. 

Lup. brach, d. 

Keine Heredität 

Lungen intakt 

105 

H. Marg., 35 J. 

Lup. fac. 

Bruder starb an 
Phthise 

Drüsennarben 

106 

A. Marg., 30 J. 

Lup. nasi 

Vater starb an 
Phthise 

Scrophuloderraanar- 
ben am Hals und 
der 1. Hand 

107 

J. Adam, 11 J. 

Lup. mal. d. et 
Scrophulod. 

Keine Hered. 

— 

108 

F. Gertr., 30 J. 

Lup. brach, sin. 

Vor 2 J. wegen Caries 
humeri sin. ope¬ 
riert 


109 

N. Jakob, 29 J. 

Lup. verr. pollic. 
dextr. 

Entstanden durch 
eine Verletzung b. 
Schlachten perl- 
süchtigen Viehs 

Tendovaginitis tub. 
man. d. 

110 

R. Hulda, 13 J. 

Lup. hyp. fac. 

— 

Drüsenschwellung. 

111 

K. Elise, 9 J. 

Scrophul. anti¬ 
brach. dextr. 

— 

Drüsenschwellung. 

112 

Sch. Job., 42 J. 

Lup. verr. man. 
sin. 

Keine Heredität. Seit 
. mehreren Jahren 
Husten 


113 

W. Helene, 21 J. i 

i 

i 

Lup. colli et muc. 
nasi 

i Seit längerem Drü¬ 
seneiterungen am 
Halse 


114 

B. Job., 15 J. 

Lup. mal. sin. 

Vater hustet 

— 

115 

G. Heinr., 2 J. 

Scroph. colli 

— 

Fungus genu sin. 
Otitis med. sin. 

116 

B. Bertha, 42 J. 

Lup. nasi 

— 

Phthisis pulmon. 

117 

M. Heinr., 58 J. 

Lup. verr. man. d. 

Seit einem Jahre 
i Heiserkeit 


118 

W. Kath., 17 J. 

Lup. nasi 

— 

Drüsenschwellung. 

119 

H. Marg., 40 J. 

Lup. verr. man. 
aextr. 

Schwester litt an 
Drüsen 



Beiträge xnr Klinik der Tuberkulose. H. 2. 12 


Digitized b' 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




168 


Carl Grouven. 


[10 


Digitized by 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

1 Status praesens 

120 

F. Magd., 8 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. Viel 
Schnupfen 

Drüsenschwellung. 

121 

N. Gertr., 29 J. 

Lup. fac. et 
Scroph. 

— 

Conjunct. pblyctaen. 

122 

K. Eduard, 64 J. 

Lup. auric. d. 

Vater starb an 
Phthise 


128 

F. Herrn., 65 J. 

Lup. man. d. 

Keine Heredität 

— 

124 

U. Elise, 8 J. 

■ Lup. nasi 

Mutter hustet und 
leidet an Drüsen 

Ca ries tarsi d. 

125 

L. Jos., 48 J. 

Lup. verr. man. 
utr. 

Seit längerem Hu¬ 
sten und Heiser¬ 
keit 


126 

G. Kath., 29 J. 

Lup. muc. nasi 

Als Kind Drüsen 

— 

127 

B. Jenny, 10 M. 

Scrophul. brach, 
utr. 

Vater hustet 

! Später an Meningitis 
gestorben 

128 

W. Joh., 42 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi 

— 

Drüsen und Drüsen¬ 
narben am Halse 

129 

Sch. Anna, 3 J. 

! 

i Lup. fac. et brach, 
a. et Scroph. 

Mutter war in der 
Jugend skrofulös 

— 

130 

K. Sibilla, 11 J. 

, Lup. nas. et muc. 
nasi 

Keine Heredit. 

Drüsenschwei 1. am 
Halse 

131 

B. Gertr., 2 J. 

Scroph. colli 

— 

Caries metatarsi sin. 

132 

D. Joh., 7 M. 

Scrophuloderm. 

Vater war lungen- 
; leidend 


133 

M. Agnes, 18 J. 

Lup. fac. 

l 

| Caries dig. IIL d. 

134 

H. Gertr., 18 J. 

Scroph. colli 

1 Vater litt als Kind 
an Drüsen 

! 

135 

H. Reinhard, 

29 J. 

1 Lup. man. sin. 

| 

— 

| Phthisis pulmon. 

136 

St. Anna, 14 J. 

; Scrophulod. 

— 

Drttsenschw. 

137 

K. Karl, 8 J. 

Lup. fac. et corp. 

Vater hustet, Mutter 
ist schwächlich, 
3 Geschwister an 
Tuberkulose gest. j 


138 

H. Anna, 36 J. 

Lup. nasi 

Mann an Phthise ge¬ 
storben 

— 

139 

M. Kath., 13 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Phthise 
gestorben 

Drüsenschw. 

140 

S. Jos., 7 J. 

Lup. fac. j 


Gestorben an B Lun¬ 
gen- und Nieren¬ 
entzündung 8 

141 

M. Christine, 

37 J, 

Lup. fac. et colli 

Seit längerem an 
Drüsen leidend 

Drüsenschwell. und 
Narben am Halse 

142 

, B. Kath., 48 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

V ater an Brust- i 
krankheit gest. 

— 

143 

H. Kath., 26 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi 

Vater an Hals- 
schwinds. gest. 

— 

144 

M. Wilh., 13 M. 

Scrophuloderm. 

— 

Drüsenschwellung. 

145 

M. Anna, 13 J. 

Lup. fac. 

— 

! Caries mandib. und 
! Drüsenschwell. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





11] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und ScrophulodermA. 169 



Name und Alter 

Diagnose 



Nr. 

des Pat. 

Anamnese 

Status praesens 

146 

G. Elis., 9 J. 

Lup. fac. 

Vor 5 J. Pleuritis 



! 

u. Hämoptoe, seit¬ 
dem Husten 



147 

D. Hub., 16 J. 

Lup. hypertr. fac. 

— 

Kariöse und fungöse 



et Scrophulod. 


Prozesse am link. 
Arme 

148 

B. Gertr., 27 J. 

Lup. fac. 

Ehemann starb an 

Tuberculosis uro- 




Phthis. pulm. et 
laryng., Kind l J. 

genitalis 




alt kachektisch an 
Hautgeschwüren 


149 

0. Kath., 31 J. 

Lup. fac. 

— 

Karies des 1. Vorder- 





arms 

150 

W. Anna, 15 J. 

Luj). verr. pollic. 

Mutter an Wirbel- 

_ 



karies gestorb. 


151 

R. Willy, 14 J. 

Scrophulod. 

— 

Drüsenschwellung. 

152 

Th. Wilh., 11 J. 

Lup. mal. sin. 

— 

Drüsenschwellung. 

153 

H. Kath., 20 J. 

Lup. fac. 

— 

Fungus genu d.Brust- 





schmerzen 

154 

F. Therese, 28 J. 

Lup. nasi et muc. 

Keine Heredit. Sonst 

_ 



nas. 

stets gesund 


155 

F. Anna, 30 J. 

Lup. nasi 

Vater an Phthise ge- 

_ 


1 

storben 


156| 

| 

W. Christine, 1 

20 J. j 

Scrophulod. fac. 


Drüsenschwellung. 

157 j 

R. Anton 

Scrophulod: colli 


Drüsenschwellung. 

158 

P. Maria, 35 J. 

Lup. brach, d. et 

Mutter an Lungen¬ 

._ 



ped. sin. 

entzündung gest. 


159; 

M. Hedwig, 21 J. 

Lup. fac. 1 

— 

Caries brach, d. An- 


i 



kylosis cub. d. Ul- 
cera tuberc. crur. 

160 

W. Gertr., 22 J. 1 

Lup. fac. , 

— 

Otitis med. chron. 

161 

M. Apollonia, 

Lup. crur. sin et 

Eltern an Phthise 

Otitis med. chron. 


19 J. 

muc. nasi i 

gestorben. Pat. 
hustet 


162 

B. Karl, 4 J. ' 

Lup. fac. 

— 

Drüsenschwell. 

163 

R. Anna, 33 J. 

Lup. fac. 

i 

Der Sohn leidet an 

_ 

i 


Scrophuloderm. u. 
Fungus genu 


i 

164 

W. Adelh., 13 J. 

Lup. nas. et muc. ! 

Schwester wurde in 

_ 

i 


nasi | 

! 

der Klinik wegen 
Gesichtslupus beh. 


165 1 

St. Franz, 21 J. 

Lup. fac. et colli 

— 

Drüsennarben am 

| 




Halse 

166! 

Sch. Franz, 23 J. 

Lup. fac. et corp. 1 


Fungus genu sin. 

167 ! 

D. Christine, 18 J. 

Scroph. fac. 

| 

Caries metacarpi 9 in. 

168 

K. Gertr., 33 J. 

7 | 

Lup. fac. 

Früher Drüsen 1 

_ 

169 

Sch. Sophie, 33 J. 

Lup. colli 

— 

Drüsennarben 

170 

8t. Anna, 47 J. 

Lup. nasi 

— 

Drüsennarben 


12* 


Digitized by google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



170 


Carl Grouven. 


[12 


Digitized by 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

171 

F. Magd., 13 J. 

Lup. fac. et muc. | — 

oris 

Fungus man. d. 

172 

L. Kath., 86 J. 

Lup. man. utr. 
et Scroph. 


Fungus cub. sin. 

178 

R. Wilh., 29 J. 

Scroph. man. utr. 


Fungus man. d. 

174 

P. Otto, 27 J. 

Lup. verr. man. d. 

— 

Phthis. pulmon. 

175 

B. Karl, 27 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 


Caries man. sin. 

176 

N. Jos., 38 J. 

Lud. fac. et 
Scroph. colli 

Vater an Mastdarm- 
geschwttr gestorb. 
EinBruderan einer 
Gesichtsgeschw. 
früh gestorben 


177 

N. Elis., 11 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Innere Organe intakt 

178 

Sch. Anna, 7 J. 

Lup. fac et corp. 

II. K 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gestorben. 
Früher aufbrech. 
Drüsen am Halse 

linik. 


ll 

I 

B. Wilh., 60 J. 

Lup. hypertr. fac. 
L. muc. nasi 

Keine Heredit. 

— 

2 

! 

D. Gust., 18 J. | 

j 

Lup. fac. et Scro- 
phulod. 

Keine Heredit. Lei¬ 
den begann mit 
Drüsen 

Drüsenschwellung. 

3 

F. Ernst, 12 J. 

Lup. fac. 

In der Familie mehr-1 
fach Tuberkulose | 

Drüsenschwellung. 

4 

1 

K. Willi., 21 J. 

! 

i 

Lup. fac et muc. | 
oris ) 

i 

In der Familie des Drüsenschwellung. 
Vaters Phthise. Caries palat. dur. 

Bruder der Mutter 
an Phthise gest. 

5 

M. Jakob, 46 J. 

Lup. colli j 

Vater an Phthise, 
Mutter an Brust¬ 
fieber gest. Schwe¬ 
ster litt an Lupus 
des Gesichts 

Drüsenschwellung. 

6 

1 

P. Franz, 11 J. 

Lup. fac. : 

Pleuritis überstan¬ 
den. Mutter leidet 
an Hämoptoe 

■ 

7! 

Sch. Mich., 15 J. 

Lup. nasi 

Mutter an Brust- 
krankh.gest. Eine 
Schwester litt an 



Brustfieber,eine an ' 
offenen Drüsen 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




13] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


171 



8 i T. Gerhard, 40 J. Lup. fac. 

9 U. Wilb., 46 J. Lup. hyp. fac. 


10 | W. Peter, 14 J. j Scrophulod. colli 
| et mal. sin. 


11 I B. Jakob, 24 J. Scrophulod. fac. 

et femor. d. 

12 | D. Ernst, 1« J. Lup. hyp. fac. et 

muc. oris. Sero- 

1 phul. fac. 

18 j F. Robert, 18 J. Lup. hyp. fac. 


14 H. Anton, 50 J. Lup. fac. et Car- 

cinom. 

15 H. August, 21 J. Lup. fac. et muc. 

! nas. 

i 

I 

16 ! K. Heinr., 17 J. 1 Lup. hyp. nasi et 

| auric. sin. 

i 

! I 

17 K. Gottfr., 26 J. Lup. colli. 

18 | L. Theod., 27 J.j Lun. et Scroph. 

fac. et corp. 

i i 

19 i L. Peter, 36 J. Lup. fac. et nuch. 

j 1 et conjunct. 

' sin. 


20 M. Joh., 12 J. Lup. hyp. fac. 

L. muc. nasL 

21 R. Heinr., 20 J. Lup. nasi, Scroph. 

fac. 

22 Sch. Peter, 22 J. Lup. hyp. fac. 

L. muc. nasi. 


Mutter langen- Drüsenschwellung, 
krank. Seit Jugend 
Drüsen. 

Litt als Kind an Drüsen Schwellung. 
Drüsen u Augen- 
krankh., ein Kind 
1. an Rückgrats¬ 
verkrümmung, 
eins an schlimmen 
Augen. 

Grossvater an Wir- Drüsenschwellung, 
belkaries, 2 Brüder 
der Mutter an 
Schwinde, gest., 
desgl. Geschwister 
der Grossmutter. 

Als Kind Drüsen. 

Keine Hered. Als Drüsenschwellung. 
Kind Drüsen. 

Keine Heredität. Drüsenschwellung. 

Dacryocystitis d. 

Phthisis pulm. 

Vater gest. an Drüsenschwellung. 
Phthise, Pat. litt Habitus phthisic. 

früher an Augen- Suspect. Lungen- 

entzünd. befand. 

Vater gest. an Lun- Drüsenschwellung, 
genentzünd 

Vater an Hämoptoe, Drüsenschwellung. 
Mutter anHy drops 
gest. Grossvater 
brustkrank. 

Keine Hered. Lun- Drüsenschwellung, 
genentzünd. über¬ 
stand. Seit Jugend 
Drüsen. 

Keine Heredität. — 

Bruder des Vaters an Ulcus corneae sin. 
Schwinds. gest. Drttsenschwell. 

Vor einig. Jahren 
„Brustfieber“. 

Vater u. ein Bruder Mal. Pottii. Caries 
an Phthise gest. metatarsi sin. 

Als Kind Augen- Phthis. pulmon. (?) 

entzünd., hat viel 
gehustet. 

Keine Heredität. Drüsenschwellung. 

Conjunct. phlyct. 

Keine Heredität. — 

Keine Heredität. Maculae corn. sin. 


Digitized by 


Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



172 


Carl Grouven. 


[14 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

23 

Sch. Aug., 14 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

Ein Bruder hustet. 

Suspect. Lungenbef. 
Drüsenschwell. 

24 

T. Jakob, 22 J. 

Scroph. fac. et 
corp. 

Eltern an Phthise 
gest. 

Spitzenaffekt, links. 
Drüsenschwell. 

25 

V. Wilh., 40 J. 

Lup. muc. nasi. 
L. man. sin. 


— 

26 

W. Adolf, 23 J. 

Scrophulod. 

Vater gest. an Asth¬ 
ma. Schwester d. 
V aters hustet. 2 
Schwestern d. Pat. 
leiden an Aus¬ 
schlag. Selbst 
mehrfach Hämopt. 

Phthis. pulmon. 

27 

A. Jos., 41 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 
Scrophulod. 

Vater an Brustwas¬ 
ser, Mutter an 
chronisch. Bein¬ 
geschwür gest. 

Bruder an Gehim- 
entz. gest. 

Phthisis pulmon. et 
laryngis Drüsen¬ 
schwellungen. 

28 

B. Gottfr., 17 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. Früher 
Augenkr. u. Rip- 
penfellentz. 

Drüsenschwellung. 
Spitzenaffekt. 1. 

29 

F. Joh., 9 J. 

Scroph. mal. d. 


Drüsenschwellung. 

30 

G. Peter, 13 J. 

i 

Lup. fac. et anti¬ 
brach sin. 

Keine Heredität. 

| 

Drüsenschwellung. 

31 H. Peter, 25 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

Keine Heredität. 

Inn. Org. int. 

32 

J. Gerhard, 27 J. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. nasi 
et oris. 

Keine Heredität. 

Spitzenaffekt. bei¬ 
derseits. Drüsen¬ 
schwellung. 

33 

K. Heim*., 19 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

— 

34 

L. Franz, 22 J. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. nasi 
et oris. 

Vater gest. an 
Schwinds. 

| 

Phthisis laryng. 
Drüsenschwell. 

35 

P. Karl, 21 J. 

Lup. fac. et corp. 

i Vater gest. an 
Schwinds. Seit J Li¬ 
gen d Drüsen. 

Phthisischer Habi¬ 
tus. Drüsen sch w. 

36 

Sch. Jakob, 18 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

V ater gest. an 
Phthise. 

Spitzenaffekt.rechts. 

Drüsenschwell. 

37 

S. Barthel, 20 J. 

Lup. lab. sup. et 
muc. oris. 

Vater an Brustkr. 
gest. Bruder an 
Phthise gest. 

Phthisis pulmon. et 
laryng. 

38 

T. Aug., 26 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

39 

V. Michael, 47 J. 

Lup. man. d. 

Mutter gest. an Aus¬ 
zehrung. 

— 

40 

W. Job.. 60 J. 

, Lup. man. d. 

Keine Heredität. 

— 

41 

W. Joh., 42 J. 

1 

Lup. fac. et Car- 
cinom. 

Bruder leidet an 
Drüsen, Beginn 
mit Drüsen. 

1 Phthisis pulmon. 

1 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


173 


15 ] 


Nr. 

Name and Alter 
des P&t. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

I 

42 i B. Wilh., 54 J. 

1 

Lup. corp. et 
Scrophut. 

Keine Heredität. 

Spitzentiefstand. 
Drüsenschwell. 

43 

B. Joh., 18 J. 

Scroph. fac. 

Keine Heredität. 

— 

44 

B. Math., 13 J. 

Lup. crar. sin. et 
antibr. sin. 

Keine Heredität. 

Abgeheilte Karies d. 
r. Vorderarms. 

45 

B. Karl, 15 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Vater litt an Drüsen; 
ein Bruder leidet 
an Drüsen. 


46 

C. Edmund, 55 J. 

Lup. fac. muc. 
oris et con- 
junct. utr. L. 
dorsi et pedis 
dextr. 


Pectus carinat. Spit¬ 
zenaffekt. beider¬ 
seits. 

47 

E. Peter, 46 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Lungen* 
entz. gest Gross¬ 
vater an Phthise 
gest. Frau an 
Phthise gest. 

Drüsenscliwellung. 

48 

E. Bernard, 29 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Vater an Brustfieber, 
Mutter an Wasser¬ 
sucht gest. Zwei 
Geschwister lei¬ 
den an Drüsen. 

Drüscnschwellung. 

49 

F. August, 38 J. 

Lup. nasi. 

Vater litt an Husten, 
starb an Hydrops, 
hatte den gleichen 
Ausschlag an der 
Nase. Zwei Brüder 
u. eine Schwester 
starb, an Schwind¬ 
sucht, ein Bruder 
starb an „inneren 
Drüsen“. 

Phthisis pulmon. 
dextr. 

50 | 

F. August, 20 J. 

Lup. fern. sin. 

Keine Heredität. 

— 

51 1 

i 

F. Anton, 51 J. 

Lup. ped. d. 

Vater an Wasser¬ 
sucht, Mutter an 
Schwinde, gest. 

Drüsenschwellung. 

52 

G. Nikol., 31 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Keine Heredität 

Drüsenschwellung. 

53 

K. Jos., 23 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität. 

Phthis. pulmon. inc. 

54 

| L. Joh., 9 J. 

Lup. et Scroph. 
mal. sin. 

Mutter gest an 
Phthise, Vater 
hustet. 

Spitzeninfiltrat bei¬ 
derseits. 

55 

L. Wilh., 12 J. 

Lup. fac. et brach, 
utr. et muc. 
nasi 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

56 

L. Jos., 18 J. 

Lup. hyp. fac. 
Scroph. colli. 

Keine Heredität 

Drüsenschwellung. 
Fungus tarsi dextr. 

57 

M. Herrn., 23 J. 

i 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest Bruder 
leidet an Kniege- 
lenksentz 

Mal. Pottii. Spitzen¬ 
affekt. beiderseits. 
Otitis med. chron. 
dupl. 


Digitized b' 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




174 


Carl Grouven. 


[16 


Digitized by 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

58 

N. Jos., 16 J. 

Scroph. colli. 

Eltern an Schwind¬ 
sucht gest. 

Drüsenschwellung. 
Phthis. pulm. inc. 

59 

R. Barthel, 16 J. 

Lup. et Scroph. 
ped. sin. 

Mutter gest. an 
Schwinas. 

Lichen scroph. Drü* 
sen Schwellung. 

60 

Sch. J 08 ., 11 J. 

Lupus nasi. 

Keine Heredität. 

— 

61 

Sch. Wilh., 16 J. 

Lup. nasi, muc. 
nasi et oris. 

Keine Heredität. 

Phthis. pulmon. et 
laryng. Drüsen¬ 
schwellung. 

62 

W. Jak., 15 J. 

; Lup. man. sin. 

Beide Eltern husten. 

Phthis. pulmon. inc. 

63 

W. Joh., 17 J. 

Lup. ped. dextr. 

Keine Heredität. 

— 

64 

H. Mich, 50 J. 

Lup. fac. L. verr. 
man. sin. 

Keine Heredität. 

— 

65 

H. Jos., 17 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

66 

H. Ägidius, 11 J. 

: Lup. fac. fern. sin. 
et muc. oris. 

Mutter litt an Drü¬ 
sen. 

Drüsenschwellung. 
Habit, phthis. Oti¬ 
tis mea. dupl. Da- 
kryocyst. aupl. 

67 

K. Philipp, 39 J. 

Lup. fac. et anti¬ 
brach. sin. L. 
muc. oris. 

Eltern und Bruder 
gest. an Phthise. 

Kyphose infolge von 
aogeh. Karies. 

68 

K. Eduard, 40 J. 

Lup. ped. sin. 

Keine Heredität. 

Phthis. pulmon. 

69 

K. Math, 41 J. 

Lup. nuchae. 

Keine Heredität. 

— 

70 

K. Willi, 25 J. 

Lup. fac. brach, 
aextr. et muc. 
oris. 

In der Familie des 
Vaters Drüsen u. 
Phthise 

Drüsenschw’ellung. 

71 

M.Emanuel,52X 

Lup. nasi. 

Litt früher an L. 
erythematod. 

— 

72 

O. Franz, 17 J. 

Lup. nasi et muc. 
nas. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

73 

R. Hubert, 20 J. 

Lup. colli et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

74 

P. Jos, 19 J. 

f ' 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Schwester in d. Kli¬ 
nik wegen Ge¬ 
sichtslupus beh. 
Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 
Spitzen affekt. bei¬ 
derseits. 

75 

R. Heinr, 17 J. 

Lup. nas. muc. 
nasi et oris. 

Keine Heredität. 

1 

Habitus phthis. Drü¬ 
senschwellung. 

76 

Sch. Math, 41 J. 

Lup. fac. et corp. 

i Keine Heredität. 

i 

Phthisis pulmon. 

Keratitis vascul. 
dupl. gest. an Lu- 
pus-Carcinom und 
käsiger Pleuritis. 

77 

Sch. Philipp, 16 J. 

Lup. man. sin. 
et Scroph. 

i Vater an Phthise 
gest, Schwestern 
leiden an Drüsen. 

Phthisis pulmon. 

1 Caries man. sin. 

' Drüsenschwell. 

78 

Sch. Joh, 34 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

| Mutter an Wasser- 
| sucht gest. 

j Mal. Pottii. 

79 

St. Jos, 19 J. 

1 Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

1 Dacryocystit. sin. 
Macul. com. utr. 


Drüsen sch well. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



17] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


175 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

80 

V. Philipp, 14 J. 

81 

Z. Jakob, 21 J. 

82 

A. Everhard, 

27 J. 

83 

B. Walter, 13 J. 

84 

B. Georg, 21 J. 

85 

F. Aug., 10 J. 

86 

K. Jos., 13 J. 

87 

L. Albrecht, 18 J. 

88 

L. Walter, 14 J. 

89 

1 L. Abraham, 22 J. 

90 

M Jakob, 18 J. 

91 

R. Wilh., 12 J. 

92 

R. Jakob, 22 J. 

93 

Sch. Peter, 14 J. 

94 

Sch Gerh., 27 J. 

95 ; 

S. Wilh., 27 J. 

96 

W. Peter, 34 J. 

97 

Z. Wilh., 66 J. 

98 

A. Franz, 18 J. 

99 

B. Peter, 18 J. 

100 

B. Gottfr., 22 J. j 


Diagnose 


Lup. nas. muc. 
nasi et oris. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. nasi 
et oris. 


Lup. corp. 

Lup. fac. et man. 
sin. L. muc. 
nasi. Scroph. 
brach, sin. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Lup. man. et crur. 
sin. 

Lup. nasi. 

Lup. fac. 

Lup. antibrach, 
aextr. 

Lup. fac et man. 
aextr. 

Lup. corp. 


Anamnese 

Keine Heredität. 

| Vater an Phthise 
I gest., eine Schwe- 
| ster brustkrank. 

Pat. litt früher an 
I aufbrech. Drüsen. 
I Keine Heredität. 

I Keine Heredität. 


Status praesens 


Laryngit. Otit. med. 
pur. sin. Drüsen¬ 
schwellung. 
Dacryocyst. sin. 


r. 

Otitis med. sin. 
Caries man. sin. 
Dacryocyst. dupl. 
Drüsenschwell. 


Keine Heredität. 

i 

| Keine Heredität. I 

' Keine Heredität. 
Keine Heredität. 


Bruder der Mutter 
gest. an Phthise. 
Keine Heredität. 


Lup. fac. 

Lup. fac. 

Lup. man. d. 

Lup. fac. 

Lup. colli, pect, 
et dorsi 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Scroph. mal. sin. 
et colli. 

Lup. verr. man. 
dupl. 

Lup. fac. 


In der Kindheit oft 
, Augenentz. Bru- 
: der hustet. 
i Keine Heredität. 


Dr fisensch w el I u n g. 
Dacryocyst. dupl. 

Kerat. vascul. sin. 
Otitis med. dextr. 

Spitzenkat. rechts. 

Drüsenschwell. 
Nubeculae corn utr. 
Drüsenschwell. 


; Vater an 
gest. 

Keine Heredität. 


Phthis. (?) pulmon. 
] d. Drüsenschw. 
Phthise i Spitzenkat. rechts. 
I Drüsenschwell. 


I 


Keine Heredität. 
Mutter u. Schwester j 
gest. an Phthise. | 
I Keine Heredität. i 


| Caries poll. dextr. 
| Drüsenschwell. 
Spitzenaffekt.rechts. 
Asthma et Phthis. 
pulm. dupl. 


Dacryocyst. sin. 
Drüsenschwellung. 


Schwester wegen 
Lupus in der Kli¬ 
nik beh. 

Keine Heredität. 


Tuberc. pulmon. 
Drüsenschwell. 


Digitized b" 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




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176 


Carl Grouven. 


[1.S 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

101 

D. Gottfr., 34 J. 

Lup. nasi et muc. 
oris. Scroph. 
colli. 

Vater an Lungen- 
krankh. gest. 

Spitzenaffekt, links. 
Drüsenschwell. 

102 

D. Victor, 22 J. 

Lup nasi et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

Spitzenaffekt, links. 
Drüsenschwell. 

103 

E. Theodor, 25 J. 

Scroph. mal. sin. 

Keine Heredität. 

Spitzenaff. rechts. 
Drüsenschwell. 

104 

E. Wilh., 13 J. 

Lup. nasi, muc. 
nasi et oris. 

Vater hustet. 

Spitzenaff. rechts. 
Drüsenschwell. 

105 

G. Adolf, 39 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

Phthisis pulmon. 

106 

H. Mich., 43 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

107 

H. Math., 21 J. 

Lup. fac. et 
Scroph. 

Zwei Geschwister 
leiden an Gelenk¬ 
tuberkulose. 

Spitzenaffekt, links. 
Drüsenschwell. 

108 

J. Heinr., 17 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Keine Heredität 

— 

109 

K. Herrn., 22 J. 

Lup. mal. sin. 

Mutter hustet. 

Spitzenaffekt, links. 

110 

L. Julius, 12 J. 

Lup. nasi, Scroph. 
colli. 

Keine Heredität. 

Habit. scroDh. Drü¬ 
senschwellung. 

111 

L. Konrad, 16 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität 

Habit, scronh. Drü¬ 
senschwellung. 

112 

L. Math., 12 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Heredität 

— 

113 

M. Jakob, 27 J. 

Lup. pap. crur. 
sin. 

Mutter an Brust- 
krankh. gest. 

Spitzenaff. rechts. 

114 

M. Rud., 70 J. 

Lupus fac. 

Keine Heredität. 

— 

115 

O. Josef, 19 J. 

Lup. nasi muc. 
nasi et oris. 

Keine Heredität. 

Caries cost. san. 
Spitzenaff. links. 

116 

R. Wilh., 29 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität 

— 

117 

R. Josef, 30 J. 

Lup. ani. 

Keine Heredität. 

Spitzenaffekt, links. 

118 

R. Joh., 23 J. 

Scroph. colli. 

Keine Heredität. 

— 

119 

S. Karl, 22 J. 

Lup. colli. 

Pleuritis überstand. 
Seit Kindheit Drü¬ 
sen. Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

120 

Sch. Joh., 17 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität. 

— 

121 

Sch. Heinr., 11 J. 

Lup. pap. ped. 
sin. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

122 

S. Heinr. 23 J. 

Lup. fac. et corp. 
Lup. muc. nas. 
et oris. Scro- 
phulod. 

Keine Heredität. 

Phthis. pulmon. et 
| laryng. 

j 

j 

123 

W. Wilh , 52 J. 

Lup.verruc. man. 
sin. 

Lup. fac. et corp. 

Keine Heredität. 

j Phthis. pulm. 

124 

B. Peter, 16 J. 

Keine Heredität. 

_ 

125 

■ 

B. Heinr., 18 J. 

Lup. mal. d. 

■ Keine Heredität. 
Vielfach Augenentz. 

Macul. com. utr. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 






19] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


177 


Nr. 

1 

Name und Alter j 
des Pat. 

i : 

i 

Diagnose 

i 

Anamnese 

. Status praesens 

126 

B. Bernh., 12 J. 

Lup nas. et muc. 
nasi. 

1 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. Schwe-! 
ster leidet an 
Drüsen 

Spitzenaffekt, bei¬ 
derseits. Drüse n- 
schwellung. 

127 

B. Georg, 42 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

Keine Heredität. 

— 

128 

H. Joh., 48 J. 

Lup. colli et Scro- 
phulod. 

Keine Heredität. 

— 

129 

H. Mich., 19 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

130 

H. Gcrh., 19 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. Scrophu- 1 
loderm. fac. et 
brach, d. 

Bruder leidet an Ge- 
sichtslupus. 

- 

Drüsenschwellung. 

131 

K. Fritz, 13 J. 

Lup. frontis. 

Keine Heredität. | 

— 

132 

K. Franz, 14 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität. 

— 

133 

K. Gottfr., 31 J. 

Lup. fac. et colli 

Keine Heredität. ! 

Drüsenschwellung. 

134 

H. Aug., 14 J. 

Lup. diss. corp. 
et muc. nasi. 
Scroph. fac. 

Bruder an Lungen- ! 
entzünd, gest | 


135 

v. d. L. Karl, 

31 J. 

Lup. man. sin. et 
ped. d. 

Keine Heredität. 

— 

136 

R. Jakob, 10 J. 

Lup. fac. et corp. 

Keine Heredität. 

— 

137 

R. Job., 13 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Heredität. 

Gibbus (Caries sau.) 

138 

Sch. Joh., 40 J 

Scrophulod. 

Keine Heredität. 

— 

139 

Sch. Sebastian, 
13 J. 

Scroph. corp. ( 

i 

Zwei Geschwister an 
Skrofulöse gest. 

i 

Drüsenschwell. Smt- 
zenaffekt. links. 
Caries ped. sin. 
Otitis med. chron. 
dupl. 

140 

Sch. Salomon, 
28 J. 

Lup. pap. man. 
utr. 

Keine Heredität. 

I 

1 

— 

141 

St. Karl, 22 J. 

Lup. cap. 1 

Keine Heredität. 

— 

142 

St. Otto, 11 J. 

Lup. fac. 

Keine Heredität. 

Drüsenschwellung. 

143 

St. Joh , 25 J. 

Lup. crur. d. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. 

Drüsenschwellung. 

144 

B. Georg, 43 J. 

Lup. corp. 

Keine Heredität. 

Fungus man. d. 

145 

F. Heinr., 3 J. 

Scrophulod. 

Keine Heredität. 

— 

146 

G. Joh., 24 J. 

Lup. verr. man. 
sin. 

Vater ist , engbrü¬ 
stig“. Mutter lei¬ 
det an Lupus der 
Hände. 

Caries dig. 111 d. 
Drüsenschwell. 

147 

G. Heinr., 26 J. 

Lup. fac. et corp. 

Vater starb an Hals¬ 
schwindsucht. 

Abgeheilte Caries. 

Drüsenschwell. 
i Spitzenaff. links. 

148 

H. Franz, 17 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi 

Keine Heredität. 

1 

Phthis. pulmon. 

149 

K. Heinr., 47 J. 

Lup. fac. et aur. 

1 sin 

! Keine Heredität. 



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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



178 


Carl Grouven. 


Digitized by 


130 


Nr. 


Name und Alter | 
des Pat. 


Diagnose 


150 L. Wilh., 17 J. Lup. nas. et muc. 

' nasi. 


151 | S. Otto, 19 J. 

152 j S. Hub, 12 J. 

153 | Sch. Peter, 30 J. 

154 1 Sch. Kaspar, 14 J. 

155 | W. Heinr., 13 J. 


Lup. nasi. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Lup. man. et anti¬ 
brach. sin. 

Lup. crur. et fe- 
mor. sin. 


156 A. Anton, 18 J. 


Lup. nasi et muc. 
nasi. 


157 B. Peter, 21 J. 


Lup. antibr. d. 


158 j D. Friedr., 14 J. 

159 j J. Heinr., 20 J. 

160 * K. Bern., 11 J. 

i 

161 | P. Nie., 29 J. 


Lup. fac. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Lup. fac. et corp. 


162 

163 

164 


Sch. Heinr., 14 J. 
S. Wilh., 14 J. 
St. Franz, 16 J. 


165 | B. Heinr., 16 J. 

166 ; H. Gottfr., 35 J. 

I 


Lup. serp. fac. et 
corp. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Lup. fac. et 
Scroph. colli. 
Lup. fac. et 
Scroph. • 
Lup. fac. 


167 I H. Jakob, 21 J. i L. antibr. sin. 


168 H. Bernh., 22 J. I Scroph. colli. 


169 : J. Ernst, 21 J. 


170 


K. Joh., 43 J. 


Lup. nasi et colli 
1 et muc nasi. 
j Luj>. verr. antibr. 


Anamnese Status praesens 


Eine Schwester lei¬ 
det an Lupus d. 
Arms. Früher oft 
Augenentz. 

Keine Heredität. 

Keine Heredität. 

Vater an Brust- 
krankh. gest. 

Keine Heredität 

Keine Heredität. 

Schwester gest. an 
Geschwür auf der 
Backe. 

Vater an Lungen- 
entz. gest. 

Keine Heredität. 

Keine Heredität. 

Keine Heredität. 

Vater gest. an 
Phthise. 

Keine Heredität. 

Keine Heredität. 

Mutter gest. an 
Phthise. 

Bruder leidet an 
Drüsen. 

Mutter gest. an Lun- 



Mutter gest. an 
Phthise. 


i Mutter u. Schwester 
gest. an Schwind¬ 
sucht. 

Mutter gest. an Kehl¬ 
kopfschwindsucht 
Keine Heredität. 


Drüsenschwellung. 


Drüsenschwellung. 

Drüsenschwellung. 

Spitzenaffektion bei¬ 
derseits. 

Drüsenschwellung. 

Drüsenschwellung. 

Macul. corn. sin. 
Dacryocyst. sin. 


Drüsenschwellung. 

Drüsen8chwell. Spit¬ 
zenaff. beiders. 
Ankylose d. linken 
Kniees. Spitzen¬ 
affekt. rechts. 
Caries olecran. d. 


Drüsenschwellung. 
Drüsenschwellung. 
Phthis. pulmon. 


Phthisis pulmon. 
Caries metacarp. 
sin. 

Abgeheilte Rippen¬ 
karies. Drüsen¬ 
schwellung. 
Drüsenschwellung. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





21] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 179 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

171 

L. Herrn., 56 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Brust¬ 
wasser gest. 

Phthis. pulmon. An- 
kylos. dig. III sin 
(Caries) et genu 
sin. Drüsenschw. 

172 

M. Franz, 12 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Drüsenschwell. 

173 

R. Friedr., 16 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Mutter an Husten 
und Wassersucht 
gest. Ein Bruder 
u. eine Schwester 
haben ein kurzes 
Bein u. leiden an 
Drüsen. 

SpitzenafF. links. 
Dacryocyst. links. 

174 

R. Wilb., 21 J. 

Lup. fac. et 
Scroph. 

Keine Hered. 

— 

175 

Scb. Georg, 63 J. 

Lup. fac. 

Frau starb an gallop. 
Schwinds. Seit 

Kindheit Drüsen, 
Husten, Durch¬ 
fälle und Fieber. 

Phthis. pulm. Drü¬ 
senschwell. 

176 

S. Jakob, 23 J. 

Lup. fac. 

Bruder der Mutter 
starb an Schwinds. 

Spitzenaff. rechts 

177 

S. Kaspar, 11 J. 

Lup hyp. fern, 
aextr. 

Vater hustet. 

— 

178 

P. Christian, 21J. 

Lup. fac. et colli. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. Bru¬ 
der brustleidend. 

t Spitzenaff. rechts. 
Caries ped. sin et 
cubit d. 

179 

B. Math., 17 J. 

Lup. mal. sin. 

Keine Hered. 


180 

F. Wilh., 40 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

Phthis. pulmon. 
Drüsenschwell. 

181 

G. Rud, 19 J. 

Lup. hyp. fac. 

Keine Hered. Seit 
Jugend Drüsen. 

Otit. med. sin. Drü¬ 
senschwell 

182 

K. Ernst, 36 J. 

1 

Lup. fac. 

2 Brüder leiden an 
Hämoptoe. 

Drüsenschw. 

183 1 

t 

K. Peter, 18 J. 

Lup. colli et 
Scrophulod. 

Vater starb an Brust- ; 
krankheit. Seit 

Kindheit Drüsen. 

Drüsenschw. 

184 

K. Aug., 29 J. 

Lup. fac., muc. 
nas. conj. utr. 

Vater an Rippenfell¬ 
entzünd. gest. 

Dacrvocyst. Phthis. 
pulmon. 

185 | 

M. Max, 24 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Lungen¬ 
leiden gest. 

| Gibbus. Phthis. pul¬ 
mon. Fung.genu d. 

186 

M. Ernst, 24 J. 

Lup. hyp. fern, 
sin. 

1 Eine Schwester litt i 
an Lupus u.Drüsen. 


187 

N. Peter, 33 J. 

1 

Lup. fac. et colli. 

Mutter starb an Blut¬ 
husten; 2 Brüder 
leiden an Blut¬ 
husten. Seit Kind¬ 
heit Drüsen. 

| Drüsenschw. 

188 

R. Peter, 38 J. 

| 

Lup. fac. et Car- 
ein. 

Mutter an Knochen- 
frass gest. Ein 
Bruder leidet an 



Lupus des Arms. 

I 


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Carl Grouven. 


[22 


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180 


Nr. 


| Name und Alter | 
des Pat. 


Diagnose 


189 

190 

191 

192 

193 

194 


R. Peter, 11 J. 


Sch. Theodor, 

26 J. 

St. Wilh., 25 J. 
St. Heinr., 38 J. 


B. Peter, 56 J. 

C. Math., 33 J. 


i 


Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 
Scrophulod. 
Lup. fac. et corp. 


Lup. fac. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. Scroph. 

Lup. fac. et 
Scroph. 

Lup. fac. 


195 i F. Karl, 23 J. 

196 I G. Theod., 14 J. 

197 J. Jos., 13 J. 


Lup. fac. et muc. 
oris. 

Lup. fac. et 
Scroph. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 


198 | K. Jak., 38 J. 

I 

199 l M. Jak., 57 J. 


Lup. verr. man. 
utr. 

Lup. fac. et corp. 


200 ! M. Adolf, 14 J. 


201 | 

M. 

Karl, 22 J. 

! 

202 

N. 

Joh., 9 J. 

203 

M. 

Heinr., 19 J. 

204 

R. 

Jos., 22 J. 

205 

! 

Sch. Pet., 21 J. 


Lup. fac. et crur. 
sin. muc. nasi 
et oris. Scroph. 
fac. 

Lup. fac. et | 
Scroph. 

Lup. et Scroph. 
fac. ! 

Lup. mal. sin. ! 

Lup. fac. et muc. 
nasi. L. ped. 
dextr. 

Lup. fac. colli, 
auric. sin. 


206 Sch. Math., 22 J. 

207 Th. Heinr., 34 J. 

208 A. Jak., 17 J. 


Lup. antibr. et! 

man. sin. 

Lup. colli et j 
man. d. 

Lup. fac. ped. sin. | 
etconjunct.utr. 
L. muc. nasi. 


i 


Anamnese 


Status praesens 


Reine Hered. Seit 
Kindheit Drüsen. 


Macul. corn. sin. 
Drüsenschw. 


Keine Hered. Pneu¬ 
monie überst. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 

Mutter starb an 
Schwinde., Schwe¬ 
ster leidet an Drü¬ 
sen. Häufig Drü¬ 
sengeschwüre. 

Mutter an Lungen- 
entz. gest. 

Bruder leidet an Ge¬ 
sichtslupus. 

Onkel leidet an Lup. 
Vater an Brust¬ 
krankheit gest. 

Keine Hered. 

Vater an Schwinds. 
gest. Mutter starb 
an Brustfieber. 

Keine Hered. Seit 
Kindheit Drüsen. 


Keine Hered. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 

Keine Hered. Pleu¬ 
ritis überst. 

Keine Hered. Vor 
2 Jahren kalter 
Absc. im Rücken. 
Keine Hered. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 


Spitzenkath. rechts. 
Otitis med. chron. 
dupl. 

Dacryocyst. Phthi9. 
pulm. d. Drttsen- 
schwell. 

Phthis. pulmon. 


Gibbiis. 


Drüsenschw. Ulc. 
corn. sin. 

Caries oss. nas. sin. 
Drüsenschw. 


Drüsenschw. 
Dacryoc. sin. 


Drüsenschwellung 
Später Caries tarsi 


Phthis. pulm. d. 

Phthis. pulmon. et 
laryng. 

Macul. corn. d. 
Otitis med. chron. 
sin. 


Gck igle 


Original from 

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23] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


181 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

i 

Diagnose 

i 

Anamnese 

i Status praesens 

| 

209 

| D. Hub., 35 J. 

Lup. fac. et corp. 
Car ein. fac. 

| Keine Hered. 

| 

210 

E. Job., 27 J. 

Lup. fac. 

Mutter leidet an 
Fungus genu 

] 

211 

F. Karl, 19 J. 

Lup. auric. sin. 
et man. d. 

Keine Hered. 

i 

i 

i 

212 

K. Jos., 8 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 


213 

P. Anton, 29 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

Keine Hered. 

Dacryocvst. dupl. 

214 

Sch. Jak., 18 J. 

Lup. fac. 

Bruder an Schwind¬ 
sucht gest. 

1 

1 

215 

W. Joh., 24 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

Dacryoc. sin. 

216 

Z. Karl, 30 J. 

Luj). hyp. auric. 

Keine Hered. 

“ 

217 

B. Jos., 20 J. 

Lup. nasi et colli. 
L. muc. nas. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. 

1 

218 

H. Heinrich, 34 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Schwester starb an 
Gehirnentz. 

1 “ 

219 

H. Jos., 20 J 

Lup. hyp. colli. 

Keine Hered. 

I — 

220 

K. Stephan, 12 J. 

Lup. fac. et corp. 

Vater starb an Lun- 
genentz. 

i 

221 

L. Joh., 12 J. 

Lup. mal. sin. 

Keine Hered. 

1 

i 

222 

Sch. Heinr., 21J. 

Lup. fac. et corp. 

Mutter litt an Ge¬ 
sichtslupus. 


223 

Sch. Heinr., 11 J. 

Lup. fac. et corp. 

Vater an Schwind¬ 
sucht gest. 

— 

224 

St. Karl, 7 J. 

Lup. corp. diss. 

Grossmutter starb 
an Schwinde. , 

— 

225 

T. Dietrich, 67 J. 

Lup. fac. muc. 
nasi et oris. 

Keine Hered. i 

Caries palat. dur. 

226 

W. Joh., 22 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Schwinds.: 
gest. Schwester 
leidet an Schwinds. 

" 

227 

W. Winand, 20 J. 

Lup. fac. et corp. 

Vater an Schwind¬ 
sucht gest. 

— 

228 

Z. Karl, 38 J. 

Lup. nas. et auric. 
sin. 

Mutter an Asthma 
gest. 

Phthis. pulm. 

229 

A. Albert, 23 J. 

Lup. fac. et corp. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. 

i 

Drüsenschw.; starb 
später an Darm¬ 
tuberkulose. 

230 

E. Jos., 16 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

Keine Hered. j 

— 

231 

F. Joh., 30 J. 

Lup. fac. et corp. 

Vater an Phthise 
gest. 1 

— 

232 

F. Heinr., 14 J, 

Lup. nasi et muc. 
oris. 

Mutter an Phthise 
gest. Vater hustet. 

— 

233 

H. Gust., 21 J. 

, ' 

Lup. fac. et muc. 
oris. | 

Vater leidet an 
Asthma. 

i 



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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



182 


Carl Grouven. 


[24 


Digitized by 


Nr. 


Name und Alter 
des Pat. 


Diagnose 


Anamnese 


234 

235 

236 

237 


H. Felix, 21 J. 
H. Bruno, 27 J. 

H. Anton, 21 J. 
K. Wilh., 10 J. 


Lup. fac. 

Lup. colli et 
Scroph. 

Lup. fac. 

Lup. fac. et corp. 


Keine Hered. 

Vater an Larynx- 
phthise gest. 
Keine Hered. 

Keine Hered. 


238 


K. Franz, 16 J. 


239 L. Joh., 18 J. 

240 Sch. Peter, 15 J. 


241 W. Jakob, 46 J. 

242 D. Jos., 22 J. 


i 

243 | H. Joh., 10 J. 

I 

244 1 M. Konr., 31 J. 


245 M. Wilh., 23 J. 

246 | N. Jos., 38 J. 

247 1 R. Mich., 14 J. 

248 | Sch. Pet., 19 J. 

249 | Sch. Alfred, 18 J. 

250 1 W. Math., 20 J. 

! 

251 R. Christine, 9 J. 

252 | B. Kath., 18 J. 

253 j ß. Elise, 21 J. 

254 ; Ch. Karol., 10 J. 

| 

I 

255 D. Gertr., 18 J. 

i 

256 E. Anna, 37 J. 


Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Lup. nasi. 

Lup. man. et 
antibr. sin. 
Lup. hyp. fac. 
Lup. colli et muc. 
nasi et Scroph. 


Lup. crur utr. et 
femor. sin. 

Lup. fac. et corp. 
L. conj. d. Car- 
cinom. fac. et 
reg. cubit. sin. 

Lup. fac. et muc. 
nasi, Scroph. 

Lup. fac. et 
Scroph. 

Lup. ped. sin. et 
corp. et Scroph. 

Lup. nasi et muc. 
nas. 

Lup. fac. muc. 
nasi et oris. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

Lup. hyp. nasi. 

Lup. nasi. 


Keine Hered. Vor 5 
J. kalter Abscess 
in der Leiste. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 

Vater brustleidend. 

Vater starb an Hals- 
schwinds. Schwe¬ 
ster an Blutsturz 
gest. 

Keine Hered. 

Vater an Lungen- 
entz. gest. Pneu¬ 
monie überst. 

Mutter an Phthise 
gest. 

Vater starb an Darm- j 
gesch wären. j 

Keine Hered. 

Keine Hered. 

Bruder leidet an 
Drüsen. 

Keine Hered. Beginn 
mit Drüsen. 

Mutter und Bruder 
an Phthise gest. 

Keine Hered. 


Bruder leidet an 
Hämoptoe. 
Grossvater u. Schwe¬ 
ster des Vaters an 
Phthise gest. Seit 
Kindheit Drüsen. 
Lup. fac. et I Keine Hered. 
Scroph. 

Lup. fac. et muc. | Keine Hered. 


Lup. fac. muc. 

nas. et oris. 
Lup. nas. et muc. 
nasi. 


Status praesens 


Drüse nschw. 


Abgeheilte Karies 
d. rechten Fusses. 


Drüsen sch w. 


Fungus 


d. et 


cub. sin. 
rloma corn. 
>hthis bulbi. 


Drüsenschw. 

Ulcera corn. sin., 
später Spina vent. 
Spitzenaff. rechts. 
Drüsenschw’. 


Drüsenschw. Phthis. 
laryng. 


Phthis. pulmon. 

Drüsenschw. 
Phthis. pulm. Caries 
tib. sin. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



25] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


183 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

257 

| G. Gertr., 30 J. 

I 

l 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Vater starb an Kebl- 
kopfsch windsucht. 
Mutter starb an 
Lungenphthise. 
Schwester leidet 
an Drüsen. In der 
Kindheit Augen- 
entz. Vor 7 Mon. 
Hämoptoe. 

Phthis. (?) pulm. 

258 

H. Julie, 18 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Vater an Phthise 
gest. Als Kind 
Drüsen u. Augen- 
entz. 

Macul. corn. utr. 
Dacryocyst. 

259 

H. Anna, 20 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Schwester starb an 
Phthise. 

— 

260 

i 

J. Dina, 46 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Vater litt an Drüsen. 
Schwester litt an 
Drüsen. Bruder an 
galopp. Schwind¬ 
sucht gest. 

Dacryocyst. öin. 

261 j 

J. Maria, 19 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

Grossvater starb an 
Brustkrankheit. 

Dacryocyst. sin. 

262 

K. Karoline, 21J.! 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Schwester starb an 
Lungenentz. Häu¬ 
fig Augenentz. 

Mal. Pottii. 

263 

K. Elise, 59 J. 

Lup. fac. et Gare. 

— 

— 

264 

M. Kath., 20 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. L. brach, 
sin. 

Vater u. Schwester 
husten. 

Dacryocyst. dupl. 

265 

M. Apollonia, 

40 J. 

Lup. nasi. 

Mann an Hämoptoe 
gest. 

— 

266 

N. Franziska, 

21 J. 

Lup. man. d. 
Scroph. mal. 
utr. 

Grossmutter und 2 
Brüder starben an 
Phthise. 


267 

Sch. Marg., 12 J. 

s Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Dacryocyst Mac. 
com. utr. Otitis 
med. d. Später 
Phthis. laryng. et 
pulmon. 

268 

St. Gertr., 16 J. 

Lup. hyp. nasi. 

Vater leidet an Hä¬ 
moptoe. Als Kind 
Drüsen. 

Drüsennarben. 

269 

Th. Therese, 17 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. Als 
Kind Drüs., Augen- 
und Ohrenentz. 


270 

W. Therese, 11J. 

Lup. nasi et conj. 
sin. | 

— 

Phthisis laryng. 
Dacryoc. sin. 

271 

B. Sophie, 23 J. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. nasi. 

i 

i 

Bruder des Vaters 
starb an Schwind¬ 
sucht. Lungen¬ 

entz. überst. 

i 

Dacryoc. sin. Drü- 
senschwell. 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 2. 13 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



184 


Carl Grouven. 


[26 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

272 

B. Maria, 21 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Als Kind Augenentz. 

| Dacryoc. dupl. 

273 

B. Adelheid, 30 J. 

i 

1 Ch. Anna, 27 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 
Spitzenkath. 2 J. 
später Phthis. pul- 
mon. et laryng. 

274 


Lup. hyp. fac. 
et corp. 

Mutter leidet an 
Schwindsucht, ein 
Bruder an Gelenk- 
tub. 


275 

D. Anna, 21 J. 

Lup. fac. corp. 
et muc. oris. 

Keine Hered. 

Dacryoc. d. 

276 

D. Hulda, 15 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Bruder leidet an 
Drüsen. Seit Jug 
Augenentz. 

Phthis. pul mon. 

277 

F, Eugenie, 20 J. 

Lup. nasi. 

Keine Hered. 

Dacryoc. sin. 

278 

G. Marg., 17 J. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. nas. 
et oris. 

Mutter an Schwinds. 
gest. Seit Jugend 
Drüsen u. Augen¬ 
entz. 

Mac. corn. sin. 
Phthis. laryng. 

279 

G. Karoline, 8 J. 

Lup. fac. 

Mutter und Gross¬ 
mutter an Phthise 
gest. 

Drüsenschwellung. 
Spitzenkath. links. 

280 

G. Elis., 19 J. 

Lup. fac. et cub. 
sin. 

1 

Vater, Bruder des 
Vaters, Bruder der 
Mutter, Bruder d. 
Pat. starben an 
Schwinds. Vater 
litt auch an Lupus. 

Spitzenaff. rechts. 

281 

H. Maria, 6 J. 

Scrophulod. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. 

Drüsenschw. 

282 

K. Elis., 48 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 
Scrophulod. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. Da- 

cr^oc. sin. Spitzen- 

283 

K. Elis., 39 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Schwester starb an 
Schwindsucht. 

— 

284 

L. Kath., 30 J. 

Lup. fac. 

Mutter und 2 Ge¬ 
schwister ders. an 
Schwinds. gest. 
Ein Bruder des 
Pat.de8gl.Als Kind 
Rippenfellentz. 

Drüsenschw. Drü- 
sennarb. Spitzen¬ 
kath. beiders. 

285 

L. Kath., 30 J. 

Lup. nas. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

286 

L. Elise, 17 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi, später 
auch muc. oris. 

Mutter an Phthise 
gest. | 

Spitzenaff., später 
Phthis. laryng. 

287 

M. Maria, 19 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

— 

288 

P. Christine, 18 J. 

Scroph. mal. d. 

i 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. Vater 
später an Schwind¬ 
sucht gest. 

Drüsenschwellung. 
Spitzenkath. links. 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



27] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


185 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

289 

P. Mar., 15 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

Schwester starb an 
Schwindsucht. 

Conjunct. phlyct. 
Drüsenschwell. 
Phthis. pulm. et 
laryng. 

290 

P. Mar., 20 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. Scroph. 

Schwester starb an 
Schwinds. Seit 

Jugend Drüsen u. 
Augenentz. 

Spitenkath. links. 

291 

R. Agnes, 21 J. 

Lup. fac. 

Bruder leidet an 
Drüsen. 

— 

292 

R. Anna, 19 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

293 

Sch. Marg., 3 J. 

Scroph. fac. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

294 

Sch. Hulda, 23 J. 

Lup. hyp. fac. 
L. conj. sin. 

Vater an Phthise 
gest. 

Dacryocyst. sin. 
Pannus oc. sin. 
Drüsenschw. 

295 

| 

St. Johanna, 

23 J. 

i 

L. hyp. fac. et 
com. L. muc. 
nasi. 

Vater, Vater der 
Mutter, drei Ge¬ 
schwister starben 
an Phthise. Bru¬ 
der der Mutter u. 
eine Schwester d. 
Pat. leiden an 
Phthise. 

Spitzenkath. 

296 

Y. Margot, 17 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Mutter hustet. 
Schwester leidet 
an chron. Knie- 
gelenksentz. 

Dacryocyst. sin. 
Drüsenschw. 

297 

A. Emma, 28 J. 

Lup. fac. 

Mutter starb an 
Brustkr. Mehrfach 
an Hftmopt. gel. 

Drüsenschwellung. 
Phthis. (?) pulm. 

298 

B. Kath., 17 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

299 

B. Sophie, 17 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. Scroph. 
fac. 

Grossmutter u. ein 
Bruder ders. litten 
an Lupus. Als 
Kind Drüsen und 
Augenentz. 


300 

ß.Thimoth., 17 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Grossvater starb an 
Schwindsucht. 

Dacryoc. d. Drüsen¬ 
schwell. 

301 

B. Wilhelmine, 

15 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Mutter an Kehlkopf- 
schwinds., Bru¬ 
der an Lungen- 
schwinds. gest. 

Dacryocyst. links. 
Spitzenkath.rechts. 

302 

E. Johanna, 7 J. 

Lup. fac. et corp. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

303 

F. Maria, 33 J. 

Lup. fac. et colli. 

Früher Drüsen. 

— 

304 

G. Anna, 24 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

— 

305 

G. Maria, 27 J. 

i 

Lup. fac. et corp. 
muc. nasi et 
oris. Scrophul. 

Keine Hered. 

1 

Phthis. pulmon. et 
laryng. 


13 * 


Digitized b' 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



186 


Carl Grouven. 


[28 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

.306 

H. Maria, 14 J. 

Lup. nasi, muc. 
nas. et oris. 

Schwester litt an 
Gesichtslupus. 

Phthis. pulmon. et 
laryng. 

307 

H. Elise, 46 J. 

Lup. brac. d. 

Keine. Hered. 

— 

308 

J. Regina, 11 J. 

Lup. nas., muc. 
nas. et oris. 
Scroph. 

Vater an Schwind¬ 
sucht gest. 

Drüsenschw. 

309 

K. Helene, 38 J. 

L. fac. et man. 
d. conjunct. d. 
muc. nasi et 
oris. Scroph. 
fern. sin. 

Kalter Abscess 
im Rücken. 

Vater hustet. 

Abgeh. Karies der 
recht. Hand. Drü¬ 
senschw. Spitzen- 
kath. 

310 

K. Bertha, 36 J. 

L. nas. et muc. 
nasi. 

Eine Schwester litt 
an Drüsen. Als 
Kind Augenentz. 

Drüsenschw. 

311 

P. Kath., 19 J. 

Lup. fac. Scroph. 

Vater an Brustfieber 
gest. Mutterstarb 
an Schwinds. Als 
Kind Augenentz. 

Mac. corneae utr. 
Dacryocyst. dupl. 
Drüsenschw. 

312 

Sch. Kath., 30 .T. 

Lup. fac muc. 
nas. et oris. 

Mutter an Phthise 
gest. 

Spitzenkath. Drfi- 
senschwell. 

313 

T. Lina, 39 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

— 

314 

T. Christine, 31J. 

Lup. fac. et corp. 

Ein Bruder an Hüft- 
gelenksentz., einer 
an Meningit. gest. 

Drüsenschw. 

315 

U. Anna, 20 J. 

Lup. nas. muc. 
nas. et oris. 

Vater an Lungen- 
entz. gest. 

Drüsenschw. Phthis. 
laryng. 

316 j V. Christine, 16 J. 

i 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. Als 
Kind Augenentz. 

Dacryocyst. sin. 
Drüsenschw. 

317 

W. Marg., 13 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. Früher 
Drüsen. 

Drüsenschw. 

318 

B. Christine, 31J. 

Lup. nasi. 

M ehrere Geschwister 
des Vaters an 
Phthise gest. Als 
Kind Augenentz. 

Leukom d. rechten 
Cornea. Phthis. 
pulm. 

319 

B. Gertr., 18 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Mutter an Phthise, 
Schwester an Kno- 
chenfrass gest. Als 
Kind Drüsen. 

Drüsenschwellung. 
Phthis. (?) pulm. 

320 

D. Sophie, 58 J. 

L. nas. et muc. 
nas. 

Mutter an Phthise 
gest. 

Drüsenschwellung. 
Spitzen affekt. 

321 

i 

E. Helene, 13 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. Scrophul. 

Mutter hustet. 

_ - • 

322 

1 

E. Elis., 14 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

Keine Hered. 

Spitzentiefstand. 

323 

E. Josephs, 46 J. 

1 

Lup. genital, et 
ani. 

i 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. Bruder 
und Schwester des 
Vaters an Brust¬ 
wasser gest. 

Drüsenschwellung, 
Phthis. pulmon. 


Digitized by 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





29J 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


187 


Name und Alter 
des Pat. 


Diagnose 


Anamnese 


Status praesens 


324 F. Gertr., 33 J. Lup. fac. 

325 G. Adele, 13 J. Lup. fac. 

326 H. Marg., 8 J. Lup. fac. 

327 H. Elise, 18 J. Lup. hyp. fac. 


328 H. Christine, 19J. Lup. nas., muc. 

nas. et oris. 

329 K. Emma, 12 J. Lup. fac. et muc. 

nasi. 

330 K. Kath., 19 J. Lup. nas. et muc. 

! nas. 

3311 K. Charlotte, 66 J. Lup. fac. 


332 K. Marg., 24 J, ! Lup. muc. oris. 

| Scroph. sanat. 

333 L. Anna, 64 J. j Lup. brach, d. 

334 L. Anna, 12 J. Lup. fac. Scropb. 

j colli. 

335 O. Helene, 51 J. | Lup. fac. 


336 : P. Anna, 23 J. j Lup. fac. et muc. 

I | nas. 

337 j R. Karoline, 34 J. j Lup. fac. et muc. 


338 Sp. Kath., 32 J. Lup. nas. et muc. 

nasi. 

339 St. Elise, 55 J. Lup. nasi. 


340 ! v. S. Dina, 27 J. Lup. fac. et corp. 
j | L. conj. sin. 


Mutter an Phthise DrOsenschw. Mac. 
gest. corn. utr. 

Grossvater an Hy- DrOsenschw. 
drops gest. 

Keine Hered. DrOsenschw. 

Vater an Phthise DrOsenschw. Phthis. 
gest. 2 Geschw. pulmon. Fungus 
der Mutter und 2 genu d. 

Geschw. d. Pat. 
starb, an Phthise. 

Eine Schwester d. 

Mutter leidet an 
Hämoptoe. 

Mutter an Schwind- — 

sucht gest. In d. 

Kindh. A ugenentz. 

Keine Hered. — 

Vater an Schwind- DrOsenschw. 
sucht gest. 

Mutter an Wasser- DrOsenschw. 
sucht und Fuss- 
gelenkseiter gest. 

Mann an Phthise 
gest. 

Mutter an Brustkr. | Ulc. corn. d. Drü- 
gest. I senschwell. 

Keine Hered. j — 

Grossvater litt an DrOsenschw. 

Lupus. 

Vater, Mutter, 2 Phthis. pulm. 

Brüder des Vaters, 
eine Schwester d. 

Mutter, ein Bruder 
d. Pat. an Phthise 
gest. Mann starb 
an Phthise, mehr. 

Geschwist. leiden 
an Drüsen. 

Mutter an Brust- Dacryoc. sin. 
wasser gest. Als 
Kind Drüsen. 

Als Kind Hornhaut- Drüsennarben. Leu- 
entz. com. com. d. 

Phthis. pulmon. 

Keine Hered. — 

Vater, Mann und 2 | — 

Kinder an Phthise I 
gest. | 

Als Kind Drüsen u. , — 

Augenentz. 


Phthis. pulm. 


Digitized fr, 


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Original fro-m 

UN1VERSITY OF MINNESOTA 




188 


Carl Grouven. 


[20 


Digitized by 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens s 

841 

W. Marg., 25 J. 

Lup. fac. et corp. 

_ 

Drüsen. Spitzentief- 




stand. 

342 

W. Johanna, 13 J. 

Lup. nasi et muc. 

Vater an Phthise 

Drüsenschw. 


nas. 

gest. Bruder leidet 
an Drüsen. 



343 

W.Karoline,22J. 

Lup. muc. nas. 

Vater an Blutsturz 

Drüsenschw. 



gest. 


344 

B. Cficilie, 17 J. 

Lup. fac. muc. 

! Mutter hustet. 

Drüsenschwellung. 



nas. et oris. 


Spitzenaff. links. 

345 

B. Maria, 17 J. 

Lup. fac. et muc. 

i Eeine Hered. 

Drüsenschw. 



nasi. 



346 

Ch. Magd., 66 J. 

Lup. fac. et 

Keine Hered. 

— 



Carcin. 



847 

C. Anna, 20 J. 

Lup. fac. muc. 

Vater litt an Drüsen. 

Drüsenschw. 



nas. et oris. 



348 

D. Kath., 27 J. 

Lup. fac. muc. 

Vater hustet. 

Drüsenschw. Mac. 



nas. et conj. 


corn. sin. Spitzen- 



utr. 


aff. rechts. 

349 

D. Magd., 13 J. 

Lup. fac. et muc. 

Eeine Hered. 

— 



nas. 



350 

E. Josepha, 17 J. 

Lup. nas. et muc. 

Eine Schwest. leidet 

Spitzenaffekt, links. 


nasi. 

an Tränenfistel u. 
Gesichtslupus. 

Drüsenschw. 


351 

F. Johanna, 10 J. 

Lup. nas. et muc. 

Eeine Hered. 

Ulcus corn. d. 


nas. 


Spitzenaff. rechts. 
Drüsenschw. 


352 

H. Anna, 10 J. 

Lup. fac. et auric. 

Keine Hered. 

— 



utr. 



353 

K. Elis., 24 J. 

Lup. fac. muc. 

Vater an Lungen- 

Phthis. laryng. 



nas. et oris. 

entz. gest. 

354 

K. Emilie, 16 J. 

Lup. fac. et corp. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

355 

K. Earoline, 32 J. 

Lup. fac. et muc. 

— 

— 



nas. 



356 

K. Amalie, 11 J. 

Scroph. fac. 

Eeine Hered. 

Drüsenschw. 

357 

K. Elise, 37 J. 

Lup. hyp. fac. et 

Vater an Schwind¬ 

Drüsenschw. 



auric. sin. 

sucht gest. 


358 

E. Luise, 44 J. 

Lup. brach, sin. 

Keine Hered. 

— 

359 

E. Marg., 73 J. 

Lup. hyp. ped. 

Mutter an Schwind¬ 

Drüsenschw. 


sin. 

sucht gest. 


360 

E. Maria, 41 J. 

Lup. fac. et muc. 

Vater und ein Bru¬ 

Drüsenschw. 


nas. 

der an Schwinds. 



i 


gest. Ein Bruder 
leidet an Schwind¬ 



j 


sucht. 


361 

O. Helene, 22 J. 

Lup. fac. 

Eeine Hered. 

Spitzenaff. rechts. 

362 

P. Anna, 12 J. 

Lup. fac. Scroph. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

363 

P. Gertr., 18 J. 

Lup. et Scroph. 

Eeine Hered. Als 

Spitzenaff. links. 


i 

fac. L verr. 
antibr. sin. et 
ped. d. 

Kind Augenleiden. 


i 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



31] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


189 


Nr. 

Name and Alter 
des Pak 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

364 

P. Gertr., 73 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. Carcin. 
front. 

Keine Hered. 

Emphysem. 

365 

Sch. Kath., 14 J. 

Lup. brach, utr. 
Scroph. fac. 

Mutter leidet an 
einer Gaumenper- 
forat. 

Caries man. d. 
Drüsenschw. 

366 

Sch. Apollonia, 

19 J. 

Lup. nasi. 

Keine Hered. 

Kerat. superfic. d. 

367 

Sch. Auguste, 

27 J. 

Lup. nasi. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

368 

Sch. Klara, 16 J. 

Lup. fac. et ped. 
sin. 

Schwester an Wir¬ 
belkaries u. Fun¬ 
gus pedis gest. 

Caries oss. zygotn. 
san. 

369 

Sch. Elise, 11 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. Habi¬ 
tus phthis. 

370 

S. Susanne, 41 J. 

Lup. fac. et corp. 
Care, colli. 

— 

Spitzen aff. rechts. 

371 

T. Bertha, 18 J. 

Lup. man. d. 

Schwester starb an 
Schwinds. 

SpitzenafF. 

372 

W. Kath., 18 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

— 

373 

y. Z. Luise, 20 J. 

Lup. fac« et muc. 
nas. 

Vater und Mutter 
an Lungenentz. 
gest. 


374 

B. Kath., 13 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

! Spitzenaff. rechts. 
Drüsenschw. 

375 

B. Anna, 26 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Vater hustet. Als 
Kind Augenloid. 

Dacryoc. Spitzen- 
' aff. links. 

376 

D. Emilie, 13 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

— 

| Spitzenaff. links. 

377 

E. Elis., 18 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

— 

j Phthis. pulmon. 

378 

E. Helene, 31 J. 

L. fac. et corp. j 
Scroph. ped. 

— 

1 Caries man. d. 
Phthis. pulm. 

379 

F. Josepha, 11 J. 

Scroph. fac. 

Bruder leidet an 
Wirbelkaries. 

Drüsenschw. 

380 

F. Albertine, 

36 J. 

i 

Lup. nas. muc. 
nas. et oris. 

1 Bruder an Schwind - 
1 sucht gest. Als 
Kind Drüsen. 

Spitzenaff. links. 

381 

H. Anna, 21 J. 

Lup. fac. et corp. 
et muc, oris. 

Vater leidet an 
Phthise. 

Phthis. pulmon. et 
laryng. 

382 

H. Antoniette, 

52 J. 

Lup. fac. et Care. 

Keine Hered. 

— 

383 

H. Kath., 20 J. 

Lup. nas. muc. 
nasi et oris. 

Keine Hered. 

i 

1 Spitzenaff. links. 

384 

J. Christine, 15 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Spitzenkath. rechts. 
Otit. med. chron. 
dupl. 

385 j 

i 

J. Maria, 46 J. 

Lup. fac. et Care. 

2 Schwestern an 
Brustleiden gest. 

— 


Digitized b' 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



190 


Carl Grouven. 


132 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

386 

J. Gertr., 52 J. 

Lup. muc nas. 

1 

Spitzenaff. rechts. 

387 

K. Kath., 29 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

V ater u. 2 Gesch wist, 
an Phthise gest. 

Drüsenschwellung. 
Phthis. pulmon. 

388 

K. Maria, 16 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Bered. 

Drtisenschw. 

389 

K. Sophie, 25 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Vater an Phthise 
gest. Als Kind 
Drüsen. 

Drüsenschw. 

390 

L. Bertha, 35 J. 

Lup. nasi. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

391 

M. Alwine, 11 J. 

Lup. fac. et cubit. 
utr. 

Keine Hered. 

Phthis. pulm. Ky- 
phos. e Carie. 
Drüsenschw. 

392 

M. Christine, 

49 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Spitzenaff. links. 

393 

M. Gertr., 22 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Spitzenkath. rechts. 
Dacryoc. d. Drü¬ 
senschw. 

394 

M. Kath., 15 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. Als 
Kind Augenentz. 

Dacryocyst. d. 
Spitzenaff. rechts. 

395 

M. Elise, 34 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. Als 
Kind Drüsen. 

Drüsenschw. 

396 

O. Franziska, 

29 J. 

Lup. fac. corp. 
et muc. oris. 

Keine Hered. 

Phthis. pulm. 

397 

R. Maria, 16 J. 

Lup. fac 

Keine Hered. 

Dacryoc. d. Drüsen- 
schwell. 

398 

R. Anna, 27 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

Keine Hered. 

i 

! Phthis. pulm. 

399 

Sch. Math., 38 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

— 

400 

Sch. Anna, 28 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Eltern an Phthise 
gest. Als Kind 
Augenentz. 

Spitzenaff. links. 

401 

Sch. Gertr., 32 J. J 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

Keine Hered. 

— 

402 

Sch. Elis., 39 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Mutter an Phthise 
gest. 

Phthis. pulm. Drü¬ 
senschw. 

403 

S. Anna, 14 J. 

Lup. antibr. sin. 
et crur. utr. 

Keine Hered. 

— 

404 

S. Kath., 18 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

Drüsenschw. 

405 

S. Kath.. 48 J. 

Lup. fac. crur. 
sin. muc. oris 
Scroph. fac. 

Keine Hered. Als 
Kind Drüsen- u. 
Augenentz. 

Spitzenkath. rechts. 
Leucoma adh. beider¬ 
seits, Drüsenschw. 

406 

W. Anna, 9 J. 

Scroph. cap. 

Keine Hered. 

Caries oss. front. 
Phthis. pulm. 

407 

W. Christine, 

18 J. 

Lup. nas. 

| Keine Hered. 

Spitzenaff. rechts. 

408 

W. Jda. 16 J. 

Lup. fac. et muc. 
i nas. 

Keine Hered. 

1 1 

Dacryoc. dupL mac. 
com. utr. 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



33] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


191 


Nr. 

i 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

1 

Anamnese 

i 

Status praesens 

409 

B. Marg., 42 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Vater u. Schwester 
an Phthise gest. 

Spitzenaff. rechts. 

410 

B. Joseph ine, 19 J. 

Lup. nas. muc. 
nas. et oris. 

Vater an Lungenl. 
Schwester an Me¬ 
ningitis gest. Eine 
Schwester leidet 
an Drfisen. 

Phthis pulm et 
laryngis. Drüsen¬ 
schwellung. 

411 

B. Elise, 13 J. 

Lup. fac. et 
antibr. d. L. 
muc. nasi et 
oris. 

Vater lungenleid. 

Spitzenaff. links. 

412 

F. Anna, 52 J. 

L. verr. man. sin. 

Vater an Phthise 
gest. 

Phthis. pulm. 

413 

G. Anna, 25 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Spitzenaff. rechts. 

414 

G. Anna, 27 J. 

Scroph. fac. 

Keine Hered. 

Phthis. pulm. Drü¬ 
senschwellung. 

415 

H. Kath., 17 J. 

Lup. man. sin. et 
auris d. 

Schwester starb an 
Lungenl. 

_ 

416 

H. Wilhelmine, 

21 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Mutter leidet an 
Phthise. Als Kind 
Drüsen u. Augen¬ 
entzündung. 

Spitzenaff. rechts. 

417 

H. Anna, 25 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Spitzenaff. rechts. 

418 

H. Elise, 18 J. 

Lup fac. 

10 Geschwister früh 
an Husten, Brust- 
entz. u. Durchfall 
gest. 

Spitzenaff. rechts. 
Drüsenschw. 

419 

H. Anna, 51 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Schwester hustet. 

— 

420 

E. Elise, 24 J. 

L. verr. antibr. 

Qin 

Keine Hered. 

Spitzenaff. links. 

421 

K. Christine, 18 J. 

L. nasi, muc. nasi 
et oris 

Mutter u. Schwester 
gest. an Phthise 

1 Phthis. pulmon. et 
| laryng. 

422 

K. Sibilla, 31 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

423 

K. Anna, 33 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Bruder gestorben an 
Phthise. 

Dacryoc. d., Spitzen¬ 
affektion links. 

424 

K. Maria, 37 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Grossvater, Vater u. 
Bruder gest. an 
Phthise, 6 Kinder 
gest. an Skroful. 

Spitzenaff., rechts. 

425 

M. Agnes, 13 J. 

Scroph. fac 

Mutter leidet an Ge- 
sichtölup. Früher 
Augenentz. 

Spitzenaffek. rechts, 

| Drüsenschwellung. 

426 

M. Maria, 21 J. 

Scroph. fac. 

Mutter leidet an 
Lupus d. Nase. 

j Drüsenschwellung. 

427 

N. Anna, 15 J. 

Lup. nas. 

Keine Hered. 

| — 

428 

R. Marg., 25 J. 

j Lup. fac. muc. 
j nas et oris 

Keine Hered. 

i 

1 Dacryocystitis d. 
Drüsenschwellung. 


Digitized b' 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



192 


Carl Grouven. 


Digitized by 


134 


Nr. 

Name und Alter 

Diagnose 


Status praesens 

des Pat. 

Anamnese 

429 

S. Anna, 31 J. 

Lup. muc. nas. 

Schwester gest. an 

Drüsenschwellung. 



Schwindsucht. 

430 

S. Maria, 21 J. 

Lup. fac. et muc. 

Keine Hered. 

Spitzenaffek. rechts. 



nas. 



431 

Sch. Kath., 19 J. 

Lup. nas et muc. 

Vater hustet. 

Spitzen affe k. rechts, 


nas. 


Drüsenschwellung. 

432 

Sch. Agnes, 26 J 

Lup. fac. et anti- 

Mutter u. Schwester 

Spitzenaffekt, links, 


brach, utr. 

husten. Als Kind 
Augenentz. 

Caries man. d. san. 


433 

Sch. Kath., 16 J. 

Lup. muc. oris et 

Mutter hustet. 

Phthis. pulm. 



conj. d. 



434 

S. Kath., 20 J. 

Lup. fac. muc. 

Mutter an Phthise 

Spitzenaffek. rechts. 



nas. et oris 

gest. 


435 

T. Maria, 15 J. 

Lup fac. et corp. 

Vater an Phthise 

Conjunct. phyct. sin. 



Scrophul. 

gest. 

Gibbus. Phthis. 
pulm. 

436 

v. d. W. Elise, 

Lup. nas. muc. 

Eltern an Phthise 

Drüsenschwellung. 


30 J. 

nas. et oris. 

gest. 

Spitzenaff. rechts. 
Pnthis. laryng. 

437 

W. Rosa, 20 J. 

L. muc. oris. 

Keine Hered. 

— 

438 

W. Anna, 41 J. 

L. fac. muc. nas. 

Vater an Phthise 

Phthis. pulm. Leu- 



gest. 

coma adh. d. 

439 

Z. Christine, 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Spitzenaff. rechts. 


21 J. 


440 

B. Anna, 12 J. 

Lup. fac. muc. 

Keine Hered. 

Mac. corn. utr. 



nas. et oris. 



441 

V. Veronika, 

Lup. fac. et muc. 

Keine Hered. Rippen- 

Spitzenaff. links. 


40 J. 

nas. 

fellentz. ttberst. 


442 

B. Marg., 10 J. 

Lup. muc. nas. 

Keine Hered. 

Dacryoc. sin. Caries 


Scroph. crur. 
sin. 


oss. nas. sin. 

443 

C. Maria, 25 J. 

Lup. fac. et muc. 

Vater an Brust¬ 

Drüsenschw. 



nas. 

wasser gest. 


444 

F.Josephine, 17J. 

Lup. fac. 

Mutter an Lungen- 

Spitzenaff. rechts. 



entz. gest. 


445 

M. Bertha, 22 J. 

Lup. fac. et muc. 

Vater an Lungen- 

— 



nas. 

entz. gest. 


446 

G. Magd., 20 J. 

Lup. verr. man. 

Vater an Lungen- 

— 



sin. et Scroph. 

entz., Mutter an 




L. hum. sin. 

Phthise gest. Ein 
Bruder litt an Lu¬ 





pus des Gesichts, 
gest., desgl. ein 





lebender Bruder. 


447 

H. Pauline, 14 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. Beginn 

Drüsenschw. 



m. Drüseneiterung. 


448 

H. Kath., 32 J. 

L. verr. man. sin. 

Keine Hered. 

— 



Scrophulod. 



449 

H. Adele, 22 J. 

Lup. fac. 

Eltern an Phthise 

Drüsenschw. 



gest. Seit Kind¬ 
heit Drüsen. 




Go igle 


Original frurn 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




35] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


193 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

450 

K. Luise, 18 J. 

Lup. ped. d. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

451 

K. Kath., 15 J. 

Lup. diss. corp. 
et muc. oris. 

Matter an Phthise 
gest. 

Drüsenschwellung. 

452 

1 

L. Gertr., 9 J. 

Scroph. fac. 

Keine Hered. 

Spitzenaffekt, links, 
Drüsenschw. 

453 

M. Therese, 22 J. 

Scroph. fac. 

Keine Hered. 

— 

454 

N. Anna, 27 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Phthise 
gest. 

— 

455 

Sch. Helene, 22 J. 

Scroph. auris sin. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

456, 

Sch. Helene, 27 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Spitzenaffekt., links. 

457 

T. Anna, 26 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. Als 
Kind mehrfach 
kalte Abscesse 

Spitzenaffek., rechts. 
Phthiais laryng. 
Drüsenschw. 

458 

B. Marg., 22 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

459 

B. Maria, 12 J. 

Lujj.’fac. et brach, 
sin. L. muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Otitis med. sin. Ulcus 
corn. sin, 

460 

B. Maria, 13 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

— 

461 

H. Kath., 26 J. 

Scrophuloderm. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

462 

H. Magd., 61 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

468 

J. Gertr., 11 J. 

Scroph. fac. 

Mutter an Phthise 
gest 

Als Kind Augenentz. 
Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

464 

K. Gertr., 23 J. 

Scroph. fac., Lup. 
nas. et muc. 
nas. 

— 

465 

L. Marg., 26 J. 

Lup. nas. muc. 
nas. et oris 

Mutter an Phthise 
gest 

Dacryocystitis d. 
Drüsenschw. 

466 

M. Marg., 28 J. 

Lup. sero. man. 
et antibr. sin. 

Vater gest. an Brust¬ 
wassers. 

— 

467 

Sch. Kath.. 18 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Eltern u. Schwester 
gest. an Phthise 

Dacryoc. sin. Ulcera 
corn. sin. 

468 

Sch. Mina,“5 J. 

Scrophuloderm. 

Keine Hered. 

Rhinitis chron. 
Drüsenschw. 

469 

Sch. Wilhelmine, 
19 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Drüsenschwelluug. 

470 

W. Christine, 9 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi 

Vater hustet. 

Phthis. pulm. 

471 

E. Kath., 8 J. 

Scroph. fac. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

472 

J. Christine, 17 J. 

Scroph. fac. 

Mutter an Phthise 
gest. 

— 

473 

H. Marg., 35 J. 

Lup. nasi 

Keine Hered. 

— 

474 

H. Marg., 35 J. 

Lup. fac. et corp. 

Keine Hered. 

i 

475 

L. Gertr., 32 J. 

Lup. fac. 

Vater gest. an Brust¬ 
wassers. 

Drüsenschwellung. 

476 

L. Anna, 31 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

477 

R. Sibilla, 18 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

478 

R. Sibilla, 16 J. 

Lup. man. sin. 
Scrophul. san. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. 

I — 


Digitizetf b' 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



194 


Carl Grouven. 


[36 


Digitized by 


Nr. 

_J 

Name und Alter 
des Fat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

479 

Sch. Jettchen, 

13 J. 

Lup. fac* 

Mutter an Lungen- 
entz. gest. Lungen- 
entz. tiberst. 

— 

480 

S. Helene, 54 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

481 

S. Marg., 11 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

482 

Tb. Bertha, 23 J. 

Lup. man. d. 

i 

Zwei Schwestern an 
Schwinde. gest. 
Alle Geschwister 
leiden an Drfisen. 


483 

W. Helene, 21 J. 

Lup. colli. 

Keine Hered. Seit 
Kindh. Drüsen. 

Drüsenschwellung. 
Rhinitis chron. 

484 

B. Anna, 27 J. 

Lup. auric. sin. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. 

— , 

485 

D. Caroline, 18 J. 

Scrophulod. 

Keine Hered. Pleu¬ 
ritis überst. 

Phthis. pulmon. 

486 

F. Josepha, 13 J. 

Scroph. fac. 

Keine Hered. 

Rhinitis ulceroB. 
Blephar. ulceros. 

487 

G. Kath., 29 J. 

Lup. nasi et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

— 

488 

G. Maria, 16 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Schwinds. 
gest. 

— 

489 

H. Susanne, 18 J. 

Lup. fac. 

Vater hustet. 

— 

490 

K. Anna, 11 J. 

Lup. fac. et corp. 

Keine Hered. 

— 

491 

K. Elise, 12 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Dacryoc. sin. 

492 

L. Hulda, 24 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

2 Geschwister an 
Gehirnentz. gest. 

Dacryoc. d. 

493 

Sch. Lina, 20 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

— 

494 

U. Elise, 8 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Eltern husten. Ge¬ 
schwister leiden 
teils an Drüsen, 
teils an Knochen¬ 
erkrankung. 

Fungus ped. d. 

495 

W. Kath. 12 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Keine Hered. 

Mac. corn. sin. 

496 

W. Maria, 14 J. 

Lup. fac. et corp. 

Keine Hered. 

— 

497 

A. Anna, 19 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

498 

B. Magd., 28 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Phthise 
gest. 

— 

499 

B. Maria, 18 J. 

Lup. fac. muc. 
nasi et oris. 

Bruder an Phthise 
gest. 

— 

500 

D. Joh., 8 J. 

Scrophulod. 

Mutter litt an Drü¬ 
sen. 

— 

501 

D. Marg., 20 J. 

Lup. verr. crur. 
utr. 

Keine Hered. 

— 

502 

D. Sophie, 13 J. 

i 

Lup. fac. 

Vater an Phthise j 

gest. 

1 

Phthis. pulm. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



37] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophulodenna. 


195 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

i 

Status praesens 

503 

E. Maria, 41 J. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. nasi. 

Keine Hered. 

Multiple tnbercul. 
Arthritis. 

504 

F. Dora, 26 J. 

Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 

Vater an Phthise 
gest. 

Drüsenschwellung. 

505 

F. Maria, 8 J. 

Lup. fac. 

Vater an Phthise u. 
Gehirnentz. gest. 

Drüsenschwellung 

506 

G. Barb., 17 J. 

Lup. fac. 

Bruder leidet an 
Drüsen. 

Drüsenschwellung. 

507 

H. Anna, 37 J. 

Lup. nas. et muc. 
nasi. 

Mann an Phthise 
gest. Pleuritis 
überstanden. 

Phthisis pulm. 

508 

H. Mina, 26 J. 

Lup. fac. et conj. 
sin. 

Vater u. 5 Geschwi¬ 
ster an Phthise 
gest. 

Conjunct. phlyctaen. 
sin. Drüsenschw. 

509 

H. Maria, 16 J. 

i 

Lup. antibrach, 
sin. 

Früher wegen Scro- 
phulod. behandelt. 
Keine Hered. 


510 

I 

E. Anna, 27 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

— 

511 

K. Magd., 12 J. 

Lup.fac.muc. nas. 

1 etconjunct.sin. 

Vater an Lungen- 
entz. gest., früher 
Drüsen u. Augen¬ 
leiden. 

Pannus oc. utr. 
Drüsenschwellung. 

512 

L. Anna, 60 J. 

Lup. fac. et colli. 

Keine Hered. Früher 
Drüsen. 

Drüsenschwellung. 

513 

M. Elise, 15 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

514 

N. Doroth. 33 J. 

Lup. fac. muc. 
nas et oris. 

Keine Hered. i 

Dacryoc. sin. 

515 

Sch. Helene, 17 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Keine Hered. j 

i 

— 

516 

O. Henriette, 18 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

— 

517 

E. Elise, 20 J. 

Lup. muc. nas. 

Vater hustet. Als 
Kind augenleid. 

Phthis. pulm. 

518 

O. Franziska, 

51 J. 

Lup. nas. muc. 
nas. et oris. 

Keine Hered. 

— 

519 

P. Martha, 24 J. 

Lup. fac. corp. et 
muc. oris. 

Keine Hered. 

— 

520 

A. Klara, 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

521 

B. Johanna, 54 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

522 

B. Gertr., 27 J. 

Lup. fac. 

Mann litt an Lupus 
u. starb an Phthis. 
pulm. et laryng. 
Ein Kind an tuber- 
kul. Hautausschl. 
gest. 

Tuberc. urogenit. 

523 

F. Adolfine, 17 J. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 

Keine Hered. 

— 

524 

G. Christine, 24 J. 

Lup. antibr. utr. 

Mutter an Phthise 
gest. 

1 



Digitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



196 


Carl Grouven. 


[38 


Digitized by 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

525 

H. Mathüde, 57 J. 

Lup. fac. et corp. 
Scroph. fac. 

Keine Hered. 

— 

526 

H. Louise, 24 J. 

Lup. fac. 

Mutter an Lungen¬ 
leiden gest. 

Drüsenschwellung. 

527 

H. Emma, 19 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

528 

K. Elis., 15 J. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. oris. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

529 

Sch. Marg., 17 J. 

Lup.nasi, Scroph. 
colli 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

530 

Sch. Karl, 6 J. 

Lup. verr. colli. 

Keine Hered. 

_ 

531 

Sch. Maria, 24 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

532 

E. Helene, 40 J. 

Lup. fac. et 
pedis. d. 

Mutter an Phthise 
gest. 

Phthis. pulm. 

583 

F. Helene, 18 J. 

Lup. fac. 

Schwester leidet an 
Lupus. 

— 

534 

F. Amalie, 25 J. 

Lup. nas, et muc. 
nas. 

— 

Drüsenschwellung. 

535 

H. Magd., 18 J. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Vater an Schwinds. 
gest. Im 10. Jahre 
Coxitis sin. mit 
Fistelbildung. 

Coxitis sin. san. 

536 

H. Amalie, 25 J. 

Lup. verr. brach, 
sin. et corp. 

Keine Hered. Zahl¬ 
reiche Scrophul.- 
Narben. 

Caries brach, sin. 

537 

J. Justine, 41 J. 

Lup. fac. 

Eltern u. Schwestern 
an Phthise gest. 

Drüsenschwellung. 
Tuberc. pulmon. 

538 

K. Maria, 18 J. 

Lup. nasi. 

Vater an Phthise 
gest. 

— 

539 

K. Therese, 28 J. 

Lup. fac. et corp. 
L. muc. oris. 

Keine Hered. 

; - 

540 

L. Anna, 50 J. 

Lup. aur. d. 

Keine Hered. 


*41 

S. Marg., 13 J. 

Lup. nas. muc. 
nas. et oris. 

Keine Hered. 


542 

Sch. Gert., 54 J. 

Lup. verr. anti- 
br. sin. 

Mutier an Sch winds. 
gest. Vor 1 Jahr 
wegen Fungus 

man. d. operiert. 

Phthis. pulm. 

543 

Sch. Kath., 23 J. 

Lup. verr. antibr. 
aextr. 

Keine Hered. 

— 

544 

ß. Kath., 19 J. 

Lup. muc. oris. 

Keine Hered. 

Phthis. laryng. et 
pulmon. 

545 

D. Gertr., 17 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

Vater an Lungen¬ 
leiden gest. Ge- 
schw. leiden an 
Drüsen. Vielfach 
Augenentz. 

Dacryocystitis sin. 
Spftter gestorben 
an Miliartuberkul. 

546 

D. Maria, 21 J. 

Lup. muc. nas. et 
oris. 

Keine Hered. 

— 

547 

K. Anna, 9 J. 

Lup. fac. et muc. 
nas. 

Keine Hered. 

Kyphosis e CanV 
Phthis. (?) pulm. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



39] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophulodenna. 


197 


Name und Alter 
des Pat. 


Diagnose 


Anamnese 


Status praesens 


548 E. Elise, 53 J. Lup. fac. et muc. 

nas. 

549 K. Emma, 18 J. Lup. fac. et 

femor. d. 

550 N. Magd., 48 J. Lup. nas. et muc. 

nas. 

551 S. Christine, 19 J. Luj>. fac. et brach. 

sin. 

552 S. Kath., 55 J. Lup. fac. 

553 A. Klara, 14 J. Scroph. fac. 


554 B. Anna, 19 J. Lup. nasi et muc. 

oris. 

555 B. Gertr., 41 J. Lup. fac. 

556 D. Elise, 28 J. Lup. fac. 

557 H. Marg., 27 J. Lup. fac. et brach. 

d. et muc. oris. 

558 H. Susanne, 18 J. Lup. fac. 


Keine Hered. Seit | Drüsensch wellung. 

Kindh. Drüsen. i 
Keine Hered. I 


Keine Hered. 1 

Aus Drüsen entst.! 
Keine Hered. 

Vater an Lungen¬ 
leiden gest. 

An gleicher Stelle 
früher Lupus. Ex- 
cision. Scroph. in 
der Narbe. Keine 
Hered. 

Mutter an Lungen- 
krankh. gest. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 

Keine Hered. 


Drüsenschwellung. 


Spina vent. dig. III. 
man. d. 

Phthis. pulm. gest. 

an Muiartuberk. 
Caries oss. zyg. d. 
san. Scroph. fac. 
san. 


559 H. Christine, 17 J. 


Lup. fac. muc. 
nas. et oris. 


Keine Hered. 


560 H. Emma, 20 J. Lup. fac. 


561 H. Karl., 46 J. 

562 M. Anna, 19 J. 

563 Sch. Elise, 28 J. 

564 Sch. Emma, 20 J. 

565 T. Kath., 11 J. 


Lup. nas. et muc. 
nas. 

Lup. nas. et muc. 
nas. 

Lup. nas. et corp. 
L. muc. nasi. 

Lup. hyp. fac. et 
corp. 

Lup. nasi et 
antibr. sin. L. 
muc. nasi et 


Vater an Phthise — 

gest. 

Vater an Lungen- Mac.corn.d.(Iridect.) 

leiden gest. Phthis. oc. sin. 

Heine Hered. — 

Keine Hered. — 

Keine Hered. — 

Mutter an Lungen- Phthis. bulb. sin. 
leiden gest. Dacryoc. sin. 


566 W. Christine, 

64 J. 

567 B. Klara, 24 J. 

568 D. Klara, 19 J. 


569 I F. Maria, 22 J. 


Lup. fac. 


Keine Hered. 


Lup. fac. et corp. Keine Hered. 


Lup.fac.muc. nas. 
et conj. dextr. 
Scroph. fac. et 
colli. 

Lup. fac. et muc. 
oris. 


Vater an Phthise 
gest. 


Keine Hered. 


Zahlreiche Scroph u- 
lodermanarben. 


Drüsenschwellung. 
| Habit, phthis. 


Digitized fr, 


Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




198 


Carl Grouven. 


[40 


Nr. 

Name und Alter 
des Pat. 

Diagnose 

Anamnese 

Status praesens 

570 

J., Karoline, 25 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

_ 

571 

K. Wilhelmine, 

24 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

572 

L. Barb., 47 J. 

L. fac. et corp. 
L. muc. oris. 

Bruder an Fungus 
pedis gest. 

Habit, phthis. Phthis. 
pulraon. 

573 

M. Elise, 12 J. 

Lup. et Scroph. 
fac. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

574 

U. Elise, 11 J. 

Keine Hered. 

Drüsenschwellung. 

575 

R. Johanna, 27 J. 

Lup. fac. et 
corp. 

Vater an Phthise 
gest. 

— 

576 

R. Kath., 14 J. 

Lup. fac. et 
colli. 

Keine Hered. 

— 

577 

Sch. Gertr., 36 J. 

Lup. fac. 

Vater an Schwinds. 
gest. Im Alter v. 
2 J. kalter Abscess 
am linken Ober¬ 
schenkel. 


578 

Sch. Anna, 7 J. 

Lup. fac. et corp. 
Scrophulod. 

Mutter an Phthise 
gest. 

— 

579 

Sch. Kath., 20 J. 

Lup. fac. 

Keine Hered. 

— 

580 

Sch. Wilhelmine, 
21 J. 

Lup. fac. 

Bruder an Knochen¬ 
tuberkulose gest. 
Lungenent. überst. 


581 

Sch. Lina, 42 J. 

Lup. fac. 

Vater an Larynx- 
phthise, Mutter 
an Lungenphtbise 
gest. 1 Schwester 
leidet an Drüsen. 
Entstanden nach 
Drtisenexstirpat. 

Drüsenschw. 

582 

S. Gertr., 26 J. 

Lup. fac. et muc. 
nasi. 

2 Schwestern gest. 
an Lungenleiden. 

1 Schwester leidet 
an Gelenktuberk. 
Entstanden aus 
incid. Drüsenabsc. 

Drüsenschw. 

583 

S. Maria, 21 J. 

L. nasi et crur. 
sin. L. muc. 
nas. et oris. 
Scroph. crur. 
sin. 

Keine Hered. 

Lungen u. Gehirn- 
entz. überstand. 


584 

W. Susanne, 17 J. 

Lup. fac., muc. 
nas. et oris. 

Vater hustet. 

— 

585 

Z. Kath., 37 J. 

| 

1 

Lup. fac. et man. 
utr. Scroph. 
brach, sin. 

Mutter an Schwind¬ 
sucht gest. Vater 
leidet an Hämo¬ 
ptoe. Brud.lungen- 
leidend. Schwester 
lungenleidend und 
verwachsen. 

1 

Phthis. (?) pulmon. 
Rechter kleiner 
Finger exartic. 

wegen Caries (?) 
Fungus cub. sin. 

1 


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41] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


199 


Das gesamte Material der Bonner dermatologischen Klinik an 
Lupus and Scrophaloderma während des Zeitraumes vom 1. Oktober 
1885 bis zum 1. April 1902 beziffert sich auf 1130 Fälle (490 Männer 
und 640 Weiber). 

Hiervon kamen 584 Fälle (250 Männer und 334 Weiber) zur 
Aufnahme, 546 Fälle (240 Männer und 306 Weiber) wurden nur 
poliklinisch beobachtet. 

- Von den letzteren sind 368 Fälle statistisch nicht zu verwerten, 
da sich bei denselben keine ausreichende Notizen über die hier in 
Betracht kommenden Verhältnisse vorfinden. Es sind dies 292 Fälle 
von Lupus (134 Männer und 148 Weiber) 55 Fälle von Scrophuloderma 
(27 Männer und 28 Weiber), 21 Fälle von Lupus und Scrophuloderma 
(11 Männer und 10 Weiber). 

Auch die übrigen poliklinischen Fälle habe ich geglaubt gesondert 
von den klinisch behandelten statistisch verarbeiten zu sollen, weil 
naturgemäss auch bei jenen die betreffenden Angaben nicht auf das 
Maas von Vollständigkeit Anspruch machen können, wie es bei den 
stationär behandelten Kranken erreichbar war. 

Die verwertbaren 178 Fälle der Poliklinik umfassen: 136 Fälle 
von Lupus (48 Männer und 88 Weiber), 25 Fälle von Scrophuloderma 
(12 Männer und 13 Weiber), 17 Fälle von Lupus und Scrophuloderma 
(8 Männer und 9 Weiber). 

Von den 153 Fällen von Lupus war bei 129 nur die äussere 
Haut befallen (51 Männer und 78 Weiber), bei 4 Weibern nur die 
Schleimhaut, bei 20 Fällen (5 Männer und 15 Weiber) Haut und 
Schleimhaut affiziert. 

Betrachten wir die gesamten hier in Betracht kommenden 
178 Fälle (68 Männer und 10 Weiber) auf ihre Beziehung zu sonstiger 
Tuberkulose, so ergibt sich folgendes: 

Hereditäre Belastung und anderweitige Tuberkulose bei den Pa¬ 
tienten selbst oder deren nächsten Angehörigen fand sich bei 8 Män¬ 
nern (11,73 %), 21 Weibern (19%) = 29 Fällen (16,3%); Heredität 
allein bei 14 Männern (20,59%), 23 Weibern (21%) = 37 Fällen 
(20,8 %); anderweitige Tuberkulose allein bei 36 Männern (53 %), 
57 Weibern {51,8 %) = 93 Fällen (52,25%); weder Heredität noch 
anderweitige Tuberkulose bei 10 Männern (14,7%), 9 Weibern (8,2 %) 
= 19 Fällen (10,68 %); somit Heredität oder anderweitige Tuber¬ 
kulose bei 85,3 % der Männer, 93,8 % der Weiber = 80,32 °/o aller 
Fälle. 

Sondern wir dis 178 Fälle in solche von Lupus, Scrophuloderma 
und Lupus kompliziert mit Scrophuloderma, so ergibt sich: 

Beitrftge eut Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 2. 14 


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Carl Grouven. 


|42 


2<K) 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: ad I. bei 7 M. (14,6°/o), 16 W. 
(18,2%) = 23 (17 °/o); ad II. bei 0°/o M., 3 W. (23°/o) = 12°/o; 
ad III. bei l M. (12,5°/o), 2 W. (22,22°/o) = 3 (17,65 °/o). 
Heredität allein: ad I. bei 8 M. (16,67°/o), 15 W. (17°/o) = 23 
(16,9%); ad H. bei 5 M. (41,67 °/o), 5 W. (38,46%) = 10 
(40°/o); ad HI. bei 1 M. (12,5°/o), 3 W. (33,33%) = 4 (23,53%). 
Anderweitige Tuberkulose allein: ad I. bei 27 M. (56,25 %), bei 49 W. 
(55,7%) = 76 (56%); ad II. bei 7 M. (58,3%), 5 W. (38,46%) 
= 12 (48%); ad III. bei 2 M. (25%), 3 W. (33,33%) = 5 
(29,4%). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: ad I. bei 6 M. 
(12,5%), 8 W. (9,1%) = 14 (10,3%); ad II. bei 0 M., 0 W.; 
ad III. bei 4 M. (50%), 1 W. (11%) = 5 (29,4%). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: ad I. bei 87,5% M., 
90,9% W. = 89,7%; ad II. bei 100% M., 100% W. = 100%; 
ad III. bei 50% M., 89% W. = 70,6%. 

In 2 Fällen von Lupus der Haut bezw. der Haut und Schleim¬ 
haut war Lupus in der Familie (Mutter bezw. Schwester) nachweisbar. 

Von insgesamt 153 Fällen von Lupus waren 24 (5 M., 19 W.) 
ausschliesslich auf der Schleimhaut lokalisiert oder doch diese mit- 
affiziert. 

Von diesen wiesen auf: 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 2 M. (40%), 3 W. (15,8%) 
= 5 (20,8%). 

Heredität allein: 0 M., 4 W. (21%) = 4 (17%). 

Anderweitige Tuberkulose allein: 3 M. (60%), 10 W. (52,6%) = 13 
(54%). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 0 M., 2 W. (10,5%) 
= 2 (8,3%). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 5 M. (100%), 17 W. 
(89,5%) = 22 (91,7%). 

Demgegenüber ergeben sich für Lupus der Haut ohne Schleim¬ 
hautbeteiligung einschliesslich der mit Scrophuloderma komplizierten 
Fälle folgende Zahlen: 129 Fälle (51 M., 78 W.) davon: 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 6 M. (11,77%), 15 W. 
(19,23%) = 21 (16,3%). 

Heredität allein: 9 M. (17,65%), 14 W. (18%) = 23 (17,8%). 
Anderweitige Tuberkulose allein: 26 M. (51%), 42 W. (53,85%) = 
68 (52,71%). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 10 M. (19,6%), 

7 W. (8,97%) = 17 (13,18%). 


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201 


43] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 41 M. (80,4°/o), 71 W. 
(91,03 °/o) = 112 (86,82» 

Klinisch behandelt wurden während des angegebenen Zeitraumes 
584 Fälle (250 M., 334 W.) von Lupus und Scrophuloderma. 

Diese liefern zusammen betrachtet folgende Zahlen: 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 70 M. (28°/ 0 ), 104 W. 
(31,14» = 174 (29,79 °/o). 

Heredität (inkl. der vorigen): 89 M. (35,6», 125 W. (37,43°/o) = 
214 (36,64 °/o). 

Anderweitige Tuberkulose (inkl. der ersten): 173 M. (69,2», 247 W. 
(74» = 420 (72». 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 58 M. (23,2», 
66 W. (19,76» = 124 (21,23 °/o). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 76,8°/o M., 80,24% W. 
= 78,77%. 

Die 584 klinisch behandelten Fälle setzen sich zusammen aus: 

I. Lupus (nicht kompliziert) 485 Fälle (202 M., 283 W.). 

Davon: 

1. Lupus der Haut 253 Fälle (125 M., 128 W.); 

2. Lupus der Haut und Schleimhaut 224 Fälle (77 M., 147 W.); 

3. Lupus der Schleimhaut 8 Fälle (0, M. 8 W.). 

H. Scrophuloderma (nicht kompliziert) 35 Fälle (14 M., 21 W.). 

IH. Scrophuloderma -J- Lupus 64 Fälle (34 M., 30 W.). 

Davon: 

1. Scr. + Lupus der Haut 39 Fälle (22 M., 17 W.); 

2. Scr. -f* Lupus der Haut und Schleimhaut 23 Fälle (12 M., 
11 W.); 

3. Scr. + Lupus der Schleimhaut 2 Fälle (0 M., 2 W.). 

Die einzelnen Gruppen dieser Fälle ergaben folgende Verhältnis¬ 
zahlen: 

1. Lupus der Haut (nicht kompliziert): 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 34 M. (27,2%), 29 W. 
(22,66%) = 63 (24,9%). 

Heredität allein: 11 M. (9%), 13 W. (10,16%) = 24 (9,48%). 
Anderweitige Tuberkulose allein: 42 M. (33,6%), 52 W. (40,8%) = 
94 (37,1 o/«). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 38 M. (30,4%), 
34 W. (26,5%) = 72 (28,46%). 

Heredität oder anderweitige Tukerkulose: 87 M. (69,7 %), 94 W. 
(73,5%) = 181 (71,54%). 

2. Lupus der Haut und Schleimhaut (nicht kompliziert): 

14* 


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202 


Carl Grouven. 


[44 


Heredität und anderweitige Tuberkulose: 21 M. (27,27%), 58 W. 
(89,46 °/e) = 79 (85,8°/o). 

Heredität allein: 6 M. (7,79 °/o), 2 W. (1,36°/o) = 8 (3,57 %). 
Anderweitige Tuberkulose allein: 38 M. (49,36°/o), 61 W. (41,5°/o) 
= 99 (44,2 °/o). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 12 M. (15,58°/o), 
26 W. (17,7 °/o) = 38 (17°/o). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 65 M. (84,42%), 121 W. 
(82,8%) = 186 (83%). 

3. Lupus der Schleimhaut (nicht kompliziert): 

8 W, 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 3 W. (37,6%). 

Heredität allein: 0%. 

Anderweitige Tuberkulose allein: 3 W. (37,5%). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 2 W. (25%). 
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 6 W. (75%). 

4. Scrophuloderma (nicht kompliziert): 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 5 M. (35,7 %), 5 W. (23,33°/o) 

= 10 (28,6 °/o). 

Heredität allein: 0 M., 2 W. (9,5 %) = 2 (5,7%). 

Anderweitige Tuberkulose allein: 5 M. (35,7%), 13 W. (62%) = 
18 (51,43%). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 4 M. (28,57°/«), 
1 W. (4,76%) = 5 (14,28%). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 10 M. (71,43%), 20 W. 
(95,24'%) = 30 (85,72 °/o). 

5. Scrophuloderma -f* Lupus der Haut: 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 7 M. (31,8%), 6 W. (35,3%) 
=*= 13 (33,33%). 

Heredität allein: 1 M. (4,55%), 2 W. (11,8%) = 3 (7,7°/«). 
Anderweitige Tuberkulose allein: 10 M. (45,45%), 6 W. (35,3%) = 
16 (41%). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 4 M. (18,18%), 
3 W. (17,65%) = 7 (18%). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 18 M. (81,82%), 14 W. 
(82,35 °/o) = 32 (82%). 

6. Scrophuloderma -f- Lupus der Haut und Schleimhaut: 
Heredität und anderweitige Tuberkulose: 3 M. (25%), 2 W. (18,18%) 

= 5 (21,74%). 

Heredität allein: 1 M. (8,33%), 2 W. (18,18%) « 3 (13%). 
Anderweitige Tuberkulose allein: 8 M. (66,66%), 7 W. (63,63%) = 
15 (65,22 %). 


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45] Anderweitige Tuberkulose bei Lupus and Scrophuloderma. 208 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 0 M., 0 W. 
Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 100°/o. 

7. Scrophuloderma -f- Lupus der Schleimhaut: 

2 W. Davon: 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 1 W. (50°/o). 

Anderweitige Tuberkulose: 1 W. (50°/o). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 0°/o. 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 100°/o. 

Sondern wir die Lupusfälle mit oder ohne Scrophuloderma rück¬ 
sichtlich ihrer Lokalisation auf Haut oder Schleimhaut, so ergibt sich: 

1. Lupus der Haut ohne Schleimhautbeteiligung: 

292 Fälle (147 M., 145 W.): 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 41 M. (27,89 ®/o), 35 W. 
(24,14°/o) = 76 (26°/o). 

Heredität allein: 12 M. (8,16"/o), 15 W. (10,34°/o) = 27 (9,24»/o). 
Anderweitige Tuberkulose allein: 52 M. (35,37°/o), 58 W. (40°/o) = 
110 (37,67®/*). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 42 M. (28,57 °/o), 
37 W. (25,56 °/o) = 79 (27®/o). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 105 M. (71,43°/o), 108 W. 
(74,44 ®/o) = 213 (73»/o). 

2. Lupus der Schleimhaut mit oder ohne Lupus der Haut: 
257 Fälle (89 M., 168 W.): 

Heredität und anderweitige Tuberkulose: 24 M. (27°/o), 64 W. (32®/*) 
= 88 (30,35°/*). 

Heredität allein: 7 M. (7,87«/*), 4 W. (2,38®/«) = 11 (4,28°/o). 
Anderweitige Tuberkulose allein: 46 M. (51,68®/o), 72 W. (41®/o) = 
118 (46,9 °/o). 

Weder Heredität noch anderweitige Tuberkulose: 12 M. (13,48 # /o), 
28 W. (16,67 ®/o) = 40 (15,56 °/o). 

Heredität oder anderweitige Tuberkulose: 77 M. (86,52®/o), 140 W. 
(83,33°/*) = 217 (84,44°/o). 

In 15 Fällen von Lupus und 2 Fällen von Scrophuloderma liess 
sich bei den nächsten Angehörigen Lupus konstatieren. 

Dass Lupus und Scrophuloderma Formen der Hauttuberkulose 
darstellen, kann heutzutage als feststehende Tatsache angesehen werden. 

Histologie, Bakteriologie, experimentelle Forschung und klinische 
Beobachtung haben hierfür ein Beweismaterial angehäuft, welches 
notwendigerweise als zwingend angesehen werden muss. 

Zuerst versuchte die Anatomie den Beweis für die tuberkulöse 
Natur des Lupus zu erbringen, und zwar war es Friedländer, der 
auf den Befund von Riesenzellen und epitheloiden Zellen, die nach 


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204 


Carl Grouven. 


[46 


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den Arbeiten von Langhans, Schüppel und Köster als für 
Tuberkulose charakteristisch angesehen wurden, Lupus und Scrophulo- 
derma für Tuberkulose der Haut erklärte. 

Seitdem aber die Riesenzellen auch bei einer grossen Zahl sicher 
nicht tuberkulöser Prozesse nachgewiesen wurde (Köster, Griffini, 
Lukasiewiez) und Ziegler dieselbe sogar experimentell erzeugte, 
musste ihr Vorhandensein notwendigerweise an Beweiskraft für die 
tuberkulöse Natur einer Erkrankung erheblich verlieren. 

Überhaupt zeigt das histologische Bild bei Tuberkulose und 
sicher nicht tuberkulösen Prozessen, wie Syphilis und Lepra, so grosse 
Ähnlichkeiten, dass die pathologische Anatomie allein wohl kaum 
den Tuberkulosecharakter des Lupus hätte mit Sicherheit erweisen 
können. 

Erst die Bakteriologie brachte uns hier einen Schritt weiter 
durch die Entdeckung des Kochschen Tuberkelbacillus. 

Der erste, der Tuberkelbacillen im Lupus nachwies, war D emme- 
Ihm folgten bald darauf Pfeiffer, Doutrelepont, Krause und 
Schuchard. Cornil und Leloir, Lachmann, Koch und Koebner 
bestätigten diese Befunde. 

Jetzt erst war auch der exakten experimentellen Forschung der 
Weg geebnet; und tatsächlich gelang es durch Einbringen voh. Lupus¬ 
partikelchen vorzugsweise in die vordere Augenkammer und in die 
Peritonealhöhle von Kaninchen und Meerschweinchen bei Beobachtung 
aller erforderlichen Kautelen lokale und allgemeine Tuberkulose zu 
erzeugen (Schüller und Hüter, Cornil und Leloir, Martin, 
Pagenstecher und Pfeiffer, Doutrelepont, Koch). 

Koch stellte ausserdem aus Lupus Reinkulturen des Bacillus 
her, die beim Tierexperiment dieselbe Virulenz zeigten wie echte 
Tuberkelbacillen. 

Es kann eigentlich nur verwundern, dass nach diesen exakten 
.Ergebnissen von klinischer Seite (Vidal, Jarisch, Kaposi) immer 
noch Einwendungen gegen die Identität von Lupus und Tuberkulose 
erhoben wurden. Der Einwand, dass die Tuberkulose der Haut schon 
bekannt und klinisch sehr vom Lupus verschieden wäre, ist von 
Doutrelepont zur Genüge widerlegt worden durch den Hinweis 
auf die wenigstens ebenso verschiedenen Manifestationen des syphi¬ 
litischen Viru. 

Das Hauptargument der Gegner basiert nun ausserdem darauf, 
dass es bis jetzt noch nicht gelungen ist, durch Einimpfung von 
Tuberkelbacillen Lupus zu erzeugen. 

Zwar fehlt es nicht an zahlreichen Beobachtungen, bei welchen 
sich die Entstehung von Lupus durch Einimpfung tuberkulösen Ma¬ 



il) riginal from 

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47 ] 


Anderweitige Tuberkulose bei Lupus und Scrophuloderma. 


205 


terials mit einer dem Experiment nahekommenden Wahrscheinlich¬ 
keit annehmen lässt (Leloir, Besnier, Sachs, Jadassohn, 
Wolters). Tatsächlich ist es jedoch noch nicht möglich gewesen, 
absichtlich vulgären Lnpus hervorzurufen, wie es auch trotz aller auf¬ 
gestellten Hypothesen bis jetzt noch an einer vollauf befriedigenden 
Erklärung für diese auffallende Tatsache fehlt. 

Um so wesentlicher muss es demgegenüber erscheinen, auch im 
klinischen Verhalten des Lupus und des Scrophuloderma immer wieder 
auf Momente zu fahnden, die geeignet sind, auf die Beziehung von 
Lupus und Scrophuloderma zueinander und zur Tuberkulose einiges 
Licht zu werfen. 

Von grösster Wichtigkeit müsste es naturgemäss sein, das 
schliessliche Schicksal der Lupuskranken, d. h. ihre Todesursache, 
statistisch festzustellen. 

Volkmann erklärt es zwar für eine Ausnahme, wenn Lupöse 
schliesslich tuberkulös zu gründe gehen. Eine grosse Zahl von Autoren 
konstatierte indessen das Gegenteil (König, Friedländer, Wein- 
lechner, Lailler, Quinquand, Köbner, Böck, Doutrele- 
pont), und zwar muss hier eine besondere Beweiskraft den Fällen 
zugeschrieben werden, in welchen sich anderweitige oder miliare 
Tuberkulose bei einem vordem sonst gesunden Lupösen im Anschlüsse 
an die operative Behandlung des Lupus entwickelte (Aubert, Demme, 
Heiberg, Hall, Doutrelepont). 

Sämtliche Lupuskranke der Bonner Klinik, die bis heute zur 
Autopsie kamen, wiesen auch tuberkulöse Veränderungen innerer Or¬ 
gane auf. Allerdings können diese Befunde nur spärliche sein, da 
erklärlicherweise in einer dermatologischen Klinik nur sehr wenige 
Lupuskranke ihr Dasein beschliessen. 

Mit Hecht hebt Doutrelepont jedenfalls hervor, dass wir im 
Besitze einer Mortalitätsstatistik der lupösen Kranken, sicher viel 
häufiger die Tuberkulose als Todesursache finden würden, als bis 
jetzt angenommen wird. 

Im Einklänge damit steht die Tatsache, dass der Lupus sich 
keineswegs auf Haut und Schleimhaut beschränkt. Wir sehen ihn 
von hier aus in die Tiefe fortschreiten, zuweilen sogar Knochen-Ge¬ 
lenk- und Lymphdrüsentuberkulose erzeugen, wie wir auch umgekehrt 
von den letzteren aus zuweilen echten Lupus der Haut entstehen 
sehen (Volkmann, Schüller, Neisser, König, Köbner, 
Doutrelepont). 

Hierzu kommt noch die keineswegs selten zu beobachtende Tatsache, 
dass sich Lupus und andere Formen der Hauttuberkulose gleich¬ 
zeitig oder in zeitlicher Aufeinanderfolge bei demselben Individuum 


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206 Carl Graaven. Anderweitige Tuberkulose bei Lupus u. Scrophaloderma. [48 


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entwickelten and zwar vielfach in der Nähe oder an der Stelle des 
(excidierten oder sonstwie zerstörten) ursprünglichen Krankheitsherdes. 

In den beigefügten Tabellen habe ich das Material der Bonner 
dermatologischen Klinik vorzugsweise gesichtet nach hereditärer 
tuberkulöser Belastung und dem Vorhandensein anderweitiger tuber¬ 
kulöser Erkrankungen bei den Patienten selbst oder deren nächsten 
Angehörigen, wie dies in ähnlicher Weise schon in einer Reihe von 
Statistiken geschehen ist (Raudnitz, Pick, Pontoppidan, Bes¬ 
nier, Renouard, Neisser, Block, Doutrelepont, Bender). 

Die von mir gefundenen Werte dürften wohl die aller bisherigen 
Autoren noch übertreffen. Zur Erklärung dessen möchte ich mich der 
Worte Wolters bedienen: „Die Statistiken über den Zusammenhang 
von Skrofulöse resp. Tuberkulose, bei gleichzeitig bestehendem Lupus 
sind bis heran noch zu kurze Zeit ins Auge gefasst worden, als dass sie 
Rückschlüsse auf ein seltenes gleichzeitiges Vorkommen gestatten 
Hessen. Im Gegenteil steht zu erwarten, dass, nachdem man unter 
dem Eindruck heute für die Natur des Lupus massgebender An¬ 
schauungen statistisch weiter gearbeitet hat, ein häufiges Zusammen¬ 
treffen dieser verwandten Prozesse wird konstatiert werden können.“ 

Im übrigen brauche ich meinen Zahlen keine weitere Erläuterung 
hinzuzufügen, dieselben reden eine beredte Sprache. 

Erwähnen will ich nur noch, dass der auf der Schleimhaut loka¬ 
lisierte Lupus nicht unerheblich höhere Tnberkuloseziffern aufweist 
als der der äusseren Haut, ein Verhalten, welches mir kein zufälliges 
zu sein scheint. 

Ausserdem ist noch bemerkenswert, die nicht so ganz kleine 
Zahl von Fällen (21), in welchen sich bei den Eltern oder den Ge¬ 
schwistern der betreffenden Patienten gleichfalls Lupus nach- 
weisen liess. Dass der Lupus als solcher sich hereditär gezeigt hätte, 
ist nach Kaposi gar nicht bekannt, ebensowenig, dass er im klinischen 
Sinne ansteckend wäre. Er hält es für eine Rarität, bei mehreren 
Kindern derselben Eltern Lupus zu finden. 

Demgegenüber stehen nun allerdings schon eine Anzahl von Be¬ 
obachtungen, denen zufolge Lupus bei näheren Verwandten, Ge¬ 
schwistern, Eltern und Kindern der Patienten gleichzeitig sich kon¬ 
statieren liess (Raudnitz, Pontoppidan, Neisser, Veiel, 
Hebra, Leloir, Doutrelepont), jedoch beschränken sich diese 
sämtlich auf sehr spärliche Fälle. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 





Zur Pathologie und Therapie der Hoden¬ 
tuberkulose. 

Von 

Prof. Dr. Max Jordan 

in Heidelberg. 


Bis in die neueste Zeit stand die Lehre von der Tuberkulose 
des Hodens und des Verhältnisses derselben zu der Tuberkulose des 
Urogenitalsystems unter dem Einfluss dreier als Tatsachen geltenden 
Anschauungen, nämlich 1. dass die Hodentuberkulose 1 ) in der 
grössten Mehrzahl der Fälle eine sekundäre sei, von 
irgend einem Primärherd des Urogenitaltraktus aus sich entwickele, 
2. dass die verschiedenen Lokalisationen im Urogenital¬ 
apparat in direktem Abhängigkeitsverhältnis ständen 
und 3. dass bei doppelseitiger Hodenerkrankung die 
Tuberkulose des zweiten Hodens durch kontinuierliche 
Infektion auf dem Wege des Vas deferens oder durch 
Vermittelung eines Prostataherdes verursacht werde. 
Diese Auffassung, die auch für die therapeutische Richtung mit¬ 
bestimmend gewesen ist, spiegelt sich noch in den einschlägigen 
Arbeiten und Diskussionen der letzten Jahre wieder. 

Kocher (R. König 1898) 2 ) vertritt den Standpunkt, dass die 
Hodentuberkulose am häufigsten descendierend entstehe und von ver- 

1) Die Bezeichnung „primäre Hodentuberkulose“ soll ausdrücken, dass der 
Hoden als erstes Organ des Urogenitalsystems auf hämatogenem Wege erkrankt 
ist; der Begriff „primäre“ Tuberkulose bezieht sich also auf die Lokalisation im 
Urogenitalapparate. 

2) R. König, Beitrag zum Studium der Hodentuberkulose. Deutsche Zeit¬ 
schrift f. Chirurg. Bd. 47. 1898. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 3. 15 


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Max Jordan. 


P 

steckten Herden der Prostata ihren Ausgang nehme, selten direkt von 
einer Tuberkulose der Niere oder Blase aus sich entwickele. In sel¬ 
tenen Fällen kann die Genitaltuberkulose auch metastatisch von irgend 
einem Tuberkuloseherd des Körpers (Lungen-, Knochen-, Drüsen¬ 
tuberkulose) auf dem Wege der Blutbahn entstehen, vielleicht dient 
aber auch bei diesem Entstehungsmodus die Prostata als Zwischen¬ 
station. Die primäre Hodentuberkulose als einzige Lokalisation der 
Krankheit, gehört zu den Ausnahmen und vielleicht liegt derselben 
auch eine unbeachtet gebliebene Prostataaffektion zu gründe. Die 
ascendierende Verbreitung der Tuberkulose vom Hoden auf die übrigen 
Abschnitte des Urogenitalsystems wird von Kocher wesentlich ein¬ 
geschränkt. 

Lanz 1 ) (1900) hält die primäre Hodentuberkulose für eine sehr 
seltene Ausnahme und ist der Ansicht, dass die Erkrankung in den 
meisten Fällen von einer anderen Stelle des Urogenitalapparates (Pro¬ 
stata, Blase, Niere) ausgeht und dass deshalb die doppelseitige Hoden¬ 
infektion ein häufiges Ereignis sei. 

F. König sen. betonte in der Diskussion des 30. Kongresses 
der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1901 nachdrücklich, dass in 
der grössten Mehrzahl aller Fälle bei Menschen die Bacillen von der 
Prostata oder den Samenblasen aus in den Hoden wandern, die Tuber¬ 
kulose des letzteren also descendierend entstehe. Für diese Annahme 
spreche die Tatsache, dass man bei der Untersuchung per rectum am 
Lebenden in der Majorität der Fälle Knoten in der Vorsteherdrüse 
oder eine Verhärtung der Samenblasen feststellen könne, ferner die 
Beobachtung, dass bei Patienten, die seit längerer Zeit an Verkäsung 
der Niere leiden, allmählich eine Blaseninfektion, dann eine Infektion 
der einen Seite der Samenwege und schliesslich noch eine Hoden¬ 
tuberkulose auftrete; endlich die stets primäre Lokalisation im Neben¬ 
hoden. 

Von den französischen Chirurgen hat kürzlich Calot 2 ) mit 
Energie die Ansicht verfochten, dass die Hodentuberkulose stets eine 
sekundäre, von der Prostata oder den Samenblasen ausgehende sei 
und dass daher die Castration keine Aussicht auf Erfolg haben 
könne. 

Die kurz skizzierten gangbaren Anschauungen haben nun 
durch neue Tatsachen einen starken Stoss erlitten, näm- 

1) Lanz, Kastration oder Resektion des Nebenhodens etc. Deutsche Zeit¬ 
schrift f. Chir. Bd. 55. 1900. 

2) Calot, Le traitement de la Tuberculose du testicule et de l'epididyme 
doit ötre toujours conservateur. Congres fran^ais de Chirurgie 1902. 



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Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


209 


lieh einmal durch die in den letzten 2 Jahren veröffentlichten 
Statistiken über die Heilerfolge der Kastration und dann 
durch die Ergebnisse der Tierexperimente Baumgartens. 

Bruns 1 ) erwarb sich das grosse Verdienst, durch Feststellung 
der Endresultate der Kastration bei 111 bis zu 34 Jahren beobachteten 
Fällen ein für unsere Frage einwandfreies Tatsachenmaterial geliefert 
zu haben. In 78 Fällen der Tübinger Klinik wurde die einseitige, 
in 33 Fällen die doppelseitige Kastration gemacht. Von den ein¬ 
seitig Kastrierten sind 46°/o dauernd geheilt geblieben, 
12 °/ 0 derselben sind an der schon bei der Operation bestehenden 
Urogenital tuberkulöse gestorben, 15 °/o gingen an anderweitiger Tuber¬ 
kulose, besonders der Lungen, zu gründe, 26°/o sind nachträglich an 
Tuberkulose des zweiten Hodens erkrankt und dann meist nochmals 
kastriert worden. Von den doppelseitig Kastrierten sind bei 
einer Beobachtungsdauer von 3—30 Jahren sogar 56°/o dauernd 
geheilt geblieben, während 15°/o an Urogenitaltuberkulose, 25°/o 
an Tuberkulose anderer Organe gestorben sind. Nach der ausführ¬ 
licheren Publikation von Haas 2 ) aus der Bruns sehen Klinik fand 
sich bei 9 von 115 Patienten, d. h. in nicht ganz 8°/o eine Beteiligung 
der Hamorgane an der Tuberkulose und zwar vor allem der Blase; 
6 von diesen 9 Kranken starben bald an ihrer Urogenitaltuberkulose; 
die Beteiligung der Harnorgane gibt demnach eine schlechte Prognose. 
Eine Mitbeteiligung anderer Organe an der Tuberkulose wurde in 
26°/o der Fälle konstatiert, nämlich in 15 Fällen Tuberkulose der 
Lungen, in 8 Fällen der Knochen, in 8 Fällen der Drüsen und in 
4 Fällen der Gelenke. 

Die Statistik von Bruns führt also zu dem Ergebnis, dass die 
Hälfte der Kastrierten auf Lebensdauer geheilt war. 
Das sind die allein an Genitaltuberkulose Erkrankten. Gestorben 
sind fast alle, die gleichzeitig an Tuberkulose der Harnorgane litten, 
sowie die meisten (86°/o) der gleichzeitig an anderweitiger Tuber¬ 
kulose Erkrankten. Für alle diese ist, wie Bruns ausführt, die 
Operation nicht verantwortlich zu machen. Bruns schloss ferner 
aus seinen klinischen Erfahrungen, dass die Tuberkulose des Hodens 
bei sonst intakten Urogenitalorganen gar nicht selten vorkommt und 
dass man daher auch mit der Ausbreitung der Tuberkulose vom 
Hoden durch den Samenstrang in ascendierender Richtung zu 
rechnen hat. 

1) Bruns, Über die Endresultate der Kastration bei Hodentuberkulose. 
30. deutscher Chirurgenkongress 1901. 

2) Haas, Über die Resultate der Kastration bei Hodentuberkulose. Bruns 
Beiträge zur klin. Chir. Bd. 30. 1901. 

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Die statistische Zusammenstellung der Czerny sehen Klinik 1 ) 
führte zu ähnlichen, aber noch günstigeren Heilresultaten: Von 92 
innerhalb 22 Jahren kastrierten Patienten lebten im Jahre 1901 noch 
59 = 64°/o und von diesen waren 54 frei von jeglicher Tuber¬ 
kulose. 7 Patienten starben an interkurrenten Krankheiten, so dass 
also 61 tuberkulosefrei blieben = 66,3 °/o. Bei 26 Kastrierten wurde 
post operationem ein Rückgang anderweitiger Tuberkulose, insbesondere 
der Lungen, festgestellt. In vielen Fällen ging ferner die zur Zeit 
der Kastration bestehende Tuberkulose der Prostata und Blase zurück. 
Von 29 doppelseitig Kastrierten lebten 21 (=72°/o Dauer¬ 
heilung), 8 sind gestorben. 

Ähnliche Zahlen liefert Trzebickys 2 ) Material aus den Jahren 
1875—1900. Von 43 ein- oder doppelseitig Kastrierten 
[eben und sind gesund 26 = 60,4°/o und zwar von 34 einseitig 
Operierten 20 und von 9 beiderseitig Operierten 6. 

Die über Erwarten günstigen Endresultate der Kastration 
und besonders der doppelseitigen, die Tatsache, dass in der Hälfte 
oder mehr als der Hälfte aller Fälle eine Dauerheilung erzielt worden 
ist, sind nicht vereinbar mit der Anschauung der des- 
cendierenden Entstehung der Hoden tuberkulöse. Wenn 
zumeist eine primäre Tuberkulose der Prostata, Blase, Niere bestände, 
so wäre es nicht begreiflich, dass nach Entfernung des einen oder 
beider Hoden auch eine Ausheilung des veranlassenden Primärherdes 
eintreten und der Patient nun dauernd frei von Tuberkulose bleiben 
sollte. Nach Eliminierung eines mit starker Fisteleiterung einher¬ 
gehenden sekundären Erkrankungsherdes kann erfahrungsgemäss in 
nicht seltenen Fällen ein günstiger Einfluss auf den primären Herd 
erzielt werden, eine vollständige Ausheilung eines solchen in einem 
so grossem Prozentsatz, wie ihn die Kastrations-Statistik angibt, dürfte 
aber kaum im Bereich der Möglichkeit liegen. 

Die oft registrierte Tatsache der Rückbildung von 
Knoten der Prostata und Anschwellung der Samenblase 
nach Entfernung des kranken Hodens ist nur verständ¬ 
lich, wenn die Hodenlokalisation als primäre, dieTuber- 
k ulose der höher oben gelegenen Genitalorgane als sekun¬ 
däre angenommen wird. 

Die therapeutischen Resultate sprechen mit Sicher- 

i) Simon, Resultate der Kastration bei Hoden tuberkulöse. 30. Chirurgen¬ 
kongress 1901. 

-} Berger, Zur Kastration bei Hodentuberkulose. Langenbecks Archiv. 
Bd. 68. 



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Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


211 


heit für die viel grössere Häufigkeit der primären Tuber¬ 
kulose, als man bisher angenommen hat und für den ascen- 
dierenden Modus der Weiterverbreitung. 

Über die Erfolge der konservativen Behandlung liegen 
bis jetzt keine grösseren Erfahrungen vor, doch sind die z. Z. be¬ 
kannten Resultate geeignet, den aus der Operationsstatistik 
gezogenen Sch 1 uss über die vorwiegend primäre Natur der 
Hoden tuberkulöse zu stützen. Durch die Anwendung von See¬ 
bädern und Lokalbehandlung mit Injektionen von Naphthol camphre 
erzielte Calot 1 ) nach seinen Angaben auf dem letzten französischen 
Chirurgenkongress bei 20 Fällen der letzten 10 Jahre stets voll¬ 
ständige Heilung, obwohl sich mehrere der Patienten in vorgeschrit¬ 
tensten Stadien der Erkrankung befanden, multiple Abscesse und 
Fisteln aufwiesen. Calot verwirft die Kastration, ist absoluter An¬ 
hänger der unblutigen Methoden, da er den Standpunkt vertritt, dass 
die Hodentuberkulose stets eine sekundäre sei, von einem Herd der 
Prostata oder Samenblasen aus sich entwickle. Die glänzenden Be¬ 
handlungsresultate sind indessen nicht vereinbar mit seiner Anschau¬ 
ung der descendierenden Entstehungsart der Hodenaffektion. Wie 
sollte die Heilung Bestand haben, wenn immer neues infektiöses 
Material von dem Primärherd aus durchs Vas deferens in den Hoden 
gelangt? Die Heilungen Ca lots sprechen gerade für den primären 
Charakter der Hodentuberkulose. Ist der Hoden das allein befallene 
Organ des Urogenitalapparates, so hat die lokale Ausheilung bei 
konservativer Behandlung nichts befremdendes, ist in direkte Parallele 
zu stellen mit der Heilung eines Gelenkfungus mit konservativem 
Verfahren. 

Histologische Untersuchungen, die von Büngner 2 ) an durch 
Evulsion gewonnenen Samengängen anstellte, sprachen für ascen- 
dierende Verbreitung der Tuberkulose. Er konnte an Serienschnitten 
nachweisen, dass das Vas deferens in seinem unteren Teil tuberkulös 
erkrankt, in seinem centralen Abschnitt dagegen frei bleibt und dass 
die Erkrankung mit nach oben abnehmender Intensität sich aus¬ 
breitet. Der dem Nebenhoden zunächst gelegene Knoten wies die 
vorgeschrittensten Veränderungen auf und die weiteren Knoten zeigten 
gradatim mit der Entfernung vom Nebenhoden immer jüngere Stadien 
der histologischen Tuberkulose. 

Von grosser Bedeutung für die Lehre von der Hodentuberkulose 

i) 1. c. 

-) v. Büngner, Kastration mit Evulsion des Vas deferens. Bruns Beitr. 
z. klin. Chir. Bd. 35. 1902. 



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sind die experimentellen Studien, welche Baumgarten und Krämer 1 ) 
über die Histogenese und Ausbreitung der Urogenitaltuberkulose an¬ 
stellten. Die an über 100 Versuchstieren (Kaninchen) gewonnenen 
Ergebnisse waren folgende: Bei intraokularer, subkutaner oder intra¬ 
venöser experimenteller Infektion bleiben die Hoden fast stets frei, 
analog der Seltenheit der Affektion des Hodens bei der Miliartuber¬ 
kulose des Menschen. Die Infektion der Harnwege führt nicht zu 
Hodentuberkulose, es gelang niemals von der Urethra oder Blase aus 
eine Tuberkulose des Vas deferens oder Hodens zu erzeugen. Da¬ 
gegen gelang es stets durch direkte Injektion frisch er Perl¬ 
suchtbacillen in das Parenchym des Nebenhodens die 
Tuberkulose hervorzurufen. Der tuberkulöse Prozess stieg dann 
oft vom Nebenhoden bis zur Prostata nach oben, aber nie 
von dieser durchs Vas deferens zum an deren Hoden herab. 
Baumgarten kam auf Grund seiner Beobachtungen zu dem Schluss, 
dass die experimentelle Tuberkulose des Kaninchens sich 
innerhalb des Urogenitalapparates stets in der Richtung 
des Sekretstromes (Samen-oder Hamstromes) aus breitet, nie¬ 
mals gegen denselben. Die Erklärung für dieses gesetzmässige 
Verhalten in der Ausbreitung der tuberkulösen Infektion liegt in dem 
Mangel der Eigenbewegung bei den Tuberkelbacillen. Die Bacillen 
können sich daher nur mit dem Strom (Blut, Lymphe, Sekret) ver¬ 
breiten, also im Vas deferens nach aufwärts, im Ureter nach ab¬ 
wärts. Da im Vas deferens die Richtung des Lymphstroms in der 
Wand mit derjenigen des Sekretstromes zusammentrifft, so kann die 
Ausbreitung der Infektion überhaupt nur in einer Richtung, nämlich 
vom Hoden zur Prostata erfolgen. Nach intrauretraler In¬ 
jektion entsteht in vielen Fällen eine Tuberkulose des Blasen¬ 
halses, des Blasenfundus und der Prostata, doch erfolgte 
niemals trotz l^sjährigen Bestandes der Erkrankung ein 
Übergreifen des Prozesses auf die Vasa deferent. und 
die Hoden. Auch eine Fortsetzung der Tuberkulose auf Ureteren 
und Nieren kam niemals zur Beobachtung. 

Nach Baumgartens Resultaten bei Kaninchen kämen bezüg¬ 
lich der Lokalisation und Ausbreitung der Tuberkulose 
im Urogenitalsystem des Menschen folgende Möglichkeiten 
in Betracht: 1. Primäre Erkrankung des Nebenhodens, Weiterver- 

i) Baum garten, Über experimentelle Urogenitaltuberkulose. 30. Chirurg.- 
Kongress 1901. 

ßaumgarten und Krämer, Experimentelle Studien über Histogenese und 
Ausbreitung der Urogenitaltuberkulose; in Baumgartens Arbeiten auf dem Ge¬ 
biet der pathol. Anatomie. Bd. 4, Heft 2. 



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Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


213 


breittrag auf den Hoden und andererseits auf Vas deferens, die 
Prostata, Samenblase und eventuell die Harnblase. Eine direkte In¬ 
fektion des anderen Hodens und der Nieren ist ausgeschlossen. 

2. Primäre einseitige Nierentuberkulose, descendierende Erkran¬ 
kung des Ureters, der Blase, der Prostata. Ascendierende Infektion 
der anderen Niere und Descendieren des Prozesses auf die Hoden 
ausgeschlossen. 

3. Primäre Tuberkulose der Prostata, Ausbreitung auf die Blase. 
Erkrankung der Hoden und Nieren ausgeschlossen. 

Wird bei primärer Hodentuberkulose die Niere, bei primärer 
Nierentuberkulose der Hoden, bei primärer Prostatatuberkulose Hoden 
oder Nieren befallen, so musste man demnach eine hämatogene, 
metastatische Entstehung supponieren. 

Der Einwand Königs 1 ), dass sich die Ergebnisse von Tierver¬ 
suchen nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse beim Menschen über¬ 
tragen lassen, mag berechtigt sein. Indessen gewinnen die B au In¬ 
ga rtenschen Resultate an Bedeutung, wenn man die oben erwähnten 
neuesten Statistiken über die Dauererfolge der Kastration und die 
aus ihnen sich ergebenden Schlussfolgerungen, sowie die histologischen 
Befunde von Büngners heranzieht. Es wird unter diesen Umständen 
zu prüfen sein, ob die Annahme der primären Natur der Hodentuber¬ 
kulose durch klinische Tatsachen unterstützt ist, ob letztere sich mit 
der neuen Lehre in Einklang bringen lassen. 

Es unterliegt keinem Zweifel mehr, dass die Nierentuberkulose 
häufig eine primäre, auf hämatogenem Wege entstehende ist. Wie 
zahlreiche Erfahrungen beweisen, kann durch die Entfernung des 
kranken Organes dauernde Heilung herbeigeführt werden. In einem 
gewissen Prozentsatz der Fälle wird nach einiger Zeit auch die zweite 
Niere von Tuberkulose befallen. Der Entstehungsmodus der letzteren 
ist noch Gegenstand von Kontroversen, doch nimmt die Mehrzahl der 
Autoren eine selbständige hämatogene Erkrankung an, und leugnet 
die ascendierende Entstehung von der sekundär von der ersten Niere 
aus infizierten Blase. 

Im Verlauf der Nieren-Blasentuberkulose tritt nicht selten eine 
Tuberkulose des einen oder anderen Hodens auf. Man ist gewohnt, 
in solchen Fällen die Hodenaffektion als durch direkte 
Propagation der Tuberkulose entstehend aufzufassen, 
und man hat die zeitliche Aufeinanderfolge der verschiedenen 
Lokalisationen als Beweis für den descendierenden Modus 
der Tuberkuloseausbreitung im Urogenitalsystem an- 

i) Chirurgenkongress 1901. 



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gesehen. In Fällen, die zur Autopsie gelangen und die daher meist 
in vorgeschrittensten Stadien sich befinden, ist eine sichere Entschei¬ 
dung über das Abhängigkeitsverhältnis der verschiedenen Erkrankungs¬ 
herde nicht zu treffen. König führte daher gegen Baumgarten 
die klinischen Beobachtungen ins Feld, die es nicht zweifelhaft er¬ 
scheinen Hessen, dass die Tuberkulose von oben nach unten gehen 
könne. König gab an, dass er sich dreier Fälle erinnere, in denen 
Menschen, die seit längerer Zeit eine verkäste Niere hatten, allmäk- 
eine Blaseninfektion, dann eine Infektion der einen Seite der Samen¬ 
wege und dann zuletzt eine Hodentuberkulose bekamen. Auch ich 
verfüge über eine derartige Beobachtung, die im folgenden kurz 
skizziert sei. 

Karl Sch., 40j., am 1. Y. 1900 in meine Privatklinik aufgenommen. Nach 
einer Influenza im Sommer 1897 stellten sich die ersten Erscheinungen einer rechts¬ 
seitigen Nierentuberkulose (Koliken, Blut- und Eiterbeimengungen des Urins) ein. 
Im Frühjahr 98 gesellten sich häufiger Urin drang und Schmerzen bei der Harn¬ 
entleerung hinzu. Im November 98 schwoll der linke Nebenhoden an, es ent¬ 
wickelte sich ein Abscess und nach der Incision desselben blieben eiternde Fisteln 
bestehen. Im Winter 1899—1900 entwickelte sich endlich eine Caries des rechten 
Handgelenkes mit Fistelbildung. 

Status bei der Aufnahme: Heruntergekommenes Aussehen, schlechter 
Ernährungszustand; Lungen und Herz ohne Besonderheiten, Temp. 38°. Der Urin 
sauer, stark getrübt durch Eiterbeimengung, Menge 1670 g; im Filtrat ein starker 
Bodensatz Eiweiss; im Sediment zahlreiche Tuberkelbacillen. Die Blase hat eine 
sehr geringe Kapazität, ist bei der Sondierung sehr empfindlich. Die rechte Niere 
vergrössert, von höckeriger Oberfläche, die linke Niere nicht fühlbar. Der linke 
Nebenhoden verdickt, knotig, mit der Haut verwachsen, zeigt zwei eiternde Fisteln. 
Prostata und Samenblasen nicht nachweislich erkrankt. Caries manus d. mit 
Fistel. 

Am 7. V. wurde die Exstirpation der rechten Niere ausgeführt, die zahl¬ 
reiche käsige Abscesse enthielt und ein erweitertes Nierenbecken mit ulceröser 
Zerstörung der Schleimhaut aufwies. 

Nach anfänglich günstigem Verlauf ging Patient 6Va Wochen nach der 
Operation an Miliartuberkulose zu gründe. Die Sektion ergab hochgradige Tuber¬ 
kulose der linken Niere, beiderseitige Ureteritis tub., Cystitis mit ausgedehnter 
tub. Ulceration am Blasenhals, Miliartuberkulose aller inneren Organe. 

Epikrise: Im Anschluss an eine rechtsseitige primäre Nieren¬ 
tuberkulose entwickelte sich absteigend eine Ureteren- und Blasen- 
tuberkulose und im weiteren Verlauf kam es zu einer Verkäsung des 
linken Nebenhodens, dann zu einer Karies des rechten Handgelenkes, 
endlich zu einer Tuberkulose der linken Niere und einer Miliartuber¬ 
kulose. Im Hinblick auf die Reihenfolge des Auftretens läge es sehr 
nahe, anzunehmen, dass die Hodenatfektion durch Absteigen des Pro¬ 
zesses im Vas deferens entstanden sei: Da aber bald nach der 
Entwickelung der Epididymitis auch eine Tuberkulose 



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9] 


Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


215 


des Handgelenkes, also eine hämatogene Metastase auf¬ 
trat, ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die 
Hodenerkrankung auf dem Blutwege entstanden ist. Durch 
genaue mikroskopische Untersuchungen des Vas deferens in der Art, 
wie sie von Büngner angestellt hat, Hesse sich in solchen Fällen 
vielleicht ein Anhaltspunkt für die Beurteilung der Tuberkulosever¬ 
breitung gewinnen. 

Die Möglichkeit, dass bei kombinierter Nieren-, 
Blasen-, Hodenerkrankung die Hodentuberkulose un¬ 
abhängig als hämatogene Metastase auftreten kann, 
wird gestützt durch klinische Beobachtungen. Israel 1 ) 
beschrieb 4 Fälle, aus denen durch den Nachweis völliger Intaktheit 
der Blase heryorgeht, dass die Hodenaffektion nicht durch direkte 
Kontinuitätspropagation entstanden sein kann. Zwei typische Fälle 
dieser Art sind folgende: 1. linksseitige Nierentuberkulose mit 
Hämaturie. 8 Monate nach Beginn der Erscheinung linksseitige 
Epididymitis tuberculosa, Samenstrang, Prostata frei, Blase cysto- 
skopisch normal. Nephrektomie, dann Kastration. Vollständige Hei¬ 
lung nach Jahren. Da Blase und Prostata freiblieben, muss 
es sich bei Hoden und Nieren um voneinander unab¬ 
hängige Herde gehandelt haben. 

2. Linksseitige Nephrektomie wegen Tuberkulose. Gleich nach 
der Operation käsige Epididymitis L.; Inzision; es blieb ein Knoten 
zurück. 1 l 2 Jahr später Tuberkulose des rechten Hodens, Kastration. 
Weder an der Prostata noch an der cystoskopisch untersuchten Blase 
die geringste Anomalie. Urin normal. Dauerheilung. 

Die Hodenaffektion scheint demnach unabhängig 
von der Nierenaffektion aufgetreten und die beider¬ 
seitige Epididymitis scheint koordiniert gewesen zu 
sein. 

Israel schloss aus seinen Beobachtungen, dass zwischen Neben¬ 
hoden- und Nierentuberkulose keine anderen Beziehungen zu bestehen 
brauchen als zwischen letzterer und irgend einer anderen Lokalisation 
der Tuberkulose, z. B. einer Spondylitis oder einer Caries genus. 

Für die descendierende Entstehung der Tuberkulose testis wurde 
auch die Tatsache verwertet, dass die Tuberkulose sich stets primär 
im Nebenhoden entwickelt (Kocher, König), wie die Gonorrhoe, die 
auf dem Wege des Vas deferens sich verbreitet. Dieses Argu¬ 
ment dürfte indessen nicht stichhaltig sein. Die Beobach¬ 
tung lehrt, dass die Tuberkelbacillen im Einzelfalle eine 


i) Israel, Chirurgische Klinik der Nierenkrankheiten 1901. 


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gewisse Affinität zu bestimmten Organen zeigen, deren 
Ursache uns unbekannt ist. Bei Infektion des Körpers mit 
Bacillen tritt im einen Falle eine Kniegelenkstuberkulose, in einem 
zweiten eine Peritonitis tub., im dritten eine Nierentuberkulose, im 
vierten eine Meningitis usw. auf, ohne dass wir nachweisen können, 
warum gerade das betreffende Organ und kein anderes befallen ist. 
Manche Organe sind häufig, andere nur sehr selten Sitz der Tuber¬ 
kulose. So ist z. B. eine primäre Tuberkulose des Ovariums über¬ 
haupt noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen worden, während die 
sekundäre Erkrankung von der Tube, dem Peritoneum, Darm aus 
nicht selten beobachtet wird. Es ist ferner feststehend, dass sym¬ 
metrische Organe gleichzeitig oder in Abständen einzig und allein 
von Tuberkulose befallen werden können; es gibt eine isolierte 
Tuberkulose beider Nebennieren, eine alleinige Tuberkulose 
der Nieren, eine solitäre Tubentuberkulose. Es ist unter 
diesen Umständen nicht befremdend, dass bei hämatogener Infektion 
nicht die Hoden, sondern die Nebenhoden von der Tuberkulose er¬ 
griffen werden. Die Hoden bieten, wie die Ovarien, offenbar den 
Bacillen keinen günstigen Nährboden zur primären Niederlassung. 
Die Lokalisation im Nebenhoden kann also keineswegs 
als Beweismoment für die Kontinuitätsinfektion gelten. 

Nachdem wir auseinander gesetzt haben, dass die gegen die An¬ 
nahme der hämatogenen Entstehung der Hodentuberkulose und den 
ascendierenden Modus der Weiterverbreitung vorgebrachten Einwände 
nicht beweiskräftig sind, werden wir nun zu prüfen haben, ob sich 
aus den klinischen Beobachtungen positives Beweismaterial für die 
Richtigkeit der neuen Lehre bringen lässt. Wie schon oben erwähnt, 
ist nach den neuesten Statistiken die primäre Hodentuberkulose 
zweifellos viel häufiger als man früher zugegeben hat. Die Bruns- 
sche Zusammenstellung ergibt, dass von 115 Patienten nur 9 eine 
Beteiligung der Harnorgane und 35 eine Mitbeteiligung anderer 
Organe an Tuberkulose zeigten, dass also 71 Patienten eine iso¬ 
lierte Hodenerkrankung boten. Da nun fast alle, die gleichzeitig 
an Tuberkulose der Harnorgane litten, sowie die meisten (86 °/o) der 
gleichzeitig an anderweitiger Tuberkulose Erkrankten starben, wäh¬ 
rend die auf Lebensdauer geheilten, fast nur aus allein an Genital¬ 
tuberkulose Erkrankten sich rekrutierten, so folgt, dass es sichbei 
letzteren in der Tat um eine primäre Lokalisation im Hoden 
gehandelt haben muss. 

Für die hämatogene Entwickelung sprechen ferner die Fälle von 
Kombination der Hodentuberkulose mit Tuberkulose anderer 
Organe, so der Gelenke und Knochen, und Heilung der verschie- 



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11 ] 


Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


217 


denen Lokalisationen durch operative Eingriffe. Als typische Bei¬ 
spiele seien zwei meiner Beobachtungen mitgeteilt. 

1. Fritz M., 2 l /s j., aufgenommen am 17. III. 1900 (Privatklinik). Familie 
vollständig gesund, Pat. als Säugling gesund, wurde Va Jahr von der Mutter ge¬ 
stillt Ende des ersten Jahres entwickelte sich eine Anschwellung des linken 
Hodens, die im zweiten Jahre nur ganz langsam zunahm und erst in den letzten 
Wochen rascher wuchs. 

Status. Für sein Alter normal entwickeltes, etwas blasses Kind. Der 
linke Hoden kleineigross, mit der Haut verwachsen; an letzterer Stelle ein Abscess 
mit feiner Perforationsöffnung nachweisbar. Das Urogenitalsystem iro 
übrigen intakt, am Körper sonst nirgends Zeichen von Tuberkulose 
oder Lues. 

Inzision des Abscesses, Blotleerung käsigen Eiters, Exkochleation, wobei sich 
auch käsige Degeneration etwa der Hälfte des Hodens ergibt Möglichste Ex¬ 
zision der erkrankten Partien mit der Schere. Tamponade mit Jodoformgaze. 
Da die mikroskopische Untersuchung auch an den entfernten Hodenpartikelen 
Tuberkulose ergab und eine gute Granulierung nicht zu stände kam, wurde am 
26. HI. 1900 die Kastration unter Mitnahme der affizierten Haut ausgeführt. Der 
Samenstrang zeigte sich auf der Schnittfläche normal. Die Heilung 
erfolgte ohne Störung und war Mitte April beendet. Seitdem, d. h. seit über 
drei Jahren, sind keinerlei Erscheinungen seitens des Urogenital¬ 
apparates aufgetreten. Im Juli 1900 entwickelten sich kariöse Prozesse 
am rechten Vorderarm (Ulna) und eine Caries des linken Ellbogengelenks. Durch 
typische Resektion des letzteren, sowie durch Ausschabung der erkrankten Knochen¬ 
partien an der rechten Ulna wurde innerhalb drei Monaten Heilung erzielt 1 ). Seit 
Oktober 1900 ist Patient dauernd gesund geblieben. Die Nachunter¬ 
suchung am 19. III. 1903 ergab folgenden Befund: Normal entwickelter, gut aus¬ 
sehender Junge; innere Organe ohne nachweisliche Veränderungen; nirgends 
Drüsenschwellung. In der linken Skrotalhälfte eine kaum sichtbare lineare Narbe. 
Rechter Hoden normal, auch an den übrigen Genitalorganen nichts Abnormes. 
Urin normal. Am rechten Vorderarm im Bereich der Ulna eingezogene alte Narben, 
die Gelenke frei. Das linke Ellbogengelenk ist reseziert, zeigt aber aktiv und 
passiv sehr gute Beweglichkeit. 

Epikrise: Die Tuberkulose des Hodens bildete die 
erste Lokalisation der Erkrankung. Nach Entfernung des 
verkästen Organs trat vollständige Lokal-Heilung ein, doch kam es 
noch zur Entwickelung einer linksseitigen Olecranarthritis und cariöser 
Prozesse an der rechten Ulna. Auch diese Affektionen wurden 
operativ zur Heilung gebracht. Da seit der Kastration nun drei 
Jahre verflossen sind und am Urogenitalsystem keinerlei krankhafte 
Veränderung nachweisbar ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass die 
Hodentuberkulose die einzige Lokalisation darstellte, 
einer primären, hämatogenen Infektion ihre Entstehung 
verdankte. 


i) In einem Pforzheimer Krankenhaus. 


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Max Jordan. 


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Was das Verhältnis der Hoden- zur Armtuberkulose betrifft, so 
könnte man aus der zeitlichen Aufeinanderfolge schliessen, dass letztere 
eine Metastase seitens der Genitalerkrankung darstellte. Zum Min¬ 
desten dürfte es sich bei beiden Lokalisationen um koordinierte Pro¬ 
zesse bei hämatogener Tuberkuloseinfektion gehandelt haben. 

2. Joh. V., 49j., früher stets gesund, erlitt im Jahre 1878 eine Kontusion 
des linken Hodens durch Fusstritt eines Kindes, welche eine leichte Verdickung 
zurückgelassen hal>en soll. Von April 1900 ab stellte sich allmählich eine gewisse 
Bewegungsbeschränkung und Schmerzhaftigkeit des rechten Ellbogengelenks ein. 
Fast gleichzeitig bemerkte Patient eine Vergrö89erung des linken Hodens, die sich 
unter Schmerzen im Laufe des Sommers steigerte. Bei der Aufnahme in meine 
Privatklinik am 26. X. 1900 wurde folgender Status notiert: 

Kräftiger, gesund aussehender Mann ohne nachweisliche Veränderungen der 
inneren Organe, speziell der Lungen. Das rechte Ellbogengelenk zeigt eine diffuse 
Anschwellung, besonders zu beiden Seiten der Tricepssehne; die Streckung gelingt 
nur bis 150°, die Beugung bis 70°, die Supination nur bis zur Hälfte; in der Um¬ 
gebung des Epicond, extern, leichte Druckempfindlichkeit. Der Arm zeigt im 
übrigen noch gute Funktion. Die linke Hodensackhälfte fast faustgross, am 
unteren Pol ein nussgrosser, mit der Haut verwachsener Abscess, der in direktem 
Zusammenhang mit dem derb infiltrierten, über daumendicken Nebenhoden steht. 
Vor letzterem findet sich eine gänseeigrosse Hydrocele testis. Der linke Samen¬ 
strang etwas dicker als der rechte. Rechter Hoden, Prostata und Samen¬ 
blasen normal. Urin klar, sauer, eiweissfrei. An der Aussenseite der linken 
Ellbogengegend ist die Haut in der Ausdehnung eines Nagelgliedes leicht gerötet 
und zeigt Knötchen- und Schuppenbildung. Diese auf Lupus verdächtige Efflores- 
cenz soll seit acht Jahren sich allmählich entwickelt, seit zwei Jahren sich nicht 
mehr vergrössert haben. 

27. X. Operation in Chloroform-Narkose. Elliptische Umschneidung 
des Abscesses weit im gesunden und Exstirpation des Hodens mit seinen Hüllen, 
Evulsion des Vas deferens, Entfernung desselben in der Länge von 18 cm. Ab¬ 
bindung des Samenstranges am äusseren Leistenring, Hautnähte. Exzision der 
Hauteffiorescenz am linken Arm. Es fand sich eine ausgedehnte Verkäsung 
des Nebenhodens mit Abscedierung, eine sekundäre Hydrocele, im Hoden ver¬ 
einzelte makroskopisch eben sichtbare Tuberkel, im Vas deferens mehrfache 
Knötchen, die Schnittfläche des letzteren intakt. Die Hautaffektion am 
Arm erwies sich mikroskopisch als Lupus. 

Die Heilung erfolgte per prim., eine am Samenstrangstumpf aufgetretene 
Fistel schloss sich Mitte Dezember definitiv. Die Olecranarthritis wurde konser¬ 
vativ behandelt. 

Im Frühjahr 1901 Zunahme der Schwellung des Ellbogengelenks und Ent¬ 
wickelung parartikulärer Abscesse, daher am 14. III. 1901 typische Resektion 
des Gelenks, das ausgedehnten Fungus, aber keine stärkere Caries zeigte. 
Glatter fieberloser Verlauf, am 21. V. 1901 vollständige Heilung mit linearer 
Narbe. 

Status im März 1903: Sehr gutes Allgemeinbefinden, innere Organe 
gesund. In der linken Skrotalhälfte eine lineare weissliche Narbe, rechter 
Hoden und übrigen Urogenitalorgane intakt. Das resezierte Ell¬ 
bogengelenk ist aktiv und passiv ziemlich gut beweglich, die 
Ausheilung derselben eine vollständige. 


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13] Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 219 

E p i k r i s e: Die Tuberkulose des Ellbogengelenks und des Hodens 
entwickelten sich fast gleichzeitig. Während erstere nur langsame 
Fortschritte machte, erst nach Jahresfrist zur Abscessbildung führte, 
nahm letztere einen raschen Verlauf, so dass schon im Herbst 1900 
die Kastration notwendig wurde. Die genaue Untersuchung des 
Körpers ergab einen kleinen, bis dahin unbeachtet gebliebenen, seit 
Jahren bestehenden Lupus des linken Armes. Da die inneren Organe 
frei von Tuberkulose waren, ist es am wahrscheinlichsten, 
dass dieser Lupus die Eingangspforte für die bacilläre 
Infektion abgegeben hat. Die ins Blut gelangten Bacillen lokali¬ 
sierten sich im rechten Ellbogengelenk und im linken Hoden: Beide 
Lokalisationen sind als koordinierte, auf hämatogenem 
Wege entstandene aufzufassen. Für den primären Cha¬ 
rakter der Hodenerkrankung spricht auch der Umstand, 
dass nach der Kastration Dauerheilung eingetreten ist, 
obwohl in relativ kurzer Zeit die Tuberkulose auf den Haupthoden 
und auf das Vas deferens übergegriffen und zu rascher käsiger Ein¬ 
schmelzung des Nebenhodens geführt hatte. 

Ein weiteres Beweismoment für das Vorkommen hämato¬ 
gener Entstehung bilden Beobachtungen von tödlicher Miliar¬ 
tuberkulose nach alleiniger Hoden tuberkulöse. Auf dem 
30. Chirurgenkongress 1901 teilte Stempel einen einschlägigen, ein- 
w T andsfreien Fall mit: 

45j. stets gesunder Mann erlitt im Juni 1900 eine Quetschung des linken 
Hodens mit starker Anschwellung, die bereits im August von Aufbruch und Fistel¬ 
eiterung gefolgt war. Die übrigen Organe intakt. Diagnose: Tuberc. testis. 
Operation vom Patienten abgelehnt. Ende November Atembeschwerden, jetzt 
Kastration mit glatter Heilung. Von Mitte Januar 1901 ab Atemnot, leichte Bron¬ 
chitis und Eude Januar Exitus. Sektion: Urogenitalsystem frei von Tub., ebenso 
alle übrigen Organe, nirgends Zeichen einer älteren Tub. 

Massenhafte miliare Tuberkel in beiden Lungen und in der Rinde der rechten 
Niere. 

Auf dem Boden eines Traumag entwickelte sich rasch eine Ver¬ 
käsung des linken Hodens. Da bei der Sektion nirgends im Körper 
ein Tuberkuloseherd gefunden wurde, müssen wir die Hoden¬ 
erkrankung als primäre Lokalisation anerkennen und 
sind zu der Annahme gezwungen, dass die Bacillen auf 
dem Blutweg in den Nebenhoden gelangten. 

Wenn die Voraussetzung zutrifft, dass die Hodentuberkulose häufig 
durch hämatogene Infektion entsteht, so müsste man erwarten, dass 
nach Analogie der Nieren-, Nebennieren-, Eileitertuberkulose auch 
ein symmetrisches, gleichzeitiges Vorkommen der Er- 


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Max Jordan. 


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krankung zur Beobachtung kommt. Die Statistiken ergeben 
nun in der Tat., dass ein gleichzeitiges Befallensein beider Hoden in 
einem allerdings sehr kleinen Prozentsatz der Fälle konstatiert wird. 
Unter dem Bruns sehen Material 1 ) finden sich vier derartige Fälle: 

1. 40jähr. Mann, seit drei Jahren an Vergrösserung beider Hoden mit Fistel- 
eiterung leidend. 1858 Castratio duplex, Heilung, nie anderweitige Tuberkulose. 
1883, also nach 30 Jahren, an akuter Gastroenteritis gestorben. 

2. 26jÄhr. Mann, wegen Drüsentuberkulose am Halse operiert. Im Anschluss 
an eine Kontusion des Skrotums vor */ 8 Jahr entwickelte sich eine beiderseitige 
Hodenschwellung. Am 18. TI. 1886 Castratio duplex. Heilung per prim. Am 
23. VII. 1888 an Purpura haemorrhag. gestorben. Die Sektion ergab Tuberkulose 
der Lungen und des Cöcums. Urogenitalapparat intakt. 

3. 43jähr. Mann erkrankte nach Kontusion an gleichzeitiger Tuberkulose 
beider Nebenhoden. 3. V. 1887 Castratio duplex, beide Nebenhoden verkäst, in 
beiden Haupthoden miliare Tuberkulose, beide Vas. deferent. tuberkulös, auf der 
Schnittfläche noch krank. In beiden Samenblasen je ein Knoten nachweisbar. 
Heilung. Nach 13 Jahren noch vollständig gesund, an Prostata und 
Samenblase nichts abnormes. 

4. 29jähr. Mann, mit beiderseitiger Epididym. tub., die vor *U Jahren nach 
vorheriger Cystitis gleichzeitig entstand. Hauptboden und Vas deferens frei. 
Castratio duplex. Nach drei Monaten an Nierenkrankheit gestorben. 

Die drei ersten Fälle sind typische Beispiele einer primären, 
gleichzeitigen Erkrankung beider Hoden und gleichzeitig 
geeignet, das alleinige Vorkommen der Hodentuberkulose 
zu beweisen. Da in 2 Fällen Dauerheilung erzielt wurde, im dritten 
Fall durch die Sektion die sekundäre Entstehung der Hodenaffektion 
ausgeschlossen werden konnte, ist an der hämatogenen Infektion 
nicht zu zweifeln. Die Rückbildung der bei der Kastration 
konstatierten Tuberkulose des Vas deferens und der 
Samenblase bei dem dritten Patienten ist für den ascendieren- 
den Modus der Weiterverbreitung beweisend. 

Die Erfahrung lehrt, dass in vielen Fällen nach Erkrankung des 
einen Hodens innerhalb einiger Monate bis zu 2 oder 3 Jahren auch 
der andere Hoden von Tuberkulose befallen wird. Die Zahlenangaben 
über die Häufigkeit dieser nachträglichen Erkrankung sind nicht 
übereinstimmend, R. König (Kocher) hielt den Prozentsatz von 75 
für nicht zu hoch gegriffen. Die Brunssche Zusammenstellung er¬ 
gab, dass nach einseitiger Kastration der zweite Hoden noch 
nachträglich in 26,7 °/o der Fälle erkrankt. Manche Operateure 
hatten den Eindruck, dass nach der Exstirpation eines kranken Hodens 
der andere Hoden rascher als bei konservativer Behandlung von 


i) Haas 1. c. 



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151 


Zur Pathologie uod Therapie der Hodentuberkulose. 


221 


Tuberkulose befallen werde und waren durch diese Erfahrung zu 
Gegnern der Kastration geworden. 

Was den Entstehungsmodus der Tuberkulose des zweiten Hodens 
betrifft, so hat man bisher angenommen, dass dieselbe entweder durch 
kontinuierliches Fortschreiten des Prozesses von dem einen Vas defe- 
renß zum anderseitigen entstehe, oder dass ein centraler primärer 
Herd (Prostata, Blase) zu der Erkrankung des einen und anderen 
Hodens descendierend führe. Indessen beweist die Aufeinanderfolge 
keineswegs den direkten lokalen Zusammenhang der doppelseitigen 
Infektion. Es ist ebenso denkbar, dass die Erkrankung des 
zweiten Hodens ganz unabhängig von der des ersten auf 
hämatogenem Wegezu stände kommtund dass sich darin, 
wie bei derNiere, der N ebenniere, demEileiter, nurdie 
Vorliebe für symmetrische Erkrankung des gleichen 
Organes dokumentiert. Für dieses Verhältnis der beiderseitigen 
Hodenaffektion sprechen die Fälle von gleichzeitiger Erkrankung 
beider Hoden (s. oben), sowie die Tatsache, dass nach doppelseitiger 
Kastration in einem sogar noch grösseren Prozentsatz als nach ein¬ 
seitiger Exstirpation, nämlich in 56°/o (Bruns), resp. 72°/o (Czerny) 
Dauerheilung erzielt worden ist. Diese glänzenden Heilerfolge wären 
nicht verständlich bei der Annahme, dass ein primärer Herd in der 
Prostata oder den Samenblasen oder ein stärker erkranktes Stück des 
zweiten Samenstrangs jeweils zurückgeblieben wäre. Bei unserer Auf¬ 
fassung der beiderseitigen Erkrankung als koordinierte, ist die Dauer¬ 
heilung erklärlich, insofern die aufsteigende, nach dem Zentrum all¬ 
mählich an Intensität abnehmende Tuberkulose beider Samengänge 
nach Entfernung des Hauptherdes einer vollständigen Rückbildung 
fähig erachtet werden kann. Auch Bruns sprach sich auf Grund 
seiner Operationsresultate dahin aus, dass die doppelseitige Hoden¬ 
tuberkulose isoliert bestehen könne. Auf der anderen Seite aber zog 
er aus der Tatsache, dass von den einseitig Kastrierten nur 26°/o 
nachträglich an Tuberkulose des anderen Hodens erkrankten, den 
Schluss, dass die frühzeitige Kastration einen erheblichen Schutz gegen 
das nachträgliche Befallenwerden des zweiten Hodens gewähre, scheint 
demnach doch der kontinuierlichen Infektion durch die Vasa deferentia 
grosse Wichtigkeit beizulegen. Die Brunsschen Zahlen sind 
indessen meiner Meinung nach nicht für ein direktes 
Abhängigkeitsverhältnis der beiderseitigen Erkrankung 
verwertbar. Wenn wirklich die Bacillen durchs Vas deferens den 
Weg zum zweiten Hoden fänden, so müsste durch frühzeitige Kastration 
in einem viel grösserem Prozentsatz als 26 die Tuberkulose des zweiten 
Hodens vermieden werden. 


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•>» 


Max Jordan. 


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Aus den bisherigen Darlegungen ergeben sich bezüglich der Patho¬ 
logie der Hodentuberkulose folgende Schlüsse: 

1. Die Hodentuberkulose ist viel häufiger als man 
bisher angenommen hat, vielleicht in der Mehrzahl der 
Fälle eine primäre, hämatogene Erkrankung, deren Weiter¬ 
verbreitung im Urogenitalsystem in ascendierender Weise erfolgt. 

2. Ob die Baumgartenschen Ergebnisse des Tier¬ 
experimentes auch beim Menschen Geltung haben, d. h. 
ob ein descendierender Infektionsmodus überhaupt nicht 
vorkommt, ist noch zweifelhaft. 

3. Das Vorkommen der bis jetzt als Regel ange¬ 
nommenen descendierenden Infektion ist nicht ein¬ 
wandsfrei bewiesen. 

4. Bei gleichzeitig auftretender oder in Pausen er¬ 
folgender Infektion beider Hoden handelt es sichhöchst 
wahrscheinlich um eine koordinierte, auf dem Blutwege 
entstehende Erkrankung. 

5. Das zur Zeit vorliegende Material reicht zur Ent¬ 
scheidung der strittigen Punkte noch nicht aus; durch 
den Fortschritt in der Erkenntnis haben sich wieder neue 
Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung neue klinische, 
histologische, experimentelle Untersuchungen erfordert. 

Die Behandlung einer so vielgestaltigen Krankheit wie der 
Hodentuberkulose muss sich nach den individuellen Verhältnissen des 
vorliegenden Falles richten, kann nicht einheitlich, nicht schablonen¬ 
haft sein. Für die Indikation zur Anwendung der verschiedenen Be¬ 
handlungsmethoden muss das Alter des Patienten die Form der Tuber¬ 
kulose, der Charakter des Verlaufs, das Vorhandensein oder Fehlen 
anderweitiger Lokalisationen bestimmend sein. Auf die Einzelheiten 
der Indikationsstellung soll hier nicht näher eingegangen werden, wir 
wollen vielmehr unseren Erörterungen über die Therapie den Fall 
einer isolierten Hodentuberkulose mit chronischem Ver¬ 
lauf zu gründe legen. 

Man ist darüber einig, dass in den vorgeschrittensten Stadien 
der reinen Genitaltuberkulose, bei Verkäsung des Hodens selbst und 
Übergreifen der Eiterung auf die Haut und den Samenstrang, die 
Kastration in ihre Rechte tritt, sofern es sich um eine einseitige Er¬ 
krankung handelt. Diese Anzeige wird auch von den erbittertsten 
Gegnern der Kastration zugestanden. Dagegen entstehen hinsichtlich 
des Verhaltens gegenüber den Anfangsstadien, den isolierten Knoten 
im Nebenhoden und den auf letzteren noch beschränkten Abscess- 
bildungen die Ansichten im schroffen Gegensatz zueinander. Diese 



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17] 


Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


223 


Meinungsdifferenz ergibt sich am klarsten aus den diesbezüglichen 
Diskussionen der Pariser Gesellschaft für Chirurgie 1900*) und des 
deutschen Chirurgenkongresses 1901. 

Von den zahlreichen französischen Chirurgen, die sich an der 
Debatte beteiligten, plädierte Berger, als einziger, für die Kastra¬ 
tion, die bei vorgeschrittenen Fällen mit Erkrankung anderer Organe 
palliativ wirke, bei solitärer Hodentuberkulose am sichersten Heilung 
bringe. Bei reiner Genitaltuberkulose empfiehlt Berger die Mitent¬ 
fernung des Vas deferens und eventuell die Exstirpation der affizierten 
Samenblase. Alle übrigen Redner sprachen sich gegen die Kastration 
aus, und redeten der konservativen Behandlung, sowie partiellen Re¬ 
sektionen das Wort. Die meisten erklärten, dass sie in früheren 
Jahren Anhänger der Radikaloperation gewesen, aber durch un¬ 
günstige Erfahrungen zu dem konservativen Standpunkt gedrängt 
worden seien. 

Während die einen die knotige, schrumpfende Form nur allge¬ 
mein (Seebäder) behandeln und Abscesse durch Punktion und Injek¬ 
tionen von Naphthol camphre, durch Inzision, Ausschabung, Kauteri¬ 
sation zu Ausheilung zu bringen suchen, empfehlen andere bei diffuser 
Infiltration des Nebenhodens und bei Abscessbildung die typische Re¬ 
sektion der Epididymis. Quenu, Reynier u. a. befürworteten die 
Frühoperation, plädierten für Ausschälung der Knoten und Resektion 
des Nebenhodens unter Mitnahme eines möglichst grossen Stückes 
des Vas deferens. 

Die doppelseitige Kastration wurde von allen, auch 
von Berger, verworfen. 

Die Ablehnung der Kastration wurde von den französischen Kol¬ 
legen mit verschiedenen Gründen motiviert, von einzelnen mit der 
Beobachtung, dass nach der Exstirpation des kranken Hodens oft 
auffallend rasch der andere befallen werde, von anderen mit der 
Erfahrung, dass die Operation manchmal von Generalisierung der 
Tuberkulose gefolgt sei, von vielen endlich mit den schlechten Ergeb¬ 
nissen des Eingriffs. Sämtliche Chirurgen waren aber bei ihrem 
konservativen Standpunkt von dem Bestreben geleitet, den Haupt¬ 
hoden um jeden Preis zu erhalten, da derselbe nicht nur der 
Spermabereitung diene, sondern auch eine für den Stoffwechsel wich¬ 
tige, innere Sektretion entfalte. Die Entfernung des Organs führe 
nicht nur zur Impotenz, sondern auch zu psychischen Störungen. 
Diesen Nachteilen der Kastration stünden keine entsprechenden Vor- 

i) Bulletin mädical 1900. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 1. H. 3. IG 


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224 


Max Jordan. 


[18 


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teile gegenüber, da die Tuberkulose des Hodens meist eine sekundäre 
sei und die Exstirpation daher durchaus keine Garantie für Dauer¬ 
heilung biete. In frühen Stadien der Erkankung sei ausserdem der 
Haupthoden intakt und die Entfernung eines gesunden Organs in 
keiner Weise gerechtfertigt. 

In Deutschland hat schon 1886 Bardenheuer die Resektion 
des Nebenhodens befürwortet und in neuester Zeit (1900) legte 
Albert 1 ) einen scharfen Protest gegen die häufige Vornahme der 
Kastration ein. Albert verwarf die Kastration, da dieselbe in einer 
Reihe von Fällen bei dem oft sehr chronischen Verlauf der Tuber¬ 
kulose unnötig sei und in anderen Fällen schwereren Charakters den 
unglücklichen Ausgang doch nicht verhüten könne. Lanz 2 ) führte 
gegen die prinzipielle Anwendung der Kastration die Tatsache ins 
Feld, dass die primäre Hodentuberkulose eine seltene Ausnahme sei, 
in der Regel ein Herd in der Prostata, Blase oder Niere bestehe. 
Er versuchte die Resektion des Nebenhodens mit diagnostischer Spal¬ 
tung des Hodens, kam aber zu dem Schluss, dass durch die Inspek¬ 
tion die Frage der Mitbeteiligung des Hodens nicht sicher zu ent¬ 
scheiden sei. 

Die Mehrzahl der deutschen Chirurgen ist der Kastration bis in 
die neueste Zeit treu geblieben und betrachtet dieselbe als die sicherste 
Methode zur Heilung der Hodentuberkulose. Auf dem 30. Chirurgen¬ 
kongress in Berlin erklärte sich nur Bier als entschiedener Gegner 
der doppelseitigen Kastration, die für das Allgemeinbefinden nicht 
gleichgültig sein könne und trat mit Schlange auf Grund einzelner 
günstiger Erfahrungen für konservative Behandlung (Seebäder, In¬ 
zision und Ausschabung) auch schwerer Fälle von Hodentuberkulose 
ein. Im übrigen ergab die Diskussion, dass neben Anhängern der 
prinzipiellen Kastration in jedem Falle nachgewiesener Tuberkulose 
andere stehen, die nur bei bestimmten Indikationen den Eingriff 
unternehmen. Den radikalsten Standpunkt nahm Bruns ein, indem 
er gestützt auf ein gewichtiges klinisches Material, für die prin¬ 
zipielle Kastration und zwar für Frühoperation plä¬ 
dierte. König sen. äusserte sich dahin, dass man bei der trockenen 
schrumpfenden Form, die oft jahrzehntelang bei gutem Allgemein¬ 
befinden besteht, sich passiv verhalten, die Frage der Exstirpation 
jedenfalls in ab wägender Weise behandeln könne. Auch Gussen- 
bauer bekannte sich als Eklektiker, behandelt die chronischen, zur 


i) Albert, Gegen die Kastration bei Tuberkulose des Nebenhodens. Therapie 
der Gegenwart 1900. 

-) Lanz, 1. c. 



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19] 


Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


225 


Schrumpfung neigenden Fälle von reiner Genitaltuberkulose abwar¬ 
tend, da er bei zahlreichen Erkrankungen dieser Art nach Jahren 
spontane Ausheilung gesehen habe, macht aber bei rasch fortschreiten¬ 
der Verkäsung die Exstirpation in radikalster Form. Bramann 1 ) 
begnügt sich in leichten Fällen unter Umständen mit Inzision und 
Kauterisation oder auch mit der Resektion des Nebenhodens und des 
Vas deferens, gibt aber bei Mitbeteiligung des Hodens stets der Ka¬ 
stration den Vorzug. Czerny und Kocher sind, wie aus ihren 
Statistiken hervorgeht, Anhänger der Radikaloperation. 

Wenn wir uns nun zur Kritik der verschiedenen Anschauungen 
über die zweckmässigste Behandlung der Hodentuberkulose wenden, 
so ergibt sich zunächst aus den diesbezüglichen Debatten, dass die 
Kastrationsgegner, und speziell die französischen, ihre thera¬ 
peutischen Grundsätze teils auf vereinzelte Beobach¬ 
tungen, teils auf Reflexionen aufbauen, und dass kein ein¬ 
ziger derselben ein grösseres, über Jahre verfolgtes Krankenmaterial 
zum Beweis der Richtigkeit heranziehen konnte. Die konservative 
Richtung kann sich zur Zeit noch nicht auf ausreichende praktische 
Erfahrungen, auf Dauererfolge berufen, und was die Einwände gegen 
die Kastration betrifft, so sind dieselben sämtlich durch die neuesten 
statistischen Zusammenstellungen entkräftet. Aus den mehrere Hun¬ 
derte von Fällen mit einer Beobachtungsdauer bis zu drei Jahr¬ 
zehnten umfassenden Statistiken (s. o.) geht hervor, dass auch d i e E n t- 
fernung beiderHodenbei Erwachsenen — und um solche handelt 
es sich zumeist, da Kinder nur selten von Tub. test. befallen werden 
— keinen ungünstigen Einfluss auf das Gesamtbefinden 
aus übt. Das Auftreten einer Psychose ist mit einer einzigen Aus¬ 
nahme weder nach ein-, noch nach doppelseitiger Kastration beob¬ 
achtet worden. Ob die bei dem Patienten Czernys aufgetretene 
geistige Störung in direktem Zusammenhang mit der Operation stand, 
ist aus der Publikation nicht ersichtlich. Es hat sich ferner die 
merkwürdige Tatsache herausgestellt, dass in nicht wenigen 
Fällen von Castratio duplex die Potentia coeundi er¬ 
halten blieb, die erwartete Impotenz nicht eintrat. Bruns wies 
ferner nach, dass nach einseitiger Kastration der zweite Hoden 
in einem geringeren Prozentsatz als bei spontanem Ab¬ 
lauf der Krankheit von der T_uberkulose befallen wird. 
Der Einwand der Operationsgegner, dass bei der Kastration oft der 
gesunde Hoden geopfert werde, mag eine gewisse Berechtigung haben. 

1) Bramann, Im Handbuch der praktischen Chirurgie 1901. 

16 * 


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Max Jordan. 


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Indessen haben die mit der diagnostischen Spaltung gemachten Er¬ 
fahrungen ergeben, dass die sichere Feststellung der Intakt¬ 
heit des Organs bei der klinischen Autopsie kaum mög¬ 
lich ist. 

Da die schon oben mitgeteilten Endresultate der Kastration vor¬ 
zügliche sind und die derselben angedichteten Nachteile tatsächlich 
nicht bestehen, so kann es nicht zweifelhaft sein, dassdieKastra- 
tion eine sichere und berechtigte Behandlungsmethode 
dar stellt. Auch bei der konservativen Behandlung tritt bei doppel¬ 
seitiger Erkrankung infolge Zerstörung oder Verödung des Ausfüh¬ 
rungsganges Sterilität ein: Der Vorteil liegt also nur in der Erhal¬ 
tung des Testicule moral und der sicheren Konservierung der Potenz. 
Die konservativen Methoden müssten aber trotz der Sicherheit der 
Kastration den Vorzug verdienen, wenn die praktischen Ergebnisse 
ebenso günstige wären wie die der Exstirpation. Da ein Vergleich 
der Leistungsfähigkeit bei dem Fehlen einer zuverlässigen Statistik 
des konservativen Verfahrens zur Zeit noch nicht möglich ist, ver¬ 
lohnt es sich zu untersuchen, wie die Behandlungsfrage im 
Lichte der neuerenAuffassung der Pathologie derHoden- 
tuberkulose erscheint. 

Wenn die Annahme richtig ist, dass die Hodentuberkulose in 
der Mehrzahl der Fälle eine primäre ist und die Weiterverbreitung 
ascendierend erfolgt, so können wir erwarten, dass durch die Ent¬ 
fernung des tuberkulösen Herdes und hohe Resektion des vielleicht 
schon infizierten Vas deferens (Evulsion nach v. Büngner) Dauer¬ 
heilung herbeigeführt wird. Dass die Radikaloperation, die Exstir¬ 
pation des ganzen Organs, unter diesen Umständen zu günstigen Er¬ 
gebnissen führt, ist verständlich. Da wir es aber nach unserer Auf¬ 
fassung mit einer primären tuberkulösen Lokalerkrankung zu tun 
haben, ist es theoretisch ebenso gut denkbar, dass wir 
auch durch konservative Behandlung oder durch par¬ 
tielle Resektionen Heilung erzielen können. Es ist von 
vornherein nicht einzusehen, warum die jetzt für die Behandlung der 
Lokaltuberkulose (Knochen, Gelenke) massgebenden Prinzipien nicht 
auch auf den Hoden übertragen werden sollten. Die Frühresektionen 
der tuberkulösen Gelenke sind längst aufgegeben. Der an und für 
sich durchaus aussichtsvollen Ausschälung tuberkulöser Knoten oder 
der Exzision der ganzen Epididymis und eines Stücks des Vas defe¬ 
rens haftet nur die Unsicherheit bezüglich der Mitbeteiligung des 
Hodens an. Handelt es sich indessen nur um einige miliare Tuberkel, 
die im Hodenparenchym zerstreut sind, so wäre nach Entfernung 



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21 ] 


Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. 


227 


des Hauptherdes der Tuberkulose ein Rückgang und eine 
Verödung derselben ebenso gut möglich wie am Ureter, 
den wir nach der Nephrektomie zurücklassen. Wenn die Erfahrung 
ergeben würde, dass eine solche Rückbildung der Hodentuberkel die 
Regel ist, so verdiente die partielle Resektion zweifellos den Vorzug 
vor der Kastration. Hinsichtlich der nachträglichen Erkran¬ 
kung des zweiten Hodens weisen die beiden Operationen 
keinen Unterschied auf; denn einmal hat nach unserer An¬ 
nahme der koordinierten, hämatogenen Infektion die Exstirpation 
des kranken Hodens keinen Einfluss auf das Schicksal 
des zweiten Hodens, und dann würde auch die partielle Resektion 
mit Evulsion eine etwaige Weiterverbreitung durch den Samengang 
in gleicher Weise verhüten wie die Kastration. 

In frühen Stadien der Epididymistuberkulose ist der Hoden 
in der Mehrzahl der Fälle noch intakt. Wenn daher die Re¬ 
sektion im Sinne Quenus zur prinzipiellen Behandlungsmethode 
erhoben würde, so könnte man theoretisch sehr günstige Endresultate 
erwarten. 

Aus den bisherigen Darlegungen folgt, dass wir infolge der Ände¬ 
rung unserer Anschauungen über die Pathologie auch therapeu¬ 
tisch vor neue Aufgaben gestellt sind. Es ist zur Zeit noch 
nicht möglich festzustellen, welche Behandlungsmethode die souveräne 
ist. Die Kastration hat ihren hohen Wert durch die Praxis bewiesen, 
die Leistungsfähigkeit der konservativen Methoden ist noch nicht er¬ 
probt. Die Entscheidung der Frage wird erst nach Jahr¬ 
zehnten auf Grund umfangreichen statistischen Materials 
möglich sein. 

Bis zur Lösung der schwebenden Fragen dürfte es sich empfehen, 
den Weg der mittleren Linie zu gehen. In allen Fällen von 
reiner Genitaltuberkulose, bei denen die Erhaltung des Hodens keine 
wesentliche Rolle spielt, bei alten Leuten, bei Männern, die zahl¬ 
reiche Kinder haben und die Sicherheit der Wiederherstellung über 
die eventuelle Konservierung der Geschlechtsfunktion stellen, ist die 
Kastration als zuverlässigste Methode anzuwenden. Bei jüngeren 
Patienten, denen an der Erhaltung des Hodens viel gelegen ist, ist 
dagegen der Versuch, die Kastration zu vermeiden, gerechtfertigt. 
Bei langsam verlaufender, zu Schrumpfung neigender Tuberkulose des 
Nebenhodens empfiehlt sich neben Applikation eines Suspensoriums 
und eventueller Einreibung von Jodsalbe die Anwendung einer ener¬ 
gischen Allgemeinbehandlung. Kommt es zur Erweichung eines iso- 


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228 Max Jordan. Zur Pathologie und Therapie der Hodentuberkulose. [22 

lierten Knotens, dann ist Inzision und Exkochleation mit nachfolgender 
Jodoformgazetamponäde angezeigt. Bei ausgedehnterer Infiltration 
und stellenweiser Abszedierung des ganzen Nebenhodens ist die Re¬ 
sektion im Gesunden unter Mitnahme des Vas deferens zu versuchen. 
Greift der Prozess auf den Hoden selbst über, ist die Grenze zwischen 
Neben- und Haupthoden nicht mehr zu ziehen, so tritt die Kastration 
in ihre Rechte. 



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Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 

Von 

Dr. 0. Roepke, Lippspringe, 

Chefarzt der Lungenheilstätte 13. 


Die Diagnostik der Lungentuberkulose hängt mit der Entwicke¬ 
lung der Lehre von der Schwindsucht aufs engste zusammen. Bedeut¬ 
same Fortschritte in der letzteren mussten naturgemäss ihren be¬ 
stimmenden Einfluss auf erstere ausüben. So ist das Thema alt, 
uralt wie die Medizin der altorientalischen Völker und die medi¬ 
zinischen Werke eines Alkmäon, Hippokrates, Aretäus, 
Galen, Celsus und anderer Ärzte aus dem klassischen Altertum. 

Der ärztliche Scharfblick und Erfahrungsschatz des Hippokrates 
und die ihm eigene und seinen Schülern anerzogene Beobachtung am 
Krankenbett entwerfen von der Phthisis lediglich auf Grund ihrer 
spezifischen Erscheinungen ein Krankheitsbild, wie es trefflicher und 
prägnanter auch heute noch nicht geschildert werden könnte. Die 
Beziehungen zwischen Hämoptoe und Schwindsucht, der Einfluss 
häufiger Katarrhe auf ihre Entstehung, die besonders gefährdeten 
Altersstufen, der phthisische Habitus, Husten, Auswurf und Atemnot, 
Fieber und Nachtschweisse, Abmagerung und Erbleichen der Haut¬ 
decken werden in überraschend klarer Auffassung für die Diagnosen¬ 
stellung verwertet. Dagegen sind die pathologisch-anatomischen Vor¬ 
stellungen verschwommen und schwanken zwischen der Annahme 
chronisch entzündlicher Prozesse und vereiternder Knotenbildung. 
Das ist die Epoche der rein empirischen Diagnostik der Schwind¬ 
sucht. 


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230 


0. Roepke. 


[2 


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Das wissenschaftlich unproduktive Mittelalter brachte bis zum 
17. Jahrhundert auch für die Erkenntnis der Lungenschwindsucht 
keine Fortschritte. Im Gegenteil! Bei jeglichem Mangel an medi¬ 
zinisch interessanten und anregenden Forschungen blühte unter dem 
Schutze ärztlicher Unkenntnis und Charlatanerie der Mystizismus und 
Aberglaube und machte die Phthise zu jenem Schreckbild unheilbarer 
menschlicher Leiden, das auch heute noch überängstlichen Laien¬ 
kreisen bei dem Worte „Schwindsucht“ erscheint. 

Erst im 18. Jahrhundert belebten Bayle und Laennec, welche 
als erste die Tuberkelbildung in der Lunge als das wesentliche der 
Tuberkulose ansahen, die Gesamtauffassung von dem ätiologischen 
Wesen und dem pathologischen Bilde der Lungenschwindsucht aufs 
neue. Die Erfindung der Perkussion durch Auenbrugger und ihre 
Einführung durch Corvisart sowie die Entdeckung der Auskultation 
durch Laennec kamen hinzu, um die pathologisch-anatomischen 
Veränderungen objektiv wahrnehmbar und technisch diagnostizierbar 
zu machen. Auf diesen Grundlagen führte dann im 19. Säkulum 
die Ausbildung der physikalischen Untersuchungsmethoden durch 
Skoda, Wintrich, Traube, Reynaud im Verein mit den ab¬ 
schliessenden Forschungen Rudolf Virchows über Wesen und Be¬ 
griff des Tuberkels zu einer Blütezeit der pathologisch-anatomischen 
Lokal- oder Organdiagnostik der Tuberkulose. Die Krankheitsherde 
der Lungen nach Schallqualitäten und Atmungsphänomenen am Thorax 
abzugrenzen, jede einzelne auskultatorische oder perkutorische Er¬ 
scheinung über den Lungen auf ihre physikalische Ursache zurück¬ 
zuführen und danach den örtlichen tuberkulösen Prozess zu kon¬ 
struieren, das gilt um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als die 
Kunst des Klinikers. Die Klinik steht im Zeichen der wissenschaft¬ 
lichen Diagnostik und vertritt hinsichtlich der Lungentuberkulose 
die Epoche der physikalischen Diagnostik. Dieselbe konnte indes 
nur so lange die Hauptaufgabe des Klinikers bilden, als die allgemein 
verbreitete Annahme von der Unheilbarkeit der Tuberkulose und der 
dadurch bedingte Nihilismus in der Therapie den kranken Organis¬ 
mus gegenüber dem kranken Organ ganz zurücktreten Hessen. Die 
folgenden Jahrzehnte mussten mit dem auf unumstössliche Tatsachen 
und unwiderlegbare Beobachtungen gestützten Heilbarkeitsdogma der 
Lungentuberkulose eine Änderung des klinischen Standpunktes zur 
Tuberkuloseforschung herbeiführen. Dieselbe lag in der Verschmel¬ 
zung jener beiden ersten Epochen nahe. Die hippokratische Grund¬ 
auffassung der Tuberkulose als Konstitutionskrankheit wurde der 
Beurteilung des exakt aufgenommenen lokalen Lungenbefundes zu 
gründe gelegt. Daraus resultierte eine auf den ganzen kranken Or- 



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3] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


231 


ganismus ausgedehnte methodische Krankenuntersuchung und Kranken¬ 
beobachtung, die Epoche der klinischen Diagnostik der Lungen¬ 
tuberkulose. In dieser Zeit und Auffassung wurzelt auch die von 
Brehmer inaugurierte, von Dettweiler wissenschaftlich fundierte 
und ausgebaute hygienisch-diätetische Anstaltsbehandlung der Lungen¬ 
tuberkulose. 

Da schien im Jahre 1882 die glänzendste Tat Robert Kochs, 
die Entdeckung des Tuberkelbacillus, die klinische Diagnostik der 
Tuberkulose überhaupt überflüssig zu machen. Man kannte ja jetzt 
die parasitäre Ätiologie der Tuberkulose und hoffte, den obligaten 
Parasiten überall dort nachzuweisen, wo ein tuberkulöser Prozess 
vorhanden war. Wo Tuberkulose — da Tuberkelbacillus, der Schluss 
war unfehlbar richtig. Die Ätiologie der Tuberkulose war durch die 
Bakteriologie entdeckt, die Epoche der bakteriologischen Dia¬ 
gnostik auch für die Lungentuberkulose die Folge. 

Aber bald lehrte die Erfahrung, dass es ungeheuer oft unmög¬ 
lich war, sich den Tuberkelbacillus auch ausserhalb der tuberkulös 
erkrankten Lunge ad oculos zu demonstrieren, sei es, dass der tuber¬ 
kulöse Prozess mit der Aussenwelt nicht kommunizierte, sei es, dass 
er tuberkelbacillenhaltiges Material noch nicht absonderte, sei es, dass 
die Technik der bakteriologischen Untersuchungsmethoden weiterer 
Vervollkommnung bedurfte. So wurde die Bedeutung der klinischen 
Diagnose der Lungentuberkulose nur vorübergehend durch die mächtig 
aufblühende bakteriologische Diagnostik eingeengt. Letztere mag für 
die private Prophylaxe und öffentliche Gesundheitspflege entscheidend 
und für die Anordnung der spezifischen gegen die Tuberkuloseaus¬ 
breitung gerichteten Prohibitivmassnahmen sogar notwendig sein, für 
die Erkennung tuberkulöser Lungenprozesse behufs Einleitung eines 
aussichtsvollen Heilverfahrens leistet sie nur wenig. Für therapeutische 
Zwecke und Ziele muss man vielmehr auch die klinische Diagnostik 
noch empfindlicher und schärfer gestalten als bisher, nachdem eine 
mehrjährige Heilstättenpraxis es bestätigt hat, dass die Lungentuber¬ 
kulose um so sicherer und häufiger heilbar ist, je frühzeitiger sie er¬ 
kannt und behandelt wird. Dieser Erfahrung entspricht die jetzige 
Epoche der Frühdiagnostik der Lungentuberkulose. 

Soweit ich ihre Literatur übersehe, bezieht sie sich auf die Auf¬ 
nahme von Röntgen-Photogrammen, auf die Bestimmung des Blut¬ 
drucks, der Temperatursteigerung nach Bewegung, der Leukocytose, 
der Albuminurie abwechselnd mit Phosphaturie, auf den Eintritt eines 
künstlichen Jodkatarrhs, auf die Untersuchung des Sputums mittelst 
Tierversuchs, auf die Feststellung des Agglutinationsvermögens u. dergl. 
Alle diese als wissenschaftliche Handhaben angepriesenen Mittel, eine 


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232 


0. Roepke. 


[4 


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zuverlässige Frühdiagnose zu erleichtern, versagen nach meinen Be¬ 
obachtungen mehr oder weniger vollständig, ganz abgesehen von dem 
Aufwand an Zeit, den ihre Anwendung erfordert, den aber kein nur 
einigermassen beschäftigter Arzt zu opfern in der Lage ist. Dahin¬ 
gegen scheint mir eine Reihe kleiner Mittel mit Erfolg anwendbar 
auch für den Praktiker, der doch in erster Linie dazu berufen ist, 
die Initialfälle der Lungentuberkulose zu diagnostizieren. Diese be¬ 
treffen die eingehende Bewertung der Vorgeschichte des Kranken, 
seiner allgemeinen und spezifischen Krankheitszeichen und des ört¬ 
lichen Lungenbefundes mittelst der klinischen Untersuehungsmethoden. 

Von eingreifenderen und umständlicheren Massnahmen hat sich 
als diagnostisches Hilfsmittel einzig und allein die Tuberkulinreaktion 
bewährt. Doch bildet dieselbe nur ein Glied in der Kette aller der¬ 
jenigen Mittel, die von des Hippokrates Zeitalter an bis jetzt durch 
jahrtausendlange Geistesarbeit zur Erkennung der verheerendsten 
Volksseuche gefunden worden sind. Darum wäre es ein schwerer 
Fehler, die probatorische Tuberkulinanwendung selbständig und los¬ 
gelöst von den übrigen diagnostischen Hilfsmitteln als Frühdiagnostik 
7ta%’ igoxtjv anzusprechen und damit eine tuberkulindiagno¬ 
stische Epoche der Lungentuberkulose herbeiführen zu wollen. 
Häufige und schwere Gesundheitsschädigungen wären unausbleiblich, 
wollte man unter Ausserachtlassung des klinischen Lungenbefundes, 
des Allgemeinzustandes und Allgemeinbefindens, etwaiger kompli¬ 
zierender Momente die Tuberkulindiagnostik ausüben. Zudem würde 
man ein in der Hand des geübten und vorsichtigen Diagnostikers 
unschätzbares, vom Laienpublikum aber ohnehin gefürchtetes Mittel 
nur noch mehr in Misskredit bringen. 

Der entwickelungsgeschichtliche Überblick deutet die Gesichts¬ 
punkte. Mittel und Methoden an, die nach dem heutigen Stande der 
Tuberkulose-Wissenschaft für die Diagnostik der Lungentuberkulose 
Berücksichtigung erheischen. Meine folgenden Zusammenstellungen 
sollen nun dartun, welche tatsächlichen Ergebnisse ein solches dia¬ 
gnostisches Vorgehen bei den ersten dreihundert in die hiesige Heil¬ 
anstalt aufgenommenen Kranken geliefert hat. Dem berechtigten 
Einwande, dass diese Zahl der Beobachtungen viel zu klein wäre, um 
beweisend , zu wirken, möchte ich von vornherein mit der offenen Er¬ 
klärung entgegentreten, dass es mir ganz fern liegt, etwas Neues be¬ 
weisen oder gar etwas Bewiesenes umstossen zu wollen. Sine ira ac 
studio habe ich — und zwar in allen 300 Fällen persönlich — die 
Angaben der Patienten über die GesundheitsVerhältnisse ihrer Familie, 
über die Vorgeschichte ihrer Krankheit und über deren Erscheinungen 
aufgenommen, den allgemeinen und örtlichen Krankheitsbefund bei 


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5] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


233 


der Aufnahme festgestellt, die bakteriologischen Untersuchungen aus¬ 
geführt und die tuberkulindiagnostischen Impfungen angewendet. 
Sine ira ac Studio habe ich nun die einzelnen Daten aus den Krankenr 
geschichten zusammengetragen. Was im übrigen meinem Material in 
der Quantität abgeht, das ersetzt es vielleicht hinreichend in der 
Qualität dadurch, dass es vom ersten bis zum letzten Fall sorgfältig 
und einheitlich bewertet und verwertet worden ist. 


Die Personalien der Kranken. 

Allgemeines über Alter, Familienstand, Beruf, soziale 
Verhältnisse und Wohnort der Kranken. 

Dem Alter nach standen im 


15.—17. Lebensjahr 5 Patienten 


18. 

—20. 

77 

20 

77 


21. 

-25. 

77 

68 

77 

im 18.—35. Jahr 

26, 

—30. 

n 

83 

77 

225 = 75°/'o. 

31. 

-35. 


54 



36, 

—40. 

V 

31 

77 


41, 

—45. 

n 

24 

77 


46. 

-50. 

77 

12 

77 


51, 

-55. 

77 

3 

77 



Dasjenige Alter, welches Hippokrates und mit ihm alle späteren 
Autoren bis zur Jetztzeit als das gefährlichste für die Entstehung 
der Lungentuberkulose ansehen — das 18.—35. Lebensjahr — finden 
wir auch hier am weitaus häufigsten, nämlich in 75°/o der Fälle, ver¬ 
treten. 

Nach der Familienstandsübersicht waren von den 300 Kranken, 
die sämtlich dem männlichen Geschlechte angehörten, 
verheiratet 172 = 57 1 /s°/o 
ledig 126 = 42°/o 
verwitwet 2 = */s °/o. 

Hier erscheint die Anzahl der verwitweten gegenüber den ver¬ 
heirateten Ehemännern auffallend klein. 

Die verschiedenen Berufsarten sind zusammengefasst, und 
zwar die der hauptsächlich körperlich Arbeitenden, je nachdem die 
Kranken ihre Beschäftigung dauernd in geschlossenen Räumen oder 
dauernd im Freien hatten. Daneben habe ich noch eine dritte Rubrik 
für den beamteten und nicht beamteten Mittelstand gebildet, dessen 
körperliche Arbeitsleistung gegenüber der geistigen mehr oder weniger 


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234 


0. Roepkö. 


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zurücktritt und dessen Tätigkeit eine grössere Bewegungsfreiheit 
zwischen geschlossenen Räumen und dem Freien verlangt oder zum 
wenigsten ermöglicht. Danach gehörten zu 
dem Arbeiter- und Handwerkerstande in Fa¬ 
briken, Gruben und Werkstätten 196 Kranke = 65 1 /'s°,'o 

den ländlichen und im Freien beschäftigten 

Arbeitern und Handwerkern 39 „ = 13°/o 

den vorwiegend geistig tätigen und räumlich 

ungebundenen Berufsarten 65 „ = 21*/a°/o 

Über die sozialen Verhältnisse orientiert, wenn auch nur 
ganz oberflächlich, die Erledigung der Kurkostenfrage. Die Kosten 
des Heilverfahrens wurden 


in 246 Fällen = 82 °/o, von Landesversicherungsanstalten, Kranken¬ 
kassen und anderen krankenfürsorgepflichtigen 
Organen, 

in 6 Fällen = 2°/o von Wohlfahrtsvereinen, Stiftungen und Frei¬ 
bettenfonds übernommen, 

in 48 Fällen = 16 °/o von den Kranken selbst getragen. 

Der Hauptinteressenbezirk der Heilstätte lag natürlich in 
der Provinz Westfalen; sie war beteiligt mit 225 Kranken = 75 °/o, 
die Rheinprovinz „ „ „ 58 „ ~ 19 1 /3 0 o, 

andere Provinzen waren „ „ 17 „ == 5*/»°o. 


Nach der Lage des Wohnortes verteilen sich auf die 


Industriecentren 98 Kranke 

Grossstädte 67 „ 

ländlichen Bezirke 89 „ 

Kleinstädte 46 _ 


165 = 55 °io, 
135 = 45°/o. 


Ein ganz allgemein gehaltenes Gesamturteil über die Personal¬ 
verhältnisse der Patienten liess sich dahin zusammenfassen, dass 
das beobachtete Krankenmaterial aus Männern eines an sich kräftigen 
Menschenschlages bestand, die, dem Arbeiter-, Handwerker-, beamteten 
und nicht beamteten Mittelstände zugehörig, im erwerbstätigen Alter 
in der Heilstätte Aufnahme fanden. 


Die Anamnese. 

Die Ergebnisse der Anamnese sind für die Diagnostik der 
Lungentuberkulose von der grössten Wichtigkeit. Manche Ärzte, 
sogar Spezialärzte, verzichten allerdings ganz auf die Anamnese, die 
weitaus meisten in übergrosser Hast und Eile und zur Flüchtigkeit 



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7] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 235 

gezwungen durch eine im Warteraum ungeduldig harrende Menge von 
Kurgästen, die wenigsten in der Absicht, für die objektive Unter¬ 
suchung durch nichts voreingenommen zu sein. 

Bei dem ausgesprochenen Bilde der Schwindsucht im dritten 
Stadium mag eine Anamnese für die Diagnosen- und Prognosenstellung 
entbehrlich sein. Anders schon beim zweiten Stadium, das wohl 
durch die klinische Untersuchung allein ohne weiteres richtig zu er¬ 
kennen ist, das aber bezüglich der prognostischen Beurteilung Schwierig¬ 
keiten bietet. Jeder Phthisiotherapeut weiss, wie häufig bei dem 
meist chronischen Verlauf der Lungentuberkulose prognostische Er¬ 
klärungen gewünscht werden, und wie heikel die Beantwortung dies¬ 
bezüglicher Fragen ist. Und es dürfte wohl keinen geben, der nicht 
schon mehrfach die Blame hat tragen müssen, dass da, wo er unab¬ 
wendbaren Fortschritt des Leidens bis zum Exitus prognostiziert hatte, 
ihm nach Jahren der Träger einer zum Stillstand gekommenen Lungen¬ 
tuberkulose in voller Berufs- und Weltfähigkeit entgegentrat. Es ist 
daher die grösste Vorsicht und Gewissenhaftigkeit am Platze, zumal 
wenn es sich um Entscheidung der verantwortungsvollen Fragen 
handelt, die betreffs Verlobungen und Eheschliessungen Tuberkulöser 
an den Arzt herantreten, ln allen diesen Fällen wird die eingehende 
Bewertung einwandsfreier anamnestischer Daten die richtige Beurtei¬ 
lung des klinischen Befundes unterstützen, ob es sich um abheilende, 
stillstehende oder fortschreitende Prozesse handelt, und dadurch vor 
allzu häufigen und schweren prognostischen Irrtümern schützen. 

Noch ein anderer Gesichtspunkt kommt hinzu, eine Forderung 
der sozialen Medizin, die sich als ein Produkt der Neuzeit an die 
gross angelegte soziale Gesetzgebung Deutschlands angeschlossen hat. 
ln unserer Zeit, wo Krankenkassenwesen und Invalidenversicherung 
in den innigsten, sich ergänzenden Wechselbeziehungen stehen, ge¬ 
nügt es nicht mehr, schlechtweg „Lungentuberkulose“ zu diagnosti¬ 
zieren; wir müssen vielmehr prognostisch diagnostizierend solche Tuber¬ 
kulosefälle, die durch ein Heilverfahren die Hebung der gefährdeten 
oder gestörten Erwerbsfähigkeit bis zur Norm bezw. bis mindestens 
auf ein Drittel der Norm erwarten lassen, von anderen unterscheiden, 
die hinsichtlich der Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit keinen 
mehrere Jahre anhaltenden Erfolg versprechen. Dies gilt für den 
praktizierenden Arzt bei der Auswahl zum Heilverfahren in gleicher 
Weise wie für den Heilstättenarzt bei der Durchführung desselben; 
hier wie dort wird man ohne Berücksichtigung der Anamnese 
dieFrage kaum jemals richtig entscheiden, ob die Grenzfalle 
zur Heilstättenbehandlung noch geeignet oder nicht mehr ge¬ 
eignet sind. 


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236 


0. Roepke. 


[8 


Ob z. B. eine Lungentuberkulose trotz voller Berufstätigkeit, 
unhygienischer Lebensbedingungen oder anderer ungünstiger Momente 
langsam sich ausbreitete, oder ob sie trotz Schonung, Pflege oder 
zweckmässiger Behandlung rapid um sich griff; ob Gewichtsabnahmen 
gar nicht oder unbedeutend und allmählich oder ob sie plötzlich, hoch¬ 
gradig und schnell eintreten, das sind für die Beurteilung des Ver¬ 
laufes einer Tuberkulose ungemein beachtenswerte Anhaltspunkte. 

Nicht weniger wichtig ist die Anamnese für die rechtzeitige Er¬ 
kennung der ersten Stadien, insbesondere jener sich in der Lungen¬ 
spitze etablierenden Initialtuberkulose, die selbst den geübten Unter¬ 
sucher oft nicht weiter als bis zu einem non liquet kommen lässt. 
In allen diesen speziell ins Gebiet der Frühdiagnostik fallenden Fällen 
wird die Anamnese auf die richtige Spur führen, sofern bei ihrer 
Aufnahme die gesammelten Erfahrungen der Phthisiologie in einer 
der Individualität und Intelligenz des Kranken angepassten Form 
berücksichtigt werden. 

Auch ist die Anamnese wertvoll, wenn nicht unentbehrlich, 
bei besonderen differentialdiagnostischen Schwierigkeiten, ob z. B. 
eine Blutung aus der Lunge oder aus dem Magen stammt, ob eine 
Kaverne im Unterlappen auf bronchiektatischer oder tuberkulöser 
Basis entstanden ist, ob eine Lungentuberkulose oder eine Lungen¬ 
syphilis vorliegt u. dergl. mehr. 

Die Bezeichnung „positive Anamnese“, die ich zuerst von Neisser- 
Stettin auf die Tuberkulose angewandt finde, ist kurz und prägnant; 
sie soll zum Ausdruck bringen, dass im einzelnen Falle zuverlässige 
anamnestische Angaben für das Vorhandensein einer Tuberkulose 
sprechen. Die Verhältnisse liegen hier für die Diagnostik einer kli¬ 
nisch zweifelhaften Lungentuberkulose ähnlich wie bei der Diagnostik 
syphilitischer Späterkrankungen; in beiden Fällen wird die positive 
Anamnese ein integrierender Bestandteil der Diagnostik. Es wäre 
übrigens wünschenswert, eine Einigung darüber zu erzielen und fest¬ 
zulegen, welche Daten der Anamnese einzeln oder vereinigt ihren 
positiven Charakter ausmachen. 

Für die Heilstätte und jedes Krankenhaus, das Tuberkulöse be¬ 
handelt, hat die genaue Aufnahme der Anamnese noch eine andere 
Bedeutung, die zum Teil auf psychodiagnostischem, zum Teil auf 
psychotherapeutischem Gebiete liegt. Die einzelnen Lebensabschnitte 
des Kranken, Kindheit, Jugend, Erwerbsleben und Lebensführung, 
ziehen während der Anamnese kaleidoskopartig an dem kritischen 
Auge des Arztes vorüber und entrollen ein Bild von dem Charakter, 
Bildungsgrad und psychischem Zustand des Patienten, das für Dia- 


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9] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


237 


gnose und Prognose einer chronischen Krankheit wertvolle Hinweise 
liefert. Zum andern ist es bei der noch immer ausgesprochenen 
Aversion der meisten Lungenkranken gegen die geschlossene Anstalt 
dringend wünschenswert, dass der Arzt dem neueintretenden Kranken 
alsbald auch rein menschlich näher tritt, damit der Patient den Ein¬ 
druck, lediglich Krankenmaterial zu sein, verliert und Vertrauen zur 
ärztlichen Fürsorge gewinnt. Diese psychische Umwandlung, die 
einen der wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Anstaltsbehand¬ 
lung der Tuberkulose bildet, erzielen wir spielend leicht durch eine 
bei aller Bestimmtheit in Ton und Art freundlich aufgenommene 
Anamnese. Und schliesslich haben die Krankenanstalten bezw. ihre 
Ärzte die Aufgabe, in allen Teilen ihrer Tätigkeit Material zu sammeln, 
das in hunderten und tausenden von Fällen einheitlich beobachtet zur 
Klarlegung mancher noch strittigen Fragen ihres Spezialgebietes bei¬ 
tragen wird. Es bedarf aber wohl keines Hinweises, dass ganz be¬ 
sonders in unserm Spezialfach gerade die anamnestisch festzustellen¬ 
den Momente die ebenso unbestimmten wie viel erörterten Begriffe 
von der ererbten und erworbenen Disposition zur Tuberkulose klären 
können und müssen. 

Um die Statistiken der anamnestischen und klinischen Auszüge 
aus den Krankengeschichten ergiebiger und interessanter zu gestalten, 
habe ich das ganze Krankenmaterial nach zwei Gesichtspunkten ge¬ 
trennt bearbeitet: einmal nach dem Moment der anamnestisch fest¬ 
gestellten erblichen Belastung, dann nach der Schwere des 
klinisch festgestellten örtlichen Krankheitsprozesses. Letz¬ 
teres muss selbstverständlich erscheinen, da der Lungenbefund, ganz 
abgesehen von seiner klinischen Bedeutung, den prägnantesten Mass¬ 
stab für die Schwere der Erkrankung bildet. Dagegen kann ersteres 
wunder nehmen, weil der Einfluss der erblichen Belastung auf Ent¬ 
stehung und Verlauf der Lungentuberkulose mehr und mehr bestritten 
wird, während die Unklarheit über die Art und Wirkungsweise der 
erblichen Beanlagung fortbesteht. Der Grund für mein Vorgehen 
liegt in der schon alten und immer wieder aufs neue bestätigten Er¬ 
fahrungstatsache, dass die Schwindsucht der Eltern ihren Kindern oft 
verhängnisvoll ist — ob infolge einer „Familiendisposition“ oder einer 
„Familieninfektion“ bleibe hier zunächst dahingestellt. 

Bei der Trennung des Krankenmaterials nach der Schwere 
und Ausdehnung des örtlichen Krankheitsprozesses müssen 
von den 300 Patienten 2 Personen ausscheiden, da sie als nicht tuber¬ 
kulös befunden wurden; ihre Krankengeschichten bleiben daher zu¬ 
nächst auch ganz unberücksichtigt. Die übrigen 298 Fälle verteilen 


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0. Roepke. 


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238 


[10 


sich bei Zugrundelegung der Turban sehen Stadieneinteilung 1 ) folgen- 
dennassen: 

Es gehörten dem I. Stadium an 144 Kranke = 48,3 °/o 

*? » » n 07 j) = 22,5 °/o 

» HI. » , 87 „ = 29,2 °/o. 

Trennen wir nun nach dem zweiten vorgeschlagenen Modus inner¬ 
halb der einzelnen Stadien die erblich belasteten von den 
nicht belasteten Kranken, so erhalten wir folgende, in allen 
späteren Aufstellungen wiederkehrende Zahlen: 


Im I. 

Stadium 

waren 

belastet 36, 

nicht belastet 108 

* II. 


n 

„ 11, 

77 

„ 56 

„ III. 

77 

77 

, _18, 

77 

, 69 

I. + II. + III. 

77 

V 

65, 


, 233. 


Die Gesundheitsverhältnisse der Familie. 


Die anamnestischen Ermittelungen haben sich nach zwei bezw. 
nach drei Richtungen hin bewegt, je nachdem die Kranken ledig oder 
verheiratet waren und zwar nach dem Gesundheitszustand 

1. der Eltern, 

2. der Geschwister, 

3. der Ehefrau und Kinder. 


1. Erbliche Belastung wurde nur dann angenommen, wenn 
Vater oder Mutter oder beide Eltern des Patienten an Tuberkulose 
gelitten hatten oder an derselben gestorben waren. Die Tuberkulose 
der Grosseltern und der Geschwister der Eltern blieb ausser acht, 
da bei den Patienten der unteren Volksklassen die Ermittelung ihrer 
zeitlich und räumlich ferner liegenden Familienverhältnisse auf Un¬ 
wissenheit, Gleichgültigkeit und dadurch bedingte ungenaue Angaben 
stösst. Die oben bereits angegebenen 65 Fälle erblicher Belastung 
stellen also Minimalzahlen dar und verteilen sich im einzelnen wie 
folgt: 

Tuberkulose lag vor bei den Kranken des I. II. III. Stadiums 

väterlicherseits 24 5 10 = 39 

mütterlicherseits 8 5 7 = 20 

beiderseitig 4 11 = 6 

36 + 11 + 18 = 65. 


0 I. Stadium: Leichte, höchstens auf das Volumen eines Lungenlappens 
oder zweier halben Lappen ausgedehnte Erkrankung. II. Stadium: Leichte, 
höchstens auf das Volumen zweier Lappen oder schwere, höchstens auf das Vo¬ 
lumen eines Lappens ausgedehnte Erkrankung. III. Stadium: Alle Erkrankungen, 
welche über Stadium II hinausgehen. 



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11 ] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


239 


Der Prozentsatz erblich Belasteter (65 = 21,8 °/o der aufge¬ 
nommenen Tuberkulösen) ist für den an der Tuberkulosemortalität 
hoch beteiligten Interessenbezirk der Heilstätte auffallend gering. 
Dagegen scheint mir das Ergebnis, dass in 60°/o der Fälle der Vater 
und nur in rund 30°/o die Mutter tuberkulös war, zutreffend darauf 
hinzuweisen, dass auch in der früheren Generation der Ehemann der 
in der Industrie, im Bau- und Hüttenwesen beschäftigte und dadurch 
der Tuberkulosegefahr mehr ausgesetzte Teil war, während bei der 
gut auskömmlichen Höhe des Arbeitsverdienstes die Tätigkeit der 
Ehefrau allein auf die häuslichen Arbeiten beschränkt blieb. 

Erbliche Belastung war bei 1 I* der Kranken des I. Stadiums, bei 
*/« derjenigen des II. und bei 1 's derjenigen des III. nachweisbar. 
Aus diesen Zahlen lässt sich indes ein Schluss, ob die Heredität auf 
den Gang der Krankheit von Einfluss war, nicht ziehen. 

2. Über den Gesundheitszustand der Geschwister der 
Kranken orientiert die folgende Zusammenstellung: 


Es hatten die Kranken des 

I. 

II. 

III. Stadiums 

Sa. 


+ - 

+ - 

+ - 


+ ~ 

gesunde Gesehwister 

117 

390 

32 

158 

54 

210 

= 

203 

758 

klein gestorbene Geschwister 

9 

74 

1 

40 

16 

37 

== 

26 

151 

spfiter gestorbene Geschwister 

6 

51 

7 

17 

3 

26 

_ 

16 

94 

tuberkulöse Geschwister 

18 

21 

7 

3 

10 

14 

= 

35 

38 

Gesamtzahl der Geschwister 

150 

536 

47 

218 

83 

287 

= 

280 

1041 


686 

265 

370 


1321 


Zur Erläuterung der Tabelle bemerke ich, dass die Belasteten 
unter dem Plus-, die Nichtbelasteten unter dem Minuszeichen aufge¬ 
führt sind. Zu den tuberkulösen Geschwistern sind nur diejenigen 
gezählt, die nach den bestimmten Angaben der Patienten an der 
Tuberkulose leiden oder an derselben bereits verstorben sind; es stellen 
also auch diese Werte Minimalzahlen dar. 

Die Gesamtzahl der Geschwister beträgt bei den 65 Belasteten 
280, bei den 233 Nichtbelasteten 1041; es kommen demnach auf dem 
einzelnen Patienten, der aus gesunder Ehe stammt 4,5, auf dem aus 
tuberkulöser Ehe 4,3 Geschwister. Damit erfährt die allgemein ver¬ 
breitete Annahme, dass die Tuberkulösen meist mit sehr regem Ge¬ 
schlechtstriebe ausgestattet sind, zum wenigsten keine Stütze, denn 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. M. 3. 17 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



240 


0. Roepke. 


[12 


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sonst würde doch als Ausdruck der gesteigerten Geschlechtstätigkeit 
die Nachkommenschaft der tuberkulösen Ehen numerisch überwiegen. 

Weiter fragt es sich, ob die Geschwister der Belasteten, d. h. 
die Nachkommenschaft tuberkulöser Eltern eine grössere Schwächlich¬ 
keit und Widerstandslosigkeit gegenüber tuberkulösen und anderen 
Krankheiten aufweisen als die Nachkommen gesunder Eltern. Aus 
obiger Tabelle ergibt sich nun, dass 

von den 4,3 Geschwistern des Belasteten 3,1 gesund, 0,66 gestorben 
und 0,54 tuberkulös waren, 

von den 4,5 Geschwistern des Nichtbelasteten 3,3 gesund, 1,04 ge¬ 
storben und 0,16 tuberkulös waren. 

Daraus geht zunächst hervor, dass das Zahlenverhältnis der ge¬ 
sunden Geschwister bei Belasteten und Nichtbelasteten ein gleiches 
ist wie für die Geschwister überhaupt. Es zeichnet sich also der 
geringe Überschuss der Nachkommen aus gesunder Ehe durch Ge¬ 
sundheit aus, dagegen ist eine grössere Morbiditäts- und Mortalitäts¬ 
ziffer bei den Geschwistern der Belasteten nicht nachweisbar. Auf 
den Belasteten wie Nichtbelasteten kommen 1,2 gestorbener und tuber¬ 
kulöser Geschwister. Ein wesentlicher Unterschied liegt indes darin, 
dass unter den Geschwistern der Belasteten Tuberkulosefälle viel 
häufiger sind als unter denjenigen Nichtbelasteter, bei denen die 
Todesfälle an anderen Krankheiten vorherrschen: erstere — die 
Kinder tuberkulöser Eltern — stellen ein fast 3 Vs mal so grosses 
Kontingent zur Tuberkulose als letztere — die Kinder gesunder 
Eltern. 

Halten wir die Zahlen der obigen Tabelle nun auch noch nach 
den einzelnen Stadien auseinander, so ergibt sich folgendes: es 
kommen im 

I. Stadium auf einen Belasteten (Nichtbelasteten) 4,2 (5,0) Geschwister, 

davon 3,3 (3,6) gesunde, 0,4 (1,1) gestorbene, 0,5 (0,2) tuberkulöse, 

II. Stadium auf einen Belasteten (Nichtbelasteten) 4,3 (3,9) Geschwister, 

davon 3,0 (2,8) gesunde, 0,7 (1,0) gestorbene, 0,6 (0,05) tuberkulöse, 

III. Stadium auf einen Belasteten (Nichtbelasteten) 4,6 (4,2) Geschwister, 

davon 3,0 (3,0) gesunde, 1,0 (0,9) gestorbene, 0,6 (0,2) tuberkulöse. 

Der nichtbelastete Kranke des II. Stadiums hat danach die 
wenigsten Geschwister und am seltensten Tuberkulosefälle unter den¬ 
selben. Die Tuberkulose ist hier nämlich viermal seltener als bei 
den Geschwistern nichtbelasteter Kranken des I. und III. Stadiums 
und sogar 10—12 mal seltener als bei den Geschwistern belasteter 
Kranken aller drei Stadien. Die Zahlen sind zwar klein. Doch 
daraus, dass das Mittelstadium der Tuberkulose diese Eigentümlick- 



Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



13] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


241 


keiten bietet, während erstes und letztes Stadium auffallend ähnliche 
Verhältnisse in diesen Punkten zeigen, lässt sich wohl der Schluss 
ziehen, dass die Schwere der Lungentuberkulose eines Kranken in 
den Gesundheitsverhältnissen seiner Geschwister keinen Ausdruck 
findet, dass sie insbesondere auch nicht die Häufigkeit der Tuber¬ 
kulose unter den letzteren steigert. 

3. Ich komme zu dem Gesundheitszustände der Ehe¬ 
frauen und Kinder. Die Krankengeschichten der 172 verhei¬ 
rateten Patienten, von denen sich 80 im I., 47 im II. und 45 im 
III. Stadium befanden, gaben zwölfmal Tuberkulose bei den Ehe¬ 
frauen an. 

Es hatten von den Kranken des I. II. III. Stadiums 

18+ 62- 1 ) 3+ 44— l ) 9+ 36 —') 

an Tuberkulose leidende Frauen ^ j ^2 * 1 5 

an Tuberkulose gestorbene Frauen ^ ^ ^ q ^2 7 

Danach sind etwa 7°/o der Ehefrauen an der Tuberkulose ihres 
Mannes beteiligt, ein hinter den tatsächlichen Verhältnissen zweifellos 
weit zurückbleibender Prozentsatz. In denjenigen Ehen, in denen 
sich der Mann im HI. Stadium befindet, steigt die Tuberkulose der 
Ehefrau bis auf 9 °/o. Auffallend ist, dass in den 62 Ehen der nicht 
belasteten Kranken des I. Stadiums 6 Tuberkulosefälle, darunter 
5 tödliche, bei den Ehefrauen vorgekommen sind, während in den 
92 Ehen der Kranken des II. und HL Stadiums auch nur 6 Ehe¬ 
frauen tuberkulös waren. Da obige 6 Kranke des I. Stadiums tuberkel¬ 
bacillenhaltiges Sputum nicht absonderten, liegt der Gedanke nahe, 
dass hier nicht die Männer die Ehefrauen infiziert haben, sondern 
umgekehrt die Frauen ihre Ehemänner. In drei Fällen wurde auch 
diese Ansicht durch die Angaben der Patienten bestätigt, dass sie 
später erkrankt waren als ihre Frauen. 

Sämtliche tuberkulöse Frauen hatten geboren. 

Für die "Betrachtung des Gesundheitszustandes der Kinder müssen 
wir weitere 12 Krankengeschichten ausschalten von solchen Patienten, 
die kinderlos verheiratet waren. Bei 172 Ehen bedeuten 12 kinder¬ 
lose die hohe Sterilität von ca. 6°/o; dieselbe lässt indes hier weitere 
Schlüsse nicht zu, da ein Teil der kinderlosen Ehen noch ganz frischen 
Datums war. Die gesundheitlichen Verhältnisse der Kinder finden 
wir in folgender Tabelle zusammengestellt: 

!) Die Zahlen geben an, in wieviel Ehen der Mann erblich belastet (+) und 
nicht erblich belastet (—) war. 

17* 


Sa. 

! 12 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



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242 

O. Roepke. 




[14 

Es hatten die Kranken des 

I. 

II. 

III. Stadiums Sa. 


18+ 57 — l ) 3+ 41 — l ) 

7 + 34— A ) 


+ “ 


gesunde Kinder 

57 

158 

5 

137 

17 

83 

— 

79 | 

378 | 

1457 

totgeborene Kinder 

gestorbene Kinder 

1 

1 

4 

9 

0 

0 

1 

14 

2 

3 

1 

2 

= 

3 

4 

6 

25 

38 

I 

tuberkulöse Kinder 

3 

4 

0 

7 

6 

4 

= 

9 \ 
15 ) 

[24 

Gesamtzahl der Kinder 

65 

172 

6 

158 

26 

92 

:— 

97 

422 



237 

164 

118 

— 

519 



Insgesamt stammen aus den 160 Ehen 519 Kinder, und zwar 
457 gesunde, 38 totgeborene oder in späteren Jahren an nicht tuber¬ 
kulösen Erkrankungen gestorbene und 24 tuberkulöse. Als tuberkulös 
wurden nur diejenigen bezeichnet, bei denen eine Drüsen-, Knochen-, 
Gehirn- oder Lungentuberkulose den Angaben nach bestand oder zum 
Tode geführt hatte; ganz allgemeine und unbestimmte Angaben wie 
„innere Drüsen“, „etwas skrofulös“ u. dergl. blieben unberück¬ 
sichtigt. Die Bezeichnung „gesund“ ist also in dem erweiterten Sinne 
von „nicht tuberkulös“ aufzufassen. 

Bei Verteilung auf die einzelne Ehe gestalten sich die Verhält¬ 
nisse folgendermassen: auf eine Ehe kommen 3,3 Kinder; von diesen 
sind 2,9 gesund, 0,25 gestorben und 0,15 tuberkulös. Bei dem be¬ 
kannten Kinderreichtum in unseren untern Volksschichten müssten 
diese Zahlen sehr klein erscheinen, wenn nicht in Betracht käme, 
dass sich der grössere Teil der Ehen hinsichtlich des Nachwuchses 
noch im produktiven Alter befindet. Über das Verhältnis der ge¬ 
sunden Kinder zu den gestorbenen und tuberkulösen (8 :1) und der 
Gesamtzahl der Kinder zu den tuberkulösen (22 :1) lässt sich ohne 
genaue Kenntnis dieser Daten in gleichwertigen gesunden Ehen ein 
Urteil gar nicht abgeben. Für die Beurteilung des Kindermaterials 
nach dem Stadium der Erkrankung des Vaters werden die Zahlen 
recht klein, indes glaube ich auf dieselbe nicht ganz verzichten zu 
dürfen. Es kommen auf den Vater 

im I. Stadium 3,3 Kinder, davon sind gesund 2,8 tuberkulös 0,10, 

, II. „ 4,1 „ * 3,2 „ 0,16, 

» HI- , 2,9 , „ „ 2,4 „ 0,24. 


!) Die Zahlen geben an, in wieviel Ehen der Mann erblich belastet (+) und 
nicht erblich belastet (—) war. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



15] 


Zar Diagnostik der Lungentuberkulose. 


243 


Es hat also die meisten Kinder überhaupt und die meisten ge¬ 
sunden Kinder der im II. Stadium befindliche Vater, der des III. Sta¬ 
diums die wenigsten, während der initial Tuberkulöse in der Mitte 
steht. Der Prozentsatz der gesunden Kinder beträgt bei initialer 
Tuberkulose des Vaters 90, bei vorgeschrittener nur 84. Auch steigt 
die Zahl der tuberkulösen Kinder progressiv mit der 
fortschreitenden Tuberkulose des Vaters. Weiterhin fällt 
in den Ehen, in denen der Mann im III. Stadium war, die Häufigkeit 
der Totgeburten auf. Als Ursache derselben möchte ich keineswegs 
die Möglichkeit einer unmittelbaren Übertragung der Tuberkulose von 
dem schwer tuberkulösen Vater auf den Fötus ins Auge fassen, ob¬ 
wohl in letzter Zeit durch die F. Fried mann sehen Tierversuche 
die Übertragungsmöglichkeit der Tuberkulose mittelst tuberkelbacillen¬ 
haltigen Spermas ohne Vermittelung der Mutter auf die Embryonen 
nachgewiesen ist. Meines Erachtens erklärt sich die Häufigkeit der 
Totgeburten in diesen Ehen ganz ungezwungen aus den Schädigungen, 
denen die gravide Ehefrau — bei der Arbeits- und Erwerbsunfähig¬ 
keit des Mannes — als erwerbender und pflegender Teil der Familie 
ausgesetzt ist. 

Am Schlüsse und an der Hand dieser anamnestischen Einzel¬ 
heiten, die alle mehr oder weniger das Moment der erblichen Be¬ 
lastung festzustellen suchten, will ich zu der Frage Stellung nehmen, 
welche Bedeutung der Heredität überhaupt bei der Lungentuberkulose 
zuzumessen ist. Die unmittelbare Übertragung der Tuberkulose durch 
das Sperma des tuberkulösen Vaters auf die zu befruchtende Eizelle 
(die sog. germinative Infektion) habe ich soeben erwähnt; sie kann, 
namentlich bei ausgesprochener Tuberkulose des Genitalapparates, 
möglich sein, ist aber noch niemals beobachtet. Dagegen mehren 
sich die Fälle, in denen die bacilläre Infektion des Fötus von seiten 
der schwer tuberkulösen Mutter auf dem Placentarwege stattgefunden 
hat (sog. placentare Infektion). Immerhin kann der direkten Ver¬ 
erbung des spezifischen Krankheitskeimes eine über das wissenschaft¬ 
liche Interesse hinausgehende praktische Bedeutung nicht zugemessen 
werden. Von rein infektionistischer Seite wurde lediglich die Menge 
und vor allem die Virulenz der von aussen in den Körper aufge¬ 
nommenen Tuberkelbacillen für die Entstehung der Tuberkulose ver¬ 
antwortlich gemacht. Das geht meines Erachtens schon deshalb 
nicht, weil nicht überall, wo der Tuberkelbacillus hinkommt, eine 
Tuberkulose ensteht bezw. zu entstehen braucht. Der Satz: „Wo 
Tuberkulose — da Tuberkelbacillus“ besteht, wie wir oben sahen, zu 
recht; der Satz: „Wo Tuberkelbacillus — da Tuberkulose“, ist falsch. 
Stets muss zu dem Infektionserreger und dem der Ipfektion wirksam 


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244 


0. Roepke. 


[16 


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ausgesetzten Individuum noch der Faktor hinzukommen, der die 
dauernde Ansiedlung des Tuberkelbacillus in dem Organismus ermög¬ 
licht und zwischen den bacillären Lebensäusserungen und den indi¬ 
viduellen Organ- und Körperfunktionen jene Wechselwirkungen schafft, 
die das vielgestaltige Bild der Tuberkulose ausmachen. Dieser Faktor 
ist die individuelle Disposition zur Tuberkulose, die 
ererbt oder erworben, nach Alter und Geschlecht verschieden, be¬ 
gründet sein mag in der Körperkonstitution und Gewebsbeschaffen- 
heit im allgemeinen (allgemeine Schwächlichkeit — phthisischer 
Habitus), oder in der Organausbildung und Zelltätigkeit im besonderen 
(lokale Schwäche der Lunge — paralytischer Thorax), oder in dem 
Ergebnis beider, der Energie und dem Chemismus des Stoffwechsels 
(herabgesetzte Widerstandsfähigkeit — Generalisierung der Tuber¬ 
kulose). Fassen wir in diesem weiten Sinne den Begriff der indi 
viduellen Disposition, so stehen auch der Annahme ihrer erb¬ 
lichen Übertragbarkeit vom biologischen Standpunkte aus keine 
Schwierigkeiten entgegen. Welche Krankheiten wir auch dia¬ 
gnostizieren, ob eine Infektionskrankheit wie den akuten Rheuma¬ 
tismus, oder anatomische Organveränderungen wie Herzfehler und 
Arteriosklerose, oder eine Neubildung wie das Carcinom, oder chro¬ 
nische Konstitutionskrankheiten wie Diabetes, oder schliesslich das 
grosse Heer der funktionellen und organischen Nerven- und Geistes¬ 
krankheiten, überall wird die Heredität, die Vererbbarkeit disponie¬ 
render d. h. die Entwickelung der betreffenden Krankheit begünsti¬ 
gender Eigenschaften, anerkannt und gewürdigt. Nur bei der Tuber¬ 
kulose wird gegen diesen Begriff der erblichen Belastung geeifert und 
Quantität und Qualität des Tuberkelbacillus über alle Funktionsfein¬ 
heiten im menschlichen Körper, über alle Wesensgesetze im Haus¬ 
halte der Natur gesetzt. Gerade die Infektionisten strengster Obser¬ 
vanz, für die jede „Familiendisposition“ zur „Familieninfektion“ wird, 
sollten auch hier ihrem grossen Lehrmeister Robert Koch folgen, der 
in seiner „Ätiologie der Tuberkulose“ schreibt: „Nach meinem Dafür¬ 
halten findet die hereditäre Tuberkulose am ungezwungensten ihre 
Erklärung, wenn angenommen wird, dass nicht der Infektionskeim 
selbst, sondern gewisse Eigenschaften, welche die Ent¬ 
wickelung der später mit dem Körper in Berührung ge¬ 
langenden Keime begünstigen, also das, was wir Dis¬ 
position nennen, vererbt werden.“ Die Disposition zur Tuber¬ 
kulose kann auch durch ungünstige Lebensbedingungen, schwächende 
Krankheiten und andere Schädlichkeiten erworben sein, welche die 
Abwehrfähigkeit des Organismus gegen die äusseren, wohl überall 
vorhandenen Feinde — tuberkuloseimmune Orte gibt es eben nicht — 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



17] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 245 

herabsetzen und gewöhnlich gleichzeitig die veranlassenden Momente 
zum Ausbruch der Krankheit in sich schliessen. Hier wie dort muss 
aber der Tuberkelbacillus, abgesehen von den seltenen Fällen placen- 
tarer Infektion, von aussen in den Körper und in die Lunge ein- 
dringen, um hier an gewissen Prädilektionsstellen — nach Turban 
an dem vererbten locus minoris resistentiae — seine verheerende 
Tätigkeit zu entfalten. 

Wo die Möglichkeit der Infektion durch das Zusammen¬ 
leben mit Tuberkulösen dauernd gegeben ist, und wo die Vorbedin¬ 
gungen für eine wirksame Infektion in engen, dunkeln Räumen bei 
achtloser Behandlung tuberkulösen Auswurfs besonders günstige sind, 
da wird die Ansteckung leichter und häufiger zu stände kommen. 
Dieser gesteigerten Infektionsgelegenheit bei gleichzeitig gegebener 
ererbter Disposition entspricht in meinem Material die Beobachtung, 
dass bei den Geschwistern der erblich Belasteten, d. h. also bei erb¬ 
lich belasteten Nachkommen, die Tuberkulose 3V2mal so häufig ist 
als bei den Geschwistern nicht erblich Belasteter. Die Gefahr der 
Infektion ist weiterhin um so grösser, je vorgeschrittener die 
Tuberkulose des Familienangehörigen ist; denn wie wir später sehen 
werden, steigen Häufigkeit, Menge und Bacillenreichtum des Sputums 
mit dem fortgeschritteneren Stadium der Erkrankung. Auch bezüg¬ 
lich der vererbten individuellen Disposition bestehen nach meinen 
obigen Zusammenstellungen für die Nachkommen der Schwertuber¬ 
kulösen ungünstigere Verhältnisse als für die Kinder leichtkranker 
Tuberkulöser: in den Ehen der ersteren ist bei an und für sich 
herabgesetzter Kinderzahl der Prozentsatz gesunder, widerstandsfähiger 
Kinder geringer als bei letzteren. Aus solch herabgesetzter Wider¬ 
standsfähigkeit und gesteigerter Infektionsgefahr resultiert das ge¬ 
häufte Auftreten der Tuberkulose unter den Kindern meiner Kranken 
des HI. Stadiums. 

Die Frage nach dem Einfluss der erblichen Belastung auf den 
Verlauf einer Tuberkulose ist von verschiedenen Autoren in negativem 
Sinne beantwortet worden. In meinem Materiale tritt das Moment 
der Heredität bei den schwer Erkrankten sogar seltener auf als bei 
den leicht Erkrankten. Indes ist die augenblickliche Zugehörigkeit 
zu einem gewissen Stadium noch kein Beweis für den Charakter der 
Krankheit, nur die Beurteilung des gesamten Krankheitsverlaufs, 
eventuell der Dauererfolge nach einem Heilverfahren, kann hier auf¬ 
klärend wirken. 

Berücksichtigen wir nun — ohne jede Einteilung — die sämt¬ 
lichen anamnestisch ermittelten Tuberkulosefälle, die 
in den Familien unserer Kranken bei Eltern, Geschwistern, Ehefrauen 


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246 0. Roepke. [18 

und Kindern überhaupt vorgekommen sind, so erhalten wir folgende 
Generalaufstellung: 


Es hatten Tuberkulose oder waren an derselben gestorben: 


Vater allein 

24 mal, 

im 

ganzen 

24 Personen 

Vater und 4 Geschwister 

1 

» 

n 

p 

5 

Vater und 2 Geschwister 

2 

* 

T) 

p 

6 

Vater und ein Bruder 

5 

r 

fl 

p 

10 

Vater und eine Schwester 

7 

p 

P 


14 

Vater und Mutter allein 

5 

* 


p 

10 

Vater und Mutter und ein Bruder 

1 

* 

* 

p 

3 

Mutter allein 

10 

* 


v 

10 

Mutter und 3 Geschwister 

1 

* 

P 

p 

4 

Mutter und 2 Schwestern 

1 

f» 

» 

p 

3 

Mutter und eine Schwester 

5 

p 

11 

p 

10 

Mutter und ein Bruder 

3 

P 

P 

p 

6 

4 Geschwister 

1 

n 

P 

p 

4 

3 Geschwister 

1 

p 

P 

p 

3 

2 Brüder 

1 

p 

P 

p 

2 

Bruder allein 

20 

p 

P 

p 

20 

Schwester allein 

10 

P 

P 

p 

10 

Ehefrau allein 

8 

n 

P 

p 

8 

Ehefrau und ein Kind 

3 

„ 

P 

p 

6 

Ehefran und 2 Kinder 

1 

n 

P 

p 

3 

Kind allein 

17 

n 

P 

p 

17 

2 Kinder 

1 

n 

p p 2 * 

Zusammen 180 Personen 


Diese 180 Fälle waren an der Morbidität und Mortalität wie 
folgt beteiligt: 


Von den tuberkulösen Eltern lebten 11, waren gestorben 60, 


77 77 

77 

Geschwistern 

17 

77 x • ) 7 } 

77 

56, 

n r > 

77 

Ehefrauen 

77 77 

* 7 

7. 

77 77 

77 

Kindern 

77 12, »7 

77 

12, 


zusammen lebten 45, waren gestorben 135. 


Danach kommen auf einen Kranken in seinem Eltemhause und 
eigenem Hausstande 0,6 tuberkulöse Angehörige und zwar 0,15 lebende 
und 0,45 verstorbene. Diese Ziffern stellen, wie wiederholt hervor¬ 
gehoben ist, Minimalzahlen dar. Insbesondere werden die Erkran¬ 
kungen viel häufiger sein, als sie von den Kranken angegeben werden, 
denen gewöhnlich nur die ausgesprochenen Bilder der Schwindsucht 
bekannt und erwähnenswert sind. Die Sterbeziffern werden im ganzen 
zutreffen. 

Wenn wir nun schliesslich die Tuberkulose-Erkrankungszahl auf 
die Gesamtzahl der Familienangehörigen verrechnen, so erhalten wir 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





19] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


247 


ein ganz anschauliches Bild von der Häufigkeit der Tuberkulose bei 
einer grösseren Anzahl von Menschen. 

Die Angehörigen unserer Kranken setzen sich zusammen 
aus den Eltern der 298 Patienten mit 596 Pers., 

„ „ Geschwistern „ 298 „ „ 1321 „ 

„ x Ehefrauen ,, 172 verheirateten Patienten mit 172 „ 

» » Kindern „ 160 „ » „ 519 „ 

zusammen 2608 Pers. 

Es ergibt sich demnach für die Familien unserer Kranken eine 
Tuberkulose-Morbidität von 17,25 auf 1000 Lebende. Dass 
sich dieses auf Minimalzahlen beruhende Ergebnis für die Angehörigen 
nicht lungenkranker Männer wesentlich niedriger gestalten würde, 
bezweifle ich aus Gründen, die ich hier nicht weiter ausführen kann. 
Wenden wir es aber ganz allgemein an auf das Hauptinteressengebiet 
der Heilstätte, auf die Provinz Westfalen mit ihren rund 3188000 
Einwohnern, so erhalten wir die recht stattliche Zahl von rund 
55000 in Westfalen lebenden Tuberkulösen. Die Zahl ist gross, auf¬ 
fallend gross! Aber kann der klinische Statistiker die Häufigkeit 
der Tuberkulose überhaupt überschätzen, nachdem der Kritiker am 
Sektionstisch sein Urteil dahin abgegeben hat, dass fast jeder er¬ 
wachsene Mensch Träger einer Tuberkulose ist? 


Die Vorgeschichte des Kranken. 

Die auf die Krankenvorgeschichte bezüglichen Fragen erstrecken 
sich zunächst auf die Gesundheitsverhältnisse des Patienten 
von der Geburt bis zum Beginn der Krankheit. Ich will mich in 
meinen folgenden Ausführungen an die einzelnen Punkte des von mir 
für die hiesige Heilstätte entworfenen Krankenjournals halten. Wo 
meine kritischen Anmerkungen ohne Wiedergabe spezifizierter Auf¬ 
stellungen allgemein gehalten sind, ist in erster Linie auf das Gros 
der Kranken bezug genommen, die den versicherungsptlichtigen Volks¬ 
schichten angehören. 

Die Theorie von dem besonders häufigen Auftreten der Lungen¬ 
tuberkulose unter den spät geborenen Kindern der an sich kinder¬ 
reichen Ehen fand sich nicht bestätigt. Es waren 30,2 °/o der Ge¬ 
samtkranken erstes, 21,7°/o zweites und 19,3°/o drittes Kind, mit¬ 
hin 71,2°/o erstes bis drittes Kind ihrer Eltern, während die durch¬ 
schnittliche Kinderzahl in diesen Ehen 5,3 betrug; die Familien mit 
mehr als vier Kindern machten 55,4 °/o der Gesamtsumme aus gegen¬ 
über 44,6°/o der Familien mit vier oder weniger Kindern. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



248 


0. Roepke. 


[20 


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Einen Überblick über die Kindheit und Jugendzeit (1.—15. 
Lebensjahr ausschliesslich) der Patienten in gesundheitlicher Hinsicht 
gibt die folgende Tabelle: 


Von den Kranken des 

1 . 

+ — 

11 . 

+ - 

III. Stadiums 
+ - 

Sa. 

+ - 

waren gesund gewesen 

25 

82 

8 

46 

16 

53 

— 

49 

181 

hatten viel gekränkelt (Kinderkrank¬ 

6 

0 

0 

— 

6 


heiten) 

11 

3 

8 



*22 

hatten an skrofulösen Erscheinungen 

2 

1 

2 

— 

5 


gelitten 

12 

4 

4 



20 

hatten an Lungenerkrankungen ge¬ 

3 

2 

0 

= 

5 


litten 

3 

3 

4 

— 


10 


Diese Zahlen bestätigen im grossen Ganzen das noch einmal aus 
der Kindheit und Jugendzeit der Kranken, was wir bereits bei ihren 
Geschwistern und Kindern zu beobachten Gelegenheit hatten. Die 
gesunden Kinderjahre sind bei den Nichtbelasteten um ein geringes 
(etwa 2 °/o) häufiger als bei den Belasteten; dagegen ist bei den letz¬ 
teren der Prozentsatz der Luftröhrenentzündungen, Lungenkatarrhe 
und Lungenentzündungen wesentlich höher als bei den Nichtbelasteten. 
Es liegt der Gedanke nahe, auch hierin einen Ausdruck der Vererbung 
des locus minoris resistentiae zu sehen. 

Ein Zusammenhang zwischen den Gesundheitsverhältnissen in der 
Kindheit und Jugendzeit und der Schwere der späteren Tuberkulose 
ist nicht ersichtlich. 

Einen recht zuverlässigen Gradmesser für den Kräfte- und 


Gesundheitszustand des 

Krank 

e n z u r 

Zeit der Mann- 

barkeit bietet der Ausfall der Ausmusterung, 
war das Ergebnis folgendes: 

Bei unseren Kranken 

Es waren von den Kranken des 

I. 

II. 

III. Stadiums Sa. 


+ - 

+ — 

+ - 

+ - 

noch nicht endgültig ausgemustert 

8 

28 

4 

6. 

3 

11 

= 15 

45 

untauglich 

13 

45 

5 

23 

9 

31 

ii ii 

rO 

CD 

CD 

tauglich und hatten gedient 

8 

29 

2 

20 

4. 

20 

= 14 
= 69 

tauglich, aber reklamiert 

7 

6 

0 

4 

1 

6 

= 8 
= 16 

tauglich, aber als lungenkrank entlassen ^ q 

0 

3 

1 

1 

= 1 
= 4 


Von den 60 Kranken, bei denen ein endgültiger Bescheid 
noch nicht getroffen war, können wir die dem II. und HI. Sta¬ 
dium angehörenden unbedingt zu den untauglichen zählen. Auch 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



21 ] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


219 


diejenigen jungen Leute, welche während oder kurz vor ihrem ge¬ 
stellungspflichtigen Alter wegen einer sicher nachgewiesenen tuber¬ 
kulösen Lungenerkrankung der Heilstättenbehandlung sich unterziehen 
müssen, werden nach der Entlassung nur in den seltensten Fällen 
zu den „gesunden und kräftigen Männern zu zählen sein, die den 
Friedens- und Kriegsaufgaben voll gewachsen sind“. Diese Auffassung 
hat nur für die Praxis etwas Bedenkliches. Würde das Heilstätten¬ 
material, sofern es lediglich aus Tuberkulösen besteht, durchweg als 
railitärdienstuntauglich angesehen, so könnten findige Köpfe auf den 
Gedanken kommen, eine Heilstättenkur als Palliativ gegen die Dienst¬ 
pflicht zu wählen, obwohl solche Manipulationen wohl sicher an der 
heilstättenärztlichen Sicherstellung der Diagnose und an den militär¬ 
ärztlichen Nachuntersuchungen scheitern würden. Doch selbst wenn 
wir die jugendlichen Kranken des I. Stadiums, welche noch nicht 
endgültig ausgemustert sind, nicht in Rechnung ziehen, machen die 
Untauglichen 50°/'o aus gegenüber nur 28°/o Tauglicher, die ihrer 
Militärpflicht genügt haben und s. Z. als gesund und felddienstfähig 
entlassen wurden, und 8°/o solcher, die als tauglich befunden, aber 
reklamiert worden sind. Von den letzteren wissen wir nicht, wie sie 
sich den Anforderungen des Militärdienstes gegenüber verhalten hätten; 
sie können demnach für die folgenden Betrachtungen als tatsächlich 
taugliche d. h. tauglich bewährte Personen nicht in Rechnung kom¬ 
men, ebenso wie oben die noch nicht definitiv Ausgemusterten des 
I. Stadiums als Untaugliche unberücksichtigt geblieben sind. Das 
Zahlenverhältnis von 50°/o Untauglicher zu 28°/o Tauglicher aber 
redet eine beredte Sprache. Es weist im allgemeinen hin auf die 
fundamentale Bedeutung des prophylaktischen Kampfes gegen die 
Tuberkulose für die Erhaltung der Wehrkraft; und es besagt im be¬ 
sonderen, dass die Hälfte unserer Heilstättenkranken aus 
einem körperlich minderwertigen Menschenmaterial 
besteht, während etwa ein Viertel der Kranken trotz eines kräftigen 
und erprobt leistungsfähigen Körpers einer wirksamen Tuberkulose¬ 
infektion im späteren Leben nicht Widerstand geleistet hat. Erblicken 
wir für die Tuberkulose-Entstehung in ersterem den Ausdruck der 
ererbten, in letzterem den Ausdruck der erworbenen individuellen 
Disposition, so müssen wir in dem Kampfe gegen die Tuberkulose 
neben den spezifischen, gegen die Verbreitung des Tuberkelbacillus 
gerichteten Massnahmen in erster Linie die Heranziehung eines kräf¬ 
tigen Nachwuchses, in zweiter Linie die Abstellung beruflicher und 
ausserberuflicher und sozialer Schädigungen ins Auge fassen. 

Das hier im Vordergründe stehende Moment der erblichen Be¬ 
lastung erhält eine weitere Stütze durch die prozentualiter verschie- 


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250 


0. Roepke. 


(22 


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dene Beteiligung der Belasteten und Nichtbelasteten an der Dienst¬ 
tauglichkeit. Während sich aus den früheren Feststellungen, die 
lediglich auf den Angaben der Kranken beruhten, ergab, dass die 
Gesundheitsziffern für die Kinder- und Jugendjahre bei Belasteten 
nur wenig geringer waren als bei Nichtbelasteten, finden wir hier 
durch die ungemein viel exaktere Feststellung der Rekrutierung 30°/o 
der Nichtbelasteten und nur 21,5 °/o der Belasteten militärtauglich, 
also eine Differenz von 8,5°/o zu ungunsten der Belasteten, durch 
welche die gesamte Zahl der Aushebungen um 2°/o, von 30°/o auf 
28°/o herabgedrückt wird. Bei Betrachtung dieser Zahlen drängt 
sich förmlich der Gedanke auf, für die geringere Tauglichkeit der 
Nachkommen tuberkulöser Eltern zum Heeresdienst das Moment der 
erblichen Belastung in Gestalt der ererbten körperlichen Schwächlich¬ 
keit verantwortlich zu machen. Die zweifellos vererbbare körperliche 
Anlage zum phthisischen Habitus pflegt sich meist erst zur Zeit der 
Pubertät zu entwickeln. Dadurch wird es aber gerade verständlich, 
dass Nachkommen tuberkulöser Eltern, wie wir oben sahen, während 
der Kindheit und Jugendzeit so gesund sich fühlen und anderen er¬ 
scheinen — und fast in gleichem Prozentsatz es auch sind — wie die 
Kinder gesunder Eltern; erst die Entwickelungsperiode drückt ihnen 
den Stempel der Heredität auf in Form besonderer Schwächlichkeit, 
lässt sie zarter und engbrüstiger erscheinen und macht sie schon 
durch das körperliche Aussehen für die Anforderungen des Militär¬ 
dienstes untauglich, ohne dass Zeichen einer im Elternhause oder 
später erfolgten tuberkulösen Infektion vorhanden zu sein brauchen. 
— Die während der Dienstzeit wegen Lungentuberkulose Entlassenen 
bilden 5,6 °/o der Eingestellten. Dieser immerhin hohe Prozentatz 
deutet darauf hin, dass es bei — selbst wiederholten — Rekrutie¬ 
rungen unmöglich ist, trotz strengster Beachtung der nach Bau, Ge¬ 
staltung und Ausdehnungsfähigkeit des Brustkorbs zu stellenden An¬ 
forderungen suspekte oder beginnende Tuberkulose-Erkrankungen zur 
Feststellung zu bringen. Latente Tuberkulosen, die durch eine Dienst¬ 
beschädigung zum Ausbruch gebracht werden, sind Ausnahmen, und 
Fälle, in denen bei tatsächlich gesund Eingestellten während der 
Dienstzeit eine Infektion stattgefunden hat, dürften geradezu Selten¬ 
heiten sein. Ist es also unvermeidbar, Initialtuberkulöse dem Heeres- 
verbande einzuverleiben, so beweist andererseits ihre alsbaldige Ent¬ 
lassung das Bestreben der Heeresverwaltung, die gefahrdrohende In¬ 
fektionsquelle zum Vorteil der Armee abzuleiten. Darauf beruht aber 
offenbar der Erfolg, dass unser deutsches Heer die geringste Tuber- 
kulosemoribidität und -mortalität aufweist. Und die Tatsache, dass 
die'Tuberkulosemorbidität in der deutschen Armee trotz ihrer Ver- 



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23] 


Zar Diagnostik der Lungentuberkulose. 


251 


mehrung seit dem Jahre 1898 bis heute weiter ständig und erheblich 
zurückgegangen ist — 1898 betrug sie 18 auf 10000 Mann, heute 
11 —, beweist ferner, dass die neuen wissenschaftlichen Hilfsmittel 
und klinischen Erfahrungen zur Erkennung der FrUhstadien der 
Lungentuberkulose den militärärztlichen Kreisen bereits vollkommen 
vertraut sind. 

Die Frage nach Berufsschädlichkeiten wurde in allen 
Fällen bejaht. Die Schädigungen der Grubenarbeit sind bekannt und 
wohl die kompliziertesten (Staub, schlechte Luft, Lichtmangel, Er¬ 
kältung, Überanstrengung). Bei den in Fabriken und Werkstätten 
beschäftigten Kranken bezogen sich die häufigsten Klagen auf die 
Einatmung der verschiedenen Staubarten und reizenden Dämpfe, 
weniger auf die sitzende, gebückte Körperhaltung in schlecht venti¬ 
lierten, staubigen Räumen und am seltensten auf besonders angestrengte 
körperliche Arbeit oder Traumen, die den Brustkorb getroffen hatten. 
Von den fortgesetzt im Freien tätigen Berufen wurden Witterungs¬ 
einflüsse, Durchnässungen und Erkältungen als schädigende Momente 
angeführt. Diejenigen schliesslich, die weder dauernd im Freien noch 
dauernd in geschlossenen Räumen zu verbleiben brauchten, beschul¬ 
digten jähe Temperaturwechsel, unregelmässiges Leben auf Reisen, 
anhaltendes Sprechen in schlechter Luft u. s. w. Ich verzichte hier 
auf eine prozentuale Aufstellung aller dieser Schädigungen, die er- 
fahrnngsgemäss die Entstehung der Lungentuberkulose bezw. deren 
schnelleres Fortschreiten zu begünstigen geeignet sind; sie würde nur 
einen Hinweis auf die verschiedenen Berufsarten bilden. Denn der 
Kampf ums tägliche Brot bleibt für alle arbeitenden Berufsklassen 
trotz der grossartigen Fortschritte auf gewerbehygienischem Gebiete 
mit Gesundheitsschädigungen verbunden. Es wird kaum jemals oder 
irgendwo möglich sein, die Verhältnisse bezüglich Licht, Luft, Tem¬ 
peratur im Arbeitsraume, bezüglich der Ruhe, Bewegung, Körperhal¬ 
tung bei der Arbeit u. s. w. so einzurichten, wie sie nach den Forde¬ 
rungen der Hygiene zum mindesten gestaltet sein müssten, um nicht 
bei jahrelang fortgesetzter Einwirkung zu schädigen. Ich habe es 
daher auch bald als zwecklos aufgegeben, bei den arbeitenden Volks¬ 
klassen nach den einzelnen schädigenden Momenten im Berufe zu 
forschen; sie sind in jedem Berufe in mannigfachster Weise gegeben, 
und Berufe, die die Tuberkuloseentstehung verhindern oder gar aus- 
schliessen, gibt es nicht. Gäbe es solche, sie wären bald von der Un¬ 
menge Schwindsüchtiger, die täglich zweckmässige Beschäftigung suchen, 
überfüllt und verseucht. Es empfiehlt sich daher mehr, die wenig 
gefährdeten Gewerbe (Landarbeiter, Metzger, Töpfer, Maurer, Kauf¬ 
leute, Beamte u. dergl.) von den erheblich gefährdeten auseinander 


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252 


0. Roepke. 


[24 


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zu halten. Zu letzteren gehören vor allem auch die Textil- und In¬ 
dustriearbeiter, Bergleute, Zigarrenarbeiter, Schreiber, Schreiner, 
Zimjnerleute, Steinmetze, Metalldreher, Schlosser, Heizer, Schmiede, 
Metall-und Glasschleifer, Schuhmacher, Uhrmacher, Buchbinder, Buch¬ 
drucker und Schriftsetzer. In solchen Berufs- und Arbeitsverhält¬ 
nissen, die bei je 1000 anerkannten Rentenempfängern 38,7 mal die 
Tuberkulose zur Invaliditätsursache machen, standen 238 = 80°,'o 
unserer Kranken. 

So allgemein Berufsschädlichkeiten seitens der Kranken angegeben 
wurden, so allgemein wurde die Frage nach schädigenden Ver¬ 
hältnissen verneint, die die Patienten sich selbst geschaffen 
haben konnten. Nicht ein einziger gab Alkoholmissbrauch, Ex¬ 
zesse in Venere oder Onanie im Pubertätsalter zu; einige wollten 
das Rauchen, andere das Radfahren übertrieben haben. Ich brauche 
wohl nicht hinzuzufügen, dass ich bei dieser Ausbeute das Fragen 
in der angedeuteten Richtung ganz eingestellt habe. Gelegentlich 
erhaltene Mitteilungen, dass Patienten in ihrem Heimatsorte schon 
auf der Säuferliste gestanden oder mit Dirnen als deren Zuhälter 
zusammen gelebt hatten, die eigenen vereinzelten Beobachtungen von 
Syphilis und Onanie, die häufigeren von Gonorrhoe und recht zahl¬ 
reichen von Folgezuständen des chronischen Alkoholismus und last not 
least die Notwendigkeit, wiederholt Kranke wegen Trunkenhaftigkeit 
aus der Heilstätte entlassen zu müssen, lassen den ganz allgemeinen 
Schluss zu, dass unser Krankenmaterial mit dem durchschnittlichen 
Prozentsatz an gehäuften freiwilligen Schädigungen beteiligt war, die 
erfahrungsgemäss auf den Gesundheitszustand des Körpers ungünstig 
wirken und die Widerstandsfähigkeit gegen den Tuberkuloseerreger 
herabsetzen. 

Um über das Milieu der Kranken unterrichtet zu werden, forschte 
ich nach Einkommen, Ernährung und Wohnung des Kranken. 
Die Einkommensverhältnisse — Tages-, Schicht-, Akkord-Lohn, 
Gehalt — nach einheitlichen Gesichtspunkten anzuordnen, war mir 
nicht möglich, da die Lohnhöhe nicht allein die Auskömmlichkeit des 
Einkommens bestimmt. Man hätte die Anzahl der mitverzehrenden, 
im andern Fall das Einkommen der mitverdienenden Familienange¬ 
hörigen, weiter die Teuerungsverhältnisse der Nahrungsmittel und der 
Wohnung, die verschiedene Wirtschaftlichkeit der Hausfrauen und 
vieles andere in Betracht ziehen müssen. Mein Gesamteindruck ist 
indes der, dass die Kranken zum weitaus grössten Teile aus geord¬ 
neten, auskömmlichen Verhältnissen kamen. Den niedrigsten Ver¬ 
dienst hatten Zigarrenarbeiter mit 1,50 Mk. pro die, den höchsten 
Hauer aus dem westfälischen Kohlenbezirk mit 6—6,50 Mk. pro die. 



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25] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


253 


Für erstere lagen trotz des geringen Geldlohnes die Verhältnisse 
leidlich gut, da sie in bestimmten ländlichen Bezirken bei Eltern 
oder Verwandten wohnten und verpflegt wurden, oder falls sie ver¬ 
heiratet waren, neben der Arbeit in den Zigarrenfabriken eine kleine 
Ökonomie betrieben, die ihnen zum wenigsten das Auffüttem eines 
Schweines zur Hausschlachtung ermöglichte. 

Für die Beurteilung der Ernährung suchte ich festzustellen, 
wie oft wöchentlich in der Familie des Kranken Fleisch gegessen 
wurde. Das Ergebnis ist folgendes: Fleischspeisen gab es 
lmal wöchentlich in 6 Fällen 

5J >> 35 ,, 

» » 12 „ 

>, „ 229 „ 

Es haben demnach 77°/o unserer Kranken täglich mindestens 
einmal Fleisch gegessen. Eine derartige Ernährung wird man, ohne 
auf Kostsätze und Kostmasse zurückgreifen zu brauchen, auch für 
den schwer Arbeitenden als ausreichend erachten, zumal es überall 
dort, wo täglich Fleisch auf den Tisch kommt, auch an den für den 
körperlich tätigen Menschen durchaus notwendigen Kohlehydraten 
und Fetten nicht zu fehlen pflegt. Ein drei- bis viermaliger Fleisch¬ 
genuss pro Woche mag eben auch noch zur Erhaltung des Stoff¬ 
wechselgleichgewichtes ausreichen, dagegen wird aus einer nur ein- 
bis zweimaligen Fleischnahrung in der Woche ein Zustand chronischer 
Unterernährung resultieren, der die Entwickelung einer Tuberkulose 
ganz besonders begünstigt; in unserem Material ist dieser Prozent¬ 
satz sehr gering. 

Ein zutreffendes Bild von den Wohnungsverhältnissen 
kann nur eine an Ort und Stelle angestellte Wohnungsenquete geben. 
In dieser Überzeugung beschränkte ich mich darauf, durch Fragen 
zu ermitteln, ob die Wohnung gesund oder ungesund war, und wie¬ 
viel Räume dem Kranken bezw. seiner Familie zur Verfügung standen. 
Das Ergebnis war in abgerundeten Zahlen folgendes: In 10 °/o wurde 
die Wohnung von den Kranken selbst als ungesund bezeichnet, sei 
es, dass sie dumpf, feucht oder kalt war, sei es, dass sie, im Keller 
oder Bodenraum gelegen, eine auffallend geringe Belichtung hatte. 
In weiteren 10°/o berechtigten die Angaben der Kranken zu der An¬ 
nahme, dass die Wohnung nach Lage und Grösse der Räumlichkeiten 
ungesund sein musste. Von den Verheirateten verfügten 75°/o über 
zwei und mehr Zimmer ausschliesslich einer abgetrennten Küche. 
Beim Vorhandensein von zwei Zimmern wurden in der Regel beide 
gleichzeitig als Wohn- und Schlafzimmer benutzt; erst mit dem dritten 



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254 


0. Roepke. 


[26 


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Raum pflegte ein Zimmer ausschliesslich zu Schlafzwecken Verwen¬ 
dung zu finden. Von den ledigen Personen hatten nur 12°/o ein 
einzelnes Zimmer zum alleinigen Gebrauch, 65°/o wohnten und schliefen 
im Haushalte der Eltern, Verwandten oder im Geschäftshause mit 
einer oder zwei Personen in demselben Raume zusammen, 23°/o logierten 
in Schlafstellen, Gesindestuben, Dachkammern und Viehställen. Auch 
diese Zahlen werden kaum ein übersichtliches genaueres Bild liefern. 
Der allgemeine Eindruck, den ich aus den Anamnesen gewonnen und 
im ganzen in praxi bestätigt gefunden habe, geht dahin, dass die 
Wohnungen der Verheirateten ausserhalb der Mauern der Gross- und 
Industriestädte an Raum und Belichtung im ganzen genügten, auf 
dem Lande sogar — und zwar sowohl im Industriebezirke wie in 
den landwirtschaftlichen Kreisen — gesundheitsgemäss waren, dass 
hingegen die unverheirateten Patienten zum weitaus grössten Teile 
überfüllte, schlecht ventilierte und mangelhaft gereinigte Schlafräume 
benutzt hatten, vereinzelt sogar Orte, die sich für die menschliche 
Benutzung überhaupt nicht eignen. 

Im Anschluss an die Wohnungsfrage, deren Bedeutung für die 
Tuberkuloseentstehung durch den Ausspruch Rubners „die Tuber¬ 
kulose ist eine Wohnungskrankheit“ treffend charakterisiert w T ird, will 
ich auf die Ermittelung der wahrscheinlichen Infektions¬ 
gelegenheit übergehen. Ich bin mit einem wahren Feuereifer 
daran gegangen, in jedem einzelnen Falle über diesen Punkt mög¬ 
lichste Klarheit zu schaffen, selbstverständlich ohne in die Kranken 
etwas hineinfragen zu wollen. Es gelang mir nur 71 mal positive 
Angaben zu bekommen. Bei unsern Kranken liess sich eine Familien¬ 
infektion in 16 Fällen durch die Eltern, in 23 Fällen durch die Ge¬ 
schwister und in 3 Fällen durch die Ehefrau mit einem hohen Grade 
von Wahrscheinlichkeit annehmen. In allen übrigen Fällen, in denen 
Angehörige der Kranken tuberkulös waren, sprachen Zeit, Dauer 
und Enge des Zusammenseins gegen eine bezw. nicht für eine im 
Familienkreise erfolgte Infektion unserer Patienten. Der Nachweis 
von Infektionen im Berufsleben war noch schwieriger und darum 
vielleicht seltener zu erbringen: in 2 Fällen schienen die Ansteckungen 
von Akten befördernden Bureaudienern auszugehen; in weiteren 2 Fällen 
war die Tuberkulose im Krankenpflegeberuf erworben; in 19 Fällen 
wurde die Infektionsquelle unter den Berufsgenossen wahrscheinlich ge¬ 
macht, die für den Laien sichtbar schwindsüchtig, viel hustend und ge¬ 
legentlich auf den staubigen Erdboden spuckend und den Auswurf zer¬ 
tretend, in nächster Nähe bezw. in demselben Raume mit unseren Kranken 
zusammen gearbeitet hatten und zwar fünfmal in Bureaus, zweimal am 
Schriftsetzertisch, viermal in den Werkstätten, achtmal in Cigarren- 



Original fro-m 

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27] 


Zar Diagnostik der Lungentuberkulose. 


255 


fabriken. Hinsichtlich der Infektion in anderen als in familiären und 
beruflichen Verhältnissen liess sich nur in sechs Fällen die wahr¬ 
scheinliche Infektionsgelegenheit ermitteln: zweimal durch gemein¬ 
same Benützung der Waschgeschirre und Handtücher, dreimal durch 
Benützung des Zimmers, Bettes und Mobiliars ohne vorherige Des¬ 
infektion und einmal durch monatelanges gemeinsames Wohnen und 
Schlafen in einem engen Raum. 

Welcher Infektionsmodus häufiger war, die Cor net sehe Stäub¬ 
chen- oder die Flügge sehe Tröpfcheninfektion, ist schwer zu ent¬ 
scheiden. Mir schien für die Familieninfektionen die Flügge sehe 
Tröpfcheninfektion die grössere Bedeutung zu haben, während in dem 
Berufsleben das zeitliche und räumliche Zusammensein zwischen den 
Arbeitsgenossen für eine Ansteckung von Person zu Person weniger 
günstig war. Hier begünstigte auch die beständige Staubentwicke¬ 
lung den Cor net sehen Stäubchen-Infektionsmodus. Die Feststellung 
der Infektionsquelle gelang also mit hoher Wahrscheinlichkeit insge¬ 
samt nur in 24°/o der Fälle und zwar in 14 °/o innerhalb der Familie 
und in 10°/o beim beruflichen und ausserberuflichen Verkehr. Diese 
niedrigen Zahlen finden zum Teil ihren Grund darin, dass die grosse 
Mehrzahl unserer Kranken, die Bergleute wohl sämtlich, das Husten 
und gelegentliche Ausspucken als ein selbstverständliches Bedürfnis 
jedes Gesunden ansehen. Solchen Leuten geht in dieser Anschauung 
jedes Verständnis dafür ab, dass von seiten ihrer Arbeitskollegen eine 
Infektion auf sie übergehen könnte. Ausserdem wird in den unteren 
Volksschichten an die Infektionsmöglichkeit erst bei dem ausge¬ 
sprochenen Bilde der Schwindsucht gedacht. Das ist falsch, soweit 
die Cornetsche Stäubcheninfektion zu Recht besteht und zutrifft, 
dass die mit dem Auswurf Schwindsüchtiger in die Aussenwelt ge¬ 
langten Tuberkelbacillen aufgewirbelt in der bewegten Luft schweben 
und mit der Atmung aufgenommen werden. Jene Auffassung ist aber 
zutreffend, soweit der Flüggeschen Tröpfcheninfektion eine Bedeu¬ 
tung zugemessen werden muss, denn hier handelt es sich um eine 
Ansteckung von Person zu Person durch die von kranker Seite beim 
Husten und Niesen verspritzten bacillenhaltigen Tröpfchen. Ich 
zweifle an diesem Infektionsmodus nicht im geringsten, aber ich halte 
die Ansteckungsweise durch verstäubte Schleimteilchen des Auswurfes 
nur in den vorgeschrittenen Fällen der Phthise für möglich, d. h. in 
Wirklichkeit unter den Verhältnissen des alltäglichen Lebens vor¬ 
kommend. Stundenlanges Anhusten von Meerschweinchen und ähn¬ 
liche Versuche sind wissenschaftliche Spielereien, die für die Praxis 
nichts beweisen. M. E. sind reichliche Sekretion und reichliche Ba¬ 
cillen in dem Sekret die Vorbedingungen für das Zustandekommen 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 3. 18 


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250 


0. Roepke. 


[28 


der Tröpfcheninfektion; beide zusammen finden sich aber nur in vorge¬ 
schrittenen Stadien, vor allem bei bereits vorhandenen Zerstörungen. 
Es gelingt nicht ohne weiteres, von einem in Schleimhüllen einge¬ 
wickelten Sputumballen tuberkelbacillenhaltige Partikelchen loszulösen. 
Dagegen ist es ausserordentlich leicht von den schleimfreien, mehr 
krümeligen Bröckeln, die von den Kavernenwandungen stammen, Be¬ 
standteile abzulösen, die als Träger von Milliarden von Tuberkel¬ 
bacillen wohl geeignet erscheinen, infizierend zu wirken. Solchen 
Kavernenträgern kann man aber gewöhnlich die Schwindsucht an- 
sehen, und in solchen Fällen liegt nach der Volksauffassung die An¬ 
steckungsgefahr von Person zu Person. Was also erst im letzten 
Jahrzehnt von Flügge wissenschaftlich festgestellt ist, das war schon 
vor Jahrhunderten rein empirisch gefunden und von Generation zu 
Generation im Volke weiter geglaubt bis heute — m. E. nur richtiger. 
Die Volksmedizin kennt einen Pesthauch, und es liegt der Gedanke 
nahe, das anatomische Krankheitsbild der käsigen Pestpneumonie mit 
der Lehre von der Tröpfcheninfektion zu verknüpfen und daraus die 
Richtigkeit des alten kontagiösen Pesthauches herzuleiten. Die Volks¬ 
medizin hat aber nie von einem Schwindsuchtshauch gesprochen, der 
die Schwindsucht übertragen könnte! Das vermag der Erreger der 
Tuberkulose im Gegensatz zu dem der Pest nicht, er ist nicht in¬ 
fektionstüchtig oder der Mensch nicht infektionsfähig genug — gegen¬ 
über vereinzelten Stäbchen-Individuen. 

Der zweite Teil der Vorgeschichte des Kranken bezieht sich auf 
seine Tuberkulose, deren Entstehung und Verlauf sowie 
auf alle sonstigen Krankheitserscheinungen. 

Über die Krankheiten, welche nach den Angaben der Pa¬ 
tienten ihrer Tuberkulose vorausgegangen sind, ist folgendes ermittelt 
worden: 


Es waren vorausgegangen bei den Kranken des 




1. 

II. 

III. Stadiums Sa. 


+ - 

+ - 

+ - 

+ “ 

keine Erkrankungen 

26 

82 

7 

25 

13 

49 

= 202 

krupöse Lungenentzündung 

1 

4 

1 

5 

1 

4 

= 16 

nicht krupöse Lungenentzündung 

1 

0 

2 

3 

0 

4 

= 10 

Rippenfellentzündung 

1 

7 

0 

9 

2 

6 

= 25 

Lungen- und Rippenfellentzündung 

1 

3 

0 

3 

0 

3 

= 10 





263 

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29| 

Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 



2o7 


I. 


II. 

III. j 

Stadiums Sa. 


+ - 

- 

+ 

— 

+ 

— 

+ — 








Übertrag 263 

Influenza 

3 

5 

0 

4 

1 

2 

= 15 

Akute Bronchitis 

1 

3 

1 

2 

1 

1 

= 9 

Typhus 

1 

0 

0 

2 

0 

0 

= 3 

Unfall 

1 

3 

0 

2 

0 

0 

= 6 

Drüsenoperation 

0 

1 

0 

0 

0 

0 

= 1 

Malaria 

0 

0 

0 

1 

0 

0 

= 1 








298 


Zu der Tabelle bemerke ich zunächst, dass hier nur solche Er¬ 
krankungen notiert sind, die mit der Lungentuberkulose in einen ur¬ 
sächlichen Zusammenhang gebracht werden konnten und durch eine 
fortlaufende Kette von Krankheitserscheinungen mit ihr verbunden 
waren. Auf Grund der Angaben der Patienten hatten also 32,2 °/o 
sämtlicher Fälle einen Vorläufer, und zwar 23,5 °/o in Gestalt einer 
anderen Lungenerkrankung, 5°/o in der Influenza und nur 3,7 °/o in 
anderen Erkrankungen; d. h. fast jede 3. Tuberkulose kam im An¬ 
schluss an eine vorausgegangene Krankheit zum Ausbruch, fast jede 
4. Tuberkulose entwickelte sich in einer vorher krank gewesenen 
Lunge und an jede 20. Influenza schliesst sich eine Lungentuberkulose 
an. Unter den prädisponierenden Lungenkrankheiten stehen Lungen- 
und Rippenfellentzündungen ziemlich gleichwertig an erster Stelle, die 
gleichzeitigen Lungen- und Rippenfellentzündungen und die akuten 
Bronchitiden sind wesentlich seltener. Ich kann mich des Eindrucks 
nicht erwehren, den ich bei den einzelnen Anamnesen so oft hatte, 
dass das, was hier als vorausgegangene, die Entstehung der Lungen¬ 
tuberkulose begünstigende Krankheit verzeichnet ist, oft schon der 
Anfang, die erste stürmische Äusserung der Tuberkulose selbst war. 
Insbesondere zwingt fast die Häufigkeit der gleichzeitig beobachteten 
Lungen- und Rippenfellentzündungen, die doch sonst gar nicht so 
häufig vorzukommen und gut abzulaufen pflegen, zu der Annahme, 
dass hier das Krankheitsbild der katarrhalischen Pneumonie gemeint 
ist, die, einen bronchopneumonischen Prozess mit leichter Reizung des 
Pleuraüberzuges darstellend, eine nicht seltene Begleiterscheinung be¬ 
schränkter Oberlappentuberkulose zu sein pflegt. Auch unter den 
Lungenentzündungen wird man neben den 16 krupösen die 10 nicht 
krupösen als solche katarrhalischer Natur aufzufassen haben, während 

18 * 


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258 


0. Roepke. 


[30 


ja die Rippenfellentzündungen nach verschiedenen Autoren bis zu 
94°/o überhaupt auf tuberkulöser Basis beruhen. Ferner werden 
unter dem viel gebrauchten Krankheitsbegriff der Influenza erfahrungs- 
gemäss recht häufig bereits tuberkulöse Prozesse eingereiht, und akute 
Bronchitiden sind oft eben deshalb, weil sie einen atypischen Verlauf 
nehmen, als akut und gesteigert auftretende Manifestationen einer 
bereits vorhandenen Lungentuberkulose anzusprechen. Es kommt 
dazu, dass die Patienten aus der versicherungspflichtigen Bevölkerung 
im allgemeinen wenig auf ihren körperlichen Zustand und etwaige 
Krankheitsäusserungen zu achten und, so lange es irgend geht, zu 
arbeiten pflegen. Da müssen geradezu elementare Ereignisse ein- 
treten, um sie aus ihrer Gleichgültigkeit und Indolenz aufzurütteln. 
Dies geschieht hinsichtlich der Lungentuberkulose am häufigsten durch 
die initiale Lungenblutung, seltener durch obigen Modus, durch fieber¬ 
hafte, das Allgemeinbefinden erheblich störende und die Arbeitsfähig¬ 
keit aufhebende Lungenkomplikationen. Jetzt ist der Kranke auf 
seine Lunge nachdrücklichst hingewiesen, von jetzt ab datiert er seine 
Lungenerkrankung, unbekümmert um alle vorhergegangenen leichteren 
Krankheitserscheinungen. Wir haben hier meines Erachtens bei Er¬ 
wachsenen einen anderen ursächlichen Zusammenhang zwischen der 
Lungentuberkulose und den nicht tuberkulösen Lungenerkrankungen 
anzunehmen als bei Kindern. Bei Kindern ist es die Regel, dass der 
Tuberkelbacillus in eine durch Keuchhusten. Masern, Bronchitiden 
u. dergl. disponierte Lunge hineinkommt und sich hier infolge der 
durch die vorausgegangene Krankheit geschwächten Widerstandsfähig¬ 
keit ansiedelt. Dies kommt bei Erwachsenen sicherlich auch vor, 
wie der Ausbruch der Lungentuberkulose im Anschluss an die oben 
verzeichneten 16 krupösen Lungenentzündungen beweist. Ebenso wie 
die krupöse Pneumonie gibt auch die rheumatische Pleuritis, die In¬ 
fluenza einen vorzüglichen Boden für die Tuberkulose ab, wenn un¬ 
zweckmässiges Verhalten während der Erkrankung oder zu früh¬ 
zeitiges Wiederaufnehmen der Berufstätigkeit eine restitutio ad in¬ 
tegrum unmöglich machten. Aber gerade die überwiegende Häufigkeit 
der nicht krupösen Pneumonie, der Pleuritis und der gleichzeitigen 
Pleuropneumonie (Lungen- und Rippenfellentzündung) lässt die An¬ 
nahme dieses Zusammenhanges zurücktreten gegenüber der Auffassung, 
dass bei den meisten unserer Kranken als zeitlich und ursächlich 
erstes Moment eine initiale Tuberkulose bestanden hat, die 
ihrerseits den Eintritt der Erkältung und Mischinfektion und damit 
das Auftreten von Lungenkomplikationen erleichterte. Zwischen Be¬ 
lasteten und Nichtbelasteten ist eine nennenswerte Differenz bezüglich 
dieser prädisponierenden bezw. komplizierenden Krankheiten nicht 


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31] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


259 


vorhanden, erstere sind mit 26°/o, letztere mit 29°/o beteiligt. Man 
könnte dem Gedanken Spielraum geben, dass sich bei den Belasteten 
die Tuberkulose reiner, spezifischer verhält, während sie bei den 
Nichtbelasteten atypischer verläuft. Eine andere Deutung wäre die, 
dass bei den Belasteten in der ererbten Disposition dasjenige Moment 
gegeben ist, welches bei den Nichtbelasteten erst in der erworbenen 
Disposition hinzukommen muss. 

Um den vermutlichen Beginn der Erkrankung festzustellen, 
beschränkte ich mich auf die Kranken des ersten Stadiums, da in 
den späteren Stadien die Angaben zu unbestimmt wurden. Zu diesem 
Zwecke sind die Zeitintervalle von dem Auftreten der ersten Krank¬ 
heitserscheinungen bis zum Eintritt in die Heilstätte in der folgenden 
Tabelle zusammengestellt: 


Der Erankheitsbeginn lag zurück 

bei Belasteten — Kuren; bei Nichtbelasteten — Kuren. 


bis 

zu 

1 Monat 

Omal 




5 mal 




tt 

'/. Jahr 

4 

tt 




31 

»» 



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tt 

V. „ 

13 





35 

tt 




tt 

1 „ 

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2 Pers. je 

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4 Pers. je 

1 Kur 


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1 

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3 „ 

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tt 

6 „ 

1 

tt 

1 „ „ 

2 

tt 

0 

Jf 




Die Nichtbelasteten suchten im ganzen die Heilstätte viel früher 
auf als die Belasteten. Demnach scheint also die Beobachtung der 
allgemein so gefürchteten Schwindsucht in der eignen Familie mehr 
abzustumpfen und mehr sorglos als vorsorglich zu machen. Andererseits 
ist es sehr gut denkbar, dass in der Husterfamilie die Anfangssymp¬ 
tome (Hustenreiz, Auswurf) weniger auffallen und beachtet werden; 
„es ist ja noch nicht schlimmer, als wie jeder Mensch hustet.“ Nur 
ein ganz geringer Prozentsatz kommt bereits im Laufe des ersten 
Monats nach den selbst beobachteten Krankheitserscheinungen in die 
Heilstätte; es sind dies aber durchweg Patienten gewesen, die die 
Kur aus eignen Mitteln bestritten. Bei den der Versicherungspflicht 
unterliegenden Kranken, die auf Kosten der Landesversicherungs- 
Anstalten der Heilstätte überwiesen waren, musste selbst bei mög¬ 
lichster Beschleunigung in der Prüfung des Antrages eine Verzögerung 
eintreten. Immerhin sind schon etwa 30°/o im Laufe des ersten 
Vierteljahres und 60°/o im ersten Halbjahre in der Heilstätte auf¬ 
genommen; weitere 20°/o treten im Laufe des zweiten Halbjahres 


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260 0. Roepke. [32 

ein, so dass am Ende des ersten Jahres nach dem jeweiligen angeb¬ 
lichen Krankheitsbeginn 80°/o der Kranken in Behandlung waren. 
Diese Zahlen sind im ganzen günstig, obwohl sie nicht ganz der 
Wirklichkeit d. h. dem tatsächlichen Bestehen der Krankheit ent¬ 
sprechen. Aber darin, dass die Fälle trotz ihres 1 h —ljährigen Be¬ 
stehens in der Schwere und Ausdehnung noch derartig sind, dass sie 
dem I. Stadium zugerechnet werden können, liegt die tröstliche Tat¬ 
sache, dass es sich nicht um maligne Formen der Tuberkulose han¬ 
delt, die dem Volke unter dem Namen „galoppierende Schwindsucht“ 
wohl bekannt sind. 

Von den Fällen, deren Krankheitsbeginn länger als */« Jahr 
zurücklag, hatten übrigens schon 22 eine ein- oder mehrmalige Kur 
durchgemacht, meist in dem Badeorte Lippspringe, seltener in einer 
anderen Heilstätte. Nur durch solche Kuren wird es erklärlich, dass 
bei den übrigen 20°/o der Kranken, die schon 1 — 6 Jahre lungen¬ 
krank waren, noch jetzt eine stationäre, leichte, auf geringe Lungen¬ 
abschnitte ausgedehnte Tuberkulose vorhanden war. Bemerkenswert ist 
noch, dass je ein Belasteter vor 10 und 23 Jahren eine ausgesprochene 
und zweifellose Lungenblutung gehabt hatte; beide hatten sich seiner 
Zeit gar keiner Kur oder ärztlichen Behandlung unterworfen und 
waren bis kurz vor ihrer Aufnahme ohne alle Beschwerden stets voll 
arbeitsfähig gewesen — natura sanat! In beiden Fällen war übrigens 
eine Reinfektion desselben Lungenlappens erfolgt, der früher erkrankt 
gewesen sein musste. 

Prägnanter sind die Angaben der Kranken über ihre der Auf¬ 
nahme vorausgegangene Arbeitsunfähigkeit, die — auch 
nur für die Kranken des I. Stadiums — in der folgenden Tabelle 
übersichtlich gemacht ist: 

Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit lag zurück 



bei Belasteten 

bei Nichtbelasteten 

bis zu 1 Monat 

2 mal 

11 mal 

„ 2 

7 .. 

17 „ 

„ .. 3 „ 

5 „ 

20 „ 

4 .. 

5 „ 

9 

„ 5 .. 

2 „ 

3 „ 

„ 6 

1 „ 

6 

„ ,. 7 „ 

0 „ 

0 „ 

.. 8 „ 

0 

0 „ 

„ 0 .. 

1 „ 

3 „ 

.. .. 12 .. 

2 , 

h 

15 

— 

1 .. 

„ 18 f< 


1 

„ „ 24 „ 

— 

1 „ 

keine Arbeitsunfähigkeit bestand 11 ,, 

31 .. 



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'i3J Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 261 

Als Dauer der Arbeitsunfähigkeit galt in jedem Fall die Zeit 
von dem letzten dauernden Einstellen der regelmässigen Berufsarbeit 
bis zum Tage der Einberufung in die Heilstätte. 30°/o der Kranken 
haben ohne nennenswerte Störung ihren Beruf bis zum Tage der 
Einberufung bezw. des Eintritts in die Heilstätte versehen. Eine 
solche Angabe hört der Heilstättenarzt gern; sie bietet im Verein 
mit der klinischen Feststellung des I. Stadiums die beste Gewähr 
für einen vollen Heilerfolg. Diese Kranken bilden das heitere zu¬ 
friedene Völkchen in der Heilstätte, das gewissenhaft die Kur durch¬ 
macht und nach Beendigung derselben gern wieder an die Arbeit 
zurückkehrt. 

Die Angabe, bis zum letzten Tage gearbeitet zu haben, hört 
man aber auch von Patienten, deren Tuberkulose sich im äussersten 
IH. Stadium befindet. Meist gehören sie Berufen an, deren Aus¬ 
übung nur eine bestimmte kleine Muskelgruppe in Tätigkeit setzt, 
während der übrige Körper nennenswerte Arbeit nicht leistet (Schneider, 
Schreiber, Zigarrenmacher, Konfektions- und andere Heimarbeiter). — 
Die 30°/o der überhaupt nicht in der Erwerbsfähigkeit gestörten 
Kranken des I. Stadiums entsprechen genau dem obigen Prozentsatz 
derjenigen, die ihren Krankheitsbeginn noch auf das laufende Viertel¬ 
jahr zurückdatierten. 43°/o hatten bis zur Dauer von 3 Monaten und 
18°/o noch ein zweites Vierteljahr lang nicht mehr gearbeitet. Von 
den letzteren hatte ein Teil Krankenkassenbezüge nicht mehr ge¬ 
nossen und war daher in den Ernährungsverhältnissen am erheb¬ 
lichsten herabgekommen. Sie vertreten die Gruppe der ewig Unzu¬ 
friedenen und Nörgler, der Neurastheniker, Hypochonder und Schwäch¬ 
linge, die auch hinsichtlich des Kurerfolges nicht immer befriedigen 
und sich zur Wiederaufnahme einer regelmässigen Tätigkeit nur 
schwer entschliessen. Das kleinste Kontingent von Kranken (9°/o), 
die über Jahr hinaus bis zu zwei Jahren ununterbrochen „gefeiert“ 
hatten, stellen die Invaliden und die Unfallskranken, bei denen er- 
fahrungsgemäss recht oft der objektive Krankheitsbefund zu den 
Klagen und subjektiven Beschwerden und der daraus resultierenden 
Arbeitsunfähigkeit in umgekehrtem Verhältnis steht. — Zwischen Be¬ 
lasteten und Nichtbelasteten bestehen hinsichtlich dieses Punktes keine 
Unterschiede. 

Ich komme zu den einzelnen subjektiv zuerst empfun¬ 
denen Symptomen, mögen sie in krankhaften Erschei¬ 
nungen der Respirationsorgane (Blutung, Husten, Auswurf, 
Kurzatmigkeit, Seitenstechen und Brustschmerzen) oder in Störungen 
des Allgemeinbefindens (Abmagerung, Nachtschweisse, Herz¬ 
klopfen) bestanden haben. 


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262 0. Eoepke. [34 

Von allen Symptomen hat die Lungenblutung, ob gross oder 
klein, für die Diagnostik den grössten Wert. Ihr ist von franzö¬ 
sischen Autoren ein heilender Einfluss zugesprochen worden, der auf 
einer „eliminierenden Evakuation der Bacillen en masse“ beruhen 
soll. In Deutschland steht man ganz allgemein auf einem weniger 
optimistischen Standpunkt. Man gibt zu, dass eine Blutung die Pro¬ 
gnose der Tuberkulose nicht zu verschlechtern braucht, dass sie unter 
Umständen sogar als eine wirkliche Wohltat von dem Patienten 
empfunden wird, aber man führt den günstigen Verlauf der mit 
initialer Hämoptoe einsetzenden Lungentuberkulose nicht auf die 
günstige Beeinflussung des Krankheitsprozesses zurück, sondern dar¬ 
auf, dass die Blutung auch den schwerfälligsten und sich wenig 
beobachtenden Menschen alarmiert und zum Arzte führt und damit 
in die Behandlung und heute in die Heilstätte. Die Bedeutung der 
Lungenblutung geht aus folgenden Zahlen hervor: 


Es hatten von den Kranken des 

I. 

II. 

+ - 

IIT. Stadiams 
+ - 

Sa. 

+ - 

Initialblatungen leichteren Grades 

6 

37 

4 

18 

6 

26 

— 

16 

81 

Initialblutungen stärkeren Grades 

5 

6 

2 

8 

3 

5 

— 

10 

19 

spätere Blutungen leichteren Grades 

10 

22 

1 

9 

2 

4 

= 

13 

35 

spätere Blutungen stärkeren Grades 

2 

2 

0 

6 

5 

8 

= 

7 

16 

keine Blutungen 

13 

41 

4 

15 

2 

26 

= 

19 

82 


Zur Erläuterung der Tabelle bemerke ich, dass ganz geringfügige 
Beimischungen von Blut, Blutpunkten und Blutstreifen zu dem Aus¬ 
wurf gar nicht berücksichtigt sind. Dieselben können aus dem Rachen, 
Nasenrachenraum oder Munde stammen und gehören bei der äusserst 
mangelhaften Mundpflege, die ganz allgemein unter den Patienten 
der unteren Volksschichten auffällt, und dem fast regelmässigen Vor¬ 
handensein von subakuten und chronischen Rachenkatarrhen in diesen 
Berufsklassen auch tatsächlich nicht zu den Seltenheiten. Erst das 
ganz diffus blutige Sputum, das mit dem Husten von unten herauf 
gekommen sein musste, wurde als Blutung notiert. Die Kranken 
pflegen hier selbst ganz treffend zu unterscheiden, indem sie unter 
Ausserachtlassung geringster Blutspuren den total und gleichmässig 
blutig verfärbten Auswurf als „Bluthusten“ bezeichnen zum Unterschiede 
von dem „Blutspucken“, das in einem ein- oder mehrmaligen mund¬ 
vollen Ausspucken flüssigen Blutes besteht. Bluthusten und Blutspucken 
wurden von mir als Blutungen leichteren Grades, als Hämoptysen, an- 


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35J Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 263 

gesehen. Blutungen, die einmalig oder in kürzeren Intervallen auf¬ 
tretend ungefähr einen Tassenkopf oder einen Becher füllten oder 
den Boden des Nachtgeschirres völlig bedeckten, wurden zu den 
stärkeren, zu den Hämoptoen, gerechnet. Die Patienten bedienen 
sich hier der zutreffenden Bezeichnung „Blutsturz“, nur übertreiben 
sie wohl unabsichtlich recht häufig in der Schätzung der Menge nach 
dem Litermass. So sind Angaben über Blutverluste von 1, 2, 3 Litern 
gar nichts Seltenes, in einigen Krankengeschichten finde ich sogar 
Blutungen von der Menge eines halben Eimers angegeben. 

Was nun die Häufigkeit der Lungenblutungen anbetrifft, so 
kommen solche vor bei 66,1 °/o, d. h. also bei zwei Drittel sämtlicher 
Patienten und zwar bei 42,2°/o als initiale, bei 23,9°/o als spätere 
Hämoptysen und Hämoptoen. 

Für die Diagnostik der Lungentuberkulose sind in erster Linie 
die Initialblutungen von Bedeutung: in einem je frühzeitigeren Ent¬ 
stehungsstadium der Tuberkulose sie auftreten, um so wertvoller sind 
sie für den Arzt zum Besten des Kranken. Oft geben die Patienten 
auf die Frage, seit wann sie schon krank wären, prompt ein ganz be¬ 
stimmtes Datum an; es ist fast ausnahmslos der Tag, an dem die 
erste Blutung eingetreten war. Solche erste alarmierende Blutung 
ist aber nicht immer als Initialblutung hinsichtlich der Entwickelung 
der Tuberkulose anzusehen. Manchmal erfährt man erst durch ge¬ 
naueres Fragen, dass der Kranke schon monatelang vor dieser Blu¬ 
tung andere mit höchster Wahrscheinlichkeit auf eine Tuberkulose 
hinweisende Erscheinungen gehabt hat; und die physikalische Unter¬ 
suchung bestätigt es dann, dass die Tuberkulose des Kranken zur 
Zeit der Blutung schon im II. oder gar im III. Stadium ge¬ 
wesen sein muss. Man hat also wohl zu unterscheiden zwischen 
erster Blutung eines Tuberkulösen schlechtweg und erster Blutung im 
Frühstadium der Tuberkulose. Nur die im letzteren Sinne aufzu¬ 
fassende Initialblutung par excellence ist in der Tabelle unter dieser 
Bezeichnung aufgenommen. Danach ist also bei 126 unserer Kranken 
die Lungenblutung eine der ersten Manifestationen der Tuberkulose 
gewesen, und zwar 97 mal in der Form des Bluthustens und Blut- 
spuckens, 29 mal in der Form des Blutsturzes. Die Zahl der stärkeren 
Blutungen ist recht hoch. Daran ist zunächst einmal die bereits an¬ 
gedeutete Übertreibung von seiten der Kranken schuld, die überrascht, 
erschreckt und erregt, in ihren Wahrnehmungen nicht zuverlässig 
sind. Dann kann dies aber auch daher rühren, dass der weitaus 
grössere Teil unserer Patienten körperlich schwer arbeiten musste 
und nicht selten mitten in angestrengter Arbeitsleistung (Heben, 
Schieben, Tragen von Lasten u. dergl.) von der Blutung überrascht 


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264 0. Roepke. |8ß 

wurde. So merken z. B. die Bergleute, die an sich auf Auswurf 
wenig achten, in der dunklen Grube auf dem schwarzen Gestein von 
dem Aussehen ihres Auswurfs nichts, sie arbeiten ahnungslos weiter, 
obgleich der Auswurf schon rötlich verfärbt ist, bis eben eine stärkere 
Gewebs-oderGefässzerreissungeintritt,bis sie die Blutung schmecken. 
So ist es in manchen anderen Berufen auch. Bei den im späteren 
Verlaufe der Tuberkulose auftretenden Blutungen herrschen zwar eben¬ 
falls die schwächeren gegenüber den stärkeren vor, aber während bei 
den Initialblutungen das Verhältnis der Hämoptysen zu den Hämo¬ 
ptoen 3,3:1 war, gestaltet es sich hier 2:1; es betragen also die 
stärkeren Blutungen fast die Hälfte der schwächeren. Weiterhin 
tritt bezüglich der Verlaufsblutungen in den drei verschiedenen 
Stadien die interessante Erscheinung hervor, dass mit dem fort¬ 
schreitenden Stadium der Lungentuberkulose die Hämoptysen pro- 
centualiter seltener werden — im I. = 22°/o, im II. = 15°/o, im 1H. 
= 7°/o —, während die Hämoptoen von dem I. bis zum IH. Stadium 
in dem Verhältnis von 1:3:5 zunehmen. Beides ist aus den patho¬ 
logisch-anatomischen Vorgängen bei der Entstehung und im Verlaufe 
der Tuberkulose ohne weiteres verständlich. Im übrigen sprechen 
diese Zahlen gerade nicht für die Richtigkeit der Auffassung von 
dem bessernden und heilenden Einfluss der Lungenblutungen. 

Von den 144 Kranken, die als erste Stadien in die Heilstätte 
kamen, hatten 90, also 5 /s derselben, Blutungen anzugeben, und zwar 
3 /s initiale, 2 /s spätere Blutungen. Bei beiden überwiegen die Hämo¬ 
ptysen, die zusammen, auf die Anzahl der Blutungen berechnet, 5 /e 
gegenüber V 6 Hämoptoen ausmachen. Auf die Gesamtzahl der Kranken 
übertragen ergibt sich, dass auf je 2 Patienten des ersten Stadiums 
eine Hämoptyse, auf je 10 eine Hämoptoe kommt. 

Zwischen Belasteten und Nichtbelasteten besteht hinsichtlich des 
Auftretens von Lungenblutungen nur ein geringer Unterschied: erstere 
sind mit 64°/o, letztere mit 62°/o vertreten. Für die Diagnostik der 
Lungenblutung ist folgendes beachtenswert. Wenn man zu einer 
Blutung gerufen noch rechtzeitig genug kommt, um dieselbe be¬ 
obachten zu können, so wird die Entscheidung meist keine Schwierig¬ 
keiten machen, woher das Blut stammt. Die Art der Herausbeförde¬ 
rung aus der Lunge durch Husten oder aus dem Magen durch Er¬ 
brechen verliert ihr charakteristisches Gepräge nicht, selbst wenn 
einmal bei furibunden Lungenblutungen das verschluckte Blut er¬ 
brochen oder bei starken Magenblutungen das in die Luftröhre ge¬ 
flossene Blut herausgehustet wird. Ausserdem werden Farbe, Geruch, 
Schaumgehalt, Schleim- oder Speisebeimengungen etwaige Zweifel be¬ 
seitigen helfen. Ist die Blutung bereits vorüber und das Blut be- 



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37] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 2()5 

seitigt oder nicht charakteristisch, so tritt bei der Unmöglichkeit, im 
Anschluss an stärkere Blutungen die physikalische Untersuchung vor¬ 
nehmen zu können, die Anamnese ganz besonders in den Vorder¬ 
grund und wird in den weitaus meisten Fällen Sitz und Ursache der 
Blutung mit höchster Wahrscheinlichkeit herausfinden lassen. Auch 
für die Differentialdiagnose, ob eine Lungenblutung auf Tuberkulose 
oder auf Traumen, Einatmung von scharfen Gasen oder auf Bronchi- 
ectasien, putrider Bronchitis, Lungensyphilis oder auf Cirkulations- 
störungen (Lungenödem), Herzfehlern (Infarkt) beruht, ist die genaue 
Anamnese ausserordentlich wichtig. Das gleiche gilt bezüglich der 
vorübergehenden Blutbeimischungen, die aus Nase, Nasenrachenraum 
und Mund stammen können; die Anamnese wird uns auf die richtige 
Spur bringen, auch kleinere blutende Stellen festzustellen. Wo diese 
Feststellung, und zwar als einzige Ursache der Blutung, nicht über« 
allen Zweifel erhaben ist, da muss auf alle Fälle eine eingehende 
Untersuchung der Brustorgane stattfinden. Die blosse Annahme des 
„ominösen geplatzten Äderchens im Halse“ hat schon manche Früh¬ 
diagnose der Tuberkulose vereitelt. 

Die subjektiv weniger auffallenden Erscheinungen will ich ge¬ 
trennt, zunächst für das H. und III. Stadium, später für das I. Stadium 
allein besprechen. 

Bei den Kranken des II. und HI. Stadiums wurden Husten 
und Auswurf in allen Fällen geklagt. Damit waren direkte Hin¬ 
weise auf eine Erkrankung des Respirationstraktus gegeben. Folgte 
man diesen Hinweisen, und untersuchte man die Lunge, so war die 
Diagnose klar. Denn bei aller Schwierigkeit der Frühdiagnostik der 
Tuberkulose ist es doch wahrlich kein Kunststück, eine Lungentuber¬ 
kulose im II. Stadium herauszufinden. Ich will damit sagen, dass es 
bei nur einigermassen gewissenhafter Ausübung ärztlicher Berufs¬ 
tätigkeit eigentlich ganz ausgeschlossen ist, dass eine ausgesprochene 
Lungentuberkulose im II. Stadium nicht erkannt wird. Meine Kranken¬ 
geschichten beweisen in einer nicht kleinen Zahl von Fällen das 
Gegenteil. 

Differentialdiagnostisch waren selbst genauere Angaben über 
Dauer, Art und Häufigkeit des Hustens wenig verwertbar; eher Hessen 
die Angaben der Patienten über Menge und Beschaffenheit des Aus¬ 
wurfs (blutig, stinkend, maulvoll) auf gewisse ursächliche Momente 
bezw. Komplikationen einen Rückschluss machen. Am leichtesten 
war in unseren Fällen der diagnostische Schluss — auf Grund der 
Anamnese — bei länger dauerndem Husten und blutigem Auswurf, 
wenn dazu die Angabe einer stattgehabtenAbinagerung ge- 


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266 0. Roepke. [88 

macht wurde bezw. durch das Aussehen des Patienten ohne weiteres 
klar war. 

Stärkere Abmagerung wurde von den Kranken des II. Sta¬ 
diums in 39 Fällen (=59°/o), von den des III. Stadiums sogar in 
69 Fällen (=80° o) angegeben; in allen übrigen Fällen waren geringe 
Gewichtsabnahmen beobachtet worden. Wir ersehen daraus, dass die 
vorgeschrittene Lungentuberkulose tatsächlich die Bedeutung einer 
„abzehrenden“ Krankheit hat, die ihr von altersher beigemessen ist. 

Fassen wir die letzten Ergebnisse der Anamnese für die Kranken 
des II. und III. Stadiums zusammen, so erhalten wir folgende Zahlen: 
die Symptomentrias Husten, Auswurf und Abmagerung ist bei allen 
154 Kranken = 100°/o vorhanden, bei 108 = 70°/o ist Husten und 
Auswurf durch Blutungen kompliziert, bei 107 = 70°/o ist die Ab¬ 
magerung eine hochgradige; mindestens zwei Drittel sind also ledig¬ 
lich auf Grund ihres Aussehens und ihrer Anamnese mit höchster 
Wahrscheinlichkeit als tuberkulös zu erkennen. Das ist bedauerlich, 
einerseits für den Kranken, denn je leichter die Diagnose, desto vor¬ 
geschrittener die Krankheit und desto aussichtsloser die Behandlung, 
andererseits für den Heilstättenarzt, denn je schwieriger die Diagnose, 
desto initialer der Fall und desto befriedigender seine Tätigkeit. 

Die subjektiven Krankheitserscheinungen derjenigen 
Kranken, deren Lungentuberkulose sich bei der Aufnahme im ersten 
Stadium befand, unterziehe ich einer besonderen Besprechung. Die 
folgende Aufstellung gibt zunächst eine Übersicht über die Häufigkeit 
der von den 144 Kranken beobachteten ersten Krankheitserscheinungen : 

Es batten von den 36 Belasteten und 108 Nichtbelasteten Sa., 


Husten 


36 


99 

= 

13-5 

Auswurf 


32 


80 

= 

112 

Gewichtsabnahmen 

15 i 

1 26 

39 | 

\ 66 

_ 

92 

schwach 

11 

1 

27 | 

1 



Bruststiche und Brustschmerzen 


21 


60 

= 

81 

Kurzatmigkeit 


19 


39 

= 

58 

Nachtschweisse 


20 


56 

= 

76 

Herzklopfen 


12 


33 

= 

45 


Vergleichen wir die Häufigkeit der einzelnen Symptome bei Be¬ 
lasteten mit derjenigen bei Nichtbelasteten, so fällt — das Zahlen¬ 
verhältnis der Belasteten zu den Nichtbelasteten ist 1:3 — ohne 
weiteres eine durchweg geringere Beteiligung der Nichtbelasteten 
auf. Dieselbe ist procentualiter nicht bedeutend, aber daraus, dass 
sie bei jedem einzelnen Symptom nachweisbar ist, glaube ich — wie 
bereits an anderer Stelle — folgern zu dürfen, dass auch das initiale 
Krankheitsbild der Lungentuberkulose sich bei Nichtbelasteten ver- 


Gck igle 


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39] 


Zar Diagnostik der Lungentuberkulose. 


267 


waschener, weniger prägnant nnd spezifisch darstellt als bei Belasteten, 
die in und mit ihrer ererbten individuellen Disposition auf spezifische 
Reize mit möglichst typischen Erscheinungen reagieren. — Bei Be¬ 
trachtung der Gesamtzahlen fällt zunächst die Symptomentrias 
Husten, Auswurf und Abmagerung durch die Häufigkeit auf. 
Husten wurde fast in allen Fällen angegeben. Daraus, dass er 
häufiger vorhanden war als Auswurf, ist zu entnehmen, dass es sich 
in jenen 16°/o der Fälle, in denen Husten ohne Auswurf bestand, 
um den gerade für die Frühstadien so charakteristischen kurzen, 
trockenen Husten, das Hüsteln, gehandelt hat; dasselbe pflegt morgens 
beim Aufstehen, abends beim Hinlegen bemerkbar zu werden und 
tagsüber durch Lachen, lautes Sprechen, forcierte Atembewegungen 
usw. ausgelöst zu werden. 

Die Zahl der positiven Angaben über vorhandenen Auswurf 
ist für das I. Stadium reichlich hoch. Es handelte sich indes bei 
weitem nicht in allen diesen Fällen um eigentlichen Lungenauswurf; 
ich werde später bei der bakteriologischen Diagnostik darauf zurück¬ 
kommen müssen. Hier möchte ich nur bemerken, dass nasopharyn- 
geale Katarrhe, Pharyngitiden und Laryngitiden bei unsern aus stau¬ 
bigen Werkstätten, Fabriken und Gruben kommenden Kranken ausser¬ 
ordentlich häufig waren und bei einem dauernd gesteigerten Husten¬ 
reiz und Kitzel zum Räuspern Schleimabsonderungen unterhielten, die 
gar nicht aus der Lunge stammten, den Kranken aber glauben 
machten, dass er „furchtbar viel“ Auswurf habe. An dritter Stelle 
stehen die Gewichtsabnahmen, die fast von */s der Patienten be¬ 
obachtet worden sind; es überwiegen die leichten Gewichtsabnahmen 
bei 54 Kranken gegenüber den starken Verlusten bei 38 Kranken. 
Diese Werte sind zwar wesentlich niedriger als bei den Kranken des 
II. und III. Stadiums, es bleibt aber wohl zu beachten, dass sie hier 
eigentlich durchweg trotz guten Appetites und genügender Kost ein¬ 
getreten sind. Das muss auch für die Verwertung der anamnestischen 
Angaben im Auge behalten werden. Es spricht für die Entstehung 
eines tuberkulösen Prozesses ganz besonders, wenn der Patient trotz 
guten Appetites und zweckmässiger und ausreichender Nahrung Ge¬ 
wichtsverluste erleidet, die ihm auffallen. Den alten Brehm er sehen 
Satz, dass die Phthisiker von klein auf schlechte Esser sind, habe 
ich nur in ganz vereinzelten Fällen bestätigt gefunden. Ich glaube 
auch, dass die Nahrungsmittel-Etats der Heilstätten ihn zu stützen 
kaum geeignet sind; die erzielten Gewichtszunahmen während der 
Heilstättenkur sprechen sogar entschieden gegen seine allgemeine 
Richtigkeit, denn die aus den unteren Volksklassen stammenden 
Lungenkranken, welche während einer 12 wöchentlichen Kur durch- 


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0. Roopke. 


[40 


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268 

schnittlich 7'h —12 1 /a Kilo an Körpergewicht zunehmen, müssen nicht 
nur gut essen, sondern auch vorzüglich verdauen können. 

Ein Symptom, welches von den Patienten vor allen anderen an¬ 
gegeben wird, wenn es überhaupt vorhanden ist, sind die Brust¬ 
schmerzen, die Stiche in der Schulter, in der Seite oder 
zwischen den Schulterblättern. Von unseren Kranken wurden 
dieselben in 81 Fällen (= 55,5 °/o) geklagt. Es empfiehlt sich schon 
bei der Anamnese, die Kranken stets hindeuten zu lassen, wo sie die 
meisten Schmerzen empfinden. Dadurch wird unsere Aufmerksamkeit 
von vornherein, und zwar meist ganz richtig, auf die erkrankte Partie 
hingelenkt. Ganz unbestimmte Angaben über die Schmerzen und 
dementsprechendes Hinüber- und Herüberdeuten auf dem Thorax 
haben oft ihren Grund in einem massigen Emphysem der Lunge, 
das bei körperlich schwer arbeitenden Leuten auch in jüngeren Jahren 
schon recht häufig ist. Die Stiche in der Schulter, von den Kranken 
meist als rheumatische Schmerzen gedeutet, pflegen gerade in dem 
frühen Stadium der Lungentuberkulose aufzutreten; sie charakteri¬ 
sieren sich dadurch, dass sie aus dem Bereiche der Lunge heraus in 
die Schulter verlegt und nach dem Arme ausstrahlend geklagt werden, 
und beruhen wohl darauf, dass der Plexus brachialis in Entzündungs¬ 
oder Verwachsungsvorgänge mit hineingezogen ist. 

Wiederholt wurden auch Schmerzen geklagt, die in der Ober¬ 
und Unterschlüsselbeingrube ihren Sitz hatten. Auch diese sind für 
beginnende Lungentuberkulose insofern wichtig, als sie ein ziemlich 
untrügliches Zeichen einer an der Lungenspitze sich abspielenden 
Pleuritis sind. Im vorgeschritteneren Stadium pflegten sie häufiger 
zu sein und ganz besonders heftig aufzutreten, wenn sie durch nar¬ 
bige Retraktionen des Lungengewebes bei HeilungsVorgängen (Schrump¬ 
fung von Kavernen) veranlasst waren. — Bei bestehenden Schmerzen 
in der Seite liegt die Annahme von pleuritischen Prozessen und Ver¬ 
wachsungen nahe, zumal wenn die Kranken ganz prägnant vom 
„Seitenstechen“ sprechen, das sie am „Durchatmen hindert“. Es ist 
aber auch daran zu denken, dass neben der Tuberkulose in den 
oberen Abschnitten der Lunge in den abhängigen seitlichen Partieen 
katarrhalische Zustände bestehen können, die sich bis an die Pleura 
vorschieben und dann Schmerzen verursachen. Die Schmerzen pflegen 
sehr wechselnd zu sein; auch die objektiven Erscheinungen des 
Katarrhs können von einer Untersuchung bis zur anderen ver¬ 
schwinden oder wieder erscheinen; meist bleiben sie jahrelang stationär, 
ohne die geringsten Infiltrations- oder Zerfallssymptome herbeizuführen, 
so dass sie als tuberkulös nicht angesehen w ? erden können. Ihre 
Hartnäckigkeit mag durch eine örtliche ererbte oder erworbene Dis- 



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41] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


269 


Position bedingt sein. Besonders charakteristisch für die Initial¬ 
tuberkulose der Lunge sind die zwischen die Schulterblätter verlegten 
Schmerzen. Sie gehen von bronchialen Drüsenaffektionen aus, ins¬ 
besondere von der Erkrankung der Tracheobronchialdrüsen, die in 
allen Fällen von Lungentuberkulose tuberkulös miterkrankt gefunden 
sind und für die weitaus meisten Fälle die erste Lokalisation der 
Tuberkulose bilden. Ich werde bei dem Kapitel über die Tuberkulin¬ 
diagnostik noch einmal darauf zurückkommen müssen. — Die Schmerzen 
werden individuell verschieden empfunden und individuell verschieden 
geklagt. Nur eine Beobachtung kann man immer wieder machen, 
die allen medizinischen Landläufigkeiten widerspricht: der initial 
Tuberkulöse klagt die meisten, der vorgeschritten Tuberkulöse die 
wenigsten auf seine erkrankte Lunge hindeutenden Schmerzen. 
Ersteres ist ein weiteres anamnestisches Moment, das die Frühdiagnose 
zu erleichtern geeignet ist; letzteres tritt so stereotyp in der immer 
wieder abgegebenen Versicherung des Kranken, dass er gar keine 
Schmerzen habe, in Erscheinung, dass es als prognostisches Omen in 
malam partem Beachtung verdient. 

Die Erscheinung der Kurzatmigkeit ist in 58 Fällen (=40°/o) 
geklagt worden. Sie ist ebenfalls für das erste Stadium charakte¬ 
ristisch, nur darf man nicht etwa die ausgesprochenen Bilder lungen¬ 
insuffizienter Schwerkranker verlangen. Das Bezeichnende liegt darin, 
dass die Kranken schon bei den sonst gewohnten körperlichen Arbeits¬ 
leistungen das Bedürfnis zu angestrengteren und schnelleren Atem¬ 
zügen empfinden, das ihnen früher unbekannt war. Oft war bei 
unseren Kranken eine gewisse Oberflächlichkeit der Atmung auch 
durch die oben angegebenen Brustschmerzen und Seitenstiche bedingt. 

Von den Allgemeinerscheinungen, die ausser der Gewichtsabnahme 
für die beginnende Lungentuberkulose besonders pathognostisch sind, 
habe ich nur noch die Nachtschweisse und das Herzklopfen 
berücksichtigt; erstere kamen bei den Kranken des ersten Stadiums 
56 mal (= 39°/o), letzteres 45 mal (= 31°/o) vor. Die Schweisse 
gehören zu denjenigen Symptomen, die von den Patienten meist nicht 
beachtet bezw. von selbst angegeben werden, es sei denn, dass sie 
als Folge eines Fieberabfalles äusserst stark und belästigend auf¬ 
traten und den Schlaf störten. In dieser Weise kommen sie indes 
im I. Stadium der Lungentuberkulose kaum vor, vielmehr handelt 
es sich hier um Transpirationen, die gewöhnlich in den Morgen¬ 
stunden und bei völlig normalen Körpertemperaturen in ganz mässiger 
Stärke sich bemerkbar machen. Nach Ansicht des Kranken war sogar 
nur zu schwere Bedeckung oder zu festes Zudecken oder zu hohe 
Zimmer- oder Aussentemperatur daran schuld, dass sie am Oberkörper 


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270 


0. Roepke. 


142 


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„eben etwas feucht“ wurden. Man muss also auch nach den Nacht- 
schweissen direkt fragen, um über ein bei keiner anderen chronischen 
Krankheit auftretendes Symptom orientiert zu werden. Eine auf¬ 
fallend gesteigerte Schweisssekretion habe ich wiederholt bei unseren 
gut genährten Leichtkranken beobachtet, wenn sie, den Oberkörper 
völlig entkleidet, untersucht wurden. In einzelnen Fällen schwitzten 
die Kranken dabei so stark, dass ihnen das Wasser im wahren Sinne 
des Wortes am Körper herunterlief. Es werden hier kaum andere 
Nerveneinflüsse das Schwitzen auslösen als bei den „Nachtschweissen 
der Phthisiker“. Doch sind erstere nicht so bezeichnend für die 
Tuberkulose wie letztere, da sie auch bei Unfallskranken, Neurasthe¬ 
nikern und Alkoholisten Vorkommen. 

Das Herzklopfen zeigte sich bei etwa einem Drittel unserer 
Kranken; es ist also das am wenigsten häufige Symptom unter den 
oben aufgeführten, vielleicht auch das am wenigsten zuverlässige. 
Und dennoch liegt in der Beschwerde des Herzklopfens etwas der 
Lungentuberkulose ganz besonders eigentümliches, das von der Schwiere 
der Erkrankung und der dadurch bedingten Schädigung der Lunge 
als Atmungsorgan ganz unabhängig ist. Eine permanent leicht ge¬ 
steigerte Herztätigkeit mit weichem Puls ist in den späteren Stadien 
der Lungentuberkulose fast regelmässig vorhanden; diese bildet aber nicht 
das Charakteristische für das Initialstadium. In diesem ist das an¬ 
fallsweise Auftreten einer beschleunigten Herzaktion bezeichnend, 
meist im Anschluss an irgend eine erregende Einwirkung, die aber 
bei Gesunden auf die Herztätigkeit keinen oder nur einen sehr ge¬ 
ringen Einfluss haben würde. Die Neigung zu solchem Herzklopfen 
und Blutwallungen nach dem Kopfe ist mit dem Begriff des pbthi- 
sischen Habitus verknüpft, sie bildet eine besonders hervorstechende 
Eigenschaft der erethischen Naturen unter den Tuberkulösen und ist 
zweifellos nicht ohne Einfluss auf deren impulsive, physische und 
psychische Äusserungen. Andererseits kann das Herzklopfen aber 
auch durch chronischen Alkohol- und Nikotinmissbrauch, durch Neur¬ 
asthenie, Anämie oder Onanie in der Pubertätszeit bedingt sein. 
Diese ursächlichen Momente — organische Herzerkrankungen eo ipso — 
müssen auszuschliessen sein, ehe die Angabe des Herzklopfens zur 
Stütze der Frühdiagnose zu verwenden ist. — 

So sehen wir, dass die Anamnese, sofern der Arzt bei ihrer 
Aufnahme der Eigenart jedes Falles gebührend Rechnung trägt, eine 
reiche Ausbeute an Material bietet, das für die Beurteilung der Tuber¬ 
kulose und die Erkennung des Tuberkulösen gleich wertvoll und wichtig 
ist. Wie für die Bekämpfung der Tuberkulose der Schwerpunkt in 
der Prophylaxe liegt, so bildet für die Heilung des Tuberkulösen 



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43] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


271 


die Frühzeitigkeit der Diagnose die Vorbedingung. Nur beides 
vereint wird den allgemein aufgenommenen Kampf gegen die Tuber¬ 
kulose als Volkskrankheit zu einem wirkungsvollen und erfolgreichen 
gestalten; und hier wie dort führt die Anamnese auf den richtigen 
Weg, Tuberkulose und Tuberkulöse zu erkennen, erstere zu verhüten, 
letztere zu heilen. 


Aufnahmebefund. 

Der allgemeine und örtliche Status praesens unserer Kranken er¬ 
gibt sich aus der Inspektion, Perkussion und Auskultation. Die Lungen¬ 
tuberkulose ist trotz ihres lokalen Sitzes eine Konstitutionskrankheit, 
die neben den örtlichen subjektiven und objektiven Krankheits¬ 
erscheinungen auch solche allgemeiner Natur bedingt. Ja, es können 
Allgemeinbefinden und Allgemeinzustand oft schon erheblich und sicht¬ 
bar gestört zu sein, bevor der lokale Krankheitsherd für unsere — 
immerhin noch groben — physikalischen Untersuchungsmethoden über¬ 
haupt erkennbar ist. Darum begibt sich der Arzt, der ohne vor¬ 
herige Inspektion des Kranken sofort mit dem Beklopfen und 
Behorchen desselben beginnt, eines gleich wertvollen diagnostischen 
Hilfsmittels wie derjenige, der von vornherein auf die Anamnese ver¬ 
zichtet. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, mit der Untersuchung 
des Kranken zu warten, bis der Verdacht auf eine bestehende Lungen¬ 
tuberkulose durch die Gesamtwirkung der Krankheit auf den Orga¬ 
nismus zum Ausdruck käme. Es ist aber andererseits ebenso ent¬ 
schieden zu verwerfen, dem durch Übung geschärften Blick eine 
Fülle von Zeichen vorzuenthalten, die sofort auf das erkrankte Organ, 
auf die Art und selbst auf das Stadium der Erkrankung hinweisen. 
Bei Klagen über Appetitlosigkeit, Abmagerung, Nachtschweisse und 
Mattigkeit die Zunge zu besehen und den Puls zu fühlen, genügt nicht; 
je unbestimmter die Angaben des Kranken sind, um so grösser ist 
das Gebiet der Krankheitsmöglichkeiten. Da muss der Diagnostiker 
allgemeine Umschau halten und zum wenigsten den die wichtigen 
Atmungs-, Kreislaufs- und Verdauungsorgane bergenden Oberkörper 
einer Inspektion unterziehen. An diese würde sich dann ganz von 
selbst die Untersuchung des erkrankt scheinenden Organs anschliessen, 
— aber das Aus- und Ankleiden der Kranken beansprucht Zeit, und 
an dieser fehlt es gerade am meisten in dem Sprechzimmer des über¬ 
lasteten, minimal honorierten Kassenarztes — zum grossen Nachteil 
all der unerkannt bleibenden Tuberkulösen im Frühstadium, denen 
noch zu helfen wäre. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 1. H. 3. 19 


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*> 7 ‘> 




Bei der Betrachtung des Kranken fällt der untersuchende Blick 
zunächst auf den Ernährungszustand und auf die Konsti¬ 
tution. Der Ernährungszustand ist bei gut genährten Individuen 
durch eine straffe Muskulatur, eine glatte, prallelastische Haut und 
ein gutentwickeltes Unterhautfettgewebe ausgezeichnet, während er 
beim abgemagerten Phthisiker durch die atrophische Muskulatur, die 
trockne, welke, oft in Falten abhebbare Haut ganz besonders charak¬ 
teristisch in Erscheinung zu treten pflegt. Für das Mittelding zwischen 
ausgesprochen guter und ausgesprochen schlechter Ernährung haben 
wir keine objektiven Anhaltspunkte. Man hat in solchen Fällen das 
Verhältnis von Körpergrösse und Körpergewicht als Ausdruck des 
Ernährungszustandes herangezogen. Ich habe diesen Modus für alle 
drei Emährungsstadien angewandt und zwar in folgender Weise: Es 
galt ein Patient als gut ernährt, wenn sein Körpergewicht in Kilo¬ 
grammen höher war als die Zahl der Zentimeter, die über einen Meter 
hinaus seine Körpergrössenmessung ohne Fussbekleidung ergab; blieb 
das Körpergewicht um mehr als 7,5 Kilo hinter der über ein Meter 
hinausgehenden Körpergrösse zurück, so galt der Ernährungszustand 
als ein schlechter; blieb es um weniger als 7,5 Kilo zurück, so galt 
der Patient als mittelmässig ernährt. Wog also z. B. ein Kranker 
von 1,75 m Grösse unter 67,5 Kilo, so galt er als schlecht ernährt; 
wog er 67,5—75 Kilo, so war er mittelmässig ernährt; w r og er über 
75 Kilo, so war er gut genährt. 

Danach ergibt sich die folgende Aufstellung: 


Es war der Ernährungszustand bei den Kranken des 



I. 

II. 

III. Stadiums 

Sa. 



+ ~ 

+ - 

+ ~ 

+ - 


gut 

8 

28 

0 

11 

1 

12 

9 1 
51 / 

60 

mittelmässig 

16 

55 

6 

28 

8 

21 

30 \ 

104 / 

134 

schlecht 

12 

25 

5 

17 

9 

36 

26 x 

78 / 

104 


Nach derselben ist bei 26 °/o der Kranken der Ernährungszustand 
beim Eintritt in die Heilstätte noch ein guter; dieser Zahl entspricht 
die frühere Feststellung, dass auch nur etwa 18°/o der Kranken gar 
keine Gewichtsabnahmen bemerkt hatten. 45°/o der Patienten be¬ 
fanden sich in einem mittelmässigen und 35°/o in einem schlechten 
Ernährungszustände, entsprechend den 80°/o der oben anamnestisch 
ermittelten deutlichen z. T. erheblichen Gewichtsverluste. — Im 
I. Stadium sind 25°/o der Kranken gut und 25,7 °/o schlecht ernährt, 
im II. 16,4 ü /o gut und 32,8 °/o schlecht, im III. nur noch 15°/o gut. 


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45] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


273 


dafür aber 51,7 °/o schlecht. Wir sehen also als eine der augen¬ 
fälligsten Erscheinungen der chronisch verlaufenden Lungentuberkulose 
eine andauernd verlangsamte Ernährung, die sich mit dem fort¬ 
schreitenden Stadium der Erkrankung steigert und im I. Stadium 
der Lungentuberkulose bei einem Viertel, im II. bei einem Drittel 
und im III. bei mehr als der Hälfte der Kranken zu einem Zustande 
ausgesprochener Abmagerung und Gewebsverhungerung geführt hat. 
In prognostischer Hinsicht müssen also stete Gewichtsverluste, selbst 
wenn sie langsam eintreten, als ein Zeichen fortschreitender Erkran¬ 
kung aufgefasst werden; und in differentialdiagnostischer Beziehung 
sprechen sie bei langdauerndem Husten und Fehlen anderer objektiv 
nachweisbarer Symptome für die Annahme eines phthisischen Pro¬ 
zesses. Bestehen bei den aus bescheidenen oder gar ärmlichen Ver¬ 
hältnissen in die Pflege der Heilstätte kommenden Phthisikern Ge¬ 
wichtsabnahmen fort, ohne dass darniederliegende Ernährung, hohes 
Fieber oder Durchfälle vorhanden sind, so ist die Prognose absolut 
infaust. Man könnte einwenden, dass ein um ein paar Kilo schwereres 
Körpergewicht für das Schicksal des Lungenkranken unmöglich ent¬ 
scheidend sein kann. Das ist richtig. Sehen wir aber ganz allgemein 
in dem Ernährungszustand des Kranken den ärztlicherseits wahr¬ 
nehmbaren Ausdruck seiner gesamten inneren Lebensvorgänge, und 
erinnern wir uns daran, dass diese — das Leben selbst, die Leistung 
des Zentralnervensystems, die Arbeit des Herzens, des Stoffwechsels, 
der Verdauung u. s. w. — in allererster Linie von der normalen 
Besorgung des Gaswechsels abhängen, so wird uns bewusst werden, 
dass eine Erkrankung der Lunge, deren ausserordentliche Bedeutung 
eben in der Beschaffung des Gaswechsels liegt, den ganzen belebten 
Organismus in dem Aussehen seiner Organe und Gewebe, in seinem 
Ernährungszustand, nachteilig beeinflussen muss. Gelingt es nun 
durch eine Behandlung, welche es auch immer sein mag, nicht, den 
nachteiligen Einfluss sicht- und wägbar aufzuheben, so ist entweder 
die Behandlung nicht die richtige — denn eins schickt sich nich 
für alle — oder der Fall hat bereits derartig schwere und unkompen¬ 
sierbare Schädigungen erfahren, dass selbst die geringste Besserung, 
die Wiederherstellung des Stoffwechselgleichgewichtes, nicht zu er¬ 
zielen ist. Also nicht in den paar Pfunden der Gewichtszunahme 
liegt das Heil des Kranken, sondern es dokumentiert sich vielmehr 
in der Tatsache fortschreitender Gewichtszunahmen die Reaktions¬ 
fähigkeit des Organismus und in der Tatsache fortschreitender Ge¬ 
wichtsabnahmen sein Unterliegen im Kampfe gegen die spezifischen 
Krankheitserreger und deren Stoffwechselprodukte. Darin liegt die 
Bedeutung der Ernährungsfrage für Diagnose und Prognose der Phthise. 

19* 


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Die Konstitution der Kranken ist nach dem Gesamtein¬ 
druck ihres Körperlichen auf den ärztlichen Beobachter als kräftige 
und schwächliche zu unterscheiden. Dies kann nicht nach Zenti¬ 
metern der Körpergrösse oder Kilogrammen des Körpergewichtes ge¬ 
schehen, da es sowohl grosse Individuen gibt, die bei gutem Gewicht 
eine schwächliche Konstitution besitzen, wie umgekehrt kleine Personen 
mit schlechtem Gewicht, aber kräftiger Konstitution. Die Trennung 
erscheint treffender durchführbar nach dem Verhalten des allgemeinen 
Körperbaues zu dem allgemeinen Aussehen, nach dem Verhalten der 
einzelnen Organe und Gewebe zueinander. 

Dementsprechend sind in der folgenden Tabelle nur solche grossen, 
mittelgrossen und kleinen Patienten zu den kräftig Konstituierten 
gezählt, bei denen die Körpergrösse zum Knochenbau, die Rumpf¬ 
ausbildung zu der Extremitätenlänge, die Entwickelung der Musku¬ 
latur zu der des Fettpolsters, das Aussehen zur Haltung in eben- 
massigen, normalen und günstigen Verhältnissen stehen. Wo die 
Harmonie des Eindrucks gestört ist und in der angedeuteten Richtung 
auffallend ungünstige Verhältnisse bestehen, sind die Kranken, ob 
gross oder klein, zu den schwächlich Konstituierten gerechnet. 


Es war die Konstitution der Kranken des 



I. 

11. 

III. Stadiums 


Sa. 



+ - 

+ - 

+ - 

+ 

— 


durchaus kräftig 

3 

18 

0 

8 

0 

4 

3 

80 } 

33 

durchaus schwächlich 

13 

41 

6 

16 

10 

43 

29 

100 ) 

129 

nicht ausgesprochen 

20 

49 

5 

32 

8 

22 

33 

103 } 

136 


Danach gehörten 11 °/o zu den kräftig, 43,3 °/o zu den schwäch¬ 
lich Konstituierten, und 45,7 °/o Hessen einen im obigen Sinne aus¬ 
gesprochenen Konstitutionstypus nicht erkennen. Unter den Be¬ 
lasteten ist der Prozentsatz der kräftigen Konstitutionen (4,6 °/o) er¬ 
heblich geringer als unter den Nichtbelasteten (13°/o), während der 
Unterschied hinsichtlich der schwächlichen Konstitutionen bei Be¬ 
lasteten (44,6 °/o) und Nichtbelasteten (43°/o) nur ganz unbedeutend 
ist. Mit dem fortschreitenden Stadium fällt der Prozentsatz der 
kräftigen Konstitutionen von 14,6 im I. Stadium bis auf 4,6 im 
III. Stadium, der Prozentsatz der schwächlich Konstituierten steigt 
dagegen von 37 im I. auf 61 im IH. Stadium. Im allgemeinen be¬ 
stätigen diese Zahlen die Ergebnisse der Rekrutierung. Den 50°/o 
Militär untauglicher entsprechen hier 43,3 °/o durchaus schwächlicher 
Personen. Der erhebliche Unterschied zwischen den früheren Dienst- 



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47] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


275 


tauglichen (28°/o) und den jetzigen kräftig Konstituierten (ll°/o) er¬ 
klärt sich daraus, dass erstere im Verlauf der Krankheit zum grossen 
Teile ihre kräftige Konstitution eingebüsst haben; es war vielleicht 
auch mancher zum Heerdienst ausgehoben, der nicht exquisit kräftig 
war. Wie dort die Diensttauglichkeit unter den Belasteten seltener 
war als unter den Nichtbelasteten, so hier die kräftige Konstitution. 
Im besonderen geht aus der Aufstellung hervor, dass auch die kräf¬ 
tigste Konstitution weder vor dem Entstehen noch vor dem Fort¬ 
schreiten der Lungentuberkulose bis zum dritten Stadium schützt. 
Doch da unter unsern Tuberkulösen immer nur jeder neunte eine 
kräftige Konstitution besitzt, so kann für die Differentialdiagnose 
zwischen phthisischen und chronisch bronchitischen, bronchiolitischen 
oder bronchiektatischen Prozessen die kräftige Konstitution zu gunsten 
der letzteren ins Gewicht fallen. Ferner lässt der Umstand, dass 
Individuen von kräftiger Konstitution im IH. Stadium zu den Selten¬ 
heiten gehören, die Prognose für diese günstiger erscheinen. Und 
die Heilstättenerfahrung lehrt auch, dass gerade solche Fälle, die 
trotz des Fortschreitens der Tuberkulose bis zum IH. Stadium eine 
hervorragend kräftige Konstitution behalten haben, gute Erfolge er¬ 
zielen, wenn sie aus ihrem Milieu herausgehoben, einer längeren 
Heilstättenbehandlung unterworfen und dann — oft ganz über¬ 
raschend gebessert — in günstige Verhältnisse zurückgebracht werden. 
Danach wäre für das Fortschreiten der Tuberkulose trotz kräftiger 
Konstitution in erster Linie die dauernde Einwirkung von hygienisch 
ungünstigen Lebens- und Arbeitsbedingungen anzuschuldigen. Anderer¬ 
seits erkennen wir die prognostische Bedeutung einer kräftigen Kon¬ 
stitution, die, von einem gut entwickelten Brustkorb und leistungs¬ 
fähigen Herzmuskel unterstützt, den tröstlichen, wahren Ausspruch 
gezeitigt haben mag, dass die Tuberkulose in allen ihren Stadien 
heilbar sei. 

Ich komme zu den beiden seit altersher in der Phthisiologie am 
meisten umstrittenen Begriffen des Habitus phthisicus und 
Thorax paralyticus, die in ihrer charakteristischen Form un¬ 
verkennbar sind und bei der Besichtigung des Kranken sofort auf¬ 
fallen, vorausgesetzt, dass der Kranke bis zur Hüfte völlig entkleidet 
vor uns steht. 

Der phthisische Habitus war als angeborene Schwäche dei 
Konstitution schon den Ärzten des klassischen Altertums genau be¬ 
kannt. Galen und Aretäus beschreiben ihn folgendermassen: 
„Diese Menschen sind zart und schmächtig, haben eine zusammen¬ 
gedrückte Brust und Schulterblätter, die wie Flügel ausgestreckt 
sind.“ Diese Beschreibung muss auch heute noch als zutreffend an- 


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276 


0. Roepke. 


[48 


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erkannt werden; sie könnte durch die Hinweise auf den langen, 
schlanken Hals, die leicht vornüber gebeugte Haltung, die Blässe 
der Schleimhäute, die Hektik der Wangen, das müde Aussehen bei 
leuchtenden Augen, die funktionellen Eigenarten des Gefäss- und 
Nervensystems ergänzt werden, wiewohl die letzteren Stigmata längst 
nicht mit der Regelmässigkeit vorhanden zu sein pflegen wie die zarte, 
schmächtige Statur und die schmale, flache Brust. Wo bei unseren 
Kranken diese beiden Körpereigenschaften ausgeprägt vorhanden 
waren, da wurde der phthisische Habitus notiert. Danach hatten 


von den Kranken des 




I. 

II. 

III. Stadiums 

Sa. 

+ - 

+ - 

+ - 

+ - 

g 

Habitus phthisicus ^ 

2 

11 

9 

19 

17 45 } 


Es mussten also 20,8 °/o unserer Kranken von vornherein durch 
ihren phthisischen Habitus auffallen und schon bei der Inspektion 
dem Arzte die Direktive für sein anamnestisches und klinisches Forschen 
geben. Andererseits deutet aber der verhältnismässig geringe Prozent¬ 
satz des Habitus phthisicus — nur jeder 5. Patient ist Träger des¬ 
selben — darauf hin, dass er die ihm früher allgemein zugesprochene 
Bedeutung für die Entstehung der Tuberkulose nicht besitzt. Die 
prozentuale Beteiligung der Belasteten und Nichtbelasteten ist der¬ 
artig, dass 26,1 °/o der ersteren und nur 19,3 °/o der letzteren einen 
phthisischen Habitus aufweisen. Dadurch erhält die universelle Tat¬ 
sache von der Vererbung körperlicher Eigentümlichkeiten eine weitere 
Stütze; auch der in seinem ganzen Gepräge äusserst charakteristische 
Habitus phthisicus tritt in der Descendenz tuberkulöser Eltern in 
deutlich erhöhtem Prozentsatz zutage. Doch lehrt sein Vorkommen 
bei Nichtbelasteten, dass er durchaus nicht allein das Produkt hereditärer 
Verhältnisse darstellt und keineswegs ausschliesslich als die ererbte 
Disposition zur Tuberkulose aufzufassen ist. In den verschiedenen 
Stadien erhebt sich der Prozentsatz der Kranken mit phthisischem 
Habitus von 14,6 im I. Stadium auf 20 im II. und auf 32,2 im 
HI. Stadium. Diese Zahlen könnten den Schluss zulassen, dass der 
phthisische Habitus auf den Ablauf der Tuberkulose einen recht 
nachteiligen Einfluss ausübt. Ein solcher Schluss ist aber nicht zu¬ 
lässig, ohne dass die Krankengeschichten, vor allem die Krankheits¬ 
dauer und etwaige Kuren, jener jetzt im IH. Stadium befindlichen 
32,2 °/o eingehend in Betracht gezogen werden. Das würde zu weit 
führen. Doch auch ohne zahlenmässige Unterlage glaube ich hier 
auf Grund von Gesamteindrücken mein Urteil dahin abgeben zu 
können, dass das Moment der erblichen Belastung an sich keinen 



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49] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


277 


nachteiligen Einfluss auf den Gang der Tuberkulose ausübt und ins¬ 
besondere auch nicht die Dauererfolge bei rechtzeitig eingeleiteter 
und wirksam durchgeführter Behandlung herabsetzt, dass aber überall 
dort, wo das Moment der erblichen Belastung in dem Vorhandensein 
des phthisischen Habitus sichtbaren Ausdruck gefunden hat, der Ver¬ 
lauf der Lungentuberkulose beschleunigt und der Heilerfolg qualitativ 
und quantitativ eingeschränkt wird. Und erinnern wir uns weiter 
daran, dass die ebenso bekannte wie gefürchtete „galoppierende 
Schwindsucht 11 am häufigsten und reinsten im Pubertätsalter auftritt, 
also in jener Zeit, in welcher der phthisische Habitus sich eben aus¬ 
gebildet hat oder auszubilden pflegt — sagen wir in dem jungfräulichen 
Zustande des Habitus phthisicus —, so werden wir in ihm nicht bloss 
eine Anomalie des Körpers, sondern den Ausdruck einer allgemein 
herabgesetzten Widerstandskraft gegenüber den Wirkungen der 
Tuberkuloseinfektion sehen müssen. 

Der paralytische Thorax charakterisiert sich durch einen 
langen, schmalen, platten Bau, abgeflachte Ober- und Unterschlüssel¬ 
beingruben, breite Zwischenrippenräume, flügelförmiges Abstehen der 
Schulterblätter, nach Vorn- und Tieferstehen des Akromialendes des 
Schlüsselbeins, Verkürzung des Tiefendurchmessers in der obem 
Partie des Thorax und geringe oder fehlende Stemalwinkelneigung. 
Da indes diese Charakteristika auch nicht immer vollzählig vorhanden 
sind, genügte mir in der folgenden Aufstellung für die Annahme des 
Thorax paralyticus der lange, schmale, platte Brustkorb mit^ ab¬ 
stehenden Schulterblättern und geringer Stemalwinkelneigung. Bei 
hochgradig abgemagerten Kranken konnte man zuweilen im Zweifel 
sein, ob der Brustkorb eine charakteristische Formabweichung von 
der normalen Brustentwickelung bildete oder nur eine äusserlich ihr 
ähnelnde Abmagerungsform darstellte, die als Folge aller tabescierenden 
Erkrankungen auftreten kann. In diesen zweifelhaften Fällen nahm 
ich einen paralytischen Thorax dann an, wenn beim Vorhandensein 
anderer Anzeichen, die für eine mangelhaft entwickelte Brustform 
sprechen, der Brustumfang bei ruhiger Atmung 2 oder mehrere 
Zentimeter weniger betrug als die Hälfte der Körperlänge des 
Kranken. Es sind bereits in der oben gegebenen Zusammenstellung 
über den phthisischen Habitus ebenso viele paralytische Thoraxformen 
enthalten, da nach dem Gesagten der paralytische Thorax einen 
integrierenden Bestandteil des phthisischen Habitus bildet. In der 
folgenden Aufstellung sind nun noch diejenigen Kranken zusammen¬ 
gefasst, bei denen ohne sonstige Körpereigentümlichkeiten der Thorax 
allein infolge der geschilderten Veränderungen als paralytischer an¬ 
zusprechen war. 


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278 


0. Roepke. 


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150 


Es batten von 

den Kranken des 

I. 

II. 

III. Stadiums 

Sa. 


+ - 

+ - 

+ ~ 

+ - 

Thorax paralyticus 

6 

10 

3 

7 

5 

12 

U 29 } 43 


Danach hatten also 14,4 °/o, d. h. jeder 7. unter unseren Kranken, 
eine mangelhaft entwickelte Brustform, die erfahrungsgemäss eine 
Disposition zur phthisischen Erkrankung der Lungen darstellt. Die 
Belasteten sind mit 21,5°/o, die Nichtbelasteten nur mit 10°/o be¬ 
teiligt; demnach tritt hier hinsichtlich des paralytischen Thorax ein 
noch höherer Prozentsatz in der Descendenz tuberkulöser Familien 
hervor, als es bei dem phthisischen Habitus der Fall war. Es er¬ 
scheint auch ganz plausibel, dass sich eine einzelne Körpereigentüm- 
lichkeit häufiger und ausgesprochener vererbt als ein ganzer Allge¬ 
meintypus. Mit dem fortschreitenden Stadium steigert sich auch die 
Häufigkeit des paralytischen Thorax der Art, dass im I. Stadium 
11,1 °/o, im II. 15°/o, im IH. 20°/o der Kranken Träger eines solchen 
sind. Auch hinsichtlich des paralytischen Thorax unterliegt es wohl 
keinem Zweifel, dass er schon wegen der durch ihn bedingten un¬ 
günstigen Raumverhältnisse für die Entwickelung und Betätigung 
der Lunge einem maligneren Verlaufe der Tuberkulose Vorschub 
leistet. Aber andererseits ist auch daran zu denken, dass die para¬ 
lytische Form erst im vorgeschrittenen Stadium der Phthise durch 
Muskel- und Fettschwund, durch Lungengewebsschrumpfung und 
Retraktionen der Brustwand entstehen kann. Es kann also sehr 
wohl in dem einen Fall der paralytische Thorax das Primäre und in 
ursächlichem Zusammenhang damit die Phthise des HI. Stadiums 
das Sekundäre sein, im anderen die Lungenschwindsucht das Primäre 
und die paralytische Formation des Thorax das Sekundäre. — So 
gilt für den paralytischen Thorax in bezug auf Heredität, auf Ent¬ 
stehung und Verlauf der Lungentuberkulose im ganzen das gleiche 
wie für den phthisischen Habitus: letzterer ist der vererbte Allge¬ 
meintypus des Phthisikers, ersterer der vererbte Locus minoris 
resistentiae des Phthisikers, beide kommen auch — weniger häufig — 
bei Nichtbelasteten vor; beide erleichtern das Zustandekommen der 
Infektion, beide befördern das Fortschreiten der Infektion; beide 
kommen vor, ohne dass Tuberkulose vorhanden ist oder folgt, beide 
fehlen in den meisten Fällen von Tuberkulose, und beide haben 
schliesslich ihre grosse Bedeutung darin, dass sie im Verein mit 
suspekten Beschwerden und Symptomen zur frühzeitigen Diagnose 
der Phthise führen. 



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51] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


279 


Bei einer weiteren Reihe von Kranken, bei denen weder der 
Habitus noch der Thorax phthisisch war, gelang es, durch die 
Inspektion Abnormitäten am Brustkörbe festzustellen, die auf 
einen in der Lunge selbst lokalisierten anormalen Zustand hindeuteten. 
Es sind das die partiellen Einsenkungen kleinerer Bezirke sowie das 
Nachschleppen beschränkter Partieen des Thorax. Dieselben sind in 
der folgenden Tabelle zusammengestellt. 

Es hatten von den Kranken des 1. II. III. Stadiums Sa. 

H-+ — 4- + — 

Einsenkungen beschränkter Partieen 3 8 1 6 1 11 5 25 } 30 

Nachschleppen beschränkter Partieen ^20 ^9 ^ 2 ^ gj } 38 

Die Einsenkungen, welche bei 10°/o der Fälle vorkamen, 
treten ein- oder doppelseitig, oft auf einer Seite stärker als auf der 
anderen auf; sie deuten in weitaus den meisten Fällen auf 
Schrumpfungsprozesse hin, die um Verdichtungen und Höhlen¬ 
bildungen herum sich abspielen und fast ausnahmslos tuberkulöser 
Natur sind. Hierbei sind die nur einseitig ausgesprochenen 
Gruben als Ausdruck einer tuberkulösen Erkrankung der einen Spitze 
bezw. Lunge diagnostisch ganz besonders wichtig. Während aber die 
Einsenkungen meist erst im späteren Verlaufe der Tuberkulose sicht¬ 
bar werden können, tritt das Nachschleppen einer oder beider 
Spitzen bezw. oberen Thoraxpartieen — in unserem Material bei 
12,8 °/o der Kranken — gewöhnlich schon in einem sehr frühen 
Stadium hervor. Bei beiderseitigen Spitzen- oder Oberlappenaffektionen 
pflegt der Grad der eingeschränkten respiratorischen Beweglichkeit 
auf beiden Seiten verschieden zu sein, und zwar gewöhnlich derartig, 
dass das Nachschleppen der frischerkrankten Partie das der anderen 
Seite mit dem Sitze des älteren Prozesses überwiegt. Danach Hesse 
sich die Ungleichheit der Atmung eher auf eine imwillkürliche 
Schonung der erkrankten Seite als auf die Behinderung durch den 
räumlich ausgedehnteren Krankheitsprozess zurückführen. Wir konnten 
also bei 22,8% unserer Kranken, die, wie ich nochmals betonen 
möchte, weder einen phthisischen Habitus noch einen paralytischen 
Thorax zeigten, bei genauer Inspektion Veränderungen konstatieren, 
die mit höchster Wahrscheinlichkeit auf einen tuberkulösen Prozess 
in der Lunge hinwiesen. 

Fassen wir nun die ganze Ausbeute der Inspektion zusammen: 
62 Kranke hatten phthisischen Habitus, 

43 „ „ paralytischen Thorax, 

30 v yj partielle Einsenkungen am Thorax, 

38 ^ „ partielles Nachschleppen am Thorax, 


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280 


0. Eoepke. 


[52 


so ergibt sich, dass 58 °/o der Patienten schon bei der Betrachtung uns 
den Gedanken an eine bestehende Lungentuberkulose nahelegten. Und 
wenn wir nun zum Schluss die Ergebnisse der Inspektion für das 
I. Stadium allein Zusammentragen, dessen Diagnostik die häufigste und 
schwierigste, aber auch dankbarste Aufgabe des praktizierenden Arztes 
darstellt, so finden wir, dass 74 Patienten des I. Stadiums = 51,4 °/o 
dem ärztlichen Beobachter, der überdies ihre Anamnese kennt, als 
tuberkulosekrank oder zum wenigsten als hochgradig tuberkulose¬ 
suspekt erscheinen müssen. Damit scheint mir bewiesen, dass die 
Bedeutung der Inspektion für die Diagnostik der Lungentuberkulose 
über jeden Zweifel erhaben ist. 

Ich komme zu der physikalischen Untersuchung der Lunge 
durch Perkussion und Auskultation. Entgegen den Anschauungen 
derjenigen Autoren, welche der einen oder der anderen für die Dia¬ 
gnostik der Lungentuberkulose den grösseren Wert beimessen und 
demgemäss prinzipiell die eine mit mehr Sorgfalt üben als die andere, 
halte ich beide Methoden für gleich wichtig und gleich notwendig. 
Kleine Lungenspitzeninfiltrate wird man in erster Linie durch die 
Perkussion, die Bronchial- und Schleimhauttuberkulose am ehesten 
durch die Auskultation und die miliaren tuberkulösen Herde im 
eigentlichen Lungenparenchym nur durch die gegenseitige Ergänzung 
des perkutorischen und auskultatorischen Befundes erkennen. Übri¬ 
gens soll ja erst der Arzt feststellen, ob überhaupt eine Lungen¬ 
affektion vorliegt, und zutreffenden Falles um welchen jener Prozesse 
es sich handelt. Darum wird sich zunächst für jede Diagnostik eine 
den praktischen Verhältnissen Rechnung tragende Reihenfolge der 
Untersuchungsmethoden empfehlen; als solche hat sich aber seit 
Generationen die Aufeinanderfolge von Anamnese, Inspektion, Per¬ 
kussion und Auskultation durchaus bewährt. 

Wie gegenstandslos die ganze Streitfrage hinsichtlich der Ergeb¬ 
nisse der Praxis ist, geht aus meinen Krankengeschichten hervor: 
nach den Aufzeichnungen derselben lag auch nicht über einen ein¬ 
zigen Fall nur ein perkutorischer oder nur ein auskultatorischer 
Befund vor, vielmehr basierten die Diagnosen in allen Fällen ohne 
Ausnahme auf einer kritischen Verschmelzung beider Methoden. 

Bezüglich der Methode und Technik der Perkussion sollen 
hier nur die für die Diagnostik der Lungentuberkulose wichtigen 
Punkte Berücksichtigung finden. Die Perkussion der Lungenspitzen 
ist am wichtigsten und schwierigsten ; vor allen Dingen hat dieselbe 
vergleichsweise an völlig korrespondierenden Stellen auf beiden Seiten 
vorn und hinten, sowie in gleichmässiger Stärke und zwar möglichst 
leise zu erfolgen. Erscheint der von der Norm abweichende Klopf- 


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531 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


281 


schall infolge von Entspannung oder unvollständiger Infiltration 
klangähnlich, so gibt das unmittelbare Beklopfen symmetrisch ge¬ 
legener Punkte der Schlüsselbeine mit der Fingerkuppe ausserordent¬ 
lich deutliche Resultate. Bei einseitig verkürztem Schall oder zweifel¬ 
haften Schalldifferenzen zwischen beiden Spitzen empfiehlt es sich, 
die vergleichende Perkussion nochmals in tiefer Einatmungsstellung 
des Brustkorbes vorzunehmen; die anatomischen Veränderungen, 
welche zur Verdichtung geführt haben, beschränken nämlich die 
Luftfüllung der erkrankten Spitze trotz der tiefen Einatmung und 
lassen dadurch den Schallunterschied noch schärfer hervortreten. 
Die durch den tuberkulösen Prozess bedingte Verkleinerung der Spitze 
gibt sich infolge der Einziehung und Schrumpfung des Lungen¬ 
gewebes in einem Tieferstehen der oberen Lungengrenzen kund; 
dieser Tiefstand ist durch perkutorische Um- und Abgrenzung der 
hellen Schall gebenden Partieen festzustellen. Er bildet mit der 
sichtbaren Schrumpfung der entsprechenden Partie (Einsenkung) und 
der sichtbaren Beschränkung ihrer respiratorischen Beweglichkeit 
(Nachschleppen) ein pathognomonisches Zeichen von hohem Werte in 
der Beurteilung der Spitzentuberkulose. Dabei bietet die Finger- 
Fingerperkussion den Vorteil, dass sie neben der Veränderung des 
Klopfschalles auch schon bei geringen Verdichtungen über der Spitze das 
Gefühl der vermehrten Resistenz vermittelt. Sind die Oberschlüssel¬ 
beingruben eingesunken, wie es bei Schrumpfungen der Spitzen stets 
mehr oder weniger der Fall zu sein pflegt, so empfiehlt es sich, 
hinter den sitzenden Patienten zu treten, von hinten her den Plessi- 
meterfinger sicher in die vertieften Gruppen einzulegen und ver¬ 
gleichend zu perkutieren. Die Perkussion der übrigen Lungenab¬ 
schnitte ist wesentlich einfacher: Man perkutiere bei zartem Thorax 
möglichst leise, im übrigen der Dicke der bedeckenden Thoraxwand 
entsprechend stark, vergleiche in jedem Interkostalraum median wie 
lateral gleichgelegene Stellen und achte bei der Bestimmung der 
unteren Lungengrenzen auf ihre Verschieblichkeit. Letzteres ist für 
die hinteren Partieen ganz besonders wichtig, da hier nicht selten 
bei sonst völlig negativem Befunde eine einseitige mangelhafte Ver¬ 
schieblichkeit mit Schallabkürzung auf stattgehabte pleuritische — 
also meist tuberkulöse — Vorgänge hinweist. Bei Dämpfungen im 
Bereich der Unterlappen unterrichtet die Finger-Fingerperkussion 
gleichzeitig über den Grad der Schwingungsfähigkeit der unter¬ 
liegenden Teile, so dass man in ausgesprochenen Fällen meist schon 
durch die Perkussion allein die Diagnose auf Infiltrat oder Exsudat 
richtig stellen kann. 

Zum Schluss möchte ich noch auf eine Beobachtung hinweisen, 


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282 


0. Roepke. 


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154 


die ich von anderer Seite nirgends erwähnt finde. In Fällen, in 
denen man eine Schalldifferenz über den hinteren Lungenspitzen kaum 
annehmen dürfte, ohne in den Verdacht allzugrosser Feinhörigkeit zu 
kommen, fand sich wiederholt in dem Interskapularraum in Höhe des 
4.—5. Brustwirbels eine deutliche Schallabkürzung. Diese Partie, die 
meist auf der gleichen Seite wie die suspekte Spitze lag, wurde bei 
jedem nur wenig stärkeren Beklopfen ganz präcis als auffallend 
schmerzhaft angegeben. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass es 
sich hier um die bereits oben erwähnten tuberkulösen Prozesse der 
Hilusdrüsen gehandelt haben wird, deren Schmerzhaftigkeit sich aus 
der Hineinbeziehung sensibler Vagusfasern erklärt. Da die Tracheo- 
Bronchialdrüsentuberkulöse in vielen Fällen den Vorläufer der Lungen¬ 
tuberkulose darstellt, scheint mir das Symptom der schmerzhaften 
Schallabkürzung im Interskapularraum für die Früh¬ 
diagnostik beachtenswert. — 

An die Perkussion schliesst sich die Auskultation, die 
über Stärke und Beschaffenheit des Atemgeräusches, über das Ver¬ 
hältnis von In- und Exspirationsgeräusch hinsichtlich der Qualität 
und der Dauer und über etwaige begleitende Neben- und Rassel¬ 
geräusche orientiert. Da die Auskultation von der Mitwirkung des 
Kranken abhängig ist, sollen hier einige Punkte Erwähnung finden, 
die die Ergebnisse beeinträchtigen können. Man lasse den Kranken 
gleichmässig tiefe und etwas beschleunigte, aber nicht übertrieben 
heftige oder geräuschvolle Atembewegungen ausführen. Ob dieselben 
im Stehen oder im Sitzen, bei geöffnetem oder geschlossenem Munde 
erfolgen, ist für das Ergebnis gleichgültig, vorausgesetzt, dass im 
letzteren Falle die Nasenatmung frei ist. Ich lasse bei der Unter¬ 
suchung kleinere Patienten zwanglos aufrecht stehen, grössere auf 
einem erhöhten Stuhle frei sitzen, in allen Fällen bei Benutzung der 
FränkeIschen Schutzmaske durch den geöffneten Mund frei ans- 
und einatmen. 

Auch bei der Auskultation sind diejenigen Unterschiede in 
der Atmung, die sich durch Einseitigkeit, Beschränktheit und 
Beständigkeit auszeichnen, für die Tuberkulose besonders charakte¬ 
ristisch, zumal wenn sie in den perkutorischen Abweichungen ihre 
physikalische Erklärung finden. Demnach müssen bei der Auskul¬ 
tation die gleichen Orte besondere Berücksichtigung finden wie bei 
der Perkussion, also in erster Linie die Oberschlüsselbein- und Ober¬ 
grätengrube, ferner die Unterschlüsselbeingrube und die Hilusgegend, 
sowie schliesslich die abhängigen Lungenparti een und Lungenränder. 

Die Erkennung des Bronchialatmens, welches erst bei ausge¬ 
sprochener Infiltration auftritt, das stark abgeschwächte und aufge- 



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55 ] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


283 


hobene Atmen über Exsudaten und das amphorische Atmeh über 
Höhlenbildungen macht keine Schwierigkeiten. Man würde indes 
seiner Klientel einen sehr schlechten Dienst erweisen, wollte man die 
Diagnose erst von der Wahrnehmung solcher Auskultationserschei¬ 
nungen abhängig machen. Viel wichtiger sind daher die Modifika¬ 
tionen, die das Atmungsgeräusch bereits im Frühstadium der Tuber¬ 
kulose aufweist, die aber leider längst nicht genug gewürdigt werden. 
Ohne erschöpfend sein zu können, nenne ich hier als ganz besonders 
charakteristisch das deutlich abgeschwächte, rauhe oder verschärfte 
Inspirium für sich allein oder gefolgt von einem verlängerten, hauchen¬ 
den oder verschärften Exspirium. Nur ist das Herausfinden der ver¬ 
schiedenen Geräuschnuancierungen und ihrer wechselnden Zusammen¬ 
stellung und Stärke nicht ganz leicht, zumal wenn beide Spitzen von 
dem uns ungefähr geläufigen normalen Atemgeräusch abweichen, ln 
solchen Fällen muss man durch mehrmalige Untersuchungen unter 
steter Berücksichtigung der perkutorischen Befunde ans Ziel zu 
kommen suchen. Finden wir wiederholt das veränderte Atemgeräusch 
an gleicher Stelle und zwar im Bereich einer perkutorischen, nach¬ 
weisbaren Schalldämpfung, dann können wir mit einem hohen Grad 
von Wahrscheinlichkeit Tuberkulose annehmen. 

Sicherer wird die Diagnose, wenn Rasselgeräusche hinzu¬ 
treten. Da dieselben selbst bei vorgeschrittenen Prozessen öfter erst beim 
Husten hörbar sind, gehört das Hustenlassen und die Auskultation 
während der Hustenstösse und der folgenden Atemzüge zu den un¬ 
bedingt notwendigen Untersuchungsmethoden. Jede Lungenunter¬ 
suchung ohne Auskultation des Hustens ist unzuverlässig. Das fein¬ 
blasige, trockene Rasseln in der Spitze ist für Tuberkulose sehr be¬ 
zeichnend. Wenn es beiderseitig ohne perkutorische Veränderungen 
vorhanden ist, kann es beim Emphysematiker die Überbleibsel eines 
akuten Katarrhs, beim Asthmatiker die Überbleibsel eines asthma¬ 
tischen Anfalles darstellen. Selbstverständlich kann es aber auch der 
Ausdruck einer spezifisch tuberkulösen Erkrankung sein, deren in¬ 
filtrierende Erscheinungen durch die emphysematosen verdeckt sind. 
Die Verwechslung von trockenen Rasselgeräuschen mit pleuritischem 
Reiben hat für die Spitzentuberkulose keine Bedeutung, denn das 
Pleurareiben über den obersten Partieen der Lunge deutet wohl aus¬ 
nahmslos ebenfalls auf tuberkulöse Vorgänge hin, die sich vom Lungen¬ 
gewebe aus bis an den Pleuraüberzug vorgeschoben haben. 

Wichtiger ist die scharfe Trennung von pleuritischen und pul¬ 
monalen Geräuschen über den Unterlappen: das feine Pleurareiben 
legt in den meisten Fällen die Annahme tuberkulöser Vorgänge nahe, 
während das feine in der Lunge entstehende Krepitieren und Rasseln 


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284 0. Roepke. [56 

viel seltener auf eine Tuberkulose des Unterlappens als auf nicht 
spezifische Bronchiolitis und Bronchitis, Bronchiektasien, Atelektasen 
und Infarkte zurückzuführen ist. Die Auskultation des Hustens, 
während dessen das Pleurareiben im Gegensatz zu den Lungen¬ 
geräuschen selten wesentlich vermehrt wird, lässt die richtige Dia¬ 
gnose stellen. Ferner ist das Pleurareiben meist während des ganzen 
Inspiriums und auch im Exspirium hörbar, es lässt sich dabei durch 
starkem Druck mit dem Stethoskop verstärken und erscheint immer 
viel näher am Ohr als die fernklingenden Rasselgeräusche der Lunge. 
— Die häufig über die ganze Lunge verbreiteten pfeifenden, giemenden, 
brummenden und schnurrenden Geräusche entstehen in den grösseren 
Bronchien; sie können lediglich Erscheinungen einer einfachen akuten 
oder subakuten Tracheitis oder Bronchitis sein. Indes sollte die 
Hartnäckigkeit solcher katarrhalischen Zustände mit ihren zeitweise 
auftretenden Verschlimmerungen, die häutige und leichte „Erkältbar- 
keit“, stets an eine tuberkulöse Basis oder einen schleichend fort¬ 
schreitenden tuberkulösen Prozess denken lassen. — Die im Verlaufe 
einer Lungentuberkulose auftretenden mittel- und grossblasigen, 
feuchten und klingenden Rasselgeräusche sind im Verein mit den 
übrigen Perkussions- und Auskultationsergebnissen so leicht zu er¬ 
kennen und zu deuten, dass ein Eingehen auf dieselben nicht not¬ 
wendig ist. Dagegen müssen die ausserhalb der Lunge und des 
Brustkorbes entstehenden Nebengeräusche hier noch erwähnt 
werden. Ihrem Charakter nach haben sie mit dem trocknen, feinen 
und mittleren Rasseln sehr grosse Ähnlichkeit, und sie können daher 
bei Verwechslung mit diesen — besonders über der Spitze vorn und 
hinten — zu schweren diagnostischen Irrtümern führen. Die extra- 
thorakalen Reibegeräusche haben ihre Ursache meist in Muskelzu¬ 
sammenziehungen, seltener in Gelenkverschiebungen; sie treten bei 
muskelkräftigen Personen in Erscheinung, wenn diese durch rasches, 
energisches Atmen stärkere Exkursionen des Brustkorbes und über¬ 
mässige Bewegungen in den Respirationsmuskeln auslösen. Im Gegen¬ 
satz zu den pulmonalen Rasselgeräuschen werden diese Nebengeräusche 
durch Hustenstösse nicht beeinflusst; sie wechseln vielmehr je nach 
der Beruhigung oder Steigerung der Muskelkontraktionen, pflegen 
aber selbst beim Anhalten des Atems nicht völlig zu verschwinden. 
Nicht ohne Einfluss scheint die Magerkeit des Untersuchten und 
damit die Trockenheit der Haut zu sein. Wiederholt beobachtete 
ich nämlich die Nebengeräusche bei ganz muskelschwachen Patienten, 
bei denen also von besonders starken Muskelkontraktionen nicht gut 
die Rede sein konnte, zumal wenn sie ganz oberflächlich atmeten. 
Ich hatte den Eindruck, dass die Geräusche an der Berührungsfläche 



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57] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


285 


des Stethoskopes mit der trocknen, schilfernden oder glänzenden Haut 
zu stände kämen. Tatsächlich waren auch nach tüchtigem Durch¬ 
feuchten der obersten Epidermisschicht die Geräusche verschwunden. 
— Ein anderes Nebengeräusch entsteht, wenn der Kranke zwischen 
Hustenstoss und Atemzug den Schluckakt einschaltet und dabei 
Speichel verschluckt. Dadurch werden in der Obergrätengrube Ge¬ 
räusche hörbar, die unter Umständen als Lungengeräusche gedeutet 
werden können. 

Mit dem Vorstehenden wollte ich einige praktische Methoden 
und einfache Kunstgriffe angeben, die mir bei der physikalischen 
Lungenuntersuchung bisher stets genügt haben und dem vielbe¬ 
schäftigten Praktiker ebenfalls die klinische Frühdiagnose ermöglichen 
werden; Bedingung bleibt indes, ihre Ergebnisse richtig aufzufassen 
und zu denen der Anamnese und Inspektion richtig zu summieren. 

Ist die Untersuchung beendigt, so soll man sich die Frage vor¬ 
legen, wie mag wohl die Lunge des Untersuchten im pathologisch¬ 
anatomischen Bilde aussehen. Dass bei unserm Material die 
Perkussion allein ebenso wenig geleistet hat wie die Auskultation 
allein, ist bereits oben erwähnt. Es waren also alle Fälle im streng 
pathologisch-anatomischen Sinne nicht mehr initiale. Bei sämtlichen 
Kranken hatte der Herd über die ursprüngliche Lokalisation hinaus 
bereits seine Umgebung in einer gewissen Ausdehnung affiziert, so 
dass die von der Norm abweichenden, neugebildeten physikalischen 
Verhältnisse durch die Perkussion und Auskultation dem Ohre wahr¬ 
nehmbar waren. 

Was ist nun im einzelnen vorgegangen? Man sagt mit Recht, 
jede Tuberkulose verläuft anders; ist doch auch jedes Individuum 
anders seiner Konstitution nach. Und doch tritt klinisch die Lungen¬ 
tuberkulose immer wieder in 3 Erscheinungsformen hervor: unter den 
Zeichen des Katarrhs, der Infiltration und des gleich¬ 
zeitigen Zustandes von Katarrh und Infiltration; an 
letzteren schliessen sich im weiteren Verlaufe die zum Zerfall führenden 
Prozesse der Verkäsung und Einschmelzung, die als Kavernensymptome 
schliesslich hervortreten. Danach lässt sich unser Material in folgender 
Weise zusammenstellen. 

£s hatten von den Kranken des 

die Erscheinungen von Katarrh 
die Erscheinungen von Infiltration 

die Erscheinungen von Katarrh + Infiltration ^JlOl 11 55J66 0 ^ |45 
die Erscheinungen von Kavernenbilduug ^ q ^ ö ^ ,m 


I. II. IIL Stadiums 

+ - + ~ + - 

2 0 0 

4 0 0 

11 0 0 

26 1 0 

9Q I 111 Q \ 


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286 


O. Roepke. 


[58 


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Diese klinische Rubrizierung kann den pathologisch-anatomischen 
Vorgängen nicht voll entsprechen, denn selbst der geübteste und 
subtilste Untersucher kann mit unsern physikalischen Hilfsmitteln 
zentralgelegene Katarrhe oder kirschengrosse Infiltrationen nicht er¬ 
kennen. Überdies zeigt der tuberkulöse Prozess in der Lunge meist 
die verschiedenen Vorgänge in den verschiedensten Kombinationen 
nebeneinander. Trotzdem können wir uns an der Hand der obigen 
und früher vorausgegangenen Zahlen eine annähernd richtige Vor¬ 
stellung von dem pathologisch-anatomischen Zustande der Lungen¬ 
tuberkulose unserer Kranken machen. 

Nur 6 von unsern Kranken (= 2,1 °/o) zeigten rein katar¬ 
rhalische Erscheinungen, die auf eine Bronchialschleimhaut¬ 
tuberkulose schliessen lassen. Aus dem tuberkulösen Infiltrat der 
Mukosa hat sich ein tuberkulöses Geschwür gebildet, dessen Sekret¬ 
massen in den Bronchialästen durch den Luftstrom hin und her be¬ 
wegt werden und das Rasseln hervorrufen. Infiltration und Ex¬ 
sudation haben noch nicht stattgefunden, dagegen deutet die 
perkutorische Veränderung auf Knötchenbildung im Lungengewebe 
selbst hin, die zur Entspannung der Umgebung und damit zu leicht 
tympanitischem Klopfschall geführt hat. 12,8 °/o der Patienten weisen 
nur Infiltrationserscheinungen auf. In diesen Fällen, die per¬ 
kutorisch durch Schallabkürzung oder Dämpfung, auskultatorisch durch 
das veränderte Atemgeräusch ohne Rasselgeräusche auffallen, ist der 
tuberkulöse Prozess auf dem Lymphwege in das peribronchiale Binde¬ 
gewebe und Lungenparenchym übergegangen. Kleinere oder grössere 
Lungenabschnitte bis zur Ausdehnung eines ganzen oder zweier halben 
Lappen sind von atelektatischen und indurierenden Vorgängen 
durchsetzt; bezeichnenderweise ist nur in einem einzigen Fall mehr 
als ein Lungenlappen erkrankt. Diese Form der Tuberkulose, die 
man die indurierende nennt, gestattet erfahrungsgemäss eine gute 
Prognose, da die schwieligen Massen die Weiterverbreitung der tuber¬ 
kulösen Herde erschweren, sie vielmehr abkapseln und fibrös um¬ 
wandeln. 

Bei dem weitaus grössten Teile unserer Kranken, nämlich bei 
85,1 °/o, bot die erkrankte Lunge die Zeichen des Katarrhs und der 
Infiltration. Perkutorisch sind sie an den verschiedenen Graden der 
Dämpfung, auskultatorisch an den verschiedenen Atmungs- und Rassel¬ 
geräuschen erkennbar. Ein Teil — die jetzt im I. Stadium be¬ 
findlichen Kranken, 101 an der Zahl — zeigt die auf die 
Alveolen verbreitete Bronchialschleimhauttuberkulose mit zahlreichen 
sich vergrössernden Geschwüren; Exsudationen verlegen die feinsten 
Bronchialverzweigungen und vermindern den Luftgehalt der Partie, 


Gck igle 


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59 ] 


Zar Diagnostik der Lungentuberkulose. 


287 


unterstützt durch die um Alveolen und Infundibula sich ausbreitenden 
interstitiellen miliaren Tuberkel. Lungenauswurf ist spärlich oder 
noch gar nicht vorhanden. Diese Kranken bilden das grosse Heer 
der Tuberkulösen, die ihren Beruf trotz der Erkrankung ausüben, 
bis sie meist durch eine Blutung auf den Ernst der Situation auf¬ 
merksam werden und nun noch rechtzeitig den Arzt und die Heil¬ 
stätte aufsuchen. 

Bei einem anderen Teil — den jetzt dem II. Stadium an¬ 
gehörenden 66 Kranken — sind neben den Infiltrations- und 
Exsudationserscheinungen und Geschwüren schon diffuse Entzündungs¬ 
prozesse und käsige Bronchitiden aufgetreten; Auswurf ist morgens 
regelmässig vorhanden und enthält in schleimiger Beimischung kleine 
gelbliche Eiterbatzen. Der Prozess ist bereits auf 1 bis 2 ganze 
Lappen ausgedehnt; auch gehören diejenigen Patienten hierher, die 
neben einer Spitzentuberkulose noch tuberkulöse oder nicht tuber¬ 
kulöse Unterlappenaffektionen besitzen. 

Und der dritte Teil endlich — die jetzt im HI. Stadium 
befindlichen 45 Kranken — weist ausgedehnte exsudative und 
käsige Entzündungen auf mit reichlichem eitrigen Auswurf. Die 
Erkrankung ist auf mehr als zwei Lungenlappen ausgedehnt. 

Bei 42 dieser Patienten ist es infolge von lobulären und ausge¬ 
dehnteren käsigen Pneumonieen und Einschmelzungen der Käsemassen 
zur Kavernenbildung gekommen. Häufigere und stärkere 
Blutungen sind beobachtet; der Auswurf ist massig, geballt, oft 
münzenförmig. Das ist die ulcerierende oder destruierende Form der 
Lungentuberkulose. Ich resümiere: Wir sehen den drei klinischen 
Haupterscheinungsformen nur 2 anatomische Hauptformen entsprechen, 
die indurierende und die ulcerierende. Die erstere stellt die 
klinisch nachweisbaren reinen Infiltrationsvorgänge dar und ist die 
prognostisch günstigere Form, die letztere gibt sich klinisch in dem 
Vorhandensein ausgebreiteter Katarrhe und Infiltrationen mit Ka¬ 
vernenbildung kund und ist die prognostisch viel ungünstigere Form. 
Beide sind annähernd in gleicher Häufigkeit, nämlich bei 13 bezw. 
14°/o der Kranken, vorhanden, während 7l°/o sämtlicher Kranken 
beiderlei Veränderungen kombiniert in Gestalt knotiger Herde und 
käsiger Bronchitis aufweisen. 

Von den 144 Kranken des I. Stadiums zeigten 4,2°/o nur 
Katarrh, 25,7 °/o nur Infiltration und 70,1 °/o Katarrh und Infiltration. 
Daraus kann man schliessen, dass vielleicht noch die ersteren 30°/o 
der klinischen Diagnostik Schwierigkeiten machen konnten, während 
bei 70°/o die Tuberkulose in ihrem Initialstadium zweifellos und un¬ 
schwer zu erkennen war. Denn wenn bei der Untersuchung gleich- 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 3 . 20 


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288 


O. Roepke. 


[60 


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zeitig katarrhalische und infiltrierte Lungenpartieen übersehen werden, 
so kann dieselbe Anspruch auf Genauigkeit oder Sachkenntnis nicht 
erheben. Es könnten allerdings differentialdiagnostische Bedenken 
bestehen, ob nicht Syphilis, Aktinomykose, Echinococcus, Tumor oder 
eine Infektion mit Diplokokken, Influenzabacillen und dergl. oder 
reine Koniosen vorliegen. Doch nur letztere dürften wegen häufigeren 
Vorkommens eine praktische Bedeutung haben und weiterer Unter¬ 
suchungsmethoden zur absoluten Sicherstellung der Diagnose bedürfen. 
Die II. und III. Stadien machen der klinischen Diagnostik selbst¬ 
verständlich gar keine Schwierigkeiten. 

Kavernen sind fast bei der Hälfte der Kranken des HI. Stadiums 
nachweisbar gewesen und zwar bei 29 auf der rechten, bei 7 auf der 
linken und bei 6 auf beiden Seiten. Ihre Erscheinungen sind charak¬ 
teristisch und unverkennbar, und doch werden sie so häufig in der 
Praxis nicht diagnostiziert. Das rührt m. E. daher, dass die aller¬ 
wenigsten Ärzte die Kranken bei der Untersuchung husten lassen. 
Selbst bei grösseren kavernösen Zerstörungen hört man oft nur ein 
reines bronchiales Atmen, während ein Hustenstoss genügt, um uns 
die grossblasigen und klingenden Geräusche empfindlich zu Ohr zu 
bringen. Die Belasteten Bind mit etwa 10°/o häufiger an der Kavemen- 
bildung beteiligt als die Nichtbelasteten. 

Über die Lokalisation der tuberkulösen Erkrankung orien¬ 
tieren die beiden folgenden Tabellen. 

Die erste unterscheidet zwischen rechtsseitigem, linksseitigem 
und beiderseitigem Befallensein der Lunge. 

Es befanden sich krankhafte Prozesse hei den Patienten des 



I. 

II. 

III. Stadiums 


+ - 

+ - 

-4- - 

rechts 

11 

32 

3 

3 

2 

4 

links 

5 

5 

1 

1 

0 

0 

beiderseitig 

20 

71 

7 

52 

16 

65 


Danach lag nur bei 4°/o unserer Kranken eine linksseitige und 
bei 18,5 °/o eine rechtsseitige Affektion vor, in 77,5 °/o aller Fälle waren 
beide Lungen erkrankt. Die Anzahl der beiderseitigen Erkrankungen 
könnte zu hoch erscheinen; doch ich glaube, dass mein Ergebnis den 
Erfahrungen der meisten Heilstättenärzte entsprechen wird. Und der 
Grund, dass wir Heilstättenärzte mehr aus den Kranken heraus¬ 
klopfen und hören als andere Sterbliche, liegt wohl darin, dass sich 
bei uns infolge der fortgesetzten Übung die physikalische Lungen- 



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UNIVERSUM OF MINNESOTA 



) 


61] Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 289 

Untersuchung bis zu einem gewissen Grade von Kunstfertigkeit aus¬ 
gebildet hat, und dass in unserer Sprechstunde die subtilste Unter¬ 
suchung von der Lungenspitze bis zum Lungenrande rechts und links, 
vorn und hinten einen ganz selbstverständlichen Akt ärztlicher Tätig¬ 
keit bildet. Es bleibt im vorliegenden Falle aber. auch noch zu 
berücksichtigen, dass mit den obigen 77,5 °/o beiderseitiger Erkran¬ 
kungen nicht in allen Fällen eine beiderseitige Tuberkulose bezeichnet 
wird. Handelte es sich z. B. um einen Prozess in der rechten Spitze 
und um einen zweiten im linken Unterlappen, so blieb die Frage 
offen und war oft gar nicht zu entscheiden, ob nur eine Lokalisation 
oder ob beide Herde tuberkulöser Natur waren. Ich glaubte aber 
in allen Fällen, wo hier und dort zweifellose auf eine Erkrankung 
der Lunge hinweisende Erscheinungen vorhanden waren, einen ur¬ 
sächlichen Zusammenhang zwischen beiden Prozessen annehmen und 
sie unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt zusammenfassen zu können, 
sei es, dass der tuberkulöse Prozess Entstehung und Verlauf des nicht 
tuberkulösen begünstigt hatte oder umgekehrt. 

Die rechtsseitige tuberkulöse Erkrankung tritt viel häufiger 
in Erscheinung als die linksseitige. Diese Tatsache ist bekannt, eine 
Erklärung ist bisher nicht gefunden; meine Ansicht hierüber folgt 
später. Auffallend ist aber ferner in der obigen Tabelle, dass unter 
sämtlichen Kranken des III. Stadiums nicht ein einziger einseitig 
links erkrankt war, während dieses vorgeschrittene Stadium einseitig 
rechts bei 6 Personen vorgekommen ist. Daraus lässt sich ent¬ 
nehmen, dass die linke Lunge bezüglich der Einseitigkeit der Er¬ 
krankung hinter der rechten zurückbleibt. Es ist mir ferner aufge¬ 
fallen, dass unter den 12 Kranken mit nur linksseitigen Affektionen 
2 Linkser waren. Das könnte Zufall sein, andererseits aber auch 
auf den Gedanken bringen, dass die angestrengtere Arbeitsleistung 
der rechten Körperhälfte im allgemeinen und der rechten Arm-, 
Schulter- und Brustmuskulatur im besonderen die häufigere einseitige 
Ausbreitung der Tuberkulose auf dieser Seite bedingt. 

Die zweite Tabelle bezieht sich auf die Lokalisation der Lungen¬ 
tuberkulose, wie sie als Gesamtkrankheitsbild in den einzelnen 
Fällen zutage trat. Das I. Stadium wurde mit seinen sämtlichen 
144 Krankheitsbildern berücksichtigt, das II. und in. nur mit den¬ 
jenigen, die wenigstens dreimal in derselben Konstellation vorhanden 
waren. Die Anordnung ist, soweit möglich, nach der Häufigkeit der 
Krankheitsbilder in den einzelnen Stadien erfolgt. Die Bezeichnungen 
sind wie folgt abgekürzt: B. Sp. = beide Spitzen, R. Sp. = rechte 
Spitze, R. 0. = rechter Oberlappen, R. M. = rechter Mittellappen, 
R. U. = rechter Unterlappen, R. U. z. t. = rechter Unterlappen zum 

20 * 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



290 


0. Roepke. 


[62 


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Teil, L. Sp. = linke Spitze, L. 0. = linker Oberlappen, L. U. = linker 
Unterlappen, L. U. z. t. = linker Unterlappen zum Teil, B. U. z. t. = 
beide Unterlappen zum Teil. 


Es waren erkrankt von den Patienten 


B. Sp. 

I. 

76] 

R. Sp. 

23} 

L. Sp. 

7) 

R. 0. 

12 

R. U. 

2 

B. Sp. 4“ L. U. z. t. 

4 

B. Sp. + R. ü. z. t. 

3 

R. Sp. 4- R- U. z. t. 

5 

R. Sp. 4" k. U. z. t. 

5 

R. Sp. 4“ B- U. z. t. 

3 

L. Sp. 4* h. U. z. t. 

3 

L. Sp. 4- R. U. z. t. 

1 

R. 0. 4“ k. Sp. 

L. 0. 4* R- Sp. 

R. 0. + L. 0. 

R. 0. 

R. 0. + L. ü. 

B. Sp. 4- L. ü. 

B. Sp. 4” R* tJ. 

R. Sp. + B. U. z. t. 

Verschiedene Kombinationen 




!S) 

i) 

4 

!} 

3 

10 


III. Stadiums Sa. 


144 


67 


L. 0. -f L. ü. + R. 0. 

L. 0. + L. U. + R. Sp. 

L. 0. + L. ü. + R. 0. + R. M. 
R. 0. + R. M. + R. ü. + L. Sp. 
R. 0. + R. M. + R. U. + L. 0. 
R. 0. + R. M. 

R. 0. R* M. 4* k. Sp. 

R. 0. 4- R. M. 4- L. 0. 

R. 0. + R. M. 4- R- ü. 

R. 0. + L. 0. 

R. 0. -j- k. Sp. 

R. Sp. 4- R. U. 4" k. 0. 
Verschiedene Kombinationen 


12 

4 

4 

11 

8 

3 
10 

4 

3 
9 
6 

4 
9 


87 

298 


Betrachten wir zunächst die Krankheitsbilder des I. Stadiums. 
Mehr als die Hälfte der Kranken (52,8°/o) zeigten eine beider¬ 
seitige Spitzenaffektion. Durch die gleichzeitige Erkrankung 
beider Spitzen wird die Diagnose eher schwieriger als leichter, weil 
die vergleichende Untersuchung einer gesunden und einer kranken 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



68 ] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


291 


Partie auffallendere Unterschiede erkennen lässt als die zweier er¬ 
krankten und von der Norm abweichenden Stellen. Da indes in allen 
Fällen Schalldifferenzen und Atmungsunterschiede, zum grössten Teil 
auch noch Rasselgeräusche vorhanden waren, musste die Diagnose 
dem Arzte gelingen. Eine allgemein anerkannte Erklärung für das 
bevorzugte Befallenwerden der Spitzen ist noch nicht gefunden. Man 
hat eine erhöhte lokale Disposition der Spitzen angenommen und 
diese auf relative Anämie infolge ihrer hohen Lage, auf geringe Atem¬ 
exkursionen und dadurch bedingte mangelhafte Ventilation zurück¬ 
geführt. Zu diesen Momenten kommen als weiteres —und m. E. 
wichtigstes und wirksamstes — koniotische Vorgänge und Reizzu¬ 
stände leichtester Form hinzu, welche der Bacillenansiedlung die 
günstigsten Bedingungen schaffen. Die häufigere Anthrakosis bei 
Städtern gegenüber ihrem Vorkommen bei Landbewohnern fällt mit 
der grösseren Häufigkeit der Tuberkulose bei den ersteren zusammen; 
die am meisten der Staubeinatmung ausgesetzten Berufe — Stein¬ 
hauer, Glas- und Metallschleifer, Feilenhauer, Weber, Tabakarbeiter, 
Drechsler u. s. w. — haben die höchste Tuberkulose-Morbidität und 
Mortalität! Gibt es überhaupt einen in der Industrie, in Fabriken, 
Werkstätten und Gruben beschäftigten Arbeiter, der nicht in einer 
mit gewissen Staubarten verunreinigten Luft viele Stunden sich auf¬ 
halten und bei zum Teil recht schwerer Arbeit angestrengt und tief 
und oft durch den geöffneten Mund atmen muss? Die weitaus grösste 
Anzahl unserer Kranken stammt aus jenen Berufen; die Staubinha¬ 
lationen gehören zu ihrem Gewerbe ebenso wie das achtlose Aus¬ 
spucken auf den Boden zu ihrer Gewohnheit; die Staubinhalations¬ 
krankheiten sind ihre Gewerbekrankheiten, die Lungentuberkulose 
ebenfalls! Die Theorieen von Schmorl, Freund und Rotschild 
über raumbeengende Veränderungen, die die respiratorische Leistungs¬ 
fähigkeit der Lungenspitzen schädigen, bleiben darum durchaus zu 
recht bestehen, ebenso die Ansichten von Aufrecht, Baumgarten 
und Ribbert über die hämatogene Entstehung der Lungentuberku¬ 
lose. In dem einen Fall gelangen die Tuberkelbacillen mit dem 
Staube oder als Flügge sehe Tröpfchen in die Bronchien 3. bis 5. 
Ordnung und bleiben hier in dem schon vorher durch koniotische 
Prozesse präparierten Boden um so leichter haften und entwicke¬ 
lungsfähig, als die respiratorische Leistungsfähigkeit der Lungenspitzen 
herabgesetzt ist; in dem anderen Fall gelangen sie mit dem Staub 
zunächst in die Bronchialdrüsen und von hier auf dem Blutwege in 
den zum Locus minoris resistentiae gewordenen Abschnitt desjenigen 
Organs, das durch eine gewisse Organdisposition zur Tuberkulose aus¬ 
gezeichnet ist. 


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292 


O. Roepke. 


[64 


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Die rechtsseitige Spitzentuberkulose ist 23mal, die linksseitige 
7 mal beobachtet; eine Erkrankung des rechten Oberlappens ist bei 
12, des rechten Unterlappens bei 2 Patienten, eine solche des linken 
Oberlappens oder des linken Unterlappens ist überhaupt nicht vor¬ 
gekommen. Dieses auffallende Verhältnis zwischen rechts¬ 
seitiger und linksseitiger Etablierung der Tuberkulose 
in ihrem I. Stadium lässt sich auch sehr gut mit der der Staubin¬ 
halation zugesprochenen Bedeutung in Übereinstimmung bringen. Der 
rechte Bronchus ist nur halb so lang, dafür weiter und höher ge¬ 
legen als der linke. Damit sind nach den Gesetzen der Physik für 
die ganze rechte Lunge weit günstigere Verhältnisse zur Aufnahme 
von Staub und Tuberkelbacillen bei der Atmung gegeben, als für 
die linke. Wenn dabei der rechte Mittel- und Unterlappen gegen¬ 
über dem rechten Oberlappen und dieser gegenüber der Spitze zurück¬ 
bleibt, so hat dies darin seinen Grund, dass in den ersteren die 
Tuberkelbacillen häufiger zu gründe gehen oder durch die physio¬ 
logischen Kräfte des Organismus wieder eliminiert werden, während 
sie in dem koniotisch mehr oder weniger affizierten Oberlappen bezw. 
in der Spitze haften und wirksam bleiben. 

Bei den übrigen 24 Kranken des I. Stadiums handelt es sich 
um ein- oder beiderseitige Spitzentuberkulösen, die mit Unterlappen¬ 
affektionen auf der gleichen oder entgegengesetzten oder auf beiden Seiten 
kombiniert sind. Die Unterlappen waren indes in allen Fällen nur 
teilweise in kleineren Bezirken erkrankt, ob tuberkulös, war nicht 
immer sicher zu entscheiden. 

Bei den Kranken des II. Stadiums steht an erster Stelle 
mit 16 Fällen die auf rechten Oberlappen und linke Spitze ausge¬ 
dehnte Erkrankung. Die umgekehrte Kombination — linker Ober¬ 
lappen und rechte Spitze — kommt nur 10 mal vor. Beide Ober¬ 
lappen gleichzeitig sind 8 mal erkrankt, der rechte allein nur 4 mal; 
in den letzteren Fällen handelt es sich um schwere Erkrankungsformen 
mit Kavernenbildung gegenüber den ersteren ausgedehnteren, aber 
leichteren Prozessen. Doch lehrt die Erfahrung, dass ein kavernös 
zerstörter Oberlappen für den Träger prognostisch günstiger zu be¬ 
urteilen ist als zwei in ganzer Ausdehnung leicht erkrankte Ober¬ 
lappen. Es bietet nämlich die Tatsache, dass jener Prozess bis zur 
Einschmelzung fortgeschritten ist, ohne über seinen ursprünglichen 
Sitz hinauszugehen, die beste Gewähr dafür, dass der Prozess gegen 
seine Umgebung durch fibröse und indurative Vorgänge sicher ab¬ 
gegrenzt ist. Erkrankungen beider Spitzen und des linken Unter¬ 
lappens gleichzeitig sind 8 mal, beider Spitzen und des rechten Unter¬ 
lappens gleichzeitig nur 4 mal beobachtet; in weiteren 4 Fällen findet 


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65 ] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


293 


sich eine Kombination zwischen rechten Oberlappen und linken Unter¬ 
lappen. Diese könnte man sich bei der sonst räumlich völlig ge¬ 
trennten Lage dieser Lappen durch die Annahme eines gemeinsamen 
Ausgangspunktes der Infektion von den Bronchialdrüsen aus erklären, 
die in Höhe des &. Brustwirbels dem hintern untern Abschnitt des 
rechten Oberlappens und dem obem hintern Abschnitt des linken 
Unterlappens in gleicher Weise angelagert sind. Die Kombination 
einer rechtsseitigen Spitzentuberkulose mit beiderseitigen Unterlappen¬ 
affektionen haben wir auch schon im I. Stadium verzeichnet; die 
verschiedene Ausdehnung der Unterlappenerkrankungen erklärt dies. 
Letztere sind hier wie dort meist bronchiektatischer Natur gewesen. 

Im III. Stadium treten als weitaus häufigste Krankheitsbilder 
die über eine ganze Lungenhälfte und einen Abschnitt der anderen 
ausgedehnten Affektionen in Erscheinung. Dieselben kamen bei 
39 Patienten vor, also bei 44,8 °/o der Kranken des III. Stadiums 
und betrafen die ganze linke Lunge mit einem Teil der rechten 
20 mal, die ganze rechte Lunge mit einem Teil der linken 19 mal. 
Daraus ist zu ersehen, dass die linke Lunge keineswegs eine grössere 
Widerstandsfähigkeit im weiteren Verlaufe der Tuberkulose besitzt 
als die rechte. Ihre Eigenart liegt darin, dass sie, sobald sie in 
grosser bezw. ganzer Ausdehnung erkrankt ist, es nun nicht so allein 
bleibt; es tritt vielmehr in allen Fällen gleichzeitig eine teilweise 
Erkrankung der rechten Lunge hinzu. Auch diese Beobachtung ist 
geeignet, eine leichtere Infektiosität der rechten Lunge annehmen zu 
lassen. Vergegenwärtigen wir uns übrigens bei diesen Zahlen, dass 
bei 12 Personen je 4 Lappen, bei weiteren 12 je 3 Lappen, sowie 
bei 11 Patienten je 3 Lappen und die zweite Lungenspitze erkrankt 
waren, so werden wir gestehen müssen, dass der Heilstättenbehandlung 
in therapeutischer Hinsicht seitens der praktischen Ärzte nicht zu 
wenig zugetraut wird. Difficile est, satiram non scribere! Der 
rechte Oberlappen ist im Verein mit dem linken Oberlappen 9 mal, 
im Verein mit der linken Spitze 6mal erkrankt befunden; in den 
letzteren Fällen musste also im Oberlappen eine Zerstörung vorhanden 
sein. Diese Kranken bieten durchweg eine ungünstige Prognose im 
Gegensatz zu den vorhin erwähnten Fällen des U. Stadiums, in 
denen zwar auch der rechte Oberlappen kavernös zerstört war, in 
denen aber das Intaktsein aller übrigen Lungenpartieen auf seine 
durch Abkapselung bewirkte Unschädlichkeit hinwies. 

Die Erkrankung der ganzen rechten vorderen Brustseite, die von 
der Spitze bis zur 6. Rippe herab Dämpfung, verändertes Atmen und 
Rasseln bietet, ist eine bekannte Erscheinung; sie umfasst den rechten 
Ober- und Mittellappen. Da sie bei den Kranken des H. Stadiums 


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294 


0. Koepke. 


[66 


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gar nicht beobachtet worden ist, muss sie die Eigentümlichkeit haben, 
entweder mit Kavernenbildung einherzugehen oder mit noch anderen 
Tuberkuloselokalisationen kombiniert vorzukommen. Ersteres war bei 
unseren Kranken 3 mal der Fall, die Zerstörung lag in allen 3 Fällen 
im Oberlappen. Nebenbei bemerke ich, dass ich überhaupt noch nie 
in der Lage war, eine Kaverne im rechten Mittellappen zu diagnosti¬ 
zieren; auch die 42 Kavementräger dieses Materials — mit zusammen 
48 Kavernen — hatten die Zerstörung in allen anderen Lappen, nur 
nicht im rechten Mittellappen. Die rechte Ober-Mittellappen-Tuber- 
kulose war kombiniert mit Tuberkulose der linken Spitze 10 mal, mit 
der des linken Oberlappens 4 mal, mit der des rechten Unterlappens 
3 mal. Die erste und zweite Kombination (R. 0. R. M. L. Sp. 
oder R. 0. -{- R. M. + L. 0.) stellt ein sehr geläufiges Krankheitsbild 
dar; die letzte (R. 0. -f- R. M. + R. U.) wirkt befremdend in der Vor¬ 
stellung, dass ein und dasselbe Organ, welches unter den gleichen 
Bedingungen dem gleichen Zweck dient, in der einen Hälfte von 
oben bis unten tuberkulös erkrankt, in der anderen völlig gesund 
geblieben ist. Das Gegenstück zu dieser räumlichen Abgrenzung der 
Infektion ist die 4 mal vorkommende Kombination von rechter Spitzen¬ 
tuberkulose mit rechter Unterlappen- und linker Oberlappen-Affektion. 
Dort drei Lokalisationen, die sich berührend in einer Thoraxhälfte 
zusammenliegen, hier drei Lokalisationen, die durch gesunde Partieen 
voneinander getrennt auf beide Thoraxhälften verteilt sind. So 
stossen wir in der Tuberkulose-Forschung überall auf ihre Viel¬ 
gestaltigkeit hinsichtlich der Entstehung wie des Verlaufes, der sub¬ 
jektiven wie der objektiven Symptome, der klinischen wie patho¬ 
logisch-anatomischen Erscheinungsformen, hinsichtlich der Häufigkeit 
wie der Art der Lokalisation. 

Das Atmungsorgan beginnt mit den oberen Luftwegen am Nasen¬ 
eingang. Es ist daher für die exakte Diagnostik der Lungentuber¬ 
kulose auch die Untersuchung des Naseninnern, des Pharynx 
und Larynx unbedingt notwendig. Zwar sind makroskopisch er¬ 
kennbare tuberkulöse Erkrankungen in der Nase, im Nasen¬ 
rachenraum und an den Gaumenmandeln sehr selten und spe¬ 
zifische Geschwüre im Cavum und Schlund auch nur vereinzelte 
Vorkommnisse, indes lässt die Besichtigung dieser Teile eine Reihe 
anderer krankhafter Zustände erkennen, die die Ergebnisse der 
Anamnese, der physikalischen und bakteriologischen Diagnostik kor¬ 
rigieren können. Trockener Husten, der in dem Pubertätsalter auf- 
tritt und bei schwächlichen anämischen Individuen an beginnende 
Lungentuberkulose denken lässt, kann als sog. nervöser Husten von 
der Nasenschleimhaut, Rachenmandel oder Kehlkopfschleimhaut aus- 



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67] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


295 


gelöst werden. Die genaue Durchforschung der oberen Luftwege mit 
Spiegel und Sonde, der wiederholt negative Lungenbefund, das Fehlen 
von eigentlichem Lungensputum, Klang, Art und Auftreten des 
Hustens und schliesslich die Zeichen örtlicher oder allgemeiner 
Neurasthenie werden die ausserordentlich wichtige Differentialdiagnose 
ermöglichen. Häufiger sind es pathologisch-anatomische Verände¬ 
rungen im Naseninnern — chronische Katarrhe, Muschelschwellungen, 
Verbiegungen und Vorsprünge der Nasenscheidewand, Verwachsungen 
zwischen Muscheln und Septum, Schleim und Granulationspolypen —, 
welche zur Behinderung der Nasenatmung und dadurch zu den Er¬ 
scheinungen des abgeschwächten Atmens und verlängerten Exspiriums 
Veranlassung geben können. Weiterhin entstehen oft chronische 
Rachen-, Kehlkopf- und Luftröhrenkatarrhe als Fernwirkungen der 
obigen Zustände, wenn die Nase mit ihren Vorrichtungen, die als 
Staubfänger, Bakterienfilter und Luftvorwärmer dienen, in der Atmung 
ausgeschaltet ist. Es wird also in solchen Fällen durch die Unter¬ 
suchung der oberen und unteren Luftwege festzustellen sein, ob die 
Pharyngitiden und Laryngitiden von oben her durch Erkrankung der 
Nase oder von unten her durch die Erkrankung der Lunge bedingt 
und erhalten werden. Die subjektiven Klagen über Reiz zum Räuspern, 
Kitzel, Druck oder Schmerzgefühl im Halse, Hustenreiz, Brennen 
unter dem Brustbein u. s. w. und die objektiven Symptome von zäh¬ 
flüssigem oder schleimig-glasigem Auswurf, von punkt- oder streifen¬ 
förmigen Blutbeimischungen und dergl. sind in beiden Fällen die gleichen. 

Die Untersuchung des Kehlkopfes hat der Lungenuntersuchung 
vorauszugehen oder zeitlich später stattzufinden, denn der bei der 
Lungenauskultation „verhustete“ Kehlkopf präsentiert sich in einer 
Weise, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. Das 
Bild einer diffusen Rötung der Schleimhaut unmittelbar nach der 
Lungenuntersuchung kann sich innerhalb weniger Stunden in den 
entgegengesetzten Zustand der Anämie verwandeln. 

Die Technik der Kehlkopfuntersuchung will ich übergehen 
und nur auf die Kiliansche Untersuchungsmethode kurz hinweisen, 
die für die schwierige Diagnostik der flachen Schleimhautdefekte 
an der Vorderfläche der hinteren Kehlkopfwand und an den Ary- 
knorpeln angewendet zu werden verdient. Man lasse in allen irgend¬ 
wie zweifelhaften Fällen den Kranken aufstehen, um ihn stehend bei 
leicht vornüber geneigtem Kopf nochmals zu spiegeln. So kann man, 
besonders bei tiefer Atmung des Patienten, die Hinterwand in ihrer 
ganzen Ausdehnung übersehen und nivellierend absuchen, so dass 
auch ganz flache Defekte, hahnenkammartige Erhebungen und fungöse 
Erhabenheiten scharf zu Gesicht kommen. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



29G 


0. Roepke. 


[68 


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Bei der für vorgeschrittene Phthise charakteristischen Anämie 
der Kehlkopfschleimhaut ist es meist sehr leicht zu unterscheiden, ob 
im Kehlkopf tuberkulöse Veränderungen vorhanden sind oder nicht; 
nicht so bei den verschiedenen Graden chronischer Laryngitis. Hier 
muss für die Diagnose des tuberkulösen Infiltrates, das ja 
nur die Zeichen der Rötung und Schwellung bietet, die Einseitigkeit 
und Begrenztheit der Veränderung verlangt werden. Aus einer 
diffusen Rötung und Schwellung der Schleimhaut auf das Vorhanden¬ 
sein eines diffusen phthisischen Katarrhs des Kehlkopfes zu schliessen, 
ist keinesfalls angängig. Meines Erachtens gibt es wohl einen diffusen 
Kehlkopfkatarrh bei Phthisikern, aber keinen diffusen phthisischen 
Kehlkopfkatarrh. Auch wird man nicht jeden Schleimhautdefekt als 
I. Stadium einer tuberkulösen Ulceration auffassen und daraus 
— bei der grossen Seltenheit der primären Kehlkopftuberkulose — auf 
eine Lungentuberkulose schliessen dürfen. Ist eine Lungentuberkulose 
nachgewiesen, so wird man eher berechtigt sein, auch einen noch 
nicht ganz charakteristisch ausgebildeten Defekt im Kehlkopf als 
tuberkulös zu behandeln; doch sollte man auch in diesen Fällen das 
Tuberkulin zu Hilfe nehmen und durch die Beobachtung der suspekten 
Stelle während der Reaktion Sicherheit schaffen — sich und den 
Kranken. Bei unserm Material ist dies in allen zweifelhaften Fällen 
geschehen. Die Diagnostik des typischen tuberkulösen Geschwürs mit 
seinen unregelmässigen, zernagten, sinuös unterwühlten Rändern und 
zackigen Randgranulationen macht ebenso wenig Schwierigkeiten wie 
die Diagnosenstellung bei tuberkulösen Neubildungen — 
Granulomen — und bei kombinierten Vorgängen von In¬ 
filtrat, Ulcus und Granulom, die mit mehr oder weniger aus¬ 
gesprochener Heiserkeit, Beschwerden beim Schlucken und Schmerzen, 
die nach dem Ohre ausstrahlen, verknüpft zu sein pflegen. 

Bei Berücksichtigung dieser Punkte ergibt sich aus unserm 
Material über Häufigkeit und Art der Kehlkopftuberkulosen folgendes: 


Es hatten von den Kranken des 

I. 

+ ~ 

11. 

+ - 

III. Stadiums 
+ - 

tuberkulöse Infiltrate 

1 

4 

2 

3 

5 

12 

8 

"" 19 

tuberkulöse Geschwüre 

1 

2 

1 

1 

3 

6 

5 

“ 9 

tuberkulöse Tumoren 

0 

I 

1 

0 

1 

2 

2 

3 

Kombination von Infiltrat -f Geschwür 
+ Tumor 

0 

0 

0 

0 

2 

6 

2 

~_6 

54 


Danach ist bei 54 Kranken (= 18,1 °/o) die Lungentuberkulose 
durch eine tuberkulöse Erkrankung des Kehlkopfes kompliziert ge- 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



69] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


297 


wesen. Von den Patienten des I. Stadiums zeigten 8,3 °/o, von den 
des II. 12°/o und von den des III. 42.5 °/o tuberkulöse Kehlkopfver¬ 
änderungen. Der erheblich höhere Prozentsatz der Kehlkopfkranken 
unter den Patienten des III. Stadiums nimmt bei dem räumlichen 
und funktionellen Verhältnis des Kehlkopfs zur Lunge nicht wunder. 
Überdies ist der Organismus des Kranken im III. Stadium meist 
schon im Kampfe mit den Tuberkelbacillen unterlegen, Milliarden 
dieser Feinde hausen in ihm und passieren täglich seinen Kehlkopf, 
da ist die Gelegenheit zur Infektion durch Kontakt oder auf dem 
Blut- oder Lymphwege ebenso günstig wie reichlich gegeben. 

Die Hälfte der Affektionen stellte eine leichte Erkrankungsform 
dar, 35°/o derselben eine mittel-schwere und 15°/o eine schwere. 
Letztere gehörten sämtlich dem IH. Stadium der Lungentuberkulose 
an, so dass man hinsichtlich der Schwere der Erkrankung ein ge¬ 
wisses Abhängigkeitsverhältnis der Kehlkopfphthise von der Lungen¬ 
phthise annehmen muss. Hierin findet die Bedeutung der Kontakt¬ 
infektion ihren Ausdruck. Die erste Etablierung der Tuberkulose im 
Kehlkopf mag in der Regel auf dem Blut- oder Lymphwege, auf¬ 
steigend von einer Lungen- oder Bronchialdrüsentuberkulose oder 
absteigend von den lymphatischen Rachengebilden aus, zu stände ge¬ 
kommen sein, ihre Verschlimmerung und Ausbreitung wird zweifellos 
durch die beständige Gefahr und Gelegenheit zu neuer Infektion 
mittelst des tuberkelbacillenhaltigen Auswurfs am meisten gefördert. 
— Die Belasteten sind mit 26,2 °/o, die Nichtbelasteten mit 15,9 °/o 
an der Kehlkopfphthise beteiligt, erstere also mit einem erheblich 
höheren Prozentsatz. 

Tuberkulöse Erkrankungen anderer Organe kompli¬ 
zierten die Lungentuberkulose unserer Patienten wesentlich seltener, 
wie aus der folgenden Übersicht hervorgeht. 

Es hatten von den Kranken des 


Darm-Tuberkulose 
Drtisen-Tuberkulose 
Mi ttelohr-Tuber kul ose 
Knochen-Tuberkulose 
G elenk-Tuberkulose 
Nieren-Tuberkulose 


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I. 

II. 

III. Stadiums 

+ - 

+ - 

+ - 


0 

2 

1 

= 9 

0 

0 

6 

1 

1 

0 

1 

8 

2 

= 8 

0 

0 

1 

- Q 

1 

1 

0 

- O 

0 

1 

0 

= 1 

0 

0 

0 

0 

0 

0 

= I 

0 

0 

1 

0 

0 

0 

= 1 

iT 

Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 

1 

0 

0 



298 


0. Roepke. 


[70 


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Es sind also im ganzen nur bei 23 Kranken (= 7,7 °/o) tuberku¬ 
löse Prozesse in anderen Organen beobachtet worden, am häufigsten 
noch Darm- und Drüsentuberkulosen. Erstere zeigten sich, analog 
den Verhältnissen bei der Kehlkopftuberkulose, am häufigsten im 
III. Stadium. Die Infektionsbedingungen sind ja auch für den Darm¬ 
kanal ganz ähnliche wie für den Kehlkopf, da von den indolenten 
Schwerkranken das Sputum häufig nur heraufgehustet wird, um im 
nächsten Augenblick verschluckt zu werden. Die obigen Zahlen sind 
zu klein, um im einzelnen Berücksichtigung finden zu können; im 
allgemeinen bestätigen sie indes durchaus die oben gemachte Beob¬ 
achtung, dass der Prozentsatz tuberkulöser Komplikationen mit dem 
fortgeschritteneren Stadium steigt und bei Belasteten erheblich höher 
ist als bei Nichtbelasteten. — 

Ein umgekehrtes Verhältnis tritt bei den nicht tuberkulösen 
Komplikationen ein, gleichgültig, ob dieselben die Lunge betreffen 
oder andere Organe. Diese Tatsache erscheint mir interessant genug, 


um hier durch Zahlen belegt zu 

werden. 




Es hatten von den Kranken des 

I. 

II. 

III. Stadiums 


+ - 

+ - 

+ - 


Bronchiektasieen 

1 

2 

1 

4 

0 

1 

= 9 

Emphysem 

2 

5 

0 

4 

0 

1 

= 12 

Emphysem mit chron. Bronchitis 

0 

0 

0 

3 

0 

0 

= 3 

Bronchitis acuta 

0 

0 

0 

1 

0 

0 

= 1 


25 


Auch diese Zahlen sind sehr klein, sie lassen aber erkennen, 
dass die nicht tuberkulösen Komplikationen prozentualiter bei den 
Kranken des I. Stadiums häufiger sind als bei den des III. Stadiums, 
und dass die Nichtbelasteten an ihnen höher partizipieren als die 
Belasteten. In dem verhältnismässig hohen Prozentsatz nicht tuber¬ 
kulöser Komplikationen, der auf die Kranken des II. Stadiums ent¬ 
fällt, handelte es sich ebenfalls meist um leichte Tuberkulosefalle, 
die eben mit den Komplikationen einen Bereich eingenommen hatten, 
dass sie nach der Stadieneinteilung nicht mehr dem I. Stadium zu¬ 
gerechnet werden konnten; sie erhöhen also auch noch den Prozent¬ 
satz der nicht tuberkulösen Komplikationen bei den leicht erkrankten 
Phthisikern. Die bei den Kranken des III. Stadiums öfters vorhanden 
gewesenen vikariierenden Emphyseme sind nicht in Betracht gezogen, 
da sie nicht als Krankheitsprozesse gelten können. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



71 ] 


Zar Diagnostik der Lungentuberkulose. 


299 


In der folgenden Zusammenstellung sind nun noch diejenigen 
nicht tuberkulösen Komplikationen notiert, die ausserhalb 
des Bereiches der Lunge lagen. 


Es hatten von den Kranken des 

I. 

+ 

— 

II. 
+ ' 

— 

III. Stadiums 
+ - 

Mitralinsuffizienz 

0 

1 

1 

1 

0 

0 

= 3 

Chronische Nierenentzündung 

1 

0 

0 

0 

0 

2 

= 3 

Gallensteine 

1 

1 

0 

1 

0 

0 

= 3 

Chronischen Magenkatarrh 

0 

2 

0 

0 

0 

0 

= 2 

Magengeschwür 

0 

1 

0 

0 

0 

0 

= 1 

Chronischen Darmkatarrh 

0 

2 

0 

2 

0 

0 

^ 4 

Chronischen Dickdarmkatarrh 

0 

2 

0 

0 

0 

0 

= 2 

Neurasthenie 

2 

4 

0 

2 

0 

0 

= 8 

Traumatische Neurasthenie 

0 

2 

0 

0 

0 

0 

= 2 

Epilepsie 

0 

1 

0 

1 

0 

0 

= 2 

Chlorose 

0 

3 

0 

0 

0 

0 

= 3 

Zuckerkrankheit 

0 

0 

1 

0 

0 

0 

= 1 

Sepsis 

0 

1 

0 

0 

0 

0 

= 1 


35 

Ohne auch hier wegen der Kleinheit der Zahlen auf Einzelheiten 
einzugehen, entlehne ich der Aufstellung den Schluss, den sie nahe 
legt, dass der Prozentsatz dieser Komplikationen im ersten Stadium 
der Tuberkulose und bei Nichtbelasteten höher ist als im III. Stadium 
und bei Belasteten. Vereinigen und verallgemeinern wir unsere Er¬ 
gebnisse über das Auftreten tuberkulöser und nicht tuberkulöser 
Komplikationen bei Phthisikern, so können wir sagen: Im Initial¬ 
stadium der Lungentuberkulose überwiegen die nicht tuberkulösen 
Organ- und Allgemeinerkrankungen, die ihr auf dem Boden in¬ 
differenter Individualität zeitlich und ursächlich vorausgegangen oder 
gefolgt sein können. Das vorgeschrittene Stadium der Lungentuber¬ 
kulose begünstigt Neo- und Autoinfektionen tuberkulöser Natur auf 
dem Boden der erblichen Beanlagung. 

Die Ergebnisse der in jedem Krankheitsfall vorzunehmenden 
Harnuntersuchung sollen hier im Anschluss an den klinischen 


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300 


O. Koepke. 


[72 


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Lungenbefund kurz Erwähnung finden. Geringe Eiweissausscheidungen 
sind von verschiedenen Seiten und wiederholt bei initialer Lungen¬ 
tuberkulose beobachtet worden; nur in der Deutung des Befundes 
gehen die Ansichten der Autoren auseinander. Während die einen 
die minimalen Eiweissausscheidungen als ein der eigentlichen Lokali¬ 
sation der Tuberkulose vorausgehendes Symptom auffassen, bilden 
dieselben nach der Auffassung anderer eine charakteristische Be¬ 
gleiterscheinung beginnender Lungentuberkulose. Auch haben 
wir schon früher an anderer Stelle gesehen, dass dem Auftreten der 


Albuminurie abwechselnd mit 

Phosphaturie eine Be- 

deutung für die Frühdiagnostik zugesprochen 
Ergebnisse waren folgende: 

worden 

ist. Meine 

Es batten von den Kranken des 

i. 

II. 

III. Stadiums 

Eiweiss 

0 

1 

3 

Eiweiss -|- Cylinder 

1 

0 

2 

Eiweiss + Toberkelbacillen 

1 

0 

0 

Zucker 

0 

1 

0 


Auf die Fälle von Diabetes, Nieren tuberkulöse und chronischer 
Nephritis brauche ich hier nicht einzugehen. Die 3 Fälle von 
Albuminurie in dem III. Stadium sind wohl auf amyloide Degeneration 
zurückzuführen; sie bedeuten in Anbetracht der vielen schweren Er¬ 
scheinungsformen der Phthise einen recht kleinen Prozentsatz. Die 
geringe Albuminurie des Patienten im II. Stadium war transitorischer 
Natur und verschwand in der 4. Woche des Heilstättenaufenthaltes 
definitiv. Bei den Kranken des I. Stadiums waren niemals auch nur 
Spuren von Eiweissausscheidung vorhanden. 

Diese Ergebnisse entsprechen also keineswegs den oben erwähnten 
Beobachtungen; sie stehen aber auch in schroffem Gegensätze zu den 
Resultaten, die seitens der andern in der Provinz Westfalen gelegenen 
Heilstätte festgestellt sind. Nach dem IV. ärztlichen Jahresbericht 
der Volksheilstätte bei Lüdenscheid wurde nämlich bei einer Gesamt¬ 
zahl von 171 Kranken in 81 Fällen Eiweiss im Harn 
gefunden. Abgesehen von 2 Fällen chronischer Nephritis und 7 Fällen 
amyloider Degeneration handelte es sich bei den übrigen 72 Kranken 
um minimale Eiweissausscheidungen, die gewöhnlich im Nachtharn 
auftraten und meist einen zyklischen Verlauf zeigten. Da beide 
Heilstätten zum weitaus grössten Teile über ein aus gleichen beruf¬ 
lichen und wirtschaftlichen Verhältnissen stammendes Krankenmaterial 
derselben Gegenden verfügen, veranlasste mich der darum um so 
auffallendere Widerspruch zwischen den dortigen und hiesigen Ver¬ 
hältnissen zu einer Nachprüfung: bei 30 Insassen der Heilstätte und 
70 Neuaufgenommenen, die sämtlich dem I. Stadium angehörten, 



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73 ] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


301 


wurde der Nachtharn unter Anwendung der Kochprobe mit Salpeter- 
säurezusatz sowie der Essigsäure-Ferrocyankalium-Probe aufs genaueste 
untersucht — in allen Fällen mit negativem Erfolge. Weiterhin 
wurde von je 10 Kranken des I. und II. Stadiums der Harn 8 Tage 
lang täglich dreimal auf Eiweiss untersucht — in allen Fällen ebenfalls 
negativ, so dass ich mich berechtigt fühle, Irrtümer oder Ungenauig¬ 
keiten meinerseits ausschliessen zu können. Andererseits liegt es mir 
ganz fern, die Richtigkeit der in der Heilstätte Lüdenscheid ge¬ 
machten Beobachtungen zu bezweifeln. Es fragt sich nur, wie der 
vorhandene Widerspruch zwischen den tatsächlichen Verhältnissen 
hier und dort aufzuklären wäre. In Lüdenscheid zeigten die mini¬ 
malen Eiweissausscheidungen in fast allen Fällen innerhalb gewisser 
Zeit einen bestimmten, regelmässig wiederkehrenden Typus. Schon 
aus diesem meist zyklischen Verlauf kann man schliessen, dass die 
Albuminurie mit dem tuberkulösen Krankbeitsprozess an sich nichts 
zu tun hat, denn die Lungentuberkulose zeigt alles andere als einen 
zyklischen, innerhalb kurzer Fristen wechselnden Ablauf. Erinnern 
wir uns aber daran, dass Spuren von Eiweiss auch bei ganz gesunden 
Individuen als sogenannte zyklische Albuminurie nach der 
Mahlzeit Vorkommen, so taucht der Gedanke auf, die in Lüden¬ 
scheid beobachteten zyklischen Eiweissausscheidungen in minimaler 
Stärke als alimentäre Albuminurie aufzufassen, die in der 
bekannten alimentären Glykosurie ihr Analogon findet. Es erscheint 
nach den Gesetzen der Ernährungsphysiologie auch ganz plausibel, 
dass bei dem Verpflegungsmodus der Lüdenscheider Heilstätte, die 
meines Wissens den Fleischgenuss bei den Mahlzeiten ad libitum 
freistellt, von Zeit zu Zeit bei einzelnen Individuen eine momentane 
Eiweissanhäufung eintritt, die über das Adaptionsvermögen des 
Körpers hinausgeht und unzersetzt den Organismus verlässt. Wenn 
andererseits in der hiesigen Heilstätte solche zyklische Albuminurie 
nicht beobachtet ist, so kann dies darin seinen Grund haben, dass 
unseren Kranken die Portion Fleisch — für die beiden Hauptmahl¬ 
zeiten durchschnittlich je V* kg in rohem Zustande — zugeteilt wird; 
dadurch bleibt die Eiweisszufuhr nicht nur in physiologischen Grenzen, 
sondern auch vor allzu grossen Schwankungen bewahrt. Ein weiterer, 
nicht zu unterschätzender Faktor ist der kurgemässe Genuss der 
Lippspringer Arminiusquelle, deren unbestreitbarer Vorteil darin 
bestellt, durch Anregung der Darmtätigkeit und Diurese die Verdau¬ 
ung zu befördern, die Resorption der aufgenommenen Nahrung zu 
erhöhen und auf den ganzen Stoffwechsel fördernd einzuwirken. So 
scheint mir die Annahme einer alimentären Albuminurie am ehesten 
geeignet, die Widersprüche zwischen den Beobachtungen hier und in 


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302 


0. Roepke. 


[74 


Lüdenscheid aufzuklären. Im übrigen kann ich auf Grund meiner 
hiesigen Beobachtungen dem Vorkommen von Ei weissspuren 
im Harn eine diagnostische Bedeutung für die Er¬ 
kennung initialer Tuberkulosefälle nicht beimessen. 


Sputumbefund. 

Die Bedeutung der bakteriologischen Diagnostik für die 
Tuberkulose beruht auf der epochalen, uns durch R. Koch ge¬ 
wordenen Erkenntnis, dass „die Tuberkelbacillen nicht bloss eine 
Ursache, sondern die einzige Ursache der Tuberkulose sind, und dass 
es ohne Tuberkelbacillen keine Tuberkulose gibt“. Hinsichtlich der 
Lungentuberkulose ist der Nachweis der Tuberkelbacillen im Aus¬ 
wurf des Lungenkranken der unfehlbar sichere Beweis. Derselbe 
wird durch die Herstellung des gefärbten Ausstrichpräparates 
erbracht und beruht auf dem eigentümlichen Verhalten der Tuberkel¬ 
bacillen Farbstoff gegenüber: sie nehmen die basischen Anilinfarben 
schwerer als andere Bakterien auf und halten den aufgenommenen 
Farbstoff trotz Behandlung mit Mineralsäuren und Alkohol fest. Bei 
der bakteriologischen Diagnostik hängt ebenso wie bei der klinischen 
Diagnostik der Erfolg derselben nicht zum wenigsten von der Art ihrer 
Ausführung ab. Es gibt zwar Sputa, welche den Tuberkelbacillus so 
in Massen und in allen Teilen enthalten, dass sein Nachweis in jedem 
ohne jede Sorgfalt hergestellten Präparat gelingt. Meist war dann 
aber die bakteriologische Diagnostik überhaupt überflüssig: ein Blick 
auf den Kranken konnte für die Diagnosenstellung genügen. Anderer¬ 
seits können von klinisch zweifellosen Phthisikern Sputa in grosser 
Menge und eitriger Beschaffenheit expektoriert werden, die auch bei 
subtilster Untersuchung Tuberkelbacillen niemals nachweisen lassen; 
in diesen Fällen pflegt das eitrige Sekret durch das Wuchern der 
Mischinfektions-Erreger in den Bronchien hervorgerufen zu sein. Ich 
will damit sagen, dass Menge, Farbe, Charakter und Konsistenz des 
Sputums keinen Schluss auf die Anwesenheit von Tuberkelbacillen 
gestatten können, selbst nicht einmal in denjenigen Fällen, in denen 
es aus einer Lunge stammt, die bei der klinischen Untersuchung als 
tuberkulös erkannt ist. Daraus folgt, dass man an die Untersuchung 
eines jeden Sputums ohne Ausnahme mit gleicher Sorgfalt und Akkura¬ 
tesse herangehen soll. 

Ferner ist es empfehlenswert, möglichst bestimmte Methoden und 
Requisiten stets anzuwenden; denn wer heute auf dem Deckglas, 
morgen auf dem Objektträger färbt, bald diese, bald jene Färbungs- 


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75J Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 303 

und Entfärbungsflüssigkeiten benutzt, der wird nur selten zuverlässige 
Resultate erlangen. Die Methode selbst muss schonend sein, damit 
möglichst alle Tuberkelbacillen zur Anschauung kommen, sie muss 
ferner so einfach wie möglich und so schnell wie möglich ausführbar 
sein, damit sie auch dem Ungeübten und Vielbeschäftigten kaum 
misslingen kann. Ich gebe hier einen allen diesen Ansprüchen voll¬ 
auf genügenden Untersuchungsmodus an 1 ). Um zunächst ein 
geeignetes Lungensputum zur Untersuchung zu bekommen, empfiehlt 
es sich, die Kranken zu belehren, wie sie aushusten sollen; in allen 
Fällen ist ihnen das Zurückziehen des Schleimes aus der Nase und 
Hervorräuspern aus dem Rachen und vom Kehlkopfeingang her als 
nicht zweckentsprechend zu bedeuten. Für die Aufnahme des Sputums 
zu Untersuchungszwecken empfiehlt sich ' eine kleine runde Glasdose 
mit weitem Halse und festschliessendem Glasstopfen, die dem Kranken 
das Hineinspucken, dem Arzte das Übersehen des Auswurfs bequem 
macht und einen sicheren Verschluss für den Transport sowie die 
leichte Reinigung nach dem Gebrauche ermöglicht. Der mikrosko¬ 
pischen Untersuchung hat die makroskopische vorauszugehen. Die¬ 
selbe orientiert über den schleimigen, eitrigen oder blutigen Charakter, 
über die dünnflüssige, zähe, gallertige oder festweiche Beschaffenheit, 
über die Form und Schwere der einzelnen Ballen, über den Geruch, 
über den Gehalt an Farbstoffen, Kohlen-, Steinpartikelchen, Bakterien¬ 
pigment und Blutfarbstoffen, Linsen, Pfropfen und Gewebsfetzen. Die 
Untersuchung selbst hat möglichst bald nach der Expektoration zu 
erfolgen, da bei längerem Stehen die Tinktionsfähigkeit vieler Tu¬ 
berkelbacillen leidet. Bei der Auswahl des zu untersuchenden Ma¬ 
terials sind die dichteren, zellreicheren und darum makroskopisch 
undurchsichtigeren zu wählen. Man erleichtert sich die Übersicht 
und Erkennung dieser Teile dadurch, dass man das Sputum auf 
einem schwarz lackierten Porzellanteller oder in einem schwarzen Becken 
von Papiermache ausbreitet, oder, falls es in einer gläsernen Schale 
aufgehoben ist, diese auf eine schwarze Unterlage stellt. Die suspekten 
Partikelchen werden mit ausgeglühten, abgekühlten Platinösen aus 
der Sputummasse abgetrennt und auf einen Objektträger gebracht; 
und zwar sind möglichst kleine Sputumteilchen zu einer dünnen, 
durchsichtigen Schicht zu verreiben, denn je dünner und gleich- 
mässiger die Sputumschicht ausgebreitet ist, desto klarer und schöner 
wird das Bild. Nachdem dann das Präparat völlig lufttrocken ge¬ 
worden ist, wird die Sputumschicht fixiert, indem der Objektträger 

i) cf. Untersuchung von menschlichen Se- und Exkreten. Kalender für 
Medizinalbeamte. Jahrgang I und II. Vom Verfasser. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. F. H. 3. 21 


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304 


0. Roepke. 


176 


mit der beschickten Seite nach oben dreimal in gleichmässiger Be¬ 
wegung und nicht zu schnellem Tempo durch die Flamme gezogen 
wird. Es folgt nun die Färbung: Für die Praxis empfiehlt sich die 
Färbung nach Ziehl-Neelsen mit Karbolfuchsin (100 ccm 5°/o 
Karbolsäurelösung + 10 ccm gesättigter alkoholischer Fuchsinlösung). 
Dieses wird auf den Objektträgerausstrich reichlich dick mittelst einer 
Pipette aufgeträufelt und über der Flamme erhitzt, bis reichlich 
Dämpfe aufsteigen und die ersten Blasen sich eben entwickeln. Nach 
eingetretener Erkaltung wird dann das Präparat mit Wasser ab¬ 
gespült, in verdünnter Schwefelsäure (1 Teil Säure -f- 4 Teile Wasser) 
zweimal schnell nacheinander untergetaucht und alsbald — ohne 
Zwischenwasserspülung— in 60°/oigem Alkohol einige Male hin und 
her geschwenkt, eine Entfärbungsprozedur, die sich sehr bequem ge¬ 
staltet, wenn verdünnte Säure und Alkohol in zwei einfachen Wasser¬ 
gläsern nebeneinander bereit stehen. Nun erfolgt die Nachfärbung, 
indem man das entfärbte Präparat sofort in ein drittes Glas mit 
gesättigter wässeriger oder wässerig-alkoholischer Methylenblaulösung 
(1 Teil konz. alkoholische Methylenblaulösung 4- 4 Teile Wasser) auf 
eine Minute hineintaucht. Das Präparat wird dann mit Wasser sorg¬ 
fältig abgespült, zwischen Filtrierpapier vorsichtig getrocknet und mit 
der Ölimmersion bei vollständig geöffnetem Kondensor des Abbe- 
schen Beleuchtungsapparates unter Benutzung des Planspiegels unter¬ 
sucht. 

Sind Tuberkelbacillen vorhanden, so erkennt man sie nach 
richtiger Einstellung in dem blauen Untergrund an ihrer gesättigt 
roten Färbung in der Form von gewöhnlich nicht vollkommen geraden, 
schlanken Stäbchen. Die Mengenbestimmung der Tuberkelbacillen 
kann nach der von Gaffky aufgestellten Skala erfolgen, welche die 
Anzahl der durchschnittlich in einem Gesichtsfelde gefundenen Ba¬ 
cillen angibt. Es genügen aber auch die einfacheren Bezeichnungen 
I (vereinzelt), II (mittelmässig viel), III (sehr zahlreich), die gleich¬ 
zeitig einen Anhaltspunkt für den Bacillenreichtum des Sputums über¬ 
haupt geben, falls von den verschiedensten Stellen des Auswurfs 
Partikelchen zur Untersuchung ausgewählt waren. Selbst bei spär¬ 
lichem Tuberkelbacillengehalt führt gewöhnlich eine dreimalige, d. h. 
eine an drei verschiedenen Tagen wiederholte Untersuchung frisch 
gelieferten Sputums zum Ziel, wenn man jedesmal von 3, 4 und 
mehreren Stellen Teilchen loslöst, über die ganze Oberfläche eines 
Objektträgers ausstreicht und das ganze Präparat nach der Fertig¬ 
stellung genau durchmustert. Ich habe mich oft davon überzeugen 
können, dass, wo ich bei derartig ausgeführter dreimaliger Unter¬ 
suchung keine Tuberkelbacillen fand, auch weitere 6 und 10malige 


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77] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


305 


Untersuchungen fruchtlos blieben. Ist der Auswurf sehr spärlich, so 
kann man ihn während einiger Tage in etwas Karbolwasser sammeln 
lassen, das gesammelte homogenisieren, sedimentieren oder zentri¬ 
fugieren und vom Niederschlage Partikel zur Untersuchung entnehmen. 
Es erübrigt sich, auf diese sog. „raffinierten“ Sputumuntersuchungs¬ 
methoden des weiteren einzugehen. Das Verfahren ist sehr umständ¬ 
lich, liefert meist — beim Homogenisieren mit Schroten stets — 
unsaubere Präparate und leistet für die exakte Diagnosenstellung gar 
nichts; denn man kann m. E. doch heute auf das eine oder andere 
schlanke, rotgefärbt gebliebene Stäbchen hin nicht mit gutem Ge¬ 
wissen Tuberkulose diagnostizieren. Gerade weil bei spärlichem Aus¬ 
wurf regelmässig von den Rachengebilden und von dem Nasenrachen¬ 
raum her Schleim zusammengeräuspert und mitgeliefert wird, der 
nachgewiesenermassen nicht selten säurefeste, tuberkelbacillen¬ 
ähnliche schlanke Gebilde enthält, kann das Verfahren nur 
zu Irrtiimern Veranlassung geben. Es wird wohl auch heute, schon 
mit Rücksicht auf seine Umständlichkeit, im allgemeinen mehr theo¬ 
retisch angepriesen als praktisch angewandt. Die eben erwähnten 
säurefesten bezw. alkoholsäurefesten Bacillen gehören zu der Gruppe 
der Pseudotuberkelbacillen, die das gleiche tinktorielle Ver¬ 
halten und die gleiche stäbchenförmige Gestalt wie die echten Tuberkel¬ 
bacillen zeigen, aber hinsichtlich der ätiologischen Bedeutung und 
pathologischen Wirkung im menschlichen Körper nichts mit den¬ 
selben gemein haben. Die Pseudotuberkelbacillen können im Nasen¬ 
sekret und Rachenschleim, im Zungen- und Zahnbelag und in den 
Tonsillarpfröpfen dem Auswurfe beigemengt sein oder auch im charak¬ 
teristischen Lungensputum expektoriert werden. Wiederholt ist im 
Sputum bei Lungengangrän und bei Sektionen in gangränösen Herden 
das Vorkommen von säurefesten tuberkelbacillenähnlichen Stäbchen 
beobachtet, auch ist die Reinzüchtung derselben gelungen, eine patho¬ 
gene Wirkung aber nie nachgewiesen worden. Die Unterscheidung 
zwischen echten und Pseudotuberkelbacillen im Sputum hat daher 
eine beachtenswerte Bedeutung für die Diagnostik der Lungentuber¬ 
kulose, ganz ähnlich der Bedeutung, die Tuberkel- und Smegma- 
bacillen im Urin für die Diagnostik der Urogenitaltuberkulose haben. 
Die Differentialdiagnose gelingt durch das nachfolgende Ver¬ 
fahren: Man überschüttet das Sputum mit steriler Nährbouillon und 
hält es einige Zeit bei einer Temperatur von 30°; zeigt sich hier¬ 
nach eine fortdauernde deutliche Vermehrung der säurefesten Ge¬ 
bilde, so sind es Pseudo- und nicht echte Tuberkelbacillen. Diese 
Methode ist einfacher und vor allem zuverlässiger als der Tierversuch; 
denn die Pseudotuberkelbacillen sind unter bedingten Umständen 

21 * 


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306 


0. Roepke. 


[78 


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auch im stände, pathologische Veränderungen vom Charakter der 
Tuberkel im Tierkörper hervorzurufen, denen aber — im Gegensatz 
zu der Tuberkelbildung der echten Tuberkelbacillen — die Möglich¬ 
keit fehlt, fortschreitend vom primären Herd aus neue Herde zu 
bilden und dauernd sich im infizierten Organismus weiter zu ent¬ 
wickeln. Gegen das Tierexperiment lässt sich ferner, abgesehen von 
seiner Umständlichkeit, mit Recht der Einwand der zu langen Zeit¬ 
dauer bis zur Entscheidung erheben. Um sich über die verschie¬ 
denen Bakterien des Sputums allgemein zu orientieren, die neben 
dem Tuberkelbacillus oder ohne denselben als mischinfizierende oder 
saprophytische Lebewesen vorhanden sind, wird man am besten ein 
zweites Objektträgerpräparat mit einer verdünnten Karbolfuchsin¬ 
lösung (Ziehlsche Karbolfuchsinlösung 1 Teil, destilliertes Wasser 
10 Teile) mehrere Minuten auf kaltem Wege färben. — Elastische 
Fasern treten im Sputum grossenteils infolge tuberkulöser Zer¬ 
störungen des Lungenparenchyms auf, sie fehlen, wenn keine De¬ 
struktionsprozesse vorhanden sind. Da sie ein gleiches Verhalten 
auch bei anderen Lungenerkrankungen zeigen, sind sie für die Lungen¬ 
tuberkulose keinesfalls pathognomonisch. 

Der Vollständigkeit halber wäre noch zu erwähnen, dass bei 
Kranken, die gewohnheitsmässig ihren Auswurf herunterschlucken, 
ohne es zu wissen und zu glauben, die Magenausspülung oder 
die Faecesbesichtigung geeignetes Material zur Untersuchung 
liefern kann. Dies wird bei dem Material der Heilstätte selten not¬ 
wendig sein — ich habe zu diesem Zweck nur die Magenausspülung 
zweimal mit positivem Erfolg angewandt — häufiger bei der den 
oberen Zehntausend angehörigen Klientel der Privatsanatorien und 
in der Praxis aurea, wo das ungesehene Verschwindenlassen des 
Auswurfs bei Strafe gesellschaftlichen Boykotts geboten ist. Doch 
dürfen wir nun nicht in jedem Falle, wo Tuberkelbacillen auf diesem 
Wege gefunden werden, ohne weiteres auf sekundäre Magen- oder 
Darmtuberkulose schliessen. Das wäre ebenso falsch, als wenn wir 
aus dem gelegentlichen Tuberkelbacillen-Nachweis im Nasensekret des 
Phthisikers eine Tuberkulose der Nasenschleimhaut diagnostizieren 
wollten. Hier und dort und überall in der bakteriologischen Diagnostik 
dürfen wir uns nie ganz von der klinischen Diagnostik loslösen, wir 
müssen bakteriologisch forschen, aber gleichzeitig klinisch denken, 
bakteriologische Ergebnisse mit klinischen Erscheinungen in Über¬ 
einstimmung zu bringen suchen. So werden wir uns am ehesten vor 
diagnostischen Irrtümern schützen — ohne Tierexperimente, Kultur- 
und Züchtungsverfahren. Wenn bei einem Kranken, der ausser der 
positiven Anamnese nur einen zweifelhaften oder eben nachweisbaren 



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79] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


307 


klinischen Befund bietet und ein wässerig-schleimiges, fade oder übel¬ 
riechendes Sekret zur Untersuchung liefert, säurefeste Stäbchen im 
Präparat gefunden werden, so drängt sich von selbst der Gedanke 
an Pseudotuberkelbacillen auf, und zwar um so mehr, wenn — wie 
gewöhnlich in diesen Fällen — die morphologischen Bestandteile des 
Sputums auf seine Herkunft aus den oberen Luftwegen hinweisen. 
Und wenn ein Kranker, dessen Lungenuntersuchung einen für Tuber¬ 
kulose wenig charakteristischen Befund ergibt, ein dreischichtiges, 
fötid riechendes Sputum liefert, so werden wir doch eher an Pseudo¬ 
ais an echte Tuberkelbacillen denken. Es kann also dem denken¬ 
den Arzt zur Vermeidung von Fehlerquellen schon die Kenntnis der 
Tatsache genügen, dass Pseudotuberkelbacillen im menschlichen Orga¬ 
nismus Vorkommen. Jedenfalls braucht deshalb auch nicht ein einziger 
Fall von Lungentuberkulose undiagnoätiziert oder nicht rechtzeitig 
genug diagnostiziert zu bleiben. 

Über die Ergebnisse meiner bakteriologischen Spu¬ 
tumuntersuchungen orientiert die folgende Zusammenstellung: 

Von den 2 Fällen im 0 Stadium hatten Tuberkelbacillen im Auswurf 0 


,, 144 ff ,, I. ff ff ,f ff ff 15 

tf tf 67 m .» II. jf ff ff ff ff 45 

„ , 87 „ „ m. ff f, ff ff 87. 

Es waren die Tuberkelbacillen nacbzuweisen 

vereinzelt — mittelmässig viel — sehr zahlreich 
in den 15 Fällen des I. Stadiums 13 mal 2 mal 0 mal 

„ „ 45 „ „ II. „ 27 15 .. 3 „ 

„ „ 87 „ „ III. „ 16 „ 29 ff 42 


Aus der letzten Tabelle ersehen wir zunächst, dass mit dem fort¬ 
schreitenden Stadium der Erkrankung nicht nur der Tuberkelbacillen¬ 
nachweis prozentualiter häufiger gelang, sondern dass sich auch der 
Bacillengehalt der einzelnen Sputa in numerischer Hinsicht steigerte: 
im I. Stadium Hessen sich nur bei 10°/o Tuberkelbacillen nachweisen, 
in keinem Falle aber in sehr reichlicher Menge; im III. Stadium 
hatten alle Kranken (= 100 °/o) Tuberkelbacillen im Auswurf und fast 
die Hälfte sogar in Massen; das II. Stadium hielt mit seinen 67°/o 
bacillenhaltiger Sputa und dem Bacillenreichtum der letzteren im 
ganzen den Mittelweg. In diesem Material sind also weder diejenigen 
seltenen Fälle vertreten, wo bei initialer Lungentuberkulose mit ge¬ 
ringem physikalischen Befunde sehr reichlich Tuberkelbacillen im 
Auswurf gefunden werden, noch diejenigen, wo bei vorgeschrittener 
Phthise und schwerem klinischen Befunde Tuberkelbacillen niemals 
nachgewiesen werden. Bei initial Erkrankten waren zwar in 3 Fällen 


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308 


O. Roepke. 


[80 


& 


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ausserordentlich viele säurefeste Stäbchen vorhanden, dieselben konnten 
indes bei denselben Patienten auch in dem von der hinteren, oberen 
Rachenwand steril entnommenen Schleim nachgewiesen werden und 
gehörten nach dem Ergebnis des oben geschilderten Verfahrens zur 
Gruppe der Pseudotuberkelbacillen. Unser stets positive Befund bei 
vorgeschrittener Phthise erklärt sich vielleicht daraus, dass selbst die 
wenigen Patienten des III. Stadiums, welche bei der Aufnahme kein 
eigentliches Lungensputum produzierten, im Laufe unserer mit der Lipp- 
springer Brunnenkur und mit allnächtlichen hydriatischen Packungen 
verknüpften Heilstättenbehandlung geeignetes Untersuchungsmaterial 
lieferten. — 

Insgesamt hatten von den 300 Kranken 147 = 49°/o Tuberkel¬ 
bacillen im Auswurf, während bei 151 tuberkulösen und 2 nicht tuber¬ 
kulösen Patienten, zusammen bei 51°/o der Eingetretenen, dieser 
Nachweis nicht zu erbringen war. Somit hatte etwa die Hälfte 
unserer Fälle, in denen auf Grund des subjektiven und objektiven 
Krankheitsbildes eine tuberkulöse Lungenerkrankung angenommen 
werden musste, keine Tuberkelbacillen finden lassen. 

Stellen wir diesem Ergebnis die Tatsache gegenüber, dass auch 
nur etwa die Hälfte, nämlich 144 I. Stadien = 48°/o, zur Heilstätten¬ 
behandlung als unbedingt geeignet erscheinen konnte, so Hesse sich 
der Schluss ziehen: nur diejenigen tuberkulösen Lungenkranken, 
welche noch keine Tuberkelbacillen im Sputum entleeren, sind im 
allgemeinen für die Heilstätte unbedingt geeignet. Vom rein patho¬ 
logisch-anatomischen Standpunkte aus ist solche Schlussfolgerung zu 
verstehen. Im frühesten Stadium der Lungentuberkulose könne die 
primäre herdförmige Erkrankung der Bronchialwand noch kein bacil- 
läres Material absondern; erst wenn an der Oberfläche des tuber¬ 
kulösen Infiltrates Epithelnekrose und geschwüriger Zerfall eintritt, 
sei die Möglichkeit, wenn auch nicht Notwendigkeit, zur Expektora¬ 
tion tuberkelbacillenhaltigen Sputums gegeben; dann sei aber auch 
eben wegen des Zerfalls das eigentliche Initialstadium bereits vor¬ 
über. Noch einen Schritt weiter gehen unter den Heilstättenärzten 
diejenigen, denen auch die in die Heilstätte kommenden Frühstadien 
der Lungentuberkulose noch immer nicht initial genug sind und es 
auch nie sein können, weil nach ihrer Auffassung das erste Stadium 
der Lungentuberkulose mit der tuberkulösen Erkrankung der zuge¬ 
hörigen Tracheobronchialdrüsen beginnt und mit derjenigen des Lungen¬ 
parenchyms bereits aufhört. M. E. ist ein solcher Standpunkt un¬ 
vereinbar mit dem eigentlichen Zweck der Heilstätte, der Behand¬ 
lung der Lungentuberkulose zu dienen. Er ist aber auch unver¬ 
einbar mit der Auffassung des Klinikers, der seine Stadieneinteilung 



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sij 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


309 


doch erst mit dem objektiven Nachweis krankhafter Lungenerschei¬ 
nungen beginnen kann. 

Ich meine: der Tuberkelbacillus im Auswurf ist der sicherste 
Indikator in diagnostischer, aber nicht in prognostischer Hinsicht, 
er ist insbesondere kein Gradmesser für das therapeutische Haupt¬ 
ziel der Heilstätte, die erkrankte Lunge wieder funktionstüchtig zu 
machen. — 

Nun fragt es sich weiter: Hat die bakteriologische Tuberkulose- 
Diagnostik eine Bedeutung für jene Fälle, in denen der Arzt auf 
Grund klinischer Untersuchung das Vorhandensein einer Lungen¬ 
tuberkulose nicht absolut verneinen, auf Grund pathologisch-anato¬ 
mischer Überlegung nicht absolut bejahen kann? Manchmal gelingt 
es hier durch Jodkaligaben, hydriatische Packungen oder Inhalationen 
einer Kochsalzlösung die Expektoration anzuregen und in dem spär¬ 
lichen Morgensputum Tuberkelbacillen nachzuweisen. Leider versagt 
aber das Verfahren in weitaus den meisten Fällen oder führt zu 
Zweifeln oben genannter Natur, ob es sich in dem angefertigten 
Sputumpräparat um den echten oder einen Pseudotuberkelbacillus 
handelt. 

Meinen mehrjährigen Beobachtungen entspricht die obige Zu¬ 
sammenstellung, nach welcher trotz hydriatischer Packungen von den 
klinisch diagnostizierbaren Lungenkranken des I. Stadiums nur etwa 
jeder 10. auch bakteriologisch als Tuberkulöser zu erkennen war. 
Das heisst aber nichts anderes, als dass der bakteriologische Nach¬ 
weis des Tuberkelbacillus im Auswurf für die Erkennung der Früh¬ 
stadien der Lungentuberkulose eine ganz untergeordnete Bedeutung 
hat. Ist doch selbst bei einem Drittel unserer dem II. Stadium an- 
gehörigen Kranken der Sputumbefund negativ gewesen. 

Für die Praxis ergibt sich aus solchen Daten, die das häufig 
erst späte Auftreten des Auswurfs und das häufig noch viel spätere 
Auftreten des Tuberkelbacillus im Auswurf bei klinisch zweifelloser 
Tuberkulose zur Evidenz beweisen, die überaus wichtige Lehre, die 
Diagnose der Tuberkulose nicht erst von dem positiven Sputumbefund 
abhängig zu machen. Jene Zahlen erklären aber auch in entwicke¬ 
lungsgeschichtlicher Hinsicht, warum uns die an und für sich epochale 
Entdeckung des Tuberkel bacillus in der Behandlung und Heilung der 
Lungentuberkulose kaum einen Schritt weiter gebracht hat: die aus¬ 
gesprochene Schwindsucht war an ihrem charakteristischen Krank¬ 
heitsbild auch früher ohne Mikroskop erkennbar, und für die Er¬ 
kennung der Frühstadien der Lungentuberkulose muss in der Praxis 
auch heute noch in ö /io aller Fälle der klinische Befund allein mass¬ 
gebend sein; die Schwindsucht im III. Stadium ist heute fast aus- 


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0. Roepke. 


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nahmslos ebenso unheilbar wie früher, und das I. Stadium heilte 
früher als ätiologisch unbekannter „ Spitzenkatarrh" ebenso gut wie 
heute als „Lungenspitzentuberkulose“. Was uns aber heute gegen¬ 
über früher in der Therapie der Tuberkulose erfolgreich bezw. erfolg¬ 
reicher als bisher unterstützen könnte, das ist die Frühzeitigkeit 
der Diagnose und damit die Frühzeitigkeit der Therapie, viel 
weniger die Kenntnis der Ätiologie und die Art der Heilmittel. Ob 
Ce 1 sus die Lungenkranken im Schiffe fahren oder Sydenham sie 
reiten oder Brehmer sie steigen oder Dettweiler sie Liege¬ 
kur machen lässt, das ist ganz das nämliche — hier wie dort 
liegt der therapeutische Schwerpunkt in dem fortgesetzten Aufent¬ 
halt in frischer, reiner Luft. Und Ernährung, Abhärtung, Bewegung, 
medikamentöse, prophylaktische Vorschriften unterstützen ebenso die 
Ratio medendi der hippokratischen Medizin wie alle späteren Heil¬ 
methoden einschliesslich unserer heutigen hygienisch-diätetischen An¬ 
staltsbehandlung. Unsere augenscheinlicheren Erfolge beruhen nur 
darauf, dass wir diese Mittel in einem möglichst frühzeitigen Stadium 
der Krankheit anwenden. Dazu bedarf es aber einer möglichst früh¬ 
zeitigen Diagnose, und diese wird nicht etwa durch den bakterio¬ 
logischen Nachweis ermöglicht bezw. erleichtert. Im Gegenteil! Man 
würde die Kranken direkt schädigen und den Heilstätten schlecht 
dienen, wollte man erst einen aus den tieferen Luhgenteilen stam¬ 
menden Auswurf und in demselben das Auftreten von Tuberkel¬ 
bacillen abwarten und nicht schon auf Grund physikalisch-klinisch 
nachweisbarer Symptome hin die Diagnose der beginnenden Lungen¬ 
tuberkulose stellen. — 


T über kulindiagnostik. 

Gelingt der Tuberkelbacillennachweis nicht oder ist Lungen¬ 
sputum überhaupt nicht vorhanden, so ist das alte Tuberkulin das 
letzte Hilfsmittel, um die klinische Diagnose zu sichern. Die 
Sicherung, nicht die Stellung der Diagnose ist der springende 
Punkt. Die Tuberkulindiagnostik wird darum überflüssig beim Vor¬ 
handensein von Tuberkelbacillen im Sputum, sie bleibt notwendig bei 
einer positiven klinischen Diagnose. 

In der Praxis genügt die Diagnosenstellung. Dass dieselbe 
auch im Frühstadium der Tuberkulose jedem Arzte gelingen kann, 
wenn er bei allgemeinen Konstitutionsstörungen immer wieder an die 
Möglichkeit einer Tuberkulose denkt, wenn er jetzt und insbesondere 
bei allen Störungen im 'Respirationstraktus den subjektiven und ob- 



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83] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


311 


jektiven Beobachtungen bis in Detail nachgeht und in jedem Fall 
eingehend die Lungen untersucht, das unterliegt nach den früheren 
Ausführungen keinem Zweifel. Auch in klinisch nur verdächtigen 
Fällen wird der Praktiker mit Rücksicht auf die ungeheuer viel 
grössere Häufigkeit der Tuberkulose gegenüber allen andern Lungen¬ 
krankheiten zusammen eine Lungentuberkulose annehmen dürfen. 
Ja, man wird dem praktizierenden Arzte, sei er Kassen- oder Ver¬ 
trauensarzt, vom medizinischen Standpunkte aus sogar das Recht 
einräumen können, selbst bei anscheinend normalem klinischen Be¬ 
fund die Einleitung des Heilverfahrens zu empfehlen, falls typische 
Lokal- oder Allgemeinerscheinungen — Blutung, Husten, Auswurf, 
Mattigkeit, Blässe, Abmagerung, Temperaturerhöhungen, Nacht- 
schweisse — sicher beobachtet und die Fragen bezüglich der Here¬ 
dität und Körperkonstitution im positiven Sinne zu beantworten sind. 
In allen Fällen bliebe ja immer der Heilstätte das letzte, entscheidende 
Wort. Danach wäre also für die Praxis die Tuberkulindiagnostik 
weder ein Bedürfnis noch eine Notwendigkeit. Zudem würde ihre 
Einführung bei der allgemein verbreiteten Scheu des Publikums vor 
dem „Impfen mit dem Tuberkulin“ grossen Schwierigkeiten begegnen, 
auch in der Hand Ungeübter nicht ohne Bedenken sein, zumal die 
ständige Beobachtung der ambulanten Kranken nicht angängig ist. 

Die allgemeine Anwendung der Tuberkulindiagnostik erscheint 
auch schon deshalb ausgeschlossen, weil dieselbe hinsichtlich der Zeit 
und Arbeit Anforderungen an den Arzt stellt, die er nicht übrig 
haben und auch nicht honoriert erhalten kann. 

Dagegen behält die elektische Tuberkulinanwendung für 
die Differentialdiagnose auch in der Praxis ihre grosse Bedeu¬ 
tung. Hier ist der Arzt sogar verpflichtet, jedes der ihm zu Gebote 
stehenden Mittel heranzuziehen, wenn es ohne Gefährdung des 
Patienten die Erkenntnis des Krankheitsbildes fördert; denn nur 
auf Grund gesicherter Diagnose kann die eine oder andere spe¬ 
zifische Behandlung eingeleitet werden, von welcher die Gesundung 
abhängt. Ich erinnere hier nur an die differentialdiagnostischen 
Schwierigkeiten bei Carcinomen und Sarkomen, die Blutung und 
Dämpfung — selbst in den Spitzen — verursachen können, ferner an 
die Infiltrationen bei Echinokokken, Aktinomykose und an die 
Lungensyphilis, die unter Hämoptoe, Abmagerung und Nachtschweissen 
auftreten kann. Im letzteren Falle ist allerdings Vorsicht in der 
Deutung der Tuberkulinreaktion geboten, da auch bei frischer Lues 
positive Reaktionen beobachtet sind; immerhin wird man bei ulcerösen 
Prozessen im Rachen und Kehlkopf aus dem reaktiven bezw. reaktions¬ 
losen Aussehen der Geschwüre auf Tuberkulose bezw. auf Syphilis 


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0. Roepke. 


[84 


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schliessen können. Was ich für die bakteriologische Diagnostik ge¬ 
sagt habe, gilt auch hier und zwar in einem noch höheren Masse: 
man darf die Tuberkulindiagnostik nicht von der klinischen loslösen. 
Man greife nicht handwerksmässig zur Tuberkulinspritze oder schliesse 
schematisch aus Fieber auf Tuberkulose; man muss jeden einzelnen 
Fall gleichzeitig klinisch beobachten, untersuchen und individuell 
nach Massen seiner Anamnese, Konstitution und klinischen Erschei¬ 
nungen beurteilen, um ans Ziel zu kommen. Wir können also zu¬ 
sammenfassend sagen: In der Praxis genügt im allgemeinen und in 
den weitaus meisten Fällen die Diagnosenstellung auf Grund kli¬ 
nischer Untersuchung, nur bei besonderen differentialdiagnostischen 
Schwierigkeiten wird die Diagnosen sicher Stellung auf Grund pro- 
batorischer Tuberkulinimpfung notwendig. 

Anders in der geschlossenen Anstalt. Der freien Praxis, den 
offenen Kurorten steht die Heilstätte gegenüber. Für diese bildet 
die Sicherstellung der Diagnose den ersten und in Ansehung 
der vielen gegen die Heilstätten gerichteten Angriffe einen vitalen 
Akt ihrer Tätigkeit. Die Heilstättengegner, welche unsere Erfolge 
nicht anerkennen wollen, werden eines wirksamen Agitationsmittels 
beraubt, wenn der sichere Beweis erbracht wird, dass die Lungen¬ 
erkrankungen unserer Patienten auch tatsächlich tuberkulöser Natur 
sind. Weiter! So peinlich die Sauberkeit, Husten- und Spuckdisziplin 
in der ganzen Anstalt auch sein mag, bei der über allen Zweifel 
erhabenen Richtigkeit der Stäubchen- und Tröpfcheninfektion ist eine 
erhöhte Gefahr für diejenigen nicht wegzudisputieren, die sich mit 
einer kranken und für die Ansiedelung der Tuberkelbacillen besonders 
disponierten Lunge längere Zeit und in intimem Verkehr unter 
Tuberkulösen bewegen. Darum ist die Ausschliessung von Nicht¬ 
tuberkulösen aus der Heilstätte geboten und damit die nach dem 
Stande der Wissenschaft bestmögliche Sicherstellung der Diagnose 
eine conditio sine qua non. Dann aber erscheint mir der Stand¬ 
punkt des „in dubiis pro Tuberculosi“ zu unwissenschaftlich, zum 
wenigsten nicht wissenschaftlich genug für die Heilstätten, die im 
eigensten Interesse danach streben sollten, sich als Spezialkranken¬ 
häuser zu betätigen, um den wissenschaftlichen Instituten anderer 
medizinischer Disziplinen gleichwertig zu werden. 

Irgendwelche Bedenken gegen die allgemeine Anwendung der 
Tuberkulindiagnostik bestehen für die Heilstätte nicht. Die Autorität 
des Anstaltsarztes wird die Patienten auch ohne direkten Zwang zur 
Duldung der diagnostischen Tuberkulinimpfung gefügig machen, sofern 
die Vorbedingung für ein erfolgreiches ärztliches Handeln überhaupt 
vorhanden und in dem Vertrauen der Kranken zu ihrem Arzte gegeben 



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85] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


313 


ist, dass dieser nur das Beste für sie will und wählt. Der Heilstättenarzt 
wird ferner soweit Tuberkulinspezialist sein, dass er unangenehme 
Störungen, soweit sie vermeidbar sind, auszuschalten versteht, und er 
wird schliesslich Zeit und Verständnis übrig haben für einen Abschnitt 
seiner Tätigkeit, der ihn im Interesse des Kranken über dessen 
lokalen Lungen- und Kehlkopfbefund in wünschenswertester Weise 
orientiert, und der ihm in seinem eignen Interesse über so manches 
Einseitige und Schematische im ärztlichen und wirtschaftlichen Heil¬ 
stättenbetriebe hinweghilft. 

Hinsichtlich der Differentialdiagnose hat die probatorische Tuber¬ 
kulinanwendung für die Heilstätte auch eine noch grössere Bedeutung 
wie für die Praxis, weil in der Heilstätte das Moment der gestei¬ 
gerten Infektionsgelegenheit hinzukommt. Hier werden gegenüber 
den Allgemeinerkrankungen neoplastischen, parasitären und syphili¬ 
tischen Charakters mehr lokale Veränderungen diagnostisch sicher zu 
stellen sein: so bei ererbten oder erworbenen Missgestaltungen am 
Thorax und an der Wirbelsäule, bei atypisch lokalisierten ausge¬ 
dehnten oder beschränkten Dämpfungen und Katarrhen, bei diffusen 
schwartigen Verwachsungen, chronischen Bronchitiden, Bronchiekta- 
sieen, Koniosen u. s. w. Die Voruntersuchungsstationen für die Heil¬ 
stätten, die sog. Polikliniken für Lungenkranke, sowie die Spezial¬ 
abteilungen der Krankenhäuser, die ihr Material zu sichten und der 
geeigneten Behandlung zuzuführen haben, werden ebenfalls die all¬ 
gemeine Tuberkulindiagnostik anwenden müssen. 

Für die Anwendung der Tuberkulindiagnostik möchte ich 
das tuto, cito, iucunde der alten Chirurgen als Leitmotiv aufstellen. 

Gegen das tuto der diagnostischen Tuberkulinanwendung 
werden immer wieder die vereinzelten, dahingehenden Beobachtungen 
ins Feld geführt, dass auf Tuberkulininjektionen auch Nichttuber¬ 
kulöse reagiert und andrerseits zweifellos Tuberkulöse zuweilen nicht 
reagiert haben. Solchen Ausnahmefällen lassen sich die Erfahrungen 
Robert Kochs gegenüber stellen, der bei etw;* 3000 Patienten zu 
diagnostischen Zwecken die Tuberkulininjektionen gemacht und in 
etwa 99°/o der Fälle positiven Erfolg erzielt hat. Besonders über¬ 
zeugend ist auch folgende Mitteilung von Dr. France-Clayburg 
auf dem Tuberkulosekongress in London: von 55 mit Tuberkulin ge¬ 
impften Irrsinnigen reagierten 45 Personen, von letzteren kamen 
später 29 zur Obduktion, und alle 29 boten sichere Zeichen von 
Tuberkulose. Von denjenigen, die nicht reagiert hatten, wurden 
fünf obduziert, keiner wurde als tuberkulös befunden. „Mehr kann 
man von einem diagnostischen Hilfsmittel nicht verlangen“. 


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0. Roopke. 


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Der zweite Einwand geht dahin, dass die Tuberkulinreaktion 
keine Sicherheit über den Sitz des tuberkulösen Herdes in der Lunge 
gebe. Demgegenüber ist zu bemerken, dass in den weitaus meisten 
Fällen schon die Klagen der Reagierenden auf die Lunge hinweisen, 
und die Angaben über Bruststiche und gesteigerten Hustenreiz 
werden durch das vermehrte Auftreten von Auswurf bestätigt. Wo 
das nicht der Fall ist, wird die objektive Untersuchung während 
der Reaktion oder unmittelbar nach derselben den in einen ent¬ 
zündlichen Reizzustand versetzten tuberkulösen Herd an dem Auf¬ 
treten oder der Vermehrung von Rasselgeräuschen, an dem ausge¬ 
sprocheneren unreinen, rauhen oder verschärften Atmen über der 
erkrankten Stelle erkennen lassen. Und gelingt wirklich in ganz 
vereinzelten Fällen der Nachweis der lokalen Reaktion in den Lungen 
nicht absolut sicher, deuten dann nicht die anamnestischen Daten, 
welche den Kranken zum Arzt führten, unterstützt durch die klini¬ 
schen Symptome, die ihn in die Heilstätte brachten, darauf hin, dass 
der reagierende tuberkulöse Herd in demjenigen Organ liegen wird, 
welches im Vordergründe der individuellen Erscheinungen steht und 
die vornehmste Prädilektionsstelle der Tuberkulose bildet, in den 
Lungen? Man würde doch logischer ärztlicher Überlegung direkt 
Zwang antun, wollte man da, ohne an irgend einer Stelle des Körpers 
einen reagierenden Herd finden zu können, den Sitz der Tuberkulose 
aus der Lunge heraus in ein anderes entferntes Organ verlegen. 
Nur die Tracheobronchialdrüsen beanspruchen eine besondere Be¬ 
rücksichtigung, da sie häufig die erste Lokalisation der Tuberkulose 
im Körper darstellen. In nicht seltenen Fällen, in denen der Lungen- 
befund keine charakteristischen Reaktionserscheinungen zeigt, findet 
man im Interskapularraum eine gesteigerte Schmerzhaftigkeit bei der 
Perkussion, sowie auskultatorisch ein hauchendes, dem bronchialen 
Charakter sich näherndes Atemgeräusch; subjektiv werden die be¬ 
kannten Stiche zwischen den Schulterblättern geklagt. Wir werden 
nicht fehlgehen, in diesen Erscheinungen eine durch Hyperämie ein¬ 
geleitete Entzündung zu sehen, die sich als Tuberkulinwirkung in der 
Umgebung der tuberkulös erkrankten Bronchialdrüsenherde abspielt. 
Von andern Autoren ist in solchen Fällen eine Spinalgie beobachtet, 
die sich in Klopfschmerz bei Erschütterung der obersten Brustwirbel 
äusserte. Lässt aber die Tuberkulinreaktion auf einen tuberkulösen 
Prozess in den Hilusdrüsen schliessen, so liegt beim Vorhandensein 
anamnestischer und klinischer Lungenerscheinungen der Gedanke nahe, 
die Ätiologie der letzteren mit derjenigen des ersteren zu identifizieren. 

Das iucunde der Tuberkulindiagnostik ist selbstverständlich 
cum grano salis zu verstehen. Die ausgesprochenen Allgemeinerschei- 



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87J 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


815 


nungen der Reaktion — Unbehagen, Mattigkeit, Übelkeit, Kopf- und 
Gliederschmerzen, Herzklopfen — sind alles andere als angenehme 
Empfindungen. Sie sind nicht mit Sicherheit in allen Fällen zu ver¬ 
meiden und oft gar nicht von der Temperatur Steigerung abhängig. 
Andererseits fehlt es aber an jeglicher Berechtigung, immer wieder 
dem Tuberkulin direkte Gesundheits-Schädigungen und -Gefährdungen 
zu vindizieren, die bei seiner ersten und absolut unzweckmässigen 
Anwendung vorgekommen sind. Nach den tausendfachen absolut zu¬ 
verlässigen Beobachtungen der letzten Jahre wäre es wirklich an der 
Zeit, das kritiklose Nachsprechen der Schlagworte von „Generalisierung 
des Tuberkelgiftes“, „Mobilmachung einer feindlichen Armee“ und 
dergl. aufzugeben. Um die Tuberkulindiagnostik zu einem möglichst 
schonenden Verfahren zu gestalten und durch dasselbe die Patienten 
auch nicht einmal in ihrem Allgemeinbefinden irgend wie erheblich 
zu schädigen, hatPickert 1 ) die Injektionen in der Weise ausgeführt, 
dass er als Anfangsdosis 1 h mg wählte, die nach 6—8 Tagen in 
der gleichen Höhe oder auf mg gesteigert wiederholt wurde. Das 
Ergebnis der bei 46 Patienten geübten Methode war, dass 41 auf 
solche kleinsten Dosen Tuberkulin reagierten. Ausserdem sollten 
nach Pickerts Ansicht diese Reaktionen gerade dadurch beweisend 
für die Diagnose der Lungentuberkulose sein, dass sie auf Injektionen 
von so geringen Mengen Tuberkulin eintreten. Man wird den doppelten 
Zweck, den Pick er t im Auge gehabt hat, — das iucunde atque tuto 
der Tuberkulindiagnostik — im ganzen wohl als erreicht ansehen 
müssen. Doch sollte man meines Erachtens den Begriff „Reaktion“ 
nicht allzu ängstlich durch eine Temperaturerhöhung yon 0,5° be¬ 
stimmt sein lassen. Die grosse Labilität der Körpertemperatur ist 
für unsere Lungenkranken pathognomisch. Es ist eine bekannte 
Tatsache, dass Gemütsbewegungen freudiger oder trauriger Art, ein 
Wortwechsel, eine Schachpartie oder ein Skat, ferner Steigerungen 
der körperlichen Leistung, eine Untersuchung, ein Vollbad, Verdau¬ 
ungsstörungen, Stuhl Verstopfung, erhöhte Aussentemperatur u. dergl. 
mehr bei Phthisikern das Thermometer rasch und oft um mehrere 
Zehntel ansteigen lassen. Alles dies pflegt aber nach meinen Be¬ 
obachtungen den Kranken weniger zu alterieren als die allgemein 
immer noch so sehr gefürchtete „Impfung“. Wie leicht kann da das 
Zusammenfallen einer durch die Alteration bedingten Erhöhung mit 
der physiologischen Steigerung nach den Hauptmahlzeiten oder in 
den Abendstunden zu dem ausschlaggebenden halben Grad führen! 
Es kommt hinzu, dass unsere sonst fieberfreien Kranken oft schon 


i) cf. Zeitschrift für Tuberkulose und Heilstätten wesen. Band IV, Heft I. 


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0. Roepke. 


L88 


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gegenüber leichten Temperatursteigerungen in ihrem subjektiven Be¬ 
finden auffallend stark reagieren und die meisten schon Erhöhungen 
auf 37,3° unangenehm empfinden. Demnach scheint mir auch das 
Hinzutreten einer unerheblichen Störung des Allgemeinbefindens 
zu einer unerheblichen Steigerung der Körpertemperatur noch 
nicht einwandsfrei eine „Tuberkulinreaktion“ darzustellen. Pflegt 
doch Koch, selbst wenn eine Temperatursteigerung nach 1 bezw. 
5 mg eintritt, diese Dosis „der Sicherheit wegen“ noch einmal zu 
wiederholen, augenscheinlich aus dem Grunde, um etwaige inter¬ 
kurrente Einflüsse auszuschalten und in der nunmehr eintretenden 
zweiten und gewöhnlich stärker ausfallenden Reaktion erst den un¬ 
trüglichen Beweis für das Vorhandensein einer Tuberkulose zu haben. 

Die diagnostische Tuberkulinimpfung nach einmal eingetretener 
Reaktion nochmals zu wiederholen, begegnet in der Heilstätte grossen 
Schwierigkeiten und wird auch seitens verständnisvoller Patienten als 
Quälerei angesehen. Und man wird dem Laien — den Kranken wie 
den krankenfürsorgepflichtigen Organen — eine gewisse Berechtigung zu 
solcher ablehnenden Auffassung nicht absprechen können. Darum 
empfiehlt es sich des tuto wegen von vornherein möglichst solche 
Dosen zu wählen, die auch durch einen nur einmaligen typischen 
Eintritt und Ablauf der Reaktion diagnostische Zweifel so gut wie 
ausschliessen. 

Nicht weniger wichtig ist aber das cito der Tuberkulindiagnostik, 
das, soweit ich die Tuberkulinliteratur überblicke, bisher von keiner 
Seite gebührend betont ist. Ich habe beobachtet, dass von zwei Heil¬ 
stätten, welche unter den gleichen örtlichen Verhältnissen über ein 
gleiches Krankenmaterial verfügten, die eine das Tuberkulin mit vollem, 
ganz freiwilligem Einverständnis ihrer Kranken ausnahmslos anwenden 
konnte, während die andere auf fortgesetzten Widerstand seitens 
einer grossen Anzahl der Patienten stiess. Und der Grund für das 
auffallend verschiedene Verhalten der Kranken hier und dort lag 
einzig und allein in der ganz verschiedenen Handhabung der Tuber¬ 
kulindiagnostik: hier verschleppte sich dieselbe auf 2—3 Wochen 
und länger, ehe sie zu einer abschliessenden Reaktion führte, dort 
war ein gleicher Fall in wenigen Tagen geklärt. Das Hangen und 
Bangen in schwebender Pein ist dem impulsiven Naturell unserer 
Tuberkulösen recht zuwider. Es war immer wieder dasselbe Bild zu 
beobachten, wenn der Patient zum so und so vielsten Male oder gar 
nach wochenlanger Unterbrechung nochmals zur Vornahme der In¬ 
jektion in dem Untersuchungszimmer erscheinen musste. Aufgeregt, 
mit rotem Kopf und zitternd an allen Gliedern stösst der Kranke 
hervor: „Herr Doktor, jetzt lasse ich mich nicht mehr impfen, lieber 



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89] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


317 


gehe ich! Ich habe den Appetit verloren, kann nicht mehr schlafen 
und die Schmerzen in der Brust sind ärger denn je!“ Solche Leute 
klagen nichts Falsches oder Erdachtes, so steht es tatsächlich mit 
ihnen. Muss nicht bei der ihnen wohlbekannten Bedeutung der 
Tuberkulinimpfung eine auf Wochen ausgedehnte Ungewissheit ihren 
psychischen und damit ihren physischen Zustand ungemein ungünstig 
beeinflusst haben! Gewiss gibt es auch Kranke, bei denen solche 
explosive Äusserungen nicht hervortreten; diese bilden aber das viel 
kleinere Häufchen jener phlegmatischen Naturen, die eben durch 
nichts, auch nicht durch eine fünf-, sechsmalige und häufigere Injektion 
aus ihrer beschaulichen Ruhe gebracht werden. 

Nun könnte man einwenden, dass die schnelle Erledigung der 
diagnostischen Tuberkulinanwendung dem obersten Grundsatz ärzt¬ 
lichen Handelns „nihil nocere“ nicht gerecht würde, vielmehr durch 
das Vorherrschen hoher Fieberkurven und stürmischer Allgemein¬ 
erscheinungen mit Schädigungen für den Kranken verknüpft sei. 

Dass dem nicht so ist, beweisen meine hiesigen Beobachtungen. 
Von den 153 Kranken, welche keine Tuberkelbacillen im Auswurf 
hatten, wurden in der Heilstätte 145, also 48 °/o der Aufgenom menen, 
der Tuberkulinprobe unterworfen. Nur in 5 anamnestisch und klinisch 
als Tuberkulose anzusprechenden Fällen ist die Tuberkulindiagnostik 
unterblieben, und zwar in je einem Fall von multiplen tuberkulösen 
Knochen- und Drüsenherden, schwerer traumatischer Neurasthenie, 
Epilepsie, funktioneller Herzstörung und hochfieberhafter septischer 
Magenerkrankung. In weiteren drei Fällen waren die Injektionen 
überflüssig, da eben auf Grund des positiven Ausfalles derselben die 
betreffenden Kranken in die Heilstätte geschickt waren; auch in 
diesen war übrigens die klinische Diagnose nicht zweifelhaft. 

Bei 2 Personen ergab die Tuberkulindiagnostik ein negatives 
Resultat, welches sich in dem einen Fall mit dem ebenso negativen 
klinischen Befund deckte, in dem anderen die vorhandenen katarrha¬ 
lischen Erscheinungen lediglich als auf Emphysem und chronischer 
Bronchitis beruhend erkennen Hess. 

Die 143 positiven Reaktionen verteilen sich nach dem klinischen 
Befunde, den die Geimpften bei ihrer Aufnahme boten, auf 123 
erste und 20 zweite Stadien. 

In allen Fällen erfolgte die diagnostische Verwendung des Tuber¬ 
kulins nach einem Modus, der mit dem im Institute für Infektions¬ 
krankheiten üblichen im ganzen übereinstimmt: Es wurden in der 
Regel nur Kranke, deren Temperatur-Tagesraaximum 37° bei Mund¬ 
messung nicht überschritt, der Tuberkulinprobe unterzogen. Die ver¬ 
einzelten Fälle, in denen die Temperatur — meist einem eretischen 


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0. Roepke. 


[90 


Temperament der Kranken entsprechend — in unregelmässigem und 
atypischem Verlaufe 37,1—37,3° erreichte, bildeten auch keine Kontra¬ 
indikation. Sofern indes Temperatur- und Pulskurve auf einen auch 
nur ganz leichten Fieberzustand schliessen Hessen, wurde mit der In¬ 
jektion bis nach der völligen und sicheren Entfieberung des Patienten 
gewartet. Als Anfangsdosis wurde stets 1 mg gewählt; erfolgte keine 
Temperatursteigerung, so wurden nach zwei Tagen 5 mg und, falls auch 
jetzt noch keine Reaktion eintrat, nach weiteren zwei Tagen 10 mg 
injiziert. Eine Reaktion wurde angenommen, wenn Temperatur¬ 
steigerungen von mindestens 0,5° gegen die für die gleiche Tages¬ 
zeit vorher bestimmte Normaltemperatur und mehr oder weniger 
ausgesprochene Allgemeinstörungen eingetreten waren. Waren auf 
1 mg bezw. auf 5 mg nur geringere Schwankungen in der Körperwärme 
zu beobachten, so wurde bei schwächlichen Personen die Dosis in 
gleicher Höhe wiederholt, bei kräftigen Menschen auf 2—4 mg bezw. 
auf 6—8 mg gesteigert, in allen Fällen aber erst dann, wenn die 
Temperatur wieder vollkommen zur Norm zurückgekehrt war. 

Um die Art der Reaktionen zu illustrieren, habe ich das 
Material nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellt, zu¬ 
nächst nach der Anzahl der bei den einzelnen Kranken notwendig 
gewesenen Injektionen. 

Es reagierten auf die erste Tuberkulininjektion 84 Kranke = 59 °/o, 

„ „ „ „ zweite „ 41 „ — 28,5 °/o, 

,, ,, „ dritte 18 „ = 12,5 °/o. 

Danach kamen auf je zwei Kranke drei Injektionen; ferner 
sehen wir mit einer Anfangsdosis von 1 mg sofort 6 /io der Fälle er¬ 
ledigt, und nur jeder achte Patient braucht dreimal geimpft zu 
werden, alles Erscheinungen, die für die Ärzte grösserer Anstalten 
ebenso bequem wie angenehm für die Kranken sind. 

Eine weitere Folge ist die wesentliche Verkürzung des 
diagnostischen Zeitraums zu gunsten des therapeutischen 
Heilstättenaufenthaltes. Die ganze Tuberkulin-Diagnostik beanspruchte 
nämlich vom Tage der ersten Injektion — diesen mitgerechnet — 
bis zu dem Termine, an welchem die Reaktion abgeklungen und die 
Temperatur dauernd auf 37° und darunter gefallen war, 


in 12 Fällen 

2 Tage 



in 4 Fällen 

8 Tage 


„ 40 „ 

„ 3(5 , 

3 „ 

4 * 

61,5o/o 

90 °/o 

» 3 .. 

-2 „ 

9 „ 

10 r 

■ 10°/o. 

19 .. 

5 

v Ö , 

11 , 


, 12 „ 

6 





.. 10 

7 , 





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91] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


319 


Diese Zahlen besagen, dass bei 9 /io aller Injizierten die ätio¬ 
logische Frage der Erkrankung innerhalb einer Woche entschieden 
und überstanden war, bei mehr als 6 /io sogar schon in vier Tagen, 
während nur für jeden Zehnten ein höchstens elftägiges Quarantäne¬ 
stadium notwendig war. 

Zur vergleichsweisen Beurteilung der einzelnen Tuberkulin¬ 
reaktionen als solche können wir die allgemeinen und örtlichen 
Reaktionserscheinungen ihrer vielfachen Variationen wegen nicht, 
verwenden. Ich will daher die Temperatursteigerung als den präg¬ 
nantesten Ausdruck der Reaktion zum Massstab annehmen und ein 
Reaktionsfieber bis zu 38° mit einer schwachen Reaktion, ein 
solches von 38°—39° mit einer mittelstarken und ein solches 
über 39° mit einer starken Reaktion identifizieren. Danach ergibt 
die Zusammenstellung 91 schwache Reaktionen = 64%, 

42 mittelstarke „ = 29°/o, 

10 starke „ — 7°/o. 

Die Dauer der einzelnen Reakti onen betrug vom Datum 
der Injektion bis zu dem völliger Entfieberung — beide Tage mit 
eingerechnet — 

in 23 = 16,1 °/o der Fälle 2 Tage, 


„ 68 = 47,5°/o 
„ 35 = 24,5 °/o 
, 15 = 10,5% 
„ 1 = 0,7 % 

, 1 = 0,7% 


3 

4 

5 

6 
8 


= 63,6%. 


\ 


= 35,0 °/o. 

P 

} = 1,4 °/o. 


Aus diesen Zahlen geht hervor, dass in fast */s der Fälle nicht 
nur schwache Reaktionen bis 38°, sondern auch kurze, in 2 —3 Tagen 
abgelaufene Reaktionen erzielt wurden. 35 °/o der Reaktionen dauerten 
4—5 Tage, während von den sämtlichen 143 Reaktionskurven nur 
zwei einen protrahierten Ablauf von sechs bezw. acht Tagen auf¬ 
weisen. Das Verhältnis der schwachen, mittelstarken und starken 
Reaktionen zueinander ist auch als ein sehr günstiges zu bezeichnen 
und lässt sich in den Zahlen 9:4:1 ausdrücken. 

Der zeitliche Ablauf der einzelnen schwachen, mittelstarken 
und starken Reaktionen gestaltete sich folgendermassen: 

Es waren erledigt 

desgl. die mittelstarken: 
bei 2 Fällen in 2 Tagen 
■ 16 , , 3 „ 

,15 , , 4 „ 

, 8 , ,5 , 

,1 - , 8 , 


die schwachen Reaktionen: 
bei 21 Fällen in 2 Tagen 

, 47 , „ 3 „ 

, 16 , , 4 „ 

, 6 » » 5 

, 1 , , 6 „ 


desgl. die starken: 
bei 5 Fällen in 3 Tagen 
, 4 „ „ 4 , 

. 1 , , 5 . 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd I. H. 3. 


22 


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0. Roepke. 


[92 


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Wir sehen also bei den schwachen Tuberkulinreaktionen eine 
Reaktionsdauer von 2—3 Tagen, bei den mittelstarken und starken 
eine solche von 3—4 Tagen vorherrschen; indes nehmen die mittel¬ 
starken Reaktionen den protrahierteren Verlauf, während die starken 
sich viel schneller auszutoben pflegen. Letztere bieten gerade in 
dem rapiden Anstieg und kritischen Abfall der Temperatur, in dem 
schweren Krankheitsbilde während der Reaktion und dem absoluten 
Wohlbefinden nach derselben den Typus der am meisten charak¬ 
teristischen Tuberkulinreaktion. Dieses war auch bei den zehn stark 
reagierenden Patienten zu beobachten, obwohl die Temperaturen 
keineswegs excessiv hohe waren. 

Es wurde nämlich 2 mal 39,1°, 4 mal 39,2°, 2 mal 39,4°, lmal 
39,5° und lmal als Maximum 39,8° erreicht. In dem letzten, 
schwersten Fall, der auch 5 Tage bis zur völligen Entfieberung 
brauchte, bestand neben einer klinisch nachweisbaren Lungentuber¬ 
kulose der Verdacht auf Nierentuberkulose. Es gelang dann auch 
in dem nur während der Reaktion mit wenig Blut und Schleim ver¬ 
mischten Urin spärlich Tuberkelbacillen nachzuweisen, von denen eine 
Anzahl in Eiterzellen eingeschlossen war. — Die Dosierung war bei 
den starken Reaktionen 4mal 1 mg (I. Injektion), lmal 3 mg (II. In¬ 
jektion), lmal 8 mg (III. Injektion) und 4mal 10 mg (III. Injektion). 
Wäre die überwiegende Mehrzahl dieser starken Reaktionen auf die 
erste Injektion von 1 mg erfolgt, so hätte man mit Recht letztere 
als zu hoch gewählt ansehen können. Da aber nach meinen Be¬ 
obachtungen die starken Reaktionen ebenso häutig nach der ersten 
wie nach der dritten Impfung auftreten, kann ich mit Beck in dem 
Heruntergehen der Anfangsdosis unter 1 mg nur eine Verzögerung 
der ganzen Tuberkulindiagnostik erblicken. 

Meines Erachtens hat eine verkürzte, schnell und sicher erledigte 
Tuberkulindiagnostik gegenüber der verzögerten, langsam und tastend 
vorgehenden nicht nur keine Nachteile, vielmehr offenbare Vorteile 
bezüglich des Ausfalls der Reaktionen. Zum Beweise will ich meinen 
Ergebnissen diejenigen der Heilstätte Belzig gegenüberstellen, die 
— allerdings nur in der geringeren Anzahl von 116 Reaktionen — 
im Band III, Heft 4 der Zeitschrift für Tuberkulose und Heilstätten¬ 
wesen veröffentlicht sind. In Belzig wählte man als Anfangsdosis 
Vio— 2 I io mg, steigerte bei der II. Injektion auf 5 /io—1 mg, bei der 
dritten auf 3—5 mg und schliesslich bei der vierten auf 6—10 mg. 
Stelle ich nun die in Belzig notierten Temperatur Steiger ungen, ganz 
dem Modus meiner Statistik entsprechend, zusammen, so erhalte ich 
für Belzig 



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93] 


Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


321 


schwache Reaktionen in 48°/o der Fälle (64°/o) 

mittelstarke „ „ 33°/o „ „ (29°/o) 

starke „ „ 19°/o „ „ ( 7°/o) 

Die in Klammem beigefügten Zahlen sind meine Werte. Ein 
vergleichender Blick belehrt, dass in meinen Fällen die schwachen 
Reaktionen um 1 /s häufiger, die starken fast dreimal seltener sind 
als dort. 

Zur Herstellung einwandfreier Tuberkulinverdünnungen 
empfehle ich folgende Methode *), die für jedermann und überall ohne 
kostspielige Apparate und ohne grösseren Zeitaufwand ausführbar ist. 
Eine Vollpipette (10 ccm Inhalt) und eine Messpipette (1 ccm Inhalt, 
geteilt in 0,1 ccm), welche in einer mit Alkohol gefüllten Flasche 
aufbewahrt sind, werden in einer Kochflasche tüchtig ausgekocht, so 
dass das siedende Wasser bis hoch in das Lumen der Pipetten hinauf¬ 
steigt und durch 5 Minuten langes Einwirken alle Krankheitserreger 
vernichtet. Gleichzeitig wird in einem Er lenmey er-Kolben Wasser 
5 Minuten lang zum Sieden gebracht und darauf der Inhalt durch 
schnelles Umstürzen des Kolbens ganz entleert. Wird nun noch der 
Kolbenhals durch mehrmaliges Drehen in der Flamme abgeglüht und 
mit einem oberflächlich abgesengten Wattepfropf verschlossen, so ist 
auch der Kolben zur Aufnahme der Verdünnung steril. Nunmehr 
bringt man in diesen mittelst der grösseren Pipette 10 ccm sterili¬ 
sierter physiologischer Kochsalzlösung; dann entnimmt man mit der 
andern Pipette, deren unterer Abschnitt über der Flamme noch ge¬ 
trocknet werden kann, aus dem Originalfläschchen 0,1 ccm Tuberkulin 
(Tuberculinum Kochii) und fügt es zu den 10 ccm physiologischer 
Kochsalzlösung hinzu. Diese Mischung wird schliesslich in dem ge¬ 
schlossenen Kolben erhitzt bis die ersten Blasen aufsteigen, alsdann 
möglichst schnell abgekühlt und ist nun gebrauchsfertig. — Bei der 
gewählten Konzentration von 0,1 :10,0 enthält die ganze Pravazspritze 
10 mg, 1 Teilstrich mithin 1 mg Tuberkulin. Eine weitere Verdün¬ 
nung, in welcher 1 Teilstrich der Spritze nur 3 /io mg enthalten soll, 
gewinnt man leicht dadurch, dass man in einem zweiten sterilen 
Kolben mit denselben Pipetten 1 ccm der ersten Verdünnung mit 
10 ccm physiologischer Kochsalzlösung mischt und bis zum Aufsieden 
erhitzt. Diese Lösungen können auch noch nach 2—3 Tagen wieder 
verwendet werden, indes müssen sie unmittelbar vor dem Gebrauche 
nochmals aufgekocht werden. 

Die Injektion ist ebenfalls unter aseptischen Kautelen vorzu- 
nehmen. Zu diesem Zwecke wird die Lu ersehe Injektionsspritze, 


*) cf. Tuberculosis. Vol. 1, Nr. 5. Bemerkungen zur allgemeinen Anwendung 
der Tuberkulindiagnostik. Vom Verfasser. 


22* 


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322 


0. Roepke. 


[94 


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welche ganz aus Glas besteht, mit der zugehörigen Kanüle und einem 
Glasklotz in einer Porzellanabdampfschale 5 Minuten lang ausgekocht. 
In den Hohlraum des abgekühlten Glasklotzes wird die zu verwendende 
Tuberkulinlösung geschüttet, von hier in die Spritze aufgezogen und 
subkutan in die mit Äther abgeriebene Hautpartie injiziert. 

Als Einstichstelle wähle ich nicht, wie allgemein üblich, 
die Interskapulargegend, sondern die Haut des Oberarmes, abwechselnd 
auf der rechten und linken Seite. Die Patienten, die zum Zwecke 
der Injektion das umständliche Auskleiden bis zur Entblössung des 
Oberkörpers vornehmen müssen, sind leicht geneigt, einen grösseren 
operativen Eingriff zu fürchten, der im wahren Sinne des Wortes 
hinter ihrem Rücken vorgenommen werden soll. Nur misstrauisch 
und zaghaft drehen sie sich um, um beim Einstich der Spritze zu¬ 
sammen zu zucken und mit dem Oberkörper auszuweichen. Anders 
der Kranke, der nur den Hemdärrael emporzustreifen braucht und 
ruhig zusehen kann, wie unbedeutend und einfach in praxi die ge¬ 
fürchtete Tuberkulinimpfung ist: „ Schon fertig ?“ lautet meist diebe¬ 
zeichnende Frage. Wichtiger ist der folgende Grund. Fast aus¬ 
schliesslich pflegt während der Reaktion die Einstichstelle mit ihrer 
Umgebung schmerzhaft und besonders druckempfindlich zu sein, selbst 
wenn alle Entzündungserscheinungen fehlen. Ist die Injektion im 
Interskapularraum gemacht, so können berechtigte Zweifel entstehen, 
ob etwaige Schmerzen in dieser Gegend durch die Injektion als solche 
oder durch die reagierenden Herde in den Bronchialdrüsen bedingt 
sind. Das oben erwähnte Symptom der schmerzhaften Perkussion 
verliert auch seine diagnostische Bedeutung. Wurde hingegen in den 
Arm injiziert, so deutet während der Reaktion sowohl die Klage über 
die charakteristischen Stiche zwischen den Schulterblättern als auch 
die gesteigerte Empfindlichkeit bei der Perkussion des Interskapular- 
raums auf reaktive Vorgänge innerhalb des Thorax und beim Fehlen 
von pulmonalen Reaktionsvorgängen auf solche in den Tracheo- 
bronchialdrüsen. 

Gleich diesem Hinweis mag mancher der hier gegebenen als 
quantite negligeable erscheinen in der Annahme, dass man einer 
Krankheit, die den Charakter einer Volksseuche angenommen hat, 
mit kleinen Mitteln nicht beizukommen vermag. Die Annahme be¬ 
steht zu recht, soweit eine grosszügige Prophylaxe in Frage kommt, 
sie ist bedingt richtig für eine planvolle Therapie, und sie ist falsch 
in Beziehung auf die Diagnostik. Der Kliniker hat keinen be¬ 
stimmten Nährboden und keine bestimmte Brutschranktemperatur, 
auf welchem und in welcher er bacilläre Lebensäusserungen beobachten 
und feststellen kann. Soviel Menschen soviel verschiedene Konsti- 



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Zur Diagnostik der Lungentuberkulose. 


323 


tutionen und Nährsubstrate für den eingedrungenen Tuberkelbacillus; 
soviel Altersklassen, Stände und Berufe so viel verschiedene Lebens¬ 
verhältnisse und Optima für die Entstehung der Lungentuberkulose. 
Da können nur Feinheiten und Kunstgriffe, die von jedem zu erlernen, 
aber auch zu üben sind, auf den vielfach miteinander verschlungenen 
Wegen anamnestischer, klinischer, bakteriologischer und tuberkulin¬ 
diagnostischer Forschung zum Ziele, zur Erkenntnis der Lungentuber¬ 
kulose und ihres Verlaufes, führen. Altmeisters Dettweiler Motto 
„Im Kleinen gross“ gilt auch für die Diagnostik der Lungentuberkulose. 


Schlusssätze. 

Es würde meiner mit Rücksicht auf die Kleinheit des Materials 
von vornherein geäusserten Absicht widersprechen, die Ergebnisse 
der einzelnen Beobachtungen über die Ätiologie und Symptomatologie 
der Lungentuberkulose in Thesen zusammenzufassen. Dagegen scheint 
es mir angezeigt, die Hauptgesichtspunkte übersichtlich aneinander 
zu reihen, wie sie in der vorliegenden Arbeit als massgebend für den 
Gang der Diagnostik hingestellt sind: 

1. Den Epochen der rein empirischen, rein physikalischen und 
rein bakteriologischen Diagnostik der Lungentuberkulose ist die 
jetzige Epoche der Frühdiagnostik gefolgt. 

2. Die Frühdiagnostik der Lungentuberkulose baut sich auf den 
Ergebnissen der Anamnese und der klinischen Untersuchung 
auf; sie ist daher jedem Arzte möglich. 

3. Die anaranestischen Forschungen haben ausser der Vor¬ 
geschichte des Kranken die Gesundheitsverhältnisse seiner 
Familie festzustellen, da Familiendisposition und Familien¬ 
infektion getrennt und gleichzeitig für die Tuberkulose ent- 
stehung von Bedeutung sind. 

4. Zu den brauchbaren physikalischen Untersuchungs¬ 
methoden gehören Inspektion, Perkussion und Auskul¬ 
tation; letztere beiden sind für die Erkennung der Frühstadien 
gleich wichtig und deuten mit höchster Wahrscheinlich¬ 
keit auf einen tuberkulösen Krankheitsherd, wenn sie sich 
— auch mit nur minimalen Abweichungen —* gleichzeitig 
auf denselben Bezirk beziehen. 

5. In der allgemeinen Praxis soll die klinische Dia¬ 
gnose für das ärztliche Eingreifen entscheidend sein; klinisch 
zweifelhafte Fälle rechtfertigen bei gleichzeitiger positiver 
Anamnese das gleiche Vorgehen; selbst ein anscheinend nor- 


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324 


0. Roepke. Zar Diagnostik der Lungentuberkulose. 


196 


maler klinischer Befand soll den Arzt bei versicherungs¬ 
pflichtigen Patienten zum Vorschlag eines Heilverfahrens be¬ 
rechtigen, falls eine positive Anamnese sicher beobachtet ist. 

6. Die Sicherstellung der Diagnose erfolgt durch die bak¬ 
teriologische Sputumuntersuchung oder durch die proba- 
torische Tuberkulininjektion; sie bleibt der ärztlichen Tätig¬ 
keit in den Heilstätten, in den Spezialabteilungen der 
Krankenhäuser und in den Polikliniken für Lungenkranke 
Vorbehalten. 

7. Der Nachweis des Tuberkelbacillus im Sputum bildet 
den sichersten Beweis für das Vorhandensein einer Lungentuber¬ 
kulose; er hat indes für die Erkennung der Frühstadien nur 
eine untergeordnete Bedeutung und soll von den praktizierenden 
Ärzten für die Diagnosenstellung nicht abgewartet werden. 

8. Die Tuberkulindiagnostik soll durch die Wahl nicht 
zu kleiner Dosen (l—5—10 mg) möglichst bald zur Entschei¬ 
dung führen; ihre allgemeine Anwendung ist in den Heilstätten 
unbedingt notwendig. 

9. Die probatorische Tuberkulininjektion kommt immer 
erst dann in Betracht, wenn die an verschiedenen Tagen 
wiederholte exakte Sputumuntersuchung negativ ausge¬ 
fallen ist oder Sputum überhaupt nicht produziert wird. 

10. Die Ergebnisse der Sputumuntersuchung und der Tuberkulin¬ 
anwendung müssen unter Berücksichtigung der klinischen 
Untersuchungsbefunde beurteilt werden. 


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Aus der Heidelberger Mediz. Poliklinik (Hofrat Prof. Dr. Vierordt). / ■ , 


Über die diagnostische Tuberkalininjektion und 
ihre Verwendung beim Heilstättenmaterial. 

Von 

Privatdozent Dr. Hammer. 


Die modernen Heilbestrebungen der Tuberkulose, die wir in 

einer erstaunlich kurzen Zeit und in glänzender Weise in der Er¬ 

richtung einer grossen Anzahl von Lungenheilstätten, Volkssanatorien, 
Tuberkuloseheimen etc. verwirklicht sehen, haben die möglichst früh¬ 
zeitige und sichere Diagnose dieser schleichenden, am Marke des 

Volkes zehrenden Krankheit zu einer brennenden Frage gemacht. 
Zwar stand schon von jeher die frühzeitige Erkennung der Tuber¬ 
kulose, speziell der Lungentuberkulose, als eine Frage von der 
grössten Bedeutung im Vordergrund des ärztlichen Interesses; die 

Lösung dieser wichtigen Frage hat den Ärzten stets als ein höchst 
erstrebenswertes Ziel vorgeschwebt und zu keiner Zeit ist ihre Be¬ 
deutung gerade als Vorbedingung für eine aussichtsvolle und erfolg¬ 
reiche Behandlung verkannt worden. Und wenn auch die frühe 
Diagnose der Tuberkulose mit ihren Konsequenzen jetzt und immer 
für den einzelnen Träger der Krankheit, für seine nähere Umgebung 
und Familie, von enormer Wichtigkeit ist; und wenn auch das 
Interesse des Arztes an der Frühdiagnose dieser schleichenden und 
gerade deswegen oft bösartigen Krankheit das allergrösste ist — 
beides Momente, die an sich wichtig genug sind, um wohl in die 
Wagschale zu fallen — so hat diese Frage seit dem letzten Jahrzehnt 
doch ein wesentlich anderes Aussehen angenommen; sie hat sich in¬ 
folge der modernen Heilstättentherapie entwickelt zu einer solchen 
von der grössten allgemeinen und volkswirtschaftlichen 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 22** 


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Dr. Hammer. 


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Bedeutung. Obwohl sich heute, nach dem erst kurzen Bestände 
der Volksheilstätten, ein abschliessendes und sicheres Urteil über den 
Wert derselben noch nicht fällen lässt, so hat sich doch nach der 
übereinstimmenden Äusserung sämtlicher Heilstättenleiter die Er¬ 
kenntnis Bahn gebrochen, dass sich nur die frühesten Stadien der 
Erkrankung für die Behandlung in diesen Anstalten eignen. Es 
muss immer berücksichtigt werden, dass diese Anstalten gegründet 
sind auf der Basis unserer sozialen Gesetzgebung; ihre Aufgabe be¬ 
steht darin, bei einer grossen Anzahl von versicherten Kranken eine 
frühzeitige Invalidität zu verhindern; deswegen müssen die Anstalten, 
die ihre Entstehung der Invalidenversicherung verdanken, stets das 
Wohl der Gesamtheit im Auge behalten; wenn sich dieses auch im 
wesentlichen mit demjenigen des Einzelnen deckt, so muss doch das 
Interesse des Einzelnen bei der Heilstättenbehandlung mehr in den 
Hintergrund treten. 

Hierin besteht der fundamentale Unterschied zwischen den pri¬ 
vaten Lungensanatorien, die nur das Interesse des Einzelnen zu 
wahren haben, und den Heilstätten der Versicherungsanstalten. 

Dieser Unterschied findet vor allen Dingen darin seinen Aus¬ 
druck, dass die für die Kur versicherter Kranker aufwendbare Zeit 
im allgemeinen eine beschränkte sein muss. In einem bestimmten 
Zeitraum von durchschnittlich etwa drei Monaten soll ein bestimmtes 
Heilresultat erzielt werden; schon hieraus allein resultiert bei dem 
Charakter und der Verlaufsweise der Lungentuberkulose die unab¬ 
weisbare Notwendigkeit, nur die ersten Erkrankungsstadien der Heil¬ 
stättenbehandlung zuzuführen; die inzwischen gewonnene Erfahrung 
hat im allgemeinen die Richtigkeit dieses Grundsatzes bestätigt. 

Die frühzeitige Erkennung der Tuberkulose unterliegt aber in 
sehr vielen Fällen den grössten Schwierigkeiten und trotz des emsigen 
Strebens und Arbeitens der Ärzte an der Verbesserung und Präzi¬ 
sierung der Untersuchungsmethoden muss zugegeben werden, dass 
leider nur allzuhäufig das Vorhandensein einer Tuberkulose höchstens 
vermutet, aber nicht bewiesen werden kann und die Auffassung, dass 
bei der Möglichkeit des sicheren Nachweises der Lungentuberkulose 
auf Grund des objektiven Untersuchungsbefundes die Krankheit viel¬ 
fach schon eine grosse Ausdehnung angenommen hat, erscheint durch¬ 
aus berechtigt. Unter solchen Umständen ist der Wunsch nach 
einer wirklich exakten Methode des frühzeitigen Nachweises der 
Tuberkulose ein lebhafter und wohlbegründeter und es leuchtet ohne 
weiteres ein, dass die Frage nach dem Wert und der Verwendbarkeit 
des Koch sehen Tuberkulins, welches in den ersten von Koch über 
das Tuberkulin veröffentlichten Mitteilungen als ein in Zukunft un- 


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3j Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenm&teriaL 327 

entbehrliches diagnostisches Hilfsmittel bezeichnet wurde, wieder 
eine akute und wichtige geworden ist. 

Nach der begeisterten Aufnahme der Tuberkulintherapie bei 
Laien und Ärzten, wie sie ein anderes therapeutisches Verfahren 
wohl kaum vorher erlebt hat, erfolgte sehr bald — ein jäher und 
völliger Zusammenbruch der Tuberkulinheilbestrebungen. Dieser jähe 
Zusammenbruch war aber sicherlich nicht eine Folge des Unwertes 
oder der Schädlichkeit des Kochseben Mittels, sondern im wesent¬ 
lichen bedingt durch eine zu kurze und ungenügende Erfahrung in 
der Anwendungsweise und durch die Ausdehnung des Tuberkulin¬ 
verfahrens auf zu schwere und ganz ungeeignete Fälle. Der thera¬ 
peutische Wert des Tuberkulins war auf diese Weise im Zeitraum 
von kaum einem Jahre zu Grabe getragen, aber es hatte sich doch 
aus dieser ersten, an trüben Erfahrungen scheinbar so reichen Tuber¬ 
kulinperiode eine nicht unbeträchtliche Wertschätzung des Tuber¬ 
kulins als diagnostisches Mittel entsprechend den prophetischen 
Worten Robert Kochs gerettet. Dasselbe wurde auch später, wenn 
auch nur ausnahmsweise, in vor allen Dingen differential-diagnostisch 
schwierigen Fällen verwendet und hinsichtlich der Diagnose stets mit 
gutem Erfolg. Es bleibt deswegen eine immerhin auffallende Er¬ 
scheinung, dass das Tuberkulin, zumal in Rücksicht auf die neuen 
Heilstättenbestrebungen, nicht in weit grösserem Masse zur Früh¬ 
diagnose der Lungentuberkulose zur Anwendung gelangt, als es tat¬ 
sächlich bisher geschieht. 

Die Ursache beruht in der grossen Abneigung gegen die Tuber¬ 
kulininjektionen, die als Resultat der ersten Tuberkulinperiode bei 
Ärzten und Laien entstanden ist. Die Gefahren, die mit der An¬ 
wendung des Tuberkulins verknüpft sein sollen, erscheinen zu gross 
und stehen scheinbar in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, sie ver¬ 
bieten den allgemeinen Gebrauch oder schränken ihn doch insoweit 
ein, dass ein erheblicher Nutzen für die Heilstättenzwecke dabei 
nicht herauskommen kann. Es mag auch die Umständlichkeit und 
die relativ lange Dauer des diagnostischen Tuberkulinverfahrens, 
als eine Schwierigkeit gelten, übrigens Momente, die im Verhältnis zu 
dem durch eine sichere Diagnose bedingten Vorteil kaum in Betracht 
kommen können. 

Die von vielen Autoren verlangte Krankenhausaufnahme, welche 
sicherlich, besonders für eine sorgfältige Beobachtung des Reaktions¬ 
resultates der diagnostischen Injektionen und auch für die Ver¬ 
meidung event. vorhandener Gefahren, das erstrebenswerte und ideale 
Verfahren darstellt, ist vorläufig leider nicht vereinbar mit einer 


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328 


Dr. Hammer. 


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allgemeineren Durchführung der Injektionen für Heilstättenzwecke 
wegen Mangel an geeigneten Beobachtungsstationen. 

Wenn man deswegen von vornherein nicht ganz verzichten will 
auf die diagnostischen Injektionen, so muss man, soweit wenigstens 
das Heilstättenmaterial in Betracht kommt, wohl oder übel die am¬ 
bulatorische Injektion in Anwendung bringen. Von diesem Stand¬ 
punkt ausgehend, sind in der hiesigen Poliklinik seit ca. 2 Jahren 
die Tuberkulin-Injektionen als diagnostisches Hilfsmittel angewandt 
und in folgender Weise ambulatorisch durchgeführt worden. 

Eine kurze Schilderung der Methode wird von Interesse sein, 
besonders in den ärztlichen Kreisen, welche häufiger in die Lage 
kommen, den Heilstätten Material zuzuführen. 

Zunächst werden die Patienten mit der Technik des Fieber¬ 
messens vertraut gemacht und zu diesem Zweck von einer Schwester 
aufs Genaueste instruiert. Die Temperaturen werden zunächst vier¬ 
stündlich am Tage gemessen, um 8, 12, 4, 8 Uhr, und in liniierte 
Oktavhefte, die die Patienten stets bei sich führen, eingetragen. Auf 
eine häufigere Messung, etwa 2- oder 3 stündlich, oder Tag und Nacht¬ 
messung, ist von vornherein verzichtet worden, so wünschenwert das 
an sich auch sein mag. Eine gewisse Beschränkung in dieser Hin¬ 
sicht ist bei der ambulatorischen Durchführung der Injektionen not¬ 
wendig; man darf nicht zuviel verlangen, zumal die Patienten zu¬ 
weilen auch während der diagnostischen Injektion in Arbeit geblieben 
sind und erst mit dem Auftreten der Reaktion die Arbeit für die 
Dauer der Reaktion aussetzten. Unter einer allzu häufigen Messung 
wird nach den gemachten Erfahrungen die Genauigkeit der einzelnen 
Messung leiden. Die Temperaturmessung haben selbst die weniger 
intelligenten Patienten bald begriffen. Jedenfalls lässt sich in kurzer 
Zeit ein Urteil darüber gewinnen, ob die Fähigkeiten der Patienten 
für eine genügend genaue Messung ausreichen; ganz ausnahmsweise 
musste die diagnostische Injektion wegen der Unmöglichkeit, eine ge¬ 
naue Messung zu erzielen, aufgegeben werden. 

Die vierstündliche Tagesmessung reicht zunächst vollkommen aus, 
um einen Überblick über die Temperaturverhältnisse zu gewinnen. 
Hatte sich nach mindestens 8 tägiger Beobachtung die Messung als 
richtig ausgeführt und die Temperatur als normal ergeben, so wurde 
mit den Injektionen begonnen und gleichzeitig noch 2 weitere Mes¬ 
sungen, morgens um 6 und abends um 10 Uhr, eingeschoben. 

Bestand dagegen Fieber, so wurde zunächst eine Entfieberung 
eingeleitet, bei welcher sich Aspirin in Dosen von 0,5 3 X tgl. oder 
ausnahmsweise 1,0 2 X tgl. am meisten bewährt hat, dasselbe er¬ 
scheint dem Pyramidon für den genannten Zweck noch überlegen zu 



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5J Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. HeilstÄttenmaterial. 329 

sein; oder liess die Messung eine fehlerhafte Ausführung erkennen, 
so wurde mit dem Beginn der Injektionen so lange gewartet, bis 
ebenfalls eine mindestens 8 tägige fieberfreie (und zwar ohne Medi¬ 
kation) und bezüglich der Richtigkeit der Messung einwandsfreie 
Periode zur Verfügung stand. 

Während dieser ersten Beobachtungszeit wird in die Bücher, 
welche zur Aufnotierung der Temperaturen dienen, eine kurze Kranken¬ 
geschichte, vor allen Dingen ein kurzer Status des Lungenbefundes 
eingetragen; ebenso finden später die Reaktionserscheinungen, sub¬ 
jektive wie objektive, besonders etwaige Änderungen des Lungenstatus 
im Anschluss an eine Reaktion, in denselben Aufnahme. 

Für den Fall besonders stark auftretender Reaktionen waren 
die Patienten angewiesen, zu dem zuständigen Distriktsarzt zu schicken, 
eine Vorschrift, von der nur äusserst selten Gebrauch gemacht 
worden ist. 

Gleichzeitig mit dem Beginn der Injektionen bekommen die Pa¬ 
tienten Gläser — einfache mittelgrosse Pulvergläser mit einem gut- 
schliessenden Korkstopfen — zum Aufsammeln des bisher als bacillen¬ 
frei befundenen Auswurfs. In diesen Gläsern sollen die Patienten 
nach Anweisung sämtlichen Auswurf zwischen den einzelnen Injek¬ 
tionen aufsammeln, um auf diese Weise das Auftreten von Bacillen 
im Sputum als Folge der Injektionen kontrolieren zu können. 

Injiziert wurden einmal solche Kranke, bei welchen keine Bacillen 
im Auswurf nachweisbar waren, selbst wenn die objektiven Lungen¬ 
erscheinungen kaum einen Zweifel an dem Vorhandensein eines tuber¬ 
kulösen Prozesses aufkommen lassen konnten. Es geschah dies unter 
der Voraussetzung, dass die Injektionen abgesehen von dem vorüber¬ 
gehenden krankhaften Reaktionszustand von schädlichen Folgen für 
den Kranken nicht begleitet sein dürften, in der Absicht, so Material 
für ein sicheres Urteil über den Wert der Injektionen gerade in ihrer 
Beziehung zur Heilstättenkur zu gewinnen. Dann erwies es sich in 
solchen Fällen nicht selten als zweckmässig die Patienten, ganz be¬ 
sonders die leichtest erkrankten, von der Notwendigkeit eines Heil¬ 
verfahrens durch die Injektion zu überzeugen. 

In dieser Hinsicht haben uns die Injektionen oft grosse Dienste 
geleistet und sich als überzeugender erwiesen als die längsten und 
eingehendsten Auseinandersetzungen über den Wert der Frühbehand¬ 
lung der Tuberkulose und die Wichtigkeit des Heilstättenverfahrens. 

Schliesslich stellen ein sehr grosses Kontingent solche Kranke, 
bei welchen ein objektiver Lupgenbefund überhaupt fehlte, und nur 
die allgemeinen Krankheitserscheinungen an die Möglichkeit des Vor¬ 
handenseins einer tuberkulösen Lungenaffektion denken liess oder bei 


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Dr. Hammer. 


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denen der Befund ein so geringfügiger oder wechselnder war, dass 
tatsächlich Zweifel an dem Vorliegen einer Lungenerkrankung vor¬ 
handen sein mussten. 

Die Injektionen werden zweimal wöchentlich ausgeführt, so dass 
immer 2 resp. 3 injektionsfreie Tage vorhanden sind. 

Als diagnostische Dosen haben sich am meisten bewährt die von 
Beck(l) angegebenen, welche sich auf Grund seiner an dem reichen 
Material des Berliner Instituts für Infektionskrankheiten gesammelten 
Erfahrungen ergeben haben. 

Nach seiner Vorschrift wird in kurzen Pausen 0,001—0,005—0,01 
injiziert, die letzte Dosis wird event. bei fehlender oder ungenügender 
Reaktion noch einmal wiederholt. 

Diese Dosierung scheint für diagnostische Zwecke die ideale zu sein. 

Im Anfang der Anwendung diagnostischer Injektionen, als zuerst, 
besonders im Rückblick auf die vielfach schlechten Erfahrungen der 
ersten Tuberkulinperiode, vorsichtig an die ambulatorische Anwendung 
derselben herangetreten wurde, und in besonderen Fällen, die in Rück¬ 
sicht auf ihren Allgemeinzustand eine stärkere Reaktion befürchten 
Hessen, gelangten Dosen von 0,001—0,003—0,006 —0,01 zur Verwendung. 

Klarere Reaktionsbilder erreicht man zweifellos mit den von 
Beck u. a. angegebenen Dosen, während das zweite Verfahren als 
das mildere gelten kann, das in den meisten Fällen ebenfalls zum 
Ziele führt 1 ). 

Nach dem Auftreten der Reaktion wird so wie anfänglich vier¬ 
stündlich weitergemessen, bis wieder eine mindestens achttägige fieber¬ 
freie Periode erreicht ist, und dann die diagnostische Injektion im 
wesentlichen als abgeschlossen betrachtet. 

Man darf sich nicht verhehlen, dass bei der ambulatorischen 
Injektion eine gewisse Misslichkeit in dem Umstande liegt, dass man 
die Patienten gewöhnlich nicht auf der Höhe der Reaktion zu Gesicht 
und zur Untersuchung bekommt, sondern erst dann, wenn der Höhe¬ 
punkt überschritten ist. Dass dadurch gewisse Reaktionserscheinun¬ 
gen, besonders event. rasch vorübergehende Veränderungen im Lungen- 
befund der Beobachtung entgehen können, muss zugegeben werden. 

Diese Unzulänglichkeit liegt eben im Wesen der ambulatorischen 
Injektion. Es konnte jedoch nicht der Eindruck gewonnen werden, 
dass dadurch das Auftreten einer positiven Reaktion der Beobachtung 
entgangen wäre. 

i) Neuerdings beginnen wir die Injektionen nach dem Vorschlag von 
Spengler (Zur Diagnose geschlossenenr Lurtgentuberkulose etc., Davos 1900) mit 
0,0001, steigen auf 0,0005 und geben dann auf die oben erwähnten Dosen über. 
Unsere Erfahrungen über diese ausserordentlich vorsichtige Methode sind noch 
nicht abgeschlossen. 



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7J Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstfittenmaterial. 331 


Bezüglich der Technik der Injektionen sind im wesentlichen die 
bestehenden Vorschriften eingehalten. 

Dass in erster Linie eine sorgfältige Desinfektion der Injektions¬ 
stelle vorgenommen wurde, bedarf keiner besonderen Erwähnung. 

Als Injektionsstellen wurden die auch von anderen empfohlenen 
Supraskapular- oder Interskapularräume benutzt, schon aus dem 
äusseren Grunde, weil sie ambulatorisch am leichtesten zugänglich sind. 

Zur Injektion werden mit Asbeststempel versehene, genau gra¬ 
duierte —* auf genaue Graduierung muss besonders geachtet werden — 
Overlachspritzen benutzt, die vor jedesmaligem Gebrauch ausgekocht 
werden. Unter dem Auskochen leidet der Asbeststempel und bedarf 
sehr häufig einer Erneuerung; ein gutes Schliessen desselben bedarf, 
zumal vor jeder Erneuerung, besonderer Aufmerksamkeit. 

Die zur Verwendung gelangenden Lösungen 1 ) wurden in der hie¬ 
sigen Krankenhausapotheke hergestellt. Es wurden für die diagnosti¬ 
schen Injektionen 3 Lösungen benutzt: 

Nr. 1 =0,01:10,0 Aq. carbol. 0,5 °/o 

1 /io (gewöhnlich = 1 Teilstrich) einer 1 ccm haltenden 
Spritze entspricht 0,0001 Tuberkulin, 

Nr. 2 = 0,1 :10,0 
1 /io = 0,001 Tuberkulin, 

Nr. 3 = 1,0 :10,0 
1 /j o = 0,01. 

Da die gleichen Lösungen gleichzeitig zu therapeutischen Zwecken 
Verwendung fanden, so wurden sie immer schnell verbraucht, so dass 
eine Zersetzung kaum zu befürchten war. Auf eine solche, die sich 
in einem geringen weisslichen, flockigen Niederschlag zu erkennen 
gibt, wurde trotzdem sorgfältig geachtet; ausserdem werden die 
Lösungen dunkel und kühl (im Sommer im Eisschrank) aufbewahrt. 
Bei derartigen Vorsichtsmassregeln halten sich die Lösungen übrigens 
ziemlich lange unzersetzt und bleiben sicher 14 Tage, auch länger, 
gebrauchsfähig; jedenfalls wurde kein einziges Mal eine Störung be¬ 
obachtet, die man etwa als Folge einer Zersetzung der Injektions¬ 
flüssigkeit hätte deuten können. 

Der folgenden Besprechung liegt eine Beobachtungsreihe von 
180 diagnostisch Injizierten zu gründe, welche in jeder Richtung 
möglichst genau kontroliert wurden, soweit dies eben ambulatorisch 
durchführbar ist. 

Von diesen 180 wurden 164 mit positivem Erfolg injiziert 

= 91,1 °/o 

i) Es gelangte ausschliesslich altes Kochsches Tuberkulin zur Anwendung. 


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332 


Dr. Hammer. 


[8 


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und 16 mit negativem resp. zweifelhaftem Erfolg 

= 8,9 °/o. 

Es waren im ganzen 462 Injektionen erforderlich, durchschnitt¬ 
lich 2,6 Injektionen für den einzelnen Patienten. 

Nach der als typisch zu bezeichnenden Methode (0,001—0,005— 
0,01) wurden 72 injiziert, 

bei welchen 220 Injektionen nötig waren, durchschnittlich 3 pro Kopf. 
Nach dem milderen Verfahren (0,001—0,003—0,006—0,01) wurden 

67 injiziert, 

bei denen 217 Injektionen nötig waren, durchschnittlich 3,2 pro Kopf, 
so dass durch die verschiedene Dosierung ein wesentlicher Unter¬ 
schied in der Zahl der Injektionen nicht bedingt wird. Man sollte 
annehmen, dass bei Anwendung des typischen Verfahrens weniger 
Injektionen nötig sein würden und tatsächlich geben die Zahlen 
auch einen allerdings nur geringen Ausschlag in diesem Sinne. 

Es muss aber berücksichtigt werden, dass für die mildere Methode 
gerade solche Fälle ausgesucht wurden, bei denen am ehesten eine 
Reaktion erwartet werden konnte; es ist anzunehmen, dass bei gleich- 
mässiger Anwendung der verschiedenen Dosierungen die Zahlen noch 
mehr zu gunsten der typischen Injektionsmethode sprechen werden, 
d. h. dass bei dieser Methode die Zahl der für die Hervorrufung 
einer Reaktion nötigen Injektionen eine geringere sein wird. 

Bei 25 war nur eine einmalige Injektion von 0,001 notwendig. 

Von sämtlichen Injizierten befanden sich 
130 im I. Stadium 

der Erkrankung. Bei diesen war entweder nur eine qualitative Ver¬ 
änderung des Atemgeräusches oder Ronchi in einer oder beiden Spitzen 
vorhanden, eventuell bestand schon in vereinzelten Fällen eine geringe 
qualitative Veränderung des Perkussionsschalles. 

Bei 8 war die Erkrankung schon etwas weiter vorgeschritten; 
sie würden etwa dem II. Stadium nach dem Turban sehen Schema 
entsprechen; ein Kranker gehörte dem III. Stadium an. 

Bei 41 waren überhaupt keine sicheren Lungenerscheinungen 
vorhanden, sondern es bestanden nur allgemeine Symptome, die die 
Möglichkeit einer latenten Phthise nahelegten, oder es bestand eine 
Anämie, für die eine plausible Ursache sich nicht finden Hess; als 
einziges lokales Symptom war in dem einen oder anderen von diesen 
Fällen ein Nachschleppen der einen Thoraxseite zu konstatieren. 

Von den 130 als zum Studium I gehörig bezeiebneten Fällen 
wurden nach der typischen Methode injiziert 
63, von diesen waren 
59 positiv, 

4 negativ oder zweifelhaft; 



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9] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 333 

nach dem milderen Verfahren wurden 

49 injiziert, von diesen waren 
46 positiv, 

3 negativ oder zweifelhaft. 

Eine nur einmalige Injektion war erforderlich 

bei 18. 

Von den dem II. Stadium angehörenden Fällen wurden nach der 
typischen Methode injiziert 

3 sämtlich positiv, 
nach dem milderen Verfahren 

2 sämtlich positiv. 

Nur eine einmalige Injektion war erforderlich bei 4. 

Von den 41, bei denen ein sicherer objektiver Befund nicht vor¬ 
handen war, wurden nach der typischen Methode injiziert 
15, von diesen waren 
10 positiv, 

5 negativ oder zweifelhaft; 
nach dem milderen Verfahren 

23, von diesen waren 
19 positiv, 

4 negativ oder zweifelhaft. 

Bei 3 war nur eine einmalige Injektion zur Erzielung eines posi¬ 
tiven Resultates erforderlich. 

Aus diesen Zahlen geht zunächst hervor, dass ein in Betracht 
kommender Unterschied hinsichtlich der Erzielung eines positiven 
Reaktionsresultates zwischen den beiden angewendeten Methoden, der 
als typisch und der als das mildere Verfahren bezeichneten Methode, 
nicht besteht. Es darf aber auch hier nicht ausser acht gelassen werden, 
dass die beiden Methoden im allgemeinen in verschiedener Weise je 
nach der Schwere des Krankheitseindruckes zur Anwendung kamen. 

Da die angegebenen Zahlen einen klaren Einblick in den Wert 
der beiden Methoden nicht verschaffen, was bei der relativen Klein¬ 
heit der Zahlen auch nicht wundernehmen darf, so lässt sich ein 
Urteil vorläufig nur nach dem persönlichen Eindruck fällen. 

Nach diesem ist die typische Methode insofern die bessere, als 
sie in kürzester Zeit die klarsten Reaktionsbilder liefert; das mildere 
Verfahren scheint dagegen für die ambulatorischen Injektionen im 
allgemeinen empfehlenswerter zu sein, zumal in solchen Fällen, in 
denen nach dem allgemeinen Krankheitseindruck eine stärkere Reak¬ 
tion erwartet werden kann. 

Allerdings sind, wie wir später sehen werden, auch bei der am- 


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334 Dr. Hammer. [10 

bulatorischen Anwendung der typischen Methode irgendwelche in Be¬ 
tracht kommende Störungen ebenfalls nicht hervorgetreten; anderer¬ 
seits verleiht gegen solche ebensowenig das mildere Verfahren einen 
sicheren Schutz. 

Auch bezüglich der Stärke der Reaktion, welche in der Haupt¬ 
sache in dem Verhalten der Temperatur zum Ausdrucke kommt, lässt 
sich ein erheblicher Unterschied zwischen den beiden Methoden nicht 
feststellen; selbst die Fälle, in welchen nur eine einmalige Injektion 
von 0,001 nötig war, verhalten sich kaum anders als die mit höheren 
Dosen Behandelten. 

Die normale Temperatur für den einzelnen Kranken ist aus dem 
Durchschnitt der höchsten und niedrigsten Tagestemperatur der min¬ 
destens 8 tägigen normalen Temperaturperiode vor der I. Injektion 
berechnet worden. Erhöhungen über dieselbe sind erst dann als der 
Ausdruck einer pathologischen Reaktion betrachtet worden, wenn die 
Temperatur von 37,5° überschritten wurde; die geringste Differenz 
von der normalen Temperatur, die noch als Folge einer krankhaften 
Reaktion angesehen worden ist, betrug 0,8°. 

Die nun folgenden Zahlen gewähren einen Einblick in die Tem¬ 
peraturverhältnisse während der Reaktion. 

Besonderer Wert wurde dabei gelegt auf die Feststellung des 
Beginns, der Höhe und der Dauer der Reaktion und der Höhe der 
Temperaturdifferenz zwischen normaler und Reaktionstemperatur. Zur 
besseren Veranschaulichung des Ablaufs der Fieberreaktion sind zum 
Schluss einige Fiebertabellen beigefügt worden. 

Bei den nur 1 X Injizierten (vergl. Tabelle 4—10) beginnt die 
Reaktion 

durchschnittlich nach 15,4 Stunden, 
längstens nach 32 n , 
frühestens fast unmittelbar nach der Injektion. 

Die Höhe der Reaktion wird erreicht 

durchschnittlich nach 31,6 Stunden, 
längstens nach 60 „ , 

frühestens nach 4 „ 

Die Dauer der Reaktion beträgt 

durchschnittlich 43 Stunden, 
längstens 136 „ , 

mindestens 12 „ 

Die Temperaturerhöhung beträgt 

durchschnittlich: 1,7 °, 
höchstens: 3,7°, 

mindestens: 1,0°. 



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11] Ub. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstätten material. 335 


Bei den nach dem milderen Verfahren (vergl. Tab. 11—18) inji¬ 
zierten Fällen beginnt die Reaktion 

durchschnittlich: nach 11,3 Stunden, 
längstens: „ 56 „ 

frühestens: „ 2 „ 

Die Höhe der Reaktion wird erreicht 

durchschnittlich: nach 21,6 Stunden 
längstens: „ 56 ,, 

frühestens: „ 8 „ 

Die Dauer der Reaktion beträgt 

durchschnittlich: 54,5 Stunden 
längstens: 204 „ 

mindestens: 12 „ 

Die Temperaturerhöhung beträgt 

durchschnittlich: 2,0°, 
höchstens: 3,7 °, 

mindestens: 0,8 °. 

Bei den nach der typischen Methode injizierten Fällen (vergl. 
Tab. 19—29) beginnt die Reaktion 

durchschnittlich: nach 13,5 Stunden 
längstens: „ 46 

frühestens: „ 1 „ 

Die Höhe der Reaktion wird erreicht 

durchschnittlich: nach 20,5 Stunden 
längstens: ,, 50 „ 

frühestens: „ 2 „ 

Die Dauer der Reaktion beträgt 

durchschnittlich: 35 Stunden 

längstens: 240 „ 

mindestens: 12 „ 

Die Temperaturerhöhung beträgt 

durchschnittlich: 2,1°, 
höchstens: 3,8°, 

mindestens: 0,9 °. 

Das Verhältnis bezüglich des Beginns, der Höhe, der Dauer 
der Reaktion und der Temperaturerhöhung bei den nur lmal Inji¬ 
zierten, die nur die Dose von 0,001 erhalten haben und bei den nach 
dem milderen und nach dem typischen Verfahren Injizierten gestaltet 
sich demnach folgendermassen: 

Beginn der Reaktion: 

15,4 : 11,3 : 13,5 Stunden. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 23 


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336 


Dr. Hammer. 


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Die Höhe der Reaktion; 

31,6 : 21,6 : 20,5 Stunden. 

Dauer der Reaktion: 

43 : 54,5 : 35 Stunden. 

Die Erhöhung der Temperatur: 

1,7° : 2,0° : 2,1°. 

Aus diesen Zahlen, die einem verhältnismässig kleinen Material 
entnommen sind und deswegen nicht ohne weiteres eine Verallge¬ 
meinerung gestatten, lassen sich vielleicht mit Vorbehalt die Schlüsse 
ziehen, dass, je kleiner die Dose ist, um so später und allmählicher 
die Reaktion eintritt und dass um so später die Höhe der Reaktion 
erreicht wird. 

Über die Dauer der Reaktion lässt sich ein Gesetz an der Hand 
dieser Zahlen nicht erkennen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch 
hierfür ein gewisses gesetzmässiges Verhalten existiert; ein solches 
wird sich aber nur dann ergeben, wenn es möglich ist, ein sehr 
grosses Material zu Grunde zu legen, da in einzelnen Fällen unab¬ 
hängig von der Höhe der Dose unverhältnismässig lang dauernde 
Reaktionen Vorkommen. 

In der Natur der Sache liegt es, dass, je geringer die Dose, 
um so geringer die Reaktion und damit auch die Temperatur¬ 
erhöhung ausfallen muss; es kommt dieses Verhalten klar zum Aus¬ 
druck in der durchschnittlichen Temperaturerhöhung (1,7°:2,0°: 2,1°), 
während die maximale Temperaturerhöhung im einzelnen Fall 
(3,7°: 3,7°: 3,8°) gar nicht oder unwesentlich voneinander abweicht. 
Um über eine event. Gesetzmässigkeit der Reaktion je nach der 
Höhe der Dosis noch genaueren Aufschluss zu bekommen, wurden die 
Fälle nach der Höhe der einzelnen Dosis getrennt und dieselben 
Berechnungen wie oben angestellt. Dabei ergaben sich folgende Zahlen: 


Onfii a 

Beginn der 

i 

i Höhe der 

1 

Däner der j Temperatur- 

1/UOlB 

Reaktion 

_ 

Reaktion 

Reaktion erhöhung 



0,001 

15,4 

31,6 

0,003 

19 

31,8 

0,005 

15,3 

22,8 

0,006 

6 

15,3 

0,01 

10,8 

16,3 


43 

67,8 

46,6 

52 

44,4 


1,7 

1,6 

2,5 

2,3 

2,2 


Aus diesen Zahlen ergibt sich im wesentlichen dasselbe Ver¬ 
hältnis. Je geringer die Dosis, um so später beginnt die Reaktion 



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13] Üb. d. diagn. Tuberkuliniojekt. u. ihre Verwand, b. Heilstättenmaterial. 337 

und um so später wird die Höhe der Reaktion erreicht. Bezüglich 
der Dauer der Reaktion ergibt sich auch hier keine Gesetzmässigkeit 
— das Verhalten der Temperaturerhöhung tritt noch klarer hervor. 
Es mag noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die Richtigkeit 
dieser Verhältnisse weiterer Bestätigung durch Beobachtung an einem 
grösseren Material bedarf. 

Von den 180 injizierten Fällen sind 16 als negativ oder zweifel¬ 
haft bezeichnet worden = 8,9 °/o, eine immerhin verhältnismässig 
hohe Zahl, wenn man berücksichtigt, dass die Injektionen fast aus¬ 
schliesslich an einem mindestens der Tuberkulose verdächtigen 
Material zur Ausführung kamen (vergl. Tab. 1—3). Eine nähere 
Betrachtung dieser negativen Fälle ergibt, dass sich bei 7 keine 
Spur einer Einwirkung der Tuberkulininjektionen feststellen Hess. 
Bei einem von diesen war ein Jahr vorher eine erfolgreiche thera¬ 
peutische Tuberkulinkur mit der Enddosis von 1,0 reinem Tuber¬ 
kulin durchgeführt worden. Die diagnostische Injektion wurde ge¬ 
macht, weil die Patientin im Anschluss an eine Erkältung (wahr¬ 
scheinlich Influenza) wieder stärkeren und längere Zeit anhaltenden 
Husten hatte, obwohl sich die physikalischen Erscheinungen auf der 
Lunge nicht verändert hatten, gegenüber dem Befund zur Zeit des 
Abschlusses der Injektionskur. Selbst unter der Voraussetzung, dass 
noch eine gewisse Gewöhnung des Organismus an das Tuberkulin 
vorlag, so dürfte der Fall doch in dem Sinne zu verwerten sein, dass 
hier ein frischer tuberkulöser Prozess nicht spielte, sondern dass es 
sich um einfache bronchitische Erscheinungen handelte, eine An¬ 
nahme, die durch den weiteren Verlauf auch bestätigt wurde. Bei 
dem Vorhandensein eines frischen tuberkulösen Prozesses wäre auch in 
diesem Fall wohl eine Reaktion zu erwarten gewesen. Bei den 
übrigen neun Fällen lässt sich ein geringer Einfluss der Injektionen 
auf die Fieberkurve konstatieren. Derselbe besteht in einem mässigen 
Anstieg der Kurve bis auf 37,5, einigemal bis auf 37,6; der Anstieg 
tritt meist am gleichen Tage der Injektion ein, nur ausnahmsweise 
erst am folgenden Tage und kommt immer nur in einer einmaligen 
flüchtigen Erhebung der Kurve zum Ausdruck, die sofort wieder zur 
Norm absinkt — nur in einem Fall tritt eine drei Tage andauernde 
Erhöhung der Kurve um einige Zehntel Grade bis auf 37,4 ein, 
während bei der Injektion der höheren Dosis sich überhaupt keine 
Einwirkung auf die Temperatur mehr erkennen lässt. 

Dieses Verhalten, dass bei dem Auftreten einer unwesentlichen 
Temperaturerhöhung diese geringe Einwirkung der Injektion bei An¬ 
wendung der nächsthöheren Dosis ganz verschwindet oder wenigstens 
in einem geringeren Grade auftritt, kehrt bei den sämtlichen event. 

23* 


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338 


Dr. Hammer. 


[14 


als zweifelhaft zu bezeichnenden Fällen wieder und ist als charak¬ 
teristisch in dem Sinne einer negativen Reaktion verwertet worden. 

Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass in diesen nega¬ 
tiven oder zweifelhaften Fällen ganz besonders auf die übrigen lokalen 
und allgemeinen Reaktionserscheinungen geachtet wurde, und dass 
dieselben in sorgfältiger Weise für die Beurteilung des Ausfalls der 
Reaktion mit herangezogen wurden; ferner sind der Allgemeinzustand 
und der objektive Untersuchungsbefund vor der Injektion entsprechend 
berücksichtigt worden. 

Der Allgemeinzustand in diesen Fällen war durchweg ein guter, 
ein Hab. phthisic. war nicht vorhanden; in 3 Fällen war eine Be¬ 
lastung zu eruieren. In 2 Fällen bestand eine allgemeine Anämie. Be¬ 
züglich des lokalen Lungenbefundes waren in einem Fall wiederholt 
feinblasi^e Ronchi in einer Spitze vorhanden, in einem anderen Fall 
waren nur ein einziges Mal trockene Geräusche in einer Spitze festgestellt 
worden, einmal war eine Spitze als suspekt notiert, zweimal bestand 
verschärftes Expirium auf einer Spitze, zweimal war ein geringes 
Nachschleppen der einen Thoraxseite zu konstatieren. Die Reaktions¬ 
erscheinungen bestanden in mehrmaligem geringen Nachtschweiss, in 
geringen subjektiven Fiebererscheinungen, in leichtem Appetitmangel, 
eingenommenem Kopf und nur einmal in sehr grosser allgemeiner 
Schwäche (nach 0,01). Schmerzen an der Injektionsstelle waren in 
5 Fällen vorhanden. 

Eine Veränderung des objektiven Lungenbefundes Hess sich in 
keinem Fall nach weisen. 

Es wird sich immerhin empfehlen, die als zweifelhaft bezeich- 
neten Fälle in weiterer Beobachtung zu behalten, um event. sich ent¬ 
wickelnde Krankheitserscheinungen frühzeitig zu entdecken oder eine 
diagnostische Injektion nach einem gewissen Zeitraum zu wiederholen. 

Wenn es gestattet ist, noch einmal das längstbekannte Krankheits¬ 
bild der Tuberkulinreaktion in kurzen Zügen, so wie es sich aus den vor¬ 
liegenden Beobachtungen ergeben hat, zu skizzieren, so beginnt in 
den typischen Fällen die Reaktion mit einem Schüttelfrost, an den 
sich ein intensives Hitzegefühl, häufig mit einem sehr profusen 
Schweissausbruch verbunden, anschliesst. Statt des ausgesprochenen 
Schüttelfrostes kommt es auch wohl nur zu einem leichten Frösteln 
und Frieren, abwechselnd mit einem Hitzegefühl; gewöhnlich fehlt in 
solchen Fällen ein stärkerer Schweiss. Gleichzeitig oder event. schon 
früher treten ein allgemeines Unwohlsein und Unbehagen, oft ein in¬ 
tensives Krankheitsgefühl mit gewöhnlich sehr heftigen Kopfschmerzen 
auf, welch letztere bald den ganzen Kopf in gleichmässiger Weise 
einnehmen, bald mehr in der Stirn, bald mehr im Hinterkopf lokali- 


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15] Üb. d. diagn. Tuberkulioinjekt. u. ihre Verwand, b. Heilstättenmaterial. 339 

siert sind; oder es wird nur ein gewisses Druckgefühl oder ein ein¬ 
genommener Kopf angegeben. In Übereinstimmung mit der Stärke 
der Reaktion steht gewöhnlich das Gefühl der Prostration, charakteri¬ 
siert in den leichteren Fällen als Mattigkeit, allgemeine Schwäche 
und ein allgemeines elendes Gefühl; in den schwereren Fällen steigert 
sich die allgemeine Hinfälligkeit bis zur absoluten Unfähigkeit zu 
gehen oder sich überhaupt aufrecht zu erhalten. Eingeleitet werden 
diese Erscheinungen nicht gerade häufig durch einen mehr weniger 
starken Schwindel. 

Sehr oft ist ein stark ausgeprägtes Schwächegefühl begleitet von 
heftigen Schmerzen im ganzen Körper, von allgemeinen Glieder¬ 
schmerzen; die Kranken fühlen sich wie gerädert oder wie zerschlagen. 
Diese Erscheinungen gleichen sehr denjenigen bei einer kräftigen In¬ 
fluenza und ab und zu hört man wohl von den Kranken selbst spontan 
die Äusserung: „Ich fühle mich, als hätte ich eine Influenza." 

In seltenen Fällen kommt es zu leichten Kollapserscheinungen 
oder auch zu einer völligen Ohnmacht. Mit diesen allgemeinen Krank¬ 
heitserscheinungen korrespondiert das Aussehen der Kranken. Der 
Krankheitseindruck ist oft ein sehr schwerer, das Aussehen stark 
verfallen, die Augen liegen tief, das Gesicht ist eingefallen, mit einem 
Wort, die Kranken sehen oft jämmerlich aus — im Gegensatz dazu 
ist wieder selbst bei sehr ausgesprochener und starker Reaktion das 
Aussehen der Patienten ausserordentlich wenig in Mitleidenschaft ge¬ 
zogen und man sieht ihnen in keiner Weise an, dass sie während der 
reaktiven Fieberperiode irgendwie leiden — umgekehrt kann auch 
bei nur geringer fieberhafter Reaktion der allgemeine Krankheitsein¬ 
druck ein recht schwerer sein. 

Meist werden selbst die schwersten Formen dieser Zustände in 
erstaunlich kurzer Zeit überwunden. Der Schlaf ist während der 
hauptsächlichen Fieberperiode meist gestört; entweder ist derselbe 
nur schlecht oder unruhig oder es besteht völlige Schlaflosigkeit, die 
dann gewöhnlich vergesellschaftet ist mit einer allgemeinen Aufgeregt¬ 
heit, die auch nach dem Ablauf der eigentlichen Fieberreaktion sich 
noch einige Tage erhalten kann. 

Nur ausnahmsweise kommt es zu einer völligen Benommenheit 
mit Delirien — diese Erscheinungen wurden nur in einem Fall wäh¬ 
rend der Akme des Fieberstadiums beobachtet. 

Von Allgemeinerscheinungen sind schliesslich noch zu erwähnen 
die fast konstant vorhandene Appetitlosigkeit, selten bleibt der Appetit 
event. bei geringen Reaktionen ganz unverändert; einmal konnte 
sogar eine erhebliche Steigerung des Appetits bei gleichzeitig erheb¬ 
licher Reaktion festgestellt werden. 


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340 


Dr. Hammer. 


[16 


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Neben den Veränderungen des Appetits besteht nicht allzu häufig 
Übelkeit und Brechneigung, nur selten kommt es zu eigentlichem Er¬ 
brechen; es werden auch ab und zu Klagen über Magendruck und 
Magenschmerzen laut, Beschwerden, die häufig isoliert ohne gleich¬ 
zeitige Anwesenheit von Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen 
aufzutreten pflegen. Erwähnt mag ferner noch werden, dass sich 
hie und da an die Appetitlosigkeit eine mehr weniger lang dauernde 
Störung oder völlige Aufhebung des Geschmacksvermögens anschliesst 
in gleicher Weise, wie es bei der Influenza nicht selten zur Beobach¬ 
tung kommt. Analog diesen letzterwähnten Magenerscheinungen 
stellen sich auch allgemeine Leibschmerzen ein, ohne oder mit gleich¬ 
zeitig einsetzenden Durchfällen; ausnahmsweise tritt Verstopfung auf. 

Die Untersuchung des Abdomens ergibt bei dem Vorhandensein 
isolierter Magen- wie allgemeiner Leibschmerzen meist einen negativen 
Befund; Milzschwellungen, die schmerzhaft sein können, lassen sich 
zuweilen konstatieren; Schwellungen der Leber scheinen recht selten 
zu sein; eine solche konnte nur einmal ermittelt werden; in einem 
Falle konnte eine schmerzhafte Resistenz in der Gegend der Flexur, 
ein anderes Mal in der Gegend des Wurmfortsatzes festgestellt wer¬ 
den ; in beiden Fällen war es durchaus unwahrscheinlich, dass es sich 
etwa um spezifisch tuberkulöse Prozesse handeln möchte; die Re¬ 
sistenzen waren bei späterer Untersuchung nicht mehr nachzuweisen. 

Beschwerden von seiten der Blase sind nicht häufig beobachtet 
worden; sie bestehen in Harndrang, Schmerzen beim Urinieren, aus¬ 
nahmsweise in einer Polyurie, über deren Umfang bei der ambula¬ 
torischen Beobachtung ein genaueres Urteil nicht gewonnen werden 
konnte. Die objektive Untersuchung des Urins führt meist zu keinem 
Resultat, doch lässt sich eine massige Albuminurie, die wohl als 
febrile zu deuten ist, nicht gar zu selten feststellen; niemals Hessen 
sich in einem solchen Fall durch die mikroskopische Untersuchung 
Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Nephritis gewinnen. 
Hämaturie kam niemals zur Beobachtung. Die Entleerung eines 
blutigen Fetzens im Urin, der aus einem Epithelrasen mit aufge¬ 
lagerten weissen und roten Blutzellen bestand und keine Tuberkel¬ 
bacillen enthielt, in einem Fall, indem der Verdacht auf eine Nieren¬ 
beckentuberkulose vorlag, muss als der Ausdruck einer lokalen Re¬ 
aktion aufgefasst werden. 

Viel geringer als man es nach den früheren Berichten aus der 
ersten Tuberkulinperiode hätte erwarten sollen, sind die von der Lunge 
ausgehenden Erscheinungen. 

Am häufigsten lässt sich das Auftreten eines mehr weniger hef¬ 
tigen Reizhustens feststellen, der selten so stark wird, dass er be- 



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17] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 341 

sonderer Behandlung bedarf und meist mit dem Ablaufen der Re- 
aktion von selbst verschwindet; eine Steigerung schon vorher be¬ 
stehenden Hustens ist ein schon selteneres Symptom; das Auftreten 
von Auswurf — wenn solcher vorher nicht vorhanden — ist nur 
vereinzelt zu konstatieren, ebenso kann eine Vermehrung schon vor¬ 
her bestehenden Auswurfes oder eine qualitative Änderung desselben 
nur selten bemerkt werden. Dieselbe besteht häufiger darin, dass 
der Auswurf flüssiger, seröser, schaumiger wird, ausnahmsweise darin, 
dass er kompakter und eitriger wird. Auch Blutbeimengungen sind 
relativ seltene Erscheinungen, eigentliche Hämoptysen waren in keinem 
einzigen Falle zu verzeichnen. Ganz vereinzelt auftretendes Nasen¬ 
bluten mag an dieser Stelle mit erwähnt sein. Angaben über eine 
Erschwerung des Atmens oder einem Oppresionsgefühl auf der Brust 
begegnet man nicht gerade selten; eine wirklich beängstigende Dyspnoe 
ist bei keinem Kranken hervorgetreten. Schmerzen auf der Brust 
im Bereich des Lungenbefundes sind häufig vorhanden. 

Entsprechend diesen im ganzen geringen Lungenerscheinungen 
sind auch die Resultate der objektiven Untersuchung keine erheb¬ 
lichen. Es handelt sich dabei meist um minimale qualitative Ver¬ 
änderungen des physikalischen Befundes, während nur einmal eine 
diffuse über die ganze Lunge ausgedehnte Bronchitis nachgewiesen 
werden konnte. 

Diese Veränderungen bestehen in dem Auftreten von Ronchi, in 
dem Deutlicherwerden vorher zweifelhafter Ronchi, in dem konstanten 
Vorhandensein von Ronchi, die vorher nur zeitweise nachweisbar ge¬ 
wesen waren, in der Vermehrung und Vergröberung von Ronchi, in 
dem Auftreten von verschärftem an Stelle von früher normalem Ex- 
pirium. 

Nur ein einziges Mal Hessen sich als Resultat der Injektion 
Bacillen in dem vorher bacillenfreien Auswurf nachweisen. Im ganzen 
lässt sich sagen, dass eine Veränderung des Lungenbefundes oder 
das Auftreten von vorher nicht vorhandenen Erscheinungen kein 
gerade häufiges Ereignis ist. So wertvoll deswegen derartige Ver¬ 
änderungen für den Nachweis des lokalen Herdes sind, so kann bei 
dem häufigen Fehlen derselben keineswegs auf die Abwesenheit eines 
Lungenherdes bei positiver Allgemein-Reaktion geschlossen werden. 

An dem akuten fieberhaften Reaktionszustand beteiligt sich auch 
das Herz durch Symptome, die fast ausschliesslich in Herzklopfen 
bestehen; manchuial tritt das Herzklopfen in typischen tachykar- 
dischen Anfällen auf. Es kann auch zu Zuständen kommen, die 
einer Angina pectoris sehr ähnlich sehen. 


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Dr. Hammer. 


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Die objektive Untersuchung hat am Herzen niemals einen Be¬ 
fund ausser dem einer Beschleunigung und geringer Irregularität 
des Pulses ergeben; niemals liess sich etwa eine Dilatation des 
Herzens nachweisen; wie bemerkt, konnten die Kranken auf der Höhe 
der Reaktion gewöhnlich nicht beobachtet und untersucht werden; 
es mag sein, dass sich dann noch weitere Veränderungen hätten 
eruieren lassen; soviel lässt sich jedoch sagen, dass dieselben nur 
von untergeordneter Bedeutung und vorübergehender Natur gewesen 
sein können. 

Wenn noch erwähnt wird, dass gelegentlich Schmerzen im Rücken, 
im Kreuz, in den Augen und Zähnen auftreten, dass mehrere Nächte 
hintereinander Nachtschweisse unabhängig von der Temperatur¬ 
erhöhung sich einstellen können, oder dass vorher regelmässig vor¬ 
handene Nachtschweisse nach dem Eintritt der Reaktion verschwin¬ 
den, so ist damit das Krankheitsbild der Tuberkulinreaktion, wie es 
sich aus dem vorliegenden ambulatorischen Beobachtungsmaterial er¬ 
gibt, im wesentlichen erschöpft und es erübrigt nur noch später 
einiger spezieller mit den Injektionen in Zusammenhang stehenden 
Erscheinungen zu gedenken. 

Zur Vervollständigung des Reaktionsbildes gehört noch die An¬ 
gabe, dass die Patienten nach dem Ablauf der Reaktion oft ein ganz 
besonderes Wohlbefinden zeigen, sie fühlen sich wohler und kräftiger 
als vorher, alle möglichen subjektiven Beschwerden wie Enge auf der 
Brust, herumziehende rheumatische Schmerzen, Husten, Appetitlosig¬ 
keit etc., sind verschwunden und die Patienten halten sich für ge¬ 
sund; es ist vorgekommen, dass Patienten dann auf Grund dieses 
Wohlbefindens die Einleitung eines Heilverfahrens abgelehnt haben. 

Eine nicht allzuhoch zu veranschlagende Unannehmlichkeit der 
Injektionen besteht darin, dass sie in sehr vielen Fällen in ihrer 
Umgebung eine ausserordentlich intensive Schmerzhaftigkeit ver¬ 
ursachen. 

Die Schmerzhaftigkeit ist oft derartig stark, dass die Kranken 
auf der Seite der Injektion nicht liegen können. Die Schmerzen können 
in entferntere Gegenden ausstrahlen, nach oben zu und nehmen dann 
den ganzen Hals und den Hinterkopf ein, oder nach unten den 
Rücken herab; ev. strahlen sie auch in die Arme aus und sind dann 
häufig mit Parästhesieen, Ameisenlaufen, Kriebeln, Gefühl von Taub¬ 
sein, Kältegefühl etc. verbunden. 

Das Aufsetzen des Stethoskops auf die schmerzhafte Stelle zu 
Untersuchungszwecken ist häufig unmöglich. Die Grösse der Schmerz¬ 
haftigkeit steht in Beziehung zur Grösse der Dosis und zur Schnellig¬ 
keit des Ansteigens mit der Dosis, denn sie tritt bei geringeren Dosen 



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19] Üb. d. diagn. Tuberkulin in jekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 343 

seltener und massiger auf als bei höheren und wird bei den Injek¬ 
tionen zu therapeutischen Zwecken in allmählich steigender Dosis 
fast immer gänzlich vermisst. 

Eine Abscedierung ist in keinem Falle im Anschluss an die In¬ 
jektionen beobachtet worden, wohl aber kommt es oft zu einer mas¬ 
sigen Schwellung und ziemlich starken Infiltration der Haut, ver¬ 
bunden mit einer starken Rötung in einem manchmal ziemlich grossen 
Umkreis der Injektion. Die Schwellung fühlt sich heiss an und ist 
auf Berührung ausserordentlich schmerzhaft. Dieser Zustand hat die 
grösste Ähnlichkeit mit einer erysipelatösen oder erythematösen 
Schwellung wie sie in ähnlicher Weise auftritt z. B. bei einer Injek¬ 
tion von Diphtherieheilserum oder bei einer Impfung mit animaler 
Lymphe, und läuft nach einigen Tagen ab ohne weitere Störungen 
oder Schädigungen hervorzurufen. 

Es entwickelt sich auch in Abhängigkeit von den Injektionen 
eine massige Schwellung und intensive Schmerzhaftigkeit der der Injek¬ 
tionsstelle benachbarten Lymphdrüsen, ein Vorgang, der keineswegs 
als der Ausdruck einer tuberkulösen Reaktion betrachtet werden 
kann. Im übrigen ist nur noch zu erwähnen, dass in Zusammenhang 
mit stärkeren Fiebererscheinungen ab und zu (im ganzen 7 mal) ein 
Herpes facialis zur Beobachtung kam. 

Von den injizierten Fällen sind 2 gestorben, von denen der eine 
zur Sektion kam. Derselbe hatte nicht reagiert. Das Sektionser- 
gebnis ist später kurz angeführt. 

Bei dem zweiten Todesfall war nach einer Injektion von 0,001 
eine massige und rasch vorübergehende Reaktion aufgetreten. Der 
Patient machte bei relativ geringen lokalen Krankheitserscheinungen 
einen schweren allgemeinen Krankheitseindruck. Er starb 6 Wochen 
nach der Injektion. Ein Zusammenhang des Todes mit der Injektion 
ist sicher auszuschliessen; die Sektion konnte leider nicht gemacht 
werden. 

Ausserdem ist noch ein weiterer Todesfall vorgekommen; da die 
näheren Daten der Injektion (Temperaturbeobachtung etc.) verloren 
gegangen waren, so konnte der Fall unter dem vorliegenden Material 
nicht mit aufgeführt werden. Es war etwa 3 Wochen nach der In¬ 
jektion ein Typhus ausgebrochen — nach Abheilung des Typhus ent¬ 
wickelte sich eine Miliartuberkulose der Lungen, der die Patientin 
erlag. An einen Zusammenhang der Miliartuberkulose mit der Injek¬ 
tion kann unter solchen Umständen wohl kaum gedacht werden. 

Aus der Schilderung der Krankheitserscheinungen der Tuberkulin¬ 
reaktion, wie sie dem zu gründe liegenden Material entnommen sind, 
ergibt sich, dass ernste Schädigungen, die eine begründete Kontra- 


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314 Dr. Hammer. [20 

indikation gegen die allgemeinere Anwendung der diagnostischen Injek¬ 
tion abgeben könnten, nicht hervorgetreten sind. 

Es ist aber eingangs betont worden, dass die mit den Injektionen 
verbundenen Gefahren sich einer allgemeineren Durchführung der 
Injektionen zu diagnostischen Zwecken entgegenzustellen scheinen, 
und es ist nicht ausgeschlossen, dass das vorliegende Material nicht 
gross genug ist und dass nur durch Zufall ernstere Schädlichkeiten 
vermieden sind. 

Unter diesen Umständen erscheint es der Mühe wert, in eine 
eingehendere Prüfung der Gefahren zu treten, die mit der Anwendung 
des Tuberkulins verknüpft sein sollen. 

Hierzu bietet die Literatur der ersten Tuberkulinperiode, als 
das neue Heilmittel in ausgedehntester Weise bei allen möglichen 
Formen der Tuberkulose von der leichtesten Erkrankung bis zu den 
schwersten, zur Anwendung kam, die beste Gelegenheit, zumal damals 
bei der Behandlung mit Tuberkulin das Hervorrufen einer Reaktion 
in gleicher Weise wie jetzt bei der Injektion zu diagnostischen 
Zwecken als wesentlich angesehen wurde. 

Es wurden zuletzt die bei dem vorliegenden Material hervor¬ 
getretenen geringfügigen Störungen von seiten der Haut besprochen. 
Im Anschluss hieran und um von den leichteren zu den schwereren 
Störungen überzugehen, mögen zunächst in aller Kürze die zahl¬ 
reichen und ausserordentlich verschiedenartigen Affektionen der Haut 
Erwähnung finden, die der Literatur zu entnehmen sind. 

Neben dem Herpes facialis (1—13 und 41) als der unzweifel¬ 
haft häufigsten Erscheinung, wird berichtet von masern- und 
scharlachähnlichen (1, 14, 6, 15, 7, 16, 11, 17, 18, 19, 12, 20, 10, 
22, 21, 23) Exanthemen, die meist ohne, seltener mit Abschuppung 
einhergehen und häufig sofort mit Abfall des Fiebers verschwinden. 
Weniger häufig sind papulös-makulöse Exantheme, eine über den 
ganzen Körper ausgedehnte Roseola papulosa (10, 14), ein klein¬ 
fleckiges rasch vorübergehendes Exanthem (8), auch andere roseola- 
oder urticariaähnliche Exantheme (20, 13, 15, 7) beobachtet worden. 

Hieran schliessen sich verschiedene Erythemformen z. B. ein 
knötchenförmiges Erythem (12, 17), ein Erythema maculatum (16), 
ein als Erythema fugax bezeichneter, sich auf Gesicht, Brust, Bauch 
und Rücken erstreckender Ausschlag (6), ferner wird eine Miliaria 
alba bei reichlicher Schweissproduktion (12) erwähnt und ein nicht 
näher definierbares, einem Erysipelas bullosum gleichendes Exanthem 
mit tiefer Rötung und starker Infiltration der Haut einhergehend; 
es entwickelten sich grosse, mit trübem Serum gefüllte Blasen, welche 
platzten und grosse oberflächlich wunde Stellen zurückliessen; nach 



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21J Üb. d. diagn. Tuberkulin in jekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 845 


später erfolgender starker Abschuppung und Abstossung der Ober¬ 
haut in mächtigen Fetzen und Schuppen trat völlige Heilung ein (3). 
Alle diese verschiedenartigen Ausschläge, die wohl mit Ausnahme des 
Herpes facialis, der als eine Begleiterscheinung des Fiebers zu 
deuten ist, den Arzneiexanthemen in Parallele zu setzen sind und 
fast in den gleichen Formen und Arten bei der Diphtheriebehandlung 
mit Behrings Heilserum beobachtet wurden, sind geheilt ohne eine 
Schädigung der Betroffenen zur Folge zu haben. 

Entsprechend unseren Beobachtungen finden sich auch in der 
Literatur Symptome einer mehr weniger grossen Schmerzhaftigkeit, 
einer Schwellung mit gleichzeitiger Infiltration und Rötung im Be¬ 
reich der Injektionsstelle, ebenso wie diejenigen einer Schwellung 
und Schmerzhaftigkeit der regionären Lymphdrtisen (24, 25, 8, 21, 
26, 27, 7, 28, 5, 16, 8, 29, 17, 19) als häufige Vorkommnisse an¬ 
geführt; Abscedierungen sind niemals aufgetreten, nur einmal ist es 
zu einer umschriebenen Gangrän an der Injektionsstelle (31) gekommen. 

Von weiteren Störungen ist das Auftreten von Ikterus bekannt 
geworden (21, 41, 27, 32, 5, 6, 7, 32) oder es wird nur eine Gelb¬ 
färbung der Skleren, event. auch leichte ikterische Färbung der 
Haut und Schleimhaut ohne gleichzeitige Entfärbung der Fäces und 
ohne das Auftreten von Gallenfarbstoff im Urin angegeben (12, 20, 
8, 34). Der Ikterus wird von einigen Autoren (21, 35) als ein 
hämatogener aufgefasst, zumal Gallenfarbstoffe im Urin und Ent¬ 
färbung der Fäces häufig vermisst wird. 

Einen ausgesprochenen Ikterus hatten wir keine Gelegenheit zu 
beobachten, nur einmal fiel eine leichte ikterische Färbung der 
Scleren auf, ohne dass sich Gallenfarbstoff im Urin hatte nachweisen 
lassen; die Fäces waren der Untersuchung nicht zugängig gewesen. 

Die ikterische Färbung ging ohne weitere oder dauernde Schädi¬ 
gung zurück. 

Während Schwellungen der Leber mit gleichzeitiger Schmerz¬ 
haftigkeit (12) selten erwähnt sind, scheinen Milzschwellungen, mit 
oder ohne Druckempfindlichkeit ein häufiges Ereignis (10, 36, 27, 
7, 16, 11, 29, 34, 12) gewesen zu sein; auch diese Beobachtung 
deckt sich mit unseren Erfahrungen. Die Milzschwellung geht oft 
gleichzeitig mit dem Ablauf der Reaktion zurück, häufiger bleibt sie 
noch einige Tage nach abgelaufener Reaktion nachweisbar, um 
schliesslich ohne weitere Störung zu verschwinden. 

Die sonstigen gastrischen und intestinalen Störungen (6, 15, 27), wie 
Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Appetitlosigkeit, Leibschmerzen, 
Diarrhöeen, Verstopfung etc. können der diagnostischen Injektion 
kein ernstes Bedenken entgegenstellen, sofern dieselben nur als Be- 


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gleiterscheinungen der allgemeinen Reaktion und nicht etwa als der 
Ausdruck einer lokalen Reaktion aufzufassen sind. Ist das Vorhanden¬ 
sein von lokalen tuberkulösen Prozessen z. B. Geschwüren oder an¬ 
deren tuberkulös-peritonitischen Prozessen zu vermuten, so wird eine 
grosse Reserve bezüglich der Injektion notwendig, da unter solchen 
Umständen ernste Gefahren (58, 64) auftreten können, auf die wir 
später zurückkommen. 

Der Urin ist während der Tuberkulinperiode vielfach Gegenstand 
sehr genauer Untersuchungen gewesen; dieselben geben über mannig¬ 
fache Veränderungen Aufschluss. 

Neben Schmerzen beim Urinieren, häufigem Harndrang während 
der Fieberperiode ist ausnahmsweise eine Verminderung der Harn¬ 
menge (12), nicht selten dagegen eine Polyurie nach den Reaktionen 
oder an den Injektionstagen selbst (37, 16, 19, 30, 12) beobachtet 
worden. 

Wenn von einer grösseren Anzahl von Autoren das Auftreten 
einer Albuminurie bei vorher normalem Urin (38, 39, 40, 41, 24, 
27, 32, 5, 16, 42, 43, 11, 29, 12) als ein häufiges Symptom be¬ 
zeichnet wird, wird dasselbe von anderen trotz sorgfältigster Be¬ 
obachtung ausdrücklich geleugnet (19, 9, 44, 10, 7). 

Alle sind sich wohl darin einig, dass diese Albuminurie niemals 
als der Ausdruck einer eigentlichen Nierenentzündung wegen der 
regelmässigen Abwesenheit morphotischer Nierenbestandteile gedeutet 
werden kann, sondern nur als rein febrile Albuminurie aufzufassen ist. 

In einem Fall (45) (23jähriges zartes, blasses, gut genährtes Fräulein — 
Lupus des Gesichts, der Nase, des Unterschenkels und des Fusses, stärkere Drüsen¬ 
schwellungen; Lungen gesund, kein Eiweiss. Injektion von 0,005 ; 0,008.0,01 
in kurzen Zwischenräumen, sehr heftige Reaktion, Herzschwäche, Cyanose, starke 
Albuminurie — Exitus unter Stillstand der Atmung) fand sich bei der Autopsie 
eine sehr bedeutende diffuse Erkrankung des Parenchyms und des 
interstitiellen Gewebes in den Nieren. 

Aus dem mir zur Verfügung stehenden Referat lässt sich ein 
Urteil über diesen Fall nicht abgeben, immerhin scheint es nicht 
ausgeschlossen, dass die Nieren bei der ausgedehnten Erkrankung 
auch schon vorher krank waren trotz der Abwesenheit von Eiweiss. 

Ausserdem würde dieser eindeutige Erkrankungszustand heute 
weder Gegenstand diagnostischer noch therapeutischer Tuberkulin¬ 
injektionen werden. Auch von anderer Seite wird noch auf die Mög¬ 
lichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Entwickelung einer Nephritis 
im Anschluss an die Injektionen hingewiesen (59). Es lässt sich aber 
niemals mit Sicherheit das Tuberkulin als ätiologisches Moment 
erkennen. 


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23] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verweod. b. Heilstätten material. 847 

Dass bei bestehender Nephritis ernste Schädigungen eintreten 
können, kann nicht bezweifelt werden und als Beleg dafür mag die 
Angabe dienen, dass eine Steigerung des Eiweissgehaltes (21, 38) mit 
Oligurie bis zu völliger Anurie und gleichzeitige Vermehrung der 
Cylinder wie der sonstigen morphotischen Elemente (27, 5) zur Be¬ 
obachtung gekommen sind. 

Neben rasch vorübergehender hämorrhagischer Beschaffenheit des 
Urins (8, 12) und mit der Reaktion auftretenden und wieder ver¬ 
schwindenden reichlichen Beimischungen von Nierenbecken und Blasen- 
epithelien, weissen Blutzellen, spärlichen roten Blutkörperchen und 
einzelnen Epitheleylindern (12) wird berichtet über das Auftreten von 
Peptonurie (ev. mit Acetonurie) 46, 12, 47, 44) und von Diazoreaktion 
(12, 48, 32, 8); alles Zustände, die in keinem Fall zu einer ernsten 
oder dauernden Schädigung geführt haben; einmal findet sich eine 
rasch vorübergehende Glykosurie erwähnt (18). 

Hiernach sind bei intakten Nieren ernste und nachhaltige Stö¬ 
rungen im allgemeinen nicht hervorgetreten, bei vorhandenen Nieren¬ 
erkrankungen ist Vorsicht geboten und dürften die Injektionen am 
besten zu vermeiden sein. 

Symptome von bedrohlicher Herzschwäche oder schwere Kollaps¬ 
erscheinungen (49, 50, 27, 3, 16, 51, 18, 52, 53, 54) geben bei ge¬ 
nauerer Sichtung, des Materials in erster Linie davon Zeugnis, dass 
die Injektionen vielfach in viel zu weit vorgeschrittenen Erkrankungs¬ 
formen zur Anwendung gekommen sind. ' 

Auch die im Anschluss an die Injektionen infolge von Herz¬ 
schwäche eingetretenen Todesfälle (51, 54, 53), bei denen es sich ein¬ 
mal um eine 71jährige Pfründnerin handelte, in den beiden anderen 
Fällen sehr weit fortgeschrittene Erkrankungsstadien Vorlagen, können 
an dieser Ansicht kaum etwas ändern. 

Von sonstigen zwar vorübergehenden, immerhin ernst genug zu 
nehmenden Störungen finden sich verzeichnet Delirium cordis (49) 
Zustände von Angina pectoris und Präkordialangst (3, 17), Dehnungen 
des rechten (12) und des linken Ventrikels. Als leichtere Krankheits¬ 
erscheinungen sind zu erwähnen einfache, unter Umständen sehr er¬ 
hebliche Steigerung der Pulsfrequenz ev. mit Dikrotie (8, 55, 12) und 
Irregularität des Pulses (16, 44, 12). 

Diesen zweifellos vorhandenen aber bei richtiger Auswahl der 
Fälle wohl vermeidbaren, vom Herzen ausgehenden Gefahren reihen 
sich die in den Luftwegen, hauptsächlich in den Lungen, sich ab¬ 
spielenden Reaktionserscheinungen an. 

Dyspnoe von mehrtägiger Dauer (32, 12), Beschleunigung der 
Atmung mit und ohne Beklemmungen (15, 16, 12, 56) auch Bra- 


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dypnoe (16) und Orthopnoe, überhaupt eine Änderung des Atemtypus, 
dürfen als Zustände von geringerer Bedeutung betrachtet werden, 
dagegen sind Erscheinungen von höchst bedrohlicher Atemnot und 
schwerer Kehlkopfstenose (23, 9, 16, 43, 57, 58), die einigemal die 
Tracheotomie erforderte, ausschliesslich bei Lupus oder Phthisis La¬ 
ryngis vorgekommen. Da eine diagnostische Injektion in differential¬ 
diagnostisch schwierigen Fällen von Affektionen des Kehlkopfes (Lupus, 
Lues, Tumoren, Phthisis laryngis etc.) sich gelegentlich kaum wird 
umgehen lassen, so werden sich die schwersten eventuell das Leben 
bedrohenden mit dem Auftreten einer lokalen Reaktion im Kehlkopf 
verknüpften Gefahren doch vermeiden lassen, wenn die aus den er¬ 
wähnten Erfahrungen zu ziehende Lehre beherzigt und die 
Möglichkeit einer Tracheotomie unter solchen Umständen jederzeit 
ins Auge gefasst wird. Das Auftreten von Husten, oft recht quälen¬ 
den und anhaltenden Reizhusten und von Auswurf oder eine Steige¬ 
rung dieser schon vorher bestehenden Symptome (3, 16, 17), ebenso 
qualitative Veränderungen des Auswufes, Reaktionserscheinungen, mit 
denen man jederzeit rechnen muss, und welche sich auch bei dem 
vorliegenden Material nicht selten zeigten, können an sich keine ernste 
Schädigung nach sich ziehen, sofern nur der vermehrte Auswurf einen 
sicheren Ausweg nach aussen finden kann. 

Dagegen verdient die Möglichkeit des Eintrittes einer Hämoptyse 
als eine ernste Gefahr berücksichtigt zu werden. 

Meist wird nur von leichten Blutbeimengungen zum Auswurf oder 
leichter sanguinolenter Färbung des Auswurfes berichtet (4, 15, 11, 
12, 17), ferner von geringen ohne Nachteil verlaufenen wirklichen 
Hämoptysen (32, 5, 44, 58). Schliesslich soll sich aber in einem Fall 
an eine durch die Injektionen hervorgerufene Hämoptyse eine ernstere 
Gefahr in Gestalt einer Infiltration der einen Lunge angeschlossen 
haben (59) und in einem anderen eine bisher gutartige fieberlose 
Phthise nach einer einzigen Injektion von 0,001 in ein unter stetem 
Fieber und unstillbaren heftigen Hämoptysen schnell zum Tode führen¬ 
des Leiden verwandelt haben (60). Wenn auch die Möglichkeit des 
Auftretens von Hämoptysen im Anschluss an die Injektionen zugegeben 
werden muss, so wird sich doch die Frage ob post hoc oder propter 
hoc immer nur schwer entscheiden lassen. So wird von einigen 
Autoren (6, 29) ausdrücklich hervorgehoben, dass niemals stärkere 
Hämoptysen beobachtet wurden, auch bei solchen Kranken nicht, 
die früher öfters an Blutungen gelitten hatten. Besonders lehrreich 
in dieser Beziehung sind zwei Fälle von Ho fm ei er (6), welche der 
Behandlung mit Tuberkulininjektionen unterworfen werden sollten. 
Dieselben demonstrieren in anschaulicher Weise, wie glücklich Un- 


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25] Üb. d. diagn. Tuberkalininjekt. u. ihre Verwand, b. Heilstättenmaterial. 349 

glücksfälle vermieden wurden, die sonst unbedingt den Injektionen 
zur Last gelegt worden wären. In dem einen platzte zufällig vor 
der ersten Injektion nach vorheriger reichlicher Blutung eine Kaverne, 
in dem anderen trat unter abundanter Hämoptoe vor Ausführung der 
Injektion der Exitus ein. 

Während das Auftreten von diffusen Bronchitiden (90) bei nicht 
tuberkulösen Kranken oder in nicht erkrankten Lungenpartieen, als 
ein im ganzen seltenes und weniger gefährliches Vorkommnis gelten 
kann, zumal sich dieselben stets nach mehr oder weniger langer Zeit 
residuenlos zurückgebildet haben, müssen die so oft und in nachdrück¬ 
lichster Weise von besonders autoritativer Seite (Virchow, Hause¬ 
mann etc.) erwähnten Zustände von käsiger Pneumonie, geradezu als 
Injektionspneumonie bezeichnet, ferner eigentümliche frische Infil¬ 
trationen grösserer Lungenpartieen, eitrige Einschmelzungen, Gangrän, 
(67, 69, 71, 75, 70, 82 etc.) als höchst bedenkliche Folgen betrachtet 
werden, deren sichere Abhängigkeit von den Injektionen wohl ein für 
allemal ein Veto gegen die weitere Verwendung des Tuberkulins ein- 
legen müsste. 

Bei einer genaueren Prüfung des Materials ergibt sich jedoch, 
dass dasjenige, bei dem die oben erwähnten Folgezustände zur 
Kenntnis gelangten, durchweg ein sehr schweres war, dass es sich 
in allen diesen Fällen um weit fortgeschrittene Erkrankungen von 
Phthisis pulm. handelte, die meist noch kompliziert war durch gleich¬ 
zeitige Tuberkulose vieler anderer Organe. Die Behauptung erscheint 
als durchaus zutreffend, dass in allen solchen Fällen, in denen die 
vorbezeichneten schweren Schädigungen zum Ausdruck kamen, die 
Anwendung des Tuberkulins eigentlich kontraindiziert war. 

Berücksichtigt man ferner, dass das Prinzip der damaligen 
therapeutischen Tuberkulininjektion in dem Hervorrufen einer mög¬ 
lichst kräftigen Reaktion, in welcher der wesentlichste Heilfaktor 
erblickt wurde, bestand, so dürfte ohne weiteres klar sein, dass sich 
derartige schwere Störungen sicher vermeiden lassen, eine Ansicht, 
die auch schon in jener Zeit von verschiedenen Seiten geäussert 
wurde, so dass dieselben bei dem heutigen veränderten Prinzip der 
therapeutischen Injektion wie bei der weit strengeren Indikations¬ 
stellung für die diagnostische Injektion kaum noch ernstlich in Be¬ 
tracht kommen können. 

Neue Eruptionen von tuberkulösen Herden, die in der Nähe 
und in der Umgebung von alten, an vorher intakten Stellen aufge¬ 
treten sein sollen z. B. auf der Zunge, auf dem Gaumen und der 
Tonsille, im Kehlkopf, am Zahnfleisch (91, 89, 76, 74, 72, 66, 65, 
63, 67, 69, 71, 75) müssen ebenfalls als eine sehr ernste Gefahr an- 


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gesehen werden. Bei den Eruptionen, die auf der Beobachtung zu¬ 
gänglichen Schleimhäuten in die Erscheinung getreten sind, wird es 
sich schwer entscheiden lassen, ob die betreffenden Stellen nicht 
bereits vorher erkrankt waren, so dass die Eruption durch die Injek¬ 
tion gewissermassen nur ausgelöst worden ist, dass sie nur der Aus¬ 
druck einer im bereits erkrankten Gewebe stattfindenden Reaktion 
war. Eine solche Annahme, die schon damals viele Verteidiger fand, 
erscheint durchaus wahrscheinlich, da das event. durch die Injektion 
mobil gemachte tuberkulöse und infektiöse Material ja nach aussen 
entleert werden kann. 

Tatsächlich hat man an dem Sektionsmaterial von Injizierten 
auffallend häufig frische miliare Eruptionen in der Nachbarschaft 
tuberkulöser Prozesse, sowie allgemeine Miliartuberkulose zu Gesicht 
bekommen (17, 68, 70, 29, 85, 116, 117, 111, 19, 112, 115, 69). 

Es darf dabei aber nicht ausser acht gelassen werden, dass zur 
Zeit der Tuberkulinbehandlung begreiflicherweise ein gewaltiger Konflux 
von tuberkulösen Kranken in die Krankenhäuser stattfand und dass 
natürlich ein ganz besonderer Wert auf die Sektionen von injiziertem 
wie nicht injiziertem Material gelegt wurde. Hierdurch hat ohne 
Zweifel eine beträchtliche Steigerung der Sektionen Tuberkulöser an 
sich stattgefunden. Die Sektionen sind ferner auch ganz besonders 
sorgfältig gemacht. Ein Blick auf die Sektionsprotokolle jener Zeit 
lehrt, dass gerade das Sektionsmaterial, welches die Injizierten 
lieferten, durchweg ein sehr schwer erkranktes war. Diese schweren 
Krankheitszustände waren aber nicht etwa eine Folge der Injek¬ 
tionen, sondern hatten schon vor der Anwendung derselben be¬ 
standen. Diese Zustände konnten höchstens in der einen oder 
anderen Richtung durch die Injektionen verschlimmert worden sein. 
Der Zufall kann deswegen sehr wohl eine Rolle gespielt haben und 
es erscheint von vornherein nicht berechtigt, alle jene auf dem 
Sektionstisch gemachten Beobachtungen von Pneumonie, käsiger Hepa¬ 
tisation, von frischen miliaren und submiliaren Tuberkeleruptionen ? 
entstanden gedacht durch metastatische Bacillenverschleppung infolge 
Mobilisierung tuberkulösen Materials, oder schliesslich der allgemeinen 
Miliartuberkulose ohne weiteres den Injektionen in die Schuhe zu 
schieben. Erst eine Gegenüberstellung von injiziertem und nicht 
injiziertem im übrigen vergleichbarem Material würde hier Klarheit 
schaffen können, aber auch dann erst zu einem verwertbaren 
Resultat führen können, wenn die erwähnten Zustände bei den 
Injizierten ausserordentlich viel häufiger zur Beobachtung gelangen 
würden, als bei den nicht injizierten oder anders behandelten Fällen. 
Ein Versuch in diesem Sinne ist von Fürbringer (82) gemacht 



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27] Ob. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 351 

worden. Er stellt 14 Injizierte, von denen bei 7 die Behandlung mit 
Tuberkulin sechs Wochen vor dem Tode ausgesetzt wurde, 142 nicht 
Injizierten . gegenüber und findet ungewöhnlich ausgedehnte käsige 
Pneumonie 

bei den Injizierten in 33°/o 
bei den nicht Injizierten in 15°/o 

Ungewöhnlich ausgedehnte Miliartuberkulose der Lungen 
bei den Injizierten in 43°/o 
bei den nicht Injizierten in 6°/o 

Mehr weniger allgemeine Miliartuberkulose 

bei den Injizierten in 21°/o 
bei den nicht Injizierten in 10°/o. 

Er gibt selber zu, dass sämtliche behandelte Fälle sehr schwere, 
fieberhafte und für eine Tuberkulinbehandlung ganz ungeeignete 
tuberkulöse Erkrankungen gewesen seien; die injizierten Dosen seien 
zu hoch gewesen. 

Diese Statistik ist selbstverständlich viel zu klein, um beweisend 
zu sein; die Möglichkeit des Zusammenhanges derartiger Zustände 
mit den Injektionen muss jedoch zugegeben werden und deswegen 
mit einer solchen gerechnet werden. 

Wegen der Schwere des Materials aber muss die Frage offen 
bleiben, ob nicht alle diese Schädlichkeiten bei einer sorgfältigeren 
Auswahl der Fälle hätten vermieden werden können; lässt sich eine 
solche Vermutung heute auch nicht absolut sicher begründen, so ist 
sie doch mindestens sehr wahrscheinlich. 

Weiterhin muss noch der Gefahr Erwähnung geschehen, dass 
durch Zerfall tiefgehender geschwüriger Prozesse (z. B. im Darm) 
eine Perforation verursacht werden oder ein Durchbruch von 
Kavernen in die Pleura stattfinden kann (67, 64, 19). Mit dem 
Wesen der Tuberkulinreaktion ist dieselbe sehr wohl vereinbar, sie 
wird aber bei einer sorgfältigen Auswahl des Materials und bei einer 
strengen Indikationsstellung kaum eine Bolle spielen. 

Der besonders von Virchow ausgesprochene Verdacht, dass 
das Mittel schon abgekapselte Massen wieder mobilisieren und auf 
diese Weise einen Herd, der wenigstens scheinbar unschädlich ge¬ 
worden war, wieder zu einer aktuellen Gefahr machen könne, ist 
durch eine sichere Beobachtung nicht bestätigt. Eine der vor¬ 
liegenden Beobachtungen scheint direkt dagegen zu sprechen. 

Ein 56jähriger Steinbrecher reagiert auf die typische diagnostische Injektion 
in keiner Weise. Später, lange Zeit nach der Injektion, Exitus durch interkurrente 
Erkrankung. Bei der Autopsie findet sich in der rechten Spitze eine alte tuber¬ 
kulöse Narbe. Eine genauere Untersuchung, ob in dieser Narbe noch virulentes 
tuberkulöses Material vorhanden war, konnte leider aus äusseren Gründen nicht 
ßtattfinden. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 24 


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Dass schliesslich bei einem so starken allgemeinen Krankheits¬ 
zustand, wie ihn eine kräftige Tuberkulinreaktion nun doch einmal 
darstellt, auch das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen wird, 
kann nicht besonders auffallen. 

Leichtere Störungen von allgemeiner Unruhe, Aufgeregtheit und 
Beängstigungen, Kopfschmerzen, Flimmern vor den Augen und Doppel¬ 
sehen, grosse Hinfälligkeit, unruhiger Schlaf oder völlige Schlaflosig¬ 
keit werden in dem einen oder anderen dieser Symptome kaum jemals 
vermisst. Auch ernstere Zustände wie Delirien und Somnolenz, 
komatöse und depressive Zustände können eine ausgesprochene Tuber¬ 
kulinreaktion begleiten und unter Umständen recht beängstigender 
Natur sein. In einem von Jaresch mitgeteilten Fall (53) leitete die 
bei schwerster Reaktion eingetretene Somnolenz direkt in den exitus 
über, allerdings handelte es sich hier auch wieder um eine Phthise 
der schwersten Form. Auch in das psychische Gebiet können die 
Reaktionserscheinungen hinüberspielen und Exaltationszustände und 
Delirien mit trüben Wahnvorstellungen (12) zur Folge haben, die voll¬ 
kommen das Bild einer akuten Psychose darbieten. Es sind auch, 
jedoch nur bei disponierten Individuen, infolge des Fiebers gut ver¬ 
laufende akute Psychosen, sog. Fieberpsychosen, Delirien der Deferves- 
cenz, epikritische postfebrile Psychosen beobachtet (106); nur bei 
einer Patientin, die auch sonst während der Menses psychische Stö¬ 
rungen dargeboten hatte, entwickelte sich nach der 17. Injektion 
eine schwere Psychose, in welcher eine hypostatische Pneumonie den 
Tod herbeiführte (107). 

Zu den mehr lokalisierten Symptomen gehören die Veränderungen 
im Gebiet der Sensibilität und der Reflexe und in der motorischen 
Sphäre. Hyperästhesie, Parästhesie, Verminderung des Tastsinnes, 
Störung des Lokalisationsvermögens, Verminderung des Druck- und 
Temperatursinns sind beobachtet (12), spinale Hyperästhesie mit 
Steigerung der Sehnenreflexe (46) bei einem Neurastheniker, also auf 
dem Boden einer nervösen Disposition, vorübergehende Atasie der 
unteren Extremitäten (108) (wahrscheinlich lag hier eine incipiente 
Tabes vor) und Neuralgien sind als gelegentliche Folgezustände der 
Injektion beschrieben. 

Dass sich bei einer Spondylitis gemäss dem Charakter der lokalen 
Tuberkulinreaktion eine motorische und sensible Paraplegie (5) der 
Beine entwickeln kann oder dass bei schweren lokalen Gehirnleiden 
Facialiskrämpfe, Cheyne-Stokes etc. auftreten können (62) braucht nicht 
wunder zu nehmen, ebensowenig bedarf die Möglichkeit, dass durch 
die Injektion schwere hysterische Krämpfe, wenn solche schon vorher 
bestanden haben (49) ausgelöst werden können, eines Erklärungsversuchs. 


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29] Üb. d. diagD. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 353 

Man wird wohl in der Annahme nicht feblgehen, dass für die 
schweren psychischen Zustände als ätiologisches Moment die Dis¬ 
position der betreffenden Individuen sehr in Betracht zu ziehen ist; 
neben der Disposition wird ein höheres Fieber an sich, ganz abge¬ 
sehen davon, dass es durch Tuberkulin hervorgerufen ist, die Ver¬ 
anlassung zu den beschriebenen Störungen geben können. 

Von allen diesen nervösen und psychischen Störungen sind bei 
dem vorliegenden Material nur die leichtesten Formen beobachtet 
worden; es werden die erwähnten schweren Zustände sich vielleicht 
umgehen lassen, wenn das nervöse und psychische Moment vor der 
Einleitung einer diagnostischen Injektion besonders beachtet wird. 

Die seiner Zeit grosses Aufsehen machende Behauptung, dass im 
Anschluss an die Injektionen sehr häufig Tuberkelbacillen im Blute 
auftreten (Liebmann 79) und dass die Kochsche Lymphe lebens¬ 
fähige Bacillen enthalte (87), soll der Vollständigkeit halber nur an¬ 
geführt werden. Dieselbe wurde sofort in überzeugender Weise wider¬ 
legt (73, 77, 86, 12, 88) und hat nur ein historisches Interesse. 

Wenn wir nach allem uns der Erkenntnis keineswegs verschliessen 
wollen, dass mit der Anwendung des Tuberkulins zu diagnostischen 
Zwecken ernste Gefahren verknüpft sein können, wie eine Durchsicht 
der Literatur lehrt, so müssen wir andererseits gerade aus dieser 
Literaturbetrachtung unbedingt den Eindruck einer wesentlichen Über¬ 
schätzung dieser Gefahren gewinnen. 

Das Material, an dem die Tuberkulininjektionen zur Anwendung 
kamen, war, wenigstens soweit sich schädliche Folgen an sie ge¬ 
knüpft haben — das darf ohne Übertreibung behauptet werden — 
fast ausnahmslos ein ungeeignetes. 

So sehr Koch selbst vor der Anwendung des Tuberkulins in 
zu schweren und vorgeschrittenen Erkrankungsstadien gewarnt hatte, 
so energisch er auf die Wichtigkeit der kritischen Sichtung des Ma¬ 
terials und der sorgfältigen Auslese der beginnenden Erkrankungen 
für die Tuberkulinbehandlung aufmerksam gemacht hatte, es war den 
Ärzten damals in jenem Taumel der Begeisterung, der Laien wie 
Ärzte fast in gleicher Weise ergriffen hatte, in jenem Sturm der 
Wünsche und Hoffnungen, der die Gemüter der Tuberkulösen, der 
leicht und schwer Erkrankten, selbst der fast Moribunden erfasst 
hatte, nicht möglich, die Forderung Kochs zu erfüllen und das Ma¬ 
terial in wünschenswerter und einer vorurteilsfreien Beobachtung er- 
spriesslichen Weise auszuwählen. 

Wäre es möglich gewesen, das Tuberkulin vor der allgemeinen 
Einführung in ruhiger und sachlicherWeise zu prüfen, so würde man 
schneller zu einem sicheren Urteil über seinen Wert wie über die 
mit seiner Anwendung verknüpften Gefahren gelangt sein. 

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So sind selbst beute noch die Ansichten der Autoren über die 
Gefährlichkeit des Mittels geteilt und es bedarf weiterer Unter¬ 
suchungen zur endgültigen Klärung dieser Frage. 

Die Gefahren, mögen dieselben nun nur scheinbare gewesen sein 
oder nicht, ebenso wie der geringe therapeutische Nutzen, dessen Er¬ 
kenntnis naturgemäss auch durch die ungenügende Auswahl geeigneten 
Materials beeinflusst war, hatten zur Folge, dass die Tuberkulinbe¬ 
handlung fast ganz verlassen wurde und nur von ganz vereinzelten 
Ärzten in aller Stille weiter geübt wurde. 

Die einzige Frucht, die die stürmische Tuberkulinperiode zur 
Reife gebracht hatte, bestand in der Wertschätzung der diagnostischen 
Bedeutung des Tuberkulins. 

Zwar ist die Zahl derjenigen Autoren, die das Tuberkulin auch 
als diagnostisches Mittel überhaupt verwarfen oder demselben nur 
einen beschränkten Wert zuerkennen wollten, sei es dass dasselbe 
auch bei ganz Gesunden eine Reaktion, und zwar bei Anwendung 
nur geringer Dosen, hervorzurufen im stände sei, sei es dass auch 
an anderen Krankheiten Leidende in ähnlicher oder gleicher Weise 
wie Tuberkulöse reagieren sollten, keine ganz geringe; (94, 5, 97, 82, 
102, 16, 68, 117—147, 78, 59, 175, 190). 

Diejenigen, die das Mittel als ein ausserordentlich feines Reagens 
auf jede tuberkulöse Erkrankung anerkannten und die Entdeckung 
des Tuberkulins, ganz abgesehen von seinem therapeutischen Wert 
oder Unwert, als eine solche von epochaler Bedeutung priesen, über¬ 
wiegen doch bei weitem an Zahl. (95, 96, 98, 99, 100, 101, 103, 
104, 106, 110, 23, 9, 22, 10, 49, 61, 50, 24, 3, 32, 4, 7, 28,45,44, 
45, 57, 29, 105, 34, 12, 13, 33, 148-174, 2, 188, 189, 191.) 

Es muss das um so mehr hervorgehoben werden, als sich zu 
jener Zeit eine so typische Methode der diagnostischen Injektion wie 
wir sie heute besitzen, noch nicht herausgebildet hatte, wenn auch 
schon von vielen das Prinzip der diagnostischen Injektion, dass eine 
Verzettelung der Dosen möglichst zu vermeiden sei, erkannt wor¬ 
den war. 

In dem Zeitraum nach der Tuberkulinperiode, ganz besonders 
wieder in neuerer Zeit, seitdem eine bestimmte Methode für die 
diagnostische Injektion angegeben ist und seitdem man sich gewöhnt 
hat, vor der Anwendung des Tuberkulins das Material nach be¬ 
stimmten Grundsätzen zu sichten und vor allen Dingen schwer Er¬ 
krankte auszuschliessen, haben sich die Anhänger des Tuberkulins 
als diagnostisches Mittel wesentlich vermehrt. 

Als eine Bestätigung des diagnostischen Wertes dürfen auch wohl 
die vorliegenden Versuchsresultate gelten: 



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31] üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 355 


Von 180 Injizierten waren 16 negativ oder zweifelhaft = 8,9 °/o, 
schon ein recht geringer Prozentsatz. 

Ganz sicher negativ waren nur 7 (= 3,9 °/o) und bei diesen 7 
konnte auch nach dem objektiven Untersuchungsbefund sehr wohl 
angenommen werden, dass eine Tuberkulose nicht vorlag; und sollte 
die Injektion bei dieser kleinen Zahl im Sti<?h gelassen haben, so ist 
dieser Prozentsatz ein so geringer und verschwindender, dass er 
praktisch als bedeutungslos angesehen werden kann; derselbe ist eher 
als ein einwandsfreier Beleg für den Wert der diagnostischen Injek¬ 
tion anzusehen. 

Eine weitere wesentliche Stütze für den Wert der diagnostischen 
Injektion hat sich auf Grund der unter staatlicher Aufsicht im 
grossen durchgeführten Impfungen beim tuberkulösen Rindvieh er¬ 
geben, wenn anders die Tuberkulose des Rindviehs als eine der mensch¬ 
lichen gleiche Erkrankung anzusehen ist. (177—187.) 

Dieselben haben deswegen besonderen Wert, weil die Reaktion 
jeder Zeit durch die Sektion kontrolliert werden kann — und in der 
Tat hat sich bei diesen Tierimpfungen ein ausserordentlich günstiges, 
den diagnostischen Wert des Tuberkulins für die Rindertuberkulose 
jedenfalls in exaktester Weise dokumentierendes Ergebnis heraus¬ 
gestellt. Diese Impfungen haben denn auch bereits zu praktischen 
und für die Rinderzucht wertvollen Resultaten geführt. 

Dass die diagnostische Tuberkulininjektion in ihrer Anwendung 
an Menschen, nachdem einmal ihre Sicherheit und ihre wenigstens rela¬ 
tive Gefahrlosigkeit erkannt war, in gleicher Weise zu praktischen Er¬ 
gebnissen von allgemeiner Bedeutung führen würde, war von vorn¬ 
herein nicht zu erwarten. Wenn solche aber überhaupt zu erhoffen 
sind, so scheint die jetzige Ära des Heilstättenwesens zur Zeitigung 
derselben berufen. 

Nur die Frühbehandlung kann hier nach einstimmiger Ansicht 
etwas leisten; — wenn also als sicherstes Hilfsmittel zur Frühdiagnose 
der Tuberkulose das Tuberkulin sich allgemeine Anerkennung errungen 
hat, so ist nicht einzusehen, warum es nicht in allgemeinerer Weise 
von denjenigen Ärzten, die den Heilstätten Material zuzuführen 
haben, zur richtigen Auswahl desselben zur Anwendung gelangt. Das 
in Wort und Schrift so oft geäusserte und bei der beschränkten Kur¬ 
zeit begründete Verlangen der Heilstättendirektoren, nur initiale 
Tuberkulosen einzuweisen, gab uns die Veranlassung zur Anwendung 
diagnostischen Injektion und es wurde schon darauf hingewiesen, dass 
dieselbe nicht nur in sehr vielen Fällen 1 ) der Diagnose erst die nötige 

i) Von den 7 als sicher nicht reagierend bezeichneten Fällen kommeu 6 auf 
die 41 Patienten, bei denen sichere lokale Lungenerscheinungen überhaupt nicht 


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Sicherheit verlieh, sondern dass sie tatsächlich oft auch für den 
Kranken bestimmend auf seinen Entschluss wirkte, sich einer Heil¬ 
stättenkur zu unterziehen. 

Wir stehen nicht an, die diagnostischen Injektionen in diesem 
Sinne aufs angelegentlichste zu empfehlen und glauben gezeigt zu 
haben, dass dieselbe sich sehr wohl ohne Schaden für den Kranken 
und ohne das Beobachtungsresultat zu beeinträchtigen, in ambula¬ 
torischer Weise durchführen lässt. 

Zum Schluss mögen die Resultate der vorliegenden Untersuchungen 
in Zusammenhang mit den Ergebnissen der Literatur kurz in folgenden 
Sätzen zusammengefasst werden. 

1. Der Wert der diagnostischen Tuberkulininjektion muss als ein 
in jeder Beziehung feststehender anerkannt werden. 

2. Die diagnost. Injektion lässt sich ambulatorisch unter Beachtung 
gewisser Kautelen sehr wohl durchführen ohne Schädigung der Kranken 
und ohne die Beobachtung der Reaktionsresultate zu beeinträchtigen. 

3. Die diagnostischen Injektionen scheinen berufen eine wesent¬ 
liche Rolle bei der Auswahl des Heilstättenmaterials zu spielen. 

4. Dass Gefahren mit der diagnostischen Tuberkulininjektion ver¬ 
bunden sein können, soll vorläufig nicht bestritten werden. 

Das vorliegende Material ist jedenfalls nicht gross genug, um 
diese Möglichkeit mit Sicherheit ausschliessen zu können. In Berück¬ 
sichtigung der Resultate anderer Autoren, besonders derjenigen von 
Beck (1) (Impfungen an 42, 508 Patienten), ist es indessen sehr wahr¬ 
scheinlich, dass die Gefahren unerheblich und unwesentlich sind, so 
dass sie für eine auch allgemeinere Einführung der Injektion keine 
Kontraindikation abgeben können. 

5. Jedenfalls ist zur Vermeidung etwaiger Gefahren eine sehr 
sorgfältige Untersuchung und Beobachtung des Materials vor der dia¬ 
gnostischen Injektion notwendig. 

6. Weitere Untersuchungen über die diagnostische Injektion sind 
als wünschenswert zu bezeichnen, um sichere Klarheit zu schaffen 
über die Natur und die Häufigkeit etwaiger Gefahren. Denn nur auf 
diesem Wege ist zu erhoffen, dass die einer allgemeineren Anwendung 
entgegenstehenden Bedenken endgültig beseitigt werden. 

Sollte sich aber ergeben, dass die Gefahren wirklich bedenkliche 
und häufige sind,' so mag die Tuberkulininjektion aus der Zahl der 
diagnostischen Hilfsmittel definitiv gestrichen werden. 

nachzuweisen waren. Es konnten also von diesen 41, die im wesentlichen nur 
allgemeine Krankheitserscheinungen darboten, 85 durch die Injektion als tuberkulös 
erkannt und so der Heilstättenkur in einem möglichst frühzeitigem Stadium zu¬ 
geführt werden, während 6 von der Furcht vor einer tuberkulösen Erkrankung 
definitiv befreit werden konnten. 


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33J Üb. d. diagn. Tuberkulinin jekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 357 


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70. Rütimeier, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5. 

71. Yirchow, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5. 

72. Flatau, Berl. klin. W. 1891. Nr. 5. 

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79. Liebmann, Berl. klin. W. 1891. Nr. 4 u. 16. 

80. Grawitz, D. med. W. 1891. Nr. 19. 

81. Kossel, Berl. klin. W. 1891. Nr. 19. 

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35] Üb. d. diagn. Tuberkulininjekt. u. ihre Verwend. b. Heilstättenmaterial. 359 

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173. Moeller, Münch, med. W. 1901. Nr. 50. 

174. E. France, Londoner Tuberkulose-Kongress. 

175. Knopf, Zeitschr. f. Tuberk. u. Heilstätten wesen. 1900. Nr. 3. 

176. Li pari, Rif. med. 1891. 106. 107. VII. 

177. Schneidemühl, D. med. W. 1891. Nr. 46. 

178. Nocard, Annales d'Hyg. publ. XXVI. 5. 1891. 

179. Nocard, Bull, de l’acad. de m6d. LV. 40. 1891. 

180. Nocard, Annales d’Hyg. etc. 28. 5. 1892. 

181. Nocard, Gaz. de Paris. 56. 1895. Nr. 49. 

182. Bang, Hosp. Tit. 3. R. IX, 17. 18. 19. 1891. 

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186. Winchester, ibidem. 

187. Semmer, Arch. des sc. biolog. St. Petersburg. III. 2. 1894. 

188. Fehling, Korrespondenzbl. f. Schweiz. Ärzte. 1891. Nr. 1. 

189. Königshöfer und Maschke, D. med. W. 1891. Nr. 2. 

190. Babes und Kalindero, D. med. W. 1891. Nr. 3. 

191. Demuth, Vereinsbl. f. Pfälzer Ärzte. VIII. 1891. 1. 



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Gruppe I. (1—3). 



Inject io n mit negativem Resultat. Pat. war 1 Jahr vorher mit Tuberkulin behandelt ( — 1,0 reines 
Tuberkulin als höchste Einxeldosis). 


25jähr. Büglerin K 


November. 


Injcction mit negativem Resultat, 


19jähr. Dienstmädchen H 


Geringe Reaction nach 0,006; geringere Reaction nach 0,01 ; deswegen vorläufig als negativ aufgefasst. 



II. (4—10) Fiebertypus nach nur einmaliger Injection 


r. Schreiner B 


März, 


Reaction nach der 1. Injection. Einmaliger Anstieg der Temperatur am Tage der Injection 


32jähr. Pferdebahnkondukteur Sp. 


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jjj-p_______ 21 j& hr. Verkäuferin W. 

—-r —|— p|! Nove mber. 

€r-rl r ' i H | l5 l -^ S ÜTiB j 1 jf 3 ÜI H *\ ■*] "°( ™~ 


Ha&giiaiMBEBBiHiBmBäff 



_._.__21 jähr. Schlosser W. 

~-p __ Februar. 

LR’- ° I? 15 16 \° 1 M Räl 27(28' 


Reaetion n.ch der I. I^^TWdeg der Te-np^l „J, 
— faM im Verlauf von 4 Tagen. 

ss-_83jähr. Maurer Sch. 


' -p ^ ; t -j- - -p ■ -»--i ...-f. 

J n TM i nl i dx trtr 

Tage nach der Inject ion; lytiacfcer Ab- 


-£L«k|g|»[a>|a|zg|3|M|ai|a i l27lMUI-»l 


UL • ? h -LLMTTT 


—ja#.j zrizt. 

3Zo-m i - , —, 


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•» 1«!» (g IclnTäl 


R *“ Ctk,n »«<* der 1. Injection Allmählicher Anrüeg der Ten LU. J« ■ J 1 ' V ' Ul±l±L 
der Temperatur nach P^udokrit^hen, Abfal.; dann defin/dv^^ 


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III. (11 —13) Fiebertypus bei dem milderen Verfahren. Auftreten der Reaction nach der 2. Injection. 



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IV. (14 —17) Fiebertypus bei dem milderen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 3. Injection. 





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Reaction nach der 3. Injection. Höhe der Temperatur am Tage nach der Injection. An demselben 

Tage Abfall zur Norm. 


V. (18) Fiebertypus bei dem milderen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 4. Injection. 



VI. (19—24) Fiebertypus bei dem typischen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 2. Injection. 



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I HBHEHgEia iaPEBBBBBBBEiaaga 


Deutliche Reaction nach der 2. Injection. Anstieg und Höhe des Fieber* am Tage nach der Injection 

‘^tägiges Fieber. 


r. Maurer Str. 


Dezember. 


Reaction nach der 2. Injection. Fieberanstieg am 2. Tage nach der Injection 
nächsten Tage an, um dann in 24 Stunden abzufallen. 


ir. Ausläufer K, 


24jähr. Heizer K. 


1903 Januar. 


Dezember. 


Reaction nach der 2. Injection. Die Temperatur steigt und fallt allmählich im Verlauf von 
ab. Höhe des Fieberanstiegs am Tage nach der Reaction. 


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VII. (25—28)Fiebertypus bei dem typischen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 3. Injection. 



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VIII. (29) Fiebertypus bei dem typischen Verfahren, Auftreten der Reaction nach der 4. Injection. 


29. ?6jähr. Steinhauer H. 



sssSs 





iiiilliiiiPüüiillüiBüüüililiiilliliüililiüIig 


Deutliche Reaction erst nach der 4. Injection. Kurzer, einmaliger Fieberanstieg, am Tag nach der 

Injection auf der Höhe. 



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Sensibilitätsstörungen der Haut bei Lungen¬ 
erkrankungen, besonders der Tuberkulose. 

Von 

Dr. Rudolf Goldmanit. 


Die Klagen Lungenkranker über Schmerzen sind jedem Arzte 
genügend bekannt. Sie werden von den einzelnen mit mehr oder 
weniger Bestimmtheit geschildert: „Stechen zwischen den Schulter¬ 
blättern, über einem Schulterblatt, das nach vorne ausstrahlt; 
Schmerz unter dem Schlüsselbein oder tiefer unten über der Brust, 
über dem Magen, der nach hinten durchsticht, Seitenstechen, das 
nach dem Bauche hinzieht; dann wieder Nacken-, Hinterhaupts-, Stirn- r 
Schläfenschmerzen, endlich ein- oder beiderseitige Empfindlichkeit im 
Bereich des Schultergelenks, des Oberarms, des ganzen Arms bis zu 
den Fingerspitzen, dabei oft Ameisenlaufen, Kältegefühl. Sie treten 
bald bei Bewegungen, tiefen Atemzügen, Hustenstössen, bald im 
Liegen auf der erkrankten Seite, bei festem Anlegen eines Korsetts, 
bald spontan auf. Die Intensität ist wechselnd je nach der Empfind¬ 
lichkeit des Patienten und der Art der Erkrankung. 

Diese Angaben haben in den Arbeiten über Pathologie der 
Lungenkrankheiten der letzten Dezennien in Beziehung auf die Sen- 

i) Während der Korrektur erschien das Referat über Eggers Arbeit: 
,Untersuchungen über Reflexhyperästhesie bei Lungentuberkulose (aus der Fest¬ 
schrift zum 25jährigen Jubiläum des Professors R. Massini) in der Zeitschrift 
für Tuberkulose und Heilstättenwesen. Bd. 4, 1903, pag. 260, Heft 8. Danach 
findet Egger in 16 °/o aller Phthisiker, vor allem bei Frauen und im jugend¬ 
lichen Alter, auch im Beginn der Pleuritis die Reflexhyperästhesie ausgesprochen. 
Der Originalartikel war mir leider nicht zugänglich. 


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362 


Rudolf Goldmann. 


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sibilität der Haut verschiedene Würdigung erfahren. Ich will die 
bedeutendsten Autoren in Kürze zitieren. 

Stokes (S. 644): „Im ersten Stadium der progredienten Tuber¬ 
kulose der Lungen klagt der Kranke häufig über Schmerz an irgend 
einer Stelle der Seite, in einigen Fällen ist derselbe nur am Nacken, 
in anderen aber am oberen Teile der Brust vorhanden, zieht sich 
von der Clavicula bis in die Regio subscapularis hin und nimmt 
manchmal das Schultergelenk ein, in welchem Falle er dann oft für 
rheumatisch oder für den von Leberkrankheiten herrührenden Schulter¬ 
schmerz gehalten wird. Ich habe gesehen, dass derselbe regelmässig 
intermittiert, mit den Paroxysmen des hektischen Fiebers überein¬ 
stimmt. Bei diesem Schmerz tritt gewöhnlich eine Empfind¬ 
lichkeit in der Regio subclavicularis hervor.“ 

Ganz ähnlich äussert sich Turban (S. 14). Er zählt die 
Schmerzen, und zwar nicht sowohl Pleuraschmerzen, unter die An¬ 
fangssymptome der Lungentuberkulose. 

Ruehle (S. 54 ff.): Obwohl er daran festhält, dass die Schmerzen 
bei Lungenkrankheiten „lediglich von der Pleura, niemals vom Paren¬ 
chym selbst ausgehen,“ gibt er gleich darauf zu, dass „bei der Phthise 
in späterer Zeit schmerzliche Empfindungen auch an weiter abwärts 
gelegenen Stellen eintreten, welche durch tiefe Atemzüge und Husten, 
Druck und Perkussion verstärkt werden, an deren Stelle aber ebenso¬ 
wenig wie oben die auscultatorischen Reibegeräusche sich finden 
lassen.“ „Werden solche Schmerzen lediglich durch Druck in die 
Interkostalräume verstärkt, so entsprechen sie einer Pleuritis circum¬ 
scripta.“ 

Cornet (S. 331): „Der Schmerz lokalisiert sich ausschliesslich 
oder vorwiegend auf der kranken Seite, während die gesunde Seite 
nur ausnahmsweise ein Schmerzgefühl zeigt. Zum Teil besteht er in 
einer Hyperästhesie, die bei Perkussion, durch Druck, selbst durch 
leise Berührung, besonders am Sternum und am 3. und 4. Rücken¬ 
wirbel sich geltend macht. Zuweilen sind sie Zeichen von Kongestiv¬ 
zuständen der Lungen und gehen oft tagelang dem Bluthusten voraus.“ 

Über den Brustschmerz bei Pneumonia crouposa äussert sich 
Günsburg (1. c. S. 563): „Der Brustschmerz bei der Pneumonie ist 
mit dem pleuritischen Seitenstich nicht identisch; er ist allerdings 
oft stechend, bei jeder Bewegung und durch Husten vermehrt und ist 
alsdann auf Pleuritis zurückzuführen, oder der Schmerz ist dumpf, 
drückend, pressend, wird bei tiefen Atemzügen oder beim Husten 
erregt und verschwindet erst mit der Infiltration; diese Schmerzen 
müssen mithin in einer den pneumonischen Infiltrationsprozess be¬ 
gleitenden Erregung der sensiblen Spinalnerven bestehen, die umso- 



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3j Sensibilitätsatörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 363 

mehr einen Ausgangspunkt im Rückenmark haben 
müssen, als sie oft nicht der Stelle der Infiltration entsprechen; 
sie sind in der entgegengesetzten Brusthälfte, tiefer hinab in der 
Lebergegend, so dass der Laie an Unterleibsentzündung denkt, höher 
hinauf und irradiieren auf Schulter, Oberarm, Nackengegend.“ Er 
findet in einem Falle eine Hyperästhesie der Haut über dem Ober¬ 
lappen und Nacken der erkrankten Seite, welche die volle Resolution 
der Pneumonie um vier Wochen überdauerte. 

Ähnlich betont Aufrecht, dass der Schmerz bisweilen in den 
Hypochondrien, in der Weiche, in der Lendengegend, ja in der 
ganzen Unterleibshälfte der gleichen Seite oder selbst auf der anderen 
Thoraxhälfte verspürt werde. 

Ziemssen und Filatow sahen bei Kindern von 3—5 Jahren 
den Leibschmerz als ein diagnostisch wertvolles Initialsymptom der 
Pneumonia crouposa an, das den fast stets fehlenden Seitenschmerz 
ersetzt. 

Der pleuritische Schmerz kann nach Rosenbach in die Schulter, 
die Arme, ins Epigastrium, ausstrahlen. Nicht selten tritt der pleu- 
ritische Schmerz unter dem Bilde der Interkostalneuralgie mit deut¬ 
lichen Schmerzpunkten an der Wirbelsäule oder im Verlauf der 
Nerven und mit beträchtlicher Hyperästhesie der Haut auf. In sehr 
seltenen Fällen besteht sogar Schmerz auf der gesunden Seite, und 
zwar meist an einer zirkumskripten Stelle.“ 

Bei der Bronchitis acuta soll nach Graves das Gefühl von 
Kitzeln oder Jucken in der Gegend der Bifurkation beinahe aus¬ 
schliesslich auf die Haut beschränkt sein. Die hin und wieder vor¬ 
kommenden Schmerzen werden von den Autoren einmütig auf die 
beim Husten angestrengten Muskeln bezogen. 

Ein tieferes Verständnis der Sensibilitätsstörungen der Haut bei 
Erkrankungen der Lungen sowie der inneren Organe überhaupt ist 
erst durch die Arbeiten von Head angebahnt worden. Er findet bei 
akuten Entzündungen innerer Organe die Haut in einem bestimmten 
Gebiete gegen Schmerz- und Temperatureindrücke temporär über¬ 
empfindlich, ohne dass eine Erkrankung von peripheren Nerven im 
Spiele ist. Die Patienten verlegen den Schmerz in die Gegend der 
Hyperalgesie, nicht in das erkrankte Organ; die Empfindlichkeit der 
Haut ist sekundär, wird jedoch vom-Bewusstsein als primär gedeutet 
und der Schmerz in die Haut verlegt, „reflektiert“. — Die geschicht¬ 
liche Entwickelung dieser Lehre ist kurz folgende: Während Fenger 
die Empfindlichkeit der Haut auf Erkrankungen der peripheren Nerven 
bezog und damit das Gebiet der „Interkostalneuralgien“ irrtümlich 
ausdehnte, betonte Lange, dass „die Schmerzen bei Visceralerkran- 


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Rudolf Goldmann. 


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kungen irradiierte sind und dass in und zwischen den Schmerzan¬ 
fällen die Haut in der Gegend des Schmerzes hyperästhetisch sei. 
Für die Pneumonie hatte schon G Uns bürg (vgl. das Zitat) denselben 
Oedanken klar ausgesprochen. 

Auf grund der Forschungen Gaskeils, der zeigte, dass die 
vordere Spinalnervenwurzel sympathische Fasern enthalte, welche 
.zum Hinterhorn, dem Sitz der Leitungsbahnen für die Schmerz- und 
Temperaturempfindung im Rückenmark, ziehen, suchte Ross beim 
Studium des reflektierten Schmerzes jedesmal den peripheren Nerven, 
welcher gemeinsamen Ursprung mit den sympathischen Nerven des 
erkrankten Eingeweides habe. Den dumpfen Schmerz, der diffus in 
■dem affizierten Organe empfunden wird, unterscheidet er als den 
splanchnischen Schmerz von dem somatischen, der bestimmter und 
zwar in die entsprechende Gegend der Körperoberfläche lokalisiert 
wird. Daran hält auch Head fest. Dieser findet, dass das Gebiet 
des reflektierten (nach Ross somatischen) Schmerzes den Zonen des 
Herpes zoster entspreche; da nach Bärensprung der gewöhnliche 
Sitz der Affektion bei der Gürtelrose in den Spinalganglien, nach 
Brissand auch im Rückenmark selbst zu suchen ist, die Form der 
Zonen dem Yerteilungsgebiet der peripheren Nerven durchaus nicht 
■entspricht, verlegt Head den reflektierten Schmerz nicht in die 
peripheren Nerven, sondern ins Rückenmark*). Das Zustandekommen 
•des reflektierten Schmerzes denkt er sich in folgender Weise: Bei 
Rückenmarksaffektionen (Tabes) wird ein an einer Stelle der Haut mit 
verminderter Sensibilität applizierter Reiz in das benachbarte Gebiet 
mit normaler oder gesteigerter Empfindlichkeit verlegt. Analog wird 
die von dem affizierten Eingeweide ausgehende Nervenerregung, da 
es — wie Operationen wiederholt gezeigt haben 2 ) — selbst sehr gering 
empfindlich ist, und sein Lokalisationsvermögen hinter dem der 
Körperoberfläche weit zurücktritt, vom Gehirn in dasjenige Hautgebiet 

1) Dabei stützt er sich auch auf die Experimente Sherringtons, wonach 
das von einer spinalen Wurzel versorgte Hautgebiet nicht dem eines peripheren 
Nerven entspricht, sondern einen Gürtel darstellt, der zwar an seiner proximalen 
and distalen Grenze zum Teil mit den Nachbarzonen zusammenfliesst, in der Mitte 
jedoch nur von ihr allein versorgt ist. Head nimmt das Rückenmark als Sitz 
seiner Zonen an, weil sie ganz scharf gegeneinander abgegrenzt sind; einer jeden 
Zone entspricht ein spinales Segment. Die einzelnen Wurzeln stammen hingegen 
je aus mehreren Segmenten, so dass jedes Hautgebiet von zwei oder mehreren 
Wurzeln versorgt wird. 

2) Neuerdings hat Lennander bestätigt, dass die Lungen und die sämt¬ 
lichen Baucheingeweide mit ihren serösen Umhüllungen bei Schnitt, Druck etc. 
unempfindlich sind, während die Pleura parietalis und das Peritoneum parietale 
sich durch hochgradige Sensibilität gegen Schmerz- und Temperaturreize aus¬ 
zeichnen. Nach Head wirkt nur die Zerrung, Dehnung der Eingeweide als Reiz, 
wio sie vor allem infolge der entzündlichen Infiltration auftritt. 



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5] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besoud. d. Tuberkulose. 865 

projiziert, welches demselben Rückenmarksegment wie das Visceralorgan 
angehört. Da ein stärkerer Reiz den Widerstand in den spinalen 
Ganglienzellen herabsetzt, wird eine an der Haut gesetzte Einwirkung 
stärker empfunden; es entsteht kut&ne Hyperästhesie gegenüber 
Schmerz und Temperaturreizen. Der Tastsinn ist nach Head nicht 
beteiligt 1 ). 

Head teilt die Haut ähnlich wie Kocher u. a. in Zonen, welche 
den spinalen Segmenten entsprechend mit der Cervikalzone (C 3 ) be¬ 
ginnen, welche vom 3. Halssegment versorgt wird. Auf C 4 folgt eine 
„Lücke“ enthaltend dieCervikalzonen 5, 6, 7, 8; d. h. diese Zonen stehen 
mit den inneren Organen gewöhnlich nicht in Beziehung; sie nehmen 
die oberen Extremitäten ein mit Ausnahme der Innenseite des Vor¬ 
derarmes und des ganzen kleinen Fingers. Die folgenden Zonen von 
der 1.—12. Dorsalzone sind gürtelförmig um den Rumpf gespannt. 
D 12 wird unten nach vorne vom Leistenband begrenzt, hinten reicht 
sie bis zum 5. Lendenwirbel. Uns interessiert bloss das Resultat 
Heads in bezug auf Lungenerkrankungen: Diesen entsprechen nach 
ihm ^s, C 4 d. i. die Haut am Nacken bis ungefähr zu einer Linie, 
die von der Schulterhöhe senkrecht zur Wirbelsäule gezogen wird, 
am Halse nach vorne bis zum hinteren Rand des Kopfnickers, nach 
unten etwas unter das Schlüsselbein hinab. Ferner D 8 —D 9 , d. i. das 
Gebiet, welches hinten von der Höhe der Schultergräte bis zum 
12. Brustwirbel, vorne von der 3. Rippe bis zum Nabel reicht. In 
dieses Gebiet fallen auch die Hyperalgesieen bei Magen-, Darm- und 
Leberafiektionen, (D 7 —D 9 ), (D 9 —D 12 ), (D 7 — D 10 ), weshalb D 7 —D 9 (vorne 
vom Processus xiphoideus bis zum Nabel) keine eindeutigen Schlüsse 
gestatten. 

„Kopfzonen“ nennt Head umschriebene Stellen der Kopfhaut 
z. B. im Gebiete des Arcus superciliaris, an der Schläfe, Stirn etc., 
welche sich bei inneren Krankheiten oft und zwar einseitig empfindlich 
zeigen. Dabei spiele der Vagus die Rolle des Ramus visceralis, der 
Trigeminus die des sensiblen Hautnerven. Bei Lungenaffektionen 
sind Punkte über dem Auge, am Os frontale, perietale, in der Hinter¬ 
haupt- und Schläfengegend nachzuweisen. 

Heads Angaben sind von Faber, dessen Beobachtungen unab¬ 
hängig von dem englischen Forscher nur an Magenkranken gemacht 
wurden, neuerdings von Haenel ebenfalls an Magenkranken im wesent- 

i) Yergl. Quincke (S. 444). Auf der primär erregten Bahn ist die erzeugte 
Empfindung sehr gering oder Null, so dass die auf der sekundär erregten Bahn 
erzeugte Empfindung fürs Bewusstsein sich vorwiegend oder allein geltend macht 
(Paradoxe Empfindung z. B. Schulterschmerz bei Leber-, Armneuralgien bei 
Herzleiden). 


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Rudolf Goldmann. 


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liehen bestätigt, von Mackenzie, Adam, Moll van Charante 
in vielen Punkten bekämpft worden, worauf ich im folgenden zurück¬ 
kommen will. 

Ich unterzog die Heads^hen Angaben der Nachprüfung an der 
Hand des reichlichen Materials der medizinischen Poliklinik in München. 
Ich hatte dort während meiner 1 Vajähr. Tätigkeit dazu die günstigste 
Gelegenheit. Dasselbe bot mir vor allem die Lungentuberkulose in allen 
ihren Stadien, besonders aber im Beginn, die Bronchitis chronica, selten 
die Bronchitis acuta und die Pneumonie. Ich untersuchte die Sensi¬ 
bilität der Haut jedesmal erst, nachdem der Status praesens von seiten 
einer meiner Herren Kollegen aufgenommen war. Nur die Fälle mit 
einwandfreiem Lungenbefunde habe ich berücksichtigt, darunter die¬ 
jenigen mit möglichst einfacher Affektion bevorzugt. Davon wurden 
ausgeschieden Patienten, deren Intelligenz mangelhaft war oder die 
leicht der Suggestion unterlagen, ebenso diejenigen, bei denen Kompli¬ 
kationen von seiten anderer Visceralorgane bestanden, um das Kon- 
fluieren benachbarter Zonen zu vermeiden. 

Ich prüfte bald mit dem Kopfe einer Stecknadel — wie es 
Head tut — bald mit der Spitze oder mit einer Bleistifthülse oder 
mit dem abgestumpften Ende einer Bleistiftspitze, bisweilen mit 
der Fingerkuppe oder einem Wattebausch, im allgemeinen mit dem 
schwächeren Reize beginnend und bis zum stärksten aufsteigend, je 
nach der Empfindlichkeit des Patienten. Auch der Temperatursinn 
und die elektrokutane Sensibilität wurden ähnlich geprüft. Die Grenzen 
des betroffenen Hautgebietes wurden in horizontaler und vertikaler 
Richtung bestimmt, indem ich jedesmal vom normalen Hautgebiet 
zum hyperalgetischen oder umgekehrt vorschritt. 

Doch zog ich die erste Methode vor, weil das Eintreten der unan¬ 
genehmen Empfindung die Aufmerksamkeit des Untersuchten leichter 
erregt als das der angenehmen beim Übergange vom hyperalgetischen 
Bezirke zu normal empfindlicher Haut. Als Anhaltspunkt diente 
mir die Angabe des Patienten, dass er Schmerz, Kratzen oder Stiche 
verspüre oder das reflektorische Ausweichen vor der unangenehmen 
Einwirkung. 

Meistens ist auch die Kitzelempfindung gesteigert. Die Prüfung 
auf Druckschmerz ist nicht empfehlenswert, da sie keine Klarheit 
bringt, ob die Haut oder eines der darunter liegenden Organe: Sub¬ 
cutis, Muskeln, Nerven, Periost, Knochen, Pleura, Peritoneum, Ein¬ 
geweide das empfindliche ist. So wichtig diese Methode auch für 
die klinische Untersuchung ist, sie kann leicht zu Irrtümern führen, 
wenn man sich nicht jedesmal vorher über die Empfindlichkeit der 
Haut orientiert. In vielen Fällen wird es unmöglich zu sagen, in 


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7] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungen erkrank., besond. d. Tuberkulose. 367 


welcher Schichte der Schmerz sitzt, wenn man nicht das klinische 
Gesamtbild zn Hilfe nimmt. An Stellen, wo die Haut sich leicht in 
Falten erheben lässt, kann man die normal empfindliche Partie unter 
die hyperalgetische schieben und auf diese Weise die Druckschmerz¬ 
haftigkeit eines tieferen Organes unter gesunder Haut prüfen. Ich 
glaube, dass auf diese Weise Kollektivbegriffe wie: Druckempfindlich¬ 
keit des Epigastriums, der Cökalgegend in ihre Komponenten zerlegt 
werden können. In den meisten Fällen bleibt allerdings die Druck¬ 
schmerzhaftigkeit der Haut hinter der tiefer (in den Muskeln, im Peri¬ 
toneum) gelegenen in der Intensität zurück. 

Bei unintelligenten oder sonstwie unverlässlichen Patienten kann 
man sich an die Hautreflexe halten, die innerhalb des normalen Rah¬ 
mens oder als heftige Abwehrbewegungen auftreten können; sie sind 
in den hyperalgetischen Zonen so gut wie ausnahmslos gesteigert. 

Ich lasse nun eine Auslese der von mir untersuchten Fälle 
folgen, als erste Gruppe (1—6) möglichst reine Affektionen des Ober¬ 
lappens bei Tuberkulose der Lungen, als zweite Erkrankungen des 
Unterlappens, als dritte veraltete oder weit vorgeschrittene Fälle von 
Lungenschwindsucht; zum Schlüsse ein Beispiel von Sensibilitäts¬ 
storung bei Pneumonie. 



Fall 1. 33jährige Taglöhnerin. In der Anamnese: Klagen über Brennen 
und Drücken auf der rechten Seite, besonders beim Durchatmen; ausstrahlende 
Schmerzen an der Innenseite des rechten Armes bis zum Handgelenk. Vor drei 
Monaten wurde durch Punktion aus der rechten Seite klare Flüssigkeit entleert. 

Befund: Über der rechten Spitze ist der Schall leicht verkürzt, das Ex- 
pirium verlängert, unrein, verschärft. Oberhalb der unteren Lungengrenze dieser 
Seite, die geringer verschieblich ist, ist der Schall gleichfalls gedämpft. Diagnose: 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 25 


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Rudolf Goldmann. 


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Infiltratio apicis dextr.; Pleuritis sanata dextr. — Die Hyperalgesie 
erstreckt sich auf die Volarseite des ganzen Armes bis zum Handgelenk. (Fig. 1.) 
Der vordere Abschnitt der rechtsseitigen Hyperalgesie entspricht dem oberen 
Teile des empfindlichen Gebietes in Fig. 4 a. 

Fall 2. 38jährige Frau. Anamnestisch: Stiebe im Rücken zwischen den 
Schulterblättern und auf der Brust (i. e. vorne), die in den ganzen Arm, in den 
Daumen und Mittelfinger der linken Seite ausstrahlen. Befund ähnlich wie in 
Fall 1, auf der linken Seite. — Hyperalgesie: S. Fig. 2. 





Fall 3. 33jähriger Mann. Bei Militär Bluthusten; in der letzten Zeit 
Naclitschweisse besonders gegen Morgen, dabei Schmerzen auf der linken Brust- 

i) Die punktierten Felder entsprechen den Zonen höherer Empfindlickeit. 



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0] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 369 


seite, Stechen hinter dem Brustbein, Gefühl von Enge auf der linken Seite; bis¬ 
weilen Stechen auch auf der rechten Seite. Geringer Husten mit grauem Aus¬ 
wurf, Abm&geruog. 

Befund: Der Perkussionsschall über dem linken Oberlappen kürzer, das 
Atmen schftrfer; Über dem oberen Teile des linken Unterlappens ebenfalls ver¬ 
schärftes Atmen. Herzbefund normal. — Hyperalgesie: S. Fig. B. — Der rück¬ 
wärtige Abschnitt entspricht Fig. 6. 

Auffallend ist die bandartige Zone, die wahrscheinlich von der jungen Affektion 
des Unterlappens herrührt, während die ältere des Oberlappens keine so scharf 
ausgeprägte Hyperalgesie aufweist. 




Fig. 4 a. Fig. 4 b. 

Fall 4.562jähriger Mann, klagt über Schmerzen über der linken Schulter 
und im linken Oberarm.”"}Husten etc. 

Befund: Über der linken Spitze deutliche Schallverkürzung und verschärftes 
JCxpirium. Hyperalgesie: Fig. 4. 



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Rudolf Goldmann. 


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Fall 5. 32jähriger Taglöhner, klagt aber Stechen auf der rechten Brust- 
seite und zwischen den Schulterblättern. Husten, Auswurf von grauer Farbe, 
Mattigkeit, Nachtschweise. Kopfschmerzen öfters über dem rechten Auge,, 
manchmal auch im Gesicht und Zähnen derselben Seite, Zahnextraktionen blieben 
ohne Erfolg, Landaufenthalt wirkte immer günstig. — Im rechten Arm Schmerzen 
beim Heben einer Last; derselbe ist manchmal zu schwach, um einen, selbst 
leichten, Gegenstand festzuhalten. 

Befund: Über dem rechten Oberlappen ist vorne und hinten der Schall 
deutlich verkürzt, das Expirium verschärft. Die Hyperalgesie erstreckt sich über 
das bezeichnete Gebiet nach oben hinter dem Sternocleidomastoideus auf di» 

rechte Seite des Nackens, die ganze rechte 
Schädelhälfte mit Ausnahme des Ge¬ 
bietes hinter und an der Ohrmuschel; 
vom Trigeminusgebiet ist nur das Einn 
frei. Über der medialen Hälfte der 
rechten Augenbraue befindet sich ein 
Maximalpunkt. Fig. 5. Der vordere 
Abschnitt der rechtsseitigen Hyper- 
algesie entspricht dem oberen Teile dea 
empfindlichen Gebietes in Fig. 4 a. 

Die Druckschmerzhaftigkeit im 
Trigeminosgebiet entspricht der Haut¬ 
empfindlichkeit. 

Fall 6. 14jähr. Knabe. Schmer¬ 
zen links auf der Brust, manchmal im 
linken Unterarm. 

Befund: Links hinten oben und 
links vorne oben ist der Schall leicht 
gedämpft, das Expirium bronchial. 
Rechts ist in geringerem Grad das Ex¬ 
pirium verlängert. Die vordere Hälfte der Zone entspricht Fig. 3. Fig. 6. 

In der regio supraspinata beiderseits symmetrisch ein Punkt maximaler 
Empfindlichkeit. 

Die sechs Fälle, welche die Hauptvariationen der Hype¬ 
ralgesie bei Oberlappenaffektionen enthalten, gestatten 
folgendes Resu me: 

Bei Tuberkulose des Oberlappens erstreckt sich die Hyperalgesie 
der Haut über die Bedeckung dieses Lungenabschnittes mit einem 
Maximalpunkt in der Fossa supraspinata (Fall 6). Dass in den 
meisten Fällen dieses Gebiet von allem nach unten hin überschritten 
wird, liegt wahrscheinlich sehr oft darin, dass bereits die Spitze dea 
Unterlappens erkrankt ist, ohne dass noch die physikalische Unter¬ 
suchung es feststellen kann. Diese Deutung dürfte vor allem am 
Platze, wenn die unterste Partie des empfindlichen Gebietes am 
stärksten betroffen ist (Fig. 3 und 4). Beim Übergreifen des reflek¬ 
tierten Schmerzes auf benachbarte (Nacken, Hinterkopf (Fall 5), 
Arm (Fall 1) oder die ,,Kopfzonen“ (Gesicht Fall 5) können wir die 




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11] Sensibilitätsstörung, d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 371 

Grenzüberschreitung nach unten aus der Neigung desselben, ,auf alle 
zunächst liegenden Zonen zu irradiieren, erklären. „Neuralgieen“ in 
den bezeichneten Gebieten können also bisweilen auf Spitzenaffek¬ 
tionen zurückgeführt werden. Sie werden besser oder schlimmer, je 
nach dem Lungenbefunde; dem Temperaturanstieg entsprechend, 
steigern sie sich in den Abend- und Nachtstunden, worauf auch schon 
Stokes hinweist 1 ). 

Klarer und eindeutig sind die Befunde bei Affektionen 
der Unterlappen. Hier sind auch die Bedingungen zur Ent¬ 
stehung des reflektierten Schmerzes weit günstiger als bei Spitzen¬ 
erkrankungen. Der Unterlappen atmet intensiver. Die Zerrung und 
Dehnung des erkrankten Gewebes, die nach Head die Ursache der 
Hyperalgesie ist, findet in grösserem Umfange statt. Vielleicht ist 
in vielen Fällen, wenn eine komplizierende Pleuritis ausgeschlossen 
werden darf, das ängstliche Vermeiden jeder ausgiebigen Respirations¬ 
bewegungen die Folge dieses Umstandes (vergl. Ruehle, Günsburg). 




Die folgenden Fälle sind, wie es in der Art des Verlaufes der 
chronischen Tuberkulose begründet ist, fast durchwegs mit Affektionen 
des einen oder anderen Oberlappens verbunden. Da aber, wie 
Head betont und was ich auch bestätigen konnte, bei veralteten 
und vorgeschrittenen Herderkrankungen der reflektierte Schmerz 
fehlt, so ist diese Komplikation für unseren Zweck meist nicht von 


1 ) Selbstverständlich wird in allen diesen Fällen eine genaue Untersuchung 
aller derjenigen Organe (Zähne, Nase, Ohr etc.), welche Empfindlichkeit in diesen 
Gebieten verursachen können, vorauszugehen haben. 


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Rudolf Goldmann. 


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Belang; wo dennoch eine dem Oberlappen entsprechende Hyperalgesie 
auftritt, ist sie stets weniger intensiv. 

Fall 7. 34jährige Frau klagt Ober Bluthusten, Seitenstiche rechts. 

Befund: Über dem Ober- und Unterlappen der rechten Lunge in ihrer 
ganzen Ausdehnung ist der Perkussionsschall stark gedämpft, das Atmen laut 
bronchial, jedoch kein Rasseln zu hären. Es besteht keine Hyperalgesie. Da 
das Allgemeinbefinden gut, die Temperatur (in recto gemessen) nicht gesteigert 
ist und die Patientin eine Sattelnase, angeblich traumatischen Ursprungs, hat, 
wird Jodkali [(6:200,0) 2 X tgl. 1 Esslöffel] versucht. Die erste Flasche wird sehr 
gut vertragen; nach der zweiten tritt Fieber und starker Bluthusten ein. Befund 
drei Wochen nach dem ersten: Perkussion ergibt das gleiche Resultat; das bron¬ 
chiale Atmen ist jedoch über dem rechten Unterlappen nahe der unteren Grenze 
von klingenden Rasselgeräuschen begleitet. Hyperalgesie ähnlich wie in Fig. 4. 
Die untere Zone ist gegen die Umgebung scharf abgegrenzt: über den oberen Teilen 
des Thorax ist die Haut gegenüber der anderen Seite gering überempfindlich. Die¬ 
ser Fall hat die Giltigkeit eines Experimentes: an einem fast reaktionslos verlau¬ 
fenden Herde ruft eine grössere Dosis Jodkali ein akutes Auffiackern des tuberku¬ 
lösen Prozesses (hervor) und zugleich das Erscheinen einer scharf ausgeprägten 
hyperalgetischen Hautzone hervor, welche zuvor auch nicht angedeutet war. 




Fall 8. 29jähriger Maurer, kommt wegen Heiserkeit, die nach einer Durch- 
nässung plötzlich eingetreten sein soll mit gleichzeitigen Schmerzen über der rechten 
Schulter, die zum Nacken ausstrahlten. Seitdem Husten mit Auswurf, Nacht 
schweisse, Abgeschlagenheit, Abmagerung. Dauer des Leidens ca. sechs Wochen. 

Physikalischer Befund: Links vorn oben und rechts hinten oben ist der Per¬ 
kussionsschall verkürzt. Das Atmen ist über der ganzen rechten Lunge verschärft. 

Laryngoskopisch ergibt sich eine rechtsseitige Recurrenslähmung J ). Die Sensi¬ 
bilitätsprüfung wurde diesmal nicht gemacht. 


i) Dieselbe erklärt sich durch die topographische Beziehung des rechten 
Recurrens zur Pleurakuppe. 



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13] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 373 

Drei Wochen später klagt Patient über Schmerzen auf der rechten Seite beim 
Gehen. Über dem rechten Unterlappen sind deutlich Ehoncbi zu hören. Die 
Dämpfung über dem linken Oberlappen ist stärker geworden, über dem rechten 
Unterlappen scheint der Perkusionsschall kürzer zu sein. Deutliche Hyperalgesie 
auf der rechten Seite, weniger scharf über dem linken Oberlappen. Fig.* 7. 

Fall 9: 47jähriger Mann klagt über Schmerzen auf der linken Brustseite 
und unter dem linken Schulterblatt, die vor einigen Tagen plötzlich aufgetreten 
seien, gleichzeitig Diarrhöen und Symptome gestörten Allgemeinbefindens. Patient 
gibt an, vor einem halben Jahre an einem linksseitigen Lungenkatarrh längere 
Zeit krank gelegen zu sein. 

Physikalischer Befund: Über dem linken Oberlappen ist der Schall ver¬ 
kürzt, das Atmen daselbst wie über dem ganzen Unterlappen verschärft. Hyper¬ 
algesie: Fig. 8. 

Auf Dermatol und entsprechende Diät verschwanden in zwei Tagen die 
Diarrhöen und mit ihnen die beiden symmetrischen Zonen und es blieb die links¬ 
seitige, der Lungenerkrankung korrespondierende allein bestehen. Nach einigen 
Tagen war auch diese nicht mehr nachzuweisen. Patient fühlte sich wohl. 




Fall 10: 18jähriger Student klagt über Schmerzen in der linken Weiche, 
besonders beim Flötenblasen, die manchmal so stark sind, dass er die Stelle 
nicht einmal berühren kann, ohne den heftigsten Schmerz hervorzurufen. Geringer 
Husten mit grauem Auswurf, Nachtschweisse, Mattigkeit. Vater an „Luftröhren¬ 
erweiterung*, Mutter und eine Schwester an Blutsturz gestorben. 

Physikalischer Befund: Über dem linken Unterlappen ist der Schall leicht 
verkürzt, das Atmen deutlich verschärft. Die Haut in der Höhe des Unterlappens 
in Form eines Bandes auf der linken Seite hyperalgetisch. 

Fall 11. 64jähriger Mann, leidet an alljährlich in den Wintermonaten 
auftretenden Schmerzen in der Magengrube und unter dem linken Rippenbogen, in 
geringerem Grade am Rücken. Diese Beschwerden datieren seit dem Feldzuge 
i. J. 1870/71. Husten, Nachtschweisse bestehen ebenfalls solange. Bei Atemnot 
werden die Schmerzen stärker, ebenso bei Druck in dieser Gegend. 


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Rudolf Goldmann. 


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Befund: Herz- und Bauchorgane ohne pathologischen Befund. Die Lungen¬ 
grenzen reichen hinten bis zum 1. Lendenwirbel. Über dem linken Oberlappen 
und dem oberen Teile des Unterlappens ist der Schall stark gedämpft; das Atmen 
über dem Oberlappen bronchial, über dem Unterlappen verschärft. Hyperalgesie: 
Fig. 9. 

In diesem Falle haben wir es anscheinend mit einer sehr 
chronisch verlaufenden Tuberkulose zu tun, die den Oberlappen voll¬ 
ständig, den Unterlappen zum Teil zerstört, dessen distalen Abschnitt 
zuletzt angegriffen hat. Die Hyperalgesie entspricht dem jüngsten 
Herde; von den reaktionslosen Kavernen, verkästen oder fibrös dege¬ 
nerierten Lungenteilen, die grösstenteils totes Gewebe mit toten Nerven 




darstellen, wird, wie auch He ad betont, kein Schmerz mehr reflek¬ 
tiert (vergl. auch Schmidts Beobachtung). Ich glaube, dass sich 
auf diese Weise erklärt, dass bei „Spitzen“affektionen oft die untersten 
der dem Oberlappen entsprechenden Zonen vor allem ausgeprägt 
sind, ja in nicht seltenen Fällen noch tiefer liegende Hautsegmente 
betroffen werden, da bereits eine noch nicht offenkundige Tuber¬ 
kulose des Unterlappens resp. des Mittellappens vorhanden ist. Da¬ 
durch steigt aber nach meiner Ansicht der Wert der hyperalgetischen 
Zonen; sie treten da ein, wo die physikalische Untersuchung noch 
keine Dämpfung, höchstens Zeichen des Katarrhs ergibt. Da die 

i) Zu Fall 12 auf S. 376. 



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15] Sensibüitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 375 

auskultatorisch oft analoge Bronchitis diffusa acuta oder chronica 
von jener leichten Hyperästhesie über dem Brustbeine und dem 
mechanisch bedingten Muskelschmerz nach dem übereinstimmenden 
Urteile der Autoren keinen Schmerz, also auch keinen reflektierten 
erzeugt, so ist in solchen Fällen der Nachweis einer hyperalgetischen 
Zone bei Ausschluss einer anderen, dieselbe bedingenden Organ¬ 
erkrankung gleichbedeutend mit der Diagnose der Erkrankung d. i. 
für gewöhnlich der Infiltration des Lungengewebes. 

Der diagnostische Wert wäre noch grösser, wenn die He ad sehe 
Annahme richtig wäre, dass bei Pleuraaffektionen nur lokaler 
d. i. Druckschmerz im Interkostalraum an zirkumskripter Stelle nach¬ 
zuweisen sei. 

Meine eigenen Beobachtungen erlauben mir weder diese Theorie 
zu unterstützen noch sie zu widerlegen. Das liegt an der Schwierig¬ 
keit, bei poliklinischen Kranken zu entscheiden, ob Pleuritis allein 
oder als Komplikation einer Lungenerkrankung besteht, ob die Pleu¬ 
ritis frisch oder alt ist. Reibegeräusche können ja bekanntlich 
monatelang an einer Stelle zu hören sein. Diese Frage können im 
Grunde nur Sektionen von Fällen reiner Brustfellentzündung ent¬ 
scheiden, die von ihrem Beginne an in Beobachtung standen. 

In Adams Fall war gleichzeitig eine Parenchymerkrankung der 
Lunge vorhanden, meine Patienten boten, so oft die Haut hyper¬ 
algetisch war, alle neben der Pleuritis deutliche Zeichen der Infil¬ 
tration , während zwei Fälle von Pleuritis exsudativa bereits am 
3. Tage der Erkrankung keine Empfindlichkeit zeigten. 

Die zitierten Angaben der Autoren sprechen wohl dafür, dass 
auch die Pleuritis exsudativa im Beginne ausstrahlende Schmerzen 
hervorruft, die mit dem Eintritt des Exsudats verschwinden. Doch 
dürfte meistens eine direkte Reizung der Interkostalnerven per con- 
tinuitatem, eine wirkliche Interkostalneuritis, als Ursache angesehen 
werden können. 

Für diejenigen Fälle, in denen der reflektierte Schmerz über die 
ersten Tage nach Eintritt der Erkrankung hinaus anhält, die von 
intensivem, von der Grösse der Atembewegungen unabhängigem 
Schmerz begleitet sind, dürfen wir — abgesehen von den klinischen 
Symptomen — eine Erkrankung des Lungengewebes als seine Ur¬ 
sache annehmen. 

Die Pneumonia crouposa soll nach Head nur selten reflek¬ 
tierten Schmerz zeigen, weil das massige Exsudat den betroffenen 
Lungenteil mit seinen nervösen Endorganen so abschliesse, dass sich 
kein äusserer Einfluss in Form eines Druckes von innerhalb — durch 
die eindringende Luft — oder eines Zuges von ausserhalb — durch 


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376 


Rudolf Qoldmann. 


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die Atmung — geltend machen könne. Dem gegenüber verweise ich 
auf das Zitat aus Günsburg und Aufrecht 1 2 ). „Die Schmerzempfin¬ 
dung kann dem Schüttelfrost vorausgehen, also die Krankheit ein¬ 
leiten; meist stellen sich beide Symptome gleichzeitig ein, bisweilen 
lässt er schon nach wenigen Stunden nach, andermal kann er tage¬ 
lang anhaltend Wir müssen also im Beginn der Pneumonie, im 
Stadium der Ausdehnung des Lungengewebes durch die Hyperämie 
nach reflektiertem Schmerz suchen; leider sehen wir nur selten den 
Patienten schon in den ersten Stunden. Ich konnte nur einen Fall 
von krupöser Lungenentzündung an der Poliklinik untersuchen. 




Fall 12. 26 jährige Frau klagt über Schmerzen auf der linken Seite (Weiche), 
besonders bei tiefem Atemholen, sie kann nicht auf dieser Seite liegen; gestern 
„zogen die Schmerzen auch nach vorn bis zum Magen 11 . 

Befund: Über der linken Spitze Schall verkürzt, Expirium verschärft; 
über dem linken Unterlappen Dämpfung, bronchiales Atmen mit Knisterrasseln, 
Stimmfremitus verstärkt. Cyanose der Lippen, Dyspnöe, Temperatur 39,6. 

Gesteigerte Kitzel* und Kälte-, in geringeren Grade gesteigerte Schmerz- 
und Wärmeempfindung in der in Fig. 10 b 3 ) bezeichneten Ausdehnung. Auf der 


1) Vergl. auch das Zitat auf S. 363. 

2) Zum 2. Fall auf Seite 384. 

3) Seite 374. 


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17] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 377 


Vorderseite (Fig. 10 a), war die Empfindlichkeit nur angedeutet. Der untere 
Teil in beiden Figuren entspricht gegenüber dem oberen einer Zone geringerer 
Hyperästhesie. 

Moll vanCharante beschreibt einen Fall von krupöser Pneu¬ 
monie, bei der die Hyperalgesie nur auf dem Rücken ausgeprägt 
erschien. Bei Pneumonieen von Kindern, worauf ich hier nicht 
näher eingehen will, fand ich Hyperalgesie in der Mehrzahl der 
Fälle gleichzeitig mit der Angabe der Mütter, das Kind schreie selbst 
bei leichtem Anfassen an der betroffenen Stelle. Ich halte den Nach¬ 
weis der reflektierten Empfindlichkeit im Anschoppungsstadium als 
ein wichtiges Hilfsmittel zur Bestimmung des Ortes der Erkrankung. 
Bei dem akuten Verlauf derselben, die frühzeitig zu einer Funktions¬ 
herabsetzung der lokal affizierten Nerven führt, können wir uns nicht 
wundern, wenn der Schmerz sich oft nur auf einen Teil der Haut¬ 
zone, oft scheinbar regellos ausbreitet und bald verschwindet. Das¬ 
selbe finden wir bisweilen bei Lungentuberkulose, besonders wenn sie 
unter dem Bilde der Pneumonie verläuft; doch ist in diesen Fällen 
die Hyperalgesie entsprechend dem Verlaufe .(Pneumonia caseosa) 
von längerer Dauer. 

Das Ergebnis meiner Untersuchungen ist: Die Headschen 
Zonen sind in der Regel bei allen akuten Affektionen des Lungen¬ 
parenchyms, ferner bei allen akuten, seltener bei subakuten Nach¬ 
schüben chronischer Affektionen desselben, wenn auch nicht immer 
in ihrer ganzen Ausdehnung nachzuweisen. Von selteneren Erkran¬ 
kungen der Lunge: Abszess, Gangrän, Neoplasma, Lues, Aktino- 
mykose ist hier abgesehen. Alte Herde, ebenso Kavernen ohne 
reaktive Entzündung, die Bronchitis acuta und chronica, höchst wahr¬ 
scheinlich auch die katarrhalische Pneumonie und die Entzündungen 
der Pleura verlaufen ohne spinale Hyperalgesie der Haut. Diese ent¬ 
spricht der Seite und Höhe der Erkrankung; bei herabgesetztem 
Widerstand in der Nervenleitung infolge von nicht allzu hohem Fieber, 
schlechtem Ernährungszustand, erethischer, neuropathischer (hyste¬ 
rischer oder neurasthenischer) Disposition geht sie symmetrisch auf 
die andere Seite über oder irradiiert auf die benachbarten Zonen, 
ohne jedoch hier die gleiche Intensität wie auf der korrespondierenden 
Stelle zu erreichen. Bei der Hysterie kann sie wie jeder Schmerz 
zu totaler Hemihyperästhesie führen. Doch hebt sich hierbei, wie 
ich in zwei Fällen beobachten konnte, das dem erkrankten Herde 
entsprechende Hautgebiet durch seine stärkere Hyperalgesie von dem 
übrigen ab. 

Die Hyperalgesie nimmt ceteris paribus entsprechend dem Ver¬ 
laufe der Erkrankung zu oder ab. Doch kann sie auch nach dem 


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Rudolf Goldmann. 


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Abklingen der übrigen Erscheinungen noch einige Zeit andauern. 
Oft wird sie durch geringe lokale Veränderungen über Wochen wach¬ 
gehalten — obwohl die spontanen Schmerzen geschwunden sind; wir 
müssen für diese Fälle mit Goldscheider eine höhere Reizbarkeit 
der Ganglienzellen im Rückenmark annehmen, welche nur allmählich 
abklingt. Bei neuropathischen Individuen kann sie sich zu einem 
selbständigen Symptom herausbilden, die spinale Hyperästhesie wird 
zur cerebralen. Bei chronischen Krankheiten, besonders bei hereditär 
belasteten Individuen, die ja unter den Lungenkranken einen so 
grossen Prozentsatz bilden, ist diese Erscheinung nicht selten. Da kann 
nur eine genaue klinische Beobachtung entscheiden, ob noch eine 
somatische Grundlage vorhanden ist oder nicht. Gewöhnlich dürfte 
schon die Unsicherheit der Angaben des Patienten, die eigentümliche, 
den Zonen gar nicht entsprechende Form auf den richtigen Weg 
führen. Dasselbe wird auch für Fälle mit Aggravation gelten. Der 
Nachweis einer ganzen Zone wird jedoch zum Aufsuchen einer ana¬ 
tomischen Veränderung führen. 

Die Zonen sind meistens in ihrer ganzen Ausdehnung betroffen, 
wenngleich nicht alle ihre Teile in derselben Intensität; in solchen 
Fällen gelangt man leicht dazu, nur die empfindlichsten Punkte zu 
beachten, wenn man nicht jedesmal die symmetrischen Partieen der 
anderen Seite zum Vergleich heranzieht. 

Mackenzie, Adam, Moll van Charante gelangen in diesem 
Punkte zu dem scheinbar entgegengesetzten Resultate, dass stets nur 
einzelne Abschnitte der He ad sehen Zonen ausgeprägt sind, während 
Haenel und Faber im Grunde die Headschen Angaben bestätigen. 

Von meinen Fällen scheint Nr. 12 auf den ersten Blick eine 
Ausnahme. Vielleicht verhält es sich hier unter Umständen analog 
wie mit Hyperästhesie bei den „wahren Segmentalkrankheiten“, als 
deren Typus Muskens die Tabes hinstellt. „Im Anfang ist oft nur 
ein Teil des Wurzelfeldes, durch Erkrankung einiger Wurzelbündel- 
chen, zuweilen nur einige wenige Flecke, einem Wurzelgebiet ange¬ 
hörend, betroffen“. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass bei der 
tabischen Hypästhesie die Irradiation auf benachbarte Segmentab¬ 
schnitte nicht mitspielt. Bei den ganz akuten Prozessen, welche zu 
rascher Schädigung der Nervenendorgane*) in den Lungen führen, die 
ich allerdings nur seltener zu untersuchen Gelegenheit hatte, dürfte 
eine partielle Segmentreizung und irreguläres Überspringen der Er¬ 
regung auf die benachbarten Segmente öfters zu konstatieren sein. 

Was die Grenzen der Hyperalgesieen anbelangt, so fand ich sie 
in vielen Fällen ganz scharf, in anderen unsicher, schon während 

!) Ich bin mir des Hypothetischen in diesem Begriffe wohl bewusst. 



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19] SeDsibilitätsstöruDg. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 379 

einer Untersuchung wechselnd oder an den nächsten Tagen nicht 
mit der gleichen Genauigkeit angegeben. Häufig zeigten sich die 
Nachbargebiete in einem Zustande nur geringer ausgesprochener 
Hyperalgesie. 

Von Mackenzie wurde beobachtet, dass die Hyperalgesie auch 
die tieferen Bedeckungsschichten betrifft. Dem gegenüber muss ich 
Heads Standpunkt vertreten, dass tiefer Druckschmerz nicht vor¬ 
handen ist. Um dies zu konstatieren, ging ich so vor: nachdem ich 
die Sensibilität der Haut untersucht hatte, prüfte ich auf die Em¬ 
pfindlichkeit der tieferen Teile, indem ich die Haut, wo es anging, 
verschob, so dass die zu untersuchende Stelle unter normal empfind¬ 
licher Haut war. Drückt man hingegen durch die hyperalgetische Haut, 
so wird bei knöcherner Unterlage Schmerz auftreten, hingegen nicht, 
wenn die Unterlage weich ist wie am Abdomen und der Druck 
flächenhaft erfolgt, nicht mit einer einzelnen Fingerkuppe, welche 
die Haut unter starker Spannung vor sich herstülpt. Es spricht gegen 
die tiefe Hyperästhesie auch die Tatsache, dass sich die Patienten 
bei Anfällen von heftigen Schmerzen durch intensiven Druck mit der 
ganzen Vola manus oder mit der Faust Erleichterung schaffen, was 
ein Patient mit schmerzhafter Muskulatur, Peritoneum, Periost etc. 
niemals tut. 

Die Prüfung auf Druckschmerz bei der Pleuritis circumscripta 
hat nur bei genügend weiten Interkostalräumen diagnostischen Wert, 
sonst drückt man die Weichteile gegen die scharfen Rippenkanten. 

Die Headschen Maximalpunkte innerhalb jeder Zone konnte ich 
nicht mit Sicherheit bestätigen. Ich glaube, dass ihr eventueller 
Nachweis infolge der ungleichen sensiblen Wertigkeit der verschiedenen 
Hautpartieen grosse Schwierigkeit hat. Ich vermochte höchstens in 
der Fossa supraspinata, in der Fossa infraclavicularis, in der Regio epi- 
gastrica ungefähr in der Mitte zwischen Schwertfortsatz und Nabel 
öfters wiederkehrende, besonders empfindliche Punkte zu konstatieren. 

Da die Lokalisation des Schmerzes von Seite der Patienten eine 
Auslegung der vorhandenen Rückenmarksreizung ist, so dürfen wir 
es nicht wundernehmen, dass die Angaben der Kranken mit dem Be¬ 
funde der Sensibilitätsprüfung in bezug aufs Niveau nicht immer über- 
einstimmen, besonders wenn einige Zeit seit dem letzten Schmerzanfall 
verflossen ist. Es kommen dabei höchstwahrscheinlich auch psychische 
Momente in Betracht, welche eine diffusen Schmerz an den Ort pro¬ 
jiziert werden lassen, woher dem Bewusstsein die meisten unange¬ 
nehmen Empfindungen zuzufliessen pflegen: dahin gehört vor allem 
das Epigastrium, die Weichen, die Schultern etc. Es kommt daher 
oft vor, dass die subjektiven Angaben aufs Abdomen hinweisen, 


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380 Rudolf Gold mann. [20 

während die Hyperalgesie ausschliesslich oder vorwiegend in der 
hinteren Hälfte der Zone liegt (vergl. Fall 12). Der objektive Wert 
der Zonen gewinnt dadurch, dass wir in diesen Fällen eine trans¬ 
kortikale, psychische Hyperalgesie mit Sicherheit auszuschliessen ver¬ 
mögen. Daraus ergibt sich auch die Wichtigkeit, die Aufmerksam¬ 
keit des Patienten niemals auf den zu erwartenden objektiven Be¬ 
fund hinzulenken, ihn vielmehr in seinen spontanen Empfindungen 
zu bestärken. 

Der Headsehen Hypothese, dass C 5 , C 6 , C 7 , C 8 (d. i. die Haut 
des Armes mit Ausnahme der Innenfläche) eine Lücke darstellen, 
welche sich bei inneren Erkrankungen nicht hyperalgetisch findet, 
muss ich entgegenhalten, dass ich in mehreren Fällen (vgl. Nr. 1, 2 
und 6) Hyperalgesie bei Herz- und Lungenaffektionen auch im Ge¬ 
biete der erwähnten Zonen konstatieren konnte, ausserdem von den 
Patienten die Angabe motorischer Reizerscheinungen, tonischer Krämpfe 
in der Hand, auch vorübergehender Paresen und ausstrahlender 
Schmerzen in allen Fingern gemacht wurde 1 ). Allerdings gehören diese 
Fälle zu den selteneren. 

Die gewöhnliche oberste und unterste Grenze des bei Lungen¬ 
leiden empfindlichen Gebietes konnte ich in Übereinstimmung mit 
Head durch die früher (S. 365) erwähnten Punkte legen, wenngleich eine 
Irradiation in distaler Richtung bis unter das Leistenband (D 10 —L x , 
nach Kocher D 11 -—L 2 ) nicht allzu selten ist. 

Die Form Zahl und Grösse der Headschen Zonen dürfte, wie ein 
Vergleich mit den Koch ersehen zeigt, in nächster Zeit noch manche 
Berichtigung erfahren. Ich konnte meistens eine Form nachweisen, 
die dem Ko eher sehen Schema mehr als dem Headschen entspricht. 

Eine eigenartige Stellung nehmen die „Kopfzonen“ und die 
Hype rästhesie der Mittellinien (Spinalgie, Hyperalgesie der 
Haut über dem Sternum und in der Verbindungslinie des Schwert¬ 
fortsatzes und des Os pubis) ein. Wenn man bedenkt, dass der Trige¬ 
minus seine Fasern zum Teil aus dem Cervikalmark bezieht, so wird 
man sich nicht wundern, dass bei Affektionen der Lungenspitze die 
Erregung vom unteren Cervikalmark auf diesen obersten Teil und 
damit auf das Trigeminusgebiet irradiiert (Fall 5). Head betont 
aber, dass auch, ohne Betroffensein der oberen Cervikalzonen, einzelne 
Punkte am Kopfe (Schläfe, Supraorbitalgegend) bei einseitigen Lungen¬ 
erkrankungen empfindlich sind (Fall 5). Es dürfte sich vielleicht so 
manche „Trigeminusneuralgie“ als Teilerscheinung einer Visceral¬ 
speziell Lungenerkrankung herausstellen. 

i) Dabei ist auch stets an die Möglichkeit einer Neuritis des PIexu 9 cervi« 
cnlis zu denken. (Vergl. Fall 1 auf S. 384.) 



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21] SensibilitfitestüruDg. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 881 

Nebenbei sei bemerkt, dass auch einseitige Affektionen des Sym- 
pathicus, besonders seines Brnstteiles, infolge von Lungenspitzen¬ 
erkrankung einseitiger Kopfschmerz mit den Symptomen der „Neur¬ 
algie“ erzeugen können. Dabei spielen aber meistens vasomotorische 
und okulopupilläre Erscheinungen eine gewisse Rolle. 1 ) 

Auf die Druckschmerzhaftigkeit der Wirbeldornfort¬ 
sätze und des Sternums bei Lungenerkrankungen macht Cor net 
(1. c.) aufmerksam. Petruschky sieht Spinalgie im Bereiche des 
2.—7. Brustwirbels als Frühsymptom der Spitzentuberkulose an, be¬ 
dingt durch Erkrankung der bronchialen Lymphdrüsen (?). Fab er 
erklärt sie einerseits als Teilerscheinung der Hauthyperalgesie, ander¬ 
seits als selbständiges Symptom, wenn sie auch ausserhalb der Head- 
schen Zonen Vorkommen. 

Ich erinnere auch daran, dass die „Points douloureux apophysaires“ 
Trousseaus(„entfernteDruckschmerzpunkte“Eichhorsts) bei der 
Interkostalneuralgie, die wir nunmehr für die meisten Fälle als reflek¬ 
tierte Spinalhyperästhesie, als Visceralneuralgie auffassen müssen 8 ), in 
der Regel an den Dornfortsätzen derjenigen Wirbel zu finden sind, 
welche den betroffenen Wurzeln entsprechen. 

Nur ausnahmsweise findet man Druckpunkte ausserhalb des be¬ 
troffenen Gebietes, z. B. bei der Trigeminusneuralgie, Spinalgie im 
Bereiche der oberen Halswirbel, Empfindlichkeit von Knochenpunkten 
an der oberen Extremität. Wie bei diesen Fällen eine Irradiation 
der Erregung vom Trigeminuscentrum auf das Halsmark stattfindet, 
ebenso müssen wir uns das seltenere Auftreten von Druckschmerz¬ 
haftigkeit der Dornfortsätze ausserhalb der hyperalgetischen Zone 
bei Visceralerkrankungen erklären. Analog ist bei Rückenmarks¬ 
läsionen im Cervikalabschnitt oft Druckschmerzhaftigkeit sämtlicher 
Brustwirbel vorhanden (S. Kocher). 

Ich glaube die Empfindlichkeit im Bereiche der Mittellinien vor 
allem bei Patienten gefunden zu haben, welche Irradiation auf die 
andere Seite zeigten (vgl. Fall 6), während sie bei einseitiger Hyper- 
algesie selten vorhanden waren. Die ersteren Fälle erkläre ich mir, 
indem ich die betroffenen Stellen als Interferenzzone zwischen den 
symmetrischen Hautgebieten betrachte, die aus diesem Grunde eine 
erhöhte Empfindlichkeit zeigt, die wohl in geringem Grade schon 
beim gesunden Menschen vorhanden ist. Bei empfindlichen Individuen 

< 

1) Genaueres über dieses Thema will ich demnächst veröffentlichen. 

2) An dieser Auffassung ändert auch nichts die Tatsache, dass bei der reflek¬ 
tierten kutanen Hyperalgesie auch Druckschmerzhaftigkeit der Nerven vorhanden 
ist; da das Rückenmark in einem Zustand erhöhter Reizbarkeit ist, wird auch 
diese Art von Nervenerregung besser geleitet. 


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382 


Rudolf Goldmann. 


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kann man sich leicht davon überzeugen. Als die sensibelsten Gegen¬ 
den des Rumpfes sind sie bei weniger intensiver Erregung des Rücken¬ 
markes zuerst empfindlich, während die anderen Teile der entsprechen¬ 
den Zonen noch eine innerhalb der Grenzen der normalen liegenden 
Sensibilität zeigen (vgl. Fall 6). 

Was die Häufigkeit der Hyperalgesie in Beziehung auf das Ge¬ 
schlecht anbelangt, so kann ich Fab er und Haenel, welche aller¬ 
dings nur Magenkranke untersucht haben, darin nicht beistimmen, 
dass vor allem weibliche und zwar hysterische Individuen die Head- 
schen Zonen aufweisen. 

Von meinen 40 Patienten mit deutlicher Hyperalgesie sind 19 
weiblichen, 21 männlichen Geschlechts. Wohl besteht bei Hysterischen 
die Neigung des reflektierten Schmerzes in grosser Ausdehnung zu 
irradiieren, wobei er jedoch die spinale Ausbreitung zu gunsten der 
psychischen aufgibt, um als selbständiges Symptom in der für Hysterie 
eigentümlichen Form fortzubestehen; doch sind die Headsehen Zonen 
keineswegs ein Zeichen einer psychopathischen Anlage. 

In Kürze sei der Differentialdiagnose des reflektierten 
Schmerzes bei Lungenaffektionen gegenüber lokalen Affektionen gedacht. 
Die Interkostalneuralgie, die wir in den meisten Fällen als Reflex¬ 
hyperästhesie des Rückenmarks aufzufassen haben, kann im Verlaufe 
von anatomischen Nerven-(Neuritis), resp. Rückenmarkserkrankungen 
(Tabes) auftreten. Dabei ist, vom ersten Beginn abgesehen, die 
Haut hypästhetisch (Analgesia dolorosa); bei peripherer Affektion 
entspricht die Empfindlichkeit überdies der Verteilung der Nerven, 
nicht dem eines spinalen Segmentes; der Schmerz bei Druck auf den 
Nervenstamm überwiegt den bei Reizung der Haut und den spontan 
auftretenden. Dasselbe gilt von der Neuritis des Plexus cervicalis. 

Schmidt findet Druckschmerzhaftigkeit des Plexus cervicalis 
auf Seite der Spitzeninfiltration, „die jedoch bei vorgeschrittener 
Phthise nur selten und nicht in ausgesprochenem Grade vorkommt“. 
Dabei ist oft die Empfindlichkeit der Haut am Arm in verschiedener 
Ausdehnung, bald im Sinne der Hypästhesie, bald im Sinne der 
Hyperästhesie (bes. Hyperalgesie) alteriert. Diese Fälle dürften sich 
zum Teil als Neuritis, zum Teil als Retiexhyperästhesieen (auch bei 
diesen ist der Nerv druckempfindlich) erklären, besonders da das 
Symptom bei Phthisis progressa wie gewöhnlich der irradiierte Schmerz 
nur selten vorkommt, während ein Seltenerwerden der Neuritis im 
Spätstadium nicht verständlich ist 1 ). 

i) Man müsste sonst annehmen, dass in einem späten Stadium der Neuritis 
der Phthisiker auch die Druckschmerzhaftigkeit verschwindet. (Vergl. Fall 2 auf 
Seite 384.) 


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23] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank., besond. d. Tuberkulose. 383 

Beim Muskelrheumatismus ist die Sensibilität der Haut nicht 
alteriert; ebensowenig bei anatomischen Gelenksaffektionen ;nur bei 
Hydrarthros ist sie sogar vermindert, wie Chavigny gefunden 
hat. Diese Tatsache kommt uns bei der Beurteilung des häufigen 
Schulterschmerzes Lungenkranker sehr zu statten, um so mehr als 
in diesen Fällen auch die Bewegungen in dem Gelenke bisweilen 
sehr empfindlich sind und wir auf Grund der Befunde von Gelenks- 
hyperalgesie bei traumatischer Rückenmarksreizung (vergl. Kocher 
Fall 16) und der Experimente von Koch 1 ) analog auch eine reflek¬ 
tierte Gelenkshyperästhesie bei Visceralaffektionen anzunehmen 
berechtigt sind. 

Die Unterscheidung von hysterischer Hyperästhesie ist oft weniger 
leicht, besonders wenn der lungenkranke Patient neuropathisch ist. 
Der eigentümlichen Form der psychischen Sensibilitätsstörungen (ent¬ 
sprechend gewissen Vorstellungseinheiten: Amputationsstücke der 
Extremitäten oder dieselben als Ganzes etc.) kann in vielen Fällen 
zur richtigen Auffassung führen; ebenso dass bei hysterischen Hyper¬ 
ästhesien von Visceralorganen die Empfindlichkeit der Haut sich 
nur auf das vorgestellte Gebiet (Epigastriura) beschränkt ist. Unter¬ 
scheidend ist auch der Druckschmerz, welcher bei der psychischen 
Empfindlichkeit immer ausgesprochen ist, während er bei der reflek¬ 
tierten in der Regel gering ist, ja fehlen kann. In jedem Falle ist an eine 
Kombination von reflektiertem und sekundärem hysterischen Schmerz zu 
denken. Was wir Head und seinen Vorgängern Ross und Mackenzie 
verdanken, ist, dass sie uns Schmerzen anatomisch verstehen gelehrt 
haben, welche nicht an der Stelle des erkrankten Organes liegen, bei 
Lungenkranken: Schmerzen in der Herzgegend, im Epigastrium. im 
Unterleib, in der Nierengegend, in der Weiche, im Arm, im Nacken 
und in der Kopf- und Gesichtshälfte der mit der Erkrankung 
korrespondierenden Seite* ferner die an den symmetrischen Stellen 
der anderen Körperhälfte. Bei diesen sonst oft unklaren Fällen wird 
die Diagnose in dem Nachweise bestimmter Hauthyperalgesieen eine 
wichtige, wenn auch mit einiger Vorsicht zu gebrauchende Stütze 
finden. 

Dass die Therapie gegenüber diesem Symptom in erster Linie 
eine kausale sein muss, ist selbstverständlich. Doch kann man es 
versuchen, durch Einwirkungen auf die Haut (Massage, kalte Ab¬ 
reibungen, mehr suggestiv Faradisation, chemische Reizung), auf das 
primär erkrankte Organ Einfluss zu nehmen oder wenn der Schmerz 

i) Danach liegen die Fasern für die Gelenkempfindung im Seitenstrange 
nach aussen von denen für die Hautempfindung. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 26 


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384 


Rudolf Goldmann. 


[24 


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anfallsweise auftritt, ihn durch Gegenreize zu beschwichtigen. Einer 
von meinen Patienten linderte seinen neuralgiformen Schmerz über 
der linken Brustseite, indem er sich jedesmal mit Gewalt gegen einen 
Türpfosten anstemmte; andere pressen die Hand gegen die empfind¬ 
liche Stelle. Von Kokaineinreibungen, die Head empfiehlt, habe ich 
in zwei Fällen keinen Erfolg gesehen; die Hyperalgesie liegt eben 
nicht so sehr in den kutanen Nervenendigungen als im Rückenmark. 
Wenn Faber von einer allzu lokalen Therapie warnt, weil sonst der 
Schmerz leicht hysterisch wird, so kann ich ihm darin nur beistimmen. 

Der Wert der Headschen Zonen liegt deshalb vorwiegend auf 
dem Gebiete der Diagnose, wo ihre Berücksichtigung in vielen Fällen 
die Auffindung des Krankheitsherdes wesentlich erleichtern kann. 

Anhangsweise erwähne ich noch zwei merkwürdige Fälle von 
Hypästhesie. 

Der erste, ein 60jähriger Mann, [klagt über Schmerzen auf der rechten 
Seite; bisweilen treten Krämpfe im rechten Arm von minutenlanger Dauer auf. 
Vor 10 Jahren hatte er eine Brustfellentzündung rechterseits durchgemacbt. Seit¬ 
dem leidet er mit Unterbrechungen an Schmerzen in dieser Seite und Husten. 

Die Untersuchung ergibt starke Dämpfung über dem ganzen rechten Ober* 
lappen mit verschäften bronchialem Atmen. 

Es besteht Hemihypästhesia totalis dextra, besonders im Gebiete des rechten 
Oberlappens entsprechend seinen Grenzen und am rechten Arm bis zum Hand¬ 
gelenk. Gleichzeitig ist, jedoch nur in dem oberen Teile Empfindlichkeit gegen 
Druck und Perkussion vorhanden, während nach abwärts vom vierten Interkostal 
raum die tiefe Sensibilität herabgesetzt ist! Ich sehe den Fall als eine durch 
Pleuritis bedingte Neuritis der dem Oberlappen zunächst liegenden Interkostal- 
Nerven an, die sekundär zu einer psychischen Sensibilitätsstörung geführt hat. 

Der zweite Fall, ein Mann von 46 Jahren, klagt über Schmerzen auf der 
linken Seite beim Husten, das Atmen sei da erschwert. Die Haut auf der ganzen 
linken Rumpfhälfte sei gefühllos, bei Kaltwasserprozeduren trete keine Reaktion 
auf, während sie rechts prompt erscheine. Vor drei Jahren hatte er eine Rippen¬ 
fellentzündung, dabei Schmerzen auf der linken Seite bis zum Leistenbund. Ferner 
habe er in den letzten acht Tagen sechs bis siebenmal einen Krampf in der 
linken Hand (nach der Schilderung in Geburtshelferstellung) und Ameisenlaufen 
in den Fingern desselben gehabt, jedesmal morgens von drei bis sechsstündiger 
Dauer, wenn er abends mehr Bier genossen, sonst bloss von 1—1 */* stündiger 
Dauer; dabei bestehen niemals AtmungsbeBchwerden oder Beklemmungsgefübl. 

Klinisch bestehen alle Symptome eine Aorteninsuffizienz, der Puls ist jedoch 
kräftig, regelmässig, nicht beschleunigt, ausserdem die einer beider-, besonders 
linksseitigen Spitzenaffektion und einer Pleuritis adhäsiva sinistra. 

Die Prüfung der Sensibilität ergibt Hypästhesie für alle Qualitäten der 
in dem nachstehenden Gebiete Fig. 11 x ). Über der Lungenspitze scheint Hyper¬ 
algesie zu bestehen. Der Bauchdecken- und Scotalreflex sind links nicht, rechts 
leicht auslösbar. Patellar- und Pupillenreflexe normal. Es besteht keine tiefe 
Druckschmerzhaftigkeit, auch nicht in den Interkostalräumen. Die Sensibilitäts- 

i) Seite 376. 



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25] Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungen erkrank., besond. d. Tuberkulose. 385 

Störung hält sich in diesem Falle an das Wurzelgebiet des II. Dorsal- bis zu 
dem des I. Lumbalsegments (nach Kocher II. Lumbalsegments). Dasselbe ist 
wahrscheinlich identisch mit dem des U. Interkostal- bis zum ersten bezw. 
zweiten Lumbalnerven, welch’ letztere (vergl. Wich mann) den Plexus ischiadicus 
bilden helfen. Wir müssen daher eine Schädigung dieser Nerven nahe ihrem 
Austritt aus dem Rückenmark annehmen, wie sie durch ein den ganzen Komple- 
«nentärraum erfüllendes Exsudat möglich ist. 

Die Seltenheit dieser Art von Sensibilitätsstörung, die wohl nur 
der Pleuritis zukommt, muss uns eine Warnung sein, die vorüber¬ 
gehenden Hyperalgesieen, die in den meisten Fällen mit Pleuritis 
nichts zu tun haben, ja sogar oft ausser deren Bereich (Nacken, 
Kopf, Arm) liegen, auf dieselbe Weise erklären zu wollen, wenngleich 
in einzelnen Fällen eine Hyperästhesie, die sich später in ihr Gegen 
teil verwandelt, bei der Brustfellentzündung auf direkte Reizung der 
Nerven zurückgeführt werden und so die Diagnose des reflektierten 
Schmerzes widerlegen kann. Eine Entscheidung in derartigen Fällen 
wird mit Sicherheit erst dann abgegeben werden können, bis die 
Anatomie das Gebiet der Rückenmarkssegmente und das der peri¬ 
pheren Nerven, vor allem der Rumpfnerven, genau abgegrenzt hat. 


Literatur. 


1. Adam, Hyperästhesie der Haut bei inneren Organerkrankungen. Inaug.-Diss. 
Berlin 1897. 

2. Aufrecht, die Lungenentzündungen S. 76. Nothnagels Handbuch XIV. 

3. Chavigny, Sensibilität der Haut bei Gelenkerkrankungen. Centralbl. für 
i. M. 1902. 

4. Com et, Tuberkulose S. 331. Nothnagels Handb. XIV. 

5. Eichhorst, Neuralgie. Deutsche Klinik im Anfang des 20. Jahrb. Bd. VI. 
52. Liefg. 

6. Fab er, Reflexhyperästhesie bei Verdauungskrankheiten. Deutsches Arch. 
für klin. Med. Bd. 65.3 u. 4. 

7. Fenger cit. bei Fab er. 

8. Filatow, Semiotik der Kinderkrankheiten. S. 205. 

9. Gaskeil cit. nach Schmidts Jahrb. 1889. 

10. Goldscheider, Über den Schmerz in physiol. u. klin. Hinsicht. Berlin 1894. 

11. Graves cit. bei Stokes. S. 79. 

12. Günsburg, Path. u. Ther. der Erkrankung des Respirations- u. Cirkulations- 
organe 1856. 

13. Haenel, Sensibilitätsstörungen der Haut bei Visceralerkrankungen. Münch, 
med. Wochenschr. 1901 Nr. 1. 

14. He ad, Sensibilitätsstörungen der Haut bei Visceralerkrankungen. Deutsch 
von W. Seiffer-Berlin 1898. 

26* 


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386 Rud. Goldmann. Sensibilitätsstörung. d. Haut b. Lungenerkrank. etc. [26 

15. Koch, cit. bei Leyden-Goldscheider, Rückenmarkskrankheiten. S. 45. 
Nothnagels Handb. 

16. Kocher, Die Verletzungen der Wirbelsäule etc. Mitteilg. aus d. Grenzgeb. 
d. Med. u. Chirurg. 1896. 1. (Sensibilitätstafel auch in Sahli, klin. Unter- 
suchungsmetb.) 

17. Lange cit. bei Fab er. 

18. Len ander, Beob. über Sensibilität in d. Bauchhöhle. Mitt. aus d. Grenzg. 

1902. 1 u. 2. 

19. Mackenzie cit. bei Moll. S. 110 ff. 

20. Moll van Charante, Die hyperalgetische Zonen van Head; Inaug.-Diss. 
Leyden 1900. (Daselbst ausführliche Literaturangabe.) 

21. Muskens, Über die wahren Segmentalkrankheiten. Arch. f. Psych. u. N. 

1903. 1. 

22. Petruschky, Bericht der Vers, deutsch. Naturf. u. Ärzte, in Karlsbad 1902* 
Ref. in Münch, med. Wocbenschr. 1902. Nr. 43. 

23. Quincke, Über Miteropfindung und verwandte Vorgänge S. 444. Deutsches 
Arch. f. kl. M. 1890. 

24. Rosenbach, Erkrankung des Brustfelles. Nothnagels Hdb. XIV. I. S. 53. 

25. Ross s. Moll. 

26. Rühle, Krankheiten der Lungen. Ziemssen Hdb. Bd. V. 2. TI. S. 54 ff. 

27. Schmidt, Über Akroparästhesien. Wiener klin. Wochenschr. 1901. 

28. Sticker* Über die diagnost. Verwertung der Form und Verteilung der 
Sensibilitätsstörungen. Münch, med. Wochenschr. 1896. S. 193. 

29. Stokes, Abhandlung über Brustkrankheiten. S. 644. 1838. 

30. Turban, Beiträge zur Kenntnis der Lungentuberk. S. 14. Wiesbaden 1899. 

31. Wichmann, Die Rückenmarksnerven. Berlin 1900. 

32. Ziemssen, Pleuritis und Pneumonie im Kindesalter. 



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Aus dem pathologisch-anatomischen Institut in Heidelberg. 


Über das Vorkommen von grossen Konglomerat¬ 
tuberkeln in der Herzmuskulatur. 

Von 

Dr. Stephani. 


Mit der steigenden Zahl der Obduktionen und der besseren Er¬ 
kenntnis pathologisch-anatomischer Verhältnisse hat man besonders 
die Pericarditis tuberculosa als ein ziemlich häufiges Vorkommnis 
kennen gelernt. Auch die Endocarditis tuberculosa ist sowohl in 
Form von verukösen Exkrescenzen als auch unter dem Bilde miliarer 
Knötchen des Endokards in den letzten Jahren immer häufiger an¬ 
getroffen worden. Das gleiche gilt von der Miliartuberkulose des 
Herzmuskels. Der Umstand aber, dass im Verhältnis zu den über¬ 
haupt obduzierten Fällen von tuberkulösen Erkrankungen des mensch¬ 
lichen Körpers die Anzahl der veröffentlichten Fälle von grossen 
Tuberkelknoten im Myokard — sie hat das erste halbe Hundert 
noch nicht erreicht — eine ganz verschwindende ist, rechtfertigt 
wohl die Beschreibung weiterer Fälle. 

Die ersten eingehenden Arbeiten über Herztuberkulose waren die 
von Haberling 1865 und von Schöffler 1873, dann folgte eine 
sehr ausführliche Arbeit aus dem Jahre 1878 aus dem Göttinger 
pathologischen Institut von Sänger. Dieser Autor hat sich bemüht, 
aus den sehr mannigfaltigen pathologisch - anatomischen Befunden 
bestimmt umgrenzte Typen der Erkrankung aufzustellen. Er hat 
dabei aber nicht nur die myokardialen, sondern auch die peri- und 
endokardialen Erkrankungen in den Kreis seiner Betrachtungen ein¬ 
bezogen. Eine Zusammenstellung sämtlicher Fälle ist seit dem Jahre 


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388 


Dr. Stephani. 


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1878 in der deutschen Literatur nicht mehr erschienen. Die Sänger- 
sche Zusammenfassung der vereinzelten Beobachtungen wurde im 
Jahre 1892 von Polläck einer genaueren Nachprüfung unterzogen 
und durch einige dort übersehene Fälle ergänzt. Ebenso fand Püsch- 
mann, dessen Arbeit aus dem Jahre 1896 stammt, noch einige 
Fälle, die den beiden vorher erwähnten Autoren entgangen waren. 

Labbe hatte im Jahre 1896 die myokardialen Veränderungen 
durch den Koch sehen Bacillus in vier Formen eingeteilt: 

1. grosse verkäste Tuberkelknoten in der Muskulatur, 

2. diffuse tuberkulöse Infiltration des Herzmuskels, 

3. Miliartuberkulose des Myokards und 

4. eine fibröse Form tuberkulöser Myokarditis. 

Ein anderer französischer Bearbeiter Barrie, der in der Semaine 
medicale im Jahre 1896 ein Sammelreferat über alle Arbeiten dieses 
Gebietes gab, stellte drei verschiedene Formen auf: 

1. Grosse verkäste Knoten des Myokards, 

2. Miliartuberkulose und 

3. diffuse tuberkulöse Infiltration der Muskulatur, verbunden 
mit sklerosierender Hypertrophie und Verfärbung. 

Im Jahre 1898 gab schliesslich Fuchs in seiner Dissertation eine 
Übersicht über die ganze vorliegende Literatur. 

Diese Arbeiten behandeln aber sämtlich alle überhaupt vor- 
kommenden tuberkulösen Veränderungen des Herzens. 

Ich habe die Miliartuberkulose des Myokards aus meinen Be¬ 
trachtungen ausgeschieden, weil es sich in diesen Fällen doch nur um 
eine pathologische Veränderung handelt, die verhältnismässig kurz 
vor dem Tode eingetreten und mehr als der Ausdrupk einer allge¬ 
meinen Infektion aufzufassen ist, wie als ein lokaler Krankheitsprozess 
an und für sich. Ausserdem haben die eingehenden Untersuchungen 
von Weigert über die Miliartuberkulose ergeben, dass man bei ge¬ 
nauer Aufmerksamkeit bei dieser Allgemein-Infektion den Herzmuskel 
in einem sehr grossen Prozentsatz erkrankt findet. 

Man ist einerseits zur Annahme berechtigt, dass es sich bei den 
Fällen von diffuser Myokardial-Tuberkulose um pathologische Zustände 
handelt, welche zwar vielleicht längere Zeit im Leben bestanden hatten; 
andererseits aber kann man sich schwer vorstellen, dass ein solcher 
Prozess als isolierte Erkrankung der Muskulatur ohne Beteiligung 
von Perikard und Endokard bestanden hat. 

Nur bei grossen Konglomerattuberkeln in der Muskulatur, 
zumal wenn der Zustand des Tuberkels ein wesentlich älteres Stadium 
darstellt als die Veränderungen in der Umgebung, ist man auch be¬ 
rechtigt, die Frage zu erörtern, ob die krankhaften Veränderungen 



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3] Üb. d. Vorkomm. y. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 389 

im Muskelgewebe schon bestanden hatten, ehe Epi- oder Endokard 
beteiligt war. 

Ich habe deshalb bei der am Ende dieser Arbeit gegebenen Zu¬ 
sammenstellung nur diejenigen Fälle berücksichtigt, bei denen grössere 
tuberkulöse Käseknoten in der Muskulatur vorhanden waren. 

Bei der Differentialdiagnose,ob man einen grossen in der Mitte 
erweichten Knoten in der Herzmuskulatur auch als tuberkulös an¬ 
sprechen darf, kommt die Berücksichtigung der Veränderungen durch 
Syphilis, durch Carcinom oder durch Aktinomykose in Betracht. 

Da Gummaknoten des Myokards nicht gerade zu den extremsten 
Seltenheiten gehören, hat man lange Zeit alle grossen erweichten 
Knoten im Herzmuskel als luetisch bezeichnet. Abgesehen von der 
Berücksichtigung der übrigen Befunde der Leichenschau wird für die 
makroskopische Beurteilung die scharfe bindegewebige Begrenzung 
und die etwas mehr graue Farbe des erweichten Gewebes bei syphi¬ 
litischen Affektionen massgebend sein. 

Erweichte Carcinommassen sehen sehr viel leichter einer tuber¬ 
kulösen Verkäsung ähnlich, was mir auch ein Präparat der Heidel¬ 
berger Sammlung zeigte, welches als Myocarditis tyromatosa be¬ 
zeichnet war und dessen histologische Untersuchung Carcinom ergab. 
Es zeigten diese Erweichungen aber mehr einen krümeligen und 
trockenen Charakter. 

Die Aktinomykose ist auch schon in der Herzmuskulatur des 
Menschen beobachtet worden. Die gelbe Eitereinschmelzung ist der 
tuberkulösen sehr ähnlich, ebenso wie actinomykotische Verände¬ 
rungen in anderen Organen das Bild der Tuberkulose bieten können. 
Die Aufmerksamkeit des Untersuchers wird sich hauptsächlich auf die 
kleinen Aktinomyceskörner im Gewebe und im Eiter richten müssen. 

Entscheiden wird in zweifelhaften Fällen die histölogische Unter¬ 
suchung respektive der Nachweis von Koch sehen Tuberkelbacillen, 
oder ein positiver Impfversuch aufs Tier. 

Nach diesem kurzen Rückblick auf die wichtigste Literatur, der 
Abgrenzung des Themas und der Besprechung der Differentialdiagnose 
soll zur Beschreibung einiger noch nicht veröffentlichter Fälle über¬ 
gegangen werden. Die drei Präparate, die mir aus dem hiesigen 
pathologisch-anatomischen Institut durch die Liebenswürdigkeit des 
Herrn Geheimrat Arnold zur Verfügung gestellt sind, waren folgende : 

1. Fall: 

Das Präparat der Sammlung stammt aus dem Jahre 1865. Dem vorhandenen 
Sektionsprotokoll entnehme ich den damaligen Autopsiebefund. 

Philipp P., 17 Jahre alt, Sektion 55 Stunden post mortem. Stark abgemagerte 
Leiche mit guter Muskulatur. Die rechte Vena jugularis interna ist namentlich 


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Dr. Stephani. 


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in ihrem unteren Teile stark erweitert und ungefähr noch einmal so dick als die 
linke. Diese Erweiterung erstreckt sich auf die ganze Ausdehnung der Vene, 
deren Klappen insuffizient sind, so dass schon vor der Eröffnung des Thorax bei 
Druck auf die vordere Thoraxhälfte das Blut in reichlichem Strome herausquillt. 

Die linke Lunge zeigt nirgends Verwachsungen, ist überall lufthaltig und zeigt 
besonders an der Spitze keine Spur weder alter noch frischer Tuberkulose. Die 
Schleimhaut der Bronchien ist gerötet und zeigt in den feineren Ästen ziemlich 
viel schleimig-eitriges Exsudat. In den Ästen der Pulmonal-Arterien keine be¬ 
merkenswerten Veränderungen. Das ganze Lungenparenchym ist hyperämisch 
und zwar am meisten in den hinteren unteren Teilen. Es ist durchsetzt mit zahl¬ 
losen isoliert stehenden miliaren Körnchen, welche sich scharf von dem dunklen 
Lungengewebe abheben und ein äusserst zierliches Bild abgeben. Das Gefühl 
unterscheidet diese Körnchen deutlich wie eingelagerte Sandkörnchen. 

Die rechte Lunge bietet das gleiche Bild. Es sind hier nur die oberen Teile 
etwas mehr ödematös. Nirgends ist die Lunge verwachsen und besonders be¬ 
stehen keine Verlötungen der Pleura mediastinalis mit dem Herzbeutel. 

Auf der glatten und normal aussehenden Pleura pulmonaris beider Lungen 
erblickt man zahlreiche miliare Tuberkeleruptionen. 

Die Milz ist vergrössert, ihre Kapsel mit zahlreichen roten, glänzenden Pünkt¬ 
chen bedeckt, die da und dort in braunrote Streifen auslaufen. Die Pulpa sehr 
weich. Die Leber ist ziemlich schlaff und auf dem Durchschnitt im ganzen von 
fettigem Aussehen. Die Galle ist ziemlich reichlich, von dunkelgrüner Farbe. 

Die Nieren sind in der Rinde sowohl wie in den Pyramiden gleichmässig 
dunkel hyperämisch. Nebennieren normal. Ösophagus, Magen, Dünndarm ohne 
Veränderung. Im Kolon ist die Schleimhaut stellenweise grob injiziert. Die 
Harnblase, Pankreas und Schilddrüse zeigen ebenfalls keinen pathologischen Be¬ 
fund. Dagegen waren die retroperitonealen Lymphdrüsen entlang dem Bauchteil 
der Wirbelsäule stark geschwellt und derb, auf dem Durchschnitt von hell¬ 
grauer Farbe. Die cervikalen Lymphdrüsen waren auf der linken Seite ebenfalls 
mässig geschwellt. Gehirn und Schädelhöhle ohne Befund. 

Den auffallendsten Befund ergaben die Verhältnisse am Herzen. Es fand sich 
zunächst eine starke Vergrösserung des Herzens. Der Herzbeutel war mit der 
Oberfläche des Herzens überall verwachsen durch „zellige“ gegen die Spitze des 
Herzens und das Diaphragma schwielige Adhäsionen. Auch zwischen Herz und 
den Gebilden des hinteren Mediastinums besteht keine festere Verbindung, als die 
normale. Die weitere Beschreibung des Herzens gebe ich nach dem vorhandenen 
Spirituspröparat wieder. Die Pericardialblättersind verwachsen, jedoch durchaus nicht 
verdickt. Schon die Betrachtung der Aussenfläche des Herzens ergibt verschiedene 
etwa kirschkerngrosse Knoten, die jedoch nur flach vorspringen. Diese höckerigen 
Erhebungen finden sich über dem ganzen Herzen. Auf dem Schnitt durch die 
Kammerwand fällt sofort an der Vorderseite des linken Herzens mehr der Spitze 
zu gelegen eine Stelle auf, an welcher die dunklere Muskulatur ganz durchsetzt 
ist mit einer weissen Gewebsmasse, die an ihrer breitesten Stelle 2 l h cm misst. 
Eine ganz gleich aussehende Stelle liegt auf dem Schnitte, welcher auf der 
lateralen Kante der linken Herzkammer geführt ist. Hier ist die grösste Aus¬ 
dehnung der makroskopisch sichtbaren pathologischen Veränderungen sogar 
3.3 cm. Diese beiden Herde haben das Aussehen, als ob sie sich nach allen 
Seiten hin gleichmässig ausgebreitet hätten; die ganze Herzwand erscheint in 
ihrer Breite ersetzt durch schwieliges Bindegewebe. An der Ansatzstelle des 
grossen vorderen Papillarmuskels durchzieht aber auch noch einmal ein ca. 3 cm 



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5] Üb. d. Vorkomm. v. gross. KonglomerattuberkelD in d. Herzmuskulatur. 391 

breiter und 1 1 lt cm langer weisser Streifen die dunklere Muskulatur. Am linken 
Vorhof sieht man dem Herzohr zu gelegen, ein kleines Knötehen. Die Wand 
des linken Vorhofes ist aber auffallend dünn, wenn auch nicht so sehr wie die 
des rechten Vorhofes, die ganz durchscheinend ist, und bei denen die Muskel¬ 
bündel nur in schmalen Zügen zu erkennen sind. Ebenso ist die Wand des 
rechten Ventrikels sehr dünn, und nur an der hinteren Fläche etwas unterhalb 
des Sulcus coronarius befindet sich eine Verdickung, die höchstens die Grösse 
eines Aprikosensteins erreicht. Sonst sind noch kleine knotige Verdickungen der 
rechten VentrikelwAnd eingelagert, welche am frischen Präparate sich viel deut¬ 
licher erkennen Hessen und im Sektionsprotokoll auch als grosse Käseknoten 
beschrieben wurden. 

Das Stückchen, welches zur mikroskopischen Untersuchung diente, ist der 
linken Herzwand entnommen. 

Im Mikroskop sieht man zunächst ein sehr starkes Vorwiegen nekrotischen 
Gewebes, welches die Färbung fast gar nicht angenommen hat. Diese Massen, 
die die Hauptfiäche des Schnittes einnehmen, sind umgrenzt von einem nicht 
sehr starken Leukocytenwall. Hier sieht man eine bessere Kemfärbung, während 
aber die Zellbegrenzung auch hier noch eine unsichere ist. Erst in der Peripherie 
der Leukocytenzone sieht man da und dort, aber doch auch nur sehr spärlich eine 
deutliche Riesenzelle. Zwischen diesen Herden ziehen derbe Bindegewebszüge 
hindurch mit ganz geringem Kerngehalt. Von der Muskulatur ist nur wenig mehr 
übrig gebHeben. Zwischen den Bindegewebsfasern ist nur selten ein Bündel von 
Muskelfasern eingelagert. Die Querstreifung sowohl wie die Kerne der Muskel¬ 
elemente sind nur ganz vereinzelt noch gut zu sehen. Die isolierte Färbung auf 
Tuberkelbacillen wurde versucht, ergab aber kein unzweideutiges Resultat, was 
bei der langen Dauer der Konservierung des Präparates wohl nicht zu verwun¬ 
dern ist. 

2. Fall: 

Von dem zweiten Falle ist kein Sektionsbefund vorhanden, weil das Prä¬ 
parat von einem praktischen Arzte ohne weitere Angaben aus der Kranken¬ 
geschichte oder dem Autopsiebefund eingeschickt worden war. Es ist ein kleines 
Herz, dessen Herzbeutel vollständig mit der Herzoberfläche verwachsen ist. An der 
Ursprungsstelle der grossen Gefässe sitzen noch einige sehr stark geschwollene 
Lymphdrüsen an. Fernerhin besteht eine Verwachsung des Zwerchfells mit dem 
Perikard und eine Verlötung der Pleura pulmonari9 der rechten Lunge mit der 
Ursprungs- resp. Mündungsstelle der grossen Gefässe. An der Aussenfläche des 
Präparates sieht man grössere und kleinere Knoten, die besonders über dem 
linken Herzen stärker und zahlreicher sind wie rechts. Auf dem Durchschnitt 
bieten diese Knoten im Zentrum eine krümmelige Masse dar, die teilweise aus¬ 
gefallen ist und umgeben wird von einem etwas derben schmalen bindegewebigen 
Hofe. Die grösste Ausdehnung hat eine derartige pathologische Veränderung an 
der Seiten wand des linkes Vorhofes. Die grössten Durchmesser betragen hier 
8,2 und 2,1 cm. Mit diesen Knoten konfluiert ein zweiter annähernd gleich 
grosser, welcher mehr medialwärts gelegen ist. Die Muskulatur ist sehr aufge¬ 
lockert und brüchig. Der Ventrikelscheidewand sind zwei kleine Kavernen ganz 
in die Muskulatur eingelagert, welche ungefähr l h cm im Durchmesser haben 
mögen. Auf der hinteren Seite des linken Ventrikels sind noch verschiedene 
kirschkerngrosse Knoten. Über dem rechten Herzen ist ein Knoten gerade an 
der Scheidewand dicht unter dem Sulcus coronarius, welcher die Grösse eines 


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392 


Dr. Stephani. 


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Kirschkernes hat. Die Muskulatur des rechten Vorhofes und Ventrikels ist sonst 
frei. Nur zwischen den Perikardialblättern befinden sich noch zwei kirschkern¬ 
grosse Tumoren, die sich aber deutlich gegen die Muskulatur verschieben lassen. 

Das mikroskopische Präparat entstammt der hinteren Wand des 
linken Ventrikels nahe der Spitze. 

Es liegt hier ein Stadium sehr weit vorgeschrittener Erkrankung vor. Die 
tuberkulösen Knoten sind mit einer ziemlich breiten fibrösen Kapsel umgeben, 
das Zentrum ist vollständig verkäst, und nur in der Peripherie dev Knoten sieht 
man zwischen den kleinen Rundzellen einige Reste von Muskelelementen. Eben¬ 
solche Überbleibsel des Muskels sind da und dort der fibrösen Kapsel eingelagert. 
Eine sichere Struktur ist gar nicht mehr zu erkennen. 

3. Fall: 

Der dritte Fall ist erst im Jahre 1901 zur Sektion gekommen und ist sowohl 
in Berücksichtigung des allgemeinen Sektionsbefundes als auch in klinischer Be¬ 
ziehung äusserst interessant. 

Am 10. Juni 1901 vormittags 6 Uhr starb der 18 Jahre alte Kutscher Adam 
Bleiler in der hiesigen medizinischen Klinik. Klinisch war mitgeteilt, dass der 
Mann früher gesund, seit Januar 1901 mit Husten und Auswurf erkrankte, vom 
15. Februar bis 6. April wegen einer Pleuritis exsudativa dextra behandelt worden 
war, dann einige Wochen arbeitete und am 25. Mai wieder erkrankte. Am 
28. Mai wurde er in die Klinik in vollständig somnolenten Zustand aufgenommen. 
Vom 8. Juni ab grosse Unruhe, dann Koma. Vom 6. Juni ab reagierte der 
Patient nicht mehr, es bestand starke Cyanose und Meteorismus. Miliartuber¬ 
kulose bei Augenapiegeluntersucbung, keine Papillitis, Verdacht auf Choriodeal- 
tuberkulose; Lumbalpunktion ohne Resultat. Zunehmende Herzschwäche, Dyspnoe, 
Exitus letalis. 

Die Autopsie wurde am 10. Juni vormittags 11 Uhr von Herrn Privatdozent 
Dr. Schwalbe ausgeführt. Da nach dem klinischen Bilde mit Sicherheit eine 
Meningealtuberkulose anzunehmen war, so wurde zuerst die Rückenmarkshöhle 
eröffnet. Im Rückenmarkskanal viel extradurales Fett. In dem Subarachnoideal- 
raum war die Gerebrospinalfiüssigkeit kaum vermehrt. Die Pia mater war besonders 
an der Hinterfiäche bedeckt mit einer Masse kleiner grauweisser Knötchen. Nach 
Eröffnung der Schädelhöhle und Herausnahme des Gehirns werden in der Pia 
mater an der Basis eine Unmasse kleiner weisser Knötchen konstatiert. Unter 
dem Chiasma sind dicke weissgelbe Auflagerungen. Die Gefässe der Fossa sylvii 
und ebenso die Arteria corporis callosi sind umlagert von gelben Knötchen; auf 
den Frontalschnitten sieht man in Begleitung der Gefässe überall die gelbweissen 
Knoten, welche gegen die Gehirnrinde Vordringen. In der Umgebung dieser 
Knötchen zeigt die Rinde vielfach kleine Hämorrhagien. Ein grösserer rot-grau 
marmorierter weicher Herd findet sich auf beiden Seiten im Stirnhirn unmittelbar 
an der Pia gelegen. 

Die Sektion des Rumpfes ergibt zunächst die Stellung des Zwerchfells in 
normaler Höhe. Die Inspektion der Bauchhöhle zeigt weder Flüssigkeitsansamm¬ 
lungen noch irgend eine Lageanomalie. Bei der Entfernung des Sternums muss 
eine geringe Verwachsung mit dem Perikard durchtrennt werden. In den Pleura¬ 
höhlen ist keine Flüssigkeit. Die Aussenfläche des Herzbeutels zeigt weisse 
lappige Anhängsel. Die Perikardialblätter sind überall mit der Herzoberfläche 
fest verwachsen, so dass die Herzbeutelhöble vollständig obliteriert ist-. Das Herz 
wird mit der Lunge herausgenommen. Es zeigt sich leicht vergrössert. Bei 


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7] üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 393 

genauer Präparation der Herzoberfläche sieht man das Pericardium viscerale be¬ 
deckt mit massenhaften kleinen grauen Knötchen. Der weitere Herzbefund wird 
weiter unten gegeben. 

Die rechte Lunge zeigt wenig Verwachsungen, ist von vermehrter Form, 
die Pleura fibrinös belegt. — Die linke Lunge ist dagegen ausgedehnt verwachsen, 
so dass die Pleura costalis zum grössten Teile mit losgelöst werden muss. An 
der hinteren Seite des Unterlappens muss man sich durch ein maschiges ziemlich 
festes Gewebe durcharbeiten, das beim Loslösen sich durchsetzt zeigt von 
grösseren deutlich abgegrenzten Knoten. Auf dem Durchschnitt zeigen beide 
Lungen das Bild der disseminierten Tuberkulose. Das dazwischen liegende 
Lungengewebe ist infiltriert. Im linken Oberlappen befindet sich eine Anzahl 
kleiner kaum erbsengrosser Höhlen, deren Wände mit weissgelbem Eiter bedeckt 
sind. Bronchitis und Tracheitis. Keine Geschwüre im Kehlkopf. Keine Verkä¬ 
sung der Bronchialdrüsen. Die Oberfläche der 11. Rippe ist raub, auf dem Durch¬ 
schnitt aber ohne Befund. 

Bauchhöhle: Zwerchfell mit weissgelben Knoten von Erbseugrösse durch¬ 
setzt. Die rechte Hälfte des Diaphragmas musste mit der Lunge herausgenommen 
werden. Die stark vergrösserte Milz ist ebenfalls mit dem Zwerchfell derartig 
verwachsen, dass beides zusammen herausgenommen werden musste. — Auf dem 
Durchschnitt ist die Milz ebenfalls besät mit kleinen grauweissen Knötchen. Der 
Darm zeigt an einigen Stellen der Schleimhaut eine Rötung, nirgends aber auch 
nur die geringste Geschwürsbildung. — Beide Nieren sind trübe mit vielen 
stecknadelkopfgrossen weissgelben Fleckchen. Nebennieren gross. — Die Leber 
hat auf der Kapsel besonders an der Konvexität des rechten Lappens gruppen¬ 
weise weissgelbe hirsekorngrosse Knötchen und auf der Schnittfläche bei geringer 
Stauung ebensolche Veränderungen. — Magen und Pankreas ohne Befund. — 
Blase sehr stark gefüllt, keine deutliche Veränderung. In der Prostata kleine 
weissgelbd Knötchen. Hoden ohne Befund. 

Der Herzbefund war folgender: Zunächst war an der Vorderfläche des 
Herzens die parietale Fläche des Perikards in den oberen Partieen ziemlich glatt 
und nur mit stecknadelkopfgrossen weissen Knötchen besetzt. In den unteren 
Teilen hängen aber — wie schon oben erwähnt — dem Herzbeutel klumpige 
Falten auf von etwa 1 cm Länge, die sich darstellen wie knotige Einlagerungen 
in das abgehobene Perikardialblatt. Gegen das Herz zu sind die Falten des 
Herzbeutels aber nicht aneinander verschieblich, sondern verklebt. Ähnliche An¬ 
hängsel, jedoch von geringerer Stärke, befinden sich nach rechts über dem rechten 
Vorhof. Auf der Rückseite sind über dem linken Herzen nur wenige fibrinöse 
Zotten. Dagegen ist die Hinterwand des rechten Herzens vollständig bedeckt 
mit käsigen weissen Knoten, die Kirscbengrösse teilweise erreichen. Das Zwerch¬ 
fell ist in breiter Ausdehnung mit dem Herzbeutel verwachsen und an der vor¬ 
deren Übergangsstelle ist der Raum zwischen Herzspitze und Diaphragma eben¬ 
falls ausgefüllt mit den eben beschriebenen knolligen Zotten. Die Perikardialhöhle 
ist vollständig obliteriert. Man kann nur mit dem Messer das parietale Peri¬ 
kardialblatt abtrennen und sieht dann beide Präparationsflächen mit winzigen 
Knötchen von weisser Farbe übersät. 

Auf dem Durchschnitt erscheint das Perikard makroskopisch fast gar nicht 
verdickt. Die Muskulatur des linken Ventrikels ist auf der Schnittfläche von 
ganz normalem Aussehen. Man kann besonders nirgends weissliche Einlagerungen 
und Knötchen erkennen. Für den fühlenden Finger ist auch die übrige Ventrikel¬ 
wand ohne auffallende Verdickung. In gleicher Weise bietet die Wand des rechten 


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[* 


Yorhofes keine Besonderheiten weder im Aussehen noch im Betasten. Bei der 
Besichtigung des rechten Ventrikels bietet sich aber ein sehr auffallender Befund. 
Nahe an der Herzspitze, der Stelle entsprechend, die auch am gesunden Herzen 
die schmälste Wand hat, wird die Muskulatur durch einen weissen Streifen 
durchsetzt, der etwa 3 cm über der Herzspitze gelegen ist. Der Muskulatur 
sitzt mit breiter Basis eine fast hühnereigrosse weisse höckerige Masse auf, welche 
so weit in das Innere des Ventrikels vorspringt, dass auch die Sehnenfäden der 
vorderen Tricuspidalklappe gerade an ihrer Ansatzstelle an dem Papillarmuskel 
vollständig von der Geschwulst umwachsen sind. Gegen die Spitze des Schnittes 
sieht man, dass in dieser weissen Masse ein breiter Papillarmuskel einge¬ 
lagert ist. 

Die übrige laterale und hintere Wand des rechten Ventrikels, sowie die des 
rechten Vorhofes ergeben keinen weiteren pathologischen Befund. Die Wand der 
Aorta zeigt keine Besonderheiten. Die linke Lunge ist am Hilus mit den grossen 
Gefässen verwachsen. Einige geschwollene mediastenale Lymphdrüsen liegen 
zwischen der Ursprungsstelle der Gefässe und der Trachea. 

Die anatomische Diagnose lautete danach: Pericarditis adhaesiva et 
Myocarditis tuberculosa ventriculi dextri, Pleuritis adhaesiva inveterata et fibri- 
nosa recens dextra. Disseminierte Tuberkulose der Lungen, Miliartuberkulose der 
Pia mater des Gehirns und Rückenmarks, Hämorrhagieen der Hirnrinde, disse¬ 
minierte Tuberkulose des Zwerchfells, der Milz, Leber, Nieren, Prostata. Stauung 
der Leber, Trübung der Niere. 

Die mikroskopische Diagnose wird für die Veränderung des Herzens 
besonders beschrieben. Sonst wurde noch Miliartuberkulose der Lunge, Käse¬ 
massen auf den Pleuren und dem Perikard und desquamative Prozesse der Prostata 
konstatiert. Überall Unmengen von Tuberkelbacillen. 

Für die histologische Untersuchung wurde ein Stück des grossen 
weissen Knotens im rechten Herzen in Formol gehärtet und später in Celloidin 
eingelegt. Im mikroskopischen Präparat sieht man, dass das Myokard überlagert 
ist von einer Schwarte, welche durch die Verwachsung von Perikard mit Epikard 
entstanden ist. Eine deutliche Grenze zwischen diesen beiden Häuten ist natür¬ 
lich nirgends mehr zu erkennen, weil ja doch das Zugrundegehen der einander 
gegenüberliegenden Endothellagen Vorbedingung für die Verwachsung war. Das 
Perikard stellt sich in der Hauptsache als breite sehr gefässreiche Bindegewebs- 
masse dar, durchzogen von mächtigen Zügen elastischer Fasern. Längs der Ge¬ 
fässe findet man teils mächtigere, teils kleinere Anhäufungen von kleineren Rund- 
zellen. Die grössten Zellhaufen liegen den grösseren Gefässen an, kleinere liegen 
frei zwischen den elastischen Fasern. An den allerkleinsten Gefässen sieht man 
hier und dort nur eine oder wenige Rundzellen der Aussenwand anliegen. Bei 
solchen Zellhaufen ist der Charakter der Zellelemente nicht immer ein gleich- 
mässiger. Vorwiegend sind es kleine Rundzellen, welche die Hämatoxylin- 
färbungen vorzüglich angenommen haben, dazwischen finden sich aber auch 
grössere Zellen, von mehr blasigem Aussehen mit sehr schwach gefärbtem oder 
sehr kleinen Kern. Schliesslich findet man auch hier und da eine kreisförmige 
Anordnung stark gefärbter Zellkerne, ohne dass man jedoch von typischen Riesen¬ 
zellen sprechen dürfte. Die Lage dieser auffallenden Veränderungen in der Gegend 
der grösseren Gefässe und ziemlich in der Mitte der perikardialen Verdickung 
lässt der Schluss zu, dass man gerade hier die Gegend des früheren Perikar¬ 
dialraumes anzunehmen hat. Ausdrücklich ist hervorzuheben, dass auch in den 
stärkeren Infiltrationsherden nirgends bedeutendere regressive Veränderungen der 
Zellen sich erkennen lassen, dass besonders eine Verkäsung nirgends eingetreten ist. 



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9] Üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 395 

Höchst interessant sind die weiteren mikroskopischen Befunde an 
der Muskelpartie der Herzwand. Während bei normalen Herzen die 
Gefässe, welche vom oder zum visceralen Blatte des Perikards gehen, in ein 
grossmaschiges Gewebe eingelagert sind, das sich zwischen die Muskelbündel 
einsenkt, so findet man in diesem Falle dieses feine lockere Gewebe vollständig 
verschwunden. Der Raum um die Gefässe ist ausgefüllt mit massenhaften An¬ 
häufungen von Rundzellen, welche hier und dort durchsetzt werden von kleinsten 
Gefässen, die als solche durch die regelmässige parallele Anordnung platter Endo¬ 
thelzellen gekennzeichnet sind. Solche kleinste Gefässchen sind es auch, die sich 
zwischen die Muskelfasern in die normalerweise scharf abgegrenzten Muskel¬ 
bündel einsenken und so ein Bild entstehen lassen, das bald nur eine oder zwei 
Muskelzellen zwischen diesen Rundzellenmassen erkennen lässt. 

Die Muskelelemente selber sind auffallend wenig verändert. Überall 
gute Kernfärbung und gute Querstreifung der Fasern. Nur dort, wo die Muskel¬ 
zellen ganz vereinzelt liegen, sieht man undeutliche Kernfärbung und mangelhafte 
Zellgrenzen. Am stärksten sind die oben beschriebenen pathologischen Verände¬ 
rungen in der Nähe des Epikards. Aber auch die Mitte der Muskel wand ist nicht 
frei. Es lokalisiert sich hier die Leukocyteninfiltration nur mehr zwischen den 
einzelnen Muskelnbündeln und weniger in denselben. Gegen die Innenseite des 
Herzens zu ändert sich aber das Bild wieder. An zwei Muskelbündeln die zu 
den Papillarmuskeln gehen, wird alsdann die Infiltration kolossal stark. Hinter 
einem breiten Rundzellenwall sieht man dann typische Riesenzellen und weit 
ausgedehnte Käsemassen. Die Muskulatur ist teils derartig verdrängt, dass der 
unter dem Endokard gelegene Muskelstreifen immer schmäler wird, teilweise sind 
nur noch am Rande gegen das Herzinnere zu einzelne versprengte entartete 
Muskelzellen zu erkennen. In der Trabekularmuskulatur, an Querschnitten von 
Sebnenfäden und unter dem Endothel des Endokards sind einige kleine Haufen 
typischer Rundzellen zu erkennen. Wenn es sich hier auch nur um kleine Rundzellen 
handelt und nirgends Zellen epitheloiden Charakters zu entdecken sind, so wird man 
diese pathologische Veränderung doch auch als eine tuberkulöse bezeichnen dürfen. 

An dem Präparate, das gleich nach der Sektion gemacht wurde, konnten 
die Tuberkelbacillen mit Leichtigkeit nachgewiesen werden. Die grösste Anzahl 
von Bacillen lagen in der Peripherie des grossen Käseknotens und zwar in 
nächster Nähe des Endokards, wurden aber auch durch die ganze Dicke der 
Muskulatur nicht vermisst. Im Perikard fanden sich die meisten Stäbchen an der 
Grenze gegen die Muskulatur und in den Bindegewebszügen, welche von der 
Muskulatur dem Pericard zugingen. 

Hier handelt es sich also um das deutlichste Bild eines grossen 
tuberkulösen Käseknotens, der von der Muskulatur ausgeht. Ausser¬ 
dem findet man aber auch die diffuse tuberkulöse Infiltration und 
miliare Tuberkel unter dem Endocard. Bemerkenswert ist besonders 
der Befund von Rundzellenanhäufungen in Sehnenfäden, der in keiner 
Beobachtung der Literatur beschrieben ist. Es wird also nicht nur 
durch das Zusammentreffen von Verkäsung und diffuser Infiltration, 
sondern auch durch diesen Nebenbefund an den Sehnenfäden dieser 
letzte Fall zu einem ganz besonders auffallenden gestempelt. 

Ist man nun berechtigt auf grund dieses anatomischen Befundes 
die pathologischen Veränderungen des Herzmuskels als die erste ört- 


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396 


Dr. Stephani. 


[10 


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liehe Erkrankung des Gesamtkörpers aufzufassen? Bei der Erörte¬ 
rung dieser Frage sollen ausser den sonstigen vorliegenden patholo¬ 
gisch-anatomischen Befunden auch die klinischen Symptome etwas 
eingehender betrachtet werden. 

Die gleichmässige Ausbreitung, das Ergriffensein sämtlicher Or¬ 
gane, sowie die Massenhaftigkeit der Bacillenbefunde in allen Teilen 
des Körpers macht es am wahrscheinlichsten, dass die Überschwem¬ 
mung des Körpers mit Infektionsmaterial direkt vom Herzblut aus 
erfolgt ist. Diese Annahme wird durch den anatomischen Befund 
gestützt, welcher uns zeigte, dass nicht an allen Stellen über dem 
tuberkulösen Knoten der endokardiale Überzug vollständig intakt 
ist. Sah man doch die Endothelzellen und die bindegewebige Mem¬ 
bran des Endokards teilweise aufgelockert und desquamiert. Ausser¬ 
dem war die grösste Bacillenansammlung direkt unter dem Endokard 
gelegen. 

Neben der Miliartuberkulose fand sich noch bei der Sektion eine 
dicke pleuritische Schwarte links mit grösseren Käseknoten, kleine 
Höhlen mit rahmigem Eiter im linken Oberlappen und geringe mar¬ 
kige Schwellung der bronchialen Lymphdrüsen. 

Alle übrigen pathologischen Befunde zeigten aber keine so starken 
Veränderungen, dass man hätte sagen können: dieser oder jener Herd 
ist sicher älter als der grosse Tuberkelknoten in der Herzmuskulatur. 
Da man jedoch weiss, dass ein tuberkulöser Herd je nach der Be¬ 
schaffenheit des umgebenden Gewebes das eine Mal früher, das andere 
Mal später in das Stadium der Verkäsung übergeht, und dass auch 
die Grösse des Knotens keine sichere Altersbestimmung zulässt, so 
wird es wohl dahingestellt bleiben müssen, ob es sich hier um eine 
primäre Myocarditis tuberculosa gehandelt hat. 

Ehe ich dazu übergehe den vorliegenden Fall auch klinisch zu 
besprechen, will ich nur kurz die Frage streifen, ob eine primäre 
Herztuberkulose überhaupt Vorkommen kann. 

In der Literatur sind es drei Fälle, die mit einigem Recht als 
primäre Myocarditis tuberculosa bezeichnet wurden. Das sind die 
Mitteilungen von Demme, Noel und Knopf. 

Der erste Fall, dessen Einzelheiten aus der Zusammenstellung zu 
ersehen sind (Fall 19), scheint mir absolut beweisend zu sein. 

Ob der Einwurf, den Labbe 1 ) gemacht hat, dass die Unter¬ 
suchung der übrigen Organe eine ungenügende war, wirklich berech¬ 
tigt ist, scheint mir nach der Originalarbeit von Demme nicht voll¬ 
ständig gerechtfertigt. Nach Labbe soll auch die histologische 

i) Labb£, Revue des maladies de l’enfance 1896, cit. nach Fuchs. 


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11] Üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 397 


Untersuchung fehlen, während De mm e doch einen positiven Tuberkel¬ 
bacillenbefund angibt. 

In dem Falle von Noöl sind zu wenig andere Einzelheiten mit¬ 
geteilt, als dass ich ihn zum Beweise beiziehen möchte. 

Die Veröffentlichung von Knopf war mir im Original nicht zu¬ 
gänglich. Die Knoten im Herzen waren dort aber nicht grösser wie 
eine Erbse oder eine Traubenbeere. Ausserdem bestand allgemeine 
Miliartuberkulose. Absolut beweisend ist eine derartige Beobachtung 
für primäres Vorkommen der Tuberkulose im Herzmuskel jedenfalls 
auch nicht. 

Und dennoch wird man die Möglichkeit, dass ein charakte¬ 
ristischer tuberkulöser Herd im Herzmuskel entsteht, ehe ähnliche 
Veränderungen im Körper nachzuweisen sind, nicht ableugnen können. 
Sehen wir doch primäre, solitäre tuberkulöse Erkrankungen auch 
an anderen Stellen, bei welchen man ebenfalls gezwungen ist, einen 
sehr weiten und komplizierten Transportweg des Infektionsmateriales 
anzunehmen wie z. B. die tuberkulösen Periosterkrankungen oder 
solitäre Tuberkel des Gehirns, der Augen u. s. w. 

Bei den Erwägungen über den Weg, welchen die Infektion bei 
einer Myocarditis tuberculosa gehen kann, kommen drei Möglich¬ 
keiten in Betracht. 

1. Direktes Übergreifen tuberkulöser Knoten auf Perikard und 
Myokard. 

2. Zuführung des Infektionskeimes durch den Blutweg. 

3. Zuleitung auf den Lymphwegen. 

Die meisten Autoren haben sich dahin ausgesprochen, dass sie 
die Verbreitung auf dem Lymphwege für den häufigsten Modus 
halten. 

Die nachstehende Zusammenstellung zeigt auch das häufige Zu¬ 
sammentreffen von Pericarditis und Myocarditis tuberculosa. 

Welcher von diesen Prozessen bei einem solchen Zusammen¬ 
treffen der primäre ist, wird sich im Einzelfalle nicht immer mit 
Sicherheit entscheiden lassen. 

Nun wäre noch zu erörtern, ob eine so hochgradige Muskeler¬ 
krankung vollständig symptomlos verläuft und ob sie erst dann Krank¬ 
heitserscheinungen macht, wenn die Propagation des Prozesses ein¬ 
getreten ist? Es wird sich fragen, ob die genauere Krankengeschichte 
Anhaltspunkte gibt, welche auf eine Erkrankung der Herzmuskulatur 
bezogen werden dürfen, und ob solche Symptome schon lange vor 
dem Tode zu konstatieren waren. Im Anschluss daran mögen einige 
Erörterungen über das klinische Bild der Myocarditis tuberculosa 


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398 Dr. Stephani. 12] 

Platz linden, wie es sich bei anderen Fällen aus der Literatur 
darstellte. 

Die Krankengeschichte, die mir durch die Liebenswürdigkeit des 
Herrn Geheimrat Erb zur Verfügung gestellt wurde, gebe ich im 
Auszug wieder. 

Der 18 Jahre alte Patient war erblich nicht in der geringsten Weise be¬ 
lastet und war selbst immer vollständig gesund, bis im Jahre 1899, wo er zum 
erstenmal von einen acht Tage dauernden Lungenkatarrh befallen war, welcher 
aber ausheilte, ohne Husten oder Auswurf zu hinterlassen. Erst mit Beginn des 
Jahres 1901 stellten sich als erste Krankheitsymptome abends beim ins Bett 
gehen, Husten, Schmerzen auf der rechten Seite, Appetitmangel etc. ein. Diese Be¬ 
schwerden steigerten sich bis Anfang Februar so sehr, dass Pat. schon zu Hause das 
Bett aufsuchte. Da mehr Hustenreiz, intensivere Schmerzen, Morgenschweisse 
und stärkeres Herzklopfen auftrat, suchte der Pat. am 15. Februar 1901 die hie¬ 
sige medizinische Klinik auf. Der Status präsens ergab bei der Aufnahme eine 
rechtsseitige Pleuritis. Die Lungenspitzen waren frei, keine Cyanose. Über den 
Herzbefund heisst es: Herzspitzenstoss in der linken Mamillarlinie etwas ver¬ 
breitert und hebend, Grenzen normal, dritte bis sechste Rippe, linker Sternalrand 
und linke Mamillarlinie. Töne rein, zweiter Pulmonalton etwas laut, Herzaktion 
kräftig, etwas erregt und frequent. Verhalten des Pulses und der Temperatur 
soll unten im Zusammenhang wiedergegeben werden. 

Das Ergebnis der objektiven Untersuchung änderte sich in den nächsten Tagen 
nur wenig. Es wurden jedoch am zweiten und dritten Tage nach der Aufnahme 
starke stechende und spannende Schmerzen an den Rippenbögen beiderseits und 
über dem Epigastrium geklagt. Am 18. Februar wurde ein einziges Mal leises 
Frottement links über der Spitze und vorn unten notiert. Die Herzaktion wird 
verschiedentlich ausdrücklich als kräftig und gut notiert. Am 20. Februar wird 
ausser der Dämpfung des Perkussionsschalles rechts hinten auch die rechte 
Lungenspitze suspekt gefunden. Links findet sich nichts. Aber schon bei der 
Untersuchung am folgenden Tage konnte auch über der rechten Lungenspitze 
nichts sicheres festgestellt werden, so dass wieder ausdrücklich bemerkt ist: 
„beide Spitzen frei“. Die gleiche Bemerkung findet sich am 12. März. Cor, Töne 
rein, laut, Aktion etwas beschleunigt. Am 16. März ist über das Herz bemerkt, 
Grenzen nicht verbreitert, Herzaktion etwas beschleunigt, Töne rein. Unter den 
weiteren Aufzeichnungen scheint mir erst wieder die Angabe vom 3. April wichtig 
zu sein, dass die Ordination von Liquor ferri albuminati, welche am 29. März 
gegeben war, weggelassen wurde, wegen der starken Pulsfrequenz. Auf seinen 
eigenen Wunsch wurde der Pat. am 6. April entlassen. An diesem Tage war 
der Herzbefund folgender: Spitzenstoss im 5. J. C. R. vor der Mamillarlinie und 
etwas nach rechts verbreitert. Grenzen dritte bis sechste Rippe, linke Mamillar¬ 
linie und linker Sternalrand. Töne rein, Puls regelmässig, aber wie immer be¬ 
schleunigt. Niemals war Albumen, niemals Tuberkelbacillen im Sputum mit Be¬ 
stimmtheit nachzuweisen. Trotzdem der Mann sich noch nicht ganz wohl fühlte, 
arbeitete er doch wieder acht Wochen. Vom 25. Mai 1901 an, traten heftige 
Kopfschmerzen auf. Aber trotz geringer Benommenheit und Verwirrtheit wurde 
noch am 27. Mai 1901 der Versuch gemacht zu arbeiten. Am 28. Mai 1901 
wurde der Pat. vollständig somnolent in die Klinik eingeliefert. Aus der ein¬ 
gehenden Untersuchung soll nur wieder der Herzbefund hervorgehoben werden. 
Spitzenstoss sichtbar in 5. J. C. R. Grenzen dritte bis sechste Rippe, linker 



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13] Üb. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 399 


Sternalrand und linke Mamillarlinie. üerzaktion kräftig und regelmässig. Herz¬ 
töne laut und rein, keine Accentuierung des zweiten Pulmonaltones. Cyanose 
bestand nicht. Dieser Zustand verschlechterte sich mehr und mehr. Die Herz¬ 
tätigkeit war immer gut. Cyanose trat erst am siebten Tage vor dem Exitus 
letalis auf, welcher am 10. Juni vormittags 6 Uhr erfolgte. Die Diagnose war 
klinisch wie schon oben bemerkt auf Meningitis cerebrospinalis und Miliar¬ 
tuberkulose gestellt worden. 

Im Zusammenhang mögen hier die Puls- und Fieberaufzeichnungen folgen: 


Dat. 

Temp. 

Puls 

' Dat 

Temp. 

Puls 

15. II. 

38,2 

90 

7. III. 

37,1 

84 

Ord. Priesnitz, 4 gr. Natr. Sal. tägl. 

i 

37,1 

120 

16. II. 

36,8 

90 

8. III. 

37,5 

92 


36,8 

108 


37,8 

84 

17. II. 

36,2 

72 

9. III. 

36,9 

88 


36,7 

92 


38,2 

104 

18. II. 

36,7 

96 

10. III. 

37,7 

126 


Ord. Jodpins, rechts 



36,7 

78 


36,5 

108 

i 11. III. 

37,6 

80 

19. II. 

87,3 

102 

j 

37,0 

104 


Ord. Jod auch links 


1 12. III. 

i 

37,2 

112 


38,0 

120 

1 

I 

37,3 

84 

20. II. 

37,0 

96 

13. III. 

37,1 

102 


37,6 

108 


37,3 

92 


Ord. Sal. weg. 


I 14. III. 

37,9 

108 

21. II. 

36,8 

108 

I 

37,5 

104 


37,3 

96 

! 15. III. 

36,8 

105 

22. II. 

36,8 

96 

i 

Ord. Jodpins. 



36,4 

90 

! 

37,0 

96 

23. H. 

36,6 

108 

! 16. III. 

36,8 

104 


36,8 

96 

1 

37,2 

96 

24. II. 

37,4 

102 

17. III. 

37,2 

90 


37,3 

84 

Ord. 

Schmierseifeneinreibung 

25. II. 

37,0 

96 


37,4 

90 


37,1 

96 

| 18. III. 

36,2 

104 

26. II. 

36,9 

102 


36,7 

104 

28. II. 

37,3 

96 

| 19. III. 

36,9 

100 


37,2 

108 


37,0 

90 

1. III. 

37,6 

108 

1 20. III. 

36,9 

84 


38,4 

108 

1 

37,5 

96 

2. III. 

37,6 

108 

21. III. 

37,8 

108 


37,1 

92 


36,6 

94 

3. III. 

37,7 

92 

22. III. 

37,5 

96 


37,4 

72 


36,7 

90 

4. III. 

38,9 

120 

23. III. 

36,9 

88 


37,8 

90 


36,5 

84 

5. III. 

37,6 

102 

24. III. 

37,5 

90 

Ord. 

1 gr. Aspirin 3 mal tägl. 


36,3 

114 


36,5 

105 

1 25. III. 

36,9 

114 

6. III. 

37,6 

108 


36,0 

102 


36,2 

108 





Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. I. H. 4. 27 


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400 


Dr. Stephani. 


[14 


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Dat. 

Temp. 

Puls 

Dat. 

Temp. 

Puls 

26. III. 

37,5 

110 i 

1. IV. 

36,7 

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27. III. 

36,5 

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2. IV. 

36,5 

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112 

3. IV. 

36,8 

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36,6 

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| Ord. Fe., 

Natr. Brom 1,0 Abends, Tct. 

29. III. 

36,5 

132 

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Ord. Aspirin ausgesetzt. 

Liq. ferri alb. 


36,0 

132 

8 mal täglich 1 Esslöffel. 

Schmierseifen - 

4. IV. 

36,5 

108 


einreibung. 



36,8 

114 


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120 

5. IV. 

36,6 

96 

30. III. 

36,8 

132 


36,8 

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108 ; 

6. IV. 

36,5 

99 

31. m. 

36,7 

104 





37,2 

— ; 





Ich bin bei der Darstellung der Krankengeschichte so eingehend 
gewesen, weil es schon im allgemeinen wünschenswert erscheint, dass 
genauere klinische Beobachtungen über so seltene Fälle in der Literatur 
niedergelegt werden, zumal wenn dem Krankheitsbild ein so auffallen¬ 
der pathologisch-anatomischer Befund zu gründe liegt. Die Pulszahlen 
hatten besonders im Anfänge deshalb etwas weniger auffallendes, weil 
ja bei Pleuritis gerade eine Pulsbeschleunigung häufig beobachtet 
wird, die bedingt ist durch die Kompression der grossen Gefässe im 
Thoraxraum. Es pflegt bei der Pleuritis aber doch immer eine an¬ 
nähernde Kongruenz der Puls- und Temperaturkurven zu bestehen. 
Hier war der Puls, der überdies immer als „gut“ bezeichnet wurde, 
auffallenderweise nicht nur beschleunigt, sondern merkwürdig un¬ 
gleich auf- und abschwankend durchaus nicht entsprechend der Höhe 
der Temperaturen. Besonders möchte ich auf den Wechsel der Puls¬ 
frequenz in den ersten Tagen hinweisen, und dann wieder auf die 
enormen Höhen des Pulsschlages am Schlüsse der Behandlung bei 
einer Temperatur zwischen 36,5 und 37,0. Auch die verschiedensten 
therapeutischen Massnahmen, hatten auf die Frequenz des Pulses gar 
keinen Einfluss. 


Bei der zweiten Aufnahme waren die Temperaturen und Puls¬ 
zahlen folgende: 


Dat. Temp. 

Puls 

Dat. 

Temp. 

Puls 

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114 

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38,0 

120 

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38,6 

96 

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37,2 

96 

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102 


38,3 

112 

Ord. Heiss. Bad. 


2. VI. 

38,4 

118 

38,5 

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38,1 

96 


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15] Ub. d. Vorkomm. v. gross. Konglomerattuberkeln in d. Herzmuskulatur. 401 


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Temp. 

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Dat. 

Temp. 

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7. VI. 

37,4 

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38,4 

96 


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4. VI. 

38,0 

102 

8. VI. 

37,5 

132 


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5. VI. 

37,8 

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9. VI. 

37,0 

138 


37,8 

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37,4 

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6. VI. 

37,8 

96 

10. VI. 

Exitus. 


Ord. Heisses Bad mit 

kalt. Übergiess. 





37,7 

114 

i 



Also 

auch hier das gleiche 

Bild. Man 

muss nur in 

Betracht 


ziehen, dass das vorherrschende Krankheitsbild das der bestehenden 
Menningitis war. So lässt sich auch die sattelförmige Einsenkung 
der Pulszahlen vom 2. bis 6. VI. gut verstehen, welches ja für diese 
Erkrankung gerade pathognostisch wichtig sein soll (Heubner). In 
dieser Einsenkung wurde bei anderen Fällen aber doch nur Ziffern 
von 50—60 Pulsschlägen beobachtet, so dass wir bei den vorliegenden 
Zahlen zwischen 84 und 108 deutlich die konstante Beschleunigung 
erkennen müssen. 

Zum Schlüsse dieser Ausführungen möchte ich besonders betonen, 
dass ich weit entfernt bin, ein derartiges Verhalten des Pulses als 
etwas Charakteristisches für die Herzmuskelerkrankung zu bezeichnen. 
Ich möchte nur feststellen, dass diese auffallenden Erscheinungen 
wohl berechtigt eine Erkrankung des Myokards vom ersten Tage 
der Behandlung an in den Bereich der diagnostischen Erwägung zu 
ziehen. 

Es ist aber auch klar, dass bei einer streng begrenzten Er¬ 
krankung der Herzmuskulatur die klinischen Erscheinungen sehr ver¬ 
schieden sein müssen. Ein tuberkulöser Knoten, der die Öffnung 
irgend eines Herzostiums verengt oder verlegt oder ein grösseres Ge- 
fäss komprimiert, wird natürlich ganz andere klinische Symptome 
machen, wie eine pathologische Veränderung des Septums oder an 
der Herzspitze. So ist auch die Verschiedenheit der in der Literatur 
niedergelegten klinischen Beobachtungen leicht erklärt. 

Auf das klinische Bild gehen verschiedene Autoren besonders 
ein. Überall sind nur ganz unbestimmte Herzsymptome angegeben. 
Dyspnoe, Cyanose, Veränderungen des Pulses und nur in einer ein¬ 
zigen Beobachtung — in der von Polläck — ist ein kleiner Puls 
von 70 Schlägen angegeben. Dort sass der tuberkulöse Knoten auch 
in der Scheidewand der Vorhöfe. In allen übrigen Beobachtungen 
ist die Pulszahl als auffallend beschleunigt angegeben, öfter unregel¬ 
mässig und wechselnd, nicht nur in der Quantität, sondern auch in 
der Qualität. Für unsere Beobachtung möchte ich, wie bereits oben 

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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



402 


Dr. Stephani. 


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erwähnt, neben der ständigen Beschleunigung noch den raschen Wechsel 
zwischen den einzelnen Beobachtungen und die Inkongruenz mit der 
jedesmaligen Körpertemperatur als bemerkenswert hervorheben. 

Sowohl der perkutorische als auskultatorische Befund war in den 
meisten Fällen negativ. Das übereinstimmende Urteil der Autoren 
geht deshalb dahin, dass es unmöglich ist, eine sichere Diagnose auf 
derartige Herzveränderungen zu stellen. Die klinischen Tatsachen 
reichen höchstens dazu aus, bei der Stellung der Diagnose eine patho¬ 
logische Veränderung des Herzmuskels ins Bereich der Möglichkeit 
zu ziehen. Bei der Vieldeutigkeit der Symptome diese vermutete 
Veränderung als tuberkulös zu bezeichnen, wird auch für solche 
Fälle nicht gestattet sein, bei denen eine andere tuberkulöse Er¬ 
krankung vorliegt. Denn es gibt viele Erkrankungen des Herzmuskels, 
.welche sich überhaupt nicht anatomisch, sondern nur klinisch nach- 
weisen lassen, besonders auch bei tuberkulösen Veränderungen irgend 
welcher Art. Es berechtigt also auch die Diagnose anderweitiger 
Tuberkulose nicht dazu, nach solchen Symptomen eine spezifische 
Herzmuskelerkrankung zu diagnostizieren. 

Zum Schlüsse lasse ich noch eine Zusammenstellung aller in der 
Literatur bekannter Fälle von Myocarditis tuberculosa folgen. Bei 
der Benutzung der Sängersehen Zusammenstellung und bei der Ein¬ 
reihung der später publizierten Fälle, bin ich von den Gesichts¬ 
punkten ausgegangen, die ich oben erwähnt habe. Es erschien mir 
auch zweckmässig, der Übersicht halber eine andere Rubrizierung der 
spezielleren Befunde eintreten zu lassen. In der ersten Spalte befindet 
sich neben dem Geschlecht und Alter des Kranken der Name des Autors 
und die Literaturangabe. In der zweiten Rubrik folgen die Angaben 
über das Krankheitsbild, dann wurde die Lokalisation der Erkrankungs¬ 
herde nach den vier Herzabschnitten geordnet. Besondere Berück¬ 
sichtigung fand dann das Verhalten von Peri- und Endokard und 
schliesslich habe ich das wichtigste der übrigen Sektionsbefunde be¬ 
merkt. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



Zusammenstellung aller in der Literatur bekannter Fälle 
von Konglomerattuberkeln des Myokards. 


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Dr. Stephani. 


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Bei dieser Zusammenstellung waren also in 8 Fällen das Ge¬ 
schlecht überhaupt nicht bemerkt. In 16 Fällen handelte es sich um 
männliche, in 12 Fällen um weibliche Individuen. 

Betreffs des Lebensalters waren mehr als aller Fälle Kinder 
unter 10 Jahren. Die anderen verteilen sich auf die übrigen Lebens¬ 
alter. Im Speziellen waren im 

1. Dezennium 10, 

2 - „ 6 , 

3. , 5, 

4 - * 1 , 

5. „ 2, 

6 . * 4 , 

7. „ 3, 

bei 5 Fällen war gar keine Altersangabe. 

Betreffs der Lokalisation der Erkrankung am Herzen ist in 
8 Fällen gar keine Lokalisation angegeben. 18 mal ein Herzab¬ 
schnitt, in 7 Fällen waren zwei, in 3 Fällen zwei, in 1 Fall alle 
Herzabschnitte erheblicher erkrankt befunden worden. Das rechte 
Herz war 22 mal, das linke 12 mal Sitz der pathologischen Verände¬ 
rung. Einmal war das Septum atriorum, und dreimal das Septum 
ventriculorum alteriert. Die Scheidewand zwischen Kammer und 
Vorhof war rechts dreimal, links einmal erkrankt. Die Septum¬ 
erkrankungen wurden denjenigen Herzabschnitten zugerechnet, in 
denen sich auch noch andere Veränderungen fanden. Rechter Vor¬ 
hof ist 11 mal und rechter Ventrikel 8 mal erkrankt. Der linke Vor¬ 
hof ist 1 mal, 11 mal der linke Ventrikel bedeutender erkrankt. Die 
Vorhöfe waren 14-, die Ventrikel 20 mal erkrankt. 

Aus diesen Zusammenstellungen ist nur zu entnehmen, dass in 
ganz auffallenderweise bei jungen Individuen diese Krankheitsver¬ 
änderungen festgestellt werden konnten, und dass die tuberkulöse 
Erkrankung sich meist am rechten Herzen lokalisierte. 

Betreffs der Miterkrankung des Perikards befinden sich über 
diesen Punkt 5 mal gar keine Angabe, 7 mal ist der Herzbeutel aus¬ 
drücklich als frei bezeichnet worden, 23 mal ist das Perikard mit¬ 
erkrankt und zwar meistens in Form einer vollständigen Adhäsiv- 
pericarditis. 

Betreffs des endokardialen Überzuges befindet sich 16 mal über¬ 
haupt keine Erwähnung. 12 mal wurde das Endokard aber ausdrück¬ 
lich als „frei" bezeichnet und in 8 Fällen war auch dieses miter¬ 
krankt. 1 mal in Form einer diffusen Verdickung und gelblichen 
Verfärbung, 5 mal waren ausdrücklich Geschwüre konstatiert worden, 



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2Pf Üb. d. Vorkomm. v gross. Kongloraerattuberkelh in d. Herzmuskulatur. 415 


während es sich in den übrigen Beobachtungen nur um kleine Knötchen 
des Endokards handelte. 

Die Erkrankungen des übrigen Körpers waren sehr verschieden 
stark. In 15 Fällen bestand aber eine mehr oder weniger ausge- 
brcitete Miliartuberkulose. Für diejenigen Fälle, in denen am EndoT 
kard selber pathologische Veränderungen in Form von Lockerung 
oder Defekten des Epithels gefunden wurde, darf wohl die Er¬ 
krankung des Herzmuskels als Ausgangspunkt für die Miliartuber¬ 
kulose bezeichnet werden. Zweimal waren im übrigen Körper keine 
anderen tuberkulösen Erkrankungen überhaupt zu finden. Von diesen 
zwei Fällen ist der von Dem me (19) ausführlich beschrieben, während 
es sich in dem Falle von Noel (24) nur um eine kurze Erwähnung 
handelt. Da in diesem letzteren Falle auch sonstige genauere Einzel¬ 
heiten nicht angegeben sind, habe ich Anstand genommen, auch 
diesen zweiten Fall als absolut sichere primäre Erkrankung des 
Myokards zu bezeichnen. 


Literatur. 


1. Albert, Ein Fall von Tuberkulose des Herzens. Dissertation, Kiel 1883. 

2. Bariö, Semaine medical: La tuberculose du coeur 1896, p. 485. 

3. Brosch, Anton, Ein Fall von Herztuberkulose mit typischem Weil sehen 
Symptomenkomplex. Wiener med. Presse 1896, p. 235. 

4. Claessen, Über tuberkulöse, käsige, schwielige Mediastino-Pericarditis und 
Tuberkulose des Herzfleisches. Deutsche med. Wochenschr. 1892, Nr. 8. 

5. Demme, 24. Bericht über das Jennersche Kinderhospital in Bern. 1886, 

p. 2 1 . 

6. Fontoymont, Tuberculose du myocard. Bullet, de la sociötö anatomique. 
Annöe 72, 1897, p. 101. 

7. Fuchs, De la tuberculose du Myocarde. These de Paris 1898. 

8. v. Generisch, Zwei seltene Fülle von tuberkulöser und syphilitischer Er¬ 
krankung des Herzmuskels. Ungar, med Presse Jabrg. II. 1897. 

9. Hirschsprung, Jahrbuch für Kinderheilkunde. Bd. XVIII. 1882, p. 285. 

10. Kolb, Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien, 1860, p. 218. 

11. Lahhe, Bulletin de la societe anatomique de Paris — Tuberculose du myo¬ 
card. Annöe 71, 1896, p. 235. 

12. Lueken, Zeitschrift für rationelle Medizin. Bd. III, 1865. 

13. Natlian-Larrier, Bulletin de la societe anatomique de Paris. Ann6e 72. 
1897, Nr. 12. 

14. Noel, Bulletin de la societe anatomique de Paris, Bd. VI. 1892, Sitzung v. 
20. V. 1892. Ref. Centralbl. f. allgem. Pathologie 1893. 

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416 Dr. Stephani. Üb. d. Vorkomra. v. gross. Konglomerattuberkeln etc. [30 

15. Ny ström, Über die Lymphbahnen des Herzens. Archiv für Anatomie und 
Physiologie, Anatomische Abteilung, 1897. 

16. Päron, Tuberculose du myocard. Annöe 72. 1897. p. 824—826. Bull, de la 
ßoc. anat. 

17. Polläck, Zeitschrift für klinische Medizin, XXI, 1892. 

18. Püschmann, Beitrag zur pathologischen Anatomie der Herztuberkulose. 
Dissertation, Leipzig 1896. 

19. v. Recklinghausen, Virchows Archiv 18. Bd. 16. ^ 

20. Reimer, Jahrbuch für Kinderheilkunde. X. 1876, p. 245. 

21. Sänger, Über Tuberkulose des Herzmuskels. Archiv der Heilkunde, Jahrg. 
XIX. 1878, p. 448. 

22. Schürhoff, Centralblatt für allgemeine Pathologie und pathologische Ana¬ 
tomie, 1893, IV. Heft 5. 

23. Steffen, Klinik der Kinderkrankheiten, Berlin 1889, Bd. III, p. 90. 

24. Valentin, Contribution a l'ötude de la Tuberculose myocardique. Thfcse 
de Paris 1894. 

25. Waldeyer, Vircbows Archiv 1866 Bd. 32, p. 218. 

26. Weber, Dissertation, Freiburg 1889. 

27. Weigert, Die Wege des Tuberkelgiftes zu den serösen Häuten. Deutsche 
med. Wochenschrift 1883, Nr. 31/32. 




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